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I
3(K)066
Der
Grolse Kurfürst
Martin Philippson.
Dritter Teil: 1660 bis 1688.
Berlin.
Verlag Siegfried Cronb.Tcli.
1903.
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Der
GroXse Kurfürst
Martin Philippson.
Dritter Teil: 1660 bis 1688.
Berlin.
Verlag Siegfried Cronbacb.
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Vorwort.
Hiermit erscheint der dritte, abBchliefsende Band der Ge-
schichte des Grofsen KurfQrsten.
Er enthält zunächst die Darstellung der inneren Verhält-
nisse des Kurhauses und des Eurstaates in den Jahren 1660 bis
1688. Die einschlägige Entwicklung vom Frieden von Oliva
bis zum Tode Friedrich Wilhelms ist eine so zusammenhängende,
und ihre Einzelheiten greifen so eng ineinander, dafs ich hier
keine Trennung nach kürzeren Zeiträumen vornehmen mochte.
Sie umfafst die Vorbereitung und teilweise Durchführung des
landesherrlichen Absolutismus sowie des Beamten- und Polizei-
staates in Brandenburg-Preufsen ; die Erkenntnis und tunliche
Verwirklichung der Aufgaben des modernen Staates in der
Gewerbe- und Handelspolitik, in gleichmäfsiger Gerechtigkeits-
pflege und Religionsfreiheit; die Ausbildung des Heerwesens
und die Gründung einer See- und Kolonialmacht. Erst seit
1660 fand Friedrich Wilhelm die Mufse und die Mittel, an die
Ausführung seiner originellen und weitgehenden Gedanken für
die innere Gestaltung seines Staates zu gehen. Deshalb war
dieser Gegenstand im ersten Bande nur kurz behandelt und er-
hält jetzt eine zusammenhängende und hoffentlich entsprechende
Würdigung. Man besitzt für die innere Geschichte Branden-
burg-Preufsens während der letzten 28 Jahre des Grofsen
Kurfürsten tüchtige, zum Teil hervorragende und bedeutende
Vorarbeiten, aber nichts Zusammenfassendes und Vollständiges,
und ich sah mich deshalb veranlafst, vorzüglich für das Heer-
wesen, für die Anfänge der Seemacht und die Finanzverwaltung,
unveröffentlichte Akten aus dem Kriegsministerium, dem Ge-
heimen Staatsarchive und der Königlichen Bibliothek zu Berlin
IV Vorwort.
heranzuziehen. Sie lieferten reiches Material, ganz besonders
für die Geschichte des Kriegskommissariats, das bald das ge-
samte Verwaltungssystem Preufsens umgestaltete und dessen
wichtigste Behörde wurde. Die ganze Darstellung mufs die
grundlegende Wichtigkeit der Regierung Friedrich Wilhelms für
die Fortentwicklung des preufsischen Staatswesens erweisen.
Die zweite Abteilung dieses Bandes bringt die Darstellung
der auswärtigen Politik vom Frieden zu St. Germain bis zum
Tode des Kurfürsten. Ich mufste mir hier die Frage vorlegen,
ob ich nicht besser daran tun würde, die Veröffentlichung des
19. Bandes der ;, Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des
Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg" abzuwarten.
Allein der Herausgeber, Herr Prof. Ferd. Hirsch, teilte mir
gütigst mit, dafs dieser Band keinesfalls vor dem Schlüsse des
Jahres 1904 erscheinen würde ; auch wird er sowohl der Zeit wie
den Gegenständen nach nur einen Teil der Urkunden enthalten,
die ich für meine Arbeit benutzt habe. Ich zog es deshalb vor,
mit dieser nicht länger zurückzubleiben. Meine Darstellung
mufste also hier zum überwiegenden Teile auf unveröffent-
lichtes Material begründet werden. Die Königliche Bibliothek
in Berlin gewährte mir die handschriftliche Münzgeschichte von
Magirus, ferner Etats für Heer und Marine, Koloniales. Das
Archiv des Kriegsministeriums brachte Materialien zur Ver-
waltung nicht nur des Heeres, sondern auch der Finanzen. Im
Geh. Staatsarchiv endlich konnte ich einsehen: die Korrespon-
denz Derfflingers mit Hessen - Homburg über die inneren Zu-
stände des Heeres; das Tagebuch des älteren Schwerin; den
schriftlichen Nachlafs Meinders' ; das Tagebuch des Herzogs von
Groy, dessen Bedeutung freilich mehr auf dem Gebiete der ost-
preufsischen Provinzialgeschichte liegt; die diplomatische Kor-
respondenz Spanheims aus Frankreich und England, sowie
Bessers aus England; die Pfälzischen Miszellaneen , mit der
diplomatischen Korrespondenz Mandelslohs; die Aktenstücke,
betreffend Kurköln, Spanien und die Niederlande, vorzüglich die
Sendung Fuchs' nach Holland 1684 und 1685, die nunmehr zum
ersten Male in authentischer Weise dargestellt werden konnte;
Kopien aus dem belgischen Staatsarchive, sowie Kopien und
Auszüge aus dem Archive des französischen Ministeriums des
Auswärtigen, die zumal die diplomatische Korrespondenz
B^benacs enthalten. Es ist mir eine angenehme Pflicht, den
Vorwort. V
Herren Beamten der Königlichen Bibliothek, des Archivs des
Kriegsministeriums und des Geh. Staatsarchivs zu Berlin für
ihre gütige Unterstützung meinen verehrungsvollen Dank aus-
zusprechen. Zumal Herr Staatsarchivar Dr. Erhard hat mir
mit vollendeter Sachkenntnis und unermüdlicher Gefälligkeit
beizustehen die Freundlichkeit gehabt.
Täusche ich mich nicht, so bringt meine Schilderung in
der Tat mancherlei neue Ergebnisse, nicht nur in den Einzel-
heiten, sondern auch in den allgemeinen Anschauungen und
Folgerungen: so unter anderem in Hinsicht der Beziehungen
des Kurfürsten zu Frankreich während der Jahre 1679 bis 1688,
so in betreff seiner Umtriebe in England gegen die Stuart , so
bezüglich seiner entscheidenden Verhandlungen mit Holland und
Oranien. Es wird dargetan, dafs der Grofse Kurfürst als der
erste das Unternehmen Wilhelms III. auf England angeregt
und gefordert hat. Man wird bestätigt finden, dafs die gesamte
Politik Friedrich Wilhelms im Zeiträume von 1679 bis 1685 noch
eine Folge seines von mir im zweiten Bande zum ersten Male
nachgewiesenen Grundirrtums während des holländischen Krieges
war: er hatte gemeint, Pommern den Schweden entreifsen zu
können, ohne zuvor seinen Verbündeten bei der Abwehr Frank-
reichs zu helfen. Aber in seinen letzten Lebensjahren macht
er sich entschlossen von den Nachwirkungen der Vergangenheit
frei und führt kühn seinen Staat wieder in die grofsen Bahnen
einer zukunftsreichen und segensvollen Politik.
Berlin, im Februar 1903.
M. PUllppson.
Sechstes Buch.
Der Grofse Kurfürst, sein Staat und
Volk, 1660—1688.
Philippgon, I>«r OrofiM KurfOrst. III.
Fünfunddreifsigstes Kapitel.
Der Grorse Kurfürst und sein Hof.
„Ich habe einen grofsen Kurfürsten des Reiches gekannt/
schreibt der dänische Diplomat Detlev von Ahlefeldt über Fried-
rich Wilhelm von Brandenburg, den er oft gesehen und ge-
sprochen hatte, in seinen Denkwürdigkeiten, „der in der Kunst
der Dissimulation sehr geübt, und wenn er guter Laune war,
gegen mich mehr als einmal diese Worte erwähnt hat:
Niemand, der kennt meinen Sinn,
Ob ich Fuchs oder Hase bin\"
^ Geheimerats Dr. v. Ahlefeld Memoiren, heransg. von L. Bob 6
(Kopenhagen 1896), S. 84. — Bericht des engl. Gesandten Southwell v. J.
1680 (Baum er, Beiträge zur neueren Gesch., in, 466). — Vgl. noch zu
dem folgenden die freilich mit grofser Vorsicht aufzunehmenden Berichte
des französ. Gesandten H^benao (Prutz, Aus des Grofs. Kurf. letzten
Jahren, 8. 155 ff.). — Von der Beurteilung Friedrich Wilhelms, die
K^benao in seiner, April 1688 für seinen Nachfolger Gravel entworfenen,
Denkschrift gibt (sie ist von Alb. Wad dington auszüglich in dem
Becueil des Instructions, Bd. XVT S. XLIVff., und vollständig Bevue
historique, Bd. LXXVm [1902], S. 72 ff., veröffentlicht^ habe ich keinen
Gebrauch gemacht. Die ganze Denkschrift strotzt von Irrtümern und
beweist, einen wie geringen Grad von Menschenkenntnis und Urteilskraft
der französ. Diplomat besafs. Hatte er schon im Dez. 1685 den schweren
Irrtum begangen, die Möglichkeit eines Anschlusses des Kurfürsten an
den Kaiser in Abrede zu stellen (Becueil XVI, XLII), so schildert er ihn
1688 als unbedingt friedliebend — wo er doch bereits zum Kriege gegen
Frankreich mit Oranien übereingekommen war. Der Kronprinz neigt
zur Sparsamkeit, ja zum Geiz I Danckelmann führt den Prinzen auf den
Weg engen Anschlusses an Frankreich l Marschall Schomberg hat „eine
starke Leidenschaft für die Interessen Frankreichs und seines Königs!
Und so weiter. Wie konnte Prutz ein ganzes Buch ausschliefslich auf
1*
4 Sechstea Bück.
Der komplizierte Charakter des EurfQrsten Iftfst sich in der
Tat nicht mit wenigen Worten erschöpfend bezeichnen. Es ist
leicht, ihn des Mangels an Folgerichtigkeit, seinen Darsteller
des Mangels an klarem und durchgreifendem Verständnis zu
beschuldigen. Die zahllosen Facetten seines Wesens werfen
eben das Licht in verschiedenster Färbung zurück. Man mufs
tiefer eindringen, um das Bleibende in ihm richtig zu verstehen
und zu beurteilen. Im Grunde war er ein frommer und sitt-
licher Mensch; das hat er in seinem tadellosen Privatleben
durchgehends bewiesen. Er hegte dabei echt deutsches Empfinden,
und sein Herz öffnete sich den Interessen des weiteren Vater-
landes. Allein er hielt es vor allem fttr seine ihm von Gott
auferlegte Pflicht, fttr die Gröfse und das Ansehen seines Staates
und fürstlichen Hauses zu sorgen und zu arbeiten. Dagegen
kam ihm nichts anderes in Betracht: wenn es sich um Staat
und Dynastie handelte, diente er weder Kaiser noch Reich, be-
achtete er weder Wahrheit noch Treue. Am liebsten stand er
mit dem allen im Einklang : allein wenn Brandenburgs Nut2eD
nach anderer Seite zu deuten schien, wandte er sich rttcksichts-
los dieser letzteren zu. Sobald man sich auf solchem Standpunkte
hält, wird man den Schlüssel zu einem grofsen Teile von Fried-
rich^ Wilhelms scheinbaren Inkonsequenzen und deren angeblich
sich widersprechender Beurteilung durch den Historiker finden.
Ein weiteres Moment erhöht aber noch die Unsicherheit im
Verfahren dieses Fürsten. Die Klarheit seiner politischen Er-
kenntnis und die Gröfse seiner aus dieser erwachsenden Pläne
standen im unversöhnlichen Gegensatze zu der Geringfügigkeit
seiner Machtmittel und zu der bedrohten Lage seines Staates
zwischen vier übelwollenden Grofsmächten. Deshalb überall
plötzliche Hindernisse, ja Gefahren; deshalb immer wieder die
Nötigung, den Kurs von dem erwünschten Ziele abzulenken, zu
lavieren, umzukehren, auf viel verschlungenen und ermüdenden
Umwegen zu dem ersehnten Hafen zu steuern. Diese Umstände
erklären vieles, was zunächst unbegreiflich dünkt an den
wechselnden Beschlüssen des Grofsen Kurfürsten; sie erschweren
die Berichte eines so selbstgefällig sich täuschenden Beobachters auf-
bauen! Der Franzose G. Pagös (Bulletin de la Soci^te de Thist. de
France, 1892, Lief. 3 S. 115) beurteilt das Wesen Eäbenacs viel vor-
sichtiger und zutreffender.
FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 5
es dem Darsteller wie dem Leser, dem Faden durch das Labyrinth
seiner Politik zu folgen. Und man wird diese dennoch, trotz
ihrer anscheinenden Launenhaftigkeit, verstehen und würdigen,
wenn man die hier angedeuteten Existenzbedingungen des
Herrschers stets im Auge behält. Man wird dann mit Staunen,
mit Bewunderung erkennen, dafs er im Grunde seine Absichten
und Ziele nie aufgibt und unter tausend bedenklichen Wendungen
und Zweideutigkeiten immer wieder auf sie zurückkommt.
Eine freudlose Jugend, ein schwieriger und gefährdeter
Regierungsanfang, steter Kampf mit inneren und äufseren
Feinden, unablässiges Bingen mit übermächtigen Gegensätzen,
mahsames Erstreiten auch des kleinsten Erfolges, Versagen
selbst der scheinbar zuverlässigsten Bundesgenossen hatten
Friedrich Wilhelm immer mehr zu einem verschlossenen, nur
dem eigenen Selbst vertrauenden und deshalb gegen andere
wonig aufrichtigen Manne gemacht. Mifstrauen wurde der
Grundzug seines Wesens im Verkehr mit den Menschen jeder
Art — eine Gesinnung, die bei den meisten Höchstgestellten
sich mit langjähriger Erfahrung einzufinden pflegt. Sein natür-
licher Frohsinn war mit der Jugendkraft verflogen, eine gewisse
Mifsstimmung und gelegentliche Menschenscheu an dessen Stelle
getreten. Plötzlich brach wieder der ihm angeborene Ungestüm
mit elementarer Macht durch den Zwang der Verstellung, liefs
ihn mehr und heftiger reden, als ihm eigentlich lieb war, gegen-
über nicht nur seinen Räten und Offizieren, sondern auch fremden
Diplomaten. Dann konnte er wieder — denn Güte und Ge-
rechtigkeit waren die Grundzüge seines Wesens — mit ge-
winnender Liebenswürdigkeit auftreten. Oberflächliche Be-
obachter hielten ihn für einen schwachen, unentschlossenen
Menschen, bei dem List und Gewaltsamkeit miteinander ab-
wechselten, zum Schaden seiner selbst und anderer. In Paris
sang man ein Spottlied über ihn:
„Fürchtet dieser Fürst im Beich,
Dafs ihn treff' ein böser Streich,
Sieht Gefahr er im Verzug,
Greift er schnell zu Lug und Trug^""
* „Mais si ce prince de Tempire
Apprehende d'avoir du pire,
Voyant ses Zitats en danger,
Ne peut-il pas encor changer?"
Q Sechstes Buch.
Gefade die Menschen, die ihn täglich beobachteten, haben
ihm am wenigsten Gerechtigkeit widerfahren lassen, weil die
Versatilität seiner Einzelentschlüsse sie über die Beharrlichkeit
der grofsen Linien seiner Politik täuschte. Friedrich Wilhelm
gewinnt, wenn man ihn von der Feme, von hohen Gesichts-
punkten aus betrachtet : dann verschwinden die krausen Einzel-
heiten, und das grofsartige Gepräge seines Wesens tritt allein
in die Erscheinung. Einsichtige Zeitgenossen haben solches
wohl erkannt und sich nicht durch Äufserlicfakeiten täuschen
lassen \
Der Schatten von Melancholie, der über seinen letzten Be-
gierungsjabren hängt, wurde verdichtet durch häufige und
schmerzhafte Krankheiten, denen er von den Zeiten seines
kräftigsten Mannesalters her unterworfen war. „Die leichtfertige
Krankheit der Gichf, wie er sich selber scherzhaft ausdrückte ',
plagte ihn seit seinem vierzigsten Lebensjahre immer wieder
und warf den nach rastloser Tätigkeit Verlangenden auf das
Lager, während Politik oder Krieg dringend seine Beweglichkeit
und Arbeit forderten. Kein Wunder, dafs ihn die erzwungene
Trägheit beunruhigte und tief verstimmte^. Aber sobald er
einigermafsen seines Körpers Herr war, raffte er sich auf, nicht
nur um im Kabinett mit seinen Ministem und den fremden
Gesandten zu arbeiten^, sondem auch um schonungslos seine
Kräfte und sein Befinden den schlimmsten Anstrengungen aus-
zusetzen — wie in den Feldzügen in Pommern und Preufsen.
Nach der Arbeit aber liebte er fröhlichen Tmnk und zerstreuendes
Spiel, das ihn oft bis spät in die Nacht wach erhielt ^ Die
Folge dieser anstrengenden, antihygienischen Lebensweise waren
heftige Fieberanfälle und quälende Atenmot, die wiederholt
(Alb. Waddington, Eecueil des Instructions, Bd. XYI [Paris 1901]:
Prufse, Introd. p. XXV.)
^ So sagt Bischof Burnet (History of his own time [London s. a.]
S. 475): The heat of his spirit was apt to kindle too quick, tili his interest
cooled him; and that fetched him back, which brought him under the
censure of changing sides too soon and too often.
' In einem Schreiben an Schwerin, 26. Febr. 1663; ü. u. A. IX, 849.
* Vgl. KurfOrstin Luise Henriette an Schwerin; Orlich, Preufs.
Staat I, 547.
* S. U. u. A. n, 259. 261.
^ P. Haack, Brandenburgische Politik u. Kriegführung L d. Jahren
1688 u. 1689 (Kassel 1896), S. 145 (nach schwedischen Quellen).
Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 7
seinem Dasein ein jähes Ende zu bereiten drohte. Dazu kamen
im Alter schmerzhafte Steinbeschwerden und Koliken. Eine
von Jahr zu Jahr zunehmende Korpulenz trug nicht zu seinem
Wohlbefinden bei. Er suchte seine Übel durch seltsame Kraft-
kuren zu bekämpfen, wie im Jahre 1684 durch allmorgendliches
Trinken von dreifsig bis vierzig Tassen Tee, von deren Genufs
er tatsächlich Besserung zu verspüren glaubte ^ Aber wiederholt
erkrankte er doch so schwer, dafs seine Ärzte ihn aufgaben^.
Seine kräftige Natur trug freilich immer wieder den Sieg davon.
Bewegung, Tätigkeit, Anstrengung — das war ihm Be-
dürfnis. Deshalb liebte er vor allen Vergnügungen die Jagd
in den wildreichen Forsten des Grunewald bei Zossen, bei
Köpenick, Nellin und Oranienburg, sowie an der neumärkisch-
polnischen Grenze^. In Preufsen lag er Elen-, Wolf- und Bären-
jagden ob. Er zählte mit Vergnügen seine waidmännischen
Erfolge auf und trotzte der Gefahr bei Eber- und Bärenhetzen
mit ruhigem Mute. Unaufhörlich durchzog er seine weithin
zerstreuten Lande, von Kleve bis Königsberg, und scheute auch
Reisen nach Holland, Sachsen und anderen Nachbarländern nicht.
Sein Gesundheitszustand nötigte ihn überdies seit 1662, Bade-
orte zur Kur aufzusuchen: so Karlsbad, Pyrmont, Aachen. Er
pflegte da mit würdiger Pracht und grofsem Gefolge einher-
zuziehen — das hielt er seiner hohen Stellung für angemessen.
Weniger als 200 Pferde führte er niemals mit sich. Er unter-
liefs es nicht, alle Sehenswürdigkeiten der von ihm berührten
Orte in Augenschein zu nehmen, denn auf allen Gebieten zeich-
nete ihn stets lebendige Wifsbegier aus, die ihm eine aus-
gedehnte Bildung einbrachte. Als ihm ein Arzt, Dr. Wilhelm
Piso, sein Buch über Brasilien zugesandt hatte, gab er im Dank-
schreiben seiner Freude darüber Ausdruck, „dafs das Jahrhundert
solche Ingenia gegeben, welche dasjenige, was sonsten Unseren
Vorfahren verborgen gewesen und in so fernen Landen, ja in
den allerweit entlegendsten Klimaten gefunden wird, mit so^
sonderbarer Mühe und Arbeit durchforschen, auch die Natur
derjenigen fremden Sachen, so sie daselbst angetroffen, so
^ Meinders an Waldeck, 19. Jan. 1684; Strecker, Meinders, 97.
'Ms. Fridag an Grana, Id. Kov. 1686 (Kopie); Berlin, Geh«
Staataarchiv Bepos. 94, IV, H b, 4 b.
* Bericlit Leaseins* v. 7. Febr. 1662, U. u. A. II, 246 f.
g Seehstes Buoli.
fleifbig untersuchen und denen europäischen Völker kom-
munizieren" ^
Seine Weise, sich auszudrücken, war kernig und treffend.
Seine Briefe und Verfügungen sind mit Kraft und Gewandtheit
abgefafst, ohne den Schwulst, der damals bei hoch und niedrig
beliebt war, und mit möglichster Vermeidung der entsetzlichen
Sprachmengerei, die gemeiniglich die deutsche Rede jener Zeiten
in unerträglicher Weise verunziert. Man darf sagen , dafs
wenige Schriftsteller von Beruf damals in so reiner, angemessener
und bündiger Art geschrieben haben ^ wie dieser Politiker und
Kriegsmann, der aber echt fühlte und gerade dachte.
Seine Tätigkeit war unermüdlich. Er stand auch im höheren
Alter Winters wie Sommers um sechs Uhr früh auf; und sobald
er sein Gebet verrichtet und das Frühstück eingenommen hatte,
bei dem in seinen späteren Jahren die altüberkommene Bier-
suppe durch die modisch gewordenen Getränke Kaffee oder Tee
ersetzt wurde, ging er mit seinen bevorzugten Geheimräten an
die Arbeit, die gewöhnlich den ganzen Vormittag ausfüllte*
Nach dem Mittagsmahle, das er allein mit der Kurfürstin ein-
zunehmen pflegte, fuhr er spazieren oder trieb körperliche
Übungen oder auch Kultur seiner Anpflanzungen. Noch in
hohem Alter half er eigenhändig, durch Pflanzen, Pfropfen oder
Säen, bei der Umwandlung seines an der Potsdamer Landstrafse,
eine Viertelmeile von Berlin, gelegenen Hopfengartens in einen
grofsen Muster-, Obst* und Gemüsegarten'. Der Abend wurde
mit Unterhaltung und Spiel im Familienkreise verbracht; indes
wenn die Geschäfte drängten, wurden auch Briefe oder sonstige
Schriftstücke expediert. Denn Friedrich Wilhelm betrachtete,
vorbildlich für sein ganzes Haus und seine gesamten Nachfolger,
seine hohe Würde zunächst als eine ihm von der Vorsehung
auferlegte schwere und verantwortungsreiche Verpflichtung, vor
der alle persönlichen Rücksichten und Bequemlichkeiten in den
Hintergrund traten. Er als einer der ersten unter den deut-
schen Herrschern hatte mit der privatrechtlichen Auffassung
des Mittelalters vom Fürstentum gebrochen und betrachtete
dieses als ein öffentliches Amt, als das höchste, erste und ver-
^ Schuck, Brandenburg-preuf 8.« Kolonialpolitik, I, 9Axmi.
* Nicolai, Beschreibung der Residenzstädte Berlin u. Potsdam,
in», 1086 f. • '
FOnfunddreÜBigstes Kapitel. DerGrofse Kurfürst u. sein Hof. 9
bindlichste aller Ämter. Freilich als Diener des Staates, wie
sein Urenkel Friedrich IL, sah er sich nicht an, sondern als
den von Gott dem Staate gesetzten Herrn, aber als einen Herrn,
der fQr das Wohlergehen der Untertanen und die Blüte des
Staates vor Gott die volle Verantwortung trage. Das, wie
gesagt, war ihm die oberste aller seiner Pflichten. Dieser
Herrscher, der seinem Volke schwere Opfer hat auferlegen
müssen, wünschte doch nichts sehnlicher, als dessen Anhäng-
lichkeit und Vertrauen zu erwerben. „Das beste Citadell eines
Fürsten ist," — so sagt er 1680 — „wenn er weifs, dafs seiner
Untertanen Herz ihm zu Liebe und Treue beständig zugetan
ist^." Das haben sie auch, trotz aller Bedrückungen, wohl
gefühlt, und der eifernde Herr ist schon zu seinen Lebzeiten
volkstümlich geworden in seinen Landen.
Das strenge Zeremoniell, mit dem er sich umgab, und der
feierliche Luxus, den er bei festlichen Anlässen zu entfalten
liebte, hatten keine persönliche Bedeutung — denn für sich
selbst war er einfach und von frommer Demut — , sondern
galten dem Oberhaupte eines zu Macht und Ansehen auf-
strebenden Staates , das seinen gebührenden Bang in der Welt
behaupten mufste. Als im Oktober 1680 der Prinz von Oranien
nach Berlin kam, wurde hier eine an den damaligen deutschen
Höfen unerhörte Pracht entfaltet. Die ganze Dienerschaft wurde
in neue gold- und silberverbrämte Livreen gesteckt, 24 Trom-
peter und 40 Pagen prunkten neben der grofsen Zahl des Hof-
gesindes, mehr als 500 Pferde füllten die kurfürstlichen Mar-
stäUe*. Friedrich Wilhelm wollte in der Welt etwas gelten,
man sollte ihn als einen grofsen und glänzenden Fürsten ehren.
In seinen bedrängtesten Zeiten liefs er eine Münze schlagen,
die auf dem Avers sein Bildnis zeigt, auf dem Revers einen
feuerspeienden Berg, aus dem zahlreiche Flammen hervorbrechen,
die ein stark niederfallender Regen wohl mit Dampf umhüllen^
aber nicht auslöschen kann. Non extinguentur honores
lautete die Inschrift*. Tatsächlich machte das auf die Zeit-
* B. Holzapfel, Des Grofsen Kurfürsten Festungsbauten in Magde-
burg (Magdeburg 1880X S. 24.
* Ms. Depeschen B^benacs vom Okt. 1680 (Kopien); Berlin, Geh.
Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hb, 10«.
'G. D. Seyler, Gesch. Friedr. Wilhelms, Kurf. zu Brandenb.
(Frankf. u. Leipz. 1730, foL^ S. 181 f.
10 Sechstes Buch.
genossen den gewünschten Eindruck. „Der Hof des Kurfürsten,*'
sagt der Franzose Reymond, der 1682 einige Zeit in Berlin
verweilte, „ist freigebiger als irgend ein anderer in Deutsch-
land, und obgleich dem Kurfürsten der Titel eines Königs fehlt,
werden diese Ansprüche doch nicht vermifst, wenn man von
einem königlichen Hofe nach Berlin kommt ^.*'
Für gewöhnlich aber trug Friedrich Wilhelm einen schmuck-
losen runden Hut mit breiter Krempe, ohne die sonst übliche
Feder, einen langschöfsigen , bis unten mit Knöpfen besetzten,
kragenlosen, bis zum Halse geschlossenen Bock und unter diesem
eine gleichfalls langschöfsige und geschlossene Sammetweste.
Die Beinkleider steckten in grofsen, oben umgeschlagenen Knie-
stiefeln von roter oder gelber Farbe. Stulphandschuhe, sowie
eine weifsleinene, gestickte Halsbinde, deren Enden herabhingen,
vervollständigten den Anzug ^.
Seine aufrichtige Frömmigkeit, die in so liebenswerter
Gemeinschaft mit Duldsamkeit und Achtung vor abweichenden
religiösen Überzeugungen stand, verleugnete sich niemals. Er
prüfte seine Söhne selber in der Kenntnis des Katechismus".
Dazu fand er noch Zeit und Lust inmitten angestrengter und
aufreibender Tätigkeit, die sich bisweilen zum Heldentume erhob.
Als die Schweden im Winter 1678 auf 1679 in Preufsen ein-
drangen, war der Kurfürst von einem harten und quälenden
Husten befallen, den er sich in den Laufgräben vor Stralsund
und Greifswald geholt hatte ^; allein er zögerte nicht einen
Augenblick, selber die Führung des beschwerlichen Winterfeld-
zuges in dem rauhen Preufsen zu übernehmen.
Sein feuriger Geist trieb ihn unablässig, die Gröfse seines
Staates weit über das bisher erlangte Mafs zu steigern. In den
Jahren, wo er mit ansehen mufste, wie das habsburgische
Kaiserhaus die heiligsten Interessen des Reiches aufopferte, um
mit Frankreich die bevorstehende spanische Erbschaft zu teilen,
1667 bis 1670, zog er eine zukünftige Erwerbung Schlesiens in
^ Orlich, Preufs. Staat, I, 532 f.
* F. Skarbina, Der Grofse Kurf. in seiner äufseren Erscheinung
um 1675; Hohenzollem-Jahrb. 11 (Leipzig 1898X S. 117 ff.
' Ms. Tagebuch Schwerins d.j Ä., 8. April 1667 ; Berlin, Geh. Staate-
arch., Bep. 94, Hc, 9.
* Orlich, Preufs. Staat, III, Nr. 879. 380.
Fflnfunddreifsigstes Kapitel. Der Gro£se Kurfürst u. sein Hof. H
Betracht, allerdings nicht gerade in offenem Kampfe mit Öster-
reich.
„Demnach nun weltkundig ist,'' schrieb er damals nieder,
„auf was schwachen Füfsen das Haus Österreich bestehet, und
dafs zu befahren, dafs selbiges Haus durch Absterben und
Nicht -Hinterlassung einiger Erben abgehen möchte, und Ich
dameben in Erfahrung kommen bin, wie dafs schon bei leben-
digem Leibe des jetzigen Kaisers Andere auf sothanen uner-
hoSten Fall einige Teilung unter sich gemacht, wie sie die
Königreiche und Lande unter sich verteilen wollten — so habe
ich solchem Werke eine geraume Zeit vielfältig nachgedacht
und befunden, dafs, wenn es ja zu einer solchen Teilung kommen
sollte, dafs das Haus Brandenburg billig fttr (vor) andern, ja
auch jedermänniglich , welche sich der Succession annehmen
möchten, mit allem Recht die nächsten Erben zu der Schlesien
sei." Er gründete seine Ansprüche auf die gewaltsame Ent-
ziehung von Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau, sowie des
Herzogtums Geldern, das ihm aus der klevischen Erbschaft zu-
komme; auf die Gefahr, Schlesien und den oberen Lauf der
Oder in fremde Hände fallen zu sehen, besonders in die des
flbelwoUenden Nachbarn Kursachsen; endlich auf alte verwandt-
schaftliche Beziehungen der Hohenzollem zu den Habsburgern.
Es ist sehr merkwürdig, dafs er dabei in religionspolitischer
Beziehung genau dieselben Wege weist, die später Friedrich
der Grofse eingeschlagen hat : man soll die Katholiken Schlesiens
in ihrem kirchlichen Bestände belassen und nicht „für die Koppe
stofsen*", den Evangelischen aber volle Religionsfreiheit ver-
sprechen und ihnen erlauben, „Kirchen zu bauen, wo es ihnen
gefällig sein würde". In allen Einzelheiten durchspricht er die
militärischen und politischen Mafsregeln, die bei der Besitz-
ergreifung des Landes zu treffen wären. Kurz, auch hier ist
er der rechte Vorläufer des grofsen Urenkels gewesen. Kein
Zweifel, dafs die Rücksicht auf die „Gommercia** der mittleren
und oberen Oder bei diesem Plane eine grofse Rolle gespielt hat ^
Denn Friedrich Wilhelm war nicht nur Diplomat und
Militär, er umfafste mit gleichem Interesse die innere Ent-
wicklung seines Staates — auch diese von echt modernem
1 Die Denkschrift findet sich bei Ranke, Sämtl. Werke XXV/XXYI,
518 ff.
12 Sechstes Buch.
Gesichtspunkte aus. „Eure von Gott untergebenen Untertanen, ^
empfiehlt er seinem Kachfolger im Jahre 1667, „müsset Ihr ohne
Ansehen der Religion als ein rechter Landesvater lieben, ihren
Nutzen und Bestes, in billigen Dingen, allzeit gerne zu be-
fördern suchen, die Gommercia überall in Aufnahme bringen
und auf mehrere Peuplierung gedenken/ Nicht mehr in der
Aufrechterhaltung einer allein wahren Staatsreligion, sondern
in der Vermehrung der Bevölkerung und in der Steigerung
ihres Wohlstandes sieht der Grofse Kurfürst die Hauptaufgabe
des Herrschers. „Die liebe Justicia lasset Euch in allen Euren
Landen höchlichst befohlen sein, und sehet dahin, damit sowohl
den Armen als Reichen ohne Ansehung der Person Becht ver-
schaffet werde: denn das befestiget die Stühle der Begenten/
Alles goldene Lehren, die noch heute nicht in vollem Umfange
verwirklicht worden sind. Das Programm des Bechtsstaates,
das Friedrich Wilhelm vor mehr als zwei Jahrhunderten für
seine Nachfolger aufstellte, dürfte noch heute den Begierenden
vorgehalten werden.
Allerdings, er wollte neben seiner landesherrlichen Macht
keine Sondergewalten im Staate dulden. Er teilte nicht die
Ansicht Schwerins, dafs der Herrscher den widersetzlichen
Ständen gegenüber nur mit Milde verfahren solle, und dafs
„das gröfste Bobur eines Begenten in untertänigster Affektion
der Untertanen (das heifst der allein berechtigten höheren
Klassen) bestehe'*'. Er suchte vielmehr, in Übereinstimmung
mit den staatsrechtlichen Schriften Pufendorfs, die in so vielen
Dingen ihm vorbildlich waren, das Heil in aufgeklärtem und
wohlwollendem Absolutismus. Es sollen alle, riet er wiederholt
seinem Erben, „allein von euch dependieren". Der Herrscher
solle nicht nur den Genufs seiner Würde haben, Arbeit aber
und Macht einem leitenden Minister überlassen; vielmehr:
„Hütet euch, dafs ihr einen Diener allein nicht zu grofs machet
und ihm alle Autorität alleine lasset**
Grundsätze, die Friedrich Wilhelm je länger je mehr selber
befolgt hatte. Obwohl er den Oberpräsidenten von Schwerin
als den treuesten und zuverlässigsten seiner Batgeber betrachtete,
hat er sich doch auch ihm gegenüber immer unabhängiger
gestellt , sowohl in der inneren Politik , wo ihm Schwerin viel
» Orlich, Preufs. Staat, I, 844 ff.
Fflnfunddreüsigstes Kapitel. Der Grofse KurfOrst u. sein Hof. 13
ZU adelsfreundlicfa war, wie in der äufseren, wo jener der Frische
und Tatkraft ermangelte. Auch Meinders, der in den aus-
wärtigen Angelegenheiten grörseres Ansehen besafs als Schwerin,
beherrschte darin den Kurfürsten keineswegs. Man sehe nur
Meinders' Gutachten bei der schwedischen Invasion: er legt
weitläufig dar, wie dieser Angriff rechtlich einen vollgültigen
Kriegsfall darstelle; allein man sei fttr solchen nicht stark
genug, man solle „dissimulieren'', den König von Schweden und
den Feldmarschall Wrangel durch gütliche Vorstellungen zur
Kücknahme ihres Angriffs zu bewegen suchend Da ist nichts
an dem kühnen Wollen Friedrich Wilhelms, die Feindseligkeiten
der Schweden zu deren Vertreibung aus Pommern zu benützen !
Die eigene Entschlufsfähigkeit zu wahren, dahin zielte des
Kurfürsten ganze Arbeitsweise. Er ging fleifsig in den Geheimen
Rat, liefs sich die Ansichten der Mitglieder vortragen und
merkte sich ihre Vota an. Er gewährte dabei den Bäten volle
Freiheit der Meinungsäufserung. Freilich ertrug er für den
Augenblick oft schwer den Widerspruch, zumal in Dingen, die
ihm sehr am Herzen lagen; er brauste dann wohl auf und
meinte, nur ein Verräter könne da einen anderen Vorschlag
machen. Aber ruhige und feste Aussprache seiner bewährten
Diener brachte ihm bald wieder das Gleichmafs und die Billig-
keit des Empfindens : er schlofs sich wohl der soeben erst heftig
bekämpften Ansicht der Bäte an^ Den endgültigen Entschlufs
jedoch in wichtigen Dingen fafste er in der Stille seines
Kabinetts, mit Zuziehung eines oder weniger vertrauter Diener,
oft nach Anrufung des göttlichen Beistandes. Allein auch das
geschah niemals, ohne dafs ihm eingehend, meist schriftlich, das
Für und Wider jeder Sache dargelegt worden war , so dafs er
in voller Kenntnis und Übersicht zu urteilen vermochte. Er
liefs sich selbst alle Briefe und Berichte bringen, eröffnete und
las sie und verteilte die Arbeit unter seine Bäte. Seine Ant-
worten und Bescheide sind meist von diesen aufgesetzt, haben
ihm aber alle vorgelegen; er hat sie oft genug eigenhändig ab-
geändert und umgestaltet, bisweilen durch Nachschriften den
1 Ms. Gutachten Meinders' vom 3./!^ Jan. 1675 (Strafsburg); Berlin,
Geh. Staatsarchiv, Bep. 92, Meinders 5.
* Englische Denkschrift, wahrscheinlich Southwells; Baumer,
Beiträge, III, 466 ff .
14 Sechstes Buch.
Sinn verstärkt oder sie mit wichtigen Zusätzen versehen. Auch
die fremden Gesandten hatten zunächst mit ihm persönlich zu
verhandeln und dann wieder den Schlufsentscfaeid von ihm zu
empfangen ^ So blieb in allen bedeutenderen Angelegenheiten
der Beschlufs ihm vorbehalten.
„Ich bewundere diesen Kurfürsten,*" schreibt der feine
Menschenkenner Lisola aus Berlin', „der seine Freude an langen
Berichten mit allerkleinsten Einzelheiten findet und solche aus-
drücklich von seinen Dienern verlangt; er liest, überlegt und
expediert alles; eines verknüpft er mit dem anderen und ver-
nachlässigt nichts." — „Kurfürstliche Durchlaucht," berichtet
ein anderer kaiserlicher Gesandter, Goefs^, „seind sehr unmüfsig
und arbeitsam, schlafen wenig Stunden und seind in aller Frühe
auf." — „Er lenkt seinen Rat selber," sagt Bischof Gilbert
Burnet, der ihn persönlich kannte und seines Neffen Wilhelm
von Oranien Vertrauter war; „er besafs ein wundervolles Ge-
dächtnis, selbst in den kleinsten Dingen, denn alles mufste ihm
vor die Augen gebracht werden." Nur in minder wichtigen
Angelegenheiten liefs er seinen Bäten bisweilen freie Hand:
daraus schlössen oberflächliche Beobachter fälschlich, er lasse
sich von diesen leiten *. Nach dem Tode des älteren Schwerin —
14. November 1679 — hat er das Amt eines Oberpräsidenten
des Geheimen Bates, das immerhin eine Art Premierminister-
schaft darstellte, nicht wieder besetzt. Er liebte es vielmehr,
dafs seine Bäte uneins waren und einander bekämpften. Er
beklagte sich über diesen oder jenen ^, allein das geschah nur,
wenn er einem Minister die Verantwortung für Mafsregeln zu-
schieben wollte, die er selber einstweilen zu desavouieren für
gut hielt. Im Grunde sah er es behaglich mit an, wenn
Schwerin und Jena, Jena und Meinders, Meinders und Fuchs
widereinander mit Heftigkeit, ja Leidenschaft stritten. Niemals
hat er diesen Zwistigkeiten durch sein Machtwort ein Ende
' Aufser dem Testament von 1667 und zahlreichen M8.-Akten8tücken
sehe man seinen Briefwechsel mit dem älteren Schwerin, bei Orlich»
Friedrich Wilhelm^ Beilagen, u. in den U. u. A.
* An Walderode, 80. Nov. 1663; U. u. A. XIV, I, 171.
« 18. Juli 1665; das. S. 219.
* Burnet, History of his own time, S. 474 f.
^ Vgl. Prutz, 168 ff., der aber hier wieder einmal den Charakter
des Kurfürsten gründlich mifsversteht.
FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Gro£se Kurfürst u. sein Hof. 15
bereitet: eben damit, wie er das in seinem politischen Testa-
mente Yon 1667 ausdrücklich sagt, keiner seiner Bäte ihm über
den Kopf wachse. Er war überzeugt, das Ringen entgegen-
gesetzter Empfindungen und Meinungen werde ihm das Richtige
erweisen und zugleich jedem übermächtigen Einflüsse eines seiner
Räte vorbeugen.
Die stärkste Einwirkung übten nacheinander auf ihn seine
Gemahlinnen, deren jeder er zu ihrer Zeit mit der Treue eines
liebenden Herzens und der Kraft einer durch Keuschheit kon-
zentrierten Sinnlichkeit ergeben war. Am teuersten aber ist
ihm die Gattin seiner Jugend geblieben, Luise Henriette, an
edler und tiefer Frömmigkeit ihm gleich — vielleicht um einen
Farbenton frömmelnder — und unerschöpflich an klugem Rate.
Sie teilte seine Anstrengungen und Gefahren, und nicht minder
seine Neigung zu landwirtschaftlichen und gärtnerischen Unter-
nehmungen. Sie war eine zärtliche Mutter, die, trotz aller An-
sprüche und Zerstreuungen des Hoflebens, ihre Kinder jeden
Tag sah, wenn sie mit ihnen an gleichem Orte weilte^, bei
jeder Trennung regelmäfsig über sie mit deren Erzieher, dem
Oberpräsidenten von Schwerin, Briefe wechselte. Aus ihnen
tüchtige Menschen, namentlich gute evangelische Christen zu
machen, war ihre hauptsächliche Sorge. Mit besonderer Hin-
gebung war sie dem Zweitgeborenen, dem Prinzen Friedrich,
zugetan, nicht allein weil er milderen Sinnes, sondern auch weil
er schwächlicher und der Pflege bedürftiger war als der älteste.
Sie wurde nicht müde, ihn der eingehenden Sorgfalt Schwerins
zu empfehlen, diesen zu bitten, er möge den Jüngeren nicht
dem Kurprinzen nachstellen, die Lehrer den zarten Knaben
nicht hart behandeln lassen. Ihre Liebe zu dem Kinde ist
gerade in ihrer Schwäche rührend. Es galt als „ihr Mignon'^ '.
Sie suchte Friedrich von dem Ältesten für die Zukunft unab-
hängig zu stellen , indem sie ihm das Fürstentum Halberstadt
als eigenes Erbe verschaffte '.
Der Einflufs Luise Henriettens auf ihren Gatten ist
stets ein beträchtlicher gewesen. Besonders als Friedrich Wil-
helm im Sommer 1661 monatelang mit ihr, ihrer Mutter, der
^ Ms. Tageb. Schwerins d. Ä. (Berlin, Geh. Staatsarchiv).
» Orlich, Preufs. Staat, HI, 445. 447. 456. 467 ff. 473 f.
> Goefs an den Kaiser, 11. Mai 1665; ü. u^ A. XIY, I 211.
16 Sechstes Buch.
Prinzessin witwe von Oranien, sowie ihren Schwestern und
deren Gatten zusammen in Kleve und Tumhout lebte, stand er
unter der Einwirkung j»des kurfürstlichen Frauenzimmers**, wie
seine Bäte klagten; der Schwager Luisens, Johann Georg von
Anhalt, war das stete Werkzeug ihrer Wünsche, teilte ihr alle
Staatsangelegenheiten mit und holte sich von ihr Instruktionen.
Indes auch dem Oberpräsidenten von Schwerin bewahrte die
Kurfürstin ihre Gnade, obwohl er nicht in bestem Einver-
nehmen mit Anhalt stand, und stützte ihn wiederholt bei dem
Kurfürsten, ein Beweis, dafs sie sich nicht allein von Bücksicht
auf ihre Familienangehörigen leiten liefs. Aber sie und die ihr
verwandten Damen verstanden es auch, wenn sie mit Güte nichts
durchsetzten, die wirksame weibliche Waffe des Tränenergusses
anzuwenden. Es ist selbstverständlich, daf? in der Kurfürstin
Politik, nach weiblicher Weise, die Empfindung die Hauptrolle
spielte. Allein auf die Länge wufsten Friedrich Wilhelms ge-
-sunde Einsicht und kräftiger Wille sich von solchen Einwirkungen
wieder frei zu machen, insoweit sie nicht mit seinem und des
Staates wahrem Interesse übereinstimmten. In häuslichen An-
gelegenheiten jedoch gestattete er seiner Gattin stets ein weit-
gehendes Mitbestimmungsrecht ^
Die wiederholten Geburten hatten die ohnehin sehr zarte
Kurfürstin sehr geschwächt, so dafs sie fast immer leidend
war. Obschon sie gegen ihre Krankheit die Brunnen zu
Aachen und Spa gebrauchte, nahmen ihre Kräfte von Jahr zu
Jahr ab, und schliefslich stellte sich bei ihr eine langsame,
aber unheilbare Schwindsucht ein. Vom Herbst 1666 bis zum
Frühling 1667 weilte sie zu ihrer Erholung bei ihrer Mutter in
Holland. Dort aber erkrankte sie aufs schwerste, so dafs sie
im Mai 1667 nach der Heimat zurückeilte, um doch bei dem
Gatten und den Kindern zu sterben. Man glaubte kaum, dafs
sie lebend ans Ziel gelangen werde ; gerade deshalb beschleunigte
sie die Beise derart, dafs ihr Fürst Moritz von Nassau, der sie
geleitete, kaum Genüge tun konnte^. Während ihrer ganzen
^ S. die merkwürdige Äufserung des jungen Kurprinzen Karl Emil
im Juni 1667 ; Forsch, z. brandenb. u. preuTs. Gesch., XII (1899), S. 472. —
TJ. u. A. XIV, 470 ff. 534 ff. — Anhalt im engsten Bunde mit der Kur-
fürstin, XJ. u. A. n, 244. — Ihre Beziehungen zu Schwerin in den sech-
ziger Jahren: Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch. VIII (1895), S. 195 ff.
■ F. Hirsch, Briefe Luise Henriettens an Otto v. Schwerin (Forsch.
Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 17
Todeskrankheit zeigte sie rührende Fassung und Frömmigkeit
and beklagte ihr nahes Hinscheiden nur wegen des Kummers,
den es dem Kurfürsten bereiten würde, und wegen ihrer jungen
Söhne. Die innige Liebe der Ihrigen und selbst ihrer Diener-
schaft umgab die wahrhaft edle Fürstin in ihren letzten Tagen.
Von furchtbarem Husten gepeinigt, unfähig, selbst nur noch
Milch zu sich zu nehmen, in wachsender Schwäche gab sie, ohne
Todeskampf, am 8./18. Juni 1667 in Gegenwart des Gatten, der
an ihrem Bette kniete und ihre Hand hielt, den Geist auf^
Dafs sie, wie später das Gerücht am Hofe ging, ihre Kinder
dem Fürsten von Anhalt zum besonderen Schutze anbefohlen
habe, ist absolut unrichtig. Sie hat vielmehr auf dem Sterbe-
lager erklärt, nicht nur, dafs ihr Gatte ihr einziger Testaments-
vollstrecker sein solle, sondern sogar, dafs sie es ihm überlasse,
ob er ihren letzten Willen gutheifsen wolle oder nicht, „weil sie
alles, worüber sie verfüge, von ihm empfangen habe'''. Die
Sage wird aus dem Gegensatze entstanden sein, der sich später
zwischen Anhalt und der oranischen Familie auf der einen, der
zweiten Kurfürstin Dorothea und deren Gatten auf der anderen
Seite herausbildete.
Freilich, die religiöse Unduldsamkeit entwaffnete auch nicht
vor der Katastrophe, die das Ende einer schönen und anmutigen
Persönlichkeit und eines musterhaften Liebes- und Familien-
bundes bedeutete. Die Bevölkerung Berlins hatte, mit Unrecht,
in Luise Henriette die Hauptstütze der verhafsten „Kalviner**
gesehen; sie entblödete sich nicht, die tote Fürstin auf ihrem
Paradebette mit Schmähungen zu überhäufen, so dafs der tief
gekränkte Gatte den Zutritt zu der Leiche untersagen mufste^.
Das Gedächtnis der Dahingeschiedenen hat Friedrich Wilhelm
zeitlebens treu gewahrt. Allein, wie es bei vollblütigen und
z. brandenb. u. preufs. Gesch. VIII, 204 f.). — U. u. A. IX, 825. 887. —
Goefs an d. Kaiser, 16. Mai 1667; das. XIY, I 803.
* Tageb. Schwerins, bei Orlich, Preufs. Staat, I, 549 ff. — Bericht
der Kammerfrau Martitz; Forsch, z. brandenb. u, preufs. Gesch. IX (1896),
S. 574 ff. — Gedruckte Leichenrede des Hofpredigers Stosch. — Droysen,
IV, IV 140.
• Ihre eigenen Worte: Briefe Schwerins an die Prinzessin -Witwe
von Oranien; Orlich, a. a. 0., III, 522 f.
■ Forsch, zur brandenb. u. preufs. Gesch., XII, 147.
Philippson, Der Orofse Kurfflrst. III. 2
18 Sechstes Buch.
dabei keuschen Männern der Fall ist, er bedurfte alsbald einer
neuen Gattin. Er umschrieb das freilich mit anderen Gründen :
mit seinen „von Jahr zu Jahr zustofsenden Krankheiten"; —
oder: „Ich mufs eine haben, die meiner warte, wenn ich krank
bin" ; — oder er redete von der Pflege seiner unmündigen
Kinder^. Man sah sich deshalb von vielen Seiten, sofort nach
dem Tode seiner ersten Gemahlin, nach einer zweiten um. Der
Wiener Hof gedachte, ihn durch eine der Erzherzoginnen an
sich zu fesseln; wünsche er solche nicht selber, möge sie der
Kurprinz erhalten*. Viele meinten, das beste würde für ihn
die Verbindung mit einer unebenbürtigen reformierten Dame
sein, damit kein neuer mafsgebender Einliufs am Berliner Hofe
sich geltend mache und das arme Land keine weiteren Prinzen
zu unterhalten habe^. Allein auf solche Berechnungen ging
Friedlich Wilhelm nicht ein. Wahrscheinlicher klang schon das
an verschiedenen Stellen verbreitete Gerücht, der Kurfürst wolle
sein Bündnis mit dem allerchristlichsten Könige durch eine
Heirat mit dessen reicher Base, Fräulein von Montpensier, be-
festigen. Nicht nur der König von England, auch Friedrich
Wilhelms bisherige Schwiegermutter glaubten, ihn vor dieser
Vermählung warnen zu müssen, die ihn zum Sklaven Frank-
reichs machen würde. Die reformierte Hofgeistlichkeit zeigte
sich begreiflicherweise ob einer solchen Verbindung mit einer
„Katholischen" sehr bekümmert. Der Kurfürst aber lachte
über dergleichen Gedanken und rief, mit unehrerbietiger An-
spielung auf die früheren Liebeshändel der nicht mehr jugend-
lichen Prinzessin: „Vestigia me terrent"*.
Ernstlich kam eine weniger glänzende, aber weit unver-
fänglichere Verbindung zur Sprache. Es handelte sich um eine
Witwe, die damals im zweiunddrei fsigsten Lebensjahre stand:
Dorothea, die Tochter des Herzogs Philipp von Holstein-Glücks-
burg, die siebzehnjährig die Gattin des Herzogs Christian
Ludwig von Lüneburg geworden war. Die Ehe war unglücklich
gewesen und kinderlos geblieben, dann durch den Tod des
* Seraphim, Luise Charlotte von Kurland, S. 116.
a aoefs an d. Kaiser, 18./ 22. Aug. 1667; U. u. A. XIV, I 319.
' W. Ribbeck, Aus Berichten des hess. Sekret. Lincker; Forsch, z.
brandenb. u. preufs. Gesch., XII, 149 ff.
♦ Strecker, Meinders, 30. — U. u. A. XII, 660. 662. 921 f. — Em.
Bourgeois, Ezechiel Spanheim (Paris u. Lyon 1900), S. 165.
Fünfunddreilsigstes Kapitel. Der Grofse KurfOrst u. sein Hof. X9
LüQeburgers 1665 gelöst worden ^ Die Vermittlerin der neuen
Heirat war des Kurfürsten Schwester Hedwig Sophie von
Hessen-Kassel. Die Hauptschwierigkeit lag in dem lutherischen
Bekenntnis der Herzogin Dorothea, das sie als aufrichtige
Lutheranerin nicht, wie der Kurfürst es durchaus forderte, mit
der reformierten Konfession vertauschen wollte. Endlich gab
sie nach und stellte den gewünschten Revers aus. Da trat ein
neues Hindernis hervor. Johann Georg von Anhalt, der Schwager
Luise Henriettens, der bei der Eröflnung ihres Testamentes
übergangen worden, reizte die ohnehin herrschsüchtige und
rücksichtslose Prinzessin-Witwe von Oranien auf, ihrem Schwieger-
sohn Vorstellungen zu machen, dafs er durch seine neue Heirat
seine Kinder aufopfern und deren Erbe in Gefahr bringen werde.
Anhalt und seine Gattin suchten sich dabei als Verteidiger
ihrer Neffen aufzuspielen. Allein Friedrich Wilhelm wies solche
Einmischung von „Leuten, so sich nur umb das Ihrige be-
kümmern solten, nur ihren Nutzen hierin suchten undt ohne
das wenig oder gar nicht auf den meinen sehen ,** mit grofser
Entschiedenheit zurück.
Am 14./24. Juni 1668 ward ohne viel Gepränge die Ver-
mählung der beiden verwitweten fürstlichen Personen in Groningen
begangen. Hofprediger Bergius hielt die, wie befohlen, nur
kurze Traupredigt. Wenige Monate später trat, ihrem Reverse
und den Ehepakten gemäfs, die Kurfürstin zu der reformierten
Kirche über. Die Lutheraner waren sehr glücklich darüber
gewesen, eine Landesherrin ihrer Konfession zu besitzen; die
Königsberger hatten ihre Freude durch einen demonstrativ
glänzenden Empfang der Neuvermählten bezeugt. Wenn dann
der Kurprinz Karl Emil triumphierend zu den lutherischen
Hofleuten sagte: „Ihr habt im Schachspiele eure Königin ver-
' Über Kurfürstin Dorotheas Verhandlungen wegen
ihrer Heirat mit Friedr. Wilhelm, ü. u. A. XH, 919. 921—929;
XIV, I 319. 326. 382. — Die Heirat, Orlich, Preufe. Staat, I 561 f.,
III, 521 ff.; U. u. A. II, 501, XIV, I 404; Forsch, z. brandenb. u. preufs.
Gesch. Xn, 152. — Verhältnis zum Gatten, ü. u. A. XIV, I 404;
Orlich, a. a. 0., I, 553; Prutz, 48. — Verhältnis zu den Stief-
kindern, Orlich, Friedr. Wilhehn, 51 f.; U. u. A. XII, 929. 933. —
Habsucht u. Einflufs, U. u. A. XII, 933, XIV, H 853-858. 924. 947f.
1018. 1035. 1039-1043. 1060 f. 1069 Anm. 1096. 1102 f. 1124 f. 1190. 1223-
1804; Prutz, 48 f. 187. 144ff. 171 ff. 340f.; Waddington, Eecueil,
Prufse, 8. 208.
2*
20 Sechstes Buch.
loren/ so nahmen tatsächlich die Lutheraner Dorotheas „Ab-
fall'' sehr übel auf und beschuldigten sie gewissenloser Be-
rechnung.
Sie hat überhaupt alles getan, um sich den Wünschen des
Gemahls anzupassen und seine Neigung zu gewinnen. Von
leidenschaftlicher Liebe kann bei den Gatten , die die Jugend
längst hinter sich hatten und durch Vermittlung zueinander
gekommen waren, nicht die Rede sein. Aber Dorothea ist von
Beginn an bemüht gewesen, die treue Gefährtin und Pflegerin
des alternden, kränklichen Gemahls zu sein. Sie wich nicht
von seiner Seite, auch nicht während der Jagdausflüge, ja
selbst bei den Kriegszügen nur selten, trotzte vielmehr allen
Anstrengungen, Entbehrungen und sogar Gefahren mit kühlem
Mute. Auch bei den kräftigen Gelagen, die er ungeachtet seines
Podagras liebte, griff die robuste Holsteinerin mutig zu. Sie
hat ihm die beiden letzten Jahrzehnte seines Lebens verschönt
und erhellt. Freilich war sie dabei eine Frau von starkem
Eigenwillen; ihr volles, männliches, eigensinniges und dabei
wenig intelligentes Gesicht, wie es auf allen besseren Ab-
bildungen von ihr sich zeigt, erweist auffallend die Art ihres
Wesens. Eine Freundin prächtiger, hochfürstlicher Lebens-
haltung, war sie auf die Mehrung ihres persönlichen Vermögens
eifrig bedacht, begehrte und nahm reiche Geschenke von aus-
wärtigen Mächten — in dem allem ein Gegenspiel zu der ein-
fachen und demütigen Luise Henriette. Man hielt sie allgemein
für hart und egoistisch, die öffentliche Meinung wurde ihr
feindlich und liebte es, ihre Fehler zu übertreiben. Mit ihren
Stiefsöhnen vermochte sie ein gutes Verhältnis nicht herzu-
stellen. Es ist kaum zu sagen, an wem die erste Schuld lag:
sind ja die Beziehungen zwischen einer Stiefmutter und halb
erwachsenen Kindern immer sehr schwierige. Die Familie der
früheren Kurfürstin ist aber Dorotheen von vornherein mit
ungünstigem Vorurteil und der Verbreitung übler Gerüchte
entgegengetreten. Die Lage verschlimmerte sich, als sie zu
den beiden überlebenden Söhnen erster Ehe — Karl Emil
starb ja schon sechs Jahre nach der zweiten Vermählung des
Vaters — diesem noch sieben Kinder gebar, von denen sechs
ihn überlebt haben. Man nahm allerorten an, dafs sie die
eigenen Spröfslinge auf Kosten der Stiefkinder zu begünstigen
bestrebt sei. Dieses offenbare Übelwollen hat auch sie ver-
Ffinfunddreilsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 21
bittert. Sie zog sich von ihren Stiefsöhnen zurück und suchte
Halt ausschliefslich an der Zuneigung ihres Gemahls, um die
sie mit steter Bemühung unausgesetzt geworben hat. Kein
Wunder, dafs die Bevölkerung sie unter die „bösen Stiefmütter"
zählte, ihr die ungeheuerlichsten Absichten, selbst Anschläge
auf das Leben der beiden älteren Söhne zuschrieb.
Sie hat auf ihren Gatten naturgemäfs einen starken Einflufs
geübt, obwohl sie den Schein annahm, sich nicht ungefragt mit
politischen Dingen zu befassen. Es kann auch kaum bezweifelt
werden, dafs sie, die im engbegrenzten Kreise kleiner Hof-
haltungen aufgewachsen war, zunächst nur geringes politisches
Verständnis besafs. Aber der stete Umgang mit ihrem Gatten
mufs ihr allmählich solches nahe gebracht haben. Wir sehen
im Juni 1669, also nur ein Jahr nach der Vermählung, den
Kurfürsten bei einer rein politischen Mafsregel — der Ab-
sendung Blaspeils nach Amsterdam — sich auf das Andrängen
seiner Gemahlin berufen. Sie wohnte häufig den Audienzen
fremder Gesandten bei und suchte dabei wohl des Gatten leicht
aufsteigende Hitze mit dem Hinweis auf seine Gesundheit zu
dämpfen. Auch hier übertrieb der Hof klatsch, wenn er be-
hauptete: gegen ihren Willen sei bei dem Herrn nichts durch-
zusetzen, und er trete oft ihrer Ansicht bei gegen das Votum
aller seiner Räte. Man suchte eben nach einer kleinlichen
Erklärung der Tatsache, dafs der Kurfürst sich, wenn es ihm
richtig dünkte, von den Vorschlägen seiner Berater frei machte.
In einer vitalen Angelegenheit — der Frage des niederländischen
oder des französischen Bündnisses, im Beginne des Jahres 1672
— handelte er gegen den Willen Dorotheens, die ganz auf
französischer Seite stand \
Die fremden Gesandten suchten wetteifernd ihre Gunst
durch kostbare Geschenke zu gewinnen, bei der nach Ansicht
der Diplomaten bares Geld die wirksamste und am liebsten
empfangene Gabe war. Sie nahm solche Zuwendungen gelegent-
lich selber als ihr gutes Recht nachdrücklich in Anspruch und
äufserte laut ihre Unzufriedenheit, wenn fremde Souveräne ihr
keine wertvollen Geschenke verehrten. Die kurfürstlichen Minister
forderten sogar offiziell beträchtliche Summen für Dorothea, wie
' Bericht Amerongens, Febr. 1672; Basnage, Annales des Provincea
TTnies, II, 201.
22 Sechstes Buch.
z. B. bei den Unterhandlungen n^egen Jägerndorf erst 800(K>
Taler, dann 30000 Dukaten (nach heutigem Geldwerte etwa
2 850000 Mark), sicher auf eine Forderung der Fürstin selbst
hin. Auch ihre weiblichen Günstlinge — erst ein Fräulein
von Wangenheim, dann, nach deren Vermählung mit dem
Obersten und Kämmerer Gottfried von Perband, die Herzogin
Charlotte von Holstein -Wiesenburg — galten als einflufsreich
am Hofe und nahmen daraufhin gern Geschenke von fremden
Potentaten an ^ Ein überaus kostbares Geschmeide soll sie
1(580 endgültig für Frankreich gewonnen haben, dessen Gesandter
von ihr, durch die Vermittlung Charlottens von Holstein, viele
wichtige Geheimnisse erfuhr*; doch dürfen wir nicht vergessen,
dafs solche Parteinahme damals im vollen Einklänge mit der
Politik ihres Gatten stand. Jedenfalls haben die auswärtigen
Mächte viel mehr mit ihr unterhandelt als mit Luise Henriette,
zumal sie meinten, Alter und Gebrechlichkeit erhöhten die Ab-
hängigkeit Friedrich Wilhelms von seiner Gemahlin.
Eine geistreiche Frau war sie nicht; sie hat zu aller Zeit
die politischen Fragen vorzugsweise vom Gesichtspunkte ihrer
persönlichen Interessen und Stimmungen beurteilt, hier jedoch
oft scharf und kräftig eingegriffen mit der echt holsteinischen
Energie, die einen hervortretenden Zug ihres Charakters aus-
machte. Die Erziehung ihrer eigenen Kinder hat sie zum
gröfsten Teile selber geleitet und eine Einmischung sogar ihres
Gatten dabei kaum zugelassen. Sie war ebenso eifrig darauf
bedacht, den Besitz ihrer Kinder zu mehren wie eigenen Reich-
tum anzuhäufen. Eine tüchtige, wenn auch weder edle noch
liebenswerte Frau!
Zur Zeit der zweiten Vermählung des Kurfürsten lebten
von den sechs Kindern, die Luise Henriette ihm geschenkt,
noch drei: Karl Emil, geboren am 6./1 6. Februar 1655 ; Friedrich,
geboren am l./ll. Juli 1657; und Ludwig, geboren am 28. Juni/
8. Juli 1666. Der letztere, kaum zwei Jahre alt, kam selbst-
verständlich noch wenig in Betracht. Die Erziehung des Kur-
^ Der kaiserliche Gesandte Lamberg verlangt: que Ton m'envoye
15 mille escus pour les distribuer parmi les dames de TElectrice et entre
les ministres int^ess^ qui touchent de Targent de la France. Lamberg
an Eramprich, 16. Aug. 1682 (Kopie im Geh. Staatsarchiv, Berlin, Bep. 94,
IV Hb, 4b).
I * Ms. Dep. R^benacs vom 80. Dez. 1682 (Auszug); Berlin a. a. 0. 10a.
Ftknfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 23
prinzen \ die anfänglich die Oberhofmeisterin von Götzen geleitet
hatte, wurde 1662 dem Oberpräsidenten von Schwerin über-
tragen, dem treuen, bewährten und hochgeschätzten Minister
des Kurfürsten, dem Vertrauensmann Luise Henriettens in allen
ihren persönlichen wie den öffentlichen Angelegenheiten. Die
Instruktion, die Schwerin dabei erhielt, trug ihm auf, bei dem
Prinzen vor allem die Gottesfurcht zu fördern, ihm fürstliche
Sitten und Gebärden einzuprägen, umfassende, aber nicht eigent-
lich gelehrte Kenntnisse beizubringen, zumal Geographie, und
aus der Geschichte solche Tatsachen zu lehren, die zu wissen
einem zukünftigen Herrscher nützlich sind. Der Redekunst soll
ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Auch für
die körperliche Ausbildung und Zierlichkeit wurde gesorgt^ vor-
nehmlich das Tanzen betont.
Der zweite Prinz, Friedrich, war zuerst von dem jungen
Eberhard Danckelmann unterrichtet worden, wurde aber 1665
gleichfalls Schwerins Obhut anvertraut. Die beiden Brüder
trieben eifrig Musik, zumal Flöte, Gambe und Klavikord. Im
Zeichnen bewiesen sie sowohl Lust wie Talent. Den meisten
Gefallen zeigte der Kurprinz an militärischen Übungen, für die
ihm frühzeitig eine Kompagnie adliger Knaben zur Verfügung
gestellt ward, sowie an der Jagd, bei der freilich ohne Bedenken
arge Tierquälereien verübt wurden. Als Karl Emil 1673, zu
achtzehn Jahren, des Unterrichts entbunden ward, mufste dafür
Schwerin, obwohl er sich wegen Alters und Kränklichkeit heftig
sträubte, die Erziehung des siebenjährigen Prinzen Ludwig
übernehmen, die er bis zu seinem eigenen Tode, am 14. November
1679, überwacht hat.
Der Kurfürst selber verlor die Erziehung seiner Kinder nie
aus den Augen. Sie mufsten öfters vor ihm feierliche Prüfung
ablegen. Er verhörte sie in Katechismus, Geschichte, Geographie,
Lateinisch, Deutsch.
Der Kurprinz machte Schwerin viel zu schaffen. Karl
Emil besafs natürliche Begabung; er hatte ein vortreffliches
Herz, wie er denn seinen jüngeren Bruder innig liebte und
' Dieser Gegenstand ist, auf Grand der im Geh. Staatearchiv in
Berlin enthaltenen Tagebücher Schwerins, behandelt von F. Hirsch
in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., VII (1894), S. 141 ff. Ich
verglich dazu das Original, dem ich noch mehrere Ergänzungen entnahm.
24 Sechstes Buch.
auch seinen Eltern auf das wärmste ergeben war. Bei jeder ihrer
Erkrankungen gab er die lebhafteste Teilnahme zu erkennen^.
Die Trauer des Zwölfjährigen bei dem Hinscheiden seiner Mutter
war eine so tiefe und schmerzliche, wie sie bei Kindern dieses
Alters selten sich zeigt. Er wufste überhaupt, wenn er wollte,
eine bestechende Liebenswürdigkeit zu entfalten und besafs
ritterlichen Anstand und Zierlichkeit. Allein er war von un-
bändigem Stolze und wildem Jähzorn, hochfahrend und un-
gehorsam. Im Lernen, das er eines Fürsten für unwürdig hielt,
bewies er Widerspenstigkeit und Trägheit. In seinem fünf-
zehnten Lebensjahre hatte er „einen Straufs auszustehen weil
er nit fortstudiren wollen, vermeinend, dafs der Degen und
der Krieg mehr für ihme wäre als die Pedanterie, wie ers heifst ;
sein Herr Vater aber verstehts nit also und hat ihn etliche
Tage nit aus dem Zimmer gelassen, bis die Deprecation gar
solenniter geschehen"^. Er verachtete alle Nichtadlige, hielt
aber sich selbst über alle Edelleute erhaben. Kaum achtzehn-
jährig forderte er von dem Könige von England bereits die
höchste britische Auszeichnung, den Hosenbandorden^. Er
richtete in seinem menschenverachtenden Zorn die Pistole auf
seine Umgebung, sagte, noch in dem verhältnismäfsig vernünftigen
Alter von dreizehn Jahren : auf seinen Befehl müsse die Schild-
wache den Herrn von Schwerin erschiefsen. Während er selber
jede Strafe zurückwies, prügelte er, trotz des Kurfürsten Verbot,
seinen Pagen mit einem Stocke. Es waren das Fehler, die für
einen zukünftigen Herrscher denn doch recht bedenklich waren,
zumal sie über die eigentliche Kindeszeit weit hinausgingen. Das
Brustbild, das eine auf ihn geprägte Münze trefflich aufweist
zeigt, dafs er dem Vater sehr ähnlich sah, aber mit leidenschaft-
licherem Ausdrucke und doch mit viel weichlicherem, weniger
hervorstehendem und energischem Kinn*.
An seinem siebzehnten Geburtstage — 16. Februar 1672 —
wurde der Kurprinz zu den politischen Geschäften herangezogen,
indem er in den Geheimen Rat eingeführt ward und dessen
Sitzung durch mehrere Stunden beiwohnte. Karl Emil galt als
» Orlich, Preufs. Staat, III, 447.
• Goefs an den Kaiser, 11. Dez. 1668; U. u. A. XIV, I 404 f.
» U. u. A. XVIL 41.
* G. D. Seyler, Gesch. Friedr. Wilhelms, Kurf. zu Brandenb.
(Frankf. u. Leipzig, 1730, fol.) S. 116.
Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 25
ein Franzosenfeind; mit gewohnter Leidenschaftlichkeit nahm
er Partei für den Krieg gegen die Unterdrücker Hollands ^
Er verwarf deshalb auch das nach dem Frieden von Vossem
ihm nahegelegte Projekt der Heirat mit einer französischen
Prinzessin ; seine Herzensneigung gehörte seiner Base — Vaters-
schwestertochter — Charlotte von Kurland*. Aber allen Hoff-
nungen, Plänen und Befürchtungen, die sich an den begabten
Prinzen knüpften, machte dessen plötzlicher Tod im Feldlager
im Elsafs , am 27. November / 7. Dezember 1674 — in seinem
zwanzigsten Lebensjahre — ein Ende. Dorothea mufste selber
die Trauernachricht ihrem Gatten bringen, da keiner seiner
Diener solches wagte. Die heifsen Tränen, die sie dabei vergofs,
waren sicher keine erkünstelten.
Der jähe Schlag brachte dem zweiten Prinzen, Friedrich,
die Anwartschaft auf den Kurhut. Er war seinem verstorbenen
Bruder in allem unähnlich. Von Geburt an schwächlich, infolge
eines unglücklichen Falles in frühester Jugend verunstaltet, war
er ein Gegenstand mitleidiger Sorgfalt für alle, die ihn um-
gaben. Friedrich war ein fleifsiges, ruhiges, folgsames, aber
wenig begabtes Kind. Schon früh zeigte sich bei ihm die Vor-
liebe für prunkvolle Feierlichkeit: im Alter von zehn Jahren
stiftete er, allerdings unter Mitwirkung seines älteren Bruders,
aber nach eigenen Gedanken ', den Orden de la Gen6rosit6, der
mit pomphaftem Zeremoniell umkleidet wurde.
Nichts ist irriger als die Überlieferung : unter dem Einflüsse
Dorotheens habe der Kurfürst den Prinzen Friedrich von den
Geschäften fern gehalten. Vielmehr hat der neue Kurprinz seit
dem Jahre 1675 — also unmittelbar nach dem Tode Karl
Emils — den Sitzungen des Geheimen Rates beigewohnt. Als
Neunzehnjähriger wurde er im April 1677 mit wichtigen Ver-
handlungen beauftragt, die er in Wesel mit dem holländischen
Ratspensionär Fagel zu pflegen hatte, um die Vereinigten
Provinzen bei dem grofsen Bündnisse gegen Frankreich fest-
zuhalten^. Der Kurprinz machte dann, nach dem Frieden von
St. Germain, die Wendung seines Vaters zu Frankreich zunächst
mit. Als dem Prinzen eine Tochter geboren wurde, setzte er auf die
» Prutz, 57.
« Orlich, Preufs. Staat, I, 527 f.
* J. Qrofsmann im Hohenzollem- Jahrb. 1900, S. 38 f.
^ Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bepos. 68, 2.
26 Sechstes Buch.
Liste der Paten an erster Stelle nicht den Kaiser, sondern den
allerchristlichsten König; und wie der kaiserliche Gesandte
Lamberg ihm darüber seine .Verwunderung ausdrückte, erwiderte
er: „Kaiserliche Majestät haben meinen Herrn Vater gegen alle
gegebenen Versicherungen verlassen, hingegen vom Könige in
Frankreich ist alle Protektion zu erhoffen ^^
Von 1680 an hatte Friedrich den erkrankten oder abwesenden
Vater häufig in den Geschäften der inneren Politik zu vertreten,
zumal in den Verhandlungen mit den preufsischen und den kur-
märkischen Ständen. Ja, in Kleve ward er, an Stelle des 1678
verstorbenen Fürsten Moritz von Nassau, am 20. April 1681
förmlich als Statthalter eingesetzt, mit einem eigenen Gehalt
von 6000 Talern. Es gibt wohl wenige Beispiele, dafs ein Herr-
scher seinen Nachfolger so vielfach in den staatlichen An-
gelegenheiten beschäftigt und ihm dabei eine so in die Augen
fallende Rolle übertragen hat, wie dies Friedrich Wilhelm dem
Kurprinzen Friedrich gegenüber tat, obwohl er im Grunde von
seinem Sohne eine geringe Meinung hegte ^. Solches Verfahren
entspricht dem freien, klaren Sinne und dem grofsmütigen
Herzen dieses einzigen Fürsten.
So schwächlich Friedrich auch sonst war, in seinen Herzens-
neigungen wufste er seinen Willen durchzusetzen. Schon von
dem kindlichen Alter von neun Jahren an zeigte er treue Hin-
neigung für seine Base Elisabeth Henriette, die jüngste Tochter
seiner Vatersschwester Hedwig Sophie von Hessen - Kassel —
gerade wie sein verstorbener Bruder für die Base von Kurland.
Kurfürst Friedrich Wilhelm hat dann für diese letztere Nichte
wie für deren Schwester entsprechende Heiratsverbindungen
zu Stande gebracht, obwohl er dabei mit dem Geize seines
Schwagers, des Herzogs Jakob, oft bitter zu kämpfen hatte;
überhaupt erwies er der fernen Schwester und deren Kindern
rührende Zärtlichkeit®. Kurprinz Friedrich aber blieb auch im
reiferen Alter seiner hessischen Base treu, die seine Zuneigung
' Dep. Lambergs vom 6. Okt. 1680; ü. u. A. XIV, 965 f.
' Er sagte laut, schon im Begixm des Jahres 1680 : „Mein Sohn, der
Kurprinz, ist zu nichts gut.** (Ms. Dep. R^benacs vom 15. Jan. 1680
[Auszug], Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hh, 10a.) Freilich
konnte Friedrich Wilhelm momentane Regungen des Ärgers nicht leicht
bemeistem.
' Aug. Seraphim, Luise Charlotte von Kurland, S. 119 ff.
FOnfunddreifoigstes Xapitel. Der Grolse XurfOrst u. sein Hof. 27
in vollem Marse erwiderte. Die Eurfürstin Dorothea scheint
der Vermählung Schwierigkeit entgegengesetzt zu haben, allein
der Prinz liefs sich nicht abschrecken und fand dabei die ein-
ilufsreiche Unterstützung seines Erziehers Schwerins, der seinem
ehemaligen Zöglinge herzlich ergeben war. Genug, 1679, als
Friedrich 22 Jahre z&hlte, fand die von Seiten der beiden
Liebenden längst gewünschte Verbindung statt, der eine Tochter,
Luise, entsprofs. Aber die glückliche Ehe dauerte nur vier
Jahre; dann starb die Kurprinzessin an den Blattern, zum un-
aussprechlichen Kummer des Gatten.
Damals war schon zwischen dem Kurprinzen und seinem
Vater ein Zerwürfnis eingetreten, das, zunächst mehr per-
sönlicher Art, sich bald auf das politische Gebiet übertrug, den
Lebensabend des greisen Herrschers verdüstert und sein Dasein
in dessen des Trostes und frommer Liebe bedürftigster Periode
vergiftet hat^
Die Stellung der Kurfürstin Dorothea zu den Stiefkindern
war ja von vornherein unerquicklich gewesen. Solange indes
der kräftig blühende Karl Emil gelebt, hatte sie Mafs gehalten
UDd nur für möglichst reiche Ausstattung der eigenen Kinder
gesorgt. Aber nach dessen Tode, als die Nachkommenschaft
Luise Henriettens nur noch aus zwei schwächlichen Prinzen
bestand, denen niemand langes Leben zutraute, fafste Dorothea
ehrgeizige Pläne: ihre eigenen Söhne sollten, auf Kosten des
Gesamtstaates, mit halben oder ganzen unabhängigen Herr-
schaften begabt werden, unter Bürgschaft Frankreichs — schon
damit sie eintretenden Falles im stände seien, ihre Nachfolge in
der Kurwürde mit genügender Macht durchzusetzen. Friedrich
aber legte gegen solche Minderung der ihm zukommenden Rechte
und gegen die drohende Zerstückelung des Staates laut Ver-
wahrung ein und wandte sich um Hilfe sowohl an Frankreich
wie an den Kaiserhof (1680). Als er von der ersteren Macht
^ Dieses Zerwürfnis ist besonders von Prutz, S. 177 ff. 384 ff., nach
den Depeschen B^benacs dargestellt worden. Freilich mufs man solche
mit grofser Vorsicht benutzen, da der französische Diplomat durch Auf-
tragung starker Farben seinen König zu amtlsieren liebte. — Prutz
Belber beurteilt dagegen den Zwischenfall viel zu harmlos; er läfst die
politische Opposition des Prinzen unerwähnt, die durch die Korrespon-
denz des Österreich. Gesandten Lamberg doch in das hellste Licht
gestellt wird.
28 Sechstes Buch.
keinen Beistand erhielt, knüpfte er hinter dem Rücken seines
Vaters enge Verbindungen mit Wien an (Herbst 1681); er erklärte
dem französischen Gesandten ganz laut: sobald er die Gewalt
besitze, werde er sich den Plänen des Königs von Frankreich
nach Kräften widersetzend Sein Ziel, die Erhaltung des Staats-
ganzen, war sicherlich ein berechtigtes, aber ebenso sicher ist,
dafs er sich hierfür geradezu verräterischer Mittel bediente.
Er scheute sich nicht, dem kaiserlichen Gesandten Eröffnungen
über die sekretesten Vorgänge im Geheimen Rat zu machen.
Er wurde dabei ermuntert und unterstützt von dem Fürsten
von Anhalt, der, obwohl geschworener und besoldeter Diener
des Kurfürsten, lediglich im Interesse des Kaisers handelte,
aus seinem Empfinden als kleiner Reichsfürst heraus, der, wie
so viele seiner Genossen, bei dem Reichsoberhaupte Schutz
gegen die grofsen Fürsten suchte. Die beiden gewannen auch
den Geheimrat Fuchs, der, von dem französisch gesinnten Meinders
gekränkt und überdies in der Hoffiiung, sich bei dem Thron-
folger beliebt zu machen, seinen Herrn und Wohltäter verriet
und zu der österreichischen Faktion hinübertrat. Die Ver-
schworenen standen in stetem, mündlichem wie schriftlichem
Gedankenaustausch mit Lamberg und dem Kaiser selbst. Der
Kurprinz äufserte sich ganz naiv über die wahren Beweggründe
seiner wenig löblichen Handlungsweise. Er liefs sich, im Juni
1683, dem Kaiser durch dessen Gesandten empfehlen, nicht nur
wegen des allgemeinen sowie Brandenburgs besonderen Besten,
„sondern auch aus eingewurzelter Aversion gegen die Franzosen,
als die unter anderm noch neulich seinem Stiefbruder zu dem
Herzogtume Pommern, ihm zum Präjudiz, hätten verhelfen
wollen". Er ermahnte Fuchs, für Österreich zu arbeiten: „so
wolle er ihn dessen sein Leben lang in Gnaden entgelten lassen "*.
Derart hat Friedrich einen Minister seines Vaters mit wenig
rühmlichen Mitteln geradeswegs zur Treulosigkeit verleitet, und
zwar vorzugsweise aus rein persönlichen Beweggründen.
Dies zeigte sich bald, als er die von ihm dringend ge-
wünschte Vermählung mit einer hannoverschen Prinzessin mit
Hilfe der damals bei seinem Vater vorwiegenden französischen
Partei durchzusetzen hoffte. Sofort tat er mit R^benac und
^ Vgl. Ms. Dep. R^benacs vom 25. Nov. 1681 (Auszug); Berlin, Gkh.
Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hb, 10«.
FOnfunddreilsigstes Kapitel. Der Groise Kurfürst u. sein Hof. 29
dessen brandenburgischen Anhängern schön (März 1684^). Kaum
war die Hochzeit gefeiert, suchte er freilich wieder Schutz bei
dem Kaiser und erklärte sich laut gegen Frankreich (Okt. 1685).
Es war allerdings die Zeit, wo auch sein Vater sich, wenn nicht
oifen, so doch im geheimen, von diesem Staate abwandte.
Dorothea war über die Opposition des Kurprinzen gegen
ihre Pläne nicht wenig entrüstet, und es gelang ihrem Einflüsse,
auch den Vater gegen den Sohn zu erbittern, von dem er
ohnehin eine ungünstige Meinung hegte. Friedrich Wilhelm
verbarg nicht, dafs er von seines Nachfolgers Schwäche und
geringer Begabung Gefahren für das von ihm selbst mit so
vieler Mühe geschaffene Staatswesen fürchte, und behandelte
den Prinzen unfreundlich. Friedrich, der dem Vater stets mit
gebührender Achtung begegnete, erfüllte sich begreiflicherweise
gegen seine Stiefmutter mit Zorn und schlimmem Verdacht, die
die Gesandten des Kaisers und der Niederländer um so eifriger
schürten, je mehr ihnen damals die Politik des Kurfürsten mifs-
fiel. Einen neuen Grund zum Grolle erhielten Friedrich und
Bein jüngerer, echter Bruder Ludwig, als die Kurfürstin sich
hemühte, die Anwartschaft auf das Oranische Erbe, das dem
auch von seinem Oheim Wilhelm III. zärtlich geliebten Ludwig
zukam, ihrem ältesten Sohne Philipp zu verschaffen — eine
wirklich schreiende Vergewaltigung'. Friedrich zog sich bereits
mit seiner jungen ersten Gemahlin geflissentlich nach Köpenick
zurück. Nach deren frühem Tode sah er sich alsbald nach
einer zweiten Vermählung um, schon um männliche Nachkommen-
schaft zu erzielen und so seinen Stiefbrüdern die Nachfolge zu
entziehen. Dorothea dagegen suchte solche neue Verbindung zu
hintertreiben, aus dem entgegengesetzten Beweggrunde. Ihr
Widerstand wurde durch die Tatsache erleichtert, dafs Friedrich
sich als zweite Gattin die ebenso schöne wie geistvolle Sophie
Charlotte von Hannover auserkor, deren Vater, wie das gesamte
Haus Braunschweig, damals in erbittertem Streite mit Branden-
burg lebte. Hieraus entstand selbstverständlich neue Verstimmung,
bis dann im Sommer 1684 eine Aussöhnung zwischen den Weifen
und dem Kurfürsten eintrat. Das wirkte auf die persönlichen
Beziehungen zurück: am 8. Oktober 1684 konnte die Hochzeit
1 Dep. Lambergs yom 14. März 1684; ü. u. A., XIY, 1134.
' Ms. Dep. B^benacs vom 26. Jvini 1685; a. a. 0.
30 Sechstes Buch.
zwischen dem siebenundzwanzigjährigen Friedrich und seiner
sechzehnjährigen Braut gefeiert werden, zum lebhaften Kummer
Dorotheens, aber zur Befriedigung des Kurfürsten und zumal
seines ältesten Sohnes.
Nur desto mehr war Dorothea darauf bedacht, ihren eigenen
Kindern, denen sich so die Aussicht auf die Nachfolge auf dem
Throne verschlofs, eine reiche Ausstattung zu verschaffen. Diese
Umtriebe veranlafsten den Kurprinzen, sich gänzlich dem Kaiserhofe
in die Arme zu werfen und die dauernde Allianz zwischen diesem
und Brandenburg durch die unverantwortliche und unwürdige
Geheimzusage zu erkaufen, dafs er die von seinem Vater als
Bedingung des Bündnisses geforderte und zur Entschädigung
für Jägerndorf bestimmte Abtretung des Kreises Schwiebus der-
einst rückgängig machen werde (März 1686). Bald glaubt« er
Grund zu neuer Klage zu haben : die Geldzahlungen , die der
Kaiser in Gemäfsheit des Bündnisvertrages nach Berlin leiste,
würden viel mehr den Kindern zweiter Ehe als ihm selbst zu-
gewiesen ^ Er scheute sich deshalb nicht, sich zum zweiten Male
an Frankreich zu wenden und diesem für die Zeit seiner eigenen
Begierung treues Festhalten an dem Bündnis zu versprechen.
Dafür erbaten seine Vertieter Meinders und Schöning für ihn schon
jetzt zehntausend Dukaten von Ludwig XIV., der sie aber nicht ge-
währte, angeblich um den greisen Kurfürsten nicht zu beleidigen ^
Hierüber ergrimmte Friedrich von neuem. Eine Erkrankung,
die ihn im Herbst 1686 befiel, schrieb er dem Verdrusse über
die ihm von den Eltern zugefügten Unbillen zu. So wurde sein
sowie des von ihm zärtlich geliebten Bruders Ludwig Verhältnis
zu den Eltern immer gespannter, unerfreulicher; man vermied
sich gegenseitig nach Möglichkeit. Die Schuld kann nicht allein
an Friedrich gelegen haben, da auch sein Bruder sich von
der Stiefmutter und sogar dem Vater so schwer gekränkt fühlte,
dafs der anmutige, kühn emporstrebende, aber leidenschaftliche
Jüngling, auf den der Vater grofse Hoffnungen gesetzt, den
Wilhelm von Oranien ganz öffentlich als seinen dereinstigen
Erben und Nachfolger bezeichnet hatte, darüber in tiefe Schwer-
mut verfiel und sich den Tod wünschte*. Und plötzlich er-
» U. u. A. XIV, 1328.
* Ms. R^benac an Ludwig XIY., 13. März 1687, u. Ant^'ort des
Königs (Auszüge); a. a. 0.
* Ms. Dep. Bebenacs vom Okt. 1680 u. vom 12. April 1687 ; ebendas.
POnfunddreifsigstea Kapitel. Der Gro&e KurfQrst u. sein Hof. 31
krankte Ludwig wirklich am Scharlach. Sein drohendes Hin-
scheiden mufste auch politisch von grofser Bedeutung für das
Haus Brandenburg werden.
Fürst Boguslaw Radziwill, der Sohn einer brandenburgischen
Fürstin, der einzige seines Hauses, der der reformierten Religion
treu geblieben war, der ergebene Freund des Grofsen Kur-
fürsten und sein Statthalter in Preufsen, hatte bei seinem
frühen Tode, am 31. Dezember 1669, eine einzige, seit ihrer
Geburt auch der Mutter beraubte, zweijährige Tochter zurück-
gelassen. Luise Charlotte Radziwill war eine überaus reiche
Erbin; sie sollte, nach dem testamentarisch festgelegten Willen
des Vaters, zu Königsberg auf deutsche Weise und in dem
reformierten Bekenntnisse erzogen werden und dem bestimmen-
den Einflüsse des Kurfürsten von Brandenburg als ihres Ober-
vormundes unterstehen. Später sollte sie, wenn irgend möglich,
einen fürstlichen Bewerber ihrer eigenen Religionsgemeinschaft
ehelichen. Eine Bestimmung, die um so wichtiger war, als die
zahlreichen reformierten Gemeinden des polnischen Litauen nur
durch den Schutz dieses Zweiges der Radziwill fortdauerten ^
Friedrich Wilhelm mufste tatsächlich durch militärische
Mafsregeln das Kind vor der Entführung durch dessen hab-
gierige litauische Verwandten schützen; Luise Charlott^ns in
Polen liegende Güter rettete er durch Auszahlung bedeutender
Summen vor der Plünderung durch ihre Familie. Ein junger
Radziwill katholischen Glaubens bewarb sich frühzeitig um die
Hand des Erbkindes, unter lebhaftem Beifall des gesamten pol-
nischen Adels, der das Besitztum der Radziwill keinem Aus-
länder gönnte. Nur durch Listen aller Art sowie durch ein
Bündnis mit dem litauischen Grofsmeister Andreas Morsztyn
gelang es dem Kurfürsten, diese Vermählung immer wieder
aufzuschieben. Endlich stand eine diese erzwingende Konstitu-
tion des polnischen Reichstages bevor: als Friedrich Wilhelm
ebenso plötzlich wie geheimnisvoll die Hochzeit der reichen
Dame mit seinem zweiten Sohne Ludwig ins Werk setzte
(7. Januar 1681). Freilich waren König und Königin von Polen,
die die Prinzessin mit ihrem eigenen Sohne Jakob zu verbinden
gehofft hatten, über den Gewaltstreich des Brandenburgers
^ Über diese ganze Angelegenheit die treffliche Monographie
Th. Schiemanns in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Bd. III
<1890), 8. 125 ff. — Vgl. U. u. A. H, 538 ff.
32 Sechstes Buch.
höchlichst aufgebracht und drohten sogar mit Krieg. Aber der
KurfQrst liefs durch das Veto seiner polnischen Anhänger den
Reichstag, der die Mittel zum Kampfe aufbringen sollte, sprengen,
und zwar durch das Verdienst seines langjährigen Gesandten
Hoverbeck in so geschickter Weise, dafs niemand ihm die Ein-
mischung nachzuweisen vermochte. Reiche Geldspenden und
eine militärische Unterstützung im Türkenkriege machten dann
Johann Sobieski und seine Grofsen vollends gefügig, und der
Kurfürst durfte für seinen Sohn die polnischen Güter der
Radziwill in Besitz nehmen.
Nach seiner Weise knüpfte Friedrich Wilhelm an diese
Verbindung weitgehende Pläne. Indem er die dem Hause
Radziwill gehörenden Festungen mit eigenen Truppen und
Kommandanten besetzte und alle auf dessen Gütern ruhende
Pfandschulden ablöste ; indem er femer dem Markgrafen Ludwig
von dessen Gemahlin die Mitregentschaft über ihre ,,Fürsteu-
tümer und Lande" übertragen liefs: bereitet er deren Loslösung
von Polen und Anschlufs an Kurbrandenburg von langer Hand,
aber mit grofser Sicherheit vor.
Niemand hatte zunächst der Erkrankung Ludwigs eine
gefährliche Bedeutung beigemessen, am wenigsten die Ärzte.
Als der Sterbende dem Vater die Bitte übersandte, er möge doch
zu ihm kommen, damit er ihm noch einmal vor dem Verscheiden
die Hand küsse, wies der Kurfürst dies ärgerlich zurück, weil
er fest davon überzeugt war, dafs Ludwig sein Leiden arg über-
treibe \ Plötzlich, am 28. März /7. April 1687, starb aber der junge
Prinz am Scharlachfieber. Alle die grofsen Absichten auf Litauen
wurden durch seinen Tod vereitelt. Freilich hat der Kurfürst, kaum
dafs der erste Schmerz über den betäubenden Schlag und über sein
eigenes, dem Dahingeschiedenen zugefügtes Unrecht sich ge-
mildert, jene Projekte wieder aufgenommen, indem er die junge
Witwe seinem Neffen, dem Prinzen von Kurland, bestimmte,
dessen schleunige Heimsendung von dem Heere in Ungarn er
vom Kaiser erbat ^. Allein Luise Charlotte wollte um so weniger
aus seiner Hand einen zweiten Gemahl annehmen, als sie die
Verstimmung ihres verstorbenen Gatten gegen dessen Eltern
' Ms. Dep. Rebenacs vom 12. April.
■ Fridag an den Kaiser, 18. Juli, u. der Kaiser an Fridag
14. Okt. 1687; U. u. A. XIV, 1368. 1388 Anm. 2.
FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 33
nor allzusehr teilte und auf die ganze hohenzoUernsche Familie
übertrug. Sie war, wie alle Welt, ja der Kurfürst selber, davon
überzeugt, Ludwig sei vergiftet worden, zumal die Ärzte dies
amtlich aussprachen, um die von ihnen bewiesene Unwissenheit
und Leichtfertigkeit zu bemänteln. Hatte man doch schon die
schwere Krankheit, die den Kurprinzen im Spätherbst 1686
befallen, dem Gifte zugeschrieben ^ Manche glaubten, das Ver-
brechen an Markgraf Ludwig sei von Polen, von verkleideten
Jesuiten verübt worden, um eben die Radziwillschen Güter in
die Hände ihres Prinzen zu bringen. Allein, überwiegend be-
zichtigte die öffentliche Meinung die Herzogin von Holstein-
Wiesenburg, die Günstlingin der Kurfürstin, und mittelbar diese
selbst des Giftmordes; und Kurprinz Friedrich, stets voll Ver-
dacht gegen die Stiefmutter, von Schmerz über den Verlust des
geliebten Bruders tief erregt, beging das unverzeihliche Unrecht,
eine so furchtbare Anklage laut für begründet zu erklären.
Reichliche Gegengifte, die er ostentativ einnahm, machten ihn
wirklich von neuem krank. Er begab sich auf seine Güter und
erbat die Erlaubnis, sich auf seinen Statthalterposten nach
Kleve zurückziehen zu dürfen, mit der kränkenden Begründung,
er wolle dadurch ein ähnliches Schicksal vermeiden, wie solches
seinen Bruder Ludwig betroffen habe. Seine Gemahlin, die
tatsächlich von dem kurfürstlichen Paare sehr übel behandelt
und selbst in ihrer Frauenehre verletzt wurde* — lag man
doch mit den Weifen wieder in Streit — , brachte er gleichsam
in Sicherheit nach Hannover, also in feindliches Gebiet. Sophie
Charlotte erklärte geradezu, sie werde während des Lebens
ihrer Schwiegereltern nicht mehr nach Berlin zurückkehren.
Und auch der Kurprinz weigerte sich, am Hofe wieder zu er-
scheinen, ehe nicht diejenigen bestraft seien, die seinen Bruder
gemordet und ihm gleiches Schicksal zugedacht hätten. Eine
grauenvolle Beschuldigung gegen die Stiefmutter und deren
Umgebung! Friedrich Wilhelm war der festen Überzeugung,
dafs diese ungeheuerliche Bezichtigung seinem Sohne von den
Weifen eingegeben worden sei, die Brandenburg zu schwächen,
ja völlig aufzulösen gedächten. Kein Wunder, dafs er dem
> Dep. Fridags vom 2. Dez. 1686; ü. u. A., XIV, 1386.
' Dep. des niederl. Gesandten Hoop vom 28. Sept. 1687; U. u. A.,
III, 789.
Philippson, D«r Grofse Knrfflrst. III. 3
34 Sechstes Buch.
Sohne die Übersiedlung nach Kleve, in die Nähe der Nieder-
lande und Frankreichs, mit denen der Prinz hätte Intriguen
anknüpfen können, streng verbot. Da Friedrich aber auf seiner
Absicht beharrte, geriet der reizbare, durch Alter und Krank-
heit nur zornmütiger gewordene Kurfürst in schwere Ent-
rüstung: er behielt die Einkünfte seines ältesten Sohnes ein
und drohte, das Herzogtum Preu&en dem Erstgeborenen
Dorotheens, dem Markgrafen Philipp, zu hinterlassen. Ein
Konflikt war hier aus rein persönlichen Beweggründen aus-
gebrochen, der der Einheit und Gröfse des Staates die
schlimmsten Gefahren bereitete.
Befreundete und verwandte Höfe, sowie der bei Friedrich
Wilhelm viel geltende Marschall Schomberg, der Hofprediger
Ursinus, endlich des Prinzen vertrauter ehemaliger Erzieher
Eberhard Danckelmann legten sich ins Mittel. Dem Kurprinzen
selbst, der im Grunde ein weiches, liebendes Herz besafs, ward
bei dem Streite mit dem Vater nicht wohl: er liefs sich be-
stimmen, anstatt nach Kleve zu seinem Vetter und früheren
Schwager, dem Landgrafen Karl, nach Kassel zu gehen. Allein,
monatelang blieb der Zwiespalt noch bestehen. Der Kurfürst
litt nicht, dafs seinem ältesten Sohne die am 8. August gefeierte
Vermählung von dessen Halbschwester Marie Amalie mit dem
Erbprinzen von Mecklenburg-Güstrow auch nur angezeigt werde.
Weder er selber noch Dorothea beantworteten die an sie ge-
richteten Schreiben des Kurprinzen. Dieser war über solche
Nichtachtung äufserst entrüstet. Er drohte, seine „meseuren
nehmen*^ zu wollen, sich „endlich an einige Puissancen zu
hängen^. Aber Meinders, den er als „vielgeliebten" anzureden
pflegte, und die übrigen Geheimräte machten ihm ernste Vor-
stellungen. Sie sagten ihm, dafs seine Abwesenheit vom Hofe
gerade seinen Widersachern freies Feld gebe, dafs daraus für
ihn schwerer und andauernder Nachteil erwachsen werde. Sie
zeigten ihm, dafs sein Vater nicht unrecht habe, eine Unter-
suchung wegen der angeblichen Giftattentate so lange aufzu-
schieben, bis er Beweise in Händen habe, wo die Schuldigen
zu suchen seien \ Der König von Frankreich, auf den der
Prinz zum Teil seine Hoffnung gesetzt, riet ihm beharrlich Ver-
söhnung mit dem Vater an, damit er gröfseres Unheil für sich
^ Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 92, Meinders 8.
FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Groise KorfOrst u. sein Hof. 35
vermeidet Und bei dem Kurfürsten, der fühlte, wie die
Schatten des Todes sich immer dichter um ihn zusammenzogen,
machte der Zorn der Sorge und dem Kummer über das Zer-
würfnis mit seinem Nachfolger Platz. Ob nicht dem kranken
Greise in schlaflosen Nächten und an qualvollen Tagen der
Geist seiner Luise Henriette mahnend vor die Seele trat? Er
fürchtete, dafs jesuitischer Einilufs sich des schwachen Kur-
prinzen bemächtigen, dafs so die evangelische Religion, deren
treuer Bekenner und Schützer er selber war, grofsen Schaden
erleiden werde. Genug, nach langwierigen Verhandlungen und
nach Überwindung des Widerstandes, den Sophie Charlotte ur-
sprünglich jeder Rückkehr nach Berlin entgegengesetzt hatte',
fand wenigstens eine formelle Aussöhnung statt: das kurprinz-
liche Paar begab sich im Oktober 1687 nach Potsdam. Das
Verhältnis Friedrichs zu seinem Vater blieb zuerst noch kühl.
Aber allmählich hielt auch die Kurfürstin es für gut, einzu-
lenken, da das Hinscheiden ihres Gatten und die Thron-
besteigung des Kurprinzen offenbar nahe bevorstanden. Sie
sprach sich mit dem Stiefsohn persönlich aus, und die Folge
dessen war die Entfernung jener Herzogin von Holstein-Wiesen-
burg vom brandenburgischen Hofe, der man allerseits die angeb-
liche Vergiftung des Markgrafen Ludwig schuldgegeben hatte, —
ein Akt der Selbstaufopferung von selten Dorotheens, eine
Genugtuung für Friedrich, der gerade die Herzogin als seine
Feindin betrachtete. Die Geburt eines Enkels, eines Erben des
kurfürstlichen Hohenzollernstammes — des zukünftigen Königs
Friedrich Wilhelm I. — erfüllte den greisen Herrscher mit
inniger Freude und gab dem kurprinzlichen Ehepaare eine
gewichtigere Stellung*.
Jedes Zerwürfnis schien beseitigt. Der Kurprinz fand sich
wieder im Geheimen Rate ein, er vertrat oft in den wichtigsten
Regieningshandlungen seinen durch Krankheit mehr und mehr
behinderten Vater. Er wurde schliefslich in das Geheimnis des
grofsen Planes der Befreiung Englands von den franzosen-
^ Ms. Ludwig XIV. an Rebenac, 10. April, Mai bis September 16^7.
« Hoop an Uranien, 18J28. Sept. 1687; U. u. A., III, 789 f.
* Ms. Dep. Rebenacs vom 6. Okt. 1687 (Berlin, Geh. Staatsarchiv,
Bep. H IV Hb, lOo).
3*
36 Sechstes Buch.
freundlichen Stuarts eingeweiht, das aufser ihm, Schomberg
und Fuchs niemand in Berlin kannte.
Und doch war dem Prinzen für die Zukunft eine peinvolle
Überraschung zugedacht.
Kurfürst Friedrich Wilhelm hat in seiner ernsten, nach-
denklichen Art sich schon frühzeitig mit dem Gedanken des
Todes, sowie des Schicksals, das nach ihm seinen Staat betreffen
werde , beschäftigt ^. Bereits 1651 , als er noch kinderlos war
und das Aussterben der Kurlinie drohte, hatte er über seine
Besitztümer, soweit ihm das möglich war, Verfügung getroffen.
Als ihm dann seit 1655 mehrere Söhne geboren wurden, hat
er, noch 1655 und dann 1662, neue letztwillige Bestimmungen
getroffen. Wichtiger als diese Schriftstücke ist das Testament
von 1664. Hier hat er, mit Zustimmung der Geheimen Räte,
zum ersten Male mit jener ausdrücklichen Anordnung des hohen-
zollernschen Hausgesetzes, der Dispositio Achillea von 1473,
gebrochen, nach der alle der Kurlinie zufallenden Länder ver-
eint bleiben und aufser den schon vorhandenen Seitenlinien —
der von Ansbach und der von Bayreuth — keine neuen ent-
stehen sollten: eine Festsetzung, die allein, der steten Zer-
splitterung der übrigen deutschen Fürstentümer gegenüber, die
wachsende Gröfse und Macht Kurbrandenburgs ermöglicht hat«
Friedrich Wilhelm aber trennte in dem Testamente von 1664
das Fürstentum Halberstadt und das Amt Egeln von dem
Gesamtstaate und überwies diese Lande seinem damals zweiten
Sohne Friedrich zu unabhängigem Besitze, indem er nur das
Waffenrecht, sowie das Recht des Kriegs und Friedens dem
jeweilig regierenden Kurfürsten vorbehielt. Es steht fest, dafs
Friedrich Wilhelm diese auffallende Bestimmung auf den drin-
genden Wunsch Luise Henriettens getroffen hat, die in zärtlicher
Sorgfalt für die Zukunft ihres schwächlichen und mifsgestalteten
zweiten Sohnes sorgte. Indes nicht ohne Begründung vor seinem
Gewissen hat der Grofse Kurfürst dem Andringen seiner
* Droysen, IV, IV 129 ff. — Droysen hat die Tatsachen, die die
früher so strittige Testamentsfrage betreffen, mit bewundernswerter
Umsicht, Tätigkeit und Schärfe erforscht und zusammengestellt. Aber
der harmlosen Deutung, die er hierbei dem Verfahren Friedrich Wilhelms
gibt, kann ich mich nicht anschüefsen. Bei Droysen hat eben der Grofse
Kurfürst immer recht, auch in den verzweifeltsten Fällen, seine Gegner
immer unrecht.
Ffinfun ddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 37
Gemahlin so weit nachgegeben, von dem mit vieler Mühewaltung
und Eonsequenz geeinten Staate wieder ein Stück zu lösen.
Vielmehr konnte er einen guten, unverwerflichen Grund für sein
Verfahren anführen. Die Zukunft der Kurlinie stand damals
nur auf vier Augen; erlosch sie, und ging die Kur auf die
markgräfliche Linie Bayreuth über, so fiel nicht nur die Souve-
ränität über Preufsen vertragsmäfsig an Polen zurück, sondern
auch das rheinisch - westfälische Gebiet — Kleve, Mark und
Ravensberg — der älteren Schwester Friedrich Wilhelms, der
Herzogin von Kurland, und deren Nachkommenschaft anheim.
Für diese Verluste würde der Kurstaat nicht einmal durch die
Vereinigung mit dem Fürstentum Bayreuth einigermafsen ent-
schädigt, sondern hier, nach dem Hausgesetze, eine neue
Sekundogenitur begründet worden sein. Nun war es eine durch
vielfache Erfahrung erhärtete Tatsache, dafs jüngere landlose
Fürsten, absichtlich oder unfreiwillig, auch ehelos blieben. Vor
dieser Eventualität — Friedrich Wilhelm sagt es ausdrücklich —
wollte er aus den erwähnten Gründen seinen zweitgeborenen
Sohn durch Ausstattung mit einem nach damaligem deutschem
Mafsstabe ansehnlichen Gebiete bewahren, damit er auch seiner-
seits der Kurlinie Nachkommenschaft erwecke. Sowohl der
Kaiser wie die Halberstädter Landstände gaben zu solcher Be-
stimmung ihre Einwilligung.
Ein Kodizill aber sah dann eine neue Zerteilung des Staates
vor: die jüngst von Polen erlangten pommerellenschen Herr-
schaften Lauenburg und Bütow wurden einem etwaigen dritten
Sohne bestimmt, — eine Voraussicht, die sich 1666 durch die
Geburt des Prinzen Ludwig verwirklichte.
Fiel hier schon die Begründung jener ersten Abtrennung
von Staatsgebiet hinweg, und ward ganz unverhüllt das Parti-
kularinteresse der jüngeren Prinzen auf Kosten des Staates
begünstigt, so tritt diese Richtung in den neuen Testa-
menten und Kodizillen von 1670 und 1674 noch verschärft her-
vor. Die Zahl der Söhne war durch die schnell aufeinander-
folgenden Spröfslinge der zweiten Ehe nachgerade so grofs ge-
worden, dafs die Gefahr des Aussterbens der Kurlinie völlig
verschwand. Und dennoch neue Lösungen einzelner Gebietsteile
vom Staate zu Gunsten der jüngeren Prinzen! Es war ein un-
keilvoller Weg, auf den sich Friedrich Wilhelm von den Frauen
batte drängen lassen; er mochte der energischen zweiten
38 Sechstes Buch.
(Temahlin nicht versagen, was er der sanfteren ersten zugestanden
hatte.
Eine segensreiche Reaktion in den Anschauungen des
Herrschers zeigt das nach dem Tode des Erstgeborenen ent-
worfene Testament von 1676. Die Halberstädter Sekundogenitur
war nun hinfällig geworden, da Friedrich Kurprinz war. Das
damalige Testament begnügte sich damit, die jüngeren Prinzen,
sowie die Kurfürstin Dorothea mit Einkünften auszustatten, die
freilich reichlicher waren , als es sonst Herkommen und Sitte,
aber doch keine landesherrlichen Rechte begründeten.
Indes ein abermaliges Testament vom Jahre 1680 lenkte —
sicherlich unter Dorotheens Einflufs^ — wieder in die alte
unglückselige Richtung zurück. Es übertrug jedem der Söhne
ein eigenes Fürstentum. Allerdings wurde ihnen nicht nur das
Recht der Staats vertrage und der Waffen entzogen, sondern auch
die Ausübung der Reichs- und Kreisstandschaft zu blofser Form
gemacht, diese wichtige Befugnis tatsächlich dem regierenden
Kurfürsten vorbehalten. Immerhin war die erst von Friedrich
Wilhelm selbst, oft mit Gewalt, Wortbruch und Rechtswidrig-
keiten, erkämpfte Staatseinheit wieder geopfert, wurden hier
Verhältnisse geschaffen, die in naturgemäfser Entwicklung zu
Zwistigkeiten unter den verschiedenen Gliedern der Kurlinie,
ja zur Sprengung des sie umschliefsenden Bandes führen mufsten.
Und dieses unheilvolle Testament wurde unter die Bürgschaft
des Königs von Frankreich gestellt!
Der Kurfürst fühlte selber, dafs jetzt, wo ihn zahlreiche
Söhne umgaben, der früher angegebene Grund, man müsse für
die Fortdauer des Kurhauses sorgen, ganz hinfilllig sei. Er
wiederholte ihn freilich der Form nach, fügte aber einen neuen
hinzu: man müsse durch reichliche Ausstattung die jüngeren
Prinzen daran verhindern, nach dem Muster anderer Häuser
Fortgang und reiche Ausstattung im Schofse der katholischen
Kirche zu suchen. Eine solche Eventualität wäre jedoch durch
Übertragung von Einkünften ganz ebenso verhütet worden wie
^ Das hat der nachmalige König Friedrich I. bestimmt von seiner
Stiefmutter ausgesagt; Bänke, Sämtl. W. XXV/XXVI, 392. — Vgl.
die Depeschen B^benacs vom Okt. 1680 (Auszug, Geh. Staatsarchiv, Berlin,
Bep. 94, IV H b, 10 a), die der Kurfürstin sogar die Bemühung zuschreiben»
ihren Gatten zur Teilung der Souveränität zu Gunsten ihrer eigenen
Söhne zu bewegen.
FOnfunddreifsigBtes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 39
durch Ausstattung mit eigenen Fürstentümern. Und dann : war
Brandenburg grofs und reich genug, um zur Verhütung des
Übertrittes eines oder des anderen seiner zahlreichen Prinzen
zu Rom derartige, ja auch nur bedeutende pekuniäre Opfer zu
bringen ?
Die traurigen Folgen der von Dorothea ihrem Gatten unter
unzulänglichen Gründen abgerungenen Bestimmungen zeigten
sich unverzüglich: der Kurprinz, der durch Röbenac Kenntnis
von dem Inhalte des Testamentes erhielt, machte diesen An-
ordnungen sofort Opposition; an sich mit vollem Rechte, nicht
allein von seinem persönlichen Standpunkte aus, sondern im
Interesse des Staates, das auf das empfindlichste verletzt war.
Schade, dafs er bald nur seines eigensten Vorteiles gedachte
und in seinem Kampfe gegen den Vater recht unbesonnene, ja
verwerfliche Mittel anwandte.
Friedrich Wilhelm trug den Einwendungen einigermafsen
Rechnung durch sein letztes Testament vom 16. Januar 1686.
Ks erweiterte zwar noch die Dotation seiner Gemahlin, machte
aber die Ernennung und Absetzung der Beamten in den fünf
Nebenfürstentümem von der Bestätigung durch den jeweilig
regierenden Kurfürsten abhängig. Hiermit wurde allerdings das
Band gefestigt, das die einzelnen Lande mit dem Haupte des
Kurhauses zusammenhielt. Indes schon der Name der Einzel-
fürstentümer, die verhältnismäfsige Selbständigkeit der Ver-
waltung und Gesetzgebung in ihnen und die bei der Dürftigkeit
des ohnehin unter dem Steuerdrucke fast erliegenden Staates
erschreckende Höhe der Dotationen für die jüngeren Linien
blieben schwere Fehler, die für die Zukunft das Werk des
(irofsen Kurfürsten wieder in Frage stellten. Zum Glücke ist
die Ausführung unterblieben und damit Friedrich Wilhelms
Schöpfung -- soll man sagen : gegen seinen eigenen Willen ? —
gerettet worden.
Für sich selbst hatte dieser Fürst sich die höchste und aus-
schlaggebende Macht, je älter er wurde, um so eifersüchtiger
gewahrt. Ein Beweis der subalternen Stellung, die er seinen
Ministem zudachte, war es, wenn er nicht allein zuliefs, sondem
geradezu forderte, dafs sie von fremden Mächten bei passender
Gelegenheit reiche Gaben erhielten ^ Es lag hierin der Aus-
' Aufser vielen anderen, dokumentarisch belegten Beispielen sehe
man darüber Prutz, S. 134 ff.
40 Sechstes Buch.
druck seines Bewufstseins , dars die Haltung seiner Diener un-
schädlich sei, da die Entscheidung doch immer von ihm selbst
ausgehe. Solche Schenkungen waren kaum verfänglicher, als
wenn in der Gegenwart Staatsmänner mit fremden Orden ge-
schmückt werden.
Unmittelbar nach dem Nordischen Kriege herrschte in der
Umgebung des Kurfürsten der Gegensatz zwischen dem längst
in Gunst befindlichen, milden und adelsfreundlichen Oberpräsi-
denten von Schwerin und dem frisch geadelten, bureaukratisch
und absolutistisch gesinnten, tatkräftigen, selbstischen, gewissen-
und bis zur Roheit rücksichtslosen Friedrich von Jena. Im
ganzen überwog Jena, der dem Kurfürsten persönlich nicht so
nahe stand wie Schwerin, seinen Plänen und Absichten aber
mehr entsprach ^ Übrigens war Jena, wie sogar seine Feinde
zugestanden, gründlich gelehrt und führte eine vorzügliche
Feder'. Zur Faktion des Oberpräsidenten gehörten die Kur-
fürstin Luise Henriette, Fürst Radziwill, Herzog von Croy,
sowie die Geheimräte von Brandt und Kleist An seinen Wider-
sacher schlofs sich besonders der Bielefelder Steuerempfängers-
sohn Franz Meinders an (geboren 1630), in klassischer und in
französischer Bildung gleich erfahren, liebenswürdig und ge-
wandt. Im Privatdienste Waldecks emporgekommen, hatte er
sich durch Eifer und Geschick dem Kurfürsten empfohlen und
war 1656 in dessen Beamtenschaft eingetreten. Hier hatte er,
zuerst in der Stellung eines Kriegsrats, sich derart ausgezeichnet,
dafs Friedrich Wilhelm ihn bald zu diplomatischen Geschäften
verwandte, dann — 1669 — mit der provisorischen Verwaltung
des General -Kriegskommissariats betraute und 1672 in den
Geheimen Rat berief, wo er damals, nach Erhebung Jenas in
den Adelsstand, der einzige Bürgerliche war. Der kluge, kecke,
stets froh zur Arbeit aufgelegte, dabei sich unbedingt be-
herrschende und bescheidende Mann, der die Sprache der
Diplomatie — das Französische -— mit seltener Korrektheit
nicht nur sprach, sondern auch schrieb, spielte bald eine be-
deutende Rolle zur Seite Jenas.
Dieser war besonders in der Angelegenheit, die während
1 Lisola an Walderode, 6. JuU 1663; U. u. A., XIV, 148.
■ Kurfürstin Luise Henriette an Schwerin, 1663; Orlich, Preufs.
Staat, in, 451.
FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 41
der Jahre 1661 und 1662 im Vordergründe des Interesses für
den Kurfürsten stand — dem Kampfe mit den preufsischen
Ständen — , mit seiner streng absolutistischen Gesinnung dem
Herrn viel nähergetreten als der adelsfreundliche und stets
zur Versöhnung ratende pommersche Edelmann. Schwerin wurde
über den Verlust seines mafsgebenden Einflusses so aufgebracht,
dafs er sogar seine eifrigsten Gönner, wie die Kurfürstin und
den Fürsten von Anhalt, beschuldigte, mit Jena gegen ihn ver-
schworen zu sein. Die Ernennung zum Erzieher des Kurprinzen
(1662) erschien ihm wie eine ehrenvolle Verbannung, und so
erlangte er von dem Kurfürsten Entbindung von einem Teile
seiner öffentlichen Geschäfte (1663). Fünf Jahre später hat er
noch eine weitere Entlastung durchgesetzt, so dafs er seine
Tätigkeit auf die Erziehung der Prinzen und Erteilung von
Ratschlägen beschränkte, wenn solche gefordert wurden. Allein,
Friedrich Wilhelm hat ihn im Grunde für den treuesten und
ihm persönlich ergebensten Berater gehalten, seine sittliche
Überlegenheit über Jena stets anerkannt, deshalb seine oft
wiederholten Entlassungsgesuche mit gütigen Worten abgelehnt
und sich in allen wichtigen Angelegenheiten immer wieder an
ihn gewendet. Ihr vertraulicher Briefwechsel ging Jahr für
Jahr von statten, und gerade die geheimsten Dinge wurden
zwischen dem Kurfürsten und seinem ziemlich gleichalterigen
Oberpräsidenten verhandelt, ohne dafs dieser freilich seine An-
schauungen immer durchzusetzen im stände war\
Der Gegensatz zwischen Frankreich und den Habsburgem
und die sich hieran knüpfenden diplomatischen und kriegerischen
Verwicklungen brachten dann, um das Jahr 1666, eine neue
Konstellation am Berliner Hofe zuwege. Schwerin, der früher
"- noch 1662 — ein Gegner Frankreichs gewesen war^, hielt
nunmehr jeden Widerstand gegen diesen Staat für aussichtslos
und strebte deshalb ein Bündnis Brandenburgs mit König Ludwig
an. Gleicher Ansicht war Meinders, dessen französierende
Bildung und occidentales Wesen ihn ohnehin Frankreich günstig
stimmte. Auf einer diplomatischen Sendung verlebte er den
Winter 1668 in Paris und erhielt hier einen tiefen Eindruck
> Orlich, Preufs. Staat, I, 248 ff., HI, 167 ff. 460. — ü. u. A.,
Bd. IX. XII. XVIII.
« U. u. A., IX, 618 ff.
42 Sechfltes Buch.
von der Gröfse, Macht, Kultur und dem Reichtum dieses Landes:
eine Stimmung, die ihn Brandenburgs Interesse um so mehr in
engem Anschlufs an Frankreich suchen liefs. Friedrich von Jena
dagegen war für eine Allianz mit dem glaubensverwandten
Holland und dem Kaiser und fand dabei den Beifall Johann
Georg von Anhalts, der hierüber sich von Schwerin trennte,
sowie des Feldmarschalls Derfflinger, des Generalleutnants von
der Goltz und des Oberstallmeisters von Pöllnitz. Indem der
Kurfürst, nach mannigfachen Schwankungen, sich 1672 und be-
sonders 1674 für diese letztere Partei erklärte, traten Schwerin
und Meinders, zumal in betreff der äufseren Politik, in den
Hintergrund. Gegen Meinders wurden überdies die bittersten
Anklagen erhoben: er habe bei Abschlufs des Vertrages von
Vossem das Interesse des Kurfürsten dem Frankreichs geopfert;
er habe von letzterm ein Porträt Ludwigs XIV., mit Diamanten
besetzt und 20 000 Taler wert, ein Silberservice und viele Tausende
von Talern an barem Gel de erhalten. Allein, er wufste diese
Anschuldigungen zu widerlegen: an Geldgeschenken habe er
nur die üblichen „zur Kette*", d. h. zur Beschaffung des ge-
wöhnlichen Gesandtengeschenkes, einer goldenen Kette, sowie
ein Porträt Ludwigs XIV. erhalten ^ Jedenfalls ein Beweis, dafs
er bei diesem Könige in hoher Gunst stand. Das hinderte jedoch
nicht, dafs der kluge Meinders es bald verstand, sein Interesse
von dem des Oberpräsidenten zu trennen und sich dem Kur-
fürsten von neuem durch seine flinke, gewandte Feder und
durch sein Talent als Unterhändler unentbehrlich zu machen.
Schon seit 1669 „hatte er die Hand fast in allen vornehmen
Negotiis*" '. Sein wachsender Einflufs verstimmte den zu Bitter-
keit und Neid neigenden Jena, der sich zum ersten Male
dem damals halb in Ungnade gefallenen Schwerin näherte.
Beide suchten im Bewufstsein ihrer treuen Dienste und in einer
Frömmigkeit Trost, die wenigstens bei dem Oberpräsidenten
natürlich und aufrichtig war. Schwerin, der, seit 1676 auch
der Erziehung der Prinzen enthoben, fern vom Hofe in Kleve
weilte, schrieb von dort aus: „Ich lebe hier nach meinem Wunsche
ganz zurückgezogen und komme fast nicht aus meiner Kammer.
^ Ms. Verantwortungsschiiften Meinders* an den Kurf., Nov. 1673
u. 28. Febr./8. März 1674; Berlin, Geh. Staatsardiiv, Bep. 92, Meinders, 4.
« Goefs an d. Kaiser, 23. Juli 1669; U. u. A., XIV, 425.
Ffinfimddreüsigstes Kapitel. Der Grofae Kurfürst u. sein Hof. 43
Dieoccupationesaulicae haben mich viele Jahre verhindert,
etwas zu lesen ; wenn ich jetzt dazu komme, ist mir alle Arbeit
zuwider, die mich daran verhindert.^ Aber solche Entsagung^
obwohl gewifs aufrichtig gemeint, war eine Selbsttäuschung:
wer einmal im Besitze der Macht gewesen, entbehrt solche nur
mit Kummer. Schwerins stete Klagen, seine wiederholten und
gereizten Entlassungsgesuche beweisen das ebenso deutlich wie
sein tiefer Hafs gegen den Bielefelder Emporkömmling. „Ich
habe gesehen," schreibt er 1677 an den Herzog von Croy, „was
Sie an Meinders geschrieben; bitte untertänigst, Ew. Gnaden
wollten deshalb in Ruhe sein, denn ich selbigem Menschen nur
antworte auf seine Schreiben, wenn er wegen Sr. Kurf. Durchl.
Geschäfte etwas überschickt. Indigna Gaesaris via."
Wenige Monate darauf fiel er bei dem Kurfürsten vollends in
Ungnade. Friedrich Wilhelm war sogar dazu geneigt, ihn auch
der Form nach zu entlassen, zumal der Prinz von Oranien mahnte,
im Interesse des guten Einverständnisses mit den Verbündeten den
französisch gesinnten Schwerin zu beseitigen, den er fälschlich
schnödesten Eigennutzes und der Bestechung durch die Schweden
beschuldigtet Als aber die Vereinigten Provinzen und bald
darauf auch Spanien und der Kaiser von Brandenburg abfielen
und dieses sich wieder Frankreich zuwandte , kam naturgemäfs
der Oberpräsident zu neuer Geltung. Wir sehen seit der Mitte
des Jahres 1678 den Kurfürsten beständig die geheimsten
politischen Angelegenheiten mit ihm verhandeln. Sein Abschieds-
gesuch wurde in den schmeichelhaftesten Ausdrücken abgelehnt,
er nur zu seiner gröfseren Bequemlichkeit von den Geschäften
eines Oberpräsidenten des Geheimen Rats entbunden ^. Aber den
tatsächlich ausschlaggebenden Einflufs bewahrte doch Meinders,
dessen energische Ratschläge den Kurfürsten weit sympathischer
berührten als die zögernde Vorsicht Schwerins, dessen angeborene
Bedenklichkeit durch vorzeitiges Greisentum und Körperschwäche
noch gesteigert wurde. Dem Herzoge von Croy gegenüber be-
klagte er sich, im April 1679, über Meinders' alles beherrschendes
Ansehen: „Ich danke Ihnen, dafs Sie ein so hoher Patron des
1 Ms. Uranien an den Kurf., 20J30. März 1678; Berlin, Geh. Staats-
archiv, Bep. 92, Meinders, 6.
" Orlich, Preufe. Staat, III, 298 ff. — Das Folgende: ebendas.
I, 255f., und Strecker, 92f.
44 Sechstes Buch.
Adels sind; Gott vergelte es Ihnen; es ist aber bald um den-
selben getan. Diejenigen (der Kurfürst!), so ohne den Adel
nicht aufkommen können, sind dessen Verfolger und Bedrücker.'
Worte , die für die Denkweise Schwerins sehr bezeichnend sind
und von neuem dartun, dafs er seiner ganzen Gesinnung nach
mit seinem Herrn in der inneren Politik ebensowenig wie in
der äufseren übereinstimmte.
Wenige Monate später — 14. Nov. 1679 — ist der treffliche
Mann im zweiundsechzigsten Lebensjahre gestorben. Er war
der einzige der damaligen brandenburgischen Staatsmänner, der
stets und grundsätzlich die fremden „Gratifikationen" höflich,
aber bestimmt zurückgewiesen hat^ An Gewissenhaftigkeit,
Treue und Pflichtgefühl kam ihm keiner der Räte des Kurfürsten
gleich, und das erklärt, weshalb, trotz aller Verschiedenheit der
Ansichten und Ziele, Friedrich Wilhelm sich immer wieder ihm
zuwandte.
Sein Sohn, der jüngere Otto von Schwerin, blieb stets, wie
der Vater, ein Anhänger des französischen Bündnisses ^ Allein,
sein Einflufs am brandenburgischen Hofe war gering.
\ Zu dieser Gruppe gehörte auch Burggraf Christian Albrecht
von Dohna, der sich dem Oberpräsidenten angeschlossen hatte.
Er war jedoch wenig beliebt, sowohl bei Hofe wie bei den
Bürgern, und als arger Bauernschinder berüchtigt. Nur die
Gunst Luise Henriettens hat ihn gehalten '.
Einer der eifrigsten Anhänger Frankreichs war lange Zeit
hindurch der General von der Goltz gewesen, ein geborener
Pole, der in französischen Diensten gestanden und dort den
Spitznamen „der kleine polnische Oberst" geführt hatte. Als
ihr Parteigänger wird er von den französischen Diplomaten seit
dem Jahre 1663 genannt. Er, der hohe brandenburgische Offizier,
diente ihnen geradezu als Spion, unterrichtete sie von den Ge-
heimnissen des Hofes und des Rates und verdiente so, in ihren
Depeschen als ihr vornehmster Freund bezeichnet zu werden. Er
blieb ihnen noch 1669 treu, als fast alle anderen brandenburgischen
Staatsmänner ihre Partei verlassen hatten. Er hat die Er-
^ Man sehe seinen Brief an Yerjus, 1. Mai 1673; Prutz, SSL
2 Waddington, Pnisse, 282.
* W. Bibeck, Aus Berichten des hess. Sekr. Lincker; Forsch, z.
brandenb. u. preufs. Gesch., Xu (1899), S. 154 f.
POnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 45
gebenheit für seinen ehemaligen Kriegsherrn bis zum Verrat an
seinem gegenwärtigen getrieben ^ Und doch ist er später,
Dflter der Einwirkung Der£flingers, mit seinem Freunde PöUnitz
zu den Franzosenfeinden übergegangen.
Gerhard Bernhard von Pöllnitz hat am Berliner Hofe keine
leitende, aber doch eine glänzende und einflufsreiche Rolle
gespielt. Er war Oberstallmeister, Oberst der Leibgarde zu
Fufs, erhielt schon 1657 den Rang eines Generalmajors und
wurde 1670 Gouverneur von Berlin*. Er hatte diese Beförde-
rung weniger seiner persönlichen Bedeutung als seiner Ehe
mit Gräfin Eleonore von Nassau, einer Verwandten Luise
Henriettens, zu danken. In dem Hause des grofsen Marschalls
von Turenne erzogen, galt er als durchaus französisch gesinnt.
Er nahm von den Gesandten dieser Nation Geschenke und ver-
sprach ihnen dafür, den Kurfürsten ihren Vorschlägen geneigt
zu machen. Er galt ihnen geradezu als einer ihrer Vertrauten
(affid^s). Allein, schon 1667 begann Pöllnitz zu wanken, „nach
beiden Seiten hin seinen Vorteil zu suchen*^, wie Millet sich
ausdrückte. Der Oberstallmeister war vor allem ein Neider
Schwerins ; und als er sah, dafs er auf dem bisher eingeschlagenen
Wege, trotz seiner Verwandtschaft mit der Kurfürstin, den
Oberpräsidenten weder aus ihrem noch aus ihres Gemahls Ver-
trauen werde verdrängen können, trat er direkt als sein politi-
scher Gegner auf. So hat nur Ehrgeiz, der Wunsch, Schwerins
und Meinders' Stelle einzunehmen, ihn plötzlich in das diesen
Männern feindliche Lager geführt und zum ebenso eifrigen
Widersacher der Franzosen gemacht, wie er früher deren An-
hänger gewesen war.
Friedrich von Jena dagegen ist nur sehr bedächtig für das
Bündnis mit den Niederlanden eingetreten. Er mufste in der
Tat fürchten, dafs die französische Regierung, wenn sein Ver-
halten sie allzusehr reize, enthüllen werde, wie er früher in
ihrem Solde und in ihrem Interesse gehandelt hatte, sogar
gegen die ausdrücklichen Befehle des Kurfürsten. Der fran-
zösische Minister Lionne nannte ihn „einen kleinen Schurken,
^ Depeschen der französ. Gesandten in Berlin: U. n. A., U, 248.
280. 441. 451 f. 454. 461 f. 473. 476.
■ Forsch, z. brandenb. u. preuTs. Gesch., I (1888X S. 187. — Über das
Folgende: Strecker, S. 33 Anm. 1; U. u. A., II, 288. 418. 441. 448.
461. 455. 475. 481 ; Forsch, z. brandenb. u; preufs. Gesch., YIII, 208.
46 Sechstes Buch.
aber einen Menschen, mit dem man für Geld alles machen kann"" ^
Wie PöUnitz ist auch der gewissenlose Emporkömmling Jena
zunächst durch den Gegensatz wider Schwerin zum Abfall von
der französischen Partei bestimmt worden. Als 1672 das Bünd-
nis mit den Generalstaaten geschlossen war, hielt er, mit
Somnitz und Ganstein, an solchem fest und bekämpfte den in
Yossem geschlossenen Frieden. Er fürchtete die Übermacht
Frankreichs, die den Kurfürsten zum Sklaven zu machen drohe,
und dieser Ansicht ist er, selbst während Friedrich Wilhelm
mit König Ludwig im Bunde stand, bis zum Ende seines Lebens
treu geblieben. Er hat sich auch allen Entwürfen auf Gründung
einer brandenburgischen See- und Kolonialmacht widersetzt,
weil solche den Generalstaaten mifsfielen. Endlich wurde er
ebenfalls gemäfsigter Anhänger der eigentlich österreichischen
Partei : dafür mifstraute ihm der Kurfürst, der sich nicht scheute,
ihn als Verräter und Söldling des Kaisers zu beschimpfen. Als
aber Jena im September 1682 plötzlich starb, war der Kurfürst
doch von dem Tode seines ungefähren Altersgenossen, der einst
sein vornehmster Berater gewesen, tief ergriffen *.
Viel entschiedener für den Anschlufs an die Habsburger,
zumal den Kaiser, trat Johann Georg IL von Anhalt auf, dessen
Ansehen durch seine Succession im Fürstentume, 1660, erhöbt
wurde. Es lebte in ihm das alte reichsfürstliche Bewufstsein,
das ihn nur einen Herrn und Obern anerkennen liefs, den
römischen Kaiser, während er in dem Kurfürsten von Branden-
burg einen Gleichberechtigten von allerdings gröfserer Macht
sah, dem er sich lediglich insoweit zum Dienste verpflichtet
fühlte, wie er selber es für gut fand und mit seiner Pflicht gegen
Kaiser und Reich vereinen konnte. Sein heiteres, allerdings derb
sinnliches Wesen, seine nahe Verwandtschaft mit der Kurfürstin,
seine fürstliche Stellung verliehen ihm bei Friedrich Wilhelm ein
so grofses Ansehen, dafs er im Beginne der sechziger Jahre
oberflächlichen Beurteilen! als die schlechthin mafsgebende Persön-
lichkeit am Berliner Hofe gelten konnte^. Jena verstand es
^ Becueil des Instructions donnees aux ambassadeurs de Francet
XVI: Waddington, Pnisse (Paris 1901), S. 76 (Instr. an de Lesseins,
1661). S. 122, Anm. — Für das Folgende: ü. u. A., II, 386. 647; XR',
974f. 977.
' Ms. Dep. Bebenacs vom Okt. 1681 und 16. Sept. 1682 (Auszüge);
Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, H IV b, 10 a.
• Dep. de Lesseins' vom 24. Jan. und Antwort Ludwigs XIV. vom
Ffinfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 47
eben vortrefflich, sich hinter dem glänzenden, laut -fröhlichen,
prahlenden, aber im Grande unbedeutenden Fürsten zu verbergen,
während doch er selber, nach der Verdrängung Schwerins, zu-
nächst der tatsächlich leitende Staatsmann war. Anhalt stMzte
sich vornehmlich auf seine Schwägerin Luise Henriette, die wieder
durch ihn ihre Wfinsche zu verwirklichen suchte. Schwerin hielt
ihn, wohl mit Recht, fOr seinen Gegner, obschon gerade der Ober-
präsident ihn am kurfürstlichen Hofe eingeführt und seine Ver-
mählung mit der oranischen Prinzessin vermittelt hatte ^ Zeigt
sich hierin schon eine unedle Gesinnung, unter dem Deckmantel
derber soldatischer Offenheit und Fröhlichkeit, so auch darin,
dafs er sich von dem kaiserlichen Hofe seine Ergebenheit mit
3<)W0 Reichstalern (400000 Mark nach heutigem Geldwerte)
bezahlen liefs'.
Der Tod seiner Schwägerin Luise Henriette gab seinem
Einflüsse einen argen Stofs, zumal Johann Georg und seine
Gemahlin die Unklugheit und Anmafsung begingen, sich zu
Anwälten ihrer Neffen gegen den eigenen Vater, den Kurfürsten,
aufzuwerfen. Friedrich Wilhelm war höchlichst erbittert darüber,
dafs jene ,»mich gleichsam unmündig machen wollen, als ob ich
meine Kinder nicht liebte und ihnen das Ihrige verbrächte*'. Er
weigerte sich deshalb, den Fürsten der Eröffnung von Luisens
Testament beiwohnen zu lassen. Dann kränkte Friedrich Wilhelms
zweite Vermählung zumi(l die Fürstin, in entschuldbarem schmerz-
lichem Gedenken an die Schwester. Allein, Johann Georg wollte
doch weder auf die Macht noch auf die Einkünfte verzichten,
die seine Berliner Stellung ihm brachte; letztere beliefen sich
auf 20—30000 Reichstaler jährlich (260—400000 Mark nach
heutigem Geldwerte)'. So suchte er „sich wieder zu insinuieren*".
Friedrich Wilhelm verhielt sich zunächst diesen Versuchen gegen-
über recht kühl und gab dem Fürsten in jeder Weise zu ver-
stehen, dafs er ihn nicht in seiner Umgebung zu sehen wünsche^.
Allein , die gütige und treue Gesinnung des Herrschers trug
zuletzt den Sieg über Zorn und Mifstrauen davon. Johann Georg
23. Febr. 1662. — U. u. A., II, 243f. 256. 441 etc. -- Lisola an den Kaiser,
24. Aug. 1663; ü. u. A., XIV, 162,
» Orlich, Preufs. Staat, I, 410 ff.; HI, 451. 455.
« U. u- A., XIV, 488.
' Ebendas., S. 418.
* U. u. A., XII, 923-929.
50 Sechstes Buch.
hielt durchaus an seinen vertragsmäfsigen Befugnissen fest und
duldete nicht, dafs Offiziere ohne sein Vorwissen angestellt
wurden. Seines Wertes war er sich wohl bewufst; er betonte
gern, dafs er ^seine zeitlichen Gflter nicht ererbt, sondern
durch gnädige Verleihung Gottes mit seinem Degen erworben
habe". Deshalb war er ein scharfer, oft recht unbequemer
Kritiker für andere. Deshalb auch forderte er 1678, an Stelle
des Herzogs von Croy, die Statthalterschaft von Pommern und
verlangte, als solche ihm nicht zufiel, abermals seine Entlassung.
Der Kurfürst mufste den Aufsässigen wiederholt mit schweren
Strafen bedrohen , mochte aber am Ende des trefflichen Führers
und Beraters nie entbehren und nahm von ihm vieles hin, was
er von anderen nicht ertragen haben würde. Wufste er doch,
dafs Derff linger ein einfacher, gerader und ehrlicher Mann sei,
unfähig jeder Intrigue, und dafs man sich auf seine Recht-
schaffeuheit und Treue unter allen Umständen ebenso fest
verlassen könne wie auf seine kühne Unternehmungslust, mili-
tärische Sachkenntnis und Klugheit. So hielt er ihn in seinem
hohen Amte fest; wenn Intriganten, wie der General-Feldzeug-
meister Herzog August von Holstein, sich auf Derfflingers Ämtern
und Würden als Erben einzuführen suchten, fanden sie bei dem
Kurfürsten ungnädige Aufnahme. Aber sobald der Feldmarschall
seinen Willen durchgesetzt hatte, beklagte er sich umgekehrt:
„Es liegt mir alle Last wiederum einzig und allein auf dem
Halse.^ Es war ihm nichts recht zu machend
Von mittlerer Gröfse, hager, aber kräftig gebaut, trug
Derff linger ein kluges, energisches Antlitz zur Schau, mit
welligem Haar, freier Stirn, hochgezogenen Brauen, etwas vor-
tretenden Backenknochen, scharfer, mäfsig gebogener Nase.
Über den schmalen Lippen safs das gewellte Schnurrbärtchen,
und auch das kräftig hervortretende Kinn zeigte eine schmale
„Fliege".
Das Alter, das ihm freilich — selbst nach der Meinung
seines Feindes Röbenac — „die volle Kraft und das Feuer eines
Dreirsigjährigen** beliefs, stimmte den Haudegen nicht milder.
Sein Grimm gegen die Franzosen war so grofs, dafs er sich
selbst der Anstellung hugenottischer Offiziere im brandenburgischen
^ Ms. Korreap. Derfflingers mit dem Prinzen von Hessen-Homborg;
Berlin, Geb. Staatsarchiv, Bep. 94, lY Hb, 5 k.
FfinfonddreUsigstes Kapitel. Der Grolse Kurfürst u. sein Hof. 51
Heere heftig widersetzte. Der Gedanke vollends , dafs er an der
Seite Frankreichs gegen Deutsche kämpfen solle, versetzte ihn
in einen Zorn, der die Grenzen der Schicklichkeit wie der
Pflicht überschritt. „Ich will mich lieber in Stflcke hauen
lassen/ rief er aus, „als die kurfürstliche Armee gegen
Ew. Kurf. Durchl. Ehr' und Gewissen, auch Ihre und des Reiches
Wohlfahrt zu kommandieren.*' Er verweigerte damals dem
Grafen R6benac den Grufs, und als der französische Diplomat
ihm eine höfliche Botschaft sandte und ihn um Aussöhnnng
anging, Hefs ihm der Feldmarschall antworten: er habe des
von R^benac Visite , noch seine und seines Königs Freundschaft
niemalens verlanget, — und dabei blieb es. Aber es gewinnt
uns doch für den groben Recken, wenn wir erfahren, dafs er
in jener Zeit unbedenklicher Habsucht nicht allein die Bestechung,
die R^benac ihm anbot, verächtlich zurückwies, sondern sogar
30000 Taler — 390000 Mark nach heutigem Geldwerte —
ablehnte, die der Kurfürst selber ihm geben wollte, wenn er
den Oberbefehl auch gegen deutsche Feinde zu führen bereit
sei. Er verliefs unwillig den Hof; er sah mit Zom^ dafs
hugenottische Offiziere ganze Regimenter erfüllten und zu hohen
Kommandostelleu berufen wurden. Allein, die Intriguen R^benacs,
die auf seinen völligen Sturz hinzielten, schlugen fehl. Friedrich
Wilhelm hegte eine so hohe Meinung von Derfflingers militärischer
Tüchtigkeit, eine so herzliche Dankbarkeit für dessen Verdienste
um den Staat, eine so gründliche Hochachtung für die, wenn-
gleich rauhe und polternde^ so doch echte Ehrlichkeit des Alten,
dafs er ihm immer wieder verzieh und ihn zu sich berief. Sobald
aber Deriflinger in Berlin war, trat er o£fen für die Interessen
des Kaisers und der Holländer ein. Ihm ist es zum grofsen Teil
zu danken, dafs der Kurfürst dem Wiener Hofe 1686 eine Türken-
hilfe bewilligt hat.
Allein diese Tatsache gehört einer späteren Zeit an. Es
hatte mit der neuen Epoche der brandenburgischen Politik, die
mit dem französischen Bündnisse (1679) einsetzte, eine veränderte
Gruppierung der hauptsächlichsten Berater des Kurfürsten statt-
gefunden. Schwerin starb gerade damals, bald nach ihm Fürst
Johann Moritz von Nassau , dann Hoverbeck , Koppen , Friedrich
von Jena, Canstein. Ein jüngeres Geschlecht trat in den Vordergrund.
Mafsgebender Minister wurde der Führer der französischen
Partei, der inzwischen geadelte Franz von Meinders. Er fand
4*
52 Sechstes Buch.
seine Überzeugung, dafs Brandenburg im Kampfe gegen das
übermächtige , unwiderstehliche Frankreich nur Niederlagen^
Demütigung, Schwächung, ja Untergang zu befürchten habe,
durch die Erfahrungen der vorhergehenden Jahre reichlich
bestätigt. Er holte aus der Fülle seiner Gelehrsamkeit, von
Kaiser Augustus bis auf Hugo Grotius, Belege hervor, die einem
schwächeren Staate den Anschlufs an den stärkeren, wo möglich
an den stärksten anrieten. Er wünschte durchaus nicht, dafs
der Kurfürst sich würdelos dem Allerchristlichsten Könige unter-
werfe, sondern nur, dafs er sich diesem als vollberechtigter
Bundesgenosse geselle, dabei im Reiche seine Stellung wahre
und, gleichsam als Verteidiger der fürstlichen „Libertät*' gegen
die „Tyrannei** des Hauses Österreich, die übrigen Reichsfürsten
um sich schare. Als echter Emporkömmling eifrig um die
Mehrung seines Familienvermögens bemüht, scheute er sich
nicht, reiche „Ergetzlichkeiten** von Frankreich anzunehmen, —
er hat in vier Jahren nicht weniger als 53550 Livres (etwa
220000 Mark nach heutigem Geldwerte) von diesem Staate
erhalten. Allein, wenn er auch in diesem kitzlichen Punkte
minder vornehm dachte als Schwerin und Derfflinger, so hat
er doch, nach dem eigenen Zeugnis R6benacs, niemals für das
fremde Geld Ehre und Interessen seines Herrn geopfert. Mit j
einem Goltz oder PöUnitz dürfte man ihn nicht vergleichen, i
Im Innern des Staates war er, der Beamte bürgerlichen Ursprungs,
gerade wie sein früherer Genosse Jena , ein eifriger Vorkämpfer
landesherrlicher Vollgewalt. Er war hier, neben allen diplomati-
schen Geschäften, unermüdlich tätig, verbessernd, reformierend,
ausgleichend, ein tüchtiger und zuverlässiger Yerwaltungsbeamter,
allerdings ohne grofse schöpferische Ideen, geeigneter zur Aus-
führung als zu hoher, geistvoller Initiative. Er liebte es, still
und unmerklich zu arbeiten, und trat gern hinter sein Werk
zurück. Sein Ehrgeiz bestand darin, der erste Diener seines
Fürsten, nicht dessen Herr zu sein: das entsprach am meisten
seiner Begabung, und er hielt das auch für das Sicherste und
persönlich Vorteilhafteste ^ In der Tat galt er während der
Jahre 1678—1680 das meiste, 1680—1685 fast alles bei dem
Kurfürsten, der sich des tüchtigen, gewandten, stets zu allen
» Strecker, 87 f. 99. 101 f. — Prutz, 130. 186. - Bericht South-
wells, 1680; Räumer, Beiträge, UI, 476 f.
FOnfonddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 53
Geschäften bereiten Gehilfen erfreute. Allerdings entfaltete
Meinders eine gewisse Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit, und
er prägte einen entsprechenden Charakter um so mehr der Politik
des KuHÜrsten auf, als er bei diesem hierin auf verwandte
Wesenseigenschaften stiefs.
Sein Sieg schien dauernd, als sein einst überlegener , nun
zurückgedrängter, aber von dem Kurfürsten immerhin gehaltener
Rival Friedrich von Jena im September 1682 starb. Aus Gegen-
satz wider Meinders war Jena antifranzösisch geblieben, hatte
jedoch damit bei dem Herrscher häufige und selbst scharfe
Zurückweisung erfahrend Sein Hinscheiden war immerhin ein
neuer Vorteil für Meinders.
Erst als Friedrich Wilhelm sich von Frankreich abwandte
— im Jahre 1685 — , begann naturgemäfs Meinders an Einflurs
zu verlieren, der wieder an seinen jüngeren, geschmeidigeren,
grundsatzloseren Genossen Fuchs überging.
Paul Fuchs war am 15. Dezember 1640 als Sohn eines
Stettiner Superintendenten aus angesehener patrizischer Familie
geboren. Nach sorgfältigen Studien auf drei deutschen und zwei
niederländischen Universitäten erweckte er — man weifs nicht, wie —
das Interesse Friedrich Wilhelms, der ihn auf eine Bildungs-
reise durch das westliche Europa sandte. Er trat, dem Kur-
fürsten zu Gefallen, zur reformierten Kirche über und ward
zunächst Professor der Rechte in Duisburg. Allein binnen kurzem
— 1670 — verschaffte ihm der Oberpräsident von Schwerin die
Stelle des Geheimsekretärs bei seinem alten Gönner, dem Kur-
fürsten. Ein klarer Geist, ein vorzüglicher Kenner der lateini-
schen Sprache, machte er sich dem Herrscher sehr nützlich,
und als er 1682 wirklicher Geheimrat wurde, erhielt er nur die
äufsere Sanktioü der wichtigen Stellung, die er längst tatsächlich
einnahm.
Fuchs schlofs sich zuerst der franzosenfreundlichen Politik
seines Kurfürsten und des mächtigen Meinders an, zur grofsen
» Prutz, 131 f.
* Seine äuJteere Geschichte nach dem herzlich unbedeutenden Buche
von F. von Salpius, Paul v. Fuchs (Leipzig 1877). — Über seine poli-
tische Tätigkeit: Amerongen an Fagel, 20. April 1683 (U. u. A., m, 688 f.);
Lamberg an den Kaiser, 24. Kov. 1681 (das. XIY, 1010); Prutz, 130 bis
132. 135—137. 401; Ms. Depeschen B^benacs v. J. 1680 u. 26. Juni 1685
(Auazage); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, lY H b, 10 a..
54 Sechstes Buch.
Genugtuung Röbenacs, der den Ehrgeiz und die Begabung des
jungen Geheimsekretärs vollkommen würdigte und ihn durch
reiche Geschenke in der Ergebenheit gegen Frankreich zu
befestigen suchte. Er galt, neben Meinders, als der eifrigste
Parteigänger dieses Staates in Berlin und erwies dessen Gesandtem
zahlreiche wichtige Dienste. „Der Sekretarius Fuchs ,^ klagte
1681 der Kurprinz dem Grafen Lamberg, „setzt sich des Kaisers
Interesse in allem und vor allen anderen entgegen."" Er verband
sich zu diesem Zwecke selbst mit der Günstlingin der Kurfürstin
Dorothea, dem Fräulein von Wangenheim, sowie dem General-
Kriegskommissar und Ober - Hofmarschall Ernst Joachim von
Grumbkow. Dieser in seinem ersteren Amte hochverdiente Mann,
einst ein Anhänger des Kaisers, wurde durch seine ehrgeizige
hannoversche Gemahlin zu der für den Augenblick mehr ver-
sprechenden französischen Faktion hinübergezogen, so dafs er
geradezu als eine „Kreatur R^benacs^ bezeichnet ward, von dem
er beträchtliche Geschenke erhielt, — im ganzen 18000 Livres
(etwa 80000 Mark nach heutigem Geldwerte).
Es war eine starke, anscheinend kompakte Partei, die sich
so um R^benac scharte. Gegen sie konnte weder der unzuver-
lässige, mit seinem Vater zerfallene Kurprinz noch der einfluls-
lose Anhalt , noch der nur als Krieger, nicht aber als Politiker
geschätzte Derfflinger oder gar ein Pöllnitz aufkommen. „Ich
vermag solches nicht zu wenden,^ gesteht der Kurprinz dem
kaiserlichen Gesandten, „sondern mufs nur der göttlichen Allmacht
hinstellen, dafs solche meinem Herrn Vater heilsame Gedanken
eingeben möchte.**
Da geschah es, dafs der ehrgeizig aufstrebende Fuchs sich
von dem ob seiner Macht selbstbewufst gewordenen Meinders
„allzu bafs traktieret"" fand. Er wollte auch seinen Platz an
der Sonne haben, und Meinders versperrte ihm den Weg. Der
neuernannte Geheimrat näherte sich also Lamberg und vei-sprach,
ihm dazu behilflich zu sein, dafs der Kurfürst zum Kaiser
übertrete (Dezember 1682). Hocherfreut bestärkte der Kurprinz
ihn in dieser Absicht. Im Juni 1683 gehörte Fuchs schon mit
Anhalt, Derfflinger, Ganitz zu dem kaiserlich gesinnten Quattett,
das sich nicht scheute, dem österreichischen Gesandten die
Geheimnisse 'des Herrschers zu verratend R6benac erkannte
> ü. u. A., XIV, 1049. 1061. 1071. 1128.
FOnfunddreilsigstes Kapitel. Der Grolse Kurfürst u. sein Hol. 55
den Umschwung wohl: der Wunsch, gegen Meinders aufzukommen,
hat Fuchs znm Gegner Frankreichs gemachte Um den Eifer
des Neubekehrten zu beleben, beschenkte der Kaiser ihn mit
dem erblichen Reichsadel (1683). Fuchs hatte das Glück, dafs
die Umstände den Kurfürsten allmählich zu Österreich hinüber-
führten. Seitdem — seit 1685 — erschien Meinders naturgemftfs
als wenig geeignet, die Politik Brandenburgs zu leiten. Selbst
die Kenntnis wichtiger Verhandlungen ward ihm entzogen, und
sein Nebenbuhler Fuchs erhielt den ersten Platz im Vertrauen
des Kurfürsten, der ihn für den ehrlichsten seiner Diener
erklärte*. Meinders wurde wiederum, wie nach dem Friedens-
schlufs von Vossem, und dieses Mal viel energischer, der Untreue
und des Verrats im Dienste Frankreichs beschuldigt; an der
Spitze seiner Gegner stand kein Geringerer als Fuchs, der ihn
doch als „meinen sehr teuern Herrn Bruder^ anzureden
pflegte. Man klagte ihn an, er sei „gut französisch und von
Frankreich korrumpieret, ja sogar ein Pensionarius von Frank-
reich^. Friedrich Wilhelm mafs diesen Angaben vollen Glauben
bei. Er bezeichnete dem Grafen R^benac selbst Meinders als
denjenigen der seine Geheimnisse verrate, der Abschriften von
den ihm erteilten allerhöchsten Befehlen dem Gesandten zukommen
lasse, der noch andere Verbrechen begehe. Fuchs suchte anfangs
zu leugnen, dafs er seinem Nebenbuhler diese üblen Dienste bei
dem Herrn erwiesen habe. Allein, er mufste sie zuletzt ein-
gestehen und bat um Verzeihung, — der Streich war ohnehin
gespielt und Meinders aus dem Vertrauen des Kurfürsten ver-
drängt. Später, bei dessen Nachfolger, hat Fuchs wiederum
den Meinders verleumderisch als denjenigen bezeichnet, der
seinem Vater geraten, zum Exekutor seines letzten, verderblichen,
Testamentes den König von Frankreich zu ernennen •.
Ein anderer Staatsmann bürgerlicher Herkunft hätte den
Meinders und Fuchs leicht den Rang streitig machen können:
Werner Wilhelm von Blaspeil. Jenen an politischer Begabung
gleich, in diplomatischen Geschäften wohlerfahren, kam er nach
dem Frieden von St. Germain an den Berliner Hof. Aber ein
früher Tod befreite die anderen von seiner gefährlichen Mit-
bewerbung.
» Prutz, 401.
» Pribram, öaterreicb u. Brandenburg 1688—1700, S. 11.
* Geh. Staatsarchiv, Berlin; B.ep. 92, Meinders 9. 10.
56 Sechstes Buch.
Eine nebensächliche Stellung hatte Christoph Kaspar
von Blumenthal inne. Ein Schwiegersohn des Oberpr&sidenten
von Schwerin, gelehrt und geistvoll, Verfasser zahlreicher rechts-
und staatswissenschaftlicher Schriften, voll Interesse auch für
Kunst und Literatur, wie wenige Brandenburger seiner Zeit,
war er, solange Schwerin lebte, zu mannigfachen diplomatischen
Sendungen verwandt worden. Aber nach des Schwiegervaters
Tode trat er ebenso zurück wie dessen eigener Sohn, der jQngere
Otto von Schwerin. Man darf annehmen, dafs Meinders Sorge
trug, die Angehörigen seines einstmaligen Nebenbuhlers nicht
aufkommen zu lassen.
Die Vergeltung blieb nicht aus : gegen Ende der Regierung
des Grofsen Kurfürsten war die französische Partei völlig in
den Hintergrund geschoben. Es war Fuchs gelungen, durch
Verdächtigungen aller Art Meinders derart aus dem Vertrauen
des kranken und mifsmutigen Herrn zu verdrängen, dafs dieser
seinen ehemaligen ersten Minister einen schändlichen Verräter
nannte \ Jede Gelegenheit wurde benutzt, um Meinders und
den mit ihm verbündeten Grumbkow zu demütigen und auch vor
den fremden Gesandten herabzusetzen'.
Nur einen einflufsreichen Vertreter besafs noch die französi-
sche Partei, den jungen Generalleutnant Hans Adam von SchöniDg
(geboren 1641) *. Er war ein feuriger, geistvoller, Selbstbewufst-
sein atmender Offizier. Sein kühner Kitt durch die litauischen
Wüsten bei der Verfolgung der Schweden hatte ihm den Ruf
eines vorzüglichen Heerführers verschafft ; er war nach PöUnitz'
Tode Oberst der Leibgarde und Gouverneur von Berlin geworden.
Den greisen, rauhen Haudegen Derfflinger gab er sich den Anschein
gering zu achten, während er sich selber für ein Genie hielt.
Vor Kaiser und Reich hatte der kecke märkische Edelmann
nicht die mindeste Achtung, und da Derfflinger auf österreichi-
scher, so stand er auf französischer Seite, wo Pracht, Ruhm
und feine Eleganz ihn ohnehin sympathisch berührten. Er nahm
französisches Geld, wie freilich viele andere; allein, er unter-
^ Prutz, 165.
a Vgl. U. u. A., in, 797 (Okt 1687).
* Über SchÖning: Räumer, Beiträge z. neueren Gesch., m, 476;
Droysen, m, III 811; Prutz, 140 f.; vorzüglich auch die Ms. Depeschen
B^benacs in Auszügen (BerUn, G-eh. Staatsarchiv, Bep. 94, lY H b, 10 o).
Fttnf unddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 57
hielt auch einen geheimen Briefwechsel mit R^benac, was denn
das damals übliche Mafs der Gewissenlosigkeit, zumal von selten
eines hohen Offiziers, noch überstieg. Anderseits hatte der
glänzende General sich des schwachen Gemüts des Kurprinzen
zu bemächtigen gewufst: „Der von Schöning vermag bei dem
Herrn Kurprinzen landkündigermafsen alles ,** meldet der
kaiserliche Gesandte Baron Fridag^ Aber in einer Hinsicht,
und zwar der politisch wichtigsten, konnte Schöning den Prinzen
nicht umstimmen : in dessen Devotion gegen Kaiserliche Majestät.
Schöning hielt sich nichtsdestoweniger an den Prinzen. Einst-
weilen war seine Bewerbung um die Nachfolge Derfflingers
allerdings^ vergeblich. Der Kurfürst war seinen Umtrieben mit
R^benac auf die Spur gekommen und behandelte ihn mit ent-
schiedener Ungnade. Er verlieh im April 1687 die höchste
Stellung im Heere dem soeben aus portugiesischen Diensten zu
ihm übertretenden ehemaligen französischen Marschall Schom-
berg: eine Tatsache, die den ehrgeizigen Generalleutnant nicht
weniger kränkte als den alten Derfflinger. Sie war aber von
hervorragender politischer Bedeutung, der Ausdruck des engen
Anschlusses des greisen Herrschers an Schombergs Freund und
Gönner, Wilhelm von Oranien, und damit an die grofse Koalition
gegen den „König Sonne^ und dessen ganz Europa bedrohende
Herrschsucht.
Nicht die Minister waren es, die in den letzten drei De-
zennien von Friedrich Wilhelms Regierung den Herrscher lenkten :
er selber bestimmte allein seine Politik. Er zog jedesmal die-
jenigen seiner Räte heran, die der augenblicklichen Richtung
dieser Politik entsprachen, und behandelte deren Gegner mit
Ungnade, bis ein Wechsel in seinen momentanen Wegen jene
beiseiteschob, diese wieder in die Höhe brachte. Der Herr
war er, und er war es grundsätzlich, seitdem die ersten Lehr-
und Injahre vorüber gegangen. Und Herr wollte er auch in
der inneren Verwaltung seines Staates sein oder doch werden:
auf den meisten Gebieten ist es ihm gelungen, den landes-
herrlichen, zentralisierenden Absolutismus zu begründen.
1 Depeschen Fridags vom 12. Mai 1687, 17. März 1688; U. u. A.,
XIV, 136ü. 1400.
SechsuDddreifsigstes Kapitel.
Die Verwaltung.
Es war das unausgesetzte Bestreben des Grorsen Kurfürsten,
in allen Richtungen des staatlichen Lebens die mäfsgebende
und bestimmende Gewalt zu erlangen. Der allmächtige, all-
gegenwärtige, in alles sich mischende, überall auf „gute Polizei*"
hinarbeitende Absolutismus wurde von ihm, wenn auch bei
weitem nicht vollendet, doch auf jedem Gebiete der öffentlichen
Tätigkeit in den Anfängen dargestellt. Im einzelnen möchte
man ein planvolles, systematisch durchdachtes und geordnetes
Vorgehen seinerseits hier kaum nachweisen können. Aber wo
immer er in dem tiefgesunkenen öffentlichen Leben des damaligen
Norddeutschland Eigensucht, Unredlichkeit, Lotterei, Verletzung
des sozialen oder staatlichen Interesses fand, da griff er, inner-
halb der brandenburgischen Grenzen, mit fester Hand ein, durch
Organisierung der landesherrlichen Aufsicht und Leitung, — ein
Prozefs, der sich in jedem von kräftigen Regenten beherrschten
norddeutschen Gebiete damals mit einer Art Naturnotwendig-
keit vollzog.
Die Regierung des Grofsen Kurfürsten wurde deshalb die
Zeit der Enstehung des berufsmäfsigen landesherrlichen Beamten-
tums in Brandenburg - Preufsen. Aber dieses Beamtentum
repräsentierte nicht nur die fürstliche Gewalt gegenüber der
ständischen, sondern auch die Einheit des Gesamtstaates gegen-
über der Selbständigkeit der einzelnen der hohenzoUemschen
Kurlinie angehörenden Lande. Aus besonderen Reichsterritorien,
die sogar zweien verschiedenen Süzeränen — dem Kaiser und
dem polnischen Könige — unterworfen sind, werden sie Provinzen
Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 59
des preufsiscben Staates: an die Stelle der blofsen Personal-
tritt nunmehr die Realunion. Die mafsgebenden Beamten werden
nicht mehr nach dem Indigenatsrechte der einzelnen Provinzen
angestellt, sondern es wird für das Beamtentum nur noch eine
allgemeine kurbrandenburgische Staatsangehörigkeit anerkannt
und betätigt. Indem diese Beamten die eigentliche öffentliche
Gewalt in allen Provinzen in die Hand nehmen, führen sie
unter der scharfen Leitung des Landesherm und seiner Räte
die Zentralisierung des Staates durch. Diesen Umschwung im
gegenseitigen Verhältnisse seiner Gebiete bewirkt, damit den
preufsiscben Staat recht eigentlich herausgebildet zu haben, ist
das gröfste Verdienst des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Er
hatte diesen Verschmelzungsprozefs so weit vollendet, dafs
er selber ihn nicht mehr rückgängig machen konnte: die von
ihm in Momenten der Verirrung testamentarisch angeordnete
Zerstücklung des Staates scheiterte nach seinem Tode an dem
Widerstände der sich um das neue Staatsoberhaupt einmütig
scharenden hohen Beamtenschaft.
Die landesherrliche Verwaltung trat immer mehr an die
Stelle der entarteten alten Selbstverwaltung. Wie die preufsi-
scben Oberräte und die leitenden ständischen Beamten der übrigen
Provinzen durch die Kriegskommissare brachgelegt wurden, so
erging es auch der eigentlichen Lokaladministration. Auf dem
flachen Lande fassen die vom Kurfürsten ernannten, zum Teil
btlrgerlichen Land- und Marschkommissare von Jahr zu Jahr
wachsende Befugnisse in ihrer Hand zusammen; in den Städten
werden seit 1680 Steuerkommissare von dem Kurfürsten bestellt,
denen die städtischen Accisebeamten Rechnung legen müssen.
Diese Steuerkommissare, die freilich während der Regierung
Friedrich Wilhelms nur erst in der Kurmark und dem Herzog-
tum Magdeburg vorkommen, gewinnen schnell' mafsgebenden
Einfiufs auf das gesamte Steuer- und Finanzwesen der Städte ^
Damit war die Axt an das ganz verkommene Patrizierregiment
in den Städten gelegt, deren Verwaltung bald ebenso den landes-
herrlichen Beamten unterlag wie die des flachen Landes. Denn
diejenigen Behörden, die die Steuererhebung zu leiten hatten,
taten leicht und schnell den Schritt, sich um alle Dinge zu
kQmmern, die die Steuerkraft der Untertanen zu erhöhen be-
^ Acta Boruaaica, Behördenorganisation, I S. (98 — 108).
60 Sechstes Buch.
fähigt waren, das heirst die gesamte Verwaltung. Ja, in den
Städten wurde die landesherrliche und bureaukratische Macht
noch gröfser und durchgreifender als auf dem Lande. Denn
hier blieb die niedere Verwaltung und Rechtsprechung in den
Händen der adligen Grundbesitzer und ihrer Angestellten; in
den Städten aber hörte die Selbstverwaltung allmählich ganz
auf, indem das Bestätigungsrecht des Landesherrn ffir alle neu-
gewählten Magistratsmitglieder in ein direktes Ernennungsrecht
erweitert, die gesamte Polizeiverwaltung im ausgedehntesten
Sinne des Wortes dem kurfürstlichen Steuerkommissar über-
tragen ward*.
Die leitende Behörde, der Geheime Rat, erhielt seine weitere
Ausbildung, den Bedürfnissen der veränderten Zustände ent-
sprechend, und trat entschieden aus seinem alten, speziell kur-
märkischen Geltungsbereiche heraus an die Spitze des gesamten
Staatswesens. Seine Mitglieder erhielten als Wirkliche Geheime
Räte — zum Unterschiede von den blofs Titular - Geheimen
Räten, Mitgliedern des Kammergerichtes, die in den beim Ge-
heimen Rate bestehenden Geheimen Justizrat berufen wurden —
das Prädikat „Exzellenz"*. Allein, gerade diese äufsere Ent-
wicklung der Stellung des Geheimen Rates führte mit Not-
wendigkeit eine innere Minderung seiner Befugnisse herbei.
Die Ziele und Aufgaben des nach aufsen gröfser und nach innen
mächtiger gewordenen Staates wurden so mannigfaltig und ver-
wickelt und bedurften so sehr einheitlicher, schneller und ver-
schwiegener Leitung, dafs sie einer zahlreichen, schwerfällig
beratenden Körperschaft entwuchsen. Die Finanzen also wurden
allmählich Knyphausen, die Heeresangelegenheiten Derfflinger
und Grumbkow, die Marine Raule, die äufsere Politik Meinders
und Fuchs zur fast ausschliefslichen Behandlung anvertraut
Neben so begabten und tatkräftigen Departementschefs sank
der Geheime Rat zur Verwaltungsbehörde zweiten Ranges herab,
die sich mehr mit den Einzelheiten der laufenden Geschäfte als
mit den grofsen Angelegenheiten des Staates zu befassen hatte.
^ Konr. Bornhak, Gesch. des preufs. Yerwaltungsrechtes, I (Berlin
1884), S. 258 ff.
* StÖlzel, Brandenburg-Prenfsens Bechtsyerwaltung und Rechts-
Verfassung, 1, 383 ff. — Vgl. Klaprothu. Cosmar, Preufs. u. Brandenb.
Geh. Staatsr., I, 209 ff.
SechsunddreiCsigstes Kapitel. Die Verwaltung. (jl
Der Theorie nach behielt der Geheimerat freilich seine hohen
Befugnisse als leitende Behörde des Gesamtstaates, und der
Kurfürst sowie sein Nachfolger wohnten noch häufig seinen
Sitzungen bei.
So besafs man eine höchste Verwaltungsbehörde, aber zur
endgültigen Organisation eines für den ganzen Staat bestimmten
einheitlichen und selbständigen Höchstgerichts ist der Kurfürst
nicht gelangt Das Kammergericht zu Berlin hatte seine alte
Bedeutung als oberste richterliche Instanz für den Staat seit
Erwerbung zahlreicher, weit entlegener und andersgearteter
neuer Landesteile verloren und behielt nur noch eine provinzielle
Geltung für die Marken. Die oberste Entscheidung in Justiz-
sachen für den Staat wurde nunmehr in drei Departements ver-
teilt. Die Zivilsachen wurden seit 1658 von den „Geheimen
Räten zu den Verhören*' behandelt, d. h. denjenigen Wirklichen
und Titular-Geheimen Räten, die zu diesem Behufe, als Mit-
glieder des „Geheimen Justizrates*', dem Geheimen Rate bei-
geordnet waren: also einer Art Obertribunal für Zivilsachen.
Die Kriminalsachen unterlagen der Bearbeitung eines aus der
Mitte des Geheimen Rates berufenen Referenten und wurden
schliefslich dem Kurfürsten selbst unterbreitet. Endlich die
Lehnssachen entschied ein einzelnes Mitglied des Geheimen Rates.
Das Kammergericht in Berlin selber blieb kurmärkisches
Bemfungs- und zugleich Privilegiertengericht. Sein Vorsitzen-
der war zugleich Vorsitzender der „Geheimen Räte zu den Ver-
hören". Da die Kanzlerwürde seit 1650 erloschen war, präsidierte
beiden Behörden der Vizekanzler Lucius von Rahden. Allein,
nach dessen Tode, 1686, ging auch dieses Amt ein, und dafür
ernannte der Grofse Kurfürst einen besonderen Kammergerichts-
präsid^nten. Der Geheiipe Rat behielt die beständige Aufsicht
aber das Kammergericht ^ So blieb, in echt mittelalterlicher
Weise, die Vermengung der Justiz mit der Verwaltung bestehen,
die sich auch darin aussprach, dafs einzelne niedere Gerichte,
wie die Landgerichte in Preufsen, noch vielfach mit administra-
tiven oder vielmehr polizeilichen Befugnissen ausgestattet wurden ^.
^ Stölzel, Fünfzehn Vorträge aus der brandenb. Rechts- u. Staats-
geech. (Berlin 1889), S. 951. — Friedr. Holtze, Gesch. des Kammerger.
in Brandenb.-PreuLsen, Bd. II (Berlin 1891), S. 195 ff. 241 f. 290 ff. 312.
'Isaacsohn in der Zeitechr. f. preuts. Gesch. u. Landesk., XI
(1874), S. 258.
Q2 Sechstes Buch.
Trotz des wiederholten Drängens der hier durchaus in ihrem
Wunsche berechtigten St&nde der Kurmark ist Friedrich Wilhelm
nicht dazu gekommen, auch nur für diese Provinz ein von dem
Geheimen Rate unabhängiges Höchstgericht zu schaffen ^ Einzelne
Versuche dazu wurden unternommen, scheiterten aber jedes Mal —
zum Teile freilich, weil die Stände dabei ihre Partikularinteressen
allzusehr geltend machten. Dieses negative Ergebnis ist sicher-
lich recht bedauernswert und beweist von neuem, dafs Friedrich
Wilhelm in seiner organisatorischen Tätigkeit nicht sowohl von
einem abstrakten System als vielmehr von den jedesmaligen
Bedürfnissen der Kraft und Macht des Staates sowie der
Herrschergewalt geleitet wurde. Anderseits erliefs der Kurfürst
am 30. Januar 1688, wenige Monate vor seinem Hinscheiden,
einen Befehl an das Kammergericht: es solle sich niemals
durch Reskripte oder Dekrete des Landesherrn, die durch
importunae preces vel male narratae erschlichen seien,
in der Handhabung der Justiz irremachen lassen, sondern ohne
Rücksicht auf solche seine Schuldigkeit und Pflicht nach
Anweisung der Rechte und Gewohnheiten des Landes tun. So
hat Friedrich Wilhelm als Vorläufer des modernen Rechtsstaates
die Kabinettsjustiz feierlich verurteilt.
Hingegen wurde die Verwaltungsjustiz in konsequenter
Weise den ordentlichen Gerichten entzogen und den hohen
Verwaltungsbehörden selbst vorbehalten. Es ist das ein aber-
maliger Schritt zur administrativen Allmacht der landesherr-
lichen Gewalt. Den Gerichten wurde untersagt, von den Ver-
fügungen der Beamten Berufung anzunehmen, die vielmehr dem
Geheimen Rate zugewiesen ward. Beschwerden und Klagen
bezüglich der Steuern gingen an die städtischen Steuerkommis-
sare oder das Kriegskommissariat, in letzter Instanz an den
Kurfürsten, d. h. wieder an den Geheimen Rat^
Der Geist der Abhängigkeit, des Gehorsams, der Ab-
schliefsung gegen aufsen sollte die ganze Verwaltung, vom
höchsten bis zum niedrigsten Beamten, durchziehen. „Die Ober*
rate,"" läfst der Kurfürst im Januar 1671 die preufsischen
Stände bescheiden, „sind Räte und Diener, welche allein von
^ Vgl. Kurffirstl. Resolution an die Landstände der Kurmark, vom
22. März 1670; Mylius, VI, I 522.
* Acta Borussica, Behördenorg., I 115.
SechBunddreifsigstes Kapitel. Die Yerwaltang. 63
ihrem Herrn dependieren und keine Macht und Gewalt haben,
ohne des Herrn Willen und Genehmhaltung, ihrer Instruktion
und Amt zuwider, etwas in des Herrn Sachen zu handeln oder
zu schliersen, und stehet zu Ihrer Ghurf. Durchl. Erwägung, ob
und was zu derselben Nutzen und Besten geschiehet^ ^
Den ständischen Einflufs auf das Beamtentum, der bis auf
seine Regierung die Macht des Landesherrn zum grofsen Teil
mattgesetzt hatte, wesentlich zu schwächen, hatte Friedrich
Wilhelm auf dreifache Weise erreicht. Einmal indem er die
eigentlich ständischen Beamten völlig durch von ihm selbst
ernannte ersetzte oder doch ihrer Gewalt tatsächlich beraubte.
Zweitens indem er, ohne Rücksicht auf das Indigenatsrecht in
den einzelnen Landesteilen, sowohl anderweite Deutsche wie
ausländische Reformierte, die sich im Gegensatze zu dem in der
Bevölkerung herrschenden Luthertume auf das engste dem
glaubensverwandten Herrscher anzuschliefsen pflegten, mit Vor-
liebe in die mafsgebenden Stellungen berief. Drittens indem
er Bürgerliche ebensowohl wie Adlige auf allen Stufen der
Beamtenleiter anstellte. Gerade seine vertrauten politischen
Berater und Diplomaten sind zum überwiegenden Teile bürger-
licher Abkunft, freilich später meist geadelt. So konnte
Standes- und Familieninteresse im Beamtentume nicht mehr
fiberwiegen, und dessen einziger Gesichtspunkt wurden der Vorteil
des Staates und der Wille des Landesherm. Friedrich Wilhelm
hat hier wenigstens bewufst und planmäfsig gehandelt. „In
Bedienungen der Offiziere und Ämter,'' sagt er in seinem
politischen Testamente von 1667, „ist dahin zu sehen, und müfst
Ihr Euch hüten, dafs Ihr aus einer Familie nicht viel befördert,
weil solches gefährlich und die Autorität im Lande bei solchen
Geschlechtem alsdann zunimmt und wachset, sich auch leicht
einen Anhang machen könnte'.*'
Während der vorhergehenden Regierungen hatte in jeder
Provinz alle Macht bei einer einzigen Behörde gelegen, die,
besonders wenn sie sich unter ständischer Einwirkung befand,
dem Willen des Landesherm sich oft widersetzt oder doch ent-
zogen hatte. Friedrich Wilhelm brach diese Unabhängig-
keit der Provinzialverwaltungen , indem er den Regierungen
» U. u. A., XVI, 683.
• Ranke, Sämti. W., Bd. XXV/XXVI S. 504.
(>4 Sechstes Buclu
die Amtskammern und Ober-Eriegskommissariate nebenordnete,
jene zu einfachen Yerwaltungsdepartements mit sehr beschränktem
Machtumfange hinabdrOckte. Die stolzen und spröden preufsi-
sehen Oberräte empfanden besonders schmerzlich die grundsätz-
liche Verminderung ihrer Befugnisse durch den Kurfürsten; es
blieb ihnen nur der Schatten ihrer früheren Macht*.
Leider hatte sich einer der alten Übelstände erhalten: das
ganze Beamtentum, von den höchstgestellten Vertrauensmännern
des Kurfürsten herab, war zur Annahme von Geschenken bereit, —
nicht gerade um gegen das Interesse des Herrn zu arbeiten,
aber doch um solches nach Möglichkeit den fremden Wünschen
anzupassen '.
Die Mischung der Beamtenschaft aus Bestandteilen der
gebildeteren und kultivierteren westlichen Länder mit dem ehr-
lichen, aber geistig und kulturell zurückgebliebenen Kurmärker-
und Preufsentume brachte freieren Geist, vielfältigere Bildung
und höhere Gesichtspunkte in den brandenburgischen Staats-
dienst und hat ihn offenbar auf eine bessere und voUkommnere
Stufe gehoben. Der Grofse Kurfürst hätte schwerlich seine Neu-
ordnung des Staates, seine Schöpfung eines mustergültigen Heeres
und seine weitblickende und tatkräftige äufsere Politik durch-
zuführen vermocht ohne diese fremden Helfer und Diener.
Je viefältiger er seine Beamtenschaft gestalten und ent^
wickeln mufste, um so mehr war er darauf bedacht, unnütze
Ämter aufzuheben, die nur der Staatskasse überflüssige Kosten
verursachten und dabei auf die Untertanen drückten. Wieder-
holt hat er Anläufe zur Reduktion der Ämter gemacht So
wurde schon 1651 und 1652 die Aufhebung einer Anzahl von
Hof- und Verwaltungsstellen verfügt, so abermals 1673 und 1680.
Dafür sollten die Gehälter der übrigen Beamten pünktlicher
ausgezahlt werden. Es scheint nicht, dafs diese Versuche in
der Kurmark Erfolg gehabt haben, — es standen der Mafs-
regel allzu mächtige Einflüsse im Wege. Die Mii'stände waren
besonders schreiend im Herzogtum Kleve, wo ein Gebiet von
83 Quadratmeilen von Provinzialbehörden verwaltet wurde, die
nicht weniger als 71 Beamte mit zusammen 20000 Beichstaler
* U. u. A., XVI, 683. 1010 ff.
« Prutz, 44ff. 129f. 387. 376ff. — Jedoch ist zu bemerken, dafs
von 1685 an, wo der Kurfürst sich von der französischen Seite abwendet>
seine Käte von dieser keine Geschenke mehr annehmen.
Seclismiddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 65
(260000 Mark nach heutigem Geldwerte) Gehalt erhielten. Hier
hat Enyphausen tatsächlich eine Verminderung bewirkte
Die Beamtenreduktion hatte vornehmlich den Zweck, die
Besoldung der ttbrigen Stellen pttnktlich und ausgiebig gestalten
zu können. Hierin erkannte der Kurfttrst eines der wichtigsten
Mittel, die Beamtenschaft dauernd an sich zu fesseln, die
Bestechlichkeit zu bekämpfen und die Verwaltung mit dem
Geiste der Ordnung und Redlichkeit zu erftlllen. „Ihr müsset,^
schreibt er 1667 seinem Nachfolger vor, „Eure Räte und Diener
also unterhalten und rekompensieren, dafs sie Euch zu Ehren
leben können und nicht Ursache haben mögen, auf andere
Mittel zu gedenken, und sich korrumpieren lassen, damit sie
also blofs und allein von Euch dependieren und sonst auf nie-
mand in der Welt ihr Absehen haben."" So überlegt und ein-
siehtig hat Friedrich Wilhelm alle Seiten des Staatslebens
erforscht und zu regeln gesucht! — Nicht das war die Haupt-
sache, dafs gegen Ende seiner Regierung die Gehälter meist
ausgiebiger geworden waren, mehr, als es dem langsamen Steigen
der Preise zu jener Zeit entsprach ^ , sondern dafs sie zu den
bestimmten Zeitpunkten regelmäfsig ausgezahlt wurden, und
zwar meist in Geld, nicht in Naturallieferungen, die notwendiger-
weise sehwankenden und veränderlichen Wert besitzen. Aller-
dings hat gerade dieser Punkt unsägliche Kämpfe gekostet ^. Im
wesentlichen ist die genaue Regelung der Gehaltszahlungen erst
am Schlüsse von Friedrich Wilhelms Regierung durch die treff-
liche Verwaltung Knyphausens durchgeführt worden. Aber dann
^ SL Breysig, Staatshaushalt (Jahrb. f. Gesetzgeb., Verwalt. u.
VoDwwirtsch., XVI [1892]), S. 88 ff.
* Die Übersicht der Besoldungen der Zentral- u. ProvinzialbehÖrden,
dielsaacsohn, Gesch. d. preufs. Beamtentums, Bd. II (Berlin 1878),
S. d44 ff., gegeben hat, ist ohne alle Bedeutung, schon aus den Gründen,
die er selber S. 349 f. anführt. — Als Beispiel sei erwähnt: der Ad-
miralitfttsrat u. Besident in Emden, Frey tag, bezog ein Gehalt von
<K)0 Eür. (gleich 7800 Mk. nach heutigem Geldwert), sein Kollege, der
Admiralitätsrat Schinkel, der freilich im Hauptamte Bürgermeister war,
in jener Eigenschaft nur 200 Btlr. (gleich 2600 Mk.); Berlin, Geh. Staats-
archiv, Bep. 65, 42. Ein preufs. Hofrichter hatte 1000 Tlr. (13000 Mk.);
Oroy, Diarium Prussiae.
* Vgl. die beiden Schreiben Gladebecks vom 9. Dez. 1679 u. 25. Juli
16B1; Isaacsohn, II, 341 ff.
Philippson, Der Orofse Kurfürst. III. 5
66 Sechstes Buch.
hat sie auf die Haltung und den Geist des Beamtentums eine
treffliche Wirkung geübt.
Der wichtigste Teil der Verwaltung war die Finanz-
administration ^ Ohne ausreichende und gut geordnete pekuniäre
Mittel war Oberhaupt eine Stellung, wie der Kurfürst sie seinem
Staate zu verschaffen suchte, nicht zu denken. Der traurige
Zustand der brandenburgischen Finanzen hatte das hauptsäch-
liche Hindernis für eine gedeihliche Entwicklung dieses Landes
im Innern sowie für eine kräftige und von den Fremden unab-
hängige Politik nach aufsen gebildet. Die Schuldenlast war
ungeheuerlich, die Verwirrung und Untreue in der Verwaltung
allgemein und also das Firträgnis gering. Es hat deshalb
Friedrich Wilhelm diesem Zweige der Verwaltung sein Nach-
denken, seine Aufmerksamkeit und seine Tatkraft in besonderer
und bleibender Weise gewidmet. Eine durchgreifende Besserung
hatte er freilich während der bewegten beiden ersten Dezennien
seiner Regierung nicht erzielt. Wollte man eine heilsame
Änderung herbeiführen, so mufste vor allem der Vielfältig-
keit des Kassenwesens und der Oberinstanzen ein Ende gemacht,
es murste eine gleichmäfsige , zusammenhängende Ordnung
und eine zentrale Leitung hergestellt werden. Aber der erste
Versuch zur Bildung einer Zentralstelle der finanziellen Ver-
waltung, den Friedrich Wilhelm auf Waldecks Veranlassung
1651 durch Bestellung eines Sonderausschusses des Geheimen
Rates, der „ Staatskammerräte ""^ unternommen hatte, war an der
Vielseitigkeit der Beschäftigung dieser zugleich in zahlreichen
andern Departements verwandten Beamten gescheitert. Deshalb
entschlofs sich der Kurfürst im November 1659 zur Ernennung
eines eigenen Finanzministers: Raban von Canstein, bisher
Präsident der Cöllnischen (Berliner) Amtskammer und schon
als solcher mit weitgehenden Befugnissen ausgerüstet, wurde
förmlich mit der Leitung des „Okonomiewesens" in allen kur-
fürstlichen Landen betraut. Diese Mafsregel bedeutete einen
sehr wesentlichen Fortschritt in der Zentralisierung der brauden-
burgisch-preufsischen Verwaltung. Canstein wurde durch seine
^ Für das Folgende: K. Breysig, Gesch. der brandenb. Finanaen
1640— 1697,1 (Leipzig 1895); Cosmaru.Klaproth, Geheimer Rat, S. 356;
Isaacsohn, a. a. O., II, wo allerdings die Verhältnisse oft falsch auf-
gefafst sind.
Sechsunddreifsigates Kapitel. Die Verwaltung. 67
neue Bestallungsurkunde ausdrücklich zum Chef sämtlicher Amts-
kammem, d. h. Steuer- und Finanzbehörden, des Staates mit aus-
gedehntesten Befugnissen, zumal in BetreiF des Personals, ernannt.
Er war der erste gesamtstaatliche Beamte.
Leider war die Wahl Cansteins zu so schwieriger und ver-
antwortungsvoller Stellung ein schlimmer Mifsgriff. Man hätte
zur Entwicklung dieser ersten Zentralbehörde mit ihrer für
die brandenburgischen Verhältnisse ganz neuen Aufgabe einen
tatkräftigen, arbeitsfreudigen und geistreichen Mann bestimmen
sollen — Canstein aber, obwohl erst zweiundvierzig Jahre alt,
war ein müder und eigener Initiative völlig entbehrender Routinier.
Er unternahm keinen Versuch, sein Ministerium zu organisieren,
so dafs er dessen Bedürfnissen ganz ratlos gegenüber stand;
vielmehr hat er die Wünsche des Kurfürsten, ihm Hilfsbeamte
zur Seite zu stellen, selber vereitelt. Er liefs aus Bequemlich-
keit in den Provinzialkassen Selbstherrlichkeit und Unordnung
fortwuchem. Er gestattete y- dafs die einzige Errungenschaft
der mifsglückten Beform von 1651, die Ersetzung der Natural-
bezüge der Beamten durch bare Besoldung, zum grofsen Teile
wieder verloren ging und die alte Lotterei der Naturalwirtschaft
abermals einrifs. Die Verwaltung der Domänen lieferte immer
geringfügigere Ergebnisse, die Einnahmen verminderten sich
beträchtlich, anstatt in der zwölfjährigen Friedenszeit, wie es
hätte sein sollen, anzuwachsen. Selbst der Umfang des Domänen-
besitzes nahm infolge von Verpfändungen und Verkäufen ab.
Die Provinzialbehörden schlugen sogar die Anordnungen des
Kurfürsten in den Wind. Es dauerte sechs Jahre, ehe trotz
aller Mahnungen eine Rechnungslegung von den preufsischen
Ämtern einlief; die ausgedehnten Forsten dieser Provinz waren
derart verwüstet, dafs der Kurfürst noch Holr zukaufen mufste,
anstatt dafs er früher viele Tausende Taler aus dem Holzverkauf
in Preufsen gelöst hatte. Und doch suchten aus Eigennutz und
Herrschsucht die Oberräte jede Visitation zu hintertreiben ^
Endlich wurde Ganstein gar, im Jahre 1674, in den ünter-
suchungsprozefs gegen den Ober -Münzdirektor Gilli und den
Amtsrat Hackelberg verwickelt. Der Umfang seiner Verschuldung
ist nicht klar — jedenfalls mufste er schliefslich beträchtliche
' Kurf. an Schwerin, 20. Nov. 1662, 26. Febr. 1663; U. u. A., IX,
843. 849. — Vgl. Orlich, Preufs. Staat, III, 67 ff.
5*
68 Sechstes Buch.
Strafsummen erlegen und wurde zwar auf Verwendung „vieler
und vornehmer Interzedenten** persönlich rehabilitiert, auch aller
weiterer Verantwortung enthoben, aber von jeder Amtstätig-
keit dauernd ausgeschlossen ^
Nach so üblen Erfahrungen griff der Kurfürst nach einem
Provisorium, indem er Friedrich von Jena im Nebenamt mit den
„ Haushaltungssachen ^ betraute. Der scharfe, klare, energische
Sinn Jenas mochte dem Herrn die Zuversicht einflöfsen, er werd&
die verfahrenen Finanzangelegenheiten in bessere Ordnung bringen.
Allein Jenas Überbürdung mit sonstigen Geschäften und die
Unsicherheit seiner Stellung dem Geheimen Rate gegenüber
lähmten seine Wirksamkeit. So wurde 1678 wieder ein selb-
ständiger Finanzleiter in d^r Person des bisherigen General-
Kriegskommissars Bodo von Gladebeck ernannt. Gladebeck hat
das Verdienst, die Naturallieferungen der Amtskammem end-
giltig abgeschafft und durch Geldbeträge ersetzt, auch zum
ersten Male einen ordentlichen Jahresvoranschlag ermöglicht
und Ausgaben wie Einnahmen tunlichst von den schwer zu
überwachenden Provinzial- auf die Zentralkassen übertragen zu
haben. In Betreff der Domänen vertauschte er grundsätzlich
die Verpachtung der Güter mit deren Selbstverwaltung: gewifa
ein Verfahren von recht zweifelhaftem Werte, das aber zunächst
eine beträchtliche Zunahme der Einkünfte bewirkte.
Der treffliche Beamte wurde schon nach drei Jahren seiner
Wirksamkeit durch den Tod entrissen. Nach einem abermaligen,
durch Jena und Meinders verwalteten Provisorium gelang es
dem Kurfürsten endlich, für sein wichtigstes Ministerium den
rechten Mann zu finden : den Freiheim Dodo zu Jnn- und Knyp-
hausen. Friedrich Wilhelm hatte diesen ostfriesischen Baron,
wie so viele seiner besten Helfer, mit rücksichtsloser Übergehung
seiner weniger befähigten heimischen Beamten, aus der Fremde
berufen und ihn, nach kurzer Probezeit, zum Geheimen Rat
ernannt. Als solcher arbeitete sich Knyphausen mit zielbewufstem
Entschlufs besonders in die Finanzgeschäfte ein: er wurde der
erste wirkliche Fachmann in der kurfürstlichen Finanzverwaltung.
Sie wurde ihm 1C83 tatsächlich zugewiesen, aber erst 1687
nahm der bescheidene Mann den Titel eines Hofkammer-Prä-
sidenten an. Er hatte sich sofort ein Kollegium technisch
* Orlich, ehendas. 210. 269 ff.
Sechsunddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 69
geschulter Hilfsbeamten gescha£Een und begründete so eine folge-
rechte, kundige, von dem Zufall der wechselnden Einzelpersonen
anabh&ngige Zentralverwaltung der Finanzen. Ebenso bahnte
er die völlige Unterordnung der über ihre Sonderstellung eifer-
süchtig wachenden preufsischen Begimentsräte unter seine Wirk-
samkeit an. Er regelte das Rechnungswesen, das trotz Glade-
becks einsichtiger, aber allzu kurz währender Bemühungen sehr
im argen lag, auf mustergültige Weise. Er verliefs das in
greisem Mafsstabe und auf die Dauer unmögliche System der
Selbstverwaltung der Domänen, um es wieder durch deren Ver-
pachtung, aber mit sorgfältiger Überwachung der Pächter durch
die Behörden, zu ersetzen; genaue Rechnungslegung, Beschränkung
der Pachterlasse, Verminderung der Zuschüsse seitens des Staates
mufsten die Pächter sich gefallen lassen. Die Einnahmen wurden
auch durch Brau- und Mühlengerechtsame, sowie durch Ver-
wertung der Fischerei bedeutend gehoben. Kurz, man darf sagen,
Enyphausen ist in bewundernswerter Genialität der Schöpfer der
vorzüglichen und musterhaften preufsischen Finanz Verwaltung
geworden, die einen so bedeutenden Anteil an der grofsartigen
Entwicklung dieses Staates gehabt hat. Selbstverständlich
vollendete der Minister sein Werk nicht innerhalb des Jahrfünfts ,
wo er unter Friedrich Wilhelm arbeitete. Aber diesen Mann
gefunden, an die richtige Stelle gesetzt und in seinen wichtigen
Neuerungen geschützt zu haben, ist das dankenswerte Verdienst
des Grofsen Kurfürsten.
Neben der Hofkammer wurde noch eine zweite für den
ganzen Staat zuständige Finanzbehörde geschaffen : das General-
Kriegskommissariat , das die ausschliefslich für das Heer be-
stimmten direkten Steuern verwaltete, während jene sich mit
den Einkünften aus Domänen und Regalien, sowie den Zöllen
befafste. Demgemäfs wurden zwei grofse Zentralkassen ein-
gerichtet : neben der Hofrentei entstand 1674 eine eigene General-
Kriegskasse ^ Aufserdem sicherte sich der Kurfürst eine persön-
liche Dispositionskasse in der sogenannten Schatulle, der die
Einkünfte aus den landesherrlichen Forsten, sowie denjenigen
^ Die Weiterentwicklung des Kriegskommissariats wird im
vierzigsten Kapitel eingehend erörtert werden, auf das wir hier ver-
weisen. Daa Folgende nach Riedel« Der brandenb.-preufs. Staatshaus-
lialt (Berlin 1866), S. 13 ff.
70 Sechstes Buch.
Gütern zuflössen, die auf Rodungen solcher Forsten angelegt
waren oder neu entstanden ; dazu kamen die Erträgnisse einiger
Besitzungen, die Friedrich Wilhelm direkt fttr die Schatulle
erworben hatte. Deren Einkünfte betrugen jährlich ^ im Durch-
schnitt 122000 Taler, sind aber bisweilen auf 180000 gestiegen«
Die Ausgaben für den kurfürstlichen Hof wurden 1673 einer
vierten Kasse, der Hofstaatsrentei, übertragen, der eine Anzahl
von Domänen- und lokalen Einkünften zugewiesen ward. Die
prächtige Hofhaltung stellte bedeutende Anforderungen: gegen
Ende von Friedrich Wilhelms Regierung gebrauchte sie volle
367 000 Taler. Schatulle und Hofstaatsrentei machen nach
heutigen Begriffen die Zivilliste des Kurfürsten aus: zusammen
ungefähr 490 000 Taler oder, nach gegenwärtigem Geldwerte, etwa
6V2 Millionen Mark — gewifs eine sehr beträchtliche Summe,
wenn man die Kleinheit und Armut des Landes, sowie die
Dürftigkeit des gesamten Budgets dagegen in Ansatz bringt.
Allein noch herrschte damals der Gedanke vor, dafs der Landes-
herr eigentlich Besitzer seines Landes sei, und dafs die über-
menschliche Stellung des Fürsten einen prächtigen und kost-
spieligen Kultus seiner gottähnlichen Persönlichkeit erfordere.
Der Kurfürst legte sich überdies das Recht zu, Domänen
nach Belieben zu vergeben : so Oranienburg an Kurfürstin Luise
Henriette, die Ämter Köpenick, Crossen, ZüUichau und Trestow
an seine Söhne, andere Güter auf Lebenszeit oder noch darüber
hinaus an Diener, die er zu belohnen wünschte^. Trotzdem
stiegen die Einkünfte der Domänen, besonders durch Knyp-
hausens einsichtige und sorgfältige Verwaltung : vom Jahre 1673/74
bis 1680/81 um hundert, dann bis 1695/96 gar um 260 Prozent
Die magdeburgischen Ämter, die 1680/81 nur 46000 Taler
brachten, warfen 1687/88 schon 79000 ab, die pommerschen
Ämter 1680/81 58000, 1688/89 dagegen 73000 — und ähnlich
in den übrigen Provinzen^. Diese Steigerung war nur zum
kleinsten Teile der allmählichen Abtragung der Domänenschulden
zu danken, die z, B. in Preufsen 1678 noch 887680 Taler betrugen.
Denn unter Friedrich Wilhelm blieb der Rückkauf der ver-
1 Orlich, Preufs. Staat, I 439. — Breysig, Finanzen, 342.
■ Breysig, a. a. 0., S. 375 ff. — Derselbe, Der brandenb. Staats-
haushalt i. d. 2. Hälfte d. 17. Jahrb.; Jahrb. f. Gesetzg., Verw. u. Volks-
wirtscb., XVI, 12 ff.
SechsunddreÜsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 71
äufserten oder verpfändeten Domänen immerhin nur ein schwacher.
Zwar haben die Stände Preufsens, der Kurmark und Kleves
dafür wiederholt beträchtliche Summen bewilligt — bis 600000
Taler — : aber der Kurfürst brauchte solches Geld nötiger für
sein Heer, und es ward seiner eigentlichen Bestimmung entfremdet.
Ein systematischer Rückerwerb der veräufserten Domänen trat
erst unter Knyphausens Verwaltung ein, deren segensreiche
Wirkung sich in dieser Hinsicht erst zur Zeit Friedrichs III.
geltend machen konntet
Hofrentei und Hofstaatsrentei genossen ferneres Einkommen
aus den Regalien. Deren wichtigstes war das Salzregal, das
der Kurfürst sich durch Edikt vom 15. Februar 1662
zugeeignet hatte, und das jährlich 42000 Taler Reinertrag
abwarf. Der KomzoU von allem ein- und ausgehenden Getreide
brachte jährlich 20 380 Taler. Das Münzregal hatte wechselnden
Nutzen, der jedoch in einzelnen Jahren bis auf 60000 Taler und
darüber stieg. Dagegen steigerte sich der Uberschufs des Post-
regals regelmäfsig von Jahr zu Jahr; er betrug 1687/88, dem
letzten Rechnungsjahre unter Friedrich Wilhelm, 79971 Taler. Das
Bemsteinmonopol war für einen festen Betrag teils an die vier
preufsischen Bemsteindreher-Zünfte, teils an Privatunternehmer
verpachtet: es brachte 1640 nur 1000, 1675/76 bereits 12300,
gegen Ende der Regierung aber 15000 Taler.
Die von dem Kurfürsten 1686 zur Bestreitung der Marine-
ausgaben angeordnete Ghargensteuer bei Neuernennung von
Beamten, Übertragung von Domhermstellen, sowie Verleihung
von Titeln oder Vorrechten warf 1687/88 schon 57 000 Taler ab.
Zu den Domäneneinkünften rechnete man auch die 130519 Taler
Zollerträgnisse aus Preufsen, sowie 30000 Taler Zollerträgnisse
aus Kleve- Mark.
Das gesamte Reineinkommen der auf Domänen und
Regalien begründeten Kassen belief sich 1686/87 auf 704670, im
folgenden Jahre auf 766 534 Taler. Jedoch dieser Betrag bleibt
weit unter der Wirklichkeit, da von ihm bereits sämtliche
Beamten gehälter, ja auch die Kosten der kurfürstlichen Jägerei,
sowie 35200 Taler für die Marine und 78183 für überschüssige
Militärausgaben abgezogen sind. Nach einer Berechnung, die
dem Nachfolger Friedrich Wilhelms in seinem ersten Regierungs-
^ Orlich, a. a. 0., 880. ~ Breysig, Staatahaushalt, 10 ff.
72 Sechstes Buch.
jähre überreicht wurde und also dem letzten Jahre des Grofsen
Kurfürsten ungefähr entspricht, belauft sich der Bruttoertrag
der Domänen- und Regalieneinkünfte auf 1533795 Taler.
Davon gehen für Kosten der Domänenbewirtschaftung und der
Steuer- und Zollerhebung 421994 Taler ab: so bleiben als
Beinertrag dieses Teils der Staatseinkünfte 1111801 oder viel-
mehr, nach Einrechnung der Postgelder, 1 191 772 Taler — etwa
15V2 Miliinnen Mark nach heutigem Geldwerte ^
Unter dem Vorgänger Friedrich Wilhelms war schliefslich
die gesamte Reineinnahme der Kammer auf 12 603 Taler herab-
gesunken'. Aus der Zusammenstellung dieser Ziffer mit den
soeben angeführten gewinnt man einen BegriiF von dem Um-
fange der Reform , die Friedrich Wilhelm auf diesem Gebiete
bewirkt hat!
Noch beträchtlicher als die Domäneneinkünfte waren die
Kriegsgefälle. Sie bestanden hauptsächlich in den besonderen
Bewilligungen der Stände — Bewilligungen, die allerdings unter
dem scharfen Regimente Friedrich Wilhelms immer mehr den
Charakter der Freiwilligkeit verloren, den Ständen von dem
Landesherrn in stets wachsendem Umfange, auch in Friedens-
zeiten, auferlegt wurden.
Man empfand den Druck der Heeressteuern um so schwerer,
als ihr Betrag fortwährend nach den Bedürfnissen des Staates
wechselte und dabei auf die einzelnen Provinzen sehr ungleich
verteilt war, wie denn im allgemeinen der reiche Westen ver-
bal tnismäfsig weit weniger belastet war als der arme Osten,
zumal die Kurmark. Endlich waren diese Steuern, besonders
im Beginne von Friedrich Wilhelms Regierung, sehr mannig-
facher Art. Es gab da von alters her Hufenschofs, Giebel-
schofs, Landsteuer, Biergeld, Städtekasse. In der Kurmark war
während des dreifsigjährigen Krieges hierzu noch eine aufser-
* Ich folge hauptsädilich der Tabelle bei Riedel, Beilage VIII.
Die Berechnungen im Texte Riedels, S. 25 ff., gehen von falschen Q^chts-
punkten aus und weisen den Domäneneinkünften im weitesten Sinne eine
verhältnismäfsig zu geringe, den Kriegseinkünften demgemfijs eine zu
grofse Rolle im Staatshaushalte zu. — Breysig dagegen (Staatshaush.
S. 520) schätzt die reinen Domäneneinkünfte zu hoch« weil er deren ge-
samte Verwaltungskosten, sowie die Kosten der betr. Steuererhebung
abzuziehen unterlassen hat.
« Riedel, Beil. VH.
Sechsunddreüsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 73
Drdentliche Abgabe, die Kontribation, gekommen, die auf Ritter-
schaft und Städte der verschiedenen Kreise verteilt und hier
nach Belieben von den Untertanen erhoben wurde: sie lastete
auf den nutzbaren Grundstücken. Der kurmärkische Adel hatte
68 nicht allein verstanden, den entsetzlich verödeten und ver-
armten Städten zwei Dritteile der Kontribution aufzubürden,
sondern er machte auch sein gesamtes Besitztum — selbst die
„gelegten*" ehemaligen Bauernhufen — von der Besteuerung
frei, die er ausschliefslich von Bauern und Krügern erhob; die
Einschätzung geschah auf denkbar roheste und ungerechteste
Weise. Dafs in den Städten die wohlweisen Batsherren sich
und ihre Sippen gleichfalls nach Möglichkeit bei der Steuer-
veranlagung schonten, versteht sich von selbst, aber die ungeheuer-
liche und rücksichtslose Selbstsucht des ostelbischen Adels haben
sie nie zu erreichen vermocht.
Wir wissen (Bd. I S. 388), dafs Friedrich Wilhelm den Adel
der Kurmark zur Aufgabe seiner politischen Macht dadurch mit-
bestimmt hat, dafs er den Herren ihre sozialen, administrativen
und pekuniären Vorrechte bestätigte und sogar verstärkte. Die
Kontribution wurde aus einer zeitweiligen eine beständige Steuer;
sie wurde selbst die Hauptsteuer, hinter der die übrigen direkten
Abgaben weit zurückblieben; sie wuchs um das Mehrfache vom
Betrage: aber ihre Erhebungsart auf dem flachen Lande blieb
die gleiche. Freilich, einzelne Verbesserungen wurden unter-
nommen. Die Bauernhufen, die der Adel für sich eingezogen
hatte, wurden 1669 und 1670 erkundet und der Steuer unter-
worfen. In einzelnen Kreisen der Kurmark und der Nachbar-
provinzen fanden Katasterrevisionen statte Allein im ganzen
blieb für das flache Land die Kontribution mit allen ihren
Mängeln bestehen und zwar bis auf die grundstürzenden Reformen,
die die notgedrungene Folge der Napoleonischen Kriege waren.
Das war eines der Opfer, die, auf Kosten der bäuerlichen Be-
völkerung, die brandenburgisch-preufsischen Herrscher dem alt-
ländischen Adel brachten.
Der Kurfürst hatte freiere Hand in Betreff der Städte, deren
krämerhafter Patriziat ihm bei weitem nicht gleichen Wider-
stand entgegen zu setzen vermochte wie die selbstbewufsten und
* Schmoller im Jahrb. f. Gesetzg., Verw. u. Volkswirtach., I (1877)
8. 57, X (1886), S. 355.
74 Sechstes Buch.
tatkräftigen Edelleute, und die er auch mit viel geringerer
Milde und Rücksicht behandelte. Hier konnte er seine auf
billige und schonende Verteilung der Steuern gerichteten Be-
strebungen walten lassen. Er befahl 1662 die Aufstellung einer
Städterolle, die die gesamte auf die Städte entfallende Steuer-
summe nach möglichst zutreffender Abschätzung verteilte, und die
in den folgenden Jahrzehnten durch wiederholte Revisionen in
Übereinstimmung mit den Änderungen des Wohlstandes und der
Bevölkerungszahl der einzelnen Orte erhalten wurde. Bald jedoch
trat, wie wir schon berichtet haben (Bd. I S. 403 flF, Bd. II S. 212 fr.),
in den Städten an Stelle der Kontribution die indirekte, aber
gerechtere Abgabe der Accise. Nicht nur der Patrizier war ihr
ebenso unterworfen wie der gemeine Bürger; nein, auch die
sonst steuerfreien Edelleute und Geistlichen mufsten, wenn sie
in den Städten die accisepflichtigen Waren kauften, eben dadurch
für den Staatssäckel steuern. Hiermit wurde wenigstens zum
Teile der Ungerechtigkeit der bestehenden Steuerverteilung
abgeholfen. Die Accise ward dann, wie seit 1667 in der ganzen
Kurmark, so in den übrigen brandenburgischen Landen ein-
geführt: 1685 und 1686 auch in Herzogtum und Stadt Magde-
burg, freilich mit schonenden Erleichterungen und besonderer
Begünstigung der fast ausschliefslich auf den Durchfuhrhandel
angewiesenen Stadt Magdeburg; endlich, noch im Februar 1688,
in die kleinen Städte des Herzogtums Preufsen^ Man kann
feststellen, dafs die Ersetzung der Kontribution durch die Accise
zum Aufschwünge der kurfürstlichen Städte seit dem letzten
Drittel des siebzehnten Jahrhunderts wesentlich beigetragen hat.
was auch die Zeitgenossen bereitswilligst anerkannten. Dafs sie
nebenbei dazu verwandt wurde, die städtischen Schulden zu
tilgen, erhöhte ihre segensreiche Wirkung. Nur in Kleve blieb
das städtische Steuerwesen von der Reform unberührt.
Neben diesen stärksten Quellen flössen noch einige schwächere
der Kriegskasse zu. 1682 wurde für die Ausstellung aller Ver-
träge und Urkunden der Gebrauch von Stempelpapier vor-
geschrieben und trotz der heftigen Gegenbemühungen einiger
Stände durchgesetzt. Nur Preufsen wufste sich der für den
einzelnen lästigen Verpflichtung zu entziehen, die es durch einen
Zuschlag zu der Kontribution abkaufte^.
» Schmoller, a. a. O., VH! (1884), S. 1066. — U. u. A , XVI, 1027 ff.
« Patent vom 15. Juli 1682; Mylius, IV, V, 231ff. (In der Über-
SechsiinddreiMgstes Kapitel. Die Verwaltung. 75
Die Gesamtheit der Kontributions- und Accisegefälle betrug
1683 rund 1 175558 Taler; dazu kamen an gewissen, der General-
Kriegskasse zugewiesenen Zöllen 22227 und an Stempelsteuer
Ö316 Taler, so dafs die ordentlichen Einnahmen der zweiten
grorsen Zentralkasse 1204101 Taler ausmachten. Diese Summe
war 1687 auf 1310113 Taler Kontribution und Accise, 21913
an Zöllen und 17800 an Stempel, im ganzen auf 1349886
Taler gestiegen. So hoch beliefen sich die eigenen Ein-
nahmen der General-Kriegskasse: es gehören aber hierher noch
67000 Taler aus Kleve -Mark, die in diesem Gebiete selbst für
militärische Ausgaben verwandt wurden. Damit gelangen wir
zu dem Ergebnisse, dafs in dem letzten vollständigen Rechnungs-
jahre des Grofsen Kurfürsten die Heeressteuern rund 1417000
Taler (18450000 Mark nach heutigem Geldwerte) ergaben. Ihr
Reinertrag war also um mehr als 200000 Taler höher als der
der Hofrentei-Kasse.
Die Kurmark Brandenburg mufste die Ehre, dem Staate
Mittelpunkt und Namen zu geben, mit dem höchsten Betrage
an Steuern — 404574 Talern — bezahlen. In den ersten
Jahren nach dem Friedensschlufs von Oliva hatte sie jährlich
nur 240000 Taler entrichtet, aber während des französisch-
schwedischen Krieges bis 549000 im Jahre. Für 1688, wo von
neuem der Krieg mit Frankreich drohte, war ihr Kontingent an
Kontribution und Accise wiederum auf 452000 Taler festgesetzt.
Unmitttelbar darauf kam das arme Preufsen mit 312000 Talern
(für 1687); auch hier waren die Auflagen seit dem schwedisch-
französischen Kriege beträchtlich gestiegen. Magdeburg zahlte
203118, Pommern, an vierter Stelle, 139654 Taler. Kleve-Mark,
wo die Städte fast steuerfrei waren, gab verhältnismäfsig am
wenigsten ^
Das Gesamt - Beineinkommen des Kurfürsten betrug also
gegen Ende seiner Begierung etwa 2 610 000 Taler, nach heutigem
Geldwerte ungefähr 34 Millionen Mark. Der damalige König
von Frankreich hatte 110 Millionen Livres, etwa 530 Millionen
Mark nach heutigem Geldwerte, jährlichen Beineinkommens:
demnach etwa 15V2 mal mehr als der Brandenburger. Da aber
Schrift bei Mylius ist aus Versehen 1685 gedruckt, während die Datierung
am Ende des Textes [S. 284] die richtige ist.)
^ Diese Zahlen sind gröfstenteils dem Archiv des Kriegsministeriums
in Berlin entnommen, das mir in gütigster Weise geöffnet wurde.
70 Sechstes Buch.
dessen Land nur ein Dreizehntel der Bevölkerung Frankreichs
enthielt, war das Einkommensverhältnis relativ ziemlich gleich.
Allein um wievielmal reicher war Frankreich durchschnittlich
als Brandenburg! Die ganze Schwere des Druckes, der auf
diesem letzteren Lande mit seinen kaum VI2 Millionen Einwohnern
lastete, geht schon aus diesem Vergleiche hervor.
Und doch genügten die regelmäfsigen Einkünfte in Kriegs-
zeiten nicht; es mufsten aufserordentliche Hilfsquellen er-
öffnet werden. Man hätte Kontributionen und Accise durch
prozentuale Zuschläge erhöhen können. Allein zu diesem an sich
einfachsten Mittel griff der Kurfürst nicht, und zwar deshalb,
weil eine Steigerung der Accise den Verkehr beeinträchtigen
mufste, die Kontribution aber in so ungerechter Weise den
Armen aufgebürdet war, dafs er sie ja nur notgedrungen über-
haupt bestehen liefs. Er dehnte also 1677 die schon in PreuTsen
übliche Kopfsteuer auf den gesamten Staat aus, indem er sie so
gerecht zu gestalten suchte ^ wie die damalige Steuertechnik es
zuliefs. Es war der erste, wenn auch noch rohe, Versuch einer all-
gemeinen Einkommensteuer im brandenburgischen Staate. Sie
war möglichst eingehend in 250 Stufen gegliedert. Die Beamten
konnten dabei genau nach ihrem Diensteinkommen herangezogen
werden, die anderen Stände vermochte man nur im allgemeinen
zu schätzen. So mufste ein Graf 60, ein Baron 30, ein Ritter 20,
ein vermögender Edelmann 10, ein „mittelmäfsiger*^ 6, einer
„schlechten Vermögens"" 2 Taler zahlen. Kauf leute entrichteten
zwischen 12 und 2, Handwerker zwischen 4 und 1 Taler* Auch
der Kurfürst und sein ganzes Haus trugen zu der allgemeinen
Abgabe bei: Friedrich Wilhelm z. B. 1000, seine Gemahlin 500
Taler ^ Diese neue Steuer glich alle Ungleichheiten aus: es
gab vor ihr keinen Unterschied zwischen Stadt und Land, noch
zwischen den einzelnen Territorien. Aber noch mehr: hier ist
das erste Beispiel, dafs vornehm und gering dieselbe Ver-
pflichtung übernahmen, nach ihren Kräften für die Bedürfnisse
des Staates einzutreten. Die stolzen Edelleute, die gebietenden
Beamten, die bisher die Steuerlast auf die Armen und Macht-
losen abgewälzt hatten, mufsten sich der Majestät des Staates
beugen. Dieses grofse Moment, das in dauernder Weise freilich
erst durch das Vorbild der französischen Revolution verwirklicht
» Edikt vom 20. Jan. 1677, 7. Jan. 1679; Mylius, IV, V, Iff.
Sechsunddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 77
worden ist, wurde doch durch den Grofsen Kurfürsten wenigstens
Torflbergehend in das brandenburgisch-preufsische Staatswesen
eingefQhrt. Er hat auch auf diesem Gebiete mit ideenreicher
und kühner Initiative, in der ihm kein HohenzoUer gleich gekommen
ist, ein Programm aufgestellt, das leider von seinen Nachfolgern
lange unbeachtet blieb.
Die Kopfsteuer, die im Jahre 1677 sich auf 259518 Taler,
in der folgenden Zeit wegen der Besetzung Kleves durch die
Franzosen und die erlahmende Steuerkraft des Volkes auf etwas
weniger belief ^, wurde übrigens nur während der letzten Kriegs*
jähre 1677—1679 erhoben.
Trotz dieser mannigfachen Hilfsquellen aus dem Inlande
würde es dem Kurfürsten unmöglich gewesen sein, im Kriege
ein Heer von 45 000 Mann zu unterhalten, ohne die freiwilligen
oder erzwungenen Beiträge des Auslandes. Hier sind in erster
Linie die Subsidien zu nennen, die ihm die Niederlande und
Spanien zahlten. Nach den Rechnungen der General-Kriegskasse
bat Brandenburg während der Jahre 1674 — 1688 an fälligen
und rückständigen Subsidien der Niederlande zusammen 1 338096,
von Spanien 480 525, also in Summa 1 818 621 Taler erhalten.
Aber gerade in den letzten gefährlichsten Jahren des Krieges
war diese Quelle fast ganz versiegt: 1677 waren nur 55 008,
1678 gar nur 4000 Taler an Hilfsgeldem eingekommen.
Sie blieben also weit hinter den Erwartungen zurück. Allein,
da es sich um einen Reichskrieg handelte, mufsten die kleineren
Reichsstände entweder das brandenburgische Heer in ihrem
Gebiete aufnehmen und verpflegen oder sich hiervon durch be-
trächtliche Geldsummen abkaufen. Solche beliefen sich, während
der Jahre 1674—1679, auf nicht weniger als 905 147 Taler.
Die Beisteuer der Fremden zu den Kosten des branden-
burgischen Heeres betrug also während des schwedisch-französi-
schen Krieges rund 2 724 000 Taler.
Aber selbst diese immerhin bedeutenden Summen deckten
noch nicht die Kosten der kurfürstlichen Kriegsführung, be-
sonders nicht in denjenigen Jahren, wo die Subsidien versagten.
Um die Wende des Jahres 1677 auf 1678 war der Geldmangel
so drückend, dafs den Truppen die Löhnung für den Monat
Dezember gar nicht, für den Januar nur halb gezahlt werden
^ Qeh, Archiv d. Kriegsministeriums, Berlin.
78 Sechstes Buch.
konnte und für Rekruten Werbung keine Mittel vorhanden waren ^
Da mufsten denn Anleihen aushelfen. Der Kurfflrst nahm im
Frtthjahr 1676 auf die klevisch-märkischen Domänen und das Amt
Kottbus 70 000 Reichstaler auf; 1677 auf die Bernsteingef&lle
und mehrere Domänenämter 184 500, 1678 wieder 191 423, 1679
endlich 142000 Rtlr., zusammen 587923 Taler — etwa 7V2 Mill.
Mark heutigen Geldwertes — deren Zinsen und Amortisation
schwer auf seinen Einkünften lastete.
Die aufserordentlichen Kosten des Krieges 1674—1679 —
ganz abgesehen von der Erhöhung der ordentlichen Steuern —
beliefen sich rund auf 3 311691 Taler, gegenwärtig etwa gleich
43 Millionen Mark*.
Erst unter Erwägung dieser Umstände gelangt man zu
richtiger Beurteilung der Schroffheit und Härte, mit denen der
Kurfürst die Quartiergelder von den Pflichtigen Reichsständen
eingetrieben hat. Er konnte eben seinem eigenen Lande
nicht einen Pfennig mehr abpressen und befand sich in einer
ähnlichen Zwangslage, wie sein grofser Urenkel während des
siebenjährigen Krieges gegenüber Sachsen and Mecklenburg.
So hat Friedrich Wilhelm immerhin es vermocht, ohne allzu-
drückende oder doch erdrückende Schuldenlast und ohne Zu-
sammenbruch seiner Finanzen aus einem Kriege hervorzugehen,
den er gegen zwei Grofsmächte zu führen hatte. Ja, die Kredit-
fähigkeit des Staates hatte unter seiner trefflich geregelten
Verwaltung und erfolgreichen politischen und militärischen
Leitung derart zugenommen, dafs er die neuen Anleihen durch-
schnittlich nur zu dem damals mäfsig erscheinenden Fufs von
sechs aufs Hundert zu verzinsen brauchte, während er früher
den Gläubigem das Doppelte hatte zahlen müssen". —
Die ordentlichen Ausgaben des Staates umfafsten zu-
nächst den Aufwand für die persönlichen Bedürfnisse des Herr-
^ Ms. Derfflinger an Hessen-Homburg, 11. Febr. 1678; Berlin, Geh.
Staatsarchiv, Rep. 94, Hb 5, k.
• Alles dies nach den Originalakten im Berliner Kriegsministeriiim. —
Wenn der Kurfürst in seiner Instruktion an Meinders vom 24. Juni/
4. Juli 1679 die Höhe seiner Kriegsschulden auf „weit über 900000 Btlr."
beziffert, so ist zu bemerken: es liefen 1679—1681 von den Niederlanden
und Spanien nachträglich noch 243000 Tlr. Subsition ein und später
noch weiteres. So kommen wir gleichfalls auf die im Texte angeführte
Summe.
* Breysig, Staatshaush., 495 ff.
Sechsunddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 79
Sehers und die Kosten seines Hofstaates, die schon früher er-
wähnt worden sind. Sie stiegen im Laufe der Jahre mit dem
zunehmenden Umfange und Wohlstande des Staates von 90000
Talern, im ersten Jahre von Friedrich Wilhelms Regierung, bis
auf 490 000 an deren Ende, von denen allerdings ein beträcht-
licher Teil zu eigentlich staatlichen Zwecken verwandt wurde.
So kamen Schatulle und Hofstaatsrentei für Bauten zur Ver-
schönerung der Residenzstädte und anderer Orte auf. Die
Kosten des diplomatischen Dienstes wurden zum überwiegenden
Teile der Hofstaatsrentei aufgebürdet; nur nebensächlich ward
für diesen Zweck die General-Kriegskasse in Anspruch genommen.
Jene hat für Gesandtschaften 1687/88 an 25000 Taler aus-
gegeben ^
Es mag als charakteristisch für jene Zeit erwähnt werden,
dars am kurfürstlichen Hofe keine aufserdeutschen , besonders
französischen Weine getrunken wurden, sondern nur Rhein- und
dann Landwein. Der erstere war den Tafeln des Kurfürsten,
der Prinzen und des Oberhofmarschalls vorbehalten ; die Kammer-
junker, Beamten und Diener empfingen nur Land wein, der
heutzutage y bei leichterem und wohlfeilerem Verkehr und ver-
feinertem Geschmack, wohl als ungeniefsbar betrachtet werden
würde ".
Für Schuldentilgung und Domänenankäufe, also zur Hebung
des Staatsvermögens, waren im letzten Rechnungsjahre 214 000
Taler angesetzt.
Für Kulturaufgaben waren in dem jungen brandenburgisch-
preufsischen Staate, der so hart um sein Dasein rang, nur
geringe Summen übrig. Wenn wir von dem Bau des Müllroser
Kanals absehen, wurden 1687 lediglich einige dreifsigtausend
Taler als Zuschufs zu den im übrigen aus eigenem Grundbesitz
sich erhaltenden Universitäten und Lateinschulen ausgegeben.
Solchen Landesteilen, die von fremder Invasion oder von
einer Epidemie heimgesucht wurden, kam der sonst in finanziellen
Dingen unzugängliche Fürst gern zur Hilfe. Er hat dem Fürsten-
tum Minden nach dem französischen Einfall des Frühjahrs 1679
einen Schadenersatz von 13800 Rtlr. (gleich rund 180000 Mark
heutigen Geldwertes) auszahlen lassen. Als Magdeburg und
^ Isaacsohn, 11, 212.
« Orlich, Friedr. Wüh., 248, Anm. 2.
Sechstes Buch.
besonders Halberstadt 1680 von der Pest befallen wurden, erliefs
er beiden Provinzen einen Teil der Steuern*. Und wie diese
Beträge, so kann man zu den Ausgaben für Landesmelioration
auch die bedeutenden Summen rechnen, die er auf Ansetzung
von Kolonisten, sowie zur Belebung von Industrie und Handel
verwandte, deren Höhe jedoch aus den vorhandenen Akten leider
nicht zu ersehen ist.
Die Ausgaben für das Heer wechselten, zumal ein regel-
mäfsiger Friedensstärkeetat nicht bestand, mit den politischen
Verhältnissen. Hier zeigt ein jedes Jahr ein anderes Bild.
Man darf bei Beurteilung der für die Armee verwandten Be-
träge auch nicht vergessen, dafs es keine Kasernen gab und
die Unterbringung der Truppen, sowie ein Teil ihrer Verpflegung
den Einwohnern der Gamisonorte oblagen. Schon hierdurch
wird der Vergleich mit den heutigen Zuständen erschwert, und
es mufs die Last, mit der das Heer auf das Land drückte^
höher angeschlagen werden, als die Etatszahlen an sich voraus-
setzen lassen.
Im Jahre 1666, wo das Heer allerdings infolge des Münsterer
Krieges und mit Hilfe der niederländischen Subsidien verstärkt
wurde, kostete es 991164 Taler ^
Während der Jahre 1674—1676 erforderten der Krieg und
die Errichtung der Marine an aufserordentlichen Ausgaben allein
1162244 Taler, die aber sämtlich durch ausländische Hilfs-
und Quartiergelder gedeckt wurden. Das Kriegsjahr 1677 kostete
im ganzen für Heer und Marine 902986 Taler ^ Dieser geringe
Betrag war nur dadurch ermöglicht, dafs die Truppen zum grofsen
Teil auf Kosten von Schwedisch - Pommern und von Mecklen-
burg lebten. Das erste Jahr, wo das Heer auf den Friedensfufs
gesetzt war, ist 1681; es war von 45 000 auf etwas mehr als
28000 Mann zurückgeführt und erforderte dennoch 1 267957 Taler
10 Groschen^, also auf den Mann, einschliefslich Befestigungen,
Geschützwesen, Schiefsvorräte, 40 Taler 10 Groschen, nach
heutigem Geldwerte 525 Mark. Es ist das gewissermafsen der
Normaletat. Wenn in der heutigen deutschen Armee der Mann
* Geh. Archiv des Kriegsmin., Berlin.
« Orlich, Friedr. Wilh., 256.
' Kriegsminist., Berlin.
^ Berlin, Kgl. Bibl., Manuscr. Boruss., fol. 920.
Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung. g^^
durchschnittlich auf etwa 700 Mark im Jahre zu stehen kommt,
so ist, neben der ungleich kustspieligeren Bewaffnung der Jetzt-
zeit, auch der Umstand in Betracht zu ziehen, dafs vor 2V9 Jahr-
hunderten ein Teil der Naturallieferungen , die jetzt der Staat
Qbernimmt, den Bürgern oblag.
1685 gab die Generalkriegskasse 1029547 Taler, 1686
etwas mehr, 1098000, aus. Überdies waren manche ihr be-
stimmte Einnahmen, wie besonders die mehr als 400000 Taler
Accisen und Eontributionsgefälle der Kurmark, direkt verwendet
worden, ohne die Zentralkasse zu passieren. Ein genauer Aus-
gabenetat für das Heer läfst sich also für diese Jahre nicht
mehr aufstellen. Da der Kaiser 1686 für die nach Ungarn
gesandten kurfürstlichen Truppen 150000 Rtlr. Verpflegungs-
gelder zahlte, hatte die Generalkriegskasse sogar einen Über-
schufs von 11459 Talern^. Allein die Umstände änderten sich,
als die Truppen wieder aus Ungarn zurückkamen. Infolge
der französischen Gewalttaten wurde das Heer auf der Höhe
von etwa 30 000 Mann erhalten. Hierfür waren nach dem Vor-
anschläge monatlich 143 1C9 Rtlr. 13 Gr. 7V2 Pf. nötig, also auf
das Jahr rund, 1718035 Taler. Da nach dem Budgetentwurf
die monatlichen Heereseinkünfte, mit Einschlufs der fremden
Hilfsgelder, nur 133150 Rtlr. I8V2 Gr. betrugen, blieb ein monat-
liches Defizit von 10018 Rtlr. 19 Gr. IV2 Pf., also ein jährliches
von mehr als 120000 Talern. Es mufsten deshalb aus den
Domänen- und Schatullen geldern 75000, aus der Hofrenteikasse
weitere 30 000 Taler der Generalkriegskasse zugewandt werden ■.
Man sieht, eine wie bevorzugte Rolle schon damals das
Kriegswesen im brandenburgisch - preufsischen Jahreshaushalt
spielte. Der Grofse Kurfürst hat, allerdings in geringerem Mafse
als sein Enkel und Urenkel, seinen Staat zu einem Militärstaate
gemacht
Und zu den Ausgaben für das Heer waren schon diejenigen
ftr die Marine getreten. Die im Sommer 1675 neu errichtete
Flotte hat während der ersten 2^/2 Jahre ihres Bestehens
151761 Taler erfordert, also etwa 60000 auf das Jahr. 1678
1 Kriegsminist., Berlin.
* Ms. General -Krieges -Etat, wie derselbe nach Zurückkunft der
Truppen aus Ungarn eingerichtet, 1687; Berlin, Kgl. Bibl. a. a. 0. —
Kriegsminist., Berlin.
Philippson, Der Orofse Kurfarat. III. 6
82 Sechstes Buch.
und 1679 kam sie auf nur 50000 im Jahre zu stehen. Dann
traten aber die Rüstungen gegen Spanien ein: die Ausgabe
stieg 1680 auf 102272, 1681/82 auf 186423 Taler: Sold und
Verpflegung der Matrosen verlangten allein jahrlich 36000 Taler,
1683 freilich nur 27912. Dazu kamen noch die Kosten der
kolonialen Unternehmungen, zumal der Festung Grofs-Friedrichs-
bürg in Guinea, deren Besatzung 1684 nur an Unterhalt
6024 Taler in Anspruch nahm. In diesem Jahre wurden für
die Flotte selbst 45000 Taler ausgegeben, etwa 585000 Mark
nach heutigem Geldwerte^.
Die Zivilbesoldungen waren im Beginne von Friedrich Wil-
helms Regierung ebenso kärglich wie ihre Auszahlung unregel-
mäfsig. Allmählich, mit zunehmenden Mitteln, wurden sie aus-
giebiger und sicherer. Das gewöhnliche Gehalt eines Geheimen
Rates betrug 1200 Taler, gleich etwa 16000 Mark nach heutigem
Geldwerte. Doch finden sich für die hervorragenden und mit
sonstigen hohen Ämtern begabten Geheimräte auch Amts-
einkommen von 3000 Talern (gleich 40000 Mark) und 4000
Talern (gleich 54000 Mark) und selbst darüber, die also unseren
jetzigen Ministergehältem mindestens gleich sind. Ebenso
stiegen die Besoldungen der im auswärtigen Dienste ver-
wendeten Beamten*.
Der Schöpfer wie des ganzen preufsischen Staates so seiner
Finanzwirtschaft ist der Grofse Kurfürst. Aus kläglicher Zer-
rüttung und anscheinend hofifnungslosem Verfall hat dieser hoch-
befähigte, willensstarke Fürst die pekuniäre Gebarung zu fester
Konsolidation, zu ausreichendem Bestände, zu geordneter Öko-
nomie erhoben. Indem er möglichst wenig zu oifener Gewalt griff,
vielmehr in tunlicher Weise Überredung, Beharrlichkeit, List
und sanften Wortbruch anwandte, hatte er die eigensinnigen und
widerspenstigen Stände zu bleibenden und gesicherten Leistungen
genötigt. Er war sich seiner Verantwortung für deren Höhe
wohlbewufst: er hat sie weder selbst vergeudet noch der
Untreue und Unordnung der Beamtenschaft überlassen, sondern
genau geregelt, dauernd zu den nötigen Ausgaben verteilt,
in ein wohlgegliedertes Budget eingefügt. Sparsamkeit, Ord-
' S. die in vor. Anm. genannten Ms. -Quellen, sowie Schuck,
II. 228 ff.
* Klaproth und Cosmar, 214. — Isaacsohn, 11, 212. — Die
Nebenposten des Ausgabeetats übergehe ich.
Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 83
Dung, Redlichkeit wurden nunmehr die Leitsterne der preufsi-
schen Finanzwirtschaft, die niemals, aufser in verschwindend
kurzen Ausnahmefällen, von dieser Richtung abgewichen ist.
Freilich, den Untertanen wurden schwere Lasten auferlegt. Sie
hatten für Heer und Marine jährlich an IV2 Millionen Reichs-
taler zu zahlen oder nach heutigem Geldwerte über 19 Millionen
Mark. Da das Land bei dem Tode des Grorsen Kurfürsten
ungefÄhr 1600000 Einwohner enthielt \ kamen an direkten
Steuern für die Landesverteidigung auf den Kopf zwölf Mark,
was der gegenwärtigen Belastung der Preufsen zu gleichem
Zwecke ziemlich entspricht. Dazu sind aber für die Zeit des
Grofsen Kurfürsten noch die Leistungen für Einquartierung und
teilweise Verpflegung des Heeres zu rechnen, die gewifs nicht
leicht waren. Und das in einem armen Lande, dessen Wohlstand
mit dem heutigen nicht im entferntesten verglichen werden kann !
Man sieht, mit welchen Opfern für seine Untertanen Friedrich
Wilhelm das Dasein und die Gröfse des Staates erkauft hat,
und dafs der Widerstand, den ihm die überkommenen Gewalten
in den einzelnen Provinzen entgegensetzten, von ihrem engeren
Gesichtspunkte aus nicht unbegründet war. Allein gerade die
Härte und Schwere des Loses, das dem preufsischen Untertanen
zufiel, hat auch seinen Charakter gestählt und gefestigt; sie hat
ihn gelehrt, dafs das Interesse des Staates dem Wohle des
einzelnen vorangehe. Der Preufse wurde daran gewöhnt, sich
vor allem dem Vaterlande und dessen Beherrscher zu widmen,
dies als seine vornehmste irdische Pflicht zu betrachten. Die
rauhe Schule, in die Kurfürst Friedrich Wilhelm und, ihm nach-
eifernd, seine Nachfolger die Preufsen genommen haben, wurde
ebenso wie die von demselben Herrscher geschaffene Verwaltung,
Finanzgebarung und Armee zur Vorbedingung für die über-
raschende, unvergleichlich grofsartige und dabei fortdauernde
Entwicklung, die dieser Staat im achtzehnten und neunzehnten
Jahrhundert genommen hat.
' In den letzten Jahren des 17. Jahrhunderte wurde die Bewohner-
zahl Brandenburg-Preufsens auf 1781000 berechnet (Leonhardi, Erd-
beschreibung der Preufs. Monarchie, I [Halle 1791] S. 8 f.). Da der jähr-
liche Überschufs der Geburten über die Todesfälle etwa 18000 betrug,
mvda man von der obigen Zahl ca. 180000 abziehen und gelangt so zu
der im Texte gegebenen Ziffer. — Die Kurmark mit Nebenländem hatte
danach um 1688 etwa 860000 Einwohner.
• *
Siebenunddreifsigstes Kapitel.
Kurfürst und Volkswohlstand.
Wenn Friedrich Wilhelm an die Steuerkraft seiner Unter-
tanen schwere Anforderungen stellte, so suchte er auch mit
allen Mitteln deren Zahl und Wohlstand zu heben. Als echt
moderner Fürst sah er in der Förderung der materiellen Lage
seines Staates eine seiner vornehmsten Aufgaben. Die nach
dem Frieden von Oliva eintretende politische Ruhe gab ihm
zunächst Mufse und Anlafs, seine kolonisatorische Tätigkeit mit
vollem Eifer wieder aufzunehmen. Er versprach allen den-
jenigen, die wüstliegende Stellen anbauen oder zu diesem Behufs
vom Auslände sich in den brandenburgischen Staaten nieder-
lassen würden, in wiederholten Edikten, deren erstes schon am
19. Januar 1661 erflofs, weitgehende Vorrechte: Befreiung von
allen Steuern, Zehnten und Einquartierungen auf sechs Jahre,
sowie Lieferung freien Bauholzes aus den kurfürstlichen Forsten.
Die neuen Ansiedler sollten sowohl das Bürgerrecht wie den
Eintritt in die Zünfte unentgeltlich bekommen und auch von Orts-
abgaben verschont bleiben. Diese Privilegien wurden 1683 dahin
ausgedehnt, dafs jeder, der ein Haus neu oder ein altes, bau-
fälliges oder abgebranntes wieder aufbaue, aus der landesherr-
lichen Kasse einen Zuschufs von 15 Prozent des Baugeldes zu
erhalten habe^ Wie früher Holländer, Engländer und Schotten
zog der Kurfürst nunmehr (1661) zur Hebung des Landbaues
und besonders der Viehzucht zwölf Berner Familien in die
Kurmark, wo sie sich so wohl aufgenommen fanden, dafs sie
bald andere nachkommen liefsen. Trotz der Einrede des Ober-
J Mylius, V, I 867 ff.
Siebenunddreilsigstes Kapitel. KurfCkrst und Volkswohlstand. 85
Präsidenten von Schwerin, der in seiner beschränkten Recht-
glftubigkeit vonder „freien Denkart*' der Schweizer Reformierten
einen ungünstigen Einflufs auf die frommen Kurmärker befürchtete,
berief Friedrich Wilhelm 1684 durch seinen Agenten bei der
Eidgenossenschaft, den Burggrafen Friedrich von Dohna, weitere
achtzig Schweizerfamilien, die sich treiflich bewährten. Sie
erhielten Reisegeld, Land gegen eine kleine Rente, Vieh gegen
billige Abzahlung, fertige Wohn- und Wirtschaftsgebäude und
Freiheit von Abgaben ^
Weniger dem flachen Lande als den Städten, weniger dem
Ackerbau als der Industrie, der Bildung und Gelehrsamkeit kam
die bei weitem wichtigste Kolonisation zu gute, die der Grofse
Kurfürst veranlafst hat: die Einwanderung der französischen
Reformierten, über die noch in anderem Zusammenhange zu sprechen
sein wird'. Die zahlreichen Edelleute unter den R6fugi6s füllten
ganze Regimenter im brandenburgischen Dienste; im Juni 1687
waren schon 611 Adlige dort angelangt, und 1787 kamen viele
andere. Ein Cayard baute die Festungen des Kurfürsten nach
Vaubanscher Methode, ein Charpentier wurde Generalchirurg
des Heeres, andere soldatische R6fugi68 organisierten den Be-
lagerungspark oder erbauten schöne Regierungs- und militärische
Gebäude. Die Fremdlinge brachten gelehrtere und geschicktere
Ärzte und Apotheker ins Land, als man sie dort bisher gekannt
hatte. Solchen gewährte der Kurfürst freie Wohnung, den
ersteren auch einen Sold von fünfzig Talern, wofür sie die
Ärmeren unter ihren Mitflüchtlingen unentgeltlich behandeln
roufsten. Aus diesen Elementen schuf Friedrich Wilhelm zu
Berlin ein Ober-Medizinalkollegium zur Prüfung und fortdauern-
den wissenschaftlichen Beaufsichtigung aller Ärzte, Wundärzte,
Apotheker und Heilgehilfen. In die Provinzstädte, wo es au
guten Ärzten mangelte, sandte der Kurfürst französische Mediziner.
' Orlich, Preufs. Staat, III, 333 ff. — Memoires de Frederic de
Dohna, herausg. v. H. Borkowski (Königsb. 1898), S. 203 ff . 446.
' Über die Einwanderung siehe: Er man und Reclam, Memoires
p. Bervir 4 Thist. des r^fugies fran9ais (9 Bde., Berlin 1782 — 1800);
H. Tollin, G-esch. d. französ. Kolonie von Magdeburg (2 Bde., Halle
1886, 1887); Landwehr, 312ff.; Mjlius, YI Anhang, S. 47 ff.; Beheim-
Schwarzbach, HohenzoUemsche Kolonisationen (Leipzig 1874) S. 63ff.
496 ff.; G. Pagös, Las röfugiös 4 BerUn (Bullet, de la Societe de Thist.
da Protestantisme fran^ais, 1902\ S. 132 ff.
gg Sechstes Buch.
So hebt mit der Einwanderung der Hugenotten eine neue Periode
der Heilkunßt im ßrandenburgischen an. Unter den Französinnen
aber befanden sich viele tüchtige Hebammen, an denen es bisher
in der Kurmark sehr gefehlt hatte.
Noch bedeutsamer war der Aufschwung, den die R^fugiäs
dem Handwerk und der Industrie in unseren Gegenden verliehen.
Handwerks- und Arbeitsleute gab es unter ihnen 449 Familien
mit etwa 2250 Seelen, Wollenarbeiter 248 Familien mit 1240
Seelen, Tabakspflanzer 137 Familien mit 700 Seelen, Schuhmacher
113 Familien mit ungefähr 565 Seelen. Besonders wichtig
wurden die Einwanderer aber für die im Brandenburgischen noch
so wenig verbreitete Grofsindustrie. Sie machten, mit frei-
gebiger Unterstützung durch den Kurfürsten, die Seiden-
manufaktur in der Mark heimisch. Er nötigte deren wider-
strebendem Klima und Boden Anpflanzungen von Maulbeerbäumen
auf, zur Zucht der Seidenwürmer. Wollen- und Tuchmanufakturen
entstanden, ebenso Gerbereien und Schuhfabriken. Die Fran-
zosen führten das Färben und Bedrucken von Leinen ein, das
bisher hierzulande ganz unbekannt gewesen, sowie die Papier-
fabrikation, die bis dahin zu verschiedenen Malen vergeblich
versucht worden war. Ebenso legten sie die erste Ölmühle I
an, die mit Lein- und Rübsamen arbeitete, sowie Giefsereien |
von Lichtern; früher hatte man in unseren Landen zur Er- |
leuchtung nur Wachskerzen für die höheren, Tonlampen für die
ärmeren Stände gekannt. Saffian- und Lederhandschuhe wurden
von den Fremden gleichfalls zuerst im Brandenburgischen er-
zeugt; und endlich begründeten die Hugenotten dort die Hut-
fcibrikation. Sehr ergiebig wurde die Strumpfwirkerei, die in
Berlin, Magdeburg und Halle aufblühte, dabei nicht, wie die
Seidenraupenzucht mit dem nordischen Klima zu kämpfen
hatte. Unter den zugewanderten französischen Arbeitern waren
die Strumpfwirker am meisten vertreten. Der Kurfürst
widmete allen diesen Industriezweigen die regste Aufmerksam-
keit und bedeutende pekuniäre Unterstützung. Er und sein
Hof bezogen ihre Lieferungen möglichst aus den Manufakturen
der französischen Einwanderer.
Neben deren Gewerbfleifs wurde auch ihre Handelstätigkeit
begünstigt. Die Kaufleute unter ihnen erhielten auf drei Jahre
das Zugeständnis der zollfreien Einfuhr ihrer noch in anderen
Lflndem befindlichen Waren.
Siebenunddreifsigstes Kapitel. KurfOrst und VolkswohLstand. 87
Gröfser noch als der materielle Vorteil , der dem branden-
burgisch-preufsischen Staate aus der Niederlassung der R6fugi68
erwuchs, war die geistige Anregung, die sie ihm brachte. Die
Franzosen waren damals das feinstgebildete , literarisch best-
Teranlagte und intellektuell angeregteste Volk Europas. Eleganz
der Haltung, der Tracht, der Bewegungen und der Sprache
machte sie ebenso wie ihre politischen und militärischen Erfolge
zur bewunderten und umworbenen Mustemation der Welt.
Innerhalb Frankreichs zeichneten sich aber wieder die Reformierten
durch gründliches und allgemeines Wissen aus. Indem sie diese
Vorzüge nach dem rauhen, geistig zurückgebliebenen, in
Sitte und Denkweise noch rohen Brandenburg brachten, wirkten
sie erweckend und befruchtend auf dessen Bevölkerung ein.
Freilich, im Beginn machte sich ein lebhafter Gegensatz zwischen
den beschränkten, Schnaps und Bier trinkenden, Tabak qualmen-
den, schimpfenden und fluchenden Bewohnern dieser norddeutschen
Länder und den zierlichen, wohlunterrichteten, aufgeklärten und
sich ihrer Vorzüge wohlbewufsten Hugenotten geltend. Die
Tatsache, dafs die geschickteren, nüchterneren und tätigeren
französischen Handwerksmeister häufig ihren rückständigen und
prassenden deutschen Zunftgenossen die Kundschaft entzogen,
trug nicht wenig zur Entfachung der gegenseitigen Abneigung
bei. Man darf sagen : nur das stete Eingreifen Friedrich Wil-
helms, der auch hier freieren Blick und höhere Einsicht bewährte
als die grofse Mehrzahl seiner Untertanen, verhinderte, dafs das
Übelwollen der Eingeborenen die Ankömmlinge schon nach wenigen
Monaten aus der kaum gewonnenen neuen Heimat vertrieb, aus der
die Flüchtigen sich ohnehin heftig nach der alten zurücksehnten.
Es bedurfte der Einsetzung der vollen landesherrlichen Autorität,
um es dahin zu bringen, dafs den Vertriebenen in den Provinzial-
Städten verlassene Kirchen zur Übung ihres Gottesdienstes ein-
geräumt wurden. Aber allmählich vollzog sich der Ausgleich,
zuerst in den höheren, dann auch in den unteren Gesellschafts-
khissen, durch persönliche Beziehungen, durch Zwischenheiraten
und durch Unterricht. Die R6fugi6s begründeten in den gröfseren
Städten zahlreiche Schulen und Pensionen, und diese wurden
von den Kindern bemittelter Stände viel besucht, da die Kenntnis
der französischen Sprache damals eine absolute Vorbedingung
für alle höheren Berufe war. Bald wurde nirgends so viel und
so gut französisch geredet wie in Berlin; man mufs dabei der
88 SechBtes Buoh.
Tatsache gedenken, dafs zu jener Zeit das Französische allein
die Sprache der Bildung und des guten Tones war. Die Ver-
trautheit mit den Meisterwerken der französischen Literatur,
wie der R6fugiö sie den Norddeutschen vermittelte, hat auf die
Hebung des literarischen Geschmacks, auf die Verfeinerung auch
der deutschen Sprache und auf die Wiedergeburt unseres Schrift-
tums den günstigsten Einflufs geabt. Freilich, die Einwande-
rung hat die ohnehin in dem damaligen Deutschland ein-
gebürgerte Nachäfferei des Franzosentums vermehrt und ver-
stärkt. Allein das war ein vorübergehender Schade, — die
Vorteile, die sie dem norddeutschen Wesen brachte, waren bleibend.
Die Bewohnerschaft Berlins, die etwa 20000 Seelen zählte,
wurde von den 5000 R^fugiös, die sich dort niederliefsen, ganz
besonders beeinflufst. Es ist kein Zweifel, dafs die Geistes-
gegenwart, der schlagfertige Witz, die Unternehmungslust, die
Genügsamkeit, das praktische Wesen, die den Berliner charakte-
risieren, ebenso wie seine Neuerungsliebe, Leichtfertigkeit und
Spottsucht zum grofsen Teile auf die Rechnung des eigentüm-
lichen neuen Elements der Bevölkerung zu setzen sind.
Die Fürsorge des Kurfürsten erstreckte sich aber auch auf
die alten Eingesessenen seiner Gebiete. Als Grundlage jeder
weiteren Melioration ordnete er allerorten sorgfältige Vermes-
sung und Landesaufnahme an: so in der Umgebung von Berlin
und Potsdam durch Samuel Suchodoletz, so in Preufsen durch
ebendenselben und durch Joseph Narowski, — beide offenbar
geborene Polen *. Eine der in die Augen fallendsten Wirkungen
der durch den Dreifsigjährigen Krieg im Brandenburgischen ein-
getretenen Verödung war die Zunahme des Waldes, der, wie
einst in den rauhen Zeiten des alten Germaniens, das Land
weithin zu erobern drohte, während vor dem Kriege in vielen
Teilen Deutschlands Symptome drückender Holzteurung vor-
gekommen waren. Der Kurfürst mufste 1663 und 1664 durch
wiederholte Verordnungen eine Politik des Waldrodens und der
Waldkolonisation einschärfen*. Eine Folge des Anwachsens der
Wälder war die Zunahme der Wölfe und Füchse. Darauf
» HohenzoUem- Jahrb., 1900, S. 336 ff.: E. Friedländer, Beiträge
2 Gesch. der Landesaufnahme in Brandenb.-Preufs. unter d. Gr. Kurf.
11 Friedrich III.
" W. Koscher, Gesch. der Nationalökonomik in Deutschland
(München 1874X S. 220.
SiebenunddreifiBigsteB Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. g9
eraeuerte Friedrich Wilhelm die alte Überlieferung, die Bewohner
von Stadt und Land von Zeit zu Zeit zum ,, Wolfsjagd-Laufen"
aufzubieten ^.
Dem Landbau wurde gröfste Sorgfalt gewidmet. Der wackere
Eisholz entwickelte den von ihm auf Befehl des Kurfürsten
aDgelegten botanischen Garten bei Berlin zu einer Schul-
und Musteranstalt fQr den ganzen Staat. Er lieferte Pfropf-
reiser guter Obstsorten an zahlreiche Gutsbesitzer. Friedrich
Wilhelm ermutigte vielfach die Anlage schöner Blumen- und
Dützlicher Obst- und Gemasegärten. Er befahl, an allen passen-
den Orten Obstbäume und dann, zur Förderung der Schweine-
mast, Eichen zu pflanzen. Die Obrigkeiten sollten darauf unab-
Iftssig achten, zumal auf den Domänenämtern, wo kein Bräutigam
getraut werden sollte, er brächte denn ein Zeugnis bei, dafs er
sechs Obstbäume gepfropft und sechs Eichen an dazu, geeigneten
Plätzen gepflanzt habe^. Aus seinen eigenen Weingärten bei
Potsdam kelterte Friedrich Wilhelm viele Hunderte von Tonneu
Wein, dessen Qualität freilich, aller Wahrscheinlichkeit nach,
viel zu wünschen übrig liefs".
Ein Werk von weitreichender, bleibender und vorbildlicher
Bedeutung war die Ausführung des schon von Kurfürst
Joachim IL gehegten Plans einer Wasserverbindung zwischen
Elbe und Oder. Die aufblühende sächsische Eibschiffahrt und
die sich stets vermehreiide Bedeutung Leipzigs als Handelsplatz
für das gesamte mittlere Norddeutschland hatten die Verkehrs-
wege der Kurmark veröden lassen. Diesem Umstände war die
Dürftigkeit der märkischen Verhältnisse zum grofsen Teile
zuzuschreiben. Hier half Friedrich Wilhelm durch Anlage des
als Müllroser oder auch mit seinem eigenen Namen bezeichneten
Kanals, der zugleich die Wirkung übte, den verhafsten Schweden
in Pommern einen guten Teil des Transitverkehrs zu entziehen.
Der neue Wasserweg wurde während der Jahre 1662 und 1668
unter Leitung des General quartiermeisters Philipp de Ghiöze,
eines aus Italien gebürtigen Ingenieurs, gebaut, in einer Länge
von drei und einer halben deutschen Meile, einer Breite von
fünf Ruten und einer Tiefe von sechs Fufs. Er verläfst ober-
halb Frankfurts die Oder, indem er sich zunächst des unteren
^ Bescheid an die Stände vom 22. März 1670; Mylius, VI, I 525.
* Verordnimg vom 5. März 1686; ebendas. 568 ff.
* Orlich, Preuis. Staat, I, 4421.
90 Sechstes Buch.
Laufes des Schlaube-Flürschens bedient. Wo dieses bei der
Stadt Müllrose nach Sfiden abbiegt, verläfst er es und zieht
westlich nach der Spree; die Terrainunterschiede werden durch
dreizehn Schleusen ausgeglichen. Als dieser „neue Graben"
oder „märkische Durchstich", wie man damals sagte, vollendet
worden, waren aber damit die Schwierigkeiten, die sich seiner
Benutzung entgegenstellten, noch nicht gehoben. Die Stadt
Frankfurt a. d. 0. machte die verzweifeltsten Anstrengungen, ihr
Stapelrecht auch auf den Kanal auszudehnen, obwohl er sie gar
nicht berührte; das hätte durch Verzögerung und Kosten die
neue Wasserstrafse den Breslauern wie den Hamburgern ver-
schlossen. Allein der Kurfürst griff hier mit Strenge durch, da
das Interesse einer Stadt nicht gegen die Wohlfahrt des ganzen
Landes in Betracht kommen konnte. Er erliefs den Frankfurtern
einen Teil ihrer Kontribution; er beförderte den Verkehr ihrer
Messen, auch durch mehrfaches persönliches Erscheinen bei den-
selben, und indem er seine Minister und Hofleute zu deren
Besuch veranlafste; aber er befreite den neuen Schiffahrtsweg
von allen Hindernissen. Dieser verknüpfte nunmehr nicht nur
Oder und Spree miteinander, sondern stellte zugleich eine
ununterbrochene, 150 Meilen lange, kürzeste Wasser verbin düng
zwischen Breslau, dem oberen Odergebiet und dem angrenzenden
Polen auf der einen, Hamburg und der Nordsee auf der anderen
Seite her. Damit wurde der gesamte schlesische Gamhandel
und mindestens der vierte Teil der über Schlesien nach Hamburg
ausgeführten polnischen Waren von dem Wege über Leipzig und
Magdeburg fort, über Berlin geleitet, das gerade in der Mitte
zwischen Breslau und Hamburg lag und durch einen vom Kur-
fürsten eifersüchtig gehüteten Umladezwang für alle fremden
Schiffer besonders begünstigt wurde. Die brandenburgische
Hauptstadt gewann erst jetzt eine selbständige Bedeutung für
Handel und Gewerbe und teilte mit Leipzig die Beherrschung
der Handel sstrafsen im mittleren Norddeutschland. Berlins Ver-
bindungen gingen nun Havel, Spree und Elbe aufwärts nach
Sachsen und Böhmen, niederwärts nach Magdeburg, Lüneburg,
Hamburg und Lübeck ; Oder aufwärts nach Schlesien und Polen,
niederwärts nach Pommern, besonders Stettin. Wir dürfen
sagen, dafs Berlin sein erstes kommerzielles Aufblühen diesem
grofsen Werke Friedrich Wilhelms verdankt*.
* F. H. Heller, Die Handelswege Inner - Deutschlands im 16., 17.
SiebenimddreKsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 91
Und wie für die Wasser- sorgte dieser grofse Herrscher
auch für die Landstrafsen. Sie befanden sich nach den fort-
währenden Kriegen des zweiten Drittels des siebzehnten Jahr-
hunderts in grofser Vernachlässigung. Sie waren zum Teil
unwegsam, die Wirtshäuser zur Erholung fttr Menschen und
Tiere verödet oder ganz verschwunden, die Dämme zerfallen, die
Brücken zerstört. Der grofse Verkehr und der Einzelreisende
mieden gleich sehr diese unwirtlichen Länder. Da gebot, am
8. März 1669, der Kurfürst den Ortsobrigkeiten die Ausbesserung
der Strafsen und Herstellung geeigneter Herbergen; die Kreis-
kommissare und die Landreiter (Gendarmen) sollten allmonatlich
die Dämme und Brücken besichtigen und über deren Zustand
Bericht erstattend
„Handlung und Seefahrt,'' sagte Friedrich Wilhelm in einem
Edikte vom I.Januar 1686^, „sind die fümehmsten Säulen eines
Staates, wodurch die Untertanen beides, zu Wasser als auch
durch die Manufakturen zu Lande, ihre Nahrung und Unter-
halt erlangen.'' Und schon zwei Jahre vorher hatte er es aa&-
gesprochen : „Der gewisseste Reichtum und die Aufnahme eines
Landes kommen aus dem Commercium her/ Eine Idee, die
völlig mit der Lehre des damals herrschenden ökonomischen
Systems, des Merkantilismus, übereinstimmt. Der grofsartigste,
konsequenteste und wirkungsvollste Anhänger dieser Schule war
Colbert, und ihn stellte der Kurfürst immer wieder seinen Räten
als das Muster vor, das man auch in den brandenburgischen
Landen möglichst nachahmen müsse. Es war die Zeit, wo des
französischen Ministers Gewerbe- und Handelspolitik die glänzend-
sten Triumphe feierte, deren Kehrseite und tiefe Schatten erst in der
— freilich nahen — Zukunft hervortreten sollten. Am liebsten
hätte der eifrige Herrscher sofort das gesamte System Colberts
mit seinen Staatsunterstützungen, bevorrechteten Korporationen,
nnd 18. .Jahrhundert (Leipziger Diss. v. 1884), S. 35ff. — K Toeche-
^ittler, Der Friedi.-Wilh.-Kanal und die Berlin-Hamburg. Flufsschiff-
fahrt (Leipzig 1891). — Ms. Dep. Eebenacs vom März 1681 (Auszug);
Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV H b, 10 o.
» Mylius, VI, I 514.
' Über das Folgende: 0. Meinardus, Beiträge z. Gesch. d. Handels-
politik des Gr. Kurf. (Histor. Zeitschr., N. F., Bd. 30), S. 445 ff. 476 ff.
485 ff.; Rieh. Schuck, Brand enb.-Preufsens Kolonial-Politik, I (Leipzig
1889), a
92 Sechstes Buch.
offiziellen Überwachungen , seiner ganzen künstlichen Belebung
der Industrie und des Handels auch far seinen eigenen Staat
verwirklicht. Er hoffte überdies, vermittelst seiner neu-
begründeten Flotte das dominium maris Baltici, die Beherrschung
der Ostsee, mit Dänen, Schweden und Holländern zu teilen, die
brandenburgischen Lande in die Kreise des Welthandels ein-
zuführen. Indes, hier schweiften seine Pläne allzu kühn und
frei umher, und seine Räte waren dieses Mal mit ihrer haus-
backenen Klugheit mehr im Rechte. Oberpräsident von Schwerin
sowie die beiden Geheimräte Stephani und Esich stellten ihm
vor, dafs Weltverkehr und blühende Handelsflotte erst dann mit
Aussicht auf Erfolg zu schafiPen seien, wenn die an Einwohnern
und Geldmitteln gleich armen brandenburgischen Gebiete wieder
bevölkerter und wohlhabender geworden und dem auswärtigen
Handel genügende Werte bieten könnten. Man solle, rieten
sie 1679, zuvörderst durch Einführung fremder Fabrikations-
zweige den heimischen Gewerbfleifs heben, Verkehrswege und
Strafsen ausbessern, inzwischen in den Häfen die nötigen Schritte
zur Kräftigung der Schiffahrt und des Seehandels tun. Der
Kurfürst hat sich dieser sachgemäfsen Anschauung angeschlossen.
Er war um so mehr darauf bedacht, die Gewerbetätigkeit in
seinem Lande zu befördern. In der Tat nahm sie zu, wennschon
in langsamer Entwicklung. Seifenfabriken wurden angelegt,
auch Zuckersiedereien , deren eine schon 1679 den Bedarf der
Hauptstadt in diesem Artikel zum gröfsten Teile deckte. Den
Versuch, den Tabak zum Gegenstande landesherrlichen Monopols
zu machen, gab er bald wieder auf und gewährte dem Anbau
und der Verarbeitung dieser Genufspflanze volle Freiheit \ Der
Segen dieser Mafsregel machte sich bald geltend. Dagegen
kaufte er 1686 den Erben des Grafen von Lynar das sogenannte
Grafenhaus in Spandau ab und errichtete dort eine Wollen- und
Seidenspinnerei, die er dann den Seidenhändlem Müller und
JKopisch überliefs. In Berlin selbst erbaute er einen Packhof
•für die aus Breslau anlangenden schlesischen und polnischen
Waren. Auf mehreren seiner Domänen legte er Glashütten an.
p]r setzte seinen chemisch gebildeten Kammerdiener Kunckel
durch einen Vorschufs von 1600 Dukaten in den Stand, auf der
ihm geschenkten Pfaueninsel eine Kristallfabrik zu errichten.
» Mvlius, V, II 6.
SiebenunddreUiaigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 93
die besonders durch die von dem Besitzer gemachte Erfindung
des Rubin-Glasflusses grofsen Aufschwung nahm^
Vorzügliche Sorgfalt widmete der KurfOrst der Tuchindustrie.
Zu seinem Leidwesen mufste er bemerken, dafs dieser Gewerbs-
zweig, der bisher noch der einträglichste in den Städten der
Kurmark gewesen war und einen der Hauptausfuhrartikel
abgegeben hatte', unter dem Drucke des ausländischen Mitbewerbs
von Jahr zu Jahr zurückging. Er suchte die Hauptgründe für
diesen Mifsstand in der Ausführung der besseren Wollsorten seines
Landes, sowie in der unzuverlässigen Aufarbeitung und Qualität
der kurmärkischen Tuche. Er ordnete deshalb eine Zusammen-
fassung dieses Gewerbes an durch den grofsen Wollmarkt, den
er 1(581 in Brandenburg errichtete, und der zugleich zum Ver-
kaufe fertiger Gespinste bestimmt war^. Sechs Jahre später
— 30. Mai 1687 — erging ein umfassendes Edikt, das, dem
von Colbert gegebenen Muster folgend, den Grund zur gesamten
W^ollpolitik Preufsens für mehr als ein Jahrhundert gelegt hat.
Es gestattete die Einfuhr nur ganz feiner fremder Tuche, wie
solche im Lande nicht gefertigt wurden, und die Ausfuhr von
Wolle lediglich dem Adel, unter sehr beschränkenden Bedingungen.
Die Fabrikation von Tüchern wurde den zünftigen städtischen
Meistern vorbehalten, dabei in Technik und Qualität streng
geregelt. Das Edikt sucht ein gewisses Gleichgewicht zwischen
Grofskauf leuten, Handwerkern und Detail Verkäufern herzustellen.
In jeder Stadt werden Schaumeister eingesetzt, die auf ordnungs-
mftfsige Herstellung der Wollwaren zu achten, solche nach
der Qualität zu bezeichnen und mit der städtischen Plombe zu
versehen haben. Einer so unentwickelten industriellen Be-
völkerung, wie der kurmärkischen, gegenüber brachten diese
Mafsregeln eine günstige Wirkung hervor. Friedrich Wilhelm
vermochte gegen Ende seiner Regierung festzustellen, dafs die
Menge und zumal die Qualität der kurmärkischen Tuche und
damit ihre Ausfuhr beträchtlich zugenommen hatten ; das branden-
burgische Heer konnte schon ausschliefslich mit heimischen
» König, Histor. Schilderung von Berlin (Berl. 1793X 11, 458 ff. —
Orlich, Friedr. Wilh., 300 f. 317.
■ Orlich, a. a. 0. 299.
• Mylius, V, n 287 ff.
94 Sechstes Buch«
Tuchen bekleidet werden'. Um deren Absatz noch weiter zu
fördern, setzte er die Abgabe herunter, die bei dem Transporte
von Waren aus einer brandenburgischen Provinz in die andere
zu zahlen war'. Es liers sich überall ein verheirsungsvolles
Aufblühen des Gewerbfleifses wahrnehmen.
Auch die Einbürgerung der Eisenmanufaktur in seinen
Staaten lag dem Kurfürsten am Herzen. Bald nach dem Frieden
von Oliva versprach er — 1. Mai 1661 — denjenigen Klingen-
schmieden, die aus dem Bergischen in das Brandenburgische
ziehen würden, die Einräumung bequemer Wohnungen nebst
vollständig eingerichteten Werkstätten, auch Hausplätzen und
Gemüsegärten. Diese Verheirsungen führten zumal in die Graf-
schaft Mark so zahlreiche Klingenschmiede, dars man solchen
schon 1669 nur noch das Bauholz zu schenken nötig hatte*.
Der Märker Eisendraht wurde Gegenstand beträchtlicher Aus-
fuhr. Sie war nach England allein so stark, dars sie dem Könige
dieses Landes an Zoll jährlich 6000 Pfund, nach heutigem Geld-
werte etwa 360000 Mark, abwarf. Die englischen Kaufleute
suchten diese Einfuhr zu vernichten , indem sie sich dabei auf
ein zweihundert Jahre altes Gesetz König Eduards IV. beriefen.
Trotz eifriger Gegenbemühungen des brandenburgischen Gesandten
in London, des jüngeren Otto von Schwerin, trugen die schutz-
zöllnerischen Tendenzen, die damals überhaupt die englische
Handelspolitik wie die aller anderen Länder beherrschten, den
Sieg davon. Eine 1678 einlaufende Fracht Märker Eisendrahtes
im Werte von tausend Pfund wurde sogar als widergesetzlich
eingeführt mit Beschlag belegt. Indes, das Märker Eisen über-
traf das englische derart sowohl an Güte wie an Wohlfeilheit,
dars der Draht fernerhin durch den Schmuggel in fast ebenso
grofser Menge importiert wurde wie früher auf legalem Wege*.
Um auch in der Kurmark die Eisenfabrikation zu heben,
legte der Kurfürst in der Hegermühle bei Biesenthal, nördlich
von Berlin, ein grofses Magazin von Eisen- und anderen Metall-
blechen, sowie Eisenhämmer an, die allerdings mit Verkaufs-
^ Ms. Dep. Bebenacs vom Juni 1687; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep.
94, IV Hb, la.
« Mylius, IV, I 113 ff.
» Orlich, Preufs. Staat, I, 441 Anm. 3.
^ Briefe des jüngeren Schwerin aus England, herausg. von Orlich
(BerlinM837), S. 169. 220. 223. 231 f.
SiebenmiddreiCsigstes Kapitel. KurfOrst itnd Volkswohlstand. 95
monopol fQr die Kurmark begabt wurden^. In Königsberg in
Preursen bestand wenigstens eine landesherrliche Geschütz-
gierserei nebst Salpetersiederei und Luntenfabrikation ^
Das beliebteste Mittel des Merkantilismus zur Hebung der
einheimischen Manufakturen war das Verbot der Ausfuhr von
Rohstoffen, die von diesen verarbeitet werden konnten. Der
Kurfürst liefs es sich nicht nehmen, gleichfalls in diesem Sinne
tätig zu sein : wie den Export von Wolle so untersagte er auch
den des Hopfens, der Häute und Felle, des Silbers und Goldes,
sowie der Lumpend Ein Getreideausfuhrverbot, im Jahre 1674,
war freilich nicht so sehr im merkantilistischen Geiste darauf
berechnet, den Brotpreis zu erroftrsigen und damit die Löhne für
die industriellen Arbeiter niedrig zu halten, als vielmehr das
für die Verproviantierung der Feldarmee nötige Korn zu sichern^.
Friedrich Wilhelm erhoffte dann eine Epoche neuer Blüte
für die brandenburgische Industrie von der Einwanderung der
französischen R6fugi6s. Seine Erwartungen wurden hier nur
teilweise erfüllt. Allerdings verbesserten die Franzosen eine
gewisse Anzahl von Manufakturen und begründeten andere ganz
neu, wie das weiter oben angedeutet wurde. Allein ihre Unter-
nehmungen hatten nur zum Teil Bestand. Es fehlte den Ein-
wanderern allzusehr an den nötigen Kapitalien, um eine Grofs-
industrie in weitem Umfange auf die Dauer in den branden-
burgischen Ländern erhalten zu können. Jedenfalls ist die
Zeit der Niederlassung der französischen Reformierten insofern
für das ganze ökonomische System Friedrich Wilhelms bedeut-
sam, als er erst seitdem den in Frankreich herrschenden Merkan-
tilismus im eigenen Hause ganz durchführt und die einheimische
Fabrikation durch das Einfuhrverbot zahlreicher fremder ge-
werblicher Erzeugnisse zu heben sucht.
Die Tätigkeit der Regierung zu Gunsten des Handels und
der Industrie war eine so lebhafte, dafs zu deren Leitung der
KurfOrst 1678 in Berlin ein Kommerzkolleg einrichtete, zu
dessen Vorsitz kein Geringerer als der Oberpräsident Otto
» Mylius, VI, Anh. S. 61.
' Ms. Herzog v. Croy, Diarium Prussiae 1670—1672 (Berlin, Geh.
Staataarcbiv, Rep. Ö2, Croy, 1H6), Vol. H, 178, HI, 886.
* Mylius, IV, I passim.
* Zeitschr. L Kunst, Wissenschaft u. Gesch. des Krieges, Bd. XLV
(1889)» S. 181.
J
96 Sechstes Buch.
von Schwerin berufen wurde, — ein Beweis, wie hoch Friedrich
Wilhelm die Aufgaben der neuen Behörden einschätzte. Sie
hatte einen doppelten Zweck: einmal die „Kommerzien" zu
befördern, dann die Prozesse in Handelssachen zu entscheiden.
Später — 1684 — wurden in den Seestädten Königsberg und
Kolberg, für Preufsen und für Pommern, ebenfalls Kommerz-
kollegien errichtet und der zum General-Kommerzkollegium er-
hobenen Berliner Behörde untergeordnet. Diese schlug bald
eine entschieden protektionistisch - merkantilistische Richtung
ein , indem sie übrigens in aller Weise Verkehr und Kreditwesen
in den kurfürstlichen Staaten zu entwickeln suchte. Sie stiefs
) dabei auf die beschränkte und zäh konservative Gesinnung, die
damals die brandenburgisch - preufsische Bevölkerung erfüllte.
) Das General-Kommerzkolleg wünschte 1685 in Berlin-Cölln unter
städtischer Verwaltung eine Feuerkasse zu gründen, die, aufser
dem eigentlichen Versicherungsgeschäft, noch die Aufgaben eines
grofsen Kreditinstitutes übernehmen sollte. Die Magistrate der
beiden verbundenen Residenzen lehnten aber diese Anregung ab,
nicht allein wegen der Armut der Bürger, sondern auch weil
„es nicht bekannt sei, dafs im ganzen heiligen römischen Reiche
in irgend einer kur- oder fürstlichen Residenz eine solche Feuer-
ordnung introduzieret worden sei''! Mit gleicher Engherzigkeit
setzten Königsberg und die hinterpommerschen Städte der Wirk-
samkeit ihrer provinziellen Kommerzkollegien möglichsten Wider-
stand entgegen, um nur ihren veralteten Privilegien und für
die Allgemeinheit schädlichen Rechten nichts zu vergeben.
Allein der Kurfürst liefs sich auf diesem Gebiet ebenso-
wenig wie auf vielen anderen durch den Unverstand und die
Beschränktheit seines arg zurückgebliebenen Volkes abschrecken.
Er ging festen Schrittes auf der vod ihm selbst gezeichneten
Bahn voran. „Dieser Kurfürst ist für den Handel sehr ein-
genommen,'' schreibt der kaiserliche Gesandte Fridag^ „und er
sucht alle nur denkbaren Wege, um hier Vorteil zu erzielen."
Kaum war der Nordische Krieg beendet, so schlofs er mit Eng-
land einen Handelsvertrag ab. Dieses Übereinkommen eröffnete
die englischen Häfen den brandenburgischen Fahrzeugen und
gewährte ihnen in Zollangelegenheiten die Rechte der meist-
1 An den Marquis v. Graua, Nov. 1687 (Kopie); Berlin, G^k. Staata-
archiv, Rep. 94, I V H b, 4 b.
Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 97
begünstigten Nation. Aurserdem sah er die Verlegung des
Stapels englischer Tuche von Danzig nach einem Ort des
herzoglichen Preufsen voraus*. Leider wurde der Vertrag, als
er 1672 abgelaufen war, nicht wieder erneuert, und zwar durch
Schuld der britischen Regierung, die ganz in französischem
Fahrwasser segelte. Da suchte Friedrich Wilhelm die Unzufrieden-
heit der eifrigen Protestanten Englands, zumal der Dissenters,
mit dem katholisierenden und absolutistischen Regierungssysteme
der Stuarts zur Hebung des Handelsstandes in seinen eigenen
Landen zu benutzen. Unter der Hand versprach er allen Eng-
ländern, besonders i^Commercianten und Manufacturiers*', die
sich in Brandenburg niederlassen wollten, seinen Schutz, — ge-
wifs nicht allein, wie er vorgab, „sowohl aus absonderlicher Zu-
neigung gegen die englische Nation als auch wegen christlichen
Mitleids gegen Unsere bedrängten Glaubensgenossen*'. Sein
Generaldirektor der Marine, Raule, mufste sich deshalb mit
einem in stadt-bremischem Solde stehenden englischen Flüchtling,
Oberst Sir William Waller, in Verbindung setzen; auch der
Gesandte in London, Besser, hatte im gleichen Sinne zu wirken
(März 1684). Der Kurfürst wünschte, die „Interlopers" , d. h.
solche englische Kaufleute, die aufserhalb der mit Monopol ver-
sehenen Kompanien, also ungesetzlicherweise, überseeischen
Handel trieben und deshalb in ihrer Heimat gerichtlichen Ver-
folgungen ausgesetzt waren, zur Übersiedlung nach Preufsen,
Pommern oder dem neuerdings in die brandenburgische Interessen-
sphäre eingetretenen Ostfriesland zu bewegen. Offiziell wurden
die Gesandten, sowohl Besser als Spanheim (1685), mit Abschlufs
eines neuen Handels- und Schiffahrtsvertrages beauftragt, der
auch Ostfriesland miteinschliefsen sollte. Der Kurfürst
wünschte zu Emden und Königsberg amtliche britische
Faktoreien und Stapelhäuser errichtet zu sehen. Diese Be-
mühungen blieben aber im ganzen erfolglos; es gelang nur,
einzelne Engländer und besonders Schotten nach Preufsen zu
ziehen •.
Auch mit Frankreich suchte Friedrich Wilhelm einen Handels-
vertrag zu Stande zu bringen, durch Verhandlungen zuerst des
' V. Mörner, 254f.
* Ms. Surf, an Fuchs, 11 /21. März 1684; Geb. Staatsarchiv, Berlin,
Eep. XI Kurköln, 9. — Ms. Kurf. an Besser, 18./28. März 1684, und Ms.
Kurf. an Spanheim, 27. Febr./ 9. März 1685; das., Bep. XI, England, 9.
Philippaon, Der Grofse KurfQrft. III. 7
9g Sechstes Buch.
Postdirektors Matthias, dann des Obersten v. Pöllnitz mit Colbert.
Der in Berlin ausgearbeitete Vertragsentwurf war darauf be-
rechnet, den Hollandern ihr tatsächliches Vorrecht der maritimen
Vermittlung zwischen den nordischen Völkern zu nehmen, und
sehr geschickt dem wenig entwickelten Stande der französischen
wie der brandenburgisch - pfeursischen Handelsflotte angeparst
Französische Schiffe sollten ihre heimischen Erzeugnisse : Weine.
Tuche, Salz, verschiedene Fabrikate, nach Hamburg bringen
und sie dort mit brandenburgischen Fahrzeugen gegen deren
Fracht: Leder, Hanf, Pech, Wolle, umtauschen*. Allein der
Vertrag kam nicht zu stände ; die Franzosen mochten kein hin-
reichendes Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit der branden-
burgischen Handelsflotte setzen. Unmittelbar nach dem Frieden
von St. Germain hat dann der Kurfürst seine Bemühungen um
einen Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Frankreich wieder
aufgenommen^. Aber so mannigfache Bündnisse dieses noch
mit dem Kurfürsten abschlofs, zu einem Handelsabkommen mit
ihm hat es sich nicht entschliefsen können.
Schon vorher hatte Friedrich Wilhelm seine Netze nach
einer anderen Seite ausgeworfen. In den Tagen, da er mit
Spanien gegen Frankreich verbündet gewesen, hatte er den
Kammerjunker von Ruck, Hauptmann zu Homburg, nach Madrid
gesandt, um dort die Auszahlung der rückständigen spanischen
Hilfegelder zu betreiben. Er eröffnete während dieser Ver-
handlungen dem Gesandten seine Absicht, „einiges unschädliches
Commercium aufs Unfseren Landen nach Americam auf Unfser
Kosten anzurichten, wenn Uns solches von Ihrer Köngl. May**- ver-
gönnt werden wollte". Für solche Gewährung war der Kurfürst
sogar bereit, auf alle seit 1660 ihm von Spanien zugesagten
und nicht ausgefolgten Subsidien zu verzichten. Leider erhielt
er weder das eine noch das andere*.
Es gelang nur (1661) ein weit bescheidenerer Vertrag mit
Braunschweig-Celle , der die Befreiung des Holz- und Getreide-
handels auf der unteren Elbe von den Schikanen der Hamburger
bezweckte, und ebenso eine Übereinkunft, die die von der
litauischen Stadt Kowno dem preufsischen Handel bereiteten
» ü. u. A., II, 287 f. 305. 307. - Droysen, HI, IH 281.
« Ms. Instr. an Bauveau d'Espence, 16./20. Juli 1679; Geh. Staats-
archiv, Berlin, FranTcr. Rep. XI Konv. 18. — Schuck I 134.
» Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. LXIII, 8 b.
Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kiirfttrst und Volkswohlstand. 99
Schwierigkeiten beseitigte ^ Erst gegen Ende seiner Regierung
hatte der Kurfürst die Genugtuung, sich in den niederländisch-
schwedischen Handelsvertrag eingeschlossen zu sehen, so dars
in jenen beiden Ländern die Brandenburger seitdem die Rechte
der meistbegtlnstigten Nation genossen'.
Auf das Meer war Friedrich Wilhelms Auge gerichtet: die
wogende Feme zog seinen grofsen und unternehmenden Geist
unwiderstehlich an. Auch die Schiffbarkeit der Flüsse interessierte
ihn besonders deshalb, weil sie den Verkehr mit der See ver-
mittelten. Zum Seehandel waren aber vor allem zahlreiche
tQchtige Schiffe nötig, und an solchen mangelte es in den preufsi-
schen und hinterpommerschen Küstenplätzen. Die Ostelbier
waren auch hierin während des letzten Jahrhunderts traurig
zurückgeblieben. Der Kurfürst suchte dem Mangel abzuhelfen,
indem er bewährte niederländische Schißiszimmerer nach Königs-
berg zog. Freilich warfen die Eifersucht und die Zunftstreitig-
keiten der Einheimischen den Fremden jedes mögliche Hindernis
in den Weg, aber diese fanden bei dem Herrscher und seinen
Beamten stets Schutz und Förderung. Gröfseren Aufschwung
nahm der Schiffsbau in Königsberg erst, als, nach dem Frieden
von St. Germain, der unermüdliche, unternehmende Raule mit
dieser Tätigkeit betraut wurde: als Privatmann, auf eigene
Rechnung, aber vom Staate durch Holzlieferung unterstützt.
Staatshilfe und staatliche Bevormundung gingen eben in dem
merkantilistischen Systeme Hand in Hand, das nirgends besser
am Platze war als in wirtschaftlich und intellektuell so zurück-
gebliebenen Ländern, wie es das damalige Preufsen und Branden-
burg waren. Das Schiffahrtsedikt vom 24. Dezember 1680 ver-
sprach allen, die Fahrzeuge erbauen wollten, unentgeltliche
Lieferung der nötigen Krummhölzer, indes unter der Bedingung,
dafs der Bau in guter und tüchtiger Weise unter der Aufsicht
eines vom Kurfürsten einzusetzenden Sachverständigen vor sich
gebe. Dafür sollten diese neuen Seeschiffe die fernere Be-
günstigung geniefsen, dafs auf sechs Jahre hin die auf ihnen
transportierten Waren bei der Ein- und Ausfuhr sich einer ZoU-
ennäfsigung von zehn Prozent erfreuten. Aufserdem verhiefs
* Kurf. an Graf Dohna, 4./14. Jan. 1688; Orlich, Preufe. Staat,
ni, 341f.
« Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 z.
7*
r?(?0(,(}b
JOO Sechstes Buch.
das Edikt den brandenburgisch - preufsischen Schiffern Freiheit
von allen zum Besten des Staates zu erzwingenden persönlichen
Diensten, freien Verkehr nach den fremden Erdteilen und den
Schutz der heimischen Kriegsmarine. Es nahm endlich die
Beseitigung der den Königsberger Verkehr erschwerenden Un-
tiefen in Aussicht ^
Leider waren damals die Preursen und Pommern wenig dazu
angetan, die nützlichen Pläne des Kurfürsten zu unterstützen.
Sie blieben nicht allein selber untätig und vereitelten damit
Raules Absicht, eine preufsische Aktiengesellschaft mit einem
Kapital von 50000 Talern (650000 Mark nach heutigem Geld-
werte) zum Bau und zur Verwertung von zehn Seeschiffen zu
gründen^, sondern sie machten durch ihre steten Plackereien
und Feindseligkeiten auch den Ausländern schliefslich jedes
gedeihliche Schaffen unmöglich. Da nahm Friedrich Wilhelm
die Sache selbst in die Hand, durch den Niederländer Wybrand
van Workum. Der stellte verschiedene Werften nicht allein für
Kriegs-, sondern auch für Handelsfahrzeuge her. Es war doch
schon ein gewaltiger Fortschritt, dafs die brandenburgischen
Orlogsschiffe nunmehr auf heimischen Werften zu Königsberg
gebaut wurden, anstatt in der Fremde: in einem Jahr —
1687 — lieferte Workum dem Fürsten vier stattliche Galliot-
schiffe.
In Pommern war besonders Kolberg zum Schiffbau aus-
ersehen; wie aus der eigenen Provinz so auch aus Preufsen
liefs der Kurfürst zu diesem Zwecke Holz dahin liefern. Es
war wieder ein Holländer, Viktor de Poorter, der hauptsächlich
auf den Kolberger Werften arbeiten liefs. Man sieht von neuem,
wie notwendig und segensreich die Heranziehung der Fremden
durch den Kurfürsten für die Hebung des zurückgebliebenen
brandenburgisch-preufsischen Wesens war.
Friedrich Wilhelm erbaute sogar in Berlin und Havelberg
kleinere Seeschiffe unter Raules Aufsicht; er hatte dort wenigstens
nicht mit dem Widerstände zünftiger Schiffszimmerer zu kämpfen.
Seine und Raules Veranstaltungen kamen im ganzen freilich
der Herstellung mehr von Kriegs- als von Handelsschiffen zu
» Mylius, V, n 22 ff.
• H. Peter, Die Anfänge der brandenb. Marine (Progr. des Sophien-
gymnas. zu Berlin, 1877), 8. 18 f.
Siebenonddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 101
gute, — aber der Weg für eine bessere Zukunft war doch
geöffnet. Raule durfte schon 1684 mit Genugtuung darauf hin-
weisen: anfangs sei der Schiffbau in Preufsen „von jedermann
verspottet und allda ftlr impraktikabel gehalten, nunmehr aber
in guten Train gebracht worden**. Es war eine Genugtuung
und der Beweis, dafs man auf dem richtigen Pfade war, wenn
die Holländer beträchtliche Unruhe und Besorgnis vor dem
Schiffbau in den brandenburgisch -preufsischen Landen zeigten,
fürchtend, das Kurfürstentum werde ihre maritime Überlegenheit
wesentlich beeinträchtigend
Die günstigen Folgen der einsichtigen und beharrlichen
Tätigkeit des Kurfürsten zeigten sich allerorten. Der Handel
von Preufsen wie von Kleve erstreckte sich bereits bis nach Eng-
land und Spanien. Freilich hatten die brandenburgischen Schiffer
stark mit englischer und holländischer Eifersucht zu kämpfen,
und es ging dabei ohne Streitigkeiten und Verluste nicht ab^
Anderseits bemühte sich Friedrich Wilhelm, den Warenverkehr
aus Litauen und Preufsen von Danzig nach Königsberg zu
ziehen, indem er die Pregelschiflfahrt zu heben suchte und ver-
bot, die nach Königsberg herabgeflöfsten Waren über das Haff
auf den Markt nach Danzig zu führen, wo die Schiffer als Rück-
fracht andere Waren mit sich zu nehmen pflegten^. Die Zahl
der in Pillau ein- und auslaufenden Schiffe weist tatsächlich eine
beträchtliche Zunahme des Königsberger Seeverkehrs auf.
Während sie nach dem Nordischen Kriege, 1655, auf 160 im
Jahre gesunken war, stieg sie gegen Ende von Friedrich Wil-
helms Regierung auf 350 bis 400, — ein Anwachsen auf mehr
als das Doppelte. Der Pillau - Königsberger Verkehr war weit
bedeutender als der Memeler. Während der Memeler Zoll 1669
nur 5530 und 1670 gar nur 5177 Taler brachte, betrug in den-
selben Jahren der Pillausche Zoll 88760 bezüglich 96086»/8 Taler*.
Die hauptsächlichen Ausfuhrartikel waren Holz , Leder , Häute,
weniger Getreide. Der Kurfürst hatte für seine Untertanen von
^ £. Baasch, Beiträge zur Gesch. des deutschen Seeschiffbaues und
der SchüfsbaupoUtik (Kamburg 1899), S. 188 f. 219 ff.
« Vgl. U. u. A., XU, 623 ff.
• S. Goldmann, Danziger Yerfassungskämpfe unter poln. Herr-
schaft (Leipzig 1901), S. 76 f.
* Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae 1670— 1672 (Berlin, Geh.
Staatsarchiv, Bep. XCH, Croy, 136), Vol. I S. 76. TT, 654.
]02 Sechstes Buch.
Polen die Erlaubnis freier Fahrt auf den masurischen Flüssen
erlangt, aus deren waldreichem Hinterlande jene rohes und ver-
arbeitetes Holz in grofser Menge hinabflöfsten und nach Danzig
und Königsberg brachten ^ Die Einfuhr bestand vorzüglich in
Salz, Weinen und Manufakturen. In Gemäfsheit seines Schiit
fahrtsediktes von 1G80 liefs der Kurfürst dann durch den Königs-
berger Grofshändler Lorenz Gabel und den Wassertechniker
Wilcken das Fahrwasser im Haif zwischen Pillau und Königsberg
derart ausbaggern, dafs gröfsere Schüfe bis zwölf Fufs Tiefgang,
die bisher in Pillau hatten löschen und von da den Verkehr mit
der preufsischen Hauptstadt durch Leichterschiffe bewirken müssen,
unmittelbar nach Königsberg gelangen konnten (1682). Einige
Jahre später wurde die Fahrt auf dem Pregel durch Schleusen
und einen grofsen Treck -Damm reguliert und erleichtert'.
Ebenso ward der Gilgestrom, der in das Kurische Haff sich
ergiefst, schon 1671 ausgebaggert und ausgeräumt und somit
für die Schiffahrt brauchbar gemacht*.
Pommerns Seehandel lag sehr im argen. Im Jahre 1656
hatte die Einfuhr in die hinterpommerschen Häfen an 400000
Rtlr. betragen (gleich 5400000 Mark heutigen Geldwertes); allein
seitdem war sie ziemlich stetig zurückgegangen, so dafs sie 1668
nur noch 110000 Rtlr. (gleich 1485000 Mark) ausmachte*. Es
war natürlich, dafs Friedrich Wilhelm, nachdem er im Frieden
von St. Germain zu seinem unaussprechlichen Kummer Stettin
hatte zurückgeben müssen, das er zum maritimen Mittelpunkte
für seine ostelbischen Provinzen bestimmt hatte, mit aller Macht
die Hebung der hinterpommerschen Seehäfen anstrebte. Es galt
nunmehr, den Grofshandel Hinterpommerns, der Kur- und Neu-
mark von Stettin unabhängig zu machen; selbst das schlesisch-
polnische Hinterland wollte er von dieser Stadt abziehen. Er
fafste hierbei, aufser Kolberg, auch Stolp und Rügenwalde ins
Auge. Bei letzterem Orte liefs er mit grofsen Kosten einen
kleinen, aber sicheren Hafen herstellen. Mit Hilfe eines tat-
kräftigen Kaufmanns aus Stettin, Abraham Syvers, machte er
den Unterlauf des Flüfschens Drage schiffbar: französisches Salz
' Theod. Hirsch in den U. ii. A., IX, 4 f.
* Meinardus, S. 452 ff.
■ Ms. Herzog von Croy, a. a. O. II, 44, III, 106.
^ Brandenburgiscber Anteil an den Einfuhrzöllen = 2 ®/o des Wertes :
Liste dieser Zölle 1654— 166S bei Mein ar du s, 8. 86 Anm. 1.
Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. X03
sollte 80 nach Hinterpommern und der Mark eingeführt und hier
gesotten, dafür Holz nach Frankreich exportiert werden. Das
Unternehmen gelang völlig. Freilich fand er sich auch in
Pommern durch die Mifsverwaltung der beschränkten und ver-
rotteten städtischen Ordnungen und Behörden behindert, denen
sogar des energischen Meinders Tatkraft nicht immer gewachsen
war. Das Vorurteil machte sich geltend, der Kurfürst wolle um
des fiskalischen Interesses willen die alten, guten Einrichtungen
umstürzen; es war den hartköpfigen Hinterpommern lästig, aus
ihrem alten Schlendrian aufgestöbert zu werden. Widersetzten
sich doch, um ihre Zunftprivilegien aufrechtzuerhalten, die
pommerschen Städte sogar der Einführung neuer Manufakturen!
Trotzdem gelang es, Wollenweberei und Tuchfabrikation in dieser
Provinz heimisch zu machen. Erst wenn man bedenkt, wie
Friedrich Wilhelm den Fortschritt einer zäh konservativen Be-
völkerung hat aufzwingen müssen, begreift man die geistige
Initiative und Willensstärke dieses seltenen Fürsten \
Besondere Sorgfalt liefs er dem Verkehr auf der Elbe
angedeihen. Dieser Strom betraf ihn zunächst nur als Fürsten
von Halberstadt, seit 1680 auch als Herzog von Magdeburg, end-
lich, mittelbar, als den Hersteller des Müllroser Kanals, der
den Verkehr von Breslau über Berlin nach Hamburg vermittelte.
Der Eibhandel aber wurde durch zwei Umstände wesentlich
beeinträchtigt: einmal durch die Menge und Höhe der mannig-
faltigen Zölle, die den Handel mit gewissen Waren überhaupt
unmöglich machten, und dann durch den schlimmen Zustand des
Stromes und seiner Ufer, die seit Jahrzehnten völlig vernach-
lässigt worden. Der Jammer der Vielstaaterei und der elenden
Lokal rechte machte sich überall geltend. Sofort nach dem Ende
des Nordischen Krieges bemühte sich der Kurfürst, durch Ver-
anstaltung von Konferenzen der Uferstaaten diesen Mifsständen
nach Möglichkeit abzuhelfen. Allein trotz aller Anstrengungen
setzte Brandenburg seine Wünsche nur in Nebendingen durch;
besonders Lauenburg und Mecklenburg betrachteten und
behandelten den Eibhandel lediglich vom Standpunkte des
Raubrittertums. Endlich aber erreichte es der Kurfürst,
dafs seine Untertanen von den Zöllen dieser beiden Staaten
befreit wurden. Er selber verminderte die Höhe seiner
1 Strecker, Meinders, 101 f. — Meinardus, 464 ff. 491 f.
104 Sechates Buch.
eigenen Elbzölle und ordnete deren Verwaltung in einer für die
Schiffer weniger beschwerlichen Weise. Er bemühte sich unaus-
gesetzt durch Übereinkünfte mit den übrigen Uferstaaten um
die Hebung des tief gesunkenen Elbhandels : vielerlei Visitationen,
lästige Förmlichkeiten und Erpressungen sollten abgestellt
werden (1672). Aber tatsächlich haben nur Brandenburg und
Braunschweig - Celle die Ausführung dieser segensreichen Be-
stimmungen in die Hand genommen ^
ÄuOsere Umstände waren es, die den Elbhandel wieder in die
Höhe brachten. Die Pest, die seit 1680 mehrere Jahre hindurch
die Umgegend von Leipzig verheerte, liefs für den böhmischen,
mährischen und österreichischen Verkehr mit Hamburg und der
See durchaus die Elbe wählen. Und wie das zu geschehen pflegt :
auch nach dem Erlöschen der furchtbaren Seuche blieb der
Handel dem einmal eingeschlagenen Wege treu. Während die
Polen und Niederschlesier über Berlin, gingen die Lausitzer
und Österreicher mit ihrer Leinwand direkt die Elbe hinunter
nach Hamburg; Südfrüchte, Weine, Spezereien, Fische wurden
dagegen den Strom hinaufgeführt. Die Streitigkeiten zwischen
den Lüneburgern und Hamburg im Jahre 1685 hinderten die
Befahrung der alten Heerstrafse von Westen über Lüneburg und
trieben alle Waren, die westher nach Hamburg gingen, gleich-
falls auf die Elbe. Der brandenburgische Zolleinnehmer in
Tangermünde konnte 1685 melden, dafs gegen früher seine Ein-
nahmen sich verzehnfacht hatten. So bedeutend hatte der Eib-
verkehr zugenommen. Magdeburg zumal wurde auf zwei Jahr-
hunderte hin der wichtigste Sitz des Kolonialhandels für Inner-
deutschland und die gesamten österreichischen Staaten. Erst
die moderne Entwicklung des Verkehrswesens hat die Stadt
dieser glänzenden Stellung beraubt
Weniger fielen anfangs die Fortschritte der Berliner Schiff-
fahrt ins Auge, da sie von den Hamburgern und Breslauem
gleicherweise bekämpft und gewissermafsen zwischen diesen beiden
Extremen erdrückt wurde*.
Wie den nationalen Handel so suchte Friedrich Wilhelm
auch den Transitverkehr durch seine Staaten zu heben. Zu
* Schmoller, in den Jahrb. f. Gesetzgeb. u. Volkswirtech., VIII,
(1884), 1056 ff. — Mörner, 256. 345ff. 466 ff.
« Heller, 39 ff. 44. 48. — Toeche-Mittler, Der Friedr.-Wilh.-
Eanal, S. 61 f.
Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 105
diesem Zwecke setzte er den Durchgangszoll, der bisher IV2 vom
Hundert des Wertes betragen hatte, 1684 auf die Hälfte, »Z*
vom Hundert, herab und befreite dabei die durchpassierenden
Waren von der Besichtigung durch die Zollbehörden. Es kam
diese Mafsregel einer vollen Durchgangsfreiheit sehr nahe*.
Das Hauptmittel des damaligen Verkehrs, das Postwesen, hatte
Friedrich Wilhelm, wie wir wissen ^ in seinen Staaten neu begründet
und, mit Hilfe des trefflichen Matthias, auf eine hohe Stufe der
Vervollkommnung gebracht. Im Jahre 1662 wurden die direkten
Postverbindungen bis nach Breslau ausgedehnt, das durch die
Anlage des MoUroser Kanals eine besondere Wichtigkeit für
den kurmärkischen Verkehr erhalten hatte. Damit verband man,
nach Übereinkommen mit der kaiserlichen Regierung, einen Kurs
nach Wien: von Berlin dorthin ging die neue Post in sechs Tagen,
während bisher vierzehn Tage dazu erforderlich gewesen waren.
Nach Königsberg ging die kurfürstliche Post wöchentlich zwei-
mal von Berlin, in nur fünf Tagen; sechs Tage galten schon
als aufserordentliche Verspätung. Von Königsberg lief sie über
Schippenbeil, Rastenburg und Orteisburg nach Warschau, — die
vierzig Meilen wurden in knapp zwei Tagen zurückgelegt*. So
im Osten; nach Westen vermochte der Kurfürst eine Reitpost
von Minden über Bremen nach Emden anzulegen, die für die
neubegründete Afrikanische Handelskompanie wichtig wurde.
Das System der brandenburgischen Postverbindungen war
mit diesen Kursen abgeschlossen: es erstreckte sich von Warschau
aus über das gesamte nördliche Deutschland von Memel und
Königsberg bis nach Hamburg, Bremen, Emden und Kleve, dann
bis Leipzig und Breslau; seinen Mittelpunkt bildete Berlin.
Eine grofsartige Schöpfung, die nicht nur ein mächtiger Hebel
für Gewerbstätigkeit und Handel in den brandenburgischen
Staaten, sondern beabsichtigermafsen auch ein kräftiges Mittel
der landesherrlichen Gewalt zur Einigung der zerstreuten Pro-
vinzen und zur scharfen Zentralisierung des Beamtenapparates
wurde.
» Mylius, V, n 26ff.
* Bd. I S. 407 ff. — Über das Folgende: H. Stephan, G^esch. d.
preufs. Post (Berlin 1859), 8. 12 ff.; Orlich, Friedr. Wilh., 8. 298; U. u.
A., IX, pasaini.
' Mb. Herzog von Croy, Diarium Prussiae, I, 428, 11, 114 ff., DDE, 572.
106 Sechates Buch.
Das Briefgeheimnis ward übrigens sorgfältig gewahrt Nur
während des Einfalls der Schweden in die Mark (1675) liefs der
Kurfürst eine kurze Zeit hindurch verdächtige Briefe auf dem
Berliner Postamt eröffnen, da man fürchtete, es gebe in der
Residenz schwedische Spione«
Postdirektor Matthias konnte sich der Erfolge seiner geist-
vollen und energischen Tätigkeit bis in ein hohes Alter erfreuen :
er starb erst 1684. Kammerrat von Stille ward sein Nachfolger.
Matthias hatte das Fahrpostwesen 1666, das Briefporto 1673
geregelt. 1687 wurde auch in den rheinisch-westfälischen Pro-
vinzen das Thurn und Taxissche Postregal aufgehoben, und die
dortigen Postmeister erhielten den Befehl, die Postsendungen
lediglich auf Rechnung des Kurfürsten anzunehmen und zu
befördern.
Überhaupt konnte bei der Zersplitterung der Territorien nur
die Gewalt einen einheitlichen Postverkehr begründen und auf-
rechterhalten. Die Hamburger wurden gezwungen, ihr über-
kommenes Postregal auf dem Kurse zwischen ihrer Stadt und
Danzig an Brandenburg auszuliefern. Mit Kursachsen wurde
erst nach ärgerlichen Streitigkeiten und Gewaltmafsregeln ein
Vergleich geschlossen, der eine brandenburgische Schnellpost
zwischen Hamburg und Leipzig zuliefs; sie wurde wöchentlich
zweimal in je drei Tagen befördert, während die bisherige Boten-
post vier Tage gebraucht hatte. Der langwierige Streit zwischen
dem Kurfürsten, der Stadt Danzig und den Polen über den Post-
kurs durch Polnisch-Preufsen ward endlich, im Mai 1661, durch
ein Zugeständnis des Brandenburgers erledigt. Gemäfs einer
damals unterzeichneten Übereinkunft sollten die Postfelleisen an
den Grenzen zwischen der brandenburgischen und der polnischen
Verwaltung ausgetauscht werden. Friedrich Wilhelm hatte hierbei
ebenso verloren wie die Danziger, die früher selber das Post-
regal ausgeübt und übrigens den Streit mit dem Kurfürsten
angerührt hatten ; der Dritte, der allein aus dem Zwiste Vorteil
zog, war die Krone Polen.
Ein anderes Regal, das der Münzprägung, hatte Friedrich
Wilhelm in der Zeit der Not zur Verschlechterung der Scheide-
münzen mifsbraucht, die dann eine förmliche Münzanarchie über
sein Land gebracht hatte. Er griff nach Wiederherstellung des
Friedens das Übel mit fester Hand an, indem er die schlechten
und im täglichen Verkehr längst entwerteten Zwei- und Ein-
Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 107
groschenstftcke um die Hälfte herabsetzte. Allein obwohl nun-
mehr vollwichtige Münzen geprägt wurden, hörte der einmal
begonnene Wucher in den brandenburgischen Münzen, trotz aller
seharfen Verordnungen, nicht auf. Der Kurfürst sah, zu seinem
und des Landes Schaden, etwas spät ein, dafs gerade der Ver-
kehr sich ungestraft weder überlisten noch vergewaltigen lasse:
so schlofs er 1667 mit Kursachsen zu Zinna einen Vertrag, nach
dem die feine Mark Silber nicht über 10 Taler 16 Groschen
ausgebracht und sämtliche Münzen gleich gut ausgestattet werden
sollten. Zugleich ward die Münzverwaltung auf praktische und
billige Art geordnet^. Das Ansehen brandenburgischen Geldes
war seitdem wiederhergestellt.
Dagegen blieben im Herzogtum Preufsen die Münzen auch
während der späteren Regierungsjahre Friedrich Wilhelms in
schlechtem Stande. Der Kurfürst hatte hier nach Aufhebung des
Lehnsverbandes mit Polen den Wert des Guldens auf 18 Groschen
(60 Pfennige unseres Geldes) herabgesetzt ; er liefs solche zuerst
aus zwölf lötigem Silber prägen, mit der Umschrift: supremus
Dux in Prussia. Doch zwang ihn die Geldnot, die Münzprägung
1674 und 1681 zu verpachten, unter Bedingungen, die ein recht
unterwertiges Auskommen der Münzen zur Folge hatten^.
Neben Grofsindustrie und Handel fesselte das Handwerk
die Aufmerksamkeit Friedrich Wilhelms*. Auch hier trat
er selbständig und tatkräftig hervor. Die Überzeugung hatte
sich ihm längst aufgedrängt, dafs das herrschende Zunftsystem
mit seinen zahllosen Mifsbräuchen, Beschränkungen und Aus-
schliefsungen , mit seinen Vorrechten und Gildebriefen sowohl
den Aufschwung des Gewerbes wie die Zunahme der Volkszahl
in seinen Landen ernstlich behindere. Die immer engere Be-
grenzung der Anzahl der Meister, die unerschwinglichen Kosten
bei Aufnahme neuer Meister, die trotzige Organisierung der
Gesellenscbaft , das stete Zechen und Saufen von Meistern und
Gesellen bei den zünftigen Zusammenkünften brachten das
deutsche Handwerk materiell und moralisch immer mehr herunter.
Der Kurfürst liefs deshalb 1661 durch den Geheimen Rat über
' Mylius, IV, I 1236 ff.
• Lern an, Provinziah-echt der Provinz Westpreufsen (Leipzig
1880) I 41.
' Das Folgende nach Mor. Meyer, Gesch. der preufs. Handwerker-
poHtdk, Bd. I (Minden 1889), S. 71 ff.
108 Sechstes Buch.
die Lage des Handwerks eine umfassende Untersuchung anstellen,
als deren Ergebnis sich ihm die Meinung aufdrängte, dafs nur
eine grundsätzliche Regelung der schwierigen und verwickelten
Frage durch die Reichsgesetzgebung zum Ziele zu führen ver-
möge. Nur so konnte das Fortbleiben der Gesellen aus einzelneu
Territorien und ihr allzu starker Zulauf nach anderen, über-
haupt jede Gewaltsamkeit in den Zuständen verhütet werden.
Nach vielen Bemühungen kam die Handwerkersache im
Juli 1669 auf dem Regensburger Reichstage zur Verhandlung.
Der Kurfürst liefs hier den radikalen Antrag stellen : die Zünfte
entweder ganz aufzuheben oder doch ihrer die ökonomische
Politik der Regierungen beschränkenden Rechte zu berauben.
Wie man sieht, hegte Friedrich Wilhelm auch auf diesem
Gebiete ganz moderne Anschauungen. Die gesetzgebende Ver-
sammlung des Reiches aber zog die Verhandlungen mit der
üblichen Langsamkeit und Unentschlossenheit hin. Es dauerte
bis 1671, ehe man wieder zur Beratung schritt; abermals nahm
Brandenburg die Führung in die Hand, indem es den Obrig-
keiten die Befugnis einzuräumen beantragte, einem jeden, den
sie für tüchtig befinden würden, das Meisterrecht unter ganz
geringer Kostenforderung zu übertragen. Es ist das Bevölkerungs-
prinzip, das auch in diesen Bestrebungen den Kurfürsten leitete.
Allein er drang mit so durchgreifenden Forderungen, dem zopfigen
Widerstände Österreichs , der geistlichen Fürsten und der ver-
kommenen Reichsstädte gegenüber, nicht durch. Die hohe Ver-
sammlung fand, dafs man sie nicht mit „so niedrigen Dingen*"
aufhalten dürfe. Es kam endlich, am 3. März 1672, ein
„Reichsgutachten'' zu stände, das jedoch nichts enthielt als
einige polizeiliche Mafsregeln zur besseren Überwachung der
Gesellen, sowie Abstellung einiger Zunftmifsbräuche ; und auch
diese Bestimmungen haben nie Wirksamkeit erlangt, da der
Kaiser dem ;,Gutachten'' die Bestätigung versagte. Damit war
der Versuch, die Handwerksfrage durch die Reichsgewalten zu
lösen, gescheitert, war sie an die Einzelterritorien zurück-
verwiesen.
Der Kurfürst zögerte nicht, die Angelegenheit nunmehr aus
eigener Macht in seinen Staaten zu ordnen. Schon 1669 hatte
er die Privilegien der Zünfte durchbrochen, indem er ihnen
aufgab, jeden neu anziehenden Kolonisten, der sich im Besitze
eines entsprechenden Lehrbriefes befinde, als Meister anzunehmen.
Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 109
1671 wurde die Verweigerung der Meisterschaft wegen Abstammung
von .unehrlichen" Leuten, d. h. gewissen übelbeleumundeten
Volksklassen, untersagt und ebenso 1674 die lächerlichen und
grausamen Bräuche bei der Annahme und dem Losspruch des
Lehrlings, durch die zahlreiche anständige Familien ab-
geschreckt wurden, ihre Kinder dem Handwerke zuzuführen.
Mafsregeln aus den letzten Regierungsjahren Friedrich
Wilhelms sind noch einschneidender; sie stehen mit seiner
Eolonialpolitik und Steuerreform in engstem Zusammenhange.
Die Mifsbräuche der Zünfte, die das Wiederaufkommen der
Städte, die Neubelebung des Verkehrs, die Entwicklung der kur-
fürstlichen Einkünfte und damit selbst des Heeres behindern,
sollen von den neueingesetzten Steuerkommissaren scharf über-
wacht und nötigenfalls streng geahndet werden. Nach der Ver-
fügung vom 3. November 1686 sollen „diejenigen, die Meister
werden wollen, nicht unnötig aufgehalten, mit den Meisterkosten
keineswegs übersetzt oder angehalten werden, alte ungebräuch-
liche Meisterstücke zu verfertigen".
Man darf sagen: während der Verhandlungen über eine
umfassende Neuordnung des gesamten Handwerkswesens ist
Friedrich Wilhelm gestorben. Er hat unter all seinen Mühen
und Sorgen auf diesem Gebiete nichts Grofses und Bleibendes
geschaffen, aber hier, wie so vielfach anderwärts, den Anstofs
gegeben und die Wege gewiesen, die seine Nachfolger wieder
aufgenommen haben und bis zum Ziel gegangen sind.
In den Verhältnissen des ilachen Landes hat er eine durch-
greifende Reform nicht einmal versucht. Er hat die sozialen
Vorrechte des Adels vielmehr bestätigt und befestigt; er hat
ihm, wenn auch notgedrungen, die Herrschaft über die bäuer-
lichen „Untertanen" verbürgt. Er forderte freilich anderseits
von den Edelleuten absolute Unterordnung unter die Gesetze
des Staates und die politische Macht des Fürsten. Besonders
der preufsische Adel, der sich einst für den Herrn im Herzog-
tum gehalten und die fürstliche Gewalt zum Schatten hatte
abschwächen wollen, bekam die starke Faust des Herrschers zu
fühlen. Wie einst Kalckstein, ungeachtet aller Privilegien der
preufsischen Edelleute, das Schafott besteigen mufste, so ward
auch nach den schmachvollen Vorgängen des Winters 1678/79.
wo die adligen Milizoffiziere in Preufsen aus üblem Willen gegen
den Brandenburger das Beispiel kläglichster Flucht vor den
110 Sechstes Buch.
Schweden gegeben hatten, gegen jene vornehmen Verräter mit
äufserster Strenge vorgegangen. Wenn sie geglaubt hatten, den
ernsten Warnungen und Strafandrohungen des Herrschers, die
er im Dezember 1678 gegen alle Überläufer erlassen hatte,
trotzen zu dürfen, so sahen sie sich auf das bitterste enttäuscht.
Sie wurden vor ein Kriegsgericht gestellt Die Eönigsberger
konnten mitansehen, wie die adligen Herren in Ketten von
berittenen Soldaten durch ihre Strafsen geführt wurden, wie
gemeine Verbrecher. Sechs von den Schuldigen — darunter ein
Ganitz, zwei Groeben, ein Truchsefs — safsen monatelang im
Gefängnis und kamen dann „aus Gnaden** frei. Major von Talau
sowie die Hauptleute von Gammacher und Manstein wurden in
Pillau eingekerkert, bis sie die ihnen auferlegte Greldstrafe
gezahlt hatten. Zwei adlige Offiziere — von Woyna und von
Weifs — erlitten den Tod durch Erschiefsen, und zwar, um die
Schande zu erhöhen, zur selben Zeit und Stelle, wo mehrere
ihrer gleichfalls desertierten Soldaten gehängt wurden ^. Solche
Vorgänge haben dem Adel die Selbstherrlichkeit gründlich aus-
getrieben.
Aber auch die Eigenliebe und Eigensucht des Adels dem
Staate und dessen Oberhaupt gegenüber sollte beseitigt werden.
Hierhin gehört es, dafs die Lehnsabhängigkeit stärker betont
wurde. Seit 1680 hat das Kammergericht die „Lehnsfehler*,
das heifst Unterlassung des Nachsuchens des landesherrlichen
Konsenses bei Änderungen in der vermögensrechtlichen Lage
der Lehen, regelmäfsig bestraft, was bis dahin selten geschehen
war. Die Strafgelder wurden übrigens von Friedrich Wilhelm
meist zu wissenschaftlichen Zwecken, wie für die Universität
Frankfurt a. d. Oder oder für seine Berliner Bibliothek, verwendet*.
Wenn es femer dem Kurfürsten auch nicht möglich war, die
eingesessenen Edelleute aus denjenigen provinziellen Ämtern zu
verdrängen, die ihnen durch Herkommen und Verfassung vor-
behalten waren, so schränkte er doch die Bedeutung dieser
Ämter tunlichst ein, indem er teils aufseror deutliche Statthalter
und Kommissare ernannte, die jenen zeitweise die Geschäfte
abnahmen, teils dauernd neue Behörden einführte, die die bis-
herigen tatsächlich der Macht entkleideten, und die nur von dem
» Orlich, Preufs. Staat, I, 389 f., III, 297 f.
* Friedr. Holtze, Gesch. des Kammergerichts, II, 290 ff.
Sieben unddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. Hl
Landesherrn abhängig waren. Zur Besetzung solcher neuen
Ämter wählte er mit Vorliebe Bürgerliche, die er nicht minder
für seinen Geheimen Rat und zu Posten seines persönlichen
Vertrauens verwandte. Er war sicher, dafs diese Männer nicht,
wie viele hohe Beamte aus eingesessenem Adel, seine und des
Staates Interessen dem Vorteile ihres Standes und zumal ihrer
eigenen Familien hintanstellten, — eine Erfahrung, die ihm so
wenig wie seinen Vorfahren erspart geblieben war^ Allein
gerade die Vollständigkeit des Sieges, den Friedrich Wilhelm
über den Trotz des Adels davontrug, hat diesen Stand belehrt,
wo in Zukunft seine Aufgabe und auch sein Vorteil zu suchen
sei. Mit dem Scharfblick für die persönlichen und Standes-
interessen, der den norddeutschen Adel stets ausgezeichnet hat,
erkannte er, dafs er nunmehr nur mit Hilfe der Landesherrschaft,
nicht gegen sie, äufsere Ehre^ Macht und materiellen Gewinn
erlangen werde; und mit der staunenswerten Tatkraft, die ihm
eigen ist, warf er sich sofort in die neue Laufbahn. Er drängte
sich zu den Kriegs- und Friedensämtem des Fürsten, und dieser,
erfreut, einen so starken, einflufsreichen und politisch befähigten
Stand zu seinem Dienste verfügbar zu finden, war bereit, ihm
die besten, angesehensten und einträglichsten Stellen vorzu-
behalten, den Adel auf Kosten des Staates gewissermafsen zu
ernähren, auf Kosten der übrigen Untertanen zu bevorteilen.
So vorurteillos der Grofse Kurfürst persönlich war, in so um-
fassendem Mafse er Bürgerliche im höchsten Rate und im
Heere beförderte, ja, auch zu Gesandtschaften au fremde Höfe
verwandt hat, — es geschah doch unter seiner Regierung, dafs
der bisher unabhängige und widersetzliche Adel in ein Bündnis
mit der Krone trat, ihr seine Dienste weihte und dafür Offizier-
korps und höhere Beamtenschaft zu immer ausschliefslicherer
Domäne erhielt. Eine grofse Anzahl adliger Familien geht
geradezu ein erbliches Dienstverhältnis zum Fürstentum ein:
80 aus der Kurmark die Blumenthal, Loben, Brandt, Goltz; aus
Preufsen dieDohna, Hoverbeck, Dönhoff; aus Westfalen die Spaen,
Heyden, Wylich, Diest; aus Pommern die Somnitz, Schwerin,
Kleist, Bonin, Krockow, Grumbkow, Natzmer, — eine Schar, die
sich stets vergröfsert und verdichtet, bis sie schliefslich fast
den gesamten ostelbischen und Altmärker Adel umfafst.
* S. den von einem Rate des Kurf. Friedrich UI. stammenden Be-
richt: Droysen, IV, IV 204.
112 Sechstes Buch.
Freilich, wenn ihm Grofsgrundbesitz und bald auch der höhere
Staatsdienst als Vorrechte verblieben, sollte er anderseits sich
nicht der Nahrung des Bürgerstandes anmafsen. Deshalb war
ihm schon seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts jede
Beschäftigung mit Kaufmannschaft und Handel untersagt, die
den Städtern vorbehalten wurden. Allein unternehmende
Herren hatten trotzdem, gelegentlich oder gar beruflich, ein-
trägliche Handelsgeschäfte betrieben. Friedrich Wilhelm verbot
das seinem Adel auf das strengste, im Interesse der Städte
(lö. Oktober 1682).
So war für diese gesorgt; der Bauernstand kam weniger
günstig davon. Er hätte freilich, und zwar besonders in der
Eurmark, eingehende Berücksichtigung von Seiten der Regierung
erfordert. Die Nachwehen der Kämpfe und Verwüstungen
während des Dreifsigjährigen Krieges und der schwedischen
Invasion von 1G74/175 machten sich in der zentralen Provinz
des Staates dauernd fühlbar. 1681 lagen im Kreise Nieder-
bamim in 81 Dörfern von 3073V8 steuerpflichtigen Hufen noch
1174V«, also fast zwei Fünftel, wüst, waren von 871 Bauern-
stellen nur 537, von 679Va Kossätenstellen nur 367 besetzt. Noch
1687 waren in der Grafschaft Ruppin 521 Bauern-, 213 Kossäten-
und 19 Büdnerstellen verödet ^ Die ländlichen Kolonisations-
versuche des Kurfürsten konnten um so weniger Hilfe bringen,
als die schweren Abgaben, denen die Bauern unterworfen
waren, ebenso schädigend wirken mufsten wie deren Hörigkeit
und Frondienste zu Gunsten der adligen Grundherren.
Dieses Verhältnis bildet einen Teil des durch den Landtags-
rezefs des Jahres 1653 eingeweihten Systems, den Adel für den
Verlust seiner politischen Macht durch soziale und materielle
Vorteile zu entschädigen, und zwar auf Kosten nicht des Staates,
sondern der wehrlosen Bauernschaft. Hier hat Friedrich Wilhelm
gegen die Mehrheit seiner Untertanen schwer gesündigt. Die
Lage der Bauern ward noch weiter durch den Umstand be-
einträchtigt, dafs die adligen Gutsbesitzer die ausschlaggebende
Macht im höheren Beamtenstande, besonders in den Domänen-
kammern, besafsen. In einer an Friedrich Wilhelms Nachfolger
gerichteten Denkschrift sagt von Lüben geradezu: „Bei denen
' Fr. Grofsmann, Gutsherrlich- bäuerliche BechtsverliältiiisBe in
der Mark Brandenburg vom 16. bis 18. Jahrb. (Berlin 1890), S. 70.
Siebenimddreüsigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 113
Regierungen and Hof- und Land- und anderen Gerichten be-
kommen die Bauern keine Justiz, weil die Ohms mit darin
sitzen, und diese selbst wegen ihrer eigenen Güter und Bauern
ein Interesse dabei haben und sich selbst kein Präjudiz machen
wollen ^"
Der unbedingte Gesindezwang für die gesamte Mittel-,
Ucker- und Neumark, eine wesentliche Verschlechterung der
Lage der Bauern zu Gunsten der Herren, datiert erst aus dem
Jahre 1620; jede Übertretung wurde mit Gefängnis geahndet.
Der bevorrechtete Gutsherr nützte sein Privileg aus, um das
Zwangsgesinde möglichst dürftig zu nähren und zu besolden.
Erneute Gesindeordnungen aus der Zeit des Grofsen Kurfürsten
haben diesen Zwang lediglich verschärft, indem sie diejenigen
jungen Bauern und Bäuerinnen, die keinen eigenen Hof besafsen,
auch nach Ablauf der früher auf drei Jahre begrenzten Dienst-
pflicht zum Dienste bei der Herrschaft, falls diese es wünschte,
nötigten, femer den ansässigen Bauern auferlegten, höchstens
zwei ihrer Kinder in der eigenen Wirtschaft zu behalten'.
Der Adel aber, noch über alle seine gesetzlichen Vorrechte
hinaus, fuhr fort im „Bauernlegen**, das heifst im gewaltsamen
Auskaufen und sogar in der unentgeltlichen Vertreibung der
Bauern, um deren Hufen zu eigener Bewirtschaftung einzuziehen.
In dem Oberbamimer Kreise hat die Ritterschaft während der
Jahre 1634—1671 ihren Besitz auf Kosten der Bauern um
166 Hufen, also etwa um 1225 Hektar, vermehrt (die Hufe
durchschnittlich zu 30 Morgen = 7Vs Hektar gerechnet), da-
durch ihren ganzen Besitz um dreifsig Prozent vergröfsert.
Dafs sie nachher bestrebt war, widerrechtlich die bäuerliche
Qualität dieser Hufen zu verbergen, um sie gleich dem eigent-
lichen Rittergute steuerfrei zu machen, und hiermit den noch
übrigen Bauern eine um so gröfsere Abgabenlast aufbürdete,
versteht sich von selbst^. Diesem letzteren Unwesen ist der
1 Stadelmann, Preufsens Könige in ihrer Tätigkeit für die Landes-
knltor, Bd. I (Leipzig 1878), S. 216 f.
' Jos. Silbermann, Der Gesindezwangsdienst in d. Mark Branden«
Imrg (Greifswalder Dissert. 1897), S. 10 ff.
' Bericht v. Lübens, a. a. 0., S. 213, schildert die Gewalttaten
der «Vornehmsten im Lande" gegen die Bauern in schreienden Farben. —
H. V. Petersdorff, Beiträge zur Wirtschafts-, Steuer- und Heeresgesch
der Mark im Dreibigj. Kriege (Berlin. Diss. v. 1888), S. 19 f. Petersdorff
Philippsön, Der OroÜM Kurfarst. III. 8
X14 Sechstes Buch.
Kurfürst mit Ernst entgegengetreten. „Se. Kurf. Durchl./ läfst
er am 18. Januar 1670 den kurmärkischen Ständen eröflFhen,
„halten nöthig, denen versammelten Ständen vorzustellen, wie
dass Sie selbst an unterschiedenen Orten gesehen, welcher
gestalt ein Theil vom Adel ihrer Bauern Güter unter ihrem
Pflug halten, einige auch Bauern verdrängen, damit sie nur die
Hufen an sich ziehen und selbst brauchen möchten, auch ver-
schiedene Bauern sich klagend angeben, dass sie sich gerne
unter vom Adel setzen und wüste Stellen anbauen wollen, von
denenselben aber abgewiesen worden ; wie denn S. K. D. mit nicht
geringem Misfallen ersehen, dass eine grofse Anzahl steuer-
barer Hufen zu den Ritterhufen geschlagen oder sonst durch
andere Prätexten von der Gontribution eximiret worden. Wann
dann alles solche Dinge sein, wodurch die Artnut beschwert
und das Aufnehmen des Landes behindert wird und überdem
wider alle Gerechtigkeit und Billigkeit läuft, so können Se. E. D.
dero tragendem hohen landesfürstlichen Amte nach solchem schäd-
lichen, verderblichen Dinge nicht länger zusehen.^ Die Herren
antworteten mit leeren Ausflüchten und Versprechungen*.
Die Bekämpfung des Bauernlegens läfst sich durch des
Kurfürsten Sorge für die „Peuplisierung** seines verödeten Landes
erklären. Sonst ist er in keiner Weise für die Bauern gegen
die Härte und Habsucht des Adels tätig gewesen. Im Gegenteil,
er hat durch wiederholte Verfügungen die Fesselung der bäuer-
lichen Familien an die Scholle und ihre absolute Untertänigkeit
unter die Willkür der Gutsherren noch beträchtlich vermehrt.
Ungünstiger ist im allgemeinen während seiner Regierung die
Stellung der Bauern geworden — eine bittere Frucht des Bünd-
nisses, das der Adel mit der Krone abzuschliefsen auf dem
Wege war*.
Nur auf den landesherrlichen Domänen gab der Kurfürst
bezeichnet die Yerschweigung der bäuerlichen Hufen durch den Adel
als „Yergefslichkeit**, während er ähnliches Vorgehen bei den Bauern
als „Lügenhaftigkeit*^ brandmarkt! Wenn er das gewaltsame Bauern-
auskaufen, wobei der Gutsherr den Preis selber bestimmt, dem £z-
propriationsrecht des Staates gleichstellt (S. 20), so charakterisiert das
nicht minder deutlich die Gesinnung des Autors.
» ü. u. A., X 417f. 424.
' Boscher, Nationalökonomik, S. 307 Anm. 2. — Über das Folgende :
K. Breysig, Finanzen, 298 ff. 854 ff.
Siebenunddreilsigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 115
das Beispiel menschlicherer Behandlung der Bauern. Deren Lage
war gerade hier eine zunächst ungünstige, indem die Zeitverpachtung
der Domänen den Arrendatoren Anlafs geben mufste, während der
Dauer ihres Kontraktes die ihnen überlieferten Bauern möglichst
auszupressen. Die kurfürstliche Kammerverwaltung trat diesem
Mifsstande zuerst mit dem Bestreben entgegen, die körperlichen
Fronden der Bauern in Dienstgelder umzuwandeln; Geldzahlungen
waren leichter genau festzustellen und deshalb schwerer will-
kürlich zu erhöhen als persönliche Leistungen. Die Pächter
wurden überdies ausdrücklich verpflichtet, die Bauern nicht zu
drücken, vielmehr ihnen in Zeiten der Not zu Hilfe zu kommen.
Sie sollten sich bemühen, wüstliegende Höfe neu zu besetzen,
wozu ihnen Bauholz kostenfrei aus den landesherrlichen Forsten
geliefert wurde. Allein die Praxis entsprach diesen menschen-
freundlichen Vorschriften um so weniger, als die beaufsichtigen-
den Beamten meist mit den Pächtern gemeinsame Sache gegen
die Bauern machten und der Kurfürst selber, im Interesse hoher
Pachtgelder, geneigt war, den Bauern möglichst einträgliche
Dienste zu Gunsten der Pächter aufzuerlegen. Ja, es kam vor,
dafs die Bauern trotz gezahlter Ablösungsgelder, die 7, 8, 12
Taler jährlich betrugen, von den Pächtern erst bittweise, dann
als herkömmlich und endlich als pflichtmäfsig wieder zu den
Fronden herangezogen wurden. Allmählich, bei wachsender
ökonomischer Einsicht, haben der Kurfürt und seine Beamten
sich bei vielen Gelegenheiten der Amtsbauern gegen die Pächter
angenommen, ihnen auch, in Notfallen, unmittelbar beträcht-
liche Zuwendungen und Dienstnachlässe bewilligt. Besonders
der treffliche Knyphausen hat auch hier neuemd und bessernd
eingegriffen. Er hat die Abgaben der Bauern aus dem Pacht-
kontrakte ausgeschlossen, sie direkt den kurfürstlichen Kassen
zugeführt, damit der Willkür der Arrendatoren entzogen. Er
hat femer die bäuerlichen Dienste und Dienstgelder durch den
Pachtkontrakt festgelegt und so die hauptsächliche Quelle der
Bedrückungen der Amtsbauern nach Möglichkeit verstopft.
Auch der Besitz der Bauern an Baulichkeiten und Vieh wurde
in luventarien, die den Pachtkontrakten beilegen, detailliert,
so dafs der Pächter für etwaigen Rückgang des bäuerlichen
Wohlstandes zur Verantwortung gezogen werden konnte. Er
nahm endlich in den Ausgabeetat der Kammern bestimmte
Summen auf, die zur Unterstützung notleidender Bauern verwendet
8*
JXg Sechstes Buch.
werden sollten: damit war den Kammern der bisher oft ge-
brauchte Verwand entzogen, sie besäfsen zur Hilfe für die
Untertanen keine Fonds.
Freilich in einer Beziehung trat auch hier eine Verschärfung
ein: der Dienstzwang wurde auf die Domänen ausgedehnt,
die Amtsuntertanen verpflichtet, ihre erwachsenen Kinder, falls
sie solche nicht selber gebrauchten, bei dem Pächter gegen —
zumeist sehr elenden — Lohn drei Jahre dienen zu lassen.
Sonst aber trat eine wesentliche Besserung in der Lage der
Domänenbauern ein, die weit günstiger gestellt waren als die
Bauern des Adels. Diese Tatsache beweist, dafs nicht Mangel
an Empfinden oder an ökonomischer Einsicht, sondern nur die
Politik den Kurfürsten zur Begünstigung des Adels dessen
Bauern gegenüber veranlafst hat. —
Wie die übrigen Städte, so hatte sich auch die Residenz
Berlin -Colin in den beiden ersten Dezennien von Friedrich
Wilhelms Regierung nur wenig gehoben ^ Die wiederholten
Kriege und die Höhe der Kontribution, die auf den Grund-
stücken selbst haftete, liefs es zu keiner Vermehrung der Zahl
und des Wohlstandes der Bevölkerung der Residenz kommen.
Die Doppelstadt war vielmehr dem Bankerott nahe. Konnte
doch der Rat noch 1668 weder Eeine Schul- und Kirchendiener
noch einen Zimmermann bezahlen, der die Köpenicker Brücke
für den Preis von 290 Talern ausgebessert hatte. Die Gewerbs-
tätigkeit lag ganz darnieder; Kenntnisse und Werkzeuge waren
verloren gegangen, manche Berufszweige völlig verschwunden.
Friedrich Wilhelm war nach Kräften bemüht, seiner Residenz
aufzuhelfen, besonders dem eigentlichen Berlin, das, infolge
seiner grösseren Ausdehnung, mehr wüste Stellen aufwies als
Colin. Er verordnete 1665, dafs alle solche leeren Bauplätze,
die nicht binnen Jahresfrist besetzt sein würden, von dem Berliner
^ Über das Folgende sehe man : N i c o 1 a i , Beschreibung der Residenz-
städte Berlin und Potsdam I ', II', passim; König, Versuch einer histor.
Schilderung der Residenzstadt Berlin, Bd. II (Berlin 1793); Fidicin,
Histor.- diplom. Beiträge zur Gesch. Berlins, Bd. V (Berlin 1842);
O. Schwebel, Gesch. d. Stadt Berlin, Bd. II (Berlin 1888;; Borrmann,
Die Kunatdenkmäler von Berlin (Berlin 1893), mit yortreff lieber histor.
Einleitung von P. Clauswitz; Wiedfeldt, Statist. Studien z. Ent-
wicklungsgesch. d. Berliner Industrie (Leipzig 1899); Orlich, Friedr.
Wilh., S. 287; Mylius, Bd. VI, passim.
Siebenunddreilaigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. X17
Rate an Baulustige unentgeltlich fortgegeben werden sollten.
Besonders hat aber die Einführung der Accise, an Stelle der die
bebauten Grundstücke belastenden direkten Abgaben, die Bau-
tätigkeit von dtr drückendsten Fessel befreit, so dafs sie sich
plötzlich in ungeahnter Weise entfaltete. Das Kapital wandte
sich wieder, als einer nutzbringenden Anlage, dem Ausbau der
Stadt zu, von dem es sich seit beinahe einem Jahrhunderte zurück-
gezogen hatte. Der Kurfürst selber gab anregendes Beispiel.
Er legte ein neues Posthaus an. Er verschönerte den Schlofs-
platz, indem er ihn nach dem Neubau der Langen Brücke über
die Spree pflastern und, anstatt der hölzernen Buden, die er
ebenso wie den dort stehenden alten Befestigungsturm beseitigte,
mit steinernen Kaufläden umgeben liefs, vor die er eine dorische
Bogenlaube legte. Ebenso wurden die hölzernen Gebäude des
MQhlendammes durch steinerne ersetzt, vor denen sich gleich-
falls ein Bogengang hinzog, der in seiner Mitte ein hohes Portal
mit dem Brustbilde des Kurfürsten zeigte. Dieser Herrscher
errichtete femer ein neues schönes Gebäude für den Marstall
in der Breiten Strafse sowie einen weiteren Marstall in der
Dorotheenstadt — die nachmalige Akademie.
Die gute Polizei der Hauptstadt lag ihm nicht minder im
Sinne als deren Ausbau. Eine Feuerordnung und die Anschaffung
«öffentlicher Feuerspritzen" verhüteten die Rückkehr der grofsen
Brände, die die Stadt wiederholt heimgesucht hatten. Der Kur-
fürst sorgte ferner für die nächtliche Erleuchtung der Strafsen,
deren Bedeutung nicht nur für die Annehmlichkeit, sondern auch
für die Sicherheit der Einwohner er wohl erkannte. Im Jahre
1680 erhielt Berlin vor jedes dritte Haus eine Laterne, auf einem
Pfahl befestigt; ihre Anschaffung soll insgesamt 5000, ihr Unter-
halt jährlich 3000 Reichstaler gekostet haben. Es waren natürlich
Öllampen, die der Ersparnis halber während der Monate Mai,
Jani und Juli mit den kurzen Nächten sowie auch sonst während
der kalendermäfsigen Mondscheinnächte nicht angezündet wurden.
Die Strafsen wurden eingeebnet, mit Rinnsteinen versehen und
mit Pflaster befestigt, die Brunnen in guter Ordnung gehalten
und deren Verunreinigung bei strenger Strafe verboten. Solche
Mafsregeln hoben den Gesundheitszustand der Residenz beträcht-
lich, so da& sie seit 1682 nicht mehr von der Pest heimgesucht
wurde.
Durch wiederholte Verfügungen hielt der Kurfürst darauf.
118 Sechsteä Buch.
dafs Unrat aller Art nicht mehr, wie bisher, auf die Strafse
geworfen, sondern einem dafür bestimmten Wagen zugetragen
wurde, der tSglich mehrmals die Strafsen der Stadt durchfuhr.
Jeder Hausbesitzer hatte bei Strafe täglich vor seinem Hause zu
kehren. Diegleichmäfsige Pflasterung der Strafsen wurde allmählich
ganz durchgeführt. So ward der bisher in Sumpf und Schmutz
verkommende Strafsenverkehr in angemessenener Weise erleichtert
und verbessert. Berlin wurde bald eine der reinlichsten und
bestgehaltenen Städte — ein Ruhm, den sich die werdende Weltr
Stadt bis auf den heutigen Tag bewahrt hat.
Der Umfang der Residenz wuchs: in Berlin entstanden die
Heilige Geist- und die Burgstrafse, sowie auf dem in die
Befestigungslinie eingezogenen Teile der Göllnischen Vorstädte
der Stadtteil Neu-Cölln — freilich alles erst in der glücklichen
Periode, die mit dem Frieden von St. Germain beginnt.
Der Tiergarten, der damals zur Hälfte wirklich noch Wild-
park, zur Hälfte öffentlicher Spaziergang war, wurde durch
Soldaten gereinigt und entwässert; die Spandauer Landstrafse,
die ihn in seiner ganzen Länge nach Westen hin durchzog, ward
geebnet, verbreitert und auf beiden Seiten mit Bäumen gleich-
mäfsig besetzt. Grofse Hirsche sowie Auerhähne, aus Zossen
und aus der Neumark herbeigeholt, verstärkten seinen Wild-
stand. Ein Teil des Tiergartens aber ward zu den städtischen
Neuanlagen Friedrich Wilhelms benutzt: so zunächst des Fried-
richswerders, den, nach dem von Memhardt entworfenen Plane,
de Chi^ze weiter ausbaute. Zunächst liefsen sich hier vorzugs-
weise Hof leute nieder, denen von den 92 Häusern, die 1666 in
dem neuen Stadtteile standen, 47 gehörten. Indes, nach Ein-
führung der Accise entwickelte sich eine regere Bautätigkeit,
so dafs im Jahre 1667 allein 150 neue Häuser errichtet wurden.
Nach Erbauung einer Kirche, zu der Friedrich Wilhelm wieder-
holt beträchtliche Summen beitrug, bildete der Werder eine
eigene Pfarrgemeinde. Er erhielt 1668 auch einen besonderen
städtischen Magistrat, der aber in noch höherem Grade als in den
beiden Altstädten vorzugsweise ein Organ der landesherrlichen
Verwaltung wurde. Auf dem Werderschen Markte, dem Mittel-
punkte der neuen Stadt, erhob sich das von dem Hofstukkateur
Simonetti, einem Italiener, 1672 erbaute Bathaus, das zugleich
die Gerichtsstube, das Gefängnis, die Folterkammer, die Schule,
den Stadtkeller sowie die Brot- und Fleischscharren beherbergte —
Siebenunddreüsigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 119
80 einfach und ärmlich waren damals die Verhältnisse. Den ver-
saDdeten Kanal zwischen Colin und dem Friedrichswerder, der
der Schiffahrt nicht mehr dienen konnte und durch seine Aus-
dünstungen die Gesundheit der Anwohner beeinträchtigte, liefs
Friedrich Wilhelm 1670 vertiefen und regulieren, sowie die
Böschungen auf beiden Seiten mit Brettern befestigen. An dem
westlichen Ufer des Kanals ward auf dem durch diese Arbeiten
gewonnenen Boden die Unter- und Ober-Wasserstrafse an-
gelegt.
Bald darauf erhielt die Residenz eine abermalige Ver-
größerung durch einen neuen Stadtteil.
Kurffirstin Dorothea hatte von ihrem Gemahl das grofse
waldige Grundstück geschenkt erhalten, das auf beiden Ufern
der Spree sich von der Gegend des Lustgartens bis zum Tier-
garten erstreckte. Die praktische und erwerbslustige Dame legte
hier zunächst ein Vorwerk und eine Meierei an. Aber der
sandige Boden brachte keinen rechten Ertrag, und so beschlofs
die Kurfarstin, ihn zu Baustellen zu verkaufen. Um die Käufer
anzulocken, setzte sie den Preis sehr niedrig an: auf IVs Groschen
(nach heutigem Preise etwa 60 Pfennige) für die Quadratrute,
die doch auf dem Friedrichswerder drei Groschen kostete. Der
Kurfürst erteilte 1674 der „Neuen Vorstadt vor dem Friedrichs-
werder", die zwei Jahre darauf den Namen „Dorotheenstadt*'
empfing, Stadtrecht, behielt aber seiner Gattin die Rechtsprechung
über deren Bewohner sowie die Verwaltung vor. Dorothea
widmete ihrer neuen Schöpfung alle ihr eigene Tatkraft. Sie
legte die Strafse Unter den Linden an, deren erste Bäume sie
selber pflanzte; sie bewog ihren Gemahl, den Teil des Tier-
gartens, der südlich von den Linden lag, gleichfalls zu Baustellen
auszugeben. Als infolge des Krieges mit Schweden und Franzosen
die Dorotheenstadt nicht recht gedeihen wollte, verschaffte sie
deren Bewohnern zehnjährige Befreiung von allen direkten Ab-
gaben, unentgeltliche Lieferung von Bauholz aus den kurfürst-
lichen Forsten, freie Ausfuhr von Bier in die drei anderen
Residenzstädte. Durch solche Mafsregeln sowie durch den viel-
jährigen Friedenszustand seit 1679 und zumal die Einwanderung
der R6fugi6s hob sich dann die Dorotheenstadt bedeutend, so
dafs sie am Ende von Friedrich Wilhelms Regierung an 150
Häuser zählte. Man erbaute auch dort eine eigene Kirche, die
beiden evangelischen Bekenntnissen zugleich diente, und schlofs
120 Sechfites Buch.
den ganzen Stadtteil durch Wall und Graben an die Befestigung
der Dreistadt an.
Die Zunahme der Bevölkerung in Berlin und Colin selbst
sprach sich in dem Steigen der Mietspreise deutlich aus. Der
Kammergerichtspräsident von Rahden konnte 1686 für den ihm
ausgesetzten Wohnungszuschurs von 200 Talern (etwa 2600 Mark
nach heutigem Geldwerte) keine passende Wohnung finden und
erbat deshalb eine Erhöhung des Zuschusses ^ Ein Haus, das
nur drei Zimmer und einige Kammern enthielt, kostete zum
Verkauf 3000 Taler — etwa 40000 Mark nach heutigem Geld-
werte — eine verhältnismäfsig recht bedeutende Summe*. In-
folge der wiederholten Kriege und des schweren Steuerdruckes
war, wie erwähnt, anfänglich das Anwachsen der Bevölkerung
der Hauptstadt ein geringes gewesen. Hatte sie 1645 noch nicht
6000 Seelen gezählt, so war sie 1654 durch nur hundert neue
Haushaltungen auf 6197 gestiegen. Sieben Jahre später, 1661,
gab es 6500 Einwohner. Wenn deren 1670 schon 8150 waren,
so enthielt diese Ziffer doch 1009 Soldaten, so dafs die Zunahme
während neun Jahre nur 640 Seelen betrug, und das trotz der
Gründung des Friedrichswerders. Allein die Einführung der
Accise bezeichnet den Wendepunkt. 1680 hatte die Residenz
9800, 1685 fast das Doppelte, 17400 Einwohner, wobei die An-
kunft der Hugenotten mitzurechnen beginnt. Wir dürfen diese
Bevölkerung der Vierstadt 1688 auf 19800 Köpfe schätzen».
Einen Begriff von der Verteilung dieser Bewohnerschaft im
Jahre 1681 zwischen die verschiedenen Städte gibt die Tabelle
der Acciseeinkünfte. Demnach brachten monatlich Berlin 1800,
Colin 1200, Friedrichswerder 200, die sonstigen Vorstädte, mit
Einschlufs der Dorotheenstadt, 300 Taler \ Wenn wir die annähernd
19 800 Einwohner, die die gesamte Residenz bei dem Tode Fried-
rich Wilhelms besafs, ungeffthr hiernach verteilen, so enthielten
Berlin 10000, Colin 6800, Friedrichswerder 1200, Dorotheenstadt
und Vorstädte 1800 Bewohner.
^ Stölzel, Fünfzehn Vorlesnngen, S. 96.
* Gallois, Lettres m^tes de Feuqui^es, Bd. V (Paris 1846), S. 240.
* Die Zahlen bis 1685 nach Fidicin, V, 516. Die Zahl für 1688
ist aus folgenden Elementen gewonnen: 1685= 17400 Seelen; 1690=21500
Seelen; macht eine jährliche Vermehrung von ca. 800; 8x800«=24CO;
17400 + 2400=19600.
^ Ms. Kriegsministerium (Berlin), Feldkriegskasse, 1681.
Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürat und Volkswohlstand. 121
Eine Anschauung von dem Aufschwünge des Wohlstandes
der Stadt erhalt man durch den Vergleich des Ertrftgnisses der
voD den verschiedensten Genufs- und Nahrungsmitteln erhobenen
Accise. Sie hatte im ersten Monat, Juni 1667, nur 223 Taler
gebracht, also, auf das Jahr berechnet, noch nicht 2700 Taler;
1684 betrug die Jahreseinnahme schon an 60000 Taler. Der
KurfQrst gewährte aus der Accise der städtischen Kasse nicht
nur jährliche Zuschüsse, sondern auch Geld zur Schuldentilgung,
die bis zum Ende seiner Regierung fast gänzlich vollzogen war,
80 dafs auch die hierzu bestimmten Grundsteuern den Einwohnern
erlassen werden konnten. Freilich stand den glänzenden Vorzügen
der neuen Abgabe auch ein Nachteil gegenüber: die Accise
steigerte bedeutend den Preis der Lebensbedürfnisse in Berlin.
Nur Fleisch und Brot waren dort billig, alle anderen Genufs-
mittel und die Bekleidungswaren sehr teuer, so dafs der Aufent-
halt in Berlin kostspieliger war als selbst der in Paris ^
Der durch den Nordischen Krieg unterbrochene Umbau des
Schlosses wurde nach dem Frieden von Oliva wieder aufgenommen,
zaerst unter dem alten Baumeister Memhardt, dann unter dem
von Friedrich Wilhelm besonders geschätzten de Ghi^ze. Ein
lebhafteres Tempo nahm der Bau jedoch erst nach dem Frieden
von St Germain an, seitdem Smids und der berühmte Nering
an der Spree viergeschossige Gebäude mit einem grofsen säulen-
geschmückten Saal, einen eingeschossigen Flügel nach dem Lust-
garten zu, ein grofses Portal korinthischer Ordnung, wodurch
man in den vorderen Schlofshof trat, und das an den Münzturm
storsende Ballhaus aufführten'. Das Schlofs galt schon damals
Als eines der schönsten in Europa.
Auch den Lustgarten, der nördlich vom Schlosse lag, pflegte
Friedrich Wilhelm mit der ganzen ihm eigenen Vorliebe für die
Pflanzenwelt. Es wurde beständig an dem Garten geändert und
verbessert, ein neues Warmhaus gebaut. Bekanntlich hat später
der Soldatenkönig von der Lieblingsschöpfung seines Grofsvaters
nichts als den Namen übrig gelassen, sie tatsächlich in einen
sandigen Paradeplatz umgewandelt. Aber zu des Grofsen Kur-
' Graf B^benac an seinen Vater, den Marquis von Feaqui^ren,*
%. April 1680; Gallois, a. a. 0., S. 186.
* Kaster, Altes und neues Berlin, Bd. TU (Berlin 115$^ 8. 6£f.
122 Sechstes Buch.
fürsten Zeiten war der Lustgarten die Promenade, die einzige
innerhalb der Stadt, ffir die schöne Welt Berlins^.
Friedrich Wilhelm war eben dadurch so universell, dafs er
die Rücksicht auf Schönheit und Anmut nicht Ober dem nüchternen
Nützlichkeitsstandpunkt vergafs. Aber auch dieser ward nicht
vernachlässigt. Der Kurfürst hatte schon 1658 die Neubefestigung
Berlins nach der von Matthias Dogen, einem Neumftrker,
systematisch weiter entwickelten altniederländischen Art, unter
Memhardts Leitung, begonnen '. Bis 1662 war die Befestigung
des eigentlichen Stadtteils Berlin, vom Stralauer bis zum
Spandauer Tor, abgeschlossen; aber die Fortifikationsanlagen
auf der sumpfigen Südseite von Colin erwiesen sich als schwierig
und teuer. 1666 erhielt Ghi^ze, 1673 nach dessen Tode Biesen-
dorf die Direktion. Leider wurde dieser hochbegabte Mann 1677
vor Stettin durch eine Kanonenkugel getötet. Trotz aller Hinder-
nisse aber wurde 1683 das ganze Werk vollendet, mit dreizehn
Bastionen und sechs Toren. Die Mauern , die die alte Doppel-
stadt umgeben hatten, konnten nun niedergerissen werden. Die
neuen Befestigungen waren ausschliefslich nach militärtechnischen
Gesichtspunkten gezogen ^ ohne Rücksieht auf die vorhandenen
Verkehrsverhältnisse, Strafsen-, Tor- und Wegeanlagen. Die
ungünstige Einwirkung dieses Umstandes auf die Weiterent-
wicklung des Verkehrs der entstehenden Grofsstadt dauert noch
heute fort in der mangelhaften Verbindung der Altstadt mit
den neuen Stadtteilen. Übrigens benutzte Friedrich Wilhelm
die Umwandlung Berlins in eine Festung, um der dortigen
Bürgerschaft und ihren Obrigkeiten alle militärischen Befugnisse
und Pflichten abzunehmen; des Bürgers öffentliche Tätigkeit
beschränkte sich nur noch auf Teilnahme am Feuerlöschen. Es
mufste eben alles der Ausdehnung des fürstlichen Absolutismus,
der Entmündigung der Untertanen dienen. Der Kurfürst hat
zur Ausführung seiner Befestigungen ohne viel Bedenken städtische
Ländereien in Gebrauch genommen. Anderseits hat er die Kosten
des Baues fast vollständig selber getragen, auch die zur Arbeit
herangezogenen Bürger gewissenhaft bezahlt, und Stadt wie
^ G. PagÖB, Les röfugids & Berlin; Bulletin de la Soci^tö de Tbist.
du Protme fran9ai8, 1902, S. 135.
' Aufser den schon erwähnten Quellen: F. Holtze, Gesch. d. Be-
festigung von Berlin (Mäa-k. Forsch., VII [1861] 41 ff.).
Siebenimddreifiaigstes Kapitel. KiirfOrst und Volkswohlstand. 123
Private fttr die Erträge, die ihnen die entzogenen Grundstttcke
gebracht hatten, ziemlich ausreichend entschädigt.
Der Eindruck, den die von dem Grofsen Kurfürsten um-
gestaltete Residenz bei den Fremden hervorrief, erweist die
ganze Gröfse des von ihm bewirkten Umschwungs. Aus einer
schmutzigen und verfallenen Landstadt hatte er eine schöne und
saubere, seiner und des jungen Staates würdige Kapitale geschaffen.
Nur ihm, nicht den geistig zurückgebliebenen, zäh am Alten
hängenden und ängstlichen Bewohnern ist das Verdienst hierbei
zuzuschreiben. „Die Gebäude," schildert 1676 der Franzose Patin
seine Eindrücke von Berlin, „sind sehr regelmäfsig und zum
grölseren Teile in italienischem Geschmack. Die Gärten sind
mit Orangerien, Jasmin und allen möglichen Arten Blumen
angefüllt Das Schlofs des Kurfürsten fiöfst Bewunderung ein.
Alles schien mir so schön, dafs ich mir eine Öffnung im Himmel
dachte, von wo die Sonne ihre Wohltaten über diese Erdenstrecke
ausbreite.** *
Man darf sagen, Friedrich Wilhelm hat Berlin-CöUn seines
mittelalterlichen Charakters in der äufseren Erscheinung ent-
kleidet, es in eine moderne Stadt verwandelt — so wie er es
mit seinem ganzen Staate gemacht hatte. Freilich war hiermit
ein Verlust an innerer Freiheit und Selbständigkeit verbunden.
Schon der Umstand, dafs die Heranziehung vieler Hofleute und
Hoflieferanten^ von Offizieren und R^fugi^s eine zahlreiche Klasse
Vornehmer und Privilegierter schuf, die der städtischen Obrig-
keit nicht unterstanden und als Besseres galten denn die Bürger,
mufste Ansehen und Macht des Rates wesentlich mindern und
einschränken. Nicht mehr die vollberechtigten Bürger waren
die wichtigsten und angesehensten Bewohner der Stadt, sondern
die Edelleute, Offiziere, höheren Beamten, sonstigen Eximierten,
die alle mit Geringschätzung auf den Bürger herabsahen. Die
Kraft und das Selbstbewufstsein des bürgerlichen Elementes
wurde so gründlich gebrochen. Femer: da dieses sich unfähig
zeigte, dem Verfalle der Doppelstadt abzuhelfen, Ordnung, Rein-
lichkeit und Schönheitssinn in ihr zu betätigen, mufste der
Landesherr selber diese Dinge in seiner Residenz zur Geltung
bringen, und zwar durch wiederholte Verfügungen, die in die
hergebrachten Befugnisse der städtischen Behörden tief eingriffen.
» Orlich, Friedr. Wüh., 292.
124 Sechates Buch.
Die Belegung Berlins mit einer starken Besatzung, seine Um-
wandlung in eine Festung und die Ernennung eines Gouver-
neurs mufsten dazu dienen, einmal die Waffenfähigkeit und das
Waffenrecht der BQrger zu beseitigen, anderseits immer zahl-
reichere Befugnisse der städtischen Polizei auf den kurfürstlichen
Befehlshaber zu übertragen. Seit 1680 wurde ihm die Sorge
für Strafsenreinigung, Pflasterung, Beleuchtung, Feuerwesen und
öffentliche Brunnen zugewiesen, wofür er jährlich noch 2000
Taler aus der Accise erhielt. Die Magistrate wurden seine
Unterbehörden für alle diese Zweige der städtischen Verwaltung.
Endlich: die Einführung der Accise, deren Erhebung seit 1684
gänzlich dem Magistrat entzogen und kurfürstlichen Beamten
überliefert wurde, hat der Doppelstadt das Recht der periodischen
Steuerbewilligung genommen, hat den landesherrlichen Steuer-
beamten den Eintritt in sie verschafft und schliefslicb den
gesamten Stadthaushalt der Oberaufsicht dieser Beamten unter-
worfen. Friedrich Wilhelm ist nicht planmäfsig an die Ver-
nichtung der städtischen Selbständigkeit gegangen; aber das
völlige Versagen der überlieferten kommunalen Verwaltung und
die von ihm allein repräsentierte moderne Entwicklung haben
Schritt für Schritt, mit zwingender Notwendigkeit die allmähliche
Ersetzung jener Institutionen durch landesherrliche Allmacht
sowie durch deren Beamtentum und Polizei bewirkt. Die
städtischen Behörden übrigens, im Bewufstsein ihrer Schwäche
und Unfähigkeit, haben dieser Umgestaltung nicht den leisesten
Widerstand entgegengesetzt. Materielles Aufblühen und geistige
Hebung entschädigte die gedemütigten und verarmten Bürger
und deren Vertreter reichlich für den Verlust einer politischen
Selbständigkeit, mit der sie nichts mehr anzufangen wufsten
und die jedes Interesse für sie verloren hatte.
Der Grofse Kurfüi*st ist auch als der zweite Gründer der
anderen Hohenzollemresidenz in der Kurmark, Potsdams, zu
betrachten. Bei seinem Regierungsantritte enthielt das gänzlich
verfallene Städtchen nur vier Strafsen an der Havel, mit wenigen
Hunderten von Einwohnern. Er aber liefs durch Chifeze und
dann durch Nering das Stadtschlofs erbauen, dafs er, wie das
Berliner, mit einem Lustgarten ausstattete. Kurfürstin Dorothea
liebte Potsdam sehr wegen seiner anmutigen Lage inmitten der
Seen und Waldhügel der Havel, und ihr zu Liebe hielt sich
dort ihr Gatte öfters auf. Er legte eine grofse Anzahl neuer
Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kurfürst und Yolkswohlstand. 125
Strafsen an, deren Hlluser zum Teil den Hofbedienten zur Be-
wohnung eingeräumt wurden. Ein Fasanengarten mit schlofs-
ähnlichem Gebäude, weite baumbepflanzte Alleen erhöhten den
Reiz der neuen Residenz. Lustschlösser entstanden auf Friedrich
Wilhelms Geheifs in der Umgebung, zu Kaput, Borne, Klein-
Glienicke und Fahrland. Gärten, Wasserkünste, Grotten, Statuen
aller Art zierten diese Schlösser, zu denen er mit seiner Ge-
mahlin und zahlreichem Gefolge auf reichgeschmttckten Kähnen
zu fahren liebte^. Es war ein ästhetisch-schönes, heiteres,
glänzendes Treiben, das auf diesem herrlichsten Flecken des
märkischen Landes entstand. Kein Hohenzoller hat so mit der
Förderung der wahren Aufgaben und der realen Macht des
Staates lebhafte und frohe, wirklich anziehende und erquickliche
Betätigung des künstlerischen Lebensgenusses verbunden wie
Kurfürst Friedrich Wilhelm, der es wohl verdient, wie sein
grofser Urenkel, der Einzige genannt zu werden.
1 Nicolai, m», S. llllff. 1131f.
Achtuoddreilsigstes Kapitel.
Die Religionsbekenntnisse.
Man sollte voraussetzen, ein jeder vom Geiste der Religion
durchdrungene Mensch müsse von selbst geneigt sein, der
religiösen Überzeugung jedes anderen volle Berechtigung zu
gewahren. Gerade die Bedeutung, die der wahrhaft Religiöse
seinem eigenen Glauben als dem ihn durchaus beherrschenden
und leitenden zuschreibt, sollte ihm die Achtung vor der fremden
Individualität einflöfsen, die gleichfalls der sie erfüllenden tief
innerlichen Empfindung unbedingt treu ist. Leider hat die
Beimischung eines starken und harten Kirchentums seit Jahr-
tausenden die Religion beeinflufst, so dafs sie gleichsam not-
gedrungen als mit Unduldsamkeit und Ausschliefsung, ja, mit Ver-
folgung gepaart erschien. Auch zur Zeit des Grofsen Kurfürsten:
gerade damals waren die Frommen aller Bekenntnisse zugleich
die Unduldsamen. Anders Friedrich Wilhelm. Er blieb freilich
durch sein ganzes vielbewegtes Leben der echt religiöse Mensch,
der er schon in seiner Jugend gewesen war. „Ich bin,** sagte
er 1680 zu dem englischen Gesandten Southwell, „sehr dankbar
für die Wohltaten, die ich von Gott empfangen habe. Nie werde
ich Gott vergessen, der mich nie verlassen hat." Er sprach
mit so viel Eifer und Gefühl von der Religion, dafs ihm die
Tränen in die Augen traten ^. Aber die traurigen Erfahrungen
des dreifsigjährigen unentschiedenen Glaubenskrieges, der Ver-
kehr in dem aufgeklärten und freidenkenden Holland, seine
eigene, klare und scharfe Einsicht liefsen ihn durchaus zwischen
Religion und Kirchentum unterscheiden und befestigten in ihm den
* Raum er, Beiträge, TU, 463.
Achtunddreifsigstee Kapitel. Die Beligionsbekeimtnisse. 127
Grundsatz, dars in Sachen des Glaubens ein jeder volle
Freiheit und das Recht auf die Wahrheit besitze, wie er sie
verstehe. Oft hat Friedrich Wilhelm es als Prinzip seiner
Regierung ausgesprochen: er mafse sich keinerlei Herrschaft
Ober das Gewissen seiner Untertanen an. Man sieht, es ist im
Grunde dieselbe Maxime, die den grorsen Friedrich zu dem Aus-
spruche veranlafste : in seinem Staate könne jeder nach seiner
Fa(on selig werden. Friedrich Wilhelm drückte das vielmehr in
den Worten aus: „Wir wollen keines Gewissen konstringieret
haben. ^ ^ Nur dafs die konfessionelle Friedensliebe und Friedens-
sehnsucht bei dem Kurfürsten, weil er ein positiv gläubiger Mann
war, tätiger auftrat als bei seinem Urenkel, der, da er skeptisch
gesinnt war, sich den verschiedenen Verhältnissen gegenüber
passiv verhielt. Der Grofse Kurfürst hat mit nie erlahmendem
herzlichen Eifer immer wieder die Vereinigung der beiden
evangelischen Bekenntnisse angestrebt. Sein klarer , von keinen
mystischen Phrasen umdunkelter Verstand sagte ihm, dafs nur
nebensächliche Streitpunkte, die mit dem inneren Heilsbedürfnis
nichts Wesentliches zu tun haben, jene Konfessionen trennen,
nnd sein zutreffendes Urteil belehrte ihn, dafs nur engste Ver-
einigung den Protestantismus überhaupt vor der überlegenen
Macht seiner Feinde zu retten vermöge. Trotz vieler trüben
Erfahrungen lud er im März 1662 die lutherische Geistlichkeit
seiner Residenz Berlin-CöUn zu einem freundschaftlichen Religions-
gespräche mit hervorragenden reformierten Theologen ein. Es
sollte damit „nicht allein ein Versuch getan, sondern auch ein
guter Anfang zur brüderlichen Verträglichkeit gemacht, den
anderen aber ein christliches Beispiel zur Nachfolge gegeben
werden." Das Unternehmen scheiterte an der Hartnäckigkeit
und Unduldsamkeit der Lutheraner. Der eine — Reinhardt —
erklärte, er könne die Reformierten nicht als Brüder anerkennen ;
der andere — kein geringerer als Paul Gerhardt — er könne
sie nicht für Christen halten. Unter einem Verwände brachen
sie die Verhandlung ab. Es ist nicht zu verwundern, dafs nach
so kränkenden Vorgängen die reformierten Theologen spätere
Versöhnungsvorschläge, wie der eifrig in irenischem Sinne tätige
Schotte Johann Duräus solche mit Zustimmung des Kurfürsten
1 Erklärung an die preuls. Stände vom 12./22. Dez. 1661; Orlioh,
Preufe. Staat, in, 110.
128 Sechstes Buch.
ihnen unterbreitete, als bei der Stimmung der Lutheraner
hoffnungslos bezeichneten ^ Aber bis zu seinem Lebensende hielt
Friedrich Wilhelm an dem Gedanken der Union fest. „Ich
wQnsche sie in meinen Staaten und, durch mein Beispiel, ander-
wärts zu bewirken, zu einer einzigen und gleichen Kommunion
durch die Vereinigung der Ansichten und des Kultus." * In der
Tat, er wurde nicht müde, auch nach aufsen hin zu Gunsten
der Union zu arbeiten, in der allein er die Möglichkeit erblickte,
den von den Altgläubigen immer härter bedrängten Protestantis-
mus zu retten. „Stiftung mehrerer Eintracht und guter Harmonie
zwischen Evangelischen*' , „nähere Zusammensetzung eines besseren
Vertrauens zwischen den evangelischen Kirchen", empfahl er
immer wieder dem mächtigsten Vertreter des Luthertums in
Deutschland, dem Kurfürsten von Sachsen. Johann Georg III.
lehnte kühl ab, da die Anschauungen der Reformierten sich mit
dem Grunde des wahren seligmachenden Glaubens nicht vereinen
liefsen*. War es doch die Zeit, wo Calow in Wittenberg und
Hülsemann in Leipzig die Versöhnlichen, die „synkretistischen
Mameluken", als schlimmer denn die „türkischen Heiden"
schilderten, die Mischehe zwischen Lutheranern und Reformierten
als eine Todsünde vei'fluchten.
In Ermanglung der Union sollte wenigstens äufserlich Friede
und Eintracht unter den Bekennern der protestantischen Religions-
gemeinschaften herrschen^. Am 2. Juni 1662 veröffentlichte
Friedrich Wilhelm das erste seiner „Toleranzedikte"; es war
aus der Feder seines Hofpredigers Stosch geflossen. Es unter-
sagte, negativ, das „Verdammen, Verketzern, Benennen und
Verhöhnen der Personen oder Kirchenlehrer, die spöttische Ver-
stellung und Verkehrung der Lehren". Es schrieb, positiv, vor,
„das Wort Gottes lauter und rein zu predigen, wie solches in
den prophetischen apostolischen Schriften gegründet und in den
vier Hauptsymbolis der Augsburgischen Konfession von 1530
und deren Apologie widerholt ist". Die Kandidaten des Prediger-
standes hatten einen dahingehenden Revers zu unterschreiben.
' Landwehr, 205. 208 ff. 317 ff.
■ Droysen, IH, HI 277.
' B.. Schmertosch, Kursachsen und Kurbrandenburg für d. protest.
Ungarn (Neues Arch. f. sächs. Gesch., XVIII [Dresden 1897], 75 ff.).
* Das Folgende nach Mylius, I, I 375ff.; IH, 129. 146; Land-
wehr, 215 ff.
Achtanddreifsigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntnisse. 129
Ein zweites Edikt, dafs unter des Kurfürsten eigener Mitarbeit
entstanden ist und am 16. September 1664 veröffentlicht wurde,
verbietet noch einmal die im Schwange gehenden Verketzerungen
and befiehlt selbst den schon im Amte befindlichen Predigern,
sich hierzu durch einen Revers zu verpflichten. Das war nichts
Neues und Unerhörtes: einen ähnlichen Bevers hatte schon 1614
Korffirst Johann Sigismund gefordert und hatten damals die
brandenburgischen Prediger unterschrieben. — In dem fanatisch
lutherischen Preufsen war Friedrich Wilhelm nicht weniger auf
Herstellung des Religionsfriedens bedacht. Als 1662 die Stellung
eines Offizials bei dem samländischen Konsistorium frei wurde,
erkor er dazu ein ^»frommes, friedliebendes Subjekf*, den
Dr. Dirschau. Der erhielt noch besonders den Auftrag, er „solle,
soviel an ihm ist, alles dasjenige tun, was zur Beförderung des
Eirchenfriedens und der Eintracht gereichen möge."
Aber selbst dieses bescheidenere Streben : die evangelischen
Bekenntnisse zu gegenseitiger Duldung zu bestimmen, konnte
er nur in hartem Kampfe durchsetzen. Die lutherische Geistlich-
keit, mehr von Flacius' als von Melanchthons Gesinnung erfüllt,
zeichnete sich beständig durch ihre unversöhnliche Stimmung aus.
Die Königsberger empörten sich gegen das Verbot, die reformierte
Lehre als „Seelengift'' zu bezeichnen. Einer der Königsberger
Prediger, Schröder, konnte nur durch längere Haft gezähmt
werden. Aber nicht nur die Geistlichen, auch die preufsischen
Stände donnerten immer wieder gegen jede Art der Versöhnung.
Letztere beschwerten sich, dafs die sogenannten „Synkretisten",
die Duldsamen unter den lutherischen Geistlichen, ^sich immer
mehr und mehr einwurzeln und die vornehmsten Stellen im
Predigtamte erhalten*'. Sie entblödeten sich nicht zu behaupten,
dafs diese Männer des Friedens „der Kirche Ruhe und Wohl-
stand benähmen". Sie forderten wiederholt sogar die Unter-
drückung des exercitium reformatae religionis im Herzogtum.
Indes der Kurfürst kehrte sich an so engherzige Klagen nicht.
Die Königsberger mufsten sich seinem bestimmten Befehle unter-
werfen und im Dezember 1668 die Reformierten zum Bürger-
recht ihrer Dreistadt zulassend
^ Über diese preufsischen Streitigkeiten siehe: Landwehr, 173 ff.;
U. u. A. XVI, 293. 358. 491. 546. 585. 609ff. 658 ff. 713. 777. 817; Orlich,
If 272 f. 390; Bibbeok, Lincker (Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch.
Xn [1899] 471).
Philippson, Der Orofoe Kurfarst. III. 9
130 Sechstes Buch.
Der Hafs der eifrigen Lutheraner richtete sich besonders
gegen zwei theologische Professoren der Königsberger Universität,
Dreier und Zeidler, die es wagten, der Annäherung der ver-
schiedenen christlichen Kirchen aneinander das Wort zu reden.
Das entsprach eigentlich den Wünschen, die der Kurfürst schon
längst geäufsert hatte: allein auf das Andrängen seines Statt-
halters Fürsten Radziwill, der gern den Ständen möglichst ent-
gegenkam, erteilte er den beiden Professoren einen Verweis,
ja beschränkte ihnen die Predigt. Hierdurch ermutigt, ver-
langten die Stände wiederholt deren Absetzung. Indes Friedrich
Wilhelm hatte inzwischen Gelegenheit gefunden, jene uner-
schrockenen Verteidiger des religiösen Friedens selber zu hören.
Er verwarf darauf, 1676, das Anliegen der Stände , da .man
Doktor Dreier und Zeidler allein darum hafst, weil sie die
reformierte Kirche nicht verdammen wollen." Vielmehr setzte
er in mehrere von ihm abhängende lutherische Pfarreien
Königsbergs friedliebende Männer ein, Anhänger Dreiers. Es
folgten selbstverständlich von selten der übrigen Königsberger
Geistlichkeit erschreckliche Beschwerden über die Ernennung
solcher „Synkretisten*', und die Ritterschaft hatte gar die Keck-
heit, mit Klagen in Warschau zu drohen (1669). Ein besänf-
tigendes Edikt des Kurfürsten hatte lediglich die Wirkung, die
Stände in ihren Forderungen zu bestärken: noch 1671 und 1675
verlangten sie die Ausstofsung aller Synkretisten aus den
Pfarreien und theologischen Lehrstühlen; die „breiten sich" —
angeblich — „immer weiter aus, drängen sich in alle Vakanzen
und haben die Universitäten nun ganz erobert*'.
Friedrich Wilhelm liefs sich in seiner wohlerwogenen Duld-
samkeit nicht beirren. Er antwortete meist mit gütigen und
versöhnlichen Worten, allein er änderte seine Handlungsweise
nicht. Die Synkretisten blieben; und wenn die Reformierten
in Preufsen sich auch aus Geldmangel keine der drei ihnen
zugestandenen Kirchen bauen konnten, so besafsen sie doch
Betstuben zu Königsberg, Memel, Hilgenburg, in dem Amte Schön-
berg und auf dem Schlosse der Grafen Dohna. In Pillau wurde
eine Kirche zum Gottesdienste beider evangelischer Bekenntnisse
benutzt. Es war hier die Religionsfreiheit für die drei christ-
lichen Konfessionen tatsächlich durchgeführt.
Der Kampf wogte ebenso heftig in der Kurmark. Unter
den Augen des Kurfürsten, in der Residenz Berlin, führte man
Achtanddreilsigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntnisse. X31
im GymDasium zum Grauen Kloster 1661 eine Komödie, die
„Einsetzung des Abendmahls' auf, die diese geweihte Handlung
nach dem reformierten Ritus zum Gegenstande schändlicher
Narrenspossen machte \ Der Kurfürst nahm den Handschuh
entschlossen auf. Im März 1662 wies eine Verfügung die
Studenten der Theologie darauf hin, das Studium der heiligen
Schrift anstatt der von Menschen geschriebenen Bücher — der
Bekenntnisschriften — zu betreiben. In den Prüfungen solle
darauf gesehen werden, dafs sie den wahren Glauben und die
eigentlich christliche Lehre inne hätten, ohne dafs sie „auf
sabtile Streit- und Schulfragen zu antworten wursten** ; sie sollen
„sich 4er feuchtigen und unnützen Fragen und der schändlichen
Wortkriege entschlagen**. Der Besuch der besonders unduld-
samen kursächsischen Universität Wittenberg ward den Landes-
kindem untersagt Eine Beschwerde der Sachsen hierüber liefs
der Kurfürst nicht gelten: er habe nicht beabsichtigt, Jene
hochberühmte Universität zu beschimpfen, sondern seine Lande
in Ruhe und Einigkeit zu erhalten.** Die brandenburgischen
Geistlichen unterlagen nunmehr in Schrift und Predigt einer
sorgfältigen Überwachung und wurden, wenn sie die Reformierten
beleidigten, zur Verantwortung gezogen. Das geschah jedoch
immer in milder Weise, und der Kurfürst dämpfte wiederholt
die allzugrofse Rachsucht seiner eigenen reformierten Geistlich-
keit Es lag ihm vor allem daran zu beweisen: er habe „nicht
im Gedanken, jemanden in seiner Gewissensfreiheit zu kränken** ^.
Um so unerbittlicher zeigte er sich gegen diejenigen Geist-
lichen, die die Unterzeichnung der in seinen Edikten von 1662
und 1664 geforderten Reverse verweigerten. Seinen Standpunkt
in dieser Frage hat er selber durch eine Erklärung vom 4. Mai
1665 dargelegt, die auf seine Denkweise ein helles Licht wirft ^:
„Und so haben Se. Kurf. Durchl. auch über keines Unter-
tanen Gewissen und Religion jemals einige Gewalt geübt, noch
auch wegen ungleichen Glaubensbekenntnis jemanden angefeindet,
sondern allen und jeden gleiche Gnade und Beförderung wider-
fahren lassen. Und dahin sind auch alle in Religionssachen
ergangene Edikte gemeint gewesen; nicht aber eine Religions-
1 Gallus, Gesch. d. Mark Brandenburg, IV»(Züllichau 1801)8. 213.
« Mylius, I, I 373 ff., I, II 79ff. — U. u. A.. XI, 265. 611 f.
«Mylius,!, I 385 ff.
9*
132 Sechstes Buch.
mengerei einzuführen, viel weniger jemanden wider sein Ge-
wissen etwas zu glauben aufzudringen, oder der in diesen Landen
üblichen Gottesdienste und der lutherischen Religion Exercitia
zu verhindern oder zu verändern; sondern, weil es die Er-
fahrung bezeuget, dafs gleich wie der Satan kein schädlicheres
Gift in die Lande ausgiersen kann, als wenn er bei ungleicher
Religion Anlafs nimmt, zwischen Obrigkeit und Untertanen,
zwischen Bürgern und Mitbürgern Mifstrauen, Bitterkeit und
Hafs einzupflanzen — also ihm auch solche Bosheit am besten
gelinget, wenn Lehrer und Prediger nicht allein ihre Meinungen,
so gut sie können, behaupten und, was sie für irrig halten, ver-
neinen, sondern auch die Dissentierenden mit anzüglichen Namen
verlästern, ihre Lehre verkehren, aus derselben abscheuliche
Dinge folgern. Hingegen eben dieselbe Erfahrung nebst der
heiligen Schrift auch bezeuget, dafs, wo Sanftmut, Bescheiden-
heit und Aufrichtigkeit gebrauchet und die streitigen Fragen,
ohne falsche Beschuldigungen und Lästerungen, in der Furcht
Gottes und in der Liebe erörtert werden, alsdann die Herzen
disponieret, zubereitet und gleichsam geöffnet werden, damit
endlich die göttliche Wahrheit, sie möge sein, bei welchem Teile
sie wolle, überall Platz finde und erkannt werde."
Friedrich Wilhelm ging hier von dem gleichen Standpunkte
aus, wie seine Zeitgenossen Leibniz, Rojas, Duraeus, Samuel
Pufendorf — Männer, die in wahrhaft religiöser Gesinnung
dem geistlichen Gezanke ihrer, ja wir müssen sagen auch
unserer Zeit weit vorangeeilt waren. Aber diese waren Ge-
lehrte, Denker: in Friedrich Wilhelm haben wir einen Fürsten,
der, inmitten schwerer und steter diplomatischer, administrativer
und militärischer .Beschäftigungen, nur durch tief innerliche
Frömmigkeit und klaren Verstand zu einer so erhabenen An-
schauungsweise geführt worden ist. Während fast alle übrigen
Herrscher jener Zeit ihre Macht darin betätigten, dafs sie ihre
eigene Religionsmeinung sämtlichen Untertauen aufnötigten, hat
der Grofse Kurfürst den seinen in hochherzigster Weise voll-
kommene Gewissensfreiheit gewährt, ja, man darf sagen: auf-
gezwungen zum leuchtenden Vorbild für die Zukunft. Sein
Zorn und seine Strafen trafen nur diejenigen, die den Gewissens-
druck und die Verfolgung Andersgläubiger betrieben.
Zu ihnen gehörte leider auch der Diakonus an der Berliner
Nikolaikirche, Paul Gerhardt, der Dichter so vieler herrlicher,
Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntnisse. 133
tief empfandener, wahrhaft poetischer Kirchenlieder. Er fühlte
sich, wie manche seiner Kollegen, in seinem Gewissen gedrungen,
ao den symbolischen Büchern seiner lutherischen Kirche, die
von ihnen beschworen waren, sowie an der Bekämpfung der Anders-
gläubigen festzuhalten, die ihnen zur Verteidigung ihrer Kirche
unentbehrlich erschien. Aufserdem erblickte er fälschlich in den
Anordnungen des Kurfürsten eine Vorbereitung zu völliger Unter-
drückung des Luthertums. „Wenn es bei Kurf. Durchl. unserm
gnädigsten Herrn stände** , schrieb damals ein anderer Berliner
Geistlicher, „es würde alles genau observieret werden; allein der
Aposteln sind zu viele, welche den frommen Herrn wider die
Lutheraner verhetzen, alle guten Intentiones hindern, die Decla-
rationes durchlöchern.** Obwohl Gerhardt bisher nicht zu den
Eiferern gegen die Reformierten gehört hatte, verweigerte er nicht
allein selber die Unterzeichnung des Reverses, sondern ermahnte
auch die übrigen Prediger zu gleichem Widerstände. Er wurde
darauf (1665) von seinem Amte suspendiert. Da sich aber der
Magistrat von Berlin und sogar die Stände der Kurmark eifrigst
für ihn verwandten, setzte ihn der Kurfürst am 9. Januar 1667
wieder in seine Befugnisse ein, allerdings unter der Begründung,
dafs offenbar Gerhardt früher „die Meinung der Edikte nicht
recht begriffen habe**. Gerade dieser Zusatz liefs den gewissen-
haften Geistlichen vermuten, er müsse sich zur Beobachtung der
Toleranzedikte, die er doch verwarf, verpflichten ; und eben des-
halb lehnte er die Wiederaufnahme seines Amtes ab. Der Kur-
fürst war entrüstet über solche Hartnäckigkeit. Er wies nun-
mehr, 4. Februar 1667, den Patron der Nikolaikirche, den Magi-
strat von Berlin, an, nur „friedliebende Leute *" zur Ablegung
der Probepredigt aufzufordern und den schliefslich zu Vozieren-
deu erst seiner eigenen landesherrlichen Bestätigung zu unter-
werfen \
Das Schicksal Gerhardts traf auch andere Berliner Geist-
liche, wie den als Eiferer berüchtigten Archidiakon Reinhardt
und den Propst Lilius; der letztere hat sich dann unterworfen
und wurde wieder angestellt. Diese Nachgiebigkeit aber wurde
ihm von seiner Gemeinde derart verübelt, dafs er bis zu seinem
» E. G. Roth, Paul Gerhardt (Lübben 1832), S. 14 ff. — E. C. G.
Langbecker, Leben und Lieder von P. Gerhardt (Berlin 184 IX S. 96 ff. —
Orlich, Preufs. Staat, III, 172. — Landwehr, Barthol. Stosch (Forsch,
z. brandenb. u. preufs. Gesch., VI [1893]), S. 91).
134 Sechstes Buch.
bald darauf erfolgendeD Tode vor leeren Bänken predigte*. Ein
anderer „Abtrünniger'' war der Predigtamtskandidat David Gigas
an der Nikolaikirche. Da er den Revers unterschrieben, wurde
er von der Gemeinde übel angesehen und durch den Diakon
Lorenz gar vom Abendmahl ausgeschlossen. Um sich zu rehabi-
litieren, widerrief er nicht nur seine Unterschrift, sondern hielt
auch am Neujahrstage 1667 eine mafslos heftige und aufreizende
Predigt, die geradezu den Aufruhr anriet. Darauf liefs der
Kurfürst ihn verhaften und nach Spandau abführen. Erst als
einige reformierte Gemeinden in vorwiegend lutherischen Staaten
sich, aus Besorgnis vor Gegenmafsregeln, für Gigas verwandten,
ward dieser der Haft entlassen, aber aus den Städten Berlin
und Colin verbannt. Schlimm erging es auch dem Propst an
der CöUnischen Peterskirche, Andreas Fromm. Dieser Geist-
liche, ein hervorragender Prediger, hatte seine Stellung haupt-
sächlich durch grofses Entgegenkommen den Reformierten gegen-
über erlangt ; man meinte sogar, er werde ganz zu ihrer Gemein-
schaft übertreten. Plötzlich aber wandte sich der unstäte, leicht
verletzliche Mann gegen die friedfertige Religionspolitik des Kur-
fürsten, die er, ebenso wie das reformierte Bekenntnis, mündlich
und schriftlich mit Heftigkeit angriff. Friedrich Wilhelm suchte
ihn durch Milde auf den Weg der Vernunft und des Anstandes
zurückzubringnn. Es war vergebens. Als er sich von der Ab-
setzung bedroht sah, entwich er im August 1666 aus Berlin. Er
ist wenige Monate später in Prag katholisch und, obwohl ver-
heiratet und Vater von fünf Kindern, 1669 Priester geworden*.
Die Berliner Geistlichkeit hat sich, trotz dieser Verluste,
nach Kräften gegen die Zumutung des Reverses gewehrt. Sie
erwirkte von einer Anzahl theologischer Fakultäten Gutachten,
die das Vorgehen des Kurfürsten mifsbill igten. Sie wandte sich
an den Rat der Stadt Berlin und an die kurmärkischen Stände,
die selbstverständlich ihre Partei ergriffen und den Synkretismus
als der Kirche Gottes höchst gefährlich verwarfen*. Allein
Friedrich Wilhelm bestand unerschütterlich auf seinem Willen,
^ W. Ribbeck, Aus d. Berichten d. hess. Sekr. Lincker v. Berlin.
Hofe. (Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., XII [1899]), S. 466 ff.
■ Orlich, Der Grofse Kurf., 274 ff.
* Hering, Neue Beiträge zur Gesch. der Reform. Kirche in den
preufs.-brandenb. Ländern, 11 (Breslau 1787), 188 ff. — Landvtrehr,
Kirchenpol. d. Grofs. Kurf., 218. 222ff.
Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 135
,da er weder durch dieses Edikt noch sonsten die Gewissens-
freiheit zu benehmen noch dem lutherischen Gottesdienste die
Ruhe zu mifsgönnen gemeint gewesen — es wäre denn, dafs
die Gewissensfreiheit in Verketzerung, Verlästerung und Ver-
dammen der Reformierten bestände". Die meisten lutherischen
Geistlichen in der Eurmark unterwarfen sich: zweihundert von
ihnen unterzeichneten den Revers.
Der Kurfürst aber hegte den Verdacht, dafs einige seiner
Räte die Renitenten in ihrem Widerstände ermutigten. Er
begehrte also von ihnen, dafs sie durch ihre Unterschrift
bezeugten, seine Toleranzedikte aufrecht erhalten und mit den-
jenigen, die einer evangelischen Union zuneigten, Gemeinschaft
bewahren zu wollen. Allein er konnte sie zu einer solchen Zu-
sieherung nicht bewegen. Ja, der ebenso gründlich wie fein-
gebildete Konsistorial- und Kammergerichtsrat Martin Seidel, der
Abkömmling einer alten Berliner Beamtenfamilie, setzte das
konfessionelle Interesse so weit über vaterländische Treue und
Anhänglichkeit an den angeborenen Fürsten, dafs er 1670 den
heunischen Dienst mit dem feindlichen, aber echt lutherischen
schwedischen vertauschte^.
Der auf die lutherischen Geistlichen geübte Zwang wurde
später dadurch gemildert, dafs er nur auf die neu anzustellenden
angewandt und auch bei ihnen lediglich in der Form einer münd-
lichen Verpflichtung geltend gemacht wurde.
Aber wie in der Kurmark und in Preufsen, so wollte auch
in seinen übrigen Landen Friedrich Wilhelm den Frieden zwischen
den evangelischen Bekenntnissen gründen und aufrechterhalten.
Bereits 1664, lange ehe die Stadt Magdeburg zum Kurfürstentum
gehörte, untersagte er den dortigen Geistlichen das gegenseitige
Verketzern. Die Mehrzahl von ihnen widersprach, allein schon
traten einige auf seine Seite. Als indes 1680 die Stadt mitsamt
dem Erzstift endgültig an Brandenburg fiel, wurde das Verbot
des Angriffs auf die andersdenkenden Evangelischen mit Nach-
druck durchgeführt. Die Forderung der magdeburgischen Stände,
dafs die bergische Konkordienformel, die die Trennung von den
Reformierten auf das schärfste hervorhob, von dem Kurfürsten
der Augsburgischen Konfession an Gültigkeit für die Evangeli-
schen des Herzogtums gleichgestellt werde, fand bei Friedrich
* U. u. A., XrV, 884f. — Schwebel, Gesch. d. Stadt Berlin, 11, 52.
136 Sechstes Buch.
Wilhelm selbstverständlich schroffe Zurflckweisong. Überall
erblicken wir diesen Fürsten als den Vertreter der Denkfreiheit
und moderner Anschauung gegenüber dem zurückgebliebenen
Wesen der Bevölkerung und zumal der Vertreter der bevor-
rechteten Bevölkerungsklassen.
Er forderte Versöhnlichkeit und Friedfertigkeit nicht nur
— wie man häufig behauptet hat — von den Lutheranern,
sondern auch von seinen reformierten Bekenntnisgenossen. Als
die theologische Fakultät in Frankfurt a. d. Oder 1664 gestattete,
dafs Eusebius von Brandt, des neumärkischen Kanzlers Christoph
jüngerer Bruder, den der Kurfürst zum Diplomaten erziehen
liefs, in einer Disputation mit grofser Schärfe den kalvinischen
Standpunkt gegenüber den Lutheranern vertrat, war Friedrich
Wilhelm darüber so aufgebracht, dafs er gegen die Fakultät mit
Strenge einschritt^. Gegen einige seiner vertrautesten Räte,
wie Schwerin und Jena, nahm er Partei für die Lutheraner,
sobald diesen, seiner Meinung nach, Unrecht geschah. Er liefs,
den Bitten der Einwohner des neumärkischen Städtchens Fürsten-
felde zufolge, den reformierten Prediger, der ihnen aufgedrungen
war, abschaffen und durch einen lutherischen ersetzen. In seinen
rheinischen Landen, wo die Lutheraner in der Minderheit waren,
hat er deren Gemeinden mit Eifer gegen die Unduldsamkeit der
reformierten Mehrheit beschützt. Auch hier begegnete er dem
Vorwurfe: er verletze die Rechte des Landes und zerstöre dessen
Religion. Ja, noch mehr: er, den die lutherischen Zeloten
anklagten, die Vernichtung ihres Bekenntnisses zu betreiben,
trat im Auslande für dasselbe ein. Als auf Befehl der General-
staaten in der niederländischen Stadt Groningen der lutherische
Gottesdienst untersagt und der lutherische Prediger ausgewiesen
wurde, erhob der Kurfürst bei den Hochmögenden lebhafte und
wiederholte Vorstellungen. Er setzte es schliefslich durch, dafs
die Lutheraner in Groningen ungestört ihren Kultus abhalten
konnten *.
Friedrich Wilhelm war also aufgeklärter, gerechter und
duldsamer als selbst die Niederländer, deren Gebiet doch als
das gelobte Land der Gewissensfreiheit, als die Zuflucht aller
* [Schultze], Preuf siecher Todestempel, S. 18.
« Orlich, Der Grofee Kurf., 264. 277 f.; Preufs. Staat, III, 271 f. -
Droysen, III, III 277.
AchtonddreKsigstes Kapitel. Die BeligionsbekenntniBse. 137
wegen der Keligion Bedrängten galt. Wahrlich, es ist dies das
schönste Blatt in dem Lorbeerkranze, der das Haupt dieses
grofsen Hohenzollem ziert!
Es ist selbstverständlich, dafs bei aller Duldsamkeit die
Sorgfalt des Kurfürsten doch zumeist seinen engeren Glaubens-
genossen, den Reformierten, galt. Er begründete ihnen an ver-
schiedenen Orten Gemeinden, aber nur da, wo sich das Bedürfnis
hierfür herausstellte, also namentlich infolge der Kolonisation
durch Holländer und andere reformierte Einwanderer. In Frank-
furt a. d. Oder wurden die Lutheraner durch militärische Gewalt
gezwungen, den Reformierten die ihnen rechtmäfsig zustehende
Mitbenutzung der verlassenen Nikolaikirche einzuräumen. Sonst
ging aber gerade in dieser Beziehung Friedrich Wilhelm mit
grofser Vorsicht zuwege, so dafs z. B. die holländischen Kolo-
nisten die Altmark wieder verliefsen, weil sie dort keine Kirche
erhalten konnten. Im ganzen besafs 1680, vor dem EintreflPen
der Hugenotten, das reformierte Bekenntnis in der Kurmark
sechzehn Kirchengemeinden, die von einem in Berlin residieren-
den Konsistorium geleitet wurden. Der KurfQrst errichtete
einige reformierte Gemeinden auch in Pommern. Der Wider-
spruch des Königs von Schweden, der als Eventualerbe diese
Neuerung nicht gestatten wollte, fand schon seitens des branden-
burgischen Gesandten in Stockholm, von Krockow, gebührende
Abfertigung ^.
Der Kurfürst suchte sein Bekenntnis auch im Auslande
gegen lutherische Ausschliefslichkeit zu schützen. Als König
Karl II. von England 1661 den Lutheranern den Bau einer
Kirche in London zu gestatten verhiefs, stellte er ihm vor, das
möge nicht eher erlaubt werden, als bis England sich versichert
habe, dafs den Reformierten die öffentliche Ausübung ihrer
Religion auch in den lutherischen Städten des königlichen
Preufseu, sowie in Hamburg und Lübeck zugestanden werde*.
Nachdem er 1684 bis 1686 die Stadt Hamburg vor den Feindselig-
keiten zuerst der braunschweigischen Herzoge, dann sogar des
Königs von Dänemark gerettet hatte, forderte er zum Entgelt
freie Religionsübung für seine dortigen Glaubensverwandten ; er
^ Hering, Neue Beiträge Bd. I u. II, passim. — Orlich, Preufs.
Staat, I, 416. — U. u. A., IX, 522.
» U. u. A., IX 522.
138 Sedistes Buch.
setzte es mit Mühe durch, dafs der Hamburger Rat ihnen solche
wenigstens in einem Privathause zugestand^.
Man bedenke die Schärfe des Gegensatzes, wie er damals
zwischen Katholizismus und Protestantismus bestand und sich
zumal in den Verfolgungen aussprach, die in Ungarn, Frank-
reich, Italien die katholische Staatsgewalt über neugläubige
Untertanen verhängte, anderseits aber auch dazu führte, dafs
Lutheraner in Berlin sich weigerten, ihr Haus dem französischen
Gesandten zu vermieten, „weil Gott es ihnen als Verbrechen
anrechnen würde, dafs sie in ihrem Hause hätten die Messe
sagen lassen*'^. Erst so können wir zur Genüge die Duldsam-
keit würdigen, die Friedrich Wilhelm seinen katholischen Unter-
tanen bewies. Er stellte in ganz moderner Weise die Idee des
Staates über den konfessionellen Gegensatz. Wie er es denn in
offizieller Form ausspricht, dafs „Wir niemand respectu religionis
in einiger Weise widerrechtlich beschweren, auch nicht minder
den Katholischen als Unseres Glaubens Verwandten unparteiische
Justiz administrieren zu lassen gemeinet** sind. Als er 1669
Kaiser Leopold mit Repressalien gegen die katholischen Unter-
tanen Brandenburgs bedrohte, falls nicht die Evangelischen in
Jülich-Berg bessere Behandlung erführen, durfte er von sich
sagen: „Ich habe bishero die Römisch-Katholischen allhier der-
gestalt geschützt und aller Freiheit geniefsen lassen, dafs des-
falls die geringste Klage wohl nicht wird gehöret sein, sondern
vielmehr alle Geistlichen Mir das Zeugnis geben, dafs Ich die-
selben bishero dergestalt regieret, dafs, ob sie auch unter
römisch-katholischer Obrigkeit gewesen wären, sie es nicht
besser hätten wünschen können"®. Friedrich Wilhelm trug in
seiner aus Güte und politischer Klugheit gemischten Weise
zumal den klevischen Katholiken so sehr Rechnung, dafs dies
die Besorgnis seiner reformierten Räte erregte. „Die Katho-
liken", schreibt Jena an den Oberpräsidenten von Schwerin im
September 1661 aus Kleve, „nehmen Se. Kurf. Durchl. sehr ein,
davon ich nicht alles schreiben mag, und wünsche auch deswegen,
' Ms. BidaJ (französ. Resident im Hamburg) an Louvois, 22. Nov.
1686, 4t, Juli 1687 (Auszüge); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV
Hb, 10 /S.
' Graf E6benac an seinen Vater, 26. JuH 1681; Gallois, Lettres
de Feuquiferes, V, 239 f.
* M. Lehmann, Preufsen u. die kathol. Kirche, I, 164. 169.
AchtimddreilsigBtes Kapitel. Die ReligionabekeTintnisse. 139
dafs wir bald von hier möchten ** ^ Nicht minder protestierte in
Preufsen die lutherische Geistlichkeit, wie gegen die Duldung
der Reformierten, Juden, Arianer und Mennoniten, so auch
gegen die der Katholiken, die sie mit den ärgsten Schmähungen
überhäufte. Allein Friedrich Wilhelm liefs sich dadurch nicht
beirren, seinen katholischen Untertanen volle Duldung zu
gewähren. In der Stadt Halberstadt liefs er sechs Klöster mit
einigen achtzig Ordensgeistlichen fortbestehen, auf dem Lande
von Halberstadt weitere sechs Klöster. In zehn Kirchen des
Halberstädtischen wurde Messe gelesen; noch 1711 gab es in
der Stadt 770 katholische Laien. Der Kurfürst ging in seiner
peinlichen Gewissenhaftigkeit so weit, die schändliche Ver-
schwendung und Üppigkeit einiger Halberstädter Klöster und
die sträfliche Nachsicht der kirchlichen Visitation derselben zu
dulden, nur um die Rechte der katholischen Geistlichkeit nicht
anzutasten '.
Auffallend, ja bis zur Ungerechtigkeit gesteigert war die
Gunst, die er in den neu erworbenen pomerellischen Herr-
schaften Lauenburg und Btltow sowie in der Starostei Draheim
den Katholiken erwies". Die drei Gebiete waren im ersten
Drittel des siebzehnten Jahrhunderts durchaus lutherisch gewesen.
Aber dann hatten die Polen die Pfarrer verjagt und die Kirchen
zum Oberwiegenden Teile für den Katholizismus in Besitz
genommen, die Pfarreinkünfte allerorten katholischen Geistlichen
übertragen. Als nach dem Frieden von Oliva die drei Gebiete
an den Brandenburger übergingen, hatte die protestantische
Bevölkerung die Bückkehr zu den alten Zuständen erwartet.
Sie wurde aber grausam enttäuscht. Der Kurfürst hatte ver-
tragsmäfsig zugesagt, die kirchlichen Einrichtungen daselbst in
ihrem Bestände zu belassen, und er kam dieser Verpflichtung
80 getreulich nach, dafs die katholischen Geistlichen, die oft,
aufser dem Küster, keinen einzigen Gläubigen unter sich hatten,
die Kirchen, Zehnten und Stolgebühren, ja sogar die Gerichts-
barkeit in Ehesachen behielten. Nur das gestand er den Prote-
» Orlich, Der Grofse Kurf., 264.
' Hildebrandf Die kathol. Klöster im ehem. Bist. Halberstadt
z. Z. des Grofs. Kurf.; Zeitschr. d. Harzvereins f. Gesch. u. Altertums-
kimde, Band 82 (1899), S. 377 f.
' Das Folgende nach Lehmann, a. a. O., pasaim.
140 Sechstes Buch.
stanten zu, dafs sie auf eigene Kosten sich dürftige Gottes-
häuser bauen und Geistliche annehmen konnten. Wir sehen
hier einen evangelischen Fürsten die Katholiken zu Ungunsten
seiner eigenen Glaubensgenossen bevorzugen. Allerdings,
politische Bücksichten sprachen da mit: er wollte den Polen
nicht den Verwand geben, die Friedensbedingungen für verletzt
zu erklären und deshalb die Rückgabe der drei Herrschaften
— Draheim besafs der Kurfürst gar nur pfandweise — zu ver-
langen.
Seine eigenen Rechte gegenüber der katholischen Geistlich-
keit behauptete freilich der Kurfürst unentwegt. In Eleve
gehörte seit dem sechzehnten Jahrhundert die bischöfliche Gewalt
dem Landesherm, und er hielt sie durch Edikt vom 7.September 1661
durchaus aufrecht; die Dekrete auswärtiger Bischöfe nach-
zusuchen oder auszuführen, war den Geistlichen bei Strafe der
Amtsentsetzung, sie in das Land zu bringen oder zu veröffent-
lichen, nach uraltem Herkommen bei Tod durch Ertränkung
verboten. Die geistliche Gerichtsbarkeit durfte nicht durch
fremde Bischöfe geübt werden; der Kurfürst übertrug sie auf
einheimische Kleriker, von deren Urteil nach freier Wahl die
Beteiligten an das kurfürstliche Hofgericht oder an eine katho-
lische Juristenfakultät appellieren durften. Die Visitation der
Klöster war den ausländischen Oberen gestattet, aber nur mit
Zuziehung eines landesherrlichen Delegierten katholischer
Religion, der die Rechte des Fürsten zu wahren hatte. Die
Ernennung aller Geistlichen unterlag der Bestätigung durch die
weltliche Gewalt. Dagegen erlaubte man den fremden Bischöfen
Priesterweihe und Konsekrierung der Kirchen im kleve- märki-
schen Gebiete, wie man der Hierarchie auch anderweite formale
Zugeständnisse machte, so weit sie das Oberaufsichtsrecht des
Staates nicht wesentlich beeinträchtigten Wir sehen also den
Kurfürsten die Schonung der kirchlichen Freiheit mit der Ver-
teidigung der Rechte des Staates in sorgsamer Abwägung ver-
binden, dabei nirgends mit verletzendem Eigenwillen vorgehen,
allenthalben auf den alten Überlieferungen fufsen.
Noch günstiger standen die Dinge für die landesherrlichen
Befugnisse in den Gebieten Minden, Halberstadt und Magde-
burg, wo das Bischofsamt völlig an den evangelischen Herrscher
übergegangen war. Friedrich Wilhelm übte dort die Rechte des
Bischofs über die katholischen Untertanen und Einrichtungen
Achtunddreifaigstes Kapitel. Die Religionsbekenn tnisse. 141
nnbedenklich aus, aber durch einen Katholiken, den Halber-
städter Domherrn Jobann Friedrich von Deutsch, der noch unter
dem letzten katholischen Bischöfe General vikar gewesen war,
und nach Deutschs Tode durch Placidus Meinders, den Abt des
magdeburgischen Klosters Ammensieben. Dieser Vikar war frei-
lich verpflichtet, tlber alle Vorgänge an die Halberstädter Regie-
rung zu berichten und sich bei Visitationen und Wahlen die
Konkurrenz der landesherrlichen Behörden gefallen zu lassen.
Der Kurfürst bestätigte Äbte und Pröpste, gestattete katholi-
schen Geistlichen Reisen in das Ausland, bestimmte die Zahl der
Domherren.
Mit grofser Entschiedenheit hat Friedrich Wilhelm die An-
sprüche auswärtiger Bischöfe, besonders des Erzbischofs von
Köln, auf das Diözesanrecht in seinen Staaten zurückgewiesen.
Er wollte nicht allein Bischof, sondern höchster Bischof in seinen
Landen sein. Man hat deshalb schon zur damaligen Zeit seine
kirchliche Stellung mit der des Königs von England auf eine
Linie gestellt.
Aber ungleich dem englischen Königtume benutzte er seine
Macht nicht dazu, die Alleinherrschaft einer Kirche im Staate
anzustreben. Er hat vielmehr seine weitreichenden Befugnisse
als höchster Bischof nur dazu verwendet, Duldung Und Religions-
freiheit in den braudenburgischen Gebieten durchzuführen, die
verschiedenen Bekenntnisse zu gegenseitiger Toleranz und Fried-
fertigkeit zu nötigen. Er ist nach Heinrich IV. von Frankreich
der erste Fürst in Europa gewesen, der seine Aufgabe auf
religionspolitischem Gebiete in so erleuchteter Weise, als ein
echt modemer Staatsmann aufgefafst hat : in Deutschland sicher
der erste, in glänzendem Gegensatze zu anderen Fürsten seiner
Zeit
Nur gegen einen Orden hat er, gerade im Interesse des
religiösen Friedens, eine unüberwindliche Abneigung gezeigt:
gegen die Jesuiten. Er liefs die Väter dieser Gesellschaft in
keiner brandenburgischen Provinz zu und verbot den evangeli-
schen Eltern, ihre Kinder bei den Jesuiten unterrichten oder
erziehen zu lassen. Die Versuche der Gesellschaft, mit Hilfe
des Reichstags die Zulassung zu erzwingen , scheiterten an dem
festen Willen des hier von seinen Landständen eifrig unter-
stützten Fürsten. Einzelne Mitglieder, die sich stillschweigend
in dem Fürstentum Minden niedergelassen hatten, wurden auf
142 Sechstes Buch.
Befehl Friedrich Wilhelms ausgewiesen. Anders verhielt es sieh
in Königsberg, wo die Jesuiten seit den Zeiten König Wladi-
slaws IV. zugelassen waren, predigten und Schule hielten. Der
Kurfürst hat zwar wiederholt ihre Austreibung ins Auge gefafst,
allein aus Rücksicht auf Polen und um dessen Einmischung in
die preufsischen Verhältnisse zu verhüten, immer wieder auf-
geschoben. Er begnügte sich damit, ihre weitere Ausbreitung
zu verhindern und den evangelischen Eltern die Einschulung
ihrer Kinder bei den Jesuiten zu untersagen.
Selbst der Unwille, den die Aufhebung des Ediktes von
Nantes bei dem seinem reformierten Bekenntnisse so treu ergebenen
Fürsten hervorrief, hat ihn zu ernsthaften Repressalien gegen
seine friedlichen katholischen Untertanen nicht verleitet Frei-
lich brauste der schnell erregbare Herrscher zuerst in hellem
Grimme auf und traf eine Anzahl von Verfügungen, die, ohne
die rechtlichen Grundlagen der Stellung der Katholiken in
seinen Landen anzutasten, sie doch mit feindseliger Peinlichkeit
auf das Normaljahr 1624 zurückzuführen bestimmt waren. Er,
der früher alle christlichen Bekenntnisse einander hatte nähern
wollen, schrieb nunmehr am 22. März 1686 der preufsischen
Regierung vor, bei Besetzung neuer lutherischer Pfarrstellen
sowie bei den schon im Amte befindlichen Geistlichen streng
darauf zu achten, dafs solche von „päpstlichen Irrtümern*' völlig
frei seien, noch weniger solche verkündeten. Es ist „Uns und
allen Evangelischen hoch daran gelegen, dafs die päpstische
Religion, welche ohnedem mit so grofser Gewalt und Grausam-
keit sonst allerwärts um sich frisset, sich nicht auch alldort
einschleiche'' ^ Zugleich ermahnte er abermals den starr lutheri-
schen Kurfürsten von Sachsen zu einträchtigem Zusammengehen
in Glaubenssachen mit der charakteristischen Begründung: Die
wahre Eigenschaft der katholischen Religion s^i, alle, die sie
als Ketzer bezeichne, unterschiedslos zu verfolgen; der Vorzug,
den sie etwa den Lutheranern vor den Reformierten bewillige,
sei „nichts anderes als des Ulysses Beneficium, so ihm vom
Polypbemo offerieret ward: nämlich als der letzte gefressen zu
werden". Allein der Geist der Duldsamkeit und Gerechtigkeit
erhielt bald bei dem greisen Herrn wieder die Oberhand. Die
» U. u. A., XVI, 1000.
Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntniase. 143
Repressalien gegen die ihm untergebenen Katholiken wurden nur
in sehr geringem Umfange ausgeübt.
Es blieb dabei: Friedrich Wilhelm von Brandenburg war
der auch gegen die „Papisten** toleranteste unter allen evangeli-
schen Fürsten. Wie ihm schon 1657 Ludwig XIV., der spätere
Hugenottenverfolger, dafür seinen Dank ausgesprochen hatte, so
gegen Ende seiner Regierung, 1683, Bischof Michael Radziejowski
von Ermland. „Die katholische Herde**, sagte da der Kirchen-
fürst, „verehrt Ew. Durchlaucht als gütigen Herrn und Beschützer.
Der Stand der Kirche ist wohl gebildet und auf katholische
Weise zusammengesetzt, dieser Weinberg blühend unter der
Herrschaft Ew. Durchlaucht.**
Eine so günstige Behandlung Andersgläubiger erschien in
jener Zeit religiöser Ausschliefslichkeit derart wunderbar, dafs
man sie sich nur durch eine Hinneigung des Kurfüsten zum
Katholizismus zu erklären vermochte. Die Gerüchte von seinem
beabsichtigten Übertritt zur römischen Kirche wollten nicht zur
Rahe kommen. Schon 1666 hatte Christine von Schweden ihre
Meinung dahin ausgesprochen, der Brandenburger werde nur
durch den kalvinischen Eifer seiner holländischen Gemahlin von
solchem Schritte abgehalten \ Ein preufsischer Konvertit, Graf
Schlieben, suchte dann von dem heiligen Stuhle Geld zu er-
langen, indem er sich auf die bekannten allchristlichen Friedens-
pläne des Dr. Dreier in Königsberg und das nicht minder be-
kannte Wohlwollen des Kurfürsten für diesen Professor stützte
und beider Übertritt als bei gehöriger Beihilfe Roms leicht zu
bewirken hinstellte (1670). Papst Klemens IX. gab in der Tat
dem Nuntius in Warschau, Marescotti, den Auftrag, diese
wichtige Angelegenheit näher zu untersuchen. Schlieben zeigte
dem Prälaten angebliche Briefe Dreiers, in denen dieser Theologe
seine Bekehrung in Aussicht stellte, aber Geld für den Druck
eines Buches verlangte, das seinen Schritt rechtfertigen und die
übrigen preufsischen „Ketzer** zur Nachfolge veranlassen solle.
Ein Jesuit, den Marescotti an Dreier sandte, wufste von grofser
Neigung des Doktors zum Katholizismus zu berichten. Es ist
wahrscheinlich, dafs Dreier von seinen irenischen Plänen redete
and dies von dem optimistischen Jesuiten und dem aben-
' Baron y. Bildt, Christiiie de Suöde et le cardinal Azzolino (Paris
1899), S. 191: Schreiben Christineiis vom 4. Aug. 1666.
144 SechBtes Buch.
teuernden Grafen in weit bestimmterer und konkreterer Weise
ausgelegt wurde, als es gemeint war. Jedenfalls überzeugte
sich der Jesuit davon, dafs der Kurfürst selber nicht allein an
einen Übertritt nicht denke, sondern auch dem Dr. Dreier den
Druck seines Buches untersagt und ihn zu gröfster Vorsicht in
seinen religiösen Friedensbemühungen ermahnt hatte ^.
Das Projekt wurde demgemäfs als aussichtslos fallen gelassen,
aber nur, um einige Jahre später wieder aufgenommen zu werden.
Als Friedrich Wilhelm 1677 im Scherze zu einem andern deutschen
Konvertiten, dem Kardinal von Hessen, geftufsert hatte: er
wundere sich, dafs man in Bom sich nicht mehr Mühe um ihn
gebe, fafste die Kurie das sehr ernst und hoffnungsvoll auf.
Innozenz XI. jubelte ob der Aussicht, der „hauptsächliche Be-
schützer des Kalvinismus '^ werde in den Schofs der Kirche
zurückkehren. Vielleicht werde dies durch ein Wunder, vielleicht
aber aus politischen Rücksichten und Berechnungen geschehen.
Der Kardinal von Hessen solle sich die Herbeiführung eines so
erwünschten Ereignisses auf das äufserste angelegen sein lassen *.
Wie wenig kannten diese Römlinge die hochherzige und
fromme Natur des Brandenburgers, dieses Fürsten, der um seines
Glaubens willen eine Königskrone ausgeschlagen hatte ! Er ver-
wendete sich überall eifrig für seine von der katholischen Reaktion
bedrängten Relionsgenossen , „als ihr Patron und Vater^, wie
die Evaugelischen in Polen von ihm nach seinem Tode sagten,
„der defensor fidei, dessen heroischer Geist voll Teilnahme für
sie geblieben sei und sie in ihrem Elend aufrecht erhalten habe*'.
Er trat zunächst für die Protestanten in Jülich-Berg ein,
die von dem fanatisch katholischen Hause Pfalz-Neuburg schwer
bedrückt wurden; und zwar sorgte er unterschiedslos für Luthe-
raner und Reformierte. Er setzte es in dem Klever Rezefs
durch, dafs den Evangelischen über das Normaljahr 1624 hinaus
an sechs weiteren Orten der Gottesdienst gestattet sowie erlaubt
wurde, im eigenen Hause die katholischen Feiertage nicht zu
^ Bericht des Nuntius Marescotti an seinen Nachfolger; Archiv f.
Kunde österr. Gesch.-Quellen, XI (Wien 1858X S. 50 ff. (Allerdings durch
zahllose Fehler entstellt.)
■ Der Sekretär der Breven, Pater Agostino Favorito, an den Bisch,
von Paderborn, Ferd. v. Fürstenberg, 8. März 1677; W. Ribbeck, Ein
Brief üb. d. erwarteten Übertritt des Grofs. Kurf . z. Katholizismus (Forsch.
z. brandenb. u. preufs. Gesch., VIT, 207 f.).
Achtunddreifsigstes KapiteL Die Religionsbekenntnisse. 145
beobachtend Und als im Jahre 1685 dasselbe Haus Neuburg
io den Besitz der bisher fast ausschliefslich evangelischen Kur-
pfalz gelangte, ist Friedrich Wilhelm häufig für die dortigen
Reformierten und Lutheraner eingetreten gegen die Versuche,
diese beiden Bekenntnisse zu Gunsten der Katholiken zurück-
zudrftngen und zu berauben*.
Er wandte dann seinen ganzen Einflufs bei Kaiser Leopold L
aaf, um das traurige Los der NeuglAubigen in dessen Erbstaaten
ODd in Ungarn zu mildem. Der Kaiser und seine Beamten
traten die durch den Westfälischen Frieden verborgten Rechte
der Evangelischen Schlesiens mit FOfsen und arbeiteten eifrig
an der völligen Bückführung des weiten Landes zum alten
Glauben. Die Klagen der Verletzten gingen nach Dresden und
Berlin. Immer und immer wieder wandte sich Friedrich Wil-
helm an Leopold y ihm das Unpolitische und Widerrechtliche
jener Verfolgungen vorstellend, um Schonung und Milde für
seine Glaubensverwandten bittend. Alles vergebens: der Kaiser
liefs sogar evangelischen Eltern die Kinder entreifsen, um solche
im katholischen Kultus zu erziehen. So mufste der Kurfürst
sich damit begnügen, denjenigen Schlesien), die sich der Ver-
folgung durch Auswanderung entziehen wollten, eine Zuflucht
in seinem Staate zu eröffnen '•
Noch schlimmer stand es in Ungarn, das der Kaiser und
seine Räte als ein erobertes Land behandelten, und wo sie mit
nackter Gewalt und schonungsloser Grausamkeit die Ausrottung
des Protestantismus betrieben. Vergebens schritten die evangeli-
schen Reichsstände in der Regensburger Versammlung gegen
solche Greuel ein; vergebens bemühten sich die Geperalstaaten
durch Vorstellungen am Wiener Hofe; vergebens wandte sich
auch hier Friedrich Wilhelm wiederholt an den Kaiser, dem er
mit Reeht darlegte, dafs auf diese Weise die Ungarn geradezu
den Türken in die Arme geworfen , die dortigen Protestanten
mr Rebellion gezwungen würden.
„Eurer Kais. Maj. ist gnädigst bekannt,^ schrieb er den 20. Juli
1677 an Leopold, „und gibt es die Experienz sowohl in ver-
liehenen als jetzigen Zeiten, dafs kein schärferer Stimulus zur
1 Lehmann, I, 67 f.
' Geb. Staatsarchiy, Berlin, Rep. XL, 9B.
* Landwehr, 80ff.
Philipps on, I>er Grofie Kurfttrst. III. 10
146 Sechstes Buch.
Ergreifung desperater Mittel und Besolutionen zu finden, als
der Gewissenszwang. Und gleichwie aus diesem Brunnquell
ffimemlich auch in Ungarn alles Unheil bishero entsprossen
und von Eurer Kais. Maj. Feinden, ungeachtet dieselben sich
zur römisch-katholischen Religion bekennen, listiglich geheget
wird, so ist kein Zweifel, wenn E. K. M. allergnädigst geruhen
wollten, diesen Prätext wegzunehmen und denen Klagenden
die höchstverlangete Gewissensfreiheit wirklich zu gönnen, dafs
alsdann die widrigen Machinationes von selber hinfallen und
E. K. M. nicht alleine über die Leiber und Güter, sondern
auch über die Gemüter dieser Leute ruhiglich herrschen
würden." Leopold wollte, wie Philipp IL von Spanien, lieber
seine Reiche verlieren, als dort über Ketzer regieren. Es
blieb dem Kurfürsten nichts übrig, als durch eine Verordnung
vom 17. Februar 1676 den evangelischen Ungarn seine Staaten
zu eröffnen und mancherlei Begünstigungen und Freiheiten zu
verheifsen. Brandenburg wurde, in noch weiterem Umfange
als Holland, das Asyl der Bedrückten und Verfolgten. Endlidi,
als die kurfürstlichen Truppen wesentlich zu den Erfolgen des
kaiserlichen Heeres gegen die Türken beigetragen hatten, führte
1687 Friedrich Wilhelm, der sich als Schirmherr des Protestan-
tismus auf dem Festlande fühlte, eine so kühne Sprache, dafs
sie des Eindruckes nicht ganz verfehlte und der Kaiser den
Evangelischen Ungarns immerhin einige Erleichterungen ge-
währte*.
Die Waldenser, diese mittelalterliche Ketzersekte in den
Tälern der Seealpen, sahen sich von französischer wie von
piemontesischer Unduldsamkeit bis in den Tod verfolgt 2000
von ihnen erbot sich der Kurfürst in sein Land aufzunehmen,
ihnen hier eigenen Gottesdienst sowie besondere Richter und Ver-
walter zu gestatten — wie den Hugenotten. Er erlangte dazu
die Einwilligung des Herzogs von Savoyen, ihres Landesherren;
allein die Sehnsucht nach den heimischen Bergen trieb die
meisten der Auswanderer aus den Ebenen Norddeutscblands
nach ihren geliebten Tälern zurück. Sie wollten lieber die
Verfolgungen weiter erdulden als die teure Heimat meiden^.
^ Schmertosch, a. a. 0.« S. 80ff., berichtigt und ergänzt den
Aufsatz von O. Krauske, Der Grofse Kurf. u. die protest. Ungarn
(Hist. Zeitschr., Bd. LVin S. 465 ff.). — U. u. A., XVin, 457 ff. 488.
' Droysen, III, III 278 f. Danach auch das Folgende über Polen.
Achtunddreiüsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 147
Ebenso ist Friedrich Wilhelm für die Reformierten in den
polnischen Gebieten Litauen und Weifsrufsland eingetreten,
Ländern, wo jene einst die Mehrheit gebildet hatten, jetzt aber von
dem siegreichen Katholizismus grausam bedrängt wurden. Er
hat für sie die Bibel und den Katechismus übersetzen, in seinen
Kirchen für sie sammeln lassen. Freistellen für sie an den
Universitäten Königsberg und Frankfurt sowie am Joachimstal-
sehen Gymnasium begründet. Mit tiefer Rührung erkannten
sie seine Sorgfalt an.
Er wagte es endlich, gegen den mächtigsten Fürsten seiner
Zeit, gegen Ludwig XIV . von Frankreich, aufzutreten, als dieser
zum Verfolger seiner Glaubensgenossen wurde.
Vom ersten Augenblicke seiner Selbstregierung an hatte
Ludwig den Protestanten entschiedene Ungunst gezeigt» die
durch die steten Vorstellungen des Klerus noch verstärkt wurde.
Zuerst ward durch Ausschliefsung von Ämtern und von könig-
lichen GuQstbe weisen , ja durch Geldzahlungen ihre Bekehrung
betrieben. Aber das hatte nur geringen Erfolg. Als dann der
Friede von Nymwegen den König über den ganzen wider ihn
verbundenen Erdteil hatte triumphieren lassen, beschlofs er, in
seinem eigenen Lande jede Abweichung von seinem, des Herr-
schers, Glauben zu vernichten. Er ging planmäfsig mit immer
gewaltsameren Mafsregeln gegen die französischen Reformierten
vor ; und da die Verfolgungen und Dragonaden nicht völlig zum
Ziele fahrten, hob er am 22. Oktober 1685 das Edikt von
Nantes, die Grund Verfassung des französischen Protestantismus,
förmlich auf und untersagte jede Ausübung des reformierten
Kultus. Dessen Prediger wurden verbannt, dessen übrige Gläubige
aber unter schwerster Strafe sogar der traurigen Zuflucht der
Auswanderung beraubt.
Friedrich Vi^ilhelm hatte sich von Beginn an verpflichtet
gefühlt, nach dem Mafse seiner Kräfte seinen französischen
Glaubensgenossen in deren unverdienter Not zu helfen. Seine
Hilfe konnte hier nicht sowohl in der Abwehr des Übels be-
stehen — denn wie hätte er auf den stolzen ,,König Sonne^
einzuwirken vermocht? — als in der Unterstützung der schwer
Betroffenen. Zuerst versuchte er es freilich mit Bitten und
Vorstellungen bei Ludwig, den er mit Recht darauf hinwies,
dafs des Allerchristlichsten Königs altüberliefertes Bündnis mit den
protestantischen Mächten gegen die Habsburger lediglich unter
10*
148 Sechstes Buch.
der Bedingung zu bestehen vermöge, dafs Frankreich im eigenen
Innern die Evangelischen schone. Mit Berufung auf dieses
politische Interesse schritt dir Kurfürst zum erstenmale im
August 1666 ein, als den Hugenotten eine Anzahl Kirchen fort-
genommen ward. Ludwig wagte damals noch nicht, sich oifen
zur Unduldsamkeit zu bekennen; er versprach, das Edikt von
I^antes aufrecht zu erhalten, und behauptete, den Protestanten
seien nur diejenigen Kirchen entzogen worden, die sie über jenes
Edikt hinaus sich unrechtmäfsig zugelegt hätten. Es gelang damals
wirklich den wiederholten Vorstellungen des Brandenburgers,
eineMilderung der Verfolgungen herbeizuführen. Hatte doch der
König selber in seinem Schreiben an den Kurfürsten die Ge-
nugtuung betont, die er „über den Gehorsam seiner Untertanen
von der angeblich reformierten Religion und ihren Eifer für
meinen Dienst" empfinde. So trug die Dazwischenkunft Fried-
rich Wilhelms einstweilen gute Früchte für die Hugenotten*.
Bald aber trat die Feindschaft der mafsgebenden Kreise Frank-
reichs gegen sie in verdeckterer und schwerer anfechtbarer
Weise auf, in den „Bekehrungen". Auch hier fand Friedrich
Wilhelm Gelegenheit, zu Gunsten der ihrem Glauben treu ge-
bliebenen Angehörigen katholisch gewordener Familienhftupter
bei dem Könige vorstellig zu werden'.
Schon suchten Hugenotten sich dem Übelwollen und dem
Zwange, denen sie in der Heimat ausgesetzt waren, durch Aus-
wanderung zu entziehen. Die ersten frfinzösischen Gemeinden
in der Kurmark bildeten sich um das Jahr 1670 aus diesen
„Flüchtigen", R6fugi6s: so in Alt-Landsberg, nicht weit von
Berlin, und 1672 in der Residenz selbst, wohin seit dem vorher-
gehenden Jahre erst sieben oder acht Familien aus Alt-Lands-
berg gezogen waren, sich dann etwa hundert Seelen zusammen-
gefunden hatten, und wo sie nunmehr eine Kirche eingeräumt
erhielten und sich einen Prediger, Fornerod, wählen durften.
* Der betr. Briefwechsel findet sich in dem Bulletin de la Sociäte
de rhist du Prot»* fran9ais, Bd. ^171 (Paris 1864», S. 147 ff. Die Ant-
wort Ludwigs ist vom 10. Sept. datiert. Die mehrfach gedruckte ab-
weichende Form dieser Antwort (vgl. U. u. A., IX, 418) ist offenbar eine
Zusammenziehung des echten Briefes und überdies falsch datiert (vom
6, Sept.). — Über den Erfolg: Luise Henriette an Schwerin, 3J13. Dez.
1666; Orlich, Preufs. Staat, lU, 472.
« ü. u. A., II, 505 f.
Achtonddreiliaigstes Ejipitel. Die Religionsbekenntnisse. 149
Der Friede von Nymwegen brachte dann die gewaltsamen
Verfolgungen. Friedrich Wilhelm empfand darüber bitteren
Schmerz, und die Bedrängnis der Hugenotten beschäftigte ihn
fortwährend, selbst während seines Badeaufenthaltes in Pyrmont;
allein, da er durch die Erfordernisse der Politik auf die Bundes-
freundschaft Ludwigs XIV. angewiesen war, und da es sich bei
diesem offenbar um ein reiflich erwogenes und festes System
handelte, vermochte er nicht, solches durch allgemeine Mafs-
regeln zu bekämpfen. Er begnügte sich damit , durch seinen
Gesandten in Paris, Ezechiel von Spanheim, sich genau über
jene traurigen Vorgänge unterrichten und ihn für einzelne der
Verfolgten durch Geldunterstützung oder Verwendung bei den
Pariser Machthabem eintreten zu lassen; auch besorgte ihnen
der Diplomat, wenn sie nach Brandenburg auswandern wollten,
Pässe und Ausgangserlaubnis für ihre Habe. Als dann 1682
den Hugenotten die Auswanderung gänzlich verboten ward, half
ihnen Spanheim bei der heimlichen Emigration und nahm ihre
Habseligkeiten in Aufbewahrung ^ Übrigens mufs hervorgehoben
werden, dafs Ludwig XIV. von 1681 an solchen protestantischen
Offizieren, die in den Dienst seines Verbündeten, des Kurfürsten
von Brandenburg, zu treten begehrten, die Erlaubnis hierzu
bereitwillig erteilte. Das hörte erst mit dem Beginne des
Jahres 1684 auf, als die Beziehungen des Königs zu Friedrich
Wilhelm sich trübten*.
Um seinen französischen Glaubensgenossen einen offiziellen
und für alle Welt deutlichen Beweis seines Mitgefühls zu geben,
räumte ihnen der Kurfürst 1682 für ihren Gottesdienst die
geräumige Kapelle seines Berliner Schlosses ein, wo er und sein
Hof oft ihrem Kultus beiwohnten •.
Die Aufhebung des Ediktes von Nantes rief unter allen
Evangelischen Europas einen Sturm der Entrüstung hervor.
Wie sollte das fromme und gütige Herz Friedrich Wilhelms sich
der Trauer und dem Zorn über die grausame Unterdrückung
seiner Glaubensgenossen entziehen? War er doch damals schon
* Ms. Korrespondenz Spanheims mit d. Kurf.; Berlin, Geh. Staats-
archiv. — Bourgeois, Ezechiel Spanheim (Paris 1900), S. 390. — Ms.
Depeschen R^benacs vom Juli bis Okt. 1681 (Auszüge); Berlin, Geh,
Staatsarchiv, Rep. 94, IV H b, 10 a.
• G. PagÄs, Los röfugiSs k Berlin, S. 116—122.
' Erman u. Beclam, IV, 19.
150 Sechstes Buch.
entschlossen, sich von Frankreich abzuwenden, womöglich einen
allgemeinen Bund der evangelischen Mächte zum Schutze der
Religion ins Leben zu rufen. Schlag auf Schlag erfolgte seine
Antwort auf jene verderbliche Mafsregel; sie bestand in dem
berühmten Potsdamer Edikt vom 29. Oktober (8. November) 1685^.
Indem es „die Verfolgungen und strengen Marsregeln** beklagt,
„die man seit einiger Zeit in Frankreich gegen die Bekenner
der reformierten Religion ausübt", eröflfnet es „aus gerechtem
Mitleid mit denjenigen, die wegen des Evangeliums Unglück
erdulden'', also den üüchtigen Hugenotten, eine Reihe Yon Zu-
fluchtsstätten in den brandenburgischen Landen. So in der Kur-
mark — aufser Berlin und Alt-Landsberg — Stendal, Werben,
Rathenow, Brandenburg, Frankfurt; im Magdeburgischen Magde-
burg, Halle, Kalbe; in Preufsen Königsberg. In allen diesen Städten
fanden die R^fugi^s schon Glaubensgenossen vor, bereit, ihnen
Aufnahme und Unterstützung zn gewähren. Den Einwanderern
wird Zellfreiheit, Entlastung von Abgaben und Einquartierung
auf sechs, von Grundsteuern auf zehn Jahre zugestanden. Die
städtischen Obrigkeiten sollen sie in Häuser unterbringen, für
die der Staat auf vier Jahre die Mietszahlung übernimmt. Sie
sind sofort mit dem Bürgerrechte auszustatten und erhalten
freien Eintritt in die Zünfte, wenn sie solchen begehren; sonst
sind sie den städtischen Obrigkeiten nicht unterworfen und dürfen
eigene gewerbliche Innungen unter landesherrlicher Oberaufsicht
bilden. Den Industriellen unter ihnen wird Beihilfe zur Gründung
von Fabriken, den Landleuten ein Ackergut, den Edelleuten
Eintritt in den Hof- und Staatsdienst verheifsen. Eigene Ge-
richtsbarkeit nach den heimischen Gesetzen, Gottesdienst nach
französischen Bräuchen, mit französischen Predigern und in
französischer Sprache, wird ihnen in Aussicht gestellt. Ja, mit
dem ihm eigenen praktischen Sinn ging der Kurfürst sofort an
die Organisation der Einwanderung. Die brandenburgischen
Diplomaten in den Niederlanden, in Hamburg und aili Rhein
wurden mit der Beförderung der Flüchtlinge in die branden-
burgischen Staaten beauftragt und mit den dazu erforderlichen
Mitteln ausgestattet. Die Einwanderung sollte auf zwei Wegen
i^eschehen : von den nordfranzösischen Provinzen über Amsterdam
und Hamburg, von den südfranzösischen über Frankfurt am Main.
» Mylius, VI, Anhang S. 43ff,
Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 151
Um die Bedeutung des Potsdamer Ediktes zu würdigen, darf
man nicht vergessen, dafs den Hugenotten die Auswauderung
aus Frankreich bei schweren Strafen untersagt war. Es enthält
also eine offene Aufforderung zum Ungehorsam an die französischen
Untertanen reformierten Glaubens, einen kühnen Protest gegen die
gesamte religiöse Politik Ludwigs XIV. So fafste dieser es in der
Tat auf. Unmittelbar nachdem das Edikt in Paris bekannt
worden war, beklagte sich der französische Minister des Äufseren,
Golbert-Croissy, bei Spanheim über jene Bekanntmachung, durch
die die Untertanen Sr. Majestät zum gesetzwidrigen Auswandern
ermutigt würden. Während der König sich nicht in die An-
gelegenheiten der katholischen Untertanen des Kurfürsten mische,
werfe dieser sich zum Beschützer der reformierten Untertanen
des Allerchristlichsten Königs auf. Letzterer betrachte solches
Auftreten als Ausfiufs feindseliger Gesinnung von Seiten Branden-
burgs. Spanheim erwiderte, etwas gezwungen, die von seinem
Herrn eingeladenen Hugenotten hätten bereits die Lande des
EöDigs verlassen, seien also nicht erst zum Ungehorsam gegen
dessen Befehle aufgefordert worden. — Als ob das Potsdamer
Edikt nicht in fünfhundert Exemplaren nach Frankreich geschickt
und dort verbreitet, als ob es nicht gleichfalls in Holland gedruckt
und der weitesten Öffentlichkeit übergeben worden wäre! —
Wahrheitsgemäfser war die zweite Entgegnung des Gesandten:
Der Kurfürst sei zum Erlafs des Ediktes grofsenteils durch die
Sorge für den Wohlstand seines Landes veranlafst worden, um
diesem den Segen so vieler fleifsiger und geschickter Kolo-
nisten zuzuwenden. In gleichem Sinne instruierte Friedrich
Wilhelm selber seinen Vertreter in Paris ^.
Er liefs sich durch die Mifsstimmung des Gewaltherrschers
an der Seine keineswegs einschüchtern ; jeder weiteren Beschwerde,
so wies er Spanheim an, solle dieser entgegnen, sein Herr fasse
solche Klagen dahin auf, als suche Frankreich Vorwände, sich
den Verpflichtungen zu entziehen, die ihm zu Brandenburgs
Gunsten aus den eingegangenen Verträgen oblägen. Wirklich
verweigerte es ihm die fernere Auszahlung der vertragsmäfsigen
^ Ifs. Depeschen Spanheims vom 27. Nov./ 7. Dez. u. 4./14. Dez.
16S5; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XI, 24 B. — Ms. Dep. Diests, Haag,
17.^. Nov. 1685; das. Bep. XXXIV, 221z, — Auch das Folgende nach
den Akten des Geh. Staatsarchivs. — Vgl. Pagös, a. a. O., S. 126 ff.
152 Sechstes Buch.
Hilfsgelder unter der Angabe, sie würden vom Kurfürsten nur
zur Unterstützung der desertierten französischen Untertanen
verwendet (Mai 1680). Friedrich Wilhelm scheute sich nicht,
dennoch dem mächtigen Widersacher zu trotzen, so weit die
eigenen Krftfte reichten. Er liefs zum Gedächtnis an die Auf-
nahme der wegen ihres Glaubens Verfolgten in seine Staaten
eine Münze schlagen, auf deren Avers man einen Adler sah,
der gegen die Zomesblitze des grofsen Donnergottes an der
Seine kühn heraufilog, mit der Inschrift: non terreor illis —
„sie können mich nicht erschrecken ^* Er beauftragte Spanheim,
sich in Frankreich selbst der bedrängten Hugenotten möglichst
anzunehmen, und sandte ihm zu deren Unterstützung 2000 Reichs-
taler (27000 Mark heutigen Geldwertes) ein. Er schickte ihm
einen reformierten Gesandtschaftsprediger und suchte die Er-
laubnis nach, dafs auch Franzosen dessen Gottesdienst beiwohnen
dürften. Der Diplomat entwickelte eine ebenso eifrige wie mut-
volle Tätigkeit zu Gunsten der Unglücklichen: er rettete eine
grofse Anzahl Hugenotten über die Grenze, nahm ihre Gelder
und Habseligkeiten in Verwahrung und stellte sie ihnen recht-
zeitig wieder zu. Dabei half ihm der auch mit dem Titel eines
brandenburgischen Residenten geschmückte Agent der Hanse-
städte, Johann Beeck, der aber längst als französischer Untertan
naturalisiert war. So mufste Beeck zur Strafe seiner gesetz-
widrigen Handlungen in die Bastille wandern. Das Einschreiten
Spanheims erwirkte seine Befreiung; zugleich wurde er des
Landes verwiesen, — was er im Grunde dringend gewünscht
hatte.
Kein anderer Fürst wagte so direkt zur Verteidigung der
verfolgten Evangelischen dem mächtigen Monarchen Frankreichs
entgegen zu treten, wie der Beherrscher des immerhin schwachen
Brandenburg. Er suchte auch im Auslande nach allen Seiten
hin den Opfern von Ludwigs XIV. Tyrannei eine Zufluchtsstätte
zu bereiten; selbst von dem Moskauer Zaren erlangte er ein
Edikt, das ihnen Aufnahme gewährte. Fre 'lieh, die lutherischen
Städte Hamburg und Frankfurt a. Main waren allzu fanatisch,
um, dem Wunsche des Kurfürsten gemäfs, den französischen
„Kalvinern" öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes zu gestatten.
^ Ms. Job. Magirus, Breviarium historiae metallioae Frid. Wilh.
Magni Electoris Brandenburgici (Geh. Staatsarchiv, Berlin)^ nr. 108.
Achtunddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 153
Umsomehr war er darauf bedacht, im eigenen Staate das Schick-
Bai der UnglQcklichen zu mildern. Aufser der beträchtlichen
UoterstOtzung , die er ihnen aus Staatsmitteln zukommen liefs,
veranstaltete er, wie bei anderen evangelischen Reichsständen,
auch bei seinen eigenen Untertanen Sammlungen, zum Teil aller-
dings Zwangskollekten, die namhafte Ergebnisse brachten. Die
katholischen Untertanen mufsten gleichfalls beisteuern. Aus
dem Brandenburgischen, Magdeburg, Hinterpommem und Preufsen
kamen in den ersten Monaten bereits 13981 Rtlr. (gleich etwa
182000 Mark nach heutigem Geldwerte) ein. Er unterhielt in
Berlin allein mehr als tausend Flüchtlinge und errichtete dort
für sie ein Hospital. Er stiftete an der Universität Frankfurt
a. d. Oder zwölf Stipendien von je 50 Reichstalem jährlich (650
Mark nach heutigem Geldwerte) für französische Studierende.
UDennQdlich war er mit seiner eigenen Person und durch seine
befähigtesten Räte sowie mit seinen ihm so karg zugemessenen Geld-
mitteln für die R6fugi6s t&tig. „Wir haben," rief der Prediger
Ancillon aus, „hier mehr Trost und mehr Gaben und Güter erhalten,
als man uns hatte hoffen lassen." Die herzliche, teilnehmende
Art, mit der er die Flüchtlinge aufnahm, oft auch persönlich
empfing, diente dazu, tausende in sein armes verwüstetes Land
ni ziehen. Die Ordnung aller die neuen Einwanderer betreffen-
den Angelegenheiten wurde, mit dem Titel eines Generalinten-
danten, dem Generalkriegskommissar Joachim Ernst von Grumbko w
anvertraut, dem Graf Beauvau d'Espence, des Kurfürsten früherer
Trabantenoberst, selber ein Hugenotte, beigesellt ward. Man
suchte jedem der Ankömmlinge nach seinen Fähigkeiten lohnende
Beschäftigung oder Stellung zu verschaffen^.
Die Wirksamkeit, die die Röfugiös in Brandenburg ent-
falteten, die wichtigen Anregungen, die sie ihm gebracht haben,
sind schon in anderem Zusammenhange geschildert worden.
Hier sei nur noch hervorgehoben, wie die 20000 französischen
Einwanderer das reformierte Element verstärkten, nicht nur
<lurch ihre Zahl, sondern vorzüglich durch das Gewicht ihrer
höheren Kultur und Bildung. Auch die hugenottischen Prediger
— man denke nur an einen Abbadie und Ancillon — waren
1 Er man u. Reclam, M^moires pour servir k Phiat. des Rdfugi^s
(Berlin 1782 ö.), I, 144 ff. 261. 3131, HI, 375, VH, 8. — H. Tollin, Gesch.
der franzOs. Kolonie von Magdeburg, I (Halle 1886), 279 ff.
154 Sechstes Buch.
Männer von viel feinerer und universellerer Bildung als ihre
ausschlierslich fachmännisch unterrichteten, pedantischen und
plumpen Amtsbrüder in der Kurmark und Preufsen. Die R6fugi6s
hatten allzu empfindlich am eigenen Leibe die Bitterkeit der
Religionsverfolgung gespttrt, sie fühlten sich in der neuen, vor-
wiegend lutherischen Heimat noch immer zu sehr als blofs
Geduldete, um nicht lebhafte Verteidiger der Toleranz zu werden
und zu bleiben. Sie haben aufserordentlich dazu beigetragen,
den Geist der Glaubensfreiheit in den brandenburgischen Staaten
zu verbreiten. Sie wurden namentlich eifrige Verfechter der
Union, der engen Verbindung zwischen den beiden evangelischen
Bekenntnissen ^
Friedrich Wilhelm aber war ein so ehrlicher und folge-
richtiger Anhänger absoluter Gewissensfreiheit, dafs er sogar
Glaubensrichtungen achtete und schätzte, die sonst in damaliger
Zeit von allen Evangelischen ebenso gut wie von den Katholiken
als „Ketzereien^ bezeichnet, mit Landesverweisung, lebensläng-
lichem Kerker, ja Feuertod bestraft wurden. Das waren die
Gemeinschaften der Mennoniten, die man, weil sie die Kinder-
taufe verwarfen, fälschlich den alten schwarmgeistigen Wieder-
täufern gleichgestellt, und der Sozinianer, der Anhänger der von
der Sieneser Familie Sozzini begründeten, dann nach Polen über-
gesiedelten Sekte der Antitrinitarier , die wegen ihrer Ver-
werfung der kirchlichen Dreieinigkeitslehre als Arianer bezeichnet
und verfolgt wurden. Beide Sekten waren bei Todesstrafe aus
Polen vertrieben und hatten zum Teil im herzoglichen Preufsen
eine Zuflucht gesucht. Aber hier trafen sie auf die harte
Unduldsamkeit der preufsischen Stände, die unaufhörlich ihre
Ausweisung von dem Kurfürsten forderten, indem sie sich auf
entsprechende Verordnungen seiner Vorgänger beriefen und sonst
„Gottes Strafe" für das Land, das derartige Verbrecher berge,
in Aussicht stellten^. Allein, die Herren mufsten erleben, dafs
der Kurfürst die armen friedlichen Menschen unbehelligt liefs.
Sie erwarben sogar Grundbesitz in Preufsen und erhielten öffent-
liche Stellungen; ja, kurfürstliche Beamte scheuten sich nicht,
den Sozinianern beizutreten. Endlich — 1669 — nötigten die
« Tollin, I, 646 ff.
^ Über diesen Piuikt sehe man die Dokumente in ü. u. A., Bd. XYI.—
Femer: M. Beheim-Schwarzbach, Kolonisationen, S. 86 f.
Achtunddreifisigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntiusse. 155
SüLode den Landesherrn, den „Arianem'' die öfifentliche Religions-
QbuDg zu untersagen, auch fQr die Zukunft deren völlige Ab-
schaffung zu verheifsen. Letzteres blieb indes — wie so viele
andere Versprechungen Friedrich Wilhelms an die Stände —
leerer Buchstabe. Vergeblich drangen sie immer wieder darauf,
die Zusage von 1669 auszuführen und „den Arianem mit Nach-
druck Feuer, Herd und Hausung allhier im Lande zu verbieten''.
Die Sozinianer reichten dagegen dem Herrscher eine Bittschrift
ein, in der sie auf die Ungefährlichkeit ihrer Gemeinschaft hin-
wiesen und auf die Vermeidung jeder propagandistischen Tätig-
keit ihrerseits. Der Appell an die Gewissensfreiheit, den sie
dabei an Friedrich Wilhelm richteten, verhallte nicht ungehört.
„Hierbei", schrieb er am 14. Mai 1673 an den älteren Schwerin,
„schicke ich Euch eine Supplik von den vertriebenen Arianem,
so sich nach Preufsen retiriret haben. Ich befinde Unrecht zu
sein, dafs man die Leute, wenn sie sich still verhalten, das nicht
gönnen will. Man soll suchen, sie mit Glimpf zurecht zu bringen
und nicht auf solche Art" *, (nämlich durch Verfolgung). Dem-
gemäfs vertröstete er die Staude, bis er bei seiner Anwesenheit
in Preufsen im Februar 1679 unumwunden erklärte: „Die
Arianer können wohl geduldet werden, wenn sie sich nur in
ihren Grenzen halten." Es war das derselbe Standpunkt, den
er, der gleichen Unduldsamkeit der Stände gegenüber, in der
Kurmark behauptet hatte '. £r wies dort den Sozinianem das
Amt Neuendorf bei Frankfurt a. d. Oder zur Niederlassung an®.
Und es blieb so. Sozinianer und Mennoniten durften sich
«mehr und mehr einwurzeln" , wenn sie nur ihren Gottesdienst
nicht in öffentlicher, auffallender Weise betrieben. Ihre Haupt-
sitze in Preufsen wurden Rutau und Andreaswalde; an beiden
Orten hatten sie ihre Prediger, an dem letztgenannten auch eine
eigene Schule. Ein nicht geringer Ruhm Friedrich Wilhelms,
diese Schuldlosen, die doch überall als vogelfrei behandelt wurden,
in seinen Staaten geduldet, ja kräftig beschützt zu haben. Er
nnd die späteren HohenzoUern Friedrich der Grofse und Fried-
rich IIL sind leuchtende Vorbilder auf dem Gebiete der Denk-
nnd Gewissensfreiheit.
> Orlich, Friedr, Wilh., S. 265 und Beilagen S. 11.
* S. Teü I, S. 423 f.
» Hering, H, 86 ff.
156 Sechstes Buch.
Friedrich Wilhelm erwies noch deutlicher seine vorurteils-
lose und hochherzige Gesinnung, indem er den allseits gehaHsten
und verachteten Juden den Eintritt in seine Staaten gewahrte.
Er sah in ihnen Menschen, die durch Betriebsamkeit und
Intelligenz seinen verarmten und entvölkerten Provinzen Nutzen
bringen könnten, und deshalb suchte er sie in gewisser Anzahl
nach Brandenburg-Preufsen zu ziehen. In den meisten Landen
ist das gelungen. Wie in Minden, so erteilte er auch in Ravens-
berg und der Stadt Bielefeld mehreren jüdischen Familien
„Begleit-**, d. h. Schutzbriefe, gegen einen jährlichen Zins von
je zehn Talern. Auch hier machte sich die, durch die Furcht
vor Konkurrenz verstärkte, Unduldsamkeit geltend. Die christ-
lichen Kaufleute in Bielefeld remonstrierten, da die Juden
angeblich ihre Nahrung bedrohten. Allein der Kurfürst ver-
schlofe so eigennützigen Vorstellungen sein Ohr^ In Halber-
stadt vergröfserte er durch neue Schutzbriefe die Mitgliederzahl
der dort von ihm begründeten jüdischen Gemeinde, die am Ende
seiner Begierung schon an 500 Seelen umfafste — für jene Zeit
eine stattliche Menge.
Er kämpfte in Preufsen gegen die Unduldsamkeit der Stände
ebenso schwer für die Juden, wie für die Sozinianer und Mennoniten ;
allerdings hatten die Stände das formale Recht hier auf ihrer Seite,
da die Juden 1567 aus dem herzoglichen Preufsen verbannt
worden waren. Aber in der Verfassungsurkunde, die Friedrich
Wilhelm 1661 den Ständen erteilt hatte, hiefs es in Betreff der
Arianer, Mennoniten und Juden: „Wir wollen Keines Gewissen
konstringieret haben.*' Dieser hochherzigen Erklärung der
Gewissensfreiheit stellten die Stände in ihrer Eingabe vom
27. März 1662 die Erklärung des Gewissenszwanges entgegen:
„Wo es den Verstand hat, dafs dieselben Leute eben wohl als
andere im Lande gelitten und berechtiget sein sollen, so würde
solches eine höchst schädliche Libertät aller und jeder Ketzereien
nach sich ziehen in dem Lande, da die höchst löbliche Herrschaft
und die Stände jederzeit mit so grofser Sorgfalt dahin getrachtet,
dafs die lutherische Religion, exclusis omnibus aliis, rein
und lauter bis ans Ende der Welt allein beibehalten werden
möchte. Solcher Gewissensfreiheit sind die Landesverfassungen
^ Spannagel, Minden u. Ravensberg unter brandenb.-preuls. Herr-
schaft 1648—1719, S. 215.
Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Beligionsbekexmtniase. 157
ausdrücklich zuwider. Daruinb gebühret christlicher Obrigkeit,
solche Gotteslästerer von sich zu thun". Da der Kurfürst es
vorzog, auf diese unziemlich gehaltene Beschwerde der Stände
garnicht zu antworten, erneuten sie solche unaufhörlich, erhielten
aber nur leere Vertröstungen. Es ist für den Standpunkt der
Herren und zumal der preufsischeu Städte sehr bezeichnend,
dafs sie sich zugleich darüber beklagten (1663): „es wären viele
Schotten eingeschlichen, dafs sie ganze Häuser inne hätten und
bes&fsen". Auch sonst wird die Vertreibung der Schotten und
Oberhaupt der Ausländer in einem Atem mit der der Juden
gefordert. Also der hauptsächliche Beweggrund der Städte in
ihren Klagen gegen Ketzer und Juden war der niedrige Brot-
neid, die Furcht vor Konkurrenz. Friedrich Wilhelm kümmerte
sich auch um diese Vorstellungen keineswegs, sondern gestattete
einzelnen Juden die Niederlassung, ja den Ankauf von Grund-
besitz im Hirzogtume. In Memel nahm auf Grund landesherr-
licher Privilegien Wohnsitz Moses Jacobson, der dort schwung-
haften Handel betrieb und eine Anzahl seiner Glaubensgenossen
nach sich zog. Es entsprach so recht den Absichten des Kur-
für^ten, wenn die „unglücklichen gotteslästerlichen" Juden, wie
die Stände sie 1670 zu nennen beliebten, die Jahrmärkte des
Herzogtums belebten und dort einen umfassenden Verkehr
begründeten. Er gestand allerdings 1671 den Ständen zu, die
Juden wie die Arianer sollten des Landes verwiesen werden,
umgab aber diese grundsätzliche Zusage mit so zahlreichen
Beschränkungen und Ausnahmen, dafs sie keinen tatsächlichen
Wert besafs. Darauf führten die Stände ihr schwerstes Geschütz
auf: die Juden fangen Christenkinder und tauschen dafür die
ihrigen von den Türken ein. Eine schwächere Auflage der
ßitualmordbeschuldigung, von der die damaligen preufsischen
Judenfeinde noch keine Kenntnis gehabt zu haben scheinen. Sie
ersparten sich selbstverständlich jede Art des Beweises einer so
schweren und unglaubhaften Anschuldigung. Friedrich Wilhelm
antwortete auf diese Verleumdung, indem er das Privileg des
Jacobson erneuerte und verlängerte, auch andere Juden ungestört
in Preufsen verkehren liefs. Allmählich schwächten sich die
gegen sie gerichteten Beschwerden ab. Der Kurfürst hatte in
Preufsen auch auf dem Gebiete der Gewissensfreiheit endlich
den Sieg davongetragen*.
' U. n. A. XVr, passim.
158 Sechstes Buch.
Die wichtigste und folgenreichste Handlung Friedrich Wil-
helms zu Gunsten der Juden fand aber in dem Herzen seiner
Staaten, in der Kurmark, statt. Auch hier hatte er, gegen den
Widerstand der Ritterschaft, einzelne Juden zugelassen, ja, trotz
des Landesrezesses von 1653, stillschweigend gestattet, dafs sie
sich in der Neumark fest ansiedelten, Bethäuser begründeten
und einen Rabbiner annahmen. Als die Stände sich 1670 darüber
beschwerten, stellte der Kurfürst kühnlich die Existenz von
Synagogen in Abrede, fügte aber hinzu: „dafs sie an gewissen
Orten auf ein gewisses Mafs geduldet werden sollen, weil
dies bei jetzt entblöfstem Zustande des Landes nicht für undien-
lich erachtet und von einigen Einwohnern selbst erbeten worden
ist*" ^ Man sieht, es war das Interesse der inneren Kolonisation,
das den Herrscher hier leitete.
Unmittelbar nach diesen Vorgängen erfolgte der Hauptr
schlag: fünfzig der angesehensten Familien unter den damals
aus Österreich vertriebenen Juden erhielten durch Edikt vom
21./31. Mai 1671 * die Erlaubnis, sich in der Kurmark und Crossen
niederzulassen. Das Edikt zeugt wieder von grofser Freiheit
der Anschauung. Die Juden dürfen Häuser kaufen oder mieten ;
sie können jede Art Gewerbe oder Handel betreiben, und wenn
ihnen dafür der Wucher untersagt wird, so geschieht das nur
in ihrem eigenen Interesse. Sie brauchen nicht, wie in den
anderen Staaten, an den Stadttoren Zoll zu zahlen, wie das Vieh;
sie haben nur — und dafür sind sie mancher anderen Last ent-
hoben — ein jährliches Schutzgeld von acht Talern und bei
Verheiratungen einen Goldgulden zu entrichten. In Zivilsachen
unterstehen sie der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit, in Kriminal-
sachen aber, damit sie nicht unter der Abneigung der bürger-
lichen Obrigkeiten leiden, dem kurfürstlichen Kammergericht —
ebenso wie die bevorrechteten Stände. Die Behörden werden,
bei fünfzig Goldgulden und noch höherer Strafe, angewiesen,
ihnen Recht und Schutz angedeihen zu lassen. Wenn sie sich
auch keine Synagogen erbauen dürfen, so wird ihnen doch
gestattet, den Gottesdienst in einem Privathause zu üben und
die nötigen Kultusbeamten anzustellen.
» Orlich» Preufs. Staat, n, 479.
« Mylius, V, V 121 ff. — Vgl. über das Folgende: L. Geiger,
Gesch. der Juden in Berlin, I (Berlin 1871X S. 8ff.; Landwehr, S. 374ff.;
U. u. A., X, 610 ff.
Achtunddreilsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnifise. 159
Alle österreichischen Judenfamilien liefsen sich in Berlin
nieder, organisierten dort ihre Gemeinde und fanden bald neuen
Zuwachs, da der Kurfürst auch anderweiten Familien Geleitbriefe
gewährte.
Er blieb der einzige Schutz auch dieser religiösen Minder-
heit Die Stände, die Innungen und Kaufleute der kurmärki-
schen St&dte, ja selbst die Geheimen Räte, forderten die Be-
seitigung der Juden, die angeblich der christlichen Bevölkerung
mannigfachen Schaden zufügten. Allein, Friedrich Wilhelm liefs
sich in seinen gerechten und nützlichen Absichten nicht beirren.
Er versicherte immer wieder die Juden seines Schutzes, befahl
dem Kammergericht auf das strengste, die Privilegien der Juden
aufrechtzuerhalten, erlaubte diesen, gegen den Rat der Stadt
Frankfurt a. d. Oder, der sie benachteiligt hatte, gerichtliche
Klage zu führen. Aus eigener Tasche unterstützte er zwei
jüdische Jünglinge, die an der Universität Frankfurt a. d. Oder
Philosophie und Medizin zu studieren wünschten. Als die Stände
wiederum klagten, .dafs die Juden den christlichen getreuen
Untertanen das Brot vor dem Munde wegnähmen", und „wegen
ihrer bekannten Lästerungen unseres Erlösers Jesu*' — da ant-
wortete der Kurfürst ihnen mit einer wahren Ehrenerklärung
für die Angegriffenen. „Es wäre bekannt'', sagte er 1679, „dafs
die Übervorteilung im Handel nicht weniger von den Christen
als den Juden, ja mit fast mehr Impunität geschehe und
fortgesetzt werde''. Und 1683: „Es ist nicht vorgekommen,
dafs die Juden jemals den Namen Jesu Christi entheiligt haben,
sondern vielmehr sich den ihnen vorgeschriebenen Gesetzen
gemäfs gezeiget''.
Das also ist altpreufsische Überlieferung, das Überlieferung
im Hause HohenzoUem!
Nur insofern hat der Kurfürst dem Drängen der Stände
nachgegeben, als er den jüdischen Gemeinden eine gewisse
Solidarität zur Vergütung des von einem ihrer Glaubensgenossen
einem Christen etwa zugefügten Schadens auferlegte. Allein
das war nebensächlich und berührte das Wesen der Auffassung
und des Verhaltens nicht.
Es durfte mit Recht ein jüdischer Buchhändler, Josef Athias
in Amsterdam, seine deutsche Übertragung des Alten Testaments
dem Kurfürsten von Brandenburg mit den Worten der Vorrede
widmen: „Ich wage es ofifen auszusprechen, dafs unser Volk
160 Seohsies Buch.
seit dem Zeitpunkte, da der allmächtige Gott es unter die
Nationen zerstreut hat, nirgends auf Erden gröfsere Wohltaten,
einen besseren Zufluchtsort, einen fröhlicheren Frieden gefunden
hat, als unter dem Schatten Deiner Hoheit". —
So bestimmt Friedrich Wilhelm das Recht jeder Religions-
geno&senschaft anerkannte, sich nach ihrem eigenen Denken und
Empfinden zu entwickeln, ebenso unzweideutig forderte er, dafs
sie sich in allen ftufseren Beziehungen der Souveränität des
Staates unterwürfen, der über sie alle die Aufsicht zu führen
habe. Dieser Grundsatz fand seinen Ausdruck in dem landes-
herrlichen Ansprüche auf den Summepiskopat, auf die Rechte
eines obersten Bischofs, und zwar gegenüber den Reformierten
und Lutheranern ebenso wie den Katholiken. Ein Jurist, Lucius
von Rahden, wurde 1665 zum Präsidenten des kurmärkischen
Konsistoriums bestellt, aber mit Befugnissen, die ihn zum Minister
der geistlichen Angelegenheiten für den ganzen Staat erhoben.
In den Provinzen erhielten die Statthalter, die weltlichen Ver-
treter des Kurfürsten, die Aufsicht über die Kirchenverwaltung
und den Vorsitz in den Konsistorien. Sie wurden angewiesen,
die landesherrlichen Hoheitsrechte über die verschiedenen kirch-
lichen Gemeinschaften sorgsam zu wahren ^ In dem ehemaligen
Bistume, nunmehrigen Fürstentume Halberstadt, wurde das Dom-
kapitel jeder weltlichen Gewalt beraubt, mit Ausnahme der ihm
auch nur zeitweise belassenen Rechtsprechung in erster Instanz, von
der man stets an das landesherrliche Gericht Berufung einlegen
konnte ; es wurde in aller Weise der Aufsicht der kurfürstlichen
Beamten unterworfen. Der Kurfürst verfuhr ähnlich in dem
ehemaligen Erzstifte, jetzt Herzogtume Magdeburg. Auch hier
beschränkte er die Rechte des Domkapitels, indem er die Prüfung
und Berufung der Geistlichen dem von ihm selbst eingesetzten
Konsistorium übertrug und sich die Bestätigung vorbehielt. Es
hatte dies um so gröfsere Bedeutung, als er den Predigern vorschrieb,
sich in ihrer Lehre nur auf den lutherischen Katechismus, nicht
aber auf die, dem reformierten Bekenntnisse feindliche Bergische
Konkordienformel zu stützen. Den Widerstand der Magde-
burger Geistlichkeit gegen diese Milderung der Konfessionalität
wufste er zu brechen, wie er denn eine deutsche und eine fran-
1 Das Folgende nach: Landwehr, 219f. 279ff.; Orlich, PreuDs.
Staats, I, 497 ff., IH, 76. 80.
Achtanddreüsigstes Kapitel. Die Breligionsbekenntnisse. IQl
zösische reformierte Gemeinde in der bisher ausschliefslich
lutherischen Stadt Magdeburg, eine französisch reformierte
in Halle begründete.
Eine politische Tätigkeit seitens der Geistlichen urar der
Kurfürst entschlossen nicht zu gestatten. „Was die Geistlichen
anlanget/ verordnete er am 27. JuIi/6. August 1661, „so seindt
Wir gar nicht gemeinet zu dulden, dafs sie sich in Landsachen
mengen und Unsere Regierung Uns schwer machen. Wir haben
deswegen an die Oberrilte geschrieben, damit ihnen, denen
Geistlichen, ihr unzeitiger Vorwitz nicht allein verwiesen, sondern
ihnen auch hinftlro dergleichen anzufangen benommen und unter-
saget werde.** Statthalter und Oberräte in Preufsen wurden
angewiesen, dafür zu sorgen, „dafs nicht der Klerus in Land-
und politischen Sachen etwas zu sprechen'' habe.
Friedrich Wilhelm hat in religionspolitischer Beziehung genau
durchdachte und festbestimmte Grundsätze verfolgt, wie kaum
auf einem anderen Gebiete des Staatslebens, abgesehen von der
Heeresverfassung. Es sind die Prinzipien des modernen Staates,
die er hier, fast einzig in seiner Zeit, als Vorläufer einer
neuen Epoche verwirklicht hat. Nicht immer hat der preufsische
Staat an ihnen festgehalten, aber er ist nur zu seinem eigenen
Schaden von ihnen abgewichen. Es ist nichts Geringes, dafs
schon vor zwei und einem halben Jahrhundert der Grofse Kur-
f&rst sie erkannte und durchführte.
Pbilippaon, Der Orofse Kurfttrst . III. 11
Neununddreifsigstes Kapitel.
Geist und Sitte.
Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts ist für Deutschland
die Zeit der Pedanterie, einer geschmacklosen Steifheit und
Beschränktheit, die uns deren schriftstellerische Erzeugnisse
mit geringen Ausnahmen ungeniefsbar machen, wie sie die Mehr-
zahl der damals wirkenden Persönlichkeiten mit dem Nebel
feierlicher Langeweile umgeben. Von dieser hölzernen, überall
durch Vorurteile und Überlieferung eingeschränkten Welt hebt
sich um so glänzender der freie, unbefangene, allerorten nach
dem Wahren und Nützlichen forschende Geist des Brandenburger
Friedrich Wilhelm ab. Wie auf religiösem, so auf wissenschaft-
lichem Gebiet war er bereit, die Berechtigung jeder Überzeugung
als etwas Selbstverständliches anzuerkennen. Er verlangte nur
ernstes und wahrheitsuchendes Denken, achtete aber dessen
Ergebnisse, wenn sie auch von seinen eigenen Anschauungen
und Empfindungen himmelweit abwichen. Sein berühmter
holländischer Leibarzt, Theodor van Craanen, war ein ofiFen-
kundiger Rationalist, ein Anhänger des Cartesius, und stand
später sogar mit dem verfehmten Spinoza in Verbindung. Wahr-
scheinlich von Craanen angeregt, ging Friedrich Wilhelm Stosch,
der Sohn des bekannten kurfürstlichen Hofpredigers und selber
in des alternden Herrn Diensten, zu den Ansichten Spinozas
über, ohne dafs weder er noch der Leibmedikus deshalb irgend
eine Anfechtung zu erfahren hatten ^
^ L. Back. Spinozas erste Einwirkungen auf Deutschland (Berlin
1895), S. 42. 47.
Neunimddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 1(53
Die Wissensbegier und Wissensfreude Friedrich Wilhelms
blieben bis zu seinem Ende die gleichen. Er liebte es, in seinen
Mursestnnden sich mit hervorragenden Gelehrten zu unterreden;
der berühmte Magdeburger Otto von Guericke durfte ihm 1671
seine Untersuchungen über den luftleeren Raum widmen; er
bemerkte in seiner Vorrede , wie grofse Aufmunterung er in
seinen naturwissenschaftlichen Studien von dem Kurfürsten er-
fahren habe. Ebenso rühmt Grävius in seiner Ausgabe des
Lacan die Anregung und Erfrischung, die ihm die 1686 mit
Friedrich Wilhelm in Kleve geführten Gespräche bereitet hatten.
Dieser Fürst war also in seinem Verkehre mit dei) Gelehrten
nicht nur der Empfangende, sondern auch der Gebende.
Es ist merkwürdig, wie weithin sich das Interesse des so
schwer arbeitenden und ringenden Fürsten von seinem armen
entlegenen Lande aus erstreckte. Der freie und weltumspannende
Geist Hollands, den er in seinen Jugendjahren eingeatmet, blieb
sein ganzes Leben hindurch in ihm mächtig. Er legte selbst für
die orientalischen Sprachen rege Teilnahme an den Tag. Den
gelehrten und geistvollen Reisenden und Orientalisteü Christian
Ronde, einen geborenen Berliner, der in den Niederlanden,
England , Schweden Universitätsprofessuren bekleidet hatte,
berief er 1672 in die Heimat zurück und erteilte ihm einen
Lehrstuhl an der Hochschule Frankfurt a. d. Oder. Ronde
empfahl sich allerdings dem Fürsten noch besonders durch seine
Bemühungen um Versöhnung der Lutheraner und Reformierten,
für deren Ausgleich er 1663 seine Discordia Concors veröffent-
licht hatte ^
Friedrich Wilhelm untei-stützte eine syrische Übertragung
des Neuen Testaments mit tausend Talern ; er schenkte wieder-r
holt silberne und goldene Becher dem Berliner Probst Müller,
der sich dem Studium von Chinas Sprache und Volkstum widmete^
und dessen Vorträgen über Geschichte, Einrichtungen und Sitten
der Chinesen er nebst seiner Gemahlin beiwohnte. Allerdings
hegte er die Hoffnung, die genaue Bekanntschaft mit Chinas
Sprache und Bedürfnissen zur Anknüpfung eines gewinnreichen
direkten Handels mit diesem Lande praktisch verwerten zu
können. Er berief deshalb auch den dorther zurückkehrenden
Franzosen Couplet nach Berlin, um hier die chinesische Sprache
' Allgemeine Deutsche Biographie.
11*
l^ Secbstes Buch.
ZU lehren; und er beauftragte den holländischen Arzt Gleyer,
in seiner Heimat chinesische Kanuskripte für die kurfürstliche
Bibliothek zu erwerben ^
Die Chemie, die der Kurfttrst von Jugend an betrieben
hatte, erfreute sich auch fernerhin seiner Teilnahme. Er stellte
sein kleines Privatlaboratorium unter die Verwaltung seines
Kammerdieners Kunckel und gab dafttr jährlich etwa tausend
Taler (13000 Mark nach heutigem Geldwerte) aus. Kunckel
besafs ein chemisches Genie: er erfand nicht allein den Rubin-
glasflufs, sondern auch, 1678, die künstliche Herstellung des
Phosphors ".
Eine besondere Vorliebe hatte Friedrich Wilhelm stets für die
Geschichte gehegt; sein Wunsch war es, die Geschicke seines
aufstrebenden Staates der Welt in würdiger und eindrucksvoller
Weise geschildert zu sehen. Er beabsichtigte dabei, seine und
seines Staates Erlebnisse auf Grund authentischen Aktenmaterials
berichten zu lassen, nicht zu leerer Verherrlichung, sondern in
wahrhaftiger Darstellung, und seine Akten mit einer Offenheit
preiszugeben, die seither von keiner Archi wer waltung der Welt
nachgeahmt worden ist. Allein man könnte nicht sagen, dafs
er hierbei mit seinen Bemühungen viel Glück gehabt. Seinen
ersten Historiographen, Joachim Hübner, hat er 1661 entlassen,
weil dieser unkirchlichen Sinn zynisch zur Schau trug und
wiederholte Warnungen in den Wind schlug*. Dann berief er
1664 den Groninger Professor Martin Schook, einen Fünfzig-
jährigen, dem er zugleich eine Honorarprofessur in Frankfurt
a. d. Oder übertrug. Schook begann, als echter niederländischer
Gelehrter, seine Arbeit mit grofsem und gründlichem Fleifs und
vermochte, trotz seiner mangelhaften Kenntnis der deutschen
Sprache, wirklich 1667 dem Kurfürsten den ersten Teil seines
Buches, der die Jahre 1620 bis 1642 umfafste, zu überreichen.
Das Manuskript, das noch heute vorhanden ist, zeigt keine Spur
von politischem und historischem Sinn. So ist es nicht zu be-
J Orlich, Friedr. Wilh., 813f.
« Dae. 317. — König, II, 193f.
• Hering, Beiträge, II, IL — Das Folgende nach E. Fischer,
Die offizielle brandenb. Geschichtschreibung zur Zeit des Grofs. Kurf.;
Zeitschr. f. preufs. Gesch. u. Landesk., XV (1878), 391 ff. — Vgl. Er man
u. Reclam, IV, 192 ff., wo sich noch manches Wichtige findet.
Neununddreüsigstes Kapitel. G-eist und Sitte. Igg
dauern, dafs Schooks Arbeit schon im Frühjahr 1668 durch seinen
vorzeitigen Tod unterbrochen wurde. Sie ward noch in dem-
selben Jahre durch den Frankfurter Geschichtsprofessor Christian
Hendreich aufgenommen, der deshalb in Berlin die Stellung
eines kurfttrstlichen Bibliothekars erhielt. Allein auch er kam
nicht ttber das Materialiensammeln und wenige Fragment,e der
Darstellung hinaus. Darauf ttbertrug Friedrich Wilhelm den Titel
und die Besoldung des Hof historiographen 1673 einem französi-
schen Abenteurer, Jean Baptiste de RocoUes, einem früheren
katholischen Domherrn und Professor an der Sorbonne, der in
Genf zu der reformierten Kirche übergetreten und von dem Ober-
präsidenten von Schwerin, der ihn in Paris gekannt hatte, dem
Kurfürsten empfohlen war. Allein die politische und finanzielle
Bedrängnis Brandenburgs infolge des Schwedeneinfalls ver-
anlafste den wankelmütigen und gewinnsüchtigen Menschen bald,
seine Entlassung zu nehmen; und als er nach dem Siege von
Fehrbellin seine Wiederanstellung erbat, schlug ihm der Kurfürst
solche mit Recht ab. Rocolles führte nunmehr ein bunt wech-
selndes Leben, verheiratete sich, trat danach zum Katholizismus
zurück und wurde wieder Domherr; als solcher ist er 1696
gestorben. Inzwischen war ein geborener Königsberger, aber
von niederländischer Abstammung, Martin van Kempen, ein
Gelehrter und Dichter von universaler Bildung, zum branden-
burgischen Hof historiographen ernannt worden. Er begann tat-
sächlich ein Geschieh tswerk ,,Der Brandenburgische Adler **,
konnte es aber mangels einer Besoldung nicht fortsetzen und
übernahm 1679 eine aufserordentliche Professur für Geschichte.
Der Kurfürst hatte es vorgezogen, mit berühmten aus-
ländischen Historikern in Verbindung zu treten, von denen er
eine allgemeinere Verbreitung seines Ruhmes erhofifte. Er ge-
währte Fremden, die ihm dazu geeignet erschienen, Pensionen
0(|er doch Geldgeschenke, auch mit grofser Liberalität Materialien
aus seinem Archive. Der bekannte historische Vielschreiber
Gregorio Leti erhielt für seine, auch in französischer Übersetzung
1687 in zwei Bänden erschienene „Ritratti historici e cronologici
della casa elettorale di Brandenburgo" 500 Taler und eine goldene
Medaille im Werte von 50 Dukaten. Das weitschweifige und
rein rhetorische Werk verdiente solche Belohnung kaum ; es ist
der gerechten Vergessenheit anheim gefallen.
Besseren Erfolg hatte Friedrich Wilhelm mit der Berufung
166 Sechstes Buch.
seines letzten Historiographen : des berühmten Samuel Pufendorf ^
Er kannte den grofsen Gelehrten seit langer Zeit : nicht nur aus
dessen nach offiziellen Stockholmer Quellen gearbeiteter Schwedi-
scher Geschichte, sowie aus seiner Handschrift „Geschichte Karls X.
Gustav ''f sondern auch aus dessen politischen, naturrechtlichen
und nationalökonomischen Schriften, deren Grundsätze er viel-
fach angenommen und nach Möglichkeit ausgeführt hat. Es ist
für Friedrich Wilhelm sehr rühmlich, dafs die wenig günstige
Beleuchtung, in der er, nach den schwedischen Akten, oft in der
„Geschichte Karl Gustavs" erschien, ihn nicht von der VokatioD
ihres Verfassers abhielt. Nach längeren, durch Fuchs geführten
Verhandlungen ernannte der Kurfürst im Juli 1686 Pufendorf
zu seinem Hofhistoriographen und eröffnete ihm das Staatsarchiv
ohne Einschränkung. Aber ungern liefsen die Schweden den
Mann, der ihre politischen Geheimnisse so genau kannte, ziehen;
nicht vor dem Januar 1688, wenige Monate vor Friedrich Wil-
helms Tode, erschien Pufendorf in Berlin, wo ihm der Kurfürst
sofort einen Geheimsekretär zur ausschliefslichen Verwendung
bei seinen Arbeiten zur Verfügung stellte. Er hat die Biographie
des Grofsen Kurfürsten unter dessen Nachfolger mit derselben
Freiheit ausarbeiten dürfen. Was er schliefslich geschafifen hat,
ist nur ein weitläufiger Auszug aus den diplomatischen Akten,
soweit ihm das Berliner Archiv solche bot; denn lediglich im
Sinne seines Brotherrn und Auftraggebers wollte er schreiben.
Die einzelnen Persönlichkeiten, sogar die des Kurfürsten, ver-
schwinden ins Nebelhafte, Unbestimmte. Von den inneren An-
gelegenheiten ist gar nicht die Rede, mit Ausnahme der Streitig-
keiten mit den Ständen, ja selbst die Kriegsereignisse werden
nur kurz angedeutet. Wir werden beständig auf einem uferlosen
Meere hin und wiedergehender Negotiationen geschaukelt.
Pufendorf erhebt sich weit über die geistlosen Notizensammler
der damaligen Zeit, sein Werk s])iegelt die ganze feierliche
Würde jener mit der Allongeperücke geschmückten Epoche
wieder; aber ein Historiker in grofsem Stile und von bleibender
Anziehungskraft ist er nicht gewesen.
* J. G. Droysen, Beiträge zur Kritik Pufendorfs (Berichte d. Kgl.
Sachs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig, 1864, S. 43 ff.). — Varrentrapp
in der Hist. Zeitschr. N. F. Bd. XXXIV (1893), P. 21 f. 26ff. — E. Gigas,
Briefe Sam. Pufendorfs an Christian Thomasius (München u. Leipzig
189.7), S. 8. 15.
Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 167
Bedeutender denn als Geschichtschreiber ist Pufeudorf als
Nationaiökonom und Politiker. Wenn er der verkommenen
deutschen Welt jener Jahre das absolute Herrschertum als das
einzig mögliche Heilmittel lehrte, so traf er damit übrigens ganz
die Meinung Friedrich Wilhelms; aber nicht minder, wenn er
das Gottesgnadentum des Fürsten, jede mystische Verherrlichung
der Monarchie verwarf und ihr die Verwirklichung des öflFent-
lichen Wohles als unbedingte Aufgabe zuwies. Der Regent soll
die politische Unabhängigkeit jeder anderen Gewalt innerhalb
des Staates aufheben, indes er soll auch unablässig für dessen
Sicherheit nach aufsen und nach innen, für ein starkes Heer,
eine gute Verwaltung, einen jedem Untertan zustehenden
Rechtsschutz sorgen. Alle Religionsbekenntnisse sollen volle
Freiheit geniefsen, jedoch innerhalb der Gesetze und der Souve-
ränität des Staates, der keinem Papste das Recht der Mitregie-
rung zugestehen darf. Diese religionspolitischen Grundsätze
entwickelte Pufendorf besonders in seiner Schrift „Über das
Verhältnis der christlichen Religion zum Staate'', die er 1687,
schon nach seiner Berufung durch den Grofsen Kurfürsten, diesem
widmete. Der Glaube ist persönliche Gewissenssache; das Ver-
brechen der Ketzerei mufs völlig aus dem Strafrecht verschwinden ;
kein Bekenntnis darf das andere auch nur in der Öfifentlichkeit
kränken. Dieser rein weltliche Charakter des Staates, der gerade
aus Achtung vor der Religion und der Überzeugung, aus tiefster
und echtester Frömmigkeit entspringt, war dem Kurfürsten
durchaus genehm ; nur wenn Pufendorf, in logischer Folgerichtig-
keit, auch die oberstbischöfliche Gewalt des Landesherrn ver-
warf, konnte ihm Friedrich Wilhelm, der ihrer gerade zur
Nötigung der kämpfenden Kirchen unter das Gebot des Friedens
bedurfte, hier praktisch nicht nachhandeln. Sonst aber waren
beide ausgezeichneten Männer allerwege Gesinnungsgenossen.
Historische, ethnologische und auch naturwissenschaftliche
Merkwürdigkeiten zu sammeln, war der Kurfürst unermüdlich
bestrebt. Seine Bankiers in Paris, die Brüder Formont, mufsten
dort für ihn seltene Pflanzen, Kunstsachen und Bücher aufkaufen K
Propst Müller und Leibarzt Menzel brachten viele solcher Dinge
aus Ostindien und China nach Berlin. Ein Major im nieder-
ländischen Kolonialdienste, Poleman in Batavia, sandte während
> Eevue historique, Bd. XL VI (1891), S. 295 f.
168 Sechstes Buch.
einer Reihe von Jahren asiatische Naturalien, Waffen und Geräte,
und inmitten der Nöte des Französisch-schwedischen Krieges fand
der Kurfürst die Mufse, dem wackem Offizier seinen Dank
abzutragen; ein Fars guten Rheinweins, das er dem Major
zuschickte, traf diesen leider nicht mehr am Leben, da das
Tropenfieber ihn dahingerafft hatte. Später hatten der schon
erwähnte Arzt Gleyer in Batavia und dann in Nagasaki,
sowie der Engländer Waldo in Surate ihm Gleiches zu ver-
schaffen. Auch Fürst Moritz von Nassau bereicherte Friedrich
Wilhelms Sammlungen durch einen Teil der umfassenden natur-
geschichtlichen Schätze, die er aus Brasilien mitgebracht hatte.
Alle diese Merkwürdigkeiten wurden 1680 in eine Kunstkammer
vereinigt, die in vier Abteilungen zerfiel: Antiken, Münzen,
Kunstsachen und „Raritäten", endlich Naturalien ^ Herr van
Beverning im Haag schenkte ihm 1686 einen Zimmetbaum, wofür
er mit Produkten der Potsdamer Glasmanufaktur erfreut wurde'.
Das Medaillenkabinett erfuhr wesentliche Vergröfserung
durch die reiche Sammlung, die Ezechiel Spanheim in Italien
für Kurfürst Karl von der Pfalz angelegt hatte, und die sich
Friedrich Wilhelm 1685 aus der vielumstrittenen Erbschaft dieses
Fürsten als seinen hauptsächlichen Anteil auswählte. Der
gelehrte Lorenz Beger, der bisherige Kustos der pfälzischen
Münzen, trat mit dem Ratstitel in brandenburgische Dienste
und wurde zum Bibliothekar und Kustos des Münzkabinetts
ernannt •.
Der Friede von Oliva hatte dem Kurfürsten die Möglichkeit
gegeben, endlich, seinem Wunsche gemäfs, seine Bibliothek der
öffentlichen Benutzung zu überliefern*. In einem wohl-
geschmückten, 600 Quadratmeter umfassenden Saale im Seiten-
flügel des Schlosses zu Berlin, über der Hofapotheke — dem-
selben Räume, wo einst Thurneysser seine alchymistischen Künste
getrieben hatte — wurden 1661 die Bücher aufgestellt; daneben
^ Friedländer in der Festschr. zur Gesch. der Kgl. Museen in
Berlin (Berlin, 1880, 4<^), S. 5. — Orlich a. a. 0., S.326ff. — König,
II, 423 ff.
* Greh. Staatsarchiv, Berlin, Eep. 34, 227 a. 4.
' Erman u. Reclam, in, 292.
* Fr. Wilken, Gesch. der Kgl. Bibl. zu BerUn(BerUn 1828), S. 13ff.—
Schwebel, Gesch. der Stadt Berlin, 11, 120. — Treitschke in den
Preufs. Jahrb., Bd. 53 (1884^ S. 475 ff. (mit zahlreichen Fehlem).
Neununddreifsigstes Kapitel. Geeist und Sitte. 169
war ein Zimmer für die Handschriften, ein anderes für die Be-
nutzer der Bibliothek eingerichtet. Verschiedene Kasualgelder
wurden dieser bestimmt; freilich ergaben sie durchschnittlich
nur 323 Taler (gleich 4200 Mark heutigen Geldwertes) im Jahre,
allein sie wurden auch nur für die Anschaffung und den Einband
der Bücher verwendet , und so reichten sie nicht nur für die
laufenden Einkäufe, sondern, da der Kurfürst gelegentlich
gröfsere Geldbeträge schenkte, auch zur Erwerbung ganzer
Privatbibliotheken aus. Ferner wurden die Bücherschätze auf-
gehobener Klöster und Kirchen, sowie die Büchersammlungen der
verstorbenen Kurfürstin Luise Henriette und des 1684 dahin-
geschiedenen Herzogs von Croy — letztere war besonders um-
fassend — der öiTentlichen Bibliothek überwiesen. Der Kurfürst
selber schenkte ihr im ganzen 2000 Bände, und Private über-
reichten ihr aus Anhänglichkeit an den Herrscher wertvolle Hand-
schriften. So zählte sie im Jahre 1687 neben 618 Handschriften
20600 gedruckte Werke in etwa 90 000 Bänden. Eine systematische
Aufstellung und genügende Katalogisierung der Bibliothek wurde
nicht durch den ersten Bibliothekar Johann Raue oder Rave,
einen begabten, aber uns täten und arbeitsunlusti gen Schulmann V
wohl aber durch den klugen und fleifsigen Frankfurter Professor
Christian Hendreich bewirkt, der jenem 1668 beigeordnet und
1680 sein Nachfolger wurde. Die Bibliothek war in mehreren
Nachmittagsstunden für die Besucher geöffnet; höhere Beamte,
sowie sonstige angesessene und bekannte Männer durften auch
gegen Empfangsscheine Bücher in ihre Wohnungen entleihen.
Noch gegen Ende seiner Regierung beschäftigte sich Friedrich
Wilhelm mit Plänen zur Verschönerung seiner Bücherei, die er
darchgehends in rotes Leder mit Vergoldungen einbinden lassen
und in einem eigens dazu bestimmten Gebäude an der Ostseite des
Lustgartens aufstellen wollte. Der Tod hat die Ausführung
dieser Entwürfe verhindert.
Die Errichtung der Bibliothek hat auf das geistige Leben
der Nation sehr anregend gewirkt. Gelehrte, wie der Sinologe
Andreas Müller, der Philologe Vorstius, der Bibliograph Hend-
reich, arbeiteten auf Grund der Materialien, die die kurfürst-
liche Bücherei ihnen darbot.
Buchdruckerei und Buchhandel nahmen mit der steigenden
' J. Bolte in der Allg. Deutsch. Biographie.
170 Sechstes Buch.
Bildung der höheren Klassen in Berlin einen bemerkenswerten
Aufschwung. Es hatte dort seither zwei Buchhandlungen gegeben,
beide in der Nähe des Schlosses: Reichel und Völcker. Fried-
rich Wilhelm hob ihr Monopol auf. das die Preise der Bflcher
auf eine unzulässige Höhe getrieben hatte, indem er dem
Holländer Jansen durch die ganze Kurmark, sowie dem Leipziger
Kirchner in der Residenz den Betrieb des Buchhandels gestattete.
Schrei aus Frankfurt a. d. Oder erhielt die Erlaubnis zur Er-
richtung einer dritten stehenden Buchhandlung in Berlin, wo
auch 1688 Friedrich Pesenecker die erste Kupferstich- und Land-
kartenhandlung gründen durfte. Häufige Gesuche um weitere
Konzession von Buchhandlungen beweisen, wie sehr das literarische
Interesse der Hauptstadt sich gehoben hatte. Selbstverständlich
erzeugte der Zunftgeist bei dem wachsenden Verdienste auch
Streitigkeiten : Buchhändler, Buchdrucker und Buchbinder führten
gegeneinander Prozesse über die Grenzen ihrer Gewerbe. Zensur
hat der freidenkende Friedrich Wilhelm an den Büchern über-
haupt nicht geübt. Er begnügte sich damit, die StreitscbrifteD,
in denen lutherische Theologen die Reformierten lästerten, zu
verbieten. Erst als die Buchhändler erklärten, eine Aufsicht
über grofsenteils lateinisch geschriebene Bücher nicht bewirken
zu können, gab ihnen der Kurfürst auf, ihren Lagerkatalog dem
Konsistorium einzureichen ^
Dagegen war es um das Zeitungswesen in dem kleinen
Berlin noch recht übel bestellt; es erschien dort nur ein Lokal-
und Anzeigeblättchen „Avisen**. Freilich wurde nach damaliger
Sitte in der Hauptstadt eine handschriftliche Zeitung angefertigt
und durch Kopien vervielfältigt. Sie war aber offizieller Natur,
das Werk einiger hiermit besonders beauftragter Geheimer Räte
und kam nur in die Hand der höchsten Staatsbeamten.
Das öffentliche Schulwesen der Kurmark hatte sich nach
dem Dreifsigjährigen Kriege in völligem Verfalle befunden*.
Die Volksschule war fast ganz eingegangen und, was an Knaben-
schulen noch vorhanden war, in Lehrern und Schülern verroht
und verwildert. Mädchenschulen gab es kaum; in Berlin wurde
* Friedrich Kapp in dem Archiv f. Gesch. d. deutschen Buch-
handels, VII (1882), S. 22 ff.
* Ed. KeUer, Gesch. d. preufs. Volksschulwesens (Berlin 1873),
S. 43. 46 f. — Orlich, Friedr. Wüh., 803.
Neonunddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 171
die erste derartige Anstalt 1(>70 errichtet, und zwar von der
Frau eines kurfürstlichen Kammerlabaien ! Friedrich Wilhelm
unternahm wiederholt Versuche zur Hebung des Volksunterrichts.
Erbefahl, dafs nicht nur in den Städten, sondern auch in den
Dörfern „wohlbestellte Schulen angeordnet würden". Aufser den
lateinischen Schulen sollten „gemeine deutsche Knaben- und
Mftgdleinschulen" ins Leben treten. Der Unterricht sollte selbst-
verstAndlich konfessionellen, vorwiegend kirchlichen Charakter
tragen. Prediger, Obrigkeiten und „einige Gelehrte*" hatten die
Schulen zu überwachen, auch mindestens einmal im Monat zu
visitieren. Für Kleve-Mark wurde Ir Wesel ein „Kontubemium'',
d. h. ein Lehrerseminar, vorgesehen. Allein, da diese Vorschriften
weder durch Geldanweisungen noch durch Strafandrohungen
unterstützt waren, hatten sie nur geringen Erfolg. Man mufs
Oberhaupt sagen, dafs Friedrich Wilhelm sich nach Art seiner
Zeit um die Interessen der Massen wenig gekümmert hat. Wenn
sie nur im stände waren, dem Staate und den höheren Klassen
der Gesellschaft ihre Abgaben zu entrichten und sich dabei dem
Gesetze und der Kirche unterwarfen, hatte der Herrscher für
sie keine weitere Sorge zu tragen.
Viel lebhafter war die Aufmerksamkeit des Kurfürsten für
die gelehrte Bildung, Denn diese sollte dem Staate die Beamten
und der Kirche die Diener des Wortes erziehen; man konnte
ihrer in einem geordneten Gemeinwesen nicht entraten. Fried-
rich Wilhelm hatte für Berlin zwei Gymnasien vorgefunden : das
reformierte Joachimstaler und das lutherische Berlinische zum
Grauen Kloster; beide waren während des Dreilbigjährigen
Krieges ganz verfallen. Er hatte dann die erstere Anstalt nach
Berlin selbst verlegt, unterstellte sie der Aufsicht der Vor-
steher der reformierten Gemeinde und ordnete die Rückgabe
der ihr stiftungsgemäfs gehörenden, aber während der Kriegs-
uunihen widerrechtlich entzogenen Landgüter und Ämter an. Da
das Gymnasium noch eines eigenen Heims entbehrte, überwies
er ihm zunächst einige Zimmer in seinem Schlosse, bis er ihm
1667 ein Haus nächst der Langen Brücke, die Berlin und Colin
miteinander verband, kaufte und schenkte. 1682 stiftete er
zwei Freistellen für polnische und zwei andere für litauische
Schüler: so verstand er die Germanisierung seiner fremdsprach-
lichen Untertanen, durch Wohltaten; zugleich wurden vier
172 SecluteB Buch.
gleiche Freistellen an der Univei*sität Frankfurt a. d. Oder be-
gründete
Das lutherische Gymnasium zum Grauen Kloster besafs
weit weniger Einkünfte als die von dem Herrscherhause angelegte
und begünstigte Schwesteranstalt. Die Besoldung der Lehrer
war so gering, dafs sie darauf angewiesen waren, bei den wohl-
habenden Bürgern ihre Mahlzeiten einzunehmen — ein ent-
würdigender Zustand, der zumal für die Verheirateten unerträg-
lich war. Um ihm abzuhelfen, bewilligte der Kurfürst, wahr-
scheinlich unter dem Einflüsse seiner im Herzen immer lutherisch
gebliebenen zweiten Gemahlin, 1682 dem Gymnasium aus der
Accise jährlich 500 Taler (6500 Mark nach heutigem Geldwerte)
zu Tischgeldem. Die Anstalt besafs neun ordentliche Lehrer.
Ihre Schülerzahl war viel grftfser als bei dem Gymnasium
reformierten Bekenntnisses: sie belief sich 1656 schon auf 400.
Friedrich Wilhelm erneute für die Bedürftigen unter ihnen
die Stipendien mit 200 Talern (2600 Mark nach heutigem Geld-
werte) im Jahre. Zwischen den Zöglingen vom Grauen Kloster
und den „Kalvinem" von Joachimstal herrschte überlieferte
Feindschaft; es kam zu häufigen Prügeleien, bei deren einer
sogar, 1684, einem Schüler die linke Hand durchhauen wurde.
Der Schulplan beruhte ganz auf den alten scholastischen
Überlieferungen. Der Sprachunterricht erstreckte sich also ledig-
lich auf Lateinisch und Griechisch ; nicht nur die fremden lebenden
Sprachen blieben ausgeschlossen, sondern auch die Muttersprache.
Man trieb eifrig „Philosophie*", d. h. formale Logik und Disputier-
übungen, wobei es nicht auf Erweiterung der Erkenntnis, sondern
nur auf Gewandtheit in Rede und Diskussion abgesehen war.
Der Religionsunterricht lief auf die Dogmatik hinaus und auf
Übung des Kirchengesanges. So erzog man freilich in Herz
und Geist gleich beschränkte Pedanten! Daran änderten auch
die häufigen Visitationen nichts, die Friedrich Wilhelm in den
Schulen anstellen liefs ; denn die Yisitatoren hatten ebenso ver-
kehrte pädagogische Ansichten wie diejenigen, die von ihnen
beaufsichtigt wurden. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dafs
der treffliche Rektor Gottfried Weber, der seit 1668 dreifsig
Jahre lang sein Amt verwaltete, wenigstens die Anfänge zum
> Mylius, VI, I 899. — Nicolai, II, 729 f. — König, U, 221. —
Orlich, a. a. 0., 309 f.
Neimonddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 173
Stadium der Naturlehre schuf, auch die deutsche Sprache einiger-
mafsen berttcksichtigte und in ihr Aufsätze anfertigen liefst
Eine Schöpfung recht nach dem Herzen des Kurfürsten war
das neue Gymnasium, das er 1681 in dem von ihm begründeten
Stadtteile Friedrichswerder anlegte und mit teils landesherrlichen,
teils städtischen Fonds ausstattete. Es wurde von vornherein
als ein simultanes, den beiden evangelischen Bekenntnissen
gemeinsames betrachtet; die Lehrerstellen sollten nicht etwa
alternierend nach der Konfession, sondern ohne Rücksicht auf
diese besetzt werden. Der erste Rektor war der schweizerische
Reformierte Gabriel ZoUikofer, ein lebendes Zeugnis von Fried-
rich Wilhelms stetem Streben, tüchtige und verdiente Ausländer
in seine Staaten zu ziehen. Die Anstalt wurde in die oberen
Räume des Werderschen Rathauses verlegt^.
Im Herzogtum Preufsen gab es an gelehrten Schulen seit
dem Jahre 1588 drei „Fürstenschulen": die eine in Saalfeld,
fOr die deutsche Jugend, mit einem Rektor und fünf ordent-
lichen Lehrern; die zweite in Lyck, für die polnische Jugend;
die dritte in Tilsit, für die litauische Jugend , gleichfalls mit
einem Rektor und fünf „Kollegen". Merkwürdigerweise war
gerade das deutsche Gymnasium in Verfall. Ein Beweis, dafs
damals das litauische und ganz besonders das polnische Element
in Ostpreufsen eine viel gröfsere Rolle spielte als heutzutage^.
Wie grofs endlich das Interesse des Kurfürsten für die
Universitäten war, hatte er schon durch die Gründung der
Hochschule zu Duisburg erwiesen. Er erklärte noch 1684 von
der Frankfurter Universität: „Ich habe auch eine Universität
in meinem Lande und halte sie für ein grofses Kleinod; sie ist
mir sehr lieb." ^ Er hat tatsächlich diesen Anstalten immer von
neuem seine Sorgfalt zugewendet. Allein Mafsgebendes, Schöpfe-
risches hat er für die Universitäten ebensowenig wie überhaupt
fOr das Schulwesen geleistet. Dazu wurden die Spannkraft seines
Geistes und seine dauernde Beschäftigung zu sehr von den
> Bellermann, Das Graue Kloster in Berlin, III (1825), S. 29ff. —
König, n, 205. 422.
* Nicolai, 11, 741. — Erman u. Reclam, HI, 290f.
* Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae 1670— 1672 (Berlin, Geh*
Staatsarchiv, Rep. XCH, Croy, 186) Vol. I S. 104.
* Varren trapp, Der Grofee Kurf. u. die Universitäten (Strafsburg
1B94), S. 22.
174 Secbstea Buch.
scliweren Aufgaben der inneren Einigung und der äurseren
Machtentwicklung seines Staates in Anspruch genommen.
Die Art, wie er die Freiheit der Universitäten behandelte,
ist dagegen für die preufsische Verwaltung auf diesem Gebiete
mafsgebend geworden; er hat sich zu verschiedenen Malen
darüber erklärt. Die Fakultäten hatten bisher als selbständige,
auch mit eigenen Mitteln ausgerüstete Korporationen das Recht
der Wiederbesetzung der vakanten Lehrstühle besessen. Hatte
solches schon Georg Wilhelm tatsächlich dadurch beschränkt,
dafs er dann und wann einen Schützling der Fakultät nempfahl**,
so hat Friedrich Wilhelm hier wie allerorten die landesherrliche
Gewalt auch gegen das geltende Recht erweitert. Er beliefs
den Fakultäten, zumal der juristischen, nur die Befugnis des
Vorschlags zur Besetzung der ordentlichen Professuren, aber er
legte sich das Recht der Entscheidung, sowie der unmittelbaren
Ernennung solcher Personen bei, die ihm als besonders tüchtig
erschienen. Auch forderte er bei den Vorschlägen die Nennung
mehrerer Kandidaten, damit er die Wahl zwischen solchen besitzet
Übrigens griff er hier mahnend und bessernd ein, wie allerorten
in die gründlich verhunzten und verlotterten Verhältnisse seines
Landes.
Die wichtigste seiner drei Universitäten war für ihn die
kurmärkische, zu Frankfurt a. d. Oder^. Er widmete ihr fort-
gesetzt bedeutende Geldmittel — zu zweien Malen 40000 Taler — ,
um die Gehälter der Professoren zu erhöhen, die Bibliothek zu
bereichern und hoffnungsvolle Jünglinge in ihren Studien zu
unterstützen. Die medizinische Fakultät zählte 1666 nur zwei
Professoren, die ihrem Lehramte sehr nachlässig oblagen, gar
keine klinischen Übungen hielten und in sechsundzwanzig Jahren
nicht mehr als sieben Doktoren examiniert hatten. Der Kur-
fürst sprach ihnen deshalb im November 1666 einen scharfen
Tadel aus. Indessen gebessert wurde die Sachlage erst 1680
durch Berufung des Professors Albinus, der in Holland studiert
hatte und durch den berühmten Boerhave lebhaft empfohlen
^ Ebendas. 8. 20. 88. — B o rn h ak , Gresch. d. preufs. Univ.- Vorwaltung
bis 1810 (Berlin 1900), S. 19 ff.
• C. R. Hausen, Gesch. der Univers. u. Stadt Frankfurt a. d. 0.
(das. 1800), passim. — Varrentrapp, 18. — Bornhak, 81. 87 f. — Erman
u. lieclam. III, 287.
Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 175
wurde; er errichtete in Frankfurt ein anatomisches Theater.
Die Gehälter der philosophischen Professoren waren sehr niedrige ;
iofolgedessen hielten sie keine öffentlichen Vorlesungen, sondern
veranstalteten nur gegen Bezahlung Privatvortrftge. Der Kur-
fürst half diesem Übelstande durch Erhöhung der Gehälter ab
und befreite überdies die Professoren von der Accise. Dann
stiftete er einen Fonds für die Universitätsbibliothek und jähr-
lich 1000 Taler für neun in Frankfurt studierende Kurmärker.
Seine hochherzige und freisinnige Art zeigte sich auch darin,
dafs er 1678 zwei polnischen Juden die Erlaubnis zum Studium
m Frankfurt erteilte, allerdings unter dem Verbote religiöser
Propaganda.
Die Universität Königsberg, die in dem Sonderdasein des
Herzogtums Preufsen ihren fruchtbaren Nährboden fand, besafs
ein kräftiges Eigenleben; Friedrich Wilhelm hat sie dadurch
unterstützt, dafs er ihr 1657 zur Herstellung ihrer Baulichkeiten
sowie zur Verbesserung der Professorengehälter alle aus Be-
leifligungs- sowie Duellprozessen erfliefsenden Strafgelder über-
wies, später noch mancherlei andere materiellen Vorteile zuwandte.
16<)5 betrug die Besoldung aller Professoren 3229 Taler (gleich
45000 Mark heutigen Geldwertes); der Durchschnittsgehalt eines
ordentlichen Professors belief sich auf 178 Taler (gleich 2400
Mark im Verhältnis), stand also nur dem eines Stadtschullehrers
der Gegenwart gleich. Doch erhöhte er sich durch mancherlei
Naturalbezüge und Honorare. Da eine Visitation der Universität
1H72 mancherlei aus Geldmangel erfliefsende Unzuträglichkeiten
aufwies, übertrug ihr der Kurfürst am 18. März neue Einkünfte.
Die Zahl der Professoren betrug im Jahre 1(570 sechzehn ordent-
liche und fünf aufserordentliche — Privatdozenten gab es noch
keine. Die theologische Fakultät besafs zwei ordentliche, einen
aufserordentlichen, die juristische zwei ordentliche, drei aufser-
ordentliche Lehrer. Von den fünf ordentlichen und einem aufser-
ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät dozierte je
einer Chirurgie, Botanik, Mathematik; von den sieben ordent-
lichen der philosophischen Fakultät je einer Poesie, Beredsam-
keit. Hebräisch, Griechisch, Logik und Metaphysik, Moral, Ge-
schichte — von einem Professor des Lateinischen ist nicht die
Kede. An der Spitze der Universität standen ein Senat von drei-
zehn Mitgliedern und ein Rektor, dessen Amt halbjährlich wechselte.
Leider mufste die Regierung die Professoren zur gewissenhaften
176 Sechstes Buch.
Erfüllung ihrer Pflichten anhalten, indem sie die Säumigen mit
Abzügen vom Gehalt bedrohtet Den Unregelmäfsigkeiten in
der Stipendienverteilung half gleichfalls Friedrich Wilhelm 1681
durch Einsetzung einer Stipendienkonunission ab'. Man sieht,
wie notwendig bei der Pflichtlosigkeit und Lotterei jener traurigen
Zeit an allen Orten eine starke und eifrige Regierungsgewalt war.
Die Duisburger Hochschule sollte nach des Kurfürsten Ab-
sicht ein Bollwerk des reformierten Bekenntnisses und des
brandenburgischen Ansehens im Nordwesten des Reiches werden ^.
Allein sie krankte an der Dürftigkeit der ihr gewährten Mittel,
die mit den glänzenden Lehranstalten der benachbarten Jesuiten-
kollegien in schreiendem Gegensatze standen. Ja, selbst die
3—4000 Taler, die der Kurfürst jährlich der Universität bestimmt
hatte, kamen während des französischen Krieges nicht ein. Die
Professoren, die keine Gehälter erhielten, steckten in Schulden,
Bibliothek, botanischer Garten, alle Institute verfielen, „zu
Lachen und Freude der umliegenden widrigen Religionsver-
wandten "*. Erst nach dem Frieden von St. Germain kamen die
Duisburger Angelegenheiten wieder einigermafsen in das gehörige
Fahrwasser. Aber immerhin blieb die Zahl der Professoren auf
sechs bis neun beschränkt und ihr Gehalt auf 100 (!) bis 350
Taler. So wenig man die damaligen Universitätsbedürfnisae mit
den heutigen vergleichen darf, war doch die Zahl der Dozenten
so gering und ihre Entlohnung so dürftig, dafs man an die
Berufung hervorragender Gelehrter nicht denken konnte. Die
Menge der Zuhörer nahm denn auch nach verheifsungsvollem
Beginne immer mehr ab. In den ersten zehn Jahren hatten
durchschnittlich im Jahre 62 neue Inmiatrikulationen statt-
gefunden, allein bei der kläglichen Beschaffenheit der Lehrer
und der Lehrmittel sank sie 1672/73 auf 16, 1678/79 gar auf
10 herab. Nach der Reorganisation gab es 1682/83 wieder
53 Immatrikulierte, aber bald wurden ihrer wieder von Jahr zu
Jahr weniger. In den Listen dieser Miniaturuniversität finden
* Ms. Herzog von Groy, Diarium Pruaaiae, 1670— 1672 (Berlin, Geh.
StaatBarchiv, Rep. XCn, Croy, 186), Vol. I p. 62, II, 536, IV, 304. 430.
' D. H. Arnoldt, Ausführliche Historie der Königsberg. Univers.
(das. 1746), I, 82 ff., II, Beil. Nr. 2.
* Th. V. Mörner, Die Ünivers. Duisburg, vomehml. z. Zeit ihres
Stifters (Zeilschr. f. preufs. Gesch., V [1868], 8. 552ff.). — Varrentrapp,
21. 37.
Neununddreiffligstes Kapitel. Geist und Sitte. 177
Bich Bremer, Hamburger, einige sonstige Norddeutsche, dann
Schweizer und besoiiders Holländer. Wenigstens vor der, den
Gelehrten damals eigenen Streit- und Verket^erungssucht bemQhte
sich der Kurfürst seine Duisburger Professoren zu bewahren.
Er erklärte ihnen im Jahre 1683: er wolle die Korporation bei
den ihr verliehenen Rechten schützen, aber ermahne sie auch,
,10 guter Friedfertigkeit zu leben und nicht durch unnützes
Gezänk den umliegenden Papisten Anlafs zu geben, sich darüber
zu kitzeln **.
Die Lösung der Universitäten vom Konfessionalismus, die
Eröffnung der freien Forschung und der freien Lehre seit dem
Ende des siebzehnten Jahrhunderts haben die Universitäten erst
zu den Lehrmeisterinnen Deutschlands, zu den Führerinnen der
gesamten geistigen Bewegung unserer Nation gemacht, was sie
in den übrigen Ländern nicht zu werden vermochten. Friedrich
Wilhelm iiat infolge mannigfacher Sorgen und beschränkter
Mittel aus seinen Hochschulen solche vorbildlichen Anstalten
nicht zu schaffen vermocht ; aber soviel wie möglich hat er ihnen
den Charakter der Freiheit und des reinen wissenschaftlichen
Strebens aufzuprägen versucht. Da trat an ihn ein Plan heran,
der so recht seinem hochfliegenden, auf alles Grofse und Glänzende
gerichteten Geiste entsprach.
Ein schwedischer Senator Benedikt Skytte, ein feingebildeter
Mann, in dessen Familie die Beschäftigung mit den Wissenschaften
erblich war, nahm einen schon von dem grofsen Baco von Verulam und
von Comenius verkündeten Gedanken auf: es solle eine Universal-
universität begründet werden, an der die bedeutendsten Gelehrten
aller Länder und aller Konfessionen — auch der nichtchrist-
lichen — frei lehren und durch auskömmliche Besoldungen in
den Stand gesetzt würden, ohne jede Einschränkung ihren wissen-
schaftlichen Arbeiten nachzugehen. Die Ausführung dieses wunder-
baren Planes glaubte Skytte keinem anderen Fürsten als dem
aufstrebenden und kirchlich duldsamen Friedrich Wilhelm von
Brandenburg anvertrauen zu dürfen. Und er hatte mit seinem
Vorschlage zunächst Erfolg. Es war das Jahr 1666, wo der Kur-
fürst zum ersten Male eine hervorragende, wahrhaft ausschlag-
gebende Stellung in Europa einnahm. Sein Selbstbewurstsein, seine
Tat- und Schaffenskraft entfalteten sich freudig. So schenkte er
den nüchternen Bedenken seines mit der Untersuchung von
Skyttes Eingabe betrauten Geheimrats von Bonin keine Rück-
Philippaon, Der Orofae KurfOrtt. III. 12
178 Sechstes Buch.
sieht, fertigte vielmehr im April 1667 den Stiftungsbrief der neuen
Universaluniversität aus , der Universitas Brandenburgica
gentium scientiarum et artium. Alle Freunde der Wissenschaft
und der Künste, alle die aus politischen oder religiösen Gründen
Verfolgten wurden aufgefordert, sich in den brandenburgischen
Landen niederzulassen, wo ihnen beträchtliche Vorrechte sowie
die freie Verwertung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zugesichert
wurden; die hervorragendsten unter ihnen sollten als Professoren
mit gutem Gehalte förmliche Anstellung erlangen. Ein unver-
gänglicher Ruhm wird es für Friedrich Wilhelm bleiben, dafs
er in jener Zeit des Glaubenshasses und der Glaubensverfolgung
nicht nur Christen aller Bekenntnisse, sondern auch Juden,
Mohammedaner und überhaupt NichtChristen tadellosen Wandels
gleichfalls einlud. Der Sitz dieser grofsen Akademie sollte
Tangermünde werden, wo das alte kurfürstliche Schlofs freistand
und schon 15000 Taler zum Bau von Wohnhäusern für die Ge-
lehrten angewiesen wurden. Der Kurfürst wollte die benach-
barten Herrscher ersuchen, dieser Stadt immerwährende Neutra-
lität zuzusicliern.
Aber weder die Kräfte Brandenburgs noch die Zeitumstände
waren dazu angetan, den grofsartigen Plan zu verwirklichen.
Bald brachen die gewaltigen von Frankreich veranlafsten Kriege
aus, die des Kurfürsten Aufmerksamkeit und Geldmittel in
vollem Mafse in Anspruch nahmen. Als die königliche Gesell-
schaft der Wissenschaften in London dem brandenburgischen
Gesandten ihre Mitwirkung zur Ausführung des schönen Pro-
jektes anbot, hatte der Kurfürst solches schon aufgeben, Skytte
mit einem Geschenk fortsenden müssen. So blieb von dem
ganzen Gedanken nur die eine Tatsache übrig, dafs er die
begeisterte Zustimmung jenes grofsen, wahrhaft universellen
Fürsten gefunden hattet
Wenn die Gelehrsamkeit in dem damaligen Brandenburg
allmählich aus dem tiefen Schlummer des Banausentums und
pedantischer Befangenheit erwachte, so war es mit der Dicht-
kunst in dem ohnehin nüchtern unpoetischen Lande um
so kläglicher bestellt. Aufser dem Kirchenliede ertönte nur
^ Er man, Sur le projet d'ime ville savante dans le Brandebourg
(Berlin 1790). — Erman u. Eeclam, III, 293ff. — U. u. A., XII, 665ff. —
Landwehr, 845 ff.
i
Neununddreifaigstes Kapitel. Geist und Sitte. 179
.Nicolaus Peuckers, des berühmten CöUnischen Poeten, Paucke
von hundert sinnreichen Scherzgedichten **. Der wackere Kamnier-
gericbtsadvokat bedichtete, was ihm unter die Hände kam;
besonders ertönte seine Leier in komisch feierlichen Tönen,
wenn es galt, ein Ereignis in der Familie Sr. Kurfürstlichen
Durchlaucht zu verherrlichen. Die war auch dem „Dichter"
sehr freundlich gewogen und erliefs ihm 1673 gnädigst die Geld-
bufse von zehn Talern, die sich der poetische „Paucker** durch
einen satirischen Trommelschlag gegen ein Berliner Ehepaar
zugezogen hatte. Den weit bedeutenderen Simon Dach in Königs-
berg hatte, noch kurz vor dessen vorzeitigem Hinscheiden, der
gütige und für geistiges Schaffen lebhaft interessierte Kurfürst
durch das Geschenk eines Landgütchens erfreut. Trotz seiner
Mittellosigkeit hat sich Friedrich Wilhelm stets eine Freude
daraus gemacht, alles und alle zu unterstützen, was und wer
zur intellektuellen Hebung seines Volkes beizutragen vermochte.
Auch eine Kapelle hielt er sich, zu der er aus dem Aus-
lande, besonders Italien, Sänger und Musiker berief. Der Geld-
mangel zog hier freilich enge Grenzen, denn bedeutende Künstler
liefsen sich schon damals teuer bezahlen. Immerhin gab es am
Berliner Hofe sowohl „Hoftrompeter" wie Instrumentalvirtuosen.
Der Kurfürst selber liebte aufser der geistlichen besonders
Kriegs- und Jagdmusik, hörte aber bisweilen auch Kammermusik.
Als der erste Klavicinist Ludwigs XIV., Andr6 de Chambonni^res,
der bedeutendste Klavierspieler seiner Zeit, der Stellung in
Versailles überdrüssig wurde, konnten seine Freunde daran
denken, ihn dem brandenburgischen Hofe zu empfehlen. Fried-
rich Wilhelm war in der Tat bemüht, auch im eigenen Lande
die Tonkunst heimisch zu machen. So sandte er den jungen
märkischen Musiker Helwig, auch mehrere Mitglieder seiner
Kapelle zu ihrer weiteren Ausbildung in die Fremde, mit einer
jährlichen, recht beträchtlichen Unterstützung ^
Der Tanz blieb gleichfalls nicht ohne Pflege. Bei aufser-
ordentlichen Gelegenheiten wurden am Hofe Ballets aufgeführt,
bei denen die adligen Herren und Damen, in Ermangelung von
Berufskünstlern, zahlreich mitwirkten.
Die hauptsächlichste Teilnahme des Kurfürsten aber galt
von Jugend auf den bildenden Künsten. Als ihren Beschützer,
^ Thouret im Hohenzollernjahrb. 1906, 194. — König, 11, 449 f.
12*
180 Sechstes Buch.
als einen Herrscher, der durch sie vor allem den Ruhm zu ^
erlangen wünscht, hat er sich von dem Ostpreufsen Willmann
im Königsberger Schlosse bildlich darstellen lassen. Im Vorder*
gründe des Interesses stand ihm die Malerei. Die niederländische
„Schilderei" beherrschte damals die Welt, und Friedrich Wilhelm
huldigte gerade ihr um so lieber, je vertrauter sie ihm durch
seinen Aufenthalt in ihrer Heimat geworden war ^ Freilich, er
hat es nicht vermocht, diese Kunst nach der Mark zu ver-
pflanzen. Der märkische Sand ist immer der Kunst gegenüber
noch spröder gewesen als der Dichtung; in jenen rauhen und
geistig wie materiell armseligen Zeiten nach dem Dreifsigjährigen
Kriege war vollends dort für sie keine Stätte. Der Kurfürst
mufste sich damit begnügen, die Werke fremder, zumal nieder-
ländischer Maler und Bildhauer für seine Residenzen zu kaufen,
soweit seine magere Kasse ihm das gestattete, also auch hier
mit Verzicht auf Kräfte und Schöpfungen ersten Ranges. Einige
Künstler zog er persönlich nach Berlin: so vor allen Hendryk
de Fromantiou, des berühmten Philipp Wouverman Schwieger-
sohn, der während der zweiten Hälfte seiner Regierung sein
künstlerischer Berater geworden ist. Er sandte ihn vielfach auf
Reisen, um Gemälde für ihn zu erwerben ; selbstverständlich fiel
der Herrscher dabei bisweilen der gewissenlosen Habgier der
Kunsthändler zum Opfer, die ihm besonders mit dem Namen
der grofsen Italiener gefälschte Bilder anhingen. Nach dem
Tode seines Porträtisten Willem van Honthorst (s. T. I S. 429),
im Jahre 1666, berief Friedrich Wilhelm noch die Niederländer
Niklas Willing, Jakob und Andreas Vaillant, Rütger van Langer-
veld und Adam de Klerck nach Berlin, die nicht nur seine und
seiner Familie offizielle Bildnisse herstellen sondern auch die
Decken seiner Schlösser mit Schildereien, zumal allegorischer
Natur y schmücken mufsten. Tüchtiger waren die in den kur-
fürstlichen Schlössern wirkenden Maler des Stilllebens — für
das Friedrich Wilhelm eine besondere Neigung gehegt zu haben
scheint — wie van Royen, Ottomar Elliger und besonders der
schon erwähnte Fromantiou, ein geborener Mastrichter, der
seit 1670 als Hofmaler mit 600 Talern (gleich verbal tnismäTsig
^ Da49 Folgende hauptsächlicb nach P. Seidel, Die Beziehungen
des Grofs. Kurf. z. Niederl. Kunst; Jahrb. d. Kgl. Preufa Kunstsamm-
lungen, XI (Berlin 1890), llOff. — Vgl. Erman u. Beclam, lY, 286 f.
NeununddreÜBigstes Kapitel. Geeist und Sitte. 181
8000 Mark) Gehalt angestellt war. PJr diente auch als Restau-
rator schadhaft gewordener Gemälde. Die besten Bildnisse
Friedrich Wilhelms, die von Pieter Nason und Johan Myrtens
berrOhren, stammen aus seinen verschiedenen Besuchen in den
Niederlanden.
Auch holländische Bildhauer arbeiteten für ihn : nach Frans
Dusard (T. I S. 427 — 429) besonders Bartholomäus Eggers, der
zumal die Standsäulen von Kaisern und Kaiserinnen sowie der
Kurfürsten aus dem Hause HohenzoUern herzustellen hatte.
Jede dieser Statuen war sechs Fufs hoch, aus bestem italienischen
Marmor und wurde mit 700 Talern (etwas über 9000 Mark nach
heutigem Geldwerte) bezahlt.
Französische Künstler gingen ebenfalls bei den artistischen
Bestrebungen des Grofsen Kurfürsten nicht ganz leer aus. Er
beschäftigte besonders den Reformierten Abraham Romandon,
einen eleganten und feinfühligen Porträtmaler, den er nach
Berlin zog. Auch die geschickten Emailmaler Jean-Pierre und
Ami Huaut kamen als Flüchtlinge dorthin und erhielten von
dem greisen Herrscher eine Pension von zweihundert Talern.
Friedrich Wilhelm hielt darauf, seine Schlofsbauten mit
prächtigem künstlerischen Schmuck zu versehen. Der Haupt-
raum des Potsdamer Stadtschlosses, der Marmorsaal, nach dem
Lustgarten zu, zeigte an der langen Rückwand zwei mächtige
allegorische Schilderungen, die dem Pinsel eines bekannten
Rubensschülers, Theodor van Thulden, entstammten und rechts
die Geburt des Kurprinzen Friedrich, links den Frieden von
St. Germain darstellten. Die Querwände wiesen den „Triumph
des Grofsen Kurfürsten" von Leygebe und Jakob Vaillant auf.
Ad Statuen enthielt der Saal lebensgrofse Figuren der vier
ersten oranischen Generalstatthalter von der Hand Dussards,
prächtige, naturwahre Gestalten.
Wesentlich grofsartiger war auf dem Berliner Schlosse der
Alabastersaal gedacht, den der Kurfürst in eine Art hohen-
zollemscher Ruhmeshalle zu verwandeln beschlossen hatte.
Michael Mathias Schmid und der berühmte Amold Nering haben
ihn erbaut; ihm galten die Statuen der Kaiser und Kaiserinnen
sowie der elf hohenzoUemschen Kurfürsten, die Eggers zu fertigen
hatte: die Fürsten als gepanzerte Krieger. Sechs Hochreliefs
an den Wänden, von Joachim van Sandrart, einem Schüler
Gerhart Honthorsts, verherrlichten Friedrich Wilhelm selbst,
182 Sechstes Buch.
indem sie seine Erziehung durch die des grofsen Alexander ver-
sinnbildlichten, ihn als Feldherm in antikem Kostüm, als Friedens-
fürsten unter den Zügen Marc Aureis , als Freund der Künste
in der Gestalt des Kaisers Augustus zeigten, die Befestigung
Berlins und den Beginn der Hoheuzollernherrschaft in der Mark
darstellten *.
Der einzige Baumeister, der unter Friedrich Wilhelm den
Ruhm eines bedeutenden Künstlers verdient, ist jener Johann
Arnold Nering, der an dem Alabastersaal mitarbeitete, der
würdige Vorgänger des genialen Schlüter '. Er war wahrschein-
lich ein geborener Brandenburger — nicht ein Niederländer,
wie man früher ohne genügenden Grund angenommen hat —
da der Kurfürst ihn fünf Jahre lang mit dem beträchtlichen
Stipendium von zwei- bis dreihundert Talern (2600—3900 Mark)
jährlich Mathematik, Bau- und Befestigungskunst im Auslande
hatte erlernen lassen (1676 — 1681). Danach mag das Geburts-
jahr Nerings auf etwa 1655 angesetzt werden. Er führte die
italienische Benaissance in die Kurmark ein und hat diese
Stilart in der Fassade des Flügels des Berliner Schlosses an
der Wasserseite, der noch heute steht, in spröder Schönheit
verwendet. Auch das kräftig und doch reich gegliederte, mit
vielem bildhauerischen Schmuck versehene ehemalige Leipziger
Tor — der Abschlufs der von dem Grofsen Kurfürsten begonnenen
und vollendeten Befestigung Berlins — war ein das Genie
Nerings bezeugendes, für seine Nachfolger vorbildlich gewordenes
Bauwerk. Des geistvollen Künstlers weiteres Schaffen fällt unter
die Regierung Friedrichs III. So hat Friedrich Wilhelm auch
den Aufschwung der Baukunst in der Kurmark hervorgerufen.
Die Schlütersche Periode ist nicht unter seinem Sohne ent-
standen; er selber hatte sie begründet.
Als erster unter den Hohenzollern begründete er eine Bilder-
sammlung, seit dem Jahre 1665^. Er liefs für sie durch
Bomandon in Italien Kopien der berühmtesten Gemälde der
dortigen alten Meister anfertigen. Er war tatsächlich in den
^ H. Galland, Der Grofse Kurf. u. Moritz v. Nassau (Frankf. a. M.
1893), 145 f. 165ff. — P. Wall^, Der ehemalige Alabastersaal im Schlosse
zu Berlin; Mitteil. d. Ver. f. d. Gesch. Berlins, XII (1895), 34 f.
* D. Joseph, Kunst u. Künstler unter d. Beg. des Grofs. Kurf.;
ebendas. 111 ff.
« König, II, 441.
Neununddrei&igsteB Kapitel. Geist und Sitte. 183
Neben- wie in den Hauptsachen Bahnbrecher, wegweisend für
seine Dynastie.
Seine unermüdlichen Bestrebungen, die Künste in der Mark
beimisch zu machen, brachten freilich geringen Erfolg. Er liefs
den Architekten Joachim Ernst Biesendorf aus Zielenzig, sowie den
jungen kle vischen Maler Georg Wolfgrübel reisen und ausbilden;
mit grofser Sorgfalt verfolgte er ihre Studien. Noch viele
andere Namen stehen auf der Liste der kurfürstlichen Stipen-
diaten — Nennenswertes für die Kunst hat keiner von ihnen
geleistete Wesentlich bedeutender, wenn auch heute einer un-
verdienten Vergessenheit anheim gefallen, war der Ostpreufse
Michael Willmann, geboren 1630 zu Königsberg, der später sich
in Schlesien ansftssig machte und dort zum Katholizismus über-
trat. ,,Er vereinigte Rembrandts Lichtpoesie und Rubens'
dekorativen Prunk mit dem Sinn für eine vielleicht manierierte,
aber doch liebenswürdige und lebenswarme Grazie e*' Er hat
für das Charlottenburger Schlofs und die Berliner Galerie
mehrere Bilder gemalt, die leider verloren sind. Erhalten hat
sich von ihm im Königsberger Schlosse ein sehr charakteristisches
Gemälde (aus dem Jahre 1682) , das Friedrich Wilhelm als
Friedensfürsten und Schirmherm der Künste, als Bändiger der
Zwietracht und Schöpfer von Reichtum und Glück in eindrucks-
voller und prächtiger Weise feiert.
Ein deutscher, wenn auch nicht märkischer, Künstler von
tatsächlicher Bedeutung, den der Kurfürst beschäftigte, war der
Schlesier Gottfried Leygebe. Er hatte in Nürnberg die schwierige
Kunst des Eisenschneidens gelernt, die er zumal in kleinen
Porträtstatuen mit hoher Begabung ausübte. Seit 1668 war er
als Münzschneider in Berlin dauernd angestellt. Aufser Münzen,
Medaillen, Kanonenzieraten und Formen für die Glashütten
bossierte er Statuen und Büsten in W^achs, fertigte ein kunst-
volles Schachspiel in Gold und Silber, zeichnete und malte.
Sein schönstes Werk ist eine zehn Zoll hohe Statuette in Eisen,
die den Kurfürsten als Bellerophon zu Pferde, die dreiköpfige
Chimära erlegend, darstellt. Der treffliche Künstler starb, erst
53 Jahre alt, 1683 in Berlin«.
> Galland, 78ff. 204.
* Erich Klossowski im HohenzoUem Jahrb., 1901, S. 275, dem diese
ganze Kotiz über Willmann entlehnt ist.
' Friedr. Nicolai, Nachrichten y. d. Künstlern Berlins (Berlin u.
184 SechfltM Bock.
Der erste Kupferstecher, der dort t&tig war, erhielt seine
Berufung gleichfalls von dem Kurfürsten: Johann Friedrich
Leonhard. Bedeutender war der Kupferstecher Gottfried Bartsch,
ein Schlesier, der nicht nur Stiche nach Gemälden der kurfQrst-
lichen Galerie herstellte, sondern auch Karten, Schlachtenbilder,
Porträts, Wiedergabe öffentlicher Aufzüge. Ihm folgte der
gleichfalls rühmenswerte Hainzelmann. Andere Kupferstecher,
Goldschmiede, Medailleure sind nur als Kunsthandwerker zu
bezeichnen. Jedenfalls gelang es Friedrich Wilhelm, wenigstens
das Kunstbandwerk dauernd in Berlin heimisch zu machen.
Wer es konnte, liefs seine Züge in Kupfer stechen, um sie den
Seinigen zu erhalten; sonst setzten die Hinterbliebenen das
Konterfei des Verstorbenen vor den damals häufigen Abdruck der
Leichenrede. Auch Monumente in Kirchen und auf Gräbern
aufzustellen wurde gebräuchlich. — Die Steinschneidekunst, der
Gelb- und Rotgufs wurden unter unmittelbarer Einwirkung und
Begünstigung des Kurfürsten gepflegt. Das gesamte Kunst-
handwerk blühte fröhlich auf: Dank den Anregungen des gro^^ien
Herrschers begann die Kurmark eine höhere und feinere Kultur
anzunehmen ^
Hierher gehört auch die Porzellanfabrikation'. Nach hollän-
dischem Vorbilde hegte Friedrich Wilhelm eine ganz besondere
Vorliebe für chinesisches und japanisches Porzellan, sowie für
Delfter Fayencen, die er für schweres Geld in Holland erstand,
und mit denen er seine Schlösser anfüllte. Er versuchte end-
lieh, dieses Kunstgewerbe im eigenen Lande heimisch zu machen.
Er liefs 1678 einen geschickten Porzellanbäcker Pieter Fransen
van der Lee nach Potsdam kommen, von wo dieser aber bald
nach Berlin übersiedelte. Nach seinem Tode führten andere
Holländer die Fayencebereitung weiter. Wirkliches Porzellan
ist erst seit 1712 in Berlin angefertigt worden.
Friedrich Wilhelm hatte schon als Knabe selber das Zeichnen
mit grofser Liebe getrieben (T. I S. 8. 12): umsomehr sah er
darauf, dafs auch seine Söhne sich in dieser Fertigkeit aus-
Stettin 1786) 51 f. — Hieraus stammen die Nachrichten über Leygebe
bei P. Seidel, Der Grofse Kurf. i. d. Plastik seinerzeit; Hohenzollem-
jahrb. 11 (1898). 93 ff.
' Galland, 74ff.
> Seidel im Jahrb. d. Egl. Preufs. Kunstsamml., XI, 188 ff.
Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 185
WMeten. Hervorragende Männer, wie Memhardt, Biesendorf,
WolfgrObel, Leygebe, leiteten den Unterricht'. Mehr als ein
Dutzend Zeichenbücher der Prinzen, besonders Karl Emils, sind
noch TOi*faanden und beweisen immerhin achtenswerte Beanlagung.
Der kurfürstliche Vater benutzte jede Gelegenheit, das Interesse
seiner Söhne für die gSchildereien** anzuregen.
Das ist es eben, was das Charakterbild des Kurfürsten
Friedrich Wilhelm Tor dem seiner Nachkommen auszeichnet:
er besafs einen wahrhaft universellen Geist. So sehr auch seine
Anteilnahme in erster Linie von den Sorgen um die Gründung,
den Bestand und das Ansehen seines Staates in Anspruch ge-
nommen war, sie erstreckte sich dennoch zugleich über alle
Riehtungen privater und öffentlicher Tätigkeit. Das aber bringt
ihn unserem Empfinden immer wieder nahe, wenn seine bunte
und listige Politik ihn uns zu entfremden droht. Sein Geist
blieb allen Anregungen geöffnet, und er durfte mit Recht von
sieh sagen: nil humani a me alienum puto.
In seinem Bestreben, das Kunstgewerbe und das Gewerbe
überhaupt in seinem Lande zu fördern, hat er sogar den Kleider^
luxus begünstigt.
Zu allen Zeiten hat man über solchen geklagt — am
wenigsten noch macht er sich in unserer demokratischen G^en-
wart geltend; aber am verwerflichsten war er in einer Epoche,
die so arm war und wo so viel Mangel und Elend herrschte,
wie während der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts
in Deutschland. Friedrich Wilhelm und Luise Henriette hatten
6ich zunächst der einfachen niederländischen Tracht beflissen^
deren gebräuchlichste und gerade bei feierlichen Gelegenheiten
angewandte Farbe die schwarze war. Glanz und Reichtum
wurden nur durch das kostbare Geschmeide der Damen hervor-
gehoben. Allein der Einflufs, den das allgewaltige Frankreich
unter der Selbstherrschaft Ludwig XIV. ausübte, war zu mächtig,
als dars Hof und Gesellschaft in Brandenburg sich ihm hätte
entziehen können. Als die französischen Reformierten dort in
wachsender Anzahl einströmten und für so viele Dinge mafs»
gebend wurden, triumphierte die französische Kleidung vollends.
An Stelle der einfachen Gewänder und des dauerhaften Schmuckes
von Edelsteinen und Perlen trat nun der vergängliche Luxus
1 Galland, 74ff.
186 Sechstes Buch.
schöner Kleiderstoffe und vielerlei Flitterkrams. Unter dem
Einflüsse seiner zweiten Gemahlin folgte auch Friedrich Wilhelm
diesen Bahnen. Die Männer liefsen nicht mehr das natürliche
Haupthaar lang hinunterfallen, sondern verbargen es unter der
prunkhaften Allongeperrücke; der Kurfürst trägt solche auf
seinen Münzen seit seiner zweiten Vermahlung. Auch die
Frauen suchten sich ein vornehmes Äufsere zu geben durch den
hohen Kopfputz der Fontange ; die Brust wurde künstlich heraus-
getrieben und fast völlig entblöfst getragen, wie auch die Arme.
Frömmigkeit und Satire eiferten gegen diese frivole Mode mit
der ganzen bis zu abschreckender Roheit sich steigernden Derb-
heit jener Zeit; aber sie richteten umso weniger aus, als sie
gerade in ihrem leidenschaftlichen Zorn selber viel Lüsternheit
verrieten.
Dagegen war es der Einwirkung Luise Henriettens sowie
des Kurfürsten selbst gelungen, in ihrer Umgebung die wüsten
Saufgelage abzustellen, die seit zwei Jahrhunderten den deutschen
Adel und Bürgerstand verunziert, geistig, moralisch und materiell
heruntergebracht hatten. Das fürstliche Paar würde hiermit
freilich keinen Erfolg gehabt haben, wenn nicht die in die
höheren Klassen der Gesellschaft eindringende Gewohnheit des
Genusses von KaflFee, Schokolade und Tee — besonders dem
letzteren, dessen Gebrauch durch den kurfürstlichen Leibarzt
Menzel und den Holländer Bontekoe in Berlin verbreitet wurde —
das Biertrinken sehr vermindert, überhaupt die von Frank-
reich herübergelangende feinere Sitte jenes Laster in Verachtung
gebracht hätten. Es ist wohlfeil, vom chauvinistischen Stand-
punkte aus auf den Siegeszug französischen Wesens durch
Deutschland zu schelten; er hat zweifellos viel übles gestiftet
und das ohnehin schwache Nationalgefühl vollends ertötet: er
hat aber auch bessere und gebildetere Gewohnheiten eingeführt,
auf denen erst sich eine neue deutsche Kultur begründen liefs.
Das alles freilich galt zunächst nur für die höheren Klassen,
die niederen fröhnten nach wie vor dem übermäfsigen Bier-
genusse, so dafs der Kurfürst sich genötigt sah, die Beobachtung
der Polizeistunde für die Bierwirtschaften von neuem ein-
zuschärfen. Und dazu gesellte sich ein neues, viel schädlicheres
und verderblicheres Laster: der mit reifsender Schnelligkeit sich
ausdehnende Verbrauch von Branntwein. Gerade die Armut und
schlechte Ernährung des Volkes während des und nach dem
Neununddreilsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 187
Dreirsigjährigen Krieg haben das Branntweintrinken mit physio-
logischer Notwendigkeit gefördert. Die um das Jahr 1680
gemachte Entdeckung der Bereitung dieses alkoholischen Ge-
tränkes aus der Kartoifel hat seine Billigkeit und zugleich seine
verderblichen Folgen für die Gesundheit gesteigert. Den Ge-
brauch des Schnupfens und besonders des Rauchens von Tabak
haben die Holländer nach Deutschland verpflanzt. Gerade
während der letzten Regierungsjahre des Kurfürsten bürgerte
sich die kurze Pfeife in unseren Gegenden ein. Obwohl Fried-
rich Wilhelm sie nicht liebte und in seinen „Artikulsbriefen"
vom Januar 1679 seinen Seeleuten überhaupt das Tabakrauchen
streng verbot, gefiel es der Bevölkerung so sehr, dafs die
FiDanzkünstler den Tabak schon zum Gegenstande hoher Be-
steuerung machten. — Das starke Essen, die übergrofse Zahl
von Fleischspeisen blieben unseren Vorfahren nach wie vor eigen-
tümlich. Sie hielten nicht so viel auf feine, wie auf viele
Gerichte, und besonders bei festlichen Veranlassungen wurden
Lebensmittel in schier unbegreiflichen Mengen vertilgt. Über-
haupt das Massenhafte, Augenfällige, Gewaltige galt, der Halb-
barbarei des Zeitraums entsprechend, als Zeichen der Vornehm-
heit und Macht. Die beiden brandenburgischen Gesandten zum
Friedenskongrefs von Nymwegen (1676 bis 1678), die dort nur
eine bescheidene Rolle spielten, führten 84 Personen und 41
Pferde mit sich ^ — heute würde ein Botschafter des mächtigen
deutschen Reiches kaum den vierten Teil der Bedienung erfordern,
wie daaials die beiden Vertreter des brandenburgischen Mittel-
staates, deren einer ein kaum geadelter bürgerlicher Jurist war.
Eine Unsitte, die zu jener Zeit sehr verbreitet war, wurde
durch den französischen Einflufs lediglich verstärkt: das Spiel.
Sie herrschte zumal am Hofe, und zwar in so hohem Mafse, dafs
der französische Gesandte Graf R^benac an einem Abende 1200
Taler — 36000 Mark nach heutigem Geldwerte — gewinnen
konnte*. Mit dieser Verschwendung der Wohlhabenden stand
dann das Elend der ungeheuren Mehrheit des Volkes in um so
schreienderem Gegensatze.
Der Aberglaube jedoch war den Höheren und den Niederen
» ü. u. A., XVIII, 553.
' R^benac an seinen Vater, Marquis de Feuquiöres, 28. Mai 1681;
Gallois, Lettres, V, 227.
188 SechflUs Buch.
gemeiasam und überall verbreitet. Man war fest davon über-
zeugt — auch Friedrich Wilhelm glaubte daran — dafs vor
jedem Todesfalle in der hohenzollernschen Familie sich im
Berliner Schlosse die weifse Ahnfrau zeige. Kometen sowie
andere Lufterscheinungen galten als Anzeichen von Krieg und
Pestilenz und erregten grofsen Schrecken. Ein Müller, der
behauptete, zwei Kriegsheere in den Wolken des nördlichen
Himmels erblickt zu haben, wurde über dieses Wunder von dem
Magistrate zu Küstrin förmlich verhört. Jede aufsergewöhnliche
Mifsgeburt, nicht nur am Menschen, sondern auch bei Tieren,
galt als schreckhaftes Zeichen des göttlichen Zorns und als
Mahnung zu Bufse und Besserung. Wahrsager beiderlei Ge-
schlechtes fanden zahlreichen Anhang. Hexerei und Zauberei
wurden als erwiesene Tatsachen widerspruchslos geglaubt. Noch
1664 wurden zwei kurfürstliche Pagen wegen schwarzer Künste
in Berlin bestraft, 1671 eine Frau Trina Stempels, weil sie mit
dem Teufel einen Bund geschlossen. Das Berliner Gericht ging
dann 1679 wieder gegen eine wegen Zauberei übel berüchtigte
Person vor. Krankheiten und Unglücksfälle aller Art schrieb
man den Hexen und Zauberern zu und suchte die Urheber von
Diebstählen durch allerlei Weissagungen herauszubekommen,
wobei auf dem Lande sogar Pfarrer und Küster hilfreiche Hand
boten. Im Fürstentum Minden nahm das Hexenunwesen geradezu
unheimliche Ausdehnung an, und die dortige Regierung war
derart verblendet, dals sie die angeklagten Hexen sofort hin-
richten lassen wollte, damit der Teufel sie nicht zu neuen
Missetaten verleite. Allein der Statthalter — damals Graf
Waldeck — war glücklicherweise aufgeklärter und einsichtiger
als die gelehrten Räte : er verbot, unter scharfen Strafandrohungen,
leichtfertigen Beschuldigungen dieser Art Glauben zu schenken.
Hierauf nahm die Zahl der Hexenprozesse bedeutend ab^.
Wie weit und hoch hinauf der Aberglaube verbreitet war,
das möge folgendes Beispiel lehren. Am 25. August 1666 bemerkt
Oberpräsident von Schwerin in seinem Tagebuch^: „Da dem Kur-
prinzen ein Unglück von einem Astrologe angekündigt, haben
Se. Kurf. Durchl. ihn nicht ausgehen lassen wollen. An eben
* Orlich, Friedr. Wilh., 260 ff. 280 ff.; u. Preufs. Staat, I, 522. —
König, n, 149. 195. 249. — Spannagel, Minden u. Ravensb., 242{f.
« Berlin, Geh. StaatBarchiv., Rep. 94, IV, H c 9.
Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. Ig9
dettiselben Tage sind vier Edelleute mit den Pferden gestürzt,
davon der eine noch ohne HoiFnung darnieder liegt, und hat
der Astrologns gesagt, wenn der Kurprinz mitgekommen, würde
ihm ganz gewifs ein Unglück begegnet sein/
Und wie der Aberglaube, war die Roheit allgemein verbreitet.
Die Bärenhatz galt als eine besondere Lustbarkeit. Sie wurde
nicht allein zu Ehren fremder Gesandtschaften veranstaltet \
sondern auch ein so frommer und milder Mann, wie Otto von
Schwerin, hatte nichts dagegen einzuwenden, dafs in Gegenwart
der noch im Kindesalter befindlichen Prinzen sowie der ganzen
karfürstlichen Familie Bären zuerst mit Pferden und Ochsen
kämpften und dann selber gehetzt wurden'. Aber auch die
Kriminalstrafen an Menschen waren überaus grausam. Im Jahre
1684 wurde in Berlin ein Falschmünzer enthauptet, dann seine
Leiche verbrannt. Ebenso wurden Bigamie, Blutschande, sogar
Ehebruch, femer schwerer Diebstahl mit dem Tode* bestraft*.
Die Unsitte der Duelle war allgemein verbreitet, auch in
den höheren Klassen der bürgerlichen Bevölkerung. Friedrich
Wilhelm trat gegen sie mit strengen Verordnungen auf, da er
meinte, die Duellanten „liefsen sich durch ihre unzeitigen
Passiones dahin verleiten, dafs sie auch keine Scheu trügen, die
allergerechtesten und in Gottes Wort gegründeten Ordnungen
anzutasten und sich denenselben zu opponieren^. Der Tod seines
Eammerjunkers von Kospott im Zweikampf veranlafste 1665 den
Herrscher zur Verschärfung der Strafen gegen die Duellanten.
Alle adligen Hofleute und Beamten wurden im Schlosse zu
Berlin in Gegenwart der Geheimen Räte im „hohen Namen* dea
Kurfürsten feierlichst befehligt, bei „Vermeidung Unserer höch-
sten Ungnade* sich friedlich zu benehmen, auch, wenn man
sich beleidigt glaube, die Sache vor den Landesherm selbst zu
tragen. Nicht allein die Duellanten selber sollten „an Leib und
Leben* , sondern auch alle Kartellträger , Sekundanten , ja
Mitwisser schwer gestraft werden. Diese Vorschriften wurden
hniner von neuem eingeschärft — ein Beweis, dafs sie wohl
nicht genau beobachtet worden sind^. Kam es doch 1672 vor.
* Orlich, Freute. StsÄt, I, 385.
' Mb. Tagebuch; Berlin, Geh. Staatsarchiv, a. a. O.
« König, n, 221. 475 ff.
* Orlich, Preuffl. Staat, IH, 79. 170 ff. 193 f.
190 Sechstes Buch.
dafs selbst der Oberkriegskommissar in Preufsen, von Podewils,
sich mit einem Hauptmann Hubalt, der ihn allerdings tätlich
beleidigt hatte, schlug und ihn im Duell tötete. Er kam mit
schlichtem Abschied aus dem brandenburgischen Dienste davon
und wurde dann, auf Empfehlung des Herzogs von Croy, wegen
seiner früheren Verdienste bald wieder angestellt*.
Wunderbar, wie sich mit Aberglauben und Roheit eine
tiefe und aufrichtige Frömmigkeit vertrug! Die Widersprüche
liegen dicht und unvermittelt im menschlichen Gemüte neben-
einander. Derselbe Friedrich Wilhelm, der an die Weifse Frau
und die Sterndeuterei glaubte, der sich an der Todesangst und
den letzten Zuckungen armer Tiere ergötzte, befahl, dafs der
Sonntag nicht nur durch Enthalten von jeder Arbeit, sondern
auch mit Beten, Siugen, frommen Ermahnungen sowie mit Übung
tätiger christlicher Nächstenliebe begangen werde. Er ordnete
für den Sonntag sogar die Schliefsung der Gast- und Schenk-
häuser an (1676). Auf seinen Schiffen wurde morgens und
abends Andacht gehalten, zu der sich alle Seeleute versammeln
mufsten; das Schwören und Fluchen war diesen streng untersagt^.
Die Obrigkeit suchte damals alles zu regeln, wie die
Frömmigkeit, so auch die Preise der unentbehrlichen Lebens-
bedürfnisse. Der Kurfürst erliefs 1676 und dann wieder 1685
Fleisch-, Brot-, Wein- und Biertaxen. Das Pfund Kalbfleisch
durfte in Berlin nicht höher als zu einem Groschen, das Quart
gutes Stadtbier als zu acht Pfennigen verkauft werden. Alles
dies hielt aber vor der Macht der Verhältnisse nicht mehr Stand,
als die obrigkeitliche Festsetzung des Zinsfufses auf sechs Pro-
zent. Es kam vor, dafs man von kleinen Schuldnern 54, ja
-— wie eine Frau Katharine Kramer — 120 Prozent jährlicher
Zinsen erprefste. Schließlich mufste der Kurfürst zugeben, dafs
seine Kaufleute, wie in den auswärtigen Handelsstädten, bis
acht Prozent Interessen nehmen konnten.
Ein charakteristisches Zeichen der Sorgfalt, die der Landes-
herr zu jener Zeit dem materiellen und moralischen Wohlergehen
der Untertanen widmen zu müssen glaubte, ist das am 30. Ja-
nuar 1686 erlassene „Verbot der Reisen in frembde Lande ohne
* Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae, 1670 — 1672 (Berlin,
Geh. Staatsarchiv, ßep. XCII, Croy 136). Vol. V S. 82 f. 188. 403 f. 564.
* Artikulsbriefe für die Marine (Jan. 1679).
Neununddreiüsigstee Kapitel. Geist und Sitte. 191
allergDädigste Permission^ . Die Begründung beleuchtet die ganze
Denkweise jener Zeit: „Demnach Wir wahrgenommen, es auch
die kfirzliche Erfahrung bezeuget, dafs eine Zeit hero viele von
unseren Vasallen und Lehuleuten auf dem Lande, wie auch
vermögende Bürger in Stfldten sich unterstanden, ohne Unsem
Vorbewurst und Consens ihre Söhne in frembde und auswärtige
Lande und Königreiche, untern Vorwand, dafs sie daselbsten die
Sprachen und allerhand Exerzitia lernen sollen, zu verschicken
und selbe'peregrinieren und reisen zu lassen, welche dann nicht
allein ihren Eltern sondern auch ihnen selbsten zum äufsersten
Schaden und Verderb, ein grofses Geld in der Frembde unnütz-
lich verzehret und durchgebracht, indem sie allerlei Eitelkeiten
sich ergeben, den Desbauchen, Spielen und anderen Wollüsten
nachgegangen, zu deren Bezahlung grofse Summen Geldes über-
machet werden müssen, viele auch die einmal erkannte und
bekannte Wahrheit der evangelischen Religion abzuschwören sich
verführen lassen, teils auch liederlich um ihr Leib und Leben
gekommen* — also verbietet der Kurfürst bei mannigfachen
Strafen das Reisen in fremde Länder ohne „Unsere gnädigste
Spezial-Permission und Pafs". Er empfiehlt vielmehr den Wifs-
begierigen die „guten, bequemen und tüchtigen Sprach- und
Exerzitienmeister , an denen es auch denen Gymnasiis und
Akademien in Teutschland nunmehr nicht ermangelt, und damit
absonderlich Unseie Universität zu Frankfurt gebührend und
wohl versehen ist." *
Das Verbot war um so leichter durchzuführen, als die
Lehren und das Beispiel des Kurfürsten ihre Früchte zu tragen,
der Ruhm und das Ansehen, die er sich und seinem Staate und
Heere erworben, den Partikularismus der einzelnen Landesteile
zu zerstören und alle Untertanen, vom Rhein bis an den Pregel,
mit freudigem Stolze auf den brandenburgischen Namen zu
erfüllen begonnen hatte. Als die klevisch- märkischen Stände
am 15. Oktober 1666 dem Kurprinzen die Huldigung leisteten,
brachen sie, die sich einst als Republik hatten konstituieren
wollen, in den begeisterten Ruf aus: „Vivat Brandenburg!"*
Auch das erst seit kurzem mit dem HohenzoUernstaat vereinigte
Fürstentum Halberstadt war von so patriotischem Geiste erftült,
' Myliue, VI, I, 567.
' Ms. Tageb. Schwerins, a. a. O.
Id2 Sechstes Bucli.
dafs Friedrich Ton Jena darüber in freudiges Staunen geriet
Einer neuen Steuerforderung gegenüber erklärten die dortigen
Stände: „Wir haben bereits ein Grofses und über unsere Kräfte
getan ; jedoch wenn wir nur wissen, dafs es zu Sr. Kurf. Durchl.
Bestem und Dienst angewandt wird, wollen wir gern noch femer
tun, was uns möglich/ ^ Noch mehr entwickelte die patriotische
und loyale Gesinnung sich in der kurfürstlichen Residenz Berlin,
die dem Landesherrn ihr Aufblühen verdankte. Den Sißg bei
Fehrbellin feierten nicht allein die Prunkreden, die den heim-
kehrenden Helden die Berliner Bürgermeister Tieffenbach und
Schardius sowie der GöUner Bürgermeister Neuhaus hielten,
sondern auch Feuerwerk und Illumination seitens der Einwohner.
Die Berliner gaben nach den pommerschen Feldzügen gleich-
falls ihre Freude über die glänzenden Erfolge der vaterländi-
schen Waffen durch prächtige Feste und Ausschmückung der
Stadt ndt Laubgewinden, Ehrenpforten, Säulen, Obelisken,
Statuen und Trophäen', durch dichterische Vorträge seitens
schön geputzter Jungfräulein zu erkennen. Zu grofs war der
Unterschied dieser glorreichen Zeiten mit den noch nicht lange
verflossenen Jahren, wo derselbe Schwede, der jetzt gedemütigt
dem Kurfürsten zu Füfsen lag, die Kurmark unterjocht und
ausgeplündert hatte. Die Quelle des jugendlichen Patriotismus
sprudelte mit naiver Aufrichtigkeit in dem Liede, mit dem am
SchluTstage des Jahres 1677 Berlin seinem Herrscher huldigte:
„Berlin, jetzt freue dich:
„Der Feind ist überwunden!
„Mark, jauchze und sei froh,
„Der Schrecken ist gebunden.
„Du bist durch diesen Sieg
„Von grofser Furcht befreit.
„Gott wird dir helfen noch
„Und femer stehen bei.**'
Die Grofstaten Friedrich Wilhelms hatten das branden-
burgisch-preufsische Staatsbewufstsein geschaffen.
» Orlich, Preufs. Staat, I, 503.
* Eine genaue Beschreibung dieser prächtigen und, bei Tieler Pedaa*
terie, doch erfindungsreichen und geistvollen Ehrenbauten mit ihren
Schildereien und Inschriften findet man in dem Aufsatze Paul Seidels,
Hohenzollemjahrb. 1902, S. 246 ff.
» Schwebel, II, 118 f.
Vierzigstes Kapitel
Das Heer.
Das hauptsächliche Machtmittel für den von Friedrich
Wilhelm begründeten Einheitsstaat war das Heer, und ihm hat
er unausgesetzt seine Sorgfalt zugewandt Die ruhmreiche
preufsische Armee feiert in dem Grofsen Kurfürsten ihren
Schöpfer. Die Dürftigkeit der brandenburgischen Finanzen nötigte
ihn zwar, nach jedem Kriege beträchtliche Herabsetzungen des
Heeresbestandes vorzunehmen, gegen den Willen und zum grofsen
Kummer Derfflingers * ; allein wir bemerken, dafs dennoch die
Anzahl der auch während des Friedens unterhaltenen Soldaten
dauernd anwächst. Der Kurfürst hatte sich dazu die Mittel
verschafft, indem er die bisher von den einzelnen Ständeversamm-
langen nur zögernd und zeitweise bewilligten Steuern in bleibende,
gleichm&fsige und für alle Provinzen des Staates systematisch
angelegte verwandelte.
Das alte Lohns- und Milizsystem widersprach ebensosehr
dem Geiste der Zeit, der sich von jeder tätigen Anteilnahme des
Untertanen an öffentlichen Dingen abgewandt hatte, wie den
Anforderungen einer entwickelten Technik in der Bewaffnung
und den Bewegungen der Heereskörper. Friedrich Wilhelm
liefs es deshalb, mit Recht, auch in seinen Staaten absichtlich
verfallen. Es hatte selbst in den Marken gegen die Schweden
nur geringe Dienste getan. Die ^^Landfolge* in Hinterpommern
* Mb. Derffl. an Landgr. Hessen -Homburg, 4. Sept. 1678; Berlin,
Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, lY Hb 5k.
Phlllppion, Der Qroüm KuifOrtt. III. 18
194 Sechstes Budi.
hatte während der Jahre 1674 bis 1676 gänzlich versagt und
wurde dann nicht mehr in Anspruch genommen. „Die preufsische
Landesmiliz/ urteilt Friedrich Wilhelm in seinem politischen
Testamente von 1667, „taugt zu keinem Kriege, wie ich solches
Selbsten erfahren habe." Er erkannte in dem Reste der alten
adligen und städtischen Heeresfolge nur Elemente, die, gegen
den äufseren Feind unbrauchbar, dem Landesherrn unnütze
Kosten, Unbequemlichkeiten und selbst Gefahr bereiten. Als seit
dem Jahre 1675 die preufsische Regierung gegen die drohende
schwedische Invasion Ritterpferde und Wibranzen aufstellte, liefs
der Kurfürst sie zwar gewähren, verweigerte aber dazu jeden
finanziellen Zuschufs; seine Mittel gehörten seinem stehenden
Heere. In der Tat, die ganze preufsische „Ordinardefeusion" lief,
ohne Widerstand zu leisten, bei dem ersten Angriffe der Schweden
auseinander. Seitdem waren auch inPreufsen Miliz und Lehndienst
begraben \ Um so kräftiger entfaltete sich die Armee ^
Nach dem Frieden von Oliva war das Heer auf 8 — 9000
Mann heruntergesetzt; allein bereits 1668, während des Devo-
lutionskrieges, war es wieder auf 7000 Infanteristen, 4100 Reiter
und 1500 Dragoner, im ganzen — mit Zuziehung der Artillerie
und des Trains — auf mehr als 13000 Mann gewachsen*. Der
französisch-niederländisch-schwedische Krieg, an dem Branden-
burg so hervorragenden Anteil nahm, führte die stärkste Entwick-
lung seiner Kriegsmacht herbei, die auf 9764 Reiter, 3455 Dragoner,
30892 Infanteristen, 986 Artilleristen, sowie 221 Köpfe des
Generalstabes und der Verwaltung, also zusammen auf 45318
Mann gewachsen war. Hervorzuheben ist die verhältnismäfsig
bedeutendere Zunahme der Infanterie. Während im Beginne
des Krieges Reiterei und Dragoner zusammen noch zwei Fünftel
des Heeres ausgemacht hatten und des Kurfürsten wie Derff-
lingers Lieblingswaffen gewesen waren, betrugen sie gegen Ende
^ 0. Jany, Lehndienst und Landfolge unter d. Grofs. Kurf.; Forsch,
z. brandenb. u. preufs. Gesch., X (1898), 1 — 25.
* Zu diesem ganzen Gegenstande vgl. man v. Mülverstedt,
Brandenburgs Kriegsmacht unter d. Grols. Kurf. (Magdeb. 1888); Gust
Lehmann, Die brandenb. Kriegsmacht unter d. Grofs. Kurf.; Forsch,
z. brandenb. u. preufs. Gesch., I (1888); die hervorragende Arbeit von
F. V. Schroetter, Die brandenb. - preufs. Heeresverfassung unter d.
Grofs. Kurf. (Leipzig 1892).
» Orlich, Preufs. Staat H, 402 ff.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 195
der Kämpfe weniger als ein Drittel. Wir irren wohl nicht,
wenn wir den in den pommerschen Feldzügen notwendig ge-
wordenen zahlreichen Belagerungen, bei denen naturgemäfs die
Infanterie fast allein Verwendung fand, diese Umwandlung
Euschreiben, die übrigens durch die weitere Entwicklung der
Taktik begünstigt und befestigt wurde.
Auch nach dem Friedensschlüsse yon St. Germain bewahrte
das Heer eine beträchtliche Stärke. Im Jahre 1681 betrug es
512 Mann Artillerie, 3497 Reiter, 1462 Dragoner, 20801 Fufs-
gäDger (darunter 6499 Mann Gamisontruppen), also mit General-
stab und Verwaltung etwa 26300 Mann^ Man bemerke, dafs
die berittenen Truppen nur mehr ein Fünftel, die eigentliche
Kavallerie weniger als ein Siebentel des Gesamtheeres betragen.
Die Infanterie ist zur Königin der Waffen geworden. Die Rolle
der Artillerie ist im Felde noch eine untergeordnete. Sie hat
erst durch den grofsen Napoleon ihre Bedeutung erhalten.
Der Türkenkrieg und besonders die Gewalttaten, die
Ludwig XIV. unausgesetzt gegen das Deutsche Reich verübte,
veranlafsten den Kurfürsten in den folgenden Jahren zu neuer
Vermehrung seines Heeres. Es war 1687 auf 14932 Feld- und
7710 Mann Besatzungsinfanterie — also zusammen 22 642 Fufs-
gänger — , 3842 Reiter, 1350 Dragoner und 502 Artilleristen,
im ganzen, mit Generalstab und Verwaltung, auf etwa 28600
Mann angewachsen. Man beachte, dafs die Zunahme fast aus-
schliefslich den Fufstruppen zu gute kam. An seinem Lebensende
hinterliefs der Grofse Kurfürst seinem Sohne ein stehendes
Heer von etwa 30000 wohlgeübten und gutgeführten Streitern:
eine Macht, die Brandenburg-Preufsen an die Spitze der Staaten
zweiten Ranges stellte, es als Bundesgenossen gesucht, als
Gegner gefürchtet machte.
Dieses Heer hatte seine bleibende, möglichst gleichmäfsige
Organisation. Dadurch unterschied es sich von den bunt zu-
sammengewürfelten, den wechselnden Umst&nden unterliegenden
Söldnerheeren der Vergangenheit. Die vornehmste Truppe war
die berittene Trabantengarde des Kurfürsten, die zuletzt in drei
Kompanien zu je 130 Mann bestand; dann kam eine Leibgarde
' Das Folgende nach Ms. General- Verpflegungs-fistat der ChurfOrstL
Brandenburgisöhen Soldatesque (£gl. Bibl. zu Berlin, Manuscr. Bonus.,
foL, 320). — Vgl. Orlich, a. a. 0. H, 403 f. 411, HI, 309.
13*
196 Seclistes Buch.
zu Fufs, die 1668 nur sechs Kompanien zu je 125 Mann, 1687
aber 24 Kompanien von gleicher Stärke betrug, also das Drei-
fache der sonstigen Infanterieregimenter. Die Reiterei zerfiel
in Regimenter, die der Regel nach sechs Kompanien zu je 83 Mann,
also im ganzen, mit dem Regimen tsstabe, 515 Mann stark sein
sollten. Diese Zahl wurde indes selten erreicht und im Frieden,
der Ersparnis halber, die Kompanie Reiter auf 63 Mann ver-
mindert. Die Dragonerwaife — bekanntlich Infanteristen, die
zu schnellerer Beförderung auf den Kampfplatz beritten
gemacht waren, aber zu Fufse stritten — , früher sehr beliebt,
nahm infolge der besseren Ausbildung der Infanterie an Zahl
beständig ab. Das Dragouerregiment zählte acht Kompanien zu
125 Mann Kriegsstärke; allein 1687 waren nur zwei Regimenter und
zwei einzelne Kompanien vorhanden, und jede Kompanie enthielt
durchschnittlich nicht mehr als 75 Mann. Das Infanterie-
regiment war gleichfalls acht Kompanien zu je 125 Mann stark
und wurde, da es weit weniger kostete als die berittenen Waffen,
auf annähernd komplettem Fufse gehalten. In bedrohlichen
Zeiten wurde bei einzelnen Regimentern die Kompanie sogar
auf 150 Mann gesetzt, wie 1679 beim Regiment Anhalt.
Der Kurfürst hat gegen Ende seiner Regierung noch einige
Spezialkorps errichtet, die wir auf dem ordentlichen Heeresetat
nicht angeführt finden. Seit 1675 unterhielt er unter dem Namen
Towardzisch während einiger Jahre zwei Kompanien polnischer
Reiter. Dauernder war die Bildung von zwei Kompanien Grands-
Mousquetaires mit zusammen 220 Mann, die ausschliefslich aus
geflüchteten hugenottischen Edelleuten bestanden, und deren
Soldaten Offiziersrang besafsen. Dazu kam 1688 eine dritte,
65 Mann starke Kompanie, in der deutsche Edelleute unter
gleichen Bedingungen dienten. Von den noch ganz jungen fran-
zösischen Edelleuten wurden Kadettenkompanien gebildet, aus
denen nicht weniger als 17 Generalleutnants und 24 General-
majore hervorgingen*.
Unabhängig davon ist die Formierung der beiden mit huge-
nottischen Offizieren besetzten und zum Teil aus französischen
Mannschaften gebildeten Regimenter Briquemault (zu Pferde)
und Varenne (zu Fufs), sowie des Bataillons Courneaud, die der
* Erman u. Beclam, 11, 203 ff. — Toll in, Französ. Kolonie in
Magdeb., I, 662.
Vierzigstee Kapitel. Das Heer. 197
EurfOrst 1685 und 1686 „aus grorsem Mitleid mit denen aus
Frankreich wegen der reformierten Religion vertriebenen armen
Leuten'' verfügte ; sie traten in den Rahmen des übrigen Heeres
ein, obschon, aus leicht begreiflichen Gründen, die Zahl der
Offiziere viel bedeutender wurde, als solche bei den anderen
Regimentern üblich war. Schon im Juni 1687 waren 611 kal-
vinische Edelleute in das brandenburgische Heer aufgenommen
worden \
Die Armee bestand noch ausschliefslich aus Söldnern, die
mehr oder minder freiwillig angeworben waren. Die Werbung
wurde den Obersten anvertraut, die solche auf eigene Faust,
wenn auch auf Grund landesherrlichen Patentes, vornahmen.
Dafür vergütete ihnen der Kurfürst Werbegelder, deren Höhe
nach dem Gesetze des Angebotes und der Nachfrage wechselte,
durchschnittlich aber für den Reiter 40, für den Dragoner 20
und für den Fufsgänger 8 Reichstaler betrug. Ein Unterschied
zwischen Landeskindern und Ausländern wurde dabei nicht ge-
macht. Es durften aber im Inlande Domänenpächter und Hof-
besitzer sowie deren ansässige Knechte nicht geworben werden,
damit der Ackerbau geschont bleibe, und ebensowenig die Ge-
werbtreibenden in den Städten: demnach blieb für das Inland
den Werbern wirklich nur das „Gesindlein*" zur Verfügung.
Auch feindliche Gefangene steckte man in die brandenburgischen
Regimenter unter. Solche Massen konnten selbstverständlich
nur durch eiserne Strenge in Zucht gehalten werden. Es gab
immer zahlreiche Deserteure, für deren Festnahme ein Preis
von je zwei Talern ausgesetzt war. Die Werber griffen aber
auch häufig zur Gewalt, um Rekruten zu erlangen. Der Kur-
fürst suchte diesem schliefslich dem Bestände der Armee selbst
schädlichen Mifsbrauche durch wiederholte Verordnungen ab-
zuhelfen, auch durch das Gebot, alle mit Gewalt Geworbenen
sofort zu entlassen, — allein es ist wenig wahrscheinlich, dafs
diese Befehle gegenüber dem Eigennutze der Werber Erfolg
gehabt haben.
Der Oberst war damals der eigentliche Inhaber seines Re-
gimentes, das auch seinen Namen trug. Er ernannte zu den
Offizier- wie zu den Unteroffizierstellen des Regimentes, er be-
' Ms. Depeschen Böbenacs vom Juni 1687 (Berlin, Qeh, Staatsarchivt
Rep. 94, IV H b, 10 a).
198 Sechstes Buch.
lohnte, strafte und entliefs die Soldaten. Er hatte die Ver-
pflegung und die Justiz seines Truppenteils zu verwalten. Nur
allmählich wufste der Kurfürst sich das Recht zu verschaffen,
dafs ihm alle von der Militärjustiz gefällten Urteile zur Be-
stätigung vorgelegt, alle neuernannten Offiziere, vom Fähnrich
aufwärts, zu gleichem Zwecke gemeldet werden mufsten ^ Damit
hatte er das Interesse des Dienstes gegen persönliche Willkür,
Eigennutz und Grausamkeit geschützt. Es bedeutete aber eine
beträchtliche Änderung des bisherigen Verhältnisses, dafs die
Regimenter nunmehr stehende Truppen wurden, die nach dem
Tode des Inhabers vom Kurfürsten einem neuen Obersten über-
tragen wurden: also nicht mehr der Oberst stellte das Regiment
dem Kurfürsten, sondern dieser dem Obersten. So wurde es
1681 Friedrich Wilhelm möglich, den Hauptschlag zu führen,
indem er, mit Nachahmung der von Louvois im französischen
Heere getroffenen Neuerung, den Obersten Justiz, Verpflegung
und Offiziersernennungen in den Regimentern nahm und sich
selbst beilegte. Erst damit wurde die Bürgschaft für eine gute
und gewissenhafte Administration, für strenge Disziplin und
unweigerlichen Gehorsam im Heere geschaffen, ward dieses
eine unbedingt zuverlässige Waffe in der Hand des Fürsten.
Friedrich Wilhelm sorgte noch weiter für die Zahl und
Tüchtigkeit seines Heeres dadurch, dafs er, nach niederländischem
Vorbilde, gut gediente Söldner auf Wartegeld beurlaubte; d. h.
er siedelte sie in seinen Dörfern an, erteilte ihnen eine geringe
Pension und ein Deputat an Naturalien, und sie übernahmen
dafür die Verpflichtung, jederzeit zum Kriegsdienste bereitzu-
stehen '.
Die Gleichförmigkeit der Bekleidung war noch nicht völlig
durchgeführt, jedoch beabsichtigt und teilweise verwirklicht.
Am wenigsten bei der Reiterei, wo jeder Mann sich selber kleiden
und beritten machen mufste. Sie trug lederne Koller , über
die der Kürafs gezogen wurde, Helme mit hinten und an den
Seiten herunterhängenden Blechplatten, Panzerhandschuhe und
eine schwarzweifse Schärpe. In der zweiten Hälfte dieser Re-
» Orlich, Friedr. Wüh., 215; u. Preufs. Staat, II, 896. 410, IH,
209 f. — Ein Werbebrief Friedrich Wilhelms vom 18. Juli 1646: v.;G ans-
auge, Brandenb.-preuf& Kriegswesen, 178 ff. Vgl. ebendas., S. 47 f.
« Jahns im Hohenzollernjahrb. 1900, 8. 142.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 199
giernng warden die Helme durch Hüte mit Federstutz ersetzt
Die Waffen der Reiterei waren ein langes Schwert und Pistolen.
Nur die Trabanten trugen durchgehends blaue, mit Gold- und
Silberschnüren verbrämte Koller. Die Dragoner führten ein
kurzes Schwert und teils eine leichte Muskete, teils eine leichte
Pike; auch sie waren mit ledernem Koller bekleidet.
Die Gleichmftfsigkeit der Kleidung war bei der Infanterie
besser durchgeführt, die gegen Ende unseres Zeitraums durch-
gehends über der Ärmelweste einen langschöfsigen blauen Bock
trug, wenn auch die Schattierungen ebenso wie die Knöpfe ver-
schieden und die Beinkleider teils blautuchen, teils ledern waren.
Die ,Livrey** eines Soldaten kostete in Berlin nur fünf Taler
and sechs Pfennige, in Königsberg freilich über sieben Taler ^. Ehe
das Bajonett eingeführt wurde, bestand ein Drittel der Infanterie
aus Pikenieren, die noch Panzer und Pickelhaube, sowie eine
fQnfzehn bis sechzehn Fufs lange Pike und im Gürtel eine Pistole
trugen. Die anderen zwei Drittel der Fufsgänger führten Mus
keten, die aber sogar bei demselben Begimente nicht alle gleichen
Kalibers waren, und, ebenso wie die Pikeniere, Seitengewehre.
Dann trugen sie, zu gröfserer Sicherheit gegen Kavallerie-
angriffe, spanische Beiter mit sich, allerdings ein sehr beschwer-
liches Gepäck! Ihre Kopfbedeckung war ein schwarzer Fi]zhut,
der durch eingelegtes eisernes Gestell gegen Säbelhiebe gesichert
war, mit breiter, auf der einen Seite aufgeschlagener Krampe.
Die Unteroffiziere führten Flinten und Pistolen, die Subaltem-
offiziere nebst den Degen kurze Spiefse mit breitem Stichblatt,
sogenannte Schweinsfedem.
Die Justiz im Heere wurde durch rechtsgelehrte Begiments-
schttlzen verwaltet, die später den noch heute üblichen Namen
Auditeure erhielten. Dabei ward das Urteil durch ein Kriegs-
gericht gesprochen, das nach Chargenklassen gesondert abstimmte.
Niedrigere Chargen als die des Angeklagten durften nicht zu-
gezogen werden. Jedes Urteil mufste, vor der Vollstreckung, nebst
den zugehörigen Akten dem Kurfürsten vorgelegt werden. Das
brandenburgische Kriegsrecht war ein im ganzen mildes, besonders
auch gegen Deserteure. Aufserdem wurde die Todesstrafe häufig
durch den Kriegsherrn in Galeerendienst verwandelt; auch sonst
wurden hierzu schwere Militär Verbrecher verwendet. Noch kurz
' Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae, HI, 728.
200 Sechstes Buch.
vor seinem Tode — am 29. Januar 1688 — verbot der Kurfürst
das willkürliche Prügeln und Mifshandeln der Soldaten, zumal
durch die Unteroffiziere^.
Der Auditeur hatte, namentlich bei den Musterungen, zugleich
Sekretärsdienste zu verrichten. An der Spitze des Auditoriats
stand der Generalauditeur.
Wiederholte Musterungen jedes einzelnen Truppenkörpers
waren damals noch notwendiger als in der Gegenwart Indem
die Obersten von dem Landesherrn, die Hauptleute von den
Obersten Pauschgelder für Anwerbung und Unterhalt der
Kompanien empfingen, war die Versuchung grofs — und ihr
zu unterliegen galt nicht als Schande — , durch Minderzahl der
Soldaten, sowie durch deren schlechte Verpflegung, Bekleidung
und Ausrüstung sich beträchtlichen Geldgewinn zu verschaffen.
Der Kurfürst ordnete, dem zu begegnen, häufige Musterungen
an, über deren Ergebnis er genauen Bericht einforderte. Jeder
Fehler wurde scharf gerügt, jeder Offizier, dem Unterschlagungen
nachgewiesen wurden, sofort kassiert. Selbst seinen Schwager
Johann Georg von Anhalt verschonte Friedrich Wilhelm nicht
mit bitterem Tadel, als dessen Regiment sich 1681 als unvoll-
zählig und schlecht ausgerüstet herausstellte, und unterwarf es
aufsergewöhnlichen und nicht vorher angemeldeten Musterungen.
Im allgemeinen erhielt Feldmarschall Derfflinger die Befugnis,
allezeit auch ohne speziellen Befehl jedes Regiment zu mustern
oder mustern zu lassen und dabei alle Hauptleute oder Ritt-
meister zu kassieren, deren Kompanien nicht in gehöriger Ord-
nung befunden würden. Kein Offiziersbedienter durfte in die
Front eingereiht, kein Soldat dem Offizier als Diener beigegeben
werden. Keine Kompanie sollte mehr als 30 bis 40 Verheiratete
enthalten, damit die Zahl der Nichtkombattanten und des
Trosses, die dem Heere anhingen, nicht allzu beträchtlich sei'.
Einheit, Gleichmäfsigkeit, strenge Ordnung wurden immer
mehr diesem Heere auferlegt. Einheitliches Exerzitium und
Kommando kamen in dem Jahre 1681 , das auch sonst für die
Umbildung der Armee sehr wichtig ist, zur Einführung. General-
wachtmeister von Schöning mufste die Regimentskommandeure
^ MyliuB, III, I passim. — Ms. Derfflinger an Heesen-Homburg,
6. April 1677; Geh. Staatearchiv, Berlin, Eep. 94, IV Hb, 5k.
• Orlich, Preuls. Staat, HL 320 ff. 897. 405 f.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 201
persönlich darin unterweisen. Das Exerzieren im einzelnen
geschah durch die Leutnants und Sergeanten, da die Haupt-
leute hierzu keine Zeit hatten. Bei den Musterungen wurde
darauf gesehen, dafs die Exerzitien vorschriftsmafsig eingeübt
und richtig befolgt wurden.
Das brandenburgische Heer erhielt unter Friedrich Wilhelm
eine gründliche Ausbildung, die durch taktische Neuerungen
noch wirksamer ward. Die Schnelligkeit, mit der Fufsvolk wie
Reiterei die damals noch sehr umständlichen taktischen Be-
wegungen ausführten, erregt noch heute die Bewunderung der
Fachmänner. Friedrich Wilhelm lehrte zumal seine Kavallerie
— die sich übrigens mit Vorliebe des Schiefsgewehres und nur
im Notfalle der blanken Waffe bediente — , selbständig, ohne
Unterstützung durch das Fufsvolk, vorzugehen und den Feind
anzugreifen: ein Wagnis, das Gustav Adolf ihr noch nicht
zugemutet hatte. Ebenso befreite er die Artillerie von der
Routine, die solche stets auf jedem Schlachtfelde in schematisch
gleicher Weise anordnete. Er und seine Generale wählten viel-
mehr in jedesmal angemessener Art die passendsten und wirk-
samsten Stellungen für die Geschütze: so bei Warschau zum
Schutze des berühmten Flankenmarsches der Brandenburger;
80 bei Fehrbellin, um die schwedische Schlachtordnung von der
rechten Flanke her zu bestreichen. Die brandenburgische Feld-
artillerie war viel beweglicher als die entsprechende Waffe in
irgend einem der anderen damaligen Heere. Überhaupt waren
die Brandenburger darauf eingeübt, sich dem Terrain schnell
und vollkommen anzupassen, die verschiedenen Waffengattungen
zweckmäfsig zu mischen, die Bewegungen der einzelnen Korps
gut zu kombinieren: weit mehr, als dies anderwärts geschah.
Der Aufklärungs- und Nachrichtendienst war vorzüglich organi-
siert. Die Vorschriften, die Derfflinger hierüber dem Reiter-
general Landgrafen von Hessen - Homburg immer wiederholt
erteilte, sind geradezu mustergültig. Der Kavallerieführer sollte
fiich nicht nur „guter Kundschaft befleifsigen*' und nfleifsig
Parteien aussenden" , sondern auch den Feldmarschall durch
Offiziere, die unter Bedeckung gutberittener Soldaten aus-
zusenden waren, beständig über alle wichtigen Wahrnehmungen
und eigenen Beschlüsse auf dem laufenden erhaltend
* Ms. Briefe Derfflingers an Hessen-Homburg aus dem franzOs.-
schwed. Kriege; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, IV Hb, 5k.
202 Sechstes Bach.
Die Stärke des brandenburgisch-preufsischen Heeres lag in
der Infanterie, — und das ist so in alle Zukunft geblieben.
„Sire,*" schrieb seinem Könige der eher feindselig gesinnte fran-
zösische Gesandte in Berlin, Graf R^benac, im Mai 1686, „ich
habe die Truppen gesehen, die der Herr Kurfürst nach Ungarn
schickt; die Infanterie ist bewundernswert schön; die Kavallerie
ist es weniger."*
Nicht so günstig wie über die taktischen Verdienste dürfte
man sich über die Strategie des Kurfürsten aussprechen. So
schnell er auch dort, wo er bestimmt zu siegen hoffte, darein-
fuhr; so gewandt und energisch er in solchen Fällen seine
Truppen zu verwenden wufste: grolse strategische Pläne zu
entwerfen war er nicht im stände. Sein „schnelles Reiten vom
Rhein bis an den Bhyn'', sein Winterfeldzug in Preufsen stellen
seiner Tatkraft ein schöneres Zeugnis aus als seiner Feldherrn-
kunst. Sobald nicht eine Leidenschaft seinen Entschlufs an-
spornte, gab er seiner Bedächtigkeit, seiner fast ängstlich
abwägenden Besonnenheit allzuviel Spielraum. Weder seine
Feldzüge gegen die Franzosen noch die in Pommern versetzen
ihn in die Reihe grofser Feldherrn. Freilich müssen wir dabei
im Auge behalten, wie sehr ihn in den ersteren die Eifersucht
des Kaisers, während der letzteren der politische Zweck gründ-
licher Besetzung von Schwedisch-Pommem in seinen militärischen
Entschlüssen lähmte.
Das Soldwesen fand seine Regelung durch kurfürstliches
Dekret vom 23. Dezember 1665. Ein gemeiner Reiter erhielt
danach monatlich 4 Taler Sold und 1 Taler 3 Groschen Servis,
ein Gemeiner zu Fufs oder Dragoner 2V2 und ^U Taler, der
Sergeant der Infanterie 6 und */4 Taler, der Wachtmeister der
Dragoner 10 und IV«, der der Kavallerie 12 und IV« Taler.
Bei den Offizieren stieg das Gehalt von 14 Talern sowie
IVa Taler Servis für den Fähnrich zu Fufs bis 100 und 15 Taler
bei dem Reiterobersten. Das alles ohne Verpflegung; wurde
solche den Unteroffizieren und Gemeinen geliefert, so erhielten
sie nur den dritten Teil ihrer Löhnung.
Von 37V2 Talern (etwa 490 Mark unseres relativen Geld-
wertes) jährlich konnte der Mann nicht leben, zumal wenn er
Weib und Kind besafs, wie dies bei den damaligen , lebensläng-
' H. Prutz, Des Grofsen Kurf. letzte Jahre, S. 310, Anm.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 203
lieh dieDenden Soldaten häufig der Fall war. Es wurde voraus-
gesetzt, dafs der Soldat in den dienstfreien Stunden der Friedens-
zeit sich durch Arbeit Geld verdiene; im Kriege lebte man auf
Kosten des Einwohners, mochte er nun Freund oder Feind sein.
Der Kurfürst suchte auch hier wenigstens im eigenen Lande
Recht und Ordnung zu erhalten. Es ist eines seiner Haupt-
verdienste, an Stelle der Quartierverpflegung das System der
Barbezahlung nach Möglichkeit zur Ausführung gebracht zu
haben. Die üblen, erpresserischen Gewohnheiten der Soldaten
auf der einen, die Geldarmut des Staates auf der anderen Seite
erschwerten freilich den Übergang sehr. Schon 1655 wurde
wenigstens der Sold bar geliefert, lag dem Wirte nur der Servis
ob, das heifst Quartier, Stallung, Holz, Licht, Streustroh, Salz,
Pfeffer und Essig, sowie Pferdefutter. Nach dem Frieden von
Oliva wurde der Servis für die Offiziere auf Quartier und
Stallung beschränkt, während dem Soldaten gegenüber der Wirt
den Servis für einen mäfsigen Satz in Geld ablösen konntet
Ein weiterer Fortschritt folgte: der Kurfürst liefs den Quartier-
wirten Verpflegungsgelder für Mann und Pferd bezahlen, so dafs
die Wirte aus Eigenem nur Quartier und Stall zu geben hatten^.
Jeder ungebührliche Anspruch den Quartierwirten gegenüber
wurde den Offizieren wie Soldaten streng untersagt '.
Trotzdem wurde das Verhältnis zwischen Bürgern und
Soldaten, die man als Fremde betrachtete, kein freundliches. Jene
verachteten diese als den Auswurf der Menschheit und mifsgönnten
ihnen die Mitbewerbung durch Handwerksarbeit Es kam hä.ufig
zü Schlägereien, ja Mordtaten zwischen Bürgern und Soldaten.
• Friedr. v. Schroetter, Die £ntwickliiiig des Begriffes „Servis"
im preuffl. Heerwesen; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Xin (1900),
S. 15 f.
• Edikte vom 1. Mai 1673, 1. Jan. 1684; Mylius, III, I 165 ff.; VI,
1529 ff.
• Berlin, Geh. Staatsarchiv, Gen.-Depart., LXVIII Nr. 2: KurfOrstl.
Verordnung vom 1. September 1687: „Da die Gemeinen zu Fufs die
völligen Servitien in natura in ihren Quartieren geniefsen, sollen sie über
solches von den Wirten nicht das mindeste fordern. Auch die Offiziere
dürfen von ihren Wirten nichts Ungebührliches fordern und müssen sich
mit dem von diesen gewährten Quartier zufrieden geben. Vorzüglich
sollen berittene Offiziere nicht mehr Pferde, als ihnen zukommen, in den
Ställen ihrer Wirte einstellen. Zu Dienstleistungen und Vorspann dürfen
die Offiziere die Untertanen nicht zwingen.^
204 Sechates Buch.
Der Adel suchte übrigens die Einquartierungslast vom Lande
auf die Städte abzuwälzen; und auch in dieser Bevorzugung
machte ihm der Kurfürst das gewünschte Zugeständnis ^
Das Avancement unter den Offizieren fand, wie noch heute,
in der Regel nach dem Dienstalter statt; Verdienst oder Gunst
liefsen jedoch hierin Ausnahmen eintreten, die dann von den
Benachteiligten schwer empfunden und zum Gegenstand lebhafter
amtlicher Klagen gemacht wurden. Häufig nahmen die Über-
gangenen, wenn ihre Beschwerden fruchtlos blieben, den Abschied,
aber Regel, geschweige denn Vorschrift war dies keineswegs.
Die adligen Offiziere besafsen beim Avancement keinen Vorzug
vor den bürgerlichen; vielmehr begegnen wir Beispielen, dafs
letztere über den Kopf adliger Vordermänner hinweg bef5rdert
worden sind. Träger alter adliger Namen dienten als Gfemeine,
bisweilen durch ein Jahrzehnt, ehe sie zu Offizieren ernannt
wurden*. Die höchste Charge der Armee, die des Generalfeld-
marschalls, ist zuerst durch Friedrich Wilhelm bei ihr eingeführt
Der Generalfeldmarschall war nicht nur Oberbefehlshaber des
Heeres, sondern er besafs auch hohe administrative Befugnisse,
die ihm einen Teil der Aufgaben des heutigen Kriegsministeriums
zuwiesen.
Der schon 1657 während des Nordischen Krieges von dem
Kurfürsten geschaffene Generalquartiermeisterstab, dem jetzigen
Generalstabe entsprechend, erhielt weitere Ausdehnung. Er
bestand während des Kampfes gegen Franzosen und Schweden
aus neun Offizieren, denen im Kriege die Bestimmung der
Marsch- und Schlachtordnung, sowie der Lagerung und, bei
Belagerungen, die Ziehung der Laufgräben übertragen war, im
Frieden aber das Ingenieurwesen und der Wege- und Schanzen-
bau. Dadurch wurde der Generalstab in wenig zweckdienlicher
Weise mit dem Ingenieurkorps verschmolzen, und diese Ver-
schmelzung hat bis zur Katastrophe des altpreufsischen Heeres
im Jahre 1806 angedauert Der Grofse Kurfürst hat während
der zweiten Hälfte seiner Regierung zum Amte des General-
quartiermeisters vorzüglich Franzosen erwählt, denen man
gröfsere Kenntnisse in der Kriegswissenschaft und zumal im
Ingenieurwesen zutraute als den Einheimischen'.
1 Beihefte z. Militärwochenbl., 1896, S. 340.
< Beispiele bei Gansauge, S. 59.
' A. Y. Fircks, Feldm. Moltke und der preuls. Generalstab (Berlin
1879), 8. 12. 19.
VierzigsteB Kapitel. Das Heer. 205
Das Heer um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts beruhte
auf ganz anderen Grundlagen als das der Gegenwart. Es war
hervorgegangen aus den wilden Abenteurerhaufen, die reiche
Edelleute fttr den Dienst irgend eines Fürsten anzuwerben
pflegten. Freilich hielten grausame Kriegsartikel äurserlich den
Zusammenhang einigermafsen aufrecht, und ein roher Begriff
soldatischer Ehre gab in eigentlich militärischer Beziehung auch
die innere Festigkeit. Aber sonst glaubten Offiziere und Soldaten
nur für die Dauer ihres Soldvertrages an den Kriegsherrn
gebunden zu sein und schrieben sich in allen nicht rein militäri-
schen Handlungen völlige Freiheit zu. War man nur tapfer und
der Fahne treu, so durfte man sich sonst des Rechtes des
Stärkeren nach Gutdünken bedienen. Man übte es dem Bürger
und Bauern gegenüber um so unbedenklicher, je unsicherer die
Auszahlung des verheifsenen Soldes war. Wildheit und Roheit,
Pochen auf persönliche Kraft und Tapferkeit, Bauf- und Plünde-
ningssucht herrschten unter den bunt zusammengewürfelten
Scharen und waren bei den Offizieren, so sehr diese sich auch
als „Kavaliere*" brüsteten, kaum geringer als unter den Soldaten.
Die Brandenburger waren darin zunächst nicht besser als die
Qbrigen Heere. Die Klagen über ihren Mangel an Manns-
zucht, über die Plünderungen und Gewalttaten, die sie wie gegen
die Untertanen verbündeter Fürsten so auch gegen die branden-
burgisehen selbst verübten, ertönen bei jedem Feldzuge von
neuem *.
Friedrich Wilhelm ist mit Eifer gegen diese Ausschreitungen
vorgegangen. Er wollte den friedlichen Bürger und Bauer
schützen , er wollte nicht Räuberbanden führen , sondern eine
ehrenhafte ^ Soldateska** . Immer wieder schärfte er den Regi-
mentsinhabem und sonstigen höheren Offizieren ein, den durch
ihre Leute den Untertanen — fremden wie einheimischen —
verursachten Sc]|^aden zu ersetzen; er führte ihnen zu Gemüt:
»Wann in den Quartieren gutte Ordre gehalten wirdt, kan
man ein Jahr darin leben; will man aber seine Quarttier aufs-
plündern undt selbst ruinieren, so ist es eine Unmöglichkeit/
Besonders das Fortführen von Vieh und die Plünderung von
Mundvorrat wurden streng untersagt: der Kurfürst ordnete
1679 an, däfs derjenige Offizier, unter dessen Kommando solche
' U. u. A., XI, 313. — Orlich, Preufs. Staat, III, paasim.
20(j Sechstes Buch.
Unregelmftrsigkeit voiüele, sofort kassiert werde ^. Ein Edikt
vom 6. Oktober 1665 schrieb Offizieren und Soldaten bei scharfer
Ahndung genau vor, wie sie sich zur Aufrechterhaltung der
Ordnung und zur Schonung der friedlichen Einwohner gegen
diese zu benehmen hätten. Dieses Edikt wurde öffentlich
angeschlagen und von allen Kanzeln verlesen, damit die Unter-
tanen erführen, wie sie sich soldatischer Ungebühr zu erwehren
hatten^. Andere Edikte in gleichem Sinne folgten, und sie
blieben kein toter Buchstabe. Offiziere, die Bürgerliche beleidigt
hatten, mufsten monatelang als Gemeine die Muskete tragen.
Soldaten, die geplündert hatten, wurden enthauptet oder gehenkt,
ihre Offiziere kassiert. Aber der Kurfürst wufste, dafs Strafen
nur die Symptome des Übels treffen können, und er wollte
solches doch mit der Wurzel ausreuten. Dazu hielt er besonders
den Einflufs der Religion für dienlich. Jede Zeltmannschaft
mufste das Neue Testament und das Psalmbuch mit sich führen,
die Subaltemoffiziere darauf sehen, dafs der Soldat in diesen
Schriften lese. Morgens und abends wurden regelmäfsig Bet-
stunden abgehalten. Vor allem sollte das Offizierkorps durch
Bildung innerlich gehoben und gebessert werden; der Kurfürst
hatte in solcher Absicht die Ritterakademie in Kolberg begründet
(T. I S. 437).
Diese Mafsregeln hatten endlich sehr merklichen Erfolg.
Das Offizierkorps zumal wurde einheitlicher, pflichtbewuCster,
fügsamer; der Begriff besonderer brandenburgischer Offiziersehre
begann sich unter den Herren zu verbreiten. Sie lernten femer,
sich nicht nur um die militärische Ausbildung, sondern auch um
das Wohlbefinden und die Erhaltung der ihnen untergebenen
Mannschaften zu kümmern. Der Kurfürst ward ihnen mehr als
der augenblickliche Brotherr, den man alsbald mit einem anderen
vertauschen könne: sein fester Wille, seine ehrfurchtgebietende
Persönlichkeit, sein hohes Streben und seine sieghafte Leitung
fesselten sie an ihn mit dem Empfinden persönlicher Treue und
opferwilliger Ergebenheit*. Mit den Führern besserten sich
auch die Untergebenen; schon in den letzten Jahren des
* Orlich, a. a. O., 190. 194 ff. 807.
' Eberh. Hoyers (damaliger GeneralauditeurX ChurfOratl. Branden-
burgiBches Exiegsrecht (Berlin 1665, 12^).
• Vgl. W. V. Unger, Derfflinger; Beiheft z. MilitäxwoohenbL, 1896,
S. 422 f.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 207
schwedisch -französischen Krieges hört man nichts mehr von
Ausschreitungen der brandenburgischen Soldaten. Als im Früh-
jahr 1684 fünfzehnhundert Reiter in das Herzogtum Mecklen-
burg-Güstrow einquartiert wurden, zeichneten sie sich durch
strenge Mannszucht auf das vorteilhafteste aus, indem sie sich
mit einfacher Nahrung und mit Futter für ihre Pferde begnügten ^
Freilich, im selben Jahre brach unter der Garnison Kol-
bergs ein förmlicher Aufstand aus, der mit der Erschiefsung
mehrerer Soldaten und strenger Bestrafung anderer geahndet
wurde, aber nur aus der Bedrückung durch einen Major ent-
standen zu sein scheint, der dann auch ohne weiteres kassiert
wurde. Die Urteile fremder, selbst nicht wohlwollender Beob-
achter über die brandenburgischen Truppen lauten im allgemeinen
günstig, und zumal die Infanterie wird als vorzüglich bezeichnet^.
Der sonst allem Brandenburgischen abgeneigte und es mit ver-
achtender Mödisance behandelnde R6benac nennt 1684 die Truppen
des Kurfürsten ^schöner als alle die, die ich in Deutschland
gesehen habe''. Noch emphatischer urteilt, einige Jahre früher,
ein anderer Franzose, der Marquis von Bethune: „Die branden-
burgischen Truppen sind die schönsten und besten in Europa. **
Man scherzte: da Derfflinger in seiher Jugend Schneider gewesen,
sei es nicht zu verwundern, dafs die brandenburgischen Truppen
besser gekleidet seien als alle anderen.
Einer der Hauptgründe der Unordnungen hatte in der über-
grofsen Ausdehnung des Heerestrosses sowie in der Verwirrung
gelegen, die in diesem zu herrschen pflegte. Friedrich Wilhelm
schuf auch hier Ordnung. Er stellte in jedem Regimente einen
Wagenmeister an; diese Beamten wurden bei ausbrechendem
Kriege einem Generalwagenmeister untergeben, der eine Anzahl
Reiter zum Behufe der Durchführung seiner Anordnungen zu-
gewiesen erhielt*.
Die Sorgfalt des Kurfürsten, dessen Herz ein mildes und
gütiges war. erstreckte sich auch auf diejenigen seiner Soldaten,
> Ms. Bidal (franzöa. Agent in'Kamburg) an Louvois, 21. April 1684
(Auszug; Berlin, Geh, Staatsarchiy, Bep. 94, IV Hb, 10/9): „ils vivent
ayec beaucorp d 'ordre, se contentant du fourrage et de leur simple
nourritore.*
• Vgl. die Urteüe Colbert-Croissys (1666) und Verjus' (1673); U. u. A.,
n, 870. 511. — Böbenac bei Prutz, 398. — Bethune: Baumer, Beiträge,
m, 475 f.
• Dekret vom 2J12. Nov. 1672; Orlich. Preufs. Staat, HI, 196 f.
208 Sechstes Buch.
die im Kriege erkrankten oder verwundet wurden. Er hat deren
Wartung und Verpflegung immer von neuem vorgeschrieben,
gegen die hierin säumigen oder gar unredlichen Wundärzte und
Beamten strenge Strafen verhängte
Allein das Los der durch Wunden, Krankheit oder Alter
dauernd dienstuntauglich gewordenen Offiziere und Soldaten blieb
ein überaus trauriges ^. Sie mufsten selber zusehen, wie sie sich
durchschlugen, und zumal die invaliden Soldaten sanken not-
wendigerweise zu Bettlern und Landstreichern hinab. Ihr
Schicksal ging dem Kurfürsten sehr nahe, allein er besafs so
gut wie keine Mittel, ihnen zu helfen. Es war schon viel, wenn
er 1659 einem wegen Krankheit verabschiedeten Obersten eine
Pension von 30 Talern jährlich gewährte. Ältere und halb-
invalide Soldaten kamen in eine der zwanzig Garnisonkompanien ;
verwundete und verkrüppelte aber erhielten nur die erste Pflege
und wurden dann in ihre Heimat geschafft, ohne dafs sie weitere
Ansprüche erheben durften. Bisweilen haben edle und begüterte
Offiziere ihnen unterstehende Soldaten, deren Treue und Mut
sie kennen gelernt hatten, bis zum Lebensende gepflegt. Allein
das waren naturgemäfs Ausnahmen. Der Kurfürst hat gelegent-
lich verwundeten Soldaten Gnadengeschenke erteilt, indes immer
nur unbedeutende: in den Jahren 1677 bis 1681 betrug diese
Ausgabe jährlich zwischen 20 und 94 Taler!
Dennoch hat Friedrich Wilhelm inmitten der politischen,
militärischen und finanziellen Bedrängnisse des Krieges der
armen Invaliden nicht vergessen. Er gründete in Spandau eine
halbe Blessiertenkompanie in Höhe von 59 Mann, mit einem
jährlichen Yerpflegungsetat von 1560 Talern. Als der Friede
von St. Germain ihm 1679 gröfsere Bewegungsfreiheit gewährte
und die Durchführung bleibender Besteuerung etwas mehr Geld*
mittel zur Verfügung stellte, gedachte der edelmütige Fürst
sofort seiner Invaliden. Er erliefs am 15. Dezember an die
Festungskommandanten und Regimentsbefehlshaber folgende
Ordre :
„Weil Wir nicht gemeinet sein, die alten, gebrechlichen undt
blessierten Soldaten zu verstofsen oder dieselben noth leyden zu
lassen ; Also ergehet Unser gnädigster Befehl an euch, Uns eine
^ Orlicli,Preul8.Staat,ni248: Verordnung vom 28. Juni/ 8 Juli 1675.
' E. Schnackenburg, Das Invaliden- und Versorgungswesen
des brandenb.-preuis. Heeres bis zum Jahre 1896 (Berlin 1889).
VierzigsteB Kapitel. Das Heer. 200
Liste Ton dergleichen Leaten^ so allhier in eurem Gouvernement
vorhanden, einzuschicken, oder, wofern sie schon abgedankt sein,
zu wissen zu thun, dafs sie bey Unserm Kriegs-Gömmissariat
sich zu melden haben, Wir dann darauf Ordre erteylen wollen,
wie es mit ihnen gehalten werden soll. Dafeme auch einige
Ober- undt Unter- Officirer von obangeführter Condition vor-
handen sein, davon habt ihr Uns ebenfalls zu berichten undt
eine Liste gleichergestalt davon einzuschicken/
In der Tat wurde die halbe Blessiertenkompanie in Spandau
1681 auf eine ganze erhöht, zu 168 Mann. Friedrich Wilhelm
errichtete weiter, 1682, in Johannisburg in Preufsen eine halbe
Kompanie Blessierter, deren Verpflegung jährlich 1572 Taler
kostete. Es waren das die Invalidenanstalten der damaligen Zeit^
Brandenburg - Preufsen hatte auf nicht weniger denn drei
Seiten Gegner zu fürchten: von Westen — Frankreich; von
Norden — Schweden; von Osten — Polen. Von allen drei
Richtungen her waren die Feinde wiederholt ins Land gedrungen.
Um so notwendiger war es, das Gebiet durch Festungen zu
schützen und vor schnellem Überranntwerden zu bewahren. Die
schleunige Befreiung der Kurmark und Preufsens von den
Schweden war zum guten Teile dadurch ermöglicht worden, dafs
in beiden Provinzen die Festungen in der Gewalt der kurfürst-
lichen Truppen geblieben waren. So hat Friedrich Wilhelm dem
Festungsbau stets seine Sorgfalt gewidmet. Er zog dabei dem
französisch-italienischen Befestigungssystem, das seine Vorgänger
angewendet hatten, das minder kostspielige und leichter zu ver-
vollständigende niederländische vor. Der Chef des Ingenieur-
korps war stets der Generalquartiermeister : also 1670 — 1673 der
französierte Italiener de Chifeze, der Erbauer des Müllroser
Kanals; dann ein echter Sohn der Mark, Joachim Ernst
Biesendorf aus Zielenzig, den der Kurfürst im Auslande hatte
ausbilden lassen. Er fiel, wie ermähnt, schon im September 1677
bei der Belagerung Stettins. Seitdem Vaubans Ruf als des
ersten Befestigungskünstlers allgemein anerkannt wurde, erhielt
das französische System wieder Einflufs auf die brandenburgische
Fortifikation. Wir sehen schon 1680 vielfach Franzosen, besonders
1 Kriegsarch., Berlin, Kap. XV, Tit. 7 a, Nr. 7 c; Kap. XYII
Tit. 2. — Kg]. Bibl., Berlin, Manuscr. Boruss. fol., 322 (Mustenmgs-
bericht vom 28. Sept. 1683}.
Philippson, Der Grcfsa Kurffint. III. 14
210 Sechstes Buch
R6fugi6s^ unter den brandenburgischen Ingenieuren, an der Seite
der Holländer. Übrigens fehlte es, besonders in den unter-
geordneten Stellen, auch nicht an Deutschen. Die Befruchtung
kam damals dem Deutschtum aber an allen Orten vom Auslände^.
Das Herz des Staates, die Kurmark, war durch das schon
1537 von Markgraf Johann befestigte Küstrin, sowie durch
Spandau geschützt, dessen Wälle Kurfürst Joachim IL im Jahre
1555 zu erbauen begonnen hatte. In Spandau befanden sich das
Hauptarsenal des Heeres und der Artilleriepark, der jederzeit
bereit stand, ins Feld geführt zu werden. Küstrin aber galt als
der stärkste Platz der Kurmark und war gleichfalls mit Artillerie,
sowie Waffen und Vorräten aller Art reich versehen*. Femer
lagen in Kur- und Neumark die minder wichtigen Festungen
Havelberg, Landsberg, Frankfurt, Driesen, Peitz und Fürsten-
walde. Berlin war durch den Kurfürsten selbst fortifiziert
worden. Den Westen des Staates schützten am Unterrhein
Wesel, Rees und Emmerich, landeinwärts das starke Lippstadt
nebst Hamm und Minden. Die Elblinie wurde durch Magdeburg
gesichert. Gen Osten schauten Königsberg, das durch einen
IVa Meilen langen Wall und Graben umzogen und durch die
neuangelegte Zitadelle Friedrichsburg sowohl beherrscht wie ver-
stärkt wurde, sowie Pillau, dessen Werke von Gustav Adolf
begonnen waren, und endlich Memel. Hinterpommem wurde
durch das starke Kolberg gesichert. Zur Besetzung dieser
zahlreichen Festungen dienten die Garnisonkompanien, die 1687
nicht weniger als 7700 Soldaten umfafsten , dazu an Artillerie
11 Offiziere und 431 Unteroffiziere und Büchsen meister, sowie
die dazugehörigen Handwerker '.
Friedrich Wilhelm liebte es, den Fremden seine neuangelegten
oder verstärkten Festungen persönlich zu zeigen. Die Wichtig-
keit, die er diesen beimafs, tritt in seinem politischen Testamente
vom Jahre 1672 hervor : ein bedeutender Teil dieses Aktenstückes
ist gerade der zukünftigen Gestaltung des Festungswesens, unter
Anführung sogar der geringfügigsten Einzelheiten, gewidmet.
Die Artillerie wurde von Grund aus reorganisiert. Ein
* U. V. Bonin, Gesch. d. Ingenieurkorps u. der Pioniere in Preufsen
(Berlin 1877) S. 14 ff. 263 ff.
3 Bericht de Lesseins an Ludwig XIV., 8. Febr. 1662; ü. u. A.,
II, 246.
" Schmidt, Gesch. d. Elriegsministeriums, 11« 73.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 211
Reglement vom Jahre 1672 gab den Artilleristen, die bisber
eigentlich als Handwerksknechte gegolten hatten, den wahrhaft
militärischen Charakter, wie denn jeder Artillerist, der über die
Strarse ging, das Seitengewehr zu tragen verpflichtet wurde ^.
Von seinem letzten Artilleriechef, dem Obersten Ernst Weiler,
beraten, der sich überhaupt, nach Sparr, das gröfste Verdienst
um diese wichtige Waffe erworben hat, strebte der Kurfürst
dahin, systematische Einheitlichkeit des Kalibers bei seinen Ge-
schützen durchzuführen, und dies gelang, indem seit 1680 deren
Herstellung den privaten Giefsereien zum überwiegenden Teile
entzogen und fast ausschliefslich der kurfürstlichen Stückgiefserei
zu Berlin übertragen wurde. Die brandenburgische Artillerie
hatte bereits bei der Belagerung der pommerschen Festungen
sich rühmlichst bew&hrt. Der Kurfürst aber war unablässig
darauf bedacht, sie stets weiter auszubilden: so begründete er
am 24. November 1687 zu Berlin eine Feuerwerkerschule'.
Freilich blieben noch mancherlei Mängel. Das Pulver mufste
aus holländischen Fabriken, zu 15 Rtlrn. (gleich etwa 200 Mark
heutigen Geldes) für den Zentner, bezogen werden, da es im
Inlande keine Pulvermanufaktur gab. Es ist auffallend, dafs
Friedrich Wilhelm nicht diesem für einen Kriegsfall mit Holland
doch sehr bedenklichen Übelstande abgeholfen hat. Eine grofse
Schwierigkeit war ferner der Mangel an Zugpferden, so dafs im
Kriege die meisten Artilleriepferde gemietet oder sogar zeitweise
durch Ochsen ersetzt werden mufsten®.
Die Verwaltung dieses so bedeutend angewachsenen Heeres
gipfelte in der Kriegskanzlei, die dem späteren Kriegsministerium
entspricht und damals ein doppeltes Haupt in dem Generalfeld-
marschall und dem Generalkriegskommissar besafs (Bd. I, S. 432ff.).
Der erstere hatte die eigentlich militärischen Angelegen-
heiten zu führen, der zweite — Nichtmilitär, Verwaltungs-
beamter — die ökonomischen Geschäfte. Freilich ging beides
bisweilen ineinander über, und dann mufsten beide hohe Würden-
träger sich gegenseitig verständigen. Wir sehen in der Tat
> Mylius, m, Nr. 30.
* Berlin, Geh. Kriegsarch., V, 1 c, 10.
* y. M alinow8kya.v.Boniii, Gesch. d.brandenb.-preuls. Artillerie,
Bd. I (Berlin 1840> passim. — K. W. v. Schöning, Histor.-biogr. Nach-
richten z. Gesch. d. brandenb.-preufs. Artillerie, Bd. I (Berlin 1844), S. 74 ff.
14*
212 Sechstes Buch.
FeMmarschall Sparr und GeDeralkriegskommissar von Platen
öfters gemeinsam an den Kurfürsten berichten^. Der Feld-
marschall wurde auch bei politischen Fragen, wo das militärische
Element eine Rolle spielte, z. B. wenn es sich um Offensiv- oder
Verteidigungsbündnisse mit fremden Staaten handelte, zu den
Sitzungen des Geheimen Rates herangezogen. Überhaupt beriet
sieh der Kurfürst hAufig mit dem Feldmarschall, besonders seit-
dem, von 1673 an, Derfflinger diese Würde bekleidete. Trotz-
dem mochte der alte, grimme Recke sich in die Mitwirkung des
Kriegskommissariats nicht immer fügen. Er klagte wohl über
die Feindschaft dieser Behörde, die ihm alles aus den H&nden
nehmen wolle, und forderte deshalb sogar seine Entlassung.
Aber es gelang dem Zureden des Kurfürsten immer wieder, ihn
zu begütigen, und er lernte endlich, sich in die feste Ordnung
des Staates zu fügen ^.
Im Juli 1669 war der sehr verdiente und vom Kurfürsten
geschätzte Platen gestorben. Sein Amt — „unsere Ordinar-
Militär- Affären und das Kontributions werk*, wie Friedrich Wil-
helm sich in seiner Ordre vom 24. Juni/4. Juli 1669 ausdrückt —
blieb einstweilen unter der provisorischen Verwaltung des Kriegs-
rates Franz Meinders®. Es hatten sich zwischen Platen und
Sparr denn doch zu viele Streitpunkte ergeben, um den Kur-
fürsten nicht bedenklich zu stimmen. Deshalb sollte die Militär-
verwaltung einstweilen nur einem dem Geheimen Rate unter-
geordneten, also verhältnismäfsig subalternen Beamten über-
wiesen werden, der dem Feldmarschall jedenfalls nachstand.
Trotz dieser Beschränkung seiner Befugnisse hat Meinders sich
grofses Verdienst um die Entwicklung der militärischen und
finanziellen Ordnung erworben durch die Schaffung der General-
kriegskasse, im Jahre 1674, die von der gleichfalls neuerrichteten
Hofstaatsrenteikasse getrennt wurde ^. Erst 1675 wurde die
Selbständigkeit der obersten Heeresverwaltung wiederhergestellt,
indem Bodo von Gladebeck, ein aus dem braunschweigischen
' F. Harsch, Die Armee des Grofs. Eurf. u. ihre Unterhaltung;
Hist. Zeitschr., LIU, 256. 594.
• V. Unger, a. a. 0 , S. 895 ff.
• Vgl. Strecker, Meinders, 56 ff. 127 ff.
^ E. Breysig in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., V (1892X
139: 149. — Vgl. oben, S. 69.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 213
Dienste übernommener Beamter, die Ernennung zum General^
kriegskommissar erhielt.
Das Eigentümliche in der brandenburgischen Ressortgestaltung
war aber, dafs dieser Beamte nicht nur die Verausgabung der
für die Militärbedürfnisse bestimmten Gelder, sondern auch
deren Einnahmen, ja selbst die Erhebung der hierfür veranlagten
Steuern, besonders der Kontribution und der Accise, zu leiten
hatte ^ Es fand also eine Vereinigung des Kriegsministeriums
mit einem Teile der inneren und der Finanzverwaltung statt,
die freilich unseren modernen Anschauungen durchaus wider-
spricht.
Gladebeck zeigte sich den schweren Anforderungen seines
Doppelamtes nicht gewachsen und wurde am 15. November 1678
durch Johann Ernst von Grumbkow ersetzt, der ihm bereits seit
1676 beigeordnet gewesen war. Die endgültige Entlassung
Gladebecks scheint durch seine Übergriffe zu Ungunsten des
Feldmarschalls Derfflinger verursacht worden zu sein, der durch
Ankündigung und Aufrechterhaltung seiner Entlassung endlich
vollste Genugtuung erzwang '. Grumbkow, früher Soldat und
bis zum Oberstenrang aufgestiegen, war, als ein besonders gründ-
lich gebildeter, ja gelehrter Offizier zur Verwaltung übergegangen
und Amts- und Kammerrat geworden. Der Kurfürst aber hatte
ihn mit Vorliebe zu militärischen Geschäften verwendet, wie er
z. B. das Kaliber der bei den Leibdragonern einzuführenden
kleinen Muskete zu bestimmen hatte '. Als er nun das General-
kriegskommissariat erhielt, bekam er die Weisung, sich in allen
Dingen mit dem Generalfeldmarschall von Derfflinger zu benehmen,
als dessen Gehilfe er sich betrachten solle. Die Erledigung der
' Ms. Patent v. Gladebecks vom 10. Juni 1675 (Greh. Staatsarohiy^
Berlin, Bep. 9A, Kony. 1): „... Was die Geldmittel zur Unterhaltung
Unseres Kriegsestats betrifft, da wird Er, Unser Geheimer Bath und
Oeneral-Commissarius , aus der ...Beylage sub lit. G mit mehreren er-
sehen, wie es mit den Contributionen in allen Unseren Landen beschaffen,
wie solche in Empfang und Ausgabe administriret und berechnet werden.
„Wobey er dahin zu sehen und zu befördern, damit diejenige, welche
dergleichen Gelder administriren, redlich und aufrichtig damit umbgehen
und allemal zur Ablegung gebührender Bechnungen angehalten werden
mögen.*
* Ms. Korrespondenz Derfflingers mit Hessen-Homburg, aus dem
Frohjahr 1678; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. d4, IVHb, 5 k.
* Geh* Kriegsarch., Berlin, IV, 1, 15.
214 Sechstes Buch.
laufenden Geschäfte hatte in der Geheimen Kriegskanzlei za
geschehen, deren ältere und verdientere Sekretäre durch den
Titel Kriegsrat ausgezeichnet wurden. Grumbkows besondere
Obliegenheiten waren: Rechnung über die Vorräte in den
Festungsmagazinen zu führen und allmonatlich einzusenden, das
Kontributionssoll aufzustellen und auf die einzelnen Provinzen
zu verteilen, den Truppenkorps die ihnen angewiesenen Gelder
zu übermachen , sowie für jährliche Musterung der Regimenter
und für die Aufrechterhaltung der Ordnung bei Märschen und
militärischen Exekutionen Sorge zu tragen. Als Chef des
Generalquartiermeisterstabes erliefs er im Namen des Kurfürsten
Befehle über Befestigungsanlagen, und zwar nicht allein an die
Amtskammem und die Festungskommandanteu , sondern selbst
an den Generalfeldmarschall. Auch der Sold und die übrigen
Geldangelegenheiten der Kriegsflotte gingen durch die Hände
Grumbkows, der darin im Namen des Kurfürsten verfügte. Er
entschied ebenfalls die Urlaubssachen und hatte, konkurrierend
mit Derfflinger, die Militärgerichtsbarkeit und sogar das An-
stellungs- und Beförderungswesen der Offiziere und Militör-
beamten zu leiten ^ So wurden die einzelnen militärischen Ver-
waltungsgeschäfte mehr und mehr bei dem Generalkriegskommissar
vereinigt , der dem Oberbefehlshaber des Heeres etwa in der-
selben Weise gegenüberstand wie jetzt der englische Staats-
sekretär des Krieges.
Daneben gab es während der Feldzüge bei dem Quartier-
meisterstabe des mobilen Heeres einen besonderen obersten
Kriegskommissar: für Musterungen, Verhütung von Unterschleif,
Aufsicht über die Lebensmittel und Aufrechterhaltung von Justiz
und Disziplin^, — also eine Vereinigung der Feldintendantur
.und der Feldmilitärjustiz. Das Amt ward im Juli 1672 dem
Doktor beider Rechte Andreas Albrecht Freyberg, aber — wir
wissen nicht, aus welchem Grunde — schon im November des-
selben Jahres dem Otto Wilhelm von Berlepsch übertragen, der
am 22. Februar 1675 ausnahmsweise durch einen Militär, den
Feldzeugmeister Freiherm von Niemric, ersetzt wurde. Es
wurden ihm nach und nach mehrere Kriegskommissare unter-
1 Ebendas. V, 1, 19; V, 1 c, 16; VII, 2 a, 6; XVIII, 2 d, 3.
• Ms. Ordre an Berlepscb vom 10. Nov. 1677: Berlin, Geh. Kriegs-
archiv XVIII, 2 d. 8.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 215
geordnet. Als dann 1677 zur Unterstützung der Holländer ein
brandenburgisches Truppenkorps im Oberquartier Geldern unter
Generalleutnant von Spaen gebildet ward, erhielt es einen eigenen
Kriegskommissar in der Person des Landrentmeisters Consbruch.
Ja, auch in den wichtigsten Festungen — . wie Minden , Magde-
burg, Stettin (1678) — wurde je ein eigener Eriegskommissar
bestellt, der dort die militärischen Gelder und Magazine ver-
waltete und die Musterung abnahm.
Die Befugnisse des Oberkriegskommissars und seiner Unter-
gebenen bei den mobilen Heeresteilen waren,, der Natur der
Sache nach, auf Kriegszeiten beschränkt; der Generalkriegs-
kommissar aber und die ihm unterstellten Beamten waren
ständig. In jeder gröfseren Provinz wurde ein Oberkriegs-
kommissar eingesetzt, der auch den altständischen, aber nun mit
ganz veränderter Bedeutung versehenen Titel Landkommissar
— wie in Kleve — oder Kommissariatsdirektor — wie im Herzog-
tum Magdeburg — trug. Er sollte die Stände zur Bewilligung,
das heifst zur Einzelveranlagung der nötigen Heeresabgaben
anhalten, besonders für Durchführung der Accise und damit der
der landesherrlichen Autorität so förderlichen Trennung der
Städte von der Ritterschaft sorgen. Wenn letztere sich bei der
Umlage des verlangten Kontributionsquantums säumig erweist
und die Regierung sich weigert, solches mit Exekution ein-
zutreiben, mufs der in der Provinz kommandierende General
militärische Exekution vollziehen. Sie soll freilich mit mög-
lichster „Moderation*" vorgenommen werden. Alle Kommissariats-
beamte der Provinz sind dem Oberkriegskommissar untergeordnet.
Er hat sämtliche Militärangelegenheiten der Provinz zu beauf-
sichtigen, zu fördern und darüber regelmärsig zu berichten. In
Kriegszeiten sollen diese Oberbeamten für Ordnung und Disziplin
bei den Durchmärschen durch ihre Provinz sorgen, die Unter-
tanen dabei schützen, Gewalttaten verhüten oder doch deren
Bestrafung erwirken, die Verpflegung der Truppen sichern,
Unterschlagung des Proviants verhindern, die Liquidation aller
Beziehungen zwischen den Soldaten und deren Quartierwirten
regeln, gelegentlich auch Musterung halten ^ Allmählich wurden,
^ Ms. IziBtruktionen an den Kommissariatsdirektor v. Mandelslob in
Magdeburg, vom 1. Okt. 1683, u. an den Ober-Kriegskom. v. Viereck in
Preufiaen, vom 8. Juli 1685, sowie an die beiden Landeskommissare in
216 SechBtes Buch.
nach Analogie des Generalkriegskommissars, dem Eriegskom'
missariat sämtliche für den Heeresunterhalt bestimmte Steuern
fibertragen, so dafs es zu einer förmlichen Steuerbehörde erwuchs;
und da diese Steuern wichtiger und umfassender waren als die
Gefälle, die bei den Amtskammem einliefen, ward das Kriegs-
kommissariat die bedeutsamste Steuerbehörde. Sie hatte in jedem
Kreise einen leitenden Beamten in dem Kriegskommissar, der nach
treuem Dienst mit dem Titel Kriegsrat beehrt wurde. Unter
seiner Aufsicht wurden die Kontribution und der Hufe-, Kopf-
und Hornschofs, kurz, alle zum Unterhalt des Heeres bestimmten
Abgaben von Schofseinnehmern erhoben, die nur vom Kriegs-
kommissar, nicht aber von der Regierung abhingen. Besonders
sollten diese Beamten auch darauf sehen, dafs die Steuern und
Einquartierungen nicht, wie dies bisher durch die örtlichen
Obrigkeiten oft geschehen, lediglich auf die ärmeren Bevölkerungs-
klassen abgewälzt wurden; es sollte vielmehr „alles in besseren
und richtigeren Stand, der Armut zum Besten* gebracht werden *.
Im Jahre 1687 war diese Organisation in ihren Hauptzfigen
vollendet. Es gab bereits einen Generalkriegskommissar nebst
Generalquartiermeisterleutnant, eine wohleingerichtete Geheime
Kriegskanzlei, sieben Ober- und neunzehn Kriegskommissare'.
Alle diese waren landesherrliche, nicht ständische Beamte und
erhielten ihr Gehalt von dem Kurfürsten. Indes, dieser liefs es
sich gefallen, dafs die Stände bei Besetzung der provinziellen
Stellungen Vorschläge taten; nur hielt er sich nicht an solche
gebunden und nahm auch häufig Ernennungen vor, ohne über-
haupt die Stände zu befragen, ja gegen deren laut ausgesprochenen
Willen. Er wählte hierzu oft Bürgerliche, darunter Auditeure,
also Justizbeamte des Heeres, von denen er am ehesten sowohl
Rechtskenntnis wie unbedingten Gehorsam gegen seine Anord-
nungen erwartete.
Kleve, V. Hüchtenbruch u. v. Bodelschwingh, vom 20. Dez. 1665, endlidi
an den Kriegskomm. in Hamm, Altfeldt, vom 19. März 1666; ebendas.
* Strecker, Meinders, S. 55. — Wie aus den in vor. Anmerk. an-
geführten Instruktionen, sowie aus der Einrichtung der Scholseinnehmer
hervorgeht, ist es durchaus falsch, wenn Schmoller in den Acta
Borussica, Bd I. Einlei t. S. 95, dem Kriegskommissariat unter dem
Grofsen Kurfürsten lediglich militärische Befugnisse, dagegen die Über-
tragung von Steuer- und Polizeigeschäften auf jenes erst dem Kurfürsten
Friedrich HI. zuschreibt.
* Kgl. Bibliothek, Berlin, Manuscr. Boruss. fol., 320.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 217
Die OrganisieruDg des Kriegskommissariats war abermals
eine Mafsregel, die das Steuerbewilligungs- und Steuererhebung»-
recht der Stande einschränkte und zum wesenlosen Schatten
verblassen liefs. Die Ritterschaft in der Kur- wie in der Alt-
mark, in Preufsen wie im Magdeburgischen brachte deshalb die
beweglichsten Klagen vor ob der Übergriffe dieser Behörde, die
nichts weniger als den gänzlichen Ruin der Verfassung und des
Landes herbeifQhren werde ^. Sie legte wiederholt gegen die
den Kriegskommissaren erteilten Instruktionen Verwahrung ein
und verlangte, dafs sie selber, wie herkömmlich, die Einnahme
und Verwaltung der Heeressteuem behalte. Wenigstens sollten
diese zunächst in die ständischen Kassen fliefsen und nur mit
Zuziehung ständischer Deputierter verausgabt werden. Solehe
Forderungen fanden in Preufsen sogar die Zustimmung der
Regierung, die sich durch die Befreiung der Kommissare von
ihrer Aufsicht und Leitung eines bedeutenden Teiles ihrer Macht
beraubt sah. Friedrich Wilhelm konnte sich der Tatsache nicht
verschliefsen , dafs die Ritterschaft hier formal im Rechte sei.
Allein er speiste sie , seinem ganzen System gemäfs , mit schönen
Worten und Verheifsungen ab. So oft sie auch ihre Beschwerde
wiederhotte, — sie erreichte nichts Wesentliches gegenüber deili
festen Willen des Kurfürsten, sein Heer und dessen Verwaltung
und damit die Einheit und Macht des Staates auf sichere und
unerschütterliche Grundlagen zu stellen. Anderseits litt er
freilich nicht, dafs die Kriegskommissare sich in stolzem Beamten-
gefühl unmittelbar in die Verhandlungen der ständischen Ver-
sammlungen mischten; der Kurfürst hat ihnen das 1683 verboten.
Die Stände sahen schliefslich ein, dafs die neue Behörde eine
gerechtere und bleibendere Ordnung durchführte, als dies früher
ihren eigenen Beamten gelungen war, und die mannigfachen
Unregelmäfsigkeiten und Unterschleife vermied, die bisher im
Schwange gewesen, und so hören wir die Stände in den ver-
schiedensten Kreisen selber die Neueinrichtung oder Wieder-
besetzung des Kriegskommissariats erbitten.
Die neue Organisation hatte sich sofort bewährt und konnte
als gelungen betrachtet werden. Der Kurfürst ernannte deshalb
1 ü. u. A., X, 587 ff., XVI, 922 ff. — Baczko, Gesch. Preuisens,
VI, 271 ff. — Das Folgende ausschliefslich nach den Akten des Gteh.
Xriegsarchivs in Berlin«
218 Sechstes Buch.
am 30. Juli 1682 auch für die Marine einen Kommissar in der
Person des bisherigen Auditeurs beim Barfusschen Regimente,
Adolf Spengler.
Seine endgültige Ausbildung erhielt das Eriegskommissariat,
als es, nach erprobtem brandenburgischem Grundsatze, auf den
höheren Rangstufen mehr und mehr kollegialen Charakter
annahm. Dies geschah gleichfalls noch unter dem Grofsen Kur-
fürsten. Die yier Rilte, die, abgesehen von den Sekretären, in
der Geheimen Kriegskanzlei safsen, wurden dem Generalkriegs-
kommissar an die Seite gestellt Das gleiche vollzog sich in
einigen Provinzen, wo die Oberkriegskommissare nur den Vor-
sitz einer »Kriegskammer" zu führen hatten, die aus einer
Anzahl von Bäten nebst den dazugehörigen Unterbeamten
bestand. Diese Umänderung, die damals freilich noch nicht an
allen Orten durchgeführt worden ist, nahm der Einrichtung des
Kriegskommissariats jeden persönlichen und willkürlichen
Charakter und machte es zur ordentlichen und definitiv dem
Ganzen eingegliederten Staatsbehörde.
Die Begründung des Kriegskommissariats hat einem doppelten
Zweck gedient und ihn erreicht. Es hat einmal die treffliche
Ordnung begründet, die von da an das brandenburgisch-preufsische
Heerwesen vor allen anderen Armeen Europas ausgezeichnet hat
Genau geregelte, fleifsige Verwaltung, sorgfältig durchgeführte
Überwachung durch alle Rangklassen des Heeres, Vermeidung von
Unordnung und Unredlichkeit, pünktliche Auszahlung der
Löhnung und damit Aufrechterhalten strenger Mannszucht
bürgerten sich in dieser Armee ein, wie in keiner anderen.
Ferner aber hat das Kriegskommissariat dem politischen und
administrativen Einflüsse der Stände den Todesstofs gegeben und
die landesherrliche Gewalt in jeder Provinz des weithin ver-
streuten Staates zum Ausdrucke und zu unmittelbarer und
unbedingter Wirksamkeit gebracht. So ist es eines der wichtig-
sten Glieder in der Kette von Institutionen geworden, die den
Absolutismus der Krone in diesem Staatswesen begründet und
annähernd zwei Jahrhunderte hindurch aufrechterhalten haben.
Einundvierzigstes Kapitel
Marine und Kolonien.
Die hervorragendste Eigenschaft Friedrich Wilhelms als
Regenten ist die, dafs er mit der äufsersten Sorgfalt in der
Behandlung aller Einzelheiten der Politik und der Verwaltung
die Weite des Blickes und Gröfse der Entwürfe, die Universalität
des Geistes verbindet. Sein Auge, das so scharf zu beobachten
and auf jeden einzelnen Punkt sich zu richten versteht, umfafst
zugleich die ganze Ausdehnung des Horizontes der damaligen
Menschheit. Er ist darin selbst Friedrich dem Grofsen überlegen.
Der geniale König haftete an den überlieferten Tendenzen seines
Staates, von denen er sich fast nirgends freizumachen, die er
nur in ungewöhnlicher Weise zu beherrschen und nutzbar zu
gestalten verstand, — sein Urahn aber hat sich von keiner
Tradition fesseln lassen, überdachte und prüfte jede Wendung
des öffentlichen Lebens seiner Zeit und suchte das, was er für
berechtigt, nützlich und zukunftsreich erkannt hatte, in seinen
Staat zu verpflanzen und dessen Bedürfnissen und Besonderheiten
schöpferisch anzupassen. In dieser Weite der Auffassung, der
bewufsten Loslösung von jedem Vorurteil, auch dem anscheinend
durch lange Erfahrung und Übung gerechtfertigten, dieser Hoheit
und Voraussetzungslosigkeit des Denkens hat der Grofse Kur-
fürst bei keinem seiner Nachfolger, auch den hervorragendsten
und erfolgreichsten nicht, seinesgleichen gefunden. Er verdient
schon deshalb den ehrenden Beisatz, den bereits seine Mitwelt
seinem Namen beigefügt hatte.
So hatte er auch klar erkannt, dafs materielle Kraft und
internationale Bedeutung eines Staates ohne eine angemessene
220 Sechstes Buch.
Handels- und Kriegsflotte unvollständig bleiben mürsten; und
diese maritime Entfaltung war, namentlich unter den damaligen
Verhältnissen, ohne Kolonialbesitz undenkbar. Verschlossen doch
alle Staaten ihre eigenen überseeischen Gebiete dem Handel wie
den Kriegsfahrzeugen aller fremden Nationen, so dafs Verkehr mit
den fernen Ländern den Schiffen jedes Volkes ohne Eigenbesitz
überseeischer Hafenplätze unmöglich waren. Der Grofse Kurfürst
hat deshalb aufser der Gründung einer starken Seemacht als-
bald die Erwerbung von Kolonien ins Auge gefafst.
Wie bei vielen seiner genialen Neuerungen stand er auch
hier unter den Seinigen allein. Die meisten seiner Bäte
betrachteten die Aufstellung einer Flotte als eine törichte Utopie,
die die Kräfte des Staates weit übersteige, sowie die Anlegung
von Kolonien in entfernten Gegenden als nicht allein nutzlos,
sondern direkt schädlich, weil sie Zerwürfnisse mit den Nachbarn
und Verbündeten Brandenburgs herbeiführen müsse. Sie legten
also diesen Unternehmungen alle möglichen Hindernisse in den
Weg. Besonders war ihnen das Ansehen und die Tätigkeit des
niederländischen Emporkömmlings Raule ein Dorn im Auge, und
sie suchten den kühnen und unternehmenden Mann, der in branden-
burgischen Diensten wahrlich keine Reichtümer sammelte, als
einen habgierigen und sogar ungetreuen Menschen darzustellen.
Fuchs ging so weit, dem niederländischen Gesandten in Berlin,
Hop, im Herbste 1687 die geheimen Vorschlage Raules an den
Kurfürsten, die den Niederländern direkte Handelskonkurrenz
zu machen bestimmt waren, mitzuteilen und durch ihn den
Prinzen von Oranien zu deren Bekämpfung aufzufordern, — ein
Verfahren, das, von selten eines Ministers, als Landes- und Hoch-
verrat bezeichnet werden mufs*. Allein Friedrich Wilhelm liefs
sich weder durch kleinliche Bedenken noch durch Verleumdungen
in seinem grofsen Werke beirren. Er wufste, eine wie wesent-
liche Waffe für seine Politik wie für die Hebung des Wohl-
standes unter seinen Untertanen eine starke Seemacht sei ; und
da er unter dem eigenen Volke niemanden besafs, der ihm za
deren Schöpfung behilflich sein konnte, mufste er sich wohl
oder übel an den Ausländer halten, dessen Unternehmungsgeist,
t
H. Peter, Die Anfänge der brandenb. Marine (Programm des
Berliner Sophipngymn., 1877), S. 11. — U. u. A., HI, 778 f. 793 ff.
EinundyierzigstQs Kapitel. Marine und Kolonien. 221
Hnermftdliche Tatkraft und nie versagender Mut seinem eigenein
Charakter so völlig entsprachen.
Benjamin Raule, 1634 in Vlissingen geboren, hatte von
Kindheit an eine treffliche Schulung als See- und Kaufmann
durchgemacht Er hatte eine umfangreiche Reederei betrieben,
und sein Name besafs an seinem Aufenthaltsorte Middelburg
einen so guten Klang, dafs er Mitglied der Stadtobrigkeit wurde.
Aber der französische Krieg ruinierte ihn: so flüchtete er vor
seinen Gläubigem zu dem 'Kurfürsten von Brandenburg, in
dessen Dienst und mit dessen Unterstützung er sich wieder
emporzuarbeiten hoffte ^. Dafs er bei seiner Tätigkeit in Branden-
burg zunächst von eigennützigen Beweggründen ausging, kann
nicht bezweifelt werden; ebensowenig, dafs er sich bisweilen
zu allzu verwegenen, nicht genügend abgewogenen Plänen hin-
reifsen liefs: allein absichtliche Benachteiligung seines Dienst-'
herm kann ihm nicht nachgewiesen werden, und die meisten
seiner Projekte waren ebenso geistvoll wie ausführbar*. Ohne
ihn hätte Friedrich Wilhelm die Gründung einer Seemacht
und eines Kolonialbesitzes nicht zu Wege gebracht.
Übrigens erbat sich der Kurfürst im Jahre 1678 den Besuch
des berühmten niederländischen Admirals van Tromp, um mit
ihm über eine plan- und ordnungsmäfsige Entwicklung des
brandenburgischen Seewesens zu beraten. Der Admiral folgte
dieser Einladung, und auf seinen sachverständigen Vorschlag
beschlofs Friedrich Wilhelm 1679 die Errichtung eines Marine-
kollegiums, zur Vergröfserung und Verwaltung der Kriegsmarine
und überdies zur Hebung der privaten Seeschiffahrt. Der Plan
ist freilich zunächst an dem Widerstände seiner allzu nüchternen
und kühlen Räte und der Ungunst der kriegerischen Zeiten
gescheitert; später erst wurde er verwirklicht.
Der Kurfürst und Raule hatten inzwischen die branden-
burgische Kriegsmarine auf eine Höhe gebracht, die es wohl
gestattete, kühne und umfassende Entwürfe zu schmieden. Sie
zAhlte im Anfang des Jahres 1680 nicht weniger als 28 Fahr-
zeuge mit 502 Geschützen'. Friedrich Wilhelm beschlofs, diese
' B. Schü.ck, Brandenb.-preufs. Kolonialpolitik (Leipz. 1889), I, 76 ff.-
' Auch Röbenao erklärt ihn für einen sachTerständigen und fähigen
Mann; Ms. Dep. Tom 29. März 1682 (Auszug); Berlin, Geh. Staatsarchiy,
Rep. 94, IV Hb. 10«.
* Brandenb.-Preufs^n auf d. Westküste von Afrika 1681—1721; Kriegs-
222 Sechstes Buch.
Macht zu einem Unternehmen zu verwenden, das in ganz Europa
Achtung vor der Flagge mit dem roten Adler auf weifsem
Felde erwecken und zugleich ihm selbst pekuniären Vorteil
bringen sollte^.
Die spanische Monarchie hatte von den vertragsmärsigen
Subsidien, die sie Brandenburg aus dem letzten Kriege schuldete,
nur den geringsten Teil abgetragen. Bis zum 31. Oktober 1678
hfttte sie 1778003 Taler zu zahlen gehabt, hatte aber in Wirk-
lichkeit nur 311000 entrichtet, so dafs der Kurfürst noch
1467003 Taler (nach heutigem Werte über 19 Millionen Mark)
zu fordern hatte. Die eigene Not noch mehr als übler Wille
hatte bewirkt, dafe Spanien seit September 1675 überhaupt
nichts mehr gab, aufser 1678 einmal 25000 Taler. Fried-
rich Wilhelm hatte deshalb bereits im August 1676 seinen
Kammerjunker von Ruck, Schlofshauptmann zu Hornburg im
Halberstädtischen, nach Madrid gesandt, um die regelmäfsige
Auszahlung der Hilfsgelder zu erwirken. Allein die Spanier
hatten unter mancherlei Yorwftnden die Audienz des Branden-
burgers bei ihrem Könige hinausgeschoben; und als er solche
endlich erhalten, hatte Philipp IV. sich damit begnügt, ihm zu
antworten: „Yo lo verr6," „ich werde zusehen". Ruck mufete
sich bald überzeugen, dafs die Spanier in ihrer Not gar nicht
im Stande seien, ihren Verpflichtungen gegenüber dem Ver-
bündeten nachzukommen. Mit der Erklärung: er werde andere
Mafsregeln ergreifen, um zu seinem Gelde zu gelangen, berief
Friedrich Wilhelm endlich seinen Gesandten von Madrid ab.
Nachdem der allgemeine Friede abgeschlossen, entschied
er sich also dahin, sich selbst Gerechtigkeit zu schaffen. Voll
Geringschätzung ob der Hilflosigkeit der Spanier und für den
schlimmsten Fall der Unterstützung durch Frankreich sicher,
mit dem er soeben ein geheimes Bündnis eingegangen war.
gab er am 25. Mai 1680 Raule den Auftrag: „so viele
Fregatten, alfs Er nöthig erachten wird, aufszurüsten und
damit alle Schiffe und Güther, so spanischen Unterthanen
zugehören, in See wegzunehmen und aufzubringen". Er erlangte
dabei von dem Papste, dem Grofsherzoge von Toscana und dem
•
gesch. Einzebchriften, herausg. vom Grofsen Generalstabe, Heft VI
(Berlin 1885), S. 101.
^ Das Folgende nach dem Geh. Staatarchiv (Berlin) Bep. 63, 2. 8 b):
sowie Kgl. Bibl. (daselbst), Manuscr. Boruss. qu.| 123 p. 17 f.
Einundyierzigstes Kapitel. Marine and Kolonien. 223
Grofsmeister von Malta das Versprechen, in deren Häfen für
seine Schiffe, die er allerdings als gegen die Barbaresken be-
stimmt ausgab, eine sichere Zuflucht zu finden.
Raule setzte sechs Fregatten in stand: das Flaggschiff
«Friedrich Wilhelm'' mit 43 Geschützen, 120 Seeleuten und
42 Soldaten; den «Ghurprinz*' mit 32 Geschützen, 101 Seeleuten
und 40 Soldaten; die „Dorothea* mit gleicher Ausrüstung und
Bemannung; den „Bothen Löwen** mit 20 Stücken, 70 Seeleuten.
20 Soldaten; den „Fuchs** von ähnlicher Beschaffenheit; die
, Berlin* mit 16 Stücken, 50 Seeleuten, 20 Soldaten — zusammen
mit 163 Geschützen, 506 Seeleuten, 182 Soldaten. Dazu kam
der Brander .Salamander** mit zwei Geschützen und 14 See-
leuten. Die Flotte stand unter dem Befehle des schon im jüngsten
Kriege erprobten Gommodore Comelis Classen van Beveren ; die
Kapitäne waren gleichfalls sämtlich Holländer. Am 14. August
1680 ging das Geschwader in See. Seine Bestimmung blieb ein
Geheimnis; nur Dänemark und Frankreich waren benachrichtigt.
Der erstere Staat, der gleichfalls Forderungen an Spanien hatte,
lehnte die angebotene Teilnahme freundlich ab , öffnete jedoch
den brandenburgischen Orlogsschiffen den Sund. Der AUer-
christlichste König stellte ihnen seine Häfen zur Verfügung.
Die Instruktion van Beverens trug diesem auf, nach der nieder-
ländischen Küste zu fahren, dort dem Konvoi aufzulauern, der
alljährlich von Ostende über London nach den spanischen Häfen
ging, und ihn wegzunehmen, selbst wenn er ihm bis nach Cadiz
folgen müsse; ^^echappiere'' ihm der Convoi, solle er zur Er-
oberang der spanischen Silberfiotte nach Westindien und Mexiko
segeln \
So hohe Ziele wurden allerdings nicht erreicht. Wohl aber
gelang es van Beveren schon am 18./28. September, ein grefses
spanisches Kriegsschiff, den „Carolus Secundus*, das 50 Kanonen
fQhrte, in der Nähe von Ostende nach kurzem Kampfe und unter
geringem Verluste wegzunehmen. Es war besonders wichtig
darch seine kostbare Spitzenladung, deren dem Kurfürsten
zufallender Anteil allein 97 524 Taler (heutigen 1 267 800 Mark
gleich) eintrug. Damit waren die auf das Geschwader ver-
wandten Kosten so ziemlich gedeckt'. Van Beveren brachte
> Generalstab, a. a. O., S. 102 ff.
* Peter, 18. 24.
224 Sechstes Buch.
mit deu beiden Fregatten „Friedrich Wilhelm^ und „Dorothea'^
die Prise nach Pillau. Die weitere Kreuzung des Vizekom-
mandeurs Reers mit den übrigen Schiffen hatte keinen anderen
Erfolg als das Aufbringen eines spanischen, mit Wein und Brannt-
wein beladenen Fahrzeugs. Dieses ungenügende Ergebnis wurde
der Unfähigkeit Reers' zugeschrieben, der ebenso wie Beveren
selbst, den man der Unterschlagung beschuldigte, die Entlassung
erhielt.
Die kecke Tat der jungen brandenburgischen Marine, von
deren Dasein niemand einen rechten Begriff gehabt, erregte das
gröfste Aufsehen. Zahlreiche Flugschriften griffen den angeb-
lichen Friedensbruch des Kurfürsten heftig an. Spanien ¥rütete,
drohte mit einem Einfall in Eleve und rief die Generalstaaten
um vertragsmäfsige Beihilfe an. England, die Niederlande,
Schweden zeigten sich ungehalten über den Anspruch Branden-
burgs, in die Reihe der Seemächte eintreten zu wollen, und
gaben diesem Zorne unverhüllten Ausdruck. Zumal die Nieder-
länder fürchteten eine Beeinträchtigung ihres Handels mit Spanien
durch die Beobachtung ihrer Küsten seitens des brandenburgi-
schen Geschwaders.
Des französischen Beistandes sicher, liefs der Kurfürst sich
durch allen diesen Lärm nicht erschrecken. Die Vorstellungen
des staatischen Gesandten Amerongen brachte er durch den Hinweis
zum Schweigen, die Holländer hätten sich ja auch für die «echs
bis sieben Millionen Taler, die Spanien ihnen schulde, Maastrichts
bemächtigt, das dem. Katholischen Könige gehöre^. Schweden ver-
suchte seinesteils, den dänischen Herrscher zu bewegen, dafs er
den Brandenburgern den Sund schliefse, indem es seine Eifersucht
durch Schilderung der angeblichen ehrgeizigen Absichten des Kur-
fürsten auf Seeherrschaft anreizte. Allein Dänemark, längst durch
enge politische Freundschaft mit Brandenburg verbunden, empfand
Rivalität nur gegen Schweden und lehnte dessen Zumutungen
ab. Darauf wurde man auch in Stockholm stille'. Friedrich Wil-
helm hatte also keine tätliche Feindschaft zu fürchten ; es standen
ihm überdies 25 Schiffe mit 496 Geschützen zur Verfügung.
Davon sandte er im Sommer 1681 vier, unter dem Kommandeur
Thomas Aldersen, mit dem Auftrage aus, die spanische Silber-
1 U. u. A., in, 586 f.
« Berlin, Kgl. Bibl., Manuscr. Boruss. qu., 123 S. 27 ff.
Emundyierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 225
flotte abzufangen. Das Flaggschiff war das Linienschiff „Mark-
graf von Brandenburg "^ — der frühere „Garolus Secundus** —
mit 50 Geschützen, 150 Seeleuten, 50 Soldaten. Das gesamte
Geschwader führte 93 Kanonen, 420 Matrosen, 142 Soldaten.
Es ist für die Geschichte der brandenburgischen Marine bemerkens-
wert, dafs der „Markgraf von Brandenburg" das erste Schiff
war, das dem Kurfürsten zu eigen gehörte, während er bis dahin
die Kriegsfahrzeuge nur von Baule mietsweise geliefert erhalten
hatte, und dafs die Soldaten seemäfsig geübt wurden, um aus
ihnen einen Stamm eigentlicher brandenburgischer Matrosen zu
bilden und sich hierdurch von den niederländischen, norwegischen,
dänischen, hanseatischen Seeleuten unabhängig zu machen, die
bisher jene Schiffe bemannten. Das hervorragende organisatorische
Talent Friedrich Wilhelms, das sich trotz der Beschränktheit
seiner Mittel allerorten Geltung zu schaffen wufste, tritt auch
hier hervor.
Aldersen bekam am 30. September/ 10. Oktober am Kap San
Vincent ein grofses spanisches Geschwader in Sicht, das er für
die Silberflotte hielt. Er griff es mit grofser Kühnheit an,
mufste aber bald bemerken, dafs er sich einer Kriegsflotte von
zwölf Fregatten und zwei Brandern gegenüber befand, die die
spanische Regierung in See gesandt hatte, um ihre S ilberschiffe
vor den Brandenburgern zu schützen und diese zu vernichten.
Aldersen verlor den Mut nicht. Unter lebhaftem Gefechte
manövrierte er seine vier Fahrzeuge weg, bis er in dem portu-
giesischen Hafen Lagos eine Zuflucht vor der Übermacht fand.
Sein Verlust betrug 10 Tote und 30 Verwundete, aber seine
Schiffe waren unbeschädigt, so dafs sie nach wenigen Tagen die
Heimreise antreten konnten.
Der ehrenvolle Kampf am Kap San Vincent ist überhaupt
das gröfste Seegefecht, das die brandenburgisch - preufsische
Marine bis auf den heutigen Tag bestanden hat. Die Aufgabe
freilich, die spanische Silberflotte wegzufangen, konnte unter
den vorhandenen Umständen nicht gelöst werden. Allein der
rote Adler hatte sich wacker gehalten und von der Übermacht
der kastilischen Türme nicht erdrücken lassen. Es kommt nicht
immer auf die tatsächlichen Ergebnisse an; wichtiger kann die
allgemeine Tendenz sein, die durch ein Unternehmen be-
gründet wird. Der Weg war vorgezeichnet, auf dem der von
Friedrich Wilhelm neugestaltete Staat den erblichenen Ruhm
Philippson. Der Orofse Karfflrst. III. 15
226 Sechstes Buch.
deutscher Seeleute erneuern konnte; fand er Nachfolge bei den
übrigen deutschen Küstenstaaten, so mochte die einstige Macht
der Hansa auf veränderter und erweiterter Grundlage wieder
erstehen. Aber leider hat kein Nachfolger des Grofsen Kur-
fürsten, bis auf die allerjüngste Vergangenheit, den verheifsungs-
vollen Pfad weiter beschritten.
Das gleiche mufs man von den Kolonialplänen dieses geist-
vollen und scharfblickenden Herrschers sagen.
Die pekuniären Ergebnisse der kühnen Seefahrten hatten
kaum zur Deckung der aufgewandten Kosten ausgereicht; der
etwas seeräuberartige Überfall spanischer Schiffe, sowie die zeit-
weise Blockade der belgischen Küste hatten überdies so viel
Ärgernis erregt und so lebhaften Widerspruch hervorgerufen,
dafs der Kurfürst die Sache aufgab. Desto nachdrücklicher
ging er auf eine andere Reihe der ihm von Raule gemachten
Vorschläge ein: nämlich zur Gründung einer afrikanischen
Handelsgesellschaft. Ein Plan , der ihm um so mehr zusagen
mufste, als er einen Ersatz für das bereits zweimal gefafste und
gescheiterte Projekt einer grofsen deutsch-ostindischen Kompanie
(T. I, S.43f., T, II, S. 208 f.) bot. Raule gedachte zugleich sein
Vaterland, das ihn fortgesetzt unfreundlich behandelte, zu
schädigen, sich materiellen Vorteil zu verschaffen und dem Kur-
fürsten zu dienen. Neben ungeheuerlichen Entwürfen, die Fried-
rich Wilhelm sofort verwarf, wie einer Expedition gegen die
arabischen und chinesischen Händler im Indischen Ozean und
einer Fahrt nach der Davisstraf se, schlug er 1681 die Absendung
einiger Schiffe nach Guinea vor, um von dort Gold und Sklaven
auszuführen. Es sollte daselbst ein Fort erbaut und so der
Grund zu einer brandenburgischen Kolonie gelegt werden. Die
kurfürstliche Seerüstung würde sich hierdurch reichlich bezahlt
machen. Damit war der Herrscher sofort einverstanden.
Das Unglück war nur, dafs die preufsischen und pommer-
schen Kauf leute und Reeder zu solchen kühnen Unternehmungen
nicht zu haben waren, und dafs man sich abermals auf nieder-
ländische Schiffe angewiesen sah: den „Oranien*, der nunmehr
„Wappen von Brandenburg" genannt wurde, und den „Morian*.
Dadurch aber gab man der Handelseifersucht der Holländer den
erwünschten Vorwand zur Störung des kaum Begonnenen. Denn
die holländische Westindische Kompanie besafs für die eigenen
Landsleute das ausschliefsliche Monopol des Verkehrs mit Afrika;
£mund\derzig8te8 Slapitel. Marine und Kolonien. 227
sie behauptete, dafs das Unternehmen Raules nur eine Umgehung
dieses Monopols sei, da es lediglich mit niederländischen
Schiffen und Seeleuten ausgeführt werde, die sich mifsbräuchlich
der brandenburgischen Flagge bedienten. Das war insofern
unrichtig, als Friedrich Wilhelm auf jedem dieser Fahrzeuge
elf seiner Soldaten einschiffte, so dafs er von jenen tatsächlich
Besitz ergriff.
Es läfst sich allerdings nicht leugnen, dafs das strenge
Verbot der Generalstaaten, keiner ihrer Untertanen dürfe, auf
fremden Schiffen, die Rechte der Westindischen Kompanie stören,
sich gleichfalls auf die holländische Bemannung der branden-
burgischen Schiffe bezog. Indes konnte die Kompanie daraus
nur das Recht ableiten, vor den heimischen Gerichten die Be-
strafung jener Seeleute zu beantragen, nicht aber das, die dem
Kurfürsten gehörenden Fahrzeuge in fremden, neutralen Gewässern
aufzugreifen. Friedrich Wilhelm schenkte auch den Vorstellungen,
die ihm Amerongen im Namen der Generalstaaten in dieser
Angelegenheit machte, keine Aufmerksamkeit, sondern begnügte
sich, zu versprechen: wo die Kompanie tatsächlich Besitzungen
habe, werde er nicht eindringen; dafür verlangte er freundliche
Aufnahme seiner Schiffe im Falle der Not. Ganz unberechtigt
war die Behauptung der Holländer, die ganze Goldküste gehöre
ihrer Westindischen Gesellschaft. War es doch notorisch, dafs
Engländer und Dänen eine ganze Reihe von Niederlassungen auf
dieser Küste innehatten.
Die Westindische Kompanie jedoch, in ihren wichtigsten
Handelsinteressen mit Wettbewerb von den eigenen Volksgenossen
bedroht, benutzte jene Vorwände, um das „Wappen von Branden-
burg" an der Küste von Guinea wegzunehmen und den „Morian*
aus den afrikanischen Gewässern zu vertreiben. Allein zu spät.
Der Kapitän des „Morian*', Blonck, hatte bereits am 16./26. Mai
1681 mit drei Neger-„Königen** der Goldküste einen Vertrag
abgeschlossen, der in ihrem Gebiete den Brandenburgern das
Handelsmonopol zusicherte und die Einräumung eines Platzes
zur 'Errichtung eines Forts versprach. Der 26. Mai 1681 ist
also der Tag, an dem die brandenburgisch-preufsische Koloni-
sation tatsächlich begonnen hat^
^ P. F. Stuhr, Die Gesch. der See- und Koloniabnacht des Grols
Kurf. (Berlin 1889). — Peter, 28f. — Generalstab, lOlf. — Schuck,
I, 134«. — U. u. A., in, 586. 588. 602.
15*
228 Sechstes Bucli.
Friedrich Wilhelm hielt diese Tatsache für so wichtig, dafs
er zu ihrem ewigen Gedächtnisse eine Medaille schlagen liefs
mit der Inschrift: Coepta navigatio ad oras Guineae,
anno MDGLXXXI feliciter^ Brandenburg hatte sich end-
lich den Zugang zum Welthandel eröffnet; das Gold und das
Elfenbein, die der „Morian", wenn auch noch in geringer Menge,
zurückbrachte, gaben Hoffnung auf glänzenden Gewinn. Der
Kurfürst liefs sich um so weniger die üble Behandlung seiner
Schiffe und die Kränkung seiner Kriegsflagge durch die Holländer
gefallen. Er forderte sofortige Genugtuung und vollen Ersatz des
ihm zugefügten Schadens. Mit kräftigen und zuversichtlichen
Worten vertrat er den Standpunkt der Handelsfreiheit gegen-
über der engherzigen Exklusivität der Holländer. Diese suchten
die Angelegenheit unter allerlei Verwänden zu verschleppen,
und der leicht erregbare Kurfürst drohte im Sonmier 1682 mit
Eidschwur: wenn man ihm nicht binnen vier Wochen Satis-
faktion gebe, so werde er sie selber sich nehmen, es komme
daraus, was wolle. Das Anerbieten der Generalstaaten, die
Sache dem kompetenten niederländischen Gerichte zu überweisen,
wies er mit Fug und Recht zurück. Er rüstete tatsächlich im
November 1682 das Kriegsschiff „Fuchs*^ mit 20 Geschützen und
58 Mann Besatzung aus, um die Fahrzeuge der Westindischen
Kompanie, wo es sie fände, wegzunehmen. Allein es scheiterte
schon an der jütischen Küste , wobei siebzehn Mann das Leben
verloren. Erst 1686 gaben die Holländer das „Wappen von
Brandenburg** heraus und zahlten 20000 Gulden für dessen
bereits verkaufte Ladung. Beide Teile erklärten sich mit diesem
Vergleiche zufrieden*. Das Verhältnis zwischen der Republik
und Brandenburg wurde im Grunde nicht durch den Streit um
ein fernes Negerland, sondern durch die grofsen europäischen
Interessen bestimmt.
Es ist klar, dafs immerhin der Kurfürst grundsätzlich den
Sieg errungen hatte. Die Holländer mufsten ihren Standpunkt
aufgeben. Schon vorher hatten sie nicht mehr offen gewagt,
sich seinen Kolonialplänen zu widersetzen. Friedrich Wilhelm
förderte solche mit der ihm eigenen Tatkraft. Im März 1682
' Ad. Meyer, Die Prägungen Brandenb.-Preufsens (Berlin 1885X
« U. u. A., ni, 609. 618 f. 622 ff. 629 ff. 6a3. 638. 642 ff. 778 f. —
Stuhr, 28 ff.
Emundyierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 229
errichtete er eine Kompanie zum Handel mit denjenigen Orten
der Guinea- und Angolaküste, die noch nicht von Europäern
besetzt seien. Er versprach der neuen Gesellschaft Schutz gegen
alle Angriffe, sei es von europäischen Mächten, sei es von Negern.
Am 8./18. November desselben Jahres erhielt sie einen Freibrief
auf dreifsig Jahre. Der Kurfürst verhiefs ihr darin, die nötige
Anzahl Soldaten zu stellen, ein Fort auf dem Drei- Spitzen-Kap
an der Goldküste zu errichten und ihr während vier Jahren
je 6000 Taler Hilfsgelder zu zahlen. Zahlreiche Zollerleichte-
rangen wurden der Gesellschaft gewährt. Jedem Fremden wie
Einheimischen ward es freigestellt, ihr beizutreten, indes nur
mit einer Mindesteinlage von 200 Talern (gleich 2600 Mark
heutigen Geldwertes) ; in der Generalversammlung, deren Vorsitz
einem Abgesandten des Kurfürsten zukam, hatte nur derjenige
eine Stimme, der mindestens 1000 Taler beigetragen. Die Werft
in Pillau ward der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, die
militärische, politische und eigentlich kaufmännische Verwaltung
genau geregelt
Die Schwierigkeit für dies weit aussehende maritime Unter-
nehmen blieb die alte : die heimischen Kauf leute und Kapitalisten
hielten sich davon in ihrer ängstlichen und kurzsichtigen Weise
fem. Die Kompanie erhielt deshalb einen ganz amtlichen
Charakter. Der Kurfürst zeichnete 8000 Taler, seine Minister
und Beamten 20000, Raule und dessen Mitinteressenten 24000.
Bevor die Gesellschaft auf diese Art gegründet war, hatte
Friedrich Wilhelm bereits im Jahre 1682 einen weitgereisten
Offizier, der in Palästina und Ägypten gewesen und so an
den Verkehr mit andersgearteten Völkern gewöhnt war, den
Major Otto Friedrich von der Groeben, zur Besitzergreifung
des von Blonck erworbenen Landstriches sowie „Erbauung einer
Forteresse" abgesandt. Er führte zwei Schiffe — den „Chur-
prinzen" zu 32 Geschützen und den ^Morian" zu 12 — die von
dem Commodore Mathäus de Vofs und dem Kapitän Blonck
befehligt wurden, sowie zwei Ingenieure, einen Fähnrich , drei
Unteroffiziere und 42 Soldaten mit sich.
Das kleine Geschwader langte nach fünfmonatiger Fahrt
an der Goldküste an. Nach verschiedenen Verhandlungen mit
den Holländern und den Negern schlofs Groeben mit mehreren
schwarzen Häuptlingen einen neuen Vertrag zur Erbauung
eines Forts sowie Übernahme des brandenburgischen Schutzes
230 Sechstes Buch.
und ausschliefslichen Handels für deren Gebiet, das eine Meile
westwärts von dem Drei -Spitzen- Kap lag. Am Nei]gahrs-
tage 1683 wurde auf dem Berge Manfro, der nunmehr den
Namen „Grofser Friedrichsberg^ erhielt, das brandenburgische
Banner aufgezogen; die Geschütze donnerten, Trommeln und
Flöten erklangen über die Fluten des Ozeans. Die kleine Feste
wuchs schnell aus dem Boden, mit drei durch zwei Bastionen
geschützten Kurtinen nach den Landseiten, einer geradlinigen
Brustwehr und davorliegendem Graben nach der See im Westen,
das Ganze mit Palisaden umgeben und mit zehn Kanonen aus-
gerüstet.
Diese Vorsicbtsmafsregeln sollten sich als sehr notwendig
erweisen. Da Aufforderungen seitens der holländischen West-
indischen Kompanie, das Fort zu räumen, keinen Erfolg hatten,
stachelte diese mehrere Tausende von Negern zum Angriff auf
die Festung an. Die Lage war um so bedenklicher, als das
Malariafieber unter der schwachen brandenburgischen Schar
wütete, bereits zehn Mann von ihr weggerafft, die übrigen,
auch Groeben selbst, völlig geschwächt hatte. Allein der ebenso
mutige wie energische Major hatte 200 Schwarze bewaffnet und
eingeübt, — und nach den ersten Kartätschenschüssen liefen die
Feinde davon.
Nach diesem Siege schiffte Groeben sich nach Europa ein,
indem er den wackeren Blonck als Kommandanten in Grofs-
Friedrichsburg zurückliefs. Der Begründer der ersten branden-
burgischen Kolonie jenseits des' Meeres langte im April 1683 in
der Heimat an, wo er seitens des Kurfürsten den wohlverdienten
freundlichen Empfang sowie die einträgliche Hauptmannschaft
zweier preufsischer Domänenämter erhielt.
Schon vor seiner Ankunft hatte Friedrich Wilhelm die Ver-
stärkung der Feste vorbereitet. Baumaterialien, Vorräte und
Ausrüstungsgegenstände jeder Art, selbst ein Wagen und vier
Pferde, wurden mit grofser Sorgfalt in Pillau vereinigt. Sie
gingen (September 1683) auf der Fregatte „Goldener Löwe**
mit 32 und dem Schiffe „Wasservogel" mit 10 Geschützen nach
Afrika ab. Diese Fahrzeuge trugen ferner den Major Dillger,
der den Befehl im Fort übernehmen sollte, den Ingenieurkapitän
von Schnitter, sowie eine Anzahl anderer Offiziere und Ingenieure
nebst Chirurgen, Kanonieren und 42 Soldaten, von denen die
gelernten Handwerker und Spielleute in Grofs - Friedrichsburg
Einundyierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 231
ZU verbleiben hatten. Diese Mafsregeln stellten sich als um sa
notwendiger heraus, als man bei der Ankunft, im Februar 1684,
die Besatzung Grofs-Friedrichsburgs auf 17 Mann herabgesunken
fand. Nun begann eine lebhafte Tätigkeit. Die Befestigungen
wurden durch die Anlage zweier Bastionen nach der Seeseite
hin vervollständigt, mit Steinen aufgemauert und mit Kase-
matten, auch innerhalb der Wälle mit steinernen Gebäuden
versehen. Major Dillger liefs es aber bei der einen Feste nicht
bewenden. Er kaufte ein von den Negern Accada genanntes
Gebiet, 2Va Meilen östlich von Grofs-Friedrichsburg , und liefs
dort durch Schnitter eine zweite, kleinere Festung in Dreiecks-
form errichten. Sie wurde mit zwölf Geschützen besetzt und
späterhin „Dorotheenschanze'' genannt. Accada besafs deshalb
besondere Bedeutung, weil es den fruchtbarsten Teil der ganzen
Küste umfafste und deren einzigen, allerdings nur für kleinere
Schiffe benutzbaren Hafen enthielt. Zwischen beiden Werken
wurde, an einem reichlich fliefsenden Wasser, auf dem Drei-
Spitzen-Kap eine kleine, mit zwei Geschützen armierte Schanze
angelegt, Taccrama oder Sophie-Luise genannt. Endlich ergab
sich noch die Landschaft Anta dem Schutze des roten Adlers,
und hier begründete Schnitter, bei dem Orte Taccarari, ein
viertes Fort, das mit drei Geschützen ausgerüstet wurde. Die —
allerdings zunächst rein militärische — Kolonisation Brandenburgs
dehnte sich derart über die Küste Guineas aus.
Die Afrikanische Kompanie hatte inzwischen einen erfreu-
lichen Aufschwung genommen, zumal nachdem sie 1684 von dem
entlegenen, durch den langen, rauhen Winter und die Stürme
des Kattegat beeinträchtigten, durch die Dänen vom Sunde aus
überwachten Hafen von Pillau und dem damals jedes kommerziellen
Unternehmungsgeistes entbehrenden Preufsen nach Ostfriesland
und zwar nach Emden verlegt worden. Land wie Hauptstadt
hatten sich um jene Zeit, mit Billigung des Kaisers, unter
brandenburgischen Schutz gestellt. Emdens Hafen war für die
damaligen flach gehenden Fahrzeuge ein sehr günstiger. Man
erhoffte Zuflufs reicher Kapitalien aus dem nahen Holland. Auf
Raules Rat hatte also der Kurfürst beschlossen, den Sitz der
Afrikanischen Kompanie und zugleich seiner Marineverwaltung
nach Emden zu überführen. Ein geheimer Vertrag mit den ost-
friesischen Ständen sowie mit der Stadt Emden machte aus
dieser tatsächlich einen brandenburgischen Hafenplatz. Freilich,
282 Sechstes Buch.
die eigentlichen Untertanen Friedrich Wilhelms hatten derart
keinen unmittelbaren Vorteil von der Afrikanischen Kompanie
zu erhoffen. Ihre heillose Geistesträgheit und Unentschlossen-
heit hat ihren Landesherm gezwungen, seine maritime Tätigkeit
gewissermafsen aufserhalb seines Gebietes zu verlegen.
Die ostfriesischen Stände und die Stadt Emden beschämten
die Preufsen, indem sie der Afrikanischen Gesellschaft mit
28000 Talern beitraten; ebenso der Kurfürst von Köln mit 24000.
Im ganzen betrug 1686 das Kapital der Gesellschaft 84 000 Taler
(gleich 1092000 Mark heutigen Geldwertes), dem gegenüber
Raule ein — freilich schwer zu verwertendes — Aktiv von
120500 Talern (1566500 Mark) herausrechnete. Dividenden
hatte die Gesellschaft bisher noch nicht zu verteilen vermocht.
Die glänzenderen Aussichten, die sich nunmehr dem Kur-
fürsten eröffneten, erfüllten ihn mit kühner Zuversicht, die
durch das Alter keineswegs geschwächt wurde. Er beschlofs,
an Stelle der gemieteten Marine eine eigene treten zu lassen.
Die finanziellen Bedenken seiner Räte liefe er unbeachtet. Er
kaufte also Raule neun Schiffe für 100000 Taler ab^ Zugleich
ordnete er das gesamte Seewesen durch Verordnung vom
18. Juli 1684. Sie errichtete eine eigene kurfürstliche Marine-
verwaltung mit je einer Admiralitätskammer zu Berlin, zu
Königsberg und zu Emden. Die Berliner Kammer bildete die
Zentralstelle, an deren Spitze Generaldirektor Raule trat. Die
Königsberger Kammer, unter den Admiralitätsräten Schölten und
Cleffman, besafs an eigenen kurfürstlichen Schiffen nur eine
Fregatte von 40 Geschützen und zwei kleinere Fahrzeuge,
neben denen Raule im kurfürstlichen Solde noch acht andere
Schiffe mit zusammen 96 Kanonen zu stellen hatte. Bei weitem
wichtiger war die Emdener Admiralitätskanmier, in der der
dortige Bürgermeister Schinckel und der brandenburgische
Resident Freytag als Admiralitätsräte safsen ' ; sie rüstete sieben
kurfürstliche Schiffe mit zusammen 178 Geschützen aus, darunter
die beiden Linienschiffe „Friedrich Wilhelm zu Pferde" und
„Carolus Secundus** mit je 50 Stücken. Acht kleinere Fahrzeuge
mit zusammen 62 Kanonen unterhielt dort Raule. Ein „Marine-
Bataillon" von vier Kompanien sollte die militärische Besatzung
^ Berlin, Kgl. Bibl., Manuscr. Boruss. qu., 128, S. 60 f.
' Ms. Geh. Staatsarchiv, Berlin, Rep. 65, 42 (Marinerechnungen).
Einiindvierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 233
der Schiffe und der Kolonien liefern. Einstweilen wurden in
Ostfriesland drei solche Kompanien unter Major du Moulin
errichtet, mit den Garnisonen Emden und Greetsyl. Ihr Unter-
halt belief sich auf ungefähr 22 000 Taler jährlich, zu denen die
ostfriesischen Stände 15600 zusteuerten. Jeder Soldat, der
nach Afrika abging, erhielt zu seinem Traktament eine Zulage
von einem halben Taler monatlich, der Gefreite aufserdem vier
Groschen. Eine Jacht wurde als Stations- und Wachtschiif für
den Hafen von Emden und die Feste Greetsyl beschafft*.
So begann die eigentliche brandenburgisch-preufsische Kriegs-
marine. Nach mannigfachem, durch die Verhältnisse gebotenem
Tasten hatte Friedrich Wilhelm abermals den einzig richtigen
und angemessenen Weg gefunden, seinem Staate zum Besitze
einer zuverlässigen, für ihn stets verfügbaren Seemacht zu ver-
helfen.
Er glaubte nun, seinen kolonialen Plänen einen noch weiteren
Umfang geben zu dürfen. Er knüpfte also, wie schon erwähnt,
mit den englischen Dissenters, den aufser der anglikanischen
Kirche stehenden britischen Beformierten an, die damals durch
die Stuarts schwer bedrückt wurden, um die Kaufleute und
Fabrikanten unter ihnen an die pommersche Küste zu ziehen.
Er dachte an die Gründung einer Ostindischen Handelsgesell-
schaft, deren Sitz gleichfalls Emden sein sollte, an die Aus-
sendung einer Expedition nach China und Japan, an einen
Vertrag mit Persien behufs Austausch von Rohseide gegen Bern-
stein. Er veranlafste einen der berühmtesten Reisenden jener
Zeit, den französischen Reformierten Jean Baptiste Tavernier,
der sechsmal im Oriente, bis nach Indien und den ostasiati-
schen Inseln hin, gewesen war, nach Berlin zu kommen und ihm
mit seinem Bäte bei der Errichtung der Ostindischen Gesellschaft
zu helfen (1684). Obwohl bereits im achtzigsten Lebensjahre
stehend, folgte Tavernier dieser Einladung und erklärte sich
bereit, im Interesse jener Gesellschaft eine Gesandtschaft an
den Grofsmogul Aureng-Seb zu übernehmen; drei Kriegsfahr-
zeuge sollten ihn eskortieren. Tavernier erhielt den Titel eines
kurfürstlichen Kammerherm und Admiralitätsrates ". Die Frucht
der Beratungen war ein Patent vom 10. Juli 1684, das die Ost-
* Geh. Staatsarchiv, Berlin; a. a. 0.
■ Ch. Joret, Jean-Bapt. Tavernier (Paris 1886).
234 Sechstes Buch.
indische Kompanie mit ähnlichen Vorrechten begabte, wie die
Afrikanische solche bereits empfangen hatte. Allein dieses aus-
sichtsreiche Unternehmen scheiterte abermals an der Unbeweg-
lichkeit und Verzagtheit der einheimischen Greschäftsleute und
Kapitalisten ; als der Kurfürst dafür in England Teilnehmer
warb, fand er Zurückhaltung wegen der Strenge, mit der die
dortigen Gesetze das Monopol der englischen Ostindischen
Kompanie schützten ^ Man sieht, wie unermüdlich der Grofse
Kurfürst um die Entwicklung des überseeischen Handels seiner
Lande bemüht war, dafs er aber damit ganz allein stand. Um
so mehr suchte er die Afrikanische Gesellschaft zu fördern.
Es lag ihm für diese die Erwerbung einer Niederlassung
in Westindien am Herzen, um einen eigenen Markt zum Ver-
kaufe von Negersklaven zu besitzen, — war doch das „lebende
Ebenholz*' der einträglichste Handelsartikel, den man an den
afrikanischen Küsten suchte. So schlofs er im November 1685
mit Dänemark einen Vertrag, der den Brandenburgern einen
Teil der dänisch-westindischen Insel St. Thomas anwies, wo sie,
freilich unter dänischer Hoheit und dänischem Schutze, aber
sonst in eigener Selbstverwaltung, eine Niederlassung errichten
durften.
Endlich vergröfserte er noch seinen Besitz in Afrika, indem
er auf der südöstlich vom Kap Blanco gelegenen Insel Arguin
ein zuerst den Spaniern, dann den Niederländern, schliefslicb
den Franzosen gehöriges, aber auch von diesen aufgegebenes
Kastell durch sein Schiff „Rother Löwe" unter dem Kommandeur
Cornelis Reers okkupieren liefs. Es wurde mit dem „Mohren-
könige von Argyn" ein Vertrag eingegangen, der nicht nur die
Insel, sondern noch weite Küstenstrecken nach Nord und Süd den
Brandenburgern abtrat. Das Kastell ist später von Reers her-
gestellt und ausgerüstet, auch gegen einen französischen Angriff
mit Erfolg verteidigt worden. Arguin entwickelte sich zu einem
wichtigen Handelsplatze, besonders zum gröfsten Stapel für den
internationalen Gummihandel. Die Niederlassungen an der
Goldküste wurden darüber nicht vernachlässigt. Man sandte
dorthin Bergleute, unter der Leitung eines gewissen Dannies,
um den Abbau von Gold rationell zu betreiben. Es kam wirk-
lich so viel Gold aus Guinea ein, dafs man daraus in Berlin
1 Schuck, I, 187ff.
Einundvierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 235
Dukaten schlug, die das Brustbild des Kurfürsten und auf dem
Revers einen Dreimaster, mit vollen Segeln auf offener See nach
links fahrend, aufwiesen ^
Im ganzen aber entsprachen die Einkünfte der Gesellschaft
deren grofsen Aufwendungen um so weniger, als ihr die Fort-
nahme einiger ihrer Fahrzeuge durch Niederländer und Fran-
zosen empfindliche Verluste bereitete und ihre Beamten mehr
darauf bedacht waren, sich selbst zu bereichern als der Ge-
sellschaft zu dienen. Deren Fonds war überdies für die weitaus-
sehenden Pläne des Kurfürsten unzureichend. So kam es, dafs
man von den Teilhabern neue Zuschüsse einforderte. Darüber
äufserten aber die ostfriesischen Aktionäre laute Unzufriedenheit.
Der Kurfürst liefs sich deshalb durch den dringenden Rat
Raules bestimmen, die ostA:iesischen Teilhaber vermittelst Baten-
zahlungen auszukaufen; neben ihm blieben nur seine Generale,
Minister und sonstigen Diener in der Gesellschaft (1686).
Es war die Blütezeit der kolonialen Bestrebungen Friedrich
Wilhelms. Damals gingen wieder fünf brandenburgische Kriegs-
schiffe mit Baumaterial, Geschützen und Kriegsbedarf nach den
Besitzungen auf der Goldküste ab. In Grofs-Friedrichsburg ent-
wickelte sich ein überaus reger Verkehr.
Allein der Rückschlag konnte nicht ausbleiben. Jede junge
Kolonisation hat mit der Mifsgunst ihrer Vorgängerinnen hart
zu kämpfen ; in jener Zeit zumal herrschte in den fremden Welt-
teilen der Krieg aller gegen alle, ohne jede Rücksicht auf die
politische Konstellation in Europa. Engländer, Franzosen und
Dänen widerstrebten dem Aufschwünge der brandenburgischen
Gründung auf St. Thomas ; den Niederländern der Westindischen
Kompanie waren die Kolonien des Kurfürsten im Westafrika
ein Dorn in der Seite. Friedrich Wilhelm hatte 1686 durch
seine Bevollmächtigten von Diest und Raule eine Abgrenzung
seiner afrikanischen Besitzungen gegen die der Westindischen
Kompanie verlangt ; allein die Generalstaaten hatten nach langen
Verhandlungen im Juli 1687 die Rechtmäfsigkeit der Ansprüche
der Westindischen Kompanie in vollem Umfange anerkannt und
die Rückgabe der Festungen Grofs-Friedrichsburg und Taccarari
gefordert. Dadurch ermutigt, bemächtigten sich die Leute der
Westindischen Kompanie im Oktober 1686 der Forts Accada
* Ad. Meyer, Die Prägungen Brandenb.-Preufsens.
236 Sechstes Buch.
und Taccarari und blockierten Grofs-Friedrichsburg, das aber der
wackere Schnitter mit Entschlossenheit verteidigte. Ihre Kriegs-
schiffe hielten zugleich die brandenburgischen Fahrzeuge an der
Küste von Guinea an, hinderten sie am Handel und visitierten
sie, ob nicht niederländische Untertanen an Bord seien.
Ein harter Schlag für die junge koloniale Schöpfung des
Kurfürsten !
Er war entschlossen, für das ihr angetane Unrecht aus-
giebige Genugtuung zu fordern. Eines Krieges bedurfte es
dabei nicht, denn die Gestaltung der grofsen politischen Er-
eignisse nötigte die Niederländer, dem Brandenburger gefällig
zu sein. Leider sollte Friedrich Wilhelm es nicht mehr erleben,
dafs Accada zurückgegeben wurde, Grofs-Friedrichsburg sich zu
einer unangreifbaren Feste entwickelte. Er genofs jedoch die
Befriedigung, noch in den letzten Augenblicken seines Lebens
zu erfahren, dafs die in den Generalstaaten ausschlaggebende
Stadt Amsterdam bereit sei, für die vollständige Erfüllung
seiner Ansprüche einzutreten. Die letzte von ihm erteilte Parole
war deshalb „ Amsterdam*'.
Auf allen Gebieten hat dieser Fürst dem künftigen Grofs-
staate die Wege vorgezeichnet: in dem Zusammenfassen der
inneren Kräfte des Staates durch die Zentralregierung, in dessen
Leitung auf die Pfade einer grofsen europäischen Politik, in der
Begründung seines herrlichen Heeres, in der Behauptung voll-
kommener religiöser Duldung; und so auch in der Schöpfung
einer Seemacht und deutscher Kolonien in fremden Erd-
teilen. Gerade diese letztere Seite seiner grofsen und umfassenden
Bestrebungen ist fast zwei Jahrhunderte hindurch von seinen
Nachfolgern, zu ihrem und des Staates Schaden, nicht gewürdigt
worden. Aber als Preufsen wirklich in die Reihe der Welt-
mächte trat, indem es zugleich die Führung des geeinten Deutsch-
lands ergriff, hat es sofort wieder angeknüpft an die Über-
lieferungen des genialen Grofsen Kurfürsten von Brandenburg.
Zweiundvierzigstes Kapitel.
Der Anheimfall Magdeburgs.
Aus kommerziellen Gründen ebensowohl wie aus militÄri-
schen war Friedrich Wilhelm darauf bedacht, die ihm im West-
filischen Frieden versprochene Stadt Magdeburg wirklich und
ganz, mit Vernichtung ihrer trotzig gewahrten Freiheiten, in
Besitz zu nehmen^. „Es ist Ihrer Kurfürstl. Durchlaucht mehr
an der Stadt Magdeburg gelegen als an irgend welchen Orten
aller ihrer Lande ; sie ist gleichsam das Herz, dadurch die Mark
Brandenburg, die Fürstentümer Magdeburg und Halberstadt
müssen beschützt werden," — also liefs er seine Meinung den
Abgeordneten der Magdeburger Bürgerschaft eröffnen. In der
Tat, diese starke Eibfestung war das sicherste Bollwerk für den
ganzen Hauptbestandteil seines Staates, für seine zusammen-
hängenden Lande im mittleren Norddeutschland. Sie galt ihm
wie seinen Nachfolgern eben als das „Herz" des Gesamtstaates
oder als die Eisenklammer, die die östlichen mit den westlichen
Provinzen vereinigte und zusammenhielt. Magdeburg beherrschte
ferner den mittleren Eibstrom, kommerziell und militärisch.
Freilich erstand es erst langsam aus seinen Trümmern und
zählte damals kaum 8000 Einwohner, — allein seine geographi-
sche Lage und seine Vergangenheit bürgten für seine Zukunft.
nEs ist mir," erklärte Friedrich Wilhelm den Bürgern, „an der
^ Das Folgende haupisächlicli nach: H. Holzapfel, Des Grossen
Kittfürsten Festnngsbauten in Magdeburg (Magdeb. 1880); Jul. Opel,
l^ie Vereinigung des Herzogt. Magdeburg mit Kurbrandenburg (Halle
1880); Schmoller im Jahrb. f. Gesetzgeb. u. Yolkswirtsch. , N. F.
ß^' Vm (1884) u. X (1886).
238 Sechstes Buch.
Stadt Magdeburg so viel gelegen wie an meinem ganzen
Staat."
Er hatte die Bedeutung des Platzes längst erkannt und
deshalb, sobald die Umstände es erlaubten, militärisch von ihm
Besitz ergriffen, mit kecker Nichtachtung der Rechte sowohl
der Stadt selbst wie des noch lebenden Erzbischofs- Administrators,
des Herzogs August von Sachsen. Er glaubte, seinen zahlreichen
Neidern und Feinden gegenüber sich Magdeburgs versichern zu
müssen. Sofort hatte er mit der Verstärkung der Festungswerke
begonnen, und zwar aus eigenen Mitteln. Freilich, die Stadt
hatte zu dem Unterhalte der Besatzung, der auf 55 788 Reichs-
taler jährlich veranschlagt war, in Gemäfsheit des Vertrages
von Kloster - Bergen jedes Jahr 14400 Taler beizutragen, und
die Landstände des Herzogtums wurden genötigt, die übrigen
41388 aufzubringen. Aber für die Befestigungen zu zahlen,
weigerten Administrator und Landschaft sich hartnäckig, und
die verarmte Stadt konnte nur einen mäfsigen Zuschufs geben.
So sicherte der Kurfürst aus eigenen Einkünften zunächst die-
Eibseite. Er beabsichtigte aber Gröfseres: im Jahre 1679 be-
gann er auf dem grofsen Eibwerder die Erbauung einer Zitadelle,
und zwar, ohne weitere Anfrage, auf städtischem Grund und
Boden. Die Bürger legten Verwahrung ein; sie meinten, die
Zitadelle sei mehr zu ihrer Unterjochung als zur Abwehr des
äufseren Feindes bestimmt. Als sie an den Hof sandten, um
den Bau zu hindern, stellte es sich heraus, dafs die Geheimen
Räte und sogar Generalfeldmarschall Derfflinger völlig ihrer
Meinung waren. Die Errichtung der Zitadelle ging ausschliefs-
lich aus einem Plane des Herrschers hervor: abermals ein Be-
weis, wie wenig es mit der angeblichen Abhängigkeit Friedrieb
Wilhelms von seiner Umgebung auf sich hat. Er wies die Ab-
geordneten der Bürgerschaft mit ihrem Anliegen zurück. Er
versicherte sie, dafs er keinerlei Mifstrauen gegen sie hege; er
schonte die Interessen der Stadt möglichst; er entschädigte sie
für die Gebäude, die niedergerissen werden mufsten: aber er
baute an der Zitadelle weiter, die freilich erst nach seinem
Tode vollendet worden ist.
Der Administrator, ein schwächlicher, bequemer Fürst, ohne
Einsicht und Beharrlichkeit, nur auf Wohlleben und engherzige
lutherische Buchstabengläubigkeit bedacht, unfähig, zu regieren
oder nur seine eigenen persönlichen Angelegenheiten in Ordnung
Zweiundvierzigstes Kapitel. Der Anheimfall Magdeburgs. 239
ZU halten, fand nicht die Kraft, den Übergriffen seines ziel-
bewufsten und rücksichtslosen Nachfolgers anders als durch ohn-
mächtige Intrigen und kleinliche Nadelstiche entgegenzuwirken.
Immerhin war es ein grofser Gewinn für Brandenburg, als er,
der letzte — ach tund vierzigste — Erzbischof von Magdeburg,
am 14. Juni 1680 verstarb und nun die landesherrlichen wie die
erzbischöflichen Rechte an den Kurfürsten übergingen. Er
ergriff sofort von Stadt und Landschaft Besitz durch den Hof-
kammerpräsidenten Bodo von Gladebeck und den Geheimen Bat
Thomas von der Knesebeck. Es galt, das Land aus der Ver-
worrenheit gänzlich veralteter mittelalterlicher Zustände in die
Verhältnisse, Einrichtungen und Bestrebungen des modernen
Staatslebens hinüberzuführen.
Das nunmehrige Herzogtum, das auch die Grafschaft Mans-
feld — teils direkt, teils unter magdeburgischer Oberhoheit —
umfafste, war ein ausschliefslich landwirtschafttreibendes Gebiet,
das in vier Kreise eingeteilt war. Der überaus fruchtbare Boden
Imks der Elbe trug reiches Getreide und selbst Wein; die
sandige Scholle östlich des Stromes diente der Forstwirtschaft
und der Viehzucht. Der Handel litt unter den drückenden
Zöllen, die einerseits die Schiffahrt nach Hamburg hin fast
unmöglich machten, anderenteils dem Halleschen Salze den Ver-
trieb nach Österreich abschnitten. Nur Magdeburg befand sich
in einigermafsen günstigen Verhältnissen; die übrigen Städte,
selbst die Residenz Halle, waren verarmt und mit Schulden über-
häuft. Das ganze Land, das 102 Quadratmeilen mit etwa
160000 Einwohnern umfafste, brachte dem Administrator nur
58000 Taler jährlicher Einnahme — 22000 mehr als die Stadt
Magdeburg allein — und schuldete 187000 Taler, deren Zinsen
ebensowenig bezahlt wurden wie die der persönlichen Schulden
des Herzogs August. Die besten Domänen waren dem Adel
verpfändet, von dem einzelne Familien den ganzen Reichtum des
Landes an sich gezogen hatten. Die Verwaltung beruhte noch
ganz auf mittelalterlicher Grundlage und war in Unordnung
und Willkür verfallen, wie alle ständische Regierung jener Zeit.
Die Stände besafsen eine mit der landesherrlichen konkurrierende
Administration, die unter anderem das gesamte Steuerwesen
umfafste. Die Stadt Magdeburg behauptete völlige Selbständig-
keit der Verwaltung und übte sogar das Münzrecht ; auch Halle
besafs weitgehende Freiheiten. Die von den geistlichen Stiftern
240 Sechstes Buch.
gewählten Äbte mufste der Landesherr unweigerlich bestätigen;
in der Regierung mufsten zwei Domherren und vier vom Adel
sitzen. Der Landesherr teilte mit dem Domkapitel die Recht-
sprechung über den Adel. Der eingeborene Adel hatte das Vor-
recht auf Domherrnstellen und Amtshauptmannschaften. Noch
1676 hatte Herzog August zugestanden, dafs er keinen Beamten
ohne Genehmigung des Domkapitels ernennen werde. Da nun
dieses gleichfalls aus dem Adel besetzt war, herrschte dieser
weit mehr im Lande als der Fürst. Die eigentliche Regierung
wurde tatsächlich durch den engeren Ausschufs der Stände
geführt, in dem drei Prälaten, vier weltliche Edelleute und der
Bürgermeister des adligen Rates der Stadt Grofssalza safsen:
also ausschliefslich Vertreter des Adels. Jeder Ort, jedes Ritter-
gut schlofs sich trotzig von den anderen ab; sogar der Binnen-
verkehr wurde dadurch, sowie durch die Mannigfaltigkeit der
im Lande geltenden Mafse, Gewichte und Münzen erschwert
Jeder suchte nur in engherzigster Weise den eigenen Nutzen,
mit Recht oder mit Unrecht. Industrie und Bergbau waren so
gut wie vernichtet, selbst die grofsen Salinen Halle, Stafsfurt
und Salza tief gesunken. Kurz, ein wahrer Prachttypus ständi-
scher Herrschaft!
Ebenso trugen die konfessionellen Verhältnisse den Charakter
mittelalterlicher Starrheit. Nur den Lutheranern war öffent-
liche Religionsübung gestattet; doch gab es im Erzstifte noch
ein Mannes- und vier Nonnenklöster. Die Anstellung der
lutherischen Geistlichen stand teils dem Domkapitel in Magde-
burg, teils den Patronen uneingeschränkt zu. Der Landesherr
übte darauf ebensowenig Einflufs wie auf die Prüfung der
geistlichen Kandidaten, die durch die städtische Geistlichkeit
geschah.
Der Kurfürst war längst entschlossen, diese Verhältnisse
von Grund aus zu ändern, im Sinne der Einheit der Staats-
gewalt und der unumschränkten Machtvollkommenheit des Staats-
oberhauptes. Er stützte sich rechtlich dabei auf die Tatsache, dafs
er das Land nicht als Erzstift, sondern als weltliches und erbliches
Herzogtum übernehme, dafs also die gesamten politischen Be-
fugnisse der geistlichen Landesbehörden — des Domkapitels und
seiner Archidiakonate — erloschen seien. Der Erzbischof-
Administrator, von dem Magdeburger Domkapitel gewählt, hatte
sich der Kapitulation, die dieses ihm auferlegte, unterwerfen
ZweitmdviersigsteB Kapitel. Der Anheimfall Magdeburgs. 241
müssen. Friedrich Wilhelm war dagegen durch internationale
Verträge und durch Reichsbeschlufs Herzog von Magdeburg und
deshalb im Vollbesitze landesherrlicher Befugnisse. So sah er
selber die Sachlage an, in diesem Sinne sprach er sich wieder-
holt amtlich aus. Er führte das auch, seiner energischen Weise
gemäfs, sofort praktisch durch. Das Amt eines Kanzlers des
Herzogtums Magdeburg, das er seinem langjährigen Gesandten
am Regensburger Reichstage, Gottfried von Jena, einem Bruder
seines Ministers Friedrich, übertrug, blieb nur eine Sinekure,
dazu bestimmt, den Diplomaten, der fem in Regensburg weilte,
zu belohnen; die Beamten aber, die wirklich die Regierung in
Magdeburg führten, waren untergeordneter Natur und von den
Weisungen aus Berlin durchaus abhängig.
Die löblichen Stände fafsten freilich die Sachlage ganz
anders auf. Ihre Ausschüsse stellten schleunigst die „Magde-
burgischen Landesprivilegien und Jura"" auf, die Erhaltung aller
alten Zustände, mitsamt der alleinigen Geltung der „lutherischen
Religion" und der ausschlief slichen Übertragung aller Ämter
auf Eingeborene des Herzogtums, forderten. Ein neuer Beweis,
dars ein grofses und nach den Bedürfnissen der Neuzeit
gestaltetes Staatswesen mit der Fortdauer ständischer Macht
unvereinbar war.
Die erste Antwort des Kurfürsten auf diese Kundgebung
war eben die Bestellung des reformierten Ausländers Jena zum
Oberhaupte der magdeburgischen Verwaltung. In seiner Be-
scheidung auf die Vorstellungen der Stände vom 7./17. September
U380 unterliefs er jede Bestätigung einzelner Gerechtsame, sondern
sprach nur im allgemeinen von den Rechten und Privilegien des
Landes, die er bewahren werde, aber auch nur „soweit die-
selbigen dem VFestfälischen Frieden und Unserer landesfürstlichen
Hoheit nicht zugegen". Er vermied es hier, wie in seinen
anderen Ländern, die alten ständischen Ordnungen geradezu
aufzuheben; allein er beraubte sie durch Einzeleinrichtungen
tatsächlich ihres eigentlichen Gehaltes und ihrer Bedeutung.
Nachdem er persönlich unter Entfaltung gebührender Pracht am
^. Juni 1681 die Huldigung der Stadt Magdeburg und am 12. bis
17. zu Halle die der Landschaft eingenommen hatte , ging er
mit Eifer und Nachdruck an die Umgestaltung der öffentlichen
Zustände. Er setzte in diktatorischer Weise, freilich mit Be-
fragung der Stände, aber ohne sich durch deren Beschlüsse
Philippaon, Der GroCse Kurfflrst. III. 16
242 Sechstes Buch.
bestimmen zu lassen, eine Lohntaxe, sowie Einführung des Stempel-
papiers und einer Abgabe zur Errichtung eines Magazins fOr die
Magdeburger Garnison fest. Die wichtigste Neuerung war die Er-
richtung der städtischen Accise, im Jahre 1685. Sie sollte nicht nur
die die verarmten Städte gänzlich ruinierenden direkten Abgaben
durch einen erträglicheren Steuermodus ersetzen, sondern zugleich
die bevorrechteten Klassen zum Tragen der Staatslasten heran-
ziehen, endlich das Steuerbewilligungsrecht sowie die Finanz-
Verwaltung der Stände durchbrechen. Deren Widerstand vnirde
einfach durch Berufung auf die natürliche Macht des Landes-
fürsten beseitigt. Auch eine Kopfsteuer wurde 1687 ohne jede
Mitwirkung der Stände erhoben. Die landesherrlichen Steuer-
beamten fafsten im Magdeburgischen festen Fufs, und es war
schon damals vorauszusehen, dafs sie binnen kurzem die ständi-
schen gänzlich beseitigen würden. Die üble Verwaltung der städti-
schen Finanzen veranlafste dann die Anstellung kurfürstlicher
Kontrolleure, die die städtischen Obrigkeiten mehr und mehr
jeder Selbständigkeit beraubten. Was half es, dafs Friedrich
Wilhelm sich bereit erklärte, jedesmal „das Einrathen und die un-
vorgreiflichen Erinnerungen der Stände zu vernehmen" ? Die Um-
wandlung des ständischen in den absolutistischen Beamtenstaat
ging auch im Magdeburgischen widerstandslos vor sich. Gewifs fiel
zahlreichen trefflichen Männern der Untergang der alten „Frei-
heiten" schwer aufs Herz. Allein diese „Freiheiten", die sich über-
lebt hatten, den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entsprachen.
Mifsbräuche und Ungerechtigkeiten ohne Zahl erzeugten und jede
Besserung der Zustände verhinderten, mufsten verschwinden,
damit für die Entwicklung zu wahrer bürgerlicher Gleichheit
und Freiheit Raum geschaffen werde.
Auf keinem Gebiete des öffentlichen Lebens hat die unmittel-
bare Einwirkung des neuen Landesherrn so günstige Folgen
gezeitigt als auf dem kirchlichen. Der Widerstand, dem er
hier begegnete, war um so stärker, als die Unduldsamkeit und
die Unabhängigkeitsgelüste der Geistlichkeit durch die Stände
unterstützt wurden, aus deren Reihen sich die Prälatur ergänzte
und andrerseits die Patrone hervorgingen, die bisher die Pfarr-
stellen nach Willkür besetzt hatten. Friedrich Wilhelm schuf
sofort zur Leitung der kirchlichen Angelegenheiten im Magde-
burgischen ein Konsistorium, das einen ausgesprochen weltlichen
Charakter trug, indem es einen Teil der landesherrlichen
Zweiundyierzigstes Kapitel. Der Anheimlall Magdeburgs. 243
Begierung bildete und überwiegend mit weltlichen Beamten
besetzt war. Es führte die Aufsicht über die Berufung der
Prediger und zumal über das Patronatsrecht der Edelleute und
Magistrate. Es war angewiesen, den Reformierten nach Möglich-
keit die Freiheit der Beligionsübung zu verschafFen, ohne Be-
nachteiligung der Lutheraner, Frieden und Eintracht zwischen
beiden Bekenntnissen herzustellen und zu erhalten — im Ein-
klang mit den irenischen Bestrebungen, die Friedrich Wilhelm
allerorten in rühmlicher Konsequenz verfolgt hat. Der Kur-
fürst, wurde versichert, wolle den Gewissen keinen Zwang
„einiger Synkretisterei aufdringen, sondern den Untertanen das
freie Exercitium der Religion in thesi und antithesi lassen, und
mehr nicht, denn undiensame und in Gottes Wort ohnehin ver-
botene Bitterkeit und Personengezänk vermieden wissen **. Allein
der Kurfürst arbeitete doch in der Praxis auf den Synkretismus
zwischen Lutheranern und Reformierten tatsächlich hin. Den
weltlichen Konsistorialräten ward jede Verpflichtung auf ein
bestimmtes Bekenntnis erlassen. Alle Patrone des Herzogtums
mufsten sich bei Berufung der Geistlichen eines vorgeschriebenen
Formulars bedienen, wo von der lutherischen Konkordienformel
nicht die Rede war. Die berufenen jungen Pfarrer hatten sich
zuvor einer Prüfung vor dem Konsistorium zu unterziehen und nur
von dieser Behörde ihre Ordination zu empfangen. Einsprüche
seitens des Domkapitels, der Städte Magdeburg und Halle,
einzelner sonstigen Patrone fanden nur in einigen unwesentlichen
Formalien Gehör. Die alte Archidiakonatsordnung wurde trotz
alles Widerstrebens der Stände und der Geistlichkeit aufgehoben,
die Ernennung der Superintendenten dem Landesherrn vor-
behalten. Die Hallesche Domkirche ward abwechselnd dem
reformierten und dem lutherischen Gottesdienst bestimmt, un-
geachtet des Zetergeschreis der Zeloten. So zog der reformierte
Kultus in das Magdeburger Land ein, bis dann die Gründung
der R6fugi6sgemeinden eine gröfsere Ausdehnung dieses Bekennt-
nisses in dem Herzogtum bewirkte.
Auch dem darniederliegenden Handel suchte der Grofse
Kurfürst nach Möglichkeit aufzuhelfen. Die Zölle auf der Elbe
wurden neu geordnet, die Willkür der Beamten und die Plackereien
der Schiffer nach Möglichkeit abgestellt. Der Transitverkehr
erhielt bei Einführung der Accise volle Freiheit, jeder einzelne
16*
244 Sechstes Buch.
Ort mannigfache Rücksicht und Begünstigung je nach den
Bedürfnissen seiner Produktion und seines Verkehrs.
Die Ordnung der zerrütteten Landesfinanzen beschäftigte
die Aufmerksamkeit des Kurfürsten in hohem Grade. Er brachte
dem Fiskus die unrechtmäfsig entfremdeten Domänen zurück
und war im stände, 1687 auch das seit 1648 an Sachsen abge-
tretene Amt Burg für 34000 Taler zurückzukaufen. Abzahlung
der Domänenschulden und damit die Wiedereinlösung der ver-
pfändeten Güter wurde wenigstens begonnen. Die magdeburgi-
schen Domänen brachten im letzten Finanzjahre des Kurfürsten
(1687/88) bereits wieder 113 458 Taler — gleich 1475000 Mark
nach heutigem Geldwerte — ein.
Behufs gerechter Veranlagung der Grundsteuer auf dem
flachen Lande begann Friedrich Wilhelm eine völlige Neuver-
anlagung des Katasters, trotz aller Schwierigkeiten, die ihm
zumal der Adel entgegenstellte, da er — wie seine kurmärki-
schen Genossen — die den Rittergütern zustehende Steuerfrei-
heit auch auf die diesen zugeschlagenen ehemaligen Bauern-
güter auszudehnen wünschte. Die Staatsgewalt hat hier mit
der Zeit einen wenigstens teilweisen Sieg davongetragen; sie
hat indessen auf diesem Gebiete wie auf so vielen anderen mit
dem Adel paktiert, den sie, wenn er nur sonst ihr zu dienen
bereit war, wirtschaftlich und sozial in jeder Weise begünstigte.
Vielleicht war das auch eine Notwendigkeit, da der Adel damals
der wohlhabendste, kräftigste, leistungsfähigste und einzig
organisierte Stand im Staate war.
Den Städten kam es besonders zu gute, wenn Friedrich
Wilhelm die verschiedenen Münzstätten im Herzogtume aufhob
und dafür in der Stadt Magdeburg eine kurfürstliche Münze
gründete, die eifrig an der Prägung vollwichtigen Geldes arbeitete.
So verschwand die verwirrende Mannigfaltigkeit oft minder-
wertiger Münzen. Die Einführung der brandenburgischen Staats-
post mit Personen-, Brief- und Paketbeförderung machte nicht
nur der bisherigen Unordnung auf diesem Gebiete ein Ende,
sondern diente auch dazu, die Handelsinteressen des Landes,
besonders Kursachsen gegenüber, zu begünstigen. Friedrich
Wilhelm hat dann die Säuberung des Eibstromes von Hinder-
nissen der Schiffahrt, sowie die Schiffbarmachung der Saale von
Halle bis zu ihrer Mündung in die Elbe wenigstens angebahnt.
Zweiimdvierzigstes Kapitel. Der Anheimfall Magdeburgs. 24 5
Er brachte die Salzsiederei in Halle durch einen besonderen
landesherrlichen Betrieb wieder in Aufschwung.
Einen umfassenden und systematischen Reformplan für
die inneren Einrichtungen der neuen Provinz zu entwerfen
— etwa wie solchen Friedrich der Grofse für Westpreufsen auf-
gestellt hat — , dazu ist der greise, kranke, von schweren politi-
schen Sorgen geplagte Kurfürst nicht mehr gekommen. Aber
er hat allerorten mit seinem scharfen, klugen Blicke, mit
seiner Erfahrung, praktischen Weisheit und durchgreifenden
Entschiedenheit Neuerungen geschaffen, die vor allem dem
landesherrlichen Interesse, aber zugleich auch der Bevölkerung
des Herzogtums zu nützen bestimmt waren. Im Beginne mochte
man dort mit Grauen und Kummer den Druck der neuen,
festen, ja harten Verwaltung spüren. Es war vorbei mit der
schwächlichen, bequemen, alles versumpfenden Lotterwirtschaft
der ständischen „Libertät**. Langsam, aber immer fühlbarer,
immer segensreicher setzte die Entwicklung zu geordneten,
zweckdienlichen, zukunftsreichen, grofsstaatlichen Zuständen ein.
Dahin wurden die Provinz wie das Staatsganze durch die Hand
Friedrich Wilhelms geführt.
Siebentes Buch.
Des Grofsen Kurfürsten Ausgang.
Dreiundvierzigstes Kapitel.
Das französische Bündnis.
„Ich bin ein wahrer Deutscher und will es immerdar bleiben,"
beteuerte Kurfürst Friedrich Wilhelm dem englischen Gesandten
Southwell im Frühjahr 1680. Mit voller Aufrichtigkeit: die innerste
Art des Fürsten war eine durchaus deutsche ; unter allen Ausländem
hegte er freundliches Empfinden nur für die, trotz der politischen
Trennung, in ihrem eigentlichen Wesen echt niederdeutschen
Holländer. Allein zu schmählich waren damals durch die Haltung
seiner Verbündeten, und namentlich seiner deutschen Landsleute,
bei dem jüngsten Friedensschlüsse seine Pläne und Hoffnungen
zerstört, sein Staat geschädigt worden, als dafs er nicht seine
reichs- und volkspatriotische Stimmung bis auf bessere Zeiten
hätte zurückdrängen müssen. „Es drückt mein Herz,*' sagte er
demselben Diplomaten, „dafs ich als Deutscher geboren bin,
denn ich sehe unter ihnen nichts als Ungerechtigkeit." Er
hatte Beweise dafür in Händen, dafs der Kurfürst von
Sachsen seine Not im Frühjahr 1679 hatte ausnützen wollen,
um ihm mit Frankreichs Hilfe Kleve und Mark zu entreifsen,
während dessen Bruder, Herzog August, ihn Magdeburgs und
der Herzog von Celle Mindens und Halberstadts hatten berauben
wollen.
Kurz vor der Unterwerfung unter Frankreich hatte Friedrich
Wilhelm eine Münze schlagen lassen, die stolz seine „Treue
för die Bündnisse" (religio foederum) verkündete. Der
Revers zeigt eine Menge kleiner Vögel, die ängstlich vor einem
Gewitter — dem Zorne König Ludwigs — fliehen, während ein
gekrönter Adler — Brandenburg — kühn gegen Wolken und Blitze
250 Siebentes Buch.
auffliegt, mit der stolzen Inschrift: „Andere mögen sich erregen"
(alii moveantur)*. Nach dem notgedrungenen Friedensschlüsse
glaubte er sich über jeden seiner bisherigen Verbündeten
beschweren zu müssen. Über die Niederländer, die er gerettet
habe, und von denen er dafür nicht nur in seiner Bedrängnis
verlassen, sondern auch um die ihm vertragsmäfsig zustehenden
Hilfsgelder betrogen worden sei. Über Spanien, das zu schlafen
scheine, um sein eigenstes Werk auf andere abzuwälzen, das
ihm Millionen an Hilfsgeldern schulde und ihn dafür mit hoch-
mütigen Reden vor den Kopf stofse, und das in unglaubliche
Schwäche versunken sei. Vor allem jedoch über den Kaiser.
Leopold hatte von vornherein den Krieg nur lau geführt; er
hatte den Kurfürsten, trotz des ihm zum Scheine anvertrauten
Oberbefehls, an die Zustimmung der kaiserlichen Generäle ge-
bunden; er hatte ihm, dem Ketzer, die Treue nicht gehalten,
sondern mit Vergnügen zugesehen, wie ihm seine Eroberungen
wieder entrissen wurden; der Kaiser und dessen Gefolgschaft
hatten das Verderben Brandenburgs angestrebt, indem sie
Frankreich ermutigten, bis ins Herz der brandenburgischen
Lande vorzudringen. Ferner kränkte ihn der Kaiser hartnäckig
in seinen rechtlichen Ansprüchen auf die schlesischen Fürsten-
tümer, — Friedrich Wilhelm war entschlossen, „sich bei dar-
bietender Gelegenheit selber Recht zu verschaffen". Und be-
handle nicht Leopold überhaupt die Kurfürsten und Fürsten
des Reichs wie seine erblichen Untertanen, indem er sich über
ihre Freiheiten und Gerechtsame hochmütig hinwegsetze, ohne
dafs Vorstellungen und Warnungen das mindeste fruchteten?
Wie übel wurde Brandenburg für seine Opfer, für sein
mutiges Einstehen für das Reich und Europa belohnt! Man
hörte vielfach „das Geschrei, dafs der Kurfürst Deutschlands
Verderben sein werde. Besser, wenn er sich gar nicht mehr in
die deutschen Angelegenheiten mische, so dafs andere, etwa das
Haus Braunschweig, den Reigen führten und an seiner Stelle
den Schild erhöben".
Er meinte, schon wegen dieser Undankbarkeit und Feind-
seligkeit seiner bisherigen Verbündeten sich ihnen entgegen-
setzen zu müssen. Aber aufser diesen, mehr negativen, be-
' Ms. Joh. Magirus, Breviarium historiae metallicae Frideiici
Wilhelmi Magni Elect. Brandenb. (Berlin, Geh. Staatsarchiv) Nr. d5.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 251
stimmten ihn auch positive Gründe zum Wechsel seiner politischen
Bichtung. Frankreich hatte wie auf dem militärischen so auf
dem diplomatischen Felde unbedingte Überlegenheit gezeigt : auf
diesem, indem es durch seine Künste die ganze ihm feindliche
Koalition zu sprengen vermochte; auf jenem, indem seine Waffen
alle seine Widersacher besiegten. Es war also für Brandenburg
ein gefährlicher, ein weit überlegener Gegner. Und zwar ein
um so verderblicherer, als die beiden grofsen Nachbarn des
Kurfürsten, Schweden und Polen, sich in der Hand Frankreichs
befanden und diesem durchaus Gefolgschaft leisteten. „Gewifs,"
sagte Friedrich Wilhelm zu South well, „ich erkenne so klar wie
irgend einer, dafs es die Absicht der Franzosen ist, die Bastille
nach Deutschland zu bringen; keiner würde sich ihnen so von
Herzen widersetzen wie ich, wenn ich nur Genossen eines solchen
Entschlusses finden könnte — aber das zu glauben ist mir,
nach all den getäuschten Erwartungen, nicht erlaubt.^
Deutschland zumal, meinte er, ist ganz kampfesunfähig.
Hunderttausend Franzosen stehen, längs des Rheines, jeden Augen-
blick zum Angriff bereit. Das Reich aber und der Kaiser haben
weder Festungen noch Truppen, um sich ihnen äu widersetzen.
Leopold, unentschlossen und in zerrütteten Verhältnissen, will
nicht mehr als fünfzehntausend Mann für den Reichskönig stellen,
was seitens eines so mächtigen Herrschers lächerlich wenig ist.
Sachsen hält nur 6000 Reiter und 1500 Fufsgänger, Bayern hat
seit dem Frieden 6000 Soldaten entlassen. Wie kann man
mit so geringfügigen Kräften Frankreich widerstehen? „Be-
mächtigen sich die Franzosen des Rheines, so ist Deutschland
abgeschnitten. Es wird alsdann nicht allein unmöglich, Hilfe
nach Flandern (Belgien) und Holland zu senden, sondern Deutsch-
land selber liegt in Zukunft jedem Einfalle der Franzosen offen
da." Weder der Kaiser noch Spanien können dagegen das
mindeste tun. Hatte doch Leopold seit dem Frieden keinerlei
Mafsregel getroffen, um auch nur Strafsburg zu schützen. Man
sprach in Frankreich mit höhnischer Geringschätzung vom Reich
und vom Kaiser, den man bei der geringsten Widersetzlichkeit
in seine Erblande zurückjagen werde.
Die Verfolgungen, die der evangelische Glaube in Oster-
reich, Ungarn, Frankreich zu erdulden hatte, erregten den Kur-
fürsten auf das tiefste. „Ich bin zu alt, um noch umzukehren,"
sagte er mit Tränen in den Augen. „Ich will lieber mit dem
252 Siebentes Buch.
Schwerte in der Hand sterben und mich in tausend Stücke
hauen lassen, als die wahre Religion preisgeben." Er bearg-
wöhnte den Kaiser, sich zum Verderben des Protestantismus
mit Frankreich verbünden zu wollen; um so mehr glaubte er
durch das Anerbieten seiner — also einer protestantischen —
Allianz den König Ludwig vor dem Wunsche eines Einverständ-
nisses mit Österreich bewahren zu müssen.
Die allgemeinen Gefahren wurden noch durch besondere
verstärkt, die nur Brandenburg -Preufsen betrafen. Polen und
Schweden lauerten ja darauf, ihm seine östlichen Provinzen zu
entreifsen. Wie mochte er hoffen, gegen drei mächtige Feinde,
gegen Franzosen, Schweden, Polen, nach Westen, Norden, Osten,
zugleich Front machen und sich ihrer mit der geringsten Hoff-
nung auf Erfolg erwehren zu können?
Es hätte eine Rettung gegeben: wenn England entschieden
die Sache der europäischen Freiheit und des protestantischen
Glaubens ergriffen und sich wider Frankreich erhoben hätte.
Das erkannte Friedrich Wilhelm mit genialem Scharfblick —
wir werden sehen, dafs er noch am Vorabende seines Todes
alles tat, um dieses Ziel erreichen zu helfen, das später die
gewünschte Wirkung tatsächlich üben sollte. Allein so lange
die verräterischen, heimlich oder offen katholischen, auf fran-
zösisches Geld spekulierenden, mit ihren eigenen Untertanen
zerfallenen Stuarts in Grofsbritannien regierten, war von dort
nichts Gutes zu erwarten. Immer und immer wieder hat der
Kurfürst diese durch die bisherige Erfahrung bestätigte Tat-
sache den englischen Staatsmännern ganz offen dargelegt^.
* S. die Depeschen Southwells (Sommer u. Herst 1680); Raum er,
Beiträge, III, 433 ff. — Diese Berichte des englischen Diplomaten werden
durchaus bestätigt durch das vertrauliche Schreiben des Kurfürsten an den
Oberpräsidenten v. Schwerin vom l./ll. August 1679 (Berlin, Geh. Staate-
archiv, XI, Frankreich 18): „Wie der Kaiser und das Reich mit Uns
gehandelt, lieget am Tage, und weil selbige Uns zum ersten abandon-
niret und Unserer Feinde Willen überlassen, haben Wir dieselbe
weiterhin nicht zu consideriren , alfs soviel unser eigen Interesse mit
sich bringet. Gegen Franckreich haben wir, wie bekandt, wohl nicht
Uhrsache einige sonderliche Affection zu haben: weniger desselben
Agrandissement zu befördern, weil Uns das frantzösische Joch wohl be-
kandt. Es ist aber durch die letztere Separation der Allürten, insonder-
heit des Kaisers, der Crone Spaniens und des Staats, so weith gekommen,
dafs Frankreich nunmehr o schon das Arbitrium in Henden hat . . . also
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bltndnis. 253
Alle diese Erwägungen führten Friedrich Wilhelm zu dem
Entschlüsse, zunächst ein engeres Verhältnis zu Frankreich
anzubahnen. Denn still zu sitzen, neutral zu bleiben, lief seinem
Temperamente und seinen politischen Erfahrungen zuwider.
Gewifs, es fiel ihm schwer, ja es bereitete ihm tiefen Kummer,
sich mit dem Gegner seines Vaterlandes, mit dem tyrannischen
Unterdrücker Europas, mit einem Herrscher zu verbinden, der
in ihm nie den Gleichberechtigten, sondern nur den besoldeten
Vasallen erblicken würde und ihm überdies, aus der Vergangenheit
heraus, lebhaftes Mifstrauen entgegenbringen mufste. Er tat diesen
Schritt auch lediglich für den Augenblick, bis ein Umschwung in
den europäischen Verhältnissen es ihm ratsam erscheinen liefse,
zu der Partei zurückzutreten, die seine Sympathien besafs.
Er hatte zudem einen weiteren Grund, einstweilen das
französische Bündnis nicht allein anzunehmen, sondern mit aller
Macht seines ungeduldigen Herzens anzustreben — einen Grund,
den er freilich mit Sorgfalt verbarg: er wünschte nach wie vor
die Eroberung Vorpommerns, die Vertreibung der Schweden aus
Deutschland. Es hatte sich klärlich herausgestellt, dafs dieses
Ziel gegen Frankreichs Willen nicht zu erreichen war; er war
deshalb entschlossen, es mit dessen Hilfe zu versuchen. Er wufste,
dafs der junge Schwedenkönig Karl XI. den Franzosen wegen
der unglücklichen Rolle, die er in dem jüngsten Kriege gespielt,
und ob der Stellung eines machtlosen Schützlings grollte, die
Ludwig ihm bei den Verhandlungen von Nymwegen und St. Germain
auferlegt hatte. Hier hoffte der Kurfürst den Keil einzusetzen,
der das langjährige schwedisch-französische Bündnis sprengen
sollte , um endlich mit dem Beistande des Allerchristlichsten
Königs die Schweden aus dem ihm angestammten Pommerlande
für immer zu entfernen und derart zu schwächen, dafs sie über-
haupt ihm und den norddeutschen Fürsten nicht mehr gefährlich
werden konnten. Es mufs abermals darauf hingewiesen werden
— was allerdings sich im Grunde von selbst versteht — , dafs
solche Ausschliefsung der Skandinavier von dem Boden des
deutschen Reiches in erster Linie sicherlich Brandenburg zu gute
kam, aber zugleich dem Interesse der Unabhängigkeit, Freiheit
und Macht des gesamten Reiches gedient hätte.
dals, menschlichem Ansehen nach, bey so gestelthen Sachen Keiner seine
Sicherheit und Convenientz finden wird als in Frankreichs Freundschaft
wid Alliance." — Vgl. Strecker, Meinders, 90.
254 Siebentes Buch.
Seit zwei Jahrhunderten bis auf die Jetztzeit ist Friedrich
Wilhelm häufig der Vorwurf der Unsicherheit, Unentschlossen*
heit und Unbeständigkeit gemacht worden. Sogar Geschichtr
Schreiber, die heute nach den authentischen Akten arbeiten,
wiederholen solchen Tadel. Sie beweisen dadurch nur, dafs sie
weder die äufsere Lage noch das Wesen dieses grofsen Herrschers
verstanden haben. Es konnte sich für den von zahlreichen über-
mächtigen Gegnern umringten Fürsten nicht darum handeln,
einer abstrakten Regel oder einem theoretischen Grundsatze
unverbrüchliche Folge zu leisten; das wäre einfach sein und
seines Staates Verderben gewesen. Gewifs besafs Friedrich
Wilhelm, wie später sein genialer Urenkel, feste Ziele: die
Sicherheit, Gröfse und Macht des Staates ; dessen starke Zentrali-
sierung, dessen Befreiung von fremdem Einflufs, sowie die
Besserung seiner ungünstigen Besitz- und Grenz Verhältnisse.
Aber die Art, wie diese Aufgaben zu lösen seien, mufsten jedes-
mal den Anforderungen und Bedingungen der europäischen Lage
angepafst werden. Der wahre Politiker vereint mit der Beharr-
lichkeit in seinen letzten Absichten die Beweglichkeit in den
momentanen Mitteln. Er ordnet sie nicht blindlings und plan-
los den Ereignissen unter, wie dies etwa die Könige Friedrich
der Erste, Friedrich Wilhelm der Dritte und der Vierte getan
haben; allein er bedient sich jener Ereignisse in der Weise,
die ihm jedesmal zur Verwirklichung seiner Pläne als die
geeignetste erscheint. So haben Friedrich der Grofse, so Bis-
marck gehandelt. Und dabei ist doch zu beachten, dafs der
König und zumal der geniale Verwirklicher der deutschen Ein-
heit eine ganz andere, weit gröfsere Macht zur Verfügung hatten
als der Kurfürst, dessen politische Entwürfe so sehr über seine
pekuniären und militärischen Mittel hinausgingen, und der diesem
Mifsverhältnis nicht anders abzuhelfen vermochte als durch ge-
schicktes, listiges, allerdings moralisch recht bedenkliches Lavieren.
Je tiefer wir in Friedrich Wilhelms Politik eindringen, desto
fester überzeugen wir uns von der absoluten Stetigkeit seiner
Grundtendenzen. Das Bündnis mit Frankreich sollte nicht nur
ihm Sicherheit gewährleisten: es war vielmehr vor allem dazu
bestimmt, ihm auf Kosten Schwedens das westliche Pommern,
sowie auf Kosten des Kaisers das ihm von Rechts wegen gehörende
schlesische Fürstentum Jägerndorf zu verschaffen — Ziele, die
er seit drei Jahrzehnten immer und immer wieder angestrebt hatte.
DreiundTierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 255
Der sofortige Abschlufs des brandenburgischen Bündnisses
mit Frankreich entsprach ausschliefslich dem Willen des Kur-
fürsten. Selbst der gänzlich französisch gesinnte Meinders wollte
die Franzosen herankommen lassen : „Es wird honnester und vor-
teilhafter sein, in dieser Materie sich suchen zu lassen, als seine
Dienste und Willfährigkeit gleichsam zu obtrudieren." Schwerin
widersetzte sich dem ganzen Plane, indem er den Herrscher an
dessen frühere, Frankreich so feindliche Äufserungen erinnerte ^
Allein Friedrich Wilhelm hatte seinen Entschlufs gefafst: in
der Erwiderung an Schwerin wies er auf seine Absicht hin,
Frankreich von Schweden zu trennen, sowie auf die Notwendig-
keit französischer Hilfsgelder, um sein Heer auf achtungs-
gebietendem Fufse zu erhalten^. Meinders mufste demgemäfs
nach der Fertigstellung des Friedensinstrumentes zur Herbei-
führung eines engeren Bündnisses noch in Paris verbleiben.
Die universale Richtung Friedrich Wilhelms liefs ihn sofort
den eigentlich politischen Plänen auch handelspolitische zugesellen.
Er beauftragte den gedankenreichen Raule, eine Denkschrift
über einen zwischen Frankreich und Brandenburg abzuschliefsen-
den Handelsvertrag auszuarbeiten, die er Meinders als Grund-
lage weiterer Verhandlungen zusandte®.
Diese lagen ihm um so mehr am Herzen, als eine Anzahl
anderer Staaten, wie seine unfreundlichen Nachbarn Gelle und
Hannover, ja sogar die freien Niederlande, sich wetteifernd um
engeren Anschlufs an den „König Sonne" bewarben : Länder, die
Friedrich Wilhelm zu jener Zeit als seinen Interessen feindliche
betrachtete. Er wünschte durchaus, ihnen zuvorzukommen.
So gab er dem Friedensboten Beauvau d'Espence bei dessen
Rückkehr nach Frankreich seine Vorschläge an den König mit.
Der Oberst sollte dabei vorstellen, wie viel nützlicher für Frank-
reich die Allianz Brandenburgs sein würde als die des Hauses
Braunschweig, das sich jetzt an die Spitze Deutschlands zu
stellen bemühe. Aufser einem für beide Teile vorteilhaften
Handelsvertrage forderte der Kurfürst Subsidien für Heer und
Flotte; dafür solle diese, in Zahl von zwölf Fregatten, stets
* Strecker, 91 ff.
« Kurf. an Schwerin, 1./11. Aug. 1679; Orlich, Preufs. Staat, HI, 303.
» Ms. Kurf. an Meinders, 1./11. JuH 1679 ;:Berlin, Geh. Staatsarchiv,
XI Prankr., 18. — Auch das Folgende gröfstenteils nach den Akten des *
Geh. Staatsarchiv, a. a. 0., sowie XI Frankr., 19 A und Repos. 58.
256 Siebentes Buch.
zur Yerfttgung des Königs gehalten werden. Das Bündnis solle
aber sofort, im Interesse Brandenburgs, eine doppelte offensive
Spitze gegen Frankreichs alte Feinde erhalten: dieses möge dem
Kurfürsten zur Erwerbung Jägerndorfs vom Kaiser sowie zu
den ihm von den Generalstaaten und Spanien noch geschuldeten
Subsidien verhelfen.
Meinders gegenüber, dem er mehr vertrauen konnte als
dem Franzosen d'Espence, liefs sich der Kurfürst noch näher
und energischer aus. Er bot Frankreich eine Offensiv- und
Defensivallianz an, gegen alle, mit Ausnahme Dänemarks und
Polens. Er wollte sofort, bis er in der Subsidienfrage Genug-
tuung erhalten, sein Heer in die niederländischen Provinzen
Gelderland und Overyssel verlegen, selbst auf die Gefahr eines
Krieges mit den Generalstaaten hin. Für diesen Fall sollen
seine Kriegsschiffe in den französischen Häfen Aufnahme finden.
Dafür wolle Brandenburg Gebiet und Festungen dem Könige
öffnen und diesem mit einem Heere von 20 000 Mann zu Diensten
stehen, freilich gegen angemessene Hilfsgelder — „das ist ein
Hauptpunkt, woran Uns aufs höchste gelegen". Selbst dem
Handelsvertrage ward ein gewissermafsen offensiver Charakter
zugedacht: für diejenigen Artikel, die Brandenburg vorzüglich
aus Frankreich und dieses aus jenem beziehen kann, sollen die
Produkte anderer Nationen überhaupt aus beiden Ländern aus-
geschlossen werden. — Meinders erhielt eine förmliche Vollmacht,
auf solche Bedingungen hin mit dem Allerchristlichsten Könige
abzuschliefsen.
Friedrich Wilhelms elastischer Geist fühlte nach den harten
Schlägen, die ihn seit Jahresfrist getroffen hatten, nichts weniger
als Resignation. Die sich an ihm verschuldet, sollten seine
Rache empfinden ; sie sollten merken, dafs er nicht machtlos sei,
und seine Gunst erkaufen lernen; politisch und kommerziell
wollte er sie schädigen. Aber in seiner Leidenschaft ging er
allzuschnell vor. Er war wiederum, wie einst den Schweden
gegenüber, zu optimistisch.
Frankreich war keineswegs bereit, dem alten listigen Gegner
sofort Vertrauen zu schenken. In einem Gespräche mit Meinders
(18. Juli) wies Louvois unverblümt auf die bekannte Versatilität
des Kurfürsten im Eingehen und Aufgeben von Bündnissen hin;
jedenfalls müsse, nachdem man miteinander Krieg geführt, erst
einige Zeit verstreichen, ehe alle widrigen Erinnerungen ver-
DreiirndvierzigsteB Kapitel. Das französische Bündnis. 257
schwunden und die schlimmsten Folgen aus dem Wege geräumt
seien. Überdies, sagten die französischen Staatsmänner, wolle
der König vor allem Ruhe und Frieden und werde auf nichts
eingehen, was diese zu stören vermöge. Sie legten einzig
darauf Gewicht, dafs der Kurfürst verspreche, bei der zukünftigen
Wahl eines Römischen Königs den Willen Frankreichs zu tun;
und gerade hier antwortete Friedrich Wilhelm sehr kühl, da er
sich nicht auf so lange Zeit hin binden wollte. Daher zogen
die Unterhandlungen sich aussichtslos in die Länge. Meinders
riet abermals seinem Herrn, sich einstweilen mit einem unbe-
stimmten guten Einvernehmen mit Frankreich zu begnügen und
abzuwarten, bis bei eintretender Gelegenheit das Verhältnis
sich von selbst enger gestalte. Friedrich Wilhelm ging darauf
ein und berief, am 9. September, Meinders zunächst von Paris ab.
Er hatte wahrlich Grund, mit Frankreich unzufrieden zu
sein. Obwohl er bereit war, dem Frieden gemäfs, Vorpommern
den Schweden einzuräumen, verzögerten diese die Absendung von
Truppen zu dessen Okkupation ; und inzwischen lebte Marschall
Cr^ui mit seiner ganzen Armee auf Kosten Kleves und der
Grafschaft Mark, forderte von jener Landschaft allein noch
150000 Taler an alten und neuen Kriegszahlungen, ja, dehnte
seine Erpressungen bis nach Minden aus. Die diesem Fürsten-
tume abverlangte Kriegssteuer von 20 000 Taler mufste der Kur-
fürst selber übernehmen: sie sollte von der ersten vertrags-
mäfsigen Subsidien Zahlung in Paris abgezogen werden. Als
endlich auch Dänemark seinen Frieden mit Frankreich und
Schweden abgeschlossen hatte, machte dieses noch immer keine
Anstalt, Pommern zu besetzen und damit die rheinisch-westfäli-
schen Lande Brandenburgs von der französischen Okkupation zu
befreien. Erst Mitte September zog König Ludwig, in Anbetracht
des offenbaren guten Willens des Kurfürsten, seine Truppen aus
Lippstadt und räumte wenigstens die Grafschaft Mark. Allein
wenn Friedrich Wilhelm den Wunsch aussprach, die französische
' Reiterei möge doch auch das Klevische verlassen und die Garnison
in Wesel auf eine mäfsige Zahl zurückgeführt werden, fand er
damit kein Gehör. Die Franzosen begingen vielmehr bei dem
Abzüge von Lippstadt neue Gewalttaten. Sie liefsen sich von
dem dortigen Magistrate 1500 Taler zahlen, prügelten, beschimpften
und beraubten die Einwohner, nahmen in durchaus vertrags-
Pbilippson, Der Orofse KurfOrst. m. 17
258 Siebentes Buch.
widriger Weise die kurfürstlichen Geschütze und KriegSYOrräte
mit, marschierten auf grofsen Umwegen und langsamst durch
die Grafschaft Mark, die sie dabei nach Kräften ausplünderten
und mit argen Exzessen heimsuchten.
Der Kurfürst sah sich femer in allen seinen politischen
Ansprüchen von Frankreich verlassen. Weder gegen die General-
staaten noch gegen Spanien noch für seine Forderung wegen
Jägemdorfs vermochte er von dem Allerchristlichsten Könige
eine Zusage der Hilfe zu erlangen. Als er mit den Braun-
schweiger Herzogen, mit denen er längst zerfallen war, und von
denen er argwöhnte, dafs sie ihn aus der leitenden Stellung in
Norddeutschland verdrängeftfwoUten, ob der von seinen Truppen
mit Einquartierung belegten meckld'ifi^rgischen Ämter in offenen
Streit geriet; suchte Frankreich ihn lediglich zum Nachgeben
zu bestimmen. Es ging nicht anders bei den Ansprüchen, die
Brandenburg an die Stadt Hamburg wegen der 150000 Taler
Kriegszuschüsse erhob, die der Kaiser ihr zu Gunsten des Kur-
fürsten auferlegt hatte, und deren Zahlung sie hartnäckig ver-
weigerte. Für die auf diese Summe angewiesenen Ausgaben
hatte Friedrich Wilhelm einstweilen eine Anleihe aufnehmen
müssen, deren Kosten sich mit Zinseszins bereits bis zu 70000
Taler beliefen. Er hatte durch seine Kriegsschiffe der Stadt
sechs Fahrzeuge wegnehmen und in Dänemark verkaufen lassen ,
aber auf die Ermahnung des französischen Herrschers, dessen
Vermittlung die Stadt und ihre Beschützer, die weifischen
Herzoge, angerufen hatten, stellte er die Kaperei ein und erklärte,
sich , ohne Rücksicht auf Kosten und aufgelaufene Zinsen , mit
dem Grundkapital von 150000 Talern begnügen zu wollen.
R6benac aber, der damals in Gelle als Gesandter weilte, ermahnte
ihn noch zu weiterer Nachgiebigkeit^.
Friedrich Wilhelm mufste sich das schmerzliche Eingeständnis
machen, dafs sein Liebesmühen um Frankreich fruchtlos gewesen
sei. Eine tiefe Entmutigung ergriff ihn : noch einmal war all
sein Ringen, wieder zu Ansehen und äufserem Einflufs zn
gelangen, vergeblich geblieben.
Allein gerade in diesem Augenblicke traten Umstände ein,
die Ludwig XIV. die Freundschaft des Brandenburgers wünschens-
^ Ms. B6benac an Fuchs, 26. Sept. 1679; Berlin, Gteh, Staatsarchiv,
XI Frankr. 19 D.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 259
wert erscheinen liefsen und ihn zu grorserer Zuvorkommenheit
diesem Fürsten gegenüber bewogen.
Der französische Monarch war gewillt, seine Überlegenheit
über ganz Europa, die im Nymweger Vertrage gewissermafsen
eine internationale Bestätigung erhalten hatte, zur weiteren
Ausdehnung seiner Herrschaft auf Kosten der Nachbarländer,
Belgiens, Deutschlands und Italiens, zu benutzen, unter dem
Verwände, Städte und Grebiete, die jemals zu den ihm in den
letzten Friedensschlüssen abgetretenen Bezirken gehört hatten,
mit diesen wieder zu vereinigen. Es stellte sich jedoch bald
heraus, dafs ein solches Verfahren auf die Gegnerschaft nicht
allein der an sich ohnmächtigen Habsburger, sondern auch
anderer Grofsstaaten stofsen werde. Wilhelm III. von Oranien,
der die Leitung des Widerstandes gegen Frankreichs drohende
Allmacht übernommen hatte, schlug hier den allein richtigen Weg
ein, indem er eine neue umfassende Koalition wider Ludwigs
alle bedrohende Eroberungssucht zu stände zu bringen sich
bemühte. Es gelang ihm wirklich, zunächst die Generalstaaten
von der Notwendigkeit eines solchen Verfahrens zu überzeugen.
Trotz aller Gegenwirkungen der französischen Diplomatie
beschlossen sie, ein Bündnis mit England einzugehen; und
Karl II., von der immer stärkeren Erbitterung seiner Untertanen
über seine schwächliche Politik erschreckt, war bereit, wenigstens
zum Scheine derartige Unterhandlungen zu beginnen. Es wurde
anderseits immer zweifelhafter, ob, einem grofsen europäischen
Bündnisse gegenüber, Ludwig auf seinen bisherigen Alliierten
Schweden werde zählen können. Der junge König Karl XI. war
über die Mifswirtschaft des Adels, die Schweden des militärischen
Ruhmes beraubt und seine Finanzen und seine Verwaltung zer-
rüttet hatte, tief entrüstet. Er schob also den bisher leitenden
Staatsmann, den Hauptvertreter der französischen Partei, Grafen
Magnus de la Gardie, in den Hintergrund und bevorzugte dessen
geistvollen und tätigen Gegner, Johann Gyllenstiema , der An-
hänger eines Bündnisses mit Dänemark war und solches der
einseitigen Verbindung mit Frankreich und der Dienstbarkeit für
dessen Eroberungspolitik vorzog. Gyllenstiema verfolgte sogar den
groflsen Gedanken einer engen Union der skandinavischen Staaten,
nicht durch Gewalt, die schon so oft gescheitert war, nicht durch
Oberherrschaft der einen Nation über die andere, sondern durch
ein enges und beständiges Bündnis, sowie durch eine Reihe
17 ♦
260 Siebentes Buch.
gemeiDsamer Institutionen. Am 26. September kam der Vertrag
zu Stande, der die Vermählung Karls XI. mit der d&nischen
Prinzessin Ulrike Eleonore, einer Schwester Christians V., fest-
setzte ^
Unter solchen Umständen war es für Frankreich geboten,
den Gegner Schwedens, den mächtigsten Reichsfürsten, den
Kurfürsten von Brandenburg, auf seine Seite zu ziehen. Man
wurde in Paris gegen Ende September 1679 plötzlich freund-
licher gegen Meinders, stellte ihm Subsidien in Aussicht, ja , trat
mit ihm in Verhandlungen wegen des von Brandenburg
gewünschten Bündnisses. Sofort erhielt von Berlin aus der
Gesandte den Befehl, noch in der französischen Hauptstadt zu
verbleiben und auf diese Anerbietungen einzugehen ^.
Allerdings, die grorsartigen Offensivpläne, die der Kurfürst
mit dieser Allianz verknüpft hatte, mufste er zunächst auf-
geben. Die französische Regierung, die nur die Vergröfserung
des eigenen Staates beabsichtigte, dachte nicht daran, sich durch
kriegerische Unruhen, die der Brandenburger erregen würde,
weitere Unannehmlichkeiten und Gegner zu schaffen. Sie wollte
in ihm nur einen unterwürfigen, bezahlten Vasallen haben, der
französische Politik, nicht eigene, treibe. Sie drückte das
Meinders gegenüber derart aus, dafs sie Ruhe, Frieden, Steuer-
ermärsigung, Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Besitzstandes
im eigenen Lande wie in Europa wünsche. Der Kurfürst solle
sich nur zur Freundschaft für Frankreich und zur Förderung
von dessen Absichten bei eintretender Wahl eines Kaisers oder
Römischen Königs verpflichten. Letztere Zusage suchten die
Franzosen als ganz unwesentlich hinzustellen: „Dieses Werk
halte man für ein weit entferntes Wesen, ja, halb und halb für
eine Chimäre; denn der Kaiser sei gesund und jünger als der
König; so brächte auch die kaiserliche Krone viel Verdrufs und
Verwirrungen, aber wenig oder keinen Vorteil.** Man verlange
solches nur „als ein Zeichen sonderbarer Affektion** Kurbranden-
burgs. Ebenso war man bemüht, die Geringfügigkeit der Sub-
sidien, die man anbot — 100000 Livres jährlich — , nicht als
ein Zeichen der Mifsachtung oder des Mifstraueus erscheinen zu
lassen. Pomponne sagte, das seien keineswegs Subsidien, sondern
1 Carlson, Gesch. Schwedens, V (Gotha 1875).
* Ms. Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 18.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 261
„SO ZU achten, als wenn der König jährlich einen Diamanten
präsentierte, gleichsam als ein Arrheum oder Pignus von beständiger
und aufrichtiger Freundschaft" ^. Wenn der Minister hinzusetzte,
im Falle der Not werde der König schon den Kurfürsten reich-
lich unterstützen, — so war das freilich ein neuer Beweis, dafs
Frankreich den Brandenburger in absoluter Abhängigkeit zu
erbalten gedachte; was man ihm nach den Erfahrungen, die
alle Welt bisher von dessen Politik gemacht hatte, nicht sonder-
lich verargen darf*.
Es ist ein Zeichen dafür, wie tief Friedrich Wilhelm sich
gedemütigt und wie machtlos er sich fühlte, dafs er auf ein
derartiges Yasallitätsverhältnis einging und seine Freiheit für
eine so geringfügige Unterstützung, die mehr einem Almosen
glich, verkaufte. Er gab den bisherigen Widerstand gegen die
Verpflichtung zur Wahl eines bourbonischen Kaisers auf. Er
mochte in seiner optimistischen Weise meinen : habe er zunächst
erst festen Boden wieder unter den Füfsen, werde er schon
weiterkommen und seine Lage verbessern.
Der Vertrag wurde zwischen Pomponne und Meinders am
25. Oktober 1679 zu St. Grermain abgeschlossen ^
Sein wahrer Mittelpunkt bestand in den Festsetzungen über
die zukünftige Kaiserwahl; schon dafs sie in acht Artikeln den
gröfsten Raum einnehmen, beweist das Gewicht, das, trotz aller
Ableugnungen, die ausschlaggebende Macht ihnen beilegte. Sie
waren mit der äufsersten Sorgfalt derart abgefafst, dafs sie
jede Möglichkeit erwähnten und entschieden. Der Kurfürst
wird sich der Wahl eines Kömischen Königs zu Lebzeiten des
Kaisers nach Kräften widersetzen; sollte er das nicht können,
80 gibt er seine Stimme dem Könige von Frankreich oder dem
Dauphin. Stirbt der Kaiser ohne erwählten Nachfolger, so er-
nennt der Kurfürst wieder den König oder den Dauphin. Gelingt
keines von beiden, stimmt er für denjenigen Kandidaten, der
Frankreich genehm sein wird.
Die Aussicht, dafs Ludwig XIV. dereinst die Kaiserkrone
mit dem Liliendiademe vereinigen würde, war um so ungeheuer-
licher, als er ja die Erbschaft des spanischen Weltreiches gleich-
^ Ms. Meinders an Kurf., 25. Sept./ 5. Okt. 1679; Berlin, Geh. Staats-
*wlüv, a. a. 0.
•Mörner, 704 ff .
262 Siebentes Buch.
falls beanspruchte. Er würde dann das Zepter Karls V. mit
dem Franz* I. verbunden, die Universalmonarchie begründet haben«
Niemals waren die Pläne Ludwigs XIV. so grofsartig, niemals
auch ihre Verwirklichung so wahrscheinlich gewesen wie damals.
Freilich, diese Perspektive war zu gewaltig und Besorgnis er-
regend, als dars die bezüglichen Bestimmungen des Vertrages
nicht auf das strengste geheimgehalten wären, sogar vor den
vertrautesten Räten des Königs und des Kurfürsten, wie der
letzte — 19. — Artikel solches ausdrücklich bestimmte. Kein
Mensch in Europa, aufser den Abschliefsenden, hat Kenntnis von
diesem Übereinkommen erhalten.
Seine übrigen Artikel waren minder wichtig. Der von
Friedrich Wilhelm dringend gewünschte Handelsvertrag schrumpfte
zu gegenseitiger Zusage ungestörten Verkehrs zusammen. König
und Kurfürst versprachen einander den Schutz ihrer gegen-
wärtigen Besitzungen ; der König dem Kurfürsten Unterstützung
zur Erlangung Jägerndorfs; der Kurfürst dem Könige die Er-
öffiiung seines Gebietes zum eventuellen Durchmarsche französi-
scher Truppen, sowie Beihilfe zur Durchsetzung der einstigen
Wahl Johann Sobieskis für den Thron Polens. Endlich verhiefs
Ludwig dem Brandenburger jährliche Subsidien von je 100000
Livres auf zehn Jahre.
Dieser Vertrag, den beide Fürsten sofort ratifizierten^,
wurde zum Beginne einer mehijährigen Abhängigkeit Branden-
burg-Preufsens von Frankreich, wie solche in der Geschichte
jenes Staates einzig dasteht. Sie war seinem Wesen und seiner
Bestimmung durchaus entgegen, und hieraus folgte, dafs er
nicht einen der von dem Kurfürsten erhofiften Vorteile aus ihr
gezogen hat. Nur Frankreichs Plänen hat sie gedient. Sie
hat das letzte Jahrzehnt von Friedrich Wilhelms Regierung mit
trübem , melancholischem Scheine umgeben, seinen Lebensabend
zu einem traurigen, von innerlichster Mifsstimmung und schmerz-
lichen Besorgnissen erfüllten gestaltet.
Nur möge man sich hüten, dem Kurfürsten aus seiner
damaligen Haltung einen moralischen Vorwurf zu machen. Von
einer alldeutschen Aufgabe Brandenburg - Preufsens hatte zu
jener Zeit niemand eine Ahnung, und einen tätigen gesamt-
1 Mb. ngen an Eurf., 18728. Okt. 1679; Berlin, Geh. Staatsarohiv,
XI, Frankr. 19 B.
DreiundvierzigBtes Kapitel. Das französische Bündnis. 263
deutschen Vaterlandssinn gab es, trotz aller heuchlerischen
reichspatriotischen Phrasen, überhaupt nicht. War nicht Ferdi-
nand Maria von Bayern, der sich nicht mit Kränkung und An-
feindung durch die Habsburger entschuldigen konnte, schon
1670 einen ganz entsprechenden Vertrag mit Frankreich ein-
gegangen, der ihn gleichfalls zur Kaiserwahl Ludwigs XIV. ver-
pflichtete?^ Schlofs Ferdinand Marias Nachfolger, Max Emanuel,
nicht gerade damals, Ende 1679, den Ehevertrag seiner Schwester
Maria Anna mit dem Dauphin ab, unter starker Betonung der
innigen Freundschaft zwischen Frankreich und Bayern?' Hat
nicht drei Wochen nach dem Geheimvertrage vom 25. Oktober
1679 Kurfürst Johann Georg von Sachsen durch seinen Gesandten
Wolframsdorf mit Ludwig XIV. ein ebenso geheimes Abkommen
getroffen (15. November), in dem er die nämlichen Verpflich-
tungen wegen der Kaiserwahl einging wie der Brandenburger?
Selbst im Wortlaute stimmten diese Vertrage überein®.
Es liegt also kein Grund vor, Friedrich Wilhelm besondere
Vorwürfe vom sittlichen Standpunkte aus zu machen, zumal er
von den Habsburgem ganz anders gereizt und benachteiligt war
als Bayern oder Sachsen. Er meinte, bitterer Notwendigkeit
zu gehorchen. Mufste er doch vernehmen, dafs damals Däne-
mark und Schweden verhandelten, um ihre Union auf ein Bündnis
mit Frankreich zu stützen: eine Eventualität, die ihn seines
einzigen Alliierten — Dänemarks — völlig zu berauben und
seinem Gegner Schweden eine furchtbare Stellung zu verleihen
1 Erdmannsdörffer, Deutsche Gesch., S. 556.
* K. Th. Heigel, Quellen u. Abhandlungen z. neueren Gksch.
Bayerns, neue Folge (München 1890), S. 59.
* M^oires de Pomponne, I, 274 f. — Auerbach, La diplomatie
tran^aise, S. 476. — Wenn Erdmannsdörffer (a. a. 0., S. 651) Fried-
rich Wilhelm noch damit zu entschuldigen sucht, dafs § 12 des französ.-
brandenb. Vertrages eine „salyierende Klausel" enthalte, und dafs der
ganze Vertrag nur auf zehn Jahre geschlossen sei, während S^aiser
Leopold doch pioch jung) und kräftig war , so kann ich dem nicht bei-
Btuumen. § 12 setzt ausdrücklich fest, dafs der Kurfürst, wenn die Wahl
Ludwigs oder des Dauphins sich als unmöglich herausstellen sollte, nur
dem von Frankreich ihm bezeichneten Kandidaten seine Stinune geben
werde. £r unterwirft also auf alle Fälle die KaiserkOrung dem Belieben
^^iimkreichs. Die beschränkende Dauer von zehn Jahren aber gilt nur
^ die Subsidienzahlung ; sonst ist der Vertrag ohne jede Abgrenzung
der Zeitdauer, also theoretisch auf immer abgeschlossen.
264 Siebentes Buch.
drohte^. Friedrich Wilhelm mufste sich um so mehr einen zu-
verlässigen Rückhalt suchen und glaubte ihn nur bei derjenigen
Macht zu finden, die sich allen anderen überlegen und zugleich
als die einzige erwiesen hatte, die ihre Freunde nicht im Stiche
liefs. Nur von Frankreich gezwungen, gegen seinen Willen
hatte er die Zusage in betreff der Eaiserwahl gegeben; ohne
sie hätte er überhaupt auf das Bündnis mit Ludwig verzichten
müssen. Es ist nicht ganz zutreffend, wenn schon damals Meinders
und nach ihm viele neuere Historiker darauf hinwiesen, dafs
dieses Versprechen bedeutungslos sei, da ja Leopold I. noch
jung und stark, also eine neue Eaiserwahl erst in weiter Zukunft
und damit nur unter vielfach veränderten Umständen wahrscheinlich
gewesen. Vielmehr, diese Abmachung hatte eine ganz bestimmte,
aktuelle Wichtigkeit. Man sprach damals allgemein von der
Absicht des Kaisers, seinen Sohn Joseph baldigst zum römischen
Könige, das heifst zu seinem designierten Nachfolger im Kaiser-
turne wählen zu lassen'. Diesem Plane der Habsburger trat
Ludwig XIV. durch seine Abmachungen mit Kursachsen, Kur-
brandenburg und Kurbayern sehr wirksam entgegen.
Indes, er durfte Friedrich Wilhelm nicht zeigen, wie grofses
Gewicht er auf seine Allianz lege. Die französischen Staats-
männer sprachen Meinders kaum von ihr und taten, als ob sie
ihr keine positive Bedeutung beimäfsen'. Dazu kam, date
Pomponne am 18. November wegen allzu milder und versöhnlicher
Gesinnung seines Amtes als Staatssekretär beraubt und durch
den härteren, anmafsenden, ganz in französischen Weltherrschafts-
plänen schwelgenden Colbert - Croissy ersetzt wurde. Meinders
glaubte in Paris nichts mehr zu tun zu haben und reiste Ende
November in die Heimat zurück. Er hinterliefs in der fran-
zösischen Hauptstadt seinen Sekretär Ilgen zur Erledigung der
laufenden Geschäfte, sowie einen nicht offiziell anerkannten
Agenten Johann Beeck, dessen Aufgabe war, den Eurfürsten
über die dortigen Vorgänge auf dem laufenden zu erhalten. Das
^ Gallois, Lettares inöditea de Feuquiöres, V, 11.
' Pomponne, I, 274. — Vgl. Instruktion an Colbert de Croissy bei
dessen Gesandtschaft nach München, Okt. 1679; Vast, Tentatives de
Louis XIV pour arriver k Tempire (Bevue historique, Bd. LXV [1897],
S. 81.
* Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 18.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französiBche BOndnis. 265
tat er in Berichten, deren Deutsch mit französischen Ausdrücken
reich verbrämt, oft durch ganze französische Absätze unter-
brochen ist: er lieferte eine richtige Zeitung mit politischen
und vermischten Nachrichten ^ Empfang und Übermittlung
der Subsidien wurden zunächst einem Herrn von Plemont, bald
aber den bewährten hugenottischen Bankiers des Kurfürsten,
dem Hause Formont, aufgetragen'.
Die untergeordneten Streitigkeiten mit Frankreich erhielten
nun auch schnelle Erledigung. Der Kurfürst, der vor allem in
den Besitz seiner rheinischen Lande wiederzugelangen wünschte,
Obernahm alle Summen, die Gr6qui noch von den Klevern ver-
langte, auf seine von Frankreich zu erhaltenden Subsidien. Ein
Zwist, der darüber ausbrach, ob die in Wesel von den holländi-
schen Zeiten her vorhandenen Geschütze Frankreich oder Branden-
burg verbleiben sollten, wurde nach einem unterwürfigen Schreiben
des Kurfürsten an den König dadurch beigelegt, dafs dieser
grofsmütig seinem „allertreuesten Verbündeten'' die 39 besten
Kanonen beliefs und nur die 30 minder guten für sich nahm.
Ende Januar 1680 befahl dann Louvois dem französischen
Gouverneur von Wesel, Ritter von Sourdis, die Räumung dieser
Festung. Sieben volle Monate waren nach dem Abschlüsse des
Friedens von St Germain vergangen, als Friedrich Wilhelm
wieder Herr seines ganzen rheinisch - westfälischen Gebietes
wurde*.
Zu gleicher Zeit bewog Ludwig auch die Schweden, dafs
sie ihre hartnäckige Weigerung, an Brandenburg das Land
rechts der Divenow abzutreten, welches sie, als nicht an der eigent-
lichen Oder gelegen, von den Wirkungen des jüngsten Friedens-
ßchlusses unabhängig machen wollten, endlich aufgaben. So
endete auch dieser Handel zur Zufriedenheit des Kurfürsten^.
Allein damit waren die Vorteile beschlossen, die er aus
seinem französischen Bündnisse zog. Er mufste sonst überall
^ Geh. Staatsarchiv, Bd. 20 A.
* Ebendas., 19 A B, 21 A.
^ y erhandlimgen wegen der Weseler Geschütze : Geh. Staatsarchiv
(BerlinX XI, Prankr. 18. 20 A; sowie U. u. A., II, 585 ff. — Verhandlungen
Hgens: Geh. Staatsarchiv, a. a. 0., 19 B. — Pomponne, I, dl2f., hftlt
den Kanonenstreit fOr eine der vornehmsten Ursachen seines Sturzes.
^ Prutz, Analekten z. G^sch. des Grofs. Kurf.; Forsch, z. brandenb.
«. preufs. Gesch., XH (1899), 287.
266 Siebentes Buch.
zurückweichen. Er war gewillt gewesen, es zum Waffenkampfe
mit den Braunscbweig-Lüneburger Herzogen kommen zu lassen,
die sich Mecklenburgs gegen seine Quartierforderungen fQr
einige brandenburgische Regimenter heftig annahmen, und denen
er die vorjährige Sperrung ihres Landes gegen den Durchzug
seiner Truppen zur Verteidigung von Eleve- Mark gegen die
Franzosen nicht vergessen hatte. Aber auf Röbenacs Vermitt-
lung gab er nach, und sein General Prinz räumte das mecklen-
burgische Gebiet*.
Und ebenso endete der Streit mit Hamburg in der Kon-
tributionsangelegenheit keineswegs nach dem Wunsche des Kur-
fürsten. Der König von Frankreich, den beide Teile als Schieds-
richter anriefen — er war bereits tatsächlich der Oberherr
Deutschlands, weit mehr als der Kaiser! — , erkannte an, dafs
Brandenburg vollkommen im Rechte sei, mutete diesem Staate
aber zu, nicht allein auf die Zinsen der seit drei Jahren fälligen
Kontribution, sondern auch auf die Hälfte des Kapitals selbst zu
verzichten. Ja, er drohte, die Hamburger und die mit diesen
verbündeten Braunschweiger unterstützen zu wollen. So sah
der Kurfürst sich genötigt, sich mit der Summe von hundert-
tausend Talern zu begnügen. Frankreich aber schlofs mit den
Weifen zu Ebsdorf am 24. November einen neuen Vertrag, in
dem es versprach, sie sowie die übrigen norddeutschen Reichs-
stände vor allen weiteren Kontributionsansprüchen Brandenburgs
zu schützen. Es nahm hier geradezu Partei für das Haus Braun-
schweig gegen den Kurfürsten. Seine Absicht, die Spaltung der
deutschen Fürsten zu erhalten und sich damit die Herrschaft
über sie alle zu sichern, war unverkennbar^.
Friedrich Wilhelm mufste mit Kummer und Sorge wahr-
nehmen, wie der AUerchristlichste König bereits begann, „die
Bastille nach Deutschland zu verpflanzen". Hatte doch der
Kurfürst unmittelbar nach dem Friedensschlüsse gegen einen
1 U. u. A., m, 557. 561—563. — Prutz, Aus des Gro&. Kurf. letzten
Jahren, 225.
' Prutz in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Xu, 289 ff. —
Es ist ein Beweis von Prutz* unkritischer Art, wenn er den phantasti«
sehen Bericht eines schwedischen Agenten über eine Zusammenkunft
Friedrich Wilhelms und Christians Y. in Dobberan erst selber als tenden-
ziös, unrichtig und absichtlich entstellend bezeichnet, dann aber wieder
in seinen Einzelheiten unbedenklich benutzt; das. 202 — ^218.
Dreiimdvierzigstes Kapitel. Das französische BOndnis. 267
Schiedsspruch des französischen Königs in dem Hamburger Streite
protestiert als den Rechten des Reiches, des Kaisers, des Königs
von Dänemark sowie Brandenburgs zuwiderlaufend ^ Wenn er
im Oktober' sich der Entscheidung^^ Frankreichs unterwarf, so
geschah es, weil damals die Hansastadt auf das schwerste von
einem Gegner bedroht war, dem der Kurfürst sie nicht über-
lassen wollte, mit dem jedoch ihn selber ein Bündnis verknüpfte,
und wider den er deshalb lieber Frankreich in die Schranken
treten liefs. König Christian V. von Dänemark hatte die alten,
aber durch Friedensverträge und Reichsbeschlüsse längst abge-
tanen Ansprüche seiner Krone auf Oberhoheit über Hamburg,
als eine holsteinische Landstadt, erneuert und auch zur Unter-
statzung dieser Forderung vierzehn Kriegsschifife in die Elbe
gesandt und 17000 Soldaten in den Vierlanden aufgestellt. Der
Kaiser und der Herzog von Celle nahmen sich der bedrängten
Stadt an, und auch Kurfürst Friedrich Wilhelm erbot sich in ihr
durchaus wohlwollender Weise zur Vermittlung. Aber Rat und
Bürgerschaft zogen es vor, sich an den allmächtigen Beherrscher
Frankreichs zu wenden. Dieser trat um so lebhafter für Ham-
burg ein, als sein Land mit dieser Stadt in blühendem Handels-
verkehre stand, der durch ihren Anheimfall an Dänemark
zweifellos beeinträchtigt worden wäre. Er beauftragte also
R^benac, sich zu Christian V. zu begeben und diesem Fürsten
den Willen seines Herrschers auszudrücken, dafs er sich mit
einem billigen Vergleiche zu begnügen habe; auch der branden-
burgische Abgesandte Cracow ward, trotz des Widerstrebens des
Weifen von Celle, als Vermittler angenommen. So kam am
1. November 1679 der Pinneberger Rezefs zu stände, der der
Stadt die Leistung einer Devotionserklärung, sowie die Zahlung
von 220000 Talern an die Krone Dänemark auferlegte, sonst
aber deren Reichsfreiheit sowie Besitzungen vollauf bestätigte^.
Dieser Ausgang bedeutete eine Niederlage Dänemarks, die
{reilich den Wünschen des Kurfürsten ganz entsprach. Es war
eine diplomatische Heuchelei, wenn er sich seinem treuen däni-
schen Verbündeten gegenüber wegen der hier beobachteten
> Geh. Staatsarchiv (Berlin), Rep. LXIII, 57.
* Das. XI, Franir. 19 D.
*J. G. Gallois, Gesch. der Stadt Hamburg, II (Hamb. s. a.)
414ff. — Pomponne, I, 418ff. — Pufendorf, 1. XVII, c. 92-97. —
öeL Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 18.
268 Siebentes Buch.
Haltung mit dem Zwange entschuldigte, den ihm Frankreich
auferlegt habe^
Während Ludwig sich an jenem fernen Punkte zum Be-
schützer der Freiheit einer deutschen Stadt aufwarf, hatte er
bereits den Plan zu den Beunionen gefafst, die unter leeren
Formen des Rechtes beträchtliche Landstrecken dem besiegten
und gedemütigten Reiche entziehen sollten, war er schon tat-
sächlich dazu geschritten, die Reichsritterschaft des Elsasses
und das Landgebiet der Reichsstadt Strafsburg der französischen
Herrschaft zu unterwerfen. Er sah voraus, dafs diese Gewalt-
taten, unmittelbar nach dem Friedensschlüsse verübt, in Deutsch-
land lebhaften Unmut erwecken und namentlich von selten des
Kaisers Widerstand hervorrufen mufsteu ; um so mehr war ihm
daran gelegen, den nach dem Kaiser mächtigsten Fürsten des
Reiches, den Brandenburger, an sich zu fesseln. Derart, hoffte
er, werde es ihm gelingen, die Gegnerschaft Österrreichs brach-
zulegen und einen Reichskrieg gegen ihn selbst unmöglich zu
machen. Er beschlofs also, zunächst einen Gesandten dauernd
in Berlin anzustellen, und er wählte zu diesem Posten einen
Diplomaten, der in den deutschen Angelegenheiten wohlerfahren
war, und den der Kurfürst mit grofser Auszeichnung behandelt
hatte, den Grafen R6benac (vgl. T. II, S. 407). Die Verdienste,
die der junge Staatsmann sich noch in den letzten Monaten um
die Ordnung der nordischen Verhältnisse erworben hatte,
bezeichneten ihn als einen besonders geeigneten Vertreter Frank-
reichs auf dem unter den herrschenden Umständen überaus
wichtigen Posten in Berlin. Am 12. Januar 1680 traf er dort ein.
Seine Instruktion ' spiegelt die mifstrauische und noch wenig
wohlwollende Gesinnung des Königs gegen seinen neuen Ver-
bündeten wieder. Er gönnt ihm in der Hamburger Angelegen-
heit nur eine geringe Entschädigung. Er drängt auf die schleunige
Räumung Stettins und auf Nachlafs der Brandenburg noch zu-
kommenden Kriegskontributionen in Schwedisch-Pommern, indem
er mit Repressalien in Kleve droht. Er mischt sich, ungerufen
von dem Kurfürsten, in dessen Streit mit den Lüneburger
Herzogen wegen der Truppenquartiere in Mecklenburg, ja, in
die Angelegenheit der brandenburgischen Besatzung in Magde-
> Ms. Meinders an Kurf., 18./28. Nov. 1679; Geh. StaatsarchiVf a. a. 0.
' Becueil des Instructions, XVI, 214 ff.
Breiundvierzigstes Kapitel. Das {ranzösiBche Bttndnis. 269
bürg, die doch für Friedrich Wilhelm gänzlich abgeschlossen war.
Kurz, er behält sich eine Menge von Gelegenheiten vor, um
dem Kurfürsten unangenehm zu werden, wenn dieser Miene
machen sollte, anders denn als unterwürfiger Diener der fran-
zösischen Politik zu handeln.
Denn die früheren Verbündeten Brandenburgs gaben sich
die äufserste Mühe, es für die von den Generalstaaten beabsichtigte
grofse antifranzösische Koalition zu gewinnen. Sowohl der Kaiser
wie die Holländer selber unternahmen den Versuch. Um zunächst
den Boden zu prüfen, befahlen die Minister Leopolds I. ihrem
Gesandten in Dresden, dem Abte Otto von Banz, sich nach Pots-
dam zu begeben, wo er am 11. Oktober 1679 eintraf. Er sollte
des Kurfürsten Meinung erforschen, wie des Reiches Sicherheit
am besten zu wahren, wie die französischen Gewalttaten im
Elsafs rückgängig zu machen und der Antrag, Frankreich solle
auf dem Regensburger Reichstage Sitz und Stimme erhalten, zu
vereiteln seien ^.
Der Prälat traf aber bei dem Kurfürsten auf die übelste
Stimmung. Weit entfernt, den kaiserlichen Wünschen ein geneigtes
Ohr zu leihen, segelte Friedrich Wilhelm in dem französischen
Fahrwasser. Er war bereit, den Plan des französischen Königs zu
unterstützen, nämlich dafs das Reich durch Auflösung des Regens-
burger Reichstages jedes Zusammenhalts beraubt werde'. Gleich-
falls auf Verlangen Frankreichs hatte er sich mit dessen treuen
bischöflichen Vasallen von Köln und Strafsburg in vertrauten
Verkehr gesetzt, um so eine förmliche französische Partei im
Reiche zu bilden*. Er beantwortete demnach die Werbung des
Abtes von Banz mit heftigen Klagen über die an ihm verübte
Untreue und Täuschung. Er erwiderte höhnisch, dafs der Kaiser,
der allein in Nymwegen für das Reich abgeschlossen, dort auch
zweifellos für dessen Sicherheit genügend gesorgt haben werde;
sei dies nicht geschehen, werde Se. Majestät hierfür schon das
Nötige anordnen ; da femer der Kaiser den Schweden im Reichs-
tage Sitz und Stimme, die ihnen bereits aberkannt gewesen,
1 U. u. A., XIV, 912 ff.
■ Mß. Chiffrierte Dep. Meinders' vom 9719. Okt. 1679; Berlin, Gteh.
Staatsarchiv, XI, Frankr. 18.
* Ms. Kurf. an Ilgen, 19./29. Dez. 1679; das. 19 B. — Das Folgende
nach U. u. A., XIV, 911 ff.
270 Siebentes Buch.
wieder eingeräumt habe, dürfe Frankreich gleiches Recht in
Anspruch nehmen. Der Kurfürst begnügte sich nicht mit diesen
Antworten, deren grimmige Ironie nicht zu verkennen war. Er
verlangte in drohendem Tone die Anerkennung seiner Rechte in
Ostfriesland, die endliche Rückgabe Jägerndorfs, sowie Nach-
zahlung von dessen Einkünften in der Vergangenheit, endlich
Beeinflussung des spanischen Habsburgers, dafs dieser seine rück-
ständigen Subsidien ausfolge, — Forderungen, die zum Teil für
Leopold unerfüllbar und klärlich darauf berechnet waren, die
Handhabe zum Bruche mit Österreich zu geben.
Die kaiserlichen Räte fühlten das „Spitzige" dieser Er-
widerungen und Ansprüche des Brandenburgers wohl heraus.
Sie glaubten aber ein Auge zudrücken und einen neuen Anlauf
machen zu müssen. Denn die vier rheinischen Kurfürsten und
Bayern waren schon, sei es für Frankreich gewonnen, sei es von
Furcht gelähmt, Sachsen in finanzieller Zerrüttung: so „dafs
zu Rettung des Deutschland gegen die Krön Frankreich" , wie
sie am 18. November 1679 erklärten, „unter denen Churfürsten
einige andere Hilfe nicht als von Churbrandenburg zu hoffen".
Der Kaiser richtete also an dieses ein in besänftigendem Tone
gehaltenes Schreiben, das seine Verwendung in Spanien, sowie
vom Reiche die Erlangung einer „Satisfaktion'' für den im
Kriege erlittenen Schaden versprach, — leere Vertröstungen;
von Jägemdorf kein Wort Dafür verlangte der Kaiser in
einem zweiten Schreiben den Beistand des Kurfürsten gegen die
französischen Übergriffe.
Friedrich Wilhelm war entrüstet über die Keckheit, mit
der der Wiener Hof, nach allen ihm zugefügten Treulosigkeiten
und Kränkungen, wie selbstverständlich, abermals seine Unter-
stützung, ohne den mindesten tatsächlichen Entgelt, einforderte.
Er liefs durch Ilgen die kaiserlichen Zuschriften in Paris mit-
teilen, mit der Zusicherung, er werde unverbrüchlich auf Seiten
Frankreichs stehen ^.
Die Wiener Politiker aber waren der Meinung, durch blofse
Demonstrationen Friedrich Wilhelm doch noch gewinnen zu
können, und schickten ihm als Botschafter einen der ersten
Kavaliere ihres Landes, den Grafen Johann Philipp Lamberg,
Sohn des kaiserlichen Oberhofmeisters. Erst achtundzwanzig
^ Mb. Bgen an Kurf., 19. Jan. 1680; Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 19B.
Dreinndvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 271
Jahre alt, hatte er mit Ruhm gegen die Türken gefochten, war
dann aber in die Kirche eingetreten und 1675 Domherr, bald
auch Beichshofrat geworden : ein prachtliebender, feiner Grand-
seigneur, der wohl im stände war, auf den greisen Kurfürsten
Eindruck hervorzubringend Er hatte ihm ein Bündnis mit
Osterreich, den Generalstaaten und England anzubieten; der
Anspruch auf Jägemdorf wurde dieses Mal nicht stillschweigend
abgetan, sondern auf besondere, in Wien zu führende Verhand-
lungen verwiesen*.
Inzwischen war in gleicher Absicht, wie Banz und Lamberg,
noch ein niederländischer Gesandter nach Berlin gekommen.
Um den verlorenen Freund desto sicherer zurückzugewinnen,
hatten ihm die Hochmögenden den Adrian van Amerongen wieder
zugeschickt, der ihn 1673 zum Bündnisse bestimmt, und mit dem
er seit dieser Zeit wohlwollende Beziehungen aufrechterhalten
hatte. Allein was Amerongen jetzt zu bieten hatte, war wenig:
Entschuldigungen; dafs der Staaten trauriger Zustand ihnen den
Frieden mit Frankreich aufgenötigt habe, sowie die nicht
unbegründete Behauptung, dafs sie zur Nachzahlung der
restierenden Hilfsgelder nur bis Ende 1676 verpflichtet seien, da
sie seitdem Brandenburg, das auf eigene Hand Eroberungen auf
Kosten der Schweden gemacht, ohne sie gegen Frankreich irgend
zu unterstützen, die Subsidien aufgesagt hatten.
Mitte Dezember 1679 langte Amerongen in Berlin an. Allein
er fand hier nichts als Klagen über die Generalstaaten, die die
eigentlichen Urheber des schmählichen und verlustvollen Aus-
ganges des Koalitionskriegs seien. Als Kommissare, um mit
mit ihm zu verhandeln, wurden die durchaus französisch
gesinnten Geheimrftte Jena und Meinders ernannt. Ihre Forde-
rungen waren unerschwinglich: sie verlangten nicht allein die
Subsidien bis zum Tage des Friedensschlusses, sondern auch
Entschädigung für den in Kleve und der Grafschaft Mark
erlittenen Schaden'.
Immerhin war, wie die Vergangenheit gezeigt hatte, die
Möglichkeit vorhanden, dafs die kaiserliche und die nieder-
ländische Gesandtschaft mit der Zeit einen abermaligen Um-
* Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisertums Österreich.
■ Instr. an Lamberg, 29. Febr. 1680; U. u. A., XIV, 916 ff.
» U. u. A., m, 555 ff .
272 Siebentes Buch.
schwuDg in den Gesinnungen des Kurfürsten herbeiführten. Es
war dies für Frankreich um so gefährlicher, als die General-
Staaten im Dezember 1679 das Bündnis, das der französische
Gesandte, Graf d'Avaux, ihnen angeboten, entschieden zurück-
gewiesen hatten^, als femer die schwedische Regierung unter
der Leitung des genialen und patriotischen Johann Gyllenstiema
dem Auslande und zumal dem stolzen Frankreich gegenüber
eine immer kühnere und selbstbewufstere Haltung annahm. Es
stand fest, dafs Schweden sich nicht mehr als Werkzeug des
Allerchristlichsten Königs werde mifsbrauchen lassen'.
War schon durch diese Umstände die französische Regierung
genötigt', sich den guten Willen Brandenburgs zu sichern, so
mufste sie zu entsprechendem Vorgehen auch durch die Persön-
lichkeit des Ministers veranlafst werden, der nach dem Sturze
Pomponnes mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten
betraut war.
Charles Colbert Marquis von Groissy, ein Bruder des
berühmten Ministers, hatte durch das ihm eigene rauhe und
polternde Auftreten die Gunst der öffentlichen Meinung ver-
scherzt. Er galt als ein roher, ebenso brutaler wie unfähiger
Mensch, der sein Emporsteigen nur dem Einflüsse seines grofsen
Bruders verdanke. Allein dieses unfreundliche Urteil war irrig.
Wenn Croissy auch nicht viel Initiative besafs, so doch scharfes
und sicheres Urteil, einen klaren Kopf und aufsergewöhnliche
Gewandtheit. Er kannte die politische Lage Europas genau,
und sein Eifer wie seine Arbeitskraft waren sehr bedeutend.
Allerdings, die Feinheit und Milde Pomponnes gingen ihm ab,
und wie Louvois, wie der König selber, pochte er auf die
Unbezwinglichkeit Frankreichs. Er war derart für die rechts-
verhöhnende Reunionspolitik eingenommen, dafs man ihn viel-
fach für den Urheber hielt; anderseits wünschte er, im Gegen-
satze zu Louvois, deren Ziele ohne förmlichen Krieg zu erreichen.
Eben deshalb mufste er darauf bedacht sein, tunlichst zahlreiche
und mächtige Verbündete zu gewinnen, um den Gegnern jede
Möglichkeit aussichtsreicher Kriegsführung gegen Frankreich
zu benehmen. Als einer der wichtigsten Alliierten erschien ihm
aber der Kurfürst von Brandenburg, für den er, seit seiner
^ d'Avaux, NegociationB, I, 66.
* Carlson, V, 87 ff.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französiaclie BOndnis. 273
Gesandtschaft nach Eleve im Jahre 1666, überdies eine gewisse
persönliche Neigung bewahrt hatte ^.
Nachdem in den ersten Tagen des Jahres 1680 R^benac am
Berliner Hofe angelangt war, erhielt er hier alsbald eine bevor-
zugte Stellung. Friedrich Wilhelm wollte den Monarchen und
die Minister Frankreichs für sich gewinnen, und da kostete es
ihm wenig, ihren Vertreter wie seinen vertrauten Günstling zu
behandeln und mit „grofsen Garessen** zu bedenken. Seine
Gemahlin Dorothea zeigte sich noch eifriger in der Freundschaft
für Frankreich und dessen grofsen und reichen König. Der
Kurfürst selber gab sich den Anschein, als habe er nichts vor
R^benac zu verbergen, und liefs ihn von seinen geheimsten
Verhandlungen gerade das wissen, was er Ludwig XIV. mitgeteilt
zu sehen wünschte. Meinders und Fuchs ahmten mit vielem
Eifer die Haltung ihres Herrn gegenüber dem französischen
Gesandten nach. R6benac suchte diese günstige Stimmung zu
erhalten, indem er immer wieder beträchtliche Summen an die
Geheimen Räte und deren wichtigste Unterbeamte verteilte.
Die Kurfürstin aber wurde mit einem glänzenden Geschenk,
einem Diamantschmucke im angeblichen Wert von 60 000 Talern
(780000 Mark nach heutigem Geldwerte) erfreut; dafür ver-
sprach sie, „die Freundschaft und vollkommene Vereinigung**
zwischen ihrem Gemahle und dem Könige mit Eifer und nach
Kräften zu fördern. Diese guten Absichten wurden später durch
neue reiche und künstlerische Geschenke — darunter kostbare
Gobelins — bestärkt '. Berlin erschien als die Hauptstadt eines
getreuen und ergebenen Vasallen des „Königs Sonne ^.
Zum deutlichen Ausdrucke seiner Anhänglichkeit beschlofs
Friedrich Wilhelm, auch seinerseits einen Gesandten dauernd iu
Paris anzustellen. Die Wahl, die er hier traf, kann man nur
als eine vortreflfliche bezeichnen. Sie fiel auf Ezechiel Span-
heim *.
Geboren in Genf am 7. Dezember 1629 als Sohn eines von
der Pfalz eingewanderten Professors und einer Französin, hatte
er von beiden Nationen die Vorzüge geerbt. Er widmete sich
^ Exil Bourgeois, ]äz6chiel Spanheim (Paria n. Lyon 1900X S. 358.
860. 362. 367-873. 885.
* Prutz, Aus des Grofs. Kiirf. letzten Jahren, 124 ff.
* Über ihn sehe man vorzüglich Bourgeois, passim*
Pbilippson, D«r Oroik« Kurfant. III. 18
274 Siebentes Buch.
zunächst, wie sein Vater, der Gelehrsamkeit und veröffentlichte
kenntnisreiche und geistvolle Schriften theologischen und zumal
archäologischen Inhalts. Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz
berief ihn als Erzieher seines Kurprinzen. Aber das lebhafte
und praktische französische Blut flöfste Spanheim frühzeitig,
schon in Genf, reges Interesse für die Politik ein. Schriften,
die er nunmehr für die Absichten seines Herrn verfafste, ver-
anlafsten diesen bald, ihn mit diplomatischen Sendungen zu
betrauen, die ihn zunächst auf vier Jahre (1661—1665) nach
Italien, dann nach Paris führten. Er empfand grofse Vorliebe
für Frankreich und suchte ein enges Einvernehmen zwischen
diesem Staate und seinem eigenen Fürsten zu begründen. Sein
reiches Wissen, sein besonders in der Münzkunde durch epoche-
machende Arbeiten berühmt gewordener Name, seine Liebens-
würdigkeit und geistige Feinheit, seine Vertrautheit mit der
französischen Sprache und Anschauungsweise verschafften ihm in
jenem Lande viele persönliche Freunde. Allein die Gewalttaten,
die sich Ludwig XIV. gegen Deutschland und namentlich gegen
die Rheinpfalz zu schulden kommen liefs, machten auch Span-
heim zu dessen G^ner; als solcher erwies er sich in den Ver-
handlungen zu Köln, in den Jahren 1671 bis 1673. Während
des Nymweger Kongresses verfocht er die Interessen des deutschen
Protestantismus in London. Damals, wie schon vorübergehend
1672, betraute der Kurfürst von Brandenburg den pfälzischen
Gesandten zugleich mit seinen Geschäften, bis Friedrich Wilhelm
endlich, im Januar 1680, auf Antrag von Fuchs beschlofs, den
klugen, kenntnisreichen und gesellschaftlich begabten Mann ganz
in seinen Dienst zu übernehmen. Er bot ihm den Gesandtschafts-
posten in Paris an, mit einem jährlichen Gehalte von 3600 Talern
(46800 Mark nach heutigem Geldwerte) ^
Freilich war zunächst die neue Stellung Spanheims eine
aufserordentlich schwierige. Der Kurfürst selber mifstraute ihm,
^da er früher andere Engagements gehabt'' , und gedachte ihn
erst zu erproben. Er teilte ihm deshalb weder den Geheim-
vertrag vom 25. Oktober 1679, der doch R6benac bekanntgegeben
war, noch die Verhandlungen mit, die er damals durch d'Espence
und Ugen in Paris wegen der Erlangung Jägerndorfs führen
1 Ms. Kurf. an Spanheim, 24. Jan. /8. Febr. 1680; Berlin, Geh. Staats-
archiv, XI, Frankr. 21 A.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 275
liers. Viel grörser noch war die Zurückhaltung der französischen
Regierung gegenüber Spanheim, der „früher in einer Frankreich
widerwärtigen Partei verwandt worden" *. Croissy warnte sowohl
durch R6benac in Berlin wie durch d'Espence und Ilgen in Paris
den Kurfürsten vor der Verwendung Spanheims als Gesandten
in Frankreich, da dieser Diplomat wenig geeignet sei, zur gegen-
seitigen Verbindung und Vertraulichkeit zwischen den Königen
und dem Kurfürsten beizutragen; „er ist immer übler Absicht
gewesen", schreibt der Minister selber an R6benac. Spanheim
kannte die ihm feindliche Stimmung in den leitenden Kreisen
der französischen Hauptstadt sehr wohl, allein er hoffte bestimmt,
sie durch ruhiges und gewissenhaftes Verfahren und durch den
Eindruck seiner Persönlichkeit überwinden zu können. Er tat,
als ob er nichts davon wisse, und „ging seinen geraden Weg".
Sorgsame Beachtung aller höfischen Formen, Verkehr mit her-
vorragenden Schriftstellern, Gelehrten und hochgestellten wissen-
schaftlichen Dilettanten, sowie der Schutz der gerade an den
französischen Hof so zahlreich vermählten deutschen Prinzessinnen
verschafften ihm bald Beliebtheit und Achtung. Man gelangte
dahin, ihn für den ausgezeichnetsten aller fremden Diplomaten,
fQr einen vorzüglichen und eleganten Redner zu erklären. Im
April 1680 war er in Paris angelangt, — schon im Januar 1681
schreibt Ludwig XIV. selber an R6benac: „Ich bin durchaus
mit Spanheim zufrieden und von meinen Vorurteilen gegen ihn
zurück gekommen . "
Es wurde Spanheim um so leichter, in Paris festen Fufs
zu fassen, als sein neuer Herr unverrückt an der Seite Frank-
reichs verblieb. Er und seine Minister verhehlten dem Grafen
Lamberg, als dieser Mitte April 1680 nach Berlin kam, ihre
wahren Gesinnungen keineswegs: Holland denke nur an sich:
in England, das am meisten „Peso" zu geben vermöge, seien
König und Parlament uneins; auf Spanien „sei kein grofser
Staat zu machen" — so würde es schlecht hergehen. Friedrich
Wilhelm teilte die Nachricht von dem Bündnis, das ihm der
Kaiser, Holland und England anboten, sofort R6benac mit, der
ihm dann selbstverständlich durch eine ausführliche Denkschrift
dringend davon abriet'.
^ Ms. Chiffrierte Dep. ügens vom 25. Mfixz 1680; das. Rep. LXHI, 2.—
Ms. Kurf. an d'Espence, 6./16. April 1680; das. Rep. XI, Frankr. 19 A.
* Geh. Staatsarchiv, a. a. 0., 19 D.
18*
276 Siebentes Buch.
Denn aufser Lamberg und Amerongen erschien, im Mai
1680, auch ein englischer Abgesandter, Southwell, in Berlin,
um den Kurfürsten für die antifranzösische Koalition zu ge-
winnen *. Allein Friedrich Wilhelm liefs sich nicht mehr durch
schöne Worte täuschen. Die Berichte des jüngeren Schwerin
sowie Spanheims hatten ihn über die wahren Gesinnungen Karls II.
genügend aufgeklärt. Er anwortete dem Engländer unverblümt:
das Anerbieten britischer Freundschaft in diesem Augenblicke er-
scheine ihm als ein Auskunftsmittel, um sich daheim mit dem Parla-
mente zu vertragen und von diesem Geldbewilligungen zu erlangen.
Er sowohl wie seine Minister machten wiederholt auf ihre An-
sicht aufmerksam : England sei der Grundstein der europäischen
Freiheit; solange indes dieser Grundstein wanke, könne man
keine sichere Stellung nehmen, um Frankreichs Macht aus den
Angeln zu heben. Ein sehr richtiger Grundsatz, der dann in
den beiden letzten Koalitionskriegen gegen Ludwig XIV. sich
vollkommen bewahrheitet hat! Der Kurfürst verhehlte nicht,
dafs der Entschlufs Karls IL, gegen Frankreich Partei zu er-
greifen, ihm recht unzuverlässig erscheine und er selber deshalb
in dem gegenwärtigen Momente auf ein Bündnis mit diesem
Herrscher nicht eingehen könne. — Southwell verblieb noch bis
zum Oktober 1680 in Berlin, ohne irgend einen Erfolg zu er-
langen.
Ungehindert beging Frankreich neue Gewalttaten : es unter-
warf alle Besitzungen deutscher Beichsfürsten im Elsafs seiner
Oberhoheit. Friedrich Wilhelm empfand diese abermalige Ver-
gewaltigung des Reiches um so schmerzlicher, als er dadurch
die Glaubensfreiheit der zahlreichen evangelischen Bewohner
jener Gegenden ernstlich bedroht sah. Er verwandte sich des-
halb bei Ludwig XIV. ; als dieser jedoch von seinem angeblichen
Bechte nichts nachlassen wollte, mufste er selber schweigen*.
Des Kaisers Vorschlag, die weltlichen Kurfürsten sollten mit
ihm in Regensburg persönlich über die geeigneten Mafsregeln
zur Sicherung des Reiches beraten, wies er durchaus zurück;
er trage kein Gelüst, sich wiederum der Rache Frankreichs
^ Über seine Gesandtschaft s. Räumer, Beiträge z. neueren G^esoh.»
HL (Leipzig 1839), S. 438 ff.; sowie Pufendorf, XVni, 3. 4.
> Ms. Kurf. an Spanheim, 15./25. Mai, und Spanheim an Kurf.,
2712. JuH, 19./29. Nov. 1680; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 21 A. -
Prutz, 228 f.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Daa französiBche BOndniB. 277
blorszustellen ^ In diesen Beschlüssen vermochte ihn auch die
Ankunft des ihm seit lange befreundeten Markgrafen Hermann
Yon Baden nicht zu erschüttern, der im Sommer 1680 an allen
deutschen Höfen umherreiste, um ein enges Bündnis zum Schutze
der iiReichssekurität*' zu stände zu bringen. Persönliche Ein-
wirkung scheiterte an den sachlichen Erwägungen.
Und doch, es hätte für den Kaiser eine Möglichkeit gegeben,
Brandenburg für den Anschlufs an die Sache der europäischen
Freiheit zu gewinnen: durch die Abtretung Jägemdorfs oder
eines m&fsigen Äquivalents. Diese Angelegenheit betrieb der
Kurfürst mit all dem Eifer und der ganzen Hartnäckigkeit, die
er in Verfolgung seines Rechtes zu entfalten pflegte; dessen
Wahrnehmung bildete einen der Grundzüge seines Charakters.
Die Beihilfe zur Erlangung Jägerndorfs hatte Ludwig XIV. im
Geheimvertrage vom 25. Oktober 1679 ausdrücklich versprechen
müssen. Der Kurfürst verhandelte seitdem in Paris unausgesetzt
über die Ausführung dieses Artikels. Ilgen und d'Espence
hatten deshalb im März 1680 persönlich mit dem Könige kon-
feriert, hatten aber von ihm nur die Zusage erhalten, sein
Gesandter in Wien solle die Ansprüche Brandenburgs unter-
stützen; Ludwig hatte hinzugesetzt, solche Schritte würden
freilich wenig nützen ^. Man gewinnt den Eindruck, dafs Ludwig
das Gelingen dieser Unterhandlung keineswegs wünschte,
um eine Versöhnung des Kaisers mit Friedrich Wilhelm zu
verhüten. Und Leopold L? Anstatt durch ein immerhin
geringfügiges Opfer die gerechte Verstimmung des Kurfürsten
zu beseitigen und die für ihn selbst, für das Reich und Europa
als so kostbar erkannte Freundschaft des waffenmächtigen
Brandenburg zu gewinnen, schlug er vor, dieses möge über den
Ausgleich durch eine besondere Gesandtschaft in Wien ver-
handeln, — ein treffliches Mittel, um des Kurfürsten Absichten
in Paris zu verdächtigen! Allein dieser ging nicht in die
plumpe Falle ; er verweigerte entschieden die Abschickung einer
Spezialgesandtschaft nach Wien, überhaupt jeden Ausgleich
auf Grund einer Geldentschädigung, forderte sein Fürstentum
und nichts anderes. Die hartnäckige Rechtsverweigerung seitens
^ Berichte Lambergs; ü. u. A., XIV, 11.
' Mb. Chi&ierte Depeschen Ilgens yom 22./25. März, sowie Ms.
Kurf. an d'Espence, 6./16. April 1680; Berlin, a. a. 0., 19 A. B, und Eep.
LXm, 2.
278 Siebentes Buch.
des Kaisers erfüllte ihn von neuem mit Abneigung und Verdacht
gegen das Reichsoberhaupt.
Ebensowenig wie die Streitigkeiten mit dem Kaiser wurden
die mit den Niederlanden wegen der Subsidien beigelegt. Wenn
auch die Ansprüche des Kurfürsten auf die Hilfsgelder seit
1676 streitiger Natur waren, blieb es doch unerträglich, dafs
einige Provinzen, wie Zeeland, selbst die Zahlung der von
ihnen bis 1676 geschuldeten Summen verweigerten. Die Stimmung
wurde auf beiden Seiten immer gereizter, zumal seitdem die
Hochmögenden die Zurückerstattung des den Spaniern von der
brandenburgischen Flotte abgenommenen „CarolusII." verlangten
und sich den Kolonialplänen des Kurfürsten widersetzten \
Gerade die spanische Sache stand seit Mai 1680 im Vorder-
grunde von Friedrich Wilhelms Interesse. Er erbat Hilfe von
Frankreich, wenn er, wegen seiner Repressalien zur See, von
Spanien angegriffen werde. Ludwig XIV. sagte ihm solche
bereitwillig zu, — welch glänzender Gegensatz zu der mifs^
günstigen Haltung der Niederlande! Nicht nur gegen Spanien,
nein, gegen jeden Staat, der sich dessen tätlich annehmen werde,
verhiefs der König seinen Beistand. Er befahl dem Gouverneur
seiner Seeplätze, die kurfürstlichen Kriegsschiffe mit aller er-
denklichen Begünstigung aufzunehmen. Er erkannte die Recht-
mäfsigkeit der brandenburgisohen Kapereien um so geflissent-
licher an, je schärfer sich Holländer und Briten über solche
aussprachen. Kein Wunder, dafs Friedrich Wilhelm sich immer
enger an Frankreich anschlofs, dafs er, zum Zeichen per-
sönlicher Freundschaft, dessen Monarchen einen kostbaren, aus
Bernstein gefertigten und mit Kristallspiegeln versehenen
Toilettentisch verehrte ^.
Und inzwischen war in dem beweglichen Geiste Friedrich
Wilhelms ein neuer Plan, eine neue lockende Hoffnung ent-
standen : mit Hilfe seines französischen Alliierten den wichtigsten
Wunsch seines Lebens, den der Vertreibung der Schweden aus
Pommern, ausführen zu können. Die Beziehungen zwischen
Paris und Stockholm waren tatsächlich immer ungünstiger ge-
worden.
1 U. u. A., III, 568 ff.
* Ms. Korrespondenz zwischen Berlin und Paris, Mai bis Nov. 1680;
Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 19 D. 21 A.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Bas französisclie Bündnis. 279
Johann Gyllenstiema war durch einen frühen Tod seiner
glänzenden Tätigkeit entrissen worden (Juni 1680), aber nicht
ohne seine Grundsätze -- Stärkung der königlichen Macht auf
Kosten des Adels, Erhöhung der Einkünfte des Staates durch
Wiedereinziehung der vom Adel geraubten Domänen und Bezüge,
volle Unabhängigkeit nach aufsen — dem jungen Könige ein^
geprägt zu haben. Dieser wählte zu seinem hauptsächlichen
Ratgeber den viel erfahrenen, ebenso verschlagenen wie beharr-
lichen und arbeitsfreudigen Grafen Bengt Oxenstierna, einen
alten Gegner der französischen Partei; de la Gardie, deren
Fahrer, wurde jedes Einflusses beraubt. Freilich gab Oxenstierna
den kühnen Plan seines Vorgängers, eine neue skandinavische
Union zu schaffen, auf. Allein er vertrat dafür die Ansicht,
Schweden müsse im Bunde mit dem Kaiser, England und
Holland die Freiheit Europas gegen die universalmonarchischen
Entwürfe des übermächtigen Frankreich schützen. Er begann
sofort mit den General Staaten zu unterhandelnd Infolgedessen
wies er jeden Versuch zu einem erneuten Bündnis mit Frank-
reich kühl zurück, zur grofsen Kränkung des Allerchrist-
lichsten Königs. Im November 1680 erklärte er dem französi-
schen Gesandten Feuquiferes — dem Vater R6benacs — ganz
offen, dafs Schweden weit beträchtlicheren Nutzen aus dem An-
schlufs an die franzosenfeindliche Partei oder mindestens aus
der Neutralität ziehen werde als aus einer Allianz mit Frank-
reich *.
Friedrich Wilhelm folgte diesen Vorgängen mit Aufmerk-
samkeit und wachsenden Hofihungen. Seit August 1680 drängte
er Röbenac zum Abschlüsse eines neuen, engeren Bündnisses,
angeblich ,,um sich gegen die Umtriebe des Kaisers zusichern",
in Wahrheit um Schweden angreifen zu können. Er war, nach
seiner Art, Feuer und Flamme für diesen Plan, obwohl solchem
die Minister ausnahmslos kühl und bedenklich gegenüberstanden^.
Sie fürchteten üble Folgen aus unbedachtem und überstürztem
Handeln, während Friedrich Wilhelm, trotz Alters und Krankheit,
sich schon wieder an der Spitze seiner wohl geübten Regimenter
vor Stettin und Stralsund erblickte. Der französische Gesandte
» Carlson, V, 44ff.
' Feuquiöres, Lettres, V, 177. 183. 185. 203. 208.
' Prutz, 347 (Depeschen Bebenacs).
280 Siebentes Buch.
ging mit anscheinendem Eifer auf diese Unterhandlungen ein.
Galt es doch, die ,, verbrecherischen^ Machinationen in und
aufser dem Reiche wider die „friedlichen^ Absichten Frankreichs
zu vereiteln ! Es mufs verwunderlich gewesen sein, wie R6benac,
Jena und Meinders sich bei solchen Worten ohne Lachen an-
sahen. Die Ziele des Kurfürsten waren ja ganz andere. Er
will gröfsere Subsidien erhalten, um eine starke Armee auf-
stellen zu können. Der König soll ihm bei passender Gelegen-
heit bewaffnete Hilfe zur Eroberung Jftgerndorfs leisten. Er
soll ihn gegen Spanien unterstützen. Das neue Verteidigungs-
bündnis soll sich nicht auf den Fall eines feindlichen Angrifiis
beschränken; schon ein blofser „Affront'' seitens eines fremden
Staates mufs den casus foederis bilden. Denn die Hauptabsicht
ist gegen Schweden gerichtet Um Frankreich hierfür zu ge-
winnen, ist Friedrich Wilhelm bereit, selber eine gröfsere Anzahl
von Truppen zu stellen, als man von ihm verlangt: die H&lfte
deijenigen, zu der sich der König erbietet ^
So gedachte der Kurfürst Frankreich als Werkzeug seiner
Pläne zu benutzen. Das Unglück war nur, dafs Ludwig XIV.
seinerseits Brandenburg lediglich als seinen Diener zu behandeln
entschlossen, und dafs er der Stärkere war. Er wollte wohl
etwas höhere Subsidien gewähren, als der Vertrag vom 25. Oktober
solche festgesetzt hatte, aber bei weitem geringere, als man in
Berlin forderte: Brandenburg sollte eben in Abhängigkeit er-
halten werden. R6benac suchte die Pille zu versüfsen : für den
Notfall dürfe man auf die „Generosität" seines Königs zählen ;
an diesem Punkte der Subsidien werde der Kurfürst ein „so
heilsames und nützliches Werk" doch nicht „accrochiren" lassend
In der Tat, Friedrich Wilhelm mufste nachgeben. Er war von
der Besorgnis erfüllt, Schweden könne ihm doch noch bei
Frankreich zuvorkommen. Als R^benac ihm hiermit drohte und
die Unterzeichnung bis zum folgenden Tage verlangte, wich der
^ Ms. Jena u. Meinders an Kurf., 4. Sept., £urf. an Jena u. Meinders,
7. Sept., Fuchs an Jena, 24. Okt. 1680^ Berlin, G-eh« Staatsarcliiy, XI,
Frankr. 19 D.
' Ms. Spanheim an Kurf., 18./23. Sept. (a» a. O. 21 A), Jena und
Meinders an Eurf., 28. Okt. 1680 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XLm, 2). —
Prutz, 848 f. — Im Berliner Geh. Staatsarchiv befinden sich sehr um-
fassende Auszüge aus K^benacs Depeschen, im Pariser Auswärtigen
Ministerium angefertigt. Ich werde sie hier stets mit (B.) anfahren.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französiBche Bündnis. 281
Kurfürst in der Subsidienfrage zurück. Von unerträglichen
Gichtschmerzen gepeinigt, die ihm das Schreiben beinahe un-
möglich machten, befahl er seinen Kommissaren, abzuschliefsen
(13. November 1680). Am 20. November ging ein Kurier mit
dem neuen Vertragsentwürfe nach Paris ab.
Nicht nur auf seine Unabhängigkeit, auch auf seine
schwedischen Pläne hatte der Kurfürst einstweilen verzichten
müssen, da Frankreich von solchen nichts hören wollte. Es
liefs ihn sich mit Projekten eines Angrifis auf das spanische
Geldern amüsieren, suchte ihn aber vor allem auf den Kaiser zu
hetzen. Gegen diesen sollte er Vergröfserung suchen, sich
Schlesiens und Mährens bemächtigen. Wie weit war Friedrich
Wilhelm durch die „Freundschaft" mit Frankreich aus den alten
und natürlichen Bahnen seiner Politik getrieben!
Und doch fand er keinen Halt mehr auf dem einmal ein-
geschlagenen Wege. Der Prinz von Oranien war am 17. Ok-
tober nach Potsdam gekommen, wo er allerdings eine glänzende Auf-
nahme fand, indes nichts Wesentliches erreichen konnte. Sein
Oheim versprach sich mit Recht von einer neuen europäischen Ko-
alition gegen Frankreich keinen Erfolg, solange England in seiner
zweideutigen Haltung verharre. Die günstige Wirkung, die
Oraniens Anwesenheit immerhin hätte üben können, wurde durch
die eben damals von den Generalstaaten getroffenen feindseligen
Mafsnahmen gegen die brandenburgischen See- und Kolonial-
unternehmungen zunichte gemacht. Friedrich Wilhelm konnte
nur mit Mühe von Akten offener Gegnerschaft zurückgehalten
werden. Die Niederländer, die ihn nicht zum Äufsersten treiben
wollten, mäfsigten in etwas die Plakate, durch die sie alle ihre
Untertanen von den kurfürstlichen Schiffen abberufen hatten.
Allein die Verstimmung blieb in Berlin herrschend ; man versah
sich dort von den Vereinigten Provinzen keiner Gunst. Unver-
richteter Sache verliefs der Prinz das brandenburgische Hof-
lager*.
Ebensowenig gelang es Lamberg, den Kurfürsten auch nur
für einen Beitrag zur Reichskriegskasse zu gewinnen, die der
Kaiser und seine Anhänger in Deutschland zu bilden beabsichtigten.
Er wolle sich nicht zum Sklaven machen lassen, erklärte er,
und man habe ihn am kaiserlichen Hofe „auch sonsten also
> U.U. A., ni, 589 ff., XIV, 967 ff. — Das Folgende nach XIV, 969 ff.
282 Siebentes Buch.
traktiret", dafs er keine Ursache habe, auf solche Vorschläge
einzugehen. Das Äufserste, wozu er sich herbeiliefs, war die
Versicherung, er werde sich den Beschlüssen der Mehrheit des
Reichstages nicht widersetzen und überhaupt nicht vom Reiche
lossagen. Allein nur um so nachdrücklicher forderte er vom
Kaiser Jägerndorf und von dessen spanischen Verwandten die
Bezahlung der noch geschuldeten Subsidien oder eine entsprechende
Abtretung im belgischen Gelderlande.
Denn darauf ging nunmehr seine Absicht. Alter und Krank-
heiten hatten den feurigen Sinn und die Unternehmungslust
dieses merkwürdigen Fürsten nicht zu schwächen vermocht; er
war wie ein mutiger, selbstvertrauender, der Zukunft sicherer
Jüngling. Da er seine Entwürfe auf Schwedisch-Pommem ver-
tagen mufste, da der Kaiser ihm Jägemdorf vorenthielt, gedachte
er sich des spanischen Geldern zu bemächtigen. Eine Anzahl
Regimenter wurde nach Kleve in Marsch gesetzt. Er wünschte
dringend, dafs Spanien seine Drohung wahr mache und die
Wegnahme des „Garolus 11.^ durch einen Einfall in das Klevische
räche. Er wolle, rief er aus, zehntausend Taler demjenigen
geben, der ihm zuerst die Nachricht von dem Erscheinen spanischer
Reiter in seinem Gebiete überbringe *. Mit Frankreich als Ver-
bündetem gedachte er dann Eroberungen in Belgien zu machen.
Ludwig XIV. war mit dem Gange der Dinge sehr einver-
standen: er hatte Brandenburg dahin geführt, wo er es hatte
haben wollen, — in Gegnerschaft nicht zu Schweden, sondern
zu den Habsburgem. In Paris, schreibt Spanheim am 11. De-
zember 1(380 dem Kurfürsten, ist man „mit Eurer Hoheit ganz
aufserordentlich zufrieden und hofft auf ein immer engeres Ver-
hältnis"*. Der König billigte den in Berlin verabredeten
Geheimvertrag, der am l./U. Januar 1681 zu Colin an der Spree
von R^benac, Jena und Meinders unterzeichnet wurde'.
Das Bündnis wurde auf zehn Jahre abgeschlossen. Es
sollte keine gewöhnliche Defensivallianz sein, sondern der Aus-
druck vollkommener Vertraulichkeit zwischen den beiden ab-
schliefsenden Herrschern. Wenn einer der beiden Verbündeten
nicht nur in seinen Besitzungen angegriffen wurde, sondern auch
in seinen Rechten, Gerechtsamen und Ansprüchen, mochte er die
1 Prutz, 349.
« Sein Wortlaut bei Mörner, 708ff.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis 283
Hilfe des anderen anrufen (Artikel 4). Und dabei durfte der
um Beistand Angerufene durchaus nicht untersuchen, ob der
Anrufende recht oder unrecht habe, ob er den Streit herbei-
geführt habe oder nicht (Artikel 5). Diese Bestimmungen hatten
in den Augen der französischen Staatslenker den Zweck, den
Kurfürsten auch zur Verfechtung aller der Reunionen zu ver-
pflichten, die sie auf Kosten ihrer Nachbarn bereits gemacht
hatten oder noch zu verwirklichen gedachten. Allein es ist
eine ganz falsche Auffassung, wenn man behauptet hat, Fried-
rich Wilhelm habe sich hier ausschliefslich zum Diener der
französischen Gewaltpolitik mifsbrauchen lassen. Vielmehr war
es seine Absicht, auch seinerseits sich auf jene Artikel zu
berufen, wenn es galt, seine Ansprüche auf Jägern dorf, Ost-
friesland, das spanische Geldern zu verwirklichen. Das lag ja
seiner ganzen damaligen Politik, seinem Anschlüsse an Frankreich
zu Grunde. Ausdrücklich setzte der 20. Artikel fest, dafs der
König ihn in seinen Repressalien gegen Spanien verteidigen
solle wider jeden, der ihn deshalb feindlich behandeln werde;
und der 7. Separatartikel, dafs, nach dem kinderlosen Hinscheiden
des Prinzen von Oranien, Se. Majestät den Kindern des Kur-
fürsten aus erster Ehe zu der ihnen von Rechts wegen zukommen-
den oranischen Erbschaft zu verhelfen habe. Die Erfahrungen,
die Friedrich Wilhelm in dem jüngstvergangenen Kriege gemacht,
haben zweifellos zu der Einfügung des siebenten Artikels des
Hauptvertrages geführt, der den Verbündeten auf jeden Fall
eine Entschädigung für die aufgewandten Kosten und Mühen
des Krieges zusicherte. Und wenn der 6. Artikel bestimmte,
dafs der um Hilfe Angegangene zwar nicht die Pflicht, wohl
aber das Recht habe, den Gegnern des ihn Anrufenden direkt
den Krieg zu erklären, so ging auch das auf den Wunsch
Friedrich Wilhelms, eventuell auf Kosten des Kaisers, Spaniens
oder Schwedens seinen Landbesitz zu vergröfsem. Endlich sagte
der Vertrag dem Kurfürsten französische Hilfsgelder in der Höhe
von jährlich 100000 Talern — anstatt wie bisher 100000 Livres,
also das Dreifache — zu.
Dagegen kam es nur Frankreich zu gute, wenn der Kur-
fürst sich jetzt auf den Boden des Nymweger Friedens stellte,
gegen den er bislang protestiert hatte; und wenn er versprach,
sein Land jedem Durchzuge seitens gegnerischer Truppen oder
der Werbung für diese zu verschliefsen.
284 Siebentes Buch.
Die Höhe der gegenseitigen militärischen Hilfeleistung wurde
auf 4000 Reiter, 8000 Fufsgänger und 1200 Dragoner seitens
Frankreichs festgesetzt, seitens Brandenburgs auf die Hälfte:
doch sollte sie erforderlichenfalls verdoppelt oder sogar verdrei-
facht werden. Die Gewinnung weiterer Bundesgenossen wurde
als wünschenswert bezeichnet, besonders die Dänemarks, des
alten Alliierten, mit dessen Hilfe der Kurfürst die Schweden
zu bekämpfen gedachte.
Der Vertrag wurde also gleicherweise den Wünschen beider
abschliefsenden Fürsten gerecht. Man dürfte nicht sagen, dafs
er an sich für Frankreich vorteilhafter gewesen als für Branden-
burg; eher ist das Gegenteil der Fall. Allein tatsächlich gibt
bei dergleichen Abkommen die gröfsere Macht den Ausschlag
dafür, wer aus ihnen den bedeutenderen Nutzen zieht. Und da
sollte Friedrich Wilhelm bald erfahren, dafs sein gewaltiger
Alliierter nicht gewillt sei, ihm die versprochenen Vorteile
wirklich zu gewähren, sondern solche nur für sich selbst ein-
zuheimsen. Das Bündnis verlieh dem Brandenburger wohl Schutz
gegen seine Feinde, — einen wirklichen Gewinn hat es ihm nicht
verschafft, sondern nur den Franzosen.
Der neue Vertrag wurde, ebenso wie der alte vom 25. Ok-
tober 1679, streng geheimgehalten. Sogar Spanheim ei*fuhr
davon zunächst nur gerüchtweise^. Um so eher konnten der
Kurfürst und seine Minister — diese zum Teil in gutem Glauben —
das Bündnis bestimmt in Abrede stellen.
Dem Wunsche Frankreichs entsprechend versöhnte der Kur-
fürst sich mit dem hervorragendsten der Braunschweiger Herzoge,
Ernst August von Hannover, mit dem er wenige Tage später
ein Verteidigungsbündnis schlofs. Doch wurde darin ausdrücklich
festgesetzt, dafs die Hilfeleistung nur für den Fall stattfinden
solle, dafs der angegriffene Kontrahent nicht selber den Kampf
verschuldet habe. Eine ähnliche Allianz kam am 18. April 1681
zu Finsterwalde zwischen Kurbrandenburg und Kursachsen zu
Stande'. Der seit wenigen Monaten hier herrschende Johann
Georg III., ungleich seinem Vater ein kräftiger, das Soldaten-
tum liebender Regent, war voll guten Willens, sich mit dem
^ Ms. Spanheim an Kurf., 3. Jan. 1681; Berlin, Oteh. Staatsarchiv,
XI, Frankr. 21 B. — Bald darauf wurde er ihm jedoch mitgeteilt.
> Beide Verträge Mörner, 422 ff.
Dreiundvierzigstes Kapitel. Bas französische Bündnis. 285
brandenburgischen Nachbar freundlich zu stellen, und hatte ihn
in Begleitung seiner öemahlin und des Prinzen Christian in
Potsdam aufgesucht. Freilich, jene Allianzen Tiaren mehr
platonischen Wesens und hatten auf die vorliegenden Streitfragen
keinen Bezug. ,,Sie taugen nicht so viel wie eine Bohne,*' sagte
Jena verächtlich ^
Der sechste Separatartikel des französisch-brandenburgischen
Vertrages verhiefs dem Kurfürsten den Beistand Frankreichs,
wenn jemand ihn oder seinen zweiten Sohn Ludwig in dessen
Vermählung mit der Prinzessin Luise Charlotte Radziwill oder
dem Besitze ihres reichen Erbes beeinträchtigen wolle. Diese
Bestimmung richtete sich hauptsächlich gegen das polnische
Königspaar, das seinem eigenen Sohne Jakob durch Heirat oder
einen mit rechtlichen Formen umkleideten Raub die ungeheuren
Radziwillschen Güter zu verschaffen wünschte (vgl. oben, S. 31 f.)-
Als Markgraf Ludwig die Prinzessin geehlicht, zeigte sich König
Johann Sobieski zunächst sehr ungebärdig und drohte mit Krieg.
Allein die französische Regierung verfehlte nicht, ihn mit einem
kalten Wasserstrahl zu beruhigen, und da überdies ein Türken-
krieg drohte, zerflatterten die Rachepläne des polnischen Königs
bald in nichts; er wagte es nicht einmal, dem Prinzen Ludwig
das zum Besitze der polnischen Güter seiner jungen Gattin not-
wendige Indigenatsrecht zu versagen'.
Das war immerhin eine günstige Wirkung der französischen
Freundschaft. Aber weit wichtiger erschien sie dem Kurfürsten
im Hinblick auf die nordischen Verhältnisse , wo ihm der Er-
oberungskrieg gegen Schweden als stetes Ziel seiner Wünsche
vor Augen schwebte. Zu diesem Behufe arbeitete er unaus-
gesetzt auf eine brandenburgisch -französisch -dänische Tripel-
allianz hin, die Schweden in die ungünstigste Lage bringen
mufste^. Der dänische Gesandte in Paris, Hoeg, erhielt von
seiner Regierung den Auftrag, in gleichem Sinne tätig zu sein.
Auch Croissy , der ja Friedrich Wilhelm überhaupt zum eigent-
lichen Pfeiler der französischen Politik in Deutschland und dem
1 U. u. A., XrV, 988. 994.
* Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 21 B. — Feuquiöres,
V, 228. — U. u. A., n, 588, XIV, 991.
' Über dies. Verhandlungen die Ms. Korrespondenz des KnrfOrsten
mit Spanheim, Jan. bis Mai 1681 ; Qteh. Staatsarchiv, a. a. 0. — ü. u. A.,
m, 604.
286 Siebentes Buch.
Norden zu machen gedachte, schon -weil ihm, im Hinblick auf
die zukünftige Kaiserwahl, ein einflufsreicher KurfQrst wichtiger
erschien als Schweden, war dem Abschlüsse eines solchen Drei-
bundes geneigt. Aber sein König war anderer Ansicht : er wollte
Schweden, den langjährigen Alliierten Frankreichs, nicht geradezu
in die Arme von dessen Feinden treiben, zu Gunsten des Branden-
burgers, dessen innerliche Abneigung gegen Frankreich er wohl
kannte, und auf dessen Treue im entscheidenden Augenblick er
keineswegs zählte. Er verlangte also, dafs auch Schweden in
den nordisch-französischen Bund aufgenommen werde ; und unter
seiner Einwirkung änderte Dänemark gleichfalls die Haltung.
Der Kurfürst war über die drohende abermalige Vereitelung des
Hauptzieles seiner Politik entrüstet : mit Schweden , schrieb er
an Spanheim, werde er keinesfalls in eine Allianz eintreten.
Darin vermochte ihn auch die Ankunft eines dänischen Gesandten,
Buchwald, in Berlin nicht irrezumachen, der ihn bereden
wollte, sich dem 1680 eingegangenen dänisch -schwedischen
Bündnisse anzuschliefsen.
So trat, schon wenige Monate nach dem neuen Geheim-
vertrage, eine gewisse Spannung zwischen Brandenburg auf der
einen, Frankreich und Dänemark auf der anderen Seite ein. Sie
wurde indes durch die Gestaltung der allgemeinen europäischen
Verhältnisse wieder beseitigt.
Frankreich hatte seine Raubpolitik mit einer durch die
offenbare Wehrlosigkeit seiner Opfer erhöhten Kühnheit fort-
gesetzt. Auf Grund der von den Reunionskammern von Metz,
Breisach und Besannen gefällten angeblichen Urteile bemächtigte
es sich des gröfsten Teils des spanischen Herzogtums Luxemburg,
der dem Prinzen von Oranien gehörigen Grafschaft Chiny, der
württembergischen Grafschaft Mömpelgard, eines Teiles der
Rheinpfalz, der Gebiete von Salm, Saarbrücken und Sponheim,
von Veldenz und Lützelstein ; es beanspruchte endlich die Ober-
hoheit über das dem Könige Karl XI. untertane Herzogtum
Zweibrücken. Das von diesen Gewalttaten hauptsächlich
betroffene Deutsche Reich aber litt unter tiefgehender Spaltung.
Brandenburg, die Braunschweiger Herzoge, Köln und Münster
bildeten eine förmliche französische Partei, zu der auch Bayern
neigte. Österreich konnte jetzt auf Sachsen, Trier, Mainz, sowie
die kleineren geistlichen und weltlichen Fürsten zählen, deren
Stimmen ihm eine, freilich in den Tatsachen ziemlich wirkungslose
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 287
Mehrheit auf dem Regensburger Reichstage verschafften. Georg
Friedrich von Waldeck, seit einem Jahrzehnt in niederländischen
Diensten, hatte eine Anzahl dieser Kleinfttrsten und Dynasten
in Westdeutschland, dazu die Landgrafen von Hessen, die
Bischöfe von Bamberg und Würzburg, den Herzog von Gotha,
sowie den Fürstabt von Fulda zu einer reichspatriotischen
„Union armierter Stände^ vereint. Mehrere andere Fürsten
endlich waren zur Neutralität entschlossen ^ Der Kaiser seiner-
seits hatte im Sommer 1681 eine Reform der Reichskriegs-
verfassung in Regensburg durchgesetzt, die wirklich die militärische
Kraft des Reiches bedeutend verstärkt haben würde, wenn man
nur ihrer Ausführung sicher gewesen wäre. Allein dazu war
nur geringe Aussicht. Es war ein schlimmes Zeichen, dafs
gerade der mächtigste Fürst, Friedrich Wilhelm von Branden-
burg, sich der Stärkung der deutschen Wehrkraft auf das ent-
schiedenste widersetzte. Er wünschte jedem Reichsstande das Recht
und die Pflicht zu wahren, „sich nach seinem besten Vermögen
selber in Positur zu setzen". Er wollte zumal von einer gemein-
samen Reichskriegskasse, die doch eine unentbehrliche Grund-
lage jeder ernsthaften Reichsarmee bilden mufste, nichts wissen,
da hierdurch die Gewalt des Kaisers über Kurfürsten und
Stände allzusehr verstärkt werde. Sein Groll über Leopold und
die diesem getreue Reichstagsmehrheit trug damals über jede
patriotische Regung den Sieg davon. Hier ist doch nicht mehr
von klugen politischen Erwägungen, die im Grunde das wahre
Interesse Deutschlands verfolgt hätten, sondern nur von Ab-
neigung, Schadenfreude und Selbstsucht die Rede, die — wenn
auch nur momentan — das tief verwundete Gemüt Friedrich
Wilhelms beherrschten und ihn Deutschlands Kraft und Ansehen
absichtlich herabwürdigen liefsen. Sein Gesandter in Regens-
burg, Friedrich von Jenas Bruder Gottfried, arbeitete den kaiser-
lichen Vorschlägen beharrlich entgegen. Kein Wunder, dafs die
französische Regierung ihre volle Befriedigung über die Haltung
Brandenburgs am Reichstage aussprach*. In seiner Verzweif-
lung hatte Österreich im April 1681 dem Kurfürsten ein Sonder-
bündnis angetragen, bei dem dessen reichsrechtliche Bedenken
ja keine Statt fanden; natürlich war der Vorschlag sofort mit
* Fenquiferes, V, 231ff. — Erdmannsdörffer, 666.
' Ms. Spanheim an Kurf., 6. Juni 1681.
288 Siebentes Buch.
Entschiedenheit abgelehnt worden ^ Auch das durch die
französischen Raubtaten plötzlich von aller Rachsucht gegen
Friedrich Wilhelm geheilte Spanien katte ihm den belgischen
Baron von Autel mit einem Hilfegesuch zugesandt, — be-
greiflicherweise mit dem gleichen Mifserfolge '. Die Habsburger
mufsten in dem Kurfürsten von Brandenburg ihren ausgesprochenen
Gegner erblicken.
Das Bündnis mit dem Reichsfeinde wurde freilich dem Kur-
fürsten immer lastender, je rücksichtsloser und kecker Ludwig
in der Beraubung des deutschen Besitzstandes vorging. Es
wurde bald klar, dafs er auch das Kleinod des Oberrheins,
Strafsburg, ins Auge gefafst hatte. Die Erbitterung in Deutsch-
land gegen den übermütigen Gewaltherrscher an der Seine wuchs
derart, dafs dieser es für gut hielt, einen Kongrefs in Frank-
furt vorzuschlagen, um sich gütlich mit dem Reiche auseinander-
zusetzen. Das deutsche Gemüt Friedrich Wilhelms und sein
Selbsterhaltungstrieb konnnten sich endlich diesen Stimmungen
nicht mehr entziehen. Gehörten doch die Grafschaften Sponheim und
Chiny zu der oranischen Erbschaft, deren Anheimfall an seinen
Sohn zu bewirken Ludwig XIV. in dem jüngsten Vertrage aus-
drücklich versprochen hatte. Auch die täglich grausamere Be-
drückung seiner Glaubensgenossen in Frankreich schmerzte den
frommen Fürsten tief. Er richtete, obwohl in achtungsvoller
Weise, bewegliche Vorstellungen an den AUerchristlichsten
König. Warum, sagten zugleich seine Minister dem Grafen
R6benac, werde man nicht eines Tages auch Magdeburg und
Berlin fordern ? Der Gesandte wie sein Hof begannen ernstlich
an der Fortdauer des guten Willens des Kurfürsten zu zweifeln'.
Es mufste ein gewaltiger Anstofs von aufsen kommen, um diesen
bei dem französischen Bündnisse festzuhalten.
Aber dieser Anstofs kam.
Karl XL von Schweden war unter dem Einflüsse Bengt
Oxenstiemas immer entschlossener in das Lager der Feinde
^ Die österreichisch -brandenburglBolien Beziehungen in der ersten
Hälfte des Jahres 1681 werden durch die Aktenstacke ü. u. A., XIY,
982 ff. hinreichend erläutert.
* Ms. Instr. an Autel, 19. März 1681 (Kopie); Berlin, Geh. Staats-
archiv, Eep. XCIV, IV Hb.
» Ms. Kurf. an Spanheim, 6. Sept. 1681. — Feuquiires, V, 247f. —
U. u. A., ni, 607. — Prutz, 240f. 352f.
Dreinndvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 289
Frankreichs übergegangen ^ Es umgaben ihn nur noch Gegner
dieses Staates. Die schwedischen Diplomaten arbeiteten aller-
orten gegen die französischen Interessen, im Anschlüsse an die
Vertreter des Kaisers und der Niederlande. Sie suchten eine
grofse europäische Koalition zur Verteidigung gegen Frankreich
zu Stande zu bringen, namentlich ein Bündnis mit England und
den Niederlanden hierfür zu schliefsen. Alle Gegenbemühungen
Frankreichs, den Schwedenkönig durch Erbieten reicher Hilfs-
gelder wieder auf seine Seite zu bringen, blieben fruchtlos. Die
Einziehung Zweibrückens als französischen Lehens und dessen
Übertragung auf einen anderen Zweig des Pfälzer Hauses
empfand Karl XI. vielmehr als eine persönliche Kränkung. So
ging er, nach längerer Vorbereitung, am 10. Oktober 1681
wenigstens mit den Generalstaaten auf zwanzig Jahre hin den
„Assoziationsvertrag*' ein, zur Aufrechterhaltung des West-
fälischen und des Nymweger Friedens mit bewafiheter Hand,
also zur Abwehr der Gewalttaten, die Frankreich gegen jene
Verträge bereits unternommen hatte und noch beabsichtigte.
Der Assoziationsvertrag war von vornherein dazu bestimmt, alle
von der Übermacht und Raubgier Ludwigs XIV. bedrohten
Staaten zu vereinigen; er bildete den Kern, um den sich die
grofse europäische Freiheitsliga kristallisieren sollte.
Damit war eine Sachlage geschaffen, die in ihrer Gegen-
wirkung Frankreich wieder enger an Brandenburg anschliefsen
mufste.
' Feuquiferes, V, 240. 251. 2Ö9ff. 267. — Carlson, V, I69ff.
Phi lipp 8 on, Der Grofse Kurfürst. III. 19
Vierundvierzigstes Kapitel.
Der Anschlag auf Schweden.
Der 30. September 1681 war der Tag, an dem Frankreich
im Angesichte des entrüsteten und entsetzten Europa kühn seine
Hauptschl&ge gegen das Völkerrecht und die universale Frei-
heit führte: am Rhein nahm es Strafsburg, in Oberitalien das
überaus feste Gasale in Besitz, — es streckte seine mächtigen
Hände zu gleicher Zeit nach der Herrschaft über Deutschland
und über die Apenninenhalbinsel aus. Das war ein furchtbarer
Augenblick für alle, die noch ein Herz für nationale und religiöse
Freiheit besafsen. Wie schmerzliche Empfindungen mufsten da
das Gemüt Friedrich Wilhelms bewegen, der neun Jahre zuvor
als erster das Schwert für diese Freiheit gezogen hatte!
In der Tat, Ludwig XIV. mifstraute seinem früheren Giegner
auf das tiefste ; er setzte voraus, die Wegnahme von Strafsburg,
auf die er den Kurfürsten in keiner Weise vorbereitet hatte,
werde diesen Herrscher vollends zu seinem Gegner machen. Hatte
er doch erst vor kurzem ihm versprochen, während der Dauer
der Frankfurter Friedenskonferenzen würden die Reunions-
kammem ihre Tätigkeit einstellend Am 8. Oktober suchte er
in einem Schreiben an R^benac seine Tat zu rechtfertigen — die
Hauptstadt des Elsafs müsse nun einmal mit diesem Lande dem
Könige gehören, sonst würde sie von lothringischen Truppen
besetzt werden — und verlangte zugleich eine offene Erklärung
des Kurfürsten, wie er sich jenem Ereignisse sowie dem kaiser-
lichen Proteste gegenüber zu verhalten gedenke. Davon hingen
^ Ms. Depeschen Röbenacs vom Juli 1681 (B).
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 291
dann Frankreichs zukünftige Beziehungen zu Brandenburg ab^
Zugleich mit dieser ernsten, fast drohenden Anfrage kam aber
eine Meldung Spanheims, dafs Croissy den Kurfürsten mit grofsen
Lobsprüchen bedenke, dafs der französische Minister behaupte,
nur um Brandenburgs willen schliefse man mit Schweden nicht
ab — was aber der Wahrheit durchaus widersprach — , und
dafs der König selber die Auszahlung der fälligen Subsidienrate
anbefohlen habe '. So richtete der Minister in höchst geschickter
Weise, ohne sich irgendwie zu binden, das Auge des Kurfürsten
auf Schweden.
Mit vollem Erfolge. Friedrich Wilhelm erschien es bei
reiflichem Nachdenken um so weniger möglich, Frankreich zu
bekämpfen, als Kaiser und Reich durch die Ungarn und Türken
auf das schwerste bedroht waren ^. Er meinte, man müsse nur
retten, was noch zu retten sei. Freilich gab er zunächst seiner
Trauer über die mafslosen und die Zukunft bedrohenden Annexionen
Frankreichs Ausdruck , allein er betonte dabei hauptsächlich die
Schwierigkeiten, in die er selber mit seinen französischen Be-
ziehungen, dem gerechten patriotischen Ingrimm Deutschlands
gegenüber, gerate. Und als R6benac ihn auf Schweden verwies,
„da warf er sich auf Pommern und eroberte es in seiner Rede
ebenso leicht, wie er es wirklich tun könnte, wenn er es unter*
nähme und dabei von Sr. Majestät von Frankreich unterstützt
würde** *. Er erklärte sich bereit , auch nach der Besetzung
Strafsburgs den Frieden im Reiche aufrechtzuerhalten; dafür
solle der König seine Rechte und Absichten gegen den gemein-
samen Feind, Schweden, begünstigen. Der Gegensatz, der sich
zwischen Paris und Stockholm herausgestellt hatte, genügte, um
den Kurfürsten bedingungslos dem französischen Interesse
zuzuwenden, als dem einzigen, von dem er solide Vorteile zu
erwarten habe. „Wenn unser König," so schreibt R6benac seinem
Vater Feuquiöres, dem Gesandten in Stockholm, „mir Vollmacht
zum Abschlüsse gibt, mache ich mich anheischig, den Kur-
fürsten inmitten Schwedisch - Pommerns zu bringen, bevor zwei
Monate verflossen sind."^ Drei Tage, nachdem die Nachricht
' Prutz, 853.
■ Ms. Spanheim an Kurf., 3. Okt. 1681.
■ Ms. Depeschen R^benacs vom Ende Sept. 1681 (B).
* Dep. E6benacs vom 15. Okt. 1681; Prutz, 353 f.
» Peuquiires, V, 259. 267 ff.
19*
292 Siebentes Buch.
von der Einnahme Strarsburgs nach Berlin gekommen war.
schenkte Friedrich Wilhelm dem Grafen R6benac einen kost-
baren, mit Diamanten besetzten Degen, um, wie er sagte, nauch
in Kleinigkeiten zu zeigen, dafs durch das Vorgefallene seine
Gesinnung gegen Ludwig XIV. und seine Freundschaft für den
Gesandten nicht verändert seien**. — „Das sind die Steine, mit
denen man mich hier bewirft,** ruft R6benac in höhnendem
Jubel aus^
Niemand hat sich tiefer vor Frankreich gedemtttigt, niemand
Deutschlands Ehre und Unabhängigkeit nichtachtender behandelt,
als es damals der Grofse Kurfürst tat, um an seinem ungetreuen
ehemaligen Verbündeten Vergeltung zu üben und um seinem
Staate die von ihm als notwendig betrachtete Abrundung an
der Ostseeküste zu verschaffen. Es liegt etwas Tragisches in
der Stellung, die hier der greise Fürst einnehmen zu müssen
glaubte, und die doch seinem wahren Empfinden, den Über-
lieferungen seines ganzen Lebens und den bleibenden Interessen
seines Staates widersprach. Würde er wenigstens die gehoffteu
greifbaren Vorteile aus ihr ziehen?
Freilich, die übrigen Beichsstände und ihr Oberhaupt
erschöpften sich lediglich in patriotischen Zomesphrasen und
diplomatischem Scheingefecht. Es war nicht unrichtig, wenn
der Kurfürst ausrief: „Es wäre nunmehr Zeit, dafs Leopold
sich Kaiser zu sein erwiese.**' Aber so rückhaltlos hat sich
keiner dem Bäuber in die Arme geworfen wie Friedrich Wilhelm.
Er begründete das gelegentlich selber dem Grafen Lamberg
gegenüber: die Mifshelligkeiten und „Jalousien** im Innern des Bömi-
schen Reiches; die Unmöglichkeit, den Reichstag zu festen Be-
schlüssen zu bringen ; der Mangel am „nervus rerum gerendarum** ;
das Fehlen zuverlässiger Hilfe von selten der fremden Mächte ; die
Unruhen in Ungarn und der drohende Türkenkrieg, — alles das
seien Umstände, die einen billigen Friedensschi ufs mit Frankreich
ratsamer erscheinen liefsen als einen Krieg, der dem Vaterlande
nur neues Unglück bringen werde. Zweifellos ist an diesem
Urteil viel Wahres, allein die Gesinnung in Deutschland,
Schweden, den Niederlanden war doch derart, dafs damals ein
Krieg gegen Frankreich weit bessere Aussichten geboten hätte
» Fcuquieres, V, 265. — Prutz, 354.
2 U. u. A., XIV, 1007. — Das Folgende nach ebendas. 1011. 1044 f.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 293
als 1672 oder 1674, wo der Kurfürst sich heldenmtttig in solchen
gestarzt hatte, um die Übermacht und Gewalttätigkeit Lud-
wigs XIV. einzudämmen. Und trug er nunmehr nicht selber
die Hauptschuld an den Streitigkeiten und am Scheitern einer
festen Finanz- und Kriegsverfassung im Reiche? Jene Be-
trachtungen geben auch nicht die ganze Denkweise Friedrich
Wilhelms wieder. Tief im Herzen safs ihm der Groll gegen
den Kaiser, der ihm — wie er dem dänischen und dem holländi-
schen Gesandten sagte — auch jetzt „nichts Solides vorbringe,
sondern lauter leere Worte und Vertröstungen, sowohl von ihm
selbst wegen Jägemdorf als von Spanien wegen der Satisfaktion ;
man wisse auch nicht, wessen man sich auf Se. Majestät zu ver-
lassen habe, und scheine es gleichsam, als wäre weder Kaiser
noch Römisches Reich mehr vorhanden**. Und zu all diesen
negativen Gründen, an Frankreich festzuhalten, kam der positive,
mit dessen und seiner Verbündeten Hilfe das schwedische
Pommern ganz oder teilweise zu erobern. Wir werden sehen,
dafs er hierüber gerade zu jener Zeit mit Dänemark Rück-
sprache hielt.
Nach langen Vorverhandlungen wegen lächerlicher Etikette-
streitigkeiten begann der Frankfurter Friedenskongrefs endlich
im Dezember 1681. In Übereinstimmung mit Brandenburg
schlug Frankreich daselbst vor: auf alle weiteren Reunionen
zu verzichten, wenn man ihm die bisherigen, mit Einschlufs
Strafsburgs, belasse; ja, es wolle dann selbst seine Besitzungen am
rechten Rheinufer, namentlich Freiburg, zurückerstatten. Das
war offenbar unter den damaligen Umständen eine nicht
ungünstige Lösung der Schwierigkeiten, zumal wenn das Über-
einkommen nicht als ein endgültiges, sondern nur als ein pro-
visorisches, auf eine längere Reihe von Jahren hin bindendes
abgeschlossen wurde. Allein der Kaiser — wer möchte ihn
deshalb schelten? — wollte die Beraubung des Reiches in keiner
Weise sanktionieren und warb vielmehr mit Eifer um Herstellung
eines grofsen Kriegsbundes unter den Reichsständen. I>Yiedrich
Wilhelm aber in seiner Verstimmung sah aus solchen Bemühungen
nur Unheil erwachsen. Er wolle, sagte er dem kaiserlichen
Gesandten, durch das Abkommen mit den Franzosen wenigstens
auf einige Zeit das Reich des Ruhestandes versichern, damit
inzwischen Anstalten zur Gegenwehr getroffen und die Unruhen
in Ungarn beigelegt werden könnten. Er vermochte darauf
294 Siebentes Buch.
hinzuweisen, dafs für den Fall des friedlichen Abschlusses
Ludwig XI Y. sogar dem Kaiser 50000 Mann gegen die Türken
zur Verfügung stellen wolle. Er sandte seinen Legationsrat
von Ruck — denselben, der in Spanien gewesen war — an die
vier rheinischen Kurfürsten, um sie für die Erhaltung des
Friedens auf Grund des französischen Vorschlages zu gewinnen
(Januar 1682). Ruck fand bei den für ihre Sicherheit besorgten
Herren freudige Zustimmung und ebenso ein anderer branden-
burgischer Abgesandter, Klamor Busch, in Münster und Kassel.
Zwar erschien Herzog Ernst August von Hannover, der kürzlich
zur kaiserlichen Partei zurückgekehrt war, in Berlin, um Fried-
rich Wilhelm auf diese Seite hinüberzuziehen, er mufste aber ohne
jeden Erfolg wieder abreisen, freilich ohne dafs es anderseits
dem Kurfürsten geglückt wäre, ihn für die Friedenssache zu
gewinnen. Ebensowenig führten Brandenburgs Verhandlungen
in gleichem Sinne mit Bayern, durch Gottfried von Jena, und
mit Sachsen, durch Meinders, zum Ziele. Beide Staaten erklärten,
in Übereinstimmung mit Hannover und den Waldeckschen Ver-
bündeten : im gegenwärtigen Augenblicke sei die Sache des
Reiches von der des Kaisers nicht zu trennen, und der Er-
oberungslust Frankreichs müsse endlich eine Grenze gezogen
werden. Bayern stellte ernstliche Rüstungen gegen die Fran-
zosen an.
Deutschland war von neuem unheilbar zerrüttet, in eine
brandenburgisch-französische und eine kaiserlich-unierte Partei
gespalten ^
Man dürfte nicht meinen, dafs Friedrich Wilhelm der Not
des Vaterlandes gleichgültig gegenübergestanden hätte. Er ver-
hehlte seine Meinung in Paris nicht, dafs die „bei den sogenannten
Reunionen und Inkorporationen vorgefallenen Tätlichkeiten und
Violationeu denen Münsterschen 'und Nymwegenschen Friedens-
traktaten keineswegs konform noch daraus einigermafsen justi-
fiziert werden könnten, sondern direkt zuwiderlaufen". Sein
Gesandter Spanheim erklärte dem Minister Croissy, dafs eine
Fortsetzung solcher «Spoliationen" notwendig zum Bruche mit
dem Reiche führen müsse, den der Kurfürst allein noch auf-
' Ms. Kurf. an Spanheim, 20. Jan. 1682. — Pufendorf, XVIII,
34^-42. — U. u. A., XIV, 1011. 1016. 1019 f. — K. Th. Heigel, Quellen
u. Abhandl. z. neueren Gesch. Bayerns, neue Folge, S. 90—94.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 295
halte ^. Allein mit Gewalt glaubte er eben für den Augenblick
nichts gegen Frankreich ausrichten zu können, und überdies
erfüllte ihn dessen wachsendes Zerwürfnis mit Schweden mit
den freudigsten Hoffnungen. Ludwig XIV. erliefs im Dezember
1681 eine förmliche Absage an^Karl XI., der sich wirklich mit
aller Macht für die Sammlung Europas um den Assoziations^
vertrag bemühte, und von dem man den Ausspruch anführte:
wie Gustav Adolf einst der erste gewesen, sich der damals allzu
furchtbaren Macht des Hauses Österreich zu widersetzen, werde
jetzt er der erste sein, die Krone Frankreichs in engere Grenzen
zu zwingen '. Ebenso ausdrücklich wies Ludwig, seit dem 2. No-
vember 1681, den Kurfürsten, ,|den sichersten Alliierten, den er
haben könne*, auf Schweden hin, von dem Brandenburg „seinen
Vorteil ziehen*' möge. Er beauftragte R6benac, «den Hoffnungen
des Kurfürsten in betreff Schwedens auf geschickte Weise zu
schmeicheln''. — „Tag und Nacht denkt er daran, '^ antwortete
der Gesandte seinem Könige^. Dieser Monarch hat also in
bestimmtester Form die Anschl&ge Friedrich Wilhelms auf Vor-
pommern gebilligt, ja selber angeregt.
Brandenburg allein erschien Ludwig ungenügend, um
Schweden mattzusetzen und möglichen Falles für seine Ab-
wendung zu züchtigen: Dänemark sollte hierfür gleicherweise
ins Feld geführt werden. Der neue französische Gesandte in
Kopenhagen, Martangis, erhielt den Auftrag, mit dieser Macht
einen Bündnisvertrag zu schliefsen, ihr im Frieden 450000, für
die Kriegszeit 1 800 000 Livres zu versprechen. Dänemark aber
schwankte noch zwischen diesen Anerbietungen und denjenigen,
die ihm die Generalstaaten für seinen Anschlufs an den
Assoziationsvertrag machten. Sein Gesandter in Paris, Meyer-
eroon, sprach sogar Spanheim die Überzeugung aus, dafs Däne-
mark und Brandenburg durch ein enges Bündnis mit den Nieder-
landen gröfseren Vorteil erlangen könnten als auf Seite Frank-
reichs. Und wie in Liebessachen die spröde Schöne den
Bewerber mehr anreizt als die allzu gefällige, liefs Ludwig XIV.
* Ms. Kurf. an Spanheim, 31. Jan. /IG. Febr. 1682; Berlin, Geh.
Staatsarchiv, XI, Frankr. 19 E. ^ Ms. Spanh. an Kurf., 26. Jan. 1682;
das. 21 C.
" PeuquiÄres, V, 269ff.
» Prutz, 359 f.
296 Siebentes Buch.
sich den zögernden Dänen gegenüber zu immer grörseren Ver-
heifsungen hinreifsen : er versprach ihnen die schwedische Land-
schaft Schonen sowie Erwerbungen in Holstein, auf Kosten des
Herzogs von Gottorp*.
Gleichzeitig mit diesen Vorschlägen an Dänemark hatte sich
Ludwig XIV., am 4. Dezember 1681 ', an Brandenburg gewandt.
Er will, dem Assoziationsvertrage gegenflber, mit dem Kurfürsten
und anderen ,,wohlintentionierten Fürsten*' ein Bündnis schliefsen,
„um den Frieden im Reiche aufrechtzuerhalten", das heifst
seinen Raub unangefochten zu wahren. Als Grundlage soll
dienen der französische Besitzstand „vor der Abreise der Ge-
sandten nach Frankfurt**, der dann von den Alliierten mitzu-
verteidigen sei. Dafür wird der König auch den Besitz dieser
seiner Verbündeten in Schutz nehmen. Brandenburg im
besonderen kann auf Frankreichs Unterstützung rechnen in
seinen Ansprüchen an Spanien und den Kaiser, möglichenfalls
auch, wenn Schweden in seiner Feindschaft beharrt, gegen
dieses. Der Kurfürst soll im Frieden 450000 Livres Subsidien
erhalten — also 150000 mehr als bislang — und im Kriege
6—900000.
Der Ausdruck „vor der Abreise der französischen Gesandten
nach Frankfurt" schien von den aufrechtzuerhaltenden Re-
unionen Strafsburg auszunehmen, das Ludwig erst nach jenem
Termin besetzt hatte. Friedrich Wilhelm benutzte diesen Um-
stand sofort zu dem Versuche, Strarsburg für das Reich zurück-
zugewinnen. R6benac, der mit der Unterhandlung beauftragt
war, geriet in grofse Besorgnis, denn dafs sein König Strafsburg
aufgeben werde, hielt er mit Recht für unmöglich. Er wieder-
holte mit vielem Eifer seine Bemühungen, eine solche Bedingung
dem Kurfürsten auszureden. Sein Herrscher sei allein stark
genug, die Stadt zu behaupten, ja, noch weitere Eroberungen
im Reiche zu machen. Bei dem Kurfürsten stehe es, Deutsch-
land davor zu bewahren und hierdurch unsterblichen Ruhm zu
erwerben. Wenn er nur den Namen Strafsburg in das schon
bestehende Bündnis füge, erlange er die Aussicht auf Ver-
wirklichung aller seiner Ansprüche und überdies erhöhte Hilfs-
^ Ms. Spanheim an Kurf., 7. Nov., 19. Dez. 1681. — Recueil des In-
structions, Xin, 28 ff. 36 ff.
' Instr. an Rebenac; Prutz, 860 f.
Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 297
gelder^ Verzweifelnd an der Kraft Deutschlands, entrüstet
über den Kaiser und die Generalstaaten, auf den Erwerb
Pommerns lüstern, gab Friedrich Wilhelm nach. Er lieh, seiner
Gewohnheit gem&fs, seiner Meinung stärkeren Ausdruck, als
seine eigentliche Absicht war: er wolle, sagte er, an der bevor-
stehenden Aufteilung Österreichs teilnehmen'. Damit kam er
auf seine — schon früher erwähnten — Absichten auf Schlesien
zurück. Er bevollmächtigte also Jena und Meinders zum Ab-
schlüsse mit Röbenac. Am 22. Januar 1682 wurde das neue
— zehnjährige — Bündnis unterzeichnet, das Strafsburg und
alle bis zum Juni des Vorjahres gemachten Reunionen dem
Könige von Frankreich gewährleistete, dafür dessen Verzicht
auf weitere Erwerbungen im Reiche aussprach, die Subsidien
an Brandenburg auf 400000 Livres in Friedens- und 900000
Livres in Kriegszeiten und ebenso die gegenseitig zu leistende
militärische Beihilfe um einige Tausende von Infanteristen
erhöhte*. So war die Grundlage geschaffen, auf der Friedrich
Wilhelm, im Einverständnis mit Ludwig XIV., den Reichsfrieden
aufzubauen gedachte. Man mufs zu seinen Gunsten hervor-
heben, dafs sie auch fünfzehn Jahre später, nach einem neun-
jährigen Kriege ganz Europas gegen Frankreich, nicht wesent-
lich verändert worden ist.
Der Kurfürst liefs seinen hohen Mitkontrahenten nicht einen
Augenblick darüber im Zweifel, dafs dieser Vertrag Brandenburg
keineswegs zum Vasallen der Pariser Regierung machen solle.
Wenige Tage nach dessen Abschlufs führte er dem Könige zu
Gemüte, dafs er trotz lebhafter Mifsbilligung der französischen
Gewalttaten und trotz glänzender Anerbietungen, die die Gegen-
seite ihm gemacht, das neue Bündnis eingegangen sei, aber nur
unter bestimmten Voraussetzungen. Frankreich habe Dänemark
zur Verstärkung Brandenburgs heranzuziehen; es müsse das
Reich gegen die Türken verteidigen; es solle in den reunierten
Ländern den Evangelischen Religionsfreiheit zugestehen; es
begünstige Kurpfalz und erstatte die auf dessen Kosten geschehenen
Lftndereinziehungen zurück; es enthalte sich der zur oranischen
' Mb. Mitteilung (Jenas?) vom 1. Jan. 1682; Berlin, Geh. Staate-
archiv, XI, Frankr. 19 E.
' Ms. Depeschen B^benacs vom Dez. 1681 (B).
« Mörner,714ff.
298 Siebentes Buch.
Erbschaft, die den Kindern des Kurfürsten gebühre, gehörenden
Gebiete. Er trat ferner mit grofser Entschiedenheit auch für
Kur-Trier ein. Im März wurden in der Tat die Pf&lzer und
Trierschen Zwistigkeiten durch einen Vergleich beendete
Die Erfahrungen der letzten zwei Jahre und das Aufraffen
des Deutschen Reiches liefsen hier Friedrich Wilhelm eine kühnere
Sprache gegenüber dem Allerchristliohsten Könige reden als in
det jüngstverflossenen Zeit. Die Selbständigkeit der branden-
burgischen Politik zeigte sich auch in den Beziehungen zu
Dänemark. Man wartete in Berlin keineswegs auf die Zu-
stimmung Frankreichs, um mit jenem Staate in enge und
dauernde Verbindung zu treten. Schon im Dezember 1681
wurde die Kopenhagener Regierung aufgefordert, zu erklären,
ob sie durch Schwedens einseitiges Vorgehen sich auch ihrerseits
von der 1680 mit dieser Macht geschlossenen Allianz frei fühle,
ob sie sich mit den Assoziierten oder aber mit Frankreich und
Brandenburg setzen wolle, zur Aufrechterhaltung des Friedens,
„zunächst ohne dabei einiger Konquesten zu gedenken. Sollte
es aber auf eine oder andere Weise zur Ruptur kommen, dafs
alsdann Frankreich den König in Dänemark zu Schonen etc.
und Uns zu Pommern helfen und dabei maintenieren wollte *" ^.
Geheimsekretär Fuchs ging nach der dänischen Hauptstadt, um
bestimmte Beschlüsse der dortigen Machthaber zu erwirken
(Januar 1682). Er kehrte mit günstigem Bescheide zurück.
Dänemark versprach, für den Frieden einzutreten, dem Assozia-
tionsvertrage sich nicht anzuscfaliefsen noch sich mit Schweden
zu verbinden, sondern sofort eine engere Allianz mit Branden-
burg einzugehen , auch zum Bündnis mit Frankreich bereit zu
sein. Die alte Freundschaft zwischen dem Dänenkönige und dem
Kurfürsten wurde erneuert und inniger denn je. Sie fand ihren
Ausdruck in einem am 31. Januar (10. Februar) 1682 zu Berlin
von beiden Staaten unterzeichneten Garantie- und Verteidigungs-
bündnis, das besonders die Aufrechterhaltung des Reichsfriedens
sowie das Versprechen umfafste, beide Kontrahenten würden sich
zur Erlangung der ihnen vertragsmäfsig von Spanien und den
' Ms. Kurf. an Spanheim, 31. Jan./ 10. Febr. 1682. — Ms. Akten-
stücke im Geh. Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 21 C.
' Ms. Kurf. an Spanheim, 31. Dez. 1681; a. a. O., 21 B.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 299
Generalstaaten geschuldeten Subsidien nötigenfalls selbst mit
den Waifen unterstützen^.
So hatten sich Dänemark und Brandenburg zusammen-
geschlossen^ ohne Vermittlung und Teilnahme Frankreichs.
Friedrich Wilhelm durfte fürder gegen Schweden auf den Schutz
des anderen skandinavischen Staates rechnen. In Schweden
machte man sich darauf gefafst, von Brandenburg und Dänemark
zu Lande wie zu Wasser angegriffen zu werden'.
In Paris mufste Spanheim selbstverständlich das Zustande-
kommen eines französisch - dänischen Bündnisses eifrig befür-
worten. Es wurde aber durch den Umstand verzögert, dafs die
Subsidienanerbietungen Frankreichs den Dänen zu geringfügig
schienen. Auch die Revendikationen Dänemarks gegen Hamburg,
Gottorp, Holland und Spanien wollte Ludwig XIV. nicht aus-
drücklich in den Vertrag aufgenommen wissen, um nicht des'-
wegen mit dem halben Erdteile in Streit zu geraten ^. Als er sich
aber endlich überzeugen mufste, dafs er Schweden nicht zum
Austritte aus der „ Assoziation "" und zum Anschlüsse an die
nFriedensliga** werde bewegen können^, brachte er, am 25. März
1682, seinen Vertrag mit Dänemark zu stände. Er bewilligte
diesem Staate Hilfsgelder im Betrage von 200000 Talern
während des Friedens, von 550000 Talern für den Kriegs-
fall ; er versprach Beistand in dem Zwiste der Dänen mit Spanien
wegen der rückständigen Subsidien. Die Zahl der Truppen zu
gegenseitiger Verteidigung wurde in gewohnter Weise festgestellt
Aber wichtiger als Dänemark erschien in Paris jetzt
Brandenburg, von dessen Auftreten in Frankfurt und Regens-
burg, sowie von dessen Sendungen an die Kurfürsten die Fran-
zosen sehr befriedigt waren. Sie schlugen Friedrich Wilhelm
vor, an die Spitze einer Liga zur Aufrechterhaltung des Friedens,
das heifst zur Verteidigung der französischen Reunionen zu
treten. Um diese nLig^** einzuführen, stellte R6benac mit
Meinders und Jena einen vom 3. April 1682 datierten Schein-
vertrag zwischen Frankreich und Brandenburg auf, der den
zukünftigen Verbündeten und auch Dänemark mitgeteilt werden
sollte, und der aus den unverfänglicheren Artikeln der beiden
> Mörner, 428 f.
" Carlson, V, 181 f.
* Ms. Korrespondenz Spanheims; a. a. 0., 21 C.
* Carlson, V, 184f.
300 Siebentes Buch.
Geheimverträge vom 11. Januar 1681 und 22. Januar 1682 zu-
sammengefafst war. Der „Friedenspartei*' sollten, aurser Däne-
mark, noch Gelle, Münster, Württemberg, Hessen-Kassel, Baden-
Durlach angehören ; französische Diplomaten wurden abgesandt,
um die betreifenden Höfe zum Eintritt in dieses Bündnis zu be-
stimmen ^
Friedrich Wilhelm nahm so immer entschiedener Partei fflr
die französischen Bestrebungen. Allerdings war es für ihn eine
unabweisbare Bedingung, dafs Frankreich keine weiteren Gewalt-
mafsregeln im Reiche ausführe. Wie für Kurpfalz und Kurtrier
trat er auch für Keuburg ein, als dieses gegen die von der
Metzer Reunionskammer im Herzogtum Jülich verfügten Re-
Unionen Einspruch erhob'. Er durfte darauf hinweisen, dafs
er tatsächlich durch sein friedliches Verhalten gegenüber dem
AUerchristlichsten Könige, das er ja immer als ein notgedrungenes
bezeichnete, dem Yaterlande mehr nütze als die kriegerischen
Polterer.
Allerdings, von den „Assoziierten" und deren Freunden
trennte er sich auf das entschiedenste. Lamberg fand mit seinen
Drohungen und Lockungen so wenig Anklang in Berlin , dafs
er seine Sendung für beschlossen hielt und nach Wien abreiste^.
Um dieselbe Zeit nahm eine neue Gesandtschaft Amerongens,
den die Generalstaaten in der ersten Bestürzung über den Fall
Strafsburgs und die sich hieran angeblich knüpfenden weiteren
Eroberungspläne Frankreichs wieder nach Berlin abgeordnet
hatten, ein erfolgloses Ende ^ Amerongen hatte dem Kurfürsten
den Eintritt in den Assoziationsvertrag vorgeschlagen. Allein
er traf hier auf unfruchtbaren Boden. Schon das Bündnis der
Staaten mit Schweden war dem Kurfürsten widerwärtig: „Mit
den Schweden will ich alle meine Lebenszeit nichts mehr im
guten zu tun haben,*' äufserte er sich damals^. Und noch
mehr : die Niederländer konnten sich ebensowenig wie der Kaiser
an den Gedanken gewöhnen, dafs dieser Markgraf von Branden-
burg, wenn man dessen Bündnis verlange, sich nicht mit einigen
* Verhandlungen : Ms-fKorrespondenz Spanheims. — Text des Schein-
Vertrages: Mörner, 431 f.
« Ms. Kurf. an Spanheim, 31. März, 6. April 1682.
» U. u. A., XIV, 10201.
* Über diese Gesandtschaft: ü. u. A., in, 616 ff.
» TT. u. A., XIV, 1010.
VienmdvierzigBtee Kapitel. Der AnBchlag auf Schweden. 301
lumpigen Subsidien abspeisen lasse, sondern auch Beachtung
seiner Interessen und Rechte fordere, dafs sie für die Opfer,
die sie von ihm verlangten, ihrerseits gleichfalls einige Opfer
zu bringen hätten. Die Generalstaaten zeigten sich eben damals
den maritimen und kolonialen Plänen Friedrich Wilhelms feind-
seliger denn je. Sie kränkten ihn dann von neuem, indem sie
sich in der ostfriesischen Angelegenheit seinen Entwürfen wider-
setzten.
Die Fürstin-Witwe Christine Charlotte von Ostfriesland lag
mit den Ständen dieses freien Landes wegen deren Gerechtsame
in Streit. Sie erlangte dabei die Unterstützung der Herzoge
von Hannover und Celle, die schon längst in dem fruchtbaren
und zu jener Zeit auch durch Seehandel bedeutenden Ländchen
Fufs zu fassen trachteten. Mit ihnen und der Fürstin im Ein-
verständnis machten die Holländer, die noch immer in Emden
eine Garnison unterhielten, den Versuch, ihren althergebrachten
Einflufs in Ostfriesland zu verstärken und auszuüben. Die
Stände dagegen wandten sich an den Kaiser, der gern seine
oberherrliche Macht zum Ausdruck brachte und jene in seinen
Schatz nahm. Er erteilte am 16. März 1681 den Ständen ein
^Konservatorium*^ auf die Direktoren des westfälischen Kreises,
Kurbrandenburg und Münster. Die Generalstaaten beriefen sich
ihrerseits auf die seit vierzig Jahren von ihnen geübte Befugnis
des Schutzes und der Friedenserhaltung in Ostfriesland und
betonten diese ihre überlieferten Rechte auch den Direktoren
des westfälischen Kreises gegenüber ^ Der Kurfürst gab ihnen
eine sehr entschiedene Antwort ; auf Grund der Reichs- und der
Kreisverfassung verbat er sich jede Einmischung und kündigte
den Hochmögenden an, dafs er und der Kreis die Befehle des
Kaisers jedenfalls ausführen würden (November 1681)*. Auf
den Antrag, dem Assoziationsvertrage beizutreten, erteilte er
gar keinen offiziellen Bescheid — Amerongen verliefs im Februar
1682 Berlin, ohne das mindeste erreicht zu haben. Friedrich
Wilhelm hatte dem Holländer deutlich genug in privater Form
gesagt: er und seine Kindeskinder würden den Staaten die mit
Schweden, seinem ärgsten Feinde, eingegangene Allianz niemals
in Vergessenheit kommen lassen '.
* Wiarda, Ostfriesifiche Geschichte, VI (Aurich 1796), 8. 139-159.
» U. u. A., ni, 625.
» U. u. A., XIV, 1018.
302 Siebentes Buch.
Eben diese Allianz dehnte sich aber mehr und mehr aus.
Der Widerstand gegen Frankreichs unerträgliche Despotie nahm
feste Gestalt an. Österreich trat am 28. Februar, Spanien am
2. Mai dem Assoziationsvertrage bei. Wenige Wochen später —
am 10. Juni — schlössen die Waldeckschen linierten zu Laxen-
burg mit dem Kaiser ein Bündnis, das die Aufstellung von
drei Heeren, in Gesamthöhe von 63 000 Mann, am Rhein in Aus-
sicht nahm. Man sollte denken, dafs diese Entwicklung, die
im Grunde den längst gehegten Wünschen Friedrich Wilhelms
entsprach, ihn mit Freude erfüllt hätte. Allein das Gegenteil
war der Fall. Auch in ihrer damaligen Gestalt hielt er die
Koalition für aufser stände, mit irgend welcher Aussicht auf
Erfolg Frankreich zu bestehen. Des Kaisers Macht wurde durch
den Aufstand in Ungarn und den drohenden Türkenkrieg völlig
gelähmt; nicht einen Mann würde er an den Rhein entsenden
können. Vor allem aber: England war in seinem Eifer für
die Freiheit Europas wieder gänzlich erlahmt. Nahm doch
Karl II. von neuem mit gierigen Händen Bestechung vom Alier-
christlichsten Könige!^ Und ohne England, das glaubte der
Kurfürst mit Sicherheit aus dem Verlaufe des jüngsten Krieges
schliefsen zu müssen, war Europa dem französischen Könige
nicht gewachsen.
Friedrich Wilhelm trat also entschieden gegen das Laxen-
burger Bündnis in die Schranken. Im Geheimen Rate hielt er
eine scharfe Rede, in der er alle diejenigen unter seinen Dienern
bedrohte, die seine Verbindung mit Frankreich zu kritisieren
wagten. Solche sei, weil der Notwendigkeit entsprechend, nach
reiflicher Überlegung eingegangen. Er wisse wohl, fuhr er mit
steigender Erregung fort, die in dem geheimen Widerspruche
seines eigenen Empfindens ihren Grund hatte, dafs einige unter
ihnen Geld vom Kaiser nähmen; könne er ihnen dieses nach-
weisen, werde er ihnen den Kopf vor die Füfse legen lassen, —
eine Anspielung, die Jena sofort auf sich bezogt. In dieser
Gesinnung protestierte der Kurfürst gegen den Laxenburger
Rezefs, der darauf hinziele, das Reich in einen gefährlichen und
hoffnungslosen Krieg zu verwickeln und dabei fremdes
»Ranke, Engl, aesch., V, 188 f.
' Ms. Dep. R^benacs vom 2. Mai (B).
Yierondvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 303
— schwedisches — Kriegsvolk nach Deutschland zu bringend
Er gedachte vielmehr, die notwendige Waffenruhe zwischen
Europa und Frankreich zu benutzen, um auf des letzteren Staates
Aufforderung und mit dessen Hilfe seine Pläne auf Schweden
auszuführen. Er suchte Ludwig XI Y. noch mehr gegen die
Stockholmer Regierung zu erzürnen, indem er nach Paris
berichtete, sie beabsichtige, zur Bekämpfung Frankreichs eine
Flotte und ein Heer nach Deutschland zu entsenden; sie habe,
gegen die Zusage noch bedeutenderer Subsidien, einen engeren
Vertrag mit den Holländern geschlossen; sie habe ihm und
Dänemark einen Dreibund gegen Frankreich vorgeschlagen; sie
suche endlich auch England mit allen Kräften in diese
„Assoziation'' zu ziehen. So war er unablässig bemüht, den
Kampf gegen jene Macht als die eigenste Sache Frankreichs
darzustellen und hierdurch dessen Herrscher immer heftiger
gegen sie aufzureizen. Zugleich wurden im Brandenburgischen
kriegerische Vorbereitungen getroffen. Die preufsischen Truppen
erhielten Marschbefehl nach der Kurmark; die beurlaubten
Offiziere mufsten in ihre Garnisonen zurückkehren; zwölf Kom-
panien Reiter und acht Kompanien Dragoner, jede zu siebzig
Mann, sowie tausend Fufsgänger wurden neu ausgehoben. Span-
heim erhielt den Auftrag, in Paris wenigstens eine teilweise
Zahlung der Kriegssubsidien zu fordern'.
Der Kurfürat und Christian V. von Dänemark trafen dann
in der Mitte des Juni 1682 in Itzehoe zu persönlicher Beratung
ein, unter ausdrücklicher Billigung Frankreichs, als dessen Ver-
treter R6benac, allein unter sämtlichen Diplomaten, der Zu-
sammenkunft beiwohnte •. Schon dadurch hatte sich Frankreich
für die Absichten des Kurfürsten verpflichtet, dafs es sich zur
Formulierung des Scheinvertrages vom 3. April bereit gefunden
hatte, der eben in Itzehoe den Dänen vorgelegt wurde. Diese
schlössen also, am 8. Juni 1682^, mit Brandenburg ein neues
* Londorp, Acta publica, XI, 432 f. — Rauchbar, Waldeck,
n, 161 ff.
* Kurf. an Spanheim, 31. März, 27. April, 5., 15. Mai, 2. Juni 1682;
Berlin, Geh. Staatearchiv, XI, Frankr. 21 C. — Ms. Dep. Bebenace vom
29. März (B).
' Ms. Spanheim an Kurf., 22. Mai. — Ms. Depeschen B^benacs vom
April u. Mai (B).
* Mörner, 718 ff.
304 Siebentes Buch.
Bündnis, das, gegen alle ohne Ausnahme gerichtet, die Unter-
stützung der Friedensbestrebungen nicht nur durch gütliche
UnterhsCndlungen, sondern auch durch Ansammlung eines Korps
von 10000 Dänen in Holstein und eines anderen von 10000
Brandenburgern in der Kurmark anordnete; zu den Kosten dieser
Aufstellung beizutragen, sollte Frankreich ersucht werden.
Allein die Verbündeten von Itzehoe mufsten zu ihrem Kummer
vernehmen, dafs ihr hoher Schutzherr an der Seine ihren
kriegerischen Eifer plötzlich mifsbillige. Der Verkauf des eng-
lischen Königs an Frankreich und der unmittelbar bevorstehende
Krieg der Türken gegen den Kaiser schwächten die Gegner
Ludwigs derart, dafs er deren Angriff nicht mehr fürchtete;
er hatte also nicht nötig, Dänemark und Brandenburg durch
einen siegreichen Krieg gegen Schweden die Herrschaft im
Norden gewinnen zu lassen. Er wolle, liefs er jetzt erklären,
den Frieden bis zum letzten Augenblicke aufrechterhalten, um
nicht den Engländern und Holländern als Friedensbrecher zu
erscheinen , und weil er sicher sei , jedem Angriff gewachsen zu
sein. So hatte er schon unmittelbar vor Itzehoe die Ho£Ehung
ausgesprochen, die dortigen Beratungen würden keinerlei
kriegerischen Charakter tragen. Zur grofsen Enttäuschung
Friedrich Wilhelms wies er die brandenburgischen und dänischen
Anforderungen erhöhter Subsidien beharrlich ab; es sei keine
Aussicht auf Krieg, und übrigens werde zuerst Frankreich, nicht
die Itzehoer, angegriffen werden: ein deutlicher Wink, dafs
diese sich aller Zwistigkeiten mit Schweden zu enthalten hätten.
Ja, der König verweigerte das dringende Ansuchen Branden-
burgs, dem Bischof von Münster einige Hilfsgelder zu gewähren,
um diesen Fürsten, der guten Willens sei, endgültig an das
„Friedensbündnis* zu fesseln.
Friedrich Wilhelm mufste abermals die entmutigende Er-
fahrung machen , dafs sein und seines Staates Interesse bei
Frankreich schlecht aufgehoben wer. Ludwig lehnte alle seine
Forderungen mit höflichen Worten ab: Brandenburg sollte nur
der gehorsame Klient Frankreichs sein, der dessen Plänen
willenlos zu dienen und dafür sich mit der Gunst des „Königs
Sonne* und einigen lumpigen Soldgroschen zu begnügen habe.
Auf seine Wünsche und sein Ansehen hatte ein Ludwig XIV.
keine Rücksicht zu nehmen ; ja, er wollte es schwach und mifs-
liebig erhalten, damit es nicht die Kraft besitze, sich von der
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 305
BevormunduDg zu befreien und gröfsere Selbständigkeit zu
betätigen. Das zeigte sich auch in betreff der Reichspolitik.
Der Kurfürst, der auf dem endlos sich hinziehenden Frankfurter
Kongresse für die einfache Annahme der französischen Vor*
schlage gestimmt hatte und deshalb als Reichsverräter aus-
gesehrieen worden war, stellte in Paris das bescheidene Ver-
langen, man solle dort bestimmt erklären, welche Orte, als
nach dem übereingekommenen Termin reuniert, man an Deutsch-
land zurückzugeben gedenke. Aber auch das schlug Croissy ab, unter
dem lächerlichen Verwände, solches werde nur zu Schikanen seitens
der Kaiserlichen Anlafs geben und überdies wie ein furchtsames
Zurückweichen seines Königs aussehen! Kurz, Brandenburg
durfte und sollte sich nicht schmeicheln, den mindesten tatsäch-
lichen Einliurs auf die Entscheidungen des Despoten zu üben ^.
Ludwig glaubte jetzt seiner wenig zu bedürfen. Nachdem
der ungarische Rebellenführer Tököly sich mit den Türken ver-
bündet, hatte er im Beginne des Sommers den Krieg gegen den
Kaiser wieder offen aufgenommen und drang siegreich in Ober-
ungam vor. Die Pforte erkannte ihn als ihren Vasallenkönig
an und unterstützte ihn eifrigst. Ein direkter Angriff der
Türken auf Österreich war für das folgende Jahr sicher zu
erwarten.
Die Unfruchtbarkeit und Schwäche seines Verhältnisses zu
Frankreich wurde dem Kurfürsten nur zu wohl bewufst. Als
Graf Lamberg um diese Zeit wieder in Berlin erschien, konnte
er mit Freuden eine dem Kaiser freundlichere Stimmung dort
feststellen. Es hätte nur einigen Entgegenkommens, einiger
Gunstbeweise und kleiner Opfer von seiten des Wiener Hofes
bedurft, um diesen Umschwung zu verstärken und tatsächlich
wirksam zu machen. Die Anhänger Österreichs unter den kur-
fürstlichen Räten, an erster Stelle Anhalt, an zweiter Friedrich
von Jena, hatten wieder Einflufs gewonnen. Sie versicherten
Lamberg : wenn man ihrem Herrn nur etwas Genugtuung wegen
der spanischen Rückstände und wegen Jägemdorfs geben werde,
sei es unzweifelhaft, dafs der Kurfürst von der ihm bereits ver-
dächtigen und verhafsten Partei Frankreichs zum Kaiser über-
trete. Der franzosenfreundliche Gesandte Brandenburgs in
^ Ms. Korrespondenz des Kurf. u. Spanheims vom Mai bis zum
August 1682.
Philippson, Der Qrofs« KurfOrst. III. 20
306 Siebentes Buch.
Regensburg, Gottfried von Jena, hatte bereits solchen Tadel
erhalten und war in seinen Befugnissen derart beschränkt
worden, dafs er seine Enthebung von dem dortigen Posten nach-
suchte \ Auch Dänemark hatte das kühl abweisende Benehmen
Frankreichs sehr übelgenommen^. Es geschah in Überein-
stimmung mit den Wünschen Christians V., wenn der Kurfürst
im Beginne des Juli 1682 Erockow nach Wien entsandte^. Der
brandenburgische Diplomat sollte dringend die Annahme des
französischen Vorschlages — Überlassung der bis zum 1. August
1681 vollbrachten Reunionen sowie Strafsburgs — anempfehlen,
da man eben aufser stände sei, diese Gegenden mit Waifen-
gewalt wiederzuerobern ; gehe der Kaiser darauf ein und
erspare damit dem Reiche einen zweifellos verderblichen Kne^,
so sei der Kurfürst bereit, sich mit ihm zu verbünden, nicht
nur gegen die Türken, sondern auch gegen weitergehende An-
sprüche Frankreichs. ^ Friedrich Wilhelm hat hier die Lage
sehr wohl erkannt und den weisesten Vorschlag getan, dessen
Annahme viel Blut und Elend erspart haben würde. Seine Ein-
sicht und sein reichsdeutscher Patriotismus wurden allerdings durch
die Tatsache verschärft, dafs Ludwig XIV. ihm klärlich jede
Unterstützung zur Ausführung seiner Absichten auf Schwedisch-
Pommem versagte.
Krockow verhehlte nicht, dafs auch dem Kurfürsten die
französische Forderung als dem Reiche sehr ungünstig erscheine
— allein es sei für den Augenblick nichts Besseres zu erreichen.
Wenigstens, führte er aus, müsse dieses Mal der abzuschliefsende
Vertrag deutlicher und unzweideutiger abgefafst werden, als
die von Münster und Nymwegen. Nach getroffenem Vergleiche
solle man ein stehendes Reichsheer errichten und die mächtigeren
Reichsstände zu einer innigen und bleibenden Union behufe Auf-
rechterhaltung der Reichsintegrität zusammenschliefsen. Geschehe
dies, so werde der Kurfürst gern seine Macht der guten Sache,
auch gegen Frankreich, zu Gebote stellen.
Diese klaren und sachgemäfsen Vorschläge fanden aber in
* Berichte Lambergs vom Juli 1682; U. u. A., XIV, 1087 ff.
' Bericht des niederiänd. Gesandten Moeringh vom 29. Aug. 1682;
U. u. A., in, 648.
• Ludwig Xiy. an R^benac, 16. Juli 1682; Prutz, 355. — Über
die Sendung Krockows: U. u. A. XIV, 1044 ff.; und Pufendorf,
XVm, 61.
Vierondvierzigstes Kapitel. Der Ansclilag auf Schweden. 307
Wien Dor kühle Aufnahme. Dort hofPte man die ungarisch-
türkischen Hftndel in gewohnter Weise verschleppen und
inzwischen den Hauptteil der österreichischen Streitkräfte gegen
die Franzosen verwenden zu können. Denn Ludwig begehre die
Kaiserkrone, und den Frieden mit dem Reiche werde er ledig*
lieh zur Unterjochung Italiens, zur Beraubung Spaniens, zur Er-
langung desdominiumEuropae benutzen. Noch einmal, wie
zur Zeit der mittelalterlichen Kaiser, beeinflufste eine Welt-
politik, zu deren nachdrücklicher Durchführung doch die
materiellen Mittel fehlten, in schädlichster Weise das Verhältnis
des Reichsoberhauptes zu dem eigentlichen Deutschland. Auf
dem Reichstage sagte der österreichische Gesandte kein Wort
von der Türkengefahr, nur damit nicht die Stände sich mit Frank-
reich verglichen. Mit der ganzen Hartnäckigkeit des alten
Hauses Habsburg, dessen Prätensionen ihm vor den wirklichen
Umständen und Tatsachen die Augen verschlossen, glaubte
Leopold L nach beiden Seiten, nach Osten und Westen hin, den
Gefahren die Stirn bieten zu können. Er liefs dem Branden-
bui^er mündlich antworten (13. September 1682): man dürfe
keiner Zusicherung Frankreichs mehr Glauben schenken und
deshalb mit diesem keinen Vertrag schliefsen, der nicht durch
die Gewalt der deutschen Waffen gesichert sei.
Die Gesandtschaft Krockows war also gescheitert ; der Kur-
fürst befahl seine Abreise von Wien. Er beschlofs, seine Position
sowohl gegen den Kaiser als auch gegen Frankreich aufrecht
zu erhalten, sich an die Spitze einer wahren Friedenspartei zu
stellen, die, von beiden Extremen gleich weit entfernt, eine
Achtung gebietende Haltung einnehme. Er und Dänemark gingen
zunächst ein Verteidigungsbündnis zur Bewahrung des Reichs-
friedens mit Bischof Ferdinand von Münster und Paderborn
ein^ Durch besondere Abordnungen zog er seine Freunde, die
vier rheinischen Kurfürsten , noch enger zu gemeinsamer An-
nahme und Durchführung der französischen Proposition heran.
Sein Gesandter in Regensburg, der gelehrte und schneidige
Gottfried von Jena, nunmehr wieder in Übereinstimmung mit
seinem Herrn, verteidigte dessen Ansicht in einer Rede, die
durch leider wahrheitsgetreue, aber sehr scharfe Schilderung der
Schwächen des Reiches in ganz Deutschland peinliches Aufsehen
> Mörner, 483ff.
20
308 Siebentes Buch.
erregte*. Friedrich Wilhelm wies dann, in Übereinstimmung
mit seinen deutschen Alliierten und Dänemark, den Vorschlag
der Generalstaaten, zur Schlichtung aller vorliegenden Streitig-
keiten einen europäischen Kongrefs einzuberufen, unbedingt
zurück ', da er die Hochmögenden als parteiisch und anmafsend
und besonders den brandenburgischen Bestrebungen allerorten
feindselig betrachtete. Er unterstützte dagegen das französische
Ultimatum in Frankfurt, das dem Ausgleichsvorschlag nur noch
bis zum folgenden 1. Dezember Gültigkeit verlieh. Allein er
trat auch Frankreich gegenüber mit grofser Bestimmtheit auf.
Er liefs durch Spanheim erklären (13. Oktober): er werde über
die bisherigen Verteidigungsbündnisse mit Frankreich keineswegs
hinausgehen, da er zur Verfechtung weiterer Ansprüche dieses
Staates nicht verpflichtet sei. Vielmehr ermahnt er den König,
das Reich „nicht weiter zu dismembriren'' und sich mit den
friedliebenden Ständen, zumal den vier rheinischen Kurfürsten,
in gutes Vernehmen zu setzen.
Diese Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit, den kühnen
Entschlufs, zwischen den streitenden Parteien lediglich seine
eigensten Interessen zu wahren, zeigte er nunmehr durch eine
mutige und folgenreiche Tat.
Die Bewohner von Emden hatten sich im Januar 1682 mit
Gewalt der niederländischen Besatzung entledigt, zur grofsen
Entrüstung der Generalstaaten, die darauf zu Gunsten der Fürstin
von Ostfriesland eine Entscheidung trafen, die den vom Kaiser
den Ständen zugebilligten Gerechtsamen geradenwegs zuwiderlief.
Auf Beschwerde der Stände kassierte der Kaiser diese Resolution,
liefs die Fürstin vor den Reichshofrat zitieren, verbot den Braun-
schweiger Herzogen jede willkürliche Einmischung in die
ostfriesischen Angelegenheiten und trug den Direktoren des
Westfälischen Kreises auf, seinen Befehlen Achtung zu ver-
schaffen. Die Fürstin gehorchte nur anscheinend und wandte
sich heimlich an die Braunschweiger Herzoge, die in der Tat
beschlossen, Truppen nach Ostfriesland zu legen: ein Plan, der
aber durch den Bischof von Münster vereitelt wurde, indem
dieser den wölfischen Soldaten den Durchzug durch sein Land
verschlofs. Die von dem Mitdirektor des Kreises, dem Branden-
> Londorp, Acta publica, XI (Frankf. a. M., 1697) S. 360 ff.
- Prutz, 355.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 3()9
burger, angebotene Vermittlung zwischen ihr und den Ständen
wies die FOrstin, die den Kurfürsten mit Recht als ihr
wenig günstig gesinnt betrachtete, hartnäckig zurück. Er
mufste also jeden Augenblick besorgen, die Braunschweiger
oder die Niederländer, dem Kaiser und ihm selbst zum
Trotze, sich des Landes bemächtigen zu sehen, das ihm einen
so herrlichen Zugang zu der Nordsee bot. Um jenen zuvor-
zukommen und um seine maritimen Unternehmungen direkt mit
dem Weltmeer in Verbindung zu setzen, verabredete er heimlich mit
den einflufsreichsten Mitgliedern der Stände eine schnelle Tat.
Am 11. November 1682 überfielen, auf einigen Schiffen von der
Unterelbe kommend, 300 brandenburgische Soldaten unter dem
Befehle des Kammerherm und Oberstleutnants von Brandt den
ostfriesischen Hafenort Greetsiel ; am 15. ward die dortige Burg,
die stärkste Feste der Fürstin Christine Charlotte, durch nächt-
liche Erstürmung gewonnen. Die Fürstin besafs seitdem keine
tatsächliche Macht mehr im Lande ^
Diese Vorgänge wurden bekräftigt und legalisiert durch
einen Vertrag, den der brandenburgische Gesandte im Haag, von
Diest, am 18. November mit den Vertretern der ostfriesischen
Stände zu Emden abschlofs. Behufs Aufrechterhaltung des
kaiserlichen Konservatoriums und zum Schutze des Landes und
der Stände gegen jede Gewalttat von selten sei es der Fürstin
sei es fremder Staaten verlegt Brandenburg, so lange es den
Ständen beliebt, in das Land eine Besatzung, für deren Unter-
halt dieselben monatlich 1700 Taler bezahlen, wie sie auch für
die HeranfQhrung der Truppen und die weitere Befestigung
Greetsiels noch 2500 Taler bewilligen".
Die Okkupation Ostfrieslands durch brandenburgische Sol-
daten erregte begreiflicherweise bei den Nachbarn heftigen Un-
willen und lauten Protest. Am lärmendsten benahmen sich die
Braunschweiger Herzoge, die den Kurfürsten zu sofortiger
Abberufung seiner Kompanien aufforderten. Ihr Zorn machte
aber um so weniger Eindruck, als alle Welt überzeugt war,
dafs sie, die doch gar kein Recht zum Eingreifen gehabt, die
Absicht gehegt hatten, selber ihre Hand nach dem reichen
L&ndchen auszustrecken, und nunmehr sich lediglich darüber
' Wiarda, VI, 160—179.
• Mörner, 436 ff.
810 Siebentes Buch«
ärgerten, dafs ein anderer ihnen zuvorgekommen \ Gfefährlicher
war der Widerstand der Generalstaaten ; der Ratspensionar Fagel
hatte sofort nach erhaltener Nachricht von der Besetzung Greet-
siels die Provinzen Friesland und Groningen zur Absendung von
Truppen nach Ostfriesland aufgefordert. Allein die Ausführung
dieser Mafsregel wurde ins Unbestimmte vertagt, da Brandenburg
kräftiger Hilfe sicher war. Der Mitdirektor des Westfälischen
Kreises, Bischof Ferdinand von Münster und Paderborn, gewährte
ihm nicht nur durch seine Zustimmung moralischen Rückhalt,
sondern stellte ihm auch für den Notfall militärische Unter-
stützung in Aussicht. Und noch wichtiger : Frankreich versprach
seinen vertragsmäfsigen Beistand, wenn der Kurfürst angegriffen
werde. Der französische Gesandte im Haag, Graf d'Avaux,
nahm eifrigst dessen Partei: der Kurfürst sei als Beauftragter
des Kaisers und Mitdirektor des Kreises in vollem Rechte.
Freilich, im Grunde war Ludwig XIV. von der selbständigen
Handlungsweise seines Verbündeten wenig erbaut und sprach
sich mifsbilligend Ober einen Schritt aus, der unzeitig den Krieg
herbeiführen könne. Allein er wagte es nicht, sich Branden-
burg endgültig zu entfremden, und muTste deshalb wohl oder
übel dessen Partei ergreifen. Die Braunschweiger Herzoge
liefsen es also bei papiemen Gegenmafsregeln bewenden, und
die Holländer wurden durch Androhung bewafiheten Widerstandes
seitens der Westfälischen Kreisdirektoren von aller tätlichen
Einmischung abgehalten^.
Die ostfriesische Sache war durch die Kühnheit und Geschick-
lichkeit des Kurfürsten zu dessen Gunsten entschieden. Er hatte
im äufsersten Nordwesten Deutschlands, innerhalb eines damals
maritim sehr wichtigen Gebietes festen Fufs gefafst; wir wissen,
wie eifrig und wirksam er diesen Erfolg zu Gunsten des See-
handels und der Kolonisation seines Staates benutzt hat.
Friedrich Wilhelm hegte zweifellos die Absicht, das wohlhabende
und bedeutsame ostfriesische Ländchen nie wieder zu räumen,
— er hatte hier einen Gewinn gemacht, der ihm für die Zukunft
Brandenburgs als sehr gewichtig erschien. Aber zu diesem parti-
kularen Vorteil kam noch ein allgemein deutscher: Branden-
» U. u. A., XIV, 1050 f.
' Ms. Korrespondenz des Kurf. mit Spanheim, Okt. bis Dez. 1682;
Geh. Staatsarchiv, a. a. O. — Wiarda, VI, 201 ff.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 31 J
bürg hatte wiederum ein deutsches Land von der Fremdherr-
schaft befreit. Hatten doch die Stände von Niederländisch-
Geldem behauptet, das Harlinger Land — der nördliche Teil
Ostfrieslands — sei gelderisches Lehen und gehöre deshalb der
Republik und nicht dem Reiche^. Friedrich Wilhelms Schutz
hat es diesem gegen die Ansprüche der Holländer erhalten, wie
er schon Kleve und anderseits Ostpreufsen dem grofsen Yater-
lande gerettet, wie er Ähnliches in Westpommem immer von
neuem, wenn auch bisher vergeblich, versucht hatte. Polnischem,
schwedisehem , niederländischem Vordringen auf dem Boden
Deutschlands hat er allein Halt geboten, hat es zum Teile
sogar zurückgedrängt. Es ist doch nichts Geringes, dafs
während anderorten Deutschland beständig Verluste erlitt, nur
Brandenburg und sein grofser Fürst bestrebt und im stände
waren, deutsches Gebiet der Fremden zu entledigen. Selbst
während der Zeit an sich undeutscher Politik war Friedrich
Wilhelm der Schützer und Verbreiter deutschen Wesens, nach
Westen hin wie nach Osten.
Gerade das Gelingen des ostfriesischen Unternehmens stärkte
ihm den Mut, es noch einmal mit Vorpommern zu versuchen.
Da Frankreich solchem Plane offenbar wenig günstig war, hegte
Friedrich Wilhelm die Absicht, diesen Staat anderweitig zu
beschäftigen, so dafs er ihm und Dänemark freie Hand gegen
Schweden lassen müsse. Er schlug also im November 1682
Ludwig XIV. im tiefsten Geheimnis vor: der König möge das
Verlangen des Kaisers nach weiterer Ausdehnung der Bedenk-
zeit für die Annahme des französischen Antrages abweisen, viel-
mehr jeden einzelnen Reichsfürsten befragen, ob er mit der
französischen Proposition einverstanden sei; gegen die sie ver-
werfenden solle Ludwig kriegerisch vorgehen, allerdings mit der
bestimmten Zusage, keinen Ort im Reiche über den Umfang der
zu Frankfurt geforderten Reunionen zu behalten; dagegen
dürften seine deutschen Verbündeten sich an den Besitzungen
von Frankreichs Gegnern schadlos halten ^. Allein dieser etwas
naive Vorschlag konnte, trotz R6benacs anfänglicher Ver-
sprechungen, unmöglich den Beifall des französischen Herrschers
» 0. Klopp, Gesch. Ostfrieslands 1570—1751 (Hannover 1856)8; 409.
« Ms. Kurf. an Spanheim, 2., 21. Nov., 30. Dez. 1682; Berlin, Geh,
Staatsarchiv, a. a. 0.
312 Siebentes Buch.
finden. Freilieb, die nutzlosen Frankfurter Verhandlungen wurden
an dem bezeichneten Termine des 1. Dezember geschlossen, —
indes, Ludwig gestand zu, dafs sie am Regensburger Reichs-
tage weitergeführt würden, und rückte den Verfallstag bis zum
1. Februar 1683 hinaus.
Der Kurfürst befand sich gegen Ende des Jahres 1682 in
recht unbehaglicher Lage. Frankreich hatte ihm bisher keine
einzige seiner Zusagen erfüllt. Alle seine Nachbarn gehörten
der entgegengesetzten Partei an. Zumal Karl XI. von Schweden
hatte den neuen französischen Gesandten Bazin gar nicht em-
pfangen, sondern zu schleuniger Abreise genötigt, dafür am
12. Oktober mit dem Kaiser ein Verteidigungsbündnis geschlossen,
das den schwedischen Truppen freien Durchzug durch das Reich
gestattetet Mufste der Kurfürst nicht eine Wiederholung der
Ereignisse von 1674/75 erwarten ? sollten seine Lftnder abermals
vom Feinde überfallen, ausgeplündert, zu Grunde gerichtet
werden? Dazu kam, dafs Schweden und der Kaiser sich eifrig
bemühten, auch Polen in ihre Allianz zu locken. Ein Angriff
auf Preufsen aber war für Friedrich Wilhelm der gefährlichste;
im Reiche konnten ihm immer die Dänen helfen, Preufsen
jedoch war völlig isoliert, von Polen und Schweden umgeben.
Dieser Mächte und des Kaisers zugleich vermochte er sich
nicht zu erwehren. Seiner ganzen Natur nach wünschte er
übrigens die Verteidigung offensiv zu führen, den Gegnern
zuvorzukommen. Sein Freund Christian V. war ganz derselben
Ansicht. Meyercroon wie Spanheim erbaten unablässig in Paris
die Erlaubnis und erhöhte Subsidien, um mit dänischen und
brandenburgischen Streitkräften schwedische Truppentransporte
nach Deutschland sowie den Anschlufs braunschweigisch- lüne-
burgischer Kontingente an Schweden zu verhindern. Sie wiesen
auf die Bedrohlichkeit der Lage, auf den Vertrag hin, den
Hannover schon mit dem Kaiser eingegangen sei, auf die Gefahr,
in die zumal Brandenburg durch seine treue Förderung französi-
scher Interessen geraten. Allein sie fanden damit bei Ludwig XIV.
keinen Anklang. Es wurde klar, dafs der König und Croissy
den Ehrgeiz Dänemarks und Brandenburgs zu zügeln entschlossen
waren. Dabei wollten sie dem Kurfürsten nicht einmal genügende
Hilfsgelder zu der höchst notwendigen Verstärkung seines Heeres
» Carlson, V, 259 f.
Yierozidvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 313
gewähren. Er glaubte, sie seien bereit, ihn den Schweden preis-
zugeben, um diese wieder für die französische Allianz zu
gewinnen und nutzbar zu machen^.
Zu der Furcht vor der nächsten Zukunft seines Staates
gesellte sich noch schwerer Verdrufs über eine persönliche
Kränkung, die Ludwig ihm gerade damals zufügte: er belegte
das Fürstentum Orange mit Beschlag und rifs die Mauern von
dessen Hauptstadt nieder, um den Prinzen von Oranien wegen
seiner feindseligen Umtriebe gegen Frankreich zu bestrafen.
Damit traf er aber zugleich die beiden älteren Söhne des Kur-
fürsten, die präsumtiven Erben Oraniens. Friedrich Wilhelm
war höchlichst über einen Vorgang entrüstet, in dem er
einen erneuten Beweis der Geringschätzung und selbst
der Abneigung des Königs gegen ihn erblickte, der sich doch
für Frankreich in grofse Gefahr begab. Er beschwerte sich
wiederholt bei R^benac; ein Anerbieten Ludwigs, die Exspektanz
auf Orange seinen Söhnen mit einer Geldsumme abzukaufen,
wies er mit Verachtung zurück. Selbst die Kurfürstin und
Geheimsekretär Fuchs, bisher die treuesten Anhänger Frank-
reichs, wurden wankend und drangen, mit Anhalt vereint, in
Lamberg, sein Kaiser möge durch eine beträchtliche Abschlags-
summe auf die rückständigen spanischen Subsidien den Kur-
fürsten vollends für sich gewinnen'.
Vm diese Zeit verfafste Fuchs ein Gutachten über die Frage,
ob der Kurfürst bei dem französischen Bündnisse beharren oder
dem Assoziationsvertrage beitreten oder endlich „temporisieren**
solle, um erst zu sehen, „wohin es mit dem türkischen Wesen
hinauslaufe **. Wenn der Türke Frieden hält, mufs der Kurfürst
in grofse Gefahr geraten. Während im Norden der Krieg wütet,
wird Frankreich „freie Hände bekommen, um sich des Rhein-
stroms Meister zu machen, woran, dafs es nicht geschehe und
Frankreich im Reiche nicht noch mehr okkupire, Sr. Kurf.
Durchl. zum höchsten gelegen **. Nicht minder drohend sind jedoch
die Gefahren, bei höchst geringem möglichem Nutzen, auf selten
der schwachen, uneinigen und Brandenburg meist ungünstigen
^ Ms. Korrespondenz des Kurf. und Spanheims im Nov. u. Dez.
1682; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Prankr. 21C. — Prutz, 858f.
■ Depeschen R^benacs vom Nov. 1682 bis Jan. 1688; Prutz, 857ff. —
Dep. Lambergs vom 18. Dez. 1682; U. u. A., XIV, 1049 ff.
314 Siebentes Buch.
Gegenpartei. Fuchs rät also: der Kurfürst möge die Mittel-
partei halten und den Frieden befördern, inzwischen sich stärker
waffnen, auch suchen, das Haus Braunschweig zu sich herüber
zu ziehen \
In diesem Sinne entschied sich der Kurfürst. Er schrieb
Spanheim in Ziffern, am 6. Januar 1683, um über die Undank-
barkeit Frankreichs und die Nutzlosigkeit seiner Opfer für
diesen Staat zu klagen. Er wolle das Bündnis mit dem Könige
nicht geradezu aufgeben, aber fürder ihm auch nicht das Wort
reden noch sich für ihn in Gefahr begeben. Spanheim solle
nicht etwa zum Verdachte eines Parteiwechsels Anlafs geben,
jedoch „hierfüro Eure Negotiation mit keinem ferneren sonder-
lichen Empressement treiben noch auf einige Resolutiones (die
bis dato in allen Dingen so schlecht gefallen) urgiren, sondern
genau Acht geben und ad referendum annehmen*''. Der
Kurfürst vermehrte inzwischen sein Heer um sechstausend Mann
und sprach laut aus, er wolle sich selber helfen, da ihm der
Allerchristlichste König den Beistand verweigere".
Eine Krise in dem Verhältnis Brandenburgs zu Frankreich
war ausgebrochen, und zwar lediglich durch die Schuld des
letzteren Staates, der mit dem Kurfürsten sein Spiel getrieben
hatte, als wäre dieser nichts Besseres denn ein rechtloser Diener
des Herrschers in Versailles. Das erkannte selbst Röbenac voll-
kommen an, der deshalb seinen König dringend zu gröfserer Rück-
sicht auf Friedrich Wilhelms gerechte Empfindlichkeit ermahnte.
Sprach sich doch Croissy, der das Unternehmen auf Greetsiel
zuerst durchaus gebilligt hatte, nunmehr recht ungünstig darüber
aus : Brandenburg möge suchen, sich mit Ehren aus dem Handel
zu ziehen; Frankreich werde es nur unterstützen, wenn die
Holländer es offen angriffen. Und was Schweden anbetreffe, so
könne man ihm nicht verwehren, einige Verstärkungen für seine
Garnisonen nach Deutschland zu senden, zumal es die fried-
lichsten Versicherungen abgebe. Frankreich seinerseits wünsche
nichts als Frieden — das hiefs: es wollte nur seine Re?
Unionen behalten, während seine Verbündeten sich mit ihren
Subsidien zu begnügen hatten^.
> Ms. Geh. Staatsarchiv, a. a. O. — Vgl. Ranke, PreuTs. Gesch., 1, 842.
2 Ms. Kurf. an Spanheim, 27. Dez. 1682/6. Jan. 1683.
* Ms. Dep. Rebenacs vom Jan. 1683 (B).
^ Ms. Spanheim an Kurf., 1., 15. Jan. 1683; Berlin, Geh. Staatsarchiv,
XI, Frankr. 22.
Vierund vierzigstes Kapitel. Der Ansclilag auf Schweden. 315
Allein die französische Regierung mufste bald erkennen,
dars sie in ihrer geringschätzenden Selbstherrlichkeit zu weit
gegangen war. Aus Dänemark kamen laute Klagen über die
Verweigerung jeglicher Unterstützung gegen Schweden und
über die Mifshandlung des gemeinsamen brandenburgischen Ver-
bündeten durdi die Besetzung Oranges. Brandenburg selber
zeigte beunruhigende Kühle. Gottfried von Jena in Regensburg
kümmerte sich nicht mehr um die französischen Forderungen;
dagegen verlangte der Kurfürst kategorisch, dafs keine weiteren
Reunionen stattfinden dürften. Die von Croissy empfohlene
Bildung einer Friedensliga im Reiche, das heifst eines neuen
Rheinbundes, wies Friedrich Wilhelm durchaus zurück: „Wir
haben das Bedenken, dafs Wir da gar leicht in allerhand fremde
Händel und Ungleichheiten implicirt werden könnten; hingegen
aber wenn Uns einige Noth und Gefahr zustofsen würde, Wir
von den AUiirten, insonderheit von Chur-Mainz, Trier und Pfalz,
als weit von Uns entlegen und in schlechter Kriegsverfassung
begriffen, wenig Beistand und schlechte Hilfe zu erwarten haben
würden. *" Deshalb sei er zwar, wie bisher, zu diplomatischer
Unterstützung bereit, wolle aber nicht mit den rheinischen
Standen „in nexu treten '"^
Die niederländischen und kaiserlichen Diplomaten ver-
breiteten überall hin das Gerücht von einem bevorstehenden
Stellungswechsel des Kurfürsten. Es war nicht ganz un-
begründet.
Amerongen hatte, als er gegen Ende 1682 nach Potsdam
zurückgekehrt war, den Kurfürsten bei weit günstigerem und
versöhnlicherem Sinn gefunden, als bisher. Friedrich Wilhelm
erklärte sich bereit, mit den Staaten einen Neutralitätsvertrag
einzugehen, ja vielleicht der Assoziation beizutreten, wenn man
ihn) für den in Kleve durch die französische Invasion erlittenen
Sehaden und für die nicht bezahlten Subsidien Genugtuung gebe.
Amerongen, der meinte, „man müsse das Eisen schmieden, so
lange es warm sei*, reiste sofort nach dem Haag, um die Hoch-
mögenden zur Erfüllung der kurfürstlichen Forderungen zu be-
wegen, und Wilhelm von Oranien arbeitete eifrig in gleichem
Sinne*. Lamberg hatte nach Wien gleichfalls von der ver-
' Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanbeims vom Jan.u. Febr. 1688; ebendas.
« d'Avaux, Nögociations en Hollande, I (Paris 1754), S. 189 ff. —
ü. u. A., m, 650 f.
316 Siebentes Buch.
heifsenden ÄnderuDg der Sachlage zu berichten und drang
seinerseits mit Nachdruck in den Kaiser, durch Zahlung von
300000 Talern auf die rückständigen spanischen Subsidien den
Kurfürsten auf die Seite von Frankreichs Gegnern zu ziehend
Freilich, die Einladung des Kaisers, nach Regensburg zu
kommen, um dort an den Beratungen wegen Abwehr der Türken-
gefahr teilzunehmen, lehnte Friedrich Wilhelm ab, angeblich wegen
Kränklichkeit, tatsächlich weil er sich nicht so weit für die öster-
reichische Sache festlegen und bei Frankreich kompromittieren
wollte. Er sandte indes im Januar 1683 den jüngeren Otto von
Schwerin nach Wien. Nicht billig gedachte er hier seine Allianz
zu verkaufen. Aufser den gewöhnlichen Ansprüchen auf Satis-
faktion vom Reiche und von Spanien sowie auf Jägerndorf hatte
Schwerin förmlich das Recht Brandenburgs auf Liegnitz, Brieg
und Wohlau zu betonen'. Eine Forderung, die, bei der be-
drängten Lage des von Türken und Franzosen bedrohten Kaisers,
in Wien als eine ungerechte Nötigung, angesehen wurde.
Immerhin genügte die Tatsache von Schwerins Sendung,
um der Welt einen Frontwechsel Brandenburgs wahrscheinlich
zu machen. Das mufste aber in Paris um so bedenklicher
stimmen, als auch sonst die kaiserliche Partei in Deutschland
sich offenbar von Monat zu Monat verstärkte. Im Januar 1683
schlofs Hannover mit Leopold I. ab, versprach, ihm gegen Hilfs-
gelder 10000 Mann zu stellen und die übrigen Mitglieder des
braunschweig -lüneburgischen Hauses zum Beitritt zu diesem
Bündnis zu bewegen. So war das nach Brandenburg waffen-
mächtigste Fürstenhaus Deutschlands für die kaiserlich-patrioti-
sche Sache gewonnen. Auch die Stadt Frankfurt a. M. trat
dem Laxenburger Bündnis, der fränkische und oberrheinische
Kreis wenigstens dem Assoziationsvertrage bei, Sachsen versprach
seine Beihilfe®. Noch entschiedener vollzog Bayern, unter dem
jungen und ruhmbegierigen Kurfürsten Max Emanuel, seinen
Übergang aus der seit Jahrzehnten innegehaltenen französischen
Gefolgschaft zur kaiserlichen Partei. Am 23. Januar 1683
schlofs es zu Wien mit Österreich ein Verteidigungsbündnis, in
dem es sich, aufser seinem Reichskontingente, zur Stellung noch
1 U. u. A., XIV, 1050.
« Pufendorf, XVIII, 82. — Orlich, Preuls. Staat, 11, 4Ö8ff.
> Eauchbar, 287. 241. 248 f.
Yienuidvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 317
weiterer 8000 Mann yerpliichtete. Der Bund war ausdracklich
nicht nur gegen die Türken, sondern auch gegen Frankreich
gerichtet. Die Säule der französischen Faktion, der Kanzler
Kaspar Schmid, wurde gestürzt, eine Vermählung Max Emanuels
mit der Tochter Leopolds I. verabredete
Bald darauf verlor Frankreich seinen Einflufs auch auf
Polen. Johann Sobieski unterzeichnete eine Allianz mit dem
Kaiser, die diesem den Zuzug von 40000 Kriegern gegen die
Türken verhiefs.
Ludwig XIV. sah ein, dafs solche Umstände ihn nötigten,
Dänemark und Brandenburg auf seiner Seite festzuhalten. Croissy
versicherte plötzlich, die Annahme des Kurfürsten, dafs man in
Paris durchaus die Schweden schonen wolle, sei irrig, er selber
meine, man müsse sie bei dem ersten Anlasse aufs Haupt schlagen
und ihrer deutschen Besitzungen berauben. R6benac durfte in
Potsdam mitteilen, sein König sei damit einverstanden, dafs
Brandenburg und Dänemark den Durchmarsch schwedischer
Truppen mit Gewalt verhinderten, und bereit, hierfür die erhöhten
Kriegssubsidien zu zahlen. Man nahm die schon im vorher-
gehenden Oktober gemachten Anerbietungen eines neuen, be-
ständigen, alleroDgsten Bündnisses zwischen Frankreich und dem
Kurfürsten wieder auf*.
Dieser aber wollte sich nicht abermals von dem übermächtigen
Verbündeten mifsbrauchen und täuschen lassen und bestand auf
tatsächlichen Bürgschaften von Frankreichs Wohlwollen und
Bündnistreue. Er verlangte, da angeblich der Ausbruch des
allgemeinen europäischen Krieges immer wahrscheinlicher werde,
sofort erhöhte Subsidien aus Paris zur Verstärkung seines Heeres,
sowie den Angriff Frankreichs auf die Generalstaaten für den
Fall, dafs diese eine Flotte zur Unterstützung der Schweden in
die Ostse entsenden würden. Ähnliche Anliegen stellte Meyercroon
in Paris von Seiten Dänemarks. Ein förmliches „Konzert*' solle
zwischen den drei Mächten aufgerichtet werden, in erster Linie
gegen Schweden, in zweiter gegen dessen Helfer, die lüneburgi-
schen Herzoge. Wirklich ging, wenn auch zögernd, die fran-
zösische Regierung auf diese Anträge ein. Am 11. März sandte
> Haigel, a. a. O., S. 99ff.
■ Ms. Spanheim an Kurf., 29. Okt. 1682, 29. Jan. 1688. — Prutz,
257. aei.
318 Siebentes Buch.
Ludwig an Röbenac die Mitteilung seines Beschlusses, lieber
Dänemark und Brandenburg in seiner Allianz zu bewahren, als
noch Iftnger Schweden zu schonen, das sich dessen so unwert
mache. Der König wollte freilich die erhöhten Subsidien erst
von dem wirklichen Ausbruche der Feindseligkeiten an bezahlen,
er wünschte immer noch, den Kampf lieber gegen die Lttne-
burger als gegen die Schweden geführt zu sehen — allein die
Grundstimmung in Paris war doch eine andere geworden. Und
bald wurde Ludwig durch seinen eigenen Gesandten in Kopen-
hagen weiter fortgerissen, als ihm eigentlich genehm war: Mar-
tangis schlofs mit Dänemark einen Vertrag, der die Zahlung
der Kriegssubsidien schon auf den folgenden 1. Juni festsetzte.
Ludwig wollte zuerst diese Bedingung nicht annehmen, den
Vertrag nicht ratifizieren; aber schliefslich entschied er sich
doch dafür, weil es sich ja nur um ein Geldopfer handle ^
Dieser Wechsel in der Haltung Frankreichs bereitete der
Neigung des Kurfürsten zu der kaiserlich-niederländischen Partei
ein sofortiges Ende. Es ist klar, er meinte noch immer seinen
Vorteil vor allem auf selten Frankreichs zu finden, und sobald
er von dessen freundlichem Willen überzeugt zu sein glaubte,
suchte er mit dessen Hilfe voran zu kommen. Die General-
staaten und der Kaiser erfuhren dies bald zu ihrer schmerz-
lichen Enttäuschung.
Amerongen war am 8. März 1683 mit den schönsten Hoff-
nungen nach Berlin zurückgekehrt. Man hatte im Haag
endlich eingesehen, dafs die Freundschaft des Brandenburgers
unbedingt nötig, dafs er unter den deutschen Fürsten der einzige
notable Reformierte, und dafs er überdies von allen Seiten um-
worben sei. Die frühere kühle Geringschätzung, als sei er ein
kleiner Söldnerführer, den man immer für einige Stüber haben
könne, war offenbar nicht mehr am Platze. Auf Andringen
Wilhelms von Oranien beschlossen die Generalstaaten, ein Ver-
teidigungsbündnis der Niederlande und Spaniens mit dem Kur-
fürsten zu Stande zu bringen, wofür die ersteren ihm 500000,
das zweite 200000 Reichstaler auf die noch schuldigen Subsidien
zahlen sollten. Auch das war noch nicht das letzte Wort —
man war bereit, die Summe, wenn nötig, zu erhöhen. Allein
der wackere Amerongen fand sich in Berlin bald enttäuscht.
^ Ms. Korresp. zwischen Kurf. u. Spanheim, Febr. bis April 1683.
yierandyierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 319
Friedrich Wilhelm und seine Minister suchten alle möglichen
Gründe heraus, um die Annahme des niederländisch-spanischen
Anerbietens von sich zu weisen. Der Gesandte begriff, dafs die
Absichten auf Pommern den Ausschlag bei dem Herrn gaben,
der "trotz Alters, schwerer und schmerzlicher Krankheit und
tiefer Gemfitsverstimmung nichts von seinem Ehrgeiz und
seinem Eifer für die Gröfse seines Staates eingebüfst hatte.
Amerongen war schon in den ersten Tagen nach seiner Ankunft
davon überzeugt, dafs Friedrich Wilhelm mit Dänemark nnd
Frankreich abschliefsen werdet
Schwerins Unterhandlung mit dem Kaiserhofe brachte kein
besseres Ergebnis. Das war aber in erster Reihe nicht die
Schuld des Kurfürsten. Der Hilfe Polens, Bayern, Sachsens,
zahlreicher anderer Reichsstände sicher, wies Leopold alle An-
träge Brandenburgs zurück und sprach diesem jedes Recht auf
irgend ein schlesisches Fürstentum ab. Friedrich Wilhelm berief
dann Schwerin schon Anfang März zurück, teils weil er die
Aussichtslosigkeit seiner Sendung erkannte, teils im Wunsche,
Frankreich einen Beweis seiner Ergebenheit zu bringen. Wirk-
lich äufserten Ludwig und Croissy ihre lebhafte Befriedigung.
Die kaiserlichen Minister hielten Schwerin noch einige Wochen
in Wien zurück, aber ohne jeden Nutzen. Der Zwiespalt zwischen
dem Kaiser und Brandenburg war heftiger und ging tiefer
denn je*.
Friedrich Wilhelm mochte immerhin seine passive Haltung
bei den französischen Gewalttaten mit der Not der Zeiten und
seiner Überzeugung entschuldigen, dafs das Reich aufser stände
sei, den übermächtigen Gegner mit Gewalt zu bestehen, dafs es
also mit diesem sich auf gütlichem Wege abfinden müsse. Solche
Gründe sind aber für seine Untätigkeit bei der Türkengefahr
nicht stichhaltig. In seiner, freilich an sich gerechten, Ent-
rüstung über Leopolds stets bewiesene Ungunst hat er, als es
sich um die Rettung Deutschlands vor einem barbarischen Feinde
bandelte, um kleinlichen Vorteil gefeilscht. Während minder
mächtige Reichsstände sich mit patriotischem Opfermute in den
» ü. u. A., ni, 651 ff.
■ Pufendorf, XVm, 84f. — U. u. A^ IH, 674 ff., XIV, 1052 ff. —
Orlich, n, 493ff. — Droyeen, HI, IH 746ff. — Prutz, 362. — Ms.
Spanheim an Kurf., 19. März.
320 Siebentes Buch.
Kampf um das Dasein des grofsen Vaterlandes stürzten, war
Friedrich Wilhelms Trachten nur auf den Gewinn eines schlesi-
sehen Fürstentums oder eines Stückes von Vorpommern gerichtet.
Das Verhalten Friedrich Wilhelms im Jahre 1683 bildet den
traurigsten Teil seiner Regierungstätigkeit ; wenn der Kurprinz,
Anhalt, Derfflinger es hier gegen ihn mit Österreich hielten,
finden sie immerhin eine Entschuldigung in dem Umstände, dafs
ihre Denkweise besser der Ehre und dem wahren Interesse
Brandenburgs entsprach als die ihres kurfürstlichen Herren.
Während Österreich, Polen, viele deutsche Fürsten gegen
den Türken rüsteten, erschollen Frankreich und seine Vasallen-
staaten vom Lärm der Rüstungen gegen christliche Länder. In
Frankreich wurden Truppen gesammelt zur Belagerung der wich-
tigen belgischen Festung Luxemburg, ja zum eventuellen Ein-
marsch in Norddeutschland. Brandenburg verstärkte sein Heer
und versah es mit allem Notwendigen zum Kampfe gegen Schweden
und die Lüneburger; es gab dafür in wenigen Wochen volle
120000 Taler (etwa IV2 Millionen Mark nach heutigem Geld-
werte) aus. In Kopenhagen wurde rastlos an den Kriegsvor-
bereitungen gearbeitet; ein angesehener französischer General,
Graf von Roye, trat mit Genehmigung seines Königs in dänische
Dienste und ward als Feldmarschall mit der Leitung des däni-
schen Heeres betraut \ Die Verhandlungen zwischen den drei
Staaten über ihr offensiv gedachtes „Konzert** wurden mit grofsem
Eifer betrieben, und zwar in Berlin, wo als dänischer Bevoll-
mächtigter Biermann von Ehrenschild anlangte, um mit R6benac,
Meinders und Fuchs zu negotieren. Frankreich hegte um so
gröfsere Neigung, auf die von Brandenburg und Dänemark ge-
stellten Bedingungen einzugehen, als damals von einem Vergleiche
zwischen dem Kaiser und der Hohen Pforte die Rede war: dann
hätte nur der Kampf seiner Verbündeten gegen Schweden und
die Lüneburger dem Allerchristlichsten Könige erlaubt, seine
ganze Macht am Oberrhein gegen Österreich und dessen süd-
und mitteldeutsche Helfer zu vereinigen. Die Unterhandlung
bot freilich noch mehrere Schwierigkeiten: einmal die Festsetzung
eines nahen Datums für den Beginn der erhöhten Subsidien-
zahlung, wobei Brandenburg überdies für sich schon den fol-
» Recueü des Instructions, Xin, S. XLII. — U. u. A., m, 686. —
Prutz, 868 ff.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 321
genden 1. Mai forderte, anstatt des von Dänemark verlangten
1. Juni; zweitens der weitere Anspruch Brandenburgs, dafs die
Verbündeten nicht allein „ gemeinschaftlich*', wie es in dem von
Martangis zu Kopenhagen unterzeichneten Vertrage hiefs, sondern
auch „getrennt'^ gegen Schweden vorzugehen berechtigt seien;
endlich dafs der Angriff auf diesen Staat nicht bis auf Feind-
seligkeiten von dessen Seite vertagt werden, sondern nach blofsen
^Truppenaushebungen*' Karls XI. erfolgen solle. Auch wollte
Friedrich Wilhelm versichert sein, dafs Frankreich, selbst für
den Fall des Bruches mit dem Reiche, auf dessen Kosten keine
neuen Reunionen vornehmen werdet In dieser Beziehung ist
sich der Kurfürst, zu seiner Ehre, immer treu geblieben. R^benac
sträubte sich lange gerade gegen die letztere Forderung, so-
wie gegen die Bürgschaft Frankreichs für die zukünftig gegen
Schweden von Brandenburg und Dänemark zu machenden Er-
oberungen. Schliefslich gab er nach, aber in einer Form, die
der Ländergier Ludwigs XIV. eine Hintertür offen zu lassen
bestimmt war.
So wurde am 30. April 1683 das neue Bündnis in Berlin
unterzeichnet, und zwar derart, dafs ein kürzerer Vertrag, auf
Grund des Kopenhagener Abkommens, zwischen Frankreich und
Brandenburg abgeschlossen wurde, ein längerer und umfassen-
derer — das sogenannte „Konzert" — in deutscher Sprache
zwischen Brandenburg und Dänemark, aber auf Grund der von
R^benac übermittelten Zusagen des AUerchristlichsten Königs
und in der Voraussetzung, die Billigung dieses Herrschers zu
erhalten ".
Der erstere Vertrag setzte fest, dafs die beiden nordischen
Mächte jeder Vermehrung schwedischer Truppen oder deren Über-
führung nach Deutschland durch einen Angriff, zu Wasser wie
zu Lande, begegnen würden. Jeder Anfall fremder Mächte auf
die Länder eines oder des anderen der drei Verbündeten soll
mit gemeinsamen Mitteln abgewehrt werden. Die Kriegssubsidien
in Höhe von 300000 Talern jährlich zahlt Frankreich vom I.Juni
^ oder, nach einer besonderen Deklaration Röbenacs, an Bran-
denburg vom 1. Mai — des laufenden Jahres an.
^ Biese Punkte werden in der Ms. Korrespondenz des Kurf. mit
Spanheim während des April 1688 erörtert.
' Körner, 721{f. — Vgl. die Bemerkungen Rebenacs; Prutz, 864»
Philippson, Der GrofM Kurfarst. III. 21
322 Siebentes Buch.
Das „ Konzert '^ traf weitere und eingehendere Verabredungen.
Während in dem brandenburgisch -französischen Abkommen nur
von Schweden die Rede ist, tritt hier das Haus Lüneburg mit
als Ziel des Vertrages hervor. Es sollen zunächst mit ihm Ver-
handlungen gepflogen werden; scheitern diese aber, und zeigen
sich die Herzoge feindselig, soll der Krieg mit ihrer Überwälti-
gung beginnen, wozu Frankreich mit einem Heere Yon 300O>
Mann beitragen wird. Kurköln und Münster werden zur Mit-
wirkung und zur Aufstellung einer westfälischen Kreisarmee auf-
gefordert. Im Falle des Erfolges gegen Schweden soll Dänemark
die Herzogtümer Bremen und Verden samt der Stadt Wismar,
Brandenburg aber das ganze Vorpommern nebst Rügen erhalten.
Die Verbündeten werden die Waffen nicht niederlegen, ehe
Schweden in solche Abtretungen eingewilligt hat. Der König
von Frankreich aber verspricht für den Fall, wo er im Reiche
Krieg zu führen habe: „dafs Sie dasjenige, was Sie von den
Opponenten etwan erobern und in Ihre Gewalt bringen möchten,
nicht vom Reiche abreifsen, sondern bei geschlossenem Frieden
wieder abtreten und das Reich nicht verringern oder schwächen
wollen" (Artikel 18).
Das „Konzert" schien ganz den Wünschen Dänemarks und
Brandenburgs zu entsprechen. Frankreich unterstützt beide
Staaten im Kampfe gegen Schweden, der sofort beginnen kann, —
denn der Vorwand irgend einer „Vermehrung" der schwedischen
Streitkräfte war immer zu finden. Inzwischen hat Frankreich
nur das Recht, seine Gegner in Deutschland zu bekämpfen, aber
es soll auf deren Kosten keine neuen Erwerbungen machen
dürfen. In Wahrheit jedoch war die Sachlage keine so einseitig
günstige, wie die nordischen Staatsmänner annahmen. R6benac
hatte eine von ihnen vorgeschlagene Bestimmung, dafs „Frank-
reich seine künftigen Eroberungen im Reiche denjenigen,
denen es sie entrissen, zurückerstatten solle", abgelehnt
und dafür im Artikel 18 eine Fassung gewählt, die nur die Be-
raubung des Reiches als solchen verhinderte, es also Frankreich
gestattete, seine ferneren Eroberungen zu behalten, falls es nur,
der Form nach, für diese Stand des Reiches würde.
Der Kurfürst aber achtete dieser Bedenken nicht; er hielt
den Krieg für entschieden, und zwar „seinen" Krieg, wie er ihn
seit Jahrzehnten gewünscht, dieses Mal mit anscheinend un-
zweifelhafter Sicherheit des Erfolges. Denn die Lüneburger
Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 323
worden durch das blofse Erscheinen eines französischen Heeres
an der Weser zum Stillsitzen genötigt sein^ — mit Schweden
allein würden Dänemark und Brandenburg leicht fertig werden.
Ja, wenn selbst Dänemark sich nur mit Frankreich vereinte, um die
LOneburger im Zaume zu halten, die jede Aufforderung zum
gemeinsamen Bündnisse gegen Schweden ablehnten, war Friedrich
Wilhelm froh bereit, dieses auch allein anzugreifen '. Denn die
schwedischen Besitzungen in Deutschland waren derart von
allen Verteidigungsmitteln entblöfst, dafs ihre Eroberung als ein
leichtes erschien. Es wurde die Artillerie, behufs schneller Ein-
Dahme der pommerschen Festungen, besonders verstärkt, auch
in Königsberg eine Anzahl Kriegsfahrzeuge zur Fahrt ausgerostet.
Drei Regimenter in Preufsen erhielten den Befehl, sich marsch-
fertig zu machen. Man hoffte in Berlin jedoch, den Gewinn
des von Truppen fast entblöfsten Vorpommerns ohne viel Blut-
vergiefsen zu erlangen^.
Ebenso grofs war der Kriegseifer in Dänemark. Christian V.
beabsichtigte, die schwedische Flotte zu überfallen und zu ver-
brennen und zugleich das Herzogtum Bremen anzugreifen. Auch
er glaubte, wegen der schlechten Vorbereitungen Schwedens,
kaum auf ernstlichen Widerstand zu stofsen \ Damit begnügten
sich aber die Hoffnungen des Königs nicht: er verlangte von
Brandenburg wie von Frankreich, dafs beide Staaten ihm die
Eroberungen nicht nur, wie im „Konzerte** stipuliert war, im
deutschen, sondern auch im eigentlichen Schweden verbürgen
sollten, wo er die ein Vierteljahrhundert früher den Dänen ent-
rissenen Provinzen Schonen, Halland und Blekingen zurückzu-
gewinnen gedachte. Eine solche Verpflichtung hat der Kurfürst
nicht offen abgelehnt, sie aber von der — sicher niemals zu er-
langenden — Zustimmung Frankreichs abhängig gemacht, dem
er so das Odium der Zurückweisung klüglich überliefst.
1 Ms. Spanheim an Surf., 4J14. Mai 1688.
• Kebenac an Ludwig XIV., 29. Mai; Prutz, 365f. — Pufendorf,
XVm, 91.
• TJ. u. A., m, 706 ff. — Dafs die Ansicht von der Verteidigungs-
tmffthigkeit der schwedischen Provinzen in Deutschland richtig sei,
wurde damals von allen Seiten zugegeben. Vgl. Recueil des Instructions,
Xm, 54.
* Instr. Ludwigs XIV. an Villars, 6. Mai 1683; Becueü XIH, 46.
* Ms. Chiffrierte Instr. des Kurf. an Spanheim, 1./11. Mai 1683.
21*
324 Siebentes Buch.
Alle diese Hoffnungen aber waren nichtig, alle diese Pläne
zerflatterten im Winde. Denn das Bündnis mit Frankreich er-
wies sich abermals als das schwache Rohr, das in eben dem
Augenblicke zerbricht, wo man sich darauf zu stützen gedenkt.
König Karl XI. hatte erkannt, dafs er aufser stände sei, einem
von Frankreich begünstigten Angriffe Dänemarks und Brandenburgs
erfolgreich die Spitze zu bieten. Während er das Versäumte mög-
lichst durch beschleunigte Rüstungen zu Lande und zu Wasser nach-
holte, tat er alles, um Frankreich von der absoluten Friedfertigkeit
seiner Absichten zu überzeugen ; er bat sich sogar einen neuen fran-
zösischen Gesandten nach Stockholm aus K Ludwig XIV. wurde
durch diese Umwandlung in der Haltung der schwedischen Re-
gierung sofort wieder zu seiner eigentlichen Ansicht zurück-
gebracht, er habe eine wesentliche Schwächung Schwedens nicht
zuzulassen. Es schien ihm für Frankreich ratsam, dafs Schweden
auf der einen, Dänemark und Brandenburg auf der anderen
Seite sich balancierten und der Allerchristlichste König stets die
eine gegen die andere Macht ausspielen könne. Er war davon
überzeugt, dafs Dänemark und Brandenburg in eben dem Augen-
blick, wo sie ihre Wünsche verwirklicht und Schweden unschäd-
lich gemacht hätten, sich von Frankreich ab- und dem Kaiser
zuwenden würden, und zwar um so mehr, als sie nur von diesem
die endgültige Belehnung mit den den Schweden abgenommenen
deutschen Ländern zu erhalten vermochten. Alle Unterstützungen,
die er jenen beiden Staaten gewährt, würden dann im letzten
Grunde dem Hause Österreich zu gute kommen. Er hatte einst-
weilen seine Zwecke erreicht : Schweden war ebenso wie Branden-
bürg von dem Anschlüsse an Osterreich und die Niederlande
zurückgebracht worden; nun opferte er zumal den Kurfürsten,
dem er ja stets mifstraute, ohne das mindeste Bedenken. Er
suchte sogar Dänemark dazu zu bewegen, dafs es sich ganz von
Brandenburg trenne, mit Schweden ein enges Bündnis schliefse
und sich dann, an Stelle des Herzogtums Bremen, vielmehr des
alten Gegenstandes seiner Habsucht, der freien Stadt Hamburg,
bemächtige '•
» Carlson, V, 261 ff .
' Ludwig teilt das als das tiefste Geheimnis der französischen
Politik Villars mit; Becueil XIII, 54. — Vgl. die ganze Darlegung dort
S. 46 ff.
Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 325
Dazu mufsten die Verbündeten der Hansastadt, die weifi-
schen Herzoge, unschädlich gemacht sein. Gegen diese also
bemühte Ludwig sich zunächst den Ehrgeiz und die Kriegslust
seiner Aliierten zu richten. Die Lüneburger waren die mäch-
tigsten unter den kaiserfreundlichen Reichsfürsten; wenn sie
bis zur Machtlosigkeit geschwächt worden, erhielt die öster-
reichische Partei in Norddeutschland den Todesstofs. Ludwig
betrachtete sie als seine gefährlichsten Widersacher im Reiche.
Schon im März 1688, ehe noch das „Konzert^ vereinbart war,
hatte er sich bemüht, Christian V. und Friedrich Wilhelm zu-
nächst auf die Lüneburger zu hetzen. Immer und immer wieder
kam Groissy darauf zurück, man müsse alles mit der gewalt-
samen Entwaffnung dieser Fürsten beginnen; denn solange sie
noch gerüstet daständen, könne ohnehin der Angriff auf Schweden
nicht mit Sicherheit geschehen, da sie den Dänen und Branden-
burgern stets in den Rücken fallen könnten. Auch R6benac
mufste das in Berlin, Villars, der neuernannte Gesandte in
Kopenhagen, in dieser Hauptstadt vorstellend
Das „Konzert*" hatte die Lüneburger dadurch unschädlich
machen wollen, dafs ein französisches Heer an die Weser vor-
rücke. Allein Ludwig wies das durchaus zurück und wollte
seine Truppen nicht einmal an den Niederrhein entsenden ', an-
geblich aus Friedensliebe, in der Tat, um seine Verbündeten
zu zwingen, dafs sie selber sich gegen die weifischen Herzoge
wendeten.
Aber dafür war Friedrich Wilhelm nicht zu haben. Er
konnte keine dauernden Erwerbungen auf Kosten dieser deut-
schen Fürsten machen, wie etwa auf Kosten Schwedens. Ab-
gesehen von seinem Bündnisse mit Frankreich hatte er im
Grunde keine Ursache zum Streit mit diesem Hause. Ein grofser
und seinem Herzen nahestehender Teil seiner Umgebung er-
klärte sich mit Leidenschaft dagegen, im Dienste der Welschen
deutsche Fürsten nur deshalb zu bekämpfen, weil sie ihrem
Kaiser treu waren. Der greise Derfflinger rief dem Kurfürsten
laut zu: „Ich will mich lieber in Stücken hauen lassen, als die
kurfürstliche Armee gegen Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht Ehre
» Ms. Spanheim an Kurf., 19. März, 3. Mai 1683. — Prutz, 365. —
Recueü, XIII, 50 f.
' Ms. Spanheim an Kurf.) 27. Mai.
326 Siebentes Buch.
und Gewissen, auch Eure und des Reiches Wohlfahrt zu komman-
dieren/ ^ Das alles machte auf Friedrich Wilhelm tiefen Ein-
druck, und zwar um so mehr, als er sich wiederum von Frank-
reich des Preises, den er schon in H&nden zu halten geglaubt
hatte, auf das rücksichtsloseste beraubt sah. Ein deutlicher
Beweis für das Übelwollen Frankreichs war auch, dafs dieses
sich weigerte, eine Bürgschaft für etwaige Erwerbungen seiner
Alliierten zu übernehmen, sondern lediglich die Verpflichtung in
den Vertrag zulassen wollte: dafs die Verbündeten nur mit
gegenseitiger Zustimmung Frieden schliefsen dürften, — eine un-
sichere Klausel, die erforderlichen Falles leicht zu umgehen war.
Femer mufste es den Kurfürsten schwer verdriefsen, dal^ König
Ludwig jeden seiner Versuche, die Herausgabe Oraniens zu er-
zielen, mit schneidender Kftlte zurückwies, da jenes Fürstentum
ein yerwirktes Lehen der Krone sei".
Am meisten entrüstete es ihn, dafs Groissy nunmehr er-
klärte, für den Eintritt eines Bruches mit dem Reiche könne sein
König sich in betreif weiterer Erwerbungen und Reunionen die
Hände nicht binden. Die ganze moralische und rechtliche Grund-
lage der brandenburgischen Politik während der letzten vier Jahre
wurde damit vernichtet. Friedrich Wilhelm beauftragte Span-
heim, dies in Paris unumwunden auszusprechen und mit aller
Schärfe darauf hinzuweisen,' der Kurfürst könne auf Grund seiner
beschworenen Pflichten nicht dazu helfen, dafs das Reich weiter
gemindert und zergliedert werde, würde auch dadurch seine
eigenen feierlichsten Verpflichtungen Lügen strafen. „Es würde
verhoffentlich Ihre Königl. Maj. teils durch Behauptung der ais-
schon gemachten Reunionen, auch überdem noch wohl ander-
wärts und aufser dem Reiche eine anständige und zulängliche
Satisfaktion finden.'' Allein mit Dänemark gegen die Lüneburger
vorzugehen , wies er in jeder Weise zurück ; inzwischen werde
damit die beste Zeit verloren gehen, wo man gegen Schweden
etwas ausrichten könne. Er wollte nichts zum Nachteile Deutsch-
lands tun. Schliefslich , am 8. Juni, sprach er seinen völligen
Verzicht auf das „Konzert" aus, das er also nicht ratifiziert hat^.
' U. u. A., XIV, 1071.
' Ms. Spanheim an Kurf., 24., 27. Mai. — R^benac mufs anerkennen,
dafs des Kurfürsten Zorn gerechtfertigt sei; Ms. Depeschen vom Juni
1683 (B).
« Kurf. an Spanheim, 8./18. Mai, 22., 29. Mai / 1., 8. Juni 1683.
Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 327
Er kam damit Ludwig XIY. zuvor, der gleichfalls das «Kon-
zert" ablehnte, weil er mit Schweden nicht zu brechen gedenke.
Er ermahnte vielmehr zur Bewahrung des Friedens in Nordeuropa,
derart seine eigenen jüngsten Winke, Aufforderungen und Ver-
sprechungen, sowie die amtlichen Taten seiner Vertreter Lügen
strafend ^ Abermals hat sich da für Brandenburg die volle Nutz-
losigkeit der französischen Allianz erwiesen. Der grofse König
hatte es „amüsiert^, um es von einem Übertritte zur europäi-
schen Partei abzuhalten. Er hat damit aber bewirkt, dafs der Kur-
fürst zu einer kriegerischen Unterstützung Frankreichs nicht
mehr zu haben war. Insofern war das brandenburgisch-französi-
sche Bündnis durch diese Vorgänge endgültig abgeschwächt.
Friedrich Wilhelm benutzte die französischen Hilfsgelder
noch, um sein Heer in ansehnlicher Stärke zu erhalten; sonst
dachte er nur daran, den Frieden im Reiche zu bewahren, dies
vor neuen Unruhen und damit vor der Gefahr weiterer Ver-
luste zu schützen. Er sandte Meinders nach Braunschweig und
Hannover, um wenigstens äufserlich eine Versöhnung mit den
Weifen herbeizuführen. Es fand dann, im Juni, zu Hamburg ein
Kongrefs brandenburgischer, dänischer und lüneburgischer Be-
vollmächtigter statt, dem für die erstere Macht Meinders, für
die zweite Biermann von Ehrenschild, für die dritte Grote bei-
wohnte; auch R^benac hatte sich zur Vertretung der französi-
schen Interessen dorthin begeben. Während Frankreich alles
tat, um den Ausgleich mit den Weifen, von dem es eine Trennung
Brandenburgs von Ludwig XIV. fürchtete, zu hintertreiben *, er-
klärte Grote unumwunden, Hannover könne sich nicht eher den
Verbündeten nähern, als der Allerchristlichste König Sicherheit
gegeben habe, nichts gegen das Reich unternehmen zu wollend
Der Kongrefs ging am 25. Juni unverrichteter Sache auseinander.
Dänemark war mit dem friedlichen Verhalten Brandenburgs
sehr unzufrieden. Das Erscheinen einer französischen Flotte in
der Ostsee, das Ausbleiben des den Schweden versprochenen
holländischen Geschwaders hatten in Kopenhagen die Kriegslust
wieder gesteigert. Man war dort wohl dazu geneigt, dem Kur-
fürsten die Schuld am Scheitern des Angriffsplanes auf Schweden
» Prutz, 366f.
■ Recueil, XUI, 55.
» Prutz, 366.
328 Siebentes Buch.
beizumessen, und drohte, sich mit diesem letzteren Staate zu
verbünden. Friedrich Wilhelm anderseits war mifsgestimmt über
die einseitige Begünstigung Dänemarks durch Frankreich und
über dessen Bemühungen, die englische Prinzessin Anna mit dem
dänischen Prinzen Georg zu vermählen. Man glaubte, und zwar
mit Recht, in Potsdam fürchten zu müssen, dafs Ludwig darauf
hinziele, seine Partei mit Dänemark, England und Schweden zu
bilden und Brandenburg ganz zur Seite zu schieben. Als Ende
Juni der dänische Abgesandte Friedrich von Gabel den Kur-
fürsten von neuem in kriegerische Abenteuer zu verstricken
suchte, wies dieser solche zurück und verweigerte auch eine
abermalige Zusammenkunft mit Christian Y. als nutzlos und gar
schädlich ^
Er fühlte sich verlassen und vereinsamt, und seine schweren
körperlichen Leiden verstimmten ihn vollends. Er erklärte den
Holländern auf abermaliges Andrängen wiederum : man solle vor
allem den allgemeinen Frieden auf Grund des Status quo ab-
schliefsen, dann werde er zu neuen Bündnissen die Hände frei
haben; auch müfsten zuvor seine Forderungen an Holland und
Spanien wegen der rückständigen Subsidien befriedigt sein. Aber
war die allernächste Kriegsgefahr beseitigt und die Zeit ge-
wonnen, um in aller Ruhe den zukünftigen Kampf vorzubereiten,
so war er wohl geneigt, von der französischen Partei wieder zu
der niederländisch-kaiserlichen, unter gewissen Bürgschaften für
die Interessen Brandenburgs, überzutreten. Er wolle, sagte er,
sich in betreff Spaniens mit dem von diesem selbst angebotenen
Betrage von 200000 Talern in bar und 300000 in Salz einver-
standen erklären, auch eventuell ein Verteidigungsbündnis für
die freien und die spanischen Niederlande eingehen (28. Juni).
Die Generalstaaten sollten ihm für die schuldigen Hilfsgelder
ein für alle Male eine halbe Million Taler zahlen oder dafür
die Krone Schweden zur Abtretung der Stadt Stettin an ihn
bewegen. Freilich wiesen die Hochmögenden beide Möglichkeiten
dieser , Alternative" zurück: sie wollten weder eine so grofse
Summe entrichten noch den — offenbar aussichtslosen — Versuch
machen, den ehrbegierigen und charaktervollen Karl XI. zur
Aufgabe Stettins zu überreden'. Jedenfalls zeigte das Erbieten
* U. u. A., ni, 713. 725 ff.
■ Ebendas. 705 ff. 718 ff. 725 ff.
Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 329
Friedrich Wilhelms, dafs bei ihm die Hochflut französischen
BOndniseifers sich bereits verlaufen hatte, und dafs es für ihn
nur von den Umständen abhing, die Partei zu wechseln.
Er scheute sich nicht, R^benac, der ihm im Grunde des
Herzens recht geben mufste, das Sündenregister Frankreichs
vorzuhalten. Es habe ihm viele mächtige Staaten: Österreich,
die braunschweigischen Herzogtümer, Schweden, Sachsen, Polen,
zu Feinden gemacht und dabei durch Verweigerung des jüngsten
Traktats die Mittel genommen, diese gefährliche Phalanx zu
sprengen. Es nötige ihn, mit seinem Heere auf dem Kriegs-
fufse zu verharren, und versage ihm doch die Eroberungen auf
Kosten Schwedens, zu denen es ihn wenige Monate vorher an-
gefeuert habe^ Kurz, die Beziehungen zwischen Berlin und
Paris waren abermals, wie ein halbes Jahr zuvor, recht kühle
und unerfreuliche.
Und nun kam von neuem Lamberg nach Berlin (Juni 1683 '),
um den Kurfürsten für ein Bündnis mit dem Kaiser zu ge-
winnen. Allerdings hatte dieser ein solches sehr nötig. Grof^
vezier Kara Mustapha war im Anfang des Mai mit mehreren
Hunderttausenden von Streitern von Belgrad aufgebrochen, war
dann in Ungarn erschienen und willens, unmittelbar auf Wien
loszugehen. Leopold aber hatte kein irgend hinreichendes Heer
zur Verfügung, um diesem furchtbaren Anprall einen Damm
entgegenzusetzen. Er zitterte für seine Lande, für seine Krone.
So trug er von neuem dem Brandenburger eine Allianz an : aber
sie legte nur diesem Verpflichtungen auf und gewährte ihm
keinerlei Voii;eile; die Zahlungen Spaniens waren auf 100000
Taler bar — also hunderttausend weniger, als es bereits zu-
gestanden hatte — und 300000 in Salz festgesetzt. Von der
9 Satisfaktion" im Reiche, von Jägemdorf und den übrigen schlesi-
schen Fürstentümern kein Wort.
Friedrich Wilhelm war mit Recht entrüstet über diese Zu-
mutung. Die ihm feindselige Gesinnung des Wiener Hofes konnte
sich nicht deutlicher kundgeben als durch derartige Anträge in
dessen verzweifelter Lage. Und dabei mufste er hören, dafs die
Salzwerke zu Cadiz und Lamata, die die unentgeltliche Liefe-
^ Dep. R^benacs vom 25. Juni; Prutz, 367.
• Das Folgende nach ü. u. A., XIV, 1058 ff. — Vgl. U. u. A.,
m, 716 ff.
330 Siebentes Buch.
rung des Salzes für 300000 Taler besorgen sollten, schon seit
mehr als zwanzig Jahren an Privatleute verpachtet waren ! Man
dürfte es ihm nicht verargen, dafs er unter solchen Umständen
wenig Neigung zeigte, sich den Habsburgem dienstbar zu machen;
er müsse erst abwarten, sagte er, was für „Sekuritat** ihm
„prftstiert^ werde, „dann er als ein gebranntes Kind sich nicht
gern zum zweiten Male wolle einführen lassen^. Er verlangte
eine höhere Zahlung von Spanien], neue Subsidien vom Kaiser,
Quartieranweisungen im Reiche für seine Truppen, Entschädi-
gung für seine schlesischen Ansprüche, da der kaiserliche Hof
seine Nachkommen um ihr Recht bringen wolle, wie das schon
seit vielen Jahren geschehe. Kurz, eine Verständigung war hier
noch im weiten Felde.
Da erscholl die Kunde, dafs der Kaiser am 7. Juli seine
Hauptstadt flüchtend verlassen habe, deren Belagerung durch
die Türken bevorstehe. Ein entscheidender Augenblick war ein-
getreten. Sein oder Nichtsein stand für Deutschland auf dem
Spiele. Friedrich Wilhelm beschlofs, zur sofortigen Übereinkunft
mit dem bedrängten Reichsoberhaupte den kaiserfreundlichen
Anhalt an Leopold zu senden. Noch einmal trugen die wahren
Empfindungen des greisen Kurfürsten über seinen pei*sönlichen
Groll und seine partikularen Absichten den Sieg davon.
Fünfundvierzigstes Kapitel
Die Braunschweiger Fehde.
Vier Jahre lang stand Kurfürst Friedrich Wilhelm im fran-
zösischen Bündnis, als die Türken vor Wien erschienen und
damit eine grofse europäische Krisis hervorriefen. Er hatte,
mit Ausnahme geringfügiger Hilfsgelder, aus seinem Verhältnisse
zu Frankreich nicht einen der Vorteile gezogen, auf die er ge-
rechnet. Sein übermächtiger Alliierter hatte ihm weder von
Holland noch von Spanien, weder vom Kaiser noch vom Reiche
die Genugtuung erwirkt, auf die er Anspruch zu haben meinte,
noch endlich ihm den vor allem ersehnten pommerschen Land-
erwerb ganz oder auch nur zum Teil verschafft. Vielmehr sah
der greise Fürst sich lediglich auf Bahnen gedrängt, die den
Traditionen seines Staates schnurstracks zuwiderliefen. Wenn
er dennoch an der Seite Frankreichs beharrte, wurde er hierzu
nicht sowohl durch Zorn und Rachgier veranlafst, die längst
verraucht waren, allerdings mit Zurücklassung bitterer und
schmerzlicher Empfindungen, als vielmehr durch Erwägungen
sowohl allgemeiner wie besonderer Art. Er war nach wie vor
fest davon überzeugt, dafs das in sich gespaltene und zerrissene
Europa nicht im stände sei, die Waffen des Allerchristlichsten
Königs abzuwehren, und dafs man dessen Eroberungsgier einst-
weilen nur durch gütliche Mittel, durch das Opfer eines
Teiles des Verlorenen, Einhalt schaffen könne. Er durfte laut
und mit vollem Rechte darauf hinweisen, dafs er gerade durch
seine offizielle Freundschaft mit Frankreich Deutschland vor
weiteren Einbufsen bewahrt habe. Diese Tatsache erhielt eine
neue Bestätigung durch den Türkeneinfall des Jahres 1683.
332 Siebentes Buch.
Wie wäre es dem Kaiser und den Reichsständen zu einer Zeit,
wo sie ihre ganzen verfügbaren Streitkräfte gegen die furcht-
bare Macht der Türken verwenden mufsten, möglich gewesen,
zugleich die Franzosen am Rhein zu bestehen ? Und dann : nur
infolge seines Bündnisses mit Frankreich war Friedrich Wilhelm
befähigt gewesen, wenigstens ein deutsches Gebiet — Ostfriesland —
von der hundertjährigen Fremdherrschaft, aus der Gewalt der
Holländer zu befreien und dem deutschen Wesen zu erhalten.
Zu diesen Erwägungen allgemeiner Natur kamen noch
besondere: die Vernachlässigung seiner Interessen seitens der
Generalstaaten und das offenbare Übelwollen, das ihm die Habs-
burger und vorzüglich der Kaiser erwiesen. Vielleicht hätte er,
aus höheren Beweggründen, in jüngeren Jahren über diese Dinge
hinweggesehen, wie er es 1660, 1672, 1674 getan. Allein nach
den trüben Erfahrungen des letzten Krieges, verbittert auch
durch sein stetes Kranksein, das ihn den gröfsten Teil des Jahres
hindurch an das Bett fesselte, ernüchtert durch das ohnehin
des Schwunges entbehrende Greisenalter, vermochte er sich zu
so kühnen und edlen Entschlüssen nicht mehr aufzuraffen.
Er war dennoch bereit, dem Kaiser, auf dessen wiederholte
Bitten um Beistand, gegen die Türken zu Hilfe zu kommen;
erschienen diese doch am 12. Juli wirklich vor Wien, und der
Fall der österreichischen Hauptstadt hätte das ganze Reich dem
barbarischen Feinde eröffnet. Unter diesen Umständen hätte
Friedrich Wilhelm gern seine Beschwerden beiseitegeschoben,
um gegen die allen drohende Gefahr anzukämpfen. Er wünschte
sogar, bei dieser Gelegenheit mit dem Kaiser, Spanien und den
Niederlanden ein Verteidigungsbündnis einzugehen, das seiner
Allianz mit Frankreich nicht dem Wortlaut nach widersprochen,
solche aber tatsächlich aufgehoben hättet Er zeigte seinen
guten Willen in dem Osmanenkriege , indem er am 22. Juli mit
einem polnischen Unterhändler, dem Bischof Andreas Zaluski
von Kiew, in Berlin einen Vertrag einging, durch den er
1200 Mann als Hilfstruppen den Polen gewährte, und zwar für
sechs Monate auf seine eigenen Kosten'. Dieser Truppenteil
traf tatsächlich im Monat Oktober in Ungarn ein. Allein das
war doch nur eine Abschlagszahlung: Friedrich Wilhelm beschlofs.
» U. u. A., m, 788 : Amerongen an Fagel, 10./20. Juli 1683.
• Mörner, 447. — O. Klopp, Das Jahr 1683 (Graz 1882), S. 268.
Panfimdvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 333
ein ansehnliches Heer von 12000 Mann zu bilden, das unter
dem Befehle Derfflingers gegen die Tarken marschieren sollte.
Die Regimenter aus der Mark und selbst aus Preufsen waren
schon zum Marsche befehligte Er bat femer den König von
Frankreich, in dieser Bedrängnis das Reich nicht anzugreifen
noch zu beunruhigen. Er verzichtete auf die ihm im französisch-
brandenburgischen Präliminar vertrage vom 30. April 1683 ver-
heifsenen erhöhten Subsidien, nur um seine Friedensliebe und
Selbstlosigkeit zu erweisen^. Wirklich hatte er die Genugtuung,
zu sehen, dafs Ludwig XIY. die schon begonnene Belagerung
Luxemburgs aufhob, um nicht der öffentlichen Meinung Europas
als Verbündeter der Ungläubigen gegen die Habsburger zu er-
scheinen. Anhalt hatte dann die bevorstehende Ankunft des
brandenburgischen Heeres dem Kaiser förmlich anzuzeigen;
allerdings war die Bedingung, dafs das Reich mit Frankreich
abschliefse, da es sonst vor einem doppelten Angriffe unrettbar
verloren sei. Der Kurfürst forderte zugleich ausgiebige Sub-
sidien, von denen ein Teil auf Ostfriesland angewiesen werden
könne und, indem er seine Ansprüche auf Liegnitz, Brieg und
Wohlau einstweilen vertage, für Jägemdorf eine Geldentschä-
digung, die ihm zur Erwerbung der Sachsen -weifsenfelsischen,
ehemals magdeburgischen Ämter Querfurt, Jüterbog und Dahme
dienen sollte^.
Man mag es bedauern, dafs der Kurfürst kleinliche Parti-
kularinteressen zur Sprache brachte, wo es sich um die Rettung
der Christenheit und zumal Deutschlands vor den wilden Feinden
handelte. Allein man darf nicht übersehen, dafs die dieses
Mal dem Kaiser gestellten BtLndnisbedingungen weit bescheidener
waren als je zuvor. Es kam Friedrich Wilhelm vor allem darauf
an, der guten Gesinnung Leopolds und seiner Räte sich zu ver-
sichern, hierüber die Zweifel zu zerstreuen, die deren bisheriges
Auftreten in vollem Mafse bei ihm hervorgerufen hatte. Er
war um so mehr genötigt, hier klar zu sehen, als R^benac sich
mit Energie, ja, mit Heftigkeit jeder Unterstützung des Kaisers,
selbst nur gegen die Türken, widersetzte. „Wenn der Kurfürst
^ Ms. Derfflinger an Hessen-Homburg, 31. Juli, 13. Aug. 1683 (Berlin,
Geh. Staatsarchiv, Bep. XCIY, IV H b, 5 k).
* Ms. Kurf. an Spanheim, 16./26., 20./30. Juli.
» U. u. A., XIV, 1073 f. 1079 ff.
334 Siebentes Buch.
solches täte", erklärte der Vertreter Frankreichs, ^könnte man
nicht anders daraus urteilen, als dafs Se. Kurf. Durchl. von
Sr. Eönigl. Maj. in Frankreich und dem mit Ihre aufgerichteten
Bündnisse abzutreten vorhabe. Er müsse solches seinem Könige
durch einen Expressen berichten" \ Er drohte offen mit dem
Kriege gegen das Reich, wenn der Kurfürst solchen Abfall voll-
ziehe'. In einem Schreiben an Fuchs machte er seinem Ärger
Luft. Der Kurfürst habe durch sein unbedingtes Hilfsanerbieten
den Kaiser nur davon abgehalten , sofort mit Frankreich , not-
gedrungen, Frieden zu schliefsen. Es sei auch auffallend, dafs
Se. Durchlaucht, die noch vor sechs Wochen mit seinen Feinden
Krieg führen zu müssen behauptet habe, nunmehr vor diesen
seine Länder gänzlich von Truppen entblöfse. Alles dies liefse
auf einen völligen Parteiwechsel Brandenburgs schliefsen. Fuchs
antwortete beschwichtigend, mit dem Hinweise auf die Not-
wendigkeit, dafs schon um der Sicherheit seines eigenen Staates
willen der Kurfürst den Türken Widerstand leiste; das ändere
an seinem Verhältnisse zum Allerchristlichsten Könige nicht das
mindeste *. — Unter Röbenacs Leitung arbeitete die gesamte fran-
zösische Partei am brandenburgischen Hofe, Kurfürstin Dorothea
an der Spitze, dann Meinders, Grumbkow und deren Freunde,
gegen jedes Abkommen mit dem Kaiser. Allein Friedrich Wil-
nelm blieb fest. „Ich sehe nicht ein,*' antwortete er R6benac,
„wie mein Vorhaben, die Türken von Deutschland fernzuhalten,
dem Bündnis mit Frankreich sowie den Friedensbemühungen
im Reiche widerspräche." — „Das Hemde ist mir näher als der
Rock," sagte er auch; „ich bin ein Kurfürst des Reiches und
mufs dem Reiche in seiner Not beistehen." ^
Solches versprach er auch dem Grafen Lamberg.
Selbstverständlich blieb er dabei mehr als je der Ansicht,
dafs eine Rettung für das Reich nur möglich sei, wenn dieses
sich sofort der französischen Gefahr entledige. Das sagte er
dem Herzoge von Sachsen-Lauenburg, der damals im Auftrage
des kaiserlichen Feldmarschalls Herzog von Lothringen in Pots-
dam erschien; das schrieb er auch dem Kurfürsten von Sachsen:
^ Ms. Kurf. an Spanheim, 13./2S. Juli.
• U. u. A., III, 740.
«Klopp, Der Fall des Hauses Stuart, III, 547 ff.
* Englischer Bericht vom 21./31. Juli 1688; Raum er, Beiträge, III.
448 Anm. — U. u. A., XIV, 1081 f. — Prutz, 270 ff.
FOnfundvierzigstes Kapitel. Die Braonschweiger Fehde. 335
man müsse es so machen, wie „erfahrene Medici in desperaten
Krankheiten tun, wo sie ein Glied abschneiden und dahinten-
lassen um den ganzen Körper zu salvieren' ^. Er konnte sich
darauf berufen, dafs das Kurfürstenkolleg in seinem Votum vom
21. Juli abermals den sofortigen Abschlufs des Waffenstillstandes
mit Frankreich empfohlen hatte ^. Friedrich Wilhelm stand also
mit seiner „Reichsver räterei ^ keineswegs vereinzelt da; die vor-
nehmste Reichsbehörde war in ihrer überwiegenden Mehrheit
ganz seiner Meinung.
Jedenfalls konnte er es nicht darauf ankommen lassen, mit
Frankreich zu brechen, wenn er nicht Bürgschaften für den
guten Willen des kaiserlichen Hofes besafs. Erhielt er solche
durch Annahme seiner dem Kaiser gemachten Anträge, so war
er fest entschlossen, für dessen Verteidigung einzutreten. Er
liefs Derfflinger schleunigst nach Potsdam kommen: in wieder-
holten Beratungen zwischen dem Kurfürsten, dem Feldmarschall
und einigen vertrauten Ministern, am 1. und 2. August 1683,
wurde festgesetzt, dafs die zwölftausend Mann allsogleich an der
brandenburgisch -schlesischen Grenze zusammengezogen werden
sollten, um, nach günstiger Erledigung von Anhalts Sendung,
sofort nach Niederösterreich abmarschieren zu können. Grossen
wurde zum Sammelpunkte für das brandenburgische Hilfskorps
bestimmt '.
Hätte der Kaiser bereitwillig in die ihm dargebotene Rechte
des Brandenburgers eingeschlagen, er hätte zweifellos ihn end-
gültig auf seine Seite ziehen können. Sein Verhältnis zu Frank-
reich wurde ein recht gespanntes. Friedrich Wilhelm sandte
300 Mann dem Kurfürsten von Trier zur besseren Wahrung von
dessen Festungen. Einreden R^benacs, sein König werde das
ungern sehen, blieben unbeachtet. Das „inständige Ersuchen''
des Gesandten, der Kurfürst möge auch ohne das „Konzert" den
brandenburgisch-französischen Präliminarvertrag vomSO. April 1683
ratifizieren, wies dieser entschieden zurück, obwohl ^ hierdurch
der erhöhten Subsidien verlustig ging. So wenig liefs er sich
vorzugsweise von finanziellen Interessen bestimmen, wie seine
» Raumer, Histor. Taschenb. f. 1848, S. 226 ff. — Prutz, 272 f.
■ Londorp, XI, 616.
* Derfflinger an Anhalt, 24. Juli/ 3. August 1683; ü. u. A., III,
741 Anm. — Klopp, Das Jahr 1683, S. 268.
336 Siebentes Buch.
Tadler in Vergangenheit und Gegenwart ihm vorgeworfen haben.
„Wir können nicht absehen,^ erwiderte er, ;,wozu solcher Traktat,
als welcher auf eine künftige Ruptur und Aktion zielet, und
die darin gleichsam pro fundamento festgehalten wird, anitzo
dienen sollte.^ Er wollte seine Beziehungen zu Frankreich
nunmehr nicht fester knüpfen, sondern lockern, die Hände frei
bekommen, um sie der entgegengesetzten Partei bieten zu können.
Er sandt« also Meinders von neuem nach Hannover sowie nach
Kopenhagen, um an beiden Orten zu vermitteln, sowie im Inter-
esse des europäischen und zumal des Reichsfriedens zu wirken \
Hier nahm Friedrich Wilhelm die einzig richtige, von der Klug-
heit gebotene Stellung ein: nicht als Vasall Frankreichs, son-
dern zum Besten des Reiches und im Grunde des Kaisers selbst
Ein Angriff Dänemarks auf die Lünebufger oder gar Frankreichs
auf den Rhein hätte damals leicht den Zusammenbruch des
ganzen uralten Reichsgebäudes zur Folge gehabt.
Der Kurfürst erlebte die Genugtuung, dafs Ludwig XIV.
einlenkte. Es widerstrebte doch dem Ruhmesbedürfnis und Ehr-
gefühl des Allerchristlichsten Königs, in dieser furchtbaren
Weltkrisis als Verbündeter der Osmanen zu erscheinen. Er
rechnete vielmehr darauf, dafs Wien ohnehin fallen, der Habs-
burger sich zur Rettung Deutschlands vor den Türken unfähig
erweisen werde. Dann gedachte er mit einem grofsen Heere
im Reiche zu erseheinen, die Moslemin zu schlagen und zu ver-
treiben und als gerechten Dank von den erlösten Deutschen die
Kaiserkrone zu erhalten, aus der er ganz andere Machtbefug-
nisse abzuleiten gewillt und im stände war als die beschränkten
und langsamen Nachkommen Karls V.
Im Gegensatze zu R6benac sprach also Ludwig vielmehr
seine Zufriedenheit mit der Truj^penhilfe aus, die Brandenburg
dem Kaiser gegen die Türken gewähren wolle, — sie sollte nur
allzu schwach sein, um den Sieg Kara Mustaphas zu verhindern ;
deshalb setzte er hinzu, bei dem drohenden Kriege zwischen
Dänemark und dem Hause Lüneburg möge immerhin der Kurfürst
seine Länder nicht allzusehr von Soldaten entblöfsen. Er be-
dachte überdies Friedrich Wilhelm mit den wärmsten Lobsprüchen
und verhiefs ihm — trotz der Nichtbestätigung des Präliminar-
vertrages — aufserordentliche Unterstützungen. Kurz, er tat
^ Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheims, Juli u. Aug. 1683.
Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 337
alles, am Brandenburg bei dem Bündnisse mit ihm zu erhalten K
Und dann ein grofses Zugeständnis von allgemeiner Tragweite :
er erklärte sich bereit — was er bislang immer zurückgewiesen
hatte — , an Stelle eines beständigen Friedens mit Belassung der
ersten Reunionen und Strafsburgs einen dreifsigjährigen Waffen-
stillstand auf derselben Grundlage anzunehmen; allerdings müsse
das Reich sich dazu bis zum 31. August entschliefsen '.
So stand sein freundliches und gemäfsigtes Benehmen
in kriegerischer Zeit im schärfsten Gegensatze zu dem rauh ab-
weisenden, ungünstigen Auftreten des kaiserlichen Hofes.
Man hat dem Kurfürsten den Gedanken untergeschoben:
er könne jetzt von dem Kaiser so viel fordern, wie er wolle, da
Leopold gezwungen sei, ihm zu willfahrten. Jedenfalls war das
die Meinung der damaligen Diplomaten : die Österreicher müfsten
,in den sauren Apfel beifsen*^. Die kaiserlichen Minister waren
aber gerade entgegengesetzter Ansicht: der Kurfürst dürfe bei
der damaligen Lage der Dinge gar nicht anders denn ihnen zu
Willen sein, und er werde sich also wegen seiner Ansprüche mit
leeren Versprechungen abfinden lassen *. Der Kaiser wollte sieh
demnach nur zu 100000 Talern eigener Subsidien verstehen,
etwaige höhere Beträge von den Reichsständen zu erlangen
suchen, — wobei ein Erfolg ja mehr als unsicher erscheinen
mufste.
Und auf solche Grundlage hin, die mit seinen Instruktionen
in schreiendem Widerspruche stand, schlofs Anhalt am 12. August
zu Passau, wohin der kaiserliche Hof sich geflüchtet hatte, eine
Vereinbarung ab. Sie begründete den Ausgleich mit Frankreich
auf den Westfälischen und den Nymweger Frieden, womit sämt-
liche Reunionen ausfielen. Das hiefs den Krieg an Ludwig XIV.
erklären. Um so verhängnisvoller war es, wenn der Vertrag
festsetzte, Brandenburg solle sein Bündnis mit diesem Herrscher
aufgeben und sich mit dem Hause Habsburg, „absonderlich der
Krone Spanien'', alliieren, sofort ein Verteidigungsbündnis mit
dem Kaiser eingehen. Selbstverständlich fehlten nicht die
12000 Mann, die er alsbald gegen; die Türken zu senden und^
^ Ms. Spanheim an Kurf., 12. August.
■ Londorp, XI, 618ff.
* Bruynincx (niederländ. Gesandter in Wien) an den Griffier, 8. Aug.;
TJ. u. A., ni, 742.
Philippfon, Der Grofse Kurfarst. III. 22
338 Siebentes Buch.
für 25000 Taler vierteljährlicher Subsidien, selber zu unterhalten
hatte, — also auf den Mann für ein Vierteljahr gerade zwei
Taler gerechnet! Allerdings kam für die Zukunft noch eine
ganze Reihe von Yerheifsungen hinzu, deren einstige Ausführung
indes , nach den bisherigen Erfahrungen , als illusorisch zu be-
trachten war*.
Anhalt hatte als Minister nicht Brandenburgs, sondern Öster-
reichs, und zwar eines übelwollenden und mifsgünstigen Öster-
reich, gehandelt. Das von ihm gebilligte Vertragsprojekt war für
den Kurfürsten gänzlich unannehmbar. Das wenigste war noch
die Unzulänglichkeit der finanziellen Zugeständnisse des Kaisers,
viel wichtiger, dafs der Vertrag, während er die Erfüllung auch
nicht eines einzigen der Ansprüche des Kurfürsten sicherstellte,
diesen ohne weiteres zu Abmachungen nötigte, die zur unab-
wendbaren Folge den Krieg mit Frankreich gehabt hätten. Eine
80 plumpe Vergewaltigung war Friedrich Wilhelm entschlossen
sich nicht gefallen zu lassen. Er mifsbilligte das Vertragsprojekt
durchaus, berief Anhalt unter den Ausdrücken lebhafter Mifs-
billigung von Passau zurück und hemmte den Marsch seiner
Truppen nach der schlesischen Grenze*. Er wandte sich aber-
mals von dem Kaiser ab und überliefs ihn seinem Schicksale.
Denn er mufste nunmehr hören, dafs, obwohl auf dem Regens-
burger Reichstage auch das Fürsten- und das Städtekolleg sich
für die Annahme des französischen Vorschlages eines langjährigen
Waffenstillstandes aussprachen, Leopold das Reichsgutachten
verwarf und des Willens war, den von Frankreich dem Aus-
gleiche gesetzten Termin ungenützt vorübergehen zu lassen^.
Eine solche Hartnäckigkeit und Verblendung von selten des
österreichischen Hofes war nur durch seine Abneigung gegen
jedes Zugeständnis an die ketzerischen Reichsstände und nament-
lich an den ersten und mächtigsten unter ihnen, Kurbranden-
burg, zu erklären.
Anhalt mifsachtete noch einmal die Weisungen des Kur-
fürsten, indem er trotz seiner Abberufung in Passau verblieb
und mit den kaiserlichen Ministem weiterverhandelte, denen
doch bei dem Zorn Friedrich Wilhelms um so schwüler zu Mute
» U. u. A., XIV, 1082-1105.
' Ms. Kurf. an Spanheim, 14./24. Aug. — Prutz, 273.
« Londorp, XI, 622ff. 627.
Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 339
war, als sie auf der brandenburgischen Truppen „Valor und ab-
sonderlich ihres Führers, des DeriFlinger, absonderlieh gebauet"
hatten. Sie gaben insoweit nach, als sie weniger anspruchsvoll
in betreff der Unterordnung des Kurfürsten unter die kaiserliche
Politik wurden. Aber damit konnten sie seine Zustimmung zu
ihrem Bündnis noch lange nicht erwerben^.
Friedrich Wilhelm hatte inzwischen, wie Anhalt nach Passau,
so den Legationsrat von Ruck nach dem Haag gesandt, um sich
mit den Generalstaaten, nicht minder als mit dem Kaiser, über
ein zukünftiges Einverständnis zu besprechen. Sein Verhältnis
zu den Hochmögenden war ja nahezu ein feindliches geworden.
Im Frülgahr 1683 hatten sie ihn mit Krieg, und zwar mit Hilfe
Polens, bedroht, wenn er es zum Bruche mit Schweden kommen
lasse'. Er hatte nunmehr diesem unnatürlichen Zustande ein
Ende machen wollen. Er verlangte also, dafs die Staaten, da
ein allgemeiner Friede für den Augenblick unmöglich sei, dazu
beitrügen, zwischen Frankreich und dem Deutschen Reiche den
Frieden herzustellen, der allein dieses bei seiner augenblicklichen
verworrenen Lage vor gänzlichem „Ruin und Bouleversement"
retten könne, und dafs sie die zwischen ihnen und Spanien auf
der einen, Brandenburg auf der anderen Seite herrschenden
Streitigkeiten beilegten. Aber auch diese Unterhandlung stiefs
von Beginn an auf eine grofse, eigentlich unüberwindliche
Schwierigkeit : nämlich, dafs die Holländer begreiflicherweise von
einem Sonderfrieden des Reiches mit Ludwig XIV. nichts wissen
wollten. Sie fürchteten, dafs dann sowohl ihr eigener Staat
wie die spanischen Niederlande rettungslos der Übermacht und
der Eroberungssucht des AUerchristlichsten Königs preisge-
geben sein würden. Sie konnten von ihrem Standpunkte aus
kaum anders urteilen*.
Vielleicht würde Friedrich Wilhelm sich dennoch ohne Rück-
halt den Seemächten angeschlossen haben, wenn Oraniens Plan
geglückt wäre, anstatt des Prinzen Georg von Dänemark den
soeben zum Witwer gewordenen brandenburgischen Kurprinzen
» U. u. A., XIV, 1106 f.
• Ms. Kramprich an Marquis v. Grana (Gen.-Gouv. der span. Nieder-
lande): Lee Etats-G^n^raux „ecriront demain k leur ministre k Berlin, qu'il
avertdflse r]^ecteur de ne pas venir k rupture aveo la Suöde, puisque cet
Estat seroit oblige de s'en mesler et s*engager aussi avec la Pologne".
» U. u. A., in, 743 iL
22""
340 Siebentes Buch.
Friedrich mit der englischen Prinzessin Anna, deren spätere
Nachfolge auf dem britischen Thron sehr wahrscheinlich war, zu
vermählen ^ Allein dieses Projekt hatte keinerlei Erfolg.
Damit waren des Kurfürsten Bemühungen, sich aus den
Banden des französischen Bündnisses zu befreien und den Über-
gang zu seinen natürlichen Verbündeten zu finden, sämtlich
mifslungen. Da geschah das Unerwartete, das, was niemand zu
hoffen gewagt hatte : die deutschen Truppen unter Karl von
Lothringen, sowie die Polen unter ihrem Könige Johann Sobieski
besiegten das türkische Heer am 12. September bei Wien gäniz-
lieh und nötigten es zu wilder Flucht über die ungarische Grenze.
Die Offensivkraft der Osmanen war durch diesen furchtbaren
Schlag gebrochen, Deutschland vor dem Feinde im Osten ge-
rettet — ohne Beihilfe nicht allein der Franzosen, sondern auch
der brandenburgischen Truppen.
Ludwig XIV. war gründlich in seinen Berechnungen ge-
täuscht. Er gab sich zwar den Anschein, über die Befreiung
Wiens sehr erfreut zu sein, aber das war nur offizielle Heuehelei.
Das glänzende Bild von Frankreichs erlösender Tat, die dem
„König Sonne** die Kaiserkrone auf das stolze Haupt drücken
sollte, war für immer verschwunden. Der Sieg der Kaiserlichen
galt der Mitwelt als eine Niederlage Frankreichs*. In der
Tat, der Kaiser war jetzt der Retter Europas, ihm flogen die
Sympathien des Weltteils zu, der sich immer mehr daran ge-
wöhnte, in Ludwig XIV. den gewalttätigen Störer und Feind
seiner Ruhe, den gewissenlosen Despoten zu erblicken.
Der Verdrufs über den ungeahnten Erfolg der Habsburger
veranlafste den französischen Herrscher sofort zu neuen kriege-
rischen Entwürfen gegen sie. Er wünschte, in Deutschland
einen Brand zu entzünden, der Kaiser und Reichsstände nötigen
solle, sich von den Türken abzuwenden und diese fortwährende
Bedrohung an ihren Grenzen bestehen zu lassen. Allein er
wollte nicht selber als der Urheber eines Kampfes erscheinen,
der zunächst den Ungläubigen zu gute kommen mufste : er hielt
es für besser, andere in den Krieg zu hetzen*. Schon vor der
^ d'Avaux, N^gociations, I, 517.
' Ms. Spanheim an Kurf., 23. Sept. — Vgl. Garn. Bousset, Histoire
de Louvoiß, HI, 238Ö.
* Das Folgende nach den Ms. Berichten Spanheims aus dem Sep-
tember 1688; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI Frankr., 22. 28.
FünfondvierzigsteB Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 341
Befreiung Wiens, als dem Kaiser aus Deutschland und Polen
zahlreiche Helfer zuzogen, begann die französische Diplomatie,
die noch vor kurzem von Friedenssehnsucht überströmte, Däne-
mark und Brandenburg wieder gegen die Lttneburger aufzu-
wiegeln, die angeblieh noch allein mit Spanien den Frieden des
Reiches mit den Franzosen verhinderten. Dafür war der König
bereit, noch nachträglich, vom letztvergangenen 1. Juni ab, die
Kriegssubsidien nach Kopenhagen und Berlin zu zahlen. Nach
einem kurzen Momente des Staunens ob dieser plötzlichen Sinnes-
änderung in Paris zeigten die dänischen Staatsmänner sich mit
Freuden bereit, auf die Intentionen Frankreichs einzugehen, das
ihnen im Hintergrunde die Einnahme des längst begehrten und
hauptsächlich von den Braunschweigern beschützten Hamburg
zeigte. Die Franzosen suchten auch Münster und Kurköln für
den Plan zu gewinnen, die mit französischem Gelde starke Streit-
kräfte aufstellen sollten. Ludwig verhiefs, mit einem Heere in
Belgien einzurücken und dadurch die Holländer von jeder Hilfe-
leistung an die Weifen abzuhalten. Kurz, alles wurde so ver-
lockend wie möglich für den Ehrgeiz der nordischen Verbündeten
Frankreichs dargestellt. Aber dieses liefs doch das ganze Werk
von der Mitwirkung des Kurfürsten von Brandenburg abhängen,
deren man nicht entraten zu können meinte. Es ergingen also
an ihn immer wiederholte Aufforderungen aus Paris, nunmehr,
wo die Türkengefahr zunächst beseitigt, zugleich aber der
Kaiser durch seine bisherigen militärischen Anstrengungen er-
schöpft und deshalb ungefährlich geworden sei, seinen beständigen
Widersachern, den Braunschweigem, den Garaus zu machen und
damit die wichtigsten Bekämpfer des Reichsfriedens aus dem
Wege zu räumen. Der König verfehlte auch nicht, als Zukunfts-
bild die Demütigung und Beraubung Schwedens wieder auf der
Leinewand erscheinen zu lassen. „Se. Majestät,*' schrieb Ludwig
am 23. September an R6benac, „will gern durch Fortsetzung
der Kriegssubsidien zu den Unternehmungen beitragen, die der
Kurfürst belieben würde gegen Schweden ins Werk zu stellen,
nachdem er das Haus Braunschweig der Möglichkeit beraubt hat,
Schaden zu tun.** Zugleich erbot sich der König, solche Sicher-
heit zu geben, wie der Kurfürst sie für angemessen halten
würde, um seine Verbündeten von aller Besorgnis zu befreien,
als ob er selber seinen Besitz in Deutschland vergröfsern wolle*.
* Sa Majeste deaire de leur oster les inqui^tudes qu^ils pourroient
342 Siebentes Buch.
Endlich forderte Groissy ausdrücklich den Abschlufs eines neuen
„Konzerts^ an Stelle des von seinem Könige und Brandenburg
abgelehnten. Er sprach dabei dessen eigentliche Meinung aus:
die Aufhebung der Belagerung Wiens habe die ganze Sachlage
verändert. Um der anwachsenden Macht des Kaisers und seiner
Anhänger zu begegnen, hob Frankreich 40000 neue Soldaten aus
(Anfang Oktober 1683).
Es lag dieses Mal in der Hand des Kurfürsten von Branden-
burg, den Krieg im Norden zu entfesseln und für das Partikular-
interesse seines Staates glänzende Vorteile einzuernten. Der
langersehnte Augenblick, seine Macht in Norddeutsehland als
einzig mafsgebende, alle anderen überwiegende zu gestalten, sich
des braunschweigischen Mitbewerbs und der schwedischen Gefahr
zu entledigen, war endlich gekommen. Er hätte nur zugreifen
brauchen, um das verlockende Ziel zu erreichen. Aber das wäre
nur möglich gewesen um den Preis eines Krieges in Deutsch-
land, der nicht allein die Siegeslaufbahn der deutschen Waffen
gegen die Türken unterbrochen, sondern auch das Reich wehr-
los dem Belieben des französischen Herrschers unterworfen hätte.
Diesen Preis nicht zu zahlen, war der Kurfürst fest entschlossen,
da er sich in den letzten Jahren nur allzu deutlich davon hatte
überzeugen müssen, dafe von Ludwig XIV. weder Rechtsgefbhl
noch für das Reich Schonung, noch für die Verbündeten die
mindeste Rücksicht zu erwarten seien. Die stets erneuten Ge-
walttaten des Königs und seine wiederholte Mifshandlung Bran-
denburgs hatten auf Empfinden und Denken des Kurfürsten
tiefen Eindruck hervorgebracht. Er wies alle Anerbietungen
Frankreichs und seiner Verbündeten zurück. Ich will Frieden
halten, schrieb er am 4. Oktober an Spanheim, „wie Ihr denn
ayoir de Taugmentation de Ba puissance en Allemagne, et on conviendra
des mesures qui y seront jug^es les plus propres. Comme Sa. M^- s^ait
de quelle importance il est k ses interests de mettre ses alliez en estat
de ne point craindre les entreprises de leurs ezmemys, et que Taffection
veritable qu'Elle a pour la maison de Brandebourg luy fait recheicher
les moyens de Testablir dans me seuret^ entiere, Elle yeut bien con-
tribuer par la continuatioii des subsides d'action auz entreprises, que
Mi^- PElecteur jugeroit k propos de faire contre la Suede, apr^ avoir
mis la maison de Brunswick hors d'estat de pouvoir nuire. Sa M^-
fait cette offre d'Elle mesme non obstant les soins que la Suede prend
depuis peu de rechercber son amiti^ et son alliance, apres 8*en estre
^loign^ par une conduite si peu aggreable.
Ftlnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 348
insonderheit, was die Attaque des Hauses Lüneburg betrifft,
anzuführen habt, dafs Wir Uns dahin jetzo weniger denn eh-
malen verstehen können". Er versicherte den Franzosen auf
das heiligste, der Kaiser sei ganz ausser stände, sie anzugreifen.
Der Allerchristlichste König möge also „geruhen, das Werk noch
in etwas anzusehen, uns weder im Reiche noch in den spanischen
Niederlanden zur Ruptur zu veraplassen". Auf den förmlichen
Antrag Ludwigs durch R6benac antwortete er mit ebenso be-
stimmter wie höflicher Ablehnung, unter allerlei Vorwänden,
deren Fadenscheinigkeit seinen festen Entschlufs, unter den
gegenwärtigen Umständen den Frieden zu wahren, desto schärfer
hervortreten liefs. Er bemühte sich mit besonderem Eifer, den
König auf dessen Zusage, dafs er seinen Besitz im Reiche keines-
falls vergröfsem werde, durch wortreiche Lobsprüche und Huldi-
gungen, sowie durch warme Versprechungen eigener Unter-
stützung bei so löblichen Absichten festzunagelnd
Er arbeitete unausgesetzt, um zu verhüten, dafs die franzö-
sische Regierung „auf allerlei Weiterungen und Extremitäten
verfalle", und dafs sie die Bemühungen Brandenburgs zu Gunsten
des Friedens durchkreuze. So hat er in der Tat den von Frank-
reich, Dänemark, Kurköln gewollten Krieg verhindert. Man
mufs sagen: wenn im Herbste 1683 der Friede in Deutschland
erhalten blieb, wenn es dem Kaiser möglich wurde, seinen
Siegeszug gegen die Osmanen fortzusetzen und die Wieder-
eroberung Ungarns zu beginnen, so ist dies allein und aus-
schliefslich das Verdienst Friedrich Wilhelms von Brandenburg;
ein Verdienst, das die Fehler und Verirrungen seiner Politik
während der letztvorhergehenden Jahre reichlich aufwiegt und
gut macht.
^ Ms. R^ponse de S. A. £. de Brandebourg sur la propoaition faite
par Mr. le Gomte de Böbenac (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI Frankr^ 28):
»An reste son A. El. a veu avec grand plaisir que S. M. T. Chr. demeure
toujours dana la reaolution genereuse de ne vouloir pas augmenter sa
puissaace par les depouilles d'AUemagne. S. A. El. en est entierement
persoad^ et a oonceu nn surcroit quasi d^estime pour S. M.- depuis
qu'Elle a connu que le Roy T. C. n'a pas voulu profiter des desordres
et de la facilit^ que la guerre du Türe donnoit & S. M. d^empieter sur
TEmpire et d'y faire de nouvelles conquestes. Cela la portera a empecher
avec d*autant plus d'ardeur tout ce qu'on voudroit entreprendre en Alle-
magne contre les inter^ts de S. M., et de s'y opposer vivement.'
tt
344 Siebentes Buch.
Der Kurfürst hat über die Rettung Wiens eine wahre Freude
empfunden, die nur durch das tiefe Bedauern getrübt wurde,
dafs er und seine trefflichen Truppen keinen Anteil an diesem
ruhmvollen, weltgeschichtlichen Ereignisse genommen hatten^.
Ein abermaliger Besuch des Kurfürsten von Sachsen in Potsdam,
der dort in Begleitung seiner einflufsreichsten Batgeber erschien,
bestärkte Friedrich Wilhelm in seinen friedfertigen Bestrebungen.
Ludwig XIV. und seine Minister mufsten erkennen, dafs
sie in ihrem Eigendünkel und ihrer verachtenden Selbstsucht
den richtigen Augenblick, den Brandenburger gegen die weifischen
Widersacher in das Feld zu führen, verabsäumt hatten. Sie
gingen deshalb scheinbar auf die versöhnlichen Absichten Friedrich
Wilhelms ein und überhäuften ihn sogar darob mit heuchleri-
schen Lobsprüchen. Um solchem Edelmute nichts nachzugeben,
dehnten sie den Termin behufs Abschlufs des langjährigen
Waffenstillstandes zwischen dem Beiche und dem Könige aber-
mals und zwar bis zum Ende des laufenden Jahres aus. Sie
sandten dem Kurfürsten und seiner Gemahlin höchst wertvolle
Geschenke ; dasjenige für Friedrich Wilhelm bestand in hundert-
tausend Livres in vollwichtigen Goldstücken, die als eine Art
Entschädigung für die auf Frankreichs Veranlassung in jüngster
Zeit vorgenommenen aufserordentlichen Rüstungen gelten sollten ^
Diese Demonstrationen mussten dazu dienen, die Verhandlungen
zu unterstützen, die R^benac behufs Eingehung eines neuen,
engeren und geheimen Bündnisses in Potsdam zu beginnen be-
fehligt war. Gegen die Weifen war es nur insoweit gerichtet,
wie diese etwa den Spaniern Beistand leisten würden. Nur hier-
zu hat Friedrich Wilhelm sich endlich verstanden'. So führten
die Negotiationen am 25. Oktober 1683 zu einem von R6benac,
Meinders und Fuchs unterzeichneten Vertrage*.
Dessen zweiter Artikel setzte fest:
„Wenn die Fürsten des Hauses Lüneburg die Absicht hätten,
Truppen nach den spanischen Niederlanden oder anderswohin
zu senden, um ihre Streitkräfte mit denen zu verbinden, die
Se. Majestät angreifen oder Ihr Krieg bereiten wollen, wird
Se. Kurf. Durchl. zuerst sie durch gütliche Mittel davon abzu-
1 Rebenacs Dep. vom 2. Okt. 1683; Prutz, 869.
' Ms. Spanheim an Kurf., Okt. bis Dez. 1688.
> liis. Depeschen Rebenacs, Sept. bis Nov. 1683 (B).
* Mörner, 731 ff.
Fünfundyierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 345
bringen suchen. Im Falle aber, dafs solche fruchtlos bleiben,
verpflichtet Sie Sich, Sich gegen jene zu erklären und in kriege-
rische Handlung gegen sie einzutreten, unter den Bedingungen,
die in den früheren Verträgen festgesetzt sind/
Dieser Artikel entsprach völlig dem Wunsche Friedrich
Wilhelms, die Eroberungslust des Königs von Frankreich von
Deutschland ab auf die spanischen Niederlande zu leiten.
Der vierte Artikel sprach geradezu die Absicht Sr. Alier-
christlichsten Majestät aus, mit dem Reiche in Frieden und auf-
richtiger Einigkeit zu leben.
Dafür verpflichtete der Kurfürst sich im fünften Artikel,
alle seine Bemühungen zum Ausgleiche jedweder Streitigkeiten,
die der König mit dem Reiche habe, aufzuwenden, zur Befriedi-
gung Sr. Majestät, aber auch in Übereinstimmung mit den be-
stehenden Verträgen. Sollte man hiermit nicht zum Ziele ge-
langen, verspricht der König, während eines Jahres nach Ab-
schlnfs des gegenwärtigen Übereinkommens nichts zu unter-
nehmen, was die Ruhe des Reiches störe; nach Ablauf dieser
Frist erhält Se. Majestät unbeschränkte Aktionsfreiheit.
Der siebente Artikel erhöhte die Subsidien Frankreichs an
den Kurfürsten für den Kriegsfall von 900000 auf 1 100000 Livres
jährlich.
Das Interesse Frankreichs an dem neuen Vertrage bestand
darin, dafs der Kurfürst ihm zur Abwehr jedes militärischen
Eintretens der Lüneburger gegen den König sicher war. Friedrich
Wilhelm konnte um so eher hierauf eingehen, als eine solche
Drohung voraussichtlich genügte, die Lüneburger zur Ruhe zu
nötigen. Dadurch diente der Vertrag auch dem Reichsfrieden,
auf dessen Erhaltung ebenfalls der vierte und fünfte Artikel be-
rechnet waren. Die eventuelle Erhöhung der Kriegssubsidien
hatten die brandenburgischen Unterhändler nur mit grofser Mühe
durchgesetzt.
Aber nicht dieser Umstand erregte die Unzufriedenheit
Ludwigs XIV. mit dem Vertragsentwurfe, sondern andere von
dessen Bestimmungen ^ Er wünschte vor allem Brandenburgs
für jede Eventualität gewifs zu sein und nicht wieder von
^ Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim,
Noy. 1683 bis Jan. 1684; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. LXni, 2, sowie
XI Frankr., 22.
346 Siebentes Buch.
dessen Belieben abzuhängen, wie in der jüngsten Vergangenheit
Er verlangte also, dafs in Artikel 2 festgesetzt werde: unter
welchem Vorwande und in welcher Weise auch immer die lüne-
burgischen Truppen gegen das Interesse des Königs verwendet
würden, sei der Kurfürst verpflichtet, mit oder ohne Hilfe Däne-
marks die lüneburgischen Lande anzugreifen. Mit anderen
Worten: nicht der Kurfürst, sondern der König hat zu be-
stimmen, wann der casus foederis eintritt. Zweitens aber:
für den Fall, dafs der Abschlufs mit dem Reiche nicht zu stände
kommt, mufs der König sofort unbegrenzte Aktionsfreiheit haben,
und der Kurfürst mufs ihm darin beistehen , „ohne dem aus
welchem Grund immer entgegenhandeln zu dürfen" ^ Damit
wäre Brandenburg zum Kampfe gegen Kaiser und Reich im
Dienste des Gewaltherrschers an der Seine verpflichtet gewesen.
Der bittere Ernst, der diesen beiden Forderungen zu Grunde
lag, wurde durch gleichzeitige Ereignisse nur allzu deutlich
erläutert. Durch Willkürmafsregeln aller Art reizte Frankreich
(Ende Oktober 1683) Spanien zur Kriegserklärung. Die Fran-
zosen fielen darauf in Belgien ein und nahmen binnen kurzem
Gourtrai und Dixmuyde. Ludwig XIY. wollte offenbar die Habs-
burger demütigen, berauben und zur Unterwerfung nötigen, ehe
die Beendigung des Türkenkrieges es dem Kaiser gestatten
würde, seine siegreichen Waffen gegen Westen zu kehren.
Je gröfser die Gefahr für den Reichsfrieden wurde, um so
eifriger widersetzte sich der Kurfürst jeder Änderung des
Artikels 5. Der sei, liefs er in Paris erklären, der für ihn
wichtigste Teil des Vertrages und enthalte Bestimmungen, zu
denen er in seiner Eigenschaft als Reichsfürst verpflichtet sei,
und zwar besonders, nachdem er sich durch seine Fürsprache
für Frankreich und durch Unterbrechung des Marsches seiner
Truppen nach Wien schon allseitigen Hafs im Reiche zugezogen
habe.
„Es ist gewis, dafs Uns die schwehre Pflicht, womit Wir
^ Französ. Gegenprojekt zum 5. Artikel des Entwurfs: „Mais si les
soins que led^- Electeur y emploiera ne pouvoient avoir le sacces qui
est a desirer pour le bien de la Chrestiente, non seulement il ne s^oppo^
sera pas a ce que Sa. M^- entreprendra pour procurer raffermissement
de la paix, mais mdme il promet de satisfaire & toutes les obligations
du präsent traittä et des precedens, sans y pouvoir contrevenir pour
quelque cause ou pretexte que ce puisse estre.**
Fonfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 347
dem Reich und Unserm geliebten Vaterlande verbunden, nicht
zulassen ; und dafs es nicht allein Uns unverantwortlich sondern
auch Unsres eigenen Ghurfttrstl. Hauses Interesse, welches ohne
des Reichs Conservation nicht bestehen kann, aufs höchste prä-
judicirlich sein würde : wenn Wir in fernere Dismembration des
Reichs oder solche actus, woraufs dieselben nothwendig erfolgen
müssen, consentiren oder geschehen lassen selten, dafs die Cron
Frankreich im Reich nach eigenem Gefallen procediren und nicht
mit Uns zuförderst über die darin vorzunehmende Resolutiones
ein Concert treffen müfste.**
Allein Ludwig beharrte seinerseits fest bei seiner Meinung.
Er konnte kaum anders. Es zeigte sich bereits, dafs sein Stand-
punkt mit dem brandenburgischen im Grunde unvereinbar sei.
Er wollte sich nicht zur Friedfertigkeit während eines Jahres
nach Ablauf der Verhandlungen mit dem Reiche verpflichten:
denn, sagte er mit Recht, solches werde alle Gegner des Friedens
ermutigen und seinen Feinden Zeit geben, inzwischen die dien-
lichen Mafsregeln zu einem grofsen europäischen Kriege gegen
Frankreich zu treffen. Er wollte sich auch nicht an eine vor-
hergehende Verständigung mit Brandenburg binden, denn vielleicht
werde er sich genötigt sehen, schnell Truppen ins Reich zu
senden. Der ganze Vertrag solle sich auf Abmachungen gegen
die Lüneburger beschränken; wolle der Kurfürst darauf nicht
eingehen, verzichte Frankreich lieber auf jede neue Abkommen.
Endlich gestand der König zu, im geheimen zu versprechen,
dafs er den Termin des Abschlusses des Waffenstillstands mit
dem Reiche bis auf Ende Februar 1684 ausdehnen werde und
überhaupt gegen dieses nichts Übles beabsichtige. Darauf wurde,
im Januar 1684, Artikel 2 nach den Wünschen Frankreichs
geändert, Artikel 5 dahin gefafst, dafs der Kurfürst gegen jeden
Reichskrieg wider Frankreich zu stimmen verhiefs, — während
für dieses die Verpflichtung zu einjährigem Stillsitzen fortfiel.
Im ganzen und grofsen hatte Frankreich seinen Willen durch-
gesetzt : der neue Vertrag, der Anfang Februar 1684 von beiden
Seiten ratifiziert wurde, blieb hauptsächlich gegen das Haus
Lüneburg gerichtet. Gegen eben dieses Haus wandte sich vor-
züglich die Defensivallianz, die kurz zuvor — 24. Dezember 1688 —
Kurköln mit Frankreich abgeschlossen hatte. Wider Schweden
aber sicherte sich letzterer Staat durch ein neues Überein-
kommen mit Dänemark vom 18. Dezember 1688. In den General-
348 Siebentes Buch.
Staaten endlich überwog damals die Friedenspartei, die die Be*
mühungen Wilhelms von Oranien um Unterstützung der spani-
schen Niederlande zum gröfsten Teile vereitelte. Ludwig XIY.
stand so wohlvorbereitet für alle Zwischenfälle da. Unter-
warfen die Habsburger sich nicht seinem Willen, so mochte er
sie ohne Furcht vor einer Dazwischenkunft anderer Staaten so-
wohl in Belgien wie am Oberrhein mit voller Aussicht auf Er-
folg bekämpfen.
Nur schleuniger Friedensschiurs konnte verhindern, dafs
Frankreich an Macht, Ruhm, Landbesitz und Herrschaft neuen
Gewinn einernte. Erst wenn die Schwerter allerorten wieder
in die Scheiden zurückgekehrt waren, liefs sich mit Behutsam-
keit und Energie eine bessere diplomatische und militärische
Lage herstellen. Als damals der Fürst von Waldeck dem Kur-
fürsten von Brandenburg bittere Vorwürfe über seine Politik
machte, durfte dieser ihm mit Fug und Recht antworten: er
betrachte „die Konsistenz, Erhaltung und Wohlfahrt des Reiches,
und dafs nicht mehr davon abgerissen werde," als den „eintzigen
Zweck aller Unserer Consilia und Actionen", weil „Wir gar
leicht begreiffen, dafs des Reiches Untergang auch den Unsrigen
unvermeidlich nach sich ziehen müsse. Wenn Wir mit aus-
wärtigen Potentaten Bündnisse eingegangen, so ziehlen dieselbe
allein dahin ab, den statum Imperii publicum zu conser-
viren und solches für gäntzlicher Ruin zu retten, und haben
bifshero dieses Gute ge wirket, dafs das Reich, ohngeachtet des
jetzigen verwirreten Zustandes, gleichwohl annoch erhalten und
nicht bereits in völlige Dissolution gerathen oder in Feuer und
Flammen auf gangen (sie!). Dahingegen lehret, leyder! die
tägliche Erfahrung, dafs diejenige, so den Nahmen von Patrioten
und Vatterlande am meisten im Munde führen, am wenigsten
das Beste und die Erhaltung desselben suchen, ja vielmehr ihre
äufserste Kräfte anwenden und ganz Deutschland durchziehen,
umb dasselbe in einen höchst verderblichen Krieg ... zu stürtzen
und zu verwickeln, und das blos allein umb auswertiger Inter-
essen und Potentzen willen, welche, ob sie zwar unvermögenheit
halber . . . nicht sich selbst und das Ihrige retten können , so
findet sich dennoch für sie eine so grofse Passion, dafs man der-
selben Interesse dem Ruhestand und Conservation des werthen
Vaterlandes weit vorziehet, und dadurch theils genugsamb zu
erkennen gibt, dafs mann wenig dabey zuzusetzen, auch nicht
Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 349
sonderlich auf die Posteritftt reflectire. Wir lassen alles dahin
gestellet seyn, nuhr können wir nicht begreifen, wie es doch
möglich, dafe, da mann den Frieden in der Christenheit, und
zwar einen Universalfrieden haben kann, mann dennoch aUes
ÄuTserste thut und versuchet, umb eine allgemeine verderbliche
Eriegesflamme, welche dem Reich das Garaus machen wird, an-
zublasen. Der Allerhöchste wolle alles Widrige undt die für
Augen schwebende Gefahr aus Gnaden abwenden.''^
Was sollte aber der Kurfürst, bei so klarer Sachlage, dazu
sagen y dafs die Generalstaaten ihm einerseits die Verpflichtung
auferlegen wollten, sich mit ihnen, die doch selber verzagt und
ruhebedürftig waren , zum Schutze der spanischen Niederlande
zu verbinden, anderseits für ihn und sich die Rolle von Schieds-
richtern zwischen Ludwig XIV. und den Habsburgem be-
anspruchten ? Es war doch ersichtlich, dafs in ersterer Hinsicht
die Gefahren des Kampfes gegen Frankreich zunächst auf den
Brandenburger fallen, in zweiter weder der AUerchristlichste
König noch der Kaiser in ihrem Stolze und ihrer Hartnäckig-
keit sich dem Spruche der holländischen „Krämer" und eines
einfachen Kurfürsten unterwerfen würden. So verliefen die
Unterhandlungen, die Ruck im Haag, Amerongen von neuem
in Potsdam zu führen hatten, ganz ergebnislos^.
Kein besseres Schicksal ward den Friedensbemühungen des
Brandenburgers am Kaiserhofe zu teil.
Am 29. November 1683 hatte Friedrich Wilhelm sich mit
einem Schreiben an den Kaiser gewandt, um ihn abermals be-
weglich um Annahme des französischen Waffenstillstandvorschlages
zu ersuchen. Er gab dabei bereitwillig zu , dafs man sich in
Zukunft gegen die alles bedrohende Macht Frankreichs auf
sicherer und zuverlässiger Grundlage einigen müsse. Allein für
den Augenblick müsse man, aus den bekannten Gründen, die
des längeren entwickelt wurden , zunächst einen festen Zustand
der Ruhe schaffen. Solche Verständigung sei jetzt um so leichter,
als sich Frankreich erbiete, in Regensburg auf verhältnismäfsig
billige Bedingungen hin auch Spanien in den Stillstand ein-
zuschliefsen , so dafs dann der von dem Kaiser und seinen Ver-
> Ms. 8./18. Dez. 1683 (Berlin, Geh. Staatearchiv, Bep. XCIV,
IV Hb, 49).
« U. u. A., m, 746-767.
350 Siebentes Buch.
bOndeten stets in erster Linie gewünschte allgemeine Friede
hergestellt sei. Man mufs sagen : der Kurfürst traf hier durch-
aus das Richtige, und die weitere Entwicklung der Dinge hat
seine Anschauung in allen Punkten gerechtfertigt ^
Alles scheiterte an dem machtlosen und kurzsichtigen Eigen-
sinn Leopolds. Er antwortete, indem er durch Anhalt abermals
das Anerbieten eines Kriegsbündnisses an den Kurfürsten über-
sandte, das doch für diesen unter den damaligen Umständen,
wie der Kaiser längst wufste, unannehmbar war. Sachsen, ganz
im Gefolge Österreichs, erwiderte dem Brandenburger, dafs man
am Ende von Frankreich doch noch bessere Bedingungen werde
erlangen können, — eine lächerliche Torheit ! Ein anderer Vor-
kämpfer des Kaisers, Georg von Waldeck, prahlte mit den 50000
Mann, die — ganz abgesehen von den gegen die Türken streiten-
den Heeren — bereit ständen, „verbotene Gewalt nach Möglich-
keit abzuwenden und der interessierten Lande Sicherheit auf
alle Fälle zu befördern*'. Im Ernstfalle würde es wohl mit den
fünfzigtausend Kriegern am Rhein recht übel ausgesehen haben.
Selbst ein erneutes Ersuchen der grofsen Mehrheit des Kur-
kollegs, das sich unmittelbar auf das brandenburgische Schreiben
an den Kaiser stützte, den Waffenstillstand „der anscheinend
höchsten Gefahr des Reiches halber** anzunehmen, blieb ohne
Erfolgt. Im Gegenteil, man war in Wien empört über den
„Verrat'' des Brandenburgers und drohte ihm für die Zukunft
mit Rache ^.
Kach diesen wiederholten Abweisungen konnte Friedrich
Wilhelm nur insofern an Erhaltung des Friedens arbeiten, als
er die drängendsten und gefährlichsten Ursachen, die diesen
augenblicklich bedrohten, zu beseitigen sich bemühte. Es handelte
sich hauptsächlich um den Kriegseifer des Hauses Lüneburg^
der ja zu Frankreichs jüngsten Verträgen mit Brandenburg
und Kurköln die Veranlassung gegeben hatte. „Ich sehe wohl/
hatte schon am 26. Oktober 1683 der Ratspensionar Fagel an
Amerongen geschrieben, „dafs Se. Kurf. Durchl. die vornehmste
Ursache gewesen ist, dafs die Sachen im niedersächsischen
1 Londorp, XI, 570ff. — Pufendorf, XVIII, 105. — Orlich,
in, 331ff. — Prutz, 870. — U. u. A., XIV. 1119 ff.
• Londorp, XI, 577 ff. 639.
* Ms. Kurf. an Spanheim, 8./ 18. Jan. 1684: Mitteilungen Anhalts
aus Wien.
FOnfundvierzigstes S^apitel. Die Braunschweiger Fehde. 351
Kreise nicht in Feindseligkeiten ausgebrochen sind und Se.
Königl. Maj. von Dänemark nichts unternommen hat; dieser
Staat ist dafür Sr. Kurf. Durch!, verpflichtet." * So fand Fried-
rich Wilhelm bei einsichtigen Männern selbst der Gegenpartei
volle Anerkennung; um so mehr handelte er im gleichen Sinne
weiter. Er sandte im November 1683 Herrn von Busch an
Ernst August von Hannover und die übrigen Lüneburger Herzoge,
um sie zum Anschlufs an die Friedenspartei zu bewegen und
dafür seine Einwilligung in die von Ernst August wie von dem
Kurprinzen Friedrich gleich dringend gewünschte Vermählung
des letzteren mit der hannoverschen Prinzessin Sophie Charlotte
in Aussicht zu stellen. Darauf sandte der Herzog seinen Minister
Otto von Grote nach Berlin, wo dieser Staatsmann hoffnungs-
volle Erklärungen abgab '.
Die Verhandlungen Brandenburgs mit den Weifen erhöhten
in Paris den hier ohnehin gegen den Kurfürsten wieder lebhaft
gewordenen Verdacht. Man besorgte, er werde sich der feind-
lichen Seite anschliefsen. Dänemark hetzte nach Kräften, indem
es Brandenburg anschuldigte, ihm seine Beute — die Lüneburger
und die Stadt Hamburg — entrissen zu haben. Aber Friedrich
Wilhelm konnte den Franzosen mit Fug und Recht versichern,
dafs seine Negotiationen nur der Sache des Friedens dienten.
Wäre man den Dänen gefolgt, so befände man sich schon in-
mitten des allgemeinen Krieges; ihre Verdächtigungen hätten
keinen anderen Grund, als dafs der Kurfürst „denen gar zu
hitzigen und zum Kriege gänzlich abzielenden consiliis und
Maximen nicht allerorten beipflichten" wolle. Überallhin war
er für die Ruhe und Integrität des Reiches tätig : als die Fran-
zosen die Festung Thuin im Bistum Lüttich besetzten, mufste
Spanheim in Paris dagegen lebhafte Vorstellungen erheben*.
Trotz des gerade um diese Zeit ratifizierten neuen Bündnis-
vertrages zwischen Frankreich und Brandenburg waren beide
Staaten im Grunde schon voneinander getrennt. Frankreich be-
absichtigte, immer mehr gehorsame Vasallen um sich zu scharen,
die es ihm ermöglichten, seine Gewalttaten auf Kosten der
» TT. u. A., m, 761.
» Ms. Kurf. an Spanheim, Nov. u. Dez. 1688. — U. u. A., III, 767 f. —
Pnfendorf, XVm, 106.
' Ms. Korresp. des Kurf. und Spanheims, Jan. 1684.
352 Siebentes Buch.
Nachbarreiche ungestraft fortsetzen zu können. Es war jetzt
sogar bereit, seinen Trabanten gleichfalls einige kleine, ihnen
bequeme Beutestücke grofsmOtig zu gewähren. Brandenburg
dagegen mufste erkennen, dafs es auf die Länge nicht im stände
sei, die Baubsucht Ludwigs XIV. zu zähmen oder nur vom
Beiche abzuwenden. Damit war die Voraussetzung seines Bünd-
nisses mit Frankreich beseitigt. Es suchte also nach Helfern
für seine eigene Friedenspolitik, hatte aber zunächst keine
anderen gefunden als einige der machtlosen und vor Frank-
reich erzitternden rheinischen Kurfürsten.
Ludwig XIV. seinerseits ging folgerichtig auf dem einmal
eingeschlagenen Wege weiter. Sein Plan war nunmehr, Kur-
köln, das sich ihm durch den Vertrag vom 24. Dezember 1683
angeschlossen hatte, sowie das durch seine Festungen, zumal
Ehrenbreitstein , wichtige Kurtrier mit Brandenburg zu einer
festen Söldnerphalanx am Mittel- und Kiederrhein zusammen-
zufassen, um kaiserlichen Völkern den Weg zur Verteidigung
der südlichen Niederlande zu sperren. Der schwache Kurfürst
von Köln, Maximilian Heinrich, war dem gefürchteten Monarchen
selbstverständlich zu Willen. Er sandte einen der verräterischen
Brüder Fürstenberg, Felix Egon, Fürstabt von Murbach, mit
entsprechenden Weisungen nach Berlin; er hatte sogar ein
förmliches 0£fensivbündnis der beiden Kurfürsten mit Frankreich
vorzuschlagen. Allein Felix Egon wurde mit freundlichen, aber
nichtssagenden Verheifsungen allgemeiner Natur abgespeiste
Die eigentlichen Unterhandlungen fanden in Köln statt, wohin
sich brandenburgischerseits Fuchs, dänischerseits Herr von Leuten
begaben. Wenn Friedrich Wilhelm hieran teilnahm, so waren
doch seine Absichten ganz andere, als die der französischen
Staatslenker: er stellte von vornherein die Bedingung, der
Allerchristlichste König müsse an Brandenburg und Kurköln
die Versicherung erteilen, dafs er, trotz etwa eintretenden Krieges,
das Reich „ferner nicht dismembriren noch den statum pub-
licum in demselben immutiren wolle. Dieser Punkt gehet
Uns ans Herze und ist die fümehmste Ursache dieser Schickung.'
Die französische Regierung schätzte die brandenburgische
Mitwirkung denn doch nicht hoch genug, um. sich derart dem
1 Ms. Endbescheid vom U./24. Jan. 1684; Berlin, Geh. Staatearchiv,
XI, Kurköln 8.
Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunechweiger Pehde. 353
Reiche gegenober die Hände zu binden ; sie hätte sich ja dem
Belieben der kaiserlichen Politik ausgeliefert. Groissy verstand
es, unter mannigfachen Vorwänden jeder neuen Verpflichtung
zu entgehen. Dagegen richtete Fuchs wenigstens den Vertrag
Brandenburgs mit Kurköln derart ein, dafs er ein einseitiges
Angriifsbündnis des letzteren Staates mit Frankreich gegen die
Generalstaaten verhinderte. Die Offensivallianz, die der Fttrst-
abt von Murbach vorgeschlagen hatte, fand bei Friedrich Wil-
helm endgültige Zurückweisung; auch die dänischen Bestrebungen,
die „mehr zur Herbeiführung des Krieges als Bewahrung des
Friedens geeignet** waren, hielt er in Schranken. Er beantragte
die Okkupation der kurtrierischen Festungen mit kurkölnischen
wie mit brandenburgischen Truppen, um diese wichtigen Plätze
vor französischer Besetzung zu wahren. Von so weisen und
patriotischen Gesichtspunkten ging damals der Kurfürst aus'-
Die Defensivallianz zwischen Dänemark, Brandenburg und
Kurköln kam tatsächlich am 26. Februar 1684 zu stände; Her-
mann Werner von Mettemich, der Bischof von Paderborn, den
Fuchs auf der Reise nach Köln in seiner Residenz Neuhaus be-
sucht hatte, trat ihr nachträglich bei. Sie verpflichtete die
kontrahierenden Staaten zur Aufrechterhaltung des Friedens im
niedersächsischen wie im westfälischen Kreise mit gemeinsamen
Kräften für den Fall eines Reichs- oder sonstigen Krieges.
Schweden und die Generalstaaten waren namentlich als eventuelle
Friedensstörer genannt^.
Der Vertrag hatte für die grofsen Angelegenheiten Europas
nur geringe Wichtigkeit; er führte dagegen für Brandenburg
die günstige Folge herbei, dafs Maximilian Heinrich von Köln,
als neuerwählter Bischof von Münster, Fuchs bei Abschlufs
einer Übereinkunft mit den Vertretern der ostfriesischen Stände
unterstützte, die bezweckte, mit gemeinsamen Kräften jede
Truppenwerbung der Regentin- Witwe von Ostfriesland zu ver-
hindern'. Es war ein solches Bündnis um so wichtiger, als ea
der Fürstin gelungen war, den Kaiser infolge seiner den branden-
burgischen Interessen so abgeneigten Gesinnung, zu ihrer Partei
> Ms. Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XI Kurköln 8. — Ms. Korresp.
des Kurf. mit Spanheim, Jan. bis März 1684.
» Mörner, 458 ff. 734 ff.
» Das. 457f. - Vgl. Wiarda, VI, 288ff.
Philippson, Der Grofse Kurfflrst. III. 23
354 Siebentes Buch.
herüberzuziehen, so dafs er den Kurfürsten ermahnte, die bran-
denburgischen Truppen aus Ostfriesland abzuführen. Der neue
Vertrag, vom 3 L März 1684, übte volle Wirkung : die Fürstin
stellte ihre Werbungen ein, und die kaiserliehen Mahnungen
blieben ohne Wirkung.
Sie hatten indes von neuem die Abneigung Leopolds gegen
die brandenburgischen Interessen bewiesen. Seine Verbündeten
zeigten die gleichen Tendenzen.
Auf dem Wege nach Köln hatte Fuchs auch die weifischen
Herzoge aufgesucht ^, die ihn durch den hannoverschen Kammer-
präsidenten von Grote ihres Wunsches nach vollkommenem Ein-
vernehmen und noch ausdrücklich ihrer Bereitwilligkeit ver-
sichert hatten, sich mit ihm wegen des Friedens mit Frankreich
zu verständigen. Fuchs gegenüber zeigten sie in der Tat ^^grofse
Begierde**, sich mit Brandenburg und anderen „Wohl- Inten-
tionierten** zu verbinden, mit guter Manier aus der gefährlichen
Allianz mit dem Kaiser loszukommen und den Frieden zu
fördern : binnen zwei bis drei Wochen würden sie sich endgültig
erklären. Da vernahm man jedoch, „dafs sie den Kongress der
„Assoziierten'' im Haag beschickt hatten, der ein Verteidigungs-
bündnis beriet, dessen Spitze sich zum grofsen Teile gegen die
Kölner Alliierten kehrte. Friedrich Wilhelm sah sich von
Hannover und Celle arg getäuscht; die Franzosen hatten also
recht behalten mit ihrer steten Warnung: die Lüneburger
wollten Brandenburg nur „amüsieren"* und die Dinge in die
Länge ziehen, bis sie genügenden Beistandes gewifs seien.
Der Kurfürst war schwer entrüstet über diese Zweideutig-
keit und über die Gefahr, mit der die Weifen den Frieden
Deutschlands bedrohten. Er war nunmehr entschlossen, mit
Dänemark zur gewaltsamen Entwaffnung der Lüneburger zu
schreiten, und arbeitete an der Herstellung eines neuen „Kon-
zerts** zu diesem Zwecke (Ende März 1684). Allein indem er
so auf die Wünsche Frankreichs einging , trat doch sofort ein
Gegensatz zwischen diesem Staate und ihm wieder hervor. Er
wollte auch die kurkölnischen Truppen zum Angriffe auf das
Weifenhaus verwandt wissen, gerade um sie jeder Teilnahme an
^ Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Fuchs (Berlin,
Geh. Staatsarchiv, XI Kurköln 3), sowie mit Spanheim, vom 2./ 12. Febr.,
vom März u. April 1684. — Vgl. Pufendorf, XVIII, 112.
Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 355
einer etwaigen kriegerischen Aktion Frankreichs gegen die
Generalstaaten zu entziehen und damit die Möglichkeit zu ver-
meiden, dafs auch er selber, in Gemäfsheit des Kölner Vertrages,
in den Kampf gegen die Niederlande verwickelt werde. Aus
eben diesen Gründen wünschte aber Frankreich die Kölner von
den Operationen gegen die Lüneburger fernzuhalten und viel-
mehr gegen die Holländer zu kehren.
Die Absichten Frankreichs waren dem Kurfürsten um so
verdächtiger, als jene Macht hartnäckig jede Erklärung über
Aufrechterhaltung der Reichsintegrität verweigerte. Nicht da-
mit zufrieden, die Niederländer durch Kurköln zu bedrohen,
kündigte sie femer dem kläglichen Maximilian Heinrich an, sie
werde eigene Truppen auf sein Gebiet schicken, um abermals
von dort aus Holland in der Seite anzugreifen. Friedrich Wil-
helm legte gegen eine solche Mafsregel scharfe Verwahrung ein :
die französischen Truppen dürften den Beichsboden nicht be-
treten. Er hatte die Genugtuung, selbst den vertrauten Minister
des Kölners, den sonst so französischen Fürstenberg von Strafs-
burg, dahin zu bestimmen, dafs dieser den AUerchristlichsten
König um Unterlassung einer Truppensendung bat, die nicht
nur Brandenburg, sondern auch Trier und selbst Dänemark vor
den Kopf stofsen werde (29. März 1684).
Die französische Bundesgenossenschaft war Friedrich Wil-
helm derart verdächtig und lästig, dafs es wahrlich keiner
grofsen Bereitwilligkeit und Geschicklichkeit seitens der „Asso-
ziierten^ bedurft hätte, um ihn für sich zu gewinnen. Allein sie
machten von den zahlreich sich darbietenden Gelegenheiten
keinen Gebrauch. Während die Verhandlungen Lambergs mit
den kurfürstlichen Ministern in Berlin sich ewig in dem Kreise
drehten, dafs jener Universal-, diese zuerst Beichsfrieden ver-
langten, widersetzte sich Österreich am Beichstage mit seinem
ganzen Einflüsse dem Abschlufs mit Frankreich, sogar als dieses,
im Februar 1684, seine Forderungen von einem dreifsig- auf
einen nur zwanzigjährigen Waffenstillstand herabsetzte. Diese
blinde Hartnäckigkeit flöfste dem Kurfürsten lebhaften Zorn ein.
Er wies das abermalige Anliegen des Kaisers, ihn in Ungarn
mit Truppen oder Geld zu unterstützen, höflich, aber bestimmt
zurück, mit Hinweis auf den noch ausstehenden und doch so
notwendigen Frieden mit Frankreich. Ende März reiste dann
Lamberg unverrichteter Sache von Berlin ab. Es war für
23*
356 Siebentes Buch.
Friedrich Wilhelm ein geringer Trost, daffi seine Kollegen von
Köln und der Pfalz seinen Anschauungen durchaus beipflichteten
und die Mitschuld an dem „Reichsverrat'' auf sich nahmen ^
Nach allen Seiten hin bemühte er sich, den drohenden Aus-
bruch eines europäischen Krieges zu verhindern, von dem er
unter den damaligen Umständen nur Unheil voraussah. In dieser
Absicht sandte er, noch im März 1684, Fuchs nach dem Haag*.
Die Zustände in den Niederlanden hatten eine sehr gefähr-
liche Gestalt angenommen. Schärfer als je standen sich die
oranische Kriegs- und die städtisch -oligarchische Friedenspartei
gegenober, derart widereinander erbittert, dafs der Fortbestand
der Union selber in Frage gestellt war. Die oranische Partei,
der Heer, Flotte, Geistlichkeit und die grofse Mehrheit des
niederen Volkes angehörten, empfand auf das tiefste die Schmach
von 1672, sowie die grausamen Plünderungen, Verwüstungon und
Metzeleien, die in jenen Jahren die Franzosen, auf Geheifs
Ludwigs XIV. und Louvois', in den blühenden Gauen Niederlands
ausgeführt hatten. Sie war festen Willens, es zu derartigen
Leiden nicht wieder kommen zu lassen. Sie sah aber in der
Belagerung Luxemburgs durch die Franzosen, in der drohenden
Wegnahme der spanischen Niederlande durch Ludwig XIV. das
erneute Herannahen der Gefahr auch für ihr Vaterland, dessen
Vernichtung zugleich die Beseitigung des reformierten Bekennt-
nisses bedeutet haben würde. „Besser, man geht mit dem
Degen in der Faust unter als durch Reunionen in Schande,*
rief Oranien aus. Der ihm vertraute Ratspensionar Fagel, der
nunmehr holländische Feldmarschall Fürst Waldeck, die Mehr-
heit der Generalstaaten standen auf seiner Seite: „Wir wollen
lieber sterben als die Sklaven Louvois' und seiner Intendanten
werden.*' Der alte Freiheitstrotz, die tiefe und andauernde
Leidenschaft dieser friesischen Stämme loderte in voller Stärke
wieder auf.
Aber so bewundernswert diese patriotisch-kriegerischen Be-
strebungen sein mochten, der Widerstand der aristokratischen
Partei, besonders der überaus reichen und mächtigen Stadt
* TJ. u. A., XIV, 1124—1134. — Londorp, XII, 36ff. 44ff.
' Das Folgende nach der Ms. Korresp. Fuchs' mit dem Kurf.
während der Monate Mfirz u. April 1684; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI,
Kurköln 3.
POnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 357
Amsterdam, sowie der Provinzen Friesland und Groningen gegen
sie war nicht unberechtigt. Sie erblickten gerade in einem
jetzt ausbrechenden Kriege gegen Frankreich den sicheren Unter-
gang des Staates und der Religion, also in den Tendenzen
Oraniens und seiner Anhänger tödlichen Wahnwitz. Worauf
stützten diese sich denn in ihrer Kampfeslust? Auf den Kaiser?
Der stritt mit den Türken. Auf die Laxenburger Verbündeten ?
Die waren ebenso schwach wie verzagt. Auf Schweden? Das
kokettierte mit Frankreich. Auf Spanien? Das konnte sich
selbst nicht helfen. Man müsse also ausharren bis auf bessere
Zeiten.
Der Gegensatz wurde akut, als Oranien von den General-
staaten die Gre Währung von 16000 Mann forderte, die zum
Scheine in spanischen Dienst überlassen und unter seiner
eigenen Führung zum Entsätze Luxemburgs ausgesandt werden
sollten. Amsterdam und dessen Genossen widersetzten sich mit
der Hartnäckigkeit der Verzweiflung dem Vorschlage des Prinzen,
von dem sie den sofortigen Ausbruch des Krieges mit Frank-
reich und dann die Vernichtung der niederländischen Unab-
hängigkeit erwarteten. Sie protestierten nicht allein im voraus
gegen einen dem Antrage entsprechenden Beschlufs der General-
staaten, sondern drohten auch, jede Geldzahlung zu dessen Aus-
führung zu verweigern, ja, ihre Truppen von dem Bundesheer
abzuberufen und mit Frankreich gesondert zu verhandeln.
Oranien antwortete hierauf mit der Ankündigung, solches Auf-
treten als Bruch des Bundes, als Empörung betrachten, Amster-
dam mit Gewalt zur pflichtmäfsigen Unterwerfung unter die
Verfügungen der Generalstaaten zwingen zu wollen. Kurz, ein
Bürgerkrieg in den freien Niederlanden, der Zusammenbruch
dieses stärksten Bollwerkes der politischen und religiösen Freiheit
Europas schien unmittelbar bevorzustehen.
Solches Unheil zu verhüten, lag Friedrich Wilhelm sehr
am Herzen. Für den Augenblick gehörten mit seltsamer Um-
kehr der Beziehungen seine Sympathien der Oligarchie, eben
derjenigen Partei, die ihn früher grundsätzlich und andauernd
mit Bitterkeit bekämpft hatte, im Gegensatze zu Oranien, mit
dem ihn doch Verwandtschaft und Gemeinsamkeit der grofsen
politischen Zwecke verband. Vor allem aber lag ihm daran, es
jetzt nicht zu einem tumultuarischen, ungenügend vorbereiteten
und deshalb verderblichen Kriege kommen zu lassen. Dahin
358 Siebentes Buch.
sollte auch die oranische Faktion gebracht, sie sollte mit Amster-
dam uBd dessen Freunden möglichst versöhnt werden. Gerade
wegen der Liebe des Oheims für ihn, hatte Fuchs dem Prinzen
zu sagen, gerade wegen seines lebhaften Interesses für Religion
und öffentliches Wohl vermahne er ihn zum Frieden. Gehe er
hierauf ein, so versprach ihm der Kurfürst seine Unterstützung
zum Wiedererwerb des von den Franzosen besetzten Fürstentums
Orange. Fuchs hatte den Bürgermeistern Amsterdams, nament-
lich dem längst befreundeten Van Beuningen, von seiner Sen-
dung zu reden, die Stadt in ihrer verständigen und besonnenen
Haltung zu bestärken. Er durfte ihr im geheimen für den Not-
fall nicht nur die Abberufung der zahlreichen Untertanen Bran-
denburgs aus dem staatischen Heere, sondern auch direkte Unter-
stützung durch brandenburgische Truppen gegen etwaige Gewalt-
mafsregeln der oranischen Partei verheifsen.
Fuchs begab sich zuerst nach Amsterdam, wo er als Retter
aus der Not empfangen wurde, „als sei er vom Himmel ge-
kommen'' (Mitte März). Auf Bitten des Magistrats eilte er
nach dem Haag. Hier fand er zunächst recht ungünstigen
Boden. Der Prinz, Fagel, Wal deck, der kaiserliche Gresandte
Kramprich waren tief verstimmt über das Bündnis , das der
Kurfürst soeben mit Frankreich, Dänemark, Kurköln, ihren
Gegnern, eingegangen war ; sie zürnten, dafs er die Stadt Amster-
dam i^karessiere" , die doch , trotz des Widerstrebens Oraniens
und Fagels, vornehmlich den Nymweger Frieden herbeigeführt
und stets das brandenburgische Interesse bekämpft hatte.
Der Gesandte hatte sich damit zu begnügen, fürs erste die
Verhandlungen, die zur Aussöhnung der Streitenden führen
sollten, einzuleiten. Dann — Anfang April — mufste er an
den Hof zurück. Er war über das vorzeitige Ende seiner Mission
kaum betrübt: stand er doch in seiner eigentlichen Gesinnung
bereits auf selten Oranieus und der Kriegspartei. Oranien aber
schrieb bekümmert an seinen Oheim: Eines schmerze ihn tief,
dafs Se. Kurf. Durchl,, der ihn von Kindesbeinen an als einen
Sohn gehalten, und den er als Vater veneriert, nun der Stadt
Amsterdam mehr als ihm zugewandt scheine^.
Die Aussicht auf einen bevorstehenden europäischen Krieg
» U. u. A., m, 769f. — Vgl. Pufendorf, XVHI, 116-119, und
d'Avaux, n, 125 ff.
Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 359
wurde immer drohender. Während Frankreich im Reiche neue
Erwerbungen für die Zukunft ankündigte, benutzte es mit
Freuden das Sträuben des ohnmächtigen Spanien zur Wieder-
aufnahme der Belagerung Luxemburgs. In Norddeutschland
hatten die Feindseligkeiten gegen die Lüneburger bereits be-
gonnen. Eine Art Ultimatum des Kurfürsten Friedrich Wil-
helm an diese, vom 24. März, hatte keinen Erfolg gehabt ^ An-
fang April rückten dänische Truppen, unter dem Verwände der
Beitreibung noch unbeglichener Kriegskontributionen, in die von
den Weifen als ihre Schutzstaaten betrachteten und mit ihnen
verbündeten niedersächsischen Lande : Lauenburg, Bistum Lübeck
und Mecklenburg, ein. Kurkölnische Truppen bemächtigten
sich, auf Grund eines Zwistes wegen einiger Gerechtsame, der
Stadt Höxter, die zu der unter braunschweigischem Schutze
stehenden Abtei Korvey gehörte. Brandenburg war von diesen
Mafsregeln, die eine offenbare Herausforderung der Weifen zum
Kampfe ausmachten, ebensowenig wie Frankreich vorher unter-
richtet worden. Der Kurfürst war im Grunde über die Rück-
sichtslosigkeit Dänemarks und den aus ihr sich leicht ergebenden
Beginn des Krieges in Norddeutschland entrüstet. Wenn er
zwei seiner Begimenter an die mecklenburgische Grenze ver-
legte, so tat er das weniger, um den Dänen zu helfen, als um
sie im Zaume zu halten. Er nahm freilich zum Schein für seine
Verbündeten Partei und unterstützte deren Vorgehen bei den
Beichsgewalten ^. Croissy und sein König wünschten sofortigen
Beginn der Feindseligkeiten, um den übrigen Assoziierten durch
die Überwältigung der Lüneburger ein abschreckendes Beispiel
zu geben; sie bewilligten jetzt sogar die Mitwirkung der kur-
kölnischen Truppen zur schnelleren Vernichtung der Weifen.
Zugleich ermalmten sie den Brandenburger, sich nicht mehr
durch deren heuchlerische Vorspiegelungen täuschen zu lassen,
sondern sofort ein neues „Konzert" gegen jene Fürsten zu bilden
und danach zu handeln, wofür Frankreich die „Aktionssubsidien^
gern zahlen werde. Sie hofften, so Friedrich Wilhelm unlöslich
an die französische Partei zu fesseln^.
« Londorp, Xu, 83 f.
' Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, 21. April, 7. Mai 1684. —
Besonders wichtig: Ms. Depeschen Bebenacs vom März 1684 (B).
* Ms. Spanheim an Kurf., 21. April. — Prutz, 372 ff.
360 Siebentea Buch.
Gerade das wollte der Kurfürst vermeiden : nur um so mehr
klammerte er sieh mit der ganzen Zähigkeit seines Wesens an
die letzten Möglichkeiten, den Frieden zu bewahren. Er ver-
zichtete deshalb lieber auf die sich ihm sicher darbietende Ge-
legenheit, auf Kosten der Braunschweiger Landerwerb zu voll-
bringen. Nicht solcher an sich reizte ihn, sondern nur, wenn
er — wie in Vorpommern oder auch in Ostfriesland — zugleich
den wesentlichen Interessen seines Staates zu gute kam. Nach
allen Seiten hin entfaltete der sieche Greis seine Tätigkeit zu
Gunsten des Friedens. Während er noch einmal Kurköln da-
vor warnte, sich gegen die Holländer gebrauchen zu lassen
(19. April), erliefs er Abmahnungsschreiben an die Kurfürsten
und die Herzoge von Sachsen, sowie an den Kasseler Landgrafen,
den Generalstaaten keine Hilfstruppen zu senden. Er sah mit
Freude, dafs die nunmehr geängstigten Weifen den Kammer-
präsidenten von Grote nach Berlin sandten, mit friedlichen Zu-
sicherungen: sie würden weder den freien noch den spanischen
Niederlanden beistehen, auch den zwanzigjährigen Waffenstill-
stand zwischen dem Reiche und den Franzosen gutheifsen. So-
fort verschob Friedrich Wilhelm den Abschlufs des „ Konzerts' und
ersuchte, um den Lüneburgern entgegenzukommen, Christian V.
um die Erklärung, dafs er, sobald jene sich der Friedens-
partei angeschlossen, Mecklenburg und Lauenburg räumen
werde. Freilich, Dänemark, das sich die gehoffte Beute aber-
mals entgehen sah, weigerte sich dessen zunächst und beschul-
digte den Kurfürsten der Treulosigkeit gegen seine Bundes-
genossen ^
Der liefs sich aber durch solche Anklagen nicht irre machen.
Er und Kurköln schlössen damals mit Trier ein Bündnis, das
ganz dem Frieden dienlich war. Kurfürst Karl Kaspar verhiefs,
für den zwanzigjährigen Waffenstillstand zu wirken und in den
westeuropäischen Händeln volle Neutralität zu beobachten. Da-
für verlangten er und seine Verbündeten von Frankreich volle
Schonung des Reiches und seiner Rechte: kurz, Friedrich Wil-
helm hatte jene beiden geistlichen Kurfürsten zu seinem Pro-
gramm bekehrt. Es war doch gegen Frankreich gemünzt, wenn
1 Ms. Kurf. an Spanheim, 9719., 15./25. April, 27. April/ 7. Mai,
SJIS. Mai 1684.
FOnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 361
nunmehr Karl Kaspar tatsächlieh brandenburgische und kur-
kölnische Truppen in seine Festungen aufnahmt
Und noch weiter: gerade damals — im April 1684 — be-
fehligte Friedrich Wilhelm den Hof- und Legationsrat Johann
Besser zu einer Gesandschaft nach England. Bei dem höchst
gefährlichen Zustande Europas sollte er Karl II. fttr die Schirmung
des Friedens gewinnen. Zwar die förmliche Allianz beider Fürsten
sei im Jahre 1672 abgelaufen, allein Religion, Verwandtschaft
und Interesse hielten sie zusammen'.
Während der Kurfürst so mit dem offiziellen England an-
knüpfte, trug er freilich kein Bedenken, sich im stillen auch
mit der whiggistischen Opposition zu verbünden. Man weifs,
dafs damals die eifrigen Freunde der protestantischen Religion
und der politischen Freiheit in England — die Whigs — mit
Schrecken der Thronbesteigung des Bruders des legitimer Nach-
kommenschaft entbehrenden Karl II. entgegensahen, da Jakob
von York als katholisch, verfolgungssüchtig und absolutistisch
gesinnt bekannt war. Aber ihr Widerstand im Parlamente war
gescheitert, und ein Komplott gegen die Freiheit, ja, das Leben
Yorks hatte nur den Untergang oder doch die notgedrungene
Flucht der Verschwörer zur Folge gehabt. An ihrer Spitze
stand der nach dem Festlande entkommene Herzog von Monmouth,
des Königs natürlicher Sohn, der aber behauptete, dafs seine
Mutter durch Heirat mit Karl verbunden gewesen sei und des-
halb ihm, dem Protestanten, die Thronfolge gebühre. Amtlich —
80 befahl der Kurfürst dem Legationsrat Besser — solle dieser
sich benehmen, als wisse er nichts von der Spaltung der Nation
in Yorkisten und Monmouthisten ; im stillen aber solle er die
unzufriedenen Protestanten des kurfürstlichen Beistandes ver-
sichern. Friedrich Wilhelms Sympathien gehörten den Whigs,
da er in Jakob nicht nur den Feind seiner Religion, sondern
auch den Verbündeten Ludwigs XIV. erblickte.
In Amsterdam hatten zwei geflüchtete Freunde Monmouths,
Lord Gray und Ritter Armstrong, sich Fuchs genähert. Der
Kurfürst gewährte diesen Verfolgten Aufenthalt in seinem
Herzogtume Kleve, ja, liefs durch sie dem Herzoge von Mon-
^ Ms. Kurf. an Spanheim, 18./28. April.
* Ms. Inatr. an Besser, entworfen 18J28. März 1684; Berlin, Geh.
Staatsarchiv, Bep. XI, England 9.
3C2 Siebentes Buch.
mouth sagen: er hege fQr ihn .besondere Estime und Eon-
sideration"; der Herzog werde in seinen Landen Zuflucht und
Schutz finden, und seltet sein Besuch in Berlin werde dem Kur-
fürsten sehr genehm sein. Gray und Armstrong begaben sich
infolge dieser Mitteilungen nach Kleve und verhandelten dort
mit Fuchs wegen des Eintritts Monmouths in brandenburgischen
Kriegsdienst .York und seine papistische Bande/ sagten sie,
„gehen auf das Verderben aller guten Protestanten aus.*' ^
Diese Verhandlungen waren ein Vorspiel für das Unter-
nehmen Oraniens auf England, vier Jahre später. Friedrich
Wilhelm ist der erste kontinentale Herrscher gewesen, der ein
solches Ereignis, den gewaltsamen Umsturz der Herschaft der
Stuarts, dieser Feinde des Protestantismus und der europäischen
Freiheit, ins Auge gefafst hat.
Allein das waren Pläne für die Zukunft Für den Augen-
blick handelte es sich um Bewahrung des Friedens, bis die
grofse europäische Partei gefestigt und zum Kampfe bereit sein
werdet Er nahm also durch seinen gewöhnlichen Gesandten
im Haag, von Diest die Verhandlungen mit den Generalstaaten
wieder auf, um sie zum schleunigen Abschlufs wenigstens eines
Stillstandes zu bewegen (Mai 1684). Er durfte mit Recht das
Verdienst für sich beanspruchen, zu wiederholten Malen den Krieg
von den Vereinigten Provinzen abgewandt zu haben ; allein ferner-
hin sei ihm das unmöglich. «Wenn man dort durchaus ver-
zweifelte Entschlüsse fassen will, möge man wenigstens Deutsch-
land aus dem Spiele lassen und auf Hilfstruppen aus dem Reiche
verzichten.* Aber sie möchten doch überhaupt darauf ver-
zichten, Religion und Freiheit zugleich in Gefahr zu bringen;
sie würden sich durch einen zweifellos unheilvollen Krieg das
Joch, das sie für die Zukunft fürchteten, sofort über den Hals
ziehen. Er erbot sich zur Vermittlung mit dem AUerchrist-
lichsten Könige. Als Diest am 24. Mai mit diesen Instruktionen
im Haag eintraf, fand er dort günstigere Aufnahme, als er zu
hoffen gewagt.
Um so gröfsere Enttäuschung erlebte die brandenburgisehe
1 Ms. Fuchs an Kurf., 4. 14., u. Kurf. an Fachs, 11.^1. März 1684;
Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Knrkdln 3.
* FQr das Folgende die Ms. Korresp. zwischen dem Kurf. n. Biest
im Mai und Juni 1684 (Berlin, Geh- Staatsarchiv, Bep. XXXIV, 227 z). —
VgL ebendas. Rep. XI, Kurköln 3; sowie U. u. A., m, 770 f.
Fttnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 363
Friedenspolitik auf der anderen Seite. Frankreich sah mit
vollem Bechte in ihren Bemühungen nicht sowohl eine ihm ge-
währte Unterstützung als vielmehr das Bestreben, eine dritte
Partei zu bilden, die freilich für den Augenblick den Frieden
zu bewahren, aber für die Zukunft Frankreich im Zaume zu
halten bestimmt sei. Hatte doch schon Fuchs bei seiner An-
wesenheit im Haag dem Grafen d'Avaux nicht verhehlt, dafs
jedes weitere kriegerische Vordringen Frankreichs die Friedens-
partei ernstlich verstimmen werde. Trotz aller Bemühung des
Geheimrats, dem französischen Gesandten volles Vertrauen und
alle Ergebenheit zu zeigen, hatte dieser ihn als Feind behandelt,
mit Anklagen und Verleumdungen verfolgt. Der Widerspruch
Brandenburgs gegen eine französische Besetzung trierischer oder
kölnischer Plätze, die immer wiederholte Forderung einer Er-
klärung, dafs Frankreich unter keinen Umständen das Reich
weiter verkleinem werde, hatten in Paris und Versailles tief
verstimmt.
Noch schlimmer war, dafs der Kurfürst von eben den Lüne-
bürgern, die er mit aller Macht vor seinen eigenen Verbündeten
zu schützen sich bemühte, abermals hintergangen wurde. Grotes
Erklärungen wurden immer zweideutiger und hinterhaltiger.
Das ganze Lügenspiel sollte nur die Kölner Alliierten festlegen,
bis der Haager Kongrefs zu wirksamen Beschlüssen gelangt sei.
Friedrich Wilhelm gab die Sache auf; sogar der Kurprinz über-
wand seine Neigung zu Sophie Charlotte und erklärte, er werde
seine Vermählung mit dieser Prinzessin bis auf einen Zeitpunkt
hinausschieben, wo solche Verbindung den Interessen und der
Ehre seines Vaters entsprechet Der Kurfürst ging den König
von Frankreich um sofortige Auszahlung des ersten Vierteljahrs
der Aktionssubsidien an, indem er ihm den mit R6benac, dem
Dänen Gabel und dem kurkölnischen Kriegsrat Wintgens ver-
einbarten Kriegsplan gegen die Weifen mitteilte ^. Die Rüstungen
wurden tatsächlich in grofsem Stile betrieben: die preufsischen
Regimenter wurden beordert, die Weichsel westwärts zu über-
schreiten, die pommerschen und neumärkischen zum Marsch an
die Elbe angewiesen, die Truppen in Westfalen dazu bestimmt,
sich im Verein mit den Kölnern an Rhein und Weser auf-
^ Dep. R6benac8 vom 13. Mai; Prutz, 878.
* Ms. 19./29. Mai 1684.
364 Siebentes Buch.
zustellen, die Artillerie mobilisiert, in Minden und Lippstadt
Magazine angelegt; jede Woche wurden 16 — 17000 Taler aus-
gegeben. 1500 Reiter wurden in das Herzogtum Mecklenburg-
Güstrow einquartiert mit dem Auftrage, sich den Dänen an-
zuschliefsen , falls die Lüneburger gegen diese Feindseligkeiten
begännen ^ Die französischen Staatsmänner frohlockten, Branden-
burg nun in den Krieg verwickelt zu sehen. Sie stellten selbst
Eroberungen in Pommern in Aussicht und gaben die besten
Yerheifsungen wegen der Aktionssubsidien. — deren tatsächliche
Auszahlung wurde freilich bis auf den ersten Kanonenschufs an
der unteren Elbe und Weser vertagt*.
Am 30. Mai 1684 ward zu Berlin das neue „Konzert^
zwischen Dänemark, Kurköln und Kurbrandenburg aufgerichtet.
Gemeinschaftliche Aktion sollte allsogleich das Haus Lüneburg
zwingen, sich allen Beschlüssen der Verbündeten wegen des mit
Frankreich zu vereinbarenden Friedenszustandes anzuschliefsen,
sämtliche Ansprüche auf weitere Ausdehnung seiner Befugnisse als
Direktors des niedersächsischen Kreises aufzugeben und in allen
Punkten den Alliierten Genugtuung zu leisten. Der Beitritt
Frankreichs zu diesem Vertrage wurde in Aussicht genommen*.
Der Kurfürst von Köln erhielt demgemäfs die Einladung, seine
Truppen an die Weser zu entsenden; der französische Resident
in Münster, Ghoiseul, sich nach Berlin zu begeben und mit den
brandenburgischen Generalen den Feldzugsplan endgültig fest-
zustellen ^.
Der Kampf konnte beginnen. Ludwig XIV. ermahnte
Brandenburg, nun endlich loszuschlagen. Er rechnete darauf,
dafs nach der Demütigung der Lüneburger niemand im Reiche
ihm mehr Widerstand zu leisten wagen werde ^.
Gerade deshalb hielt Friedrich Wilhelm im letzten Augen-
blicke inne. Das Verfahren Frankreichs stimmte ihn bedenk-
licher denn je. In jener Zeit — 4. Juni — fiel die überaus
starke Festung Luxemburg, ein Bollwerk auch der deutschen
^ Ms. Bidal (französ. Agent in Hamburg) an Louvois, 21. April
1684 (Auszug); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XCIV, IV Hb, 10 /f.
* Ms. Korresp. zwischen Eurf. und Spanheim aus dem Mai 1684. —
Depeschen Bäbenacs bei Prutz, 873 f.
» Mörner, 740ff.
^ Ms. Bidal an Louvois, 2. Juni (Auszug); a. a. O.
^ Korresp. Ludwigs XIV. mit B^benac, Juni 1684; Prutz, 8741.
Fünfiindvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 365
Moselländer, in die Gewalt Frankreichs. Der Kurfürst empfand
dieses Ereignis sehr schwer: wenn er auch die Aufforderung
Johann Greorgs von Sachsen, der Feste zu Hilfe zu kommen,
hatte abweisen müssen, sah er doch in ihrem Verluste eine für
das Reich sehr bedrohliche Tatsache ^ Dabei erhielt er anstatt
der ihm gebührenden französischen Kriegssubsidien nur schöne
Worte, während die Kriegsbereitschaft der kärglich bedachten
brandenburgischen Staatskasse unerschwingliche Lasten auf-
erlegte. Selbst Röbenac erkannte die Ungebühr an, mit der
sein König den Kurfürsten behandelte. Da brachte ein un-
erwartetes Ereignis dessen Zorn zum Ausbruche.
Herzog Christian I. Ludwig von Mecklenburg - Seh worin
hatte sich auf einer Reise nach Paris in die ebenso schöne wie
geistvolle Herzogin -Witwe von Ghfttillon, die Schwester des
Marschalls von Luxemburg, verliebt. Er hatte sich deshalb von
seiner Gemahlin scheiden lassen, war katholisch geworden und
hatte 1664 seine Geliebte geheiratet. Seitdem lebte er gröfsten-
teils in der französischen Hauptstadt. Nunmehr, im Mai 1684,
schlofs er dort mit Ludwig XIV. einen Vertrag, in dem er seine
wichtige Eibfeste Dömitz den Dänen zu überliefern versprach.
Der Kurfürst war begreiflicherweise darüber entrüstet, dafs
man diese Abmachung getroffen hatte, ohne ihn zu fragen,
während doch Dömitz der Schlüssel zur Kurmark sei und die
Schiffahrt auf der unteren Elbe beherrsche; überdies sei er
Mitdirektor des niedersächsischen Kreises. Durch solche Vor-
gänge müsse ja die „gute Partei** im Reiche verdächtig werden.
Er verlangte in Paris auf das bestimmteste, dafs entweder der
ganze Vorfall rückgängig gemacht oder die Festung halb mit
brandenburgischen, halb mit dänischen Truppen besetzt werde.
Bisher, fügte er unwillig hinzu, haben Wir von Unserem Bünd-
nis mit Frankreich noch nicht „vor Unser Particulier den aller-
geringsten Vortheil, wohl aber viel und grofse Ungelegenheit
und Gefahr" gehabte
Christian Ludwig hatte alle Welt getäuscht. Sein Befehls-
haber hatte Dömitz vielmehr den Freunden und Beschützern
* Prutz, a. a. O.
' Ms. Kurf. an Spanbeim, 24. Mai / 3. Juni 1684. — Vgl. Bourgeois,
Ez. Spanheim, 242 f. — Allg. Deutsche Biographie s. v. Christian I.
von Mecklenburg.
366 Siebentes Buch.
Mecklenburgs, den Weifen, überliefert. Der ergrimmte König
liefs deshalb den Herzog in das Schlofs von Vincennes sperren
(Mitte Juni), und zwar zu so strenger Haft, dafs dessen eigene
Gemahlin ihn nicht sehen durfte. Erst Anfang September er-
hielt der Herzog durch die Fürbitte und auf mehrfaches Ein-
schreiten Friedrich Wilhelms die Freiheit wieder*.
Sowohl die Übervorteilung Brandenburgs in der Dömitzer
Sache wie die willkürliche Einkerkerung eines deutschen Reich»-
fürsten verstimmte Friedrich Wilhelm. Bald mufste er von
weiteren Akten französischer Tyrannei hören. Trotz des Ver-
sprechens des französischen diplomatischen Agenten Tambonneau,
die Zustimmung seines Königs zu dem Vertrage Brandenburgs
mit Trier zu beschaffen, und im Gegensatze zu Ludwigs eigenen
feierlichsten Zusagen rückte Marschall Gr^qui nach der Erobe-
rung Luxemburgs mit seinem ganzen Heere in das friedliche
Erzstift Trier ein, besetzte dessen Hauptstadt, deren W&lle er
einrifs, und deren Moselbrücke er mit dem gleichen Schicksale
bedrohte, wie er denn die Conzer Brücke bereits zerstört hatte.
Friedrich Wilhelm war äufserst erregt. ,, Der König,*' rief er aus,
„wird sich odieux und Uns incapable machen, mit Nutz und
Effekt vor Ihre Interesse weiter zu arbeiten."' Bald schlug er
einen noch kräftigeren Ton an. „Wir müssen bekennen," schrieb
er am 15. Juli an Spanheim, „dafs Uns solches Verfahren höchst
schmerzlich zu Gemüthe geht!" Alle üblen Vorhersagungen der
Gegner werden durch solche Vorgänge bekräftigt. „Es ist be-
kannt, dafs Wir durch Unsere dem Reiche geschworene schwehre
Pflichten, durch den Ghurfürstlichen Verein, durch die Liebe
und Treue, die Wir Unsern Vaterlande schuldig sein, ja aller
Kaison nach Uns verbunden befinden, in dergl. Fällen Unserer
Mit-Stände Uns mit allen Kräfften anzunehmen und unverschul-
detes Unrecht und Gewalt von ihnen abzuwehren, und können
Wir nicht absehen, wie Wir eines Theils Unserem Gewissen ein
Genüge thunund danebst gegen Ihre Kays. Mt. und das Reich
Unsere Conduite justificiren und vielfältiger Blame und Vor-
würffe Uns . . . entladen können, wenn Wir zu dergleichen Pro-
ceduren still schweigen selten." Spanheim soll die sofortige Ab-
^ Ms. Spanheim an Kurf., Juni bis Sept. 1684.
* Ms. Kurf. an Spanheim, 20./30. Juni. — Die Instruktion ist teil-
weise gedruckt bei Londorp, Xu, 55 f.
FOnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 367
führung der französischen Truppen aus Trier fordern und dabei
hervorheben, „dafs Wir nicht allein Uns hierunter einer will-
fährigen Resolution zu Ihro König]. Mayt. festiglich versähen,
sondern auch verhoffen weiten, es würde dieselbe . . . dergleichen
wider das Reich femer nicht vornehmen, sondern eine solche
Conduite gegen dasselbe halten, damit Wir, Unserm sehnlichen
Verlangen nach, in der mit Ihro Königl. Mt. etablirten guten
und vertrauten Freundschaft allerwegen verbleiben möchten".
Und doch drohten neue Gewalttaten von anderen Seiten:
im Elsafs und bei Saarlouis sammelten sich zahlreiche franzö-
sische Scharen, um in das Reich einzubrechen. Es stand ihnen
um so wehrloser offen , als es nicht einmal auf die Beihilfe der
Niederlande mehr hoffen durfte. Die Verhandlungen Diests
hatten mehr Erfolg gehabt als die des Geheimrats Fuchs, da die
jüngsten Ereignisse die momentane Unmöglichkeit eines Krieges
gegen Frankreich auch den Widerwilligen vor Augen führten.
Nachdem Luxemburg gefallen, nachdem der Haager Kongrefs
ergebnislos auseinandergegangen, hatte die Friedenspartei in den
Generalstaaten den Sieg davongetragen. Am 29. Juni nahmen
sie das französische Anerbieten des zwanzigjährigen Waffen-
stillstandes an; allerdings mit der Erschwerung, dafs nunmehr
auch Luxemburg den Franzosen überlassen werden mufste.
Diese setzten dem Reiche einen Termin von vier Wochen, dem
Stillstande unter den gleichen Bedingungen beizustimmen. Nur
dem ernstlichen Andringen Brandenburgs gelang es, den Alier-
christlichsten König zu der Eröffnung zu bewegen, dafs es ihm
auf die strikte Innehaltung eines so kurzen Termins nicht an-
kommen sollet
Zu gleicher Zeit scheiterten die Hoffnungen, die Friedrich
Wilhelm auf einen Anschlul^ Englands an die europäische Partei
gesetzt hatte'. Besser war schon mit grofsem Mifstrauen in
London aufgenommen worden, da alle Welt über das plötzliche
Erscheinen eines brandenburgischen Gesandten erstaunt war
und dahinter geheime, feindselige Absichten witterte. Hierzu
kam der erschwerende Umstand, dafs das beginnende Komplott
des Kurfürsten mit Monmouth und dessen Anhängern entdeckt
^ Ms. Depeschen Spanheims aus dem Juli 1684.
* Das Folgende nach den Akten des Geh. Staatsarchivs (Berlin),
Bep. XI, England 9.
368 Siebentes Buch.
wurde. Armstrong war unter der Anklage, des Königs und
Yorks Ermordung zweimal versucht zu haben, von den General-
staaten nach England ausgeliefert worden, wo man ihn nach
kurzem Prozesse hängte. Unter seinen Papieren fanden sich
Briefe Monmouths an die brandenburgischen Staatsmänner
Fuchs und Falaiseau, mit Danksagungen für den ihm und
seinen Freunden Armstrong und Gray gewährten Schutz, sowie
Versicherungen der Ergebenheit. Freilich, König Karl II. hielt
es für angemessen, sich in gemäfsigter Weise über diese Vor-
gänge auszudrücken; er sagte Besser: das Verfahren des Kur-
fürsten beruhe offenbar auf einem Mifsverständnisse, da dieser
eine aus rein persönlichen Beweggründen hervorgegangene Ver-
schwörung für ein Unternehmen zum Schutze der protestanti-
schen Religion angesehen habe. Allein die Versuche Friedrich
Wilhelms, sich als völlig unschuldig und ahnungslos hinzustellen,
konnten keinen Glauben finden. Der König wie seine Minister
ersuchten ihn sehr ernstlich, Monmouths Besuch in Berlin zu
verhindern. Natürlich fand nunmehr solche Reise des unglück-
lichen Königssohns nicht statt. Aber von engeren Beziehungen
zwischen England und Brandenburg konnte nach allen diesen
Ereignissen nicht die Rede sein.
Es blieb dem Kurfürsten nichts übrig, als den Kaiser von
neuem zum Frieden zu mahnen ; er versprach hierbei, die Bürg-
schaft für die Innehaltung des abzuschliefsenden Waffenstill-
standes mit seiner gesamten Macht zu übernehmen, auch darüber
mit ihm einen Sondervertrag einzugehen. Solches versicherte
er dem kaiserlichen Sekretär Consbruch, der Ende Juni 1684
nach Berlin kam^.
Unter diesen Umständen, wo alles sich dem von Friedrich
Wilhelm sehnlich gewünschten allgemeinen Frieden zuneigte,
erschien es ihm mit Recht untunlich, in Norddeutschland auf
eigene Faust einen Kampf zu beginnen, dessen Folgen unab-
sehbar waren. Er begrüfste es mit Freuden, dafs die drei
lüneburgischen Herzoge, die sich nunmehr von allen Freunden,
auf die sie gezählt, verlassen sahen, auf einer Konferenz in
Bergsdorf sich ernstlich zum Nachgeben entschlossen und
darauf Grote abermals nach Berlin entsandten. Er hatte zu
erklären, dafs die Weifenfürsten sich von nun an auf den Boden
> Ms. Kurf. an Spanheim, 20./80. Juni 1684. — U. u. A., XIV, 1136«.
FOnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 369
des französischen Stillstandserbietens begäben. Friedrich Wilhelm
kam übrigens mit seinen friedlichen Absichten lediglich den
Wünschen des Königs von Frankreich entgegen, der, nach Ab-
schlufs des Vertrages mit den Generalstaaten, gleichfalls jedes
Interesse eingebüfst hatte, im Norden einen Krieg hervorzurufen,
der ja nur den Verbündeten der Holländer gegolten. Branden-
burg und Dänemark konnten zusehen, wie sie die Kosten der
auf Frankreichs Anregung unternommenen Rüstungen zu decken
vermöchten *.
Der Streit zwischen dem Kurfürsten und den drei lüne-
burgischen Herzogen wurde definitiv beendet und momentan
sogar in ein Freundschaftsverhältnis umgewandelt durch ein
am 2. August 1684 abgeschlossenes Bündnis. Man darf sagen :
die Spitze dieser Allianz war gegen Frankreich gerichtet; denn
obwohl die Kontrahenten den Waffenstillstand unter den von
Frankreich geforderten Bedingungen zu Grunde legten, verlangten
sie doch Rückgabe aller sonstigen von jenem Staate im Reiche
okkupierten Gebiete, sowie Aufrechterhaltung der bisherigen
Religions- und Eigentumsverhältnisse in den dauernd reunierten
Ländern. Für den Fall eines Krieges wollten die Verbündeten,
in Gemäfsheit des dritten Geheimartikels, die Integrität des
Reiches und zumal den Rheinstrom schützen, ebenso Bremen,
Hamburg und Lübeck in ihrer Reichsfreiheit erhalten^. Dieser
Vertrag war also der erste entschiedene Schritt, den Friedrich
Wilhelm von der bisher innegehaltenen französischen Partei
ab und nach der entgegengesetzten Seite hin unternahm, — ein
zweiter die Vermittlung zwischen dem Prinzen von Oranien
und dem Stadtmagistrate von Amsterdam, die, auf Friedrich
Wilhelms Befehl, damals Diest versuchte®. Der Weg war er-
öffnet, der ihn bald wieder zu seiner natürlichen Stellung,
Schulter an Schulter mit den zur Verteidigung der Freiheit
Europas entschlossenen Mächten, führen sollte.
Der Vermählung des Kurprinzen mit Sophie Charlotte stand
nun nichts mehr im Wege; sie wurde dann im Oktober 1684
mit grofser Pracht begangen. Es war aber bezeichnend, dafs
den auffallendsten Teil der Feier die Vereinigung von elftausend
^ Ludwig XIV. an Rebenac, 6. Juli 1684; Prutz, 375 f.
« Mörner, 743 ff.
» d'Avaux, m, 75 f.
PhilippsoD, Der Grofse Kurfflrst. III. 24
. 370 Siebentes Buch.
Mann brandenburgischer Truppen bildete — ,der schönsten von
allen, die ich in Deutschland gesehen habe,^ urteilte der keines-
wegs wohlwollende Beobachter Röbenac.
Diese militärische Schaustellung hatte ihren ernsten Grund :
Friedrich Wilhelm, stets auf verschiedenen Wegen dem gleichen
Ziele zustrebend, hatte sich zu dem Versuche entschlossen,
mit den Lüneburgem vereint, wie neun Jahre zuvor, den Schweden
ihre deutschen Lande zu entreifsen. Die welßschen Unter-
händler von Grote und von Oberg zeigten sich damit einver-
standen; man entwarf in Berlin gemeinschaftlich einen
„geheimsten" Artikel des Vertrages, der Vorpommern, Wismar,
femer die Inseln Rügen und Poel dem Kurfürsten, die Herzog-
tümer Bremen und Verden den Lüneburgem zusprach^. Auch
Dänemark stimmte zu, da es sich des von Schweden beschützten
Gottorpschen Anteiles an Schleswig-Hosltein endgültig zu be-
mächtigen wünschte. An sich schien die Vertreibung der
Schweden aus deren deutschen Provinzen sehr leicht. Mit
Ausnahme Wismars waren alle dortigen Festungen verfallen und
verödet ; Stettins Wälle zeigten noch die Breschen von der letzten
Belagerung her, — die Stadt hätte sich kaum acht Tage lang
halten können. Den fünfzigtausend Mann der Verbündeten ver-
mochte Schweden keine entsprechende Streitmacht entgegenzu-
stellen. Brandenburg hoffte, durch Verzicht auf seine schlesischen
Ansprüche den Kaiser, durch Aufgabe der von Sachsen einge-
nommenen vier magdeburgischen Ämter diesen Kurstaat zur
Neutralität zu stimmen« Es verzichtete sogar auf die Aktions-
subsidien Frankreichs; dessen König solle nur die Holländer im
Zaume halten '. Denn die Schwierigkeit lag nur bei Frankreich.
Der Kurfürst stellte in Paris wiederholentlich vor: bisher habe
die französische Regierung immer das Bedenken gehegt, vor dem
Angriffe auf Schweden müsse man sich zunächst der Lüneburger
versichern; diese seien nunmehr gewonnen, und so stehe der
Ausführung des einst von dem AUerchristlichsten König selbst
angeregten Unternehmens nichts im W^ege.
Indes, Ludwig war keineswegs gewillt, seinen ihm unzu-
verlässig erscheinenden Bundesgenossen Eroberungen machen
zu lassen, ohne für sich selbst einen Vorteil einzuernten, der
' Mörner, 462.
* Ms. Depeschen B6benacs vom 19. August bis 19. Sept. 1684 (B).
Pünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 37 X
zugleich Brandenburg kompromittiere und endgültig an Frankreich
fessele. Er forderte also, dafs der Kurfürst und seine Verbün*
deten ihm als Gegengabe die Reichsfestung Philippsburg auf dem
rechten Rheinufer überliefen. Auf einen so schmählichen
Handel ging aber Friedrich Wilhelm nicht ein. „Ich habe nicht
verhehlt/ interpretierte Spanheim seines Herrn Meinung ganz
richtig, „dafs, welche Erwerbung E. Kurf. Durchl. auch im Falle
eines Vorgehens gegen Schweden wünschen könnten, solches
niemals auf Kosten des Reiches sein dürfe, um dem AUer-
christlichsten Könige Anlafs zu geben, hier neue Eroberungen
zu machen." Darauf lautete die Antwort Frankreichs abschlägig.
Seitdem, sagte Croissy, der König am 23. September des vorher*
gehenden Jahres Vorschläge über ein neues Konzert gegen
Schweden geäufsert, die der Kurfürst damals zurückgewiesen,
hätten die Umstände sich durchaus geändert. Jetzt sei der
Friede gesichert, und nur eine Aktion gegen Schweden könne,
indem sie dessen vertragsmäfsige Verbündete zu den Wafifen
riefe, den allgemeinen Krieg heraufbeschwören*.
Die Dinge waren so weit gediehen, dafs Ludwig wohl
erkannte, er werde in Brandenburg niemals einen Verbündeten
für seine Eroberungsgier haben und am wenigsten gegen das
Reich. Croissy sprach sich Spanheim gegenüber ganz ofifen aus:
sein König werde, wenn jetzt der Stillstand nicht geschlossen
werde, den Krieg gegen das Reich führen; er gebe den Kur-
fürsten völlig frei ; der möge, wenn es ihm gut scheine, sich mit
dem Kaiser und Schweden verbünden*.
' Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheims vom Ende Juni bis Aug.
1684. — Croissy sagt (21. Juli): que le Roy ne disconvenoit pas des offres
dt propositions faites cy-devant sur Taction contre la Suöde, comme
Celle du 28 sept*>»* pass6; qu'il n'avoit tenu qu'ä V. Alt. de Taccepter;
qa*ü falloit aussi consid6rer qu'elles avoient et^ faites dans un temps
oü le Roy de France en pouvoit espSrer ou tirer beaucoup d^avantage
k Tegard de rarmistice ou des mesures k prendre au besoin contre les
Estats G-eneraux. Que les choses estoient maintenant sur un autre pied,
et surtout depuis le traitt6 avec les Estats Generaux. Que ceux-cy
donnoient toujours k entendre qu'ils seroient obliges de secourir leurs
ftlli^s si on les attaquoit. . . . Toutes les pensees presentes du Roy de
France et de ses ministres des deux partis concourent egalement k la
paix generale, et on croit ou pretend qu'il resulteroit iine guerre generale
au cas de Taction susdite contre la Su^de.
■ Ms. Spanheim an Kurf., 18. Aug. 1684.
24*
372 Siebentes Buch.
Zum Glücke löste die Krisis sich freundlich: der zwanzig-
jährige Waffenstillstand zwischen dem Reiche und Ludwig XIY.
wurde endlich am 15. August 1684 zu Regensburg aufgerichtet ;
Spanien schlofs sich ihm an^. Die Ruhe Europas war für die
nächsten Jahre gesichert — mit schweren Opfern für das Reich
und Spanien. Letzteres erhielt Dixmuyde und Courtrai zurück,
mufste aber Luxemburg aufgeben.
Friedrich Wilhelm hatte recht behalten mit seinen seit
lange beharrlich geäufserten Anschauungen, Ratschlägen und
Warnungen. Die Hartnäckigkeit der Habsburger hatte sie die
unvergleichliche Festung Luxemburg gekostet.
Das Ende des vieijährigen Zwistes wegen der Reunionen
war auch das Ende des französisch-brandenburgischen Bündnisses.
1 Londorp, XU, 125ff.
Sechsundvierzigstes Kapitel
Die Abkehr von Frankreich.
Als Sieger war Friedrich Wilhelm aus seinem Ringen mit
dem Kaiser und den Niederlanden, seinen ungetreuen früheren
Verbündeten, hervorgegangen. Sie waren für die üble Behand-
lung, die sie ihm hatten angedeihen lassen, bestraft und ge-
demütigt. Sie hatten den Wert einer Allianz mit dem jungen,
aufistrebenden Staate, den sie geringschätzen zu können gemeint,
zu ihrem Schaden .würdigen gelernt. Friedrich Wilhelm sah
überdies die Anschauung,} die er im Gegensatze zu ihnen vertreten
hatte, triumphieren : wenn nicht der Friede, so doch ein zwanzig-
jähriger Waffenstillstand war abgeschlossen auf der Grundlage,
die er als die einzig mögliche erkannt und nach allen Seiten
hin empfohlen. Zum Gedächtnis dessen liefs er, gleichsam als
trage er um die Befriedung besonderes Verdienst, eine Münze
auf den deutsch -französischen Ausgleich schlagen mit seinem
Bildnis und der Inschrift, die zugleich die Jahreszahl 1684 an-
deutet :
Mars rVIt inVIDVs, en paX et VICtorla fLorent^
Allein er konnte im Grunde des Erfolges nicht froh werden.
Das Ergebnis dieser vier Jahre für Europa und zumal für das
Deutsche Reich war doch nur: erneute Demütigung und Be-
raubung zu Gunsten Frankreichs, Zunahme von dessen schon
fibergrofser, alles bedrohender Macht und rechtsverachtendem
Übermute. Und wenn der Kurfürst gehofft hatte, aus dieser
Schädigung des allgemeinen Interesses — die er freilich nicht
' Ms. Magirus, Breviarium, Nr. 103.
374 Siebentes Buch.
hätte verhüten können — wenigstens für den eigenen Staat be-
deutenden Vorteil zu ziehen, sah er sich hierin vollkommen ent-
täuscht. Mit seiner alten Verbündeten, der oranischen Partei
in den Niederlanden, war er gänzlich überworfen; sie verzieh
ihm die hauptsächlich durch seine Bemühungen erlittene Nieder-
lage vom Juni 1684 nicht. Fagel äufserte sich sehr erbittert
über Brandenburg, das die Allianz von 1678 gar nicht beobachtet
habe. »Der Staat,^ sagte er, „mufs sich mit der Krone Frank-
reich, als dem Mächtigsten, setzen, und zwar so gut und so
böse, wie wir können." Wegen eines Schififes, das die Holländi-
sche Kompanie an der afrikanischen Westküste weggenommen
hatte, des .Wappen von Brandenburg^, entbrannte gerade da-
mals heifser Streit zwischen Berlin und dem Haag. Trotz der
entgegengesetzten Wünsche des Kurfürsten riefen die Hoch-
mögenden nunmehr Amerongen zurück ^. Anderseits war jedes-
mal, wenn Friedrich Wilhelm gegen einen Widersacher mit bester
Aussicht auf Erfolg das Schwert erhoben hatte, Frankreich ihm
in den Arm gefallen und hatte ihm mit höhnischem Gewalt-
spruche den sicher erscheinenden Sieg entrissen. Es hatte ihn
bald gegen die nordischen Mächte gehetzt, bald wieder an der
Kette gehalten, wie es gerade der französischen Politik ent-
sprach. Er hatte weder Schweden noch die Weifen für ihre
Feindschaft strafen noch an ihnen sich für die ihm 1679 ent-
zogenen Eroberungen schadlos halten dürfen. „Nur der König/
rief er im September 1684 dem Grafen R6benac zu, „hat meine
Unternehmungen zum Scheitern gebracht.^' Unwillig berief
er Meinders von den Beratungen ab, die dieser Minister zu
Itzehoe mit dänischen und weifischen Kommissaren gepflogen
hatte, — der schwedische Krieg war aufgegeben, so schlecht man
auch mit Schweden stand, dessen Kommissare sich bei der im
Gange befindlichen Grenzregulierung derart anmarsend benahmen,
dafs der Kurfürst die Konferenzen kurzerhand abbrach. Allein
das waren doch Nebendinge. Friedrich Wilhelm war entschlossen,
zwar anscheinend das Einvernehmen mit Frankreich noch auf-
rechtzuerhalten, um nicht wieder macht- und hilflos dazu-
stehen, aber tatsächlich Anschlufs an die Partei zu suchen, die
* Ms. Korresp. des Kurf. mit Diest, Sept. u. Okt. 1684; Berlin, Geh.
Staatearchiv, Rep. XXXIV, 227 z.
« Prutz, 289.
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 375
die Freiheit Europas und die Unabhängigkeit seiner Fürsten
gegen die Weltmonarchie des „Königs Sonne" verteidigte. „Seit
dem Abschlüsse des Waffenstillstandes/ urteilte einige Jahre
später über ihn ein französischer Diplomat, „hat sich dieser
Fürst bei allem, was man gegen den König geplant oder in Be-
wegung gesetzt hat, an die Spitze gestellt.''
Es zeugte bereits von einer leisen, aber bestimmten Wen-
dung in der brandenburgischen Politik, wenn diese sich, gerade
auf Grund des Waffenstillstandes, bemühte, die Angelegenheit
der durch diesen Vertrag den Franzosen zugestandenen Reunionen
wieder zu einer offenen Frage zu gestalten. Indem Spanheim
nach mehrmonatigem Urlaube nach Paris zurückkehrte, erhielt
er den Auftrag, sich, in Gemäfsheit des Artikels, der die reli-
giösen Verhältnisse in den reunierten Landen auf dem bisherigen
Fufse zu belassen anordnete, der vielfach benachteiligten Evan-
gelischen in jenen Gebieten anzunehmen. Spanheim mufste nicht
minder die Interessen der von der Reunion betroffenen deutschen
Fürsten vertreten, zumal des Kurfürsten von der Pfalz, der in
Paris um Rückerstattung Germersheims vorstellig war, das die
Franzosen ohne jeden auch nur scheinbaren Rechtsgrund ganz
einfach mitannektiert hatten. Wahrscheinlich war es auch in
reichspatriotischem Sinne gedacht, wenn Friedrich Wilhelm gegen
Ende des Jahres 1684 eine engere Vereinigung der Kurfürsten
und ein Aufleben ihrer Kollegialtage betrieb. Kurz, Branden-
burg begann für Frankreich ein mindestens recht unbequemer
Freund zu werden. Ludwig XIV. fühlte das sehr wohl, und
die Instruktionen, die er seinen Diplomaten erteilte, waren be-
reits im Beginne des Jahres 1685 in einem den brandenburgi-
schen Interessen offen widerstreitenden Sinne abgefafst, wenn-
schon sie solchen Gegensatz äufserlich noch zu verdecken be-
fahlen ^
Der Kurfürst suchte seine Stellung in Nörddeutschland selb-
ständig, ohne Rücksicht auf die Grofsmächte, zu stärken und
auszudehnen. Er hatte längst von Kaiser und Reich die An-
^ Mb. Instr. an Spanheiin vom 20 /30. Dez. 1684 (Berlin, Geh. Staats-
archiv, XI, Frankr. 23). — Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheims im Jan.
u. Febr. 1685 (ebendas. 24 A, sowie [Rep. XL 9 b). — Ms. Friedr. Wilh.
an Kurbayem, 18. Dez. 1684 (Kopie; das. Rep. XCIV, IV Hb, 49). —
Instr. Ludwigs XIY. an seinen neuen Gesandten in Kopenhagen, den
Grafen Chevemy, vom 13. Jan. 1685; Recueil des Instructions, XIH, 60.
376 Siebentes Buch.
Weisung der ihm 1675 von beiden für die schwedische Ver-
wüstung seines Landes zugesagten Entschädigungen gefordert,
aber solche nie erhalten. Jetzt verlangte er, sie möchten in der
Anwartschaft auf Ostfriesland bestehen, dessen Fürstenfamilie
dem Aussterben nahe war, und in dem er sich tatsächlich schon
militärisch wie kommerziell festgesezt hatte ^. Er schlofs gerade
damals mit der Stadt Emden Verträge, die ihm die Verlegung
seiner Afrikanischen Gesellschaft nach diesem Orte, die Errich-
tung einer Kompanie Marinesoldaten und eines Arsenals, sowie
eines Admiralitätskollegs Idortselbst gestatteten. Ende Januar
1685 ging er mit dem Herzoge von Mecklenburg -Güstrow ein
geheimes Abkommen ein, das ihm erlaubte, scheinbar ohne Zu-
stimmung des Herzogs sein Leibregiment zu Pferde in dessen
Land einzuquartieren. Dieser Vergleich wurde wenige Monate
später in eine f%rmliche Militärkonvention verwandelt, nach der
der Herzog den gröfsten Teil der Verpflegung des kurfürst-
lichen Regiments übernahm, Brandenburg dag^en die Stellung
des herzoglichen Kontingents zur Reichsarmee. So fafste Fried-
rich Wilhelm FuTs in der östlichen Hälfte Mecklenburgs, un-
mittelbar an der Westgrenze Seh wedisch - Pommerns , das er
nunmehr von drei Seiten umklammerte: er hielt zugleich den
Frankreich und den Lüneburgem ergebenen Herzog von Mecklen-
burg-Schwerin in Schach.
Aber diese Mafsregeln trafen doch nur Nebensächliches. Vor
allem bewegte seinen Geist die drohende Gestaltung der grofsen
europäischen Verhältnisse. Sie flöfste ihm Besorgnis ein nicht
nur wegen der eigentlich politischen, sondern auch, und zwar in
erhöhtem Ma(^, wegen der kirchlichen Zustände. Die Reaktion
der römischen Kirche gegen den Protestantismus nahm in so
gewaltigem Umfange überhand wie nie seit einem Jahrhundert.
Der mächtige Beherrscher Frankreichs verfolgte seine zahlreichen
reformierten Untertanen mit unversöhnlicher Feindschaft Aber
sein Gegner und Nebenbuhler, Kaiser Leopold L. zeigte sich
nicht minder fanatisch: kaum schritten seine Truppen erobernd
in Ungarn vor, als die Grausamkeiten gegen die dortigen
Protestanten in rohester Weise von neuem ihren Anfang nahmen.
Femer stand in England die Thronbesteigung eines katholischen
> Londorp. XI. 60. 149. ^00. — WiarJa, VI, a22£f. — Für das
Folgende: Mörner, 463 ff. 46S,
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkekr von Frankreich. 377
Königs bevor, in der Pfalz die Herrschaft eines katholischen
Kurfürsten, — die Erfahrung lehrte, was man von solchen alt-
gläubigen Fürsten ihren neugläubigen Untertanen gegenüber zu
erwarten hatte. Die ganze Zukunft, das Dasein des evangeli-
schen Wesens stand auf dem Spiele. »Nun ist es aus mit der
protestantischen Partei," sagte der französischeDiplomat Chevemy
höhnisch zu dem jüngeren Schwerin ^
Friedrich Wilhelm erkannte diese Gefahr in vollem Mafse.
Er fafste den Entschlufs, alle Kränkungen und kleineren Inter-
essengegensätze zu vergessen und auf ein Bündnis mit den
wichtigeren evangelischen Mächten hinzuarbeiten : in erster Linie
mit den Niederlanden , in zweiter mit England und sogar mit
seinen alten Feinden Schweden und den Lüneburgem. In diesem
Augenblicke gewann der Greis es über sich, auf alle seit Beginn
seiner Regierung gehegten, so oft vorbereiteten, ja, der Erfüllung
genäherten partikularen Absichten, auch die bestberechtigten,
zu verzichten, um der politischen und religiösen Freiheit Europas
willen. Es ist das wahrlich kein geringer Ruhmestitel für den
genialen, weitblickenden Fürsten. Zumal dem Herzoge von
Hannover gedachte er eine neue — die neunte — Kurwürde zu,
damit die Übertragung der pfälzischen Kur auf einen Katholiken
wieder wettgemacht werde.
Grofse Schwierigkeiten waren vor dem Gelingen eines evan-
gelischen Bundes zu überwinden.
Der bei weitem bedeutendste Faktor, der hierbei in Betracht
kam, waren die Vereinigten Provinzen. Allein ihre politische
und militärische Wirksamkeit wurde durch den tiefgehenden
Zwist zwischen dem Prinzen von Oranien und der Stadt Amster-
dam völlig gelähmt. Diese reiche Seestadt, die allein mehr als
ein Viertel sämtlicher Einkünfte der Union zahlte, war der
Hauptsitz der Oligarchie und deshalb erbitterte Gegnerin des
Oraniers und seiner kriegerischen, franzosenfeindlichen Politik,
die Verbündete des französischen Gesandten Grafen von Avaux.
Mit der Drohung, sich von der Union lossagen zu wollen, legte
sie die Ratschläge und den Einflufs Wilhelms III. brach. Der
Kurfürst hatte sich mit ihr alliiert, als er die Annahme des
Friedens oder des Waffenstillstandes durch die Generalstaaten
herbeizuführen sich bemüht hatte. Der Prinz und sein Ver-
* Adieu presentement le parti protestant: Pufendorf, XIX 1 13.
378 Siebentes Buch.
trauter, der Ratspensionar Fagel^ hatten deshalb natürlicher-
weise tiefes Milstrauen gegen Friedrich Wilhelm gefafst. Ver-
gebens war dieser bestrebt, durch Amerongen, der Ende 1684
Berlin verliefs, sowie schon vorher durch Diest den Führern der
oranischen Partei klarzumachen, dafs er nunmehr andere Ziele
im Auge habe, dafs er zumal eine „evangelische Allianz"
herbeiwünsche, -— man antwortete, er wolle nur den Holländern
das Geld aus der Tasche ziehen; man werde sich lieber mit
Frankreich zu verständigen suchen. Diest mufste den Haag ver-
lassen; der diplomatische Verkehr zwischen den beiden Staaten
war einstweilen abgebrochen.
Es ist das hohe Verdienst Wilhelms III. von Oranien, unter
all dem Wust von Intrigen, Zweideutigkeiten und Ärger den
klaren Blick in das, was not tat, sowie die Fähigkeit eines
ruhig durchdachten und sachgemäfsen Entschlusses bewahrt zu
haben. Er benutzte den mehrwöchigen Aufenthalt, den der
brandenburgische General Spaen, seit lange sein vertrauter
Freund, gegen Ende des Jahres 1684 im Haag nahm, um die
Mifsverständnisse auszugleichen, die zwischen ihm und Spaens
Kriegsherrn, dem Kurfürsten, sich gebildet hatten. Seiner
eigenen Partei gegenüber fand er dann einen eifrigen Helfer in
dem Baron von Amerongen, der seit seiner jüngsten Rückkehr
aus Berlin nicht müde wurde, die militärische Macht des Kur-
fürsten in ihrer vollen Bedeutung zu schildern und bei den
Generalstaaten und wichtigsten Städten auf den Abschlufs eines
Bündnisses mit diesem Herrscher zu dringend So ermutigt,
sandte Oranien um die Mitte des Januar 1685 einen zu ihm ge-
flüchteten Hugenottenprediger, Franz de Gaultier de St. Blan-
card, einen fein gebildeten und auch schriftstellerisch tätigen
Mann, an den Kurfürsten ab mit dem Auftrage, ihm zu empfehlen,
er möge die von ihm selbst vorgeschlagene evangelische Allianz
sofort in Angriff nehmen. Indem der Prinz seinem Oheim von
Brandenburg die Initiative überliefs, stellte er sich ihm völlig
dafür zur Verfügung, besonders zu dem für das Gelingen
des Werkes so wichtigen Zwecke der Gewinnung Schwedens.
Er hob allerdings auch die hauptsächliche und recht bedenk-
liche Schwierigkeit sofort hervor, die bei einem solchen Plan
» Vgl. d'Avaux, IV, 107. 120. 130. — d'Avaux ist vorzüglich
unterrichtet.
Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreicli. 379
sich geltend machte: man konnte für den Kampf gegen Frank-
reich des Kaisers nicht entraten, nnd doch, wie sollte man
diesen katholischen Eiferer und seine gleichgesinnten Minister,
die unbarmherzigen Verfolger des Protestantismus in Schlesien,
Mähren, Ungarn, zum Bündnis mit einer ausgesprochen evange-
lischen Allianz bewegen?^
Während Gaultier in Berlin weilte, traf dort eine Nachricht
ein, die das Zustandekommen einer solchen Allianz noch not-
wendiger erscheinen liefs. Am 16. Februar war König Karl II.
von England gestorben, der wenigstens offiziell dem Protestantis-
mus angehört hatte, und an seine Stelle sein Bruder, der eifrig
katholische Herzog von York, als Jakob II. getreten. Dieses
freilich längst gefürchtete Ereignis brachte auf Friedrich Wil-
helm einen tiefen Eindruck hervor: er sah England, dessen
Unentbehrlichkeit für einen aussichtsreichen Kampf gegen Frank-
reich er stets erkannt und betont hatte, zum streitbaren Katholi-
zismus und damit zu Ludwig XIV. hinübertreten. „Wenn der
Duc de York zur Regierung kommen sollte, '^ hatte er schon
im vorhergehenden Oktober den Niederländern sagen lassen,
„dürfte es noch viel ärger laufen, weil ermeldeter Duc sich
allem Ansehen nach ohne Assistenz von Frankreich nicht wird
mainteniren können und daher gezwungen sein wird, sich in die
Arme von Frankreich zu werfen." * Nunmehr forderte er durch
Gaultier den Prinzen von Oranien auf, als rechtmäfsiger pro-
testantischer Thronerbe unverzüglich, ehe noch Jakob die Krö-
nung empfangen, mit zehntausend Mann nach England über-
zusetzen, wo das gesamte Volk ihm zufallen und darauf die
gröfste Seemacht für die Sache des Protestantismus und der
universalen Freiheit gewonnen werden würde '. So hat der
Grofse Kurfürst von neuem den Plan angeregt, der wenige
Jahre später mit dem erwünschtesten Erfolge für die Befreiung
Englands und des Weltteils ausgeführt worden ist. Freilich, er
liefs sich für den Augenblick nicht verwirklichen, — aber die
^ Aktenstücke bei Erman und Beclam, I, 856 ff. — d'Avaux,
IV, 120, gibt den Plan einer evangelischen Allianz ganz richtig wieder,
iiTt sich aber in der Behauptung, dafs Oranien solche verworfen habe.
• Ms. Kurf. an Diest, 14./24. Okt. 1684; Geh. Staatsarchiv (Berlin),
XXXIV, 227 z.
» Bericht Gaultiers vom 21. Febr./3. März 1684; Erman u. Reclam,
I, 366 ff.
380 Siebentes Buch.
hohe Einsicht und weltgeschichtliche Bedeutung Friedrich Wil-
helms wird durch jene Tatsache vielleicht mehr als durch jede
andere erwiesen.
Die Thronbesteigung Jakobs IL hat den Kurfürsten zur end-
gültigen Umschaltung seiner politischen Richtung bestimmt, und
zwar sofort, ohne das mindeste Zögern. Er gab jedes Bestreben
nach partikularem Vorteil mit einer Klarheit und Entschlossen-
heit auf, die dem Geiste und Charakter des hochbetagten und
schwer leidenden Fürsten bewundernde Anerkennung sichern.
Sein ganzes Mühen war seitdem auf das Doppelziel gerichtet:
Kräftigung des evangelischen Wesens in Europa und Kampf
gegen Frankreich. Er verzichtete grundsätzlich auf jedes Kon-
zert wider Schweden. Seine Instruktion an Spanheim vom
5./15. März 1685* gibt für die definitive Verwerfung des Kon-
zerts zunächst Vorwände, wie sie für den offiziellen diplomatischen
Verkehr pafsten: die Unzuverlässigkeit des Hauses Lüneburg,
das wieder allerlei Streitigkeiten mit Brandenburg begonnen
habe und sich mit Dänemark und Frankreich nicht einigen
könne, sowie die unsichere und gefährliche Weltlage im all-
gemeinen. Dann aber unterrichtet der Kurfürst seinen Gresandten
im geheimen: „Wir können Euch wohl dabei, im Vertrauen je-
doch, dafs solches bei Euch bleibe, entdecken, dafs Uns für-
nehmlich zu dieser Resolution die überaus grofse und unver-
mutete Veränderung in England verursacht. Denn weil dadurch
das evangelische Wesen einen gröfseren Stofs bekommt, als es
seit der Reformation noch nicht erlitten, so tragen Wir billig
Bedenken, etwas zu schliefsen, wodurch die evangelischen Puis-
sancen aneinander geraten und sich untereinander aufreiben
oder ihnen doch zum wenigsten die Hände würden gebunden
werden, an das übrige, was in der Welt passieren würde, teil-
zunehmen.**
In der Tat, immer bedrohlicher wurden die Anzeichen.
Das Siechtum des letzten spanischen Habsburgers, des jungen
Königs Karl IL, nahm einen gefährlichen Charakter an. Sofort
verbreitete Frankreich in ganz Europa eine Denkschrift, die die
Erbschaft der ungeheuren spanischen Monarchie für den Dauphin
beanspruchte : das wichtigste katholische Reichsfürstentum,
Bayern, sollte durch Abtretung der spanischen Niederlande für
» Geh. Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 24 A.
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 381
die französischen Pläne gewonnen werden. Zugleich beschlofs
Ludwig XIV., mit Güte oder Gewalt die Übertragung des rö-
mischen Königtums — also der Anwartschaft auf das Kaiser-
tum — an eben den Dauphin zu betreiben. Dann wäre die
Weltherrschaft der Bourbonen fertig, der ganze Erdteil und die
weit überwiegende Masse der überseeischen Kolonien ihrem
politischen und religiösen Despotismus unterworfen gewesen.
Kein Wunder, dafs solche Aussichten den Kurfürsten von
Brandenburg im Innersten erschütterten^.
Mit den französischen Weltprojekten hing es zusammen,
wenn Croissy plötzlich mit vielem Eifer das „Konzert^ anpries,
es von neuem versuchte, Brandenburg, Dänemark und das Haus
Lüneburg auf Schweden zu hetzen^. So hätte König Ludwig
gegen den Kaiser und zugleich gegen den europäischen Pro-
testantismus freie Hand erhalten. Friedrich Wilhelm wollte
eben deshalb auf solche Pläne nicht mehr eingehen. Ein ab-
schreckendes Beispiel, wohin es kommen werde, wenn erst
Frankreichs Universalmonarchie fest begründet sei, gab damals
das Schicksal der Republik Genua, deren blühende Hauptstadt
wegen einer nichtigen Veranlassung von einem französischen
Geschwader in Asche gelegt und die durch solchen Frevel, so-
wie noch weitere Drohungen zu schimpflicher Demütigung
unter das Belieben des „Königs Sonne" genötigt wurde. Fried-
rich Wilhelm empfand auch diese neue Gewalttat mit kochen-
dem Ingrimm; „es kommt gar zu weit mit Frankreich,** rief er
vor vielen Zeugen aus®.
Er beschlofs, seinen vertrautesten und einflufsreichsten Rat-
geber, Fuchs, nach dem Haag zu senden, um mit der Unter-
stützung durch Wilhelm von Oranien den sichern Grund zu der evan-
gelischen Allianz zu legen, zugleich aber zu einem allgemeinen,
rein politischen Bündnis, dem auch der Kaiser, die katholischen
Reichsstände und Spanien beitreten könnten. Fuchs war zu
solcher Mission um so geeigneter, als er auch persönlich die
Überzeugung hegte, dafs Ludwig XIV. nach der Weltherr-
schaft trachte, und dafs man sich diesem Streben unbedingt
widersetzen müsse \ So lebhaft auch R6benac und seine Freunde
^ Ms. Kurf. an Spanheim, 27. April/ 7. Mai 1685; das. XI, England 9.
' Ms. Depeschen Spanheims aus dem Frühjahr 1685.
» U. u. A., XIV, 1155.
* 0. Klopp, Der FaU des Hauses Stuart, m (Wien 1876), 219.
382 Siebentes Bucli.
am kurfürstlichen Hofe sich der Sendung des Geheimrats wider-
setzten, er trat am 8. Mai seine Reise an. Friedrich Wilhelm
hatte ihm aufs bestimmteste versprochen, während seiner Ab-
wesenheit nichts mehr an seinen Instruktionen zu ändern und den
französisch gesinnten Meinders von den ganzen Verhandlungen
auszuschliefsen \ Öffentlich erzählte man, die Fahrt des Ministers
gelte der Versöhnung des Prinzen von Oranien mit der Stadt
Amsterdam, sowie dem Ausgleiche der mannigfachen Streitfragen
zwischen Brandenburg und den Greneralstaaten wegen der
Subsidienrückstände und der Afrikanischen Kompanie. Man
sprach selbst davon, dafs der Eurfürstin Dorothea ältester Sohn,
Philipp, Nachfolger des kinderlosen Oraniers nicht nur in dessen
Privatbesitz, sondern auch in dessen öfiPentlichen Stellungen
werden solle. Der wahre Zweck der Sendung blieb durchaus
Geheimnis, — bis es schliefslich den Franzosen durch ihre hoch-
gestellten Freunde in Berlin doch gelang, der Sache so ziemlich
auf die Spur zu kommend
Jene Aufträge standen tatsächlich in der öffentlichen In-
struktion, die Fuchs mitnahm*. Aber der wahre Charakter
wurde diesen durch ihre Begründung gegeben: „Das vornembste
Bandt, welches Uns und den Staat unauflöslich an einander
verknüpfete, wehre, wie bekandt, die Gonformität und Einigkeit
der Religion; und weil selbige anjetzo mehr, alls jemahlen seit
der Reformation geschehen, überall bedrücket und verfolget
würde, auch an vielen Orthen derselben gäntzliche Ausrottung
bevorstünde: so könthe man sich aus christlicher Schuldigkeit nicht
entbrechen, mit einander zu überlegen, wie den armen Bedrängten
zu helfen.** Dieses Bündnis zur Verteidigung der Religion war
dem Kurfürsten Herzens- und Hauptsache; Fuchs sollte mit
Oranien und Fagel beraten, ob es öffentlich bei den General-
staaten vorzubringen oder einstweilen im geheimen vorzubereiten
sei. Es war auch keine vorübergehende Laune des Kurfürsten:
Diest hatte diese Angelegenheit schon vorher mit Jurieux, dem
französischen reformierten Prediger in Amsterdam, verhandelt.
Völlige Gewinnung Oraniens, gänzliche Zerstörung des Ver-
1 U. u. A., XIV, 1158. 1162 f.
■ d'Avaux, IV, 182. — Mb. Dep. Eöbenacs vom 8. Mai, 14. J\mi
1685 (B).
• Über dies sowie das Folgende: Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep.
XXXIV, 227 a 4.
Sechsiindvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 383
dachtes und ÜbelwoUens, das seine Anhänger in den letzten
Jahren gegen Brandenburg gehegt, war Fuchs zur Aufgabe
gestellt. Darüber sollte freilich das gute Verhältnis zur Stadt
Amsterdam nicht aufgegeben, sondern zu deren endgültiger
Aussöhnung mit der oranischen Partei benutzt werden. Die
geheimen Nebeninstruktionen enthielten dann bestimmte Vor-
schläge von höchster politischer Wichtigkeit. Das alte Bündnis
zwischen dem Kurfürsten und dem „Staat" sollte wieder her-
gestellt werden. Dafür seien auch „Se. Kurf. Durchl. gahr nicht
gemeinet, auf Dero völligem Buchte zu bestehen, sondern wollten
alle räsonnable Conditiones und Vorschläge (betreffs seiner Geld-
ansprüche an Holland) gern admittiren*'. Nur so könne man
der Weltherrschaft entgehen, mit der Frankreich alle bedrohe,
und den bevorstehenden Universalkrieg mit Aussicht auf Erfolg
auf sich nehmen.
Das war ein neues grofses politisches Programm, das die
letzten Lebensjahre des greisen Kurfürsten beherrschte und sie
mit dem tröstlichen Lichte eines schönen und heilsamen Zieles
vergoldete.
Fuchs besuchte auf seiner Reise die weifischen Höfe, denen
er gleichfalls' den Plan der evangelischen Allianz eröffnete. Er
fand hier bereitwillige Aufnahme. Die immer bedrohlichere
Gestaltung der europäischen Verhältnisse hatte zumal in dem
klugen und tatkräftigen Ernst August von Hannover den Neid
und die Abneigung gegen Brandenburg in den Hintergrund
gedrängt. Er hatte vor seiner Abreise nach Italien seinen Räten
eröfl&iet: „er habe sich vorgesetzt, dafs des Kurfürsten Wille
sein Tun und Lassen sein solle, und würde er dabei bis an sein
Ende verbleiben**. Grote und dessen Kollegen waren gleichfalls
über die Aussicht, dafs Frankreich die gesamte spanische Erb-
schaft erhalten könne, äufserst entsetzt: „es werde so Meister
der ganzen Welt, und alles würde nach seiner Pfeife tanzen
müssen". In dieser Not könne nur Brandenburg helfen: „in
Deutschland könne und müsse der Kurfürst allein vor dem
Risse stehen". Deshalb, versicherten die lüneburgischen Räte,
»werde das fürstliche Haus mit Sr. Kurf. Durchl. alles heben
und legen und Dero gloriosen Conduite und patriotischen Conseils
gerne folgen". Diese Bekehrung der Weifen war ein schöner
Erfolg des Kurfürsten und zugleich ein tröstlicher Beweis, dafs
384 Siebentes Buch.
bessere und einsichtsvollere Zeiten für das unglückliche und zer-
rissene Deutschland im Anzüge seien.
Es stimmte damit überein, wenn die Stadt Köln, von ihrem
französisch gesinnten Erzbischofe in ihrer Freiheit bedroht, die
ihr von Fuchs auf der Durchreise erteilten Versicherungen
des militärischen Beistandes seitens des Brandenburgers mit
Dank aufnahm und ihr Bürgermeister Beilstein ausrief: die
Stadt traue mehr dem andersgläubigen Kurfürsten als irgend
einem Katholiken. Wirklich gab Friedrich Wilhelm sofort (29. Mai)
den Befehl, fünfhundert Mann aus der Weseler Garnison nach
Köln abzusenden, das damit vor einem Handstreiche seines Erz-
bischofes Maximilian Heinrich gesichert war.
Günstige Yerheifsungen für die Zukunft ergaben sich eben-
falls aus den freundschaftlicheren Beziehungen, die sich wieder
zwischen Wien und Berlin herstellten. Als Schwerin in der
österreichischen Hauptstadt anlangte, um dort, neben zahlreichen
anderen Forderungen, die förmliche Belehnung mit demHerzogtume
Magdeburg endlich durchzusetzen, fand er wenigstens in dieser
Hauptfrage den erwünschten Erfolg. Trotz ihrer im Grunde
den ,,Kalvinisten" wenig freundlichen Gesinnung bemühten die
kaiserlichen Minister sich sogar, den Kurfürsten in dem Be-
streben zu unterstützen, die Lichtensteinsche Schuldforderung
an das ostfriesische Fürstenhaus und damit einen Pfandrechts-
anspruch auf dessen Land an sich zu bringen ^ Von glücklichster
Bedeutung und ein vorzüglicher Griff war dann die Sendung
des begabtesten kaiserlichen Diplomaten jener Zeit, des Franz
Heinrich von Fridag, Baron von Göden, nach Berlin. Scharf-
sinnig, klug und doch wagemutig, von ausgezeichneter welt-
männischer Bildung, war dieser friesische Edelmann ein würdiger
Nachfolger des Freigrafschaftiers Lisola im Dienste des Kaisers.
Er kam mit dem Auftrage, nicht nur eine beträchtliche Kriegs-
hilfe gegen die Türken von Brandenburg zu verlangen, sondern
auch ein gegen Frankreichs Eroberungssucht und Tyrannei ge-
richtetes Bündnis zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten
herzustellen^. Fridag sah sich in Berlin sofort von dem
schwedischen Gesandten, Grafenthal, und dem dänischen, Gabel,
1 Orlioh, Preufs. Staat, II, 511 ff. — U. u. A, XIV, 1159£f.
* Instr. an Fridag; U. u. A., XIV, 1146 ff. — Vgl. zu dem Folgenden :
A. Pribram, Österreich und Brandenburg 1685—1686 (InnBbruck 1884>
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Franlcreich. 385
eifrig unterstützt. Immer enger schlössen sich alle europäischen
Staaten gegen ihren gemeinsamen Zwingherm in richtiger Er-
kenntnis der .Sachlage zusammen. Das eine, was not tat , war
offenbar die allseitige Vorbereitung des grofsen universalen Ent-
scheidnngskampfes gegen Ludwig XIV. Friedrich Wilhelm war
davon so durchdrungen, von jeder Feindschaft und Eroberungslust
gegen Schweden derart entfernt, dafs er einen zu ihm geflüchteten
französischen Protestanten, Pierre de Falaiseau, als Gesandten
Dach Stockholm abordnete: angeblich nur um des Ausgleiches
der Grenzstreitigkeiten willen, in Wahrheit zur Anbahnung eines
engeren Verständnisses zwischen den beiden evangelischen Mächten
— ein Seitenstück zu der Mission Fuchs' nach Holland. Falaiseau
fand zumal bei dem Kanzler Beugt Oxenstiema, sowie bei König
Karl XI. selbst freundlichste Aufnahme.
Und noch einmal bemühte sich der Kurfürst auch um Eng-
landy den Eckstein jeder gegen Frankreich gerichteten Koalition.
Spanheim, der jenen Staat seit lange kannte, mufste auf einige
Wochen von Paris nach London gehen; der Vorwand zu dieser
Reise war, dem neuen Könige zu seiner Thronbesteigung Glück
zu wünschen^. Tatsächlich sollte er sich überzeugen, inwieweit
Jakob II. sich dem Protestantismus gegenüber neutral verhalten
werde und man auf ihn im Kampfe gegen Frankreich zählen
könne. Ja, er hatte sogar eine förmliche Erneuerung des Bünd-
nisses vorzuschlagen, das England und Brandenburg 1661 ab-
geschlossen hatten, und das seit 1672 erloschen war. Er durfte
Jakob IL sagen, dafs der Kurfürst seinen hauptsächlichsten
Feinden, dem Herzoge von Monmouth und dem schottischen
Grafen Argyle, den Aufenthalt in den brandenburgischen Landen
untersagt, den Verschwörer Lord Gray aus diesen verwiesen habe.
Spanheim wurde anscheinend von dem neuen Könige freund-
lichst empfangen. Jakob liefs es ebensowenig wie seine Minister
an liebenswürdigen Versicherungen fehlen (April 1685). Tat-
sächlich erlangte er jedoch nicht den mindesten Erfolg. Man
schützte vor, nicht eher mit den auswärtigen Mächten abschlielsen
zu können, als man sich des bevorstehenden Parlaments ver-
sichert habe und demgemäfs die äufsere Politik einzurichten im
Stande sei. Spanheim mufste bald zu seinem Kummer bemerken,
^ Über das Folgende : Ms. Korresp. über Spanheims englische Mission ;
Berlin, Geh. Staatsarchiv, R. XI, England 9.
Philippson, Der Grofs« KurfOrtt. 111. 25
386 Siebentes Buch.
dafs der Herrscher mit den HoUäDdem unzufrieden war, weil
sie angeblich die englischen und schottischen Mifsvergnttgten
unter der Hand begünstigten; dafs er die Freundschaft mit
Frankreich auf alle Fälle zu bewahren gedenke; dafs auch die
Eventualität des Anheimfalles der gesamten spanischen Erb-
schaft an das Haus Bourbon dem englischen Hofe viel zu ent-
fernt erscheine, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken, ge-
schweige denn ihn zu Gegenmafsregeln zu veranlassen. Unter
diesen Umständen wagte es der Gesandte nicht einmal, seiner
Bündnisanträge Erwähnung zu tun. Mit Recht: Jakob be-
trachtete den Kurfürsten aus religiösen Gründen und als nahen
Verwandten seines Nebenbuhlers, des Oraniers, als seinen Feind.
Bei dem bald darauf erfolgenden unglücklichen Aufstande
Monmouths und Argyles gegen den Stuart mafs dieser dem in
ganz Europa verbreiteten, aber durchaus unbegründeten Gerüchte
Glauben bei, Friedrich Wilhelm habe den Empörern seine Unter-
stützung geliehen ^ Spanheim kürzte seinen nutzlosen Auf-
enthalt in England ab; ein Befehl des Kurfürsten, dort so
lange zu verbleiben, wie Fuchs sich im Haag befinde, traf ihn
nicht mehr an^.
Überallhin streckte der Kurfürst seine Fühlfäden aus, wo
er eine Möglichkeit voraussetzte, die grofse politische oder evan-
gelische Allianz in die Wege zu leiten. Er begann, sich gegen
den früher so verwöhnten R6benac zornig und unfreundlich zu
zeigen. Alles Französische schien ihm verhafst".
Da kam eine überraschende Trauerbotschaft, die die Lage
noch bedrohlicher gestaltete. Am 26. Mai starb, erst vierund-
dreifsigjährig, Kurfürst Karl von der Pfalz. Er war der letzte
männliche Sprofs der Simmernschen Linie ; ihm folgte der katholi-
sche Neuburger Philipp Wilhelm. W^as Sollte da aus der eifrig
reformiert gesinnten Kurpfalz werden? Und im Kurfürsten-
kolleg war wieder eine Stimme für die Katholiken gewonnen,
während die Evangelischen nur noch die brandenburgische und
die sächsische besafsen. „Es seind," schrieb, mit Hinblick auf
England, Fuchs an seinen Herrn, „zwei schwere Fälle, womit
^ Ms. Korresp. Spanheims aus dem Frühjahr 1685; Berlin, G^h.
StaatsarchiVf XI, Frankr. 24.
« d'Avaux, V, 27.
» U. u. A., XIY, 1166.
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 3g7
Gott in diesem Jahre seine Kirche heimsucht, sonder Zweifel,
weil bei denen meisten mehr Religion im Munde als im Herzen
gefunden wird/^ Man möchte hoffen, dafs sich hier bei dem
kühlen und berechnenden Streber wahres Empfinden geltend
macht, dafs religiöse Gesinnung da warmes Gefühl in seine
Seele gehaucht habe.
Neben der religionspolitischen Gefahr erhöhte jener Todes-
fall auch die eigentlich politische. Die einzige Schwester des
verstorbenen Kurfürsten Karl war Elisabeth Charlotte, die Ge-
mahlin des Herzogs Philipp von Orleans, des Bruders Ludwigs XIV.
Nach dem geltenden Reichsrechte und nach dem Wortlaute ihres
Heiratskontraktes besafs sie auf die Lehen ihres Bruders keinen
Anspruch, wohl aber auf dessen persönliche und AUodialerb-
schaft. Es war vorauszusehen, dafs der AUerchristlichste König
dieses Verhältnis nach Möglichkeit für seinen Bruder, das heifst
für Frankreich auszunutzen und sich eines tunlichst grofsen
Teiles der Pfalz zu bemächtigen versuchen werde.
Friedrich Wilhelm war endlich auch in seiner Person bei
der Angelegenheit beteiligt. Seine pfälzische Mutter war die
Grofstante des Kurfürsten Karl gewesen ; dieser hatte ihn nebst
dem Herzoge Ernst August von Hannover, dem Landgrafen Karl
von Kassel und dem Markgrafen Johann Friedrich von Ansbach
zum Testamentsvollstrecker ernannt. Dafür hatte er ihm eine
Anzahl Kanonen, den kostbaren Kurapfel, das sogenannte „mos-
kowitische Präsent" — eine goldene Schale — , alle seine alten
Münzen in Gold und Silber, sowie Gobelins, die das Leben Julius
Gäsars darstellten, vermacht'.
In der Tat trat Friedrich Wilhelm sofort in der pflllzischen
Erbschaftssache bewufst und planmäfsig in die Aktion. Er be-
fahl Spanheim, in Paris dahin zu wirken, dafs die Rechte des
Reiches und des Kurfürstenstandes, sowie Friede und Versöhn-
lichkeit gewahrt blieben. Er bemühte sich in Regensburg
eifrigst, dafs Philipp Wilhelm alsbald in das Kurfürstenkolleg
aufgenommen und damit eine vollendete Tatsache geschaffen
werde, — was dann auch ohne Anstand geschah. Er sandte
seinen Hof- und Legationsrat Philipp Ernst von Mandelsloh nach
* Landwehr, 128.
' Das Folgende überall, wo nichts anderes angeführt ist, nach Ms.
jPfftlzische Miscellaneen", Geh. Staatsarchiv (Berlin), Rep. XL, 9 b.
25*
388 Siebentes Buch.
Heidelberg, um dort seine Rechte und Pflichten als Testaments*
Vollstrecker wahrzunehmen, zugleich aber den neuen KurfQrsten
zu veranlassen, dafs er die reformierten und lutherischen Kur-
pfillzer in ihrem gegenwärtigen Rechtsstande erhalte.
Es stellte sich bald heraus, dafs die Befürchtungen wegen
der Ansprüche Frankreichs nur allzu gerechtfertigt gewesen
waren. Sehr gegen den Willen der echt deutschen Herzogin
„Lise Lotte*' wurden deren angebliche „Rechte^ auf die PfUzer
Erbschaft sogleich zum Zweck neuer Vergröfserung Frankreichs
auf Kosten Deutschlands ins Feld geführt: „Madame^ — die
Herzogin von Orleans — besitze dreierlei Rechte an die Hinter*
lassenschaft ihres Bruders: es gehörten ihr einmal alle Möbel,
Kostbarkeiten und bares Geld; zweitens alles Land, das seit
der Goldenen Bulle an die Pfalz gefallen sei, also keinen
integrierenden Bestandteil der Kur ausmache, wie z. B. die Stadt
Oppenheim; drittens alle AUodialbesitzungen und Erwerbungen
seit dem Westfälischen Frieden, wie das Fürstentum Sinunem
mit Kaiserslautem und der Pfälzer Anteil an der Gra&chaft
Sponheim, die nur durch Heirat und Erbschaft an die Pfalz
gekommen, demnach gleichfalls keine Teile des eigentlichen Kur-
staates seien. Diese Rechte, fuhr Frankreich in seinen eigen-
tümlichen Folgerungen fort, hätten auch durch den Heiratä-
vertrag der Madame nicht abrogiert werden können. Der König
wolle die Ruhe nicht stören noch den Waffenstillstand brechen,
werde aber nicht dulden, dafs man Madame oder deren Kinder
durch vollzogene Tatsachen und endlose Prozesse ihres recht-
mäfsigen Eigentums beraube.
Friedrich Wilhelm war entschlossen, alles auüzubieten, um
Kurpfalz und damit das Reich vor der drohenden „Dismembrie-
rung'' zu schützen. Er machte sofort in Paris bekannt, dafs
unter seinem und der Mitexekutoren Schutz eine letztwillige
Verfügung des verstorbenen Kurfürsten Karl vorhanden sei, die
Herzogin von Orleans also keine Schritte tun dürfe, um die
Erbschaft ab intestato anzutretend Es müsse, schrieb er
den 23. Juni an Spanheim, alles auf gütlichem Wege abgemacht
werden. Der verstorbene Kurfürst habe frei über seinen Allodial-
^ Vgl. die Depeschen des Nuntius in Paris, Ranuzzi, vom 25. Juni
1685; Im mich, Zur Vorgeschichte des Orleansschen Krieges (Heidelberg
1898), S. 10 f«
Sechsundvierzigsteft Slapitel. Die Abkelir von Frankreich. 389
besitz verfügen k&nnen, und man müsse deshalb die Eröffiiung
seines Testaments abwarten. Übrigens wären vielleicht nach
französischem Rechte Neuerwerbungen von der Haupterbschaft
zu trennen, nach Reichsrecht dagegen g<en sie als Lehen, und
zwar als Mannslehen, kämen also keinesfalls der Herzogin zu.
Als die französischen Ansprüche dann eingehender formu-
liert wurden, trat Brandenburg sofort schärfer gegen diese
„weitschauenden und ungegründeten Prätensionen'' auf. Es
handle sich hier um den Nachlafs eines deutschen Fürsten, und
nur deutsche Rechtsgrundsätze dürften dabei zur Geltung ge-
langen; Madame wäre Allodialerbin lediglich insoweit, wie das
Testament ihres verstorbenen Bruders sie dazu mache. Femer
lasse das Reichsrecht Frauen nur dann als Erbinnen von Reichs-
lehen zu, wenn keine männlichen Erben vorhanden seien. End-
lich spreche der Westfälische Friede von sämtlichen Landen der
Kurfürsten, nicht nur von den ältesterworbenen. Alle franzö-
sischen Ansprüche seien demnach abzuweisen.
Von den verschiedensten Seiten langten die Gesandten in
Heidelberg an; am 1. Juli kam Mandelsloh, bald darauf der
französische Bevollmächtigte, Jean Morel Abt von St. Amoul,
ein verschmitzter Diplomat, der übrigens mit der deutschen
Sprache und den deutschen Gewohnheiten wohl vertraut war.
Da er den Auftrag hatte, die sämtlichen vermeinten An-
sprüche Frankreichs auf das bestimmteste geltend zu machen^,
drang Friedrich Wilhelm vor allem darauf, Karls Testament zu
eröffnen , das er ja als Ausgangspunkt für jedes weitere Ver-
fahren in dieser Angelegenheit betrachtete. Auf diesem Wege,
hoffte er, würden die Ansprüche der Madame auf einmal be-
seitigt und auch die besonderen Interessen der Testaments-
vollstrecker an der Erbschaft am ehesten gewahrt werden. Zu
gleicher Zeit ging er den König von England an, durch seine
Dazwischenkunft zu verhindern, dafs Frankreich um der Pfälzer
Sache willen den Krieg wieder beginne^.
So stand Brandenburg bereits in direktem Widerspruche zu
den Absichten Ludwigs XIV. Es konnte nicht fehlen, dafs
dieser Gegensatz sich bald auch nach anderen Seiten hin gel-
tend machte. Friedrich Wilhelm sah mit höchstem Mifstrauen,
^ Instr. an Morel, 22. Juni 1685; Becueil des Instructions, YIII, 402 ff.
« d'Avaux, V, 38.
390 Siebentes Buch.
dafs trotz seines Verzichtes auf das „Konzert^ der König die
Verhandlungen mit den Lüneburgem eifrig fortsetzte, die ihm
offenbar als Ersatz für den bevorstehenden Verlust des branden-
burgischen Verbündeten dienen sollten ^ Französische Fahrzeuge
hatten damals an der Mündung des Gambia das Schiff „Morian''
weggenommen, trotz der brandenburgischen Flagge und des
Passes, den ihm der Kurfürst für den Handel an der Küste
von Guinea ausgestellt hatte ; es wurde, mitsamt seinem Kapitän
Jakob Lambrechts, nach Brest gebracht Friedrich Wilhelm
forderte ernstlich Genugtuung für diese Gewalttat nebst voller
Entschädigung.
Aber auch Frankreich glaubte Grund zur Klage zu besitzen.
Freilich hatte man eine dem Geheimrat Fuchs nach dem Haag
mitgegebene harmlose Instruktion demonstrativ dem Grafen
R6benac mitgeteilt; freilich hatte dieser aus seinen geheimen
Quellen die irrige Überzeugung geschöpft, dafs die Instruktionen
wirklich nichts anderes enthielten, als man ihm gezeigt, näm-
lich Besprechung der Subsidien- und afrikanischen Streitig-
keiten': aber in Paris war man weniger leichtgläubig, auch
allzugut unterrichtet, um nicht Fuchs' Verhandlungen mit vielem
Argwohn zu beobachten^.
Mit vollem Rechte. Denn wenn die offiziellen Geschäfte
des brandenburgischen Geheimrats sich auch nur um finanzielle
und ökonomische Fragen drehten^, gingen doch seine geheimen
Bemühungen um nichts weniger erfolgreich von statten, die dem
Abschlüsse eines engen, politischen und religiösen Bündnisses
galten *.
Die Schwierigkeiten, auf die er zunächst traf, waren recht
erheblich. Das Zerwürfnis zwischen dem Prinzen von Oranien
und der Stadt Amsterdam hatte sich neuerdings wieder ver-
schärft. Die Anhänger Frankreichs hatten von vornherein eine
Wirkung der brandenburgischen Verhandlung unmöglich ssu
1 Anfser der Ms. Korresp. zwischen Kurf. u. Spanheim auch die
B^benacs (Prutz, 294).
« Prutz, 295.
* Ms. Spanheim an Kurf. 3./13. Juli; Berlin, G«h. Staatsarchiv, XI,
Frankr. 24 A.
* U. u. A., UI, 777.
^ S. hierüber die Ms. Korresp. des Kurf. u. Fuchs' vom Mai bis Juli
1685 ; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 a 4,
Sechsimdvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 391
machen gesucht, indem sie allerhand widrige Gerüchte ver-
breiteten : der Kurfürst habe mit Frankreich und England einen
Vertrag zur Teilung der Vereinigten Provinzen geschlossen; er
wolle einen seiner Söhne zum Erbstatthalter erkl&ren lassen;
er beabsichtige, dem Kaiser einen Koadjutor zur Seite zu setzen.
Dann hiefs es wieder, er wünsche eine ^Religions-Allianz'* ab-
zuschliefsen , damit die Greuel des Dreifsigjährigen Krieges
über ganz Europa zu verbreiten. Aber gerade diese von d'Avaux
ausgestreuten Anschuldigungen entflammten die öfiPentliche Mei-
nung immer mehr für Brandenburg. „Ew. Churf. Durchlaucht, **
schreibt Fuchs am 31. Juli 1685, „werden sich annoch gnädigst
erinnern, dafs ich bey meiner Ankunft allhier berichtet, dafs
diejenigen, welche meine Negotiation zu traversiren gesuchet,
auch unter anderm ausgesprenget , ich käme allhier, umb ein
Religions-Bündnifs zu proponiren. Dieses hat einen merveilleusen
guten Effect bey den Predigern und dem Gemeinen Mann ge-
than, so gar, dafs auch darauf ein Synodus in Süd-Holland aus-
geschrieben worden und jetzo gehalten wird. Man hält alhier
jetzo Ew. Churf. Durchl. pro vero Protectore Fidei. Hinzu
kommet, dafs die unerhörte Verfolgung, so jetzo in Frankreich
seyn soll, die Gemüther über die Mafsen verbittert. Es wird
öffentlich gesaget und geprediget, dafs dieselbe viel grausamer
als die im vorigen Seculo mit Feuer und Schwerd gewesen,
dann dort waren die Leute bald dabey umgekommen, jetzo aber
brauche man des Hungers. ** Diese Erzählungen der nach
Holland geflüchteten Hugenotten, die begeisterten Aufrufe zur
Einigung der gesamten evangelischen Welt zum Kampfe für die
bedrohte Religion, die immer wieder von den niederländischen
Kanzeln ertönten, entzündeten den frommen Eifer. Auch die
kältesten und berechnendsten Grofskaufleute konnten dieser
Glut Herz und Willen nicht mehr verschliefsen. Durch und
durch volkstümlich wurde auf diesem alten Boden republika-
nischer Freiheit der Kurfürst von Brandenburg, „das einzige
Haupt, das die reformierte Kirche noch besafs".
Oranien hatte auch seinem Freunde Fagel das eingewurzelte
Mifstrauen gegen den Brandenburger benommen. Die Hinneigung
und Zuversicht, die nun beide Staatsmänner für die Absichten
und die Person Friedrich Wilhelms erfüllten, kann Fuchs gar
nicht laut und oft genug preisen. Beide gaben sich die gröfste
Mühe, die offiziellen Verhandlungen des Geheimrats mit den
392 Siebentes Buch.
Generalstaaten in jeder Weise zu fördern, da sie wohl wufsten,
dafs deren Gelingen die Vorbedingung für einen engeren An-
schlufs sei. Der Ratspensionar war längst ein Anhänger der
grofsen Koalition, „die allein kapabel wäre, Europam von einem
allgemeinen französischen Joche zu befreien*'. Er hatte sich
freilich, wie vordem der Kurfürst, davon überzeugt, dafs der
Kampf mit Aussicht auf Erfolg nur im Bündnis mit England
zu beginnen, auf den gegenwärtigen König Jakob II. aber dabei
nicht zu rechnen sei. Allein er war, auch wie der Kurfürst,
der Meinung, die zukünftigen besseren Zeiten einstweilen durch
den Zusammenschlufs der übrigen Mächte vorzubereiten. Auch
der Fürst von Nassau, der Statthalter Frieslands, den man gern
als einen Gegner Orauiens und Brandenburgs hinstellte, schrieb
nunmehr -— 24. Juli — an Fuchs : im Einverständnisse des Kur-
fürsten mit der Republik liege die letzte Möglichkeit der Er-
haltung beider Staaten, während eine Trennung zwischen ihnen
beider Ruin herbeiführen müsse.
Unter dem Einflüsse solcher Gesinnungen liefs sich auch
für die Verwirklichung der Anrechte der Kinder Friedrich
Wilhelms aus erster Ehe an die Erbschaft des Oraniers alles
günstig an. Der Prinz versicherte hoch und teuer, in seinem
neuerlichen Abkommen mit dem Fürsten von Nassau nichts
zum Nachteile der kurfürstlichen Söhne angeordnet zu haben,
solches auch nimmer tun zu wollen, weder durch ein Testament
noch anderswie. Er lud den jungen Prinzen Philipp ein, sofort
nach dem Haag zu kommen , wo er bei ihm jede mögliche För-
derung finden werde. Noch weiter als Oranien gingen die
Deputierten von Rotterdam und Gelderland, die versicherten,
dafs, wenn Oranien ohne Kinder abgehen werde, sie niemandem
als Erbstatthalter lieber ihre Stimmen geben würden denn
einem Sohne des Kurfürsten. Die Furcht vor Frankreichs Macht
und Herrschsucht trieb alle in die Arme Brandenburgs. Die
steten Bemühungen d'Avaux', die Negotiationen zu hintertreiben ,
die offenbare Feindschaft, die er Fuchs zeigte, konnten unter
solchen Umständen dessen Bemühungen nur begünstigen.
Allerdings, man wagte das Religionsbündnis nicht öffentlich
zu verhandeln, schon um den Kaiser und Spanien nicht vor den
Kopf zu stofsen, allein jedermann wufste, dafs es der Grund
und das Ziel des Einvernehmens sei. Am 29. Mai schlugen
Oranien und Fagel dasjenige vor, was Friedrich Wilhelm selber
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreich. 393
SO innig wünschte: „dafs der Staat sich mit dem Kurfürsten
unzertrennlich setze. Zu dem Ende müfste man die vorige
Allianz renovieren und auf die gegenwärtige Zeit extendieren**,
allerdings „mit dieser Behutsamkeit, dafs zwar alle Zufälle
in generalibus darinnen begriffen, sonsten aber keinem Anlafs,
darüber zu kritisieren, gegeben würde". Also keine Handhabe
für Frankreich, vorzeitigen Krieg herbeizuführen.
Damit war erreicht, was Friedrich Wilhelm seit lange
herbeisehnte und anstrebte. Mit Freuden sandte er seinem
Minister am 4. Juni die Vollmacht „zur Abhandelung einer
näheren Zusammensetzung und Bündnis zwischen Uns und dem
Staate der Vereinigten Provinzen".
Es galt noch, die Oligarchen und zumal Amsterdam zu
gewinnen, auf Grund einer völligen Versöhnung mit dem Prinzen
und dessen Partei. Zu diesem Behufe begab sich Fuchs in die
ihm längst vertraute Stadt.
Er fand die Stimmung hier gegen früher sehr zum Vorteile
verändert. Die Oligarchen waren nicht weniger eifrige Prote-
stanten als die Orangisten ; die Religions Verfolgungen Ludwigs XIV.,
die drohenden Zustände in England hatten sie von der Notwen-
digkeit einer engen Verbindung der freien Provinzen unter sich
überzeugt und dem Franzosentum gründlich entfremdet. Die
Mahnung des brandenburgischen Gesandten : „Man darf, was in
der Welt das Gröfseste ist, nämlich Gewissens- und Staats-
freiheit, nicht leicht aufgeben," fiel nunmehr auf fruchtbaren
Boden ; die Regenten von Amsterdam zeigten sich sofort bereit,
auch mit Brandenburg in „eine perpetuierliche Allianz zu treten".
Es handelte sich nur noch um den Ausgleich einiger bestimmter
Streitpunkte zwischen der Stadt und dem Oranier. Die günstige
und versöhnliche Gesinnung auf beiden Seiten machte die Arbeit
leicht; gerade der städtische Magistrat legte schätzenswerte
Nachgiebigkeit und Opferwilligkeit an den Tag. Fuchs durfte
bald diesen so wichtigen Teil des Werkes, einen Teil, von dem
— wie sein Kurfürst ihm schrieb — „die gemeinsame Sicherheit
des Staates und der evangelischen Religion gröfstenteils depen-
dieret", als gesichert betrachten.
Um so dringlicher riet er seinem Herren zum Abschlufs
mit den Generalstaaten, ohne allzu viele Rücksicht auf deren
finanzielle Zugeständnisse. Alle anderen Nachbarn Brandenburgs,
hob er hervor, sind auf dieses Land eifersüchtig und wünschen
394 Siebentes Buch.
seine Verkleinerung; nur die Holländer begreifen, dars sie mit
Brandenburg stehen und fallen müssen. Aüfserdem macht die
körperliche Schwäche Wilhelms III. die nahe Eröfhung der
oranischen Erbschaft wahrscheinlich, und diese wird dem kur-
fürstlichen Hause nur dann zum überwiegenden Teile zukonunen,
wenn es mit der Republik in gutem Einvernehmen steht.
Inzwischen suchte Fuchs durch den englischen Gesandten
im Haag, Skelton, auf die Londoner Regierung einzuwirken,
um sie einer Allianz mit den Generalstaaten und dadurch auch
mit dem Kurfürsten geneigt zu stimmen. Freilieh verkündeten
die Franzosen überallhin mit gröfster Bestimmtheit, Brandenburg
habe die schottischen Aufständischen unter Argyle unterstützt.
Das Unglück wollte, dafs sich unter den Kriegern, die dann bei
dem verunglückten Einfalle Monmouths in England gefangen
genommen wurden, nicht nur des Kurfürsten früherer Schützling
Lord Gray — er wurde sofort hingerichtet — , sondern auch
zwei brandenburgische Hauptleute vorfanden, denen ihr Kriegs-
herr regelrechten Urlaub gewährt hatte. Das mufste den Aus-
streuungen der Franzosen einen Schein von Berechtigung ver-
leihen. Allein der Unwille, den Friedrich Wilhelm gegen diese
beiden früheren Offiziere zur Schau trug, sein Nachweis, dafs
einer der Hauptleute den Verwand gebraucht hatte, dem Kaiser
in Ungarn dienen zu wollen, und die Dringlichkeit seiner Glück-
wünsche zum Erfolge besänftigten den englischen Monarchen'.
Skelton konnte über dessen Absichten beruhigende Versicherungen
geben, sowohl in betreif seiner religiösen Duldsamkeit im
Inneren seines Staates als auch für die europäischen Angelegen-
heiten ; wenn Frankreich, sagte Skelton, wieder etwas anfangen
sollte, sei es im Reiche, sei es in den Niederlanden, werde sein
König dazu nicht stille sitzen. Jakob IL zeigte sich bereit, die
alten Bündnisse mit den Generalstaaten zu erneuern; es herrschte
darob im Haag eine sehr zuversichtliche Stimmung, die sich
naturgemäfs auch dem Geheimrat von Fuchs mitteilte.
Allein noch blieb eine nicht unbedeutende Schwierigkeit
zu überwinden: die finanzielle „Satisfaktion*", die Friedrich
Wilhelm unbedingt von den Generalstaaten forderte. Er war
hier, wie er das von vornherein erklärt hatte, im Interesse der
* Berlin, Geh. Staatsarchiv, IX, England 9 (unter den Papieren der
Gesandtschaft Bessers).
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 395
abzuschliersenden Allianz und der grofsen Aufgaben Europas
zu beträchtlichen Opfern bereit. Anstatt der 1400000 Taler,
die er verlangen zu dürfen meinte, wollte er sich mit 400000
begnügen. Er bewies dadurch von neuem, dafs er seinen mate-
riellen Vorteil, ja, sein gutes Recht höheren Zielen und Pflichten
unterzuordnen wohl verstand. Allein auf jener Summe bestand
er, schon um nicht als Minderberechtigter, als Hilfeflehender
den Staaten gegenüber zu erscheinen; und er wollte einen be-
trächtlichen Teil von ihr bar, um so vor den Wechselfällen
sichergestellt zu sein, denen, wie die Erfahrung ihn nur allzu oft
gelehrt hatte, derartige Abmachungen immer ausgesetzt waren.
Er war sogar bereit, seine Ansprüche auf 300000 Taler herab-
zumindern, wenn diese ihm sofort ausbezahlt würden. Nun
waren die Generalstaaten wohl bereit, die 400000 Taler zu be-
willigen, aber nur 100000 Taler bar und die übrigen in weit
entlegenen Zahlungsterminen. Friedrich Wilhelm war über diese
Knauserei entrüstet; er sah darin ein Zeichen des UbelwoUens
und der Mifsachtung. Wenn er nicht sogleich 150000 Taler
erhalte, befahl er am 7. August dem Geheimrat von Fuchs, solle
der Gesandte sich unverzüglich von den Hochmögenden verab-
schieden und heimkehren. Das wirkte. Durch die eifrigen An-
strengungen Fagels ' wurden, trotz der Gegenbemühungen d'Avaux'
und seiner Freunde, die Generalstaaten binnen weniger Tage
dahin gebracht, von den 400000 Talern eine sofortige Baar-
zahlung von 150000 zu bewilligen, ja, noch überdies 40000 zur
Entschädigung für das „Wappen von Brandenburg**, — für das
doch der Kurfürst selber nur 30000 gefordert hatte. Der Be-
weis für den guten Willen der Provinzen war gebracht, zur
Zufriedenheit Friedrich Wilhelms. Am 23. August wurde nun
der Vertrag im Haag unterzeichnet'.
Er setzte fest, dafs der Kurfürst alle seine finanziellen An-
sprüche an die Generalstaaten und die Westindische Kompanie
aufgebe für 150000 Taler, die ihm sofort, und 290000 Taler,
die ihm in zehn Jahresraten zu zahlen seien. Da hiermit alle
Streitpunkte zwischen beiden Mächten beseitigt seien, erneuerten
sie schon jetzt auf weitere zwölf Jahre ihr am 8. März 1688
ablaufendes Verteidigungsbündnis vom Jahre 1678, — also bis
zu 1700.
* Diese bezeugt auch d'Avaux, V, 63. 72 f.
« Mörner, 469 f.
396 Siebentes Buch.
War schon durch diese Bestimmung dafür gesorgt, dafs
auch über des greisen und kränkelnden Friedrich Wilhelm
wahrscheinliche Lebensdauer hinaus die Allianz zwischen den
Vereinigten Provinzen und Brandenburg Bestand hätte, so wurde
solche noch enger geknüpft durch den vierten Artikel des Ver-
trages. Er lautete:
„Nachdemmahlen es unmöglich ist, alle Fälle in einem
Traktat zu begreifen, hochgedachte Parteien aber kraft selbigen
vorerwähnten Traktats verbunden und gehalten sein, einer des
andern Bestes zu suchen und zu befördern, sie auch beiderseits
dabei zum höchsten interessiret sein, dars der gegenwärtige
Ruhestand in der Christenheit beibehalten und hingegen alle
Unruhe und Eriegstroublen präcaviret und abgekehret werden
mögen — - : als ist zugleich gut gefunden und verglichen worden,
wie denn hiemit gut gefunden und verglichen wird, dafs, im
Falle (welches Gott abwende) wiederum neue Troublen und Un-
ruhe entstehen oder besorget werden sollten, alsdann beide höchst-
gedachte Parteien unter einander in Zeiten darüber vertraulich
communiciren und von beiden Seiten Besendungen thun sollen,
um zu überlegen, was zu Vorbauung derselben, auch zu beider
gemeinen Wohlfahrt und Konservation sollte können oder mögen
behören, gethan zu werden."
An sich schien diese Allianzerneuerung sehr unschuldig : sie
enthielt die Verlängerung eines Verteidigungsbündnisses, wie
solche in jener Zeit zu Hunderten abgeschlossen wurden. Allein
war es bereits auffallend und bezeichnend, dafs man schon im
gegenwärtigen Augenblicke ein Bündnis erneuerte, das erst in
beinahe drei Jahren ablief, so verlieh diesem merkwürdigen Um-
stände der vierte Artikel, der in dem bisherigen Vertrage ge-
fehlt hatte, seine wirkliche Bedeutung. Der Name Frankreichs
war hier nicht erwähnt; aber gegen wen konnten Abmachungen
für die Zukunft sich anders richten als gegen diesen Staat,
wenn von „Kriegstroublen" und „Unruhe" die Rede war? Es
unterlag bei unbefangener Betrachtung nicht dem mindesten
Zweifel, dafs Generalstaaten und Kurfürst sich hier zu gemein-
samen Mafsregeln gegen Frankreich, gegen den nimmer ruhenden
Ehrgeiz und die stete Eroberungssucht Ludwigs XIV. verab-
redeten. Alle Welt fafste damals den Vertrag in diesem Sinne
auf. Übrigens hatte Fuchs die leitenden Staatsmänner im Haag
ausdrücklich versichert, dafs die Hochmögenden, wenn sie in
Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 397
finanzieller Beziehung dem Kurfürsten die gewünschte Genug-
tuung gäben, bei allen Gelegenheiten fest auf ihn zählen dürften ^
Friedrich Wilhelm empfand über die Verständigung mit den
freien Niederlanden lebhafte Genugtuung. Endlich war der feste
Punkt gefunden, von dem aus er an der Einschränkung von
Frankreichs Weltherrschaft arbeiten konnte'. Voll Entzücken
dankte er Wilhelm von Oranien für die grofse Zuneigung, die
dieser ihm wie seinem Hause gezeigt habe. Er versprach ihm,
des Prinzen Interesse , das ja tatsächlich mit dem seinen über«^
einstimme, auch wie das eigene zu wahren. Er stellte ihm Fuchs
zur Verfügung, wann und so oft Oranien dessen Reise nach dem
Haag für erforderlich halte'. Der Einflufs des glücklichen
Unterhändlers auf seinen Herrn, schon vorher sehr bedeutend,
wurde jetzt ein ganz überwiegender. Die französische Partei in
Berlin sah seiner Rückkunft mit Besorgnis entgegen^.
Selbstverständlich tat der Kurfürst alles, um die „Ombrage"
zu zerstreuen, die bei Ludwig XIV. und dessen Ministem gegen
Brandenburg wegen dessen niederländischer Verhandlungen Platz
gegriffen hatte. Diese liefen, so liefs er in Paris versichern,
den bestehenden Bündnissen in nichts zuwider ; sie bezögen sich
hauptsächlich auf seine Forderungen an die Generalstaaten ; das
Verteidigungsbündnis sei nur die Erneuerung eines seit lange
bestehenden Verhältnisses. Diese Behauptung entsprach aber
kaum dem Wortlaute, sicher nicht dem Sinne des neuen Ver-
trages. Die französische Regierung liefs sich auch durch der-
artige Darlegungen nicht täuschen. Gab sich doch d'Avaux
noch im letzten Augenblicke grofse, wenn auch vergebliche Mühe,
die Ausführung des Vertrages zu stören. „Ich wundere mich,**
höhnte er, „dafs der Staat dem Kurfürsten eine Million Gulden
und mehr gibt, da er doch Strafsburg, Luxemburg, ja, den Staat
selbst verkauft hatte.** ^ Wenn R6benac sich eine Zeitlang
durch die heuchlerischen Versicherungen der Berliner Staats-
männer täuschen liefs und sich kindlich über den Ärger freute,
1 Vgl. d'Avaux, V, 47 f. 55.
« U. u. A., m, 778 Anm. 14.
* Mb. Kurf. an Oranien, 28. Aug./ 7. Sept. 1685; Geh. Staatsarohiy
Berlin), XXXIV, 227 a 4.
* U. u. A., XIV, 1180.
> Mb. Fuchs an Kurf., Uli. Aug. 1685; Geh. Staatearchiv (Berlin),
a. a. 0. t
398 Siebentes Buch.
den Fuchs bei dem Scheitern seiner Pläne empfinden werde, sah
Ludwig XIV. von Beginn an klarer. Er erblickte mit Recht in
dem Brandenburg - holländischen Vertrage die Grundlage eines
gegen ihn gerichteten europäischen Bündnisses ^ Schon die
blofse Defensivallianz, sagten die Franzosen, stehe im Gegensatze
zu den mit Frankreich getroffenen Abmachungen: was solle
werden, wenn dieses von Holland unter dem Verwände angegriffen
werde, dafs es der Angreifer sei? Der Prinz von Oranien, der
schlimmste Feind des Königs, beherrsche jetzt die Generalstaateu,
und mit diesen habe der Kurfürst abgeschlossen , ohne zuvor
seine Verbündeten, davon zu benachrichtigen. Der König müsse
wissen, auf welchem Fufse er mit Biandenburg stehe. Die
steten Verhandlungen mit dem Kaiser und mit Schweden er-
höhten den Verdacht. Man glaubte, eine neue, noch ausgedehntere
Trippelallianz gegen sich entstehen zu sehen ^.
Dazu kam der sich stets verschärfende Gegensatz in der
Pfälzer Frage®.
Abb6 Morel war in Heidelberg mit vieler Entschiedenheit
aufgetreten : Madame sei als die einzige Erbin des verstorbenen
Kurfürsten zu betrachten und habe das Recht, sofort von dessen
gesamter Hinterlassenschaft Besitz zu ergreifen. Auch Graf
Verjus de Cröcy in Regensburg protestierte wenigstens gegen
die Besitznahme von Simmern und Kaiserslautem durch den neuen
Kurfürsten. Die Vertreter Frankreichs wiesen jede Verzögerung
der Angelegenheit zurück. Sein König werde nicht dulden, er-
klärte Morel am 20. August, dafs man die Sache auf die lange
Bank schiebe, vielmehr Mafsregeln ergreifen, die den Deutschen
Grund zur Reue geben möchten. Man habe es mit dem mäch-
tigsten Könige der Welt zu tun.
Friedrich Wilhelm war über dieses hochmütige Auftreten,
über dieses Pochen auf die Gewalt entrüstet. „Die Reden Morels,"
schrieb er an Mandelsloh, „sind nicht allein den in Deutschland
gültigen Rechten zuwiderlaufend, sondern auch die dabei ge-
brauchten Expressiones und Redensarten so hautains und bei
einem Teutschen Kurfürsten und Stande so ungewöhnlich, dafs
^ Ms. Korresp. Ludwigs XIY. mit Rebenac, August 1685 (B).
' Ms. Korresp. zwischen Kurf. und Spanheim, Sept. u. Okt. 1685;
Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 24 B.
* Das Folgende nach der Ms. Korresp. im Geh. Staatsarchiv (Berlin),
Bep. XL, 9 B.
SechsundTierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 399
Wir nicht glauben können, der König von Frankreich habe wirk-
lich dergleichen befohlen/ Er drang in Paris auf ein milderes
Vorgehen y in Gemäfsheit der Rechte und Gesetze des Reiches
und in Übereinstimmung mit den deutschen Fürsten. Ander-
seits suchte er freilich alle unnötigen Gründe des Mifsfallens
für den mächtigen König von Frankreich aus dem Wege zu
räumen: als die kurpfälzischen Minister sich weigerten, dem
Verlangen Morels nach Vorlegung der Lehnsbriefe und Haus-
gesetze, die die weibliche Erbfolge ausschlössen, zu entsprechen,
drang Friedrich Wilhelm mit Ernst darauf, dafs diese ganz be-
rechtigte Forderung erfüllt werde. Sein Rat wurde dann auch
befolgt.
Philipp Wilhelm sah sich ängstlich nach Bundesgenossen
gegen das übermächtige Frankreich um. Mit den etwa 6000
Soldaten, die er selber besars, und seinen halb verfallenen
Festungen Mannheim und Frankenthal konnte er freilich diesem
kaum Widerstand leisten. Er wandte sich also an den Kaiser,
den Papst, den König von England, — der ihm wenigstens in
Worten Hilfe in Aussicht stellte; aber auch an die protestanti-
schen Mächte Schweden und Brandenburg. Ersteres verhiefs
für den Notfall eine Truppensendung. Friedrich Wilhelm aber
griff sogleich mit Entschlossenheit ein. Er versprach dem
Pfälzer nicht allein seinen Beistand, sondern forderte auch die
übrigen Testamentsvollstrecker auf, den letzten Willen Karls
von der Pfalz in Kraft zu erhalten (8./18. September 1685).
Es war solche Vereinigung um so notwendiger, als das
Testament allerdings für die Orleans wenig günstig lautete. Es
setzte Philipp Wilhelm zum Universalerben ein und bedachte
die Kurfürstin -Mutter sowie die Herzogin von Orleans nur
ebenso, wie die Exekutoren, mit einigen Legaten. In Paris
stützte man sich deshalb auf einige angebliche Formfehler, um
das Testament als nichtig zu bezeichnen, „aus fünfzig Gründen**
(Anf. Oktober); es sei nur auf Antrieb einiger parteiischer
Diener des verstorbenen Kurfürsten von diesem errichtet Über-
haupt gehöre von selbst die eine Hälfte der väterlichen Hinter-
lassenschaft des vorhergehenden Kurfürsten Karl Ludvng seiner
Tochter, der Madame, so dafs Karl darüber gar nicht habe ver-
fügen können. Auch die Kurfürstin -Mutter protestierte gegen
das Testament und wollte es nicht vollstrecken lassen. Es
schien, als solle Frankreich hier den besten Vorwand erhalten,
400 Siebentes Buch.
seine verderblichen Forderungen mit einem Schatten von Recht
wieder aufzustellen.
Eben deshalb war Friedrich Wilhelm eifrig bemüht, seinen
Standpunkt zu wahren, dafs das Testament unter allen Um-
ständen aufrechterhalten werden müsse. Er ermahnte die Kur-
fürstin-Mutter, ihren Widerspruch gegen diese Urkunde zurück-
zuziehen, um die Gefahr ,der Eversion in politicis et in
ecclesiasticis*' zu vermeiden. Er forderte die Mitvollstrecker
von neuem auf, ihn zu unterstützen. „So viel,** schreibt er am
15. September, „das Essentialstück besagten Testaments, näm-
lich die Einsetzung des Erben, belangt, da befinden Wir des
verstorbenen Kurfürsten Expression dergestalt eingerichtet, auch
sonsten das Testament in allen Stücken so beschaffen, dafs Un-
seres Davorhaltens solches auch juxta requisita juris ci-
vilis zu Rechten wohl bestehen kann." Übrigens bedürften
die Testamente deutscher Fürsten nicht der Formalien, wie die
von Privatleuten. — Er hatte die Genugtuung, dafs der wichtigste
der MitvoUstrecker, Ernst August von Hannover, seinen An-
regungen durchaus Folge leistete (20. September).
Es ist klar, dafs Friedrich Wilhelm aUein den Widerstand
gegen die französischen Forderungen gefestet und organisiert
hat. Die Franzosen klagten mit Fug, dafs sie in dieser Pfälzer
Sache allerorten Brandenburg als Widerpart fänden. Freilich
hatte der Kurfürst es nur auf gesetzlichen, friedlichen Wider-
stand abgesehen. Er forderte Philipp Wilhelm immer wieder
zur Nachgiebigkeit in Formalien auf: er möge alles so gütlich
wie nur möglich mit Frankreich abhandeln. Aber Ludwig XIV.
erkannte sehr wohl, woher ihm der Gegenwind wehe. Die
Veröffentlichung einer Depesche Spanheims an den Kurfürsten,
in der der brandenburgische Standpunkt den französischen Prä-
tensionen gegenüber scharf und klar auseinandergesetzt war,
erregte in ganz Europa Aufsehen und in Paris begreiflichen
Unwillen. Der Versicherung, der Abdruck sei ohne Wissen der
Beteiligten erfolgt, mafs man selbstverständlich keinen Glauben
bei. Die Schrift erschien gleichsam wie ein Manifest am Vor-
abende einer Kriegserklärung.
Das Mifstrauen der französischen Staatsmänner gegen
Brandenburg wurde immer lebhafter, ihre Stimmung immer ge-
reizter. R6benac fand in jeder Handlung des Kurfürsten Grund,
Feindseligkeit gegen Frankreich vorauszusetzen. Als der Herzog
SechsundvierzigBtes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 401
von Gelle im Sommer 1685 mit Hamburg in Streit geriet, den
Handel mit der Stadt auf dem Eibstrome sperrte und dabei
auch ein Schiff mit Magdeburger Waren mit Beschlag belegte,
zeigte Friedrich Wilhelm den Weifen eine Milde und Versöhn-
lichkeit, die dem französischen Gesandten sehr verdächtig er-
schien^. In der Tat wurde der Streit durch die Vermittlung
des Kaisers noch im September 1685 gütlich beigelegt. Und
das eben verdrofs die Franzosen noch mehr als selbst die
Pfillzer Sache : die freundschaftlichen Beziehungen, die sich offen-
bar zwischen Brandenburg und Leopold I. bildeten. Der Kaiser
liefs sieh endlich darauf ein, dem Kuiiürsten fOr dessen An-
sprüche auf Jägemdorf ein Äquivalent , nicht in Geld , sondern,
wie dieser es stets verlangt hatte, in Land anzubieten, das frei-
lich nicht in kaiserlichen, sondern in fürstlich schwarzenbergi-
schen Gebietsteilen bestand. Der Sieg der kaiserlichen Truppen
über die Türken, bei Neuhausel, am 16. August, und ihre sich
daran knüpfenden weiteren Erfolge erregten bei dem Kurfürsten
lebhafte Freude. Er sandte Melchior von Ruck, nunmehrigen
Halberstftdter Regierungsrat, im September 1685 nach Wien, um
für das kommende Jahr eine Hilfe von 4 — 5000 auserlesenen
Soldaten gegen die Türken anzubieten, zugleich aber auch auf
Beschleunigung der Satisfaktionssache zu dringen. Röbenac
hatte von diesen Dingen durch seine verräterischen Freunde am
Berliner Hofe genaue Kunde und berichtete darüber mit heftigem
Nachdrucke nach Paris'.
Vergebens versicherte hier Spanheim, die Reise Rucks be-
treffe nur die Streitigkeiten zwischen Kursachsen und dem
Bischöfe von Merseburg und Zeitz. Das klang noch unwahr-
scheinlicher, als dafs der Vertrag mit den Niederlanden nichts
bedeute als die harmlose Fortsetzung einer alten,' praktisch
nichtssagenden Allianz'. Das ganze Verfahren des Kurfürsten
seit einem Jahre erschien als Ausflufs einer vorsichtigen, aber
entschlossenen und systematischen Feindschaft gegen Frankreich.
Ludwig XIV. gedachte ihn zu demütigender Unterwerfung
zu zwingen, indem er, Anfang Oktober 1685, sowohl in Paris,
» Gallois, Gesch. Hamburgs, H, 1 ff. — U. u. A., XIV, 1180. 1186f.—
Prutz, 300.
• ü. u. A., XIV, 1176 ff. 1181. 1188 ff. — Prutz, a. a. O.
' Dies und das Folgende nach der [Ms. Korresp. Spanheims mit
Surf, aus dem Herbst 1685 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 24 B).
Philippgon, Der Orofde KurfQrst. III. 26
402 Siebentes Bach.
Spanheim gegenüber^ als in Berlin, durch R6benac, die Forde-
rung erheben liefs: der Kurfürst solle dem Könige durch eine
schriftliche Erklärung nicht nur die fortdauernde Gültigkeit
aller seiner mit Frankreich getroffenen Vereinbarungen ver-
sprechen, sondern auch feststellen, „dafs er in Zukunft keine
weiteren Verpflichtungen eingehen werde ohne Wissen und
direkte Teilnahme Frankreichs** ^ Es war klar, dafs ein solches
Schriftstück zur allgemeinen Bekanntmachung bestimmt war.
Die schmählichste Demütigung Brandenburgs, seine blinde
Unterwerfung unter das Machtgebot Frankreichs für alle Zu-
kunft, der schroffe Bruch mit allen wahren Alliierten des Kur-
staates wären die Folgen einer so unerhörten Erklärung ge-
wesen. Und doch, war es für den Kurfürsten schon an der
Zeit, durfte er es bereits wagen, sich durch eine Weigerung die
offene Feindschaft des allgewaltigen Despoten zuzuziehen?
Friedrich Wilhelm fühlte sich durch die Zumutung tief ge-
kränkt und zugleich in allen seinen Entwürfen bedroht. Sein
leicht zu erregender Zorn brauste lebhaft auf. Er wollte zuerst
dem Grafen Röbenac kurzweg schreiben: „Se. Kurf.Durchl. lasse
sich keine Mafs und Ordnung geben, habe auch niemandem
Rede und Antwort zu stehen wegen zu schliefsender Defensiv-
allianzen, wäre endlich nicht der Meinung, sich zu etwas
Widrigem violentieren zu lassen ** K Es gelang zwar seinen
ruhigeren Ratgebern, eine solche Antwort zu hintertreiben,
die den sofortigen Bruch mit Frankreich herbeigeführt hätte;
allein er verwarf auch die dem französischen Verlangen etwa
entsprechende Erklärung, die Meinders mit Röbenac vereinbart
hatte und ihm vorlegte'. Vielmehr wies er Spanheim an, in
Paris darzutun, dafs er auf das von ihm geforderte Bekenntnis
nicht eingehen könne, da es seiner Würde widerspreche; indes
sei er zu jeder Art mündlichen Aufschlusses über sein Ver-
halten, sowohl in der Vergangenheit wie für die Zukunft, bereit
und hoffe dadurch den König zu befriedigen. Noch bestimmter
lautete der Bescheid, den er gleichzeitig -— am 20. Oktober —
durch Meinders und Fuchs dem Grafen Röbenac geben liefs.
Nach den vielfachen Aufklärungen und Versicherungen Sr. Kurf.
1 Ms. Instr. an Böbenac, vom 4. u. 11. Okt. 1685 (B).
« U. u. A., XIV, 1191.
« Prutz, 302.
Sechsundvierzigstes Elapitel. Die Abkehr von Frankreich. 403
Durch!., sowohl an den Grafen wie — durch Spanheim — an die
französischen Minister und den König selbst, werde dieser keinen
Zweifel an dem guten Willen und der Vertragstreue des Kur-
fürsten hegen. Eine weitere Erklärung „würde nicht allein
überflttssig, sondern beleidigend^ für Se. Kurf. Durchl. sein^.
Mit Recht fand Ratspensionär Fagel, dem höchst bezeichnender-
weise diese Antwort durch Diest mitgeteilt wurde, solche „höchst
generös^.
Der Kurfürst schrieb dann wenige Tage später — 26. Ok-
tober — unmittelbar an den König, nach einem Entwürfe von
Fuchs. Nachdem er den auf ihn geworfenen Verdacht als ganz
unbegründet geschildert, fuhr er mit grofser Festigkeit folgender-
mafsen fort: „Trotzdem fordert man von mir noch eine neue
Erklärung, die in so harten und für mich so unziemlichen Aus-
drücken abgefafst ist, dafs ich sie nicht abgeben kann, ohne
meine Ehre zu beflecken noch mir zu nehmen, was für einen
souveränen Fürsten das wesentlichste ist/ Der König möge
sich mit der erneuten Versicherung seiner Vertragstreue sowie
dem Versprechen begnügen, dafs er auch in Zukunft an dem
französischen Bündnisse festhalten werde.
Die etwaige Wirkung dieser Eröffnungen ward indes durch
eine Denkschrift zum gröfsten Teile aufgewogen, die von Branden-
burg den Franzosen zugleich mitgeteilt ward, und die jede Teil-
nahme an einem von ihnen zu führenden Angriffskriege ablehnte.
Frankreich folgere freilich aus dem fünften Artikel des Bündnis-
vertrages von 1681, dafs Brandenburg zu solcher Leistung ge-
^ Geh. Staatearchiy (Berlin), Bep. XI, Frankr. 24 B: 8. Alt tl.
• . . „noufl a ordoim6 de mander k V. E. qu*aprÖ8 tant d^^lairdflsements
et d'assurances qu'Elle a dozm^ en partie Elle-mdme de bouche et par
710T18 ensuite k Y. R, comme aussi par M'- de Spanheim k M'- le Marquis
de Groissy , de boache et par 6crit . . . , et finalement k Sa Maj^' mtoxe
xnoyeimant une audience exprease qu'ü avait demandöe pour ce sujet
et qu'on lui a accord6e aussi, le Boy n'aura plus le moindre doute de la
sinc^t^ et de la bozme foi avec laquelle 8. A. E. a observ6 et accompli
jUBqu'ici les trait^ qu'Elle a Phonneur d'avoir faits aveo Sa Maj^-,
-et qu^il ne lui en restera plus k Tavenir le moindre scrupule k cet 6gard,
de suite que toute autre d^laration qu'on en pourroit demander k S. A. £.
ne serait pas seulement superflue, mais aussi outrageuse en quelque
mani^re et peu conforme k la confiance que le Boy a prise jusqu'ici avec
tant de raison en S. A. E. ... Nous esp^rons donc qu*& la Cour on se
<^ntentera entiörement de tous ces ^daircissements donn^ . . .**
26*
404 Siebentes Baoh.
nötigt sei ; aber da derartige Verpflichtungen wechselseitig seien
und Groissy wie R6benac eine Unterstützung des Kurfürsten
bei Gelegenheit des sogenannten „Eonzertes** gegen Schweden,
im September 1684, durchaus verweigert hätten, finde Branden-
burg sich gleichfalls nicht gebunden.
Die ersten Erklärungen Spanheims hatten tatsächlich in
Paris versöhnend gewirkt; der König wünschte keinen offenen
Zerfall mit Brandenburg, um die Zahl seiner Gegner nicht zu
vermehren. Allein die entschiedene Sprache des kurfürstlichen
Briefes und noch mehr die Denkschrift vom 10./20. Oktober
erregten das Mifstrauen der Franzosen von neuem. Dazu kam
ein abermaliges trennendes Moment : die Aufhebung des Ediktes
von Nantes am 22. Oktober. Der Kurfürst war über diese Ver-
folgung seiner französischen Glaubensgenossen auf das äufserste
entrüstet und verbarg auch vor Röbenac seinen Schmerz und
Grimm keineswegs. Er antwortete mit scharfen Gegenmafsregeln :
dem berühmten Potsdamer Edikt vom 29. Oktober / 8. November,
sowie dem Verbote an seine katholischen Untertanen, die Messe
in den Häusern des französischen und des kaiserlichen Gesandten
zu hören. Auf seines Herrn ausdrücklichen Befehl nahm sich
Spanheim der bedrängten französischen Reformierten in jeder
Weise an und begünstigte, trotz der französischen Edikte, ihre
Flucht über die Grenze. In Paris war man wiederum über
dieses Auftreten Brandenburgs sehr erbittert. Waren doch die
weifischen Herzoge feige genug gewesen, R^benac zu erklären:
sie seien zwar gute Protestanten und bedauerten lebhaft die
üble Behandlung ihrer Glaubensbrüder, möchten indessen zu-
geben, dafs die Schritte, die der König in dieser Beziehung
getan, für ihn selbst sehr nützliche seien ^ Solche arge Selbst-
demütigung seiner Nachbarn mufste das offene und kühne Ver-
fahren des Brandenburgers den Gewaltmenschen an der Seine
um so unerträglicher erscheinen lassen. Groissy verhehlte das
Spanheim nicht : während der König sich in die Angelegenheiten
der katholischen Untertanen Brandenburgs nicht mische, werfe
der Kurfürst sich zum Beschützer der hugenottischen Unter-
tanen des Königs auf. Der Minister übersah dabei nur, dafs
es in Brandenburg keine Katholikenverfolgungen gab, wie die
Protestantenvemichtung in Frankreich. — Ein solches Verfahren,
^ Ms. Dep. B^benacs vom 13. Nov. 1685 (B).
Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 405
setzte Groissy feindselig hinzu, sei ungehörig für einen verbttn«
deten, ja, sogar fttr einen neutralen Fürsten und habe den König
vollends über die wahren Gesinnungen des Kurfürsten aufgeklärt.
Als Friedrich Wilhelm sich besonders über die gewaltsame Unter-
drückung der Protestanten im Fürstentum Orange beschwerte,
das dereinst aus der oranischen Erbschaft seinen Söhnen zu-
fallen müsse, und sie als eine Verletzung des Nymweger Friedens
bezeichnete, antwortete der König, er könne natürlich keine
Verhandlungen darüber zulassen, was er in seinem Reiche anzu-
ordnen für zulässig befindet
Die Kluft zwischen Frankreich und Brandenburg erweiterte
sich immer mehr, je schärfer sich der Streit wegen der Kur-
pftlzer Erbschaft zuspitzte. Ludwig XIV. wünschte vor allem
zu vermeiden, dafs diese Angelegenheit durch Kaiser nnd Reich
entschieden werde, vor deren Gericht sie gehörte, deren Aus-
spruche aber er das französische Königshaus nicht unterwerfet!
wollte. Er schlug also (10. Oktober) vor, die Sache der Ent-
scheidung des Papstes Innocenz XI. zu unterbreiten, und be-
gründete diesen Antrag mit seiner Friedensliebe und seinem
Wunsche, die christlichen Wa£fen nicht von dem Kampfe gegen
die Türken abzuwenden^. In der Tat hatte Ludwig ein Inter-
esse daran, den Kaiser von einem Partikularfrieden mit den
Türken abzuhalten, damit inzwischen Frankreich ungestört seine
Herrschaft über die Rheinlande ausdehnen könne*. Der Papst,
voll Hoffnung, auf diese Weise den Frieden innerhalb der Christen-
heit zu bewahren und den erfolgreichen Krieg gegen die Un-
gläubigen zu verlängern, erklärte sich gern bereit, das ihm von
Frankreich angebotene Schiedsrichteramt zu übernehmen.
Friedrich Wilhelm, als der bedeutendste unter den Testaments-
vollstreckern, war aber sogleich entschlossen, die Entscheidung
Roms nicht anzuerkennen. Er wollte keineswegs das Haupt der
katholischen Kirche als Richter in Reichsangelegenheiten gelten
lassen, und zwar um so weniger, als die früheren Päpste sich
^ Ms. Dep. R^benacs vom 17. Nov. mit Bescheid des Königs (B).
* Für das Folgende überhaupt: Im mich, Orleansscher Krieg, sowie:
Papst Innocenz XI. (Berlin 1900)l
' Ms. Mandelsloh an Kurf. 16./26. Okt. Vgl. auch seine folgenden
Depeschen (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XL, 9B). — Die oben an-
geführten sind demnach die wahren Beweggründe des Königs, nicht die
von Immich (Innocenz XL, S. 43 f.) angegebenen.
406 Siebentes Buch.
eine solche Gewalt grundsätzlich zugeschrieben hatten. Auch sei
ein derartiger Schiedsspruch, sagte er, für die Evangelischen im
allgemeinen und zumal fttr deren Pfälzer Glaubensgenossen sehr
gefährlich. Alle protestantischen Reichsstände wurden von
Brandenburg aufgefordert, sich seinem Widerstände gegen jene
Zumutung anzuschliefsen. Die Pfälzer Sache solle ihrem recht-
mäfsigen Forum verbleiben, das heifst dem Spruche des Kaisers
und der Reichsgerichte.
Auf letzteren Standpunkt stellte sich auch Kurfürst Philipp
Wilhelm: er dürfe als Reichsstand sich keiner fremden Juris-
diktion unterwerfen 9 am wenigsten ohne Zustimmung seiner
eventuell zum Erbe berechtigten Agnaten, wie besonders des
— protestantischen — Königs von Schweden. Dem Rate des
Brandenburgers gemäfs beharrte er auf dem gesetzlichen Boden,
der ihm durch das Reichsrecht, sowie durch das Testament
seines Vorgängers Karl gewährt wurde: von hier aus durfte er
die gegnerischen Darlegungen ruhig abwarten. Er sowohl wie
Friedrich Wilhelm hatten die Genugtuung, dafs Kaiser Leopold I.
in höflicher, aber bestimmter Weise das Schiedsrichteramt des
Papstes gleichfalls zurückwies (26. Oktober 1685).
Allein ehe diese Dinge sich abspielten, hatte Ludwig XIV.
für zeitgemäfs gehalten, seine Löwenkrallen auszustrecken, um
den Deutschen zu zeigen, dafs er, zu seinen Zielen zu gelangen,
noch über andere Mittel verfüge als gütliche Unterhandlung.
Galt doch in Frankreich der Grundsatz, dafs in den unheilbar
verworrenen Fragen des Reichsrechtes der Stärkste auch immer
das beste Recht besitze ^ Am 5. November liefs er auf pfälzischem
Boden durch französische Soldaten zwei Mannheimer Bürger,
ausgewanderte französische Protestanten, verhaften und nach
Vincennes abführen. Er beschuldigte sie eines Komplottes gegen
.sein Leben und forderte unter gleicher Anklage die Auslieferung
dreier weiterer, längst in Mannheim naturalisierter, ausgewanderter
Hugenotten. Philipp Wilhelm liefs sie in Gewahrsam nehmen,
verweigerte aber ihre Auslieferung bis zu genauerer Begründung
ihres angeblichen Verbrechens und beschwerte sich über die
Wegführung der beiden anderen. Eine nähere Angabe über die
offenbar ganz imaginäre Schuld der fünf Hugenotten hat die
französische Regierung nie beibringen können. Dafür berief.
^ M^moire^ de Sourches, I, 255.
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 407
trotz Spanheims Gegenbemühungen, der König den Abbö Morel
von Heidelberg ab, und die Kommentare, die diese Mafsregel
begleiteten, liefsen keinen Zweifel darüber, dafs Ludwig hiermit
seinen Zorn über das ganze Verfahren Philipp Wilhelms in der
Erbsache darlegen wollte^.
Die Wirkung seines Vorgehens blieb nicht aus. Philipp
Wilhelm geriet in gröfste Aufregung und sandte seine Hilferufe
nach allen Richtungen. Die Kurfürstin - Mutter liefs sich durch
die Ermahnungen des Brandenburgers nicht davon abhalten,
das Testament ihres Sohnes abermals „aus acht Gründen" anzu-
fechten und die Auslieferung der Hinterlassenschaft an die
natürlichen Erben zu verlangen. Der Landgraf von Kassel
pflichtete ihr bei, aus Furcht vor der Rache des Allerchrist-
lichsten Königs, die das ganze Reich in Mitleidenschaft ziehen
werde. Der Markgraf von Ansbach wollte, aus fthnlichen Gründen,
sein Amt als Testamentsvollstrecker niederlegen. Der einzige
unter den Beteiligten, der fest blieb, war Friedrich Wilhelm.
Er tadelte kühnlich das Benehmen Frankreichs in der Sache
der Mannheimer Bürger als rechtswidrig und ermahnte den
Pfälzer zur Beharrlichkeit, „damit das untertänigste Vertrauen,
welches die Untertanen und in specie die Reformierten gegen
Sr. Kurf. Durchl. (von der Pfalz) billig haben müfsten, keinen
Anstofs erleide". Sein Gesandter Spanheim unterstützte das
Anliegen des kurpfälzischen Agenten in Paris, Peucker, um
Angabe der Schuldbeweise. Nur die Furcht, von dem Branden-
burger und dessen Glaubensgenossen unter den Fürsten verlassen
zu werden, hielt Philipp Wilhelm davon ab, der Forderung des
Königs sich zu unterwerfen. Das war diesem sehr wohl bekannt ;
er schrieb den Widerstand des Pfälzers gegen die Ansprüche
des Herzogs von Orleans hauptsächlich der Einmischung des
Brandenburgers zu^. Dementsprechend beschwerte sich Groissy
hei Spanheim wegen der Gegnerschaft, die dessen Herr in der
Pfälzer Angelegenheit allerorten dem Könige zeige. Die Kur-
fürsten von Mainz und Köln seien mit der päpstlichen Ver-
mittlung einverstanden; nur Brandenburg, angeblich der Ver-
bündete Frankreichs, widersetze sich ihr beständig.
Endlich spitzte sich auch in dem Streite zwischen dem Kur-
^ Ms. Korresp. Mandelslohs vom Dez. 1685.
« Ms. Ludwig XIV. an R^benac, 4. April 1686 (B).
408 Siebentes Buch.
fttrsten von Köln und der gleichnamigen Reichsstadt der Gegensatz
zwischen Friedrich Wilhelm und Frankreich immer schärfer zu.
Dieses, das unter dem Namen des ihm verbündeten Maximilian
Heinrich die Königin des Unterrheins selber zu besitzen wünschte,
forderte von dem Brandenburger, dafs er deren Magistrat zur
Unterwerfung unter die Ansprüche ihres Erzbischofs ermahne.
Friedrich Wilhelm jedoch, der die Pläne der Franzosen wohl
erkannte, ermunterte gerade deshalb den Kölner Magistrat zum
Widerstände und sagte ihm, in Gemäfsheit eines Beschlusses des
westfillischen Ejreises , für den Notfall bewaffneten Beistand zu.
Zum Lohne gestattete der Magistrat den Reformierten freie
Religionsübung ^
Alle diese Momente : die Denkschrift vom 20. Oktober, die
Zwistigkeiten wegen der R6fugi6s, sowie der Gegensatz in der
Pfälzer und der Kölner Angelegenheit, legten es von neuem dem
Könige von Frankreich nahe, sich mit den bisherigen allgemeinen
Freundschaftserklärungen Brandenburgs nicht zu begnügen, son-
dern ihm die Alternative vorzulegen : sofortiger Bruch oder de-
mütigende Unterwerfung. Ob es klug war, letztere zu er-
;swingen, die doch nur auf dem Papiere bleiben, den Kurfürsten
vor seinen neuen Verbündeten nur vorübergehend kompromittieren,
ihn und seine Ratgeber aber zu bitterstem Rachegefühl veran-
lassen mufste, — das ist eine andere Frage. Genug, schon An-
fang November zeigte Groissy sich plötzlich unbefriedigt von
Friedrich Wilhelms bisherigen Darlegungen und verlangte eine
förmliche, von ihm selbst ausgehende schriftliche Erklärung
seiner Unterwerfung unter die französische Politik ^. Das gleiche
liefs der König durch R6benac den Kurfürsten wissen; sonst
werde er gegen Brandenburg mit den Braunschweigem ab-
schliefsen^. Der Gesandte lieferte zu diesem Ansinnen die un-
zweideutigste Erläuterung: unbedeutend an sich, habe die De-
klaration erst dadurch Wichtigkeit erlangt, dafs sie verweigert
worden sei ; nun könne der König nicht mehr darauf verzichten,
da nach allem, was vorgefallen, sonst auf des Kurfürsten Bundes-
treue nicht mehr zu zählen sei.
^ Ms. Depeschen B6benacs vom Juni u. Juli 1685 (B).
* Ms. Spanheim an Kurf., 5., 10. Nov. 1685; Berlin, Oteh. Staats-
archiv, XI, Frankr. 24 B.
' Ms. Ludwig XIV. an B^benac, 1., 15. Nov. (B).
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 409
Friedrich Wilhelm geriet darüber in grofse Aufregung. Er
stürmte, trotz seiner Gicht, im Zimmer auf und nieder. Er rief
aus : wenn er darauf eingehe, werde er sich selbst entehren und
dadurch der Freundschaft des Königs unwürdig werden, die er
sich doch zu erhalten wünsche. Er könne die Deklaration nie-
mals zugestehen und wolle lieber das Äufserste über sich er-
gehen lassen. Ebenso meinte Fuchs, lieber den Tod zu leiden,
als seinem Herrn zu solcher Feigheit zu raten ^ Allein, bei
ruhiger Überlegung mufste man sich in Berlin sagen, dafs der
Augenblick zum Bruche mit Frankreich noch nicht gekommen
sei. Sollte man, kaum der Unterstützung durch Holland sicher,
die französischen Truppen wieder in Eleve, in der Mark, an der
Weser erscheinen sehen? Noch war mit dem Kaiser nicht ab-
geschlossen. Noch waren alle Forderungen Brandenburgs an
Kaiser und Reichstag, ihm die seit zehn Jahren versprochenen
Entschädigungen wegen des Schwedeneinfalls endlich zu ge-
währen, vergeblich '. Frankreich bemühte sich unausgesetzt, aus
der Hamburger Angelegenheit einen Streit der Lüneburger mit
dem Kurfürsten zu entwickeln, um die Weifen gegen ihn aus-
spielen zu können; es kam schon so weit, dafs Friedrich Wil-
helm den aus dem Türkenkriege heimkehrenden braunschweigi-
schen Truppen den Durchmarsch durch seine Staaten versagte '.
Brach ein Krieg mit Frankreich aus, so stand es fest, dafs die
Weifen auf dessen Seite die brandenburgischen Interessen und
Besitzungen bekämpften. Anderseits tat die französische Re-
gierung alles, dem Kurfürsten die bittere Pille der Deklaration
zu versüfsen: „er möge^, liefs man ihm sagen, „Sr. Allerchrist-
lichsten Majestät diese kleine Genugtuung geben''; sie werde
ihm dafür Beweise intimster Freundschaft in der Zukunft zu teil
werden lassen*.
Friedrich Wilhelm beschlofs, wenigstens zum Teile, in mög-
lichst würdiger Form, auf das Verlangen Frankreichs einzu-
gehen. Er vermied eine öffentliche Erklärung, aber er schrieb,
am 5. Dezember 1685, dem Könige einen ostensiblen Brief*.
^ Berichte R^benacs vom 1., 8. Dez.; Prutz, 304.
« Londorp, XII, 149 f.
» U. u. A., XIV, 1193. 1204.
* Ms. Spanheim an Kurf., 27., 30. Nov., u. Ludwig XTV. an Kurf.,
26. Nov.; Berlin, Geh. Staatsarchiv, a. a. 0.
* U. u. A., n, 541.
410 Siebentes Buch.
Röbenac, hiefs es darin, habe ihn der Fortdauer des Wohlwollens
Sr. Majest&t versichert Er selber werde stets darauf bedacht
sein, die Zuneigung und Freundschaft des Königs zu bewahren.
„Es steht fest, dafs ich bei der Erneuerung des Bündnisses, das
ich mit den Herren Generalstaaten seit dem Beginne dieses Jahr-
hunderts gehabt, nichts getan noch zu tun beabsichtigt habe, was
den zwischen Ew. Maj. und mir geschlossenen Verträgen zu-
wider wäre. Und da ich aufserdem die stärksten Versicherungen,
die man verlangen kann, gegeben habe, dafs ich fortfahren werde,
die erwähnten Verträge genau zu beobachten und den in ihnen
enthaltenen Verpflichtungen Genüge zu tun, habe ich solches
gern noch einmal hier wiederholen wollen, in der Hofhung, dafs
Ew. Maj. nicht gestatten wird, dafs man mehr von einem Fürsten
und Verbündeten verlange,'' der zu ehrliebend sei, um jemals
den Vorwurf des Vertragsbruches auf sich zu laden.
Das Schreiben war in allgemeinen Ausdrücken abgefafst und
vermied sorgfältig jede bestimmte Zusage, besonders die unge-
heuerliche, keine Verträge mehr ohne Genehmigung Frankreichs
abschliefsen zu wollen. Es entsprach also nicht ganz den Forde-
rungen des Königs. Allein es enthielt doch eine Dementierung
der letztjährigen Mafsregeln des Kurfürsten und Versprechungen,
die der jüngsten Richtung seiner Politik entgegenliefen. In-
sofern hatte R6benac recht, es als eine „Unterwerfung des
Berliner Hofes** zu bezeichnen. Friedrich Wilhelm empfand das
schwer, und bittere Gefühle erfüllten sein Herz. Gebe der König,
eröfihete er Spanheim, sich mit seinem Briefe nicht zufrieden,
so weise er jede weitere Unterhandlung in der Deklarations-
sache zurück. Aber zu extremen Vorgängen kam es nicht mehr.
Ludwig schrieb dem Kurfürsten am 27. Dezember 1685, um ihm
seine gänzliche Zufriedenheit mit den im Briefe vom 5. ent-
haltenen Erklärungen auszudrücken und ihn für die Zukunft
seiner vollen Freundschaft zu versichern. Die seit Monaten ver-
siegte Quelle der französischen Subsidien flofs von neuem ^. Der
König benachrichtigte amtlich seine Vertreter im Auslande, dafs
er sich von der Vertragstreue des Kurfürsten von Brandenburg
durchaus überzeugt habe '. Ja, Röbenac erläuterte seines Herrn
vortreffliche Gesinnungen, indem er Friedrich Wilhelm in Aus-
' Dies alles nach Geh. Staatsarchiv, a. a. 0.
■ 3. Januar 1686; d'Avaux, V, 111.
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreich. 411
sieht stellte, jener werde ihm zur Erlangung der schlesischen
Satisfaktion Beistand leistend
Es war zu spät Gerade die tiefe Demütigung, die Ludwig
dem selbstbewufsten Brandenburger auferlegt und von der er
geglaubt hatte, sie habe dessen Widerstandskraft gründlich ge-
brochen, hatte diesen zum endgültigen innerlichen Zerfall mit
Frankreich gebracht »Ich werde," rief er wiederholt aus, „im
Grabe nicht ruhen können, ich hätte mich denn zuvor an Frank-
reich gerächt.** ' Die Erfahrungen, die er in den letzten Jahren
von dem rechtsvemichtenden Despotismus und der höhnischen
Selbstsucht Ludwigs XIV. gemacht, Hessen ihn auf seine bis-
herigen Empfindlichkeiten und alle Bedenken verzichten. Gerade
nun warf er sich dem Kaiser in die Arme. Dazu hatte der
neue Gesandte Österreichs, Baron Fridag, nicht wenig bei-
getragen. Der geschickte Diplomat hatte die richtige Weise ge-
funden, den Kurfürsten zu behandeln: anstatt zu stürmen und
zu drohen, wie seine Vorgänger, rief er bei dem greisen und
trübe gestimmten Herrn das Mitleid mit der Lage von Kaiser
und Reich und das vasallenhafte Pflichtgefühl an^.
Friedrich Wilhelm verlangte von Leopold nur noch eine
Genugtuung, die er für unentbehrlich für seine Ehre und Re-
putation hielt: an Stelle aller seiner schlesischen Ansprüche
solle Österreich ihm den schlesischen Kreis Schwiebus gewähren,
der, in Gröfse von 24 Quadratmeilen, ohnehin durch branden-
burgisches Gebiet von Schlesien gänzlich getrennt war (Anfang
November 1685). Geschehe dies, so wolle er sich mit dem
Kaiser nicht minder gegen Frankreich als gegen die Türken
eng verbünden *. Vergebens suchte Fridag ihn von dieser Forde-
rung durch Anerbieten der Zession der Liechtensteinschen Schuld-
forderung an Ostfriesland, des Titels eines Reichsadmirals , ja,
des Privilegs der Nichtappellation an die Reichsgerichte für
Pommern abzubringen. Immerhin hatten diese Vorschläge, durch
ein freundliches Schreiben des Kaisers unterstützt, Friedrich
Wilhelm von dessen guter Gesinnung überzeugt. Er schlofs am
25. Dezember 1685 / 4. Januar 1686 den Vertrag ab , durch den
» U. u. A., XIV, 1224.
* Rieh. Fester , Die Augsburger Allianz von 1686(Müiichen 1893)S. 72.
* Ma Depeschen Böbenacs vom Mai 1685 (B).
* Das Folgende nach Pribram, österr. u. Brandenb. 1685—1686,
S. 41 ff.
412 Siebentes Buch.
er für den Mai zum Kampfe gegen die TQrken dem Kaiser ein
Truppenkorps von 7000 Mann verhiefs, die er selber verpflegen
werde; dafür solle er in bar 150000 Taler erhalten. Das
brandenburgische Korps sollte übrigens ungeteilt und zwar stets
bei der kaiserlichen Hauptarmee verbleiben, auch sein Befehls*
haber zu allen wichtigen Beratungen herangezogen werden^.
Als gleichberechtigter Verbündeter trat hier Friedrich Wilhelm
neben das Reichsoberhaupt.
So waren in vielversprechender Weise die Wege für die
Hauptunterhandlung geöffnet. Der Kurfürst stellte seinen völligen
Anschlufs an das Haus Habsburg in Aussicht : ein Verteidigungs-
bündnis mit dem Kaiser auf zwanzig Jahre, die Aufgabe aller
entgegengesetzten Bündnisse, Verteidigung der Pfalz, sowie der
spanischen Niederlande gegen Frankreich, Unterstützung des
Kaisers bei der Erledigung der spanischen Erbschaft, Beihilfe
zur Erlangung des römischen Königtums und dereinst der Kaiser-
krone für Leopolds ältesten Sohn, Erzherzog Joseph. Im Ver-
gleich mit diesen Vorteilen für Österreich waren seine Forde-
rungen nicht übertrieben : die Abtretung des Kreises Schwiebus,
sowie der Liechtensteinischen Schuldforderung, Hilfsgelder von
hunderttausend Gulden im Frieden und ebensovielen Talern wäh-
rend des Krieges, endlich, eventuell, Beistand mit 12000 Mann.
Nur Fuchs erhielt von diesem Vertragsentwurfe Kenntnis, den
der Kurfürst in den ersten Tagen des Januar zur Sprache
brachte.
Er bedeutete einen völligen Systemwechsel. Friedrich Wil-
helm wollte dem Bündnisse mit Frankreich ein jähes Ende be-
reiten, seine Politik und seine Streitkräfte völlig in den Dienst
der Habsburger stellen, — eine Zusage, die, für die gesamten
europäischen Verhältnisse von grofser Wichtigkeit, besonders
für Leopold einen hervorragenden Wert haben mufste. Ging
sie doch weit über die gegenwärtigen Verwicklungen hinaus, in-
dem sie dem Kaiserhause die Fortdauer seiner Autorität über
das Reich und vor allem die Erreichung seines wichtigsten
Zieles, der immensen spanischen Erbschaft, zu erleichtem ver-
hiefs. Gegenüber solchen Weltinteressen konnte die Abtretung
eines kleinen, armen, von Lutheranern bewohnten und örtlich
1 Mörner, 475 ff.
Sechsundyierzigstee Kapitel. Die Abkehr von Frankreicli. 413
von den österreichischen Besitzungen ohnehin getrennten
Ländchens gar nicht in Betracht kommen.
Allein die blinde Hartnäckigkeit der österreichischen Staats-
lenker war ebenso grenzenlos wie ihre Abneigung gegen den
brandenburgischen „Ealviner", gegen den „neuen König der
Vandalen''. In der Ministerkonferrenz, die am 23. Januar 1686
in Wien abgehalten wurde, sprach die Mehrheit sich geg^ die
Zession von Schwiebus aus.
Das Werk drohte noch im letzten Augenblicke zu scheitern.
Da fand Fridag einen eigentümlichen Ausweg.
Wir kennen die Mifsverständnisse, die seit Jahren zwischen
dem Kurfürsten und seinem ältesten Sohn obwalteten; wir
wissen, dafs Friedrich, beraten von seinem Oheime Anhalt, ein
eifriger Gegner der französischen Allianz, ein treuer Anhänger
des Kaisers war. Sich diesem anzuschliefsen, hielt er für seine
Pflicht, für die nützlichste und würdigste Richtung der branden-
burgischen Politik. Anderseits war der Kurprinz nur knapp
mit Geldmitteln versehen und bei seinem Hange zur Verschwen-
dung in steten pekuniären Verlegenheiten. Auf diese Umstände
hatte Fridag schon längst, seit dem Juli 1685, den schlauen,
aber unfeinen Plan gebaut, mit Hilfe des Prinzen dessen Vater
zu überlisten und durch einen groben Betrug das Bündnis des
Kurfürsten für Österreich zu erlangen : der Kurprinz sollte, um
den Preis einer beträchtlichen Geldunterstützung, im geheimen
die schriftliche Zusicherung erteilen, nach seinem Regierungs-
antritte den Schwiebuser Kreis an Österreich zurückzugeben.
Für diesen Gedanken erlangte Fridag nunmehr (Ende Januar 1686)
die Genehmigung seines kaiserlichen Herrn und trat dann hier-
mit dem Kurprinzen näher. Er setzte ihm auseinander, wie der
Abschlufs einer kaiserlich -brandenburgischen Allianz ein un-
bedingtes Erfordernis für die Rettung Europas vor der französi-
schen Gewaltherrschaft sei, und dafs dagegen das Schwiebuser
Ländchen gar nicht in Betracht kommen könne. Überdies er-
bot sich der Kaiser, seinerzeit für den Schwiebuser Kreis als
Entschädigung entweder die fürstlich schwarzenbergischen Güter
Neustadt und Gimborn zu beschaffen oder hunderttausend Taler
zu entrichten. Endlich zahlte der Wiener Hof dem Prinzen
sofort zehntausend Dukaten zur Linderung seiner finanziellen
Nöte.
Kurprinz Friedrich ging, umnebelt von Fridags Phrasen
414 Siebentes Buch.
und begierig, sich aus seinen eigenen Verlegenheiten zu retten,
auf den Handel ein. Am 28. Februar 1686 unterzeichnete er
den verlangten Revers, aus dem nur die 10000 Dukaten Be-
stechungsgelder fortgelassen wurden. Seine Rolle bei der
schimpflichen Abmachung war noch unschöner als die der kaiser-
lichen Diplomatie. Diese betrog nur einen fremden Fürsten,
dessen Beihilfe sie möglichst billig zu erkaufen suchte; der
zukünftige Kurfürst von Brandenburg betrog seinen eigenen
Vater und Herrn. Dafs er glaubte, hiermit einem grofsen poli-
tischen Zwecke zu dienen, kann sein hochverrätisches Vorgehen
einigermafsen entschuldigen, aber nicht rechtfertigen. Er hat
später das Schmähliche seiner Handlungsweise selbst eingesehen
und durch Unkenntnis der wahren Sachlage und durch absichtliche
Täuschung seitens der Kaiserlichen zu diskulpieren gesucht Ver-
gebens: die Aktenstücke sind da, um ihn Lügen zu strafen.
Er hat sich wissentlich und vollständig dem Kaiser gegen den
eigenen Vater zur Verfügung gestellt. Anhalt hatte den Ver-
mittler bei diesem Werke des Truges gemacht ^
Es war eine verhängnisvolle Tat. Indem Kaiser Leopold
in eben dem Augenblicke, wo ihm deutsche Krieger ein gewaltiges
Königreich gegen die Türken eroberten, nicht einmal ein unbe-
deutendes Stückchen Landes der grofsen Sache Europas opfern
wollte, indem er sich hier in einen unkaiserlich schmählichen
Betrug einliefs , hat er den Anlafs zum völligen Verluste Schlesiens
für seine Nachkommen und zu den glorreichen Siegesschlachten
gegeben, durch die Friedrich II. sein Preufsen, anstatt Oester-
reichs, an die Spitze Deutschlands gestellt hat.
Um die Täuschung zu vollenden, gab sich Leopold den An-
schein, in dem Schwiebuser Kreis dem Kurfürsten ein überaus
schweres Opfer für dessen Freundschaft und Bündnis darzu-
bringen. Am 22. März 1686 ward endlich, nach langem
Feilschen , von Fuchs und Fridag der Brandenburg - kaiserliche
Allianzvertrag unterzeichnet '. Er nahm ganz ausdrücklich die
gemeinschaftliche Verteidigung aller Reichsstände gegen sämt-
liche „unter dem Titel der Reunionen und Dependenzien"
^ S. besonders den Bericht Fridags vom 22. März 1686 ;Pribram,95ff.
' Mörner, 750 ff. — Die vielfachen formalen Streitigkeiten, die die
endgültige Ratifikation des Vertrages noch monatelang hinausgeschoben
haben, übergehen wir als ganz unwesentlich.
Sechaundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 415
geschehenen Vergewaltigungen, auch die Beschützung des Kur-
fürsten von der Pfalz gegen jede Beeinträchtigung seines Ge-
bietes in Aussicht. Sonst entsprach er vollkommen den Aner-
bietungen Friedrich Wilhelms, der im sechzehnten Artikel alle
Ansprüche auf die schlesischen Fürstentümer aufgab. Der Kaiser
dagegen verhiefs (Art. 18), den König von Spanien für den
Fall, dafs dieser die noch geschuldeten Subsidien nicht in Geld
abzutragen vermöge, zur Abtretung eines angemessenen „Land-
stückes'' zu bewegen.
Dieser geheime „Defensionsvertrag** eröffnet eine neue Periode
der brandenburgischen Politik, die Periode der treuen Gefolg-
schaft für das Haus Habsburg, die länger als ein halbes Jahr-
hundert gedauert hat. Gewifs hat Friedrich Wilhelm mit diesem
bedeutsamen Schritte vor allem der Sache der europäischen
Freiheit einen wichtigen Dienst leisten wollen. Die sich stets
erneuernden Gewalttaten und Ansprüche Frankreichs zum Schaden
des Kelches und die unbarmherzige Verfolgung seiner Glaubens-
genossen, die doch die Wirkungen der kaiserlichen Unduldsamkeit
noch weit übertraf, hatten ihm das Bündnis mit Ludwig XIV.
unerträglich gemacht, ja, als ein verderbliches erscheinen lassen.
Das Heil konnte nur aus dem Zusammenschlüsse aller aktions-
fähigen Staaten gegen den König von Frankreich erwachsen.
Indes sprachen auch Gründe des partikularen Staatsinteresses
bei diesem Abschlüsse mit. Es hatte sich herausgestellt, dafs
von Frankreich Beihilfe, ja nur Zustimmung zu einer Vergröfserung
Brandenburgs nicht zu erwarten war. Ludwig XIV. hatte viel-
mehr einige Stücke der den kurfürstlichen Kindern erster Ehe
rechtlich zustehenden oranischen Erbschaft, besonders das
Fürstentum Orange, ohne Rechtsgrund, rechtliches Verfahren
oder Entschädigung in Besitz genommen. Dagegen verschaffte
das Bündnis mit dem Kaiser dem Kurfürsten sogleich den
Schwiebuser Kreis, der ihm in der Tat während der folgenden
Monate abgetreten wurde, für die Zukunft die Anwartschaft
auf Ostfriesland, sowie auf ein Stück von Spanisch-Geldem ;
es liefs sich endlich nur durch die Beihilfe der gegen Frank-
reich Koalierten eine günstige Erledigung der oranischen Erb-
schaftssache erhoffen. So waren es mannigfache Gründe, allge-
meine europäische wie besondere brandenburgische, die Friedrich
Wilhelm zum Abschlüsse des nDefensionsvertrages^ veranlafsten.
Dessen 23. Artikel hatte vorgesehen, dafs zur Erklärung
416 Siebentes Buch.
der Abtretung des Schwiebuser Kreises, sowie der Liechten-
steinschen Schuldforderung ein für die Öffentlichkeit bestimmter
Scheinvertrag aufgesetzt werden solle. Dieser sogenannte „Satis-
faktionsvertrag**, bei dem auch die französisch gesinnten und in
die geheimen Verhandlungen nicht eingeweihten Minister Meinders
und Grumbkow mitwirkten — um so Frankreich desto nach-
drücklicher zu t&uschen — , ward am 7. Mai unterzeichnete Er
enthielt nur die Zugeständnisse des Kaisers, die mit seinem
Wunsche begründet wurden, die Ansprüche des Kurfürsten
abzutun und ihm zugleich den Dank für seine Zusage der Hilfe-
leistung gegen die Türken kundzugeben. Indes, eine wichtige
Bestimmung des wahren Vertrages fand selbst in diesem Schein-
vertrag Aufnahme: das Versprechen, sämtliche Besitzungen
des Pfälzers, auch Jülich und Berg, zu verteidigen. Friedrich
Wilhelm hatte es in voller Absicht getan, ^damit es Frankreich
möge inne werden allenfalls, und man sonsten im Reiche adver-
tiret werde, wessen sich Brandenburg bereits entschlossen''.
Das System von Verträgen, das Brandenburg mit den ver-
schiedenen Gegnern Frankreichs verknüpfte, dehnte sich immer
weiter aus. Nach dem Bündnis mit den Niederlanden und noch
vor dem Vertrage mit dem Kaiser war eine Allianz mit Schweden
abgeschlossen worden. Falaiseaus Unterhandlungen in Stockholm
waren zuerst auf die Schwierigkeit gestofsen, dafs die dortigen
Minister, auch Bengt Oxenstierna, gegen Brandenburgs schwan-
kende Politik schwer überwindliches Mifstrauen hegten* Allein
das persönliche Eingreifen König Karls XI. hatte zuletzt die
Sache entschieden. Der junge schwedische Monarch sprach
grofse Bewunderung für den Kurfürsten und den Wunsch aus,
sich mit diesem Herrscher zur Erhaltung der Ruhe und des
gegenwärtigen Zustandes in Europa, vornehmlich in den reli-
giösen Fragen, zu verbinden*. Am 10./20. Februar 1686 wurde
demgemäfs, durch Grafen thal und abermals durch Fuchs, ein ge-
heimes Verteidigungsbündnis auf zehn Jahre unterzeichnet^.
Es bezog sich auf den Schutz nicht nur der Länder der beiden
kontrahierenden Mächte, sondern auch der Integrität des Deutschen
1 Mörner, 759ff. — Vgl. U. u. A., XIV, 1289ff.; sowie Pester,
Augsb. Allianz, 28.
• Berlin, Geb. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 z.
» Mörner, 478ff.
Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 417
Reiches, sowie besonders der norddeutschen Beichskreise. Das
Haus Lüneburg sollte zu dem Vertrage herangezogen werden.
Die Hauptsache war für den Kurfürsten der erste Sonderartikel,
der „bei der täglich gewaltsam steigenden Gefährdung des
evangelischen Wesens^ die Verteidigung der Religions- und
Gewissensfreiheit, zumal für die Reichsst&nde , beiden Mächten
zur Aufgabe stellte, und zwar mit Hilfe auch des Kaisers und
der katholischen Fürsten Deutschlands. Es war die „evangelische
Allianz'', die doch durchaus keine Feindschaft gegen die Katho-
liken in sich begrifif ; sie bestimmte hier die Handlungen Karls XI.
und Friedrich Wilhelms.
Nur ein so starker Beweggrund konnte den Kurfürsten zu
einer Politik bewegen, durch die er auf den seit jeher ge-
hegten Traum, auf das Hauptziel seines Strebens entschlossen
Verzicht leistete: auf die Vertreibung der Schweden vom
deutschen Boden und besonders die Erwerbung Vorpommerns,
zumal Stettins mit dem unteren Oderlauf für Brandenburg.
Was er auch sonst in listiger oder leidenschaftlicher Selbstsucht
gefehlt haben mag — es wurde reichlich wieder wett gemacht
durch das gewaltige Opfer, das er hier der Freiheit Europas
und des Religionsbekenntnisses gebracht hat.
Um jedes Mifstrauen gegen Schweden aufgeben zu können,
ersuchte der Kurfürst diese Macht und Holland, ihn in ihre am
12. Januar 1686 abgeschlossene Allianz, deren universale Be-
deutung unzweifelhaft war, als dritten aufzunehmen. Zwar
widersetzte sich die französische und auch die dänische
Diplomatie mit Eifer diesem Bestreben, da beide hierin den
Abfall Brandenburgs von ihrem eigenen Bündnisse erblickten.
Allein umsonst. In den Niederlanden gab es jetzt dem Ver-
folger des Protestantismus, dem übermütigen Despoten gegenüber
nur eine Partei; Wilhelm von Oranien war aus einem Partei-
führer nunmehr der von allen anerkannte Leiter der Republik
geworden. Es herrschte in dieser eine Harmonie, wie solche
seit mehr denn einem Vierteljahrhundert unbekannt gewesen
war. Und diese Einigkeit umfafste die Freundschaft für Branden-
burg. „Meine Intention, ** sagte der Ratspensionar, „zielt dahin,
mit niemandem in einige Mesures zu treten, ohne vorherge-
gangene Kommunikation mit Durchlaucht von Brandenburg.''^
» Ms. Diest an Kurf., 14./24. Nov., 21. Nov. / 1. Dez. 1685; Geh. Staate-
archiv (Berlin), XXXIV, 227 z.
Philippson, Der Grofse Kurfflrst. III. 27
418 Siebentes Buch.
Die im Vertrage vom 23. August 1685 versprochene Zahlung an
Brandenbui^ wurde von den Hollilndem noch vor dem Fällig-
keitstermin geleistete So kamen die Generalstaaten der
Forderung des Kurfürsten gern entgegen, und am 17./27. April 1686
wurde die „ Inklusion ** Brandenburgs, die man eifrig, aber ohne
Erfolg, vor der französischen Diplomatie geheimzuhalten suchte,
im Haag vollzogen'. Friedrich Wilhelm, der noch jüngst jeden
Transport schwedischer Truppen als Kriegsfall zu betrachten
pflegte, gab jetzt zu erkennen, dafs zur Verteidigung des Reiches
„auch die Krone Schweden ihrer in Teutschland habenden,
ansehnlichen Provinzen halber mit Fug konkurrieren kann".*
Auch mit den Weifen versöhnte er sich. Der Kurprinz
reiste zu seinem Schwiegervater von Hannover und brachte es
zuwege, dafs dieser einstweilen auf Verhandlungen wegen eines
französischen Bündnisses verzichtete. Der hauptsächlichste Streit-
punkt zwischen den Lüneburgem und dem Kurfürsten ward be-
seitigt, indem beide Teile sich über die Quartiere einigten, in
denen die dem Kaiser für Ungarn zu stellenden Truppen unter-
gebracht werden sollten. Aus Rücksicht auf die Vermittlung
Brandenburgs zog — wie der Herzog von Celle laut verkündete —
auch dieser Weife seine Scharen aus dem Gebiete Hamburgs
zurück^. Die Lüneburger kokettierten jetzt förmlich mit der
brandenburgischen Freundschaft.
So nahm Friedrich Wilhelm eine hervorragende Stellung
ein in der Phalanx, die sich allmählich zu einem grofsen euro-
päischen Bunde gegen Ludwig XIV. gestaltete. Er suchte auch
die evangelischen Schweizerkantone in diese Allianz hinein-
zuziehen, wozu sie in der Tat viele Neigung zeigten. Das
Streben des Allerchristlichsten Königs nach der Weltherrschaft
hatte von Seiten der lebensvollen und selbstbewufsten euro-
päischen Völker die natürliche Gegenwirkung hervorgerufen;
und an deren Spitze stand, neben Wilhelm von Oranien, dessen
Oheim von Brandenburg. Wie gründlich hatte doch R^benac,
der sich so schlau dünkte und auf die deutschen Barbaren so
überlegen hinabblickte, sich geirrt, wenn er noch am 22. Januar
^ Fester, Augsb. Allianz, 34.
« Mörner, 485 ff. — U. u. A., III, 778. — d'Avaux, V, 129 f.
» Berlin, Geh. Staatsarchiv, XXXIV, 227 z.
* Ms. Dep. Röbenacs vom 1. Jan., 18. April 1686 (B).
Sechsondvierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreich. 419
1686 seinem Könige schrieb: „Es scheint, mir keineswegs, als
ob der Herr Kurfttrst von Brandenburg die mindeste Absicht
hege, mit dem Kaiser wieder anzuknüpfen noch das Bündnis
mit Eurer Majestät zu verlassen." * Im Augenblicke, wo er
diese Worte aufzeichnete, hatte sich im stillen der Umschwung
schon vollzogen. Die Verletzung der Religionsfreiheit in den
reunierten Landen, die durch feierliche Verträge und nicht
minder feierliche Zusagen des Königs an den Kurfürsten ge-
währleistet war, versetzte diesen ebensosehr in Zorn wie die
Errichtung eines Denkmals auf der Place des Victoires in Paris,
wo Elbe und Oder als kriegsgefangene Frauen am Sockel
klagten, zum Andenken an die Wiederunterwerfung dieser
Ströme unter schwedische Herrschaft durch die siegreichen
Waffen Frankreichs '. Der kecke Übermut und die grundsätz-
liche Verachtung fremden Rechtes und fremder Ehre durch
Ludwig und seine Günstlinge haben recht eigentlich Europa
gegen ihn zum Kampfe gezwungen — unter so vielen anderen
auch Friedrich Wilhelm von Brandenburg.
^ Secueil des Instanictions, Bd. XVI, S. XLH.
* Prutz, 807.
27*
Siebenundvierzigstes Kapitel.
Augsburger Bund und Tttrkenkrieg.
Der Pfälzer Streit gab Friedrich Wilhelm nur allzuBchnell
die Gelegenheit, sich als Verfechter der Freiheit und Unantast-
barkeit des Reiches zu bewähren. Die Lage hatte sich insofern
für das deutsche Interesse verschlimmert, als aus Furcht vor
Frankreich Philipp Wilhelm sich weigerte, dem dringenden Rate
Brandenburgs zufolge sich als Erben auch der AUodien seines
Vorgängers zu erklären und dadurch dessen Testament anzuneh-
men und zu bekräftigen, das ihn ja zum Universalerben er-
nanntet Da die übrigen Legatare begreiflicherweise keine
Neigung bezeigten, als Erben aufzutreten und so für ein gering-
fügiges Vermächtnis den Zorn des AUerchristlichsten Königs
auf sich zu laden, blieb zum grofsen Kummer Friedrich Wil-
helms nichts übrig, als auf das Testament zu verzichten und
die Intestaterben zuzulassen. Die Folge davon war zunächst,
dafs, nach dem Heiratsvertrage der Herzogin von Orleans, dieser
die Hälfte der Eigengüter ihres Bruders, ja vielleicht diese alle
gehörten. Eine um so bedenklichere Tatsache, als den König
Ludwig die Verwerfung des päpstlichen Schiedsspruches durch
den Pfälzer und durch den Kaiser in hellen Zorn versetzte.
„Es hat,^ sagte er Mitte Januar 1686 dem Nuncius, „nur an
uns gelegen, mich mit viertausend Reitern in Besitz dessen zu
setzen, was uns gehört. Ich habe andere Wege vorgezogen, die
meine Mäfsigung bewiesen, und die dem Kurfürsten (von der
^ Das Folgende nach Ms. Korresp. des Kurf . , Mandelslohs u. s. w.;
Geh. Staatsarchiv, Berlin, Rep. XL, 9B. — Vgl. Immich, Orleansscher
Krieg, S. 28 ff., u. Innozenz XI., S. 45 ff.
Siebenand vierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Tttrkenkrieg. 421
Pfalz) keineswegs verdächtig sein sollten. Aber da er nicht
hierauf eingehen will, mufs ich zusehen, was ich zu tun habe,
um Madame und meinem Bruder zu bewahren, was ihnen zu-
kommt. ^ In drei Monaten , setzten die Vertreter des Herzogs
von Orleans hinzu, sind Jahr und Tag verstrichen, wodurch
nach deutschem Hechte der tatsächliche Besitz zum rechtlichen
wird; deshalb mufs der Herzog den König um schleunige
Dazwischenkunft bitten. Er wird den Herrscher um die Er-
laubnis ersuchen, mit den französischen Regimentern, deren In-
haber er selber und seine Verwandten sind, des Fürstentums
Simmem und der anderen ihm zukommenden Gebiete sich zu
bemächtigen.
Erschreckt ob der kriegerischen Entwicklung der Angelegen-
heiten, die den Kaiser zum Friedensschlüsse mit den Ungläubigen
zwingen konnte, schlug der Papst vor, sein Schiedsrichteramt
in die gelindere Vermittlung zu verwandeln, die ja auch die
Protestanten annehmen konnten. Darauf begann das alte Spiel
von neuem. Der Pfälzer, der auf die gesamte territoriale Erb-
schaft Recht zu haben glaubte, fürchtete auch bei der Vermitt-
lung durch den Papst lediglich zu verlieren, schob also die
Sache auf Kaiser und Reich und seine eigenen Agnaten. Leo-
pold I. aber wollte von einer päpstlichen Vermittlung nur in
dem Sinne hören, dafs sie Ludwig XIV. zur Nachgiebigkeit und
zur Überantwortung der Entscheidung an die Reichsgerichte
veranlasse. Der Brandenburger endlich verwarf grundsätzlich
jede Einmischung des Papstes (10./20. Februar 1686). Sonst
wirkten er und Spanheim eifrig für den Frieden, aber nur im
Sinne der reichsrechtlichen Erledigung des Streites. Er be-
zeichnete die Befürchtung einer Ersitzung der Lehen als „chi-
märisch^, als „nie erhört noch erdacht, so lange das Reich ge-
standen^. Es liege deshalb für Orleans kein Grund vor, gewaltsam
den Besitz einiger der pfälzischen Reichslehen zu erwerben. Eine
Okkupation pfälzischer Lande von Seiten Frankreichs werde im
ganzen Reiche als Bruch des Stillstandes gelten: er gedenke
solche niemals zu dulden. Anderseits mahnte er in Wien und
Regensburg zu schleuniger und gütlicher Beilegung des Erb-
schaftsstreites. Er hatte die Genugtuung, dafs, infolge der aus-
drücklichen Erklärung des Kaisers, der Ablauf des Jahres seit
der Erbschaftseröffnung sei für die Rechte Orleans' ohne Be-
deutung, Ludwig XIV. sich hiermit einstweilen zufrieden gab.
422 Siebentes Buch.
Es war dies um so wichtiger, als Leopold seiner Zusicherung
die Bemerkung hinzugefügt hatte, dafs jede gewaltsame Besitz-
ergreifung alles Anrecht vernichte und weitere Strafen nach
sich ziehe (10. März). Der Reichstag schlofs sich der kaiser-
lichen Deklaration an. Ja, Leopold und Kurfürst Friedrich
Wilhelm zeigten sich jetzt geneigt, unter gewissen Bedingungen
die Vermittlung des Papstes anzunehmen, da Innocenz XL Be-
weise seiner gerechten und friedfertigen Gresinnung gegeben
hatte. Ludwig XIY. aber berief den leidenschaftlichen und
hochfahrenden Abb6 Morel von Heidelberg ab und ersetzte ihn
dort durch den Präsidenten des Metzer Parlaments Fr6myn de
Morovas, einen besonnenen und formgewandten Juristen, dessen
Auftreten einen erfreulichen Gegensatz zu dem seines Vor-
gängers bot.
So trat Anfang April 1686 eine zeitweise Beruhigung in
der Pfälzer Angelegenheit ein. Aber auf ihre Dauer war nicht
zu zählen. Es war nur ersichtlich, dafs der König von Frank-
reich momentan bestrebt war, eine Entscheidung der Sache nach
der einen oder der anderen Seite hin zu vermeiden, um einen
hinreichenden Vorwand zu Gewaltmafsregeln gegen Kaiser und
Reich zu erwarten. Man hing lediglich von seinem Gutbefinden
ab, solange die deutschen Streitkräfte gegen die Türken be-
schäftigt waren. Friedrich Wilhelm ersuchte also, in Überein-
stimmung mit dem geängsteten Pf&lzer, den Kaiser dringend,
mit der Pforte Frieden zu schliefsen, um mit ganzer Macht den
Franzosen entgegentreten zu können. In aller Stille entwarf er
einen Plan, „welchergestalt, nach gemachtem Frieden mit den
Türken, Frankreichs weitaussehende Desseins wie auch desselben
Appetit, mehr Gonquesten im Reiche und anderswo zu machen,
zu verhindern und demselben Widerstand und wirklichen Ab-
bruch zu thun''. Man sieht, wohin die Absichten und Gedanken
des greisen Staatslenkers gingen. Des Kaisers Streitkräfte
schlug er nur auf 40000 Mann, dagegen die Reichstruppen auf
114000 an, unter denen nicht weniger als 22000 Brandenburger.
Für Niederländer und Spanier rechnete er 45000. Während die
Spanier und die Mehrzahl der Deutschen sich in Belgien und am
Rhein nur verteidigungsweise hielten, sollten die 35 000 Nieder-
länder und 22 000 Brandenburger geradeswegs auf Paris mar-
schieren und die zahlreichen unzufriedenen Franzosen, Katho-
liken wie Protestanten, zum Aufstande bewegen. Der Hoch-
Siebennndvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Tttrkenkrieg. 423
adel, die Prinzen von Geblüt, das Pariser Parlament, die alle
unter des Königs Tyrannei seufzten, würden sich „zu uns
schlagen**. Dann werde Frankreich ,yin solchen Stand gesetzet
werden, dafs man es inskünftige nicht mehr zu fürchten haben
würde" *.
Der Plan ist nicht so chimärisch, wie er scheinen könnte.
Die häufigen, blutigen Empörungen, die damals in vielen fran-
zösischen Provinzen gegen den unerträglichen Steuerdruck aus-
brachen, und die notorische Unzufriedenheit eines grofsen Teils
des französischen Adels stellten ein wenigstens zeitweises Ge-
lingen wohl in Aussicht. Der Geist kühner Offensive erfüllte
den kranken, alten Helden. Er zeigt keine Spur der metho-
dischen Bedächtigkeit, wie er selber sie in Pommern entfaltet
hatte: es ist der Geist von Rathenow, Fehrbellin, des preufsi-
schen Winterfeldzuges, der in ihm lebt und ihn mit heroischem
Feuer erfüllt. Keiner der späteren Generale, bis auf Blücher
und Gneisenau — selbst nicht Marlborough und Prinz Eugen —
sind seinem Erfolg verheifsenden Plane gefolgt.
Allerdings, die Grundbedingung zum Gelingen war: Friede
mit den Türken!
Das hinderte nicht, dafs er zunächst seine Verpflichtungen
zu deren Bekämpfung in vollem Mafse erfüllte. Nicht 7000 Mann,
wie er vertragsmäfsig zugesagt^, sondern 8300 stellte er dem
Kaiser, darunter mindestens 7600 Streitbare : „auserlesenere und
wackrere, auch besser muntierte Völker", sagt Baron Fridag
als Augenzeuge, „sollen sich nicht leicht finden, auch dergestalt,
dafs kein Mann darunter zu tadeln oder auszuschliefsen sei.*" So
der kaiserliche Gesandte; der französische fand besonders die
Infanterie „bewundernswert schön"*. Es waren alles, Offiziere
wie Gemeine, Freiwillige aus der brandenburgischen Armee —
keiner war zum Kampfe gegen die Ungläubigen genötigt worden.
Das Rendezvous war zu Kressen an der schlesischen Grenze;
Friedrich Wilhelm fuhr selber dorthin, liefs sich dann „mit nicht
geringer Bemühung" zu Pferde setzen, umritt das ganze Lager,
das mehr als eine halbe Meile lang war, und hielt endlich eine
Truppenschau über das Korps ab. Indem er am Schlüsse die
höheren Offiziere um sich versammelte, ermahnte er sie, seiner
1 U. u. A., XIV, 1293 ff.
« Prutz, 310.
424 Siebentes Buch.
Waffen und ihre eigene Reputation beständig vor Augen zu
halten, scharfe Disziplin zu beobachten und „brave Actionen^
zu verrichten. „Er hätte hierbei nichts so sehr gewttnschet, als
in dem Stande zu sein, sie Selbsten in eigener Person kom-
mandieren zu können; alldieweilen aber durch allbereits Ab-
nehmung der Kräfte, auch unterschiedliche schmerzhafte Zu-
fälle ihm solches zu unternehmen nicht mehr möglich, so ver-
sicherte er sie, dafs er aller Orten mit seinem Herzen und Ge-
mOte bei ihnen sei und sie begleite. Bei diesen Worten wurde
der Herr Kurfürst sehr bewegt, und ob er zwar die Rede voll-
führte, so gaben jedoch sowohl die häufigen Zähren als kom-
movierte Stimme solches öffentlich zu erkennen.^ Auch die Zu-
hörer waren tief ergriffen ; in ihrem Namen antwortete Schöning
(27. April 1686 ^).
So sprach der Begründer des preufsischen Heeres zu seinen
tapferen Kriegern, so knüpfte sich immer fester das Band
zwischen diesem Heere und seinem Fürsten. Ein wahrer Mann
war doch dieser Friedrich Wilhelm, Mut, Herz und Tatkraft
sich erhaltend bis an den Rand des Grabes!
Er selber übergab die Truppen dem kaiserlichen Kommissar
Grafen Schaffgotsch und kehrte dann nach Potsdam zurück. Er
war voll Zuversicht, entschlossen, sein Recht nach allen Seiten
hin zu wahren. So glaubte er nicht nur auf die ihm von Karl
von der Pfalz ausdrücklich vermachten Gegenstände, sondern
überhaupt auf einen Teil von dessen Mobilien Anspruch zu
haben, infolge des Heiratskontraktes seiner Mutter, der Tochter
des Kurfürsten Friedrich IV. und Tante Karl Ludwigs von der
Pfalz ^. Er verhinderte deshalb die Überweisung der hinter-
lassenen Mobilien an die Vertreter der Orleans in Heidelberg.
Das berührte natürlich in Paris sehr unangenehm, und der Zorn
richtete sich vorzüglich gegen Brandenburg, zumal Philipp Wil-
helm alle Verantwortung ablehnte und erklärte: er wolle sich
nicht zwischen Hammer und Ambos bringen. Groissy stellte Span-
heim zur Rede: „Es ist eine unerhörte Sache, dafs eine Erbin
von der Bedeutung Madames das ihr Gehörige unter dem Vor-
* Bericht Fridags vom 3. Mai; U. u. A., XIV, 1285 ff. — Anonymer
Bericht aus Krossen, 17./27. April; K. "VV. v. Schöning, Q^n.-Feldm.
Hans Adam v. Schöning (Berlin 1837), S. 84 ff.
> Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Mandelsloh
u. Spanheim I April bis Juli 1686.
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 425
wände eines durchaus nichtigen und als solches von den übrigen
Vollstreckern anerkannten Testaments beraubt wird. Aber noch
seltsamer ist, dafs dieses Hindernis von einem Verbündeten
Frankreichs herrührt, ohne dafs sogar die Remonstrationen, die
deshalb Graf R6benac auf Befehl des Königs dagegen erhoben
hat, irgend eine Wirkung herbeigeführt hätten. Ich vermag
nicht hinreichend zu schildern, wie überrascht und ungehalten
der König hierüber ist. Es scheint, man ist recht froh, der
Welt diesen neuen Beweis von der geringen Achtung zu geben,
die man in Berlin für den einzigen Bruder des Königs und den
Anteil hegt, den Se. Maj. notwendigerweise an ihm nehmen mufs."
Erst nach langen Unterhandlungen kam es am 16. Mai zu einem
vorläufigen und am 12. Juli zum endgültigen Vergleichen zwischen
Mandelsloh und Morovas. Der Brandenburger erhielt das ge-
samte Medaillenkabinett Karl Ludwigs, die moskowitische Schale,
sowie für seine Ansprüche an die Erbschaft Friedrichs IV. zwei
Gemälde. Nunmehr konnten wenigstens die Mobilien den Fran-
zosen ausgeliefert werden.
Die Mifsstimmung , die aus dieser Angelegenheit in Paris
gegen den Kurfürsten zurückgeblieben war, wurde erhöht durch
die offenbare Begünstigung, die, auf ausdrücklichen Befehl seines
Herrn, Spanheim beharrlich den widerspenstigen Hugenotten
zuteil werden liefs. Er gab ihnen Geldunterstützung, nahm ihre
Effekten an sich, verbarg solche in seinem Hause, das ganz voll
hugenottischer Waren steckte, liefs sie selber zum Gottesdienste
in seiner Kapelle zu. Die französische Regierung war darüber
mit ihm in stetem Zerwürfnis und verhaftete die Franzosen, die
bei ihm verkehrten ^ Allein diese Zwistigkeiten waren immer-
hin untergeordneter Natur — viel wichtiger die Wahrnehmung,
die sich, trotz aller Bemühungen, das Geheimnis zu erhalten,
aus den offenkundigen Tatsachen den Ministern Ludwigs XIV.
aufdrängte, dafs Friedrich Wilhelm die ganze Richtung seiner
Politik in einem für Frankreich ungünstigen Sinne gewechselt
habe.
Sein Verhältnis zu Oranien wurde immer vertraulicher, und
auch die bisher auf französischer Seite stehende Kurfürstin
Dorothea ward für dessen Partei gewonnen, als ihr Wilhelm III.
* Ms. Korresp. Spanheims, 1686; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI,
Frankr. 24 C. — Vgl. Bourgeois, Spanheim, 3«8f.
426 Siebentes Buch.
die Nachfolge ihres Sohnes Philipp in seinen niederländischen
Würden in Aussicht stellte und den jungen Prinzen einlud, auf
einige Jahre nach dem Haag zu kommen, um sich dort mit
seinen zukünftigen Landsleuten vertraut zu machen. Kurfürst
und Oranier wurden indes mehr, als durch alle persönlichen
Gründe, durch ihre gemeinsame Besorgnis für die Zukunft des
Protestantismus verbunden, als dessen Vorkämpfer und haupt-
sächliche Stützen sie damals in ganz Europa betrachtet wurden.
Sie verabredeten eine Zusammenkunft in Kleve zu näherer per-
sönlicher Verständigung über den gemeinsam einzuschlagenden
Weg^
Inzwischen hatte sich der Kaiser auf Ansuchen der süd-
westlichen Reiehskreise dahin entschieden, das nunmehr zu
Ende gehende Laxenburger Bündnis durch eine neue, noch
intimere Allianz zu ersetzen. Sie wurde am 9. Juli 1686 zu
Augsburg von den Gesandten des Kaisers, der Krone Spanien,
Schwedens, Kurbayems, sowie des bayrischen Kreises, des fränki-
schen Kreises und der sächsischen Herzoge unterzeichnet. Der
oberrheinische Kreis und die Kurpfalz traten ihr binnen kurzem
gleichfalls bei: auf drei Jahre wurde sie geschlossen^.
Die Augsburger Allianz ist nie zur Ausführung gekommen ;
sie ist nur auf dem Papier geblieben und sofort nach ihrem Ab-
schlufs von ihren hervorragendsten Teilnehmern, besonders Max
Emanuel von Bayern, mit Gleichgültigkeit behandelt worden. Der
Gedanke eines Verteidigungsbündnisses einiger süd- und mittel-
deutschen Territorien mit zwei am äufsersten Ende Europas ge-
legenen und schon im Verfalle befindlichen Staaten war ein ganz
phantastischer. Allein die Augsburger Allianz ist dadurch be-
deutend geworden , dafs es Ludwig XIV. gefiel , in diesem
schwachen, überdies rein defensiven Bündnis den erhofften Vor-
wand zu finden y um sich als von Deutschland bedroht auszu-
geben und darauf mit einer Reihe neuer Gewalttaten zu ant-
worten. Er wollte hiermit das Reich zur Unterwerfung unter
seinen Willen nötigen, ehe des Kaisers Heer durch einen Frieden
mit den Türken gegen ihn verfügbar werde.
* d'Avaux, V, 185 ff. 145 f.
^ V. Zwiedineck-Südenhorst, Die Augsburger Allianz von 1686;
Arch. f. österr. Gesch., LXXVI (1890), S. Iff. — Fester, Die Augsburger
Allianz (München 1898).
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 427
Der Kurfürst von Brandenburg hat sich ebensowenig der
Augsburger Allianz angeschlossen, wie einst dem Laxenburger
Bündnis. Er erkannte ihre völlige Bedeutungslosigkeit und
hielt es für nutzlos, sich vorzeitig als offener Gegner Frank-
reichs hinzustellen. Damit hätte er jeden Einflurs auf dessen
Entschlüsse verscherzt, und die Last wie die Gefahr wären
hauptsächlich auf ihn gefallen. Aber seine Haltung auf dem
Regensburger Reichstage, wo er beständig auf schleunige und
starke Rüstung des Reiches drang und in allen Dingen für die
Vorschläge des Kaisers eintrat, liefs an seiner Parteistellung
keinen Zweifel. Die R6fugi^s in seiner Umgebung, zumal der
ihm längst vertraute Graf Beauvau d'Espence, reizten ihn un-
aufhörlich gegen Ludwig XIV. auf. Fuchs, den man als Meister
aller Angelegenheiten in Berlin betrachtete, machte gar kein
Hehl aus seiner Abneigung gegen Frankreich, das seinem Herrn
nicht wie einem Verbündeten, sondern wie einem Sklaven be-
gegne und trotz des Waffenstillstandes immer neue Gewalttaten
gegen die Verträge begehe. Der greise Herrscher selber be-
schwerte sich fortwährend in so bitteren Worten über die religiöse
Unduldsamkeit des Königs, der, gegen die ausdrücklichen Be-
stinunungen des Stillstandes von 1684, den Protestantismus in
den reunierten Ländern gänzlich zn unterdrücken bestrebt war,
dafs R^benac die stürmischen Audienzen durch schleunigen Ab-
schied zu verkürzen sich veranlafst sah. Dabei kam es vor,
dafs der kecke, die Deutschen höchlichst verachtende Südfranzose,
mit deutlichem Hinweise auf Fuchs und Anhalt, die Räte Friedrich
Wilhelms der Lüge und des Betruges zieh und ihm selbst mit
der Macht seines Königs drohte — worauf der Kurfürst äufserst
zornige Antwort gab (28. Juni 1686 *).
Überall arbeitete Friedrich Wilhelm gegen das französische
Interesse. Trotz aller Gegenvorstellungen des Kölner Kurfürsten
beharrte er darauf, die Stadt Köln durch brandenburgische Be-
satzung zu schützen; denn, sagte er dem an ihn abgesandten
Münsterer Komtur Schmising, er hege starken Verdacht, dafs
seines Herrn Vertrauter, der Bischof Fürstenberg von Strafsburg,
ebenso wie das Kurfürstentum auch die Stadt Köln den
^ Berichte Rebenacs bei Prutz, S. 318 ff., u. bei G. Pag^s, Les
r^fugi^s k Berlin (Bulletin de la Soci^t^ de l^hist. du Protestantisme
fran^ais, 1902), S. 1311.
428 Siebentes Buch.
Franzosen in die Händen spielen wolle , und das werde Branden-
burg nicht leiden. Er beklagte sich dem Komtur gegenüber
bitter Ober Frankreich und zumal Ober den Revers, den dieses
ihm abgeprefst: „Es ist doch schlimm, dafs Frankreich sich alles
erlauben darf und die übrigen sich nicht einmal beschweren
dürfen.^ Dem Strafsburger Bischöfe aber erklärte er offen:
„Ihr seit zu sehr Franzos, als dafs ich hoffen darf, Euch noch
je als guten Deutschen zu erfinden/ ^
Solche Vorgänge liefsen in Paris keinen Zweifel über die
wahren Ziele und Absichten Friedrich Wilhelms. Der König
befahl sowohl R6benac wie d'Avaux im Haag, auf alle Ver-
handlungen des Kurfürsten und seiner Minister genau Obacht
zu geben und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu ver-
hindern, dafs Brandenburg noch engere Verbindungen mit dem
Kaiser, Oranien und den Generalstaaten eingehe'.
Der König sah keinen Vorteil darin, mit dem Kurfürsten
sofort zu brechen; er und seine Staatsmänner „dissimulierten".
Man heuchelte von beiden Seiten wohlwollende Gesinnungen.
Inzwischen erhielt Ludwig allerorten die Streitigkeiten im
Gange, bis ihm der Augenblick gekommen schien, im Bunde mit
England, vielleicht auch mit Dänemark und den Lüneburgem,
gründliche Abrechnung mit allen seinen Gegnern zu halten,
jedenfalls sie zur Unterwerfung zu nötigen^. Groissy beklagte
sich bitter über das offenbare Einverständnis des Kurfürsten
mit dem Prinzen von Oranien, „dem schlimmsten Feinde
Frankreichs, und der ganz ausschliefslich darauf denke, es in
Krieg zu verwickeln, oder mit seinen Verbündeten zu verfeinden".
Ebenso beschwerte sich der Minister über die enge Verbindung
des Kurfürsten mit dem Kaiser, den er zum Schutze der Pfalz
mit den Schweden alliiert habe, und über die Haltung des branden-
burgischen Gesandten in Regensburg. Groissy ging so weit, den
Fürsten in demütigendster Weise zur Änderung seiner Befehle
für Regensburg nötigen zu wollen. Als Zwangsmittel benutzte
er die Einstellung der vertragsmäfsigen Subsidienzahlungen
1 Mb. Komtur Schmising an Kurf. Köln, Bielefeld 29. Aug. 1686;
Berlin, Geh. Staatearchiv, Rep. XLIV, IV H b, 10 o.
« d'Avaux, V, 153. — Prutz, 315.
^ Über das Folgende die Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim
(a. a« 0., 24 C), sowie B6benacs mit seinem Könige (B). — Vgl. Becueil
des Instructions, XVI, 227 Anm. 3.
Siebenundvierzigstee Kapitel. Augsburger Bund und Türkenlcrieg. 429
an Brandenburg, die doch nur zur Förderung von Frankreichs
Feinden und zur Unterstützung seiner desertierten Untertanen
— der R^fugiös — verwandt würden. Auch verweigerte man
hartnäckig die Herausgabe des beschlagnahmten kurfürstlichen
Schiffes „der Morian".
Allein diese Mittel verfingen nicht mehr. Friedrich Wilhelm
war zu schwer gereizt, auch jetzt des Beistandes des Kaisers,
der Niederlande und Schwedens allzu sicher, um sich noch
einmal der Schmach einer Unterwerfung, wie bei der „Deklaration^,
auszusetzen. Er antwortete am 16. Juli kühl abweisend : er habe
weder durch seine Anordnungen nach Regensburg wegen der Reichs-
rüstung noch sonst die mit Frankreich bestehenden Verträge im
mindesten verletzt noch zu begründetem Verdachte Anlafs gegeben.
Seine Versicherungen konnten, obschon sie die Miene der
gekränkten Unschuld annahmen, vor der Wucht der Tatsachen
nicht bestehen. Ehe noch jene Behauptungen in Paris vorge-
bracht wurden, hatte Spanheim am 17. Juli dem Könige in
persönlicher Audienz den öffentlichen „Satisfaktionsvertrag"
zwischen seinem Kurfürsten und dem Kaiser vorlegen müssen.
So sorgfältig in diesem auch die wirklich wichtigen Be-
stimmungen des geheimen Bündnisses zwischen Österreich
und Brandenburg ausgeschieden waren, er genügte, um Lud-
wig XIV. tief zu verstimmen. Der König bezeichnete ihn als
unvereinbar mit dem Bündnisse, das der Kurfürst mit ihm
selbst eingegangen sei. Er habe freilich nichts gegen eine
Unterstützung des Kaisers wider die Türkei einzuwenden ; allein
das Betragen des Wiener Hofes gegen ihn selbst sei derart,
dafs er jedes Einvernehmen mit diesem, zumal von Seiten eines
Alliierten, übel aufnehmen müsse, und zwar hier um so mehr,
als schon andere Mafsregeln des Kurfürsten ihm einen schlimmen
Eindruck gemacht hätten.
Der offene Bruch war augenscheinlich nur noch Sache der
ersten Gelegenheit.
Im Juli 1686 unternahm Friedrich Wilhelm nach mannig-
fachen störenden Zwistigkeiten in der Familie^ endlich die
Reise nach Kleve, die ihn mit Wilhelm von Oranien zusammen-
führen sollte ; am 30. des Monats traf er mit seiner Gattin und
dem Prinzen Philipp sowie mit den bedeutendsten der an seinem
> Prutz, 202£f.
430 Siebentes Buch.
Hofe beglaubigten Diplomaten in der niederrheinischen Grenz-
stadt ein. Vergebens hatte auf dem Wege der greise EurfOrst
von Köln noch einmal den Versuch gemacht, ihn durch Briefe
und Gesandte wieder auf seine und Frankreichs Seite zu ziehen.
Friedrich Wilhelm erwiderte, er werde sein dem Kaiser gegebenes
Fttrstenwort halten, dafs er, nach dem Abschlüsse des Waffenstill-
standes mit Frankreich , die militärische Sicherung des Reiches mit
allen Kräften betreiben werde. Demgemäfs ermahnte er auch den
durch die Franzosen eingeschachterten Kurfürsten von Trier zur
Standhaftigkeit , indem er ihm fest zusagte, er werde ihn bei
der ungekränkten Ausübung seiner Rechte wider alle seinem
Kurfürstentum „darüber zustehende unbillige Gewalt allemal
kräftigst zu manutenieren geflissen sein**.^ Ein frischer, kräftiger
Hauch durchweht gerade diese letzten Regierungsjahre des
Grofsen Kurfürsten, in denen man ihn neuerdings als einen
gebrochenen, geistesschwachen Greis darzustellen versucht.
Überall im Reiche erzählte man, er werde bald Frankreich den
Krieg erklären — und solche Volksmeinung war dem alten
Herrn gerade erfreulich*.
Wenige Tage nach seiner Ankunft in Kleve langt dort
auch Wilhelm von Oranien an (4. August), dem Friedrich Wilhelm
herzliche Zuneigung und grofse^ Vertrauen bewies. In viel-
stündigem Zusammensein unter vier Augen teilte er ihm seine
geheimsten Abmachungen mit dem Kaiser und Schweden mit,
zur höchsten Befriedigung seines Neffen. Oranien tat alles,
um die letzten Schwierigkeiten für die grofse europäische
Koalition, soweit sie Brandenburg betrafen, aus dem Wege zu
räumen. Er bat den Kurfürsten, seine Streitigkeiten mit Spanien
wegen der unbezahlten Subsidien auf billige Weise auszugleichen
und darauf mit diesem Staate wieder in freundschaftliche Be-
ziehungen zu treten ®. Und hier wurde der Grund zu dem welt-
geschichtlichen Unternehmen Wilhelms von Oranien zum Sturze
der Stuarts gelegt*.
Friedrich Wilhelm hatte stets gegen Jakob IL von England
Mifstrauen und Abneigung empfunden, ihn als Feind des Prote-
' Fester, 104f.
* Ms. Dep. R^benacs vom 18. Juli (B).
» U. u. A., XIV, 1310.
^ Das Folgende nach Ms. Korresp. des Kurf. mit Diest, Spaen u.
Beyer, Januar bis Mai 1686; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, England 9.
Siebenundyierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 431
stantismus uod der europäischen Freiheit betrachtet. Er war
darin scharfblickender und umsichtiger gewesen als Wilhelm
Ton Oranien, der sich im Beginne von Jakobs Regierung durch
dessen heuchlerische Versicherungen hatte täuschen lassen.
Während der Kurfürst gegen Ende 1685 ofiiziell versprochen
hatte, solche englische Rebellen, die sich im Klevischen vorfinden
würden, in Haft zu nehmen und dem Könige auszuliefern, hatte
er seinem Generalleutnant von Spaen und dem Vizekanzler
Beyer in Kleve wiederholt aufgetragen, solche Leute unter der
Hand von dem ihnen drohenden Schicksale in Kenntnis zu setzen
und zu sofortiger Flucht in aller Stille zu veranlassen. Diest
im Haag sollte von dem englischen Gesandten Skelton eine
Spezifikation der flüchtigen Rebellen verlangen, angeblich damit
man sich nicht an Unschuldigen vergreife. Tatsächlich wurde
Diest angewiesen, die Liste heimlich an Spaen zu übermitteln,
damit dieser „die Leute in Zeiten warnen könne, um sich aus
dem Staube zu machen*'. Der Kurfürst sah in diesen Flücht-
lingen vor allem Märtyrer des eifrigen Protestantismus. Diese
Engländer — ein Kapitän Wenner wird unter ihnen namentlich
aufgeführt — verstanden den Wink und entkamen rechtzeitig.
Als dann, im April 1686, ein Agent König Jakobs im Klevischen
erschien, um nachzuforschen, ob daselbst englische Rebellen sich
aufhielten, und ob sie vom Kurfürsten beschützt würden, fand
sich kein Verdächtiger dort vor, zur Genugtuung des englischen
Herrschers.
Die immer stärkere und auffallendere Begünstigung des
Katholizismus in England durch Jakob II. und dessen offen-
barer Wunsch, mit dem mächtigsten katholischen Monarchen
Europas, mit Ludwig XIV., durchaus freundschaftliche Be-
ziehungen aufrecht zu erhalten, wurden schliefslich auch in
Holland vermerkt und bewiesen, wie richtig der Brandenburger
die Sachlage beurteilt hatte. Selbst Wilhelm von Oranien
konnte sich der Einsicht nicht verschliefsen, dafs sein Schwieger-
vater mehr und mehr zu seinem und seiner Sache Gegner werde.
So näherte er sich der Auffassung des Kurfürsten von der Not-
wendigkeit, eine Landung in England behufs Herbeiführung un-
bestrittener Herrschaft des Protestantismus und einer franzosen-
feindlichen Politik vorzubereiten. Beide Fürsten schlössen in
Kleve einen Bund zur Unterstützung aller derjenigen Engländer,
432 Siebentes Buch.
die sich ihrem König entgegenstellen würden ^ Schon dieser
Umstand genügt, um die Zusammenkunft in Kleve während des
August 1686 zu einer ewig denkwürdigen zu machen. Selbst-
verständlich wurden die Verabredungen sorgfältig geheim ge-
halten. Allein seitdem wurden, in einer auch für Nicht-
eingeweihte offenbaren Weise, die Beziehungen zwischen der
Bepublik und der britischen Regierung sehr kühle, ja feind-
selige*.
Das vortreffliche Einvernehmen, in dem Friedrich Wilhelm
mit seinem Neffen von Oranien stand, drückte sich in dem Be-
suche aus, den er mit seiner Gemahlin dem holländischen- Feld-
lager auf der durch die Schlacht vom 14. August 1574 und den
Heldentod der beiden Nassau Ludwig und Heinrich berühmten
Mooker Heide abstattete. Wilhelm III. mit den höheren Offi-
zieren sprengte schon auf halbem Wege dem kurfürstlichen
Paare entgegen, das in offener Kalesche herbeifuhr. Der Prinz
ritt dann neben dem Schlage, den Hut in der Hand, das zahl-
reiche Gefolge trabte dem Wagen nach. An dem Jahrestage
der Schlacht hielt Wilhelm III. eine glänzende Heerschau über
die niederländischen Truppen, die künftigen Mitstreiter im Welt-
kampfe, ab. Neun Schwadronen Dragoner, dreiundzwanzig Schwa-
dronen schwerer Reiter, dreiunddreifsig Bataillone Infanterie de-
filierten hier vor dem Kurfürsten. Ein prächtiges Diner, von dem
die französischen Diplomaten demonstrativ ausgeschlossen wurden,
beendete den Tag". Herzliche Schreiben, die nachher ausgetauscht
wurden, bekräftigten das volle Einvernehmen der erlauchten Ver-
wandten. Es drückte sich auch in der Tatsache aus, dafs Prinz
Philipp von Brandenburg auf zwei Jahre nach dem Haag über-
siedelte.
Die Besprechungen in Kleve hatten gleichfalls die nordischen
Verhältnisse betroffen, die sich gerade damals zu einem gefähr-
lichen Streite zugespitzt hatten^.
' d'Avaux, V, 156. — Freilich, dafs, wie Pufendorf behauptet,
Schomberg an diesen Unterhandlungen in Kleve teilgenommen, u. zwar
im Aultrage der unzufriedenen engliachen Grofsen, ist imrichtig; O. Kl op p ,
IV, 230 f. t
> Ms. Berichte Diests vom Sept. u. Okt. 1686; Berlin, Geh. Staats-
archiv, Eep. XXXIV, 227 z.
* Ms. Depeschen R^benacs vom 8., 16. August (B).
^ S. über den Gottorpschen u. den Hamburgischen Streit: G all eis,
SiebentmdvierzigBtes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 433
Dänemark hatte aus dem französischen Bandnisse weit
größeren Nutzen gezogen als Brandenburg. Der Unterstützung
durch Frankreich gewifs, hatte es sich für die schweren, durch
Karl X. Oustavs Eroberungen ihm zugefügten Verluste schad-
los gehalten, indem es unter mancherlei Vorwänden den Herzog
Christian Albrecht von Holstein-Oottorp, trotz seiner nahen Ver-
wandtschaft mit dem schwedischen Königshause, aus dem ihm
gehörigen gröfseren Teile von Schleswig-Holstein vertrieb und
das reiche Gebiet annektierte (1684) — ganz nach dem berühmten
Muster der Reunionen. Dieser gelungene Gewaltstreich schärfte
dann den Appetit König Christians V. Im Sommer 1686, als
des Kaisers und der norddeutschen Fürsten beste Truppen fern
im Ungarlande vor Ofen lagen, als Kurbrandenburg auf ge-
spanntem Fuflse mit Frankreich stand, als Friedrich Wilhelm am
Niederrhein weilte, beschlofs er, einen alten Wunsch dänischen
Ehrgeizes durch Überrumpelung der gröfsten nordischen See-
stadt, Hamburgs, zu verwirklichen. Mit mehr denn 16 000 Mann
zog er am 29. August vor die Stadt, forderte Erbhuldigung und
die Aufnahme einer Besatzung : kurz, die Unterwerfung. Allein
die Hamburger waren keineswegs gewillt, sich darein zu schicken.
Sie wiesen den dänischen Agenten aus und besetzten die Wälle
mit Soldaten und bewaffneten Bürgern. Die Angriffe der Dänen
scheiterten mit grofsem Verluste an Mannschaft.
Schon im Winter und Frühjahr, als die Lüneburger Ham-
burg bedrohten, hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm sich seiner
angenommen, da er die reiche Handelsstadt, den einzigen Welt-
hafen im damaligen Deutschland, weder den Weifen noch den
Dänen zu überlassen Lust verspürte. Er hatte ihr damals zwei
Regimenter zu Hilfe gesandt, hatte auch durch Gesandtschaften
nach Wien und zu den Lüneburgem für sie gewirkt. Freilich,
als Frankreich die Gelegenheit benutzen wollte, um den Krieg
in Norddeutschland zu entzünden und damit dessen waffen-
mächtige Fürsten brachzulegen, als es deshalb Brandenburg
aufforderte, im Vereine mit Dänemark den Kampf gegen die
Lüneburger zu beginnen: da ging Friedrich Wilhelm nicht in
die ihm gestellte Falle, sondern bemühte sich, und zwar mit
Erfolg, die Angelegenheit gütlich beizulegen. Aber ebenso-
Gesch. Hamburgs, 11, 82ff. 40ff. 424ff.; Londorp, Bd. Xu, passim;
U. u. A., XIV, 1264«. 1311.
Philippson. Der Qrofse KarfQrst. UI. 28
434 Siebentes Buch.
wenig wollte er die Stadt den Dänen überantworten. Das
nordische Kriegsfeuer mufste vielmehr gedämpft werden, ehe es
zu verderblichem Brande emporlodern konnte. Noch von Kleve
aus hatte er den Kaiser um Unterstützung der Hansestadt an-
gerufen; Leopold I. setzte sofort die kaiserliche Autorität für
sie ein. Auf der Rückreise nach Berlin hatte Friedrich Wil-
helm eine Unterredung mit den Herzogen Georg Wilhelm von
Celle und Ernst August von Hannover, und in erfreulicher
Einigkeit beschlossen sie da gemeinsame Mafsregeln zur Ret-
tung Hamburgs ^ Der Kurfürst sandte zunächst Herrn von
Knesebeck an den Dänenkönig, um ihm dringend von einem
ferneren gewaltsamen Angriffe auf die Stadt abzuraten; er
mache, liefs er dem einstigen Freunde warnend sagen, keinen
Unterschied zwischen einem Bombardement Hamburgs und Ber-
lins'. Kräftiger konnte er seinen Anteil an dem Geschicke der
Hansestadt nicht ausdrücken.
1200 Mann cellischer Soldaten zogen schon am 31. August
in Hamburg ein, und zwei brandenburgische Regimenter, 1680
Mann, folgten ihnen alsbald. Weitere Truppen, sowohl lüne-
burgische wie brandenburgische, näherten sich zu gleichem
Zwecke der unteren Elbe: bald waren 7000 Mann fremder
Kriegshilfe in Hamburg vereint. Die kurfürstlichen General-
majore du Hamel und d'Espence -^ beide R6fugi6s — leiteten
die Verteidigungsarbeiten. So war die Stadt vor jedem Angriffe
gesichert. Auch Schweden, das schon um seiner Gebiete an
der unteren Weser willen ein Festsetzen der Dänen in Hamburg
nicht dulden konnte, ward von Friedrich Wilhelm um Unter-
stützung gebeten. Die Dänen sahen bald ein, dafs ihre Sache
verloren war, und enthielten sich fernerer Gewalttaten, die
ihnen nur selbst Unheil bringen konnten.
Es wäre jetzt für ihre Gegner ein leichtes gewesen, mit
vereinten Streitkräften das kleine dänische Heer, das ohnehin
durch Verluste vor dem Feinde, durch Krankheiten, Nahrungs-
mangel und Desertion bedeutend geschwächt war, zu vernichten.
Hamburger, Lüneburger, Gottorper, Schweden drängten eifrig
» Fester, 901. — U. u. A., XIV, 1312 ff. — Über das Folgende:
Prutz, 218; Fester, 92ff.; Gallois, 43ff.424ff.; Pufendorf, XIX,37ft
' Ms. Dep. R^benacs yom 2. Sept. (B). — Ms. Bidal an Louvoia,
6. Sept. (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XCIV, IV H b, 10 ß\
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 435
darauf hin: Dänemark sollte endgültig gedematigt werden.
Allein das gab Kurfürst Friedrieh Wilhelm nicht zu. Er
wünschte vor allem, dem Kriege im Norden ein sofortiges Ende
zu bereiten, damit nicht Frankreich inzwischen freie Hand er-
halte, sich des linken Rheinufers zu bemächtigen. Es wider-
strebte ihm, dafs die schwachen protestantischen Staaten sich
vollends untereinander zerfleischten und die katholischen in der
Welt die Meister spielten. Er gedachte auch keineswegs, dazu
beizutragen, dafs Schweden durch die Ausmerzung Dänemarks
seine überwiegende Stellung in Norddeutschland wiedererhalte.
Aus diesen Gründen fuhr er fort, durch Thomas von Knesebeck
den dänischen König zu gütlichem Abkommen zu ermahnen. Als
Christian V. Ausflüchte machte und seine kriegerischen An-
stalten weiterführte, schickte ihm der Kurfürst noch Herrn
von Schmettau und endlich seinen eigentlichen Vertrauten Fuchs
zu — ein Beweis, wie ernst er die Sache auffafste. In der Tat,
er nahm die dominierende Stellung unter den Verbündeten ein.
i,Gott,** schrieb Fuchs am 14. September 1686, „hat Euer Kurf.
Durchl. abermalen in die Hand gegeben, die Ruhe und Sicher-
heit des Reiches durch Dero hohe Autorität zu restabiliren und
zu befestigen, weil von Dero Resolution alles dependiren wird."
Friedrich Wilhelm wandte Ansehen und Einflufs lediglich
und ohne jede Nebenabsicht zu Gunsten des Friedens an. Er
weigerte sich, die schleswig-holsteinische Angelegenheit, wie
selbst die kurzsichtigen kaiserlichen Minister es wünschten, mit
der hamburgischen zu verquicken und dadurch den Krieg un-
vermeidlich zu machen; jene werde später gelöst und der
Herzog von Gottorp wieder eingesetzt werden, sobald der all-
gemeine Krieg gegen Frankreich ausgebrochen und dieses da-
durch der Möglichkeit beraubt sei, den Dänen Hilfe zu leisten —
wie es dann wirklich, allerdings erst nach Friedrich Wilhelms
Tode, eingetroffen ist. So baute man, auf des Kurfürsten Ein-
greifen, den Dänen eine goldene Brücke. Ihre Armee durfte
am 24. September ungestört den Rückzug antreten. Am 2. No-
vember kam dann zwischen Christian V. und Hamburg ein Ver-
gleich zu Stande, nach dem die Stadt 300 000 Taler Kriegskosten
zahlte, sonst aber der Pinneberger Vertrag, der ihre Reichs-
freiheit aufrecht erhalten hatte, bestätigt wurde. Friedrich
Wilhelm sorgte auch durch seine dringende Verwendung dafür,
dafs die Bestrafung der Parteigänger Dänemarks in Hamburg
28*
486 Siebentes Buch.
gemildert ward. Er hielt mit ebenso scharfen wie edlen Worten
die Rachsucht des oligarchischen Rates in Schranken, der diese
Gelegenheit hatte benutzen wollen, um alle seine demokratischen
Gegner aus dem Wege zu rftumen.
Der glückliche und versöhnliche Ausgang des bedrohlichen
Zwistes war nur der mit Tatkraft verbundenen Weisheit und
Mäfsigung des Grofsen Kurfürsten zu danken.
Ähnlich war seine Haltung in der Pf&lzer Angelegenheit
Sie hatte von neuem eine bedenkliche Wendung genommen, als
der Papst den Kurfürsten Philipp Wilhelm ernstlich zur An-
nahme seiner Vermittlung ermahnte und Ludwig XIV. diese
Aufforderung durch Drohungen mit sofortiger Anwendung von
Gewalt unterstütztet Erschreckt flehte Philipp Wilhelm bei
den Reichsfürsten um Hilfe gegen Frankreichs drohenden An-
griff; als erster hat ihm da der Brandenburger 500 Mann ver-
sprochen, und zwar auf eigene Kosten, so dafs der PfMzer den
Truppen nur Quartier und Brot zu geben nötig habe. Darüber
schlofs man am 13. September 1686 einen Vertrag*. Allein
Friedrich Wilhelm zog abermals die friedlichen Wege vor und
begünstigte, um Schlimmeres zu vermeiden, die Vermittlung durch
den Papst, die dann auch vom Kaiser und von Kurpfalz im
Prinzip angenommen wurde. Damit war auch hier der Aus-
bruch von Feindseligkeiten einstweilen vermieden.
Anderseits hat damals Ludwig XIV. den Kurfürsten wegen
der Stadt Köln beruhigt, deren Besetzung aufserhalb der Inter-
essen und Absichten Frankreichs liege, das überhaupt nur den
Frieden wolle*.
Die Dinge liefsen sich also hoffnungsvoller an, als plötzlich
eine Nachricht erscholl, die ganz Europa auf das tiefste erregte
und dann diejenigen Ereignisse zur Folge hatte, die kaum zwei
Jahre später zum Ausbruche des grofsen Koalitionskrieges ge-
führt haben*.
^ Immich, Innocenz XI., 50 ff.
* Unterhandlungen: Ms. Korresp. des Kurf. u. Mandelslohs vom
Aug. u. Sept. 1686.— Der Vertrag: MÖrner, 492f.
" Ms. Ludwig an B^benao, 12. Sept. (6).
^ Über das Folgende sehe man: Ferd. v. Zieglauer, Die Be-
freiung Ofens V. d. Türkenlierrscliaft (Innsbruck 1886); K. W. y. SchÖning,
Gen.-Feldm. v. Schöning; F. W. v. BarfUs-Falkenberg, H. A. Graf
V. Barfus, Kgl. Preufs. Gen.-Feldmarschall (Berlin 1859). S. 4 ff, 36 ff.
Siebentmdvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 437
Der kaiserliche Kriegsrat hatte nach langwierigen Beratungen
über den Kriegsplan für den Sommer 1686 die kühne Absicht
gefafst, die Hauptstadt und stärkste Festung der Türken in
Ungarn, Ofen, zu belagern. Die eigentliche Feste, die Ober-
stadt Ofen, war nicht allein durch eine von Rondells flankierte,
meist doppelte Umfassungsmauer, sondern auch durch ihre Lage
auf einem steil sich über die Donau erhebenden und 150 Meter
hohen Berge gesichert. Niedriger lagen die Vorstädte, die zum
Teile auch befestigt waren. Die Besatzung zählte kaum yier-
tausend Mann regulärer Truppen, die freilich noch von zwei-
bis dreitausend bewaffneten Einwohnern unterstützt wurden ; die
Schwäche der Garnison wurde einigermafsen ergänzt durch die
Menge von 215 Geschützen, über die sie verfügte. Am 20. Juni 1686
erschienen Herzog Karl von Lothringen und Kurfürst Max Emanuel
von Bayern mit mehr als 44000 Streitern vor der Stadt. Am
30. Juni stiefsen 4000 schwäbische Kreisvölker, am 3. Juli das
mehr als doppelt so starke brandenburgische Korps zu den
Belagerern.
Diese letztere Truppe bestand aus zehn Bataillonen Infanterie,
zwei Reiter- und einem Dragonerregiment, alles treffliche Leute,
auf das sorgsamste ausgerüstet und von einem ungewöhnlich
zahlreichen Offizierkorps geführt. Den Oberbefehl hatte der
ehrgeizige, kluge, aber auch selbstsüchtige und listige Hans
Adam von Schöning inne, der, erst fünfundvierzig Jahre alt, der
jüngste brandenburgische Generalleutnant, in der Vollkraft der
Jahre stand. Unter ihm befehligte Generalmajor von Barfus,
sein zukünftiger Gegner, der zum Range eines preufsischen General-
feldmarschalls aufzusteigen bestimmt war. Die Brandenburger
rückten auf die linke Flanke der kaiserlichen Einschliefsungs-
linie und hatten das dritte Rondell der Nordfront sowie die be-
nachbarte Kurtine anzugreifen.
Die Türken wehrten sich mit bewundernswerter Tapferkeit
und Zähigkeit gegen die ungeheure Übermacht der Feinde und
unternahmen sogar zahlreiche Ausfälle, deren einer die Branden-
burger schon am zweiten Tage nach ihrer Ankunft schwer traf;
hier fiel auch ein Sohn des Feldmarschalls Derfflinger. Jede
Nacht erlitten die Truppen in den Laufgräben Verluste durch
das wohlgezielte Geschützfeuer der Osmanen. Am 13. Juli hielt
Lothringen die Breschen der Nordfront für praktikabel und be-
fahl den Sturm. - Er wurde unter furchtbarem Blutvergiefsen
438 Siebentes Buch.
abgewiesen. Die Brandenburger, unter Generalmajor von
Marwitz und dem Prinzen von Kurland, des Kurfürsten Neffen,
retteten dabei ihre kaiserlichen Nachbarn vor Vernichtung, in-
dem sie den Ausfall der Türken auf die in panischem Schrecken
Fliehenden mit vieler Tapferkeit, aber auch unter grofsen Ver-
lusten, unter denen sich Oberst Karl Emil Graf von Dohna be-
fand, zurückschlugen. Glücklicher fiel ein zweiter Angriff aus,
am 27. Juli. Die Brandenburger erstürmten hier, trotz furcht-
barer, wilder Gegenwehr, das mittlere von den drei westlich
vom Wiener Tore gelegenen Rondells. Allein sie verloren dabei
nicht weniger als vierzig Offiziere und 446 Unteroffiziere und
Gemeine. Der Herzog von Lothringen fand sich bewogen, am
Tage nach dem Kampfe den Kurfürsten wegen der ruhmvollen
Tapferkeit seiner Truppen und besonders wegen des Mutes und
der Fähigkeiten ihres Führers Schöning zu beglückwünschen.
Der Oberbefehlshaber umarmte und küfste den brandenburgi-
schen Generalleutnant und alle höheren Offiziere unter innigen
Danksagungen. Allein diese Ehrungen vermochten den Kur-
fürsten nicht über die ungeheuren Verluste seiner braven Truppen,
von denen namentlich die Infanterie fast die Hälfte ihres Be-
standes einbüfste, sowie über den Tod so vieler ausgezeichneter
Offiziere, wie des Grafen Dietrich , Bruders des am 13. Juli ge-
fallenen Karl Emil von Dohna, und seines eigenen zärtlich ge-
liebten Neffen Alexander von Kurland, zu trösten. Seine Ver-
stimmung war so grofs, dafs sie ihn zu dem ganz unbegründeten
Verdachte verleitete, man opfere seine Soldaten absichtlich, als
Ketzer, an denen nicht viel gelegen sei^.
Die Brandenburger, obwohl an Zahl zusammengeschmolzen,
fuhren fort, sich vor Ofen auszuzeichnen. Während die Kaiser-
lichen bei einem Sturme am 3. August abermals eine Nieder-
lage erlitten, brachten die Brandenburger unter Barfus das
dritte Rondell vor dem Wiener Tore in ihre Gewalt, so dafs
seitdem die ganze Nordseite der ersten Mauer im Besitze der
Belagerer war.
Freilich rückte nun der Grofswesir Suleiman Pascha mit
40000 Mann zum Entsätze der Feste und ihrer heldenhaften
Verteidiger heran. Allein die Belagerer erhielten gleichfalls
namhaften Zuzug. Sie umgaben sich nach aufsen mit einem
* U. u. A., XIV, 1313. — Prutz, 318.
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 439
Walle lind erwehrten sich der Truppen des Grofswesirs. Bei
einem dieser Gefechte, am 29. August, zeichnete sich Schöning
von neuem aus, indem er persönlich an der Spitze von nur vier
Schwadronen die Janitscharen zersprengte und Lothringen aus
der Gefahr der Gefangenschaft errettete. Der Obergeneral sandte
dem Kurfürsten ein abermaliges Glückwunschschreiben , das um
so wärmer ausfiel , je mehr der Verfasser selbst den wackeren
Brandenburgern verdankte.
Endlich, nach zweiutideinhalbmonatiger Blutarbeit, konnte
— am 2. September 1686 — der Hauptsturm auf die zweite Um-
fassungsmauer stattfinden. Den schwersten Kampf hatten die
Brandenburger zu bestehen, auf der linken Flanke des Angriffes
auf die Nordfront der zweiten Mauer. Aber Schöning, allen
Seinigen voran, führte sie zum Siege und betrat als einer der
ersten die Stadt. Hier warf sich der greise Festungskommandant
Abd-er-Rachmftn selber mit seinen besten Kriegern den Ein-
dringenden entgegen, die nur über die Leichen dieser Tapferen
bis zum Schlosse vordrangen; seine Einnahme beendete die
Belagerung Ofens.
Sie hatte die Brandenburger 91 Offiziere und 3074 Unter-
offiziere und Gemeine an Toten, Verwundeten und Kranken ge-
kostet — zwei Fünftel des ganzen Korps ! Da das ganze kaiserliche
Heer mit seinen 66000 Mann nur 10000, also fünfzehn Prozent,
verlor, so wird ersichtlich, wie sehr die Brandenburger in den
Kämpfen um Ofen den blutigen Ehrenplatz erhalten hatten.
Von allen Seiten — dem Kaiser, dessen Obergeneral und
Ministem — erhielt der Kurfürst lebhafte Glückwünsche wegen
des Heldenmutes seiner Truppen und wegen des hervorragenden,
ja, entscheidenden Anteils, den sie an dem grofsen Erfolge
genommen hatten. Er sprach selber den Braven, und zwar den
Gemeinen ebensogut wie den Offizieren, seinen kriegsherrlichen
innigen Dank aus. Er liefs eine Münze prftgen, die zwei St&dte-
bilder, übereinander und durch einen Strom getrennt, aufweist:
Hamburg und Buda (Ofen). Ueber jener Stadt steht: Defen-
dimus illam, über dieser Hanc cepimus^. Eine in der
Tat rühmliche Zusammenstellung dessen, was Brandenburg in
diesem Sommer geleistet hatte. Allein über dem Ruhmesglänze
vergafs Friedrich Wilhelm nicht der Leiden und Verluste seines
> Seyler, 222.
440 Siebentes Buch.
tapferen Feldheeres. Er forderte vom Kaiser, der solches alsbald
zu neuen Kämpfen in Bewegung setzen wollte, seine Rfickkehr,
die Leopold auch bewilligen mufste. Zu der Verstimmung des
Kurfürsten hatte vor allen Generalleutnant von SchOning beige-
tragen. Er hatte von Röbenae eine ^Gi^tifikation*' von 3000
Talern und das Versprechen weiterer Gaben nach dem Ende
des Feldzuges erhalten. Dafür hatte er sich schon im Februar 1686
— also ein Vierteljahr vor dem Beginne des Marsches nach
Ungarn — verpflichtet, recht lebhafte Klage über die Behand-
lung des brandenburgischen Hilfskorps durch den Kaiser zu er-
heben, damit der Kurfürst aus der ungarischen Expedition all
das Mifsvergnügen gegen den Kaiser schöpfe, das die Franzosen
ihm einzuflöfsen wünschten. Er entsprach seiner Zusage voll-
kommen. Seine Beschwerden über die seinem Korps widerfahrende
Behandlung waren so best&ndig und so stark, dafb der Kurfürst
durch sie in lebhaften Zorn versetzt wurde und deshalb dem
kaiserlichen Gesandten heftige Szenen bereitete. Schliefslieh
wies Schöning, um seiner Rolle treu zu bleiben, ein ansehn-
liches kaiserliches Gnadengeschenk in ostentativer Weise zurück \
Allein diese Mifshelligkeiten konnten die allgemeine Freude
Europas — mit Ausnahme des französischen Hofes — über den
neuen glänzenden Erfolg der christlichen Waffen nicht trüben. Die
Eroberung Ofens im Angesichte eines starken türkischen Heeres, das
nicht einmal einen ernstlichen Entsatzversuch wagte, bewies un-
widersprechlich den Niedergang derOsmanen, die Überlegenheit des
Kaisertums. Die Befreiung ganz Ungarns aus der Gewalt der ungläu-
bigen Barbaren war damit entschieden, — wie denn schon in den
folgenden Wochen eine Reihe der festesten Stützpunkte der Türken
den Kaiserlichen in die Hände fiel. Lauter Jubel durchbrauste die
gesamte Christenheit, als deren Führer und Vorkämpfer der deutsche
Kaiser wieder, nach mehr denn vier Jahrhunderten, erschien.
Leopold I., die deutschen Habsburger erfreuten sich nunmehr
einer zuvor nie gekannten Volkstümlichkeit und Hochachtung,
während ihr bislang so mächtiger Nebenbuhler, Ludwig XIV.,
allgemein mit einer mit Furcht gemischten Abneigung, ja Hars
betrachtet wurde. Er erfocht Siege nur auf Kosten der Christen,
' Die andauernde verräterische Verbindung Scbönings mit den
Franzosen, die bisher unbekannt war, wird erwiesen durch die Ms. Depeschen
Eöbenacs vom 5. Febr., 4. Mai, 8. Juni, 2. Aug. 1686 (B).
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 441
des Friedens des Weltteils, w&hrend Österreich als Verfechter
des Glaubens und der Kultur gegen deren Todfeinde sich be-
währte« So hat der Ofener Sieg dazu beigetragen, die allge-
meine Koalition gegen Frankreich zu stände zu bringen.
Ludwig XIY. aber empfand ihn mit gutem Grunde als eine
eigene Niederlage. Er durfte dem Kaiser nicht die Zeit lassen,
neue Erfolge zu erfechten, neuen Ruhm zu ernten, neue Länder
zu erwerben und endlich die Pforte zu einem verlustreichen
Frieden zu zwingen, damit Leopold dann mit zahlreichen, ab-
gehärteten und kampfgewöhnten Soldaten, mit dem ganzen
Glänze seiner volkstümlichen Lorbeeren Europa um sich schare,
gegen Frankreich. Entweder mufsten Kaiser und Reich den
WaSenstillstand in einen förmlichen Frieden verwandeln, dadurch
die reunierten Gebiete endgültig an Frankreich abtreten und
zugleich demütig dessen Überlegenheit, selbst nach den Siegen
über die Türken, anerkennen, — oder der König murste sie
durch beständige Kränkungen und Gewalttaten zu sofortigem
Kriege reizen, der, bei der Unabkömnüichkeit der kaiserlichen
Truppen in Ungarn und bei der Unfertigkeit der Koalition, ihm noch
alle Wahrscheinlichkeit des Sieges gewährte. Um sich aber bei
seinen Übergriffen den Schein des Rechtes zu geben, wandte
Ludwig den höchst geschickten Schachzug an, die armselige, ja
lächerliche Augsburger Allianz als eine Beleidigung, eine
Drohung, eine furchtbare Gefahr für Frankreich hinzustellen,
das durch sie zu schleunigen und durchgreifenden Gegenmafs-
regeln sich genötigt sehe.
Am 20. September überschritt der Intendant des Elsasses,
la Grange, mit mehreren tausend Soldaten und Handwerkern
die Rheinbrücke bei Hüuingen und begann auf dem rechten
Flufsufer, auf baden-durlachschem Gebiete, die Erbauung eines
Forts, das den Franzosen als Brückenkopf, als Ausfallstor gegen
das Reich dienen sollte. Es war das eine um so schnödere
Rechtsverletzung, als der Friede von Münster ausdrücklich die
Anlegung von Befestigungen auf dem rectiten Rheinufer, von
Basel bis Philippsburg, allen beteiligten Staaten untersagte.
Niemand aber trat dieser kecken Gewalttat entgegen als der
von Lörrach herbeieilende badische Amtmann, der sich selbst-
verständlich mit einem wirkungslosen Protest begnügen mufste.
Die angeblich so furchtbaren Augsburger Verbündeten wagten
nicht, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.
442 Siebentes Buch.
Vergebens tat Friedrich Wilhelm von Brandenburg in
Paris ernste und häufig wiederholte Vorstellungen. Groissy er-
widerte, dafs die Mafsregel durch die feindselige Haltung des
Kaisers und die Augsburger Allianz notwendig gemacht sei
Der König werde das Fort festhalten und schützen, jede Sendung
von Reichstruppen nach Schwaben als Kriegsfall betrachten und
dann durch eigenen Angriff den Kampf eröffiien. Ja , Ludwig
trieb die Anmafsung so weit, Brandenburgs Beistand bei der
Behauptung des Hüninger Brückenkopfes zu fordern '.
Der Kurfürst befand sich in der peinlichsten Lage. Er
empfand mit kochendem Ingrimm die Schmach, die dem Reiche
abermals durch diesen Festungsbau, diesen „Friedensbmch'',
diese ,,Invasion^ zugefügt wurde '. Mit Güte konnte er in Paris
nichts mehr ausrichten. Er stand dort sehr schlecht ange-
schrieben; man zweifelte nicht mehr daran, ihn allerorten, und
zumal in Kriegszeiten, unter den Feinden Frankreichs zu er-
blicken^. Seine Reklamationen wegen des gekaperten Schiffes
„Der Morian** hatten noch keine Erhör ung gefunden, — ein
deutlicher Beweis, wie wenig man ihm wohlwollte. Den Krieg
mit Frankreich zu führen, hielt er aber für den Augenblick
noch nicht für möglich; da auf England nicht zu zählen sei,
müsse man zuvor mit den Türken Frieden schliefsen. Hierzu
riet er in Wien mit dem gröfsten Eifer ^. Er wufste, dafs der
Pfälzer Kurfürst auf seinen Schwiegersohn, den Kaiser, beträcht-
lichen Einflufs übe ; deshalb legte er auch Philipp Wilhelm dar,
dafs das Reich vor weiteren Verlusten im Westen nur geschützt
werden könne, wenn Leopold den Kampf gegen die tief ge-
demütigten und für die nächste Zukunft ungefährlichen Osmanen
einstelle. Der Pfillzer, dem für seine eigenen Lande bange war,
trat wirklich bei Leopold eifrig für den Frieden ein ; und ebenso
die Holländer". Es war alles vergeblich. Die Ausdehnung der
habsburgischen Herrschaft über die Donauländer erschien den
österreichischen Staatslenkern wichtiger als die Verteidigung
des Rheins: eine Ansicht, die von partikularistischem Stand-
^ Ms. Spanheim an Kurf., 4., 10., 19. Okt. — Ms. Korresp. Lud-
wig XIV. mit R^benac, Okt. 1686 (B).
' Kurf. an Gk)ttfr. v. Jena, 9., 19. Nov. 1686; Fester, 164.
' Ms. Spanheim, a. a. 0.
^ Ms. Kurf. an Spanheim, 7./17. Nov.
" Immich, Innocenz XI., 54.
Siebenundvierzigstes Kapitel» Augsburger Bimd und TOrkenkrieg. 443
punkte aus vielleicht richtig war, die aber das Reich zur Macht-
losigkeit verdammte und den Franzosen den Weg zu immer
neuen Yergewaltigungen eröfihete. Der habsburgische Kaiser
kannte dem Reiche gegenüber nur Rechte und Ansprüche; seiner
Pflichten gegen dieses ist er nicht eingedenk gewesen.
Diese partikularen Anschauungen gaben auch die Richt-
schnur, nach der Österreich den Brandenburger behandelte, nach
Abschlufs des Bündnisses ebensogut wie vorher, ohne jede Rück-
sicht auf die dreitausend brandenburgischen Krieger, die zu
Gunsten Österreichs auf den blutgetränkten Gefilden vor Ofen
gefallen waren« Wie kränkend verfuhr der Kaiser bei der Aus-
zahlung der Subsidien, die er unter allerlei Vorwänden be-
schnitt, bei der Marschrichtung und Einquartierung des zurück-
kehrenden brandenburgischen Korps ! Schöning benutzte selbst-
verständlich diese Vorgänge, seinen um das Wohl und den
Bestand seines Heeres innig besorgten Herrn aufs heftigste in
Harnisch zu bringen'. Endlich suchte Leopold vor allem dem
Kurfürsten den einzigen bleibenden Lohn für seine politische
und militärische Unterstützung des Reichsoberhauptes, die
Anwartschaft auf Ostfriesland, zu rauben. Er hatte ihn schon
um Schwiebus betrogen, heimlich; jetzt bemühte er sich mit
ganz offenbaren Machinationen, ihm Ostfriesland zu entziehen'.
Die Liechtensteinsche Schuldforderung an Ostfriesland, die
der Kaiser in seinem jüngsten Bündnisvertrage mit dem Kur-
fürsten diesem hatte zedieren lassen, war auf Greetsyl und Har-
lingerland hypotheziert. Da die fürstliche Familie aufser stände
war, die Schuld jemals abzutragen, gerieten jene Gebietsteile in
brandenburgischen Pfandbesitz. Friedrich Wilhelm liefs dort in
der Tat Steuern und sonstige Gefälle, behufs Deckung der Schuld-
zinsen, zu seiner eigenen Kasse abführen, wogegen die Fürstin-
Regentin Verwahrung einlegte. Der Kaiser erkannte wohl, dafs
der Kurfürst allmählich die verpfändeten Gebiete der branden-
burgischen Verwaltung zu unterwerfen gedenke ; und um das zu
verhüten, erbot er sich, obwohl er sonst immer ob seiner bitteren
Geldnot klagte, den Betrag der Liechtensteinschen Schuld,
SOOOOOGulden rheinisch nebst 60 000 Gulden rückständiger Zinsen,
^ Ms. Depeschen B^benacs vom Dez. 1686 (B).
• Das Folgende nach den Akten in den U. u. A., XIV, 1308 ff., so-
wie nach Wiarda, VI, 258 ff .
444 Siebentes Buch.
dem Kurfürsten auszuzahlen. Er trat hiermit in um so schärferen
Gegensatz zu Friedrich Wilhelm, als dieser vor Abscblurs seines
Vertrages mit Leopold ausdrücklich und bestimmt erkl&rt hatte :
nicht um das Geld, sondern um das Land sei es ihm zu tun.
Vergebens warnte Fridag : ein solches Verfahren werde den Kur*
fürsten auf das schwerste reizen; auch werde «anyetzo post
ratificatos ex omni parte tractatus, ohne Hazardirung
£w. Maj. allerhöchstes Respectes, diese immutatio sich
nicht praktisiren lassen*^. Vergebens weigerte sich Friedrich
Wilhelm der Neuerung. Leopold bestand auf seinem Ton Übel-
wollen eingegebenen und der Vertragstreue gänzlich zuwider^
laufenden Verlangen. Es liefs die Liechtensteinschen Erben, ge-i
horsame österreichische Edelleute, auf dem Plane erscheinen,
um gegen jede Zession der Schuld zu protestieren und solche
als ungültig zu bezeichnen. Damit wurde der Kaiser „ge-
zwungen**, anstatt der Schuld die entsprechende Geldsumme
dem Kurfürsten zu überlassen. Der Wiener Reichshofrat, ein
gefügiges Werkzeug der kaiserlichen Minister, nahm sich jener
gekränkten Erben an und bedrohte jede auf der Zession fufsende
Handlung mit einer ,, Strafe von fünfzig Mark lötigen Goldes*.
So dankte, vom Beginne an, das Haus Österreich die wich-
tigen politischen und militärischen Dienste, die ihm die branden-
burgischen Hohenzollern leisteten. Mit List und mit Gewalt
entzog man ihnen den versprochenen Lohn, auch wenn er den
Kaiser selbst nichts kostete. Im Norden Deutschlands sollte eben
keine starke protestantische Macht entstehen.
Es gehörte die tiefe Einsicht, das weltumfassende Urteil
und die feste Willenskraft Friedrich Wilhelms dazu, dafs er
nicht von diesem ihm stets feindlich gesinnten, unfreundlichen,
undankbaren Habsburger wieder zu Frankreich übertrat, das ihn
gerade damals in jeder Weise umschmeichelte, alles tat, um ihn
für sich zu gewinnen. Da der Kurfürst sich von den Drohungen
und Beeinträchtigungen seitens der Franzosen nicht hatte zur
Unterwerfung schrecken lassen, versuchten sie es mit Lockungen
und Freundlichkeiten. Sie boten ihm eine beträchtliche Ver-
mehrung der Subsidien, ja das Schiedsrichteramt bei allen Ver-
handlungen, die sich an den Waifenstillstand des Jahres 1684
knüpfen würden. Sie zahlten ihm aus den seit Monaten zurück-
gehaltenen Hilfsgeldern 125000 Livres aus und stellten ihm
nicht allein den ,,Morian^ zurück, sondern gaben ihm als Ent-
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 445
sehftdigung für dessen Beschlagnahme noch 20 000 Livres. Kurz,
der frohere Hochmut des Königs Brandenburg gegenüber hatte
sich in f&rmliche , Bassesse" verwandelt, — so sehr erkannte er
in dem Kurfürsten den Eckstein der sich langsam gegen ihn
bildenden europftischen Koalition V
Friedrich Wilhelm hatte noch besondere Gründe, einstweilen
Frankreich nicht herauszufordern. Trotz aller offiziellen Ab-
leugnungen gingen die Verhandlungen wegen eines Bündnisses
zwischen den Lüneburgem und Frankreich immer weiter: es war
zur Lahmlegung Brandenburgs bestimmt'. Dieses stand, nach
kurzer Aussöhnung, wieder feindlicher mit den Weifen denn je.
Als Georg Wilhelm von Gelle die mecklenburgischen Stände
um Gewfthrung von Quartieren für einen Teil seiner Truppen
anging, drohte der Kurfürst den Ständen, er werde ihnen für
jeden braunschweigischen Soldaten, den sie aufnähmen, zehn
brandenburgische auf den Hals schicken'. Mit Hannover stritt
er sieh heftig wegen der Herrschaft Gartow an der Elbe, die
jenes als Lehen, der Kurfürst aber als Besitzung des Johanniter-
Heermeistertums in Anspruch nahm; er legte Besatzung hinein
und stationierte auf dem Strome ein bewa£Fhetes Schiff, um
seine Eigentumsrechte erforderlichenfalls mit Gewalt zu ver-
teidigen^. So bildete das Haus Lüneburg für ihn eine sehr
unbequeme Nachbarschaft, — wenn er sich nicht mit Frankreich
gut stellte.
Bedenkliche Nachrichten kamen aus Süddeutschland, aus
dessen einzigem waffenmächtigem Staate, Bayern. Kurfürst
Maximilian IL hatte mit grofser Opferwilligkeit t^eit Jahren für
den Kaiser in Ungarn gekämpft. Allein er wurde sehr unzu-
frieden, als Leopold, aus Eifersucht gegen die Bedeutung Bayerns,
ihn weder gegen die Türken noch selbst bei dem augsburgi-
Bchen, einstweilen nur auf dem Papiere vorhandenen Bundes-
heere mit dem Oberbefehle betraute. Die Mifsstimmung des
jungen Fürsten wurde noch durch eine Herzensangelegenheit
gesteigert. Er hegte gegen seine Gemahlin Marie Antonia, die
* Mb. Berichte Spanheima vom Jan. 1687. — U. u. A., XIV, 1316.
1326. 1329. 1335. — I mm ich, Orleansscher Krieg, 136.
* Kurf. an Spanheim, 8./18. Jan. 1687; Berlin, Geh. Staatsarchiv,
XI, Frankr. 25.
» Prutz, 323.
* Londorp, Xni, 126 ff.
446 Siebentes Buch.
Tochter Leopolds I., heftige Abneigung und empfand um so leiden-
schaftlichere Liebe zu der Gattin des kaiserlichen Gesandten in
München, Maria Eleonore Gr&fin Kaunitz. Ebendeshalb berief
der Kaiser den Grafen Kaunitz von München ab und schickte
ihn nach England. Diese Umstände benutzte der Vertreter
Frankreichs, der — später mit so hohem militärischem Ruhme
umkleidete — Marquis von Villars, um den bayrischen Kurfürsten
mit allen Mitteln der Intrige und grofsen Verheifsungen zum
Übertritte zur französischen Partei anzulockend
Ludwig XIV. wünschte dringend, seine Reunionen sicher-
zustellen , ehe der Kaiser durch Friedensschlufs mit den Türken
die Verfügung über sein ganzes Heer wiedererlangt habe. Ein
solches Bestreben war gerechtfertigt, und Leopold I. fand sich
tatsächlich bereit, auf einen Traktat einzugehen, der, auf Grund
des Waffenstillstandes und für dessen Dauer, also noch auf bei-
nahe zwei Jahrzehnte hinaus, die Grenzen zwischen Frankreich
und Deutschland genau festlege. Auch Friedrich Wilhelm war,
um jede kriegerische Verwicklung zu vermeiden, mit der Auf-
richtung eines solchen „Grenztractates'' durchaus einverstanden '.
Allein dies genügte dem Könige nicht: das Reich sollte seine
Schwäche und Demütigung durch Abschlufs eines förmlichen
Friedens besiegeln, der doch Frankreich keineswegs verhindert,
sondern vielmehr noch stärker ermutigt hätte, unter den mannig-
fachsten Vorwänden neue Gewalttaten auf Kosten Deutschlands zu
begehen. Einen Vorgeschmack solcher Zukunft erhielt man da-
mals, wo, auf Veranlassung seines Bruders, des Königs, Herzog
Philipp von Orleans seine gänzlich phantastischen Ansprüche
auf das Fürstentum Simmern, die Grafschaft Sponheim, die
Städte Kaiserslautern und Oppenheim^ sowie auf eine bedeutende
Geldsumme aus der Pfälzer Erbschaft erneute^. Derartige Forde-
rungen, deren Vergeblichkeit ja zweifellos war, sollten offenbar
nur dazu dienen, Frankreich immer einen Grund zum Bruche
jedes Friedensvertrages offenzuhalten. Und doch war es ge-
willt, den formellen Abschlufs eines solchen nötigenfalls mit Ge-
walt zu ertrotzen. Ludwig XIV. erging sich in drohenden Reden,
seine östlichen Grenzprovinzen füllten sich mit Soldaten, und
» Rec. des Instr., VII, 82 ff.
• Ms. Kurf. an Spanheim, 8./18. Jan. 1687.
' Im mich, Orleansscher Krieg, 142 ff.
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 447
plötzlich erbaute er auf pfälzischem Boden, bei Giesenheim, in
der Nähe und zur Bedrohung der Reichsfestung Philippsburg,
ein neues Fort, dessen Werke sich auch auf die benachbarte,
gleichfalls deutsche Rheininsel ausdehnten. „Ich kenne den
Ort/ sagte der französische Marschall Humiferes; „er ist nicht
blofs zur Verteidigung geeignet, sondern auch zum Angriffe und
Vorstofse in das Innere des Reiches." *
Nachdem er durch solche Mittel der Einschüchterung ge-
nagend vorgearbeitet zu haben glaubte, begann Ludwig seinen
neuen diplomatischen Feldzug. Unter dem Verwände, dafs der
Kaiser und der König von Spanien nichts leidenschaftlicher
wünschten als den Frieden mit der Pforte, um Frankreich an-
greifen zu können, und dafs das Augsburger Bündnis dem
gleichen Zwecke diene, liefs er durch den Kardinal d'Estr6es
den Papst auffordern, Leopold I. zum Abschlüsse eines bestän-
digen Friedens auf Grund des zwanzigjährigen Waffenstillstandes
zu bestimmen; die Entscheidung von Kaiser und Reich müsse
bis zum 31. März 1687 erfolgen (Dez. 1686). Das gleiche
verlangte er direkt vom Regensburger Reichstage, und dazu
heischte er auch die Mitwirkung des Kurfürsten von Branden-
burg. „Der König mufs wissen, woran er sich für die Zukunft
halten kann,*' sagte Croissy zu Spanheim, „ob er Frieden oder
Krieg zu erwarten hat, und sich so einer festeren Sache als
des Waffenstillstandes, nämlich eines guten und zuverlässigen
Friedens versichern." Zur Beförderung dieses Zweckes solle
Brandenburg mit Kurköln und anderen „friedliebenden** Reichs-
ständen ein Sonderbündnis schliefsen, das sieh natürlich nur
gegen den Kaiser richten konnte '.
Allein das herrische Verlangen Frankreichs, das mit der
kurz bemessenen Ansetzung des Termins zur Antwort mehr
einem Ultimatum glich als einer friedlichen Aktion, fand all-
gemeinen Widerspruch. Waren doch von den zwanzig Jahren
des Waffenstillstandes erst zwei und ein halbes verflossen, hatten
doch Kaiser und Reich nichts getan, was das Mifstrauen der
Franzosen hervorrufen oder auch nur im mindesten rechtfertigen
konnte. Der Papst lehnte jede Mitwirkung bei einer Tätigkeit
1 0. Klopp, Der Fall des Hauses Stuart, m (Wien 1876), S. 290.
* Über dies und das Folgende: Bourgeois, Spanheim, 364; U. lu
A., XIV, 1340ff.; Immich, Innocenz XI, 57ff.; Prutz, 320. 381ff.;
Londorp, Xm, 66 ff.
448 Siebentes Buch.
ab, die die Gefahr des Krieges in der Christenheit lediglich
vermehren mufste.
Kurfürst Friedrich Wilhelm, den Frankreich noch besonders
durch Zahlung einer neuen Subsidienrate von 125000 Livres
günstig zu stimmen gesucht hatte, liefs sich weder durch Frank-
reichs Drohungen und Verlockungen noch durch die Miftgunst
des Kaisers in seiner ebenso reichspatriotischen wie besonnenen
Haltung irre machen. Er verwarf die Forderung des definitiven
Friedensschlusses, die, so kurze Zeit nach Eingehen des Waflfen-
stillstandes erhoben, im ganzen Reiche als Zwang und Gewalt
empfunden werden und den Krieg herbeiführen werde, den doch
vermeiden zu wollen Frankreich behaupte. Eine Sonderallianz für
dessen Zwecke wies er bestimmt zurück. Ja, er erklärte sich
gewillt, für den Fall, dafs Frankreich auf seinem Verlangen be-
stehe, sein Heer um weitere 3200 Mann zu vermehren und da-
mit Kurpfalz, Trier und die Stadt Köln stärker zu decken.
Nicht mit 8000 Mann, wie er sich vertragsmäfsig verpflichtet
habe, sondern mit 16000 wolle er für Kaiser und Reich ins
Feld ziehen. Anderseits riet er Leopold, behutsam aufzutreten,
baldmöglichst mit der Pforte sich zu verständigen, inzwischen
die Verhandlungen mit Frankreich weiterzuführen. „Man bleibet
dahier der Meinung," schreibt Fridag am 17. Januar 1687, „dafs,
wenn Ew. Kais. Maj. nicht principaliter und mit völliger Macht
dem Werke beiwohnen und den oberen Rheinstrom bedecken
könnten, das übrige nur in scopis dissolutis bestehen,
primo intuitu etwas, aber in effecto nichts sein und viel
ehender irritamenta als remedia malorum mit sich
bringen werde." In gleichem Sinne schrieb Friedrich Wilhelm
selber dem Kaiser (17. Februar). Er war der Meinung, „dafs,
wenn man an einen mächtigen und armirten König Dinge
schreiben will, worüber derselbe einig ressentiment fassen
kann, alsdann nothwendig Kräfte und Armeen zur Hand sein
müssen, das geschriebene zu souteniren, wenn nicht eins
von diesen beiden erfolgen soll, dafs man nemblich entweder
wegen die hohen Worte, denen man keinen Nachdruck zu geben
vermag, verspottet, oder aber von dem armirten Theil gar des-
wegen angegriffen und anstat des vorhin schon erlittenen Übels
mit einem noch gröfserem beleget wird*" \ Ratschläge, die von
* R. Fester, in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., XV
(1902X II, 165 Anm., 166 Anm.
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 449
jedem Standpunkte aus vollkommen richtig waren. Nur die
gesamte Macht Deutschlands, mit Einschlufs aller österreichi-
schen Streitkräfte, konnte den Franzosen mit Aussicht auf Er-
folg Widerstand leisten. Freilich, der Krieg von 1689 bis 1697
ist bei noch währendem Kampfe gegen die Türken geführt
worden. Aber das wurde nur möglich, weil England, infolge
der 1686 nicht vorherzubestimmenden „glorreichen Revolution**,
1688 von der französischen zur franzosenfeindlichen Partei über-
gegangen war und sich am Kampfe gegen Ludwig XIV. be-
teiligte. Und dennoch erreichte gerade Deutschland während
dieses Krieges wenig Rühmliches und mufste sich mit ungünstigen
Friedensbedingungen begnügen. Wie anders wäre es gekommen,
wenn das kaiserliche Heer, das bei Szalankemen und Zenta siegte,
seine Fahnen am Oberrhein entfaltet hätte — wie zu raten es
der Grofse Kurfürst vorher nicht müde geworden war.
Ludwig XIV. wurde betroifen über das Mifslingen seines
diplomatischen Schachzuges. Eine so feste Haltung des Papstes,
eine so grofse Erregung im Reiche, eine so bestimmte Ableh-
nung von Seiten Brandenburgs hatte er nicht erwartet. Unter
diesen Umständen wollte er es nicht auf einen Krieg ankommen
lassen, der die öffentliche Meinung ganz Europas gegen ihn ge-
kehrt und aufserdem, nach seiner Meinung, das sofortige Ende
des Kampfes in Ungarn herbeigeführt hätte. Er wich einen
Schritt zurück — es war das ein Sieg des friedliebenden
Croissy über die von seinem und seiner Familie Gegner Louvois
vertretene Gewaltpolitik. Schon am 10, Februar erklärte der
Staatssekretär dem Gesandten Spanheim, nach den üblichen
Deklamationen über die Kriegslust Österreichs, dessen Macht-
vergröfserung der König selber durch seine Mäfsigung so stark
gefördert habe, und das nunmehr Deutschland völlig beherrsche,.
sowie über die Notwendigkeit der Befestigungen bei Hüningen
und Giesenheim: „Se. Maj. wird sich mit einer Versicherung
begnügen, die ihm im Namen von Kaiser und Reich gegeben
würde, und die enthielte, dafs ihre feste Absicht sei, auch nach
dem Ende des Türkenkrieges den Waffenstillstand zu bewahren."
Spanheim glaubt, dieser Vorschlag sei aufrichtig gemeint, er sei
ein Ausflufs der Verlegenheit der französischen Minister, die sich
durch ihr unzeitiges Vorgehen in eine üble Lage versetzt hätten*.
1 Ms. Spanheim an Kurf., 10., 17., 28. Febr. 1687.
Phllippson, Der Orofse KnrfOrat. III. 29
450 Siebentes Buch.
Das neue Anerbieten Frankreichs erlöste auch Friedrich
Wilhelm Ton drängender Sorge. Er sprach sich sofort dahin
aus, dafs er den Wunsch des Königs gerechtfertigt finde und
nach Kräften unterstützen werde. Er schrieb tatsächlich in
diesem Sinne nicht nur nach Paris, sondern auch nach Wien
und Regensburg ^. Freilich, am liebsten wäre es ihm gewesen,
wenn Ludwig die Richtung seiner Politik von Grund aus ver-
ändert hätte. Er schlug ihm vor, sich der Schwäche des otto-
manischen Reiches zu bedienen, um auf dessen Kosten leichte
und umfassende Eroberungen zu machen und hierdurch zugleich
die Lehre Christi auszudehnen^. Er kam damit auf Gedanken
zurück, die Leibniz fast zwanzig Jahre früher im Consilium
aegyptiacum geäufsert hatte. Allein die Aussicht auf ihre Ver-
wirklichung war 1687 kaum gröfser als zwei Jahrzehnte zuvor.
So bezeigte man sich allerseits auch mit dem Ausgleiche zu-
frieden, wie König Ludwig ihn tatsächlich vorschlug. Ja, der
Kaiser war solchem schon am 7. Fetouar durch eine aus eigener
Initiative hervorgegangene Erklärung an den Papst zuvorgekom-
men: er verpfände sein kaiserliches und königliches Wort, den
Stillstand von 1684 nicht blofs während des Türkenkrieges,
sondern auch nach diesem heilig und unverletzlich zu be-
wahren. Eine gleiche Zusage erteilte Leopold unmittelbar dem
französischen Herrscher, allerdings mit dem Beisatze: dieser
werde dafür auf den territorialen Zustand vom August 1681
zurückkehren und seine neuerlichen Überschreitungen des Still-
standes ungeschehen machen. Als aber Ludwig hierauf nicht
einging und vielmehr stillschweigende Anerkennung seiner
Festungsbauten von Hüningen und Giesenheim verlaugte, be-
willigte der Kaiser um des Friedens willen auch dies, und die
Ileichsversamjnlung in Regensburg pflichtete bei^.
Frankreich hatte durch dieses letztere Zugeständnis immer-
hin einen neuen Gewinn davongetragen; das Reich hatte, frei-
lich um den Preis eines Opfers an Ehre und militärischer
Macht, wieder den Frieden erkauft. Es war ein auf die Länge
mit dem Dasein eines unabhängigen Volkes und Staatsgebildes
* Ms. Kurf. an Spanheim, 12./22. Febr. 1687. — Dep. R^benacs vom
22. Febr.; Prutz, 302.
« Ms. Kurf. an Spanheim, 16./26. Febr. 1687.
» Immich, Innocenz XI., 61ff. — Klopp, III, 294ff. — Londorp,
Xm, 71 ff.
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 451
unTerträglicher Zustand, dem aber nur durch Abschlufs des
Friedens mit den Türken damals ein gedeihliches Ende hatte
bereitet werden können. Friedrich Wilhelm hatte durch be-
sonnene und umsichtige Haltung wesentlich zur Beseitigung
eines Zwischenfalles beigetragen, der wochenlang einen sehr be-
drohlichen Charakter angenommen hatte. Er gewann sich die
Anerkennung zugleich des Kaisers und Frankreichs, das ihm
ganz besonderen Dank wegen seines Verhaltens in dieser An-
gelegenheit aussprach^.
Diese freundliche Stimmung der leitenden Kreise in Paris
wurde indes bald durch einen eigentümlichen Zwischenfall
gestört ^.
Einer der ausgesprochensten Anhänger Frankreichs unter
den kurfürstlichen Staatsmännern war der Gesandte am Regens-
burger Reichstage, Gottfried von Jena, des vor kurzem verstor-
benen Geheimrat Friedrich Bruder, ein früherer Universitäts-
lehrer wie dieser. Es ist leicht erklärlich, dafs der Vertreter
des kräftig aufstrebenden Hohenzollemstaates eben durch die,
ein volles Vierteljahrhundert hindurch fortgesetzte, tägliche
Beobachtung des jammervollen Treibens der deutschen Bundes-
versammlung — gerade wie 170 Jahre darauf ein Gröfserer —
von Ekel und Verachtung gegen sie und gegen das sie im
eigensten Interesse leitende Österreich erfüllt wurde und solchen
Empfindungen Ausdruck gab. Auch als eifriger Vertreter evan-
gelischer Interessen wurde Gottfried von Jena der österreichischen
Partei unbequem. Der Kaiser hatte längst seine Abberufung
gewünscht. Jetzt ereignete es sich, dafs der kurmainzische
Gesandte in Regensburg, in seiner Angst vor französischen
Feindseligkeiten, dem Reichstage den ungeheuerlichen Antrag
stellte, man solle nicht nur in die sofortige Verhandlung über
den endgültigen Frieden mit Frankreich eintreten, sondern auch
diesem Staate einstweilen, damit er sich aller Angriffe enthalte,
einige feste Plätze innerhalb des Reiches überantworten. Jena
hatte diesem entehrenden Vorschlage, der weit über alles hinaus-
1 Ms. Spanheim an Kurf., 7. März 1687.
* Über den Jenaschen Zwischenfall vor allem: B. Fester, Die Ab-
berufung Gottfr. V. Jenas vom Eegensb. Reichstage (Forsch, z. brandenb.
u. preufs. Gesch., XV [1902]), 11, 159 ff. — Dann: U. u. A., XIV, 1347 ff.;
Prutz, 321. 383 ff.; Droysen, III, III 828f.; Immich, Orleansscher
Krieg, 242. 250; Ms. Korrespondenz des Kurf. mit Spanheim, März 1687.
29*
452 Siebentes Buch.
ging, was die Franzosen selber je gefordert, vorläufig zugestimmt
Das war schlimm genug; aber in seinem nachUssig abgefafsten
Berichte Ober diese Dinge, vom 14. Februar, erschien es, als
habe er, persönlich, die bezQglichen Anträge gestellt Der Kur-
fürst war über eine solche Eigenmächtigkeit, die noch dazu
seiner eigenen politischen Richtung schnurstracks zuwider lief,
äufserst entrüstet ; und als der Kaiser unmittelbar an Friedrich
Wilhelm schrieb, um sich bitter über Jena zu beschweren, der
sich ganz als Anhänger der Franzosen gebärde, — da war dessen
Schicksal entschieden. Der Kurfürst war in seinem Zorne über-
zeugt, der Gesandte sei von Louvois bestochen und habe dessen
Befehle ausgeführt; ^3enh hat wie ein Schelm an meinem Hause
gehandelt," sagte der leidenschaftlich erregte Herr zu Fridag.
Er sah sich von der ganzen Welt des Wankelmutes, der plötz-
lichen, „platten Unterwerfung'' unter Frankreich verdächtigt
Indem er sich bei dem Kaiser entschuldigte, konnte er ihm
bereits die in voller Ungnade erfolgte Abberufung Jenas ankündigen
(Ende Februar 1687).
Sie sollte eine öffentliche Demonstration sein, und sie wurde
es in vollem Mafse. Sie mufste als eine Bestrafung von Jenas
franzosenfreundlicher Richtung, als ein starker Erfolg der
österreichischen Politik, als eine deutliche Erklärung., erscheinen,
dafs Brandenburg nicht mehr auf französischer, sondern auf
kaiserlicher Seite stehe. So fafste alle Welt diesen Vorgang
auf, der grofses Aufsehen erregte. Der Kaiser sowie Philipp
Wilhelm von der Pfalz sprachen ihre herzliche Freude über die
Entfernung des verhafsten Franzosenfreundes aus.
Um so ergrimmter war man in Paris. Spanheims Lob-
preisungen der bedeutenden Verdienste, die sein Herr sich um
das Zustandekommen der kaiserlichen Erklärung erworben,
wurden nicht mehr angehört. Croissy führte vielmehr eine bittere,
geradezu verletzende Sprache. Der Kurfürst, sagte er, habe
Jena abberufen, obwohl dieser nichts getan, als einen auf
Sicherung des Friedens berechneten Vorschlag der geistlichen
Kurfürsten zu unterstützen. Der König müsse, nach so vielen
anderen Gelegenheiten, wo Brandenburg sich immer an die
Spitze seiner Gegner gestellt, solches Betragen als eine förmliche
Absage an ihn betrachten. Keine Gegenrede Spanheims ver-
mochte den Staatssekretär zu beruhigen. Während Frankreich,
fuhr dieser fort, nur aus Rücksicht auf den Kurfürsten den Ab-
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 453
Schlafs eines Bündnisses mit den LOneburgern vermeide, füge
jener , der angebliche Alliierte des Königs , diesem einen öffent-
lichen „ Affront ** zu^ Röbenac wurde angewiesen, in den
schftrfsten Ausdrücken gegen Jenas Abberufung Protest einzu-
legen und mit endgültiger Entziehung der Subsidien zu drohen,
mit denen offenbar gegen den König bestimmte Truppen be-
soldet würden^.
Jena suchte sich zu entschuldigen; er durfte darauf hin-
weisen, dafs er nicht der Urheber des verhängnisvollen Antrages
gewesen, dafs er solchen nur vorläufig, bis auf weitere Instruk-
tionen, unterstützt habe. Als ihn aber sein Herr zu öffentlichem
Widerrufe vor dem Kurfürstenkolleg nötigte, reichte er seine
Entlassung von allen Ämtern ein, die er im brandenburgischen
Dienste bekleidete.
Diese Vorgänge erhöhten die Mifsstimmung in Paris.
Nun müsse, sagte Croissy, der Kurfürst zufrieden sein, aller
Welt gezeigt zu haben, dafs er für den König, seinen Verbün-
deten, nicht die mindeste Achtung hege noch auf ihn Rücksicht
nehme. Und als der dänische Gesandte Meyercroon mildernd
und besänftigend einzugreifen suchte, schüttete der Minister
sein Herz vollends aus: man habe wohl gewufst, dafs man in
Kriegszeiten nicht auf den Kurfürsten von Brandenburg werde
zählen dürfen, aber habe gehofft, es während des Friedens tun
zu können. Darin habe man sich jedoch getäuscht; er sei auf
das engste dem Kaiser verbunden. Ein alter, verdienter Diplomat
sei bei ihm der schlimmsten Ungnade verfallen, auf den blofsen
Verdacht hin, sich mit dem französischen Gesandten in Regens-
burg verständigt zu haben ^.
Friedrich Wilhelm sah ein, dafs er in der durch seine irrige
Auffassung der Regensburger Vorgänge erzeifgten Erregung zu
weit gegangen sei, dafs er den bisherigen vorsichtigen Gang
seiner Politik verlassen und einen Fehler begangen habe. Er
suchte solchen nach Möglichkeit wieder gutzumachen, ohne
dafs er sich doch geradezu Lügen strafe. Er schrieb also an
Jena in freundlichen Ausdrücken, er gebe ihm seine Gnade
zurück und wolle ihn in der hohen Stellung eines Kanzlers des
' Ms. Spanheim an Korf., 14. März.
« Mb. Ludwig XIV. an Kebenac, 18. März (B;.
■ Ms. Spanheim an Kurf. 21. 28. März, 4. April.
454 Siebentes Buch.
Herzogtums Magdeburg erhaltend Spanheim erhielt den Auf-
trag, seinen Herrn in eingehender Weise wegen aller dieser
Vorfälle zu rechtfertigen ". Wirklich gab Ludwig XIV. sich den
Anschein, als beruhige er sich mit diesen Erklärungen, denn
er wollte sich noch immer die Möglichkeit vorbehalten, Branden-
burg für sich zu gewinnen. Croissy mufste Spanheim versichern,
man würde, trotz allem, das brandenburgische Bündnis dem
braunschweigischen vorziehen. Allerdings wisse man, der Kur-
fürst bewerbe sich um die Freundschaft des Kaisers und Oraniens,
doch hoffe der König, Friedrich Wilhelm werde zu gesünderen
Anschauungen zurückkehren.
Der meinte tatsächlich, Frankreich besänftigen zu müssen.
Als der Kaiser ihn abermals um Entsendung eines Truppenkorps
gegen die Türken wiederholt ersuchte, wies er solches mit
freundlichen Worten ab, unter Vorwänden. Das gefiel wieder
in Paris, wo die Stimmung günstiger und auch die Subsidien-
zahlungen an Brandenburg von neuem aufgenommen wurden.
Das Frühjahr 1687 ging unter friedlichen Aussichten zu Ende.
Friedlich waren auch des Kurfürsten Beschlüsse nach einer
anderen Seite hin, wo er sonst für seine ehrgeizigen Pläne das
Dasein des Staates selbst auf das Spiel zu setzen gewohnt ge-
wesen'. Noch immer währten die nordischen Wirren , zwischen
Schweden und Holst ein auf der einen, Dänemark auf der anderen
Seite. Der holsteinische Vizekanzler Ulcken erschien nun Ende
des Jahres 1686 in Berlin und bot die Abtretung Stettins durch
Schweden an, wenn der Kurfürst diesem Staate helfe, einen
Teil Norwegens zu erobern. Friedrich Wilhelm lehnte dies An-
erbieten, das ihn wohl sonst mit kühnem Wagemute erfüllt
hätte, ab; er sei nicht gemeint, den Besitz der Stadt „durch
einen so teuren und schädlichen Preis zu erkaufen**. Er wollte
weder einen Kampf zwischen den wenigen noch vorhandenen
protestantischen Staaten noch eine Gelegenheit für Frankreich,
der Rücksicht auf den deutschen und skandinavischen Norden
entledigt gegen das so gut wie wehrlose Süddeutschland loszu-
brechen, noch endlich für Schweden einen solchen Machtzuwachs,
1 Ms. Kurf. an Jena, 14./24. März 1677.
^ Ms. Kurf. an Spanheim, gleiches Datum. — Das Folgende nach
der Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, April, 3./ 13. Juni 1687.
» Das Folgende nach P. Haake, Brandenburgische Politik u. Kriegs-
ftlhrung 1688 u. 1689 (Kassel 1896), S. 11 ff.
Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsbvirger Bund und Türkenkrieg. 455
dafs es im Norden dominiere und um so schwerer auf Branden-
burg drücke.
Ein anderer Weg schien sich ihm zu eröffnen, um zu dem
immerhin glühend gewünschten Besitze Stettins zu gelangen.
Die Kriegs- und Geldnöte der schwedischen Krone hatten die
Auszahlung der vertragsmäfsigen Bezüge der ehemaligen Königin
Christine nur allzuoft verhindert; diese Fürstin behauptete,
man schulde ihr mehr als neun Millionen Taler. Nun wurde
dem Kurfürsten nahegelegt, der Königin zwei Millionen Taler
bar auszuzahlen und dafür, wenn, wie vorauszusehen, Schweden
ihm diese nicht zurückerstatten könne, sich durch Stettin
entschädigen zu lassen. Der Plan war allzu unverfänglich
und gefahrlos, als dafs Friedrich Wilhelm nicht Verhand-
lungen darüber gepflogen hätte, die ja einstweilen zu nichts
verpflichteten. Zuverlässige Hoffnung auf Gelingen hat er kaum
gehegt.
Ob er in jüngeren Jahren und bei gröfserer Rüstigkeit nicht
auf das ihm angetragene Kriegsbündnis gegen Dänemark mit
dem verheifsungsvollen Preise Stettin eingegangen wäre? Es
ist wahrscheinlich; jetzt aber konnte er sich auf solche Abenteuer
nicht mehr einlassen. Seine Leiden und seine körperliche
Schwäche hatten derart zugenommen, dafs er selber jeden Tag
sein Hinscheiden erwartete. Da hiefs es, alle Nebendinge ab-
tun, seinen Nachfolger von allen nicht unbedingt notwendigen
Verwicklungen frei und sein Staatsschiff klar machen zu dem
unter unsicherer Führung zu unternehmenden Entscheidungs-
kampfe gegen Glaubensdruck und Universalmonarchie.
Achtundvierzigstes Kapitel
Der Abschlufs.
Je näher der Augenblick heranrückte, wo dem greisen Steuer-
mann der Griff des Ruders entgleiten murste, um so mehr drängte
es ihn, seinem schwachen Nachfolger die geeignetsten Gehilfen
zur Seite zu stellen. In politischer Beziehung glaubte et
auf Fuchs volles Vertrauen setzen zu dürfen, der mit seinen
Intentionen auf das genaueste bekannt war, klare Einsicht und
hervorragende diplomatische Gewandtheit mit unermüdlicher
Arbeitskraft vereinte, der selbständig dachte und sich doch dem
Willen des Herrschers anzupassen verstand. Anders verhielt
es sich mit der militärischen Leitung. Der unvergleichliche
Organisator und heldenhafte Führer des brandenburgischen
Heeres, Derff linger, war ein beinahe achtzigjähriger Greis, der
nicht mehr in das Feld ziehen konnte. Sein einst bestimmter
Nachfolger, Schöning, war zwar hochbegabt und ein kühner
Soldat, aber allzu eigenmächtig, intrigant und unzuverlässig, als
dafs Friedrich Wilhelm ihm die Armee und zumal deren Befehl
im Kriege gern anvertraut hätte. Er pafste am wenigsten für
einen Kampf an der Seite des Kaisers, gegen Frankreich, für
das er mit Eifer eingetreten war. So rächte sich an dem ge-
wissenlosen Manne sein Verrat aus dem Sommer 1686. Friedrich
Wilhelm sah sich nach einem anderen Generalfeldmarschall für
seinen Nachfolger um. Sein Blick fiel auf Friedrich Armand,
Herzog von Schomberg.
Schomberg, oder vielmehr Schönberg*, war deutscher Ab-
^Ermanu. Heclam, II, 210 ff. — Allgem. Deutsche Biographie
(unter Schönberg). — J. F. A. Kazner, Leben Friedr. v. Schombergs
(Mannheim 1789), Bd. I, 264 ff.; Bd. n, 246 ff.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 457
Stammung, Sohn eines kurpfälzischen Beamten und Diplomaten.
Nachdem er im holländischen Heere gedient, war er — wie
viele seiner Vorfahren — in die französische Armee eingetreten und
dort, obwohl Protestant, durch seine hohen militärischen Talente
zur Marschalls wQrde aufgestiegen. Man stellte ihn auf eine
Stufe mit dem grofsen Turenne. In der Blütezeit des französisch-
brandenburgischen Bündnisses, im Mai 1683, hatte der Kurfürst
bereits daran gedacht, Schomberg als Generalfeldmarschall in
seinen Dienst zu übernehmen, — ein Plan, den damals Frankreich
als sehr vorteilhaft für seine Sache angesehen hattet Die
Absicht war nicht ausgeführt worden. Nach der Aufhebung
des Ediktes von Nantes trotzte Schomberg allen Verlockungen
des Hofes, verzichtete auf alle ehrgeizigen Hoffnungen und ver-
langte, als einzigen Lohn seiner Dienste, die Erlaubnis zur
Aaswanderung aus Frankreich; — er erhielt sie unter der Be-
dingung, dafs er sich nach dem schwachen und für Frankreich
unschädlichen Portugal begebe. Er mufste deshalb den erneuten,
durch den hugenottischen Prediger Johann Claude übermittelten
Antrag des Kurfürsten von Brandenburg, an die Spitze seines
Heeres zu treten, ablehnen. Aber in dem kleinen, damals von
bigotter Unduldsamkeit erfüllten Portugal war auf die Länge
für Schomberg des Bleibens nicht. Wilhelm von Oranien zog
ihn an sich, um ihn zur Unternehmung auf England zu ge-
brauchen. Einstweilen sollte Schomberg wirklich, wie seit
lange geplant, brandenburgischer Feldmarschall werden, um
später, bei ausbrechendem allgemeinem Kriege, entweder die kur-
fürstliche Armee zu befehligen oder die Scharen Oraniens nach
Grofsbritannien zu führen. Am 27. April 1687 wurde Schomberg,
zum grofsen Kummer sowohl Derfiflingei-s wie Schönin gs, zum
General über alle brandenburgischen Truppen ernannt. An Stelle
des neunundsiebzig jährigen Derff lingers der zweiundsiebzigjährige
Schomberg !
Selbstverständlich mufste zunächst die Einwilligung des
Königs von Frankreich nachgesucht werden, damit dieser Schom-
bergs Ernennung nicht wieder als eine gegen ihn gerichtete
Demonstration ansehe. Der Kurfürst gebrauchte dabei das
nicht eben aufrichtige Kompliment, der Marschall sei um so
lieber auf seine Anerbietungen eingegangen, als er gewufst, dafs
^ Ms. Depeschen Rebenacs vom Mai 1683 (B).
458 Siebentes Buch.
Brandenburg der Verbündete des AUerchristlichsten Königs sei.
Die wahre Bedeutung dieser Ernennung blieb den Franzosen
ebenso verborgen wie die Erkenntnis der endgültigen und tiefen
Gegnerschaft Friedrich Wilhelms. Sie meinten höchstens, er be-
absichtige, durch den Marschall noch mehr hugenottische Offiziere
in seine Dienste zu ziehen. Dafs der Kaiser grofse Anstren-
gungen machte, um Schomberg für sein Heer zu gewinnen , gab
dann bei Ludwig XIV. den Ausschlag: er zog den Branden-
burger immer noch dem Österreicher vor*. So erteilte er zu
des Marschalls Eintritt in die brandenburgische Armee seine,
freilich in höhnende Form gekleidete Zustimmung^. Der fran-
zösische Gesandte im Haag, der klarblickende, reif urteilende
und trefflich unterrichtete Graf d' Avaux, hatte tatsächlich seinen
König von den eigentlichen Absichten unterrichtet, die bei der
Ernennung Schombergs obgewaltet hatten und sich auf die
grofse evangelische Allianz bezogen', — allein Ludwig lieh
diesen wohlbegründeten Warnungen kein Gehör. Der erste
Schritt zur Befreiung Englands und Europas von den Stuarts
war getan mit Wissen und mit Beihilfe, wenn nicht gar auf
Veranlassung Friedrich Wilhelms von Brandenburg.
Wie diese Tatsache, so stand es wohl auch mit den engli-
schen Entwürfen in Verbindung, wenn jetzt der Kurfürst dem
Kaiser einen Plan unterbreitete, nach dem seine Flotte in den
Dienst des Reichsoberhauptes treten, eine wahre Reichsflotte
werden solle. Auch diese grofse Idee, die erst zwei Jahrhunderte
später verwirklicht worden, ist dem schöpferischen und zugleich
so eminent praktischen Geiste des Grofsen Kurfürsten ent-
sprungen. Denn die Entwürfe zur Zeit Wallensteins waren rein
phantastisch, ohne materielle Grundlage. Friedrich Wilhelm
dagegen vermochte dem Kaiser fünfzehn Kriegsfahrzeuge mit zu-
sammen 352 Geschützen, 1550 Matrosen und 310 Soldaten, so-
wie ein grofses Transportschiff zu bieten, — eine Flotte, die es
schon mit der schwedischen aufzunehmen im stände war. Er
forderte dafür 40—50000 Taler jährlicher Subsidien: gewifs ein
^ Ms. Depeschen Rebenacs vom Mai und Ludwigs XIV. an H6benac»
15. Mai 1687 (B).
« Ms. Kurf. an Spanheim, 20./30. April, an Ludwig XIV., 2./12. Mai ;
Spanheim an Kurf., 8./18. Juni 1687.
3 d^Avaux, VI, 25.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 459
bescheidenes Verlangend Allein der Gedanke war allzu neu,
als dafs die beschränkten kaiserlichen Staatslenker darauf ein-
gegangen wären. So ward für immer die Gelegenheit verpafst,
den habsburgischen Doppelaar an den nordischen Küsten heimisch
zu machen. Der Versuch aber blieb ein abermaliger Beweis,
wie völlig Friedrich Wilhelm gegen Ende seiner Regierung in
den Entworfen einer grofsen, umfassenden Koalition, die in
erster Linie dem Kaiser zu gute kommen sollte, gelebt hat
In diesem Sinne begrOfste er mit Freuden die Ankunft
eines neuen niederländischen Gesandten, des Pensionars der
Stadt Amsterdam, Jakob Hop, in Berlin. Schon die amtliche
Stellung Hops war ihm ein angenehmes Zeichen, dars die reiche
und mächtige Handelsstadt ihre Gegnerschaft wider Oranien auf-
gegeben, dafs sie erkannt habe, wie notwendig ein enger Zu-
sammenschlufs der evangelischen Mächte sei. Hop war übrigens
ein scharfsinniger und klar urteilender Staatsmann. Der Vor-
wand seiner Sendung war, Brandenburg die Vermittlung in dem
zwischen den Generalstaaten und Dänemark ausgebrochenen
Streite zu übertragen. In Wirklichkeit brachte er geheime An-
träge wichtigerer Natur, sei es auf eine innigere Vereinigung
überhaupt, sei es in betreif der schon in Kleve besprochenen
und vorbereiteten Expedition nach England'. Die bezüglichen
Verhandlungen wurden mit so vorsichtiger Scheu geführt, dafs
leider keine nähere Nachricht über sie auf uns gekommen ist.
Holland und Dänemark stritten sich um Handels- und Zoll-
angelegenheiten von Bedeutung. Friedrich Wilhelm übernahm
um so lieber das Amt des Vermittlers, als Frankreich hier, wie
in dem ewigen Gottorpschen Zanke, mit vielem Geräusch auf
die Seite Dänemarks trat und diesen Staat immer mehr an
sich zu fesseln suchte. Der Kurfürst dagegen war bemüht,
Christian V. mit den Niederländern zu versöhnen und damit
wenigstens an der Parteinahme für Frankreich zu verhindern.
Also auch auf diesem Punkte wirkte er im stillen, aber mit
planmäfsiger Folgerichtigkeit gegen Ludwig XIV.*.
Die Hoflnung, Dänemark von der französischen Freundschaft
> U. u. A., XIV, 1362.
« d'Avaux, Vn, 57. — U. u. A., DI, 781 ff .
' Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, Okt. 1687. — ü. u. A.
in, 780 ff.
460 Siebentes Buch.
abzuziehen, erhielt Verstärkung durch den Umstand, dafs der
skandinavische Staat um seiner hamburgischen und holsteini-
schen Interessen willen ein ebenso grundsätzlicher Gegner der
LOneburger war wie, aus anderen Gründen, der Brandenburger,
und dafs trotzdem Frankreich in immer vertrautere Beziehungen
zu den Weifen trat, um diese vorkommenden Falles Branden-
burg gegenüberstellen zu können. Röbenac erklärte ganz offen:
sein König vermöge jeden Tag mit dem Hause Lüneburg ab-
zuschliefsen , werde es aber nicht tun, solange er sich auf
Brandenburgs Allianz und Freundschaft verlasse. Der Kurfürst
seinerseits verhehlte den Franzosen nicht, dafs ein Bündnis
zwischen ihnen und den Weifen die Interessen, ja die Sicherheit
seines Staates bedrohe und ihn veranlassen müsse, deren Wah-
rung auf einer anderen Seite zu suchen. Er hatte die Genug-
tuung, dafs Meyercroon bisher mit Eifer gegen ein solches
Bündnis arbeitete. Aber würde Dänemark diese Opposition
schliefslich nicht aufgeben, sobald Frankreich ihm auf anderem
Wege die Förderung seines partikularen Vorteils in Aussicht
stellte? Würde sich dann nicht eine starke und bedrohliche
französische Klientel an Brandenburgs Nordwestgrenze bilden?
Ein Problem, das die Besorgnis des Kurfürsten und seiner Räte
in hohem Grade erweckte ^
Auch andere Vorgänge mufsten sie veranlassen, zunächst
jede unnötige und vorzeitige Herausforderung des gewaltigen
Herrschers an der Seine zu vermeiden. Im Mai 1687 hatte
Ludwig XIV. mit dem schwachen, greisenhaften, ganz unter
dem Einflüsse seines verräterischen Domdechanteu , des Strafs-
burger Bischofs Kardinal Wilhelm von Fürstenberg, stehenden
Kurfürsten Maximilian Heinrich von Köln ein Bündnis ge-
schlossen, das dessen Truppen und Festungen im Kriegsfalle
dem Könige zu Gebote stellte und diesem das kurkölnische
Gebiet für die französischen Heere eröffiiete. Damit erlangte
Frankreich am Niederrhein eine überaus starke militärische
Stellung, die den Zusammenhang zwischen den Niederlanden
und Brandenburg zu zerreifsen, ja des letzteren rheinisch-west-
fälische Besitzungen sofort der Überlegenheit französischer
Heere auszuliefern drohte; die Ereignisse der Jahre 1673 und
1679 konnten sich leicht wiederholen. Würde die stärkere Be-
' Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, Juli bis Okt. 1687.
AchtundvierzigsteB Kapitel. Der Abschlufs. 4g 1
festigung Wesels, die Friedrich Wilhelm in jener Zeit vornahm,
gegen solche Gefahr eine irgend ausreichende Bürgschaft ge-
währen? Die Lage verschob offenbar sich immer mehr zu Un-
gunsten der antifranzösischen Koalition.
Um so gründlicher, als Jakob II. von England durch die
Wucht der Ereignisse, durch seinen stets wachsenden Gegensatz
wider die protestantische Mehrheit seiner Untertanen, die sich
auf Oranien, den kalvinistischen Schwiegersohn des Königs,
stützten, von Woche zu Woche entschiedener auf die Seite
Frankreichs hinübergedrftngt wurde. Er trat bereits offen als
Gegner der Niederlande auf.
Unter solchen Umst&nden war es recht unzeitgemäfs, wenn
der Kaiser von Jakob II. eine Garantie des französisch-deutschen
Waffenstillstandes sowie der jüngst zwischen ihm und Ludwig XIV.
darüber ausgetauschten Erklärungen verlangte. Der englische
Monarch zögerte nicht, den kaiserlichen Gesandten Kaunitz zu
bedeuten, er würde auf diesen Vorschlag nur mit Zustimmung
Ludwigs eingehen. Dieser aber wollte die Bürgschaft lediglich
unter der Bedingung gutheifsen , wenn darin sein Recht, in den
vorlAufig reunirten Landen Befestigungen anzulegen, anerkannt
werde: eine tyrannische und kränkende Formel, die, gegen den
Wunsch Croissys, der harte und eroberungsgierige Louvois ver-
anlafst hatte. Es hiefs das, allen weiteren Usurpationen Frank-
reichs von vornherein zustimmen. Der kaiserliche Hof weigerte
sich deshalb, gewifs mit Recht, einer solchen Garantie. Und
darauf lehnte sie Jakob IL überhaupt ab — er entzog sich
hiermit auf das bestimmteste jeder Möglichkeit, dafs er dem
Bündnisse zur Verteidigung der europäischen Freiheit beitrete.
Diese Entscheidung herbeigeführt zu haben, war die traurige
Folge des verkehrten Schrittes des kaiserlichen Diplomaten ^
So erhielt Frankreich freie Hand zu neuen Gewalttaten
gegen das Reich, und es liefs es daran nicht fehlen, in offenbar
provokatorischer Absicht.
An der unteren Mosel, etwa zehn Meilen unterhalb Triers,
liegt das weinberühmte Städtchen Trarbach. Es war damals
der Hauptort einer kleinen zweibrückischen Exklave, an der
Ostgrenze des Kurfürstentums Trier. Wir wissen, dafs Lud-
^ Ms. Spanheim au Kurf., 13., 16. Juni. — Londorp, Xm, 73. —
Klopp, in, 345 f. 641 ff.
4(52 Siebentes Buch.
wig XIV. sich durch die Metzer Reunionskammer die Ober-
hoheit über das Herzogtum Zweibrücken hatte zusprechen
lassen. Plötzlich begannen die Franzosen bei Trarbach den Bau
eines Forts, das sie Mont-Royal benannten. Es war dazu be-
stimmt, die Stadt Trier, die von Westen her schon von Luxem-
burg bedroht war, auch von Osten her einzuschnüren und von
Deutschland abzuschliefsen. Anderseits bildete Mont-Royal eine
vortreffliche Operationsbasis gegen die kurtriersche Hauptfestung
und zweite Residenz Koblenz -Ehrenbreitstein. „Wenn andere
so herrliche Länder erwerben," sagte Groissy mit deutlicher An-
spielung auf die Fortschritte des Kaisers in Ungarn, „müssen
wir auch unseren Besitz zu sichern suchen.** Auf Louvois' Be-
fehl wurden unechte Dokumente angefertigt, die beweisen sollten,
dafs Trarbach bereits vor dem L August 1681 reunirt sei, also
zu den im Stillstande Frankreich einstweilen überlassenen Ge-
bieten gehöret Freilich wurde selbst mit dieser Fälschung die
Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dafs der Stillstands-
vertrag jede Änderung des Status quo in den reunierten Ländern
und damit auch die Anlegung neuer Festungen untersagte.
Ganz Deutschland war über diesen neuen Friedensbruch er-
regt, um so mehr, als es sich hier nicht um eine Grenzforti-
fikation, sondern um eine Niederlassung inmitten unbestritten
deutscher Gebiete und um eine direkte Bedrohung des Trierer
Kurfürstentums handelte. Auch Friedrich Wilhelm von Branden-
burg^ war tief betroffen und bereit, allen möglichen Gegen-
mafsregeln zuzustimmen, insoweit diese nicht zu offenem Bruche
mit Frankreich führten. Denn ein solcher, das stand bei ihm
unerschütterlich fest, dürfe und solle erst erfolgen, wenn der
Kaiser mit den Türken Frieden gemacht habe und seine sämt-
lichen Streitkräfte an den Rhein entsenden könne. Er ver-
schlofs sich durchaus nicht den Klagen, die das Reichsoberhaupt
in einem Schreiben an die Kurfürsten am 16. Juli aussprach:
Die Erbauung und Besetzung des Trarbacher Forts stehe im
Gegensatze zu den schriftlichen Zusagen des AUerch ristlichsten
' Rousset, Louvois, LEI, 27 f. — Klopp, ni, 344f.
* Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheimsi
Juli bis Okt. 1687. Hierin sind auch Abschriften der Koiresp. Fried-
rich Wilhelms mit dem Kaiser, den übrigen Kurfürsten und dem Land-
grafen von Kassel, sowie mit seiner Hegensburg. Gesandtschaft ent-
halten. — Vgl. Londorp, XIII, 75 ff., u. U. u. A., XIV, 1872 f.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschluls. 403
Königs, nichts mehr gegen den Waffenstillstand unternehmen zu
wollen; wenn das Reich auch hierzu stillschweige, werde der
König immer weitere Ausschreitungen begehen und den ganzen
Rheinstrom in seine Gewalt bringen. Allein Friedrich Wilhelm
begehrte von Wien Taten und nicht immer nur Worte. Es
war leicht für Leopold, die Reichsfürsten auf ihre eigene Gefahr
hin auf Frankreich zu hetzen und inzwischen, weit von dessen
Heeren entfernt, unschwierige Siege und Eroberungen auf Kosten
der geschwächten, fast wehrlosen, demütig um Frieden betteln-
den Pforte zu vollbringen. In diesem Sinne, wenn auch in höf-
licher Form, antwortete er dem Kaiser am 6. August. Er
schlug in diesem Schreiben weiter vor, zur Vermeidung fernerer
Mifshelligkeiten einen Grenzvertrag mit Frankreich schleunigst
abzuschliefsen.
Inzwischen hatte er aber keineswegs voll Kaltherzigkeit
bei der Not des Vaterlandes die Hände in den Schofs gelegt.
Spanheim mufste in Paris sich auf die Verträge und auf das
dem Kurfürsten gegebene königliche Wort berufen, um für
Giesenheim wie für Trarbach die Rückkehr zum vorherigen
Zustande zu verlangen und die ernste Mahnung hinzufügen:
Brandenburg sei, unbeschadet seines Bündnisses mit Frankreich,
verpflichtet, seinen Obliegenheiten gegen das Reich nachzukom-
men, die es bei der Allianz ausdrücklich vorbehalten habe —
eine Erklärung , die in deutlicher Weise an die Vorgänge nach
dem Vossemer Frieden erinnerte. Spanheim erhielt darauf frei-
lich keine andere Antwort als der kaiserliche Gesandte Lobko-
witz auf seine Vorstellungen : der König dürfe in den reunierten
Landen tun, was er wolle. Darauf ging Friedrich Wilhelm zu
tatsächlicher Unterstützung Kurtriers über. Er hatte zuerst
beschlossen, 2000 seiner Soldaten in seine dem Erzstift zunächst
gelegenen Orte Duisburg, Essen und Werden einzuquartieren;
allein er bedachte, dafs er schon die Reichsstadt Köln mit
brandenburgischen Truppen besetzt, dem Kurfürsten von der
Pfalz vertragsmäfsig 1500 Mann zur Unterstützung von dessen
Garnisonen zugesagt hatte. Sollte er sein Heer aber-
mals um 2000 Krieger schwächen? lief er da nicht Gefahr,
seine Streitkräfte ganz zu zersplittern? Er stellte also dem
Trierer Johann Hugo auf dessen Hilfegesuch nur 500 Mann von
seinen westfälischen Truppen unbedingt zur Verfügung. Dabei
konnte er sich wieder von der Haltlosigkeit des phrasenhaften
464 Siebentes Buch.
Patriotismus der übrigen Reichsst&nde Qberzeagen. Es war weit
von der Grafschaft Mark bis an die Mosel, and Trier oder
Koblenz konnten längst von den Franzosen eingeschlossen sein,
ehe die Brandenburger zur Hilfe anlangten. Er ersuchte also
den Landgrafen von Kassel, die Verlegung der 500 Mann nach
dem hessischen Westerwalde zu gestatten, zur leichteren Be-
schützung von Koblenz und dem Ehrenbreitstein — jene hätten
dann im Notfalle nur vier bis fünf Meilen, zwei Tagemärsche
für die damalige Zeit, zu marschieren. Allein so grofs war
bereits die Furcht, dafs der Landgraf das Anliegen zurückwies
(25. August), „um der Krone Frankreich keine Ombrage zu
geben" ; Brandenburg möge doch die 500 Mann in seinem eigenen
Lande nach dem am nächsten zu Trier belegenen Orte, etwa
nach Altena in der Grafschaft Mark, senden. Da waren sie
allerdings von Koblenz noch zwanzig Meilen, acht bis zehn Tage-
märsche, entfernt. Und dabei war der Landgraf Mitglied der
berühmten Augsburger Allianz, die sich angeblich die Verteidi-
gung des Reiches gegen Frankreich zur Aufgabe gesteUt hatte!
Ebenso trübe Erfahrungen machte Friedrich Wilhelm mit
seinen Herren Mitkurfürsten. Er hatte am 5. August an sie
geschrieben, um sie zu gemeinsamem Vorgehen in der Trar-
bacher Angelegenheit aufzufordern. Da antworteten denn Kur-
bayem und Kurmainz: man müsse des Kaisers Vorschläge in
Regensburg abwarten. Der heuchlerische Kardinal Fürstenberg
liefs das au Frankreich verkaufte Kurköln schreiben: es wolle
alles mit Brandenburg gemeinsam tun, doch möge man im Kur-
fürstenkolleg erst darüber beraten. Kurpfalz raffte sich zu dem
höchst wirkungsvollen Vorschlage auf: das ganze Reich möge
gegen die Verletzung des Stillstandes in Paris remonstrieren!
Um das Verfahren Friedrich Wilhelms in diesen Jahren
richtig zu würdigen, mufs man im Auge behalten, mit welchen
Elementen er es zu tun hatte. Der Kaiser lediglich um seine
ungarischen Eroberungen besorgt; die Süddeutschen so gut wie
waffenlos, mit Ausnahme Bayerns, dem nur seine dynastischen
Vorteile am Herzen lagen ; Kurpfalz ebenso schwach wie Mainz
und Trier; Kurköln ein Söldner Frankreichs; Hessen und
Sachsen ängstlich auf den Frieden bedacht; die Weifen voll
Neid und Hafs gegen Brandenburg, ohne irgend ein deutsches
Interesse. Mit solchen Genossen sollte er einem Könige von
Frankreich mit dessen gewaltiger, streng zentralisierter Macht
l
Achtondvierzigstefl Kapitel. Der Abschlufs. 465
Widerstand leisten ! Das war offenbar unmöglich. Er tat, was
er konnte. Nach Regensburg sandte er, an Jenas Stelle, den
echt deutschgesinnten Schmettau, dem er anbefahl, in der
Trarbacher Angelegenheit einmütig mit dem kurs&chsischen Ver-
treter vorzugehen. Aber was half es? Der Reichstag wie der
Kaiser begnügten sich mit ungemein tapferen Taten auf dem
Papiere ; Graf Verjus de Cröcy antwortete voll Hohn mit gleich-
falls papierenen Gegenmafsregeln. Papst Innocenz XI. riet in
Wien zum Frieden, zum Nachgeben, um nur ja den TQrkenkrieg
fortführen zu könnend Und das war das Ende der Sache. Das
Reich stellte den leeren Lärm ein, und Frankreichs Lilienbanner
wehte weiter auf den Wällen der Feste Mont Royal.
Solche Vorgänge mufsten bereits den Eifer Friedrich Wil-
helms im Dienste des Kaisers und des Reiches gewaltig abkühlen.
Die Gefahr für ihn wuchs. Dänemark ging, trotz aller seiner
Gegenbemühungen, im Herbst 1687 endgültig auf die französische
Seite über. Es zeigte dem Kurfürsten an, dafs es die Gegner-
schaft wider ein Bündnis des Hauses Lüneburg mit Frankreich
aufgebe, — eine Schwenkung, die ganz unmittelbar im Gegen-
satze zu dem in Kopenhagen wohlbekannten Interesse und
Wunsche Brandenburgs geschah. Wo blieb da die „evangelische
Allianz"? Ende September gelangte an ihn von Dänemark wie
von Frankreich die Aufforderung, er möge mit diesen beiden
Staaten und dem Hause Lüneburg eine Quadrupelallianz schliefsen,
zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Frieden des Reiches und
insbesondere im uiedersächsischen Kreise. Es lag auf der Hand,
dafs durch ein solches Bündnis lediglich die Usurpationen
Frankreichs an Rhein und Mosel sowie Dänemarks in Schleswig-
Holstein geschützt werden sollten, ohne dafs für Brandenburg
auch nur der mindeste Vorteil herausschaute. Friedrich Wilhelm
lehnte also jede neue Verpflichtung ab, indes in freundlichster
Weise und mit Berufung auf die Bündnisse, die ihn bereits mit
Frankreich und Dänemark verknüpften'.
Denn er war entschlossen, mit diesen Mächten nicht zu
brechen um des Kaisers willen, der sich nicht allein zurück-
haltend, sondern geradezu übelwollend gegen ihn benahm. Wenn
es dem Kurfürsten geglückt war, durch Verzicht auf die Lehns-
1 Immich, Innocenz XI., 77.
« U. u. A., m, 790 ff. 796 f., XIV, 1377 f.
Philippaon, Der Grofiie KurfOrgt. III. 30
4(56 Siebentes Buch.
hoheit über die ehemals magdeburgischeu Ämter Querfurt,
Jüterbogk und Dahme den Herzog von Sachsen-Weirsenfels zur
Rückgabe wenigstens des Amtes Burg zu bestimmen^, so war
das sicherlich nicht das Verdienst des Kaisers. In der ostfrie-
sischen Angelegenheit zeigte sich dieser lediglich darauf bedacht,
den Brandenburger aus dem wichtigen Eüstenlande zu entfernen.
Es kam dahin, dafs die Fürstin von Ostfriesland sich behufs
Abtragung der Lichtensteinschen Schuld lieber an die General-
staaten um Vorstreckung von 120000 Talern wandte und
damit die Gefahr von neuem schuf, das deutsche Land könne
pfandweise an die Holländer übergehen. Nicht einmal die £x-
spektanz auf die Nachfolge in Ostfriesland, nach dem etwaigen
Aussterben der fürstlichen Familie, wollte der Kaiser dem Hause
Brandenburg geben. Endlich kam es, am 30. September 1687,
zu dem Vergleiche, der dem Kaiser die Zahlung der Lichten-
steinschen Schuld in Höhe von 240 000 Reichstalem an Branden-
burg auferlegte, wofür dieses auf alle seine finanziellen An-
sprüche an Ostfriesland verzichtete*. Damit war der Pfandbesitz
des ganzen oder doch eines Teiles Ostfrieslands durch Branden-
burg, damit auch die Steuererhebung in diesem Lande durch
brandenburgische Beamte und zu Gunsten der brandenburgischen
Staatskasse beseitigt. Ja, es scheint, als habe der Kaiser
schliefslich, durch einen neuen Betrug, von der ganzen Schuld-
summe überhaupt nur 100000 Taler ausbezahlt ^ Freilich, wenn
er gehofft hatte, nunmehr die Brandenburger gänzlich aus jenem
Gebiete zu entfernen, hatte er sich doch gründlich geirrt.
Friedrich Wilhelm behielt das Konservatorium der ostfriesischen
Verfassung, das der Kaiser ihm einst erteilt hatte, bei und
beharrte auf der Besetzung Emdens und Greetsiels, sowie auf
der Fortdauer seiner Emdenschen Afrikanischen Kompanie. Er
liefs deutlich merken, dafs er es um dieser Dinge willen auch
auf einen Bruch mit dem Kaiser ankommen lassen werde, — und
so gab Leopold stillschweigend nach. Aber die Unvereinbarkeit
der österreichischen und der brandenburgischen Interessen hatte
sich wiederum auf das unzweideutigste herausgestellt.
Friedrich Wilhelm hielt es für angemessen, sich einstweilen
1 Vertrag vom 14./24. JuH 1687; Mörner, 494ff.
« Das. 762 ff. — Vgl. U. u. A., XIV, 1363—1885. 1400.
» Droysen, m, HI 841 Anm.
Achtondvierzigstee Kapitel. Der AbschlulB. 467
Frankreich wieder mehr zu nähern ^. Er liers dort durch Spanheim
vorstellen, dafs er bisher ja in keiner Weise das Bündnis mit dem
Könige verletzt habe, vielmehr bei solchem in Treuen verbleiben
werde. Und den Worten entsprachen die Taten. Er lehnte es
ab, dem Dispense zuzustimmen, dessen der älteste Sohn des
Kaisers, Erzherzog Joseph, wegen seiner noch allzu grofsen
Jugend behufs der Wahl zum Römischen Könige von selten der
Kurfürsten bedurfte. Er widersprach nicht minder der Kandidatur
des Herzogs von Lothringen, des Schwagers, Feldherm nnd
Schützlings des Kaisers, für die künftige Erledigung des
polnischen Thrones. Ludwig XIY. äufserte herzliche Befriedigung
über die antiösterreichische Haltung Brandenburgs in diesen
beiden wichtigen Fragen. Endlich änderte der Kurfürst sein
Benehmen in der Angelegenheit des Waffenstillstandes. Am
28. Oktober / 7. November 1687 ging seine Weisung an den
Geheimrat von Schmettau in Regensburg ab, die einen dem
französischen sich sehr nähernden Standpunkt einnahm. Während
des Türkenkrieges, hiefs es darin, müsse jeder gewaltsame
Zusammenstofs mit Frankreich vermieden werden. Da aber die
Verhandlung über einen eingehenden Grenzvertrag leicht einen
Zwist herbeizuführen vermöge, auch ein derartiger Traktat sich
bei Andauer des Türkenkrieges nicht vorteilhaft für das Reich
gestalten könne, müsse man einstweilen von jeder solchen Ver-
handlung absehen. Das gleiche gelte von den Beschwerden wegen
Verletzung des Waffenstillstandes.
Diese Instruktion wurde dem Grafen R6benac in Berlin
amtlich vorgezeigt ; Ludwig XIV. ward durch sie sehr befriedigt.
Der Kurfürst erläuterte sie anderen Diplomaten dahin, dafs er
nach wie vor von der Nichtberechtigung des französischen Vor-
gehens überzeugt sei, aber kein Mittel erblicke, solchem abzu-
helfen. Er sah ein, dafs die Selbstsucht und Schwäche der
deutschen Fürsten, mit Einschlufs des Kaisers, jeden Widerstand
unmöglich machten, und da empfand er keine Lust, zwecklos
seines Staates Sicherheit und Blüte im Auftrage von Leuten zu
gefährden, die ihm lediglich Abneigung und Übelwollen be-
wiesen. Er richtete die Hoffiiung einer besseren Zukunft auf
ganz andere Verhältnisse : auf das geplante Unternehmen Oraniens
in England, den Sturz der Stuarts, das Bündnis Brandenburgs
^ Das Folgende nach Geh. Staatsarchiv (Berlin), Bep. XI, Frankr. 25.
30*
468 Siebentes Buch.
mit den protestantischen Machten Niederland und England. Von
da sah er die Morgenröte eines glücklicheren Tages aufglftnzen.
Immer mehr verschärfte sich der Gegensatz zwischen dem
greisen und krankheitsgeplagten Herrn auf der einen, dem Kaiser
und der Mehrheit des Reichstages auf der anderen Seite.
Es ist bezeichnend, dafs Mitte Oktober 1687 der Kurfürst
seine Ansprüche auf endliche Zuweisung der längst versprochenen
Entschädigung seiner im Schwedenkriege erlittenen Verluste und
besonders des erneuten Verzichts auf Vorpommern abermals und
in entschiedenster Weise an den Reichstag brachtet Seine
Forderungen waren erstaunlich grofs, offenbar auf das Ab-
handeln berechnet: sie umfalbten die Reichsstädte Dortmund,
Mühlhausen, das unter dem Schutzrechte Kursachsens stand,
Nordhausen, wo hannoversche Besatzung lag, sowie Lokkum, das
früher zum Bistum Minden gehört hatte, aber jetzt von Celle
okkupiert war. Besonders der Gegensatz zu den Lüneburgem
trat hier offen hervor, zweifellos mit voller Absicht seitens des
Kurfürsten. Er verlangte endlich, dafs das Reich ihm die
Exspektanz auf Ostfriesland erteile und noch eine Million Taler
entrichte. Wiederholt ersuchte er den Kaiser, ihm bei der
Durchführung dieser Anliegen zur Seite zu stehen. Es schien,
als habe er es auf einen förmlichen Bruch mit dem Reiche und
dessen Oberhaupt abgesehen bei diesen trotzigen Forderungen.
Er mufste erleben, dafs die österreichische Gesandtschaft in Regens-
burg sich monatelang mit mangelnder Instruktion entschuldigte,
um sich jeder Beteiligung an dieser Angelegenheit zu enthalten,
von der sie voraussetzte, dafs, wenn der Kaiser nicht für sie
eintrete, sie an dem Widerspruch der Reichstagsmehrheit scheitern
werde. Endlich wurde, trot^ Fridags wiederholter und nach-
drücklicher Warnungen, die Haltung des Kaisers eine offenbar
ungünstige, ablehnende. Ganz anders Frankreich. Es sah in
dem Anliegen Brandenburgs ein vortreffliches Mittel, einen Keil
zwischen diesen Staat, das Reich und den Kaiser zu treiben,
und nahm deshalb mit Eifer für den Kurfürsten Partei. Zu-
gleich suchte es das Haus Lüneburg zur Erhebung ähnlicher
Ansprüche zu bewegen und darin mit Brandenburg zu verbinden,
so die längst gewünschte, auf den AUerchristlichsten König ge-
^ S. hierüber Londorp, XIH, 228ff. 440ff.; U. u. A., XIV, 1388.
1892 f. 1896. 1898. 1400; Prutz, 827.
Achtundvierzigstefl Kapitel. Der Abschluls. 469
stützte und dem offiziellen Beiehe feindliche Allianz beider Häuser
zu Stande zu bringen. Ernst August war geneigt, auf diese
Pläne einzugehen. Er liefs durch seinen Schwiegersohn, den
Kurprinzen, dessen Vater ersuchen, einer besonderen Allianz
behufs Erreichung ihrer beiderseitigen Ansprüche an das Reich
zuzustimmen. Eine völlige Auflösung selbst des äufseren Zu-
sammenhalts im Reiche, ein diplomatischer und sogar militäri-
scher Kriegszustand in Deutschland konnte hieraus erwachsen,
der dieses Land hilflos den Franzosen preisgegeben hätte. Die
Zerrüttung war schon in vollem Gange. Es versteht sich, dafs
alle Bedrohten gegen die brandenburgischen Forderungen heftige
Verwahrungen erliefsen, mit weitläufigen Darlegungen ihrer
Rechte und Freiheiten, ihrer Unveräufserlichkeit und Unüber-
tragbarkeit hervortraten. Auch von den unmittelbar nicht be-
teiligten Ständen liefen bei dem Kurfürsten so viele ablehnende
Antworten auf seine empfehlenden Schreiben ein, dafs die gänz-
liche Verwerfung seiner Ansprüche nicht zu bezweifeln war. Man
mufs sich fragen, ob er sein Verlangen ernst gemeint oder nur
Kaiser und Reich zu gröfserer Rücksicht auf sein Interesse habe
schrecken wollen. Oder sollte er diesen ganzen Streit in Szene
gesetzt haben, um Frankreich zu täuschen, um es von vorzeitigem
Bruche mit Brandenburg abzuhalten, einstweilen aber die Hilfs-
gelder aus Paris noch zu beziehen? Seine Ansprüche an das
Reich waren so ungeheuerlich, dafs eine derartige Vermutung der
Wahrscheinlichkeit nicht entbehrt und sich von selbst aufdrängt.
Inzwischen zog aber das Ungewitter herauf, das dazu be-
istimmt war, das Kriegsunheil von neuem über die Welt zu
bringen. Kurfürst Maximilian Heinrich von Köln, der aus seinem
Erzstifte, unter Einwirkung Wilhelms von Fürstenberg, ein Vor-
land Frankreichs gemacht hatte, neigte dem Grabe zu. Um
die wichtige Stellung am Unterrhein zu behaupten, wünschte
Ludwig XIV., diesen Fürstenberg sofort zum Koadjutor des
Kurfürsten mit Anwartschaft auf dessen Nachfolge erwählen
zu lassen. Hierzu war, nach dem kanonischen Rechte, die Zu-
stimmung des Papstes erforderlich ; aber da Innocenz XL soeben
von Frankreich in seiner eigenen Hauptstadt auf das gröblichste
beleidigt worden, hielt sich die französischgesinnte Mehrheit des
Kölner Domkapitels der Einwilligung des heiligen Vaters nicht
für sicher und wählte ohne solche am 7. Januar 1688 den
Kardinal Wilhelm von Fürstenberg zum Koadjutor. Damit war
470 Siebentes Buch.
die Krise akut geworden. Der Kaiser verlangte, dafs der Papst
die Wahl kassiere und eine neue anberaume ; der König von
Frankreich erklärte, dafs dies das Zeichen zum Kriege sein
werde. Er war um so mehr entschlossen, FQrstenbergs Erhebung
aufrechtzuerhalten, als dessen Mitbewerber ein Sohn eben des
Kurpfalzers war, mit dem er wegen der Orleansschen Erbschaft
in bitterem Streite lag^
Es waren trübe Zeiten für Deutschland, trübe Zeiten zumal
für den Hof in Berlin. Kurfürstin Dorothea erkrankte so schwer,
dafs man sie im Monat Februar schon für verloren hielt; sie
erholte sich nur langsam. Wenige Wochen darauf wurde der
Schwiegersohn des kurfürstlichen Paares, der Erbprinz von
Mecklenburg, durch die Blattern hinweggerailt , eine siebzehn-
jährige, kinderlose Witwe hinterlassend. Gicht und unheilbar
zunehmende Wassersucht plagten und schwächten den alten
Herrn immer ärger. Kaum besser sah es in der Politik aus'.
Mit dem Kaiser war Friedrich Wilhelm durchaus unzufrieden.
Dessen kühles, ja feindseliges Auftreten in der Satisfaktions-
angelegenheit erbitterte ihn sehr. „Ich nehme," sagte er zu
Fridag, „handgreiflich ab, dafs man zu Regensburg nur Zeit zu
gewinnen und meinen Tod abzuwarten die Absicht hat." Wie
sollte das Reich die Franzosen am Rheinstrom bestehen, wenn
Österreich seine Kriegsvölker sämtlich an der unteren Donau
beliefs? Vergebens riet er dem Kaiser immer wieder zu baldigem
Friedensschlufs mit den Türken, bot er ihm dazu die Vermitt-
lung der Generalstaaten an. Die Wiener Staatsmänner starrten
unausgesetzt auf Belgrad und überliefsen es den deutschen Fürsten,
die Kastanien aus dem französischen Brande zu holen. Kamen
doch die Eroberungen in Ungarn und Serbien dem erlauchten
Erzhause unmittelbar zu gute ; — welches Interesse bot ihm der
deutsche Rhein, der ihm doch nur zu verschwindend kleinem Teile
selbst gehörte! Man hatte sogar die Keckheit, für den neuen
Feldzug gegen die Osmanen von dem Brandenburger 3000 Mann zu
fordern, die dieser selbstverständlich mit dem Hinweis auf die
von Westen und Norden drohende Gefahr, sowie auf die gegen
' Spanheim an Kurf., 16., 28. Jan. 1687 ; Geh. Staatsarchiv (Berlin),
XI, Frankr. 26.
« Über das Folgende: U. u. A., XIV, 1397 ff. 1401 ff. — Ms. Span-
heim an Kurf., 6. April 1688.
Achtundyierzigstes Kapitel. Der AbBchlufs. 471
die Stadt Köln und die Kurfürsten von Trier und der Pfalz von ihm
übernommenen Verpfliehtungen verweigerte. Die Lage hatte sich
für ihn noch dadurch verschlimmert, dafs Ende 1687 das Bündnis
zwischen Frankreich und Hannover tatsächlich zu stände ge-
kommen war. Die Franzosen versicherten zwar, die Allianz sei
lediglich zum Schutze Hamburgs und Lübecks gegen dänische
Begehrlichkeit bestimmt — ein Zweck, den Brandenburg sehr
wohl billigen konnte — , allein der Kurfürst wollte wissen , dafs
sie in ihren Geheimartikeln Hannover verbiete, irgend welchen
Gegnern Frankreichs beizustehen oder den Durchmarsch durch
sein Land zu gestatten. Friedrich Wilhelm liefs dem Könige
sagen: er wundere sich, dafs dieser zwei miteinander so unver-
trägliche Bündnisse eingehe wie das mit Brandenburg und das
mit den Lüneburgem; „ich kann," erklärte er dem Grafen
B^benac, ,mit meiner Stimme (als Kurfürst) jetzt in einer
Sitzung mehr Wohl und Wehe stiften als die braunschweigi-
schen Herzoge in ihrem ganzen Leben/ ^
So trübten sich die offiziellen Beziehungen Brandenburgs
zu Frankreich immer mehr. Die Sprache, die man widereinander
führte, wurde eine gereizte, von französischer Seite sogar eine
drohende, da man glaubte, durch die Verbindung mit den Weifen
der Rücksicht auf den Kurfürsten überhoben zu sein. ^Ich
wünsche,'^ schrieb Ludwig am 12. Februar 1688 an R^benac,
„dafs Sie dem Kurfürsten zu verstehen geben, dafs ich hin-
reichende Ursache gehabt hätte, mich über alle die Schriften
und Erklärungen zu beklagen, die er veranlafst hat, um meine
Untertanen von der angeblich reformierten Religion zur Desertion
und zur Ansiedlung in seinen Staaten zu bestimmen, dafs ich
aber keinenfalls dulden könne, dafs er diejenigen, die, in Er*
kenntnis ihres Verschuldens, in mein Königreich zurückkehren
wollen, mit Gewalt zurückhalte," — eine ganz unbegründete
und in böser Absicht geschmiedete Anklage! „Wenn diese Ge-
walttätigkeit andauert," fuhr der König fort, „wird solche mich
leicht zu Entschlüssen bewegen, die ihm nicht genehm sein
werden." Von derartigen offiziellen Zumutungen bis zur Kriegs-
erklärung war nur ein Schritt*.
Fürstenberg und dessen Freunde in Berlin bemühten sich
^ Ms. Depeschen R^benacs vom 9. Dez. 1687, Jan. 1688 (B).
' G. Pagös, Les rdfugi^s k Berlin, a. a. O., S. 140.
472 Siebentes Buch.
freilich mit Eifer, den Kurfttrsten doch in die französisch-
hannoversche Allianz zu ziehen. Sie stellten ihm vor, dafs die
Eroberungen des Kaisers im Osten diesen Fürsten zu mächtig,
der Freiheit der Reichsstftnde und dem evangelischen Bekennt-
nisse allzu gefährlich machten. Übrigens zahle Spanien seine
Subsidienrückstftnde ebensowenig, wie der Kaiser die branden-
burgische Satisfaktion im Reiche fördere; Frankreich dagegen
sei erbötig, ihm in beiden Angelegenheiten GenOge zu ver-
schaffen ^ Allein Friedrich Wilhelm blieb inmitten seiner Leiden
und körperlichen Schmerzen fest; ohne sich dem Kaiser, dessen
Wohlwollen und Einsicht er wahrlich nicht zu loben hatte, näher
zu verpflichten, hielt er sieh doch von Frankreich, trotz aller
Verlockungen, fern.
Das zeigte er zunächst in dem Kölner Wahlstreite. Er
weigerte sich durchaus, den neuen Koadjutor ohne weiteres
anzuerkennen ; es könne ihm keineswegs gleichgültig sein, welchen
Mitkurfürsten und Nachbarn er in Köln erhalte. Das Notifi-
kationsschreiben Fürstenbergs liefs er viele Wochen hindurch
unerwidert und erteilte endlich, wie mehrere andere Kurfürsten,
eine in ganz allgemeinen Ausdrücken gehaltene Antwort, die
jede Anerkennung der Neuwahl geflissentlich unterliefs (Ende
März 1688). Beschwerden Frankreichs über dieses Verfahren
«entgegnete er anfangs mit Entschuldigungen wegen der Gicht-
schmerzen in seiner rechten Hand, dann mit dem Hinweis auf
•die noch ausstehende Gutheifsung des Papstes, endlich aber mit
der stolzen Abweisung: die Koadjutorwahl in Köln sei in seinen
Verträgen mit Frankreich nirgends erwähnt, er besitze also hier
volle Freiheit des Handelns'. Allein Frankreich liefs sich mit
solchen formalen Gründen nicht abfertigen. Die Weigerung
Friedrich Wilhelms, den Kardinal Fürstenberg als Koadjutor
des Kölner Erzbischofs anzuerkennen, wurde in Paris als Unter-
ordnung unter die Interessen und Ziele des Kaisers und des
Pfälzer Kurfürsten aufgefafst und mit der unverblümten Drohung
beantwortet, aus dieser Sache werde eine Störung des Friedens
erwachsen'. Zum Zeichen des Mifsvergnügens behielt Frank-
' U. u. A., XIV, 1400. 1402.
» Ms. Kurf. an Spanheim, 11.121. Jan , 27. März/ 6. April, 6J16. April
1688; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 26.
* Ms. Spanheim an Kurf., 5J15. u. 17727. März 1688; ebendas.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der AbschluTs. 473
reich längere Zeit die Zahlung der vertragsmäfsigen Sub-
sidien ein; es schuldete im April 1688 deren 750000 Livres,
— ein beträchtlicher Ausfall für die arme Staatskasse Branden-
burgs. „Der Kurfürst,^ besagt die Instruktion an General de
Marly, der im selben Monat, an Stelle des nach Madrid ver-
setzten Röbenac, nach Berlin gesandt wurde, „der Kurfürst und
seine Minister dürfen die Verzögerung der Hilfsgelder nur dem
gerechten Argwohn zuschreiben, den sie seit Abschlufs des
Waffenstillstandes Sr. Maj. eingeflOfst haben, dafs sie nämlich
geneigt seien, sich demnächst von den Interessen Sr. Maj. völlig
zu trennen und sich von neuem mit dem Hause Österreich zu
verbinden.*' ^ Die mannigfachen Gründe zu diesem Argwohn
werden sorgfältig aufgezählt. „Alles dies erlaubt Sr. Maj. nicht,
auf die Freundschaft des Kurfürsten zu zählen, wenn er Ihr
nicht dafür neue Beweise gibt, derart, dafs sie alle Verdachts-
gründe auszulöschen vermögen.''^
So stand es also im Frühjahr 1688 um den Kurfürsten:
mit Frankreich entzweit, zu Dänemark und den Weifen in
Gegnerschaft, mit dem Kaiser und fast dem gesamten Reiche
auf gespanntem Fufse. Er erwartete in der Tat das Heil von
einer anderen Seite, von den Niederlanden und der Gewinnung
Englands für die Sache der Religion und der politischen Freiheit.
Der Mittelpunkt seines ganzen Systems war Wilhelm von Oranien.
Dieser Prinz hatte zunächst eine günstige Meinung von den
Absichten seines Schwiegervaters, Jakobs II. von England, ge-
hegt und deshalb die Aufforderung Friedrich Wilhelms, dieses
Reich durch einen kühnen Einfall und durch Aufrufen der
ganzen evangelischen Bevölkerung für sich und die gute Sache
zu gewinnen, unbeachtet gelassen. Allein er und die übrigen
leitenden Männer der Vereinigten Provinzen mufsten sich bald
überzeugen , wie scharf der Blick des Brandenburgers und wie
richtig sein Rat gewesen war. Indem der englische Monarch
den Plan fafste und ausführte, sein protestantisches, parlamen-
tarisch regiertes Volk dem Absolutismus und der katholischen
Kirche zu unterwerfen, wurde er von selbst dazu gedrängt, bei
dem mächtigsten katholischen und despotischen Herrscher, bei
Ludwig XIV., Anlehnung und Hilfe zu suchen. Schon seit dem
Beginne des Jahres 1686 gingen Gerüchte über ein Bündnis der
* Rec. des Instr., XVI, 227 f.
474 Siebentes Buch.
beiden Könige; wenn auch verfrüht, waren sie offenbar Jakob
nicht unangenehm. Er nahm eine immer schroffere Haltung ein
nicht nur gegen die Generalstaaten, sondern auch gegen Wilhelm
von Oranien selbst; er bedrohte dessen und seiner Gremahlin
Maria rechtm&fsige Erbfolge in England zu Gunsten seiner
zweiten Tochter Anna und ihres Gatten, des Prinzen Georg von
Dänemark ; er häufte auf Wilhelm beleidigende Anklagen. Da,
im Sommer 1686, brach Oranien mit ihm, und seitdem ging der
Prinz auf die Entwürfe ein, England mit Hilfe eines holländischen
Heeres zu revolutionieren. Er fand dazu Anlafs und Handhabe
in der Entwicklung der inneren Verhältnisse Englands. Jakob
begnügte sich nicht damit, auf ungesetzliche Weise und im
Widerspruche mit seinen feierlichsten Versprechungen seinen
Glaubensgenossen Duldung und Gleichberechtigung im Staats-
leben zu verschaffen, er zielte vielmehr offen darauf hin, in
England, dessen Bewohner zu neunundneunzig Hundertsteln dem
Protestantismus angehörten, seine Kirche zu der herrschenden
zu machen. Das ganze englische Volk — selbst, mit Ausnahme
einiger Eiferer, die dortigen Katholiken, die von seinen Gewalt-
taten unheilvolle Folgen für sich voraussahen — war entrüstet
über seines Königs Verfahren und wandte die Blicke auf den
rechtmäfsigen Thronerben, auf Oranien, der so das Symbol und
das Haupt der ganzen stuartfeindlichen Richtung in England
wurde.
Indes, er allein würde nichts Entschiedenes haben ausrichten
können, — zur Eroberung Englands sogar mit Zustimmung der
Bevölkerung reichten seine Machtmittel nicht aus. Er bedurfte
der Einwilligung und Beihilfe der Generalstaaten. Sie ihm zu
schaffen, dafür sorgte Jakob II. selber. Während er von
Ludwig XIV. Hilfsgelder zur Verstärkung seines Heeres mit
katholischen Iren annahm, forderte er die englischen Regimenter
zurück, die seit vielen Jahren im Solde der Vereinigten Pnh
vinzen dienten. So fügte er, diesen gegenüber, zu dem reli-
giösen Streite den politischen. Beide aber drohten sich zu ver-
ewigen, als ihm seine zweite Gemahlin, nach mehrjähriger un-
fruchtbarer Ehe, ein Kind versprach (November 1687), von dem
er sofort voraussetzte, es werde ein Sohn, der katholische Erbe
der Stuarts werden. Nur um so zuversichtlicher und rechts-
verachtender traten seitdem der König und die kleine Schar seiner
Helfer auf.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 475
Die Zukunft EDglands war aber eine Angelegenheit von
nicht nur partikularer, sondern von hoher europäischer Bedeutung.
Auf den Wegen Jakobs IL mufste es treuer Verbündeter Frank-
reichs, ein Helfershelfer bei der Unterdrückung der gesamten
Christenheit unter das Machtgebot des Despoten von Versailles
werden. Wie sollte man diesem widerstehen, wenn er sich,
aufser auf die unvergleichlichen Hilfskräfte Frankreichs, aufser
auf die Unterstützung durch Dänemark, die Weifen, Kurköln
auch noch auf die Heere und Flotten Grofsbritanniens stützen
konnte ? Was sollten da die Niederlande, Brandenburg, Schweden
ausrichten, denen der Kaiser jeden ausgiebigen Beistand ver-
sagte, während das Reich in Schwäche und streitsüchtige Torheit
versunken war? Nein, England sollte und mufste auf seinen
geschichtlichen Platz als Vorkämpfer für den Protestantismus
und für nationale Unabhängigkeit wieder gestellt werden. Diese
Erwägungen führten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und
Wilhelm III. von Oranien weit mehr zusammen als der Zufall
der Verwandtschaft. Und man durfte auf die Beihilfe der
Generalstaaten rechnen. Wenn diese die Zurücksendung der
englischen Regimenter in ihrem Solde verweigerten, so geschah
das hauptsächlich, um diese Truppen bei dem Versuche, deren
Landsleute daheim gegen die Stuarts aufzuwiegeln, in den
Vordergrund zu stellen. Schon längst, schon seit dem Spät-
sommer 1687, hatte der scharfblickende d'Avaux seinen König
vor den Absichten der Holländer auf England gewarnte
Als im November 1687 die Nachricht von den HofiFhungen
der Königin von England sofortige entscheidende Beschlüsse er-
heischte, hatte der Prinz selber nach Berlin gehen wollen, um
sich mit dem greisen Oheim zu verständigen. Nach reiflicher
Überlegung zog er es vor, die Nachbarschaft Englands nicht zu
verlassen, und sandte den Obersten Pettekum mit mündlichen
Aufträgen zu Friedrich Wilhelm. Bald darauf, im Januar 1688,
kam der junge Lord Lewis zum zweiten Male nach der branden-
burgischen Hauptstadt. Er war der Sohn eines eifrig protestantisch
und whiggistisch gesinnten schottischen Edelmanns, des Lord
Melville, hatte in Berlin eine Zeitlang als Offizier gedient und
war dann im September 1687 zu seinem Vater zurückgekehrt,
mit Briefen des Marschalls Schomberg. Dieser, durch seine
» Mtooires, VI, 89.
476 Siebentes Buch.
Mutter von englischer Abkunft und durch seine Gemahlin mit
dem prinzlichen Paare von Oranien verwandt, hegte für dessen
Sieg in Grofsbritannien die freudigste Teilnahme. „Dafür,''
schrieb er an Henry Sydney, „würde ich alles opfern; es würde
mir die grOfste Genugtuung verschaffen, wenn wir dieser Sache
einmal gemeinschaftlich Dienste zu leisten vermöchten.'' ' Lewis
erhielt nun von den schottischen Lords den Auftrag, dem Kur-
fürsten mitzuteilen, dafs sie wie der englische Adel darauf
drängten, das Werk der Befreiung zu beschleunigen ; der Augen-
blick, es zu unternehmen, sei nach ihrer Meinung gekommen.
Oranien hatte Lewis beauftragt, diese Dinge, die sonst durch-
aus geheim bleiben mufsten, doch auch dem Kurprinzen und
dessen vertrautem Ratgeber Danckelmann mitzuteilen. Denn
wisse man, wie bald diese zur Herrschaft berufen seien? Der
Kurfürst zeigte sich zur Mitarbeit an dem grofsen Werke bereit,
dessen Ausführung er freilich nicht mehr erleben sollte. Er
sah das gelobte Land der europäischen Freiheit nur von weitem*.
Allein er webte bis zu seinem letzten Atemzuge in diesen
grofsen Dingen. In seinem Auftrage ging sein in Kleve stationierter
Generalleutnaüt Spaen, der schon häufiger sein Vertrauensbote
bei dem Oranier gewesen war, im März 1688 wiederholt nach
dem Haag. Spaen traf hier mit dem Prinzen eine Verabredung
von der grOfsten Bedeutung. Der brandenburgisch-niederländische
Vertrag von 1685 hatte die Bestimmung enthalten, dafs bei ent-
stehenden Kriegsbefürchtungen beide Mächte über gemeinsam
zu treffende Mafsregeln sich verständigen sollten. Hierauf sich
stützend kam Spaen mit dem Oranier überein, dafs der Kur-
fürst in das Herzogtum Kleve 9000 Soldaten zur Sicherung des
Niederrheins und der Ostgrenzen der Vereinigten Provinzen ver-
legen sollte. Auch der Kurpfälzer versprach durch Spaen, in
sein Herzogtum Jülich gleichfalls 2000 Reiter und 500 Fufs-
gänger zu senden. Diese Abmachungen waren dazu bestimmt,
dem Oranier den Übergang nach England zu erleichtern, indem
sie die Generalstaaten über deren eigene Sicherheit beruhigten
und hierdurch um so eher bewogen, dem Prinzen ihre eigenen
Truppen anzuvertrauen, ohne Furcht vor einem französischen
Angriffe vom Rhein her'.
^ Ranke, Engl. Gesch., Y, 526 f.
» Pufendorf , XIX, 99. — Klopp, IV, 68.
s d'Avaux, VI, 63 f.: Depesche vom 16. März 1688.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der Absclilufs. 477
Die brandenburgische Diplomatie leugnete den AbscUufe
dieses Übereinkommens mit grofser Kühnheit ab. Indes, sie fand
hiermit um so weniger Glauben, als die neuntausend Branden-
burger und 2500 Pfälzer tatsächlich in den ihnen bestimmten
Quartieren westlich des Rheins erschienen ^ In Paris war man
auf das genaueste davon unterrichtet und rechnete das Äb^
kommen dem Kurfürsten als einen schweren Frevel an'.
So spitzten sich die Dinge zu dem grofsen und blutigen
Entscheidungskampfe zu, der wenige Monate später wirklich
ausgebrochen ist, und an dem Brandenburg und sein Heer einen
bedeutenden und ruhmvollen Anteil genommen haben. Es war
Friedrich Wilhelm nicht beschieden, die Entwicklung dieser An-
gelegenheit, die er von so langer Hand und so umsichtig vor-
bereitet hatte, noch zu erleben. Die Krankeit, mit der sein
kräftiger Körper und sein starker Wille seit langen Jahren
gerungen hatten, trug endlich den Sieg ttber jeden Widerstand
davon.
Seit dem Beginne des Jahres 1688 war zu seinen ttbrigen
Leiden: Fufsgicht, Stein, Asthma, Hämorrhoiden, noch die Wasser-
sucht getreten, deren Anschwellungen die Ärzte durch Pflaster
bekämpften, ohne aber durch so oberflächliche Mittel deren Fort-
schritte wesentlich verhindern zu können. Am 16. April, dem
Karfreitag, empfing er in gewohnter Weise das Abendmahl.
Allein kurz nach den Osterf eiertagen verschlimmerte sich sein
Zustand derartig, dafs man anfing, seinen baldigen Tod voraus-
zusehen. Die alten Mittel versagten, und nach einer kurzen
Besserung, die dem Patienten eine Ausfahrt gestattete, nahm
die Geschwulst in bedrohlicher Stetigkeit zu. Der Schlaf über-
fiel ihn plötzlich, selbst bei TafeP. Am 24. April sagte er zu
den ihn behandelnden Ärzten : er fühle wohl, dafs er nicht mehr
viele Tage zu leben habe. Er trug sein Leiden mit der gröfsten
Geduld : „er wolle von Gott erwarten,** sagte er dem kaiserlichen
Gesandten, „was der hierin mit ihm disponieren wttrde, welcher
> Ms. Kurf. an Spanheim, 27. März/ 6. April, 6./16. April 1688. —
d'Avaux, VI, 66.
^ Instruktion an Gravel, 23. April 1688; Bec des Instructions,
XVI, 228.
* Berichte Fridags und des französischen Gescuidtschaftssekretärs
Poussin. — Orlich, PreuTs. Staat, 11, 548 ff., nach den Aufzeichnungen
des Predigers Ck>cliius und des jüngeren Schwerin.
478 Siebentes Buch.
der beste Medicus wäre^. Er zeigte in diesen schweren Tagen
eine Ruhe und Sanftmut, die zu seiner sonstigen Lebhaftigkeit
und seinem bisherigen Jähzorn einen auffallenden Gegensatz
bildete. Dabei arbeitete er unausgesetzt an den Staatsgeschftften,
empfing fremde Gesandte, diktierte Briefe und sah die Depeschen
durch, in dieser aufopfernden, unermüdlichen Pflichterfüllung
bis in den Tod ein glänzendes Vorbild — wie in so vielen anderen
Dingen — für seine Nachfolger ; auch er hatte keine Zeit, müde
zu sein.
Anfang Mai schien es, als sei die Krise einstweilen über-
wunden; es trat eine Erleichterung der Leiden ein. Man be-
gann, wieder einige Hoffnung zu hegen, wenn nicht auf dauernde
Genesung, so doch auf mögliche Fortdauer des Lebens. Allein
die Besserung hielt nicht an. Am 7. Mai, einem Freitag, ver*
sammelte der sterbende Held, wie gewöhnlich an diesem Wochen-
tage, seinen Geheimen Rat um sich ; auch der Kurprinz wohnte
der Sitzung bei. Der Fürst, der die Nacht in Schmerzen durch-
wacht hatte, sprach, mit schon matter Stimme, zu dem Kur-
prinzen gewandt: „Ich fühle, dafs ich zum letzten Male dem
Geheimen Rat beiwohne. Durch Gottes Gnade habe ich eine
lange und glückliche, aber auch mühevolle Regierung voll Krieg
und Unruhe gehabt. Jeder weifs, in wie trauriger Zerrüttung
das Land gewesen, als ich die Regierung begann ; durch Gottes
Hilfe habe ich es in besseren Stand gebracht, bin von meinen
Freunden geachtet und von meinen Feinden gefürchtet worden.
Ich übergebe Euch nun die Regierung und ermahne Euch, sie
in denselben Grundsätzen zu führen, diQ mich geleitet haben.
Mögt Ihr den Ruhm, den ich Euch vererbe, bewahren und mehren.^
Den Räten dankte er für die treuen Dienste, die sie ihm ge-
leistet, und die sie, wie er zuversichtlich hoffe, auch seinem
Sohne widmen würden; er wisse wohl, dafs seine Untertanen
schwere Lasten zu tragen hätten, aber die Ungunst der Zeiten
habe es ihm unmöglich gemacht, solche zu mildern.
Der Kui*prinz, die Räte antworteten unter Tränen, mit Ver-
sicherungen der tiefsten Hingebung und Verehrung, mit Zusagen
für die Zukunft. Obwohl erschöpft, dankte Friedrich Wilhelm
mit freundlichem Blick und liefs dann die gewöhnlichen Vor-
träge halten, auf einen jeden mit klarem Urteil und unentwegter
^Gelassenheit verfügend.
Der Rest des Tages, sowie der 8. Mai vergingen in frommen
Achtandvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 479
Gesprächen mit den Predigern und seinen Angehörigen, die
er ermahnte und segnete. Er legte seinem Nachfolger vor allem
die Verteidigung des bedrängten evangelischen Wesens an das
Herz, empfahl ihm im besonderen die französischen Glaubens-
flQcbtlinge und beklagte die Gehässigkeit, mit der sich die
Protestanten untereinander bekämpften, ^ Empfindungen, die
ihn von Jugend an beherrscht hatten. Schwere Beängstigungen
quälten ihn wiederholt, Ohnmächten schienen jedesmal das Ende
seines irdischen Daseins anzuzeigen.
Wie sein ganzes Leben so war auch sein Sterben schwer
und mühevoll. Am Sonntag Misericordia domini (9. Mai) in der
Frühe nahm er dann den letzten Abschied von den Seinen.
Unter Bezeugungen christlicher Andacht und Zuversicht wurde
er zwischen neun und zehn Uhr morgens von seinen Qualen er-
löst, — fest und fromm bis zum letzten Atemzuge: er schlofs
sich noch im Sterben selber die Augen. Der französische Ge-
sandtschaftssekretär schreibt: ,|Er hat bis zum letzten Augen-
blicke seines Lebens Beweise aufserordentlicher Seelengröfse und
Geistesfreiheit gegeben.^ Und der österreichische Botschafter:
„Es ist nicht genugsam zu beschreiben, mit was für einer Stand-
haftigkeit und absonderlicher grofser Andacht bei vollkommener
guter Vernunft er sein Leben geendiget." ^
So schied der Fürst, der in Wahrheit der Begründer und
Schöpfer des preufsischen Staates gewesen ist. Seine Wirksam-
keit war eine ebenso tiefgehende wie umfassende. Es bedeutete
viel, dafs er das Gebiet um ein reichliches Dritteil vergröfsert,
mehr, dafs er es fest in sich zusammengeschlossen, die ständi-
schen und provinziellen Sondergewalten gebrochen, einheitliche
Verwaltung und systematisch geordnete Finanzgebarung ein-
geführt, die Wehrmacht auf sichere und bleibende Grundlagen
gestellt hatte.
Friedrich Wilhelm war nicht ein unersättlich nach neuem
Landerwerb Strebender gewesen. So mechanisch, so brutal
fafste er den Begriff des Staates und seiner Kräfte nicht auf.
^ Vgl. Burnet, History of his own time (London s. a.), 8. 475:
„He received the intimations of death with the firmness that became
both a Christian and a hero.''
480 Siebentes Buch.
Er wünschte dessen Ausdehnung nur an den Orten, wo sie
dessen wesentlichen Interessen wirklich zu gute kam: wie in
Pommern, in Schlesien, in Ostfriesland, an der Elbe. Land-
gewinn, von dem er schädliche Verwicklungen und dauernden
Nachteil fttr die politische Stellung Brandenburgs fürchtete, hat
er vielmehr zurückgewiesen, wie ihm solchen Frankreich in den
Jahren 1683 bis 1685 auf Kosten der Weifen dargeboten hatte.
Er imterschied eben sorgfältig zwischen dem augenblicklichen,
vorübergehenden und dem bleibenden, höheren und deshalb
wahrhaft fruchtbaren Erfolge. So opferte er noch gegen Ende
seines Leben alle Aussicht auf den Besitz Vorpommerns, der,
wie sich damals die Dinge gestaltet hatten, nur um den Preis
der Unterwerfung unter Frankreich erhältlich war, dem grofsen
Gedanken der evangelischen Union und des europäischen Frei-
heitsbundes. Diese Fähigkeit, das Kleinere, wenn es auch für
den Moment noch so lockend erschien, wichtigeren Gesichts-
punkten und Zielen unterzuordnen, ohne dabei das praktisch
Mögliche für Chimären hinzugeben — diese Fähigkeit vor allem
stempelt Friedrich Wilhelm von Brandenburg zum grofsen
Staatsmann.
Als Hohenzoller und Fürst hielt er sich von Gott für be-
rufen und verpflichtet, sein Haus, seinen Staat und sein Be-
kenntnis zu fördern. Insofern war er in erster Linie partiku-
laristisch gesinnt. Allein wie sein innerstes Empfinden deutsch
war, so erkannte er auch, dafs die Blüte, ja das Bestehen
seines Staates von der Selbständigkeit und Macht des ganzen
Deutschland durchaus abhänge. War das Reich schwach und
den Fremden Untertan, so liefs sich Brandenburg- Preufsens
Selbständigkeit in den europäischen Verwicklungen nicht be-
haupten. Wir sehen ihn deshalb, sei es mit Absicht oder un-
willkürlich, allerorten deutsches Wesen schützen und vor der
Unterjochung durch die Fremden retten: so in Ostpreu(ton
gegen das Polentum, so in Kleve und Ostfriesland gegen die
Holländer, so in Hamburg gegen die Dänen, so am Rhein gegen
Frankreich. Brandenburg vor allem hat zum erstenmal seit
vielen Jahrhunderten die weitere Abreifsung deutscher Gebiete
von dem Körper des Reiches und Volkes verhindert, schon ver-
lorene oder doch bedrohte diesem zurückgebracht. Auch die
Absicht auf Vorpommeiii, auf völlige Vertreibung der Schweden
aus Deutschland entsprach dem deutschen Interesse, und ihre
Achtundyierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 4gl
Verwirklichung wttrde aus dem ReichBorganismus einen schmerz-
lich als solchen empfundenen Fremdkörper entfernt haben.
Gewifs hat der Kurfürst den Vorteil ganz Deutschlands nicht
als Hauptzweck sich gesetzt; allein es wäre ungerecht, zu ver-
kennen, dafs er tatsächlich der erfolgreichste, ja zu seiner Zeit
der einzig erfolgreiche Verfechter und Verbreiter deutschen
Wesens war. Es wäre ebenso ungerecht , ihm — wie das jetzt
bisweilen geschieht — das Gefühl für das weitere Vaterland
überhaupt abzusprechen. Hat er nicht 1684 den Vorschlag des
allmächtigen FranzosenkOnigs, ihm das glühend gewünschte Vor-
pommern gegen die Zustimmung zur Abtretung der Reichs-
festung Philippsburg an Frankreich zu verschaffen, rundweg ab-
gelehnt? Welcher deutsche Fürst würde damals einen so ge-
waltigen Vorteil aus den Händen gegeben haben gegen ein Zu-
geständnis, das ihm selbst nichts kostete, nur die Sicherheit und
Ehre des Reiches schädigte ? Auch hier hat Friedrich Wilhelm
ein grofses und glänzendes Beispiel gegeben. Selbst sein Bünd-
nis mit Frankreich hat er sorglich zur möglichsten Wahrung
der Reichsintegrität benutzt. Er bot dem Kaiser die Umwand-
lung der brandenburgischen in eine Reichsflotte, wollte dem
ganzen Deutschland so ein Machtmittel überliefern, das es seit
vielen Jahrhunderten schmerzlich und zu seinem grofsen Schaden
vermifste. Nicht seine Schuld ist es gewesen, wenn der deutsche
Doppelaar damals nicht über den Meeren schwebte.
Friedrich Wilhelms politische Begabung hat sich nie glän-
zender gezeigt als während der letzten Jahre seines Lebens, wo
sein Körper durch unaufhörliches schmerzliches Leiden, sein
Herz durch Zwist und Unglück in der nächsten Familie ge-
peinigt und gebeugt waren. Da gerade entwarf und befolgte
er das geniale Programm: Zusammenfassung ganz Europas, mit
Verzicht auf alle Sondervorteile und kleinliche Streitigkeiten,
gegen die drohende Universalmonarchie des Königs von Frank-
reich. Er stand mit seinem Neifen Oranien an der Spitze des
europäischen Gegenbundes, an dessen Ausdehnung und Befesti-
gung der Greis mit jugendlichem Schwung und Feuer arbeitete.
Gewifs, er hat nicht als erster diesen Gedanken gefafst; aber
das ist auch nicht das verdienstlichste, vielmehr ist es die plan-
mäfsige, unentwegte, entschlossene Tätigkeit für dessen Ver-
wirklichung. Und er war der erste, der den Plan zu dem für
das Gelingen des grofsen Programms unentbehrlichen Unter-
Philippaon, D«r Qrofte KurfOnt. III. 31
482 Siebentes Buch.
nehmen auf England gedacht und auf seine Ausführung hin-
gestrebt hat, — schon bei Lebzeiten Karls II., seit 1684. Er
allein hat den Oranier und die Generalstaaten allmählich von
der Notwendigkeit dieser Tat überzeugt. Es ist das ein Ver*
dienst von höchster weltgeschichtlicher Bedeutung; es würde
allein genügen, die seltene politische Begabung dieses grofsen
Fürsten zu erweisen.
Kurbrandenburg hatte bis auf ihn nicht allein in Europa,
sondern selbst im Reiche eine ganz untergeordnete Rolle ge-
spielt. Nur gelegentlich bei Kaiserwahlen hatte es eine Ein-
wirkung geübt. Sonst war es einer der wenigst wichtigen
deutschen Mittelstaaten gewesen: es liefs sich an Bedeutung
mit Kursachsen, Bayern, ja der Kurpfalz und Hessen nicht ver-
gleichen. Friedrich Wilhelm hat es mit einem Male zu dem
mächtigsten und einflufsreichsten Reichsfürstentume erhoben, ja
ihm eine angesehene und wirksame Stellung in der europäischen
Staatenwelt geschaffen. Brandenburg-Preufsen hiefs noch nicht
ein unabhängiges Königreich, aber es war tatsächlich ein
solches geworden durch Kurfürst Friedrich Wilhelm.
Von dieser seiner äufseren Politik ist seine innere gar
nicht zu trennen. Beide sind nur verschiedene Seiten und
Betätigungsweisen des eiuen grofsen und mächtigen Staats-
gedankens, der ihn beseelte. Er hat die mittelalterliche Unter-
ordnuDg des Staates unter den religiösen Gesichtspunkt auf der
einen, unter das persönliche Interesse des Herrschers auf der
anderen Seite grundsätzlich und mit Entschlossenheit aufgegeben.
Volle Duldung jeder religiösen und philosophischen Anschauung,
Gerechtigkeit für alle, aber auch Vermehrung des materiellen
Wohlstandes, Steigerung der Volkszahl, Hebung der Steuerkraft,
Sicherung des Staates durch ein zahlreiches, stets schlagfertiges
Heer, fest geregeltes und geeintes Beamtentum, Zentralisation
der Staatsgewalt in der Hand des Herrschers und seiner Mi-
nister, — das sind die Verwaltungsgrundsätze des Grofsen Kur-
fürsten. Prinzipien, die typisch sind für die erste Entwicklungs-
phase des modernen Staates und zumal mafsgebend für Friedrich
Wilhelms eigene Nachfolger. Nicht erst von Friedrich dem
Grofsen, schon von seinem Urgrofsvater ist der aufgeklärte
Absolutismus begründet und zum überwiegenden Teile auch ver-
wirklicht worden. Friedrich Wilhelm wollte seiner landesherr-
lichen Gewalt unbeschränkte Geltung im Staatsleben verschaffen,
Achtundvierzigstes Kapitel. Der AbschluTs. 483
und er erreichte seinen Zweck durch Einführung bleibender,
von ständischer Bewilligung unabhängiger Steuern, durch Er*
Setzung der ständischen und städtischen Beamten durch landes-
herrliche, endlich durch die Ausbildung der „Polizei**, die be-
hufs HerbeifQhrung eines möglichst hohen Mafses allgemeiner
Glückseligkeit sich leitend, mahnend und strafend in sämtliche
Angelegenheiten des privaten wie des öffentlichen Lebens
mischte. In allen Einzelheiten ist das noch nicht zum Ab-
schlufs gebracht, aber die Grundsätze sind doch allerorten auf-
gestellt und die Wege gewiesen.
Bisher zerfiel das Gebiet des Kurfürsten in eine grofse An-
zahl einzelner Länder, deren jedes seine Selbständigkeit und
die Eigenheit seiner Interessen behauptete und höchstens durch
die Personalunion, vermittelst des gemeinsamen Landesherm, eine
Verbindung mit anderen Teilep des Gebietes anerkannte. Fried-
rich Wilhelm hat Tatsache und Bewufstsein der Staatseinheit
{überhaupt erst geschaffen. Das ist vielleicht die wichtigste
Seite und das bedeutsamste Ergebnis seiner gesamten Tätigkeit.
Die grofsen militärischen und politischen Erfolge des Herrschers
haben hierbei gewifs mitgeholfen und den stolzen branden-
burgisch - preufsischen [Patriotismus erzeugt. Aber vorgearbeitet
und dann praktische und dauernde Formen gegeben hat ihm
Friedrich Wilhelm durch seine Tätigkeit im Innern des Staates.
Er hat hier das Indigenatsvorrecht für die Anstellungen und
J^iederlassungen in den einzelnen Provinzen tatsächlich beseitigt.
Er hat den Einflufs des partikularen Adels und besonders der
slten, mächtigen Provinzialgeschlechter gebrochen. Er hat die
Macht in allen einzelnen Teilen seines Staates auf das Beamten-
tum übertragen, das in ihm sein einziges Oberhaupt sah, das
Ton jeder provinziellen und Familienrücksicht frei war, und in
-dem viele Bürgerliche und gar Ausländer sich befanden, die nur
von dem Herrscher Schutz und Beförderung erwarten konnten.
Dieses Beamtentum hat er mit unendlicher Mühe diszipliniert
und von Eigensucht und Käuflichkeit geheilt. Er hat die
schlimmsten Übertretungen, wenn auch mit Milde, bestraft; er
hat aber viel mehr auf positive Weise, durch Gewährung regel-
mäfsiger und ausreichender Besoldung, sowie durch Verbreitung
4es Geistes der Pflicht und Hingabe, den Grund zu befriedigender
Entwicklung des Beamtentums gelegt. So besserten sich die
Zustände unter der früher entarteten und dem Einflüsse des
3l*
484 Siebentes Buch.
LandeBherrn beinahe entzogenen brandenburgisch - preufsischen
Beamtenschaft.
Wir finden bei dem Grofsen Kurftlrsten auch die Anfiluge
der Kabinettsregiemng , die für die absolute Monarchie in
Preufsen so charakteristisch geworden und deren Spur dort
noch heute nicht verschwunden ist. Das Kollegium des Ge-
heimen Rates wurde zur höchsten Verwaltungsbehörde fflr die
laufenden Geschäfte des Staates erhoben und als solche ver-
wandt. Indes für alle wichtigeren, ausschlaggebenden Angelegen-
heiten , besonders der äufseren , aber auch der inneren Politik
beruft der FQrst einen oder den anderen Vertrauten, mit dem
er in seinem Kabinette arbeitet und beschlielist, ohne dafs die
andern Räte davon das mindeste auch nur erfahren dürfen.
Derart wird die Summe der Geschäfte ausschliefslich in der
Person des Herrschers vereinigt. Daneben bemerken wir die
Ansätze zu Ministerien im heutigen Sinne: für die Finanzen,
für das Heer, für die Marine, für Auswärtiges. Kurz, überall
knüpft die neuere Entwicklung an die Schöpfungen Friedrich
Wilhelms an : er hatte eben an jeder Stelle die Bedürfnisse des
modernen Staates erkannt und ihnen Rechnung getragen, in-
soweit Zeit, Kräfte und äufsere Umstände es ihm gestatteten.
Die gröfste Schwierigkeit erwuchs ihm in der Schaffung
einer geregelten Finanzverwaltung, die ihm erst gegen Ende
seiner Regieiiing gelungen ist. Er hat da ein geordnetes
Kassenwesen und regelmäfsige Etats begründet. Allerdings
blieben die Vielheit der Zentralkassen und die Anweisung zahl-
reicher Einzelausgaben auf besondere und provinzielle Ein-
nahmen — eine Kompliziertheit, die bis zum Ende des „alten
Regimes**, bis auf die Reformen von 1807 augedauert hat.
Unter ihm beginnt gleichfalls im Staatshaushalte das Vorwiegen
der Ausgaben für das Heer: er hat Brandenburg -Preufsen den
militärisch - spartanischen Charakter aufgeprägt , der diesem
Lande bis auf den heutigen Tag, wenn auch in jetzt gemilderter
Form, eigen geblieben ist.
Das Heer erschien eben dem Kurfürsten, für jene inter-
national rechtlosen Zeiten sicher mit Recht, als die einzig zu-
verlässige Gewähr für die Unabhängigkeit und Gröfse des
Staates. Und er beschränkte sich nicht auf die theoretische
Erkenntnis; er hat sie mit unentwegter Tatkraft und Beharr-
lichkeit ausgeführt, unter Niederwerfung alles, auch formell
Achtundvierzigstee Kapitel. Der Abachlufs. 485
noch so berechtigten Widerstandes. Das Heer sollte ihm übri-
gens nicht nur zur Sicherung des Staatswesens und zur Ver-
fechtung seiner Politik nach aufsen dienen, sondern auch zur
Aufrechterhaltung der Staatseinheit und der fürstliehen Voll-
gewalt im Innern. Seiner ganzen, tiefen Auffassungsweise ge-
mftfs, die nicht an der Oberfläche der Dinge haften blieb,
sondern in deren eigentliche Natur eindrang, begnügte er sich
nicht mit der Aufstellung einer groAen Anzahl von Streitern.
Er hat vielmehr das stärkste Gewicht auf die Beschaffen-
heit seines Heeres gelegt, in strenger Disziplinierung, steter
Übung und guter Bewaffnung, sowie in der Ausbildung des
soldatischen Geistes. Unablässig hat er daran gearbeitet und
mit bestem Erfolge. Der Oberbefehl und die höchste Ver-
waltung des Heeres wurden vereinheitlicht und damit wirksam
und zweckdienlich gestaltet. Das brandenburgisch-preufsische Heer
in seiner unvergleichlichen Organisation und Tüchtigkeit ist
durchaus ein Werk des Grofsen Kurfürsten.
Indes, alle diese politischen, finanziellen und militärischen
Bestrebungen erschöpften das Walten dieses hervorragenden und
vielseitigen Geistes nicht. Er war ebenso emsig auf Förderung
des Ackerbaues, des Handels und Gewerbfleifses in seinen
Landen bedacht und gab auch auf dem ökonomischen Gebiete
die Richtung an, die bis zu der Neugeburt Preufsens in der
napoleonischen Zeit dort herrschend geblieben ist, nämlich die
merkantilistische. Man sieht: alles in dem Preufsen vor 1807
geht auf diesen Herrscher zurück. Er ist femer der Schöpfer
der preufsischen Post geworden, mit ihren vorbildlich ausge-
zeichneten Einrichtungen. Er trat den Ausschreitungen des
Zunftwesens entgegen. Er fafste den grofsen Gedanken, auf
den weitentwickelten Küsten seiner Lande einen regen Seever-
kehr zu begründen, eine Kriegsmarine ins Leben zu rufen,
Kolonien zu erwerben, dadurch Brandenburg-Preufsen in den
grofsen Welthandel einzuführen. Und wie er es nirgends bei
geistreichen Entwürfen und plötzlichen Anregungen bewenden
liefs, vielmehr solche mit aller Besonnenheit, aber auch mit aller
Zähigkeit durchführte, so hat er ebenfalls es hier getan.
Brandenburg begann, einen ehrenvollen Platz unter den Handels-
und Kolonialstaaten einzunehmen. Nicht seine Schuld war es,
wenn seine Nachfolger fast zwei Jahrhunderte lang seine ebenso
486 Siebentes Buch.
geistvolle wie erspriefsliche Tätigkeit nach dieser Richtung auf-
gegeben haben.
Friedrich Wilhelm wurde zu solchen, seiner ganzen Um-
gebung femliegenden Plänen veranlafst durch die weite und
universelle Bildung, die er sich bei seinem mehijährigen Auf-
enthalte in Holland während seiner Jugend erworben hatte.
Von lebhafter Wifsbegier erfüllt, suchte er seine Kenntnisse
fortdauernd und nach den verschiedensten Seiten hin zu ver-
mehren. Er, der unaufhörlich mit den öffentlichen Angelegen-
heiten Beschäftigte, fand doch die Mufse, Gelehrsamkeit und
bildende Künste eifrig zu fördern , und zeigte stets die Befrie-
digung und das Vergnügen, die sie ihm gewährten. Freilich,
sie in der Kurmark heimisch zu machen, gelang ihm nicht bei
der Sprödigkeit des dortigen Menschenmaterials und bei der
Ungunst der Umstände. Aber er tat, was er konnte : die König-
liche Bibliothek, die Gemäldegalerie, das Münzkabinett und
die Naturaliensammlung in Berlin danken ihm ihr Entstehen.
Er war zu frei und weitblickend in seinem Denken, um nicht,
bei aller persönlichen Glaubenstreue und Glaubenswärme, jeder
echten Überzeugung volle Duldung zu verstatten. Inmitten
einer bis zum Fanatismus intoleranten Zeit gab er die schönsten
Beweise der Vorurteilslosigkeit und Unbefangenheit, indem er
sogar den verachteten und gemiedenen Juden seine Gunst zu-
wandte, — und darin war er mehr vorgeschritten als manche
seiner Nachfolger.
Das Weite und Grofse in seinem Wesen übte endlich Ein-
ilufs auch auf seine Umgebung. Unt^ seiner Einwirkung be-
gann Berlin-, sich aus einem kleinen, armseligen märkischen Land-
Hecken zu einer Grofsstadt umzuwandeln, deren Einrichtungen,
Bauten und Monumente mit denen anderer europäischer Haupt-
städte zu wetteifern im stände waren. Noch wichtiger war die
Metamorphose, die sein Einflufs den brandenburgisch-preufsischen
Adel durchmachen liefs. Damals gab der Adel, der Monarchie
gegenüber, seinen Mitbewerb um die Ausübung der höchsten
Gewalt auf. Er verzichtete auf diese, um von der Krone durch
Mehrung seiner sozialen Vorrechte und durch Vergröfserung
seiner Herrschaft und seiner Vorteile auf Kosten der Land-
bevölkerung entschädigt zu werden. Nachdem die Tatkraft des
Grofsen Kurfürsten ihm gezeigt, dafs er keine Aussicht habe,
den Thron in den Schatten zu stellen, schlofs der Adel mit jenem
AchtundYierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 487
den Bund, der bis auf den heutigen Tag besteht, und aus dem
er zweifellos viel gröfseren Nutzen gezogen hat als die Krone
selber. Friedrich Wilhelm hegte persönlich noch starkes Mifs-
trauen gegen den Adel, aber suchte gerade deshalb ihn zu
gewinnen; alle ferneren Regenten haben die Festigkeit des
Bundes lediglich verstärkt.
So umfassend war das Wirken des Grofsen Kurfürsten.
Was ihn charakterisiert, ist, dafs er zugleich weitblickend, von
universeller Begabung, schöpferisch und doch auch eminent
praktisch war. So vielseitig und ungestüm er vorwärtsstrebte,
so sorgfältig und verständnisvoll drang er in alle Einzelheiten
der Geschäfte ein, so besonnen erwog er das Kleine wie das
Grofse. Nichts Menschliches hielt er von sich fem, und seinem
freien und hochentwickelten Geiste kam die Güte und Treue
seines Herzens gleich. Er steht einzig da unter den Hohen-
zoUem in der Universalität seines Denkens und Strebens, in
der Vielseitigkeit und Originalität seines Empfindens und
Schaffens. Ein grofser Herrscher!
Aktenstücke.
(Sämtlich aus dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin.)
Friede ron 1679.
1. Generalleutnant von Spaen an Blaspeil, Minden, 17. /27.
Juni 1679 (Rep. 92, Meinders 7): «... Ick wilde liever, ick
weet niet wat, doen, als op soo eene wyse een Soldaet ageeren.
Dann, wan Gott geen vreede geeft, soo is seeker alle de Ruj-
terie verlooren, dann hi^r is niet een handvoll voeden in
voorraet, onde wy sjn niet alleen van onse vyanden maer oock
vant gansse Huys Brunswic, Osnabrück en Lippe geblocqueert^
800 dat men ons hier in een sack, gelyck men de veldhoenderen
vanght, gejaegt heeft, daer geen hoop van uytkommen is. Dese
Vesting is vry schlechter als Weesel.**
2. Kopie (ebendas.) ohne Datum, aber sicher von Ende
Juni 1679: Generalleutnant von Spaen, Generalmajor von
Ellcron und sämtliche Obersten stellen dem Kurfürsten vor, dafs
die Fourage für die Kavallerie in dem erschöpften und vom
Feinde immer mehr umstellten Lande nicht mehr zu beschaffen
ist. Wenn der Friede nicht zu stände kommt, mufs die Reiterei
in grofse Not geraten.
3. Meinders an Schwerin, 9. Juli 1679 (ebendas). • . . „Je
ne puis que confirmer ce que je vous ay mand6, c'est k dire,
que TEmpereur ne fera rien pour S. A. El. Je crois la mesme
chose de TEspagne, Angleterre et des E. G6n6r' , et je crois encore
pis de la Pologne, Zell, Hanovre, Munster et de TEmpire. Au
nom de Dieu, faisons la paix . . . C'est ä mon grand regret que je
suis oblig6 de le souhaitter, et de voir les choses dans TEstat
oii elles sont. Mais que faire? Voulons-nous tout perdre, parce
Aktenstocke. 489
que D0U8 ne pouvons pas tout gaigner? L'Empereur licencie
rannte, c'est ä dire une grande partie/
4. Blaspeil an Meinders, 27. Juni/ 7. Juli 1679 (ebendas).
Blaspeil billigt völlig den AbschluGs des Friedens. „Personne
n'aura sujet de vous le reprocher de ne Tavoir poinctfait meilleure.
Car vous auriez est6 oblig^ de vous contenter de bien moins
si la France auroit voulu. ... Je vous assure que je m'en
resjouis de tout mon cceur que c'est une affaire falte; il ne
faut songer pr6sentement qu'ä la ratifier au plustost/
Korrespondenz zwischen dem Kurprinzen Friedrich und
Meinders Aber des ersteren Zerwflrfnis mit seinem Tater.
(Rep. 92, Meinders 8.)
5. Kurprinz an Meinders, 4. August 1687 :
„. . . Comme mon esloignement de Berlin est fond6 sur des
raisons solides, et que ma desobeissance envers S. A. £. n^ a
aucune part, ainsi qu41 aura assez paru par ce que je Luy'en
ay escrit et ä Messieurs les conseillers: j'espere qu'y faisant
reflexion, Tindignation qu'EUe peut avoir conceOe contre moy
Sans un juste sujet, se passera de plus en plus, et qu'ainsi on
sortira bien -tost d'affaire, comme je le souhaite de tout mon
coeur .... Je vous prie . . . d'avoir sein de mes interests."
6. Derselbe an denselben, Marburg, 20. August 1687 :
, Vielgeliebter Herr von Meinders!
[Die Vermählung seiner Schwester Marie ist ihm nicht angezeigt
worden.]
„An meinen Herrn Vatter, und auch auf Desselben Ein-
rahten habe ich an Fraw Mutter geschrieben, umb zu sehen, ob
ich einige Antwohrt darauf bekommen werde, wohmach ich her-
nacher meine meseuren nehmen werde, dann ich hemacher alles
gethan habe, was ein Sohn seinen Eltern schuldig ist Ich hoife,
Derselbe werde alles darhin dirigiren helfen , dafs ich einmahl
eine Antwohrt bekomme, dann sonsten ich mich befOrchten mus,
dafs ich Unrecht daran thue. Im Uebrigen sage Demselben auch
Dank, dafs Er mich hat gerathen, nacher Rosenburg zu gehen,
aber bei solche gestalte Conjuncturen kan ich mich noch nicht
daherzu resolviren, dan solange ich sehe, dafs mein Herr Vatter
noch immer wie zuvohr ungnädig auf mich ist, und zum zweyten
490 Aktenstacke.
keine Garantie führ mich sehe, so würde doch das letzte ärger
sein dan das eheste. Also ist besser, dafs ich mich noch so lange
in frembden Herren Ländern aufhalte . . . Wo mein Herr Vatter
länger so hart gegen mich verbleibet, so werde ich mich ent-
lich an einige Puissancen hängen müssen, da ich doch bis dato
solches noch nicht gethan. Also ersuche ich Denselben auf
Seinem Eid und Pflicht, so Er dem Churhause geschworen, diese
Sache bestens mit Seinen Herren CoUegen zu überlegen, darmit
ich nicht zur Desperation gebracht würde und sie sämtlich
solches hemacher beklagen möchten, welches aber dann zu spät
sein würde
a
Terantwortang Melnders' wegen der gegen ihn erhobenen
Anklagen« (Rep. 92. Meinders 9.)
7. Meinders an den Kurfürsten, 16. Dezember 1685. Er hat
stets nur auf kurfürstlichen Befehl gehandelt. ,,So hab ich doch
eine Zeit hero erfahren müssen, dafs man an einigen aufswertigen
Höfen und theils woll gar durch Ewrer Ch. D. eigene Diener
meine Treue und Ehre aufs heftigste zu beschmutzen und aller-
hand unbegründete und falsche, auch theils absurde und lächer-
liche Dinge mir anzudichten, auch mich dadurch in Ewrer
Ch. D. Ungnade zu stürzen bemühet gewesen." Meinders beruft
sich auf sein Gewissen und erhofft des Kurfürsten Schutz.
8. R^benac an Meinders, Berlin, 7. Juli 1687 : „. . . L'Electeur
m'a dit qu*il avoit d6couvert celui qui trahissoit ses secrets,
et que vous esti6s le seul, qu'on luy avoit fait cognoitre la chose
si clairement quMI nen pouvoit doubter, que pour ce qui estoit
de la copie d'ordres que ie luy auois donn6e c'estoit vous qui
pour vous attirer une marque de recognoifsance des Imperiaux
l'auiez envoy^ a Straatman, qu'il vous obligeroit a en convenir
devant moy mefme, et que ce nestoit pas la seule chose quil
avoit descouvert (sie!). Vous pouu6z iuger de mon estonnement*
Er habe dem Kurfürsten widersprochen und ihm gesagt: „que ie
croyois estre afsur^ que ce fust M. Fuchs, parce que ce ie scauois
de science certaine que depuis plus de 4 ans quil sestoit mis en teste
de gouuerner seul les affaires. ** Deshalb habe er den Kurfürsten
vom König getrennt, um mit Hilfe der Kaiserlichen und Ge-
neralstaaten bei dem Kurfürsten alles zu gelten : „la haine quil
AktenstQcke. 491
avoit contre vous et qu'il couurait dune amitiö exterieure; son
engagement avec TEmpereur, la Hollande et leurs ministres dont
il auoit a diverses fois receu de tres gros presents . . . Mr.
TEL me respondit affinnativement: Ge que ie vous dis est
vray, et ie l'obligeray den convenir devant vous." — Röbenac
betont die Falschheit, die Fuchs gegenüber Meinders gezeigt
hat. „Mr. de Grumkau vous en dira beaueoup plus.*'
9. Fuchs an Meinders, Berlin, 12./22. Juni 1687 : ,Mon tres
eher frfere.^ Man sucht des Kurfürsten beste Diener zu ver-
leumden und zu verhetzen. So erzählt man Meinders, dafs
Fuchs sein Gegner sei und ihn zu verdrängen suche. Das ist
eine Unwahrheit. Erzählt man doch dem Kurfürsten selbst,
dafs Fuchs alle Geheimnisse seines Herrn dem Baron Fridag
verrate. Aber Fuchs hat ein reines Gewissen. Er ruft Gott
zum Zeugen an, „qui scrutatur corda et renes^.
10. Fuchs an Meinders, Hamburg, 6./16. Juli 1687 : „Vous
m'obliger6s, Monsieur et tres-cher fröre, de ne songer plus ä
ce qui s'est pass6 entre nous. Je vous ay desia t6moign6, que
ie voudrois que cela n'eüt pas estö, et que jen ay du chagrin.
Vous pouv^s aufsi estre afseurö que ce que je vous ay mand^
de la sinc6rit6 de mon coeur envers vous, est tres-v6ritab]e,^ etc.
Anrufung Gottes . . . „Je vous embrasse, eher fröre et suis de
tout mon cceur votre tres-humble et tres-oböissant serviteur et
tres-fidelle fröre ..."
11. Fuchs an Meinders, 7./17. Juli 1687: „. . . Celle cy n'est
que pour vous rendre encore un million de graces de toutes les
honn^tetös dont vous m^accablös dans votre demiöre. J'y suis
sensible, conmie je dois, et je vous conjure d'ötre tousiours
afseurö du reciproque de mon costö ... II est vray qu'on se
Charge quelques fois des (sie!) soubsons mal fond^s; et il ne
manque point des (sie !) rapporteurs non plus ; mais . . . il n'y a
point de meilleur remede que de s'öclaircir et de s'entendre.
Je Ie feray, k l'advenir ..."
Berichte des französischen Besldenten In Hamburg,
Bidal, an den Harqnis von Lonvols« (Abschriften, Rep. 94,
4 Hb, 10/?.)
12. 6. September 1686: „Le B^ de ce moisM. de Knisbeg(!!)
pafsa par icy allant de la part de Mr. TEL de Brandebourg
492 Aktenstocke.
vers le Roy de Dannemark poar dire ä oette Majest^ que FEI'-
8on maistre ne mettoit aacune difference entre bombarder Ham-
bourg et Berlin. Le Roy promist de s'abatenir de faire jetter
du feu dans la ville, jussques a ce que M. Revenlau, quMl en-
Yoyoit vers VEV\, luy eust fait entendre ses raisons.*
13. 22. November 1686: „Quoy que M. TEL de Brande-
bourg ait prot^gö oette ville dans les difföiens qu'elle a en
depuis deux ans avec M. le Duc de Zell et le Roy de Danne-
mark, eile ne luy a pas pourtant accordö Texercice de Religion
qu'il demandoit pour les calvinistes. Get Elect'* en est choquö
et de ce qu*on a restably un Bourgmestre qu^on sgauoit n'6tre
point de ses amis.**
Nachtrag zn Band II: Korrespondenz des Herzogs
Ton Croy, knrfArstlichen Statthalters In Preaben^ mit Baron
Idlllenhoek, schwedischen Gesandten in Polen.
(Rep. 92, Croy, Nr. 143.)
14. Lillienhoek an Croy, Zoppot, 28. Dezember 1674/7. Januar
1675. Er erbittet ein Saufconduit fUr sich, sein Gefolge und
sein Gepäck, da er auf seine Güter in Livland zu gehen gedenkt.
„Je crois que Y. A. sera bien surprise d'entendre des plusieurs
endroits en Europe le bruit qui y court, comme s'il y avoit
quelque mesintelligence entre S. M. le Roy mon maistre et
S. A. Elect. de Brandenbourg. Je puis assürer V. A. en foy de
gentilhomme que le Roy mon maistre ny aucun de ses ministres
ne m'ait donnö aucune connaissance d'un tel dessein, et je crois
absolument qu'il nV en a aucune apparence.*"
15. Croy an Lillienhoek, 1./11. Januar 1675. Im Vertrauen
darauf, dafs tatsächlich kein Bruch zwischen Schweden und
Brandenburg erfolgt, gewährt er dem Gesandten einen Pafs
durch Preufsen.
16. Lillienhoek an Croy, Danzig, 18. Januar 1675 n. St.
Lillienhoek kann die in Obigem enthaltene Bedingung nicht an-
nehmen, da er weder seines K&nigs Absichten genau kennt noch
weifs, ob nicht der Kurfürst zum Bruche sehreiten wird, weil
,les trouppes de S. M. le Roy mon maistre, pour auoir eu besoin
de s'elargir, auroient 6t6 obliges de toucher les terres de S. A. E.
Aktenstocke. 49^
de Brandebourg . . . le mouuement des troappes du Roy mon
maistre ne pouaant estre pris pour des actes d'hostilit^, non
plus que ceux que des (sie!) autres Princes et S. A. £. de Brandeb.
ont quelquesfois faits en TEmpire . . . Les actions du Roy moa
maistre . . . ne scauront descendre ä la voye des armes sans que
S. M. y soit indispensablement contrainte . . . Mais . . . on a
Proteste depuis peu de jours de la part de S. A. £. contre les
actions innocentes des trouppes de mon Roy/
17. Kurfürst an Croy, Gemünden in Schwaben, 20./30.Januar
1675. Wegen der Umtriebe des Lillienhoek in Polen und Danzig
soll derselbe keinen Saufconduit erhalten, sondern mit seinem
Verlangen an den Kurfürsten gewiesen werden. Sollte er schon
im Herzogtum Preufsen sich befinden, so darf er keine Festung
betreten, mufs genau beobachtet und an jedem Verkehr behindert
werden. Man fürchtet seine Umtriebe daselbst
18. Croy an Lillienhoek, 15./ 25. Januar 1675 (also schon vor
dem kurfürstlichen Schreiben). Bei den veränderten Umständen
verweigert er den Saufconduit und verweist Lillienhoek an den
Kurfürsten.
19. Lillienhoek an Croy, 28. Mai 1675 n. St. „. . . Je puis
asseurer V. A. que le Roy mon maistre est tres dipos6, pour
n'auoir autre büt que de procurer la paix universelle, et sur-
tout Celle de TEmpire, aussi bien que pour ötablir avec Son A. £
une correspondance et amiti6 plus ferme que par le pass6.
L'autoritä qui est partout acquise ä la haute vertu et prudence
de V. A., ne scauroit iamais mieux et plus glorieusement s'em-
ployer, que si V. A. vouloit trauailler auec tont sein a porter
S. A. E. a de semblables intentions, dont depend non seulement
le repos de ses Etats et de ceux de ses voisins, mais aussi celuy
de toute TEurope."
20. Croy an den Kurfürsten, Labtau, 24. Mai/ 3. Juni 1675:
Sendet das Schreiben Lillienhoeks ein und bittet um Befehl, was
ihm zu antworten sei.
21. Kurfürst an Croy, Renfsdorf i, Thür., 6./ 16. Juni 1675:
„. . . Nun ist Ew. Ld. selbst woll bekannt, dafs Ich des Königs
und der Krohn Schweden freündschafft iederzeit sehr ästimiret
und dieselbe, Meines theils, mit aufrichtigen Beaeigungen unter-
halten. Nachdem Ich und Meine Lande aber, ohne einige darzu
gegebene rechtmäfsige Ursachen, von demselben Könige und
494 Aktenstücke.
der Krohn Schweden mit Krieg überzogen, Meine arme un-
schuldige Unterthanen in den Grund ruiniret, dieselbe Barbarisch,
alfs Türcken und Tartaren, nicht ärger machen können, feindlich
tractiret, und damit noch immerhin continuiren. So mufs Ich
solches alles dem gerechten Grott, der dergleichen Unrecht nicht
ungestraiFet läfst, und der Zeit anheim stellen • . /
Personenverzeichnis.
A.
Abbadie, französischer Prediger,
III 158.
,Abd-er-Rachm&n, Kommandant
von Ofen, m 439.
Achmed Köprili, Grofswesir, II
30 f. 35. 37.
Achtienhoven, Isaak Panw van,
Pensionär von Enkhuizen, II 309.
311.
Adelaide von Savoren, KurfÜrstin
V. Bayern, I 306. — II 135.
Adolf Johann, schwed. Prinz, I
348. — II 82.
Agricola, brandenb. Hofprediger,
I 147.
Ahlefeld, Detlef von, dän. Diplo-
mat, I 283. — III 3.
A i t z e m a, Leo van, Agent der klev.
Stände, I 136.
Akakia, Roger, franz. Diplomat,
I 229. 283.
Alb in US, Prof. der Medizin, III
174.
Albrecht Friedrich, brandenb.
Prinz, n 252.
Aldersen, Thomas , Commodore,
III 224 f.
Alezander, Prinz von Kurland,
in 32. 438.
Alezander VII., Papst, I 219.
Alezei Aleziowitsch , mss.
Grofsfurst, II 142.
Alezei Michailowitsch, mss.
Zar, I 186 f. 197. 241. 247. 260.
326.
Amalie von Solms, Prinzessin von
Oranien, I 66. 198. 374. 382 f. —
II 6. 20. 22. 52. — III 16. 18 f. |
Amalie Elisabeth, Landgrfifin |
von Hessen, I 50. 57. 78. 121. 123. |
Amerongen, Godert Adrian van,
niederländ. Diplomat, II 24 f. 250--
254. 256. 260. 262. 282. — III 224.
227. 271. 276. 300. 315. 318 f. 349.
374. 378.
Ancillon, französ. Prediger, m
153.
Anethanus, Dr., kaiserl. Beichs-
hofrat, I 160 f.
Anna, KOnigin-Regentin v. Frank-
reich, I 57. — n 65. 69.
Anna, englische Prinzessin, III
340. 474.
Anna von Neubnrg^, II 9.
Anna Maria Luise, Prinzessin
V. Orleans, I 63 f.
Apaff 7, Michael, Fürst y. Sieben-
bürgen, II 30. 332.
Appelbom, schwed. Diplomat, I
m.
Arensdorf, schwed. Generalleutn.,
II 305.
A rg y 1 e , schottischer Graf, III 385 f.
Armstrong, Ritter, UI 361 f. 368.
Arnim, yon, brandenb. Rittmeister,
n 283.
Ascheberg, schwed. Oberst, I
257. 823.
Athias, Joseph, holländ. Buch-
händler, ni 159.
Aubry, franz. Publizist, II 110 f.
118.
Auersberg, Graf, kaiserl. Minister,
II 84.
August, Fürst y. Anhalt, I 161.
August, Herzog y. Braunschweig,
I 161.
August, Herzog y. Holstein-Plön,
brandenb. General, TL 33. 85—38.
78. 81. 343. 376. — III 50.
August, Herzog y. Sachsen, Ad-
496
Penonenverzeichnis.
ministrator v. Magdeburg, I 108.
295. 802. — U 76-81. 851. 354.
402. 421. 428. - III 288 f. 249.
Aureng-Seb, Grofsmogal, HI 238.
A n t e 1 . Baron von, belgischer Diplo-
mat, m 288.
Avaugour, d\ franzOs. Diplomat,
I 56. 229. 287. 258 f.
Avauz, d\ Graf, französ. Staats-
mann, I 56-^58. 68 f. 87—89. 100 bis
102. 104 f. 107. 109. 114. 272. 404.
406. 416. - m 272. 810. 868. 377.
891. 895. 897. 428. 458.
B.
Baibase 8, Marques de los, span.
Diplomat, II 311. 821.
Banz, Abt, Otto von, TU 269. 271.
Barfus, Hans Albrecbt von, bran-
denb. Generalmajor, III 487.
Bartsch, Gottfried, Kupferstecher,
ni 184.
Bawyr, Generalleutn., I 258.
Bazin, französ. Diplomat, lU 812.
Beeck, Jobann, brandenb. Agent,
III 152. 264 f.
Beger, Lorenz, Münzkundiger, III
Behm, Theologe, I 416. 418.
Beilstein, Bürgermeister v. Köln,
III 884.
B e i 1 i c u m , preufs. Kommandant,
U 174.
Benckendorf, brandenb. Geheim-
rat, I 61 f.
Berg, Dr., brandenb. Hofprediger,
I 416-419. - III 19.
Berendts, Oberstleu tn., II 194.
Berlepsch, Otto Wilhelm von,
Berliner Schlofshauptmann, II 42.
107. — III 214.
Besser, Johann, brandenb. Lega-
tionsrat, III 97. 861. 867 f.
Bethune, de, französ. Diplomat,
II 833. 888. 408. — HI 207.
Beuningen, van, niederländ.
Staatsmann, II 188. — III 358.
Beveren, Comelis Classen van,
Admiral, II 884. - IH 223 f.
Beverning, Hieronymus van,
niederlftnd. Staatsmann, II 67 f.
251. 379. — ni 168.
Beyer, Johann de, klevischer Vize-
kanzler, II 87 f. 91 f. HL — m
431.
Bi elke, Steen, seh wed. Agent, II 82.
Biermann von Ehrenschild,
dän. Diplomat, DI 327.
Bille, d&i. Feldmarschall, I 282.
Bismarc k, Otto von, HI 254.
Björnclou, schwed. Diplomat, I
145 f. 258. 289. 291. — Et 111. 131.
Blaspeil, Werner Wilhelm von,
brandenb. Diplomat, H 49—51.
108. 120. 185. 248. 880. 423. —
HI 21. 55.
Biesen, Abt von, U, 146.
Biesendorf, Joachim Ernst, Archi-
tekt, III 122. 188. 185. 209.
Blonck, Schiffskapitän, IH 227.
229 f.
Blondel des Croisettes, Franz,
französ. Diplomat, I 272. 291. 298.
297. 808. 352.
Blumenthal, Christ Kasp. von,
brandenb. Geheimrat, II 28 — 26.
69 f. 104. 119. 128. 183. 141. 149.
151 f. 154. 15a 228. 244. 298. 318. —
UI 56.
Blumenthal, Joachim Friedr. von,
brandenb. Geheimrat, I 29. 66.
155 f. 166 f. 169— 17L 380 f.
Bnin. Palatin von, I 251.
Boernave, berühmter niederlftnd.
Mediziner, III 174.
Boetzelaer, lothring. Oberst, I
158 f.
Bogdanow, russ. Sekretär, I 241.
Boguslaw XIV, Herzog v. Pom-
mern, I 9. 84.
Bolsej, Ol^rst, II 365.
Bon de, Gust H., schwed. Reicha-
schatzmeister, II 83 f.
Bon in, Georg von, brandenb. Ge-
heimrat, I 212. 214. 222. 245. 250.
— Hl 177.
B o n i n , Wedige von , brandenb .
Oberkommissar, I 438.
Bonzi, Peter, Bischof v. B^iers,
II 136. 143. 149-15L 154 f. 158 f.
Borch, Johann von der, brandenb.
Hofmeister, I 7.
Borne, von^ neum&rk. Kanzler, I 41.
B o u r n o n V 1 1 1 e , Herzog von, kaiseri.
General, II 286. 316. 822. 324 bis
380. 844.
Brand, Achaz von, brandenb.
Hauptmann, I 184.
Brandt, von, brandenb. Oberst-
leutn., UI 809.
Brandt, Christoph von, brandenb.
Geheimrat, I 881. 338. 358 f. —
U 49. 100. 103. 134. 243. 259. 334.
842. 381. — m 40.
Brandt, Eusebius von, brandenb.
Diplomat, II 194—197. 201. 381.
- in 186.
B r a s s e r , Dietrich , niederlftnd.
Oberst, II 800.
Personenverzeichnis.
497
Br^gy, Vicomte de, französ. Diplo-
mat, I 64.
Brienne, Graf von, französ.
Minister, I 64. 115.
Brnynincz, niederlftnd. Diplomat,
n 436.
B u c h w a Id , dän. Diplomat, III 286.
Burgsdorf, Georg Ehrentreich
von, brandenb. Oberst, I 80 f.
Burgsdorf, Konrad von, brandenb.
Oberst und Oberkämmerer, I 19.
27. 32 f. 35. 48. 52 f. 67. 70. 81 f.
87. 119—123. 152. 154. 164—167.
169.
Bnrnet, Gilbert, engl. Bischof,
m 14.
Busch, Klamor von, brandenb.
Diplomat, III 294. 351.
C.
Calizt, Georg, Professor, 1 419.
Calow, Theologe, HI 128.
Galvau, französ. General, 11 421 f.
Cammacher, Hauptmann von, III
110.
0 a n i t z , von, brandenb. Geheimrat,
in 54.
Can stein, Baban von, kurmfirk.
Kammerpräsident, 1 400. — II
257. 293. — III 51. 66—68.
Castel-Rodrigo, Marquis von,
Generalgouv. v. Belgien, n 97.
105. 108. 112 f. 120. 133. 138. 143.
Cayard, französ. Ingenieur, III 85.
Chambonni^res, Andreas von,
Pianist, III 179.
Chanut, Pierre, französ. Diplomat,
Charlotte, Prinzessin v. Kurland,
m 25 f.
Charpentier, französ. Chirurer,
ni 85. ^'
Ch&tiilon, Herzogin von, III 365.
Chavaignac, Graf von, I[ 152.
Chemnitz, Präsid. des kurmärk.
Konsistoriums, I 422.
Cheverny, französ. Diplomat, III
377.
Chiöze, Philipp von, brandenb.
Generalquartiermeister, III 89. 118.
121 f. 209.
Chmielnicki, Bogdan, Kosacken-
führer, I 133. 219.
Choiseul, französ. Diplomat, III
364.
Christian, sächsischer Prinz, III
285.
Christian IV., König v. Dänemark,
I 407.
Philippflon, Der OroAe KarfOrst. m
Christian V., König v. Dänemark,
n 278. 306. 313. 319. 344. 364. 37?!
380 f. - ni 260. 267. 303. 306.
312. 323. 325. 328. 360. 433-435.
459.
Christian Albrecht, Hefzo« v.
Gottorp, ni 433. 435. *
Christian I. Ludwig, lÄrzog v.
Mecklenburg -Schwerin, III 365 f.
Christine, Königin v. Schweden.
I 9. 48 f. 59—61. 94 f. 97. 103. 124
^130. 185. 417 f.- m 143. 455.
Christine Charlotte, Fürstin v.
Ostfriesland, III 301. 308 f. 353 f.
466.
Christoph Bernhard (v. Galen),
Bischof V. Münster, I 156. 161.
181. 810. 391 - n 45-48. 52. 55.
58. 60. 62. 70 f. 103. 240-242. 247.
261. 284 f. 287. 313. 364. 374. 883.
^l?^®^?^?/i» ^^*^' ^^S^' Minister,
II 106. 111.
Claude, Jean, Prediger, III 457.
Cleffman, Admiralitätsrat, HI 232.
Clever, Arzt, ÜI 164. 168.
Colbert, Jean-Baptiste, französ.
Minister, II 97. 223. 236. — HI
91. 93. 98.
Colbert-Croissy, Charles Marquis
von, französ. Minister, II 65. 67 f.
70. 404. 423. 425. — m 151. 264.
272. 275. 285. 305. 312. 314 f. 317.
319. 325 f. 342. 359. 371. 381. 404 f.
f 9? ^?A^' ^28. 442. 447. 449. 452 bis
454. 462.
Colignj, französ. General, H 40.
Conde, Heinrich Prinz von (vor
dem Tode seines Vaters Herzog
y^?^ %S*^*®^>' französ. Feldherr,
I 49. 127. 240. - U 10. 36. 136!
146-155. 158. 261. 272. 287. 316.
o22.
Consbruch, Landrentmeister, III
215.
Consbruch, kaiserlicher Sekretär,
III 368. *
Copes, brandenb. Diplomat, I 334.
338. -n 100. 120.
Cosimo, Prinz v. Toskana, II 142.
Couplet, Reisender und Sinologe,
HF 163.
Courtois, Abb^, französ. Agent,
II 149. *
Craanen, Theodor van, Leibarzt,
IH 163.
Cracow, brandenb. Diplomat, IH
267.
Cr^qui, von, französ. Marschall,
n 109. 325. 364. 427. 429. — m
257. 265. 366.
32
498
PersonenyeneichmB.
Creuts, von, Oberst, I 243. — II
167.
Crockow, Matthias von, pommer-
scher Hofrichter, I 142. 144. 146.
Crom well, Oliver, Protektor Eng-
lands, I 191. 200 f. 217. 224. 2^.
285. 298. 319. 418.
Cromwell, Bichard, dessen Erbe,
I 319. 321. 325. 328 f. 334. 341.
:354.
Cr 07, Bognslaw, Herzog von, Ad-
ministrator von Camin nnd Statt-
halter in Preufsen, I 107. — II
192 f. 195. 198-200. — III 40. 43.
50. 169. 190.
Czarnecki,poln. General, I 228 f.
257 f. 276. m 296. 316—318. —
II 10.
Czarnecki d. Jüngere, dessen
Sohn, II 176.
D.
Dach, Simon, Dichter, III 179.
Danckelmann, Eberhard, ILI 23.
34. 476.
D a n n i e s , Berehauptmann, III 234.
Deetze, Jakob, Burger v. Stendal,
II 214.
Degen er, Baumeister, I 428.
Derfflinger, Georg, brandenb.
FeldmarschaU, I 202 f. 249 f. 317.
485. — II 249. 270. 297. 299. 308.
313 f. 320. 323-325. 328. 330. 344.
350. 354—361. 370. 396. 411. 414.
423. — III 42. 48-51. 54. 56 f. 60.
193. 201. 207. 212—214. 238. 320.
325. 333. 335. 339. 437. 456 f.
Des Nojers, Sekretär, I 428.
Deutsch, Job. Friedr. von. Dom-
herr, III 141.
Di est, Job. von, klev. Vizekanzler,
I 390. - III 235. 309. 362. 367.
369. 378. 382. 403. 431.
Dietrich, Vertreter der Jülicher
Städte, I 391 f.
Dillger, Major, III 230 f.
Dirschau, Dr., samländ. Konsisto-
nalfiskal, lU 124.
Dobrczenski, Ulrich, von Dobr-
czeme, I 192. — II 169.
Ao#®°'rT^*"^^^' Baumeister, I
^™'- — 111 122.
II ?40' ^''*^' '''*''^^^- Diplomat,
I>ohna, Christian Alb. Graf
Dohna, Fabian, Burggraf von,
brandenb. Diplomat, I 64 f. 67.
87 f. 131. 417. — II 60.
Dohna, Friedrich, Burggraf von,
m 85.
Dohna, Graf Karl Emil, Ul 438.
Dohna, Graf Dietrich, UI 438.
Dorothea, Kurfürstin t. Branden-
burg, II 322. 349. 385. 411. - lU
17-22. 25. 27. 29 f. 35. 38 f. 119.
124. 186. 273. 313. 334. 425. 429.
432. 470.
Dorp, van, niederländ. Diplomat,
I 303.
Douglas, schwed. Greneral, I 321.
Dreier, Dr., Prof. der Theologie,
II 173. 184. — ni 130. 143 f.
Drowning, engl. Diplomat, I 341.
- II 49.
Du Moulin, französ. Diplomat,
II 63.
Du Moulin, brandenb. Major, III
233.
Du Quesne, französ. Admiral, II
377.
DuraeuB, Job., schott. Theologe,
III 127. 132.
Du ras, franz. Marschall, II 272.
287.
Dusärd, Bildhauer, I 427. 429. —
in 181.
£.
Eberstein, hess. Kriegskommissar,
I 54.
Effern, Baron von, I 47.
Eggers, Bartholomaeus, Bildhauer,
in 181.
Ehren st een, schwed. Diplomat,
II 336.
Eleonore, Königin v. Polen, II
159.
Elisabeth, Königin v. Böhmen,
I 12.
Elisabeth Charlotte, Knrfurstin
V. Brandenburg, I 6. 19. 262. —
m 424.
Elisabeth Charlotte, Herzogin
V. Orleans, III 387—889. 398 f.
420 f.
Elisabeth Henriette v. Hessen-
Kassel, Kurprinzessin v. Branden-
burg, III 26 f.
Eller, brandenb. General, II 249.
308. 364.
Elliger, Ottomar, Maler, III 180.
El 8 holz, Botaniker, III 89.
Enghien, Herzoe von (Sohn des
„ffroraen* Ludwig v. Cond6), II
10. 125-127. 129. 136. 142. 155.
PerBonenyerzeichnis.
499
Enno IIL, Graf y. Ostfriesland,
in 45.
Ernst, Markgraf v. Brandenburg,
I 85. 42. 44 f.
Ernst Augast, Herzog v. Han-
nover, m 284. 294. 351. 383. 387.
400. 418. 434. 469.
Espence, Beauvau d', Oberst, II
378. 403 f. 424. 427. 431. 436. —
III 153. 255 f. 274 f. 277. 427. 434.
Essich, brandenb. Geheimrat, III
92.
Estrades, Graf yon , französ.Staats-
manu, I 17. — II 60. 62. 65. 67.
99. 404. 416.
Estr^es, Kardinal von, III 447.
Eulenburg, Jonas Kasimir von,
brandenb. Diplomat, I 232.
F.
Fagel, holi&nd. Staatspensionar. II
291. 369. 382. 416 f. — III 25. 310.
350. 356. 358. 374. 378. 382. 391 f.
395. 403. 417.
Falaiseau, Pierre de, brandenb.
Diplomat, III 368. 385. 416.
Ferdinand, Kurf. y. Köln, I 142.
Ferdinand IL, deutscher Kaiser,
I 15 f. 26.
Ferdinand HI., deutscher Kaiser
I 30. 32. 45 f. 49. 80. 82. 85. 96.
98. 100. 111 f. 116-118. 121. 123.
127. 142. 144-147. 155-157. 171.
174. 214. 228. 256. 263. 305. 307.
.392. — II 29.
Ferdinand IV., römischer König,
I 146 f. 263. 305. 307.
Ferdinand (yon Fürstenberg),
Bischof von Paderborn u. Münster,
II 61. 241. 307 f. 310. 419.
Ferdinand Maria, Kurf. von
Bayern, I 306 f. — II 135. 261.
273. 382. 393. — III 263.
Fcrnemont, Österreich. General,
I 288. 290. 296 f. 344.
Feuquiöres, Marquis von, französ.
Diplomat, II 335 f. - III 279. 291.
Flanssen, Dietrich von, preufs.
Landtagsmarschall, II 170.
Floriszoon, niederländ. Admiral,
I 322.
Forbin-Janson, französ. Diplomat,
II 317.
Forgatsch, Graf, kaiserl. General,
II 34.
F o r m o n t , Gebrüder , Bankiers,
III 167. 265.
Fornerod, französ. Prediger, lU
148.
Franz, Herzog v. Lothringen, I
179. 353.
Franz Egon (von Fürstenberg),
Bischof V. Strafsburg, II 70. 116 f.
Freyberg, Dr., Andr. Albr.,
brandenb. Ober-Kriegskommissar,
III 214.
Frey tag, brandenb. Diplomat u.
Admiralit&tsrat, III 232.
F r i cqu e t , kaiserl. Diplomat, I 325.
— Ö 44. 47.
Fridag, Franz Heinrich von, Baron
Göden, kaiserl. Diplomat, III 48.
57. 96. 384 f. 4n. 413 f. 423. 444.
448. 468. 479.
Friedrich (IH ), Kurprinz v. Bran-
denburg, I 377. — II 220. 371.
411. — III 12. 15. 22 f. 25-30.
33-36. 48. 54. 57. 254. 320. 339 f.
351. 363. 369. 413 f. 418. 469. 476.
478 f.
Friedrich U., der Grofse, König
V. Preufsen, III 9. 11. 127. 254.
414.
Friedrich, Prinz v. D&nemark,
Administator v. Bremen, 1 108.
Friedrich lU., König von Däne-
mark, I 287. 314 f. m. 335. 340 bis
342. 345 f. 352. 360. 407. - II 7 f.
116.
Friedrich IV., Kurfürst v. d. Pfalz,
III 425.
Friedrich V., Kurfürst v. d. Pfalz,
und König v. Böhmen, I 6.
Friedrich Heinrich (von Oranien),
Generalstatthalter der Nieder-
lande, I 10 f. 13. 17. 53 f. 66. 70 f.
79 f. 105. 130. 439.
Friedrich Wilhelm L, König y.
Preufsen, III 35. 121.
Friedrich Wilhelm IIL, König
v. Preufsen, III 259.
Friedrich Wilhelm IV., König
V. Preufsen, III 259.
Frischmann, Joh., französ. Publi-
zist, I 331—333. 352.
Frohen, Stallmeister, II 359.
Fromantiou, Hendryk de. Maier,
in 180.
From hold, Joh., brandenb. Hofrat,
I 87. 124.
Fromm, Andr., Propst, III 134.
Fuchs, Paul von, brandenb. Staats-
mann, III 14. 28. 36. 5a— 56. 60.
220. 273 f. 298. 313. SU. 344. 352 f.
356. 358.361—363. 367 f. 381— ;^6.
390-398. 402 f. 412. 414. 416. 427.
435. 456.
Fürstenberg, Felix Egon von, Abt
V. Murbach, III 352 f.
32*
500
Personenverzeichnis.
Fürstenberg, Herrmann von,
bayer. Obernofmarschall, II 135.
Ffirstenberg, Wilhelm Landgraf
yon, II 70. 116 f.
Fürst enberg, Wilhelm Egon yon,
Bischof von Strafsbure, karkölni-
scher Minister, 11 231 f. 307. —
III 355. 427 f. 460. 464. 469 f. 471 f.
G.
Gabel, Friedrich von, dän. Diplo-
mat, I 314 f. — III 328. 363. 384.
Gabel, Lorenz, Grofshftndler, III
102.
Gal las, Graf, kaiserl. Feldmarschall,
I 48-50.
Gardie, Maffnns, Graf de la,
schwed. Reichskanzler, I 62. 97.
21L — II 83 f. 87. 121 f. 243. 333.
363. — III 259. 279.
Ganltier de St. Blancard, Franz
de, Prediger. III 378 f.
Georg, Prinz y. Dänemark, III
339. 474.
G eorg W i 1 heim, Kurf. y. Branden-
burg, I 6 f. 10. 12—16. 18—21. 24.
26 f, 34. 38. 85. 379. 386.
(ieorg Wilhelm, Herzog v. Celle,
II 53. 55. 257. 278. 830. — III
267. 418. 434. 445.
Gerhard, Paul, Prediger, III 127.
132 f.
Giese, neu bürg. Diplomat, II 132.
143.
Gieas, David, Prediger, III 134.
Gi il i , brandenb. Obermünzdirektor,
III 67.
Giustiniani, Ascanio, venezian.
Dinlomat, II 436.
Glaoiebeck, Bodo von, brandenb.
General-Kriegskommissar, III 68.
212 f. 239.
Glen n , Graf, kaiserl. Feldmarschall,
I 55.
Goefs, Joh. Freiherr von, kaiserl.
Diplomat, II 54 f. 67. 69. 99. 108.
123. 134. 136. 152. 155. 260. 295.
371. — III 14.
Goldacker, von, brandenb. Oberst,
I 35.
Gollstein, neub. Diplomat, II
302.
Goltz, Joachim Friedr. von der,
brandenb. General , I 288. 298 f.
323. 337. — II 12. 78. 105. 270.
284. 325. — ni 42. 44 f.
Gomara, Est^van de, span. Diplo-
mat, II 67.
Gomont, französ. Diplomat, 11 131.
Gonsiewski, litauischer Kronf eld-
herr, l 247—250. 252. 269. 271.
Gonzaga, Hannibal, Vizeprfts. dea
kaiserl. Hofkriegsrats, I 860.
G ö r t z k e , Joachim Ernst von,
brandenb. Oberst, I 264. — II
410—412.
Götz, von, Hofmeisterin, I 377.
Götze, Sigism. von, brandenb.
Kanzler, I 33. 48—47. 60 f. 76. 78.
119 f.
Götzen, von , Oberhofineisterin,
m 23.
Graevius, Philologe, III 168.
Grafenthal, schwed. Diplomat,
III 884. 416.
Grana, Marquis von, kaiserL Diplo-
mat, II 349.
Gravel, Abb^, französ. Diplomat,
II 103.
Gravel, Rob. von, französ. Diplo-
mat, II 273.
Gray, Lord, lU 361 f. 868. 385.
894.
Greifenfeld, d&n. Minister, ü
872.
Gremonville, französ. Diplomat,
II 108. 122. 242. 274 fl 302.
Groben , Hans Ludwig von, U 210.
Groben, Otto Friedr. von, Major,
ni 229 f.
Groot, de, niederi&nd. Staatsmann,
n 245.
Grote, Otto von, hannoverscher
Minister, IH 327. 351. 354. 360.
363. 368. 370. 383.
Grumbkow, Ernst Joachim von,
brandenb. General-Kriegskommis-
sar, III 54. 56. 60. 153. 213 f. 334.
416.
Guericke, Otto von, magdeb.
Bürgermeister, I 108. — U 76.
79 f. — m 163.
Gurszinski, poln. Oberst, I 887.
Gustav Adolr, Herzog v. Mecklen-
burg-Güstrow, UI 376.
Gustav IL Adolf, König von
Schweden, I 8 f. 43. 139. 1&. 186.
190. — III 201. 210.
Gyllenstjerna, Joh., schwed.
Staatsmann, II 243. — UI 259 f.
272. 279.
Gysels van Lier, Arnold, Ad-
miral, I 438—441. — II 208 f.
H.
Hackelberg, Amtsrat, III 67.
Hainzelmann, Kupferstecher, III
184.
Penonenverzeichnis.
501
H a 1 1 a r d , brandenb. FestuDga-
kommandant, II 374.
Hamel, du, brandenb. General-
major, III 434.
Hammerstein, von, lüneb. Hof-
marschall, II 119.
Haro, Lnis de, span. Minister, I
353.
Hatzfeld, Graf Melchior yon,
kaiserl. Feldmarschall, I 160 f.
266. 278. 283.
Hedwig Eleonore, Königin-Re-
gentin y. Schweden, I 358. — II
122.
Hedwig Sophie, Landgr&fin v.
Hessen, TL ©5. 278. — III 19. 26.
Heemskerk, niederländ. Diplomat,
II 311.
Heister, kaiserl. General, II 265.
Hendreich, Christian, brandenb.
Historiograph u. Bibliothekar, III
165. 169.
Henni(n)ge8 von Treffenfeld,
brandenb. General I 435. — II
326. 412.
Hermann, Markgr. y. Baden, II
112 f. 120. 209. — III 277.
HermannWerner (v. Mettemich),
Bischof y. Paderborn, III 353.
Hefsen, Kardinal von, III 144.
Heufsner yon Wandersieben,
kaiserl. Kriegskommissar, I 49 f.
Hey den, brandenb. Oberst, II 427.
Hille, brandenb. Oberst, II 178 f.
Hirt, Konrad, Maler, I 428.
Ho eher, von, kaiserl. Kanzler, II
275. 311. 313. 401.
Hoeff, dänischer Diplomat, III 285.
Hoenn, Stempelschneider, I 429.
Holstein-Wiesenburg, Herzogin
Charlotte von, III 22. 33. 35.
Holzapfel, Melandervon, kaiserl.
General, I 121. 151.
Hombnrg, Landgr. Friedrich von,
brandenb. General, II 356 — 358.
361. 388. 395. — III 20.
Honthorst, Gerhard, Maler, 1429.
Honthorst, Wilhelm, Maler, 1429.
— III 180.
Hop, Jakob, Pensionär von Amster-
dam, III 220. 459.
Hörn, Graf Christer, schwed.
General, II 888.
Hörn, Graf Henrik, schwed. Feld-
marschall, II 408-413. 429.
Hoverbeck, Joh. von, brandenb.
Staatsmann, I 39. 133. 194. 227.
252. 257. 276. 279. 294. 380. 355.
— II 11. 13. 15. 126. 136. 14:3. 148.
153. 157. 176 f. 184. 194. 388. —
III 32. 51.
H n a r t , Jean - Pierre und Ami,
BrQder, Maler, III 181.
Hubalt, III 190.
Hübner, Joachim, brandenb. Hof-
historiograph, I 430. — III 164.
Hüll, Anselm van, Maler, I 429.
Hülsemann, Theoloee, III 128.
Hülsen, von, brandenb. Oberst,
II 386.
Hnmiöres, französ. Marschall, III
447.
Huwald, Christ von, brandenb.
Generalmajor, I 133 f.
I.
II gen, brandenb. Diplomat, 11 1
&4. 274 f. 277.
Innozenz XL, Papst, III 405 f.
421 f. 436. 447—449. 465. 469 f.
Isinck, Dr. jur., I 371.
J.
Jacobson, Moses, III 157.
Jakob, Herzog von Kurland, I
213. 321 f. — II 388, — III 26.
408.
Jakob (IL), Herzog von York und
König von England, III 361. 379 f.
385 f. 392. 394. 399. 430 f 461.
473—175.
Jansen, Buchhändler, III 170.
Jena, Friedrich von, brandenb.
Geheimrat, I 227. 244. 246. 257 f.
316. 322. 383. 393. 409. — II 53.
60. 77—80. 113. 153. 157. 169. 184.
200. 211. 229. 249-251. 256. 298.
403. — III 14. 40—47. 51—51. 68.
136. 138. 192. 280. 297. 299. 302. 805.
Jena, Grottfried von, dessen Bruder,
brandenb. Diplomat, II 122. —
III 241. 287. 294. 306 f 315. 451 bis
454. 465.
Jephson, engl. General, I 298.
Joachim IL, Kurf. von Branden-
burg, II 437. — III 89. 210.
Jodoci, kurmainz. Geheimrat, II
108.
Johann, Markgraf v. Brandenburg,
III 210.
Johann Adolf, Pfalzgraf, I 267 f.
Johann Friedrich, Herzog v.
Hannover, II 53. 127. 240. 279.
287. 313. 336 f. 346. 365.
Johann Friedrich , Markgraf v.
Ansbach, III 387. 407.
502
PerBonenyerzeichDis.
Johann Georg IL, Färst v. An-
halt, I 317. 375. 383. — II 13. 60.
228. 249. 263—265. 267. 270. 273.
286. 297. 338. 341 f. 347. 854. 423.
— ni 16 f. 19. 28. 42. 46—49. 54.
200. 805. 313. 320. 333. 337—339.
414.
Johann Georg L, Kurf. v. Sach-
sen, I 27. 30. 122 f. 152. 154. 282.
Johann Georg IL, Kurf. y. Sach-
sen, II 36. 40-43. 77 f. 115 f. 121.
135. 241. 257 f. 346. 351. 393. 428.
— III 249. V63.
Johann Georg III., Kurf. v. Sach-
sen, m 128. 284 f. 344. 365.
Johann Hugo, Kurf. v. Trier,
III 360 f. 430. 463.
Johann Kasimir, König v. Polen,
I 133 f. 159. 186 f. 211. 213. 219.
226. 229. 231. 233. 238. 245-248.
250-253. 255—258. 262. 271. 276.
278 f. 288. 293. 298 f. 303. 329. 346.
420. — II 9-11. 17. 126. 128-131.
136. 142 f. 145—147. 168 f. 175 bis
177. 179. 189.
Johann Moritz, Fürst v. Nassau-
Siegen, I 390-393. 424. 444. —
II 19. 200. — III 16. 26. 51. 168.
Johann Philipp, Kurf. v. Mainz,
I 310. — II 29. 39-42. 107 f.
III f. 241 f. 258. 281.
Johann Sigismund , Kurf. v.
Brandenburg, III 129.
Johann Wilhelm Friso, Fürst
V. Nassau, III 392.
Joseph, kaiserlicher Prinz, III 264.
412. 467.
Juel, Jens, dän. Diplomat, I 315.
Julius Franz, Herzog v, Lauen-
burg, III 334.
Jurieux, Prediger, III 382.
K.
Kagge, Lars, dän. Feldmarschall,
Kalckstein, Albr. von, General-
leutn., I 243. - II 166-170. 174.
179. 187 f.
Kalckstein, Christian Ludwig von,
Oberst, II 167 f. 187—197. 199-
202. — III 109.
Kalckstein, Christoph Albrecht
von, Oberst, II 167 f. 187 f.
Kanne, von, kursächs. Hofmarschall,
II 78.
Kara Mustapha, Grofsvesir, III
329. 336.
Karl, Landgr. v. Hessen- Kassel,
III 34. 387. 407. 464.
Karl, Kurf. v. d. Pfalz, UI 168.
386—389. 399. 424.
Kar 1 II , König v. England, I 191. —
II 4 ff. 19—21. 48 f; 63. 103. 106.
111. 137. 139. 235 f. 245. 260 f.
287. 307 f. 347. 353. 388-391. 394.
402—404. — III 18. 37. 259. 276.
302. 361. 868. 379. 482.
Karl IIL, Herzog v. Lothringen,
I 96. 156. 159. 179. — II 148. 234.
264.
Karl (IV.), Prinz, dann Herzog v.
Lothringen, II 142. 146—158. —
III aS4. 340. 437—439. 467.
Karl X. Gustav, König v. Schwe-
den, I 48. 59. 140. 185 L 189. 193 f.
196 f. 199. 20L 203. 206 f. 211 f.
216—223. 226. 228-239. 242. 249.
251—253. 255. 257—269. 272 f.
276—278. 282 f. 285-296. 300 bis
304. 313-315.319. 321—826. 328 f.
333-335. 342 f. 348-350. 356 bis
358. — II 76. 360.
Karl XL, König v. Schweden, I
358. — II 8. 18. 82 f. 243. 334 bis
336. 345. 369 f. 373. 377. 388. 406.
408. — III 253. 259 f. 279. 286.
288 f. 295. 312. 324. 328. 416.
Karl IL, König v. Spanien, III
380.
Karl Emil, Kurprinz v. Branden-
burg, I 377. — II 241. 262. 301.
316. 322. 325—327. — III 19 f.
22—25. 27. 185. 187 f.
Karl Kaspar (v. d. Leyen), Kurf.
V. Trier, II 117. 282 f. 301.
Karl Ludwig, Kurf. v. d. Pfalz,
II 28. 53. 273. 312 f. — Hl 274.
399. 424 f.
Kaunitz, Graf, kaiserlicher Diplo*
mat, III 446.
Kaunitz, Gräfin Maria Eleonore,
III 446.
Kempen, Martin van. Gelehrter,
III 165.
Kern, Leonh., Bildhauer, I 429.
Khurtz, Graf Maximilian, bayr.
Minister, I 306.
Kittelmann, Lazarus, brandenb.
Beamter, I 197. 316.
Kl ei he, Dietr. Schweder, schwed.
Regierungsprftsident, II 84. 86.
Kleist, Ewald von, brandenb. Ge-
heimrat, I 67—^9. 87. 92. 105. 141.
170. 248. 381. — III 40.
Klemens IX., Papst, III 148.
Klerck, Adam de, Maler, III 180.
K 1 i t z i n g , Job. Kasp. von, General,
I I 26 f.
i Knanst, schwed. Oberst, I 323.
PersoneDyerzeichnie.
503
Rnesebeck, Thomas von der,
brandenb. Geheimrat, II 348. —
in 239. 434 f.
Knyp hausen, Dodo Frhr. zu Inn-
und, brandenb. Hofkammerpräsid.,
III 60. 65. 68—71. 115.
Koberstein, Daniel, Maler, I 429.
Kochcwski, poln. Schriftsteller,
II 146.
Kohl, Andr. von, kurmärk. Vixe-
kanzler, I 414.
Koniecpolski, poln. General, I
211.
Königseck, Bemb. von, preufs.
Edelmann, I 39.
Königsmark, Hans Christoph Graf
von, schwed. General, I 127. 336.
Königsmark, Otto Wilh. Graf von,
schwed. General, II 365. 370. 374 f.
386. 396 f.
Kopiscb, Seidenhändler, III 93.
Koricki, poln. Oberst, II 14.
Kospatt, von, Kammerjunker, III
189.
Kospoth, von, preuüs. Kanzler, II
181.
Kospoth, von, kursächs. Diplomat,
II 346.
Kracht, von, brandenb. Oberst, 135.
Kramprich, Dan. Joh., kaiserl.
Diplomat, II 140. 345. — lU 358.
Krockow, kaiserl. General, I 47.
Krockow, Lorenz Georg von,
brandenb. Diplomat, II 18. 89. 92.
130. 150. 232. 236. 239. 259. 262.
267. 287. 290. 310 f. 335. 344. 367.
422. — in 137. 306 f.
Krosigk, von, hess. Kriegskom-
missar I, 50.
K u n c k e l , Kammerdiener und Che-
miker, m 92. 164.
L.
Lacky, poln. Oberst, II 195.
Lafuente, Graf, span. Diplomat,
n, 25.
La Grange, franz. Intendant, III
441.
Lamberg, Johann Philipp, Graf,
kaiserlicher Diplomat, iU 26. 48.
54. 270 f. 275 f. &1. 292 f. 300. 305.
313. 315. 384. 855.
Lambrechts, Jakob, Schiffskapi-
t&n, IU 890.
Langerveid, Rütger van, Maler,
III 180.
Lanskoronski,poln.Grofser, 1213.
La Yang UV on, Graf, firanzös.
Diplomat, II 266 f. 270 f. 277. 821.
Ledebaur, Joh. von , brandenb.
Diplomat, I 284. — II 79. 87 f.
Lee, Pieter Fransen van der, Por-
zellanbäcker, in 184.
Lehndorff, Ahasv. von, brandenb.
Legationsrat, U 150. 194. 196 f. 250.
Leibniz, berühmter Philosoph, II
371. ~ in 132. 450.
Leuten, von, dänischer Diplomat,
III 852.
Leonbard, Joh. Friedr., Kupfer-
stecher III, 184.
Leopold I., deutscher Kaiser, I
214. 263. 266. 278. 284 f. 288-291.
297. 304. 307—309. 344—347. 355 f.
359 f. 409. - II 5. 25. 28—41. 53-55.
72. 78. 83. 85 f. 89. 99. 101. 107 f.
110—121. 126—130. 132 f. 135 f.
189-141. 147-149. 151. 157. 233.
245. 241—243. 260. 263—268. 274 f.
281 f. 285 f. 290 f. 294. 301-303.
807. 313. 316 f. 320. 326. 344 f. 364.
367—872. 382 f. 386. 394. 397. 400
bis 402. 417 f. 435—437. — III 30
138. 145 f. 250. 252. 264. 267. 269 f.
276—278.287. 292 f. 301 f. 307—309.
316. 319. 329 f. 332 f 387-340. 349 f.
353—355. 376. 379. 401. 406. 411
bis 416. 421—423. 426. 434. 436.
439-444. 446—448. 450—454. 458.
461-463. 465—468. 470. 481.
Leopold Wilhelm, Erzherzog, I
42. 116. 228 f. 243.
Leopold Wilhelm, Markgrafvon
Baden, II 36.
L e rod t , Baron von, neuburg. Kanz-
ler, II 50.
Lesseins, de, französ. Diplomat,
II 17. 22. 24.
Leszczvnski, Bischof von Erme-
land, I 247. 271.
Leszczynski, Joh., Palatin von
Posen, I 283. 285.
Leti, Gregorio, Geschieh tschreiber,
m 165.
Leuchtenberg, Maxim. Phil, von,
n, 16.
Leuchtmar, Gerb. Rumelian von,
brandenb. Geheimrat, I 36. 41—47.
52. 56. 76. 87.
Leuchtmar, Joh. Friedr. Kalckhun
von , Hofmeister, I 7 f. 10. 12. 16.
Lewis, schottischer Lord, III 475 f.
Leygebe, Gottfr., Maler, III 181.
183. 185.
Lilius, Propst, III 188.
Lilljehöck, schwed. General, I 41.
Lilljehöck, schwed. Diplomat, II
369. 387.
504
PersonenyeneichniB.
Lilljeström, schwed. Reicbsrat) I
36. 141.
Lionne, de, französ. Minister, I
115. 351. — II 22. 24. 121. 131.
136. 141. 152. 154. 192. 226. 228.
236. 239. 243. — in 45.
Li sola, Franz von, kaieerl. Diplo-
mat, I 218. 223. 243. 248. 252, 256 f.
259. 263. 270—275. 277 f. 283. -
II 11. 31 f. 103. 111. 268. 313 f. —
III 14.
Loben, Job. Friedr. von, brandenb.
Gebeimrat, I 49. 62. 87. 93. 102.
284.
Lobkowitz, Wenzel, Fürst, kaiserl.
Minister, U 122. 242. 265. 274 f.
285. 294. — III 463.
L o c k a r t , engl. Staatsmann, 1 1 260.
Longneville, Herz, von, französ.
Prinz, I 100.
Lorge, de, französ. General II 329.
Louvois, französ. Minister, II 223.
248. 271. 289. 295. 390. 421. — III
198. 256. 265. 272. 856. 449. 452. 462.
Lubomirski, Georg, poln. Grofs-
feldberr, I 187. 229. 283. - II 10.
12. 126—129. 165. 167.
Ludolf, Erfurter Ratsmeister, II 41.
Ludwig, brandenb. Prinz, III 22.
29—33. 37. 285.
Ludwig, Dauphin, III 263. 380 f.
Ludwig, brandenb. Kriegskom-
missar, I 119. 393.
Ludwig XIV., König v. Frank-
reich, I 57. 225. 307 f. 338. 335.
353. — II 4. 7. 18. 23. 25 f. 27 f.
58 f. 61. 63. 66. 70 f. 87. 92 f. 97
bis 99. 104 f. 107. 109. 111. 118.
117—121. 124. 129-132. 136. 138
bis 143. 147. 149. 154. 158 f. 223 f.
226 f. 231 f. 234. 236—240. 243—246.
254 f. 258—261. 266—270. 272. 277.
287 f. 289-291.299. 301—304. 307.
310. 312. 316. 323. 331—333. 352.
377. 390 f. 399. 402-407. 416—431.
433. — III 30. 34. 42. 143. 147 bis
152. 195. 252. 257—269. 272. 274
bis 280. 282 f. 286. 288. 290—297.
299. 303-307. 310—314. 317-320.
324-428. 333. 336-349. 352. 356.
359. 363—366. 369—372. 374-376.
381. 385. 387. 389 f. 396-411. 415.
418—423. 426-429. 436. 440-442.
446-454. 457—463. 467. 469-474.
481.
Ludwig Heinrieb, Grafv.Nassau-
Dillenburg, I 161.
Luise Charlotte, Schwester des
Grofsen Kurfürsten, I 35. 44. 273.
Luise Henriette (von Oranien),
erste Gemahlin des Grofsen Kur-
fürsten, I 65—67. 70 f. 79. 155. 165.
168. 224. 230. 244. 257. 273. 281.
299. 874. 377. 382. 402. 405. 427.
447 f. — II 14. 64 f. 127. — IH
15—17. 23. 27. 35 f. 40 f. 44. 47.
169. 185 f.
Luise Hollandine von der Pfalz,
I 12. 16. 65.
Luise Maria (von Gonzaga), Koni«
fin V. Polen, I 73. 229. 262. 270.
76. 278 f. 281 f. 289. 294. 299. 303.
339 f. 353-355. 357. 359. — II 9
bb 12. 14-17. 73. 125-130. 145.
165. 168. 175. 177.
Lumbres, de, französ. Diplomat,
I 195. 215. 225. 233. 237. 258. 271.
283. 291. 293. 330. 340. 353—357. -
II 10.
Lynar, Graf von, III 92.
Maffirus, prenfs. Chronist, II 185.
Manreuholz, Kurt Asche von,
Präsident von Halberstadt, II 53.
122. 258. 303.
M a i d e 1 , Theodor, poln. Grofsjftger-
meister, I 231.
Maintenon, Marquise von, II 424.
Mandelsloh, Philipp Ernst von,
brandenb. Legationsrat, III 387
bis 389. 425.
Mangiot, Otto, Bildhauer, I 429.
M a n s f e 1 d , Graf Maximilian, kaiserl.
Diplomat, IL 113.
Man stein, Hauptmann von, III 111.
Mardefeld, Konrad von, schwed.
Vizekanzler v. Pommern, II 305.
Marescotti, Nunzius, III 143 f.
Maria (v. Enffland), Prinzessin v.
Oranien, II 6. 19.
Maria, Prinzessin v. England, H
389. 474.
Maria Am alle, brandenb. Prin-
zessin, III 34.
MariaAnna, Kurfurstin v. Bayern,
I 306.
Maria Anna, Prinzessin v. Bayern,
III 263.
Maria Anna, Königin v. Spanien,
n 97.
Marie Antonia, Kurfurstin v.
Bayern, III 445.
Marie Eleonore, Königin v.
Schweden, I 8. 60 f.
Marly, de, französ. General, III 473.
Martanffis, von, französ. Diplo-
mat, m 295, 318.
Marwitz, von der, brandenb. Kam-
Personenyerzeichn u.
505
merjunker und Gesandter, I 18
S59f.
M a r "w i t z , von der , brandenb.
Oberstleutn., I 173. — lU 488.
Matthiae, Job., scbwed. Biscbof,
I 60.
Matthias, Michael, brandenb. Post-
direktoT, I 418 f. — IH 98. 105 f.
Maximilian Emanuei, Eurf. y.
Bayern, lU 268. 816 f. 426. 487.
445 f.
Maximilian Heinrich, Kurf. y.
Köln, I 179. 181. 810. 312. — n
117. 240. 246 f. 261. — III 852 f.
855. 364. 407 f. 427. 480. 460. 469.
Mazarin, Kardinal, firanzös. Pre-
mierminister, I 68. 96. 101. 115.
176 f. 195. 218. 224. 272. 291. 308.
305. 807 f. 310. 319. 325. 380 f.
338 f. 851-853. — II 4. 10. 22. 97.
Mef^elin, poln. Hauptmann, U 195.
Meinders , Franz, brandenb. Staats-
mann, n 60f. 114. 184. 152. 249 f.
256. 286. 298—296. 404-407. 415.
bis 417. 420—431. - III 18 f. 28.
34. 40—43. 51-56. 60. 68. 108. 212.
255—257. 260 f. 264. 273. 280. 294.
297. 299. 827. 884. 836. 844. 374.
882. 402. 416.
Meinders, Placidus, Abt, III 141.
Melyiile, schott. Lord, III 475.
Memhardt, Baumeister, I 427. 429.
— m 118. 121 f. 185.
Menzel, Leibarzt, III 167.
Meyercroon, dän. Diplomat, III
295. 812. 817. 458.
Meyernberg, Frhr. yon, kaiserl.
Diplomat, n 148.
Millet, Jenre de, französ. Oberst,
II 92. 104 f. 109. 113. 118 f. 121. |
127. 132. 184. 186. — III 45. i
Mohammed Gerai, Khan der Ta-
taren, I 219. 282.
Moll, Vertreter der kleyischen
Städte, I 891 f.
Monmouth, Herzog yon, III 861 f.
867 f. 385 f. 394.
Montaffu, engl. Admirai, I 825.
Montecuccoli, Graf Raimund,
kaiserl. Feldmarschall, I 288 f.
288—291. 304. 316-318. 828. 837.
844—347. 857. — II 86 f. 265. 267.
274. 279-281. 2a3-286. 295. 802.
811. 816. 824. 344. 851. 866.
Monterey, Marques yon, General-
statthalter der span. Niederlande,
II 269. 802. 820 l
Montespan, Herzogin yon, II
424. - III 18.
Montgommeri, brandenb. Leut*
nant, II 195-197. 200.
Morel, Jean, Abt y. St. Amoul, III
889. 398 f. 422.
Morosini, Job., yenezian. Diplo-
mat, II 814.
Moroyas, Frtoyn de, Parlaments-
präsident, III 422. 425.
Morsztjn, Andr., litauischer Grofs-
meister, EU. 81.
Morsztjn, Anton, poln. Kronrefe-
rentar, I 298. — II 129 f.
Mull er, niederländ. Bildhauer II 72.
Müller, Seidenhftndler, lU 92.
Müller, Andr., Propst und Sino-
loge, ni 168. 167. m.
Müller, Dr. Jakob, Lehrer, I 7.
Myrten s, Job., Maler, III 181.
Mjschezki, Daniel Ifiemowitsch,
russ. Grofser, I 282.
N.
Nagel, münsterscher General, II
292.
Narowski, Jos., Landmesser, III 88.
Narwitz, österr. Beamter, II 152.
Nassau, Gr&fin Eleonore yon, III 45.
Nassen, Pieter, Maler, III 181.
Nering, Job. Arnold, Architekt,
III 121. 181 f.
Nestorow, russ. Gesandter, I 817.
Neuhaus, Bürgermeister y. Colin
a. d. Spree, IQ 192.
Nicolartz, kurköln. Agent, II 287.
Niefs, Dr., Syndikus der kleyischen
Ritterschaft, I 898.
Nimric, Frhr. yon, brandenb. Feld-
zeugm., III 214.
Norprath, Job. yon, brandenb.
Generalleutn., I 52—54. 76 f. 79. 87.
Noth, yan der, schwed. Oberst, II
376.
0.
0 b e r g , yon, bannoyerscher Minister,
lU 370.
Oliyenkranz, schwed. Diplomat,
U 378.
Olszowski, Andr., Bischof y. Kulm,
II 156 f. 159. 191. 198.
0 p d a m , Jakob yan Wassenaer, Herr
yon, niederl&nd. Admirai, I 209.
228. 239. 820. 822. 826. 828. 386
bis 889. 841. — II 55.
Opocki, Albert, poln. Unterkam-
merer, II 196.
Orleans-Montpensier, Fräulein
von, U 187 f. — III 18.
506
Personenverzeichnis.
Ostau, von, preufs. Ober-Appella-
tioDsrat, I 330.
Oxenstierna, Graf Axel, schwcd.
Reichskanzler, I 36. 44. 46. 60 f.
95. 97. 188.
Ozenstierna) Frhr. Bengt, I 145
bis 147. 204 f. 258. — II 345.
405 f. — III 279. 288. 416.
Ozenstierna, Erich, Sohn des
Grafen Axel, I 189. 212. 217. 226.
228. 289 f. 252.
Oxenstierna, Graf Johann, Brader
von Erich , I 41 f. 46 f. 60. 93. 95.
97 f. 101. 103—105. 107.
P.
Pac, litauischer Grofsfeldherr , II
388. 408 f.
Pac, Christoph, poln. Grofskanzler,
U 149.
P a l b i t z k i , Matthias, schwed. Diplo-
mat, II 86. 94.
Pastorius, Joachim, Hofhistorio-
graph, I 430.
Patin, Reisender, III 123.
Pels, niederländ. Diplomat, I 213.
Pefiaranda, span. Diplomat, I 284.
Per band, Gottfr. von, brandenb.
Oberst u. Kämmerer, III 22.
Pesenecker, Kupferstichhändler,
in 170.
Pettekum, niederländ. Oberst, III
475.
P eucker, Nicolaus, Dichter, III 179.
Pe ucker, pfälz. Diplomat, III 407.
Philipp, orandenb. Prinz, III 29.
34. 382. 392. 426. 429. 482.
Philipp, Herzog von Orleans, III
387. 421.
Philipp IV., König von Spanien,
II 59. 97. 209. — III 222.
Philipp Wilhelm, Pfalzgraf v.
Neuburg, dann Kurfürst von der
Pfalz, 181. 158 f. 161. 181. 224.
306. 310. 353. 391. 894. — II 11.
47 f. 73 f. 127-181. 133. 137. 142
bis 144. 146-158. 288. — III 386
bis 388. 399 f. 406 f. 420-422. 424.
436. 442. 470. 476.
Piso, Dr. Wilh., Arzt, III 7.
P 1 a t en , Klaus Ernst von, brandenb.
General. Kriegskommissar, I 228.
230. 244. 432 f. — II 60. 78-80. —
III 212.
Plemont, Herr von, III 265.
Plettenberg, Georg von, kaiserl.
Rat, I 99.
Podewiis, von, brandenb. Ober-
kriegskommissar, III 190.
Podewiis, Georg Wilh. von, bran-
denb. Kammerjunker, II 85. 250.
Podlodowski, Graf, poln. Grofser,
I 227.
Pol e mann. Major, III 167 f.
Pöllnitz, Gerh. Bemh. von, bran-
denb. Oberstallmeister und General,
II 105. 121. 134. 228. 249. 268 f.
291. 299. 308. — III 42. 45 f. 54. 98.
Pomarius, Diakon., I 421 f.
Pomponne, Simon Amaud Mar-
quis von, französ. Minister, II 243.
416. 421. 423. 430. - III 260 f.
264. 272.
Poorter, Victor de, Schiffbauer,
III 100.
Potocki, poln. Grofser, 1 211. 213.
— n 15 f:
Ponssin, französ. Gesandtschafts-
sekretär, in 479.
Pradel, französ. General, II 62.
Prazmowski, Erzb. v. Gnesen. II
146. 151. 154. 165. 179.
Puchenius, Theoloee, I 418.
Pufendorf, Samuel, Historiker und
Staatsrechtslehrer, II 205 f. — III
12. 132. 166 f.
Q.
Quast, von, brandenb. General-
major, I 347. 349.
B.
Rabenhanpt, hess. Oberst, I 50.
54. 78.
Radziejowski, poln. Unterkanz-
ler, I 187.
Radziejowski, Michael, Bisch, v.
Ermland, III 143.
Radziwili, Fürst Boguslaw, Statt-
halter v. Preufsen, 1284. 324. 327.
830. 348. 396. — II 18 f. 150. 164*
170. 176. 192. — III 31. 40. 130.
Radziwili, Luise Charlotte, Prin-
zessin von, UI 31—4^3. 285.
Raesfeld, brandenb. Oberstleutn.,
n 178.
R a h d e n , Lucius von , kurm ärk.
Vizekanzler, III 61. 160.
Rakoczj, Franz, Fürst v. Sieben-
bürgen, II 16.
R a k 0 c z V , Georg I., Fürst v. Sieben-
bürgen, I 255. 260. 262-264. 267.
Rakoczy, Georg IL, Fürst v.
Siebenbüin^en, 11 30.
R a u e oder R a v e , Propst und Biblio-
thekar, I 480. — III 169.
Raule, Benj» brandenb. OberschifEs-
direktor, II 365. 375. 884. — Ul
Personenverzeichnis.
507
60. 97. 99—101. 220—223. 225-227.
229. 281 f. 235. 255.
R^benac, Fran^ois Pas de Feu-
qaiöres, Graf von, franzöa. Diplo-
mat, U 407. 419. 428 f. — UT 22.
28. 50 f. 54 f. 57. 187. 202. 207. 266.
268. 273. 275. 279 f. 288. 290-292.
295—297. 299. 311. 313 f. 320. 327.
329. 333 f. 336. 343 f. 363. 365. 370.
381. 386. 390. 397. 400-402. 404.
408. 410. 418 f. 423 f. 427 f. 440.
458. 460. 467. 471. 473.
Reers, Cornelia, Commadore, III
224. 234.
Reichel, Buchhändler, III 170.
Reinhardt, Theologe, III 127. 133.
Reymond, Reisender, III 10.
Rochow, von, brandenb. Oberst,
I 35 f.
Rocolles, Jean Baptist e de, Dom-
herr, ni 165.
Rodt, Winand, brandenb. Diplo-
mat, I 57 f. 63. 66.
R o j a B , D. Cristoval de, Bischof, II
209. 371. — III 132.
Rollos, Peter, Kupferstecher, I 429.
Romandon, Abraham, Maler, III
181 f.
Romberg, von, I 391 f.
Romswinkel, brandenb. Diplomat,
H 100. 120.
Roncaldo, poin. Gesandter, I 95.
R o n d e , Christian, Reisender, III 163.
Rort^, de, französ. Diplomat^ I 56.
Roseneck, Joach. Tromsee von,
schwed. Diplomat, I 47 f. 59 f.
Roth, Hieronymus, Schöffenmeister,
II 168. 170 f. 176-180.
Roth, dessen Bruder, Jesuit, II 168.
Roth, des Hieronymus Sohn, poln.
Kammerherr, II 175. 180. 191. 194.
Roye, Graf von, französ. General,
m 320.
Royen, van, Maler, III 180.
Ruck, Melchior von, brandenb.
Diplomat, III 98. 222. 294. 339.
349. 401.
Ruprecht, Prinz v. d. Pfalz, I 12.
Ruyter, Michael de, niederl&nd.
Admiral, I 324 f. 335. 343. 349. —
II 57. 87. 110. 377.
8.
Sahnitz, von, schwed. General-
major, II 375.
Saint-Geran, Graf von, französ.
Oberst, II 248—256. 258 f.
S a i n t- R o m a i n , de, französ. Diplo-
mat, I 93. 97. 99 f. 115.
S a 1 V i u s , Adler, schwed. Staatsmann,
I 36. 89. 95. 98. 101. 107. 139. 141.
144.
Sandrart, Joach. von, Maler, III
181.
Sapieha, poln. General, I 267.
Sayn und Wittgenstein, Job.
Reichsgraf von, I 87. 99. 103. 105.
124.
Schacky dän. General, I 349.
Schaffgotsch, Graf, kaiserl. Diplo-
mat, n 153. — III 424.
Schardius, Berliner Bürgermeister,
III 192.
S c h e i d t , Job. Wehrenpfennig von,
neuburg. Geheimrat, I 79.
Schenk von Winterstett,braun-
schw. Rat, I 178.
Schilling, Jakob, Prediger, 1422.
Schinckel, Bürgermeister v. Emden
und brandenb. Admiralitätsrat, III
232.
Schlezer, A. F., brandenb. Diplo-
mat, I 61. 192.
Schlezer, Joh. Friedr., dessen
Bruder, I 191.
Schlieben, Rittmeister, von, II 169.
Schlieben, Graf, III 143.
Schlieben- Birkenfelde, Graf
von, II 169 f.
Schlippen bach, Graf Christoph
von, schwed. Staatsmann, I 189 f.
192. 205 f. 242. 251. 253. 263. 272.
274. 277. 283-286. 291. 300-302. —
II 18.
Schlüter, berühmter Baumeister,
III 182.
Schmettau, von, brandenb. Diplo-
mat, III 435. 465. 467.
Schmid, brandenb. Oberst, II 81.
Schmid, Kaspar, bayr. Kanzler, II
135. - III 317.
Schmid, Mich. Matth., Architekt,
III 181.
Schmising, von, Münsterer Kom-
tur, III 427 f.
Schnitter, von, Ingenieurkapitan,
m 230. 236.
Schölten, Admiralitätsrat, ELI 232.
Schomberg, Friedrich Armand
Herzog von, Marschall, III 34. 36.
57. 456-458. 475 f.
Schönberg, Marschall von, II 234.
Schöning, Hans Adam von, bran-
denb. Hofrat, II 61.
Schöning, Hans Adam von, bran-
denb. General, II 413. — III 56 f.
424. 437-440. 443. 456 f.
S c h o 0 k , Martin, Historiograph, III
164.
508
Personenveneichnis.
Schrei, Buchhändler, III 170.
Schröder, Prediger, lil 129.
Schröter, kaiserl. Geheimsekretar,
I 121. 123.
Schul enhnrg, Werner von der,
I 10.
Schulze, Christoph, Stendaler Bür-
ger, II 214.
Schütz, Dr., kaiserl. Diplomat, I
297. 315.
Schwarz en b er g, Adam Graf, bran-
denb. Minister, I 13—16. 18—20.
27. 31-34. 66. 75.
Schwarzenberg, Job. Adolf Graf,
später Fürst, dessen Sohn, I 34
bis 36. - II 34. 336.
Schwerin, Bogislaw von, bran-
denb. Generalmajor, I 382. — II
270. 366. 374.
Schwerin, Otto von, dessen Bruder,
brandenb. Staatsmann, I 70. 87.
136 f. 166. 168-170. 190. 203—206.
230. 289. 245. 251. 255. 257—259.
268 f. 273-275. 279. 284 f. 290. 298.
300-302. 321. 326. 332 f. 853. 359.
371. 376. 380-383. 385. 409. — II
13—15. 22 f. 55. 60. 99. 104. 113.
117. 131 f. 149. 164. 166 f. 169—171.
173-175. 179. 198-200. 210. 229.
236. 239. 249 f. 253. 256. 270. 286.
292 f. 299. 308. 312. 314 f. 348 f.
408. 424. 429. — III 12—16. 23 f.
27. 40-47. 51. 84 f. 92. 95 f. 136.
Schwerin, Otto von, der Jüngere,
dessen Sohn, 11 92. 128. 298. 347.
353. 389. — III 44. 56. 94. 316. 319.
377. 384.
Scultetus, Joach., brandenb.
Affent, II 150.
Seckendorf, Veit Ludw. von,
Nationalökonom, II 213.
Seidel, brandenb. Geheimrat, I 70.
Seidel, Martin, Kammergerichtsrat,
in 135.
Servien, Graf, französ. Diplomat,
I 57. 87. 89. 100. 105. 319. 351.
Simonetti, Hofstukkateur, III 118.
Sinzendorf, Rudolf Graf, kaiserl.
Diplomat, n 90.
Skelton, engl. Diplomat, III 394.
431. 461.
Skytte, Benedikt, schwed. Senator,
III 177 f.
Smids, Baumeister, III 121.
S o b i e s k i , Job., poln. Grofser, später
König V. Polen, II 10. 146. 150 f.
317. 352. 369. 386-388. 408. —
III 31. 262. 285. 317. 340.
Sobieski, Jakob, dessen Sohn, Ul
31. 285.
S 0 m n i t z ) Lorenz Christ, von, bran-
denb. Geheimrat, I 217. 225. 227.
254. 274. 330. 355. 380. — II 113.
200. 210. 250. 293. 879 f.
Sonnius, Eman., Maler, I 429.
S OD hie, Herzogin v. Hannover, U
Sophie Charlotte , Kurprinzessin
V. Brandenburg, III 29. 33—35.
351. 363. 369.
Souches, de, kaiserl. General, I
346-348. 361. — H 34. 36 f. 324.
S o u r d i s , Ritter von, französ. Gene-
ral, III 265.
Southwell, engl. Diplomat, HI
249. 276.
Spaen, Alex, von, brandenb. Gene-
ral, I 159. 245. — II 51. 249. 285.
364. 390. 422. 426 f. — lU 215. 37a
431. 476.
Spanheim, Ezechiel von, brandenb.
Diplomat, lU 97. 149. 151 f. 168.
273—275. 282. 284. 299. 308. 312.
314. 326. 842. 366. 371. 375. 380.
385-388. 400-404. 407. 410. 424 f.
429. 452-463. 467.
Sparr, Otto Christ, von, brandenb.
Feldmarschall, 1 151. 153. 165. 179.
201 f. 215. 233. 236. 279. 294. 817.
348. 435. — II 23. 36. 59. 69. 78.
81. 270. — DI 212.
Spengler, Ad., Marinekommissar,
III 218.
Spiring, Kaufmann und Zollauf-
seher, I 38 f.
Spork, kaiserl. General, I 347. 349.
Stempels, Trine, Hexe, lU 188.
Stenbock, Otto, schwed. Feldmar-
schall, I 211. 216. 249. 261. 263 f
348 f.
S t e p h a n i , brandenb. Geheimrat,
Ilf 92.
Sternberg, Ad. Wratislaw Graf
von, kaiserl. Diplomat, II 371 f.
Stille. Christ. Barthol., brandenb.
Hof-Amtmeister u. später General-
Postdirektor, II 217 f. — UI 106.
S 1 0 s c h , Barthol., Hofprediger, 1 407.
Stosch, Friedr. Wilh., dessen Sohn,
III 162.
Stratmann, Theodor , neuburg.
Staatsmann, 11.132.288—290. 293 f.
Strauch, Dr. Ägidius, Theologe,
II 387 f.
S u d o 1 e t z , Samuel , Landmesser,
III 88.
Su leim an Pascha, Grofswesir, lU
488 f.
S u l z b a c h , Pfalzgraf von, sc h wed.
General, I 295. 321. 348 f.
Personenyerzeichnis.
509
Sydney, Sir Henry, III 476.
SyverSy Abraham, Kaufmann, III
102.
T.
Talan, Major von, III 110.
Tambonnean, französ. Diplomat,
III 366.
Taren t, Heinrich Karl Prinz von,
I 65. 67. 70.
T a V e r n i e r , Jean Baptiste, Reisen-
der, III 233.
Tempi e, Sir William, engl. Diplo-
mat, II 402.
Ter Ion, Ritter von, franzö«. Diplo-
mat, I 272. 283. 301. 314. 339. 850.
855 f.
Tettan, Hans yon, prenfs. Land-
hofmeiBter, I 39.
Tbulden, Theodor von, Maler, lU
181.
Tbnn, Kardinal, Erzbisch, v. Salz-
burg, II 122.
Tiefenbach, Berlin. Bürgermeister,
m 192.
T ocbt, van der, Pensionär v. Gouda,
n 372 f. 379. 381 f.
Tökölv, Emmerich, ungar. Magnat,
II oO<5.
Tornow, Dr., brandenb. Geheim-
rat, I 169 f.
Torstenson, schwed. Gkneral, I
42. 46-49. 405.
Tott, schwed. Diplomat, II 292.
Tourmont, französ. Beamter, II 426.
Tramp, dän. Oberst, I 346.
Trantmannsdorf, Graf, kaiserl.
Staatsmann, 1 89—91. 98. 112.
Tromp, ComeÜB van, niederländ.
Admiral, I 17. — U 55. — 111 21.
Tnrenne, Vicomte von, französ.
Feldherr, I 49. 127. 852. — II 24 f.
105. 134. 167. 261. 271 f. 280 282 f.
286-289. 291. 294. 302. 316. 322
bis 330. 351. 366. - III 45, 457.
ü.
Ucedo, Sebastian de, span. Diplo-
mat, II 32.
Uffelmann, braunschw. General,
U 89.
Uff ein, von, brandenb. General,
I 292.
U h 1 f e 1 d t , Corfitz von, dän. Minister,
n 8.
U 1 c k e n , holsteinischer Vizekanzler,
m 454.
Ulrike Eleonore, Königin von
Schweden, III 260.
Ursin US, Hofprediger, III 34.
y.
Vane, Sir Walter, engl. Diplomat,
n 63 f. 66 f.
Vauban, französ. Marschall, II 261.
316. 377. — III 209.
Vaubrun, Marquis von, französ.
Diplomat, II 2^-280.
Verjus de Cr^cy, Graf Louis de,
französ. Diplomat, 11228—241. 291.
294. 297. 300 f. 303 309. 312. 315.
319. 321. — III 398. 465.
Villars, Marschall von, lU 446.
Vogelsangh, niederländ. Diplo-
mat, I 339. 343. 360.
Völcker, Buchhändler, III 170.
V Ol mar, kaiserl. Diplomat, I 96.
Yorstius. Philologe, UI 169.
VoTs, Mathaeus de, Schiffskapitän,
III 229.
W.
Wachmann, bremischer Syndikus,
U 83f.
Wagner, Jesuit und Historiker,
n 435.
Wal deck, Georg Friedrich Graf
von, I 165. 167—172. 174r-182. 190.
193—195. 203-207. 210. 215. 224f.
227 f. 230. 233. 242. 244-246. 248 f.
252. 255. 261 f. 264. 268 f. 301. 321.
373. 375. 381. 383. 403. — II 27.
59. 91. 114 f. 133. 141. 167. 250.
264. 299. 345. — HI 40. 66. 188.
287. 348—350. 356. 358.
W a 1 do , Enffländer in Indien, HI 168.
Wallenroat, Job. Ernst von, bran-
denb. Generalkriegskommissar, I
432.
Waller, Sir William, Oberst, III 97.
Wangelin, schwed. Oberst, II 281.
288. 302. 305. 315. 355 f. 373.
Wangen heim, Fräulein von, HI
22. 54.
Weber, Gottfr., Rektor, III 172.
Wedel, Geore Ernst von, General-
minor, I 19. 35.
Wedell, münsterischer General, II
364.
Weiler, Ernst, brandenb. Artillerie-
Oberst, III 211.
W e i m a n n , Daniel , brandenb.
Staatsmann, I 190. 205—209. 225.
245. 254. 256. 289. 298. 300-302.
321. 334. 388 f. 393. — II 19. 21. 50.
W e i f s , Dr. brandenb. Leibarzt, 1 19.
510
PenoDenverzeichnis.
Weiffl, von, Offizier, III 110.
Wenner, Kapitän, III 431.
Wesenbeck, Aatthaens, brandenb.
Geheimrat, I 87. 180. 240.
Wicqnefort, Abraham von, Diplo-
mat, I 88. 97. 115. 119 f.
Wietzel, Gabriel, Maler, I 429.
W i Icken , Wassertechniker, III 102.
Wilhelm VI., Landgr. v. Hessen-
Kassel. I 180 f. 418.
W i 1 h e l m IL (von Oranien), General-
statth. der Niederlande, I 131.
142. 153. 281.
Wilhelm III., dessen Sohn, 1 198. —
II 5—7. 19 f. 60. 68 f. 98 f. 101. 128.
139. 241. 267. 269. 283. 289. 299.
302. 308 f. 314. 316. 320 f. 324. 343.
349 f. 365. 369. 377. 382. 386. 389 f.
392. 399 f. 416 f. 422. — III 9. 29 f.
43. 57. 259. 281. 313. 315. 318. 339.
348. 356-358. 369. 377—382. 390
bis 394. 397 f. 417. 425 f. 428-432.
457. 473—476. 481 f.
Wilhelm Heinrich, brandenb.
Prinz, I 71.
Wilich, Dietr. Karl Freiherr von,
I 391 f.
Willing, Niklas, Maler, III 180.
Will mann, Michael, Maler, UI 183.
Winter feld, Samuel von, bran-
denb. Geheimrat, I 43.
Wintgens, knrköln. Kriegsrat, III
363.
Wisnowiecki, Demeter von, poln.
Magnat, II 16. 192.
Wisnowiecki, Michael, König v.
Polen, n 156-159. 189. 191—193.
196 f. 805. 316.
Witt, Comelis de, niederl&nd. Ad-
miral, I 322.
Witt, Johan de, hoUänd. Rats-
pensionar, 1 199. 208 222. 256. 320.
326. 328. 338. 341. 343. — II 7. 24.
47. 55. 57. 68. 71. 98. 101. 105. 118
bis 120. 123 f. 132. 138 f. 225.
Wittenberg, schwed. Feld-
marschall, I 196. 206.
Wittgenstein, s. Sayn.
Wladislaw IV., König v. Polen,
I 38-40. 46. 56. 73 f. 95. 133. 419.
Wolfgang Wilhelm, Pfalzgr. v.
Neuburg, I 75—77. 79—82. 149 bis
161.
Wolfgrübel, Georg, Maler, III
183. 185.
Wolframsdorf, s&chs. Diplomat,
III 263.
Wolfsberg, schwed. Diplomat, I
192. 276 f. 295. 302.
Workum, Wybrand van, Schiff-
bauer, III 100.
Wojna, von, Offizier, III 110.
Wr a n g e 1 , Karl Gustav von, schwed.
Admiral, I 322. 388 f. 347.
Wrangel, Karl Gustav Graf von,
schwed. Feldmarschall, I 116. 127.
282. 292. 295 f. — II 36. 57. 84 bis
94. 133. 335. 339. 346. 858. 355 f.
360. 363. 370.
Wrangel, Waldemarvon, schwed.
General, II 346. 355—360.
W r e i ch , Christoph Sigismund von,
brandenb. Hofrat, I 316. 855 f.
Wulleaum^, Jakob, Bildhauer, I
429.
W u 1 f f e n , schwed. Generalmajor,
II 384.
WuUodowski, poln. Sprachlehrer.
I 8.
Würtz, schwed. General, I 257.
260. 263. 267. 330. 347.
T.
Ysbrandt, niederländ. Diplomat,
I 288 f. 294. 315.
Z.
Zaluski, Andreas, Bischof v. Kiew,
III 832
Zeidler, Dr., Theologe, III 130.
Z e r 1 a n g , Bürgermeister von Berlin,
II 214.
ZoUikofer, Gabriel, Rektor, III
173.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort III— V
Sechstes Buoh. Der Grofse Kurfttrst, sein Staat und Volk,
1660-1688 1—245
Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst
und sein Hof 3—57
Charakter des Kurfürsten, S. 8. — Seine Tätigkeit, 8. 8. —
Neigungen, S. 10. — Aufgeklärter Absolutismus, S. 12. — Ge-
mahlinnen: Luise Henriette, S. 15. — Dorothea, S. 18. — Söhne:
Karl Emil, S. 22. — Friedrich, S. 25. — Friedrichs Zerwürfnis
mit den Eltern, S. 27. — Ludwig, S. 31. — Beilegung der Zer-
würfnisse, S. 82. — Die Testamente des Grofsen Kurfürsten,
S. 86. — Minister: Schwerin und Jena, S. 40. — Meinders,
S. 41. — Goltz und Pöllnitz, S. 44. — Anhalt, S. 46. — Derflf-
linger, S. 49. — Fuchs, S. 53. — Schöning, S. 56.
Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung . . . 58—83
Das Beamtentum, S. 58. — Der Geheime Rat, S. 60. - Gerichts-
verfassung, S. 61. — Schwächung der Selbstverwaltung, S. 63.
— Finanzverwaltung, S. 66. — Staatseinnahmen, S. 70. — Staats-
ausgaben, S. 78. — Verdienste des Kurfürsten auf diesem Ge-
biete, S. 82.
Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kurfürst und Volks-
wohlstand 84—125
Innere Kolonisation, S. 84. — Die R^fng^^s, S. 85. — Müil-
roser Kanal, S. 89. — Gewerbepolitik, S. 91. — Kommerz-
koliegien, S. 95. — Handelspolitik, S. 96. — Schiffbau und See-
handel, S. 99. -- Elbhandel, S. 103. — Post, S. 105. — Münz-
wesen, S. 106. — Handwerkspolitik, S. 107. — Adel, S. 109. —
Bürger, S. 112. — Bauern, S. 112. — Berlin, S. 116. — Potsdam,
S. 124.
Achtunddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekennt-
nisse 12Ö— 161
Frömmigkeit und Duldsamkeit des Kurfürsten, S. 126. —
Einigung der evangelischen Bekenntnisse, S. 127. — Verteidi-
gung seiner Glaubensgenossen im Auslande, S. 137. — Wohl-
wollen gegen die Katholiken, S. 138. — Schutz der Evangeli-
512 Inhaltsyerzeichnis.
S«ite
sehen gegenüber dem Kaiser, S. 145. — Gegenüber Ludwig XI\ .,
8. 147. — Das Potsdamer Edikt, 8. 150. — Mennoniten und
Sozinianer, S. 154. — Juden, 8. 156. — Souyeränit&t des Staates
in Kirchensachen, 8. 160.
Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte .... 162—192
Allseitige wissenschaftliche Interessen des Kurfürsten, 8. 162.
— Hofhistoriographen, S. 164. — Pufendorf, 8. 166. — Bücher-
wesen, 8. 168. — Volksschule, 8. 170. — Gymnasien, 8. 171. —
Universitäten, 8. 173. — Dichtung und Künste, 8. 179. — Klei-
dung, 8. 185. — Sitten, S. 186. — Aberglaube, 8. 187. — Duelle,
8. 189. — Entstehendes Nationalgefühl, 8. 191.
Vierzigstes Kapitel. Das Heer .193—218
Beseitigung des Lehns* und Milizheeres, 8. 193. — St&rke
des stehenden Heeres, 8. 194. — Organisation, 8. 195. — An-
werbung, 8. 197. — Bekleidung, 8. 198. — Milit&rjustiz, S. 199.
— Musterungen, 8. 200. — Taktik, S. 201. — Der Kurfürst als
Feldherr, 8. 202. — Sold und Verpflegung, 8. 202. — Avance-
ment, 8. 204. — Generalquartiermeisterstab, 8. 204. — Innere
Beschaffenheit des Heeres, 8. 205. — Invalidenwesen, 8. 207. —
Festungen, 8. 209. — Artillerie, 8. 210. — Verwaltung, 8. 211.
— General- Kriegskommissariat und dessen Beamte, 8. 212. —
Bedeutung als Landes- Verwaltungsbehörde, 8. 217.
Einundvierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien . . 219—286
Vielseitigkeit und Originalität des Grofsen Kurfürsten, 8. 219.
— Raule, 8. 231. — Seekrieg mit Spanien, 8. 222. — Treffen
bei San Vincent^ 8. 225. — Afrikanische Kompanie, S. 226. —
Kolonien an der Goldküste, 8. 227.
Zweiundvierzigstes Kapitel. Der Anheimfall Magde-
burgs 237—245
Bedeutung der Stadt Magdeburg, S. 237. — End-
gültige Besitznahme des Landes, 8. 289. — Neuorganisation,
8. 239. — Tatsächliche Beseitigung der mittelalterlichen
„Libertät^ 8. 241.
Biebentes Bueb. Des Grofsen Kmfftnten Aasgang .... 247—487
Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis 249—289
Gründe für den Übertritt des Kurfürsten zu Frankreich,
8. 249. — Absichten auf Schwedisch-Pommem, 8. 253. — Seine
Vorschläge an Frankreich, S. 255. — Mifstrauen Frankreichs,
8. 256. — Geheimvertrag zu St. Germain, 8. 262. — Dänisch-
hamburgischer Streit, 8. 267. — R^benac, französ. Gesandter in
Berlin, S. 268. — Bemühungen des Kaisers und der Nieder-
lande um den KurfQrsten, 8. 269. — Colbert-Croissj, 8. 272. —
Spanheim in Paris, 8. 273. — Hoffnungen und Entwürfe Fried-
rich Wilhelms, 8. 278. — Engeres Bündnis mit Frankreich, zu
Berlin, 8. 279. — Die Reunionen, 8. 286. — Der Assoziations-
vertrag, 8. 288.
Inbaltsyenseichnis. 513
8«ito
Vierundy ierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf
Schweden 290—330
Frankreich regt das Unternehmen auf Vorpominem an,
S. 290. — Der Kurfürst Gefolgsmann Frankreichs, 8. 292. —
Ostfriesland. 8. 301. — Itzehöer Bündnis, 8. 303. — Spannung
zwischen Brandenburg und Frankreich, S. 304. — Brandenburg
in Ostfriesland, S. 308. — Orange, S. 313. — Brandenburg zum
Abfall yon Frankreich geneigt, S. 314. — Frankreich betreibt
das „Konzert" mit Brandenburg und Dänemark, 8. 317. —
Scheitern des Konzerts, S. 324. — Vereinsamung des Kur-
fürsten, S. 328.
Fünfundyierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger
Fehde 331—372
Die Türken yor Wien, S. 332. — Der Kurfürst ist bereit,
dem Kaiser zu helfen, 8. 332. — Unfreundliche Haltung des
Kaisers, S. 385. — Der Generalstaaten, 8. 389. — Bettung
Wiens und ihre Folgen, 8. 340. — Der Kurfürst rettet den
Frieden, 8. 342. — Neues Bündnis mit Frankreich, 8. 844. —
Streitigkeiten mit Braunschweig-Lüneburg, 8. 354. — Fuchs'
erste Sendung nach dem Haag, 8. 356. — Feindseligkeiten gegen
die Braunschweiger, 8. 358. — Der Kurfürst für den Frieden,
8. 360. — Gewaltuten Frankreichs, 8. 366. — Bündnis mit
den Braunschweigem, S. 369. — Der zwanzigjährige Waffen-
stillstand, 8. 372.
Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkehr yonFrank-
reich 378—419
Wendung der brandenburgischen Politik gegen Frankreich,
8. 373. — Die Freiheit Europas und der eyangelische Bund,
8. 876. — Jakob II. yon England, 8. 879. — Fuchs abermals
nach dem Haag, 8. 381. ^ Fridag in Berlin, 8. 884. — Be-
mühungen um England, S. 385. — Die Pfälzer Erbschaft, 8. 886.
— Das Bündnis mit Holland, S. 390. — Verschärfung des Pfälzer
Erbstreits, 8. 398. — Gegensatz zu Frankreich, 8. 400. — Er-
gebenheitserklärung des Kurfürsten, 8. 408. — Verhandlungen
mit dem Kaiser: der Schwiebuser Kreis, 8.411. — Bündnis mit
dem Kaiser, 8. 414. — Bündnis mit Schweden, 8. 416. —
Brandenburg an der Spitze des europäischen Freiheitsbünd-
nisses, 8. 418.
Siebenundyierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und
Türkenkrieg 420—455
Beruhigung im Pfälzer Erbstreite, S. 422. — Das branden-
burgische Hilfskorps gegen die Türken, S. 423. — Die Augs-
burger Allianz, S. 426. — Zusammenkunft des Kurfürsten und
Oraniens in Kleye, 8. 429. — Rettung Hamburgs yor den
Dänen, 8. 433. — Heldenmut der Brandenburger yor Ofen,
8. 487. — Gewalttaten Frankreichs, 8. 441. — Undankbarkeit
des Kaisers gegen Brandenburg, 8. 443. — Drohende Haltung
Philipp son, Der OroDM KurfOrtt. III. 33
514 Inhaltsverzeichnis.
8«ite
Ludwigs XIV., S. 445. — Sturz Gottfried v. Jenas, S. 451. —
Friedenshemühungen, S. 454.
Achtundvierzigstes Kapitel. Der Ahschlufs .... 456 — 487
Schomherg, hrandenhurgischer Feldmarschall, S. 456. —
Kurf&rst gegen vorzeitigen Krieg, S. 459. — Die Franzosen in
Trarbach, S. 461. — Gefahren für den Kurfürsten, S. 465. —
Tod Maximilian Heinrichs von Köln: drohender Konflikt mit
Frankreich, S. 469. — Hoffnung des Kurfürsten: ein Unter-
nehmen Oraniens auf England, S. 478. — Friedrich Wilhelms
Ende, S. 477. — Charakteristik und Ergebnisse seiner Regie-
rung, S. 479.
Aktenstücke 488-— 494
Personenverzeichnis 495—510
Inhaltsverzeichnis 511 — 514
Picr«rBch« Hofbuehdruokerei Stephan ^i^ih^\ k Co. in AlUnbarg.
VERLAG SIEGFRIED CRONBACH, BERLIN.
Napoleon und Bernadotte im
Herbstfeldzuge 1813.
Von
Dr. Ernst Wlehr.
Mit 6 Skizzen. Preis 7 Mk. 50 Pf.
■^ Von allen historischen Zeltschriften wird dieses Weric ai^
eine bedeutende Arbelt bezeichnet.
Die „VoBsiKche Zeitung*' schreibt: Dies dem Professor Delbrück ^-
widmete Buch wird nicht verfehlen, Aufsehen su erregen, denn es rüttelt an einer
bei uns tief eingewurzelten und beinahe geheiligten Oberlieferung.
Kriegsführung und Politik
König Friedrichs des Grofsen
in den ersten Jahren des siebenjährigen Krieges.
Von
Dr. Gustav Berthold Volz.
Preis 8 Mk.
Die „Internationale Reyne** über die gesamten Armeen und Flotten
urteilt: Die kritischen Untersuchungen, welche Dr, Volz auf die beiden ersten
Jahre des siebenjährigen Krieges ausdehnt, haben den Zweck, die Absichten de»
grof:«en Königs, welche seine politischen und strategischen Mafsnahmen motivieren,
an der Hand eines reichen Quellenmaterials klarzulegen und darzustellen. Da der
Verfasser hierbei zu wesentlich anderen Ergebnissen gelangt, als andere vonin-
gehende und gleichzeitige Schriftsteller (F. Wagner), so mufs seine Schrift die be-
sondere Aufmerksamkeit derer erregen, welche sich Friedrich den Grofsen und
seine Kriege zum besonderen Studiums-Gegenstand gewählt haben. . . .
Die
deutsehen Einheitsbestrebungen
im neunzehnten Jahrhundert und ihre
Verwirklichung.
Von
Dr. Ed. Loewenthal.
Preis broschiert 2 Mk. 50 Pf., gebunden 3 Mk.
„Hessisch-Nassauischer Volksbote'' in Frankfurt a. M.: Ausgehend
von den Ereignissen am Schlufs des 18. Jahrhunderts, schildert der Verfasser die
darauf folgende Auflösung des alten deutschen Reichs und die Erniedrigung Deutsch-
lands zu Anfang unseres Jahrhunderts mit dem Beginn der französischen Revo-
lution. Dann geht es aufwärts, es folgt die erste Periode der deutschen Einheits-
bestrebuugen , die zweite derselben in den 50er Jahren, die mit der Neu);rfindung
des deutschen Reichs ihren Abschlufs findet Ein hundertjähriger Geschichtsabschnitt
ist in diesem kleinen Buche unter obigem Titel zusammengestellt Der Schlufs
behandelt den staatlichen Aufbau des Reiches luid seine Gesetzgebung, Handel und
"" *kehr, Industrie u. s. w. Alten und jungen Volksgenossen empfehlen wir die An-
'■ffung dieses Buches angelegentlichst N.
Picrersehe Hofbuchdmcker»! Stephan Ueibel & Co. in Altenburg. t)t
I
1