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Full text of "Der grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg"

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I 


3(K)066 


Der 

Grolse  Kurfürst 


Martin  Philippson. 


Dritter  Teil:  1660   bis  1688. 


Berlin. 

Verlag   Siegfried   Cronb.Tcli. 
1903. 


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Der 


GroXse  Kurfürst 


Martin  Philippson. 


Dritter  Teil:  1660  bis  1688. 


Berlin. 

Verlag   Siegfried   Cronbacb. 
1903. 


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Vorwort. 


Hiermit  erscheint  der  dritte,  abBchliefsende  Band  der  Ge- 
schichte des  Grofsen  KurfQrsten. 

Er  enthält  zunächst  die  Darstellung  der  inneren  Verhält- 
nisse des  Kurhauses  und  des  Eurstaates  in  den  Jahren  1660  bis 
1688.  Die  einschlägige  Entwicklung  vom  Frieden  von  Oliva 
bis  zum  Tode  Friedrich  Wilhelms  ist  eine  so  zusammenhängende, 
und  ihre  Einzelheiten  greifen  so  eng  ineinander,  dafs  ich  hier 
keine  Trennung  nach  kürzeren  Zeiträumen  vornehmen  mochte. 
Sie  umfafst  die  Vorbereitung  und  teilweise  Durchführung  des 
landesherrlichen  Absolutismus  sowie  des  Beamten-  und  Polizei- 
staates in  Brandenburg-Preufsen ;  die  Erkenntnis  und  tunliche 
Verwirklichung  der  Aufgaben  des  modernen  Staates  in  der 
Gewerbe-  und  Handelspolitik,  in  gleichmäfsiger  Gerechtigkeits- 
pflege und  Religionsfreiheit;  die  Ausbildung  des  Heerwesens 
und  die  Gründung  einer  See-  und  Kolonialmacht.  Erst  seit 
1660  fand  Friedrich  Wilhelm  die  Mufse  und  die  Mittel,  an  die 
Ausführung  seiner  originellen  und  weitgehenden  Gedanken  für 
die  innere  Gestaltung  seines  Staates  zu  gehen.  Deshalb  war 
dieser  Gegenstand  im  ersten  Bande  nur  kurz  behandelt  und  er- 
hält jetzt  eine  zusammenhängende  und  hoffentlich  entsprechende 
Würdigung.  Man  besitzt  für  die  innere  Geschichte  Branden- 
burg-Preufsens  während  der  letzten  28  Jahre  des  Grofsen 
Kurfürsten  tüchtige,  zum  Teil  hervorragende  und  bedeutende 
Vorarbeiten,  aber  nichts  Zusammenfassendes  und  Vollständiges, 
und  ich  sah  mich  deshalb  veranlafst,  vorzüglich  für  das  Heer- 
wesen, für  die  Anfänge  der  Seemacht  und  die  Finanzverwaltung, 
unveröffentlichte  Akten  aus  dem  Kriegsministerium,  dem  Ge- 
heimen Staatsarchive  und  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin 


IV  Vorwort. 

heranzuziehen.  Sie  lieferten  reiches  Material,  ganz  besonders 
für  die  Geschichte  des  Kriegskommissariats,  das  bald  das  ge- 
samte Verwaltungssystem  Preufsens  umgestaltete  und  dessen 
wichtigste  Behörde  wurde.  Die  ganze  Darstellung  mufs  die 
grundlegende  Wichtigkeit  der  Regierung  Friedrich  Wilhelms  für 
die  Fortentwicklung  des  preufsischen  Staatswesens  erweisen. 

Die  zweite  Abteilung  dieses  Bandes  bringt  die  Darstellung 
der  auswärtigen  Politik  vom  Frieden  zu  St.  Germain  bis  zum 
Tode  des  Kurfürsten.  Ich  mufste  mir  hier  die  Frage  vorlegen, 
ob  ich  nicht  besser  daran  tun  würde,  die  Veröffentlichung  des 
19.  Bandes  der  ;, Urkunden  und  Aktenstücke  zur  Geschichte  des 
Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg"  abzuwarten. 
Allein  der  Herausgeber,  Herr  Prof.  Ferd.  Hirsch,  teilte  mir 
gütigst  mit,  dafs  dieser  Band  keinesfalls  vor  dem  Schlüsse  des 
Jahres  1904  erscheinen  würde ;  auch  wird  er  sowohl  der  Zeit  wie 
den  Gegenständen  nach  nur  einen  Teil  der  Urkunden  enthalten, 
die  ich  für  meine  Arbeit  benutzt  habe.  Ich  zog  es  deshalb  vor, 
mit  dieser  nicht  länger  zurückzubleiben.  Meine  Darstellung 
mufste  also  hier  zum  überwiegenden  Teile  auf  unveröffent- 
lichtes Material  begründet  werden.  Die  Königliche  Bibliothek 
in  Berlin  gewährte  mir  die  handschriftliche  Münzgeschichte  von 
Magirus,  ferner  Etats  für  Heer  und  Marine,  Koloniales.  Das 
Archiv  des  Kriegsministeriums  brachte  Materialien  zur  Ver- 
waltung nicht  nur  des  Heeres,  sondern  auch  der  Finanzen.  Im 
Geh.  Staatsarchiv  endlich  konnte  ich  einsehen:  die  Korrespon- 
denz Derfflingers  mit  Hessen  -  Homburg  über  die  inneren  Zu- 
stände des  Heeres;  das  Tagebuch  des  älteren  Schwerin;  den 
schriftlichen  Nachlafs  Meinders' ;  das  Tagebuch  des  Herzogs  von 
Groy,  dessen  Bedeutung  freilich  mehr  auf  dem  Gebiete  der  ost- 
preufsischen  Provinzialgeschichte  liegt;  die  diplomatische  Kor- 
respondenz Spanheims  aus  Frankreich  und  England,  sowie 
Bessers  aus  England;  die  Pfälzischen  Miszellaneen ,  mit  der 
diplomatischen  Korrespondenz  Mandelslohs;  die  Aktenstücke, 
betreffend  Kurköln,  Spanien  und  die  Niederlande,  vorzüglich  die 
Sendung  Fuchs'  nach  Holland  1684  und  1685,  die  nunmehr  zum 
ersten  Male  in  authentischer  Weise  dargestellt  werden  konnte; 
Kopien  aus  dem  belgischen  Staatsarchive,  sowie  Kopien  und 
Auszüge  aus  dem  Archive  des  französischen  Ministeriums  des 
Auswärtigen,  die  zumal  die  diplomatische  Korrespondenz 
B^benacs  enthalten.    Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  den 


Vorwort.  V 

Herren  Beamten  der  Königlichen  Bibliothek,  des  Archivs  des 
Kriegsministeriums  und  des  Geh.  Staatsarchivs  zu  Berlin  für 
ihre  gütige  Unterstützung  meinen  verehrungsvollen  Dank  aus- 
zusprechen. Zumal  Herr  Staatsarchivar  Dr.  Erhard  hat  mir 
mit  vollendeter  Sachkenntnis  und  unermüdlicher  Gefälligkeit 
beizustehen  die  Freundlichkeit  gehabt. 

Täusche  ich  mich  nicht,  so  bringt  meine  Schilderung  in 
der  Tat  mancherlei  neue  Ergebnisse,  nicht  nur  in  den  Einzel- 
heiten, sondern  auch  in  den  allgemeinen  Anschauungen  und 
Folgerungen:  so  unter  anderem  in  Hinsicht  der  Beziehungen 
des  Kurfürsten  zu  Frankreich  während  der  Jahre  1679  bis  1688, 
so  in  betreff  seiner  Umtriebe  in  England  gegen  die  Stuart ,  so 
bezüglich  seiner  entscheidenden  Verhandlungen  mit  Holland  und 
Oranien.  Es  wird  dargetan,  dafs  der  Grofse  Kurfürst  als  der 
erste  das  Unternehmen  Wilhelms  III.  auf  England  angeregt 
und  gefordert  hat.  Man  wird  bestätigt  finden,  dafs  die  gesamte 
Politik  Friedrich  Wilhelms  im  Zeiträume  von  1679  bis  1685  noch 
eine  Folge  seines  von  mir  im  zweiten  Bande  zum  ersten  Male 
nachgewiesenen  Grundirrtums  während  des  holländischen  Krieges 
war:  er  hatte  gemeint,  Pommern  den  Schweden  entreifsen  zu 
können,  ohne  zuvor  seinen  Verbündeten  bei  der  Abwehr  Frank- 
reichs zu  helfen.  Aber  in  seinen  letzten  Lebensjahren  macht 
er  sich  entschlossen  von  den  Nachwirkungen  der  Vergangenheit 
frei  und  führt  kühn  seinen  Staat  wieder  in  die  grofsen  Bahnen 
einer  zukunftsreichen  und  segensvollen  Politik. 

Berlin,  im  Februar  1903. 

M.  PUllppson. 


Sechstes  Buch. 

Der  Grofse  Kurfürst,  sein  Staat  und 

Volk,  1660—1688. 


Philippgon,  I>«r  OrofiM  KurfOrst.    III. 


Fünfunddreifsigstes  Kapitel. 

Der  Grorse  Kurfürst  und  sein  Hof. 


„Ich  habe  einen  grofsen  Kurfürsten  des  Reiches  gekannt/ 
schreibt  der  dänische  Diplomat  Detlev  von  Ahlefeldt  über  Fried- 
rich Wilhelm  von  Brandenburg,  den  er  oft  gesehen  und  ge- 
sprochen hatte,  in  seinen  Denkwürdigkeiten,  „der  in  der  Kunst 
der  Dissimulation  sehr  geübt,  und  wenn  er  guter  Laune  war, 
gegen  mich  mehr  als  einmal  diese  Worte  erwähnt  hat: 

Niemand,  der  kennt  meinen  Sinn, 

Ob  ich  Fuchs  oder  Hase  bin\" 


^  Geheimerats  Dr.  v.  Ahlefeld  Memoiren,  heransg.  von  L.  Bob 6 
(Kopenhagen  1896),  S.  84.  —  Bericht  des  engl.  Gesandten  Southwell  v.  J. 
1680  (Baum er,  Beiträge  zur  neueren  Gesch.,  in,  466).  —  Vgl.  noch  zu 
dem  folgenden  die  freilich  mit  grofser  Vorsicht  aufzunehmenden  Berichte 
des  französ.  Gesandten  H^benao  (Prutz,  Aus  des  Grofs.  Kurf.  letzten 
Jahren,  8.  155  ff.).  —  Von  der  Beurteilung  Friedrich  Wilhelms,  die 
K^benao  in  seiner,  April  1688  für  seinen  Nachfolger  Gravel  entworfenen, 
Denkschrift  gibt  (sie  ist  von  Alb.  Wad dington  auszüglich  in  dem 
Becueil  des  Instructions,  Bd.  XVT  S.  XLIVff.,  und  vollständig  Bevue 
historique,  Bd.  LXXVm  [1902],  S.  72  ff.,  veröffentlicht^  habe  ich  keinen 
Gebrauch  gemacht.  Die  ganze  Denkschrift  strotzt  von  Irrtümern  und 
beweist,  einen  wie  geringen  Grad  von  Menschenkenntnis  und  Urteilskraft 
der  französ.  Diplomat  besafs.  Hatte  er  schon  im  Dez.  1685  den  schweren 
Irrtum  begangen,  die  Möglichkeit  eines  Anschlusses  des  Kurfürsten  an 
den  Kaiser  in  Abrede  zu  stellen  (Becueil  XVI,  XLII),  so  schildert  er  ihn 
1688  als  unbedingt  friedliebend  —  wo  er  doch  bereits  zum  Kriege  gegen 
Frankreich  mit  Oranien  übereingekommen  war.  Der  Kronprinz  neigt 
zur  Sparsamkeit,  ja  zum  Geiz  I  Danckelmann  führt  den  Prinzen  auf  den 
Weg  engen  Anschlusses  an  Frankreich  l  Marschall  Schomberg  hat  „eine 
starke  Leidenschaft  für  die  Interessen  Frankreichs  und  seines  Königs! 
Und  so  weiter.    Wie  konnte  Prutz  ein  ganzes  Buch  ausschliefslich  auf 

1* 


4  Sechstea  Bück. 

Der  komplizierte  Charakter  des  EurfQrsten  Iftfst  sich  in  der 
Tat  nicht  mit  wenigen  Worten  erschöpfend  bezeichnen.  Es  ist 
leicht,  ihn  des  Mangels  an  Folgerichtigkeit,  seinen  Darsteller 
des  Mangels  an  klarem  und  durchgreifendem  Verständnis  zu 
beschuldigen.  Die  zahllosen  Facetten  seines  Wesens  werfen 
eben  das  Licht  in  verschiedenster  Färbung  zurück.  Man  mufs 
tiefer  eindringen,  um  das  Bleibende  in  ihm  richtig  zu  verstehen 
und  zu  beurteilen.  Im  Grunde  war  er  ein  frommer  und  sitt- 
licher Mensch;  das  hat  er  in  seinem  tadellosen  Privatleben 
durchgehends  bewiesen.  Er  hegte  dabei  echt  deutsches  Empfinden, 
und  sein  Herz  öffnete  sich  den  Interessen  des  weiteren  Vater- 
landes. Allein  er  hielt  es  vor  allem  fttr  seine  ihm  von  Gott 
auferlegte  Pflicht,  fttr  die  Gröfse  und  das  Ansehen  seines  Staates 
und  fürstlichen  Hauses  zu  sorgen  und  zu  arbeiten.  Dagegen 
kam  ihm  nichts  anderes  in  Betracht:  wenn  es  sich  um  Staat 
und  Dynastie  handelte,  diente  er  weder  Kaiser  noch  Reich,  be- 
achtete er  weder  Wahrheit  noch  Treue.  Am  liebsten  stand  er 
mit  dem  allen  im  Einklang :  allein  wenn  Brandenburgs  Nut2eD 
nach  anderer  Seite  zu  deuten  schien,  wandte  er  sich  rttcksichts- 
los  dieser  letzteren  zu.  Sobald  man  sich  auf  solchem  Standpunkte 
hält,  wird  man  den  Schlüssel  zu  einem  grofsen  Teile  von  Fried- 
rich^ Wilhelms  scheinbaren  Inkonsequenzen  und  deren  angeblich 
sich  widersprechender  Beurteilung  durch  den  Historiker  finden. 
Ein  weiteres  Moment  erhöht  aber  noch  die  Unsicherheit  im 
Verfahren  dieses  Fürsten.  Die  Klarheit  seiner  politischen  Er- 
kenntnis und  die  Gröfse  seiner  aus  dieser  erwachsenden  Pläne 
standen  im  unversöhnlichen  Gegensatze  zu  der  Geringfügigkeit 
seiner  Machtmittel  und  zu  der  bedrohten  Lage  seines  Staates 
zwischen  vier  übelwollenden  Grofsmächten.  Deshalb  überall 
plötzliche  Hindernisse,  ja  Gefahren;  deshalb  immer  wieder  die 
Nötigung,  den  Kurs  von  dem  erwünschten  Ziele  abzulenken,  zu 
lavieren,  umzukehren,  auf  viel  verschlungenen  und  ermüdenden 
Umwegen  zu  dem  ersehnten  Hafen  zu  steuern.  Diese  Umstände 
erklären  vieles,  was  zunächst  unbegreiflich  dünkt  an  den 
wechselnden  Beschlüssen  des  Grofsen  Kurfürsten;  sie  erschweren 


die  Berichte  eines  so  selbstgefällig  sich  täuschenden  Beobachters  auf- 
bauen! Der  Franzose  G.  Pagös  (Bulletin  de  la  Soci^te  de  Thist.  de 
France,  1892,  Lief.  3  S.  115)  beurteilt  das  Wesen  Eäbenacs  viel  vor- 
sichtiger und  zutreffender. 


FOnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.      5 

es  dem  Darsteller  wie  dem  Leser,  dem  Faden  durch  das  Labyrinth 
seiner  Politik  zu  folgen.  Und  man  wird  diese  dennoch,  trotz 
ihrer  anscheinenden  Launenhaftigkeit,  verstehen  und  würdigen, 
wenn  man  die  hier  angedeuteten  Existenzbedingungen  des 
Herrschers  stets  im  Auge  behält.  Man  wird  dann  mit  Staunen, 
mit  Bewunderung  erkennen,  dafs  er  im  Grunde  seine  Absichten 
und  Ziele  nie  aufgibt  und  unter  tausend  bedenklichen  Wendungen 
und  Zweideutigkeiten  immer  wieder  auf  sie  zurückkommt. 

Eine  freudlose  Jugend,  ein  schwieriger  und  gefährdeter 
Regierungsanfang,  steter  Kampf  mit  inneren  und  äufseren 
Feinden,  unablässiges  Bingen  mit  übermächtigen  Gegensätzen, 
mahsames  Erstreiten  auch  des  kleinsten  Erfolges,  Versagen 
selbst  der  scheinbar  zuverlässigsten  Bundesgenossen  hatten 
Friedrich  Wilhelm  immer  mehr  zu  einem  verschlossenen,  nur 
dem  eigenen  Selbst  vertrauenden  und  deshalb  gegen  andere 
wonig  aufrichtigen  Manne  gemacht.  Mifstrauen  wurde  der 
Grundzug  seines  Wesens  im  Verkehr  mit  den  Menschen  jeder 
Art  —  eine  Gesinnung,  die  bei  den  meisten  Höchstgestellten 
sich  mit  langjähriger  Erfahrung  einzufinden  pflegt.  Sein  natür- 
licher Frohsinn  war  mit  der  Jugendkraft  verflogen,  eine  gewisse 
Mifsstimmung  und  gelegentliche  Menschenscheu  an  dessen  Stelle 
getreten.  Plötzlich  brach  wieder  der  ihm  angeborene  Ungestüm 
mit  elementarer  Macht  durch  den  Zwang  der  Verstellung,  liefs 
ihn  mehr  und  heftiger  reden,  als  ihm  eigentlich  lieb  war,  gegen- 
über nicht  nur  seinen  Räten  und  Offizieren,  sondern  auch  fremden 
Diplomaten.  Dann  konnte  er  wieder  —  denn  Güte  und  Ge- 
rechtigkeit waren  die  Grundzüge  seines  Wesens  —  mit  ge- 
winnender Liebenswürdigkeit  auftreten.  Oberflächliche  Be- 
obachter hielten  ihn  für  einen  schwachen,  unentschlossenen 
Menschen,  bei  dem  List  und  Gewaltsamkeit  miteinander  ab- 
wechselten, zum  Schaden  seiner  selbst  und  anderer.  In  Paris 
sang  man  ein  Spottlied  über  ihn: 

„Fürchtet  dieser  Fürst  im  Beich, 
Dafs  ihn  treff'  ein  böser  Streich, 
Sieht  Gefahr  er  im  Verzug, 
Greift  er  schnell  zu  Lug  und  Trug^"" 

*  „Mais  si  ce  prince  de  Tempire 
Apprehende  d'avoir  du  pire, 
Voyant  ses  Zitats  en  danger, 
Ne  peut-il  pas  encor  changer?" 


Q  Sechstes  Buch. 

Gefade  die  Menschen,  die  ihn  täglich  beobachteten,  haben 
ihm  am  wenigsten  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen,  weil  die 
Versatilität  seiner  Einzelentschlüsse  sie  über  die  Beharrlichkeit 
der  grofsen  Linien  seiner  Politik  täuschte.  Friedrich  Wilhelm 
gewinnt,  wenn  man  ihn  von  der  Feme,  von  hohen  Gesichts- 
punkten aus  betrachtet :  dann  verschwinden  die  krausen  Einzel- 
heiten, und  das  grofsartige  Gepräge  seines  Wesens  tritt  allein 
in  die  Erscheinung.  Einsichtige  Zeitgenossen  haben  solches 
wohl  erkannt  und  sich  nicht  durch  Äufserlicfakeiten  täuschen 
lassen  \ 

Der  Schatten  von  Melancholie,  der  über  seinen  letzten  Be- 
gierungsjabren  hängt,  wurde  verdichtet  durch  häufige  und 
schmerzhafte  Krankheiten,  denen  er  von  den  Zeiten  seines 
kräftigsten  Mannesalters  her  unterworfen  war.  „Die  leichtfertige 
Krankheit  der  Gichf,  wie  er  sich  selber  scherzhaft  ausdrückte ', 
plagte  ihn  seit  seinem  vierzigsten  Lebensjahre  immer  wieder 
und  warf  den  nach  rastloser  Tätigkeit  Verlangenden  auf  das 
Lager,  während  Politik  oder  Krieg  dringend  seine  Beweglichkeit 
und  Arbeit  forderten.  Kein  Wunder,  dafs  ihn  die  erzwungene 
Trägheit  beunruhigte  und  tief  verstimmte^.  Aber  sobald  er 
einigermafsen  seines  Körpers  Herr  war,  raffte  er  sich  auf,  nicht 
nur  um  im  Kabinett  mit  seinen  Ministem  und  den  fremden 
Gesandten  zu  arbeiten^,  sondem  auch  um  schonungslos  seine 
Kräfte  und  sein  Befinden  den  schlimmsten  Anstrengungen  aus- 
zusetzen —  wie  in  den  Feldzügen  in  Pommern  und  Preufsen. 
Nach  der  Arbeit  aber  liebte  er  fröhlichen  Tmnk  und  zerstreuendes 
Spiel,  das  ihn  oft  bis  spät  in  die  Nacht  wach  erhielt ^  Die 
Folge  dieser  anstrengenden,  antihygienischen  Lebensweise  waren 
heftige   Fieberanfälle   und   quälende    Atenmot,   die   wiederholt 


(Alb.  Waddington,   Eecueil  des  Instructions,  Bd.  XYI  [Paris  1901]: 
Prufse,  Introd.  p.  XXV.) 

^  So  sagt  Bischof  Burnet  (History  of  his  own  time  [London  s.  a.] 
S.  475):  The  heat  of  his  spirit  was  apt  to  kindle  too  quick,  tili  his  interest 
cooled  him;  and  that  fetched  him  back,  which  brought  him  under  the 
censure  of  changing  sides  too  soon  and  too  often. 

'  In  einem  Schreiben  an  Schwerin,  26.  Febr.  1663;  ü.  u.  A.  IX,  849. 

*  Vgl.  KurfOrstin  Luise  Henriette  an  Schwerin;  Orlich,  Preufs. 
Staat  I,  547. 

*  S.  U.  u.  A.  n,  259.  261. 

^  P.  Haack,  Brandenburgische  Politik  u.  Kriegführung  L  d.  Jahren 
1688  u.  1689  (Kassel  1896),  S.  145  (nach  schwedischen  Quellen). 


Fünfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.      7 

seinem  Dasein  ein  jähes  Ende  zu  bereiten  drohte.  Dazu  kamen 
im  Alter  schmerzhafte  Steinbeschwerden  und  Koliken.  Eine 
von  Jahr  zu  Jahr  zunehmende  Korpulenz  trug  nicht  zu  seinem 
Wohlbefinden  bei.  Er  suchte  seine  Übel  durch  seltsame  Kraft- 
kuren zu  bekämpfen,  wie  im  Jahre  1684  durch  allmorgendliches 
Trinken  von  dreifsig  bis  vierzig  Tassen  Tee,  von  deren  Genufs 
er  tatsächlich  Besserung  zu  verspüren  glaubte  ^  Aber  wiederholt 
erkrankte  er  doch  so  schwer,  dafs  seine  Ärzte  ihn  aufgaben^. 
Seine  kräftige  Natur  trug  freilich  immer  wieder  den  Sieg  davon. 

Bewegung,  Tätigkeit,  Anstrengung  —  das  war  ihm  Be- 
dürfnis. Deshalb  liebte  er  vor  allen  Vergnügungen  die  Jagd 
in  den  wildreichen  Forsten  des  Grunewald  bei  Zossen,  bei 
Köpenick,  Nellin  und  Oranienburg,  sowie  an  der  neumärkisch- 
polnischen  Grenze^.  In  Preufsen  lag  er  Elen-,  Wolf-  und  Bären- 
jagden ob.  Er  zählte  mit  Vergnügen  seine  waidmännischen 
Erfolge  auf  und  trotzte  der  Gefahr  bei  Eber-  und  Bärenhetzen 
mit  ruhigem  Mute.  Unaufhörlich  durchzog  er  seine  weithin 
zerstreuten  Lande,  von  Kleve  bis  Königsberg,  und  scheute  auch 
Reisen  nach  Holland,  Sachsen  und  anderen  Nachbarländern  nicht. 
Sein  Gesundheitszustand  nötigte  ihn  überdies  seit  1662,  Bade- 
orte zur  Kur  aufzusuchen:  so  Karlsbad,  Pyrmont,  Aachen.  Er 
pflegte  da  mit  würdiger  Pracht  und  grofsem  Gefolge  einher- 
zuziehen —  das  hielt  er  seiner  hohen  Stellung  für  angemessen. 
Weniger  als  200  Pferde  führte  er  niemals  mit  sich.  Er  unter- 
liefs  es  nicht,  alle  Sehenswürdigkeiten  der  von  ihm  berührten 
Orte  in  Augenschein  zu  nehmen,  denn  auf  allen  Gebieten  zeich- 
nete ihn  stets  lebendige  Wifsbegier  aus,  die  ihm  eine  aus- 
gedehnte Bildung  einbrachte.  Als  ihm  ein  Arzt,  Dr.  Wilhelm 
Piso,  sein  Buch  über  Brasilien  zugesandt  hatte,  gab  er  im  Dank- 
schreiben seiner  Freude  darüber  Ausdruck,  „dafs  das  Jahrhundert 
solche  Ingenia  gegeben,  welche  dasjenige,  was  sonsten  Unseren 
Vorfahren  verborgen  gewesen  und  in  so  fernen  Landen,  ja  in 
den  allerweit  entlegendsten  Klimaten  gefunden  wird,  mit  so^ 
sonderbarer  Mühe  und  Arbeit  durchforschen,  auch  die  Natur 
derjenigen    fremden    Sachen,    so    sie    daselbst   angetroffen,    so 


^  Meinders  an  Waldeck,  19.  Jan.  1684;  Strecker,  Meinders,  97. 
'Ms.  Fridag    an   Grana,    Id.  Kov.    1686    (Kopie);    Berlin,    Geh« 
Staataarchiv  Bepos.  94,  IV,  H  b,  4  b. 

*  Bericlit  Leaseins*  v.  7.  Febr.  1662,  U.  u.  A.  II,  246  f. 


g  Seehstes  Buoli. 

fleifbig  untersuchen  und  denen  europäischen  Völker  kom- 
munizieren" ^ 

Seine  Weise,  sich  auszudrücken,  war  kernig  und  treffend. 
Seine  Briefe  und  Verfügungen  sind  mit  Kraft  und  Gewandtheit 
abgefafst,  ohne  den  Schwulst,  der  damals  bei  hoch  und  niedrig 
beliebt  war,  und  mit  möglichster  Vermeidung  der  entsetzlichen 
Sprachmengerei,  die  gemeiniglich  die  deutsche  Rede  jener  Zeiten 
in  unerträglicher  Weise  verunziert.  Man  darf  sagen ,  dafs 
wenige  Schriftsteller  von  Beruf  damals  in  so  reiner,  angemessener 
und  bündiger  Art  geschrieben  haben  ^  wie  dieser  Politiker  und 
Kriegsmann,  der  aber  echt  fühlte  und  gerade  dachte. 

Seine  Tätigkeit  war  unermüdlich.  Er  stand  auch  im  höheren 
Alter  Winters  wie  Sommers  um  sechs  Uhr  früh  auf;  und  sobald 
er  sein  Gebet  verrichtet  und  das  Frühstück  eingenommen  hatte, 
bei  dem  in  seinen  späteren  Jahren  die  altüberkommene  Bier- 
suppe durch  die  modisch  gewordenen  Getränke  Kaffee  oder  Tee 
ersetzt  wurde,  ging  er  mit  seinen  bevorzugten  Geheimräten  an 
die  Arbeit,  die  gewöhnlich  den  ganzen  Vormittag  ausfüllte* 
Nach  dem  Mittagsmahle,  das  er  allein  mit  der  Kurfürstin  ein- 
zunehmen pflegte,  fuhr  er  spazieren  oder  trieb  körperliche 
Übungen  oder  auch  Kultur  seiner  Anpflanzungen.  Noch  in 
hohem  Alter  half  er  eigenhändig,  durch  Pflanzen,  Pfropfen  oder 
Säen,  bei  der  Umwandlung  seines  an  der  Potsdamer  Landstrafse, 
eine  Viertelmeile  von  Berlin,  gelegenen  Hopfengartens  in  einen 
grofsen  Muster-,  Obst*  und  Gemüsegarten'.  Der  Abend  wurde 
mit  Unterhaltung  und  Spiel  im  Familienkreise  verbracht;  indes 
wenn  die  Geschäfte  drängten,  wurden  auch  Briefe  oder  sonstige 
Schriftstücke  expediert.  Denn  Friedrich  Wilhelm  betrachtete, 
vorbildlich  für  sein  ganzes  Haus  und  seine  gesamten  Nachfolger, 
seine  hohe  Würde  zunächst  als  eine  ihm  von  der  Vorsehung 
auferlegte  schwere  und  verantwortungsreiche  Verpflichtung,  vor 
der  alle  persönlichen  Rücksichten  und  Bequemlichkeiten  in  den 
Hintergrund  traten.  Er  als  einer  der  ersten  unter  den  deut- 
schen Herrschern  hatte  mit  der  privatrechtlichen  Auffassung 
des  Mittelalters  vom  Fürstentum  gebrochen  und  betrachtete 
dieses  als  ein  öffentliches  Amt,  als  das  höchste,  erste  und  ver- 


^  Schuck,  Brandenburg-preuf 8.« Kolonialpolitik,  I,  9Axmi. 
*  Nicolai,  Beschreibung  der  Residenzstädte  Berlin  u.  Potsdam, 
in»,  1086  f.  •    ' 


FOnfunddreÜBigstes  Kapitel.    DerGrofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.      9 

bindlichste  aller  Ämter.  Freilich  als  Diener  des  Staates,  wie 
sein  Urenkel  Friedrich  IL,  sah  er  sich  nicht  an,  sondern  als 
den  von  Gott  dem  Staate  gesetzten  Herrn,  aber  als  einen  Herrn, 
der  fQr  das  Wohlergehen  der  Untertanen  und  die  Blüte  des 
Staates  vor  Gott  die  volle  Verantwortung  trage.  Das,  wie 
gesagt,  war  ihm  die  oberste  aller  seiner  Pflichten.  Dieser 
Herrscher,  der  seinem  Volke  schwere  Opfer  hat  auferlegen 
müssen,  wünschte  doch  nichts  sehnlicher,  als  dessen  Anhäng- 
lichkeit und  Vertrauen  zu  erwerben.  „Das  beste  Citadell  eines 
Fürsten  ist,"  —  so  sagt  er  1680  —  „wenn  er  weifs,  dafs  seiner 
Untertanen  Herz  ihm  zu  Liebe  und  Treue  beständig  zugetan 
ist^."  Das  haben  sie  auch,  trotz  aller  Bedrückungen,  wohl 
gefühlt,  und  der  eifernde  Herr  ist  schon  zu  seinen  Lebzeiten 
volkstümlich  geworden  in  seinen  Landen. 

Das  strenge  Zeremoniell,  mit  dem  er  sich  umgab,  und  der 
feierliche  Luxus,  den  er  bei  festlichen  Anlässen  zu  entfalten 
liebte,  hatten  keine  persönliche  Bedeutung  —  denn  für  sich 
selbst  war  er  einfach  und  von  frommer  Demut  — ,  sondern 
galten  dem  Oberhaupte  eines  zu  Macht  und  Ansehen  auf- 
strebenden Staates ,  das  seinen  gebührenden  Bang  in  der  Welt 
behaupten  mufste.  Als  im  Oktober  1680  der  Prinz  von  Oranien 
nach  Berlin  kam,  wurde  hier  eine  an  den  damaligen  deutschen 
Höfen  unerhörte  Pracht  entfaltet.  Die  ganze  Dienerschaft  wurde 
in  neue  gold-  und  silberverbrämte  Livreen  gesteckt,  24  Trom- 
peter und  40  Pagen  prunkten  neben  der  grofsen  Zahl  des  Hof- 
gesindes, mehr  als  500  Pferde  füllten  die  kurfürstlichen  Mar- 
stäUe*.  Friedrich  Wilhelm  wollte  in  der  Welt  etwas  gelten, 
man  sollte  ihn  als  einen  grofsen  und  glänzenden  Fürsten  ehren. 
In  seinen  bedrängtesten  Zeiten  liefs  er  eine  Münze  schlagen, 
die  auf  dem  Avers  sein  Bildnis  zeigt,  auf  dem  Revers  einen 
feuerspeienden  Berg,  aus  dem  zahlreiche  Flammen  hervorbrechen, 
die  ein  stark  niederfallender  Regen  wohl  mit  Dampf  umhüllen^ 
aber  nicht  auslöschen  kann.  Non  extinguentur  honores 
lautete  die  Inschrift*.    Tatsächlich  machte   das  auf  die  Zeit- 


*  B.  Holzapfel,  Des  Grofsen  Kurfürsten  Festungsbauten  in  Magde- 
burg (Magdeburg  1880X  S.  24. 

*  Ms.  Depeschen  B^benacs  vom  Okt.  1680  (Kopien);  Berlin,  Geh. 
Staatsarchiv,  Rep.  94,  IV  Hb,  10«. 

'G.  D.   Seyler,    Gesch.    Friedr.  Wilhelms,  Kurf.    zu  Brandenb. 
(Frankf.  u.  Leipz.  1730,  foL^  S.  181  f. 


10  Sechstes  Buch. 

genossen  den  gewünschten  Eindruck.  „Der  Hof  des  Kurfürsten,*' 
sagt  der  Franzose  Reymond,  der  1682  einige  Zeit  in  Berlin 
verweilte,  „ist  freigebiger  als  irgend  ein  anderer  in  Deutsch- 
land, und  obgleich  dem  Kurfürsten  der  Titel  eines  Königs  fehlt, 
werden  diese  Ansprüche  doch  nicht  vermifst,  wenn  man  von 
einem  königlichen  Hofe  nach  Berlin  kommt  ^.*' 

Für  gewöhnlich  aber  trug  Friedrich  Wilhelm  einen  schmuck- 
losen runden  Hut  mit  breiter  Krempe,  ohne  die  sonst  übliche 
Feder,  einen  langschöfsigen ,  bis  unten  mit  Knöpfen  besetzten, 
kragenlosen,  bis  zum  Halse  geschlossenen  Bock  und  unter  diesem 
eine  gleichfalls  langschöfsige  und  geschlossene  Sammetweste. 
Die  Beinkleider  steckten  in  grofsen,  oben  umgeschlagenen  Knie- 
stiefeln von  roter  oder  gelber  Farbe.  Stulphandschuhe,  sowie 
eine  weifsleinene,  gestickte  Halsbinde,  deren  Enden  herabhingen, 
vervollständigten  den  Anzug  ^. 

Seine  aufrichtige  Frömmigkeit,  die  in  so  liebenswerter 
Gemeinschaft  mit  Duldsamkeit  und  Achtung  vor  abweichenden 
religiösen  Überzeugungen  stand,  verleugnete  sich  niemals.  Er 
prüfte  seine  Söhne  selber  in  der  Kenntnis  des  Katechismus". 
Dazu  fand  er  noch  Zeit  und  Lust  inmitten  angestrengter  und 
aufreibender  Tätigkeit,  die  sich  bisweilen  zum  Heldentume  erhob. 
Als  die  Schweden  im  Winter  1678  auf  1679  in  Preufsen  ein- 
drangen, war  der  Kurfürst  von  einem  harten  und  quälenden 
Husten  befallen,  den  er  sich  in  den  Laufgräben  vor  Stralsund 
und  Greifswald  geholt  hatte  ^;  allein  er  zögerte  nicht  einen 
Augenblick,  selber  die  Führung  des  beschwerlichen  Winterfeld- 
zuges in  dem  rauhen  Preufsen  zu  übernehmen. 

Sein  feuriger  Geist  trieb  ihn  unablässig,  die  Gröfse  seines 
Staates  weit  über  das  bisher  erlangte  Mafs  zu  steigern.  In  den 
Jahren,  wo  er  mit  ansehen  mufste,  wie  das  habsburgische 
Kaiserhaus  die  heiligsten  Interessen  des  Reiches  aufopferte,  um 
mit  Frankreich  die  bevorstehende  spanische  Erbschaft  zu  teilen, 
1667  bis  1670,  zog  er  eine  zukünftige  Erwerbung  Schlesiens  in 


^  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  532 f. 

*  F.  Skarbina,  Der  Grofse  Kurf.  in  seiner  äufseren  Erscheinung 
um  1675;  Hohenzollem-Jahrb.  11  (Leipzig  1898X  S.  117  ff. 

'  Ms.  Tagebuch  Schwerins  d.j  Ä.,  8.  April  1667 ;  Berlin,  Geh.  Staate- 
arch.,  Bep.  94,  Hc,  9. 

*  Orlich,  Preufs.  Staat,  III,  Nr.  879.  380. 


Fflnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Gro£se  Kurfürst  u.  sein  Hof.     H 

Betracht,  allerdings  nicht  gerade  in  offenem  Kampfe  mit  Öster- 
reich. 

„Demnach  nun  weltkundig  ist,''  schrieb  er  damals  nieder, 
„auf  was  schwachen  Füfsen  das  Haus  Österreich  bestehet,  und 
dafs  zu  befahren,  dafs  selbiges  Haus  durch  Absterben  und 
Nicht -Hinterlassung  einiger  Erben  abgehen  möchte,  und  Ich 
dameben  in  Erfahrung  kommen  bin,  wie  dafs  schon  bei  leben- 
digem Leibe  des  jetzigen  Kaisers  Andere  auf  sothanen  uner- 
hoSten  Fall  einige  Teilung  unter  sich  gemacht,  wie  sie  die 
Königreiche  und  Lande  unter  sich  verteilen  wollten  —  so  habe 
ich  solchem  Werke  eine  geraume  Zeit  vielfältig  nachgedacht 
und  befunden,  dafs,  wenn  es  ja  zu  einer  solchen  Teilung  kommen 
sollte,  dafs  das  Haus  Brandenburg  billig  fttr  (vor)  andern,  ja 
auch  jedermänniglich ,  welche  sich  der  Succession  annehmen 
möchten,  mit  allem  Recht  die  nächsten  Erben  zu  der  Schlesien 
sei."  Er  gründete  seine  Ansprüche  auf  die  gewaltsame  Ent- 
ziehung von  Jägerndorf,  Liegnitz,  Brieg  und  Wohlau,  sowie  des 
Herzogtums  Geldern,  das  ihm  aus  der  klevischen  Erbschaft  zu- 
komme; auf  die  Gefahr,  Schlesien  und  den  oberen  Lauf  der 
Oder  in  fremde  Hände  fallen  zu  sehen,  besonders  in  die  des 
flbelwoUenden  Nachbarn  Kursachsen;  endlich  auf  alte  verwandt- 
schaftliche Beziehungen  der  Hohenzollem  zu  den  Habsburgern. 
Es  ist  sehr  merkwürdig,  dafs  er  dabei  in  religionspolitischer 
Beziehung  genau  dieselben  Wege  weist,  die  später  Friedrich 
der  Grofse  eingeschlagen  hat :  man  soll  die  Katholiken  Schlesiens 
in  ihrem  kirchlichen  Bestände  belassen  und  nicht  „für  die  Koppe 
stofsen*",  den  Evangelischen  aber  volle  Religionsfreiheit  ver- 
sprechen und  ihnen  erlauben,  „Kirchen  zu  bauen,  wo  es  ihnen 
gefällig  sein  würde".  In  allen  Einzelheiten  durchspricht  er  die 
militärischen  und  politischen  Mafsregeln,  die  bei  der  Besitz- 
ergreifung des  Landes  zu  treffen  wären.  Kurz,  auch  hier  ist 
er  der  rechte  Vorläufer  des  grofsen  Urenkels  gewesen.  Kein 
Zweifel,  dafs  die  Rücksicht  auf  die  „Gommercia**  der  mittleren 
und  oberen  Oder  bei  diesem  Plane  eine  grofse  Rolle  gespielt  hat  ^ 

Denn  Friedrich  Wilhelm  war  nicht  nur  Diplomat  und 
Militär,  er  umfafste  mit  gleichem  Interesse  die  innere  Ent- 
wicklung  seines  Staates   —    auch   diese  von  echt  modernem 


1  Die  Denkschrift  findet  sich  bei  Ranke,  Sämtl.  Werke  XXV/XXYI, 
518  ff. 


12  Sechstes  Buch. 

Gesichtspunkte  aus.  „Eure  von  Gott  untergebenen  Untertanen,  ^ 
empfiehlt  er  seinem  Kachfolger  im  Jahre  1667,  „müsset  Ihr  ohne 
Ansehen  der  Religion  als  ein  rechter  Landesvater  lieben,  ihren 
Nutzen  und  Bestes,  in  billigen  Dingen,  allzeit  gerne  zu  be- 
fördern suchen,  die  Gommercia  überall  in  Aufnahme  bringen 
und  auf  mehrere  Peuplierung  gedenken/  Nicht  mehr  in  der 
Aufrechterhaltung  einer  allein  wahren  Staatsreligion,  sondern 
in  der  Vermehrung  der  Bevölkerung  und  in  der  Steigerung 
ihres  Wohlstandes  sieht  der  Grofse  Kurfürst  die  Hauptaufgabe 
des  Herrschers.  „Die  liebe  Justicia  lasset  Euch  in  allen  Euren 
Landen  höchlichst  befohlen  sein,  und  sehet  dahin,  damit  sowohl 
den  Armen  als  Reichen  ohne  Ansehung  der  Person  Becht  ver- 
schaffet werde:  denn  das  befestiget  die  Stühle  der  Begenten/ 
Alles  goldene  Lehren,  die  noch  heute  nicht  in  vollem  Umfange 
verwirklicht  worden  sind.  Das  Programm  des  Bechtsstaates, 
das  Friedrich  Wilhelm  vor  mehr  als  zwei  Jahrhunderten  für 
seine  Nachfolger  aufstellte,  dürfte  noch  heute  den  Begierenden 
vorgehalten  werden. 

Allerdings,  er  wollte  neben  seiner  landesherrlichen  Macht 
keine  Sondergewalten  im  Staate  dulden.  Er  teilte  nicht  die 
Ansicht  Schwerins,  dafs  der  Herrscher  den  widersetzlichen 
Ständen  gegenüber  nur  mit  Milde  verfahren  solle,  und  dafs 
„das  gröfste  Bobur  eines  Begenten  in  untertänigster  Affektion 
der  Untertanen  (das  heifst  der  allein  berechtigten  höheren 
Klassen)  bestehe'*'.  Er  suchte  vielmehr,  in  Übereinstimmung 
mit  den  staatsrechtlichen  Schriften  Pufendorfs,  die  in  so  vielen 
Dingen  ihm  vorbildlich  waren,  das  Heil  in  aufgeklärtem  und 
wohlwollendem  Absolutismus.  Es  sollen  alle,  riet  er  wiederholt 
seinem  Erben,  „allein  von  euch  dependieren".  Der  Herrscher 
solle  nicht  nur  den  Genufs  seiner  Würde  haben,  Arbeit  aber 
und  Macht  einem  leitenden  Minister  überlassen;  vielmehr: 
„Hütet  euch,  dafs  ihr  einen  Diener  allein  nicht  zu  grofs  machet 
und  ihm  alle  Autorität  alleine  lasset** 

Grundsätze,  die  Friedrich  Wilhelm  je  länger  je  mehr  selber 
befolgt  hatte.  Obwohl  er  den  Oberpräsidenten  von  Schwerin 
als  den  treuesten  und  zuverlässigsten  seiner  Batgeber  betrachtete, 
hat  er  sich  doch  auch  ihm  gegenüber  immer  unabhängiger 
gestellt ,  sowohl  in  der  inneren  Politik ,  wo  ihm  Schwerin  viel 


»  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  844  ff. 


Fflnfunddreüsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  KurfOrst  u.  sein  Hof.    13 

ZU  adelsfreundlicfa  war,  wie  in  der  äufseren,  wo  jener  der  Frische 
und  Tatkraft  ermangelte.  Auch  Meinders,  der  in  den  aus- 
wärtigen Angelegenheiten  grörseres  Ansehen  besafs  als  Schwerin, 
beherrschte  darin  den  Kurfürsten  keineswegs.  Man  sehe  nur 
Meinders'  Gutachten  bei  der  schwedischen  Invasion:  er  legt 
weitläufig  dar,  wie  dieser  Angriff  rechtlich  einen  vollgültigen 
Kriegsfall  darstelle;  allein  man  sei  fttr  solchen  nicht  stark 
genug,  man  solle  „dissimulieren'',  den  König  von  Schweden  und 
den  Feldmarschall  Wrangel  durch  gütliche  Vorstellungen  zur 
Kücknahme  ihres  Angriffs  zu  bewegen  suchend  Da  ist  nichts 
an  dem  kühnen  Wollen  Friedrich  Wilhelms,  die  Feindseligkeiten 
der  Schweden  zu  deren  Vertreibung  aus  Pommern  zu  benützen ! 
Die  eigene  Entschlufsfähigkeit  zu  wahren,  dahin  zielte  des 
Kurfürsten  ganze  Arbeitsweise.  Er  ging  fleifsig  in  den  Geheimen 
Rat,  liefs  sich  die  Ansichten  der  Mitglieder  vortragen  und 
merkte  sich  ihre  Vota  an.  Er  gewährte  dabei  den  Bäten  volle 
Freiheit  der  Meinungsäufserung.  Freilich  ertrug  er  für  den 
Augenblick  oft  schwer  den  Widerspruch,  zumal  in  Dingen,  die 
ihm  sehr  am  Herzen  lagen;  er  brauste  dann  wohl  auf  und 
meinte,  nur  ein  Verräter  könne  da  einen  anderen  Vorschlag 
machen.  Aber  ruhige  und  feste  Aussprache  seiner  bewährten 
Diener  brachte  ihm  bald  wieder  das  Gleichmafs  und  die  Billig- 
keit des  Empfindens :  er  schlofs  sich  wohl  der  soeben  erst  heftig 
bekämpften  Ansicht  der  Bäte  an^  Den  endgültigen  Entschlufs 
jedoch  in  wichtigen  Dingen  fafste  er  in  der  Stille  seines 
Kabinetts,  mit  Zuziehung  eines  oder  weniger  vertrauter  Diener, 
oft  nach  Anrufung  des  göttlichen  Beistandes.  Allein  auch  das 
geschah  niemals,  ohne  dafs  ihm  eingehend,  meist  schriftlich,  das 
Für  und  Wider  jeder  Sache  dargelegt  worden  war ,  so  dafs  er 
in  voller  Kenntnis  und  Übersicht  zu  urteilen  vermochte.  Er 
liefs  sich  selbst  alle  Briefe  und  Berichte  bringen,  eröffnete  und 
las  sie  und  verteilte  die  Arbeit  unter  seine  Bäte.  Seine  Ant- 
worten und  Bescheide  sind  meist  von  diesen  aufgesetzt,  haben 
ihm  aber  alle  vorgelegen;  er  hat  sie  oft  genug  eigenhändig  ab- 
geändert und  umgestaltet,  bisweilen  durch  Nachschriften  den 


1  Ms.  Gutachten  Meinders'  vom  3./!^  Jan.  1675  (Strafsburg);  Berlin, 
Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  92,  Meinders  5. 

*  Englische  Denkschrift,  wahrscheinlich  Southwells;  Baumer, 
Beiträge,  III,  466  ff . 


14  Sechstes  Buch. 

Sinn  verstärkt  oder  sie  mit  wichtigen  Zusätzen  versehen.  Auch 
die  fremden  Gesandten  hatten  zunächst  mit  ihm  persönlich  zu 
verhandeln  und  dann  wieder  den  Schlufsentscfaeid  von  ihm  zu 
empfangen  ^  So  blieb  in  allen  bedeutenderen  Angelegenheiten 
der  Beschlufs  ihm  vorbehalten. 

„Ich  bewundere  diesen  Kurfürsten,*"  schreibt  der  feine 
Menschenkenner  Lisola  aus  Berlin',  „der  seine  Freude  an  langen 
Berichten  mit  allerkleinsten  Einzelheiten  findet  und  solche  aus- 
drücklich von  seinen  Dienern  verlangt;  er  liest,  überlegt  und 
expediert  alles;  eines  verknüpft  er  mit  dem  anderen  und  ver- 
nachlässigt nichts."  —  „Kurfürstliche  Durchlaucht,"  berichtet 
ein  anderer  kaiserlicher  Gesandter,  Goefs^,  „seind  sehr  unmüfsig 
und  arbeitsam,  schlafen  wenig  Stunden  und  seind  in  aller  Frühe 
auf."  —  „Er  lenkt  seinen  Rat  selber,"  sagt  Bischof  Gilbert 
Burnet,  der  ihn  persönlich  kannte  und  seines  Neffen  Wilhelm 
von  Oranien  Vertrauter  war;  „er  besafs  ein  wundervolles  Ge- 
dächtnis, selbst  in  den  kleinsten  Dingen,  denn  alles  mufste  ihm 
vor  die  Augen  gebracht  werden."  Nur  in  minder  wichtigen 
Angelegenheiten  liefs  er  seinen  Bäten  bisweilen  freie  Hand: 
daraus  schlössen  oberflächliche  Beobachter  fälschlich,  er  lasse 
sich  von  diesen  leiten  *.  Nach  dem  Tode  des  älteren  Schwerin  — 
14.  November  1679  —  hat  er  das  Amt  eines  Oberpräsidenten 
des  Geheimen  Bates,  das  immerhin  eine  Art  Premierminister- 
schaft darstellte,  nicht  wieder  besetzt.  Er  liebte  es  vielmehr, 
dafs  seine  Bäte  uneins  waren  und  einander  bekämpften.  Er 
beklagte  sich  über  diesen  oder  jenen  ^,  allein  das  geschah  nur, 
wenn  er  einem  Minister  die  Verantwortung  für  Mafsregeln  zu- 
schieben wollte,  die  er  selber  einstweilen  zu  desavouieren  für 
gut  hielt.  Im  Grunde  sah  er  es  behaglich  mit  an,  wenn 
Schwerin  und  Jena,  Jena  und  Meinders,  Meinders  und  Fuchs 
widereinander  mit  Heftigkeit,  ja  Leidenschaft  stritten.  Niemals 
hat  er   diesen  Zwistigkeiten   durch  sein   Machtwort  ein  Ende 


'  Aufser  dem  Testament  von  1667  und  zahlreichen  M8.-Akten8tücken 
sehe  man  seinen  Briefwechsel  mit  dem  älteren  Schwerin,  bei  Orlich» 
Friedrich  Wilhelm^  Beilagen,  u.  in  den  U.  u.  A. 

*  An  Walderode,  80.  Nov.  1663;  U.  u.  A.  XIV,  I,  171. 
«  18.  Juli  1665;  das.  S.  219. 

*  Burnet,  History  of  his  own  time,  S.  474 f. 

^  Vgl.  Prutz,  168  ff.,  der  aber  hier  wieder  einmal  den  Charakter 
des  Kurfürsten  gründlich  mifsversteht. 


FOnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Gro£se  Kurfürst  u.  sein  Hof.    15 

bereitet:  eben  damit,  wie  er  das  in  seinem  politischen  Testa- 
mente Yon  1667  ausdrücklich  sagt,  keiner  seiner  Bäte  ihm  über 
den  Kopf  wachse.  Er  war  überzeugt,  das  Ringen  entgegen- 
gesetzter Empfindungen  und  Meinungen  werde  ihm  das  Richtige 
erweisen  und  zugleich  jedem  übermächtigen  Einflüsse  eines  seiner 
Räte  vorbeugen. 

Die  stärkste  Einwirkung  übten  nacheinander  auf  ihn  seine 
Gemahlinnen,  deren  jeder  er  zu  ihrer  Zeit  mit  der  Treue  eines 
liebenden  Herzens  und  der  Kraft  einer  durch  Keuschheit  kon- 
zentrierten Sinnlichkeit  ergeben  war.  Am  teuersten  aber  ist 
ihm  die  Gattin  seiner  Jugend  geblieben,  Luise  Henriette,  an 
edler  und  tiefer  Frömmigkeit  ihm  gleich  —  vielleicht  um  einen 
Farbenton  frömmelnder  —  und  unerschöpflich  an  klugem  Rate. 
Sie  teilte  seine  Anstrengungen  und  Gefahren,  und  nicht  minder 
seine  Neigung  zu  landwirtschaftlichen  und  gärtnerischen  Unter- 
nehmungen. Sie  war  eine  zärtliche  Mutter,  die,  trotz  aller  An- 
sprüche und  Zerstreuungen  des  Hoflebens,  ihre  Kinder  jeden 
Tag  sah,  wenn  sie  mit  ihnen  an  gleichem  Orte  weilte^,  bei 
jeder  Trennung  regelmäfsig  über  sie  mit  deren  Erzieher,  dem 
Oberpräsidenten  von  Schwerin,  Briefe  wechselte.  Aus  ihnen 
tüchtige  Menschen,  namentlich  gute  evangelische  Christen  zu 
machen,  war  ihre  hauptsächliche  Sorge.  Mit  besonderer  Hin- 
gebung war  sie  dem  Zweitgeborenen,  dem  Prinzen  Friedrich, 
zugetan,  nicht  allein  weil  er  milderen  Sinnes,  sondern  auch  weil 
er  schwächlicher  und  der  Pflege  bedürftiger  war  als  der  älteste. 
Sie  wurde  nicht  müde,  ihn  der  eingehenden  Sorgfalt  Schwerins 
zu  empfehlen,  diesen  zu  bitten,  er  möge  den  Jüngeren  nicht 
dem  Kurprinzen  nachstellen,  die  Lehrer  den  zarten  Knaben 
nicht  hart  behandeln  lassen.  Ihre  Liebe  zu  dem  Kinde  ist 
gerade  in  ihrer  Schwäche  rührend.  Es  galt  als  „ihr  Mignon'^ '. 
Sie  suchte  Friedrich  von  dem  Ältesten  für  die  Zukunft  unab- 
hängig zu  stellen ,  indem  sie  ihm  das  Fürstentum  Halberstadt 
als  eigenes  Erbe  verschaffte '. 

Der  Einflufs  Luise  Henriettens  auf  ihren  Gatten  ist 
stets  ein  beträchtlicher  gewesen.  Besonders  als  Friedrich  Wil- 
helm im  Sommer  1661  monatelang  mit  ihr,  ihrer  Mutter,  der 


^  Ms.  Tageb.  Schwerins  d.  Ä.  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv). 
»  Orlich,  Preufs.  Staat,  HI,  445.  447.  456.  467  ff.  473 f. 
>  Goefs  an  den  Kaiser,  11.  Mai  1665;  ü.  u^  A.  XIY,  I  211. 


16  Sechstes  Buch. 

Prinzessin witwe  von  Oranien,  sowie  ihren  Schwestern  und 
deren  Gatten  zusammen  in  Kleve  und  Tumhout  lebte,  stand  er 
unter  der  Einwirkung  j»des  kurfürstlichen  Frauenzimmers**,  wie 
seine  Bäte  klagten;  der  Schwager  Luisens,  Johann  Georg  von 
Anhalt,  war  das  stete  Werkzeug  ihrer  Wünsche,  teilte  ihr  alle 
Staatsangelegenheiten  mit  und  holte  sich  von  ihr  Instruktionen. 
Indes  auch  dem  Oberpräsidenten  von  Schwerin  bewahrte  die 
Kurfürstin  ihre  Gnade,  obwohl  er  nicht  in  bestem  Einver- 
nehmen mit  Anhalt  stand,  und  stützte  ihn  wiederholt  bei  dem 
Kurfürsten,  ein  Beweis,  dafs  sie  sich  nicht  allein  von  Bücksicht 
auf  ihre  Familienangehörigen  leiten  liefs.  Aber  sie  und  die  ihr 
verwandten  Damen  verstanden  es  auch,  wenn  sie  mit  Güte  nichts 
durchsetzten,  die  wirksame  weibliche  Waffe  des  Tränenergusses 
anzuwenden.  Es  ist  selbstverständlich,  daf?  in  der  Kurfürstin 
Politik,  nach  weiblicher  Weise,  die  Empfindung  die  Hauptrolle 
spielte.  Allein  auf  die  Länge  wufsten  Friedrich  Wilhelms  ge- 
-sunde  Einsicht  und  kräftiger  Wille  sich  von  solchen  Einwirkungen 
wieder  frei  zu  machen,  insoweit  sie  nicht  mit  seinem  und  des 
Staates  wahrem  Interesse  übereinstimmten.  In  häuslichen  An- 
gelegenheiten jedoch  gestattete  er  seiner  Gattin  stets  ein  weit- 
gehendes Mitbestimmungsrecht  ^ 

Die  wiederholten  Geburten  hatten  die  ohnehin  sehr  zarte 
Kurfürstin  sehr  geschwächt,  so  dafs  sie  fast  immer  leidend 
war.  Obschon  sie  gegen  ihre  Krankheit  die  Brunnen  zu 
Aachen  und  Spa  gebrauchte,  nahmen  ihre  Kräfte  von  Jahr  zu 
Jahr  ab,  und  schliefslich  stellte  sich  bei  ihr  eine  langsame, 
aber  unheilbare  Schwindsucht  ein.  Vom  Herbst  1666  bis  zum 
Frühling  1667  weilte  sie  zu  ihrer  Erholung  bei  ihrer  Mutter  in 
Holland.  Dort  aber  erkrankte  sie  aufs  schwerste,  so  dafs  sie 
im  Mai  1667  nach  der  Heimat  zurückeilte,  um  doch  bei  dem 
Gatten  und  den  Kindern  zu  sterben.  Man  glaubte  kaum,  dafs 
sie  lebend  ans  Ziel  gelangen  werde ;  gerade  deshalb  beschleunigte 
sie  die  Beise  derart,  dafs  ihr  Fürst  Moritz  von  Nassau,  der  sie 
geleitete,  kaum  Genüge  tun  konnte^.    Während  ihrer  ganzen 


^  S.  die  merkwürdige  Äufserung  des  jungen  Kurprinzen  Karl  Emil 
im  Juni  1667 ;  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preuTs.  Gesch.,  XII  (1899),  S.  472.  — 
TJ.  u.  A.  XIV,  470  ff.  534  ff.  —  Anhalt  im  engsten  Bunde  mit  der  Kur- 
fürstin, XJ.  u.  A.  n,  244.  —  Ihre  Beziehungen  zu  Schwerin  in  den  sech- 
ziger Jahren:  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs. Gesch.  VIII  (1895),  S.  195 ff. 

■  F.  Hirsch,  Briefe  Luise  Henriettens  an  Otto  v.  Schwerin  (Forsch. 


Fünfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     17 

Todeskrankheit  zeigte  sie  rührende  Fassung  und  Frömmigkeit 
and  beklagte  ihr  nahes  Hinscheiden  nur  wegen  des  Kummers, 
den  es  dem  Kurfürsten  bereiten  würde,  und  wegen  ihrer  jungen 
Söhne.  Die  innige  Liebe  der  Ihrigen  und  selbst  ihrer  Diener- 
schaft umgab  die  wahrhaft  edle  Fürstin  in  ihren  letzten  Tagen. 
Von  furchtbarem  Husten  gepeinigt,  unfähig,  selbst  nur  noch 
Milch  zu  sich  zu  nehmen,  in  wachsender  Schwäche  gab  sie,  ohne 
Todeskampf,  am  8./18.  Juni  1667  in  Gegenwart  des  Gatten,  der 
an  ihrem  Bette  kniete  und  ihre  Hand  hielt,  den  Geist  auf^ 
Dafs  sie,  wie  später  das  Gerücht  am  Hofe  ging,  ihre  Kinder 
dem  Fürsten  von  Anhalt  zum  besonderen  Schutze  anbefohlen 
habe,  ist  absolut  unrichtig.  Sie  hat  vielmehr  auf  dem  Sterbe- 
lager erklärt,  nicht  nur,  dafs  ihr  Gatte  ihr  einziger  Testaments- 
vollstrecker sein  solle,  sondern  sogar,  dafs  sie  es  ihm  überlasse, 
ob  er  ihren  letzten  Willen  gutheifsen  wolle  oder  nicht,  „weil  sie 
alles,  worüber  sie  verfüge,  von  ihm  empfangen  habe'''.  Die 
Sage  wird  aus  dem  Gegensatze  entstanden  sein,  der  sich  später 
zwischen  Anhalt  und  der  oranischen  Familie  auf  der  einen,  der 
zweiten  Kurfürstin  Dorothea  und  deren  Gatten  auf  der  anderen 
Seite  herausbildete. 

Freilich,  die  religiöse  Unduldsamkeit  entwaffnete  auch  nicht 
vor  der  Katastrophe,  die  das  Ende  einer  schönen  und  anmutigen 
Persönlichkeit  und  eines  musterhaften  Liebes-  und  Familien- 
bundes bedeutete.  Die  Bevölkerung  Berlins  hatte,  mit  Unrecht, 
in  Luise  Henriette  die  Hauptstütze  der  verhafsten  „Kalviner** 
gesehen;  sie  entblödete  sich  nicht,  die  tote  Fürstin  auf  ihrem 
Paradebette  mit  Schmähungen  zu  überhäufen,  so  dafs  der  tief 
gekränkte  Gatte  den  Zutritt  zu  der  Leiche  untersagen  mufste^. 

Das  Gedächtnis  der  Dahingeschiedenen  hat  Friedrich  Wilhelm 
zeitlebens  treu  gewahrt.    Allein,  wie  es  bei  vollblütigen  und 


z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.  VIII,  204  f.).  —  U.  u.  A.  IX,  825.  887.  — 
Goefs  an  d.  Kaiser,  16.  Mai  1667;  das.  XIY,  I  803. 

*  Tageb.  Schwerins,  bei  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  549  ff.  —  Bericht 
der  Kammerfrau  Martitz;  Forsch,  z.  brandenb.  u,  preufs.  Gesch.  IX  (1896), 
S.  574 ff.  —  Gedruckte  Leichenrede  des  Hofpredigers  Stosch.  —  Droysen, 
IV,  IV  140. 

•  Ihre  eigenen  Worte:  Briefe  Schwerins  an  die  Prinzessin -Witwe 
von  Oranien;  Orlich,  a.  a.  0.,  III,  522  f. 

■  Forsch,  zur  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  XII,  147. 

Philippson,  Der  Orofse  Kurfflrst.    III.  2 


18  Sechstes  Buch. 

dabei  keuschen  Männern  der  Fall  ist,  er  bedurfte  alsbald  einer 
neuen  Gattin.  Er  umschrieb  das  freilich  mit  anderen  Gründen : 
mit  seinen  „von  Jahr  zu  Jahr  zustofsenden  Krankheiten";  — 
oder:  „Ich  mufs  eine  haben,  die  meiner  warte,  wenn  ich  krank 
bin" ;  —  oder  er  redete  von  der  Pflege  seiner  unmündigen 
Kinder^.  Man  sah  sich  deshalb  von  vielen  Seiten,  sofort  nach 
dem  Tode  seiner  ersten  Gemahlin,  nach  einer  zweiten  um.  Der 
Wiener  Hof  gedachte,  ihn  durch  eine  der  Erzherzoginnen  an 
sich  zu  fesseln;  wünsche  er  solche  nicht  selber,  möge  sie  der 
Kurprinz  erhalten*.  Viele  meinten,  das  beste  würde  für  ihn 
die  Verbindung  mit  einer  unebenbürtigen  reformierten  Dame 
sein,  damit  kein  neuer  mafsgebender  Einliufs  am  Berliner  Hofe 
sich  geltend  mache  und  das  arme  Land  keine  weiteren  Prinzen 
zu  unterhalten  habe^.  Allein  auf  solche  Berechnungen  ging 
Friedlich  Wilhelm  nicht  ein.  Wahrscheinlicher  klang  schon  das 
an  verschiedenen  Stellen  verbreitete  Gerücht,  der  Kurfürst  wolle 
sein  Bündnis  mit  dem  allerchristlichsten  Könige  durch  eine 
Heirat  mit  dessen  reicher  Base,  Fräulein  von  Montpensier,  be- 
festigen. Nicht  nur  der  König  von  England,  auch  Friedrich 
Wilhelms  bisherige  Schwiegermutter  glaubten,  ihn  vor  dieser 
Vermählung  warnen  zu  müssen,  die  ihn  zum  Sklaven  Frank- 
reichs machen  würde.  Die  reformierte  Hofgeistlichkeit  zeigte 
sich  begreiflicherweise  ob  einer  solchen  Verbindung  mit  einer 
„Katholischen"  sehr  bekümmert.  Der  Kurfürst  aber  lachte 
über  dergleichen  Gedanken  und  rief,  mit  unehrerbietiger  An- 
spielung auf  die  früheren  Liebeshändel  der  nicht  mehr  jugend- 
lichen Prinzessin:    „Vestigia  me  terrent"*. 

Ernstlich  kam  eine  weniger  glänzende,  aber  weit  unver- 
fänglichere Verbindung  zur  Sprache.  Es  handelte  sich  um  eine 
Witwe,  die  damals  im  zweiunddrei fsigsten  Lebensjahre  stand: 
Dorothea,  die  Tochter  des  Herzogs  Philipp  von  Holstein-Glücks- 
burg, die  siebzehnjährig  die  Gattin  des  Herzogs  Christian 
Ludwig  von  Lüneburg  geworden  war.  Die  Ehe  war  unglücklich 
gewesen    und   kinderlos  geblieben,    dann    durch   den   Tod   des 


*  Seraphim,  Luise  Charlotte  von  Kurland,  S.  116. 

a  aoefs  an  d.  Kaiser,  18./ 22.  Aug.  1667;  U.  u.  A.  XIV,  I  319. 
'  W.  Ribbeck,  Aus  Berichten  des  hess.  Sekret.  Lincker;  Forsch,  z. 
brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  XII,  149  ff. 

♦  Strecker,  Meinders,  30.  —  U.  u.  A.  XII,  660.  662.  921  f.  —  Em. 
Bourgeois,  Ezechiel  Spanheim  (Paris  u.  Lyon  1900),  S.  165. 


Fünfunddreilsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  KurfOrst  u.  sein  Hof.     X9 

LüQeburgers  1665  gelöst  worden  ^  Die  Vermittlerin  der  neuen 
Heirat  war  des  Kurfürsten  Schwester  Hedwig  Sophie  von 
Hessen-Kassel.  Die  Hauptschwierigkeit  lag  in  dem  lutherischen 
Bekenntnis  der  Herzogin  Dorothea,  das  sie  als  aufrichtige 
Lutheranerin  nicht,  wie  der  Kurfürst  es  durchaus  forderte,  mit 
der  reformierten  Konfession  vertauschen  wollte.  Endlich  gab 
sie  nach  und  stellte  den  gewünschten  Revers  aus.  Da  trat  ein 
neues  Hindernis  hervor.  Johann  Georg  von  Anhalt,  der  Schwager 
Luise  Henriettens,  der  bei  der  Eröflnung  ihres  Testamentes 
übergangen  worden,  reizte  die  ohnehin  herrschsüchtige  und 
rücksichtslose  Prinzessin-Witwe  von  Oranien  auf,  ihrem  Schwieger- 
sohn Vorstellungen  zu  machen,  dafs  er  durch  seine  neue  Heirat 
seine  Kinder  aufopfern  und  deren  Erbe  in  Gefahr  bringen  werde. 
Anhalt  und  seine  Gattin  suchten  sich  dabei  als  Verteidiger 
ihrer  Neffen  aufzuspielen.  Allein  Friedrich  Wilhelm  wies  solche 
Einmischung  von  „Leuten,  so  sich  nur  umb  das  Ihrige  be- 
kümmern solten,  nur  ihren  Nutzen  hierin  suchten  undt  ohne 
das  wenig  oder  gar  nicht  auf  den  meinen  sehen  ,**  mit  grofser 
Entschiedenheit  zurück. 

Am  14./24.  Juni  1668  ward  ohne  viel  Gepränge  die  Ver- 
mählung der  beiden  verwitweten  fürstlichen  Personen  in  Groningen 
begangen.  Hofprediger  Bergius  hielt  die,  wie  befohlen,  nur 
kurze  Traupredigt.  Wenige  Monate  später  trat,  ihrem  Reverse 
und  den  Ehepakten  gemäfs,  die  Kurfürstin  zu  der  reformierten 
Kirche  über.  Die  Lutheraner  waren  sehr  glücklich  darüber 
gewesen,  eine  Landesherrin  ihrer  Konfession  zu  besitzen;  die 
Königsberger  hatten  ihre  Freude  durch  einen  demonstrativ 
glänzenden  Empfang  der  Neuvermählten  bezeugt.  Wenn  dann 
der  Kurprinz  Karl  Emil  triumphierend  zu  den  lutherischen 
Hofleuten  sagte:    „Ihr  habt  im  Schachspiele  eure  Königin  ver- 


'  Über  Kurfürstin  Dorotheas  Verhandlungen  wegen 
ihrer  Heirat  mit  Friedr.  Wilhelm,  ü.  u.  A.  XH,  919.  921—929; 
XIV,  I  319.  326.  382.  —  Die  Heirat,  Orlich,  Preufe.  Staat,  I  561  f., 
III,  521  ff.;  U.  u.  A.  II,  501,  XIV,  I  404;  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs. 
Gesch.  Xn,  152.  —  Verhältnis  zum  Gatten,  ü.  u.  A.  XIV,  I  404; 
Orlich,  a.  a.  0.,  I,  553;  Prutz,  48.  —  Verhältnis  zu  den  Stief- 
kindern, Orlich,  Friedr.  Wilhehn,  51  f.;  U.  u.  A.  XII,  929.  933.  — 
Habsucht  u.  Einflufs,  U.  u.  A.  XII,  933,  XIV,  H  853-858.  924.  947f. 
1018.  1035.  1039-1043.  1060  f.  1069  Anm.  1096.  1102  f.  1124  f.  1190.  1223- 
1804;  Prutz,  48 f.  187.  144ff.  171  ff.  340f.;  Waddington,  Eecueil, 
Prufse,  8.  208. 

2* 


20  Sechstes  Buch. 

loren/  so  nahmen  tatsächlich  die  Lutheraner  Dorotheas  „Ab- 
fall'' sehr  übel  auf  und  beschuldigten  sie  gewissenloser  Be- 
rechnung. 

Sie  hat  überhaupt  alles  getan,  um  sich  den  Wünschen  des 
Gemahls  anzupassen  und  seine  Neigung  zu  gewinnen.  Von 
leidenschaftlicher  Liebe  kann  bei  den  Gatten ,  die  die  Jugend 
längst  hinter  sich  hatten  und  durch  Vermittlung  zueinander 
gekommen  waren,  nicht  die  Rede  sein.  Aber  Dorothea  ist  von 
Beginn  an  bemüht  gewesen,  die  treue  Gefährtin  und  Pflegerin 
des  alternden,  kränklichen  Gemahls  zu  sein.  Sie  wich  nicht 
von  seiner  Seite,  auch  nicht  während  der  Jagdausflüge,  ja 
selbst  bei  den  Kriegszügen  nur  selten,  trotzte  vielmehr  allen 
Anstrengungen,  Entbehrungen  und  sogar  Gefahren  mit  kühlem 
Mute.  Auch  bei  den  kräftigen  Gelagen,  die  er  ungeachtet  seines 
Podagras  liebte,  griff  die  robuste  Holsteinerin  mutig  zu.  Sie 
hat  ihm  die  beiden  letzten  Jahrzehnte  seines  Lebens  verschönt 
und  erhellt.  Freilich  war  sie  dabei  eine  Frau  von  starkem 
Eigenwillen;  ihr  volles,  männliches,  eigensinniges  und  dabei 
wenig  intelligentes  Gesicht,  wie  es  auf  allen  besseren  Ab- 
bildungen von  ihr  sich  zeigt,  erweist  auffallend  die  Art  ihres 
Wesens.  Eine  Freundin  prächtiger,  hochfürstlicher  Lebens- 
haltung, war  sie  auf  die  Mehrung  ihres  persönlichen  Vermögens 
eifrig  bedacht,  begehrte  und  nahm  reiche  Geschenke  von  aus- 
wärtigen Mächten  —  in  dem  allem  ein  Gegenspiel  zu  der  ein- 
fachen und  demütigen  Luise  Henriette.  Man  hielt  sie  allgemein 
für  hart  und  egoistisch,  die  öffentliche  Meinung  wurde  ihr 
feindlich  und  liebte  es,  ihre  Fehler  zu  übertreiben.  Mit  ihren 
Stiefsöhnen  vermochte  sie  ein  gutes  Verhältnis  nicht  herzu- 
stellen. Es  ist  kaum  zu  sagen,  an  wem  die  erste  Schuld  lag: 
sind  ja  die  Beziehungen  zwischen  einer  Stiefmutter  und  halb 
erwachsenen  Kindern  immer  sehr  schwierige.  Die  Familie  der 
früheren  Kurfürstin  ist  aber  Dorotheen  von  vornherein  mit 
ungünstigem  Vorurteil  und  der  Verbreitung  übler  Gerüchte 
entgegengetreten.  Die  Lage  verschlimmerte  sich,  als  sie  zu 
den  beiden  überlebenden  Söhnen  erster  Ehe  —  Karl  Emil 
starb  ja  schon  sechs  Jahre  nach  der  zweiten  Vermählung  des 
Vaters  —  diesem  noch  sieben  Kinder  gebar,  von  denen  sechs 
ihn  überlebt  haben.  Man  nahm  allerorten  an,  dafs  sie  die 
eigenen  Spröfslinge  auf  Kosten  der  Stiefkinder  zu  begünstigen 
bestrebt  sei.    Dieses  offenbare   Übelwollen   hat  auch  sie   ver- 


Ffinfunddreilsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     21 

bittert.  Sie  zog  sich  von  ihren  Stiefsöhnen  zurück  und  suchte 
Halt  ausschliefslich  an  der  Zuneigung  ihres  Gemahls,  um  die 
sie  mit  steter  Bemühung  unausgesetzt  geworben  hat.  Kein 
Wunder,  dafs  die  Bevölkerung  sie  unter  die  „bösen  Stiefmütter" 
zählte,  ihr  die  ungeheuerlichsten  Absichten,  selbst  Anschläge 
auf  das  Leben  der  beiden  älteren  Söhne  zuschrieb. 

Sie  hat  auf  ihren  Gatten  naturgemäfs  einen  starken  Einflufs 
geübt,  obwohl  sie  den  Schein  annahm,  sich  nicht  ungefragt  mit 
politischen  Dingen  zu  befassen.  Es  kann  auch  kaum  bezweifelt 
werden,  dafs  sie,  die  im  engbegrenzten  Kreise  kleiner  Hof- 
haltungen aufgewachsen  war,  zunächst  nur  geringes  politisches 
Verständnis  besafs.  Aber  der  stete  Umgang  mit  ihrem  Gatten 
mufs  ihr  allmählich  solches  nahe  gebracht  haben.  Wir  sehen 
im  Juni  1669,  also  nur  ein  Jahr  nach  der  Vermählung,  den 
Kurfürsten  bei  einer  rein  politischen  Mafsregel  —  der  Ab- 
sendung Blaspeils  nach  Amsterdam  —  sich  auf  das  Andrängen 
seiner  Gemahlin  berufen.  Sie  wohnte  häufig  den  Audienzen 
fremder  Gesandten  bei  und  suchte  dabei  wohl  des  Gatten  leicht 
aufsteigende  Hitze  mit  dem  Hinweis  auf  seine  Gesundheit  zu 
dämpfen.  Auch  hier  übertrieb  der  Hof  klatsch,  wenn  er  be- 
hauptete: gegen  ihren  Willen  sei  bei  dem  Herrn  nichts  durch- 
zusetzen, und  er  trete  oft  ihrer  Ansicht  bei  gegen  das  Votum 
aller  seiner  Räte.  Man  suchte  eben  nach  einer  kleinlichen 
Erklärung  der  Tatsache,  dafs  der  Kurfürst  sich,  wenn  es  ihm 
richtig  dünkte,  von  den  Vorschlägen  seiner  Berater  frei  machte. 
In  einer  vitalen  Angelegenheit  —  der  Frage  des  niederländischen 
oder  des  französischen  Bündnisses,  im  Beginne  des  Jahres  1672 
—  handelte  er  gegen  den  Willen  Dorotheens,  die  ganz  auf 
französischer  Seite  stand  \ 

Die  fremden  Gesandten  suchten  wetteifernd  ihre  Gunst 
durch  kostbare  Geschenke  zu  gewinnen,  bei  der  nach  Ansicht 
der  Diplomaten  bares  Geld  die  wirksamste  und  am  liebsten 
empfangene  Gabe  war.  Sie  nahm  solche  Zuwendungen  gelegent- 
lich selber  als  ihr  gutes  Recht  nachdrücklich  in  Anspruch  und 
äufserte  laut  ihre  Unzufriedenheit,  wenn  fremde  Souveräne  ihr 
keine  wertvollen  Geschenke  verehrten.  Die  kurfürstlichen  Minister 
forderten  sogar  offiziell  beträchtliche  Summen  für  Dorothea,  wie 


'  Bericht  Amerongens,  Febr.  1672;  Basnage,  Annales  des  Provincea 
TTnies,  II,  201. 


22  Sechstes  Buch. 

z.  B.  bei  den  Unterhandlungen  n^egen  Jägerndorf  erst  800(K> 
Taler,  dann  30000  Dukaten  (nach  heutigem  Geldwerte  etwa 
2  850000  Mark),  sicher  auf  eine  Forderung  der  Fürstin  selbst 
hin.  Auch  ihre  weiblichen  Günstlinge  —  erst  ein  Fräulein 
von  Wangenheim,  dann,  nach  deren  Vermählung  mit  dem 
Obersten  und  Kämmerer  Gottfried  von  Perband,  die  Herzogin 
Charlotte  von  Holstein -Wiesenburg  —  galten  als  einflufsreich 
am  Hofe  und  nahmen  daraufhin  gern  Geschenke  von  fremden 
Potentaten  an  ^  Ein  überaus  kostbares  Geschmeide  soll  sie 
1(580  endgültig  für  Frankreich  gewonnen  haben,  dessen  Gesandter 
von  ihr,  durch  die  Vermittlung  Charlottens  von  Holstein,  viele 
wichtige  Geheimnisse  erfuhr*;  doch  dürfen  wir  nicht  vergessen, 
dafs  solche  Parteinahme  damals  im  vollen  Einklänge  mit  der 
Politik  ihres  Gatten  stand.  Jedenfalls  haben  die  auswärtigen 
Mächte  viel  mehr  mit  ihr  unterhandelt  als  mit  Luise  Henriette, 
zumal  sie  meinten,  Alter  und  Gebrechlichkeit  erhöhten  die  Ab- 
hängigkeit Friedrich  Wilhelms  von  seiner  Gemahlin. 

Eine  geistreiche  Frau  war  sie  nicht;  sie  hat  zu  aller  Zeit 
die  politischen  Fragen  vorzugsweise  vom  Gesichtspunkte  ihrer 
persönlichen  Interessen  und  Stimmungen  beurteilt,  hier  jedoch 
oft  scharf  und  kräftig  eingegriffen  mit  der  echt  holsteinischen 
Energie,  die  einen  hervortretenden  Zug  ihres  Charakters  aus- 
machte. Die  Erziehung  ihrer  eigenen  Kinder  hat  sie  zum 
gröfsten  Teile  selber  geleitet  und  eine  Einmischung  sogar  ihres 
Gatten  dabei  kaum  zugelassen.  Sie  war  ebenso  eifrig  darauf 
bedacht,  den  Besitz  ihrer  Kinder  zu  mehren  wie  eigenen  Reich- 
tum anzuhäufen.  Eine  tüchtige,  wenn  auch  weder  edle  noch 
liebenswerte  Frau! 

Zur  Zeit  der  zweiten  Vermählung  des  Kurfürsten  lebten 
von  den  sechs  Kindern,  die  Luise  Henriette  ihm  geschenkt, 
noch  drei:  Karl  Emil,  geboren  am  6./1 6.  Februar  1655 ;  Friedrich, 
geboren  am  l./ll.  Juli  1657;  und  Ludwig,  geboren  am  28.  Juni/ 
8.  Juli  1666.  Der  letztere,  kaum  zwei  Jahre  alt,  kam  selbst- 
verständlich noch  wenig  in  Betracht.    Die  Erziehung  des  Kur- 

^  Der  kaiserliche  Gesandte  Lamberg  verlangt:  que  Ton  m'envoye 
15  mille  escus  pour  les  distribuer  parmi  les  dames  de  TElectrice  et  entre 
les  ministres  int^ess^  qui  touchent  de  Targent  de  la  France.  Lamberg 
an  Eramprich,  16.  Aug.  1682  (Kopie  im  Geh.  Staatsarchiv,  Berlin,  Bep.  94, 
IV  Hb,  4b). 
I  *  Ms.  Dep.  R^benacs  vom  80.  Dez.  1682  (Auszug);  Berlin  a.  a.  0.  10a. 


Ftknfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     23 

prinzen  \  die  anfänglich  die  Oberhofmeisterin  von  Götzen  geleitet 
hatte,  wurde  1662  dem  Oberpräsidenten  von  Schwerin  über- 
tragen, dem  treuen,  bewährten  und  hochgeschätzten  Minister 
des  Kurfürsten,  dem  Vertrauensmann  Luise  Henriettens  in  allen 
ihren  persönlichen  wie  den  öffentlichen  Angelegenheiten.  Die 
Instruktion,  die  Schwerin  dabei  erhielt,  trug  ihm  auf,  bei  dem 
Prinzen  vor  allem  die  Gottesfurcht  zu  fördern,  ihm  fürstliche 
Sitten  und  Gebärden  einzuprägen,  umfassende,  aber  nicht  eigent- 
lich gelehrte  Kenntnisse  beizubringen,  zumal  Geographie,  und 
aus  der  Geschichte  solche  Tatsachen  zu  lehren,  die  zu  wissen 
einem  zukünftigen  Herrscher  nützlich  sind.  Der  Redekunst  soll 
ganz  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  werden.  Auch  für 
die  körperliche  Ausbildung  und  Zierlichkeit  wurde  gesorgt^  vor- 
nehmlich das  Tanzen  betont. 

Der  zweite  Prinz,  Friedrich,  war  zuerst  von  dem  jungen 
Eberhard  Danckelmann  unterrichtet  worden,  wurde  aber  1665 
gleichfalls  Schwerins  Obhut  anvertraut.  Die  beiden  Brüder 
trieben  eifrig  Musik,  zumal  Flöte,  Gambe  und  Klavikord.  Im 
Zeichnen  bewiesen  sie  sowohl  Lust  wie  Talent.  Den  meisten 
Gefallen  zeigte  der  Kurprinz  an  militärischen  Übungen,  für  die 
ihm  frühzeitig  eine  Kompagnie  adliger  Knaben  zur  Verfügung 
gestellt  ward,  sowie  an  der  Jagd,  bei  der  freilich  ohne  Bedenken 
arge  Tierquälereien  verübt  wurden.  Als  Karl  Emil  1673,  zu 
achtzehn  Jahren,  des  Unterrichts  entbunden  ward,  mufste  dafür 
Schwerin,  obwohl  er  sich  wegen  Alters  und  Kränklichkeit  heftig 
sträubte,  die  Erziehung  des  siebenjährigen  Prinzen  Ludwig 
übernehmen,  die  er  bis  zu  seinem  eigenen  Tode,  am  14.  November 
1679,  überwacht  hat. 

Der  Kurfürst  selber  verlor  die  Erziehung  seiner  Kinder  nie 
aus  den  Augen.  Sie  mufsten  öfters  vor  ihm  feierliche  Prüfung 
ablegen.  Er  verhörte  sie  in  Katechismus,  Geschichte,  Geographie, 
Lateinisch,  Deutsch. 

Der  Kurprinz  machte  Schwerin  viel  zu  schaffen.  Karl 
Emil  besafs  natürliche  Begabung;  er  hatte  ein  vortreffliches 
Herz,    wie  er  denn  seinen  jüngeren   Bruder  innig  liebte   und 


'  Dieser  Gegenstand  ist,  auf  Grand  der  im  Geh.  Staatearchiv  in 
Berlin  enthaltenen  Tagebücher  Schwerins,  behandelt  von  F.  Hirsch 
in  den  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  VII  (1894),  S.  141  ff.  Ich 
verglich  dazu  das  Original,  dem  ich  noch  mehrere  Ergänzungen  entnahm. 


24  Sechstes  Buch. 

auch  seinen  Eltern  auf  das  wärmste  ergeben  war.  Bei  jeder  ihrer 
Erkrankungen  gab  er  die  lebhafteste  Teilnahme  zu  erkennen^. 
Die  Trauer  des  Zwölfjährigen  bei  dem  Hinscheiden  seiner  Mutter 
war  eine  so  tiefe  und  schmerzliche,  wie  sie  bei  Kindern  dieses 
Alters  selten  sich  zeigt.  Er  wufste  überhaupt,  wenn  er  wollte, 
eine  bestechende  Liebenswürdigkeit  zu  entfalten  und  besafs 
ritterlichen  Anstand  und  Zierlichkeit.  Allein  er  war  von  un- 
bändigem Stolze  und  wildem  Jähzorn,  hochfahrend  und  un- 
gehorsam. Im  Lernen,  das  er  eines  Fürsten  für  unwürdig  hielt, 
bewies  er  Widerspenstigkeit  und  Trägheit.  In  seinem  fünf- 
zehnten Lebensjahre  hatte  er  „einen  Straufs  auszustehen  weil 
er  nit  fortstudiren  wollen,  vermeinend,  dafs  der  Degen  und 
der  Krieg  mehr  für  ihme  wäre  als  die  Pedanterie,  wie  ers  heifst ; 
sein  Herr  Vater  aber  verstehts  nit  also  und  hat  ihn  etliche 
Tage  nit  aus  dem  Zimmer  gelassen,  bis  die  Deprecation  gar 
solenniter  geschehen"^.  Er  verachtete  alle  Nichtadlige,  hielt 
aber  sich  selbst  über  alle  Edelleute  erhaben.  Kaum  achtzehn- 
jährig forderte  er  von  dem  Könige  von  England  bereits  die 
höchste  britische  Auszeichnung,  den  Hosenbandorden^.  Er 
richtete  in  seinem  menschenverachtenden  Zorn  die  Pistole  auf 
seine  Umgebung,  sagte,  noch  in  dem  verhältnismäfsig  vernünftigen 
Alter  von  dreizehn  Jahren :  auf  seinen  Befehl  müsse  die  Schild- 
wache den  Herrn  von  Schwerin  erschiefsen.  Während  er  selber 
jede  Strafe  zurückwies,  prügelte  er,  trotz  des  Kurfürsten  Verbot, 
seinen  Pagen  mit  einem  Stocke.  Es  waren  das  Fehler,  die  für 
einen  zukünftigen  Herrscher  denn  doch  recht  bedenklich  waren, 
zumal  sie  über  die  eigentliche  Kindeszeit  weit  hinausgingen.  Das 
Brustbild,  das  eine  auf  ihn  geprägte  Münze  trefflich  aufweist 
zeigt,  dafs  er  dem  Vater  sehr  ähnlich  sah,  aber  mit  leidenschaft- 
licherem Ausdrucke  und  doch  mit  viel  weichlicherem,  weniger 
hervorstehendem  und  energischem  Kinn*. 

An  seinem  siebzehnten  Geburtstage  —  16.  Februar  1672  — 
wurde  der  Kurprinz  zu  den  politischen  Geschäften  herangezogen, 
indem  er  in  den  Geheimen  Rat  eingeführt  ward  und  dessen 
Sitzung  durch  mehrere  Stunden  beiwohnte.    Karl  Emil  galt  als 

»  Orlich,  Preufs.  Staat,  III,  447. 

•  Goefs  an  den  Kaiser,  11.  Dez.  1668;  U.  u.  A.  XIV,  I  404  f. 
»  U.  u.  A.  XVIL  41. 

*  G.  D.  Seyler,  Gesch.  Friedr.  Wilhelms,  Kurf.  zu  Brandenb. 
(Frankf.  u.  Leipzig,  1730,  fol.)  S.  116. 


Fünfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     25 

ein  Franzosenfeind;  mit  gewohnter  Leidenschaftlichkeit  nahm 
er  Partei  für  den  Krieg  gegen  die  Unterdrücker  Hollands  ^ 
Er  verwarf  deshalb  auch  das  nach  dem  Frieden  von  Vossem 
ihm  nahegelegte  Projekt  der  Heirat  mit  einer  französischen 
Prinzessin ;  seine  Herzensneigung  gehörte  seiner  Base  —  Vaters- 
schwestertochter —  Charlotte  von  Kurland*.  Aber  allen  Hoff- 
nungen, Plänen  und  Befürchtungen,  die  sich  an  den  begabten 
Prinzen  knüpften,  machte  dessen  plötzlicher  Tod  im  Feldlager 
im  Elsafs ,  am  27.  November  /  7.  Dezember  1674  —  in  seinem 
zwanzigsten  Lebensjahre  —  ein  Ende.  Dorothea  mufste  selber 
die  Trauernachricht  ihrem  Gatten  bringen,  da  keiner  seiner 
Diener  solches  wagte.  Die  heifsen  Tränen,  die  sie  dabei  vergofs, 
waren  sicher  keine  erkünstelten. 

Der  jähe  Schlag  brachte  dem  zweiten  Prinzen,  Friedrich, 
die  Anwartschaft  auf  den  Kurhut.  Er  war  seinem  verstorbenen 
Bruder  in  allem  unähnlich.  Von  Geburt  an  schwächlich,  infolge 
eines  unglücklichen  Falles  in  frühester  Jugend  verunstaltet,  war 
er  ein  Gegenstand  mitleidiger  Sorgfalt  für  alle,  die  ihn  um- 
gaben. Friedrich  war  ein  fleifsiges,  ruhiges,  folgsames,  aber 
wenig  begabtes  Kind.  Schon  früh  zeigte  sich  bei  ihm  die  Vor- 
liebe für  prunkvolle  Feierlichkeit:  im  Alter  von  zehn  Jahren 
stiftete  er,  allerdings  unter  Mitwirkung  seines  älteren  Bruders, 
aber  nach  eigenen  Gedanken ',  den  Orden  de  la  Gen6rosit6,  der 
mit  pomphaftem  Zeremoniell  umkleidet  wurde. 

Nichts  ist  irriger  als  die  Überlieferung :  unter  dem  Einflüsse 
Dorotheens  habe  der  Kurfürst  den  Prinzen  Friedrich  von  den 
Geschäften  fern  gehalten.  Vielmehr  hat  der  neue  Kurprinz  seit 
dem  Jahre  1675  —  also  unmittelbar  nach  dem  Tode  Karl 
Emils  —  den  Sitzungen  des  Geheimen  Rates  beigewohnt.  Als 
Neunzehnjähriger  wurde  er  im  April  1677  mit  wichtigen  Ver- 
handlungen beauftragt,  die  er  in  Wesel  mit  dem  holländischen 
Ratspensionär  Fagel  zu  pflegen  hatte,  um  die  Vereinigten 
Provinzen  bei  dem  grofsen  Bündnisse  gegen  Frankreich  fest- 
zuhalten^. Der  Kurprinz  machte  dann,  nach  dem  Frieden  von 
St.  Germain,  die  Wendung  seines  Vaters  zu  Frankreich  zunächst 
mit.    Als  dem  Prinzen  eine  Tochter  geboren  wurde,  setzte  er  auf  die 

»  Prutz,  57. 

«  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  527  f. 

*  J.  Qrofsmann  im  Hohenzollem- Jahrb.  1900,  S.  38  f. 

^  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Bepos.  68,  2. 


26  Sechstes  Buch. 

Liste  der  Paten  an  erster  Stelle  nicht  den  Kaiser,  sondern  den 
allerchristlichsten  König;  und  wie  der  kaiserliche  Gesandte 
Lamberg  ihm  darüber  seine  .Verwunderung  ausdrückte,  erwiderte 
er:  „Kaiserliche  Majestät  haben  meinen  Herrn  Vater  gegen  alle 
gegebenen  Versicherungen  verlassen,  hingegen  vom  Könige  in 
Frankreich  ist  alle  Protektion  zu  erhoffen  ^^ 

Von  1680  an  hatte  Friedrich  den  erkrankten  oder  abwesenden 
Vater  häufig  in  den  Geschäften  der  inneren  Politik  zu  vertreten, 
zumal  in  den  Verhandlungen  mit  den  preufsischen  und  den  kur- 
märkischen Ständen.  Ja,  in  Kleve  ward  er,  an  Stelle  des  1678 
verstorbenen  Fürsten  Moritz  von  Nassau,  am  20.  April  1681 
förmlich  als  Statthalter  eingesetzt,  mit  einem  eigenen  Gehalt 
von  6000  Talern.  Es  gibt  wohl  wenige  Beispiele,  dafs  ein  Herr- 
scher seinen  Nachfolger  so  vielfach  in  den  staatlichen  An- 
gelegenheiten beschäftigt  und  ihm  dabei  eine  so  in  die  Augen 
fallende  Rolle  übertragen  hat,  wie  dies  Friedrich  Wilhelm  dem 
Kurprinzen  Friedrich  gegenüber  tat,  obwohl  er  im  Grunde  von 
seinem  Sohne  eine  geringe  Meinung  hegte  ^.  Solches  Verfahren 
entspricht  dem  freien,  klaren  Sinne  und  dem  grofsmütigen 
Herzen  dieses  einzigen  Fürsten. 

So  schwächlich  Friedrich  auch  sonst  war,  in  seinen  Herzens- 
neigungen wufste  er  seinen  Willen  durchzusetzen.  Schon  von 
dem  kindlichen  Alter  von  neun  Jahren  an  zeigte  er  treue  Hin- 
neigung für  seine  Base  Elisabeth  Henriette,  die  jüngste  Tochter 
seiner  Vatersschwester  Hedwig  Sophie  von  Hessen  -  Kassel  — 
gerade  wie  sein  verstorbener  Bruder  für  die  Base  von  Kurland. 
Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  hat  dann  für  diese  letztere  Nichte 
wie  für  deren  Schwester  entsprechende  Heiratsverbindungen 
zu  Stande  gebracht,  obwohl  er  dabei  mit  dem  Geize  seines 
Schwagers,  des  Herzogs  Jakob,  oft  bitter  zu  kämpfen  hatte; 
überhaupt  erwies  er  der  fernen  Schwester  und  deren  Kindern 
rührende  Zärtlichkeit®.  Kurprinz  Friedrich  aber  blieb  auch  im 
reiferen  Alter  seiner  hessischen  Base  treu,  die  seine  Zuneigung 


'  Dep.  Lambergs  vom  6.  Okt.  1680;  ü.  u.  A.  XIV,  965  f. 

'  Er  sagte  laut,  schon  im  Begixm  des  Jahres  1680 :  „Mein  Sohn,  der 
Kurprinz,  ist  zu  nichts  gut.**  (Ms.  Dep.  R^benacs  vom  15.  Jan.  1680 
[Auszug],  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  94,  IV  Hh,  10a.)  Freilich 
konnte  Friedrich  Wilhelm  momentane  Regungen  des  Ärgers  nicht  leicht 
bemeistem. 

'  Aug.  Seraphim,  Luise  Charlotte  von  Kurland,  S.  119 ff. 


FOnfunddreifoigstes  Xapitel.    Der  Grolse  XurfOrst  u.  sein  Hof.     27 

in  vollem  Marse  erwiderte.  Die  Eurfürstin  Dorothea  scheint 
der  Vermählung  Schwierigkeit  entgegengesetzt  zu  haben,  allein 
der  Prinz  liefs  sich  nicht  abschrecken  und  fand  dabei  die  ein- 
ilufsreiche  Unterstützung  seines  Erziehers  Schwerins,  der  seinem 
ehemaligen  Zöglinge  herzlich  ergeben  war.  Genug,  1679,  als 
Friedrich  22  Jahre  z&hlte,  fand  die  von  Seiten  der  beiden 
Liebenden  längst  gewünschte  Verbindung  statt,  der  eine  Tochter, 
Luise,  entsprofs.  Aber  die  glückliche  Ehe  dauerte  nur  vier 
Jahre;  dann  starb  die  Kurprinzessin  an  den  Blattern,  zum  un- 
aussprechlichen Kummer  des  Gatten. 

Damals  war  schon  zwischen  dem  Kurprinzen  und  seinem 
Vater  ein  Zerwürfnis  eingetreten,  das,  zunächst  mehr  per- 
sönlicher Art,  sich  bald  auf  das  politische  Gebiet  übertrug,  den 
Lebensabend  des  greisen  Herrschers  verdüstert  und  sein  Dasein 
in  dessen  des  Trostes  und  frommer  Liebe  bedürftigster  Periode 
vergiftet  hat^ 

Die  Stellung  der  Kurfürstin  Dorothea  zu  den  Stiefkindern 
war  ja  von  vornherein  unerquicklich  gewesen.  Solange  indes 
der  kräftig  blühende  Karl  Emil  gelebt,  hatte  sie  Mafs  gehalten 
UDd  nur  für  möglichst  reiche  Ausstattung  der  eigenen  Kinder 
gesorgt.  Aber  nach  dessen  Tode,  als  die  Nachkommenschaft 
Luise  Henriettens  nur  noch  aus  zwei  schwächlichen  Prinzen 
bestand,  denen  niemand  langes  Leben  zutraute,  fafste  Dorothea 
ehrgeizige  Pläne:  ihre  eigenen  Söhne  sollten,  auf  Kosten  des 
Gesamtstaates,  mit  halben  oder  ganzen  unabhängigen  Herr- 
schaften begabt  werden,  unter  Bürgschaft  Frankreichs  —  schon 
damit  sie  eintretenden  Falles  im  stände  seien,  ihre  Nachfolge  in 
der  Kurwürde  mit  genügender  Macht  durchzusetzen.  Friedrich 
aber  legte  gegen  solche  Minderung  der  ihm  zukommenden  Rechte 
und  gegen  die  drohende  Zerstückelung  des  Staates  laut  Ver- 
wahrung ein  und  wandte  sich  um  Hilfe  sowohl  an  Frankreich 
wie  an   den  Kaiserhof  (1680).     Als  er   von  der  ersteren  Macht 


^  Dieses  Zerwürfnis  ist  besonders  von  Prutz,  S.  177  ff.  384  ff.,  nach 
den  Depeschen  B^benacs  dargestellt  worden.  Freilich  mufs  man  solche 
mit  grofser  Vorsicht  benutzen,  da  der  französische  Diplomat  durch  Auf- 
tragung starker  Farben  seinen  König  zu  amtlsieren  liebte.  —  Prutz 
Belber  beurteilt  dagegen  den  Zwischenfall  viel  zu  harmlos;  er  läfst  die 
politische  Opposition  des  Prinzen  unerwähnt,  die  durch  die  Korrespon- 
denz des  Österreich.  Gesandten  Lamberg  doch  in  das  hellste  Licht 
gestellt  wird. 


28  Sechstes  Buch. 

keinen  Beistand  erhielt,  knüpfte  er  hinter  dem  Rücken  seines 
Vaters  enge  Verbindungen  mit  Wien  an  (Herbst  1681);  er  erklärte 
dem  französischen  Gesandten  ganz  laut:  sobald  er  die  Gewalt 
besitze,  werde  er  sich  den  Plänen  des  Königs  von  Frankreich 
nach  Kräften  widersetzend  Sein  Ziel,  die  Erhaltung  des  Staats- 
ganzen, war  sicherlich  ein  berechtigtes,  aber  ebenso  sicher  ist, 
dafs  er  sich  hierfür  geradezu  verräterischer  Mittel  bediente. 
Er  scheute  sich  nicht,  dem  kaiserlichen  Gesandten  Eröffnungen 
über  die  sekretesten  Vorgänge  im  Geheimen  Rat  zu  machen. 
Er  wurde  dabei  ermuntert  und  unterstützt  von  dem  Fürsten 
von  Anhalt,  der,  obwohl  geschworener  und  besoldeter  Diener 
des  Kurfürsten,  lediglich  im  Interesse  des  Kaisers  handelte, 
aus  seinem  Empfinden  als  kleiner  Reichsfürst  heraus,  der,  wie 
so  viele  seiner  Genossen,  bei  dem  Reichsoberhaupte  Schutz 
gegen  die  grofsen  Fürsten  suchte.  Die  beiden  gewannen  auch 
den  Geheimrat  Fuchs,  der,  von  dem  französisch  gesinnten  Meinders 
gekränkt  und  überdies  in  der  Hoffiiung,  sich  bei  dem  Thron- 
folger beliebt  zu  machen,  seinen  Herrn  und  Wohltäter  verriet 
und  zu  der  österreichischen  Faktion  hinübertrat.  Die  Ver- 
schworenen standen  in  stetem,  mündlichem  wie  schriftlichem 
Gedankenaustausch  mit  Lamberg  und  dem  Kaiser  selbst.  Der 
Kurprinz  äufserte  sich  ganz  naiv  über  die  wahren  Beweggründe 
seiner  wenig  löblichen  Handlungsweise.  Er  liefs  sich,  im  Juni 
1683,  dem  Kaiser  durch  dessen  Gesandten  empfehlen,  nicht  nur 
wegen  des  allgemeinen  sowie  Brandenburgs  besonderen  Besten, 
„sondern  auch  aus  eingewurzelter  Aversion  gegen  die  Franzosen, 
als  die  unter  anderm  noch  neulich  seinem  Stiefbruder  zu  dem 
Herzogtume  Pommern,  ihm  zum  Präjudiz,  hätten  verhelfen 
wollen".  Er  ermahnte  Fuchs,  für  Österreich  zu  arbeiten:  „so 
wolle  er  ihn  dessen  sein  Leben  lang  in  Gnaden  entgelten  lassen "*. 
Derart  hat  Friedrich  einen  Minister  seines  Vaters  mit  wenig 
rühmlichen  Mitteln  geradeswegs  zur  Treulosigkeit  verleitet,  und 
zwar  vorzugsweise  aus  rein  persönlichen  Beweggründen. 

Dies  zeigte  sich  bald,  als  er  die  von  ihm  dringend  ge- 
wünschte Vermählung  mit  einer  hannoverschen  Prinzessin  mit 
Hilfe  der  damals  bei  seinem  Vater  vorwiegenden  französischen 
Partei  durchzusetzen  hoffte.     Sofort  tat  er  mit  R^benac   und 


^  Vgl.  Ms.  Dep.  R^benacs  vom  25.  Nov.  1681  (Auszug);  Berlin,  Gkh. 
Staatsarchiv,  Rep.  94,  IV  Hb,  10«. 


FOnfunddreilsigstes  Kapitel.    Der  Groise  Kurfürst  u.  sein  Hof.     29 

dessen  brandenburgischen  Anhängern  schön  (März  1684^).  Kaum 
war  die  Hochzeit  gefeiert,  suchte  er  freilich  wieder  Schutz  bei 
dem  Kaiser  und  erklärte  sich  laut  gegen  Frankreich  (Okt.  1685). 
Es  war  allerdings  die  Zeit,  wo  auch  sein  Vater  sich,  wenn  nicht 
oifen,  so  doch  im  geheimen,  von  diesem  Staate  abwandte. 

Dorothea  war  über  die  Opposition  des  Kurprinzen  gegen 
ihre  Pläne  nicht  wenig  entrüstet,  und  es  gelang  ihrem  Einflüsse, 
auch  den  Vater  gegen  den  Sohn  zu  erbittern,  von  dem  er 
ohnehin  eine  ungünstige  Meinung  hegte.  Friedrich  Wilhelm 
verbarg  nicht,  dafs  er  von  seines  Nachfolgers  Schwäche  und 
geringer  Begabung  Gefahren  für  das  von  ihm  selbst  mit  so 
vieler  Mühe  geschaffene  Staatswesen  fürchte,  und  behandelte 
den  Prinzen  unfreundlich.  Friedrich,  der  dem  Vater  stets  mit 
gebührender  Achtung  begegnete,  erfüllte  sich  begreiflicherweise 
gegen  seine  Stiefmutter  mit  Zorn  und  schlimmem  Verdacht,  die 
die  Gesandten  des  Kaisers  und  der  Niederländer  um  so  eifriger 
schürten,  je  mehr  ihnen  damals  die  Politik  des  Kurfürsten  mifs- 
fiel.  Einen  neuen  Grund  zum  Grolle  erhielten  Friedrich  und 
Bein  jüngerer,  echter  Bruder  Ludwig,  als  die  Kurfürstin  sich 
hemühte,  die  Anwartschaft  auf  das  Oranische  Erbe,  das  dem 
auch  von  seinem  Oheim  Wilhelm  III.  zärtlich  geliebten  Ludwig 
zukam,  ihrem  ältesten  Sohne  Philipp  zu  verschaffen  —  eine 
wirklich  schreiende  Vergewaltigung'.  Friedrich  zog  sich  bereits 
mit  seiner  jungen  ersten  Gemahlin  geflissentlich  nach  Köpenick 
zurück.  Nach  deren  frühem  Tode  sah  er  sich  alsbald  nach 
einer  zweiten  Vermählung  um,  schon  um  männliche  Nachkommen- 
schaft zu  erzielen  und  so  seinen  Stiefbrüdern  die  Nachfolge  zu 
entziehen.  Dorothea  dagegen  suchte  solche  neue  Verbindung  zu 
hintertreiben,  aus  dem  entgegengesetzten  Beweggrunde.  Ihr 
Widerstand  wurde  durch  die  Tatsache  erleichtert,  dafs  Friedrich 
sich  als  zweite  Gattin  die  ebenso  schöne  wie  geistvolle  Sophie 
Charlotte  von  Hannover  auserkor,  deren  Vater,  wie  das  gesamte 
Haus  Braunschweig,  damals  in  erbittertem  Streite  mit  Branden- 
burg lebte.  Hieraus  entstand  selbstverständlich  neue  Verstimmung, 
bis  dann  im  Sommer  1684  eine  Aussöhnung  zwischen  den  Weifen 
und  dem  Kurfürsten  eintrat.  Das  wirkte  auf  die  persönlichen 
Beziehungen  zurück:  am  8.  Oktober  1684  konnte  die  Hochzeit 


1  Dep.  Lambergs  yom  14.  März  1684;  ü.  u.  A.,  XIY,  1134. 
'  Ms.  Dep.  B^benacs  vom  26.  Jvini  1685;  a.  a.  0. 


30  Sechstes  Buch. 

zwischen  dem  siebenundzwanzigjährigen  Friedrich  und  seiner 
sechzehnjährigen  Braut  gefeiert  werden,  zum  lebhaften  Kummer 
Dorotheens,  aber  zur  Befriedigung  des  Kurfürsten  und  zumal 
seines  ältesten  Sohnes. 

Nur  desto  mehr  war  Dorothea  darauf  bedacht,  ihren  eigenen 
Kindern,  denen  sich  so  die  Aussicht  auf  die  Nachfolge  auf  dem 
Throne  verschlofs,  eine  reiche  Ausstattung  zu  verschaffen.  Diese 
Umtriebe  veranlafsten  den  Kurprinzen,  sich  gänzlich  dem  Kaiserhofe 
in  die  Arme  zu  werfen  und  die  dauernde  Allianz  zwischen  diesem 
und  Brandenburg  durch  die  unverantwortliche  und  unwürdige 
Geheimzusage  zu  erkaufen,  dafs  er  die  von  seinem  Vater  als 
Bedingung  des  Bündnisses  geforderte  und  zur  Entschädigung 
für  Jägerndorf  bestimmte  Abtretung  des  Kreises  Schwiebus  der- 
einst rückgängig  machen  werde  (März  1686).  Bald  glaubt«  er 
Grund  zu  neuer  Klage  zu  haben :  die  Geldzahlungen ,  die  der 
Kaiser  in  Gemäfsheit  des  Bündnisvertrages  nach  Berlin  leiste, 
würden  viel  mehr  den  Kindern  zweiter  Ehe  als  ihm  selbst  zu- 
gewiesen ^  Er  scheute  sich  deshalb  nicht,  sich  zum  zweiten  Male 
an  Frankreich  zu  wenden  und  diesem  für  die  Zeit  seiner  eigenen 
Begierung  treues  Festhalten  an  dem  Bündnis  zu  versprechen. 
Dafür  erbaten  seine  Vertieter  Meinders  und  Schöning  für  ihn  schon 
jetzt  zehntausend  Dukaten  von  Ludwig  XIV.,  der  sie  aber  nicht  ge- 
währte, angeblich  um  den  greisen  Kurfürsten  nicht  zu  beleidigen  ^ 
Hierüber  ergrimmte  Friedrich  von  neuem.  Eine  Erkrankung, 
die  ihn  im  Herbst  1686  befiel,  schrieb  er  dem  Verdrusse  über 
die  ihm  von  den  Eltern  zugefügten  Unbillen  zu.  So  wurde  sein 
sowie  des  von  ihm  zärtlich  geliebten  Bruders  Ludwig  Verhältnis 
zu  den  Eltern  immer  gespannter,  unerfreulicher;  man  vermied 
sich  gegenseitig  nach  Möglichkeit.  Die  Schuld  kann  nicht  allein 
an  Friedrich  gelegen  haben,  da  auch  sein  Bruder  sich  von 
der  Stiefmutter  und  sogar  dem  Vater  so  schwer  gekränkt  fühlte, 
dafs  der  anmutige,  kühn  emporstrebende,  aber  leidenschaftliche 
Jüngling,  auf  den  der  Vater  grofse  Hoffnungen  gesetzt,  den 
Wilhelm  von  Oranien  ganz  öffentlich  als  seinen  dereinstigen 
Erben  und  Nachfolger  bezeichnet  hatte,  darüber  in  tiefe  Schwer- 
mut verfiel  und   sich  den  Tod  wünschte*.    Und  plötzlich  er- 


»  U.  u.  A.  XIV,  1328. 

*  Ms.  R^benac    an  Ludwig  XIY.,    13.  März   1687,  u.  Ant^'ort  des 
Königs  (Auszüge);  a.  a.  0. 

*  Ms.  Dep.  Bebenacs  vom  Okt.  1680  u.  vom  12.  April  1687 ;  ebendas. 


POnfunddreifsigstea  Kapitel.    Der  Gro&e  KurfQrst  u.  sein  Hof.     31 

krankte  Ludwig  wirklich  am  Scharlach.  Sein  drohendes  Hin- 
scheiden mufste  auch  politisch  von  grofser  Bedeutung  für  das 
Haus  Brandenburg  werden. 

Fürst  Boguslaw  Radziwill,  der  Sohn  einer  brandenburgischen 
Fürstin,  der  einzige  seines  Hauses,  der  der  reformierten  Religion 
treu  geblieben  war,  der  ergebene  Freund  des  Grofsen  Kur- 
fürsten und  sein  Statthalter  in  Preufsen,  hatte  bei  seinem 
frühen  Tode,  am  31.  Dezember  1669,  eine  einzige,  seit  ihrer 
Geburt  auch  der  Mutter  beraubte,  zweijährige  Tochter  zurück- 
gelassen. Luise  Charlotte  Radziwill  war  eine  überaus  reiche 
Erbin;  sie  sollte,  nach  dem  testamentarisch  festgelegten  Willen 
des  Vaters,  zu  Königsberg  auf  deutsche  Weise  und  in  dem 
reformierten  Bekenntnisse  erzogen  werden  und  dem  bestimmen- 
den Einflüsse  des  Kurfürsten  von  Brandenburg  als  ihres  Ober- 
vormundes unterstehen.  Später  sollte  sie,  wenn  irgend  möglich, 
einen  fürstlichen  Bewerber  ihrer  eigenen  Religionsgemeinschaft 
ehelichen.  Eine  Bestimmung,  die  um  so  wichtiger  war,  als  die 
zahlreichen  reformierten  Gemeinden  des  polnischen  Litauen  nur 
durch  den  Schutz  dieses  Zweiges  der  Radziwill  fortdauerten  ^ 

Friedrich  Wilhelm  mufste  tatsächlich  durch  militärische 
Mafsregeln  das  Kind  vor  der  Entführung  durch  dessen  hab- 
gierige litauische  Verwandten  schützen;  Luise  Charlott^ns  in 
Polen  liegende  Güter  rettete  er  durch  Auszahlung  bedeutender 
Summen  vor  der  Plünderung  durch  ihre  Familie.  Ein  junger 
Radziwill  katholischen  Glaubens  bewarb  sich  frühzeitig  um  die 
Hand  des  Erbkindes,  unter  lebhaftem  Beifall  des  gesamten  pol- 
nischen Adels,  der  das  Besitztum  der  Radziwill  keinem  Aus- 
länder gönnte.  Nur  durch  Listen  aller  Art  sowie  durch  ein 
Bündnis  mit  dem  litauischen  Grofsmeister  Andreas  Morsztyn 
gelang  es  dem  Kurfürsten,  diese  Vermählung  immer  wieder 
aufzuschieben.  Endlich  stand  eine  diese  erzwingende  Konstitu- 
tion des  polnischen  Reichstages  bevor:  als  Friedrich  Wilhelm 
ebenso  plötzlich  wie  geheimnisvoll  die  Hochzeit  der  reichen 
Dame  mit  seinem  zweiten  Sohne  Ludwig  ins  Werk  setzte 
(7.  Januar  1681).  Freilich  waren  König  und  Königin  von  Polen, 
die  die  Prinzessin  mit  ihrem  eigenen  Sohne  Jakob  zu  verbinden 
gehofft    hatten,    über    den    Gewaltstreich   des   Brandenburgers 

^  Über  diese  ganze  Angelegenheit  die  treffliche  Monographie 
Th.  Schiemanns  in  den  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  Bd.  III 
<1890),  8.  125  ff.  —  Vgl.  U.  u.  A.  H,  538  ff. 


32  Sechstes  Buch. 

höchlichst  aufgebracht  und  drohten  sogar  mit  Krieg.  Aber  der 
KurfQrst  liefs  durch  das  Veto  seiner  polnischen  Anhänger  den 
Reichstag,  der  die  Mittel  zum  Kampfe  aufbringen  sollte,  sprengen, 
und  zwar  durch  das  Verdienst  seines  langjährigen  Gesandten 
Hoverbeck  in  so  geschickter  Weise,  dafs  niemand  ihm  die  Ein- 
mischung nachzuweisen  vermochte.  Reiche  Geldspenden  und 
eine  militärische  Unterstützung  im  Türkenkriege  machten  dann 
Johann  Sobieski  und  seine  Grofsen  vollends  gefügig,  und  der 
Kurfürst  durfte  für  seinen  Sohn  die  polnischen  Güter  der 
Radziwill  in  Besitz  nehmen. 

Nach  seiner  Weise  knüpfte  Friedrich  Wilhelm  an  diese 
Verbindung  weitgehende  Pläne.  Indem  er  die  dem  Hause 
Radziwill  gehörenden  Festungen  mit  eigenen  Truppen  und 
Kommandanten  besetzte  und  alle  auf  dessen  Gütern  ruhende 
Pfandschulden  ablöste ;  indem  er  femer  dem  Markgrafen  Ludwig 
von  dessen  Gemahlin  die  Mitregentschaft  über  ihre  ,,Fürsteu- 
tümer  und  Lande"  übertragen  liefs:  bereitet  er  deren  Loslösung 
von  Polen  und  Anschlufs  an  Kurbrandenburg  von  langer  Hand, 
aber  mit  grofser  Sicherheit  vor. 

Niemand  hatte  zunächst  der  Erkrankung  Ludwigs  eine 
gefährliche  Bedeutung  beigemessen,  am  wenigsten  die  Ärzte. 
Als  der  Sterbende  dem  Vater  die  Bitte  übersandte,  er  möge  doch 
zu  ihm  kommen,  damit  er  ihm  noch  einmal  vor  dem  Verscheiden 
die  Hand  küsse,  wies  der  Kurfürst  dies  ärgerlich  zurück,  weil 
er  fest  davon  überzeugt  war,  dafs  Ludwig  sein  Leiden  arg  über- 
treibe \  Plötzlich,  am  28.  März  /7.  April  1687,  starb  aber  der  junge 
Prinz  am  Scharlachfieber.  Alle  die  grofsen  Absichten  auf  Litauen 
wurden  durch  seinen  Tod  vereitelt.  Freilich  hat  der  Kurfürst,  kaum 
dafs  der  erste  Schmerz  über  den  betäubenden  Schlag  und  über  sein 
eigenes,  dem  Dahingeschiedenen  zugefügtes  Unrecht  sich  ge- 
mildert, jene  Projekte  wieder  aufgenommen,  indem  er  die  junge 
Witwe  seinem  Neffen,  dem  Prinzen  von  Kurland,  bestimmte, 
dessen  schleunige  Heimsendung  von  dem  Heere  in  Ungarn  er 
vom  Kaiser  erbat  ^.  Allein  Luise  Charlotte  wollte  um  so  weniger 
aus  seiner  Hand  einen  zweiten  Gemahl  annehmen,  als  sie  die 
Verstimmung   ihres   verstorbenen   Gatten  gegen   dessen  Eltern 


'  Ms.  Dep.  Rebenacs  vom  12.  April. 

■  Fridag    an    den    Kaiser,    18.   Juli,   u.    der    Kaiser    an    Fridag 
14.  Okt.  1687;  U.  u.  A.  XIV,  1368.  1388  Anm.  2. 


FOnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     33 

nor  allzusehr  teilte  und  auf  die  ganze  hohenzoUernsche  Familie 
übertrug.  Sie  war,  wie  alle  Welt,  ja  der  Kurfürst  selber,  davon 
überzeugt,  Ludwig  sei  vergiftet  worden,  zumal  die  Ärzte  dies 
amtlich  aussprachen,  um  die  von  ihnen  bewiesene  Unwissenheit 
und  Leichtfertigkeit  zu  bemänteln.  Hatte  man  doch  schon  die 
schwere  Krankheit,  die  den  Kurprinzen  im  Spätherbst  1686 
befallen,  dem  Gifte  zugeschrieben  ^  Manche  glaubten,  das  Ver- 
brechen an  Markgraf  Ludwig  sei  von  Polen,  von  verkleideten 
Jesuiten  verübt  worden,  um  eben  die  Radziwillschen  Güter  in 
die  Hände  ihres  Prinzen  zu  bringen.  Allein,  überwiegend  be- 
zichtigte die  öffentliche  Meinung  die  Herzogin  von  Holstein- 
Wiesenburg,  die  Günstlingin  der  Kurfürstin,  und  mittelbar  diese 
selbst  des  Giftmordes;  und  Kurprinz  Friedrich,  stets  voll  Ver- 
dacht gegen  die  Stiefmutter,  von  Schmerz  über  den  Verlust  des 
geliebten  Bruders  tief  erregt,  beging  das  unverzeihliche  Unrecht, 
eine  so  furchtbare  Anklage  laut  für  begründet  zu  erklären. 
Reichliche  Gegengifte,  die  er  ostentativ  einnahm,  machten  ihn 
wirklich  von  neuem  krank.  Er  begab  sich  auf  seine  Güter  und 
erbat  die  Erlaubnis,  sich  auf  seinen  Statthalterposten  nach 
Kleve  zurückziehen  zu  dürfen,  mit  der  kränkenden  Begründung, 
er  wolle  dadurch  ein  ähnliches  Schicksal  vermeiden,  wie  solches 
seinen  Bruder  Ludwig  betroffen  habe.  Seine  Gemahlin,  die 
tatsächlich  von  dem  kurfürstlichen  Paare  sehr  übel  behandelt 
und  selbst  in  ihrer  Frauenehre  verletzt  wurde*  —  lag  man 
doch  mit  den  Weifen  wieder  in  Streit  — ,  brachte  er  gleichsam 
in  Sicherheit  nach  Hannover,  also  in  feindliches  Gebiet.  Sophie 
Charlotte  erklärte  geradezu,  sie  werde  während  des  Lebens 
ihrer  Schwiegereltern  nicht  mehr  nach  Berlin  zurückkehren. 
Und  auch  der  Kurprinz  weigerte  sich,  am  Hofe  wieder  zu  er- 
scheinen, ehe  nicht  diejenigen  bestraft  seien,  die  seinen  Bruder 
gemordet  und  ihm  gleiches  Schicksal  zugedacht  hätten.  Eine 
grauenvolle  Beschuldigung  gegen  die  Stiefmutter  und  deren 
Umgebung!  Friedrich  Wilhelm  war  der  festen  Überzeugung, 
dafs  diese  ungeheuerliche  Bezichtigung  seinem  Sohne  von  den 
Weifen  eingegeben  worden  sei,  die  Brandenburg  zu  schwächen, 
ja   völlig  aufzulösen   gedächten.    Kein   Wunder,   dafs   er  dem 


>  Dep.  Fridags  vom  2.  Dez.  1686;  ü.  u.  A.,  XIV,  1386. 
'  Dep.  des  niederl.  Gesandten  Hoop  vom  28.  Sept.  1687;  U.  u.  A., 
III,  789. 

Philippson,  D«r  Grofse  Knrfflrst.    III.  3 


34  Sechstes  Buch. 

Sohne  die  Übersiedlung  nach  Kleve,  in  die  Nähe  der  Nieder- 
lande und  Frankreichs,  mit  denen  der  Prinz  hätte  Intriguen 
anknüpfen  können,  streng  verbot.  Da  Friedrich  aber  auf  seiner 
Absicht  beharrte,  geriet  der  reizbare,  durch  Alter  und  Krank- 
heit nur  zornmütiger  gewordene  Kurfürst  in  schwere  Ent- 
rüstung: er  behielt  die  Einkünfte  seines  ältesten  Sohnes  ein 
und  drohte,  das  Herzogtum  Preu&en  dem  Erstgeborenen 
Dorotheens,  dem  Markgrafen  Philipp,  zu  hinterlassen.  Ein 
Konflikt  war  hier  aus  rein  persönlichen  Beweggründen  aus- 
gebrochen, der  der  Einheit  und  Gröfse  des  Staates  die 
schlimmsten  Gefahren  bereitete. 

Befreundete  und  verwandte  Höfe,  sowie  der  bei  Friedrich 
Wilhelm  viel  geltende  Marschall  Schomberg,  der  Hofprediger 
Ursinus,  endlich  des  Prinzen  vertrauter  ehemaliger  Erzieher 
Eberhard  Danckelmann  legten  sich  ins  Mittel.  Dem  Kurprinzen 
selbst,  der  im  Grunde  ein  weiches,  liebendes  Herz  besafs,  ward 
bei  dem  Streite  mit  dem  Vater  nicht  wohl:  er  liefs  sich  be- 
stimmen, anstatt  nach  Kleve  zu  seinem  Vetter  und  früheren 
Schwager,  dem  Landgrafen  Karl,  nach  Kassel  zu  gehen.  Allein, 
monatelang  blieb  der  Zwiespalt  noch  bestehen.  Der  Kurfürst 
litt  nicht,  dafs  seinem  ältesten  Sohne  die  am  8.  August  gefeierte 
Vermählung  von  dessen  Halbschwester  Marie  Amalie  mit  dem 
Erbprinzen  von  Mecklenburg-Güstrow  auch  nur  angezeigt  werde. 
Weder  er  selber  noch  Dorothea  beantworteten  die  an  sie  ge- 
richteten Schreiben  des  Kurprinzen.  Dieser  war  über  solche 
Nichtachtung  äufserst  entrüstet.  Er  drohte,  seine  „meseuren 
nehmen*^  zu  wollen,  sich  „endlich  an  einige  Puissancen  zu 
hängen^.  Aber  Meinders,  den  er  als  „vielgeliebten"  anzureden 
pflegte,  und  die  übrigen  Geheimräte  machten  ihm  ernste  Vor- 
stellungen. Sie  sagten  ihm,  dafs  seine  Abwesenheit  vom  Hofe 
gerade  seinen  Widersachern  freies  Feld  gebe,  dafs  daraus  für 
ihn  schwerer  und  andauernder  Nachteil  erwachsen  werde.  Sie 
zeigten  ihm,  dafs  sein  Vater  nicht  unrecht  habe,  eine  Unter- 
suchung wegen  der  angeblichen  Giftattentate  so  lange  aufzu- 
schieben, bis  er  Beweise  in  Händen  habe,  wo  die  Schuldigen 
zu  suchen  seien  \  Der  König  von  Frankreich,  auf  den  der 
Prinz  zum  Teil  seine  Hoffnung  gesetzt,  riet  ihm  beharrlich  Ver- 
söhnung mit  dem  Vater  an,  damit  er  gröfseres  Unheil  für  sich 


^  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  92,  Meinders  8. 


FOnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Groise  KorfOrst  u.  sein  Hof.     35 

vermeidet  Und  bei  dem  Kurfürsten,  der  fühlte,  wie  die 
Schatten  des  Todes  sich  immer  dichter  um  ihn  zusammenzogen, 
machte  der  Zorn  der  Sorge  und  dem  Kummer  über  das  Zer- 
würfnis mit  seinem  Nachfolger  Platz.  Ob  nicht  dem  kranken 
Greise  in  schlaflosen  Nächten  und  an  qualvollen  Tagen  der 
Geist  seiner  Luise  Henriette  mahnend  vor  die  Seele  trat?  Er 
fürchtete,  dafs  jesuitischer  Einilufs  sich  des  schwachen  Kur- 
prinzen bemächtigen,  dafs  so  die  evangelische  Religion,  deren 
treuer  Bekenner  und  Schützer  er  selber  war,  grofsen  Schaden 
erleiden  werde.  Genug,  nach  langwierigen  Verhandlungen  und 
nach  Überwindung  des  Widerstandes,  den  Sophie  Charlotte  ur- 
sprünglich jeder  Rückkehr  nach  Berlin  entgegengesetzt  hatte', 
fand  wenigstens  eine  formelle  Aussöhnung  statt:  das  kurprinz- 
liche Paar  begab  sich  im  Oktober  1687  nach  Potsdam.  Das 
Verhältnis  Friedrichs  zu  seinem  Vater  blieb  zuerst  noch  kühl. 
Aber  allmählich  hielt  auch  die  Kurfürstin  es  für  gut,  einzu- 
lenken, da  das  Hinscheiden  ihres  Gatten  und  die  Thron- 
besteigung des  Kurprinzen  offenbar  nahe  bevorstanden.  Sie 
sprach  sich  mit  dem  Stiefsohn  persönlich  aus,  und  die  Folge 
dessen  war  die  Entfernung  jener  Herzogin  von  Holstein-Wiesen- 
burg vom  brandenburgischen  Hofe,  der  man  allerseits  die  angeb- 
liche Vergiftung  des  Markgrafen  Ludwig  schuldgegeben  hatte,  — 
ein  Akt  der  Selbstaufopferung  von  selten  Dorotheens,  eine 
Genugtuung  für  Friedrich,  der  gerade  die  Herzogin  als  seine 
Feindin  betrachtete.  Die  Geburt  eines  Enkels,  eines  Erben  des 
kurfürstlichen  Hohenzollernstammes  —  des  zukünftigen  Königs 
Friedrich  Wilhelm  I.  —  erfüllte  den  greisen  Herrscher  mit 
inniger  Freude  und  gab  dem  kurprinzlichen  Ehepaare  eine 
gewichtigere  Stellung*. 

Jedes  Zerwürfnis  schien  beseitigt.  Der  Kurprinz  fand  sich 
wieder  im  Geheimen  Rate  ein,  er  vertrat  oft  in  den  wichtigsten 
Regieningshandlungen  seinen  durch  Krankheit  mehr  und  mehr 
behinderten  Vater.  Er  wurde  schliefslich  in  das  Geheimnis  des 
grofsen    Planes    der    Befreiung   Englands    von    den  franzosen- 


^  Ms.  Ludwig  XIV.  an  Rebenac,  10.  April,  Mai  bis  September  16^7. 
«  Hoop  an  Uranien,  18J28.  Sept.  1687;  U.  u.  A.,  III,  789  f. 
*  Ms.  Dep.  Rebenacs  vom  6.  Okt.   1687  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv, 
Bep.  H  IV  Hb,  lOo). 

3* 


36  Sechstes  Buch. 

freundlichen  Stuarts  eingeweiht,  das  aufser  ihm,  Schomberg 
und  Fuchs  niemand  in  Berlin  kannte. 

Und  doch  war  dem  Prinzen  für  die  Zukunft  eine  peinvolle 
Überraschung  zugedacht. 

Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  hat  in  seiner  ernsten,  nach- 
denklichen Art  sich  schon  frühzeitig  mit  dem  Gedanken  des 
Todes,  sowie  des  Schicksals,  das  nach  ihm  seinen  Staat  betreffen 
werde ,  beschäftigt  ^.  Bereits  1651 ,  als  er  noch  kinderlos  war 
und  das  Aussterben  der  Kurlinie  drohte,  hatte  er  über  seine 
Besitztümer,  soweit  ihm  das  möglich  war,  Verfügung  getroffen. 
Als  ihm  dann  seit  1655  mehrere  Söhne  geboren  wurden,  hat 
er,  noch  1655  und  dann  1662,  neue  letztwillige  Bestimmungen 
getroffen.  Wichtiger  als  diese  Schriftstücke  ist  das  Testament 
von  1664.  Hier  hat  er,  mit  Zustimmung  der  Geheimen  Räte, 
zum  ersten  Male  mit  jener  ausdrücklichen  Anordnung  des  hohen- 
zollernschen  Hausgesetzes,  der  Dispositio  Achillea  von  1473, 
gebrochen,  nach  der  alle  der  Kurlinie  zufallenden  Länder  ver- 
eint bleiben  und  aufser  den  schon  vorhandenen  Seitenlinien  — 
der  von  Ansbach  und  der  von  Bayreuth  —  keine  neuen  ent- 
stehen sollten:  eine  Festsetzung,  die  allein,  der  steten  Zer- 
splitterung der  übrigen  deutschen  Fürstentümer  gegenüber,  die 
wachsende  Gröfse  und  Macht  Kurbrandenburgs  ermöglicht  hat« 
Friedrich  Wilhelm  aber  trennte  in  dem  Testamente  von  1664 
das  Fürstentum  Halberstadt  und  das  Amt  Egeln  von  dem 
Gesamtstaate  und  überwies  diese  Lande  seinem  damals  zweiten 
Sohne  Friedrich  zu  unabhängigem  Besitze,  indem  er  nur  das 
Waffenrecht,  sowie  das  Recht  des  Kriegs  und  Friedens  dem 
jeweilig  regierenden  Kurfürsten  vorbehielt.  Es  steht  fest,  dafs 
Friedrich  Wilhelm  diese  auffallende  Bestimmung  auf  den  drin- 
genden Wunsch  Luise  Henriettens  getroffen  hat,  die  in  zärtlicher 
Sorgfalt  für  die  Zukunft  ihres  schwächlichen  und  mifsgestalteten 
zweiten  Sohnes  sorgte.  Indes  nicht  ohne  Begründung  vor  seinem 
Gewissen    hat    der    Grofse    Kurfürst    dem    Andringen    seiner 


*  Droysen,  IV,  IV  129 ff.  —  Droysen  hat  die  Tatsachen,  die  die 
früher  so  strittige  Testamentsfrage  betreffen,  mit  bewundernswerter 
Umsicht,  Tätigkeit  und  Schärfe  erforscht  und  zusammengestellt.  Aber 
der  harmlosen  Deutung,  die  er  hierbei  dem  Verfahren  Friedrich  Wilhelms 
gibt,  kann  ich  mich  nicht  anschüefsen.  Bei  Droysen  hat  eben  der  Grofse 
Kurfürst  immer  recht,  auch  in  den  verzweifeltsten  Fällen,  seine  Gegner 
immer  unrecht. 


Ffinfun  ddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     37 

Gemahlin  so  weit  nachgegeben,  von  dem  mit  vieler  Mühewaltung 
und  Eonsequenz  geeinten  Staate  wieder  ein  Stück  zu  lösen. 
Vielmehr  konnte  er  einen  guten,  unverwerflichen  Grund  für  sein 
Verfahren  anführen.  Die  Zukunft  der  Kurlinie  stand  damals 
nur  auf  vier  Augen;  erlosch  sie,  und  ging  die  Kur  auf  die 
markgräfliche  Linie  Bayreuth  über,  so  fiel  nicht  nur  die  Souve- 
ränität über  Preufsen  vertragsmäfsig  an  Polen  zurück,  sondern 
auch  das  rheinisch  -  westfälische  Gebiet  —  Kleve,  Mark  und 
Ravensberg  —  der  älteren  Schwester  Friedrich  Wilhelms,  der 
Herzogin  von  Kurland,  und  deren  Nachkommenschaft  anheim. 
Für  diese  Verluste  würde  der  Kurstaat  nicht  einmal  durch  die 
Vereinigung  mit  dem  Fürstentum  Bayreuth  einigermafsen  ent- 
schädigt, sondern  hier,  nach  dem  Hausgesetze,  eine  neue 
Sekundogenitur  begründet  worden  sein.  Nun  war  es  eine  durch 
vielfache  Erfahrung  erhärtete  Tatsache,  dafs  jüngere  landlose 
Fürsten,  absichtlich  oder  unfreiwillig,  auch  ehelos  blieben.  Vor 
dieser  Eventualität  —  Friedrich  Wilhelm  sagt  es  ausdrücklich  — 
wollte  er  aus  den  erwähnten  Gründen  seinen  zweitgeborenen 
Sohn  durch  Ausstattung  mit  einem  nach  damaligem  deutschem 
Mafsstabe  ansehnlichen  Gebiete  bewahren,  damit  er  auch  seiner- 
seits der  Kurlinie  Nachkommenschaft  erwecke.  Sowohl  der 
Kaiser  wie  die  Halberstädter  Landstände  gaben  zu  solcher  Be- 
stimmung ihre  Einwilligung. 

Ein  Kodizill  aber  sah  dann  eine  neue  Zerteilung  des  Staates 
vor:  die  jüngst  von  Polen  erlangten  pommerellenschen  Herr- 
schaften Lauenburg  und  Bütow  wurden  einem  etwaigen  dritten 
Sohne  bestimmt,  —  eine  Voraussicht,  die  sich  1666  durch  die 
Geburt  des  Prinzen  Ludwig  verwirklichte. 

Fiel  hier  schon  die  Begründung  jener  ersten  Abtrennung 
von  Staatsgebiet  hinweg,  und  ward  ganz  unverhüllt  das  Parti- 
kularinteresse der  jüngeren  Prinzen  auf  Kosten  des  Staates 
begünstigt,  so  tritt  diese  Richtung  in  den  neuen  Testa- 
menten und  Kodizillen  von  1670  und  1674  noch  verschärft  her- 
vor. Die  Zahl  der  Söhne  war  durch  die  schnell  aufeinander- 
folgenden Spröfslinge  der  zweiten  Ehe  nachgerade  so  grofs  ge- 
worden, dafs  die  Gefahr  des  Aussterbens  der  Kurlinie  völlig 
verschwand.  Und  dennoch  neue  Lösungen  einzelner  Gebietsteile 
vom  Staate  zu  Gunsten  der  jüngeren  Prinzen!  Es  war  ein  un- 
keilvoller  Weg,  auf  den  sich  Friedrich  Wilhelm  von  den  Frauen 
batte   drängen    lassen;    er   mochte    der    energischen    zweiten 


38  Sechstes  Buch. 

(Temahlin  nicht  versagen,  was  er  der  sanfteren  ersten  zugestanden 
hatte. 

Eine  segensreiche  Reaktion  in  den  Anschauungen  des 
Herrschers  zeigt  das  nach  dem  Tode  des  Erstgeborenen  ent- 
worfene Testament  von  1676.  Die  Halberstädter  Sekundogenitur 
war  nun  hinfällig  geworden,  da  Friedrich  Kurprinz  war.  Das 
damalige  Testament  begnügte  sich  damit,  die  jüngeren  Prinzen, 
sowie  die  Kurfürstin  Dorothea  mit  Einkünften  auszustatten,  die 
freilich  reichlicher  waren ,  als  es  sonst  Herkommen  und  Sitte, 
aber  doch  keine  landesherrlichen  Rechte  begründeten. 

Indes  ein  abermaliges  Testament  vom  Jahre  1680  lenkte  — 
sicherlich  unter  Dorotheens  Einflufs^  —  wieder  in  die  alte 
unglückselige  Richtung  zurück.  Es  übertrug  jedem  der  Söhne 
ein  eigenes  Fürstentum.  Allerdings  wurde  ihnen  nicht  nur  das 
Recht  der  Staats  vertrage  und  der  Waffen  entzogen,  sondern  auch 
die  Ausübung  der  Reichs-  und  Kreisstandschaft  zu  blofser  Form 
gemacht,  diese  wichtige  Befugnis  tatsächlich  dem  regierenden 
Kurfürsten  vorbehalten.  Immerhin  war  die  erst  von  Friedrich 
Wilhelm  selbst,  oft  mit  Gewalt,  Wortbruch  und  Rechtswidrig- 
keiten, erkämpfte  Staatseinheit  wieder  geopfert,  wurden  hier 
Verhältnisse  geschaffen,  die  in  naturgemäfser  Entwicklung  zu 
Zwistigkeiten  unter  den  verschiedenen  Gliedern  der  Kurlinie, 
ja  zur  Sprengung  des  sie  umschliefsenden  Bandes  führen  mufsten. 
Und  dieses  unheilvolle  Testament  wurde  unter  die  Bürgschaft 
des  Königs  von  Frankreich  gestellt! 

Der  Kurfürst  fühlte  selber,  dafs  jetzt,  wo  ihn  zahlreiche 
Söhne  umgaben,  der  früher  angegebene  Grund,  man  müsse  für 
die  Fortdauer  des  Kurhauses  sorgen,  ganz  hinfilllig  sei.  Er 
wiederholte  ihn  freilich  der  Form  nach,  fügte  aber  einen  neuen 
hinzu:  man  müsse  durch  reichliche  Ausstattung  die  jüngeren 
Prinzen  daran  verhindern,  nach  dem  Muster  anderer  Häuser 
Fortgang  und  reiche  Ausstattung  im  Schofse  der  katholischen 
Kirche  zu  suchen.  Eine  solche  Eventualität  wäre  jedoch  durch 
Übertragung  von  Einkünften  ganz  ebenso  verhütet  worden  wie 


^  Das  hat  der  nachmalige  König  Friedrich  I.  bestimmt  von  seiner 
Stiefmutter  ausgesagt;  Bänke,  Sämtl.  W.  XXV/XXVI,  392.  —  Vgl. 
die  Depeschen  B^benacs  vom  Okt.  1680  (Auszug,  Geh.  Staatsarchiv,  Berlin, 
Bep.  94,  IV  H  b,  10  a),  die  der  Kurfürstin  sogar  die  Bemühung  zuschreiben» 
ihren  Gatten  zur  Teilung  der  Souveränität  zu  Gunsten  ihrer  eigenen 
Söhne  zu  bewegen. 


FOnfunddreifsigBtes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     39 

durch  Ausstattung  mit  eigenen  Fürstentümern.  Und  dann :  war 
Brandenburg  grofs  und  reich  genug,  um  zur  Verhütung  des 
Übertrittes  eines  oder  des  anderen  seiner  zahlreichen  Prinzen 
zu  Rom  derartige,  ja  auch  nur  bedeutende  pekuniäre  Opfer  zu 
bringen  ? 

Die  traurigen  Folgen  der  von  Dorothea  ihrem  Gatten  unter 
unzulänglichen  Gründen  abgerungenen  Bestimmungen  zeigten 
sich  unverzüglich:  der  Kurprinz,  der  durch  Röbenac  Kenntnis 
von  dem  Inhalte  des  Testamentes  erhielt,  machte  diesen  An- 
ordnungen sofort  Opposition;  an  sich  mit  vollem  Rechte,  nicht 
allein  von  seinem  persönlichen  Standpunkte  aus,  sondern  im 
Interesse  des  Staates,  das  auf  das  empfindlichste  verletzt  war. 
Schade,  dafs  er  bald  nur  seines  eigensten  Vorteiles  gedachte 
und  in  seinem  Kampfe  gegen  den  Vater  recht  unbesonnene,  ja 
verwerfliche  Mittel  anwandte. 

Friedrich  Wilhelm  trug  den  Einwendungen  einigermafsen 
Rechnung  durch  sein  letztes  Testament  vom  16.  Januar  1686. 
Ks  erweiterte  zwar  noch  die  Dotation  seiner  Gemahlin,  machte 
aber  die  Ernennung  und  Absetzung  der  Beamten  in  den  fünf 
Nebenfürstentümem  von  der  Bestätigung  durch  den  jeweilig 
regierenden  Kurfürsten  abhängig.  Hiermit  wurde  allerdings  das 
Band  gefestigt,  das  die  einzelnen  Lande  mit  dem  Haupte  des 
Kurhauses  zusammenhielt.  Indes  schon  der  Name  der  Einzel- 
fürstentümer, die  verhältnismäfsige  Selbständigkeit  der  Ver- 
waltung und  Gesetzgebung  in  ihnen  und  die  bei  der  Dürftigkeit 
des  ohnehin  unter  dem  Steuerdrucke  fast  erliegenden  Staates 
erschreckende  Höhe  der  Dotationen  für  die  jüngeren  Linien 
blieben  schwere  Fehler,  die  für  die  Zukunft  das  Werk  des 
(irofsen  Kurfürsten  wieder  in  Frage  stellten.  Zum  Glücke  ist 
die  Ausführung  unterblieben  und  damit  Friedrich  Wilhelms 
Schöpfung  --  soll  man  sagen :  gegen  seinen  eigenen  Willen  ?  — 
gerettet  worden. 

Für  sich  selbst  hatte  dieser  Fürst  sich  die  höchste  und  aus- 
schlaggebende Macht,  je  älter  er  wurde,  um  so  eifersüchtiger 
gewahrt.  Ein  Beweis  der  subalternen  Stellung,  die  er  seinen 
Ministem  zudachte,  war  es,  wenn  er  nicht  allein  zuliefs,  sondem 
geradezu  forderte,  dafs  sie  von  fremden  Mächten  bei  passender 
Gelegenheit  reiche  Gaben  erhielten  ^    Es  lag  hierin  der  Aus- 

'  Aufser  vielen  anderen,  dokumentarisch  belegten  Beispielen  sehe 
man  darüber  Prutz,  S.  134  ff. 


40  Sechstes  Buch. 

druck  seines  Bewufstseins ,  dars  die  Haltung  seiner  Diener  un- 
schädlich sei,  da  die  Entscheidung  doch  immer  von  ihm  selbst 
ausgehe.  Solche  Schenkungen  waren  kaum  verfänglicher,  als 
wenn  in  der  Gegenwart  Staatsmänner  mit  fremden  Orden  ge- 
schmückt werden. 

Unmittelbar  nach  dem  Nordischen  Kriege  herrschte  in  der 
Umgebung  des  Kurfürsten  der  Gegensatz  zwischen  dem  längst 
in  Gunst  befindlichen,  milden  und  adelsfreundlichen  Oberpräsi- 
denten von  Schwerin  und  dem  frisch  geadelten,  bureaukratisch 
und  absolutistisch  gesinnten,  tatkräftigen,  selbstischen,  gewissen- 
und  bis  zur  Roheit  rücksichtslosen  Friedrich  von  Jena.  Im 
ganzen  überwog  Jena,  der  dem  Kurfürsten  persönlich  nicht  so 
nahe  stand  wie  Schwerin,  seinen  Plänen  und  Absichten  aber 
mehr  entsprach ^  Übrigens  war  Jena,  wie  sogar  seine  Feinde 
zugestanden,  gründlich  gelehrt  und  führte  eine  vorzügliche 
Feder'.  Zur  Faktion  des  Oberpräsidenten  gehörten  die  Kur- 
fürstin Luise  Henriette,  Fürst  Radziwill,  Herzog  von  Croy, 
sowie  die  Geheimräte  von  Brandt  und  Kleist  An  seinen  Wider- 
sacher schlofs  sich  besonders  der  Bielefelder  Steuerempfängers- 
sohn Franz  Meinders  an  (geboren  1630),  in  klassischer  und  in 
französischer  Bildung  gleich  erfahren,  liebenswürdig  und  ge- 
wandt. Im  Privatdienste  Waldecks  emporgekommen,  hatte  er 
sich  durch  Eifer  und  Geschick  dem  Kurfürsten  empfohlen  und 
war  1656  in  dessen  Beamtenschaft  eingetreten.  Hier  hatte  er, 
zuerst  in  der  Stellung  eines  Kriegsrats,  sich  derart  ausgezeichnet, 
dafs  Friedrich  Wilhelm  ihn  bald  zu  diplomatischen  Geschäften 
verwandte,  dann  —  1669  —  mit  der  provisorischen  Verwaltung 
des  General -Kriegskommissariats  betraute  und  1672  in  den 
Geheimen  Rat  berief,  wo  er  damals,  nach  Erhebung  Jenas  in 
den  Adelsstand,  der  einzige  Bürgerliche  war.  Der  kluge,  kecke, 
stets  froh  zur  Arbeit  aufgelegte,  dabei  sich  unbedingt  be- 
herrschende und  bescheidende  Mann,  der  die  Sprache  der 
Diplomatie  —  das  Französische  -—  mit  seltener  Korrektheit 
nicht  nur  sprach,  sondern  auch  schrieb,  spielte  bald  eine  be- 
deutende Rolle  zur  Seite  Jenas. 

Dieser  war  besonders  in  der  Angelegenheit,  die  während 


1  Lisola  an  Walderode,  6.  JuU  1663;  U.  u.  A.,  XIV,  148. 
■  Kurfürstin  Luise  Henriette  an  Schwerin,   1663;  Orlich,   Preufs. 
Staat,  in,  451. 


FOnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     41 

der  Jahre  1661  und  1662  im  Vordergründe  des  Interesses  für 
den  Kurfürsten  stand  —  dem  Kampfe  mit  den  preufsischen 
Ständen  — ,  mit  seiner  streng  absolutistischen  Gesinnung  dem 
Herrn  viel  nähergetreten  als  der  adelsfreundliche  und  stets 
zur  Versöhnung  ratende  pommersche  Edelmann.  Schwerin  wurde 
über  den  Verlust  seines  mafsgebenden  Einflusses  so  aufgebracht, 
dafs  er  sogar  seine  eifrigsten  Gönner,  wie  die  Kurfürstin  und 
den  Fürsten  von  Anhalt,  beschuldigte,  mit  Jena  gegen  ihn  ver- 
schworen zu  sein.  Die  Ernennung  zum  Erzieher  des  Kurprinzen 
(1662)  erschien  ihm  wie  eine  ehrenvolle  Verbannung,  und  so 
erlangte  er  von  dem  Kurfürsten  Entbindung  von  einem  Teile 
seiner  öffentlichen  Geschäfte  (1663).  Fünf  Jahre  später  hat  er 
noch  eine  weitere  Entlastung  durchgesetzt,  so  dafs  er  seine 
Tätigkeit  auf  die  Erziehung  der  Prinzen  und  Erteilung  von 
Ratschlägen  beschränkte,  wenn  solche  gefordert  wurden.  Allein, 
Friedrich  Wilhelm  hat  ihn  im  Grunde  für  den  treuesten  und 
ihm  persönlich  ergebensten  Berater  gehalten,  seine  sittliche 
Überlegenheit  über  Jena  stets  anerkannt,  deshalb  seine  oft 
wiederholten  Entlassungsgesuche  mit  gütigen  Worten  abgelehnt 
und  sich  in  allen  wichtigen  Angelegenheiten  immer  wieder  an 
ihn  gewendet.  Ihr  vertraulicher  Briefwechsel  ging  Jahr  für 
Jahr  von  statten,  und  gerade  die  geheimsten  Dinge  wurden 
zwischen  dem  Kurfürsten  und  seinem  ziemlich  gleichalterigen 
Oberpräsidenten  verhandelt,  ohne  dafs  dieser  freilich  seine  An- 
schauungen immer  durchzusetzen  im  stände  war\ 

Der  Gegensatz  zwischen  Frankreich  und  den  Habsburgem 
und  die  sich  hieran  knüpfenden  diplomatischen  und  kriegerischen 
Verwicklungen  brachten  dann,  um  das  Jahr  1666,  eine  neue 
Konstellation  am  Berliner  Hofe  zuwege.  Schwerin,  der  früher 
"-  noch  1662  —  ein  Gegner  Frankreichs  gewesen  war^,  hielt 
nunmehr  jeden  Widerstand  gegen  diesen  Staat  für  aussichtslos 
und  strebte  deshalb  ein  Bündnis  Brandenburgs  mit  König  Ludwig 
an.  Gleicher  Ansicht  war  Meinders,  dessen  französierende 
Bildung  und  occidentales  Wesen  ihn  ohnehin  Frankreich  günstig 
stimmte.  Auf  einer  diplomatischen  Sendung  verlebte  er  den 
Winter  1668  in  Paris  und  erhielt  hier   einen  tiefen  Eindruck 


>  Orlich,   Preufs.   Staat,  I,    248 ff.,   HI,   167 ff.  460.  —  ü.  u.  A., 
Bd.  IX.  XII.  XVIII. 

«  U.  u.  A.,  IX,  618  ff. 


42  Sechfltes  Buch. 

von  der  Gröfse,  Macht,  Kultur  und  dem  Reichtum  dieses  Landes: 
eine  Stimmung,  die  ihn  Brandenburgs  Interesse  um  so  mehr  in 
engem  Anschlufs  an  Frankreich  suchen  liefs.  Friedrich  von  Jena 
dagegen  war  für  eine  Allianz  mit  dem  glaubensverwandten 
Holland  und  dem  Kaiser  und  fand  dabei  den  Beifall  Johann 
Georg  von  Anhalts,  der  hierüber  sich  von  Schwerin  trennte, 
sowie  des  Feldmarschalls  Derfflinger,  des  Generalleutnants  von 
der  Goltz  und  des  Oberstallmeisters  von  Pöllnitz.  Indem  der 
Kurfürst,  nach  mannigfachen  Schwankungen,  sich  1672  und  be- 
sonders 1674  für  diese  letztere  Partei  erklärte,  traten  Schwerin 
und  Meinders,  zumal  in  betreff  der  äufseren  Politik,  in  den 
Hintergrund.  Gegen  Meinders  wurden  überdies  die  bittersten 
Anklagen  erhoben:  er  habe  bei  Abschlufs  des  Vertrages  von 
Vossem  das  Interesse  des  Kurfürsten  dem  Frankreichs  geopfert; 
er  habe  von  letzterm  ein  Porträt  Ludwigs  XIV.,  mit  Diamanten 
besetzt  und  20  000  Taler  wert,  ein  Silberservice  und  viele  Tausende 
von  Talern  an  barem  Gel  de  erhalten.  Allein,  er  wufste  diese 
Anschuldigungen  zu  widerlegen:  an  Geldgeschenken  habe  er 
nur  die  üblichen  „zur  Kette*",  d.  h.  zur  Beschaffung  des  ge- 
wöhnlichen Gesandtengeschenkes,  einer  goldenen  Kette,  sowie 
ein  Porträt  Ludwigs  XIV.  erhalten  ^  Jedenfalls  ein  Beweis,  dafs 
er  bei  diesem  Könige  in  hoher  Gunst  stand.  Das  hinderte  jedoch 
nicht,  dafs  der  kluge  Meinders  es  bald  verstand,  sein  Interesse 
von  dem  des  Oberpräsidenten  zu  trennen  und  sich  dem  Kur- 
fürsten von  neuem  durch  seine  flinke,  gewandte  Feder  und 
durch  sein  Talent  als  Unterhändler  unentbehrlich  zu  machen. 
Schon  seit  1669  „hatte  er  die  Hand  fast  in  allen  vornehmen 
Negotiis*" '.  Sein  wachsender  Einflufs  verstimmte  den  zu  Bitter- 
keit und  Neid  neigenden  Jena,  der  sich  zum  ersten  Male 
dem  damals  halb  in  Ungnade  gefallenen  Schwerin  näherte. 
Beide  suchten  im  Bewufstsein  ihrer  treuen  Dienste  und  in  einer 
Frömmigkeit  Trost,  die  wenigstens  bei  dem  Oberpräsidenten 
natürlich  und  aufrichtig  war.  Schwerin,  der,  seit  1676  auch 
der  Erziehung  der  Prinzen  enthoben,  fern  vom  Hofe  in  Kleve 
weilte,  schrieb  von  dort  aus:  „Ich  lebe  hier  nach  meinem  Wunsche 
ganz  zurückgezogen  und  komme  fast  nicht  aus  meiner  Kammer. 


^  Ms.  Verantwortungsschiiften  Meinders*  an   den  Kurf.,  Nov.  1673 
u.  28.  Febr./8.  März  1674;  Berlin,  Geh.  Staatsardiiv,  Bep.  92,  Meinders,  4. 
«  Goefs  an  d.  Kaiser,  23.  Juli  1669;  U.  u.  A.,  XIV,  425. 


Ffinfimddreüsigstes  Kapitel.    Der  Grofae  Kurfürst  u.  sein  Hof.     43 

Dieoccupationesaulicae  haben  mich  viele  Jahre  verhindert, 
etwas  zu  lesen ;  wenn  ich  jetzt  dazu  komme,  ist  mir  alle  Arbeit 
zuwider,  die  mich  daran  verhindert.^  Aber  solche  Entsagung^ 
obwohl  gewifs  aufrichtig  gemeint,  war  eine  Selbsttäuschung: 
wer  einmal  im  Besitze  der  Macht  gewesen,  entbehrt  solche  nur 
mit  Kummer.  Schwerins  stete  Klagen,  seine  wiederholten  und 
gereizten  Entlassungsgesuche  beweisen  das  ebenso  deutlich  wie 
sein  tiefer  Hafs  gegen  den  Bielefelder  Emporkömmling.  „Ich 
habe  gesehen,"  schreibt  er  1677  an  den  Herzog  von  Croy,  „was 
Sie  an  Meinders  geschrieben;  bitte  untertänigst,  Ew.  Gnaden 
wollten  deshalb  in  Ruhe  sein,  denn  ich  selbigem  Menschen  nur 
antworte  auf  seine  Schreiben,  wenn  er  wegen  Sr.  Kurf.  Durchl. 
Geschäfte  etwas  überschickt.  Indigna  Gaesaris  via." 
Wenige  Monate  darauf  fiel  er  bei  dem  Kurfürsten  vollends  in 
Ungnade.  Friedrich  Wilhelm  war  sogar  dazu  geneigt,  ihn  auch 
der  Form  nach  zu  entlassen,  zumal  der  Prinz  von  Oranien  mahnte, 
im  Interesse  des  guten  Einverständnisses  mit  den  Verbündeten  den 
französisch  gesinnten  Schwerin  zu  beseitigen,  den  er  fälschlich 
schnödesten  Eigennutzes  und  der  Bestechung  durch  die  Schweden 
beschuldigtet  Als  aber  die  Vereinigten  Provinzen  und  bald 
darauf  auch  Spanien  und  der  Kaiser  von  Brandenburg  abfielen 
und  dieses  sich  wieder  Frankreich  zuwandte ,  kam  naturgemäfs 
der  Oberpräsident  zu  neuer  Geltung.  Wir  sehen  seit  der  Mitte 
des  Jahres  1678  den  Kurfürsten  beständig  die  geheimsten 
politischen  Angelegenheiten  mit  ihm  verhandeln.  Sein  Abschieds- 
gesuch wurde  in  den  schmeichelhaftesten  Ausdrücken  abgelehnt, 
er  nur  zu  seiner  gröfseren  Bequemlichkeit  von  den  Geschäften 
eines  Oberpräsidenten  des  Geheimen  Rats  entbunden  ^.  Aber  den 
tatsächlich  ausschlaggebenden  Einflufs  bewahrte  doch  Meinders, 
dessen  energische  Ratschläge  den  Kurfürsten  weit  sympathischer 
berührten  als  die  zögernde  Vorsicht  Schwerins,  dessen  angeborene 
Bedenklichkeit  durch  vorzeitiges  Greisentum  und  Körperschwäche 
noch  gesteigert  wurde.  Dem  Herzoge  von  Croy  gegenüber  be- 
klagte er  sich,  im  April  1679,  über  Meinders'  alles  beherrschendes 
Ansehen:   „Ich  danke  Ihnen,  dafs  Sie  ein  so  hoher  Patron  des 


1  Ms.  Uranien  an  den  Kurf.,  20J30.  März  1678;  Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv, Bep.  92,  Meinders,  6. 

"  Orlich,  Preufe.  Staat,  III,  298  ff.  —  Das  Folgende:  ebendas. 
I,  255f.,  und  Strecker,  92f. 


44  Sechstes  Buch. 

Adels  sind;  Gott  vergelte  es  Ihnen;  es  ist  aber  bald  um  den- 
selben getan.  Diejenigen  (der  Kurfürst!),  so  ohne  den  Adel 
nicht  aufkommen  können,  sind  dessen  Verfolger  und  Bedrücker.' 
Worte ,  die  für  die  Denkweise  Schwerins  sehr  bezeichnend  sind 
und  von  neuem  dartun,  dafs  er  seiner  ganzen  Gesinnung  nach 
mit  seinem  Herrn  in  der  inneren  Politik  ebensowenig  wie  in 
der  äufseren  übereinstimmte. 

Wenige  Monate  später  —  14.  Nov.  1679  —  ist  der  treffliche 
Mann  im  zweiundsechzigsten  Lebensjahre  gestorben.  Er  war 
der  einzige  der  damaligen  brandenburgischen  Staatsmänner,  der 
stets  und  grundsätzlich  die  fremden  „Gratifikationen"  höflich, 
aber  bestimmt  zurückgewiesen  hat^  An  Gewissenhaftigkeit, 
Treue  und  Pflichtgefühl  kam  ihm  keiner  der  Räte  des  Kurfürsten 
gleich,  und  das  erklärt,  weshalb,  trotz  aller  Verschiedenheit  der 
Ansichten  und  Ziele,  Friedrich  Wilhelm  sich  immer  wieder  ihm 
zuwandte. 

Sein  Sohn,  der  jüngere  Otto  von  Schwerin,  blieb  stets,  wie 
der  Vater,  ein  Anhänger  des  französischen  Bündnisses  ^  Allein, 
sein  Einflufs  am  brandenburgischen  Hofe  war  gering. 

\  Zu  dieser  Gruppe  gehörte  auch  Burggraf  Christian  Albrecht 
von  Dohna,  der  sich  dem  Oberpräsidenten  angeschlossen  hatte. 
Er  war  jedoch  wenig  beliebt,  sowohl  bei  Hofe  wie  bei  den 
Bürgern,  und  als  arger  Bauernschinder  berüchtigt.  Nur  die 
Gunst  Luise  Henriettens  hat  ihn  gehalten '. 

Einer  der  eifrigsten  Anhänger  Frankreichs  war  lange  Zeit 
hindurch  der  General  von  der  Goltz  gewesen,  ein  geborener 
Pole,  der  in  französischen  Diensten  gestanden  und  dort  den 
Spitznamen  „der  kleine  polnische  Oberst"  geführt  hatte.  Als 
ihr  Parteigänger  wird  er  von  den  französischen  Diplomaten  seit 
dem  Jahre  1663  genannt.  Er,  der  hohe  brandenburgische  Offizier, 
diente  ihnen  geradezu  als  Spion,  unterrichtete  sie  von  den  Ge- 
heimnissen des  Hofes  und  des  Rates  und  verdiente  so,  in  ihren 
Depeschen  als  ihr  vornehmster  Freund  bezeichnet  zu  werden.  Er 
blieb  ihnen  noch  1669  treu,  als  fast  alle  anderen  brandenburgischen 
Staatsmänner   ihre  Partei    verlassen   hatten.     Er  hat  die  Er- 

^  Man  sehe  seinen  Brief  an  Yerjus,  1.  Mai  1673;  Prutz,  SSL 
2  Waddington,  Pnisse,  282. 

*  W.  Bibeck,  Aus  Berichten  des  hess.  Sekr.  Lincker;  Forsch,  z. 
brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  Xu  (1899),  S.  154  f. 


POnfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     45 

gebenheit  für  seinen  ehemaligen  Kriegsherrn  bis  zum  Verrat  an 
seinem  gegenwärtigen  getrieben  ^  Und  doch  ist  er  später, 
Dflter  der  Einwirkung  Der£flingers,  mit  seinem  Freunde  PöUnitz 
zu  den  Franzosenfeinden  übergegangen. 

Gerhard  Bernhard  von  Pöllnitz  hat  am  Berliner  Hofe  keine 
leitende,  aber  doch  eine  glänzende  und  einflufsreiche  Rolle 
gespielt.  Er  war  Oberstallmeister,  Oberst  der  Leibgarde  zu 
Fufs,  erhielt  schon  1657  den  Rang  eines  Generalmajors  und 
wurde  1670  Gouverneur  von  Berlin*.  Er  hatte  diese  Beförde- 
rung weniger  seiner  persönlichen  Bedeutung  als  seiner  Ehe 
mit  Gräfin  Eleonore  von  Nassau,  einer  Verwandten  Luise 
Henriettens,  zu  danken.  In  dem  Hause  des  grofsen  Marschalls 
von  Turenne  erzogen,  galt  er  als  durchaus  französisch  gesinnt. 
Er  nahm  von  den  Gesandten  dieser  Nation  Geschenke  und  ver- 
sprach ihnen  dafür,  den  Kurfürsten  ihren  Vorschlägen  geneigt 
zu  machen.  Er  galt  ihnen  geradezu  als  einer  ihrer  Vertrauten 
(affid^s).  Allein,  schon  1667  begann  Pöllnitz  zu  wanken,  „nach 
beiden  Seiten  hin  seinen  Vorteil  zu  suchen*^,  wie  Millet  sich 
ausdrückte.  Der  Oberstallmeister  war  vor  allem  ein  Neider 
Schwerins ;  und  als  er  sah,  dafs  er  auf  dem  bisher  eingeschlagenen 
Wege,  trotz  seiner  Verwandtschaft  mit  der  Kurfürstin,  den 
Oberpräsidenten  weder  aus  ihrem  noch  aus  ihres  Gemahls  Ver- 
trauen werde  verdrängen  können,  trat  er  direkt  als  sein  politi- 
scher Gegner  auf.  So  hat  nur  Ehrgeiz,  der  Wunsch,  Schwerins 
und  Meinders'  Stelle  einzunehmen,  ihn  plötzlich  in  das  diesen 
Männern  feindliche  Lager  geführt  und  zum  ebenso  eifrigen 
Widersacher  der  Franzosen  gemacht,  wie  er  früher  deren  An- 
hänger gewesen  war. 

Friedrich  von  Jena  dagegen  ist  nur  sehr  bedächtig  für  das 
Bündnis  mit  den  Niederlanden  eingetreten.  Er  mufste  in  der 
Tat  fürchten,  dafs  die  französische  Regierung,  wenn  sein  Ver- 
halten sie  allzusehr  reize,  enthüllen  werde,  wie  er  früher  in 
ihrem  Solde  und  in  ihrem  Interesse  gehandelt  hatte,  sogar 
gegen  die  ausdrücklichen  Befehle  des  Kurfürsten.  Der  fran- 
zösische Minister  Lionne  nannte  ihn   „einen  kleinen  Schurken, 


^  Depeschen  der  französ.  Gesandten  in  Berlin:  U.  n.  A.,  U,  248. 
280.  441.  451  f.  454.  461  f.  473.  476. 

■  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preuTs.  Gesch.,  I  (1888X  S.  187.  —  Über  das 
Folgende:  Strecker,  S.  33  Anm.  1;  U.  u.  A.,  II,  288.  418.  441.  448. 
461.  455.  475.  481 ;  Forsch,  z.  brandenb.  u;  preufs.  Gesch.,  YIII,  208. 


46  Sechstes  Buch. 

aber  einen  Menschen,  mit  dem  man  für  Geld  alles  machen  kann""  ^ 
Wie  PöUnitz  ist  auch  der  gewissenlose  Emporkömmling  Jena 
zunächst  durch  den  Gegensatz  wider  Schwerin  zum  Abfall  von 
der  französischen  Partei  bestimmt  worden.  Als  1672  das  Bünd- 
nis mit  den  Generalstaaten  geschlossen  war,  hielt  er,  mit 
Somnitz  und  Ganstein,  an  solchem  fest  und  bekämpfte  den  in 
Yossem  geschlossenen  Frieden.  Er  fürchtete  die  Übermacht 
Frankreichs,  die  den  Kurfürsten  zum  Sklaven  zu  machen  drohe, 
und  dieser  Ansicht  ist  er,  selbst  während  Friedrich  Wilhelm 
mit  König  Ludwig  im  Bunde  stand,  bis  zum  Ende  seines  Lebens 
treu  geblieben.  Er  hat  sich  auch  allen  Entwürfen  auf  Gründung 
einer  brandenburgischen  See-  und  Kolonialmacht  widersetzt, 
weil  solche  den  Generalstaaten  mifsfielen.  Endlich  wurde  er 
ebenfalls  gemäfsigter  Anhänger  der  eigentlich  österreichischen 
Partei :  dafür  mifstraute  ihm  der  Kurfürst,  der  sich  nicht  scheute, 
ihn  als  Verräter  und  Söldling  des  Kaisers  zu  beschimpfen.  Als 
aber  Jena  im  September  1682  plötzlich  starb,  war  der  Kurfürst 
doch  von  dem  Tode  seines  ungefähren  Altersgenossen,  der  einst 
sein  vornehmster  Berater  gewesen,  tief  ergriffen  *. 

Viel  entschiedener  für  den  Anschlufs  an  die  Habsburger, 
zumal  den  Kaiser,  trat  Johann  Georg  IL  von  Anhalt  auf,  dessen 
Ansehen  durch  seine  Succession  im  Fürstentume,  1660,  erhöbt 
wurde.  Es  lebte  in  ihm  das  alte  reichsfürstliche  Bewufstsein, 
das  ihn  nur  einen  Herrn  und  Obern  anerkennen  liefs,  den 
römischen  Kaiser,  während  er  in  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg einen  Gleichberechtigten  von  allerdings  gröfserer  Macht 
sah,  dem  er  sich  lediglich  insoweit  zum  Dienste  verpflichtet 
fühlte,  wie  er  selber  es  für  gut  fand  und  mit  seiner  Pflicht  gegen 
Kaiser  und  Reich  vereinen  konnte.  Sein  heiteres,  allerdings  derb 
sinnliches  Wesen,  seine  nahe  Verwandtschaft  mit  der  Kurfürstin, 
seine  fürstliche  Stellung  verliehen  ihm  bei  Friedrich  Wilhelm  ein 
so  grofses  Ansehen,  dafs  er  im  Beginne  der  sechziger  Jahre 
oberflächlichen  Beurteilen!  als  die  schlechthin  mafsgebende  Persön- 
lichkeit am  Berliner  Hofe   gelten   konnte^.     Jena  verstand  es 


^  Becueil  des  Instructions  donnees  aux  ambassadeurs  de  Francet 
XVI:  Waddington,  Pnisse  (Paris  1901),  S.  76  (Instr.  an  de  Lesseins, 
1661).  S.  122,  Anm.  —  Für  das  Folgende:  ü.  u.  A.,  II,  386.  647;  XR', 
974f.  977. 

'  Ms.  Dep.  Bebenacs  vom  Okt.  1681  und  16.  Sept.  1682  (Auszüge); 
Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  94,  H  IV  b,  10  a. 

•  Dep.  de  Lesseins'  vom  24.  Jan.  und  Antwort  Ludwigs  XIV.  vom 


Ffinfunddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     47 

eben  vortrefflich,  sich  hinter  dem  glänzenden,  laut -fröhlichen, 
prahlenden,  aber  im  Grande  unbedeutenden  Fürsten  zu  verbergen, 
während  doch  er  selber,  nach  der  Verdrängung  Schwerins,  zu- 
nächst der  tatsächlich  leitende  Staatsmann  war.  Anhalt  stMzte 
sich  vornehmlich  auf  seine  Schwägerin  Luise  Henriette,  die  wieder 
durch  ihn  ihre  Wfinsche  zu  verwirklichen  suchte.  Schwerin  hielt 
ihn,  wohl  mit  Recht,  fOr  seinen  Gegner,  obschon  gerade  der  Ober- 
präsident ihn  am  kurfürstlichen  Hofe  eingeführt  und  seine  Ver- 
mählung mit  der  oranischen  Prinzessin  vermittelt  hatte  ^  Zeigt 
sich  hierin  schon  eine  unedle  Gesinnung,  unter  dem  Deckmantel 
derber  soldatischer  Offenheit  und  Fröhlichkeit,  so  auch  darin, 
dafs  er  sich  von  dem  kaiserlichen  Hofe  seine  Ergebenheit  mit 
3<)W0  Reichstalern  (400000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte) 
bezahlen  liefs'. 

Der   Tod   seiner  Schwägerin  Luise  Henriette   gab   seinem 
Einflüsse  einen   argen  Stofs,   zumal  Johann  Georg   und  seine 
Gemahlin   die  Unklugheit  und   Anmafsung  begingen,   sich   zu 
Anwälten  ihrer  Neffen  gegen  den  eigenen  Vater,  den  Kurfürsten, 
aufzuwerfen.    Friedrich  Wilhelm  war  höchlichst  erbittert  darüber, 
dafs  jene  ,»mich  gleichsam  unmündig  machen  wollen,  als  ob  ich 
meine  Kinder  nicht  liebte  und  ihnen  das  Ihrige  verbrächte*'.    Er 
weigerte  sich  deshalb,  den  Fürsten  der  Eröffnung  von  Luisens 
Testament  beiwohnen  zu  lassen.   Dann  kränkte  Friedrich  Wilhelms 
zweite  Vermählung  zumi(l  die  Fürstin,  in  entschuldbarem  schmerz- 
lichem Gedenken  an  die  Schwester.    Allein,  Johann  Georg  wollte 
doch   weder  auf  die  Macht  noch  auf  die  Einkünfte  verzichten, 
die  seine  Berliner  Stellung  ihm  brachte;  letztere  beliefen  sich 
auf   20—30000  Reichstaler  jährlich  (260—400000  Mark  nach 
heutigem  Geldwerte)'.    So  suchte  er  „sich  wieder  zu  insinuieren*". 
Friedrich  Wilhelm  verhielt  sich  zunächst  diesen  Versuchen  gegen- 
über recht  kühl  und  gab  dem  Fürsten  in  jeder  Weise  zu  ver- 
stehen, dafs  er  ihn  nicht  in  seiner  Umgebung  zu  sehen  wünsche^. 
Allein ,  die  gütige  und  treue  Gesinnung  des  Herrschers    trug 
zuletzt  den  Sieg  über  Zorn  und  Mifstrauen  davon.    Johann  Georg 

23.  Febr.  1662.  —  U.  u.  A.,  II,  243f.  256.  441  etc.  --  Lisola  an  den  Kaiser, 

24.  Aug.  1663;  ü.  u.  A.,  XIV,  162, 

»  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  410 ff.;  HI,  451.  455. 

«  U.  u-  A.,  XIV,  488. 

'  Ebendas.,  S.  418. 

*  U.  u.  A.,  XII,  923-929. 


50  Sechstes  Buch. 

hielt  durchaus  an  seinen  vertragsmäfsigen  Befugnissen  fest  und 
duldete  nicht,  dafs  Offiziere  ohne  sein  Vorwissen  angestellt 
wurden.  Seines  Wertes  war  er  sich  wohl  bewufst;  er  betonte 
gern,  dafs  er  ^seine  zeitlichen  Gflter  nicht  ererbt,  sondern 
durch  gnädige  Verleihung  Gottes  mit  seinem  Degen  erworben 
habe".  Deshalb  war  er  ein  scharfer,  oft  recht  unbequemer 
Kritiker  für  andere.  Deshalb  auch  forderte  er  1678,  an  Stelle 
des  Herzogs  von  Croy,  die  Statthalterschaft  von  Pommern  und 
verlangte,  als  solche  ihm  nicht  zufiel,  abermals  seine  Entlassung. 
Der  Kurfürst  mufste  den  Aufsässigen  wiederholt  mit  schweren 
Strafen  bedrohen ,  mochte  aber  am  Ende  des  trefflichen  Führers 
und  Beraters  nie  entbehren  und  nahm  von  ihm  vieles  hin,  was 
er  von  anderen  nicht  ertragen  haben  würde.  Wufste  er  doch, 
dafs  Derff linger  ein  einfacher,  gerader  und  ehrlicher  Mann  sei, 
unfähig  jeder  Intrigue,  und  dafs  man  sich  auf  seine  Recht- 
schaffeuheit  und  Treue  unter  allen  Umständen  ebenso  fest 
verlassen  könne  wie  auf  seine  kühne  Unternehmungslust,  mili- 
tärische Sachkenntnis  und  Klugheit.  So  hielt  er  ihn  in  seinem 
hohen  Amte  fest;  wenn  Intriganten,  wie  der  General-Feldzeug- 
meister Herzog  August  von  Holstein,  sich  auf  Derfflingers  Ämtern 
und  Würden  als  Erben  einzuführen  suchten,  fanden  sie  bei  dem 
Kurfürsten  ungnädige  Aufnahme.  Aber  sobald  der  Feldmarschall 
seinen  Willen  durchgesetzt  hatte,  beklagte  er  sich  umgekehrt: 
„Es  liegt  mir  alle  Last  wiederum  einzig  und  allein  auf  dem 
Halse.^     Es  war  ihm  nichts  recht  zu  machend 

Von  mittlerer  Gröfse,  hager,  aber  kräftig  gebaut,  trug 
Derff  linger  ein  kluges,  energisches  Antlitz  zur  Schau,  mit 
welligem  Haar,  freier  Stirn,  hochgezogenen  Brauen,  etwas  vor- 
tretenden Backenknochen,  scharfer,  mäfsig  gebogener  Nase. 
Über  den  schmalen  Lippen  safs  das  gewellte  Schnurrbärtchen, 
und  auch  das  kräftig  hervortretende  Kinn  zeigte  eine  schmale 
„Fliege". 

Das  Alter,  das  ihm  freilich  —  selbst  nach  der  Meinung 
seines  Feindes  Röbenac  —  „die  volle  Kraft  und  das  Feuer  eines 
Dreirsigjährigen**  beliefs,  stimmte  den  Haudegen  nicht  milder. 
Sein  Grimm  gegen  die  Franzosen  war  so  grofs,  dafs  er  sich 
selbst  der  Anstellung  hugenottischer  Offiziere  im  brandenburgischen 


^  Ms.  Korreap.  Derfflingers  mit  dem  Prinzen  von  Hessen-Homborg; 
Berlin,  Geb.  Staatsarchiv,  Bep.  94,  lY  Hb,  5  k. 


FfinfonddreUsigstes  Kapitel.    Der  Grolse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     51 

Heere  heftig  widersetzte.  Der  Gedanke  vollends ,  dafs  er  an  der 
Seite  Frankreichs  gegen  Deutsche  kämpfen  solle,  versetzte  ihn 
in  einen  Zorn,  der  die  Grenzen  der  Schicklichkeit  wie  der 
Pflicht  überschritt.  „Ich  will  mich  lieber  in  Stflcke  hauen 
lassen/  rief  er  aus,  „als  die  kurfürstliche  Armee  gegen 
Ew.  Kurf.  Durchl.  Ehr'  und  Gewissen,  auch  Ihre  und  des  Reiches 
Wohlfahrt  zu  kommandieren.*'  Er  verweigerte  damals  dem 
Grafen  R6benac  den  Grufs,  und  als  der  französische  Diplomat 
ihm  eine  höfliche  Botschaft  sandte  und  ihn  um  Aussöhnnng 
anging,  Hefs  ihm  der  Feldmarschall  antworten:  er  habe  des 
von  R^benac  Visite ,  noch  seine  und  seines  Königs  Freundschaft 
niemalens  verlanget,  —  und  dabei  blieb  es.  Aber  es  gewinnt 
uns  doch  für  den  groben  Recken,  wenn  wir  erfahren,  dafs  er 
in  jener  Zeit  unbedenklicher  Habsucht  nicht  allein  die  Bestechung, 
die  R^benac  ihm  anbot,  verächtlich  zurückwies,  sondern  sogar 
30000  Taler  —  390000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte  — 
ablehnte,  die  der  Kurfürst  selber  ihm  geben  wollte,  wenn  er 
den  Oberbefehl  auch  gegen  deutsche  Feinde  zu  führen  bereit 
sei.  Er  verliefs  unwillig  den  Hof;  er  sah  mit  Zom^  dafs 
hugenottische  Offiziere  ganze  Regimenter  erfüllten  und  zu  hohen 
Kommandostelleu  berufen  wurden.  Allein,  die  Intriguen  R^benacs, 
die  auf  seinen  völligen  Sturz  hinzielten,  schlugen  fehl.  Friedrich 
Wilhelm  hegte  eine  so  hohe  Meinung  von  Derfflingers  militärischer 
Tüchtigkeit,  eine  so  herzliche  Dankbarkeit  für  dessen  Verdienste 
um  den  Staat,  eine  so  gründliche  Hochachtung  für  die,  wenn- 
gleich rauhe  und  polternde^  so  doch  echte  Ehrlichkeit  des  Alten, 
dafs  er  ihm  immer  wieder  verzieh  und  ihn  zu  sich  berief.  Sobald 
aber  Deriflinger  in  Berlin  war,  trat  er  o£fen  für  die  Interessen 
des  Kaisers  und  der  Holländer  ein.  Ihm  ist  es  zum  grofsen  Teil 
zu  danken,  dafs  der  Kurfürst  dem  Wiener  Hofe  1686  eine  Türken- 
hilfe bewilligt  hat. 

Allein  diese  Tatsache  gehört  einer  späteren  Zeit  an.  Es 
hatte  mit  der  neuen  Epoche  der  brandenburgischen  Politik,  die 
mit  dem  französischen  Bündnisse  (1679)  einsetzte,  eine  veränderte 
Gruppierung  der  hauptsächlichsten  Berater  des  Kurfürsten  statt- 
gefunden. Schwerin  starb  gerade  damals,  bald  nach  ihm  Fürst 
Johann  Moritz  von  Nassau ,  dann  Hoverbeck ,  Koppen ,  Friedrich 
von  Jena,  Canstein.  Ein  jüngeres  Geschlecht  trat  in  den  Vordergrund. 

Mafsgebender  Minister  wurde  der  Führer  der  französischen 
Partei,  der  inzwischen  geadelte  Franz  von  Meinders.    Er  fand 

4* 


52  Sechstes  Buch. 

seine  Überzeugung,  dafs  Brandenburg  im  Kampfe  gegen  das 
übermächtige ,    unwiderstehliche    Frankreich    nur    Niederlagen^ 
Demütigung,   Schwächung,  ja  Untergang  zu  befürchten  habe, 
durch    die    Erfahrungen    der   vorhergehenden    Jahre    reichlich 
bestätigt.    Er  holte  aus  der  Fülle  seiner  Gelehrsamkeit,  von 
Kaiser  Augustus  bis  auf  Hugo  Grotius,  Belege  hervor,  die  einem 
schwächeren  Staate  den  Anschlufs  an  den  stärkeren,  wo  möglich 
an  den  stärksten    anrieten.    Er  wünschte  durchaus  nicht,  dafs 
der  Kurfürst  sich  würdelos  dem  Allerchristlichsten  Könige  unter- 
werfe,  sondern   nur,   dafs  er  sich  diesem  als  vollberechtigter 
Bundesgenosse  geselle,  dabei  im  Reiche  seine  Stellung  wahre 
und,  gleichsam  als  Verteidiger  der  fürstlichen  „Libertät*'  gegen 
die  „Tyrannei**  des  Hauses  Österreich,  die  übrigen  Reichsfürsten 
um    sich    schare.     Als   echter  Emporkömmling   eifrig   um  die 
Mehrung   seines   Familienvermögens  bemüht,    scheute   er   sich 
nicht,  reiche  „Ergetzlichkeiten**  von  Frankreich  anzunehmen,  — 
er  hat  in  vier  Jahren  nicht  weniger   als  53550  Livres  (etwa 
220000   Mark   nach    heutigem   Geldwerte)    von   diesem   Staate 
erhalten.    Allein,   wenn   er   auch    in  diesem  kitzlichen  Punkte 
minder   vornehm  dachte    als  Schwerin  und  Derfflinger,  so  hat 
er  doch,  nach  dem  eigenen  Zeugnis  R6benacs,  niemals  für  das 
fremde  Geld  Ehre   und  Interessen  seines  Herrn  geopfert.    Mit     j 
einem  Goltz  oder  PöUnitz  dürfte  man   ihn   nicht  vergleichen,     i 
Im  Innern  des  Staates  war  er,  der  Beamte  bürgerlichen  Ursprungs, 
gerade  wie  sein  früherer  Genosse  Jena ,  ein  eifriger  Vorkämpfer 
landesherrlicher  Vollgewalt.    Er  war  hier,  neben  allen  diplomati- 
schen Geschäften,  unermüdlich  tätig,  verbessernd,  reformierend, 
ausgleichend,  ein  tüchtiger  und  zuverlässiger  Yerwaltungsbeamter, 
allerdings  ohne  grofse  schöpferische  Ideen,  geeigneter  zur  Aus- 
führung als  zu  hoher,  geistvoller  Initiative.    Er  liebte  es,  still 
und  unmerklich  zu  arbeiten,  und  trat  gern  hinter  sein  Werk 
zurück.    Sein  Ehrgeiz  bestand  darin,  der  erste  Diener  seines 
Fürsten,  nicht  dessen  Herr  zu  sein:   das  entsprach  am  meisten 
seiner  Begabung,  und  er  hielt  das  auch  für  das  Sicherste  und 
persönlich  Vorteilhafteste  ^    In  der  Tat   galt  er  während  der 
Jahre   1678—1680  das  meiste,  1680—1685  fast  alles  bei  dem 
Kurfürsten,  der  sich  des  tüchtigen,  gewandten,  stets  zu  allen 


»  Strecker,  87 f.  99.  101  f.  —  Prutz,  130.  186.  -   Bericht  South- 
wells,  1680;  Räumer,  Beiträge,  UI,  476 f. 


FOnfonddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     53 

Geschäften  bereiten  Gehilfen  erfreute.  Allerdings  entfaltete 
Meinders  eine  gewisse  Heftigkeit  und  Leidenschaftlichkeit,  und 
er  prägte  einen  entsprechenden  Charakter  um  so  mehr  der  Politik 
des  KuHÜrsten  auf,  als  er  bei  diesem  hierin  auf  verwandte 
Wesenseigenschaften  stiefs. 

Sein  Sieg  schien  dauernd,  als  sein  einst  überlegener ,  nun 
zurückgedrängter,  aber  von  dem  Kurfürsten  immerhin  gehaltener 
Rival  Friedrich  von  Jena  im  September  1682  starb.  Aus  Gegen- 
satz wider  Meinders  war  Jena  antifranzösisch  geblieben,  hatte 
jedoch  damit  bei  dem  Herrscher  häufige  und  selbst  scharfe 
Zurückweisung  erfahrend  Sein  Hinscheiden  war  immerhin  ein 
neuer  Vorteil  für  Meinders. 

Erst  als  Friedrich  Wilhelm  sich  von  Frankreich  abwandte 

—  im  Jahre  1685  — ,  begann  naturgemäfs  Meinders  an  Einflurs 
zu  verlieren,  der  wieder  an  seinen  jüngeren,  geschmeidigeren, 
grundsatzloseren  Genossen  Fuchs  überging. 

Paul  Fuchs  war  am  15.  Dezember  1640  als  Sohn  eines 
Stettiner  Superintendenten  aus  angesehener  patrizischer  Familie 
geboren.  Nach  sorgfältigen  Studien  auf  drei  deutschen  und  zwei 
niederländischen  Universitäten  erweckte  er — man  weifs  nicht,  wie — 
das  Interesse  Friedrich  Wilhelms,  der  ihn  auf  eine  Bildungs- 
reise durch  das  westliche  Europa  sandte.  Er  trat,  dem  Kur- 
fürsten zu  Gefallen,  zur  reformierten  Kirche  über  und  ward 
zunächst  Professor  der  Rechte  in  Duisburg.    Allein  binnen  kurzem 

—  1670  —  verschaffte  ihm  der  Oberpräsident  von  Schwerin  die 
Stelle  des  Geheimsekretärs  bei  seinem  alten  Gönner,  dem  Kur- 
fürsten. Ein  klarer  Geist,  ein  vorzüglicher  Kenner  der  lateini- 
schen Sprache,  machte  er  sich  dem  Herrscher  sehr  nützlich, 
und  als  er  1682  wirklicher  Geheimrat  wurde,  erhielt  er  nur  die 
äufsere  Sanktioü  der  wichtigen  Stellung,  die  er  längst  tatsächlich 
einnahm. 

Fuchs  schlofs  sich  zuerst  der  franzosenfreundlichen  Politik 
seines  Kurfürsten  und  des  mächtigen  Meinders  an,  zur  grofsen 


»  Prutz,  131  f. 

*  Seine  äuJteere  Geschichte  nach  dem  herzlich  unbedeutenden  Buche 
von  F.  von  Salpius,  Paul  v.  Fuchs  (Leipzig  1877).  —  Über  seine  poli- 
tische Tätigkeit:  Amerongen  an  Fagel,  20.  April  1683  (U.  u.  A.,  m,  688 f.); 
Lamberg  an  den  Kaiser,  24.  Kov.  1681  (das.  XIY,  1010);  Prutz,  130  bis 
132.  135—137.  401;  Ms.  Depeschen  B^benacs  v.  J.  1680  u.  26.  Juni  1685 
(Auazage);  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  94,  lY  H  b,   10  a.. 


54  Sechstes  Buch. 

Genugtuung  Röbenacs,  der  den  Ehrgeiz  und  die  Begabung  des 
jungen  Geheimsekretärs  vollkommen  würdigte  und  ihn  durch 
reiche  Geschenke  in  der  Ergebenheit  gegen  Frankreich  zu 
befestigen  suchte.  Er  galt,  neben  Meinders,  als  der  eifrigste 
Parteigänger  dieses  Staates  in  Berlin  und  erwies  dessen  Gesandtem 
zahlreiche  wichtige  Dienste.  „Der  Sekretarius  Fuchs  ,^  klagte 
1681  der  Kurprinz  dem  Grafen  Lamberg,  „setzt  sich  des  Kaisers 
Interesse  in  allem  und  vor  allen  anderen  entgegen.""  Er  verband 
sich  zu  diesem  Zwecke  selbst  mit  der  Günstlingin  der  Kurfürstin 
Dorothea,  dem  Fräulein  von  Wangenheim,  sowie  dem  General- 
Kriegskommissar  und  Ober  -  Hofmarschall  Ernst  Joachim  von 
Grumbkow.  Dieser  in  seinem  ersteren  Amte  hochverdiente  Mann, 
einst  ein  Anhänger  des  Kaisers,  wurde  durch  seine  ehrgeizige 
hannoversche  Gemahlin  zu  der  für  den  Augenblick  mehr  ver- 
sprechenden französischen  Faktion  hinübergezogen,  so  dafs  er 
geradezu  als  eine  „Kreatur  R^benacs^  bezeichnet  ward,  von  dem 
er  beträchtliche  Geschenke  erhielt,  —  im  ganzen  18000  Livres 
(etwa  80000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte). 

Es  war  eine  starke,  anscheinend  kompakte  Partei,  die  sich 
so  um  R^benac  scharte.  Gegen  sie  konnte  weder  der  unzuver- 
lässige, mit  seinem  Vater  zerfallene  Kurprinz  noch  der  einfluls- 
lose  Anhalt ,  noch  der  nur  als  Krieger,  nicht  aber  als  Politiker 
geschätzte  Derfflinger  oder  gar  ein  Pöllnitz  aufkommen.  „Ich 
vermag  solches  nicht  zu  wenden,^  gesteht  der  Kurprinz  dem 
kaiserlichen  Gesandten,  „sondern  mufs  nur  der  göttlichen  Allmacht 
hinstellen,  dafs  solche  meinem  Herrn  Vater  heilsame  Gedanken 
eingeben  möchte.** 

Da  geschah  es,  dafs  der  ehrgeizig  aufstrebende  Fuchs  sich 
von  dem  ob  seiner  Macht  selbstbewufst  gewordenen  Meinders 
„allzu  bafs  traktieret""  fand.  Er  wollte  auch  seinen  Platz  an 
der  Sonne  haben,  und  Meinders  versperrte  ihm  den  Weg.  Der 
neuernannte  Geheimrat  näherte  sich  also  Lamberg  und  vei-sprach, 
ihm  dazu  behilflich  zu  sein,  dafs  der  Kurfürst  zum  Kaiser 
übertrete  (Dezember  1682).  Hocherfreut  bestärkte  der  Kurprinz 
ihn  in  dieser  Absicht.  Im  Juni  1683  gehörte  Fuchs  schon  mit 
Anhalt,  Derfflinger,  Ganitz  zu  dem  kaiserlich  gesinnten  Quattett, 
das  sich  nicht  scheute,  dem  österreichischen  Gesandten  die 
Geheimnisse  'des  Herrschers  zu  verratend    R6benac  erkannte 


>   ü.  u.  A.,  XIV,  1049.  1061.  1071.  1128. 


FOnfunddreilsigstes  Kapitel.    Der  Grolse  Kurfürst  u.  sein  Hol.     55 

den  Umschwung  wohl:  der  Wunsch,  gegen  Meinders  aufzukommen, 
hat  Fuchs  znm  Gegner  Frankreichs  gemachte  Um  den  Eifer 
des  Neubekehrten  zu  beleben,  beschenkte  der  Kaiser  ihn  mit 
dem  erblichen  Reichsadel  (1683).  Fuchs  hatte  das  Glück,  dafs 
die  Umstände  den  Kurfürsten  allmählich  zu  Österreich  hinüber- 
führten. Seitdem  —  seit  1685  —  erschien  Meinders  naturgemftfs 
als  wenig  geeignet,  die  Politik  Brandenburgs  zu  leiten.  Selbst 
die  Kenntnis  wichtiger  Verhandlungen  ward  ihm  entzogen,  und 
sein  Nebenbuhler  Fuchs  erhielt  den  ersten  Platz  im  Vertrauen 
des  Kurfürsten,  der  ihn  für  den  ehrlichsten  seiner  Diener 
erklärte*.  Meinders  wurde  wiederum,  wie  nach  dem  Friedens- 
schlufs  von  Vossem,  und  dieses  Mal  viel  energischer,  der  Untreue 
und  des  Verrats  im  Dienste  Frankreichs  beschuldigt;  an  der 
Spitze  seiner  Gegner  stand  kein  Geringerer  als  Fuchs,  der  ihn 
doch  als  „meinen  sehr  teuern  Herrn  Bruder^  anzureden 
pflegte.  Man  klagte  ihn  an,  er  sei  „gut  französisch  und  von 
Frankreich  korrumpieret,  ja  sogar  ein  Pensionarius  von  Frank- 
reich^. Friedrich  Wilhelm  mafs  diesen  Angaben  vollen  Glauben 
bei.  Er  bezeichnete  dem  Grafen  R^benac  selbst  Meinders  als 
denjenigen  der  seine  Geheimnisse  verrate,  der  Abschriften  von 
den  ihm  erteilten  allerhöchsten  Befehlen  dem  Gesandten  zukommen 
lasse,  der  noch  andere  Verbrechen  begehe.  Fuchs  suchte  anfangs 
zu  leugnen,  dafs  er  seinem  Nebenbuhler  diese  üblen  Dienste  bei 
dem  Herrn  erwiesen  habe.  Allein,  er  mufste  sie  zuletzt  ein- 
gestehen und  bat  um  Verzeihung,  —  der  Streich  war  ohnehin 
gespielt  und  Meinders  aus  dem  Vertrauen  des  Kurfürsten  ver- 
drängt. Später,  bei  dessen  Nachfolger,  hat  Fuchs  wiederum 
den  Meinders  verleumderisch  als  denjenigen  bezeichnet,  der 
seinem  Vater  geraten,  zum  Exekutor  seines  letzten,  verderblichen, 
Testamentes  den  König  von  Frankreich  zu  ernennen  •. 

Ein  anderer  Staatsmann  bürgerlicher  Herkunft  hätte  den 
Meinders  und  Fuchs  leicht  den  Rang  streitig  machen  können: 
Werner  Wilhelm  von  Blaspeil.  Jenen  an  politischer  Begabung 
gleich,  in  diplomatischen  Geschäften  wohlerfahren,  kam  er  nach 
dem  Frieden  von  St.  Germain  an  den  Berliner  Hof.  Aber  ein 
früher  Tod  befreite  die  anderen  von  seiner  gefährlichen  Mit- 
bewerbung. 


»  Prutz,  401. 

»  Pribram,  öaterreicb  u.  Brandenburg  1688—1700,  S.  11. 

*  Geh.  Staatsarchiv,  Berlin;  B.ep.  92,  Meinders  9.  10. 


56  Sechstes  Buch. 

Eine  nebensächliche  Stellung  hatte  Christoph  Kaspar 
von  Blumenthal  inne.  Ein  Schwiegersohn  des  Oberpr&sidenten 
von  Schwerin,  gelehrt  und  geistvoll,  Verfasser  zahlreicher  rechts- 
und  staatswissenschaftlicher  Schriften,  voll  Interesse  auch  für 
Kunst  und  Literatur,  wie  wenige  Brandenburger  seiner  Zeit, 
war  er,  solange  Schwerin  lebte,  zu  mannigfachen  diplomatischen 
Sendungen  verwandt  worden.  Aber  nach  des  Schwiegervaters 
Tode  trat  er  ebenso  zurück  wie  dessen  eigener  Sohn,  der  jQngere 
Otto  von  Schwerin.  Man  darf  annehmen,  dafs  Meinders  Sorge 
trug,  die  Angehörigen  seines  einstmaligen  Nebenbuhlers  nicht 
aufkommen  zu  lassen. 

Die  Vergeltung  blieb  nicht  aus :  gegen  Ende  der  Regierung 
des  Grofsen  Kurfürsten  war  die  französische  Partei  völlig  in 
den  Hintergrund  geschoben.  Es  war  Fuchs  gelungen,  durch 
Verdächtigungen  aller  Art  Meinders  derart  aus  dem  Vertrauen 
des  kranken  und  mifsmutigen  Herrn  zu  verdrängen,  dafs  dieser 
seinen  ehemaligen  ersten  Minister  einen  schändlichen  Verräter 
nannte \  Jede  Gelegenheit  wurde  benutzt,  um  Meinders  und 
den  mit  ihm  verbündeten  Grumbkow  zu  demütigen  und  auch  vor 
den  fremden  Gesandten  herabzusetzen'. 

Nur  einen  einflufsreichen  Vertreter  besafs  noch  die  französi- 
sche Partei,  den  jungen  Generalleutnant  Hans  Adam  von  SchöniDg 
(geboren  1641)  *.  Er  war  ein  feuriger,  geistvoller,  Selbstbewufst- 
sein  atmender  Offizier.  Sein  kühner  Kitt  durch  die  litauischen 
Wüsten  bei  der  Verfolgung  der  Schweden  hatte  ihm  den  Ruf 
eines  vorzüglichen  Heerführers  verschafft ;  er  war  nach  PöUnitz' 
Tode  Oberst  der  Leibgarde  und  Gouverneur  von  Berlin  geworden. 
Den  greisen,  rauhen  Haudegen  Derfflinger  gab  er  sich  den  Anschein 
gering  zu  achten,  während  er  sich  selber  für  ein  Genie  hielt. 
Vor  Kaiser  und  Reich  hatte  der  kecke  märkische  Edelmann 
nicht  die  mindeste  Achtung,  und  da  Derfflinger  auf  österreichi- 
scher, so  stand  er  auf  französischer  Seite,  wo  Pracht,  Ruhm 
und  feine  Eleganz  ihn  ohnehin  sympathisch  berührten.  Er  nahm 
französisches  Geld,  wie  freilich  viele  andere;   allein,  er  unter- 


^  Prutz,  165. 

a  Vgl.  U.  u.  A.,  in,  797  (Okt  1687). 

*  Über  SchÖning:  Räumer,  Beiträge  z.  neueren  Gesch.,  m,  476; 
Droysen,  m,  III  811;  Prutz,  140 f.;  vorzüglich  auch  die  Ms.  Depeschen 
B^benacs  in  Auszügen  (BerUn,  G-eh.  Staatsarchiv,  Bep.  94,  lY  H  b,  10  o). 


Fttnf unddreifsigstes  Kapitel.    Der  Grofse  Kurfürst  u.  sein  Hof.     57 

hielt  auch  einen  geheimen  Briefwechsel  mit  R^benac,  was  denn 
das  damals  übliche  Mafs  der  Gewissenlosigkeit,  zumal  von  selten 
eines  hohen  Offiziers,  noch  überstieg.  Anderseits  hatte  der 
glänzende  General  sich  des  schwachen  Gemüts  des  Kurprinzen 
zu  bemächtigen  gewufst:  „Der  von  Schöning  vermag  bei  dem 
Herrn  Kurprinzen  landkündigermafsen  alles  ,**  meldet  der 
kaiserliche  Gesandte  Baron  Fridag^  Aber  in  einer  Hinsicht, 
und  zwar  der  politisch  wichtigsten,  konnte  Schöning  den  Prinzen 
nicht  umstimmen :  in  dessen  Devotion  gegen  Kaiserliche  Majestät. 
Schöning  hielt  sich  nichtsdestoweniger  an  den  Prinzen.  Einst- 
weilen war  seine  Bewerbung  um  die  Nachfolge  Derfflingers 
allerdings^  vergeblich.  Der  Kurfürst  war  seinen  Umtrieben  mit 
R^benac  auf  die  Spur  gekommen  und  behandelte  ihn  mit  ent- 
schiedener Ungnade.  Er  verlieh  im  April  1687  die  höchste 
Stellung  im  Heere  dem  soeben  aus  portugiesischen  Diensten  zu 
ihm  übertretenden  ehemaligen  französischen  Marschall  Schom- 
berg:  eine  Tatsache,  die  den  ehrgeizigen  Generalleutnant  nicht 
weniger  kränkte  als  den  alten  Derfflinger.  Sie  war  aber  von 
hervorragender  politischer  Bedeutung,  der  Ausdruck  des  engen 
Anschlusses  des  greisen  Herrschers  an  Schombergs  Freund  und 
Gönner,  Wilhelm  von  Oranien,  und  damit  an  die  grofse  Koalition 
gegen  den  „König  Sonne^  und  dessen  ganz  Europa  bedrohende 
Herrschsucht. 

Nicht  die  Minister  waren  es,  die  in  den  letzten  drei  De- 
zennien von  Friedrich  Wilhelms  Regierung  den  Herrscher  lenkten : 
er  selber  bestimmte  allein  seine  Politik.  Er  zog  jedesmal  die- 
jenigen seiner  Räte  heran,  die  der  augenblicklichen  Richtung 
dieser  Politik  entsprachen,  und  behandelte  deren  Gegner  mit 
Ungnade,  bis  ein  Wechsel  in  seinen  momentanen  Wegen  jene 
beiseiteschob,  diese  wieder  in  die  Höhe  brachte.  Der  Herr 
war  er,  und  er  war  es  grundsätzlich,  seitdem  die  ersten  Lehr- 
und  Injahre  vorüber  gegangen.  Und  Herr  wollte  er  auch  in 
der  inneren  Verwaltung  seines  Staates  sein  oder  doch  werden: 
auf  den  meisten  Gebieten  ist  es  ihm  gelungen,  den  landes- 
herrlichen, zentralisierenden  Absolutismus  zu  begründen. 


1  Depeschen  Fridags  vom  12.  Mai   1687,  17.  März  1688;   U.  u.  A., 
XIV,  136ü.  1400. 


SechsuDddreifsigstes  Kapitel. 

Die  Verwaltung. 


Es  war  das  unausgesetzte  Bestreben  des  Grorsen  Kurfürsten, 
in  allen  Richtungen  des  staatlichen  Lebens  die  mäfsgebende 
und  bestimmende  Gewalt  zu  erlangen.  Der  allmächtige,  all- 
gegenwärtige, in  alles  sich  mischende,  überall  auf  „gute  Polizei*" 
hinarbeitende  Absolutismus  wurde  von  ihm,  wenn  auch  bei 
weitem  nicht  vollendet,  doch  auf  jedem  Gebiete  der  öffentlichen 
Tätigkeit  in  den  Anfängen  dargestellt.  Im  einzelnen  möchte 
man  ein  planvolles,  systematisch  durchdachtes  und  geordnetes 
Vorgehen  seinerseits  hier  kaum  nachweisen  können.  Aber  wo 
immer  er  in  dem  tiefgesunkenen  öffentlichen  Leben  des  damaligen 
Norddeutschland  Eigensucht,  Unredlichkeit,  Lotterei,  Verletzung 
des  sozialen  oder  staatlichen  Interesses  fand,  da  griff  er,  inner- 
halb der  brandenburgischen  Grenzen,  mit  fester  Hand  ein,  durch 
Organisierung  der  landesherrlichen  Aufsicht  und  Leitung,  —  ein 
Prozefs,  der  sich  in  jedem  von  kräftigen  Regenten  beherrschten 
norddeutschen  Gebiete  damals  mit  einer  Art  Naturnotwendig- 
keit vollzog. 

Die  Regierung  des  Grofsen  Kurfürsten  wurde  deshalb  die 
Zeit  der  Enstehung  des  berufsmäfsigen  landesherrlichen  Beamten- 
tums in  Brandenburg  -  Preufsen.  Aber  dieses  Beamtentum 
repräsentierte  nicht  nur  die  fürstliche  Gewalt  gegenüber  der 
ständischen,  sondern  auch  die  Einheit  des  Gesamtstaates  gegen- 
über der  Selbständigkeit  der  einzelnen  der  hohenzoUemschen 
Kurlinie  angehörenden  Lande.  Aus  besonderen  Reichsterritorien, 
die  sogar  zweien  verschiedenen  Süzeränen  —  dem  Kaiser  und 
dem  polnischen  Könige  —  unterworfen  sind,  werden  sie  Provinzen 


Sechsunddreifsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  59 

des  preufsiscben  Staates:  an  die  Stelle  der  blofsen  Personal- 
tritt nunmehr  die  Realunion.  Die  mafsgebenden  Beamten  werden 
nicht  mehr  nach  dem  Indigenatsrechte  der  einzelnen  Provinzen 
angestellt,  sondern  es  wird  für  das  Beamtentum  nur  noch  eine 
allgemeine  kurbrandenburgische  Staatsangehörigkeit  anerkannt 
und  betätigt.  Indem  diese  Beamten  die  eigentliche  öffentliche 
Gewalt  in  allen  Provinzen  in  die  Hand  nehmen,  führen  sie 
unter  der  scharfen  Leitung  des  Landesherm  und  seiner  Räte 
die  Zentralisierung  des  Staates  durch.  Diesen  Umschwung  im 
gegenseitigen  Verhältnisse  seiner  Gebiete  bewirkt,  damit  den 
preufsiscben  Staat  recht  eigentlich  herausgebildet  zu  haben,  ist 
das  gröfste  Verdienst  des  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm.  Er 
hatte  diesen  Verschmelzungsprozefs  so  weit  vollendet,  dafs 
er  selber  ihn  nicht  mehr  rückgängig  machen  konnte:  die  von 
ihm  in  Momenten  der  Verirrung  testamentarisch  angeordnete 
Zerstücklung  des  Staates  scheiterte  nach  seinem  Tode  an  dem 
Widerstände  der  sich  um  das  neue  Staatsoberhaupt  einmütig 
scharenden  hohen  Beamtenschaft. 

Die  landesherrliche  Verwaltung  trat  immer  mehr  an  die 
Stelle  der  entarteten  alten  Selbstverwaltung.  Wie  die  preufsi- 
scben Oberräte  und  die  leitenden  ständischen  Beamten  der  übrigen 
Provinzen  durch  die  Kriegskommissare  brachgelegt  wurden,  so 
erging  es  auch  der  eigentlichen  Lokaladministration.  Auf  dem 
flachen  Lande  fassen  die  vom  Kurfürsten  ernannten,  zum  Teil 
btlrgerlichen  Land-  und  Marschkommissare  von  Jahr  zu  Jahr 
wachsende  Befugnisse  in  ihrer  Hand  zusammen;  in  den  Städten 
werden  seit  1680  Steuerkommissare  von  dem  Kurfürsten  bestellt, 
denen  die  städtischen  Accisebeamten  Rechnung  legen  müssen. 
Diese  Steuerkommissare,  die  freilich  während  der  Regierung 
Friedrich  Wilhelms  nur  erst  in  der  Kurmark  und  dem  Herzog- 
tum Magdeburg  vorkommen,  gewinnen  schnell'  mafsgebenden 
Einfiufs  auf  das  gesamte  Steuer-  und  Finanzwesen  der  Städte  ^ 
Damit  war  die  Axt  an  das  ganz  verkommene  Patrizierregiment 
in  den  Städten  gelegt,  deren  Verwaltung  bald  ebenso  den  landes- 
herrlichen Beamten  unterlag  wie  die  des  flachen  Landes.  Denn 
diejenigen  Behörden,  die  die  Steuererhebung  zu  leiten  hatten, 
taten  leicht  und  schnell  den  Schritt,  sich  um  alle  Dinge  zu 
kQmmern,  die  die  Steuerkraft  der  Untertanen  zu  erhöhen  be- 


^  Acta  Boruaaica,  Behördenorganisation,  I  S.  (98 — 108). 


60  Sechstes  Buch. 

fähigt  waren,  das  heirst  die  gesamte  Verwaltung.  Ja,  in  den 
Städten  wurde  die  landesherrliche  und  bureaukratische  Macht 
noch  gröfser  und  durchgreifender  als  auf  dem  Lande.  Denn 
hier  blieb  die  niedere  Verwaltung  und  Rechtsprechung  in  den 
Händen  der  adligen  Grundbesitzer  und  ihrer  Angestellten;  in 
den  Städten  aber  hörte  die  Selbstverwaltung  allmählich  ganz 
auf,  indem  das  Bestätigungsrecht  des  Landesherrn  ffir  alle  neu- 
gewählten Magistratsmitglieder  in  ein  direktes  Ernennungsrecht 
erweitert,  die  gesamte  Polizeiverwaltung  im  ausgedehntesten 
Sinne  des  Wortes  dem  kurfürstlichen  Steuerkommissar  über- 
tragen ward*. 

Die  leitende  Behörde,  der  Geheime  Rat,  erhielt  seine  weitere 
Ausbildung,  den  Bedürfnissen  der  veränderten  Zustände  ent- 
sprechend, und  trat  entschieden  aus  seinem  alten,  speziell  kur- 
märkischen Geltungsbereiche  heraus  an  die  Spitze  des  gesamten 
Staatswesens.  Seine  Mitglieder  erhielten  als  Wirkliche  Geheime 
Räte  —  zum  Unterschiede  von  den  blofs  Titular  -  Geheimen 
Räten,  Mitgliedern  des  Kammergerichtes,  die  in  den  beim  Ge- 
heimen Rate  bestehenden  Geheimen  Justizrat  berufen  wurden  — 
das  Prädikat  „Exzellenz"*.  Allein,  gerade  diese  äufsere  Ent- 
wicklung der  Stellung  des  Geheimen  Rates  führte  mit  Not- 
wendigkeit eine  innere  Minderung  seiner  Befugnisse  herbei. 
Die  Ziele  und  Aufgaben  des  nach  aufsen  gröfser  und  nach  innen 
mächtiger  gewordenen  Staates  wurden  so  mannigfaltig  und  ver- 
wickelt und  bedurften  so  sehr  einheitlicher,  schneller  und  ver- 
schwiegener Leitung,  dafs  sie  einer  zahlreichen,  schwerfällig 
beratenden  Körperschaft  entwuchsen.  Die  Finanzen  also  wurden 
allmählich  Knyphausen,  die  Heeresangelegenheiten  Derfflinger 
und  Grumbkow,  die  Marine  Raule,  die  äufsere  Politik  Meinders 
und  Fuchs  zur  fast  ausschliefslichen  Behandlung  anvertraut 
Neben  so  begabten  und  tatkräftigen  Departementschefs  sank 
der  Geheime  Rat  zur  Verwaltungsbehörde  zweiten  Ranges  herab, 
die  sich  mehr  mit  den  Einzelheiten  der  laufenden  Geschäfte  als 
mit  den  grofsen  Angelegenheiten  des  Staates  zu  befassen  hatte. 


^  Konr.  Bornhak,  Gesch.  des  preufs.  Yerwaltungsrechtes,  I  (Berlin 
1884),  S.  258  ff. 

*  StÖlzel,  Brandenburg-Prenfsens  Bechtsyerwaltung  und  Rechts- 
Verfassung, 1, 383 ff.  —  Vgl.  Klaprothu.  Cosmar,  Preufs.  u.  Brandenb. 
Geh.  Staatsr.,  I,  209  ff. 


SechsunddreiCsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  (jl 

Der  Theorie  nach  behielt  der  Geheimerat  freilich  seine  hohen 
Befugnisse  als  leitende  Behörde  des  Gesamtstaates,  und  der 
Kurfürst  sowie  sein  Nachfolger  wohnten  noch  häufig  seinen 
Sitzungen  bei. 

So  besafs  man  eine  höchste  Verwaltungsbehörde,  aber  zur 
endgültigen  Organisation  eines  für  den  ganzen  Staat  bestimmten 
einheitlichen  und  selbständigen  Höchstgerichts  ist  der  Kurfürst 
nicht  gelangt  Das  Kammergericht  zu  Berlin  hatte  seine  alte 
Bedeutung  als  oberste  richterliche  Instanz  für  den  Staat  seit 
Erwerbung  zahlreicher,  weit  entlegener  und  andersgearteter 
neuer  Landesteile  verloren  und  behielt  nur  noch  eine  provinzielle 
Geltung  für  die  Marken.  Die  oberste  Entscheidung  in  Justiz- 
sachen für  den  Staat  wurde  nunmehr  in  drei  Departements  ver- 
teilt. Die  Zivilsachen  wurden  seit  1658  von  den  „Geheimen 
Räten  zu  den  Verhören*'  behandelt,  d.  h.  denjenigen  Wirklichen 
und  Titular-Geheimen  Räten,  die  zu  diesem  Behufe,  als  Mit- 
glieder des  „Geheimen  Justizrates*',  dem  Geheimen  Rate  bei- 
geordnet waren:  also  einer  Art  Obertribunal  für  Zivilsachen. 
Die  Kriminalsachen  unterlagen  der  Bearbeitung  eines  aus  der 
Mitte  des  Geheimen  Rates  berufenen  Referenten  und  wurden 
schliefslich  dem  Kurfürsten  selbst  unterbreitet.  Endlich  die 
Lehnssachen  entschied  ein  einzelnes  Mitglied  des  Geheimen  Rates. 

Das  Kammergericht  in  Berlin  selber  blieb  kurmärkisches 
Bemfungs-  und  zugleich  Privilegiertengericht.  Sein  Vorsitzen- 
der war  zugleich  Vorsitzender  der  „Geheimen  Räte  zu  den  Ver- 
hören". Da  die  Kanzlerwürde  seit  1650  erloschen  war,  präsidierte 
beiden  Behörden  der  Vizekanzler  Lucius  von  Rahden.  Allein, 
nach  dessen  Tode,  1686,  ging  auch  dieses  Amt  ein,  und  dafür 
ernannte  der  Grofse  Kurfürst  einen  besonderen  Kammergerichts- 
präsid^nten.  Der  Geheiipe  Rat  behielt  die  beständige  Aufsicht 
aber  das  Kammergericht ^  So  blieb,  in  echt  mittelalterlicher 
Weise,  die  Vermengung  der  Justiz  mit  der  Verwaltung  bestehen, 
die  sich  auch  darin  aussprach,  dafs  einzelne  niedere  Gerichte, 
wie  die  Landgerichte  in  Preufsen,  noch  vielfach  mit  administra- 
tiven oder  vielmehr  polizeilichen  Befugnissen  ausgestattet  wurden  ^. 

^  Stölzel,  Fünfzehn  Vorträge  aus  der  brandenb.  Rechts-  u.  Staats- 
geech.  (Berlin  1889),  S.  951.  —  Friedr.  Holtze,  Gesch.  des  Kammerger. 
in  Brandenb.-PreuLsen,  Bd.  II  (Berlin  1891),  S.  195  ff.  241  f.  290  ff.  312. 

'Isaacsohn  in  der  Zeitechr.  f.  preuts.  Gesch.  u.  Landesk.,  XI 
(1874),  S.  258. 


Q2  Sechstes  Buch. 

Trotz  des  wiederholten  Drängens  der  hier  durchaus  in  ihrem 
Wunsche  berechtigten  St&nde  der  Kurmark  ist  Friedrich  Wilhelm 
nicht  dazu  gekommen,  auch  nur  für  diese  Provinz  ein  von  dem 
Geheimen  Rate  unabhängiges  Höchstgericht  zu  schaffen  ^  Einzelne 
Versuche  dazu  wurden  unternommen,  scheiterten  aber  jedes  Mal  — 
zum  Teile  freilich,  weil  die  Stände  dabei  ihre  Partikularinteressen 
allzusehr  geltend  machten.  Dieses  negative  Ergebnis  ist  sicher- 
lich recht  bedauernswert  und  beweist  von  neuem,  dafs  Friedrich 
Wilhelm  in  seiner  organisatorischen  Tätigkeit  nicht  sowohl  von 
einem  abstrakten  System  als  vielmehr  von  den  jedesmaligen 
Bedürfnissen  der  Kraft  und  Macht  des  Staates  sowie  der 
Herrschergewalt  geleitet  wurde.  Anderseits  erliefs  der  Kurfürst 
am  30.  Januar  1688,  wenige  Monate  vor  seinem  Hinscheiden, 
einen  Befehl  an  das  Kammergericht:  es  solle  sich  niemals 
durch  Reskripte  oder  Dekrete  des  Landesherrn,  die  durch 
importunae  preces  vel  male  narratae  erschlichen  seien, 
in  der  Handhabung  der  Justiz  irremachen  lassen,  sondern  ohne 
Rücksicht  auf  solche  seine  Schuldigkeit  und  Pflicht  nach 
Anweisung  der  Rechte  und  Gewohnheiten  des  Landes  tun.  So 
hat  Friedrich  Wilhelm  als  Vorläufer  des  modernen  Rechtsstaates 
die  Kabinettsjustiz  feierlich  verurteilt. 

Hingegen  wurde  die  Verwaltungsjustiz  in  konsequenter 
Weise  den  ordentlichen  Gerichten  entzogen  und  den  hohen 
Verwaltungsbehörden  selbst  vorbehalten.  Es  ist  das  ein  aber- 
maliger Schritt  zur  administrativen  Allmacht  der  landesherr- 
lichen Gewalt.  Den  Gerichten  wurde  untersagt,  von  den  Ver- 
fügungen der  Beamten  Berufung  anzunehmen,  die  vielmehr  dem 
Geheimen  Rate  zugewiesen  ward.  Beschwerden  und  Klagen 
bezüglich  der  Steuern  gingen  an  die  städtischen  Steuerkommis- 
sare oder  das  Kriegskommissariat,  in  letzter  Instanz  an  den 
Kurfürsten,  d.  h.  wieder  an  den  Geheimen  Rat^ 

Der  Geist  der  Abhängigkeit,  des  Gehorsams,  der  Ab- 
schliefsung  gegen  aufsen  sollte  die  ganze  Verwaltung,  vom 
höchsten  bis  zum  niedrigsten  Beamten,  durchziehen.  „Die  Ober* 
rate,""  läfst  der  Kurfürst  im  Januar  1671  die  preufsischen 
Stände  bescheiden,   „sind  Räte  und  Diener,  welche  allein  von 


^  Vgl.  Kurffirstl.  Resolution  an  die  Landstände  der  Kurmark,  vom 
22.  März  1670;  Mylius,  VI,  I  522. 

*  Acta  Borussica,  Behördenorg.,  I  115. 


SechBunddreifsigstes  Kapitel.    Die  Yerwaltang.  63 

ihrem  Herrn  dependieren  und  keine  Macht  und  Gewalt  haben, 
ohne  des  Herrn  Willen  und  Genehmhaltung,  ihrer  Instruktion 
und  Amt  zuwider,  etwas  in  des  Herrn  Sachen  zu  handeln  oder 
zu  schliersen,  und  stehet  zu  Ihrer  Ghurf.  Durchl.  Erwägung,  ob 
und  was  zu  derselben  Nutzen  und  Besten  geschiehet^  ^ 

Den  ständischen  Einflufs  auf  das  Beamtentum,  der  bis  auf 
seine  Regierung  die  Macht  des  Landesherrn  zum  grofsen  Teil 
mattgesetzt  hatte,  wesentlich  zu  schwächen,  hatte  Friedrich 
Wilhelm  auf  dreifache  Weise  erreicht.  Einmal  indem  er  die 
eigentlich  ständischen  Beamten  völlig  durch  von  ihm  selbst 
ernannte  ersetzte  oder  doch  ihrer  Gewalt  tatsächlich  beraubte. 
Zweitens  indem  er,  ohne  Rücksicht  auf  das  Indigenatsrecht  in 
den  einzelnen  Landesteilen,  sowohl  anderweite  Deutsche  wie 
ausländische  Reformierte,  die  sich  im  Gegensatze  zu  dem  in  der 
Bevölkerung  herrschenden  Luthertume  auf  das  engste  dem 
glaubensverwandten  Herrscher  anzuschliefsen  pflegten,  mit  Vor- 
liebe in  die  mafsgebenden  Stellungen  berief.  Drittens  indem 
er  Bürgerliche  ebensowohl  wie  Adlige  auf  allen  Stufen  der 
Beamtenleiter  anstellte.  Gerade  seine  vertrauten  politischen 
Berater  und  Diplomaten  sind  zum  überwiegenden  Teile  bürger- 
licher Abkunft,  freilich  später  meist  geadelt.  So  konnte 
Standes-  und  Familieninteresse  im  Beamtentume  nicht  mehr 
fiberwiegen,  und  dessen  einziger  Gesichtspunkt  wurden  der  Vorteil 
des  Staates  und  der  Wille  des  Landesherm.  Friedrich  Wilhelm 
hat  hier  wenigstens  bewufst  und  planmäfsig  gehandelt.  „In 
Bedienungen  der  Offiziere  und  Ämter,''  sagt  er  in  seinem 
politischen  Testamente  von  1667,  „ist  dahin  zu  sehen,  und  müfst 
Ihr  Euch  hüten,  dafs  Ihr  aus  einer  Familie  nicht  viel  befördert, 
weil  solches  gefährlich  und  die  Autorität  im  Lande  bei  solchen 
Geschlechtem  alsdann  zunimmt  und  wachset,  sich  auch  leicht 
einen  Anhang  machen  könnte'.*' 

Während  der  vorhergehenden  Regierungen  hatte  in  jeder 
Provinz  alle  Macht  bei  einer  einzigen  Behörde  gelegen,  die, 
besonders  wenn  sie  sich  unter  ständischer  Einwirkung  befand, 
dem  Willen  des  Landesherm  sich  oft  widersetzt  oder  doch  ent- 
zogen hatte.  Friedrich  Wilhelm  brach  diese  Unabhängig- 
keit der   Provinzialverwaltungen ,  indem    er    den   Regierungen 


»  U.  u.  A.,  XVI,  683. 

•  Ranke,  Sämti.  W.,  Bd.  XXV/XXVI  S.  504. 


(>4  Sechstes  Buclu 

die  Amtskammern  und  Ober-Eriegskommissariate  nebenordnete, 
jene  zu  einfachen  Yerwaltungsdepartements  mit  sehr  beschränktem 
Machtumfange  hinabdrOckte.  Die  stolzen  und  spröden  preufsi- 
sehen  Oberräte  empfanden  besonders  schmerzlich  die  grundsätz- 
liche Verminderung  ihrer  Befugnisse  durch  den  Kurfürsten;  es 
blieb  ihnen  nur  der  Schatten  ihrer  früheren  Macht*. 

Leider  hatte  sich  einer  der  alten  Übelstände  erhalten:  das 
ganze  Beamtentum,  von  den  höchstgestellten  Vertrauensmännern 
des  Kurfürsten  herab,  war  zur  Annahme  von  Geschenken  bereit,  — 
nicht  gerade  um  gegen  das  Interesse  des  Herrn  zu  arbeiten, 
aber  doch  um  solches  nach  Möglichkeit  den  fremden  Wünschen 
anzupassen '. 

Die  Mischung  der  Beamtenschaft  aus  Bestandteilen  der 
gebildeteren  und  kultivierteren  westlichen  Länder  mit  dem  ehr- 
lichen, aber  geistig  und  kulturell  zurückgebliebenen  Kurmärker- 
und Preufsentume  brachte  freieren  Geist,  vielfältigere  Bildung 
und  höhere  Gesichtspunkte  in  den  brandenburgischen  Staats- 
dienst und  hat  ihn  offenbar  auf  eine  bessere  und  voUkommnere 
Stufe  gehoben.  Der  Grofse  Kurfürst  hätte  schwerlich  seine  Neu- 
ordnung des  Staates,  seine  Schöpfung  eines  mustergültigen  Heeres 
und  seine  weitblickende  und  tatkräftige  äufsere  Politik  durch- 
zuführen vermocht  ohne  diese  fremden  Helfer  und  Diener. 

Je  viefältiger  er  seine  Beamtenschaft  gestalten  und  ent^ 
wickeln  mufste,  um  so  mehr  war  er  darauf  bedacht,  unnütze 
Ämter  aufzuheben,  die  nur  der  Staatskasse  überflüssige  Kosten 
verursachten  und  dabei  auf  die  Untertanen  drückten.  Wieder- 
holt hat  er  Anläufe  zur  Reduktion  der  Ämter  gemacht  So 
wurde  schon  1651  und  1652  die  Aufhebung  einer  Anzahl  von 
Hof-  und  Verwaltungsstellen  verfügt,  so  abermals  1673  und  1680. 
Dafür  sollten  die  Gehälter  der  übrigen  Beamten  pünktlicher 
ausgezahlt  werden.  Es  scheint  nicht,  dafs  diese  Versuche  in 
der  Kurmark  Erfolg  gehabt  haben,  —  es  standen  der  Mafs- 
regel  allzu  mächtige  Einflüsse  im  Wege.  Die  Mii'stände  waren 
besonders  schreiend  im  Herzogtum  Kleve,  wo  ein  Gebiet  von 
83  Quadratmeilen  von  Provinzialbehörden  verwaltet  wurde,  die 
nicht  weniger  als  71  Beamte  mit  zusammen  20000  Beichstaler 


*  U.  u.  A.,  XVI,  683.  1010  ff. 

«  Prutz,  44ff.  129f.  387.  376ff.  —  Jedoch  ist  zu  bemerken,  dafs 
von  1685  an,  wo  der  Kurfürst  sich  von  der  französischen  Seite  abwendet> 
seine  Käte  von  dieser  keine  Geschenke  mehr  annehmen. 


Seclismiddreilsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  65 

(260000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  Gehalt  erhielten.    Hier 
hat  Enyphausen  tatsächlich  eine  Verminderung  bewirkte 

Die  Beamtenreduktion  hatte  vornehmlich  den  Zweck,  die 
Besoldung  der  ttbrigen  Stellen  pttnktlich  und  ausgiebig  gestalten 
zu  können.  Hierin  erkannte  der  Kurfttrst  eines  der  wichtigsten 
Mittel,  die  Beamtenschaft  dauernd  an  sich  zu  fesseln,  die 
Bestechlichkeit  zu  bekämpfen  und  die  Verwaltung  mit  dem 
Geiste  der  Ordnung  und  Redlichkeit  zu  erftlllen.  „Ihr  müsset,^ 
schreibt  er  1667  seinem  Nachfolger  vor,  „Eure  Räte  und  Diener 
also  unterhalten  und  rekompensieren,  dafs  sie  Euch  zu  Ehren 
leben  können  und  nicht  Ursache  haben  mögen,  auf  andere 
Mittel  zu  gedenken,  und  sich  korrumpieren  lassen,  damit  sie 
also  blofs  und  allein  von  Euch  dependieren  und  sonst  auf  nie- 
mand in  der  Welt  ihr  Absehen  haben.""  So  überlegt  und  ein- 
siehtig  hat  Friedrich  Wilhelm  alle  Seiten  des  Staatslebens 
erforscht  und  zu  regeln  gesucht!  —  Nicht  das  war  die  Haupt- 
sache, dafs  gegen  Ende  seiner  Regierung  die  Gehälter  meist 
ausgiebiger  geworden  waren,  mehr,  als  es  dem  langsamen  Steigen 
der  Preise  zu  jener  Zeit  entsprach  ^ ,  sondern  dafs  sie  zu  den 
bestimmten  Zeitpunkten  regelmäfsig  ausgezahlt  wurden,  und 
zwar  meist  in  Geld,  nicht  in  Naturallieferungen,  die  notwendiger- 
weise sehwankenden  und  veränderlichen  Wert  besitzen.  Aller- 
dings hat  gerade  dieser  Punkt  unsägliche  Kämpfe  gekostet  ^.  Im 
wesentlichen  ist  die  genaue  Regelung  der  Gehaltszahlungen  erst 
am  Schlüsse  von  Friedrich  Wilhelms  Regierung  durch  die  treff- 
liche Verwaltung  Knyphausens  durchgeführt  worden.    Aber  dann 


^  SL  Breysig,  Staatshaushalt  (Jahrb.  f.  Gesetzgeb.,  Verwalt.  u. 
VoDwwirtsch.,  XVI  [1892]),  S.  88  ff. 

*  Die  Übersicht  der  Besoldungen  der  Zentral-  u.  ProvinzialbehÖrden, 
dielsaacsohn,  Gesch.  d.  preufs.  Beamtentums,  Bd.  II  (Berlin  1878), 
S.  d44  ff.,  gegeben  hat,  ist  ohne  alle  Bedeutung,  schon  aus  den  Gründen, 
die  er  selber  S.  349  f.  anführt.  —  Als  Beispiel  sei  erwähnt:  der  Ad- 
miralitfttsrat  u.  Besident  in  Emden,  Frey  tag,  bezog  ein  Gehalt  von 
<K)0  Eür.  (gleich  7800  Mk.  nach  heutigem  Geldwert),  sein  Kollege,  der 
Admiralitätsrat  Schinkel,  der  freilich  im  Hauptamte  Bürgermeister  war, 
in  jener  Eigenschaft  nur  200  Btlr.  (gleich  2600  Mk.);  Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv, Bep.  65,  42.  Ein  preufs.  Hofrichter  hatte  1000  Tlr.  (13000  Mk.); 
Oroy,  Diarium  Prussiae. 

*  Vgl.  die  beiden  Schreiben  Gladebecks  vom  9.  Dez.  1679  u.  25.  Juli 
16B1;  Isaacsohn,  II,  341  ff. 

Philippson,  Der  Orofse  Kurfürst.    III.  5 


66  Sechstes  Buch. 

hat  sie  auf  die  Haltung  und  den  Geist  des  Beamtentums  eine 
treffliche  Wirkung  geübt. 

Der  wichtigste  Teil  der  Verwaltung  war  die  Finanz- 
administration ^  Ohne  ausreichende  und  gut  geordnete  pekuniäre 
Mittel  war  Oberhaupt  eine  Stellung,  wie  der  Kurfürst  sie  seinem 
Staate  zu  verschaffen  suchte,  nicht  zu  denken.  Der  traurige 
Zustand  der  brandenburgischen  Finanzen  hatte  das  hauptsäch- 
liche Hindernis  für  eine  gedeihliche  Entwicklung  dieses  Landes 
im  Innern  sowie  für  eine  kräftige  und  von  den  Fremden  unab- 
hängige Politik  nach  aufsen  gebildet.  Die  Schuldenlast  war 
ungeheuerlich,  die  Verwirrung  und  Untreue  in  der  Verwaltung 
allgemein  und  also  das  Firträgnis  gering.  Es  hat  deshalb 
Friedrich  Wilhelm  diesem  Zweige  der  Verwaltung  sein  Nach- 
denken, seine  Aufmerksamkeit  und  seine  Tatkraft  in  besonderer 
und  bleibender  Weise  gewidmet.  Eine  durchgreifende  Besserung 
hatte  er  freilich  während  der  bewegten  beiden  ersten  Dezennien 
seiner  Regierung  nicht  erzielt.  Wollte  man  eine  heilsame 
Änderung  herbeiführen,  so  mufste  vor  allem  der  Vielfältig- 
keit des  Kassenwesens  und  der  Oberinstanzen  ein  Ende  gemacht, 
es  murste  eine  gleichmäfsige ,  zusammenhängende  Ordnung 
und  eine  zentrale  Leitung  hergestellt  werden.  Aber  der  erste 
Versuch  zur  Bildung  einer  Zentralstelle  der  finanziellen  Ver- 
waltung, den  Friedrich  Wilhelm  auf  Waldecks  Veranlassung 
1651  durch  Bestellung  eines  Sonderausschusses  des  Geheimen 
Rates,  der  „  Staatskammerräte ""^  unternommen  hatte,  war  an  der 
Vielseitigkeit  der  Beschäftigung  dieser  zugleich  in  zahlreichen 
andern  Departements  verwandten  Beamten  gescheitert.  Deshalb 
entschlofs  sich  der  Kurfürst  im  November  1659  zur  Ernennung 
eines  eigenen  Finanzministers:  Raban  von  Canstein,  bisher 
Präsident  der  Cöllnischen  (Berliner)  Amtskammer  und  schon 
als  solcher  mit  weitgehenden  Befugnissen  ausgerüstet,  wurde 
förmlich  mit  der  Leitung  des  „Okonomiewesens"  in  allen  kur- 
fürstlichen Landen  betraut.  Diese  Mafsregel  bedeutete  einen 
sehr  wesentlichen  Fortschritt  in  der  Zentralisierung  der  brauden- 
burgisch-preufsischen  Verwaltung.    Canstein  wurde  durch  seine 


^  Für  das  Folgende:  K.  Breysig,  Gesch.  der  brandenb.  Finanaen 
1640— 1697,1  (Leipzig  1895);  Cosmaru.Klaproth,  Geheimer  Rat,  S.  356; 
Isaacsohn,  a.  a.  O.,  II,  wo  allerdings  die  Verhältnisse  oft  falsch  auf- 
gefafst  sind. 


Sechsunddreifsigates  Kapitel.    Die  Verwaltung.  67 

neue  Bestallungsurkunde  ausdrücklich  zum  Chef  sämtlicher  Amts- 
kammem,  d.  h.  Steuer-  und  Finanzbehörden,  des  Staates  mit  aus- 
gedehntesten Befugnissen,  zumal  in  BetreiF  des  Personals,  ernannt. 
Er  war  der  erste  gesamtstaatliche  Beamte. 

Leider  war  die  Wahl  Cansteins  zu  so  schwieriger  und  ver- 
antwortungsvoller Stellung  ein  schlimmer  Mifsgriff.  Man  hätte 
zur  Entwicklung  dieser  ersten  Zentralbehörde  mit  ihrer  für 
die  brandenburgischen  Verhältnisse  ganz  neuen  Aufgabe  einen 
tatkräftigen,  arbeitsfreudigen  und  geistreichen  Mann  bestimmen 
sollen  —  Canstein  aber,  obwohl  erst  zweiundvierzig  Jahre  alt, 
war  ein  müder  und  eigener  Initiative  völlig  entbehrender  Routinier. 
Er  unternahm  keinen  Versuch,  sein  Ministerium  zu  organisieren, 
so  dafs  er  dessen  Bedürfnissen  ganz  ratlos  gegenüber  stand; 
vielmehr  hat  er  die  Wünsche  des  Kurfürsten,  ihm  Hilfsbeamte 
zur  Seite  zu  stellen,  selber  vereitelt.  Er  liefs  aus  Bequemlich- 
keit in  den  Provinzialkassen  Selbstherrlichkeit  und  Unordnung 
fortwuchem.  Er  gestattete  y-  dafs  die  einzige  Errungenschaft 
der  mifsglückten  Beform  von  1651,  die  Ersetzung  der  Natural- 
bezüge der  Beamten  durch  bare  Besoldung,  zum  grofsen  Teile 
wieder  verloren  ging  und  die  alte  Lotterei  der  Naturalwirtschaft 
abermals  einrifs.  Die  Verwaltung  der  Domänen  lieferte  immer 
geringfügigere  Ergebnisse,  die  Einnahmen  verminderten  sich 
beträchtlich,  anstatt  in  der  zwölfjährigen  Friedenszeit,  wie  es 
hätte  sein  sollen,  anzuwachsen.  Selbst  der  Umfang  des  Domänen- 
besitzes nahm  infolge  von  Verpfändungen  und  Verkäufen  ab. 
Die  Provinzialbehörden  schlugen  sogar  die  Anordnungen  des 
Kurfürsten  in  den  Wind.  Es  dauerte  sechs  Jahre,  ehe  trotz 
aller  Mahnungen  eine  Rechnungslegung  von  den  preufsischen 
Ämtern  einlief;  die  ausgedehnten  Forsten  dieser  Provinz  waren 
derart  verwüstet,  dafs  der  Kurfürst  noch  Holr  zukaufen  mufste, 
anstatt  dafs  er  früher  viele  Tausende  Taler  aus  dem  Holzverkauf 
in  Preufsen  gelöst  hatte.  Und  doch  suchten  aus  Eigennutz  und 
Herrschsucht  die  Oberräte  jede  Visitation  zu  hintertreiben  ^ 
Endlich  wurde  Ganstein  gar,  im  Jahre  1674,  in  den  ünter- 
suchungsprozefs  gegen  den  Ober -Münzdirektor  Gilli  und  den 
Amtsrat  Hackelberg  verwickelt.  Der  Umfang  seiner  Verschuldung 
ist  nicht  klar  —  jedenfalls  mufste  er  schliefslich  beträchtliche 


'  Kurf.  an  Schwerin,  20.  Nov.  1662,  26.  Febr.  1663;  U.  u.  A.,  IX, 
843.  849.  —  Vgl.  Orlich,  Preufs.  Staat,  III,  67  ff. 

5* 


68  Sechstes  Buch. 

Strafsummen  erlegen  und  wurde  zwar  auf  Verwendung  „vieler 
und  vornehmer  Interzedenten**  persönlich  rehabilitiert,  auch  aller 
weiterer  Verantwortung  enthoben,  aber  von  jeder  Amtstätig- 
keit dauernd  ausgeschlossen  ^ 

Nach  so  üblen  Erfahrungen  griff  der  Kurfürst  nach  einem 
Provisorium,  indem  er  Friedrich  von  Jena  im  Nebenamt  mit  den 
„ Haushaltungssachen ^  betraute.  Der  scharfe,  klare,  energische 
Sinn  Jenas  mochte  dem  Herrn  die  Zuversicht  einflöfsen,  er  werd& 
die  verfahrenen  Finanzangelegenheiten  in  bessere  Ordnung  bringen. 
Allein  Jenas  Überbürdung  mit  sonstigen  Geschäften  und  die 
Unsicherheit  seiner  Stellung  dem  Geheimen  Rate  gegenüber 
lähmten  seine  Wirksamkeit.  So  wurde  1678  wieder  ein  selb- 
ständiger Finanzleiter  in  d^r  Person  des  bisherigen  General- 
Kriegskommissars  Bodo  von  Gladebeck  ernannt.  Gladebeck  hat 
das  Verdienst,  die  Naturallieferungen  der  Amtskammem  end- 
giltig  abgeschafft  und  durch  Geldbeträge  ersetzt,  auch  zum 
ersten  Male  einen  ordentlichen  Jahresvoranschlag  ermöglicht 
und  Ausgaben  wie  Einnahmen  tunlichst  von  den  schwer  zu 
überwachenden  Provinzial-  auf  die  Zentralkassen  übertragen  zu 
haben.  In  Betreff  der  Domänen  vertauschte  er  grundsätzlich 
die  Verpachtung  der  Güter  mit  deren  Selbstverwaltung:  gewifa 
ein  Verfahren  von  recht  zweifelhaftem  Werte,  das  aber  zunächst 
eine  beträchtliche  Zunahme  der  Einkünfte  bewirkte. 

Der  treffliche  Beamte  wurde  schon  nach  drei  Jahren  seiner 
Wirksamkeit  durch  den  Tod  entrissen.  Nach  einem  abermaligen, 
durch  Jena  und  Meinders  verwalteten  Provisorium  gelang  es 
dem  Kurfürsten  endlich,  für  sein  wichtigstes  Ministerium  den 
rechten  Mann  zu  finden :  den  Freiheim  Dodo  zu  Jnn-  und  Knyp- 
hausen.  Friedrich  Wilhelm  hatte  diesen  ostfriesischen  Baron, 
wie  so  viele  seiner  besten  Helfer,  mit  rücksichtsloser  Übergehung 
seiner  weniger  befähigten  heimischen  Beamten,  aus  der  Fremde 
berufen  und  ihn,  nach  kurzer  Probezeit,  zum  Geheimen  Rat 
ernannt.  Als  solcher  arbeitete  sich  Knyphausen  mit  zielbewufstem 
Entschlufs  besonders  in  die  Finanzgeschäfte  ein:  er  wurde  der 
erste  wirkliche  Fachmann  in  der  kurfürstlichen  Finanzverwaltung. 
Sie  wurde  ihm  1C83  tatsächlich  zugewiesen,  aber  erst  1687 
nahm  der  bescheidene  Mann  den  Titel  eines  Hofkammer-Prä- 
sidenten  an.    Er    hatte    sich    sofort    ein   Kollegium    technisch 


*  Orlich,  ehendas.  210.  269 ff. 


Sechsunddreilsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  69 

geschulter  Hilfsbeamten  gescha£Een  und  begründete  so  eine  folge- 
rechte, kundige,  von  dem  Zufall  der  wechselnden  Einzelpersonen 
anabh&ngige  Zentralverwaltung  der  Finanzen.  Ebenso  bahnte 
er  die  völlige  Unterordnung  der  über  ihre  Sonderstellung  eifer- 
süchtig wachenden  preufsischen  Begimentsräte  unter  seine  Wirk- 
samkeit an.  Er  regelte  das  Rechnungswesen,  das  trotz  Glade- 
becks  einsichtiger,  aber  allzu  kurz  währender  Bemühungen  sehr 
im  argen  lag,  auf  mustergültige  Weise.  Er  verliefs  das  in 
greisem  Mafsstabe  und  auf  die  Dauer  unmögliche  System  der 
Selbstverwaltung  der  Domänen,  um  es  wieder  durch  deren  Ver- 
pachtung, aber  mit  sorgfältiger  Überwachung  der  Pächter  durch 
die  Behörden,  zu  ersetzen;  genaue  Rechnungslegung,  Beschränkung 
der  Pachterlasse,  Verminderung  der  Zuschüsse  seitens  des  Staates 
mufsten  die  Pächter  sich  gefallen  lassen.  Die  Einnahmen  wurden 
auch  durch  Brau-  und  Mühlengerechtsame,  sowie  durch  Ver- 
wertung der  Fischerei  bedeutend  gehoben.  Kurz,  man  darf  sagen, 
Enyphausen  ist  in  bewundernswerter  Genialität  der  Schöpfer  der 
vorzüglichen  und  musterhaften  preufsischen  Finanz  Verwaltung 
geworden,  die  einen  so  bedeutenden  Anteil  an  der  grofsartigen 
Entwicklung  dieses  Staates  gehabt  hat.  Selbstverständlich 
vollendete  der  Minister  sein  Werk  nicht  innerhalb  des  Jahrfünfts , 
wo  er  unter  Friedrich  Wilhelm  arbeitete.  Aber  diesen  Mann 
gefunden,  an  die  richtige  Stelle  gesetzt  und  in  seinen  wichtigen 
Neuerungen  geschützt  zu  haben,  ist  das  dankenswerte  Verdienst 
des  Grofsen  Kurfürsten. 

Neben  der  Hofkammer  wurde  noch  eine  zweite  für  den 
ganzen  Staat  zuständige  Finanzbehörde  geschaffen :  das  General- 
Kriegskommissariat ,  das  die  ausschliefslich  für  das  Heer  be- 
stimmten direkten  Steuern  verwaltete,  während  jene  sich  mit 
den  Einkünften  aus  Domänen  und  Regalien,  sowie  den  Zöllen 
befafste.  Demgemäfs  wurden  zwei  grofse  Zentralkassen  ein- 
gerichtet :  neben  der  Hofrentei  entstand  1674  eine  eigene  General- 
Kriegskasse  ^  Aufserdem  sicherte  sich  der  Kurfürst  eine  persön- 
liche Dispositionskasse  in  der  sogenannten  Schatulle,  der  die 
Einkünfte   aus  den   landesherrlichen  Forsten,  sowie  denjenigen 


^  Die  Weiterentwicklung  des  Kriegskommissariats  wird  im 
vierzigsten  Kapitel  eingehend  erörtert  werden,  auf  das  wir  hier  ver- 
weisen. Daa  Folgende  nach  Riedel«  Der  brandenb.-preufs.  Staatshaus- 
lialt  (Berlin  1866),  S.  13  ff. 


70  Sechstes  Buch. 

Gütern  zuflössen,  die  auf  Rodungen  solcher  Forsten  angelegt 
waren  oder  neu  entstanden ;  dazu  kamen  die  Erträgnisse  einiger 
Besitzungen,  die  Friedrich  Wilhelm  direkt  fttr  die  Schatulle 
erworben  hatte.  Deren  Einkünfte  betrugen  jährlich  ^  im  Durch- 
schnitt 122000  Taler,  sind  aber  bisweilen  auf  180000  gestiegen« 
Die  Ausgaben  für  den  kurfürstlichen  Hof  wurden  1673  einer 
vierten  Kasse,  der  Hofstaatsrentei,  übertragen,  der  eine  Anzahl 
von  Domänen-  und  lokalen  Einkünften  zugewiesen  ward.  Die 
prächtige  Hofhaltung  stellte  bedeutende  Anforderungen:  gegen 
Ende  von  Friedrich  Wilhelms  Regierung  gebrauchte  sie  volle 
367  000  Taler.  Schatulle  und  Hofstaatsrentei  machen  nach 
heutigen  Begriffen  die  Zivilliste  des  Kurfürsten  aus:  zusammen 
ungefähr  490  000  Taler  oder,  nach  gegenwärtigem  Geldwerte,  etwa 
6V2  Millionen  Mark  —  gewifs  eine  sehr  beträchtliche  Summe, 
wenn  man  die  Kleinheit  und  Armut  des  Landes,  sowie  die 
Dürftigkeit  des  gesamten  Budgets  dagegen  in  Ansatz  bringt. 
Allein  noch  herrschte  damals  der  Gedanke  vor,  dafs  der  Landes- 
herr eigentlich  Besitzer  seines  Landes  sei,  und  dafs  die  über- 
menschliche Stellung  des  Fürsten  einen  prächtigen  und  kost- 
spieligen Kultus   seiner   gottähnlichen  Persönlichkeit  erfordere. 

Der  Kurfürst  legte  sich  überdies  das  Recht  zu,  Domänen 
nach  Belieben  zu  vergeben :  so  Oranienburg  an  Kurfürstin  Luise 
Henriette,  die  Ämter  Köpenick,  Crossen,  ZüUichau  und  Trestow 
an  seine  Söhne,  andere  Güter  auf  Lebenszeit  oder  noch  darüber 
hinaus  an  Diener,  die  er  zu  belohnen  wünschte^.  Trotzdem 
stiegen  die  Einkünfte  der  Domänen,  besonders  durch  Knyp- 
hausens  einsichtige  und  sorgfältige  Verwaltung :  vom  Jahre  1673/74 
bis  1680/81  um  hundert,  dann  bis  1695/96  gar  um  260  Prozent 
Die  magdeburgischen  Ämter,  die  1680/81  nur  46000  Taler 
brachten,  warfen  1687/88  schon  79000  ab,  die  pommerschen 
Ämter  1680/81  58000,  1688/89  dagegen  73000  —  und  ähnlich 
in  den  übrigen  Provinzen^.  Diese  Steigerung  war  nur  zum 
kleinsten  Teile  der  allmählichen  Abtragung  der  Domänenschulden 
zu  danken,  die  z,  B.  in  Preufsen  1678  noch  887680  Taler  betrugen. 
Denn   unter  Friedrich  Wilhelm   blieb   der  Rückkauf  der    ver- 


1  Orlich,  Preufs.  Staat,  I  439.  —  Breysig,  Finanzen,  342. 

■  Breysig,  a.  a.  0.,  S.  375 ff.  —  Derselbe,  Der  brandenb.  Staats- 
haushalt i.  d.  2.  Hälfte  d.  17.  Jahrb.;  Jahrb.  f.  Gesetzg.,  Verw.  u.  Volks- 
wirtscb.,  XVI,  12  ff. 


SechsunddreÜsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  71 

äufserten  oder  verpfändeten  Domänen  immerhin  nur  ein  schwacher. 
Zwar  haben  die  Stände  Preufsens,  der  Kurmark  und  Kleves 
dafür  wiederholt  beträchtliche  Summen  bewilligt  —  bis  600000 
Taler  — :  aber  der  Kurfürst  brauchte  solches  Geld  nötiger  für 
sein  Heer,  und  es  ward  seiner  eigentlichen  Bestimmung  entfremdet. 
Ein  systematischer  Rückerwerb  der  veräufserten  Domänen  trat 
erst  unter  Knyphausens  Verwaltung  ein,  deren  segensreiche 
Wirkung  sich  in  dieser  Hinsicht  erst  zur  Zeit  Friedrichs  III. 
geltend  machen  konntet 

Hofrentei  und  Hofstaatsrentei  genossen  ferneres  Einkommen 
aus  den  Regalien.  Deren  wichtigstes  war  das  Salzregal,  das 
der  Kurfürst  sich  durch  Edikt  vom  15.  Februar  1662 
zugeeignet  hatte,  und  das  jährlich  42000  Taler  Reinertrag 
abwarf.  Der  KomzoU  von  allem  ein-  und  ausgehenden  Getreide 
brachte  jährlich  20  380  Taler.  Das  Münzregal  hatte  wechselnden 
Nutzen,  der  jedoch  in  einzelnen  Jahren  bis  auf  60000  Taler  und 
darüber  stieg.  Dagegen  steigerte  sich  der  Uberschufs  des  Post- 
regals regelmäfsig  von  Jahr  zu  Jahr;  er  betrug  1687/88,  dem 
letzten  Rechnungsjahre  unter  Friedrich  Wilhelm,  79971  Taler.  Das 
Bemsteinmonopol  war  für  einen  festen  Betrag  teils  an  die  vier 
preufsischen  Bemsteindreher-Zünfte,  teils  an  Privatunternehmer 
verpachtet:  es  brachte  1640  nur  1000,  1675/76  bereits  12300, 
gegen  Ende  der  Regierung  aber  15000  Taler. 

Die  von  dem  Kurfürsten  1686  zur  Bestreitung  der  Marine- 
ausgaben angeordnete  Ghargensteuer  bei  Neuernennung  von 
Beamten,  Übertragung  von  Domhermstellen,  sowie  Verleihung 
von  Titeln  oder  Vorrechten  warf  1687/88  schon  57  000  Taler  ab. 
Zu  den  Domäneneinkünften  rechnete  man  auch  die  130519  Taler 
Zollerträgnisse  aus  Preufsen,  sowie  30000  Taler  Zollerträgnisse 
aus  Kleve- Mark. 

Das  gesamte  Reineinkommen  der  auf  Domänen  und 
Regalien  begründeten  Kassen  belief  sich  1686/87  auf  704670,  im 
folgenden  Jahre  auf  766  534  Taler.  Jedoch  dieser  Betrag  bleibt 
weit  unter  der  Wirklichkeit,  da  von  ihm  bereits  sämtliche 
Beamten gehälter,  ja  auch  die  Kosten  der  kurfürstlichen  Jägerei, 
sowie  35200  Taler  für  die  Marine  und  78183  für  überschüssige 
Militärausgaben  abgezogen  sind.  Nach  einer  Berechnung,  die 
dem  Nachfolger  Friedrich  Wilhelms  in  seinem  ersten  Regierungs- 


^  Orlich,  a.  a.  0.,  880.  ~  Breysig,  Staatahaushalt,  10 ff. 


72  Sechstes  Buch. 

jähre  überreicht  wurde  und  also  dem  letzten  Jahre  des  Grofsen 
Kurfürsten  ungefähr  entspricht,  belauft  sich  der  Bruttoertrag 
der  Domänen-  und  Regalieneinkünfte  auf  1533795  Taler. 
Davon  gehen  für  Kosten  der  Domänenbewirtschaftung  und  der 
Steuer-  und  Zollerhebung  421994  Taler  ab:  so  bleiben  als 
Beinertrag  dieses  Teils  der  Staatseinkünfte  1111801  oder  viel- 
mehr, nach  Einrechnung  der  Postgelder,  1 191 772  Taler  —  etwa 
15V2  Miliinnen  Mark  nach  heutigem  Geldwerte  ^ 

Unter  dem  Vorgänger  Friedrich  Wilhelms  war  schliefslich 
die  gesamte  Reineinnahme  der  Kammer  auf  12  603  Taler  herab- 
gesunken'. Aus  der  Zusammenstellung  dieser  Ziffer  mit  den 
soeben  angeführten  gewinnt  man  einen  BegriiF  von  dem  Um- 
fange der  Reform ,  die  Friedrich  Wilhelm  auf  diesem  Gebiete 
bewirkt  hat! 

Noch  beträchtlicher  als  die  Domäneneinkünfte  waren  die 
Kriegsgefälle.  Sie  bestanden  hauptsächlich  in  den  besonderen 
Bewilligungen  der  Stände  —  Bewilligungen,  die  allerdings  unter 
dem  scharfen  Regimente  Friedrich  Wilhelms  immer  mehr  den 
Charakter  der  Freiwilligkeit  verloren,  den  Ständen  von  dem 
Landesherrn  in  stets  wachsendem  Umfange,  auch  in  Friedens- 
zeiten, auferlegt  wurden. 

Man  empfand  den  Druck  der  Heeressteuern  um  so  schwerer, 
als  ihr  Betrag  fortwährend  nach  den  Bedürfnissen  des  Staates 
wechselte  und  dabei  auf  die  einzelnen  Provinzen  sehr  ungleich 
verteilt  war,  wie  denn  im  allgemeinen  der  reiche  Westen  ver- 
bal tnismäfsig  weit  weniger  belastet  war  als  der  arme  Osten, 
zumal  die  Kurmark.  Endlich  waren  diese  Steuern,  besonders 
im  Beginne  von  Friedrich  Wilhelms  Regierung,  sehr  mannig- 
facher Art.  Es  gab  da  von  alters  her  Hufenschofs,  Giebel- 
schofs,  Landsteuer,  Biergeld,  Städtekasse.  In  der  Kurmark  war 
während  des  dreifsigjährigen  Krieges  hierzu  noch  eine  aufser- 

*  Ich  folge  hauptsädilich  der  Tabelle  bei  Riedel,  Beilage  VIII. 
Die  Berechnungen  im  Texte  Riedels,  S.  25  ff.,  gehen  von  falschen  Q^chts- 
punkten  aus  und  weisen  den  Domäneneinkünften  im  weitesten  Sinne  eine 
verhältnismäfsig  zu  geringe,  den  Kriegseinkünften  demgemfijs  eine  zu 
grofse  Rolle  im  Staatshaushalte  zu.  —  Breysig  dagegen  (Staatshaush. 
S.  520)  schätzt  die  reinen  Domäneneinkünfte  zu  hoch«  weil  er  deren  ge- 
samte Verwaltungskosten,  sowie  die  Kosten  der  betr.  Steuererhebung 
abzuziehen  unterlassen  hat. 

«  Riedel,  Beil.  VH. 


Sechsunddreüsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  73 

Drdentliche  Abgabe,  die  Kontribation,  gekommen,  die  auf  Ritter- 
schaft und  Städte  der  verschiedenen  Kreise  verteilt  und  hier 
nach  Belieben  von  den  Untertanen  erhoben  wurde:  sie  lastete 
auf  den  nutzbaren  Grundstücken.  Der  kurmärkische  Adel  hatte 
68  nicht  allein  verstanden,  den  entsetzlich  verödeten  und  ver- 
armten Städten  zwei  Dritteile  der  Kontribution  aufzubürden, 
sondern  er  machte  auch  sein  gesamtes  Besitztum  —  selbst  die 
„gelegten*"  ehemaligen  Bauernhufen  —  von  der  Besteuerung 
frei,  die  er  ausschliefslich  von  Bauern  und  Krügern  erhob;  die 
Einschätzung  geschah  auf  denkbar  roheste  und  ungerechteste 
Weise.  Dafs  in  den  Städten  die  wohlweisen  Batsherren  sich 
und  ihre  Sippen  gleichfalls  nach  Möglichkeit  bei  der  Steuer- 
veranlagung schonten,  versteht  sich  von  selbst,  aber  die  ungeheuer- 
liche und  rücksichtslose  Selbstsucht  des  ostelbischen  Adels  haben 
sie  nie  zu  erreichen  vermocht. 

Wir  wissen  (Bd.  I  S.  388),  dafs  Friedrich  Wilhelm  den  Adel 
der  Kurmark  zur  Aufgabe  seiner  politischen  Macht  dadurch  mit- 
bestimmt hat,  dafs  er  den  Herren  ihre  sozialen,  administrativen 
und  pekuniären  Vorrechte  bestätigte  und  sogar  verstärkte.  Die 
Kontribution  wurde  aus  einer  zeitweiligen  eine  beständige  Steuer; 
sie  wurde  selbst  die  Hauptsteuer,  hinter  der  die  übrigen  direkten 
Abgaben  weit  zurückblieben;  sie  wuchs  um  das  Mehrfache  vom 
Betrage:  aber  ihre  Erhebungsart  auf  dem  flachen  Lande  blieb 
die  gleiche.  Freilich,  einzelne  Verbesserungen  wurden  unter- 
nommen. Die  Bauernhufen,  die  der  Adel  für  sich  eingezogen 
hatte,  wurden  1669  und  1670  erkundet  und  der  Steuer  unter- 
worfen. In  einzelnen  Kreisen  der  Kurmark  und  der  Nachbar- 
provinzen fanden  Katasterrevisionen  statte  Allein  im  ganzen 
blieb  für  das  flache  Land  die  Kontribution  mit  allen  ihren 
Mängeln  bestehen  und  zwar  bis  auf  die  grundstürzenden  Reformen, 
die  die  notgedrungene  Folge  der  Napoleonischen  Kriege  waren. 
Das  war  eines  der  Opfer,  die,  auf  Kosten  der  bäuerlichen  Be- 
völkerung, die  brandenburgisch-preufsischen  Herrscher  dem  alt- 
ländischen  Adel  brachten. 

Der  Kurfürst  hatte  freiere  Hand  in  Betreff  der  Städte,  deren 
krämerhafter  Patriziat  ihm  bei  weitem  nicht  gleichen  Wider- 
stand entgegen  zu  setzen  vermochte  wie  die  selbstbewufsten  und 


*  Schmoller  im  Jahrb.  f.  Gesetzg.,  Verw.  u.  Volkswirtach.,  I  (1877) 
8.  57,  X  (1886),  S.  355. 


74  Sechstes  Buch. 

tatkräftigen  Edelleute,  und  die  er  auch  mit  viel  geringerer 
Milde  und  Rücksicht  behandelte.  Hier  konnte  er  seine  auf 
billige  und  schonende  Verteilung  der  Steuern  gerichteten  Be- 
strebungen walten  lassen.  Er  befahl  1662  die  Aufstellung  einer 
Städterolle,  die  die  gesamte  auf  die  Städte  entfallende  Steuer- 
summe nach  möglichst  zutreffender  Abschätzung  verteilte,  und  die 
in  den  folgenden  Jahrzehnten  durch  wiederholte  Revisionen  in 
Übereinstimmung  mit  den  Änderungen  des  Wohlstandes  und  der 
Bevölkerungszahl  der  einzelnen  Orte  erhalten  wurde.  Bald  jedoch 
trat,  wie  wir  schon  berichtet  haben  (Bd.  I  S.  403  flF,  Bd.  II  S.  212  fr.), 
in  den  Städten  an  Stelle  der  Kontribution  die  indirekte,  aber 
gerechtere  Abgabe  der  Accise.  Nicht  nur  der  Patrizier  war  ihr 
ebenso  unterworfen  wie  der  gemeine  Bürger;  nein,  auch  die 
sonst  steuerfreien  Edelleute  und  Geistlichen  mufsten,  wenn  sie 
in  den  Städten  die  accisepflichtigen  Waren  kauften,  eben  dadurch 
für  den  Staatssäckel  steuern.  Hiermit  wurde  wenigstens  zum 
Teile  der  Ungerechtigkeit  der  bestehenden  Steuerverteilung 
abgeholfen.  Die  Accise  ward  dann,  wie  seit  1667  in  der  ganzen 
Kurmark,  so  in  den  übrigen  brandenburgischen  Landen  ein- 
geführt: 1685  und  1686  auch  in  Herzogtum  und  Stadt  Magde- 
burg, freilich  mit  schonenden  Erleichterungen  und  besonderer 
Begünstigung  der  fast  ausschliefslich  auf  den  Durchfuhrhandel 
angewiesenen  Stadt  Magdeburg;  endlich,  noch  im  Februar  1688, 
in  die  kleinen  Städte  des  Herzogtums  Preufsen^  Man  kann 
feststellen,  dafs  die  Ersetzung  der  Kontribution  durch  die  Accise 
zum  Aufschwünge  der  kurfürstlichen  Städte  seit  dem  letzten 
Drittel  des  siebzehnten  Jahrhunderts  wesentlich  beigetragen  hat. 
was  auch  die  Zeitgenossen  bereitswilligst  anerkannten.  Dafs  sie 
nebenbei  dazu  verwandt  wurde,  die  städtischen  Schulden  zu 
tilgen,  erhöhte  ihre  segensreiche  Wirkung.  Nur  in  Kleve  blieb 
das  städtische  Steuerwesen  von  der  Reform  unberührt. 

Neben  diesen  stärksten  Quellen  flössen  noch  einige  schwächere 
der  Kriegskasse  zu.  1682  wurde  für  die  Ausstellung  aller  Ver- 
träge und  Urkunden  der  Gebrauch  von  Stempelpapier  vor- 
geschrieben und  trotz  der  heftigen  Gegenbemühungen  einiger 
Stände  durchgesetzt.  Nur  Preufsen  wufste  sich  der  für  den 
einzelnen  lästigen  Verpflichtung  zu  entziehen,  die  es  durch  einen 
Zuschlag  zu  der  Kontribution  abkaufte^. 


»  Schmoller,  a.  a.  O.,  VH!  (1884),  S.  1066.  —  U.  u.  A  ,  XVI,  1027 ff. 
«  Patent  vom  15.  Juli  1682;   Mylius,  IV,  V,  231ff.    (In  der  Über- 


SechsiinddreiMgstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  75 

Die  Gesamtheit  der  Kontributions-  und  Accisegefälle  betrug 
1683  rund  1 175558  Taler;  dazu  kamen  an  gewissen,  der  General- 
Kriegskasse  zugewiesenen  Zöllen  22227  und  an  Stempelsteuer 
Ö316  Taler,  so  dafs  die  ordentlichen  Einnahmen  der  zweiten 
grorsen  Zentralkasse  1204101  Taler  ausmachten.  Diese  Summe 
war  1687  auf  1310113  Taler  Kontribution  und  Accise,  21913 
an  Zöllen  und  17800  an  Stempel,  im  ganzen  auf  1349886 
Taler  gestiegen.  So  hoch  beliefen  sich  die  eigenen  Ein- 
nahmen der  General-Kriegskasse:  es  gehören  aber  hierher  noch 
67000  Taler  aus  Kleve -Mark,  die  in  diesem  Gebiete  selbst  für 
militärische  Ausgaben  verwandt  wurden.  Damit  gelangen  wir 
zu  dem  Ergebnisse,  dafs  in  dem  letzten  vollständigen  Rechnungs- 
jahre des  Grofsen  Kurfürsten  die  Heeressteuern  rund  1417000 
Taler  (18450000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  ergaben.  Ihr 
Reinertrag  war  also  um  mehr  als  200000  Taler  höher  als  der 
der  Hofrentei-Kasse. 

Die  Kurmark  Brandenburg  mufste  die  Ehre,  dem  Staate 
Mittelpunkt  und  Namen  zu  geben,  mit  dem  höchsten  Betrage 
an  Steuern  —  404574  Talern  —  bezahlen.  In  den  ersten 
Jahren  nach  dem  Friedensschlufs  von  Oliva  hatte  sie  jährlich 
nur  240000  Taler  entrichtet,  aber  während  des  französisch- 
schwedischen Krieges  bis  549000  im  Jahre.  Für  1688,  wo  von 
neuem  der  Krieg  mit  Frankreich  drohte,  war  ihr  Kontingent  an 
Kontribution  und  Accise  wiederum  auf  452000  Taler  festgesetzt. 
Unmitttelbar  darauf  kam  das  arme  Preufsen  mit  312000  Talern 
(für  1687);  auch  hier  waren  die  Auflagen  seit  dem  schwedisch- 
französischen Kriege  beträchtlich  gestiegen.  Magdeburg  zahlte 
203118,  Pommern,  an  vierter  Stelle,  139654  Taler.  Kleve-Mark, 
wo  die  Städte  fast  steuerfrei  waren,  gab  verhältnismäfsig  am 
wenigsten  ^ 

Das  Gesamt  -  Beineinkommen  des  Kurfürsten  betrug  also 
gegen  Ende  seiner  Begierung  etwa  2  610  000  Taler,  nach  heutigem 
Geldwerte  ungefähr  34  Millionen  Mark.  Der  damalige  König 
von  Frankreich  hatte  110  Millionen  Livres,  etwa  530  Millionen 
Mark  nach  heutigem  Geldwerte,  jährlichen  Beineinkommens: 
demnach  etwa  15V2  mal  mehr  als  der  Brandenburger.    Da  aber 


Schrift  bei  Mylius  ist  aus  Versehen  1685  gedruckt,  während  die  Datierung 
am  Ende  des  Textes  [S.  284]  die  richtige  ist.) 

^  Diese  Zahlen  sind  gröfstenteils  dem  Archiv  des  Kriegsministeriums 
in  Berlin  entnommen,  das  mir  in  gütigster  Weise  geöffnet  wurde. 


70  Sechstes  Buch. 

dessen  Land  nur  ein  Dreizehntel  der  Bevölkerung  Frankreichs 
enthielt,  war  das  Einkommensverhältnis  relativ  ziemlich  gleich. 
Allein  um  wievielmal  reicher  war  Frankreich  durchschnittlich 
als  Brandenburg!  Die  ganze  Schwere  des  Druckes,  der  auf 
diesem  letzteren  Lande  mit  seinen  kaum  VI2  Millionen  Einwohnern 
lastete,  geht  schon  aus  diesem  Vergleiche  hervor. 

Und  doch  genügten  die  regelmäfsigen  Einkünfte  in  Kriegs- 
zeiten nicht;  es  mufsten  aufserordentliche  Hilfsquellen  er- 
öffnet werden.  Man  hätte  Kontributionen  und  Accise  durch 
prozentuale  Zuschläge  erhöhen  können.  Allein  zu  diesem  an  sich 
einfachsten  Mittel  griff  der  Kurfürst  nicht,  und  zwar  deshalb, 
weil  eine  Steigerung  der  Accise  den  Verkehr  beeinträchtigen 
mufste,  die  Kontribution  aber  in  so  ungerechter  Weise  den 
Armen  aufgebürdet  war,  dafs  er  sie  ja  nur  notgedrungen  über- 
haupt bestehen  liefs.  Er  dehnte  also  1677  die  schon  in  PreuTsen 
übliche  Kopfsteuer  auf  den  gesamten  Staat  aus,  indem  er  sie  so 
gerecht  zu  gestalten  suchte  ^  wie  die  damalige  Steuertechnik  es 
zuliefs.  Es  war  der  erste,  wenn  auch  noch  rohe,  Versuch  einer  all- 
gemeinen Einkommensteuer  im  brandenburgischen  Staate.  Sie 
war  möglichst  eingehend  in  250  Stufen  gegliedert.  Die  Beamten 
konnten  dabei  genau  nach  ihrem  Diensteinkommen  herangezogen 
werden,  die  anderen  Stände  vermochte  man  nur  im  allgemeinen 
zu  schätzen.  So  mufste  ein  Graf  60,  ein  Baron  30,  ein  Ritter  20, 
ein  vermögender  Edelmann  10,  ein  „mittelmäfsiger*^  6,  einer 
„schlechten  Vermögens""  2  Taler  zahlen.  Kauf  leute  entrichteten 
zwischen  12  und  2,  Handwerker  zwischen  4  und  1  Taler*  Auch 
der  Kurfürst  und  sein  ganzes  Haus  trugen  zu  der  allgemeinen 
Abgabe  bei:  Friedrich  Wilhelm  z.  B.  1000,  seine  Gemahlin  500 
Taler ^  Diese  neue  Steuer  glich  alle  Ungleichheiten  aus:  es 
gab  vor  ihr  keinen  Unterschied  zwischen  Stadt  und  Land,  noch 
zwischen  den  einzelnen  Territorien.  Aber  noch  mehr:  hier  ist 
das  erste  Beispiel,  dafs  vornehm  und  gering  dieselbe  Ver- 
pflichtung übernahmen,  nach  ihren  Kräften  für  die  Bedürfnisse 
des  Staates  einzutreten.  Die  stolzen  Edelleute,  die  gebietenden 
Beamten,  die  bisher  die  Steuerlast  auf  die  Armen  und  Macht- 
losen abgewälzt  hatten,  mufsten  sich  der  Majestät  des  Staates 
beugen.  Dieses  grofse  Moment,  das  in  dauernder  Weise  freilich 
erst  durch  das  Vorbild  der  französischen  Revolution  verwirklicht 


»  Edikt  vom  20.  Jan.  1677,  7.  Jan.  1679;  Mylius,  IV,  V,  Iff. 


Sechsunddreilsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  77 

worden  ist,  wurde  doch  durch  den  Grofsen  Kurfürsten  wenigstens 
Torflbergehend  in  das  brandenburgisch-preufsische  Staatswesen 
eingefQhrt.  Er  hat  auch  auf  diesem  Gebiete  mit  ideenreicher 
und  kühner  Initiative,  in  der  ihm  kein  HohenzoUer  gleich  gekommen 
ist,  ein  Programm  aufgestellt,  das  leider  von  seinen  Nachfolgern 
lange  unbeachtet  blieb. 

Die  Kopfsteuer,  die  im  Jahre  1677  sich  auf  259518  Taler, 
in  der  folgenden  Zeit  wegen  der  Besetzung  Kleves  durch  die 
Franzosen  und  die  erlahmende  Steuerkraft  des  Volkes  auf  etwas 
weniger  belief  ^,  wurde  übrigens  nur  während  der  letzten  Kriegs* 
jähre  1677—1679  erhoben. 

Trotz  dieser  mannigfachen  Hilfsquellen  aus  dem  Inlande 
würde  es  dem  Kurfürsten  unmöglich  gewesen  sein,  im  Kriege 
ein  Heer  von  45  000  Mann  zu  unterhalten,  ohne  die  freiwilligen 
oder  erzwungenen  Beiträge  des  Auslandes.  Hier  sind  in  erster 
Linie  die  Subsidien  zu  nennen,  die  ihm  die  Niederlande  und 
Spanien  zahlten.  Nach  den  Rechnungen  der  General-Kriegskasse 
bat  Brandenburg  während  der  Jahre  1674 — 1688  an  fälligen 
und  rückständigen  Subsidien  der  Niederlande  zusammen  1 338096, 
von  Spanien  480  525,  also  in  Summa  1  818  621  Taler  erhalten. 
Aber  gerade  in  den  letzten  gefährlichsten  Jahren  des  Krieges 
war  diese  Quelle  fast  ganz  versiegt:  1677  waren  nur  55  008, 
1678  gar  nur  4000  Taler  an  Hilfsgeldem  eingekommen. 

Sie  blieben  also  weit  hinter  den  Erwartungen  zurück.  Allein, 
da  es  sich  um  einen  Reichskrieg  handelte,  mufsten  die  kleineren 
Reichsstände  entweder  das  brandenburgische  Heer  in  ihrem 
Gebiete  aufnehmen  und  verpflegen  oder  sich  hiervon  durch  be- 
trächtliche Geldsummen  abkaufen.  Solche  beliefen  sich,  während 
der  Jahre  1674—1679,  auf  nicht  weniger  als  905  147  Taler. 

Die  Beisteuer  der  Fremden  zu  den  Kosten  des  branden- 
burgischen  Heeres  betrug  also  während  des  schwedisch-französi- 
schen Krieges  rund  2  724  000  Taler. 

Aber  selbst  diese  immerhin  bedeutenden  Summen  deckten 
noch  nicht  die  Kosten  der  kurfürstlichen  Kriegsführung,  be- 
sonders nicht  in  denjenigen  Jahren,  wo  die  Subsidien  versagten. 
Um  die  Wende  des  Jahres  1677  auf  1678  war  der  Geldmangel 
so  drückend,  dafs  den  Truppen  die  Löhnung  für  den  Monat 
Dezember  gar  nicht,  für  den  Januar  nur  halb  gezahlt  werden 


^  Qeh,  Archiv  d.  Kriegsministeriums,  Berlin. 


78  Sechstes  Buch. 

konnte  und  für  Rekruten  Werbung  keine  Mittel  vorhanden  waren  ^ 
Da  mufsten  denn  Anleihen  aushelfen.  Der  Kurfflrst  nahm  im 
Frtthjahr  1676  auf  die  klevisch-märkischen  Domänen  und  das  Amt 
Kottbus  70  000  Reichstaler  auf;  1677  auf  die  Bernsteingef&lle 
und  mehrere  Domänenämter  184  500,  1678  wieder  191 423,  1679 
endlich  142000  Rtlr.,  zusammen  587923  Taler  —  etwa  7V2  Mill. 
Mark  heutigen  Geldwertes  —  deren  Zinsen  und  Amortisation 
schwer  auf  seinen  Einkünften  lastete. 

Die  aufserordentlichen  Kosten  des  Krieges  1674—1679  — 
ganz  abgesehen  von  der  Erhöhung  der  ordentlichen  Steuern  — 
beliefen  sich  rund  auf  3  311691  Taler,  gegenwärtig  etwa  gleich 
43  Millionen  Mark*. 

Erst  unter  Erwägung  dieser  Umstände  gelangt  man  zu 
richtiger  Beurteilung  der  Schroffheit  und  Härte,  mit  denen  der 
Kurfürst  die  Quartiergelder  von  den  Pflichtigen  Reichsständen 
eingetrieben  hat.  Er  konnte  eben  seinem  eigenen  Lande 
nicht  einen  Pfennig  mehr  abpressen  und  befand  sich  in  einer 
ähnlichen  Zwangslage,  wie  sein  grofser  Urenkel  während  des 
siebenjährigen  Krieges  gegenüber  Sachsen  and  Mecklenburg. 
So  hat  Friedrich  Wilhelm  immerhin  es  vermocht,  ohne  allzu- 
drückende oder  doch  erdrückende  Schuldenlast  und  ohne  Zu- 
sammenbruch seiner  Finanzen  aus  einem  Kriege  hervorzugehen, 
den  er  gegen  zwei  Grofsmächte  zu  führen  hatte.  Ja,  die  Kredit- 
fähigkeit des  Staates  hatte  unter  seiner  trefflich  geregelten 
Verwaltung  und  erfolgreichen  politischen  und  militärischen 
Leitung  derart  zugenommen,  dafs  er  die  neuen  Anleihen  durch- 
schnittlich nur  zu  dem  damals  mäfsig  erscheinenden  Fufs  von 
sechs  aufs  Hundert  zu  verzinsen  brauchte,  während  er  früher 
den  Gläubigem  das  Doppelte  hatte  zahlen  müssen".  — 

Die  ordentlichen  Ausgaben  des  Staates  umfafsten  zu- 
nächst den  Aufwand  für  die  persönlichen  Bedürfnisse  des  Herr- 

^  Ms.  Derfflinger  an  Hessen-Homburg,  11.  Febr.  1678;  Berlin,  Geh. 
Staatsarchiv,  Rep.  94,  Hb  5,  k. 

•  Alles  dies  nach  den  Originalakten  im  Berliner  Kriegsministeriiim.  — 
Wenn  der  Kurfürst  in  seiner  Instruktion  an  Meinders  vom  24.  Juni/ 
4.  Juli  1679  die  Höhe  seiner  Kriegsschulden  auf  „weit  über  900000  Btlr." 
beziffert,  so  ist  zu  bemerken:  es  liefen  1679—1681  von  den  Niederlanden 
und  Spanien  nachträglich  noch  243000  Tlr.  Subsition  ein  und  später 
noch  weiteres.  So  kommen  wir  gleichfalls  auf  die  im  Texte  angeführte 
Summe. 

*  Breysig,  Staatshaush.,  495 ff. 


Sechsunddreilsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  79 

Sehers  und  die  Kosten  seines  Hofstaates,  die  schon  früher  er- 
wähnt worden  sind.  Sie  stiegen  im  Laufe  der  Jahre  mit  dem 
zunehmenden  Umfange  und  Wohlstande  des  Staates  von  90000 
Talern,  im  ersten  Jahre  von  Friedrich  Wilhelms  Regierung,  bis 
auf  490  000  an  deren  Ende,  von  denen  allerdings  ein  beträcht- 
licher Teil  zu  eigentlich  staatlichen  Zwecken  verwandt  wurde. 
So  kamen  Schatulle  und  Hofstaatsrentei  für  Bauten  zur  Ver- 
schönerung der  Residenzstädte  und  anderer  Orte  auf.  Die 
Kosten  des  diplomatischen  Dienstes  wurden  zum  überwiegenden 
Teile  der  Hofstaatsrentei  aufgebürdet;  nur  nebensächlich  ward 
für  diesen  Zweck  die  General-Kriegskasse  in  Anspruch  genommen. 
Jene  hat  für  Gesandtschaften  1687/88  an  25000  Taler  aus- 
gegeben ^ 

Es  mag  als  charakteristisch  für  jene  Zeit  erwähnt  werden, 
dars  am  kurfürstlichen  Hofe  keine  aufserdeutschen ,  besonders 
französischen  Weine  getrunken  wurden,  sondern  nur  Rhein-  und 
dann  Landwein.  Der  erstere  war  den  Tafeln  des  Kurfürsten, 
der  Prinzen  und  des  Oberhofmarschalls  vorbehalten ;  die  Kammer- 
junker, Beamten  und  Diener  empfingen  nur  Land  wein,  der 
heutzutage  y  bei  leichterem  und  wohlfeilerem  Verkehr  und  ver- 
feinertem Geschmack,  wohl  als  ungeniefsbar  betrachtet  werden 
würde ". 

Für  Schuldentilgung  und  Domänenankäufe,  also  zur  Hebung 
des  Staatsvermögens,  waren  im  letzten  Rechnungsjahre  214  000 
Taler  angesetzt. 

Für  Kulturaufgaben  waren  in  dem  jungen  brandenburgisch- 
preufsischen  Staate,  der  so  hart  um  sein  Dasein  rang,  nur 
geringe  Summen  übrig.  Wenn  wir  von  dem  Bau  des  Müllroser 
Kanals  absehen,  wurden  1687  lediglich  einige  dreifsigtausend 
Taler  als  Zuschufs  zu  den  im  übrigen  aus  eigenem  Grundbesitz 
sich  erhaltenden  Universitäten  und  Lateinschulen   ausgegeben. 

Solchen  Landesteilen,  die  von  fremder  Invasion  oder  von 
einer  Epidemie  heimgesucht  wurden,  kam  der  sonst  in  finanziellen 
Dingen  unzugängliche  Fürst  gern  zur  Hilfe.  Er  hat  dem  Fürsten- 
tum Minden  nach  dem  französischen  Einfall  des  Frühjahrs  1679 
einen  Schadenersatz  von  13800  Rtlr.  (gleich  rund  180000  Mark 
heutigen  Geldwertes)    auszahlen    lassen.     Als  Magdeburg  und 


^  Isaacsohn,  11,  212. 

«  Orlich,  Friedr.  Wüh.,  248,  Anm.  2. 


Sechstes  Buch. 

besonders  Halberstadt  1680  von  der  Pest  befallen  wurden,  erliefs 
er  beiden  Provinzen  einen  Teil  der  Steuern*.  Und  wie  diese 
Beträge,  so  kann  man  zu  den  Ausgaben  für  Landesmelioration 
auch  die  bedeutenden  Summen  rechnen,  die  er  auf  Ansetzung 
von  Kolonisten,  sowie  zur  Belebung  von  Industrie  und  Handel 
verwandte,  deren  Höhe  jedoch  aus  den  vorhandenen  Akten  leider 
nicht  zu  ersehen  ist. 

Die  Ausgaben  für  das  Heer  wechselten,  zumal  ein  regel- 
mäfsiger  Friedensstärkeetat  nicht  bestand,  mit  den  politischen 
Verhältnissen.  Hier  zeigt  ein  jedes  Jahr  ein  anderes  Bild. 
Man  darf  bei  Beurteilung  der  für  die  Armee  verwandten  Be- 
träge auch  nicht  vergessen,  dafs  es  keine  Kasernen  gab  und 
die  Unterbringung  der  Truppen,  sowie  ein  Teil  ihrer  Verpflegung 
den  Einwohnern  der  Gamisonorte  oblagen.  Schon  hierdurch 
wird  der  Vergleich  mit  den  heutigen  Zuständen  erschwert,  und 
es  mufs  die  Last,  mit  der  das  Heer  auf  das  Land  drückte^ 
höher  angeschlagen  werden,  als  die  Etatszahlen  an  sich  voraus- 
setzen lassen. 

Im  Jahre  1666,  wo  das  Heer  allerdings  infolge  des  Münsterer 
Krieges  und  mit  Hilfe  der  niederländischen  Subsidien  verstärkt 
wurde,  kostete  es  991164  Taler  ^ 

Während  der  Jahre  1674—1676  erforderten  der  Krieg  und 
die  Errichtung  der  Marine  an  aufserordentlichen  Ausgaben  allein 
1162244  Taler,  die  aber  sämtlich  durch  ausländische  Hilfs- 
und Quartiergelder  gedeckt  wurden.  Das  Kriegsjahr  1677  kostete 
im  ganzen  für  Heer  und  Marine  902986  Taler  ^  Dieser  geringe 
Betrag  war  nur  dadurch  ermöglicht,  dafs  die  Truppen  zum  grofsen 
Teil  auf  Kosten  von  Schwedisch  -  Pommern  und  von  Mecklen- 
burg lebten.  Das  erste  Jahr,  wo  das  Heer  auf  den  Friedensfufs 
gesetzt  war,  ist  1681;  es  war  von  45  000  auf  etwas  mehr  als 
28000  Mann  zurückgeführt  und  erforderte  dennoch  1 267957  Taler 
10  Groschen^,  also  auf  den  Mann,  einschliefslich  Befestigungen, 
Geschützwesen,  Schiefsvorräte,  40  Taler  10  Groschen,  nach 
heutigem  Geldwerte  525  Mark.  Es  ist  das  gewissermafsen  der 
Normaletat.    Wenn  in  der  heutigen  deutschen  Armee  der  Mann 


*  Geh.  Archiv  des  Kriegsmin.,  Berlin. 

«  Orlich,  Friedr.  Wilh.,  256. 

'  Kriegsminist.,  Berlin. 

^  Berlin,  Kgl.  Bibl.,  Manuscr.  Boruss.,  fol.  920. 


Sechsunddreifsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  g^^ 

durchschnittlich  auf  etwa  700  Mark  im  Jahre  zu  stehen  kommt, 
so  ist,  neben  der  ungleich  kustspieligeren  Bewaffnung  der  Jetzt- 
zeit, auch  der  Umstand  in  Betracht  zu  ziehen,  dafs  vor  2V9  Jahr- 
hunderten ein  Teil  der  Naturallieferungen ,  die  jetzt  der  Staat 
Qbernimmt,  den  Bürgern  oblag. 

1685  gab  die  Generalkriegskasse  1029547  Taler,  1686 
etwas  mehr,  1098000,  aus.  Überdies  waren  manche  ihr  be- 
stimmte Einnahmen,  wie  besonders  die  mehr  als  400000  Taler 
Accisen  und  Eontributionsgefälle  der  Kurmark,  direkt  verwendet 
worden,  ohne  die  Zentralkasse  zu  passieren.  Ein  genauer  Aus- 
gabenetat für  das  Heer  läfst  sich  also  für  diese  Jahre  nicht 
mehr  aufstellen.  Da  der  Kaiser  1686  für  die  nach  Ungarn 
gesandten  kurfürstlichen  Truppen  150000  Rtlr.  Verpflegungs- 
gelder zahlte,  hatte  die  Generalkriegskasse  sogar  einen  Über- 
schufs  von  11459  Talern^.  Allein  die  Umstände  änderten  sich, 
als  die  Truppen  wieder  aus  Ungarn  zurückkamen.  Infolge 
der  französischen  Gewalttaten  wurde  das  Heer  auf  der  Höhe 
von  etwa  30  000  Mann  erhalten.  Hierfür  waren  nach  dem  Vor- 
anschläge monatlich  143 1C9  Rtlr.  13  Gr.  7V2  Pf.  nötig,  also  auf 
das  Jahr  rund,  1718035  Taler.  Da  nach  dem  Budgetentwurf 
die  monatlichen  Heereseinkünfte,  mit  Einschlufs  der  fremden 
Hilfsgelder,  nur  133150  Rtlr.  I8V2  Gr.  betrugen,  blieb  ein  monat- 
liches Defizit  von  10018  Rtlr.  19  Gr.  IV2  Pf.,  also  ein  jährliches 
von  mehr  als  120000  Talern.  Es  mufsten  deshalb  aus  den 
Domänen-  und  Schatullen geldern  75000,  aus  der  Hofrenteikasse 
weitere  30  000  Taler  der  Generalkriegskasse  zugewandt  werden  ■. 

Man  sieht,  eine  wie  bevorzugte  Rolle  schon  damals  das 
Kriegswesen  im  brandenburgisch  -  preufsischen  Jahreshaushalt 
spielte.  Der  Grofse  Kurfürst  hat,  allerdings  in  geringerem  Mafse 
als  sein  Enkel  und  Urenkel,  seinen  Staat  zu  einem  Militärstaate 
gemacht 

Und  zu  den  Ausgaben  für  das  Heer  waren  schon  diejenigen 
ftr  die  Marine  getreten.  Die  im  Sommer  1675  neu  errichtete 
Flotte  hat  während  der  ersten  2^/2  Jahre  ihres  Bestehens 
151761  Taler  erfordert,  also  etwa  60000  auf  das  Jahr.    1678 


1  Kriegsminist.,  Berlin. 

*  Ms.  General -Krieges -Etat,  wie  derselbe  nach  Zurückkunft  der 
Truppen  aus  Ungarn  eingerichtet,  1687;  Berlin,  Kgl.  Bibl.  a.  a.  0.  — 
Kriegsminist.,  Berlin. 

Philippson,  Der  Orofse  Kurfarat.    III.  6 


82  Sechstes  Buch. 

und  1679  kam  sie  auf  nur  50000  im  Jahre  zu  stehen.  Dann 
traten  aber  die  Rüstungen  gegen  Spanien  ein:  die  Ausgabe 
stieg  1680  auf  102272,  1681/82  auf  186423  Taler:  Sold  und 
Verpflegung  der  Matrosen  verlangten  allein  jahrlich  36000  Taler, 
1683  freilich  nur  27912.  Dazu  kamen  noch  die  Kosten  der 
kolonialen  Unternehmungen,  zumal  der  Festung  Grofs-Friedrichs- 
bürg  in  Guinea,  deren  Besatzung  1684  nur  an  Unterhalt 
6024  Taler  in  Anspruch  nahm.  In  diesem  Jahre  wurden  für 
die  Flotte  selbst  45000  Taler  ausgegeben,  etwa  585000  Mark 
nach  heutigem  Geldwerte^. 

Die  Zivilbesoldungen  waren  im  Beginne  von  Friedrich  Wil- 
helms Regierung  ebenso  kärglich  wie  ihre  Auszahlung  unregel- 
mäfsig.  Allmählich,  mit  zunehmenden  Mitteln,  wurden  sie  aus- 
giebiger und  sicherer.  Das  gewöhnliche  Gehalt  eines  Geheimen 
Rates  betrug  1200  Taler,  gleich  etwa  16000  Mark  nach  heutigem 
Geldwerte.  Doch  finden  sich  für  die  hervorragenden  und  mit 
sonstigen  hohen  Ämtern  begabten  Geheimräte  auch  Amts- 
einkommen von  3000  Talern  (gleich  40000  Mark)  und  4000 
Talern  (gleich  54000  Mark)  und  selbst  darüber,  die  also  unseren 
jetzigen  Ministergehältem  mindestens  gleich  sind.  Ebenso 
stiegen  die  Besoldungen  der  im  auswärtigen  Dienste  ver- 
wendeten Beamten*. 

Der  Schöpfer  wie  des  ganzen  preufsischen  Staates  so  seiner 
Finanzwirtschaft  ist  der  Grofse  Kurfürst.  Aus  kläglicher  Zer- 
rüttung und  anscheinend  hofifnungslosem  Verfall  hat  dieser  hoch- 
befähigte, willensstarke  Fürst  die  pekuniäre  Gebarung  zu  fester 
Konsolidation,  zu  ausreichendem  Bestände,  zu  geordneter  Öko- 
nomie erhoben.  Indem  er  möglichst  wenig  zu  oifener  Gewalt  griff, 
vielmehr  in  tunlicher  Weise  Überredung,  Beharrlichkeit,  List 
und  sanften  Wortbruch  anwandte,  hatte  er  die  eigensinnigen  und 
widerspenstigen  Stände  zu  bleibenden  und  gesicherten  Leistungen 
genötigt.  Er  war  sich  seiner  Verantwortung  für  deren  Höhe 
wohlbewufst:  er  hat  sie  weder  selbst  vergeudet  noch  der 
Untreue  und  Unordnung  der  Beamtenschaft  überlassen,  sondern 
genau  geregelt,  dauernd  zu  den  nötigen  Ausgaben  verteilt, 
in  ein  wohlgegliedertes  Budget  eingefügt.    Sparsamkeit,  Ord- 

'  S.  die  in  vor.  Anm.  genannten  Ms. -Quellen,  sowie  Schuck, 
II.  228  ff. 

*  Klaproth  und  Cosmar,  214.  —  Isaacsohn,  11,  212.  —  Die 
Nebenposten  des  Ausgabeetats  übergehe  ich. 


Sechsunddreifsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung.  83 

Dung,  Redlichkeit  wurden  nunmehr  die  Leitsterne  der  preufsi- 
schen  Finanzwirtschaft,  die  niemals,  aufser  in  verschwindend 
kurzen  Ausnahmefällen,  von  dieser  Richtung  abgewichen  ist. 
Freilich,  den  Untertanen  wurden  schwere  Lasten  auferlegt.  Sie 
hatten  für  Heer  und  Marine  jährlich  an  IV2  Millionen  Reichs- 
taler zu  zahlen  oder  nach  heutigem  Geldwerte  über  19  Millionen 
Mark.  Da  das  Land  bei  dem  Tode  des  Grorsen  Kurfürsten 
ungefÄhr  1600000  Einwohner  enthielt  \  kamen  an  direkten 
Steuern  für  die  Landesverteidigung  auf  den  Kopf  zwölf  Mark, 
was  der  gegenwärtigen  Belastung  der  Preufsen  zu  gleichem 
Zwecke  ziemlich  entspricht.  Dazu  sind  aber  für  die  Zeit  des 
Grofsen  Kurfürsten  noch  die  Leistungen  für  Einquartierung  und 
teilweise  Verpflegung  des  Heeres  zu  rechnen,  die  gewifs  nicht 
leicht  waren.  Und  das  in  einem  armen  Lande,  dessen  Wohlstand 
mit  dem  heutigen  nicht  im  entferntesten  verglichen  werden  kann ! 
Man  sieht,  mit  welchen  Opfern  für  seine  Untertanen  Friedrich 
Wilhelm  das  Dasein  und  die  Gröfse  des  Staates  erkauft  hat, 
und  dafs  der  Widerstand,  den  ihm  die  überkommenen  Gewalten 
in  den  einzelnen  Provinzen  entgegensetzten,  von  ihrem  engeren 
Gesichtspunkte  aus  nicht  unbegründet  war.  Allein  gerade  die 
Härte  und  Schwere  des  Loses,  das  dem  preufsischen  Untertanen 
zufiel,  hat  auch  seinen  Charakter  gestählt  und  gefestigt;  sie  hat 
ihn  gelehrt,  dafs  das  Interesse  des  Staates  dem  Wohle  des 
einzelnen  vorangehe.  Der  Preufse  wurde  daran  gewöhnt,  sich 
vor  allem  dem  Vaterlande  und  dessen  Beherrscher  zu  widmen, 
dies  als  seine  vornehmste  irdische  Pflicht  zu  betrachten.  Die 
rauhe  Schule,  in  die  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  und,  ihm  nach- 
eifernd, seine  Nachfolger  die  Preufsen  genommen  haben,  wurde 
ebenso  wie  die  von  demselben  Herrscher  geschaffene  Verwaltung, 
Finanzgebarung  und  Armee  zur  Vorbedingung  für  die  über- 
raschende, unvergleichlich  grofsartige  und  dabei  fortdauernde 
Entwicklung,  die  dieser  Staat  im  achtzehnten  und  neunzehnten 
Jahrhundert  genommen  hat. 

'  In  den  letzten  Jahren  des  17.  Jahrhunderte  wurde  die  Bewohner- 
zahl Brandenburg-Preufsens  auf  1781000  berechnet  (Leonhardi,  Erd- 
beschreibung der  Preufs.  Monarchie,  I  [Halle  1791]  S.  8  f.).  Da  der  jähr- 
liche Überschufs  der  Geburten  über  die  Todesfälle  etwa  18000  betrug, 
mvda  man  von  der  obigen  Zahl  ca.  180000  abziehen  und  gelangt  so  zu 
der  im  Texte  gegebenen  Ziffer.  —  Die  Kurmark  mit  Nebenländem  hatte 
danach  um  1688  etwa  860000  Einwohner. 


•  * 


Siebenunddreifsigstes  Kapitel. 

Kurfürst  und  Volkswohlstand. 


Wenn  Friedrich  Wilhelm  an  die  Steuerkraft  seiner  Unter- 
tanen schwere  Anforderungen  stellte,  so  suchte  er  auch  mit 
allen  Mitteln  deren  Zahl  und  Wohlstand  zu  heben.  Als  echt 
moderner  Fürst  sah  er  in  der  Förderung  der  materiellen  Lage 
seines  Staates  eine  seiner  vornehmsten  Aufgaben.  Die  nach 
dem  Frieden  von  Oliva  eintretende  politische  Ruhe  gab  ihm 
zunächst  Mufse  und  Anlafs,  seine  kolonisatorische  Tätigkeit  mit 
vollem  Eifer  wieder  aufzunehmen.  Er  versprach  allen  den- 
jenigen, die  wüstliegende  Stellen  anbauen  oder  zu  diesem  Behufs 
vom  Auslände  sich  in  den  brandenburgischen  Staaten  nieder- 
lassen würden,  in  wiederholten  Edikten,  deren  erstes  schon  am 
19.  Januar  1661  erflofs,  weitgehende  Vorrechte:  Befreiung  von 
allen  Steuern,  Zehnten  und  Einquartierungen  auf  sechs  Jahre, 
sowie  Lieferung  freien  Bauholzes  aus  den  kurfürstlichen  Forsten. 
Die  neuen  Ansiedler  sollten  sowohl  das  Bürgerrecht  wie  den 
Eintritt  in  die  Zünfte  unentgeltlich  bekommen  und  auch  von  Orts- 
abgaben verschont  bleiben.  Diese  Privilegien  wurden  1683  dahin 
ausgedehnt,  dafs  jeder,  der  ein  Haus  neu  oder  ein  altes,  bau- 
fälliges oder  abgebranntes  wieder  aufbaue,  aus  der  landesherr- 
lichen Kasse  einen  Zuschufs  von  15  Prozent  des  Baugeldes  zu 
erhalten  habe^  Wie  früher  Holländer,  Engländer  und  Schotten 
zog  der  Kurfürst  nunmehr  (1661)  zur  Hebung  des  Landbaues 
und  besonders  der  Viehzucht  zwölf  Berner  Familien  in  die 
Kurmark,  wo  sie  sich  so  wohl  aufgenommen  fanden,  dafs  sie 
bald  andere  nachkommen  liefsen.    Trotz  der  Einrede  des  Ober- 


J  Mylius,  V,  I  867 ff. 


Siebenunddreilsigstes  Kapitel.    KurfCkrst  und  Volkswohlstand.      85 

Präsidenten  von  Schwerin,  der  in  seiner  beschränkten  Recht- 
glftubigkeit  vonder  „freien  Denkart*'  der  Schweizer  Reformierten 
einen  ungünstigen  Einflufs  auf  die  frommen  Kurmärker  befürchtete, 
berief  Friedrich  Wilhelm  1684  durch  seinen  Agenten  bei  der 
Eidgenossenschaft,  den  Burggrafen  Friedrich  von  Dohna,  weitere 
achtzig  Schweizerfamilien,  die  sich  treiflich  bewährten.  Sie 
erhielten  Reisegeld,  Land  gegen  eine  kleine  Rente,  Vieh  gegen 
billige  Abzahlung,  fertige  Wohn-  und  Wirtschaftsgebäude  und 
Freiheit  von  Abgaben  ^ 

Weniger  dem  flachen  Lande  als  den  Städten,  weniger  dem 
Ackerbau  als  der  Industrie,  der  Bildung  und  Gelehrsamkeit  kam 
die  bei  weitem  wichtigste  Kolonisation  zu  gute,  die  der  Grofse 
Kurfürst  veranlafst  hat:  die  Einwanderung  der  französischen 
Reformierten,  über  die  noch  in  anderem  Zusammenhange  zu  sprechen 
sein  wird'.  Die  zahlreichen  Edelleute  unter  den  R6fugi6s  füllten 
ganze  Regimenter  im  brandenburgischen  Dienste;  im  Juni  1687 
waren  schon  611  Adlige  dort  angelangt,  und  1787  kamen  viele 
andere.  Ein  Cayard  baute  die  Festungen  des  Kurfürsten  nach 
Vaubanscher  Methode,  ein  Charpentier  wurde  Generalchirurg 
des  Heeres,  andere  soldatische  R6fugi68  organisierten  den  Be- 
lagerungspark oder  erbauten  schöne  Regierungs-  und  militärische 
Gebäude.  Die  Fremdlinge  brachten  gelehrtere  und  geschicktere 
Ärzte  und  Apotheker  ins  Land,  als  man  sie  dort  bisher  gekannt 
hatte.  Solchen  gewährte  der  Kurfürst  freie  Wohnung,  den 
ersteren  auch  einen  Sold  von  fünfzig  Talern,  wofür  sie  die 
Ärmeren  unter  ihren  Mitflüchtlingen  unentgeltlich  behandeln 
roufsten.  Aus  diesen  Elementen  schuf  Friedrich  Wilhelm  zu 
Berlin  ein  Ober-Medizinalkollegium  zur  Prüfung  und  fortdauern- 
den wissenschaftlichen  Beaufsichtigung  aller  Ärzte,  Wundärzte, 
Apotheker  und  Heilgehilfen.  In  die  Provinzstädte,  wo  es  au 
guten  Ärzten  mangelte,  sandte  der  Kurfürst  französische  Mediziner. 

'  Orlich,  Preufs.  Staat,  III,  333  ff.  —  Memoires  de  Frederic  de 
Dohna,  herausg.  v.  H.  Borkowski  (Königsb.  1898),  S.  203  ff .  446. 

'  Über  die  Einwanderung  siehe:  Er  man  und  Reclam,  Memoires 
p.  Bervir  4  Thist.  des  r^fugies  fran9ais  (9  Bde.,  Berlin  1782 — 1800); 
H.  Tollin,  G-esch.  d.  französ.  Kolonie  von  Magdeburg  (2  Bde.,  Halle 
1886,  1887);  Landwehr,  312ff.;  Mjlius,  YI  Anhang,  S.  47 ff.;  Beheim- 
Schwarzbach,  HohenzoUemsche  Kolonisationen  (Leipzig  1874)  S.  63ff. 
496 ff.;  G.  Pagös,  Las  röfugiös  4  BerUn  (Bullet,  de  la  Societe  de  Thist. 
da  Protestantisme  fran^ais,  1902\  S.  132  ff. 


gg  Sechstes  Buch. 

So  hebt  mit  der  Einwanderung  der  Hugenotten  eine  neue  Periode 
der  Heilkunßt  im  ßrandenburgischen  an.  Unter  den  Französinnen 
aber  befanden  sich  viele  tüchtige  Hebammen,  an  denen  es  bisher 
in  der  Kurmark  sehr  gefehlt  hatte. 

Noch  bedeutsamer  war  der  Aufschwung,  den  die  R^fugiäs 
dem  Handwerk  und  der  Industrie  in  unseren  Gegenden  verliehen. 
Handwerks-  und  Arbeitsleute  gab  es  unter  ihnen  449  Familien 
mit  etwa  2250  Seelen,  Wollenarbeiter  248  Familien  mit  1240 
Seelen,  Tabakspflanzer  137  Familien  mit  700  Seelen,  Schuhmacher 
113  Familien  mit  ungefähr  565  Seelen.  Besonders  wichtig 
wurden  die  Einwanderer  aber  für  die  im  Brandenburgischen  noch 
so  wenig  verbreitete  Grofsindustrie.  Sie  machten,  mit  frei- 
gebiger Unterstützung  durch  den  Kurfürsten,  die  Seiden- 
manufaktur in  der  Mark  heimisch.  Er  nötigte  deren  wider- 
strebendem Klima  und  Boden  Anpflanzungen  von  Maulbeerbäumen 
auf,  zur  Zucht  der  Seidenwürmer.  Wollen-  und  Tuchmanufakturen 
entstanden,  ebenso  Gerbereien  und  Schuhfabriken.  Die  Fran- 
zosen führten  das  Färben  und  Bedrucken  von  Leinen  ein,  das 
bisher  hierzulande  ganz  unbekannt  gewesen,  sowie  die  Papier- 
fabrikation, die  bis  dahin  zu  verschiedenen  Malen  vergeblich 
versucht  worden  war.  Ebenso  legten  sie  die  erste  Ölmühle  I 
an,  die  mit  Lein-  und  Rübsamen  arbeitete,  sowie  Giefsereien  | 
von  Lichtern;  früher  hatte  man  in  unseren  Landen  zur  Er-  | 
leuchtung  nur  Wachskerzen  für  die  höheren,  Tonlampen  für  die 
ärmeren  Stände  gekannt.  Saffian-  und  Lederhandschuhe  wurden 
von  den  Fremden  gleichfalls  zuerst  im  Brandenburgischen  er- 
zeugt; und  endlich  begründeten  die  Hugenotten  dort  die  Hut- 
fcibrikation.  Sehr  ergiebig  wurde  die  Strumpfwirkerei,  die  in 
Berlin,  Magdeburg  und  Halle  aufblühte,  dabei  nicht,  wie  die 
Seidenraupenzucht  mit  dem  nordischen  Klima  zu  kämpfen 
hatte.  Unter  den  zugewanderten  französischen  Arbeitern  waren 
die  Strumpfwirker  am  meisten  vertreten.  Der  Kurfürst 
widmete  allen  diesen  Industriezweigen  die  regste  Aufmerksam- 
keit und  bedeutende  pekuniäre  Unterstützung.  Er  und  sein 
Hof  bezogen  ihre  Lieferungen  möglichst  aus  den  Manufakturen 
der  französischen  Einwanderer. 

Neben  deren  Gewerbfleifs  wurde  auch  ihre  Handelstätigkeit 
begünstigt.  Die  Kaufleute  unter  ihnen  erhielten  auf  drei  Jahre 
das  Zugeständnis  der  zollfreien  Einfuhr  ihrer  noch  in  anderen 
Lflndem  befindlichen  Waren. 


Siebenunddreifsigstes  Kapitel.    KurfOrst  und  VolkswohLstand.      87 

Gröfser  noch  als  der  materielle  Vorteil ,  der  dem  branden- 
burgisch-preufsischen  Staate  aus  der  Niederlassung  der  R6fugi68 
erwuchs,  war  die  geistige  Anregung,  die  sie  ihm  brachte.  Die 
Franzosen  waren  damals  das  feinstgebildete ,  literarisch  best- 
Teranlagte  und  intellektuell  angeregteste  Volk  Europas.  Eleganz 
der  Haltung,  der  Tracht,  der  Bewegungen  und  der  Sprache 
machte  sie  ebenso  wie  ihre  politischen  und  militärischen  Erfolge 
zur  bewunderten  und  umworbenen  Mustemation  der  Welt. 
Innerhalb  Frankreichs  zeichneten  sich  aber  wieder  die  Reformierten 
durch  gründliches  und  allgemeines  Wissen  aus.  Indem  sie  diese 
Vorzüge  nach  dem  rauhen,  geistig  zurückgebliebenen,  in 
Sitte  und  Denkweise  noch  rohen  Brandenburg  brachten,  wirkten 
sie  erweckend  und  befruchtend  auf  dessen  Bevölkerung  ein. 
Freilich,  im  Beginn  machte  sich  ein  lebhafter  Gegensatz  zwischen 
den  beschränkten,  Schnaps  und  Bier  trinkenden,  Tabak  qualmen- 
den, schimpfenden  und  fluchenden  Bewohnern  dieser  norddeutschen 
Länder  und  den  zierlichen,  wohlunterrichteten,  aufgeklärten  und 
sich  ihrer  Vorzüge  wohlbewufsten  Hugenotten  geltend.  Die 
Tatsache,  dafs  die  geschickteren,  nüchterneren  und  tätigeren 
französischen  Handwerksmeister  häufig  ihren  rückständigen  und 
prassenden  deutschen  Zunftgenossen  die  Kundschaft  entzogen, 
trug  nicht  wenig  zur  Entfachung  der  gegenseitigen  Abneigung 
bei.  Man  darf  sagen :  nur  das  stete  Eingreifen  Friedrich  Wil- 
helms, der  auch  hier  freieren  Blick  und  höhere  Einsicht  bewährte 
als  die  grofse  Mehrzahl  seiner  Untertanen,  verhinderte,  dafs  das 
Übelwollen  der  Eingeborenen  die  Ankömmlinge  schon  nach  wenigen 
Monaten  aus  der  kaum  gewonnenen  neuen  Heimat  vertrieb,  aus  der 
die  Flüchtigen  sich  ohnehin  heftig  nach  der  alten  zurücksehnten. 
Es  bedurfte  der  Einsetzung  der  vollen  landesherrlichen  Autorität, 
um  es  dahin  zu  bringen,  dafs  den  Vertriebenen  in  den  Provinzial- 
Städten  verlassene  Kirchen  zur  Übung  ihres  Gottesdienstes  ein- 
geräumt wurden.  Aber  allmählich  vollzog  sich  der  Ausgleich, 
zuerst  in  den  höheren,  dann  auch  in  den  unteren  Gesellschafts- 
khissen,  durch  persönliche  Beziehungen,  durch  Zwischenheiraten 
und  durch  Unterricht.  Die  R6fugi6s  begründeten  in  den  gröfseren 
Städten  zahlreiche  Schulen  und  Pensionen,  und  diese  wurden 
von  den  Kindern  bemittelter  Stände  viel  besucht,  da  die  Kenntnis 
der  französischen  Sprache  damals  eine  absolute  Vorbedingung 
für  alle  höheren  Berufe  war.  Bald  wurde  nirgends  so  viel  und 
so  gut  französisch  geredet  wie  in  Berlin;   man  mufs  dabei  der 


88  SechBtes  Buoh. 

Tatsache  gedenken,  dafs  zu  jener  Zeit  das  Französische  allein 
die  Sprache  der  Bildung  und  des  guten  Tones  war.  Die  Ver- 
trautheit mit  den  Meisterwerken  der  französischen  Literatur, 
wie  der  R6fugiö  sie  den  Norddeutschen  vermittelte,  hat  auf  die 
Hebung  des  literarischen  Geschmacks,  auf  die  Verfeinerung  auch 
der  deutschen  Sprache  und  auf  die  Wiedergeburt  unseres  Schrift- 
tums den  günstigsten  Einflufs  geabt.  Freilich,  die  Einwande- 
rung hat  die  ohnehin  in  dem  damaligen  Deutschland  ein- 
gebürgerte Nachäfferei  des  Franzosentums  vermehrt  und  ver- 
stärkt. Allein  das  war  ein  vorübergehender  Schade,  —  die 
Vorteile,  die  sie  dem  norddeutschen  Wesen  brachte,  waren  bleibend. 
Die  Bewohnerschaft  Berlins,  die  etwa  20000  Seelen  zählte, 
wurde  von  den  5000  R^fugiös,  die  sich  dort  niederliefsen,  ganz 
besonders  beeinflufst.  Es  ist  kein  Zweifel,  dafs  die  Geistes- 
gegenwart, der  schlagfertige  Witz,  die  Unternehmungslust,  die 
Genügsamkeit,  das  praktische  Wesen,  die  den  Berliner  charakte- 
risieren, ebenso  wie  seine  Neuerungsliebe,  Leichtfertigkeit  und 
Spottsucht  zum  grofsen  Teile  auf  die  Rechnung  des  eigentüm- 
lichen neuen  Elements  der  Bevölkerung  zu  setzen  sind. 

Die  Fürsorge  des  Kurfürsten  erstreckte  sich  aber  auch  auf 
die  alten  Eingesessenen  seiner  Gebiete.  Als  Grundlage  jeder 
weiteren  Melioration  ordnete  er  allerorten  sorgfältige  Vermes- 
sung und  Landesaufnahme  an:  so  in  der  Umgebung  von  Berlin 
und  Potsdam  durch  Samuel  Suchodoletz,  so  in  Preufsen  durch 
ebendenselben  und  durch  Joseph  Narowski,  —  beide  offenbar 
geborene  Polen  *.  Eine  der  in  die  Augen  fallendsten  Wirkungen 
der  durch  den  Dreifsigjährigen  Krieg  im  Brandenburgischen  ein- 
getretenen Verödung  war  die  Zunahme  des  Waldes,  der,  wie 
einst  in  den  rauhen  Zeiten  des  alten  Germaniens,  das  Land 
weithin  zu  erobern  drohte,  während  vor  dem  Kriege  in  vielen 
Teilen  Deutschlands  Symptome  drückender  Holzteurung  vor- 
gekommen waren.  Der  Kurfürst  mufste  1663  und  1664  durch 
wiederholte  Verordnungen  eine  Politik  des  Waldrodens  und  der 
Waldkolonisation  einschärfen*.  Eine  Folge  des  Anwachsens  der 
Wälder    war    die    Zunahme   der   Wölfe    und    Füchse.    Darauf 


»  HohenzoUem- Jahrb.,  1900,  S.  336 ff.:  E.  Friedländer,  Beiträge 
2  Gesch.  der  Landesaufnahme  in  Brandenb.-Preufs.  unter  d.  Gr.  Kurf. 
11    Friedrich  III. 

"  W.    Koscher,    Gesch.    der    Nationalökonomik    in   Deutschland 

(München  1874X  S.  220. 


SiebenunddreifiBigsteB  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.      g9 

eraeuerte  Friedrich  Wilhelm  die  alte  Überlieferung,  die  Bewohner 
von  Stadt  und  Land  von  Zeit  zu  Zeit  zum  ,, Wolfsjagd-Laufen" 
aufzubieten  ^. 

Dem  Landbau  wurde  gröfste  Sorgfalt  gewidmet.  Der  wackere 
Eisholz  entwickelte  den  von  ihm  auf  Befehl  des  Kurfürsten 
aDgelegten  botanischen  Garten  bei  Berlin  zu  einer  Schul- 
und  Musteranstalt  fQr  den  ganzen  Staat.  Er  lieferte  Pfropf- 
reiser guter  Obstsorten  an  zahlreiche  Gutsbesitzer.  Friedrich 
Wilhelm  ermutigte  vielfach  die  Anlage  schöner  Blumen-  und 
Dützlicher  Obst-  und  Gemasegärten.  Er  befahl,  an  allen  passen- 
den Orten  Obstbäume  und  dann,  zur  Förderung  der  Schweine- 
mast, Eichen  zu  pflanzen.  Die  Obrigkeiten  sollten  darauf  unab- 
Iftssig  achten,  zumal  auf  den  Domänenämtern,  wo  kein  Bräutigam 
getraut  werden  sollte,  er  brächte  denn  ein  Zeugnis  bei,  dafs  er 
sechs  Obstbäume  gepfropft  und  sechs  Eichen  an  dazu,  geeigneten 
Plätzen  gepflanzt  habe^.  Aus  seinen  eigenen  Weingärten  bei 
Potsdam  kelterte  Friedrich  Wilhelm  viele  Hunderte  von  Tonneu 
Wein,  dessen  Qualität  freilich,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach, 
viel  zu  wünschen  übrig  liefs". 

Ein  Werk  von  weitreichender,  bleibender  und  vorbildlicher 
Bedeutung  war  die  Ausführung  des  schon  von  Kurfürst 
Joachim  IL  gehegten  Plans  einer  Wasserverbindung  zwischen 
Elbe  und  Oder.  Die  aufblühende  sächsische  Eibschiffahrt  und 
die  sich  stets  vermehreiide  Bedeutung  Leipzigs  als  Handelsplatz 
für  das  gesamte  mittlere  Norddeutschland  hatten  die  Verkehrs- 
wege der  Kurmark  veröden  lassen.  Diesem  Umstände  war  die 
Dürftigkeit  der  märkischen  Verhältnisse  zum  grofsen  Teile 
zuzuschreiben.  Hier  half  Friedrich  Wilhelm  durch  Anlage  des 
als  Müllroser  oder  auch  mit  seinem  eigenen  Namen  bezeichneten 
Kanals,  der  zugleich  die  Wirkung  übte,  den  verhafsten  Schweden 
in  Pommern  einen  guten  Teil  des  Transitverkehrs  zu  entziehen. 
Der  neue  Wasserweg  wurde  während  der  Jahre  1662  und  1668 
unter  Leitung  des  General quartiermeisters  Philipp  de  Ghiöze, 
eines  aus  Italien  gebürtigen  Ingenieurs,  gebaut,  in  einer  Länge 
von  drei  und  einer  halben  deutschen  Meile,  einer  Breite  von 
fünf  Ruten  und  einer  Tiefe  von  sechs  Fufs.  Er  verläfst  ober- 
halb Frankfurts  die  Oder,  indem  er  sich  zunächst  des  unteren 


^  Bescheid  an  die  Stände  vom  22.  März  1670;  Mylius,  VI,  I  525. 

*  Verordnimg  vom  5.  März  1686;  ebendas.  568  ff. 

*  Orlich,  Preuis.  Staat,  I,  4421. 


90  Sechstes  Buch. 

Laufes  des  Schlaube-Flürschens  bedient.  Wo  dieses  bei  der 
Stadt  Müllrose  nach  Sfiden  abbiegt,  verläfst  er  es  und  zieht 
westlich  nach  der  Spree;  die  Terrainunterschiede  werden  durch 
dreizehn  Schleusen  ausgeglichen.  Als  dieser  „neue  Graben" 
oder  „märkische  Durchstich",  wie  man  damals  sagte,  vollendet 
worden,  waren  aber  damit  die  Schwierigkeiten,  die  sich  seiner 
Benutzung  entgegenstellten,  noch  nicht  gehoben.  Die  Stadt 
Frankfurt  a.  d.  0.  machte  die  verzweifeltsten  Anstrengungen,  ihr 
Stapelrecht  auch  auf  den  Kanal  auszudehnen,  obwohl  er  sie  gar 
nicht  berührte;  das  hätte  durch  Verzögerung  und  Kosten  die 
neue  Wasserstrafse  den  Breslauern  wie  den  Hamburgern  ver- 
schlossen. Allein  der  Kurfürst  griff  hier  mit  Strenge  durch,  da 
das  Interesse  einer  Stadt  nicht  gegen  die  Wohlfahrt  des  ganzen 
Landes  in  Betracht  kommen  konnte.  Er  erliefs  den  Frankfurtern 
einen  Teil  ihrer  Kontribution;  er  beförderte  den  Verkehr  ihrer 
Messen,  auch  durch  mehrfaches  persönliches  Erscheinen  bei  den- 
selben, und  indem  er  seine  Minister  und  Hofleute  zu  deren 
Besuch  veranlafste;  aber  er  befreite  den  neuen  Schiffahrtsweg 
von  allen  Hindernissen.  Dieser  verknüpfte  nunmehr  nicht  nur 
Oder  und  Spree  miteinander,  sondern  stellte  zugleich  eine 
ununterbrochene,  150  Meilen  lange,  kürzeste  Wasser  verbin  düng 
zwischen  Breslau,  dem  oberen  Odergebiet  und  dem  angrenzenden 
Polen  auf  der  einen,  Hamburg  und  der  Nordsee  auf  der  anderen 
Seite  her.  Damit  wurde  der  gesamte  schlesische  Gamhandel 
und  mindestens  der  vierte  Teil  der  über  Schlesien  nach  Hamburg 
ausgeführten  polnischen  Waren  von  dem  Wege  über  Leipzig  und 
Magdeburg  fort,  über  Berlin  geleitet,  das  gerade  in  der  Mitte 
zwischen  Breslau  und  Hamburg  lag  und  durch  einen  vom  Kur- 
fürsten eifersüchtig  gehüteten  Umladezwang  für  alle  fremden 
Schiffer  besonders  begünstigt  wurde.  Die  brandenburgische 
Hauptstadt  gewann  erst  jetzt  eine  selbständige  Bedeutung  für 
Handel  und  Gewerbe  und  teilte  mit  Leipzig  die  Beherrschung 
der  Handel sstrafsen  im  mittleren  Norddeutschland.  Berlins  Ver- 
bindungen gingen  nun  Havel,  Spree  und  Elbe  aufwärts  nach 
Sachsen  und  Böhmen,  niederwärts  nach  Magdeburg,  Lüneburg, 
Hamburg  und  Lübeck ;  Oder  aufwärts  nach  Schlesien  und  Polen, 
niederwärts  nach  Pommern,  besonders  Stettin.  Wir  dürfen 
sagen,  dafs  Berlin  sein  erstes  kommerzielles  Aufblühen  diesem 
grofsen  Werke  Friedrich  Wilhelms  verdankt*. 

*  F.  H.  Heller,  Die  Handelswege  Inner  -  Deutschlands  im  16.,  17. 


SiebenimddreKsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.      91 

Und  wie  für  die  Wasser-  sorgte  dieser  grofse  Herrscher 
auch  für  die  Landstrafsen.  Sie  befanden  sich  nach  den  fort- 
währenden Kriegen  des  zweiten  Drittels  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts in  grofser  Vernachlässigung.  Sie  waren  zum  Teil 
unwegsam,  die  Wirtshäuser  zur  Erholung  fttr  Menschen  und 
Tiere  verödet  oder  ganz  verschwunden,  die  Dämme  zerfallen,  die 
Brücken  zerstört.  Der  grofse  Verkehr  und  der  Einzelreisende 
mieden  gleich  sehr  diese  unwirtlichen  Länder.  Da  gebot,  am 
8.  März  1669,  der  Kurfürst  den  Ortsobrigkeiten  die  Ausbesserung 
der  Strafsen  und  Herstellung  geeigneter  Herbergen;  die  Kreis- 
kommissare und  die  Landreiter  (Gendarmen)  sollten  allmonatlich 
die  Dämme  und  Brücken  besichtigen  und  über  deren  Zustand 
Bericht  erstattend 

„Handlung  und  Seefahrt,''  sagte  Friedrich  Wilhelm  in  einem 
Edikte  vom  I.Januar  1686^,  „sind  die  fümehmsten  Säulen  eines 
Staates,  wodurch  die  Untertanen  beides,  zu  Wasser  als  auch 
durch  die  Manufakturen  zu  Lande,  ihre  Nahrung  und  Unter- 
halt erlangen.''  Und  schon  zwei  Jahre  vorher  hatte  er  es  aa&- 
gesprochen :  „Der  gewisseste  Reichtum  und  die  Aufnahme  eines 
Landes  kommen  aus  dem  Commercium  her/  Eine  Idee,  die 
völlig  mit  der  Lehre  des  damals  herrschenden  ökonomischen 
Systems,  des  Merkantilismus,  übereinstimmt.  Der  grofsartigste, 
konsequenteste  und  wirkungsvollste  Anhänger  dieser  Schule  war 
Colbert,  und  ihn  stellte  der  Kurfürst  immer  wieder  seinen  Räten 
als  das  Muster  vor,  das  man  auch  in  den  brandenburgischen 
Landen  möglichst  nachahmen  müsse.  Es  war  die  Zeit,  wo  des 
französischen  Ministers  Gewerbe-  und  Handelspolitik  die  glänzend- 
sten Triumphe  feierte,  deren  Kehrseite  und  tiefe  Schatten  erst  in  der 
—  freilich  nahen  —  Zukunft  hervortreten  sollten.  Am  liebsten 
hätte  der  eifrige  Herrscher  sofort  das  gesamte  System  Colberts 
mit  seinen  Staatsunterstützungen,  bevorrechteten  Korporationen, 

nnd  18.  .Jahrhundert  (Leipziger  Diss.  v.  1884),  S.  35ff.  —  K  Toeche- 
^ittler,  Der  Friedi.-Wilh.-Kanal  und  die  Berlin-Hamburg.  Flufsschiff- 
fahrt  (Leipzig  1891).  —  Ms.  Dep.  Eebenacs  vom  März  1681  (Auszug); 
Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  94,  IV  H  b,  10  o. 

»  Mylius,  VI,  I  514. 

'  Über  das  Folgende:  0.  Meinardus,  Beiträge  z.  Gesch.  d.  Handels- 
politik des  Gr.  Kurf.  (Histor.  Zeitschr.,  N.  F.,  Bd.  30),  S.  445 ff.  476 ff. 
485  ff.;  Rieh.  Schuck,  Brand enb.-Preufsens  Kolonial-Politik,  I  (Leipzig 
1889),  a 


92  Sechstes  Buch. 

offiziellen  Überwachungen ,  seiner  ganzen  künstlichen  Belebung 
der  Industrie  und  des  Handels  auch  far  seinen  eigenen  Staat 
verwirklicht.  Er  hoffte  überdies,  vermittelst  seiner  neu- 
begründeten Flotte  das  dominium  maris  Baltici,  die  Beherrschung 
der  Ostsee,  mit  Dänen,  Schweden  und  Holländern  zu  teilen,  die 
brandenburgischen  Lande  in  die  Kreise  des  Welthandels  ein- 
zuführen. Indes,  hier  schweiften  seine  Pläne  allzu  kühn  und 
frei  umher,  und  seine  Räte  waren  dieses  Mal  mit  ihrer  haus- 
backenen Klugheit  mehr  im  Rechte.  Oberpräsident  von  Schwerin 
sowie  die  beiden  Geheimräte  Stephani  und  Esich  stellten  ihm 
vor,  dafs  Weltverkehr  und  blühende  Handelsflotte  erst  dann  mit 
Aussicht  auf  Erfolg  zu  schafiPen  seien,  wenn  die  an  Einwohnern 
und  Geldmitteln  gleich  armen  brandenburgischen  Gebiete  wieder 
bevölkerter  und  wohlhabender  geworden  und  dem  auswärtigen 
Handel  genügende  Werte  bieten  könnten.  Man  solle,  rieten 
sie  1679,  zuvörderst  durch  Einführung  fremder  Fabrikations- 
zweige den  heimischen  Gewerbfleifs  heben,  Verkehrswege  und 
Strafsen  ausbessern,  inzwischen  in  den  Häfen  die  nötigen  Schritte 
zur  Kräftigung  der  Schiffahrt  und  des  Seehandels  tun.  Der 
Kurfürst  hat  sich  dieser  sachgemäfsen  Anschauung  angeschlossen. 
Er  war  um  so  mehr  darauf  bedacht,  die  Gewerbetätigkeit  in 
seinem  Lande  zu  befördern.  In  der  Tat  nahm  sie  zu,  wennschon 
in  langsamer  Entwicklung.  Seifenfabriken  wurden  angelegt, 
auch  Zuckersiedereien ,  deren  eine  schon  1679  den  Bedarf  der 
Hauptstadt  in  diesem  Artikel  zum  gröfsten  Teile  deckte.  Den 
Versuch,  den  Tabak  zum  Gegenstande  landesherrlichen  Monopols 
zu  machen,  gab  er  bald  wieder  auf  und  gewährte  dem  Anbau 
und  der  Verarbeitung  dieser  Genufspflanze  volle  Freiheit  \  Der 
Segen  dieser  Mafsregel  machte  sich  bald  geltend.  Dagegen 
kaufte  er  1686  den  Erben  des  Grafen  von  Lynar  das  sogenannte 
Grafenhaus  in  Spandau  ab  und  errichtete  dort  eine  Wollen-  und 
Seidenspinnerei,  die  er  dann  den  Seidenhändlem  Müller  und 
JKopisch  überliefs.  In  Berlin  selbst  erbaute  er  einen  Packhof 
•für  die  aus  Breslau  anlangenden  schlesischen  und  polnischen 
Waren.  Auf  mehreren  seiner  Domänen  legte  er  Glashütten  an. 
p]r  setzte  seinen  chemisch  gebildeten  Kammerdiener  Kunckel 
durch  einen  Vorschufs  von  1600  Dukaten  in  den  Stand,  auf  der 
ihm  geschenkten  Pfaueninsel  eine  Kristallfabrik   zu  errichten. 


»  Mvlius,  V,  II  6. 


SiebenunddreUiaigstes  Kapitel.    KurfOrst  und  Volkswohlstand.      93 

die  besonders  durch  die  von  dem  Besitzer  gemachte  Erfindung 
des  Rubin-Glasflusses  grofsen  Aufschwung  nahm^ 

Vorzügliche  Sorgfalt  widmete  der  KurfOrst  der  Tuchindustrie. 
Zu  seinem  Leidwesen  mufste  er  bemerken,  dafs  dieser  Gewerbs- 
zweig, der  bisher  noch  der  einträglichste  in  den  Städten  der 
Kurmark    gewesen   war    und    einen    der    Hauptausfuhrartikel 
abgegeben  hatte',  unter  dem  Drucke  des  ausländischen  Mitbewerbs 
von  Jahr  zu  Jahr  zurückging.    Er  suchte  die  Hauptgründe  für 
diesen  Mifsstand  in  der  Ausführung  der  besseren  Wollsorten  seines 
Landes,  sowie  in  der  unzuverlässigen  Aufarbeitung  und  Qualität 
der  kurmärkischen  Tuche.    Er  ordnete  deshalb  eine  Zusammen- 
fassung dieses  Gewerbes  an  durch  den  grofsen  Wollmarkt,  den 
er  1(581  in  Brandenburg  errichtete,  und  der  zugleich  zum  Ver- 
kaufe fertiger  Gespinste  bestimmt  war^.    Sechs  Jahre  später 
—  30.  Mai  1687  —  erging  ein  umfassendes  Edikt,   das,   dem 
von  Colbert  gegebenen  Muster  folgend,  den  Grund  zur  gesamten 
W^ollpolitik  Preufsens  für  mehr  als  ein  Jahrhundert  gelegt  hat. 
Es  gestattete  die  Einfuhr  nur  ganz  feiner  fremder  Tuche,  wie 
solche  im  Lande  nicht  gefertigt  wurden,  und  die  Ausfuhr  von 
Wolle  lediglich  dem  Adel,  unter  sehr  beschränkenden  Bedingungen. 
Die  Fabrikation  von  Tüchern  wurde  den  zünftigen  städtischen 
Meistern   vorbehalten,   dabei   in  Technik  und  Qualität   streng 
geregelt.    Das  Edikt  sucht  ein  gewisses  Gleichgewicht  zwischen 
Grofskauf  leuten,  Handwerkern  und  Detail  Verkäufern  herzustellen. 
In  jeder  Stadt  werden  Schaumeister  eingesetzt,  die  auf  ordnungs- 
mftfsige   Herstellung    der   Wollwaren   zu   achten,    solche   nach 
der  Qualität  zu  bezeichnen   und  mit  der  städtischen  Plombe  zu 
versehen    haben.     Einer    so    unentwickelten    industriellen    Be- 
völkerung,  wie   der   kurmärkischen,   gegenüber  brachten  diese 
Mafsregeln  eine  günstige  Wirkung   hervor.     Friedrich  Wilhelm 
vermochte  gegen  Ende  seiner  Regierung  festzustellen,  dafs  die 
Menge  und  zumal   die  Qualität  der  kurmärkischen  Tuche  und 
damit  ihre  Ausfuhr  beträchtlich  zugenommen  hatten ;  das  branden- 
burgische  Heer   konnte  schon    ausschliefslich    mit   heimischen 


»  König,  Histor.  Schilderung  von  Berlin  (Berl.  1793X  11,  458  ff.  — 
Orlich,  Friedr.  Wilh.,  300 f.  317. 
■  Orlich,  a.  a.  0.  299. 
•  Mylius,  V,  n  287  ff. 


94  Sechstes  Buch« 

Tuchen  bekleidet  werden'.  Um  deren  Absatz  noch  weiter  zu 
fördern,  setzte  er  die  Abgabe  herunter,  die  bei  dem  Transporte 
von  Waren  aus  einer  brandenburgischen  Provinz  in  die  andere 
zu  zahlen  war'.  Es  liers  sich  überall  ein  verheirsungsvolles 
Aufblühen  des  Gewerbfleifses  wahrnehmen. 

Auch  die  Einbürgerung  der  Eisenmanufaktur  in  seinen 
Staaten  lag  dem  Kurfürsten  am  Herzen.  Bald  nach  dem  Frieden 
von  Oliva  versprach  er  —  1.  Mai  1661  —  denjenigen  Klingen- 
schmieden, die  aus  dem  Bergischen  in  das  Brandenburgische 
ziehen  würden,  die  Einräumung  bequemer  Wohnungen  nebst 
vollständig  eingerichteten  Werkstätten,  auch  Hausplätzen  und 
Gemüsegärten.  Diese  Verheirsungen  führten  zumal  in  die  Graf- 
schaft Mark  so  zahlreiche  Klingenschmiede,  dars  man  solchen 
schon  1669  nur  noch  das  Bauholz  zu  schenken  nötig  hatte*. 
Der  Märker  Eisendraht  wurde  Gegenstand  beträchtlicher  Aus- 
fuhr. Sie  war  nach  England  allein  so  stark,  dars  sie  dem  Könige 
dieses  Landes  an  Zoll  jährlich  6000  Pfund,  nach  heutigem  Geld- 
werte etwa  360000  Mark,  abwarf.  Die  englischen  Kaufleute 
suchten  diese  Einfuhr  zu  vernichten ,  indem  sie  sich  dabei  auf 
ein  zweihundert  Jahre  altes  Gesetz  König  Eduards  IV.  beriefen. 
Trotz  eifriger  Gegenbemühungen  des  brandenburgischen  Gesandten 
in  London,  des  jüngeren  Otto  von  Schwerin,  trugen  die  schutz- 
zöllnerischen  Tendenzen,  die  damals  überhaupt  die  englische 
Handelspolitik  wie  die  aller  anderen  Länder  beherrschten,  den 
Sieg  davon.  Eine  1678  einlaufende  Fracht  Märker  Eisendrahtes 
im  Werte  von  tausend  Pfund  wurde  sogar  als  widergesetzlich 
eingeführt  mit  Beschlag  belegt.  Indes,  das  Märker  Eisen  über- 
traf das  englische  derart  sowohl  an  Güte  wie  an  Wohlfeilheit, 
dars  der  Draht  fernerhin  durch  den  Schmuggel  in  fast  ebenso 
grofser  Menge  importiert  wurde  wie  früher  auf  legalem  Wege*. 

Um  auch  in  der  Kurmark  die  Eisenfabrikation  zu  heben, 
legte  der  Kurfürst  in  der  Hegermühle  bei  Biesenthal,  nördlich 
von  Berlin,  ein  grofses  Magazin  von  Eisen-  und  anderen  Metall- 
blechen, sowie  Eisenhämmer  an,  die  allerdings  mit  Verkaufs- 


^  Ms.  Dep.  Bebenacs  vom  Juni  1687;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Bep. 
94,  IV  Hb,  la. 

«  Mylius,  IV,  I  113  ff. 

»  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  441  Anm.  3. 

^  Briefe  des  jüngeren  Schwerin  aus  England,  herausg.  von  Orlich 
(BerlinM837),  S.  169.  220.  223.  231  f. 


SiebenmiddreiCsigstes  Kapitel.    KurfOrst  itnd  Volkswohlstand.     95 

monopol  fQr  die  Kurmark  begabt  wurden^.  In  Königsberg  in 
Preursen  bestand  wenigstens  eine  landesherrliche  Geschütz- 
gierserei  nebst  Salpetersiederei  und  Luntenfabrikation  ^ 

Das  beliebteste  Mittel  des  Merkantilismus  zur  Hebung  der 
einheimischen  Manufakturen  war  das  Verbot  der  Ausfuhr  von 
Rohstoffen,  die  von  diesen  verarbeitet  werden  konnten.  Der 
Kurfürst  liefs  es  sich  nicht  nehmen,  gleichfalls  in  diesem  Sinne 
tätig  zu  sein :  wie  den  Export  von  Wolle  so  untersagte  er  auch 
den  des  Hopfens,  der  Häute  und  Felle,  des  Silbers  und  Goldes, 
sowie  der  Lumpend  Ein  Getreideausfuhrverbot,  im  Jahre  1674, 
war  freilich  nicht  so  sehr  im  merkantilistischen  Geiste  darauf 
berechnet,  den  Brotpreis  zu  erroftrsigen  und  damit  die  Löhne  für 
die  industriellen  Arbeiter  niedrig  zu  halten,  als  vielmehr  das 
für  die  Verproviantierung  der  Feldarmee  nötige  Korn  zu  sichern^. 

Friedrich  Wilhelm  erhoffte  dann  eine  Epoche  neuer  Blüte 
für  die  brandenburgische  Industrie  von  der  Einwanderung  der 
französischen  R6fugi6s.  Seine  Erwartungen  wurden  hier  nur 
teilweise  erfüllt.  Allerdings  verbesserten  die  Franzosen  eine 
gewisse  Anzahl  von  Manufakturen  und  begründeten  andere  ganz 
neu,  wie  das  weiter  oben  angedeutet  wurde.  Allein  ihre  Unter- 
nehmungen hatten  nur  zum  Teil  Bestand.  Es  fehlte  den  Ein- 
wanderern allzusehr  an  den  nötigen  Kapitalien,  um  eine  Grofs- 
industrie  in  weitem  Umfange  auf  die  Dauer  in  den  branden- 
burgischen Ländern  erhalten  zu  können.  Jedenfalls  ist  die 
Zeit  der  Niederlassung  der  französischen  Reformierten  insofern 
für  das  ganze  ökonomische  System  Friedrich  Wilhelms  bedeut- 
sam, als  er  erst  seitdem  den  in  Frankreich  herrschenden  Merkan- 
tilismus im  eigenen  Hause  ganz  durchführt  und  die  einheimische 
Fabrikation  durch  das  Einfuhrverbot  zahlreicher  fremder  ge- 
werblicher Erzeugnisse  zu  heben  sucht. 

Die  Tätigkeit  der  Regierung  zu  Gunsten  des  Handels  und 
der  Industrie  war  eine  so  lebhafte,  dafs  zu  deren  Leitung  der 
KurfOrst  1678  in  Berlin  ein  Kommerzkolleg  einrichtete,  zu 
dessen   Vorsitz  kein    Geringerer    als   der   Oberpräsident  Otto 


»  Mylius,  VI,  Anh.  S.  61. 

'  Ms.  Herzog  v.  Croy,  Diarium  Prussiae  1670—1672  (Berlin,  Geh. 
Staataarcbiv,  Rep.  Ö2,  Croy,  1H6),  Vol.  H,  178,  HI,  886. 

*  Mylius,  IV,  I  passim. 

*  Zeitschr.  L  Kunst,  Wissenschaft  u.  Gesch.  des  Krieges,  Bd.  XLV 
(1889)»  S.  181. 


J 


96  Sechstes  Buch. 

von  Schwerin  berufen  wurde,  —  ein  Beweis,  wie  hoch  Friedrich 
Wilhelm  die  Aufgaben  der  neuen  Behörden  einschätzte.  Sie 
hatte  einen  doppelten  Zweck:  einmal  die  „Kommerzien"  zu 
befördern,  dann  die  Prozesse  in  Handelssachen  zu  entscheiden. 
Später  —  1684  —  wurden  in  den  Seestädten  Königsberg  und 
Kolberg,  für  Preufsen  und  für  Pommern,  ebenfalls  Kommerz- 
kollegien errichtet  und  der  zum  General-Kommerzkollegium  er- 
hobenen Berliner  Behörde  untergeordnet.  Diese  schlug  bald 
eine  entschieden  protektionistisch  -  merkantilistische  Richtung 
ein ,  indem  sie  übrigens  in  aller  Weise  Verkehr  und  Kreditwesen 
in  den  kurfürstlichen  Staaten  zu  entwickeln  suchte.  Sie  stiefs 
)  dabei  auf  die  beschränkte  und  zäh  konservative  Gesinnung,  die 
damals  die  brandenburgisch  -  preufsische  Bevölkerung  erfüllte. 
)  Das  General-Kommerzkolleg  wünschte  1685  in  Berlin-Cölln  unter 
städtischer  Verwaltung  eine  Feuerkasse  zu  gründen,  die,  aufser 
dem  eigentlichen  Versicherungsgeschäft,  noch  die  Aufgaben  eines 
grofsen  Kreditinstitutes  übernehmen  sollte.  Die  Magistrate  der 
beiden  verbundenen  Residenzen  lehnten  aber  diese  Anregung  ab, 
nicht  allein  wegen  der  Armut  der  Bürger,  sondern  auch  weil 
„es  nicht  bekannt  sei,  dafs  im  ganzen  heiligen  römischen  Reiche 
in  irgend  einer  kur-  oder  fürstlichen  Residenz  eine  solche  Feuer- 
ordnung introduzieret  worden  sei''!  Mit  gleicher  Engherzigkeit 
setzten  Königsberg  und  die  hinterpommerschen  Städte  der  Wirk- 
samkeit ihrer  provinziellen  Kommerzkollegien  möglichsten  Wider- 
stand entgegen,  um  nur  ihren  veralteten  Privilegien  und  für 
die  Allgemeinheit  schädlichen  Rechten  nichts  zu  vergeben. 

Allein  der  Kurfürst  liefs  sich  auf  diesem  Gebiet  ebenso- 
wenig wie  auf  vielen  anderen  durch  den  Unverstand  und  die 
Beschränktheit  seines  arg  zurückgebliebenen  Volkes  abschrecken. 
Er  ging  festen  Schrittes  auf  der  vod  ihm  selbst  gezeichneten 
Bahn  voran.  „Dieser  Kurfürst  ist  für  den  Handel  sehr  ein- 
genommen,'' schreibt  der  kaiserliche  Gesandte  Fridag^  „und  er 
sucht  alle  nur  denkbaren  Wege,  um  hier  Vorteil  zu  erzielen." 
Kaum  war  der  Nordische  Krieg  beendet,  so  schlofs  er  mit  Eng- 
land einen  Handelsvertrag  ab.  Dieses  Übereinkommen  eröffnete 
die  englischen  Häfen  den  brandenburgischen  Fahrzeugen  und 
gewährte  ihnen   in   Zollangelegenheiten  die   Rechte  der  meist- 


1  An  den  Marquis  v.  Graua,  Nov.  1687  (Kopie);  Berlin,  G^k.  Staata- 
archiv,  Rep.  94,  I V  H  b,  4  b. 


Siebenunddreilsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.     97 

begünstigten  Nation.  Aurserdem  sah  er  die  Verlegung  des 
Stapels  englischer  Tuche  von  Danzig  nach  einem  Ort  des 
herzoglichen  Preufsen  voraus*.  Leider  wurde  der  Vertrag,  als 
er  1672  abgelaufen  war,  nicht  wieder  erneuert,  und  zwar  durch 
Schuld  der  britischen  Regierung,  die  ganz  in  französischem 
Fahrwasser  segelte.  Da  suchte  Friedrich  Wilhelm  die  Unzufrieden- 
heit der  eifrigen  Protestanten  Englands,  zumal  der  Dissenters, 
mit  dem  katholisierenden  und  absolutistischen  Regierungssysteme 
der  Stuarts  zur  Hebung  des  Handelsstandes  in  seinen  eigenen 
Landen  zu  benutzen.  Unter  der  Hand  versprach  er  allen  Eng- 
ländern, besonders  i^Commercianten  und  Manufacturiers*',  die 
sich  in  Brandenburg  niederlassen  wollten,  seinen  Schutz,  —  ge- 
wifs  nicht  allein,  wie  er  vorgab,  „sowohl  aus  absonderlicher  Zu- 
neigung gegen  die  englische  Nation  als  auch  wegen  christlichen 
Mitleids  gegen  Unsere  bedrängten  Glaubensgenossen*'.  Sein 
Generaldirektor  der  Marine,  Raule,  mufste  sich  deshalb  mit 
einem  in  stadt-bremischem  Solde  stehenden  englischen  Flüchtling, 
Oberst  Sir  William  Waller,  in  Verbindung  setzen;  auch  der 
Gesandte  in  London,  Besser,  hatte  im  gleichen  Sinne  zu  wirken 
(März  1684).  Der  Kurfürst  wünschte,  die  „Interlopers" ,  d.  h. 
solche  englische  Kaufleute,  die  aufserhalb  der  mit  Monopol  ver- 
sehenen Kompanien,  also  ungesetzlicherweise,  überseeischen 
Handel  trieben  und  deshalb  in  ihrer  Heimat  gerichtlichen  Ver- 
folgungen ausgesetzt  waren,  zur  Übersiedlung  nach  Preufsen, 
Pommern  oder  dem  neuerdings  in  die  brandenburgische  Interessen- 
sphäre eingetretenen  Ostfriesland  zu  bewegen.  Offiziell  wurden 
die  Gesandten,  sowohl  Besser  als  Spanheim  (1685),  mit  Abschlufs 
eines  neuen  Handels-  und  Schiffahrtsvertrages  beauftragt,  der 
auch  Ostfriesland  miteinschliefsen  sollte.  Der  Kurfürst 
wünschte  zu  Emden  und  Königsberg  amtliche  britische 
Faktoreien  und  Stapelhäuser  errichtet  zu  sehen.  Diese  Be- 
mühungen blieben  aber  im  ganzen  erfolglos;  es  gelang  nur, 
einzelne  Engländer  und  besonders  Schotten  nach  Preufsen  zu 
ziehen  •. 

Auch  mit  Frankreich  suchte  Friedrich  Wilhelm  einen  Handels- 
vertrag zu  Stande  zu  bringen,  durch  Verhandlungen  zuerst  des 

'  V.  Mörner,  254f. 

*  Ms.  Surf,  an  Fuchs,  11  /21.  März  1684;  Geb.  Staatsarchiv,  Berlin, 
Eep.  XI  Kurköln,  9.  —  Ms.  Kurf.  an  Besser,  18./28.  März  1684,  und  Ms. 
Kurf.  an  Spanheim,  27.  Febr./ 9.  März  1685;  das.,  Bep.  XI,  England,  9. 

Philippaon,  Der  Grofse  KurfQrft.    III.  7 


9g  Sechstes  Buch. 

Postdirektors  Matthias,  dann  des  Obersten  v.  Pöllnitz  mit  Colbert. 
Der  in  Berlin  ausgearbeitete  Vertragsentwurf  war  darauf  be- 
rechnet, den  Hollandern  ihr  tatsächliches  Vorrecht  der  maritimen 
Vermittlung  zwischen  den  nordischen  Völkern  zu  nehmen,  und 
sehr  geschickt  dem  wenig  entwickelten  Stande  der  französischen 
wie  der  brandenburgisch  -  pfeursischen  Handelsflotte  angeparst 
Französische  Schiffe  sollten  ihre  heimischen  Erzeugnisse :  Weine. 
Tuche,  Salz,  verschiedene  Fabrikate,  nach  Hamburg  bringen 
und  sie  dort  mit  brandenburgischen  Fahrzeugen  gegen  deren 
Fracht:  Leder,  Hanf,  Pech,  Wolle,  umtauschen*.  Allein  der 
Vertrag  kam  nicht  zu  stände ;  die  Franzosen  mochten  kein  hin- 
reichendes Vertrauen  auf  die  Leistungsfähigkeit  der  branden- 
burgischen Handelsflotte  setzen.  Unmittelbar  nach  dem  Frieden 
von  St.  Germain  hat  dann  der  Kurfürst  seine  Bemühungen  um 
einen  Handels-  und  Schiffahrtsvertrag  mit  Frankreich  wieder 
aufgenommen^.  Aber  so  mannigfache  Bündnisse  dieses  noch 
mit  dem  Kurfürsten  abschlofs,  zu  einem  Handelsabkommen  mit 
ihm  hat  es  sich  nicht  entschliefsen  können. 

Schon  vorher  hatte  Friedrich  Wilhelm  seine  Netze  nach 
einer  anderen  Seite  ausgeworfen.  In  den  Tagen,  da  er  mit 
Spanien  gegen  Frankreich  verbündet  gewesen,  hatte  er  den 
Kammerjunker  von  Ruck,  Hauptmann  zu  Homburg,  nach  Madrid 
gesandt,  um  dort  die  Auszahlung  der  rückständigen  spanischen 
Hilfegelder  zu  betreiben.  Er  eröffnete  während  dieser  Ver- 
handlungen dem  Gesandten  seine  Absicht,  „einiges  unschädliches 
Commercium  aufs  Unfseren  Landen  nach  Americam  auf  Unfser 
Kosten  anzurichten,  wenn  Uns  solches  von  Ihrer  Köngl.  May**-  ver- 
gönnt werden  wollte".  Für  solche  Gewährung  war  der  Kurfürst 
sogar  bereit,  auf  alle  seit  1660  ihm  von  Spanien  zugesagten 
und  nicht  ausgefolgten  Subsidien  zu  verzichten.  Leider  erhielt 
er  weder  das  eine  noch  das  andere*. 

Es  gelang  nur  (1661)  ein  weit  bescheidenerer  Vertrag  mit 
Braunschweig-Celle ,  der  die  Befreiung  des  Holz-  und  Getreide- 
handels auf  der  unteren  Elbe  von  den  Schikanen  der  Hamburger 
bezweckte,  und  ebenso  eine  Übereinkunft,  die  die  von  der 
litauischen  Stadt  Kowno   dem  preufsischen  Handel  bereiteten 

»  ü.  u.  A.,  II,  287 f.  305.  307.  -  Droysen,  HI,  IH  281. 
«  Ms.  Instr.  an  Bauveau  d'Espence,    16./20.  Juli  1679;  Geh.  Staats- 
archiv, Berlin,  FranTcr.  Rep.  XI  Konv.  18.  —  Schuck  I  134. 
»  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  LXIII,  8  b. 


Siebenunddreifsigstes  Kapitel.    Kiirfttrst  und  Volkswohlstand.      99 

Schwierigkeiten  beseitigte  ^  Erst  gegen  Ende  seiner  Regierung 
hatte  der  Kurfürst  die  Genugtuung,  sich  in  den  niederländisch- 
schwedischen Handelsvertrag  eingeschlossen  zu  sehen,  so  dars 
in  jenen  beiden  Ländern  die  Brandenburger  seitdem  die  Rechte 
der  meistbegtlnstigten  Nation  genossen'. 

Auf  das  Meer  war  Friedrich  Wilhelms  Auge  gerichtet:  die 
wogende  Feme  zog  seinen  grofsen  und  unternehmenden  Geist 
unwiderstehlich  an.  Auch  die  Schiffbarkeit  der  Flüsse  interessierte 
ihn  besonders  deshalb,  weil  sie  den  Verkehr  mit  der  See  ver- 
mittelten. Zum  Seehandel  waren  aber  vor  allem  zahlreiche 
tQchtige  Schiffe  nötig,  und  an  solchen  mangelte  es  in  den  preufsi- 
schen  und  hinterpommerschen  Küstenplätzen.  Die  Ostelbier 
waren  auch  hierin  während  des  letzten  Jahrhunderts  traurig 
zurückgeblieben.  Der  Kurfürst  suchte  dem  Mangel  abzuhelfen, 
indem  er  bewährte  niederländische  Schißiszimmerer  nach  Königs- 
berg zog.  Freilich  warfen  die  Eifersucht  und  die  Zunftstreitig- 
keiten der  Einheimischen  den  Fremden  jedes  mögliche  Hindernis 
in  den  Weg,  aber  diese  fanden  bei  dem  Herrscher  und  seinen 
Beamten  stets  Schutz  und  Förderung.  Gröfseren  Aufschwung 
nahm  der  Schiffsbau  in  Königsberg  erst,  als,  nach  dem  Frieden 
von  St.  Germain,  der  unermüdliche,  unternehmende  Raule  mit 
dieser  Tätigkeit  betraut  wurde:  als  Privatmann,  auf  eigene 
Rechnung,  aber  vom  Staate  durch  Holzlieferung  unterstützt. 
Staatshilfe  und  staatliche  Bevormundung  gingen  eben  in  dem 
merkantilistischen  Systeme  Hand  in  Hand,  das  nirgends  besser 
am  Platze  war  als  in  wirtschaftlich  und  intellektuell  so  zurück- 
gebliebenen Ländern,  wie  es  das  damalige  Preufsen  und  Branden- 
burg waren.  Das  Schiffahrtsedikt  vom  24.  Dezember  1680  ver- 
sprach allen,  die  Fahrzeuge  erbauen  wollten,  unentgeltliche 
Lieferung  der  nötigen  Krummhölzer,  indes  unter  der  Bedingung, 
dafs  der  Bau  in  guter  und  tüchtiger  Weise  unter  der  Aufsicht 
eines  vom  Kurfürsten  einzusetzenden  Sachverständigen  vor  sich 
gebe.  Dafür  sollten  diese  neuen  Seeschiffe  die  fernere  Be- 
günstigung geniefsen,  dafs  auf  sechs  Jahre  hin  die  auf  ihnen 
transportierten  Waren  bei  der  Ein-  und  Ausfuhr  sich  einer  ZoU- 
ennäfsigung  von  zehn  Prozent  erfreuten.    Aufserdem  verhiefs 


*  Kurf.   an   Graf  Dohna,   4./14.  Jan.   1688;   Orlich,   Preufe.  Staat, 
ni,  341f. 

«  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XXXIV,  227  z. 

7* 


r?(?0(,(}b 


JOO  Sechstes  Buch. 

das  Edikt  den  brandenburgisch  -  preufsischen  Schiffern  Freiheit 
von  allen  zum  Besten  des  Staates  zu  erzwingenden  persönlichen 
Diensten,  freien  Verkehr  nach  den  fremden  Erdteilen  und  den 
Schutz  der  heimischen  Kriegsmarine.  Es  nahm  endlich  die 
Beseitigung  der  den  Königsberger  Verkehr  erschwerenden  Un- 
tiefen in  Aussicht  ^ 

Leider  waren  damals  die  Preursen  und  Pommern  wenig  dazu 
angetan,  die  nützlichen  Pläne  des  Kurfürsten  zu  unterstützen. 
Sie  blieben  nicht  allein  selber  untätig  und  vereitelten  damit 
Raules  Absicht,  eine  preufsische  Aktiengesellschaft  mit  einem 
Kapital  von  50000  Talern  (650000  Mark  nach  heutigem  Geld- 
werte) zum  Bau  und  zur  Verwertung  von  zehn  Seeschiffen  zu 
gründen^,  sondern  sie  machten  durch  ihre  steten  Plackereien 
und  Feindseligkeiten  auch  den  Ausländern  schliefslich  jedes 
gedeihliche  Schaffen  unmöglich.  Da  nahm  Friedrich  Wilhelm 
die  Sache  selbst  in  die  Hand,  durch  den  Niederländer  Wybrand 
van  Workum.  Der  stellte  verschiedene  Werften  nicht  allein  für 
Kriegs-,  sondern  auch  für  Handelsfahrzeuge  her.  Es  war  doch 
schon  ein  gewaltiger  Fortschritt,  dafs  die  brandenburgischen 
Orlogsschiffe  nunmehr  auf  heimischen  Werften  zu  Königsberg 
gebaut  wurden,  anstatt  in  der  Fremde:  in  einem  Jahr  — 
1687  —  lieferte  Workum  dem  Fürsten  vier  stattliche  Galliot- 
schiffe. 

In  Pommern  war  besonders  Kolberg  zum  Schiffbau  aus- 
ersehen; wie  aus  der  eigenen  Provinz  so  auch  aus  Preufsen 
liefs  der  Kurfürst  zu  diesem  Zwecke  Holz  dahin  liefern.  Es 
war  wieder  ein  Holländer,  Viktor  de  Poorter,  der  hauptsächlich 
auf  den  Kolberger  Werften  arbeiten  liefs.  Man  sieht  von  neuem, 
wie  notwendig  und  segensreich  die  Heranziehung  der  Fremden 
durch  den  Kurfürsten  für  die  Hebung  des  zurückgebliebenen 
brandenburgisch-preufsischen  Wesens  war. 

Friedrich  Wilhelm  erbaute  sogar  in  Berlin  und  Havelberg 
kleinere  Seeschiffe  unter  Raules  Aufsicht;  er  hatte  dort  wenigstens 
nicht  mit  dem  Widerstände  zünftiger  Schiffszimmerer  zu  kämpfen. 
Seine  und  Raules  Veranstaltungen  kamen  im  ganzen  freilich 
der  Herstellung  mehr  von  Kriegs-  als   von  Handelsschiffen  zu 


»  Mylius,  V,  n  22 ff. 

•  H.  Peter,  Die  Anfänge  der  brandenb.  Marine  (Progr.  des  Sophien- 
gymnas.  zu  Berlin,  1877),  8.  18  f. 


Siebenonddreilsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.     101 

gute,  —  aber  der  Weg  für  eine  bessere  Zukunft  war  doch 
geöffnet.  Raule  durfte  schon  1684  mit  Genugtuung  darauf  hin- 
weisen: anfangs  sei  der  Schiffbau  in  Preufsen  „von  jedermann 
verspottet  und  allda  ftlr  impraktikabel  gehalten,  nunmehr  aber 
in  guten  Train  gebracht  worden**.  Es  war  eine  Genugtuung 
und  der  Beweis,  dafs  man  auf  dem  richtigen  Pfade  war,  wenn 
die  Holländer  beträchtliche  Unruhe  und  Besorgnis  vor  dem 
Schiffbau  in  den  brandenburgisch -preufsischen  Landen  zeigten, 
fürchtend,  das  Kurfürstentum  werde  ihre  maritime  Überlegenheit 
wesentlich  beeinträchtigend 

Die  günstigen  Folgen  der  einsichtigen  und  beharrlichen 
Tätigkeit  des  Kurfürsten  zeigten  sich  allerorten.  Der  Handel 
von  Preufsen  wie  von  Kleve  erstreckte  sich  bereits  bis  nach  Eng- 
land und  Spanien.  Freilich  hatten  die  brandenburgischen  Schiffer 
stark  mit  englischer  und  holländischer  Eifersucht  zu  kämpfen, 
und  es  ging  dabei  ohne  Streitigkeiten  und  Verluste  nicht  ab^ 
Anderseits  bemühte  sich  Friedrich  Wilhelm,  den  Warenverkehr 
aus  Litauen  und  Preufsen  von  Danzig  nach  Königsberg  zu 
ziehen,  indem  er  die  Pregelschiflfahrt  zu  heben  suchte  und  ver- 
bot, die  nach  Königsberg  herabgeflöfsten  Waren  über  das  Haff 
auf  den  Markt  nach  Danzig  zu  führen,  wo  die  Schiffer  als  Rück- 
fracht andere  Waren  mit  sich  zu  nehmen  pflegten^.  Die  Zahl 
der  in  Pillau  ein-  und  auslaufenden  Schiffe  weist  tatsächlich  eine 
beträchtliche  Zunahme  des  Königsberger  Seeverkehrs  auf. 
Während  sie  nach  dem  Nordischen  Kriege,  1655,  auf  160  im 
Jahre  gesunken  war,  stieg  sie  gegen  Ende  von  Friedrich  Wil- 
helms Regierung  auf  350  bis  400,  —  ein  Anwachsen  auf  mehr 
als  das  Doppelte.  Der  Pillau  -  Königsberger  Verkehr  war  weit 
bedeutender  als  der  Memeler.  Während  der  Memeler  Zoll  1669 
nur  5530  und  1670  gar  nur  5177  Taler  brachte,  betrug  in  den- 
selben Jahren  der  Pillausche  Zoll  88760 bezüglich  96086»/8  Taler*. 
Die  hauptsächlichen  Ausfuhrartikel  waren  Holz ,  Leder ,  Häute, 
weniger  Getreide.    Der  Kurfürst  hatte  für  seine  Untertanen  von 


^  £.  Baasch,  Beiträge  zur  Gesch.  des  deutschen  Seeschiffbaues  und 
der  SchüfsbaupoUtik  (Kamburg  1899),  S.  188  f.  219  ff. 
«  Vgl.  U.  u.  A.,  XU,  623  ff. 

•  S.  Goldmann,  Danziger  Yerfassungskämpfe  unter  poln.  Herr- 
schaft (Leipzig  1901),  S.  76  f. 

*  Ms.  Herzog  von  Croy,  Diarium  Prussiae  1670— 1672  (Berlin,  Geh. 
Staatsarchiv,  Bep.  XCH,  Croy,  136),  Vol.  I  S.  76.  TT,  654. 


]02  Sechstes  Buch. 

Polen  die  Erlaubnis  freier  Fahrt  auf  den  masurischen  Flüssen 
erlangt,  aus  deren  waldreichem  Hinterlande  jene  rohes  und  ver- 
arbeitetes Holz  in  grofser  Menge  hinabflöfsten  und  nach  Danzig 
und  Königsberg  brachten  ^  Die  Einfuhr  bestand  vorzüglich  in 
Salz,  Weinen  und  Manufakturen.  In  Gemäfsheit  seines  Schiit 
fahrtsediktes  von  1G80  liefs  der  Kurfürst  dann  durch  den  Königs- 
berger Grofshändler  Lorenz  Gabel  und  den  Wassertechniker 
Wilcken  das  Fahrwasser  im  Haif  zwischen  Pillau  und  Königsberg 
derart  ausbaggern,  dafs  gröfsere  Schüfe  bis  zwölf  Fufs  Tiefgang, 
die  bisher  in  Pillau  hatten  löschen  und  von  da  den  Verkehr  mit 
der  preufsischen Hauptstadt  durch  Leichterschiffe  bewirken  müssen, 
unmittelbar  nach  Königsberg  gelangen  konnten  (1682).  Einige 
Jahre  später  wurde  die  Fahrt  auf  dem  Pregel  durch  Schleusen 
und  einen  grofsen  Treck -Damm  reguliert  und  erleichtert'. 
Ebenso  ward  der  Gilgestrom,  der  in  das  Kurische  Haff  sich 
ergiefst,  schon  1671  ausgebaggert  und  ausgeräumt  und  somit 
für  die  Schiffahrt  brauchbar  gemacht*. 

Pommerns  Seehandel  lag  sehr  im  argen.  Im  Jahre  1656 
hatte  die  Einfuhr  in  die  hinterpommerschen  Häfen  an  400000 
Rtlr.  betragen  (gleich  5400000  Mark  heutigen  Geldwertes);  allein 
seitdem  war  sie  ziemlich  stetig  zurückgegangen,  so  dafs  sie  1668 
nur  noch  110000  Rtlr.  (gleich  1485000  Mark)  ausmachte*.  Es 
war  natürlich,  dafs  Friedrich  Wilhelm,  nachdem  er  im  Frieden 
von  St.  Germain  zu  seinem  unaussprechlichen  Kummer  Stettin 
hatte  zurückgeben  müssen,  das  er  zum  maritimen  Mittelpunkte 
für  seine  ostelbischen  Provinzen  bestimmt  hatte,  mit  aller  Macht 
die  Hebung  der  hinterpommerschen  Seehäfen  anstrebte.  Es  galt 
nunmehr,  den  Grofshandel  Hinterpommerns,  der  Kur-  und  Neu- 
mark von  Stettin  unabhängig  zu  machen;  selbst  das  schlesisch- 
polnische  Hinterland  wollte  er  von  dieser  Stadt  abziehen.  Er 
fafste  hierbei,  aufser  Kolberg,  auch  Stolp  und  Rügenwalde  ins 
Auge.  Bei  letzterem  Orte  liefs  er  mit  grofsen  Kosten  einen 
kleinen,  aber  sicheren  Hafen  herstellen.  Mit  Hilfe  eines  tat- 
kräftigen Kaufmanns  aus  Stettin,  Abraham  Syvers,  machte  er 
den  Unterlauf  des Flüfschens  Drage  schiffbar:  französisches  Salz 


'  Theod.  Hirsch  in  den  U.  ii.  A.,  IX,  4  f. 
*  Meinardus,  S.  452  ff. 

■  Ms.    Herzog  von  Croy,  a.  a.  O.  II,  44,  III,  106. 
^  Brandenburgiscber  Anteil  an  den  Einfuhrzöllen  =  2  ®/o  des  Wertes : 
Liste  dieser  Zölle  1654— 166S  bei  Mein ar du s,  8.  86  Anm.  1. 


Siebenunddreilsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.    X03 

sollte  80  nach  Hinterpommern  und  der  Mark  eingeführt  und  hier 
gesotten,  dafür  Holz  nach  Frankreich  exportiert  werden.  Das 
Unternehmen  gelang  völlig.  Freilich  fand  er  sich  auch  in 
Pommern  durch  die  Mifsverwaltung  der  beschränkten  und  ver- 
rotteten städtischen  Ordnungen  und  Behörden  behindert,  denen 
sogar  des  energischen  Meinders  Tatkraft  nicht  immer  gewachsen 
war.  Das  Vorurteil  machte  sich  geltend,  der  Kurfürst  wolle  um 
des  fiskalischen  Interesses  willen  die  alten,  guten  Einrichtungen 
umstürzen;  es  war  den  hartköpfigen  Hinterpommern  lästig,  aus 
ihrem  alten  Schlendrian  aufgestöbert  zu  werden.  Widersetzten 
sich  doch,  um  ihre  Zunftprivilegien  aufrechtzuerhalten,  die 
pommerschen  Städte  sogar  der  Einführung  neuer  Manufakturen! 
Trotzdem  gelang  es,  Wollenweberei  und  Tuchfabrikation  in  dieser 
Provinz  heimisch  zu  machen.  Erst  wenn  man  bedenkt,  wie 
Friedrich  Wilhelm  den  Fortschritt  einer  zäh  konservativen  Be- 
völkerung hat  aufzwingen  müssen,  begreift  man  die  geistige 
Initiative  und  Willensstärke  dieses  seltenen  Fürsten  \ 

Besondere  Sorgfalt  liefs  er  dem  Verkehr  auf  der  Elbe 
angedeihen.  Dieser  Strom  betraf  ihn  zunächst  nur  als  Fürsten 
von  Halberstadt,  seit  1680  auch  als  Herzog  von  Magdeburg,  end- 
lich, mittelbar,  als  den  Hersteller  des  Müllroser  Kanals,  der 
den  Verkehr  von  Breslau  über  Berlin  nach  Hamburg  vermittelte. 
Der  Eibhandel  aber  wurde  durch  zwei  Umstände  wesentlich 
beeinträchtigt:  einmal  durch  die  Menge  und  Höhe  der  mannig- 
faltigen Zölle,  die  den  Handel  mit  gewissen  Waren  überhaupt 
unmöglich  machten,  und  dann  durch  den  schlimmen  Zustand  des 
Stromes  und  seiner  Ufer,  die  seit  Jahrzehnten  völlig  vernach- 
lässigt worden.  Der  Jammer  der  Vielstaaterei  und  der  elenden 
Lokal  rechte  machte  sich  überall  geltend.  Sofort  nach  dem  Ende 
des  Nordischen  Krieges  bemühte  sich  der  Kurfürst,  durch  Ver- 
anstaltung von  Konferenzen  der  Uferstaaten  diesen  Mifsständen 
nach  Möglichkeit  abzuhelfen.  Allein  trotz  aller  Anstrengungen 
setzte  Brandenburg  seine  Wünsche  nur  in  Nebendingen  durch; 
besonders  Lauenburg  und  Mecklenburg  betrachteten  und 
behandelten  den  Eibhandel  lediglich  vom  Standpunkte  des 
Raubrittertums.  Endlich  aber  erreichte  es  der  Kurfürst, 
dafs  seine  Untertanen  von  den  Zöllen  dieser  beiden  Staaten 
befreit    wurden.      Er    selber    verminderte    die    Höhe    seiner 


1  Strecker,  Meinders,  101  f.  —  Meinardus,  464 ff.  491  f. 


104  Sechates  Buch. 

eigenen  Elbzölle  und  ordnete  deren  Verwaltung  in  einer  für  die 
Schiffer  weniger  beschwerlichen  Weise.  Er  bemühte  sich  unaus- 
gesetzt durch  Übereinkünfte  mit  den  übrigen  Uferstaaten  um 
die  Hebung  des  tief  gesunkenen  Elbhandels :  vielerlei  Visitationen, 
lästige  Förmlichkeiten  und  Erpressungen  sollten  abgestellt 
werden  (1672).  Aber  tatsächlich  haben  nur  Brandenburg  und 
Braunschweig  -  Celle  die  Ausführung  dieser  segensreichen  Be- 
stimmungen in  die  Hand  genommen  ^ 

ÄuOsere  Umstände  waren  es,  die  den  Elbhandel  wieder  in  die 
Höhe  brachten.  Die  Pest,  die  seit  1680  mehrere  Jahre  hindurch 
die  Umgegend  von  Leipzig  verheerte,  liefs  für  den  böhmischen, 
mährischen  und  österreichischen  Verkehr  mit  Hamburg  und  der 
See  durchaus  die  Elbe  wählen.  Und  wie  das  zu  geschehen  pflegt : 
auch  nach  dem  Erlöschen  der  furchtbaren  Seuche  blieb  der 
Handel  dem  einmal  eingeschlagenen  Wege  treu.  Während  die 
Polen  und  Niederschlesier  über  Berlin,  gingen  die  Lausitzer 
und  Österreicher  mit  ihrer  Leinwand  direkt  die  Elbe  hinunter 
nach  Hamburg;  Südfrüchte,  Weine,  Spezereien,  Fische  wurden 
dagegen  den  Strom  hinaufgeführt.  Die  Streitigkeiten  zwischen 
den  Lüneburgern  und  Hamburg  im  Jahre  1685  hinderten  die 
Befahrung  der  alten  Heerstrafse  von  Westen  über  Lüneburg  und 
trieben  alle  Waren,  die  westher  nach  Hamburg  gingen,  gleich- 
falls auf  die  Elbe.  Der  brandenburgische  Zolleinnehmer  in 
Tangermünde  konnte  1685  melden,  dafs  gegen  früher  seine  Ein- 
nahmen sich  verzehnfacht  hatten.  So  bedeutend  hatte  der  Eib- 
verkehr zugenommen.  Magdeburg  zumal  wurde  auf  zwei  Jahr- 
hunderte hin  der  wichtigste  Sitz  des  Kolonialhandels  für  Inner- 
deutschland und  die  gesamten  österreichischen  Staaten.  Erst 
die  moderne  Entwicklung  des  Verkehrswesens  hat  die  Stadt 
dieser  glänzenden  Stellung  beraubt 

Weniger  fielen  anfangs  die  Fortschritte  der  Berliner  Schiff- 
fahrt ins  Auge,  da  sie  von  den  Hamburgern  und  Breslauem 
gleicherweise  bekämpft  und  gewissermafsen  zwischen  diesen  beiden 
Extremen  erdrückt  wurde*. 

Wie  den  nationalen  Handel  so  suchte  Friedrich  Wilhelm 
auch  den  Transitverkehr  durch  seine   Staaten   zu   heben.    Zu 


*  Schmoller,  in  den  Jahrb.  f.  Gesetzgeb.  u.  Volkswirtech.,  VIII, 
(1884),  1056  ff.  —  Mörner,  256.  345ff.  466 ff. 

«  Heller,  39 ff.  44.  48.  —  Toeche-Mittler,  Der  Friedr.-Wilh.- 
Eanal,  S.  61  f. 


Siebenunddreifsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.    105 

diesem  Zwecke  setzte  er  den  Durchgangszoll,  der  bisher  IV2  vom 
Hundert  des  Wertes  betragen  hatte,  1684  auf  die  Hälfte,  »Z* 
vom  Hundert,  herab  und  befreite  dabei  die  durchpassierenden 
Waren  von  der  Besichtigung  durch  die  Zollbehörden.  Es  kam 
diese  Mafsregel  einer  vollen  Durchgangsfreiheit  sehr  nahe*. 

Das  Hauptmittel  des  damaligen  Verkehrs,  das  Postwesen,  hatte 
Friedrich  Wilhelm,  wie  wir  wissen  ^  in  seinen  Staaten  neu  begründet 
und,  mit  Hilfe  des  trefflichen  Matthias,  auf  eine  hohe  Stufe  der 
Vervollkommnung  gebracht.  Im  Jahre  1662  wurden  die  direkten 
Postverbindungen  bis  nach  Breslau  ausgedehnt,  das  durch  die 
Anlage  des  MoUroser  Kanals  eine  besondere  Wichtigkeit  für 
den  kurmärkischen  Verkehr  erhalten  hatte.  Damit  verband  man, 
nach  Übereinkommen  mit  der  kaiserlichen  Regierung,  einen  Kurs 
nach  Wien:  von  Berlin  dorthin  ging  die  neue  Post  in  sechs  Tagen, 
während  bisher  vierzehn  Tage  dazu  erforderlich  gewesen  waren. 
Nach  Königsberg  ging  die  kurfürstliche  Post  wöchentlich  zwei- 
mal von  Berlin,  in  nur  fünf  Tagen;  sechs  Tage  galten  schon 
als  aufserordentliche  Verspätung.  Von  Königsberg  lief  sie  über 
Schippenbeil,  Rastenburg  und  Orteisburg  nach  Warschau,  —  die 
vierzig  Meilen  wurden  in  knapp  zwei  Tagen  zurückgelegt*.  So 
im  Osten;  nach  Westen  vermochte  der  Kurfürst  eine  Reitpost 
von  Minden  über  Bremen  nach  Emden  anzulegen,  die  für  die 
neubegründete    Afrikanische   Handelskompanie    wichtig    wurde. 

Das  System  der  brandenburgischen  Postverbindungen  war 
mit  diesen  Kursen  abgeschlossen:  es  erstreckte  sich  von  Warschau 
aus  über  das  gesamte  nördliche  Deutschland  von  Memel  und 
Königsberg  bis  nach  Hamburg,  Bremen,  Emden  und  Kleve,  dann 
bis  Leipzig  und  Breslau;  seinen  Mittelpunkt  bildete  Berlin. 
Eine  grofsartige  Schöpfung,  die  nicht  nur  ein  mächtiger  Hebel 
für  Gewerbstätigkeit  und  Handel  in  den  brandenburgischen 
Staaten,  sondern  beabsichtigermafsen  auch  ein  kräftiges  Mittel 
der  landesherrlichen  Gewalt  zur  Einigung  der  zerstreuten  Pro- 
vinzen und  zur  scharfen  Zentralisierung  des  Beamtenapparates 
wurde. 


»  Mylius,  V,  n  26ff. 

*  Bd.  I  S.  407 ff.  —  Über  das  Folgende:  H.  Stephan,  G^esch.  d. 
preufs.  Post  (Berlin  1859),  8.  12 ff.;  Orlich,  Friedr.  Wilh.,  8.  298;  U.  u. 
A.,  IX,  pasaini. 

'  Mb.  Herzog  von  Croy,  Diarium  Prussiae,  I,  428, 11, 114  ff.,  DDE,  572. 


106  Sechates  Buch. 

Das  Briefgeheimnis  ward  übrigens  sorgfältig  gewahrt  Nur 
während  des  Einfalls  der  Schweden  in  die  Mark  (1675)  liefs  der 
Kurfürst  eine  kurze  Zeit  hindurch  verdächtige  Briefe  auf  dem 
Berliner  Postamt  eröffnen,  da  man  fürchtete,  es  gebe  in  der 
Residenz  schwedische  Spione« 

Postdirektor  Matthias  konnte  sich  der  Erfolge  seiner  geist- 
vollen und  energischen  Tätigkeit  bis  in  ein  hohes  Alter  erfreuen : 
er  starb  erst  1684.  Kammerrat  von  Stille  ward  sein  Nachfolger. 
Matthias  hatte  das  Fahrpostwesen  1666,  das  Briefporto  1673 
geregelt.  1687  wurde  auch  in  den  rheinisch-westfälischen  Pro- 
vinzen das  Thurn  und  Taxissche  Postregal  aufgehoben,  und  die 
dortigen  Postmeister  erhielten  den  Befehl,  die  Postsendungen 
lediglich  auf  Rechnung  des  Kurfürsten  anzunehmen  und  zu 
befördern. 

Überhaupt  konnte  bei  der  Zersplitterung  der  Territorien  nur 
die  Gewalt  einen  einheitlichen  Postverkehr  begründen  und  auf- 
rechterhalten. Die  Hamburger  wurden  gezwungen,  ihr  über- 
kommenes Postregal  auf  dem  Kurse  zwischen  ihrer  Stadt  und 
Danzig  an  Brandenburg  auszuliefern.  Mit  Kursachsen  wurde 
erst  nach  ärgerlichen  Streitigkeiten  und  Gewaltmafsregeln  ein 
Vergleich  geschlossen,  der  eine  brandenburgische  Schnellpost 
zwischen  Hamburg  und  Leipzig  zuliefs;  sie  wurde  wöchentlich 
zweimal  in  je  drei  Tagen  befördert,  während  die  bisherige  Boten- 
post vier  Tage  gebraucht  hatte.  Der  langwierige  Streit  zwischen 
dem  Kurfürsten,  der  Stadt  Danzig  und  den  Polen  über  den  Post- 
kurs durch  Polnisch-Preufsen  ward  endlich,  im  Mai  1661,  durch 
ein  Zugeständnis  des  Brandenburgers  erledigt.  Gemäfs  einer 
damals  unterzeichneten  Übereinkunft  sollten  die  Postfelleisen  an 
den  Grenzen  zwischen  der  brandenburgischen  und  der  polnischen 
Verwaltung  ausgetauscht  werden.  Friedrich  Wilhelm  hatte  hierbei 
ebenso  verloren  wie  die  Danziger,  die  früher  selber  das  Post- 
regal ausgeübt  und  übrigens  den  Streit  mit  dem  Kurfürsten 
angerührt  hatten ;  der  Dritte,  der  allein  aus  dem  Zwiste  Vorteil 
zog,  war  die  Krone  Polen. 

Ein  anderes  Regal,  das  der  Münzprägung,  hatte  Friedrich 
Wilhelm  in  der  Zeit  der  Not  zur  Verschlechterung  der  Scheide- 
münzen mifsbraucht,  die  dann  eine  förmliche  Münzanarchie  über 
sein  Land  gebracht  hatte.  Er  griff  nach  Wiederherstellung  des 
Friedens  das  Übel  mit  fester  Hand  an,  indem  er  die  schlechten 
und   im  täglichen  Verkehr  längst  entwerteten  Zwei-  und  Ein- 


Siebenunddreilsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.    107 

groschenstftcke  um  die  Hälfte  herabsetzte.  Allein  obwohl  nun- 
mehr vollwichtige  Münzen  geprägt  wurden,  hörte  der  einmal 
begonnene  Wucher  in  den  brandenburgischen  Münzen,  trotz  aller 
seharfen  Verordnungen,  nicht  auf.  Der  Kurfürst  sah,  zu  seinem 
und  des  Landes  Schaden,  etwas  spät  ein,  dafs  gerade  der  Ver- 
kehr sich  ungestraft  weder  überlisten  noch  vergewaltigen  lasse: 
so  schlofs  er  1667  mit  Kursachsen  zu  Zinna  einen  Vertrag,  nach 
dem  die  feine  Mark  Silber  nicht  über  10  Taler  16  Groschen 
ausgebracht  und  sämtliche  Münzen  gleich  gut  ausgestattet  werden 
sollten.  Zugleich  ward  die  Münzverwaltung  auf  praktische  und 
billige  Art  geordnet^.  Das  Ansehen  brandenburgischen  Geldes 
war  seitdem  wiederhergestellt. 

Dagegen  blieben  im  Herzogtum  Preufsen  die  Münzen  auch 
während  der  späteren  Regierungsjahre  Friedrich  Wilhelms  in 
schlechtem  Stande.  Der  Kurfürst  hatte  hier  nach  Aufhebung  des 
Lehnsverbandes  mit  Polen  den  Wert  des  Guldens  auf  18  Groschen 
(60  Pfennige  unseres  Geldes)  herabgesetzt ;  er  liefs  solche  zuerst 
aus  zwölf  lötigem  Silber  prägen,  mit  der  Umschrift:  supremus 
Dux  in  Prussia.  Doch  zwang  ihn  die  Geldnot,  die  Münzprägung 
1674  und  1681  zu  verpachten,  unter  Bedingungen,  die  ein  recht 
unterwertiges  Auskommen  der  Münzen  zur  Folge  hatten^. 

Neben  Grofsindustrie  und  Handel  fesselte  das  Handwerk 
die  Aufmerksamkeit  Friedrich  Wilhelms*.  Auch  hier  trat 
er  selbständig  und  tatkräftig  hervor.  Die  Überzeugung  hatte 
sich  ihm  längst  aufgedrängt,  dafs  das  herrschende  Zunftsystem 
mit  seinen  zahllosen  Mifsbräuchen,  Beschränkungen  und  Aus- 
schliefsungen ,  mit  seinen  Vorrechten  und  Gildebriefen  sowohl 
den  Aufschwung  des  Gewerbes  wie  die  Zunahme  der  Volkszahl 
in  seinen  Landen  ernstlich  behindere.  Die  immer  engere  Be- 
grenzung der  Anzahl  der  Meister,  die  unerschwinglichen  Kosten 
bei  Aufnahme  neuer  Meister,  die  trotzige  Organisierung  der 
Gesellenscbaft ,  das  stete  Zechen  und  Saufen  von  Meistern  und 
Gesellen  bei  den  zünftigen  Zusammenkünften  brachten  das 
deutsche  Handwerk  materiell  und  moralisch  immer  mehr  herunter. 
Der  Kurfürst  liefs  deshalb  1661  durch  den  Geheimen  Rat  über 


'  Mylius,  IV,  I  1236 ff. 

•  Lern  an,  Provinziah-echt  der  Provinz  Westpreufsen  (Leipzig 
1880)  I  41. 

'  Das  Folgende  nach  Mor.  Meyer,  Gesch.  der  preufs.  Handwerker- 
poHtdk,  Bd.  I  (Minden  1889),  S.  71  ff. 


108  Sechstes  Buch. 

die  Lage  des  Handwerks  eine  umfassende  Untersuchung  anstellen, 
als  deren  Ergebnis  sich  ihm  die  Meinung  aufdrängte,  dafs  nur 
eine  grundsätzliche  Regelung  der  schwierigen  und  verwickelten 
Frage  durch  die  Reichsgesetzgebung  zum  Ziele  zu  führen  ver- 
möge. Nur  so  konnte  das  Fortbleiben  der  Gesellen  aus  einzelneu 
Territorien  und  ihr  allzu  starker  Zulauf  nach  anderen,  über- 
haupt jede  Gewaltsamkeit  in   den  Zuständen  verhütet  werden. 

Nach  vielen  Bemühungen  kam  die  Handwerkersache  im 
Juli  1669  auf  dem  Regensburger  Reichstage  zur  Verhandlung. 
Der  Kurfürst  liefs  hier  den  radikalen  Antrag  stellen :  die  Zünfte 
entweder  ganz  aufzuheben  oder  doch  ihrer  die  ökonomische 
Politik  der  Regierungen  beschränkenden  Rechte  zu  berauben. 
Wie  man  sieht,  hegte  Friedrich  Wilhelm  auch  auf  diesem 
Gebiete  ganz  moderne  Anschauungen.  Die  gesetzgebende  Ver- 
sammlung des  Reiches  aber  zog  die  Verhandlungen  mit  der 
üblichen  Langsamkeit  und  Unentschlossenheit  hin.  Es  dauerte 
bis  1671,  ehe  man  wieder  zur  Beratung  schritt;  abermals  nahm 
Brandenburg  die  Führung  in  die  Hand,  indem  es  den  Obrig- 
keiten die  Befugnis  einzuräumen  beantragte,  einem  jeden,  den 
sie  für  tüchtig  befinden  würden,  das  Meisterrecht  unter  ganz 
geringer  Kostenforderung  zu  übertragen.  Es  ist  das  Bevölkerungs- 
prinzip, das  auch  in  diesen  Bestrebungen  den  Kurfürsten  leitete. 
Allein  er  drang  mit  so  durchgreifenden  Forderungen,  dem  zopfigen 
Widerstände  Österreichs ,  der  geistlichen  Fürsten  und  der  ver- 
kommenen Reichsstädte  gegenüber,  nicht  durch.  Die  hohe  Ver- 
sammlung fand,  dafs  man  sie  nicht  mit  „so  niedrigen  Dingen*" 
aufhalten  dürfe.  Es  kam  endlich,  am  3.  März  1672,  ein 
„Reichsgutachten''  zu  stände,  das  jedoch  nichts  enthielt  als 
einige  polizeiliche  Mafsregeln  zur  besseren  Überwachung  der 
Gesellen,  sowie  Abstellung  einiger  Zunftmifsbräuche ;  und  auch 
diese  Bestimmungen  haben  nie  Wirksamkeit  erlangt,  da  der 
Kaiser  dem  ;,Gutachten''  die  Bestätigung  versagte.  Damit  war 
der  Versuch,  die  Handwerksfrage  durch  die  Reichsgewalten  zu 
lösen,  gescheitert,  war  sie  an  die  Einzelterritorien  zurück- 
verwiesen. 

Der  Kurfürst  zögerte  nicht,  die  Angelegenheit  nunmehr  aus 
eigener  Macht  in  seinen  Staaten  zu  ordnen.  Schon  1669  hatte 
er  die  Privilegien  der  Zünfte  durchbrochen,  indem  er  ihnen 
aufgab,  jeden  neu  anziehenden  Kolonisten,  der  sich  im  Besitze 
eines  entsprechenden  Lehrbriefes  befinde,  als  Meister  anzunehmen. 


Siebenunddreifsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.     109 

1671  wurde  die  Verweigerung  der  Meisterschaft  wegen  Abstammung 
von  .unehrlichen"  Leuten,  d.  h.  gewissen  übelbeleumundeten 
Volksklassen,  untersagt  und  ebenso  1674  die  lächerlichen  und 
grausamen  Bräuche  bei  der  Annahme  und  dem  Losspruch  des 
Lehrlings,  durch  die  zahlreiche  anständige  Familien  ab- 
geschreckt wurden,  ihre  Kinder  dem  Handwerke  zuzuführen. 

Mafsregeln  aus  den  letzten  Regierungsjahren  Friedrich 
Wilhelms  sind  noch  einschneidender;  sie  stehen  mit  seiner 
Eolonialpolitik  und  Steuerreform  in  engstem  Zusammenhange. 
Die  Mifsbräuche  der  Zünfte,  die  das  Wiederaufkommen  der 
Städte,  die  Neubelebung  des  Verkehrs,  die  Entwicklung  der  kur- 
fürstlichen Einkünfte  und  damit  selbst  des  Heeres  behindern, 
sollen  von  den  neueingesetzten  Steuerkommissaren  scharf  über- 
wacht und  nötigenfalls  streng  geahndet  werden.  Nach  der  Ver- 
fügung vom  3.  November  1686  sollen  „diejenigen,  die  Meister 
werden  wollen,  nicht  unnötig  aufgehalten,  mit  den  Meisterkosten 
keineswegs  übersetzt  oder  angehalten  werden,  alte  ungebräuch- 
liche Meisterstücke  zu  verfertigen". 

Man  darf  sagen:  während  der  Verhandlungen  über  eine 
umfassende  Neuordnung  des  gesamten  Handwerkswesens  ist 
Friedrich  Wilhelm  gestorben.  Er  hat  unter  all  seinen  Mühen 
und  Sorgen  auf  diesem  Gebiete  nichts  Grofses  und  Bleibendes 
geschaffen,  aber  hier,  wie  so  vielfach  anderwärts,  den  Anstofs 
gegeben  und  die  Wege  gewiesen,  die  seine  Nachfolger  wieder 
aufgenommen  haben  und  bis  zum  Ziel  gegangen  sind. 

In  den  Verhältnissen  des  ilachen  Landes  hat  er  eine  durch- 
greifende Reform  nicht  einmal  versucht.  Er  hat  die  sozialen 
Vorrechte  des  Adels  vielmehr  bestätigt  und  befestigt;  er  hat 
ihm,  wenn  auch  notgedrungen,  die  Herrschaft  über  die  bäuer- 
lichen „Untertanen"  verbürgt.  Er  forderte  freilich  anderseits 
von  den  Edelleuten  absolute  Unterordnung  unter  die  Gesetze 
des  Staates  und  die  politische  Macht  des  Fürsten.  Besonders 
der  preufsische  Adel,  der  sich  einst  für  den  Herrn  im  Herzog- 
tum gehalten  und  die  fürstliche  Gewalt  zum  Schatten  hatte 
abschwächen  wollen,  bekam  die  starke  Faust  des  Herrschers  zu 
fühlen.  Wie  einst  Kalckstein,  ungeachtet  aller  Privilegien  der 
preufsischen  Edelleute,  das  Schafott  besteigen  mufste,  so  ward 
auch  nach  den  schmachvollen  Vorgängen  des  Winters  1678/79. 
wo  die  adligen  Milizoffiziere  in  Preufsen  aus  üblem  Willen  gegen 
den   Brandenburger    das  Beispiel   kläglichster  Flucht  vor  den 


110  Sechstes  Buch. 

Schweden  gegeben  hatten,  gegen  jene  vornehmen  Verräter  mit 
äufserster  Strenge  vorgegangen.  Wenn  sie  geglaubt  hatten,  den 
ernsten  Warnungen  und  Strafandrohungen  des  Herrschers,  die 
er  im  Dezember  1678  gegen  alle  Überläufer  erlassen  hatte, 
trotzen  zu  dürfen,  so  sahen  sie  sich  auf  das  bitterste  enttäuscht. 
Sie  wurden  vor  ein  Kriegsgericht  gestellt  Die  Eönigsberger 
konnten  mitansehen,  wie  die  adligen  Herren  in  Ketten  von 
berittenen  Soldaten  durch  ihre  Strafsen  geführt  wurden,  wie 
gemeine  Verbrecher.  Sechs  von  den  Schuldigen  —  darunter  ein 
Ganitz,  zwei  Groeben,  ein  Truchsefs  —  safsen  monatelang  im 
Gefängnis  und  kamen  dann  „aus  Gnaden**  frei.  Major  von  Talau 
sowie  die  Hauptleute  von  Gammacher  und  Manstein  wurden  in 
Pillau  eingekerkert,  bis  sie  die  ihnen  auferlegte  Greldstrafe 
gezahlt  hatten.  Zwei  adlige  Offiziere  —  von  Woyna  und  von 
Weifs  —  erlitten  den  Tod  durch  Erschiefsen,  und  zwar,  um  die 
Schande  zu  erhöhen,  zur  selben  Zeit  und  Stelle,  wo  mehrere 
ihrer  gleichfalls  desertierten  Soldaten  gehängt  wurden  ^.  Solche 
Vorgänge  haben  dem  Adel  die  Selbstherrlichkeit  gründlich  aus- 
getrieben. 

Aber  auch  die  Eigenliebe  und  Eigensucht  des  Adels  dem 
Staate  und  dessen  Oberhaupt  gegenüber  sollte  beseitigt  werden. 
Hierhin  gehört  es,  dafs  die  Lehnsabhängigkeit  stärker  betont 
wurde.  Seit  1680  hat  das  Kammergericht  die  „Lehnsfehler*, 
das  heifst  Unterlassung  des  Nachsuchens  des  landesherrlichen 
Konsenses  bei  Änderungen  in  der  vermögensrechtlichen  Lage 
der  Lehen,  regelmäfsig  bestraft,  was  bis  dahin  selten  geschehen 
war.  Die  Strafgelder  wurden  übrigens  von  Friedrich  Wilhelm 
meist  zu  wissenschaftlichen  Zwecken,  wie  für  die  Universität 
Frankfurt  a.  d.  Oder  oder  für  seine  Berliner  Bibliothek,  verwendet*. 
Wenn  es  femer  dem  Kurfürsten  auch  nicht  möglich  war,  die 
eingesessenen  Edelleute  aus  denjenigen  provinziellen  Ämtern  zu 
verdrängen,  die  ihnen  durch  Herkommen  und  Verfassung  vor- 
behalten waren,  so  schränkte  er  doch  die  Bedeutung  dieser 
Ämter  tunlichst  ein,  indem  er  teils  aufseror deutliche  Statthalter 
und  Kommissare  ernannte,  die  jenen  zeitweise  die  Geschäfte 
abnahmen,  teils  dauernd  neue  Behörden  einführte,  die  die  bis- 
herigen tatsächlich  der  Macht  entkleideten,  und  die  nur  von  dem 


»  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  389  f.,  III,  297  f. 

*  Friedr.  Holtze,  Gesch.  des  Kammergerichts,  II,  290  ff. 


Sieben unddreilsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.     Hl 

Landesherrn  abhängig  waren.  Zur  Besetzung  solcher  neuen 
Ämter  wählte  er  mit  Vorliebe  Bürgerliche,  die  er  nicht  minder 
für  seinen  Geheimen  Rat  und  zu  Posten  seines  persönlichen 
Vertrauens  verwandte.  Er  war  sicher,  dafs  diese  Männer  nicht, 
wie  viele  hohe  Beamte  aus  eingesessenem  Adel,  seine  und  des 
Staates  Interessen  dem  Vorteile  ihres  Standes  und  zumal  ihrer 
eigenen  Familien  hintanstellten,  —  eine  Erfahrung,  die  ihm  so 
wenig  wie  seinen  Vorfahren  erspart  geblieben  war^  Allein 
gerade  die  Vollständigkeit  des  Sieges,  den  Friedrich  Wilhelm 
über  den  Trotz  des  Adels  davontrug,  hat  diesen  Stand  belehrt, 
wo  in  Zukunft  seine  Aufgabe  und  auch  sein  Vorteil  zu  suchen 
sei.  Mit  dem  Scharfblick  für  die  persönlichen  und  Standes- 
interessen, der  den  norddeutschen  Adel  stets  ausgezeichnet  hat, 
erkannte  er,  dafs  er  nunmehr  nur  mit  Hilfe  der  Landesherrschaft, 
nicht  gegen  sie,  äufsere  Ehre^  Macht  und  materiellen  Gewinn 
erlangen  werde;  und  mit  der  staunenswerten  Tatkraft,  die  ihm 
eigen  ist,  warf  er  sich  sofort  in  die  neue  Laufbahn.  Er  drängte 
sich  zu  den  Kriegs-  und  Friedensämtem  des  Fürsten,  und  dieser, 
erfreut,  einen  so  starken,  einflufsreichen  und  politisch  befähigten 
Stand  zu  seinem  Dienste  verfügbar  zu  finden,  war  bereit,  ihm 
die  besten,  angesehensten  und  einträglichsten  Stellen  vorzu- 
behalten, den  Adel  auf  Kosten  des  Staates  gewissermafsen  zu 
ernähren,  auf  Kosten  der  übrigen  Untertanen  zu  bevorteilen. 
So  vorurteillos  der  Grofse  Kurfürst  persönlich  war,  in  so  um- 
fassendem Mafse  er  Bürgerliche  im  höchsten  Rate  und  im 
Heere  beförderte,  ja,  auch  zu  Gesandtschaften  au  fremde  Höfe 
verwandt  hat,  —  es  geschah  doch  unter  seiner  Regierung,  dafs 
der  bisher  unabhängige  und  widersetzliche  Adel  in  ein  Bündnis 
mit  der  Krone  trat,  ihr  seine  Dienste  weihte  und  dafür  Offizier- 
korps und  höhere  Beamtenschaft  zu  immer  ausschliefslicherer 
Domäne  erhielt.  Eine  grofse  Anzahl  adliger  Familien  geht 
geradezu  ein  erbliches  Dienstverhältnis  zum  Fürstentum  ein: 
80  aus  der  Kurmark  die  Blumenthal,  Loben,  Brandt,  Goltz;  aus 
Preufsen  dieDohna,  Hoverbeck,  Dönhoff;  aus  Westfalen  die  Spaen, 
Heyden,  Wylich,  Diest;  aus  Pommern  die  Somnitz,  Schwerin, 
Kleist,  Bonin,  Krockow,  Grumbkow,  Natzmer,  —  eine  Schar,  die 
sich  stets  vergröfsert  und  verdichtet,  bis  sie  schliefslich  fast 
den  gesamten  ostelbischen  und  Altmärker  Adel  umfafst. 

*  S.  den  von  einem  Rate  des  Kurf.  Friedrich  UI.  stammenden  Be- 
richt: Droysen,  IV,  IV  204. 


112  Sechstes  Buch. 

Freilich,  wenn  ihm  Grofsgrundbesitz  und  bald  auch  der  höhere 
Staatsdienst  als  Vorrechte  verblieben,  sollte  er  anderseits  sich 
nicht  der  Nahrung  des  Bürgerstandes  anmafsen.  Deshalb  war 
ihm  schon  seit  der  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  jede 
Beschäftigung  mit  Kaufmannschaft  und  Handel  untersagt,  die 
den  Städtern  vorbehalten  wurden.  Allein  unternehmende 
Herren  hatten  trotzdem,  gelegentlich  oder  gar  beruflich,  ein- 
trägliche Handelsgeschäfte  betrieben.  Friedrich  Wilhelm  verbot 
das  seinem  Adel  auf  das  strengste,  im  Interesse  der  Städte 
(lö.  Oktober  1682). 

So  war  für  diese  gesorgt;  der  Bauernstand  kam  weniger 
günstig  davon.  Er  hätte  freilich,  und  zwar  besonders  in  der 
Eurmark,  eingehende  Berücksichtigung  von  Seiten  der  Regierung 
erfordert.  Die  Nachwehen  der  Kämpfe  und  Verwüstungen 
während  des  Dreifsigjährigen  Krieges  und  der  schwedischen 
Invasion  von  1G74/175  machten  sich  in  der  zentralen  Provinz 
des  Staates  dauernd  fühlbar.  1681  lagen  im  Kreise  Nieder- 
bamim  in  81  Dörfern  von  3073V8  steuerpflichtigen  Hufen  noch 
1174V«,  also  fast  zwei  Fünftel,  wüst,  waren  von  871  Bauern- 
stellen nur  537,  von  679Va  Kossätenstellen  nur  367  besetzt.  Noch 
1687  waren  in  der  Grafschaft  Ruppin  521  Bauern-,  213  Kossäten- 
und  19  Büdnerstellen  verödet  ^  Die  ländlichen  Kolonisations- 
versuche des  Kurfürsten  konnten  um  so  weniger  Hilfe  bringen, 
als  die  schweren  Abgaben,  denen  die  Bauern  unterworfen 
waren,  ebenso  schädigend  wirken  mufsten  wie  deren  Hörigkeit 
und  Frondienste  zu  Gunsten  der  adligen  Grundherren. 

Dieses  Verhältnis  bildet  einen  Teil  des  durch  den  Landtags- 
rezefs  des  Jahres  1653  eingeweihten  Systems,  den  Adel  für  den 
Verlust  seiner  politischen  Macht  durch  soziale  und  materielle 
Vorteile  zu  entschädigen,  und  zwar  auf  Kosten  nicht  des  Staates, 
sondern  der  wehrlosen  Bauernschaft.  Hier  hat  Friedrich  Wilhelm 
gegen  die  Mehrheit  seiner  Untertanen  schwer  gesündigt.  Die 
Lage  der  Bauern  ward  noch  weiter  durch  den  Umstand  be- 
einträchtigt, dafs  die  adligen  Gutsbesitzer  die  ausschlaggebende 
Macht  im  höheren  Beamtenstande,  besonders  in  den  Domänen- 
kammern, besafsen.  In  einer  an  Friedrich  Wilhelms  Nachfolger 
gerichteten  Denkschrift  sagt  von  Lüben  geradezu:   „Bei  denen 


'  Fr.  Grofsmann,  Gutsherrlich- bäuerliche  BechtsverliältiiisBe  in 
der  Mark  Brandenburg  vom  16.  bis  18.  Jahrb.  (Berlin  1890),  S.  70. 


Siebenimddreüsigstes  Kapitel.    KurfOrst  und  Volkswohlstand.    113 

Regierungen  and  Hof-  und  Land-  und  anderen  Gerichten  be- 
kommen die  Bauern  keine  Justiz,  weil  die  Ohms  mit  darin 
sitzen,  und  diese  selbst  wegen  ihrer  eigenen  Güter  und  Bauern 
ein  Interesse  dabei  haben  und  sich  selbst  kein  Präjudiz  machen 
wollen  ^" 

Der  unbedingte  Gesindezwang  für  die  gesamte  Mittel-, 
Ucker-  und  Neumark,  eine  wesentliche  Verschlechterung  der 
Lage  der  Bauern  zu  Gunsten  der  Herren,  datiert  erst  aus  dem 
Jahre  1620;  jede  Übertretung  wurde  mit  Gefängnis  geahndet. 
Der  bevorrechtete  Gutsherr  nützte  sein  Privileg  aus,  um  das 
Zwangsgesinde  möglichst  dürftig  zu  nähren  und  zu  besolden. 
Erneute  Gesindeordnungen  aus  der  Zeit  des  Grofsen  Kurfürsten 
haben  diesen  Zwang  lediglich  verschärft,  indem  sie  diejenigen 
jungen  Bauern  und  Bäuerinnen,  die  keinen  eigenen  Hof  besafsen, 
auch  nach  Ablauf  der  früher  auf  drei  Jahre  begrenzten  Dienst- 
pflicht zum  Dienste  bei  der  Herrschaft,  falls  diese  es  wünschte, 
nötigten,  femer  den  ansässigen  Bauern  auferlegten,  höchstens 
zwei  ihrer  Kinder  in  der  eigenen  Wirtschaft  zu  behalten'. 

Der  Adel  aber,  noch  über  alle  seine  gesetzlichen  Vorrechte 
hinaus,  fuhr  fort  im  „Bauernlegen**,  das  heifst  im  gewaltsamen 
Auskaufen  und  sogar  in  der  unentgeltlichen  Vertreibung  der 
Bauern,  um  deren  Hufen  zu  eigener  Bewirtschaftung  einzuziehen. 
In  dem  Oberbamimer  Kreise  hat  die  Ritterschaft  während  der 
Jahre  1634—1671  ihren  Besitz  auf  Kosten  der  Bauern  um 
166  Hufen,  also  etwa  um  1225  Hektar,  vermehrt  (die  Hufe 
durchschnittlich  zu  30  Morgen  =  7Vs  Hektar  gerechnet),  da- 
durch ihren  ganzen  Besitz  um  dreifsig  Prozent  vergröfsert. 
Dafs  sie  nachher  bestrebt  war,  widerrechtlich  die  bäuerliche 
Qualität  dieser  Hufen  zu  verbergen,  um  sie  gleich  dem  eigent- 
lichen Rittergute  steuerfrei  zu  machen,  und  hiermit  den  noch 
übrigen  Bauern  eine  um  so  gröfsere  Abgabenlast  aufbürdete, 
versteht  sich  von  selbst^.     Diesem  letzteren  Unwesen  ist  der 


1  Stadelmann,  Preufsens  Könige  in  ihrer  Tätigkeit  für  die  Landes- 
knltor,  Bd.  I  (Leipzig  1878),  S.  216  f. 

'  Jos.  Silbermann,  Der  Gesindezwangsdienst  in  d.  Mark  Branden« 
Imrg  (Greifswalder  Dissert.  1897),  S.  10  ff. 

'  Bericht  v.  Lübens,  a.  a.  0.,  S.  213,  schildert  die  Gewalttaten 
der  «Vornehmsten  im  Lande"  gegen  die  Bauern  in  schreienden  Farben.  — 
H.  V.  Petersdorff,  Beiträge  zur  Wirtschafts-,  Steuer- und  Heeresgesch 
der  Mark  im  Dreibigj.  Kriege  (Berlin.  Diss.  v.  1888),  S.  19  f.  Petersdorff 

Philippsön,  Der  OroÜM  Kurfarst.    III.  8 


X14  Sechstes  Buch. 

Kurfürst  mit  Ernst  entgegengetreten.  „Se.  Kurf.  Durchl./  läfst 
er  am  18.  Januar  1670  den  kurmärkischen  Ständen  eröflFhen, 
„halten  nöthig,  denen  versammelten  Ständen  vorzustellen,  wie 
dass  Sie  selbst  an  unterschiedenen  Orten  gesehen,  welcher 
gestalt  ein  Theil  vom  Adel  ihrer  Bauern  Güter  unter  ihrem 
Pflug  halten,  einige  auch  Bauern  verdrängen,  damit  sie  nur  die 
Hufen  an  sich  ziehen  und  selbst  brauchen  möchten,  auch  ver- 
schiedene Bauern  sich  klagend  angeben,  dass  sie  sich  gerne 
unter  vom  Adel  setzen  und  wüste  Stellen  anbauen  wollen,  von 
denenselben  aber  abgewiesen  worden ;  wie  denn  S.  K.  D.  mit  nicht 
geringem  Misfallen  ersehen,  dass  eine  grofse  Anzahl  steuer- 
barer Hufen  zu  den  Ritterhufen  geschlagen  oder  sonst  durch 
andere  Prätexten  von  der  Gontribution  eximiret  worden.  Wann 
dann  alles  solche  Dinge  sein,  wodurch  die  Artnut  beschwert 
und  das  Aufnehmen  des  Landes  behindert  wird  und  überdem 
wider  alle  Gerechtigkeit  und  Billigkeit  läuft,  so  können  Se.  E.  D. 
dero  tragendem  hohen  landesfürstlichen  Amte  nach  solchem  schäd- 
lichen, verderblichen  Dinge  nicht  länger  zusehen.^  Die  Herren 
antworteten  mit  leeren  Ausflüchten  und  Versprechungen*. 

Die  Bekämpfung  des  Bauernlegens  läfst  sich  durch  des 
Kurfürsten  Sorge  für  die  „Peuplisierung**  seines  verödeten  Landes 
erklären.  Sonst  ist  er  in  keiner  Weise  für  die  Bauern  gegen 
die  Härte  und  Habsucht  des  Adels  tätig  gewesen.  Im  Gegenteil, 
er  hat  durch  wiederholte  Verfügungen  die  Fesselung  der  bäuer- 
lichen Familien  an  die  Scholle  und  ihre  absolute  Untertänigkeit 
unter  die  Willkür  der  Gutsherren  noch  beträchtlich  vermehrt. 
Ungünstiger  ist  im  allgemeinen  während  seiner  Regierung  die 
Stellung  der  Bauern  geworden  —  eine  bittere  Frucht  des  Bünd- 
nisses, das  der  Adel  mit  der  Krone  abzuschliefsen  auf  dem 
Wege  war*. 

Nur  auf  den  landesherrlichen  Domänen   gab  der  Kurfürst 


bezeichnet  die  Yerschweigung  der  bäuerlichen  Hufen  durch  den  Adel 
als  „Yergefslichkeit**,  während  er  ähnliches  Vorgehen  bei  den  Bauern 
als  „Lügenhaftigkeit*^  brandmarkt!  Wenn  er  das  gewaltsame  Bauern- 
auskaufen,  wobei  der  Gutsherr  den  Preis  selber  bestimmt,  dem  £z- 
propriationsrecht  des  Staates  gleichstellt  (S.  20),  so  charakterisiert  das 
nicht  minder  deutlich  die  Gesinnung  des  Autors. 

»  ü.  u.  A.,  X  417f.  424. 

'  Boscher,  Nationalökonomik,  S.  307  Anm.  2.  —  Über  das  Folgende : 
K.  Breysig,  Finanzen,  298 ff.  854 ff. 


Siebenunddreilsigstes  Kapitel.    KurfOrst  und  Volkswohlstand.    115 

das  Beispiel  menschlicherer  Behandlung  der  Bauern.  Deren  Lage 
war  gerade  hier  eine  zunächst  ungünstige,  indem  die  Zeitverpachtung 
der  Domänen  den  Arrendatoren  Anlafs  geben  mufste,  während  der 
Dauer  ihres  Kontraktes  die  ihnen  überlieferten  Bauern  möglichst 
auszupressen.  Die  kurfürstliche  Kammerverwaltung  trat  diesem 
Mifsstande  zuerst  mit  dem  Bestreben  entgegen,  die  körperlichen 
Fronden  der  Bauern  in  Dienstgelder  umzuwandeln;  Geldzahlungen 
waren  leichter  genau  festzustellen  und  deshalb  schwerer  will- 
kürlich zu  erhöhen  als  persönliche  Leistungen.  Die  Pächter 
wurden  überdies  ausdrücklich  verpflichtet,  die  Bauern  nicht  zu 
drücken,  vielmehr  ihnen  in  Zeiten  der  Not  zu  Hilfe  zu  kommen. 
Sie  sollten  sich  bemühen,  wüstliegende  Höfe  neu  zu  besetzen, 
wozu  ihnen  Bauholz  kostenfrei  aus  den  landesherrlichen  Forsten 
geliefert  wurde.  Allein  die  Praxis  entsprach  diesen  menschen- 
freundlichen Vorschriften  um  so  weniger,  als  die  beaufsichtigen- 
den Beamten  meist  mit  den  Pächtern  gemeinsame  Sache  gegen 
die  Bauern  machten  und  der  Kurfürst  selber,  im  Interesse  hoher 
Pachtgelder,  geneigt  war,  den  Bauern  möglichst  einträgliche 
Dienste  zu  Gunsten  der  Pächter  aufzuerlegen.  Ja,  es  kam  vor, 
dafs  die  Bauern  trotz  gezahlter  Ablösungsgelder,  die  7,  8,  12 
Taler  jährlich  betrugen,  von  den  Pächtern  erst  bittweise,  dann 
als  herkömmlich  und  endlich  als  pflichtmäfsig  wieder  zu  den 
Fronden  herangezogen  wurden.  Allmählich,  bei  wachsender 
ökonomischer  Einsicht,  haben  der  Kurfürt  und  seine  Beamten 
sich  bei  vielen  Gelegenheiten  der  Amtsbauern  gegen  die  Pächter 
angenommen,  ihnen  auch,  in  Notfallen,  unmittelbar  beträcht- 
liche Zuwendungen  und  Dienstnachlässe  bewilligt.  Besonders 
der  treffliche  Knyphausen  hat  auch  hier  neuemd  und  bessernd 
eingegriffen.  Er  hat  die  Abgaben  der  Bauern  aus  dem  Pacht- 
kontrakte ausgeschlossen,  sie  direkt  den  kurfürstlichen  Kassen 
zugeführt,  damit  der  Willkür  der  Arrendatoren  entzogen.  Er 
hat  femer  die  bäuerlichen  Dienste  und  Dienstgelder  durch  den 
Pachtkontrakt  festgelegt  und  so  die  hauptsächliche  Quelle  der 
Bedrückungen  der  Amtsbauern  nach  Möglichkeit  verstopft. 
Auch  der  Besitz  der  Bauern  an  Baulichkeiten  und  Vieh  wurde 
in  luventarien,  die  den  Pachtkontrakten  beilegen,  detailliert, 
so  dafs  der  Pächter  für  etwaigen  Rückgang  des  bäuerlichen 
Wohlstandes  zur  Verantwortung  gezogen  werden  konnte.  Er 
nahm  endlich  in  den  Ausgabeetat  der  Kammern  bestimmte 
Summen  auf,  die  zur  Unterstützung  notleidender  Bauern  verwendet 

8* 


JXg  Sechstes  Buch. 

werden  sollten:  damit  war  den  Kammern  der  bisher  oft  ge- 
brauchte Verwand  entzogen,  sie  besäfsen  zur  Hilfe  für  die 
Untertanen  keine  Fonds. 

Freilich  in  einer  Beziehung  trat  auch  hier  eine  Verschärfung 
ein:  der  Dienstzwang  wurde  auf  die  Domänen  ausgedehnt, 
die  Amtsuntertanen  verpflichtet,  ihre  erwachsenen  Kinder,  falls 
sie  solche  nicht  selber  gebrauchten,  bei  dem  Pächter  gegen  — 
zumeist  sehr  elenden  —  Lohn  drei  Jahre  dienen  zu  lassen. 
Sonst  aber  trat  eine  wesentliche  Besserung  in  der  Lage  der 
Domänenbauern  ein,  die  weit  günstiger  gestellt  waren  als  die 
Bauern  des  Adels.  Diese  Tatsache  beweist,  dafs  nicht  Mangel 
an  Empfinden  oder  an  ökonomischer  Einsicht,  sondern  nur  die 
Politik  den  Kurfürsten  zur  Begünstigung  des  Adels  dessen 
Bauern  gegenüber  veranlafst  hat.  — 

Wie  die  übrigen  Städte,  so  hatte  sich  auch  die  Residenz 
Berlin -Colin  in  den  beiden  ersten  Dezennien  von  Friedrich 
Wilhelms  Regierung  nur  wenig  gehoben  ^  Die  wiederholten 
Kriege  und  die  Höhe  der  Kontribution,  die  auf  den  Grund- 
stücken selbst  haftete,  liefs  es  zu  keiner  Vermehrung  der  Zahl 
und  des  Wohlstandes  der  Bevölkerung  der  Residenz  kommen. 
Die  Doppelstadt  war  vielmehr  dem  Bankerott  nahe.  Konnte 
doch  der  Rat  noch  1668  weder  Eeine  Schul-  und  Kirchendiener 
noch  einen  Zimmermann  bezahlen,  der  die  Köpenicker  Brücke 
für  den  Preis  von  290  Talern  ausgebessert  hatte.  Die  Gewerbs- 
tätigkeit lag  ganz  darnieder;  Kenntnisse  und  Werkzeuge  waren 
verloren  gegangen,  manche  Berufszweige  völlig  verschwunden. 

Friedrich  Wilhelm  war  nach  Kräften  bemüht,  seiner  Residenz 
aufzuhelfen,  besonders  dem  eigentlichen  Berlin,  das,  infolge 
seiner  grösseren  Ausdehnung,  mehr  wüste  Stellen  aufwies  als 
Colin.  Er  verordnete  1665,  dafs  alle  solche  leeren  Bauplätze, 
die  nicht  binnen  Jahresfrist  besetzt  sein  würden,  von  dem  Berliner 


^  Über  das  Folgende  sehe  man :  N  i  c  o  1  a  i ,  Beschreibung  der  Residenz- 
städte Berlin  und  Potsdam  I ',  II',  passim;  König,  Versuch  einer  histor. 
Schilderung  der  Residenzstadt  Berlin,  Bd.  II  (Berlin  1793);  Fidicin, 
Histor.- diplom.  Beiträge  zur  Gesch.  Berlins,  Bd.  V  (Berlin  1842); 
O.  Schwebel,  Gesch.  d.  Stadt  Berlin,  Bd.  II  (Berlin  1888;;  Borrmann, 
Die  Kunatdenkmäler  von  Berlin  (Berlin  1893),  mit  yortreff lieber  histor. 
Einleitung  von  P.  Clauswitz;  Wiedfeldt,  Statist.  Studien  z.  Ent- 
wicklungsgesch.  d.  Berliner  Industrie  (Leipzig  1899);  Orlich,  Friedr. 
Wilh.,  S.  287;  Mylius,  Bd.  VI,  passim. 


Siebenunddreilaigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volkswohlstand.    X17 

Rate  an  Baulustige  unentgeltlich  fortgegeben  werden  sollten. 
Besonders  hat  aber  die  Einführung  der  Accise,  an  Stelle  der  die 
bebauten  Grundstücke  belastenden  direkten  Abgaben,  die  Bau- 
tätigkeit von  dtr  drückendsten  Fessel  befreit,  so  dafs  sie  sich 
plötzlich  in  ungeahnter  Weise  entfaltete.  Das  Kapital  wandte 
sich  wieder,  als  einer  nutzbringenden  Anlage,  dem  Ausbau  der 
Stadt  zu,  von  dem  es  sich  seit  beinahe  einem  Jahrhunderte  zurück- 
gezogen hatte.  Der  Kurfürst  selber  gab  anregendes  Beispiel. 
Er  legte  ein  neues  Posthaus  an.  Er  verschönerte  den  Schlofs- 
platz,  indem  er  ihn  nach  dem  Neubau  der  Langen  Brücke  über 
die  Spree  pflastern  und,  anstatt  der  hölzernen  Buden,  die  er 
ebenso  wie  den  dort  stehenden  alten  Befestigungsturm  beseitigte, 
mit  steinernen  Kaufläden  umgeben  liefs,  vor  die  er  eine  dorische 
Bogenlaube  legte.  Ebenso  wurden  die  hölzernen  Gebäude  des 
MQhlendammes  durch  steinerne  ersetzt,  vor  denen  sich  gleich- 
falls ein  Bogengang  hinzog,  der  in  seiner  Mitte  ein  hohes  Portal 
mit  dem  Brustbilde  des  Kurfürsten  zeigte.  Dieser  Herrscher 
errichtete  femer  ein  neues  schönes  Gebäude  für  den  Marstall 
in  der  Breiten  Strafse  sowie  einen  weiteren  Marstall  in  der 
Dorotheenstadt  —  die  nachmalige  Akademie. 

Die  gute  Polizei  der  Hauptstadt  lag  ihm  nicht  minder  im 
Sinne  als  deren  Ausbau.  Eine  Feuerordnung  und  die  Anschaffung 
«öffentlicher  Feuerspritzen"  verhüteten  die  Rückkehr  der  grofsen 
Brände,  die  die  Stadt  wiederholt  heimgesucht  hatten.  Der  Kur- 
fürst sorgte  ferner  für  die  nächtliche  Erleuchtung  der  Strafsen, 
deren  Bedeutung  nicht  nur  für  die  Annehmlichkeit,  sondern  auch 
für  die  Sicherheit  der  Einwohner  er  wohl  erkannte.  Im  Jahre 
1680  erhielt  Berlin  vor  jedes  dritte  Haus  eine  Laterne,  auf  einem 
Pfahl  befestigt;  ihre  Anschaffung  soll  insgesamt  5000,  ihr  Unter- 
halt jährlich  3000  Reichstaler  gekostet  haben.  Es  waren  natürlich 
Öllampen,  die  der  Ersparnis  halber  während  der  Monate  Mai, 
Jani  und  Juli  mit  den  kurzen  Nächten  sowie  auch  sonst  während 
der  kalendermäfsigen  Mondscheinnächte  nicht  angezündet  wurden. 
Die  Strafsen  wurden  eingeebnet,  mit  Rinnsteinen  versehen  und 
mit  Pflaster  befestigt,  die  Brunnen  in  guter  Ordnung  gehalten 
und  deren  Verunreinigung  bei  strenger  Strafe  verboten.  Solche 
Mafsregeln  hoben  den  Gesundheitszustand  der  Residenz  beträcht- 
lich, so  da&  sie  seit  1682  nicht  mehr  von  der  Pest  heimgesucht 
wurde. 

Durch  wiederholte  Verfügungen  hielt  der  Kurfürst  darauf. 


118  Sechsteä  Buch. 

dafs  Unrat  aller  Art  nicht  mehr,  wie  bisher,  auf  die  Strafse 
geworfen,  sondern  einem  dafür  bestimmten  Wagen  zugetragen 
wurde,  der  tSglich  mehrmals  die  Strafsen  der  Stadt  durchfuhr. 
Jeder  Hausbesitzer  hatte  bei  Strafe  täglich  vor  seinem  Hause  zu 
kehren.  Diegleichmäfsige  Pflasterung  der  Strafsen  wurde  allmählich 
ganz  durchgeführt.  So  ward  der  bisher  in  Sumpf  und  Schmutz 
verkommende  Strafsenverkehr  in  angemessenener  Weise  erleichtert 
und  verbessert.  Berlin  wurde  bald  eine  der  reinlichsten  und 
bestgehaltenen  Städte  —  ein  Ruhm,  den  sich  die  werdende  Weltr 
Stadt  bis  auf  den  heutigen  Tag  bewahrt  hat. 

Der  Umfang  der  Residenz  wuchs:  in  Berlin  entstanden  die 
Heilige  Geist-  und  die  Burgstrafse,  sowie  auf  dem  in  die 
Befestigungslinie  eingezogenen  Teile  der  Göllnischen  Vorstädte 
der  Stadtteil  Neu-Cölln  —  freilich  alles  erst  in  der  glücklichen 
Periode,  die  mit  dem  Frieden  von  St.  Germain  beginnt. 

Der  Tiergarten,  der  damals  zur  Hälfte  wirklich  noch  Wild- 
park, zur  Hälfte  öffentlicher  Spaziergang  war,  wurde  durch 
Soldaten  gereinigt  und  entwässert;  die  Spandauer  Landstrafse, 
die  ihn  in  seiner  ganzen  Länge  nach  Westen  hin  durchzog,  ward 
geebnet,  verbreitert  und  auf  beiden  Seiten  mit  Bäumen  gleich- 
mäfsig  besetzt.  Grofse  Hirsche  sowie  Auerhähne,  aus  Zossen 
und  aus  der  Neumark  herbeigeholt,  verstärkten  seinen  Wild- 
stand. Ein  Teil  des  Tiergartens  aber  ward  zu  den  städtischen 
Neuanlagen  Friedrich  Wilhelms  benutzt:  so  zunächst  des  Fried- 
richswerders, den,  nach  dem  von  Memhardt  entworfenen  Plane, 
de  Chi^ze  weiter  ausbaute.  Zunächst  liefsen  sich  hier  vorzugs- 
weise Hof  leute  nieder,  denen  von  den  92  Häusern,  die  1666  in 
dem  neuen  Stadtteile  standen,  47  gehörten.  Indes,  nach  Ein- 
führung der  Accise  entwickelte  sich  eine  regere  Bautätigkeit, 
so  dafs  im  Jahre  1667  allein  150  neue  Häuser  errichtet  wurden. 
Nach  Erbauung  einer  Kirche,  zu  der  Friedrich  Wilhelm  wieder- 
holt beträchtliche  Summen  beitrug,  bildete  der  Werder  eine 
eigene  Pfarrgemeinde.  Er  erhielt  1668  auch  einen  besonderen 
städtischen  Magistrat,  der  aber  in  noch  höherem  Grade  als  in  den 
beiden  Altstädten  vorzugsweise  ein  Organ  der  landesherrlichen 
Verwaltung  wurde.  Auf  dem  Werderschen  Markte,  dem  Mittel- 
punkte der  neuen  Stadt,  erhob  sich  das  von  dem  Hofstukkateur 
Simonetti,  einem  Italiener,  1672  erbaute  Bathaus,  das  zugleich 
die  Gerichtsstube,  das  Gefängnis,  die  Folterkammer,  die  Schule, 
den  Stadtkeller  sowie  die  Brot-  und  Fleischscharren  beherbergte  — 


Siebenunddreüsigstes  Kapitel.    KurfOrst  und  Volkswohlstand.    119 

80  einfach  und  ärmlich  waren  damals  die  Verhältnisse.  Den  ver- 
saDdeten  Kanal  zwischen  Colin  und  dem  Friedrichswerder,  der 
der  Schiffahrt  nicht  mehr  dienen  konnte  und  durch  seine  Aus- 
dünstungen die  Gesundheit  der  Anwohner  beeinträchtigte,  liefs 
Friedrich  Wilhelm  1670  vertiefen  und  regulieren,  sowie  die 
Böschungen  auf  beiden  Seiten  mit  Brettern  befestigen.  An  dem 
westlichen  Ufer  des  Kanals  ward  auf  dem  durch  diese  Arbeiten 
gewonnenen  Boden  die  Unter-  und  Ober-Wasserstrafse  an- 
gelegt. 

Bald    darauf  erhielt   die   Residenz   eine   abermalige  Ver- 
größerung durch  einen  neuen  Stadtteil. 

Kurffirstin  Dorothea  hatte  von  ihrem  Gemahl  das  grofse 
waldige  Grundstück  geschenkt  erhalten,  das  auf  beiden  Ufern 
der  Spree  sich  von  der  Gegend  des  Lustgartens  bis  zum  Tier- 
garten erstreckte.    Die  praktische  und  erwerbslustige  Dame  legte 
hier  zunächst  ein   Vorwerk   und  eine  Meierei   an.    Aber   der 
sandige  Boden  brachte  keinen  rechten  Ertrag,  und  so  beschlofs 
die  Kurfarstin,  ihn  zu  Baustellen  zu  verkaufen.    Um  die  Käufer 
anzulocken,  setzte  sie  den  Preis  sehr  niedrig  an:  auf  IVs  Groschen 
(nach  heutigem  Preise  etwa  60  Pfennige)  für  die  Quadratrute, 
die  doch  auf  dem  Friedrichswerder  drei  Groschen  kostete.    Der 
Kurfürst  erteilte  1674  der  „Neuen  Vorstadt  vor  dem  Friedrichs- 
werder",   die  zwei  Jahre  darauf  den  Namen  „Dorotheenstadt*' 
empfing,  Stadtrecht,  behielt  aber  seiner  Gattin  die  Rechtsprechung 
über   deren    Bewohner   sowie   die  Verwaltung   vor.    Dorothea 
widmete   ihrer  neuen  Schöpfung  alle  ihr  eigene  Tatkraft.     Sie 
legte  die  Strafse  Unter  den  Linden  an,  deren  erste  Bäume  sie 
selber  pflanzte;  sie  bewog  ihren  Gemahl,  den  Teil  des  Tier- 
gartens, der  südlich  von  den  Linden  lag,  gleichfalls  zu  Baustellen 
auszugeben.    Als  infolge  des  Krieges  mit  Schweden  und  Franzosen 
die  Dorotheenstadt  nicht  recht  gedeihen  wollte,  verschaffte  sie 
deren  Bewohnern  zehnjährige  Befreiung  von  allen  direkten  Ab- 
gaben, unentgeltliche  Lieferung  von  Bauholz  aus  den  kurfürst- 
lichen Forsten,   freie   Ausfuhr   von  Bier  in   die  drei   anderen 
Residenzstädte.    Durch  solche  Mafsregeln  sowie  durch  den  viel- 
jährigen Friedenszustand  seit  1679  und  zumal  die  Einwanderung 
der  R6fugi6s  hob  sich  dann  die  Dorotheenstadt  bedeutend,  so 
dafs  sie  am  Ende  von  Friedrich  Wilhelms  Regierung  an  150 
Häuser  zählte.    Man  erbaute  auch  dort  eine  eigene  Kirche,  die 
beiden  evangelischen  Bekenntnissen  zugleich  diente,  und  schlofs 


120  Sechfites  Buch. 

den  ganzen  Stadtteil  durch  Wall  und  Graben  an  die  Befestigung 
der  Dreistadt  an. 

Die  Zunahme  der  Bevölkerung  in  Berlin  und  Colin  selbst 
sprach  sich  in  dem  Steigen  der  Mietspreise  deutlich  aus.  Der 
Kammergerichtspräsident  von  Rahden  konnte  1686  für  den  ihm 
ausgesetzten  Wohnungszuschurs  von  200  Talern  (etwa  2600  Mark 
nach  heutigem  Geldwerte)  keine  passende  Wohnung  finden  und 
erbat  deshalb  eine  Erhöhung  des  Zuschusses  ^  Ein  Haus,  das 
nur  drei  Zimmer  und  einige  Kammern  enthielt,  kostete  zum 
Verkauf  3000  Taler  —  etwa  40000  Mark  nach  heutigem  Geld- 
werte —  eine  verhältnismäfsig  recht  bedeutende  Summe*.  In- 
folge der  wiederholten  Kriege  und  des  schweren  Steuerdruckes 
war,  wie  erwähnt,  anfänglich  das  Anwachsen  der  Bevölkerung 
der  Hauptstadt  ein  geringes  gewesen.  Hatte  sie  1645  noch  nicht 
6000  Seelen  gezählt,  so  war  sie  1654  durch  nur  hundert  neue 
Haushaltungen  auf  6197  gestiegen.  Sieben  Jahre  später,  1661, 
gab  es  6500  Einwohner.  Wenn  deren  1670  schon  8150  waren, 
so  enthielt  diese  Ziffer  doch  1009  Soldaten,  so  dafs  die  Zunahme 
während  neun  Jahre  nur  640  Seelen  betrug,  und  das  trotz  der 
Gründung  des  Friedrichswerders.  Allein  die  Einführung  der 
Accise  bezeichnet  den  Wendepunkt.  1680  hatte  die  Residenz 
9800,  1685  fast  das  Doppelte,  17400  Einwohner,  wobei  die  An- 
kunft der  Hugenotten  mitzurechnen  beginnt.  Wir  dürfen  diese 
Bevölkerung  der  Vierstadt  1688  auf  19800  Köpfe  schätzen». 

Einen  Begriff  von  der  Verteilung  dieser  Bewohnerschaft  im 
Jahre  1681  zwischen  die  verschiedenen  Städte  gibt  die  Tabelle 
der  Acciseeinkünfte.  Demnach  brachten  monatlich  Berlin  1800, 
Colin  1200,  Friedrichswerder  200,  die  sonstigen  Vorstädte,  mit 
Einschlufs  der  Dorotheenstadt,  300  Taler  \  Wenn  wir  die  annähernd 
19  800  Einwohner,  die  die  gesamte  Residenz  bei  dem  Tode  Fried- 
rich Wilhelms  besafs,  ungeffthr  hiernach  verteilen,  so  enthielten 
Berlin  10000,  Colin  6800,  Friedrichswerder  1200,  Dorotheenstadt 
und  Vorstädte  1800  Bewohner. 


^  Stölzel,  Fünfzehn  Vorlesnngen,  S.  96. 

*  Gallois,  Lettres  m^tes  de  Feuqui^es,  Bd.  V  (Paris  1846),  S.  240. 

*  Die  Zahlen  bis  1685  nach  Fidicin,  V,  516.  Die  Zahl  für  1688 
ist  aus  folgenden  Elementen  gewonnen:  1685=  17400 Seelen;  1690=21500 
Seelen;  macht  eine  jährliche  Vermehrung  von  ca.  800;  8x800«=24CO; 
17400  +  2400=19600. 

^  Ms.  Kriegsministerium  (Berlin),  Feldkriegskasse,  1681. 


Siebenunddreilsigstes  Kapitel.    Kurfürat  und  Volkswohlstand.    121 

Eine  Anschauung  von  dem  Aufschwünge  des  Wohlstandes 
der  Stadt  erhalt  man  durch  den  Vergleich  des  Ertrftgnisses  der 
voD  den  verschiedensten  Genufs-  und  Nahrungsmitteln  erhobenen 
Accise.  Sie  hatte  im  ersten  Monat,  Juni  1667,  nur  223  Taler 
gebracht,  also,  auf  das  Jahr  berechnet,  noch  nicht  2700  Taler; 
1684  betrug  die  Jahreseinnahme  schon  an  60000  Taler.  Der 
KurfQrst  gewährte  aus  der  Accise  der  städtischen  Kasse  nicht 
nur  jährliche  Zuschüsse,  sondern  auch  Geld  zur  Schuldentilgung, 
die  bis  zum  Ende  seiner  Regierung  fast  gänzlich  vollzogen  war, 
80  dafs  auch  die  hierzu  bestimmten  Grundsteuern  den  Einwohnern 
erlassen  werden  konnten.  Freilich  stand  den  glänzenden  Vorzügen 
der  neuen  Abgabe  auch  ein  Nachteil  gegenüber:  die  Accise 
steigerte  bedeutend  den  Preis  der  Lebensbedürfnisse  in  Berlin. 
Nur  Fleisch  und  Brot  waren  dort  billig,  alle  anderen  Genufs- 
mittel  und  die  Bekleidungswaren  sehr  teuer,  so  dafs  der  Aufent- 
halt in  Berlin  kostspieliger  war  als  selbst  der  in  Paris  ^ 

Der  durch  den  Nordischen  Krieg  unterbrochene  Umbau  des 
Schlosses  wurde  nach  dem  Frieden  von  Oliva  wieder  aufgenommen, 
zaerst  unter  dem  alten  Baumeister  Memhardt,  dann  unter  dem 
von  Friedrich  Wilhelm  besonders  geschätzten  de  Ghi^ze.  Ein 
lebhafteres  Tempo  nahm  der  Bau  jedoch  erst  nach  dem  Frieden 
von  St  Germain  an,  seitdem  Smids  und  der  berühmte  Nering 
an  der  Spree  viergeschossige  Gebäude  mit  einem  grofsen  säulen- 
geschmückten Saal,  einen  eingeschossigen  Flügel  nach  dem  Lust- 
garten zu,  ein  grofses  Portal  korinthischer  Ordnung,  wodurch 
man  in  den  vorderen  Schlofshof  trat,  und  das  an  den  Münzturm 
storsende  Ballhaus  aufführten'.  Das  Schlofs  galt  schon  damals 
Als  eines  der  schönsten  in  Europa. 

Auch  den  Lustgarten,  der  nördlich  vom  Schlosse  lag,  pflegte 
Friedrich  Wilhelm  mit  der  ganzen  ihm  eigenen  Vorliebe  für  die 
Pflanzenwelt.  Es  wurde  beständig  an  dem  Garten  geändert  und 
verbessert,  ein  neues  Warmhaus  gebaut.  Bekanntlich  hat  später 
der  Soldatenkönig  von  der  Lieblingsschöpfung  seines  Grofsvaters 
nichts  als  den  Namen  übrig  gelassen,  sie  tatsächlich  in  einen 
sandigen  Paradeplatz  umgewandelt.    Aber  zu  des  Grofsen  Kur- 


'  Graf  B^benac    an    seinen   Vater,   den   Marquis  von   Feaqui^ren,* 
%.  April  1680;  Gallois,  a.  a.  0.,  S.  186. 

*  Kaster,  Altes  und  neues  Berlin,  Bd.  TU  (Berlin  115$^  8.  6£f. 


122  Sechstes  Buch. 

fürsten  Zeiten  war  der  Lustgarten  die  Promenade,  die  einzige 
innerhalb  der  Stadt,  ffir  die  schöne  Welt  Berlins^. 

Friedrich  Wilhelm  war  eben  dadurch  so  universell,  dafs  er 
die  Rücksicht  auf  Schönheit  und  Anmut  nicht  Ober  dem  nüchternen 
Nützlichkeitsstandpunkt  vergafs.  Aber  auch  dieser  ward  nicht 
vernachlässigt.  Der  Kurfürst  hatte  schon  1658  die  Neubefestigung 
Berlins  nach  der  von  Matthias  Dogen,  einem  Neumftrker, 
systematisch  weiter  entwickelten  altniederländischen  Art,  unter 
Memhardts  Leitung,  begonnen '.  Bis  1662  war  die  Befestigung 
des  eigentlichen  Stadtteils  Berlin,  vom  Stralauer  bis  zum 
Spandauer  Tor,  abgeschlossen;  aber  die  Fortifikationsanlagen 
auf  der  sumpfigen  Südseite  von  Colin  erwiesen  sich  als  schwierig 
und  teuer.  1666  erhielt  Ghi^ze,  1673  nach  dessen  Tode  Biesen- 
dorf die  Direktion.  Leider  wurde  dieser  hochbegabte  Mann  1677 
vor  Stettin  durch  eine  Kanonenkugel  getötet.  Trotz  aller  Hinder- 
nisse aber  wurde  1683  das  ganze  Werk  vollendet,  mit  dreizehn 
Bastionen  und  sechs  Toren.  Die  Mauern ,  die  die  alte  Doppel- 
stadt umgeben  hatten,  konnten  nun  niedergerissen  werden.  Die 
neuen  Befestigungen  waren  ausschliefslich  nach  militärtechnischen 
Gesichtspunkten  gezogen ^  ohne  Rücksieht  auf  die  vorhandenen 
Verkehrsverhältnisse,  Strafsen-,  Tor-  und  Wegeanlagen.  Die 
ungünstige  Einwirkung  dieses  Umstandes  auf  die  Weiterent- 
wicklung des  Verkehrs  der  entstehenden  Grofsstadt  dauert  noch 
heute  fort  in  der  mangelhaften  Verbindung  der  Altstadt  mit 
den  neuen  Stadtteilen.  Übrigens  benutzte  Friedrich  Wilhelm 
die  Umwandlung  Berlins  in  eine  Festung,  um  der  dortigen 
Bürgerschaft  und  ihren  Obrigkeiten  alle  militärischen  Befugnisse 
und  Pflichten  abzunehmen;  des  Bürgers  öffentliche  Tätigkeit 
beschränkte  sich  nur  noch  auf  Teilnahme  am  Feuerlöschen.  Es 
mufste  eben  alles  der  Ausdehnung  des  fürstlichen  Absolutismus, 
der  Entmündigung  der  Untertanen  dienen.  Der  Kurfürst  hat 
zur  Ausführung  seiner  Befestigungen  ohne  viel  Bedenken  städtische 
Ländereien  in  Gebrauch  genommen.  Anderseits  hat  er  die  Kosten 
des  Baues  fast  vollständig  selber  getragen,  auch  die  zur  Arbeit 
herangezogenen   Bürger    gewissenhaft    bezahlt,   und   Stadt    wie 


^  G.  PagÖB,  Les  röfugids  &  Berlin;  Bulletin  de  la  Soci^tö  de  Tbist. 
du  Protme  fran9ai8,  1902,  S.  135. 

'  Aufser  den  schon  erwähnten  Quellen:  F.  Holtze,  Gesch.  d.  Be- 
festigung von  Berlin  (Mäa-k.  Forsch.,  VII  [1861]  41  ff.). 


Siebenimddreifiaigstes  Kapitel.    KiirfOrst  und  Volkswohlstand.    123 

Private  fttr  die  Erträge,  die  ihnen  die  entzogenen  Grundstttcke 
gebracht  hatten,  ziemlich  ausreichend  entschädigt. 

Der  Eindruck,  den  die  von  dem  Grofsen  Kurfürsten  um- 
gestaltete Residenz  bei  den  Fremden  hervorrief,  erweist  die 
ganze  Gröfse  des  von  ihm  bewirkten  Umschwungs.  Aus  einer 
schmutzigen  und  verfallenen  Landstadt  hatte  er  eine  schöne  und 
saubere,  seiner  und  des  jungen  Staates  würdige  Kapitale  geschaffen. 
Nur  ihm,  nicht  den  geistig  zurückgebliebenen,  zäh  am  Alten 
hängenden  und  ängstlichen  Bewohnern  ist  das  Verdienst  hierbei 
zuzuschreiben.  „Die  Gebäude,"  schildert  1676  der  Franzose  Patin 
seine  Eindrücke  von  Berlin,  „sind  sehr  regelmäfsig  und  zum 
grölseren  Teile  in  italienischem  Geschmack.  Die  Gärten  sind 
mit  Orangerien,  Jasmin  und  allen  möglichen  Arten  Blumen 
angefüllt  Das  Schlofs  des  Kurfürsten  fiöfst  Bewunderung  ein. 
Alles  schien  mir  so  schön,  dafs  ich  mir  eine  Öffnung  im  Himmel 
dachte,  von  wo  die  Sonne  ihre  Wohltaten  über  diese  Erdenstrecke 
ausbreite.**  * 

Man  darf  sagen,  Friedrich  Wilhelm  hat  Berlin-CöUn  seines 
mittelalterlichen  Charakters  in  der  äufseren  Erscheinung  ent- 
kleidet, es  in  eine  moderne  Stadt  verwandelt  —  so  wie  er  es 
mit  seinem  ganzen  Staate  gemacht  hatte.  Freilich  war  hiermit 
ein  Verlust  an  innerer  Freiheit  und  Selbständigkeit  verbunden. 
Schon  der  Umstand,  dafs  die  Heranziehung  vieler  Hofleute  und 
Hoflieferanten^  von  Offizieren  und  R^fugi^s  eine  zahlreiche  Klasse 
Vornehmer  und  Privilegierter  schuf,  die  der  städtischen  Obrig- 
keit nicht  unterstanden  und  als  Besseres  galten  denn  die  Bürger, 
mufste  Ansehen  und  Macht  des  Rates  wesentlich  mindern  und 
einschränken.  Nicht  mehr  die  vollberechtigten  Bürger  waren 
die  wichtigsten  und  angesehensten  Bewohner  der  Stadt,  sondern 
die  Edelleute,  Offiziere,  höheren  Beamten,  sonstigen  Eximierten, 
die  alle  mit  Geringschätzung  auf  den  Bürger  herabsahen.  Die 
Kraft  und  das  Selbstbewufstsein  des  bürgerlichen  Elementes 
wurde  so  gründlich  gebrochen.  Femer:  da  dieses  sich  unfähig 
zeigte,  dem  Verfalle  der  Doppelstadt  abzuhelfen,  Ordnung,  Rein- 
lichkeit und  Schönheitssinn  in  ihr  zu  betätigen,  mufste  der 
Landesherr  selber  diese  Dinge  in  seiner  Residenz  zur  Geltung 
bringen,  und  zwar  durch  wiederholte  Verfügungen,  die  in  die 
hergebrachten  Befugnisse  der  städtischen  Behörden  tief  eingriffen. 


»  Orlich,  Friedr.  Wüh.,  292. 


124  Sechates  Buch. 

Die  Belegung  Berlins  mit  einer  starken  Besatzung,  seine  Um- 
wandlung in  eine  Festung  und  die  Ernennung  eines  Gouver- 
neurs mufsten  dazu  dienen,  einmal  die  Waffenfähigkeit  und  das 
Waffenrecht  der  BQrger  zu  beseitigen,  anderseits  immer  zahl- 
reichere Befugnisse  der  städtischen  Polizei  auf  den  kurfürstlichen 
Befehlshaber  zu  übertragen.  Seit  1680  wurde  ihm  die  Sorge 
für  Strafsenreinigung,  Pflasterung,  Beleuchtung,  Feuerwesen  und 
öffentliche  Brunnen  zugewiesen,  wofür  er  jährlich  noch  2000 
Taler  aus  der  Accise  erhielt.  Die  Magistrate  wurden  seine 
Unterbehörden  für  alle  diese  Zweige  der  städtischen  Verwaltung. 
Endlich:  die  Einführung  der  Accise,  deren  Erhebung  seit  1684 
gänzlich  dem  Magistrat  entzogen  und  kurfürstlichen  Beamten 
überliefert  wurde,  hat  der  Doppelstadt  das  Recht  der  periodischen 
Steuerbewilligung  genommen,  hat  den  landesherrlichen  Steuer- 
beamten den  Eintritt  in  sie  verschafft  und  schliefslicb  den 
gesamten  Stadthaushalt  der  Oberaufsicht  dieser  Beamten  unter- 
worfen. Friedrich  Wilhelm  ist  nicht  planmäfsig  an  die  Ver- 
nichtung der  städtischen  Selbständigkeit  gegangen;  aber  das 
völlige  Versagen  der  überlieferten  kommunalen  Verwaltung  und 
die  von  ihm  allein  repräsentierte  moderne  Entwicklung  haben 
Schritt  für  Schritt,  mit  zwingender  Notwendigkeit  die  allmähliche 
Ersetzung  jener  Institutionen  durch  landesherrliche  Allmacht 
sowie  durch  deren  Beamtentum  und  Polizei  bewirkt.  Die 
städtischen  Behörden  übrigens,  im  Bewufstsein  ihrer  Schwäche 
und  Unfähigkeit,  haben  dieser  Umgestaltung  nicht  den  leisesten 
Widerstand  entgegengesetzt.  Materielles  Aufblühen  und  geistige 
Hebung  entschädigte  die  gedemütigten  und  verarmten  Bürger 
und  deren  Vertreter  reichlich  für  den  Verlust  einer  politischen 
Selbständigkeit,  mit  der  sie  nichts  mehr  anzufangen  wufsten 
und  die  jedes  Interesse  für  sie  verloren  hatte. 

Der  Grofse  Kurfüi*st  ist  auch  als  der  zweite  Gründer  der 
anderen  Hohenzollemresidenz  in  der  Kurmark,  Potsdams,  zu 
betrachten.  Bei  seinem  Regierungsantritte  enthielt  das  gänzlich 
verfallene  Städtchen  nur  vier  Strafsen  an  der  Havel,  mit  wenigen 
Hunderten  von  Einwohnern.  Er  aber  liefs  durch  Chifeze  und 
dann  durch  Nering  das  Stadtschlofs  erbauen,  dafs  er,  wie  das 
Berliner,  mit  einem  Lustgarten  ausstattete.  Kurfürstin  Dorothea 
liebte  Potsdam  sehr  wegen  seiner  anmutigen  Lage  inmitten  der 
Seen  und  Waldhügel  der  Havel,  und  ihr  zu  Liebe  hielt  sich 
dort  ihr  Gatte  öfters  auf.    Er  legte  eine  grofse  Anzahl  neuer 


Siebenunddreifsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Yolkswohlstand.    125 

Strafsen  an,  deren  Hlluser  zum  Teil  den  Hofbedienten  zur  Be- 
wohnung  eingeräumt  wurden.  Ein  Fasanengarten  mit  schlofs- 
ähnlichem  Gebäude,  weite  baumbepflanzte  Alleen  erhöhten  den 
Reiz  der  neuen  Residenz.  Lustschlösser  entstanden  auf  Friedrich 
Wilhelms  Geheifs  in  der  Umgebung,  zu  Kaput,  Borne,  Klein- 
Glienicke  und  Fahrland.  Gärten,  Wasserkünste,  Grotten,  Statuen 
aller  Art  zierten  diese  Schlösser,  zu  denen  er  mit  seiner  Ge- 
mahlin und  zahlreichem  Gefolge  auf  reichgeschmttckten  Kähnen 
zu  fahren  liebte^.  Es  war  ein  ästhetisch-schönes,  heiteres, 
glänzendes  Treiben,  das  auf  diesem  herrlichsten  Flecken  des 
märkischen  Landes  entstand.  Kein  Hohenzoller  hat  so  mit  der 
Förderung  der  wahren  Aufgaben  und  der  realen  Macht  des 
Staates  lebhafte  und  frohe,  wirklich  anziehende  und  erquickliche 
Betätigung  des  künstlerischen  Lebensgenusses  verbunden  wie 
Kurfürst  Friedrich  Wilhelm,  der  es  wohl  verdient,  wie  sein 
grofser  Urenkel,  der  Einzige  genannt  zu  werden. 


1  Nicolai,  m»,  S.  llllff.  1131f. 


Achtuoddreilsigstes   Kapitel. 

Die  Religionsbekenntnisse. 


Man  sollte  voraussetzen,  ein  jeder  vom  Geiste  der  Religion 
durchdrungene  Mensch  müsse  von  selbst  geneigt  sein,  der 
religiösen  Überzeugung  jedes  anderen  volle  Berechtigung  zu 
gewahren.  Gerade  die  Bedeutung,  die  der  wahrhaft  Religiöse 
seinem  eigenen  Glauben  als  dem  ihn  durchaus  beherrschenden 
und  leitenden  zuschreibt,  sollte  ihm  die  Achtung  vor  der  fremden 
Individualität  einflöfsen,  die  gleichfalls  der  sie  erfüllenden  tief 
innerlichen  Empfindung  unbedingt  treu  ist.  Leider  hat  die 
Beimischung  eines  starken  und  harten  Kirchentums  seit  Jahr- 
tausenden die  Religion  beeinflufst,  so  dafs  sie  gleichsam  not- 
gedrungen als  mit  Unduldsamkeit  und  Ausschliefsung,  ja,  mit  Ver- 
folgung gepaart  erschien.  Auch  zur  Zeit  des  Grofsen  Kurfürsten: 
gerade  damals  waren  die  Frommen  aller  Bekenntnisse  zugleich 
die  Unduldsamen.  Anders  Friedrich  Wilhelm.  Er  blieb  freilich 
durch  sein  ganzes  vielbewegtes  Leben  der  echt  religiöse  Mensch, 
der  er  schon  in  seiner  Jugend  gewesen  war.  „Ich  bin,**  sagte 
er  1680  zu  dem  englischen  Gesandten  Southwell,  „sehr  dankbar 
für  die  Wohltaten,  die  ich  von  Gott  empfangen  habe.  Nie  werde 
ich  Gott  vergessen,  der  mich  nie  verlassen  hat."  Er  sprach 
mit  so  viel  Eifer  und  Gefühl  von  der  Religion,  dafs  ihm  die 
Tränen  in  die  Augen  traten  ^.  Aber  die  traurigen  Erfahrungen 
des  dreifsigjährigen  unentschiedenen  Glaubenskrieges,  der  Ver- 
kehr in  dem  aufgeklärten  und  freidenkenden  Holland,  seine 
eigene,  klare  und  scharfe  Einsicht  liefsen  ihn  durchaus  zwischen 
Religion  und  Kirchentum  unterscheiden  und  befestigten  in  ihm  den 


*  Raum  er,  Beiträge,  TU,  463. 


Achtunddreifsigstee  Kapitel.    Die  Beligionsbekeimtnisse.         127 

Grundsatz,  dars  in  Sachen  des  Glaubens  ein  jeder  volle 
Freiheit  und  das  Recht  auf  die  Wahrheit  besitze,  wie  er  sie 
verstehe.  Oft  hat  Friedrich  Wilhelm  es  als  Prinzip  seiner 
Regierung  ausgesprochen:  er  mafse  sich  keinerlei  Herrschaft 
Ober  das  Gewissen  seiner  Untertanen  an.  Man  sieht,  es  ist  im 
Grunde  dieselbe  Maxime,  die  den  grorsen  Friedrich  zu  dem  Aus- 
spruche veranlafste :  in  seinem  Staate  könne  jeder  nach  seiner 
Fa(on  selig  werden.  Friedrich  Wilhelm  drückte  das  vielmehr  in 
den  Worten  aus:  „Wir  wollen  keines  Gewissen  konstringieret 
haben. ^  ^  Nur  dafs  die  konfessionelle  Friedensliebe  und  Friedens- 
sehnsucht bei  dem  Kurfürsten,  weil  er  ein  positiv  gläubiger  Mann 
war,  tätiger  auftrat  als  bei  seinem  Urenkel,  der,  da  er  skeptisch 
gesinnt  war,  sich  den  verschiedenen  Verhältnissen  gegenüber 
passiv  verhielt.  Der  Grofse  Kurfürst  hat  mit  nie  erlahmendem 
herzlichen  Eifer  immer  wieder  die  Vereinigung  der  beiden 
evangelischen  Bekenntnisse  angestrebt.  Sein  klarer ,  von  keinen 
mystischen  Phrasen  umdunkelter  Verstand  sagte  ihm,  dafs  nur 
nebensächliche  Streitpunkte,  die  mit  dem  inneren  Heilsbedürfnis 
nichts  Wesentliches  zu  tun  haben,  jene  Konfessionen  trennen, 
nnd  sein  zutreffendes  Urteil  belehrte  ihn,  dafs  nur  engste  Ver- 
einigung den  Protestantismus  überhaupt  vor  der  überlegenen 
Macht  seiner  Feinde  zu  retten  vermöge.  Trotz  vieler  trüben 
Erfahrungen  lud  er  im  März  1662  die  lutherische  Geistlichkeit 
seiner  Residenz  Berlin-CöUn  zu  einem  freundschaftlichen  Religions- 
gespräche mit  hervorragenden  reformierten  Theologen  ein.  Es 
sollte  damit  „nicht  allein  ein  Versuch  getan,  sondern  auch  ein 
guter  Anfang  zur  brüderlichen  Verträglichkeit  gemacht,  den 
anderen  aber  ein  christliches  Beispiel  zur  Nachfolge  gegeben 
werden."  Das  Unternehmen  scheiterte  an  der  Hartnäckigkeit 
und  Unduldsamkeit  der  Lutheraner.  Der  eine  —  Reinhardt  — 
erklärte,  er  könne  die  Reformierten  nicht  als  Brüder  anerkennen ; 
der  andere  —  kein  geringerer  als  Paul  Gerhardt  —  er  könne 
sie  nicht  für  Christen  halten.  Unter  einem  Verwände  brachen 
sie  die  Verhandlung  ab.  Es  ist  nicht  zu  verwundern,  dafs  nach 
so  kränkenden  Vorgängen  die  reformierten  Theologen  spätere 
Versöhnungsvorschläge,  wie  der  eifrig  in  irenischem  Sinne  tätige 
Schotte  Johann  Duräus  solche  mit  Zustimmung  des  Kurfürsten 


1  Erklärung  an  die  preuls.  Stände  vom  12./22.  Dez.  1661;  Orlioh, 
Preufe.  Staat,  in,  110. 


128  Sechstes  Buch. 

ihnen  unterbreitete,  als  bei  der  Stimmung  der  Lutheraner 
hoffnungslos  bezeichneten  ^  Aber  bis  zu  seinem  Lebensende  hielt 
Friedrich  Wilhelm  an  dem  Gedanken  der  Union  fest.  „Ich 
wQnsche  sie  in  meinen  Staaten  und,  durch  mein  Beispiel,  ander- 
wärts zu  bewirken,  zu  einer  einzigen  und  gleichen  Kommunion 
durch  die  Vereinigung  der  Ansichten  und  des  Kultus."  *  In  der 
Tat,  er  wurde  nicht  müde,  auch  nach  aufsen  hin  zu  Gunsten 
der  Union  zu  arbeiten,  in  der  allein  er  die  Möglichkeit  erblickte, 
den  von  den  Altgläubigen  immer  härter  bedrängten  Protestantis- 
mus zu  retten.  „Stiftung  mehrerer  Eintracht  und  guter  Harmonie 
zwischen  Evangelischen*' ,  „nähere  Zusammensetzung  eines  besseren 
Vertrauens  zwischen  den  evangelischen  Kirchen",  empfahl  er 
immer  wieder  dem  mächtigsten  Vertreter  des  Luthertums  in 
Deutschland,  dem  Kurfürsten  von  Sachsen.  Johann  Georg  III. 
lehnte  kühl  ab,  da  die  Anschauungen  der  Reformierten  sich  mit 
dem  Grunde  des  wahren  seligmachenden  Glaubens  nicht  vereinen 
liefsen*.  War  es  doch  die  Zeit,  wo  Calow  in  Wittenberg  und 
Hülsemann  in  Leipzig  die  Versöhnlichen,  die  „synkretistischen 
Mameluken",  als  schlimmer  denn  die  „türkischen  Heiden" 
schilderten,  die  Mischehe  zwischen  Lutheranern  und  Reformierten 
als  eine  Todsünde  vei'fluchten. 

In  Ermanglung  der  Union  sollte  wenigstens  äufserlich  Friede 
und  Eintracht  unter  den  Bekennern  der  protestantischen  Religions- 
gemeinschaften herrschen^.  Am  2.  Juni  1662  veröffentlichte 
Friedrich  Wilhelm  das  erste  seiner  „Toleranzedikte";  es  war 
aus  der  Feder  seines  Hofpredigers  Stosch  geflossen.  Es  unter- 
sagte, negativ,  das  „Verdammen,  Verketzern,  Benennen  und 
Verhöhnen  der  Personen  oder  Kirchenlehrer,  die  spöttische  Ver- 
stellung und  Verkehrung  der  Lehren".  Es  schrieb,  positiv,  vor, 
„das  Wort  Gottes  lauter  und  rein  zu  predigen,  wie  solches  in 
den  prophetischen  apostolischen  Schriften  gegründet  und  in  den 
vier  Hauptsymbolis  der  Augsburgischen  Konfession  von  1530 
und  deren  Apologie  widerholt  ist".  Die  Kandidaten  des  Prediger- 
standes hatten  einen  dahingehenden  Revers  zu  unterschreiben. 


'  Landwehr,  205.  208  ff.  317  ff. 

■  Droysen,  IH,  HI  277. 

'  B..  Schmertosch,  Kursachsen  und  Kurbrandenburg  für  d.  protest. 
Ungarn  (Neues  Arch.  f.  sächs.  Gesch.,  XVIII  [Dresden  1897],  75  ff.). 

*  Das  Folgende  nach  Mylius,  I,  I  375ff.;  IH,  129.  146;  Land- 
wehr, 215  ff. 


Achtanddreifsigstes  Kapitel.    Die  Beligionsbekenntnisse.        129 

Ein  zweites  Edikt,  dafs  unter  des  Kurfürsten  eigener  Mitarbeit 
entstanden  ist  und  am  16.  September  1664  veröffentlicht  wurde, 
verbietet  noch  einmal  die  im  Schwange  gehenden  Verketzerungen 
and  befiehlt  selbst  den  schon  im  Amte  befindlichen  Predigern, 
sich  hierzu  durch  einen  Revers  zu  verpflichten.  Das  war  nichts 
Neues  und  Unerhörtes:  einen  ähnlichen  Bevers  hatte  schon  1614 
Korffirst  Johann  Sigismund  gefordert  und  hatten  damals  die 
brandenburgischen  Prediger  unterschrieben.  —  In  dem  fanatisch 
lutherischen  Preufsen  war  Friedrich  Wilhelm  nicht  weniger  auf 
Herstellung  des  Religionsfriedens  bedacht.  Als  1662  die  Stellung 
eines  Offizials  bei  dem  samländischen  Konsistorium  frei  wurde, 
erkor  er  dazu  ein  ^»frommes,  friedliebendes  Subjekf*,  den 
Dr.  Dirschau.  Der  erhielt  noch  besonders  den  Auftrag,  er  „solle, 
soviel  an  ihm  ist,  alles  dasjenige  tun,  was  zur  Beförderung  des 
Eirchenfriedens  und  der  Eintracht  gereichen  möge." 

Aber  selbst  dieses  bescheidenere  Streben :  die  evangelischen 
Bekenntnisse  zu  gegenseitiger  Duldung  zu  bestimmen,  konnte 
er  nur  in  hartem  Kampfe  durchsetzen.  Die  lutherische  Geistlich- 
keit, mehr  von  Flacius'  als  von  Melanchthons  Gesinnung  erfüllt, 
zeichnete  sich  beständig  durch  ihre  unversöhnliche  Stimmung  aus. 
Die  Königsberger  empörten  sich  gegen  das  Verbot,  die  reformierte 
Lehre  als  „Seelengift''  zu  bezeichnen.  Einer  der  Königsberger 
Prediger,  Schröder,  konnte  nur  durch  längere  Haft  gezähmt 
werden.  Aber  nicht  nur  die  Geistlichen,  auch  die  preufsischen 
Stände  donnerten  immer  wieder  gegen  jede  Art  der  Versöhnung. 
Letztere  beschwerten  sich,  dafs  die  sogenannten  „Synkretisten", 
die  Duldsamen  unter  den  lutherischen  Geistlichen,  ^sich  immer 
mehr  und  mehr  einwurzeln  und  die  vornehmsten  Stellen  im 
Predigtamte  erhalten*'.  Sie  entblödeten  sich  nicht  zu  behaupten, 
dafs  diese  Männer  des  Friedens  „der  Kirche  Ruhe  und  Wohl- 
stand benähmen".  Sie  forderten  wiederholt  sogar  die  Unter- 
drückung des  exercitium  reformatae  religionis  im  Herzogtum. 
Indes  der  Kurfürst  kehrte  sich  an  so  engherzige  Klagen  nicht. 
Die  Königsberger  mufsten  sich  seinem  bestimmten  Befehle  unter- 
werfen und  im  Dezember  1668  die  Reformierten  zum  Bürger- 
recht ihrer  Dreistadt  zulassend 

^  Über  diese  preufsischen  Streitigkeiten  siehe:  Landwehr,  173 ff.; 
U.  u.  A.  XVI,  293.  358.  491.  546.  585.  609ff.  658 ff.  713.  777.  817;  Orlich, 
If  272  f.  390;  Bibbeok,  Lincker  (Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch. 
Xn  [1899]  471). 

Philippson,  Der  Orofoe  Kurfarst.    III.  9 


130  Sechstes  Buch. 

Der  Hafs  der  eifrigen  Lutheraner  richtete  sich  besonders 
gegen  zwei  theologische  Professoren  der  Königsberger  Universität, 
Dreier  und  Zeidler,  die  es  wagten,  der  Annäherung  der  ver- 
schiedenen christlichen  Kirchen  aneinander  das  Wort  zu  reden. 
Das  entsprach  eigentlich  den  Wünschen,  die  der  Kurfürst  schon 
längst  geäufsert  hatte:  allein  auf  das  Andrängen  seines  Statt- 
halters Fürsten  Radziwill,  der  gern  den  Ständen  möglichst  ent- 
gegenkam, erteilte  er  den  beiden  Professoren  einen  Verweis, 
ja  beschränkte  ihnen  die  Predigt.  Hierdurch  ermutigt,  ver- 
langten die  Stände  wiederholt  deren  Absetzung.  Indes  Friedrich 
Wilhelm  hatte  inzwischen  Gelegenheit  gefunden,  jene  uner- 
schrockenen Verteidiger  des  religiösen  Friedens  selber  zu  hören. 
Er  verwarf  darauf,  1676,  das  Anliegen  der  Stände ,  da  .man 
Doktor  Dreier  und  Zeidler  allein  darum  hafst,  weil  sie  die 
reformierte  Kirche  nicht  verdammen  wollen."  Vielmehr  setzte 
er  in  mehrere  von  ihm  abhängende  lutherische  Pfarreien 
Königsbergs  friedliebende  Männer  ein,  Anhänger  Dreiers.  Es 
folgten  selbstverständlich  von  selten  der  übrigen  Königsberger 
Geistlichkeit  erschreckliche  Beschwerden  über  die  Ernennung 
solcher  „Synkretisten*',  und  die  Ritterschaft  hatte  gar  die  Keck- 
heit, mit  Klagen  in  Warschau  zu  drohen  (1669).  Ein  besänf- 
tigendes Edikt  des  Kurfürsten  hatte  lediglich  die  Wirkung,  die 
Stände  in  ihren  Forderungen  zu  bestärken:  noch  1671  und  1675 
verlangten  sie  die  Ausstofsung  aller  Synkretisten  aus  den 
Pfarreien  und  theologischen  Lehrstühlen;  die  „breiten  sich"  — 
angeblich  —  „immer  weiter  aus,  drängen  sich  in  alle  Vakanzen 
und  haben  die  Universitäten  nun  ganz  erobert*'. 

Friedrich  Wilhelm  liefs  sich  in  seiner  wohlerwogenen  Duld- 
samkeit nicht  beirren.  Er  antwortete  meist  mit  gütigen  und 
versöhnlichen  Worten,  allein  er  änderte  seine  Handlungsweise 
nicht.  Die  Synkretisten  blieben;  und  wenn  die  Reformierten 
in  Preufsen  sich  auch  aus  Geldmangel  keine  der  drei  ihnen 
zugestandenen  Kirchen  bauen  konnten,  so  besafsen  sie  doch 
Betstuben  zu  Königsberg,  Memel,  Hilgenburg,  in  dem  Amte  Schön- 
berg und  auf  dem  Schlosse  der  Grafen  Dohna.  In  Pillau  wurde 
eine  Kirche  zum  Gottesdienste  beider  evangelischer  Bekenntnisse 
benutzt.  Es  war  hier  die  Religionsfreiheit  für  die  drei  christ- 
lichen Konfessionen  tatsächlich  durchgeführt. 

Der  Kampf  wogte  ebenso  heftig  in  der  Kurmark.  Unter 
den  Augen  des  Kurfürsten,  in  der  Residenz  Berlin,  führte  man 


Achtanddreilsigstes  Kapitel.    Die  Beligionsbekenntnisse.        X31 

im  GymDasium  zum  Grauen  Kloster  1661  eine  Komödie,  die 
„Einsetzung  des  Abendmahls'  auf,  die  diese  geweihte  Handlung 
nach  dem  reformierten  Ritus  zum  Gegenstande  schändlicher 
Narrenspossen  machte  \  Der  Kurfürst  nahm  den  Handschuh 
entschlossen  auf.  Im  März  1662  wies  eine  Verfügung  die 
Studenten  der  Theologie  darauf  hin,  das  Studium  der  heiligen 
Schrift  anstatt  der  von  Menschen  geschriebenen  Bücher  —  der 
Bekenntnisschriften  —  zu  betreiben.  In  den  Prüfungen  solle 
darauf  gesehen  werden,  dafs  sie  den  wahren  Glauben  und  die 
eigentlich  christliche  Lehre  inne  hätten,  ohne  dafs  sie  „auf 
sabtile  Streit-  und  Schulfragen  zu  antworten  wursten** ;  sie  sollen 
„sich  4er  feuchtigen  und  unnützen  Fragen  und  der  schändlichen 
Wortkriege  entschlagen**.  Der  Besuch  der  besonders  unduld- 
samen kursächsischen  Universität  Wittenberg  ward  den  Landes- 
kindem  untersagt  Eine  Beschwerde  der  Sachsen  hierüber  liefs 
der  Kurfürst  nicht  gelten:  er  habe  nicht  beabsichtigt,  Jene 
hochberühmte  Universität  zu  beschimpfen,  sondern  seine  Lande 
in  Ruhe  und  Einigkeit  zu  erhalten.**  Die  brandenburgischen 
Geistlichen  unterlagen  nunmehr  in  Schrift  und  Predigt  einer 
sorgfältigen  Überwachung  und  wurden,  wenn  sie  die  Reformierten 
beleidigten,  zur  Verantwortung  gezogen.  Das  geschah  jedoch 
immer  in  milder  Weise,  und  der  Kurfürst  dämpfte  wiederholt 
die  allzugrofse  Rachsucht  seiner  eigenen  reformierten  Geistlich- 
keit Es  lag  ihm  vor  allem  daran  zu  beweisen:  er  habe  „nicht 
im  Gedanken,  jemanden  in  seiner  Gewissensfreiheit  zu  kränken**  ^. 

Um  so  unerbittlicher  zeigte  er  sich  gegen  diejenigen  Geist- 
lichen, die  die  Unterzeichnung  der  in  seinen  Edikten  von  1662 
und  1664  geforderten  Reverse  verweigerten.  Seinen  Standpunkt 
in  dieser  Frage  hat  er  selber  durch  eine  Erklärung  vom  4.  Mai 
1665  dargelegt,  die  auf  seine  Denkweise  ein  helles  Licht  wirft  ^: 

„Und  so  haben  Se.  Kurf.  Durchl.  auch  über  keines  Unter- 
tanen Gewissen  und  Religion  jemals  einige  Gewalt  geübt,  noch 
auch  wegen  ungleichen  Glaubensbekenntnis  jemanden  angefeindet, 
sondern  allen  und  jeden  gleiche  Gnade  und  Beförderung  wider- 
fahren lassen.  Und  dahin  sind  auch  alle  in  Religionssachen 
ergangene  Edikte  gemeint  gewesen;  nicht  aber  eine  Religions- 


1  Gallus,  Gesch.  d.  Mark  Brandenburg,  IV»(Züllichau  1801)8.  213. 
«  Mylius,  I,  I  373 ff.,  I,  II  79ff.  —  U.  u.  A..  XI,  265.  611  f. 
«Mylius,!,  I  385 ff. 

9* 


132  Sechstes  Buch. 

mengerei  einzuführen,  viel  weniger  jemanden  wider  sein  Ge- 
wissen etwas  zu  glauben  aufzudringen,  oder  der  in  diesen  Landen 
üblichen  Gottesdienste  und  der  lutherischen  Religion  Exercitia 
zu  verhindern  oder  zu  verändern;  sondern,  weil  es  die  Er- 
fahrung bezeuget,  dafs  gleich  wie  der  Satan  kein  schädlicheres 
Gift  in  die  Lande  ausgiersen  kann,  als  wenn  er  bei  ungleicher 
Religion  Anlafs  nimmt,  zwischen  Obrigkeit  und  Untertanen, 
zwischen  Bürgern  und  Mitbürgern  Mifstrauen,  Bitterkeit  und 
Hafs  einzupflanzen  —  also  ihm  auch  solche  Bosheit  am  besten 
gelinget,  wenn  Lehrer  und  Prediger  nicht  allein  ihre  Meinungen, 
so  gut  sie  können,  behaupten  und,  was  sie  für  irrig  halten,  ver- 
neinen, sondern  auch  die  Dissentierenden  mit  anzüglichen  Namen 
verlästern,  ihre  Lehre  verkehren,  aus  derselben  abscheuliche 
Dinge  folgern.  Hingegen  eben  dieselbe  Erfahrung  nebst  der 
heiligen  Schrift  auch  bezeuget,  dafs,  wo  Sanftmut,  Bescheiden- 
heit und  Aufrichtigkeit  gebrauchet  und  die  streitigen  Fragen, 
ohne  falsche  Beschuldigungen  und  Lästerungen,  in  der  Furcht 
Gottes  und  in  der  Liebe  erörtert  werden,  alsdann  die  Herzen 
disponieret,  zubereitet  und  gleichsam  geöffnet  werden,  damit 
endlich  die  göttliche  Wahrheit,  sie  möge  sein,  bei  welchem  Teile 
sie  wolle,  überall  Platz  finde  und  erkannt  werde." 

Friedrich  Wilhelm  ging  hier  von  dem  gleichen  Standpunkte 
aus,  wie  seine  Zeitgenossen  Leibniz,  Rojas,  Duraeus,  Samuel 
Pufendorf  —  Männer,  die  in  wahrhaft  religiöser  Gesinnung 
dem  geistlichen  Gezanke  ihrer,  ja  wir  müssen  sagen  auch 
unserer  Zeit  weit  vorangeeilt  waren.  Aber  diese  waren  Ge- 
lehrte, Denker:  in  Friedrich  Wilhelm  haben  wir  einen  Fürsten, 
der,  inmitten  schwerer  und  steter  diplomatischer,  administrativer 
und  militärischer  .Beschäftigungen,  nur  durch  tief  innerliche 
Frömmigkeit  und  klaren  Verstand  zu  einer  so  erhabenen  An- 
schauungsweise geführt  worden  ist.  Während  fast  alle  übrigen 
Herrscher  jener  Zeit  ihre  Macht  darin  betätigten,  dafs  sie  ihre 
eigene  Religionsmeinung  sämtlichen  Untertauen  aufnötigten,  hat 
der  Grofse  Kurfürst  den  seinen  in  hochherzigster  Weise  voll- 
kommene Gewissensfreiheit  gewährt,  ja,  man  darf  sagen:  auf- 
gezwungen zum  leuchtenden  Vorbild  für  die  Zukunft.  Sein 
Zorn  und  seine  Strafen  trafen  nur  diejenigen,  die  den  Gewissens- 
druck und  die  Verfolgung  Andersgläubiger  betrieben. 

Zu  ihnen  gehörte  leider  auch  der  Diakonus  an  der  Berliner 
Nikolaikirche,  Paul  Gerhardt,  der  Dichter  so  vieler  herrlicher, 


Achtonddreifsigstes  Kapitel.    Die  Beligionsbekenntnisse.        133 

tief  empfandener,  wahrhaft  poetischer  Kirchenlieder.    Er  fühlte 
sich,  wie  manche  seiner  Kollegen,  in  seinem  Gewissen  gedrungen, 
ao  den  symbolischen  Büchern  seiner  lutherischen  Kirche,  die 
von  ihnen  beschworen  waren,  sowie  an  der  Bekämpfung  der  Anders- 
gläubigen festzuhalten,  die  ihnen  zur  Verteidigung  ihrer  Kirche 
unentbehrlich  erschien.    Aufserdem  erblickte  er  fälschlich  in  den 
Anordnungen  des  Kurfürsten  eine  Vorbereitung  zu  völliger  Unter- 
drückung des  Luthertums.     „Wenn  es  bei  Kurf.  Durchl.  unserm 
gnädigsten  Herrn  stände** ,  schrieb  damals  ein  anderer  Berliner 
Geistlicher,  „es  würde  alles  genau  observieret  werden;  allein  der 
Aposteln  sind  zu  viele,  welche  den  frommen  Herrn  wider  die 
Lutheraner  verhetzen,  alle  guten  Intentiones  hindern,  die  Decla- 
rationes  durchlöchern.**    Obwohl  Gerhardt  bisher  nicht  zu  den 
Eiferern  gegen  die  Reformierten  gehört  hatte,  verweigerte  er  nicht 
allein  selber  die  Unterzeichnung  des  Reverses,  sondern  ermahnte 
auch  die  übrigen  Prediger  zu  gleichem  Widerstände.    Er  wurde 
darauf  (1665)  von  seinem  Amte  suspendiert.    Da  sich  aber  der 
Magistrat  von  Berlin  und  sogar  die  Stände  der  Kurmark  eifrigst 
für  ihn  verwandten,  setzte  ihn  der  Kurfürst  am  9.  Januar  1667 
wieder  in  seine  Befugnisse  ein,  allerdings  unter  der  Begründung, 
dafs  offenbar  Gerhardt  früher  „die  Meinung  der  Edikte  nicht 
recht  begriffen  habe**.    Gerade  dieser  Zusatz  liefs  den  gewissen- 
haften Geistlichen  vermuten,  er  müsse  sich  zur  Beobachtung  der 
Toleranzedikte,  die  er  doch  verwarf,  verpflichten ;  und  eben  des- 
halb lehnte  er  die  Wiederaufnahme  seines  Amtes  ab.    Der  Kur- 
fürst war  entrüstet  über  solche  Hartnäckigkeit.    Er  wies  nun- 
mehr, 4.  Februar  1667,  den  Patron  der  Nikolaikirche,  den  Magi- 
strat von  Berlin,  an,  nur  „friedliebende  Leute *"  zur  Ablegung 
der  Probepredigt  aufzufordern  und  den  schliefslich  zu  Vozieren- 
deu  erst  seiner  eigenen  landesherrlichen  Bestätigung  zu  unter- 
werfen \ 

Das  Schicksal  Gerhardts  traf  auch  andere  Berliner  Geist- 
liche, wie  den  als  Eiferer  berüchtigten  Archidiakon  Reinhardt 
und  den  Propst  Lilius;  der  letztere  hat  sich  dann  unterworfen 
und  wurde  wieder  angestellt.  Diese  Nachgiebigkeit  aber  wurde 
ihm  von  seiner  Gemeinde  derart  verübelt,  dafs  er  bis  zu  seinem 

»  E.  G.  Roth,  Paul  Gerhardt  (Lübben  1832),  S.  14  ff.  —  E.  C.  G. 
Langbecker,  Leben  und  Lieder  von  P.  Gerhardt  (Berlin  184 IX  S.  96 ff.  — 
Orlich,  Preufs.  Staat,  III,  172.  —  Landwehr,  Barthol.  Stosch  (Forsch, 
z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  VI  [1893]),  S.  91). 


134  Sechstes  Buch. 

bald  darauf  erfolgendeD  Tode  vor  leeren  Bänken  predigte*.  Ein 
anderer  „Abtrünniger''  war  der  Predigtamtskandidat  David  Gigas 
an  der  Nikolaikirche.  Da  er  den  Revers  unterschrieben,  wurde 
er  von  der  Gemeinde  übel  angesehen  und  durch  den  Diakon 
Lorenz  gar  vom  Abendmahl  ausgeschlossen.  Um  sich  zu  rehabi- 
litieren, widerrief  er  nicht  nur  seine  Unterschrift,  sondern  hielt 
auch  am  Neujahrstage  1667  eine  mafslos  heftige  und  aufreizende 
Predigt,  die  geradezu  den  Aufruhr  anriet.  Darauf  liefs  der 
Kurfürst  ihn  verhaften  und  nach  Spandau  abführen.  Erst  als 
einige  reformierte  Gemeinden  in  vorwiegend  lutherischen  Staaten 
sich,  aus  Besorgnis  vor  Gegenmafsregeln,  für  Gigas  verwandten, 
ward  dieser  der  Haft  entlassen,  aber  aus  den  Städten  Berlin 
und  Colin  verbannt.  Schlimm  erging  es  auch  dem  Propst  an 
der  CöUnischen  Peterskirche,  Andreas  Fromm.  Dieser  Geist- 
liche, ein  hervorragender  Prediger,  hatte  seine  Stellung  haupt- 
sächlich durch  grofses  Entgegenkommen  den  Reformierten  gegen- 
über erlangt ;  man  meinte  sogar,  er  werde  ganz  zu  ihrer  Gemein- 
schaft übertreten.  Plötzlich  aber  wandte  sich  der  unstäte,  leicht 
verletzliche  Mann  gegen  die  friedfertige  Religionspolitik  des  Kur- 
fürsten, die  er,  ebenso  wie  das  reformierte  Bekenntnis,  mündlich 
und  schriftlich  mit  Heftigkeit  angriff.  Friedrich  Wilhelm  suchte 
ihn  durch  Milde  auf  den  Weg  der  Vernunft  und  des  Anstandes 
zurückzubringnn.  Es  war  vergebens.  Als  er  sich  von  der  Ab- 
setzung bedroht  sah,  entwich  er  im  August  1666  aus  Berlin.  Er 
ist  wenige  Monate  später  in  Prag  katholisch  und,  obwohl  ver- 
heiratet und  Vater  von  fünf  Kindern,  1669  Priester  geworden*. 
Die  Berliner  Geistlichkeit  hat  sich,  trotz  dieser  Verluste, 
nach  Kräften  gegen  die  Zumutung  des  Reverses  gewehrt.  Sie 
erwirkte  von  einer  Anzahl  theologischer  Fakultäten  Gutachten, 
die  das  Vorgehen  des  Kurfürsten  mifsbill igten.  Sie  wandte  sich 
an  den  Rat  der  Stadt  Berlin  und  an  die  kurmärkischen  Stände, 
die  selbstverständlich  ihre  Partei  ergriffen  und  den  Synkretismus 
als  der  Kirche  Gottes  höchst  gefährlich  verwarfen*.  Allein 
Friedrich  Wilhelm  bestand  unerschütterlich  auf  seinem  Willen, 


^  W.  Ribbeck,  Aus  d.  Berichten  d.  hess.  Sekr.  Lincker  v.  Berlin. 
Hofe.  (Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  XII  [1899]),  S.  466  ff. 

■  Orlich,  Der  Grofse  Kurf.,  274  ff. 

*  Hering,  Neue  Beiträge  zur  Gesch.  der  Reform.  Kirche  in  den 
preufs.-brandenb.  Ländern,  11  (Breslau  1787),  188 ff.  —  Landvtrehr, 
Kirchenpol.  d.  Grofs.  Kurf.,  218.  222ff. 


Achtonddreifsigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenntnisse.        135 

,da  er  weder  durch  dieses  Edikt  noch  sonsten  die  Gewissens- 
freiheit zu  benehmen  noch  dem  lutherischen  Gottesdienste  die 
Ruhe  zu  mifsgönnen  gemeint  gewesen  —  es  wäre  denn,  dafs 
die  Gewissensfreiheit  in  Verketzerung,  Verlästerung  und  Ver- 
dammen der  Reformierten  bestände".  Die  meisten  lutherischen 
Geistlichen  in  der  Eurmark  unterwarfen  sich:  zweihundert  von 
ihnen  unterzeichneten  den  Revers. 

Der  Kurfürst  aber  hegte  den  Verdacht,  dafs  einige  seiner 
Räte  die  Renitenten  in  ihrem  Widerstände  ermutigten.  Er 
begehrte  also  von  ihnen,  dafs  sie  durch  ihre  Unterschrift 
bezeugten,  seine  Toleranzedikte  aufrecht  erhalten  und  mit  den- 
jenigen, die  einer  evangelischen  Union  zuneigten,  Gemeinschaft 
bewahren  zu  wollen.  Allein  er  konnte  sie  zu  einer  solchen  Zu- 
sieherung  nicht  bewegen.  Ja,  der  ebenso  gründlich  wie  fein- 
gebildete Konsistorial-  und  Kammergerichtsrat  Martin  Seidel,  der 
Abkömmling  einer  alten  Berliner  Beamtenfamilie,  setzte  das 
konfessionelle  Interesse  so  weit  über  vaterländische  Treue  und 
Anhänglichkeit  an  den  angeborenen  Fürsten,  dafs  er  1670  den 
heunischen  Dienst  mit  dem  feindlichen,  aber  echt  lutherischen 
schwedischen  vertauschte^. 

Der  auf  die  lutherischen  Geistlichen  geübte  Zwang  wurde 
später  dadurch  gemildert,  dafs  er  nur  auf  die  neu  anzustellenden 
angewandt  und  auch  bei  ihnen  lediglich  in  der  Form  einer  münd- 
lichen Verpflichtung  geltend  gemacht  wurde. 

Aber  wie  in  der  Kurmark  und  in  Preufsen,  so  wollte  auch 
in  seinen  übrigen  Landen  Friedrich  Wilhelm  den  Frieden  zwischen 
den  evangelischen  Bekenntnissen  gründen  und  aufrechterhalten. 
Bereits  1664,  lange  ehe  die  Stadt  Magdeburg  zum  Kurfürstentum 
gehörte,  untersagte  er  den  dortigen  Geistlichen  das  gegenseitige 
Verketzern.  Die  Mehrzahl  von  ihnen  widersprach,  allein  schon 
traten  einige  auf  seine  Seite.  Als  indes  1680  die  Stadt  mitsamt 
dem  Erzstift  endgültig  an  Brandenburg  fiel,  wurde  das  Verbot 
des  Angriffs  auf  die  andersdenkenden  Evangelischen  mit  Nach- 
druck durchgeführt.  Die  Forderung  der  magdeburgischen  Stände, 
dafs  die  bergische  Konkordienformel,  die  die  Trennung  von  den 
Reformierten  auf  das  schärfste  hervorhob,  von  dem  Kurfürsten 
der  Augsburgischen  Konfession  an  Gültigkeit  für  die  Evangeli- 
schen des  Herzogtums  gleichgestellt  werde,  fand  bei  Friedrich 


*  U.  u.  A.,  XrV,  884f.  —  Schwebel,  Gesch.  d.  Stadt  Berlin,  11,  52. 


136  Sechstes  Buch. 

Wilhelm  selbstverständlich  schroffe  Zurflckweisong.  Überall 
erblicken  wir  diesen  Fürsten  als  den  Vertreter  der  Denkfreiheit 
und  moderner  Anschauung  gegenüber  dem  zurückgebliebenen 
Wesen  der  Bevölkerung  und  zumal  der  Vertreter  der  bevor- 
rechteten Bevölkerungsklassen. 

Er  forderte  Versöhnlichkeit  und  Friedfertigkeit  nicht  nur 
—  wie  man  häufig  behauptet  hat  —  von  den  Lutheranern, 
sondern  auch  von  seinen  reformierten  Bekenntnisgenossen.  Als 
die  theologische  Fakultät  in  Frankfurt  a.  d.  Oder  1664  gestattete, 
dafs  Eusebius  von  Brandt,  des  neumärkischen  Kanzlers  Christoph 
jüngerer  Bruder,  den  der  Kurfürst  zum  Diplomaten  erziehen 
liefs,  in  einer  Disputation  mit  grofser  Schärfe  den  kalvinischen 
Standpunkt  gegenüber  den  Lutheranern  vertrat,  war  Friedrich 
Wilhelm  darüber  so  aufgebracht,  dafs  er  gegen  die  Fakultät  mit 
Strenge  einschritt^.  Gegen  einige  seiner  vertrautesten  Räte, 
wie  Schwerin  und  Jena,  nahm  er  Partei  für  die  Lutheraner, 
sobald  diesen,  seiner  Meinung  nach,  Unrecht  geschah.  Er  liefs, 
den  Bitten  der  Einwohner  des  neumärkischen  Städtchens  Fürsten- 
felde zufolge,  den  reformierten  Prediger,  der  ihnen  aufgedrungen 
war,  abschaffen  und  durch  einen  lutherischen  ersetzen.  In  seinen 
rheinischen  Landen,  wo  die  Lutheraner  in  der  Minderheit  waren, 
hat  er  deren  Gemeinden  mit  Eifer  gegen  die  Unduldsamkeit  der 
reformierten  Mehrheit  beschützt.  Auch  hier  begegnete  er  dem 
Vorwurfe:  er  verletze  die  Rechte  des  Landes  und  zerstöre  dessen 
Religion.  Ja,  noch  mehr:  er,  den  die  lutherischen  Zeloten 
anklagten,  die  Vernichtung  ihres  Bekenntnisses  zu  betreiben, 
trat  im  Auslande  für  dasselbe  ein.  Als  auf  Befehl  der  General- 
staaten in  der  niederländischen  Stadt  Groningen  der  lutherische 
Gottesdienst  untersagt  und  der  lutherische  Prediger  ausgewiesen 
wurde,  erhob  der  Kurfürst  bei  den  Hochmögenden  lebhafte  und 
wiederholte  Vorstellungen.  Er  setzte  es  schliefslich  durch,  dafs 
die  Lutheraner  in  Groningen  ungestört  ihren  Kultus  abhalten 
konnten  *. 

Friedrich  Wilhelm  war  also  aufgeklärter,  gerechter  und 
duldsamer  als  selbst  die  Niederländer,  deren  Gebiet  doch  als 
das  gelobte  Land  der  Gewissensfreiheit,  als  die  Zuflucht  aller 


*  [Schultze],  Preuf siecher  Todestempel,  S.  18. 
«  Orlich,  Der  Grofee  Kurf.,  264.  277  f.;  Preufs.  Staat,  III,  271  f.  - 
Droysen,  III,  III  277. 


AchtonddreKsigstes  Kapitel.    Die  BeligionsbekenntniBse.        137 

wegen  der  Keligion  Bedrängten  galt.  Wahrlich,  es  ist  dies  das 
schönste  Blatt  in  dem  Lorbeerkranze,  der  das  Haupt  dieses 
grofsen  Hohenzollem  ziert! 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs  bei  aller  Duldsamkeit  die 
Sorgfalt  des  Kurfürsten  doch  zumeist  seinen  engeren  Glaubens- 
genossen, den  Reformierten,  galt.  Er  begründete  ihnen  an  ver- 
schiedenen Orten  Gemeinden,  aber  nur  da,  wo  sich  das  Bedürfnis 
hierfür  herausstellte,  also  namentlich  infolge  der  Kolonisation 
durch  Holländer  und  andere  reformierte  Einwanderer.  In  Frank- 
furt a.  d.  Oder  wurden  die  Lutheraner  durch  militärische  Gewalt 
gezwungen,  den  Reformierten  die  ihnen  rechtmäfsig  zustehende 
Mitbenutzung  der  verlassenen  Nikolaikirche  einzuräumen.  Sonst 
ging  aber  gerade  in  dieser  Beziehung  Friedrich  Wilhelm  mit 
grofser  Vorsicht  zuwege,  so  dafs  z.  B.  die  holländischen  Kolo- 
nisten die  Altmark  wieder  verliefsen,  weil  sie  dort  keine  Kirche 
erhalten  konnten.  Im  ganzen  besafs  1680,  vor  dem  EintreflPen 
der  Hugenotten,  das  reformierte  Bekenntnis  in  der  Kurmark 
sechzehn  Kirchengemeinden,  die  von  einem  in  Berlin  residieren- 
den Konsistorium  geleitet  wurden.  Der  KurfQrst  errichtete 
einige  reformierte  Gemeinden  auch  in  Pommern.  Der  Wider- 
spruch des  Königs  von  Schweden,  der  als  Eventualerbe  diese 
Neuerung  nicht  gestatten  wollte,  fand  schon  seitens  des  branden- 
burgischen Gesandten  in  Stockholm,  von  Krockow,  gebührende 
Abfertigung  ^. 

Der  Kurfürst  suchte  sein  Bekenntnis  auch  im  Auslande 
gegen  lutherische  Ausschliefslichkeit  zu  schützen.  Als  König 
Karl  II.  von  England  1661  den  Lutheranern  den  Bau  einer 
Kirche  in  London  zu  gestatten  verhiefs,  stellte  er  ihm  vor,  das 
möge  nicht  eher  erlaubt  werden,  als  bis  England  sich  versichert 
habe,  dafs  den  Reformierten  die  öffentliche  Ausübung  ihrer 
Religion  auch  in  den  lutherischen  Städten  des  königlichen 
Preufseu,  sowie  in  Hamburg  und  Lübeck  zugestanden  werde*. 
Nachdem  er  1684  bis  1686  die  Stadt  Hamburg  vor  den  Feindselig- 
keiten zuerst  der  braunschweigischen  Herzoge,  dann  sogar  des 
Königs  von  Dänemark  gerettet  hatte,  forderte  er  zum  Entgelt 
freie  Religionsübung  für  seine  dortigen  Glaubensverwandten ;  er 


^  Hering,  Neue  Beiträge  Bd.  I  u.  II,  passim.  —  Orlich,  Preufs. 
Staat,  I,  416.  —  U.  u.  A.,  IX,  522. 
»  U.  u.  A.,  IX  522. 


138  Sedistes  Buch. 

setzte  es  mit  Mühe  durch,  dafs  der  Hamburger  Rat  ihnen  solche 
wenigstens  in  einem  Privathause  zugestand^. 

Man  bedenke  die  Schärfe  des  Gegensatzes,  wie  er  damals 
zwischen  Katholizismus  und  Protestantismus  bestand  und  sich 
zumal  in  den  Verfolgungen  aussprach,  die  in  Ungarn,  Frank- 
reich, Italien  die  katholische  Staatsgewalt  über  neugläubige 
Untertanen  verhängte,  anderseits  aber  auch  dazu  führte,  dafs 
Lutheraner  in  Berlin  sich  weigerten,  ihr  Haus  dem  französischen 
Gesandten  zu  vermieten,  „weil  Gott  es  ihnen  als  Verbrechen 
anrechnen  würde,  dafs  sie  in  ihrem  Hause  hätten  die  Messe 
sagen  lassen*'^.  Erst  so  können  wir  zur  Genüge  die  Duldsam- 
keit würdigen,  die  Friedrich  Wilhelm  seinen  katholischen  Unter- 
tanen bewies.  Er  stellte  in  ganz  moderner  Weise  die  Idee  des 
Staates  über  den  konfessionellen  Gegensatz.  Wie  er  es  denn  in 
offizieller  Form  ausspricht,  dafs  „Wir  niemand  respectu  religionis 
in  einiger  Weise  widerrechtlich  beschweren,  auch  nicht  minder 
den  Katholischen  als  Unseres  Glaubens  Verwandten  unparteiische 
Justiz  administrieren  zu  lassen  gemeinet**  sind.  Als  er  1669 
Kaiser  Leopold  mit  Repressalien  gegen  die  katholischen  Unter- 
tanen Brandenburgs  bedrohte,  falls  nicht  die  Evangelischen  in 
Jülich-Berg  bessere  Behandlung  erführen,  durfte  er  von  sich 
sagen:  „Ich  habe  bishero  die  Römisch-Katholischen  allhier  der- 
gestalt geschützt  und  aller  Freiheit  geniefsen  lassen,  dafs  des- 
falls  die  geringste  Klage  wohl  nicht  wird  gehöret  sein,  sondern 
vielmehr  alle  Geistlichen  Mir  das  Zeugnis  geben,  dafs  Ich  die- 
selben bishero  dergestalt  regieret,  dafs,  ob  sie  auch  unter 
römisch-katholischer  Obrigkeit  gewesen  wären,  sie  es  nicht 
besser  hätten  wünschen  können"®.  Friedrich  Wilhelm  trug  in 
seiner  aus  Güte  und  politischer  Klugheit  gemischten  Weise 
zumal  den  klevischen  Katholiken  so  sehr  Rechnung,  dafs  dies 
die  Besorgnis  seiner  reformierten  Räte  erregte.  „Die  Katho- 
liken", schreibt  Jena  an  den  Oberpräsidenten  von  Schwerin  im 
September  1661  aus  Kleve,  „nehmen  Se.  Kurf.  Durchl.  sehr  ein, 
davon  ich  nicht  alles  schreiben  mag,  und  wünsche  auch  deswegen, 


'  Ms.  BidaJ  (französ.  Resident  im  Hamburg)  an  Louvois,  22.  Nov. 
1686,  4t,  Juli  1687  (Auszüge);  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  94,  IV 
Hb,  10 /S. 

'  Graf  E6benac  an  seinen  Vater,  26.  JuH  1681;  Gallois,  Lettres 
de  Feuquiferes,  V,  239  f. 

*  M.  Lehmann,  Preufsen  u.  die  kathol.  Kirche,  I,  164.  169. 


AchtimddreilsigBtes  Kapitel.    Die  ReligionabekeTintnisse.         139 

dafs  wir  bald  von  hier  möchten  **  ^  Nicht  minder  protestierte  in 
Preufsen  die  lutherische  Geistlichkeit,  wie  gegen  die  Duldung 
der  Reformierten,  Juden,  Arianer  und  Mennoniten,  so  auch 
gegen  die  der  Katholiken,  die  sie  mit  den  ärgsten  Schmähungen 
überhäufte.  Allein  Friedrich  Wilhelm  liefs  sich  dadurch  nicht 
beirren,  seinen  katholischen  Untertanen  volle  Duldung  zu 
gewähren.  In  der  Stadt  Halberstadt  liefs  er  sechs  Klöster  mit 
einigen  achtzig  Ordensgeistlichen  fortbestehen,  auf  dem  Lande 
von  Halberstadt  weitere  sechs  Klöster.  In  zehn  Kirchen  des 
Halberstädtischen  wurde  Messe  gelesen;  noch  1711  gab  es  in 
der  Stadt  770  katholische  Laien.  Der  Kurfürst  ging  in  seiner 
peinlichen  Gewissenhaftigkeit  so  weit,  die  schändliche  Ver- 
schwendung und  Üppigkeit  einiger  Halberstädter  Klöster  und 
die  sträfliche  Nachsicht  der  kirchlichen  Visitation  derselben  zu 
dulden,  nur  um  die  Rechte  der  katholischen  Geistlichkeit  nicht 
anzutasten '. 

Auffallend,  ja  bis  zur  Ungerechtigkeit  gesteigert  war  die 
Gunst,  die  er  in  den  neu  erworbenen  pomerellischen  Herr- 
schaften Lauenburg  und  Btltow  sowie  in  der  Starostei  Draheim 
den  Katholiken  erwies".  Die  drei  Gebiete  waren  im  ersten 
Drittel  des  siebzehnten  Jahrhunderts  durchaus  lutherisch  gewesen. 
Aber  dann  hatten  die  Polen  die  Pfarrer  verjagt  und  die  Kirchen 
zum  Oberwiegenden  Teile  für  den  Katholizismus  in  Besitz 
genommen,  die  Pfarreinkünfte  allerorten  katholischen  Geistlichen 
übertragen.  Als  nach  dem  Frieden  von  Oliva  die  drei  Gebiete 
an  den  Brandenburger  übergingen,  hatte  die  protestantische 
Bevölkerung  die  Bückkehr  zu  den  alten  Zuständen  erwartet. 
Sie  wurde  aber  grausam  enttäuscht.  Der  Kurfürst  hatte  ver- 
tragsmäfsig  zugesagt,  die  kirchlichen  Einrichtungen  daselbst  in 
ihrem  Bestände  zu  belassen,  und  er  kam  dieser  Verpflichtung 
80  getreulich  nach,  dafs  die  katholischen  Geistlichen,  die  oft, 
aufser  dem  Küster,  keinen  einzigen  Gläubigen  unter  sich  hatten, 
die  Kirchen,  Zehnten  und  Stolgebühren,  ja  sogar  die  Gerichts- 
barkeit in  Ehesachen  behielten.    Nur  das  gestand  er  den  Prote- 


»  Orlich,  Der  Grofse  Kurf.,  264. 

'  Hildebrandf  Die  kathol.  Klöster  im  ehem.  Bist.  Halberstadt 
z.  Z.  des  Grofs.  Kurf.;  Zeitschr.  d.  Harzvereins  f.  Gesch.  u.  Altertums- 
kimde,  Band  82  (1899),  S.  377  f. 

'  Das  Folgende  nach  Lehmann,  a.  a.  O.,  pasaim. 


140  Sechstes  Buch. 

stanten  zu,  dafs  sie  auf  eigene  Kosten  sich  dürftige  Gottes- 
häuser bauen  und  Geistliche  annehmen  konnten.  Wir  sehen 
hier  einen  evangelischen  Fürsten  die  Katholiken  zu  Ungunsten 
seiner  eigenen  Glaubensgenossen  bevorzugen.  Allerdings, 
politische  Bücksichten  sprachen  da  mit:  er  wollte  den  Polen 
nicht  den  Verwand  geben,  die  Friedensbedingungen  für  verletzt 
zu  erklären  und  deshalb  die  Rückgabe  der  drei  Herrschaften 
—  Draheim  besafs  der  Kurfürst  gar  nur  pfandweise  —  zu  ver- 
langen. 

Seine  eigenen  Rechte  gegenüber  der  katholischen  Geistlich- 
keit behauptete  freilich  der  Kurfürst  unentwegt.  In  Eleve 
gehörte  seit  dem  sechzehnten  Jahrhundert  die  bischöfliche  Gewalt 
dem  Landesherm,  und  er  hielt  sie  durch  Edikt  vom  7.September  1661 
durchaus  aufrecht;  die  Dekrete  auswärtiger  Bischöfe  nach- 
zusuchen oder  auszuführen,  war  den  Geistlichen  bei  Strafe  der 
Amtsentsetzung,  sie  in  das  Land  zu  bringen  oder  zu  veröffent- 
lichen, nach  uraltem  Herkommen  bei  Tod  durch  Ertränkung 
verboten.  Die  geistliche  Gerichtsbarkeit  durfte  nicht  durch 
fremde  Bischöfe  geübt  werden;  der  Kurfürst  übertrug  sie  auf 
einheimische  Kleriker,  von  deren  Urteil  nach  freier  Wahl  die 
Beteiligten  an  das  kurfürstliche  Hofgericht  oder  an  eine  katho- 
lische Juristenfakultät  appellieren  durften.  Die  Visitation  der 
Klöster  war  den  ausländischen  Oberen  gestattet,  aber  nur  mit 
Zuziehung  eines  landesherrlichen  Delegierten  katholischer 
Religion,  der  die  Rechte  des  Fürsten  zu  wahren  hatte.  Die 
Ernennung  aller  Geistlichen  unterlag  der  Bestätigung  durch  die 
weltliche  Gewalt.  Dagegen  erlaubte  man  den  fremden  Bischöfen 
Priesterweihe  und  Konsekrierung  der  Kirchen  im  kleve- märki- 
schen Gebiete,  wie  man  der  Hierarchie  auch  anderweite  formale 
Zugeständnisse  machte,  so  weit  sie  das  Oberaufsichtsrecht  des 
Staates  nicht  wesentlich  beeinträchtigten  Wir  sehen  also  den 
Kurfürsten  die  Schonung  der  kirchlichen  Freiheit  mit  der  Ver- 
teidigung der  Rechte  des  Staates  in  sorgsamer  Abwägung  ver- 
binden, dabei  nirgends  mit  verletzendem  Eigenwillen  vorgehen, 
allenthalben  auf  den  alten  Überlieferungen  fufsen. 

Noch  günstiger  standen  die  Dinge  für  die  landesherrlichen 
Befugnisse  in  den  Gebieten  Minden,  Halberstadt  und  Magde- 
burg, wo  das  Bischofsamt  völlig  an  den  evangelischen  Herrscher 
übergegangen  war.  Friedrich  Wilhelm  übte  dort  die  Rechte  des 
Bischofs  über  die  katholischen  Untertanen  und  Einrichtungen 


Achtunddreifaigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenn tnisse.         141 

nnbedenklich  aus,  aber  durch  einen  Katholiken,  den  Halber- 
städter Domherrn  Jobann  Friedrich  von  Deutsch,  der  noch  unter 
dem  letzten  katholischen  Bischöfe  General  vikar  gewesen  war, 
und  nach  Deutschs  Tode  durch  Placidus  Meinders,  den  Abt  des 
magdeburgischen  Klosters  Ammensieben.  Dieser  Vikar  war  frei- 
lich verpflichtet,  tlber  alle  Vorgänge  an  die  Halberstädter  Regie- 
rung zu  berichten  und  sich  bei  Visitationen  und  Wahlen  die 
Konkurrenz  der  landesherrlichen  Behörden  gefallen  zu  lassen. 
Der  Kurfürst  bestätigte  Äbte  und  Pröpste,  gestattete  katholi- 
schen Geistlichen  Reisen  in  das  Ausland,  bestimmte  die  Zahl  der 
Domherren. 

Mit  grofser  Entschiedenheit  hat  Friedrich  Wilhelm  die  An- 
sprüche auswärtiger  Bischöfe,  besonders  des  Erzbischofs  von 
Köln,  auf  das  Diözesanrecht  in  seinen  Staaten  zurückgewiesen. 
Er  wollte  nicht  allein  Bischof,  sondern  höchster  Bischof  in  seinen 
Landen  sein.  Man  hat  deshalb  schon  zur  damaligen  Zeit  seine 
kirchliche  Stellung  mit  der  des  Königs  von  England  auf  eine 
Linie  gestellt. 

Aber  ungleich  dem  englischen  Königtume  benutzte  er  seine 
Macht  nicht  dazu,  die  Alleinherrschaft  einer  Kirche  im  Staate 
anzustreben.  Er  hat  vielmehr  seine  weitreichenden  Befugnisse 
als  höchster  Bischof  nur  dazu  verwendet,  Duldung  Und  Religions- 
freiheit in  den  braudenburgischen  Gebieten  durchzuführen,  die 
verschiedenen  Bekenntnisse  zu  gegenseitiger  Toleranz  und  Fried- 
fertigkeit zu  nötigen.  Er  ist  nach  Heinrich  IV.  von  Frankreich 
der  erste  Fürst  in  Europa  gewesen,  der  seine  Aufgabe  auf 
religionspolitischem  Gebiete  in  so  erleuchteter  Weise,  als  ein 
echt  modemer  Staatsmann  aufgefafst  hat :  in  Deutschland  sicher 
der  erste,  in  glänzendem  Gegensatze  zu  anderen  Fürsten  seiner 
Zeit 

Nur  gegen  einen  Orden  hat  er,  gerade  im  Interesse  des 
religiösen  Friedens,  eine  unüberwindliche  Abneigung  gezeigt: 
gegen  die  Jesuiten.  Er  liefs  die  Väter  dieser  Gesellschaft  in 
keiner  brandenburgischen  Provinz  zu  und  verbot  den  evangeli- 
schen Eltern,  ihre  Kinder  bei  den  Jesuiten  unterrichten  oder 
erziehen  zu  lassen.  Die  Versuche  der  Gesellschaft,  mit  Hilfe 
des  Reichstags  die  Zulassung  zu  erzwingen ,  scheiterten  an  dem 
festen  Willen  des  hier  von  seinen  Landständen  eifrig  unter- 
stützten Fürsten.  Einzelne  Mitglieder,  die  sich  stillschweigend 
in  dem  Fürstentum  Minden  niedergelassen  hatten,  wurden  auf 


142  Sechstes  Buch. 

Befehl  Friedrich  Wilhelms  ausgewiesen.  Anders  verhielt  es  sieh 
in  Königsberg,  wo  die  Jesuiten  seit  den  Zeiten  König  Wladi- 
slaws  IV.  zugelassen  waren,  predigten  und  Schule  hielten.  Der 
Kurfürst  hat  zwar  wiederholt  ihre  Austreibung  ins  Auge  gefafst, 
allein  aus  Rücksicht  auf  Polen  und  um  dessen  Einmischung  in 
die  preufsischen  Verhältnisse  zu  verhüten,  immer  wieder  auf- 
geschoben. Er  begnügte  sich  damit,  ihre  weitere  Ausbreitung 
zu  verhindern  und  den  evangelischen  Eltern  die  Einschulung 
ihrer  Kinder  bei  den  Jesuiten  zu  untersagen. 

Selbst  der  Unwille,  den  die  Aufhebung  des  Ediktes  von 
Nantes  bei  dem  seinem  reformierten  Bekenntnisse  so  treu  ergebenen 
Fürsten  hervorrief,  hat  ihn  zu  ernsthaften  Repressalien  gegen 
seine  friedlichen  katholischen  Untertanen  nicht  verleitet  Frei- 
lich brauste  der  schnell  erregbare  Herrscher  zuerst  in  hellem 
Grimme  auf  und  traf  eine  Anzahl  von  Verfügungen,  die,  ohne 
die  rechtlichen  Grundlagen  der  Stellung  der  Katholiken  in 
seinen  Landen  anzutasten,  sie  doch  mit  feindseliger  Peinlichkeit 
auf  das  Normaljahr  1624  zurückzuführen  bestimmt  waren.  Er, 
der  früher  alle  christlichen  Bekenntnisse  einander  hatte  nähern 
wollen,  schrieb  nunmehr  am  22.  März  1686  der  preufsischen 
Regierung  vor,  bei  Besetzung  neuer  lutherischer  Pfarrstellen 
sowie  bei  den  schon  im  Amte  befindlichen  Geistlichen  streng 
darauf  zu  achten,  dafs  solche  von  „päpstlichen  Irrtümern*'  völlig 
frei  seien,  noch  weniger  solche  verkündeten.  Es  ist  „Uns  und 
allen  Evangelischen  hoch  daran  gelegen,  dafs  die  päpstische 
Religion,  welche  ohnedem  mit  so  grofser  Gewalt  und  Grausam- 
keit sonst  allerwärts  um  sich  frisset,  sich  nicht  auch  alldort 
einschleiche''  ^  Zugleich  ermahnte  er  abermals  den  starr  lutheri- 
schen Kurfürsten  von  Sachsen  zu  einträchtigem  Zusammengehen 
in  Glaubenssachen  mit  der  charakteristischen  Begründung:  Die 
wahre  Eigenschaft  der  katholischen  Religion  s^i,  alle,  die  sie 
als  Ketzer  bezeichne,  unterschiedslos  zu  verfolgen;  der  Vorzug, 
den  sie  etwa  den  Lutheranern  vor  den  Reformierten  bewillige, 
sei  „nichts  anderes  als  des  Ulysses  Beneficium,  so  ihm  vom 
Polypbemo  offerieret  ward:  nämlich  als  der  letzte  gefressen  zu 
werden".  Allein  der  Geist  der  Duldsamkeit  und  Gerechtigkeit 
erhielt  bald  bei  dem  greisen  Herrn  wieder  die  Oberhand.     Die 


»  U.  u.  A.,  XVI,  1000. 


Achtonddreifsigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenntniase.        143 

Repressalien  gegen  die  ihm  untergebenen  Katholiken  wurden  nur 
in  sehr  geringem  Umfange  ausgeübt. 

Es  blieb  dabei:  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  war 
der  auch  gegen  die  „Papisten**  toleranteste  unter  allen  evangeli- 
schen Fürsten.  Wie  ihm  schon  1657  Ludwig  XIV.,  der  spätere 
Hugenottenverfolger,  dafür  seinen  Dank  ausgesprochen  hatte,  so 
gegen  Ende  seiner  Regierung,  1683,  Bischof  Michael  Radziejowski 
von  Ermland.  „Die  katholische  Herde**,  sagte  da  der  Kirchen- 
fürst, „verehrt  Ew.  Durchlaucht  als  gütigen  Herrn  und  Beschützer. 
Der  Stand  der  Kirche  ist  wohl  gebildet  und  auf  katholische 
Weise  zusammengesetzt,  dieser  Weinberg  blühend  unter  der 
Herrschaft  Ew.  Durchlaucht.** 

Eine  so  günstige  Behandlung  Andersgläubiger  erschien  in 
jener  Zeit  religiöser  Ausschliefslichkeit  derart  wunderbar,  dafs 
man  sie  sich  nur  durch  eine  Hinneigung  des  Kurfüsten  zum 
Katholizismus  zu  erklären  vermochte.  Die  Gerüchte  von  seinem 
beabsichtigten  Übertritt  zur  römischen  Kirche  wollten  nicht  zur 
Rahe  kommen.  Schon  1666  hatte  Christine  von  Schweden  ihre 
Meinung  dahin  ausgesprochen,  der  Brandenburger  werde  nur 
durch  den  kalvinischen  Eifer  seiner  holländischen  Gemahlin  von 
solchem  Schritte  abgehalten  \  Ein  preufsischer  Konvertit,  Graf 
Schlieben,  suchte  dann  von  dem  heiligen  Stuhle  Geld  zu  er- 
langen, indem  er  sich  auf  die  bekannten  allchristlichen  Friedens- 
pläne des  Dr.  Dreier  in  Königsberg  und  das  nicht  minder  be- 
kannte Wohlwollen  des  Kurfürsten  für  diesen  Professor  stützte 
und  beider  Übertritt  als  bei  gehöriger  Beihilfe  Roms  leicht  zu 
bewirken  hinstellte  (1670).  Papst  Klemens  IX.  gab  in  der  Tat 
dem  Nuntius  in  Warschau,  Marescotti,  den  Auftrag,  diese 
wichtige  Angelegenheit  näher  zu  untersuchen.  Schlieben  zeigte 
dem  Prälaten  angebliche  Briefe  Dreiers,  in  denen  dieser  Theologe 
seine  Bekehrung  in  Aussicht  stellte,  aber  Geld  für  den  Druck 
eines  Buches  verlangte,  das  seinen  Schritt  rechtfertigen  und  die 
übrigen  preufsischen  „Ketzer**  zur  Nachfolge  veranlassen  solle. 
Ein  Jesuit,  den  Marescotti  an  Dreier  sandte,  wufste  von  grofser 
Neigung  des  Doktors  zum  Katholizismus  zu  berichten.  Es  ist 
wahrscheinlich,  dafs  Dreier  von  seinen  irenischen  Plänen  redete 
and    dies    von    dem    optimistischen    Jesuiten    und    dem    aben- 


'  Baron  y.  Bildt,  Christiiie  de  Suöde  et  le  cardinal  Azzolino  (Paris 
1899),  S.  191:  Schreiben  Christineiis  vom  4.  Aug.  1666. 


144  SechBtes  Buch. 

teuernden  Grafen  in  weit  bestimmterer  und  konkreterer  Weise 
ausgelegt  wurde,  als  es  gemeint  war.  Jedenfalls  überzeugte 
sich  der  Jesuit  davon,  dafs  der  Kurfürst  selber  nicht  allein  an 
einen  Übertritt  nicht  denke,  sondern  auch  dem  Dr.  Dreier  den 
Druck  seines  Buches  untersagt  und  ihn  zu  gröfster  Vorsicht  in 
seinen  religiösen  Friedensbemühungen  ermahnt  hatte  ^. 

Das  Projekt  wurde  demgemäfs  als  aussichtslos  fallen  gelassen, 
aber  nur,  um  einige  Jahre  später  wieder  aufgenommen  zu  werden. 
Als  Friedrich  Wilhelm  1677  im  Scherze  zu  einem  andern  deutschen 
Konvertiten,  dem  Kardinal  von  Hessen,  geftufsert  hatte:  er 
wundere  sich,  dafs  man  in  Bom  sich  nicht  mehr  Mühe  um  ihn 
gebe,  fafste  die  Kurie  das  sehr  ernst  und  hoffnungsvoll  auf. 
Innozenz  XI.  jubelte  ob  der  Aussicht,  der  „hauptsächliche  Be- 
schützer des  Kalvinismus '^  werde  in  den  Schofs  der  Kirche 
zurückkehren.  Vielleicht  werde  dies  durch  ein  Wunder,  vielleicht 
aber  aus  politischen  Rücksichten  und  Berechnungen  geschehen. 
Der  Kardinal  von  Hessen  solle  sich  die  Herbeiführung  eines  so 
erwünschten  Ereignisses  auf  das  äufserste  angelegen  sein  lassen  *. 

Wie  wenig  kannten  diese  Römlinge  die  hochherzige  und 
fromme  Natur  des  Brandenburgers,  dieses  Fürsten,  der  um  seines 
Glaubens  willen  eine  Königskrone  ausgeschlagen  hatte !  Er  ver- 
wendete sich  überall  eifrig  für  seine  von  der  katholischen  Reaktion 
bedrängten  Relionsgenossen ,  „als  ihr  Patron  und  Vater^,  wie 
die  Evaugelischen  in  Polen  von  ihm  nach  seinem  Tode  sagten, 
„der  defensor  fidei,  dessen  heroischer  Geist  voll  Teilnahme  für 
sie  geblieben  sei  und  sie  in  ihrem  Elend  aufrecht  erhalten  habe*'. 

Er  trat  zunächst  für  die  Protestanten  in  Jülich-Berg  ein, 
die  von  dem  fanatisch  katholischen  Hause  Pfalz-Neuburg  schwer 
bedrückt  wurden;  und  zwar  sorgte  er  unterschiedslos  für  Luthe- 
raner und  Reformierte.  Er  setzte  es  in  dem  Klever  Rezefs 
durch,  dafs  den  Evangelischen  über  das  Normaljahr  1624  hinaus 
an  sechs  weiteren  Orten  der  Gottesdienst  gestattet  sowie  erlaubt 
wurde,  im  eigenen  Hause  die  katholischen  Feiertage  nicht  zu 


^  Bericht  des  Nuntius  Marescotti  an  seinen  Nachfolger;  Archiv  f. 
Kunde  österr.  Gesch.-Quellen,  XI  (Wien  1858X  S.  50  ff.  (Allerdings  durch 
zahllose  Fehler  entstellt.) 

■  Der  Sekretär  der  Breven,  Pater  Agostino  Favorito,  an  den  Bisch, 
von  Paderborn,  Ferd.  v.  Fürstenberg,  8.  März  1677;  W.  Ribbeck,  Ein 
Brief  üb.  d.  erwarteten  Übertritt  des  Grofs.  Kurf .  z.  Katholizismus  (Forsch. 
z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  VIT,  207  f.). 


Achtunddreifsigstes  KapiteL    Die  Religionsbekenntnisse.         145 

beobachtend  Und  als  im  Jahre  1685  dasselbe  Haus  Neuburg 
io  den  Besitz  der  bisher  fast  ausschliefslich  evangelischen  Kur- 
pfalz gelangte,  ist  Friedrich  Wilhelm  häufig  für  die  dortigen 
Reformierten  und  Lutheraner  eingetreten  gegen  die  Versuche, 
diese  beiden  Bekenntnisse  zu  Gunsten  der  Katholiken  zurück- 
zudrftngen  und  zu  berauben*. 

Er  wandte  dann  seinen  ganzen  Einflufs  bei  Kaiser  Leopold  L 
aaf,  um  das  traurige  Los  der  NeuglAubigen  in  dessen  Erbstaaten 
ODd  in  Ungarn  zu  mildem.  Der  Kaiser  und  seine  Beamten 
traten  die  durch  den  Westfälischen  Frieden  verborgten  Rechte 
der  Evangelischen  Schlesiens  mit  FOfsen  und  arbeiteten  eifrig 
an  der  völligen  Bückführung  des  weiten  Landes  zum  alten 
Glauben.  Die  Klagen  der  Verletzten  gingen  nach  Dresden  und 
Berlin.  Immer  und  immer  wieder  wandte  sich  Friedrich  Wil- 
helm an  Leopold  y  ihm  das  Unpolitische  und  Widerrechtliche 
jener  Verfolgungen  vorstellend,  um  Schonung  und  Milde  für 
seine  Glaubensverwandten  bittend.  Alles  vergebens:  der  Kaiser 
liefs  sogar  evangelischen  Eltern  die  Kinder  entreifsen,  um  solche 
im  katholischen  Kultus  zu  erziehen.  So  mufste  der  Kurfürst 
sich  damit  begnügen,  denjenigen  Schlesien),  die  sich  der  Ver- 
folgung durch  Auswanderung  entziehen  wollten,  eine  Zuflucht 
in  seinem  Staate  zu  eröffnen '• 

Noch  schlimmer  stand  es  in  Ungarn,  das  der  Kaiser  und 
seine  Räte  als  ein  erobertes  Land  behandelten,  und  wo  sie  mit 
nackter  Gewalt  und  schonungsloser  Grausamkeit  die  Ausrottung 
des  Protestantismus  betrieben.  Vergebens  schritten  die  evangeli- 
schen Reichsstände  in  der  Regensburger  Versammlung  gegen 
solche  Greuel  ein;  vergebens  bemühten  sich  die  Geperalstaaten 
durch  Vorstellungen  am  Wiener  Hofe;  vergebens  wandte  sich 
auch  hier  Friedrich  Wilhelm  wiederholt  an  den  Kaiser,  dem  er 
mit  Reeht  darlegte,  dafs  auf  diese  Weise  die  Ungarn  geradezu 
den  Türken  in  die  Arme  geworfen ,  die  dortigen  Protestanten 
mr  Rebellion  gezwungen  würden. 

„Eurer  Kais.  Maj.  ist  gnädigst  bekannt,^  schrieb  er  den  20.  Juli 
1677  an  Leopold,  „und  gibt  es  die  Experienz  sowohl  in  ver- 
liehenen als  jetzigen  Zeiten,  dafs  kein  schärferer  Stimulus  zur 


1  Lehmann,  I,  67 f. 

'  Geb.  Staatsarchiy,  Berlin,  Rep.  XL,  9B. 

*  Landwehr,  80ff. 

Philipps on,  I>er  Grofie  Kurfttrst.    III.  10 


146  Sechstes  Buch. 

Ergreifung  desperater  Mittel  und  Besolutionen  zu  finden,  als 
der  Gewissenszwang.  Und  gleichwie  aus  diesem  Brunnquell 
ffimemlich  auch  in  Ungarn  alles  Unheil  bishero  entsprossen 
und  von  Eurer  Kais.  Maj.  Feinden,  ungeachtet  dieselben  sich 
zur  römisch-katholischen  Religion  bekennen,  listiglich  geheget 
wird,  so  ist  kein  Zweifel,  wenn  E.  K.  M.  allergnädigst  geruhen 
wollten,  diesen  Prätext  wegzunehmen  und  denen  Klagenden 
die  höchstverlangete  Gewissensfreiheit  wirklich  zu  gönnen,  dafs 
alsdann  die  widrigen  Machinationes  von  selber  hinfallen  und 
E.  K.  M.  nicht  alleine  über  die  Leiber  und  Güter,  sondern 
auch  über  die  Gemüter  dieser  Leute  ruhiglich  herrschen 
würden."  Leopold  wollte,  wie  Philipp  IL  von  Spanien,  lieber 
seine  Reiche  verlieren,  als  dort  über  Ketzer  regieren.  Es 
blieb  dem  Kurfürsten  nichts  übrig,  als  durch  eine  Verordnung 
vom  17.  Februar  1676  den  evangelischen  Ungarn  seine  Staaten 
zu  eröffnen  und  mancherlei  Begünstigungen  und  Freiheiten  zu 
verheifsen.  Brandenburg  wurde,  in  noch  weiterem  Umfange 
als  Holland,  das  Asyl  der  Bedrückten  und  Verfolgten.  Endlidi, 
als  die  kurfürstlichen  Truppen  wesentlich  zu  den  Erfolgen  des 
kaiserlichen  Heeres  gegen  die  Türken  beigetragen  hatten,  führte 
1687  Friedrich  Wilhelm,  der  sich  als  Schirmherr  des  Protestan- 
tismus auf  dem  Festlande  fühlte,  eine  so  kühne  Sprache,  dafs 
sie  des  Eindruckes  nicht  ganz  verfehlte  und  der  Kaiser  den 
Evangelischen  Ungarns  immerhin  einige  Erleichterungen  ge- 
währte*. 

Die  Waldenser,  diese  mittelalterliche  Ketzersekte  in  den 
Tälern  der  Seealpen,  sahen  sich  von  französischer  wie  von 
piemontesischer  Unduldsamkeit  bis  in  den  Tod  verfolgt  2000 
von  ihnen  erbot  sich  der  Kurfürst  in  sein  Land  aufzunehmen, 
ihnen  hier  eigenen  Gottesdienst  sowie  besondere  Richter  und  Ver- 
walter zu  gestatten  —  wie  den  Hugenotten.  Er  erlangte  dazu 
die  Einwilligung  des  Herzogs  von  Savoyen,  ihres  Landesherren; 
allein  die  Sehnsucht  nach  den  heimischen  Bergen  trieb  die 
meisten  der  Auswanderer  aus  den  Ebenen  Norddeutscblands 
nach  ihren  geliebten  Tälern  zurück.  Sie  wollten  lieber  die 
Verfolgungen  weiter  erdulden  als  die  teure  Heimat  meiden^. 


^  Schmertosch,  a.  a.  0.«  S.  80ff.,  berichtigt  und  ergänzt  den 
Aufsatz  von  O.  Krauske,  Der  Grofse  Kurf.  u.  die  protest.  Ungarn 
(Hist.  Zeitschr.,  Bd.  LVin  S.  465  ff.).  —  U.  u.  A.,  XVin,  457  ff.  488. 

'  Droysen,  III,  III  278  f.   Danach  auch  das  Folgende  über  Polen. 


Achtunddreiüsigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenntnisse.         147 

Ebenso  ist  Friedrich  Wilhelm  für  die  Reformierten  in  den 
polnischen  Gebieten  Litauen  und  Weifsrufsland  eingetreten, 
Ländern,  wo  jene  einst  die  Mehrheit  gebildet  hatten,  jetzt  aber  von 
dem  siegreichen  Katholizismus  grausam  bedrängt  wurden.  Er 
hat  für  sie  die  Bibel  und  den  Katechismus  übersetzen,  in  seinen 
Kirchen  für  sie  sammeln  lassen.  Freistellen  für  sie  an  den 
Universitäten  Königsberg  und  Frankfurt  sowie  am  Joachimstal- 
sehen  Gymnasium  begründet.  Mit  tiefer  Rührung  erkannten 
sie  seine  Sorgfalt  an. 

Er  wagte  es  endlich,  gegen  den  mächtigsten  Fürsten  seiner 
Zeit,  gegen  Ludwig  XIV .  von  Frankreich,  aufzutreten,  als  dieser 
zum  Verfolger  seiner  Glaubensgenossen  wurde. 

Vom  ersten  Augenblicke  seiner  Selbstregierung  an  hatte 
Ludwig  den  Protestanten  entschiedene  Ungunst  gezeigt»  die 
durch  die  steten  Vorstellungen  des  Klerus  noch  verstärkt  wurde. 
Zuerst  ward  durch  Ausschliefsung  von  Ämtern  und  von  könig- 
lichen GuQstbe weisen ,  ja  durch  Geldzahlungen  ihre  Bekehrung 
betrieben.  Aber  das  hatte  nur  geringen  Erfolg.  Als  dann  der 
Friede  von  Nymwegen  den  König  über  den  ganzen  wider  ihn 
verbundenen  Erdteil  hatte  triumphieren  lassen,  beschlofs  er,  in 
seinem  eigenen  Lande  jede  Abweichung  von  seinem,  des  Herr- 
schers, Glauben  zu  vernichten.  Er  ging  planmäfsig  mit  immer 
gewaltsameren  Mafsregeln  gegen  die  französischen  Reformierten 
vor ;  und  da  die  Verfolgungen  und  Dragonaden  nicht  völlig  zum 
Ziele  fahrten,  hob  er  am  22.  Oktober  1685  das  Edikt  von 
Nantes,  die  Grund  Verfassung  des  französischen  Protestantismus, 
förmlich  auf  und  untersagte  jede  Ausübung  des  reformierten 
Kultus.  Dessen  Prediger  wurden  verbannt,  dessen  übrige  Gläubige 
aber  unter  schwerster  Strafe  sogar  der  traurigen  Zuflucht  der 
Auswanderung  beraubt. 

Friedrich  Vi^ilhelm  hatte  sich  von  Beginn  an  verpflichtet 
gefühlt,  nach  dem  Mafse  seiner  Kräfte  seinen  französischen 
Glaubensgenossen  in  deren  unverdienter  Not  zu  helfen.  Seine 
Hilfe  konnte  hier  nicht  sowohl  in  der  Abwehr  des  Übels  be- 
stehen —  denn  wie  hätte  er  auf  den  stolzen  ,,König  Sonne^ 
einzuwirken  vermocht?  —  als  in  der  Unterstützung  der  schwer 
Betroffenen.  Zuerst  versuchte  er  es  freilich  mit  Bitten  und 
Vorstellungen  bei  Ludwig,  den  er  mit  Recht  darauf  hinwies, 
dafs  des  Allerchristlichsten  Königs  altüberliefertes  Bündnis  mit  den 

protestantischen  Mächten  gegen  die  Habsburger  lediglich  unter 

10* 


148  Sechstes  Buch. 

der  Bedingung  zu  bestehen  vermöge,  dafs  Frankreich  im  eigenen 
Innern  die  Evangelischen  schone.  Mit  Berufung  auf  dieses 
politische  Interesse  schritt  dir  Kurfürst  zum  erstenmale  im 
August  1666  ein,  als  den  Hugenotten  eine  Anzahl  Kirchen  fort- 
genommen ward.  Ludwig  wagte  damals  noch  nicht,  sich  oifen 
zur  Unduldsamkeit  zu  bekennen;  er  versprach,  das  Edikt  von 
I^antes  aufrecht  zu  erhalten,  und  behauptete,  den  Protestanten 
seien  nur  diejenigen  Kirchen  entzogen  worden,  die  sie  über  jenes 
Edikt  hinaus  sich  unrechtmäfsig  zugelegt  hätten.  Es  gelang  damals 
wirklich  den  wiederholten  Vorstellungen  des  Brandenburgers, 
eineMilderung  der  Verfolgungen  herbeizuführen.  Hatte  doch  der 
König  selber  in  seinem  Schreiben  an  den  Kurfürsten  die  Ge- 
nugtuung betont,  die  er  „über  den  Gehorsam  seiner  Untertanen 
von  der  angeblich  reformierten  Religion  und  ihren  Eifer  für 
meinen  Dienst"  empfinde.  So  trug  die  Dazwischenkunft  Fried- 
rich Wilhelms  einstweilen  gute  Früchte  für  die  Hugenotten*. 
Bald  aber  trat  die  Feindschaft  der  mafsgebenden  Kreise  Frank- 
reichs gegen  sie  in  verdeckterer  und  schwerer  anfechtbarer 
Weise  auf,  in  den  „Bekehrungen".  Auch  hier  fand  Friedrich 
Wilhelm  Gelegenheit,  zu  Gunsten  der  ihrem  Glauben  treu  ge- 
bliebenen Angehörigen  katholisch  gewordener  Familienhftupter 
bei  dem  Könige  vorstellig  zu  werden'. 

Schon  suchten  Hugenotten  sich  dem  Übelwollen  und  dem 
Zwange,  denen  sie  in  der  Heimat  ausgesetzt  waren,  durch  Aus- 
wanderung zu  entziehen.  Die  ersten  frfinzösischen  Gemeinden 
in  der  Kurmark  bildeten  sich  um  das  Jahr  1670  aus  diesen 
„Flüchtigen",  R6fugi6s:  so  in  Alt-Landsberg,  nicht  weit  von 
Berlin,  und  1672  in  der  Residenz  selbst,  wohin  seit  dem  vorher- 
gehenden Jahre  erst  sieben  oder  acht  Familien  aus  Alt-Lands- 
berg gezogen  waren,  sich  dann  etwa  hundert  Seelen  zusammen- 
gefunden hatten,  und  wo  sie  nunmehr  eine  Kirche  eingeräumt 
erhielten  und  sich  einen  Prediger,  Fornerod,  wählen  durften. 


*  Der  betr.  Briefwechsel  findet  sich  in  dem  Bulletin  de  la  Sociäte 
de  rhist  du  Prot»*  fran9ais,  Bd.  ^171  (Paris  1864»,  S.  147  ff.  Die  Ant- 
wort Ludwigs  ist  vom  10.  Sept.  datiert.  Die  mehrfach  gedruckte  ab- 
weichende Form  dieser  Antwort  (vgl.  U.  u.  A.,  IX,  418)  ist  offenbar  eine 
Zusammenziehung  des  echten  Briefes  und  überdies  falsch  datiert  (vom 
6,  Sept.).  —  Über  den  Erfolg:  Luise  Henriette  an  Schwerin,  3J13.  Dez. 
1666;  Orlich,  Preufs.  Staat,  lU,  472. 

«  ü.  u.  A.,  II,  505  f. 


Achtonddreiliaigstes  Ejipitel.    Die  Religionsbekenntnisse.        149 

Der  Friede  von  Nymwegen  brachte  dann  die  gewaltsamen 
Verfolgungen.  Friedrich  Wilhelm  empfand  darüber  bitteren 
Schmerz,  und  die  Bedrängnis  der  Hugenotten  beschäftigte  ihn 
fortwährend,  selbst  während  seines  Badeaufenthaltes  in  Pyrmont; 
allein,  da  er  durch  die  Erfordernisse  der  Politik  auf  die  Bundes- 
freundschaft Ludwigs  XIV.  angewiesen  war,  und  da  es  sich  bei 
diesem  offenbar  um  ein  reiflich  erwogenes  und  festes  System 
handelte,  vermochte  er  nicht,  solches  durch  allgemeine  Mafs- 
regeln  zu  bekämpfen.  Er  begnügte  sich  damit ,  durch  seinen 
Gesandten  in  Paris,  Ezechiel  von  Spanheim,  sich  genau  über 
jene  traurigen  Vorgänge  unterrichten  und  ihn  für  einzelne  der 
Verfolgten  durch  Geldunterstützung  oder  Verwendung  bei  den 
Pariser  Machthabem  eintreten  zu  lassen;  auch  besorgte  ihnen 
der  Diplomat,  wenn  sie  nach  Brandenburg  auswandern  wollten, 
Pässe  und  Ausgangserlaubnis  für  ihre  Habe.  Als  dann  1682 
den  Hugenotten  die  Auswanderung  gänzlich  verboten  ward,  half 
ihnen  Spanheim  bei  der  heimlichen  Emigration  und  nahm  ihre 
Habseligkeiten  in  Aufbewahrung  ^  Übrigens  mufs  hervorgehoben 
werden,  dafs  Ludwig  XIV.  von  1681  an  solchen  protestantischen 
Offizieren,  die  in  den  Dienst  seines  Verbündeten,  des  Kurfürsten 
von  Brandenburg,  zu  treten  begehrten,  die  Erlaubnis  hierzu 
bereitwillig  erteilte.  Das  hörte  erst  mit  dem  Beginne  des 
Jahres  1684  auf,  als  die  Beziehungen  des  Königs  zu  Friedrich 
Wilhelm  sich  trübten*. 

Um  seinen  französischen  Glaubensgenossen  einen  offiziellen 
und  für  alle  Welt  deutlichen  Beweis  seines  Mitgefühls  zu  geben, 
räumte  ihnen  der  Kurfürst  1682  für  ihren  Gottesdienst  die 
geräumige  Kapelle  seines  Berliner  Schlosses  ein,  wo  er  und  sein 
Hof  oft  ihrem  Kultus  beiwohnten •. 

Die  Aufhebung  des  Ediktes  von  Nantes  rief  unter  allen 
Evangelischen  Europas  einen  Sturm  der  Entrüstung  hervor. 
Wie  sollte  das  fromme  und  gütige  Herz  Friedrich  Wilhelms  sich 
der  Trauer  und  dem  Zorn  über  die  grausame  Unterdrückung 
seiner  Glaubensgenossen  entziehen?    War  er  doch  damals  schon 


*  Ms.  Korrespondenz  Spanheims  mit  d.  Kurf.;  Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv. —  Bourgeois,  Ezechiel  Spanheim  (Paris  1900),  S.  390.  —  Ms. 
Depeschen  R^benacs  vom  Juli  bis  Okt.  1681  (Auszüge);  Berlin,  Geh, 
Staatsarchiv,  Rep.  94,  IV  H  b,  10  a. 

•  G.  PagÄs,  Los  röfugiSs  k  Berlin,  S.  116—122. 
'  Erman  u.  Beclam,  IV,  19. 


150  Sechstes  Buch. 

entschlossen,  sich  von  Frankreich  abzuwenden,  womöglich  einen 
allgemeinen  Bund  der  evangelischen  Mächte  zum  Schutze  der 
Religion  ins  Leben  zu  rufen.  Schlag  auf  Schlag  erfolgte  seine 
Antwort  auf  jene  verderbliche  Mafsregel;  sie  bestand  in  dem 
berühmten  Potsdamer  Edikt  vom  29.  Oktober  (8.  November)  1685^. 
Indem  es  „die  Verfolgungen  und  strengen  Marsregeln**  beklagt, 
„die  man  seit  einiger  Zeit  in  Frankreich  gegen  die  Bekenner 
der  reformierten  Religion  ausübt",  eröflfnet  es  „aus  gerechtem 
Mitleid  mit  denjenigen,  die  wegen  des  Evangeliums  Unglück 
erdulden'',  also  den  üüchtigen  Hugenotten,  eine  Reihe  Yon  Zu- 
fluchtsstätten in  den  brandenburgischen  Landen.  So  in  der  Kur- 
mark —  aufser  Berlin  und  Alt-Landsberg  —  Stendal,  Werben, 
Rathenow,  Brandenburg,  Frankfurt;  im  Magdeburgischen  Magde- 
burg, Halle,  Kalbe;  in  Preufsen  Königsberg.  In  allen  diesen  Städten 
fanden  die  R^fugi^s  schon  Glaubensgenossen  vor,  bereit,  ihnen 
Aufnahme  und  Unterstützung  zn  gewähren.  Den  Einwanderern 
wird  Zellfreiheit,  Entlastung  von  Abgaben  und  Einquartierung 
auf  sechs,  von  Grundsteuern  auf  zehn  Jahre  zugestanden.  Die 
städtischen  Obrigkeiten  sollen  sie  in  Häuser  unterbringen,  für 
die  der  Staat  auf  vier  Jahre  die  Mietszahlung  übernimmt.  Sie 
sind  sofort  mit  dem  Bürgerrechte  auszustatten  und  erhalten 
freien  Eintritt  in  die  Zünfte,  wenn  sie  solchen  begehren;  sonst 
sind  sie  den  städtischen  Obrigkeiten  nicht  unterworfen  und  dürfen 
eigene  gewerbliche  Innungen  unter  landesherrlicher  Oberaufsicht 
bilden.  Den  Industriellen  unter  ihnen  wird  Beihilfe  zur  Gründung 
von  Fabriken,  den  Landleuten  ein  Ackergut,  den  Edelleuten 
Eintritt  in  den  Hof-  und  Staatsdienst  verheifsen.  Eigene  Ge- 
richtsbarkeit nach  den  heimischen  Gesetzen,  Gottesdienst  nach 
französischen  Bräuchen,  mit  französischen  Predigern  und  in 
französischer  Sprache,  wird  ihnen  in  Aussicht  gestellt.  Ja,  mit 
dem  ihm  eigenen  praktischen  Sinn  ging  der  Kurfürst  sofort  an 
die  Organisation  der  Einwanderung.  Die  brandenburgischen 
Diplomaten  in  den  Niederlanden,  in  Hamburg  und  aili  Rhein 
wurden  mit  der  Beförderung  der  Flüchtlinge  in  die  branden- 
burgischen Staaten  beauftragt  und  mit  den  dazu  erforderlichen 
Mitteln  ausgestattet.  Die  Einwanderung  sollte  auf  zwei  Wegen 
i^eschehen :  von  den  nordfranzösischen  Provinzen  über  Amsterdam 
und  Hamburg,  von  den  südfranzösischen  über  Frankfurt  am  Main. 


»  Mylius,  VI,  Anhang  S.  43ff, 


Achtonddreifsigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenntnisse.        151 

Um  die  Bedeutung  des  Potsdamer  Ediktes  zu  würdigen,  darf 
man  nicht  vergessen,  dafs  den  Hugenotten  die  Auswauderung 
aus  Frankreich  bei  schweren  Strafen  untersagt  war.  Es  enthält 
also  eine  offene  Aufforderung  zum  Ungehorsam  an  die  französischen 
Untertanen  reformierten  Glaubens,  einen  kühnen  Protest  gegen  die 
gesamte  religiöse  Politik  Ludwigs  XIV.  So  fafste  dieser  es  in  der 
Tat  auf.  Unmittelbar  nachdem  das  Edikt  in  Paris  bekannt 
worden  war,  beklagte  sich  der  französische  Minister  des  Äufseren, 
Golbert-Croissy,  bei  Spanheim  über  jene  Bekanntmachung,  durch 
die  die  Untertanen  Sr.  Majestät  zum  gesetzwidrigen  Auswandern 
ermutigt  würden.  Während  der  König  sich  nicht  in  die  An- 
gelegenheiten der  katholischen  Untertanen  des  Kurfürsten  mische, 
werfe  dieser  sich  zum  Beschützer  der  reformierten  Untertanen 
des  Allerchristlichsten  Königs  auf.  Letzterer  betrachte  solches 
Auftreten  als  Ausfiufs  feindseliger  Gesinnung  von  Seiten  Branden- 
burgs. Spanheim  erwiderte,  etwas  gezwungen,  die  von  seinem 
Herrn  eingeladenen  Hugenotten  hätten  bereits  die  Lande  des 
EöDigs  verlassen,  seien  also  nicht  erst  zum  Ungehorsam  gegen 
dessen  Befehle  aufgefordert  worden.  —  Als  ob  das  Potsdamer 
Edikt  nicht  in  fünfhundert  Exemplaren  nach  Frankreich  geschickt 
und  dort  verbreitet,  als  ob  es  nicht  gleichfalls  in  Holland  gedruckt 
und  der  weitesten  Öffentlichkeit  übergeben  worden  wäre!  — 
Wahrheitsgemäfser  war  die  zweite  Entgegnung  des  Gesandten: 
Der  Kurfürst  sei  zum  Erlafs  des  Ediktes  grofsenteils  durch  die 
Sorge  für  den  Wohlstand  seines  Landes  veranlafst  worden,  um 
diesem  den  Segen  so  vieler  fleifsiger  und  geschickter  Kolo- 
nisten zuzuwenden.  In  gleichem  Sinne  instruierte  Friedrich 
Wilhelm  selber  seinen  Vertreter  in  Paris  ^. 

Er  liefs  sich  durch  die  Mifsstimmung  des  Gewaltherrschers 
an  der  Seine  keineswegs  einschüchtern ;  jeder  weiteren  Beschwerde, 
so  wies  er  Spanheim  an,  solle  dieser  entgegnen,  sein  Herr  fasse 
solche  Klagen  dahin  auf,  als  suche  Frankreich  Vorwände,  sich 
den  Verpflichtungen  zu  entziehen,  die  ihm  zu  Brandenburgs 
Gunsten  aus  den  eingegangenen  Verträgen  oblägen.  Wirklich 
verweigerte  es  ihm  die  fernere  Auszahlung  der  vertragsmäfsigen 


^  Ifs.  Depeschen  Spanheims  vom  27.  Nov./ 7.  Dez.  u.  4./14.  Dez. 
16S5;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XI,  24  B.  —  Ms.  Dep.  Diests,  Haag, 
17.^.  Nov.  1685;  das.  Bep.  XXXIV,  221z,  —  Auch  das  Folgende  nach 
den  Akten  des  Geh.  Staatsarchivs.  —  Vgl.  Pagös,  a.  a.  O.,  S.  126  ff. 


152  Sechstes  Buch. 

Hilfsgelder  unter  der  Angabe,  sie  würden  vom  Kurfürsten  nur 
zur  Unterstützung  der  desertierten  französischen  Untertanen 
verwendet  (Mai  1680).  Friedrich  Wilhelm  scheute  sich  nicht, 
dennoch  dem  mächtigen  Widersacher  zu  trotzen,  so  weit  die 
eigenen  Krftfte  reichten.  Er  liefs  zum  Gedächtnis  an  die  Auf- 
nahme der  wegen  ihres  Glaubens  Verfolgten  in  seine  Staaten 
eine  Münze  schlagen,  auf  deren  Avers  man  einen  Adler  sah, 
der  gegen  die  Zomesblitze  des  grofsen  Donnergottes  an  der 
Seine  kühn  heraufilog,  mit  der  Inschrift:  non  terreor  illis  — 
„sie  können  mich  nicht  erschrecken  ^*  Er  beauftragte  Spanheim, 
sich  in  Frankreich  selbst  der  bedrängten  Hugenotten  möglichst 
anzunehmen,  und  sandte  ihm  zu  deren  Unterstützung  2000  Reichs- 
taler (27000  Mark  heutigen  Geldwertes)  ein.  Er  schickte  ihm 
einen  reformierten  Gesandtschaftsprediger  und  suchte  die  Er- 
laubnis nach,  dafs  auch  Franzosen  dessen  Gottesdienst  beiwohnen 
dürften.  Der  Diplomat  entwickelte  eine  ebenso  eifrige  wie  mut- 
volle Tätigkeit  zu  Gunsten  der  Unglücklichen:  er  rettete  eine 
grofse  Anzahl  Hugenotten  über  die  Grenze,  nahm  ihre  Gelder 
und  Habseligkeiten  in  Verwahrung  und  stellte  sie  ihnen  recht- 
zeitig wieder  zu.  Dabei  half  ihm  der  auch  mit  dem  Titel  eines 
brandenburgischen  Residenten  geschmückte  Agent  der  Hanse- 
städte, Johann  Beeck,  der  aber  längst  als  französischer  Untertan 
naturalisiert  war.  So  mufste  Beeck  zur  Strafe  seiner  gesetz- 
widrigen Handlungen  in  die  Bastille  wandern.  Das  Einschreiten 
Spanheims  erwirkte  seine  Befreiung;  zugleich  wurde  er  des 
Landes  verwiesen,  —  was  er  im  Grunde  dringend  gewünscht 
hatte. 

Kein  anderer  Fürst  wagte  so  direkt  zur  Verteidigung  der 
verfolgten  Evangelischen  dem  mächtigen  Monarchen  Frankreichs 
entgegen  zu  treten,  wie  der  Beherrscher  des  immerhin  schwachen 
Brandenburg.  Er  suchte  auch  im  Auslande  nach  allen  Seiten 
hin  den  Opfern  von  Ludwigs  XIV.  Tyrannei  eine  Zufluchtsstätte 
zu  bereiten;  selbst  von  dem  Moskauer  Zaren  erlangte  er  ein 
Edikt,  das  ihnen  Aufnahme  gewährte.  Fre  'lieh,  die  lutherischen 
Städte  Hamburg  und  Frankfurt  a.  Main  waren  allzu  fanatisch, 
um,  dem  Wunsche  des  Kurfürsten  gemäfs,  den  französischen 
„Kalvinern"  öffentliche  Ausübung  ihres  Gottesdienstes  zu  gestatten. 


^  Ms.  Job.  Magirus,  Breviarium  historiae  metallioae  Frid.  Wilh. 
Magni  Electoris  Brandenburgici  (Geh.  Staatsarchiv,  Berlin)^  nr.  108. 


Achtunddreifsigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenntnisse.        153 

Umsomehr  war  er  darauf  bedacht,  im  eigenen  Staate  das  Schick- 
Bai  der  UnglQcklichen  zu  mildern.  Aufser  der  beträchtlichen 
UoterstOtzung ,  die  er  ihnen  aus  Staatsmitteln  zukommen  liefs, 
veranstaltete  er,  wie  bei  anderen  evangelischen  Reichsständen, 
auch  bei  seinen  eigenen  Untertanen  Sammlungen,  zum  Teil  aller- 
dings Zwangskollekten,  die  namhafte  Ergebnisse  brachten.  Die 
katholischen  Untertanen  mufsten  gleichfalls  beisteuern.  Aus 
dem  Brandenburgischen,  Magdeburg,  Hinterpommem  und  Preufsen 
kamen  in  den  ersten  Monaten  bereits  13981  Rtlr.  (gleich  etwa 
182000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  ein.  Er  unterhielt  in 
Berlin  allein  mehr  als  tausend  Flüchtlinge  und  errichtete  dort 
für  sie  ein  Hospital.  Er  stiftete  an  der  Universität  Frankfurt 
a.  d.  Oder  zwölf  Stipendien  von  je  50  Reichstalem  jährlich  (650 
Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  für  französische  Studierende. 
UDennQdlich  war  er  mit  seiner  eigenen  Person  und  durch  seine 
befähigtesten  Räte  sowie  mit  seinen  ihm  so  karg  zugemessenen  Geld- 
mitteln für  die  R6fugi6s  t&tig.  „Wir  haben,"  rief  der  Prediger 
Ancillon  aus,  „hier  mehr  Trost  und  mehr  Gaben  und  Güter  erhalten, 
als  man  uns  hatte  hoffen  lassen."  Die  herzliche,  teilnehmende 
Art,  mit  der  er  die  Flüchtlinge  aufnahm,  oft  auch  persönlich 
empfing,  diente  dazu,  tausende  in  sein  armes  verwüstetes  Land 
ni  ziehen.  Die  Ordnung  aller  die  neuen  Einwanderer  betreffen- 
den Angelegenheiten  wurde,  mit  dem  Titel  eines  Generalinten- 
danten, dem  Generalkriegskommissar  Joachim  Ernst  von  Grumbko  w 
anvertraut,  dem  Graf  Beauvau  d'Espence,  des  Kurfürsten  früherer 
Trabantenoberst,  selber  ein  Hugenotte,  beigesellt  ward.  Man 
suchte  jedem  der  Ankömmlinge  nach  seinen  Fähigkeiten  lohnende 
Beschäftigung  oder  Stellung  zu  verschaffen^. 

Die  Wirksamkeit,  die  die  Röfugiös  in  Brandenburg  ent- 
falteten, die  wichtigen  Anregungen,  die  sie  ihm  gebracht  haben, 
sind  schon  in  anderem  Zusammenhange  geschildert  worden. 
Hier  sei  nur  noch  hervorgehoben,  wie  die  20000  französischen 
Einwanderer  das  reformierte  Element  verstärkten,  nicht  nur 
<lurch  ihre  Zahl,  sondern  vorzüglich  durch  das  Gewicht  ihrer 
höheren  Kultur  und  Bildung.  Auch  die  hugenottischen  Prediger 
—  man  denke   nur  an  einen  Abbadie  und  Ancillon  —  waren 


1  Er  man  u.  Reclam,  M^moires  pour  servir  k  Phiat.  des  Rdfugi^s 
(Berlin  1782 ö.),  I,  144 ff.  261.  3131,  HI,  375,  VH,  8.  —  H.  Tollin,  Gesch. 
der  franzOs.  Kolonie  von  Magdeburg,  I  (Halle  1886),  279  ff. 


154  Sechstes  Buch. 

Männer  von  viel  feinerer  und  universellerer  Bildung  als  ihre 
ausschlierslich  fachmännisch  unterrichteten,  pedantischen  und 
plumpen  Amtsbrüder  in  der  Kurmark  und  Preufsen.  Die  R6fugi6s 
hatten  allzu  empfindlich  am  eigenen  Leibe  die  Bitterkeit  der 
Religionsverfolgung  gespttrt,  sie  fühlten  sich  in  der  neuen,  vor- 
wiegend lutherischen  Heimat  noch  immer  zu  sehr  als  blofs 
Geduldete,  um  nicht  lebhafte  Verteidiger  der  Toleranz  zu  werden 
und  zu  bleiben.  Sie  haben  aufserordentlich  dazu  beigetragen, 
den  Geist  der  Glaubensfreiheit  in  den  brandenburgischen  Staaten 
zu  verbreiten.  Sie  wurden  namentlich  eifrige  Verfechter  der 
Union,  der  engen  Verbindung  zwischen  den  beiden  evangelischen 
Bekenntnissen  ^ 

Friedrich  Wilhelm  aber  war  ein  so  ehrlicher  und  folge- 
richtiger Anhänger  absoluter  Gewissensfreiheit,  dafs  er  sogar 
Glaubensrichtungen  achtete  und  schätzte,  die  sonst  in  damaliger 
Zeit  von  allen  Evangelischen  ebenso  gut  wie  von  den  Katholiken 
als  „Ketzereien^  bezeichnet,  mit  Landesverweisung,  lebensläng- 
lichem Kerker,  ja  Feuertod  bestraft  wurden.  Das  waren  die 
Gemeinschaften  der  Mennoniten,  die  man,  weil  sie  die  Kinder- 
taufe verwarfen,  fälschlich  den  alten  schwarmgeistigen  Wieder- 
täufern gleichgestellt,  und  der  Sozinianer,  der  Anhänger  der  von 
der  Sieneser  Familie  Sozzini  begründeten,  dann  nach  Polen  über- 
gesiedelten Sekte  der  Antitrinitarier ,  die  wegen  ihrer  Ver- 
werfung der  kirchlichen  Dreieinigkeitslehre  als  Arianer  bezeichnet 
und  verfolgt  wurden.  Beide  Sekten  waren  bei  Todesstrafe  aus 
Polen  vertrieben  und  hatten  zum  Teil  im  herzoglichen  Preufsen 
eine  Zuflucht  gesucht.  Aber  hier  trafen  sie  auf  die  harte 
Unduldsamkeit  der  preufsischen  Stände,  die  unaufhörlich  ihre 
Ausweisung  von  dem  Kurfürsten  forderten,  indem  sie  sich  auf 
entsprechende  Verordnungen  seiner  Vorgänger  beriefen  und  sonst 
„Gottes  Strafe"  für  das  Land,  das  derartige  Verbrecher  berge, 
in  Aussicht  stellten^.  Allein,  die  Herren  mufsten  erleben,  dafs 
der  Kurfürst  die  armen  friedlichen  Menschen  unbehelligt  liefs. 
Sie  erwarben  sogar  Grundbesitz  in  Preufsen  und  erhielten  öffent- 
liche Stellungen;  ja,  kurfürstliche  Beamte  scheuten  sich  nicht, 
den  Sozinianern  beizutreten.     Endlich   —   1669  —  nötigten  die 


«  Tollin,  I,  646 ff. 

^  Über  diesen  Piuikt  sehe  man  die  Dokumente  in  ü.  u.  A.,  Bd.  XYI.— 
Femer:  M.  Beheim-Schwarzbach,  Kolonisationen,  S.  86 f. 


Achtunddreifisigstes  Kapitel.    Die  Beligionsbekenntiusse.        155 

SüLode  den  Landesherrn,  den  „Arianem''  die  öfifentliche  Religions- 
QbuDg  zu  untersagen,  auch  fQr  die  Zukunft  deren  völlige  Ab- 
schaffung zu  verheifsen.  Letzteres  blieb  indes  —  wie  so  viele 
andere  Versprechungen  Friedrich  Wilhelms  an  die  Stände  — 
leerer  Buchstabe.  Vergeblich  drangen  sie  immer  wieder  darauf, 
die  Zusage  von  1669  auszuführen  und  „den  Arianem  mit  Nach- 
druck Feuer,  Herd  und  Hausung  allhier  im  Lande  zu  verbieten''. 
Die  Sozinianer  reichten  dagegen  dem  Herrscher  eine  Bittschrift 
ein,  in  der  sie  auf  die  Ungefährlichkeit  ihrer  Gemeinschaft  hin- 
wiesen und  auf  die  Vermeidung  jeder  propagandistischen  Tätig- 
keit ihrerseits.  Der  Appell  an  die  Gewissensfreiheit,  den  sie 
dabei  an  Friedrich  Wilhelm  richteten,  verhallte  nicht  ungehört. 
„Hierbei",  schrieb  er  am  14.  Mai  1673  an  den  älteren  Schwerin, 
„schicke  ich  Euch  eine  Supplik  von  den  vertriebenen  Arianem, 
so  sich  nach  Preufsen  retiriret  haben.  Ich  befinde  Unrecht  zu 
sein,  dafs  man  die  Leute,  wenn  sie  sich  still  verhalten,  das  nicht 
gönnen  will.  Man  soll  suchen,  sie  mit  Glimpf  zurecht  zu  bringen 
und  nicht  auf  solche  Art"  *,  (nämlich  durch  Verfolgung).  Dem- 
gemäfs  vertröstete  er  die  Staude,  bis  er  bei  seiner  Anwesenheit 
in  Preufsen  im  Februar  1679  unumwunden  erklärte:  „Die 
Arianer  können  wohl  geduldet  werden,  wenn  sie  sich  nur  in 
ihren  Grenzen  halten."  Es  war  das  derselbe  Standpunkt,  den 
er,  der  gleichen  Unduldsamkeit  der  Stände  gegenüber,  in  der 
Kurmark  behauptet  hatte '.  £r  wies  dort  den  Sozinianem  das 
Amt  Neuendorf  bei  Frankfurt  a.  d.  Oder  zur  Niederlassung  an®. 
Und  es  blieb  so.  Sozinianer  und  Mennoniten  durften  sich 
«mehr  und  mehr  einwurzeln" ,  wenn  sie  nur  ihren  Gottesdienst 
nicht  in  öffentlicher,  auffallender  Weise  betrieben.  Ihre  Haupt- 
sitze in  Preufsen  wurden  Rutau  und  Andreaswalde;  an  beiden 
Orten  hatten  sie  ihre  Prediger,  an  dem  letztgenannten  auch  eine 
eigene  Schule.  Ein  nicht  geringer  Ruhm  Friedrich  Wilhelms, 
diese  Schuldlosen,  die  doch  überall  als  vogelfrei  behandelt  wurden, 
in  seinen  Staaten  geduldet,  ja  kräftig  beschützt  zu  haben.  Er 
nnd  die  späteren  HohenzoUern  Friedrich  der  Grofse  und  Fried- 
rich IIL  sind  leuchtende  Vorbilder  auf  dem  Gebiete  der  Denk- 
nnd  Gewissensfreiheit. 


>  Orlich,  Friedr,  Wilh.,  S.  265  und  Beilagen  S.  11. 
*  S.  Teü  I,  S.  423  f. 
»  Hering,  H,  86 ff. 


156  Sechstes  Buch. 

Friedrich  Wilhelm  erwies  noch  deutlicher  seine  vorurteils- 
lose und  hochherzige  Gesinnung,  indem  er  den  allseits  gehaHsten 
und  verachteten  Juden  den  Eintritt  in  seine  Staaten  gewahrte. 
Er  sah  in  ihnen  Menschen,  die  durch  Betriebsamkeit  und 
Intelligenz  seinen  verarmten  und  entvölkerten  Provinzen  Nutzen 
bringen  könnten,  und  deshalb  suchte  er  sie  in  gewisser  Anzahl 
nach  Brandenburg-Preufsen  zu  ziehen.  In  den  meisten  Landen 
ist  das  gelungen.  Wie  in  Minden,  so  erteilte  er  auch  in  Ravens- 
berg  und  der  Stadt  Bielefeld  mehreren  jüdischen  Familien 
„Begleit-**,  d.  h.  Schutzbriefe,  gegen  einen  jährlichen  Zins  von 
je  zehn  Talern.  Auch  hier  machte  sich  die,  durch  die  Furcht 
vor  Konkurrenz  verstärkte,  Unduldsamkeit  geltend.  Die  christ- 
lichen Kaufleute  in  Bielefeld  remonstrierten,  da  die  Juden 
angeblich  ihre  Nahrung  bedrohten.  Allein  der  Kurfürst  ver- 
schlofe  so  eigennützigen  Vorstellungen  sein  Ohr^  In  Halber- 
stadt vergröfserte  er  durch  neue  Schutzbriefe  die  Mitgliederzahl 
der  dort  von  ihm  begründeten  jüdischen  Gemeinde,  die  am  Ende 
seiner  Begierung  schon  an  500  Seelen  umfafste  —  für  jene  Zeit 
eine  stattliche  Menge. 

Er  kämpfte  in  Preufsen  gegen  die  Unduldsamkeit  der  Stände 
ebenso  schwer  für  die  Juden,  wie  für  die  Sozinianer  und  Mennoniten ; 
allerdings  hatten  die  Stände  das  formale  Recht  hier  auf  ihrer  Seite, 
da  die  Juden  1567  aus  dem  herzoglichen  Preufsen  verbannt 
worden  waren.  Aber  in  der  Verfassungsurkunde,  die  Friedrich 
Wilhelm  1661  den  Ständen  erteilt  hatte,  hiefs  es  in  Betreff  der 
Arianer,  Mennoniten  und  Juden:  „Wir  wollen  Keines  Gewissen 
konstringieret  haben.*'  Dieser  hochherzigen  Erklärung  der 
Gewissensfreiheit  stellten  die  Stände  in  ihrer  Eingabe  vom 
27.  März  1662  die  Erklärung  des  Gewissenszwanges  entgegen: 
„Wo  es  den  Verstand  hat,  dafs  dieselben  Leute  eben  wohl  als 
andere  im  Lande  gelitten  und  berechtiget  sein  sollen,  so  würde 
solches  eine  höchst  schädliche  Libertät  aller  und  jeder  Ketzereien 
nach  sich  ziehen  in  dem  Lande,  da  die  höchst  löbliche  Herrschaft 
und  die  Stände  jederzeit  mit  so  grofser  Sorgfalt  dahin  getrachtet, 
dafs  die  lutherische  Religion,  exclusis  omnibus  aliis,  rein 
und  lauter  bis  ans  Ende  der  Welt  allein  beibehalten  werden 
möchte.    Solcher  Gewissensfreiheit  sind  die  Landesverfassungen 


^  Spannagel,  Minden  u.  Ravensberg  unter  brandenb.-preuls.  Herr- 
schaft 1648—1719,  S.  215. 


Achtonddreifsigstes  Kapitel.    Die  Beligionsbekexmtniase.       157 

ausdrücklich  zuwider.    Daruinb  gebühret  christlicher  Obrigkeit, 
solche  Gotteslästerer  von  sich  zu  thun".    Da  der  Kurfürst  es 
vorzog,  auf  diese  unziemlich  gehaltene  Beschwerde  der  Stände 
garnicht  zu  antworten,  erneuten  sie  solche  unaufhörlich,  erhielten 
aber  nur  leere  Vertröstungen.    Es  ist  für  den  Standpunkt  der 
Herren  und  zumal  der  preufsischeu  Städte  sehr  bezeichnend, 
dafs  sie  sich  zugleich  darüber  beklagten  (1663):  „es  wären  viele 
Schotten  eingeschlichen,  dafs  sie  ganze  Häuser  inne  hätten  und 
bes&fsen".     Auch  sonst  wird  die  Vertreibung  der  Schotten  und 
Oberhaupt  der  Ausländer  in  einem   Atem  mit  der  der  Juden 
gefordert.     Also  der  hauptsächliche  Beweggrund  der  Städte  in 
ihren  Klagen  gegen  Ketzer  und  Juden   war  der  niedrige  Brot- 
neid, die  Furcht  vor  Konkurrenz.    Friedrich  Wilhelm  kümmerte 
sich  auch  um  diese  Vorstellungen  keineswegs,  sondern  gestattete 
einzelnen  Juden  die  Niederlassung,  ja  den  Ankauf  von  Grund- 
besitz im  Hirzogtume.    In  Memel  nahm  auf  Grund  landesherr- 
licher Privilegien  Wohnsitz  Moses  Jacobson,  der  dort  schwung- 
haften Handel  betrieb  und  eine  Anzahl  seiner  Glaubensgenossen 
nach  sich  zog.    Es  entsprach  so  recht  den  Absichten  des  Kur- 
für^ten,  wenn  die  „unglücklichen  gotteslästerlichen"  Juden,  wie 
die  Stände  sie  1670  zu  nennen  beliebten,  die  Jahrmärkte  des 
Herzogtums   belebten    und   dort    einen    umfassenden    Verkehr 
begründeten.    Er  gestand  allerdings  1671  den  Ständen  zu,  die 
Juden  wie  die  Arianer  sollten  des  Landes  verwiesen  werden, 
umgab  aber  diese  grundsätzliche   Zusage   mit   so  zahlreichen 
Beschränkungen  und  Ausnahmen,   dafs  sie  keinen  tatsächlichen 
Wert  besafs.    Darauf  führten  die  Stände  ihr  schwerstes  Geschütz 
auf:  die  Juden  fangen  Christenkinder  und  tauschen  dafür  die 
ihrigen  von  den   Türken   ein.     Eine   schwächere  Auflage  der 
ßitualmordbeschuldigung,  von  der  die  damaligen  preufsischen 
Judenfeinde  noch  keine  Kenntnis  gehabt  zu  haben  scheinen.    Sie 
ersparten  sich  selbstverständlich  jede  Art  des  Beweises  einer  so 
schweren  und  unglaubhaften  Anschuldigung.   Friedrich  Wilhelm 
antwortete  auf  diese  Verleumdung,  indem  er  das  Privileg  des 
Jacobson  erneuerte  und  verlängerte,  auch  andere  Juden  ungestört 
in  Preufsen  verkehren   liefs.     Allmählich  schwächten  sich  die 
gegen  sie  gerichteten  Beschwerden  ab.    Der  Kurfürst  hatte  in 
Preufsen  auch  auf  dem  Gebiete  der  Gewissensfreiheit  endlich 
den  Sieg  davongetragen*. 

'  U.  n.  A.  XVr,  passim. 


158  Sechstes  Buch. 

Die  wichtigste  und  folgenreichste  Handlung  Friedrich  Wil- 
helms zu  Gunsten  der  Juden  fand  aber  in  dem  Herzen  seiner 
Staaten,  in  der  Kurmark,  statt.  Auch  hier  hatte  er,  gegen  den 
Widerstand  der  Ritterschaft,  einzelne  Juden  zugelassen,  ja,  trotz 
des  Landesrezesses  von  1653,  stillschweigend  gestattet,  dafs  sie 
sich  in  der  Neumark  fest  ansiedelten,  Bethäuser  begründeten 
und  einen  Rabbiner  annahmen.  Als  die  Stände  sich  1670  darüber 
beschwerten,  stellte  der  Kurfürst  kühnlich  die  Existenz  von 
Synagogen  in  Abrede,  fügte  aber  hinzu:  „dafs  sie  an  gewissen 
Orten  auf  ein  gewisses  Mafs  geduldet  werden  sollen,  weil 
dies  bei  jetzt  entblöfstem  Zustande  des  Landes  nicht  für  undien- 
lich erachtet  und  von  einigen  Einwohnern  selbst  erbeten  worden 
ist*"  ^  Man  sieht,  es  war  das  Interesse  der  inneren  Kolonisation, 
das  den  Herrscher  hier  leitete. 

Unmittelbar  nach  diesen  Vorgängen  erfolgte  der  Hauptr 
schlag:  fünfzig  der  angesehensten  Familien  unter  den  damals 
aus  Österreich  vertriebenen  Juden  erhielten  durch  Edikt  vom 
21./31.  Mai  1671  *  die  Erlaubnis,  sich  in  der  Kurmark  und  Crossen 
niederzulassen.  Das  Edikt  zeugt  wieder  von  grofser  Freiheit 
der  Anschauung.  Die  Juden  dürfen  Häuser  kaufen  oder  mieten ; 
sie  können  jede  Art  Gewerbe  oder  Handel  betreiben,  und  wenn 
ihnen  dafür  der  Wucher  untersagt  wird,  so  geschieht  das  nur 
in  ihrem  eigenen  Interesse.  Sie  brauchen  nicht,  wie  in  den 
anderen  Staaten,  an  den  Stadttoren  Zoll  zu  zahlen,  wie  das  Vieh; 
sie  haben  nur  —  und  dafür  sind  sie  mancher  anderen  Last  ent- 
hoben —  ein  jährliches  Schutzgeld  von  acht  Talern  und  bei 
Verheiratungen  einen  Goldgulden  zu  entrichten.  In  Zivilsachen 
unterstehen  sie  der  gewöhnlichen  Gerichtsbarkeit,  in  Kriminal- 
sachen aber,  damit  sie  nicht  unter  der  Abneigung  der  bürger- 
lichen Obrigkeiten  leiden,  dem  kurfürstlichen  Kammergericht  — 
ebenso  wie  die  bevorrechteten  Stände.  Die  Behörden  werden, 
bei  fünfzig  Goldgulden  und  noch  höherer  Strafe,  angewiesen, 
ihnen  Recht  und  Schutz  angedeihen  zu  lassen.  Wenn  sie  sich 
auch  keine  Synagogen  erbauen  dürfen,  so  wird  ihnen  doch 
gestattet,  den  Gottesdienst  in  einem  Privathause  zu  üben  und 
die  nötigen  Kultusbeamten  anzustellen. 


»  Orlich»  Preufs.  Staat,  n,  479. 

«  Mylius,  V,  V  121  ff.  —  Vgl.  über  das  Folgende:  L.  Geiger, 
Gesch.  der  Juden  in  Berlin,  I  (Berlin  1871X  S.  8ff.;  Landwehr,  S.  374ff.; 
U.  u.  A.,  X,  610  ff. 


Achtunddreilsigstes  Kapitel.    Die  Religionsbekenntnifise.        159 

Alle  österreichischen  Judenfamilien  liefsen  sich  in  Berlin 
nieder,  organisierten  dort  ihre  Gemeinde  und  fanden  bald  neuen 
Zuwachs,  da  der  Kurfürst  auch  anderweiten  Familien  Geleitbriefe 
gewährte. 

Er  blieb  der  einzige  Schutz  auch  dieser  religiösen  Minder- 
heit Die  Stände,  die  Innungen  und  Kaufleute  der  kurmärki- 
schen St&dte,  ja  selbst  die  Geheimen  Räte,  forderten  die  Be- 
seitigung der  Juden,  die  angeblich  der  christlichen  Bevölkerung 
mannigfachen  Schaden  zufügten.  Allein,  Friedrich  Wilhelm  liefs 
sich  in  seinen  gerechten  und  nützlichen  Absichten  nicht  beirren. 
Er  versicherte  immer  wieder  die  Juden  seines  Schutzes,  befahl 
dem  Kammergericht  auf  das  strengste,  die  Privilegien  der  Juden 
aufrechtzuerhalten,  erlaubte  diesen,  gegen  den  Rat  der  Stadt 
Frankfurt  a.  d.  Oder,  der  sie  benachteiligt  hatte,  gerichtliche 
Klage  zu  führen.  Aus  eigener  Tasche  unterstützte  er  zwei 
jüdische  Jünglinge,  die  an  der  Universität  Frankfurt  a.  d.  Oder 
Philosophie  und  Medizin  zu  studieren  wünschten.  Als  die  Stände 
wiederum  klagten,  .dafs  die  Juden  den  christlichen  getreuen 
Untertanen  das  Brot  vor  dem  Munde  wegnähmen",  und  „wegen 
ihrer  bekannten  Lästerungen  unseres  Erlösers  Jesu*'  —  da  ant- 
wortete der  Kurfürst  ihnen  mit  einer  wahren  Ehrenerklärung 
für  die  Angegriffenen.  „Es  wäre  bekannt'',  sagte  er  1679,  „dafs 
die  Übervorteilung  im  Handel  nicht  weniger  von  den  Christen 
als  den  Juden,  ja  mit  fast  mehr  Impunität  geschehe  und 
fortgesetzt  werde''.  Und  1683:  „Es  ist  nicht  vorgekommen, 
dafs  die  Juden  jemals  den  Namen  Jesu  Christi  entheiligt  haben, 
sondern  vielmehr  sich  den  ihnen  vorgeschriebenen  Gesetzen 
gemäfs  gezeiget''. 

Das  also  ist  altpreufsische  Überlieferung,  das  Überlieferung 
im  Hause  HohenzoUem! 

Nur  insofern  hat  der  Kurfürst  dem  Drängen  der  Stände 
nachgegeben,  als  er  den  jüdischen  Gemeinden  eine  gewisse 
Solidarität  zur  Vergütung  des  von  einem  ihrer  Glaubensgenossen 
einem  Christen  etwa  zugefügten  Schadens  auferlegte.  Allein 
das  war  nebensächlich  und  berührte  das  Wesen  der  Auffassung 
und  des  Verhaltens  nicht. 

Es  durfte  mit  Recht  ein  jüdischer  Buchhändler,  Josef  Athias 
in  Amsterdam,  seine  deutsche  Übertragung  des  Alten  Testaments 
dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  mit  den  Worten  der  Vorrede 
widmen:  „Ich  wage  es  ofifen  auszusprechen,  dafs  unser  Volk 


160  Seohsies  Buch. 

seit  dem  Zeitpunkte,  da  der  allmächtige  Gott  es  unter  die 
Nationen  zerstreut  hat,  nirgends  auf  Erden  gröfsere  Wohltaten, 
einen  besseren  Zufluchtsort,  einen  fröhlicheren  Frieden  gefunden 
hat,  als  unter  dem  Schatten  Deiner  Hoheit".  — 

So  bestimmt  Friedrich  Wilhelm  das  Recht  jeder  Religions- 
geno&senschaft  anerkannte,  sich  nach  ihrem  eigenen  Denken  und 
Empfinden  zu  entwickeln,  ebenso  unzweideutig  forderte  er,  dafs 
sie  sich  in  allen  ftufseren  Beziehungen  der  Souveränität   des 
Staates  unterwürfen,  der  über  sie  alle  die  Aufsicht  zu  führen 
habe.    Dieser  Grundsatz  fand  seinen  Ausdruck  in  dem  landes- 
herrlichen Ansprüche  auf  den  Summepiskopat,  auf  die  Rechte 
eines  obersten  Bischofs,  und  zwar  gegenüber  den  Reformierten 
und  Lutheranern  ebenso  wie  den  Katholiken.    Ein  Jurist,  Lucius 
von  Rahden,  wurde  1665   zum  Präsidenten  des  kurmärkischen 
Konsistoriums  bestellt,  aber  mit  Befugnissen,  die  ihn  zum  Minister 
der  geistlichen  Angelegenheiten  für  den  ganzen  Staat  erhoben. 
In  den  Provinzen  erhielten  die  Statthalter,  die  weltlichen  Ver- 
treter des  Kurfürsten,  die  Aufsicht  über  die  Kirchenverwaltung 
und  den  Vorsitz  in  den  Konsistorien.    Sie  wurden  angewiesen, 
die  landesherrlichen  Hoheitsrechte  über  die  verschiedenen  kirch- 
lichen Gemeinschaften  sorgsam  zu  wahren  ^    In  dem  ehemaligen 
Bistume,  nunmehrigen  Fürstentume  Halberstadt,  wurde  das  Dom- 
kapitel jeder  weltlichen  Gewalt  beraubt,  mit  Ausnahme  der  ihm 
auch  nur  zeitweise  belassenen  Rechtsprechung  in  erster  Instanz,  von 
der  man  stets  an  das  landesherrliche  Gericht  Berufung  einlegen 
konnte ;  es  wurde  in  aller  Weise  der  Aufsicht  der  kurfürstlichen 
Beamten  unterworfen.    Der  Kurfürst  verfuhr  ähnlich  in  dem 
ehemaligen  Erzstifte,  jetzt  Herzogtume  Magdeburg.    Auch  hier 
beschränkte  er  die  Rechte  des  Domkapitels,  indem  er  die  Prüfung 
und  Berufung  der  Geistlichen  dem  von  ihm  selbst  eingesetzten 
Konsistorium  übertrug  und  sich  die  Bestätigung  vorbehielt.    Es 
hatte  dies  um  so  gröfsere  Bedeutung,  als  er  den  Predigern  vorschrieb, 
sich  in  ihrer  Lehre  nur  auf  den  lutherischen  Katechismus,  nicht 
aber  auf  die,  dem  reformierten  Bekenntnisse  feindliche  Bergische 
Konkordienformel    zu    stützen.      Den  Widerstand  der  Magde- 
burger Geistlichkeit  gegen  diese  Milderung  der  Konfessionalität 
wufste  er  zu  brechen,  wie  er  denn  eine  deutsche  und  eine  fran- 


1  Das  Folgende  nach:  Landwehr,  219f.  279ff.;  Orlich,  PreuDs. 
Staats,  I,  497  ff.,  IH,  76.  80. 


Achtanddreüsigstes  Kapitel.    Die  Breligionsbekenntnisse.        IQl 

zösische  reformierte  Gemeinde  in  der  bisher  ausschliefslich 
lutherischen  Stadt  Magdeburg,  eine  französisch  reformierte 
in  Halle  begründete. 

Eine  politische  Tätigkeit  seitens  der  Geistlichen  urar  der 
Kurfürst  entschlossen  nicht  zu  gestatten.  „Was  die  Geistlichen 
anlanget/  verordnete  er  am  27.  JuIi/6.  August  1661,  „so  seindt 
Wir  gar  nicht  gemeinet  zu  dulden,  dafs  sie  sich  in  Landsachen 
mengen  und  Unsere  Regierung  Uns  schwer  machen.  Wir  haben 
deswegen  an  die  Oberrilte  geschrieben,  damit  ihnen,  denen 
Geistlichen,  ihr  unzeitiger  Vorwitz  nicht  allein  verwiesen,  sondern 
ihnen  auch  hinftlro  dergleichen  anzufangen  benommen  und  unter- 
saget werde.**  Statthalter  und  Oberräte  in  Preufsen  wurden 
angewiesen,  dafür  zu  sorgen,  „dafs  nicht  der  Klerus  in  Land- 
und  politischen  Sachen  etwas  zu  sprechen''  habe. 

Friedrich  Wilhelm  hat  in  religionspolitischer  Beziehung  genau 
durchdachte  und  festbestimmte  Grundsätze  verfolgt,  wie  kaum 
auf  einem  anderen  Gebiete  des  Staatslebens,  abgesehen  von  der 
Heeresverfassung.  Es  sind  die  Prinzipien  des  modernen  Staates, 
die  er  hier,  fast  einzig  in  seiner  Zeit,  als  Vorläufer  einer 
neuen  Epoche  verwirklicht  hat.  Nicht  immer  hat  der  preufsische 
Staat  an  ihnen  festgehalten,  aber  er  ist  nur  zu  seinem  eigenen 
Schaden  von  ihnen  abgewichen.  Es  ist  nichts  Geringes,  dafs 
schon  vor  zwei  und  einem  halben  Jahrhundert  der  Grofse  Kur- 
f&rst  sie  erkannte  und  durchführte. 


Pbilippaon,  Der  Orofse  Kurfttrst .    III.  11 


Neununddreifsigstes  Kapitel. 

Geist  und  Sitte. 


Die  zweite  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ist  für  Deutschland 
die  Zeit  der  Pedanterie,  einer  geschmacklosen  Steifheit  und 
Beschränktheit,  die  uns  deren  schriftstellerische  Erzeugnisse 
mit  geringen  Ausnahmen  ungeniefsbar  machen,  wie  sie  die  Mehr- 
zahl der  damals  wirkenden  Persönlichkeiten  mit  dem  Nebel 
feierlicher  Langeweile  umgeben.  Von  dieser  hölzernen,  überall 
durch  Vorurteile  und  Überlieferung  eingeschränkten  Welt  hebt 
sich  um  so  glänzender  der  freie,  unbefangene,  allerorten  nach 
dem  Wahren  und  Nützlichen  forschende  Geist  des  Brandenburger 
Friedrich  Wilhelm  ab.  Wie  auf  religiösem,  so  auf  wissenschaft- 
lichem Gebiet  war  er  bereit,  die  Berechtigung  jeder  Überzeugung 
als  etwas  Selbstverständliches  anzuerkennen.  Er  verlangte  nur 
ernstes  und  wahrheitsuchendes  Denken,  achtete  aber  dessen 
Ergebnisse,  wenn  sie  auch  von  seinen  eigenen  Anschauungen 
und  Empfindungen  himmelweit  abwichen.  Sein  berühmter 
holländischer  Leibarzt,  Theodor  van  Craanen,  war  ein  ofiFen- 
kundiger  Rationalist,  ein  Anhänger  des  Cartesius,  und  stand 
später  sogar  mit  dem  verfehmten  Spinoza  in  Verbindung.  Wahr- 
scheinlich von  Craanen  angeregt,  ging  Friedrich  Wilhelm  Stosch, 
der  Sohn  des  bekannten  kurfürstlichen  Hofpredigers  und  selber 
in  des  alternden  Herrn  Diensten,  zu  den  Ansichten  Spinozas 
über,  ohne  dafs  weder  er  noch  der  Leibmedikus  deshalb  irgend 
eine  Anfechtung  zu  erfahren  hatten  ^ 


^  L.  Back.  Spinozas  erste  Einwirkungen  auf  Deutschland  (Berlin 
1895),  S.  42.  47. 


Neunimddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  1(53 

Die  Wissensbegier  und  Wissensfreude  Friedrich  Wilhelms 
blieben  bis  zu  seinem  Ende  die  gleichen.  Er  liebte  es,  in  seinen 
Mursestnnden  sich  mit  hervorragenden  Gelehrten  zu  unterreden; 
der  berühmte  Magdeburger  Otto  von  Guericke  durfte  ihm  1671 
seine  Untersuchungen  über  den  luftleeren  Raum  widmen;  er 
bemerkte  in  seiner  Vorrede ,  wie  grofse  Aufmunterung  er  in 
seinen  naturwissenschaftlichen  Studien  von  dem  Kurfürsten  er- 
fahren habe.  Ebenso  rühmt  Grävius  in  seiner  Ausgabe  des 
Lacan  die  Anregung  und  Erfrischung,  die  ihm  die  1686  mit 
Friedrich  Wilhelm  in  Kleve  geführten  Gespräche  bereitet  hatten. 
Dieser  Fürst  war  also  in  seinem  Verkehre  mit  dei)  Gelehrten 
nicht  nur  der  Empfangende,  sondern  auch  der  Gebende. 

Es  ist  merkwürdig,  wie  weithin  sich  das  Interesse  des  so 
schwer  arbeitenden  und  ringenden  Fürsten  von  seinem  armen 
entlegenen  Lande  aus  erstreckte.  Der  freie  und  weltumspannende 
Geist  Hollands,  den  er  in  seinen  Jugendjahren  eingeatmet,  blieb 
sein  ganzes  Leben  hindurch  in  ihm  mächtig.  Er  legte  selbst  für 
die  orientalischen  Sprachen  rege  Teilnahme  an  den  Tag.  Den 
gelehrten  und  geistvollen  Reisenden  und  Orientalisteü  Christian 
Ronde,  einen  geborenen  Berliner,  der  in  den  Niederlanden, 
England ,  Schweden  Universitätsprofessuren  bekleidet  hatte, 
berief  er  1672  in  die  Heimat  zurück  und  erteilte  ihm  einen 
Lehrstuhl  an  der  Hochschule  Frankfurt  a.  d.  Oder.  Ronde 
empfahl  sich  allerdings  dem  Fürsten  noch  besonders  durch  seine 
Bemühungen  um  Versöhnung  der  Lutheraner  und  Reformierten, 
für  deren  Ausgleich  er  1663  seine  Discordia  Concors  veröffent- 
licht hatte  ^ 

Friedrich  Wilhelm  untei-stützte  eine  syrische  Übertragung 
des  Neuen  Testaments  mit  tausend  Talern ;  er  schenkte  wieder-r 
holt  silberne  und  goldene  Becher  dem  Berliner  Probst  Müller, 
der  sich  dem  Studium  von  Chinas  Sprache  und  Volkstum  widmete^ 
und  dessen  Vorträgen  über  Geschichte,  Einrichtungen  und  Sitten 
der  Chinesen  er  nebst  seiner  Gemahlin  beiwohnte.  Allerdings 
hegte  er  die  Hoffnung,  die  genaue  Bekanntschaft  mit  Chinas 
Sprache  und  Bedürfnissen  zur  Anknüpfung  eines  gewinnreichen 
direkten  Handels  mit  diesem  Lande  praktisch  verwerten  zu 
können.  Er  berief  deshalb  auch  den  dorther  zurückkehrenden 
Franzosen  Couplet  nach  Berlin,  um  hier  die  chinesische  Sprache 

'  Allgemeine  Deutsche  Biographie. 

11* 


l^  Secbstes  Buch. 

ZU  lehren;  und  er  beauftragte  den  holländischen  Arzt  Gleyer, 
in  seiner  Heimat  chinesische  Kanuskripte  für  die  kurfürstliche 
Bibliothek  zu  erwerben  ^ 

Die  Chemie,  die  der  Kurfttrst  von  Jugend  an  betrieben 
hatte,  erfreute  sich  auch  fernerhin  seiner  Teilnahme.  Er  stellte 
sein  kleines  Privatlaboratorium  unter  die  Verwaltung  seines 
Kammerdieners  Kunckel  und  gab  dafttr  jährlich  etwa  tausend 
Taler  (13000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  aus.  Kunckel 
besafs  ein  chemisches  Genie:  er  erfand  nicht  allein  den  Rubin- 
glasflufs,  sondern  auch,  1678,  die  künstliche  Herstellung  des 
Phosphors ". 

Eine  besondere  Vorliebe  hatte  Friedrich  Wilhelm  stets  für  die 
Geschichte  gehegt;  sein  Wunsch  war  es,  die  Geschicke  seines 
aufstrebenden  Staates  der  Welt  in  würdiger  und  eindrucksvoller 
Weise  geschildert  zu  sehen.  Er  beabsichtigte  dabei,  seine  und 
seines  Staates  Erlebnisse  auf  Grund  authentischen  Aktenmaterials 
berichten  zu  lassen,  nicht  zu  leerer  Verherrlichung,  sondern  in 
wahrhaftiger  Darstellung,  und  seine  Akten  mit  einer  Offenheit 
preiszugeben,  die  seither  von  keiner  Archi  wer  waltung  der  Welt 
nachgeahmt  worden  ist.  Allein  man  könnte  nicht  sagen,  dafs 
er  hierbei  mit  seinen  Bemühungen  viel  Glück  gehabt.  Seinen 
ersten  Historiographen,  Joachim  Hübner,  hat  er  1661  entlassen, 
weil  dieser  unkirchlichen  Sinn  zynisch  zur  Schau  trug  und 
wiederholte  Warnungen  in  den  Wind  schlug*.  Dann  berief  er 
1664  den  Groninger  Professor  Martin  Schook,  einen  Fünfzig- 
jährigen, dem  er  zugleich  eine  Honorarprofessur  in  Frankfurt 
a.  d.  Oder  übertrug.  Schook  begann,  als  echter  niederländischer 
Gelehrter,  seine  Arbeit  mit  grofsem  und  gründlichem  Fleifs  und 
vermochte,  trotz  seiner  mangelhaften  Kenntnis  der  deutschen 
Sprache,  wirklich  1667  dem  Kurfürsten  den  ersten  Teil  seines 
Buches,  der  die  Jahre  1620  bis  1642  umfafste,  zu  überreichen. 
Das  Manuskript,  das  noch  heute  vorhanden  ist,  zeigt  keine  Spur 
von  politischem  und  historischem  Sinn.    So  ist  es  nicht  zu  be- 


J  Orlich,  Friedr.  Wilh.,  813f. 

«  Dae.  317.  —  König,  II,  193f. 

•  Hering,  Beiträge,  II,  IL  —  Das  Folgende  nach  E.  Fischer, 
Die  offizielle  brandenb.  Geschichtschreibung  zur  Zeit  des  Grofs.  Kurf.; 
Zeitschr.  f.  preufs.  Gesch.  u.  Landesk.,  XV  (1878),  391  ff.  —  Vgl.  Er  man 
u.  Reclam,  IV,  192  ff.,  wo  sich  noch  manches  Wichtige  findet. 


Neununddreüsigstes  Kapitel.    G-eist  und  Sitte.  Igg 

dauern,  dafs  Schooks  Arbeit  schon  im  Frühjahr  1668  durch  seinen 
vorzeitigen  Tod  unterbrochen  wurde.  Sie  ward  noch  in  dem- 
selben Jahre  durch  den  Frankfurter  Geschichtsprofessor  Christian 
Hendreich  aufgenommen,  der  deshalb  in  Berlin  die  Stellung 
eines  kurfttrstlichen  Bibliothekars  erhielt.  Allein  auch  er  kam 
nicht  ttber  das  Materialiensammeln  und  wenige  Fragment,e  der 
Darstellung  hinaus.  Darauf  ttbertrug  Friedrich  Wilhelm  den  Titel 
und  die  Besoldung  des  Hof  historiographen  1673  einem  französi- 
schen Abenteurer,  Jean  Baptiste  de  RocoUes,  einem  früheren 
katholischen  Domherrn  und  Professor  an  der  Sorbonne,  der  in 
Genf  zu  der  reformierten  Kirche  übergetreten  und  von  dem  Ober- 
präsidenten von  Schwerin,  der  ihn  in  Paris  gekannt  hatte,  dem 
Kurfürsten  empfohlen  war.  Allein  die  politische  und  finanzielle 
Bedrängnis  Brandenburgs  infolge  des  Schwedeneinfalls  ver- 
anlafste  den  wankelmütigen  und  gewinnsüchtigen  Menschen  bald, 
seine  Entlassung  zu  nehmen;  und  als  er  nach  dem  Siege  von 
Fehrbellin  seine  Wiederanstellung  erbat,  schlug  ihm  der  Kurfürst 
solche  mit  Recht  ab.  Rocolles  führte  nunmehr  ein  bunt  wech- 
selndes Leben,  verheiratete  sich,  trat  danach  zum  Katholizismus 
zurück  und  wurde  wieder  Domherr;  als  solcher  ist  er  1696 
gestorben.  Inzwischen  war  ein  geborener  Königsberger,  aber 
von  niederländischer  Abstammung,  Martin  van  Kempen,  ein 
Gelehrter  und  Dichter  von  universaler  Bildung,  zum  branden- 
burgischen  Hof  historiographen  ernannt  worden.  Er  begann  tat- 
sächlich ein  Geschieh tswerk  ,,Der  Brandenburgische  Adler **, 
konnte  es  aber  mangels  einer  Besoldung  nicht  fortsetzen  und 
übernahm  1679  eine  aufserordentliche  Professur  für  Geschichte. 

Der  Kurfürst  hatte  es  vorgezogen,  mit  berühmten  aus- 
ländischen Historikern  in  Verbindung  zu  treten,  von  denen  er 
eine  allgemeinere  Verbreitung  seines  Ruhmes  erhofifte.  Er  ge- 
währte Fremden,  die  ihm  dazu  geeignet  erschienen,  Pensionen 
0(|er  doch  Geldgeschenke,  auch  mit  grofser  Liberalität  Materialien 
aus  seinem  Archive.  Der  bekannte  historische  Vielschreiber 
Gregorio  Leti  erhielt  für  seine,  auch  in  französischer  Übersetzung 
1687  in  zwei  Bänden  erschienene  „Ritratti  historici  e  cronologici 
della  casa  elettorale  di  Brandenburgo"  500  Taler  und  eine  goldene 
Medaille  im  Werte  von  50  Dukaten.  Das  weitschweifige  und 
rein  rhetorische  Werk  verdiente  solche  Belohnung  kaum ;  es  ist 
der  gerechten  Vergessenheit  anheim  gefallen. 

Besseren  Erfolg  hatte  Friedrich  Wilhelm  mit  der  Berufung 


166  Sechstes  Buch. 

seines  letzten  Historiographen :  des  berühmten  Samuel  Pufendorf  ^ 
Er  kannte  den  grofsen  Gelehrten  seit  langer  Zeit :  nicht  nur  aus 
dessen  nach  offiziellen  Stockholmer  Quellen  gearbeiteter  Schwedi- 
scher Geschichte,  sowie  aus  seiner  Handschrift  „Geschichte  Karls  X. 
Gustav ''f  sondern  auch  aus  dessen  politischen,  naturrechtlichen 
und  nationalökonomischen  Schriften,  deren  Grundsätze  er  viel- 
fach angenommen  und  nach  Möglichkeit  ausgeführt  hat.    Es  ist 
für  Friedrich  Wilhelm  sehr  rühmlich,  dafs  die  wenig  günstige 
Beleuchtung,  in  der  er,  nach  den  schwedischen  Akten,  oft  in  der 
„Geschichte  Karl  Gustavs"  erschien,  ihn  nicht  von  der  VokatioD 
ihres  Verfassers  abhielt.    Nach  längeren,  durch  Fuchs  geführten 
Verhandlungen  ernannte  der  Kurfürst  im  Juli  1686  Pufendorf 
zu  seinem  Hofhistoriographen  und  eröffnete  ihm  das  Staatsarchiv 
ohne  Einschränkung.    Aber  ungern  liefsen  die  Schweden  den 
Mann,  der  ihre  politischen  Geheimnisse  so  genau  kannte,  ziehen; 
nicht  vor  dem  Januar  1688,  wenige  Monate  vor  Friedrich  Wil- 
helms Tode,  erschien  Pufendorf  in  Berlin,  wo  ihm  der  Kurfürst 
sofort  einen  Geheimsekretär  zur  ausschliefslichen  Verwendung 
bei  seinen  Arbeiten  zur  Verfügung  stellte.    Er  hat  die  Biographie 
des  Grofsen  Kurfürsten  unter  dessen  Nachfolger  mit  derselben 
Freiheit  ausarbeiten  dürfen.    Was  er  schliefslich  geschafifen  hat, 
ist  nur  ein  weitläufiger  Auszug  aus  den  diplomatischen  Akten, 
soweit  ihm   das  Berliner  Archiv  solche  bot;  denn  lediglich  im 
Sinne  seines  Brotherrn  und  Auftraggebers  wollte  er  schreiben. 
Die  einzelnen  Persönlichkeiten,  sogar  die  des  Kurfürsten,  ver- 
schwinden ins  Nebelhafte,  Unbestimmte.    Von  den  inneren  An- 
gelegenheiten ist  gar  nicht  die  Rede,  mit  Ausnahme  der  Streitig- 
keiten mit  den  Ständen,  ja  selbst  die  Kriegsereignisse  werden 
nur  kurz  angedeutet.     Wir  werden  beständig  auf  einem  uferlosen 
Meere    hin    und    wiedergehender    Negotiationen    geschaukelt. 
Pufendorf  erhebt  sich  weit  über  die  geistlosen  Notizensammler 
der  damaligen   Zeit,    sein  Werk   s])iegelt  die   ganze   feierliche 
Würde   jener   mit    der   Allongeperücke    geschmückten   Epoche 
wieder;  aber  ein  Historiker  in  grofsem  Stile  und  von  bleibender 
Anziehungskraft  ist  er  nicht  gewesen. 

*  J.  G.  Droysen,  Beiträge  zur  Kritik  Pufendorfs (Berichte  d.  Kgl. 
Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Leipzig,  1864,  S.  43 ff.).  —  Varrentrapp 
in  der  Hist.  Zeitschr.  N.  F.  Bd.  XXXIV  (1893),  P.  21  f.  26ff.  —  E.  Gigas, 
Briefe  Sam.  Pufendorfs  an  Christian  Thomasius  (München  u.  Leipzig 
189.7),  S.  8.  15. 


Neununddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  167 

Bedeutender  denn  als  Geschichtschreiber  ist  Pufeudorf  als 
Nationaiökonom  und  Politiker.  Wenn  er  der  verkommenen 
deutschen  Welt  jener  Jahre  das  absolute  Herrschertum  als  das 
einzig  mögliche  Heilmittel  lehrte,  so  traf  er  damit  übrigens  ganz 
die  Meinung  Friedrich  Wilhelms;  aber  nicht  minder,  wenn  er 
das  Gottesgnadentum  des  Fürsten,  jede  mystische  Verherrlichung 
der  Monarchie  verwarf  und  ihr  die  Verwirklichung  des  öflFent- 
lichen  Wohles  als  unbedingte  Aufgabe  zuwies.  Der  Regent  soll 
die  politische  Unabhängigkeit  jeder  anderen  Gewalt  innerhalb 
des  Staates  aufheben,  indes  er  soll  auch  unablässig  für  dessen 
Sicherheit  nach  aufsen  und  nach  innen,  für  ein  starkes  Heer, 
eine  gute  Verwaltung,  einen  jedem  Untertan  zustehenden 
Rechtsschutz  sorgen.  Alle  Religionsbekenntnisse  sollen  volle 
Freiheit  geniefsen,  jedoch  innerhalb  der  Gesetze  und  der  Souve- 
ränität des  Staates,  der  keinem  Papste  das  Recht  der  Mitregie- 
rung  zugestehen  darf.  Diese  religionspolitischen  Grundsätze 
entwickelte  Pufendorf  besonders  in  seiner  Schrift  „Über  das 
Verhältnis  der  christlichen  Religion  zum  Staate'',  die  er  1687, 
schon  nach  seiner  Berufung  durch  den  Grofsen  Kurfürsten,  diesem 
widmete.  Der  Glaube  ist  persönliche  Gewissenssache;  das  Ver- 
brechen der  Ketzerei  mufs  völlig  aus  dem  Strafrecht  verschwinden ; 
kein  Bekenntnis  darf  das  andere  auch  nur  in  der  Öfifentlichkeit 
kränken.  Dieser  rein  weltliche  Charakter  des  Staates,  der  gerade 
aus  Achtung  vor  der  Religion  und  der  Überzeugung,  aus  tiefster 
und  echtester  Frömmigkeit  entspringt,  war  dem  Kurfürsten 
durchaus  genehm ;  nur  wenn  Pufendorf,  in  logischer  Folgerichtig- 
keit, auch  die  oberstbischöfliche  Gewalt  des  Landesherrn  ver- 
warf, konnte  ihm  Friedrich  Wilhelm,  der  ihrer  gerade  zur 
Nötigung  der  kämpfenden  Kirchen  unter  das  Gebot  des  Friedens 
bedurfte,  hier  praktisch  nicht  nachhandeln.  Sonst  aber  waren 
beide  ausgezeichneten  Männer  allerwege  Gesinnungsgenossen. 

Historische,  ethnologische  und  auch  naturwissenschaftliche 
Merkwürdigkeiten  zu  sammeln,  war  der  Kurfürst  unermüdlich 
bestrebt.  Seine  Bankiers  in  Paris,  die  Brüder  Formont,  mufsten 
dort  für  ihn  seltene  Pflanzen,  Kunstsachen  und  Bücher  aufkaufen  K 
Propst  Müller  und  Leibarzt  Menzel  brachten  viele  solcher  Dinge 
aus  Ostindien  und  China  nach  Berlin.  Ein  Major  im  nieder- 
ländischen Kolonialdienste,  Poleman  in  Batavia,  sandte  während 

>  Eevue  historique,  Bd.  XL  VI  (1891),  S.  295  f. 


168  Sechstes  Buch. 

einer  Reihe  von  Jahren  asiatische  Naturalien,  Waffen  und  Geräte, 
und  inmitten  der  Nöte  des  Französisch-schwedischen  Krieges  fand 
der  Kurfürst  die  Mufse,  dem  wackem  Offizier  seinen  Dank 
abzutragen;  ein  Fars  guten  Rheinweins,  das  er  dem  Major 
zuschickte,  traf  diesen  leider  nicht  mehr  am  Leben,  da  das 
Tropenfieber  ihn  dahingerafft  hatte.  Später  hatten  der  schon 
erwähnte  Arzt  Gleyer  in  Batavia  und  dann  in  Nagasaki, 
sowie  der  Engländer  Waldo  in  Surate  ihm  Gleiches  zu  ver- 
schaffen. Auch  Fürst  Moritz  von  Nassau  bereicherte  Friedrich 
Wilhelms  Sammlungen  durch  einen  Teil  der  umfassenden  natur- 
geschichtlichen Schätze,  die  er  aus  Brasilien  mitgebracht  hatte. 
Alle  diese  Merkwürdigkeiten  wurden  1680  in  eine  Kunstkammer 
vereinigt,  die  in  vier  Abteilungen  zerfiel:  Antiken,  Münzen, 
Kunstsachen  und  „Raritäten",  endlich  Naturalien ^  Herr  van 
Beverning  im  Haag  schenkte  ihm  1686  einen  Zimmetbaum,  wofür 
er  mit  Produkten  der  Potsdamer  Glasmanufaktur  erfreut  wurde'. 

Das  Medaillenkabinett  erfuhr  wesentliche  Vergröfserung 
durch  die  reiche  Sammlung,  die  Ezechiel  Spanheim  in  Italien 
für  Kurfürst  Karl  von  der  Pfalz  angelegt  hatte,  und  die  sich 
Friedrich  Wilhelm  1685  aus  der  vielumstrittenen  Erbschaft  dieses 
Fürsten  als  seinen  hauptsächlichen  Anteil  auswählte.  Der 
gelehrte  Lorenz  Beger,  der  bisherige  Kustos  der  pfälzischen 
Münzen,  trat  mit  dem  Ratstitel  in  brandenburgische  Dienste 
und  wurde  zum  Bibliothekar  und  Kustos  des  Münzkabinetts 
ernannt  •. 

Der  Friede  von  Oliva  hatte  dem  Kurfürsten  die  Möglichkeit 
gegeben,  endlich,  seinem  Wunsche  gemäfs,  seine  Bibliothek  der 
öffentlichen  Benutzung  zu  überliefern*.  In  einem  wohl- 
geschmückten, 600  Quadratmeter  umfassenden  Saale  im  Seiten- 
flügel des  Schlosses  zu  Berlin,  über  der  Hofapotheke  —  dem- 
selben Räume,  wo  einst  Thurneysser  seine  alchymistischen  Künste 
getrieben  hatte  —  wurden  1661  die  Bücher  aufgestellt;  daneben 


^  Friedländer  in  der  Festschr.  zur  Gesch.  der  Kgl.  Museen  in 
Berlin  (Berlin,  1880,  4<^),  S.  5.  —  Orlich  a.  a.  0.,  S.326ff.  —  König, 
II,  423  ff. 

*  Greh.  Staatsarchiv,  Berlin,  Eep.  34,  227  a.  4. 
'  Erman  u.  Reclam,  in,  292. 

*  Fr.  Wilken,  Gesch.  der  Kgl.  Bibl.  zu  BerUn(BerUn  1828),  S.  13ff.— 
Schwebel,  Gesch.  der  Stadt  Berlin,  11,  120.  —  Treitschke  in  den 
Preufs.  Jahrb.,  Bd.  53  (1884^  S.  475  ff.  (mit  zahlreichen  Fehlem). 


Neununddreifsigstes  Kapitel.    Geeist  und  Sitte.  169 

war  ein  Zimmer  für  die  Handschriften,  ein  anderes  für  die  Be- 
nutzer der  Bibliothek  eingerichtet.  Verschiedene  Kasualgelder 
wurden  dieser  bestimmt;  freilich  ergaben  sie  durchschnittlich 
nur  323  Taler  (gleich  4200  Mark  heutigen  Geldwertes)  im  Jahre, 
allein  sie  wurden  auch  nur  für  die  Anschaffung  und  den  Einband 
der  Bücher  verwendet ,  und  so  reichten  sie  nicht  nur  für  die 
laufenden  Einkäufe,  sondern,  da  der  Kurfürst  gelegentlich 
gröfsere  Geldbeträge  schenkte,  auch  zur  Erwerbung  ganzer 
Privatbibliotheken  aus.  Ferner  wurden  die  Bücherschätze  auf- 
gehobener Klöster  und  Kirchen,  sowie  die  Büchersammlungen  der 
verstorbenen  Kurfürstin  Luise  Henriette  und  des  1684  dahin- 
geschiedenen Herzogs  von  Croy  —  letztere  war  besonders  um- 
fassend —  der  öiTentlichen  Bibliothek  überwiesen.  Der  Kurfürst 
selber  schenkte  ihr  im  ganzen  2000  Bände,  und  Private  über- 
reichten ihr  aus  Anhänglichkeit  an  den  Herrscher  wertvolle  Hand- 
schriften. So  zählte  sie  im  Jahre  1687  neben  618  Handschriften 
20600  gedruckte  Werke  in  etwa  90  000  Bänden.  Eine  systematische 
Aufstellung  und  genügende  Katalogisierung  der  Bibliothek  wurde 
nicht  durch  den  ersten  Bibliothekar  Johann  Raue  oder  Rave, 
einen  begabten,  aber  uns  täten  und  arbeitsunlusti  gen  Schulmann  V 
wohl  aber  durch  den  klugen  und  fleifsigen  Frankfurter  Professor 
Christian  Hendreich  bewirkt,  der  jenem  1668  beigeordnet  und 
1680  sein  Nachfolger  wurde.  Die  Bibliothek  war  in  mehreren 
Nachmittagsstunden  für  die  Besucher  geöffnet;  höhere  Beamte, 
sowie  sonstige  angesessene  und  bekannte  Männer  durften  auch 
gegen  Empfangsscheine  Bücher  in  ihre  Wohnungen  entleihen. 
Noch  gegen  Ende  seiner  Regierung  beschäftigte  sich  Friedrich 
Wilhelm  mit  Plänen  zur  Verschönerung  seiner  Bücherei,  die  er 
darchgehends  in  rotes  Leder  mit  Vergoldungen  einbinden  lassen 
und  in  einem  eigens  dazu  bestimmten  Gebäude  an  der  Ostseite  des 
Lustgartens  aufstellen  wollte.  Der  Tod  hat  die  Ausführung 
dieser  Entwürfe  verhindert. 

Die  Errichtung  der  Bibliothek  hat  auf  das  geistige  Leben 
der  Nation  sehr  anregend  gewirkt.  Gelehrte,  wie  der  Sinologe 
Andreas  Müller,  der  Philologe  Vorstius,  der  Bibliograph  Hend- 
reich, arbeiteten  auf  Grund  der  Materialien,  die  die  kurfürst- 
liche Bücherei  ihnen  darbot. 

Buchdruckerei  und  Buchhandel  nahmen  mit  der  steigenden 

'  J.  Bolte  in  der  Allg.  Deutsch.  Biographie. 


170  Sechstes  Buch. 

Bildung  der  höheren  Klassen  in  Berlin  einen  bemerkenswerten 
Aufschwung.  Es  hatte  dort  seither  zwei  Buchhandlungen  gegeben, 
beide  in  der  Nähe  des  Schlosses:  Reichel  und  Völcker.  Fried- 
rich Wilhelm  hob  ihr  Monopol  auf.  das  die  Preise  der  Bflcher 
auf  eine  unzulässige  Höhe  getrieben  hatte,  indem  er  dem 
Holländer  Jansen  durch  die  ganze  Kurmark,  sowie  dem  Leipziger 
Kirchner  in  der  Residenz  den  Betrieb  des  Buchhandels  gestattete. 
Schrei  aus  Frankfurt  a.  d.  Oder  erhielt  die  Erlaubnis  zur  Er- 
richtung einer  dritten  stehenden  Buchhandlung  in  Berlin,  wo 
auch  1688  Friedrich  Pesenecker  die  erste  Kupferstich-  und  Land- 
kartenhandlung gründen  durfte.  Häufige  Gesuche  um  weitere 
Konzession  von  Buchhandlungen  beweisen,  wie  sehr  das  literarische 
Interesse  der  Hauptstadt  sich  gehoben  hatte.  Selbstverständlich 
erzeugte  der  Zunftgeist  bei  dem  wachsenden  Verdienste  auch 
Streitigkeiten :  Buchhändler,  Buchdrucker  und  Buchbinder  führten 
gegeneinander  Prozesse  über  die  Grenzen  ihrer  Gewerbe.  Zensur 
hat  der  freidenkende  Friedrich  Wilhelm  an  den  Büchern  über- 
haupt nicht  geübt.  Er  begnügte  sich  damit,  die  StreitscbrifteD, 
in  denen  lutherische  Theologen  die  Reformierten  lästerten,  zu 
verbieten.  Erst  als  die  Buchhändler  erklärten,  eine  Aufsicht 
über  grofsenteils  lateinisch  geschriebene  Bücher  nicht  bewirken 
zu  können,  gab  ihnen  der  Kurfürst  auf,  ihren  Lagerkatalog  dem 
Konsistorium  einzureichen  ^ 

Dagegen  war  es  um  das  Zeitungswesen  in  dem  kleinen 
Berlin  noch  recht  übel  bestellt;  es  erschien  dort  nur  ein  Lokal- 
und  Anzeigeblättchen  „Avisen**.  Freilich  wurde  nach  damaliger 
Sitte  in  der  Hauptstadt  eine  handschriftliche  Zeitung  angefertigt 
und  durch  Kopien  vervielfältigt.  Sie  war  aber  offizieller  Natur, 
das  Werk  einiger  hiermit  besonders  beauftragter  Geheimer  Räte 
und  kam  nur  in  die  Hand  der  höchsten  Staatsbeamten. 

Das  öffentliche  Schulwesen  der  Kurmark  hatte  sich  nach 
dem  Dreifsigjährigen  Kriege  in  völligem  Verfalle  befunden*. 
Die  Volksschule  war  fast  ganz  eingegangen  und,  was  an  Knaben- 
schulen noch  vorhanden  war,  in  Lehrern  und  Schülern  verroht 
und  verwildert.    Mädchenschulen  gab  es  kaum;  in  Berlin  wurde 


*  Friedrich  Kapp  in   dem  Archiv  f.  Gesch.  d.  deutschen  Buch- 
handels, VII  (1882),  S.  22  ff. 

*  Ed.  KeUer,    Gesch.    d.   preufs.  Volksschulwesens  (Berlin   1873), 
S.  43.  46  f.  —  Orlich,  Friedr.  Wüh.,  803. 


Neonunddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  171 

die  erste  derartige  Anstalt  1(>70  errichtet,  und  zwar  von  der 
Frau  eines  kurfürstlichen  Kammerlabaien !  Friedrich  Wilhelm 
unternahm  wiederholt  Versuche  zur  Hebung  des  Volksunterrichts. 
Erbefahl,  dafs  nicht  nur  in  den  Städten,  sondern  auch  in  den 
Dörfern  „wohlbestellte  Schulen  angeordnet  würden".  Aufser  den 
lateinischen  Schulen  sollten  „gemeine  deutsche  Knaben-  und 
Mftgdleinschulen"  ins  Leben  treten.  Der  Unterricht  sollte  selbst- 
verstAndlich  konfessionellen,  vorwiegend  kirchlichen  Charakter 
tragen.  Prediger,  Obrigkeiten  und  „einige  Gelehrte*"  hatten  die 
Schulen  zu  überwachen,  auch  mindestens  einmal  im  Monat  zu 
visitieren.  Für  Kleve-Mark  wurde  Ir  Wesel  ein  „Kontubemium'', 
d.  h.  ein  Lehrerseminar,  vorgesehen.  Allein,  da  diese  Vorschriften 
weder  durch  Geldanweisungen  noch  durch  Strafandrohungen 
unterstützt  waren,  hatten  sie  nur  geringen  Erfolg.  Man  mufs 
Oberhaupt  sagen,  dafs  Friedrich  Wilhelm  sich  nach  Art  seiner 
Zeit  um  die  Interessen  der  Massen  wenig  gekümmert  hat.  Wenn 
sie  nur  im  stände  waren,  dem  Staate  und  den  höheren  Klassen 
der  Gesellschaft  ihre  Abgaben  zu  entrichten  und  sich  dabei  dem 
Gesetze  und  der  Kirche  unterwarfen,  hatte  der  Herrscher  für 
sie  keine  weitere  Sorge  zu  tragen. 

Viel  lebhafter  war  die  Aufmerksamkeit  des  Kurfürsten  für 
die  gelehrte  Bildung,  Denn  diese  sollte  dem  Staate  die  Beamten 
und  der  Kirche  die  Diener  des  Wortes  erziehen;  man  konnte 
ihrer  in  einem  geordneten  Gemeinwesen  nicht  entraten.  Fried- 
rich Wilhelm  hatte  für  Berlin  zwei  Gymnasien  vorgefunden :  das 
reformierte  Joachimstaler  und  das  lutherische  Berlinische  zum 
Grauen  Kloster;  beide  waren  während  des  Dreilbigjährigen 
Krieges  ganz  verfallen.  Er  hatte  dann  die  erstere  Anstalt  nach 
Berlin  selbst  verlegt,  unterstellte  sie  der  Aufsicht  der  Vor- 
steher der  reformierten  Gemeinde  und  ordnete  die  Rückgabe 
der  ihr  stiftungsgemäfs  gehörenden,  aber  während  der  Kriegs- 
uunihen  widerrechtlich  entzogenen  Landgüter  und  Ämter  an.  Da 
das  Gymnasium  noch  eines  eigenen  Heims  entbehrte,  überwies 
er  ihm  zunächst  einige  Zimmer  in  seinem  Schlosse,  bis  er  ihm 
1667  ein  Haus  nächst  der  Langen  Brücke,  die  Berlin  und  Colin 
miteinander  verband,  kaufte  und  schenkte.  1682  stiftete  er 
zwei  Freistellen  für  polnische  und  zwei  andere  für  litauische 
Schüler:  so  verstand  er  die  Germanisierung  seiner  fremdsprach- 
lichen   Untertanen,    durch    Wohltaten;    zugleich    wurden    vier 


172  SecluteB  Buch. 

gleiche  Freistellen  an  der  Univei*sität  Frankfurt  a.  d.  Oder  be- 
gründete 

Das  lutherische  Gymnasium  zum  Grauen  Kloster  besafs 
weit  weniger  Einkünfte  als  die  von  dem  Herrscherhause  angelegte 
und  begünstigte  Schwesteranstalt.  Die  Besoldung  der  Lehrer 
war  so  gering,  dafs  sie  darauf  angewiesen  waren,  bei  den  wohl- 
habenden Bürgern  ihre  Mahlzeiten  einzunehmen  —  ein  ent- 
würdigender Zustand,  der  zumal  für  die  Verheirateten  unerträg- 
lich war.  Um  ihm  abzuhelfen,  bewilligte  der  Kurfürst,  wahr- 
scheinlich unter  dem  Einflüsse  seiner  im  Herzen  immer  lutherisch 
gebliebenen  zweiten  Gemahlin,  1682  dem  Gymnasium  aus  der 
Accise  jährlich  500  Taler  (6500  Mark  nach  heutigem  Geldwerte) 
zu  Tischgeldem.  Die  Anstalt  besafs  neun  ordentliche  Lehrer. 
Ihre  Schülerzahl  war  viel  grftfser  als  bei  dem  Gymnasium 
reformierten  Bekenntnisses:  sie  belief  sich  1656  schon  auf  400. 
Friedrich  Wilhelm  erneute  für  die  Bedürftigen  unter  ihnen 
die  Stipendien  mit  200  Talern  (2600  Mark  nach  heutigem  Geld- 
werte) im  Jahre.  Zwischen  den  Zöglingen  vom  Grauen  Kloster 
und  den  „Kalvinem"  von  Joachimstal  herrschte  überlieferte 
Feindschaft;  es  kam  zu  häufigen  Prügeleien,  bei  deren  einer 
sogar,  1684,  einem  Schüler  die  linke  Hand  durchhauen  wurde. 

Der  Schulplan  beruhte  ganz  auf  den  alten  scholastischen 
Überlieferungen.  Der  Sprachunterricht  erstreckte  sich  also  ledig- 
lich auf  Lateinisch  und  Griechisch ;  nicht  nur  die  fremden  lebenden 
Sprachen  blieben  ausgeschlossen,  sondern  auch  die  Muttersprache. 
Man  trieb  eifrig  „Philosophie*",  d.  h.  formale  Logik  und  Disputier- 
übungen, wobei  es  nicht  auf  Erweiterung  der  Erkenntnis,  sondern 
nur  auf  Gewandtheit  in  Rede  und  Diskussion  abgesehen  war. 
Der  Religionsunterricht  lief  auf  die  Dogmatik  hinaus  und  auf 
Übung  des  Kirchengesanges.  So  erzog  man  freilich  in  Herz 
und  Geist  gleich  beschränkte  Pedanten!  Daran  änderten  auch 
die  häufigen  Visitationen  nichts,  die  Friedrich  Wilhelm  in  den 
Schulen  anstellen  liefs ;  denn  die  Yisitatoren  hatten  ebenso  ver- 
kehrte pädagogische  Ansichten  wie  diejenigen,  die  von  ihnen 
beaufsichtigt  wurden.  Doch  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dafs 
der  treffliche  Rektor  Gottfried  Weber,  der  seit  1668  dreifsig 
Jahre  lang  sein  Amt  verwaltete,  wenigstens  die  Anfänge  zum 


>  Mylius,  VI,  I  899.  —  Nicolai,  II,  729 f.  —  König,  U,  221.  — 
Orlich,  a.  a.  0.,  309  f. 


Neimonddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  173 

Stadium  der  Naturlehre  schuf,  auch  die  deutsche  Sprache  einiger- 
mafsen  berttcksichtigte  und  in  ihr  Aufsätze  anfertigen  liefst 

Eine  Schöpfung  recht  nach  dem  Herzen  des  Kurfürsten  war 
das  neue  Gymnasium,  das  er  1681  in  dem  von  ihm  begründeten 
Stadtteile  Friedrichswerder  anlegte  und  mit  teils  landesherrlichen, 
teils  städtischen  Fonds  ausstattete.  Es  wurde  von  vornherein 
als  ein  simultanes,  den  beiden  evangelischen  Bekenntnissen 
gemeinsames  betrachtet;  die  Lehrerstellen  sollten  nicht  etwa 
alternierend  nach  der  Konfession,  sondern  ohne  Rücksicht  auf 
diese  besetzt  werden.  Der  erste  Rektor  war  der  schweizerische 
Reformierte  Gabriel  ZoUikofer,  ein  lebendes  Zeugnis  von  Fried- 
rich Wilhelms  stetem  Streben,  tüchtige  und  verdiente  Ausländer 
in  seine  Staaten  zu  ziehen.  Die  Anstalt  wurde  in  die  oberen 
Räume  des  Werderschen  Rathauses  verlegt^. 

Im  Herzogtum  Preufsen  gab  es  an  gelehrten  Schulen  seit 
dem  Jahre  1588  drei  „Fürstenschulen":  die  eine  in  Saalfeld, 
fOr  die  deutsche  Jugend,  mit  einem  Rektor  und  fünf  ordent- 
lichen Lehrern;  die  zweite  in  Lyck,  für  die  polnische  Jugend; 
die  dritte  in  Tilsit,  für  die  litauische  Jugend ,  gleichfalls  mit 
einem  Rektor  und  fünf  „Kollegen".  Merkwürdigerweise  war 
gerade  das  deutsche  Gymnasium  in  Verfall.  Ein  Beweis,  dafs 
damals  das  litauische  und  ganz  besonders  das  polnische  Element 
in  Ostpreufsen  eine  viel  gröfsere  Rolle  spielte  als  heutzutage^. 

Wie  grofs  endlich  das  Interesse  des  Kurfürsten  für  die 
Universitäten  war,  hatte  er  schon  durch  die  Gründung  der 
Hochschule  zu  Duisburg  erwiesen.  Er  erklärte  noch  1684  von 
der  Frankfurter  Universität:  „Ich  habe  auch  eine  Universität 
in  meinem  Lande  und  halte  sie  für  ein  grofses  Kleinod;  sie  ist 
mir  sehr  lieb."  ^  Er  hat  tatsächlich  diesen  Anstalten  immer  von 
neuem  seine  Sorgfalt  zugewendet.  Allein  Mafsgebendes,  Schöpfe- 
risches hat  er  für  die  Universitäten  ebensowenig  wie  überhaupt 
fOr  das  Schulwesen  geleistet.  Dazu  wurden  die  Spannkraft  seines 
Geistes   und   seine  dauernde   Beschäftigung  zu   sehr   von    den 


>  Bellermann,  Das  Graue  Kloster  in  Berlin,  III  (1825),  S.  29ff.  — 
König,  n,  205.  422. 

*  Nicolai,  11,  741.  —  Erman  u.  Reclam,  HI,  290f. 

*  Ms.  Herzog  von  Croy,  Diarium  Prussiae  1670— 1672  (Berlin,  Geh* 
Staatsarchiv,  Rep.  XCH,  Croy,  186)  Vol.  I  S.  104. 

*  Varren trapp,  Der  Grofee  Kurf.  u.  die  Universitäten  (Strafsburg 
1B94),  S.  22. 


174  Secbstea  Buch. 

scliweren    Aufgaben    der   inneren   Einigung   und    der   äurseren 
Machtentwicklung  seines  Staates  in  Anspruch  genommen. 

Die  Art,  wie  er  die  Freiheit  der  Universitäten  behandelte, 
ist  dagegen  für  die  preufsische  Verwaltung  auf  diesem  Gebiete 
mafsgebend  geworden;  er  hat  sich  zu  verschiedenen  Malen 
darüber  erklärt.  Die  Fakultäten  hatten  bisher  als  selbständige, 
auch  mit  eigenen  Mitteln  ausgerüstete  Korporationen  das  Recht 
der  Wiederbesetzung  der  vakanten  Lehrstühle  besessen.  Hatte 
solches  schon  Georg  Wilhelm  tatsächlich  dadurch  beschränkt, 
dafs  er  dann  und  wann  einen  Schützling  der  Fakultät  nempfahl**, 
so  hat  Friedrich  Wilhelm  hier  wie  allerorten  die  landesherrliche 
Gewalt  auch  gegen  das  geltende  Recht  erweitert.  Er  beliefs 
den  Fakultäten,  zumal  der  juristischen,  nur  die  Befugnis  des 
Vorschlags  zur  Besetzung  der  ordentlichen  Professuren,  aber  er 
legte  sich  das  Recht  der  Entscheidung,  sowie  der  unmittelbaren 
Ernennung  solcher  Personen  bei,  die  ihm  als  besonders  tüchtig 
erschienen.  Auch  forderte  er  bei  den  Vorschlägen  die  Nennung 
mehrerer  Kandidaten,  damit  er  die  Wahl  zwischen  solchen  besitzet 
Übrigens  griff  er  hier  mahnend  und  bessernd  ein,  wie  allerorten 
in  die  gründlich  verhunzten  und  verlotterten  Verhältnisse  seines 
Landes. 

Die  wichtigste  seiner  drei  Universitäten  war  für  ihn  die 
kurmärkische,  zu  Frankfurt  a.  d.  Oder^.  Er  widmete  ihr  fort- 
gesetzt bedeutende  Geldmittel  —  zu  zweien  Malen  40000  Taler — , 
um  die  Gehälter  der  Professoren  zu  erhöhen,  die  Bibliothek  zu 
bereichern  und  hoffnungsvolle  Jünglinge  in  ihren  Studien  zu 
unterstützen.  Die  medizinische  Fakultät  zählte  1666  nur  zwei 
Professoren,  die  ihrem  Lehramte  sehr  nachlässig  oblagen,  gar 
keine  klinischen  Übungen  hielten  und  in  sechsundzwanzig  Jahren 
nicht  mehr  als  sieben  Doktoren  examiniert  hatten.  Der  Kur- 
fürst sprach  ihnen  deshalb  im  November  1666  einen  scharfen 
Tadel  aus.  Indessen  gebessert  wurde  die  Sachlage  erst  1680 
durch  Berufung  des  Professors  Albinus,  der  in  Holland  studiert 
hatte  und  durch  den    berühmten   Boerhave   lebhaft   empfohlen 


^  Ebendas.  8. 20. 88.  —  B  o  rn  h  ak ,  Gresch.  d.  preufs.  Univ.- Vorwaltung 
bis  1810  (Berlin  1900),  S.  19  ff. 

•  C.  R.  Hausen,  Gesch.  der  Univers.  u.  Stadt  Frankfurt  a.  d.  0. 
(das.  1800),  passim.  —  Varrentrapp,  18.  —  Bornhak,  81.  87 f.  —  Erman 
u.  lieclam.  III,  287. 


Neununddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  175 

wurde;  er  errichtete  in  Frankfurt  ein  anatomisches  Theater. 
Die  Gehälter  der  philosophischen  Professoren  waren  sehr  niedrige ; 
iofolgedessen  hielten  sie  keine  öffentlichen  Vorlesungen,  sondern 
veranstalteten  nur  gegen  Bezahlung  Privatvortrftge.  Der  Kur- 
fürst half  diesem  Übelstande  durch  Erhöhung  der  Gehälter  ab 
und  befreite  überdies  die  Professoren  von  der  Accise.  Dann 
stiftete  er  einen  Fonds  für  die  Universitätsbibliothek  und  jähr- 
lich 1000  Taler  für  neun  in  Frankfurt  studierende  Kurmärker. 
Seine  hochherzige  und  freisinnige  Art  zeigte  sich  auch  darin, 
dafs  er  1678  zwei  polnischen  Juden  die  Erlaubnis  zum  Studium 
m  Frankfurt  erteilte,  allerdings  unter  dem  Verbote  religiöser 
Propaganda. 

Die  Universität  Königsberg,  die  in  dem  Sonderdasein  des 
Herzogtums  Preufsen  ihren  fruchtbaren  Nährboden  fand,  besafs 
ein  kräftiges  Eigenleben;  Friedrich  Wilhelm  hat  sie  dadurch 
unterstützt,  dafs  er  ihr  1657  zur  Herstellung  ihrer  Baulichkeiten 
sowie  zur  Verbesserung  der  Professorengehälter  alle  aus  Be- 
leifligungs-  sowie  Duellprozessen  erfliefsenden  Strafgelder  über- 
wies, später  noch  mancherlei  andere  materiellen  Vorteile  zuwandte. 
16<)5  betrug  die  Besoldung  aller  Professoren  3229  Taler  (gleich 
45000  Mark  heutigen  Geldwertes);  der  Durchschnittsgehalt  eines 
ordentlichen  Professors  belief  sich  auf  178  Taler  (gleich  2400 
Mark  im  Verhältnis),  stand  also  nur  dem  eines  Stadtschullehrers 
der  Gegenwart  gleich.  Doch  erhöhte  er  sich  durch  mancherlei 
Naturalbezüge  und  Honorare.  Da  eine  Visitation  der  Universität 
1H72  mancherlei  aus  Geldmangel  erfliefsende  Unzuträglichkeiten 
aufwies,  übertrug  ihr  der  Kurfürst  am  18.  März  neue  Einkünfte. 
Die  Zahl  der  Professoren  betrug  im  Jahre  1(570  sechzehn  ordent- 
liche und  fünf  aufserordentliche  —  Privatdozenten  gab  es  noch 
keine.  Die  theologische  Fakultät  besafs  zwei  ordentliche,  einen 
aufserordentlichen,  die  juristische  zwei  ordentliche,  drei  aufser- 
ordentliche Lehrer.  Von  den  fünf  ordentlichen  und  einem  aufser- 
ordentlichen Professoren  der  medizinischen  Fakultät  dozierte  je 
einer  Chirurgie,  Botanik,  Mathematik;  von  den  sieben  ordent- 
lichen der  philosophischen  Fakultät  je  einer  Poesie,  Beredsam- 
keit. Hebräisch,  Griechisch,  Logik  und  Metaphysik,  Moral,  Ge- 
schichte —  von  einem  Professor  des  Lateinischen  ist  nicht  die 
Kede.  An  der  Spitze  der  Universität  standen  ein  Senat  von  drei- 
zehn Mitgliedern  und  ein  Rektor,  dessen  Amt  halbjährlich  wechselte. 
Leider  mufste  die  Regierung  die  Professoren  zur  gewissenhaften 


176  Sechstes  Buch. 

Erfüllung  ihrer  Pflichten  anhalten,  indem  sie  die  Säumigen  mit 
Abzügen  vom  Gehalt  bedrohtet  Den  Unregelmäfsigkeiten  in 
der  Stipendienverteilung  half  gleichfalls  Friedrich  Wilhelm  1681 
durch  Einsetzung  einer  Stipendienkonunission  ab'.  Man  sieht, 
wie  notwendig  bei  der  Pflichtlosigkeit  und  Lotterei  jener  traurigen 
Zeit  an  allen  Orten  eine  starke  und  eifrige  Regierungsgewalt  war. 
Die  Duisburger  Hochschule  sollte  nach  des  Kurfürsten  Ab- 
sicht ein  Bollwerk  des  reformierten  Bekenntnisses  und  des 
brandenburgischen  Ansehens  im  Nordwesten  des  Reiches  werden  ^. 
Allein  sie  krankte  an  der  Dürftigkeit  der  ihr  gewährten  Mittel, 
die  mit  den  glänzenden  Lehranstalten  der  benachbarten  Jesuiten- 
kollegien in  schreiendem  Gegensatze  standen.  Ja,  selbst  die 
3—4000  Taler,  die  der  Kurfürst  jährlich  der  Universität  bestimmt 
hatte,  kamen  während  des  französischen  Krieges  nicht  ein.  Die 
Professoren,  die  keine  Gehälter  erhielten,  steckten  in  Schulden, 
Bibliothek,  botanischer  Garten,  alle  Institute  verfielen,  „zu 
Lachen  und  Freude  der  umliegenden  widrigen  Religionsver- 
wandten "*.  Erst  nach  dem  Frieden  von  St.  Germain  kamen  die 
Duisburger  Angelegenheiten  wieder  einigermafsen  in  das  gehörige 
Fahrwasser.  Aber  immerhin  blieb  die  Zahl  der  Professoren  auf 
sechs  bis  neun  beschränkt  und  ihr  Gehalt  auf  100  (!)  bis  350 
Taler.  So  wenig  man  die  damaligen  Universitätsbedürfnisae  mit 
den  heutigen  vergleichen  darf,  war  doch  die  Zahl  der  Dozenten 
so  gering  und  ihre  Entlohnung  so  dürftig,  dafs  man  an  die 
Berufung  hervorragender  Gelehrter  nicht  denken  konnte.  Die 
Menge  der  Zuhörer  nahm  denn  auch  nach  verheifsungsvollem 
Beginne  immer  mehr  ab.  In  den  ersten  zehn  Jahren  hatten 
durchschnittlich  im  Jahre  62  neue  Inmiatrikulationen  statt- 
gefunden, allein  bei  der  kläglichen  Beschaffenheit  der  Lehrer 
und  der  Lehrmittel  sank  sie  1672/73  auf  16,  1678/79  gar  auf 
10  herab.  Nach  der  Reorganisation  gab  es  1682/83  wieder 
53  Immatrikulierte,  aber  bald  wurden  ihrer  wieder  von  Jahr  zu 
Jahr  weniger.    In  den  Listen   dieser  Miniaturuniversität  finden 


*  Ms.  Herzog  von  Groy,  Diarium  Pruaaiae,  1670— 1672  (Berlin,  Geh. 
StaatBarchiv,  Rep.  XCn,  Croy,  186),  Vol.  I  p.  62,  II,  536,  IV,  304.  430. 

'  D.  H.  Arnoldt,  Ausführliche  Historie  der  Königsberg.  Univers. 
(das.  1746),  I,  82  ff.,  II,  Beil.  Nr.  2. 

*  Th.  V.  Mörner,  Die  Ünivers.  Duisburg,  vomehml.  z.  Zeit  ihres 
Stifters  (Zeilschr.  f.  preufs.  Gesch.,  V  [1868],  8.  552ff.).  —  Varrentrapp, 
21.  37. 


Neununddreiffligstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  177 

Bich  Bremer,  Hamburger,  einige  sonstige  Norddeutsche,  dann 
Schweizer  und  besoiiders  Holländer.  Wenigstens  vor  der,  den 
Gelehrten  damals  eigenen  Streit-  und  Verket^erungssucht  bemQhte 
sich  der  Kurfürst  seine  Duisburger  Professoren  zu  bewahren. 
Er  erklärte  ihnen  im  Jahre  1683:  er  wolle  die  Korporation  bei 
den  ihr  verliehenen  Rechten  schützen,  aber  ermahne  sie  auch, 
,10  guter  Friedfertigkeit  zu  leben  und  nicht  durch  unnützes 
Gezänk  den  umliegenden  Papisten  Anlafs  zu  geben,  sich  darüber 
zu  kitzeln  **. 

Die  Lösung  der  Universitäten  vom  Konfessionalismus,  die 
Eröffnung  der  freien  Forschung  und  der  freien  Lehre  seit  dem 
Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  haben  die  Universitäten  erst 
zu  den  Lehrmeisterinnen  Deutschlands,  zu  den  Führerinnen  der 
gesamten  geistigen  Bewegung  unserer  Nation  gemacht,  was  sie 
in  den  übrigen  Ländern  nicht  zu  werden  vermochten.  Friedrich 
Wilhelm  iiat  infolge  mannigfacher  Sorgen  und  beschränkter 
Mittel  aus  seinen  Hochschulen  solche  vorbildlichen  Anstalten 
nicht  zu  schaffen  vermocht ;  aber  soviel  wie  möglich  hat  er  ihnen 
den  Charakter  der  Freiheit  und  des  reinen  wissenschaftlichen 
Strebens  aufzuprägen  versucht.  Da  trat  an  ihn  ein  Plan  heran, 
der  so  recht  seinem  hochfliegenden,  auf  alles  Grofse  und  Glänzende 
gerichteten  Geiste  entsprach. 

Ein  schwedischer  Senator  Benedikt  Skytte,  ein  feingebildeter 
Mann,  in  dessen  Familie  die  Beschäftigung  mit  den  Wissenschaften 
erblich  war,  nahm  einen  schon  von  dem  grofsen  Baco  von  Verulam  und 
von  Comenius  verkündeten  Gedanken  auf:  es  solle  eine  Universal- 
universität begründet  werden,  an  der  die  bedeutendsten  Gelehrten 
aller  Länder  und  aller  Konfessionen  —  auch  der  nichtchrist- 
lichen —  frei  lehren  und  durch  auskömmliche  Besoldungen  in 
den  Stand  gesetzt  würden,  ohne  jede  Einschränkung  ihren  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  nachzugehen.  Die  Ausführung  dieses  wunder- 
baren Planes  glaubte  Skytte  keinem  anderen  Fürsten  als  dem 
aufstrebenden  und  kirchlich  duldsamen  Friedrich  Wilhelm  von 
Brandenburg  anvertrauen  zu  dürfen.  Und  er  hatte  mit  seinem 
Vorschlage  zunächst  Erfolg.  Es  war  das  Jahr  1666,  wo  der  Kur- 
fürst zum  ersten  Male  eine  hervorragende,  wahrhaft  ausschlag- 
gebende Stellung  in  Europa  einnahm.  Sein  Selbstbewurstsein,  seine 
Tat-  und  Schaffenskraft  entfalteten  sich  freudig.  So  schenkte  er 
den  nüchternen  Bedenken  seines  mit  der  Untersuchung  von 
Skyttes  Eingabe  betrauten  Geheimrats  von  Bonin  keine  Rück- 

Philippaon,  Der  Orofae  KurfOrtt.    III.  12 


178  Sechstes  Buch. 

sieht,  fertigte  vielmehr  im  April  1667  den  Stiftungsbrief  der  neuen 
Universaluniversität  aus ,  der  Universitas  Brandenburgica 
gentium  scientiarum  et  artium.  Alle  Freunde  der  Wissenschaft 
und  der  Künste,  alle  die  aus  politischen  oder  religiösen  Gründen 
Verfolgten  wurden  aufgefordert,  sich  in  den  brandenburgischen 
Landen  niederzulassen,  wo  ihnen  beträchtliche  Vorrechte  sowie 
die  freie  Verwertung  ihrer  Kenntnisse  und  Fähigkeiten  zugesichert 
wurden;  die  hervorragendsten  unter  ihnen  sollten  als  Professoren 
mit  gutem  Gehalte  förmliche  Anstellung  erlangen.  Ein  unver- 
gänglicher Ruhm  wird  es  für  Friedrich  Wilhelm  bleiben,  dafs 
er  in  jener  Zeit  des  Glaubenshasses  und  der  Glaubensverfolgung 
nicht  nur  Christen  aller  Bekenntnisse,  sondern  auch  Juden, 
Mohammedaner  und  überhaupt  NichtChristen  tadellosen  Wandels 
gleichfalls  einlud.  Der  Sitz  dieser  grofsen  Akademie  sollte 
Tangermünde  werden,  wo  das  alte  kurfürstliche  Schlofs  freistand 
und  schon  15000  Taler  zum  Bau  von  Wohnhäusern  für  die  Ge- 
lehrten angewiesen  wurden.  Der  Kurfürst  wollte  die  benach- 
barten Herrscher  ersuchen,  dieser  Stadt  immerwährende  Neutra- 
lität zuzusicliern. 

Aber  weder  die  Kräfte  Brandenburgs  noch  die  Zeitumstände 
waren  dazu  angetan,  den  grofsartigen  Plan  zu  verwirklichen. 
Bald  brachen  die  gewaltigen  von  Frankreich  veranlafsten  Kriege 
aus,  die  des  Kurfürsten  Aufmerksamkeit  und  Geldmittel  in 
vollem  Mafse  in  Anspruch  nahmen.  Als  die  königliche  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  in  London  dem  brandenburgischen 
Gesandten  ihre  Mitwirkung  zur  Ausführung  des  schönen  Pro- 
jektes anbot,  hatte  der  Kurfürst  solches  schon  aufgeben,  Skytte 
mit  einem  Geschenk  fortsenden  müssen.  So  blieb  von  dem 
ganzen  Gedanken  nur  die  eine  Tatsache  übrig,  dafs  er  die 
begeisterte  Zustimmung  jenes  grofsen,  wahrhaft  universellen 
Fürsten  gefunden  hattet 

Wenn  die  Gelehrsamkeit  in  dem  damaligen  Brandenburg 
allmählich  aus  dem  tiefen  Schlummer  des  Banausentums  und 
pedantischer  Befangenheit  erwachte,  so  war  es  mit  der  Dicht- 
kunst in  dem  ohnehin  nüchtern  unpoetischen  Lande  um 
so   kläglicher   bestellt.    Aufser   dem  Kirchenliede   ertönte    nur 


^  Er  man,  Sur  le  projet  d'ime  ville  savante  dans  le  Brandebourg 
(Berlin  1790).  —  Erman  u.  Eeclam,  III,  293ff.  —  U.  u.  A.,  XII,  665ff.  — 
Landwehr,  845 ff. 


i 


Neununddreifaigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  179 

.Nicolaus  Peuckers,  des  berühmten  CöUnischen  Poeten,  Paucke 
von  hundert  sinnreichen  Scherzgedichten **.  Der  wackere  Kamnier- 
gericbtsadvokat  bedichtete,  was  ihm  unter  die  Hände  kam; 
besonders  ertönte  seine  Leier  in  komisch  feierlichen  Tönen, 
wenn  es  galt,  ein  Ereignis  in  der  Familie  Sr.  Kurfürstlichen 
Durchlaucht  zu  verherrlichen.  Die  war  auch  dem  „Dichter" 
sehr  freundlich  gewogen  und  erliefs  ihm  1673  gnädigst  die  Geld- 
bufse  von  zehn  Talern,  die  sich  der  poetische  „Paucker**  durch 
einen  satirischen  Trommelschlag  gegen  ein  Berliner  Ehepaar 
zugezogen  hatte.  Den  weit  bedeutenderen  Simon  Dach  in  Königs- 
berg hatte,  noch  kurz  vor  dessen  vorzeitigem  Hinscheiden,  der 
gütige  und  für  geistiges  Schaffen  lebhaft  interessierte  Kurfürst 
durch  das  Geschenk  eines  Landgütchens  erfreut.  Trotz  seiner 
Mittellosigkeit  hat  sich  Friedrich  Wilhelm  stets  eine  Freude 
daraus  gemacht,  alles  und  alle  zu  unterstützen,  was  und  wer 
zur  intellektuellen  Hebung  seines  Volkes  beizutragen  vermochte. 

Auch  eine  Kapelle  hielt  er  sich,  zu  der  er  aus  dem  Aus- 
lande, besonders  Italien,  Sänger  und  Musiker  berief.  Der  Geld- 
mangel zog  hier  freilich  enge  Grenzen,  denn  bedeutende  Künstler 
liefsen  sich  schon  damals  teuer  bezahlen.  Immerhin  gab  es  am 
Berliner  Hofe  sowohl  „Hoftrompeter"  wie  Instrumentalvirtuosen. 
Der  Kurfürst  selber  liebte  aufser  der  geistlichen  besonders 
Kriegs-  und  Jagdmusik,  hörte  aber  bisweilen  auch  Kammermusik. 
Als  der  erste  Klavicinist  Ludwigs  XIV.,  Andr6  de  Chambonni^res, 
der  bedeutendste  Klavierspieler  seiner  Zeit,  der  Stellung  in 
Versailles  überdrüssig  wurde,  konnten  seine  Freunde  daran 
denken,  ihn  dem  brandenburgischen  Hofe  zu  empfehlen.  Fried- 
rich Wilhelm  war  in  der  Tat  bemüht,  auch  im  eigenen  Lande 
die  Tonkunst  heimisch  zu  machen.  So  sandte  er  den  jungen 
märkischen  Musiker  Helwig,  auch  mehrere  Mitglieder  seiner 
Kapelle  zu  ihrer  weiteren  Ausbildung  in  die  Fremde,  mit  einer 
jährlichen,  recht  beträchtlichen  Unterstützung  ^ 

Der  Tanz  blieb  gleichfalls  nicht  ohne  Pflege.  Bei  aufser- 
ordentlichen  Gelegenheiten  wurden  am  Hofe  Ballets  aufgeführt, 
bei  denen  die  adligen  Herren  und  Damen,  in  Ermangelung  von 
Berufskünstlern,  zahlreich  mitwirkten. 

Die  hauptsächlichste  Teilnahme  des  Kurfürsten  aber  galt 
von  Jugend  auf  den  bildenden  Künsten.     Als  ihren  Beschützer, 


^  Thouret  im  Hohenzollernjahrb.  1906,   194.  —  König,  11,  449 f. 

12* 


180  Sechstes  Buch. 

als  einen  Herrscher,  der  durch  sie  vor  allem  den  Ruhm  zu  ^ 
erlangen  wünscht,  hat  er  sich  von  dem  Ostpreufsen  Willmann 
im  Königsberger  Schlosse  bildlich  darstellen  lassen.  Im  Vorder* 
gründe  des  Interesses  stand  ihm  die  Malerei.  Die  niederländische 
„Schilderei"  beherrschte  damals  die  Welt,  und  Friedrich  Wilhelm 
huldigte  gerade  ihr  um  so  lieber,  je  vertrauter  sie  ihm  durch 
seinen  Aufenthalt  in  ihrer  Heimat  geworden  war  ^  Freilich,  er 
hat  es  nicht  vermocht,  diese  Kunst  nach  der  Mark  zu  ver- 
pflanzen. Der  märkische  Sand  ist  immer  der  Kunst  gegenüber 
noch  spröder  gewesen  als  der  Dichtung;  in  jenen  rauhen  und 
geistig  wie  materiell  armseligen  Zeiten  nach  dem  Dreifsigjährigen 
Kriege  war  vollends  dort  für  sie  keine  Stätte.  Der  Kurfürst 
mufste  sich  damit  begnügen,  die  Werke  fremder,  zumal  nieder- 
ländischer Maler  und  Bildhauer  für  seine  Residenzen  zu  kaufen, 
soweit  seine  magere  Kasse  ihm  das  gestattete,  also  auch  hier 
mit  Verzicht  auf  Kräfte  und  Schöpfungen  ersten  Ranges.  Einige 
Künstler  zog  er  persönlich  nach  Berlin:  so  vor  allen  Hendryk 
de  Fromantiou,  des  berühmten  Philipp  Wouverman  Schwieger- 
sohn, der  während  der  zweiten  Hälfte  seiner  Regierung  sein 
künstlerischer  Berater  geworden  ist.  Er  sandte  ihn  vielfach  auf 
Reisen,  um  Gemälde  für  ihn  zu  erwerben ;  selbstverständlich  fiel 
der  Herrscher  dabei  bisweilen  der  gewissenlosen  Habgier  der 
Kunsthändler  zum  Opfer,  die  ihm  besonders  mit  dem  Namen 
der  grofsen  Italiener  gefälschte  Bilder  anhingen.  Nach  dem 
Tode  seines  Porträtisten  Willem  van  Honthorst  (s.  T.  I  S.  429), 
im  Jahre  1666,  berief  Friedrich  Wilhelm  noch  die  Niederländer 
Niklas  Willing,  Jakob  und  Andreas  Vaillant,  Rütger  van  Langer- 
veld  und  Adam  de  Klerck  nach  Berlin,  die  nicht  nur  seine  und 
seiner  Familie  offizielle  Bildnisse  herstellen  sondern  auch  die 
Decken  seiner  Schlösser  mit  Schildereien,  zumal  allegorischer 
Natur  y  schmücken  mufsten.  Tüchtiger  waren  die  in  den  kur- 
fürstlichen Schlössern  wirkenden  Maler  des  Stilllebens  —  für 
das  Friedrich  Wilhelm  eine  besondere  Neigung  gehegt  zu  haben 
scheint  —  wie  van  Royen,  Ottomar  Elliger  und  besonders  der 
schon  erwähnte  Fromantiou,  ein  geborener  Mastrichter,  der 
seit  1670  als  Hofmaler  mit  600  Talern  (gleich  verbal tnismäTsig 


^  Da49  Folgende  hauptsächlicb  nach  P.  Seidel,  Die  Beziehungen 
des  Grofs.  Kurf.  z.  Niederl.  Kunst;  Jahrb.  d.  Kgl.  Preufa  Kunstsamm- 
lungen, XI  (Berlin  1890),  llOff.  —  Vgl.  Erman  u.  Beclam,  lY,  286 f. 


NeununddreÜBigstes  Kapitel.    Geeist  und  Sitte.  181 

8000  Mark)  Gehalt  angestellt  war.  PJr  diente  auch  als  Restau- 
rator schadhaft  gewordener  Gemälde.  Die  besten  Bildnisse 
Friedrich  Wilhelms,  die  von  Pieter  Nason  und  Johan  Myrtens 
berrOhren,  stammen  aus  seinen  verschiedenen  Besuchen  in  den 
Niederlanden. 

Auch  holländische  Bildhauer  arbeiteten  für  ihn :  nach  Frans 
Dusard  (T.  I  S.  427 — 429)  besonders  Bartholomäus  Eggers,  der 
zumal  die  Standsäulen  von  Kaisern  und  Kaiserinnen  sowie  der 
Kurfürsten  aus  dem  Hause  HohenzoUern  herzustellen  hatte. 
Jede  dieser  Statuen  war  sechs  Fufs  hoch,  aus  bestem  italienischen 
Marmor  und  wurde  mit  700  Talern  (etwas  über  9000  Mark  nach 
heutigem  Geldwerte)  bezahlt. 

Französische  Künstler  gingen  ebenfalls  bei  den  artistischen 
Bestrebungen  des  Grofsen  Kurfürsten  nicht  ganz  leer  aus.  Er 
beschäftigte  besonders  den  Reformierten  Abraham  Romandon, 
einen  eleganten  und  feinfühligen  Porträtmaler,  den  er  nach 
Berlin  zog.  Auch  die  geschickten  Emailmaler  Jean-Pierre  und 
Ami  Huaut  kamen  als  Flüchtlinge  dorthin  und  erhielten  von 
dem  greisen  Herrscher  eine  Pension   von  zweihundert  Talern. 

Friedrich  Wilhelm  hielt  darauf,  seine  Schlofsbauten  mit 
prächtigem  künstlerischen  Schmuck  zu  versehen.  Der  Haupt- 
raum des  Potsdamer  Stadtschlosses,  der  Marmorsaal,  nach  dem 
Lustgarten  zu,  zeigte  an  der  langen  Rückwand  zwei  mächtige 
allegorische  Schilderungen,  die  dem  Pinsel  eines  bekannten 
Rubensschülers,  Theodor  van  Thulden,  entstammten  und  rechts 
die  Geburt  des  Kurprinzen  Friedrich,  links  den  Frieden  von 
St.  Germain  darstellten.  Die  Querwände  wiesen  den  „Triumph 
des  Grofsen  Kurfürsten"  von  Leygebe  und  Jakob  Vaillant  auf. 
Ad  Statuen  enthielt  der  Saal  lebensgrofse  Figuren  der  vier 
ersten  oranischen  Generalstatthalter  von  der  Hand  Dussards, 
prächtige,  naturwahre  Gestalten. 

Wesentlich  grofsartiger  war  auf  dem  Berliner  Schlosse  der 
Alabastersaal  gedacht,  den  der  Kurfürst  in  eine  Art  hohen- 
zollemscher  Ruhmeshalle  zu  verwandeln  beschlossen  hatte. 
Michael  Mathias  Schmid  und  der  berühmte  Amold  Nering  haben 
ihn  erbaut;  ihm  galten  die  Statuen  der  Kaiser  und  Kaiserinnen 
sowie  der  elf  hohenzoUemschen  Kurfürsten,  die  Eggers  zu  fertigen 
hatte:  die  Fürsten  als  gepanzerte  Krieger.  Sechs  Hochreliefs 
an  den  Wänden,  von  Joachim  van  Sandrart,  einem  Schüler 
Gerhart  Honthorsts,   verherrlichten    Friedrich   Wilhelm   selbst, 


182  Sechstes  Buch. 

indem  sie  seine  Erziehung  durch  die  des  grofsen  Alexander  ver- 
sinnbildlichten, ihn  als  Feldherm  in  antikem  Kostüm,  als  Friedens- 
fürsten unter  den  Zügen  Marc  Aureis ,  als  Freund  der  Künste 
in  der  Gestalt  des  Kaisers  Augustus  zeigten,  die  Befestigung 
Berlins  und  den  Beginn  der  Hoheuzollernherrschaft  in  der  Mark 
darstellten  *. 

Der  einzige  Baumeister,  der  unter  Friedrich  Wilhelm  den 
Ruhm  eines  bedeutenden  Künstlers  verdient,  ist  jener  Johann 
Arnold  Nering,  der  an  dem  Alabastersaal  mitarbeitete,  der 
würdige  Vorgänger  des  genialen  Schlüter '.  Er  war  wahrschein- 
lich ein  geborener  Brandenburger  —  nicht  ein  Niederländer, 
wie  man  früher  ohne  genügenden  Grund  angenommen  hat  — 
da  der  Kurfürst  ihn  fünf  Jahre  lang  mit  dem  beträchtlichen 
Stipendium  von  zwei-  bis  dreihundert  Talern  (2600—3900  Mark) 
jährlich  Mathematik,  Bau-  und  Befestigungskunst  im  Auslande 
hatte  erlernen  lassen  (1676 — 1681).  Danach  mag  das  Geburts- 
jahr Nerings  auf  etwa  1655  angesetzt  werden.  Er  führte  die 
italienische  Benaissance  in  die  Kurmark  ein  und  hat  diese 
Stilart  in  der  Fassade  des  Flügels  des  Berliner  Schlosses  an 
der  Wasserseite,  der  noch  heute  steht,  in  spröder  Schönheit 
verwendet.  Auch  das  kräftig  und  doch  reich  gegliederte,  mit 
vielem  bildhauerischen  Schmuck  versehene  ehemalige  Leipziger 
Tor  —  der  Abschlufs  der  von  dem  Grofsen  Kurfürsten  begonnenen 
und  vollendeten  Befestigung  Berlins  —  war  ein  das  Genie 
Nerings  bezeugendes,  für  seine  Nachfolger  vorbildlich  gewordenes 
Bauwerk.  Des  geistvollen  Künstlers  weiteres  Schaffen  fällt  unter 
die  Regierung  Friedrichs  III.  So  hat  Friedrich  Wilhelm  auch 
den  Aufschwung  der  Baukunst  in  der  Kurmark  hervorgerufen. 
Die  Schlütersche  Periode  ist  nicht  unter  seinem  Sohne  ent- 
standen; er  selber  hatte  sie  begründet. 

Als  erster  unter  den  Hohenzollern  begründete  er  eine  Bilder- 
sammlung, seit  dem  Jahre  1665^.  Er  liefs  für  sie  durch 
Bomandon  in  Italien  Kopien  der  berühmtesten  Gemälde  der 
dortigen   alten  Meister  anfertigen.    Er  war  tatsächlich  in  den 


^  H.  Galland,  Der  Grofse  Kurf.  u.  Moritz  v.  Nassau  (Frankf.  a.  M. 
1893),  145 f.  165ff.  —  P.  Wall^,  Der  ehemalige  Alabastersaal  im  Schlosse 
zu  Berlin;  Mitteil.  d.  Ver.  f.  d.  Gesch.  Berlins,  XII  (1895),  34 f. 

*  D.  Joseph,  Kunst  u.  Künstler  unter  d.  Beg.  des  Grofs.  Kurf.; 
ebendas.  111  ff. 

«  König,  II,  441. 


Neununddrei&igsteB  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  183 

Neben-  wie  in  den  Hauptsachen  Bahnbrecher,  wegweisend  für 
seine  Dynastie. 

Seine  unermüdlichen  Bestrebungen,  die  Künste  in  der  Mark 
beimisch  zu  machen,  brachten  freilich  geringen  Erfolg.  Er  liefs 
den  Architekten  Joachim  Ernst  Biesendorf  aus  Zielenzig,  sowie  den 
jungen  kle vischen  Maler  Georg  Wolfgrübel  reisen  und  ausbilden; 
mit  grofser  Sorgfalt  verfolgte  er  ihre  Studien.  Noch  viele 
andere  Namen  stehen  auf  der  Liste  der  kurfürstlichen  Stipen- 
diaten —  Nennenswertes  für  die  Kunst  hat  keiner  von  ihnen 
geleistete  Wesentlich  bedeutender,  wenn  auch  heute  einer  un- 
verdienten Vergessenheit  anheim  gefallen,  war  der  Ostpreufse 
Michael  Willmann,  geboren  1630  zu  Königsberg,  der  später  sich 
in  Schlesien  ansftssig  machte  und  dort  zum  Katholizismus  über- 
trat. ,,Er  vereinigte  Rembrandts  Lichtpoesie  und  Rubens' 
dekorativen  Prunk  mit  dem  Sinn  für  eine  vielleicht  manierierte, 
aber  doch  liebenswürdige  und  lebenswarme  Grazie  e*'  Er  hat 
für  das  Charlottenburger  Schlofs  und  die  Berliner  Galerie 
mehrere  Bilder  gemalt,  die  leider  verloren  sind.  Erhalten  hat 
sich  von  ihm  im  Königsberger  Schlosse  ein  sehr  charakteristisches 
Gemälde  (aus  dem  Jahre  1682) ,  das  Friedrich  Wilhelm  als 
Friedensfürsten  und  Schirmherm  der  Künste,  als  Bändiger  der 
Zwietracht  und  Schöpfer  von  Reichtum  und  Glück  in  eindrucks- 
voller und  prächtiger  Weise  feiert. 

Ein  deutscher,  wenn  auch  nicht  märkischer,  Künstler  von 
tatsächlicher  Bedeutung,  den  der  Kurfürst  beschäftigte,  war  der 
Schlesier  Gottfried  Leygebe.  Er  hatte  in  Nürnberg  die  schwierige 
Kunst  des  Eisenschneidens  gelernt,  die  er  zumal  in  kleinen 
Porträtstatuen  mit  hoher  Begabung  ausübte.  Seit  1668  war  er 
als  Münzschneider  in  Berlin  dauernd  angestellt.  Aufser  Münzen, 
Medaillen,  Kanonenzieraten  und  Formen  für  die  Glashütten 
bossierte  er  Statuen  und  Büsten  in  W^achs,  fertigte  ein  kunst- 
volles Schachspiel  in  Gold  und  Silber,  zeichnete  und  malte. 
Sein  schönstes  Werk  ist  eine  zehn  Zoll  hohe  Statuette  in  Eisen, 
die  den  Kurfürsten  als  Bellerophon  zu  Pferde,  die  dreiköpfige 
Chimära  erlegend,  darstellt.  Der  treffliche  Künstler  starb,  erst 
53  Jahre  alt,  1683  in  Berlin«. 

>  Galland,  78ff.  204. 

*  Erich  Klossowski  im  HohenzoUem Jahrb.,  1901,  S.  275,  dem  diese 
ganze  Kotiz  über  Willmann  entlehnt  ist. 

'  Friedr.  Nicolai,  Nachrichten  y.  d.  Künstlern  Berlins  (Berlin  u. 


184  SechfltM  Bock. 

Der  erste  Kupferstecher,  der  dort  t&tig  war,  erhielt  seine 
Berufung  gleichfalls  von  dem  Kurfürsten:  Johann  Friedrich 
Leonhard.  Bedeutender  war  der  Kupferstecher  Gottfried  Bartsch, 
ein  Schlesier,  der  nicht  nur  Stiche  nach  Gemälden  der  kurfQrst- 
lichen  Galerie  herstellte,  sondern  auch  Karten,  Schlachtenbilder, 
Porträts,  Wiedergabe  öffentlicher  Aufzüge.  Ihm  folgte  der 
gleichfalls  rühmenswerte  Hainzelmann.  Andere  Kupferstecher, 
Goldschmiede,  Medailleure  sind  nur  als  Kunsthandwerker  zu 
bezeichnen.  Jedenfalls  gelang  es  Friedrich  Wilhelm,  wenigstens 
das  Kunstbandwerk  dauernd  in  Berlin  heimisch  zu  machen. 
Wer  es  konnte,  liefs  seine  Züge  in  Kupfer  stechen,  um  sie  den 
Seinigen  zu  erhalten;  sonst  setzten  die  Hinterbliebenen  das 
Konterfei  des  Verstorbenen  vor  den  damals  häufigen  Abdruck  der 
Leichenrede.  Auch  Monumente  in  Kirchen  und  auf  Gräbern 
aufzustellen  wurde  gebräuchlich.  —  Die  Steinschneidekunst,  der 
Gelb-  und  Rotgufs  wurden  unter  unmittelbarer  Einwirkung  und 
Begünstigung  des  Kurfürsten  gepflegt.  Das  gesamte  Kunst- 
handwerk blühte  fröhlich  auf:  Dank  den  Anregungen  des  gro^^ien 
Herrschers  begann  die  Kurmark  eine  höhere  und  feinere  Kultur 
anzunehmen  ^ 

Hierher  gehört  auch  die  Porzellanfabrikation'.  Nach  hollän- 
dischem Vorbilde  hegte  Friedrich  Wilhelm  eine  ganz  besondere 
Vorliebe  für  chinesisches  und  japanisches  Porzellan,  sowie  für 
Delfter  Fayencen,  die  er  für  schweres  Geld  in  Holland  erstand, 
und  mit  denen  er  seine  Schlösser  anfüllte.  Er  versuchte  end- 
lieh, dieses  Kunstgewerbe  im  eigenen  Lande  heimisch  zu  machen. 
Er  liefs  1678  einen  geschickten  Porzellanbäcker  Pieter  Fransen 
van  der  Lee  nach  Potsdam  kommen,  von  wo  dieser  aber  bald 
nach  Berlin  übersiedelte.  Nach  seinem  Tode  führten  andere 
Holländer  die  Fayencebereitung  weiter.  Wirkliches  Porzellan 
ist  erst  seit  1712  in  Berlin  angefertigt  worden. 

Friedrich  Wilhelm  hatte  schon  als  Knabe  selber  das  Zeichnen 
mit  grofser  Liebe  getrieben  (T.  I  S.  8.  12):  umsomehr  sah  er 
darauf,  dafs  auch  seine  Söhne  sich  in  dieser  Fertigkeit  aus- 


Stettin 1786)  51  f.  —  Hieraus  stammen  die  Nachrichten  über  Leygebe 
bei  P.  Seidel,  Der  Grofse  Kurf.  i.  d.  Plastik  seinerzeit;  Hohenzollem- 
jahrb.  11  (1898).  93  ff. 

'  Galland,  74ff. 

>  Seidel  im  Jahrb.  d.  Egl.  Preufs.  Kunstsamml.,  XI,  188 ff. 


Neununddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  185 

WMeten.  Hervorragende  Männer,  wie  Memhardt,  Biesendorf, 
WolfgrObel,  Leygebe,  leiteten  den  Unterricht'.  Mehr  als  ein 
Dutzend  Zeichenbücher  der  Prinzen,  besonders  Karl  Emils,  sind 
noch  TOi*faanden  und  beweisen  immerhin  achtenswerte  Beanlagung. 
Der  kurfürstliche  Vater  benutzte  jede  Gelegenheit,  das  Interesse 
seiner  Söhne  für  die  gSchildereien**  anzuregen. 

Das  ist  es  eben,  was  das  Charakterbild  des  Kurfürsten 
Friedrich  Wilhelm  Tor  dem  seiner  Nachkommen  auszeichnet: 
er  besafs  einen  wahrhaft  universellen  Geist.  So  sehr  auch  seine 
Anteilnahme  in  erster  Linie  von  den  Sorgen  um  die  Gründung, 
den  Bestand  und  das  Ansehen  seines  Staates  in  Anspruch  ge- 
nommen war,  sie  erstreckte  sich  dennoch  zugleich  über  alle 
Riehtungen  privater  und  öffentlicher  Tätigkeit.  Das  aber  bringt 
ihn  unserem  Empfinden  immer  wieder  nahe,  wenn  seine  bunte 
und  listige  Politik  ihn  uns  zu  entfremden  droht.  Sein  Geist 
blieb  allen  Anregungen  geöffnet,  und  er  durfte  mit  Recht  von 
sieh  sagen:  nil  humani  a  me  alienum  puto. 

In  seinem  Bestreben,  das  Kunstgewerbe  und  das  Gewerbe 
überhaupt  in  seinem  Lande  zu  fördern,  hat  er  sogar  den  Kleider^ 
luxus  begünstigt. 

Zu  allen  Zeiten  hat  man  über  solchen  geklagt  —  am 
wenigsten  noch  macht  er  sich  in  unserer  demokratischen  G^en- 
wart  geltend;  aber  am  verwerflichsten  war  er  in  einer  Epoche, 
die  so  arm  war  und  wo  so  viel  Mangel  und  Elend  herrschte, 
wie  während  der  zweiten  Hälfte  des  siebzehnten  Jahrhunderts 
in  Deutschland.  Friedrich  Wilhelm  und  Luise  Henriette  hatten 
6ich  zunächst  der  einfachen  niederländischen  Tracht  beflissen^ 
deren  gebräuchlichste  und  gerade  bei  feierlichen  Gelegenheiten 
angewandte  Farbe  die  schwarze  war.  Glanz  und  Reichtum 
wurden  nur  durch  das  kostbare  Geschmeide  der  Damen  hervor- 
gehoben. Allein  der  Einflufs,  den  das  allgewaltige  Frankreich 
unter  der  Selbstherrschaft  Ludwig  XIV.  ausübte,  war  zu  mächtig, 
als  dars  Hof  und  Gesellschaft  in  Brandenburg  sich  ihm  hätte 
entziehen  können.  Als  die  französischen  Reformierten  dort  in 
wachsender  Anzahl  einströmten  und  für  so  viele  Dinge  mafs» 
gebend  wurden,  triumphierte  die  französische  Kleidung  vollends. 
An  Stelle  der  einfachen  Gewänder  und  des  dauerhaften  Schmuckes 
von  Edelsteinen  und  Perlen  trat  nun  der  vergängliche  Luxus 


1  Galland,  74ff. 


186  Sechstes  Buch. 

schöner  Kleiderstoffe  und  vielerlei  Flitterkrams.  Unter  dem 
Einflüsse  seiner  zweiten  Gemahlin  folgte  auch  Friedrich  Wilhelm 
diesen  Bahnen.  Die  Männer  liefsen  nicht  mehr  das  natürliche 
Haupthaar  lang  hinunterfallen,  sondern  verbargen  es  unter  der 
prunkhaften  Allongeperrücke;  der  Kurfürst  trägt  solche  auf 
seinen  Münzen  seit  seiner  zweiten  Vermahlung.  Auch  die 
Frauen  suchten  sich  ein  vornehmes  Äufsere  zu  geben  durch  den 
hohen  Kopfputz  der  Fontange ;  die  Brust  wurde  künstlich  heraus- 
getrieben und  fast  völlig  entblöfst  getragen,  wie  auch  die  Arme. 
Frömmigkeit  und  Satire  eiferten  gegen  diese  frivole  Mode  mit 
der  ganzen  bis  zu  abschreckender  Roheit  sich  steigernden  Derb- 
heit jener  Zeit;  aber  sie  richteten  umso  weniger  aus,  als  sie 
gerade  in  ihrem  leidenschaftlichen  Zorn  selber  viel  Lüsternheit 
verrieten. 

Dagegen  war  es  der  Einwirkung  Luise  Henriettens  sowie 
des  Kurfürsten  selbst  gelungen,  in  ihrer  Umgebung  die  wüsten 
Saufgelage  abzustellen,  die  seit  zwei  Jahrhunderten  den  deutschen 
Adel  und  Bürgerstand  verunziert,  geistig,  moralisch  und  materiell 
heruntergebracht  hatten.  Das  fürstliche  Paar  würde  hiermit 
freilich  keinen  Erfolg  gehabt  haben,  wenn  nicht  die  in  die 
höheren  Klassen  der  Gesellschaft  eindringende  Gewohnheit  des 
Genusses  von  KaflFee,  Schokolade  und  Tee  —  besonders  dem 
letzteren,  dessen  Gebrauch  durch  den  kurfürstlichen  Leibarzt 
Menzel  und  den  Holländer  Bontekoe  in  Berlin  verbreitet  wurde  — 
das  Biertrinken  sehr  vermindert,  überhaupt  die  von  Frank- 
reich herübergelangende  feinere  Sitte  jenes  Laster  in  Verachtung 
gebracht  hätten.  Es  ist  wohlfeil,  vom  chauvinistischen  Stand- 
punkte aus  auf  den  Siegeszug  französischen  Wesens  durch 
Deutschland  zu  schelten;  er  hat  zweifellos  viel  übles  gestiftet 
und  das  ohnehin  schwache  Nationalgefühl  vollends  ertötet:  er 
hat  aber  auch  bessere  und  gebildetere  Gewohnheiten  eingeführt, 
auf  denen  erst  sich  eine  neue  deutsche  Kultur  begründen  liefs. 
Das  alles  freilich  galt  zunächst  nur  für  die  höheren  Klassen, 
die  niederen  fröhnten  nach  wie  vor  dem  übermäfsigen  Bier- 
genusse,  so  dafs  der  Kurfürst  sich  genötigt  sah,  die  Beobachtung 
der  Polizeistunde  für  die  Bierwirtschaften  von  neuem  ein- 
zuschärfen. Und  dazu  gesellte  sich  ein  neues,  viel  schädlicheres 
und  verderblicheres  Laster:  der  mit  reifsender  Schnelligkeit  sich 
ausdehnende  Verbrauch  von  Branntwein.  Gerade  die  Armut  und 
schlechte  Ernährung  des  Volkes   während  des  und  nach  dem 


Neununddreilsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  187 

Dreirsigjährigen  Krieg  haben  das  Branntweintrinken  mit  physio- 
logischer Notwendigkeit  gefördert.  Die  um  das  Jahr  1680 
gemachte  Entdeckung  der  Bereitung  dieses  alkoholischen  Ge- 
tränkes aus  der  Kartoifel  hat  seine  Billigkeit  und  zugleich  seine 
verderblichen  Folgen  für  die  Gesundheit  gesteigert.  Den  Ge- 
brauch des  Schnupfens  und  besonders  des  Rauchens  von  Tabak 
haben  die  Holländer  nach  Deutschland  verpflanzt.  Gerade 
während  der  letzten  Regierungsjahre  des  Kurfürsten  bürgerte 
sich  die  kurze  Pfeife  in  unseren  Gegenden  ein.  Obwohl  Fried- 
rich Wilhelm  sie  nicht  liebte  und  in  seinen  „Artikulsbriefen" 
vom  Januar  1679  seinen  Seeleuten  überhaupt  das  Tabakrauchen 
streng  verbot,  gefiel  es  der  Bevölkerung  so  sehr,  dafs  die 
FiDanzkünstler  den  Tabak  schon  zum  Gegenstande  hoher  Be- 
steuerung machten.  —  Das  starke  Essen,  die  übergrofse  Zahl 
von  Fleischspeisen  blieben  unseren  Vorfahren  nach  wie  vor  eigen- 
tümlich. Sie  hielten  nicht  so  viel  auf  feine,  wie  auf  viele 
Gerichte,  und  besonders  bei  festlichen  Veranlassungen  wurden 
Lebensmittel  in  schier  unbegreiflichen  Mengen  vertilgt.  Über- 
haupt das  Massenhafte,  Augenfällige,  Gewaltige  galt,  der  Halb- 
barbarei des  Zeitraums  entsprechend,  als  Zeichen  der  Vornehm- 
heit und  Macht.  Die  beiden  brandenburgischen  Gesandten  zum 
Friedenskongrefs  von  Nymwegen  (1676  bis  1678),  die  dort  nur 
eine  bescheidene  Rolle  spielten,  führten  84  Personen  und  41 
Pferde  mit  sich  ^  —  heute  würde  ein  Botschafter  des  mächtigen 
deutschen  Reiches  kaum  den  vierten  Teil  der  Bedienung  erfordern, 
wie  daaials  die  beiden  Vertreter  des  brandenburgischen  Mittel- 
staates, deren  einer  ein  kaum  geadelter  bürgerlicher  Jurist  war. 

Eine  Unsitte,  die  zu  jener  Zeit  sehr  verbreitet  war,  wurde 
durch  den  französischen  Einflufs  lediglich  verstärkt:  das  Spiel. 
Sie  herrschte  zumal  am  Hofe,  und  zwar  in  so  hohem  Mafse,  dafs 
der  französische  Gesandte  Graf  R^benac  an  einem  Abende  1200 
Taler  —  36000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte  —  gewinnen 
konnte*.  Mit  dieser  Verschwendung  der  Wohlhabenden  stand 
dann  das  Elend  der  ungeheuren  Mehrheit  des  Volkes  in  um  so 
schreienderem  Gegensatze. 

Der  Aberglaube  jedoch  war  den  Höheren  und  den  Niederen 


»  ü.  u.  A.,  XVIII,  553. 

'  R^benac  an  seinen  Vater,   Marquis  de  Feuquiöres,  28.  Mai  1681; 
Gallois,  Lettres,  V,  227. 


188  SechflUs  Buch. 

gemeiasam  und  überall  verbreitet.  Man  war  fest  davon  über- 
zeugt —  auch  Friedrich  Wilhelm  glaubte  daran  —  dafs  vor 
jedem  Todesfalle  in  der  hohenzollernschen  Familie  sich  im 
Berliner  Schlosse  die  weifse  Ahnfrau  zeige.  Kometen  sowie 
andere  Lufterscheinungen  galten  als  Anzeichen  von  Krieg  und 
Pestilenz  und  erregten  grofsen  Schrecken.  Ein  Müller,  der 
behauptete,  zwei  Kriegsheere  in  den  Wolken  des  nördlichen 
Himmels  erblickt  zu  haben,  wurde  über  dieses  Wunder  von  dem 
Magistrate  zu  Küstrin  förmlich  verhört.  Jede  aufsergewöhnliche 
Mifsgeburt,  nicht  nur  am  Menschen,  sondern  auch  bei  Tieren, 
galt  als  schreckhaftes  Zeichen  des  göttlichen  Zorns  und  als 
Mahnung  zu  Bufse  und  Besserung.  Wahrsager  beiderlei  Ge- 
schlechtes fanden  zahlreichen  Anhang.  Hexerei  und  Zauberei 
wurden  als  erwiesene  Tatsachen  widerspruchslos  geglaubt.  Noch 
1664  wurden  zwei  kurfürstliche  Pagen  wegen  schwarzer  Künste 
in  Berlin  bestraft,  1671  eine  Frau  Trina  Stempels,  weil  sie  mit 
dem  Teufel  einen  Bund  geschlossen.  Das  Berliner  Gericht  ging 
dann  1679  wieder  gegen  eine  wegen  Zauberei  übel  berüchtigte 
Person  vor.  Krankheiten  und  Unglücksfälle  aller  Art  schrieb 
man  den  Hexen  und  Zauberern  zu  und  suchte  die  Urheber  von 
Diebstählen  durch  allerlei  Weissagungen  herauszubekommen, 
wobei  auf  dem  Lande  sogar  Pfarrer  und  Küster  hilfreiche  Hand 
boten.  Im  Fürstentum  Minden  nahm  das  Hexenunwesen  geradezu 
unheimliche  Ausdehnung  an,  und  die  dortige  Regierung  war 
derart  verblendet,  dals  sie  die  angeklagten  Hexen  sofort  hin- 
richten lassen  wollte,  damit  der  Teufel  sie  nicht  zu  neuen 
Missetaten  verleite.  Allein  der  Statthalter  —  damals  Graf 
Waldeck  —  war  glücklicherweise  aufgeklärter  und  einsichtiger 
als  die  gelehrten  Räte :  er  verbot,  unter  scharfen  Strafandrohungen, 
leichtfertigen  Beschuldigungen  dieser  Art  Glauben  zu  schenken. 
Hierauf  nahm  die  Zahl  der  Hexenprozesse  bedeutend  ab^. 

Wie  weit  und  hoch  hinauf  der  Aberglaube  verbreitet  war, 
das  möge  folgendes  Beispiel  lehren.  Am  25.  August  1666  bemerkt 
Oberpräsident  von  Schwerin  in  seinem  Tagebuch^:  „Da  dem  Kur- 
prinzen ein  Unglück  von  einem  Astrologe  angekündigt,  haben 
Se.  Kurf.  Durchl.  ihn  nicht  ausgehen  lassen  wollen.    An  eben 


*  Orlich,  Friedr.  Wilh.,  260 ff.  280  ff.;  u.  Preufs.  Staat,  I,  522.  — 
König,  n,  149.  195.  249.  —  Spannagel,  Minden  u.  Ravensb.,  242{f. 
«  Berlin,  Geh.  StaatBarchiv.,  Rep.  94,  IV,  H  c  9. 


Neununddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  Ig9 

dettiselben  Tage  sind  vier  Edelleute  mit  den  Pferden  gestürzt, 
davon  der  eine  noch  ohne  HoiFnung  darnieder  liegt,  und  hat 
der  Astrologns  gesagt,  wenn  der  Kurprinz  mitgekommen,  würde 
ihm  ganz  gewifs  ein  Unglück  begegnet  sein/ 

Und  wie  der  Aberglaube,  war  die  Roheit  allgemein  verbreitet. 
Die  Bärenhatz  galt  als  eine  besondere  Lustbarkeit.  Sie  wurde 
nicht  allein  zu  Ehren  fremder  Gesandtschaften  veranstaltet  \ 
sondern  auch  ein  so  frommer  und  milder  Mann,  wie  Otto  von 
Schwerin,  hatte  nichts  dagegen  einzuwenden,  dafs  in  Gegenwart 
der  noch  im  Kindesalter  befindlichen  Prinzen  sowie  der  ganzen 
karfürstlichen  Familie  Bären  zuerst  mit  Pferden  und  Ochsen 
kämpften  und  dann  selber  gehetzt  wurden'.  Aber  auch  die 
Kriminalstrafen  an  Menschen  waren  überaus  grausam.  Im  Jahre 
1684  wurde  in  Berlin  ein  Falschmünzer  enthauptet,  dann  seine 
Leiche  verbrannt.  Ebenso  wurden  Bigamie,  Blutschande,  sogar 
Ehebruch,   femer  schwerer  Diebstahl  mit  dem  Tode*  bestraft*. 

Die  Unsitte  der  Duelle  war  allgemein  verbreitet,  auch  in 
den  höheren  Klassen  der  bürgerlichen  Bevölkerung.  Friedrich 
Wilhelm  trat  gegen  sie  mit  strengen  Verordnungen  auf,  da  er 
meinte,  die  Duellanten  „liefsen  sich  durch  ihre  unzeitigen 
Passiones  dahin  verleiten,  dafs  sie  auch  keine  Scheu  trügen,  die 
allergerechtesten  und  in  Gottes  Wort  gegründeten  Ordnungen 
anzutasten  und  sich  denenselben  zu  opponieren^.  Der  Tod  seines 
Eammerjunkers  von  Kospott  im  Zweikampf  veranlafste  1665  den 
Herrscher  zur  Verschärfung  der  Strafen  gegen  die  Duellanten. 
Alle  adligen  Hofleute  und  Beamten  wurden  im  Schlosse  zu 
Berlin  in  Gegenwart  der  Geheimen  Räte  im  „hohen  Namen*  dea 
Kurfürsten  feierlichst  befehligt,  bei  „Vermeidung  Unserer  höch- 
sten Ungnade*  sich  friedlich  zu  benehmen,  auch,  wenn  man 
sich  beleidigt  glaube,  die  Sache  vor  den  Landesherm  selbst  zu 
tragen.  Nicht  allein  die  Duellanten  selber  sollten  „an  Leib  und 
Leben* ,  sondern  auch  alle  Kartellträger ,  Sekundanten ,  ja 
Mitwisser  schwer  gestraft  werden.  Diese  Vorschriften  wurden 
hniner  von  neuem  eingeschärft  —  ein  Beweis,  dafs  sie  wohl 
nicht  genau  beobachtet  worden  sind^.    Kam  es  doch  1672  vor. 


*  Orlich,  Freute.  StsÄt,  I,  385. 

'  Mb.  Tagebuch;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  O. 
«  König,  n,  221.  475 ff. 

*  Orlich,  Preuffl.  Staat,  IH,  79.  170 ff.  193 f. 


190  Sechstes  Buch. 

dafs  selbst  der  Oberkriegskommissar  in  Preufsen,  von  Podewils, 
sich  mit  einem  Hauptmann  Hubalt,  der  ihn  allerdings  tätlich 
beleidigt  hatte,  schlug  und  ihn  im  Duell  tötete.  Er  kam  mit 
schlichtem  Abschied  aus  dem  brandenburgischen  Dienste  davon 
und  wurde  dann,  auf  Empfehlung  des  Herzogs  von  Croy,  wegen 
seiner  früheren  Verdienste  bald  wieder  angestellt*. 

Wunderbar,  wie  sich  mit  Aberglauben  und  Roheit  eine 
tiefe  und  aufrichtige  Frömmigkeit  vertrug!  Die  Widersprüche 
liegen  dicht  und  unvermittelt  im  menschlichen  Gemüte  neben- 
einander. Derselbe  Friedrich  Wilhelm,  der  an  die  Weifse  Frau 
und  die  Sterndeuterei  glaubte,  der  sich  an  der  Todesangst  und 
den  letzten  Zuckungen  armer  Tiere  ergötzte,  befahl,  dafs  der 
Sonntag  nicht  nur  durch  Enthalten  von  jeder  Arbeit,  sondern 
auch  mit  Beten,  Siugen,  frommen  Ermahnungen  sowie  mit  Übung 
tätiger  christlicher  Nächstenliebe  begangen  werde.  Er  ordnete 
für  den  Sonntag  sogar  die  Schliefsung  der  Gast-  und  Schenk- 
häuser an  (1676).  Auf  seinen  Schiffen  wurde  morgens  und 
abends  Andacht  gehalten,  zu  der  sich  alle  Seeleute  versammeln 
mufsten;  das  Schwören  und  Fluchen  war  diesen  streng  untersagt^. 

Die  Obrigkeit  suchte  damals  alles  zu  regeln,  wie  die 
Frömmigkeit,  so  auch  die  Preise  der  unentbehrlichen  Lebens- 
bedürfnisse. Der  Kurfürst  erliefs  1676  und  dann  wieder  1685 
Fleisch-,  Brot-,  Wein-  und  Biertaxen.  Das  Pfund  Kalbfleisch 
durfte  in  Berlin  nicht  höher  als  zu  einem  Groschen,  das  Quart 
gutes  Stadtbier  als  zu  acht  Pfennigen  verkauft  werden.  Alles 
dies  hielt  aber  vor  der  Macht  der  Verhältnisse  nicht  mehr  Stand, 
als  die  obrigkeitliche  Festsetzung  des  Zinsfufses  auf  sechs  Pro- 
zent. Es  kam  vor,  dafs  man  von  kleinen  Schuldnern  54,  ja 
-—  wie  eine  Frau  Katharine  Kramer  —  120  Prozent  jährlicher 
Zinsen  erprefste.  Schließlich  mufste  der  Kurfürst  zugeben,  dafs 
seine  Kaufleute,  wie  in  den  auswärtigen  Handelsstädten,  bis 
acht  Prozent  Interessen  nehmen  konnten. 

Ein  charakteristisches  Zeichen  der  Sorgfalt,  die  der  Landes- 
herr zu  jener  Zeit  dem  materiellen  und  moralischen  Wohlergehen 
der  Untertanen  widmen  zu  müssen  glaubte,  ist  das  am  30.  Ja- 
nuar 1686  erlassene  „Verbot  der  Reisen  in  frembde  Lande  ohne 


*  Ms.   Herzog   von   Croy,   Diarium   Prussiae,    1670 — 1672  (Berlin, 
Geh.  Staatsarchiv,  ßep.  XCII,  Croy  136).  Vol.  V  S.  82 f.  188.  403 f.  564. 

*  Artikulsbriefe  für  die  Marine  (Jan.  1679). 


Neununddreiüsigstee  Kapitel.    Geist  und  Sitte.  191 

allergDädigste  Permission^ .  Die  Begründung  beleuchtet  die  ganze 
Denkweise  jener  Zeit:  „Demnach  Wir  wahrgenommen,  es  auch 
die  kfirzliche  Erfahrung  bezeuget,  dafs  eine  Zeit  hero  viele  von 
unseren  Vasallen  und  Lehuleuten  auf  dem  Lande,  wie  auch 
vermögende  Bürger  in  Stfldten  sich  unterstanden,  ohne  Unsem 
Vorbewurst  und  Consens  ihre  Söhne  in  frembde  und  auswärtige 
Lande  und  Königreiche,  untern  Vorwand,  dafs  sie  daselbsten  die 
Sprachen  und  allerhand  Exerzitia  lernen  sollen,  zu  verschicken 
und  selbe'peregrinieren  und  reisen  zu  lassen,  welche  dann  nicht 
allein  ihren  Eltern  sondern  auch  ihnen  selbsten  zum  äufsersten 
Schaden  und  Verderb,  ein  grofses  Geld  in  der  Frembde  unnütz- 
lich verzehret  und  durchgebracht,  indem  sie  allerlei  Eitelkeiten 
sich  ergeben,  den  Desbauchen,  Spielen  und  anderen  Wollüsten 
nachgegangen,  zu  deren  Bezahlung  grofse  Summen  Geldes  über- 
machet werden  müssen,  viele  auch  die  einmal  erkannte  und 
bekannte  Wahrheit  der  evangelischen  Religion  abzuschwören  sich 
verführen  lassen,  teils  auch  liederlich  um  ihr  Leib  und  Leben 
gekommen*  —  also  verbietet  der  Kurfürst  bei  mannigfachen 
Strafen  das  Reisen  in  fremde  Länder  ohne  „Unsere  gnädigste 
Spezial-Permission  und  Pafs".  Er  empfiehlt  vielmehr  den  Wifs- 
begierigen  die  „guten,  bequemen  und  tüchtigen  Sprach-  und 
Exerzitienmeister ,  an  denen  es  auch  denen  Gymnasiis  und 
Akademien  in  Teutschland  nunmehr  nicht  ermangelt,  und  damit 
absonderlich  Unseie  Universität  zu  Frankfurt  gebührend  und 
wohl  versehen  ist."  * 

Das  Verbot  war  um  so  leichter  durchzuführen,  als  die 
Lehren  und  das  Beispiel  des  Kurfürsten  ihre  Früchte  zu  tragen, 
der  Ruhm  und  das  Ansehen,  die  er  sich  und  seinem  Staate  und 
Heere  erworben,  den  Partikularismus  der  einzelnen  Landesteile 
zu  zerstören  und  alle  Untertanen,  vom  Rhein  bis  an  den  Pregel, 
mit  freudigem  Stolze  auf  den  brandenburgischen  Namen  zu 
erfüllen  begonnen  hatte.  Als  die  klevisch- märkischen  Stände 
am  15.  Oktober  1666  dem  Kurprinzen  die  Huldigung  leisteten, 
brachen  sie,  die  sich  einst  als  Republik  hatten  konstituieren 
wollen,  in  den  begeisterten  Ruf  aus:  „Vivat  Brandenburg!"* 
Auch  das  erst  seit  kurzem  mit  dem  HohenzoUernstaat  vereinigte 
Fürstentum  Halberstadt  war  von  so  patriotischem  Geiste  erftült, 

'  Myliue,  VI,  I,  567. 

'  Ms.  Tageb.  Schwerins,  a.  a.  O. 


Id2  Sechstes  Bucli. 

dafs  Friedrich  Ton  Jena  darüber  in  freudiges  Staunen  geriet 
Einer  neuen  Steuerforderung  gegenüber  erklärten  die  dortigen 
Stände:  „Wir  haben  bereits  ein  Grofses  und  über  unsere  Kräfte 
getan ;  jedoch  wenn  wir  nur  wissen,  dafs  es  zu  Sr.  Kurf.  Durchl. 
Bestem  und  Dienst  angewandt  wird,  wollen  wir  gern  noch  femer 
tun,  was  uns  möglich/  ^  Noch  mehr  entwickelte  die  patriotische 
und  loyale  Gesinnung  sich  in  der  kurfürstlichen  Residenz  Berlin, 
die  dem  Landesherrn  ihr  Aufblühen  verdankte.  Den  Sißg  bei 
Fehrbellin  feierten  nicht  allein  die  Prunkreden,  die  den  heim- 
kehrenden Helden  die  Berliner  Bürgermeister  Tieffenbach  und 
Schardius  sowie  der  GöUner  Bürgermeister  Neuhaus  hielten, 
sondern  auch  Feuerwerk  und  Illumination  seitens  der  Einwohner. 
Die  Berliner  gaben  nach  den  pommerschen  Feldzügen  gleich- 
falls ihre  Freude  über  die  glänzenden  Erfolge  der  vaterländi- 
schen Waffen  durch  prächtige  Feste  und  Ausschmückung  der 
Stadt  ndt  Laubgewinden,  Ehrenpforten,  Säulen,  Obelisken, 
Statuen  und  Trophäen',  durch  dichterische  Vorträge  seitens 
schön  geputzter  Jungfräulein  zu  erkennen.  Zu  grofs  war  der 
Unterschied  dieser  glorreichen  Zeiten  mit  den  noch  nicht  lange 
verflossenen  Jahren,  wo  derselbe  Schwede,  der  jetzt  gedemütigt 
dem  Kurfürsten  zu  Füfsen  lag,  die  Kurmark  unterjocht  und 
ausgeplündert  hatte.  Die  Quelle  des  jugendlichen  Patriotismus 
sprudelte  mit  naiver  Aufrichtigkeit  in  dem  Liede,  mit  dem  am 
SchluTstage  des  Jahres  1677  Berlin  seinem  Herrscher  huldigte: 

„Berlin,  jetzt  freue  dich: 

„Der  Feind  ist  überwunden! 

„Mark,  jauchze  und  sei  froh, 

„Der  Schrecken  ist  gebunden. 

„Du  bist  durch  diesen  Sieg 

„Von  grofser  Furcht  befreit. 

„Gott  wird  dir  helfen  noch 

„Und  femer  stehen  bei.**' 
Die   Grofstaten   Friedrich   Wilhelms  hatten   das    branden- 
burgisch-preufsische  Staatsbewufstsein  geschaffen. 


»  Orlich,  Preufs.  Staat,  I,  503. 

*  Eine  genaue  Beschreibung  dieser  prächtigen  und,  bei  Tieler  Pedaa* 
terie,  doch  erfindungsreichen  und  geistvollen  Ehrenbauten  mit  ihren 
Schildereien  und  Inschriften  findet  man  in  dem  Aufsatze  Paul  Seidels, 
Hohenzollemjahrb.  1902,  S.  246  ff. 

»  Schwebel,  II,  118 f. 


Vierzigstes  Kapitel 

Das  Heer. 


Das  hauptsächliche  Machtmittel  für  den  von  Friedrich 
Wilhelm  begründeten  Einheitsstaat  war  das  Heer,  und  ihm  hat 
er  unausgesetzt  seine  Sorgfalt  zugewandt  Die  ruhmreiche 
preufsische  Armee  feiert  in  dem  Grofsen  Kurfürsten  ihren 
Schöpfer.  Die  Dürftigkeit  der  brandenburgischen  Finanzen  nötigte 
ihn  zwar,  nach  jedem  Kriege  beträchtliche  Herabsetzungen  des 
Heeresbestandes  vorzunehmen,  gegen  den  Willen  und  zum  grofsen 
Kummer  Derfflingers * ;  allein  wir  bemerken,  dafs  dennoch  die 
Anzahl  der  auch  während  des  Friedens  unterhaltenen  Soldaten 
dauernd  anwächst.  Der  Kurfürst  hatte  sich  dazu  die  Mittel 
verschafft,  indem  er  die  bisher  von  den  einzelnen  Ständeversamm- 
langen  nur  zögernd  und  zeitweise  bewilligten  Steuern  in  bleibende, 
gleichm&fsige  und  für  alle  Provinzen  des  Staates  systematisch 
angelegte  verwandelte. 

Das  alte  Lohns-  und  Milizsystem  widersprach  ebensosehr 
dem  Geiste  der  Zeit,  der  sich  von  jeder  tätigen  Anteilnahme  des 
Untertanen  an  öffentlichen  Dingen  abgewandt  hatte,  wie  den 
Anforderungen  einer  entwickelten  Technik  in  der  Bewaffnung 
und  den  Bewegungen  der  Heereskörper.  Friedrich  Wilhelm 
liefs  es  deshalb,  mit  Recht,  auch  in  seinen  Staaten  absichtlich 
verfallen.  Es  hatte  selbst  in  den  Marken  gegen  die  Schweden 
nur  geringe  Dienste  getan.    Die  ^^Landfolge*  in  Hinterpommern 


*  Mb.  Derffl.  an  Landgr.  Hessen -Homburg,  4.  Sept.  1678;  Berlin, 
Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  94,  lY  Hb  5k. 

Phlllppion,  Der  Qroüm  KuifOrtt.    III.  18 


194  Sechstes  Budi. 

hatte  während  der  Jahre  1674  bis  1676  gänzlich  versagt  und 
wurde  dann  nicht  mehr  in  Anspruch  genommen.  „Die  preufsische 
Landesmiliz/  urteilt  Friedrich  Wilhelm  in  seinem  politischen 
Testamente  von  1667,  „taugt  zu  keinem  Kriege,  wie  ich  solches 
Selbsten  erfahren  habe."  Er  erkannte  in  dem  Reste  der  alten 
adligen  und  städtischen  Heeresfolge  nur  Elemente,  die,  gegen 
den  äufseren  Feind  unbrauchbar,  dem  Landesherrn  unnütze 
Kosten,  Unbequemlichkeiten  und  selbst  Gefahr  bereiten.  Als  seit 
dem  Jahre  1675  die  preufsische  Regierung  gegen  die  drohende 
schwedische  Invasion  Ritterpferde  und  Wibranzen  aufstellte,  liefs 
der  Kurfürst  sie  zwar  gewähren,  verweigerte  aber  dazu  jeden 
finanziellen  Zuschufs;  seine  Mittel  gehörten  seinem  stehenden 
Heere.  In  der  Tat,  die  ganze  preufsische  „Ordinardefeusion"  lief, 
ohne  Widerstand  zu  leisten,  bei  dem  ersten  Angriffe  der  Schweden 
auseinander.  Seitdem  waren  auch  inPreufsen  Miliz  und  Lehndienst 
begraben  \    Um  so  kräftiger  entfaltete  sich  die  Armee  ^ 

Nach  dem  Frieden  von  Oliva  war  das  Heer  auf  8 — 9000 
Mann  heruntergesetzt;  allein  bereits  1668,  während  des  Devo- 
lutionskrieges,  war  es  wieder  auf  7000  Infanteristen,  4100  Reiter 
und  1500  Dragoner,  im  ganzen  —  mit  Zuziehung  der  Artillerie 
und  des  Trains  —  auf  mehr  als  13000  Mann  gewachsen*.  Der 
französisch-niederländisch-schwedische  Krieg,  an  dem  Branden- 
burg so  hervorragenden  Anteil  nahm,  führte  die  stärkste  Entwick- 
lung seiner  Kriegsmacht  herbei,  die  auf  9764  Reiter,  3455  Dragoner, 
30892  Infanteristen,  986  Artilleristen,  sowie  221  Köpfe  des 
Generalstabes  und  der  Verwaltung,  also  zusammen  auf  45318 
Mann  gewachsen  war.  Hervorzuheben  ist  die  verhältnismäfsig 
bedeutendere  Zunahme  der  Infanterie.  Während  im  Beginne 
des  Krieges  Reiterei  und  Dragoner  zusammen  noch  zwei  Fünftel 
des  Heeres  ausgemacht  hatten  und  des  Kurfürsten  wie  Derff- 
lingers  Lieblingswaffen  gewesen  waren,  betrugen  sie  gegen  Ende 


^  0.  Jany,  Lehndienst  und  Landfolge  unter  d.  Grofs.  Kurf.;  Forsch, 
z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  X  (1898),  1 — 25. 

*  Zu  diesem  ganzen  Gegenstande  vgl.  man  v.  Mülverstedt, 
Brandenburgs  Kriegsmacht  unter  d.  Grols.  Kurf.  (Magdeb.  1888);  Gust 
Lehmann,  Die  brandenb.  Kriegsmacht  unter  d.  Grofs.  Kurf.;  Forsch, 
z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  I  (1888);  die  hervorragende  Arbeit  von 
F.  V.  Schroetter,  Die  brandenb.  -  preufs.  Heeresverfassung  unter  d. 
Grofs.  Kurf.  (Leipzig  1892). 

»  Orlich,  Preufs.  Staat  H,  402  ff. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  195 

der  Kämpfe  weniger  als  ein  Drittel.  Wir  irren  wohl  nicht, 
wenn  wir  den  in  den  pommerschen  Feldzügen  notwendig  ge- 
wordenen zahlreichen  Belagerungen,  bei  denen  naturgemäfs  die 
Infanterie  fast  allein  Verwendung  fand,  diese  Umwandlung 
Euschreiben,  die  übrigens  durch  die  weitere  Entwicklung  der 
Taktik  begünstigt  und  befestigt  wurde. 

Auch  nach  dem  Friedensschlüsse  yon  St.  Germain  bewahrte 
das  Heer  eine  beträchtliche  Stärke.  Im  Jahre  1681  betrug  es 
512  Mann  Artillerie,  3497  Reiter,  1462  Dragoner,  20801  Fufs- 
gäDger  (darunter  6499  Mann  Gamisontruppen),  also  mit  General- 
stab und  Verwaltung  etwa  26300  Mann^  Man  bemerke,  dafs 
die  berittenen  Truppen  nur  mehr  ein  Fünftel,  die  eigentliche 
Kavallerie  weniger  als  ein  Siebentel  des  Gesamtheeres  betragen. 
Die  Infanterie  ist  zur  Königin  der  Waffen  geworden.  Die  Rolle 
der  Artillerie  ist  im  Felde  noch  eine  untergeordnete.  Sie  hat 
erst  durch  den  grofsen  Napoleon  ihre  Bedeutung  erhalten. 

Der  Türkenkrieg  und  besonders  die  Gewalttaten,  die 
Ludwig  XIV.  unausgesetzt  gegen  das  Deutsche  Reich  verübte, 
veranlafsten  den  Kurfürsten  in  den  folgenden  Jahren  zu  neuer 
Vermehrung  seines  Heeres.  Es  war  1687  auf  14932  Feld-  und 
7710  Mann  Besatzungsinfanterie  —  also  zusammen  22  642  Fufs- 
gänger  — ,  3842  Reiter,  1350  Dragoner  und  502  Artilleristen, 
im  ganzen,  mit  Generalstab  und  Verwaltung,  auf  etwa  28600 
Mann  angewachsen.  Man  beachte,  dafs  die  Zunahme  fast  aus- 
schliefslich  den  Fufstruppen  zu  gute  kam.  An  seinem  Lebensende 
hinterliefs  der  Grofse  Kurfürst  seinem  Sohne  ein  stehendes 
Heer  von  etwa  30000  wohlgeübten  und  gutgeführten  Streitern: 
eine  Macht,  die  Brandenburg-Preufsen  an  die  Spitze  der  Staaten 
zweiten  Ranges  stellte,  es  als  Bundesgenossen  gesucht,  als 
Gegner  gefürchtet  machte. 

Dieses  Heer  hatte  seine  bleibende,  möglichst  gleichmäfsige 
Organisation.  Dadurch  unterschied  es  sich  von  den  bunt  zu- 
sammengewürfelten, den  wechselnden  Umst&nden  unterliegenden 
Söldnerheeren  der  Vergangenheit.  Die  vornehmste  Truppe  war 
die  berittene  Trabantengarde  des  Kurfürsten,  die  zuletzt  in  drei 
Kompanien  zu  je  130  Mann  bestand;  dann  kam  eine  Leibgarde 


'  Das  Folgende  nach  Ms.  General- Verpflegungs-fistat  der  ChurfOrstL 
Brandenburgisöhen  Soldatesque  (£gl.  Bibl.  zu  Berlin,  Manuscr.  Bonus., 
foL,  320).  —  Vgl.  Orlich,  a.  a.  0.  H,  403 f.  411,  HI,  309. 

13* 


196  Seclistes  Buch. 

zu  Fufs,  die  1668  nur  sechs  Kompanien  zu  je  125  Mann,  1687 
aber  24  Kompanien  von  gleicher  Stärke  betrug,  also  das  Drei- 
fache der  sonstigen  Infanterieregimenter.  Die  Reiterei  zerfiel 
in  Regimenter,  die  der  Regel  nach  sechs  Kompanien  zu  je  83  Mann, 
also  im  ganzen,  mit  dem  Regimen tsstabe,  515  Mann  stark  sein 
sollten.  Diese  Zahl  wurde  indes  selten  erreicht  und  im  Frieden, 
der  Ersparnis  halber,  die  Kompanie  Reiter  auf  63  Mann  ver- 
mindert. Die  Dragonerwaife  —  bekanntlich  Infanteristen,  die 
zu  schnellerer  Beförderung  auf  den  Kampfplatz  beritten 
gemacht  waren,  aber  zu  Fufse  stritten  — ,  früher  sehr  beliebt, 
nahm  infolge  der  besseren  Ausbildung  der  Infanterie  an  Zahl 
beständig  ab.  Das  Dragouerregiment  zählte  acht  Kompanien  zu 
125  Mann  Kriegsstärke;  allein  1687  waren  nur  zwei  Regimenter  und 
zwei  einzelne  Kompanien  vorhanden,  und  jede  Kompanie  enthielt 
durchschnittlich  nicht  mehr  als  75  Mann.  Das  Infanterie- 
regiment war  gleichfalls  acht  Kompanien  zu  je  125  Mann  stark 
und  wurde,  da  es  weit  weniger  kostete  als  die  berittenen  Waffen, 
auf  annähernd  komplettem  Fufse  gehalten.  In  bedrohlichen 
Zeiten  wurde  bei  einzelnen  Regimentern  die  Kompanie  sogar 
auf  150  Mann  gesetzt,  wie  1679  beim  Regiment  Anhalt. 

Der  Kurfürst  hat  gegen  Ende  seiner  Regierung  noch  einige 
Spezialkorps  errichtet,  die  wir  auf  dem  ordentlichen  Heeresetat 
nicht  angeführt  finden.  Seit  1675  unterhielt  er  unter  dem  Namen 
Towardzisch  während  einiger  Jahre  zwei  Kompanien  polnischer 
Reiter.  Dauernder  war  die  Bildung  von  zwei  Kompanien  Grands- 
Mousquetaires  mit  zusammen  220  Mann,  die  ausschliefslich  aus 
geflüchteten  hugenottischen  Edelleuten  bestanden,  und  deren 
Soldaten  Offiziersrang  besafsen.  Dazu  kam  1688  eine  dritte, 
65  Mann  starke  Kompanie,  in  der  deutsche  Edelleute  unter 
gleichen  Bedingungen  dienten.  Von  den  noch  ganz  jungen  fran- 
zösischen Edelleuten  wurden  Kadettenkompanien  gebildet,  aus 
denen  nicht  weniger  als  17  Generalleutnants  und  24  General- 
majore hervorgingen*. 

Unabhängig  davon  ist  die  Formierung  der  beiden  mit  huge- 
nottischen Offizieren  besetzten  und  zum  Teil  aus  französischen 
Mannschaften  gebildeten  Regimenter  Briquemault  (zu  Pferde) 
und  Varenne  (zu  Fufs),  sowie  des  Bataillons  Courneaud,  die  der 


*  Erman  u.  Beclam,  11,  203 ff.  —  Toll  in,  Französ.  Kolonie  in 
Magdeb.,  I,  662. 


Vierzigstee  Kapitel.    Das  Heer.  197 

EurfOrst  1685  und  1686  „aus  grorsem  Mitleid  mit  denen  aus 
Frankreich  wegen  der  reformierten  Religion  vertriebenen  armen 
Leuten''  verfügte ;  sie  traten  in  den  Rahmen  des  übrigen  Heeres 
ein,  obschon,  aus  leicht  begreiflichen  Gründen,  die  Zahl  der 
Offiziere  viel  bedeutender  wurde,  als  solche  bei  den  anderen 
Regimentern  üblich  war.  Schon  im  Juni  1687  waren  611  kal- 
vinische  Edelleute  in  das  brandenburgische  Heer  aufgenommen 
worden  \ 

Die  Armee  bestand  noch  ausschliefslich  aus  Söldnern,  die 
mehr  oder  minder  freiwillig  angeworben  waren.  Die  Werbung 
wurde  den  Obersten  anvertraut,  die  solche  auf  eigene  Faust, 
wenn  auch  auf  Grund  landesherrlichen  Patentes,  vornahmen. 
Dafür  vergütete  ihnen  der  Kurfürst  Werbegelder,  deren  Höhe 
nach  dem  Gesetze  des  Angebotes  und  der  Nachfrage  wechselte, 
durchschnittlich  aber  für  den  Reiter  40,  für  den  Dragoner  20 
und  für  den  Fufsgänger  8  Reichstaler  betrug.  Ein  Unterschied 
zwischen  Landeskindern  und  Ausländern  wurde  dabei  nicht  ge- 
macht. Es  durften  aber  im  Inlande  Domänenpächter  und  Hof- 
besitzer sowie  deren  ansässige  Knechte  nicht  geworben  werden, 
damit  der  Ackerbau  geschont  bleibe,  und  ebensowenig  die  Ge- 
werbtreibenden  in  den  Städten:  demnach  blieb  für  das  Inland 
den  Werbern  wirklich  nur  das  „Gesindlein*"  zur  Verfügung. 
Auch  feindliche  Gefangene  steckte  man  in  die  brandenburgischen 
Regimenter  unter.  Solche  Massen  konnten  selbstverständlich 
nur  durch  eiserne  Strenge  in  Zucht  gehalten  werden.  Es  gab 
immer  zahlreiche  Deserteure,  für  deren  Festnahme  ein  Preis 
von  je  zwei  Talern  ausgesetzt  war.  Die  Werber  griffen  aber 
auch  häufig  zur  Gewalt,  um  Rekruten  zu  erlangen.  Der  Kur- 
fürst suchte  diesem  schliefslich  dem  Bestände  der  Armee  selbst 
schädlichen  Mifsbrauche  durch  wiederholte  Verordnungen  ab- 
zuhelfen, auch  durch  das  Gebot,  alle  mit  Gewalt  Geworbenen 
sofort  zu  entlassen,  —  allein  es  ist  wenig  wahrscheinlich,  dafs 
diese  Befehle  gegenüber  dem  Eigennutze  der  Werber  Erfolg 
gehabt  haben. 

Der  Oberst  war  damals  der  eigentliche  Inhaber  seines  Re- 
gimentes, das  auch  seinen  Namen  trug.  Er  ernannte  zu  den 
Offizier-  wie  zu  den  Unteroffizierstellen  des  Regimentes,  er  be- 


'  Ms.  Depeschen  Böbenacs  vom  Juni  1687  (Berlin,  Qeh,  Staatsarchivt 
Rep.  94,  IV  H  b,  10  a). 


198  Sechstes  Buch. 

lohnte,  strafte  und  entliefs  die  Soldaten.  Er  hatte  die  Ver- 
pflegung und  die  Justiz  seines  Truppenteils  zu  verwalten.  Nur 
allmählich  wufste  der  Kurfürst  sich  das  Recht  zu  verschaffen, 
dafs  ihm  alle  von  der  Militärjustiz  gefällten  Urteile  zur  Be- 
stätigung vorgelegt,  alle  neuernannten  Offiziere,  vom  Fähnrich 
aufwärts,  zu  gleichem  Zwecke  gemeldet  werden  mufsten  ^  Damit 
hatte  er  das  Interesse  des  Dienstes  gegen  persönliche  Willkür, 
Eigennutz  und  Grausamkeit  geschützt.  Es  bedeutete  aber  eine 
beträchtliche  Änderung  des  bisherigen  Verhältnisses,  dafs  die 
Regimenter  nunmehr  stehende  Truppen  wurden,  die  nach  dem 
Tode  des  Inhabers  vom  Kurfürsten  einem  neuen  Obersten  über- 
tragen wurden:  also  nicht  mehr  der  Oberst  stellte  das  Regiment 
dem  Kurfürsten,  sondern  dieser  dem  Obersten.  So  wurde  es 
1681  Friedrich  Wilhelm  möglich,  den  Hauptschlag  zu  führen, 
indem  er,  mit  Nachahmung  der  von  Louvois  im  französischen 
Heere  getroffenen  Neuerung,  den  Obersten  Justiz,  Verpflegung 
und  Offiziersernennungen  in  den  Regimentern  nahm  und  sich 
selbst  beilegte.  Erst  damit  wurde  die  Bürgschaft  für  eine  gute 
und  gewissenhafte  Administration,  für  strenge  Disziplin  und 
unweigerlichen  Gehorsam  im  Heere  geschaffen,  ward  dieses 
eine  unbedingt  zuverlässige  Waffe  in  der  Hand  des  Fürsten. 

Friedrich  Wilhelm  sorgte  noch  weiter  für  die  Zahl  und 
Tüchtigkeit  seines  Heeres  dadurch,  dafs  er,  nach  niederländischem 
Vorbilde,  gut  gediente  Söldner  auf  Wartegeld  beurlaubte;  d.  h. 
er  siedelte  sie  in  seinen  Dörfern  an,  erteilte  ihnen  eine  geringe 
Pension  und  ein  Deputat  an  Naturalien,  und  sie  übernahmen 
dafür  die  Verpflichtung,  jederzeit  zum  Kriegsdienste  bereitzu- 
stehen '. 

Die  Gleichförmigkeit  der  Bekleidung  war  noch  nicht  völlig 
durchgeführt,  jedoch  beabsichtigt  und  teilweise  verwirklicht. 
Am  wenigsten  bei  der  Reiterei,  wo  jeder  Mann  sich  selber  kleiden 
und  beritten  machen  mufste.  Sie  trug  lederne  Koller ,  über 
die  der  Kürafs  gezogen  wurde,  Helme  mit  hinten  und  an  den 
Seiten  herunterhängenden  Blechplatten,  Panzerhandschuhe  und 
eine  schwarzweifse  Schärpe.    In  der  zweiten  Hälfte  dieser  Re- 


»  Orlich,  Friedr.  Wüh.,  215;  u.  Preufs.  Staat,  II,  896.  410,  IH, 
209 f.  —  Ein  Werbebrief  Friedrich  Wilhelms  vom  18.  Juli  1646:  v.;G ans- 
auge, Brandenb.-preuf&  Kriegswesen,  178  ff.    Vgl.  ebendas.,  S.  47  f. 

«  Jahns  im  Hohenzollernjahrb.  1900,  8.  142. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  199 

giernng  warden  die  Helme  durch  Hüte  mit  Federstutz  ersetzt 
Die  Waffen  der  Reiterei  waren  ein  langes  Schwert  und  Pistolen. 
Nur  die  Trabanten  trugen  durchgehends  blaue,  mit  Gold-  und 
Silberschnüren  verbrämte  Koller.  Die  Dragoner  führten  ein 
kurzes  Schwert  und  teils  eine  leichte  Muskete,  teils  eine  leichte 
Pike;  auch  sie  waren  mit  ledernem  Koller  bekleidet. 

Die  Gleichmftfsigkeit  der  Kleidung  war  bei  der  Infanterie 
besser  durchgeführt,  die  gegen  Ende  unseres  Zeitraums  durch- 
gehends über  der  Ärmelweste  einen  langschöfsigen  blauen  Bock 
trug,  wenn  auch  die  Schattierungen  ebenso  wie  die  Knöpfe  ver- 
schieden und  die  Beinkleider  teils  blautuchen,  teils  ledern  waren. 
Die  ,Livrey**  eines  Soldaten  kostete  in  Berlin  nur  fünf  Taler 
and  sechs  Pfennige,  in  Königsberg  freilich  über  sieben  Taler  ^.  Ehe 
das  Bajonett  eingeführt  wurde,  bestand  ein  Drittel  der  Infanterie 
aus  Pikenieren,  die  noch  Panzer  und  Pickelhaube,  sowie  eine 
fQnfzehn  bis  sechzehn  Fufs  lange  Pike  und  im  Gürtel  eine  Pistole 
trugen.  Die  anderen  zwei  Drittel  der  Fufsgänger  führten  Mus 
keten,  die  aber  sogar  bei  demselben  Begimente  nicht  alle  gleichen 
Kalibers  waren,  und,  ebenso  wie  die  Pikeniere,  Seitengewehre. 
Dann  trugen  sie,  zu  gröfserer  Sicherheit  gegen  Kavallerie- 
angriffe, spanische  Beiter  mit  sich,  allerdings  ein  sehr  beschwer- 
liches Gepäck!  Ihre  Kopfbedeckung  war  ein  schwarzer  Fi]zhut, 
der  durch  eingelegtes  eisernes  Gestell  gegen  Säbelhiebe  gesichert 
war,  mit  breiter,  auf  der  einen  Seite  aufgeschlagener  Krampe. 
Die  Unteroffiziere  führten  Flinten  und  Pistolen,  die  Subaltem- 
offiziere  nebst  den  Degen  kurze  Spiefse  mit  breitem  Stichblatt, 
sogenannte  Schweinsfedem. 

Die  Justiz  im  Heere  wurde  durch  rechtsgelehrte  Begiments- 
schttlzen  verwaltet,  die  später  den  noch  heute  üblichen  Namen 
Auditeure  erhielten.  Dabei  ward  das  Urteil  durch  ein  Kriegs- 
gericht gesprochen,  das  nach  Chargenklassen  gesondert  abstimmte. 
Niedrigere  Chargen  als  die  des  Angeklagten  durften  nicht  zu- 
gezogen werden.  Jedes  Urteil  mufste,  vor  der  Vollstreckung,  nebst 
den  zugehörigen  Akten  dem  Kurfürsten  vorgelegt  werden.  Das 
brandenburgische  Kriegsrecht  war  ein  im  ganzen  mildes,  besonders 
auch  gegen  Deserteure.  Aufserdem  wurde  die  Todesstrafe  häufig 
durch  den  Kriegsherrn  in  Galeerendienst  verwandelt;  auch  sonst 
wurden  hierzu  schwere  Militär  Verbrecher  verwendet.    Noch  kurz 


'  Ms.  Herzog  von  Croy,  Diarium  Prussiae,  HI,  728. 


200  Sechstes  Buch. 

vor  seinem  Tode  —  am  29.  Januar  1688  —  verbot  der  Kurfürst 
das  willkürliche  Prügeln  und  Mifshandeln  der  Soldaten,  zumal 
durch  die  Unteroffiziere^. 

Der  Auditeur  hatte,  namentlich  bei  den  Musterungen,  zugleich 
Sekretärsdienste  zu  verrichten.  An  der  Spitze  des  Auditoriats 
stand  der  Generalauditeur. 

Wiederholte  Musterungen  jedes  einzelnen  Truppenkörpers 
waren  damals  noch  notwendiger  als  in  der  Gegenwart  Indem 
die  Obersten  von  dem  Landesherrn,  die  Hauptleute  von  den 
Obersten  Pauschgelder  für  Anwerbung  und  Unterhalt  der 
Kompanien  empfingen,  war  die  Versuchung  grofs  —  und  ihr 
zu  unterliegen  galt  nicht  als  Schande  — ,  durch  Minderzahl  der 
Soldaten,  sowie  durch  deren  schlechte  Verpflegung,  Bekleidung 
und  Ausrüstung  sich  beträchtlichen  Geldgewinn  zu  verschaffen. 
Der  Kurfürst  ordnete,  dem  zu  begegnen,  häufige  Musterungen 
an,  über  deren  Ergebnis  er  genauen  Bericht  einforderte.  Jeder 
Fehler  wurde  scharf  gerügt,  jeder  Offizier,  dem  Unterschlagungen 
nachgewiesen  wurden,  sofort  kassiert.  Selbst  seinen  Schwager 
Johann  Georg  von  Anhalt  verschonte  Friedrich  Wilhelm  nicht 
mit  bitterem  Tadel,  als  dessen  Regiment  sich  1681  als  unvoll- 
zählig und  schlecht  ausgerüstet  herausstellte,  und  unterwarf  es 
aufsergewöhnlichen  und  nicht  vorher  angemeldeten  Musterungen. 
Im  allgemeinen  erhielt  Feldmarschall  Derfflinger  die  Befugnis, 
allezeit  auch  ohne  speziellen  Befehl  jedes  Regiment  zu  mustern 
oder  mustern  zu  lassen  und  dabei  alle  Hauptleute  oder  Ritt- 
meister zu  kassieren,  deren  Kompanien  nicht  in  gehöriger  Ord- 
nung befunden  würden.  Kein  Offiziersbedienter  durfte  in  die 
Front  eingereiht,  kein  Soldat  dem  Offizier  als  Diener  beigegeben 
werden.  Keine  Kompanie  sollte  mehr  als  30  bis  40  Verheiratete 
enthalten,  damit  die  Zahl  der  Nichtkombattanten  und  des 
Trosses,  die  dem  Heere  anhingen,  nicht  allzu  beträchtlich  sei'. 

Einheit,  Gleichmäfsigkeit,  strenge  Ordnung  wurden  immer 
mehr  diesem  Heere  auferlegt.  Einheitliches  Exerzitium  und 
Kommando  kamen  in  dem  Jahre  1681 ,  das  auch  sonst  für  die 
Umbildung  der  Armee  sehr  wichtig  ist,  zur  Einführung.  General- 
wachtmeister von  Schöning  mufste  die  Regimentskommandeure 


^  MyliuB,  III,  I  passim.  —  Ms.  Derfflinger  an  Heesen-Homburg, 
6.  April  1677;  Geh.  Staatearchiv,  Berlin,  Eep.  94,  IV  Hb,  5k. 
•  Orlich,  Preuls.  Staat,  HL  320 ff.  897.  405  f. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  201 

persönlich  darin  unterweisen.  Das  Exerzieren  im  einzelnen 
geschah  durch  die  Leutnants  und  Sergeanten,  da  die  Haupt- 
leute hierzu  keine  Zeit  hatten.  Bei  den  Musterungen  wurde 
darauf  gesehen,  dafs  die  Exerzitien  vorschriftsmafsig  eingeübt 
und  richtig  befolgt  wurden. 

Das  brandenburgische  Heer  erhielt  unter  Friedrich  Wilhelm 
eine  gründliche  Ausbildung,  die  durch  taktische  Neuerungen 
noch  wirksamer  ward.  Die  Schnelligkeit,  mit  der  Fufsvolk  wie 
Reiterei  die  damals  noch  sehr  umständlichen  taktischen  Be- 
wegungen ausführten,  erregt  noch  heute  die  Bewunderung  der 
Fachmänner.  Friedrich  Wilhelm  lehrte  zumal  seine  Kavallerie 
—  die  sich  übrigens  mit  Vorliebe  des  Schiefsgewehres  und  nur 
im  Notfalle  der  blanken  Waffe  bediente  — ,  selbständig,  ohne 
Unterstützung  durch  das  Fufsvolk,  vorzugehen  und  den  Feind 
anzugreifen:  ein  Wagnis,  das  Gustav  Adolf  ihr  noch  nicht 
zugemutet  hatte.  Ebenso  befreite  er  die  Artillerie  von  der 
Routine,  die  solche  stets  auf  jedem  Schlachtfelde  in  schematisch 
gleicher  Weise  anordnete.  Er  und  seine  Generale  wählten  viel- 
mehr in  jedesmal  angemessener  Art  die  passendsten  und  wirk- 
samsten Stellungen  für  die  Geschütze:  so  bei  Warschau  zum 
Schutze  des  berühmten  Flankenmarsches  der  Brandenburger; 
80  bei  Fehrbellin,  um  die  schwedische  Schlachtordnung  von  der 
rechten  Flanke  her  zu  bestreichen.  Die  brandenburgische  Feld- 
artillerie war  viel  beweglicher  als  die  entsprechende  Waffe  in 
irgend  einem  der  anderen  damaligen  Heere.  Überhaupt  waren 
die  Brandenburger  darauf  eingeübt,  sich  dem  Terrain  schnell 
und  vollkommen  anzupassen,  die  verschiedenen  Waffengattungen 
zweckmäfsig  zu  mischen,  die  Bewegungen  der  einzelnen  Korps 
gut  zu  kombinieren:  weit  mehr,  als  dies  anderwärts  geschah. 
Der  Aufklärungs-  und  Nachrichtendienst  war  vorzüglich  organi- 
siert. Die  Vorschriften,  die  Derfflinger  hierüber  dem  Reiter- 
general Landgrafen  von  Hessen  -  Homburg  immer  wiederholt 
erteilte,  sind  geradezu  mustergültig.  Der  Kavallerieführer  sollte 
fiich  nicht  nur  „guter  Kundschaft  befleifsigen*'  und  nfleifsig 
Parteien  aussenden" ,  sondern  auch  den  Feldmarschall  durch 
Offiziere,  die  unter  Bedeckung  gutberittener  Soldaten  aus- 
zusenden waren,  beständig  über  alle  wichtigen  Wahrnehmungen 
und  eigenen  Beschlüsse  auf  dem  laufenden  erhaltend 

*  Ms.  Briefe  Derfflingers  an  Hessen-Homburg  aus  dem  franzOs.- 
schwed.  Kriege;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  94,  IV  Hb,  5k. 


202  Sechstes  Bach. 

Die  Stärke  des  brandenburgisch-preufsischen  Heeres  lag  in 
der  Infanterie,  —  und  das  ist  so  in  alle  Zukunft  geblieben. 
„Sire,*"  schrieb  seinem  Könige  der  eher  feindselig  gesinnte  fran- 
zösische Gesandte  in  Berlin,  Graf  R^benac,  im  Mai  1686,  „ich 
habe  die  Truppen  gesehen,  die  der  Herr  Kurfürst  nach  Ungarn 
schickt;  die  Infanterie  ist  bewundernswert  schön;  die  Kavallerie 
ist  es  weniger."* 

Nicht  so  günstig  wie  über  die  taktischen  Verdienste  dürfte 
man  sich  über  die  Strategie  des  Kurfürsten  aussprechen.  So 
schnell  er  auch  dort,  wo  er  bestimmt  zu  siegen  hoffte,  darein- 
fuhr; so  gewandt  und  energisch  er  in  solchen  Fällen  seine 
Truppen  zu  verwenden  wufste:  grolse  strategische  Pläne  zu 
entwerfen  war  er  nicht  im  stände.  Sein  „schnelles  Reiten  vom 
Rhein  bis  an  den  Bhyn'',  sein  Winterfeldzug  in  Preufsen  stellen 
seiner  Tatkraft  ein  schöneres  Zeugnis  aus  als  seiner  Feldherrn- 
kunst. Sobald  nicht  eine  Leidenschaft  seinen  Entschlufs  an- 
spornte, gab  er  seiner  Bedächtigkeit,  seiner  fast  ängstlich 
abwägenden  Besonnenheit  allzuviel  Spielraum.  Weder  seine 
Feldzüge  gegen  die  Franzosen  noch  die  in  Pommern  versetzen 
ihn  in  die  Reihe  grofser  Feldherrn.  Freilich  müssen  wir  dabei 
im  Auge  behalten,  wie  sehr  ihn  in  den  ersteren  die  Eifersucht 
des  Kaisers,  während  der  letzteren  der  politische  Zweck  gründ- 
licher Besetzung  von  Schwedisch-Pommem  in  seinen  militärischen 
Entschlüssen  lähmte. 

Das  Soldwesen  fand  seine  Regelung  durch  kurfürstliches 
Dekret  vom  23.  Dezember  1665.  Ein  gemeiner  Reiter  erhielt 
danach  monatlich  4  Taler  Sold  und  1  Taler  3  Groschen  Servis, 
ein  Gemeiner  zu  Fufs  oder  Dragoner  2V2  und  ^U  Taler,  der 
Sergeant  der  Infanterie  6  und  */4  Taler,  der  Wachtmeister  der 
Dragoner  10  und  IV«,  der  der  Kavallerie  12  und  IV«  Taler. 
Bei  den  Offizieren  stieg  das  Gehalt  von  14  Talern  sowie 
IVa  Taler  Servis  für  den  Fähnrich  zu  Fufs  bis  100  und  15  Taler 
bei  dem  Reiterobersten.  Das  alles  ohne  Verpflegung;  wurde 
solche  den  Unteroffizieren  und  Gemeinen  geliefert,  so  erhielten 
sie  nur  den  dritten  Teil  ihrer  Löhnung. 

Von  37V2  Talern  (etwa  490  Mark  unseres  relativen  Geld- 
wertes) jährlich  konnte  der  Mann  nicht  leben,  zumal  wenn  er 
Weib  und  Kind  besafs,  wie  dies  bei  den  damaligen ,  lebensläng- 


'  H.  Prutz,  Des  Grofsen  Kurf.  letzte  Jahre,  S.  310,  Anm. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  203 

lieh  dieDenden  Soldaten  häufig  der  Fall  war.  Es  wurde  voraus- 
gesetzt, dafs  der  Soldat  in  den  dienstfreien  Stunden  der  Friedens- 
zeit sich  durch  Arbeit  Geld  verdiene;  im  Kriege  lebte  man  auf 
Kosten  des  Einwohners,  mochte  er  nun  Freund  oder  Feind  sein. 
Der  Kurfürst  suchte  auch  hier  wenigstens  im  eigenen  Lande 
Recht  und  Ordnung  zu  erhalten.  Es  ist  eines  seiner  Haupt- 
verdienste, an  Stelle  der  Quartierverpflegung  das  System  der 
Barbezahlung  nach  Möglichkeit  zur  Ausführung  gebracht  zu 
haben.  Die  üblen,  erpresserischen  Gewohnheiten  der  Soldaten 
auf  der  einen,  die  Geldarmut  des  Staates  auf  der  anderen  Seite 
erschwerten  freilich  den  Übergang  sehr.  Schon  1655  wurde 
wenigstens  der  Sold  bar  geliefert,  lag  dem  Wirte  nur  der  Servis 
ob,  das  heifst  Quartier,  Stallung,  Holz,  Licht,  Streustroh,  Salz, 
Pfeffer  und  Essig,  sowie  Pferdefutter.  Nach  dem  Frieden  von 
Oliva  wurde  der  Servis  für  die  Offiziere  auf  Quartier  und 
Stallung  beschränkt,  während  dem  Soldaten  gegenüber  der  Wirt 
den  Servis  für  einen  mäfsigen  Satz  in  Geld  ablösen  konntet 
Ein  weiterer  Fortschritt  folgte:  der  Kurfürst  liefs  den  Quartier- 
wirten Verpflegungsgelder  für  Mann  und  Pferd  bezahlen,  so  dafs 
die  Wirte  aus  Eigenem  nur  Quartier  und  Stall  zu  geben  hatten^. 
Jeder  ungebührliche  Anspruch  den  Quartierwirten  gegenüber 
wurde  den  Offizieren  wie  Soldaten  streng  untersagt '. 

Trotzdem  wurde  das  Verhältnis  zwischen  Bürgern  und 
Soldaten,  die  man  als  Fremde  betrachtete,  kein  freundliches.  Jene 
verachteten  diese  als  den  Auswurf  der  Menschheit  und  mifsgönnten 
ihnen  die  Mitbewerbung  durch  Handwerksarbeit  Es  kam  hä.ufig 
zü  Schlägereien,  ja  Mordtaten  zwischen  Bürgern  und  Soldaten. 


•  Friedr.  v.  Schroetter,  Die  £ntwickliiiig  des  Begriffes  „Servis" 
im  preuffl.  Heerwesen;  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  Xin  (1900), 
S.  15  f. 

•  Edikte  vom  1.  Mai  1673,  1.  Jan.  1684;  Mylius,  III,  I  165 ff.;  VI, 
1529  ff. 

•  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Gen.-Depart.,  LXVIII  Nr.  2:  KurfOrstl. 
Verordnung  vom  1.  September  1687:  „Da  die  Gemeinen  zu  Fufs  die 
völligen  Servitien  in  natura  in  ihren  Quartieren  geniefsen,  sollen  sie  über 
solches  von  den  Wirten  nicht  das  mindeste  fordern.  Auch  die  Offiziere 
dürfen  von  ihren  Wirten  nichts  Ungebührliches  fordern  und  müssen  sich 
mit  dem  von  diesen  gewährten  Quartier  zufrieden  geben.  Vorzüglich 
sollen  berittene  Offiziere  nicht  mehr  Pferde,  als  ihnen  zukommen,  in  den 
Ställen  ihrer  Wirte  einstellen.  Zu  Dienstleistungen  und  Vorspann  dürfen 
die  Offiziere  die  Untertanen  nicht  zwingen.^ 


204  Sechates  Buch. 

Der  Adel  suchte  übrigens  die  Einquartierungslast  vom  Lande 
auf  die  Städte  abzuwälzen;  und  auch  in  dieser  Bevorzugung 
machte  ihm  der  Kurfürst  das  gewünschte  Zugeständnis  ^ 

Das  Avancement  unter  den  Offizieren  fand,  wie  noch  heute, 
in  der  Regel  nach  dem  Dienstalter  statt;  Verdienst  oder  Gunst 
liefsen  jedoch  hierin  Ausnahmen  eintreten,  die  dann  von  den 
Benachteiligten  schwer  empfunden  und  zum  Gegenstand  lebhafter 
amtlicher  Klagen  gemacht  wurden.  Häufig  nahmen  die  Über- 
gangenen, wenn  ihre  Beschwerden  fruchtlos  blieben,  den  Abschied, 
aber  Regel,  geschweige  denn  Vorschrift  war  dies  keineswegs. 
Die  adligen  Offiziere  besafsen  beim  Avancement  keinen  Vorzug 
vor  den  bürgerlichen;  vielmehr  begegnen  wir  Beispielen,  dafs 
letztere  über  den  Kopf  adliger  Vordermänner  hinweg  bef5rdert 
worden  sind.  Träger  alter  adliger  Namen  dienten  als  Gfemeine, 
bisweilen  durch  ein  Jahrzehnt,  ehe  sie  zu  Offizieren  ernannt 
wurden*.  Die  höchste  Charge  der  Armee,  die  des  Generalfeld- 
marschalls, ist  zuerst  durch  Friedrich  Wilhelm  bei  ihr  eingeführt 
Der  Generalfeldmarschall  war  nicht  nur  Oberbefehlshaber  des 
Heeres,  sondern  er  besafs  auch  hohe  administrative  Befugnisse, 
die  ihm  einen  Teil  der  Aufgaben  des  heutigen  Kriegsministeriums 
zuwiesen. 

Der  schon  1657  während  des  Nordischen  Krieges  von  dem 
Kurfürsten  geschaffene  Generalquartiermeisterstab,  dem  jetzigen 
Generalstabe  entsprechend,  erhielt  weitere  Ausdehnung.  Er 
bestand  während  des  Kampfes  gegen  Franzosen  und  Schweden 
aus  neun  Offizieren,  denen  im  Kriege  die  Bestimmung  der 
Marsch-  und  Schlachtordnung,  sowie  der  Lagerung  und,  bei 
Belagerungen,  die  Ziehung  der  Laufgräben  übertragen  war,  im 
Frieden  aber  das  Ingenieurwesen  und  der  Wege-  und  Schanzen- 
bau. Dadurch  wurde  der  Generalstab  in  wenig  zweckdienlicher 
Weise  mit  dem  Ingenieurkorps  verschmolzen,  und  diese  Ver- 
schmelzung hat  bis  zur  Katastrophe  des  altpreufsischen  Heeres 
im  Jahre  1806  angedauert  Der  Grofse  Kurfürst  hat  während 
der  zweiten  Hälfte  seiner  Regierung  zum  Amte  des  General- 
quartiermeisters vorzüglich  Franzosen  erwählt,  denen  man 
gröfsere  Kenntnisse  in  der  Kriegswissenschaft  und  zumal  im 
Ingenieurwesen  zutraute  als  den  Einheimischen'. 


1  Beihefte  z.  Militärwochenbl.,  1896,  S.  340. 
<  Beispiele  bei  Gansauge,  S.  59. 

'  A.  Y.  Fircks,  Feldm.  Moltke  und  der  preuls.  Generalstab  (Berlin 
1879),  8.  12.  19. 


VierzigsteB  Kapitel.    Das  Heer.  205 

Das  Heer  um  die  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  beruhte 
auf  ganz  anderen  Grundlagen  als  das  der  Gegenwart.  Es  war 
hervorgegangen  aus  den  wilden  Abenteurerhaufen,  die  reiche 
Edelleute  fttr  den  Dienst  irgend  eines  Fürsten  anzuwerben 
pflegten.  Freilich  hielten  grausame  Kriegsartikel  äurserlich  den 
Zusammenhang  einigermafsen  aufrecht,  und  ein  roher  Begriff 
soldatischer  Ehre  gab  in  eigentlich  militärischer  Beziehung  auch 
die  innere  Festigkeit.  Aber  sonst  glaubten  Offiziere  und  Soldaten 
nur  für  die  Dauer  ihres  Soldvertrages  an  den  Kriegsherrn 
gebunden  zu  sein  und  schrieben  sich  in  allen  nicht  rein  militäri- 
schen Handlungen  völlige  Freiheit  zu.  War  man  nur  tapfer  und 
der  Fahne  treu,  so  durfte  man  sich  sonst  des  Rechtes  des 
Stärkeren  nach  Gutdünken  bedienen.  Man  übte  es  dem  Bürger 
und  Bauern  gegenüber  um  so  unbedenklicher,  je  unsicherer  die 
Auszahlung  des  verheifsenen  Soldes  war.  Wildheit  und  Roheit, 
Pochen  auf  persönliche  Kraft  und  Tapferkeit,  Bauf-  und  Plünde- 
ningssucht  herrschten  unter  den  bunt  zusammengewürfelten 
Scharen  und  waren  bei  den  Offizieren,  so  sehr  diese  sich  auch 
als  „Kavaliere*"  brüsteten,  kaum  geringer  als  unter  den  Soldaten. 
Die  Brandenburger  waren  darin  zunächst  nicht  besser  als  die 
Qbrigen  Heere.  Die  Klagen  über  ihren  Mangel  an  Manns- 
zucht, über  die  Plünderungen  und  Gewalttaten,  die  sie  wie  gegen 
die  Untertanen  verbündeter  Fürsten  so  auch  gegen  die  branden- 
burgisehen  selbst  verübten,  ertönen  bei  jedem  Feldzuge  von 
neuem  *. 

Friedrich  Wilhelm  ist  mit  Eifer  gegen  diese  Ausschreitungen 
vorgegangen.  Er  wollte  den  friedlichen  Bürger  und  Bauer 
schützen ,  er  wollte  nicht  Räuberbanden  führen ,  sondern  eine 
ehrenhafte  ^  Soldateska** .  Immer  wieder  schärfte  er  den  Regi- 
mentsinhabem  und  sonstigen  höheren  Offizieren  ein,  den  durch 
ihre  Leute  den  Untertanen  —  fremden  wie  einheimischen  — 
verursachten  Sc]|^aden  zu  ersetzen;  er  führte  ihnen  zu  Gemüt: 
»Wann  in  den  Quartieren  gutte  Ordre  gehalten  wirdt,  kan 
man  ein  Jahr  darin  leben;  will  man  aber  seine  Quarttier  aufs- 
plündern  undt  selbst  ruinieren,  so  ist  es  eine  Unmöglichkeit/ 
Besonders  das  Fortführen  von  Vieh  und  die  Plünderung  von 
Mundvorrat  wurden  streng  untersagt:  der  Kurfürst  ordnete 
1679  an,  däfs  derjenige  Offizier,  unter  dessen  Kommando  solche 


'  U.  u.  A.,  XI,  313.  —  Orlich,  Preufs.  Staat,  III,  paasim. 


20(j  Sechstes  Buch. 

Unregelmftrsigkeit  voiüele,  sofort  kassiert  werde  ^.  Ein  Edikt 
vom  6.  Oktober  1665  schrieb  Offizieren  und  Soldaten  bei  scharfer 
Ahndung  genau  vor,  wie  sie  sich  zur  Aufrechterhaltung  der 
Ordnung  und  zur  Schonung  der  friedlichen  Einwohner  gegen 
diese  zu  benehmen  hätten.  Dieses  Edikt  wurde  öffentlich 
angeschlagen  und  von  allen  Kanzeln  verlesen,  damit  die  Unter- 
tanen erführen,  wie  sie  sich  soldatischer  Ungebühr  zu  erwehren 
hatten^.  Andere  Edikte  in  gleichem  Sinne  folgten,  und  sie 
blieben  kein  toter  Buchstabe.  Offiziere,  die  Bürgerliche  beleidigt 
hatten,  mufsten  monatelang  als  Gemeine  die  Muskete  tragen. 
Soldaten,  die  geplündert  hatten,  wurden  enthauptet  oder  gehenkt, 
ihre  Offiziere  kassiert.  Aber  der  Kurfürst  wufste,  dafs  Strafen 
nur  die  Symptome  des  Übels  treffen  können,  und  er  wollte 
solches  doch  mit  der  Wurzel  ausreuten.  Dazu  hielt  er  besonders 
den  Einflufs  der  Religion  für  dienlich.  Jede  Zeltmannschaft 
mufste  das  Neue  Testament  und  das  Psalmbuch  mit  sich  führen, 
die  Subaltemoffiziere  darauf  sehen,  dafs  der  Soldat  in  diesen 
Schriften  lese.  Morgens  und  abends  wurden  regelmäfsig  Bet- 
stunden abgehalten.  Vor  allem  sollte  das  Offizierkorps  durch 
Bildung  innerlich  gehoben  und  gebessert  werden;  der  Kurfürst 
hatte  in  solcher  Absicht  die  Ritterakademie  in  Kolberg  begründet 
(T.  I  S.  437). 

Diese  Mafsregeln  hatten  endlich  sehr  merklichen  Erfolg. 
Das  Offizierkorps  zumal  wurde  einheitlicher,  pflichtbewuCster, 
fügsamer;  der  Begriff  besonderer  brandenburgischer  Offiziersehre 
begann  sich  unter  den  Herren  zu  verbreiten.  Sie  lernten  femer, 
sich  nicht  nur  um  die  militärische  Ausbildung,  sondern  auch  um 
das  Wohlbefinden  und  die  Erhaltung  der  ihnen  untergebenen 
Mannschaften  zu  kümmern.  Der  Kurfürst  ward  ihnen  mehr  als 
der  augenblickliche  Brotherr,  den  man  alsbald  mit  einem  anderen 
vertauschen  könne:  sein  fester  Wille,  seine  ehrfurchtgebietende 
Persönlichkeit,  sein  hohes  Streben  und  seine  sieghafte  Leitung 
fesselten  sie  an  ihn  mit  dem  Empfinden  persönlicher  Treue  und 
opferwilliger  Ergebenheit*.  Mit  den  Führern  besserten  sich 
auch    die    Untergebenen;    schon    in    den    letzten    Jahren    des 


*  Orlich,  a.  a.  O.,  190.  194 ff.  807. 

'  Eberh.  Hoyers  (damaliger  GeneralauditeurX  ChurfOratl.  Branden- 
burgiBches  Exiegsrecht  (Berlin  1665,  12^). 

•  Vgl.  W.  V.  Unger,  Derfflinger;  Beiheft  z.  MilitäxwoohenbL,  1896, 
S.  422  f. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  207 

schwedisch -französischen  Krieges  hört  man  nichts  mehr  von 
Ausschreitungen  der  brandenburgischen  Soldaten.  Als  im  Früh- 
jahr 1684  fünfzehnhundert  Reiter  in  das  Herzogtum  Mecklen- 
burg-Güstrow  einquartiert  wurden,  zeichneten  sie  sich  durch 
strenge  Mannszucht  auf  das  vorteilhafteste  aus,  indem  sie  sich 
mit  einfacher  Nahrung  und  mit  Futter  für  ihre  Pferde  begnügten  ^ 
Freilich,  im  selben  Jahre  brach  unter  der  Garnison  Kol- 
bergs ein  förmlicher  Aufstand  aus,  der  mit  der  Erschiefsung 
mehrerer  Soldaten  und  strenger  Bestrafung  anderer  geahndet 
wurde,  aber  nur  aus  der  Bedrückung  durch  einen  Major  ent- 
standen zu  sein  scheint,  der  dann  auch  ohne  weiteres  kassiert 
wurde.  Die  Urteile  fremder,  selbst  nicht  wohlwollender  Beob- 
achter über  die  brandenburgischen  Truppen  lauten  im  allgemeinen 
günstig,  und  zumal  die  Infanterie  wird  als  vorzüglich  bezeichnet^. 
Der  sonst  allem  Brandenburgischen  abgeneigte  und  es  mit  ver- 
achtender Mödisance  behandelnde  R6benac  nennt  1684  die  Truppen 
des  Kurfürsten  ^schöner  als  alle  die,  die  ich  in  Deutschland 
gesehen  habe''.  Noch  emphatischer  urteilt,  einige  Jahre  früher, 
ein  anderer  Franzose,  der  Marquis  von  Bethune:  „Die  branden- 
burgischen Truppen  sind  die  schönsten  und  besten  in  Europa.  ** 
Man  scherzte:  da  Derfflinger  in  seiher  Jugend  Schneider  gewesen, 
sei  es  nicht  zu  verwundern,  dafs  die  brandenburgischen  Truppen 
besser  gekleidet  seien  als  alle  anderen. 

Einer  der  Hauptgründe  der  Unordnungen  hatte  in  der  über- 
grofsen  Ausdehnung  des  Heerestrosses  sowie  in  der  Verwirrung 
gelegen,  die  in  diesem  zu  herrschen  pflegte.  Friedrich  Wilhelm 
schuf  auch  hier  Ordnung.  Er  stellte  in  jedem  Regimente  einen 
Wagenmeister  an;  diese  Beamten  wurden  bei  ausbrechendem 
Kriege  einem  Generalwagenmeister  untergeben,  der  eine  Anzahl 
Reiter  zum  Behufe  der  Durchführung  seiner  Anordnungen  zu- 
gewiesen erhielt*. 

Die  Sorgfalt  des  Kurfürsten,  dessen  Herz  ein  mildes  und 
gütiges  war.  erstreckte  sich  auch  auf  diejenigen  seiner  Soldaten, 

>  Ms.  Bidal  (franzöa.  Agent  in'Kamburg)  an  Louvois,  21.  April  1684 
(Auszug;  Berlin,  Geh,  Staatsarchiy,  Bep.  94,  IV  Hb,  10/9):  „ils  vivent 
ayec  beaucorp  d 'ordre,  se  contentant  du  fourrage  et  de  leur  simple 
nourritore.* 

•  Vgl.  die  Urteüe  Colbert-Croissys  (1666)  und  Verjus'  (1673);  U.  u.  A., 
n,  870.  511.  —  Böbenac  bei  Prutz,  398.  —  Bethune:  Baumer,  Beiträge, 
m,  475  f. 

•  Dekret  vom  2J12.  Nov.  1672;  Orlich.  Preufs.  Staat,  HI,  196  f. 


208  Sechstes  Buch. 

die  im  Kriege  erkrankten  oder  verwundet  wurden.  Er  hat  deren 
Wartung  und  Verpflegung  immer  von  neuem  vorgeschrieben, 
gegen  die  hierin  säumigen  oder  gar  unredlichen  Wundärzte  und 
Beamten  strenge  Strafen  verhängte 

Allein  das  Los  der  durch  Wunden,  Krankheit  oder  Alter 
dauernd  dienstuntauglich  gewordenen  Offiziere  und  Soldaten  blieb 
ein  überaus  trauriges  ^.  Sie  mufsten  selber  zusehen,  wie  sie  sich 
durchschlugen,  und  zumal  die  invaliden  Soldaten  sanken  not- 
wendigerweise zu  Bettlern  und  Landstreichern  hinab.  Ihr 
Schicksal  ging  dem  Kurfürsten  sehr  nahe,  allein  er  besafs  so 
gut  wie  keine  Mittel,  ihnen  zu  helfen.  Es  war  schon  viel,  wenn 
er  1659  einem  wegen  Krankheit  verabschiedeten  Obersten  eine 
Pension  von  30  Talern  jährlich  gewährte.  Ältere  und  halb- 
invalide  Soldaten  kamen  in  eine  der  zwanzig  Garnisonkompanien ; 
verwundete  und  verkrüppelte  aber  erhielten  nur  die  erste  Pflege 
und  wurden  dann  in  ihre  Heimat  geschafft,  ohne  dafs  sie  weitere 
Ansprüche  erheben  durften.  Bisweilen  haben  edle  und  begüterte 
Offiziere  ihnen  unterstehende  Soldaten,  deren  Treue  und  Mut 
sie  kennen  gelernt  hatten,  bis  zum  Lebensende  gepflegt.  Allein 
das  waren  naturgemäfs  Ausnahmen.  Der  Kurfürst  hat  gelegent- 
lich verwundeten  Soldaten  Gnadengeschenke  erteilt,  indes  immer 
nur  unbedeutende:  in  den  Jahren  1677  bis  1681  betrug  diese 
Ausgabe  jährlich  zwischen  20  und  94  Taler! 

Dennoch  hat  Friedrich  Wilhelm  inmitten  der  politischen, 
militärischen  und  finanziellen  Bedrängnisse  des  Krieges  der 
armen  Invaliden  nicht  vergessen.  Er  gründete  in  Spandau  eine 
halbe  Blessiertenkompanie  in  Höhe  von  59  Mann,  mit  einem 
jährlichen  Yerpflegungsetat  von  1560  Talern.  Als  der  Friede 
von  St.  Germain  ihm  1679  gröfsere  Bewegungsfreiheit  gewährte 
und  die  Durchführung  bleibender  Besteuerung  etwas  mehr  Geld* 
mittel  zur  Verfügung  stellte,  gedachte  der  edelmütige  Fürst 
sofort  seiner  Invaliden.  Er  erliefs  am  15.  Dezember  an  die 
Festungskommandanten  und  Regimentsbefehlshaber  folgende 
Ordre : 

„Weil  Wir  nicht  gemeinet  sein,  die  alten,  gebrechlichen  undt 
blessierten  Soldaten  zu  verstofsen  oder  dieselben  noth  leyden  zu 
lassen ;  Also  ergehet  Unser  gnädigster  Befehl  an  euch,  Uns  eine 

^  Orlicli,Preul8.Staat,ni248:  Verordnung  vom  28.  Juni/ 8  Juli  1675. 
'  E.  Schnackenburg,    Das   Invaliden-    und   Versorgungswesen 
des  brandenb.-preuis.  Heeres  bis  zum  Jahre  1896  (Berlin  1889). 


VierzigsteB  Kapitel.    Das  Heer.  200 

Liste  Ton  dergleichen  Leaten^  so  allhier  in  eurem  Gouvernement 
vorhanden,  einzuschicken,  oder,  wofern  sie  schon  abgedankt  sein, 
zu  wissen  zu  thun,  dafs  sie  bey  Unserm  Kriegs-Gömmissariat 
sich  zu  melden  haben,  Wir  dann  darauf  Ordre  erteylen  wollen, 
wie  es  mit  ihnen  gehalten  werden  soll.  Dafeme  auch  einige 
Ober-  undt  Unter- Officirer  von  obangeführter  Condition  vor- 
handen sein,  davon  habt  ihr  Uns  ebenfalls  zu  berichten  undt 
eine  Liste  gleichergestalt  davon  einzuschicken/ 

In  der  Tat  wurde  die  halbe  Blessiertenkompanie  in  Spandau 
1681  auf  eine  ganze  erhöht,  zu  168  Mann.  Friedrich  Wilhelm 
errichtete  weiter,  1682,  in  Johannisburg  in  Preufsen  eine  halbe 
Kompanie  Blessierter,  deren  Verpflegung  jährlich  1572  Taler 
kostete.  Es  waren  das  die  Invalidenanstalten  der  damaligen  Zeit^ 

Brandenburg  -  Preufsen  hatte  auf  nicht  weniger  denn  drei 
Seiten  Gegner  zu  fürchten:  von  Westen  —  Frankreich;  von 
Norden  —  Schweden;  von  Osten  —  Polen.  Von  allen  drei 
Richtungen  her  waren  die  Feinde  wiederholt  ins  Land  gedrungen. 
Um  so  notwendiger  war  es,  das  Gebiet  durch  Festungen  zu 
schützen  und  vor  schnellem  Überranntwerden  zu  bewahren.  Die 
schleunige  Befreiung  der  Kurmark  und  Preufsens  von  den 
Schweden  war  zum  guten  Teile  dadurch  ermöglicht  worden,  dafs 
in  beiden  Provinzen  die  Festungen  in  der  Gewalt  der  kurfürst- 
lichen Truppen  geblieben  waren.  So  hat  Friedrich  Wilhelm  dem 
Festungsbau  stets  seine  Sorgfalt  gewidmet.  Er  zog  dabei  dem 
französisch-italienischen  Befestigungssystem,  das  seine  Vorgänger 
angewendet  hatten,  das  minder  kostspielige  und  leichter  zu  ver- 
vollständigende niederländische  vor.  Der  Chef  des  Ingenieur- 
korps war  stets  der  Generalquartiermeister :  also  1670 — 1673  der 
französierte  Italiener  de  Chifeze,  der  Erbauer  des  Müllroser 
Kanals;  dann  ein  echter  Sohn  der  Mark,  Joachim  Ernst 
Biesendorf  aus  Zielenzig,  den  der  Kurfürst  im  Auslande  hatte 
ausbilden  lassen.  Er  fiel,  wie  ermähnt,  schon  im  September  1677 
bei  der  Belagerung  Stettins.  Seitdem  Vaubans  Ruf  als  des 
ersten  Befestigungskünstlers  allgemein  anerkannt  wurde,  erhielt 
das  französische  System  wieder  Einflufs  auf  die  brandenburgische 
Fortifikation.   Wir  sehen  schon  1680  vielfach  Franzosen,  besonders 


1  Kriegsarch.,    Berlin,    Kap.  XV,    Tit.   7  a,  Nr.  7  c;   Kap.   XYII 

Tit.  2.  —   Kg].  Bibl.,  Berlin,  Manuscr.  Boruss.  fol.,  322  (Mustenmgs- 
bericht  vom  28.  Sept.  1683}. 

Philippson,  Der  Grcfsa  Kurffint.    III.  14 


210  Sechstes  Buch 

R6fugi6s^  unter  den  brandenburgischen  Ingenieuren,  an  der  Seite 
der  Holländer.  Übrigens  fehlte  es,  besonders  in  den  unter- 
geordneten Stellen,  auch  nicht  an  Deutschen.  Die  Befruchtung 
kam  damals  dem  Deutschtum  aber  an  allen  Orten  vom  Auslände^. 

Das  Herz  des  Staates,  die  Kurmark,  war  durch  das  schon 
1537  von  Markgraf  Johann  befestigte  Küstrin,  sowie  durch 
Spandau  geschützt,  dessen  Wälle  Kurfürst  Joachim  IL  im  Jahre 
1555  zu  erbauen  begonnen  hatte.  In  Spandau  befanden  sich  das 
Hauptarsenal  des  Heeres  und  der  Artilleriepark,  der  jederzeit 
bereit  stand,  ins  Feld  geführt  zu  werden.  Küstrin  aber  galt  als 
der  stärkste  Platz  der  Kurmark  und  war  gleichfalls  mit  Artillerie, 
sowie  Waffen  und  Vorräten  aller  Art  reich  versehen*.  Femer 
lagen  in  Kur-  und  Neumark  die  minder  wichtigen  Festungen 
Havelberg,  Landsberg,  Frankfurt,  Driesen,  Peitz  und  Fürsten- 
walde. Berlin  war  durch  den  Kurfürsten  selbst  fortifiziert 
worden.  Den  Westen  des  Staates  schützten  am  Unterrhein 
Wesel,  Rees  und  Emmerich,  landeinwärts  das  starke  Lippstadt 
nebst  Hamm  und  Minden.  Die  Elblinie  wurde  durch  Magdeburg 
gesichert.  Gen  Osten  schauten  Königsberg,  das  durch  einen 
IVa  Meilen  langen  Wall  und  Graben  umzogen  und  durch  die 
neuangelegte  Zitadelle  Friedrichsburg  sowohl  beherrscht  wie  ver- 
stärkt wurde,  sowie  Pillau,  dessen  Werke  von  Gustav  Adolf 
begonnen  waren,  und  endlich  Memel.  Hinterpommem  wurde 
durch  das  starke  Kolberg  gesichert.  Zur  Besetzung  dieser 
zahlreichen  Festungen  dienten  die  Garnisonkompanien,  die  1687 
nicht  weniger  als  7700  Soldaten  umfafsten ,  dazu  an  Artillerie 
11  Offiziere  und  431  Unteroffiziere  und  Büchsen meister,  sowie 
die  dazugehörigen  Handwerker '. 

Friedrich  Wilhelm  liebte  es,  den  Fremden  seine  neuangelegten 
oder  verstärkten  Festungen  persönlich  zu  zeigen.  Die  Wichtig- 
keit, die  er  diesen  beimafs,  tritt  in  seinem  politischen  Testamente 
vom  Jahre  1672  hervor :  ein  bedeutender  Teil  dieses  Aktenstückes 
ist  gerade  der  zukünftigen  Gestaltung  des  Festungswesens,  unter 
Anführung  sogar  der  geringfügigsten  Einzelheiten,  gewidmet. 

Die    Artillerie    wurde   von   Grund  aus   reorganisiert.    Ein 


*  U.  V.  Bonin,  Gesch.  d.  Ingenieurkorps  u.  der  Pioniere  in  Preufsen 
(Berlin  1877)  S.  14  ff.  263  ff. 

3  Bericht  de  Lesseins  an  Ludwig  XIV.,  8.  Febr.  1662;  ü.  u.  A., 
II,  246. 

"  Schmidt,  Gesch.  d.  Elriegsministeriums,  11«  73. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  211 

Reglement  vom  Jahre  1672  gab  den  Artilleristen,  die  bisber 
eigentlich  als  Handwerksknechte  gegolten  hatten,  den  wahrhaft 
militärischen  Charakter,  wie  denn  jeder  Artillerist,  der  über  die 
Strarse  ging,  das  Seitengewehr  zu  tragen  verpflichtet  wurde  ^. 
Von  seinem  letzten  Artilleriechef,  dem  Obersten  Ernst  Weiler, 
beraten,  der  sich  überhaupt,  nach  Sparr,  das  gröfste  Verdienst 
um  diese  wichtige  Waffe  erworben  hat,  strebte  der  Kurfürst 
dahin,  systematische  Einheitlichkeit  des  Kalibers  bei  seinen  Ge- 
schützen durchzuführen,  und  dies  gelang,  indem  seit  1680  deren 
Herstellung  den  privaten  Giefsereien  zum  überwiegenden  Teile 
entzogen  und  fast  ausschliefslich  der  kurfürstlichen  Stückgiefserei 
zu  Berlin  übertragen  wurde.  Die  brandenburgische  Artillerie 
hatte  bereits  bei  der  Belagerung  der  pommerschen  Festungen 
sich  rühmlichst  bew&hrt.  Der  Kurfürst  aber  war  unablässig 
darauf  bedacht,  sie  stets  weiter  auszubilden:  so  begründete  er 
am  24.  November  1687  zu  Berlin  eine  Feuerwerkerschule'. 

Freilich  blieben  noch  mancherlei  Mängel.  Das  Pulver  mufste 
aus  holländischen  Fabriken,  zu  15  Rtlrn.  (gleich  etwa  200  Mark 
heutigen  Geldes)  für  den  Zentner,  bezogen  werden,  da  es  im 
Inlande  keine  Pulvermanufaktur  gab.  Es  ist  auffallend,  dafs 
Friedrich  Wilhelm  nicht  diesem  für  einen  Kriegsfall  mit  Holland 
doch  sehr  bedenklichen  Übelstande  abgeholfen  hat.  Eine  grofse 
Schwierigkeit  war  ferner  der  Mangel  an  Zugpferden,  so  dafs  im 
Kriege  die  meisten  Artilleriepferde  gemietet  oder  sogar  zeitweise 
durch  Ochsen  ersetzt  werden  mufsten®. 

Die  Verwaltung  dieses  so  bedeutend  angewachsenen  Heeres 
gipfelte  in  der  Kriegskanzlei,  die  dem  späteren  Kriegsministerium 
entspricht  und  damals  ein  doppeltes  Haupt  in  dem  Generalfeld- 
marschall  und  dem  Generalkriegskommissar  besafs  (Bd.  I,  S.  432ff.). 
Der  erstere  hatte  die  eigentlich  militärischen  Angelegen- 
heiten zu  führen,  der  zweite  —  Nichtmilitär,  Verwaltungs- 
beamter —  die  ökonomischen  Geschäfte.  Freilich  ging  beides 
bisweilen  ineinander  über,  und  dann  mufsten  beide  hohe  Würden- 
träger  sich  gegenseitig  verständigen.    Wir  sehen   in   der  Tat 


>  Mylius,  m,  Nr.  30. 

*  Berlin,  Geh.  Kriegsarch.,  V,  1  c,  10. 

*  y.  M alinow8kya.v.Boniii,  Gesch.  d.brandenb.-preuls.  Artillerie, 
Bd.  I  (Berlin  1840>  passim.  —  K.  W.  v.  Schöning,  Histor.-biogr.  Nach- 
richten z.  Gesch.  d.  brandenb.-preufs.  Artillerie,  Bd.  I  (Berlin  1844),  S.  74 ff. 

14* 


212  Sechstes  Buch. 

FeMmarschall  Sparr  und  GeDeralkriegskommissar  von  Platen 
öfters  gemeinsam  an  den  Kurfürsten  berichten^.  Der  Feld- 
marschall wurde  auch  bei  politischen  Fragen,  wo  das  militärische 
Element  eine  Rolle  spielte,  z.  B.  wenn  es  sich  um  Offensiv-  oder 
Verteidigungsbündnisse  mit  fremden  Staaten  handelte,  zu  den 
Sitzungen  des  Geheimen  Rates  herangezogen.  Überhaupt  beriet 
sieh  der  Kurfürst  hAufig  mit  dem  Feldmarschall,  besonders  seit- 
dem, von  1673  an,  Derfflinger  diese  Würde  bekleidete.  Trotz- 
dem mochte  der  alte,  grimme  Recke  sich  in  die  Mitwirkung  des 
Kriegskommissariats  nicht  immer  fügen.  Er  klagte  wohl  über 
die  Feindschaft  dieser  Behörde,  die  ihm  alles  aus  den  H&nden 
nehmen  wolle,  und  forderte  deshalb  sogar  seine  Entlassung. 
Aber  es  gelang  dem  Zureden  des  Kurfürsten  immer  wieder,  ihn 
zu  begütigen,  und  er  lernte  endlich,  sich  in  die  feste  Ordnung 
des  Staates  zu  fügen  ^. 

Im  Juli  1669  war  der  sehr  verdiente  und  vom  Kurfürsten 
geschätzte  Platen  gestorben.  Sein  Amt  —  „unsere  Ordinar- 
Militär- Affären  und  das  Kontributions  werk*,  wie  Friedrich  Wil- 
helm sich  in  seiner  Ordre  vom  24.  Juni/4.  Juli  1669  ausdrückt  — 
blieb  einstweilen  unter  der  provisorischen  Verwaltung  des  Kriegs- 
rates Franz  Meinders®.  Es  hatten  sich  zwischen  Platen  und 
Sparr  denn  doch  zu  viele  Streitpunkte  ergeben,  um  den  Kur- 
fürsten nicht  bedenklich  zu  stimmen.  Deshalb  sollte  die  Militär- 
verwaltung einstweilen  nur  einem  dem  Geheimen  Rate  unter- 
geordneten, also  verhältnismäfsig  subalternen  Beamten  über- 
wiesen werden,  der  dem  Feldmarschall  jedenfalls  nachstand. 
Trotz  dieser  Beschränkung  seiner  Befugnisse  hat  Meinders  sich 
grofses  Verdienst  um  die  Entwicklung  der  militärischen  und 
finanziellen  Ordnung  erworben  durch  die  Schaffung  der  General- 
kriegskasse, im  Jahre  1674,  die  von  der  gleichfalls  neuerrichteten 
Hofstaatsrenteikasse  getrennt  wurde  ^.  Erst  1675  wurde  die 
Selbständigkeit  der  obersten  Heeresverwaltung  wiederhergestellt, 
indem  Bodo  von  Gladebeck,  ein   aus  dem  braunschweigischen 


'  F.  Harsch,  Die  Armee  des  Grofs.   Eurf.  u.  ihre  Unterhaltung; 
Hist.  Zeitschr.,  LIU,  256.  594. 

•  V.  Unger,  a.  a.  0 ,  S.  895 ff. 

•  Vgl.  Strecker,  Meinders,  56 ff.  127 ff. 

^  E.  Breysig  in  den  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  V  (1892X 
139:  149.  —  Vgl.  oben,  S.  69. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  213 

Dienste  übernommener  Beamter,  die  Ernennung  zum  General^ 
kriegskommissar  erhielt. 

Das  Eigentümliche  in  der  brandenburgischen  Ressortgestaltung 
war  aber,  dafs  dieser  Beamte  nicht  nur  die  Verausgabung  der 
für  die  Militärbedürfnisse  bestimmten  Gelder,  sondern  auch 
deren  Einnahmen,  ja  selbst  die  Erhebung  der  hierfür  veranlagten 
Steuern,  besonders  der  Kontribution  und  der  Accise,  zu  leiten 
hatte  ^  Es  fand  also  eine  Vereinigung  des  Kriegsministeriums 
mit  einem  Teile  der  inneren  und  der  Finanzverwaltung  statt, 
die  freilich  unseren  modernen  Anschauungen  durchaus  wider- 
spricht. 

Gladebeck  zeigte  sich  den  schweren  Anforderungen  seines 
Doppelamtes  nicht  gewachsen  und  wurde  am  15.  November  1678 
durch  Johann  Ernst  von  Grumbkow  ersetzt,  der  ihm  bereits  seit 
1676  beigeordnet  gewesen  war.  Die  endgültige  Entlassung 
Gladebecks  scheint  durch  seine  Übergriffe  zu  Ungunsten  des 
Feldmarschalls  Derfflinger  verursacht  worden  zu  sein,  der  durch 
Ankündigung  und  Aufrechterhaltung  seiner  Entlassung  endlich 
vollste  Genugtuung  erzwang '.  Grumbkow,  früher  Soldat  und 
bis  zum  Oberstenrang  aufgestiegen,  war,  als  ein  besonders  gründ- 
lich gebildeter,  ja  gelehrter  Offizier  zur  Verwaltung  übergegangen 
und  Amts-  und  Kammerrat  geworden.  Der  Kurfürst  aber  hatte 
ihn  mit  Vorliebe  zu  militärischen  Geschäften  verwendet,  wie  er 
z.  B.  das  Kaliber  der  bei  den  Leibdragonern  einzuführenden 
kleinen  Muskete  zu  bestimmen  hatte '.  Als  er  nun  das  General- 
kriegskommissariat erhielt,  bekam  er  die  Weisung,  sich  in  allen 
Dingen  mit  dem  Generalfeldmarschall  von  Derfflinger  zu  benehmen, 
als  dessen  Gehilfe  er  sich  betrachten  solle.    Die  Erledigung  der 


'  Ms.  Patent  v.  Gladebecks  vom  10.  Juni  1675  (Greh.  Staatsarohiy^ 
Berlin,  Bep.  9A,  Kony.  1):  „...  Was  die  Geldmittel  zur  Unterhaltung 
Unseres  Kriegsestats  betrifft,  da  wird  Er,  Unser  Geheimer  Bath  und 
Oeneral-Commissarius ,  aus  der  ...Beylage  sub  lit.  G  mit  mehreren  er- 
sehen, wie  es  mit  den  Contributionen  in  allen  Unseren  Landen  beschaffen, 
wie  solche  in  Empfang  und  Ausgabe  administriret  und  berechnet  werden. 

„Wobey  er  dahin  zu  sehen  und  zu  befördern,  damit  diejenige,  welche 
dergleichen  Gelder  administriren,  redlich  und  aufrichtig  damit  umbgehen 
und  allemal  zur  Ablegung  gebührender  Bechnungen  angehalten  werden 
mögen.* 

*  Ms.  Korrespondenz  Derfflingers  mit  Hessen-Homburg,  aus  dem 
Frohjahr  1678;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  d4,  IVHb,  5  k. 

*  Geh*  Kriegsarch.,  Berlin,  IV,  1,  15. 


214  Sechstes  Buch. 

laufenden  Geschäfte  hatte  in  der  Geheimen  Kriegskanzlei  za 
geschehen,  deren  ältere  und  verdientere  Sekretäre  durch  den 
Titel  Kriegsrat  ausgezeichnet  wurden.  Grumbkows  besondere 
Obliegenheiten  waren:  Rechnung  über  die  Vorräte  in  den 
Festungsmagazinen  zu  führen  und  allmonatlich  einzusenden,  das 
Kontributionssoll  aufzustellen  und  auf  die  einzelnen  Provinzen 
zu  verteilen,  den  Truppenkorps  die  ihnen  angewiesenen  Gelder 
zu  übermachen ,  sowie  für  jährliche  Musterung  der  Regimenter 
und  für  die  Aufrechterhaltung  der  Ordnung  bei  Märschen  und 
militärischen  Exekutionen  Sorge  zu  tragen.  Als  Chef  des 
Generalquartiermeisterstabes  erliefs  er  im  Namen  des  Kurfürsten 
Befehle  über  Befestigungsanlagen,  und  zwar  nicht  allein  an  die 
Amtskammem  und  die  Festungskommandanteu ,  sondern  selbst 
an  den  Generalfeldmarschall.  Auch  der  Sold  und  die  übrigen 
Geldangelegenheiten  der  Kriegsflotte  gingen  durch  die  Hände 
Grumbkows,  der  darin  im  Namen  des  Kurfürsten  verfügte.  Er 
entschied  ebenfalls  die  Urlaubssachen  und  hatte,  konkurrierend 
mit  Derfflinger,  die  Militärgerichtsbarkeit  und  sogar  das  An- 
stellungs-  und  Beförderungswesen  der  Offiziere  und  Militör- 
beamten  zu  leiten  ^  So  wurden  die  einzelnen  militärischen  Ver- 
waltungsgeschäfte mehr  und  mehr  bei  dem  Generalkriegskommissar 
vereinigt ,  der  dem  Oberbefehlshaber  des  Heeres  etwa  in  der- 
selben Weise  gegenüberstand  wie  jetzt  der  englische  Staats- 
sekretär des  Krieges. 

Daneben  gab  es  während  der  Feldzüge  bei  dem  Quartier- 
meisterstabe des  mobilen  Heeres  einen  besonderen  obersten 
Kriegskommissar:  für  Musterungen,  Verhütung  von  Unterschleif, 
Aufsicht  über  die  Lebensmittel  und  Aufrechterhaltung  von  Justiz 
und  Disziplin^,  —  also  eine  Vereinigung  der  Feldintendantur 
.und  der  Feldmilitärjustiz.  Das  Amt  ward  im  Juli  1672  dem 
Doktor  beider  Rechte  Andreas  Albrecht  Freyberg,  aber  —  wir 
wissen  nicht,  aus  welchem  Grunde  —  schon  im  November  des- 
selben Jahres  dem  Otto  Wilhelm  von  Berlepsch  übertragen,  der 
am  22.  Februar  1675  ausnahmsweise  durch  einen  Militär,  den 
Feldzeugmeister  Freiherm  von  Niemric,  ersetzt  wurde.  Es 
wurden  ihm  nach   und  nach  mehrere  Kriegskommissare  unter- 


1  Ebendas.  V,  1,  19;  V,  1  c,  16;  VII,  2  a,  6;  XVIII,  2  d,  3. 
•  Ms.  Ordre  an  Berlepscb  vom  10.  Nov.  1677:  Berlin,  Geh.  Kriegs- 
archiv  XVIII,  2  d.  8. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  215 

geordnet.  Als  dann  1677  zur  Unterstützung  der  Holländer  ein 
brandenburgisches  Truppenkorps  im  Oberquartier  Geldern  unter 
Generalleutnant  von  Spaen  gebildet  ward,  erhielt  es  einen  eigenen 
Kriegskommissar  in  der  Person  des  Landrentmeisters  Consbruch. 
Ja,  auch  in  den  wichtigsten  Festungen  — .  wie  Minden ,  Magde- 
burg, Stettin  (1678)  —  wurde  je  ein  eigener  Eriegskommissar 
bestellt,  der  dort  die  militärischen  Gelder  und  Magazine  ver- 
waltete und  die  Musterung  abnahm. 

Die  Befugnisse  des  Oberkriegskommissars  und  seiner  Unter- 
gebenen bei  den  mobilen  Heeresteilen  waren,,  der  Natur  der 
Sache  nach,  auf  Kriegszeiten  beschränkt;  der  Generalkriegs- 
kommissar aber  und  die  ihm  unterstellten  Beamten  waren 
ständig.  In  jeder  gröfseren  Provinz  wurde  ein  Oberkriegs- 
kommissar eingesetzt,  der  auch  den  altständischen,  aber  nun  mit 
ganz  veränderter  Bedeutung  versehenen  Titel  Landkommissar 
—  wie  in  Kleve  —  oder  Kommissariatsdirektor  —  wie  im  Herzog- 
tum Magdeburg  —  trug.  Er  sollte  die  Stände  zur  Bewilligung, 
das  heifst  zur  Einzelveranlagung  der  nötigen  Heeresabgaben 
anhalten,  besonders  für  Durchführung  der  Accise  und  damit  der 
der  landesherrlichen  Autorität  so  förderlichen  Trennung  der 
Städte  von  der  Ritterschaft  sorgen.  Wenn  letztere  sich  bei  der 
Umlage  des  verlangten  Kontributionsquantums  säumig  erweist 
und  die  Regierung  sich  weigert,  solches  mit  Exekution  ein- 
zutreiben, mufs  der  in  der  Provinz  kommandierende  General 
militärische  Exekution  vollziehen.  Sie  soll  freilich  mit  mög- 
lichster „Moderation*"  vorgenommen  werden.  Alle  Kommissariats- 
beamte der  Provinz  sind  dem  Oberkriegskommissar  untergeordnet. 
Er  hat  sämtliche  Militärangelegenheiten  der  Provinz  zu  beauf- 
sichtigen, zu  fördern  und  darüber  regelmärsig  zu  berichten.  In 
Kriegszeiten  sollen  diese  Oberbeamten  für  Ordnung  und  Disziplin 
bei  den  Durchmärschen  durch  ihre  Provinz  sorgen,  die  Unter- 
tanen dabei  schützen,  Gewalttaten  verhüten  oder  doch  deren 
Bestrafung  erwirken,  die  Verpflegung  der  Truppen  sichern, 
Unterschlagung  des  Proviants  verhindern,  die  Liquidation  aller 
Beziehungen  zwischen  den  Soldaten  und  deren  Quartierwirten 
regeln,  gelegentlich  auch  Musterung  halten  ^    Allmählich  wurden, 


^  Ms.  IziBtruktionen  an  den  Kommissariatsdirektor  v.  Mandelslob  in 
Magdeburg,  vom  1.  Okt.  1683,  u.  an  den  Ober-Kriegskom.  v.  Viereck  in 
Preufiaen,  vom  8.  Juli   1685,  sowie  an   die  beiden  Landeskommissare  in 


216  SechBtes  Buch. 

nach  Analogie  des  Generalkriegskommissars,  dem  Eriegskom' 
missariat  sämtliche  für  den  Heeresunterhalt  bestimmte  Steuern 
fibertragen,  so  dafs  es  zu  einer  förmlichen  Steuerbehörde  erwuchs; 
und  da  diese  Steuern  wichtiger  und  umfassender  waren  als  die 
Gefälle,  die  bei  den  Amtskammem  einliefen,  ward  das  Kriegs- 
kommissariat  die  bedeutsamste  Steuerbehörde.  Sie  hatte  in  jedem 
Kreise  einen  leitenden  Beamten  in  dem  Kriegskommissar,  der  nach 
treuem  Dienst  mit  dem  Titel  Kriegsrat  beehrt  wurde.  Unter 
seiner  Aufsicht  wurden  die  Kontribution  und  der  Hufe-,  Kopf- 
und  Hornschofs,  kurz,  alle  zum  Unterhalt  des  Heeres  bestimmten 
Abgaben  von  Schofseinnehmern  erhoben,  die  nur  vom  Kriegs- 
kommissar, nicht  aber  von  der  Regierung  abhingen.  Besonders 
sollten  diese  Beamten  auch  darauf  sehen,  dafs  die  Steuern  und 
Einquartierungen  nicht,  wie  dies  bisher  durch  die  örtlichen 
Obrigkeiten  oft  geschehen,  lediglich  auf  die  ärmeren  Bevölkerungs- 
klassen abgewälzt  wurden;  es  sollte  vielmehr  „alles  in  besseren 
und  richtigeren  Stand,  der  Armut  zum  Besten*  gebracht  werden  *. 
Im  Jahre  1687  war  diese  Organisation  in  ihren  Hauptzfigen 
vollendet.  Es  gab  bereits  einen  Generalkriegskommissar  nebst 
Generalquartiermeisterleutnant,  eine  wohleingerichtete  Geheime 
Kriegskanzlei,  sieben  Ober-  und  neunzehn  Kriegskommissare'. 
Alle  diese  waren  landesherrliche,  nicht  ständische  Beamte  und 
erhielten  ihr  Gehalt  von  dem  Kurfürsten.  Indes,  dieser  liefs  es 
sich  gefallen,  dafs  die  Stände  bei  Besetzung  der  provinziellen 
Stellungen  Vorschläge  taten;  nur  hielt  er  sich  nicht  an  solche 
gebunden  und  nahm  auch  häufig  Ernennungen  vor,  ohne  über- 
haupt die  Stände  zu  befragen,  ja  gegen  deren  laut  ausgesprochenen 
Willen.  Er  wählte  hierzu  oft  Bürgerliche,  darunter  Auditeure, 
also  Justizbeamte  des  Heeres,  von  denen  er  am  ehesten  sowohl 
Rechtskenntnis  wie  unbedingten  Gehorsam  gegen  seine  Anord- 
nungen erwartete. 

Kleve,  V.  Hüchtenbruch  u.  v.  Bodelschwingh,  vom  20.  Dez.  1665,  endlidi 
an  den  Kriegskomm.  in  Hamm,  Altfeldt,  vom  19.  März  1666;  ebendas. 

*  Strecker,  Meinders,  S.  55.  —  Wie  aus  den  in  vor.  Anmerk.  an- 
geführten Instruktionen,  sowie  aus  der  Einrichtung  der  Scholseinnehmer 
hervorgeht,  ist  es  durchaus  falsch,  wenn  Schmoller  in  den  Acta 
Borussica,  Bd  I.  Einlei t.  S.  95,  dem  Kriegskommissariat  unter  dem 
Grofsen  Kurfürsten  lediglich  militärische  Befugnisse,  dagegen  die  Über- 
tragung von  Steuer-  und  Polizeigeschäften  auf  jenes  erst  dem  Kurfürsten 
Friedrich  HI.  zuschreibt. 

*  Kgl.  Bibliothek,  Berlin,  Manuscr.  Boruss.  fol.,  320. 


Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer.  217 

Die  OrganisieruDg  des  Kriegskommissariats  war  abermals 
eine  Mafsregel,  die  das  Steuerbewilligungs-  und  Steuererhebung»- 
recht  der  Stande  einschränkte  und  zum  wesenlosen  Schatten 
verblassen  liefs.  Die  Ritterschaft  in  der  Kur-  wie  in  der  Alt- 
mark, in  Preufsen  wie  im  Magdeburgischen  brachte  deshalb  die 
beweglichsten  Klagen  vor  ob  der  Übergriffe  dieser  Behörde,  die 
nichts  weniger  als  den  gänzlichen  Ruin  der  Verfassung  und  des 
Landes  herbeifQhren  werde  ^.  Sie  legte  wiederholt  gegen  die 
den  Kriegskommissaren  erteilten  Instruktionen  Verwahrung  ein 
und  verlangte,  dafs  sie  selber,  wie  herkömmlich,  die  Einnahme 
und  Verwaltung  der  Heeressteuem  behalte.  Wenigstens  sollten 
diese  zunächst  in  die  ständischen  Kassen  fliefsen  und  nur  mit 
Zuziehung  ständischer  Deputierter  verausgabt  werden.  Solehe 
Forderungen  fanden  in  Preufsen  sogar  die  Zustimmung  der 
Regierung,  die  sich  durch  die  Befreiung  der  Kommissare  von 
ihrer  Aufsicht  und  Leitung  eines  bedeutenden  Teiles  ihrer  Macht 
beraubt  sah.  Friedrich  Wilhelm  konnte  sich  der  Tatsache  nicht 
verschliefsen ,  dafs  die  Ritterschaft  hier  formal  im  Rechte  sei. 
Allein  er  speiste  sie ,  seinem  ganzen  System  gemäfs ,  mit  schönen 
Worten  und  Verheifsungen  ab.  So  oft  sie  auch  ihre  Beschwerde 
wiederhotte,  —  sie  erreichte  nichts  Wesentliches  gegenüber  deili 
festen  Willen  des  Kurfürsten,  sein  Heer  und  dessen  Verwaltung 
und  damit  die  Einheit  und  Macht  des  Staates  auf  sichere  und 
unerschütterliche  Grundlagen  zu  stellen.  Anderseits  litt  er 
freilich  nicht,  dafs  die  Kriegskommissare  sich  in  stolzem  Beamten- 
gefühl unmittelbar  in  die  Verhandlungen  der  ständischen  Ver- 
sammlungen mischten;  der  Kurfürst  hat  ihnen  das  1683  verboten. 
Die  Stände  sahen  schliefslich  ein,  dafs  die  neue  Behörde  eine 
gerechtere  und  bleibendere  Ordnung  durchführte,  als  dies  früher 
ihren  eigenen  Beamten  gelungen  war,  und  die  mannigfachen 
Unregelmäfsigkeiten  und  Unterschleife  vermied,  die  bisher  im 
Schwange  gewesen,  und  so  hören  wir  die  Stände  in  den  ver- 
schiedensten Kreisen  selber  die  Neueinrichtung  oder  Wieder- 
besetzung des  Kriegskommissariats  erbitten. 

Die  neue  Organisation  hatte  sich  sofort  bewährt  und  konnte 
als  gelungen  betrachtet  werden.    Der  Kurfürst  ernannte  deshalb 


1  ü.  u.  A.,  X,  587 ff.,  XVI,  922 ff.  —  Baczko,  Gesch.  Preuisens, 
VI,  271  ff.  —  Das  Folgende  ausschliefslich  nach  den  Akten  des  Gteh. 
Xriegsarchivs  in  Berlin« 


218  Sechstes  Buch. 

am  30.  Juli  1682  auch  für  die  Marine  einen  Kommissar  in  der 
Person  des  bisherigen  Auditeurs  beim  Barfusschen  Regimente, 
Adolf  Spengler. 

Seine  endgültige  Ausbildung  erhielt  das  Eriegskommissariat, 
als  es,  nach  erprobtem  brandenburgischem  Grundsatze,  auf  den 
höheren  Rangstufen  mehr  und  mehr  kollegialen  Charakter 
annahm.  Dies  geschah  gleichfalls  noch  unter  dem  Grofsen  Kur- 
fürsten. Die  yier  Rilte,  die,  abgesehen  von  den  Sekretären,  in 
der  Geheimen  Kriegskanzlei  safsen,  wurden  dem  Generalkriegs- 
kommissar an  die  Seite  gestellt  Das  gleiche  vollzog  sich  in 
einigen  Provinzen,  wo  die  Oberkriegskommissare  nur  den  Vor- 
sitz einer  »Kriegskammer"  zu  führen  hatten,  die  aus  einer 
Anzahl  von  Bäten  nebst  den  dazugehörigen  Unterbeamten 
bestand.  Diese  Umänderung,  die  damals  freilich  noch  nicht  an 
allen  Orten  durchgeführt  worden  ist,  nahm  der  Einrichtung  des 
Kriegskommissariats  jeden  persönlichen  und  willkürlichen 
Charakter  und  machte  es  zur  ordentlichen  und  definitiv  dem 
Ganzen  eingegliederten  Staatsbehörde. 

Die  Begründung  des  Kriegskommissariats  hat  einem  doppelten 
Zweck  gedient  und  ihn  erreicht.  Es  hat  einmal  die  treffliche 
Ordnung  begründet,  die  von  da  an  das  brandenburgisch-preufsische 
Heerwesen  vor  allen  anderen  Armeen  Europas  ausgezeichnet  hat 
Genau  geregelte,  fleifsige  Verwaltung,  sorgfältig  durchgeführte 
Überwachung  durch  alle  Rangklassen  des  Heeres,  Vermeidung  von 
Unordnung  und  Unredlichkeit,  pünktliche  Auszahlung  der 
Löhnung  und  damit  Aufrechterhalten  strenger  Mannszucht 
bürgerten  sich  in  dieser  Armee  ein,  wie  in  keiner  anderen. 
Ferner  aber  hat  das  Kriegskommissariat  dem  politischen  und 
administrativen  Einflüsse  der  Stände  den  Todesstofs  gegeben  und 
die  landesherrliche  Gewalt  in  jeder  Provinz  des  weithin  ver- 
streuten Staates  zum  Ausdrucke  und  zu  unmittelbarer  und 
unbedingter  Wirksamkeit  gebracht.  So  ist  es  eines  der  wichtig- 
sten Glieder  in  der  Kette  von  Institutionen  geworden,  die  den 
Absolutismus  der  Krone  in  diesem  Staatswesen  begründet  und 
annähernd  zwei  Jahrhunderte  hindurch  aufrechterhalten  haben. 


Einundvierzigstes  Kapitel 

Marine  und  Kolonien. 


Die  hervorragendste  Eigenschaft  Friedrich  Wilhelms  als 
Regenten  ist  die,  dafs  er  mit  der  äufsersten  Sorgfalt  in  der 
Behandlung  aller  Einzelheiten  der  Politik  und  der  Verwaltung 
die  Weite  des  Blickes  und  Gröfse  der  Entwürfe,  die  Universalität 
des  Geistes  verbindet.  Sein  Auge,  das  so  scharf  zu  beobachten 
and  auf  jeden  einzelnen  Punkt  sich  zu  richten  versteht,  umfafst 
zugleich  die  ganze  Ausdehnung  des  Horizontes  der  damaligen 
Menschheit.  Er  ist  darin  selbst  Friedrich  dem  Grofsen  überlegen. 
Der  geniale  König  haftete  an  den  überlieferten  Tendenzen  seines 
Staates,  von  denen  er  sich  fast  nirgends  freizumachen,  die  er 
nur  in  ungewöhnlicher  Weise  zu  beherrschen  und  nutzbar  zu 
gestalten  verstand,  —  sein  Urahn  aber  hat  sich  von  keiner 
Tradition  fesseln  lassen,  überdachte  und  prüfte  jede  Wendung 
des  öffentlichen  Lebens  seiner  Zeit  und  suchte  das,  was  er  für 
berechtigt,  nützlich  und  zukunftsreich  erkannt  hatte,  in  seinen 
Staat  zu  verpflanzen  und  dessen  Bedürfnissen  und  Besonderheiten 
schöpferisch  anzupassen.  In  dieser  Weite  der  Auffassung,  der 
bewufsten  Loslösung  von  jedem  Vorurteil,  auch  dem  anscheinend 
durch  lange  Erfahrung  und  Übung  gerechtfertigten,  dieser  Hoheit 
und  Voraussetzungslosigkeit  des  Denkens  hat  der  Grofse  Kur- 
fürst bei  keinem  seiner  Nachfolger,  auch  den  hervorragendsten 
und  erfolgreichsten  nicht,  seinesgleichen  gefunden.  Er  verdient 
schon  deshalb  den  ehrenden  Beisatz,  den  bereits  seine  Mitwelt 
seinem  Namen  beigefügt  hatte. 

So  hatte  er  auch  klar  erkannt,  dafs  materielle  Kraft  und 
internationale  Bedeutung  eines  Staates  ohne  eine  angemessene 


220  Sechstes  Buch. 

Handels-  und  Kriegsflotte  unvollständig  bleiben  mürsten;  und 
diese  maritime  Entfaltung  war,  namentlich  unter  den  damaligen 
Verhältnissen,  ohne  Kolonialbesitz  undenkbar.  Verschlossen  doch 
alle  Staaten  ihre  eigenen  überseeischen  Gebiete  dem  Handel  wie 
den  Kriegsfahrzeugen  aller  fremden  Nationen,  so  dafs  Verkehr  mit 
den  fernen  Ländern  den  Schiffen  jedes  Volkes  ohne  Eigenbesitz 
überseeischer  Hafenplätze  unmöglich  waren.  Der  Grofse  Kurfürst 
hat  deshalb  aufser  der  Gründung  einer  starken  Seemacht  als- 
bald die  Erwerbung  von  Kolonien  ins  Auge  gefafst. 

Wie  bei  vielen  seiner  genialen  Neuerungen  stand  er  auch 
hier  unter  den  Seinigen  allein.  Die  meisten  seiner  Bäte 
betrachteten  die  Aufstellung  einer  Flotte  als  eine  törichte  Utopie, 
die  die  Kräfte  des  Staates  weit  übersteige,  sowie  die  Anlegung 
von  Kolonien  in  entfernten  Gegenden  als  nicht  allein  nutzlos, 
sondern  direkt  schädlich,  weil  sie  Zerwürfnisse  mit  den  Nachbarn 
und  Verbündeten  Brandenburgs  herbeiführen  müsse.  Sie  legten 
also  diesen  Unternehmungen  alle  möglichen  Hindernisse  in  den 
Weg.  Besonders  war  ihnen  das  Ansehen  und  die  Tätigkeit  des 
niederländischen  Emporkömmlings  Raule  ein  Dorn  im  Auge,  und 
sie  suchten  den  kühnen  und  unternehmenden  Mann,  der  in  branden- 
burgischen Diensten  wahrlich  keine  Reichtümer  sammelte,  als 
einen  habgierigen  und  sogar  ungetreuen  Menschen  darzustellen. 
Fuchs  ging  so  weit,  dem  niederländischen  Gesandten  in  Berlin, 
Hop,  im  Herbste  1687  die  geheimen  Vorschlage  Raules  an  den 
Kurfürsten,  die  den  Niederländern  direkte  Handelskonkurrenz 
zu  machen  bestimmt  waren,  mitzuteilen  und  durch  ihn  den 
Prinzen  von  Oranien  zu  deren  Bekämpfung  aufzufordern,  —  ein 
Verfahren,  das,  von  selten  eines  Ministers,  als  Landes-  und  Hoch- 
verrat bezeichnet  werden  mufs*.  Allein  Friedrich  Wilhelm  liefs 
sich  weder  durch  kleinliche  Bedenken  noch  durch  Verleumdungen 
in  seinem  grofsen  Werke  beirren.  Er  wufste,  eine  wie  wesent- 
liche Waffe  für  seine  Politik  wie  für  die  Hebung  des  Wohl- 
standes unter  seinen  Untertanen  eine  starke  Seemacht  sei ;  und 
da  er  unter  dem  eigenen  Volke  niemanden  besafs,  der  ihm  za 
deren  Schöpfung  behilflich  sein  konnte,  mufste  er  sich  wohl 
oder  übel  an  den  Ausländer  halten,  dessen  Unternehmungsgeist, 


t 


H.  Peter,  Die  Anfänge  der  brandenb.  Marine  (Programm  des 
Berliner  Sophipngymn.,  1877),  S.  11.  —  U.  u.  A.,  HI,  778  f.  793  ff. 


EinundyierzigstQs  Kapitel.    Marine  und  Kolonien.  221 

Hnermftdliche  Tatkraft  und  nie  versagender  Mut  seinem  eigenein 
Charakter  so  völlig  entsprachen. 

Benjamin  Raule,  1634  in  Vlissingen  geboren,  hatte  von 
Kindheit  an  eine  treffliche  Schulung  als  See-  und  Kaufmann 
durchgemacht  Er  hatte  eine  umfangreiche  Reederei  betrieben, 
und  sein  Name  besafs  an  seinem  Aufenthaltsorte  Middelburg 
einen  so  guten  Klang,  dafs  er  Mitglied  der  Stadtobrigkeit  wurde. 
Aber  der  französische  Krieg  ruinierte  ihn:  so  flüchtete  er  vor 
seinen  Gläubigem  zu  dem  'Kurfürsten  von  Brandenburg,  in 
dessen  Dienst  und  mit  dessen  Unterstützung  er  sich  wieder 
emporzuarbeiten  hoffte  ^.  Dafs  er  bei  seiner  Tätigkeit  in  Branden- 
burg zunächst  von  eigennützigen  Beweggründen  ausging,  kann 
nicht  bezweifelt  werden;  ebensowenig,  dafs  er  sich  bisweilen 
zu  allzu  verwegenen,  nicht  genügend  abgewogenen  Plänen  hin- 
reifsen  liefs:  allein  absichtliche  Benachteiligung  seines  Dienst-' 
herm  kann  ihm  nicht  nachgewiesen  werden,  und  die  meisten 
seiner  Projekte  waren  ebenso  geistvoll  wie  ausführbar*.  Ohne 
ihn  hätte  Friedrich  Wilhelm  die  Gründung  einer  Seemacht 
und  eines  Kolonialbesitzes  nicht  zu  Wege  gebracht. 

Übrigens  erbat  sich  der  Kurfürst  im  Jahre  1678  den  Besuch 
des  berühmten  niederländischen  Admirals  van  Tromp,  um  mit 
ihm  über  eine  plan-  und  ordnungsmäfsige  Entwicklung  des 
brandenburgischen  Seewesens  zu  beraten.  Der  Admiral  folgte 
dieser  Einladung,  und  auf  seinen  sachverständigen  Vorschlag 
beschlofs  Friedrich  Wilhelm  1679  die  Errichtung  eines  Marine- 
kollegiums, zur  Vergröfserung  und  Verwaltung  der  Kriegsmarine 
und  überdies  zur  Hebung  der  privaten  Seeschiffahrt.  Der  Plan 
ist  freilich  zunächst  an  dem  Widerstände  seiner  allzu  nüchternen 
und  kühlen  Räte  und  der  Ungunst  der  kriegerischen  Zeiten 
gescheitert;  später  erst  wurde  er  verwirklicht. 

Der  Kurfürst  und  Raule  hatten  inzwischen  die  branden- 
burgische Kriegsmarine  auf  eine  Höhe  gebracht,  die  es  wohl 
gestattete,  kühne  und  umfassende  Entwürfe  zu  schmieden.  Sie 
zAhlte  im  Anfang  des  Jahres  1680  nicht  weniger  als  28  Fahr- 
zeuge mit  502  Geschützen'.    Friedrich  Wilhelm  beschlofs,  diese 

'  B.  Schü.ck,  Brandenb.-preufs.  Kolonialpolitik  (Leipz.  1889),  I,  76 ff.- 
'  Auch  Röbenao  erklärt  ihn  für  einen  sachTerständigen  und  fähigen 

Mann;  Ms.  Dep.  Tom  29.  März  1682  (Auszug);  Berlin,  Geh.  Staatsarchiy, 

Rep.  94,  IV  Hb.  10«. 

*  Brandenb.-Preufs^n  auf  d.  Westküste  von  Afrika  1681—1721;  Kriegs- 


222  Sechstes  Buch. 

Macht  zu  einem  Unternehmen  zu  verwenden,  das  in  ganz  Europa 
Achtung  vor  der  Flagge  mit  dem  roten  Adler  auf  weifsem 
Felde  erwecken  und  zugleich  ihm  selbst  pekuniären  Vorteil 
bringen  sollte^. 

Die  spanische  Monarchie  hatte  von  den  vertragsmärsigen 
Subsidien,  die  sie  Brandenburg  aus  dem  letzten  Kriege  schuldete, 
nur  den  geringsten  Teil  abgetragen.  Bis  zum  31.  Oktober  1678 
hfttte  sie  1778003  Taler  zu  zahlen  gehabt,  hatte  aber  in  Wirk- 
lichkeit nur  311000  entrichtet,  so  dafs  der  Kurfürst  noch 
1467003  Taler  (nach  heutigem  Werte  über  19  Millionen  Mark) 
zu  fordern  hatte.  Die  eigene  Not  noch  mehr  als  übler  Wille 
hatte  bewirkt,  dafe  Spanien  seit  September  1675  überhaupt 
nichts  mehr  gab,  aufser  1678  einmal  25000  Taler.  Fried- 
rich Wilhelm  hatte  deshalb  bereits  im  August  1676  seinen 
Kammerjunker  von  Ruck,  Schlofshauptmann  zu  Hornburg  im 
Halberstädtischen,  nach  Madrid  gesandt,  um  die  regelmäfsige 
Auszahlung  der  Hilfsgelder  zu  erwirken.  Allein  die  Spanier 
hatten  unter  mancherlei  Yorwftnden  die  Audienz  des  Branden- 
burgers bei  ihrem  Könige  hinausgeschoben;  und  als  er  solche 
endlich  erhalten,  hatte  Philipp  IV.  sich  damit  begnügt,  ihm  zu 
antworten:  „Yo  lo  verr6,"  „ich  werde  zusehen".  Ruck  mufete 
sich  bald  überzeugen,  dafs  die  Spanier  in  ihrer  Not  gar  nicht 
im  Stande  seien,  ihren  Verpflichtungen  gegenüber  dem  Ver- 
bündeten nachzukommen.  Mit  der  Erklärung:  er  werde  andere 
Mafsregeln  ergreifen,  um  zu  seinem  Gelde  zu  gelangen,  berief 
Friedrich  Wilhelm  endlich  seinen  Gesandten  von  Madrid  ab. 

Nachdem  der  allgemeine  Friede  abgeschlossen,  entschied 
er  sich  also  dahin,  sich  selbst  Gerechtigkeit  zu  schaffen.  Voll 
Geringschätzung  ob  der  Hilflosigkeit  der  Spanier  und  für  den 
schlimmsten  Fall  der  Unterstützung  durch  Frankreich  sicher, 
mit  dem  er  soeben  ein  geheimes  Bündnis  eingegangen  war. 
gab  er  am  25.  Mai  1680  Raule  den  Auftrag:  „so  viele 
Fregatten,  alfs  Er  nöthig  erachten  wird,  aufszurüsten  und 
damit  alle  Schiffe  und  Güther,  so  spanischen  Unterthanen 
zugehören,  in  See  wegzunehmen  und  aufzubringen".  Er  erlangte 
dabei  von  dem  Papste,  dem  Grofsherzoge  von  Toscana  und  dem 

• 

gesch.  Einzebchriften,  herausg.  vom  Grofsen  Generalstabe,  Heft  VI 
(Berlin  1885),  S.  101. 

^  Das  Folgende  nach  dem  Geh.  Staatarchiv  (Berlin)  Bep.  63,  2.  8  b): 
sowie  Kgl.  Bibl.  (daselbst),  Manuscr.  Boruss.  qu.|  123  p.  17  f. 


Einundyierzigstes  Kapitel.    Marine  and  Kolonien.  223 

Grofsmeister  von  Malta  das  Versprechen,  in  deren  Häfen  für 
seine  Schiffe,  die  er  allerdings  als  gegen  die  Barbaresken  be- 
stimmt ausgab,  eine  sichere  Zuflucht  zu  finden. 

Raule  setzte  sechs  Fregatten  in  stand:  das  Flaggschiff 
«Friedrich  Wilhelm''  mit  43  Geschützen,  120  Seeleuten  und 
42  Soldaten;  den  «Ghurprinz*'  mit  32  Geschützen,  101  Seeleuten 
und  40  Soldaten;  die  „Dorothea*  mit  gleicher  Ausrüstung  und 
Bemannung;  den  „Bothen  Löwen**  mit  20  Stücken,  70  Seeleuten. 
20  Soldaten;  den  „Fuchs**  von  ähnlicher  Beschaffenheit;  die 
, Berlin*  mit  16  Stücken,  50  Seeleuten,  20  Soldaten  —  zusammen 
mit  163  Geschützen,  506  Seeleuten,  182  Soldaten.  Dazu  kam 
der  Brander  .Salamander**  mit  zwei  Geschützen  und  14  See- 
leuten. Die  Flotte  stand  unter  dem  Befehle  des  schon  im  jüngsten 
Kriege  erprobten  Gommodore  Comelis  Classen  van  Beveren ;  die 
Kapitäne  waren  gleichfalls  sämtlich  Holländer.  Am  14.  August 
1680  ging  das  Geschwader  in  See.  Seine  Bestimmung  blieb  ein 
Geheimnis;  nur  Dänemark  und  Frankreich  waren  benachrichtigt. 
Der  erstere  Staat,  der  gleichfalls  Forderungen  an  Spanien  hatte, 
lehnte  die  angebotene  Teilnahme  freundlich  ab ,  öffnete  jedoch 
den  brandenburgischen  Orlogsschiffen  den  Sund.  Der  AUer- 
christlichste  König  stellte  ihnen  seine  Häfen  zur  Verfügung. 
Die  Instruktion  van  Beverens  trug  diesem  auf,  nach  der  nieder- 
ländischen Küste  zu  fahren,  dort  dem  Konvoi  aufzulauern,  der 
alljährlich  von  Ostende  über  London  nach  den  spanischen  Häfen 
ging,  und  ihn  wegzunehmen,  selbst  wenn  er  ihm  bis  nach  Cadiz 
folgen  müsse;  ^^echappiere''  ihm  der  Convoi,  solle  er  zur  Er- 
oberang  der  spanischen  Silberfiotte  nach  Westindien  und  Mexiko 
segeln  \ 

So  hohe  Ziele  wurden  allerdings  nicht  erreicht.  Wohl  aber 
gelang  es  van  Beveren  schon  am  18./28.  September,  ein  grefses 
spanisches  Kriegsschiff,  den  „Carolus  Secundus*,  das  50  Kanonen 
fQhrte,  in  der  Nähe  von  Ostende  nach  kurzem  Kampfe  und  unter 
geringem  Verluste  wegzunehmen.  Es  war  besonders  wichtig 
darch  seine  kostbare  Spitzenladung,  deren  dem  Kurfürsten 
zufallender  Anteil  allein  97  524  Taler  (heutigen  1 267  800  Mark 
gleich)  eintrug.  Damit  waren  die  auf  das  Geschwader  ver- 
wandten Kosten   so  ziemlich  gedeckt'.    Van  Beveren  brachte 


>  Generalstab,  a.  a.  O.,  S.  102 ff. 
*  Peter,  18.  24. 


224  Sechstes  Buch. 

mit  deu  beiden  Fregatten  „Friedrich  Wilhelm^  und  „Dorothea'^ 
die  Prise  nach  Pillau.  Die  weitere  Kreuzung  des  Vizekom- 
mandeurs Reers  mit  den  übrigen  Schiffen  hatte  keinen  anderen 
Erfolg  als  das  Aufbringen  eines  spanischen,  mit  Wein  und  Brannt- 
wein beladenen  Fahrzeugs.  Dieses  ungenügende  Ergebnis  wurde 
der  Unfähigkeit  Reers'  zugeschrieben,  der  ebenso  wie  Beveren 
selbst,  den  man  der  Unterschlagung  beschuldigte,  die  Entlassung 
erhielt. 

Die  kecke  Tat  der  jungen  brandenburgischen  Marine,  von 
deren  Dasein  niemand  einen  rechten  Begriff  gehabt,  erregte  das 
gröfste  Aufsehen.  Zahlreiche  Flugschriften  griffen  den  angeb- 
lichen Friedensbruch  des  Kurfürsten  heftig  an.  Spanien  ¥rütete, 
drohte  mit  einem  Einfall  in  Eleve  und  rief  die  Generalstaaten 
um  vertragsmäfsige  Beihilfe  an.  England,  die  Niederlande, 
Schweden  zeigten  sich  ungehalten  über  den  Anspruch  Branden- 
burgs, in  die  Reihe  der  Seemächte  eintreten  zu  wollen,  und 
gaben  diesem  Zorne  unverhüllten  Ausdruck.  Zumal  die  Nieder- 
länder fürchteten  eine  Beeinträchtigung  ihres  Handels  mit  Spanien 
durch  die  Beobachtung  ihrer  Küsten  seitens  des  brandenburgi- 
schen Geschwaders. 

Des  französischen  Beistandes  sicher,  liefs  der  Kurfürst  sich 
durch  allen  diesen  Lärm  nicht  erschrecken.  Die  Vorstellungen 
des  staatischen  Gesandten  Amerongen  brachte  er  durch  den  Hinweis 
zum  Schweigen,  die  Holländer  hätten  sich  ja  auch  für  die  «echs 
bis  sieben  Millionen  Taler,  die  Spanien  ihnen  schulde,  Maastrichts 
bemächtigt,  das  dem.  Katholischen  Könige  gehöre^.  Schweden  ver- 
suchte seinesteils,  den  dänischen  Herrscher  zu  bewegen,  dafs  er 
den  Brandenburgern  den  Sund  schliefse,  indem  es  seine  Eifersucht 
durch  Schilderung  der  angeblichen  ehrgeizigen  Absichten  des  Kur- 
fürsten auf  Seeherrschaft  anreizte.  Allein  Dänemark,  längst  durch 
enge  politische  Freundschaft  mit  Brandenburg  verbunden,  empfand 
Rivalität  nur  gegen  Schweden  und  lehnte  dessen  Zumutungen 
ab.  Darauf  wurde  man  auch  in  Stockholm  stille'.  Friedrich  Wil- 
helm hatte  also  keine  tätliche  Feindschaft  zu  fürchten ;  es  standen 
ihm  überdies  25  Schiffe  mit  496  Geschützen  zur  Verfügung. 
Davon  sandte  er  im  Sommer  1681  vier,  unter  dem  Kommandeur 
Thomas  Aldersen,  mit  dem  Auftrage  aus,  die  spanische  Silber- 


1  U.  u.  A.,  in,  586  f. 

«  Berlin,  Kgl.  Bibl.,  Manuscr.  Boruss.  qu.,  123  S.  27  ff. 


Emundyierzigstes  Kapitel.    Marine  und  Kolonien.  225 

flotte  abzufangen.  Das  Flaggschiff  war  das  Linienschiff  „Mark- 
graf von  Brandenburg  "^  —  der  frühere  „Garolus  Secundus**  — 
mit  50  Geschützen,  150  Seeleuten,  50  Soldaten.  Das  gesamte 
Geschwader  führte  93  Kanonen,  420  Matrosen,  142  Soldaten. 
Es  ist  für  die  Geschichte  der  brandenburgischen  Marine  bemerkens- 
wert, dafs  der  „Markgraf  von  Brandenburg"  das  erste  Schiff 
war,  das  dem  Kurfürsten  zu  eigen  gehörte,  während  er  bis  dahin 
die  Kriegsfahrzeuge  nur  von  Baule  mietsweise  geliefert  erhalten 
hatte,  und  dafs  die  Soldaten  seemäfsig  geübt  wurden,  um  aus 
ihnen  einen  Stamm  eigentlicher  brandenburgischer  Matrosen  zu 
bilden  und  sich  hierdurch  von  den  niederländischen,  norwegischen, 
dänischen,  hanseatischen  Seeleuten  unabhängig  zu  machen,  die 
bisher  jene  Schiffe  bemannten.  Das  hervorragende  organisatorische 
Talent  Friedrich  Wilhelms,  das  sich  trotz  der  Beschränktheit 
seiner  Mittel  allerorten  Geltung  zu  schaffen  wufste,  tritt  auch 
hier  hervor. 

Aldersen  bekam  am  30.  September/ 10.  Oktober  am  Kap  San 
Vincent  ein  grofses  spanisches  Geschwader  in  Sicht,  das  er  für 
die  Silberflotte  hielt.  Er  griff  es  mit  grofser  Kühnheit  an, 
mufste  aber  bald  bemerken,  dafs  er  sich  einer  Kriegsflotte  von 
zwölf  Fregatten  und  zwei  Brandern  gegenüber  befand,  die  die 
spanische  Regierung  in  See  gesandt  hatte,  um  ihre  S  ilberschiffe 
vor  den  Brandenburgern  zu  schützen  und  diese  zu  vernichten. 
Aldersen  verlor  den  Mut  nicht.  Unter  lebhaftem  Gefechte 
manövrierte  er  seine  vier  Fahrzeuge  weg,  bis  er  in  dem  portu- 
giesischen  Hafen  Lagos  eine  Zuflucht  vor  der  Übermacht  fand. 
Sein  Verlust  betrug  10  Tote  und  30  Verwundete,  aber  seine 
Schiffe  waren  unbeschädigt,  so  dafs  sie  nach  wenigen  Tagen  die 
Heimreise  antreten  konnten. 

Der  ehrenvolle  Kampf  am  Kap  San  Vincent  ist  überhaupt 
das  gröfste  Seegefecht,  das  die  brandenburgisch  -  preufsische 
Marine  bis  auf  den  heutigen  Tag  bestanden  hat.  Die  Aufgabe 
freilich,  die  spanische  Silberflotte  wegzufangen,  konnte  unter 
den  vorhandenen  Umständen  nicht  gelöst  werden.  Allein  der 
rote  Adler  hatte  sich  wacker  gehalten  und  von  der  Übermacht 
der  kastilischen  Türme  nicht  erdrücken  lassen.  Es  kommt  nicht 
immer  auf  die  tatsächlichen  Ergebnisse  an;  wichtiger  kann  die 
allgemeine  Tendenz  sein,  die  durch  ein  Unternehmen  be- 
gründet wird.  Der  Weg  war  vorgezeichnet,  auf  dem  der  von 
Friedrich  Wilhelm  neugestaltete  Staat  den  erblichenen  Ruhm 

Philippson.  Der  Orofse  Karfflrst.    III.  15 


226  Sechstes  Buch. 

deutscher  Seeleute  erneuern  konnte;  fand  er  Nachfolge  bei  den 
übrigen  deutschen  Küstenstaaten,  so  mochte  die  einstige  Macht 
der  Hansa  auf  veränderter  und  erweiterter  Grundlage  wieder 
erstehen.  Aber  leider  hat  kein  Nachfolger  des  Grofsen  Kur- 
fürsten, bis  auf  die  allerjüngste  Vergangenheit,  den  verheifsungs- 
vollen  Pfad  weiter  beschritten. 

Das  gleiche  mufs  man  von  den  Kolonialplänen  dieses  geist- 
vollen und  scharfblickenden  Herrschers  sagen. 

Die  pekuniären  Ergebnisse  der  kühnen  Seefahrten  hatten 
kaum  zur  Deckung  der  aufgewandten  Kosten  ausgereicht;  der 
etwas  seeräuberartige  Überfall  spanischer  Schiffe,  sowie  die  zeit- 
weise Blockade  der  belgischen  Küste  hatten  überdies  so  viel 
Ärgernis  erregt  und  so  lebhaften  Widerspruch  hervorgerufen, 
dafs  der  Kurfürst  die  Sache  aufgab.  Desto  nachdrücklicher 
ging  er  auf  eine  andere  Reihe  der  ihm  von  Raule  gemachten 
Vorschläge  ein:  nämlich  zur  Gründung  einer  afrikanischen 
Handelsgesellschaft.  Ein  Plan ,  der  ihm  um  so  mehr  zusagen 
mufste,  als  er  einen  Ersatz  für  das  bereits  zweimal  gefafste  und 
gescheiterte  Projekt  einer  grofsen  deutsch-ostindischen  Kompanie 
(T.  I,  S.43f.,  T,  II,  S.  208  f.)  bot.  Raule  gedachte  zugleich  sein 
Vaterland,  das  ihn  fortgesetzt  unfreundlich  behandelte,  zu 
schädigen,  sich  materiellen  Vorteil  zu  verschaffen  und  dem  Kur- 
fürsten zu  dienen.  Neben  ungeheuerlichen  Entwürfen,  die  Fried- 
rich Wilhelm  sofort  verwarf,  wie  einer  Expedition  gegen  die 
arabischen  und  chinesischen  Händler  im  Indischen  Ozean  und 
einer  Fahrt  nach  der  Davisstraf se,  schlug  er  1681  die  Absendung 
einiger  Schiffe  nach  Guinea  vor,  um  von  dort  Gold  und  Sklaven 
auszuführen.  Es  sollte  daselbst  ein  Fort  erbaut  und  so  der 
Grund  zu  einer  brandenburgischen  Kolonie  gelegt  werden.  Die 
kurfürstliche  Seerüstung  würde  sich  hierdurch  reichlich  bezahlt 
machen.    Damit  war  der  Herrscher  sofort  einverstanden. 

Das  Unglück  war  nur,  dafs  die  preufsischen  und  pommer- 
schen  Kauf  leute  und  Reeder  zu  solchen  kühnen  Unternehmungen 
nicht  zu  haben  waren,  und  dafs  man  sich  abermals  auf  nieder- 
ländische Schiffe  angewiesen  sah:  den  „Oranien*,  der  nunmehr 
„Wappen  von  Brandenburg"  genannt  wurde,  und  den  „Morian*. 
Dadurch  aber  gab  man  der  Handelseifersucht  der  Holländer  den 
erwünschten  Vorwand  zur  Störung  des  kaum  Begonnenen.  Denn 
die  holländische  Westindische  Kompanie  besafs  für  die  eigenen 
Landsleute  das  ausschliefsliche  Monopol  des  Verkehrs  mit  Afrika; 


£mund\derzig8te8  Slapitel.    Marine  und  Kolonien.  227 

sie  behauptete,  dafs  das  Unternehmen  Raules  nur  eine  Umgehung 
dieses  Monopols  sei,  da  es  lediglich  mit  niederländischen 
Schiffen  und  Seeleuten  ausgeführt  werde,  die  sich  mifsbräuchlich 
der  brandenburgischen  Flagge  bedienten.  Das  war  insofern 
unrichtig,  als  Friedrich  Wilhelm  auf  jedem  dieser  Fahrzeuge 
elf  seiner  Soldaten  einschiffte,  so  dafs  er  von  jenen  tatsächlich 
Besitz  ergriff. 

Es  läfst  sich  allerdings  nicht  leugnen,  dafs  das  strenge 
Verbot  der  Generalstaaten,  keiner  ihrer  Untertanen  dürfe,  auf 
fremden  Schiffen,  die  Rechte  der  Westindischen  Kompanie  stören, 
sich  gleichfalls  auf  die  holländische  Bemannung  der  branden- 
burgischen Schiffe  bezog.  Indes  konnte  die  Kompanie  daraus 
nur  das  Recht  ableiten,  vor  den  heimischen  Gerichten  die  Be- 
strafung jener  Seeleute  zu  beantragen,  nicht  aber  das,  die  dem 
Kurfürsten  gehörenden  Fahrzeuge  in  fremden,  neutralen  Gewässern 
aufzugreifen.  Friedrich  Wilhelm  schenkte  auch  den  Vorstellungen, 
die  ihm  Amerongen  im  Namen  der  Generalstaaten  in  dieser 
Angelegenheit  machte,  keine  Aufmerksamkeit,  sondern  begnügte 
sich,  zu  versprechen:  wo  die  Kompanie  tatsächlich  Besitzungen 
habe,  werde  er  nicht  eindringen;  dafür  verlangte  er  freundliche 
Aufnahme  seiner  Schiffe  im  Falle  der  Not.  Ganz  unberechtigt 
war  die  Behauptung  der  Holländer,  die  ganze  Goldküste  gehöre 
ihrer  Westindischen  Gesellschaft.  War  es  doch  notorisch,  dafs 
Engländer  und  Dänen  eine  ganze  Reihe  von  Niederlassungen  auf 
dieser  Küste  innehatten. 

Die  Westindische  Kompanie  jedoch,  in  ihren  wichtigsten 
Handelsinteressen  mit  Wettbewerb  von  den  eigenen  Volksgenossen 
bedroht,  benutzte  jene  Vorwände,  um  das  „Wappen  von  Branden- 
burg" an  der  Küste  von  Guinea  wegzunehmen  und  den  „Morian* 
aus  den  afrikanischen  Gewässern  zu  vertreiben.  Allein  zu  spät. 
Der  Kapitän  des  „Morian*',  Blonck,  hatte  bereits  am  16./26.  Mai 
1681  mit  drei  Neger-„Königen**  der  Goldküste  einen  Vertrag 
abgeschlossen,  der  in  ihrem  Gebiete  den  Brandenburgern  das 
Handelsmonopol  zusicherte  und  die  Einräumung  eines  Platzes 
zur  'Errichtung  eines  Forts  versprach.  Der  26.  Mai  1681  ist 
also  der  Tag,  an  dem  die  brandenburgisch-preufsische  Koloni- 
sation tatsächlich  begonnen  hat^ 

^  P.  F.  Stuhr,  Die  Gesch.  der  See-  und  Koloniabnacht  des  Grols 
Kurf.  (Berlin  1889).  —  Peter,  28f.  —  Generalstab,  lOlf.  —  Schuck, 
I,  134«.  —  U.  u.  A.,  in,  586.  588.  602. 

15* 


228  Sechstes  Bucli. 

Friedrich  Wilhelm  hielt  diese  Tatsache  für  so  wichtig,  dafs 
er  zu  ihrem  ewigen  Gedächtnisse  eine  Medaille  schlagen  liefs 
mit  der  Inschrift:  Coepta  navigatio  ad  oras  Guineae, 
anno  MDGLXXXI  feliciter^  Brandenburg  hatte  sich  end- 
lich den  Zugang  zum  Welthandel  eröffnet;  das  Gold  und  das 
Elfenbein,  die  der  „Morian",  wenn  auch  noch  in  geringer  Menge, 
zurückbrachte,  gaben  Hoffnung  auf  glänzenden  Gewinn.  Der 
Kurfürst  liefs  sich  um  so  weniger  die  üble  Behandlung  seiner 
Schiffe  und  die  Kränkung  seiner  Kriegsflagge  durch  die  Holländer 
gefallen.  Er  forderte  sofortige  Genugtuung  und  vollen  Ersatz  des 
ihm  zugefügten  Schadens.  Mit  kräftigen  und  zuversichtlichen 
Worten  vertrat  er  den  Standpunkt  der  Handelsfreiheit  gegen- 
über der  engherzigen  Exklusivität  der  Holländer.  Diese  suchten 
die  Angelegenheit  unter  allerlei  Verwänden  zu  verschleppen, 
und  der  leicht  erregbare  Kurfürst  drohte  im  Sonmier  1682  mit 
Eidschwur:  wenn  man  ihm  nicht  binnen  vier  Wochen  Satis- 
faktion gebe,  so  werde  er  sie  selber  sich  nehmen,  es  komme 
daraus,  was  wolle.  Das  Anerbieten  der  Generalstaaten,  die 
Sache  dem  kompetenten  niederländischen  Gerichte  zu  überweisen, 
wies  er  mit  Fug  und  Recht  zurück.  Er  rüstete  tatsächlich  im 
November  1682  das  Kriegsschiff  „Fuchs*^  mit  20  Geschützen  und 
58  Mann  Besatzung  aus,  um  die  Fahrzeuge  der  Westindischen 
Kompanie,  wo  es  sie  fände,  wegzunehmen.  Allein  es  scheiterte 
schon  an  der  jütischen  Küste ,  wobei  siebzehn  Mann  das  Leben 
verloren.  Erst  1686  gaben  die  Holländer  das  „Wappen  von 
Brandenburg**  heraus  und  zahlten  20000  Gulden  für  dessen 
bereits  verkaufte  Ladung.  Beide  Teile  erklärten  sich  mit  diesem 
Vergleiche  zufrieden*.  Das  Verhältnis  zwischen  der  Republik 
und  Brandenburg  wurde  im  Grunde  nicht  durch  den  Streit  um 
ein  fernes  Negerland,  sondern  durch  die  grofsen  europäischen 
Interessen  bestimmt. 

Es  ist  klar,  dafs  immerhin  der  Kurfürst  grundsätzlich  den 
Sieg  errungen  hatte.  Die  Holländer  mufsten  ihren  Standpunkt 
aufgeben.  Schon  vorher  hatten  sie  nicht  mehr  offen  gewagt, 
sich  seinen  Kolonialplänen  zu  widersetzen.  Friedrich  Wilhelm 
förderte  solche  mit  der  ihm  eigenen  Tatkraft.    Im  März  1682 


'  Ad.  Meyer,  Die  Prägungen  Brandenb.-Preufsens  (Berlin  1885X 
«  U.  u.  A.,  ni,  609.  618  f.  622  ff.  629  ff.  6a3.  638.  642  ff.  778  f.  — 
Stuhr,  28 ff. 


Emundyierzigstes  Kapitel.    Marine  und  Kolonien.  229 

errichtete  er  eine  Kompanie  zum  Handel  mit  denjenigen  Orten 
der  Guinea-  und  Angolaküste,  die  noch  nicht  von  Europäern 
besetzt  seien.  Er  versprach  der  neuen  Gesellschaft  Schutz  gegen 
alle  Angriffe,  sei  es  von  europäischen  Mächten,  sei  es  von  Negern. 
Am  8./18.  November  desselben  Jahres  erhielt  sie  einen  Freibrief 
auf  dreifsig  Jahre.  Der  Kurfürst  verhiefs  ihr  darin,  die  nötige 
Anzahl  Soldaten  zu  stellen,  ein  Fort  auf  dem  Drei- Spitzen-Kap 
an  der  Goldküste  zu  errichten  und  ihr  während  vier  Jahren 
je  6000  Taler  Hilfsgelder  zu  zahlen.  Zahlreiche  Zollerleichte- 
rangen  wurden  der  Gesellschaft  gewährt.  Jedem  Fremden  wie 
Einheimischen  ward  es  freigestellt,  ihr  beizutreten,  indes  nur 
mit  einer  Mindesteinlage  von  200  Talern  (gleich  2600  Mark 
heutigen  Geldwertes) ;  in  der  Generalversammlung,  deren  Vorsitz 
einem  Abgesandten  des  Kurfürsten  zukam,  hatte  nur  derjenige 
eine  Stimme,  der  mindestens  1000  Taler  beigetragen.  Die  Werft 
in  Pillau  ward  der  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt,  die 
militärische,  politische  und  eigentlich  kaufmännische  Verwaltung 
genau  geregelt 

Die  Schwierigkeit  für  dies  weit  aussehende  maritime  Unter- 
nehmen blieb  die  alte :  die  heimischen  Kauf  leute  und  Kapitalisten 
hielten  sich  davon  in  ihrer  ängstlichen  und  kurzsichtigen  Weise 
fem.  Die  Kompanie  erhielt  deshalb  einen  ganz  amtlichen 
Charakter.  Der  Kurfürst  zeichnete  8000  Taler,  seine  Minister 
und  Beamten  20000,  Raule  und  dessen  Mitinteressenten  24000. 

Bevor  die  Gesellschaft  auf  diese  Art  gegründet  war,  hatte 
Friedrich  Wilhelm  bereits  im  Jahre  1682  einen  weitgereisten 
Offizier,  der  in  Palästina  und  Ägypten  gewesen  und  so  an 
den  Verkehr  mit  andersgearteten  Völkern  gewöhnt  war,  den 
Major  Otto  Friedrich  von  der  Groeben,  zur  Besitzergreifung 
des  von  Blonck  erworbenen  Landstriches  sowie  „Erbauung  einer 
Forteresse"  abgesandt.  Er  führte  zwei  Schiffe  —  den  „Chur- 
prinzen"  zu  32  Geschützen  und  den  ^Morian"  zu  12  —  die  von 
dem  Commodore  Mathäus  de  Vofs  und  dem  Kapitän  Blonck 
befehligt  wurden,  sowie  zwei  Ingenieure,  einen  Fähnrich ,  drei 
Unteroffiziere  und  42  Soldaten  mit  sich. 

Das  kleine  Geschwader  langte  nach  fünfmonatiger  Fahrt 
an  der  Goldküste  an.  Nach  verschiedenen  Verhandlungen  mit 
den  Holländern  und  den  Negern  schlofs  Groeben  mit  mehreren 
schwarzen  Häuptlingen  einen  neuen  Vertrag  zur  Erbauung 
eines  Forts  sowie  Übernahme  des   brandenburgischen  Schutzes 


230  Sechstes  Buch. 

und  ausschliefslichen  Handels  für  deren  Gebiet,  das  eine  Meile 
westwärts  von  dem  Drei -Spitzen- Kap  lag.  Am  Nei]gahrs- 
tage  1683  wurde  auf  dem  Berge  Manfro,  der  nunmehr  den 
Namen  „Grofser  Friedrichsberg^  erhielt,  das  brandenburgische 
Banner  aufgezogen;  die  Geschütze  donnerten,  Trommeln  und 
Flöten  erklangen  über  die  Fluten  des  Ozeans.  Die  kleine  Feste 
wuchs  schnell  aus  dem  Boden,  mit  drei  durch  zwei  Bastionen 
geschützten  Kurtinen  nach  den  Landseiten,  einer  geradlinigen 
Brustwehr  und  davorliegendem  Graben  nach  der  See  im  Westen, 
das  Ganze  mit  Palisaden  umgeben  und  mit  zehn  Kanonen  aus- 
gerüstet. 

Diese  Vorsicbtsmafsregeln  sollten  sich  als  sehr  notwendig 
erweisen.  Da  Aufforderungen  seitens  der  holländischen  West- 
indischen Kompanie,  das  Fort  zu  räumen,  keinen  Erfolg  hatten, 
stachelte  diese  mehrere  Tausende  von  Negern  zum  Angriff  auf 
die  Festung  an.  Die  Lage  war  um  so  bedenklicher,  als  das 
Malariafieber  unter  der  schwachen  brandenburgischen  Schar 
wütete,  bereits  zehn  Mann  von  ihr  weggerafft,  die  übrigen, 
auch  Groeben  selbst,  völlig  geschwächt  hatte.  Allein  der  ebenso 
mutige  wie  energische  Major  hatte  200  Schwarze  bewaffnet  und 
eingeübt,  —  und  nach  den  ersten  Kartätschenschüssen  liefen  die 
Feinde  davon. 

Nach  diesem  Siege  schiffte  Groeben  sich  nach  Europa  ein, 
indem  er  den  wackeren  Blonck  als  Kommandanten  in  Grofs- 
Friedrichsburg  zurückliefs.  Der  Begründer  der  ersten  branden- 
burgischen Kolonie  jenseits  des'  Meeres  langte  im  April  1683  in 
der  Heimat  an,  wo  er  seitens  des  Kurfürsten  den  wohlverdienten 
freundlichen  Empfang  sowie  die  einträgliche  Hauptmannschaft 
zweier  preufsischer  Domänenämter  erhielt. 

Schon  vor  seiner  Ankunft  hatte  Friedrich  Wilhelm  die  Ver- 
stärkung der  Feste  vorbereitet.  Baumaterialien,  Vorräte  und 
Ausrüstungsgegenstände  jeder  Art,  selbst  ein  Wagen  und  vier 
Pferde,  wurden  mit  grofser  Sorgfalt  in  Pillau  vereinigt.  Sie 
gingen  (September  1683)  auf  der  Fregatte  „Goldener  Löwe** 
mit  32  und  dem  Schiffe  „Wasservogel"  mit  10  Geschützen  nach 
Afrika  ab.  Diese  Fahrzeuge  trugen  ferner  den  Major  Dillger, 
der  den  Befehl  im  Fort  übernehmen  sollte,  den  Ingenieurkapitän 
von  Schnitter,  sowie  eine  Anzahl  anderer  Offiziere  und  Ingenieure 
nebst  Chirurgen,  Kanonieren  und  42  Soldaten,  von  denen  die 
gelernten  Handwerker  und   Spielleute  in  Grofs  -  Friedrichsburg 


Einundyierzigstes  Kapitel.    Marine  und  Kolonien.  231 

ZU  verbleiben  hatten.  Diese  Mafsregeln  stellten  sich  als  um  sa 
notwendiger  heraus,  als  man  bei  der  Ankunft,  im  Februar  1684, 
die  Besatzung  Grofs-Friedrichsburgs  auf  17  Mann  herabgesunken 
fand.  Nun  begann  eine  lebhafte  Tätigkeit.  Die  Befestigungen 
wurden  durch  die  Anlage  zweier  Bastionen  nach  der  Seeseite 
hin  vervollständigt,  mit  Steinen  aufgemauert  und  mit  Kase- 
matten, auch  innerhalb  der  Wälle  mit  steinernen  Gebäuden 
versehen.  Major  Dillger  liefs  es  aber  bei  der  einen  Feste  nicht 
bewenden.  Er  kaufte  ein  von  den  Negern  Accada  genanntes 
Gebiet,  2Va  Meilen  östlich  von  Grofs-Friedrichsburg ,  und  liefs 
dort  durch  Schnitter  eine  zweite,  kleinere  Festung  in  Dreiecks- 
form  errichten.  Sie  wurde  mit  zwölf  Geschützen  besetzt  und 
späterhin  „Dorotheenschanze''  genannt.  Accada  besafs  deshalb 
besondere  Bedeutung,  weil  es  den  fruchtbarsten  Teil  der  ganzen 
Küste  umfafste  und  deren  einzigen,  allerdings  nur  für  kleinere 
Schiffe  benutzbaren  Hafen  enthielt.  Zwischen  beiden  Werken 
wurde,  an  einem  reichlich  fliefsenden  Wasser,  auf  dem  Drei- 
Spitzen-Kap  eine  kleine,  mit  zwei  Geschützen  armierte  Schanze 
angelegt,  Taccrama  oder  Sophie-Luise  genannt.  Endlich  ergab 
sich  noch  die  Landschaft  Anta  dem  Schutze  des  roten  Adlers, 
und  hier  begründete  Schnitter,  bei  dem  Orte  Taccarari,  ein 
viertes  Fort,  das  mit  drei  Geschützen  ausgerüstet  wurde.  Die  — 
allerdings  zunächst  rein  militärische  —  Kolonisation  Brandenburgs 
dehnte  sich  derart  über  die  Küste  Guineas  aus. 

Die  Afrikanische  Kompanie  hatte  inzwischen  einen  erfreu- 
lichen Aufschwung  genommen,  zumal  nachdem  sie  1684  von  dem 
entlegenen,  durch  den  langen,  rauhen  Winter  und  die  Stürme 
des  Kattegat  beeinträchtigten,  durch  die  Dänen  vom  Sunde  aus 
überwachten  Hafen  von  Pillau  und  dem  damals  jedes  kommerziellen 
Unternehmungsgeistes  entbehrenden  Preufsen  nach  Ostfriesland 
und  zwar  nach  Emden  verlegt  worden.  Land  wie  Hauptstadt 
hatten  sich  um  jene  Zeit,  mit  Billigung  des  Kaisers,  unter 
brandenburgischen  Schutz  gestellt.  Emdens  Hafen  war  für  die 
damaligen  flach  gehenden  Fahrzeuge  ein  sehr  günstiger.  Man 
erhoffte  Zuflufs  reicher  Kapitalien  aus  dem  nahen  Holland.  Auf 
Raules  Rat  hatte  also  der  Kurfürst  beschlossen,  den  Sitz  der 
Afrikanischen  Kompanie  und  zugleich  seiner  Marineverwaltung 
nach  Emden  zu  überführen.  Ein  geheimer  Vertrag  mit  den  ost- 
friesischen Ständen  sowie  mit  der  Stadt  Emden  machte  aus 
dieser  tatsächlich  einen  brandenburgischen  Hafenplatz.    Freilich, 


282  Sechstes  Buch. 

die  eigentlichen  Untertanen  Friedrich  Wilhelms  hatten  derart 
keinen  unmittelbaren  Vorteil  von  der  Afrikanischen  Kompanie 
zu  erhoffen.  Ihre  heillose  Geistesträgheit  und  Unentschlossen- 
heit  hat  ihren  Landesherm  gezwungen,  seine  maritime  Tätigkeit 
gewissermafsen  aufserhalb  seines  Gebietes  zu  verlegen. 

Die  ostfriesischen  Stände  und  die  Stadt  Emden  beschämten 
die  Preufsen,  indem  sie  der  Afrikanischen  Gesellschaft  mit 
28000  Talern  beitraten;  ebenso  der  Kurfürst  von  Köln  mit  24000. 
Im  ganzen  betrug  1686  das  Kapital  der  Gesellschaft  84  000  Taler 
(gleich  1092000  Mark  heutigen  Geldwertes),  dem  gegenüber 
Raule  ein  —  freilich  schwer  zu  verwertendes  —  Aktiv  von 
120500  Talern  (1566500  Mark)  herausrechnete.  Dividenden 
hatte  die  Gesellschaft   bisher  noch  nicht  zu  verteilen  vermocht. 

Die  glänzenderen  Aussichten,  die  sich  nunmehr  dem  Kur- 
fürsten eröffneten,  erfüllten  ihn  mit  kühner  Zuversicht,  die 
durch  das  Alter  keineswegs  geschwächt  wurde.  Er  beschlofs, 
an  Stelle  der  gemieteten  Marine  eine  eigene  treten  zu  lassen. 
Die  finanziellen  Bedenken  seiner  Räte  liefe  er  unbeachtet.  Er 
kaufte  also  Raule  neun  Schiffe  für  100000  Taler  ab^  Zugleich 
ordnete  er  das  gesamte  Seewesen  durch  Verordnung  vom 
18.  Juli  1684.  Sie  errichtete  eine  eigene  kurfürstliche  Marine- 
verwaltung mit  je  einer  Admiralitätskammer  zu  Berlin,  zu 
Königsberg  und  zu  Emden.  Die  Berliner  Kammer  bildete  die 
Zentralstelle,  an  deren  Spitze  Generaldirektor  Raule  trat.  Die 
Königsberger  Kammer,  unter  den  Admiralitätsräten  Schölten  und 
Cleffman,  besafs  an  eigenen  kurfürstlichen  Schiffen  nur  eine 
Fregatte  von  40  Geschützen  und  zwei  kleinere  Fahrzeuge, 
neben  denen  Raule  im  kurfürstlichen  Solde  noch  acht  andere 
Schiffe  mit  zusammen  96  Kanonen  zu  stellen  hatte.  Bei  weitem 
wichtiger  war  die  Emdener  Admiralitätskanmier,  in  der  der 
dortige  Bürgermeister  Schinckel  und  der  brandenburgische 
Resident  Freytag  als  Admiralitätsräte  safsen ' ;  sie  rüstete  sieben 
kurfürstliche  Schiffe  mit  zusammen  178  Geschützen  aus,  darunter 
die  beiden  Linienschiffe  „Friedrich  Wilhelm  zu  Pferde"  und 
„Carolus  Secundus**  mit  je  50  Stücken.  Acht  kleinere  Fahrzeuge 
mit  zusammen  62  Kanonen  unterhielt  dort  Raule.  Ein  „Marine- 
Bataillon"  von  vier  Kompanien  sollte  die  militärische  Besatzung 


^  Berlin,  Kgl.  Bibl.,  Manuscr.  Boruss.  qu.,  128,  S.  60  f. 

'  Ms.  Geh.  Staatsarchiv,  Berlin,  Rep.  65,  42  (Marinerechnungen). 


Einiindvierzigstes  Kapitel.    Marine  und  Kolonien.  233 

der  Schiffe  und  der  Kolonien  liefern.  Einstweilen  wurden  in 
Ostfriesland  drei  solche  Kompanien  unter  Major  du  Moulin 
errichtet,  mit  den  Garnisonen  Emden  und  Greetsyl.  Ihr  Unter- 
halt belief  sich  auf  ungefähr  22  000  Taler  jährlich,  zu  denen  die 
ostfriesischen  Stände  15600  zusteuerten.  Jeder  Soldat,  der 
nach  Afrika  abging,  erhielt  zu  seinem  Traktament  eine  Zulage 
von  einem  halben  Taler  monatlich,  der  Gefreite  aufserdem  vier 
Groschen.  Eine  Jacht  wurde  als  Stations-  und  Wachtschiif  für 
den  Hafen  von  Emden  und  die  Feste  Greetsyl  beschafft*. 

So  begann  die  eigentliche  brandenburgisch-preufsische  Kriegs- 
marine. Nach  mannigfachem,  durch  die  Verhältnisse  gebotenem 
Tasten  hatte  Friedrich  Wilhelm  abermals  den  einzig  richtigen 
und  angemessenen  Weg  gefunden,  seinem  Staate  zum  Besitze 
einer  zuverlässigen,  für  ihn  stets  verfügbaren  Seemacht  zu  ver- 
helfen. 

Er  glaubte  nun,  seinen  kolonialen  Plänen  einen  noch  weiteren 
Umfang  geben  zu  dürfen.  Er  knüpfte  also,  wie  schon  erwähnt, 
mit  den  englischen  Dissenters,  den  aufser  der  anglikanischen 
Kirche  stehenden  britischen  Beformierten  an,  die  damals  durch 
die  Stuarts  schwer  bedrückt  wurden,  um  die  Kaufleute  und 
Fabrikanten  unter  ihnen  an  die  pommersche  Küste  zu  ziehen. 
Er  dachte  an  die  Gründung  einer  Ostindischen  Handelsgesell- 
schaft, deren  Sitz  gleichfalls  Emden  sein  sollte,  an  die  Aus- 
sendung einer  Expedition  nach  China  und  Japan,  an  einen 
Vertrag  mit  Persien  behufs  Austausch  von  Rohseide  gegen  Bern- 
stein. Er  veranlafste  einen  der  berühmtesten  Reisenden  jener 
Zeit,  den  französischen  Reformierten  Jean  Baptiste  Tavernier, 
der  sechsmal  im  Oriente,  bis  nach  Indien  und  den  ostasiati- 
schen Inseln  hin,  gewesen  war,  nach  Berlin  zu  kommen  und  ihm 
mit  seinem  Bäte  bei  der  Errichtung  der  Ostindischen  Gesellschaft 
zu  helfen  (1684).  Obwohl  bereits  im  achtzigsten  Lebensjahre 
stehend,  folgte  Tavernier  dieser  Einladung  und  erklärte  sich 
bereit,  im  Interesse  jener  Gesellschaft  eine  Gesandtschaft  an 
den  Grofsmogul  Aureng-Seb  zu  übernehmen;  drei  Kriegsfahr- 
zeuge sollten  ihn  eskortieren.  Tavernier  erhielt  den  Titel  eines 
kurfürstlichen  Kammerherm  und  Admiralitätsrates ".  Die  Frucht 
der  Beratungen  war  ein  Patent  vom  10.  Juli  1684,  das  die  Ost- 

*  Geh.  Staatsarchiv,  Berlin;  a.  a.  0. 

■  Ch.  Joret,  Jean-Bapt.  Tavernier  (Paris  1886). 


234  Sechstes  Buch. 

indische  Kompanie  mit  ähnlichen  Vorrechten  begabte,  wie  die 
Afrikanische  solche  bereits  empfangen  hatte.  Allein  dieses  aus- 
sichtsreiche Unternehmen  scheiterte  abermals  an  der  Unbeweg- 
lichkeit  und  Verzagtheit  der  einheimischen  Greschäftsleute  und 
Kapitalisten ;  als  der  Kurfürst  dafür  in  England  Teilnehmer 
warb,  fand  er  Zurückhaltung  wegen  der  Strenge,  mit  der  die 
dortigen  Gesetze  das  Monopol  der  englischen  Ostindischen 
Kompanie  schützten ^  Man  sieht,  wie  unermüdlich  der  Grofse 
Kurfürst  um  die  Entwicklung  des  überseeischen  Handels  seiner 
Lande  bemüht  war,  dafs  er  aber  damit  ganz  allein  stand.  Um 
so  mehr  suchte  er  die  Afrikanische  Gesellschaft  zu  fördern. 

Es  lag  ihm  für  diese  die  Erwerbung  einer  Niederlassung 
in  Westindien  am  Herzen,  um  einen  eigenen  Markt  zum  Ver- 
kaufe von  Negersklaven  zu  besitzen,  —  war  doch  das  „lebende 
Ebenholz*'  der  einträglichste  Handelsartikel,  den  man  an  den 
afrikanischen  Küsten  suchte.  So  schlofs  er  im  November  1685 
mit  Dänemark  einen  Vertrag,  der  den  Brandenburgern  einen 
Teil  der  dänisch-westindischen  Insel  St.  Thomas  anwies,  wo  sie, 
freilich  unter  dänischer  Hoheit  und  dänischem  Schutze,  aber 
sonst  in  eigener  Selbstverwaltung,  eine  Niederlassung  errichten 
durften. 

Endlich  vergröfserte  er  noch  seinen  Besitz  in  Afrika,  indem 
er  auf  der  südöstlich  vom  Kap  Blanco  gelegenen  Insel  Arguin 
ein  zuerst  den  Spaniern,  dann  den  Niederländern,  schliefslicb 
den  Franzosen  gehöriges,  aber  auch  von  diesen  aufgegebenes 
Kastell  durch  sein  Schiff  „Rother  Löwe"  unter  dem  Kommandeur 
Cornelis  Reers  okkupieren  liefs.  Es  wurde  mit  dem  „Mohren- 
könige von  Argyn"  ein  Vertrag  eingegangen,  der  nicht  nur  die 
Insel,  sondern  noch  weite  Küstenstrecken  nach  Nord  und  Süd  den 
Brandenburgern  abtrat.  Das  Kastell  ist  später  von  Reers  her- 
gestellt und  ausgerüstet,  auch  gegen  einen  französischen  Angriff 
mit  Erfolg  verteidigt  worden.  Arguin  entwickelte  sich  zu  einem 
wichtigen  Handelsplatze,  besonders  zum  gröfsten  Stapel  für  den 
internationalen  Gummihandel.  Die  Niederlassungen  an  der 
Goldküste  wurden  darüber  nicht  vernachlässigt.  Man  sandte 
dorthin  Bergleute,  unter  der  Leitung  eines  gewissen  Dannies, 
um  den  Abbau  von  Gold  rationell  zu  betreiben.  Es  kam  wirk- 
lich so  viel  Gold  aus  Guinea  ein,  dafs  man  daraus  in  Berlin 


1  Schuck,  I,  187ff. 


Einundvierzigstes  Kapitel.    Marine  und  Kolonien.  235 

Dukaten  schlug,  die  das  Brustbild  des  Kurfürsten  und  auf  dem 
Revers  einen  Dreimaster,  mit  vollen  Segeln  auf  offener  See  nach 
links  fahrend,  aufwiesen  ^ 

Im  ganzen  aber  entsprachen  die  Einkünfte  der  Gesellschaft 
deren  grofsen  Aufwendungen  um  so  weniger,  als  ihr  die  Fort- 
nahme  einiger  ihrer  Fahrzeuge  durch  Niederländer  und  Fran- 
zosen empfindliche  Verluste  bereitete  und  ihre  Beamten  mehr 
darauf  bedacht  waren,  sich  selbst  zu  bereichern  als  der  Ge- 
sellschaft zu  dienen.  Deren  Fonds  war  überdies  für  die  weitaus- 
sehenden Pläne  des  Kurfürsten  unzureichend.  So  kam  es,  dafs 
man  von  den  Teilhabern  neue  Zuschüsse  einforderte.  Darüber 
äufserten  aber  die  ostfriesischen  Aktionäre  laute  Unzufriedenheit. 
Der  Kurfürst  liefs  sich  deshalb  durch  den  dringenden  Rat 
Raules  bestimmen,  die  ostA:iesischen  Teilhaber  vermittelst  Baten- 
zahlungen  auszukaufen;  neben  ihm  blieben  nur  seine  Generale, 
Minister  und  sonstigen  Diener  in  der  Gesellschaft  (1686). 

Es  war  die  Blütezeit  der  kolonialen  Bestrebungen  Friedrich 
Wilhelms.  Damals  gingen  wieder  fünf  brandenburgische  Kriegs- 
schiffe mit  Baumaterial,  Geschützen  und  Kriegsbedarf  nach  den 
Besitzungen  auf  der  Goldküste  ab.  In  Grofs-Friedrichsburg  ent- 
wickelte sich  ein  überaus  reger  Verkehr. 

Allein  der  Rückschlag  konnte  nicht  ausbleiben.  Jede  junge 
Kolonisation  hat  mit  der  Mifsgunst  ihrer  Vorgängerinnen  hart 
zu  kämpfen ;  in  jener  Zeit  zumal  herrschte  in  den  fremden  Welt- 
teilen der  Krieg  aller  gegen  alle,  ohne  jede  Rücksicht  auf  die 
politische  Konstellation  in  Europa.  Engländer,  Franzosen  und 
Dänen  widerstrebten  dem  Aufschwünge  der  brandenburgischen 
Gründung  auf  St.  Thomas ;  den  Niederländern  der  Westindischen 
Kompanie  waren  die  Kolonien  des  Kurfürsten  im  Westafrika 
ein  Dorn  in  der  Seite.  Friedrich  Wilhelm  hatte  1686  durch 
seine  Bevollmächtigten  von  Diest  und  Raule  eine  Abgrenzung 
seiner  afrikanischen  Besitzungen  gegen  die  der  Westindischen 
Kompanie  verlangt ;  allein  die  Generalstaaten  hatten  nach  langen 
Verhandlungen  im  Juli  1687  die  Rechtmäfsigkeit  der  Ansprüche 
der  Westindischen  Kompanie  in  vollem  Umfange  anerkannt  und 
die  Rückgabe  der  Festungen  Grofs-Friedrichsburg  und  Taccarari 
gefordert.  Dadurch  ermutigt,  bemächtigten  sich  die  Leute  der 
Westindischen  Kompanie   im  Oktober   1686  der  Forts  Accada 


*  Ad.  Meyer,  Die  Prägungen  Brandenb.-Preufsens. 


236  Sechstes  Buch. 

und  Taccarari  und  blockierten  Grofs-Friedrichsburg,  das  aber  der 
wackere  Schnitter  mit  Entschlossenheit  verteidigte.  Ihre  Kriegs- 
schiffe hielten  zugleich  die  brandenburgischen  Fahrzeuge  an  der 
Küste  von  Guinea  an,  hinderten  sie  am  Handel  und  visitierten 
sie,  ob  nicht  niederländische  Untertanen  an  Bord  seien. 

Ein  harter  Schlag  für  die  junge  koloniale  Schöpfung  des 
Kurfürsten ! 

Er  war  entschlossen,  für  das  ihr  angetane  Unrecht  aus- 
giebige Genugtuung  zu  fordern.  Eines  Krieges  bedurfte  es 
dabei  nicht,  denn  die  Gestaltung  der  grofsen  politischen  Er- 
eignisse nötigte  die  Niederländer,  dem  Brandenburger  gefällig 
zu  sein.  Leider  sollte  Friedrich  Wilhelm  es  nicht  mehr  erleben, 
dafs  Accada  zurückgegeben  wurde,  Grofs-Friedrichsburg  sich  zu 
einer  unangreifbaren  Feste  entwickelte.  Er  genofs  jedoch  die 
Befriedigung,  noch  in  den  letzten  Augenblicken  seines  Lebens 
zu  erfahren,  dafs  die  in  den  Generalstaaten  ausschlaggebende 
Stadt  Amsterdam  bereit  sei,  für  die  vollständige  Erfüllung 
seiner  Ansprüche  einzutreten.  Die  letzte  von  ihm  erteilte  Parole 
war  deshalb  „ Amsterdam*'. 

Auf  allen  Gebieten  hat  dieser  Fürst  dem  künftigen  Grofs- 
staate  die  Wege  vorgezeichnet:  in  dem  Zusammenfassen  der 
inneren  Kräfte  des  Staates  durch  die  Zentralregierung,  in  dessen 
Leitung  auf  die  Pfade  einer  grofsen  europäischen  Politik,  in  der 
Begründung  seines  herrlichen  Heeres,  in  der  Behauptung  voll- 
kommener religiöser  Duldung;  und  so  auch  in  der  Schöpfung 
einer  Seemacht  und  deutscher  Kolonien  in  fremden  Erd- 
teilen. Gerade  diese  letztere  Seite  seiner  grofsen  und  umfassenden 
Bestrebungen  ist  fast  zwei  Jahrhunderte  hindurch  von  seinen 
Nachfolgern,  zu  ihrem  und  des  Staates  Schaden,  nicht  gewürdigt 
worden.  Aber  als  Preufsen  wirklich  in  die  Reihe  der  Welt- 
mächte trat,  indem  es  zugleich  die  Führung  des  geeinten  Deutsch- 
lands ergriff,  hat  es  sofort  wieder  angeknüpft  an  die  Über- 
lieferungen  des  genialen  Grofsen  Kurfürsten  von  Brandenburg. 


Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

Der  Anheimfall  Magdeburgs. 


Aus  kommerziellen  Gründen  ebensowohl  wie  aus  militÄri- 
schen  war  Friedrich  Wilhelm  darauf  bedacht,  die  ihm  im  West- 
filischen  Frieden  versprochene  Stadt  Magdeburg  wirklich  und 
ganz,  mit  Vernichtung  ihrer  trotzig  gewahrten  Freiheiten,  in 
Besitz  zu  nehmen^.  „Es  ist  Ihrer  Kurfürstl.  Durchlaucht  mehr 
an  der  Stadt  Magdeburg  gelegen  als  an  irgend  welchen  Orten 
aller  ihrer  Lande ;  sie  ist  gleichsam  das  Herz,  dadurch  die  Mark 
Brandenburg,  die  Fürstentümer  Magdeburg  und  Halberstadt 
müssen  beschützt  werden,"  —  also  liefs  er  seine  Meinung  den 
Abgeordneten  der  Magdeburger  Bürgerschaft  eröffnen.  In  der 
Tat,  diese  starke  Eibfestung  war  das  sicherste  Bollwerk  für  den 
ganzen  Hauptbestandteil  seines  Staates,  für  seine  zusammen- 
hängenden Lande  im  mittleren  Norddeutschland.  Sie  galt  ihm 
wie  seinen  Nachfolgern  eben  als  das  „Herz"  des  Gesamtstaates 
oder  als  die  Eisenklammer,  die  die  östlichen  mit  den  westlichen 
Provinzen  vereinigte  und  zusammenhielt.  Magdeburg  beherrschte 
ferner  den  mittleren  Eibstrom,  kommerziell  und  militärisch. 
Freilich  erstand  es  erst  langsam  aus  seinen  Trümmern  und 
zählte  damals  kaum  8000  Einwohner,  —  allein  seine  geographi- 
sche Lage  und  seine  Vergangenheit  bürgten  für  seine  Zukunft. 
nEs  ist  mir,"  erklärte  Friedrich  Wilhelm  den  Bürgern,  „an  der 


^  Das  Folgende  haupisächlicli  nach:  H.  Holzapfel,  Des  Grossen 
Kittfürsten  Festnngsbauten  in  Magdeburg  (Magdeb.  1880);  Jul.  Opel, 
l^ie  Vereinigung  des  Herzogt.  Magdeburg  mit  Kurbrandenburg  (Halle 
1880);  Schmoller  im  Jahrb.  f.  Gesetzgeb.  u.  Yolkswirtsch. ,  N.  F. 
ß^'  Vm  (1884)  u.  X  (1886). 


238  Sechstes  Buch. 

Stadt   Magdeburg    so    viel    gelegen    wie    an    meinem    ganzen 
Staat." 

Er  hatte  die  Bedeutung  des  Platzes  längst  erkannt  und 
deshalb,  sobald  die  Umstände  es  erlaubten,  militärisch  von  ihm 
Besitz  ergriffen,  mit  kecker  Nichtachtung  der  Rechte  sowohl 
der  Stadt  selbst  wie  des  noch  lebenden  Erzbischofs- Administrators, 
des  Herzogs  August  von  Sachsen.  Er  glaubte,  seinen  zahlreichen 
Neidern  und  Feinden  gegenüber  sich  Magdeburgs  versichern  zu 
müssen.  Sofort  hatte  er  mit  der  Verstärkung  der  Festungswerke 
begonnen,  und  zwar  aus  eigenen  Mitteln.  Freilich,  die  Stadt 
hatte  zu  dem  Unterhalte  der  Besatzung,  der  auf  55  788  Reichs- 
taler jährlich  veranschlagt  war,  in  Gemäfsheit  des  Vertrages 
von  Kloster  -  Bergen  jedes  Jahr  14400  Taler  beizutragen,  und 
die  Landstände  des  Herzogtums  wurden  genötigt,  die  übrigen 
41388  aufzubringen.  Aber  für  die  Befestigungen  zu  zahlen, 
weigerten  Administrator  und  Landschaft  sich  hartnäckig,  und 
die  verarmte  Stadt  konnte  nur  einen  mäfsigen  Zuschufs  geben. 
So  sicherte  der  Kurfürst  aus  eigenen  Einkünften  zunächst  die- 
Eibseite.  Er  beabsichtigte  aber  Gröfseres:  im  Jahre  1679  be- 
gann er  auf  dem  grofsen  Eibwerder  die  Erbauung  einer  Zitadelle, 
und  zwar,  ohne  weitere  Anfrage,  auf  städtischem  Grund  und 
Boden.  Die  Bürger  legten  Verwahrung  ein;  sie  meinten,  die 
Zitadelle  sei  mehr  zu  ihrer  Unterjochung  als  zur  Abwehr  des 
äufseren  Feindes  bestimmt.  Als  sie  an  den  Hof  sandten,  um 
den  Bau  zu  hindern,  stellte  es  sich  heraus,  dafs  die  Geheimen 
Räte  und  sogar  Generalfeldmarschall  Derfflinger  völlig  ihrer 
Meinung  waren.  Die  Errichtung  der  Zitadelle  ging  ausschliefs- 
lich  aus  einem  Plane  des  Herrschers  hervor:  abermals  ein  Be- 
weis, wie  wenig  es  mit  der  angeblichen  Abhängigkeit  Friedrieb 
Wilhelms  von  seiner  Umgebung  auf  sich  hat.  Er  wies  die  Ab- 
geordneten der  Bürgerschaft  mit  ihrem  Anliegen  zurück.  Er 
versicherte  sie,  dafs  er  keinerlei  Mifstrauen  gegen  sie  hege;  er 
schonte  die  Interessen  der  Stadt  möglichst;  er  entschädigte  sie 
für  die  Gebäude,  die  niedergerissen  werden  mufsten:  aber  er 
baute  an  der  Zitadelle  weiter,  die  freilich  erst  nach  seinem 
Tode  vollendet  worden  ist. 

Der  Administrator,  ein  schwächlicher,  bequemer  Fürst,  ohne 
Einsicht  und  Beharrlichkeit,  nur  auf  Wohlleben  und  engherzige 
lutherische  Buchstabengläubigkeit  bedacht,  unfähig,  zu  regieren 
oder  nur  seine  eigenen  persönlichen  Angelegenheiten  in  Ordnung 


Zweiundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anheimfall  Magdeburgs.       239 

ZU  halten,  fand  nicht  die  Kraft,  den  Übergriffen  seines  ziel- 
bewufsten  und  rücksichtslosen  Nachfolgers  anders  als  durch  ohn- 
mächtige Intrigen  und  kleinliche  Nadelstiche  entgegenzuwirken. 
Immerhin  war  es  ein  grofser  Gewinn  für  Brandenburg,  als  er, 
der  letzte  —  ach tund vierzigste  —  Erzbischof  von  Magdeburg, 
am  14.  Juni  1680  verstarb  und  nun  die  landesherrlichen  wie  die 
erzbischöflichen  Rechte  an  den  Kurfürsten  übergingen.  Er 
ergriff  sofort  von  Stadt  und  Landschaft  Besitz  durch  den  Hof- 
kammerpräsidenten  Bodo  von  Gladebeck  und  den  Geheimen  Bat 
Thomas  von  der  Knesebeck.  Es  galt,  das  Land  aus  der  Ver- 
worrenheit gänzlich  veralteter  mittelalterlicher  Zustände  in  die 
Verhältnisse,  Einrichtungen  und  Bestrebungen  des  modernen 
Staatslebens  hinüberzuführen. 

Das  nunmehrige  Herzogtum,  das  auch  die  Grafschaft  Mans- 
feld  —  teils  direkt,  teils  unter  magdeburgischer  Oberhoheit  — 
umfafste,  war  ein  ausschliefslich  landwirtschafttreibendes  Gebiet, 
das  in  vier  Kreise  eingeteilt  war.  Der  überaus  fruchtbare  Boden 
Imks  der  Elbe  trug  reiches  Getreide  und  selbst  Wein;  die 
sandige  Scholle  östlich  des  Stromes  diente  der  Forstwirtschaft 
und  der  Viehzucht.  Der  Handel  litt  unter  den  drückenden 
Zöllen,  die  einerseits  die  Schiffahrt  nach  Hamburg  hin  fast 
unmöglich  machten,  anderenteils  dem  Halleschen  Salze  den  Ver- 
trieb nach  Österreich  abschnitten.  Nur  Magdeburg  befand  sich 
in  einigermafsen  günstigen  Verhältnissen;  die  übrigen  Städte, 
selbst  die  Residenz  Halle,  waren  verarmt  und  mit  Schulden  über- 
häuft. Das  ganze  Land,  das  102  Quadratmeilen  mit  etwa 
160000  Einwohnern  umfafste,  brachte  dem  Administrator  nur 
58000  Taler  jährlicher  Einnahme  —  22000  mehr  als  die  Stadt 
Magdeburg  allein  —  und  schuldete  187000  Taler,  deren  Zinsen 
ebensowenig  bezahlt  wurden  wie  die  der  persönlichen  Schulden 
des  Herzogs  August.  Die  besten  Domänen  waren  dem  Adel 
verpfändet,  von  dem  einzelne  Familien  den  ganzen  Reichtum  des 
Landes  an  sich  gezogen  hatten.  Die  Verwaltung  beruhte  noch 
ganz  auf  mittelalterlicher  Grundlage  und  war  in  Unordnung 
und  Willkür  verfallen,  wie  alle  ständische  Regierung  jener  Zeit. 
Die  Stände  besafsen  eine  mit  der  landesherrlichen  konkurrierende 
Administration,  die  unter  anderem  das  gesamte  Steuerwesen 
umfafste.  Die  Stadt  Magdeburg  behauptete  völlige  Selbständig- 
keit der  Verwaltung  und  übte  sogar  das  Münzrecht ;  auch  Halle 
besafs  weitgehende  Freiheiten.    Die  von  den  geistlichen  Stiftern 


240  Sechstes  Buch. 

gewählten  Äbte  mufste  der  Landesherr  unweigerlich  bestätigen; 
in  der  Regierung  mufsten  zwei  Domherren  und  vier  vom  Adel 
sitzen.  Der  Landesherr  teilte  mit  dem  Domkapitel  die  Recht- 
sprechung über  den  Adel.  Der  eingeborene  Adel  hatte  das  Vor- 
recht auf  Domherrnstellen  und  Amtshauptmannschaften.  Noch 
1676  hatte  Herzog  August  zugestanden,  dafs  er  keinen  Beamten 
ohne  Genehmigung  des  Domkapitels  ernennen  werde.  Da  nun 
dieses  gleichfalls  aus  dem  Adel  besetzt  war,  herrschte  dieser 
weit  mehr  im  Lande  als  der  Fürst.  Die  eigentliche  Regierung 
wurde  tatsächlich  durch  den  engeren  Ausschufs  der  Stände 
geführt,  in  dem  drei  Prälaten,  vier  weltliche  Edelleute  und  der 
Bürgermeister  des  adligen  Rates  der  Stadt  Grofssalza  safsen: 
also  ausschliefslich  Vertreter  des  Adels.  Jeder  Ort,  jedes  Ritter- 
gut schlofs  sich  trotzig  von  den  anderen  ab;  sogar  der  Binnen- 
verkehr wurde  dadurch,  sowie  durch  die  Mannigfaltigkeit  der 
im  Lande  geltenden  Mafse,  Gewichte  und  Münzen  erschwert 
Jeder  suchte  nur  in  engherzigster  Weise  den  eigenen  Nutzen, 
mit  Recht  oder  mit  Unrecht.  Industrie  und  Bergbau  waren  so 
gut  wie  vernichtet,  selbst  die  grofsen  Salinen  Halle,  Stafsfurt 
und  Salza  tief  gesunken.  Kurz,  ein  wahrer  Prachttypus  ständi- 
scher Herrschaft! 

Ebenso  trugen  die  konfessionellen  Verhältnisse  den  Charakter 
mittelalterlicher  Starrheit.  Nur  den  Lutheranern  war  öffent- 
liche Religionsübung  gestattet;  doch  gab  es  im  Erzstifte  noch 
ein  Mannes-  und  vier  Nonnenklöster.  Die  Anstellung  der 
lutherischen  Geistlichen  stand  teils  dem  Domkapitel  in  Magde- 
burg, teils  den  Patronen  uneingeschränkt  zu.  Der  Landesherr 
übte  darauf  ebensowenig  Einflufs  wie  auf  die  Prüfung  der 
geistlichen  Kandidaten,  die  durch  die  städtische  Geistlichkeit 
geschah. 

Der  Kurfürst  war  längst  entschlossen,  diese  Verhältnisse 
von  Grund  aus  zu  ändern,  im  Sinne  der  Einheit  der  Staats- 
gewalt und  der  unumschränkten  Machtvollkommenheit  des  Staats- 
oberhauptes. Er  stützte  sich  rechtlich  dabei  auf  die  Tatsache,  dafs 
er  das  Land  nicht  als  Erzstift,  sondern  als  weltliches  und  erbliches 
Herzogtum  übernehme,  dafs  also  die  gesamten  politischen  Be- 
fugnisse der  geistlichen  Landesbehörden  —  des  Domkapitels  und 
seiner  Archidiakonate  —  erloschen  seien.  Der  Erzbischof- 
Administrator,  von  dem  Magdeburger  Domkapitel  gewählt,  hatte 
sich  der  Kapitulation,  die  dieses  ihm  auferlegte,  unterwerfen 


ZweitmdviersigsteB  Kapitel.    Der  Anheimfall  Magdeburgs.      241 

müssen.  Friedrich  Wilhelm  war  dagegen  durch  internationale 
Verträge  und  durch  Reichsbeschlufs  Herzog  von  Magdeburg  und 
deshalb  im  Vollbesitze  landesherrlicher  Befugnisse.  So  sah  er 
selber  die  Sachlage  an,  in  diesem  Sinne  sprach  er  sich  wieder- 
holt amtlich  aus.  Er  führte  das  auch,  seiner  energischen  Weise 
gemäfs,  sofort  praktisch  durch.  Das  Amt  eines  Kanzlers  des 
Herzogtums  Magdeburg,  das  er  seinem  langjährigen  Gesandten 
am  Regensburger  Reichstage,  Gottfried  von  Jena,  einem  Bruder 
seines  Ministers  Friedrich,  übertrug,  blieb  nur  eine  Sinekure, 
dazu  bestimmt,  den  Diplomaten,  der  fem  in  Regensburg  weilte, 
zu  belohnen;  die  Beamten  aber,  die  wirklich  die  Regierung  in 
Magdeburg  führten,  waren  untergeordneter  Natur  und  von  den 
Weisungen  aus  Berlin  durchaus  abhängig. 

Die  löblichen  Stände  fafsten  freilich  die  Sachlage  ganz 
anders  auf.  Ihre  Ausschüsse  stellten  schleunigst  die  „Magde- 
burgischen Landesprivilegien  und  Jura""  auf,  die  Erhaltung  aller 
alten  Zustände,  mitsamt  der  alleinigen  Geltung  der  „lutherischen 
Religion"  und  der  ausschlief slichen  Übertragung  aller  Ämter 
auf  Eingeborene  des  Herzogtums,  forderten.  Ein  neuer  Beweis, 
dars  ein  grofses  und  nach  den  Bedürfnissen  der  Neuzeit 
gestaltetes  Staatswesen  mit  der  Fortdauer  ständischer  Macht 
unvereinbar  war. 

Die  erste  Antwort  des  Kurfürsten  auf  diese  Kundgebung 
war  eben  die  Bestellung  des  reformierten  Ausländers  Jena  zum 
Oberhaupte  der  magdeburgischen  Verwaltung.  In  seiner  Be- 
scheidung auf  die  Vorstellungen  der  Stände  vom  7./17.  September 
U380  unterliefs  er  jede  Bestätigung  einzelner  Gerechtsame,  sondern 
sprach  nur  im  allgemeinen  von  den  Rechten  und  Privilegien  des 
Landes,  die  er  bewahren  werde,  aber  auch  nur  „soweit  die- 
selbigen  dem  VFestfälischen  Frieden  und  Unserer  landesfürstlichen 
Hoheit  nicht  zugegen".  Er  vermied  es  hier,  wie  in  seinen 
anderen  Ländern,  die  alten  ständischen  Ordnungen  geradezu 
aufzuheben;  allein  er  beraubte  sie  durch  Einzeleinrichtungen 
tatsächlich  ihres  eigentlichen  Gehaltes  und  ihrer  Bedeutung. 
Nachdem  er  persönlich  unter  Entfaltung  gebührender  Pracht  am 
^.  Juni  1681  die  Huldigung  der  Stadt  Magdeburg  und  am  12.  bis 
17.  zu  Halle  die  der  Landschaft  eingenommen  hatte ,  ging  er 
mit  Eifer  und  Nachdruck  an  die  Umgestaltung  der  öffentlichen 
Zustände.  Er  setzte  in  diktatorischer  Weise,  freilich  mit  Be- 
fragung der  Stände,   aber   ohne   sich   durch   deren  Beschlüsse 

Philippaon,  Der  GroCse  Kurfflrst.    III.  16 


242  Sechstes  Buch. 

bestimmen  zu  lassen,  eine  Lohntaxe,  sowie  Einführung  des  Stempel- 
papiers und  einer  Abgabe  zur  Errichtung  eines  Magazins  fOr  die 
Magdeburger  Garnison  fest.  Die  wichtigste  Neuerung  war  die  Er- 
richtung der  städtischen  Accise,  im  Jahre  1685.  Sie  sollte  nicht  nur 
die  die  verarmten  Städte  gänzlich  ruinierenden  direkten  Abgaben 
durch  einen  erträglicheren  Steuermodus  ersetzen,  sondern  zugleich 
die  bevorrechteten  Klassen  zum  Tragen  der  Staatslasten  heran- 
ziehen, endlich  das  Steuerbewilligungsrecht  sowie  die  Finanz- 
Verwaltung  der  Stände  durchbrechen.  Deren  Widerstand  vnirde 
einfach  durch  Berufung  auf  die  natürliche  Macht  des  Landes- 
fürsten beseitigt.  Auch  eine  Kopfsteuer  wurde  1687  ohne  jede 
Mitwirkung  der  Stände  erhoben.  Die  landesherrlichen  Steuer- 
beamten  fafsten  im  Magdeburgischen  festen  Fufs,  und  es  war 
schon  damals  vorauszusehen,  dafs  sie  binnen  kurzem  die  ständi- 
schen gänzlich  beseitigen  würden.  Die  üble  Verwaltung  der  städti- 
schen Finanzen  veranlafste  dann  die  Anstellung  kurfürstlicher 
Kontrolleure,  die  die  städtischen  Obrigkeiten  mehr  und  mehr 
jeder  Selbständigkeit  beraubten.  Was  half  es,  dafs  Friedrich 
Wilhelm  sich  bereit  erklärte,  jedesmal  „das  Einrathen  und  die  un- 
vorgreiflichen  Erinnerungen  der  Stände  zu  vernehmen"  ?  Die  Um- 
wandlung des  ständischen  in  den  absolutistischen  Beamtenstaat 
ging  auch  im  Magdeburgischen  widerstandslos  vor  sich.  Gewifs  fiel 
zahlreichen  trefflichen  Männern  der  Untergang  der  alten  „Frei- 
heiten" schwer  aufs  Herz.  Allein  diese  „Freiheiten",  die  sich  über- 
lebt hatten,  den  tatsächlichen  Verhältnissen  nicht  mehr  entsprachen. 
Mifsbräuche  und  Ungerechtigkeiten  ohne  Zahl  erzeugten  und  jede 
Besserung  der  Zustände  verhinderten,  mufsten  verschwinden, 
damit  für  die  Entwicklung  zu  wahrer  bürgerlicher  Gleichheit 
und  Freiheit  Raum  geschaffen  werde. 

Auf  keinem  Gebiete  des  öffentlichen  Lebens  hat  die  unmittel- 
bare Einwirkung  des  neuen  Landesherrn  so  günstige  Folgen 
gezeitigt  als  auf  dem  kirchlichen.  Der  Widerstand,  dem  er 
hier  begegnete,  war  um  so  stärker,  als  die  Unduldsamkeit  und 
die  Unabhängigkeitsgelüste  der  Geistlichkeit  durch  die  Stände 
unterstützt  wurden,  aus  deren  Reihen  sich  die  Prälatur  ergänzte 
und  andrerseits  die  Patrone  hervorgingen,  die  bisher  die  Pfarr- 
stellen nach  Willkür  besetzt  hatten.  Friedrich  Wilhelm  schuf 
sofort  zur  Leitung  der  kirchlichen  Angelegenheiten  im  Magde- 
burgischen ein  Konsistorium,  das  einen  ausgesprochen  weltlichen 
Charakter    trug,    indem   es   einen    Teil    der    landesherrlichen 


Zweiundyierzigstes  Kapitel.    Der  Anheimlall  Magdeburgs.      243 

Begierung  bildete  und  überwiegend  mit  weltlichen  Beamten 
besetzt  war.  Es  führte  die  Aufsicht  über  die  Berufung  der 
Prediger  und  zumal  über  das  Patronatsrecht  der  Edelleute  und 
Magistrate.  Es  war  angewiesen,  den  Reformierten  nach  Möglich- 
keit die  Freiheit  der  Beligionsübung  zu  verschafFen,  ohne  Be- 
nachteiligung der  Lutheraner,  Frieden  und  Eintracht  zwischen 
beiden  Bekenntnissen  herzustellen  und  zu  erhalten  —  im  Ein- 
klang mit  den  irenischen  Bestrebungen,  die  Friedrich  Wilhelm 
allerorten  in  rühmlicher  Konsequenz  verfolgt  hat.  Der  Kur- 
fürst, wurde  versichert,  wolle  den  Gewissen  keinen  Zwang 
„einiger  Synkretisterei  aufdringen,  sondern  den  Untertanen  das 
freie  Exercitium  der  Religion  in  thesi  und  antithesi  lassen,  und 
mehr  nicht,  denn  undiensame  und  in  Gottes  Wort  ohnehin  ver- 
botene Bitterkeit  und  Personengezänk  vermieden  wissen  **.  Allein 
der  Kurfürst  arbeitete  doch  in  der  Praxis  auf  den  Synkretismus 
zwischen  Lutheranern  und  Reformierten  tatsächlich  hin.  Den 
weltlichen  Konsistorialräten  ward  jede  Verpflichtung  auf  ein 
bestimmtes  Bekenntnis  erlassen.  Alle  Patrone  des  Herzogtums 
mufsten  sich  bei  Berufung  der  Geistlichen  eines  vorgeschriebenen 
Formulars  bedienen,  wo  von  der  lutherischen  Konkordienformel 
nicht  die  Rede  war.  Die  berufenen  jungen  Pfarrer  hatten  sich 
zuvor  einer  Prüfung  vor  dem  Konsistorium  zu  unterziehen  und  nur 
von  dieser  Behörde  ihre  Ordination  zu  empfangen.  Einsprüche 
seitens  des  Domkapitels,  der  Städte  Magdeburg  und  Halle, 
einzelner  sonstigen  Patrone  fanden  nur  in  einigen  unwesentlichen 
Formalien  Gehör.  Die  alte  Archidiakonatsordnung  wurde  trotz 
alles  Widerstrebens  der  Stände  und  der  Geistlichkeit  aufgehoben, 
die  Ernennung  der  Superintendenten  dem  Landesherrn  vor- 
behalten. Die  Hallesche  Domkirche  ward  abwechselnd  dem 
reformierten  und  dem  lutherischen  Gottesdienst  bestimmt,  un- 
geachtet des  Zetergeschreis  der  Zeloten.  So  zog  der  reformierte 
Kultus  in  das  Magdeburger  Land  ein,  bis  dann  die  Gründung 
der  R6fugi6sgemeinden  eine  gröfsere  Ausdehnung  dieses  Bekennt- 
nisses in  dem  Herzogtum  bewirkte. 

Auch  dem  darniederliegenden  Handel  suchte  der  Grofse 
Kurfürst  nach  Möglichkeit  aufzuhelfen.  Die  Zölle  auf  der  Elbe 
wurden  neu  geordnet,  die  Willkür  der  Beamten  und  die  Plackereien 
der  Schiffer   nach  Möglichkeit   abgestellt.    Der  Transitverkehr 

erhielt  bei  Einführung  der  Accise  volle  Freiheit,  jeder  einzelne 

16* 


244  Sechstes  Buch. 

Ort   mannigfache   Rücksicht   und    Begünstigung    je    nach  den 
Bedürfnissen  seiner  Produktion  und  seines  Verkehrs. 

Die  Ordnung  der  zerrütteten  Landesfinanzen  beschäftigte 
die  Aufmerksamkeit  des  Kurfürsten  in  hohem  Grade.  Er  brachte 
dem  Fiskus  die  unrechtmäfsig  entfremdeten  Domänen  zurück 
und  war  im  stände,  1687  auch  das  seit  1648  an  Sachsen  abge- 
tretene Amt  Burg  für  34000  Taler  zurückzukaufen.  Abzahlung 
der  Domänenschulden  und  damit  die  Wiedereinlösung  der  ver- 
pfändeten Güter  wurde  wenigstens  begonnen.  Die  magdeburgi- 
schen Domänen  brachten  im  letzten  Finanzjahre  des  Kurfürsten 
(1687/88)  bereits  wieder  113  458  Taler  —  gleich  1475000  Mark 
nach  heutigem  Geldwerte  —  ein. 

Behufs  gerechter  Veranlagung  der  Grundsteuer  auf  dem 
flachen  Lande  begann  Friedrich  Wilhelm  eine  völlige  Neuver- 
anlagung des  Katasters,  trotz  aller  Schwierigkeiten,  die  ihm 
zumal  der  Adel  entgegenstellte,  da  er  —  wie  seine  kurmärki- 
schen Genossen  —  die  den  Rittergütern  zustehende  Steuerfrei- 
heit auch  auf  die  diesen  zugeschlagenen  ehemaligen  Bauern- 
güter auszudehnen  wünschte.  Die  Staatsgewalt  hat  hier  mit 
der  Zeit  einen  wenigstens  teilweisen  Sieg  davongetragen;  sie 
hat  indessen  auf  diesem  Gebiete  wie  auf  so  vielen  anderen  mit 
dem  Adel  paktiert,  den  sie,  wenn  er  nur  sonst  ihr  zu  dienen 
bereit  war,  wirtschaftlich  und  sozial  in  jeder  Weise  begünstigte. 
Vielleicht  war  das  auch  eine  Notwendigkeit,  da  der  Adel  damals 
der  wohlhabendste,  kräftigste,  leistungsfähigste  und  einzig 
organisierte  Stand  im  Staate  war. 

Den  Städten  kam  es  besonders  zu  gute,  wenn  Friedrich 
Wilhelm  die  verschiedenen  Münzstätten  im  Herzogtume  aufhob 
und  dafür  in  der  Stadt  Magdeburg  eine  kurfürstliche  Münze 
gründete,  die  eifrig  an  der  Prägung  vollwichtigen  Geldes  arbeitete. 
So  verschwand  die  verwirrende  Mannigfaltigkeit  oft  minder- 
wertiger Münzen.  Die  Einführung  der  brandenburgischen  Staats- 
post mit  Personen-,  Brief-  und  Paketbeförderung  machte  nicht 
nur  der  bisherigen  Unordnung  auf  diesem  Gebiete  ein  Ende, 
sondern  diente  auch  dazu,  die  Handelsinteressen  des  Landes, 
besonders  Kursachsen  gegenüber,  zu  begünstigen.  Friedrich 
Wilhelm  hat  dann  die  Säuberung  des  Eibstromes  von  Hinder- 
nissen der  Schiffahrt,  sowie  die  Schiffbarmachung  der  Saale  von 
Halle  bis  zu  ihrer  Mündung  in  die  Elbe  wenigstens  angebahnt. 


Zweiimdvierzigstes  Kapitel.    Der  Anheimfall  Magdeburgs.       24  5 

Er  brachte  die  Salzsiederei   in  Halle  durch  einen   besonderen 
landesherrlichen  Betrieb  wieder  in  Aufschwung. 

Einen  umfassenden  und  systematischen  Reformplan  für 
die  inneren  Einrichtungen  der  neuen  Provinz  zu  entwerfen 
—  etwa  wie  solchen  Friedrich  der  Grofse  für  Westpreufsen  auf- 
gestellt hat  — ,  dazu  ist  der  greise,  kranke,  von  schweren  politi- 
schen Sorgen  geplagte  Kurfürst  nicht  mehr  gekommen.  Aber 
er  hat  allerorten  mit  seinem  scharfen,  klugen  Blicke,  mit 
seiner  Erfahrung,  praktischen  Weisheit  und  durchgreifenden 
Entschiedenheit  Neuerungen  geschaffen,  die  vor  allem  dem 
landesherrlichen  Interesse,  aber  zugleich  auch  der  Bevölkerung 
des  Herzogtums  zu  nützen  bestimmt  waren.  Im  Beginne  mochte 
man  dort  mit  Grauen  und  Kummer  den  Druck  der  neuen, 
festen,  ja  harten  Verwaltung  spüren.  Es  war  vorbei  mit  der 
schwächlichen,  bequemen,  alles  versumpfenden  Lotterwirtschaft 
der  ständischen  „Libertät**.  Langsam,  aber  immer  fühlbarer, 
immer  segensreicher  setzte  die  Entwicklung  zu  geordneten, 
zweckdienlichen,  zukunftsreichen,  grofsstaatlichen  Zuständen  ein. 
Dahin  wurden  die  Provinz  wie  das  Staatsganze  durch  die  Hand 
Friedrich  Wilhelms  geführt. 


Siebentes  Buch. 
Des  Grofsen  Kurfürsten  Ausgang. 


Dreiundvierzigstes   Kapitel. 

Das  französische  Bündnis. 


„Ich  bin  ein  wahrer  Deutscher  und  will  es  immerdar  bleiben," 
beteuerte  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  dem  englischen  Gesandten 
Southwell  im  Frühjahr  1680.  Mit  voller  Aufrichtigkeit:  die  innerste 
Art  des  Fürsten  war  eine  durchaus  deutsche ;  unter  allen  Ausländem 
hegte  er  freundliches  Empfinden  nur  für  die,  trotz  der  politischen 
Trennung,  in  ihrem  eigentlichen  Wesen  echt  niederdeutschen 
Holländer.  Allein  zu  schmählich  waren  damals  durch  die  Haltung 
seiner  Verbündeten,  und  namentlich  seiner  deutschen  Landsleute, 
bei  dem  jüngsten  Friedensschlüsse  seine  Pläne  und  Hoffnungen 
zerstört,  sein  Staat  geschädigt  worden,  als  dafs  er  nicht  seine 
reichs-  und  volkspatriotische  Stimmung  bis  auf  bessere  Zeiten 
hätte  zurückdrängen  müssen.  „Es  drückt  mein  Herz,*'  sagte  er 
demselben  Diplomaten,  „dafs  ich  als  Deutscher  geboren  bin, 
denn  ich  sehe  unter  ihnen  nichts  als  Ungerechtigkeit."  Er 
hatte  Beweise  dafür  in  Händen,  dafs  der  Kurfürst  von 
Sachsen  seine  Not  im  Frühjahr  1679  hatte  ausnützen  wollen, 
um  ihm  mit  Frankreichs  Hilfe  Kleve  und  Mark  zu  entreifsen, 
während  dessen  Bruder,  Herzog  August,  ihn  Magdeburgs  und 
der  Herzog  von  Celle  Mindens  und  Halberstadts  hatten  berauben 
wollen. 

Kurz  vor  der  Unterwerfung  unter  Frankreich  hatte  Friedrich 
Wilhelm  eine  Münze  schlagen  lassen,  die  stolz  seine  „Treue 
för  die  Bündnisse"  (religio  foederum)  verkündete.  Der 
Revers  zeigt  eine  Menge  kleiner  Vögel,  die  ängstlich  vor  einem 
Gewitter  —  dem  Zorne  König  Ludwigs  —  fliehen,  während  ein 
gekrönter  Adler  —  Brandenburg  —  kühn  gegen  Wolken  und  Blitze 


250  Siebentes  Buch. 

auffliegt,  mit  der  stolzen  Inschrift:  „Andere  mögen  sich  erregen" 
(alii  moveantur)*.  Nach  dem  notgedrungenen  Friedensschlüsse 
glaubte  er  sich  über  jeden  seiner  bisherigen  Verbündeten 
beschweren  zu  müssen.  Über  die  Niederländer,  die  er  gerettet 
habe,  und  von  denen  er  dafür  nicht  nur  in  seiner  Bedrängnis 
verlassen,  sondern  auch  um  die  ihm  vertragsmäfsig  zustehenden 
Hilfsgelder  betrogen  worden  sei.  Über  Spanien,  das  zu  schlafen 
scheine,  um  sein  eigenstes  Werk  auf  andere  abzuwälzen,  das 
ihm  Millionen  an  Hilfsgeldern  schulde  und  ihn  dafür  mit  hoch- 
mütigen Reden  vor  den  Kopf  stofse,  und  das  in  unglaubliche 
Schwäche  versunken  sei.  Vor  allem  jedoch  über  den  Kaiser. 
Leopold  hatte  von  vornherein  den  Krieg  nur  lau  geführt;  er 
hatte  den  Kurfürsten,  trotz  des  ihm  zum  Scheine  anvertrauten 
Oberbefehls,  an  die  Zustimmung  der  kaiserlichen  Generäle  ge- 
bunden; er  hatte  ihm,  dem  Ketzer,  die  Treue  nicht  gehalten, 
sondern  mit  Vergnügen  zugesehen,  wie  ihm  seine  Eroberungen 
wieder  entrissen  wurden;  der  Kaiser  und  dessen  Gefolgschaft 
hatten  das  Verderben  Brandenburgs  angestrebt,  indem  sie 
Frankreich  ermutigten,  bis  ins  Herz  der  brandenburgischen 
Lande  vorzudringen.  Ferner  kränkte  ihn  der  Kaiser  hartnäckig 
in  seinen  rechtlichen  Ansprüchen  auf  die  schlesischen  Fürsten- 
tümer, —  Friedrich  Wilhelm  war  entschlossen,  „sich  bei  dar- 
bietender Gelegenheit  selber  Recht  zu  verschaffen".  Und  be- 
handle nicht  Leopold  überhaupt  die  Kurfürsten  und  Fürsten 
des  Reichs  wie  seine  erblichen  Untertanen,  indem  er  sich  über 
ihre  Freiheiten  und  Gerechtsame  hochmütig  hinwegsetze,  ohne 
dafs  Vorstellungen  und  Warnungen  das  mindeste  fruchteten? 

Wie  übel  wurde  Brandenburg  für  seine  Opfer,  für  sein 
mutiges  Einstehen  für  das  Reich  und  Europa  belohnt!  Man 
hörte  vielfach  „das  Geschrei,  dafs  der  Kurfürst  Deutschlands 
Verderben  sein  werde.  Besser,  wenn  er  sich  gar  nicht  mehr  in 
die  deutschen  Angelegenheiten  mische,  so  dafs  andere,  etwa  das 
Haus  Braunschweig,  den  Reigen  führten  und  an  seiner  Stelle 
den  Schild  erhöben". 

Er  meinte,  schon  wegen  dieser  Undankbarkeit  und  Feind- 
seligkeit seiner  bisherigen  Verbündeten  sich  ihnen  entgegen- 
setzen zu  müssen.     Aber  aufser  diesen,  mehr  negativen,  be- 


'  Ms.  Joh.   Magirus,    Breviarium   historiae   metallicae   Frideiici 
Wilhelmi  Magni  Elect.  Brandenb.  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv)  Nr.  d5. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.  251 

stimmten  ihn  auch  positive  Gründe  zum  Wechsel  seiner  politischen 
Bichtung.  Frankreich  hatte  wie  auf  dem  militärischen  so  auf 
dem  diplomatischen  Felde  unbedingte  Überlegenheit  gezeigt :  auf 
diesem,  indem  es  durch  seine  Künste  die  ganze  ihm  feindliche 
Koalition  zu  sprengen  vermochte;  auf  jenem,  indem  seine  Waffen 
alle  seine  Widersacher  besiegten.  Es  war  also  für  Brandenburg 
ein  gefährlicher,  ein  weit  überlegener  Gegner.  Und  zwar  ein 
um  so  verderblicherer,  als  die  beiden  grofsen  Nachbarn  des 
Kurfürsten,  Schweden  und  Polen,  sich  in  der  Hand  Frankreichs 
befanden  und  diesem  durchaus  Gefolgschaft  leisteten.  „Gewifs," 
sagte  Friedrich  Wilhelm  zu  South  well,  „ich  erkenne  so  klar  wie 
irgend  einer,  dafs  es  die  Absicht  der  Franzosen  ist,  die  Bastille 
nach  Deutschland  zu  bringen;  keiner  würde  sich  ihnen  so  von 
Herzen  widersetzen  wie  ich,  wenn  ich  nur  Genossen  eines  solchen 
Entschlusses  finden  könnte  —  aber  das  zu  glauben  ist  mir, 
nach  all  den  getäuschten  Erwartungen,  nicht  erlaubt.^ 

Deutschland  zumal,  meinte  er,  ist  ganz  kampfesunfähig. 
Hunderttausend  Franzosen  stehen,  längs  des  Rheines,  jeden  Augen- 
blick zum  Angriff  bereit.  Das  Reich  aber  und  der  Kaiser  haben 
weder  Festungen  noch  Truppen,  um  sich  ihnen  äu  widersetzen. 
Leopold,  unentschlossen  und  in  zerrütteten  Verhältnissen,  will 
nicht  mehr  als  fünfzehntausend  Mann  für  den  Reichskönig  stellen, 
was  seitens  eines  so  mächtigen  Herrschers  lächerlich  wenig  ist. 
Sachsen  hält  nur  6000  Reiter  und  1500  Fufsgänger,  Bayern  hat 
seit  dem  Frieden  6000  Soldaten  entlassen.  Wie  kann  man 
mit  so  geringfügigen  Kräften  Frankreich  widerstehen?  „Be- 
mächtigen sich  die  Franzosen  des  Rheines,  so  ist  Deutschland 
abgeschnitten.  Es  wird  alsdann  nicht  allein  unmöglich,  Hilfe 
nach  Flandern  (Belgien)  und  Holland  zu  senden,  sondern  Deutsch- 
land selber  liegt  in  Zukunft  jedem  Einfalle  der  Franzosen  offen 
da."  Weder  der  Kaiser  noch  Spanien  können  dagegen  das 
mindeste  tun.  Hatte  doch  Leopold  seit  dem  Frieden  keinerlei 
Mafsregel  getroffen,  um  auch  nur  Strafsburg  zu  schützen.  Man 
sprach  in  Frankreich  mit  höhnischer  Geringschätzung  vom  Reich 
und  vom  Kaiser,  den  man  bei  der  geringsten  Widersetzlichkeit 
in  seine  Erblande  zurückjagen  werde. 

Die  Verfolgungen,  die  der  evangelische  Glaube  in  Oster- 
reich, Ungarn,  Frankreich  zu  erdulden  hatte,  erregten  den  Kur- 
fürsten auf  das  tiefste.  „Ich  bin  zu  alt,  um  noch  umzukehren," 
sagte  er  mit  Tränen  in  den  Augen.     „Ich  will  lieber  mit  dem 


252  Siebentes  Buch. 

Schwerte  in  der  Hand  sterben  und  mich  in  tausend  Stücke 
hauen  lassen,  als  die  wahre  Religion  preisgeben."  Er  bearg- 
wöhnte den  Kaiser,  sich  zum  Verderben  des  Protestantismus 
mit  Frankreich  verbünden  zu  wollen;  um  so  mehr  glaubte  er 
durch  das  Anerbieten  seiner  —  also  einer  protestantischen  — 
Allianz  den  König  Ludwig  vor  dem  Wunsche  eines  Einverständ- 
nisses mit  Österreich  bewahren  zu  müssen. 

Die  allgemeinen  Gefahren  wurden  noch  durch  besondere 
verstärkt,  die  nur  Brandenburg -Preufsen  betrafen.  Polen  und 
Schweden  lauerten  ja  darauf,  ihm  seine  östlichen  Provinzen  zu 
entreifsen.  Wie  mochte  er  hoffen,  gegen  drei  mächtige  Feinde, 
gegen  Franzosen,  Schweden,  Polen,  nach  Westen,  Norden,  Osten, 
zugleich  Front  machen  und  sich  ihrer  mit  der  geringsten  Hoff- 
nung auf  Erfolg  erwehren  zu  können? 

Es  hätte  eine  Rettung  gegeben:  wenn  England  entschieden 
die  Sache  der  europäischen  Freiheit  und  des  protestantischen 
Glaubens  ergriffen  und  sich  wider  Frankreich  erhoben  hätte. 
Das  erkannte  Friedrich  Wilhelm  mit  genialem  Scharfblick  — 
wir  werden  sehen,  dafs  er  noch  am  Vorabende  seines  Todes 
alles  tat,  um  dieses  Ziel  erreichen  zu  helfen,  das  später  die 
gewünschte  Wirkung  tatsächlich  üben  sollte.  Allein  so  lange 
die  verräterischen,  heimlich  oder  offen  katholischen,  auf  fran- 
zösisches Geld  spekulierenden,  mit  ihren  eigenen  Untertanen 
zerfallenen  Stuarts  in  Grofsbritannien  regierten,  war  von  dort 
nichts  Gutes  zu  erwarten.  Immer  und  immer  wieder  hat  der 
Kurfürst  diese  durch  die  bisherige  Erfahrung  bestätigte  Tat- 
sache den  englischen  Staatsmännern  ganz  offen  dargelegt^. 


*  S.  die  Depeschen  Southwells  (Sommer  u.  Herst  1680);  Raum  er, 
Beiträge,  III,  433  ff.  —  Diese  Berichte  des  englischen  Diplomaten  werden 
durchaus  bestätigt  durch  das  vertrauliche  Schreiben  des  Kurfürsten  an  den 
Oberpräsidenten  v.  Schwerin  vom  l./ll.  August  1679  (Berlin,  Geh.  Staate- 
archiv, XI,  Frankreich  18):  „Wie  der  Kaiser  und  das  Reich  mit  Uns 
gehandelt,  lieget  am  Tage,  und  weil  selbige  Uns  zum  ersten  abandon- 
niret  und  Unserer  Feinde  Willen  überlassen,  haben  Wir  dieselbe 
weiterhin  nicht  zu  consideriren ,  alfs  soviel  unser  eigen  Interesse  mit 
sich  bringet.  Gegen  Franckreich  haben  wir,  wie  bekandt,  wohl  nicht 
Uhrsache  einige  sonderliche  Affection  zu  haben:  weniger  desselben 
Agrandissement  zu  befördern,  weil  Uns  das  frantzösische  Joch  wohl  be- 
kandt. Es  ist  aber  durch  die  letztere  Separation  der  Allürten,  insonder- 
heit des  Kaisers,  der  Crone  Spaniens  und  des  Staats,  so  weith  gekommen, 
dafs  Frankreich  nunmehr o  schon  das  Arbitrium  in  Henden  hat . . .  also 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bltndnis.  253 

Alle  diese  Erwägungen  führten  Friedrich  Wilhelm  zu  dem 
Entschlüsse,  zunächst  ein  engeres  Verhältnis  zu  Frankreich 
anzubahnen.  Denn  still  zu  sitzen,  neutral  zu  bleiben,  lief  seinem 
Temperamente  und  seinen  politischen  Erfahrungen  zuwider. 
Gewifs,  es  fiel  ihm  schwer,  ja  es  bereitete  ihm  tiefen  Kummer, 
sich  mit  dem  Gegner  seines  Vaterlandes,  mit  dem  tyrannischen 
Unterdrücker  Europas,  mit  einem  Herrscher  zu  verbinden,  der 
in  ihm  nie  den  Gleichberechtigten,  sondern  nur  den  besoldeten 
Vasallen  erblicken  würde  und  ihm  überdies,  aus  der  Vergangenheit 
heraus,  lebhaftes  Mifstrauen  entgegenbringen  mufste.  Er  tat  diesen 
Schritt  auch  lediglich  für  den  Augenblick,  bis  ein  Umschwung  in 
den  europäischen  Verhältnissen  es  ihm  ratsam  erscheinen  liefse, 
zu  der  Partei  zurückzutreten,  die  seine  Sympathien  besafs. 

Er  hatte  zudem  einen  weiteren  Grund,  einstweilen  das 
französische  Bündnis  nicht  allein  anzunehmen,  sondern  mit  aller 
Macht  seines  ungeduldigen  Herzens  anzustreben  —  einen  Grund, 
den  er  freilich  mit  Sorgfalt  verbarg:  er  wünschte  nach  wie  vor 
die  Eroberung  Vorpommerns,  die  Vertreibung  der  Schweden  aus 
Deutschland.  Es  hatte  sich  klärlich  herausgestellt,  dafs  dieses 
Ziel  gegen  Frankreichs  Willen  nicht  zu  erreichen  war;  er  war 
deshalb  entschlossen,  es  mit  dessen  Hilfe  zu  versuchen.  Er  wufste, 
dafs  der  junge  Schwedenkönig  Karl  XI.  den  Franzosen  wegen 
der  unglücklichen  Rolle,  die  er  in  dem  jüngsten  Kriege  gespielt, 
und  ob  der  Stellung  eines  machtlosen  Schützlings  grollte,  die 
Ludwig  ihm  bei  den  Verhandlungen  von  Nymwegen  und  St.  Germain 
auferlegt  hatte.  Hier  hoffte  der  Kurfürst  den  Keil  einzusetzen, 
der  das  langjährige  schwedisch-französische  Bündnis  sprengen 
sollte ,  um  endlich  mit  dem  Beistande  des  Allerchristlichsten 
Königs  die  Schweden  aus  dem  ihm  angestammten  Pommerlande 
für  immer  zu  entfernen  und  derart  zu  schwächen,  dafs  sie  über- 
haupt ihm  und  den  norddeutschen  Fürsten  nicht  mehr  gefährlich 
werden  konnten.  Es  mufs  abermals  darauf  hingewiesen  werden 
—  was  allerdings  sich  im  Grunde  von  selbst  versteht  — ,  dafs 
solche  Ausschliefsung  der  Skandinavier  von  dem  Boden  des 
deutschen  Reiches  in  erster  Linie  sicherlich  Brandenburg  zu  gute 
kam,  aber  zugleich  dem  Interesse  der  Unabhängigkeit,  Freiheit 
und  Macht  des  gesamten  Reiches  gedient  hätte. 

dals,  menschlichem  Ansehen  nach,  bey  so  gestelthen  Sachen  Keiner  seine 
Sicherheit  und  Convenientz  finden  wird  als  in  Frankreichs  Freundschaft 
wid  Alliance."  —  Vgl.  Strecker,  Meinders,  90. 


254  Siebentes  Buch. 

Seit  zwei  Jahrhunderten  bis  auf  die  Jetztzeit  ist  Friedrich 
Wilhelm  häufig  der  Vorwurf  der  Unsicherheit,  Unentschlossen* 
heit  und  Unbeständigkeit  gemacht  worden.  Sogar  Geschichtr 
Schreiber,  die  heute  nach  den  authentischen  Akten  arbeiten, 
wiederholen  solchen  Tadel.  Sie  beweisen  dadurch  nur,  dafs  sie 
weder  die  äufsere  Lage  noch  das  Wesen  dieses  grofsen  Herrschers 
verstanden  haben.  Es  konnte  sich  für  den  von  zahlreichen  über- 
mächtigen Gegnern  umringten  Fürsten  nicht  darum  handeln, 
einer  abstrakten  Regel  oder  einem  theoretischen  Grundsatze 
unverbrüchliche  Folge  zu  leisten;  das  wäre  einfach  sein  und 
seines  Staates  Verderben  gewesen.  Gewifs  besafs  Friedrich 
Wilhelm,  wie  später  sein  genialer  Urenkel,  feste  Ziele:  die 
Sicherheit,  Gröfse  und  Macht  des  Staates ;  dessen  starke  Zentrali- 
sierung, dessen  Befreiung  von  fremdem  Einflufs,  sowie  die 
Besserung  seiner  ungünstigen  Besitz-  und  Grenz  Verhältnisse. 
Aber  die  Art,  wie  diese  Aufgaben  zu  lösen  seien,  mufsten  jedes- 
mal den  Anforderungen  und  Bedingungen  der  europäischen  Lage 
angepafst  werden.  Der  wahre  Politiker  vereint  mit  der  Beharr- 
lichkeit in  seinen  letzten  Absichten  die  Beweglichkeit  in  den 
momentanen  Mitteln.  Er  ordnet  sie  nicht  blindlings  und  plan- 
los den  Ereignissen  unter,  wie  dies  etwa  die  Könige  Friedrich 
der  Erste,  Friedrich  Wilhelm  der  Dritte  und  der  Vierte  getan 
haben;  allein  er  bedient  sich  jener  Ereignisse  in  der  Weise, 
die  ihm  jedesmal  zur  Verwirklichung  seiner  Pläne  als  die 
geeignetste  erscheint.  So  haben  Friedrich  der  Grofse,  so  Bis- 
marck  gehandelt.  Und  dabei  ist  doch  zu  beachten,  dafs  der 
König  und  zumal  der  geniale  Verwirklicher  der  deutschen  Ein- 
heit eine  ganz  andere,  weit  gröfsere  Macht  zur  Verfügung  hatten 
als  der  Kurfürst,  dessen  politische  Entwürfe  so  sehr  über  seine 
pekuniären  und  militärischen  Mittel  hinausgingen,  und  der  diesem 
Mifsverhältnis  nicht  anders  abzuhelfen  vermochte  als  durch  ge- 
schicktes, listiges,  allerdings  moralisch  recht  bedenkliches  Lavieren. 
Je  tiefer  wir  in  Friedrich  Wilhelms  Politik  eindringen,  desto 
fester  überzeugen  wir  uns  von  der  absoluten  Stetigkeit  seiner 
Grundtendenzen.  Das  Bündnis  mit  Frankreich  sollte  nicht  nur 
ihm  Sicherheit  gewährleisten:  es  war  vielmehr  vor  allem  dazu 
bestimmt,  ihm  auf  Kosten  Schwedens  das  westliche  Pommern, 
sowie  auf  Kosten  des  Kaisers  das  ihm  von  Rechts  wegen  gehörende 
schlesische  Fürstentum  Jägerndorf  zu  verschaffen  —  Ziele,  die 
er  seit  drei  Jahrzehnten  immer  und  immer  wieder  angestrebt  hatte. 


DreiundTierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.  255 

Der  sofortige  Abschlufs  des  brandenburgischen  Bündnisses 
mit  Frankreich  entsprach  ausschliefslich  dem  Willen  des  Kur- 
fürsten. Selbst  der  gänzlich  französisch  gesinnte  Meinders  wollte 
die  Franzosen  herankommen  lassen :  „Es  wird  honnester  und  vor- 
teilhafter sein,  in  dieser  Materie  sich  suchen  zu  lassen,  als  seine 
Dienste  und  Willfährigkeit  gleichsam  zu  obtrudieren."  Schwerin 
widersetzte  sich  dem  ganzen  Plane,  indem  er  den  Herrscher  an 
dessen  frühere,  Frankreich  so  feindliche  Äufserungen  erinnerte  ^ 
Allein  Friedrich  Wilhelm  hatte  seinen  Entschlufs  gefafst:  in 
der  Erwiderung  an  Schwerin  wies  er  auf  seine  Absicht  hin, 
Frankreich  von  Schweden  zu  trennen,  sowie  auf  die  Notwendig- 
keit französischer  Hilfsgelder,  um  sein  Heer  auf  achtungs- 
gebietendem  Fufse  zu  erhalten^.  Meinders  mufste  demgemäfs 
nach  der  Fertigstellung  des  Friedensinstrumentes  zur  Herbei- 
führung eines  engeren  Bündnisses  noch  in  Paris  verbleiben. 

Die  universale  Richtung  Friedrich  Wilhelms  liefs  ihn  sofort 
den  eigentlich  politischen  Plänen  auch  handelspolitische  zugesellen. 
Er  beauftragte  den  gedankenreichen  Raule,  eine  Denkschrift 
über  einen  zwischen  Frankreich  und  Brandenburg  abzuschliefsen- 
den  Handelsvertrag  auszuarbeiten,  die  er  Meinders  als  Grund- 
lage weiterer  Verhandlungen  zusandte®. 

Diese  lagen  ihm  um  so  mehr  am  Herzen,  als  eine  Anzahl 
anderer  Staaten,  wie  seine  unfreundlichen  Nachbarn  Gelle  und 
Hannover,  ja  sogar  die  freien  Niederlande,  sich  wetteifernd  um 
engeren  Anschlufs  an  den  „König  Sonne"  bewarben :  Länder,  die 
Friedrich  Wilhelm  zu  jener  Zeit  als  seinen  Interessen  feindliche 
betrachtete.    Er  wünschte  durchaus,  ihnen  zuvorzukommen. 

So  gab  er  dem  Friedensboten  Beauvau  d'Espence  bei  dessen 
Rückkehr  nach  Frankreich  seine  Vorschläge  an  den  König  mit. 
Der  Oberst  sollte  dabei  vorstellen,  wie  viel  nützlicher  für  Frank- 
reich die  Allianz  Brandenburgs  sein  würde  als  die  des  Hauses 
Braunschweig,  das  sich  jetzt  an  die  Spitze  Deutschlands  zu 
stellen  bemühe.  Aufser  einem  für  beide  Teile  vorteilhaften 
Handelsvertrage  forderte  der  Kurfürst  Subsidien  für  Heer  und 
Flotte;  dafür  solle  diese,   in  Zahl  von  zwölf  Fregatten,  stets 

*  Strecker,  91  ff. 

«  Kurf.  an  Schwerin,  1./11.  Aug.  1679;  Orlich,  Preufs.  Staat,  HI,  303. 

»  Ms.  Kurf.  an  Meinders,  1./11.  JuH  1679  ;:Berlin,  Geh.  Staatsarchiv, 
XI  Prankr.,  18.  —  Auch  das  Folgende  gröfstenteils  nach  den  Akten  des  * 
Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  0.,  sowie  XI  Frankr.,  19  A  und  Repos.  58. 


256  Siebentes  Buch. 

zur  Yerfttgung  des  Königs  gehalten  werden.  Das  Bündnis  solle 
aber  sofort,  im  Interesse  Brandenburgs,  eine  doppelte  offensive 
Spitze  gegen  Frankreichs  alte  Feinde  erhalten:  dieses  möge  dem 
Kurfürsten  zur  Erwerbung  Jägerndorfs  vom  Kaiser  sowie  zu 
den  ihm  von  den  Generalstaaten  und  Spanien  noch  geschuldeten 
Subsidien  verhelfen. 

Meinders  gegenüber,  dem  er  mehr  vertrauen  konnte  als 
dem  Franzosen  d'Espence,  liefs  sich  der  Kurfürst  noch  näher 
und  energischer  aus.  Er  bot  Frankreich  eine  Offensiv-  und 
Defensivallianz  an,  gegen  alle,  mit  Ausnahme  Dänemarks  und 
Polens.  Er  wollte  sofort,  bis  er  in  der  Subsidienfrage  Genug- 
tuung erhalten,  sein  Heer  in  die  niederländischen  Provinzen 
Gelderland  und  Overyssel  verlegen,  selbst  auf  die  Gefahr  eines 
Krieges  mit  den  Generalstaaten  hin.  Für  diesen  Fall  sollen 
seine  Kriegsschiffe  in  den  französischen  Häfen  Aufnahme  finden. 
Dafür  wolle  Brandenburg  Gebiet  und  Festungen  dem  Könige 
öffnen  und  diesem  mit  einem  Heere  von  20  000  Mann  zu  Diensten 
stehen,  freilich  gegen  angemessene  Hilfsgelder  —  „das  ist  ein 
Hauptpunkt,  woran  Uns  aufs  höchste  gelegen".  Selbst  dem 
Handelsvertrage  ward  ein  gewissermafsen  offensiver  Charakter 
zugedacht:  für  diejenigen  Artikel,  die  Brandenburg  vorzüglich 
aus  Frankreich  und  dieses  aus  jenem  beziehen  kann,  sollen  die 
Produkte  anderer  Nationen  überhaupt  aus  beiden  Ländern  aus- 
geschlossen werden.  —  Meinders  erhielt  eine  förmliche  Vollmacht, 
auf  solche  Bedingungen  hin  mit  dem  Allerchristlichsten  Könige 
abzuschliefsen. 

Friedrich  Wilhelms  elastischer  Geist  fühlte  nach  den  harten 
Schlägen,  die  ihn  seit  Jahresfrist  getroffen  hatten,  nichts  weniger 
als  Resignation.  Die  sich  an  ihm  verschuldet,  sollten  seine 
Rache  empfinden ;  sie  sollten  merken,  dafs  er  nicht  machtlos  sei, 
und  seine  Gunst  erkaufen  lernen;  politisch  und  kommerziell 
wollte  er  sie  schädigen.  Aber  in  seiner  Leidenschaft  ging  er 
allzuschnell  vor.  Er  war  wiederum,  wie  einst  den  Schweden 
gegenüber,  zu  optimistisch. 

Frankreich  war  keineswegs  bereit,  dem  alten  listigen  Gegner 
sofort  Vertrauen  zu  schenken.  In  einem  Gespräche  mit  Meinders 
(18.  Juli)  wies  Louvois  unverblümt  auf  die  bekannte  Versatilität 
des  Kurfürsten  im  Eingehen  und  Aufgeben  von  Bündnissen  hin; 
jedenfalls  müsse,  nachdem  man  miteinander  Krieg  geführt,  erst 
einige  Zeit  verstreichen,  ehe  alle  widrigen  Erinnerungen  ver- 


DreiirndvierzigsteB  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.  257 

schwunden  und  die  schlimmsten  Folgen  aus  dem  Wege  geräumt 
seien.  Überdies,  sagten  die  französischen  Staatsmänner,  wolle 
der  König  vor  allem  Ruhe  und  Frieden  und  werde  auf  nichts 
eingehen,  was  diese  zu  stören  vermöge.  Sie  legten  einzig 
darauf  Gewicht,  dafs  der  Kurfürst  verspreche,  bei  der  zukünftigen 
Wahl  eines  Römischen  Königs  den  Willen  Frankreichs  zu  tun; 
und  gerade  hier  antwortete  Friedrich  Wilhelm  sehr  kühl,  da  er 
sich  nicht  auf  so  lange  Zeit  hin  binden  wollte.  Daher  zogen 
die  Unterhandlungen  sich  aussichtslos  in  die  Länge.  Meinders 
riet  abermals  seinem  Herrn,  sich  einstweilen  mit  einem  unbe- 
stimmten guten  Einvernehmen  mit  Frankreich  zu  begnügen  und 
abzuwarten,  bis  bei  eintretender  Gelegenheit  das  Verhältnis 
sich  von  selbst  enger  gestalte.  Friedrich  Wilhelm  ging  darauf 
ein  und  berief,  am  9.  September,  Meinders  zunächst  von  Paris  ab. 
Er  hatte  wahrlich  Grund,  mit  Frankreich  unzufrieden  zu 
sein.  Obwohl  er  bereit  war,  dem  Frieden  gemäfs,  Vorpommern 
den  Schweden  einzuräumen,  verzögerten  diese  die  Absendung  von 
Truppen  zu  dessen  Okkupation ;  und  inzwischen  lebte  Marschall 
Cr^ui  mit  seiner  ganzen  Armee  auf  Kosten  Kleves  und  der 
Grafschaft  Mark,  forderte  von  jener  Landschaft  allein  noch 
150000  Taler  an  alten  und  neuen  Kriegszahlungen,  ja,  dehnte 
seine  Erpressungen  bis  nach  Minden  aus.  Die  diesem  Fürsten- 
tume  abverlangte  Kriegssteuer  von  20  000  Taler  mufste  der  Kur- 
fürst selber  übernehmen:  sie  sollte  von  der  ersten  vertrags- 
mäfsigen  Subsidien Zahlung  in  Paris  abgezogen  werden.  Als 
endlich  auch  Dänemark  seinen  Frieden  mit  Frankreich  und 
Schweden  abgeschlossen  hatte,  machte  dieses  noch  immer  keine 
Anstalt,  Pommern  zu  besetzen  und  damit  die  rheinisch-westfäli- 
schen Lande  Brandenburgs  von  der  französischen  Okkupation  zu 
befreien.  Erst  Mitte  September  zog  König  Ludwig,  in  Anbetracht 
des  offenbaren  guten  Willens  des  Kurfürsten,  seine  Truppen  aus 
Lippstadt  und  räumte  wenigstens  die  Grafschaft  Mark.  Allein 
wenn  Friedrich  Wilhelm  den  Wunsch  aussprach,  die  französische 
'  Reiterei  möge  doch  auch  das  Klevische  verlassen  und  die  Garnison 
in  Wesel  auf  eine  mäfsige  Zahl  zurückgeführt  werden,  fand  er 
damit  kein  Gehör.  Die  Franzosen  begingen  vielmehr  bei  dem 
Abzüge  von  Lippstadt  neue  Gewalttaten.  Sie  liefsen  sich  von 
dem  dortigen  Magistrate  1500  Taler  zahlen,  prügelten,  beschimpften 
und  beraubten  die  Einwohner,  nahmen  in  durchaus  vertrags- 

Pbilippson,  Der  Orofse  KurfOrst.    m.  17 


258  Siebentes  Buch. 

widriger  Weise  die  kurfürstlichen  Geschütze  und  KriegSYOrräte 
mit,  marschierten  auf  grofsen  Umwegen  und  langsamst  durch 
die  Grafschaft  Mark,  die  sie  dabei  nach  Kräften  ausplünderten 
und  mit  argen  Exzessen  heimsuchten. 

Der  Kurfürst  sah  sich  femer  in  allen  seinen  politischen 
Ansprüchen  von  Frankreich  verlassen.  Weder  gegen  die  General- 
staaten noch  gegen  Spanien  noch  für  seine  Forderung  wegen 
Jägemdorfs  vermochte  er  von  dem  Allerchristlichsten  Könige 
eine  Zusage  der  Hilfe  zu  erlangen.  Als  er  mit  den  Braun- 
schweiger Herzogen,  mit  denen  er  längst  zerfallen  war,  und  von 
denen  er  argwöhnte,  dafs  sie  ihn  aus  der  leitenden  Stellung  in 
Norddeutschland  verdrängeftfwoUten,  ob  der  von  seinen  Truppen 
mit  Einquartierung  belegten  meckld'ifi^rgischen  Ämter  in  offenen 
Streit  geriet;  suchte  Frankreich  ihn  lediglich  zum  Nachgeben 
zu  bestimmen.  Es  ging  nicht  anders  bei  den  Ansprüchen,  die 
Brandenburg  an  die  Stadt  Hamburg  wegen  der  150000  Taler 
Kriegszuschüsse  erhob,  die  der  Kaiser  ihr  zu  Gunsten  des  Kur- 
fürsten auferlegt  hatte,  und  deren  Zahlung  sie  hartnäckig  ver- 
weigerte. Für  die  auf  diese  Summe  angewiesenen  Ausgaben 
hatte  Friedrich  Wilhelm  einstweilen  eine  Anleihe  aufnehmen 
müssen,  deren  Kosten  sich  mit  Zinseszins  bereits  bis  zu  70000 
Taler  beliefen.  Er  hatte  durch  seine  Kriegsschiffe  der  Stadt 
sechs  Fahrzeuge  wegnehmen  und  in  Dänemark  verkaufen  lassen , 
aber  auf  die  Ermahnung  des  französischen  Herrschers,  dessen 
Vermittlung  die  Stadt  und  ihre  Beschützer,  die  weifischen 
Herzoge,  angerufen  hatten,  stellte  er  die  Kaperei  ein  und  erklärte, 
sich ,  ohne  Rücksicht  auf  Kosten  und  aufgelaufene  Zinsen ,  mit 
dem  Grundkapital  von  150000  Talern  begnügen  zu  wollen. 
R6benac  aber,  der  damals  in  Gelle  als  Gesandter  weilte,  ermahnte 
ihn  noch  zu  weiterer  Nachgiebigkeit^. 

Friedrich  Wilhelm  mufste  sich  das  schmerzliche  Eingeständnis 
machen,  dafs  sein  Liebesmühen  um  Frankreich  fruchtlos  gewesen 
sei.  Eine  tiefe  Entmutigung  ergriff  ihn :  noch  einmal  war  all 
sein  Ringen,  wieder  zu  Ansehen  und  äufserem  Einflufs  zn 
gelangen,  vergeblich  geblieben. 

Allein  gerade  in  diesem  Augenblicke  traten  Umstände  ein, 
die  Ludwig  XIV.  die  Freundschaft  des  Brandenburgers  wünschens- 


^  Ms.  B6benac  an  Fuchs,  26.  Sept.  1679;  Berlin,  Gteh,  Staatsarchiv, 
XI  Frankr.  19  D. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.         259 

wert  erscheinen  liefsen  und  ihn  zu  grorserer  Zuvorkommenheit 
diesem  Fürsten  gegenüber  bewogen. 

Der  französische  Monarch  war  gewillt,  seine  Überlegenheit 
über  ganz  Europa,  die  im  Nymweger  Vertrage  gewissermafsen 
eine  internationale  Bestätigung  erhalten  hatte,  zur  weiteren 
Ausdehnung  seiner  Herrschaft  auf  Kosten  der  Nachbarländer, 
Belgiens,  Deutschlands  und  Italiens,  zu  benutzen,  unter  dem 
Verwände,  Städte  und  Grebiete,  die  jemals  zu  den  ihm  in  den 
letzten  Friedensschlüssen  abgetretenen  Bezirken  gehört  hatten, 
mit  diesen  wieder  zu  vereinigen.  Es  stellte  sich  jedoch  bald 
heraus,  dafs  ein  solches  Verfahren  auf  die  Gegnerschaft  nicht 
allein  der  an  sich  ohnmächtigen  Habsburger,  sondern  auch 
anderer  Grofsstaaten  stofsen  werde.  Wilhelm  III.  von  Oranien, 
der  die  Leitung  des  Widerstandes  gegen  Frankreichs  drohende 
Allmacht  übernommen  hatte,  schlug  hier  den  allein  richtigen  Weg 
ein,  indem  er  eine  neue  umfassende  Koalition  wider  Ludwigs 
alle  bedrohende  Eroberungssucht  zu  stände  zu  bringen  sich 
bemühte.  Es  gelang  ihm  wirklich,  zunächst  die  Generalstaaten 
von  der  Notwendigkeit  eines  solchen  Verfahrens  zu  überzeugen. 
Trotz  aller  Gegenwirkungen  der  französischen  Diplomatie 
beschlossen  sie,  ein  Bündnis  mit  England  einzugehen;  und 
Karl  II.,  von  der  immer  stärkeren  Erbitterung  seiner  Untertanen 
über  seine  schwächliche  Politik  erschreckt,  war  bereit,  wenigstens 
zum  Scheine  derartige  Unterhandlungen  zu  beginnen.  Es  wurde 
anderseits  immer  zweifelhafter,  ob,  einem  grofsen  europäischen 
Bündnisse  gegenüber,  Ludwig  auf  seinen  bisherigen  Alliierten 
Schweden  werde  zählen  können.  Der  junge  König  Karl  XI.  war 
über  die  Mifswirtschaft  des  Adels,  die  Schweden  des  militärischen 
Ruhmes  beraubt  und  seine  Finanzen  und  seine  Verwaltung  zer- 
rüttet hatte,  tief  entrüstet.  Er  schob  also  den  bisher  leitenden 
Staatsmann,  den  Hauptvertreter  der  französischen  Partei,  Grafen 
Magnus  de  la  Gardie,  in  den  Hintergrund  und  bevorzugte  dessen 
geistvollen  und  tätigen  Gegner,  Johann  Gyllenstiema ,  der  An- 
hänger eines  Bündnisses  mit  Dänemark  war  und  solches  der 
einseitigen  Verbindung  mit  Frankreich  und  der  Dienstbarkeit  für 
dessen  Eroberungspolitik  vorzog.  Gyllenstiema  verfolgte  sogar  den 
groflsen  Gedanken  einer  engen  Union  der  skandinavischen  Staaten, 
nicht  durch  Gewalt,  die  schon  so  oft  gescheitert  war,  nicht  durch 
Oberherrschaft  der  einen  Nation  über  die  andere,  sondern  durch 

ein  enges  und  beständiges  Bündnis,   sowie  durch   eine  Reihe 

17  ♦ 


260  Siebentes  Buch. 

gemeiDsamer  Institutionen.  Am  26.  September  kam  der  Vertrag 
zu  Stande,  der  die  Vermählung  Karls  XI.  mit  der  d&nischen 
Prinzessin  Ulrike  Eleonore,  einer  Schwester  Christians  V.,  fest- 
setzte ^ 

Unter  solchen  Umständen  war  es  für  Frankreich  geboten, 
den  Gegner  Schwedens,  den  mächtigsten  Reichsfürsten,  den 
Kurfürsten  von  Brandenburg,  auf  seine  Seite  zu  ziehen.  Man 
wurde  in  Paris  gegen  Ende  September  1679  plötzlich  freund- 
licher gegen  Meinders,  stellte  ihm  Subsidien  in  Aussicht,  ja ,  trat 
mit  ihm  in  Verhandlungen  wegen  des  von  Brandenburg 
gewünschten  Bündnisses.  Sofort  erhielt  von  Berlin  aus  der 
Gesandte  den  Befehl,  noch  in  der  französischen  Hauptstadt  zu 
verbleiben  und  auf  diese  Anerbietungen  einzugehen  ^. 

Allerdings,  die  grorsartigen  Offensivpläne,  die  der  Kurfürst 
mit  dieser  Allianz  verknüpft  hatte,  mufste  er  zunächst  auf- 
geben. Die  französische  Regierung,  die  nur  die  Vergröfserung 
des  eigenen  Staates  beabsichtigte,  dachte  nicht  daran,  sich  durch 
kriegerische  Unruhen,  die  der  Brandenburger  erregen  würde, 
weitere  Unannehmlichkeiten  und  Gegner  zu  schaffen.  Sie  wollte 
in  ihm  nur  einen  unterwürfigen,  bezahlten  Vasallen  haben,  der 
französische  Politik,  nicht  eigene,  treibe.  Sie  drückte  das 
Meinders  gegenüber  derart  aus,  dafs  sie  Ruhe,  Frieden,  Steuer- 
ermärsigung,  Aufrechterhaltung  des  gegenwärtigen  Besitzstandes 
im  eigenen  Lande  wie  in  Europa  wünsche.  Der  Kurfürst  solle 
sich  nur  zur  Freundschaft  für  Frankreich  und  zur  Förderung 
von  dessen  Absichten  bei  eintretender  Wahl  eines  Kaisers  oder 
Römischen  Königs  verpflichten.  Letztere  Zusage  suchten  die 
Franzosen  als  ganz  unwesentlich  hinzustellen:  „Dieses  Werk 
halte  man  für  ein  weit  entferntes  Wesen,  ja,  halb  und  halb  für 
eine  Chimäre;  denn  der  Kaiser  sei  gesund  und  jünger  als  der 
König;  so  brächte  auch  die  kaiserliche  Krone  viel  Verdrufs  und 
Verwirrungen,  aber  wenig  oder  keinen  Vorteil.**  Man  verlange 
solches  nur  „als  ein  Zeichen  sonderbarer  Affektion**  Kurbranden- 
burgs. Ebenso  war  man  bemüht,  die  Geringfügigkeit  der  Sub- 
sidien, die  man  anbot  —  100000  Livres  jährlich  — ,  nicht  als 
ein  Zeichen  der  Mifsachtung  oder  des  Mifstraueus  erscheinen  zu 
lassen.    Pomponne  sagte,  das  seien  keineswegs  Subsidien,  sondern 


1  Carlson,  Gesch.  Schwedens,  V  (Gotha  1875). 
*  Ms.  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  18. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.  261 

„SO  ZU  achten,  als  wenn  der  König  jährlich  einen  Diamanten 
präsentierte,  gleichsam  als  ein  Arrheum  oder  Pignus  von  beständiger 
und  aufrichtiger  Freundschaft"  ^.  Wenn  der  Minister  hinzusetzte, 
im  Falle  der  Not  werde  der  König  schon  den  Kurfürsten  reich- 
lich unterstützen,  —  so  war  das  freilich  ein  neuer  Beweis,  dafs 
Frankreich  den  Brandenburger  in  absoluter  Abhängigkeit  zu 
erbalten  gedachte;  was  man  ihm  nach  den  Erfahrungen,  die 
alle  Welt  bisher  von  dessen  Politik  gemacht  hatte,  nicht  sonder- 
lich verargen  darf*. 

Es  ist  ein  Zeichen  dafür,  wie  tief  Friedrich  Wilhelm  sich 
gedemütigt  und  wie  machtlos  er  sich  fühlte,  dafs  er  auf  ein 
derartiges  Yasallitätsverhältnis  einging  und  seine  Freiheit  für 
eine  so  geringfügige  Unterstützung,  die  mehr  einem  Almosen 
glich,  verkaufte.  Er  gab  den  bisherigen  Widerstand  gegen  die 
Verpflichtung  zur  Wahl  eines  bourbonischen  Kaisers  auf.  Er 
mochte  in  seiner  optimistischen  Weise  meinen :  habe  er  zunächst 
erst  festen  Boden  wieder  unter  den  Füfsen,  werde  er  schon 
weiterkommen  und  seine  Lage  verbessern. 

Der  Vertrag  wurde  zwischen  Pomponne  und  Meinders  am 
25.  Oktober  1679  zu  St.  Grermain  abgeschlossen  ^ 

Sein  wahrer  Mittelpunkt  bestand  in  den  Festsetzungen  über 
die  zukünftige  Kaiserwahl;  schon  dafs  sie  in  acht  Artikeln  den 
gröfsten  Raum  einnehmen,  beweist  das  Gewicht,  das,  trotz  aller 
Ableugnungen,  die  ausschlaggebende  Macht  ihnen  beilegte.  Sie 
waren  mit  der  äufsersten  Sorgfalt  derart  abgefafst,  dafs  sie 
jede  Möglichkeit  erwähnten  und  entschieden.  Der  Kurfürst 
wird  sich  der  Wahl  eines  Kömischen  Königs  zu  Lebzeiten  des 
Kaisers  nach  Kräften  widersetzen;  sollte  er  das  nicht  können, 
80  gibt  er  seine  Stimme  dem  Könige  von  Frankreich  oder  dem 
Dauphin.  Stirbt  der  Kaiser  ohne  erwählten  Nachfolger,  so  er- 
nennt der  Kurfürst  wieder  den  König  oder  den  Dauphin.  Gelingt 
keines  von  beiden,  stimmt  er  für  denjenigen  Kandidaten,  der 
Frankreich  genehm  sein  wird. 

Die  Aussicht,  dafs  Ludwig  XIV.  dereinst  die  Kaiserkrone 
mit  dem  Liliendiademe  vereinigen  würde,  war  um  so  ungeheuer- 
licher, als  er  ja  die  Erbschaft  des  spanischen  Weltreiches  gleich- 


^  Ms.  Meinders  an  Kurf.,  25.  Sept./ 5.  Okt.  1679;  Berlin,  Geh. Staats- 
*wlüv,  a.  a.  0. 

•Mörner,  704  ff . 


262  Siebentes  Buch. 

falls  beanspruchte.  Er  würde  dann  das  Zepter  Karls  V.  mit 
dem  Franz*  I.  verbunden,  die  Universalmonarchie  begründet  haben« 
Niemals  waren  die  Pläne  Ludwigs  XIV.  so  grofsartig,  niemals 
auch  ihre  Verwirklichung  so  wahrscheinlich  gewesen  wie  damals. 
Freilich,  diese  Perspektive  war  zu  gewaltig  und  Besorgnis  er- 
regend, als  dars  die  bezüglichen  Bestimmungen  des  Vertrages 
nicht  auf  das  strengste  geheimgehalten  wären,  sogar  vor  den 
vertrautesten  Räten  des  Königs  und  des  Kurfürsten,  wie  der 
letzte  —  19.  —  Artikel  solches  ausdrücklich  bestimmte.  Kein 
Mensch  in  Europa,  aufser  den  Abschliefsenden,  hat  Kenntnis  von 
diesem  Übereinkommen  erhalten. 

Seine  übrigen  Artikel  waren  minder  wichtig.  Der  von 
Friedrich  Wilhelm  dringend  gewünschte  Handelsvertrag  schrumpfte 
zu  gegenseitiger  Zusage  ungestörten  Verkehrs  zusammen.  König 
und  Kurfürst  versprachen  einander  den  Schutz  ihrer  gegen- 
wärtigen Besitzungen ;  der  König  dem  Kurfürsten  Unterstützung 
zur  Erlangung  Jägerndorfs;  der  Kurfürst  dem  Könige  die  Er- 
öffiiung  seines  Gebietes  zum  eventuellen  Durchmarsche  französi- 
scher Truppen,  sowie  Beihilfe  zur  Durchsetzung  der  einstigen 
Wahl  Johann  Sobieskis  für  den  Thron  Polens.  Endlich  verhiefs 
Ludwig  dem  Brandenburger  jährliche  Subsidien  von  je  100000 
Livres  auf  zehn  Jahre. 

Dieser  Vertrag,  den  beide  Fürsten  sofort  ratifizierten^, 
wurde  zum  Beginne  einer  mehijährigen  Abhängigkeit  Branden- 
burg-Preufsens  von  Frankreich,  wie  solche  in  der  Geschichte 
jenes  Staates  einzig  dasteht.  Sie  war  seinem  Wesen  und  seiner 
Bestimmung  durchaus  entgegen,  und  hieraus  folgte,  dafs  er 
nicht  einen  der  von  dem  Kurfürsten  erhofiften  Vorteile  aus  ihr 
gezogen  hat.  Nur  Frankreichs  Plänen  hat  sie  gedient.  Sie 
hat  das  letzte  Jahrzehnt  von  Friedrich  Wilhelms  Regierung  mit 
trübem ,  melancholischem  Scheine  umgeben,  seinen  Lebensabend 
zu  einem  traurigen,  von  innerlichster  Mifsstimmung  und  schmerz- 
lichen Besorgnissen  erfüllten  gestaltet. 

Nur  möge  man  sich  hüten,  dem  Kurfürsten  aus  seiner 
damaligen  Haltung  einen  moralischen  Vorwurf  zu  machen.  Von 
einer  alldeutschen  Aufgabe  Brandenburg  -  Preufsens  hatte  zu 
jener  Zeit  niemand  eine  Ahnung,  und  einen  tätigen  gesamt- 


1  Mb.  ngen  an  Eurf.,  18728.  Okt.  1679;  Berlin,  Geh.  Staatsarohiv, 
XI,  Frankr.  19  B. 


DreiundvierzigBtes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.  263 

deutschen  Vaterlandssinn  gab  es,  trotz  aller  heuchlerischen 
reichspatriotischen  Phrasen,  überhaupt  nicht.  War  nicht  Ferdi- 
nand Maria  von  Bayern,  der  sich  nicht  mit  Kränkung  und  An- 
feindung durch  die  Habsburger  entschuldigen  konnte,  schon 
1670  einen  ganz  entsprechenden  Vertrag  mit  Frankreich  ein- 
gegangen, der  ihn  gleichfalls  zur  Kaiserwahl  Ludwigs  XIV.  ver- 
pflichtete?^ Schlofs  Ferdinand  Marias  Nachfolger,  Max  Emanuel, 
nicht  gerade  damals,  Ende  1679,  den  Ehevertrag  seiner  Schwester 
Maria  Anna  mit  dem  Dauphin  ab,  unter  starker  Betonung  der 
innigen  Freundschaft  zwischen  Frankreich  und  Bayern?'  Hat 
nicht  drei  Wochen  nach  dem  Geheimvertrage  vom  25.  Oktober 
1679  Kurfürst  Johann  Georg  von  Sachsen  durch  seinen  Gesandten 
Wolframsdorf  mit  Ludwig  XIV.  ein  ebenso  geheimes  Abkommen 
getroffen  (15.  November),  in  dem  er  die  nämlichen  Verpflich- 
tungen wegen  der  Kaiserwahl  einging  wie  der  Brandenburger? 
Selbst  im  Wortlaute  stimmten  diese  Vertrage  überein®. 

Es  liegt  also  kein  Grund  vor,  Friedrich  Wilhelm  besondere 
Vorwürfe  vom  sittlichen  Standpunkte  aus  zu  machen,  zumal  er 
von  den  Habsburgem  ganz  anders  gereizt  und  benachteiligt  war 
als  Bayern  oder  Sachsen.  Er  meinte,  bitterer  Notwendigkeit 
zu  gehorchen.  Mufste  er  doch  vernehmen,  dafs  damals  Däne- 
mark und  Schweden  verhandelten,  um  ihre  Union  auf  ein  Bündnis 
mit  Frankreich  zu  stützen:  eine  Eventualität,  die  ihn  seines 
einzigen  Alliierten  —  Dänemarks  —  völlig  zu  berauben  und 
seinem  Gegner  Schweden  eine  furchtbare  Stellung  zu  verleihen 


1  Erdmannsdörffer,  Deutsche  Gesch.,  S.  556. 

*  K.  Th.  Heigel,  Quellen  u.  Abhandlungen  z.  neueren  Gksch. 
Bayerns,  neue  Folge  (München  1890),  S.  59. 

*  M^oires  de  Pomponne,  I,  274 f.  —  Auerbach,  La  diplomatie 
tran^aise,  S.  476.  —  Wenn  Erdmannsdörffer  (a.  a.  0.,  S.  651)  Fried- 
rich Wilhelm  noch  damit  zu  entschuldigen  sucht,  dafs  §  12  des  französ.- 
brandenb.  Vertrages  eine  „salyierende  Klausel"  enthalte,  und  dafs  der 
ganze  Vertrag  nur  auf  zehn  Jahre  geschlossen  sei,  während  S^aiser 
Leopold  doch  pioch  jung)  und  kräftig  war ,  so  kann  ich  dem  nicht  bei- 
Btuumen.  §  12  setzt  ausdrücklich  fest,  dafs  der  Kurfürst,  wenn  die  Wahl 
Ludwigs  oder  des  Dauphins  sich  als  unmöglich  herausstellen  sollte,  nur 
dem  von  Frankreich  ihm  bezeichneten  Kandidaten  seine  Stinune  geben 
werde.  £r  unterwirft  also  auf  alle  Fälle  die  KaiserkOrung  dem  Belieben 
^^iimkreichs.  Die  beschränkende  Dauer  von  zehn  Jahren  aber  gilt  nur 
^  die  Subsidienzahlung ;  sonst  ist  der  Vertrag  ohne  jede  Abgrenzung 
der  Zeitdauer,  also  theoretisch  auf  immer  abgeschlossen. 


264  Siebentes  Buch. 

drohte^.  Friedrich  Wilhelm  mufste  sich  um  so  mehr  einen  zu- 
verlässigen Rückhalt  suchen  und  glaubte  ihn  nur  bei  derjenigen 
Macht  zu  finden,  die  sich  allen  anderen  überlegen  und  zugleich 
als  die  einzige  erwiesen  hatte,  die  ihre  Freunde  nicht  im  Stiche 
liefs.  Nur  von  Frankreich  gezwungen,  gegen  seinen  Willen 
hatte  er  die  Zusage  in  betreff  der  Eaiserwahl  gegeben;  ohne 
sie  hätte  er  überhaupt  auf  das  Bündnis  mit  Ludwig  verzichten 
müssen.  Es  ist  nicht  ganz  zutreffend,  wenn  schon  damals  Meinders 
und  nach  ihm  viele  neuere  Historiker  darauf  hinwiesen,  dafs 
dieses  Versprechen  bedeutungslos  sei,  da  ja  Leopold  I.  noch 
jung  und  stark,  also  eine  neue  Eaiserwahl  erst  in  weiter  Zukunft 
und  damit  nur  unter  vielfach  veränderten  Umständen  wahrscheinlich 
gewesen.  Vielmehr,  diese  Abmachung  hatte  eine  ganz  bestimmte, 
aktuelle  Wichtigkeit.  Man  sprach  damals  allgemein  von  der 
Absicht  des  Kaisers,  seinen  Sohn  Joseph  baldigst  zum  römischen 
Könige,  das  heifst  zu  seinem  designierten  Nachfolger  im  Kaiser- 
turne  wählen  zu  lassen'.  Diesem  Plane  der  Habsburger  trat 
Ludwig  XIV.  durch  seine  Abmachungen  mit  Kursachsen,  Kur- 
brandenburg und  Kurbayern  sehr  wirksam  entgegen. 

Indes,  er  durfte  Friedrich  Wilhelm  nicht  zeigen,  wie  grofses 
Gewicht  er  auf  seine  Allianz  lege.  Die  französischen  Staats- 
männer sprachen  Meinders  kaum  von  ihr  und  taten,  als  ob  sie 
ihr  keine  positive  Bedeutung  beimäfsen'.  Dazu  kam,  date 
Pomponne  am  18.  November  wegen  allzu  milder  und  versöhnlicher 
Gesinnung  seines  Amtes  als  Staatssekretär  beraubt  und  durch 
den  härteren,  anmafsenden,  ganz  in  französischen  Weltherrschafts- 
plänen schwelgenden  Colbert  -  Croissy  ersetzt  wurde.  Meinders 
glaubte  in  Paris  nichts  mehr  zu  tun  zu  haben  und  reiste  Ende 
November  in  die  Heimat  zurück.  Er  hinterliefs  in  der  fran- 
zösischen Hauptstadt  seinen  Sekretär  Ilgen  zur  Erledigung  der 
laufenden  Geschäfte,  sowie  einen  nicht  offiziell  anerkannten 
Agenten  Johann  Beeck,  dessen  Aufgabe  war,  den  Eurfürsten 
über  die  dortigen  Vorgänge  auf  dem  laufenden  zu  erhalten.    Das 


^  Gallois,  Lettares  inöditea  de  Feuquiöres,  V,  11. 

'  Pomponne,  I,  274.  —  Vgl.  Instruktion  an  Colbert  de  Croissy  bei 
dessen  Gesandtschaft  nach  München,  Okt.  1679;  Vast,  Tentatives  de 
Louis  XIV  pour  arriver  k  Tempire  (Bevue  historique,  Bd.  LXV  [1897], 
S.  81. 

*  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  18. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französiBche  BOndnis.         265 

tat  er  in  Berichten,  deren  Deutsch  mit  französischen  Ausdrücken 
reich  verbrämt,  oft  durch  ganze  französische  Absätze  unter- 
brochen ist:  er  lieferte  eine  richtige  Zeitung  mit  politischen 
und  vermischten  Nachrichten  ^  Empfang  und  Übermittlung 
der  Subsidien  wurden  zunächst  einem  Herrn  von  Plemont,  bald 
aber  den  bewährten  hugenottischen  Bankiers  des  Kurfürsten, 
dem  Hause  Formont,  aufgetragen'. 

Die  untergeordneten  Streitigkeiten  mit  Frankreich  erhielten 
nun  auch  schnelle  Erledigung.  Der  Kurfürst,  der  vor  allem  in 
den  Besitz  seiner  rheinischen  Lande  wiederzugelangen  wünschte, 
Obernahm  alle  Summen,  die  Gr6qui  noch  von  den  Klevern  ver- 
langte, auf  seine  von  Frankreich  zu  erhaltenden  Subsidien.  Ein 
Zwist,  der  darüber  ausbrach,  ob  die  in  Wesel  von  den  holländi- 
schen Zeiten  her  vorhandenen  Geschütze  Frankreich  oder  Branden- 
burg verbleiben  sollten,  wurde  nach  einem  unterwürfigen  Schreiben 
des  Kurfürsten  an  den  König  dadurch  beigelegt,  dafs  dieser 
grofsmütig  seinem  „allertreuesten  Verbündeten''  die  39  besten 
Kanonen  beliefs  und  nur  die  30  minder  guten  für  sich  nahm. 
Ende  Januar  1680  befahl  dann  Louvois  dem  französischen 
Gouverneur  von  Wesel,  Ritter  von  Sourdis,  die  Räumung  dieser 
Festung.  Sieben  volle  Monate  waren  nach  dem  Abschlüsse  des 
Friedens  von  St  Germain  vergangen,  als  Friedrich  Wilhelm 
wieder  Herr  seines  ganzen  rheinisch  -  westfälischen  Gebietes 
wurde*. 

Zu  gleicher  Zeit  bewog  Ludwig  auch  die  Schweden,  dafs 
sie  ihre  hartnäckige  Weigerung,  an  Brandenburg  das  Land 
rechts  der  Divenow  abzutreten,  welches  sie,  als  nicht  an  der  eigent- 
lichen Oder  gelegen,  von  den  Wirkungen  des  jüngsten  Friedens- 
ßchlusses  unabhängig  machen  wollten,  endlich  aufgaben.  So 
endete  auch  dieser  Handel  zur  Zufriedenheit  des  Kurfürsten^. 

Allein  damit  waren  die  Vorteile  beschlossen,  die  er  aus 
seinem  französischen  Bündnisse  zog.    Er  mufste  sonst  überall 


^  Geh.  Staatsarchiv,  Bd.  20  A. 

*  Ebendas.,  19  A  B,  21 A. 

^  y erhandlimgen  wegen  der  Weseler  Geschütze :  Geh.  Staatsarchiv 
(BerlinX  XI,  Prankr.  18.  20  A;  sowie  U.  u.  A.,  II,  585  ff.  —  Verhandlungen 
Hgens:  Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  0.,  19 B.  —  Pomponne,  I,  dl2f.,  hftlt 
den  Kanonenstreit  fOr  eine  der  vornehmsten  Ursachen  seines  Sturzes. 

^  Prutz,  Analekten  z.  G^sch.  des  Grofs.  Kurf.;  Forsch,  z.  brandenb. 
«.  preufs.  Gesch.,  XH  (1899),  287. 


266  Siebentes  Buch. 

zurückweichen.  Er  war  gewillt  gewesen,  es  zum  Waffenkampfe 
mit  den  Braunscbweig-Lüneburger  Herzogen  kommen  zu  lassen, 
die  sich  Mecklenburgs  gegen  seine  Quartierforderungen  fQr 
einige  brandenburgische  Regimenter  heftig  annahmen,  und  denen 
er  die  vorjährige  Sperrung  ihres  Landes  gegen  den  Durchzug 
seiner  Truppen  zur  Verteidigung  von  Eleve- Mark  gegen  die 
Franzosen  nicht  vergessen  hatte.  Aber  auf  Röbenacs  Vermitt- 
lung gab  er  nach,  und  sein  General  Prinz  räumte  das  mecklen- 
burgische Gebiet*. 

Und  ebenso  endete  der  Streit  mit  Hamburg  in  der  Kon- 
tributionsangelegenheit keineswegs  nach  dem  Wunsche  des  Kur- 
fürsten. Der  König  von  Frankreich,  den  beide  Teile  als  Schieds- 
richter anriefen  —  er  war  bereits  tatsächlich  der  Oberherr 
Deutschlands,  weit  mehr  als  der  Kaiser!  — ,  erkannte  an,  dafs 
Brandenburg  vollkommen  im  Rechte  sei,  mutete  diesem  Staate 
aber  zu,  nicht  allein  auf  die  Zinsen  der  seit  drei  Jahren  fälligen 
Kontribution,  sondern  auch  auf  die  Hälfte  des  Kapitals  selbst  zu 
verzichten.  Ja,  er  drohte,  die  Hamburger  und  die  mit  diesen 
verbündeten  Braunschweiger  unterstützen  zu  wollen.  So  sah 
der  Kurfürst  sich  genötigt,  sich  mit  der  Summe  von  hundert- 
tausend Talern  zu  begnügen.  Frankreich  aber  schlofs  mit  den 
Weifen  zu  Ebsdorf  am  24.  November  einen  neuen  Vertrag,  in 
dem  es  versprach,  sie  sowie  die  übrigen  norddeutschen  Reichs- 
stände vor  allen  weiteren  Kontributionsansprüchen  Brandenburgs 
zu  schützen.  Es  nahm  hier  geradezu  Partei  für  das  Haus  Braun- 
schweig gegen  den  Kurfürsten.  Seine  Absicht,  die  Spaltung  der 
deutschen  Fürsten  zu  erhalten  und  sich  damit  die  Herrschaft 
über  sie  alle  zu  sichern,  war  unverkennbar^. 

Friedrich  Wilhelm  mufste  mit  Kummer  und  Sorge  wahr- 
nehmen, wie  der  AUerchristlichste  König  bereits  begann,  „die 
Bastille  nach  Deutschland  zu  verpflanzen".  Hatte  doch  der 
Kurfürst  unmittelbar  nach  dem  Friedensschlüsse  gegen   einen 


1  U.  u.  A.,  m,  557.  561—563.  —  Prutz,  Aus  des  Gro&.  Kurf.  letzten 
Jahren,  225. 

'  Prutz  in  den  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  Xu,  289  ff.  — 
Es  ist  ein  Beweis  von  Prutz*  unkritischer  Art,  wenn  er  den  phantasti« 
sehen  Bericht  eines  schwedischen  Agenten  über  eine  Zusammenkunft 
Friedrich  Wilhelms  und  Christians  Y.  in  Dobberan  erst  selber  als  tenden- 
ziös, unrichtig  und  absichtlich  entstellend  bezeichnet,  dann  aber  wieder 
in  seinen  Einzelheiten  unbedenklich  benutzt;  das.  202 — ^218. 


Dreiimdvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  BOndnis.         267 

Schiedsspruch  des  französischen  Königs  in  dem  Hamburger  Streite 
protestiert  als  den  Rechten  des  Reiches,  des  Kaisers,  des  Königs 
von  Dänemark  sowie  Brandenburgs  zuwiderlaufend  ^  Wenn  er 
im  Oktober'  sich  der  Entscheidung^^ Frankreichs  unterwarf,  so 
geschah  es,  weil  damals  die  Hansastadt  auf  das  schwerste  von 
einem  Gegner  bedroht  war,  dem  der  Kurfürst  sie  nicht  über- 
lassen wollte,  mit  dem  jedoch  ihn  selber  ein  Bündnis  verknüpfte, 
und  wider  den  er  deshalb  lieber  Frankreich  in  die  Schranken 
treten  liefs.  König  Christian  V.  von  Dänemark  hatte  die  alten, 
aber  durch  Friedensverträge  und  Reichsbeschlüsse  längst  abge- 
tanen Ansprüche  seiner  Krone  auf  Oberhoheit  über  Hamburg, 
als  eine  holsteinische  Landstadt,  erneuert  und  auch  zur  Unter- 
statzung dieser  Forderung  vierzehn  Kriegsschifife  in  die  Elbe 
gesandt  und  17000  Soldaten  in  den  Vierlanden  aufgestellt.  Der 
Kaiser  und  der  Herzog  von  Celle  nahmen  sich  der  bedrängten 
Stadt  an,  und  auch  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  erbot  sich  in  ihr 
durchaus  wohlwollender  Weise  zur  Vermittlung.  Aber  Rat  und 
Bürgerschaft  zogen  es  vor,  sich  an  den  allmächtigen  Beherrscher 
Frankreichs  zu  wenden.  Dieser  trat  um  so  lebhafter  für  Ham- 
burg ein,  als  sein  Land  mit  dieser  Stadt  in  blühendem  Handels- 
verkehre stand,  der  durch  ihren  Anheimfall  an  Dänemark 
zweifellos  beeinträchtigt  worden  wäre.  Er  beauftragte  also 
R^benac,  sich  zu  Christian  V.  zu  begeben  und  diesem  Fürsten 
den  Willen  seines  Herrschers  auszudrücken,  dafs  er  sich  mit 
einem  billigen  Vergleiche  zu  begnügen  habe;  auch  der  branden- 
burgische Abgesandte  Cracow  ward,  trotz  des  Widerstrebens  des 
Weifen  von  Celle,  als  Vermittler  angenommen.  So  kam  am 
1.  November  1679  der  Pinneberger  Rezefs  zu  stände,  der  der 
Stadt  die  Leistung  einer  Devotionserklärung,  sowie  die  Zahlung 
von  220000  Talern  an  die  Krone  Dänemark  auferlegte,  sonst 
aber  deren  Reichsfreiheit  sowie  Besitzungen  vollauf  bestätigte^. 
Dieser  Ausgang  bedeutete  eine  Niederlage  Dänemarks,  die 
{reilich  den  Wünschen  des  Kurfürsten  ganz  entsprach.  Es  war 
eine  diplomatische  Heuchelei,  wenn  er  sich  seinem  treuen  däni- 
schen   Verbündeten    gegenüber    wegen    der   hier   beobachteten 


>  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin),  Rep.  LXIII,  57. 

*  Das.  XI,  Franir.  19  D. 

*J.  G.  Gallois,  Gesch.  der  Stadt  Hamburg,  II  (Hamb.  s.  a.) 
414ff.  —  Pomponne,  I,  418ff.  —  Pufendorf,  1.  XVII,  c.  92-97.  — 
öeL  Staatsarchiv  (Berlin),  XI,  Frankr.  18. 


268  Siebentes  Buch. 

Haltung  mit  dem  Zwange  entschuldigte,  den  ihm  Frankreich 
auferlegt  habe^ 

Während  Ludwig  sich  an  jenem  fernen  Punkte  zum  Be- 
schützer der  Freiheit  einer  deutschen  Stadt  aufwarf,  hatte  er 
bereits  den  Plan  zu  den  Beunionen  gefafst,  die  unter  leeren 
Formen  des  Rechtes  beträchtliche  Landstrecken  dem  besiegten 
und  gedemütigten  Reiche  entziehen  sollten,  war  er  schon  tat- 
sächlich dazu  geschritten,  die  Reichsritterschaft  des  Elsasses 
und  das  Landgebiet  der  Reichsstadt  Strafsburg  der  französischen 
Herrschaft  zu  unterwerfen.  Er  sah  voraus,  dafs  diese  Gewalt- 
taten, unmittelbar  nach  dem  Friedensschlüsse  verübt,  in  Deutsch- 
land lebhaften  Unmut  erwecken  und  namentlich  von  selten  des 
Kaisers  Widerstand  hervorrufen  mufsteu ;  um  so  mehr  war  ihm 
daran  gelegen,  den  nach  dem  Kaiser  mächtigsten  Fürsten  des 
Reiches,  den  Brandenburger,  an  sich  zu  fesseln.  Derart,  hoffte 
er,  werde  es  ihm  gelingen,  die  Gegnerschaft  Österrreichs  brach- 
zulegen und  einen  Reichskrieg  gegen  ihn  selbst  unmöglich  zu 
machen.  Er  beschlofs  also,  zunächst  einen  Gesandten  dauernd 
in  Berlin  anzustellen,  und  er  wählte  zu  diesem  Posten  einen 
Diplomaten,  der  in  den  deutschen  Angelegenheiten  wohlerfahren 
war,  und  den  der  Kurfürst  mit  grofser  Auszeichnung  behandelt 
hatte,  den  Grafen  R6benac  (vgl.  T.  II,  S.  407).  Die  Verdienste, 
die  der  junge  Staatsmann  sich  noch  in  den  letzten  Monaten  um 
die  Ordnung  der  nordischen  Verhältnisse  erworben  hatte, 
bezeichneten  ihn  als  einen  besonders  geeigneten  Vertreter  Frank- 
reichs auf  dem  unter  den  herrschenden  Umständen  überaus 
wichtigen  Posten  in  Berlin.    Am  12.  Januar  1680  traf  er  dort  ein. 

Seine  Instruktion '  spiegelt  die  mifstrauische  und  noch  wenig 
wohlwollende  Gesinnung  des  Königs  gegen  seinen  neuen  Ver- 
bündeten wieder.  Er  gönnt  ihm  in  der  Hamburger  Angelegen- 
heit nur  eine  geringe  Entschädigung.  Er  drängt  auf  die  schleunige 
Räumung  Stettins  und  auf  Nachlafs  der  Brandenburg  noch  zu- 
kommenden Kriegskontributionen  in  Schwedisch-Pommern,  indem 
er  mit  Repressalien  in  Kleve  droht.  Er  mischt  sich,  ungerufen 
von  dem  Kurfürsten,  in  dessen  Streit  mit  den  Lüneburger 
Herzogen  wegen  der  Truppenquartiere  in  Mecklenburg,  ja,  in 
die  Angelegenheit  der  brandenburgischen  Besatzung  in  Magde- 


>  Ms.  Meinders  an  Kurf.,  18./28.  Nov.  1679;  Geh.  StaatsarchiVf  a.  a.  0. 
'  Becueil  des  Instructions,  XVI,  214  ff. 


Breiundvierzigstes  Kapitel.    Das  {ranzösiBche  Bttndnis.  269 

bürg,  die  doch  für  Friedrich  Wilhelm  gänzlich  abgeschlossen  war. 
Kurz,  er  behält  sich  eine  Menge  von  Gelegenheiten  vor,  um 
dem  Kurfürsten  unangenehm  zu  werden,  wenn  dieser  Miene 
machen  sollte,  anders  denn  als  unterwürfiger  Diener  der  fran- 
zösischen Politik  zu  handeln. 

Denn  die  früheren  Verbündeten  Brandenburgs  gaben  sich 
die  äufserste  Mühe,  es  für  die  von  den  Generalstaaten  beabsichtigte 
grofse  antifranzösische  Koalition  zu  gewinnen.  Sowohl  der  Kaiser 
wie  die  Holländer  selber  unternahmen  den  Versuch.  Um  zunächst 
den  Boden  zu  prüfen,  befahlen  die  Minister  Leopolds  I.  ihrem 
Gesandten  in  Dresden,  dem  Abte  Otto  von  Banz,  sich  nach  Pots- 
dam zu  begeben,  wo  er  am  11.  Oktober  1679  eintraf.  Er  sollte 
des  Kurfürsten  Meinung  erforschen,  wie  des  Reiches  Sicherheit 
am  besten  zu  wahren,  wie  die  französischen  Gewalttaten  im 
Elsafs  rückgängig  zu  machen  und  der  Antrag,  Frankreich  solle 
auf  dem  Regensburger  Reichstage  Sitz  und  Stimme  erhalten,  zu 
vereiteln  seien  ^. 

Der  Prälat  traf  aber  bei  dem  Kurfürsten  auf  die  übelste 
Stimmung.  Weit  entfernt,  den  kaiserlichen  Wünschen  ein  geneigtes 
Ohr  zu  leihen,  segelte  Friedrich  Wilhelm  in  dem  französischen 
Fahrwasser.  Er  war  bereit,  den  Plan  des  französischen  Königs  zu 
unterstützen,  nämlich  dafs  das  Reich  durch  Auflösung  des  Regens- 
burger Reichstages  jedes  Zusammenhalts  beraubt  werde'.  Gleich- 
falls auf  Verlangen  Frankreichs  hatte  er  sich  mit  dessen  treuen 
bischöflichen  Vasallen  von  Köln  und  Strafsburg  in  vertrauten 
Verkehr  gesetzt,  um  so  eine  förmliche  französische  Partei  im 
Reiche  zu  bilden*.  Er  beantwortete  demnach  die  Werbung  des 
Abtes  von  Banz  mit  heftigen  Klagen  über  die  an  ihm  verübte 
Untreue  und  Täuschung.  Er  erwiderte  höhnisch,  dafs  der  Kaiser, 
der  allein  in  Nymwegen  für  das  Reich  abgeschlossen,  dort  auch 
zweifellos  für  dessen  Sicherheit  genügend  gesorgt  haben  werde; 
sei  dies  nicht  geschehen,  werde  Se.  Majestät  hierfür  schon  das 
Nötige  anordnen ;  da  femer  der  Kaiser  den  Schweden  im  Reichs- 
tage Sitz  und  Stimme,  die  ihnen  bereits  aberkannt  gewesen, 


1  U.  u.  A.,  XIV,  912  ff. 

■  Mß.  Chiffrierte  Dep.  Meinders'  vom  9719.  Okt.  1679;  Berlin,  Gteh. 
Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  18. 

*  Ms.  Kurf.  an  Ilgen,  19./29.  Dez.  1679;  das.  19  B.  —  Das  Folgende 
nach  U.  u.  A.,  XIV,  911  ff. 


270  Siebentes  Buch. 

wieder  eingeräumt  habe,  dürfe  Frankreich  gleiches  Recht  in 
Anspruch  nehmen.  Der  Kurfürst  begnügte  sich  nicht  mit  diesen 
Antworten,  deren  grimmige  Ironie  nicht  zu  verkennen  war.  Er 
verlangte  in  drohendem  Tone  die  Anerkennung  seiner  Rechte  in 
Ostfriesland,  die  endliche  Rückgabe  Jägerndorfs,  sowie  Nach- 
zahlung von  dessen  Einkünften  in  der  Vergangenheit,  endlich 
Beeinflussung  des  spanischen  Habsburgers,  dafs  dieser  seine  rück- 
ständigen Subsidien  ausfolge,  —  Forderungen,  die  zum  Teil  für 
Leopold  unerfüllbar  und  klärlich  darauf  berechnet  waren,  die 
Handhabe  zum  Bruche  mit  Österreich  zu  geben. 

Die  kaiserlichen  Räte  fühlten  das  „Spitzige"  dieser  Er- 
widerungen und  Ansprüche  des  Brandenburgers  wohl  heraus. 
Sie  glaubten  aber  ein  Auge  zudrücken  und  einen  neuen  Anlauf 
machen  zu  müssen.  Denn  die  vier  rheinischen  Kurfürsten  und 
Bayern  waren  schon,  sei  es  für  Frankreich  gewonnen,  sei  es  von 
Furcht  gelähmt,  Sachsen  in  finanzieller  Zerrüttung:  so  „dafs 
zu  Rettung  des  Deutschland  gegen  die  Krön  Frankreich" ,  wie 
sie  am  18.  November  1679  erklärten,  „unter  denen  Churfürsten 
einige  andere  Hilfe  nicht  als  von  Churbrandenburg  zu  hoffen". 
Der  Kaiser  richtete  also  an  dieses  ein  in  besänftigendem  Tone 
gehaltenes  Schreiben,  das  seine  Verwendung  in  Spanien,  sowie 
vom  Reiche  die  Erlangung  einer  „Satisfaktion''  für  den  im 
Kriege  erlittenen  Schaden  versprach,  —  leere  Vertröstungen; 
von  Jägemdorf  kein  Wort  Dafür  verlangte  der  Kaiser  in 
einem  zweiten  Schreiben  den  Beistand  des  Kurfürsten  gegen  die 
französischen  Übergriffe. 

Friedrich  Wilhelm  war  entrüstet  über  die  Keckheit,  mit 
der  der  Wiener  Hof,  nach  allen  ihm  zugefügten  Treulosigkeiten 
und  Kränkungen,  wie  selbstverständlich,  abermals  seine  Unter- 
stützung, ohne  den  mindesten  tatsächlichen  Entgelt,  einforderte. 
Er  liefs  durch  Ilgen  die  kaiserlichen  Zuschriften  in  Paris  mit- 
teilen, mit  der  Zusicherung,  er  werde  unverbrüchlich  auf  Seiten 
Frankreichs  stehen  ^. 

Die  Wiener  Politiker  aber  waren  der  Meinung,  durch  blofse 
Demonstrationen  Friedrich  Wilhelm  doch  noch  gewinnen  zu 
können,  und  schickten  ihm  als  Botschafter  einen  der  ersten 
Kavaliere  ihres  Landes,  den  Grafen  Johann  Philipp  Lamberg, 
Sohn   des  kaiserlichen   Oberhofmeisters.     Erst   achtundzwanzig 


^  Mb.  Bgen  an  Kurf.,  19.  Jan.  1680;  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  19B. 


Dreinndvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.         271 

Jahre  alt,  hatte  er  mit  Ruhm  gegen  die  Türken  gefochten,  war 
dann  aber  in  die  Kirche  eingetreten  und  1675  Domherr,  bald 
auch  Beichshofrat  geworden :  ein  prachtliebender,  feiner  Grand- 
seigneur,  der  wohl  im  stände  war,  auf  den  greisen  Kurfürsten 
Eindruck  hervorzubringend  Er  hatte  ihm  ein  Bündnis  mit 
Osterreich,  den  Generalstaaten  und  England  anzubieten;  der 
Anspruch  auf  Jägemdorf  wurde  dieses  Mal  nicht  stillschweigend 
abgetan,  sondern  auf  besondere,  in  Wien  zu  führende  Verhand- 
lungen verwiesen*. 

Inzwischen  war  in  gleicher  Absicht,  wie  Banz  und  Lamberg, 
noch  ein  niederländischer  Gesandter  nach  Berlin  gekommen. 
Um  den  verlorenen  Freund  desto  sicherer  zurückzugewinnen, 
hatten  ihm  die  Hochmögenden  den  Adrian  van  Amerongen  wieder 
zugeschickt,  der  ihn  1673  zum  Bündnisse  bestimmt,  und  mit  dem 
er  seit  dieser  Zeit  wohlwollende  Beziehungen  aufrechterhalten 
hatte.  Allein  was  Amerongen  jetzt  zu  bieten  hatte,  war  wenig: 
Entschuldigungen;  dafs  der  Staaten  trauriger  Zustand  ihnen  den 
Frieden  mit  Frankreich  aufgenötigt  habe,  sowie  die  nicht 
unbegründete  Behauptung,  dafs  sie  zur  Nachzahlung  der 
restierenden  Hilfsgelder  nur  bis  Ende  1676  verpflichtet  seien,  da 
sie  seitdem  Brandenburg,  das  auf  eigene  Hand  Eroberungen  auf 
Kosten  der  Schweden  gemacht,  ohne  sie  gegen  Frankreich  irgend 
zu  unterstützen,  die  Subsidien  aufgesagt  hatten. 

Mitte  Dezember  1679  langte  Amerongen  in  Berlin  an.  Allein 
er  fand  hier  nichts  als  Klagen  über  die  Generalstaaten,  die  die 
eigentlichen  Urheber  des  schmählichen  und  verlustvollen  Aus- 
ganges des  Koalitionskriegs  seien.  Als  Kommissare,  um  mit 
mit  ihm  zu  verhandeln,  wurden  die  durchaus  französisch 
gesinnten  Geheimrftte  Jena  und  Meinders  ernannt.  Ihre  Forde- 
rungen waren  unerschwinglich:  sie  verlangten  nicht  allein  die 
Subsidien  bis  zum  Tage  des  Friedensschlusses,  sondern  auch 
Entschädigung  für  den  in  Kleve  und  der  Grafschaft  Mark 
erlittenen  Schaden'. 

Immerhin  war,  wie  die  Vergangenheit  gezeigt  hatte,  die 
Möglichkeit  vorhanden,  dafs  die  kaiserliche  und  die  nieder- 
ländische Gesandtschaft  mit  der  Zeit  einen  abermaligen  Um- 


*  Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  des  Kaisertums  Österreich. 
■  Instr.  an  Lamberg,  29.  Febr.  1680;  U.  u.  A.,  XIV,  916  ff. 
»  U.  u.  A.,  m,  555  ff . 


272  Siebentes  Buch. 

schwuDg  in  den  Gesinnungen  des  Kurfürsten  herbeiführten.  Es 
war  dies  für  Frankreich  um  so  gefährlicher,  als  die  General- 
Staaten  im  Dezember  1679  das  Bündnis,  das  der  französische 
Gesandte,  Graf  d'Avaux,  ihnen  angeboten,  entschieden  zurück- 
gewiesen hatten^,  als  femer  die  schwedische  Regierung  unter 
der  Leitung  des  genialen  und  patriotischen  Johann  Gyllenstiema 
dem  Auslande  und  zumal  dem  stolzen  Frankreich  gegenüber 
eine  immer  kühnere  und  selbstbewufstere  Haltung  annahm.  Es 
stand  fest,  dafs  Schweden  sich  nicht  mehr  als  Werkzeug  des 
Allerchristlichsten  Königs  werde  mifsbrauchen  lassen'. 

War  schon  durch  diese  Umstände  die  französische  Regierung 
genötigt',  sich  den  guten  Willen  Brandenburgs  zu  sichern,  so 
mufste  sie  zu  entsprechendem  Vorgehen  auch  durch  die  Persön- 
lichkeit des  Ministers  veranlafst  werden,  der  nach  dem  Sturze 
Pomponnes  mit  der  Leitung  der  auswärtigen  Angelegenheiten 
betraut  war. 

Charles  Colbert  Marquis  von  Groissy,  ein  Bruder  des 
berühmten  Ministers,  hatte  durch  das  ihm  eigene  rauhe  und 
polternde  Auftreten  die  Gunst  der  öffentlichen  Meinung  ver- 
scherzt. Er  galt  als  ein  roher,  ebenso  brutaler  wie  unfähiger 
Mensch,  der  sein  Emporsteigen  nur  dem  Einflüsse  seines  grofsen 
Bruders  verdanke.  Allein  dieses  unfreundliche  Urteil  war  irrig. 
Wenn  Croissy  auch  nicht  viel  Initiative  besafs,  so  doch  scharfes 
und  sicheres  Urteil,  einen  klaren  Kopf  und  aufsergewöhnliche 
Gewandtheit.  Er  kannte  die  politische  Lage  Europas  genau, 
und  sein  Eifer  wie  seine  Arbeitskraft  waren  sehr  bedeutend. 
Allerdings,  die  Feinheit  und  Milde  Pomponnes  gingen  ihm  ab, 
und  wie  Louvois,  wie  der  König  selber,  pochte  er  auf  die 
Unbezwinglichkeit  Frankreichs.  Er  war  derart  für  die  rechts- 
verhöhnende Reunionspolitik  eingenommen,  dafs  man  ihn  viel- 
fach für  den  Urheber  hielt;  anderseits  wünschte  er,  im  Gegen- 
satze zu  Louvois,  deren  Ziele  ohne  förmlichen  Krieg  zu  erreichen. 
Eben  deshalb  mufste  er  darauf  bedacht  sein,  tunlichst  zahlreiche 
und  mächtige  Verbündete  zu  gewinnen,  um  den  Gegnern  jede 
Möglichkeit  aussichtsreicher  Kriegsführung  gegen  Frankreich 
zu  benehmen.  Als  einer  der  wichtigsten  Alliierten  erschien  ihm 
aber  der  Kurfürst  von  Brandenburg,  für  den  er,   seit  seiner 


^  d'Avaux,  NegociationB,  I,  66. 
*  Carlson,  V,  87 ff. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französiaclie  BOndnis.         273 

Gesandtschaft  nach  Eleve  im  Jahre  1666,  überdies  eine  gewisse 
persönliche  Neigung  bewahrt  hatte  ^. 

Nachdem  in  den  ersten  Tagen  des  Jahres  1680  R^benac  am 
Berliner  Hofe  angelangt  war,  erhielt  er  hier  alsbald  eine  bevor- 
zugte Stellung.  Friedrich  Wilhelm  wollte  den  Monarchen  und 
die  Minister  Frankreichs  für  sich  gewinnen,  und  da  kostete  es 
ihm  wenig,  ihren  Vertreter  wie  seinen  vertrauten  Günstling  zu 
behandeln  und  mit  „grofsen  Garessen**  zu  bedenken.  Seine 
Gemahlin  Dorothea  zeigte  sich  noch  eifriger  in  der  Freundschaft 
für  Frankreich  und  dessen  grofsen  und  reichen  König.  Der 
Kurfürst  selber  gab  sich  den  Anschein,  als  habe  er  nichts  vor 
R^benac  zu  verbergen,  und  liefs  ihn  von  seinen  geheimsten 
Verhandlungen  gerade  das  wissen,  was  er  Ludwig  XIV.  mitgeteilt 
zu  sehen  wünschte.  Meinders  und  Fuchs  ahmten  mit  vielem 
Eifer  die  Haltung  ihres  Herrn  gegenüber  dem  französischen 
Gesandten  nach.  R6benac  suchte  diese  günstige  Stimmung  zu 
erhalten,  indem  er  immer  wieder  beträchtliche  Summen  an  die 
Geheimen  Räte  und  deren  wichtigste  Unterbeamte  verteilte. 
Die  Kurfürstin  aber  wurde  mit  einem  glänzenden  Geschenk, 
einem  Diamantschmucke  im  angeblichen  Wert  von  60  000  Talern 
(780000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  erfreut;  dafür  ver- 
sprach sie,  „die  Freundschaft  und  vollkommene  Vereinigung** 
zwischen  ihrem  Gemahle  und  dem  Könige  mit  Eifer  und  nach 
Kräften  zu  fördern.  Diese  guten  Absichten  wurden  später  durch 
neue  reiche  und  künstlerische  Geschenke  —  darunter  kostbare 
Gobelins  —  bestärkt '.  Berlin  erschien  als  die  Hauptstadt  eines 
getreuen  und  ergebenen  Vasallen  des  „Königs  Sonne ^. 

Zum  deutlichen  Ausdrucke  seiner  Anhänglichkeit  beschlofs 
Friedrich  Wilhelm,  auch  seinerseits  einen  Gesandten  dauernd  iu 
Paris  anzustellen.  Die  Wahl,  die  er  hier  traf,  kann  man  nur 
als  eine  vortreflfliche  bezeichnen.  Sie  fiel  auf  Ezechiel  Span- 
heim *. 

Geboren  in  Genf  am  7.  Dezember  1629  als  Sohn  eines  von 
der  Pfalz  eingewanderten  Professors  und  einer  Französin,  hatte 
er  von  beiden  Nationen  die  Vorzüge  geerbt.    Er  widmete  sich 


^  Exil  Bourgeois,  ]äz6chiel  Spanheim  (Paria  n.  Lyon  1900X  S.  358. 
860.  362.  367-873.  885. 

*  Prutz,  Aus  des  Grofs.  Kiirf.  letzten  Jahren,  124 ff. 

*  Über  ihn  sehe  man  vorzüglich  Bourgeois,  passim* 

Pbilippson,  D«r  Oroik«  Kurfant.    III.  18 


274  Siebentes  Buch. 

zunächst,  wie  sein  Vater,  der  Gelehrsamkeit  und  veröffentlichte 
kenntnisreiche  und  geistvolle  Schriften  theologischen  und  zumal 
archäologischen  Inhalts.  Kurfürst  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz 
berief  ihn  als  Erzieher  seines  Kurprinzen.  Aber  das  lebhafte 
und  praktische  französische  Blut  flöfste  Spanheim  frühzeitig, 
schon  in  Genf,  reges  Interesse  für  die  Politik  ein.  Schriften, 
die  er  nunmehr  für  die  Absichten  seines  Herrn  verfafste,  ver- 
anlafsten  diesen  bald,  ihn  mit  diplomatischen  Sendungen  zu 
betrauen,  die  ihn  zunächst  auf  vier  Jahre  (1661—1665)  nach 
Italien,  dann  nach  Paris  führten.  Er  empfand  grofse  Vorliebe 
für  Frankreich  und  suchte  ein  enges  Einvernehmen  zwischen 
diesem  Staate  und  seinem  eigenen  Fürsten  zu  begründen.  Sein 
reiches  Wissen,  sein  besonders  in  der  Münzkunde  durch  epoche- 
machende Arbeiten  berühmt  gewordener  Name,  seine  Liebens- 
würdigkeit und  geistige  Feinheit,  seine  Vertrautheit  mit  der 
französischen  Sprache  und  Anschauungsweise  verschafften  ihm  in 
jenem  Lande  viele  persönliche  Freunde.  Allein  die  Gewalttaten, 
die  sich  Ludwig  XIV.  gegen  Deutschland  und  namentlich  gegen 
die  Rheinpfalz  zu  schulden  kommen  liefs,  machten  auch  Span- 
heim zu  dessen  G^ner;  als  solcher  erwies  er  sich  in  den  Ver- 
handlungen zu  Köln,  in  den  Jahren  1671  bis  1673.  Während 
des  Nymweger  Kongresses  verfocht  er  die  Interessen  des  deutschen 
Protestantismus  in  London.  Damals,  wie  schon  vorübergehend 
1672,  betraute  der  Kurfürst  von  Brandenburg  den  pfälzischen 
Gesandten  zugleich  mit  seinen  Geschäften,  bis  Friedrich  Wilhelm 
endlich,  im  Januar  1680,  auf  Antrag  von  Fuchs  beschlofs,  den 
klugen,  kenntnisreichen  und  gesellschaftlich  begabten  Mann  ganz 
in  seinen  Dienst  zu  übernehmen.  Er  bot  ihm  den  Gesandtschafts- 
posten in  Paris  an,  mit  einem  jährlichen  Gehalte  von  3600  Talern 
(46800  Mark  nach  heutigem  Geldwerte)  ^ 

Freilich  war  zunächst  die  neue  Stellung  Spanheims  eine 
aufserordentlich  schwierige.  Der  Kurfürst  selber  mifstraute  ihm, 
^da  er  früher  andere  Engagements  gehabt'' ,  und  gedachte  ihn 
erst  zu  erproben.  Er  teilte  ihm  deshalb  weder  den  Geheim- 
vertrag vom  25.  Oktober  1679,  der  doch  R6benac  bekanntgegeben 
war,  noch  die  Verhandlungen  mit,  die  er  damals  durch  d'Espence 
und   Ugen   in  Paris  wegen  der  Erlangung  Jägerndorfs  führen 


1  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  24.  Jan. /8.  Febr.  1680;  Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv, XI,  Frankr.  21 A. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.         275 

liers.  Viel  grörser  noch  war  die  Zurückhaltung  der  französischen 
Regierung  gegenüber  Spanheim,  der  „früher  in  einer  Frankreich 
widerwärtigen  Partei  verwandt  worden"  *.  Croissy  warnte  sowohl 
durch  R6benac  in  Berlin  wie  durch  d'Espence  und  Ilgen  in  Paris 
den  Kurfürsten  vor  der  Verwendung  Spanheims  als  Gesandten 
in  Frankreich,  da  dieser  Diplomat  wenig  geeignet  sei,  zur  gegen- 
seitigen Verbindung  und  Vertraulichkeit  zwischen  den  Königen 
und  dem  Kurfürsten  beizutragen;  „er  ist  immer  übler  Absicht 
gewesen",  schreibt  der  Minister  selber  an  R6benac.  Spanheim 
kannte  die  ihm  feindliche  Stimmung  in  den  leitenden  Kreisen 
der  französischen  Hauptstadt  sehr  wohl,  allein  er  hoffte  bestimmt, 
sie  durch  ruhiges  und  gewissenhaftes  Verfahren  und  durch  den 
Eindruck  seiner  Persönlichkeit  überwinden  zu  können.  Er  tat, 
als  ob  er  nichts  davon  wisse,  und  „ging  seinen  geraden  Weg". 
Sorgsame  Beachtung  aller  höfischen  Formen,  Verkehr  mit  her- 
vorragenden Schriftstellern,  Gelehrten  und  hochgestellten  wissen- 
schaftlichen Dilettanten,  sowie  der  Schutz  der  gerade  an  den 
französischen  Hof  so  zahlreich  vermählten  deutschen  Prinzessinnen 
verschafften  ihm  bald  Beliebtheit  und  Achtung.  Man  gelangte 
dahin,  ihn  für  den  ausgezeichnetsten  aller  fremden  Diplomaten, 
fQr  einen  vorzüglichen  und  eleganten  Redner  zu  erklären.  Im 
April  1680  war  er  in  Paris  angelangt,  —  schon  im  Januar  1681 
schreibt  Ludwig  XIV.  selber  an  R6benac:  „Ich  bin  durchaus 
mit  Spanheim  zufrieden  und  von  meinen  Vorurteilen  gegen  ihn 
zurück  gekommen . " 

Es  wurde  Spanheim  um  so  leichter,  in  Paris  festen  Fufs 
zu  fassen,  als  sein  neuer  Herr  unverrückt  an  der  Seite  Frank- 
reichs verblieb.  Er  und  seine  Minister  verhehlten  dem  Grafen 
Lamberg,  als  dieser  Mitte  April  1680  nach  Berlin  kam,  ihre 
wahren  Gesinnungen  keineswegs:  Holland  denke  nur  an  sich: 
in  England,  das  am  meisten  „Peso"  zu  geben  vermöge,  seien 
König  und  Parlament  uneins;  auf  Spanien  „sei  kein  grofser 
Staat  zu  machen"  —  so  würde  es  schlecht  hergehen.  Friedrich 
Wilhelm  teilte  die  Nachricht  von  dem  Bündnis,  das  ihm  der 
Kaiser,  Holland  und  England  anboten,  sofort  R6benac  mit,  der 
ihm  dann  selbstverständlich  durch  eine  ausführliche  Denkschrift 
dringend  davon  abriet'. 

^  Ms.  Chiffrierte  Dep.  ügens  vom  25.  Mfixz  1680;  das.  Rep.  LXHI,  2.— 
Ms.  Kurf.  an  d'Espence,  6./16.  April  1680;  das.  Rep.  XI,  Frankr.  19  A. 
*  Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  0.,  19  D. 

18* 


276  Siebentes  Buch. 

Denn  aufser  Lamberg  und  Amerongen  erschien,  im  Mai 
1680,  auch  ein  englischer  Abgesandter,  Southwell,  in  Berlin, 
um  den  Kurfürsten  für  die  antifranzösische  Koalition  zu  ge- 
winnen *.  Allein  Friedrich  Wilhelm  liefs  sich  nicht  mehr  durch 
schöne  Worte  täuschen.  Die  Berichte  des  jüngeren  Schwerin 
sowie  Spanheims  hatten  ihn  über  die  wahren  Gesinnungen  Karls  II. 
genügend  aufgeklärt.  Er  anwortete  dem  Engländer  unverblümt: 
das  Anerbieten  britischer  Freundschaft  in  diesem  Augenblicke  er- 
scheine ihm  als  ein  Auskunftsmittel,  um  sich  daheim  mit  dem  Parla- 
mente zu  vertragen  und  von  diesem  Geldbewilligungen  zu  erlangen. 
Er  sowohl  wie  seine  Minister  machten  wiederholt  auf  ihre  An- 
sicht aufmerksam :  England  sei  der  Grundstein  der  europäischen 
Freiheit;  solange  indes  dieser  Grundstein  wanke,  könne  man 
keine  sichere  Stellung  nehmen,  um  Frankreichs  Macht  aus  den 
Angeln  zu  heben.  Ein  sehr  richtiger  Grundsatz,  der  dann  in 
den  beiden  letzten  Koalitionskriegen  gegen  Ludwig  XIV.  sich 
vollkommen  bewahrheitet  hat!  Der  Kurfürst  verhehlte  nicht, 
dafs  der  Entschlufs  Karls  IL,  gegen  Frankreich  Partei  zu  er- 
greifen, ihm  recht  unzuverlässig  erscheine  und  er  selber  deshalb 
in  dem  gegenwärtigen  Momente  auf  ein  Bündnis  mit  diesem 
Herrscher  nicht  eingehen  könne.  —  Southwell  verblieb  noch  bis 
zum  Oktober  1680  in  Berlin,  ohne  irgend  einen  Erfolg  zu  er- 
langen. 

Ungehindert  beging  Frankreich  neue  Gewalttaten :  es  unter- 
warf alle  Besitzungen  deutscher  Beichsfürsten  im  Elsafs  seiner 
Oberhoheit.  Friedrich  Wilhelm  empfand  diese  abermalige  Ver- 
gewaltigung des  Reiches  um  so  schmerzlicher,  als  er  dadurch 
die  Glaubensfreiheit  der  zahlreichen  evangelischen  Bewohner 
jener  Gegenden  ernstlich  bedroht  sah.  Er  verwandte  sich  des- 
halb bei  Ludwig  XIV. ;  als  dieser  jedoch  von  seinem  angeblichen 
Bechte  nichts  nachlassen  wollte,  mufste  er  selber  schweigen*. 
Des  Kaisers  Vorschlag,  die  weltlichen  Kurfürsten  sollten  mit 
ihm  in  Regensburg  persönlich  über  die  geeigneten  Mafsregeln 
zur  Sicherung  des  Reiches  beraten,  wies  er  durchaus  zurück; 
er  trage  kein  Gelüst,  sich  wiederum  der  Rache  Frankreichs 


^  Über  seine  Gesandtschaft  s.  Räumer,  Beiträge  z.  neueren  G^esoh.» 
HL  (Leipzig  1839),  S.  438 ff.;  sowie  Pufendorf,  XVni,  3.  4. 

>  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  15./25.  Mai,  und  Spanheim  an  Kurf., 
2712.  JuH,  19./29.  Nov.  1680;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  21 A.  - 
Prutz,  228 f. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Daa  französiBche  BOndniB.         277 

blorszustellen  ^  In  diesen  Beschlüssen  vermochte  ihn  auch  die 
Ankunft  des  ihm  seit  lange  befreundeten  Markgrafen  Hermann 
Yon  Baden  nicht  zu  erschüttern,  der  im  Sommer  1680  an  allen 
deutschen  Höfen  umherreiste,  um  ein  enges  Bündnis  zum  Schutze 
der  iiReichssekurität*'  zu  stände  zu  bringen.  Persönliche  Ein- 
wirkung scheiterte  an  den  sachlichen  Erwägungen. 

Und  doch,  es  hätte  für  den  Kaiser  eine  Möglichkeit  gegeben, 
Brandenburg  für  den  Anschlufs  an  die  Sache  der  europäischen 
Freiheit  zu  gewinnen:  durch  die  Abtretung  Jägemdorfs  oder 
eines  m&fsigen  Äquivalents.  Diese  Angelegenheit  betrieb  der 
Kurfürst  mit  all  dem  Eifer  und  der  ganzen  Hartnäckigkeit,  die 
er  in  Verfolgung  seines  Rechtes  zu  entfalten  pflegte;  dessen 
Wahrnehmung  bildete  einen  der  Grundzüge  seines  Charakters. 
Die  Beihilfe  zur  Erlangung  Jägerndorfs  hatte  Ludwig  XIV.  im 
Geheimvertrage  vom  25.  Oktober  1679  ausdrücklich  versprechen 
müssen.  Der  Kurfürst  verhandelte  seitdem  in  Paris  unausgesetzt 
über  die  Ausführung  dieses  Artikels.  Ilgen  und  d'Espence 
hatten  deshalb  im  März  1680  persönlich  mit  dem  Könige  kon- 
feriert, hatten  aber  von  ihm  nur  die  Zusage  erhalten,  sein 
Gesandter  in  Wien  solle  die  Ansprüche  Brandenburgs  unter- 
stützen; Ludwig  hatte  hinzugesetzt,  solche  Schritte  würden 
freilich  wenig  nützen  ^.  Man  gewinnt  den  Eindruck,  dafs  Ludwig 
das  Gelingen  dieser  Unterhandlung  keineswegs  wünschte, 
um  eine  Versöhnung  des  Kaisers  mit  Friedrich  Wilhelm  zu 
verhüten.  Und  Leopold  L?  Anstatt  durch  ein  immerhin 
geringfügiges  Opfer  die  gerechte  Verstimmung  des  Kurfürsten 
zu  beseitigen  und  die  für  ihn  selbst,  für  das  Reich  und  Europa 
als  so  kostbar  erkannte  Freundschaft  des  waffenmächtigen 
Brandenburg  zu  gewinnen,  schlug  er  vor,  dieses  möge  über  den 
Ausgleich  durch  eine  besondere  Gesandtschaft  in  Wien  ver- 
handeln, —  ein  treffliches  Mittel,  um  des  Kurfürsten  Absichten 
in  Paris  zu  verdächtigen!  Allein  dieser  ging  nicht  in  die 
plumpe  Falle ;  er  verweigerte  entschieden  die  Abschickung  einer 
Spezialgesandtschaft  nach  Wien,  überhaupt  jeden  Ausgleich 
auf  Grund  einer  Geldentschädigung,  forderte  sein  Fürstentum 
und  nichts  anderes.    Die  hartnäckige  Rechtsverweigerung  seitens 

^  Berichte  Lambergs;  ü.  u.  A.,  XIV,  11. 

'  Mb.  Chi&ierte  Depeschen  Ilgens  yom  22./25.  März,  sowie  Ms. 
Kurf.  an  d'Espence,  6./16.  April  1680;  Berlin,  a.  a.  0.,  19  A.  B,  und  Eep. 
LXm,  2. 


278  Siebentes  Buch. 

des  Kaisers  erfüllte  ihn  von  neuem  mit  Abneigung  und  Verdacht 
gegen  das  Reichsoberhaupt. 

Ebensowenig  wie  die  Streitigkeiten  mit  dem  Kaiser  wurden 
die  mit  den  Niederlanden  wegen  der  Subsidien  beigelegt.  Wenn 
auch  die  Ansprüche  des  Kurfürsten  auf  die  Hilfsgelder  seit 
1676  streitiger  Natur  waren,  blieb  es  doch  unerträglich,  dafs 
einige  Provinzen,  wie  Zeeland,  selbst  die  Zahlung  der  von 
ihnen  bis  1676  geschuldeten  Summen  verweigerten.  Die  Stimmung 
wurde  auf  beiden  Seiten  immer  gereizter,  zumal  seitdem  die 
Hochmögenden  die  Zurückerstattung  des  den  Spaniern  von  der 
brandenburgischen  Flotte  abgenommenen  „CarolusII."  verlangten 
und  sich  den  Kolonialplänen  des  Kurfürsten  widersetzten  \ 

Gerade  die  spanische  Sache  stand  seit  Mai  1680  im  Vorder- 
grunde von  Friedrich  Wilhelms  Interesse.  Er  erbat  Hilfe  von 
Frankreich,  wenn  er,  wegen  seiner  Repressalien  zur  See,  von 
Spanien  angegriffen  werde.  Ludwig  XIV.  sagte  ihm  solche 
bereitwillig  zu,  —  welch  glänzender  Gegensatz  zu  der  mifs^ 
günstigen  Haltung  der  Niederlande!  Nicht  nur  gegen  Spanien, 
nein,  gegen  jeden  Staat,  der  sich  dessen  tätlich  annehmen  werde, 
verhiefs  der  König  seinen  Beistand.  Er  befahl  dem  Gouverneur 
seiner  Seeplätze,  die  kurfürstlichen  Kriegsschiffe  mit  aller  er- 
denklichen Begünstigung  aufzunehmen.  Er  erkannte  die  Recht- 
mäfsigkeit  der  brandenburgisohen  Kapereien  um  so  geflissent- 
licher an,  je  schärfer  sich  Holländer  und  Briten  über  solche 
aussprachen.  Kein  Wunder,  dafs  Friedrich  Wilhelm  sich  immer 
enger  an  Frankreich  anschlofs,  dafs  er,  zum  Zeichen  per- 
sönlicher Freundschaft,  dessen  Monarchen  einen  kostbaren,  aus 
Bernstein  gefertigten  und  mit  Kristallspiegeln  versehenen 
Toilettentisch  verehrte  ^. 

Und  inzwischen  war  in  dem  beweglichen  Geiste  Friedrich 
Wilhelms  ein  neuer  Plan,  eine  neue  lockende  Hoffnung  ent- 
standen :  mit  Hilfe  seines  französischen  Alliierten  den  wichtigsten 
Wunsch  seines  Lebens,  den  der  Vertreibung  der  Schweden  aus 
Pommern,  ausführen  zu  können.  Die  Beziehungen  zwischen 
Paris  und  Stockholm  waren  tatsächlich  immer  ungünstiger  ge- 
worden. 


1  U.  u.  A.,  III,  568  ff. 

*  Ms.  Korrespondenz  zwischen  Berlin  und  Paris,  Mai  bis  Nov.  1680; 
Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  19  D.  21 A. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Bas  französisclie  Bündnis.         279 

Johann  Gyllenstiema  war  durch  einen  frühen  Tod  seiner 
glänzenden  Tätigkeit  entrissen  worden  (Juni  1680),  aber  nicht 
ohne  seine  Grundsätze  --  Stärkung  der  königlichen  Macht  auf 
Kosten  des  Adels,  Erhöhung  der  Einkünfte  des  Staates  durch 
Wiedereinziehung  der  vom  Adel  geraubten  Domänen  und  Bezüge, 
volle  Unabhängigkeit  nach  aufsen  —  dem  jungen  Könige  ein^ 
geprägt  zu  haben.  Dieser  wählte  zu  seinem  hauptsächlichen 
Ratgeber  den  viel  erfahrenen,  ebenso  verschlagenen  wie  beharr- 
lichen und  arbeitsfreudigen  Grafen  Bengt  Oxenstierna,  einen 
alten  Gegner  der  französischen  Partei;  de  la  Gardie,  deren 
Fahrer,  wurde  jedes  Einflusses  beraubt.  Freilich  gab  Oxenstierna 
den  kühnen  Plan  seines  Vorgängers,  eine  neue  skandinavische 
Union  zu  schaffen,  auf.  Allein  er  vertrat  dafür  die  Ansicht, 
Schweden  müsse  im  Bunde  mit  dem  Kaiser,  England  und 
Holland  die  Freiheit  Europas  gegen  die  universalmonarchischen 
Entwürfe  des  übermächtigen  Frankreich  schützen.  Er  begann 
sofort  mit  den  General  Staaten  zu  unterhandelnd  Infolgedessen 
wies  er  jeden  Versuch  zu  einem  erneuten  Bündnis  mit  Frank- 
reich kühl  zurück,  zur  grofsen  Kränkung  des  Allerchrist- 
lichsten  Königs.  Im  November  1680  erklärte  er  dem  französi- 
schen Gesandten  Feuquiferes  —  dem  Vater  R6benacs  —  ganz 
offen,  dafs  Schweden  weit  beträchtlicheren  Nutzen  aus  dem  An- 
schlufs  an  die  franzosenfeindliche  Partei  oder  mindestens  aus 
der  Neutralität  ziehen  werde  als  aus  einer  Allianz  mit  Frank- 
reich *. 

Friedrich  Wilhelm  folgte  diesen  Vorgängen  mit  Aufmerk- 
samkeit und  wachsenden  Hofihungen.  Seit  August  1680  drängte 
er  Röbenac  zum  Abschlüsse  eines  neuen,  engeren  Bündnisses, 
angeblich  ,,um  sich  gegen  die  Umtriebe  des  Kaisers  zusichern", 
in  Wahrheit  um  Schweden  angreifen  zu  können.  Er  war,  nach 
seiner  Art,  Feuer  und  Flamme  für  diesen  Plan,  obwohl  solchem 
die  Minister  ausnahmslos  kühl  und  bedenklich  gegenüberstanden^. 
Sie  fürchteten  üble  Folgen  aus  unbedachtem  und  überstürztem 
Handeln,  während  Friedrich  Wilhelm,  trotz  Alters  und  Krankheit, 
sich  schon  wieder  an  der  Spitze  seiner  wohl  geübten  Regimenter 
vor  Stettin  und  Stralsund  erblickte.    Der  französische  Gesandte 


»  Carlson,  V,  44ff. 

'  Feuquiöres,  Lettres,  V,  177.  183.  185.  203.  208. 

'  Prutz,  347  (Depeschen  Bebenacs). 


280  Siebentes  Buch. 

ging  mit  anscheinendem  Eifer  auf  diese  Unterhandlungen  ein. 
Galt  es  doch,  die  ,, verbrecherischen^  Machinationen  in  und 
aufser  dem  Reiche  wider  die  „friedlichen^  Absichten  Frankreichs 
zu  vereiteln !  Es  mufs  verwunderlich  gewesen  sein,  wie  R6benac, 
Jena  und  Meinders  sich  bei  solchen  Worten  ohne  Lachen  an- 
sahen. Die  Ziele  des  Kurfürsten  waren  ja  ganz  andere.  Er 
will  gröfsere  Subsidien  erhalten,  um  eine  starke  Armee  auf- 
stellen zu  können.  Der  König  soll  ihm  bei  passender  Gelegen- 
heit bewaffnete  Hilfe  zur  Eroberung  Jftgerndorfs  leisten.  Er 
soll  ihn  gegen  Spanien  unterstützen.  Das  neue  Verteidigungs- 
bündnis soll  sich  nicht  auf  den  Fall  eines  feindlichen  Angrifiis 
beschränken;  schon  ein  blofser  „Affront''  seitens  eines  fremden 
Staates  mufs  den  casus  foederis  bilden.  Denn  die  Hauptabsicht 
ist  gegen  Schweden  gerichtet  Um  Frankreich  hierfür  zu  ge- 
winnen, ist  Friedrich  Wilhelm  bereit,  selber  eine  gröfsere  Anzahl 
von  Truppen  zu  stellen,  als  man  von  ihm  verlangt:  die  H&lfte 
deijenigen,  zu  der  sich  der  König  erbietet  ^ 

So  gedachte  der  Kurfürst  Frankreich  als  Werkzeug  seiner 
Pläne  zu  benutzen.  Das  Unglück  war  nur,  dafs  Ludwig  XIV. 
seinerseits  Brandenburg  lediglich  als  seinen  Diener  zu  behandeln 
entschlossen,  und  dafs  er  der  Stärkere  war.  Er  wollte  wohl 
etwas  höhere  Subsidien  gewähren,  als  der  Vertrag  vom  25.  Oktober 
solche  festgesetzt  hatte,  aber  bei  weitem  geringere,  als  man  in 
Berlin  forderte:  Brandenburg  sollte  eben  in  Abhängigkeit  er- 
halten werden.  R6benac  suchte  die  Pille  zu  versüfsen :  für  den 
Notfall  dürfe  man  auf  die  „Generosität"  seines  Königs  zählen ; 
an  diesem  Punkte  der  Subsidien  werde  der  Kurfürst  ein  „so 
heilsames  und  nützliches  Werk"  doch  nicht  „accrochiren"  lassend 
In  der  Tat,  Friedrich  Wilhelm  mufste  nachgeben.  Er  war  von 
der  Besorgnis  erfüllt,  Schweden  könne  ihm  doch  noch  bei 
Frankreich  zuvorkommen.  Als  R^benac  ihm  hiermit  drohte  und 
die  Unterzeichnung  bis  zum  folgenden  Tage  verlangte,  wich  der 


^  Ms.  Jena  u.  Meinders  an  Kurf.,  4.  Sept.,  £urf.  an  Jena  u.  Meinders, 
7.  Sept.,  Fuchs  an  Jena,  24.  Okt.  1680^  Berlin,  G-eh«  Staatsarcliiy,  XI, 
Frankr.  19  D. 

'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  18./23.  Sept.  (a»  a.  O.  21 A),  Jena  und 
Meinders  an  Eurf.,  28.  Okt.  1680  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XLm,  2).  — 
Prutz,  848  f.  —  Im  Berliner  Geh.  Staatsarchiv  befinden  sich  sehr  um- 
fassende Auszüge  aus  K^benacs  Depeschen,  im  Pariser  Auswärtigen 
Ministerium  angefertigt.    Ich  werde  sie  hier  stets  mit  (B.)  anfahren. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französiBche  Bündnis.         281 

Kurfürst  in  der  Subsidienfrage  zurück.  Von  unerträglichen 
Gichtschmerzen  gepeinigt,  die  ihm  das  Schreiben  beinahe  un- 
möglich machten,  befahl  er  seinen  Kommissaren,  abzuschliefsen 
(13.  November  1680).  Am  20.  November  ging  ein  Kurier  mit 
dem  neuen  Vertragsentwürfe  nach  Paris  ab. 

Nicht  nur  auf  seine  Unabhängigkeit,  auch  auf  seine 
schwedischen  Pläne  hatte  der  Kurfürst  einstweilen  verzichten 
müssen,  da  Frankreich  von  solchen  nichts  hören  wollte.  Es 
liefs  ihn  sich  mit  Projekten  eines  Angrifis  auf  das  spanische 
Geldern  amüsieren,  suchte  ihn  aber  vor  allem  auf  den  Kaiser  zu 
hetzen.  Gegen  diesen  sollte  er  Vergröfserung  suchen,  sich 
Schlesiens  und  Mährens  bemächtigen.  Wie  weit  war  Friedrich 
Wilhelm  durch  die  „Freundschaft"  mit  Frankreich  aus  den  alten 
und  natürlichen  Bahnen  seiner  Politik  getrieben! 

Und  doch  fand  er  keinen  Halt  mehr  auf  dem  einmal  ein- 
geschlagenen Wege.  Der  Prinz  von  Oranien  war  am  17.  Ok- 
tober nach  Potsdam  gekommen,  wo  er  allerdings  eine  glänzende  Auf- 
nahme fand,  indes  nichts  Wesentliches  erreichen  konnte.  Sein 
Oheim  versprach  sich  mit  Recht  von  einer  neuen  europäischen  Ko- 
alition gegen  Frankreich  keinen  Erfolg,  solange  England  in  seiner 
zweideutigen  Haltung  verharre.  Die  günstige  Wirkung,  die 
Oraniens  Anwesenheit  immerhin  hätte  üben  können,  wurde  durch 
die  eben  damals  von  den  Generalstaaten  getroffenen  feindseligen 
Mafsnahmen  gegen  die  brandenburgischen  See-  und  Kolonial- 
unternehmungen zunichte  gemacht.  Friedrich  Wilhelm  konnte 
nur  mit  Mühe  von  Akten  offener  Gegnerschaft  zurückgehalten 
werden.  Die  Niederländer,  die  ihn  nicht  zum  Äufsersten  treiben 
wollten,  mäfsigten  in  etwas  die  Plakate,  durch  die  sie  alle  ihre 
Untertanen  von  den  kurfürstlichen  Schiffen  abberufen  hatten. 
Allein  die  Verstimmung  blieb  in  Berlin  herrschend ;  man  versah 
sich  dort  von  den  Vereinigten  Provinzen  keiner  Gunst.  Unver- 
richteter  Sache  verliefs  der  Prinz  das  brandenburgische  Hof- 
lager*. 

Ebensowenig  gelang  es  Lamberg,  den  Kurfürsten  auch  nur 
für  einen  Beitrag  zur  Reichskriegskasse  zu  gewinnen,  die  der 
Kaiser  und  seine  Anhänger  in  Deutschland  zu  bilden  beabsichtigten. 
Er  wolle  sich  nicht  zum  Sklaven  machen  lassen,  erklärte  er, 
und  man  habe  ihn  am  kaiserlichen  Hofe    „auch  sonsten   also 


>  U.U.  A.,  ni,  589  ff.,  XIV,  967  ff.  —  Das  Folgende  nach  XIV,  969  ff. 


282  Siebentes  Buch. 

traktiret",  dafs  er  keine  Ursache  habe,  auf  solche  Vorschläge 
einzugehen.  Das  Äufserste,  wozu  er  sich  herbeiliefs,  war  die 
Versicherung,  er  werde  sich  den  Beschlüssen  der  Mehrheit  des 
Reichstages  nicht  widersetzen  und  überhaupt  nicht  vom  Reiche 
lossagen.  Allein  nur  um  so  nachdrücklicher  forderte  er  vom 
Kaiser  Jägerndorf  und  von  dessen  spanischen  Verwandten  die 
Bezahlung  der  noch  geschuldeten  Subsidien  oder  eine  entsprechende 
Abtretung  im  belgischen  Gelderlande. 

Denn  darauf  ging  nunmehr  seine  Absicht.  Alter  und  Krank- 
heiten hatten  den  feurigen  Sinn  und  die  Unternehmungslust 
dieses  merkwürdigen  Fürsten  nicht  zu  schwächen  vermocht;  er 
war  wie  ein  mutiger,  selbstvertrauender,  der  Zukunft  sicherer 
Jüngling.  Da  er  seine  Entwürfe  auf  Schwedisch-Pommem  ver- 
tagen mufste,  da  der  Kaiser  ihm  Jägemdorf  vorenthielt,  gedachte 
er  sich  des  spanischen  Geldern  zu  bemächtigen.  Eine  Anzahl 
Regimenter  wurde  nach  Kleve  in  Marsch  gesetzt.  Er  wünschte 
dringend,  dafs  Spanien  seine  Drohung  wahr  mache  und  die 
Wegnahme  des  „Garolus  11.^  durch  einen  Einfall  in  das  Klevische 
räche.  Er  wolle,  rief  er  aus,  zehntausend  Taler  demjenigen 
geben,  der  ihm  zuerst  die  Nachricht  von  dem  Erscheinen  spanischer 
Reiter  in  seinem  Gebiete  überbringe  *.  Mit  Frankreich  als  Ver- 
bündetem gedachte  er  dann  Eroberungen  in  Belgien  zu  machen. 

Ludwig  XIV.  war  mit  dem  Gange  der  Dinge  sehr  einver- 
standen: er  hatte  Brandenburg  dahin  geführt,  wo  er  es  hatte 
haben  wollen,  —  in  Gegnerschaft  nicht  zu  Schweden,  sondern 
zu  den  Habsburgem.  In  Paris,  schreibt  Spanheim  am  11.  De- 
zember 1(380  dem  Kurfürsten,  ist  man  „mit  Eurer  Hoheit  ganz 
aufserordentlich  zufrieden  und  hofft  auf  ein  immer  engeres  Ver- 
hältnis"*. Der  König  billigte  den  in  Berlin  verabredeten 
Geheimvertrag,  der  am  l./U.  Januar  1681  zu  Colin  an  der  Spree 
von  R^benac,  Jena  und  Meinders  unterzeichnet  wurde'. 

Das  Bündnis  wurde  auf  zehn  Jahre  abgeschlossen.  Es 
sollte  keine  gewöhnliche  Defensivallianz  sein,  sondern  der  Aus- 
druck vollkommener  Vertraulichkeit  zwischen  den  beiden  ab- 
schliefsenden  Herrschern.  Wenn  einer  der  beiden  Verbündeten 
nicht  nur  in  seinen  Besitzungen  angegriffen  wurde,  sondern  auch 
in  seinen  Rechten,  Gerechtsamen  und  Ansprüchen,  mochte  er  die 


1  Prutz,  349. 

«  Sein  Wortlaut  bei  Mörner,  708ff. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis  283 

Hilfe  des  anderen  anrufen  (Artikel  4).  Und  dabei  durfte  der 
um  Beistand  Angerufene  durchaus  nicht  untersuchen,  ob  der 
Anrufende  recht  oder  unrecht  habe,  ob  er  den  Streit  herbei- 
geführt habe  oder  nicht  (Artikel  5).  Diese  Bestimmungen  hatten 
in  den  Augen  der  französischen  Staatslenker  den  Zweck,  den 
Kurfürsten  auch  zur  Verfechtung  aller  der  Reunionen  zu  ver- 
pflichten, die  sie  auf  Kosten  ihrer  Nachbarn  bereits  gemacht 
hatten  oder  noch  zu  verwirklichen  gedachten.  Allein  es  ist 
eine  ganz  falsche  Auffassung,  wenn  man  behauptet  hat,  Fried- 
rich Wilhelm  habe  sich  hier  ausschliefslich  zum  Diener  der 
französischen  Gewaltpolitik  mifsbrauchen  lassen.  Vielmehr  war 
es  seine  Absicht,  auch  seinerseits  sich  auf  jene  Artikel  zu 
berufen,  wenn  es  galt,  seine  Ansprüche  auf  Jägern dorf,  Ost- 
friesland, das  spanische  Geldern  zu  verwirklichen.  Das  lag  ja 
seiner  ganzen  damaligen  Politik,  seinem  Anschlüsse  an  Frankreich 
zu  Grunde.  Ausdrücklich  setzte  der  20.  Artikel  fest,  dafs  der 
König  ihn  in  seinen  Repressalien  gegen  Spanien  verteidigen 
solle  wider  jeden,  der  ihn  deshalb  feindlich  behandeln  werde; 
und  der  7.  Separatartikel,  dafs,  nach  dem  kinderlosen  Hinscheiden 
des  Prinzen  von  Oranien,  Se.  Majestät  den  Kindern  des  Kur- 
fürsten aus  erster  Ehe  zu  der  ihnen  von  Rechts  wegen  zukommen- 
den oranischen  Erbschaft  zu  verhelfen  habe.  Die  Erfahrungen, 
die  Friedrich  Wilhelm  in  dem  jüngstvergangenen  Kriege  gemacht, 
haben  zweifellos  zu  der  Einfügung  des  siebenten  Artikels  des 
Hauptvertrages  geführt,  der  den  Verbündeten  auf  jeden  Fall 
eine  Entschädigung  für  die  aufgewandten  Kosten  und  Mühen 
des  Krieges  zusicherte.  Und  wenn  der  6.  Artikel  bestimmte, 
dafs  der  um  Hilfe  Angegangene  zwar  nicht  die  Pflicht,  wohl 
aber  das  Recht  habe,  den  Gegnern  des  ihn  Anrufenden  direkt 
den  Krieg  zu  erklären,  so  ging  auch  das  auf  den  Wunsch 
Friedrich  Wilhelms,  eventuell  auf  Kosten  des  Kaisers,  Spaniens 
oder  Schwedens  seinen  Landbesitz  zu  vergröfsem.  Endlich  sagte 
der  Vertrag  dem  Kurfürsten  französische  Hilfsgelder  in  der  Höhe 
von  jährlich  100000  Talern  —  anstatt  wie  bisher  100000  Livres, 
also  das  Dreifache  —  zu. 

Dagegen  kam  es  nur  Frankreich  zu  gute,  wenn  der  Kur- 
fürst sich  jetzt  auf  den  Boden  des  Nymweger  Friedens  stellte, 
gegen  den  er  bislang  protestiert  hatte;  und  wenn  er  versprach, 
sein  Land  jedem  Durchzuge  seitens  gegnerischer  Truppen  oder 
der  Werbung  für  diese  zu  verschliefsen. 


284  Siebentes  Buch. 

Die  Höhe  der  gegenseitigen  militärischen  Hilfeleistung  wurde 
auf  4000  Reiter,  8000  Fufsgänger  und  1200  Dragoner  seitens 
Frankreichs  festgesetzt,  seitens  Brandenburgs  auf  die  Hälfte: 
doch  sollte  sie  erforderlichenfalls  verdoppelt  oder  sogar  verdrei- 
facht werden.  Die  Gewinnung  weiterer  Bundesgenossen  wurde 
als  wünschenswert  bezeichnet,  besonders  die  Dänemarks,  des 
alten  Alliierten,  mit  dessen  Hilfe  der  Kurfürst  die  Schweden 
zu  bekämpfen  gedachte. 

Der  Vertrag  wurde  also  gleicherweise  den  Wünschen  beider 
abschliefsenden  Fürsten  gerecht.  Man  dürfte  nicht  sagen,  dafs 
er  an  sich  für  Frankreich  vorteilhafter  gewesen  als  für  Branden- 
burg; eher  ist  das  Gegenteil  der  Fall.  Allein  tatsächlich  gibt 
bei  dergleichen  Abkommen  die  gröfsere  Macht  den  Ausschlag 
dafür,  wer  aus  ihnen  den  bedeutenderen  Nutzen  zieht.  Und  da 
sollte  Friedrich  Wilhelm  bald  erfahren,  dafs  sein  gewaltiger 
Alliierter  nicht  gewillt  sei,  ihm  die  versprochenen  Vorteile 
wirklich  zu  gewähren,  sondern  solche  nur  für  sich  selbst  ein- 
zuheimsen. Das  Bündnis  verlieh  dem  Brandenburger  wohl  Schutz 
gegen  seine  Feinde,  —  einen  wirklichen  Gewinn  hat  es  ihm  nicht 
verschafft,  sondern  nur  den  Franzosen. 

Der  neue  Vertrag  wurde,  ebenso  wie  der  alte  vom  25.  Ok- 
tober 1679,  streng  geheimgehalten.  Sogar  Spanheim  ei*fuhr 
davon  zunächst  nur  gerüchtweise^.  Um  so  eher  konnten  der 
Kurfürst  und  seine  Minister  —  diese  zum  Teil  in  gutem  Glauben  — 
das  Bündnis  bestimmt  in  Abrede  stellen. 

Dem  Wunsche  Frankreichs  entsprechend  versöhnte  der  Kur- 
fürst sich  mit  dem  hervorragendsten  der  Braunschweiger  Herzoge, 
Ernst  August  von  Hannover,  mit  dem  er  wenige  Tage  später 
ein  Verteidigungsbündnis  schlofs.  Doch  wurde  darin  ausdrücklich 
festgesetzt,  dafs  die  Hilfeleistung  nur  für  den  Fall  stattfinden 
solle,  dafs  der  angegriffene  Kontrahent  nicht  selber  den  Kampf 
verschuldet  habe.  Eine  ähnliche  Allianz  kam  am  18.  April  1681 
zu  Finsterwalde  zwischen  Kurbrandenburg  und  Kursachsen  zu 
Stande'.  Der  seit  wenigen  Monaten  hier  herrschende  Johann 
Georg  III.,  ungleich  seinem  Vater  ein  kräftiger,  das  Soldaten- 
tum  liebender  Regent,  war  voll  guten  Willens,  sich  mit  dem 


^  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  3.  Jan.  1681;  Berlin,  Oteh.  Staatsarchiv, 
XI,  Frankr.  21 B.  —  Bald  darauf  wurde  er  ihm  jedoch  mitgeteilt. 
>  Beide  Verträge  Mörner,  422  ff. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Bas  französische  Bündnis.         285 

brandenburgischen  Nachbar  freundlich  zu  stellen,  und  hatte  ihn 
in  Begleitung  seiner  öemahlin  und  des  Prinzen  Christian  in 
Potsdam  aufgesucht.  Freilich,  jene  Allianzen  Tiaren  mehr 
platonischen  Wesens  und  hatten  auf  die  vorliegenden  Streitfragen 
keinen  Bezug.  ,,Sie  taugen  nicht  so  viel  wie  eine  Bohne,*'  sagte 
Jena  verächtlich  ^ 

Der  sechste  Separatartikel  des  französisch-brandenburgischen 
Vertrages  verhiefs  dem  Kurfürsten  den  Beistand  Frankreichs, 
wenn  jemand  ihn  oder  seinen  zweiten  Sohn  Ludwig  in  dessen 
Vermählung  mit  der  Prinzessin  Luise  Charlotte  Radziwill  oder 
dem  Besitze  ihres  reichen  Erbes  beeinträchtigen  wolle.  Diese 
Bestimmung  richtete  sich  hauptsächlich  gegen  das  polnische 
Königspaar,  das  seinem  eigenen  Sohne  Jakob  durch  Heirat  oder 
einen  mit  rechtlichen  Formen  umkleideten  Raub  die  ungeheuren 
Radziwillschen  Güter  zu  verschaffen  wünschte  (vgl.  oben,  S.  31  f.)- 
Als  Markgraf  Ludwig  die  Prinzessin  geehlicht,  zeigte  sich  König 
Johann  Sobieski  zunächst  sehr  ungebärdig  und  drohte  mit  Krieg. 
Allein  die  französische  Regierung  verfehlte  nicht,  ihn  mit  einem 
kalten  Wasserstrahl  zu  beruhigen,  und  da  überdies  ein  Türken- 
krieg drohte,  zerflatterten  die  Rachepläne  des  polnischen  Königs 
bald  in  nichts;  er  wagte  es  nicht  einmal,  dem  Prinzen  Ludwig 
das  zum  Besitze  der  polnischen  Güter  seiner  jungen  Gattin  not- 
wendige Indigenatsrecht  zu  versagen'. 

Das  war  immerhin  eine  günstige  Wirkung  der  französischen 
Freundschaft.  Aber  weit  wichtiger  erschien  sie  dem  Kurfürsten 
im  Hinblick  auf  die  nordischen  Verhältnisse ,  wo  ihm  der  Er- 
oberungskrieg gegen  Schweden  als  stetes  Ziel  seiner  Wünsche 
vor  Augen  schwebte.  Zu  diesem  Behufe  arbeitete  er  unaus- 
gesetzt auf  eine  brandenburgisch -französisch -dänische  Tripel- 
allianz hin,  die  Schweden  in  die  ungünstigste  Lage  bringen 
mufste^.  Der  dänische  Gesandte  in  Paris,  Hoeg,  erhielt  von 
seiner  Regierung  den  Auftrag,  in  gleichem  Sinne  tätig  zu  sein. 
Auch  Croissy ,  der  ja  Friedrich  Wilhelm  überhaupt  zum  eigent- 
lichen Pfeiler  der  französischen  Politik  in  Deutschland  und  dem 


1  U.  u.  A.,  XrV,  988.  994. 

*  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  21 B.  —  Feuquiöres, 
V,  228.  —  U.  u.  A.,  n,  588,  XIV,  991. 

'  Über  dies.  Verhandlungen  die  Ms.  Korrespondenz  des  KnrfOrsten 
mit  Spanheim,  Jan.  bis  Mai  1681 ;  Qteh.  Staatsarchiv,  a.  a.  0.  —  ü.  u.  A., 
m,  604. 


286  Siebentes  Buch. 

Norden  zu  machen  gedachte,  schon  -weil  ihm,  im  Hinblick  auf 
die  zukünftige  Kaiserwahl,  ein  einflufsreicher  KurfQrst  wichtiger 
erschien  als  Schweden,  war  dem  Abschlüsse  eines  solchen  Drei- 
bundes geneigt.  Aber  sein  König  war  anderer  Ansicht :  er  wollte 
Schweden,  den  langjährigen  Alliierten  Frankreichs,  nicht  geradezu 
in  die  Arme  von  dessen  Feinden  treiben,  zu  Gunsten  des  Branden- 
burgers, dessen  innerliche  Abneigung  gegen  Frankreich  er  wohl 
kannte,  und  auf  dessen  Treue  im  entscheidenden  Augenblick  er 
keineswegs  zählte.  Er  verlangte  also,  dafs  auch  Schweden  in 
den  nordisch-französischen  Bund  aufgenommen  werde ;  und  unter 
seiner  Einwirkung  änderte  Dänemark  gleichfalls  die  Haltung. 
Der  Kurfürst  war  über  die  drohende  abermalige  Vereitelung  des 
Hauptzieles  seiner  Politik  entrüstet :  mit  Schweden ,  schrieb  er 
an  Spanheim,  werde  er  keinesfalls  in  eine  Allianz  eintreten. 
Darin  vermochte  ihn  auch  die  Ankunft  eines  dänischen  Gesandten, 
Buchwald,  in  Berlin  nicht  irrezumachen,  der  ihn  bereden 
wollte,  sich  dem  1680  eingegangenen  dänisch -schwedischen 
Bündnisse  anzuschliefsen. 

So  trat,  schon  wenige  Monate  nach  dem  neuen  Geheim- 
vertrage,  eine  gewisse  Spannung  zwischen  Brandenburg  auf  der 
einen,  Frankreich  und  Dänemark  auf  der  anderen  Seite  ein.  Sie 
wurde  indes  durch  die  Gestaltung  der  allgemeinen  europäischen 
Verhältnisse  wieder  beseitigt. 

Frankreich  hatte  seine  Raubpolitik  mit  einer  durch  die 
offenbare  Wehrlosigkeit  seiner  Opfer  erhöhten  Kühnheit  fort- 
gesetzt. Auf  Grund  der  von  den  Reunionskammern  von  Metz, 
Breisach  und  Besannen  gefällten  angeblichen  Urteile  bemächtigte 
es  sich  des  gröfsten  Teils  des  spanischen  Herzogtums  Luxemburg, 
der  dem  Prinzen  von  Oranien  gehörigen  Grafschaft  Chiny,  der 
württembergischen  Grafschaft  Mömpelgard,  eines  Teiles  der 
Rheinpfalz,  der  Gebiete  von  Salm,  Saarbrücken  und  Sponheim, 
von  Veldenz  und  Lützelstein ;  es  beanspruchte  endlich  die  Ober- 
hoheit über  das  dem  Könige  Karl  XI.  untertane  Herzogtum 
Zweibrücken.  Das  von  diesen  Gewalttaten  hauptsächlich 
betroffene  Deutsche  Reich  aber  litt  unter  tiefgehender  Spaltung. 
Brandenburg,  die  Braunschweiger  Herzoge,  Köln  und  Münster 
bildeten  eine  förmliche  französische  Partei,  zu  der  auch  Bayern 
neigte.  Österreich  konnte  jetzt  auf  Sachsen,  Trier,  Mainz,  sowie 
die  kleineren  geistlichen  und  weltlichen  Fürsten  zählen,  deren 
Stimmen  ihm  eine,  freilich  in  den  Tatsachen  ziemlich  wirkungslose 


Dreiundvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.         287 

Mehrheit  auf  dem  Regensburger  Reichstage  verschafften.  Georg 
Friedrich  von  Waldeck,  seit  einem  Jahrzehnt  in  niederländischen 
Diensten,  hatte  eine  Anzahl  dieser  Kleinfttrsten  und  Dynasten 
in  Westdeutschland,  dazu  die  Landgrafen  von  Hessen,  die 
Bischöfe  von  Bamberg  und  Würzburg,  den  Herzog  von  Gotha, 
sowie  den  Fürstabt  von  Fulda  zu  einer  reichspatriotischen 
„Union  armierter  Stände^  vereint.  Mehrere  andere  Fürsten 
endlich  waren  zur  Neutralität  entschlossen  ^  Der  Kaiser  seiner- 
seits hatte  im  Sommer  1681  eine  Reform  der  Reichskriegs- 
verfassung in  Regensburg  durchgesetzt,  die  wirklich  die  militärische 
Kraft  des  Reiches  bedeutend  verstärkt  haben  würde,  wenn  man 
nur  ihrer  Ausführung  sicher  gewesen  wäre.  Allein  dazu  war 
nur  geringe  Aussicht.  Es  war  ein  schlimmes  Zeichen,  dafs 
gerade  der  mächtigste  Fürst,  Friedrich  Wilhelm  von  Branden- 
burg, sich  der  Stärkung  der  deutschen  Wehrkraft  auf  das  ent- 
schiedenste widersetzte.  Er  wünschte  jedem  Reichsstande  das  Recht 
und  die  Pflicht  zu  wahren,  „sich  nach  seinem  besten  Vermögen 
selber  in  Positur  zu  setzen".  Er  wollte  zumal  von  einer  gemein- 
samen Reichskriegskasse,  die  doch  eine  unentbehrliche  Grund- 
lage jeder  ernsthaften  Reichsarmee  bilden  mufste,  nichts  wissen, 
da  hierdurch  die  Gewalt  des  Kaisers  über  Kurfürsten  und 
Stände  allzusehr  verstärkt  werde.  Sein  Groll  über  Leopold  und 
die  diesem  getreue  Reichstagsmehrheit  trug  damals  über  jede 
patriotische  Regung  den  Sieg  davon.  Hier  ist  doch  nicht  mehr 
von  klugen  politischen  Erwägungen,  die  im  Grunde  das  wahre 
Interesse  Deutschlands  verfolgt  hätten,  sondern  nur  von  Ab- 
neigung, Schadenfreude  und  Selbstsucht  die  Rede,  die  —  wenn 
auch  nur  momentan  —  das  tief  verwundete  Gemüt  Friedrich 
Wilhelms  beherrschten  und  ihn  Deutschlands  Kraft  und  Ansehen 
absichtlich  herabwürdigen  liefsen.  Sein  Gesandter  in  Regens- 
burg, Friedrich  von  Jenas  Bruder  Gottfried,  arbeitete  den  kaiser- 
lichen Vorschlägen  beharrlich  entgegen.  Kein  Wunder,  dafs  die 
französische  Regierung  ihre  volle  Befriedigung  über  die  Haltung 
Brandenburgs  am  Reichstage  aussprach*.  In  seiner  Verzweif- 
lung hatte  Österreich  im  April  1681  dem  Kurfürsten  ein  Sonder- 
bündnis angetragen,  bei  dem  dessen  reichsrechtliche  Bedenken 
ja  keine  Statt  fanden;  natürlich  war  der  Vorschlag  sofort  mit 


*  Fenquiferes,  V,  231ff.  —  Erdmannsdörffer,  666. 
'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  6.  Juni  1681. 


288  Siebentes  Buch. 

Entschiedenheit  abgelehnt  worden  ^  Auch  das  durch  die 
französischen  Raubtaten  plötzlich  von  aller  Rachsucht  gegen 
Friedrich  Wilhelm  geheilte  Spanien  katte  ihm  den  belgischen 
Baron  von  Autel  mit  einem  Hilfegesuch  zugesandt,  —  be- 
greiflicherweise mit  dem  gleichen  Mifserfolge '.  Die  Habsburger 
mufsten  in  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  ihren  ausgesprochenen 
Gegner  erblicken. 

Das  Bündnis  mit  dem  Reichsfeinde  wurde  freilich  dem  Kur- 
fürsten immer  lastender,  je  rücksichtsloser  und  kecker  Ludwig 
in  der  Beraubung  des  deutschen  Besitzstandes  vorging.  Es 
wurde  bald  klar,  dafs  er  auch  das  Kleinod  des  Oberrheins, 
Strafsburg,  ins  Auge  gefafst  hatte.  Die  Erbitterung  in  Deutsch- 
land gegen  den  übermütigen  Gewaltherrscher  an  der  Seine  wuchs 
derart,  dafs  dieser  es  für  gut  hielt,  einen  Kongrefs  in  Frank- 
furt vorzuschlagen,  um  sich  gütlich  mit  dem  Reiche  auseinander- 
zusetzen. Das  deutsche  Gemüt  Friedrich  Wilhelms  und  sein 
Selbsterhaltungstrieb  konnnten  sich  endlich  diesen  Stimmungen 
nicht  mehr  entziehen.  Gehörten  doch  die  Grafschaften  Sponheim  und 
Chiny  zu  der  oranischen  Erbschaft,  deren  Anheimfall  an  seinen 
Sohn  zu  bewirken  Ludwig  XIV.  in  dem  jüngsten  Vertrage  aus- 
drücklich versprochen  hatte.  Auch  die  täglich  grausamere  Be- 
drückung seiner  Glaubensgenossen  in  Frankreich  schmerzte  den 
frommen  Fürsten  tief.  Er  richtete,  obwohl  in  achtungsvoller 
Weise,  bewegliche  Vorstellungen  an  den  AUerchristlichsten 
König.  Warum,  sagten  zugleich  seine  Minister  dem  Grafen 
R6benac,  werde  man  nicht  eines  Tages  auch  Magdeburg  und 
Berlin  fordern  ?  Der  Gesandte  wie  sein  Hof  begannen  ernstlich 
an  der  Fortdauer  des  guten  Willens  des  Kurfürsten  zu  zweifeln'. 
Es  mufste  ein  gewaltiger  Anstofs  von  aufsen  kommen,  um  diesen 
bei  dem  französischen  Bündnisse  festzuhalten. 

Aber  dieser  Anstofs  kam. 

Karl  XL  von  Schweden  war  unter  dem  Einflüsse  Bengt 
Oxenstiemas  immer  entschlossener   in   das  Lager   der  Feinde 

^  Die  österreichisch -brandenburglBolien  Beziehungen  in  der  ersten 
Hälfte  des  Jahres  1681  werden  durch  die  Aktenstacke  ü.  u.  A.,  XIY, 
982  ff.  hinreichend  erläutert. 

*  Ms.  Instr.  an  Autel,  19.  März  1681  (Kopie);  Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv, Eep.  XCIV,  IV  Hb. 

»  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  6.  Sept.  1681.  —  Feuquiires,  V,  247f.  — 
U.  u.  A.,  ni,  607.  —  Prutz,  240f.  352f. 


Dreinndvierzigstes  Kapitel.    Das  französische  Bündnis.  289 

Frankreichs  übergegangen  ^  Es  umgaben  ihn  nur  noch  Gegner 
dieses  Staates.  Die  schwedischen  Diplomaten  arbeiteten  aller- 
orten gegen  die  französischen  Interessen,  im  Anschlüsse  an  die 
Vertreter  des  Kaisers  und  der  Niederlande.  Sie  suchten  eine 
grofse  europäische  Koalition  zur  Verteidigung  gegen  Frankreich 
zu  Stande  zu  bringen,  namentlich  ein  Bündnis  mit  England  und 
den  Niederlanden  hierfür  zu  schliefsen.  Alle  Gegenbemühungen 
Frankreichs,  den  Schwedenkönig  durch  Erbieten  reicher  Hilfs- 
gelder wieder  auf  seine  Seite  zu  bringen,  blieben  fruchtlos.  Die 
Einziehung  Zweibrückens  als  französischen  Lehens  und  dessen 
Übertragung  auf  einen  anderen  Zweig  des  Pfälzer  Hauses 
empfand  Karl  XI.  vielmehr  als  eine  persönliche  Kränkung.  So 
ging  er,  nach  längerer  Vorbereitung,  am  10.  Oktober  1681 
wenigstens  mit  den  Generalstaaten  auf  zwanzig  Jahre  hin  den 
„Assoziationsvertrag*'  ein,  zur  Aufrechterhaltung  des  West- 
fälischen und  des  Nymweger  Friedens  mit  bewafiheter  Hand, 
also  zur  Abwehr  der  Gewalttaten,  die  Frankreich  gegen  jene 
Verträge  bereits  unternommen  hatte  und  noch  beabsichtigte. 
Der  Assoziationsvertrag  war  von  vornherein  dazu  bestimmt,  alle 
von  der  Übermacht  und  Raubgier  Ludwigs  XIV.  bedrohten 
Staaten  zu  vereinigen;  er  bildete  den  Kern,  um  den  sich  die 
grofse  europäische  Freiheitsliga  kristallisieren  sollte. 

Damit  war  eine  Sachlage  geschaffen,  die  in  ihrer  Gegen- 
wirkung Frankreich  wieder  enger  an  Brandenburg  anschliefsen 
mufste. 


'  Feuquiferes,  V,  240.  251.  2Ö9ff.  267.  —  Carlson,  V,  I69ff. 


Phi lipp 8 on,  Der  Grofse  Kurfürst.    III.  19 


Vierundvierzigstes  Kapitel. 

Der  Anschlag  auf  Schweden. 


Der  30.  September  1681  war  der  Tag,  an  dem  Frankreich 
im  Angesichte  des  entrüsteten  und  entsetzten  Europa  kühn  seine 
Hauptschl&ge  gegen  das  Völkerrecht  und  die  universale  Frei- 
heit führte:  am  Rhein  nahm  es  Strafsburg,  in  Oberitalien  das 
überaus  feste  Gasale  in  Besitz,  —  es  streckte  seine  mächtigen 
Hände  zu  gleicher  Zeit  nach  der  Herrschaft  über  Deutschland 
und  über  die  Apenninenhalbinsel  aus.  Das  war  ein  furchtbarer 
Augenblick  für  alle,  die  noch  ein  Herz  für  nationale  und  religiöse 
Freiheit  besafsen.  Wie  schmerzliche  Empfindungen  mufsten  da 
das  Gemüt  Friedrich  Wilhelms  bewegen,  der  neun  Jahre  zuvor 
als  erster  das  Schwert  für  diese  Freiheit  gezogen  hatte! 

In  der  Tat,  Ludwig  XIV.  mifstraute  seinem  früheren  Giegner 
auf  das  tiefste ;  er  setzte  voraus,  die  Wegnahme  von  Strafsburg, 
auf  die  er  den  Kurfürsten  in  keiner  Weise  vorbereitet  hatte, 
werde  diesen  Herrscher  vollends  zu  seinem  Gegner  machen.  Hatte 
er  doch  erst  vor  kurzem  ihm  versprochen,  während  der  Dauer 
der  Frankfurter  Friedenskonferenzen  würden  die  Reunions- 
kammem  ihre  Tätigkeit  einstellend  Am  8.  Oktober  suchte  er 
in  einem  Schreiben  an  R^benac  seine  Tat  zu  rechtfertigen  —  die 
Hauptstadt  des  Elsafs  müsse  nun  einmal  mit  diesem  Lande  dem 
Könige  gehören,  sonst  würde  sie  von  lothringischen  Truppen 
besetzt  werden  —  und  verlangte  zugleich  eine  offene  Erklärung 
des  Kurfürsten,  wie  er  sich  jenem  Ereignisse  sowie  dem  kaiser- 
lichen Proteste  gegenüber  zu  verhalten  gedenke.    Davon  hingen 


^  Ms.  Depeschen  Röbenacs  vom  Juli  1681  (B). 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        291 

dann  Frankreichs  zukünftige  Beziehungen  zu  Brandenburg  ab^ 
Zugleich  mit  dieser  ernsten,  fast  drohenden  Anfrage  kam  aber 
eine  Meldung  Spanheims,  dafs  Croissy  den  Kurfürsten  mit  grofsen 
Lobsprüchen  bedenke,  dafs  der  französische  Minister  behaupte, 
nur  um  Brandenburgs  willen  schliefse  man  mit  Schweden  nicht 
ab  —  was  aber  der  Wahrheit  durchaus  widersprach  — ,  und 
dafs  der  König  selber  die  Auszahlung  der  fälligen  Subsidienrate 
anbefohlen  habe '.  So  richtete  der  Minister  in  höchst  geschickter 
Weise,  ohne  sich  irgendwie  zu  binden,  das  Auge  des  Kurfürsten 
auf  Schweden. 

Mit   vollem   Erfolge.    Friedrich   Wilhelm   erschien  es  bei 
reiflichem  Nachdenken  um  so  weniger  möglich,  Frankreich  zu 
bekämpfen,  als  Kaiser  und  Reich  durch  die  Ungarn  und  Türken 
auf  das  schwerste  bedroht  waren  ^.    Er  meinte,  man  müsse  nur 
retten,  was  noch  zu  retten  sei.    Freilich  gab  er  zunächst  seiner 
Trauer  über  die  mafslosen  und  die  Zukunft  bedrohenden  Annexionen 
Frankreichs  Ausdruck ,  allein  er  betonte  dabei  hauptsächlich  die 
Schwierigkeiten,  in  die  er  selber  mit  seinen  französischen  Be- 
ziehungen, dem  gerechten  patriotischen  Ingrimm  Deutschlands 
gegenüber,  gerate.    Und  als  R6benac  ihn  auf  Schweden  verwies, 
„da  warf  er  sich  auf  Pommern  und  eroberte  es  in  seiner  Rede 
ebenso  leicht,  wie  er  es  wirklich  tun  könnte,  wenn  er  es  unter* 
nähme  und  dabei  von  Sr.  Majestät  von  Frankreich  unterstützt 
würde**  *.    Er  erklärte  sich   bereit ,   auch  nach  der  Besetzung 
Strafsburgs  den   Frieden  im  Reiche  aufrechtzuerhalten;    dafür 
solle  der  König  seine  Rechte  und  Absichten  gegen  den  gemein- 
samen Feind,  Schweden,  begünstigen.     Der  Gegensatz,  der  sich 
zwischen  Paris  und  Stockholm  herausgestellt  hatte,  genügte,  um 
den    Kurfürsten    bedingungslos    dem    französischen    Interesse 
zuzuwenden,  als  dem  einzigen,  von  dem  er  solide  Vorteile  zu 
erwarten  habe.    „Wenn  unser  König,"  so  schreibt  R6benac  seinem 
Vater  Feuquiöres,  dem  Gesandten  in  Stockholm,  „mir  Vollmacht 
zum   Abschlüsse    gibt,  mache  ich  mich  anheischig,    den  Kur- 
fürsten inmitten  Schwedisch  -  Pommerns  zu  bringen,  bevor  zwei 
Monate  verflossen   sind."^    Drei  Tage,  nachdem  die  Nachricht 


'  Prutz,  853. 

■  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  3.  Okt.  1681. 

■  Ms.  Depeschen  R^benacs  vom  Ende  Sept.  1681  (B). 
*  Dep.  E6benacs  vom  15.  Okt.  1681;  Prutz,  353 f. 

»  Peuquiires,  V,  259.  267 ff. 

19* 


292  Siebentes  Buch. 

von  der  Einnahme  Strarsburgs  nach  Berlin  gekommen  war. 
schenkte  Friedrich  Wilhelm  dem  Grafen  R6benac  einen  kost- 
baren, mit  Diamanten  besetzten  Degen,  um,  wie  er  sagte,  nauch 
in  Kleinigkeiten  zu  zeigen,  dafs  durch  das  Vorgefallene  seine 
Gesinnung  gegen  Ludwig  XIV.  und  seine  Freundschaft  für  den 
Gesandten  nicht  verändert  seien**.  —  „Das  sind  die  Steine,  mit 
denen  man  mich  hier  bewirft,**  ruft  R6benac  in  höhnendem 
Jubel  aus^ 

Niemand  hat  sich  tiefer  vor  Frankreich  gedemtttigt,  niemand 
Deutschlands  Ehre  und  Unabhängigkeit  nichtachtender  behandelt, 
als  es  damals  der  Grofse  Kurfürst  tat,  um  an  seinem  ungetreuen 
ehemaligen  Verbündeten  Vergeltung  zu  üben  und  um  seinem 
Staate  die  von  ihm  als  notwendig  betrachtete  Abrundung  an 
der  Ostseeküste  zu  verschaffen.  Es  liegt  etwas  Tragisches  in 
der  Stellung,  die  hier  der  greise  Fürst  einnehmen  zu  müssen 
glaubte,  und  die  doch  seinem  wahren  Empfinden,  den  Über- 
lieferungen seines  ganzen  Lebens  und  den  bleibenden  Interessen 
seines  Staates  widersprach.  Würde  er  wenigstens  die  gehoffteu 
greifbaren  Vorteile  aus  ihr  ziehen? 

Freilich,  die  übrigen  Beichsstände  und  ihr  Oberhaupt 
erschöpften  sich  lediglich  in  patriotischen  Zomesphrasen  und 
diplomatischem  Scheingefecht.  Es  war  nicht  unrichtig,  wenn 
der  Kurfürst  ausrief:  „Es  wäre  nunmehr  Zeit,  dafs  Leopold 
sich  Kaiser  zu  sein  erwiese.**'  Aber  so  rückhaltlos  hat  sich 
keiner  dem  Bäuber  in  die  Arme  geworfen  wie  Friedrich  Wilhelm. 

Er  begründete  das  gelegentlich  selber  dem  Grafen  Lamberg 
gegenüber:  die  Mifshelligkeiten  und  „Jalousien**  im  Innern  des  Bömi- 
schen  Reiches;  die  Unmöglichkeit,  den  Reichstag  zu  festen  Be- 
schlüssen zu  bringen ;  der  Mangel  am  „nervus  rerum  gerendarum** ; 
das  Fehlen  zuverlässiger  Hilfe  von  selten  der  fremden  Mächte ;  die 
Unruhen  in  Ungarn  und  der  drohende  Türkenkrieg,  —  alles  das 
seien  Umstände,  die  einen  billigen  Friedensschi ufs  mit  Frankreich 
ratsamer  erscheinen  liefsen  als  einen  Krieg,  der  dem  Vaterlande 
nur  neues  Unglück  bringen  werde.  Zweifellos  ist  an  diesem 
Urteil  viel  Wahres,  allein  die  Gesinnung  in  Deutschland, 
Schweden,  den  Niederlanden  war  doch  derart,  dafs  damals  ein 
Krieg  gegen  Frankreich  weit  bessere  Aussichten  geboten   hätte 


»  Fcuquieres,  V,  265.  —  Prutz,  354. 

2  U.  u.  A.,  XIV,  1007.  —  Das  Folgende  nach  ebendas.  1011.  1044  f. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        293 

als  1672  oder  1674,  wo  der  Kurfürst  sich  heldenmtttig  in  solchen 
gestarzt  hatte,  um  die  Übermacht  und  Gewalttätigkeit  Lud- 
wigs XIV.  einzudämmen.  Und  trug  er  nunmehr  nicht  selber 
die  Hauptschuld  an  den  Streitigkeiten  und  am  Scheitern  einer 
festen  Finanz-  und  Kriegsverfassung  im  Reiche?  Jene  Be- 
trachtungen geben  auch  nicht  die  ganze  Denkweise  Friedrich 
Wilhelms  wieder.  Tief  im  Herzen  safs  ihm  der  Groll  gegen 
den  Kaiser,  der  ihm  —  wie  er  dem  dänischen  und  dem  holländi- 
schen Gesandten  sagte  —  auch  jetzt  „nichts  Solides  vorbringe, 
sondern  lauter  leere  Worte  und  Vertröstungen,  sowohl  von  ihm 
selbst  wegen  Jägemdorf  als  von  Spanien  wegen  der  Satisfaktion ; 
man  wisse  auch  nicht,  wessen  man  sich  auf  Se.  Majestät  zu  ver- 
lassen habe,  und  scheine  es  gleichsam,  als  wäre  weder  Kaiser 
noch  Römisches  Reich  mehr  vorhanden**.  Und  zu  all  diesen 
negativen  Gründen,  an  Frankreich  festzuhalten,  kam  der  positive, 
mit  dessen  und  seiner  Verbündeten  Hilfe  das  schwedische 
Pommern  ganz  oder  teilweise  zu  erobern.  Wir  werden  sehen, 
dafs  er  hierüber  gerade  zu  jener  Zeit  mit  Dänemark  Rück- 
sprache hielt. 

Nach  langen  Vorverhandlungen  wegen  lächerlicher  Etikette- 
streitigkeiten begann  der  Frankfurter  Friedenskongrefs  endlich 
im  Dezember  1681.  In  Übereinstimmung  mit  Brandenburg 
schlug  Frankreich  daselbst  vor:  auf  alle  weiteren  Reunionen 
zu  verzichten,  wenn  man  ihm  die  bisherigen,  mit  Einschlufs 
Strafsburgs,  belasse;  ja,  es  wolle  dann  selbst  seine  Besitzungen  am 
rechten  Rheinufer,  namentlich  Freiburg,  zurückerstatten.  Das 
war  offenbar  unter  den  damaligen  Umständen  eine  nicht 
ungünstige  Lösung  der  Schwierigkeiten,  zumal  wenn  das  Über- 
einkommen nicht  als  ein  endgültiges,  sondern  nur  als  ein  pro- 
visorisches, auf  eine  längere  Reihe  von  Jahren  hin  bindendes 
abgeschlossen  wurde.  Allein  der  Kaiser  —  wer  möchte  ihn 
deshalb  schelten?  —  wollte  die  Beraubung  des  Reiches  in  keiner 
Weise  sanktionieren  und  warb  vielmehr  mit  Eifer  um  Herstellung 
eines  grofsen  Kriegsbundes  unter  den  Reichsständen.  I>Yiedrich 
Wilhelm  aber  in  seiner  Verstimmung  sah  aus  solchen  Bemühungen 
nur  Unheil  erwachsen.  Er  wolle,  sagte  er  dem  kaiserlichen 
Gesandten,  durch  das  Abkommen  mit  den  Franzosen  wenigstens 
auf  einige  Zeit  das  Reich  des  Ruhestandes  versichern,  damit 
inzwischen  Anstalten  zur  Gegenwehr  getroffen  und  die  Unruhen 
in  Ungarn   beigelegt   werden   könnten.    Er   vermochte  darauf 


294  Siebentes  Buch. 

hinzuweisen,   dafs   für   den    Fall    des   friedlichen    Abschlusses 
Ludwig  XI Y.  sogar  dem  Kaiser  50000  Mann  gegen  die  Türken 
zur  Verfügung  stellen   wolle.    Er   sandte  seinen  Legationsrat 
von  Ruck  —  denselben,  der  in  Spanien  gewesen  war  —  an  die 
vier   rheinischen   Kurfürsten,   um  sie  für   die   Erhaltung   des 
Friedens  auf  Grund  des  französischen  Vorschlages  zu  gewinnen 
(Januar  1682).    Ruck  fand  bei  den  für  ihre  Sicherheit  besorgten 
Herren  freudige  Zustimmung  und   ebenso  ein  anderer  branden- 
burgischer  Abgesandter,  Klamor  Busch,  in  Münster  und  Kassel. 
Zwar  erschien  Herzog  Ernst  August  von  Hannover,  der  kürzlich 
zur  kaiserlichen  Partei  zurückgekehrt  war,  in  Berlin,  um  Fried- 
rich Wilhelm  auf  diese  Seite  hinüberzuziehen,  er  mufste  aber  ohne 
jeden  Erfolg  wieder  abreisen,  freilich  ohne  dafs  es  anderseits 
dem  Kurfürsten  geglückt  wäre,  ihn  für  die  Friedenssache  zu 
gewinnen.     Ebensowenig  führten  Brandenburgs  Verhandlungen 
in   gleichem  Sinne  mit  Bayern,  durch  Gottfried  von  Jena,  und 
mit  Sachsen,  durch  Meinders,  zum  Ziele.   Beide  Staaten  erklärten, 
in  Übereinstimmung  mit  Hannover  und  den  Waldeckschen  Ver- 
bündeten :    im   gegenwärtigen   Augenblicke    sei   die   Sache   des 
Reiches  von  der  des  Kaisers  nicht  zu  trennen,  und  der  Er- 
oberungslust Frankreichs  müsse   endlich  eine  Grenze   gezogen 
werden.    Bayern  stellte  ernstliche  Rüstungen  gegen  die  Fran- 
zosen an. 

Deutschland  war  von  neuem  unheilbar  zerrüttet,  in  eine 
brandenburgisch-französische  und  eine  kaiserlich-unierte  Partei 
gespalten  ^ 

Man  dürfte  nicht  meinen,  dafs  Friedrich  Wilhelm  der  Not 
des  Vaterlandes  gleichgültig  gegenübergestanden  hätte.  Er  ver- 
hehlte seine  Meinung  in  Paris  nicht,  dafs  die  „bei  den  sogenannten 
Reunionen  und  Inkorporationen  vorgefallenen  Tätlichkeiten  und 
Violationeu  denen  Münsterschen  'und  Nymwegenschen  Friedens- 
traktaten keineswegs  konform  noch  daraus  einigermafsen  justi- 
fiziert  werden  könnten,  sondern  direkt  zuwiderlaufen".  Sein 
Gesandter  Spanheim  erklärte  dem  Minister  Croissy,  dafs  eine 
Fortsetzung  solcher  «Spoliationen"  notwendig  zum  Bruche  mit 
dem  Reiche  führen  müsse,  den  der  Kurfürst  allein  noch  auf- 


'  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  20.  Jan.  1682.  —  Pufendorf,  XVIII, 
34^-42.  —  U.  u.  A.,  XIV,  1011.  1016.  1019 f.  —  K.  Th.  Heigel,  Quellen 
u.  Abhandl.  z.  neueren  Gesch.  Bayerns,  neue  Folge,  S.  90—94. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.       295 

halte  ^.  Allein  mit  Gewalt  glaubte  er  eben  für  den  Augenblick 
nichts  gegen  Frankreich  ausrichten  zu  können,  und  überdies 
erfüllte  ihn  dessen  wachsendes  Zerwürfnis  mit  Schweden  mit 
den  freudigsten  Hoffnungen.  Ludwig  XIV.  erliefs  im  Dezember 
1681  eine  förmliche  Absage  an^Karl  XI.,  der  sich  wirklich  mit 
aller  Macht  für  die  Sammlung  Europas  um  den  Assoziations^ 
vertrag  bemühte,  und  von  dem  man  den  Ausspruch  anführte: 
wie  Gustav  Adolf  einst  der  erste  gewesen,  sich  der  damals  allzu 
furchtbaren  Macht  des  Hauses  Österreich  zu  widersetzen,  werde 
jetzt  er  der  erste  sein,  die  Krone  Frankreichs  in  engere  Grenzen 
zu  zwingen '.  Ebenso  ausdrücklich  wies  Ludwig,  seit  dem  2.  No- 
vember 1681,  den  Kurfürsten,  ,|den  sichersten  Alliierten,  den  er 
haben  könne*,  auf  Schweden  hin,  von  dem  Brandenburg  „seinen 
Vorteil  ziehen*'  möge.  Er  beauftragte  R6benac,  «den  Hoffnungen 
des  Kurfürsten  in  betreff  Schwedens  auf  geschickte  Weise  zu 
schmeicheln''.  —  „Tag  und  Nacht  denkt  er  daran, '^  antwortete 
der  Gesandte  seinem  Könige^.  Dieser  Monarch  hat  also  in 
bestimmtester  Form  die  Anschl&ge  Friedrich  Wilhelms  auf  Vor- 
pommern gebilligt,  ja  selber  angeregt. 

Brandenburg  allein  erschien  Ludwig  ungenügend,  um 
Schweden  mattzusetzen  und  möglichen  Falles  für  seine  Ab- 
wendung zu  züchtigen:  Dänemark  sollte  hierfür  gleicherweise 
ins  Feld  geführt  werden.  Der  neue  französische  Gesandte  in 
Kopenhagen,  Martangis,  erhielt  den  Auftrag,  mit  dieser  Macht 
einen  Bündnisvertrag  zu  schliefsen,  ihr  im  Frieden  450000,  für 
die  Kriegszeit  1 800  000  Livres  zu  versprechen.  Dänemark  aber 
schwankte  noch  zwischen  diesen  Anerbietungen  und  denjenigen, 
die  ihm  die  Generalstaaten  für  seinen  Anschlufs  an  den 
Assoziationsvertrag  machten.  Sein  Gesandter  in  Paris,  Meyer- 
eroon,  sprach  sogar  Spanheim  die  Überzeugung  aus,  dafs  Däne- 
mark und  Brandenburg  durch  ein  enges  Bündnis  mit  den  Nieder- 
landen gröfseren  Vorteil  erlangen  könnten  als  auf  Seite  Frank- 
reichs. Und  wie  in  Liebessachen  die  spröde  Schöne  den 
Bewerber  mehr  anreizt  als  die  allzu  gefällige,  liefs  Ludwig  XIV. 


*  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  31.  Jan. /IG.  Febr.  1682;  Berlin,  Geh. 
Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  19 E.  ^  Ms.  Spanh.  an  Kurf.,  26.  Jan.  1682; 
das.  21 C. 

"  PeuquiÄres,  V,  269ff. 

»  Prutz,  359 f. 


296  Siebentes  Buch. 

sich  den  zögernden  Dänen  gegenüber  zu  immer  grörseren  Ver- 
heifsungen  hinreifsen :  er  versprach  ihnen  die  schwedische  Land- 
schaft Schonen  sowie  Erwerbungen  in  Holstein,  auf  Kosten  des 
Herzogs  von  Gottorp*. 

Gleichzeitig  mit  diesen  Vorschlägen  an  Dänemark  hatte  sich 
Ludwig  XIV.,  am  4.  Dezember  1681 ',  an  Brandenburg  gewandt. 
Er  will,  dem  Assoziationsvertrage  gegenflber,  mit  dem  Kurfürsten 
und  anderen  ,,wohlintentionierten  Fürsten*'  ein  Bündnis  schliefsen, 
„um  den  Frieden  im  Reiche  aufrechtzuerhalten",  das  heifst 
seinen  Raub  unangefochten  zu  wahren.  Als  Grundlage  soll 
dienen  der  französische  Besitzstand  „vor  der  Abreise  der  Ge- 
sandten nach  Frankfurt**,  der  dann  von  den  Alliierten  mitzu- 
verteidigen  sei.  Dafür  wird  der  König  auch  den  Besitz  dieser 
seiner  Verbündeten  in  Schutz  nehmen.  Brandenburg  im 
besonderen  kann  auf  Frankreichs  Unterstützung  rechnen  in 
seinen  Ansprüchen  an  Spanien  und  den  Kaiser,  möglichenfalls 
auch,  wenn  Schweden  in  seiner  Feindschaft  beharrt,  gegen 
dieses.  Der  Kurfürst  soll  im  Frieden  450000  Livres  Subsidien 
erhalten  —  also  150000  mehr  als  bislang  —  und  im  Kriege 
6—900000. 

Der  Ausdruck  „vor  der  Abreise  der  französischen  Gesandten 
nach  Frankfurt"  schien  von  den  aufrechtzuerhaltenden  Re- 
unionen  Strafsburg  auszunehmen,  das  Ludwig  erst  nach  jenem 
Termin  besetzt  hatte.  Friedrich  Wilhelm  benutzte  diesen  Um- 
stand sofort  zu  dem  Versuche,  Strarsburg  für  das  Reich  zurück- 
zugewinnen. R6benac,  der  mit  der  Unterhandlung  beauftragt 
war,  geriet  in  grofse  Besorgnis,  denn  dafs  sein  König  Strafsburg 
aufgeben  werde,  hielt  er  mit  Recht  für  unmöglich.  Er  wieder- 
holte mit  vielem  Eifer  seine  Bemühungen,  eine  solche  Bedingung 
dem  Kurfürsten  auszureden.  Sein  Herrscher  sei  allein  stark 
genug,  die  Stadt  zu  behaupten,  ja,  noch  weitere  Eroberungen 
im  Reiche  zu  machen.  Bei  dem  Kurfürsten  stehe  es,  Deutsch- 
land davor  zu  bewahren  und  hierdurch  unsterblichen  Ruhm  zu 
erwerben.  Wenn  er  nur  den  Namen  Strafsburg  in  das  schon 
bestehende  Bündnis  füge,  erlange  er  die  Aussicht  auf  Ver- 
wirklichung aller  seiner  Ansprüche  und  überdies  erhöhte  Hilfs- 


^  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  7.  Nov.,  19.  Dez.  1681.  —  Recueil  des  In- 
structions, Xin,  28  ff.  36  ff. 

'  Instr.  an  Rebenac;  Prutz,  860  f. 


Yierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        297 

gelder^  Verzweifelnd  an  der  Kraft  Deutschlands,  entrüstet 
über  den  Kaiser  und  die  Generalstaaten,  auf  den  Erwerb 
Pommerns  lüstern,  gab  Friedrich  Wilhelm  nach.  Er  lieh,  seiner 
Gewohnheit  gem&fs,  seiner  Meinung  stärkeren  Ausdruck,  als 
seine  eigentliche  Absicht  war:  er  wolle,  sagte  er,  an  der  bevor- 
stehenden Aufteilung  Österreichs  teilnehmen'.  Damit  kam  er 
auf  seine  —  schon  früher  erwähnten  —  Absichten  auf  Schlesien 
zurück.  Er  bevollmächtigte  also  Jena  und  Meinders  zum  Ab- 
schlüsse mit  Röbenac.  Am  22.  Januar  1682  wurde  das  neue 
—  zehnjährige  —  Bündnis  unterzeichnet,  das  Strafsburg  und 
alle  bis  zum  Juni  des  Vorjahres  gemachten  Reunionen  dem 
Könige  von  Frankreich  gewährleistete,  dafür  dessen  Verzicht 
auf  weitere  Erwerbungen  im  Reiche  aussprach,  die  Subsidien 
an  Brandenburg  auf  400000  Livres  in  Friedens-  und  900000 
Livres  in  Kriegszeiten  und  ebenso  die  gegenseitig  zu  leistende 
militärische  Beihilfe  um  einige  Tausende  von  Infanteristen 
erhöhte*.  So  war  die  Grundlage  geschaffen,  auf  der  Friedrich 
Wilhelm,  im  Einverständnis  mit  Ludwig  XIV.,  den  Reichsfrieden 
aufzubauen  gedachte.  Man  mufs  zu  seinen  Gunsten  hervor- 
heben, dafs  sie  auch  fünfzehn  Jahre  später,  nach  einem  neun- 
jährigen Kriege  ganz  Europas  gegen  Frankreich,  nicht  wesent- 
lich verändert  worden  ist. 

Der  Kurfürst  liefs  seinen  hohen  Mitkontrahenten  nicht  einen 
Augenblick  darüber  im  Zweifel,  dafs  dieser  Vertrag  Brandenburg 
keineswegs  zum  Vasallen  der  Pariser  Regierung  machen  solle. 
Wenige  Tage  nach  dessen  Abschlufs  führte  er  dem  Könige  zu 
Gemüte,  dafs  er  trotz  lebhafter  Mifsbilligung  der  französischen 
Gewalttaten  und  trotz  glänzender  Anerbietungen,  die  die  Gegen- 
seite ihm  gemacht,  das  neue  Bündnis  eingegangen  sei,  aber  nur 
unter  bestimmten  Voraussetzungen.  Frankreich  habe  Dänemark 
zur  Verstärkung  Brandenburgs  heranzuziehen;  es  müsse  das 
Reich  gegen  die  Türken  verteidigen;  es  solle  in  den  reunierten 
Ländern  den  Evangelischen  Religionsfreiheit  zugestehen;  es 
begünstige  Kurpfalz  und  erstatte  die  auf  dessen  Kosten  geschehenen 
Lftndereinziehungen  zurück;  es  enthalte  sich  der  zur  oranischen 


'  Mb.  Mitteilung  (Jenas?)  vom   1.  Jan.   1682;  Berlin,  Geh.  Staate- 
archiv, XI,  Frankr.  19  E. 

'  Ms.  Depeschen  B^benacs  vom  Dez.  1681  (B). 
«  Mörner,714ff. 


298  Siebentes  Buch. 

Erbschaft,  die  den  Kindern  des  Kurfürsten  gebühre,  gehörenden 
Gebiete.  Er  trat  ferner  mit  grofser  Entschiedenheit  auch  für 
Kur-Trier  ein.  Im  März  wurden  in  der  Tat  die  Pf&lzer  und 
Trierschen  Zwistigkeiten  durch  einen  Vergleich  beendete 

Die  Erfahrungen  der  letzten  zwei  Jahre  und  das  Aufraffen 
des  Deutschen  Reiches  liefsen  hier  Friedrich  Wilhelm  eine  kühnere 
Sprache  gegenüber  dem  Allerchristliohsten  Könige  reden  als  in 
det  jüngstverflossenen  Zeit.  Die  Selbständigkeit  der  branden- 
burgischen Politik  zeigte  sich  auch  in  den  Beziehungen  zu 
Dänemark.  Man  wartete  in  Berlin  keineswegs  auf  die  Zu- 
stimmung Frankreichs,  um  mit  jenem  Staate  in  enge  und 
dauernde  Verbindung  zu  treten.  Schon  im  Dezember  1681 
wurde  die  Kopenhagener  Regierung  aufgefordert,  zu  erklären, 
ob  sie  durch  Schwedens  einseitiges  Vorgehen  sich  auch  ihrerseits 
von  der  1680  mit  dieser  Macht  geschlossenen  Allianz  frei  fühle, 
ob  sie  sich  mit  den  Assoziierten  oder  aber  mit  Frankreich  und 
Brandenburg  setzen  wolle,  zur  Aufrechterhaltung  des  Friedens, 
„zunächst  ohne  dabei  einiger  Konquesten  zu  gedenken.  Sollte 
es  aber  auf  eine  oder  andere  Weise  zur  Ruptur  kommen,  dafs 
alsdann  Frankreich  den  König  in  Dänemark  zu  Schonen  etc. 
und  Uns  zu  Pommern  helfen  und  dabei  maintenieren  wollte  *"  ^. 
Geheimsekretär  Fuchs  ging  nach  der  dänischen  Hauptstadt,  um 
bestimmte  Beschlüsse  der  dortigen  Machthaber  zu  erwirken 
(Januar  1682).  Er  kehrte  mit  günstigem  Bescheide  zurück. 
Dänemark  versprach,  für  den  Frieden  einzutreten,  dem  Assozia- 
tionsvertrage sich  nicht  anzuscfaliefsen  noch  sich  mit  Schweden 
zu  verbinden,  sondern  sofort  eine  engere  Allianz  mit  Branden- 
burg einzugehen ,  auch  zum  Bündnis  mit  Frankreich  bereit  zu 
sein.  Die  alte  Freundschaft  zwischen  dem  Dänenkönige  und  dem 
Kurfürsten  wurde  erneuert  und  inniger  denn  je.  Sie  fand  ihren 
Ausdruck  in  einem  am  31.  Januar  (10.  Februar)  1682  zu  Berlin 
von  beiden  Staaten  unterzeichneten  Garantie-  und  Verteidigungs- 
bündnis, das  besonders  die  Aufrechterhaltung  des  Reichsfriedens 
sowie  das  Versprechen  umfafste,  beide  Kontrahenten  würden  sich 
zur  Erlangung  der  ihnen  vertragsmäfsig  von  Spanien  und  den 


'  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  31.  Jan./ 10.  Febr.  1682.  —  Ms.  Akten- 
stücke im  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin),  XI,  Frankr.  21  C. 

'  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  31.  Dez.  1681;  a.  a.  O.,  21 B. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        299 

Generalstaaten   geschuldeten  Subsidien    nötigenfalls   selbst  mit 
den  Waifen  unterstützen^. 

So  hatten  sich  Dänemark  und  Brandenburg  zusammen- 
geschlossen^ ohne  Vermittlung  und  Teilnahme  Frankreichs. 
Friedrich  Wilhelm  durfte  fürder  gegen  Schweden  auf  den  Schutz 
des  anderen  skandinavischen  Staates  rechnen.  In  Schweden 
machte  man  sich  darauf  gefafst,  von  Brandenburg  und  Dänemark 
zu  Lande  wie  zu  Wasser  angegriffen  zu  werden'. 

In  Paris  mufste  Spanheim  selbstverständlich  das  Zustande- 
kommen eines  französisch  -  dänischen  Bündnisses  eifrig  befür- 
worten. Es  wurde  aber  durch  den  Umstand  verzögert,  dafs  die 
Subsidienanerbietungen  Frankreichs  den  Dänen  zu  geringfügig 
schienen.  Auch  die  Revendikationen  Dänemarks  gegen  Hamburg, 
Gottorp,  Holland  und  Spanien  wollte  Ludwig  XIV.  nicht  aus- 
drücklich in  den  Vertrag  aufgenommen  wissen,  um  nicht  des'- 
wegen  mit  dem  halben  Erdteile  in  Streit  zu  geraten  ^.  Als  er  sich 
aber  endlich  überzeugen  mufste,  dafs  er  Schweden  nicht  zum 
Austritte  aus  der  „  Assoziation ""  und  zum  Anschlüsse  an  die 
nFriedensliga**  werde  bewegen  können^,  brachte  er,  am  25.  März 
1682,  seinen  Vertrag  mit  Dänemark  zu  stände.  Er  bewilligte 
diesem  Staate  Hilfsgelder  im  Betrage  von  200000  Talern 
während  des  Friedens,  von  550000  Talern  für  den  Kriegs- 
fall ;  er  versprach  Beistand  in  dem  Zwiste  der  Dänen  mit  Spanien 
wegen  der  rückständigen  Subsidien.  Die  Zahl  der  Truppen  zu 
gegenseitiger  Verteidigung  wurde  in  gewohnter  Weise  festgestellt 

Aber  wichtiger  als  Dänemark  erschien  in  Paris  jetzt 
Brandenburg,  von  dessen  Auftreten  in  Frankfurt  und  Regens- 
burg, sowie  von  dessen  Sendungen  an  die  Kurfürsten  die  Fran- 
zosen sehr  befriedigt  waren.  Sie  schlugen  Friedrich  Wilhelm 
vor,  an  die  Spitze  einer  Liga  zur  Aufrechterhaltung  des  Friedens, 
das  heifst  zur  Verteidigung  der  französischen  Reunionen  zu 
treten.  Um  diese  nLig^**  einzuführen,  stellte  R6benac  mit 
Meinders  und  Jena  einen  vom  3.  April  1682  datierten  Schein- 
vertrag zwischen  Frankreich  und  Brandenburg  auf,  der  den 
zukünftigen  Verbündeten  und  auch  Dänemark  mitgeteilt  werden 
sollte,  und  der  aus  den  unverfänglicheren  Artikeln  der  beiden 

>  Mörner,  428 f. 
"  Carlson,  V,  181  f. 

*  Ms.  Korrespondenz  Spanheims;  a.  a.  0.,  21  C. 

*  Carlson,  V,  184f. 


300  Siebentes  Buch. 

Geheimverträge  vom  11.  Januar  1681  und  22.  Januar  1682  zu- 
sammengefafst  war.  Der  „Friedenspartei*'  sollten,  aurser  Däne- 
mark, noch  Gelle,  Münster,  Württemberg,  Hessen-Kassel,  Baden- 
Durlach  angehören ;  französische  Diplomaten  wurden  abgesandt, 
um  die  betreifenden  Höfe  zum  Eintritt  in  dieses  Bündnis  zu  be- 
stimmen ^ 

Friedrich  Wilhelm  nahm  so  immer  entschiedener  Partei  fflr 
die  französischen  Bestrebungen.  Allerdings  war  es  für  ihn  eine 
unabweisbare  Bedingung,  dafs  Frankreich  keine  weiteren  Gewalt- 
mafsregeln  im  Reiche  ausführe.  Wie  für  Kurpfalz  und  Kurtrier 
trat  er  auch  für  Keuburg  ein,  als  dieses  gegen  die  von  der 
Metzer  Reunionskammer  im  Herzogtum  Jülich  verfügten  Re- 
Unionen  Einspruch  erhob'.  Er  durfte  darauf  hinweisen,  dafs 
er  tatsächlich  durch  sein  friedliches  Verhalten  gegenüber  dem 
AUerchristlichsten  Könige,  das  er  ja  immer  als  ein  notgedrungenes 
bezeichnete,  dem  Yaterlande  mehr  nütze  als  die  kriegerischen 
Polterer. 

Allerdings,  von  den  „Assoziierten"  und  deren  Freunden 
trennte  er  sich  auf  das  entschiedenste.  Lamberg  fand  mit  seinen 
Drohungen  und  Lockungen  so  wenig  Anklang  in  Berlin ,  dafs 
er  seine  Sendung  für  beschlossen  hielt  und  nach  Wien  abreiste^. 
Um  dieselbe  Zeit  nahm  eine  neue  Gesandtschaft  Amerongens, 
den  die  Generalstaaten  in  der  ersten  Bestürzung  über  den  Fall 
Strafsburgs  und  die  sich  hieran  angeblich  knüpfenden  weiteren 
Eroberungspläne  Frankreichs  wieder  nach  Berlin  abgeordnet 
hatten,  ein  erfolgloses  Ende  ^  Amerongen  hatte  dem  Kurfürsten 
den  Eintritt  in  den  Assoziationsvertrag  vorgeschlagen.  Allein 
er  traf  hier  auf  unfruchtbaren  Boden.  Schon  das  Bündnis  der 
Staaten  mit  Schweden  war  dem  Kurfürsten  widerwärtig:  „Mit 
den  Schweden  will  ich  alle  meine  Lebenszeit  nichts  mehr  im 
guten  zu  tun  haben,*'  äufserte  er  sich  damals^.  Und  noch 
mehr :  die  Niederländer  konnten  sich  ebensowenig  wie  der  Kaiser 
an  den  Gedanken  gewöhnen,  dafs  dieser  Markgraf  von  Branden- 
burg, wenn  man  dessen  Bündnis  verlange,  sich  nicht  mit  einigen 

*  Verhandlungen :  Ms-fKorrespondenz  Spanheims.  —  Text  des  Schein- 
Vertrages:  Mörner,  431  f. 

«  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  31.  März,  6.  April  1682. 
»  U.  u.  A.,  XIV,  10201. 

*  Über  diese  Gesandtschaft:  ü.  u.  A.,  in,  616  ff. 
»  TT.  u.  A.,  XIV,  1010. 


VienmdvierzigBtee  Kapitel.    Der  AnBchlag  auf  Schweden.        301 

lumpigen  Subsidien  abspeisen  lasse,  sondern  auch  Beachtung 
seiner  Interessen  und  Rechte  fordere,  dafs  sie  für  die  Opfer, 
die  sie  von  ihm  verlangten,  ihrerseits  gleichfalls  einige  Opfer 
zu  bringen  hätten.  Die  Generalstaaten  zeigten  sich  eben  damals 
den  maritimen  und  kolonialen  Plänen  Friedrich  Wilhelms  feind- 
seliger denn  je.  Sie  kränkten  ihn  dann  von  neuem,  indem  sie 
sich  in  der  ostfriesischen  Angelegenheit  seinen  Entwürfen  wider- 
setzten. 

Die  Fürstin-Witwe  Christine  Charlotte  von  Ostfriesland  lag 
mit  den  Ständen  dieses  freien  Landes  wegen  deren  Gerechtsame 
in  Streit.    Sie  erlangte  dabei  die  Unterstützung  der  Herzoge 
von  Hannover  und  Celle,  die  schon  längst  in  dem  fruchtbaren 
und  zu  jener  Zeit  auch  durch  Seehandel  bedeutenden  Ländchen 
Fufs  zu  fassen  trachteten.    Mit  ihnen  und  der  Fürstin  im  Ein- 
verständnis machten  die  Holländer,  die  noch  immer  in  Emden 
eine  Garnison  unterhielten,  den  Versuch,  ihren  althergebrachten 
Einflufs   in   Ostfriesland   zu   verstärken   und  auszuüben.     Die 
Stände  dagegen  wandten  sich  an  den  Kaiser,  der  gern  seine 
oberherrliche  Macht  zum  Ausdruck  brachte  und  jene  in  seinen 
Schatz  nahm.    Er  erteilte  am  16.  März  1681  den  Ständen  ein 
^Konservatorium*^  auf  die  Direktoren  des  westfälischen  Kreises, 
Kurbrandenburg  und  Münster.   Die  Generalstaaten  beriefen  sich 
ihrerseits  auf  die  seit  vierzig  Jahren  von  ihnen  geübte  Befugnis 
des  Schutzes   und   der  Friedenserhaltung   in   Ostfriesland   und 
betonten  diese  ihre  überlieferten  Rechte  auch  den  Direktoren 
des  westfälischen  Kreises  gegenüber  ^    Der  Kurfürst  gab  ihnen 
eine  sehr  entschiedene  Antwort ;  auf  Grund  der  Reichs-  und  der 
Kreisverfassung  verbat  er  sich  jede  Einmischung  und  kündigte 
den  Hochmögenden  an,  dafs  er  und  der  Kreis  die  Befehle  des 
Kaisers  jedenfalls  ausführen  würden  (November  1681)*.     Auf 
den  Antrag,  dem  Assoziationsvertrage  beizutreten,  erteilte  er 
gar  keinen  offiziellen  Bescheid  —  Amerongen  verliefs  im  Februar 
1682  Berlin,  ohne  das  mindeste  erreicht  zu  haben.    Friedrich 
Wilhelm  hatte  dem  Holländer  deutlich  genug  in  privater  Form 
gesagt:  er  und  seine  Kindeskinder  würden  den  Staaten  die  mit 
Schweden,  seinem  ärgsten  Feinde,  eingegangene  Allianz  niemals 
in  Vergessenheit  kommen  lassen '. 

*  Wiarda,  Ostfriesifiche  Geschichte,  VI  (Aurich  1796),  8.  139-159. 
»  U.  u.  A.,  ni,  625. 
»  U.  u.  A.,  XIV,  1018. 


302  Siebentes  Buch. 

Eben  diese  Allianz  dehnte  sich  aber  mehr  und  mehr  aus. 
Der  Widerstand  gegen  Frankreichs  unerträgliche  Despotie  nahm 
feste  Gestalt  an.  Österreich  trat  am  28.  Februar,  Spanien  am 
2.  Mai  dem  Assoziationsvertrage  bei.  Wenige  Wochen  später  — 
am  10.  Juni  —  schlössen  die  Waldeckschen  linierten  zu  Laxen- 
burg  mit  dem  Kaiser  ein  Bündnis,  das  die  Aufstellung  von 
drei  Heeren,  in  Gesamthöhe  von  63  000  Mann,  am  Rhein  in  Aus- 
sicht nahm.  Man  sollte  denken,  dafs  diese  Entwicklung,  die 
im  Grunde  den  längst  gehegten  Wünschen  Friedrich  Wilhelms 
entsprach,  ihn  mit  Freude  erfüllt  hätte.  Allein  das  Gegenteil 
war  der  Fall.  Auch  in  ihrer  damaligen  Gestalt  hielt  er  die 
Koalition  für  aufser  stände,  mit  irgend  welcher  Aussicht  auf 
Erfolg  Frankreich  zu  bestehen.  Des  Kaisers  Macht  wurde  durch 
den  Aufstand  in  Ungarn  und  den  drohenden  Türkenkrieg  völlig 
gelähmt;  nicht  einen  Mann  würde  er  an  den  Rhein  entsenden 
können.  Vor  allem  aber:  England  war  in  seinem  Eifer  für 
die  Freiheit  Europas  wieder  gänzlich  erlahmt.  Nahm  doch 
Karl  II.  von  neuem  mit  gierigen  Händen  Bestechung  vom  Alier- 
christlichsten  Könige!^  Und  ohne  England,  das  glaubte  der 
Kurfürst  mit  Sicherheit  aus  dem  Verlaufe  des  jüngsten  Krieges 
schliefsen  zu  müssen,  war  Europa  dem  französischen  Könige 
nicht  gewachsen. 

Friedrich  Wilhelm  trat  also  entschieden  gegen  das  Laxen- 
burger  Bündnis  in  die  Schranken.  Im  Geheimen  Rate  hielt  er 
eine  scharfe  Rede,  in  der  er  alle  diejenigen  unter  seinen  Dienern 
bedrohte,  die  seine  Verbindung  mit  Frankreich  zu  kritisieren 
wagten.  Solche  sei,  weil  der  Notwendigkeit  entsprechend,  nach 
reiflicher  Überlegung  eingegangen.  Er  wisse  wohl,  fuhr  er  mit 
steigender  Erregung  fort,  die  in  dem  geheimen  Widerspruche 
seines  eigenen  Empfindens  ihren  Grund  hatte,  dafs  einige  unter 
ihnen  Geld  vom  Kaiser  nähmen;  könne  er  ihnen  dieses  nach- 
weisen, werde  er  ihnen  den  Kopf  vor  die  Füfse  legen  lassen,  — 
eine  Anspielung,  die  Jena  sofort  auf  sich  bezogt.  In  dieser 
Gesinnung  protestierte  der  Kurfürst  gegen  den  Laxenburger 
Rezefs,  der  darauf  hinziele,  das  Reich  in  einen  gefährlichen  und 
hoffnungslosen    Krieg     zu     verwickeln     und     dabei     fremdes 


»Ranke,  Engl,  aesch.,  V,  188  f. 
'  Ms.  Dep.  R^benacs  vom  2.  Mai  (B). 


Yierondvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        303 

—  schwedisches  —  Kriegsvolk  nach  Deutschland  zu  bringend 
Er  gedachte  vielmehr,  die  notwendige  Waffenruhe  zwischen 
Europa  und  Frankreich  zu  benutzen,  um  auf  des  letzteren  Staates 
Aufforderung  und  mit  dessen  Hilfe  seine  Pläne  auf  Schweden 
auszuführen.  Er  suchte  Ludwig  XI Y.  noch  mehr  gegen  die 
Stockholmer  Regierung  zu  erzürnen,  indem  er  nach  Paris 
berichtete,  sie  beabsichtige,  zur  Bekämpfung  Frankreichs  eine 
Flotte  und  ein  Heer  nach  Deutschland  zu  entsenden;  sie  habe, 
gegen  die  Zusage  noch  bedeutenderer  Subsidien,  einen  engeren 
Vertrag  mit  den  Holländern  geschlossen;  sie  habe  ihm  und 
Dänemark  einen  Dreibund  gegen  Frankreich  vorgeschlagen;  sie 
suche  endlich  auch  England  mit  allen  Kräften  in  diese 
„Assoziation''  zu  ziehen.  So  war  er  unablässig  bemüht,  den 
Kampf  gegen  jene  Macht  als  die  eigenste  Sache  Frankreichs 
darzustellen  und  hierdurch  dessen  Herrscher  immer  heftiger 
gegen  sie  aufzureizen.  Zugleich  wurden  im  Brandenburgischen 
kriegerische  Vorbereitungen  getroffen.  Die  preufsischen  Truppen 
erhielten  Marschbefehl  nach  der  Kurmark;  die  beurlaubten 
Offiziere  mufsten  in  ihre  Garnisonen  zurückkehren;  zwölf  Kom- 
panien Reiter  und  acht  Kompanien  Dragoner,  jede  zu  siebzig 
Mann,  sowie  tausend  Fufsgänger  wurden  neu  ausgehoben.  Span- 
heim erhielt  den  Auftrag,  in  Paris  wenigstens  eine  teilweise 
Zahlung  der  Kriegssubsidien  zu  fordern'. 

Der  Kurfürat  und  Christian  V.  von  Dänemark  trafen  dann 
in  der  Mitte  des  Juni  1682  in  Itzehoe  zu  persönlicher  Beratung 
ein,  unter  ausdrücklicher  Billigung  Frankreichs,  als  dessen  Ver- 
treter R6benac,  allein  unter  sämtlichen  Diplomaten,  der  Zu- 
sammenkunft beiwohnte  •.  Schon  dadurch  hatte  sich  Frankreich 
für  die  Absichten  des  Kurfürsten  verpflichtet,  dafs  es  sich  zur 
Formulierung  des  Scheinvertrages  vom  3.  April  bereit  gefunden 
hatte,  der  eben  in  Itzehoe  den  Dänen  vorgelegt  wurde.  Diese 
schlössen  also,  am  8.  Juni  1682^,  mit  Brandenburg  ein  neues 


*  Londorp,  Acta  publica,  XI,  432 f.  —  Rauchbar,  Waldeck, 
n,  161  ff. 

*  Kurf.  an  Spanheim,  31.  März,  27.  April,  5.,  15.  Mai,  2.  Juni  1682; 
Berlin,  Geh.  Staatearchiv,  XI,  Frankr.  21  C.  —  Ms.  Dep.  Bebenace  vom 
29.  März  (B). 

'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  22.  Mai.  —  Ms.  Depeschen  B^benacs  vom 
April  u.  Mai  (B). 

*  Mörner,  718 ff. 


304  Siebentes  Buch. 

Bündnis,  das,  gegen  alle  ohne  Ausnahme  gerichtet,  die  Unter- 
stützung der  Friedensbestrebungen  nicht  nur  durch  gütliche 
UnterhsCndlungen,  sondern  auch  durch  Ansammlung  eines  Korps 
von  10000  Dänen  in  Holstein  und  eines  anderen  von  10000 
Brandenburgern  in  der  Kurmark  anordnete;  zu  den  Kosten  dieser 
Aufstellung  beizutragen,  sollte  Frankreich  ersucht  werden. 

Allein  die  Verbündeten  von  Itzehoe  mufsten  zu  ihrem  Kummer 
vernehmen,  dafs  ihr  hoher  Schutzherr  an  der  Seine  ihren 
kriegerischen  Eifer  plötzlich  mifsbillige.  Der  Verkauf  des  eng- 
lischen Königs  an  Frankreich  und  der  unmittelbar  bevorstehende 
Krieg  der  Türken  gegen  den  Kaiser  schwächten  die  Gegner 
Ludwigs  derart,  dafs  er  deren  Angriff  nicht  mehr  fürchtete; 
er  hatte  also  nicht  nötig,  Dänemark  und  Brandenburg  durch 
einen  siegreichen  Krieg  gegen  Schweden  die  Herrschaft  im 
Norden  gewinnen  zu  lassen.  Er  wolle,  liefs  er  jetzt  erklären, 
den  Frieden  bis  zum  letzten  Augenblicke  aufrechterhalten,  um 
nicht  den  Engländern  und  Holländern  als  Friedensbrecher  zu 
erscheinen ,  und  weil  er  sicher  sei ,  jedem  Angriff  gewachsen  zu 
sein.  So  hatte  er  schon  unmittelbar  vor  Itzehoe  die  Ho£Ehung 
ausgesprochen,  die  dortigen  Beratungen  würden  keinerlei 
kriegerischen  Charakter  tragen.  Zur  grofsen  Enttäuschung 
Friedrich  Wilhelms  wies  er  die  brandenburgischen  und  dänischen 
Anforderungen  erhöhter  Subsidien  beharrlich  ab;  es  sei  keine 
Aussicht  auf  Krieg,  und  übrigens  werde  zuerst  Frankreich,  nicht 
die  Itzehoer,  angegriffen  werden:  ein  deutlicher  Wink,  dafs 
diese  sich  aller  Zwistigkeiten  mit  Schweden  zu  enthalten  hätten. 
Ja,  der  König  verweigerte  das  dringende  Ansuchen  Branden- 
burgs, dem  Bischof  von  Münster  einige  Hilfsgelder  zu  gewähren, 
um  diesen  Fürsten,  der  guten  Willens  sei,  endgültig  an  das 
„Friedensbündnis*  zu  fesseln. 

Friedrich  Wilhelm  mufste  abermals  die  entmutigende  Er- 
fahrung machen ,  dafs  sein  und  seines  Staates  Interesse  bei 
Frankreich  schlecht  aufgehoben  wer.  Ludwig  lehnte  alle  seine 
Forderungen  mit  höflichen  Worten  ab:  Brandenburg  sollte  nur 
der  gehorsame  Klient  Frankreichs  sein,  der  dessen  Plänen 
willenlos  zu  dienen  und  dafür  sich  mit  der  Gunst  des  „Königs 
Sonne*  und  einigen  lumpigen  Soldgroschen  zu  begnügen  habe. 
Auf  seine  Wünsche  und  sein  Ansehen  hatte  ein  Ludwig  XIV. 
keine  Rücksicht  zu  nehmen ;  ja,  er  wollte  es  schwach  und  mifs- 
liebig  erhalten,  damit  es  nicht  die  Kraft  besitze,  sich  von  der 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        305 

BevormunduDg  zu  befreien  und  gröfsere  Selbständigkeit  zu 
betätigen.  Das  zeigte  sich  auch  in  betreff  der  Reichspolitik. 
Der  Kurfürst,  der  auf  dem  endlos  sich  hinziehenden  Frankfurter 
Kongresse  für  die  einfache  Annahme  der  französischen  Vor* 
schlage  gestimmt  hatte  und  deshalb  als  Reichsverräter  aus- 
gesehrieen  worden  war,  stellte  in  Paris  das  bescheidene  Ver- 
langen, man  solle  dort  bestimmt  erklären,  welche  Orte,  als 
nach  dem  übereingekommenen  Termin  reuniert,  man  an  Deutsch- 
land zurückzugeben  gedenke.  Aber  auch  das  schlug  Croissy  ab,  unter 
dem  lächerlichen  Verwände,  solches  werde  nur  zu  Schikanen  seitens 
der  Kaiserlichen  Anlafs  geben  und  überdies  wie  ein  furchtsames 
Zurückweichen  seines  Königs  aussehen!  Kurz,  Brandenburg 
durfte  und  sollte  sich  nicht  schmeicheln,  den  mindesten  tatsäch- 
lichen Einliurs  auf  die  Entscheidungen  des  Despoten  zu  üben  ^. 

Ludwig  glaubte  jetzt  seiner  wenig  zu  bedürfen.  Nachdem 
der  ungarische  Rebellenführer  Tököly  sich  mit  den  Türken  ver- 
bündet, hatte  er  im  Beginne  des  Sommers  den  Krieg  gegen  den 
Kaiser  wieder  offen  aufgenommen  und  drang  siegreich  in  Ober- 
ungam  vor.  Die  Pforte  erkannte  ihn  als  ihren  Vasallenkönig 
an  und  unterstützte  ihn  eifrigst.  Ein  direkter  Angriff  der 
Türken  auf  Österreich  war  für  das  folgende  Jahr  sicher  zu 
erwarten. 

Die  Unfruchtbarkeit  und  Schwäche  seines  Verhältnisses  zu 
Frankreich  wurde  dem  Kurfürsten  nur  zu  wohl  bewufst.  Als 
Graf  Lamberg  um  diese  Zeit  wieder  in  Berlin  erschien,  konnte 
er  mit  Freuden  eine  dem  Kaiser  freundlichere  Stimmung  dort 
feststellen.  Es  hätte  nur  einigen  Entgegenkommens,  einiger 
Gunstbeweise  und  kleiner  Opfer  von  seiten  des  Wiener  Hofes 
bedurft,  um  diesen  Umschwung  zu  verstärken  und  tatsächlich 
wirksam  zu  machen.  Die  Anhänger  Österreichs  unter  den  kur- 
fürstlichen Räten,  an  erster  Stelle  Anhalt,  an  zweiter  Friedrich 
von  Jena,  hatten  wieder  Einflufs  gewonnen.  Sie  versicherten 
Lamberg :  wenn  man  ihrem  Herrn  nur  etwas  Genugtuung  wegen 
der  spanischen  Rückstände  und  wegen  Jägemdorfs  geben  werde, 
sei  es  unzweifelhaft,  dafs  der  Kurfürst  von  der  ihm  bereits  ver- 
dächtigen und  verhafsten  Partei  Frankreichs  zum  Kaiser  über- 
trete.   Der    franzosenfreundliche    Gesandte    Brandenburgs    in 


^  Ms.  Korrespondenz  des  Kurf.   u.  Spanheims  vom  Mai  bis  zum 
August  1682. 

Philippson,  Der  Qrofs«  KurfOrst.    III.  20 


306  Siebentes  Buch. 

Regensburg,  Gottfried  von  Jena,  hatte  bereits  solchen  Tadel 
erhalten  und  war  in  seinen  Befugnissen  derart  beschränkt 
worden,  dafs  er  seine  Enthebung  von  dem  dortigen  Posten  nach- 
suchte \  Auch  Dänemark  hatte  das  kühl  abweisende  Benehmen 
Frankreichs  sehr  übelgenommen^.  Es  geschah  in  Überein- 
stimmung mit  den  Wünschen  Christians  V.,  wenn  der  Kurfürst 
im  Beginne  des  Juli  1682  Erockow  nach  Wien  entsandte^.  Der 
brandenburgische  Diplomat  sollte  dringend  die  Annahme  des 
französischen  Vorschlages  —  Überlassung  der  bis  zum  1.  August 
1681  vollbrachten  Reunionen  sowie  Strafsburgs  —  anempfehlen, 
da  man  eben  aufser  stände  sei,  diese  Gegenden  mit  Waifen- 
gewalt  wiederzuerobern ;  gehe  der  Kaiser  darauf  ein  und 
erspare  damit  dem  Reiche  einen  zweifellos  verderblichen  Kne^, 
so  sei  der  Kurfürst  bereit,  sich  mit  ihm  zu  verbünden,  nicht 
nur  gegen  die  Türken,  sondern  auch  gegen  weitergehende  An- 
sprüche Frankreichs.  ^  Friedrich  Wilhelm  hat  hier  die  Lage 
sehr  wohl  erkannt  und  den  weisesten  Vorschlag  getan,  dessen 
Annahme  viel  Blut  und  Elend  erspart  haben  würde.  Seine  Ein- 
sicht und  sein  reichsdeutscher  Patriotismus  wurden  allerdings  durch 
die  Tatsache  verschärft,  dafs  Ludwig  XIV.  ihm  klärlich  jede 
Unterstützung  zur  Ausführung  seiner  Absichten  auf  Schwedisch- 
Pommem  versagte. 

Krockow  verhehlte  nicht,  dafs  auch  dem  Kurfürsten  die 
französische  Forderung  als  dem  Reiche  sehr  ungünstig  erscheine 
—  allein  es  sei  für  den  Augenblick  nichts  Besseres  zu  erreichen. 
Wenigstens,  führte  er  aus,  müsse  dieses  Mal  der  abzuschliefsende 
Vertrag  deutlicher  und  unzweideutiger  abgefafst  werden,  als 
die  von  Münster  und  Nymwegen.  Nach  getroffenem  Vergleiche 
solle  man  ein  stehendes  Reichsheer  errichten  und  die  mächtigeren 
Reichsstände  zu  einer  innigen  und  bleibenden  Union  behufe  Auf- 
rechterhaltung der  Reichsintegrität  zusammenschliefsen.  Geschehe 
dies,  so  werde  der  Kurfürst  gern  seine  Macht  der  guten  Sache, 
auch  gegen  Frankreich,  zu  Gebote  stellen. 

Diese  klaren  und  sachgemäfsen  Vorschläge  fanden  aber  in 


*  Berichte  Lambergs  vom  Juli  1682;  U.  u.  A.,  XIV,  1087  ff. 

'  Bericht  des  niederiänd.  Gesandten  Moeringh  vom  29.  Aug.  1682; 
U.  u.  A.,  in,  648. 

•  Ludwig  Xiy.  an  R^benac,  16.  Juli  1682;  Prutz,  355.  —  Über 
die  Sendung  Krockows:  U.  u.  A.  XIV,  1044 ff.;  und  Pufendorf, 
XVm,  61. 


Vierondvierzigstes  Kapitel.    Der  Ansclilag  auf  Schweden.        307 

Wien  Dor  kühle  Aufnahme.  Dort  hofPte  man  die  ungarisch- 
türkischen  Hftndel  in  gewohnter  Weise  verschleppen  und 
inzwischen  den  Hauptteil  der  österreichischen  Streitkräfte  gegen 
die  Franzosen  verwenden  zu  können.  Denn  Ludwig  begehre  die 
Kaiserkrone,  und  den  Frieden  mit  dem  Reiche  werde  er  ledig* 
lieh  zur  Unterjochung  Italiens,  zur  Beraubung  Spaniens,  zur  Er- 
langung desdominiumEuropae  benutzen.  Noch  einmal,  wie 
zur  Zeit  der  mittelalterlichen  Kaiser,  beeinflufste  eine  Welt- 
politik, zu  deren  nachdrücklicher  Durchführung  doch  die 
materiellen  Mittel  fehlten,  in  schädlichster  Weise  das  Verhältnis 
des  Reichsoberhauptes  zu  dem  eigentlichen  Deutschland.  Auf 
dem  Reichstage  sagte  der  österreichische  Gesandte  kein  Wort 
von  der  Türkengefahr,  nur  damit  nicht  die  Stände  sich  mit  Frank- 
reich verglichen.  Mit  der  ganzen  Hartnäckigkeit  des  alten 
Hauses  Habsburg,  dessen  Prätensionen  ihm  vor  den  wirklichen 
Umständen  und  Tatsachen  die  Augen  verschlossen,  glaubte 
Leopold  L  nach  beiden  Seiten,  nach  Osten  und  Westen  hin,  den 
Gefahren  die  Stirn  bieten  zu  können.  Er  liefs  dem  Branden- 
bui^er  mündlich  antworten  (13.  September  1682):  man  dürfe 
keiner  Zusicherung  Frankreichs  mehr  Glauben  schenken  und 
deshalb  mit  diesem  keinen  Vertrag  schliefsen,  der  nicht  durch 
die  Gewalt  der  deutschen  Waffen  gesichert  sei. 

Die  Gesandtschaft  Krockows  war  also  gescheitert ;  der  Kur- 
fürst befahl  seine  Abreise  von  Wien.  Er  beschlofs,  seine  Position 
sowohl  gegen  den  Kaiser  als  auch  gegen  Frankreich  aufrecht 
zu  erhalten,  sich  an  die  Spitze  einer  wahren  Friedenspartei  zu 
stellen,  die,  von  beiden  Extremen  gleich  weit  entfernt,  eine 
Achtung  gebietende  Haltung  einnehme.  Er  und  Dänemark  gingen 
zunächst  ein  Verteidigungsbündnis  zur  Bewahrung  des  Reichs- 
friedens  mit  Bischof  Ferdinand  von  Münster  und  Paderborn 
ein^  Durch  besondere  Abordnungen  zog  er  seine  Freunde,  die 
vier  rheinischen  Kurfürsten ,  noch  enger  zu  gemeinsamer  An- 
nahme und  Durchführung  der  französischen  Proposition  heran. 
Sein  Gesandter  in  Regensburg,  der  gelehrte  und  schneidige 
Gottfried  von  Jena,  nunmehr  wieder  in  Übereinstimmung  mit 
seinem  Herrn,  verteidigte  dessen  Ansicht  in  einer  Rede,  die 
durch  leider  wahrheitsgetreue,  aber  sehr  scharfe  Schilderung  der 
Schwächen  des  Reiches  in  ganz  Deutschland  peinliches  Aufsehen 


>  Mörner,  483ff. 

20 


308  Siebentes  Buch. 

erregte*.  Friedrich  Wilhelm  wies  dann,  in  Übereinstimmung 
mit  seinen  deutschen  Alliierten  und  Dänemark,  den  Vorschlag 
der  Generalstaaten,  zur  Schlichtung  aller  vorliegenden  Streitig- 
keiten einen  europäischen  Kongrefs  einzuberufen,  unbedingt 
zurück ',  da  er  die  Hochmögenden  als  parteiisch  und  anmafsend 
und  besonders  den  brandenburgischen  Bestrebungen  allerorten 
feindselig  betrachtete.  Er  unterstützte  dagegen  das  französische 
Ultimatum  in  Frankfurt,  das  dem  Ausgleichsvorschlag  nur  noch 
bis  zum  folgenden  1.  Dezember  Gültigkeit  verlieh.  Allein  er 
trat  auch  Frankreich  gegenüber  mit  grofser  Bestimmtheit  auf. 
Er  liefs  durch  Spanheim  erklären  (13.  Oktober):  er  werde  über 
die  bisherigen  Verteidigungsbündnisse  mit  Frankreich  keineswegs 
hinausgehen,  da  er  zur  Verfechtung  weiterer  Ansprüche  dieses 
Staates  nicht  verpflichtet  sei.  Vielmehr  ermahnt  er  den  König, 
das  Reich  „nicht  weiter  zu  dismembriren''  und  sich  mit  den 
friedliebenden  Ständen,  zumal  den  vier  rheinischen  Kurfürsten, 
in  gutes  Vernehmen  zu  setzen. 

Diese  Unabhängigkeit  und  Selbstherrlichkeit,  den  kühnen 
Entschlufs,  zwischen  den  streitenden  Parteien  lediglich  seine 
eigensten  Interessen  zu  wahren,  zeigte  er  nunmehr  durch  eine 
mutige  und  folgenreiche  Tat. 

Die  Bewohner  von  Emden  hatten  sich  im  Januar  1682  mit 
Gewalt  der  niederländischen  Besatzung  entledigt,  zur  grofsen 
Entrüstung  der  Generalstaaten,  die  darauf  zu  Gunsten  der  Fürstin 
von  Ostfriesland  eine  Entscheidung  trafen,  die  den  vom  Kaiser 
den  Ständen  zugebilligten  Gerechtsamen  geradenwegs  zuwiderlief. 
Auf  Beschwerde  der  Stände  kassierte  der  Kaiser  diese  Resolution, 
liefs  die  Fürstin  vor  den  Reichshofrat  zitieren,  verbot  den  Braun- 
schweiger Herzogen  jede  willkürliche  Einmischung  in  die 
ostfriesischen  Angelegenheiten  und  trug  den  Direktoren  des 
Westfälischen  Kreises  auf,  seinen  Befehlen  Achtung  zu  ver- 
schaffen. Die  Fürstin  gehorchte  nur  anscheinend  und  wandte 
sich  heimlich  an  die  Braunschweiger  Herzoge,  die  in  der  Tat 
beschlossen,  Truppen  nach  Ostfriesland  zu  legen:  ein  Plan,  der 
aber  durch  den  Bischof  von  Münster  vereitelt  wurde,  indem 
dieser  den  wölfischen  Soldaten  den  Durchzug  durch  sein  Land 
verschlofs.    Die  von  dem  Mitdirektor  des  Kreises,  dem  Branden- 


>  Londorp,  Acta  publica,  XI  (Frankf.  a.  M.,  1697)  S.  360 ff. 
-  Prutz,  355. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        3()9 

burger,  angebotene  Vermittlung  zwischen  ihr  und  den  Ständen 
wies  die  FOrstin,  die  den  Kurfürsten  mit  Recht  als  ihr 
wenig  günstig  gesinnt  betrachtete,  hartnäckig  zurück.  Er 
mufste  also  jeden  Augenblick  besorgen,  die  Braunschweiger 
oder  die  Niederländer,  dem  Kaiser  und  ihm  selbst  zum 
Trotze,  sich  des  Landes  bemächtigen  zu  sehen,  das  ihm  einen 
so  herrlichen  Zugang  zu  der  Nordsee  bot.  Um  jenen  zuvor- 
zukommen und  um  seine  maritimen  Unternehmungen  direkt  mit 
dem  Weltmeer  in  Verbindung  zu  setzen,  verabredete  er  heimlich  mit 
den  einflufsreichsten  Mitgliedern  der  Stände  eine  schnelle  Tat. 
Am  11.  November  1682  überfielen,  auf  einigen  Schiffen  von  der 
Unterelbe  kommend,  300  brandenburgische  Soldaten  unter  dem 
Befehle  des  Kammerherm  und  Oberstleutnants  von  Brandt  den 
ostfriesischen  Hafenort  Greetsiel ;  am  15.  ward  die  dortige  Burg, 
die  stärkste  Feste  der  Fürstin  Christine  Charlotte,  durch  nächt- 
liche Erstürmung  gewonnen.  Die  Fürstin  besafs  seitdem  keine 
tatsächliche  Macht  mehr  im  Lande  ^ 

Diese  Vorgänge  wurden  bekräftigt  und  legalisiert  durch 
einen  Vertrag,  den  der  brandenburgische  Gesandte  im  Haag,  von 
Diest,  am  18.  November  mit  den  Vertretern  der  ostfriesischen 
Stände  zu  Emden  abschlofs.  Behufs  Aufrechterhaltung  des 
kaiserlichen  Konservatoriums  und  zum  Schutze  des  Landes  und 
der  Stände  gegen  jede  Gewalttat  von  selten  sei  es  der  Fürstin 
sei  es  fremder  Staaten  verlegt  Brandenburg,  so  lange  es  den 
Ständen  beliebt,  in  das  Land  eine  Besatzung,  für  deren  Unter- 
halt dieselben  monatlich  1700  Taler  bezahlen,  wie  sie  auch  für 
die  HeranfQhrung  der  Truppen  und  die  weitere  Befestigung 
Greetsiels  noch  2500  Taler  bewilligen". 

Die  Okkupation  Ostfrieslands  durch  brandenburgische  Sol- 
daten erregte  begreiflicherweise  bei  den  Nachbarn  heftigen  Un- 
willen und  lauten  Protest.  Am  lärmendsten  benahmen  sich  die 
Braunschweiger  Herzoge,  die  den  Kurfürsten  zu  sofortiger 
Abberufung  seiner  Kompanien  aufforderten.  Ihr  Zorn  machte 
aber  um  so  weniger  Eindruck,  als  alle  Welt  überzeugt  war, 
dafs  sie,  die  doch  gar  kein  Recht  zum  Eingreifen  gehabt,  die 
Absicht  gehegt  hatten,  selber  ihre  Hand  nach  dem  reichen 
L&ndchen   auszustrecken,  und   nunmehr  sich  lediglich  darüber 


'  Wiarda,  VI,  160—179. 
•  Mörner,  436 ff. 


810  Siebentes  Buch« 

ärgerten,  dafs  ein  anderer  ihnen  zuvorgekommen  \  Gfefährlicher 
war  der  Widerstand  der  Generalstaaten ;  der  Ratspensionar  Fagel 
hatte  sofort  nach  erhaltener  Nachricht  von  der  Besetzung  Greet- 
siels  die  Provinzen  Friesland  und  Groningen  zur  Absendung  von 
Truppen  nach  Ostfriesland  aufgefordert.  Allein  die  Ausführung 
dieser  Mafsregel  wurde  ins  Unbestimmte  vertagt,  da  Brandenburg 
kräftiger  Hilfe  sicher  war.  Der  Mitdirektor  des  Westfälischen 
Kreises,  Bischof  Ferdinand  von  Münster  und  Paderborn,  gewährte 
ihm  nicht  nur  durch  seine  Zustimmung  moralischen  Rückhalt, 
sondern  stellte  ihm  auch  für  den  Notfall  militärische  Unter- 
stützung in  Aussicht.  Und  noch  wichtiger :  Frankreich  versprach 
seinen  vertragsmäfsigen  Beistand,  wenn  der  Kurfürst  angegriffen 
werde.  Der  französische  Gesandte  im  Haag,  Graf  d'Avaux, 
nahm  eifrigst  dessen  Partei:  der  Kurfürst  sei  als  Beauftragter 
des  Kaisers  und  Mitdirektor  des  Kreises  in  vollem  Rechte. 
Freilich,  im  Grunde  war  Ludwig  XIV.  von  der  selbständigen 
Handlungsweise  seines  Verbündeten  wenig  erbaut  und  sprach 
sich  mifsbilligend  Ober  einen  Schritt  aus,  der  unzeitig  den  Krieg 
herbeiführen  könne.  Allein  er  wagte  es  nicht,  sich  Branden- 
burg endgültig  zu  entfremden,  und  muTste  deshalb  wohl  oder 
übel  dessen  Partei  ergreifen.  Die  Braunschweiger  Herzoge 
liefsen  es  also  bei  papiemen  Gegenmafsregeln  bewenden,  und 
die  Holländer  wurden  durch  Androhung  bewafiheten  Widerstandes 
seitens  der  Westfälischen  Kreisdirektoren  von  aller  tätlichen 
Einmischung  abgehalten^. 

Die  ostfriesische  Sache  war  durch  die  Kühnheit  und  Geschick- 
lichkeit des  Kurfürsten  zu  dessen  Gunsten  entschieden.  Er  hatte 
im  äufsersten  Nordwesten  Deutschlands,  innerhalb  eines  damals 
maritim  sehr  wichtigen  Gebietes  festen  Fufs  gefafst;  wir  wissen, 
wie  eifrig  und  wirksam  er  diesen  Erfolg  zu  Gunsten  des  See- 
handels und  der  Kolonisation  seines  Staates  benutzt  hat. 
Friedrich  Wilhelm  hegte  zweifellos  die  Absicht,  das  wohlhabende 
und  bedeutsame  ostfriesische  Ländchen  nie  wieder  zu  räumen, 
—  er  hatte  hier  einen  Gewinn  gemacht,  der  ihm  für  die  Zukunft 
Brandenburgs  als  sehr  gewichtig  erschien.  Aber  zu  diesem  parti- 
kularen Vorteil  kam  noch  ein  allgemein  deutscher:  Branden- 


»  U.  u.  A.,  XIV,  1050  f. 

'  Ms.  Korrespondenz  des  Kurf.  mit  Spanheim,  Okt.  bis  Dez.  1682; 
Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  O.  —  Wiarda,  VI,  201  ff. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        31 J 

bürg  hatte  wiederum  ein  deutsches  Land  von  der  Fremdherr- 
schaft befreit.  Hatten  doch  die  Stände  von  Niederländisch- 
Geldem  behauptet,  das  Harlinger  Land  —  der  nördliche  Teil 
Ostfrieslands  —  sei  gelderisches  Lehen  und  gehöre  deshalb  der 
Republik  und  nicht  dem  Reiche^.  Friedrich  Wilhelms  Schutz 
hat  es  diesem  gegen  die  Ansprüche  der  Holländer  erhalten,  wie 
er  schon  Kleve  und  anderseits  Ostpreufsen  dem  grofsen  Yater- 
lande  gerettet,  wie  er  Ähnliches  in  Westpommem  immer  von 
neuem,  wenn  auch  bisher  vergeblich,  versucht  hatte.  Polnischem, 
schwedisehem ,  niederländischem  Vordringen  auf  dem  Boden 
Deutschlands  hat  er  allein  Halt  geboten,  hat  es  zum  Teile 
sogar  zurückgedrängt.  Es  ist  doch  nichts  Geringes,  dafs 
während  anderorten  Deutschland  beständig  Verluste  erlitt,  nur 
Brandenburg  und  sein  grofser  Fürst  bestrebt  und  im  stände 
waren,  deutsches  Gebiet  der  Fremden  zu  entledigen.  Selbst 
während  der  Zeit  an  sich  undeutscher  Politik  war  Friedrich 
Wilhelm  der  Schützer  und  Verbreiter  deutschen  Wesens,  nach 
Westen  hin  wie  nach  Osten. 

Gerade  das  Gelingen  des  ostfriesischen  Unternehmens  stärkte 
ihm  den  Mut,  es  noch  einmal  mit  Vorpommern  zu  versuchen. 
Da  Frankreich  solchem  Plane  offenbar  wenig  günstig  war,  hegte 
Friedrich  Wilhelm  die  Absicht,  diesen  Staat  anderweitig  zu 
beschäftigen,  so  dafs  er  ihm  und  Dänemark  freie  Hand  gegen 
Schweden  lassen  müsse.  Er  schlug  also  im  November  1682 
Ludwig  XIV.  im  tiefsten  Geheimnis  vor:  der  König  möge  das 
Verlangen  des  Kaisers  nach  weiterer  Ausdehnung  der  Bedenk- 
zeit für  die  Annahme  des  französischen  Antrages  abweisen,  viel- 
mehr jeden  einzelnen  Reichsfürsten  befragen,  ob  er  mit  der 
französischen  Proposition  einverstanden  sei;  gegen  die  sie  ver- 
werfenden solle  Ludwig  kriegerisch  vorgehen,  allerdings  mit  der 
bestimmten  Zusage,  keinen  Ort  im  Reiche  über  den  Umfang  der 
zu  Frankfurt  geforderten  Reunionen  zu  behalten;  dagegen 
dürften  seine  deutschen  Verbündeten  sich  an  den  Besitzungen 
von  Frankreichs  Gegnern  schadlos  halten  ^.  Allein  dieser  etwas 
naive  Vorschlag  konnte,  trotz  R6benacs  anfänglicher  Ver- 
sprechungen, unmöglich  den  Beifall  des  französischen  Herrschers 


»  0.  Klopp,  Gesch.  Ostfrieslands  1570—1751  (Hannover  1856)8;  409. 
«  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  2.,  21.  Nov.,  30.  Dez.  1682;  Berlin,  Geh, 
Staatsarchiv,  a.  a.  0. 


312  Siebentes  Buch. 

finden.  Freilieb,  die  nutzlosen  Frankfurter  Verhandlungen  wurden 
an  dem  bezeichneten  Termine  des  1.  Dezember  geschlossen,  — 
indes,  Ludwig  gestand  zu,  dafs  sie  am  Regensburger  Reichs- 
tage weitergeführt  würden,  und  rückte  den  Verfallstag  bis  zum 
1.  Februar  1683  hinaus. 

Der  Kurfürst  befand  sich  gegen  Ende  des  Jahres  1682  in 
recht  unbehaglicher  Lage.  Frankreich  hatte  ihm  bisher  keine 
einzige  seiner  Zusagen  erfüllt.  Alle  seine  Nachbarn  gehörten 
der  entgegengesetzten  Partei  an.  Zumal  Karl  XI.  von  Schweden 
hatte  den  neuen  französischen  Gesandten  Bazin  gar  nicht  em- 
pfangen, sondern  zu  schleuniger  Abreise  genötigt,  dafür  am 
12.  Oktober  mit  dem  Kaiser  ein  Verteidigungsbündnis  geschlossen, 
das  den  schwedischen  Truppen  freien  Durchzug  durch  das  Reich 
gestattetet  Mufste  der  Kurfürst  nicht  eine  Wiederholung  der 
Ereignisse  von  1674/75  erwarten  ?  sollten  seine  Lftnder  abermals 
vom  Feinde  überfallen,  ausgeplündert,  zu  Grunde  gerichtet 
werden?  Dazu  kam,  dafs  Schweden  und  der  Kaiser  sich  eifrig 
bemühten,  auch  Polen  in  ihre  Allianz  zu  locken.  Ein  Angriff 
auf  Preufsen  aber  war  für  Friedrich  Wilhelm  der  gefährlichste; 
im  Reiche  konnten  ihm  immer  die  Dänen  helfen,  Preufsen 
jedoch  war  völlig  isoliert,  von  Polen  und  Schweden  umgeben. 
Dieser  Mächte  und  des  Kaisers  zugleich  vermochte  er  sich 
nicht  zu  erwehren.  Seiner  ganzen  Natur  nach  wünschte  er 
übrigens  die  Verteidigung  offensiv  zu  führen,  den  Gegnern 
zuvorzukommen.  Sein  Freund  Christian  V.  war  ganz  derselben 
Ansicht.  Meyercroon  wie  Spanheim  erbaten  unablässig  in  Paris 
die  Erlaubnis  und  erhöhte  Subsidien,  um  mit  dänischen  und 
brandenburgischen  Streitkräften  schwedische  Truppentransporte 
nach  Deutschland  sowie  den  Anschlufs  braunschweigisch- lüne- 
burgischer Kontingente  an  Schweden  zu  verhindern.  Sie  wiesen 
auf  die  Bedrohlichkeit  der  Lage,  auf  den  Vertrag  hin,  den 
Hannover  schon  mit  dem  Kaiser  eingegangen  sei,  auf  die  Gefahr, 
in  die  zumal  Brandenburg  durch  seine  treue  Förderung  französi- 
scher Interessen  geraten.  Allein  sie  fanden  damit  bei  Ludwig  XIV. 
keinen  Anklang.  Es  wurde  klar,  dafs  der  König  und  Croissy 
den  Ehrgeiz  Dänemarks  und  Brandenburgs  zu  zügeln  entschlossen 
waren.  Dabei  wollten  sie  dem  Kurfürsten  nicht  einmal  genügende 
Hilfsgelder  zu  der  höchst  notwendigen  Verstärkung  seines  Heeres 


»  Carlson,  V,  259 f. 


Yierozidvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        313 

gewähren.  Er  glaubte,  sie  seien  bereit,  ihn  den  Schweden  preis- 
zugeben, um  diese  wieder  für  die  französische  Allianz  zu 
gewinnen  und  nutzbar  zu  machen^. 

Zu  der  Furcht  vor  der  nächsten  Zukunft  seines  Staates 
gesellte  sich  noch  schwerer  Verdrufs  über  eine  persönliche 
Kränkung,  die  Ludwig  ihm  gerade  damals  zufügte:  er  belegte 
das  Fürstentum  Orange  mit  Beschlag  und  rifs  die  Mauern  von 
dessen  Hauptstadt  nieder,  um  den  Prinzen  von  Oranien  wegen 
seiner  feindseligen  Umtriebe  gegen  Frankreich  zu  bestrafen. 
Damit  traf  er  aber  zugleich  die  beiden  älteren  Söhne  des  Kur- 
fürsten, die  präsumtiven  Erben  Oraniens.  Friedrich  Wilhelm 
war  höchlichst  über  einen  Vorgang  entrüstet,  in  dem  er 
einen  erneuten  Beweis  der  Geringschätzung  und  selbst 
der  Abneigung  des  Königs  gegen  ihn  erblickte,  der  sich  doch 
für  Frankreich  in  grofse  Gefahr  begab.  Er  beschwerte  sich 
wiederholt  bei  R^benac;  ein  Anerbieten  Ludwigs,  die  Exspektanz 
auf  Orange  seinen  Söhnen  mit  einer  Geldsumme  abzukaufen, 
wies  er  mit  Verachtung  zurück.  Selbst  die  Kurfürstin  und 
Geheimsekretär  Fuchs,  bisher  die  treuesten  Anhänger  Frank- 
reichs, wurden  wankend  und  drangen,  mit  Anhalt  vereint,  in 
Lamberg,  sein  Kaiser  möge  durch  eine  beträchtliche  Abschlags- 
summe auf  die  rückständigen  spanischen  Subsidien  den  Kur- 
fürsten vollends  für  sich  gewinnen'. 

Vm  diese  Zeit  verfafste  Fuchs  ein  Gutachten  über  die  Frage, 
ob  der  Kurfürst  bei  dem  französischen  Bündnisse  beharren  oder 
dem  Assoziationsvertrage  beitreten  oder  endlich  „temporisieren** 
solle,  um  erst  zu  sehen,  „wohin  es  mit  dem  türkischen  Wesen 
hinauslaufe **.  Wenn  der  Türke  Frieden  hält,  mufs  der  Kurfürst 
in  grofse  Gefahr  geraten.  Während  im  Norden  der  Krieg  wütet, 
wird  Frankreich  „freie  Hände  bekommen,  um  sich  des  Rhein- 
stroms Meister  zu  machen,  woran,  dafs  es  nicht  geschehe  und 
Frankreich  im  Reiche  nicht  noch  mehr  okkupire,  Sr.  Kurf. 
Durchl.  zum  höchsten  gelegen  **.  Nicht  minder  drohend  sind  jedoch 
die  Gefahren,  bei  höchst  geringem  möglichem  Nutzen,  auf  selten 
der  schwachen,  uneinigen  und  Brandenburg  meist  ungünstigen 


^  Ms.  Korrespondenz  des  Kurf.  und  Spanheims  im  Nov.  u.  Dez. 
1682;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Prankr.  21C.  —  Prutz,  858f. 

■  Depeschen  R^benacs  vom  Nov.  1682  bis  Jan.  1688;  Prutz,  857ff.  — 
Dep.  Lambergs  vom  18.  Dez.  1682;  U.  u.  A.,  XIV,  1049  ff. 


314  Siebentes  Buch. 

Gegenpartei.  Fuchs  rät  also:  der  Kurfürst  möge  die  Mittel- 
partei halten  und  den  Frieden  befördern,  inzwischen  sich  stärker 
waffnen,  auch  suchen,  das  Haus  Braunschweig  zu  sich  herüber 
zu  ziehen  \ 

In  diesem  Sinne  entschied  sich  der  Kurfürst.  Er  schrieb 
Spanheim  in  Ziffern,  am  6.  Januar  1683,  um  über  die  Undank- 
barkeit Frankreichs  und  die  Nutzlosigkeit  seiner  Opfer  für 
diesen  Staat  zu  klagen.  Er  wolle  das  Bündnis  mit  dem  Könige 
nicht  geradezu  aufgeben,  aber  fürder  ihm  auch  nicht  das  Wort 
reden  noch  sich  für  ihn  in  Gefahr  begeben.  Spanheim  solle 
nicht  etwa  zum  Verdachte  eines  Parteiwechsels  Anlafs  geben, 
jedoch  „hierfüro  Eure  Negotiation  mit  keinem  ferneren  sonder- 
lichen Empressement  treiben  noch  auf  einige  Resolutiones  (die 
bis  dato  in  allen  Dingen  so  schlecht  gefallen)  urgiren,  sondern 
genau  Acht  geben  und  ad  referendum  annehmen*''.  Der 
Kurfürst  vermehrte  inzwischen  sein  Heer  um  sechstausend  Mann 
und  sprach  laut  aus,  er  wolle  sich  selber  helfen,  da  ihm  der 
Allerchristlichste  König  den  Beistand  verweigere". 

Eine  Krise  in  dem  Verhältnis  Brandenburgs  zu  Frankreich 
war  ausgebrochen,  und  zwar  lediglich  durch  die  Schuld  des 
letzteren  Staates,  der  mit  dem  Kurfürsten  sein  Spiel  getrieben 
hatte,  als  wäre  dieser  nichts  Besseres  denn  ein  rechtloser  Diener 
des  Herrschers  in  Versailles.  Das  erkannte  selbst  Röbenac  voll- 
kommen an,  der  deshalb  seinen  König  dringend  zu  gröfserer  Rück- 
sicht auf  Friedrich  Wilhelms  gerechte  Empfindlichkeit  ermahnte. 
Sprach  sich  doch  Croissy,  der  das  Unternehmen  auf  Greetsiel 
zuerst  durchaus  gebilligt  hatte,  nunmehr  recht  ungünstig  darüber 
aus :  Brandenburg  möge  suchen,  sich  mit  Ehren  aus  dem  Handel 
zu  ziehen;  Frankreich  werde  es  nur  unterstützen,  wenn  die 
Holländer  es  offen  angriffen.  Und  was  Schweden  anbetreffe,  so 
könne  man  ihm  nicht  verwehren,  einige  Verstärkungen  für  seine 
Garnisonen  nach  Deutschland  zu  senden,  zumal  es  die  fried- 
lichsten Versicherungen  abgebe.  Frankreich  seinerseits  wünsche 
nichts  als  Frieden  —  das  hiefs:  es  wollte  nur  seine  Re? 
Unionen  behalten,  während  seine  Verbündeten  sich  mit  ihren 
Subsidien  zu  begnügen  hatten^. 

>  Ms.  Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  O.  —  Vgl.  Ranke,  PreuTs.  Gesch.,  1, 842. 
2  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  27.  Dez.  1682/6.  Jan.  1683. 
*  Ms.  Dep.  Rebenacs  vom  Jan.  1683  (B). 

^  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  1.,  15.  Jan.  1683;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv, 
XI,  Frankr.  22. 


Vierund vierzigstes  Kapitel.    Der  Ansclilag  auf  Schweden.        315 

Allein  die  französische  Regierung  mufste  bald  erkennen, 
dars  sie  in  ihrer  geringschätzenden  Selbstherrlichkeit  zu  weit 
gegangen  war.  Aus  Dänemark  kamen  laute  Klagen  über  die 
Verweigerung  jeglicher  Unterstützung  gegen  Schweden  und 
über  die  Mifshandlung  des  gemeinsamen  brandenburgischen  Ver- 
bündeten durdi  die  Besetzung  Oranges.  Brandenburg  selber 
zeigte  beunruhigende  Kühle.  Gottfried  von  Jena  in  Regensburg 
kümmerte  sich  nicht  mehr  um  die  französischen  Forderungen; 
dagegen  verlangte  der  Kurfürst  kategorisch,  dafs  keine  weiteren 
Reunionen  stattfinden  dürften.  Die  von  Croissy  empfohlene 
Bildung  einer  Friedensliga  im  Reiche,  das  heifst  eines  neuen 
Rheinbundes,  wies  Friedrich  Wilhelm  durchaus  zurück:  „Wir 
haben  das  Bedenken,  dafs  Wir  da  gar  leicht  in  allerhand  fremde 
Händel  und  Ungleichheiten  implicirt  werden  könnten;  hingegen 
aber  wenn  Uns  einige  Noth  und  Gefahr  zustofsen  würde,  Wir 
von  den  AUiirten,  insonderheit  von  Chur-Mainz,  Trier  und  Pfalz, 
als  weit  von  Uns  entlegen  und  in  schlechter  Kriegsverfassung 
begriffen,  wenig  Beistand  und  schlechte  Hilfe  zu  erwarten  haben 
würden. *"  Deshalb  sei  er  zwar,  wie  bisher,  zu  diplomatischer 
Unterstützung  bereit,  wolle  aber  nicht  mit  den  rheinischen 
Standen  „in  nexu  treten '"^ 

Die  niederländischen  und  kaiserlichen  Diplomaten  ver- 
breiteten überall  hin  das  Gerücht  von  einem  bevorstehenden 
Stellungswechsel  des  Kurfürsten.  Es  war  nicht  ganz  un- 
begründet. 

Amerongen  hatte,  als  er  gegen  Ende  1682  nach  Potsdam 
zurückgekehrt  war,  den  Kurfürsten  bei  weit  günstigerem  und 
versöhnlicherem  Sinn  gefunden,  als  bisher.  Friedrich  Wilhelm 
erklärte  sich  bereit,  mit  den  Staaten  einen  Neutralitätsvertrag 
einzugehen,  ja  vielleicht  der  Assoziation  beizutreten,  wenn  man 
ihn)  für  den  in  Kleve  durch  die  französische  Invasion  erlittenen 
Sehaden  und  für  die  nicht  bezahlten  Subsidien  Genugtuung  gebe. 
Amerongen,  der  meinte,  „man  müsse  das  Eisen  schmieden,  so 
lange  es  warm  sei*,  reiste  sofort  nach  dem  Haag,  um  die  Hoch- 
mögenden  zur  Erfüllung  der  kurfürstlichen  Forderungen  zu  be- 
wegen, und  Wilhelm  von  Oranien  arbeitete  eifrig  in  gleichem 
Sinne*.     Lamberg   hatte   nach  Wien   gleichfalls   von  der  ver- 

'  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Spanbeims  vom  Jan.u.  Febr.  1688;  ebendas. 
«  d'Avaux,  Nögociations  en  Hollande,  I  (Paris  1754),  S.  189 ff.  — 
ü.  u.  A.,  m,  650  f. 


316  Siebentes  Buch. 

heifsenden  ÄnderuDg  der  Sachlage  zu  berichten  und  drang 
seinerseits  mit  Nachdruck  in  den  Kaiser,  durch  Zahlung  von 
300000  Talern  auf  die  rückständigen  spanischen  Subsidien  den 
Kurfürsten  auf  die  Seite  von  Frankreichs  Gegnern  zu  ziehend 

Freilich,  die  Einladung  des  Kaisers,  nach  Regensburg  zu 
kommen,  um  dort  an  den  Beratungen  wegen  Abwehr  der  Türken- 
gefahr teilzunehmen,  lehnte  Friedrich  Wilhelm  ab,  angeblich  wegen 
Kränklichkeit,  tatsächlich  weil  er  sich  nicht  so  weit  für  die  öster- 
reichische Sache  festlegen  und  bei  Frankreich  kompromittieren 
wollte.  Er  sandte  indes  im  Januar  1683  den  jüngeren  Otto  von 
Schwerin  nach  Wien.  Nicht  billig  gedachte  er  hier  seine  Allianz 
zu  verkaufen.  Aufser  den  gewöhnlichen  Ansprüchen  auf  Satis- 
faktion vom  Reiche  und  von  Spanien  sowie  auf  Jägerndorf  hatte 
Schwerin  förmlich  das  Recht  Brandenburgs  auf  Liegnitz,  Brieg 
und  Wohlau  zu  betonen'.  Eine  Forderung,  die,  bei  der  be- 
drängten Lage  des  von  Türken  und  Franzosen  bedrohten  Kaisers, 
in  Wien  als  eine  ungerechte  Nötigung,  angesehen  wurde. 

Immerhin  genügte  die  Tatsache  von  Schwerins  Sendung, 
um  der  Welt  einen  Frontwechsel  Brandenburgs  wahrscheinlich 
zu  machen.  Das  mufste  aber  in  Paris  um  so  bedenklicher 
stimmen,  als  auch  sonst  die  kaiserliche  Partei  in  Deutschland 
sich  offenbar  von  Monat  zu  Monat  verstärkte.  Im  Januar  1683 
schlofs  Hannover  mit  Leopold  I.  ab,  versprach,  ihm  gegen  Hilfs- 
gelder 10000  Mann  zu  stellen  und  die  übrigen  Mitglieder  des 
braunschweig -lüneburgischen  Hauses  zum  Beitritt  zu  diesem 
Bündnis  zu  bewegen.  So  war  das  nach  Brandenburg  waffen- 
mächtigste Fürstenhaus  Deutschlands  für  die  kaiserlich-patrioti- 
sche Sache  gewonnen.  Auch  die  Stadt  Frankfurt  a.  M.  trat 
dem  Laxenburger  Bündnis,  der  fränkische  und  oberrheinische 
Kreis  wenigstens  dem  Assoziationsvertrage  bei,  Sachsen  versprach 
seine  Beihilfe®.  Noch  entschiedener  vollzog  Bayern,  unter  dem 
jungen  und  ruhmbegierigen  Kurfürsten  Max  Emanuel,  seinen 
Übergang  aus  der  seit  Jahrzehnten  innegehaltenen  französischen 
Gefolgschaft  zur  kaiserlichen  Partei.  Am  23.  Januar  1683 
schlofs  es  zu  Wien  mit  Österreich  ein  Verteidigungsbündnis,  in 
dem  es  sich,  aufser  seinem  Reichskontingente,  zur  Stellung  noch 


1  U.  u.  A.,  XIV,  1050. 

«  Pufendorf,  XVIII,  82.  —  Orlich,  Preuls.  Staat,  11,  4Ö8ff. 

>  Eauchbar,  287.  241.  248 f. 


Yienuidvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        317 

weiterer  8000  Mann  yerpliichtete.  Der  Bund  war  ausdracklich 
nicht  nur  gegen  die  Türken,  sondern  auch  gegen  Frankreich 
gerichtet.  Die  Säule  der  französischen  Faktion,  der  Kanzler 
Kaspar  Schmid,  wurde  gestürzt,  eine  Vermählung  Max  Emanuels 
mit  der  Tochter  Leopolds  I.  verabredete 

Bald  darauf  verlor  Frankreich  seinen  Einflufs  auch  auf 
Polen.  Johann  Sobieski  unterzeichnete  eine  Allianz  mit  dem 
Kaiser,  die  diesem  den  Zuzug  von  40000  Kriegern  gegen  die 
Türken  verhiefs. 

Ludwig  XIV.  sah  ein,  dafs  solche  Umstände  ihn  nötigten, 
Dänemark  und  Brandenburg  auf  seiner  Seite  festzuhalten.  Croissy 
versicherte  plötzlich,  die  Annahme  des  Kurfürsten,  dafs  man  in 
Paris  durchaus  die  Schweden  schonen  wolle,  sei  irrig,  er  selber 
meine,  man  müsse  sie  bei  dem  ersten  Anlasse  aufs  Haupt  schlagen 
und  ihrer  deutschen  Besitzungen  berauben.  R6benac  durfte  in 
Potsdam  mitteilen,  sein  König  sei  damit  einverstanden,  dafs 
Brandenburg  und  Dänemark  den  Durchmarsch  schwedischer 
Truppen  mit  Gewalt  verhinderten,  und  bereit,  hierfür  die  erhöhten 
Kriegssubsidien  zu  zahlen.  Man  nahm  die  schon  im  vorher- 
gehenden Oktober  gemachten  Anerbietungen  eines  neuen,  be- 
ständigen, alleroDgsten  Bündnisses  zwischen  Frankreich  und  dem 
Kurfürsten  wieder  auf*. 

Dieser  aber  wollte  sich  nicht  abermals  von  dem  übermächtigen 
Verbündeten  mifsbrauchen  und  täuschen  lassen  und  bestand  auf 
tatsächlichen  Bürgschaften  von  Frankreichs  Wohlwollen  und 
Bündnistreue.  Er  verlangte,  da  angeblich  der  Ausbruch  des 
allgemeinen  europäischen  Krieges  immer  wahrscheinlicher  werde, 
sofort  erhöhte  Subsidien  aus  Paris  zur  Verstärkung  seines  Heeres, 
sowie  den  Angriff  Frankreichs  auf  die  Generalstaaten  für  den 
Fall,  dafs  diese  eine  Flotte  zur  Unterstützung  der  Schweden  in 
die  Ostse  entsenden  würden.  Ähnliche  Anliegen  stellte  Meyercroon 
in  Paris  von  Seiten  Dänemarks.  Ein  förmliches  „Konzert*'  solle 
zwischen  den  drei  Mächten  aufgerichtet  werden,  in  erster  Linie 
gegen  Schweden,  in  zweiter  gegen  dessen  Helfer,  die  lüneburgi- 
schen Herzoge.  Wirklich  ging,  wenn  auch  zögernd,  die  fran- 
zösische Regierung  auf  diese  Anträge  ein.    Am  11.  März  sandte 


>  Haigel,  a.  a.  O.,  S.  99ff. 

■  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  29.  Okt.  1682,  29.  Jan.  1688.  —  Prutz, 

257.  aei. 


318  Siebentes  Buch. 

Ludwig  an  Röbenac  die  Mitteilung  seines  Beschlusses,  lieber 
Dänemark  und  Brandenburg  in  seiner  Allianz  zu  bewahren,  als 
noch  Iftnger  Schweden  zu  schonen,  das  sich  dessen  so  unwert 
mache.  Der  König  wollte  freilich  die  erhöhten  Subsidien  erst 
von  dem  wirklichen  Ausbruche  der  Feindseligkeiten  an  bezahlen, 
er  wünschte  immer  noch,  den  Kampf  lieber  gegen  die  Lttne- 
burger  als  gegen  die  Schweden  geführt  zu  sehen  —  allein  die 
Grundstimmung  in  Paris  war  doch  eine  andere  geworden.  Und 
bald  wurde  Ludwig  durch  seinen  eigenen  Gesandten  in  Kopen- 
hagen weiter  fortgerissen,  als  ihm  eigentlich  genehm  war:  Mar- 
tangis  schlofs  mit  Dänemark  einen  Vertrag,  der  die  Zahlung 
der  Kriegssubsidien  schon  auf  den  folgenden  1.  Juni  festsetzte. 
Ludwig  wollte  zuerst  diese  Bedingung  nicht  annehmen,  den 
Vertrag  nicht  ratifizieren;  aber  schliefslich  entschied  er  sich 
doch  dafür,  weil  es  sich  ja  nur  um  ein  Geldopfer  handle  ^ 

Dieser  Wechsel  in  der  Haltung  Frankreichs  bereitete  der 
Neigung  des  Kurfürsten  zu  der  kaiserlich-niederländischen  Partei 
ein  sofortiges  Ende.  Es  ist  klar,  er  meinte  noch  immer  seinen 
Vorteil  vor  allem  auf  selten  Frankreichs  zu  finden,  und  sobald 
er  von  dessen  freundlichem  Willen  überzeugt  zu  sein  glaubte, 
suchte  er  mit  dessen  Hilfe  voran  zu  kommen.  Die  General- 
staaten und  der  Kaiser  erfuhren  dies  bald  zu  ihrer  schmerz- 
lichen Enttäuschung. 

Amerongen  war  am  8.  März  1683  mit  den  schönsten  Hoff- 
nungen nach  Berlin  zurückgekehrt.  Man  hatte  im  Haag 
endlich  eingesehen,  dafs  die  Freundschaft  des  Brandenburgers 
unbedingt  nötig,  dafs  er  unter  den  deutschen  Fürsten  der  einzige 
notable  Reformierte,  und  dafs  er  überdies  von  allen  Seiten  um- 
worben sei.  Die  frühere  kühle  Geringschätzung,  als  sei  er  ein 
kleiner  Söldnerführer,  den  man  immer  für  einige  Stüber  haben 
könne,  war  offenbar  nicht  mehr  am  Platze.  Auf  Andringen 
Wilhelms  von  Oranien  beschlossen  die  Generalstaaten,  ein  Ver- 
teidigungsbündnis der  Niederlande  und  Spaniens  mit  dem  Kur- 
fürsten zu  Stande  zu  bringen,  wofür  die  ersteren  ihm  500000, 
das  zweite  200000  Reichstaler  auf  die  noch  schuldigen  Subsidien 
zahlen  sollten.  Auch  das  war  noch  nicht  das  letzte  Wort  — 
man  war  bereit,  die  Summe,  wenn  nötig,  zu  erhöhen.  Allein 
der  wackere  Amerongen  fand  sich   in  Berlin  bald  enttäuscht. 


^  Ms.  Korresp.  zwischen  Kurf.  u.  Spanheim,  Febr.  bis  April  1683. 


yierandyierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.       319 

Friedrich  Wilhelm  und  seine  Minister  suchten  alle  möglichen 
Gründe  heraus,  um  die  Annahme  des  niederländisch-spanischen 
Anerbietens  von  sich  zu  weisen.  Der  Gesandte  begriff,  dafs  die 
Absichten  auf  Pommern  den  Ausschlag  bei  dem  Herrn  gaben, 
der  "trotz  Alters,  schwerer  und  schmerzlicher  Krankheit  und 
tiefer  Gemfitsverstimmung  nichts  von  seinem  Ehrgeiz  und 
seinem  Eifer  für  die  Gröfse  seines  Staates  eingebüfst  hatte. 
Amerongen  war  schon  in  den  ersten  Tagen  nach  seiner  Ankunft 
davon  überzeugt,  dafs  Friedrich  Wilhelm  mit  Dänemark  nnd 
Frankreich  abschliefsen  werdet 

Schwerins  Unterhandlung  mit  dem  Kaiserhofe  brachte  kein 
besseres  Ergebnis.  Das  war  aber  in  erster  Reihe  nicht  die 
Schuld  des  Kurfürsten.  Der  Hilfe  Polens,  Bayern,  Sachsens, 
zahlreicher  anderer  Reichsstände  sicher,  wies  Leopold  alle  An- 
träge Brandenburgs  zurück  und  sprach  diesem  jedes  Recht  auf 
irgend  ein  schlesisches  Fürstentum  ab.  Friedrich  Wilhelm  berief 
dann  Schwerin  schon  Anfang  März  zurück,  teils  weil  er  die 
Aussichtslosigkeit  seiner  Sendung  erkannte,  teils  im  Wunsche, 
Frankreich  einen  Beweis  seiner  Ergebenheit  zu  bringen.  Wirk- 
lich äufserten  Ludwig  und  Croissy  ihre  lebhafte  Befriedigung. 
Die  kaiserlichen  Minister  hielten  Schwerin  noch  einige  Wochen 
in  Wien  zurück,  aber  ohne  jeden  Nutzen.  Der  Zwiespalt  zwischen 
dem  Kaiser  und  Brandenburg  war  heftiger  und  ging  tiefer 
denn  je*. 

Friedrich  Wilhelm  mochte  immerhin  seine  passive  Haltung 
bei  den  französischen  Gewalttaten  mit  der  Not  der  Zeiten  und 
seiner  Überzeugung  entschuldigen,  dafs  das  Reich  aufser  stände 
sei,  den  übermächtigen  Gegner  mit  Gewalt  zu  bestehen,  dafs  es 
also  mit  diesem  sich  auf  gütlichem  Wege  abfinden  müsse.  Solche 
Gründe  sind  aber  für  seine  Untätigkeit  bei  der  Türkengefahr 
nicht  stichhaltig.  In  seiner,  freilich  an  sich  gerechten,  Ent- 
rüstung über  Leopolds  stets  bewiesene  Ungunst  hat  er,  als  es 
sich  um  die  Rettung  Deutschlands  vor  einem  barbarischen  Feinde 
bandelte,  um  kleinlichen  Vorteil  gefeilscht.  Während  minder 
mächtige  Reichsstände  sich  mit  patriotischem  Opfermute  in  den 


»  ü.  u.  A.,  ni,  651  ff. 

■  Pufendorf,  XVm,  84f.  —  U.  u.  A^  IH,  674 ff.,  XIV,  1052  ff. — 
Orlich,  n,  493ff.  —  Droyeen,  HI,  IH  746ff.  —  Prutz,  362.  —  Ms. 
Spanheim  an  Kurf.,  19.  März. 


320  Siebentes  Buch. 

Kampf  um  das  Dasein  des  grofsen  Vaterlandes  stürzten,  war 
Friedrich  Wilhelms  Trachten  nur  auf  den  Gewinn  eines  schlesi- 
sehen  Fürstentums  oder  eines  Stückes  von  Vorpommern  gerichtet. 
Das  Verhalten  Friedrich  Wilhelms  im  Jahre  1683  bildet  den 
traurigsten  Teil  seiner  Regierungstätigkeit ;  wenn  der  Kurprinz, 
Anhalt,  Derfflinger  es  hier  gegen  ihn  mit  Österreich  hielten, 
finden  sie  immerhin  eine  Entschuldigung  in  dem  Umstände,  dafs 
ihre  Denkweise  besser  der  Ehre  und  dem  wahren  Interesse 
Brandenburgs  entsprach  als  die  ihres  kurfürstlichen  Herren. 

Während  Österreich,  Polen,  viele  deutsche  Fürsten  gegen 
den  Türken  rüsteten,  erschollen  Frankreich  und  seine  Vasallen- 
staaten vom  Lärm  der  Rüstungen  gegen  christliche  Länder.  In 
Frankreich  wurden  Truppen  gesammelt  zur  Belagerung  der  wich- 
tigen belgischen  Festung  Luxemburg,  ja  zum  eventuellen  Ein- 
marsch in  Norddeutschland.  Brandenburg  verstärkte  sein  Heer 
und  versah  es  mit  allem  Notwendigen  zum  Kampfe  gegen  Schweden 
und  die  Lüneburger;  es  gab  dafür  in  wenigen  Wochen  volle 
120000  Taler  (etwa  IV2  Millionen  Mark  nach  heutigem  Geld- 
werte) aus.  In  Kopenhagen  wurde  rastlos  an  den  Kriegsvor- 
bereitungen gearbeitet;  ein  angesehener  französischer  General, 
Graf  von  Roye,  trat  mit  Genehmigung  seines  Königs  in  dänische 
Dienste  und  ward  als  Feldmarschall  mit  der  Leitung  des  däni- 
schen Heeres  betraut  \  Die  Verhandlungen  zwischen  den  drei 
Staaten  über  ihr  offensiv  gedachtes  „Konzert**  wurden  mit  grofsem 
Eifer  betrieben,  und  zwar  in  Berlin,  wo  als  dänischer  Bevoll- 
mächtigter Biermann  von  Ehrenschild  anlangte,  um  mit  R6benac, 
Meinders  und  Fuchs  zu  negotieren.  Frankreich  hegte  um  so 
gröfsere  Neigung,  auf  die  von  Brandenburg  und  Dänemark  ge- 
stellten Bedingungen  einzugehen,  als  damals  von  einem  Vergleiche 
zwischen  dem  Kaiser  und  der  Hohen  Pforte  die  Rede  war:  dann 
hätte  nur  der  Kampf  seiner  Verbündeten  gegen  Schweden  und 
die  Lüneburger  dem  Allerchristlichsten  Könige  erlaubt,  seine 
ganze  Macht  am  Oberrhein  gegen  Österreich  und  dessen  süd- 
und  mitteldeutsche  Helfer  zu  vereinigen.  Die  Unterhandlung 
bot  freilich  noch  mehrere  Schwierigkeiten:  einmal  die  Festsetzung 
eines  nahen  Datums  für  den  Beginn  der  erhöhten  Subsidien- 
zahlung,  wobei  Brandenburg  überdies  für  sich  schon  den  fol- 


»  Recueü  des  Instructions,  Xin,  S.  XLII.  —  U.  u.  A.,  m,  686.  — 
Prutz,  868  ff. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.       321 

genden  1.  Mai  forderte,  anstatt  des  von  Dänemark  verlangten 
1.  Juni;  zweitens  der  weitere  Anspruch  Brandenburgs,  dafs  die 
Verbündeten  nicht  allein  „ gemeinschaftlich*',  wie  es  in  dem  von 
Martangis  zu  Kopenhagen  unterzeichneten  Vertrage  hiefs,  sondern 
auch  „getrennt'^  gegen  Schweden  vorzugehen  berechtigt  seien; 
endlich  dafs  der  Angriff  auf  diesen  Staat  nicht  bis  auf  Feind- 
seligkeiten von  dessen  Seite  vertagt  werden,  sondern  nach  blofsen 
^Truppenaushebungen*'  Karls  XI.  erfolgen  solle.  Auch  wollte 
Friedrich  Wilhelm  versichert  sein,  dafs  Frankreich,  selbst  für 
den  Fall  des  Bruches  mit  dem  Reiche,  auf  dessen  Kosten  keine 
neuen  Reunionen  vornehmen  werdet  In  dieser  Beziehung  ist 
sich  der  Kurfürst,  zu  seiner  Ehre,  immer  treu  geblieben.  R^benac 
sträubte  sich  lange  gerade  gegen  die  letztere  Forderung,  so- 
wie gegen  die  Bürgschaft  Frankreichs  für  die  zukünftig  gegen 
Schweden  von  Brandenburg  und  Dänemark  zu  machenden  Er- 
oberungen. Schliefslich  gab  er  nach,  aber  in  einer  Form,  die 
der  Ländergier  Ludwigs  XIV.  eine  Hintertür  offen  zu  lassen 
bestimmt  war. 

So  wurde  am  30.  April  1683  das  neue  Bündnis  in  Berlin 
unterzeichnet,  und  zwar  derart,  dafs  ein  kürzerer  Vertrag,  auf 
Grund  des  Kopenhagener  Abkommens,  zwischen  Frankreich  und 
Brandenburg  abgeschlossen  wurde,  ein  längerer  und  umfassen- 
derer —  das  sogenannte  „Konzert"  —  in  deutscher  Sprache 
zwischen  Brandenburg  und  Dänemark,  aber  auf  Grund  der  von 
R^benac  übermittelten  Zusagen  des  AUerchristlichsten  Königs 
und  in  der  Voraussetzung,  die  Billigung  dieses  Herrschers  zu 
erhalten  ". 

Der  erstere  Vertrag  setzte  fest,  dafs  die  beiden  nordischen 
Mächte  jeder  Vermehrung  schwedischer  Truppen  oder  deren  Über- 
führung nach  Deutschland  durch  einen  Angriff,  zu  Wasser  wie 
zu  Lande,  begegnen  würden.  Jeder  Anfall  fremder  Mächte  auf 
die  Länder  eines  oder  des  anderen  der  drei  Verbündeten  soll 
mit  gemeinsamen  Mitteln  abgewehrt  werden.  Die  Kriegssubsidien 
in  Höhe  von  300000  Talern  jährlich  zahlt  Frankreich  vom  I.Juni 
^  oder,  nach  einer  besonderen  Deklaration  Röbenacs,  an  Bran- 
denburg vom  1.  Mai  —  des  laufenden  Jahres  an. 


^  Biese   Punkte  werden  in  der  Ms.  Korrespondenz  des  Kurf.  mit 
Spanheim  während  des  April  1688  erörtert. 

'  Körner,  721{f.  —  Vgl.  die  Bemerkungen  Rebenacs;  Prutz,  864» 

Philippson,  Der  GrofM  Kurfarst.    III.  21 


322  Siebentes  Buch. 

Das  „  Konzert '^  traf  weitere  und  eingehendere  Verabredungen. 
Während  in  dem  brandenburgisch -französischen  Abkommen  nur 
von  Schweden  die  Rede  ist,  tritt  hier  das  Haus  Lüneburg  mit 
als  Ziel  des  Vertrages  hervor.  Es  sollen  zunächst  mit  ihm  Ver- 
handlungen gepflogen  werden;  scheitern  diese  aber,  und  zeigen 
sich  die  Herzoge  feindselig,  soll  der  Krieg  mit  ihrer  Überwälti- 
gung beginnen,  wozu  Frankreich  mit  einem  Heere  Yon  300O> 
Mann  beitragen  wird.  Kurköln  und  Münster  werden  zur  Mit- 
wirkung und  zur  Aufstellung  einer  westfälischen  Kreisarmee  auf- 
gefordert. Im  Falle  des  Erfolges  gegen  Schweden  soll  Dänemark 
die  Herzogtümer  Bremen  und  Verden  samt  der  Stadt  Wismar, 
Brandenburg  aber  das  ganze  Vorpommern  nebst  Rügen  erhalten. 
Die  Verbündeten  werden  die  Waffen  nicht  niederlegen,  ehe 
Schweden  in  solche  Abtretungen  eingewilligt  hat.  Der  König 
von  Frankreich  aber  verspricht  für  den  Fall,  wo  er  im  Reiche 
Krieg  zu  führen  habe:  „dafs  Sie  dasjenige,  was  Sie  von  den 
Opponenten  etwan  erobern  und  in  Ihre  Gewalt  bringen  möchten, 
nicht  vom  Reiche  abreifsen,  sondern  bei  geschlossenem  Frieden 
wieder  abtreten  und  das  Reich  nicht  verringern  oder  schwächen 
wollen"  (Artikel  18). 

Das  „Konzert"  schien  ganz  den  Wünschen  Dänemarks  und 
Brandenburgs  zu  entsprechen.  Frankreich  unterstützt  beide 
Staaten  im  Kampfe  gegen  Schweden,  der  sofort  beginnen  kann,  — 
denn  der  Vorwand  irgend  einer  „Vermehrung"  der  schwedischen 
Streitkräfte  war  immer  zu  finden.  Inzwischen  hat  Frankreich 
nur  das  Recht,  seine  Gegner  in  Deutschland  zu  bekämpfen,  aber 
es  soll  auf  deren  Kosten  keine  neuen  Erwerbungen  machen 
dürfen.  In  Wahrheit  jedoch  war  die  Sachlage  keine  so  einseitig 
günstige,  wie  die  nordischen  Staatsmänner  annahmen.  R6benac 
hatte  eine  von  ihnen  vorgeschlagene  Bestimmung,  dafs  „Frank- 
reich seine  künftigen  Eroberungen  im  Reiche  denjenigen, 
denen  es  sie  entrissen,  zurückerstatten  solle",  abgelehnt 
und  dafür  im  Artikel  18  eine  Fassung  gewählt,  die  nur  die  Be- 
raubung des  Reiches  als  solchen  verhinderte,  es  also  Frankreich 
gestattete,  seine  ferneren  Eroberungen  zu  behalten,  falls  es  nur, 
der  Form  nach,  für  diese  Stand  des  Reiches  würde. 

Der  Kurfürst  aber  achtete  dieser  Bedenken  nicht;  er  hielt 
den  Krieg  für  entschieden,  und  zwar  „seinen"  Krieg,  wie  er  ihn 
seit  Jahrzehnten  gewünscht,  dieses  Mal  mit  anscheinend  un- 
zweifelhafter Sicherheit  des  Erfolges.     Denn  die  Lüneburger 


Yierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.       323 

worden  durch  das  blofse  Erscheinen  eines  französischen  Heeres 
an  der  Weser  zum  Stillsitzen  genötigt  sein^  —  mit  Schweden 
allein  würden  Dänemark  und  Brandenburg  leicht  fertig  werden. 
Ja,  wenn  selbst  Dänemark  sich  nur  mit  Frankreich  vereinte,  um  die 
LOneburger  im  Zaume  zu  halten,  die  jede  Aufforderung  zum 
gemeinsamen  Bündnisse  gegen  Schweden  ablehnten,  war  Friedrich 
Wilhelm  froh  bereit,  dieses  auch  allein  anzugreifen '.  Denn  die 
schwedischen  Besitzungen  in  Deutschland  waren  derart  von 
allen  Verteidigungsmitteln  entblöfst,  dafs  ihre  Eroberung  als  ein 
leichtes  erschien.  Es  wurde  die  Artillerie,  behufs  schneller  Ein- 
Dahme  der  pommerschen  Festungen,  besonders  verstärkt,  auch 
in  Königsberg  eine  Anzahl  Kriegsfahrzeuge  zur  Fahrt  ausgerostet. 
Drei  Regimenter  in  Preufsen  erhielten  den  Befehl,  sich  marsch- 
fertig zu  machen.  Man  hoffte  in  Berlin  jedoch,  den  Gewinn 
des  von  Truppen  fast  entblöfsten  Vorpommerns  ohne  viel  Blut- 
vergiefsen  zu  erlangen^. 

Ebenso  grofs  war  der  Kriegseifer  in  Dänemark.  Christian  V. 
beabsichtigte,  die  schwedische  Flotte  zu  überfallen  und  zu  ver- 
brennen und  zugleich  das  Herzogtum  Bremen  anzugreifen.  Auch 
er  glaubte,  wegen  der  schlechten  Vorbereitungen  Schwedens, 
kaum  auf  ernstlichen  Widerstand  zu  stofsen  \  Damit  begnügten 
sich  aber  die  Hoffnungen  des  Königs  nicht:  er  verlangte  von 
Brandenburg  wie  von  Frankreich,  dafs  beide  Staaten  ihm  die 
Eroberungen  nicht  nur,  wie  im  „Konzerte**  stipuliert  war,  im 
deutschen,  sondern  auch  im  eigentlichen  Schweden  verbürgen 
sollten,  wo  er  die  ein  Vierteljahrhundert  früher  den  Dänen  ent- 
rissenen Provinzen  Schonen,  Halland  und  Blekingen  zurückzu- 
gewinnen gedachte.  Eine  solche  Verpflichtung  hat  der  Kurfürst 
nicht  offen  abgelehnt,  sie  aber  von  der  —  sicher  niemals  zu  er- 
langenden —  Zustimmung  Frankreichs  abhängig  gemacht,  dem 
er  so  das  Odium  der  Zurückweisung  klüglich  überliefst. 


1  Ms.  Spanheim  an  Surf.,  4J14.  Mai  1688. 

•  Kebenac  an  Ludwig  XIV.,  29.  Mai;  Prutz,  365f.  —  Pufendorf, 
XVm,  91. 

•  TJ.  u.  A.,  m,  706  ff.  —  Dafs  die  Ansicht  von  der  Verteidigungs- 
tmffthigkeit  der  schwedischen  Provinzen  in  Deutschland  richtig  sei, 
wurde  damals  von  allen  Seiten  zugegeben.  Vgl.  Recueil  des  Instructions, 
Xm,  54. 

*  Instr.  Ludwigs  XIV.  an  Villars,  6.  Mai  1683;  Becueü  XIH,  46. 

*  Ms.  Chiffrierte  Instr.  des  Kurf.  an  Spanheim,  1./11.  Mai  1683. 

21* 


324  Siebentes  Buch. 

Alle  diese  Hoffnungen  aber  waren  nichtig,  alle  diese  Pläne 
zerflatterten  im  Winde.  Denn  das  Bündnis  mit  Frankreich  er- 
wies sich  abermals  als  das  schwache  Rohr,  das  in  eben  dem 
Augenblicke  zerbricht,  wo  man  sich  darauf  zu  stützen  gedenkt. 

König  Karl  XI.  hatte  erkannt,  dafs  er  aufser  stände  sei,  einem 
von  Frankreich  begünstigten  Angriffe  Dänemarks  und  Brandenburgs 
erfolgreich  die  Spitze  zu  bieten.  Während  er  das  Versäumte  mög- 
lichst durch  beschleunigte  Rüstungen  zu  Lande  und  zu  Wasser  nach- 
holte, tat  er  alles,  um  Frankreich  von  der  absoluten  Friedfertigkeit 
seiner  Absichten  zu  überzeugen ;  er  bat  sich  sogar  einen  neuen  fran- 
zösischen Gesandten  nach  Stockholm  aus  K  Ludwig  XIV.  wurde 
durch  diese  Umwandlung  in  der  Haltung  der  schwedischen  Re- 
gierung sofort  wieder  zu  seiner  eigentlichen  Ansicht  zurück- 
gebracht, er  habe  eine  wesentliche  Schwächung  Schwedens  nicht 
zuzulassen.  Es  schien  ihm  für  Frankreich  ratsam,  dafs  Schweden 
auf  der  einen,  Dänemark  und  Brandenburg  auf  der  anderen 
Seite  sich  balancierten  und  der  Allerchristlichste  König  stets  die 
eine  gegen  die  andere  Macht  ausspielen  könne.  Er  war  davon 
überzeugt,  dafs  Dänemark  und  Brandenburg  in  eben  dem  Augen- 
blick, wo  sie  ihre  Wünsche  verwirklicht  und  Schweden  unschäd- 
lich gemacht  hätten,  sich  von  Frankreich  ab-  und  dem  Kaiser 
zuwenden  würden,  und  zwar  um  so  mehr,  als  sie  nur  von  diesem 
die  endgültige  Belehnung  mit  den  den  Schweden  abgenommenen 
deutschen  Ländern  zu  erhalten  vermochten.  Alle  Unterstützungen, 
die  er  jenen  beiden  Staaten  gewährt,  würden  dann  im  letzten 
Grunde  dem  Hause  Österreich  zu  gute  kommen.  Er  hatte  einst- 
weilen seine  Zwecke  erreicht :  Schweden  war  ebenso  wie  Branden- 
bürg  von  dem  Anschlüsse  an  Osterreich  und  die  Niederlande 
zurückgebracht  worden;  nun  opferte  er  zumal  den  Kurfürsten, 
dem  er  ja  stets  mifstraute,  ohne  das  mindeste  Bedenken.  Er 
suchte  sogar  Dänemark  dazu  zu  bewegen,  dafs  es  sich  ganz  von 
Brandenburg  trenne,  mit  Schweden  ein  enges  Bündnis  schliefse 
und  sich  dann,  an  Stelle  des  Herzogtums  Bremen,  vielmehr  des 
alten  Gegenstandes  seiner  Habsucht,  der  freien  Stadt  Hamburg, 
bemächtige  '• 


»  Carlson,  V,  261  ff . 

'  Ludwig  teilt  das  als  das  tiefste  Geheimnis  der  französischen 
Politik  Villars  mit;  Becueil  XIII,  54.  —  Vgl.  die  ganze  Darlegung  dort 
S.  46  ff. 


Vierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        325 

Dazu  mufsten  die  Verbündeten  der  Hansastadt,  die  weifi- 
schen Herzoge,  unschädlich  gemacht  sein.  Gegen  diese  also 
bemühte  Ludwig  sich  zunächst  den  Ehrgeiz  und  die  Kriegslust 
seiner  Aliierten  zu  richten.  Die  Lüneburger  waren  die  mäch- 
tigsten unter  den  kaiserfreundlichen  Reichsfürsten;  wenn  sie 
bis  zur  Machtlosigkeit  geschwächt  worden,  erhielt  die  öster- 
reichische Partei  in  Norddeutschland  den  Todesstofs.  Ludwig 
betrachtete  sie  als  seine  gefährlichsten  Widersacher  im  Reiche. 
Schon  im  März  1688,  ehe  noch  das  „Konzert^  vereinbart  war, 
hatte  er  sich  bemüht,  Christian  V.  und  Friedrich  Wilhelm  zu- 
nächst auf  die  Lüneburger  zu  hetzen.  Immer  und  immer  wieder 
kam  Groissy  darauf  zurück,  man  müsse  alles  mit  der  gewalt- 
samen Entwaffnung  dieser  Fürsten  beginnen;  denn  solange  sie 
noch  gerüstet  daständen,  könne  ohnehin  der  Angriff  auf  Schweden 
nicht  mit  Sicherheit  geschehen,  da  sie  den  Dänen  und  Branden- 
burgern stets  in  den  Rücken  fallen  könnten.  Auch  R6benac 
mufste  das  in  Berlin,  Villars,  der  neuernannte  Gesandte  in 
Kopenhagen,  in  dieser  Hauptstadt  vorstellend 

Das  „Konzert*"  hatte  die  Lüneburger  dadurch  unschädlich 
machen  wollen,  dafs  ein  französisches  Heer  an  die  Weser  vor- 
rücke. Allein  Ludwig  wies  das  durchaus  zurück  und  wollte 
seine  Truppen  nicht  einmal  an  den  Niederrhein  entsenden ',  an- 
geblich aus  Friedensliebe,  in  der  Tat,  um  seine  Verbündeten 
zu  zwingen,  dafs  sie  selber  sich  gegen  die  weifischen  Herzoge 
wendeten. 

Aber  dafür  war  Friedrich  Wilhelm  nicht  zu  haben.  Er 
konnte  keine  dauernden  Erwerbungen  auf  Kosten  dieser  deut- 
schen Fürsten  machen,  wie  etwa  auf  Kosten  Schwedens.  Ab- 
gesehen von  seinem  Bündnisse  mit  Frankreich  hatte  er  im 
Grunde  keine  Ursache  zum  Streit  mit  diesem  Hause.  Ein  grofser 
und  seinem  Herzen  nahestehender  Teil  seiner  Umgebung  er- 
klärte sich  mit  Leidenschaft  dagegen,  im  Dienste  der  Welschen 
deutsche  Fürsten  nur  deshalb  zu  bekämpfen,  weil  sie  ihrem 
Kaiser  treu  waren.  Der  greise  Derfflinger  rief  dem  Kurfürsten 
laut  zu:  „Ich  will  mich  lieber  in  Stücken  hauen  lassen,  als  die 
kurfürstliche  Armee  gegen  Eurer  Kurfürstlichen  Durchlaucht  Ehre 


»  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  19.  März,  3.  Mai  1683.  —  Prutz,  365.  — 
Recueü,  XIII,  50  f. 

'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.)  27.  Mai. 


326  Siebentes  Buch. 

und  Gewissen,  auch  Eure  und  des  Reiches  Wohlfahrt  zu  komman- 
dieren/ ^  Das  alles  machte  auf  Friedrich  Wilhelm  tiefen  Ein- 
druck, und  zwar  um  so  mehr,  als  er  sich  wiederum  von  Frank- 
reich des  Preises,  den  er  schon  in  H&nden  zu  halten  geglaubt 
hatte,  auf  das  rücksichtsloseste  beraubt  sah.  Ein  deutlicher 
Beweis  für  das  Übelwollen  Frankreichs  war  auch,  dafs  dieses 
sich  weigerte,  eine  Bürgschaft  für  etwaige  Erwerbungen  seiner 
Alliierten  zu  übernehmen,  sondern  lediglich  die  Verpflichtung  in 
den  Vertrag  zulassen  wollte:  dafs  die  Verbündeten  nur  mit 
gegenseitiger  Zustimmung  Frieden  schliefsen  dürften,  —  eine  un- 
sichere Klausel,  die  erforderlichen  Falles  leicht  zu  umgehen  war. 
Femer  mufste  es  den  Kurfürsten  schwer  verdriefsen,  dal^  König 
Ludwig  jeden  seiner  Versuche,  die  Herausgabe  Oraniens  zu  er- 
zielen, mit  schneidender  Kftlte  zurückwies,  da  jenes  Fürstentum 
ein  yerwirktes  Lehen  der  Krone  sei". 

Am  meisten  entrüstete  es  ihn,  dafs  Groissy  nunmehr  er- 
klärte, für  den  Eintritt  eines  Bruches  mit  dem  Reiche  könne  sein 
König  sich  in  betreif  weiterer  Erwerbungen  und  Reunionen  die 
Hände  nicht  binden.  Die  ganze  moralische  und  rechtliche  Grund- 
lage der  brandenburgischen  Politik  während  der  letzten  vier  Jahre 
wurde  damit  vernichtet.  Friedrich  Wilhelm  beauftragte  Span- 
heim, dies  in  Paris  unumwunden  auszusprechen  und  mit  aller 
Schärfe  darauf  hinzuweisen,'  der  Kurfürst  könne  auf  Grund  seiner 
beschworenen  Pflichten  nicht  dazu  helfen,  dafs  das  Reich  weiter 
gemindert  und  zergliedert  werde,  würde  auch  dadurch  seine 
eigenen  feierlichsten  Verpflichtungen  Lügen  strafen.  „Es  würde 
verhoffentlich  Ihre  Königl.  Maj.  teils  durch  Behauptung  der  ais- 
schon gemachten  Reunionen,  auch  überdem  noch  wohl  ander- 
wärts und  aufser  dem  Reiche  eine  anständige  und  zulängliche 
Satisfaktion  finden.''  Allein  mit  Dänemark  gegen  die  Lüneburger 
vorzugehen ,  wies  er  in  jeder  Weise  zurück ;  inzwischen  werde 
damit  die  beste  Zeit  verloren  gehen,  wo  man  gegen  Schweden 
etwas  ausrichten  könne.  Er  wollte  nichts  zum  Nachteile  Deutsch- 
lands tun.  Schliefslich ,  am  8.  Juni,  sprach  er  seinen  völligen 
Verzicht  auf  das  „Konzert"  aus,  das  er  also  nicht  ratifiziert  hat^. 


'  U.  u.  A.,  XIV,  1071. 

'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  24.,  27.  Mai.  —  R^benac  mufs  anerkennen, 
dafs  des  Kurfürsten  Zorn  gerechtfertigt  sei;  Ms.  Depeschen  vom  Juni 
1683  (B). 

«  Kurf.  an  Spanheim,  8./18.  Mai,  22.,  29.  Mai  / 1.,  8.  Juni  1683. 


Yierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.       327 

Er  kam  damit  Ludwig  XIY.  zuvor,  der  gleichfalls  das  «Kon- 
zert"  ablehnte,  weil  er  mit  Schweden  nicht  zu  brechen  gedenke. 
Er  ermahnte  vielmehr  zur  Bewahrung  des  Friedens  in  Nordeuropa, 
derart  seine  eigenen  jüngsten  Winke,  Aufforderungen  und  Ver- 
sprechungen, sowie  die  amtlichen  Taten  seiner  Vertreter  Lügen 
strafend  ^  Abermals  hat  sich  da  für  Brandenburg  die  volle  Nutz- 
losigkeit der  französischen  Allianz  erwiesen.  Der  grofse  König 
hatte  es  „amüsiert^,  um  es  von  einem  Übertritte  zur  europäi- 
schen Partei  abzuhalten.  Er  hat  damit  aber  bewirkt,  dafs  der  Kur- 
fürst zu  einer  kriegerischen  Unterstützung  Frankreichs  nicht 
mehr  zu  haben  war.  Insofern  war  das  brandenburgisch-französi- 
sche Bündnis  durch  diese  Vorgänge  endgültig  abgeschwächt. 

Friedrich  Wilhelm  benutzte  die  französischen  Hilfsgelder 
noch,  um  sein  Heer  in  ansehnlicher  Stärke  zu  erhalten;  sonst 
dachte  er  nur  daran,  den  Frieden  im  Reiche  zu  bewahren,  dies 
vor  neuen  Unruhen  und  damit  vor  der  Gefahr  weiterer  Ver- 
luste zu  schützen.  Er  sandte  Meinders  nach  Braunschweig  und 
Hannover,  um  wenigstens  äufserlich  eine  Versöhnung  mit  den 
Weifen  herbeizuführen.  Es  fand  dann,  im  Juni,  zu  Hamburg  ein 
Kongrefs  brandenburgischer,  dänischer  und  lüneburgischer  Be- 
vollmächtigter statt,  dem  für  die  erstere  Macht  Meinders,  für 
die  zweite  Biermann  von  Ehrenschild,  für  die  dritte  Grote  bei- 
wohnte; auch  R^benac  hatte  sich  zur  Vertretung  der  französi- 
schen Interessen  dorthin  begeben.  Während  Frankreich  alles 
tat,  um  den  Ausgleich  mit  den  Weifen,  von  dem  es  eine  Trennung 
Brandenburgs  von  Ludwig  XIV.  fürchtete,  zu  hintertreiben  *,  er- 
klärte Grote  unumwunden,  Hannover  könne  sich  nicht  eher  den 
Verbündeten  nähern,  als  der  Allerchristlichste  König  Sicherheit 
gegeben  habe,  nichts  gegen  das  Reich  unternehmen  zu  wollend 
Der  Kongrefs  ging  am  25.  Juni  unverrichteter  Sache  auseinander. 

Dänemark  war  mit  dem  friedlichen  Verhalten  Brandenburgs 
sehr  unzufrieden.  Das  Erscheinen  einer  französischen  Flotte  in 
der  Ostsee,  das  Ausbleiben  des  den  Schweden  versprochenen 
holländischen  Geschwaders  hatten  in  Kopenhagen  die  Kriegslust 
wieder  gesteigert.  Man  war  dort  wohl  dazu  geneigt,  dem  Kur- 
fürsten die  Schuld  am  Scheitern  des  Angriffsplanes  auf  Schweden 


»  Prutz,  366f. 
■  Recueil,  XUI,  55. 
»  Prutz,  366. 


328  Siebentes  Buch. 

beizumessen,  und  drohte,  sich  mit  diesem  letzteren  Staate  zu 
verbünden.  Friedrich  Wilhelm  anderseits  war  mifsgestimmt  über 
die  einseitige  Begünstigung  Dänemarks  durch  Frankreich  und 
über  dessen  Bemühungen,  die  englische  Prinzessin  Anna  mit  dem 
dänischen  Prinzen  Georg  zu  vermählen.  Man  glaubte,  und  zwar 
mit  Recht,  in  Potsdam  fürchten  zu  müssen,  dafs  Ludwig  darauf 
hinziele,  seine  Partei  mit  Dänemark,  England  und  Schweden  zu 
bilden  und  Brandenburg  ganz  zur  Seite  zu  schieben.  Als  Ende 
Juni  der  dänische  Abgesandte  Friedrich  von  Gabel  den  Kur- 
fürsten von  neuem  in  kriegerische  Abenteuer  zu  verstricken 
suchte,  wies  dieser  solche  zurück  und  verweigerte  auch  eine 
abermalige  Zusammenkunft  mit  Christian  Y.  als  nutzlos  und  gar 
schädlich  ^ 

Er  fühlte  sich  verlassen  und  vereinsamt,  und  seine  schweren 
körperlichen  Leiden  verstimmten  ihn  vollends.  Er  erklärte  den 
Holländern  auf  abermaliges  Andrängen  wiederum :  man  solle  vor 
allem  den  allgemeinen  Frieden  auf  Grund  des  Status  quo  ab- 
schliefsen,  dann  werde  er  zu  neuen  Bündnissen  die  Hände  frei 
haben;  auch  müfsten  zuvor  seine  Forderungen  an  Holland  und 
Spanien  wegen  der  rückständigen  Subsidien  befriedigt  sein.  Aber 
war  die  allernächste  Kriegsgefahr  beseitigt  und  die  Zeit  ge- 
wonnen, um  in  aller  Ruhe  den  zukünftigen  Kampf  vorzubereiten, 
so  war  er  wohl  geneigt,  von  der  französischen  Partei  wieder  zu 
der  niederländisch-kaiserlichen,  unter  gewissen  Bürgschaften  für 
die  Interessen  Brandenburgs,  überzutreten.  Er  wolle,  sagte  er, 
sich  in  betreff  Spaniens  mit  dem  von  diesem  selbst  angebotenen 
Betrage  von  200000  Talern  in  bar  und  300000  in  Salz  einver- 
standen erklären,  auch  eventuell  ein  Verteidigungsbündnis  für 
die  freien  und  die  spanischen  Niederlande  eingehen  (28.  Juni). 
Die  Generalstaaten  sollten  ihm  für  die  schuldigen  Hilfsgelder 
ein  für  alle  Male  eine  halbe  Million  Taler  zahlen  oder  dafür 
die  Krone  Schweden  zur  Abtretung  der  Stadt  Stettin  an  ihn 
bewegen.  Freilich  wiesen  die  Hochmögenden  beide  Möglichkeiten 
dieser  , Alternative"  zurück:  sie  wollten  weder  eine  so  grofse 
Summe  entrichten  noch  den  —  offenbar  aussichtslosen  —  Versuch 
machen,  den  ehrbegierigen  und  charaktervollen  Karl  XI.  zur 
Aufgabe  Stettins  zu  überreden'.   Jedenfalls  zeigte  das  Erbieten 


*  U.  u.  A.,  ni,  713.  725  ff. 
■  Ebendas.  705  ff.  718  ff.  725  ff. 


Yierundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anschlag  auf  Schweden.        329 

Friedrich  Wilhelms,  dafs  bei  ihm  die  Hochflut  französischen 
BOndniseifers  sich  bereits  verlaufen  hatte,  und  dafs  es  für  ihn 
nur  von  den  Umständen  abhing,  die  Partei  zu  wechseln. 

Er  scheute  sich  nicht,  R^benac,  der  ihm  im  Grunde  des 
Herzens  recht  geben  mufste,  das  Sündenregister  Frankreichs 
vorzuhalten.  Es  habe  ihm  viele  mächtige  Staaten:  Österreich, 
die  braunschweigischen  Herzogtümer,  Schweden,  Sachsen,  Polen, 
zu  Feinden  gemacht  und  dabei  durch  Verweigerung  des  jüngsten 
Traktats  die  Mittel  genommen,  diese  gefährliche  Phalanx  zu 
sprengen.  Es  nötige  ihn,  mit  seinem  Heere  auf  dem  Kriegs- 
fufse  zu  verharren,  und  versage  ihm  doch  die  Eroberungen  auf 
Kosten  Schwedens,  zu  denen  es  ihn  wenige  Monate  vorher  an- 
gefeuert habe^  Kurz,  die  Beziehungen  zwischen  Berlin  und 
Paris  waren  abermals,  wie  ein  halbes  Jahr  zuvor,  recht  kühle 
und  unerfreuliche. 

Und  nun  kam  von  neuem  Lamberg  nach  Berlin  (Juni  1683 '), 
um  den  Kurfürsten  für  ein  Bündnis  mit  dem  Kaiser  zu  ge- 
winnen. Allerdings  hatte  dieser  ein  solches  sehr  nötig.  Grof^ 
vezier  Kara  Mustapha  war  im  Anfang  des  Mai  mit  mehreren 
Hunderttausenden  von  Streitern  von  Belgrad  aufgebrochen,  war 
dann  in  Ungarn  erschienen  und  willens,  unmittelbar  auf  Wien 
loszugehen.  Leopold  aber  hatte  kein  irgend  hinreichendes  Heer 
zur  Verfügung,  um  diesem  furchtbaren  Anprall  einen  Damm 
entgegenzusetzen.  Er  zitterte  für  seine  Lande,  für  seine  Krone. 
So  trug  er  von  neuem  dem  Brandenburger  eine  Allianz  an :  aber 
sie  legte  nur  diesem  Verpflichtungen  auf  und  gewährte  ihm 
keinerlei  Voii;eile;  die  Zahlungen  Spaniens  waren  auf  100000 
Taler  bar  —  also  hunderttausend  weniger,  als  es  bereits  zu- 
gestanden hatte  —  und  300000  in  Salz  festgesetzt.  Von  der 
9 Satisfaktion"  im  Reiche,  von  Jägemdorf  und  den  übrigen  schlesi- 
schen  Fürstentümern  kein  Wort. 

Friedrich  Wilhelm  war  mit  Recht  entrüstet  über  diese  Zu- 
mutung. Die  ihm  feindselige  Gesinnung  des  Wiener  Hofes  konnte 
sich  nicht  deutlicher  kundgeben  als  durch  derartige  Anträge  in 
dessen  verzweifelter  Lage.  Und  dabei  mufste  er  hören,  dafs  die 
Salzwerke  zu  Cadiz  und  Lamata,  die  die  unentgeltliche  Liefe- 


^  Dep.  R^benacs  vom  25.  Juni;  Prutz,  367. 

•  Das  Folgende   nach   ü.  u.  A.,   XIV,   1058  ff.  —  Vgl.  U.  u.  A., 
m,  716  ff. 


330  Siebentes  Buch. 

rung  des  Salzes  für  300000  Taler  besorgen  sollten,  schon  seit 
mehr  als  zwanzig  Jahren  an  Privatleute  verpachtet  waren !  Man 
dürfte  es  ihm  nicht  verargen,  dafs  er  unter  solchen  Umständen 
wenig  Neigung  zeigte,  sich  den  Habsburgem  dienstbar  zu  machen; 
er  müsse  erst  abwarten,  sagte  er,  was  für  „Sekuritat**  ihm 
„prftstiert^  werde,  „dann  er  als  ein  gebranntes  Kind  sich  nicht 
gern  zum  zweiten  Male  wolle  einführen  lassen^.  Er  verlangte 
eine  höhere  Zahlung  von  Spanien],  neue  Subsidien  vom  Kaiser, 
Quartieranweisungen  im  Reiche  für  seine  Truppen,  Entschädi- 
gung für  seine  schlesischen  Ansprüche,  da  der  kaiserliche  Hof 
seine  Nachkommen  um  ihr  Recht  bringen  wolle,  wie  das  schon 
seit  vielen  Jahren  geschehe.  Kurz,  eine  Verständigung  war  hier 
noch  im  weiten  Felde. 

Da  erscholl  die  Kunde,  dafs  der  Kaiser  am  7.  Juli  seine 
Hauptstadt  flüchtend  verlassen  habe,  deren  Belagerung  durch 
die  Türken  bevorstehe.  Ein  entscheidender  Augenblick  war  ein- 
getreten. Sein  oder  Nichtsein  stand  für  Deutschland  auf  dem 
Spiele.  Friedrich  Wilhelm  beschlofs,  zur  sofortigen  Übereinkunft 
mit  dem  bedrängten  Reichsoberhaupte  den  kaiserfreundlichen 
Anhalt  an  Leopold  zu  senden.  Noch  einmal  trugen  die  wahren 
Empfindungen  des  greisen  Kurfürsten  über  seinen  pei*sönlichen 
Groll  und  seine  partikularen  Absichten  den  Sieg  davon. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel 

Die  Braunschweiger  Fehde. 


Vier  Jahre  lang  stand  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  im  fran- 
zösischen Bündnis,  als  die  Türken  vor  Wien  erschienen  und 
damit  eine  grofse  europäische  Krisis  hervorriefen.     Er  hatte, 
mit  Ausnahme  geringfügiger  Hilfsgelder,  aus  seinem  Verhältnisse 
zu  Frankreich  nicht  einen  der  Vorteile  gezogen,  auf  die  er  ge- 
rechnet.   Sein   übermächtiger  Alliierter  hatte  ihm  weder  von 
Holland  noch  von  Spanien,  weder  vom  Kaiser  noch  vom  Reiche 
die  Genugtuung  erwirkt,  auf  die  er  Anspruch  zu  haben  meinte, 
noch  endlich  ihm  den  vor  allem  ersehnten  pommerschen  Land- 
erwerb ganz  oder  auch  nur  zum  Teil  verschafft.    Vielmehr  sah 
der   greise  Fürst   sich  lediglich  auf  Bahnen  gedrängt,  die  den 
Traditionen  seines  Staates  schnurstracks  zuwiderliefen.    Wenn 
er  dennoch  an  der  Seite  Frankreichs  beharrte,  wurde  er  hierzu 
nicht  sowohl  durch  Zorn  und  Rachgier  veranlafst,  die  längst 
verraucht   waren,    allerdings  mit  Zurücklassung   bitterer  und 
schmerzlicher  Empfindungen,    als  vielmehr  durch  Erwägungen 
sowohl  allgemeiner  wie  besonderer  Art.    Er  war  nach  wie  vor 
fest  davon  überzeugt,  dafs  das  in  sich  gespaltene  und  zerrissene 
Europa  nicht  im  stände  sei,  die  Waffen  des  Allerchristlichsten 
Königs  abzuwehren,  und  dafs  man  dessen  Eroberungsgier  einst- 
weilen   nur   durch    gütliche    Mittel,    durch    das    Opfer   eines 
Teiles  des  Verlorenen,   Einhalt  schaffen  könne.    Er  durfte  laut 
und  mit  vollem  Rechte  darauf  hinweisen,  dafs  er  gerade  durch 
seine   offizielle  Freundschaft    mit  Frankreich  Deutschland  vor 
weiteren  Einbufsen  bewahrt  habe.    Diese  Tatsache  erhielt  eine 
neue  Bestätigung  durch   den  Türkeneinfall   des  Jahres   1683. 


332  Siebentes  Buch. 

Wie  wäre  es  dem  Kaiser  und  den  Reichsständen  zu  einer  Zeit, 
wo  sie  ihre  ganzen  verfügbaren  Streitkräfte  gegen  die  furcht- 
bare Macht  der  Türken  verwenden  mufsten,  möglich  gewesen, 
zugleich  die  Franzosen  am  Rhein  zu  bestehen  ?  Und  dann :  nur 
infolge  seines  Bündnisses  mit  Frankreich  war  Friedrich  Wilhelm 
befähigt  gewesen,  wenigstens  ein  deutsches  Gebiet  —  Ostfriesland  — 
von  der  hundertjährigen  Fremdherrschaft,  aus  der  Gewalt  der 
Holländer  zu  befreien  und  dem  deutschen  Wesen  zu  erhalten. 

Zu  diesen  Erwägungen  allgemeiner  Natur  kamen  noch 
besondere:  die  Vernachlässigung  seiner  Interessen  seitens  der 
Generalstaaten  und  das  offenbare  Übelwollen,  das  ihm  die  Habs- 
burger und  vorzüglich  der  Kaiser  erwiesen.  Vielleicht  hätte  er, 
aus  höheren  Beweggründen,  in  jüngeren  Jahren  über  diese  Dinge 
hinweggesehen,  wie  er  es  1660,  1672,  1674  getan.  Allein  nach 
den  trüben  Erfahrungen  des  letzten  Krieges,  verbittert  auch 
durch  sein  stetes  Kranksein,  das  ihn  den  gröfsten  Teil  des  Jahres 
hindurch  an  das  Bett  fesselte,  ernüchtert  durch  das  ohnehin 
des  Schwunges  entbehrende  Greisenalter,  vermochte  er  sich  zu 
so  kühnen  und  edlen  Entschlüssen  nicht  mehr  aufzuraffen. 

Er  war  dennoch  bereit,  dem  Kaiser,  auf  dessen  wiederholte 
Bitten  um  Beistand,  gegen  die  Türken  zu  Hilfe  zu  kommen; 
erschienen  diese  doch  am  12.  Juli  wirklich  vor  Wien,  und  der 
Fall  der  österreichischen  Hauptstadt  hätte  das  ganze  Reich  dem 
barbarischen  Feinde  eröffnet.  Unter  diesen  Umständen  hätte 
Friedrich  Wilhelm  gern  seine  Beschwerden  beiseitegeschoben, 
um  gegen  die  allen  drohende  Gefahr  anzukämpfen.  Er  wünschte 
sogar,  bei  dieser  Gelegenheit  mit  dem  Kaiser,  Spanien  und  den 
Niederlanden  ein  Verteidigungsbündnis  einzugehen,  das  seiner 
Allianz  mit  Frankreich  nicht  dem  Wortlaut  nach  widersprochen, 
solche  aber  tatsächlich  aufgehoben  hättet  Er  zeigte  seinen 
guten  Willen  in  dem  Osmanenkriege ,  indem  er  am  22.  Juli  mit 
einem  polnischen  Unterhändler,  dem  Bischof  Andreas  Zaluski 
von  Kiew,  in  Berlin  einen  Vertrag  einging,  durch  den  er 
1200  Mann  als  Hilfstruppen  den  Polen  gewährte,  und  zwar  für 
sechs  Monate  auf  seine  eigenen  Kosten'.  Dieser  Truppenteil 
traf  tatsächlich  im  Monat  Oktober  in  Ungarn  ein.  Allein  das 
war  doch  nur  eine  Abschlagszahlung:  Friedrich  Wilhelm  beschlofs. 


»  U.  u.  A.,  m,  788 :  Amerongen  an  Fagel,  10./20.  Juli  1683. 

•  Mörner,  447.  —  O.  Klopp,  Das  Jahr  1683  (Graz  1882),  S.  268. 


Panfimdvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        333 

ein  ansehnliches  Heer  von  12000  Mann  zu  bilden,  das  unter 
dem  Befehle  Derfflingers  gegen  die  Tarken  marschieren  sollte. 
Die  Regimenter  aus  der  Mark  und  selbst  aus  Preufsen  waren 
schon  zum  Marsche  befehligte  Er  bat  femer  den  König  von 
Frankreich,  in  dieser  Bedrängnis  das  Reich  nicht  anzugreifen 
noch  zu  beunruhigen.  Er  verzichtete  auf  die  ihm  im  französisch- 
brandenburgischen  Präliminar  vertrage  vom  30.  April  1683  ver- 
heifsenen  erhöhten  Subsidien,  nur  um  seine  Friedensliebe  und 
Selbstlosigkeit  zu  erweisen^.  Wirklich  hatte  er  die  Genugtuung, 
zu  sehen,  dafs  Ludwig  XIY.  die  schon  begonnene  Belagerung 
Luxemburgs  aufhob,  um  nicht  der  öffentlichen  Meinung  Europas 
als  Verbündeter  der  Ungläubigen  gegen  die  Habsburger  zu  er- 
scheinen. Anhalt  hatte  dann  die  bevorstehende  Ankunft  des 
brandenburgischen  Heeres  dem  Kaiser  förmlich  anzuzeigen; 
allerdings  war  die  Bedingung,  dafs  das  Reich  mit  Frankreich 
abschliefse,  da  es  sonst  vor  einem  doppelten  Angriffe  unrettbar 
verloren  sei.  Der  Kurfürst  forderte  zugleich  ausgiebige  Sub- 
sidien,  von  denen  ein  Teil  auf  Ostfriesland  angewiesen  werden 
könne  und,  indem  er  seine  Ansprüche  auf  Liegnitz,  Brieg  und 
Wohlau  einstweilen  vertage,  für  Jägemdorf  eine  Geldentschä- 
digung, die  ihm  zur  Erwerbung  der  Sachsen -weifsenfelsischen, 
ehemals  magdeburgischen  Ämter  Querfurt,  Jüterbog  und  Dahme 
dienen  sollte^. 

Man  mag  es  bedauern,  dafs  der  Kurfürst  kleinliche  Parti- 
kularinteressen zur  Sprache  brachte,  wo  es  sich  um  die  Rettung 
der  Christenheit  und  zumal  Deutschlands  vor  den  wilden  Feinden 
handelte.  Allein  man  darf  nicht  übersehen,  dafs  die  dieses 
Mal  dem  Kaiser  gestellten  BtLndnisbedingungen  weit  bescheidener 
waren  als  je  zuvor.  Es  kam  Friedrich  Wilhelm  vor  allem  darauf 
an,  der  guten  Gesinnung  Leopolds  und  seiner  Räte  sich  zu  ver- 
sichern, hierüber  die  Zweifel  zu  zerstreuen,  die  deren  bisheriges 
Auftreten  in  vollem  Mafse  bei  ihm  hervorgerufen  hatte.  Er 
war  um  so  mehr  genötigt,  hier  klar  zu  sehen,  als  R^benac  sich 
mit  Energie,  ja,  mit  Heftigkeit  jeder  Unterstützung  des  Kaisers, 
selbst  nur  gegen  die  Türken,  widersetzte.    „Wenn  der  Kurfürst 


^  Ms.  Derfflinger  an  Hessen-Homburg,  31.  Juli,  13.  Aug.  1683  (Berlin, 
Geh.  Staatsarchiv,  Bep.  XCIY,  IV  H  b,  5  k). 

*  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  16./26.,  20./30.  Juli. 
»  U.  u.  A.,  XIV,  1073  f.  1079  ff. 


334  Siebentes  Buch. 

solches  täte",  erklärte  der  Vertreter  Frankreichs,  ^könnte  man 
nicht  anders  daraus  urteilen,  als  dafs  Se.  Kurf.  Durchl.  von 
Sr.  Eönigl.  Maj.  in  Frankreich  und  dem  mit  Ihre  aufgerichteten 
Bündnisse  abzutreten  vorhabe.  Er  müsse  solches  seinem  Könige 
durch  einen  Expressen  berichten"  \  Er  drohte  offen  mit  dem 
Kriege  gegen  das  Reich,  wenn  der  Kurfürst  solchen  Abfall  voll- 
ziehe'. In  einem  Schreiben  an  Fuchs  machte  er  seinem  Ärger 
Luft.  Der  Kurfürst  habe  durch  sein  unbedingtes  Hilfsanerbieten 
den  Kaiser  nur  davon  abgehalten ,  sofort  mit  Frankreich ,  not- 
gedrungen, Frieden  zu  schliefsen.  Es  sei  auch  auffallend,  dafs 
Se.  Durchlaucht,  die  noch  vor  sechs  Wochen  mit  seinen  Feinden 
Krieg  führen  zu  müssen  behauptet  habe,  nunmehr  vor  diesen 
seine  Länder  gänzlich  von  Truppen  entblöfse.  Alles  dies  liefse 
auf  einen  völligen  Parteiwechsel  Brandenburgs  schliefsen.  Fuchs 
antwortete  beschwichtigend,  mit  dem  Hinweise  auf  die  Not- 
wendigkeit, dafs  schon  um  der  Sicherheit  seines  eigenen  Staates 
willen  der  Kurfürst  den  Türken  Widerstand  leiste;  das  ändere 
an  seinem  Verhältnisse  zum  Allerchristlichsten  Könige  nicht  das 
mindeste  *.  —  Unter  Röbenacs  Leitung  arbeitete  die  gesamte  fran- 
zösische Partei  am  brandenburgischen  Hofe,  Kurfürstin  Dorothea 
an  der  Spitze,  dann  Meinders,  Grumbkow  und  deren  Freunde, 
gegen  jedes  Abkommen  mit  dem  Kaiser.  Allein  Friedrich  Wil- 
nelm  blieb  fest.  „Ich  sehe  nicht  ein,*'  antwortete  er  R6benac, 
„wie  mein  Vorhaben,  die  Türken  von  Deutschland  fernzuhalten, 
dem  Bündnis  mit  Frankreich  sowie  den  Friedensbemühungen 
im  Reiche  widerspräche."  —  „Das  Hemde  ist  mir  näher  als  der 
Rock,"  sagte  er  auch;  „ich  bin  ein  Kurfürst  des  Reiches  und 
mufs  dem  Reiche  in  seiner  Not  beistehen."  ^ 

Solches  versprach  er  auch  dem  Grafen  Lamberg. 

Selbstverständlich  blieb  er  dabei  mehr  als  je  der  Ansicht, 
dafs  eine  Rettung  für  das  Reich  nur  möglich  sei,  wenn  dieses 
sich  sofort  der  französischen  Gefahr  entledige.  Das  sagte  er 
dem  Herzoge  von  Sachsen-Lauenburg,  der  damals  im  Auftrage 
des  kaiserlichen  Feldmarschalls  Herzog  von  Lothringen  in  Pots- 
dam erschien;  das  schrieb  er  auch  dem  Kurfürsten  von  Sachsen: 


^  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  13./2S.  Juli. 

•  U.  u.  A.,  III,  740. 

«Klopp,  Der  Fall  des  Hauses  Stuart,  III,  547  ff. 

*  Englischer  Bericht  vom  21./31.  Juli  1688;  Raum  er,  Beiträge,  III. 
448  Anm.  —  U.  u.  A.,  XIV,  1081  f.  —  Prutz,  270 ff. 


FOnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braonschweiger  Fehde.       335 

man  müsse  es  so  machen,  wie  „erfahrene  Medici  in  desperaten 
Krankheiten  tun,  wo  sie  ein  Glied  abschneiden  und  dahinten- 
lassen  um  den  ganzen  Körper  zu  salvieren'  ^.  Er  konnte  sich 
darauf  berufen,  dafs  das  Kurfürstenkolleg  in  seinem  Votum  vom 
21.  Juli  abermals  den  sofortigen  Abschlufs  des  Waffenstillstandes 
mit  Frankreich  empfohlen  hatte  ^.  Friedrich  Wilhelm  stand  also 
mit  seiner  „Reichsver räterei ^  keineswegs  vereinzelt  da;  die  vor- 
nehmste Reichsbehörde  war  in  ihrer  überwiegenden  Mehrheit 
ganz  seiner  Meinung. 

Jedenfalls  konnte  er  es  nicht  darauf  ankommen  lassen,  mit 
Frankreich  zu  brechen,  wenn  er  nicht  Bürgschaften  für  den 
guten  Willen  des  kaiserlichen  Hofes  besafs.  Erhielt  er  solche 
durch  Annahme  seiner  dem  Kaiser  gemachten  Anträge,  so  war 
er  fest  entschlossen,  für  dessen  Verteidigung  einzutreten.  Er 
liefs  Derfflinger  schleunigst  nach  Potsdam  kommen:  in  wieder- 
holten Beratungen  zwischen  dem  Kurfürsten,  dem  Feldmarschall 
und  einigen  vertrauten  Ministern,  am  1.  und  2.  August  1683, 
wurde  festgesetzt,  dafs  die  zwölftausend  Mann  allsogleich  an  der 
brandenburgisch -schlesischen  Grenze  zusammengezogen  werden 
sollten,  um,  nach  günstiger  Erledigung  von  Anhalts  Sendung, 
sofort  nach  Niederösterreich  abmarschieren  zu  können.  Grossen 
wurde  zum  Sammelpunkte  für  das  brandenburgische  Hilfskorps 
bestimmt '. 

Hätte  der  Kaiser  bereitwillig  in  die  ihm  dargebotene  Rechte 
des  Brandenburgers  eingeschlagen,  er  hätte  zweifellos  ihn  end- 
gültig auf  seine  Seite  ziehen  können.  Sein  Verhältnis  zu  Frank- 
reich wurde  ein  recht  gespanntes.  Friedrich  Wilhelm  sandte 
300  Mann  dem  Kurfürsten  von  Trier  zur  besseren  Wahrung  von 
dessen  Festungen.  Einreden  R^benacs,  sein  König  werde  das 
ungern  sehen,  blieben  unbeachtet.  Das  „inständige  Ersuchen'' 
des  Gesandten,  der  Kurfürst  möge  auch  ohne  das  „Konzert"  den 
brandenburgisch-französischen  Präliminarvertrag  vomSO.  April  1683 
ratifizieren,  wies  dieser  entschieden  zurück,  obwohl  ^  hierdurch 
der  erhöhten  Subsidien  verlustig  ging.  So  wenig  liefs  er  sich 
vorzugsweise  von  finanziellen  Interessen  bestimmen,  wie  seine 


»  Raumer,  Histor.  Taschenb.  f.  1848,  S.  226 ff.  —  Prutz,  272 f. 
■  Londorp,  XI,  616. 

*  Derfflinger  an  Anhalt,  24.  Juli/ 3.  August  1683;   ü.  u.  A.,  III, 
741  Anm.  —  Klopp,  Das  Jahr  1683,  S.  268. 


336  Siebentes  Buch. 

Tadler  in  Vergangenheit  und  Gegenwart  ihm  vorgeworfen  haben. 
„Wir  können  nicht  absehen,^  erwiderte  er,  ;,wozu  solcher  Traktat, 
als  welcher  auf  eine  künftige  Ruptur  und  Aktion  zielet,  und 
die  darin  gleichsam  pro  fundamento  festgehalten  wird,  anitzo 
dienen  sollte.^  Er  wollte  seine  Beziehungen  zu  Frankreich 
nunmehr  nicht  fester  knüpfen,  sondern  lockern,  die  Hände  frei 
bekommen,  um  sie  der  entgegengesetzten  Partei  bieten  zu  können. 
Er  sandt«  also  Meinders  von  neuem  nach  Hannover  sowie  nach 
Kopenhagen,  um  an  beiden  Orten  zu  vermitteln,  sowie  im  Inter- 
esse des  europäischen  und  zumal  des  Reichsfriedens  zu  wirken  \ 
Hier  nahm  Friedrich  Wilhelm  die  einzig  richtige,  von  der  Klug- 
heit gebotene  Stellung  ein:  nicht  als  Vasall  Frankreichs,  son- 
dern zum  Besten  des  Reiches  und  im  Grunde  des  Kaisers  selbst 
Ein  Angriff  Dänemarks  auf  die  Lünebufger  oder  gar  Frankreichs 
auf  den  Rhein  hätte  damals  leicht  den  Zusammenbruch  des 
ganzen  uralten  Reichsgebäudes  zur  Folge  gehabt. 

Der  Kurfürst  erlebte  die  Genugtuung,  dafs  Ludwig  XIV. 
einlenkte.  Es  widerstrebte  doch  dem  Ruhmesbedürfnis  und  Ehr- 
gefühl des  Allerchristlichsten  Königs,  in  dieser  furchtbaren 
Weltkrisis  als  Verbündeter  der  Osmanen  zu  erscheinen.  Er 
rechnete  vielmehr  darauf,  dafs  Wien  ohnehin  fallen,  der  Habs- 
burger sich  zur  Rettung  Deutschlands  vor  den  Türken  unfähig 
erweisen  werde.  Dann  gedachte  er  mit  einem  grofsen  Heere 
im  Reiche  zu  erseheinen,  die  Moslemin  zu  schlagen  und  zu  ver- 
treiben und  als  gerechten  Dank  von  den  erlösten  Deutschen  die 
Kaiserkrone  zu  erhalten,  aus  der  er  ganz  andere  Machtbefug- 
nisse abzuleiten  gewillt  und  im  stände  war  als  die  beschränkten 
und  langsamen  Nachkommen  Karls  V. 

Im  Gegensatze  zu  R6benac  sprach  also  Ludwig  vielmehr 
seine  Zufriedenheit  mit  der  Truj^penhilfe  aus,  die  Brandenburg 
dem  Kaiser  gegen  die  Türken  gewähren  wolle,  —  sie  sollte  nur 
allzu  schwach  sein,  um  den  Sieg  Kara  Mustaphas  zu  verhindern ; 
deshalb  setzte  er  hinzu,  bei  dem  drohenden  Kriege  zwischen 
Dänemark  und  dem  Hause  Lüneburg  möge  immerhin  der  Kurfürst 
seine  Länder  nicht  allzusehr  von  Soldaten  entblöfsen.  Er  be- 
dachte überdies  Friedrich  Wilhelm  mit  den  wärmsten  Lobsprüchen 
und  verhiefs  ihm  —  trotz  der  Nichtbestätigung  des  Präliminar- 
vertrages  —  aufserordentliche  Unterstützungen.     Kurz,  er  tat 


^  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Spanheims,  Juli  u.  Aug.  1683. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       337 

alles,  am  Brandenburg  bei  dem  Bündnisse  mit  ihm  zu  erhalten  K 
Und  dann  ein  grofses  Zugeständnis  von  allgemeiner  Tragweite : 
er  erklärte  sich  bereit  —  was  er  bislang  immer  zurückgewiesen 
hatte  — ,  an  Stelle  eines  beständigen  Friedens  mit  Belassung  der 
ersten  Reunionen  und  Strafsburgs  einen  dreifsigjährigen  Waffen- 
stillstand auf  derselben  Grundlage  anzunehmen;  allerdings  müsse 
das  Reich  sich  dazu  bis  zum  31.  August  entschliefsen '. 

So  stand  sein  freundliches  und  gemäfsigtes  Benehmen 
in  kriegerischer  Zeit  im  schärfsten  Gegensatze  zu  dem  rauh  ab- 
weisenden, ungünstigen  Auftreten  des  kaiserlichen  Hofes. 

Man  hat  dem  Kurfürsten  den  Gedanken  untergeschoben: 
er  könne  jetzt  von  dem  Kaiser  so  viel  fordern,  wie  er  wolle,  da 
Leopold  gezwungen  sei,  ihm  zu  willfahrten.  Jedenfalls  war  das 
die  Meinung  der  damaligen  Diplomaten :  die  Österreicher  müfsten 
,in  den  sauren  Apfel  beifsen*^.  Die  kaiserlichen  Minister  waren 
aber  gerade  entgegengesetzter  Ansicht:  der  Kurfürst  dürfe  bei 
der  damaligen  Lage  der  Dinge  gar  nicht  anders  denn  ihnen  zu 
Willen  sein,  und  er  werde  sich  also  wegen  seiner  Ansprüche  mit 
leeren  Versprechungen  abfinden  lassen  *.  Der  Kaiser  wollte  sieh 
demnach  nur  zu  100000  Talern  eigener  Subsidien  verstehen, 
etwaige  höhere  Beträge  von  den  Reichsständen  zu  erlangen 
suchen,  —  wobei  ein  Erfolg  ja  mehr  als  unsicher  erscheinen 
mufste. 

Und  auf  solche  Grundlage  hin,  die  mit  seinen  Instruktionen 
in  schreiendem  Widerspruche  stand,  schlofs  Anhalt  am  12.  August 
zu  Passau,  wohin  der  kaiserliche  Hof  sich  geflüchtet  hatte,  eine 
Vereinbarung  ab.  Sie  begründete  den  Ausgleich  mit  Frankreich 
auf  den  Westfälischen  und  den  Nymweger  Frieden,  womit  sämt- 
liche Reunionen  ausfielen.  Das  hiefs  den  Krieg  an  Ludwig  XIV. 
erklären.  Um  so  verhängnisvoller  war  es,  wenn  der  Vertrag 
festsetzte,  Brandenburg  solle  sein  Bündnis  mit  diesem  Herrscher 
aufgeben  und  sich  mit  dem  Hause  Habsburg,  „absonderlich  der 
Krone  Spanien'',  alliieren,  sofort  ein  Verteidigungsbündnis  mit 
dem  Kaiser  eingehen.  Selbstverständlich  fehlten  nicht  die 
12000  Mann,  die  er  alsbald  gegen; die  Türken  zu  senden  und^ 


^  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  12.  August. 
■  Londorp,  XI,  618ff. 

*  Bruynincx  (niederländ.  Gesandter  in  Wien)  an  den  Griffier,  8.  Aug.; 
TJ.  u.  A.,  ni,  742. 

Philippfon,  Der  Grofse  Kurfarst.    III.  22 


338  Siebentes  Buch. 

für  25000  Taler  vierteljährlicher  Subsidien,  selber  zu  unterhalten 
hatte,  —  also  auf  den  Mann  für  ein  Vierteljahr  gerade  zwei 
Taler  gerechnet!  Allerdings  kam  für  die  Zukunft  noch  eine 
ganze  Reihe  von  Yerheifsungen  hinzu,  deren  einstige  Ausführung 
indes ,  nach  den  bisherigen  Erfahrungen ,  als  illusorisch  zu  be- 
trachten war*. 

Anhalt  hatte  als  Minister  nicht  Brandenburgs,  sondern  Öster- 
reichs, und  zwar  eines  übelwollenden  und  mifsgünstigen  Öster- 
reich, gehandelt.  Das  von  ihm  gebilligte  Vertragsprojekt  war  für 
den  Kurfürsten  gänzlich  unannehmbar.  Das  wenigste  war  noch 
die  Unzulänglichkeit  der  finanziellen  Zugeständnisse  des  Kaisers, 
viel  wichtiger,  dafs  der  Vertrag,  während  er  die  Erfüllung  auch 
nicht  eines  einzigen  der  Ansprüche  des  Kurfürsten  sicherstellte, 
diesen  ohne  weiteres  zu  Abmachungen  nötigte,  die  zur  unab- 
wendbaren Folge  den  Krieg  mit  Frankreich  gehabt  hätten.  Eine 
80  plumpe  Vergewaltigung  war  Friedrich  Wilhelm  entschlossen 
sich  nicht  gefallen  zu  lassen.  Er  mifsbilligte  das  Vertragsprojekt 
durchaus,  berief  Anhalt  unter  den  Ausdrücken  lebhafter  Mifs- 
billigung  von  Passau  zurück  und  hemmte  den  Marsch  seiner 
Truppen  nach  der  schlesischen  Grenze*.  Er  wandte  sich  aber- 
mals von  dem  Kaiser  ab  und  überliefs  ihn  seinem  Schicksale. 
Denn  er  mufste  nunmehr  hören,  dafs,  obwohl  auf  dem  Regens- 
burger Reichstage  auch  das  Fürsten-  und  das  Städtekolleg  sich 
für  die  Annahme  des  französischen  Vorschlages  eines  langjährigen 
Waffenstillstandes  aussprachen,  Leopold  das  Reichsgutachten 
verwarf  und  des  Willens  war,  den  von  Frankreich  dem  Aus- 
gleiche gesetzten  Termin  ungenützt  vorübergehen  zu  lassen^. 

Eine  solche  Hartnäckigkeit  und  Verblendung  von  selten  des 
österreichischen  Hofes  war  nur  durch  seine  Abneigung  gegen 
jedes  Zugeständnis  an  die  ketzerischen  Reichsstände  und  nament- 
lich an  den  ersten  und  mächtigsten  unter  ihnen,  Kurbranden- 
burg, zu  erklären. 

Anhalt  mifsachtete  noch  einmal  die  Weisungen  des  Kur- 
fürsten, indem  er  trotz  seiner  Abberufung  in  Passau  verblieb 
und  mit  den  kaiserlichen  Ministem  weiterverhandelte,  denen 
doch  bei  dem  Zorn  Friedrich  Wilhelms  um  so  schwüler  zu  Mute 


»  U.  u.  A.,  XIV,  1082-1105. 

'  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  14./24.  Aug.  —  Prutz,  273. 

«  Londorp,  XI,  622ff.  627. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       339 

war,  als  sie  auf  der  brandenburgischen  Truppen  „Valor  und  ab- 
sonderlich ihres  Führers,  des  DeriFlinger,  absonderlieh  gebauet" 
hatten.  Sie  gaben  insoweit  nach,  als  sie  weniger  anspruchsvoll 
in  betreff  der  Unterordnung  des  Kurfürsten  unter  die  kaiserliche 
Politik  wurden.  Aber  damit  konnten  sie  seine  Zustimmung  zu 
ihrem  Bündnis  noch  lange  nicht  erwerben^. 

Friedrich  Wilhelm  hatte  inzwischen,  wie  Anhalt  nach  Passau, 
so  den  Legationsrat  von  Ruck  nach  dem  Haag  gesandt,  um  sich 
mit  den  Generalstaaten,  nicht  minder  als  mit  dem  Kaiser,  über 
ein  zukünftiges  Einverständnis  zu  besprechen.  Sein  Verhältnis 
zu  den  Hochmögenden  war  ja  nahezu  ein  feindliches  geworden. 
Im  Frülgahr  1683  hatten  sie  ihn  mit  Krieg,  und  zwar  mit  Hilfe 
Polens,  bedroht,  wenn  er  es  zum  Bruche  mit  Schweden  kommen 
lasse'.  Er  hatte  nunmehr  diesem  unnatürlichen  Zustande  ein 
Ende  machen  wollen.  Er  verlangte  also,  dafs  die  Staaten,  da 
ein  allgemeiner  Friede  für  den  Augenblick  unmöglich  sei,  dazu 
beitrügen,  zwischen  Frankreich  und  dem  Deutschen  Reiche  den 
Frieden  herzustellen,  der  allein  dieses  bei  seiner  augenblicklichen 
verworrenen  Lage  vor  gänzlichem  „Ruin  und  Bouleversement" 
retten  könne,  und  dafs  sie  die  zwischen  ihnen  und  Spanien  auf 
der  einen,  Brandenburg  auf  der  anderen  Seite  herrschenden 
Streitigkeiten  beilegten.  Aber  auch  diese  Unterhandlung  stiefs 
von  Beginn  an  auf  eine  grofse,  eigentlich  unüberwindliche 
Schwierigkeit :  nämlich,  dafs  die  Holländer  begreiflicherweise  von 
einem  Sonderfrieden  des  Reiches  mit  Ludwig  XIV.  nichts  wissen 
wollten.  Sie  fürchteten,  dafs  dann  sowohl  ihr  eigener  Staat 
wie  die  spanischen  Niederlande  rettungslos  der  Übermacht  und 
der  Eroberungssucht  des  AUerchristlichsten  Königs  preisge- 
geben sein  würden.  Sie  konnten  von  ihrem  Standpunkte  aus 
kaum  anders  urteilen*. 

Vielleicht  würde  Friedrich  Wilhelm  sich  dennoch  ohne  Rück- 
halt den  Seemächten  angeschlossen  haben,  wenn  Oraniens  Plan 
geglückt  wäre,  anstatt  des  Prinzen  Georg  von  Dänemark  den 
soeben  zum  Witwer  gewordenen  brandenburgischen  Kurprinzen 


»  U.  u.  A.,  XIV,  1106  f. 

•  Ms.  Kramprich  an  Marquis  v.  Grana  (Gen.-Gouv.  der  span.  Nieder- 
lande):  Lee  Etats-G^n^raux  „ecriront  demain  k  leur  ministre  k  Berlin,  qu'il 
avertdflse  r]^ecteur  de  ne  pas  venir  k  rupture  aveo  la  Suöde,  puisque  cet 
Estat  seroit  oblige  de  s'en  mesler  et  s*engager  aussi  avec  la  Pologne". 

»  U.  u.  A.,  in,  743  iL 

22"" 


340  Siebentes  Buch. 

Friedrich  mit  der  englischen  Prinzessin  Anna,  deren  spätere 
Nachfolge  auf  dem  britischen  Thron  sehr  wahrscheinlich  war,  zu 
vermählen  ^    Allein  dieses  Projekt  hatte  keinerlei  Erfolg. 

Damit  waren  des  Kurfürsten  Bemühungen,  sich  aus  den 
Banden  des  französischen  Bündnisses  zu  befreien  und  den  Über- 
gang zu  seinen  natürlichen  Verbündeten  zu  finden,  sämtlich 
mifslungen.  Da  geschah  das  Unerwartete,  das,  was  niemand  zu 
hoffen  gewagt  hatte :  die  deutschen  Truppen  unter  Karl  von 
Lothringen,  sowie  die  Polen  unter  ihrem  Könige  Johann  Sobieski 
besiegten  das  türkische  Heer  am  12.  September  bei  Wien  gäniz- 
lieh  und  nötigten  es  zu  wilder  Flucht  über  die  ungarische  Grenze. 
Die  Offensivkraft  der  Osmanen  war  durch  diesen  furchtbaren 
Schlag  gebrochen,  Deutschland  vor  dem  Feinde  im  Osten  ge- 
rettet —  ohne  Beihilfe  nicht  allein  der  Franzosen,  sondern  auch 
der  brandenburgischen  Truppen. 

Ludwig  XIV.  war  gründlich  in  seinen  Berechnungen  ge- 
täuscht. Er  gab  sich  zwar  den  Anschein,  über  die  Befreiung 
Wiens  sehr  erfreut  zu  sein,  aber  das  war  nur  offizielle  Heuehelei. 
Das  glänzende  Bild  von  Frankreichs  erlösender  Tat,  die  dem 
„König  Sonne**  die  Kaiserkrone  auf  das  stolze  Haupt  drücken 
sollte,  war  für  immer  verschwunden.  Der  Sieg  der  Kaiserlichen 
galt  der  Mitwelt  als  eine  Niederlage  Frankreichs*.  In  der 
Tat,  der  Kaiser  war  jetzt  der  Retter  Europas,  ihm  flogen  die 
Sympathien  des  Weltteils  zu,  der  sich  immer  mehr  daran  ge- 
wöhnte, in  Ludwig  XIV.  den  gewalttätigen  Störer  und  Feind 
seiner  Ruhe,  den  gewissenlosen  Despoten  zu  erblicken. 

Der  Verdrufs  über  den  ungeahnten  Erfolg  der  Habsburger 
veranlafste  den  französischen  Herrscher  sofort  zu  neuen  kriege- 
rischen Entwürfen  gegen  sie.  Er  wünschte,  in  Deutschland 
einen  Brand  zu  entzünden,  der  Kaiser  und  Reichsstände  nötigen 
solle,  sich  von  den  Türken  abzuwenden  und  diese  fortwährende 
Bedrohung  an  ihren  Grenzen  bestehen  zu  lassen.  Allein  er 
wollte  nicht  selber  als  der  Urheber  eines  Kampfes  erscheinen, 
der  zunächst  den  Ungläubigen  zu  gute  kommen  mufste :  er  hielt 
es  für  besser,  andere  in  den  Krieg  zu  hetzen*.    Schon  vor  der 


^  d'Avaux,  N^gociations,  I,  517. 

'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  23.  Sept.  —  Vgl.  Garn.  Bousset,  Histoire 
de  Louvoiß,  HI,  238Ö. 

*  Das  Folgende  nach  den  Ms.  Berichten  Spanheims  aus  dem  Sep- 
tember 1688;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI  Frankr.,  22.  28. 


FünfondvierzigsteB  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        341 

Befreiung  Wiens,  als  dem  Kaiser  aus  Deutschland  und  Polen 
zahlreiche  Helfer  zuzogen,  begann  die  französische  Diplomatie, 
die  noch  vor  kurzem  von  Friedenssehnsucht  überströmte,  Däne- 
mark und  Brandenburg  wieder  gegen  die  Lttneburger  aufzu- 
wiegeln, die  angeblieh  noch  allein  mit  Spanien  den  Frieden  des 
Reiches  mit  den  Franzosen  verhinderten.  Dafür  war  der  König 
bereit,  noch  nachträglich,  vom  letztvergangenen  1.  Juni  ab,  die 
Kriegssubsidien  nach  Kopenhagen  und  Berlin  zu  zahlen.  Nach 
einem  kurzen  Momente  des  Staunens  ob  dieser  plötzlichen  Sinnes- 
änderung in  Paris  zeigten  die  dänischen  Staatsmänner  sich  mit 
Freuden  bereit,  auf  die  Intentionen  Frankreichs  einzugehen,  das 
ihnen  im  Hintergrunde  die  Einnahme  des  längst  begehrten  und 
hauptsächlich  von  den  Braunschweigern  beschützten  Hamburg 
zeigte.  Die  Franzosen  suchten  auch  Münster  und  Kurköln  für 
den  Plan  zu  gewinnen,  die  mit  französischem  Gelde  starke  Streit- 
kräfte aufstellen  sollten.  Ludwig  verhiefs,  mit  einem  Heere  in 
Belgien  einzurücken  und  dadurch  die  Holländer  von  jeder  Hilfe- 
leistung an  die  Weifen  abzuhalten.  Kurz,  alles  wurde  so  ver- 
lockend wie  möglich  für  den  Ehrgeiz  der  nordischen  Verbündeten 
Frankreichs  dargestellt.  Aber  dieses  liefs  doch  das  ganze  Werk 
von  der  Mitwirkung  des  Kurfürsten  von  Brandenburg  abhängen, 
deren  man  nicht  entraten  zu  können  meinte.  Es  ergingen  also 
an  ihn  immer  wiederholte  Aufforderungen  aus  Paris,  nunmehr, 
wo  die  Türkengefahr  zunächst  beseitigt,  zugleich  aber  der 
Kaiser  durch  seine  bisherigen  militärischen  Anstrengungen  er- 
schöpft und  deshalb  ungefährlich  geworden  sei,  seinen  beständigen 
Widersachern,  den  Braunschweigem,  den  Garaus  zu  machen  und 
damit  die  wichtigsten  Bekämpfer  des  Reichsfriedens  aus  dem 
Wege  zu  räumen.  Der  König  verfehlte  auch  nicht,  als  Zukunfts- 
bild die  Demütigung  und  Beraubung  Schwedens  wieder  auf  der 
Leinewand  erscheinen  zu  lassen.  „Se.  Majestät,*'  schrieb  Ludwig 
am  23.  September  an  R6benac,  „will  gern  durch  Fortsetzung 
der  Kriegssubsidien  zu  den  Unternehmungen  beitragen,  die  der 
Kurfürst  belieben  würde  gegen  Schweden  ins  Werk  zu  stellen, 
nachdem  er  das  Haus  Braunschweig  der  Möglichkeit  beraubt  hat, 
Schaden  zu  tun.**  Zugleich  erbot  sich  der  König,  solche  Sicher- 
heit zu  geben,  wie  der  Kurfürst  sie  für  angemessen  halten 
würde,  um  seine  Verbündeten  von  aller  Besorgnis  zu  befreien, 
als  ob  er  selber  seinen  Besitz  in  Deutschland  vergröfsern  wolle*. 

*  Sa  Majeste  deaire  de  leur  oster  les  inqui^tudes  qu^ils  pourroient 


342  Siebentes  Buch. 

Endlich  forderte  Groissy  ausdrücklich  den  Abschlufs  eines  neuen 
„Konzerts^  an  Stelle  des  von  seinem  Könige  und  Brandenburg 
abgelehnten.  Er  sprach  dabei  dessen  eigentliche  Meinung  aus: 
die  Aufhebung  der  Belagerung  Wiens  habe  die  ganze  Sachlage 
verändert.  Um  der  anwachsenden  Macht  des  Kaisers  und  seiner 
Anhänger  zu  begegnen,  hob  Frankreich  40000  neue  Soldaten  aus 
(Anfang  Oktober  1683). 

Es  lag  dieses  Mal  in  der  Hand  des  Kurfürsten  von  Branden- 
burg, den  Krieg  im  Norden  zu  entfesseln  und  für  das  Partikular- 
interesse seines  Staates  glänzende  Vorteile  einzuernten.  Der 
langersehnte  Augenblick,  seine  Macht  in  Norddeutsehland  als 
einzig  mafsgebende,  alle  anderen  überwiegende  zu  gestalten,  sich 
des  braunschweigischen  Mitbewerbs  und  der  schwedischen  Gefahr 
zu  entledigen,  war  endlich  gekommen.  Er  hätte  nur  zugreifen 
brauchen,  um  das  verlockende  Ziel  zu  erreichen.  Aber  das  wäre 
nur  möglich  gewesen  um  den  Preis  eines  Krieges  in  Deutsch- 
land, der  nicht  allein  die  Siegeslaufbahn  der  deutschen  Waffen 
gegen  die  Türken  unterbrochen,  sondern  auch  das  Reich  wehr- 
los dem  Belieben  des  französischen  Herrschers  unterworfen  hätte. 
Diesen  Preis  nicht  zu  zahlen,  war  der  Kurfürst  fest  entschlossen, 
da  er  sich  in  den  letzten  Jahren  nur  allzu  deutlich  davon  hatte 
überzeugen  müssen,  dafe  von  Ludwig  XIV.  weder  Rechtsgefbhl 
noch  für  das  Reich  Schonung,  noch  für  die  Verbündeten  die 
mindeste  Rücksicht  zu  erwarten  seien.  Die  stets  erneuten  Ge- 
walttaten des  Königs  und  seine  wiederholte  Mifshandlung  Bran- 
denburgs hatten  auf  Empfinden  und  Denken  des  Kurfürsten 
tiefen  Eindruck  hervorgebracht.  Er  wies  alle  Anerbietungen 
Frankreichs  und  seiner  Verbündeten  zurück.  Ich  will  Frieden 
halten,  schrieb  er  am  4.  Oktober  an  Spanheim,   „wie  Ihr  denn 


ayoir  de  Taugmentation  de  Ba  puissance  en  Allemagne,  et  on  conviendra 
des  mesures  qui  y  seront  jug^es  les  plus  propres.  Comme  Sa.  M^-  s^ait 
de  quelle  importance  il  est  k  ses  interests  de  mettre  ses  alliez  en  estat 
de  ne  point  craindre  les  entreprises  de  leurs  ezmemys,  et  que  Taffection 
veritable  qu'Elle  a  pour  la  maison  de  Brandebourg  luy  fait  recheicher 
les  moyens  de  Testablir  dans  me  seuret^  entiere,  Elle  yeut  bien  con- 
tribuer  par  la  continuatioii  des  subsides  d'action  auz  entreprises,  que 
Mi^-  PElecteur  jugeroit  k  propos  de  faire  contre  la  Suede,  apr^  avoir 
mis  la  maison  de  Brunswick  hors  d'estat  de  pouvoir  nuire.  Sa  M^- 
fait  cette  offre  d'Elle  mesme  non  obstant  les  soins  que  la  Suede  prend 
depuis  peu  de  rechercber  son  amiti^  et  son  alliance,  apres  8*en  estre 
^loign^  par  une  conduite  si  peu  aggreable. 


Ftlnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        348 

insonderheit,  was  die  Attaque  des  Hauses  Lüneburg  betrifft, 
anzuführen  habt,  dafs  Wir  Uns  dahin  jetzo  weniger  denn  eh- 
malen  verstehen  können".  Er  versicherte  den  Franzosen  auf 
das  heiligste,  der  Kaiser  sei  ganz  ausser  stände,  sie  anzugreifen. 
Der  Allerchristlichste  König  möge  also  „geruhen,  das  Werk  noch 
in  etwas  anzusehen,  uns  weder  im  Reiche  noch  in  den  spanischen 
Niederlanden  zur  Ruptur  zu  veraplassen".  Auf  den  förmlichen 
Antrag  Ludwigs  durch  R6benac  antwortete  er  mit  ebenso  be- 
stimmter wie  höflicher  Ablehnung,  unter  allerlei  Vorwänden, 
deren  Fadenscheinigkeit  seinen  festen  Entschlufs,  unter  den 
gegenwärtigen  Umständen  den  Frieden  zu  wahren,  desto  schärfer 
hervortreten  liefs.  Er  bemühte  sich  mit  besonderem  Eifer,  den 
König  auf  dessen  Zusage,  dafs  er  seinen  Besitz  im  Reiche  keines- 
falls vergröfsem  werde,  durch  wortreiche  Lobsprüche  und  Huldi- 
gungen, sowie  durch  warme  Versprechungen  eigener  Unter- 
stützung bei  so  löblichen  Absichten  festzunagelnd 

Er  arbeitete  unausgesetzt,  um  zu  verhüten,  dafs  die  franzö- 
sische Regierung  „auf  allerlei  Weiterungen  und  Extremitäten 
verfalle",  und  dafs  sie  die  Bemühungen  Brandenburgs  zu  Gunsten 
des  Friedens  durchkreuze.  So  hat  er  in  der  Tat  den  von  Frank- 
reich, Dänemark,  Kurköln  gewollten  Krieg  verhindert.  Man 
mufs  sagen:  wenn  im  Herbste  1683  der  Friede  in  Deutschland 
erhalten  blieb,  wenn  es  dem  Kaiser  möglich  wurde,  seinen 
Siegeszug  gegen  die  Osmanen  fortzusetzen  und  die  Wieder- 
eroberung Ungarns  zu  beginnen,  so  ist  dies  allein  und  aus- 
schliefslich  das  Verdienst  Friedrich  Wilhelms  von  Brandenburg; 
ein  Verdienst,  das  die  Fehler  und  Verirrungen  seiner  Politik 
während  der  letztvorhergehenden  Jahre  reichlich  aufwiegt  und 
gut  macht. 


^  Ms.  R^ponse  de  S.  A.  £.  de  Brandebourg  sur  la  propoaition  faite 
par  Mr.  le  Gomte  de  Böbenac  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI  Frankr^  28): 
»An  reste  son  A.  El.  a  veu  avec  grand  plaisir  que  S.  M.  T.  Chr.  demeure 
toujours  dana  la  reaolution  genereuse  de  ne  vouloir  pas  augmenter  sa 
puissaace  par  les  depouilles  d'AUemagne.  S.  A.  El.  en  est  entierement 
persoad^  et  a  oonceu  nn  surcroit  quasi  d^estime  pour  S.  M.-  depuis 
qu'Elle  a  connu  que  le  Roy  T.  C.  n'a  pas  voulu  profiter  des  desordres 
et  de  la  facilit^  que  la  guerre  du  Türe  donnoit  &  S.  M.  d^empieter  sur 
TEmpire  et  d'y  faire  de  nouvelles  conquestes.  Cela  la  portera  a  empecher 
avec  d*autant  plus  d'ardeur  tout  ce  qu'on  voudroit  entreprendre  en  Alle- 
magne  contre  les  inter^ts  de  S.  M.,  et  de  s'y  opposer  vivement.' 


tt 


344  Siebentes  Buch. 

Der  Kurfürst  hat  über  die  Rettung  Wiens  eine  wahre  Freude 
empfunden,  die  nur  durch  das  tiefe  Bedauern  getrübt  wurde, 
dafs  er  und  seine  trefflichen  Truppen  keinen  Anteil  an  diesem 
ruhmvollen,  weltgeschichtlichen  Ereignisse  genommen  hatten^. 
Ein  abermaliger  Besuch  des  Kurfürsten  von  Sachsen  in  Potsdam, 
der  dort  in  Begleitung  seiner  einflufsreichsten  Batgeber  erschien, 
bestärkte  Friedrich  Wilhelm  in  seinen  friedfertigen  Bestrebungen. 

Ludwig  XIV.  und  seine  Minister  mufsten  erkennen,  dafs 
sie  in  ihrem  Eigendünkel  und  ihrer  verachtenden  Selbstsucht 
den  richtigen  Augenblick,  den  Brandenburger  gegen  die  weifischen 
Widersacher  in  das  Feld  zu  führen,  verabsäumt  hatten.  Sie 
gingen  deshalb  scheinbar  auf  die  versöhnlichen  Absichten  Friedrich 
Wilhelms  ein  und  überhäuften  ihn  sogar  darob  mit  heuchleri- 
schen Lobsprüchen.  Um  solchem  Edelmute  nichts  nachzugeben, 
dehnten  sie  den  Termin  behufs  Abschlufs  des  langjährigen 
Waffenstillstandes  zwischen  dem  Beiche  und  dem  Könige  aber- 
mals und  zwar  bis  zum  Ende  des  laufenden  Jahres  aus.  Sie 
sandten  dem  Kurfürsten  und  seiner  Gemahlin  höchst  wertvolle 
Geschenke ;  dasjenige  für  Friedrich  Wilhelm  bestand  in  hundert- 
tausend Livres  in  vollwichtigen  Goldstücken,  die  als  eine  Art 
Entschädigung  für  die  auf  Frankreichs  Veranlassung  in  jüngster 
Zeit  vorgenommenen  aufserordentlichen  Rüstungen  gelten  sollten  ^ 
Diese  Demonstrationen  mussten  dazu  dienen,  die  Verhandlungen 
zu  unterstützen,  die  R^benac  behufs  Eingehung  eines  neuen, 
engeren  und  geheimen  Bündnisses  in  Potsdam  zu  beginnen  be- 
fehligt war.  Gegen  die  Weifen  war  es  nur  insoweit  gerichtet, 
wie  diese  etwa  den  Spaniern  Beistand  leisten  würden.  Nur  hier- 
zu hat  Friedrich  Wilhelm  sich  endlich  verstanden'.  So  führten 
die  Negotiationen  am  25.  Oktober  1683  zu  einem  von  R6benac, 
Meinders  und  Fuchs  unterzeichneten  Vertrage*. 

Dessen  zweiter  Artikel  setzte  fest: 

„Wenn  die  Fürsten  des  Hauses  Lüneburg  die  Absicht  hätten, 
Truppen  nach  den  spanischen  Niederlanden  oder  anderswohin 
zu  senden,  um  ihre  Streitkräfte  mit  denen  zu  verbinden,  die 
Se.  Majestät  angreifen  oder  Ihr  Krieg  bereiten  wollen,  wird 
Se.  Kurf.  Durchl.  zuerst  sie  durch  gütliche  Mittel  davon  abzu- 

1  Rebenacs  Dep.  vom  2.  Okt.  1683;  Prutz,  869. 
'  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  Okt.  bis  Dez.  1688. 
>  liis.  Depeschen  Rebenacs,  Sept.  bis  Nov.  1683  (B). 
*  Mörner,  731  ff. 


Fünfundyierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        345 

bringen  suchen.  Im  Falle  aber,  dafs  solche  fruchtlos  bleiben, 
verpflichtet  Sie  Sich,  Sich  gegen  jene  zu  erklären  und  in  kriege- 
rische Handlung  gegen  sie  einzutreten,  unter  den  Bedingungen, 
die  in  den  früheren  Verträgen  festgesetzt  sind/ 

Dieser  Artikel  entsprach  völlig  dem  Wunsche  Friedrich 
Wilhelms,  die  Eroberungslust  des  Königs  von  Frankreich  von 
Deutschland  ab  auf  die  spanischen  Niederlande  zu  leiten. 

Der  vierte  Artikel  sprach  geradezu  die  Absicht  Sr.  Alier- 
christlichsten  Majestät  aus,  mit  dem  Reiche  in  Frieden  und  auf- 
richtiger Einigkeit  zu  leben. 

Dafür  verpflichtete  der  Kurfürst  sich  im  fünften  Artikel, 
alle  seine  Bemühungen  zum  Ausgleiche  jedweder  Streitigkeiten, 
die  der  König  mit  dem  Reiche  habe,  aufzuwenden,  zur  Befriedi- 
gung Sr.  Majestät,  aber  auch  in  Übereinstimmung  mit  den  be- 
stehenden Verträgen.  Sollte  man  hiermit  nicht  zum  Ziele  ge- 
langen, verspricht  der  König,  während  eines  Jahres  nach  Ab- 
schlnfs  des  gegenwärtigen  Übereinkommens  nichts  zu  unter- 
nehmen, was  die  Ruhe  des  Reiches  störe;  nach  Ablauf  dieser 
Frist  erhält  Se.  Majestät  unbeschränkte  Aktionsfreiheit. 

Der  siebente  Artikel  erhöhte  die  Subsidien  Frankreichs  an 
den  Kurfürsten  für  den  Kriegsfall  von  900000  auf  1 100000  Livres 
jährlich. 

Das  Interesse  Frankreichs  an  dem  neuen  Vertrage  bestand 
darin,  dafs  der  Kurfürst  ihm  zur  Abwehr  jedes  militärischen 
Eintretens  der  Lüneburger  gegen  den  König  sicher  war.  Friedrich 
Wilhelm  konnte  um  so  eher  hierauf  eingehen,  als  eine  solche 
Drohung  voraussichtlich  genügte,  die  Lüneburger  zur  Ruhe  zu 
nötigen.  Dadurch  diente  der  Vertrag  auch  dem  Reichsfrieden, 
auf  dessen  Erhaltung  ebenfalls  der  vierte  und  fünfte  Artikel  be- 
rechnet waren.  Die  eventuelle  Erhöhung  der  Kriegssubsidien 
hatten  die  brandenburgischen  Unterhändler  nur  mit  grofser  Mühe 
durchgesetzt. 

Aber  nicht  dieser  Umstand  erregte  die  Unzufriedenheit 
Ludwigs  XIV.  mit  dem  Vertragsentwurfe,  sondern  andere  von 
dessen  Bestimmungen  ^  Er  wünschte  vor  allem  Brandenburgs 
für  jede  Eventualität    gewifs   zu  sein    und  nicht  wieder  von 


^  Das  Folgende  nach  der  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Spanheim, 
Noy.  1683  bis  Jan.  1684;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  LXni,  2,  sowie 
XI  Frankr.,  22. 


346  Siebentes  Buch. 

dessen  Belieben  abzuhängen,  wie  in  der  jüngsten  Vergangenheit 
Er  verlangte  also,  dafs  in  Artikel  2  festgesetzt  werde:  unter 
welchem  Vorwande  und  in  welcher  Weise  auch  immer  die  lüne- 
burgischen Truppen  gegen  das  Interesse  des  Königs  verwendet 
würden,  sei  der  Kurfürst  verpflichtet,  mit  oder  ohne  Hilfe  Däne- 
marks die  lüneburgischen  Lande  anzugreifen.  Mit  anderen 
Worten:  nicht  der  Kurfürst,  sondern  der  König  hat  zu  be- 
stimmen, wann  der  casus  foederis  eintritt.  Zweitens  aber: 
für  den  Fall,  dafs  der  Abschlufs  mit  dem  Reiche  nicht  zu  stände 
kommt,  mufs  der  König  sofort  unbegrenzte  Aktionsfreiheit  haben, 
und  der  Kurfürst  mufs  ihm  darin  beistehen ,  „ohne  dem  aus 
welchem  Grund  immer  entgegenhandeln  zu  dürfen"  ^  Damit 
wäre  Brandenburg  zum  Kampfe  gegen  Kaiser  und  Reich  im 
Dienste  des  Gewaltherrschers  an  der  Seine  verpflichtet  gewesen. 

Der  bittere  Ernst,  der  diesen  beiden  Forderungen  zu  Grunde 
lag,  wurde  durch  gleichzeitige  Ereignisse  nur  allzu  deutlich 
erläutert.  Durch  Willkürmafsregeln  aller  Art  reizte  Frankreich 
(Ende  Oktober  1683)  Spanien  zur  Kriegserklärung.  Die  Fran- 
zosen fielen  darauf  in  Belgien  ein  und  nahmen  binnen  kurzem 
Gourtrai  und  Dixmuyde.  Ludwig  XIY.  wollte  offenbar  die  Habs- 
burger demütigen,  berauben  und  zur  Unterwerfung  nötigen,  ehe 
die  Beendigung  des  Türkenkrieges  es  dem  Kaiser  gestatten 
würde,  seine  siegreichen  Waffen  gegen  Westen  zu  kehren. 

Je  gröfser  die  Gefahr  für  den  Reichsfrieden  wurde,  um  so 
eifriger  widersetzte  sich  der  Kurfürst  jeder  Änderung  des 
Artikels  5.  Der  sei,  liefs  er  in  Paris  erklären,  der  für  ihn 
wichtigste  Teil  des  Vertrages  und  enthalte  Bestimmungen,  zu 
denen  er  in  seiner  Eigenschaft  als  Reichsfürst  verpflichtet  sei, 
und  zwar  besonders,  nachdem  er  sich  durch  seine  Fürsprache 
für  Frankreich  und  durch  Unterbrechung  des  Marsches  seiner 
Truppen  nach  Wien  schon  allseitigen  Hafs  im  Reiche  zugezogen 
habe. 

„Es  ist  gewis,  dafs  Uns  die  schwehre  Pflicht,  womit  Wir 


^  Französ.  Gegenprojekt  zum  5.  Artikel  des  Entwurfs:  „Mais  si  les 
soins  que  led^-  Electeur  y  emploiera  ne  pouvoient  avoir  le  sacces  qui 
est  a  desirer  pour  le  bien  de  la  Chrestiente,  non  seulement  il  ne  s^oppo^ 
sera  pas  a  ce  que  Sa.  M^-  entreprendra  pour  procurer  raffermissement 
de  la  paix,  mais  mdme  il  promet  de  satisfaire  &  toutes  les  obligations 
du  präsent  traittä  et  des  precedens,  sans  y  pouvoir  contrevenir  pour 
quelque  cause  ou  pretexte  que  ce  puisse  estre.** 


Fonfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       347 

dem  Reich  und  Unserm  geliebten  Vaterlande  verbunden,  nicht 
zulassen ;  und  dafs  es  nicht  allein  Uns  unverantwortlich  sondern 
auch  Unsres  eigenen  Ghurfttrstl.  Hauses  Interesse,  welches  ohne 
des  Reichs  Conservation  nicht  bestehen  kann,  aufs  höchste  prä- 
judicirlich  sein  würde :  wenn  Wir  in  fernere  Dismembration  des 
Reichs  oder  solche  actus,  woraufs  dieselben  nothwendig  erfolgen 
müssen,  consentiren  oder  geschehen  lassen  selten,  dafs  die  Cron 
Frankreich  im  Reich  nach  eigenem  Gefallen  procediren  und  nicht 
mit  Uns  zuförderst  über  die  darin  vorzunehmende  Resolutiones 
ein  Concert  treffen  müfste.** 

Allein  Ludwig  beharrte  seinerseits  fest  bei  seiner  Meinung. 
Er  konnte  kaum  anders.  Es  zeigte  sich  bereits,  dafs  sein  Stand- 
punkt mit  dem  brandenburgischen  im  Grunde  unvereinbar  sei. 
Er  wollte  sich  nicht  zur  Friedfertigkeit  während  eines  Jahres 
nach  Ablauf  der  Verhandlungen  mit  dem  Reiche  verpflichten: 
denn,  sagte  er  mit  Recht,  solches  werde  alle  Gegner  des  Friedens 
ermutigen  und  seinen  Feinden  Zeit  geben,  inzwischen  die  dien- 
lichen Mafsregeln  zu  einem  grofsen  europäischen  Kriege  gegen 
Frankreich  zu  treffen.  Er  wollte  sich  auch  nicht  an  eine  vor- 
hergehende Verständigung  mit  Brandenburg  binden,  denn  vielleicht 
werde  er  sich  genötigt  sehen,  schnell  Truppen  ins  Reich  zu 
senden.  Der  ganze  Vertrag  solle  sich  auf  Abmachungen  gegen 
die  Lüneburger  beschränken;  wolle  der  Kurfürst  darauf  nicht 
eingehen,  verzichte  Frankreich  lieber  auf  jede  neue  Abkommen. 

Endlich  gestand  der  König  zu,  im  geheimen  zu  versprechen, 
dafs  er  den  Termin  des  Abschlusses  des  Waffenstillstands  mit 
dem  Reiche  bis  auf  Ende  Februar  1684  ausdehnen  werde  und 
überhaupt  gegen  dieses  nichts  Übles  beabsichtige.  Darauf  wurde, 
im  Januar  1684,  Artikel  2  nach  den  Wünschen  Frankreichs 
geändert,  Artikel  5  dahin  gefafst,  dafs  der  Kurfürst  gegen  jeden 
Reichskrieg  wider  Frankreich  zu  stimmen  verhiefs,  —  während 
für  dieses  die  Verpflichtung  zu  einjährigem  Stillsitzen  fortfiel. 

Im  ganzen  und  grofsen  hatte  Frankreich  seinen  Willen  durch- 
gesetzt :  der  neue  Vertrag,  der  Anfang  Februar  1684  von  beiden 
Seiten  ratifiziert  wurde,  blieb  hauptsächlich  gegen  das  Haus 
Lüneburg  gerichtet.  Gegen  eben  dieses  Haus  wandte  sich  vor- 
züglich die  Defensivallianz,  die  kurz  zuvor  —  24.  Dezember  1688 — 
Kurköln  mit  Frankreich  abgeschlossen  hatte.  Wider  Schweden 
aber  sicherte  sich  letzterer  Staat  durch  ein  neues  Überein- 
kommen mit  Dänemark  vom  18.  Dezember  1688.   In  den  General- 


348  Siebentes  Buch. 

Staaten  endlich  überwog  damals  die  Friedenspartei,  die  die  Be* 
mühungen  Wilhelms  von  Oranien  um  Unterstützung  der  spani- 
schen Niederlande  zum  gröfsten  Teile  vereitelte.  Ludwig  XIY. 
stand  so  wohlvorbereitet  für  alle  Zwischenfälle  da.  Unter- 
warfen die  Habsburger  sich  nicht  seinem  Willen,  so  mochte  er 
sie  ohne  Furcht  vor  einer  Dazwischenkunft  anderer  Staaten  so- 
wohl in  Belgien  wie  am  Oberrhein  mit  voller  Aussicht  auf  Er- 
folg bekämpfen. 

Nur  schleuniger  Friedensschiurs  konnte  verhindern,  dafs 
Frankreich  an  Macht,  Ruhm,  Landbesitz  und  Herrschaft  neuen 
Gewinn  einernte.  Erst  wenn  die  Schwerter  allerorten  wieder 
in  die  Scheiden  zurückgekehrt  waren,  liefs  sich  mit  Behutsam- 
keit und  Energie  eine  bessere  diplomatische  und  militärische 
Lage  herstellen.  Als  damals  der  Fürst  von  Waldeck  dem  Kur- 
fürsten von  Brandenburg  bittere  Vorwürfe  über  seine  Politik 
machte,  durfte  dieser  ihm  mit  Fug  und  Recht  antworten:  er 
betrachte  „die  Konsistenz,  Erhaltung  und  Wohlfahrt  des  Reiches, 
und  dafs  nicht  mehr  davon  abgerissen  werde,"  als  den  „eintzigen 
Zweck  aller  Unserer  Consilia  und  Actionen",  weil  „Wir  gar 
leicht  begreiffen,  dafs  des  Reiches  Untergang  auch  den  Unsrigen 
unvermeidlich  nach  sich  ziehen  müsse.  Wenn  Wir  mit  aus- 
wärtigen Potentaten  Bündnisse  eingegangen,  so  ziehlen  dieselbe 
allein  dahin  ab,  den  statum  Imperii  publicum  zu  conser- 
viren  und  solches  für  gäntzlicher  Ruin  zu  retten,  und  haben 
bifshero  dieses  Gute  ge wirket,  dafs  das  Reich,  ohngeachtet  des 
jetzigen  verwirreten  Zustandes,  gleichwohl  annoch  erhalten  und 
nicht  bereits  in  völlige  Dissolution  gerathen  oder  in  Feuer  und 
Flammen  auf  gangen  (sie!).  Dahingegen  lehret,  leyder!  die 
tägliche  Erfahrung,  dafs  diejenige,  so  den  Nahmen  von  Patrioten 
und  Vatterlande  am  meisten  im  Munde  führen,  am  wenigsten 
das  Beste  und  die  Erhaltung  desselben  suchen,  ja  vielmehr  ihre 
äufserste  Kräfte  anwenden  und  ganz  Deutschland  durchziehen, 
umb  dasselbe  in  einen  höchst  verderblichen  Krieg  ...  zu  stürtzen 
und  zu  verwickeln,  und  das  blos  allein  umb  auswertiger  Inter- 
essen und  Potentzen  willen,  welche,  ob  sie  zwar  unvermögenheit 
halber . . .  nicht  sich  selbst  und  das  Ihrige  retten  können ,  so 
findet  sich  dennoch  für  sie  eine  so  grofse  Passion,  dafs  man  der- 
selben Interesse  dem  Ruhestand  und  Conservation  des  werthen 
Vaterlandes  weit  vorziehet,  und  dadurch  theils  genugsamb  zu 
erkennen  gibt,  dafs  mann  wenig  dabey  zuzusetzen,  auch  nicht 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       349 

sonderlich  auf  die  Posteritftt  reflectire.  Wir  lassen  alles  dahin 
gestellet  seyn,  nuhr  können  wir  nicht  begreifen,  wie  es  doch 
möglich,  dafe,  da  mann  den  Frieden  in  der  Christenheit,  und 
zwar  einen  Universalfrieden  haben  kann,  mann  dennoch  aUes 
ÄuTserste  thut  und  versuchet,  umb  eine  allgemeine  verderbliche 
Eriegesflamme,  welche  dem  Reich  das  Garaus  machen  wird,  an- 
zublasen. Der  Allerhöchste  wolle  alles  Widrige  undt  die  für 
Augen  schwebende  Gefahr  aus  Gnaden  abwenden.''^ 

Was  sollte  aber  der  Kurfürst,  bei  so  klarer  Sachlage,  dazu 
sagen  y  dafs  die  Generalstaaten  ihm  einerseits  die  Verpflichtung 
auferlegen  wollten,  sich  mit  ihnen,  die  doch  selber  verzagt  und 
ruhebedürftig  waren ,  zum  Schutze  der  spanischen  Niederlande 
zu  verbinden,  anderseits  für  ihn  und  sich  die  Rolle  von  Schieds- 
richtern zwischen  Ludwig  XIV.  und  den  Habsburgem  be- 
anspruchten ?  Es  war  doch  ersichtlich,  dafs  in  ersterer  Hinsicht 
die  Gefahren  des  Kampfes  gegen  Frankreich  zunächst  auf  den 
Brandenburger  fallen,  in  zweiter  weder  der  AUerchristlichste 
König  noch  der  Kaiser  in  ihrem  Stolze  und  ihrer  Hartnäckig- 
keit sich  dem  Spruche  der  holländischen  „Krämer"  und  eines 
einfachen  Kurfürsten  unterwerfen  würden.  So  verliefen  die 
Unterhandlungen,  die  Ruck  im  Haag,  Amerongen  von  neuem 
in  Potsdam  zu  führen  hatten,  ganz  ergebnislos^. 

Kein  besseres  Schicksal  ward  den  Friedensbemühungen  des 
Brandenburgers  am  Kaiserhofe  zu  teil. 

Am  29.  November  1683  hatte  Friedrich  Wilhelm  sich  mit 
einem  Schreiben  an  den  Kaiser  gewandt,  um  ihn  abermals  be- 
weglich um  Annahme  des  französischen  Waffenstillstandvorschlages 
zu  ersuchen.  Er  gab  dabei  bereitwillig  zu ,  dafs  man  sich  in 
Zukunft  gegen  die  alles  bedrohende  Macht  Frankreichs  auf 
sicherer  und  zuverlässiger  Grundlage  einigen  müsse.  Allein  für 
den  Augenblick  müsse  man,  aus  den  bekannten  Gründen,  die 
des  längeren  entwickelt  wurden ,  zunächst  einen  festen  Zustand 
der  Ruhe  schaffen.  Solche  Verständigung  sei  jetzt  um  so  leichter, 
als  sich  Frankreich  erbiete,  in  Regensburg  auf  verhältnismäfsig 
billige  Bedingungen  hin  auch  Spanien  in  den  Stillstand  ein- 
zuschliefsen ,  so  dafs  dann  der  von  dem  Kaiser  und  seinen  Ver- 


>   Ms.   8./18.   Dez.    1683  (Berlin,    Geh.    Staatearchiv,   Bep.  XCIV, 
IV  Hb,  49). 

«  U.  u.  A.,  m,  746-767. 


350  Siebentes  Buch. 

bOndeten  stets  in  erster  Linie  gewünschte  allgemeine  Friede 
hergestellt  sei.  Man  mufs  sagen :  der  Kurfürst  traf  hier  durch- 
aus das  Richtige,  und  die  weitere  Entwicklung  der  Dinge  hat 
seine  Anschauung  in  allen  Punkten  gerechtfertigt  ^ 

Alles  scheiterte  an  dem  machtlosen  und  kurzsichtigen  Eigen- 
sinn Leopolds.  Er  antwortete,  indem  er  durch  Anhalt  abermals 
das  Anerbieten  eines  Kriegsbündnisses  an  den  Kurfürsten  über- 
sandte, das  doch  für  diesen  unter  den  damaligen  Umständen, 
wie  der  Kaiser  längst  wufste,  unannehmbar  war.  Sachsen,  ganz 
im  Gefolge  Österreichs,  erwiderte  dem  Brandenburger,  dafs  man 
am  Ende  von  Frankreich  doch  noch  bessere  Bedingungen  werde 
erlangen  können,  —  eine  lächerliche  Torheit !  Ein  anderer  Vor- 
kämpfer des  Kaisers,  Georg  von  Waldeck,  prahlte  mit  den  50000 
Mann,  die  —  ganz  abgesehen  von  den  gegen  die  Türken  streiten- 
den Heeren  —  bereit  ständen,  „verbotene  Gewalt  nach  Möglich- 
keit abzuwenden  und  der  interessierten  Lande  Sicherheit  auf 
alle  Fälle  zu  befördern*'.  Im  Ernstfalle  würde  es  wohl  mit  den 
fünfzigtausend  Kriegern  am  Rhein  recht  übel  ausgesehen  haben. 
Selbst  ein  erneutes  Ersuchen  der  grofsen  Mehrheit  des  Kur- 
kollegs, das  sich  unmittelbar  auf  das  brandenburgische  Schreiben 
an  den  Kaiser  stützte,  den  Waffenstillstand  „der  anscheinend 
höchsten  Gefahr  des  Reiches  halber**  anzunehmen,  blieb  ohne 
Erfolgt.  Im  Gegenteil,  man  war  in  Wien  empört  über  den 
„Verrat''  des  Brandenburgers  und  drohte  ihm  für  die  Zukunft 
mit  Rache  ^. 

Kach  diesen  wiederholten  Abweisungen  konnte  Friedrich 
Wilhelm  nur  insofern  an  Erhaltung  des  Friedens  arbeiten,  als 
er  die  drängendsten  und  gefährlichsten  Ursachen,  die  diesen 
augenblicklich  bedrohten,  zu  beseitigen  sich  bemühte.  Es  handelte 
sich  hauptsächlich  um  den  Kriegseifer  des  Hauses  Lüneburg^ 
der  ja  zu  Frankreichs  jüngsten  Verträgen  mit  Brandenburg 
und  Kurköln  die  Veranlassung  gegeben  hatte.  „Ich  sehe  wohl/ 
hatte  schon  am  26.  Oktober  1683  der  Ratspensionar  Fagel  an 
Amerongen  geschrieben,  „dafs  Se.  Kurf.  Durchl.  die  vornehmste 
Ursache   gewesen   ist,   dafs  die   Sachen   im  niedersächsischen 


1  Londorp,  XI,  570ff.  —  Pufendorf,   XVIII,  105.  —  Orlich, 
in,  331ff.  —  Prutz,  870.  —  U.  u.  A.,  XIV.  1119 ff. 

•  Londorp,  XI,  577 ff.  639. 

*  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  8./ 18.  Jan.  1684:   Mitteilungen  Anhalts 
aus  Wien. 


FOnfundvierzigstes  S^apitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       351 

Kreise  nicht  in  Feindseligkeiten  ausgebrochen  sind  und  Se. 
Königl.  Maj.  von  Dänemark  nichts  unternommen  hat;  dieser 
Staat  ist  dafür  Sr.  Kurf.  Durch!,  verpflichtet."  *  So  fand  Fried- 
rich Wilhelm  bei  einsichtigen  Männern  selbst  der  Gegenpartei 
volle  Anerkennung;  um  so  mehr  handelte  er  im  gleichen  Sinne 
weiter.  Er  sandte  im  November  1683  Herrn  von  Busch  an 
Ernst  August  von  Hannover  und  die  übrigen  Lüneburger  Herzoge, 
um  sie  zum  Anschlufs  an  die  Friedenspartei  zu  bewegen  und 
dafür  seine  Einwilligung  in  die  von  Ernst  August  wie  von  dem 
Kurprinzen  Friedrich  gleich  dringend  gewünschte  Vermählung 
des  letzteren  mit  der  hannoverschen  Prinzessin  Sophie  Charlotte 
in  Aussicht  zu  stellen.  Darauf  sandte  der  Herzog  seinen  Minister 
Otto  von  Grote  nach  Berlin,  wo  dieser  Staatsmann  hoffnungs- 
volle Erklärungen  abgab '. 

Die  Verhandlungen  Brandenburgs  mit  den  Weifen  erhöhten 
in  Paris  den  hier  ohnehin  gegen  den  Kurfürsten  wieder  lebhaft 
gewordenen  Verdacht.  Man  besorgte,  er  werde  sich  der  feind- 
lichen Seite  anschliefsen.  Dänemark  hetzte  nach  Kräften,  indem 
es  Brandenburg  anschuldigte,  ihm  seine  Beute  —  die  Lüneburger 
und  die  Stadt  Hamburg  —  entrissen  zu  haben.  Aber  Friedrich 
Wilhelm  konnte  den  Franzosen  mit  Fug  und  Recht  versichern, 
dafs  seine  Negotiationen  nur  der  Sache  des  Friedens  dienten. 
Wäre  man  den  Dänen  gefolgt,  so  befände  man  sich  schon  in- 
mitten des  allgemeinen  Krieges;  ihre  Verdächtigungen  hätten 
keinen  anderen  Grund,  als  dafs  der  Kurfürst  „denen  gar  zu 
hitzigen  und  zum  Kriege  gänzlich  abzielenden  consiliis  und 
Maximen  nicht  allerorten  beipflichten"  wolle.  Überallhin  war 
er  für  die  Ruhe  und  Integrität  des  Reiches  tätig :  als  die  Fran- 
zosen die  Festung  Thuin  im  Bistum  Lüttich  besetzten,  mufste 
Spanheim  in  Paris  dagegen  lebhafte  Vorstellungen  erheben*. 

Trotz  des  gerade  um  diese  Zeit  ratifizierten  neuen  Bündnis- 
vertrages zwischen  Frankreich  und  Brandenburg  waren  beide 
Staaten  im  Grunde  schon  voneinander  getrennt.  Frankreich  be- 
absichtigte, immer  mehr  gehorsame  Vasallen  um  sich  zu  scharen, 
die  es   ihm   ermöglichten,  seine   Gewalttaten   auf  Kosten   der 


»  TT.  u.  A.,  m,  761. 

»  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  Nov.  u.  Dez.  1688.  —  U.  u.  A.,  III,  767  f.  — 
Pnfendorf,  XVm,  106. 

'  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  und  Spanheims,  Jan.  1684. 


352  Siebentes  Buch. 

Nachbarreiche  ungestraft  fortsetzen  zu  können.  Es  war  jetzt 
sogar  bereit,  seinen  Trabanten  gleichfalls  einige  kleine,  ihnen 
bequeme  Beutestücke  grofsmOtig  zu  gewähren.  Brandenburg 
dagegen  mufste  erkennen,  dafs  es  auf  die  Länge  nicht  im  stände 
sei,  die  Baubsucht  Ludwigs  XIV.  zu  zähmen  oder  nur  vom 
Beiche  abzuwenden.  Damit  war  die  Voraussetzung  seines  Bünd- 
nisses mit  Frankreich  beseitigt.  Es  suchte  also  nach  Helfern 
für  seine  eigene  Friedenspolitik,  hatte  aber  zunächst  keine 
anderen  gefunden  als  einige  der  machtlosen  und  vor  Frank- 
reich erzitternden  rheinischen  Kurfürsten. 

Ludwig  XIV.  seinerseits  ging  folgerichtig  auf  dem  einmal 
eingeschlagenen  Wege  weiter.  Sein  Plan  war  nunmehr,  Kur- 
köln, das  sich  ihm  durch  den  Vertrag  vom  24.  Dezember  1683 
angeschlossen  hatte,  sowie  das  durch  seine  Festungen,  zumal 
Ehrenbreitstein ,  wichtige  Kurtrier  mit  Brandenburg  zu  einer 
festen  Söldnerphalanx  am  Mittel-  und  Kiederrhein  zusammen- 
zufassen, um  kaiserlichen  Völkern  den  Weg  zur  Verteidigung 
der  südlichen  Niederlande  zu  sperren.  Der  schwache  Kurfürst 
von  Köln,  Maximilian  Heinrich,  war  dem  gefürchteten  Monarchen 
selbstverständlich  zu  Willen.  Er  sandte  einen  der  verräterischen 
Brüder  Fürstenberg,  Felix  Egon,  Fürstabt  von  Murbach,  mit 
entsprechenden  Weisungen  nach  Berlin;  er  hatte  sogar  ein 
förmliches  0£fensivbündnis  der  beiden  Kurfürsten  mit  Frankreich 
vorzuschlagen.  Allein  Felix  Egon  wurde  mit  freundlichen,  aber 
nichtssagenden  Verheifsungen  allgemeiner  Natur  abgespeiste 
Die  eigentlichen  Unterhandlungen  fanden  in  Köln  statt,  wohin 
sich  brandenburgischerseits  Fuchs,  dänischerseits  Herr  von  Leuten 
begaben.  Wenn  Friedrich  Wilhelm  hieran  teilnahm,  so  waren 
doch  seine  Absichten  ganz  andere,  als  die  der  französischen 
Staatslenker:  er  stellte  von  vornherein  die  Bedingung,  der 
Allerchristlichste  König  müsse  an  Brandenburg  und  Kurköln 
die  Versicherung  erteilen,  dafs  er,  trotz  etwa  eintretenden  Krieges, 
das  Reich  „ferner  nicht  dismembriren  noch  den  statum  pub- 
licum in  demselben  immutiren  wolle.  Dieser  Punkt  gehet 
Uns  ans  Herze  und  ist  die  fümehmste  Ursache  dieser  Schickung.' 

Die  französische  Regierung  schätzte  die  brandenburgische 
Mitwirkung  denn  doch  nicht  hoch  genug,  um.  sich  derart  dem 


1  Ms.  Endbescheid  vom  U./24.  Jan.  1684;  Berlin,  Geh.  Staatearchiv, 
XI,  Kurköln  8. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunechweiger  Pehde.        353 

Reiche  gegenober  die  Hände  zu  binden ;  sie  hätte  sich  ja  dem 
Belieben  der  kaiserlichen  Politik  ausgeliefert.  Groissy  verstand 
es,  unter  mannigfachen  Vorwänden  jeder  neuen  Verpflichtung 
zu  entgehen.  Dagegen  richtete  Fuchs  wenigstens  den  Vertrag 
Brandenburgs  mit  Kurköln  derart  ein,  dafs  er  ein  einseitiges 
Angriifsbündnis  des  letzteren  Staates  mit  Frankreich  gegen  die 
Generalstaaten  verhinderte.  Die  Offensivallianz,  die  der  Fttrst- 
abt  von  Murbach  vorgeschlagen  hatte,  fand  bei  Friedrich  Wil- 
helm endgültige  Zurückweisung;  auch  die  dänischen  Bestrebungen, 
die  „mehr  zur  Herbeiführung  des  Krieges  als  Bewahrung  des 
Friedens  geeignet**  waren,  hielt  er  in  Schranken.  Er  beantragte 
die  Okkupation  der  kurtrierischen  Festungen  mit  kurkölnischen 
wie  mit  brandenburgischen  Truppen,  um  diese  wichtigen  Plätze 
vor  französischer  Besetzung  zu  wahren.  Von  so  weisen  und 
patriotischen  Gesichtspunkten   ging  damals  der  Kurfürst  aus'- 

Die  Defensivallianz  zwischen  Dänemark,  Brandenburg  und 
Kurköln  kam  tatsächlich  am  26.  Februar  1684  zu  stände;  Her- 
mann Werner  von  Mettemich,  der  Bischof  von  Paderborn,  den 
Fuchs  auf  der  Reise  nach  Köln  in  seiner  Residenz  Neuhaus  be- 
sucht hatte,  trat  ihr  nachträglich  bei.  Sie  verpflichtete  die 
kontrahierenden  Staaten  zur  Aufrechterhaltung  des  Friedens  im 
niedersächsischen  wie  im  westfälischen  Kreise  mit  gemeinsamen 
Kräften  für  den  Fall  eines  Reichs-  oder  sonstigen  Krieges. 
Schweden  und  die  Generalstaaten  waren  namentlich  als  eventuelle 
Friedensstörer  genannt^. 

Der  Vertrag  hatte  für  die  grofsen  Angelegenheiten  Europas 
nur  geringe  Wichtigkeit;  er  führte  dagegen  für  Brandenburg 
die  günstige  Folge  herbei,  dafs  Maximilian  Heinrich  von  Köln, 
als  neuerwählter  Bischof  von  Münster,  Fuchs  bei  Abschlufs 
einer  Übereinkunft  mit  den  Vertretern  der  ostfriesischen  Stände 
unterstützte,  die  bezweckte,  mit  gemeinsamen  Kräften  jede 
Truppenwerbung  der  Regentin- Witwe  von  Ostfriesland  zu  ver- 
hindern'. Es  war  ein  solches  Bündnis  um  so  wichtiger,  als  ea 
der  Fürstin  gelungen  war,  den  Kaiser  infolge  seiner  den  branden- 
burgischen Interessen  so  abgeneigten  Gesinnung,  zu  ihrer  Partei 


>  Ms.  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XI  Kurköln  8.  —  Ms.  Korresp. 
des  Kurf.  mit  Spanheim,  Jan.  bis  März  1684. 
»  Mörner,  458 ff.  734  ff. 
»  Das.  457f.  -  Vgl.  Wiarda,  VI,  288ff. 

Philippson,  Der  Grofse  Kurfflrst.    III.  23 


354  Siebentes  Buch. 

herüberzuziehen,  so  dafs  er  den  Kurfürsten  ermahnte,  die  bran- 
denburgischen Truppen  aus  Ostfriesland  abzuführen.  Der  neue 
Vertrag,  vom  3 L  März  1684,  übte  volle  Wirkung :  die  Fürstin 
stellte  ihre  Werbungen  ein,  und  die  kaiserliehen  Mahnungen 
blieben  ohne  Wirkung. 

Sie  hatten  indes  von  neuem  die  Abneigung  Leopolds  gegen 
die  brandenburgischen  Interessen  bewiesen.  Seine  Verbündeten 
zeigten  die  gleichen  Tendenzen. 

Auf  dem  Wege  nach  Köln  hatte  Fuchs  auch  die  weifischen 
Herzoge  aufgesucht  ^,  die  ihn  durch  den  hannoverschen  Kammer- 
präsidenten von  Grote  ihres  Wunsches  nach  vollkommenem  Ein- 
vernehmen und  noch  ausdrücklich  ihrer  Bereitwilligkeit  ver- 
sichert hatten,  sich  mit  ihm  wegen  des  Friedens  mit  Frankreich 
zu  verständigen.  Fuchs  gegenüber  zeigten  sie  in  der  Tat  ^^grofse 
Begierde**,  sich  mit  Brandenburg  und  anderen  „Wohl- Inten- 
tionierten**  zu  verbinden,  mit  guter  Manier  aus  der  gefährlichen 
Allianz  mit  dem  Kaiser  loszukommen  und  den  Frieden  zu 
fördern :  binnen  zwei  bis  drei  Wochen  würden  sie  sich  endgültig 
erklären.  Da  vernahm  man  jedoch,  „dafs  sie  den  Kongress  der 
„Assoziierten''  im  Haag  beschickt  hatten,  der  ein  Verteidigungs- 
bündnis beriet,  dessen  Spitze  sich  zum  grofsen  Teile  gegen  die 
Kölner  Alliierten  kehrte.  Friedrich  Wilhelm  sah  sich  von 
Hannover  und  Celle  arg  getäuscht;  die  Franzosen  hatten  also 
recht  behalten  mit  ihrer  steten  Warnung:  die  Lüneburger 
wollten  Brandenburg  nur  „amüsieren"*  und  die  Dinge  in  die 
Länge  ziehen,  bis  sie  genügenden  Beistandes  gewifs  seien. 

Der  Kurfürst  war  schwer  entrüstet  über  diese  Zweideutig- 
keit und  über  die  Gefahr,  mit  der  die  Weifen  den  Frieden 
Deutschlands  bedrohten.  Er  war  nunmehr  entschlossen,  mit 
Dänemark  zur  gewaltsamen  Entwaffnung  der  Lüneburger  zu 
schreiten,  und  arbeitete  an  der  Herstellung  eines  neuen  „Kon- 
zerts** zu  diesem  Zwecke  (Ende  März  1684).  Allein  indem  er 
so  auf  die  Wünsche  Frankreichs  einging ,  trat  doch  sofort  ein 
Gegensatz  zwischen  diesem  Staate  und  ihm  wieder  hervor.  Er 
wollte  auch  die  kurkölnischen  Truppen  zum  Angriffe  auf  das 
Weifenhaus  verwandt  wissen,  gerade  um  sie  jeder  Teilnahme  an 


^  Das  Folgende  nach  der  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Fuchs  (Berlin, 
Geh.  Staatsarchiv,  XI  Kurköln  3),  sowie  mit  Spanheim,  vom  2./ 12.  Febr., 
vom  März  u.  April  1684.  —  Vgl.  Pufendorf,  XVIII,  112. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       355 

einer  etwaigen  kriegerischen  Aktion  Frankreichs  gegen  die 
Generalstaaten  zu  entziehen  und  damit  die  Möglichkeit  zu  ver- 
meiden, dafs  auch  er  selber,  in  Gemäfsheit  des  Kölner  Vertrages, 
in  den  Kampf  gegen  die  Niederlande  verwickelt  werde.  Aus 
eben  diesen  Gründen  wünschte  aber  Frankreich  die  Kölner  von 
den  Operationen  gegen  die  Lüneburger  fernzuhalten  und  viel- 
mehr gegen  die  Holländer  zu  kehren. 

Die  Absichten  Frankreichs  waren  dem  Kurfürsten  um  so 
verdächtiger,  als  jene  Macht  hartnäckig  jede  Erklärung  über 
Aufrechterhaltung  der  Reichsintegrität  verweigerte.  Nicht  da- 
mit zufrieden,  die  Niederländer  durch  Kurköln  zu  bedrohen, 
kündigte  sie  femer  dem  kläglichen  Maximilian  Heinrich  an,  sie 
werde  eigene  Truppen  auf  sein  Gebiet  schicken,  um  abermals 
von  dort  aus  Holland  in  der  Seite  anzugreifen.  Friedrich  Wil- 
helm legte  gegen  eine  solche  Mafsregel  scharfe  Verwahrung  ein : 
die  französischen  Truppen  dürften  den  Beichsboden  nicht  be- 
treten. Er  hatte  die  Genugtuung,  selbst  den  vertrauten  Minister 
des  Kölners,  den  sonst  so  französischen  Fürstenberg  von  Strafs- 
burg,  dahin  zu  bestimmen,  dafs  dieser  den  AUerchristlichsten 
König  um  Unterlassung  einer  Truppensendung  bat,  die  nicht 
nur  Brandenburg,  sondern  auch  Trier  und  selbst  Dänemark  vor 
den  Kopf  stofsen  werde  (29.  März  1684). 

Die  französische  Bundesgenossenschaft  war  Friedrich  Wil- 
helm derart  verdächtig  und  lästig,  dafs  es  wahrlich  keiner 
grofsen  Bereitwilligkeit  und  Geschicklichkeit  seitens  der  „Asso- 
ziierten^ bedurft  hätte,  um  ihn  für  sich  zu  gewinnen.  Allein  sie 
machten  von  den  zahlreich  sich  darbietenden  Gelegenheiten 
keinen  Gebrauch.  Während  die  Verhandlungen  Lambergs  mit 
den  kurfürstlichen  Ministern  in  Berlin  sich  ewig  in  dem  Kreise 
drehten,  dafs  jener  Universal-,  diese  zuerst  Beichsfrieden  ver- 
langten, widersetzte  sich  Österreich  am  Beichstage  mit  seinem 
ganzen  Einflüsse  dem  Abschlufs  mit  Frankreich,  sogar  als  dieses, 
im  Februar  1684,  seine  Forderungen  von  einem  dreifsig-  auf 
einen  nur  zwanzigjährigen  Waffenstillstand  herabsetzte.  Diese 
blinde  Hartnäckigkeit  flöfste  dem  Kurfürsten  lebhaften  Zorn  ein. 
Er  wies  das  abermalige  Anliegen  des  Kaisers,  ihn  in  Ungarn 
mit  Truppen  oder  Geld  zu  unterstützen,  höflich,  aber  bestimmt 
zurück,  mit  Hinweis  auf  den  noch  ausstehenden  und  doch  so 
notwendigen  Frieden  mit  Frankreich.     Ende  März  reiste  dann 

Lamberg   unverrichteter   Sache   von   Berlin   ab.      Es   war  für 

23* 


356  Siebentes  Buch. 

Friedrich  Wilhelm  ein  geringer  Trost,  daffi  seine  Kollegen  von 
Köln  und  der  Pfalz  seinen  Anschauungen  durchaus  beipflichteten 
und  die  Mitschuld  an  dem  „Reichsverrat''  auf  sich  nahmen  ^ 

Nach  allen  Seiten  hin  bemühte  er  sich,  den  drohenden  Aus- 
bruch eines  europäischen  Krieges  zu  verhindern,  von  dem  er 
unter  den  damaligen  Umständen  nur  Unheil  voraussah.  In  dieser 
Absicht  sandte  er,  noch  im  März  1684,  Fuchs  nach  dem  Haag*. 

Die  Zustände  in  den  Niederlanden  hatten  eine  sehr  gefähr- 
liche Gestalt  angenommen.  Schärfer  als  je  standen  sich  die 
oranische  Kriegs-  und  die  städtisch -oligarchische  Friedenspartei 
gegenober,  derart  widereinander  erbittert,  dafs  der  Fortbestand 
der  Union  selber  in  Frage  gestellt  war.  Die  oranische  Partei, 
der  Heer,  Flotte,  Geistlichkeit  und  die  grofse  Mehrheit  des 
niederen  Volkes  angehörten,  empfand  auf  das  tiefste  die  Schmach 
von  1672,  sowie  die  grausamen  Plünderungen,  Verwüstungon  und 
Metzeleien,  die  in  jenen  Jahren  die  Franzosen,  auf  Geheifs 
Ludwigs  XIV.  und  Louvois',  in  den  blühenden  Gauen  Niederlands 
ausgeführt  hatten.  Sie  war  festen  Willens,  es  zu  derartigen 
Leiden  nicht  wieder  kommen  zu  lassen.  Sie  sah  aber  in  der 
Belagerung  Luxemburgs  durch  die  Franzosen,  in  der  drohenden 
Wegnahme  der  spanischen  Niederlande  durch  Ludwig  XIV.  das 
erneute  Herannahen  der  Gefahr  auch  für  ihr  Vaterland,  dessen 
Vernichtung  zugleich  die  Beseitigung  des  reformierten  Bekennt- 
nisses bedeutet  haben  würde.  „Besser,  man  geht  mit  dem 
Degen  in  der  Faust  unter  als  durch  Reunionen  in  Schande,* 
rief  Oranien  aus.  Der  ihm  vertraute  Ratspensionar  Fagel,  der 
nunmehr  holländische  Feldmarschall  Fürst  Waldeck,  die  Mehr- 
heit der  Generalstaaten  standen  auf  seiner  Seite:  „Wir  wollen 
lieber  sterben  als  die  Sklaven  Louvois'  und  seiner  Intendanten 
werden.*'  Der  alte  Freiheitstrotz,  die  tiefe  und  andauernde 
Leidenschaft  dieser  friesischen  Stämme  loderte  in  voller  Stärke 
wieder  auf. 

Aber  so  bewundernswert  diese  patriotisch-kriegerischen  Be- 
strebungen sein  mochten,  der  Widerstand  der  aristokratischen 
Partei,    besonders   der  überaus   reichen   und  mächtigen   Stadt 


*  TJ.  u.  A.,  XIV,  1124—1134.  —  Londorp,  XII,  36ff.  44ff. 

'  Das  Folgende  nach  der  Ms.  Korresp.  Fuchs'  mit  dem  Kurf. 
während  der  Monate  Mfirz  u.  April  1684;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI, 
Kurköln  3. 


POnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       357 

Amsterdam,  sowie  der  Provinzen  Friesland  und  Groningen  gegen 
sie  war  nicht  unberechtigt.  Sie  erblickten  gerade  in  einem 
jetzt  ausbrechenden  Kriege  gegen  Frankreich  den  sicheren  Unter- 
gang des  Staates  und  der  Religion,  also  in  den  Tendenzen 
Oraniens  und  seiner  Anhänger  tödlichen  Wahnwitz.  Worauf 
stützten  diese  sich  denn  in  ihrer  Kampfeslust?  Auf  den  Kaiser? 
Der  stritt  mit  den  Türken.  Auf  die  Laxenburger  Verbündeten  ? 
Die  waren  ebenso  schwach  wie  verzagt.  Auf  Schweden?  Das 
kokettierte  mit  Frankreich.  Auf  Spanien?  Das  konnte  sich 
selbst  nicht  helfen.  Man  müsse  also  ausharren  bis  auf  bessere 
Zeiten. 

Der  Gegensatz  wurde  akut,  als  Oranien  von  den  General- 
staaten die  Gre Währung  von  16000  Mann  forderte,  die  zum 
Scheine  in  spanischen  Dienst  überlassen  und  unter  seiner 
eigenen  Führung  zum  Entsätze  Luxemburgs  ausgesandt  werden 
sollten.  Amsterdam  und  dessen  Genossen  widersetzten  sich  mit 
der  Hartnäckigkeit  der  Verzweiflung  dem  Vorschlage  des  Prinzen, 
von  dem  sie  den  sofortigen  Ausbruch  des  Krieges  mit  Frank- 
reich und  dann  die  Vernichtung  der  niederländischen  Unab- 
hängigkeit erwarteten.  Sie  protestierten  nicht  allein  im  voraus 
gegen  einen  dem  Antrage  entsprechenden  Beschlufs  der  General- 
staaten, sondern  drohten  auch,  jede  Geldzahlung  zu  dessen  Aus- 
führung zu  verweigern,  ja,  ihre  Truppen  von  dem  Bundesheer 
abzuberufen  und  mit  Frankreich  gesondert  zu  verhandeln. 
Oranien  antwortete  hierauf  mit  der  Ankündigung,  solches  Auf- 
treten als  Bruch  des  Bundes,  als  Empörung  betrachten,  Amster- 
dam mit  Gewalt  zur  pflichtmäfsigen  Unterwerfung  unter  die 
Verfügungen  der  Generalstaaten  zwingen  zu  wollen.  Kurz,  ein 
Bürgerkrieg  in  den  freien  Niederlanden,  der  Zusammenbruch 
dieses  stärksten  Bollwerkes  der  politischen  und  religiösen  Freiheit 
Europas  schien  unmittelbar  bevorzustehen. 

Solches  Unheil  zu  verhüten,  lag  Friedrich  Wilhelm  sehr 
am  Herzen.  Für  den  Augenblick  gehörten  mit  seltsamer  Um- 
kehr der  Beziehungen  seine  Sympathien  der  Oligarchie,  eben 
derjenigen  Partei,  die  ihn  früher  grundsätzlich  und  andauernd 
mit  Bitterkeit  bekämpft  hatte,  im  Gegensatze  zu  Oranien,  mit 
dem  ihn  doch  Verwandtschaft  und  Gemeinsamkeit  der  grofsen 
politischen  Zwecke  verband.  Vor  allem  aber  lag  ihm  daran,  es 
jetzt  nicht  zu  einem  tumultuarischen,  ungenügend  vorbereiteten 
und  deshalb  verderblichen  Kriege  kommen  zu  lassen.     Dahin 


358  Siebentes  Buch. 

sollte  auch  die  oranische  Faktion  gebracht,  sie  sollte  mit  Amster- 
dam uBd  dessen  Freunden  möglichst  versöhnt  werden.  Gerade 
wegen  der  Liebe  des  Oheims  für  ihn,  hatte  Fuchs  dem  Prinzen 
zu  sagen,  gerade  wegen  seines  lebhaften  Interesses  für  Religion 
und  öffentliches  Wohl  vermahne  er  ihn  zum  Frieden.  Gehe  er 
hierauf  ein,  so  versprach  ihm  der  Kurfürst  seine  Unterstützung 
zum  Wiedererwerb  des  von  den  Franzosen  besetzten  Fürstentums 
Orange.  Fuchs  hatte  den  Bürgermeistern  Amsterdams,  nament- 
lich dem  längst  befreundeten  Van  Beuningen,  von  seiner  Sen- 
dung zu  reden,  die  Stadt  in  ihrer  verständigen  und  besonnenen 
Haltung  zu  bestärken.  Er  durfte  ihr  im  geheimen  für  den  Not- 
fall nicht  nur  die  Abberufung  der  zahlreichen  Untertanen  Bran- 
denburgs aus  dem  staatischen  Heere,  sondern  auch  direkte  Unter- 
stützung durch  brandenburgische  Truppen  gegen  etwaige  Gewalt- 
mafsregeln  der  oranischen  Partei  verheifsen. 

Fuchs  begab  sich  zuerst  nach  Amsterdam,  wo  er  als  Retter 
aus  der  Not  empfangen  wurde,  „als  sei  er  vom  Himmel  ge- 
kommen'' (Mitte  März).  Auf  Bitten  des  Magistrats  eilte  er 
nach  dem  Haag.  Hier  fand  er  zunächst  recht  ungünstigen 
Boden.  Der  Prinz,  Fagel,  Wal  deck,  der  kaiserliche  Gresandte 
Kramprich  waren  tief  verstimmt  über  das  Bündnis ,  das  der 
Kurfürst  soeben  mit  Frankreich,  Dänemark,  Kurköln,  ihren 
Gegnern,  eingegangen  war ;  sie  zürnten,  dafs  er  die  Stadt  Amster- 
dam i^karessiere" ,  die  doch ,  trotz  des  Widerstrebens  Oraniens 
und  Fagels,  vornehmlich  den  Nymweger  Frieden  herbeigeführt 
und  stets  das  brandenburgische  Interesse  bekämpft  hatte. 

Der  Gesandte  hatte  sich  damit  zu  begnügen,  fürs  erste  die 
Verhandlungen,  die  zur  Aussöhnung  der  Streitenden  führen 
sollten,  einzuleiten.  Dann  —  Anfang  April  —  mufste  er  an 
den  Hof  zurück.  Er  war  über  das  vorzeitige  Ende  seiner  Mission 
kaum  betrübt:  stand  er  doch  in  seiner  eigentlichen  Gesinnung 
bereits  auf  selten  Oranieus  und  der  Kriegspartei.  Oranien  aber 
schrieb  bekümmert  an  seinen  Oheim:  Eines  schmerze  ihn  tief, 
dafs  Se.  Kurf.  Durchl,,  der  ihn  von  Kindesbeinen  an  als  einen 
Sohn  gehalten,  und  den  er  als  Vater  veneriert,  nun  der  Stadt 
Amsterdam  mehr  als  ihm  zugewandt  scheine^. 

Die  Aussicht  auf  einen  bevorstehenden  europäischen  Krieg 


»  U.  u.  A.,  m,  769f.  —  Vgl.  Pufendorf,  XVHI,  116-119,  und 
d'Avaux,  n,  125  ff. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        359 

wurde  immer  drohender.    Während  Frankreich  im  Reiche  neue 
Erwerbungen  für  die   Zukunft   ankündigte,    benutzte   es   mit 
Freuden  das  Sträuben  des  ohnmächtigen  Spanien  zur  Wieder- 
aufnahme   der    Belagerung  Luxemburgs.     In  Norddeutschland 
hatten    die  Feindseligkeiten  gegen  die  Lüneburger  bereits  be- 
gonnen.    Eine  Art  Ultimatum  des  Kurfürsten  Friedrich  Wil- 
helm an  diese,  vom  24.  März,  hatte  keinen  Erfolg  gehabt  ^    An- 
fang April  rückten  dänische  Truppen,  unter  dem  Verwände  der 
Beitreibung  noch  unbeglichener  Kriegskontributionen,  in  die  von 
den  Weifen  als  ihre  Schutzstaaten  betrachteten  und  mit  ihnen 
verbündeten  niedersächsischen  Lande :  Lauenburg,  Bistum  Lübeck 
und   Mecklenburg,    ein.     Kurkölnische   Truppen   bemächtigten 
sich,  auf  Grund  eines  Zwistes  wegen  einiger  Gerechtsame,  der 
Stadt  Höxter,   die   zu  der  unter  braunschweigischem   Schutze 
stehenden  Abtei  Korvey  gehörte.    Brandenburg  war  von  diesen 
Mafsregeln,  die  eine  offenbare  Herausforderung  der  Weifen  zum 
Kampfe  ausmachten,  ebensowenig  wie  Frankreich  vorher  unter- 
richtet worden.     Der  Kurfürst  war  im  Grunde  über  die  Rück- 
sichtslosigkeit Dänemarks  und  den  aus  ihr  sich  leicht  ergebenden 
Beginn   des  Krieges  in  Norddeutschland   entrüstet.     Wenn   er 
zwei  seiner  Begimenter  an  die  mecklenburgische  Grenze  ver- 
legte, so  tat  er  das  weniger,  um  den  Dänen  zu  helfen,  als  um 
sie  im  Zaume  zu  halten.   Er  nahm  freilich  zum  Schein  für  seine 
Verbündeten  Partei  und  unterstützte  deren  Vorgehen  bei  den 
Beichsgewalten  ^.    Croissy  und  sein  König  wünschten  sofortigen 
Beginn  der  Feindseligkeiten,  um  den  übrigen  Assoziierten  durch 
die  Überwältigung  der  Lüneburger  ein  abschreckendes  Beispiel 
zu    geben;   sie  bewilligten  jetzt  sogar  die  Mitwirkung  der  kur- 
kölnischen Truppen  zur  schnelleren   Vernichtung  der  Weifen. 
Zugleich  ermalmten  sie  den  Brandenburger,   sich   nicht  mehr 
durch  deren  heuchlerische  Vorspiegelungen  täuschen  zu  lassen, 
sondern  sofort  ein  neues  „Konzert"  gegen  jene  Fürsten  zu  bilden 
und  danach  zu  handeln,  wofür  Frankreich  die  „Aktionssubsidien^ 
gern  zahlen  werde.    Sie  hofften,  so  Friedrich  Wilhelm  unlöslich 
an  die  französische  Partei  zu  fesseln^. 


«  Londorp,  Xu,  83 f. 

'  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Spanheim,  21.  April,  7.  Mai  1684.  — 
Besonders  wichtig:  Ms.  Depeschen  Bebenacs  vom  März  1684  (B). 
*  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  21.  April.  —  Prutz,  372 ff. 


360  Siebentea  Buch. 

Gerade  das  wollte  der  Kurfürst  vermeiden :  nur  um  so  mehr 
klammerte  er  sieh  mit  der  ganzen  Zähigkeit  seines  Wesens  an 
die  letzten  Möglichkeiten,  den  Frieden  zu  bewahren.  Er  ver- 
zichtete deshalb  lieber  auf  die  sich  ihm  sicher  darbietende  Ge- 
legenheit, auf  Kosten  der  Braunschweiger  Landerwerb  zu  voll- 
bringen. Nicht  solcher  an  sich  reizte  ihn,  sondern  nur,  wenn 
er  —  wie  in  Vorpommern  oder  auch  in  Ostfriesland  —  zugleich 
den  wesentlichen  Interessen  seines  Staates  zu  gute  kam.  Nach 
allen  Seiten  hin  entfaltete  der  sieche  Greis  seine  Tätigkeit  zu 
Gunsten  des  Friedens.  Während  er  noch  einmal  Kurköln  da- 
vor warnte,  sich  gegen  die  Holländer  gebrauchen  zu  lassen 
(19.  April),  erliefs  er  Abmahnungsschreiben  an  die  Kurfürsten 
und  die  Herzoge  von  Sachsen,  sowie  an  den  Kasseler  Landgrafen, 
den  Generalstaaten  keine  Hilfstruppen  zu  senden.  Er  sah  mit 
Freude,  dafs  die  nunmehr  geängstigten  Weifen  den  Kammer- 
präsidenten von  Grote  nach  Berlin  sandten,  mit  friedlichen  Zu- 
sicherungen: sie  würden  weder  den  freien  noch  den  spanischen 
Niederlanden  beistehen,  auch  den  zwanzigjährigen  Waffenstill- 
stand zwischen  dem  Reiche  und  den  Franzosen  gutheifsen.  So- 
fort verschob  Friedrich  Wilhelm  den  Abschlufs  des  „ Konzerts'  und 
ersuchte,  um  den  Lüneburgern  entgegenzukommen,  Christian  V. 
um  die  Erklärung,  dafs  er,  sobald  jene  sich  der  Friedens- 
partei angeschlossen,  Mecklenburg  und  Lauenburg  räumen 
werde.  Freilich,  Dänemark,  das  sich  die  gehoffte  Beute  aber- 
mals entgehen  sah,  weigerte  sich  dessen  zunächst  und  beschul- 
digte den  Kurfürsten  der  Treulosigkeit  gegen  seine  Bundes- 
genossen ^ 

Der  liefs  sich  aber  durch  solche  Anklagen  nicht  irre  machen. 
Er  und  Kurköln  schlössen  damals  mit  Trier  ein  Bündnis,  das 
ganz  dem  Frieden  dienlich  war.  Kurfürst  Karl  Kaspar  verhiefs, 
für  den  zwanzigjährigen  Waffenstillstand  zu  wirken  und  in  den 
westeuropäischen  Händeln  volle  Neutralität  zu  beobachten.  Da- 
für verlangten  er  und  seine  Verbündeten  von  Frankreich  volle 
Schonung  des  Reiches  und  seiner  Rechte:  kurz,  Friedrich  Wil- 
helm hatte  jene  beiden  geistlichen  Kurfürsten  zu  seinem  Pro- 
gramm bekehrt.    Es  war  doch  gegen  Frankreich  gemünzt,  wenn 


1  Ms.   Kurf.  an  Spanheim,   9719.,   15./25.  April,   27.  April/ 7.  Mai, 
SJIS.  Mai  1684. 


FOnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        361 

nunmehr  Karl  Kaspar  tatsächlieh   brandenburgische  und  kur- 
kölnische Truppen  in  seine  Festungen  aufnahmt 

Und  noch  weiter:  gerade  damals  —  im  April  1684  —  be- 
fehligte Friedrich  Wilhelm  den  Hof-  und  Legationsrat  Johann 
Besser  zu  einer  Gesandschaft  nach  England.  Bei  dem  höchst 
gefährlichen  Zustande  Europas  sollte  er  Karl  II.  fttr  die  Schirmung 
des  Friedens  gewinnen.  Zwar  die  förmliche  Allianz  beider  Fürsten 
sei  im  Jahre  1672  abgelaufen,  allein  Religion,  Verwandtschaft 
und  Interesse  hielten  sie  zusammen'. 

Während  der  Kurfürst  so  mit  dem  offiziellen  England  an- 
knüpfte, trug  er  freilich  kein  Bedenken,  sich  im  stillen  auch 
mit  der  whiggistischen  Opposition  zu  verbünden.  Man  weifs, 
dafs  damals  die  eifrigen  Freunde  der  protestantischen  Religion 
und  der  politischen  Freiheit  in  England  —  die  Whigs  —  mit 
Schrecken  der  Thronbesteigung  des  Bruders  des  legitimer  Nach- 
kommenschaft entbehrenden  Karl  II.  entgegensahen,  da  Jakob 
von  York  als  katholisch,  verfolgungssüchtig  und  absolutistisch 
gesinnt  bekannt  war.  Aber  ihr  Widerstand  im  Parlamente  war 
gescheitert,  und  ein  Komplott  gegen  die  Freiheit,  ja,  das  Leben 
Yorks  hatte  nur  den  Untergang  oder  doch  die  notgedrungene 
Flucht  der  Verschwörer  zur  Folge  gehabt.  An  ihrer  Spitze 
stand  der  nach  dem  Festlande  entkommene  Herzog  von  Monmouth, 
des  Königs  natürlicher  Sohn,  der  aber  behauptete,  dafs  seine 
Mutter  durch  Heirat  mit  Karl  verbunden  gewesen  sei  und  des- 
halb ihm,  dem  Protestanten,  die  Thronfolge  gebühre.  Amtlich  — 
80  befahl  der  Kurfürst  dem  Legationsrat  Besser  —  solle  dieser 
sich  benehmen,  als  wisse  er  nichts  von  der  Spaltung  der  Nation 
in  Yorkisten  und  Monmouthisten ;  im  stillen  aber  solle  er  die 
unzufriedenen  Protestanten  des  kurfürstlichen  Beistandes  ver- 
sichern. Friedrich  Wilhelms  Sympathien  gehörten  den  Whigs, 
da  er  in  Jakob  nicht  nur  den  Feind  seiner  Religion,  sondern 
auch  den  Verbündeten  Ludwigs  XIV.  erblickte. 

In  Amsterdam  hatten  zwei  geflüchtete  Freunde  Monmouths, 
Lord  Gray  und  Ritter  Armstrong,  sich  Fuchs  genähert.  Der 
Kurfürst  gewährte  diesen  Verfolgten  Aufenthalt  in  seinem 
Herzogtume  Kleve,  ja,  liefs  durch  sie  dem  Herzoge  von  Mon- 


^  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  18./28.  April. 

*  Ms.  Inatr.  an  Besser,   entworfen  18J28.  März  1684;   Berlin,  Geh. 
Staatsarchiv,  Bep.  XI,  England  9. 


3C2  Siebentes  Buch. 

mouth  sagen:  er  hege  fQr  ihn  .besondere  Estime  und  Eon- 
sideration";  der  Herzog  werde  in  seinen  Landen  Zuflucht  und 
Schutz  finden,  und  seltet  sein  Besuch  in  Berlin  werde  dem  Kur- 
fürsten sehr  genehm  sein.  Gray  und  Armstrong  begaben  sich 
infolge  dieser  Mitteilungen  nach  Kleve  und  verhandelten  dort 
mit  Fuchs  wegen  des  Eintritts  Monmouths  in  brandenburgischen 
Kriegsdienst  .York  und  seine  papistische  Bande/  sagten  sie, 
„gehen  auf  das  Verderben  aller  guten  Protestanten  aus.*'  ^ 

Diese  Verhandlungen  waren  ein  Vorspiel  für  das  Unter- 
nehmen Oraniens  auf  England,  vier  Jahre  später.  Friedrich 
Wilhelm  ist  der  erste  kontinentale  Herrscher  gewesen,  der  ein 
solches  Ereignis,  den  gewaltsamen  Umsturz  der  Herschaft  der 
Stuarts,  dieser  Feinde  des  Protestantismus  und  der  europäischen 
Freiheit,  ins  Auge  gefafst  hat. 

Allein  das  waren  Pläne  für  die  Zukunft  Für  den  Augen- 
blick handelte  es  sich  um  Bewahrung  des  Friedens,  bis  die 
grofse  europäische  Partei  gefestigt  und  zum  Kampfe  bereit  sein 
werdet  Er  nahm  also  durch  seinen  gewöhnlichen  Gesandten 
im  Haag,  von  Diest  die  Verhandlungen  mit  den  Generalstaaten 
wieder  auf,  um  sie  zum  schleunigen  Abschlufs  wenigstens  eines 
Stillstandes  zu  bewegen  (Mai  1684).  Er  durfte  mit  Recht  das 
Verdienst  für  sich  beanspruchen,  zu  wiederholten  Malen  den  Krieg 
von  den  Vereinigten  Provinzen  abgewandt  zu  haben ;  allein  ferner- 
hin sei  ihm  das  unmöglich.  «Wenn  man  dort  durchaus  ver- 
zweifelte Entschlüsse  fassen  will,  möge  man  wenigstens  Deutsch- 
land aus  dem  Spiele  lassen  und  auf  Hilfstruppen  aus  dem  Reiche 
verzichten.*  Aber  sie  möchten  doch  überhaupt  darauf  ver- 
zichten, Religion  und  Freiheit  zugleich  in  Gefahr  zu  bringen; 
sie  würden  sich  durch  einen  zweifellos  unheilvollen  Krieg  das 
Joch,  das  sie  für  die  Zukunft  fürchteten,  sofort  über  den  Hals 
ziehen.  Er  erbot  sich  zur  Vermittlung  mit  dem  AUerchrist- 
lichsten  Könige.  Als  Diest  am  24.  Mai  mit  diesen  Instruktionen 
im  Haag  eintraf,  fand  er  dort  günstigere  Aufnahme,  als  er  zu 
hoffen  gewagt. 

Um  so  gröfsere  Enttäuschung  erlebte  die  brandenburgisehe 


1  Ms.  Fuchs  an  Kurf.,  4. 14.,  u.  Kurf.  an  Fachs,  11.^1.  März  1684; 
Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Knrkdln  3. 

*  FQr  das  Folgende  die  Ms.  Korresp.  zwischen  dem  Kurf.  n.  Biest 
im  Mai  und  Juni  1684  (Berlin,  Geh-  Staatsarchiv,  Bep.  XXXIV,  227  z).  — 
VgL  ebendas.  Rep.  XI,  Kurköln  3;  sowie  U.  u.  A.,  m,  770  f. 


Fttnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       363 

Friedenspolitik  auf  der  anderen  Seite.  Frankreich  sah  mit 
vollem  Bechte  in  ihren  Bemühungen  nicht  sowohl  eine  ihm  ge- 
währte Unterstützung  als  vielmehr  das  Bestreben,  eine  dritte 
Partei  zu  bilden,  die  freilich  für  den  Augenblick  den  Frieden 
zu  bewahren,  aber  für  die  Zukunft  Frankreich  im  Zaume  zu 
halten  bestimmt  sei.  Hatte  doch  schon  Fuchs  bei  seiner  An- 
wesenheit im  Haag  dem  Grafen  d'Avaux  nicht  verhehlt,  dafs 
jedes  weitere  kriegerische  Vordringen  Frankreichs  die  Friedens- 
partei ernstlich  verstimmen  werde.  Trotz  aller  Bemühung  des 
Geheimrats,  dem  französischen  Gesandten  volles  Vertrauen  und 
alle  Ergebenheit  zu  zeigen,  hatte  dieser  ihn  als  Feind  behandelt, 
mit  Anklagen  und  Verleumdungen  verfolgt.  Der  Widerspruch 
Brandenburgs  gegen  eine  französische  Besetzung  trierischer  oder 
kölnischer  Plätze,  die  immer  wiederholte  Forderung  einer  Er- 
klärung, dafs  Frankreich  unter  keinen  Umständen  das  Reich 
weiter  verkleinem  werde,  hatten  in  Paris  und  Versailles  tief 
verstimmt. 

Noch  schlimmer  war,  dafs  der  Kurfürst  von  eben  den  Lüne- 
bürgern,  die  er  mit  aller  Macht  vor  seinen  eigenen  Verbündeten 
zu  schützen  sich  bemühte,  abermals  hintergangen  wurde.  Grotes 
Erklärungen  wurden  immer  zweideutiger  und  hinterhaltiger. 
Das  ganze  Lügenspiel  sollte  nur  die  Kölner  Alliierten  festlegen, 
bis  der  Haager  Kongrefs  zu  wirksamen  Beschlüssen  gelangt  sei. 
Friedrich  Wilhelm  gab  die  Sache  auf;  sogar  der  Kurprinz  über- 
wand seine  Neigung  zu  Sophie  Charlotte  und  erklärte,  er  werde 
seine  Vermählung  mit  dieser  Prinzessin  bis  auf  einen  Zeitpunkt 
hinausschieben,  wo  solche  Verbindung  den  Interessen  und  der 
Ehre  seines  Vaters  entsprechet  Der  Kurfürst  ging  den  König 
von  Frankreich  um  sofortige  Auszahlung  des  ersten  Vierteljahrs 
der  Aktionssubsidien  an,  indem  er  ihm  den  mit  R6benac,  dem 
Dänen  Gabel  und  dem  kurkölnischen  Kriegsrat  Wintgens  ver- 
einbarten Kriegsplan  gegen  die  Weifen  mitteilte  ^.  Die  Rüstungen 
wurden  tatsächlich  in  grofsem  Stile  betrieben:  die  preufsischen 
Regimenter  wurden  beordert,  die  Weichsel  westwärts  zu  über- 
schreiten, die  pommerschen  und  neumärkischen  zum  Marsch  an 
die  Elbe  angewiesen,  die  Truppen  in  Westfalen  dazu  bestimmt, 
sich   im  Verein  mit  den  Kölnern   an  Rhein   und  Weser  auf- 


^  Dep.  R6benac8  vom  13.  Mai;  Prutz,  878. 
*  Ms.  19./29.  Mai  1684. 


364  Siebentes  Buch. 

zustellen,  die  Artillerie  mobilisiert,  in  Minden  und  Lippstadt 
Magazine  angelegt;  jede  Woche  wurden  16 — 17000  Taler  aus- 
gegeben. 1500  Reiter  wurden  in  das  Herzogtum  Mecklenburg- 
Güstrow  einquartiert  mit  dem  Auftrage,  sich  den  Dänen  an- 
zuschliefsen ,  falls  die  Lüneburger  gegen  diese  Feindseligkeiten 
begännen  ^  Die  französischen  Staatsmänner  frohlockten,  Branden- 
burg nun  in  den  Krieg  verwickelt  zu  sehen.  Sie  stellten  selbst 
Eroberungen  in  Pommern  in  Aussicht  und  gaben  die  besten 
Yerheifsungen  wegen  der  Aktionssubsidien.  —  deren  tatsächliche 
Auszahlung  wurde  freilich  bis  auf  den  ersten  Kanonenschufs  an 
der  unteren  Elbe  und  Weser  vertagt*. 

Am  30.  Mai  1684  ward  zu  Berlin  das  neue  „Konzert^ 
zwischen  Dänemark,  Kurköln  und  Kurbrandenburg  aufgerichtet. 
Gemeinschaftliche  Aktion  sollte  allsogleich  das  Haus  Lüneburg 
zwingen,  sich  allen  Beschlüssen  der  Verbündeten  wegen  des  mit 
Frankreich  zu  vereinbarenden  Friedenszustandes  anzuschliefsen, 
sämtliche  Ansprüche  auf  weitere  Ausdehnung  seiner  Befugnisse  als 
Direktors  des  niedersächsischen  Kreises  aufzugeben  und  in  allen 
Punkten  den  Alliierten  Genugtuung  zu  leisten.  Der  Beitritt 
Frankreichs  zu  diesem  Vertrage  wurde  in  Aussicht  genommen*. 
Der  Kurfürst  von  Köln  erhielt  demgemäfs  die  Einladung,  seine 
Truppen  an  die  Weser  zu  entsenden;  der  französische  Resident 
in  Münster,  Ghoiseul,  sich  nach  Berlin  zu  begeben  und  mit  den 
brandenburgischen  Generalen  den  Feldzugsplan  endgültig  fest- 
zustellen ^. 

Der  Kampf  konnte  beginnen.  Ludwig  XIV.  ermahnte 
Brandenburg,  nun  endlich  loszuschlagen.  Er  rechnete  darauf, 
dafs  nach  der  Demütigung  der  Lüneburger  niemand  im  Reiche 
ihm  mehr  Widerstand  zu  leisten  wagen  werde  ^. 

Gerade  deshalb  hielt  Friedrich  Wilhelm  im  letzten  Augen- 
blicke inne.  Das  Verfahren  Frankreichs  stimmte  ihn  bedenk- 
licher denn  je.  In  jener  Zeit  —  4.  Juni  —  fiel  die  überaus 
starke  Festung  Luxemburg,  ein  Bollwerk   auch  der  deutschen 


^  Ms.  Bidal  (französ.  Agent  in  Hamburg)  an  Louvois,  21.  April 
1684  (Auszug);  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XCIV,  IV  Hb,  10 /f. 

*  Ms.  Korresp.  zwischen  Eurf.  und  Spanheim  aus  dem  Mai  1684.  — 
Depeschen  Bäbenacs  bei  Prutz,  873 f. 

»  Mörner,  740ff. 

^  Ms.  Bidal  an  Louvois,  2.  Juni  (Auszug);  a.  a.  O. 

^  Korresp.  Ludwigs  XIV.  mit  B^benac,  Juni  1684;  Prutz,  8741. 


Fünfiindvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        365 

Moselländer,  in  die  Gewalt  Frankreichs.  Der  Kurfürst  empfand 
dieses  Ereignis  sehr  schwer:  wenn  er  auch  die  Aufforderung 
Johann  Greorgs  von  Sachsen,  der  Feste  zu  Hilfe  zu  kommen, 
hatte  abweisen  müssen,  sah  er  doch  in  ihrem  Verluste  eine  für 
das  Reich  sehr  bedrohliche  Tatsache  ^  Dabei  erhielt  er  anstatt 
der  ihm  gebührenden  französischen  Kriegssubsidien  nur  schöne 
Worte,  während  die  Kriegsbereitschaft  der  kärglich  bedachten 
brandenburgischen  Staatskasse  unerschwingliche  Lasten  auf- 
erlegte. Selbst  Röbenac  erkannte  die  Ungebühr  an,  mit  der 
sein  König  den  Kurfürsten  behandelte.  Da  brachte  ein  un- 
erwartetes Ereignis  dessen  Zorn  zum  Ausbruche. 

Herzog  Christian  I.  Ludwig  von  Mecklenburg  -  Seh  worin 
hatte  sich  auf  einer  Reise  nach  Paris  in  die  ebenso  schöne  wie 
geistvolle  Herzogin -Witwe  von  Ghfttillon,  die  Schwester  des 
Marschalls  von  Luxemburg,  verliebt.  Er  hatte  sich  deshalb  von 
seiner  Gemahlin  scheiden  lassen,  war  katholisch  geworden  und 
hatte  1664  seine  Geliebte  geheiratet.  Seitdem  lebte  er  gröfsten- 
teils  in  der  französischen  Hauptstadt.  Nunmehr,  im  Mai  1684, 
schlofs  er  dort  mit  Ludwig  XIV.  einen  Vertrag,  in  dem  er  seine 
wichtige  Eibfeste  Dömitz  den  Dänen  zu  überliefern  versprach. 
Der  Kurfürst  war  begreiflicherweise  darüber  entrüstet,  dafs 
man  diese  Abmachung  getroffen  hatte,  ohne  ihn  zu  fragen, 
während  doch  Dömitz  der  Schlüssel  zur  Kurmark  sei  und  die 
Schiffahrt  auf  der  unteren  Elbe  beherrsche;  überdies  sei  er 
Mitdirektor  des  niedersächsischen  Kreises.  Durch  solche  Vor- 
gänge müsse  ja  die  „gute  Partei**  im  Reiche  verdächtig  werden. 
Er  verlangte  in  Paris  auf  das  bestimmteste,  dafs  entweder  der 
ganze  Vorfall  rückgängig  gemacht  oder  die  Festung  halb  mit 
brandenburgischen,  halb  mit  dänischen  Truppen  besetzt  werde. 
Bisher,  fügte  er  unwillig  hinzu,  haben  Wir  von  Unserem  Bünd- 
nis mit  Frankreich  noch  nicht  „vor  Unser  Particulier  den  aller- 
geringsten Vortheil,  wohl  aber  viel  und  grofse  Ungelegenheit 
und  Gefahr"  gehabte 

Christian  Ludwig  hatte  alle  Welt  getäuscht.  Sein  Befehls- 
haber hatte  Dömitz   vielmehr   den  Freunden  und  Beschützern 


*  Prutz,  a.  a.  O. 

'  Ms.  Kurf.  an  Spanbeim,  24. Mai / 3.  Juni  1684.  —  Vgl.  Bourgeois, 
Ez.  Spanheim,  242 f.  —  Allg.  Deutsche  Biographie  s.  v.  Christian  I. 
von  Mecklenburg. 


366  Siebentes  Buch. 

Mecklenburgs,  den  Weifen,  überliefert.  Der  ergrimmte  König 
liefs  deshalb  den  Herzog  in  das  Schlofs  von  Vincennes  sperren 
(Mitte  Juni),  und  zwar  zu  so  strenger  Haft,  dafs  dessen  eigene 
Gemahlin  ihn  nicht  sehen  durfte.  Erst  Anfang  September  er- 
hielt der  Herzog  durch  die  Fürbitte  und  auf  mehrfaches  Ein- 
schreiten Friedrich  Wilhelms  die  Freiheit  wieder*. 

Sowohl  die  Übervorteilung  Brandenburgs  in  der  Dömitzer 
Sache  wie  die  willkürliche  Einkerkerung  eines  deutschen  Reich»- 
fürsten  verstimmte  Friedrich  Wilhelm.  Bald  mufste  er  von 
weiteren  Akten  französischer  Tyrannei  hören.  Trotz  des  Ver- 
sprechens des  französischen  diplomatischen  Agenten  Tambonneau, 
die  Zustimmung  seines  Königs  zu  dem  Vertrage  Brandenburgs 
mit  Trier  zu  beschaffen,  und  im  Gegensatze  zu  Ludwigs  eigenen 
feierlichsten  Zusagen  rückte  Marschall  Gr^qui  nach  der  Erobe- 
rung Luxemburgs  mit  seinem  ganzen  Heere  in  das  friedliche 
Erzstift  Trier  ein,  besetzte  dessen  Hauptstadt,  deren  W&lle  er 
einrifs,  und  deren  Moselbrücke  er  mit  dem  gleichen  Schicksale 
bedrohte,  wie  er  denn  die  Conzer  Brücke  bereits  zerstört  hatte. 
Friedrich  Wilhelm  war  äufserst  erregt.  ,, Der  König,*'  rief  er  aus, 
„wird  sich  odieux  und  Uns  incapable  machen,  mit  Nutz  und 
Effekt  vor  Ihre  Interesse  weiter  zu  arbeiten."'  Bald  schlug  er 
einen  noch  kräftigeren  Ton  an.  „Wir  müssen  bekennen,"  schrieb 
er  am  15.  Juli  an  Spanheim,  „dafs  Uns  solches  Verfahren  höchst 
schmerzlich  zu  Gemüthe  geht!"  Alle  üblen  Vorhersagungen  der 
Gegner  werden  durch  solche  Vorgänge  bekräftigt.  „Es  ist  be- 
kannt, dafs  Wir  durch  Unsere  dem  Reiche  geschworene  schwehre 
Pflichten,  durch  den  Ghurfürstlichen  Verein,  durch  die  Liebe 
und  Treue,  die  Wir  Unsern  Vaterlande  schuldig  sein,  ja  aller 
Kaison  nach  Uns  verbunden  befinden,  in  dergl.  Fällen  Unserer 
Mit-Stände  Uns  mit  allen  Kräfften  anzunehmen  und  unverschul- 
detes Unrecht  und  Gewalt  von  ihnen  abzuwehren,  und  können 
Wir  nicht  absehen,  wie  Wir  eines  Theils  Unserem  Gewissen  ein 
Genüge  thunund  danebst  gegen  Ihre  Kays.  Mt.  und  das  Reich 
Unsere  Conduite  justificiren  und  vielfältiger  Blame  und  Vor- 
würffe  Uns  . . .  entladen  können,  wenn  Wir  zu  dergleichen  Pro- 
ceduren  still  schweigen  selten."    Spanheim  soll  die  sofortige  Ab- 


^  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  Juni  bis  Sept.  1684. 
*  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  20./30.  Juni.  —  Die  Instruktion  ist  teil- 
weise gedruckt  bei  Londorp,  Xu,  55 f. 


FOnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        367 

führung  der  französischen  Truppen  aus  Trier  fordern  und  dabei 
hervorheben,  „dafs  Wir  nicht  allein  Uns  hierunter  einer  will- 
fährigen Resolution  zu  Ihro  König].  Mayt.  festiglich  versähen, 
sondern  auch  verhoffen  weiten,  es  würde  dieselbe . . .  dergleichen 
wider  das  Reich  femer  nicht  vornehmen,  sondern  eine  solche 
Conduite  gegen  dasselbe  halten,  damit  Wir,  Unserm  sehnlichen 
Verlangen  nach,  in  der  mit  Ihro  Königl.  Mt.  etablirten  guten 
und  vertrauten  Freundschaft  allerwegen  verbleiben  möchten". 

Und  doch  drohten  neue  Gewalttaten  von  anderen  Seiten: 
im  Elsafs  und  bei  Saarlouis  sammelten  sich  zahlreiche  franzö- 
sische Scharen,  um  in  das  Reich  einzubrechen.  Es  stand  ihnen 
um  so  wehrloser  offen ,  als  es  nicht  einmal  auf  die  Beihilfe  der 
Niederlande  mehr  hoffen  durfte.  Die  Verhandlungen  Diests 
hatten  mehr  Erfolg  gehabt  als  die  des  Geheimrats  Fuchs,  da  die 
jüngsten  Ereignisse  die  momentane  Unmöglichkeit  eines  Krieges 
gegen  Frankreich  auch  den  Widerwilligen  vor  Augen  führten. 
Nachdem  Luxemburg  gefallen,  nachdem  der  Haager  Kongrefs 
ergebnislos  auseinandergegangen,  hatte  die  Friedenspartei  in  den 
Generalstaaten  den  Sieg  davongetragen.  Am  29.  Juni  nahmen 
sie  das  französische  Anerbieten  des  zwanzigjährigen  Waffen- 
stillstandes an;  allerdings  mit  der  Erschwerung,  dafs  nunmehr 
auch  Luxemburg  den  Franzosen  überlassen  werden  mufste. 
Diese  setzten  dem  Reiche  einen  Termin  von  vier  Wochen,  dem 
Stillstande  unter  den  gleichen  Bedingungen  beizustimmen.  Nur 
dem  ernstlichen  Andringen  Brandenburgs  gelang  es,  den  Alier- 
christlichsten  König  zu  der  Eröffnung  zu  bewegen,  dafs  es  ihm 
auf  die  strikte  Innehaltung  eines  so  kurzen  Termins  nicht  an- 
kommen sollet 

Zu  gleicher  Zeit  scheiterten  die  Hoffnungen,  die  Friedrich 
Wilhelm  auf  einen  Anschlul^  Englands  an  die  europäische  Partei 
gesetzt  hatte'.  Besser  war  schon  mit  grofsem  Mifstrauen  in 
London  aufgenommen  worden,  da  alle  Welt  über  das  plötzliche 
Erscheinen  eines  brandenburgischen  Gesandten  erstaunt  war 
und  dahinter  geheime,  feindselige  Absichten  witterte.  Hierzu 
kam  der  erschwerende  Umstand,  dafs  das  beginnende  Komplott 
des  Kurfürsten  mit  Monmouth  und  dessen  Anhängern  entdeckt 


^  Ms.  Depeschen  Spanheims  aus  dem  Juli  1684. 
*  Das  Folgende   nach   den  Akten   des  Geh.  Staatsarchivs  (Berlin), 
Bep.  XI,  England  9. 


368  Siebentes  Buch. 

wurde.  Armstrong  war  unter  der  Anklage,  des  Königs  und 
Yorks  Ermordung  zweimal  versucht  zu  haben,  von  den  General- 
staaten nach  England  ausgeliefert  worden,  wo  man  ihn  nach 
kurzem  Prozesse  hängte.  Unter  seinen  Papieren  fanden  sich 
Briefe  Monmouths  an  die  brandenburgischen  Staatsmänner 
Fuchs  und  Falaiseau,  mit  Danksagungen  für  den  ihm  und 
seinen  Freunden  Armstrong  und  Gray  gewährten  Schutz,  sowie 
Versicherungen  der  Ergebenheit.  Freilich,  König  Karl  II.  hielt 
es  für  angemessen,  sich  in  gemäfsigter  Weise  über  diese  Vor- 
gänge auszudrücken;  er  sagte  Besser:  das  Verfahren  des  Kur- 
fürsten beruhe  offenbar  auf  einem  Mifsverständnisse,  da  dieser 
eine  aus  rein  persönlichen  Beweggründen  hervorgegangene  Ver- 
schwörung für  ein  Unternehmen  zum  Schutze  der  protestanti- 
schen Religion  angesehen  habe.  Allein  die  Versuche  Friedrich 
Wilhelms,  sich  als  völlig  unschuldig  und  ahnungslos  hinzustellen, 
konnten  keinen  Glauben  finden.  Der  König  wie  seine  Minister 
ersuchten  ihn  sehr  ernstlich,  Monmouths  Besuch  in  Berlin  zu 
verhindern.  Natürlich  fand  nunmehr  solche  Reise  des  unglück- 
lichen Königssohns  nicht  statt.  Aber  von  engeren  Beziehungen 
zwischen  England  und  Brandenburg  konnte  nach  allen  diesen 
Ereignissen  nicht  die  Rede  sein. 

Es  blieb  dem  Kurfürsten  nichts  übrig,  als  den  Kaiser  von 
neuem  zum  Frieden  zu  mahnen ;  er  versprach  hierbei,  die  Bürg- 
schaft für  die  Innehaltung  des  abzuschliefsenden  Waffenstill- 
standes mit  seiner  gesamten  Macht  zu  übernehmen,  auch  darüber 
mit  ihm  einen  Sondervertrag  einzugehen.  Solches  versicherte 
er  dem  kaiserlichen  Sekretär  Consbruch,  der  Ende  Juni  1684 
nach  Berlin  kam^. 

Unter  diesen  Umständen,  wo  alles  sich  dem  von  Friedrich 
Wilhelm  sehnlich  gewünschten  allgemeinen  Frieden  zuneigte, 
erschien  es  ihm  mit  Recht  untunlich,  in  Norddeutschland  auf 
eigene  Faust  einen  Kampf  zu  beginnen,  dessen  Folgen  unab- 
sehbar waren.  Er  begrüfste  es  mit  Freuden,  dafs  die  drei 
lüneburgischen  Herzoge,  die  sich  nunmehr  von  allen  Freunden, 
auf  die  sie  gezählt,  verlassen  sahen,  auf  einer  Konferenz  in 
Bergsdorf  sich  ernstlich  zum  Nachgeben  entschlossen  und 
darauf  Grote  abermals  nach  Berlin  entsandten.  Er  hatte  zu 
erklären,  dafs  die  Weifenfürsten  sich  von  nun  an  auf  den  Boden 


>  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  20./80.  Juni  1684.  —  U.  u.  A.,  XIV,  1136«. 


FOnfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.        369 

des  französischen  Stillstandserbietens  begäben.  Friedrich  Wilhelm 
kam  übrigens  mit  seinen  friedlichen  Absichten  lediglich  den 
Wünschen  des  Königs  von  Frankreich  entgegen,  der,  nach  Ab- 
schlufs  des  Vertrages  mit  den  Generalstaaten,  gleichfalls  jedes 
Interesse  eingebüfst  hatte,  im  Norden  einen  Krieg  hervorzurufen, 
der  ja  nur  den  Verbündeten  der  Holländer  gegolten.  Branden- 
burg und  Dänemark  konnten  zusehen,  wie  sie  die  Kosten  der 
auf  Frankreichs  Anregung  unternommenen  Rüstungen  zu  decken 
vermöchten  *. 

Der  Streit  zwischen  dem  Kurfürsten  und  den  drei  lüne- 
burgischen Herzogen  wurde  definitiv  beendet  und  momentan 
sogar  in  ein  Freundschaftsverhältnis  umgewandelt  durch  ein 
am  2.  August  1684  abgeschlossenes  Bündnis.  Man  darf  sagen : 
die  Spitze  dieser  Allianz  war  gegen  Frankreich  gerichtet;  denn 
obwohl  die  Kontrahenten  den  Waffenstillstand  unter  den  von 
Frankreich  geforderten  Bedingungen  zu  Grunde  legten,  verlangten 
sie  doch  Rückgabe  aller  sonstigen  von  jenem  Staate  im  Reiche 
okkupierten  Gebiete,  sowie  Aufrechterhaltung  der  bisherigen 
Religions-  und  Eigentumsverhältnisse  in  den  dauernd  reunierten 
Ländern.  Für  den  Fall  eines  Krieges  wollten  die  Verbündeten, 
in  Gemäfsheit  des  dritten  Geheimartikels,  die  Integrität  des 
Reiches  und  zumal  den  Rheinstrom  schützen,  ebenso  Bremen, 
Hamburg  und  Lübeck  in  ihrer  Reichsfreiheit  erhalten^.  Dieser 
Vertrag  war  also  der  erste  entschiedene  Schritt,  den  Friedrich 
Wilhelm  von  der  bisher  innegehaltenen  französischen  Partei 
ab  und  nach  der  entgegengesetzten  Seite  hin  unternahm,  —  ein 
zweiter  die  Vermittlung  zwischen  dem  Prinzen  von  Oranien 
und  dem  Stadtmagistrate  von  Amsterdam,  die,  auf  Friedrich 
Wilhelms  Befehl,  damals  Diest  versuchte®.  Der  Weg  war  er- 
öffnet, der  ihn  bald  wieder  zu  seiner  natürlichen  Stellung, 
Schulter  an  Schulter  mit  den  zur  Verteidigung  der  Freiheit 
Europas  entschlossenen  Mächten,  führen  sollte. 

Der  Vermählung  des  Kurprinzen  mit  Sophie  Charlotte  stand 
nun  nichts  mehr  im  Wege;  sie  wurde  dann  im  Oktober  1684 
mit  grofser  Pracht  begangen.  Es  war  aber  bezeichnend,  dafs 
den  auffallendsten  Teil  der  Feier  die  Vereinigung  von  elftausend 


^  Ludwig  XIV.  an  Rebenac,  6.  Juli  1684;  Prutz,  375  f. 
«  Mörner,  743 ff. 
»  d'Avaux,  m,  75 f. 

PhilippsoD,  Der  Grofse  Kurfflrst.    III.  24 


.  370  Siebentes  Buch. 

Mann  brandenburgischer  Truppen  bildete  —  ,der  schönsten  von 
allen,  die  ich  in  Deutschland  gesehen  habe,^  urteilte  der  keines- 
wegs wohlwollende  Beobachter  Röbenac. 

Diese  militärische  Schaustellung  hatte  ihren  ernsten  Grund : 
Friedrich  Wilhelm,  stets  auf  verschiedenen  Wegen  dem  gleichen 
Ziele   zustrebend,   hatte  sich    zu    dem   Versuche    entschlossen, 
mit  den  Lüneburgem  vereint,  wie  neun  Jahre  zuvor,  den  Schweden 
ihre  deutschen   Lande  zu   entreifsen.     Die  welßschen   Unter- 
händler von  Grote   und   von  Oberg  zeigten  sich  damit  einver- 
standen;    man     entwarf     in    Berlin     gemeinschaftlich     einen 
„geheimsten"  Artikel  des  Vertrages,  der  Vorpommern,  Wismar, 
femer  die  Inseln  Rügen  und  Poel  dem  Kurfürsten,  die  Herzog- 
tümer Bremen  und  Verden  den  Lüneburgem  zusprach^.     Auch 
Dänemark  stimmte  zu,  da  es  sich  des  von  Schweden  beschützten 
Gottorpschen  Anteiles  an  Schleswig-Hosltein  endgültig   zu  be- 
mächtigen   wünschte.     An    sich    schien    die    Vertreibung  der 
Schweden    aus  deren   deutschen    Provinzen    sehr  leicht.     Mit 
Ausnahme  Wismars  waren  alle  dortigen  Festungen  verfallen  und 
verödet ;  Stettins  Wälle  zeigten  noch  die  Breschen  von  der  letzten 
Belagerung  her,  —  die  Stadt  hätte  sich  kaum  acht  Tage  lang 
halten  können.   Den  fünfzigtausend  Mann  der  Verbündeten  ver- 
mochte Schweden  keine  entsprechende  Streitmacht  entgegenzu- 
stellen. Brandenburg  hoffte,  durch  Verzicht  auf  seine  schlesischen 
Ansprüche  den  Kaiser,  durch  Aufgabe  der  von  Sachsen  einge- 
nommenen   vier    magdeburgischen  Ämter  diesen  Kurstaat  zur 
Neutralität  zu  stimmen«    Es  verzichtete  sogar  auf  die  Aktions- 
subsidien  Frankreichs;  dessen  König  solle  nur  die  Holländer  im 
Zaume  halten '.  Denn  die  Schwierigkeit  lag  nur  bei  Frankreich. 
Der  Kurfürst  stellte  in  Paris  wiederholentlich  vor:  bisher  habe 
die  französische  Regierung  immer  das  Bedenken  gehegt,  vor  dem 
Angriffe  auf  Schweden  müsse  man  sich  zunächst  der  Lüneburger 
versichern;  diese  seien  nunmehr  gewonnen,   und  so  stehe  der 
Ausführung  des  einst  von  dem  AUerchristlichsten  König  selbst 
angeregten  Unternehmens  nichts  im  W^ege. 

Indes,  Ludwig  war  keineswegs  gewillt,  seinen  ihm  unzu- 
verlässig erscheinenden  Bundesgenossen  Eroberungen  machen 
zu  lassen,    ohne  für  sich  selbst  einen  Vorteil  einzuernten,  der 


'  Mörner,  462. 

*  Ms.  Depeschen  B6benacs  vom  19.  August  bis  19.  Sept.  1684  (B). 


Pünfundvierzigstes  Kapitel.    Die  Braunschweiger  Fehde.       37  X 

zugleich  Brandenburg  kompromittiere  und  endgültig  an  Frankreich 
fessele.  Er  forderte  also,  dafs  der  Kurfürst  und  seine  Verbün* 
deten  ihm  als  Gegengabe  die  Reichsfestung  Philippsburg  auf  dem 
rechten  Rheinufer  überliefen.  Auf  einen  so  schmählichen 
Handel  ging  aber  Friedrich  Wilhelm  nicht  ein.  „Ich  habe  nicht 
verhehlt/  interpretierte  Spanheim  seines  Herrn  Meinung  ganz 
richtig,  „dafs,  welche  Erwerbung  E.  Kurf.  Durchl.  auch  im  Falle 
eines  Vorgehens  gegen  Schweden  wünschen  könnten,  solches 
niemals  auf  Kosten  des  Reiches  sein  dürfe,  um  dem  AUer- 
christlichsten  Könige  Anlafs  zu  geben,  hier  neue  Eroberungen 
zu  machen."  Darauf  lautete  die  Antwort  Frankreichs  abschlägig. 
Seitdem,  sagte  Croissy,  der  König  am  23.  September  des  vorher* 
gehenden  Jahres  Vorschläge  über  ein  neues  Konzert  gegen 
Schweden  geäufsert,  die  der  Kurfürst  damals  zurückgewiesen, 
hätten  die  Umstände  sich  durchaus  geändert.  Jetzt  sei  der 
Friede  gesichert,  und  nur  eine  Aktion  gegen  Schweden  könne, 
indem  sie  dessen  vertragsmäfsige  Verbündete  zu  den  Wafifen 
riefe,  den  allgemeinen  Krieg  heraufbeschwören*. 

Die  Dinge  waren  so  weit  gediehen,  dafs  Ludwig  wohl 
erkannte,  er  werde  in  Brandenburg  niemals  einen  Verbündeten 
für  seine  Eroberungsgier  haben  und  am  wenigsten  gegen  das 
Reich.  Croissy  sprach  sich  Spanheim  gegenüber  ganz  ofifen  aus: 
sein  König  werde,  wenn  jetzt  der  Stillstand  nicht  geschlossen 
werde,  den  Krieg  gegen  das  Reich  führen;  er  gebe  den  Kur- 
fürsten völlig  frei ;  der  möge,  wenn  es  ihm  gut  scheine,  sich  mit 
dem  Kaiser  und  Schweden  verbünden*. 


'  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Spanheims  vom  Ende  Juni  bis  Aug. 
1684.  —  Croissy  sagt  (21.  Juli):  que  le  Roy  ne  disconvenoit  pas  des  offres 
dt  propositions  faites  cy-devant  sur  Taction  contre  la  Suöde,  comme 
Celle  du  28  sept*>»*  pass6;  qu'il  n'avoit  tenu  qu'ä  V.  Alt.  de  Taccepter; 
qa*ü  falloit  aussi  consid6rer  qu'elles  avoient  et^  faites  dans  un  temps 
oü  le  Roy  de  France  en  pouvoit  espSrer  ou  tirer  beaucoup  d^avantage 
k  Tegard  de  rarmistice  ou  des  mesures  k  prendre  au  besoin  contre  les 
Estats  G-eneraux.  Que  les  choses  estoient  maintenant  sur  un  autre  pied, 
et  surtout  depuis  le  traitt6  avec  les  Estats  Generaux.  Que  ceux-cy 
donnoient  toujours  k  entendre  qu'ils  seroient  obliges  de  secourir  leurs 
ftlli^s  si  on  les  attaquoit.  . . .  Toutes  les  pensees  presentes  du  Roy  de 
France  et  de  ses  ministres  des  deux  partis  concourent  egalement  k  la 
paix  generale,  et  on  croit  ou  pretend  qu'il  resulteroit  iine  guerre  generale 
au  cas  de  Taction  susdite  contre  la  Su^de. 

■  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  18.  Aug.  1684. 

24* 


372  Siebentes  Buch. 

Zum  Glücke  löste  die  Krisis  sich  freundlich:  der  zwanzig- 
jährige Waffenstillstand  zwischen  dem  Reiche  und  Ludwig  XIY. 
wurde  endlich  am  15.  August  1684  zu  Regensburg  aufgerichtet ; 
Spanien  schlofs  sich  ihm  an^.  Die  Ruhe  Europas  war  für  die 
nächsten  Jahre  gesichert  —  mit  schweren  Opfern  für  das  Reich 
und  Spanien.  Letzteres  erhielt  Dixmuyde  und  Courtrai  zurück, 
mufste  aber  Luxemburg  aufgeben. 

Friedrich  Wilhelm  hatte  recht  behalten  mit  seinen  seit 
lange  beharrlich  geäufserten  Anschauungen,  Ratschlägen  und 
Warnungen.  Die  Hartnäckigkeit  der  Habsburger  hatte  sie  die 
unvergleichliche  Festung  Luxemburg  gekostet. 

Das  Ende  des  vieijährigen  Zwistes  wegen  der  Reunionen 
war  auch  das  Ende  des  französisch-brandenburgischen  Bündnisses. 


1  Londorp,  XU,  125ff. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel 

Die  Abkehr  von  Frankreich. 


Als  Sieger  war  Friedrich  Wilhelm  aus  seinem  Ringen  mit 
dem  Kaiser  und  den  Niederlanden,  seinen  ungetreuen  früheren 
Verbündeten,  hervorgegangen.  Sie  waren  für  die  üble  Behand- 
lung, die  sie  ihm  hatten  angedeihen  lassen,  bestraft  und  ge- 
demütigt. Sie  hatten  den  Wert  einer  Allianz  mit  dem  jungen, 
aufistrebenden  Staate,  den  sie  geringschätzen  zu  können  gemeint, 
zu  ihrem  Schaden  .würdigen  gelernt.  Friedrich  Wilhelm  sah 
überdies  die  Anschauung,}  die  er  im  Gegensatze  zu  ihnen  vertreten 
hatte,  triumphieren :  wenn  nicht  der  Friede,  so  doch  ein  zwanzig- 
jähriger Waffenstillstand  war  abgeschlossen  auf  der  Grundlage, 
die  er  als  die  einzig  mögliche  erkannt  und  nach  allen  Seiten 
hin  empfohlen.  Zum  Gedächtnis  dessen  liefs  er,  gleichsam  als 
trage  er  um  die  Befriedung  besonderes  Verdienst,  eine  Münze 
auf  den  deutsch -französischen  Ausgleich  schlagen  mit  seinem 
Bildnis  und  der  Inschrift,  die  zugleich  die  Jahreszahl  1684  an- 
deutet : 

Mars  rVIt  inVIDVs,  en  paX  et  VICtorla  fLorent^ 

Allein  er  konnte  im  Grunde  des  Erfolges  nicht  froh  werden. 
Das  Ergebnis  dieser  vier  Jahre  für  Europa  und  zumal  für  das 
Deutsche  Reich  war  doch  nur:  erneute  Demütigung  und  Be- 
raubung zu  Gunsten  Frankreichs,  Zunahme  von  dessen  schon 
fibergrofser,  alles  bedrohender  Macht  und  rechtsverachtendem 
Übermute.  Und  wenn  der  Kurfürst  gehofft  hatte,  aus  dieser 
Schädigung  des  allgemeinen  Interesses  —  die  er  freilich  nicht 


'  Ms.  Magirus,  Breviarium,  Nr.  103. 


374  Siebentes  Buch. 

hätte  verhüten  können  —  wenigstens  für  den  eigenen  Staat  be- 
deutenden Vorteil  zu  ziehen,  sah  er  sich  hierin  vollkommen  ent- 
täuscht. Mit  seiner  alten  Verbündeten,  der  oranischen  Partei 
in  den  Niederlanden,  war  er  gänzlich  überworfen;  sie  verzieh 
ihm  die  hauptsächlich  durch  seine  Bemühungen  erlittene  Nieder- 
lage vom  Juni  1684  nicht.  Fagel  äufserte  sich  sehr  erbittert 
über  Brandenburg,  das  die  Allianz  von  1678  gar  nicht  beobachtet 
habe.  »Der  Staat,^  sagte  er,  „mufs  sich  mit  der  Krone  Frank- 
reich, als  dem  Mächtigsten,  setzen,  und  zwar  so  gut  und  so 
böse,  wie  wir  können."  Wegen  eines  Schififes,  das  die  Holländi- 
sche Kompanie  an  der  afrikanischen  Westküste  weggenommen 
hatte,  des  .Wappen  von  Brandenburg^,  entbrannte  gerade  da- 
mals heifser  Streit  zwischen  Berlin  und  dem  Haag.  Trotz  der 
entgegengesetzten  Wünsche  des  Kurfürsten  riefen  die  Hoch- 
mögenden nunmehr  Amerongen  zurück  ^.  Anderseits  war  jedes- 
mal, wenn  Friedrich  Wilhelm  gegen  einen  Widersacher  mit  bester 
Aussicht  auf  Erfolg  das  Schwert  erhoben  hatte,  Frankreich  ihm 
in  den  Arm  gefallen  und  hatte  ihm  mit  höhnischem  Gewalt- 
spruche  den  sicher  erscheinenden  Sieg  entrissen.  Es  hatte  ihn 
bald  gegen  die  nordischen  Mächte  gehetzt,  bald  wieder  an  der 
Kette  gehalten,  wie  es  gerade  der  französischen  Politik  ent- 
sprach. Er  hatte  weder  Schweden  noch  die  Weifen  für  ihre 
Feindschaft  strafen  noch  an  ihnen  sich  für  die  ihm  1679  ent- 
zogenen Eroberungen  schadlos  halten  dürfen.  „Nur  der  König/ 
rief  er  im  September  1684  dem  Grafen  R6benac  zu,  „hat  meine 
Unternehmungen  zum  Scheitern  gebracht.^'  Unwillig  berief 
er  Meinders  von  den  Beratungen  ab,  die  dieser  Minister  zu 
Itzehoe  mit  dänischen  und  weifischen  Kommissaren  gepflogen 
hatte,  —  der  schwedische  Krieg  war  aufgegeben,  so  schlecht  man 
auch  mit  Schweden  stand,  dessen  Kommissare  sich  bei  der  im 
Gange  befindlichen  Grenzregulierung  derart  anmarsend  benahmen, 
dafs  der  Kurfürst  die  Konferenzen  kurzerhand  abbrach.  Allein 
das  waren  doch  Nebendinge.  Friedrich  Wilhelm  war  entschlossen, 
zwar  anscheinend  das  Einvernehmen  mit  Frankreich  noch  auf- 
rechtzuerhalten,  um  nicht  wieder  macht-  und  hilflos  dazu- 
stehen, aber  tatsächlich  Anschlufs  an  die  Partei  zu  suchen,  die 


*  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Diest,  Sept.  u.  Okt.  1684;  Berlin,  Geh. 
Staatearchiv,  Rep.  XXXIV,  227  z. 
«  Prutz,  289. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.      375 

die  Freiheit  Europas  und  die  Unabhängigkeit  seiner  Fürsten 
gegen  die  Weltmonarchie  des  „Königs  Sonne"  verteidigte.  „Seit 
dem  Abschlüsse  des  Waffenstillstandes/  urteilte  einige  Jahre 
später  über  ihn  ein  französischer  Diplomat,  „hat  sich  dieser 
Fürst  bei  allem,  was  man  gegen  den  König  geplant  oder  in  Be- 
wegung gesetzt  hat,  an  die  Spitze  gestellt.'' 

Es  zeugte  bereits  von  einer  leisen,  aber  bestimmten  Wen- 
dung in  der  brandenburgischen  Politik,  wenn  diese  sich,  gerade 
auf  Grund  des  Waffenstillstandes,  bemühte,  die  Angelegenheit 
der  durch  diesen  Vertrag  den  Franzosen  zugestandenen  Reunionen 
wieder  zu  einer  offenen  Frage  zu  gestalten.  Indem  Spanheim 
nach  mehrmonatigem  Urlaube  nach  Paris  zurückkehrte,  erhielt 
er  den  Auftrag,  sich,  in  Gemäfsheit  des  Artikels,  der  die  reli- 
giösen Verhältnisse  in  den  reunierten  Landen  auf  dem  bisherigen 
Fufse  zu  belassen  anordnete,  der  vielfach  benachteiligten  Evan- 
gelischen in  jenen  Gebieten  anzunehmen.  Spanheim  mufste  nicht 
minder  die  Interessen  der  von  der  Reunion  betroffenen  deutschen 
Fürsten  vertreten,  zumal  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz,  der  in 
Paris  um  Rückerstattung  Germersheims  vorstellig  war,  das  die 
Franzosen  ohne  jeden  auch  nur  scheinbaren  Rechtsgrund  ganz 
einfach  mitannektiert  hatten.  Wahrscheinlich  war  es  auch  in 
reichspatriotischem  Sinne  gedacht,  wenn  Friedrich  Wilhelm  gegen 
Ende  des  Jahres  1684  eine  engere  Vereinigung  der  Kurfürsten 
und  ein  Aufleben  ihrer  Kollegialtage  betrieb.  Kurz,  Branden- 
burg begann  für  Frankreich  ein  mindestens  recht  unbequemer 
Freund  zu  werden.  Ludwig  XIV.  fühlte  das  sehr  wohl,  und 
die  Instruktionen,  die  er  seinen  Diplomaten  erteilte,  waren  be- 
reits im  Beginne  des  Jahres  1685  in  einem  den  brandenburgi- 
schen Interessen  offen  widerstreitenden  Sinne  abgefafst,  wenn- 
schon sie  solchen  Gegensatz  äufserlich  noch  zu  verdecken  be- 
fahlen ^ 

Der  Kurfürst  suchte  seine  Stellung  in  Nörddeutschland  selb- 
ständig, ohne  Rücksicht  auf  die  Grofsmächte,  zu  stärken  und 
auszudehnen.     Er  hatte  längst  von  Kaiser  und  Reich  die  An- 

^  Mb.  Instr.  an  Spanheiin  vom  20  /30.  Dez.  1684  (Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv, XI,  Frankr.  23).  —  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Spanheims  im  Jan. 
u.  Febr.  1685  (ebendas.  24  A,  sowie  [Rep.  XL  9  b).  —  Ms.  Friedr.  Wilh. 
an  Kurbayem,  18.  Dez.  1684  (Kopie;  das.  Rep.  XCIV,  IV  Hb,  49).  — 
Instr.  Ludwigs  XIY.  an  seinen  neuen  Gesandten  in  Kopenhagen,  den 
Grafen  Chevemy,  vom  13.  Jan.  1685;  Recueil  des  Instructions,  XIH,  60. 


376  Siebentes  Buch. 

Weisung  der  ihm  1675  von  beiden  für  die  schwedische  Ver- 
wüstung seines  Landes  zugesagten  Entschädigungen  gefordert, 
aber  solche  nie  erhalten.  Jetzt  verlangte  er,  sie  möchten  in  der 
Anwartschaft  auf  Ostfriesland  bestehen,  dessen  Fürstenfamilie 
dem  Aussterben  nahe  war,  und  in  dem  er  sich  tatsächlich  schon 
militärisch  wie  kommerziell  festgesezt  hatte  ^.  Er  schlofs  gerade 
damals  mit  der  Stadt  Emden  Verträge,  die  ihm  die  Verlegung 
seiner  Afrikanischen  Gesellschaft  nach  diesem  Orte,  die  Errich- 
tung einer  Kompanie  Marinesoldaten  und  eines  Arsenals,  sowie 
eines  Admiralitätskollegs  Idortselbst  gestatteten.  Ende  Januar 
1685  ging  er  mit  dem  Herzoge  von  Mecklenburg -Güstrow  ein 
geheimes  Abkommen  ein,  das  ihm  erlaubte,  scheinbar  ohne  Zu- 
stimmung des  Herzogs  sein  Leibregiment  zu  Pferde  in  dessen 
Land  einzuquartieren.  Dieser  Vergleich  wurde  wenige  Monate 
später  in  eine  f%rmliche  Militärkonvention  verwandelt,  nach  der 
der  Herzog  den  gröfsten  Teil  der  Verpflegung  des  kurfürst- 
lichen Regiments  übernahm,  Brandenburg  dag^en  die  Stellung 
des  herzoglichen  Kontingents  zur  Reichsarmee.  So  fafste  Fried- 
rich Wilhelm  FuTs  in  der  östlichen  Hälfte  Mecklenburgs,  un- 
mittelbar an  der  Westgrenze  Seh wedisch  -  Pommerns ,  das  er 
nunmehr  von  drei  Seiten  umklammerte:  er  hielt  zugleich  den 
Frankreich  und  den  Lüneburgem  ergebenen  Herzog  von  Mecklen- 
burg-Schwerin in  Schach. 

Aber  diese  Mafsregeln  trafen  doch  nur  Nebensächliches.  Vor 
allem  bewegte  seinen  Geist  die  drohende  Gestaltung  der  grofsen 
europäischen  Verhältnisse.  Sie  flöfste  ihm  Besorgnis  ein  nicht 
nur  wegen  der  eigentlich  politischen,  sondern  auch,  und  zwar  in 
erhöhtem  Ma(^,  wegen  der  kirchlichen  Zustände.  Die  Reaktion 
der  römischen  Kirche  gegen  den  Protestantismus  nahm  in  so 
gewaltigem  Umfange  überhand  wie  nie  seit  einem  Jahrhundert. 
Der  mächtige  Beherrscher  Frankreichs  verfolgte  seine  zahlreichen 
reformierten  Untertanen  mit  unversöhnlicher  Feindschaft  Aber 
sein  Gegner  und  Nebenbuhler,  Kaiser  Leopold  L.  zeigte  sich 
nicht  minder  fanatisch:  kaum  schritten  seine  Truppen  erobernd 
in  Ungarn  vor,  als  die  Grausamkeiten  gegen  die  dortigen 
Protestanten  in  rohester  Weise  von  neuem  ihren  Anfang  nahmen. 
Femer  stand  in  England  die  Thronbesteigung  eines  katholischen 


>  Londorp.   XI.  60.  149.  ^00.  —  WiarJa,  VI,  a22£f.  —  Für  das 
Folgende:  Mörner,  463 ff.  46S, 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkekr  von  Frankreich.       377 

Königs  bevor,  in  der  Pfalz  die  Herrschaft  eines  katholischen 
Kurfürsten,  —  die  Erfahrung  lehrte,  was  man  von  solchen  alt- 
gläubigen Fürsten  ihren  neugläubigen  Untertanen  gegenüber  zu 
erwarten  hatte.  Die  ganze  Zukunft,  das  Dasein  des  evangeli- 
schen Wesens  stand  auf  dem  Spiele.  »Nun  ist  es  aus  mit  der 
protestantischen  Partei,"  sagte  der  französischeDiplomat  Chevemy 
höhnisch  zu  dem  jüngeren  Schwerin  ^ 

Friedrich  Wilhelm  erkannte  diese  Gefahr  in  vollem  Mafse. 
Er  fafste  den  Entschlufs,  alle  Kränkungen  und  kleineren  Inter- 
essengegensätze zu  vergessen  und  auf  ein  Bündnis  mit  den 
wichtigeren  evangelischen  Mächten  hinzuarbeiten :  in  erster  Linie 
mit  den  Niederlanden ,  in  zweiter  mit  England  und  sogar  mit 
seinen  alten  Feinden  Schweden  und  den  Lüneburgem.  In  diesem 
Augenblicke  gewann  der  Greis  es  über  sich,  auf  alle  seit  Beginn 
seiner  Regierung  gehegten,  so  oft  vorbereiteten,  ja,  der  Erfüllung 
genäherten  partikularen  Absichten,  auch  die  bestberechtigten, 
zu  verzichten,  um  der  politischen  und  religiösen  Freiheit  Europas 
willen.  Es  ist  das  wahrlich  kein  geringer  Ruhmestitel  für  den 
genialen,  weitblickenden  Fürsten.  Zumal  dem  Herzoge  von 
Hannover  gedachte  er  eine  neue  —  die  neunte  —  Kurwürde  zu, 
damit  die  Übertragung  der  pfälzischen  Kur  auf  einen  Katholiken 
wieder  wettgemacht  werde. 

Grofse  Schwierigkeiten  waren  vor  dem  Gelingen  eines  evan- 
gelischen Bundes  zu  überwinden. 

Der  bei  weitem  bedeutendste  Faktor,  der  hierbei  in  Betracht 
kam,  waren  die  Vereinigten  Provinzen.  Allein  ihre  politische 
und  militärische  Wirksamkeit  wurde  durch  den  tiefgehenden 
Zwist  zwischen  dem  Prinzen  von  Oranien  und  der  Stadt  Amster- 
dam völlig  gelähmt.  Diese  reiche  Seestadt,  die  allein  mehr  als 
ein  Viertel  sämtlicher  Einkünfte  der  Union  zahlte,  war  der 
Hauptsitz  der  Oligarchie  und  deshalb  erbitterte  Gegnerin  des 
Oraniers  und  seiner  kriegerischen,  franzosenfeindlichen  Politik, 
die  Verbündete  des  französischen  Gesandten  Grafen  von  Avaux. 
Mit  der  Drohung,  sich  von  der  Union  lossagen  zu  wollen,  legte 
sie  die  Ratschläge  und  den  Einflufs  Wilhelms  III.  brach.  Der 
Kurfürst  hatte  sich  mit  ihr  alliiert,  als  er  die  Annahme  des 
Friedens  oder  des  Waffenstillstandes  durch  die  Generalstaaten 
herbeizuführen   sich  bemüht  hatte.     Der  Prinz  und   sein  Ver- 


*  Adieu  presentement  le  parti  protestant:  Pufendorf,  XIX 1  13. 


378  Siebentes  Buch. 

trauter,  der  Ratspensionar  Fagel^  hatten  deshalb  natürlicher- 
weise tiefes  Milstrauen  gegen  Friedrich  Wilhelm  gefafst.  Ver- 
gebens war  dieser  bestrebt,  durch  Amerongen,  der  Ende  1684 
Berlin  verliefs,  sowie  schon  vorher  durch  Diest  den  Führern  der 
oranischen  Partei  klarzumachen,  dafs  er  nunmehr  andere  Ziele 
im  Auge  habe,  dafs  er  zumal  eine  „evangelische  Allianz" 
herbeiwünsche,  -—  man  antwortete,  er  wolle  nur  den  Holländern 
das  Geld  aus  der  Tasche  ziehen;  man  werde  sich  lieber  mit 
Frankreich  zu  verständigen  suchen.  Diest  mufste  den  Haag  ver- 
lassen; der  diplomatische  Verkehr  zwischen  den  beiden  Staaten 
war  einstweilen  abgebrochen. 

Es  ist  das  hohe  Verdienst  Wilhelms  III.  von  Oranien,  unter 
all  dem  Wust  von  Intrigen,  Zweideutigkeiten  und  Ärger  den 
klaren  Blick  in  das,  was  not  tat,  sowie  die  Fähigkeit  eines 
ruhig  durchdachten  und  sachgemäfsen  Entschlusses  bewahrt  zu 
haben.  Er  benutzte  den  mehrwöchigen  Aufenthalt,  den  der 
brandenburgische  General  Spaen,  seit  lange  sein  vertrauter 
Freund,  gegen  Ende  des  Jahres  1684  im  Haag  nahm,  um  die 
Mifsverständnisse  auszugleichen,  die  zwischen  ihm  und  Spaens 
Kriegsherrn,  dem  Kurfürsten,  sich  gebildet  hatten.  Seiner 
eigenen  Partei  gegenüber  fand  er  dann  einen  eifrigen  Helfer  in 
dem  Baron  von  Amerongen,  der  seit  seiner  jüngsten  Rückkehr 
aus  Berlin  nicht  müde  wurde,  die  militärische  Macht  des  Kur- 
fürsten in  ihrer  vollen  Bedeutung  zu  schildern  und  bei  den 
Generalstaaten  und  wichtigsten  Städten  auf  den  Abschlufs  eines 
Bündnisses  mit  diesem  Herrscher  zu  dringend  So  ermutigt, 
sandte  Oranien  um  die  Mitte  des  Januar  1685  einen  zu  ihm  ge- 
flüchteten Hugenottenprediger,  Franz  de  Gaultier  de  St.  Blan- 
card,  einen  fein  gebildeten  und  auch  schriftstellerisch  tätigen 
Mann,  an  den  Kurfürsten  ab  mit  dem  Auftrage,  ihm  zu  empfehlen, 
er  möge  die  von  ihm  selbst  vorgeschlagene  evangelische  Allianz 
sofort  in  Angriff  nehmen.  Indem  der  Prinz  seinem  Oheim  von 
Brandenburg  die  Initiative  überliefs,  stellte  er  sich  ihm  völlig 
dafür  zur  Verfügung,  besonders  zu  dem  für  das  Gelingen 
des  Werkes  so  wichtigen  Zwecke  der  Gewinnung  Schwedens. 
Er  hob  allerdings  auch  die  hauptsächliche  und  recht  bedenk- 
liche Schwierigkeit  sofort  hervor,   die  bei  einem  solchen  Plan 


»   Vgl.   d'Avaux,  IV,    107.    120.   130.  —  d'Avaux  ist   vorzüglich 
unterrichtet. 


Sechsundyierzigstes  Kapitel.    Die  Abkelir  von  Frankreicli.       379 

sich  geltend  machte:  man  konnte  für  den  Kampf  gegen  Frank- 
reich des  Kaisers  nicht  entraten,  nnd  doch,  wie  sollte  man 
diesen  katholischen  Eiferer  und  seine  gleichgesinnten  Minister, 
die  unbarmherzigen  Verfolger  des  Protestantismus  in  Schlesien, 
Mähren,  Ungarn,  zum  Bündnis  mit  einer  ausgesprochen  evange- 
lischen Allianz  bewegen?^ 

Während  Gaultier  in  Berlin  weilte,  traf  dort  eine  Nachricht 
ein,  die  das  Zustandekommen  einer  solchen  Allianz  noch  not- 
wendiger erscheinen  liefs.  Am  16.  Februar  war  König  Karl  II. 
von  England  gestorben,  der  wenigstens  offiziell  dem  Protestantis- 
mus angehört  hatte,  und  an  seine  Stelle  sein  Bruder,  der  eifrig 
katholische  Herzog  von  York,  als  Jakob  II.  getreten.  Dieses 
freilich  längst  gefürchtete  Ereignis  brachte  auf  Friedrich  Wil- 
helm einen  tiefen  Eindruck  hervor:  er  sah  England,  dessen 
Unentbehrlichkeit  für  einen  aussichtsreichen  Kampf  gegen  Frank- 
reich er  stets  erkannt  und  betont  hatte,  zum  streitbaren  Katholi- 
zismus und  damit  zu  Ludwig  XIV.  hinübertreten.  „Wenn  der 
Duc  de  York  zur  Regierung  kommen  sollte, '^  hatte  er  schon 
im  vorhergehenden  Oktober  den  Niederländern  sagen  lassen, 
„dürfte  es  noch  viel  ärger  laufen,  weil  ermeldeter  Duc  sich 
allem  Ansehen  nach  ohne  Assistenz  von  Frankreich  nicht  wird 
mainteniren  können  und  daher  gezwungen  sein  wird,  sich  in  die 
Arme  von  Frankreich  zu  werfen."  *  Nunmehr  forderte  er  durch 
Gaultier  den  Prinzen  von  Oranien  auf,  als  rechtmäfsiger  pro- 
testantischer Thronerbe  unverzüglich,  ehe  noch  Jakob  die  Krö- 
nung empfangen,  mit  zehntausend  Mann  nach  England  über- 
zusetzen, wo  das  gesamte  Volk  ihm  zufallen  und  darauf  die 
gröfste  Seemacht  für  die  Sache  des  Protestantismus  und  der 
universalen  Freiheit  gewonnen  werden  würde '.  So  hat  der 
Grofse  Kurfürst  von  neuem  den  Plan  angeregt,  der  wenige 
Jahre  später  mit  dem  erwünschtesten  Erfolge  für  die  Befreiung 
Englands  und  des  Weltteils  ausgeführt  worden  ist.  Freilich,  er 
liefs  sich  für  den  Augenblick  nicht  verwirklichen,  —  aber  die 


^  Aktenstücke  bei  Erman  und  Beclam,  I,  856 ff.  —  d'Avaux, 
IV,  120,  gibt  den  Plan  einer  evangelischen  Allianz  ganz  richtig  wieder, 
iiTt  sich  aber  in  der  Behauptung,  dafs  Oranien  solche  verworfen  habe. 

•  Ms.  Kurf.  an  Diest,  14./24.  Okt.  1684;  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin), 
XXXIV,  227  z. 

»  Bericht  Gaultiers  vom  21.  Febr./3.  März  1684;  Erman  u.  Reclam, 
I,  366  ff. 


380  Siebentes  Buch. 

hohe  Einsicht  und  weltgeschichtliche  Bedeutung  Friedrich  Wil- 
helms wird  durch  jene  Tatsache  vielleicht  mehr  als  durch  jede 
andere  erwiesen. 

Die  Thronbesteigung  Jakobs  IL  hat  den  Kurfürsten  zur  end- 
gültigen  Umschaltung  seiner  politischen  Richtung  bestimmt,  und 
zwar  sofort,  ohne  das  mindeste  Zögern.  Er  gab  jedes  Bestreben 
nach  partikularem  Vorteil  mit  einer  Klarheit  und  Entschlossen- 
heit auf,  die  dem  Geiste  und  Charakter  des  hochbetagten  und 
schwer  leidenden  Fürsten  bewundernde  Anerkennung  sichern. 
Sein  ganzes  Mühen  war  seitdem  auf  das  Doppelziel  gerichtet: 
Kräftigung  des  evangelischen  Wesens  in  Europa  und  Kampf 
gegen  Frankreich.  Er  verzichtete  grundsätzlich  auf  jedes  Kon- 
zert wider  Schweden.  Seine  Instruktion  an  Spanheim  vom 
5./15.  März  1685*  gibt  für  die  definitive  Verwerfung  des  Kon- 
zerts zunächst  Vorwände,  wie  sie  für  den  offiziellen  diplomatischen 
Verkehr  pafsten:  die  Unzuverlässigkeit  des  Hauses  Lüneburg, 
das  wieder  allerlei  Streitigkeiten  mit  Brandenburg  begonnen 
habe  und  sich  mit  Dänemark  und  Frankreich  nicht  einigen 
könne,  sowie  die  unsichere  und  gefährliche  Weltlage  im  all- 
gemeinen. Dann  aber  unterrichtet  der  Kurfürst  seinen  Gresandten 
im  geheimen:  „Wir  können  Euch  wohl  dabei,  im  Vertrauen  je- 
doch, dafs  solches  bei  Euch  bleibe,  entdecken,  dafs  Uns  für- 
nehmlich  zu  dieser  Resolution  die  überaus  grofse  und  unver- 
mutete Veränderung  in  England  verursacht.  Denn  weil  dadurch 
das  evangelische  Wesen  einen  gröfseren  Stofs  bekommt,  als  es 
seit  der  Reformation  noch  nicht  erlitten,  so  tragen  Wir  billig 
Bedenken,  etwas  zu  schliefsen,  wodurch  die  evangelischen  Puis- 
sancen  aneinander  geraten  und  sich  untereinander  aufreiben 
oder  ihnen  doch  zum  wenigsten  die  Hände  würden  gebunden 
werden,  an  das  übrige,  was  in  der  Welt  passieren  würde,  teil- 
zunehmen.** 

In  der  Tat,  immer  bedrohlicher  wurden  die  Anzeichen. 
Das  Siechtum  des  letzten  spanischen  Habsburgers,  des  jungen 
Königs  Karl  IL,  nahm  einen  gefährlichen  Charakter  an.  Sofort 
verbreitete  Frankreich  in  ganz  Europa  eine  Denkschrift,  die  die 
Erbschaft  der  ungeheuren  spanischen  Monarchie  für  den  Dauphin 
beanspruchte :  das  wichtigste  katholische  Reichsfürstentum, 
Bayern,  sollte  durch  Abtretung  der  spanischen  Niederlande  für 


»  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin),  XI,  Frankr.  24  A. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       381 

die  französischen  Pläne  gewonnen  werden.  Zugleich  beschlofs 
Ludwig  XIV.,  mit  Güte  oder  Gewalt  die  Übertragung  des  rö- 
mischen Königtums  —  also  der  Anwartschaft  auf  das  Kaiser- 
tum —  an  eben  den  Dauphin  zu  betreiben.  Dann  wäre  die 
Weltherrschaft  der  Bourbonen  fertig,  der  ganze  Erdteil  und  die 
weit  überwiegende  Masse  der  überseeischen  Kolonien  ihrem 
politischen  und  religiösen  Despotismus  unterworfen  gewesen. 
Kein  Wunder,  dafs  solche  Aussichten  den  Kurfürsten  von 
Brandenburg  im  Innersten  erschütterten^. 

Mit  den  französischen  Weltprojekten  hing  es  zusammen, 
wenn  Croissy  plötzlich  mit  vielem  Eifer  das  „Konzert^  anpries, 
es  von  neuem  versuchte,  Brandenburg,  Dänemark  und  das  Haus 
Lüneburg  auf  Schweden  zu  hetzen^.  So  hätte  König  Ludwig 
gegen  den  Kaiser  und  zugleich  gegen  den  europäischen  Pro- 
testantismus freie  Hand  erhalten.  Friedrich  Wilhelm  wollte 
eben  deshalb  auf  solche  Pläne  nicht  mehr  eingehen.  Ein  ab- 
schreckendes Beispiel,  wohin  es  kommen  werde,  wenn  erst 
Frankreichs  Universalmonarchie  fest  begründet  sei,  gab  damals 
das  Schicksal  der  Republik  Genua,  deren  blühende  Hauptstadt 
wegen  einer  nichtigen  Veranlassung  von  einem  französischen 
Geschwader  in  Asche  gelegt  und  die  durch  solchen  Frevel,  so- 
wie noch  weitere  Drohungen  zu  schimpflicher  Demütigung 
unter  das  Belieben  des  „Königs  Sonne"  genötigt  wurde.  Fried- 
rich Wilhelm  empfand  auch  diese  neue  Gewalttat  mit  kochen- 
dem Ingrimm;  „es  kommt  gar  zu  weit  mit  Frankreich,**  rief  er 
vor  vielen  Zeugen  aus®. 

Er  beschlofs,  seinen  vertrautesten  und  einflufsreichsten  Rat- 
geber, Fuchs,  nach  dem  Haag  zu  senden,  um  mit  der  Unter- 
stützung durch  Wilhelm  von  Oranien  den  sichern  Grund  zu  der  evan- 
gelischen Allianz  zu  legen,  zugleich  aber  zu  einem  allgemeinen, 
rein  politischen  Bündnis,  dem  auch  der  Kaiser,  die  katholischen 
Reichsstände  und  Spanien  beitreten  könnten.  Fuchs  war  zu 
solcher  Mission  um  so  geeigneter,  als  er  auch  persönlich  die 
Überzeugung  hegte,  dafs  Ludwig  XIV.  nach  der  Weltherr- 
schaft trachte,  und  dafs  man  sich  diesem  Streben  unbedingt 
widersetzen  müsse  \   So  lebhaft  auch  R6benac  und  seine  Freunde 


^  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  27.  April/  7.  Mai  1685;  das.  XI,  England  9. 

'  Ms.  Depeschen  Spanheims  aus  dem  Frühjahr  1685. 

»  U.  u.  A.,  XIV,  1155. 

*  0.  Klopp,  Der  FaU  des  Hauses  Stuart,  m  (Wien  1876),  219. 


382  Siebentes  Bucli. 

am  kurfürstlichen  Hofe  sich  der  Sendung  des  Geheimrats  wider- 
setzten, er  trat  am  8.  Mai  seine  Reise  an.  Friedrich  Wilhelm 
hatte  ihm  aufs  bestimmteste  versprochen,  während  seiner  Ab- 
wesenheit nichts  mehr  an  seinen  Instruktionen  zu  ändern  und  den 
französisch  gesinnten  Meinders  von  den  ganzen  Verhandlungen 
auszuschliefsen  \  Öffentlich  erzählte  man,  die  Fahrt  des  Ministers 
gelte  der  Versöhnung  des  Prinzen  von  Oranien  mit  der  Stadt 
Amsterdam,  sowie  dem  Ausgleiche  der  mannigfachen  Streitfragen 
zwischen  Brandenburg  und  den  Greneralstaaten  wegen  der 
Subsidienrückstände  und  der  Afrikanischen  Kompanie.  Man 
sprach  selbst  davon,  dafs  der  Eurfürstin  Dorothea  ältester  Sohn, 
Philipp,  Nachfolger  des  kinderlosen  Oraniers  nicht  nur  in  dessen 
Privatbesitz,  sondern  auch  in  dessen  öfiPentlichen  Stellungen 
werden  solle.  Der  wahre  Zweck  der  Sendung  blieb  durchaus 
Geheimnis,  —  bis  es  schliefslich  den  Franzosen  durch  ihre  hoch- 
gestellten Freunde  in  Berlin  doch  gelang,  der  Sache  so  ziemlich 
auf  die  Spur  zu  kommend 

Jene  Aufträge  standen  tatsächlich  in  der  öffentlichen  In- 
struktion, die  Fuchs  mitnahm*.  Aber  der  wahre  Charakter 
wurde  diesen  durch  ihre  Begründung  gegeben:  „Das  vornembste 
Bandt,  welches  Uns  und  den  Staat  unauflöslich  an  einander 
verknüpfete,  wehre,  wie  bekandt,  die  Gonformität  und  Einigkeit 
der  Religion;  und  weil  selbige  anjetzo  mehr,  alls  jemahlen  seit 
der  Reformation  geschehen,  überall  bedrücket  und  verfolget 
würde,  auch  an  vielen  Orthen  derselben  gäntzliche  Ausrottung 
bevorstünde:  so  könthe  man  sich  aus  christlicher  Schuldigkeit  nicht 
entbrechen,  mit  einander  zu  überlegen,  wie  den  armen  Bedrängten 
zu  helfen.**  Dieses  Bündnis  zur  Verteidigung  der  Religion  war 
dem  Kurfürsten  Herzens-  und  Hauptsache;  Fuchs  sollte  mit 
Oranien  und  Fagel  beraten,  ob  es  öffentlich  bei  den  General- 
staaten vorzubringen  oder  einstweilen  im  geheimen  vorzubereiten 
sei.  Es  war  auch  keine  vorübergehende  Laune  des  Kurfürsten: 
Diest  hatte  diese  Angelegenheit  schon  vorher  mit  Jurieux,  dem 
französischen  reformierten  Prediger  in  Amsterdam,   verhandelt. 

Völlige  Gewinnung  Oraniens,  gänzliche  Zerstörung  des  Ver- 


1  U.  u.  A.,  XIV,  1158.  1162  f. 

■  d'Avaux,  IV,  182.  —  Mb.  Dep.  Eöbenacs  vom  8.  Mai,  14.  J\mi 
1685  (B). 

•  Über  dies  sowie  das  Folgende:  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep. 
XXXIV,  227  a  4. 


Sechsiindvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       383 

dachtes  und  ÜbelwoUens,  das  seine  Anhänger  in  den  letzten 
Jahren  gegen  Brandenburg  gehegt,  war  Fuchs  zur  Aufgabe 
gestellt.  Darüber  sollte  freilich  das  gute  Verhältnis  zur  Stadt 
Amsterdam  nicht  aufgegeben,  sondern  zu  deren  endgültiger 
Aussöhnung  mit  der  oranischen  Partei  benutzt  werden.  Die 
geheimen  Nebeninstruktionen  enthielten  dann  bestimmte  Vor- 
schläge von  höchster  politischer  Wichtigkeit.  Das  alte  Bündnis 
zwischen  dem  Kurfürsten  und  dem  „Staat"  sollte  wieder  her- 
gestellt werden.  Dafür  seien  auch  „Se.  Kurf.  Durchl.  gahr  nicht 
gemeinet,  auf  Dero  völligem  Buchte  zu  bestehen,  sondern  wollten 
alle  räsonnable  Conditiones  und  Vorschläge  (betreffs  seiner  Geld- 
ansprüche an  Holland)  gern  admittiren*'.  Nur  so  könne  man 
der  Weltherrschaft  entgehen,  mit  der  Frankreich  alle  bedrohe, 
und  den  bevorstehenden  Universalkrieg  mit  Aussicht  auf  Erfolg 
auf  sich  nehmen. 

Das  war  ein  neues  grofses  politisches  Programm,  das  die 
letzten  Lebensjahre  des  greisen  Kurfürsten  beherrschte  und  sie 
mit  dem  tröstlichen  Lichte  eines  schönen  und  heilsamen  Zieles 
vergoldete. 

Fuchs  besuchte  auf  seiner  Reise  die  weifischen  Höfe,  denen 
er  gleichfalls' den  Plan  der  evangelischen  Allianz  eröffnete.  Er 
fand  hier  bereitwillige  Aufnahme.  Die  immer  bedrohlichere 
Gestaltung  der  europäischen  Verhältnisse  hatte  zumal  in  dem 
klugen  und  tatkräftigen  Ernst  August  von  Hannover  den  Neid 
und  die  Abneigung  gegen  Brandenburg  in  den  Hintergrund 
gedrängt.  Er  hatte  vor  seiner  Abreise  nach  Italien  seinen  Räten 
eröfl&iet:  „er  habe  sich  vorgesetzt,  dafs  des  Kurfürsten  Wille 
sein  Tun  und  Lassen  sein  solle,  und  würde  er  dabei  bis  an  sein 
Ende  verbleiben**.  Grote  und  dessen  Kollegen  waren  gleichfalls 
über  die  Aussicht,  dafs  Frankreich  die  gesamte  spanische  Erb- 
schaft erhalten  könne,  äufserst  entsetzt:  „es  werde  so  Meister 
der  ganzen  Welt,  und  alles  würde  nach  seiner  Pfeife  tanzen 
müssen".  In  dieser  Not  könne  nur  Brandenburg  helfen:  „in 
Deutschland  könne  und  müsse  der  Kurfürst  allein  vor  dem 
Risse  stehen".  Deshalb,  versicherten  die  lüneburgischen  Räte, 
»werde  das  fürstliche  Haus  mit  Sr.  Kurf.  Durchl.  alles  heben 
und  legen  und  Dero  gloriosen  Conduite  und  patriotischen  Conseils 
gerne  folgen".  Diese  Bekehrung  der  Weifen  war  ein  schöner 
Erfolg  des  Kurfürsten  und  zugleich  ein  tröstlicher  Beweis,  dafs 


384  Siebentes  Buch. 

bessere  und  einsichtsvollere  Zeiten  für  das  unglückliche  und  zer- 
rissene Deutschland  im  Anzüge  seien. 

Es  stimmte  damit  überein,  wenn  die  Stadt  Köln,  von  ihrem 
französisch  gesinnten  Erzbischofe  in  ihrer  Freiheit  bedroht,  die 
ihr  von  Fuchs  auf  der  Durchreise  erteilten  Versicherungen 
des  militärischen  Beistandes  seitens  des  Brandenburgers  mit 
Dank  aufnahm  und  ihr  Bürgermeister  Beilstein  ausrief:  die 
Stadt  traue  mehr  dem  andersgläubigen  Kurfürsten  als  irgend 
einem  Katholiken.  Wirklich  gab  Friedrich  Wilhelm  sofort  (29.  Mai) 
den  Befehl,  fünfhundert  Mann  aus  der  Weseler  Garnison  nach 
Köln  abzusenden,  das  damit  vor  einem  Handstreiche  seines  Erz- 
bischofes  Maximilian  Heinrich  gesichert  war. 

Günstige  Yerheifsungen  für  die  Zukunft  ergaben  sich  eben- 
falls aus  den  freundschaftlicheren  Beziehungen,  die  sich  wieder 
zwischen  Wien  und  Berlin  herstellten.  Als  Schwerin  in  der 
österreichischen  Hauptstadt  anlangte,  um  dort,  neben  zahlreichen 
anderen  Forderungen,  die  förmliche  Belehnung  mit  demHerzogtume 
Magdeburg  endlich  durchzusetzen,  fand  er  wenigstens  in  dieser 
Hauptfrage  den  erwünschten  Erfolg.  Trotz  ihrer  im  Grunde 
den  ,,Kalvinisten"  wenig  freundlichen  Gesinnung  bemühten  die 
kaiserlichen  Minister  sich  sogar,  den  Kurfürsten  in  dem  Be- 
streben zu  unterstützen,  die  Lichtensteinsche  Schuldforderung 
an  das  ostfriesische  Fürstenhaus  und  damit  einen  Pfandrechts- 
anspruch auf  dessen  Land  an  sich  zu  bringen  ^  Von  glücklichster 
Bedeutung  und  ein  vorzüglicher  Griff  war  dann  die  Sendung 
des  begabtesten  kaiserlichen  Diplomaten  jener  Zeit,  des  Franz 
Heinrich  von  Fridag,  Baron  von  Göden,  nach  Berlin.  Scharf- 
sinnig, klug  und  doch  wagemutig,  von  ausgezeichneter  welt- 
männischer Bildung,  war  dieser  friesische  Edelmann  ein  würdiger 
Nachfolger  des  Freigrafschaftiers  Lisola  im  Dienste  des  Kaisers. 
Er  kam  mit  dem  Auftrage,  nicht  nur  eine  beträchtliche  Kriegs- 
hilfe gegen  die  Türken  von  Brandenburg  zu  verlangen,  sondern 
auch  ein  gegen  Frankreichs  Eroberungssucht  und  Tyrannei  ge- 
richtetes Bündnis  zwischen  dem  Kaiser  und  dem  Kurfürsten 
herzustellen^.  Fridag  sah  sich  in  Berlin  sofort  von  dem 
schwedischen  Gesandten,  Grafenthal,  und  dem  dänischen,  Gabel, 


1  Orlioh,  Preufs.  Staat,  II,  511  ff.  —  U.  u.  A,  XIV,  1159£f. 
*  Instr.  an  Fridag;  U.  u.  A.,  XIV,  1146 ff.  —  Vgl.  zu  dem  Folgenden : 
A.  Pribram,  Österreich  und  Brandenburg  1685—1686  (InnBbruck  1884> 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Franlcreich.       385 

eifrig  unterstützt.  Immer  enger  schlössen  sich  alle  europäischen 
Staaten  gegen  ihren  gemeinsamen  Zwingherm  in  richtiger  Er- 
kenntnis der  .Sachlage  zusammen.  Das  eine,  was  not  tat ,  war 
offenbar  die  allseitige  Vorbereitung  des  grofsen  universalen  Ent- 
scheidnngskampfes  gegen  Ludwig  XIV.  Friedrich  Wilhelm  war 
davon  so  durchdrungen,  von  jeder  Feindschaft  und  Eroberungslust 
gegen  Schweden  derart  entfernt,  dafs  er  einen  zu  ihm  geflüchteten 
französischen  Protestanten,  Pierre  de  Falaiseau,  als  Gesandten 
Dach  Stockholm  abordnete:  angeblich  nur  um  des  Ausgleiches 
der  Grenzstreitigkeiten  willen,  in  Wahrheit  zur  Anbahnung  eines 
engeren  Verständnisses  zwischen  den  beiden  evangelischen  Mächten 
—  ein  Seitenstück  zu  der  Mission  Fuchs'  nach  Holland.  Falaiseau 
fand  zumal  bei  dem  Kanzler  Beugt  Oxenstiema,  sowie  bei  König 
Karl  XI.  selbst  freundlichste  Aufnahme. 

Und  noch  einmal  bemühte  sich  der  Kurfürst  auch  um  Eng- 
landy  den  Eckstein  jeder  gegen  Frankreich  gerichteten  Koalition. 
Spanheim,  der  jenen  Staat  seit  lange  kannte,  mufste  auf  einige 
Wochen  von  Paris  nach  London  gehen;  der  Vorwand  zu  dieser 
Reise  war,  dem  neuen  Könige  zu  seiner  Thronbesteigung  Glück 
zu  wünschen^.  Tatsächlich  sollte  er  sich  überzeugen,  inwieweit 
Jakob  II.  sich  dem  Protestantismus  gegenüber  neutral  verhalten 
werde  und  man  auf  ihn  im  Kampfe  gegen  Frankreich  zählen 
könne.  Ja,  er  hatte  sogar  eine  förmliche  Erneuerung  des  Bünd- 
nisses vorzuschlagen,  das  England  und  Brandenburg  1661  ab- 
geschlossen hatten,  und  das  seit  1672  erloschen  war.  Er  durfte 
Jakob  IL  sagen,  dafs  der  Kurfürst  seinen  hauptsächlichsten 
Feinden,  dem  Herzoge  von  Monmouth  und  dem  schottischen 
Grafen  Argyle,  den  Aufenthalt  in  den  brandenburgischen  Landen 
untersagt,  den  Verschwörer  Lord  Gray  aus  diesen  verwiesen  habe. 

Spanheim  wurde  anscheinend  von  dem  neuen  Könige  freund- 
lichst empfangen.  Jakob  liefs  es  ebensowenig  wie  seine  Minister 
an  liebenswürdigen  Versicherungen  fehlen  (April  1685).  Tat- 
sächlich erlangte  er  jedoch  nicht  den  mindesten  Erfolg.  Man 
schützte  vor,  nicht  eher  mit  den  auswärtigen  Mächten  abschlielsen 
zu  können,  als  man  sich  des  bevorstehenden  Parlaments  ver- 
sichert habe  und  demgemäfs  die  äufsere  Politik  einzurichten  im 
Stande  sei.    Spanheim  mufste  bald  zu  seinem  Kummer  bemerken, 


^  Über  das  Folgende :  Ms.  Korresp.  über  Spanheims  englische  Mission  ; 
Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  R.  XI,  England  9. 

Philippson,  Der  Grofs«  KurfOrtt.    111.  25 


386  Siebentes  Buch. 

dafs  der  Herrscher  mit  den  HoUäDdem  unzufrieden  war,  weil 
sie  angeblich  die  englischen  und  schottischen  Mifsvergnttgten 
unter  der  Hand  begünstigten;  dafs  er  die  Freundschaft  mit 
Frankreich  auf  alle  Fälle  zu  bewahren  gedenke;  dafs  auch  die 
Eventualität  des  Anheimfalles  der  gesamten  spanischen  Erb- 
schaft an  das  Haus  Bourbon  dem  englischen  Hofe  viel  zu  ent- 
fernt erscheine,  um  seine  Aufmerksamkeit  zu  erwecken,  ge- 
schweige denn  ihn  zu  Gegenmafsregeln  zu  veranlassen.  Unter 
diesen  Umständen  wagte  es  der  Gesandte  nicht  einmal,  seiner 
Bündnisanträge  Erwähnung  zu  tun.  Mit  Recht:  Jakob  be- 
trachtete den  Kurfürsten  aus  religiösen  Gründen  und  als  nahen 
Verwandten  seines  Nebenbuhlers,  des  Oraniers,  als  seinen  Feind. 
Bei  dem  bald  darauf  erfolgenden  unglücklichen  Aufstande 
Monmouths  und  Argyles  gegen  den  Stuart  mafs  dieser  dem  in 
ganz  Europa  verbreiteten,  aber  durchaus  unbegründeten  Gerüchte 
Glauben  bei,  Friedrich  Wilhelm  habe  den  Empörern  seine  Unter- 
stützung geliehen  ^  Spanheim  kürzte  seinen  nutzlosen  Auf- 
enthalt in  England  ab;  ein  Befehl  des  Kurfürsten,  dort  so 
lange  zu  verbleiben,  wie  Fuchs  sich  im  Haag  befinde,  traf  ihn 
nicht  mehr  an^. 

Überallhin  streckte  der  Kurfürst  seine  Fühlfäden  aus,  wo 
er  eine  Möglichkeit  voraussetzte,  die  grofse  politische  oder  evan- 
gelische Allianz  in  die  Wege  zu  leiten.  Er  begann,  sich  gegen 
den  früher  so  verwöhnten  R6benac  zornig  und  unfreundlich  zu 
zeigen.     Alles  Französische  schien  ihm  verhafst". 

Da  kam  eine  überraschende  Trauerbotschaft,  die  die  Lage 
noch  bedrohlicher  gestaltete.  Am  26.  Mai  starb,  erst  vierund- 
dreifsigjährig,  Kurfürst  Karl  von  der  Pfalz.  Er  war  der  letzte 
männliche  Sprofs  der  Simmernschen  Linie ;  ihm  folgte  der  katholi- 
sche Neuburger  Philipp  Wilhelm.  W^as  Sollte  da  aus  der  eifrig 
reformiert  gesinnten  Kurpfalz  werden?  Und  im  Kurfürsten- 
kolleg war  wieder  eine  Stimme  für  die  Katholiken  gewonnen, 
während  die  Evangelischen  nur  noch  die  brandenburgische  und 
die  sächsische  besafsen.  „Es  seind,"  schrieb,  mit  Hinblick  auf 
England,  Fuchs  an  seinen  Herrn,  „zwei  schwere  Fälle,  womit 


^  Ms.  Korresp.  Spanheims  aus  dem  Frühjahr  1685;   Berlin,   G^h. 
StaatsarchiVf  XI,  Frankr.  24. 
«  d'Avaux,  V,  27. 
»  U.  u.  A.,  XIY,  1166. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       3g7 

Gott  in  diesem  Jahre  seine  Kirche  heimsucht,  sonder  Zweifel, 
weil  bei  denen  meisten  mehr  Religion  im  Munde  als  im  Herzen 
gefunden  wird/^  Man  möchte  hoffen,  dafs  sich  hier  bei  dem 
kühlen  und  berechnenden  Streber  wahres  Empfinden  geltend 
macht,  dafs  religiöse  Gesinnung  da  warmes  Gefühl  in  seine 
Seele  gehaucht  habe. 

Neben  der  religionspolitischen  Gefahr  erhöhte  jener  Todes- 
fall auch  die  eigentlich  politische.  Die  einzige  Schwester  des 
verstorbenen  Kurfürsten  Karl  war  Elisabeth  Charlotte,  die  Ge- 
mahlin des  Herzogs  Philipp  von  Orleans,  des  Bruders  Ludwigs  XIV. 
Nach  dem  geltenden  Reichsrechte  und  nach  dem  Wortlaute  ihres 
Heiratskontraktes  besafs  sie  auf  die  Lehen  ihres  Bruders  keinen 
Anspruch,  wohl  aber  auf  dessen  persönliche  und  AUodialerb- 
schaft.  Es  war  vorauszusehen,  dafs  der  AUerchristlichste  König 
dieses  Verhältnis  nach  Möglichkeit  für  seinen  Bruder,  das  heifst 
für  Frankreich  auszunutzen  und  sich  eines  tunlichst  grofsen 
Teiles  der  Pfalz  zu  bemächtigen  versuchen  werde. 

Friedrich  Wilhelm  war  endlich  auch  in  seiner  Person  bei 
der  Angelegenheit  beteiligt.  Seine  pfälzische  Mutter  war  die 
Grofstante  des  Kurfürsten  Karl  gewesen ;  dieser  hatte  ihn  nebst 
dem  Herzoge  Ernst  August  von  Hannover,  dem  Landgrafen  Karl 
von  Kassel  und  dem  Markgrafen  Johann  Friedrich  von  Ansbach 
zum  Testamentsvollstrecker  ernannt.  Dafür  hatte  er  ihm  eine 
Anzahl  Kanonen,  den  kostbaren  Kurapfel,  das  sogenannte  „mos- 
kowitische  Präsent"  —  eine  goldene  Schale  — ,  alle  seine  alten 
Münzen  in  Gold  und  Silber,  sowie  Gobelins,  die  das  Leben  Julius 
Gäsars  darstellten,  vermacht'. 

In  der  Tat  trat  Friedrich  Wilhelm  sofort  in  der  pflllzischen 
Erbschaftssache  bewufst  und  planmäfsig  in  die  Aktion.  Er  be- 
fahl Spanheim,  in  Paris  dahin  zu  wirken,  dafs  die  Rechte  des 
Reiches  und  des  Kurfürstenstandes,  sowie  Friede  und  Versöhn- 
lichkeit gewahrt  blieben.  Er  bemühte  sich  in  Regensburg 
eifrigst,  dafs  Philipp  Wilhelm  alsbald  in  das  Kurfürstenkolleg 
aufgenommen  und  damit  eine  vollendete  Tatsache  geschaffen 
werde,  —  was  dann  auch  ohne  Anstand  geschah.  Er  sandte 
seinen  Hof-  und  Legationsrat  Philipp  Ernst  von  Mandelsloh  nach 


*  Landwehr,  128. 

'  Das  Folgende  überall,  wo  nichts  anderes  angeführt  ist,  nach  Ms. 
jPfftlzische  Miscellaneen",  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin),  Rep.  XL,  9  b. 

25* 


388  Siebentes  Buch. 

Heidelberg,  um  dort  seine  Rechte  und  Pflichten  als  Testaments* 
Vollstrecker  wahrzunehmen,  zugleich  aber  den  neuen  KurfQrsten 
zu  veranlassen,  dafs  er  die  reformierten  und  lutherischen  Kur- 
pfillzer  in  ihrem  gegenwärtigen  Rechtsstande  erhalte. 

Es  stellte  sich  bald  heraus,  dafs  die  Befürchtungen  wegen 
der  Ansprüche  Frankreichs  nur  allzu  gerechtfertigt  gewesen 
waren.  Sehr  gegen  den  Willen  der  echt  deutschen  Herzogin 
„Lise  Lotte*'  wurden  deren  angebliche  „Rechte^  auf  die  PfUzer 
Erbschaft  sogleich  zum  Zweck  neuer  Vergröfserung  Frankreichs 
auf  Kosten  Deutschlands  ins  Feld  geführt:  „Madame^  —  die 
Herzogin  von  Orleans  —  besitze  dreierlei  Rechte  an  die  Hinter* 
lassenschaft  ihres  Bruders:  es  gehörten  ihr  einmal  alle  Möbel, 
Kostbarkeiten  und  bares  Geld;  zweitens  alles  Land,  das  seit 
der  Goldenen  Bulle  an  die  Pfalz  gefallen  sei,  also  keinen 
integrierenden  Bestandteil  der  Kur  ausmache,  wie  z.  B.  die  Stadt 
Oppenheim;  drittens  alle  AUodialbesitzungen  und  Erwerbungen 
seit  dem  Westfälischen  Frieden,  wie  das  Fürstentum  Sinunem 
mit  Kaiserslautem  und  der  Pfälzer  Anteil  an  der  Gra&chaft 
Sponheim,  die  nur  durch  Heirat  und  Erbschaft  an  die  Pfalz 
gekommen,  demnach  gleichfalls  keine  Teile  des  eigentlichen  Kur- 
staates seien.  Diese  Rechte,  fuhr  Frankreich  in  seinen  eigen- 
tümlichen Folgerungen  fort,  hätten  auch  durch  den  Heiratä- 
vertrag  der  Madame  nicht  abrogiert  werden  können.  Der  König 
wolle  die  Ruhe  nicht  stören  noch  den  Waffenstillstand  brechen, 
werde  aber  nicht  dulden,  dafs  man  Madame  oder  deren  Kinder 
durch  vollzogene  Tatsachen  und  endlose  Prozesse  ihres  recht- 
mäfsigen  Eigentums  beraube. 

Friedrich  Wilhelm  war  entschlossen,  alles  auüzubieten,  um 
Kurpfalz  und  damit  das  Reich  vor  der  drohenden  „Dismembrie- 
rung''  zu  schützen.  Er  machte  sofort  in  Paris  bekannt,  dafs 
unter  seinem  und  der  Mitexekutoren  Schutz  eine  letztwillige 
Verfügung  des  verstorbenen  Kurfürsten  Karl  vorhanden  sei,  die 
Herzogin  von  Orleans  also  keine  Schritte  tun  dürfe,  um  die 
Erbschaft  ab  intestato  anzutretend  Es  müsse,  schrieb  er 
den  23.  Juni  an  Spanheim,  alles  auf  gütlichem  Wege  abgemacht 
werden.   Der  verstorbene  Kurfürst  habe  frei  über  seinen  Allodial- 


^  Vgl.  die  Depeschen  des  Nuntius  in  Paris,  Ranuzzi,  vom  25.  Juni 
1685;  Im  mich,  Zur  Vorgeschichte  des  Orleansschen  Krieges  (Heidelberg 
1898),  S.  10  f« 


Sechsundvierzigsteft  Slapitel.    Die  Abkelir  von  Frankreich.       389 

besitz  verfügen  k&nnen,  und  man  müsse  deshalb  die  Eröffiiung 
seines  Testaments  abwarten.  Übrigens  wären  vielleicht  nach 
französischem  Rechte  Neuerwerbungen  von  der  Haupterbschaft 
zu  trennen,  nach  Reichsrecht  dagegen  g&lten  sie  als  Lehen,  und 
zwar  als  Mannslehen,  kämen  also  keinesfalls  der  Herzogin  zu. 

Als  die  französischen  Ansprüche  dann  eingehender  formu- 
liert wurden,  trat  Brandenburg  sofort  schärfer  gegen  diese 
„weitschauenden  und  ungegründeten  Prätensionen''  auf.  Es 
handle  sich  hier  um  den  Nachlafs  eines  deutschen  Fürsten,  und 
nur  deutsche  Rechtsgrundsätze  dürften  dabei  zur  Geltung  ge- 
langen; Madame  wäre  Allodialerbin  lediglich  insoweit,  wie  das 
Testament  ihres  verstorbenen  Bruders  sie  dazu  mache.  Femer 
lasse  das  Reichsrecht  Frauen  nur  dann  als  Erbinnen  von  Reichs- 
lehen zu,  wenn  keine  männlichen  Erben  vorhanden  seien.  End- 
lich spreche  der  Westfälische  Friede  von  sämtlichen  Landen  der 
Kurfürsten,  nicht  nur  von  den  ältesterworbenen.  Alle  franzö- 
sischen Ansprüche  seien  demnach  abzuweisen. 

Von  den  verschiedensten  Seiten  langten  die  Gesandten  in 
Heidelberg  an;  am  1.  Juli  kam  Mandelsloh,  bald  darauf  der 
französische  Bevollmächtigte,  Jean  Morel  Abt  von  St.  Amoul, 
ein  verschmitzter  Diplomat,  der  übrigens  mit  der  deutschen 
Sprache  und  den  deutschen  Gewohnheiten  wohl  vertraut  war. 
Da  er  den  Auftrag  hatte,  die  sämtlichen  vermeinten  An- 
sprüche Frankreichs  auf  das  bestimmteste  geltend  zu  machen^, 
drang  Friedrich  Wilhelm  vor  allem  darauf,  Karls  Testament  zu 
eröffnen ,  das  er  ja  als  Ausgangspunkt  für  jedes  weitere  Ver- 
fahren in  dieser  Angelegenheit  betrachtete.  Auf  diesem  Wege, 
hoffte  er,  würden  die  Ansprüche  der  Madame  auf  einmal  be- 
seitigt und  auch  die  besonderen  Interessen  der  Testaments- 
vollstrecker an  der  Erbschaft  am  ehesten  gewahrt  werden.  Zu 
gleicher  Zeit  ging  er  den  König  von  England  an,  durch  seine 
Dazwischenkunft  zu  verhindern,  dafs  Frankreich  um  der  Pfälzer 
Sache  willen  den  Krieg  wieder  beginne^. 

So  stand  Brandenburg  bereits  in  direktem  Widerspruche  zu 
den  Absichten  Ludwigs  XIV.  Es  konnte  nicht  fehlen,  dafs 
dieser  Gegensatz  sich  bald  auch  nach  anderen  Seiten  hin  gel- 
tend machte.    Friedrich  Wilhelm  sah  mit  höchstem  Mifstrauen, 


^  Instr.  an  Morel,  22.  Juni  1685;  Becueil  des  Instructions,  YIII,  402  ff. 
«  d'Avaux,  V,  38. 


390  Siebentes  Buch. 

dafs  trotz  seines  Verzichtes  auf  das  „Konzert^  der  König  die 
Verhandlungen  mit  den  Lüneburgem  eifrig  fortsetzte,  die  ihm 
offenbar  als  Ersatz  für  den  bevorstehenden  Verlust  des  branden- 
burgischen Verbündeten  dienen  sollten  ^  Französische  Fahrzeuge 
hatten  damals  an  der  Mündung  des  Gambia  das  Schiff  „Morian'' 
weggenommen,  trotz  der  brandenburgischen  Flagge  und  des 
Passes,  den  ihm  der  Kurfürst  für  den  Handel  an  der  Küste 
von  Guinea  ausgestellt  hatte ;  es  wurde,  mitsamt  seinem  Kapitän 
Jakob  Lambrechts,  nach  Brest  gebracht  Friedrich  Wilhelm 
forderte  ernstlich  Genugtuung  für  diese  Gewalttat  nebst  voller 
Entschädigung. 

Aber  auch  Frankreich  glaubte  Grund  zur  Klage  zu  besitzen. 
Freilich  hatte  man  eine  dem  Geheimrat  Fuchs  nach  dem  Haag 
mitgegebene  harmlose  Instruktion  demonstrativ  dem  Grafen 
R6benac  mitgeteilt;  freilich  hatte  dieser  aus  seinen  geheimen 
Quellen  die  irrige  Überzeugung  geschöpft,  dafs  die  Instruktionen 
wirklich  nichts  anderes  enthielten,  als  man  ihm  gezeigt,  näm- 
lich Besprechung  der  Subsidien-  und  afrikanischen  Streitig- 
keiten': aber  in  Paris  war  man  weniger  leichtgläubig,  auch 
allzugut  unterrichtet,  um  nicht  Fuchs'  Verhandlungen  mit  vielem 
Argwohn  zu  beobachten^. 

Mit  vollem  Rechte.  Denn  wenn  die  offiziellen  Geschäfte 
des  brandenburgischen  Geheimrats  sich  auch  nur  um  finanzielle 
und  ökonomische  Fragen  drehten^,  gingen  doch  seine  geheimen 
Bemühungen  um  nichts  weniger  erfolgreich  von  statten,  die  dem 
Abschlüsse  eines  engen,  politischen  und  religiösen  Bündnisses 
galten  *. 

Die  Schwierigkeiten,  auf  die  er  zunächst  traf,  waren  recht 
erheblich.  Das  Zerwürfnis  zwischen  dem  Prinzen  von  Oranien 
und  der  Stadt  Amsterdam  hatte  sich  neuerdings  wieder  ver- 
schärft. Die  Anhänger  Frankreichs  hatten  von  vornherein  eine 
Wirkung    der    brandenburgischen  Verhandlung   unmöglich   ssu 


1  Anfser   der  Ms.  Korresp.  zwischen  Kurf.  u.  Spanheim   auch  die 
B^benacs  (Prutz,  294). 
«  Prutz,  295. 

*  Ms.  Spanheim  an  Kurf.  3./13.  Juli;  Berlin,  G«h.  Staatsarchiv,  XI, 
Frankr.  24  A. 

*  U.  u.  A.,  UI,  777. 

^  S.  hierüber  die  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Fuchs'  vom  Mai  bis  Juli 
1685 ;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XXXIV,  227  a  4, 


Sechsimdvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       391 

machen  gesucht,  indem  sie  allerhand  widrige  Gerüchte  ver- 
breiteten :  der  Kurfürst  habe  mit  Frankreich  und  England  einen 
Vertrag  zur  Teilung  der  Vereinigten  Provinzen  geschlossen;  er 
wolle  einen  seiner  Söhne  zum  Erbstatthalter  erkl&ren  lassen; 
er  beabsichtige,  dem  Kaiser  einen  Koadjutor  zur  Seite  zu  setzen. 
Dann  hiefs  es  wieder,  er  wünsche  eine  ^Religions-Allianz'*  ab- 
zuschliefsen ,  damit  die  Greuel  des  Dreifsigjährigen  Krieges 
über  ganz  Europa  zu  verbreiten.  Aber  gerade  diese  von  d'Avaux 
ausgestreuten  Anschuldigungen  entflammten  die  öfiPentliche  Mei- 
nung immer  mehr  für  Brandenburg.  „Ew.  Churf.  Durchlaucht, ** 
schreibt  Fuchs  am  31.  Juli  1685,  „werden  sich  annoch  gnädigst 
erinnern,  dafs  ich  bey  meiner  Ankunft  allhier  berichtet,  dafs 
diejenigen,  welche  meine  Negotiation  zu  traversiren  gesuchet, 
auch  unter  anderm  ausgesprenget ,  ich  käme  allhier,  umb  ein 
Religions-Bündnifs  zu  proponiren.  Dieses  hat  einen  merveilleusen 
guten  Effect  bey  den  Predigern  und  dem  Gemeinen  Mann  ge- 
than,  so  gar,  dafs  auch  darauf  ein  Synodus  in  Süd-Holland  aus- 
geschrieben worden  und  jetzo  gehalten  wird.  Man  hält  alhier 
jetzo  Ew.  Churf.  Durchl.  pro  vero  Protectore  Fidei.  Hinzu 
kommet,  dafs  die  unerhörte  Verfolgung,  so  jetzo  in  Frankreich 
seyn  soll,  die  Gemüther  über  die  Mafsen  verbittert.  Es  wird 
öffentlich  gesaget  und  geprediget,  dafs  dieselbe  viel  grausamer 
als  die  im  vorigen  Seculo  mit  Feuer  und  Schwerd  gewesen, 
dann  dort  waren  die  Leute  bald  dabey  umgekommen,  jetzo  aber 
brauche  man  des  Hungers. **  Diese  Erzählungen  der  nach 
Holland  geflüchteten  Hugenotten,  die  begeisterten  Aufrufe  zur 
Einigung  der  gesamten  evangelischen  Welt  zum  Kampfe  für  die 
bedrohte  Religion,  die  immer  wieder  von  den  niederländischen 
Kanzeln  ertönten,  entzündeten  den  frommen  Eifer.  Auch  die 
kältesten  und  berechnendsten  Grofskaufleute  konnten  dieser 
Glut  Herz  und  Willen  nicht  mehr  verschliefsen.  Durch  und 
durch  volkstümlich  wurde  auf  diesem  alten  Boden  republika- 
nischer Freiheit  der  Kurfürst  von  Brandenburg,  „das  einzige 
Haupt,  das  die  reformierte  Kirche  noch  besafs". 

Oranien  hatte  auch  seinem  Freunde  Fagel  das  eingewurzelte 
Mifstrauen  gegen  den  Brandenburger  benommen.  Die  Hinneigung 
und  Zuversicht,  die  nun  beide  Staatsmänner  für  die  Absichten 
und  die  Person  Friedrich  Wilhelms  erfüllten,  kann  Fuchs  gar 
nicht  laut  und  oft  genug  preisen.  Beide  gaben  sich  die  gröfste 
Mühe,   die  offiziellen  Verhandlungen   des  Geheimrats   mit  den 


392  Siebentes  Buch. 

Generalstaaten  in  jeder  Weise  zu  fördern,  da  sie  wohl  wufsten, 
dafs  deren  Gelingen  die  Vorbedingung  für  einen  engeren  An- 
schlufs  sei.  Der  Ratspensionar  war  längst  ein  Anhänger  der 
grofsen  Koalition,  „die  allein  kapabel  wäre,  Europam  von  einem 
allgemeinen  französischen  Joche  zu  befreien*'.  Er  hatte  sich 
freilich,  wie  vordem  der  Kurfürst,  davon  überzeugt,  dafs  der 
Kampf  mit  Aussicht  auf  Erfolg  nur  im  Bündnis  mit  England 
zu  beginnen,  auf  den  gegenwärtigen  König  Jakob  II.  aber  dabei 
nicht  zu  rechnen  sei.  Allein  er  war,  auch  wie  der  Kurfürst, 
der  Meinung,  die  zukünftigen  besseren  Zeiten  einstweilen  durch 
den  Zusammenschlufs  der  übrigen  Mächte  vorzubereiten.  Auch 
der  Fürst  von  Nassau,  der  Statthalter  Frieslands,  den  man  gern 
als  einen  Gegner  Orauiens  und  Brandenburgs  hinstellte,  schrieb 
nunmehr  -—  24.  Juli  —  an  Fuchs :  im  Einverständnisse  des  Kur- 
fürsten mit  der  Republik  liege  die  letzte  Möglichkeit  der  Er- 
haltung beider  Staaten,  während  eine  Trennung  zwischen  ihnen 
beider  Ruin  herbeiführen  müsse. 

Unter  dem  Einflüsse  solcher  Gesinnungen  liefs  sich  auch 
für  die  Verwirklichung  der  Anrechte  der  Kinder  Friedrich 
Wilhelms  aus  erster  Ehe  an  die  Erbschaft  des  Oraniers  alles 
günstig  an.  Der  Prinz  versicherte  hoch  und  teuer,  in  seinem 
neuerlichen  Abkommen  mit  dem  Fürsten  von  Nassau  nichts 
zum  Nachteile  der  kurfürstlichen  Söhne  angeordnet  zu  haben, 
solches  auch  nimmer  tun  zu  wollen,  weder  durch  ein  Testament 
noch  anderswie.  Er  lud  den  jungen  Prinzen  Philipp  ein,  sofort 
nach  dem  Haag  zu  kommen ,  wo  er  bei  ihm  jede  mögliche  För- 
derung finden  werde.  Noch  weiter  als  Oranien  gingen  die 
Deputierten  von  Rotterdam  und  Gelderland,  die  versicherten, 
dafs,  wenn  Oranien  ohne  Kinder  abgehen  werde,  sie  niemandem 
als  Erbstatthalter  lieber  ihre  Stimmen  geben  würden  denn 
einem  Sohne  des  Kurfürsten.  Die  Furcht  vor  Frankreichs  Macht 
und  Herrschsucht  trieb  alle  in  die  Arme  Brandenburgs.  Die 
steten  Bemühungen  d'Avaux',  die  Negotiationen  zu  hintertreiben , 
die  offenbare  Feindschaft,  die  er  Fuchs  zeigte,  konnten  unter 
solchen  Umständen  dessen  Bemühungen  nur  begünstigen. 

Allerdings,  man  wagte  das  Religionsbündnis  nicht  öffentlich 
zu  verhandeln,  schon  um  den  Kaiser  und  Spanien  nicht  vor  den 
Kopf  zu  stofsen,  allein  jedermann  wufste,  dafs  es  der  Grund 
und  das  Ziel  des  Einvernehmens  sei.  Am  29.  Mai  schlugen 
Oranien  und  Fagel  dasjenige  vor,  was  Friedrich  Wilhelm  selber 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkelir  von  Frankreich.       393 

SO  innig  wünschte:  „dafs  der  Staat  sich  mit  dem  Kurfürsten 
unzertrennlich  setze.  Zu  dem  Ende  müfste  man  die  vorige 
Allianz  renovieren  und  auf  die  gegenwärtige  Zeit  extendieren**, 
allerdings  „mit  dieser  Behutsamkeit,  dafs  zwar  alle  Zufälle 
in  generalibus  darinnen  begriffen,  sonsten  aber  keinem  Anlafs, 
darüber  zu  kritisieren,  gegeben  würde".  Also  keine  Handhabe 
für  Frankreich,  vorzeitigen  Krieg  herbeizuführen. 

Damit  war  erreicht,  was  Friedrich  Wilhelm  seit  lange 
herbeisehnte  und  anstrebte.  Mit  Freuden  sandte  er  seinem 
Minister  am  4.  Juni  die  Vollmacht  „zur  Abhandelung  einer 
näheren  Zusammensetzung  und  Bündnis  zwischen  Uns  und  dem 
Staate  der  Vereinigten  Provinzen". 

Es  galt  noch,  die  Oligarchen  und  zumal  Amsterdam  zu 
gewinnen,  auf  Grund  einer  völligen  Versöhnung  mit  dem  Prinzen 
und  dessen  Partei.  Zu  diesem  Behufe  begab  sich  Fuchs  in  die 
ihm  längst  vertraute  Stadt. 

Er  fand  die  Stimmung  hier  gegen  früher  sehr  zum  Vorteile 
verändert.  Die  Oligarchen  waren  nicht  weniger  eifrige  Prote- 
stanten als  die  Orangisten ;  die  Religions Verfolgungen  Ludwigs  XIV., 
die  drohenden  Zustände  in  England  hatten  sie  von  der  Notwen- 
digkeit einer  engen  Verbindung  der  freien  Provinzen  unter  sich 
überzeugt  und  dem  Franzosentum  gründlich  entfremdet.  Die 
Mahnung  des  brandenburgischen  Gesandten :  „Man  darf,  was  in 
der  Welt  das  Gröfseste  ist,  nämlich  Gewissens-  und  Staats- 
freiheit, nicht  leicht  aufgeben,"  fiel  nunmehr  auf  fruchtbaren 
Boden ;  die  Regenten  von  Amsterdam  zeigten  sich  sofort  bereit, 
auch  mit  Brandenburg  in  „eine  perpetuierliche  Allianz  zu  treten". 
Es  handelte  sich  nur  noch  um  den  Ausgleich  einiger  bestimmter 
Streitpunkte  zwischen  der  Stadt  und  dem  Oranier.  Die  günstige 
und  versöhnliche  Gesinnung  auf  beiden  Seiten  machte  die  Arbeit 
leicht;  gerade  der  städtische  Magistrat  legte  schätzenswerte 
Nachgiebigkeit  und  Opferwilligkeit  an  den  Tag.  Fuchs  durfte 
bald  diesen  so  wichtigen  Teil  des  Werkes,  einen  Teil,  von  dem 
—  wie  sein  Kurfürst  ihm  schrieb  —  „die  gemeinsame  Sicherheit 
des  Staates  und  der  evangelischen  Religion  gröfstenteils  depen- 
dieret",  als  gesichert  betrachten. 

Um  so  dringlicher  riet  er  seinem  Herren  zum  Abschlufs 
mit  den  Generalstaaten,  ohne  allzu  viele  Rücksicht  auf  deren 
finanzielle  Zugeständnisse.  Alle  anderen  Nachbarn  Brandenburgs, 
hob  er  hervor,  sind  auf  dieses  Land  eifersüchtig  und  wünschen 


394  Siebentes  Buch. 

seine  Verkleinerung;  nur  die  Holländer  begreifen,  dars  sie  mit 
Brandenburg  stehen  und  fallen  müssen.  Aüfserdem  macht  die 
körperliche  Schwäche  Wilhelms  III.  die  nahe  Eröfhung  der 
oranischen  Erbschaft  wahrscheinlich,  und  diese  wird  dem  kur- 
fürstlichen Hause  nur  dann  zum  überwiegenden  Teile  zukonunen, 
wenn  es  mit  der  Republik  in  gutem  Einvernehmen  steht. 

Inzwischen  suchte  Fuchs  durch  den  englischen  Gesandten 
im  Haag,  Skelton,  auf  die  Londoner  Regierung  einzuwirken, 
um  sie  einer  Allianz  mit  den  Generalstaaten  und  dadurch  auch 
mit  dem  Kurfürsten  geneigt  zu  stimmen.  Freilieh  verkündeten 
die  Franzosen  überallhin  mit  gröfster  Bestimmtheit,  Brandenburg 
habe  die  schottischen  Aufständischen  unter  Argyle  unterstützt. 
Das  Unglück  wollte,  dafs  sich  unter  den  Kriegern,  die  dann  bei 
dem  verunglückten  Einfalle  Monmouths  in  England  gefangen 
genommen  wurden,  nicht  nur  des  Kurfürsten  früherer  Schützling 
Lord  Gray  —  er  wurde  sofort  hingerichtet  — ,  sondern  auch 
zwei  brandenburgische  Hauptleute  vorfanden,  denen  ihr  Kriegs- 
herr regelrechten  Urlaub  gewährt  hatte.  Das  mufste  den  Aus- 
streuungen der  Franzosen  einen  Schein  von  Berechtigung  ver- 
leihen. Allein  der  Unwille,  den  Friedrich  Wilhelm  gegen  diese 
beiden  früheren  Offiziere  zur  Schau  trug,  sein  Nachweis,  dafs 
einer  der  Hauptleute  den  Verwand  gebraucht  hatte,  dem  Kaiser 
in  Ungarn  dienen  zu  wollen,  und  die  Dringlichkeit  seiner  Glück- 
wünsche zum  Erfolge  besänftigten  den  englischen  Monarchen'. 
Skelton  konnte  über  dessen  Absichten  beruhigende  Versicherungen 
geben,  sowohl  in  betreif  seiner  religiösen  Duldsamkeit  im 
Inneren  seines  Staates  als  auch  für  die  europäischen  Angelegen- 
heiten ;  wenn  Frankreich,  sagte  Skelton,  wieder  etwas  anfangen 
sollte,  sei  es  im  Reiche,  sei  es  in  den  Niederlanden,  werde  sein 
König  dazu  nicht  stille  sitzen.  Jakob  IL  zeigte  sich  bereit,  die 
alten  Bündnisse  mit  den  Generalstaaten  zu  erneuern;  es  herrschte 
darob  im  Haag  eine  sehr  zuversichtliche  Stimmung,  die  sich 
naturgemäfs  auch  dem  Geheimrat  von  Fuchs  mitteilte. 

Allein  noch  blieb  eine  nicht  unbedeutende  Schwierigkeit 
zu  überwinden:  die  finanzielle  „Satisfaktion*",  die  Friedrich 
Wilhelm  unbedingt  von  den  Generalstaaten  forderte.  Er  war 
hier,  wie  er  das  von  vornherein  erklärt  hatte,  im  Interesse  der 


*  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  IX,  England  9  (unter  den  Papieren  der 
Gesandtschaft  Bessers). 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       395 

abzuschliersenden  Allianz  und  der  grofsen  Aufgaben  Europas 
zu  beträchtlichen  Opfern  bereit.     Anstatt  der  1400000  Taler, 
die  er  verlangen  zu  dürfen  meinte,   wollte  er  sich  mit  400000 
begnügen.    Er  bewies  dadurch  von  neuem,  dafs  er  seinen  mate- 
riellen Vorteil,  ja,  sein  gutes  Recht  höheren  Zielen  und  Pflichten 
unterzuordnen  wohl  verstand.    Allein  auf  jener  Summe  bestand 
er,  schon  um  nicht  als  Minderberechtigter,  als  Hilfeflehender 
den  Staaten  gegenüber  zu  erscheinen;  und  er  wollte  einen  be- 
trächtlichen  Teil  von  ihr  bar,  um  so  vor  den  Wechselfällen 
sichergestellt  zu  sein,  denen,  wie  die  Erfahrung  ihn  nur  allzu  oft 
gelehrt  hatte,  derartige  Abmachungen  immer  ausgesetzt  waren. 
Er  war  sogar  bereit,  seine  Ansprüche  auf  300000  Taler  herab- 
zumindern,  wenn    diese  ihm  sofort   ausbezahlt  würden.      Nun 
waren  die  Generalstaaten  wohl  bereit,  die  400000  Taler  zu  be- 
willigen,   aber  nur  100000  Taler  bar   und  die  übrigen  in  weit 
entlegenen  Zahlungsterminen.  Friedrich  Wilhelm  war  über  diese 
Knauserei  entrüstet;  er  sah  darin  ein  Zeichen  des  UbelwoUens 
und  der   Mifsachtung.     Wenn  er  nicht  sogleich   150000  Taler 
erhalte,  befahl  er  am  7.  August  dem  Geheimrat  von  Fuchs,  solle 
der  Gesandte  sich  unverzüglich  von  den  Hochmögenden  verab- 
schieden und  heimkehren.     Das  wirkte.   Durch  die  eifrigen  An- 
strengungen Fagels '  wurden,  trotz  der  Gegenbemühungen  d'Avaux' 
und  seiner  Freunde,  die  Generalstaaten    binnen  weniger  Tage 
dahin  gebracht,  von  den  400000  Talern  eine   sofortige   Baar- 
zahlung  von  150000  zu  bewilligen,  ja,  noch  überdies  40000  zur 
Entschädigung  für  das  „Wappen  von  Brandenburg**,  —  für  das 
doch  der  Kurfürst  selber  nur  30000  gefordert  hatte.     Der  Be- 
weis für  den  guten  Willen  der  Provinzen   war  gebracht,  zur 
Zufriedenheit  Friedrich  Wilhelms.     Am  23.  August  wurde  nun 
der  Vertrag  im  Haag  unterzeichnet'. 

Er  setzte  fest,  dafs  der  Kurfürst  alle  seine  finanziellen  An- 
sprüche an  die  Generalstaaten  und  die  Westindische  Kompanie 
aufgebe  für  150000  Taler,  die  ihm  sofort,  und  290000  Taler, 
die  ihm  in  zehn  Jahresraten  zu  zahlen  seien.  Da  hiermit  alle 
Streitpunkte  zwischen  beiden  Mächten  beseitigt  seien,  erneuerten 
sie  schon  jetzt  auf  weitere  zwölf  Jahre  ihr  am  8.  März  1688 
ablaufendes  Verteidigungsbündnis  vom  Jahre  1678,  —  also  bis 
zu  1700. 


*  Diese  bezeugt  auch  d'Avaux,  V,  63.  72 f. 
«  Mörner,  469 f. 


396  Siebentes  Buch. 

War  schon  durch  diese  Bestimmung  dafür  gesorgt,  dafs 
auch  über  des  greisen  und  kränkelnden  Friedrich  Wilhelm 
wahrscheinliche  Lebensdauer  hinaus  die  Allianz  zwischen  den 
Vereinigten  Provinzen  und  Brandenburg  Bestand  hätte,  so  wurde 
solche  noch  enger  geknüpft  durch  den  vierten  Artikel  des  Ver- 
trages.   Er  lautete: 

„Nachdemmahlen  es  unmöglich  ist,  alle  Fälle  in  einem 
Traktat  zu  begreifen,  hochgedachte  Parteien  aber  kraft  selbigen 
vorerwähnten  Traktats  verbunden  und  gehalten  sein,  einer  des 
andern  Bestes  zu  suchen  und  zu  befördern,  sie  auch  beiderseits 
dabei  zum  höchsten  interessiret  sein,  dars  der  gegenwärtige 
Ruhestand  in  der  Christenheit  beibehalten  und  hingegen  alle 
Unruhe  und  Eriegstroublen  präcaviret  und  abgekehret  werden 
mögen  — - :  als  ist  zugleich  gut  gefunden  und  verglichen  worden, 
wie  denn  hiemit  gut  gefunden  und  verglichen  wird,  dafs,  im 
Falle  (welches  Gott  abwende)  wiederum  neue  Troublen  und  Un- 
ruhe entstehen  oder  besorget  werden  sollten,  alsdann  beide  höchst- 
gedachte Parteien  unter  einander  in  Zeiten  darüber  vertraulich 
communiciren  und  von  beiden  Seiten  Besendungen  thun  sollen, 
um  zu  überlegen,  was  zu  Vorbauung  derselben,  auch  zu  beider 
gemeinen  Wohlfahrt  und  Konservation  sollte  können  oder  mögen 
behören,  gethan  zu  werden." 

An  sich  schien  diese  Allianzerneuerung  sehr  unschuldig :  sie 
enthielt  die  Verlängerung  eines  Verteidigungsbündnisses,  wie 
solche  in  jener  Zeit  zu  Hunderten  abgeschlossen  wurden.  Allein 
war  es  bereits  auffallend  und  bezeichnend,  dafs  man  schon  im 
gegenwärtigen  Augenblicke  ein  Bündnis  erneuerte,  das  erst  in 
beinahe  drei  Jahren  ablief,  so  verlieh  diesem  merkwürdigen  Um- 
stände der  vierte  Artikel,  der  in  dem  bisherigen  Vertrage  ge- 
fehlt hatte,  seine  wirkliche  Bedeutung.  Der  Name  Frankreichs 
war  hier  nicht  erwähnt;  aber  gegen  wen  konnten  Abmachungen 
für  die  Zukunft  sich  anders  richten  als  gegen  diesen  Staat, 
wenn  von  „Kriegstroublen"  und  „Unruhe"  die  Rede  war?  Es 
unterlag  bei  unbefangener  Betrachtung  nicht  dem  mindesten 
Zweifel,  dafs  Generalstaaten  und  Kurfürst  sich  hier  zu  gemein- 
samen Mafsregeln  gegen  Frankreich,  gegen  den  nimmer  ruhenden 
Ehrgeiz  und  die  stete  Eroberungssucht  Ludwigs  XIV.  verab- 
redeten. Alle  Welt  fafste  damals  den  Vertrag  in  diesem  Sinne 
auf.  Übrigens  hatte  Fuchs  die  leitenden  Staatsmänner  im  Haag 
ausdrücklich   versichert,  dafs   die  Hochmögenden,   wenn  sie  in 


Sechsundyierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       397 

finanzieller  Beziehung  dem  Kurfürsten  die  gewünschte  Genug- 
tuung gäben,  bei  allen  Gelegenheiten  fest  auf  ihn  zählen  dürften  ^ 

Friedrich  Wilhelm  empfand  über  die  Verständigung  mit  den 
freien  Niederlanden  lebhafte  Genugtuung.  Endlich  war  der  feste 
Punkt  gefunden,  von  dem  aus  er  an  der  Einschränkung  von 
Frankreichs  Weltherrschaft  arbeiten  konnte'.  Voll  Entzücken 
dankte  er  Wilhelm  von  Oranien  für  die  grofse  Zuneigung,  die 
dieser  ihm  wie  seinem  Hause  gezeigt  habe.  Er  versprach  ihm, 
des  Prinzen  Interesse ,  das  ja  tatsächlich  mit  dem  seinen  über«^ 
einstimme,  auch  wie  das  eigene  zu  wahren.  Er  stellte  ihm  Fuchs 
zur  Verfügung,  wann  und  so  oft  Oranien  dessen  Reise  nach  dem 
Haag  für  erforderlich  halte'.  Der  Einflufs  des  glücklichen 
Unterhändlers  auf  seinen  Herrn,  schon  vorher  sehr  bedeutend, 
wurde  jetzt  ein  ganz  überwiegender.  Die  französische  Partei  in 
Berlin  sah  seiner  Rückkunft  mit  Besorgnis  entgegen^. 

Selbstverständlich  tat  der  Kurfürst  alles,  um  die  „Ombrage" 
zu  zerstreuen,  die  bei  Ludwig  XIV.  und  dessen  Ministem  gegen 
Brandenburg  wegen  dessen  niederländischer  Verhandlungen  Platz 
gegriffen  hatte.  Diese  liefen,  so  liefs  er  in  Paris  versichern, 
den  bestehenden  Bündnissen  in  nichts  zuwider ;  sie  bezögen  sich 
hauptsächlich  auf  seine  Forderungen  an  die  Generalstaaten ;  das 
Verteidigungsbündnis  sei  nur  die  Erneuerung  eines  seit  lange 
bestehenden  Verhältnisses.  Diese  Behauptung  entsprach  aber 
kaum  dem  Wortlaute,  sicher  nicht  dem  Sinne  des  neuen  Ver- 
trages. Die  französische  Regierung  liefs  sich  auch  durch  der- 
artige Darlegungen  nicht  täuschen.  Gab  sich  doch  d'Avaux 
noch  im  letzten  Augenblicke  grofse,  wenn  auch  vergebliche  Mühe, 
die  Ausführung  des  Vertrages  zu  stören.  „Ich  wundere  mich,** 
höhnte  er,  „dafs  der  Staat  dem  Kurfürsten  eine  Million  Gulden 
und  mehr  gibt,  da  er  doch  Strafsburg,  Luxemburg,  ja,  den  Staat 
selbst  verkauft  hatte.**  ^  Wenn  R6benac  sich  eine  Zeitlang 
durch  die  heuchlerischen  Versicherungen  der  Berliner  Staats- 
männer täuschen  liefs  und  sich  kindlich  über  den  Ärger  freute, 


1  Vgl.  d'Avaux,  V,  47  f.  55. 
«  U.  u.  A.,  m,  778  Anm.  14. 

*  Mb.  Kurf.  an  Oranien,  28.  Aug./ 7.  Sept.  1685;  Geh.  Staatsarohiy 
Berlin),  XXXIV,  227  a  4. 

*  U.  u.  A.,  XIV,  1180. 

>  Mb.  Fuchs  an  Kurf.,  Uli.  Aug.  1685;  Geh.  Staatearchiv  (Berlin), 
a.  a.  0.  t 


398  Siebentes  Buch. 

den  Fuchs  bei  dem  Scheitern  seiner  Pläne  empfinden  werde,  sah 
Ludwig  XIV.  von  Beginn  an  klarer.  Er  erblickte  mit  Recht  in 
dem  Brandenburg  -  holländischen  Vertrage  die  Grundlage  eines 
gegen  ihn  gerichteten  europäischen  Bündnisses  ^  Schon  die 
blofse  Defensivallianz,  sagten  die  Franzosen,  stehe  im  Gegensatze 
zu  den  mit  Frankreich  getroffenen  Abmachungen:  was  solle 
werden,  wenn  dieses  von  Holland  unter  dem  Verwände  angegriffen 
werde,  dafs  es  der  Angreifer  sei?  Der  Prinz  von  Oranien,  der 
schlimmste  Feind  des  Königs,  beherrsche  jetzt  die  Generalstaateu, 
und  mit  diesen  habe  der  Kurfürst  abgeschlossen ,  ohne  zuvor 
seine  Verbündeten,  davon  zu  benachrichtigen.  Der  König  müsse 
wissen,  auf  welchem  Fufse  er  mit  Biandenburg  stehe.  Die 
steten  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  und  mit  Schweden  er- 
höhten den  Verdacht.  Man  glaubte,  eine  neue,  noch  ausgedehntere 
Trippelallianz  gegen  sich  entstehen  zu  sehen  ^. 

Dazu  kam  der  sich  stets  verschärfende  Gegensatz  in  der 
Pfälzer  Frage®. 

Abb6  Morel  war  in  Heidelberg  mit  vieler  Entschiedenheit 
aufgetreten :  Madame  sei  als  die  einzige  Erbin  des  verstorbenen 
Kurfürsten  zu  betrachten  und  habe  das  Recht,  sofort  von  dessen 
gesamter  Hinterlassenschaft  Besitz  zu  ergreifen.  Auch  Graf 
Verjus  de  Cröcy  in  Regensburg  protestierte  wenigstens  gegen 
die  Besitznahme  von  Simmern  und  Kaiserslautem  durch  den  neuen 
Kurfürsten.  Die  Vertreter  Frankreichs  wiesen  jede  Verzögerung 
der  Angelegenheit  zurück.  Sein  König  werde  nicht  dulden,  er- 
klärte Morel  am  20.  August,  dafs  man  die  Sache  auf  die  lange 
Bank  schiebe,  vielmehr  Mafsregeln  ergreifen,  die  den  Deutschen 
Grund  zur  Reue  geben  möchten.  Man  habe  es  mit  dem  mäch- 
tigsten Könige  der  Welt  zu  tun. 

Friedrich  Wilhelm  war  über  dieses  hochmütige  Auftreten, 
über  dieses  Pochen  auf  die  Gewalt  entrüstet.  „Die  Reden  Morels," 
schrieb  er  an  Mandelsloh,  „sind  nicht  allein  den  in  Deutschland 
gültigen  Rechten  zuwiderlaufend,  sondern  auch  die  dabei  ge- 
brauchten Expressiones  und  Redensarten  so  hautains  und  bei 
einem  Teutschen  Kurfürsten  und  Stande  so  ungewöhnlich,  dafs 

^  Ms.  Korresp.  Ludwigs  XIY.  mit  Rebenac,  August  1685  (B). 

'  Ms.  Korresp.  zwischen  Kurf.  und  Spanheim,  Sept.  u.  Okt.  1685; 
Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  24  B. 

*  Das  Folgende  nach  der  Ms.  Korresp.  im  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin), 
Bep.  XL,  9  B. 


SechsundTierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       399 

Wir  nicht  glauben  können,  der  König  von  Frankreich  habe  wirk- 
lich dergleichen  befohlen/  Er  drang  in  Paris  auf  ein  milderes 
Vorgehen  y  in  Gemäfsheit  der  Rechte  und  Gesetze  des  Reiches 
und  in  Übereinstimmung  mit  den  deutschen  Fürsten.  Ander- 
seits suchte  er  freilich  alle  unnötigen  Gründe  des  Mifsfallens 
für  den  mächtigen  König  von  Frankreich  aus  dem  Wege  zu 
räumen:  als  die  kurpfälzischen  Minister  sich  weigerten,  dem 
Verlangen  Morels  nach  Vorlegung  der  Lehnsbriefe  und  Haus- 
gesetze, die  die  weibliche  Erbfolge  ausschlössen,  zu  entsprechen, 
drang  Friedrich  Wilhelm  mit  Ernst  darauf,  dafs  diese  ganz  be- 
rechtigte Forderung  erfüllt  werde.  Sein  Rat  wurde  dann  auch 
befolgt. 

Philipp  Wilhelm  sah  sich  ängstlich  nach  Bundesgenossen 
gegen  das  übermächtige  Frankreich  um.  Mit  den  etwa  6000 
Soldaten,  die  er  selber  besars,  und  seinen  halb  verfallenen 
Festungen  Mannheim  und  Frankenthal  konnte  er  freilich  diesem 
kaum  Widerstand  leisten.  Er  wandte  sich  also  an  den  Kaiser, 
den  Papst,  den  König  von  England,  —  der  ihm  wenigstens  in 
Worten  Hilfe  in  Aussicht  stellte;  aber  auch  an  die  protestanti- 
schen Mächte  Schweden  und  Brandenburg.  Ersteres  verhiefs 
für  den  Notfall  eine  Truppensendung.  Friedrich  Wilhelm  aber 
griff  sogleich  mit  Entschlossenheit  ein.  Er  versprach  dem 
Pfälzer  nicht  allein  seinen  Beistand,  sondern  forderte  auch  die 
übrigen  Testamentsvollstrecker  auf,  den  letzten  Willen  Karls 
von  der  Pfalz  in  Kraft  zu  erhalten  (8./18.  September  1685). 

Es  war  solche  Vereinigung  um  so  notwendiger,  als  das 
Testament  allerdings  für  die  Orleans  wenig  günstig  lautete.  Es 
setzte  Philipp  Wilhelm  zum  Universalerben  ein  und  bedachte 
die  Kurfürstin -Mutter  sowie  die  Herzogin  von  Orleans  nur 
ebenso,  wie  die  Exekutoren,  mit  einigen  Legaten.  In  Paris 
stützte  man  sich  deshalb  auf  einige  angebliche  Formfehler,  um 
das  Testament  als  nichtig  zu  bezeichnen,  „aus  fünfzig  Gründen** 
(Anf.  Oktober);  es  sei  nur  auf  Antrieb  einiger  parteiischer 
Diener  des  verstorbenen  Kurfürsten  von  diesem  errichtet  Über- 
haupt gehöre  von  selbst  die  eine  Hälfte  der  väterlichen  Hinter- 
lassenschaft des  vorhergehenden  Kurfürsten  Karl  Ludvng  seiner 
Tochter,  der  Madame,  so  dafs  Karl  darüber  gar  nicht  habe  ver- 
fügen können.  Auch  die  Kurfürstin -Mutter  protestierte  gegen 
das  Testament  und  wollte  es  nicht  vollstrecken  lassen.  Es 
schien,  als  solle  Frankreich  hier  den  besten  Vorwand  erhalten, 


400  Siebentes  Buch. 

seine  verderblichen  Forderungen  mit  einem  Schatten  von  Recht 
wieder  aufzustellen. 

Eben  deshalb  war  Friedrich  Wilhelm  eifrig  bemüht,  seinen 
Standpunkt  zu  wahren,  dafs  das  Testament  unter  allen  Um- 
ständen aufrechterhalten  werden  müsse.  Er  ermahnte  die  Kur- 
fürstin-Mutter,  ihren  Widerspruch  gegen  diese  Urkunde  zurück- 
zuziehen, um  die  Gefahr  ,der  Eversion  in  politicis  et  in 
ecclesiasticis*'  zu  vermeiden.  Er  forderte  die  Mitvollstrecker 
von  neuem  auf,  ihn  zu  unterstützen.  „So  viel,**  schreibt  er  am 
15.  September,  „das  Essentialstück  besagten  Testaments,  näm- 
lich die  Einsetzung  des  Erben,  belangt,  da  befinden  Wir  des 
verstorbenen  Kurfürsten  Expression  dergestalt  eingerichtet,  auch 
sonsten  das  Testament  in  allen  Stücken  so  beschaffen,  dafs  Un- 
seres Davorhaltens  solches  auch  juxta  requisita  juris  ci- 
vilis zu  Rechten  wohl  bestehen  kann."  Übrigens  bedürften 
die  Testamente  deutscher  Fürsten  nicht  der  Formalien,  wie  die 
von  Privatleuten.  —  Er  hatte  die  Genugtuung,  dafs  der  wichtigste 
der  MitvoUstrecker,  Ernst  August  von  Hannover,  seinen  An- 
regungen durchaus  Folge  leistete  (20.  September). 

Es  ist  klar,  dafs  Friedrich  Wilhelm  aUein  den  Widerstand 
gegen  die  französischen  Forderungen  gefestet  und  organisiert 
hat.  Die  Franzosen  klagten  mit  Fug,  dafs  sie  in  dieser  Pfälzer 
Sache  allerorten  Brandenburg  als  Widerpart  fänden.  Freilich 
hatte  der  Kurfürst  es  nur  auf  gesetzlichen,  friedlichen  Wider- 
stand abgesehen.  Er  forderte  Philipp  Wilhelm  immer  wieder 
zur  Nachgiebigkeit  in  Formalien  auf:  er  möge  alles  so  gütlich 
wie  nur  möglich  mit  Frankreich  abhandeln.  Aber  Ludwig  XIV. 
erkannte  sehr  wohl,  woher  ihm  der  Gegenwind  wehe.  Die 
Veröffentlichung  einer  Depesche  Spanheims  an  den  Kurfürsten, 
in  der  der  brandenburgische  Standpunkt  den  französischen  Prä- 
tensionen gegenüber  scharf  und  klar  auseinandergesetzt  war, 
erregte  in  ganz  Europa  Aufsehen  und  in  Paris  begreiflichen 
Unwillen.  Der  Versicherung,  der  Abdruck  sei  ohne  Wissen  der 
Beteiligten  erfolgt,  mafs  man  selbstverständlich  keinen  Glauben 
bei.  Die  Schrift  erschien  gleichsam  wie  ein  Manifest  am  Vor- 
abende einer  Kriegserklärung. 

Das  Mifstrauen  der  französischen  Staatsmänner  gegen 
Brandenburg  wurde  immer  lebhafter,  ihre  Stimmung  immer  ge- 
reizter. R6benac  fand  in  jeder  Handlung  des  Kurfürsten  Grund, 
Feindseligkeit  gegen  Frankreich  vorauszusetzen.   Als  der  Herzog 


SechsundvierzigBtes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       401 

von  Gelle  im  Sommer  1685  mit  Hamburg  in  Streit  geriet,  den 
Handel  mit  der  Stadt  auf  dem  Eibstrome  sperrte  und  dabei 
auch  ein  Schiff  mit  Magdeburger  Waren  mit  Beschlag  belegte, 
zeigte  Friedrich  Wilhelm  den  Weifen  eine  Milde  und  Versöhn- 
lichkeit, die  dem  französischen  Gesandten  sehr  verdächtig  er- 
schien^. In  der  Tat  wurde  der  Streit  durch  die  Vermittlung 
des  Kaisers  noch  im  September  1685  gütlich  beigelegt.  Und 
das  eben  verdrofs  die  Franzosen  noch  mehr  als  selbst  die 
Pfillzer  Sache :  die  freundschaftlichen  Beziehungen,  die  sich  offen- 
bar zwischen  Brandenburg  und  Leopold  I.  bildeten.  Der  Kaiser 
liefs  sieh  endlich  darauf  ein,  dem  Kuiiürsten  fOr  dessen  An- 
sprüche auf  Jägemdorf  ein  Äquivalent ,  nicht  in  Geld ,  sondern, 
wie  dieser  es  stets  verlangt  hatte,  in  Land  anzubieten,  das  frei- 
lich nicht  in  kaiserlichen,  sondern  in  fürstlich  schwarzenbergi- 
schen  Gebietsteilen  bestand.  Der  Sieg  der  kaiserlichen  Truppen 
über  die  Türken,  bei  Neuhausel,  am  16.  August,  und  ihre  sich 
daran  knüpfenden  weiteren  Erfolge  erregten  bei  dem  Kurfürsten 
lebhafte  Freude.  Er  sandte  Melchior  von  Ruck,  nunmehrigen 
Halberstftdter  Regierungsrat,  im  September  1685  nach  Wien,  um 
für  das  kommende  Jahr  eine  Hilfe  von  4 — 5000  auserlesenen 
Soldaten  gegen  die  Türken  anzubieten,  zugleich  aber  auch  auf 
Beschleunigung  der  Satisfaktionssache  zu  dringen.  Röbenac 
hatte  von  diesen  Dingen  durch  seine  verräterischen  Freunde  am 
Berliner  Hofe  genaue  Kunde  und  berichtete  darüber  mit  heftigem 
Nachdrucke  nach  Paris'. 

Vergebens  versicherte  hier  Spanheim,  die  Reise  Rucks  be- 
treffe nur  die  Streitigkeiten  zwischen  Kursachsen  und  dem 
Bischöfe  von  Merseburg  und  Zeitz.  Das  klang  noch  unwahr- 
scheinlicher, als  dafs  der  Vertrag  mit  den  Niederlanden  nichts 
bedeute  als  die  harmlose  Fortsetzung  einer  alten,'  praktisch 
nichtssagenden  Allianz'.  Das  ganze  Verfahren  des  Kurfürsten 
seit  einem  Jahre  erschien  als  Ausflufs  einer  vorsichtigen,  aber 
entschlossenen  und  systematischen  Feindschaft  gegen  Frankreich. 

Ludwig  XIV.  gedachte  ihn  zu  demütigender  Unterwerfung 
zu  zwingen,  indem  er,  Anfang  Oktober  1685,  sowohl  in  Paris, 

»  Gallois,  Gesch.  Hamburgs,  H,  1  ff.  —  U.  u.  A.,  XIV,  1180. 1186f.— 
Prutz,  300. 

•  ü.  u.  A.,  XIV,  1176  ff.  1181.  1188  ff.  —  Prutz,  a.  a.  O. 

'  Dies  und  das  Folgende  nach  der  [Ms.  Korresp.  Spanheims  mit 
Surf,  aus  dem  Herbst  1685  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  24  B). 

Philippgon,  Der  Orofde  KurfQrst.    III.  26 


402  Siebentes  Bach. 

Spanheim  gegenüber^  als  in  Berlin,  durch  R6benac,  die  Forde- 
rung erheben  liefs:  der  Kurfürst  solle  dem  Könige  durch  eine 
schriftliche  Erklärung  nicht  nur  die  fortdauernde  Gültigkeit 
aller  seiner  mit  Frankreich  getroffenen  Vereinbarungen  ver- 
sprechen, sondern  auch  feststellen,  „dafs  er  in  Zukunft  keine 
weiteren  Verpflichtungen  eingehen  werde  ohne  Wissen  und 
direkte  Teilnahme  Frankreichs**  ^  Es  war  klar,  dafs  ein  solches 
Schriftstück  zur  allgemeinen  Bekanntmachung  bestimmt  war. 
Die  schmählichste  Demütigung  Brandenburgs,  seine  blinde 
Unterwerfung  unter  das  Machtgebot  Frankreichs  für  alle  Zu- 
kunft, der  schroffe  Bruch  mit  allen  wahren  Alliierten  des  Kur- 
staates wären  die  Folgen  einer  so  unerhörten  Erklärung  ge- 
wesen. Und  doch,  war  es  für  den  Kurfürsten  schon  an  der 
Zeit,  durfte  er  es  bereits  wagen,  sich  durch  eine  Weigerung  die 
offene  Feindschaft  des  allgewaltigen  Despoten  zuzuziehen? 

Friedrich  Wilhelm  fühlte  sich  durch  die  Zumutung  tief  ge- 
kränkt und  zugleich  in  allen  seinen  Entwürfen  bedroht.  Sein 
leicht  zu  erregender  Zorn  brauste  lebhaft  auf.  Er  wollte  zuerst 
dem  Grafen  Röbenac  kurzweg  schreiben:  „Se.  Kurf.Durchl.  lasse 
sich  keine  Mafs  und  Ordnung  geben,  habe  auch  niemandem 
Rede  und  Antwort  zu  stehen  wegen  zu  schliefsender  Defensiv- 
allianzen,  wäre  endlich  nicht  der  Meinung,  sich  zu  etwas 
Widrigem  violentieren  zu  lassen **  K  Es  gelang  zwar  seinen 
ruhigeren  Ratgebern,  eine  solche  Antwort  zu  hintertreiben, 
die  den  sofortigen  Bruch  mit  Frankreich  herbeigeführt  hätte; 
allein  er  verwarf  auch  die  dem  französischen  Verlangen  etwa 
entsprechende  Erklärung,  die  Meinders  mit  Röbenac  vereinbart 
hatte  und  ihm  vorlegte'.  Vielmehr  wies  er  Spanheim  an,  in 
Paris  darzutun,  dafs  er  auf  das  von  ihm  geforderte  Bekenntnis 
nicht  eingehen  könne,  da  es  seiner  Würde  widerspreche;  indes 
sei  er  zu  jeder  Art  mündlichen  Aufschlusses  über  sein  Ver- 
halten, sowohl  in  der  Vergangenheit  wie  für  die  Zukunft,  bereit 
und  hoffe  dadurch  den  König  zu  befriedigen.  Noch  bestimmter 
lautete  der  Bescheid,  den  er  gleichzeitig  -—  am  20.  Oktober  — 
durch  Meinders  und  Fuchs  dem  Grafen  Röbenac  geben  liefs. 
Nach  den  vielfachen  Aufklärungen  und  Versicherungen  Sr.  Kurf. 


1  Ms.  Instr.  an  Böbenac,  vom  4.  u.  11.  Okt.  1685  (B). 
«  U.  u.  A.,  XIV,  1191. 
«  Prutz,  302. 


Sechsundvierzigstes  Elapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       403 

Durch!.,  sowohl  an  den  Grafen  wie  —  durch  Spanheim  —  an  die 
französischen  Minister  und  den  König  selbst,  werde  dieser  keinen 
Zweifel  an  dem  guten  Willen  und  der  Vertragstreue  des  Kur- 
fürsten hegen.  Eine  weitere  Erklärung  „würde  nicht  allein 
überflttssig,  sondern  beleidigend^  für  Se.  Kurf.  Durchl.  sein^. 
Mit  Recht  fand  Ratspensionär  Fagel,  dem  höchst  bezeichnender- 
weise diese  Antwort  durch  Diest  mitgeteilt  wurde,  solche  „höchst 
generös^. 

Der  Kurfürst  schrieb  dann  wenige  Tage  später  —  26.  Ok- 
tober —  unmittelbar  an  den  König,  nach  einem  Entwürfe  von 
Fuchs.  Nachdem  er  den  auf  ihn  geworfenen  Verdacht  als  ganz 
unbegründet  geschildert,  fuhr  er  mit  grofser  Festigkeit  folgender- 
mafsen  fort:  „Trotzdem  fordert  man  von  mir  noch  eine  neue 
Erklärung,  die  in  so  harten  und  für  mich  so  unziemlichen  Aus- 
drücken abgefafst  ist,  dafs  ich  sie  nicht  abgeben  kann,  ohne 
meine  Ehre  zu  beflecken  noch  mir  zu  nehmen,  was  für  einen 
souveränen  Fürsten  das  wesentlichste  ist/  Der  König  möge 
sich  mit  der  erneuten  Versicherung  seiner  Vertragstreue  sowie 
dem  Versprechen  begnügen,  dafs  er  auch  in  Zukunft  an  dem 
französischen  Bündnisse  festhalten  werde. 

Die  etwaige  Wirkung  dieser  Eröffnungen  ward  indes  durch 
eine  Denkschrift  zum  gröfsten  Teile  aufgewogen,  die  von  Branden- 
burg den  Franzosen  zugleich  mitgeteilt  ward,  und  die  jede  Teil- 
nahme an  einem  von  ihnen  zu  führenden  Angriffskriege  ablehnte. 
Frankreich  folgere  freilich  aus  dem  fünften  Artikel  des  Bündnis- 
vertrages von  1681,  dafs  Brandenburg  zu  solcher  Leistung  ge- 


^  Geh.  Staatearchiy  (Berlin),  Bep.  XI,  Frankr.  24 B:  8.  Alt  tl. 
• . .  „noufl  a  ordoim6  de  mander  k  V.  E.  qu*aprÖ8  tant  d^^lairdflsements 
et  d'assurances  qu'Elle  a  dozm^  en  partie  Elle-mdme  de  bouche  et  par 
710T18  ensuite  k  Y.  R,  comme  aussi  par  M'-  de  Spanheim  k  M'-  le  Marquis 
de  Groissy ,  de  boache  et  par  6crit . . . ,  et  finalement  k  Sa  Maj^'  mtoxe 
xnoyeimant  une  audience  exprease  qu'ü  avait  demandöe  pour  ce  sujet 
et  qu'on  lui  a  accord6e  aussi,  le  Boy  n'aura  plus  le  moindre  doute  de  la 
sinc^t^  et  de  la  bozme  foi  avec  laquelle  8.  A.  E.  a  observ6  et  accompli 
jUBqu'ici  les  trait^  qu'Elle  a  Phonneur  d'avoir  faits  aveo  Sa  Maj^-, 
-et  qu^il  ne  lui  en  restera  plus  k  Tavenir  le  moindre  scrupule  k  cet  6gard, 
de  suite  que  toute  autre  d^laration  qu'on  en  pourroit  demander  k  S.  A.  £. 
ne  serait  pas  seulement  superflue,  mais  aussi  outrageuse  en  quelque 
mani^re  et  peu  conforme  k  la  confiance  que  le  Boy  a  prise  jusqu'ici  avec 
tant  de  raison  en  S.  A.  E.  ...  Nous  esp^rons  donc  qu*&  la  Cour  on  se 
<^ntentera  entiörement  de  tous  ces  ^daircissements  donn^ . .  .** 

26* 


404  Siebentes  Baoh. 

nötigt  sei ;  aber  da  derartige  Verpflichtungen  wechselseitig  seien 
und  Groissy  wie  R6benac  eine  Unterstützung  des  Kurfürsten 
bei  Gelegenheit  des  sogenannten  „Eonzertes**  gegen  Schweden, 
im  September  1684,  durchaus  verweigert  hätten,  finde  Branden- 
burg sich  gleichfalls  nicht  gebunden. 

Die  ersten  Erklärungen  Spanheims  hatten  tatsächlich  in 
Paris  versöhnend  gewirkt;  der  König  wünschte  keinen  offenen 
Zerfall  mit  Brandenburg,  um  die  Zahl  seiner  Gegner  nicht  zu 
vermehren.  Allein  die  entschiedene  Sprache  des  kurfürstlichen 
Briefes  und  noch  mehr  die  Denkschrift  vom  10./20.  Oktober 
erregten  das  Mifstrauen  der  Franzosen  von  neuem.  Dazu  kam 
ein  abermaliges  trennendes  Moment :  die  Aufhebung  des  Ediktes 
von  Nantes  am  22.  Oktober.  Der  Kurfürst  war  über  diese  Ver- 
folgung seiner  französischen  Glaubensgenossen  auf  das  äufserste 
entrüstet  und  verbarg  auch  vor  Röbenac  seinen  Schmerz  und 
Grimm  keineswegs.  Er  antwortete  mit  scharfen  Gegenmafsregeln : 
dem  berühmten  Potsdamer  Edikt  vom  29.  Oktober  /  8.  November, 
sowie  dem  Verbote  an  seine  katholischen  Untertanen,  die  Messe 
in  den  Häusern  des  französischen  und  des  kaiserlichen  Gesandten 
zu  hören.  Auf  seines  Herrn  ausdrücklichen  Befehl  nahm  sich 
Spanheim  der  bedrängten  französischen  Reformierten  in  jeder 
Weise  an  und  begünstigte,  trotz  der  französischen  Edikte,  ihre 
Flucht  über  die  Grenze.  In  Paris  war  man  wiederum  über 
dieses  Auftreten  Brandenburgs  sehr  erbittert.  Waren  doch  die 
weifischen  Herzoge  feige  genug  gewesen,  R^benac  zu  erklären: 
sie  seien  zwar  gute  Protestanten  und  bedauerten  lebhaft  die 
üble  Behandlung  ihrer  Glaubensbrüder,  möchten  indessen  zu- 
geben, dafs  die  Schritte,  die  der  König  in  dieser  Beziehung 
getan,  für  ihn  selbst  sehr  nützliche  seien  ^  Solche  arge  Selbst- 
demütigung seiner  Nachbarn  mufste  das  offene  und  kühne  Ver- 
fahren des  Brandenburgers  den  Gewaltmenschen  an  der  Seine 
um  so  unerträglicher  erscheinen  lassen.  Groissy  verhehlte  das 
Spanheim  nicht :  während  der  König  sich  in  die  Angelegenheiten 
der  katholischen  Untertanen  Brandenburgs  nicht  mische,  werfe 
der  Kurfürst  sich  zum  Beschützer  der  hugenottischen  Unter- 
tanen des  Königs  auf.  Der  Minister  übersah  dabei  nur,  dafs 
es  in  Brandenburg  keine  Katholikenverfolgungen  gab,  wie  die 
Protestantenvemichtung  in  Frankreich.  —  Ein  solches  Verfahren, 


^  Ms.  Dep.  B^benacs  vom  13.  Nov.  1685  (B). 


Sechsundyierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.      405 

setzte  Groissy  feindselig  hinzu,  sei  ungehörig  für  einen  verbttn« 
deten,  ja,  sogar  fttr  einen  neutralen  Fürsten  und  habe  den  König 
vollends  über  die  wahren  Gesinnungen  des  Kurfürsten  aufgeklärt. 
Als  Friedrich  Wilhelm  sich  besonders  über  die  gewaltsame  Unter- 
drückung  der  Protestanten  im  Fürstentum  Orange  beschwerte, 
das  dereinst  aus  der  oranischen  Erbschaft  seinen  Söhnen  zu- 
fallen müsse,  und  sie  als  eine  Verletzung  des  Nymweger  Friedens 
bezeichnete,  antwortete  der  König,  er  könne  natürlich  keine 
Verhandlungen  darüber  zulassen,  was  er  in  seinem  Reiche  anzu- 
ordnen für  zulässig  befindet 

Die  Kluft  zwischen  Frankreich  und  Brandenburg  erweiterte 
sich  immer  mehr,  je  schärfer  sich  der  Streit  wegen  der  Kur- 
pftlzer  Erbschaft  zuspitzte.  Ludwig  XIV.  wünschte  vor  allem 
zu  vermeiden,  dafs  diese  Angelegenheit  durch  Kaiser  nnd  Reich 
entschieden  werde,  vor  deren  Gericht  sie  gehörte,  deren  Aus- 
spruche aber  er  das  französische  Königshaus  nicht  unterwerfet! 
wollte.  Er  schlug  also  (10.  Oktober)  vor,  die  Sache  der  Ent- 
scheidung des  Papstes  Innocenz  XI.  zu  unterbreiten,  und  be- 
gründete diesen  Antrag  mit  seiner  Friedensliebe  und  seinem 
Wunsche,  die  christlichen  Wa£fen  nicht  von  dem  Kampfe  gegen 
die  Türken  abzuwenden^.  In  der  Tat  hatte  Ludwig  ein  Inter- 
esse daran,  den  Kaiser  von  einem  Partikularfrieden  mit  den 
Türken  abzuhalten,  damit  inzwischen  Frankreich  ungestört  seine 
Herrschaft  über  die  Rheinlande  ausdehnen  könne*.  Der  Papst, 
voll  Hoffnung,  auf  diese  Weise  den  Frieden  innerhalb  der  Christen- 
heit zu  bewahren  und  den  erfolgreichen  Krieg  gegen  die  Un- 
gläubigen zu  verlängern,  erklärte  sich  gern  bereit,  das  ihm  von 
Frankreich  angebotene  Schiedsrichteramt  zu  übernehmen. 

Friedrich  Wilhelm,  als  der  bedeutendste  unter  den  Testaments- 
vollstreckern,  war  aber  sogleich  entschlossen,  die  Entscheidung 
Roms  nicht  anzuerkennen.  Er  wollte  keineswegs  das  Haupt  der 
katholischen  Kirche  als  Richter  in  Reichsangelegenheiten  gelten 
lassen,  und  zwar  um  so  weniger,  als  die  früheren  Päpste  sich 


^  Ms.  Dep.  R^benacs  vom  17.  Nov.  mit  Bescheid  des  Königs  (B). 

*  Für  das  Folgende  überhaupt:  Im  mich,  Orleansscher  Krieg,  sowie: 
Papst  Innocenz  XI.  (Berlin  1900)l 

'  Ms.  Mandelsloh  an  Kurf.  16./26.  Okt.  Vgl.  auch  seine  folgenden 
Depeschen  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XL,  9B).  —  Die  oben  an- 
geführten sind  demnach  die  wahren  Beweggründe  des  Königs,  nicht  die 
von  Immich  (Innocenz  XL,  S.  43 f.)  angegebenen. 


406  Siebentes  Buch. 

eine  solche  Gewalt  grundsätzlich  zugeschrieben  hatten.  Auch  sei 
ein  derartiger  Schiedsspruch,  sagte  er,  für  die  Evangelischen  im 
allgemeinen  und  zumal  fttr  deren  Pfälzer  Glaubensgenossen  sehr 
gefährlich.  Alle  protestantischen  Reichsstände  wurden  von 
Brandenburg  aufgefordert,  sich  seinem  Widerstände  gegen  jene 
Zumutung  anzuschliefsen.  Die  Pfälzer  Sache  solle  ihrem  recht- 
mäfsigen  Forum  verbleiben,  das  heifst  dem  Spruche  des  Kaisers 
und  der  Reichsgerichte. 

Auf  letzteren  Standpunkt  stellte  sich  auch  Kurfürst  Philipp 
Wilhelm:  er  dürfe  als  Reichsstand  sich  keiner  fremden  Juris- 
diktion unterwerfen  9  am  wenigsten  ohne  Zustimmung  seiner 
eventuell  zum  Erbe  berechtigten  Agnaten,  wie  besonders  des 
—  protestantischen  —  Königs  von  Schweden.  Dem  Rate  des 
Brandenburgers  gemäfs  beharrte  er  auf  dem  gesetzlichen  Boden, 
der  ihm  durch  das  Reichsrecht,  sowie  durch  das  Testament 
seines  Vorgängers  Karl  gewährt  wurde:  von  hier  aus  durfte  er 
die  gegnerischen  Darlegungen  ruhig  abwarten.  Er  sowohl  wie 
Friedrich  Wilhelm  hatten  die  Genugtuung,  dafs  Kaiser  Leopold  I. 
in  höflicher,  aber  bestimmter  Weise  das  Schiedsrichteramt  des 
Papstes  gleichfalls  zurückwies  (26.  Oktober  1685). 

Allein  ehe  diese  Dinge  sich  abspielten,  hatte  Ludwig  XIV. 
für  zeitgemäfs  gehalten,  seine  Löwenkrallen  auszustrecken,  um 
den  Deutschen  zu  zeigen,  dafs  er,  zu  seinen  Zielen  zu  gelangen, 
noch  über  andere  Mittel  verfüge  als  gütliche  Unterhandlung. 
Galt  doch  in  Frankreich  der  Grundsatz,  dafs  in  den  unheilbar 
verworrenen  Fragen  des  Reichsrechtes  der  Stärkste  auch  immer 
das  beste  Recht  besitze  ^  Am  5.  November  liefs  er  auf  pfälzischem 
Boden  durch  französische  Soldaten  zwei  Mannheimer  Bürger, 
ausgewanderte  französische  Protestanten,  verhaften  und  nach 
Vincennes  abführen.  Er  beschuldigte  sie  eines  Komplottes  gegen 
.sein  Leben  und  forderte  unter  gleicher  Anklage  die  Auslieferung 
dreier  weiterer,  längst  in  Mannheim  naturalisierter,  ausgewanderter 
Hugenotten.  Philipp  Wilhelm  liefs  sie  in  Gewahrsam  nehmen, 
verweigerte  aber  ihre  Auslieferung  bis  zu  genauerer  Begründung 
ihres  angeblichen  Verbrechens  und  beschwerte  sich  über  die 
Wegführung  der  beiden  anderen.  Eine  nähere  Angabe  über  die 
offenbar  ganz  imaginäre  Schuld  der  fünf  Hugenotten  hat  die 
französische  Regierung  nie   beibringen   können.     Dafür  berief. 


^  M^moire^  de  Sourches,  I,  255. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.      407 

trotz  Spanheims  Gegenbemühungen,  der  König  den  Abbö  Morel 
von  Heidelberg  ab,  und  die  Kommentare,  die  diese  Mafsregel 
begleiteten,  liefsen  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  Ludwig  hiermit 
seinen  Zorn  über  das  ganze  Verfahren  Philipp  Wilhelms  in  der 
Erbsache  darlegen  wollte^. 

Die  Wirkung  seines  Vorgehens  blieb  nicht  aus.  Philipp 
Wilhelm  geriet  in  gröfste  Aufregung  und  sandte  seine  Hilferufe 
nach  allen  Richtungen.  Die  Kurfürstin  -  Mutter  liefs  sich  durch 
die  Ermahnungen  des  Brandenburgers  nicht  davon  abhalten, 
das  Testament  ihres  Sohnes  abermals  „aus  acht  Gründen"  anzu- 
fechten und  die  Auslieferung  der  Hinterlassenschaft  an  die 
natürlichen  Erben  zu  verlangen.  Der  Landgraf  von  Kassel 
pflichtete  ihr  bei,  aus  Furcht  vor  der  Rache  des  Allerchrist- 
lichsten  Königs,  die  das  ganze  Reich  in  Mitleidenschaft  ziehen 
werde.  Der  Markgraf  von  Ansbach  wollte,  aus  fthnlichen  Gründen, 
sein  Amt  als  Testamentsvollstrecker  niederlegen.  Der  einzige 
unter  den  Beteiligten,  der  fest  blieb,  war  Friedrich  Wilhelm. 
Er  tadelte  kühnlich  das  Benehmen  Frankreichs  in  der  Sache 
der  Mannheimer  Bürger  als  rechtswidrig  und  ermahnte  den 
Pfälzer  zur  Beharrlichkeit,  „damit  das  untertänigste  Vertrauen, 
welches  die  Untertanen  und  in  specie  die  Reformierten  gegen 
Sr.  Kurf.  Durchl.  (von  der  Pfalz)  billig  haben  müfsten,  keinen 
Anstofs  erleide".  Sein  Gesandter  Spanheim  unterstützte  das 
Anliegen  des  kurpfälzischen  Agenten  in  Paris,  Peucker,  um 
Angabe  der  Schuldbeweise.  Nur  die  Furcht,  von  dem  Branden- 
burger und  dessen  Glaubensgenossen  unter  den  Fürsten  verlassen 
zu  werden,  hielt  Philipp  Wilhelm  davon  ab,  der  Forderung  des 
Königs  sich  zu  unterwerfen.  Das  war  diesem  sehr  wohl  bekannt ; 
er  schrieb  den  Widerstand  des  Pfälzers  gegen  die  Ansprüche 
des  Herzogs  von  Orleans  hauptsächlich  der  Einmischung  des 
Brandenburgers  zu^.  Dementsprechend  beschwerte  sich  Groissy 
hei  Spanheim  wegen  der  Gegnerschaft,  die  dessen  Herr  in  der 
Pfälzer  Angelegenheit  allerorten  dem  Könige  zeige.  Die  Kur- 
fürsten von  Mainz  und  Köln  seien  mit  der  päpstlichen  Ver- 
mittlung einverstanden;  nur  Brandenburg,  angeblich  der  Ver- 
bündete Frankreichs,  widersetze  sich  ihr  beständig. 

Endlich  spitzte  sich  auch  in  dem  Streite  zwischen  dem  Kur- 


^  Ms.  Korresp.  Mandelslohs  vom  Dez.  1685. 

«  Ms.  Ludwig  XIV.  an  R^benac,  4.  April  1686  (B). 


408  Siebentes  Buch. 

fttrsten  von  Köln  und  der  gleichnamigen  Reichsstadt  der  Gegensatz 
zwischen  Friedrich  Wilhelm  und  Frankreich  immer  schärfer  zu. 
Dieses,  das  unter  dem  Namen  des  ihm  verbündeten  Maximilian 
Heinrich  die  Königin  des  Unterrheins  selber  zu  besitzen  wünschte, 
forderte  von  dem  Brandenburger,  dafs  er  deren  Magistrat  zur 
Unterwerfung  unter  die  Ansprüche  ihres  Erzbischofs  ermahne. 
Friedrich  Wilhelm  jedoch,  der  die  Pläne  der  Franzosen  wohl 
erkannte,  ermunterte  gerade  deshalb  den  Kölner  Magistrat  zum 
Widerstände  und  sagte  ihm,  in  Gemäfsheit  eines  Beschlusses  des 
westfillischen  Ejreises ,  für  den  Notfall  bewaffneten  Beistand  zu. 
Zum  Lohne  gestattete  der  Magistrat  den  Reformierten  freie 
Religionsübung  ^ 

Alle  diese  Momente :  die  Denkschrift  vom  20.  Oktober,  die 
Zwistigkeiten  wegen  der  R6fugi6s,  sowie  der  Gegensatz  in  der 
Pfälzer  und  der  Kölner  Angelegenheit,  legten  es  von  neuem  dem 
Könige  von  Frankreich  nahe,  sich  mit  den  bisherigen  allgemeinen 
Freundschaftserklärungen  Brandenburgs  nicht  zu  begnügen,  son- 
dern ihm  die  Alternative  vorzulegen :  sofortiger  Bruch  oder  de- 
mütigende Unterwerfung.  Ob  es  klug  war,  letztere  zu  er- 
;swingen,  die  doch  nur  auf  dem  Papiere  bleiben,  den  Kurfürsten 
vor  seinen  neuen  Verbündeten  nur  vorübergehend  kompromittieren, 
ihn  und  seine  Ratgeber  aber  zu  bitterstem  Rachegefühl  veran- 
lassen mufste,  —  das  ist  eine  andere  Frage.  Genug,  schon  An- 
fang November  zeigte  Groissy  sich  plötzlich  unbefriedigt  von 
Friedrich  Wilhelms  bisherigen  Darlegungen  und  verlangte  eine 
förmliche,  von  ihm  selbst  ausgehende  schriftliche  Erklärung 
seiner  Unterwerfung  unter  die  französische  Politik  ^.  Das  gleiche 
liefs  der  König  durch  R6benac  den  Kurfürsten  wissen;  sonst 
werde  er  gegen  Brandenburg  mit  den  Braunschweigem  ab- 
schliefsen^.  Der  Gesandte  lieferte  zu  diesem  Ansinnen  die  un- 
zweideutigste Erläuterung:  unbedeutend  an  sich,  habe  die  De- 
klaration erst  dadurch  Wichtigkeit  erlangt,  dafs  sie  verweigert 
worden  sei ;  nun  könne  der  König  nicht  mehr  darauf  verzichten, 
da  nach  allem,  was  vorgefallen,  sonst  auf  des  Kurfürsten  Bundes- 
treue nicht  mehr  zu  zählen  sei. 


^  Ms.  Depeschen  B6benacs  vom  Juni  u.  Juli  1685  (B). 
*  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  5.,  10.  Nov.   1685;  Berlin,  Oteh.  Staats- 
archiv, XI,  Frankr.  24  B. 

'  Ms.  Ludwig  XIV.  an  B^benac,  1.,  15.  Nov.  (B). 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       409 

Friedrich  Wilhelm  geriet  darüber  in  grofse  Aufregung.  Er 
stürmte,  trotz  seiner  Gicht,  im  Zimmer  auf  und  nieder.  Er  rief 
aus :  wenn  er  darauf  eingehe,  werde  er  sich  selbst  entehren  und 
dadurch  der  Freundschaft  des  Königs  unwürdig  werden,  die  er 
sich  doch  zu  erhalten  wünsche.  Er  könne  die  Deklaration  nie- 
mals zugestehen  und  wolle  lieber  das  Äufserste  über  sich  er- 
gehen lassen.  Ebenso  meinte  Fuchs,  lieber  den  Tod  zu  leiden, 
als  seinem  Herrn  zu  solcher  Feigheit  zu  raten ^  Allein,  bei 
ruhiger  Überlegung  mufste  man  sich  in  Berlin  sagen,  dafs  der 
Augenblick  zum  Bruche  mit  Frankreich  noch  nicht  gekommen 
sei.  Sollte  man,  kaum  der  Unterstützung  durch  Holland  sicher, 
die  französischen  Truppen  wieder  in  Eleve,  in  der  Mark,  an  der 
Weser  erscheinen  sehen?  Noch  war  mit  dem  Kaiser  nicht  ab- 
geschlossen. Noch  waren  alle  Forderungen  Brandenburgs  an 
Kaiser  und  Reichstag,  ihm  die  seit  zehn  Jahren  versprochenen 
Entschädigungen  wegen  des  Schwedeneinfalls  endlich  zu  ge- 
währen, vergeblich  '.  Frankreich  bemühte  sich  unausgesetzt,  aus 
der  Hamburger  Angelegenheit  einen  Streit  der  Lüneburger  mit 
dem  Kurfürsten  zu  entwickeln,  um  die  Weifen  gegen  ihn  aus- 
spielen zu  können;  es  kam  schon  so  weit,  dafs  Friedrich  Wil- 
helm den  aus  dem  Türkenkriege  heimkehrenden  braunschweigi- 
schen  Truppen  den  Durchmarsch  durch  seine  Staaten  versagte '. 
Brach  ein  Krieg  mit  Frankreich  aus,  so  stand  es  fest,  dafs  die 
Weifen  auf  dessen  Seite  die  brandenburgischen  Interessen  und 
Besitzungen  bekämpften.  Anderseits  tat  die  französische  Re- 
gierung alles,  dem  Kurfürsten  die  bittere  Pille  der  Deklaration 
zu  versüfsen:  „er  möge^,  liefs  man  ihm  sagen,  „Sr.  Allerchrist- 
lichsten  Majestät  diese  kleine  Genugtuung  geben'';  sie  werde 
ihm  dafür  Beweise  intimster  Freundschaft  in  der  Zukunft  zu  teil 
werden  lassen*. 

Friedrich  Wilhelm  beschlofs,  wenigstens  zum  Teile,  in  mög- 
lichst würdiger  Form,  auf  das  Verlangen  Frankreichs  einzu- 
gehen. Er  vermied  eine  öffentliche  Erklärung,  aber  er  schrieb, 
am  5.  Dezember  1685,   dem  Könige  einen  ostensiblen  Brief*. 


^  Berichte  R^benacs  vom  1.,  8.  Dez.;  Prutz,  304. 
«  Londorp,  XII,  149  f. 
»  U.  u.  A.,  XIV,  1193.  1204. 

*  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  27.,  30.  Nov.,  u.  Ludwig  XTV.  an  Kurf., 
26.  Nov.;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  0. 

*  U.  u.  A.,  n,  541. 


410  Siebentes  Buch. 

Röbenac,  hiefs  es  darin,  habe  ihn  der  Fortdauer  des  Wohlwollens 
Sr.  Majest&t  versichert  Er  selber  werde  stets  darauf  bedacht 
sein,  die  Zuneigung  und  Freundschaft  des  Königs  zu  bewahren. 
„Es  steht  fest,  dafs  ich  bei  der  Erneuerung  des  Bündnisses,  das 
ich  mit  den  Herren  Generalstaaten  seit  dem  Beginne  dieses  Jahr- 
hunderts gehabt,  nichts  getan  noch  zu  tun  beabsichtigt  habe,  was 
den  zwischen  Ew.  Maj.  und  mir  geschlossenen  Verträgen  zu- 
wider wäre.  Und  da  ich  aufserdem  die  stärksten  Versicherungen, 
die  man  verlangen  kann,  gegeben  habe,  dafs  ich  fortfahren  werde, 
die  erwähnten  Verträge  genau  zu  beobachten  und  den  in  ihnen 
enthaltenen  Verpflichtungen  Genüge  zu  tun,  habe  ich  solches 
gern  noch  einmal  hier  wiederholen  wollen,  in  der  Hofhung,  dafs 
Ew.  Maj.  nicht  gestatten  wird,  dafs  man  mehr  von  einem  Fürsten 
und  Verbündeten  verlange,''  der  zu  ehrliebend  sei,  um  jemals 
den  Vorwurf  des  Vertragsbruches  auf  sich  zu  laden. 

Das  Schreiben  war  in  allgemeinen  Ausdrücken  abgefafst  und 
vermied  sorgfältig  jede  bestimmte  Zusage,  besonders  die  unge- 
heuerliche, keine  Verträge  mehr  ohne  Genehmigung  Frankreichs 
abschliefsen  zu  wollen.  Es  entsprach  also  nicht  ganz  den  Forde- 
rungen des  Königs.  Allein  es  enthielt  doch  eine  Dementierung 
der  letztjährigen  Mafsregeln  des  Kurfürsten  und  Versprechungen, 
die  der  jüngsten  Richtung  seiner  Politik  entgegenliefen.  In- 
sofern hatte  R6benac  recht,  es  als  eine  „Unterwerfung  des 
Berliner  Hofes**  zu  bezeichnen.  Friedrich  Wilhelm  empfand  das 
schwer,  und  bittere  Gefühle  erfüllten  sein  Herz.  Gebe  der  König, 
eröfihete  er  Spanheim,  sich  mit  seinem  Briefe  nicht  zufrieden, 
so  weise  er  jede  weitere  Unterhandlung  in  der  Deklarations- 
sache zurück.  Aber  zu  extremen  Vorgängen  kam  es  nicht  mehr. 
Ludwig  schrieb  dem  Kurfürsten  am  27.  Dezember  1685,  um  ihm 
seine  gänzliche  Zufriedenheit  mit  den  im  Briefe  vom  5.  ent- 
haltenen Erklärungen  auszudrücken  und  ihn  für  die  Zukunft 
seiner  vollen  Freundschaft  zu  versichern.  Die  seit  Monaten  ver- 
siegte Quelle  der  französischen  Subsidien  flofs  von  neuem  ^.  Der 
König  benachrichtigte  amtlich  seine  Vertreter  im  Auslande,  dafs 
er  sich  von  der  Vertragstreue  des  Kurfürsten  von  Brandenburg 
durchaus  überzeugt  habe '.  Ja,  Röbenac  erläuterte  seines  Herrn 
vortreffliche  Gesinnungen,  indem  er  Friedrich  Wilhelm  in  Aus- 


'  Dies  alles  nach  Geh.  Staatsarchiv,  a.  a.  0. 
■  3.  Januar  1686;  d'Avaux,  V,  111. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkelir  von  Frankreich.      411 

sieht  stellte,  jener  werde  ihm  zur  Erlangung  der  schlesischen 
Satisfaktion  Beistand  leistend 

Es  war  zu  spät  Gerade  die  tiefe  Demütigung,  die  Ludwig 
dem  selbstbewufsten  Brandenburger  auferlegt  und  von  der  er 
geglaubt  hatte,  sie  habe  dessen  Widerstandskraft  gründlich  ge- 
brochen, hatte  diesen  zum  endgültigen  innerlichen  Zerfall  mit 
Frankreich  gebracht  »Ich  werde,"  rief  er  wiederholt  aus,  „im 
Grabe  nicht  ruhen  können,  ich  hätte  mich  denn  zuvor  an  Frank- 
reich gerächt.** '  Die  Erfahrungen,  die  er  in  den  letzten  Jahren 
von  dem  rechtsvemichtenden  Despotismus  und  der  höhnischen 
Selbstsucht  Ludwigs  XIV.  gemacht,  Hessen  ihn  auf  seine  bis- 
herigen Empfindlichkeiten  und  alle  Bedenken  verzichten.  Gerade 
nun  warf  er  sich  dem  Kaiser  in  die  Arme.  Dazu  hatte  der 
neue  Gesandte  Österreichs,  Baron  Fridag,  nicht  wenig  bei- 
getragen. Der  geschickte  Diplomat  hatte  die  richtige  Weise  ge- 
funden, den  Kurfürsten  zu  behandeln:  anstatt  zu  stürmen  und 
zu  drohen,  wie  seine  Vorgänger,  rief  er  bei  dem  greisen  und 
trübe  gestimmten  Herrn  das  Mitleid  mit  der  Lage  von  Kaiser 
und  Reich  und  das  vasallenhafte  Pflichtgefühl  an^. 

Friedrich  Wilhelm  verlangte  von  Leopold  nur  noch  eine 
Genugtuung,  die  er  für  unentbehrlich  für  seine  Ehre  und  Re- 
putation hielt:  an  Stelle  aller  seiner  schlesischen  Ansprüche 
solle  Österreich  ihm  den  schlesischen  Kreis  Schwiebus  gewähren, 
der,  in  Gröfse  von  24  Quadratmeilen,  ohnehin  durch  branden- 
burgisches Gebiet  von  Schlesien  gänzlich  getrennt  war  (Anfang 
November  1685).  Geschehe  dies,  so  wolle  er  sich  mit  dem 
Kaiser  nicht  minder  gegen  Frankreich  als  gegen  die  Türken 
eng  verbünden  *.  Vergebens  suchte  Fridag  ihn  von  dieser  Forde- 
rung durch  Anerbieten  der  Zession  der  Liechtensteinschen  Schuld- 
forderung an  Ostfriesland,  des  Titels  eines  Reichsadmirals ,  ja, 
des  Privilegs  der  Nichtappellation  an  die  Reichsgerichte  für 
Pommern  abzubringen.  Immerhin  hatten  diese  Vorschläge,  durch 
ein  freundliches  Schreiben  des  Kaisers  unterstützt,  Friedrich 
Wilhelm  von  dessen  guter  Gesinnung  überzeugt.  Er  schlofs  am 
25.  Dezember  1685  /  4.  Januar  1686  den  Vertrag  ab ,  durch  den 


»  U.  u.  A.,  XIV,  1224. 

*  Rieh.  Fester ,  Die  Augsburger  Allianz  von  1686(Müiichen  1893)S.  72. 

*  Ma  Depeschen  Böbenacs  vom  Mai  1685  (B). 

*  Das  Folgende  nach  Pribram,  österr.  u.  Brandenb.  1685—1686, 
S.  41  ff. 


412  Siebentes  Buch. 

er  für  den  Mai  zum  Kampfe  gegen  die  TQrken  dem  Kaiser  ein 
Truppenkorps  von  7000  Mann  verhiefs,  die  er  selber  verpflegen 
werde;  dafür  solle  er  in  bar  150000  Taler  erhalten.  Das 
brandenburgische  Korps  sollte  übrigens  ungeteilt  und  zwar  stets 
bei  der  kaiserlichen  Hauptarmee  verbleiben,  auch  sein  Befehls* 
haber  zu  allen  wichtigen  Beratungen  herangezogen  werden^. 
Als  gleichberechtigter  Verbündeter  trat  hier  Friedrich  Wilhelm 
neben  das  Reichsoberhaupt. 

So  waren  in  vielversprechender  Weise  die  Wege  für  die 
Hauptunterhandlung  geöffnet.  Der  Kurfürst  stellte  seinen  völligen 
Anschlufs  an  das  Haus  Habsburg  in  Aussicht :  ein  Verteidigungs- 
bündnis mit  dem  Kaiser  auf  zwanzig  Jahre,  die  Aufgabe  aller 
entgegengesetzten  Bündnisse,  Verteidigung  der  Pfalz,  sowie  der 
spanischen  Niederlande  gegen  Frankreich,  Unterstützung  des 
Kaisers  bei  der  Erledigung  der  spanischen  Erbschaft,  Beihilfe 
zur  Erlangung  des  römischen  Königtums  und  dereinst  der  Kaiser- 
krone für  Leopolds  ältesten  Sohn,  Erzherzog  Joseph.  Im  Ver- 
gleich mit  diesen  Vorteilen  für  Österreich  waren  seine  Forde- 
rungen nicht  übertrieben :  die  Abtretung  des  Kreises  Schwiebus, 
sowie  der  Liechtensteinischen  Schuldforderung,  Hilfsgelder  von 
hunderttausend  Gulden  im  Frieden  und  ebensovielen  Talern  wäh- 
rend des  Krieges,  endlich,  eventuell,  Beistand  mit  12000  Mann. 
Nur  Fuchs  erhielt  von  diesem  Vertragsentwurfe  Kenntnis,  den 
der  Kurfürst  in  den  ersten  Tagen  des  Januar  zur  Sprache 
brachte. 

Er  bedeutete  einen  völligen  Systemwechsel.  Friedrich  Wil- 
helm wollte  dem  Bündnisse  mit  Frankreich  ein  jähes  Ende  be- 
reiten, seine  Politik  und  seine  Streitkräfte  völlig  in  den  Dienst 
der  Habsburger  stellen,  —  eine  Zusage,  die,  für  die  gesamten 
europäischen  Verhältnisse  von  grofser  Wichtigkeit,  besonders 
für  Leopold  einen  hervorragenden  Wert  haben  mufste.  Ging 
sie  doch  weit  über  die  gegenwärtigen  Verwicklungen  hinaus,  in- 
dem sie  dem  Kaiserhause  die  Fortdauer  seiner  Autorität  über 
das  Reich  und  vor  allem  die  Erreichung  seines  wichtigsten 
Zieles,  der  immensen  spanischen  Erbschaft,  zu  erleichtem  ver- 
hiefs. Gegenüber  solchen  Weltinteressen  konnte  die  Abtretung 
eines  kleinen,  armen,   von  Lutheranern  bewohnten  und  örtlich 


1  Mörner,  475 ff. 


Sechsundyierzigstee  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreicli.       413 

von  den  österreichischen  Besitzungen  ohnehin  getrennten 
Ländchens  gar  nicht  in  Betracht  kommen. 

Allein  die  blinde  Hartnäckigkeit  der  österreichischen  Staats- 
lenker war  ebenso  grenzenlos  wie  ihre  Abneigung  gegen  den 
brandenburgischen  „Ealviner",  gegen  den  „neuen  König  der 
Vandalen''.  In  der  Ministerkonferrenz,  die  am  23.  Januar  1686 
in  Wien  abgehalten  wurde,  sprach  die  Mehrheit  sich  geg^  die 
Zession  von  Schwiebus  aus. 

Das  Werk  drohte  noch  im  letzten  Augenblicke  zu  scheitern. 
Da  fand  Fridag  einen  eigentümlichen  Ausweg. 

Wir  kennen  die  Mifsverständnisse,  die  seit  Jahren  zwischen 
dem  Kurfürsten  und  seinem  ältesten  Sohn  obwalteten;  wir 
wissen,  dafs  Friedrich,  beraten  von  seinem  Oheime  Anhalt,  ein 
eifriger  Gegner  der  französischen  Allianz,  ein  treuer  Anhänger 
des  Kaisers  war.  Sich  diesem  anzuschliefsen,  hielt  er  für  seine 
Pflicht,  für  die  nützlichste  und  würdigste  Richtung  der  branden- 
burgischen Politik.  Anderseits  war  der  Kurprinz  nur  knapp 
mit  Geldmitteln  versehen  und  bei  seinem  Hange  zur  Verschwen- 
dung in  steten  pekuniären  Verlegenheiten.  Auf  diese  Umstände 
hatte  Fridag  schon  längst,  seit  dem  Juli  1685,  den  schlauen, 
aber  unfeinen  Plan  gebaut,  mit  Hilfe  des  Prinzen  dessen  Vater 
zu  überlisten  und  durch  einen  groben  Betrug  das  Bündnis  des 
Kurfürsten  für  Österreich  zu  erlangen :  der  Kurprinz  sollte,  um 
den  Preis  einer  beträchtlichen  Geldunterstützung,  im  geheimen 
die  schriftliche  Zusicherung  erteilen,  nach  seinem  Regierungs- 
antritte den  Schwiebuser  Kreis  an  Österreich  zurückzugeben. 
Für  diesen  Gedanken  erlangte  Fridag  nunmehr  (Ende  Januar  1686) 
die  Genehmigung  seines  kaiserlichen  Herrn  und  trat  dann  hier- 
mit dem  Kurprinzen  näher.  Er  setzte  ihm  auseinander,  wie  der 
Abschlufs  einer  kaiserlich -brandenburgischen  Allianz  ein  un- 
bedingtes Erfordernis  für  die  Rettung  Europas  vor  der  französi- 
schen Gewaltherrschaft  sei,  und  dafs  dagegen  das  Schwiebuser 
Ländchen  gar  nicht  in  Betracht  kommen  könne.  Überdies  er- 
bot sich  der  Kaiser,  seinerzeit  für  den  Schwiebuser  Kreis  als 
Entschädigung  entweder  die  fürstlich  schwarzenbergischen  Güter 
Neustadt  und  Gimborn  zu  beschaffen  oder  hunderttausend  Taler 
zu  entrichten.  Endlich  zahlte  der  Wiener  Hof  dem  Prinzen 
sofort  zehntausend  Dukaten  zur  Linderung  seiner  finanziellen 
Nöte. 

Kurprinz   Friedrich   ging,  umnebelt  von   Fridags  Phrasen 


414  Siebentes  Buch. 

und  begierig,  sich  aus  seinen  eigenen  Verlegenheiten  zu  retten, 
auf  den  Handel  ein.  Am  28.  Februar  1686  unterzeichnete  er 
den  verlangten  Revers,  aus  dem  nur  die  10000  Dukaten  Be- 
stechungsgelder fortgelassen  wurden.  Seine  Rolle  bei  der 
schimpflichen  Abmachung  war  noch  unschöner  als  die  der  kaiser- 
lichen Diplomatie.  Diese  betrog  nur  einen  fremden  Fürsten, 
dessen  Beihilfe  sie  möglichst  billig  zu  erkaufen  suchte;  der 
zukünftige  Kurfürst  von  Brandenburg  betrog  seinen  eigenen 
Vater  und  Herrn.  Dafs  er  glaubte,  hiermit  einem  grofsen  poli- 
tischen Zwecke  zu  dienen,  kann  sein  hochverrätisches  Vorgehen 
einigermafsen  entschuldigen,  aber  nicht  rechtfertigen.  Er  hat 
später  das  Schmähliche  seiner  Handlungsweise  selbst  eingesehen 
und  durch  Unkenntnis  der  wahren  Sachlage  und  durch  absichtliche 
Täuschung  seitens  der  Kaiserlichen  zu  diskulpieren  gesucht  Ver- 
gebens: die  Aktenstücke  sind  da,  um  ihn  Lügen  zu  strafen. 
Er  hat  sich  wissentlich  und  vollständig  dem  Kaiser  gegen  den 
eigenen  Vater  zur  Verfügung  gestellt.  Anhalt  hatte  den  Ver- 
mittler bei  diesem  Werke  des  Truges  gemacht  ^ 

Es  war  eine  verhängnisvolle  Tat.  Indem  Kaiser  Leopold 
in  eben  dem  Augenblicke,  wo  ihm  deutsche  Krieger  ein  gewaltiges 
Königreich  gegen  die  Türken  eroberten,  nicht  einmal  ein  unbe- 
deutendes Stückchen  Landes  der  grofsen  Sache  Europas  opfern 
wollte,  indem  er  sich  hier  in  einen  unkaiserlich  schmählichen 
Betrug  einliefs ,  hat  er  den  Anlafs  zum  völligen  Verluste  Schlesiens 
für  seine  Nachkommen  und  zu  den  glorreichen  Siegesschlachten 
gegeben,  durch  die  Friedrich  II.  sein  Preufsen,  anstatt  Oester- 
reichs,  an  die  Spitze  Deutschlands  gestellt  hat. 

Um  die  Täuschung  zu  vollenden,  gab  sich  Leopold  den  An- 
schein, in  dem  Schwiebuser  Kreis  dem  Kurfürsten  ein  überaus 
schweres  Opfer  für  dessen  Freundschaft  und  Bündnis  darzu- 
bringen. Am  22.  März  1686  ward  endlich,  nach  langem 
Feilschen ,  von  Fuchs  und  Fridag  der  Brandenburg  -  kaiserliche 
Allianzvertrag  unterzeichnet '.  Er  nahm  ganz  ausdrücklich  die 
gemeinschaftliche  Verteidigung  aller  Reichsstände  gegen  sämt- 
liche   „unter   dem    Titel    der    Reunionen    und    Dependenzien" 


^  S.  besonders  den  Bericht  Fridags  vom  22.  März  1686  ;Pribram,95ff. 

'  Mörner,  750  ff.  —  Die  vielfachen  formalen  Streitigkeiten,  die  die 
endgültige  Ratifikation  des  Vertrages  noch  monatelang  hinausgeschoben 
haben,  übergehen  wir  als  ganz  unwesentlich. 


Sechaundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       415 

geschehenen  Vergewaltigungen,  auch  die  Beschützung  des  Kur- 
fürsten von  der  Pfalz  gegen  jede  Beeinträchtigung  seines  Ge- 
bietes in  Aussicht.  Sonst  entsprach  er  vollkommen  den  Aner- 
bietungen Friedrich  Wilhelms,  der  im  sechzehnten  Artikel  alle 
Ansprüche  auf  die  schlesischen  Fürstentümer  aufgab.  Der  Kaiser 
dagegen  verhiefs  (Art.  18),  den  König  von  Spanien  für  den 
Fall,  dafs  dieser  die  noch  geschuldeten  Subsidien  nicht  in  Geld 
abzutragen  vermöge,  zur  Abtretung  eines  angemessenen  „Land- 
stückes'' zu  bewegen. 

Dieser  geheime  „Defensionsvertrag**  eröffnet  eine  neue  Periode 
der  brandenburgischen  Politik,  die  Periode  der  treuen  Gefolg- 
schaft für  das  Haus  Habsburg,  die  länger  als  ein  halbes  Jahr- 
hundert gedauert  hat.  Gewifs  hat  Friedrich  Wilhelm  mit  diesem 
bedeutsamen  Schritte  vor  allem  der  Sache  der  europäischen 
Freiheit  einen  wichtigen  Dienst  leisten  wollen.  Die  sich  stets 
erneuernden  Gewalttaten  und  Ansprüche  Frankreichs  zum  Schaden 
des  Kelches  und  die  unbarmherzige  Verfolgung  seiner  Glaubens- 
genossen, die  doch  die  Wirkungen  der  kaiserlichen  Unduldsamkeit 
noch  weit  übertraf,  hatten  ihm  das  Bündnis  mit  Ludwig  XIV. 
unerträglich  gemacht,  ja,  als  ein  verderbliches  erscheinen  lassen. 
Das  Heil  konnte  nur  aus  dem  Zusammenschlüsse  aller  aktions- 
fähigen  Staaten  gegen  den  König  von  Frankreich  erwachsen. 
Indes  sprachen  auch  Gründe  des  partikularen  Staatsinteresses 
bei  diesem  Abschlüsse  mit.  Es  hatte  sich  herausgestellt,  dafs 
von  Frankreich  Beihilfe,  ja  nur  Zustimmung  zu  einer  Vergröfserung 
Brandenburgs  nicht  zu  erwarten  war.  Ludwig  XIV.  hatte  viel- 
mehr einige  Stücke  der  den  kurfürstlichen  Kindern  erster  Ehe 
rechtlich  zustehenden  oranischen  Erbschaft,  besonders  das 
Fürstentum  Orange,  ohne  Rechtsgrund,  rechtliches  Verfahren 
oder  Entschädigung  in  Besitz  genommen.  Dagegen  verschaffte 
das  Bündnis  mit  dem  Kaiser  dem  Kurfürsten  sogleich  den 
Schwiebuser  Kreis,  der  ihm  in  der  Tat  während  der  folgenden 
Monate  abgetreten  wurde,  für  die  Zukunft  die  Anwartschaft 
auf  Ostfriesland,  sowie  auf  ein  Stück  von  Spanisch-Geldem ; 
es  liefs  sich  endlich  nur  durch  die  Beihilfe  der  gegen  Frank- 
reich Koalierten  eine  günstige  Erledigung  der  oranischen  Erb- 
schaftssache erhoffen.  So  waren  es  mannigfache  Gründe,  allge- 
meine europäische  wie  besondere  brandenburgische,  die  Friedrich 
Wilhelm  zum  Abschlüsse  des  nDefensionsvertrages^  veranlafsten. 

Dessen  23.  Artikel  hatte  vorgesehen,  dafs  zur  Erklärung 


416  Siebentes  Buch. 

der  Abtretung  des  Schwiebuser  Kreises,  sowie  der  Liechten- 
steinschen  Schuldforderung  ein  für  die  Öffentlichkeit  bestimmter 
Scheinvertrag  aufgesetzt  werden  solle.  Dieser  sogenannte  „Satis- 
faktionsvertrag**,  bei  dem  auch  die  französisch  gesinnten  und  in 
die  geheimen  Verhandlungen  nicht  eingeweihten  Minister  Meinders 
und  Grumbkow  mitwirkten  —  um  so  Frankreich  desto  nach- 
drücklicher zu  t&uschen  — ,  ward  am  7.  Mai  unterzeichnete  Er 
enthielt  nur  die  Zugeständnisse  des  Kaisers,  die  mit  seinem 
Wunsche  begründet  wurden,  die  Ansprüche  des  Kurfürsten 
abzutun  und  ihm  zugleich  den  Dank  für  seine  Zusage  der  Hilfe- 
leistung gegen  die  Türken  kundzugeben.  Indes,  eine  wichtige 
Bestimmung  des  wahren  Vertrages  fand  selbst  in  diesem  Schein- 
vertrag Aufnahme:  das  Versprechen,  sämtliche  Besitzungen 
des  Pfälzers,  auch  Jülich  und  Berg,  zu  verteidigen.  Friedrich 
Wilhelm  hatte  es  in  voller  Absicht  getan,  ^damit  es  Frankreich 
möge  inne  werden  allenfalls,  und  man  sonsten  im  Reiche  adver- 
tiret  werde,  wessen  sich  Brandenburg  bereits  entschlossen''. 
Das  System  von  Verträgen,  das  Brandenburg  mit  den  ver- 
schiedenen Gegnern  Frankreichs  verknüpfte,  dehnte  sich  immer 
weiter  aus.  Nach  dem  Bündnis  mit  den  Niederlanden  und  noch 
vor  dem  Vertrage  mit  dem  Kaiser  war  eine  Allianz  mit  Schweden 
abgeschlossen  worden.  Falaiseaus  Unterhandlungen  in  Stockholm 
waren  zuerst  auf  die  Schwierigkeit  gestofsen,  dafs  die  dortigen 
Minister,  auch  Bengt  Oxenstierna,  gegen  Brandenburgs  schwan- 
kende Politik  schwer  überwindliches  Mifstrauen  hegten*  Allein 
das  persönliche  Eingreifen  König  Karls  XI.  hatte  zuletzt  die 
Sache  entschieden.  Der  junge  schwedische  Monarch  sprach 
grofse  Bewunderung  für  den  Kurfürsten  und  den  Wunsch  aus, 
sich  mit  diesem  Herrscher  zur  Erhaltung  der  Ruhe  und  des 
gegenwärtigen  Zustandes  in  Europa,  vornehmlich  in  den  reli- 
giösen Fragen,  zu  verbinden*.  Am  10./20.  Februar  1686  wurde 
demgemäfs,  durch  Grafen thal  und  abermals  durch  Fuchs,  ein  ge- 
heimes Verteidigungsbündnis  auf  zehn  Jahre  unterzeichnet^. 
Es  bezog  sich  auf  den  Schutz  nicht  nur  der  Länder  der  beiden 
kontrahierenden  Mächte,  sondern  auch  der  Integrität  des  Deutschen 


1  Mörner,  759ff.  —  Vgl.  U.  u.  A.,  XIV,  1289ff.;  sowie  Pester, 
Augsb.  Allianz,  28. 

•  Berlin,  Geb.  Staatsarchiv,  Rep.  XXXIV,  227  z. 
»  Mörner,  478ff. 


Sechsundvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  von  Frankreich.       417 

Reiches,  sowie  besonders  der  norddeutschen  Beichskreise.  Das 
Haus  Lüneburg  sollte  zu  dem  Vertrage  herangezogen  werden. 
Die  Hauptsache  war  für  den  Kurfürsten  der  erste  Sonderartikel, 
der  „bei  der  täglich  gewaltsam  steigenden  Gefährdung  des 
evangelischen  Wesens^  die  Verteidigung  der  Religions-  und 
Gewissensfreiheit,  zumal  für  die  Reichsst&nde ,  beiden  Mächten 
zur  Aufgabe  stellte,  und  zwar  mit  Hilfe  auch  des  Kaisers  und 
der  katholischen  Fürsten  Deutschlands.  Es  war  die  „evangelische 
Allianz'',  die  doch  durchaus  keine  Feindschaft  gegen  die  Katho- 
liken in  sich  begrifif ;  sie  bestimmte  hier  die  Handlungen  Karls  XI. 
und  Friedrich  Wilhelms. 

Nur  ein  so  starker  Beweggrund  konnte  den  Kurfürsten  zu 
einer  Politik  bewegen,  durch  die  er  auf  den  seit  jeher  ge- 
hegten Traum,  auf  das  Hauptziel  seines  Strebens  entschlossen 
Verzicht  leistete:  auf  die  Vertreibung  der  Schweden  vom 
deutschen  Boden  und  besonders  die  Erwerbung  Vorpommerns, 
zumal  Stettins  mit  dem  unteren  Oderlauf  für  Brandenburg. 
Was  er  auch  sonst  in  listiger  oder  leidenschaftlicher  Selbstsucht 
gefehlt  haben  mag  —  es  wurde  reichlich  wieder  wett  gemacht 
durch  das  gewaltige  Opfer,  das  er  hier  der  Freiheit  Europas 
und  des  Religionsbekenntnisses  gebracht  hat. 

Um  jedes  Mifstrauen  gegen  Schweden  aufgeben  zu  können, 
ersuchte  der  Kurfürst  diese  Macht  und  Holland,  ihn  in  ihre  am 
12.  Januar  1686  abgeschlossene  Allianz,  deren  universale  Be- 
deutung unzweifelhaft  war,  als  dritten  aufzunehmen.  Zwar 
widersetzte  sich  die  französische  und  auch  die  dänische 
Diplomatie  mit  Eifer  diesem  Bestreben,  da  beide  hierin  den 
Abfall  Brandenburgs  von  ihrem  eigenen  Bündnisse  erblickten. 
Allein  umsonst.  In  den  Niederlanden  gab  es  jetzt  dem  Ver- 
folger des  Protestantismus,  dem  übermütigen  Despoten  gegenüber 
nur  eine  Partei;  Wilhelm  von  Oranien  war  aus  einem  Partei- 
führer nunmehr  der  von  allen  anerkannte  Leiter  der  Republik 
geworden.  Es  herrschte  in  dieser  eine  Harmonie,  wie  solche 
seit  mehr  denn  einem  Vierteljahrhundert  unbekannt  gewesen 
war.  Und  diese  Einigkeit  umfafste  die  Freundschaft  für  Branden- 
burg. „Meine  Intention, **  sagte  der  Ratspensionar,  „zielt  dahin, 
mit  niemandem  in  einige  Mesures  zu  treten,  ohne  vorherge- 
gangene Kommunikation  mit  Durchlaucht  von  Brandenburg.''^ 

»  Ms.  Diest  an  Kurf.,  14./24.  Nov.,  21.  Nov.  / 1.  Dez.  1685;  Geh.  Staate- 
archiv (Berlin),  XXXIV,  227  z. 

Philippson,  Der  Grofse  Kurfflrst.    III.  27 


418  Siebentes  Buch. 

Die  im  Vertrage  vom  23.  August  1685  versprochene  Zahlung  an 
Brandenbui^  wurde  von  den  Hollilndem  noch  vor  dem  Fällig- 
keitstermin geleistete  So  kamen  die  Generalstaaten  der 
Forderung  des  Kurfürsten  gern  entgegen,  und  am  17./27.  April  1686 
wurde  die  „  Inklusion  **  Brandenburgs,  die  man  eifrig,  aber  ohne 
Erfolg,  vor  der  französischen  Diplomatie  geheimzuhalten  suchte, 
im  Haag  vollzogen'.  Friedrich  Wilhelm,  der  noch  jüngst  jeden 
Transport  schwedischer  Truppen  als  Kriegsfall  zu  betrachten 
pflegte,  gab  jetzt  zu  erkennen,  dafs  zur  Verteidigung  des  Reiches 
„auch  die  Krone  Schweden  ihrer  in  Teutschland  habenden, 
ansehnlichen   Provinzen   halber  mit  Fug  konkurrieren  kann".* 

Auch  mit  den  Weifen  versöhnte  er  sich.  Der  Kurprinz 
reiste  zu  seinem  Schwiegervater  von  Hannover  und  brachte  es 
zuwege,  dafs  dieser  einstweilen  auf  Verhandlungen  wegen  eines 
französischen  Bündnisses  verzichtete.  Der  hauptsächlichste  Streit- 
punkt zwischen  den  Lüneburgem  und  dem  Kurfürsten  ward  be- 
seitigt, indem  beide  Teile  sich  über  die  Quartiere  einigten,  in 
denen  die  dem  Kaiser  für  Ungarn  zu  stellenden  Truppen  unter- 
gebracht werden  sollten.  Aus  Rücksicht  auf  die  Vermittlung 
Brandenburgs  zog  —  wie  der  Herzog  von  Celle  laut  verkündete  — 
auch  dieser  Weife  seine  Scharen  aus  dem  Gebiete  Hamburgs 
zurück^.  Die  Lüneburger  kokettierten  jetzt  förmlich  mit  der 
brandenburgischen  Freundschaft. 

So  nahm  Friedrich  Wilhelm  eine  hervorragende  Stellung 
ein  in  der  Phalanx,  die  sich  allmählich  zu  einem  grofsen  euro- 
päischen Bunde  gegen  Ludwig  XIV.  gestaltete.  Er  suchte  auch 
die  evangelischen  Schweizerkantone  in  diese  Allianz  hinein- 
zuziehen, wozu  sie  in  der  Tat  viele  Neigung  zeigten.  Das 
Streben  des  Allerchristlichsten  Königs  nach  der  Weltherrschaft 
hatte  von  Seiten  der  lebensvollen  und  selbstbewufsten  euro- 
päischen Völker  die  natürliche  Gegenwirkung  hervorgerufen; 
und  an  deren  Spitze  stand,  neben  Wilhelm  von  Oranien,  dessen 
Oheim  von  Brandenburg.  Wie  gründlich  hatte  doch  R^benac, 
der  sich  so  schlau  dünkte  und  auf  die  deutschen  Barbaren  so 
überlegen  hinabblickte,  sich  geirrt,  wenn  er  noch  am  22.  Januar 


^  Fester,  Augsb.  Allianz,  34. 

«  Mörner,  485 ff.  —  U.  u.  A.,  III,  778.  —  d'Avaux,  V,  129 f. 

»  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XXXIV,  227  z. 

*  Ms.  Dep.  Röbenacs  vom  1.  Jan.,  18.  April  1686  (B). 


Sechsondvierzigstes  Kapitel.    Die  Abkelir  von  Frankreich.      419 

1686  seinem  Könige  schrieb:  „Es  scheint,  mir  keineswegs,  als 
ob  der  Herr  Kurfttrst  von  Brandenburg  die  mindeste  Absicht 
hege,  mit  dem  Kaiser  wieder  anzuknüpfen  noch  das  Bündnis 
mit  Eurer  Majestät  zu  verlassen."  *  Im  Augenblicke,  wo  er 
diese  Worte  aufzeichnete,  hatte  sich  im  stillen  der  Umschwung 
schon  vollzogen.  Die  Verletzung  der  Religionsfreiheit  in  den 
reunierten  Landen,  die  durch  feierliche  Verträge  und  nicht 
minder  feierliche  Zusagen  des  Königs  an  den  Kurfürsten  ge- 
währleistet war,  versetzte  diesen  ebensosehr  in  Zorn  wie  die 
Errichtung  eines  Denkmals  auf  der  Place  des  Victoires  in  Paris, 
wo  Elbe  und  Oder  als  kriegsgefangene  Frauen  am  Sockel 
klagten,  zum  Andenken  an  die  Wiederunterwerfung  dieser 
Ströme  unter  schwedische  Herrschaft  durch  die  siegreichen 
Waffen  Frankreichs '.  Der  kecke  Übermut  und  die  grundsätz- 
liche Verachtung  fremden  Rechtes  und  fremder  Ehre  durch 
Ludwig  und  seine  Günstlinge  haben  recht  eigentlich  Europa 
gegen  ihn  zum  Kampfe  gezwungen  —  unter  so  vielen  anderen 
auch  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg. 


^  Secueil  des  Instanictions,  Bd.  XVI,  S.  XLH. 
*  Prutz,  807. 


27* 


Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

Augsburger  Bund  und  Tttrkenkrieg. 


Der  Pfälzer  Streit  gab  Friedrich  Wilhelm  nur  allzuBchnell 
die  Gelegenheit,  sich  als  Verfechter  der  Freiheit  und  Unantast- 
barkeit des  Reiches  zu  bewähren.  Die  Lage  hatte  sich  insofern 
für  das  deutsche  Interesse  verschlimmert,  als  aus  Furcht  vor 
Frankreich  Philipp  Wilhelm  sich  weigerte,  dem  dringenden  Rate 
Brandenburgs  zufolge  sich  als  Erben  auch  der  AUodien  seines 
Vorgängers  zu  erklären  und  dadurch  dessen  Testament  anzuneh- 
men und  zu  bekräftigen,  das  ihn  ja  zum  Universalerben  er- 
nanntet Da  die  übrigen  Legatare  begreiflicherweise  keine 
Neigung  bezeigten,  als  Erben  aufzutreten  und  so  für  ein  gering- 
fügiges Vermächtnis  den  Zorn  des  AUerchristlichsten  Königs 
auf  sich  zu  laden,  blieb  zum  grofsen  Kummer  Friedrich  Wil- 
helms nichts  übrig,  als  auf  das  Testament  zu  verzichten  und 
die  Intestaterben  zuzulassen.  Die  Folge  davon  war  zunächst, 
dafs,  nach  dem  Heiratsvertrage  der  Herzogin  von  Orleans,  dieser 
die  Hälfte  der  Eigengüter  ihres  Bruders,  ja  vielleicht  diese  alle 
gehörten.  Eine  um  so  bedenklichere  Tatsache,  als  den  König 
Ludwig  die  Verwerfung  des  päpstlichen  Schiedsspruches  durch 
den  Pfälzer  und  durch  den  Kaiser  in  hellen  Zorn  versetzte. 
„Es  hat,^  sagte  er  Mitte  Januar  1686  dem  Nuncius,  „nur  an 
uns  gelegen,  mich  mit  viertausend  Reitern  in  Besitz  dessen  zu 
setzen,  was  uns  gehört.  Ich  habe  andere  Wege  vorgezogen,  die 
meine  Mäfsigung  bewiesen,   und  die  dem  Kurfürsten  (von  der 


^  Das  Folgende  nach  Ms.  Korresp.  des  Kurf . ,  Mandelslohs  u.  s.  w.; 
Geh.  Staatsarchiv,  Berlin,  Rep.  XL,  9B.  —  Vgl.  Immich,  Orleansscher 
Krieg,  S.  28  ff.,  u.  Innozenz  XI.,  S.  45  ff. 


Siebenand vierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Tttrkenkrieg.   421 

Pfalz)  keineswegs  verdächtig  sein  sollten.  Aber  da  er  nicht 
hierauf  eingehen  will,  mufs  ich  zusehen,  was  ich  zu  tun  habe, 
um  Madame  und  meinem  Bruder  zu  bewahren,  was  ihnen  zu- 
kommt. ^  In  drei  Monaten ,  setzten  die  Vertreter  des  Herzogs 
von  Orleans  hinzu,  sind  Jahr  und  Tag  verstrichen,  wodurch 
nach  deutschem  Hechte  der  tatsächliche  Besitz  zum  rechtlichen 
wird;  deshalb  mufs  der  Herzog  den  König  um  schleunige 
Dazwischenkunft  bitten.  Er  wird  den  Herrscher  um  die  Er- 
laubnis ersuchen,  mit  den  französischen  Regimentern,  deren  In- 
haber er  selber  und  seine  Verwandten  sind,  des  Fürstentums 
Simmem  und  der  anderen  ihm  zukommenden  Gebiete  sich  zu 
bemächtigen. 

Erschreckt  ob  der  kriegerischen  Entwicklung  der  Angelegen- 
heiten, die  den  Kaiser  zum  Friedensschlüsse  mit  den  Ungläubigen 
zwingen  konnte,  schlug  der  Papst  vor,  sein  Schiedsrichteramt 
in  die  gelindere  Vermittlung  zu  verwandeln,  die  ja  auch  die 
Protestanten  annehmen  konnten.  Darauf  begann  das  alte  Spiel 
von  neuem.  Der  Pfälzer,  der  auf  die  gesamte  territoriale  Erb- 
schaft Recht  zu  haben  glaubte,  fürchtete  auch  bei  der  Vermitt- 
lung durch  den  Papst  lediglich  zu  verlieren,  schob  also  die 
Sache  auf  Kaiser  und  Reich  und  seine  eigenen  Agnaten.  Leo- 
pold I.  aber  wollte  von  einer  päpstlichen  Vermittlung  nur  in 
dem  Sinne  hören,  dafs  sie  Ludwig  XIV.  zur  Nachgiebigkeit  und 
zur  Überantwortung  der  Entscheidung  an  die  Reichsgerichte 
veranlasse.  Der  Brandenburger  endlich  verwarf  grundsätzlich 
jede  Einmischung  des  Papstes  (10./20.  Februar  1686).  Sonst 
wirkten  er  und  Spanheim  eifrig  für  den  Frieden,  aber  nur  im 
Sinne  der  reichsrechtlichen  Erledigung  des  Streites.  Er  be- 
zeichnete die  Befürchtung  einer  Ersitzung  der  Lehen  als  „chi- 
märisch^, als  „nie  erhört  noch  erdacht,  so  lange  das  Reich  ge- 
standen^. Es  liege  deshalb  für  Orleans  kein  Grund  vor,  gewaltsam 
den  Besitz  einiger  der  pfälzischen  Reichslehen  zu  erwerben.  Eine 
Okkupation  pfälzischer  Lande  von  Seiten  Frankreichs  werde  im 
ganzen  Reiche  als  Bruch  des  Stillstandes  gelten:  er  gedenke 
solche  niemals  zu  dulden.  Anderseits  mahnte  er  in  Wien  und 
Regensburg  zu  schleuniger  und  gütlicher  Beilegung  des  Erb- 
schaftsstreites. Er  hatte  die  Genugtuung,  dafs,  infolge  der  aus- 
drücklichen Erklärung  des  Kaisers,  der  Ablauf  des  Jahres  seit 
der  Erbschaftseröffnung  sei  für  die  Rechte  Orleans'  ohne  Be- 
deutung, Ludwig  XIV.  sich  hiermit  einstweilen  zufrieden  gab. 


422  Siebentes  Buch. 

Es  war  dies  um  so  wichtiger,  als  Leopold  seiner  Zusicherung 
die  Bemerkung  hinzugefügt  hatte,  dafs  jede  gewaltsame  Besitz- 
ergreifung alles  Anrecht  vernichte  und  weitere  Strafen  nach 
sich  ziehe  (10.  März).  Der  Reichstag  schlofs  sich  der  kaiser- 
lichen Deklaration  an.  Ja,  Leopold  und  Kurfürst  Friedrich 
Wilhelm  zeigten  sich  jetzt  geneigt,  unter  gewissen  Bedingungen 
die  Vermittlung  des  Papstes  anzunehmen,  da  Innocenz  XL  Be- 
weise seiner  gerechten  und  friedfertigen  Gresinnung  gegeben 
hatte.  Ludwig  XIY.  aber  berief  den  leidenschaftlichen  und 
hochfahrenden  Abb6  Morel  von  Heidelberg  ab  und  ersetzte  ihn 
dort  durch  den  Präsidenten  des  Metzer  Parlaments  Fr6myn  de 
Morovas,  einen  besonnenen  und  formgewandten  Juristen,  dessen 
Auftreten  einen  erfreulichen  Gegensatz  zu  dem  seines  Vor- 
gängers bot. 

So  trat  Anfang  April  1686  eine  zeitweise  Beruhigung  in 
der  Pfälzer  Angelegenheit  ein.  Aber  auf  ihre  Dauer  war  nicht 
zu  zählen.  Es  war  nur  ersichtlich,  dafs  der  König  von  Frank- 
reich momentan  bestrebt  war,  eine  Entscheidung  der  Sache  nach 
der  einen  oder  der  anderen  Seite  hin  zu  vermeiden,  um  einen 
hinreichenden  Vorwand  zu  Gewaltmafsregeln  gegen  Kaiser  und 
Reich  zu  erwarten.  Man  hing  lediglich  von  seinem  Gutbefinden 
ab,  solange  die  deutschen  Streitkräfte  gegen  die  Türken  be- 
schäftigt waren.  Friedrich  Wilhelm  ersuchte  also,  in  Überein- 
stimmung mit  dem  geängsteten  Pf&lzer,  den  Kaiser  dringend, 
mit  der  Pforte  Frieden  zu  schliefsen,  um  mit  ganzer  Macht  den 
Franzosen  entgegentreten  zu  können.  In  aller  Stille  entwarf  er 
einen  Plan,  „welchergestalt,  nach  gemachtem  Frieden  mit  den 
Türken,  Frankreichs  weitaussehende  Desseins  wie  auch  desselben 
Appetit,  mehr  Gonquesten  im  Reiche  und  anderswo  zu  machen, 
zu  verhindern  und  demselben  Widerstand  und  wirklichen  Ab- 
bruch zu  thun''.  Man  sieht,  wohin  die  Absichten  und  Gedanken 
des  greisen  Staatslenkers  gingen.  Des  Kaisers  Streitkräfte 
schlug  er  nur  auf  40000  Mann,  dagegen  die  Reichstruppen  auf 
114000  an,  unter  denen  nicht  weniger  als  22000  Brandenburger. 
Für  Niederländer  und  Spanier  rechnete  er  45000.  Während  die 
Spanier  und  die  Mehrzahl  der  Deutschen  sich  in  Belgien  und  am 
Rhein  nur  verteidigungsweise  hielten,  sollten  die  35  000  Nieder- 
länder und  22  000  Brandenburger  geradeswegs  auf  Paris  mar- 
schieren und  die  zahlreichen  unzufriedenen  Franzosen,  Katho- 
liken wie  Protestanten,  zum  Aufstande  bewegen.    Der  Hoch- 


Siebennndvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Tttrkenkrieg.   423 

adel,  die  Prinzen  von  Geblüt,  das  Pariser  Parlament,  die  alle 
unter  des  Königs  Tyrannei  seufzten,  würden  sich  „zu  uns 
schlagen**.  Dann  werde  Frankreich  ,yin  solchen  Stand  gesetzet 
werden,  dafs  man  es  inskünftige  nicht  mehr  zu  fürchten  haben 
würde"  *. 

Der  Plan  ist  nicht  so  chimärisch,  wie  er  scheinen  könnte. 
Die  häufigen,  blutigen  Empörungen,  die  damals  in  vielen  fran- 
zösischen Provinzen  gegen  den  unerträglichen  Steuerdruck  aus- 
brachen, und  die  notorische  Unzufriedenheit  eines  grofsen  Teils 
des  französischen  Adels  stellten  ein  wenigstens  zeitweises  Ge- 
lingen wohl  in  Aussicht.  Der  Geist  kühner  Offensive  erfüllte 
den  kranken,  alten  Helden.  Er  zeigt  keine  Spur  der  metho- 
dischen Bedächtigkeit,  wie  er  selber  sie  in  Pommern  entfaltet 
hatte:  es  ist  der  Geist  von  Rathenow,  Fehrbellin,  des  preufsi- 
schen  Winterfeldzuges,  der  in  ihm  lebt  und  ihn  mit  heroischem 
Feuer  erfüllt.  Keiner  der  späteren  Generale,  bis  auf  Blücher 
und  Gneisenau  —  selbst  nicht  Marlborough  und  Prinz  Eugen  — 
sind  seinem  Erfolg  verheifsenden  Plane  gefolgt. 

Allerdings,  die  Grundbedingung  zum  Gelingen  war:  Friede 
mit  den  Türken! 

Das  hinderte  nicht,  dafs  er  zunächst  seine  Verpflichtungen 
zu  deren  Bekämpfung  in  vollem  Mafse  erfüllte.  Nicht  7000  Mann, 
wie  er  vertragsmäfsig  zugesagt^,  sondern  8300  stellte  er  dem 
Kaiser,  darunter  mindestens  7600  Streitbare :  „auserlesenere  und 
wackrere,  auch  besser  muntierte  Völker",  sagt  Baron  Fridag 
als  Augenzeuge,  „sollen  sich  nicht  leicht  finden,  auch  dergestalt, 
dafs  kein  Mann  darunter  zu  tadeln  oder  auszuschliefsen  sei.*"  So 
der  kaiserliche  Gesandte;  der  französische  fand  besonders  die 
Infanterie  „bewundernswert  schön"*.  Es  waren  alles,  Offiziere 
wie  Gemeine,  Freiwillige  aus  der  brandenburgischen  Armee  — 
keiner  war  zum  Kampfe  gegen  die  Ungläubigen  genötigt  worden. 
Das  Rendezvous  war  zu  Kressen  an  der  schlesischen  Grenze; 
Friedrich  Wilhelm  fuhr  selber  dorthin,  liefs  sich  dann  „mit  nicht 
geringer  Bemühung"  zu  Pferde  setzen,  umritt  das  ganze  Lager, 
das  mehr  als  eine  halbe  Meile  lang  war,  und  hielt  endlich  eine 
Truppenschau  über  das  Korps  ab.  Indem  er  am  Schlüsse  die 
höheren  Offiziere  um  sich  versammelte,  ermahnte  er  sie,  seiner 


1  U.  u.  A.,  XIV,  1293  ff. 
«  Prutz,  310. 


424  Siebentes  Buch. 

Waffen  und  ihre  eigene  Reputation  beständig  vor  Augen  zu 
halten,  scharfe  Disziplin  zu  beobachten  und  „brave  Actionen^ 
zu  verrichten.  „Er  hätte  hierbei  nichts  so  sehr  gewttnschet,  als 
in  dem  Stande  zu  sein,  sie  Selbsten  in  eigener  Person  kom- 
mandieren zu  können;  alldieweilen  aber  durch  allbereits  Ab- 
nehmung der  Kräfte,  auch  unterschiedliche  schmerzhafte  Zu- 
fälle ihm  solches  zu  unternehmen  nicht  mehr  möglich,  so  ver- 
sicherte er  sie,  dafs  er  aller  Orten  mit  seinem  Herzen  und  Ge- 
mOte  bei  ihnen  sei  und  sie  begleite.  Bei  diesen  Worten  wurde 
der  Herr  Kurfürst  sehr  bewegt,  und  ob  er  zwar  die  Rede  voll- 
führte, so  gaben  jedoch  sowohl  die  häufigen  Zähren  als  kom- 
movierte  Stimme  solches  öffentlich  zu  erkennen.^  Auch  die  Zu- 
hörer waren  tief  ergriffen ;  in  ihrem  Namen  antwortete  Schöning 
(27.  April  1686  ^). 

So  sprach  der  Begründer  des  preufsischen  Heeres  zu  seinen 
tapferen  Kriegern,  so  knüpfte  sich  immer  fester  das  Band 
zwischen  diesem  Heere  und  seinem  Fürsten.  Ein  wahrer  Mann 
war  doch  dieser  Friedrich  Wilhelm,  Mut,  Herz  und  Tatkraft 
sich  erhaltend  bis  an  den  Rand  des  Grabes! 

Er  selber  übergab  die  Truppen  dem  kaiserlichen  Kommissar 
Grafen  Schaffgotsch  und  kehrte  dann  nach  Potsdam  zurück.  Er 
war  voll  Zuversicht,  entschlossen,  sein  Recht  nach  allen  Seiten 
hin  zu  wahren.  So  glaubte  er  nicht  nur  auf  die  ihm  von  Karl 
von  der  Pfalz  ausdrücklich  vermachten  Gegenstände,  sondern 
überhaupt  auf  einen  Teil  von  dessen  Mobilien  Anspruch  zu 
haben,  infolge  des  Heiratskontraktes  seiner  Mutter,  der  Tochter 
des  Kurfürsten  Friedrich  IV.  und  Tante  Karl  Ludwigs  von  der 
Pfalz  ^.  Er  verhinderte  deshalb  die  Überweisung  der  hinter- 
lassenen  Mobilien  an  die  Vertreter  der  Orleans  in  Heidelberg. 
Das  berührte  natürlich  in  Paris  sehr  unangenehm,  und  der  Zorn 
richtete  sich  vorzüglich  gegen  Brandenburg,  zumal  Philipp  Wil- 
helm alle  Verantwortung  ablehnte  und  erklärte:  er  wolle  sich 
nicht  zwischen  Hammer  und  Ambos  bringen.  Groissy  stellte  Span- 
heim zur  Rede:  „Es  ist  eine  unerhörte  Sache,  dafs  eine  Erbin 
von  der  Bedeutung  Madames  das  ihr  Gehörige  unter  dem  Vor- 

*  Bericht  Fridags  vom  3.  Mai;  U.  u.  A.,  XIV,  1285 ff.  —  Anonymer 
Bericht  aus  Krossen,  17./27.  April;  K.  "VV.  v.  Schöning,  Q^n.-Feldm. 
Hans  Adam  v.  Schöning  (Berlin  1837),  S.  84  ff. 

>  Das  Folgende  nach  der  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Mandelsloh 
u.  Spanheim  I  April  bis  Juli  1686. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  TOrkenkrieg.   425 

wände  eines  durchaus  nichtigen  und  als  solches  von  den  übrigen 
Vollstreckern  anerkannten  Testaments  beraubt  wird.  Aber  noch 
seltsamer  ist,  dafs  dieses  Hindernis  von  einem  Verbündeten 
Frankreichs  herrührt,  ohne  dafs  sogar  die  Remonstrationen,  die 
deshalb  Graf  R6benac  auf  Befehl  des  Königs  dagegen  erhoben 
hat,  irgend  eine  Wirkung  herbeigeführt  hätten.  Ich  vermag 
nicht  hinreichend  zu  schildern,  wie  überrascht  und  ungehalten 
der  König  hierüber  ist.  Es  scheint,  man  ist  recht  froh,  der 
Welt  diesen  neuen  Beweis  von  der  geringen  Achtung  zu  geben, 
die  man  in  Berlin  für  den  einzigen  Bruder  des  Königs  und  den 
Anteil  hegt,  den  Se.  Maj.  notwendigerweise  an  ihm  nehmen  mufs." 
Erst  nach  langen  Unterhandlungen  kam  es  am  16.  Mai  zu  einem 
vorläufigen  und  am  12.  Juli  zum  endgültigen  Vergleichen  zwischen 
Mandelsloh  und  Morovas.  Der  Brandenburger  erhielt  das  ge- 
samte Medaillenkabinett  Karl  Ludwigs,  die  moskowitische  Schale, 
sowie  für  seine  Ansprüche  an  die  Erbschaft  Friedrichs  IV.  zwei 
Gemälde.  Nunmehr  konnten  wenigstens  die  Mobilien  den  Fran- 
zosen ausgeliefert  werden. 

Die  Mifsstimmung ,  die  aus  dieser  Angelegenheit  in  Paris 
gegen  den  Kurfürsten  zurückgeblieben  war,  wurde  erhöht  durch 
die  offenbare  Begünstigung,  die,  auf  ausdrücklichen  Befehl  seines 
Herrn,  Spanheim  beharrlich  den  widerspenstigen  Hugenotten 
zuteil  werden  liefs.  Er  gab  ihnen  Geldunterstützung,  nahm  ihre 
Effekten  an  sich,  verbarg  solche  in  seinem  Hause,  das  ganz  voll 
hugenottischer  Waren  steckte,  liefs  sie  selber  zum  Gottesdienste 
in  seiner  Kapelle  zu.  Die  französische  Regierung  war  darüber 
mit  ihm  in  stetem  Zerwürfnis  und  verhaftete  die  Franzosen,  die 
bei  ihm  verkehrten  ^  Allein  diese  Zwistigkeiten  waren  immer- 
hin untergeordneter  Natur  —  viel  wichtiger  die  Wahrnehmung, 
die  sich,  trotz  aller  Bemühungen,  das  Geheimnis  zu  erhalten, 
aus  den  offenkundigen  Tatsachen  den  Ministern  Ludwigs  XIV. 
aufdrängte,  dafs  Friedrich  Wilhelm  die  ganze  Richtung  seiner 
Politik  in  einem  für  Frankreich  ungünstigen  Sinne  gewechselt 
habe. 

Sein  Verhältnis  zu  Oranien  wurde  immer  vertraulicher,  und 
auch  die  bisher  auf  französischer  Seite  stehende  Kurfürstin 
Dorothea  ward  für  dessen  Partei  gewonnen,  als  ihr  Wilhelm  III. 


*  Ms.  Korresp.  Spanheims,    1686;  Berlin,   Geh.   Staatsarchiv,   XI, 
Frankr.  24 C.  —  Vgl.  Bourgeois,  Spanheim,  3«8f. 


426  Siebentes  Buch. 

die  Nachfolge  ihres  Sohnes  Philipp  in  seinen  niederländischen 
Würden  in  Aussicht  stellte  und  den  jungen  Prinzen  einlud,  auf 
einige  Jahre  nach  dem  Haag  zu  kommen,  um  sich  dort  mit 
seinen  zukünftigen  Landsleuten  vertraut  zu  machen.  Kurfürst 
und  Oranier  wurden  indes  mehr,  als  durch  alle  persönlichen 
Gründe,  durch  ihre  gemeinsame  Besorgnis  für  die  Zukunft  des 
Protestantismus  verbunden,  als  dessen  Vorkämpfer  und  haupt- 
sächliche Stützen  sie  damals  in  ganz  Europa  betrachtet  wurden. 
Sie  verabredeten  eine  Zusammenkunft  in  Kleve  zu  näherer  per- 
sönlicher Verständigung  über  den  gemeinsam  einzuschlagenden 
Weg^ 

Inzwischen  hatte  sich  der  Kaiser  auf  Ansuchen  der  süd- 
westlichen Reiehskreise  dahin  entschieden,  das  nunmehr  zu 
Ende  gehende  Laxenburger  Bündnis  durch  eine  neue,  noch 
intimere  Allianz  zu  ersetzen.  Sie  wurde  am  9.  Juli  1686  zu 
Augsburg  von  den  Gesandten  des  Kaisers,  der  Krone  Spanien, 
Schwedens,  Kurbayems,  sowie  des  bayrischen  Kreises,  des  fränki- 
schen Kreises  und  der  sächsischen  Herzoge  unterzeichnet.  Der 
oberrheinische  Kreis  und  die  Kurpfalz  traten  ihr  binnen  kurzem 
gleichfalls  bei:  auf  drei  Jahre  wurde  sie  geschlossen^. 

Die  Augsburger  Allianz  ist  nie  zur  Ausführung  gekommen ; 
sie  ist  nur  auf  dem  Papier  geblieben  und  sofort  nach  ihrem  Ab- 
schlufs  von  ihren  hervorragendsten  Teilnehmern,  besonders  Max 
Emanuel  von  Bayern,  mit  Gleichgültigkeit  behandelt  worden.  Der 
Gedanke  eines  Verteidigungsbündnisses  einiger  süd-  und  mittel- 
deutschen Territorien  mit  zwei  am  äufsersten  Ende  Europas  ge- 
legenen und  schon  im  Verfalle  befindlichen  Staaten  war  ein  ganz 
phantastischer.  Allein  die  Augsburger  Allianz  ist  dadurch  be- 
deutend geworden ,  dafs  es  Ludwig  XIV.  gefiel ,  in  diesem 
schwachen,  überdies  rein  defensiven  Bündnis  den  erhofften  Vor- 
wand zu  finden  y  um  sich  als  von  Deutschland  bedroht  auszu- 
geben und  darauf  mit  einer  Reihe  neuer  Gewalttaten  zu  ant- 
worten. Er  wollte  hiermit  das  Reich  zur  Unterwerfung  unter 
seinen  Willen  nötigen,  ehe  des  Kaisers  Heer  durch  einen  Frieden 
mit  den  Türken  gegen  ihn  verfügbar  werde. 


*  d'Avaux,  V,  185 ff.  145  f. 

^  V.  Zwiedineck-Südenhorst,  Die  Augsburger  Allianz  von  1686; 
Arch.  f.  österr.  Gesch.,  LXXVI  (1890),  S.  Iff.  —  Fester,  Die  Augsburger 
Allianz  (München  1898). 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  TOrkenkrieg.   427 

Der  Kurfürst  von  Brandenburg  hat  sich  ebensowenig  der 
Augsburger  Allianz  angeschlossen,  wie  einst  dem  Laxenburger 
Bündnis.  Er  erkannte  ihre  völlige  Bedeutungslosigkeit  und 
hielt  es  für  nutzlos,  sich  vorzeitig  als  offener  Gegner  Frank- 
reichs hinzustellen.  Damit  hätte  er  jeden  Einflurs  auf  dessen 
Entschlüsse  verscherzt,  und  die  Last  wie  die  Gefahr  wären 
hauptsächlich  auf  ihn  gefallen.  Aber  seine  Haltung  auf  dem 
Regensburger  Reichstage,  wo  er  beständig  auf  schleunige  und 
starke  Rüstung  des  Reiches  drang  und  in  allen  Dingen  für  die 
Vorschläge  des  Kaisers  eintrat,  liefs  an  seiner  Parteistellung 
keinen  Zweifel.  Die  R6fugi^s  in  seiner  Umgebung,  zumal  der 
ihm  längst  vertraute  Graf  Beauvau  d'Espence,  reizten  ihn  un- 
aufhörlich gegen  Ludwig  XIV.  auf.  Fuchs,  den  man  als  Meister 
aller  Angelegenheiten  in  Berlin  betrachtete,  machte  gar  kein 
Hehl  aus  seiner  Abneigung  gegen  Frankreich,  das  seinem  Herrn 
nicht  wie  einem  Verbündeten,  sondern  wie  einem  Sklaven  be- 
gegne und  trotz  des  Waffenstillstandes  immer  neue  Gewalttaten 
gegen  die  Verträge  begehe.  Der  greise  Herrscher  selber  be- 
schwerte sich  fortwährend  in  so  bitteren  Worten  über  die  religiöse 
Unduldsamkeit  des  Königs,  der,  gegen  die  ausdrücklichen  Be- 
stinunungen  des  Stillstandes  von  1684,  den  Protestantismus  in 
den  reunierten  Ländern  gänzlich  zn  unterdrücken  bestrebt  war, 
dafs  R^benac  die  stürmischen  Audienzen  durch  schleunigen  Ab- 
schied zu  verkürzen  sich  veranlafst  sah.  Dabei  kam  es  vor, 
dafs  der  kecke,  die  Deutschen  höchlichst  verachtende  Südfranzose, 
mit  deutlichem  Hinweise  auf  Fuchs  und  Anhalt,  die  Räte  Friedrich 
Wilhelms  der  Lüge  und  des  Betruges  zieh  und  ihm  selbst  mit 
der  Macht  seines  Königs  drohte  —  worauf  der  Kurfürst  äufserst 
zornige  Antwort  gab  (28.  Juni  1686  *). 

Überall  arbeitete  Friedrich  Wilhelm  gegen  das  französische 
Interesse.  Trotz  aller  Gegenvorstellungen  des  Kölner  Kurfürsten 
beharrte  er  darauf,  die  Stadt  Köln  durch  brandenburgische  Be- 
satzung zu  schützen;  denn,  sagte  er  dem  an  ihn  abgesandten 
Münsterer  Komtur  Schmising,  er  hege  starken  Verdacht,  dafs 
seines  Herrn  Vertrauter,  der  Bischof  Fürstenberg  von  Strafsburg, 
ebenso    wie    das    Kurfürstentum    auch    die    Stadt    Köln    den 


^  Berichte  Rebenacs  bei  Prutz,  S.  318 ff.,  u.  bei  G.  Pag^s,  Les 
r^fugi^s  k  Berlin  (Bulletin  de  la  Soci^t^  de  l^hist.  du  Protestantisme 
fran^ais,  1902),  S.  1311. 


428  Siebentes  Buch. 

Franzosen  in  die  Händen  spielen  wolle ,  und  das  werde  Branden- 
burg nicht  leiden.  Er  beklagte  sich  dem  Komtur  gegenüber 
bitter  Ober  Frankreich  und  zumal  Ober  den  Revers,  den  dieses 
ihm  abgeprefst:  „Es  ist  doch  schlimm,  dafs  Frankreich  sich  alles 
erlauben  darf  und  die  übrigen  sich  nicht  einmal  beschweren 
dürfen.^  Dem  Strafsburger  Bischöfe  aber  erklärte  er  offen: 
„Ihr  seit  zu  sehr  Franzos,  als  dafs  ich  hoffen  darf,  Euch  noch 
je  als  guten  Deutschen  zu  erfinden/  ^ 

Solche  Vorgänge  liefsen  in  Paris  keinen  Zweifel  über  die 
wahren  Ziele  und  Absichten  Friedrich  Wilhelms.  Der  König 
befahl  sowohl  R6benac  wie  d'Avaux  im  Haag,  auf  alle  Ver- 
handlungen des  Kurfürsten  und  seiner  Minister  genau  Obacht 
zu  geben  und  mit  allen  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  zu  ver- 
hindern, dafs  Brandenburg  noch  engere  Verbindungen  mit  dem 
Kaiser,  Oranien  und  den  Generalstaaten  eingehe'. 

Der  König  sah  keinen  Vorteil  darin,  mit  dem  Kurfürsten 
sofort  zu  brechen;  er  und  seine  Staatsmänner  „dissimulierten". 
Man  heuchelte  von  beiden  Seiten  wohlwollende  Gesinnungen. 
Inzwischen  erhielt  Ludwig  allerorten  die  Streitigkeiten  im 
Gange,  bis  ihm  der  Augenblick  gekommen  schien,  im  Bunde  mit 
England,  vielleicht  auch  mit  Dänemark  und  den  Lüneburgem, 
gründliche  Abrechnung  mit  allen  seinen  Gegnern  zu  halten, 
jedenfalls  sie  zur  Unterwerfung  zu  nötigen^.  Groissy  beklagte 
sich  bitter  über  das  offenbare  Einverständnis  des  Kurfürsten 
mit  dem  Prinzen  von  Oranien,  „dem  schlimmsten  Feinde 
Frankreichs,  und  der  ganz  ausschliefslich  darauf  denke,  es  in 
Krieg  zu  verwickeln,  oder  mit  seinen  Verbündeten  zu  verfeinden". 
Ebenso  beschwerte  sich  der  Minister  über  die  enge  Verbindung 
des  Kurfürsten  mit  dem  Kaiser,  den  er  zum  Schutze  der  Pfalz 
mit  den  Schweden  alliiert  habe,  und  über  die  Haltung  des  branden- 
burgischen Gesandten  in  Regensburg.  Groissy  ging  so  weit,  den 
Fürsten  in  demütigendster  Weise  zur  Änderung  seiner  Befehle 
für  Regensburg  nötigen  zu  wollen.  Als  Zwangsmittel  benutzte 
er   die    Einstellung    der    vertragsmäfsigen    Subsidienzahlungen 


1  Mb.  Komtur  Schmising  an  Kurf.  Köln,  Bielefeld  29.  Aug.  1686; 
Berlin,  Geh.  Staatearchiv,  Rep.  XLIV,  IV  H  b,  10  o. 

«  d'Avaux,  V,  153.  —  Prutz,  315. 

^  Über  das  Folgende  die  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Spanheim 
(a.  a«  0.,  24  C),  sowie  B6benacs  mit  seinem  Könige  (B).  —  Vgl.  Becueil 
des  Instructions,  XVI,  227  Anm.  3. 


Siebenundvierzigstee  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenlcrieg.   429 

an  Brandenburg,  die  doch  nur  zur  Förderung  von  Frankreichs 
Feinden  und  zur  Unterstützung  seiner  desertierten  Untertanen 
—  der  R^fugiös  —  verwandt  würden.  Auch  verweigerte  man 
hartnäckig  die  Herausgabe  des  beschlagnahmten  kurfürstlichen 
Schiffes  „der  Morian". 

Allein  diese  Mittel  verfingen  nicht  mehr.  Friedrich  Wilhelm 
war  zu  schwer  gereizt,  auch  jetzt  des  Beistandes  des  Kaisers, 
der  Niederlande  und  Schwedens  allzu  sicher,  um  sich  noch 
einmal  der  Schmach  einer  Unterwerfung,  wie  bei  der  „Deklaration^, 
auszusetzen.  Er  antwortete  am  16.  Juli  kühl  abweisend :  er  habe 
weder  durch  seine  Anordnungen  nach  Regensburg  wegen  der  Reichs- 
rüstung noch  sonst  die  mit  Frankreich  bestehenden  Verträge  im 
mindesten  verletzt  noch  zu  begründetem  Verdachte  Anlafs  gegeben. 

Seine  Versicherungen  konnten,  obschon  sie  die  Miene  der 
gekränkten  Unschuld  annahmen,  vor  der  Wucht  der  Tatsachen 
nicht  bestehen.  Ehe  noch  jene  Behauptungen  in  Paris  vorge- 
bracht wurden,  hatte  Spanheim  am  17.  Juli  dem  Könige  in 
persönlicher  Audienz  den  öffentlichen  „Satisfaktionsvertrag" 
zwischen  seinem  Kurfürsten  und  dem  Kaiser  vorlegen  müssen. 
So  sorgfältig  in  diesem  auch  die  wirklich  wichtigen  Be- 
stimmungen des  geheimen  Bündnisses  zwischen  Österreich 
und  Brandenburg  ausgeschieden  waren,  er  genügte,  um  Lud- 
wig XIV.  tief  zu  verstimmen.  Der  König  bezeichnete  ihn  als 
unvereinbar  mit  dem  Bündnisse,  das  der  Kurfürst  mit  ihm 
selbst  eingegangen  sei.  Er  habe  freilich  nichts  gegen  eine 
Unterstützung  des  Kaisers  wider  die  Türkei  einzuwenden ;  allein 
das  Betragen  des  Wiener  Hofes  gegen  ihn  selbst  sei  derart, 
dafs  er  jedes  Einvernehmen  mit  diesem,  zumal  von  Seiten  eines 
Alliierten,  übel  aufnehmen  müsse,  und  zwar  hier  um  so  mehr, 
als  schon  andere  Mafsregeln  des  Kurfürsten  ihm  einen  schlimmen 
Eindruck  gemacht  hätten. 

Der  offene  Bruch  war  augenscheinlich  nur  noch  Sache  der 
ersten  Gelegenheit. 

Im  Juli  1686  unternahm  Friedrich  Wilhelm  nach  mannig- 
fachen störenden  Zwistigkeiten  in  der  Familie^  endlich  die 
Reise  nach  Kleve,  die  ihn  mit  Wilhelm  von  Oranien  zusammen- 
führen sollte ;  am  30.  des  Monats  traf  er  mit  seiner  Gattin  und 
dem  Prinzen  Philipp  sowie  mit  den  bedeutendsten  der  an  seinem 


>  Prutz,  202£f. 


430  Siebentes  Buch. 

Hofe  beglaubigten  Diplomaten  in  der  niederrheinischen  Grenz- 
stadt ein.  Vergebens  hatte  auf  dem  Wege  der  greise  EurfOrst 
von  Köln  noch  einmal  den  Versuch  gemacht,  ihn  durch  Briefe 
und  Gesandte  wieder  auf  seine  und  Frankreichs  Seite  zu  ziehen. 
Friedrich  Wilhelm  erwiderte,  er  werde  sein  dem  Kaiser  gegebenes 
Fttrstenwort  halten,  dafs  er,  nach  dem  Abschlüsse  des  Waffenstill- 
standes mit  Frankreich ,  die  militärische  Sicherung  des  Reiches  mit 
allen  Kräften  betreiben  werde.  Demgemäfs  ermahnte  er  auch  den 
durch  die  Franzosen  eingeschachterten  Kurfürsten  von  Trier  zur 
Standhaftigkeit ,  indem  er  ihm  fest  zusagte,  er  werde  ihn  bei 
der  ungekränkten  Ausübung  seiner  Rechte  wider  alle  seinem 
Kurfürstentum  „darüber  zustehende  unbillige  Gewalt  allemal 
kräftigst  zu  manutenieren  geflissen  sein**.^  Ein  frischer,  kräftiger 
Hauch  durchweht  gerade  diese  letzten  Regierungsjahre  des 
Grofsen  Kurfürsten,  in  denen  man  ihn  neuerdings  als  einen 
gebrochenen,  geistesschwachen  Greis  darzustellen  versucht. 
Überall  im  Reiche  erzählte  man,  er  werde  bald  Frankreich  den 
Krieg  erklären  —  und  solche  Volksmeinung  war  dem  alten 
Herrn  gerade  erfreulich*. 

Wenige  Tage  nach  seiner  Ankunft  in  Kleve  langt  dort 
auch  Wilhelm  von  Oranien  an  (4.  August),  dem  Friedrich  Wilhelm 
herzliche  Zuneigung  und  grofse^  Vertrauen  bewies.  In  viel- 
stündigem  Zusammensein  unter  vier  Augen  teilte  er  ihm  seine 
geheimsten  Abmachungen  mit  dem  Kaiser  und  Schweden  mit, 
zur  höchsten  Befriedigung  seines  Neffen.  Oranien  tat  alles, 
um  die  letzten  Schwierigkeiten  für  die  grofse  europäische 
Koalition,  soweit  sie  Brandenburg  betrafen,  aus  dem  Wege  zu 
räumen.  Er  bat  den  Kurfürsten,  seine  Streitigkeiten  mit  Spanien 
wegen  der  unbezahlten  Subsidien  auf  billige  Weise  auszugleichen 
und  darauf  mit  diesem  Staate  wieder  in  freundschaftliche  Be- 
ziehungen zu  treten  ®.  Und  hier  wurde  der  Grund  zu  dem  welt- 
geschichtlichen Unternehmen  Wilhelms  von  Oranien  zum  Sturze 
der  Stuarts  gelegt*. 

Friedrich  Wilhelm  hatte  stets  gegen  Jakob  IL  von  England 
Mifstrauen  und  Abneigung  empfunden,  ihn  als  Feind  des  Prote- 


'  Fester,  104f. 

*  Ms.  Dep.  R^benacs  vom  18.  Juli  (B). 
»  U.  u.  A.,  XIV,  1310. 

^  Das  Folgende  nach  Ms.  Korresp.   des  Kurf.  mit  Diest,  Spaen  u. 
Beyer,  Januar  bis  Mai  1686;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  England  9. 


Siebenundyierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   431 

stantismus  uod  der  europäischen  Freiheit  betrachtet.  Er  war 
darin  scharfblickender  und  umsichtiger  gewesen  als  Wilhelm 
Ton  Oranien,  der  sich  im  Beginne  von  Jakobs  Regierung  durch 
dessen  heuchlerische  Versicherungen  hatte  täuschen  lassen. 
Während  der  Kurfürst  gegen  Ende  1685  ofiiziell  versprochen 
hatte,  solche  englische  Rebellen,  die  sich  im  Klevischen  vorfinden 
würden,  in  Haft  zu  nehmen  und  dem  Könige  auszuliefern,  hatte 
er  seinem  Generalleutnant  von  Spaen  und  dem  Vizekanzler 
Beyer  in  Kleve  wiederholt  aufgetragen,  solche  Leute  unter  der 
Hand  von  dem  ihnen  drohenden  Schicksale  in  Kenntnis  zu  setzen 
und  zu  sofortiger  Flucht  in  aller  Stille  zu  veranlassen.  Diest 
im  Haag  sollte  von  dem  englischen  Gesandten  Skelton  eine 
Spezifikation  der  flüchtigen  Rebellen  verlangen,  angeblich  damit 
man  sich  nicht  an  Unschuldigen  vergreife.  Tatsächlich  wurde 
Diest  angewiesen,  die  Liste  heimlich  an  Spaen  zu  übermitteln, 
damit  dieser  „die  Leute  in  Zeiten  warnen  könne,  um  sich  aus 
dem  Staube  zu  machen*'.  Der  Kurfürst  sah  in  diesen  Flücht- 
lingen vor  allem  Märtyrer  des  eifrigen  Protestantismus.  Diese 
Engländer  —  ein  Kapitän  Wenner  wird  unter  ihnen  namentlich 
aufgeführt  —  verstanden  den  Wink  und  entkamen  rechtzeitig. 
Als  dann,  im  April  1686,  ein  Agent  König  Jakobs  im  Klevischen 
erschien,  um  nachzuforschen,  ob  daselbst  englische  Rebellen  sich 
aufhielten,  und  ob  sie  vom  Kurfürsten  beschützt  würden,  fand 
sich  kein  Verdächtiger  dort  vor,  zur  Genugtuung  des  englischen 
Herrschers. 

Die  immer  stärkere  und  auffallendere  Begünstigung  des 
Katholizismus  in  England  durch  Jakob  II.  und  dessen  offen- 
barer Wunsch,  mit  dem  mächtigsten  katholischen  Monarchen 
Europas,  mit  Ludwig  XIV.,  durchaus  freundschaftliche  Be- 
ziehungen aufrecht  zu  erhalten,  wurden  schliefslich  auch  in 
Holland  vermerkt  und  bewiesen,  wie  richtig  der  Brandenburger 
die  Sachlage  beurteilt  hatte.  Selbst  Wilhelm  von  Oranien 
konnte  sich  der  Einsicht  nicht  verschliefsen,  dafs  sein  Schwieger- 
vater mehr  und  mehr  zu  seinem  und  seiner  Sache  Gegner  werde. 
So  näherte  er  sich  der  Auffassung  des  Kurfürsten  von  der  Not- 
wendigkeit, eine  Landung  in  England  behufs  Herbeiführung  un- 
bestrittener Herrschaft  des  Protestantismus  und  einer  franzosen- 
feindlichen Politik  vorzubereiten.  Beide  Fürsten  schlössen  in 
Kleve  einen  Bund  zur  Unterstützung  aller  derjenigen  Engländer, 


432  Siebentes  Buch. 

die  sich  ihrem  König  entgegenstellen  würden  ^  Schon  dieser 
Umstand  genügt,  um  die  Zusammenkunft  in  Kleve  während  des 
August  1686  zu  einer  ewig  denkwürdigen  zu  machen.  Selbst- 
verständlich wurden  die  Verabredungen  sorgfältig  geheim  ge- 
halten. Allein  seitdem  wurden,  in  einer  auch  für  Nicht- 
eingeweihte  offenbaren  Weise,  die  Beziehungen  zwischen  der 
Bepublik  und  der  britischen  Regierung  sehr  kühle,  ja  feind- 
selige*. 

Das  vortreffliche  Einvernehmen,  in  dem  Friedrich  Wilhelm 
mit  seinem  Neffen  von  Oranien  stand,  drückte  sich  in  dem  Be- 
suche aus,  den  er  mit  seiner  Gemahlin  dem  holländischen-  Feld- 
lager auf  der  durch  die  Schlacht  vom  14.  August  1574  und  den 
Heldentod  der  beiden  Nassau  Ludwig  und  Heinrich  berühmten 
Mooker  Heide  abstattete.  Wilhelm  III.  mit  den  höheren  Offi- 
zieren sprengte  schon  auf  halbem  Wege  dem  kurfürstlichen 
Paare  entgegen,  das  in  offener  Kalesche  herbeifuhr.  Der  Prinz 
ritt  dann  neben  dem  Schlage,  den  Hut  in  der  Hand,  das  zahl- 
reiche Gefolge  trabte  dem  Wagen  nach.  An  dem  Jahrestage 
der  Schlacht  hielt  Wilhelm  III.  eine  glänzende  Heerschau  über 
die  niederländischen  Truppen,  die  künftigen  Mitstreiter  im  Welt- 
kampfe, ab.  Neun  Schwadronen  Dragoner,  dreiundzwanzig  Schwa- 
dronen schwerer  Reiter,  dreiunddreifsig  Bataillone  Infanterie  de- 
filierten hier  vor  dem  Kurfürsten.  Ein  prächtiges  Diner,  von  dem 
die  französischen  Diplomaten  demonstrativ  ausgeschlossen  wurden, 
beendete  den  Tag".  Herzliche  Schreiben,  die  nachher  ausgetauscht 
wurden,  bekräftigten  das  volle  Einvernehmen  der  erlauchten  Ver- 
wandten. Es  drückte  sich  auch  in  der  Tatsache  aus,  dafs  Prinz 
Philipp  von  Brandenburg  auf  zwei  Jahre  nach  dem  Haag  über- 
siedelte. 

Die  Besprechungen  in  Kleve  hatten  gleichfalls  die  nordischen 
Verhältnisse  betroffen,  die  sich  gerade  damals  zu  einem  gefähr- 
lichen Streite  zugespitzt  hatten^. 


'  d'Avaux,  V,  156.  —  Freilich,  dafs,  wie  Pufendorf  behauptet, 
Schomberg  an  diesen  Unterhandlungen  in  Kleve  teilgenommen,  u.  zwar 
im  Aultrage  der  unzufriedenen  engliachen  Grofsen,  ist  imrichtig;  O.  Kl  op  p , 

IV,  230  f.  t 

>  Ms.  Berichte  Diests  vom  Sept.  u.  Okt.  1686;  Berlin,  Geh.  Staats- 
archiv, Eep.  XXXIV,  227  z. 

*  Ms.  Depeschen  R^benacs  vom  8.,  16.  August  (B). 

^  S.  über  den  Gottorpschen  u.  den  Hamburgischen  Streit:  G  all  eis, 


SiebentmdvierzigBtes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   433 

Dänemark  hatte  aus  dem  französischen  Bandnisse  weit 
größeren  Nutzen  gezogen  als  Brandenburg.  Der  Unterstützung 
durch  Frankreich  gewifs,  hatte  es  sich  für  die  schweren,  durch 
Karl  X.  Oustavs  Eroberungen  ihm  zugefügten  Verluste  schad- 
los gehalten,  indem  es  unter  mancherlei  Vorwänden  den  Herzog 
Christian  Albrecht  von  Holstein-Oottorp,  trotz  seiner  nahen  Ver- 
wandtschaft mit  dem  schwedischen  Königshause,  aus  dem  ihm 
gehörigen  gröfseren  Teile  von  Schleswig-Holstein  vertrieb  und 
das  reiche  Gebiet  annektierte  (1684)  —  ganz  nach  dem  berühmten 
Muster  der  Reunionen.  Dieser  gelungene  Gewaltstreich  schärfte 
dann  den  Appetit  König  Christians  V.  Im  Sommer  1686,  als 
des  Kaisers  und  der  norddeutschen  Fürsten  beste  Truppen  fern 
im  Ungarlande  vor  Ofen  lagen,  als  Kurbrandenburg  auf  ge- 
spanntem Fuflse  mit  Frankreich  stand,  als  Friedrich  Wilhelm  am 
Niederrhein  weilte,  beschlofs  er,  einen  alten  Wunsch  dänischen 
Ehrgeizes  durch  Überrumpelung  der  gröfsten  nordischen  See- 
stadt, Hamburgs,  zu  verwirklichen.  Mit  mehr  denn  16  000  Mann 
zog  er  am  29.  August  vor  die  Stadt,  forderte  Erbhuldigung  und 
die  Aufnahme  einer  Besatzung :  kurz,  die  Unterwerfung.  Allein 
die  Hamburger  waren  keineswegs  gewillt,  sich  darein  zu  schicken. 
Sie  wiesen  den  dänischen  Agenten  aus  und  besetzten  die  Wälle 
mit  Soldaten  und  bewaffneten  Bürgern.  Die  Angriffe  der  Dänen 
scheiterten  mit  grofsem  Verluste  an  Mannschaft. 

Schon  im  Winter  und  Frühjahr,  als  die  Lüneburger  Ham- 
burg bedrohten,  hatte  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  sich  seiner 
angenommen,  da  er  die  reiche  Handelsstadt,  den  einzigen  Welt- 
hafen im  damaligen  Deutschland,  weder  den  Weifen  noch  den 
Dänen  zu  überlassen  Lust  verspürte.  Er  hatte  ihr  damals  zwei 
Regimenter  zu  Hilfe  gesandt,  hatte  auch  durch  Gesandtschaften 
nach  Wien  und  zu  den  Lüneburgem  für  sie  gewirkt.  Freilich, 
als  Frankreich  die  Gelegenheit  benutzen  wollte,  um  den  Krieg 
in  Norddeutschland  zu  entzünden  und  damit  dessen  waffen- 
mächtige Fürsten  brachzulegen,  als  es  deshalb  Brandenburg 
aufforderte,  im  Vereine  mit  Dänemark  den  Kampf  gegen  die 
Lüneburger  zu  beginnen:  da  ging  Friedrich  Wilhelm  nicht  in 
die  ihm  gestellte  Falle,  sondern  bemühte  sich,  und  zwar  mit 
Erfolg,   die  Angelegenheit   gütlich   beizulegen.     Aber  ebenso- 


Gesch.  Hamburgs,  11,  82ff.  40ff.  424ff.;  Londorp,  Bd.  Xu,  passim; 
U.  u.  A.,  XIV,  1264«.  1311. 

Philippson.  Der  Qrofse  KarfQrst.    UI.  28 


434  Siebentes  Buch. 

wenig  wollte  er  die  Stadt  den  Dänen  überantworten.  Das 
nordische  Kriegsfeuer  mufste  vielmehr  gedämpft  werden,  ehe  es 
zu  verderblichem  Brande  emporlodern  konnte.  Noch  von  Kleve 
aus  hatte  er  den  Kaiser  um  Unterstützung  der  Hansestadt  an- 
gerufen; Leopold  I.  setzte  sofort  die  kaiserliche  Autorität  für 
sie  ein.  Auf  der  Rückreise  nach  Berlin  hatte  Friedrich  Wil- 
helm eine  Unterredung  mit  den  Herzogen  Georg  Wilhelm  von 
Celle  und  Ernst  August  von  Hannover,  und  in  erfreulicher 
Einigkeit  beschlossen  sie  da  gemeinsame  Mafsregeln  zur  Ret- 
tung Hamburgs  ^  Der  Kurfürst  sandte  zunächst  Herrn  von 
Knesebeck  an  den  Dänenkönig,  um  ihm  dringend  von  einem 
ferneren  gewaltsamen  Angriffe  auf  die  Stadt  abzuraten;  er 
mache,  liefs  er  dem  einstigen  Freunde  warnend  sagen,  keinen 
Unterschied  zwischen  einem  Bombardement  Hamburgs  und  Ber- 
lins'. Kräftiger  konnte  er  seinen  Anteil  an  dem  Geschicke  der 
Hansestadt  nicht  ausdrücken. 

1200  Mann  cellischer  Soldaten  zogen  schon  am  31.  August 
in  Hamburg  ein,  und  zwei  brandenburgische  Regimenter,  1680 
Mann,  folgten  ihnen  alsbald.  Weitere  Truppen,  sowohl  lüne- 
burgische wie  brandenburgische,  näherten  sich  zu  gleichem 
Zwecke  der  unteren  Elbe:  bald  waren  7000  Mann  fremder 
Kriegshilfe  in  Hamburg  vereint.  Die  kurfürstlichen  General- 
majore du  Hamel  und  d'Espence  -^  beide  R6fugi6s  —  leiteten 
die  Verteidigungsarbeiten.  So  war  die  Stadt  vor  jedem  Angriffe 
gesichert.  Auch  Schweden,  das  schon  um  seiner  Gebiete  an 
der  unteren  Weser  willen  ein  Festsetzen  der  Dänen  in  Hamburg 
nicht  dulden  konnte,  ward  von  Friedrich  Wilhelm  um  Unter- 
stützung gebeten.  Die  Dänen  sahen  bald  ein,  dafs  ihre  Sache 
verloren  war,  und  enthielten  sich  fernerer  Gewalttaten,  die 
ihnen  nur  selbst  Unheil  bringen  konnten. 

Es  wäre  jetzt  für  ihre  Gegner  ein  leichtes  gewesen,  mit 
vereinten  Streitkräften  das  kleine  dänische  Heer,  das  ohnehin 
durch  Verluste  vor  dem  Feinde,  durch  Krankheiten,  Nahrungs- 
mangel und  Desertion  bedeutend  geschwächt  war,  zu  vernichten. 
Hamburger,  Lüneburger,  Gottorper,  Schweden  drängten  eifrig 


»  Fester,  901.  —  U.  u.  A.,  XIV,  1312 ff.  —  Über  das  Folgende: 
Prutz,  218;  Fester, 92ff.;  Gallois,  43ff.424ff.;  Pufendorf,  XIX,37ft 

'  Ms.  Dep.  R^benacs  yom  2.  Sept.  (B).  —  Ms.  Bidal  an  Louvoia, 
6.  Sept.  (Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  Rep.  XCIV,  IV  H  b,  10  ß\ 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   435 

darauf  hin:  Dänemark  sollte  endgültig  gedematigt  werden. 
Allein  das  gab  Kurfürst  Friedrieh  Wilhelm  nicht  zu.  Er 
wünschte  vor  allem,  dem  Kriege  im  Norden  ein  sofortiges  Ende 
zu  bereiten,  damit  nicht  Frankreich  inzwischen  freie  Hand  er- 
halte,  sich  des  linken  Rheinufers  zu  bemächtigen.  Es  wider- 
strebte ihm,  dafs  die  schwachen  protestantischen  Staaten  sich 
vollends  untereinander  zerfleischten  und  die  katholischen  in  der 
Welt  die  Meister  spielten.  Er  gedachte  auch  keineswegs,  dazu 
beizutragen,  dafs  Schweden  durch  die  Ausmerzung  Dänemarks 
seine  überwiegende  Stellung  in  Norddeutschland  wiedererhalte. 
Aus  diesen  Gründen  fuhr  er  fort,  durch  Thomas  von  Knesebeck 
den  dänischen  König  zu  gütlichem  Abkommen  zu  ermahnen.  Als 
Christian  V.  Ausflüchte  machte  und  seine  kriegerischen  An- 
stalten weiterführte,  schickte  ihm  der  Kurfürst  noch  Herrn 
von  Schmettau  und  endlich  seinen  eigentlichen  Vertrauten  Fuchs 
zu  —  ein  Beweis,  wie  ernst  er  die  Sache  auffafste.  In  der  Tat, 
er  nahm  die  dominierende  Stellung  unter  den  Verbündeten  ein. 
i,Gott,**  schrieb  Fuchs  am  14.  September  1686,  „hat  Euer  Kurf. 
Durchl.  abermalen  in  die  Hand  gegeben,  die  Ruhe  und  Sicher- 
heit des  Reiches  durch  Dero  hohe  Autorität  zu  restabiliren  und 
zu  befestigen,  weil  von  Dero  Resolution  alles  dependiren  wird." 
Friedrich  Wilhelm  wandte  Ansehen  und  Einflufs  lediglich 
und  ohne  jede  Nebenabsicht  zu  Gunsten  des  Friedens  an.  Er 
weigerte  sich,  die  schleswig-holsteinische  Angelegenheit,  wie 
selbst  die  kurzsichtigen  kaiserlichen  Minister  es  wünschten,  mit 
der  hamburgischen  zu  verquicken  und  dadurch  den  Krieg  un- 
vermeidlich zu  machen;  jene  werde  später  gelöst  und  der 
Herzog  von  Gottorp  wieder  eingesetzt  werden,  sobald  der  all- 
gemeine Krieg  gegen  Frankreich  ausgebrochen  und  dieses  da- 
durch der  Möglichkeit  beraubt  sei,  den  Dänen  Hilfe  zu  leisten  — 
wie  es  dann  wirklich,  allerdings  erst  nach  Friedrich  Wilhelms 
Tode,  eingetroffen  ist.  So  baute  man,  auf  des  Kurfürsten  Ein- 
greifen, den  Dänen  eine  goldene  Brücke.  Ihre  Armee  durfte 
am  24.  September  ungestört  den  Rückzug  antreten.  Am  2.  No- 
vember kam  dann  zwischen  Christian  V.  und  Hamburg  ein  Ver- 
gleich zu  Stande,  nach  dem  die  Stadt  300  000  Taler  Kriegskosten 
zahlte,  sonst  aber  der  Pinneberger  Vertrag,  der  ihre  Reichs- 
freiheit aufrecht  erhalten  hatte,  bestätigt  wurde.  Friedrich 
Wilhelm  sorgte  auch  durch  seine  dringende  Verwendung  dafür, 

dafs  die  Bestrafung  der  Parteigänger  Dänemarks  in  Hamburg 

28* 


486  Siebentes  Buch. 

gemildert  ward.  Er  hielt  mit  ebenso  scharfen  wie  edlen  Worten 
die  Rachsucht  des  oligarchischen  Rates  in  Schranken,  der  diese 
Gelegenheit  hatte  benutzen  wollen,  um  alle  seine  demokratischen 
Gegner  aus  dem  Wege  zu  rftumen. 

Der  glückliche  und  versöhnliche  Ausgang  des  bedrohlichen 
Zwistes  war  nur  der  mit  Tatkraft  verbundenen  Weisheit  und 
Mäfsigung  des  Grofsen  Kurfürsten  zu  danken. 

Ähnlich  war  seine  Haltung  in  der  Pf&lzer  Angelegenheit 
Sie  hatte  von  neuem  eine  bedenkliche  Wendung  genommen,  als 
der  Papst  den  Kurfürsten  Philipp  Wilhelm  ernstlich  zur  An- 
nahme seiner  Vermittlung  ermahnte  und  Ludwig  XIV.  diese 
Aufforderung  durch  Drohungen  mit  sofortiger  Anwendung  von 
Gewalt  unterstütztet  Erschreckt  flehte  Philipp  Wilhelm  bei 
den  Reichsfürsten  um  Hilfe  gegen  Frankreichs  drohenden  An- 
griff; als  erster  hat  ihm  da  der  Brandenburger  500  Mann  ver- 
sprochen, und  zwar  auf  eigene  Kosten,  so  dafs  der  PfMzer  den 
Truppen  nur  Quartier  und  Brot  zu  geben  nötig  habe.  Darüber 
schlofs  man  am  13.  September  1686  einen  Vertrag*.  Allein 
Friedrich  Wilhelm  zog  abermals  die  friedlichen  Wege  vor  und 
begünstigte,  um  Schlimmeres  zu  vermeiden,  die  Vermittlung  durch 
den  Papst,  die  dann  auch  vom  Kaiser  und  von  Kurpfalz  im 
Prinzip  angenommen  wurde.  Damit  war  auch  hier  der  Aus- 
bruch von  Feindseligkeiten  einstweilen  vermieden. 

Anderseits  hat  damals  Ludwig  XIV.  den  Kurfürsten  wegen 
der  Stadt  Köln  beruhigt,  deren  Besetzung  aufserhalb  der  Inter- 
essen und  Absichten  Frankreichs  liege,  das  überhaupt  nur  den 
Frieden  wolle*. 

Die  Dinge  liefsen  sich  also  hoffnungsvoller  an,  als  plötzlich 
eine  Nachricht  erscholl,  die  ganz  Europa  auf  das  tiefste  erregte 
und  dann  diejenigen  Ereignisse  zur  Folge  hatte,  die  kaum  zwei 
Jahre  später  zum  Ausbruche  des  grofsen  Koalitionskrieges  ge- 
führt haben*. 


^  Immich,  Innocenz  XI.,  50 ff. 

*  Unterhandlungen:  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Mandelslohs  vom 
Aug.  u.  Sept.  1686.—  Der  Vertrag:  MÖrner,  492f. 

"  Ms.  Ludwig  an  B^benao,  12.  Sept.  (6). 

^  Über  das  Folgende  sehe  man:  Ferd.  v.  Zieglauer,  Die  Be- 
freiung Ofens  V.  d.  Türkenlierrscliaft (Innsbruck  1886);  K.  W.  y.  SchÖning, 
Gen.-Feldm.  v.  Schöning;  F.  W.  v.  BarfUs-Falkenberg,  H.  A.  Graf 
V.  Barfus,  Kgl.  Preufs.  Gen.-Feldmarschall  (Berlin  1859).  S.  4  ff,  36  ff. 


Siebentmdvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   437 

Der  kaiserliche  Kriegsrat  hatte  nach  langwierigen  Beratungen 
über  den  Kriegsplan  für  den  Sommer  1686  die  kühne  Absicht 
gefafst,  die  Hauptstadt  und  stärkste  Festung  der  Türken  in 
Ungarn,  Ofen,  zu  belagern.  Die  eigentliche  Feste,  die  Ober- 
stadt Ofen,  war  nicht  allein  durch  eine  von  Rondells  flankierte, 
meist  doppelte  Umfassungsmauer,  sondern  auch  durch  ihre  Lage 
auf  einem  steil  sich  über  die  Donau  erhebenden  und  150  Meter 
hohen  Berge  gesichert.  Niedriger  lagen  die  Vorstädte,  die  zum 
Teile  auch  befestigt  waren.  Die  Besatzung  zählte  kaum  yier- 
tausend  Mann  regulärer  Truppen,  die  freilich  noch  von  zwei- 
bis  dreitausend  bewaffneten  Einwohnern  unterstützt  wurden ;  die 
Schwäche  der  Garnison  wurde  einigermafsen  ergänzt  durch  die 
Menge  von  215  Geschützen,  über  die  sie  verfügte.  Am  20.  Juni  1686 
erschienen  Herzog  Karl  von  Lothringen  und  Kurfürst  Max  Emanuel 
von  Bayern  mit  mehr  als  44000  Streitern  vor  der  Stadt.  Am 
30.  Juni  stiefsen  4000  schwäbische  Kreisvölker,  am  3.  Juli  das 
mehr  als  doppelt  so  starke  brandenburgische  Korps  zu  den 
Belagerern. 

Diese  letztere  Truppe  bestand  aus  zehn  Bataillonen  Infanterie, 
zwei  Reiter-  und  einem  Dragonerregiment,  alles  treffliche  Leute, 
auf  das  sorgsamste  ausgerüstet  und  von  einem  ungewöhnlich 
zahlreichen  Offizierkorps  geführt.  Den  Oberbefehl  hatte  der 
ehrgeizige,  kluge,  aber  auch  selbstsüchtige  und  listige  Hans 
Adam  von  Schöning  inne,  der,  erst  fünfundvierzig  Jahre  alt,  der 
jüngste  brandenburgische  Generalleutnant,  in  der  Vollkraft  der 
Jahre  stand.  Unter  ihm  befehligte  Generalmajor  von  Barfus, 
sein  zukünftiger  Gegner,  der  zum  Range  eines  preufsischen  General- 
feldmarschalls aufzusteigen  bestimmt  war.  Die  Brandenburger 
rückten  auf  die  linke  Flanke  der  kaiserlichen  Einschliefsungs- 
linie  und  hatten  das  dritte  Rondell  der  Nordfront  sowie  die  be- 
nachbarte Kurtine  anzugreifen. 

Die  Türken  wehrten  sich  mit  bewundernswerter  Tapferkeit 
und  Zähigkeit  gegen  die  ungeheure  Übermacht  der  Feinde  und 
unternahmen  sogar  zahlreiche  Ausfälle,  deren  einer  die  Branden- 
burger schon  am  zweiten  Tage  nach  ihrer  Ankunft  schwer  traf; 
hier  fiel  auch  ein  Sohn  des  Feldmarschalls  Derfflinger.  Jede 
Nacht  erlitten  die  Truppen  in  den  Laufgräben  Verluste  durch 
das  wohlgezielte  Geschützfeuer  der  Osmanen.  Am  13.  Juli  hielt 
Lothringen  die  Breschen  der  Nordfront  für  praktikabel  und  be- 
fahl den  Sturm.   -  Er  wurde  unter  furchtbarem  Blutvergiefsen 


438  Siebentes  Buch. 

abgewiesen.  Die  Brandenburger,  unter  Generalmajor  von 
Marwitz  und  dem  Prinzen  von  Kurland,  des  Kurfürsten  Neffen, 
retteten  dabei  ihre  kaiserlichen  Nachbarn  vor  Vernichtung,  in- 
dem sie  den  Ausfall  der  Türken  auf  die  in  panischem  Schrecken 
Fliehenden  mit  vieler  Tapferkeit,  aber  auch  unter  grofsen  Ver- 
lusten, unter  denen  sich  Oberst  Karl  Emil  Graf  von  Dohna  be- 
fand, zurückschlugen.  Glücklicher  fiel  ein  zweiter  Angriff  aus, 
am  27.  Juli.  Die  Brandenburger  erstürmten  hier,  trotz  furcht- 
barer, wilder  Gegenwehr,  das  mittlere  von  den  drei  westlich 
vom  Wiener  Tore  gelegenen  Rondells.  Allein  sie  verloren  dabei 
nicht  weniger  als  vierzig  Offiziere  und  446  Unteroffiziere  und 
Gemeine.  Der  Herzog  von  Lothringen  fand  sich  bewogen,  am 
Tage  nach  dem  Kampfe  den  Kurfürsten  wegen  der  ruhmvollen 
Tapferkeit  seiner  Truppen  und  besonders  wegen  des  Mutes  und 
der  Fähigkeiten  ihres  Führers  Schöning  zu  beglückwünschen. 
Der  Oberbefehlshaber  umarmte  und  küfste  den  brandenburgi- 
schen Generalleutnant  und  alle  höheren  Offiziere  unter  innigen 
Danksagungen.  Allein  diese  Ehrungen  vermochten  den  Kur- 
fürsten nicht  über  die  ungeheuren  Verluste  seiner  braven  Truppen, 
von  denen  namentlich  die  Infanterie  fast  die  Hälfte  ihres  Be- 
standes einbüfste,  sowie  über  den  Tod  so  vieler  ausgezeichneter 
Offiziere,  wie  des  Grafen  Dietrich ,  Bruders  des  am  13.  Juli  ge- 
fallenen Karl  Emil  von  Dohna,  und  seines  eigenen  zärtlich  ge- 
liebten Neffen  Alexander  von  Kurland,  zu  trösten.  Seine  Ver- 
stimmung war  so  grofs,  dafs  sie  ihn  zu  dem  ganz  unbegründeten 
Verdachte  verleitete,  man  opfere  seine  Soldaten  absichtlich,  als 
Ketzer,  an  denen  nicht  viel  gelegen  sei^. 

Die  Brandenburger,  obwohl  an  Zahl  zusammengeschmolzen, 
fuhren  fort,  sich  vor  Ofen  auszuzeichnen.  Während  die  Kaiser- 
lichen bei  einem  Sturme  am  3.  August  abermals  eine  Nieder- 
lage erlitten,  brachten  die  Brandenburger  unter  Barfus  das 
dritte  Rondell  vor  dem  Wiener  Tore  in  ihre  Gewalt,  so  dafs 
seitdem  die  ganze  Nordseite  der  ersten  Mauer  im  Besitze  der 
Belagerer  war. 

Freilich  rückte  nun  der  Grofswesir  Suleiman  Pascha  mit 
40000  Mann  zum  Entsätze  der  Feste  und  ihrer  heldenhaften 
Verteidiger  heran.  Allein  die  Belagerer  erhielten  gleichfalls 
namhaften  Zuzug.     Sie  umgaben  sich  nach  aufsen  mit  einem 


*  U.  u.  A.,  XIV,  1313.  —  Prutz,  318. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  TOrkenkrieg.   439 

Walle  lind  erwehrten  sich  der  Truppen  des  Grofswesirs.  Bei 
einem  dieser  Gefechte,  am  29.  August,  zeichnete  sich  Schöning 
von  neuem  aus,  indem  er  persönlich  an  der  Spitze  von  nur  vier 
Schwadronen  die  Janitscharen  zersprengte  und  Lothringen  aus 
der  Gefahr  der  Gefangenschaft  errettete.  Der  Obergeneral  sandte 
dem  Kurfürsten  ein  abermaliges  Glückwunschschreiben ,  das  um 
so  wärmer  ausfiel ,  je  mehr  der  Verfasser  selbst  den  wackeren 
Brandenburgern  verdankte. 

Endlich,  nach  zweiutideinhalbmonatiger  Blutarbeit,  konnte 
—  am  2.  September  1686  —  der  Hauptsturm  auf  die  zweite  Um- 
fassungsmauer stattfinden.  Den  schwersten  Kampf  hatten  die 
Brandenburger  zu  bestehen,  auf  der  linken  Flanke  des  Angriffes 
auf  die  Nordfront  der  zweiten  Mauer.  Aber  Schöning,  allen 
Seinigen  voran,  führte  sie  zum  Siege  und  betrat  als  einer  der 
ersten  die  Stadt.  Hier  warf  sich  der  greise  Festungskommandant 
Abd-er-Rachmftn  selber  mit  seinen  besten  Kriegern  den  Ein- 
dringenden entgegen,  die  nur  über  die  Leichen  dieser  Tapferen 
bis  zum  Schlosse  vordrangen;  seine  Einnahme  beendete  die 
Belagerung  Ofens. 

Sie  hatte  die  Brandenburger  91  Offiziere  und  3074  Unter- 
offiziere und  Gemeine  an  Toten,  Verwundeten  und  Kranken  ge- 
kostet —  zwei  Fünftel  des  ganzen  Korps !  Da  das  ganze  kaiserliche 
Heer  mit  seinen  66000  Mann  nur  10000,  also  fünfzehn  Prozent, 
verlor,  so  wird  ersichtlich,  wie  sehr  die  Brandenburger  in  den 
Kämpfen  um  Ofen  den  blutigen  Ehrenplatz  erhalten  hatten. 

Von  allen  Seiten  —  dem  Kaiser,  dessen  Obergeneral  und 
Ministem  —  erhielt  der  Kurfürst  lebhafte  Glückwünsche  wegen 
des  Heldenmutes  seiner  Truppen  und  wegen  des  hervorragenden, 
ja,  entscheidenden  Anteils,  den  sie  an  dem  grofsen  Erfolge 
genommen  hatten.  Er  sprach  selber  den  Braven,  und  zwar  den 
Gemeinen  ebensogut  wie  den  Offizieren,  seinen  kriegsherrlichen 
innigen  Dank  aus.  Er  liefs  eine  Münze  prftgen,  die  zwei  St&dte- 
bilder,  übereinander  und  durch  einen  Strom  getrennt,  aufweist: 
Hamburg  und  Buda  (Ofen).  Ueber  jener  Stadt  steht:  Defen- 
dimus  illam,  über  dieser  Hanc  cepimus^.  Eine  in  der 
Tat  rühmliche  Zusammenstellung  dessen,  was  Brandenburg  in 
diesem  Sommer  geleistet  hatte.  Allein  über  dem  Ruhmesglänze 
vergafs  Friedrich  Wilhelm  nicht  der  Leiden  und  Verluste  seines 


>  Seyler,  222. 


440  Siebentes  Buch. 

tapferen  Feldheeres.  Er  forderte  vom  Kaiser,  der  solches  alsbald 
zu  neuen  Kämpfen  in  Bewegung  setzen  wollte,  seine  Rfickkehr, 
die  Leopold  auch  bewilligen  mufste.  Zu  der  Verstimmung  des 
Kurfürsten  hatte  vor  allen  Generalleutnant  von  SchOning  beige- 
tragen. Er  hatte  von  Röbenae  eine  ^Gi^tifikation*'  von  3000 
Talern  und  das  Versprechen  weiterer  Gaben  nach  dem  Ende 
des  Feldzuges  erhalten.  Dafür  hatte  er  sich  schon  im  Februar  1686 
—  also  ein  Vierteljahr  vor  dem  Beginne  des  Marsches  nach 
Ungarn  —  verpflichtet,  recht  lebhafte  Klage  über  die  Behand- 
lung des  brandenburgischen  Hilfskorps  durch  den  Kaiser  zu  er- 
heben, damit  der  Kurfürst  aus  der  ungarischen  Expedition  all 
das  Mifsvergnügen  gegen  den  Kaiser  schöpfe,  das  die  Franzosen 
ihm  einzuflöfsen  wünschten.  Er  entsprach  seiner  Zusage  voll- 
kommen. Seine  Beschwerden  über  die  seinem  Korps  widerfahrende 
Behandlung  waren  so  best&ndig  und  so  stark,  dafb  der  Kurfürst 
durch  sie  in  lebhaften  Zorn  versetzt  wurde  und  deshalb  dem 
kaiserlichen  Gesandten  heftige  Szenen  bereitete.  Schliefslieh 
wies  Schöning,  um  seiner  Rolle  treu  zu  bleiben,  ein  ansehn- 
liches kaiserliches  Gnadengeschenk  in  ostentativer  Weise  zurück  \ 
Allein  diese  Mifshelligkeiten  konnten  die  allgemeine  Freude 
Europas  —  mit  Ausnahme  des  französischen  Hofes  —  über  den 
neuen  glänzenden  Erfolg  der  christlichen  Waffen  nicht  trüben.  Die 
Eroberung  Ofens  im  Angesichte  eines  starken  türkischen  Heeres,  das 
nicht  einmal  einen  ernstlichen  Entsatzversuch  wagte,  bewies  un- 
widersprechlich  den  Niedergang  derOsmanen,  die  Überlegenheit  des 
Kaisertums.  Die  Befreiung  ganz  Ungarns  aus  der  Gewalt  der  ungläu- 
bigen Barbaren  war  damit  entschieden,  —  wie  denn  schon  in  den 
folgenden  Wochen  eine  Reihe  der  festesten  Stützpunkte  der  Türken 
den  Kaiserlichen  in  die  Hände  fiel.  Lauter  Jubel  durchbrauste  die 
gesamte  Christenheit,  als  deren  Führer  und  Vorkämpfer  der  deutsche 
Kaiser  wieder,  nach  mehr  denn  vier  Jahrhunderten,  erschien. 
Leopold  I.,  die  deutschen  Habsburger  erfreuten  sich  nunmehr 
einer  zuvor  nie  gekannten  Volkstümlichkeit  und  Hochachtung, 
während  ihr  bislang  so  mächtiger  Nebenbuhler,  Ludwig  XIV., 
allgemein  mit  einer  mit  Furcht  gemischten  Abneigung,  ja  Hars 
betrachtet  wurde.   Er  erfocht  Siege  nur  auf  Kosten  der  Christen, 


'  Die  andauernde  verräterische  Verbindung  Scbönings  mit  den 
Franzosen,  die  bisher  unbekannt  war,  wird  erwiesen  durch  die  Ms.  Depeschen 
Eöbenacs  vom  5.  Febr.,  4.  Mai,  8.  Juni,  2.  Aug.  1686  (B). 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  TOrkenkrieg.    441 

des  Friedens  des  Weltteils,  w&hrend  Österreich  als  Verfechter 
des  Glaubens  und  der  Kultur  gegen  deren  Todfeinde  sich  be- 
währte« So  hat  der  Ofener  Sieg  dazu  beigetragen,  die  allge- 
meine Koalition  gegen  Frankreich  zu  stände  zu  bringen. 
Ludwig  XIY.  aber  empfand  ihn  mit  gutem  Grunde  als  eine 
eigene  Niederlage.  Er  durfte  dem  Kaiser  nicht  die  Zeit  lassen, 
neue  Erfolge  zu  erfechten,  neuen  Ruhm  zu  ernten,  neue  Länder 
zu  erwerben  und  endlich  die  Pforte  zu  einem  verlustreichen 
Frieden  zu  zwingen,  damit  Leopold  dann  mit  zahlreichen,  ab- 
gehärteten und  kampfgewöhnten  Soldaten,  mit  dem  ganzen 
Glänze  seiner  volkstümlichen  Lorbeeren  Europa  um  sich  schare, 
gegen  Frankreich.  Entweder  mufsten  Kaiser  und  Reich  den 
WaSenstillstand  in  einen  förmlichen  Frieden  verwandeln,  dadurch 
die  reunierten  Gebiete  endgültig  an  Frankreich  abtreten  und 
zugleich  demütig  dessen  Überlegenheit,  selbst  nach  den  Siegen 
über  die  Türken,  anerkennen,  —  oder  der  König  murste  sie 
durch  beständige  Kränkungen  und  Gewalttaten  zu  sofortigem 
Kriege  reizen,  der,  bei  der  Unabkömnüichkeit  der  kaiserlichen 
Truppen  in  Ungarn  und  bei  der  Unfertigkeit  der  Koalition,  ihm  noch 
alle  Wahrscheinlichkeit  des  Sieges  gewährte.  Um  sich  aber  bei 
seinen  Übergriffen  den  Schein  des  Rechtes  zu  geben,  wandte 
Ludwig  den  höchst  geschickten  Schachzug  an,  die  armselige,  ja 
lächerliche  Augsburger  Allianz  als  eine  Beleidigung,  eine 
Drohung,  eine  furchtbare  Gefahr  für  Frankreich  hinzustellen, 
das  durch  sie  zu  schleunigen  und  durchgreifenden  Gegenmafs- 
regeln  sich  genötigt  sehe. 

Am  20.  September  überschritt  der  Intendant  des  Elsasses, 
la  Grange,  mit  mehreren  tausend  Soldaten  und  Handwerkern 
die  Rheinbrücke  bei  Hüuingen  und  begann  auf  dem  rechten 
Flufsufer,  auf  baden-durlachschem  Gebiete,  die  Erbauung  eines 
Forts,  das  den  Franzosen  als  Brückenkopf,  als  Ausfallstor  gegen 
das  Reich  dienen  sollte.  Es  war  das  eine  um  so  schnödere 
Rechtsverletzung,  als  der  Friede  von  Münster  ausdrücklich  die 
Anlegung  von  Befestigungen  auf  dem  rectiten  Rheinufer,  von 
Basel  bis  Philippsburg,  allen  beteiligten  Staaten  untersagte. 
Niemand  aber  trat  dieser  kecken  Gewalttat  entgegen  als  der 
von  Lörrach  herbeieilende  badische  Amtmann,  der  sich  selbst- 
verständlich mit  einem  wirkungslosen  Protest  begnügen  mufste. 
Die  angeblich  so  furchtbaren  Augsburger  Verbündeten  wagten 
nicht,  Gewalt  mit  Gewalt  zu  vertreiben. 


442  Siebentes  Buch. 

Vergebens  tat  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  in 
Paris  ernste  und  häufig  wiederholte  Vorstellungen.  Groissy  er- 
widerte, dafs  die  Mafsregel  durch  die  feindselige  Haltung  des 
Kaisers  und  die  Augsburger  Allianz  notwendig  gemacht  sei 
Der  König  werde  das  Fort  festhalten  und  schützen,  jede  Sendung 
von  Reichstruppen  nach  Schwaben  als  Kriegsfall  betrachten  und 
dann  durch  eigenen  Angriff  den  Kampf  eröffiien.  Ja ,  Ludwig 
trieb  die  Anmafsung  so  weit,  Brandenburgs  Beistand  bei  der 
Behauptung  des  Hüninger  Brückenkopfes  zu  fordern '. 

Der  Kurfürst  befand  sich  in  der  peinlichsten  Lage.     Er 
empfand  mit  kochendem  Ingrimm  die  Schmach,  die  dem  Reiche 
abermals   durch  diesen  Festungsbau,   diesen    „Friedensbmch'', 
diese  ,,Invasion^  zugefügt  wurde '.   Mit  Güte  konnte  er  in  Paris 
nichts   mehr   ausrichten.     Er  stand   dort  sehr  schlecht  ange- 
schrieben; man  zweifelte  nicht  mehr  daran,  ihn  allerorten,  und 
zumal  in  Kriegszeiten,   unter  den  Feinden  Frankreichs   zu  er- 
blicken^.    Seine  Reklamationen  wegen  des  gekaperten  Schiffes 
„Der  Morian**   hatten  noch   keine  Erhör ung  gefunden,  —   ein 
deutlicher  Beweis,  wie  wenig  man  ihm  wohlwollte.    Den  Krieg 
mit  Frankreich  zu  führen,  hielt   er  aber  für  den    Augenblick 
noch  nicht  für  möglich;    da  auf  England  nicht  zu  zählen  sei, 
müsse  man  zuvor  mit  den  Türken  Frieden  schliefsen.     Hierzu 
riet  er  in  Wien  mit  dem  gröfsten  Eifer  ^.     Er  wufste,  dafs  der 
Pfälzer  Kurfürst  auf  seinen  Schwiegersohn,  den  Kaiser,  beträcht- 
lichen Einflufs  übe ;  deshalb  legte  er  auch  Philipp  Wilhelm  dar, 
dafs  das  Reich  vor  weiteren  Verlusten  im  Westen  nur  geschützt 
werden   könne,  wenn   Leopold  den  Kampf  gegen  die  tief  ge- 
demütigten und  für  die  nächste  Zukunft  ungefährlichen  Osmanen 
einstelle.    Der  Pfillzer,  dem  für  seine  eigenen  Lande  bange  war, 
trat  wirklich  bei  Leopold  eifrig  für  den  Frieden  ein ;  und  ebenso 
die  Holländer".    Es  war  alles  vergeblich.    Die  Ausdehnung  der 
habsburgischen  Herrschaft  über  die  Donauländer  erschien  den 
österreichischen   Staatslenkern  wichtiger    als  die  Verteidigung 
des  Rheins:   eine  Ansicht,  die  von  partikularistischem  Stand- 


^  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  4.,  10.,  19.  Okt.  —  Ms.  Korresp.  Lud- 
wig XIV.  mit  R^benac,  Okt.  1686  (B). 

'  Kurf.  an  Gk)ttfr.  v.  Jena,  9.,  19.  Nov.  1686;  Fester,  164. 

'  Ms.  Spanheim,  a.  a.  0. 

^  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  7./17.  Nov. 

"  Immich,  Innocenz  XI.,  54. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel»    Augsburger  Bimd  und  TOrkenkrieg.   443 

punkte  aus  vielleicht  richtig  war,  die  aber  das  Reich  zur  Macht- 
losigkeit verdammte  und  den  Franzosen  den  Weg  zu  immer 
neuen  Yergewaltigungen  eröfihete.  Der  habsburgische  Kaiser 
kannte  dem  Reiche  gegenüber  nur  Rechte  und  Ansprüche;  seiner 
Pflichten  gegen  dieses  ist  er  nicht  eingedenk  gewesen. 

Diese  partikularen   Anschauungen  gaben   auch   die  Richt- 
schnur, nach  der  Österreich  den  Brandenburger  behandelte,  nach 
Abschlufs  des  Bündnisses  ebensogut  wie  vorher,  ohne  jede  Rück- 
sicht   auf  die  dreitausend  brandenburgischen  Krieger,  die  zu 
Gunsten  Österreichs  auf  den  blutgetränkten  Gefilden  vor  Ofen 
gefallen  waren«   Wie  kränkend  verfuhr  der  Kaiser  bei  der  Aus- 
zahlung der  Subsidien,    die  er  unter  allerlei  Vorwänden  be- 
schnitt, bei  der  Marschrichtung  und  Einquartierung  des  zurück- 
kehrenden brandenburgischen  Korps !    Schöning  benutzte  selbst- 
verständlich  diese  Vorgänge,   seinen  um   das  Wohl   und  den 
Bestand  seines  Heeres  innig  besorgten  Herrn  aufs  heftigste  in 
Harnisch  zu  bringen'.    Endlich  suchte  Leopold  vor  allem  dem 
Kurfürsten  den  einzigen  bleibenden  Lohn  für  seine  politische 
und    militärische    Unterstützung    des   Reichsoberhauptes,   die 
Anwartschaft  auf  Ostfriesland,  zu  rauben.    Er  hatte  ihn  schon 
um  Schwiebus  betrogen,  heimlich;  jetzt  bemühte  er  sich  mit 
ganz  offenbaren  Machinationen,  ihm  Ostfriesland  zu  entziehen'. 
Die  Liechtensteinsche  Schuldforderung  an  Ostfriesland,  die 
der  Kaiser  in  seinem  jüngsten  Bündnisvertrage  mit  dem  Kur- 
fürsten diesem  hatte  zedieren  lassen,  war  auf  Greetsyl  und  Har- 
lingerland  hypotheziert.    Da  die  fürstliche  Familie  aufser  stände 
war,  die  Schuld  jemals  abzutragen,  gerieten  jene  Gebietsteile  in 
brandenburgischen  Pfandbesitz.    Friedrich  Wilhelm  liefs  dort  in 
der  Tat  Steuern  und  sonstige  Gefälle,  behufs  Deckung  der  Schuld- 
zinsen, zu  seiner  eigenen  Kasse  abführen,  wogegen  die  Fürstin- 
Regentin  Verwahrung  einlegte.    Der  Kaiser  erkannte  wohl,  dafs 
der  Kurfürst  allmählich  die  verpfändeten  Gebiete  der  branden- 
burgischen Verwaltung  zu  unterwerfen  gedenke ;  und  um  das  zu 
verhüten,  erbot  er  sich,  obwohl  er  sonst  immer  ob  seiner  bitteren 
Geldnot  klagte,   den    Betrag    der   Liechtensteinschen    Schuld, 
SOOOOOGulden  rheinisch  nebst  60  000  Gulden  rückständiger  Zinsen, 


^  Ms.  Depeschen  B^benacs  vom  Dez.  1686  (B). 
•  Das  Folgende  nach  den  Akten  in  den  U.  u.  A.,  XIV,  1308  ff.,  so- 
wie nach  Wiarda,  VI,  258  ff . 


444  Siebentes  Buch. 

dem  Kurfürsten  auszuzahlen.  Er  trat  hiermit  in  um  so  schärferen 
Gegensatz  zu  Friedrich  Wilhelm,  als  dieser  vor  Abscblurs  seines 
Vertrages  mit  Leopold  ausdrücklich  und  bestimmt  erkl&rt  hatte : 
nicht  um  das  Geld,  sondern  um  das  Land  sei  es  ihm  zu  tun. 
Vergebens  warnte  Fridag :  ein  solches  Verfahren  werde  den  Kur* 
fürsten  auf  das  schwerste  reizen;  auch  werde  «anyetzo  post 
ratificatos  ex  omni  parte  tractatus,  ohne  Hazardirung 
£w.  Maj.  allerhöchstes  Respectes,  diese  immutatio  sich 
nicht  praktisiren  lassen*^.  Vergebens  weigerte  sich  Friedrich 
Wilhelm  der  Neuerung.  Leopold  bestand  auf  seinem  Ton  Übel- 
wollen eingegebenen  und  der  Vertragstreue  gänzlich  zuwider^ 
laufenden  Verlangen.  Es  liefs  die  Liechtensteinschen  Erben,  ge-i 
horsame  österreichische  Edelleute,  auf  dem  Plane  erscheinen, 
um  gegen  jede  Zession  der  Schuld  zu  protestieren  und  solche 
als  ungültig  zu  bezeichnen.  Damit  wurde  der  Kaiser  „ge- 
zwungen**,  anstatt  der  Schuld  die  entsprechende  Geldsumme 
dem  Kurfürsten  zu  überlassen.  Der  Wiener  Reichshofrat,  ein 
gefügiges  Werkzeug  der  kaiserlichen  Minister,  nahm  sich  jener 
gekränkten  Erben  an  und  bedrohte  jede  auf  der  Zession  fufsende 
Handlung  mit  einer  ,, Strafe  von  fünfzig  Mark  lötigen  Goldes*. 

So  dankte,  vom  Beginne  an,  das  Haus  Österreich  die  wich- 
tigen politischen  und  militärischen  Dienste,  die  ihm  die  branden- 
burgischen Hohenzollern  leisteten.  Mit  List  und  mit  Gewalt 
entzog  man  ihnen  den  versprochenen  Lohn,  auch  wenn  er  den 
Kaiser  selbst  nichts  kostete.  Im  Norden  Deutschlands  sollte  eben 
keine  starke  protestantische  Macht  entstehen. 

Es  gehörte  die  tiefe  Einsicht,  das  weltumfassende  Urteil 
und  die  feste  Willenskraft  Friedrich  Wilhelms  dazu,  dafs  er 
nicht  von  diesem  ihm  stets  feindlich  gesinnten,  unfreundlichen, 
undankbaren  Habsburger  wieder  zu  Frankreich  übertrat,  das  ihn 
gerade  damals  in  jeder  Weise  umschmeichelte,  alles  tat,  um  ihn 
für  sich  zu  gewinnen.  Da  der  Kurfürst  sich  von  den  Drohungen 
und  Beeinträchtigungen  seitens  der  Franzosen  nicht  hatte  zur 
Unterwerfung  schrecken  lassen,  versuchten  sie  es  mit  Lockungen 
und  Freundlichkeiten.  Sie  boten  ihm  eine  beträchtliche  Ver- 
mehrung der  Subsidien,  ja  das  Schiedsrichteramt  bei  allen  Ver- 
handlungen, die  sich  an  den  Waifenstillstand  des  Jahres  1684 
knüpfen  würden.  Sie  zahlten  ihm  aus  den  seit  Monaten  zurück- 
gehaltenen Hilfsgeldern  125000  Livres  aus  und  stellten  ihm 
nicht  allein  den  ,,Morian^  zurück,  sondern  gaben  ihm  als  Ent- 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  TOrkenkrieg.   445 

sehftdigung  für  dessen  Beschlagnahme  noch  20  000  Livres.  Kurz, 
der  frohere  Hochmut  des  Königs  Brandenburg  gegenüber  hatte 
sich  in  f&rmliche  , Bassesse"  verwandelt,  —  so  sehr  erkannte  er 
in  dem  Kurfürsten  den  Eckstein  der  sich  langsam  gegen  ihn 
bildenden  europftischen  Koalition  V 

Friedrich  Wilhelm  hatte  noch  besondere  Gründe,  einstweilen 
Frankreich  nicht  herauszufordern.  Trotz  aller  offiziellen  Ab- 
leugnungen gingen  die  Verhandlungen  wegen  eines  Bündnisses 
zwischen  den  Lüneburgem  und  Frankreich  immer  weiter:  es  war 
zur  Lahmlegung  Brandenburgs  bestimmt'.  Dieses  stand,  nach 
kurzer  Aussöhnung,  wieder  feindlicher  mit  den  Weifen  denn  je. 
Als  Georg  Wilhelm  von  Gelle  die  mecklenburgischen  Stände 
um  Gewfthrung  von  Quartieren  für  einen  Teil  seiner  Truppen 
anging,  drohte  der  Kurfürst  den  Ständen,  er  werde  ihnen  für 
jeden  braunschweigischen  Soldaten,  den  sie  aufnähmen,  zehn 
brandenburgische  auf  den  Hals  schicken'.  Mit  Hannover  stritt 
er  sieh  heftig  wegen  der  Herrschaft  Gartow  an  der  Elbe,  die 
jenes  als  Lehen,  der  Kurfürst  aber  als  Besitzung  des  Johanniter- 
Heermeistertums  in  Anspruch  nahm;  er  legte  Besatzung  hinein 
und  stationierte  auf  dem  Strome  ein  bewa£Fhetes  Schiff,  um 
seine  Eigentumsrechte  erforderlichenfalls  mit  Gewalt  zu  ver- 
teidigen^. So  bildete  das  Haus  Lüneburg  für  ihn  eine  sehr 
unbequeme  Nachbarschaft,  —  wenn  er  sich  nicht  mit  Frankreich 
gut  stellte. 

Bedenkliche  Nachrichten  kamen  aus  Süddeutschland,  aus 
dessen  einzigem  waffenmächtigem  Staate,  Bayern.  Kurfürst 
Maximilian  IL  hatte  mit  grofser  Opferwilligkeit  t^eit  Jahren  für 
den  Kaiser  in  Ungarn  gekämpft.  Allein  er  wurde  sehr  unzu- 
frieden, als  Leopold,  aus  Eifersucht  gegen  die  Bedeutung  Bayerns, 
ihn  weder  gegen  die  Türken  noch  selbst  bei  dem  augsburgi- 
Bchen,  einstweilen  nur  auf  dem  Papiere  vorhandenen  Bundes- 
heere mit  dem  Oberbefehle  betraute.  Die  Mifsstimmung  des 
jungen  Fürsten  wurde  noch  durch  eine  Herzensangelegenheit 
gesteigert.    Er  hegte  gegen  seine  Gemahlin  Marie  Antonia,  die 


*  Mb.  Berichte  Spanheima  vom  Jan.  1687.  —  U.  u.  A.,  XIV,  1316. 
1326.  1329.  1335.  —  I  mm  ich,  Orleansscher  Krieg,  136. 

*  Kurf.  an  Spanheim,  8./18.  Jan.    1687;  Berlin,   Geh.  Staatsarchiv, 
XI,  Frankr.  25. 

»  Prutz,  323. 

*  Londorp,  Xni,  126 ff. 


446  Siebentes  Buch. 

Tochter  Leopolds  I.,  heftige  Abneigung  und  empfand  um  so  leiden- 
schaftlichere Liebe  zu  der  Gattin  des  kaiserlichen  Gesandten  in 
München,  Maria  Eleonore  Gr&fin  Kaunitz.  Ebendeshalb  berief 
der  Kaiser  den  Grafen  Kaunitz  von  München  ab  und  schickte 
ihn  nach  England.  Diese  Umstände  benutzte  der  Vertreter 
Frankreichs,  der  —  später  mit  so  hohem  militärischem  Ruhme 
umkleidete  —  Marquis  von  Villars,  um  den  bayrischen  Kurfürsten 
mit  allen  Mitteln  der  Intrige  und  grofsen  Verheifsungen  zum 
Übertritte  zur  französischen  Partei  anzulockend 

Ludwig  XIV.  wünschte  dringend,  seine  Reunionen  sicher- 
zustellen ,  ehe  der  Kaiser  durch  Friedensschlufs  mit  den  Türken 
die  Verfügung  über  sein  ganzes  Heer  wiedererlangt  habe.  Ein 
solches  Bestreben  war  gerechtfertigt,  und  Leopold  I.  fand  sich 
tatsächlich  bereit,  auf  einen  Traktat  einzugehen,  der,  auf  Grund 
des  Waffenstillstandes  und  für  dessen  Dauer,  also  noch  auf  bei- 
nahe zwei  Jahrzehnte  hinaus,  die  Grenzen  zwischen  Frankreich 
und  Deutschland  genau  festlege.  Auch  Friedrich  Wilhelm  war, 
um  jede  kriegerische  Verwicklung  zu  vermeiden,  mit  der  Auf- 
richtung eines  solchen  „Grenztractates''  durchaus  einverstanden '. 
Allein  dies  genügte  dem  Könige  nicht:  das  Reich  sollte  seine 
Schwäche  und  Demütigung  durch  Abschlufs  eines  förmlichen 
Friedens  besiegeln,  der  doch  Frankreich  keineswegs  verhindert, 
sondern  vielmehr  noch  stärker  ermutigt  hätte,  unter  den  mannig- 
fachsten Vorwänden  neue  Gewalttaten  auf  Kosten  Deutschlands  zu 
begehen.  Einen  Vorgeschmack  solcher  Zukunft  erhielt  man  da- 
mals, wo,  auf  Veranlassung  seines  Bruders,  des  Königs,  Herzog 
Philipp  von  Orleans  seine  gänzlich  phantastischen  Ansprüche 
auf  das  Fürstentum  Simmern,  die  Grafschaft  Sponheim,  die 
Städte  Kaiserslautern  und  Oppenheim^  sowie  auf  eine  bedeutende 
Geldsumme  aus  der  Pfälzer  Erbschaft  erneute^.  Derartige  Forde- 
rungen, deren  Vergeblichkeit  ja  zweifellos  war,  sollten  offenbar 
nur  dazu  dienen,  Frankreich  immer  einen  Grund  zum  Bruche 
jedes  Friedensvertrages  offenzuhalten.  Und  doch  war  es  ge- 
willt, den  formellen  Abschlufs  eines  solchen  nötigenfalls  mit  Ge- 
walt zu  ertrotzen.  Ludwig  XIV.  erging  sich  in  drohenden  Reden, 
seine  östlichen  Grenzprovinzen  füllten  sich  mit  Soldaten,  und 


»  Rec.  des  Instr.,  VII,  82  ff. 

•  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  8./18.  Jan.  1687. 

'  Im  mich,  Orleansscher  Krieg,  142  ff. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   447 

plötzlich  erbaute  er  auf  pfälzischem  Boden,  bei  Giesenheim,  in 
der  Nähe  und  zur  Bedrohung  der  Reichsfestung  Philippsburg, 
ein  neues  Fort,  dessen  Werke  sich  auch  auf  die  benachbarte, 
gleichfalls  deutsche  Rheininsel  ausdehnten.  „Ich  kenne  den 
Ort/  sagte  der  französische  Marschall  Humiferes;  „er  ist  nicht 
blofs  zur  Verteidigung  geeignet,  sondern  auch  zum  Angriffe  und 
Vorstofse  in  das  Innere  des  Reiches."  * 

Nachdem  er  durch  solche  Mittel  der  Einschüchterung  ge- 
nagend  vorgearbeitet  zu  haben  glaubte,  begann  Ludwig  seinen 
neuen  diplomatischen  Feldzug.  Unter  dem  Verwände,  dafs  der 
Kaiser  und  der  König  von  Spanien  nichts  leidenschaftlicher 
wünschten  als  den  Frieden  mit  der  Pforte,  um  Frankreich  an- 
greifen zu  können,  und  dafs  das  Augsburger  Bündnis  dem 
gleichen  Zwecke  diene,  liefs  er  durch  den  Kardinal  d'Estr6es 
den  Papst  auffordern,  Leopold  I.  zum  Abschlüsse  eines  bestän- 
digen Friedens  auf  Grund  des  zwanzigjährigen  Waffenstillstandes 
zu  bestimmen;  die  Entscheidung  von  Kaiser  und  Reich  müsse 
bis  zum  31.  März  1687  erfolgen  (Dez.  1686).  Das  gleiche 
verlangte  er  direkt  vom  Regensburger  Reichstage,  und  dazu 
heischte  er  auch  die  Mitwirkung  des  Kurfürsten  von  Branden- 
burg. „Der  König  mufs  wissen,  woran  er  sich  für  die  Zukunft 
halten  kann,*'  sagte  Croissy  zu  Spanheim,  „ob  er  Frieden  oder 
Krieg  zu  erwarten  hat,  und  sich  so  einer  festeren  Sache  als 
des  Waffenstillstandes,  nämlich  eines  guten  und  zuverlässigen 
Friedens  versichern."  Zur  Beförderung  dieses  Zweckes  solle 
Brandenburg  mit  Kurköln  und  anderen  „friedliebenden**  Reichs- 
ständen ein  Sonderbündnis  schliefsen,  das  sieh  natürlich  nur 
gegen  den  Kaiser  richten  konnte '. 

Allein  das  herrische  Verlangen  Frankreichs,  das  mit  der 
kurz  bemessenen  Ansetzung  des  Termins  zur  Antwort  mehr 
einem  Ultimatum  glich  als  einer  friedlichen  Aktion,  fand  all- 
gemeinen Widerspruch.  Waren  doch  von  den  zwanzig  Jahren 
des  Waffenstillstandes  erst  zwei  und  ein  halbes  verflossen,  hatten 
doch  Kaiser  und  Reich  nichts  getan,  was  das  Mifstrauen  der 
Franzosen  hervorrufen  oder  auch  nur  im  mindesten  rechtfertigen 
konnte.    Der  Papst  lehnte  jede  Mitwirkung  bei  einer  Tätigkeit 

1  0.  Klopp,  Der  Fall  des  Hauses  Stuart,  m  (Wien  1876),  S.  290. 

*  Über  dies  und  das  Folgende:  Bourgeois,  Spanheim,  364;  U.  lu 
A.,  XIV,  1340ff.;  Immich,  Innocenz  XI,  57ff.;  Prutz,  320.  381ff.; 
Londorp,  Xm,  66 ff. 


448  Siebentes  Buch. 

ab,  die  die  Gefahr  des  Krieges  in   der  Christenheit  lediglich 
vermehren  mufste. 

Kurfürst  Friedrich  Wilhelm,  den  Frankreich  noch  besonders 
durch  Zahlung  einer  neuen  Subsidienrate  von  125000  Livres 
günstig  zu  stimmen  gesucht  hatte,  liefs  sich  weder  durch  Frank- 
reichs Drohungen  und  Verlockungen  noch  durch  die  Miftgunst 
des  Kaisers  in  seiner  ebenso  reichspatriotischen  wie  besonnenen 
Haltung  irre  machen.  Er  verwarf  die  Forderung  des  definitiven 
Friedensschlusses,  die,  so  kurze  Zeit  nach  Eingehen  des  Waflfen- 
stillstandes  erhoben,  im  ganzen  Reiche  als  Zwang  und  Gewalt 
empfunden  werden  und  den  Krieg  herbeiführen  werde,  den  doch 
vermeiden  zu  wollen  Frankreich  behaupte.  Eine  Sonderallianz  für 
dessen  Zwecke  wies  er  bestimmt  zurück.  Ja,  er  erklärte  sich 
gewillt,  für  den  Fall,  dafs  Frankreich  auf  seinem  Verlangen  be- 
stehe, sein  Heer  um  weitere  3200  Mann  zu  vermehren  und  da- 
mit Kurpfalz,  Trier  und  die  Stadt  Köln  stärker  zu  decken. 
Nicht  mit  8000  Mann,  wie  er  sich  vertragsmäfsig  verpflichtet 
habe,  sondern  mit  16000  wolle  er  für  Kaiser  und  Reich  ins 
Feld  ziehen.  Anderseits  riet  er  Leopold,  behutsam  aufzutreten, 
baldmöglichst  mit  der  Pforte  sich  zu  verständigen,  inzwischen 
die  Verhandlungen  mit  Frankreich  weiterzuführen.  „Man  bleibet 
dahier  der  Meinung,"  schreibt  Fridag  am  17.  Januar  1687,  „dafs, 
wenn  Ew.  Kais.  Maj.  nicht  principaliter  und  mit  völliger  Macht 
dem  Werke  beiwohnen  und  den  oberen  Rheinstrom  bedecken 
könnten,  das  übrige  nur  in  scopis  dissolutis  bestehen, 
primo  intuitu  etwas,  aber  in  effecto  nichts  sein  und  viel 
ehender  irritamenta  als  remedia  malorum  mit  sich 
bringen  werde."  In  gleichem  Sinne  schrieb  Friedrich  Wilhelm 
selber  dem  Kaiser  (17.  Februar).  Er  war  der  Meinung,  „dafs, 
wenn  man  an  einen  mächtigen  und  armirten  König  Dinge 
schreiben  will,  worüber  derselbe  einig  ressentiment  fassen 
kann,  alsdann  nothwendig  Kräfte  und  Armeen  zur  Hand  sein 
müssen,  das  geschriebene  zu  souteniren,  wenn  nicht  eins 
von  diesen  beiden  erfolgen  soll,  dafs  man  nemblich  entweder 
wegen  die  hohen  Worte,  denen  man  keinen  Nachdruck  zu  geben 
vermag,  verspottet,  oder  aber  von  dem  armirten  Theil  gar  des- 
wegen angegriffen  und  anstat  des  vorhin  schon  erlittenen  Übels 
mit  einem  noch  gröfserem  beleget  wird*"  \    Ratschläge,  die  von 


*  R.  Fester,  in   den  Forsch,  z.  brandenb.  u.  preufs.  Gesch.,  XV 
(1902X  II,  165  Anm.,  166  Anm. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  TOrkenkrieg.    449 

jedem  Standpunkte  aus  vollkommen  richtig  waren.  Nur  die 
gesamte  Macht  Deutschlands,  mit  Einschlufs  aller  österreichi- 
schen Streitkräfte,  konnte  den  Franzosen  mit  Aussicht  auf  Er- 
folg Widerstand  leisten.  Freilich,  der  Krieg  von  1689  bis  1697 
ist  bei  noch  währendem  Kampfe  gegen  die  Türken  geführt 
worden.  Aber  das  wurde  nur  möglich,  weil  England,  infolge 
der  1686  nicht  vorherzubestimmenden  „glorreichen  Revolution**, 
1688  von  der  französischen  zur  franzosenfeindlichen  Partei  über- 
gegangen war  und  sich  am  Kampfe  gegen  Ludwig  XIV.  be- 
teiligte. Und  dennoch  erreichte  gerade  Deutschland  während 
dieses  Krieges  wenig  Rühmliches  und  mufste  sich  mit  ungünstigen 
Friedensbedingungen  begnügen.  Wie  anders  wäre  es  gekommen, 
wenn  das  kaiserliche  Heer,  das  bei  Szalankemen  und  Zenta  siegte, 
seine  Fahnen  am  Oberrhein  entfaltet  hätte  —  wie  zu  raten  es 
der  Grofse  Kurfürst  vorher  nicht  müde  geworden  war. 

Ludwig  XIV.  wurde  betroifen  über  das  Mifslingen  seines 
diplomatischen  Schachzuges.  Eine  so  feste  Haltung  des  Papstes, 
eine  so  grofse  Erregung  im  Reiche,  eine  so  bestimmte  Ableh- 
nung von  Seiten  Brandenburgs  hatte  er  nicht  erwartet.  Unter 
diesen  Umständen  wollte  er  es  nicht  auf  einen  Krieg  ankommen 
lassen,  der  die  öffentliche  Meinung  ganz  Europas  gegen  ihn  ge- 
kehrt und  aufserdem,  nach  seiner  Meinung,  das  sofortige  Ende 
des  Kampfes  in  Ungarn  herbeigeführt  hätte.  Er  wich  einen 
Schritt  zurück  —  es  war  das  ein  Sieg  des  friedliebenden 
Croissy  über  die  von  seinem  und  seiner  Familie  Gegner  Louvois 
vertretene  Gewaltpolitik.  Schon  am  10,  Februar  erklärte  der 
Staatssekretär  dem  Gesandten  Spanheim,  nach  den  üblichen 
Deklamationen  über  die  Kriegslust  Österreichs,  dessen  Macht- 
vergröfserung  der  König  selber  durch  seine  Mäfsigung  so  stark 
gefördert  habe,  und  das  nunmehr  Deutschland  völlig  beherrsche,. 
sowie  über  die  Notwendigkeit  der  Befestigungen  bei  Hüningen 
und  Giesenheim:  „Se.  Maj.  wird  sich  mit  einer  Versicherung 
begnügen,  die  ihm  im  Namen  von  Kaiser  und  Reich  gegeben 
würde,  und  die  enthielte,  dafs  ihre  feste  Absicht  sei,  auch  nach 
dem  Ende  des  Türkenkrieges  den  Waffenstillstand  zu  bewahren." 
Spanheim  glaubt,  dieser  Vorschlag  sei  aufrichtig  gemeint,  er  sei 
ein  Ausflufs  der  Verlegenheit  der  französischen  Minister,  die  sich 
durch  ihr  unzeitiges  Vorgehen  in  eine  üble  Lage  versetzt  hätten*. 


1  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  10.,  17.,  28.  Febr.  1687. 

Phllippson,  Der  Orofse  KnrfOrat.    III.  29 


450  Siebentes  Buch. 

Das  neue  Anerbieten  Frankreichs  erlöste  auch  Friedrich 
Wilhelm  Ton  drängender  Sorge.  Er  sprach  sich  sofort  dahin 
aus,  dafs  er  den  Wunsch  des  Königs  gerechtfertigt  finde  und 
nach  Kräften  unterstützen  werde.  Er  schrieb  tatsächlich  in 
diesem  Sinne  nicht  nur  nach  Paris,  sondern  auch  nach  Wien 
und  Regensburg ^.  Freilich,  am  liebsten  wäre  es  ihm  gewesen, 
wenn  Ludwig  die  Richtung  seiner  Politik  von  Grund  aus  ver- 
ändert hätte.  Er  schlug  ihm  vor,  sich  der  Schwäche  des  otto- 
manischen Reiches  zu  bedienen,  um  auf  dessen  Kosten  leichte 
und  umfassende  Eroberungen  zu  machen  und  hierdurch  zugleich 
die  Lehre  Christi  auszudehnen^.  Er  kam  damit  auf  Gedanken 
zurück,  die  Leibniz  fast  zwanzig  Jahre  früher  im  Consilium 
aegyptiacum  geäufsert  hatte.  Allein  die  Aussicht  auf  ihre  Ver- 
wirklichung war  1687  kaum  gröfser  als  zwei  Jahrzehnte  zuvor. 
So  bezeigte  man  sich  allerseits  auch  mit  dem  Ausgleiche  zu- 
frieden, wie  König  Ludwig  ihn  tatsächlich  vorschlug.  Ja,  der 
Kaiser  war  solchem  schon  am  7.  Fetouar  durch  eine  aus  eigener 
Initiative  hervorgegangene  Erklärung  an  den  Papst  zuvorgekom- 
men: er  verpfände  sein  kaiserliches  und  königliches  Wort,  den 
Stillstand  von  1684  nicht  blofs  während  des  Türkenkrieges, 
sondern  auch  nach  diesem  heilig  und  unverletzlich  zu  be- 
wahren. Eine  gleiche  Zusage  erteilte  Leopold  unmittelbar  dem 
französischen  Herrscher,  allerdings  mit  dem  Beisatze:  dieser 
werde  dafür  auf  den  territorialen  Zustand  vom  August  1681 
zurückkehren  und  seine  neuerlichen  Überschreitungen  des  Still- 
standes ungeschehen  machen.  Als  aber  Ludwig  hierauf  nicht 
einging  und  vielmehr  stillschweigende  Anerkennung  seiner 
Festungsbauten  von  Hüningen  und  Giesenheim  verlaugte,  be- 
willigte der  Kaiser  um  des  Friedens  willen  auch  dies,  und  die 
Ileichsversamjnlung  in  Regensburg  pflichtete  bei^. 

Frankreich  hatte  durch  dieses  letztere  Zugeständnis  immer- 
hin einen  neuen  Gewinn  davongetragen;  das  Reich  hatte,  frei- 
lich um  den  Preis  eines  Opfers  an  Ehre  und  militärischer 
Macht,  wieder  den  Frieden  erkauft.  Es  war  ein  auf  die  Länge 
mit  dem  Dasein  eines  unabhängigen  Volkes  und  Staatsgebildes 


*  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  12./22.  Febr.  1687.  —  Dep.  R^benacs  vom 
22.  Febr.;  Prutz,  302. 

«  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  16./26.  Febr.  1687. 

»  Immich,  Innocenz  XI.,  61ff.  —  Klopp,  III,  294ff.  —  Londorp, 
Xm,  71  ff. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   451 

unTerträglicher  Zustand,  dem  aber  nur  durch  Abschlufs  des 
Friedens  mit  den  Türken  damals  ein  gedeihliches  Ende  hatte 
bereitet  werden  können.  Friedrich  Wilhelm  hatte  durch  be- 
sonnene und  umsichtige  Haltung  wesentlich  zur  Beseitigung 
eines  Zwischenfalles  beigetragen,  der  wochenlang  einen  sehr  be- 
drohlichen Charakter  angenommen  hatte.  Er  gewann  sich  die 
Anerkennung  zugleich  des  Kaisers  und  Frankreichs,  das  ihm 
ganz  besonderen  Dank  wegen  seines  Verhaltens  in  dieser  An- 
gelegenheit aussprach^. 

Diese  freundliche  Stimmung  der  leitenden  Kreise  in  Paris 
wurde  indes  bald  durch  einen  eigentümlichen  Zwischenfall 
gestört  ^. 

Einer  der  ausgesprochensten  Anhänger  Frankreichs  unter 
den  kurfürstlichen  Staatsmännern  war  der  Gesandte  am  Regens- 
burger Reichstage,  Gottfried  von  Jena,  des  vor  kurzem  verstor- 
benen Geheimrat  Friedrich  Bruder,  ein  früherer  Universitäts- 
lehrer wie  dieser.  Es  ist  leicht  erklärlich,  dafs  der  Vertreter 
des  kräftig  aufstrebenden  Hohenzollemstaates  eben  durch  die, 
ein  volles  Vierteljahrhundert  hindurch  fortgesetzte,  tägliche 
Beobachtung  des  jammervollen  Treibens  der  deutschen  Bundes- 
versammlung —  gerade  wie  170  Jahre  darauf  ein  Gröfserer  — 
von  Ekel  und  Verachtung  gegen  sie  und  gegen  das  sie  im 
eigensten  Interesse  leitende  Österreich  erfüllt  wurde  und  solchen 
Empfindungen  Ausdruck  gab.  Auch  als  eifriger  Vertreter  evan- 
gelischer Interessen  wurde  Gottfried  von  Jena  der  österreichischen 
Partei  unbequem.  Der  Kaiser  hatte  längst  seine  Abberufung 
gewünscht.  Jetzt  ereignete  es  sich,  dafs  der  kurmainzische 
Gesandte  in  Regensburg,  in  seiner  Angst  vor  französischen 
Feindseligkeiten,  dem  Reichstage  den  ungeheuerlichen  Antrag 
stellte,  man  solle  nicht  nur  in  die  sofortige  Verhandlung  über 
den  endgültigen  Frieden  mit  Frankreich  eintreten,  sondern  auch 
diesem  Staate  einstweilen,  damit  er  sich  aller  Angriffe  enthalte, 
einige  feste  Plätze  innerhalb  des  Reiches  überantworten.  Jena 
hatte  diesem  entehrenden  Vorschlage,  der  weit  über  alles  hinaus- 


1  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  7.  März  1687. 

*  Über  den  Jenaschen  Zwischenfall  vor  allem:  B.  Fester,  Die  Ab- 
berufung Gottfr.  V.  Jenas  vom  Eegensb.  Reichstage  (Forsch,  z.  brandenb. 
u.  preufs.  Gesch.,  XV  [1902]),  11,  159  ff.  —  Dann:  U.  u.  A.,  XIV,  1347 ff.; 
Prutz,  321.  383 ff.;  Droysen,  III,  III  828f.;  Immich,  Orleansscher 
Krieg,  242.  250;  Ms.  Korrespondenz  des  Kurf.  mit  Spanheim,  März  1687. 

29* 


452  Siebentes  Buch. 

ging,  was  die  Franzosen  selber  je  gefordert,  vorläufig  zugestimmt 
Das  war  schlimm  genug;  aber  in  seinem  nachUssig  abgefafsten 
Berichte  Ober  diese  Dinge,  vom  14.  Februar,  erschien  es,  als 
habe  er,  persönlich,  die  bezQglichen  Anträge  gestellt  Der  Kur- 
fürst war  über  eine  solche  Eigenmächtigkeit,  die  noch  dazu 
seiner  eigenen  politischen  Richtung  schnurstracks  zuwider  lief, 
äufserst  entrüstet ;  und  als  der  Kaiser  unmittelbar  an  Friedrich 
Wilhelm  schrieb,  um  sich  bitter  über  Jena  zu  beschweren,  der 
sich  ganz  als  Anhänger  der  Franzosen  gebärde,  —  da  war  dessen 
Schicksal  entschieden.  Der  Kurfürst  war  in  seinem  Zorne  über- 
zeugt, der  Gesandte  sei  von  Louvois  bestochen  und  habe  dessen 
Befehle  ausgeführt;  ^3enh  hat  wie  ein  Schelm  an  meinem  Hause 
gehandelt,"  sagte  der  leidenschaftlich  erregte  Herr  zu  Fridag. 
Er  sah  sich  von  der  ganzen  Welt  des  Wankelmutes,  der  plötz- 
lichen, „platten  Unterwerfung''  unter  Frankreich  verdächtigt 
Indem  er  sich  bei  dem  Kaiser  entschuldigte,  konnte  er  ihm 
bereits  die  in  voller  Ungnade  erfolgte  Abberufung  Jenas  ankündigen 
(Ende  Februar  1687). 

Sie  sollte  eine  öffentliche  Demonstration  sein,  und  sie  wurde 
es  in  vollem  Mafse.  Sie  mufste  als  eine  Bestrafung  von  Jenas 
franzosenfreundlicher  Richtung,  als  ein  starker  Erfolg  der 
österreichischen  Politik,  als  eine  deutliche  Erklärung.,  erscheinen, 
dafs  Brandenburg  nicht  mehr  auf  französischer,  sondern  auf 
kaiserlicher  Seite  stehe.  So  fafste  alle  Welt  diesen  Vorgang 
auf,  der  grofses  Aufsehen  erregte.  Der  Kaiser  sowie  Philipp 
Wilhelm  von  der  Pfalz  sprachen  ihre  herzliche  Freude  über  die 
Entfernung  des  verhafsten  Franzosenfreundes  aus. 

Um  so  ergrimmter  war  man  in  Paris.  Spanheims  Lob- 
preisungen der  bedeutenden  Verdienste,  die  sein  Herr  sich  um 
das  Zustandekommen  der  kaiserlichen  Erklärung  erworben, 
wurden  nicht  mehr  angehört.  Croissy  führte  vielmehr  eine  bittere, 
geradezu  verletzende  Sprache.  Der  Kurfürst,  sagte  er,  habe 
Jena  abberufen,  obwohl  dieser  nichts  getan,  als  einen  auf 
Sicherung  des  Friedens  berechneten  Vorschlag  der  geistlichen 
Kurfürsten  zu  unterstützen.  Der  König  müsse,  nach  so  vielen 
anderen  Gelegenheiten,  wo  Brandenburg  sich  immer  an  die 
Spitze  seiner  Gegner  gestellt,  solches  Betragen  als  eine  förmliche 
Absage  an  ihn  betrachten.  Keine  Gegenrede  Spanheims  ver- 
mochte den  Staatssekretär  zu  beruhigen.  Während  Frankreich, 
fuhr  dieser  fort,  nur  aus  Rücksicht  auf  den  Kurfürsten  den  Ab- 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und  Türkenkrieg.   453 

Schlafs  eines  Bündnisses  mit  den  LOneburgern  vermeide,  füge 
jener ,  der  angebliche  Alliierte  des  Königs ,  diesem  einen  öffent- 
lichen „ Affront **  zu^  Röbenac  wurde  angewiesen,  in  den 
schftrfsten  Ausdrücken  gegen  Jenas  Abberufung  Protest  einzu- 
legen und  mit  endgültiger  Entziehung  der  Subsidien  zu  drohen, 
mit  denen  offenbar  gegen  den  König  bestimmte  Truppen  be- 
soldet würden^. 

Jena  suchte  sich  zu  entschuldigen;  er  durfte  darauf  hin- 
weisen, dafs  er  nicht  der  Urheber  des  verhängnisvollen  Antrages 
gewesen,  dafs  er  solchen  nur  vorläufig,  bis  auf  weitere  Instruk- 
tionen, unterstützt  habe.  Als  ihn  aber  sein  Herr  zu  öffentlichem 
Widerrufe  vor  dem  Kurfürstenkolleg  nötigte,  reichte  er  seine 
Entlassung  von  allen  Ämtern  ein,  die  er  im  brandenburgischen 
Dienste  bekleidete. 

Diese  Vorgänge  erhöhten  die  Mifsstimmung  in  Paris. 
Nun  müsse,  sagte  Croissy,  der  Kurfürst  zufrieden  sein,  aller 
Welt  gezeigt  zu  haben,  dafs  er  für  den  König,  seinen  Verbün- 
deten, nicht  die  mindeste  Achtung  hege  noch  auf  ihn  Rücksicht 
nehme.  Und  als  der  dänische  Gesandte  Meyercroon  mildernd 
und  besänftigend  einzugreifen  suchte,  schüttete  der  Minister 
sein  Herz  vollends  aus:  man  habe  wohl  gewufst,  dafs  man  in 
Kriegszeiten  nicht  auf  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  werde 
zählen  dürfen,  aber  habe  gehofft,  es  während  des  Friedens  tun 
zu  können.  Darin  habe  man  sich  jedoch  getäuscht;  er  sei  auf 
das  engste  dem  Kaiser  verbunden.  Ein  alter,  verdienter  Diplomat 
sei  bei  ihm  der  schlimmsten  Ungnade  verfallen,  auf  den  blofsen 
Verdacht  hin,  sich  mit  dem  französischen  Gesandten  in  Regens- 
burg verständigt  zu  haben  ^. 

Friedrich  Wilhelm  sah  ein,  dafs  er  in  der  durch  seine  irrige 
Auffassung  der  Regensburger  Vorgänge  erzeifgten  Erregung  zu 
weit  gegangen  sei,  dafs  er  den  bisherigen  vorsichtigen  Gang 
seiner  Politik  verlassen  und  einen  Fehler  begangen  habe.  Er 
suchte  solchen  nach  Möglichkeit  wieder  gutzumachen,  ohne 
dafs  er  sich  doch  geradezu  Lügen  strafe.  Er  schrieb  also  an 
Jena  in  freundlichen  Ausdrücken,  er  gebe  ihm  seine  Gnade 
zurück  und  wolle  ihn  in  der  hohen  Stellung  eines  Kanzlers  des 


'  Ms.  Spanheim  an  Korf.,  14.  März. 

«  Mb.  Ludwig  XIV.  an  Kebenac,  18.  März  (B;. 

■  Ms.  Spanheim  an  Kurf.  21.  28.  März,  4.  April. 


454  Siebentes  Buch. 

Herzogtums  Magdeburg  erhaltend  Spanheim  erhielt  den  Auf- 
trag, seinen  Herrn  in  eingehender  Weise  wegen  aller  dieser 
Vorfälle  zu  rechtfertigen ".  Wirklich  gab  Ludwig  XIV.  sich  den 
Anschein,  als  beruhige  er  sich  mit  diesen  Erklärungen,  denn 
er  wollte  sich  noch  immer  die  Möglichkeit  vorbehalten,  Branden- 
burg für  sich  zu  gewinnen.  Croissy  mufste  Spanheim  versichern, 
man  würde,  trotz  allem,  das  brandenburgische  Bündnis  dem 
braunschweigischen  vorziehen.  Allerdings  wisse  man,  der  Kur- 
fürst bewerbe  sich  um  die  Freundschaft  des  Kaisers  und  Oraniens, 
doch  hoffe  der  König,  Friedrich  Wilhelm  werde  zu  gesünderen 
Anschauungen  zurückkehren. 

Der  meinte  tatsächlich,  Frankreich  besänftigen  zu  müssen. 
Als  der  Kaiser  ihn  abermals  um  Entsendung  eines  Truppenkorps 
gegen  die  Türken  wiederholt  ersuchte,  wies  er  solches  mit 
freundlichen  Worten  ab,  unter  Vorwänden.  Das  gefiel  wieder 
in  Paris,  wo  die  Stimmung  günstiger  und  auch  die  Subsidien- 
zahlungen  an  Brandenburg  von  neuem  aufgenommen  wurden. 
Das  Frühjahr  1687  ging  unter  friedlichen  Aussichten  zu  Ende. 

Friedlich  waren  auch  des  Kurfürsten  Beschlüsse  nach  einer 
anderen  Seite  hin,  wo  er  sonst  für  seine  ehrgeizigen  Pläne  das 
Dasein  des  Staates  selbst  auf  das  Spiel  zu  setzen  gewohnt  ge- 
wesen'. Noch  immer  währten  die  nordischen  Wirren ,  zwischen 
Schweden  und  Holst  ein  auf  der  einen,  Dänemark  auf  der  anderen 
Seite.  Der  holsteinische  Vizekanzler  Ulcken  erschien  nun  Ende 
des  Jahres  1686  in  Berlin  und  bot  die  Abtretung  Stettins  durch 
Schweden  an,  wenn  der  Kurfürst  diesem  Staate  helfe,  einen 
Teil  Norwegens  zu  erobern.  Friedrich  Wilhelm  lehnte  dies  An- 
erbieten, das  ihn  wohl  sonst  mit  kühnem  Wagemute  erfüllt 
hätte,  ab;  er  sei  nicht  gemeint,  den  Besitz  der  Stadt  „durch 
einen  so  teuren  und  schädlichen  Preis  zu  erkaufen**.  Er  wollte 
weder  einen  Kampf  zwischen  den  wenigen  noch  vorhandenen 
protestantischen  Staaten  noch  eine  Gelegenheit  für  Frankreich, 
der  Rücksicht  auf  den  deutschen  und  skandinavischen  Norden 
entledigt  gegen  das  so  gut  wie  wehrlose  Süddeutschland  loszu- 
brechen, noch  endlich  für  Schweden  einen  solchen  Machtzuwachs, 


1  Ms.  Kurf.  an  Jena,  14./24.  März  1677. 

^  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  gleiches  Datum.  —  Das  Folgende  nach 
der  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Spanheim,  April,  3./ 13.  Juni  1687. 

»  Das  Folgende  nach  P.  Haake,  Brandenburgische  Politik  u.  Kriegs- 
ftlhrung  1688  u.  1689  (Kassel  1896),  S.  11  ff. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel.    Augsbvirger  Bund  und  Türkenkrieg.   455 

dafs  es  im  Norden  dominiere  und  um  so  schwerer  auf  Branden- 
burg drücke. 

Ein  anderer  Weg  schien  sich  ihm  zu  eröffnen,  um  zu  dem 
immerhin  glühend  gewünschten  Besitze  Stettins  zu  gelangen. 
Die  Kriegs-  und  Geldnöte  der  schwedischen  Krone  hatten  die 
Auszahlung  der  vertragsmäfsigen  Bezüge  der  ehemaligen  Königin 
Christine  nur  allzuoft  verhindert;  diese  Fürstin  behauptete, 
man  schulde  ihr  mehr  als  neun  Millionen  Taler.  Nun  wurde 
dem  Kurfürsten  nahegelegt,  der  Königin  zwei  Millionen  Taler 
bar  auszuzahlen  und  dafür,  wenn,  wie  vorauszusehen,  Schweden 
ihm  diese  nicht  zurückerstatten  könne,  sich  durch  Stettin 
entschädigen  zu  lassen.  Der  Plan  war  allzu  unverfänglich 
und  gefahrlos,  als  dafs  Friedrich  Wilhelm  nicht  Verhand- 
lungen darüber  gepflogen  hätte,  die  ja  einstweilen  zu  nichts 
verpflichteten.  Zuverlässige  Hoffnung  auf  Gelingen  hat  er  kaum 
gehegt. 

Ob  er  in  jüngeren  Jahren  und  bei  gröfserer  Rüstigkeit  nicht 
auf  das  ihm  angetragene  Kriegsbündnis  gegen  Dänemark  mit 
dem  verheifsungsvollen  Preise  Stettin  eingegangen  wäre?  Es 
ist  wahrscheinlich;  jetzt  aber  konnte  er  sich  auf  solche  Abenteuer 
nicht  mehr  einlassen.  Seine  Leiden  und  seine  körperliche 
Schwäche  hatten  derart  zugenommen,  dafs  er  selber  jeden  Tag 
sein  Hinscheiden  erwartete.  Da  hiefs  es,  alle  Nebendinge  ab- 
tun, seinen  Nachfolger  von  allen  nicht  unbedingt  notwendigen 
Verwicklungen  frei  und  sein  Staatsschiff  klar  machen  zu  dem 
unter  unsicherer  Führung  zu  unternehmenden  Entscheidungs- 
kampfe gegen  Glaubensdruck  und  Universalmonarchie. 


Achtundvierzigstes  Kapitel 

Der  Abschlufs. 


Je  näher  der  Augenblick  heranrückte,  wo  dem  greisen  Steuer- 
mann der  Griff  des  Ruders  entgleiten  murste,  um  so  mehr  drängte 
es  ihn,  seinem  schwachen  Nachfolger  die  geeignetsten  Gehilfen 
zur  Seite  zu  stellen.  In  politischer  Beziehung  glaubte  et 
auf  Fuchs  volles  Vertrauen  setzen  zu  dürfen,  der  mit  seinen 
Intentionen  auf  das  genaueste  bekannt  war,  klare  Einsicht  und 
hervorragende  diplomatische  Gewandtheit  mit  unermüdlicher 
Arbeitskraft  vereinte,  der  selbständig  dachte  und  sich  doch  dem 
Willen  des  Herrschers  anzupassen  verstand.  Anders  verhielt 
es  sich  mit  der  militärischen  Leitung.  Der  unvergleichliche 
Organisator  und  heldenhafte  Führer  des  brandenburgischen 
Heeres,  Derff linger,  war  ein  beinahe  achtzigjähriger  Greis,  der 
nicht  mehr  in  das  Feld  ziehen  konnte.  Sein  einst  bestimmter 
Nachfolger,  Schöning,  war  zwar  hochbegabt  und  ein  kühner 
Soldat,  aber  allzu  eigenmächtig,  intrigant  und  unzuverlässig,  als 
dafs  Friedrich  Wilhelm  ihm  die  Armee  und  zumal  deren  Befehl 
im  Kriege  gern  anvertraut  hätte.  Er  pafste  am  wenigsten  für 
einen  Kampf  an  der  Seite  des  Kaisers,  gegen  Frankreich,  für 
das  er  mit  Eifer  eingetreten  war.  So  rächte  sich  an  dem  ge- 
wissenlosen Manne  sein  Verrat  aus  dem  Sommer  1686.  Friedrich 
Wilhelm  sah  sich  nach  einem  anderen  Generalfeldmarschall  für 
seinen  Nachfolger  um.  Sein  Blick  fiel  auf  Friedrich  Armand, 
Herzog  von  Schomberg. 

Schomberg,  oder  vielmehr  Schönberg*,  war  deutscher  Ab- 


^Ermanu.  Heclam,  II,  210 ff.  —  Allgem.  Deutsche  Biographie 
(unter  Schönberg).  —  J.  F.  A.  Kazner,  Leben  Friedr.  v.  Schombergs 
(Mannheim  1789),  Bd.  I,  264 ff.;  Bd.  n,  246 ff. 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  Abschlufs.  457 

Stammung,  Sohn  eines  kurpfälzischen  Beamten  und  Diplomaten. 
Nachdem  er  im  holländischen  Heere  gedient,  war  er  —  wie 
viele  seiner  Vorfahren  —  in  die  französische  Armee  eingetreten  und 
dort,  obwohl  Protestant,  durch  seine  hohen  militärischen  Talente 
zur  Marschalls wQrde  aufgestiegen.  Man  stellte  ihn  auf  eine 
Stufe  mit  dem  grofsen  Turenne.  In  der  Blütezeit  des  französisch- 
brandenburgischen  Bündnisses,  im  Mai  1683,  hatte  der  Kurfürst 
bereits  daran  gedacht,  Schomberg  als  Generalfeldmarschall  in 
seinen  Dienst  zu  übernehmen,  —  ein  Plan,  den  damals  Frankreich 
als  sehr  vorteilhaft  für  seine  Sache  angesehen  hattet  Die 
Absicht  war  nicht  ausgeführt  worden.  Nach  der  Aufhebung 
des  Ediktes  von  Nantes  trotzte  Schomberg  allen  Verlockungen 
des  Hofes,  verzichtete  auf  alle  ehrgeizigen  Hoffnungen  und  ver- 
langte, als  einzigen  Lohn  seiner  Dienste,  die  Erlaubnis  zur 
Aaswanderung  aus  Frankreich;  —  er  erhielt  sie  unter  der  Be- 
dingung, dafs  er  sich  nach  dem  schwachen  und  für  Frankreich 
unschädlichen  Portugal  begebe.  Er  mufste  deshalb  den  erneuten, 
durch  den  hugenottischen  Prediger  Johann  Claude  übermittelten 
Antrag  des  Kurfürsten  von  Brandenburg,  an  die  Spitze  seines 
Heeres  zu  treten,  ablehnen.  Aber  in  dem  kleinen,  damals  von 
bigotter  Unduldsamkeit  erfüllten  Portugal  war  auf  die  Länge 
für  Schomberg  des  Bleibens  nicht.  Wilhelm  von  Oranien  zog 
ihn  an  sich,  um  ihn  zur  Unternehmung  auf  England  zu  ge- 
brauchen. Einstweilen  sollte  Schomberg  wirklich,  wie  seit 
lange  geplant,  brandenburgischer  Feldmarschall  werden,  um 
später,  bei  ausbrechendem  allgemeinem  Kriege,  entweder  die  kur- 
fürstliche Armee  zu  befehligen  oder  die  Scharen  Oraniens  nach 
Grofsbritannien  zu  führen.  Am  27.  April  1687  wurde  Schomberg, 
zum  grofsen  Kummer  sowohl  Derfiflingei-s  wie  Schönin gs,  zum 
General  über  alle  brandenburgischen  Truppen  ernannt.  An  Stelle 
des  neunundsiebzig  jährigen  Derff  lingers  der  zweiundsiebzigjährige 
Schomberg ! 

Selbstverständlich  mufste  zunächst  die  Einwilligung  des 
Königs  von  Frankreich  nachgesucht  werden,  damit  dieser  Schom- 
bergs  Ernennung  nicht  wieder  als  eine  gegen  ihn  gerichtete 
Demonstration  ansehe.  Der  Kurfürst  gebrauchte  dabei  das 
nicht  eben  aufrichtige  Kompliment,  der  Marschall  sei  um  so 
lieber  auf  seine  Anerbietungen  eingegangen,  als  er  gewufst,  dafs 


^  Ms.  Depeschen  Rebenacs  vom  Mai  1683  (B). 


458  Siebentes  Buch. 

Brandenburg  der  Verbündete  des  AUerchristlichsten  Königs  sei. 
Die  wahre  Bedeutung  dieser  Ernennung  blieb  den  Franzosen 
ebenso  verborgen  wie  die  Erkenntnis  der  endgültigen  und  tiefen 
Gegnerschaft  Friedrich  Wilhelms.  Sie  meinten  höchstens,  er  be- 
absichtige, durch  den  Marschall  noch  mehr  hugenottische  Offiziere 
in  seine  Dienste  zu  ziehen.  Dafs  der  Kaiser  grofse  Anstren- 
gungen machte,  um  Schomberg  für  sein  Heer  zu  gewinnen ,  gab 
dann  bei  Ludwig  XIV.  den  Ausschlag:  er  zog  den  Branden- 
burger immer  noch  dem  Österreicher  vor*.  So  erteilte  er  zu 
des  Marschalls  Eintritt  in  die  brandenburgische  Armee  seine, 
freilich  in  höhnende  Form  gekleidete  Zustimmung^.  Der  fran- 
zösische Gesandte  im  Haag,  der  klarblickende,  reif  urteilende 
und  trefflich  unterrichtete  Graf  d' Avaux,  hatte  tatsächlich  seinen 
König  von  den  eigentlichen  Absichten  unterrichtet,  die  bei  der 
Ernennung  Schombergs  obgewaltet  hatten  und  sich  auf  die 
grofse  evangelische  Allianz  bezogen',  —  allein  Ludwig  lieh 
diesen  wohlbegründeten  Warnungen  kein  Gehör.  Der  erste 
Schritt  zur  Befreiung  Englands  und  Europas  von  den  Stuarts 
war  getan  mit  Wissen  und  mit  Beihilfe,  wenn  nicht  gar  auf 
Veranlassung  Friedrich  Wilhelms  von  Brandenburg. 

Wie  diese  Tatsache,  so  stand  es  wohl  auch  mit  den  engli- 
schen Entwürfen  in  Verbindung,  wenn  jetzt  der  Kurfürst  dem 
Kaiser  einen  Plan  unterbreitete,  nach  dem  seine  Flotte  in  den 
Dienst  des  Reichsoberhauptes  treten,  eine  wahre  Reichsflotte 
werden  solle.  Auch  diese  grofse  Idee,  die  erst  zwei  Jahrhunderte 
später  verwirklicht  worden,  ist  dem  schöpferischen  und  zugleich 
so  eminent  praktischen  Geiste  des  Grofsen  Kurfürsten  ent- 
sprungen. Denn  die  Entwürfe  zur  Zeit  Wallensteins  waren  rein 
phantastisch,  ohne  materielle  Grundlage.  Friedrich  Wilhelm 
dagegen  vermochte  dem  Kaiser  fünfzehn  Kriegsfahrzeuge  mit  zu- 
sammen 352  Geschützen,  1550  Matrosen  und  310  Soldaten,  so- 
wie ein  grofses  Transportschiff  zu  bieten,  —  eine  Flotte,  die  es 
schon  mit  der  schwedischen  aufzunehmen  im  stände  war.  Er 
forderte  dafür  40—50000  Taler  jährlicher  Subsidien:  gewifs  ein 


^  Ms.  Depeschen  Rebenacs  vom  Mai  und  Ludwigs  XIV.  an  H6benac» 
15.  Mai  1687  (B). 

«  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  20./30.  April,  an  Ludwig  XIV.,  2./12.  Mai ; 
Spanheim  an  Kurf.,  8./18.  Juni  1687. 

3  d^Avaux,  VI,  25. 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  Abschlufs.  459 

bescheidenes  Verlangend  Allein  der  Gedanke  war  allzu  neu, 
als  dafs  die  beschränkten  kaiserlichen  Staatslenker  darauf  ein- 
gegangen wären.  So  ward  für  immer  die  Gelegenheit  verpafst, 
den  habsburgischen  Doppelaar  an  den  nordischen  Küsten  heimisch 
zu  machen.  Der  Versuch  aber  blieb  ein  abermaliger  Beweis, 
wie  völlig  Friedrich  Wilhelm  gegen  Ende  seiner  Regierung  in 
den  Entworfen  einer  grofsen,  umfassenden  Koalition,  die  in 
erster  Linie  dem  Kaiser  zu  gute  kommen  sollte,  gelebt  hat 

In  diesem  Sinne  begrOfste  er  mit  Freuden  die  Ankunft 
eines  neuen  niederländischen  Gesandten,  des  Pensionars  der 
Stadt  Amsterdam,  Jakob  Hop,  in  Berlin.  Schon  die  amtliche 
Stellung  Hops  war  ihm  ein  angenehmes  Zeichen,  dars  die  reiche 
und  mächtige  Handelsstadt  ihre  Gegnerschaft  wider  Oranien  auf- 
gegeben, dafs  sie  erkannt  habe,  wie  notwendig  ein  enger  Zu- 
sammenschlufs  der  evangelischen  Mächte  sei.  Hop  war  übrigens 
ein  scharfsinniger  und  klar  urteilender  Staatsmann.  Der  Vor- 
wand seiner  Sendung  war,  Brandenburg  die  Vermittlung  in  dem 
zwischen  den  Generalstaaten  und  Dänemark  ausgebrochenen 
Streite  zu  übertragen.  In  Wirklichkeit  brachte  er  geheime  An- 
träge wichtigerer  Natur,  sei  es  auf  eine  innigere  Vereinigung 
überhaupt,  sei  es  in  betreif  der  schon  in  Kleve  besprochenen 
und  vorbereiteten  Expedition  nach  England'.  Die  bezüglichen 
Verhandlungen  wurden  mit  so  vorsichtiger  Scheu  geführt,  dafs 
leider  keine  nähere  Nachricht  über  sie  auf  uns  gekommen  ist. 

Holland  und  Dänemark  stritten  sich  um  Handels-  und  Zoll- 
angelegenheiten von  Bedeutung.  Friedrich  Wilhelm  übernahm 
um  so  lieber  das  Amt  des  Vermittlers,  als  Frankreich  hier,  wie 
in  dem  ewigen  Gottorpschen  Zanke,  mit  vielem  Geräusch  auf 
die  Seite  Dänemarks  trat  und  diesen  Staat  immer  mehr  an 
sich  zu  fesseln  suchte.  Der  Kurfürst  dagegen  war  bemüht, 
Christian  V.  mit  den  Niederländern  zu  versöhnen  und  damit 
wenigstens  an  der  Parteinahme  für  Frankreich  zu  verhindern. 
Also  auch  auf  diesem  Punkte  wirkte  er  im  stillen,  aber  mit 
planmäfsiger  Folgerichtigkeit  gegen  Ludwig  XIV.*. 

Die  Hoflnung,  Dänemark  von  der  französischen  Freundschaft 


>  U.  u.  A.,  XIV,  1362. 

«  d'Avaux,  Vn,  57.  —  U.  u.  A.,  DI,  781  ff . 

'  Ms.   Korresp.   des  Kurf.  mit   Spanheim,   Okt.   1687.  —  ü.  u.  A. 
in,  780  ff. 


460  Siebentes  Buch. 

abzuziehen,  erhielt  Verstärkung  durch  den  Umstand,  dafs  der 
skandinavische  Staat  um  seiner  hamburgischen  und  holsteini- 
schen Interessen  willen  ein  ebenso  grundsätzlicher  Gegner  der 
LOneburger  war  wie,  aus  anderen  Gründen,  der  Brandenburger, 
und  dafs  trotzdem  Frankreich  in  immer  vertrautere  Beziehungen 
zu  den  Weifen  trat,  um  diese  vorkommenden  Falles  Branden- 
burg gegenüberstellen  zu  können.  Röbenac  erklärte  ganz  offen: 
sein  König  vermöge  jeden  Tag  mit  dem  Hause  Lüneburg  ab- 
zuschliefsen ,  werde  es  aber  nicht  tun,  solange  er  sich  auf 
Brandenburgs  Allianz  und  Freundschaft  verlasse.  Der  Kurfürst 
seinerseits  verhehlte  den  Franzosen  nicht,  dafs  ein  Bündnis 
zwischen  ihnen  und  den  Weifen  die  Interessen,  ja  die  Sicherheit 
seines  Staates  bedrohe  und  ihn  veranlassen  müsse,  deren  Wah- 
rung auf  einer  anderen  Seite  zu  suchen.  Er  hatte  die  Genug- 
tuung, dafs  Meyercroon  bisher  mit  Eifer  gegen  ein  solches 
Bündnis  arbeitete.  Aber  würde  Dänemark  diese  Opposition 
schliefslich  nicht  aufgeben,  sobald  Frankreich  ihm  auf  anderem 
Wege  die  Förderung  seines  partikularen  Vorteils  in  Aussicht 
stellte?  Würde  sich  dann  nicht  eine  starke  und  bedrohliche 
französische  Klientel  an  Brandenburgs  Nordwestgrenze  bilden? 
Ein  Problem,  das  die  Besorgnis  des  Kurfürsten  und  seiner  Räte 
in  hohem  Grade  erweckte  ^ 

Auch  andere  Vorgänge  mufsten  sie  veranlassen,  zunächst 
jede  unnötige  und  vorzeitige  Herausforderung  des  gewaltigen 
Herrschers  an  der  Seine  zu  vermeiden.  Im  Mai  1687  hatte 
Ludwig  XIV.  mit  dem  schwachen,  greisenhaften,  ganz  unter 
dem  Einflüsse  seines  verräterischen  Domdechanteu ,  des  Strafs- 
burger  Bischofs  Kardinal  Wilhelm  von  Fürstenberg,  stehenden 
Kurfürsten  Maximilian  Heinrich  von  Köln  ein  Bündnis  ge- 
schlossen, das  dessen  Truppen  und  Festungen  im  Kriegsfalle 
dem  Könige  zu  Gebote  stellte  und  diesem  das  kurkölnische 
Gebiet  für  die  französischen  Heere  eröffiiete.  Damit  erlangte 
Frankreich  am  Niederrhein  eine  überaus  starke  militärische 
Stellung,  die  den  Zusammenhang  zwischen  den  Niederlanden 
und  Brandenburg  zu  zerreifsen,  ja  des  letzteren  rheinisch-west- 
fälische Besitzungen  sofort  der  Überlegenheit  französischer 
Heere  auszuliefern  drohte;  die  Ereignisse  der  Jahre  1673  und 
1679  konnten  sich  leicht  wiederholen.    Würde  die  stärkere  Be- 


'  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  mit  Spanheim,  Juli  bis  Okt.  1687. 


AchtundvierzigsteB  Kapitel.    Der  Abschlufs.  4g  1 

festigung  Wesels,  die  Friedrich  Wilhelm  in  jener  Zeit  vornahm, 
gegen  solche  Gefahr  eine  irgend  ausreichende  Bürgschaft  ge- 
währen? Die  Lage  verschob  offenbar  sich  immer  mehr  zu  Un- 
gunsten der  antifranzösischen  Koalition. 

Um  so  gründlicher,  als  Jakob  II.  von  England  durch  die 
Wucht  der  Ereignisse,  durch  seinen  stets  wachsenden  Gegensatz 
wider  die  protestantische  Mehrheit  seiner  Untertanen,  die  sich 
auf  Oranien,  den  kalvinistischen  Schwiegersohn  des  Königs, 
stützten,  von  Woche  zu  Woche  entschiedener  auf  die  Seite 
Frankreichs  hinübergedrftngt  wurde.  Er  trat  bereits  offen  als 
Gegner  der  Niederlande  auf. 

Unter  solchen  Umst&nden  war  es  recht  unzeitgemäfs,  wenn 
der  Kaiser  von  Jakob  II.  eine  Garantie  des  französisch-deutschen 
Waffenstillstandes  sowie  der  jüngst  zwischen  ihm  und  Ludwig  XIV. 
darüber  ausgetauschten  Erklärungen  verlangte.  Der  englische 
Monarch  zögerte  nicht,  den  kaiserlichen  Gesandten  Kaunitz  zu 
bedeuten,  er  würde  auf  diesen  Vorschlag  nur  mit  Zustimmung 
Ludwigs  eingehen.  Dieser  aber  wollte  die  Bürgschaft  lediglich 
unter  der  Bedingung  gutheifsen ,  wenn  darin  sein  Recht,  in  den 
vorlAufig  reunirten  Landen  Befestigungen  anzulegen,  anerkannt 
werde:  eine  tyrannische  und  kränkende  Formel,  die,  gegen  den 
Wunsch  Croissys,  der  harte  und  eroberungsgierige  Louvois  ver- 
anlafst  hatte.  Es  hiefs  das,  allen  weiteren  Usurpationen  Frank- 
reichs von  vornherein  zustimmen.  Der  kaiserliche  Hof  weigerte 
sich  deshalb,  gewifs  mit  Recht,  einer  solchen  Garantie.  Und 
darauf  lehnte  sie  Jakob  IL  überhaupt  ab  —  er  entzog  sich 
hiermit  auf  das  bestimmteste  jeder  Möglichkeit,  dafs  er  dem 
Bündnisse  zur  Verteidigung  der  europäischen  Freiheit  beitrete. 
Diese  Entscheidung  herbeigeführt  zu  haben,  war  die  traurige 
Folge  des  verkehrten  Schrittes  des  kaiserlichen  Diplomaten  ^ 

So  erhielt  Frankreich  freie  Hand  zu  neuen  Gewalttaten 
gegen  das  Reich,  und  es  liefs  es  daran  nicht  fehlen,  in  offenbar 
provokatorischer  Absicht. 

An  der  unteren  Mosel,  etwa  zehn  Meilen  unterhalb  Triers, 
liegt  das  weinberühmte  Städtchen  Trarbach.  Es  war  damals 
der  Hauptort  einer  kleinen  zweibrückischen  Exklave,  an  der 
Ostgrenze  des  Kurfürstentums  Trier.    Wir  wissen,  dafs  Lud- 


^  Ms.  Spanheim  au  Kurf.,  13.,  16.  Juni.  —  Londorp,  Xm,  73.  — 
Klopp,  in,  345 f.  641  ff. 


4(52  Siebentes  Buch. 

wig  XIV.  sich  durch  die  Metzer  Reunionskammer  die  Ober- 
hoheit über  das  Herzogtum  Zweibrücken  hatte  zusprechen 
lassen.  Plötzlich  begannen  die  Franzosen  bei  Trarbach  den  Bau 
eines  Forts,  das  sie  Mont-Royal  benannten.  Es  war  dazu  be- 
stimmt, die  Stadt  Trier,  die  von  Westen  her  schon  von  Luxem- 
burg bedroht  war,  auch  von  Osten  her  einzuschnüren  und  von 
Deutschland  abzuschliefsen.  Anderseits  bildete  Mont-Royal  eine 
vortreffliche  Operationsbasis  gegen  die  kurtriersche  Hauptfestung 
und  zweite  Residenz  Koblenz -Ehrenbreitstein.  „Wenn  andere 
so  herrliche  Länder  erwerben,"  sagte  Groissy  mit  deutlicher  An- 
spielung auf  die  Fortschritte  des  Kaisers  in  Ungarn,  „müssen 
wir  auch  unseren  Besitz  zu  sichern  suchen.**  Auf  Louvois'  Be- 
fehl wurden  unechte  Dokumente  angefertigt,  die  beweisen  sollten, 
dafs  Trarbach  bereits  vor  dem  L  August  1681  reunirt  sei,  also 
zu  den  im  Stillstande  Frankreich  einstweilen  überlassenen  Ge- 
bieten gehöret  Freilich  wurde  selbst  mit  dieser  Fälschung  die 
Tatsache  nicht  aus  der  Welt  geschafft,  dafs  der  Stillstands- 
vertrag jede  Änderung  des  Status  quo  in  den  reunierten  Ländern 
und  damit  auch  die  Anlegung  neuer  Festungen  untersagte. 

Ganz  Deutschland  war  über  diesen  neuen  Friedensbruch  er- 
regt, um  so  mehr,  als  es  sich  hier  nicht  um  eine  Grenzforti- 
fikation,  sondern  um  eine  Niederlassung  inmitten  unbestritten 
deutscher  Gebiete  und  um  eine  direkte  Bedrohung  des  Trierer 
Kurfürstentums  handelte.  Auch  Friedrich  Wilhelm  von  Branden- 
burg^ war  tief  betroffen  und  bereit,  allen  möglichen  Gegen- 
mafsregeln  zuzustimmen,  insoweit  diese  nicht  zu  offenem  Bruche 
mit  Frankreich  führten.  Denn  ein  solcher,  das  stand  bei  ihm 
unerschütterlich  fest,  dürfe  und  solle  erst  erfolgen,  wenn  der 
Kaiser  mit  den  Türken  Frieden  gemacht  habe  und  seine  sämt- 
lichen Streitkräfte  an  den  Rhein  entsenden  könne.  Er  ver- 
schlofs  sich  durchaus  nicht  den  Klagen,  die  das  Reichsoberhaupt 
in  einem  Schreiben  an  die  Kurfürsten  am  16.  Juli  aussprach: 
Die  Erbauung  und  Besetzung  des  Trarbacher  Forts  stehe  im 
Gegensatze  zu  den  schriftlichen  Zusagen  des  AUerch ristlichsten 


'  Rousset,  Louvois,  LEI,  27 f.  —  Klopp,  ni,  344f. 

*  Das  Folgende  nach  der  Ms.  Korresp.  des  Kurf.  u.  Spanheimsi 
Juli  bis  Okt.  1687.  Hierin  sind  auch  Abschriften  der  Koiresp.  Fried- 
rich Wilhelms  mit  dem  Kaiser,  den  übrigen  Kurfürsten  und  dem  Land- 
grafen  von  Kassel,  sowie  mit  seiner  Hegensburg.  Gesandtschaft  ent- 
halten. —  Vgl.  Londorp,  XIII,  75 ff.,  u.  U.  u.  A.,  XIV,  1872 f. 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  Abschluls.  403 

Königs,  nichts  mehr  gegen  den  Waffenstillstand  unternehmen  zu 
wollen;  wenn  das  Reich  auch  hierzu  stillschweige,  werde  der 
König  immer  weitere  Ausschreitungen  begehen  und  den  ganzen 
Rheinstrom  in  seine  Gewalt  bringen.  Allein  Friedrich  Wilhelm 
begehrte  von  Wien  Taten  und  nicht  immer  nur  Worte.  Es 
war  leicht  für  Leopold,  die  Reichsfürsten  auf  ihre  eigene  Gefahr 
hin  auf  Frankreich  zu  hetzen  und  inzwischen,  weit  von  dessen 
Heeren  entfernt,  unschwierige  Siege  und  Eroberungen  auf  Kosten 
der  geschwächten,  fast  wehrlosen,  demütig  um  Frieden  betteln- 
den Pforte  zu  vollbringen.  In  diesem  Sinne,  wenn  auch  in  höf- 
licher Form,  antwortete  er  dem  Kaiser  am  6.  August.  Er 
schlug  in  diesem  Schreiben  weiter  vor,  zur  Vermeidung  fernerer 
Mifshelligkeiten  einen  Grenzvertrag  mit  Frankreich  schleunigst 
abzuschliefsen. 

Inzwischen  hatte  er  aber  keineswegs  voll  Kaltherzigkeit 
bei  der  Not  des  Vaterlandes  die  Hände  in  den  Schofs  gelegt. 
Spanheim  mufste  in  Paris  sich  auf  die  Verträge  und  auf  das 
dem  Kurfürsten  gegebene  königliche  Wort  berufen,  um  für 
Giesenheim  wie  für  Trarbach  die  Rückkehr  zum  vorherigen 
Zustande  zu  verlangen  und  die  ernste  Mahnung  hinzufügen: 
Brandenburg  sei,  unbeschadet  seines  Bündnisses  mit  Frankreich, 
verpflichtet,  seinen  Obliegenheiten  gegen  das  Reich  nachzukom- 
men, die  es  bei  der  Allianz  ausdrücklich  vorbehalten  habe  — 
eine  Erklärung ,  die  in  deutlicher  Weise  an  die  Vorgänge  nach 
dem  Vossemer  Frieden  erinnerte.  Spanheim  erhielt  darauf  frei- 
lich keine  andere  Antwort  als  der  kaiserliche  Gesandte  Lobko- 
witz  auf  seine  Vorstellungen :  der  König  dürfe  in  den  reunierten 
Landen  tun,  was  er  wolle.  Darauf  ging  Friedrich  Wilhelm  zu 
tatsächlicher  Unterstützung  Kurtriers  über.  Er  hatte  zuerst 
beschlossen,  2000  seiner  Soldaten  in  seine  dem  Erzstift  zunächst 
gelegenen  Orte  Duisburg,  Essen  und  Werden  einzuquartieren; 
allein  er  bedachte,  dafs  er  schon  die  Reichsstadt  Köln  mit 
brandenburgischen  Truppen  besetzt,  dem  Kurfürsten  von  der 
Pfalz  vertragsmäfsig  1500  Mann  zur  Unterstützung  von  dessen 
Garnisonen  zugesagt  hatte.  Sollte  er  sein  Heer  aber- 
mals um  2000  Krieger  schwächen?  lief  er  da  nicht  Gefahr, 
seine  Streitkräfte  ganz  zu  zersplittern?  Er  stellte  also  dem 
Trierer  Johann  Hugo  auf  dessen  Hilfegesuch  nur  500  Mann  von 
seinen  westfälischen  Truppen  unbedingt  zur  Verfügung.  Dabei 
konnte  er  sich  wieder  von  der  Haltlosigkeit  des  phrasenhaften 


464  Siebentes  Buch. 

Patriotismus  der  übrigen  Reichsst&nde  Qberzeagen.  Es  war  weit 
von  der  Grafschaft  Mark  bis  an  die  Mosel,  and  Trier  oder 
Koblenz  konnten  längst  von  den  Franzosen  eingeschlossen  sein, 
ehe  die  Brandenburger  zur  Hilfe  anlangten.  Er  ersuchte  also 
den  Landgrafen  von  Kassel,  die  Verlegung  der  500  Mann  nach 
dem  hessischen  Westerwalde  zu  gestatten,  zur  leichteren  Be- 
schützung von  Koblenz  und  dem  Ehrenbreitstein  —  jene  hätten 
dann  im  Notfalle  nur  vier  bis  fünf  Meilen,  zwei  Tagemärsche 
für  die  damalige  Zeit,  zu  marschieren.  Allein  so  grofs  war 
bereits  die  Furcht,  dafs  der  Landgraf  das  Anliegen  zurückwies 
(25.  August),  „um  der  Krone  Frankreich  keine  Ombrage  zu 
geben" ;  Brandenburg  möge  doch  die  500  Mann  in  seinem  eigenen 
Lande  nach  dem  am  nächsten  zu  Trier  belegenen  Orte,  etwa 
nach  Altena  in  der  Grafschaft  Mark,  senden.  Da  waren  sie 
allerdings  von  Koblenz  noch  zwanzig  Meilen,  acht  bis  zehn  Tage- 
märsche, entfernt.  Und  dabei  war  der  Landgraf  Mitglied  der 
berühmten  Augsburger  Allianz,  die  sich  angeblich  die  Verteidi- 
gung des  Reiches  gegen  Frankreich  zur  Aufgabe  gesteUt  hatte! 

Ebenso  trübe  Erfahrungen  machte  Friedrich  Wilhelm  mit 
seinen  Herren  Mitkurfürsten.  Er  hatte  am  5.  August  an  sie 
geschrieben,  um  sie  zu  gemeinsamem  Vorgehen  in  der  Trar- 
bacher  Angelegenheit  aufzufordern.  Da  antworteten  denn  Kur- 
bayem  und  Kurmainz:  man  müsse  des  Kaisers  Vorschläge  in 
Regensburg  abwarten.  Der  heuchlerische  Kardinal  Fürstenberg 
liefs  das  au  Frankreich  verkaufte  Kurköln  schreiben:  es  wolle 
alles  mit  Brandenburg  gemeinsam  tun,  doch  möge  man  im  Kur- 
fürstenkolleg erst  darüber  beraten.  Kurpfalz  raffte  sich  zu  dem 
höchst  wirkungsvollen  Vorschlage  auf:  das  ganze  Reich  möge 
gegen  die  Verletzung  des  Stillstandes  in  Paris  remonstrieren! 

Um  das  Verfahren  Friedrich  Wilhelms  in  diesen  Jahren 
richtig  zu  würdigen,  mufs  man  im  Auge  behalten,  mit  welchen 
Elementen  er  es  zu  tun  hatte.  Der  Kaiser  lediglich  um  seine 
ungarischen  Eroberungen  besorgt;  die  Süddeutschen  so  gut  wie 
waffenlos,  mit  Ausnahme  Bayerns,  dem  nur  seine  dynastischen 
Vorteile  am  Herzen  lagen ;  Kurpfalz  ebenso  schwach  wie  Mainz 
und  Trier;  Kurköln  ein  Söldner  Frankreichs;  Hessen  und 
Sachsen  ängstlich  auf  den  Frieden  bedacht;  die  Weifen  voll 
Neid  und  Hafs  gegen  Brandenburg,  ohne  irgend  ein  deutsches 
Interesse.  Mit  solchen  Genossen  sollte  er  einem  Könige  von 
Frankreich  mit  dessen  gewaltiger,  streng  zentralisierter  Macht 


l 


Achtondvierzigstefl  Kapitel.    Der  Abschlufs.  465 

Widerstand  leisten !  Das  war  offenbar  unmöglich.  Er  tat,  was 
er  konnte.  Nach  Regensburg  sandte  er,  an  Jenas  Stelle,  den 
echt  deutschgesinnten  Schmettau,  dem  er  anbefahl,  in  der 
Trarbacher  Angelegenheit  einmütig  mit  dem  kurs&chsischen  Ver- 
treter vorzugehen.  Aber  was  half  es?  Der  Reichstag  wie  der 
Kaiser  begnügten  sich  mit  ungemein  tapferen  Taten  auf  dem 
Papiere ;  Graf  Verjus  de  Cröcy  antwortete  voll  Hohn  mit  gleich- 
falls papierenen  Gegenmafsregeln.  Papst  Innocenz  XI.  riet  in 
Wien  zum  Frieden,  zum  Nachgeben,  um  nur  ja  den  TQrkenkrieg 
fortführen  zu  könnend  Und  das  war  das  Ende  der  Sache.  Das 
Reich  stellte  den  leeren  Lärm  ein,  und  Frankreichs  Lilienbanner 
wehte  weiter  auf  den  Wällen  der  Feste  Mont  Royal. 

Solche  Vorgänge  mufsten  bereits  den  Eifer  Friedrich  Wil- 
helms im  Dienste  des  Kaisers  und  des  Reiches  gewaltig  abkühlen. 
Die  Gefahr  für  ihn  wuchs.  Dänemark  ging,  trotz  aller  seiner 
Gegenbemühungen,  im  Herbst  1687  endgültig  auf  die  französische 
Seite  über.  Es  zeigte  dem  Kurfürsten  an,  dafs  es  die  Gegner- 
schaft wider  ein  Bündnis  des  Hauses  Lüneburg  mit  Frankreich 
aufgebe,  —  eine  Schwenkung,  die  ganz  unmittelbar  im  Gegen- 
satze zu  dem  in  Kopenhagen  wohlbekannten  Interesse  und 
Wunsche  Brandenburgs  geschah.  Wo  blieb  da  die  „evangelische 
Allianz"?  Ende  September  gelangte  an  ihn  von  Dänemark  wie 
von  Frankreich  die  Aufforderung,  er  möge  mit  diesen  beiden 
Staaten  und  dem  Hause  Lüneburg  eine  Quadrupelallianz  schliefsen, 
zur  Aufrechterhaltung  von  Ruhe  und  Frieden  des  Reiches  und 
insbesondere  im  uiedersächsischen  Kreise.  Es  lag  auf  der  Hand, 
dafs  durch  ein  solches  Bündnis  lediglich  die  Usurpationen 
Frankreichs  an  Rhein  und  Mosel  sowie  Dänemarks  in  Schleswig- 
Holstein  geschützt  werden  sollten,  ohne  dafs  für  Brandenburg 
auch  nur  der  mindeste  Vorteil  herausschaute.  Friedrich  Wilhelm 
lehnte  also  jede  neue  Verpflichtung  ab,  indes  in  freundlichster 
Weise  und  mit  Berufung  auf  die  Bündnisse,  die  ihn  bereits  mit 
Frankreich  und  Dänemark  verknüpften'. 

Denn  er  war  entschlossen,  mit  diesen  Mächten  nicht  zu 
brechen  um  des  Kaisers  willen,  der  sich  nicht  allein  zurück- 
haltend, sondern  geradezu  übelwollend  gegen  ihn  benahm.  Wenn 
es  dem  Kurfürsten  geglückt  war,  durch  Verzicht  auf  die  Lehns- 


1  Immich,  Innocenz  XI.,  77. 

«  U.  u.  A.,  m,  790  ff.  796  f.,  XIV,  1377  f. 

Philippaon,  Der  Grofiie  KurfOrgt.    III.  30 


4(56  Siebentes  Buch. 

hoheit  über  die  ehemals  magdeburgischeu  Ämter  Querfurt, 
Jüterbogk  und  Dahme  den  Herzog  von  Sachsen-Weirsenfels  zur 
Rückgabe  wenigstens  des  Amtes  Burg  zu  bestimmen^,  so  war 
das  sicherlich  nicht  das  Verdienst  des  Kaisers.  In  der  ostfrie- 
sischen Angelegenheit  zeigte  sich  dieser  lediglich  darauf  bedacht, 
den  Brandenburger  aus  dem  wichtigen  Eüstenlande  zu  entfernen. 
Es  kam  dahin,  dafs  die  Fürstin  von  Ostfriesland  sich  behufs 
Abtragung  der  Lichtensteinschen  Schuld  lieber  an  die  General- 
staaten um  Vorstreckung  von  120000  Talern  wandte  und 
damit  die  Gefahr  von  neuem  schuf,  das  deutsche  Land  könne 
pfandweise  an  die  Holländer  übergehen.  Nicht  einmal  die  £x- 
spektanz  auf  die  Nachfolge  in  Ostfriesland,  nach  dem  etwaigen 
Aussterben  der  fürstlichen  Familie,  wollte  der  Kaiser  dem  Hause 
Brandenburg  geben.  Endlich  kam  es,  am  30.  September  1687, 
zu  dem  Vergleiche,  der  dem  Kaiser  die  Zahlung  der  Lichten- 
steinschen Schuld  in  Höhe  von  240  000  Reichstalem  an  Branden- 
burg auferlegte,  wofür  dieses  auf  alle  seine  finanziellen  An- 
sprüche an  Ostfriesland  verzichtete*.  Damit  war  der  Pfandbesitz 
des  ganzen  oder  doch  eines  Teiles  Ostfrieslands  durch  Branden- 
burg, damit  auch  die  Steuererhebung  in  diesem  Lande  durch 
brandenburgische  Beamte  und  zu  Gunsten  der  brandenburgischen 
Staatskasse  beseitigt.  Ja,  es  scheint,  als  habe  der  Kaiser 
schliefslich,  durch  einen  neuen  Betrug,  von  der  ganzen  Schuld- 
summe überhaupt  nur  100000  Taler  ausbezahlt  ^  Freilich,  wenn 
er  gehofft  hatte,  nunmehr  die  Brandenburger  gänzlich  aus  jenem 
Gebiete  zu  entfernen,  hatte  er  sich  doch  gründlich  geirrt. 
Friedrich  Wilhelm  behielt  das  Konservatorium  der  ostfriesischen 
Verfassung,  das  der  Kaiser  ihm  einst  erteilt  hatte,  bei  und 
beharrte  auf  der  Besetzung  Emdens  und  Greetsiels,  sowie  auf 
der  Fortdauer  seiner  Emdenschen  Afrikanischen  Kompanie.  Er 
liefs  deutlich  merken,  dafs  er  es  um  dieser  Dinge  willen  auch 
auf  einen  Bruch  mit  dem  Kaiser  ankommen  lassen  werde,  —  und 
so  gab  Leopold  stillschweigend  nach.  Aber  die  Unvereinbarkeit 
der  österreichischen  und  der  brandenburgischen  Interessen  hatte 
sich  wiederum  auf  das  unzweideutigste  herausgestellt. 

Friedrich  Wilhelm  hielt  es  für  angemessen,  sich  einstweilen 


1  Vertrag  vom  14./24.  JuH  1687;  Mörner,  494ff. 

«  Das.  762  ff.  —  Vgl.  U.  u.  A.,  XIV,  1363—1885.  1400. 

»  Droysen,  m,  HI  841  Anm. 


Achtondvierzigstee  Kapitel.    Der  AbschlulB.  467 

Frankreich  wieder  mehr  zu  nähern  ^.  Er  liers  dort  durch  Spanheim 
vorstellen,  dafs  er  bisher  ja  in  keiner  Weise  das  Bündnis  mit  dem 
Könige  verletzt  habe,  vielmehr  bei  solchem  in  Treuen  verbleiben 
werde.  Und  den  Worten  entsprachen  die  Taten.  Er  lehnte  es 
ab,  dem  Dispense  zuzustimmen,  dessen  der  älteste  Sohn  des 
Kaisers,  Erzherzog  Joseph,  wegen  seiner  noch  allzu  grofsen 
Jugend  behufs  der  Wahl  zum  Römischen  Könige  von  selten  der 
Kurfürsten  bedurfte.  Er  widersprach  nicht  minder  der  Kandidatur 
des  Herzogs  von  Lothringen,  des  Schwagers,  Feldherm  nnd 
Schützlings  des  Kaisers,  für  die  künftige  Erledigung  des 
polnischen  Thrones.  Ludwig  XIY.  äufserte  herzliche  Befriedigung 
über  die  antiösterreichische  Haltung  Brandenburgs  in  diesen 
beiden  wichtigen  Fragen.  Endlich  änderte  der  Kurfürst  sein 
Benehmen  in  der  Angelegenheit  des  Waffenstillstandes.  Am 
28.  Oktober  /  7.  November  1687  ging  seine  Weisung  an  den 
Geheimrat  von  Schmettau  in  Regensburg  ab,  die  einen  dem 
französischen  sich  sehr  nähernden  Standpunkt  einnahm.  Während 
des  Türkenkrieges,  hiefs  es  darin,  müsse  jeder  gewaltsame 
Zusammenstofs  mit  Frankreich  vermieden  werden.  Da  aber  die 
Verhandlung  über  einen  eingehenden  Grenzvertrag  leicht  einen 
Zwist  herbeizuführen  vermöge,  auch  ein  derartiger  Traktat  sich 
bei  Andauer  des  Türkenkrieges  nicht  vorteilhaft  für  das  Reich 
gestalten  könne,  müsse  man  einstweilen  von  jeder  solchen  Ver- 
handlung absehen.  Das  gleiche  gelte  von  den  Beschwerden  wegen 
Verletzung  des  Waffenstillstandes. 

Diese  Instruktion  wurde  dem  Grafen  R6benac  in  Berlin 
amtlich  vorgezeigt ;  Ludwig  XIV.  ward  durch  sie  sehr  befriedigt. 
Der  Kurfürst  erläuterte  sie  anderen  Diplomaten  dahin,  dafs  er 
nach  wie  vor  von  der  Nichtberechtigung  des  französischen  Vor- 
gehens überzeugt  sei,  aber  kein  Mittel  erblicke,  solchem  abzu- 
helfen. Er  sah  ein,  dafs  die  Selbstsucht  und  Schwäche  der 
deutschen  Fürsten,  mit  Einschlufs  des  Kaisers,  jeden  Widerstand 
unmöglich  machten,  und  da  empfand  er  keine  Lust,  zwecklos 
seines  Staates  Sicherheit  und  Blüte  im  Auftrage  von  Leuten  zu 
gefährden,  die  ihm  lediglich  Abneigung  und  Übelwollen  be- 
wiesen. Er  richtete  die  Hoffiiung  einer  besseren  Zukunft  auf 
ganz  andere  Verhältnisse :  auf  das  geplante  Unternehmen  Oraniens 
in  England,  den  Sturz  der  Stuarts,  das  Bündnis  Brandenburgs 


^  Das  Folgende  nach  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin),  Bep.  XI,  Frankr.  25. 

30* 


468  Siebentes  Buch. 

mit  den  protestantischen  Machten  Niederland  und  England.  Von 
da  sah  er  die  Morgenröte  eines  glücklicheren  Tages  aufglftnzen. 

Immer  mehr  verschärfte  sich  der  Gegensatz  zwischen  dem 
greisen  und  krankheitsgeplagten  Herrn  auf  der  einen,  dem  Kaiser 
und  der  Mehrheit  des  Reichstages  auf  der  anderen  Seite. 

Es  ist  bezeichnend,  dafs  Mitte  Oktober  1687  der  Kurfürst 
seine  Ansprüche  auf  endliche  Zuweisung  der  längst  versprochenen 
Entschädigung  seiner  im  Schwedenkriege  erlittenen  Verluste  und 
besonders  des  erneuten  Verzichts  auf  Vorpommern  abermals  und 
in  entschiedenster  Weise  an  den  Reichstag  brachtet  Seine 
Forderungen  waren  erstaunlich  grofs,  offenbar  auf  das  Ab- 
handeln berechnet:  sie  umfalbten  die  Reichsstädte  Dortmund, 
Mühlhausen,  das  unter  dem  Schutzrechte  Kursachsens  stand, 
Nordhausen,  wo  hannoversche  Besatzung  lag,  sowie  Lokkum,  das 
früher  zum  Bistum  Minden  gehört  hatte,  aber  jetzt  von  Celle 
okkupiert  war.  Besonders  der  Gegensatz  zu  den  Lüneburgem 
trat  hier  offen  hervor,  zweifellos  mit  voller  Absicht  seitens  des 
Kurfürsten.  Er  verlangte  endlich,  dafs  das  Reich  ihm  die 
Exspektanz  auf  Ostfriesland  erteile  und  noch  eine  Million  Taler 
entrichte.  Wiederholt  ersuchte  er  den  Kaiser,  ihm  bei  der 
Durchführung  dieser  Anliegen  zur  Seite  zu  stehen.  Es  schien, 
als  habe  er  es  auf  einen  förmlichen  Bruch  mit  dem  Reiche  und 
dessen  Oberhaupt  abgesehen  bei  diesen  trotzigen  Forderungen. 
Er  mufste  erleben,  dafs  die  österreichische  Gesandtschaft  in  Regens- 
burg sich  monatelang  mit  mangelnder  Instruktion  entschuldigte, 
um  sich  jeder  Beteiligung  an  dieser  Angelegenheit  zu  enthalten, 
von  der  sie  voraussetzte,  dafs,  wenn  der  Kaiser  nicht  für  sie 
eintrete,  sie  an  dem  Widerspruch  der  Reichstagsmehrheit  scheitern 
werde.  Endlich  wurde,  trot^  Fridags  wiederholter  und  nach- 
drücklicher Warnungen,  die  Haltung  des  Kaisers  eine  offenbar 
ungünstige,  ablehnende.  Ganz  anders  Frankreich.  Es  sah  in 
dem  Anliegen  Brandenburgs  ein  vortreffliches  Mittel,  einen  Keil 
zwischen  diesen  Staat,  das  Reich  und  den  Kaiser  zu  treiben, 
und  nahm  deshalb  mit  Eifer  für  den  Kurfürsten  Partei.  Zu- 
gleich suchte  es  das  Haus  Lüneburg  zur  Erhebung  ähnlicher 
Ansprüche  zu  bewegen  und  darin  mit  Brandenburg  zu  verbinden, 
so  die  längst  gewünschte,  auf  den  AUerchristlichsten  König  ge- 


^  S.  hierüber  Londorp,  XIH,  228ff.  440ff.;  U.  u.  A.,  XIV,  1388. 
1892  f.  1896.  1898.  1400;  Prutz,  827. 


Achtundvierzigstefl  Kapitel.    Der  Abschluls.  469 

stützte  und  dem  offiziellen  Beiehe  feindliche  Allianz  beider  Häuser 
zu  Stande  zu  bringen.  Ernst  August  war  geneigt,  auf  diese 
Pläne  einzugehen.  Er  liefs  durch  seinen  Schwiegersohn,  den 
Kurprinzen,  dessen  Vater  ersuchen,  einer  besonderen  Allianz 
behufs  Erreichung  ihrer  beiderseitigen  Ansprüche  an  das  Reich 
zuzustimmen.  Eine  völlige  Auflösung  selbst  des  äufseren  Zu- 
sammenhalts im  Reiche,  ein  diplomatischer  und  sogar  militäri- 
scher Kriegszustand  in  Deutschland  konnte  hieraus  erwachsen, 
der  dieses  Land  hilflos  den  Franzosen  preisgegeben  hätte.  Die 
Zerrüttung  war  schon  in  vollem  Gange.  Es  versteht  sich,  dafs 
alle  Bedrohten  gegen  die  brandenburgischen  Forderungen  heftige 
Verwahrungen  erliefsen,  mit  weitläufigen  Darlegungen  ihrer 
Rechte  und  Freiheiten,  ihrer  Unveräufserlichkeit  und  Unüber- 
tragbarkeit hervortraten.  Auch  von  den  unmittelbar  nicht  be- 
teiligten Ständen  liefen  bei  dem  Kurfürsten  so  viele  ablehnende 
Antworten  auf  seine  empfehlenden  Schreiben  ein,  dafs  die  gänz- 
liche Verwerfung  seiner  Ansprüche  nicht  zu  bezweifeln  war.  Man 
mufs  sich  fragen,  ob  er  sein  Verlangen  ernst  gemeint  oder  nur 
Kaiser  und  Reich  zu  gröfserer  Rücksicht  auf  sein  Interesse  habe 
schrecken  wollen.  Oder  sollte  er  diesen  ganzen  Streit  in  Szene 
gesetzt  haben,  um  Frankreich  zu  täuschen,  um  es  von  vorzeitigem 
Bruche  mit  Brandenburg  abzuhalten,  einstweilen  aber  die  Hilfs- 
gelder aus  Paris  noch  zu  beziehen?  Seine  Ansprüche  an  das 
Reich  waren  so  ungeheuerlich,  dafs  eine  derartige  Vermutung  der 
Wahrscheinlichkeit  nicht  entbehrt  und  sich  von  selbst  aufdrängt. 
Inzwischen  zog  aber  das  Ungewitter  herauf,  das  dazu  be- 
istimmt war,  das  Kriegsunheil  von  neuem  über  die  Welt  zu 
bringen.  Kurfürst  Maximilian  Heinrich  von  Köln,  der  aus  seinem 
Erzstifte,  unter  Einwirkung  Wilhelms  von  Fürstenberg,  ein  Vor- 
land Frankreichs  gemacht  hatte,  neigte  dem  Grabe  zu.  Um 
die  wichtige  Stellung  am  Unterrhein  zu  behaupten,  wünschte 
Ludwig  XIV.,  diesen  Fürstenberg  sofort  zum  Koadjutor  des 
Kurfürsten  mit  Anwartschaft  auf  dessen  Nachfolge  erwählen 
zu  lassen.  Hierzu  war,  nach  dem  kanonischen  Rechte,  die  Zu- 
stimmung des  Papstes  erforderlich ;  aber  da  Innocenz  XL  soeben 
von  Frankreich  in  seiner  eigenen  Hauptstadt  auf  das  gröblichste 
beleidigt  worden,  hielt  sich  die  französischgesinnte  Mehrheit  des 
Kölner  Domkapitels  der  Einwilligung  des  heiligen  Vaters  nicht 
für  sicher  und  wählte  ohne  solche  am  7.  Januar  1688  den 
Kardinal  Wilhelm  von  Fürstenberg  zum  Koadjutor.    Damit  war 


470  Siebentes  Buch. 

die  Krise  akut  geworden.  Der  Kaiser  verlangte,  dafs  der  Papst 
die  Wahl  kassiere  und  eine  neue  anberaume ;  der  König  von 
Frankreich  erklärte,  dafs  dies  das  Zeichen  zum  Kriege  sein 
werde.  Er  war  um  so  mehr  entschlossen,  FQrstenbergs  Erhebung 
aufrechtzuerhalten,  als  dessen  Mitbewerber  ein  Sohn  eben  des 
Kurpfalzers  war,  mit  dem  er  wegen  der  Orleansschen  Erbschaft 
in  bitterem  Streite  lag^ 

Es  waren  trübe  Zeiten  für  Deutschland,  trübe  Zeiten  zumal 
für  den  Hof  in  Berlin.  Kurfürstin  Dorothea  erkrankte  so  schwer, 
dafs  man  sie  im  Monat  Februar  schon  für  verloren  hielt;  sie 
erholte  sich  nur  langsam.  Wenige  Wochen  darauf  wurde  der 
Schwiegersohn  des  kurfürstlichen  Paares,  der  Erbprinz  von 
Mecklenburg,  durch  die  Blattern  hinweggerailt ,  eine  siebzehn- 
jährige, kinderlose  Witwe  hinterlassend.  Gicht  und  unheilbar 
zunehmende  Wassersucht  plagten  und  schwächten  den  alten 
Herrn  immer  ärger.  Kaum  besser  sah  es  in  der  Politik  aus'. 
Mit  dem  Kaiser  war  Friedrich  Wilhelm  durchaus  unzufrieden. 
Dessen  kühles,  ja  feindseliges  Auftreten  in  der  Satisfaktions- 
angelegenheit  erbitterte  ihn  sehr.  „Ich  nehme,"  sagte  er  zu 
Fridag,  „handgreiflich  ab,  dafs  man  zu  Regensburg  nur  Zeit  zu 
gewinnen  und  meinen  Tod  abzuwarten  die  Absicht  hat."  Wie 
sollte  das  Reich  die  Franzosen  am  Rheinstrom  bestehen,  wenn 
Österreich  seine  Kriegsvölker  sämtlich  an  der  unteren  Donau 
beliefs?  Vergebens  riet  er  dem  Kaiser  immer  wieder  zu  baldigem 
Friedensschlufs  mit  den  Türken,  bot  er  ihm  dazu  die  Vermitt- 
lung der  Generalstaaten  an.  Die  Wiener  Staatsmänner  starrten 
unausgesetzt  auf  Belgrad  und  überliefsen  es  den  deutschen  Fürsten, 
die  Kastanien  aus  dem  französischen  Brande  zu  holen.  Kamen 
doch  die  Eroberungen  in  Ungarn  und  Serbien  dem  erlauchten 
Erzhause  unmittelbar  zu  gute ;  —  welches  Interesse  bot  ihm  der 
deutsche  Rhein,  der  ihm  doch  nur  zu  verschwindend  kleinem  Teile 
selbst  gehörte!  Man  hatte  sogar  die  Keckheit,  für  den  neuen 
Feldzug  gegen  die  Osmanen  von  dem  Brandenburger  3000  Mann  zu 
fordern,  die  dieser  selbstverständlich  mit  dem  Hinweis  auf  die 
von  Westen  und  Norden  drohende  Gefahr,  sowie  auf  die  gegen 


'  Spanheim  an  Kurf.,  16.,  28.  Jan.  1687 ;  Geh.  Staatsarchiv  (Berlin), 
XI,  Frankr.  26. 

«  Über  das  Folgende:  U.  u.  A.,  XIV,  1397 ff.  1401  ff.  —  Ms.  Span- 
heim  an  Kurf.,  6.  April  1688. 


Achtundyierzigstes  Kapitel.    Der  AbBchlufs.  471 

die  Stadt  Köln  und  die  Kurfürsten  von  Trier  und  der  Pfalz  von  ihm 
übernommenen  Verpfliehtungen  verweigerte.  Die  Lage  hatte  sich 
für  ihn  noch  dadurch  verschlimmert,  dafs  Ende  1687  das  Bündnis 
zwischen  Frankreich  und  Hannover  tatsächlich  zu  stände  ge- 
kommen war.  Die  Franzosen  versicherten  zwar,  die  Allianz  sei 
lediglich  zum  Schutze  Hamburgs  und  Lübecks  gegen  dänische 
Begehrlichkeit  bestimmt  —  ein  Zweck,  den  Brandenburg  sehr 
wohl  billigen  konnte  — ,  allein  der  Kurfürst  wollte  wissen ,  dafs 
sie  in  ihren  Geheimartikeln  Hannover  verbiete,  irgend  welchen 
Gegnern  Frankreichs  beizustehen  oder  den  Durchmarsch  durch 
sein  Land  zu  gestatten.  Friedrich  Wilhelm  liefs  dem  Könige 
sagen:  er  wundere  sich,  dafs  dieser  zwei  miteinander  so  unver- 
trägliche Bündnisse  eingehe  wie  das  mit  Brandenburg  und  das 
mit  den  Lüneburgem;  „ich  kann,"  erklärte  er  dem  Grafen 
B^benac,  ,mit  meiner  Stimme  (als  Kurfürst)  jetzt  in  einer 
Sitzung  mehr  Wohl  und  Wehe  stiften  als  die  braunschweigi- 
schen  Herzoge  in  ihrem  ganzen  Leben/ ^ 

So  trübten  sich  die  offiziellen  Beziehungen  Brandenburgs 
zu  Frankreich  immer  mehr.  Die  Sprache,  die  man  widereinander 
führte,  wurde  eine  gereizte,  von  französischer  Seite  sogar  eine 
drohende,  da  man  glaubte,  durch  die  Verbindung  mit  den  Weifen 
der  Rücksicht  auf  den  Kurfürsten  überhoben  zu  sein.  ^Ich 
wünsche,'^  schrieb  Ludwig  am  12.  Februar  1688  an  R^benac, 
„dafs  Sie  dem  Kurfürsten  zu  verstehen  geben,  dafs  ich  hin- 
reichende Ursache  gehabt  hätte,  mich  über  alle  die  Schriften 
und  Erklärungen  zu  beklagen,  die  er  veranlafst  hat,  um  meine 
Untertanen  von  der  angeblich  reformierten  Religion  zur  Desertion 
und  zur  Ansiedlung  in  seinen  Staaten  zu  bestimmen,  dafs  ich 
aber  keinenfalls  dulden  könne,  dafs  er  diejenigen,  die,  in  Er* 
kenntnis  ihres  Verschuldens,  in  mein  Königreich  zurückkehren 
wollen,  mit  Gewalt  zurückhalte,"  —  eine  ganz  unbegründete 
und  in  böser  Absicht  geschmiedete  Anklage!  „Wenn  diese  Ge- 
walttätigkeit andauert,"  fuhr  der  König  fort,  „wird  solche  mich 
leicht  zu  Entschlüssen  bewegen,  die  ihm  nicht  genehm  sein 
werden."  Von  derartigen  offiziellen  Zumutungen  bis  zur  Kriegs- 
erklärung war  nur  ein  Schritt*. 

Fürstenberg  und  dessen  Freunde  in  Berlin  bemühten  sich 


^  Ms.  Depeschen  R^benacs  vom  9.  Dez.  1687,  Jan.  1688  (B). 
'  G.  Pagös,  Les  rdfugi^s  k  Berlin,  a.  a.  O.,  S.  140. 


472  Siebentes  Buch. 

freilich  mit  Eifer,  den  Kurfttrsten  doch  in  die  französisch- 
hannoversche Allianz  zu  ziehen.  Sie  stellten  ihm  vor,  dafs  die 
Eroberungen  des  Kaisers  im  Osten  diesen  Fürsten  zu  mächtig, 
der  Freiheit  der  Reichsstftnde  und  dem  evangelischen  Bekennt- 
nisse allzu  gefährlich  machten.  Übrigens  zahle  Spanien  seine 
Subsidienrückstftnde  ebensowenig,  wie  der  Kaiser  die  branden- 
burgische Satisfaktion  im  Reiche  fördere;  Frankreich  dagegen 
sei  erbötig,  ihm  in  beiden  Angelegenheiten  GenOge  zu  ver- 
schaffen ^  Allein  Friedrich  Wilhelm  blieb  inmitten  seiner  Leiden 
und  körperlichen  Schmerzen  fest;  ohne  sich  dem  Kaiser,  dessen 
Wohlwollen  und  Einsicht  er  wahrlich  nicht  zu  loben  hatte,  näher 
zu  verpflichten,  hielt  er  sieh  doch  von  Frankreich,  trotz  aller 
Verlockungen,  fern. 

Das  zeigte  er  zunächst  in  dem  Kölner  Wahlstreite.  Er 
weigerte  sich  durchaus,  den  neuen  Koadjutor  ohne  weiteres 
anzuerkennen ;  es  könne  ihm  keineswegs  gleichgültig  sein,  welchen 
Mitkurfürsten  und  Nachbarn  er  in  Köln  erhalte.  Das  Notifi- 
kationsschreiben Fürstenbergs  liefs  er  viele  Wochen  hindurch 
unerwidert  und  erteilte  endlich,  wie  mehrere  andere  Kurfürsten, 
eine  in  ganz  allgemeinen  Ausdrücken  gehaltene  Antwort,  die 
jede  Anerkennung  der  Neuwahl  geflissentlich  unterliefs  (Ende 
März  1688).  Beschwerden  Frankreichs  über  dieses  Verfahren 
«entgegnete  er  anfangs  mit  Entschuldigungen  wegen  der  Gicht- 
schmerzen in  seiner  rechten  Hand,  dann  mit  dem  Hinweis  auf 
•die  noch  ausstehende  Gutheifsung  des  Papstes,  endlich  aber  mit 
der  stolzen  Abweisung:  die  Koadjutorwahl  in  Köln  sei  in  seinen 
Verträgen  mit  Frankreich  nirgends  erwähnt,  er  besitze  also  hier 
volle  Freiheit  des  Handelns'.  Allein  Frankreich  liefs  sich  mit 
solchen  formalen  Gründen  nicht  abfertigen.  Die  Weigerung 
Friedrich  Wilhelms,  den  Kardinal  Fürstenberg  als  Koadjutor 
des  Kölner  Erzbischofs  anzuerkennen,  wurde  in  Paris  als  Unter- 
ordnung unter  die  Interessen  und  Ziele  des  Kaisers  und  des 
Pfälzer  Kurfürsten  aufgefafst  und  mit  der  unverblümten  Drohung 
beantwortet,  aus  dieser  Sache  werde  eine  Störung  des  Friedens 
erwachsen'.     Zum   Zeichen  des  Mifsvergnügens  behielt  Frank- 


'  U.  u.  A.,  XIV,  1400.  1402. 

»  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  11.121.  Jan ,  27.  März/ 6.  April,  6J16.  April 
1688;  Berlin,  Geh.  Staatsarchiv,  XI,  Frankr.  26. 

*  Ms.  Spanheim  an  Kurf.,  5J15.  u.  17727.  März  1688;  ebendas. 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  AbschluTs.  473 

reich  längere  Zeit  die  Zahlung  der  vertragsmäfsigen  Sub- 
sidien  ein;  es  schuldete  im  April  1688  deren  750000  Livres, 
—  ein  beträchtlicher  Ausfall  für  die  arme  Staatskasse  Branden- 
burgs. „Der  Kurfürst,^  besagt  die  Instruktion  an  General  de 
Marly,  der  im  selben  Monat,  an  Stelle  des  nach  Madrid  ver- 
setzten Röbenac,  nach  Berlin  gesandt  wurde,  „der  Kurfürst  und 
seine  Minister  dürfen  die  Verzögerung  der  Hilfsgelder  nur  dem 
gerechten  Argwohn  zuschreiben,  den  sie  seit  Abschlufs  des 
Waffenstillstandes  Sr.  Maj.  eingeflOfst  haben,  dafs  sie  nämlich 
geneigt  seien,  sich  demnächst  von  den  Interessen  Sr.  Maj.  völlig 
zu  trennen  und  sich  von  neuem  mit  dem  Hause  Österreich  zu 
verbinden.*'  ^  Die  mannigfachen  Gründe  zu  diesem  Argwohn 
werden  sorgfältig  aufgezählt.  „Alles  dies  erlaubt  Sr.  Maj.  nicht, 
auf  die  Freundschaft  des  Kurfürsten  zu  zählen,  wenn  er  Ihr 
nicht  dafür  neue  Beweise  gibt,  derart,  dafs  sie  alle  Verdachts- 
gründe auszulöschen  vermögen.''^ 

So  stand  es  also  im  Frühjahr  1688  um  den  Kurfürsten: 
mit  Frankreich  entzweit,  zu  Dänemark  und  den  Weifen  in 
Gegnerschaft,  mit  dem  Kaiser  und  fast  dem  gesamten  Reiche 
auf  gespanntem  Fufse.  Er  erwartete  in  der  Tat  das  Heil  von 
einer  anderen  Seite,  von  den  Niederlanden  und  der  Gewinnung 
Englands  für  die  Sache  der  Religion  und  der  politischen  Freiheit. 
Der  Mittelpunkt  seines  ganzen  Systems  war  Wilhelm  von  Oranien. 

Dieser  Prinz  hatte  zunächst  eine  günstige  Meinung  von  den 
Absichten  seines  Schwiegervaters,  Jakobs  II.  von  England,  ge- 
hegt und  deshalb  die  Aufforderung  Friedrich  Wilhelms,  dieses 
Reich  durch  einen  kühnen  Einfall  und  durch  Aufrufen  der 
ganzen  evangelischen  Bevölkerung  für  sich  und  die  gute  Sache 
zu  gewinnen,  unbeachtet  gelassen.  Allein  er  und  die  übrigen 
leitenden  Männer  der  Vereinigten  Provinzen  mufsten  sich  bald 
überzeugen ,  wie  scharf  der  Blick  des  Brandenburgers  und  wie 
richtig  sein  Rat  gewesen  war.  Indem  der  englische  Monarch 
den  Plan  fafste  und  ausführte,  sein  protestantisches,  parlamen- 
tarisch regiertes  Volk  dem  Absolutismus  und  der  katholischen 
Kirche  zu  unterwerfen,  wurde  er  von  selbst  dazu  gedrängt,  bei 
dem  mächtigsten  katholischen  und  despotischen  Herrscher,  bei 
Ludwig  XIV.,  Anlehnung  und  Hilfe  zu  suchen.  Schon  seit  dem 
Beginne  des  Jahres  1686  gingen  Gerüchte  über  ein  Bündnis  der 


*  Rec.  des  Instr.,  XVI,  227  f. 


474  Siebentes  Buch. 

beiden  Könige;  wenn  auch  verfrüht,  waren  sie  offenbar  Jakob 
nicht  unangenehm.  Er  nahm  eine  immer  schroffere  Haltung  ein 
nicht  nur  gegen  die  Generalstaaten,  sondern  auch  gegen  Wilhelm 
von  Oranien  selbst;  er  bedrohte  dessen  und  seiner  Gremahlin 
Maria  rechtm&fsige  Erbfolge  in  England  zu  Gunsten  seiner 
zweiten  Tochter  Anna  und  ihres  Gatten,  des  Prinzen  Georg  von 
Dänemark ;  er  häufte  auf  Wilhelm  beleidigende  Anklagen.  Da, 
im  Sommer  1686,  brach  Oranien  mit  ihm,  und  seitdem  ging  der 
Prinz  auf  die  Entwürfe  ein,  England  mit  Hilfe  eines  holländischen 
Heeres  zu  revolutionieren.  Er  fand  dazu  Anlafs  und  Handhabe 
in  der  Entwicklung  der  inneren  Verhältnisse  Englands.  Jakob 
begnügte  sich  nicht  damit,  auf  ungesetzliche  Weise  und  im 
Widerspruche  mit  seinen  feierlichsten  Versprechungen  seinen 
Glaubensgenossen  Duldung  und  Gleichberechtigung  im  Staats- 
leben zu  verschaffen,  er  zielte  vielmehr  offen  darauf  hin,  in 
England,  dessen  Bewohner  zu  neunundneunzig  Hundertsteln  dem 
Protestantismus  angehörten,  seine  Kirche  zu  der  herrschenden 
zu  machen.  Das  ganze  englische  Volk  —  selbst,  mit  Ausnahme 
einiger  Eiferer,  die  dortigen  Katholiken,  die  von  seinen  Gewalt- 
taten unheilvolle  Folgen  für  sich  voraussahen  —  war  entrüstet 
über  seines  Königs  Verfahren  und  wandte  die  Blicke  auf  den 
rechtmäfsigen  Thronerben,  auf  Oranien,  der  so  das  Symbol  und 
das  Haupt  der  ganzen  stuartfeindlichen  Richtung  in  England 
wurde. 

Indes,  er  allein  würde  nichts  Entschiedenes  haben  ausrichten 
können,  —  zur  Eroberung  Englands  sogar  mit  Zustimmung  der 
Bevölkerung  reichten  seine  Machtmittel  nicht  aus.  Er  bedurfte 
der  Einwilligung  und  Beihilfe  der  Generalstaaten.  Sie  ihm  zu 
schaffen,  dafür  sorgte  Jakob  II.  selber.  Während  er  von 
Ludwig  XIV.  Hilfsgelder  zur  Verstärkung  seines  Heeres  mit 
katholischen  Iren  annahm,  forderte  er  die  englischen  Regimenter 
zurück,  die  seit  vielen  Jahren  im  Solde  der  Vereinigten  Pnh 
vinzen  dienten.  So  fügte  er,  diesen  gegenüber,  zu  dem  reli- 
giösen Streite  den  politischen.  Beide  aber  drohten  sich  zu  ver- 
ewigen, als  ihm  seine  zweite  Gemahlin,  nach  mehrjähriger  un- 
fruchtbarer Ehe,  ein  Kind  versprach  (November  1687),  von  dem 
er  sofort  voraussetzte,  es  werde  ein  Sohn,  der  katholische  Erbe 
der  Stuarts  werden.  Nur  um  so  zuversichtlicher  und  rechts- 
verachtender traten  seitdem  der  König  und  die  kleine  Schar  seiner 
Helfer  auf. 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  Abschlufs.  475 

Die  Zukunft  EDglands  war  aber  eine  Angelegenheit  von 
nicht  nur  partikularer,  sondern  von  hoher  europäischer  Bedeutung. 
Auf  den  Wegen  Jakobs  IL  mufste  es  treuer  Verbündeter  Frank- 
reichs, ein  Helfershelfer  bei  der  Unterdrückung  der  gesamten 
Christenheit  unter  das  Machtgebot  des  Despoten  von  Versailles 
werden.  Wie  sollte  man  diesem  widerstehen,  wenn  er  sich, 
aufser  auf  die  unvergleichlichen  Hilfskräfte  Frankreichs,  aufser 
auf  die  Unterstützung  durch  Dänemark,  die  Weifen,  Kurköln 
auch  noch  auf  die  Heere  und  Flotten  Grofsbritanniens  stützen 
konnte  ?  Was  sollten  da  die  Niederlande,  Brandenburg,  Schweden 
ausrichten,  denen  der  Kaiser  jeden  ausgiebigen  Beistand  ver- 
sagte, während  das  Reich  in  Schwäche  und  streitsüchtige  Torheit 
versunken  war?  Nein,  England  sollte  und  mufste  auf  seinen 
geschichtlichen  Platz  als  Vorkämpfer  für  den  Protestantismus 
und  für  nationale  Unabhängigkeit  wieder  gestellt  werden.  Diese 
Erwägungen  führten  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  und 
Wilhelm  III.  von  Oranien  weit  mehr  zusammen  als  der  Zufall 
der  Verwandtschaft.  Und  man  durfte  auf  die  Beihilfe  der 
Generalstaaten  rechnen.  Wenn  diese  die  Zurücksendung  der 
englischen  Regimenter  in  ihrem  Solde  verweigerten,  so  geschah 
das  hauptsächlich,  um  diese  Truppen  bei  dem  Versuche,  deren 
Landsleute  daheim  gegen  die  Stuarts  aufzuwiegeln,  in  den 
Vordergrund  zu  stellen.  Schon  längst,  schon  seit  dem  Spät- 
sommer 1687,  hatte  der  scharfblickende  d'Avaux  seinen  König 
vor  den  Absichten  der  Holländer  auf  England  gewarnte 

Als  im  November  1687  die  Nachricht  von  den  HofiFhungen 
der  Königin  von  England  sofortige  entscheidende  Beschlüsse  er- 
heischte, hatte  der  Prinz  selber  nach  Berlin  gehen  wollen,  um 
sich  mit  dem  greisen  Oheim  zu  verständigen.  Nach  reiflicher 
Überlegung  zog  er  es  vor,  die  Nachbarschaft  Englands  nicht  zu 
verlassen,  und  sandte  den  Obersten  Pettekum  mit  mündlichen 
Aufträgen  zu  Friedrich  Wilhelm.  Bald  darauf,  im  Januar  1688, 
kam  der  junge  Lord  Lewis  zum  zweiten  Male  nach  der  branden- 
burgischen Hauptstadt.  Er  war  der  Sohn  eines  eifrig  protestantisch 
und  whiggistisch  gesinnten  schottischen  Edelmanns,  des  Lord 
Melville,  hatte  in  Berlin  eine  Zeitlang  als  Offizier  gedient  und 
war  dann  im  September  1687  zu  seinem  Vater  zurückgekehrt, 
mit  Briefen  des  Marschalls  Schomberg.     Dieser,  durch  seine 


»  Mtooires,  VI,  89. 


476  Siebentes  Buch. 

Mutter  von  englischer  Abkunft  und  durch  seine  Gemahlin  mit 
dem  prinzlichen  Paare  von  Oranien  verwandt,  hegte  für  dessen 
Sieg  in  Grofsbritannien  die  freudigste  Teilnahme.  „Dafür,'' 
schrieb  er  an  Henry  Sydney,  „würde  ich  alles  opfern;  es  würde 
mir  die  grOfste  Genugtuung  verschaffen,  wenn  wir  dieser  Sache 
einmal  gemeinschaftlich  Dienste  zu  leisten  vermöchten.'' '  Lewis 
erhielt  nun  von  den  schottischen  Lords  den  Auftrag,  dem  Kur- 
fürsten mitzuteilen,  dafs  sie  wie  der  englische  Adel  darauf 
drängten,  das  Werk  der  Befreiung  zu  beschleunigen ;  der  Augen- 
blick, es  zu  unternehmen,  sei  nach  ihrer  Meinung  gekommen. 
Oranien  hatte  Lewis  beauftragt,  diese  Dinge,  die  sonst  durch- 
aus geheim  bleiben  mufsten,  doch  auch  dem  Kurprinzen  und 
dessen  vertrautem  Ratgeber  Danckelmann  mitzuteilen.  Denn 
wisse  man,  wie  bald  diese  zur  Herrschaft  berufen  seien?  Der 
Kurfürst  zeigte  sich  zur  Mitarbeit  an  dem  grofsen  Werke  bereit, 
dessen  Ausführung  er  freilich  nicht  mehr  erleben  sollte.  Er 
sah  das  gelobte  Land  der  europäischen  Freiheit  nur  von  weitem*. 
Allein  er  webte  bis  zu  seinem  letzten  Atemzuge  in  diesen 
grofsen  Dingen.  In  seinem  Auftrage  ging  sein  in  Kleve  stationierter 
Generalleutnaüt  Spaen,  der  schon  häufiger  sein  Vertrauensbote 
bei  dem  Oranier  gewesen  war,  im  März  1688  wiederholt  nach 
dem  Haag.  Spaen  traf  hier  mit  dem  Prinzen  eine  Verabredung 
von  der  grOfsten  Bedeutung.  Der  brandenburgisch-niederländische 
Vertrag  von  1685  hatte  die  Bestimmung  enthalten,  dafs  bei  ent- 
stehenden Kriegsbefürchtungen  beide  Mächte  über  gemeinsam 
zu  treffende  Mafsregeln  sich  verständigen  sollten.  Hierauf  sich 
stützend  kam  Spaen  mit  dem  Oranier  überein,  dafs  der  Kur- 
fürst in  das  Herzogtum  Kleve  9000  Soldaten  zur  Sicherung  des 
Niederrheins  und  der  Ostgrenzen  der  Vereinigten  Provinzen  ver- 
legen sollte.  Auch  der  Kurpfälzer  versprach  durch  Spaen,  in 
sein  Herzogtum  Jülich  gleichfalls  2000  Reiter  und  500  Fufs- 
gänger  zu  senden.  Diese  Abmachungen  waren  dazu  bestimmt, 
dem  Oranier  den  Übergang  nach  England  zu  erleichtern,  indem 
sie  die  Generalstaaten  über  deren  eigene  Sicherheit  beruhigten 
und  hierdurch  um  so  eher  bewogen,  dem  Prinzen  ihre  eigenen 
Truppen  anzuvertrauen,  ohne  Furcht  vor  einem  französischen 
Angriffe  vom  Rhein  her'. 


^  Ranke,  Engl.  Gesch.,  Y,  526 f. 

»  Pufendorf ,  XIX,  99.  —  Klopp,  IV,  68. 

s  d'Avaux,  VI,  63 f.:  Depesche  vom  16.  März  1688. 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  Absclilufs.  477 

Die  brandenburgische  Diplomatie  leugnete  den  AbscUufe 
dieses  Übereinkommens  mit  grofser  Kühnheit  ab.  Indes,  sie  fand 
hiermit  um  so  weniger  Glauben,  als  die  neuntausend  Branden- 
burger und  2500  Pfälzer  tatsächlich  in  den  ihnen  bestimmten 
Quartieren  westlich  des  Rheins  erschienen  ^  In  Paris  war  man 
auf  das  genaueste  davon  unterrichtet  und  rechnete  das  Äb^ 
kommen  dem  Kurfürsten  als  einen  schweren  Frevel  an'. 

So  spitzten  sich  die  Dinge  zu  dem  grofsen  und  blutigen 
Entscheidungskampfe  zu,  der  wenige  Monate  später  wirklich 
ausgebrochen  ist,  und  an  dem  Brandenburg  und  sein  Heer  einen 
bedeutenden  und  ruhmvollen  Anteil  genommen  haben.  Es  war 
Friedrich  Wilhelm  nicht  beschieden,  die  Entwicklung  dieser  An- 
gelegenheit, die  er  von  so  langer  Hand  und  so  umsichtig  vor- 
bereitet hatte,  noch  zu  erleben.  Die  Krankeit,  mit  der  sein 
kräftiger  Körper  und  sein  starker  Wille  seit  langen  Jahren 
gerungen  hatten,  trug  endlich  den  Sieg  ttber  jeden  Widerstand 
davon. 

Seit  dem  Beginne  des  Jahres  1688  war  zu  seinen  ttbrigen 
Leiden:  Fufsgicht,  Stein,  Asthma,  Hämorrhoiden,  noch  die  Wasser- 
sucht getreten,  deren  Anschwellungen  die  Ärzte  durch  Pflaster 
bekämpften,  ohne  aber  durch  so  oberflächliche  Mittel  deren  Fort- 
schritte wesentlich  verhindern  zu  können.  Am  16.  April,  dem 
Karfreitag,  empfing  er  in  gewohnter  Weise  das  Abendmahl. 
Allein  kurz  nach  den  Osterf eiertagen  verschlimmerte  sich  sein 
Zustand  derartig,  dafs  man  anfing,  seinen  baldigen  Tod  voraus- 
zusehen. Die  alten  Mittel  versagten,  und  nach  einer  kurzen 
Besserung,  die  dem  Patienten  eine  Ausfahrt  gestattete,  nahm 
die  Geschwulst  in  bedrohlicher  Stetigkeit  zu.  Der  Schlaf  über- 
fiel ihn  plötzlich,  selbst  bei  TafeP.  Am  24.  April  sagte  er  zu 
den  ihn  behandelnden  Ärzten :  er  fühle  wohl,  dafs  er  nicht  mehr 
viele  Tage  zu  leben  habe.  Er  trug  sein  Leiden  mit  der  gröfsten 
Geduld :  „er  wolle  von  Gott  erwarten,**  sagte  er  dem  kaiserlichen 
Gesandten,  „was  der  hierin  mit  ihm  disponieren  wttrde,  welcher 


>  Ms.  Kurf.  an  Spanheim,  27.  März/ 6.  April,  6./16.  April  1688.  — 
d'Avaux,  VI,  66. 

^  Instruktion  an  Gravel,  23.  April  1688;  Bec  des  Instructions, 
XVI,  228. 

*  Berichte  Fridags  und  des  französischen  Gescuidtschaftssekretärs 
Poussin.  —  Orlich,  PreuTs.  Staat,  11,  548  ff.,  nach  den  Aufzeichnungen 
des  Predigers  Ck>cliius  und  des  jüngeren  Schwerin. 


478  Siebentes  Buch. 

der  beste  Medicus  wäre^.  Er  zeigte  in  diesen  schweren  Tagen 
eine  Ruhe  und  Sanftmut,  die  zu  seiner  sonstigen  Lebhaftigkeit 
und  seinem  bisherigen  Jähzorn  einen  auffallenden  Gegensatz 
bildete.  Dabei  arbeitete  er  unausgesetzt  an  den  Staatsgeschftften, 
empfing  fremde  Gesandte,  diktierte  Briefe  und  sah  die  Depeschen 
durch,  in  dieser  aufopfernden,  unermüdlichen  Pflichterfüllung 
bis  in  den  Tod  ein  glänzendes  Vorbild  —  wie  in  so  vielen  anderen 
Dingen  —  für  seine  Nachfolger ;  auch  er  hatte  keine  Zeit,  müde 
zu  sein. 

Anfang  Mai  schien  es,  als  sei  die  Krise  einstweilen  über- 
wunden; es  trat  eine  Erleichterung  der  Leiden  ein.  Man  be- 
gann, wieder  einige  Hoffnung  zu  hegen,  wenn  nicht  auf  dauernde 
Genesung,  so  doch  auf  mögliche  Fortdauer  des  Lebens.  Allein 
die  Besserung  hielt  nicht  an.  Am  7.  Mai,  einem  Freitag,  ver* 
sammelte  der  sterbende  Held,  wie  gewöhnlich  an  diesem  Wochen- 
tage, seinen  Geheimen  Rat  um  sich ;  auch  der  Kurprinz  wohnte 
der  Sitzung  bei.  Der  Fürst,  der  die  Nacht  in  Schmerzen  durch- 
wacht hatte,  sprach,  mit  schon  matter  Stimme,  zu  dem  Kur- 
prinzen gewandt:  „Ich  fühle,  dafs  ich  zum  letzten  Male  dem 
Geheimen  Rat  beiwohne.  Durch  Gottes  Gnade  habe  ich  eine 
lange  und  glückliche,  aber  auch  mühevolle  Regierung  voll  Krieg 
und  Unruhe  gehabt.  Jeder  weifs,  in  wie  trauriger  Zerrüttung 
das  Land  gewesen,  als  ich  die  Regierung  begann ;  durch  Gottes 
Hilfe  habe  ich  es  in  besseren  Stand  gebracht,  bin  von  meinen 
Freunden  geachtet  und  von  meinen  Feinden  gefürchtet  worden. 
Ich  übergebe  Euch  nun  die  Regierung  und  ermahne  Euch,  sie 
in  denselben  Grundsätzen  zu  führen,  diQ  mich  geleitet  haben. 
Mögt  Ihr  den  Ruhm,  den  ich  Euch  vererbe,  bewahren  und  mehren.^ 
Den  Räten  dankte  er  für  die  treuen  Dienste,  die  sie  ihm  ge- 
leistet, und  die  sie,  wie  er  zuversichtlich  hoffe,  auch  seinem 
Sohne  widmen  würden;  er  wisse  wohl,  dafs  seine  Untertanen 
schwere  Lasten  zu  tragen  hätten,  aber  die  Ungunst  der  Zeiten 
habe  es  ihm  unmöglich  gemacht,  solche  zu  mildern. 

Der  Kui*prinz,  die  Räte  antworteten  unter  Tränen,  mit  Ver- 
sicherungen der  tiefsten  Hingebung  und  Verehrung,  mit  Zusagen 
für  die  Zukunft.  Obwohl  erschöpft,  dankte  Friedrich  Wilhelm 
mit  freundlichem  Blick  und  liefs  dann  die  gewöhnlichen  Vor- 
träge halten,  auf  einen  jeden  mit  klarem  Urteil  und  unentwegter 
^Gelassenheit  verfügend. 

Der  Rest  des  Tages,  sowie  der  8.  Mai  vergingen  in  frommen 


Achtandvierzigstes  Kapitel.    Der  Abschlufs.  479 

Gesprächen  mit  den  Predigern  und  seinen  Angehörigen,  die 
er  ermahnte  und  segnete.  Er  legte  seinem  Nachfolger  vor  allem 
die  Verteidigung  des  bedrängten  evangelischen  Wesens  an  das 
Herz,  empfahl  ihm  im  besonderen  die  französischen  Glaubens- 
flQcbtlinge  und  beklagte  die  Gehässigkeit,  mit  der  sich  die 
Protestanten  untereinander  bekämpften,  ^  Empfindungen,  die 
ihn  von  Jugend  an  beherrscht  hatten.  Schwere  Beängstigungen 
quälten  ihn  wiederholt,  Ohnmächten  schienen  jedesmal  das  Ende 
seines  irdischen  Daseins  anzuzeigen. 

Wie  sein  ganzes  Leben  so  war  auch  sein  Sterben  schwer 
und  mühevoll.  Am  Sonntag  Misericordia  domini  (9.  Mai)  in  der 
Frühe  nahm  er  dann  den  letzten  Abschied  von  den  Seinen. 
Unter  Bezeugungen  christlicher  Andacht  und  Zuversicht  wurde 
er  zwischen  neun  und  zehn  Uhr  morgens  von  seinen  Qualen  er- 
löst, —  fest  und  fromm  bis  zum  letzten  Atemzuge:  er  schlofs 
sich  noch  im  Sterben  selber  die  Augen.  Der  französische  Ge- 
sandtschaftssekretär schreibt:  ,|Er  hat  bis  zum  letzten  Augen- 
blicke seines  Lebens  Beweise  aufserordentlicher  Seelengröfse  und 
Geistesfreiheit  gegeben.^  Und  der  österreichische  Botschafter: 
„Es  ist  nicht  genugsam  zu  beschreiben,  mit  was  für  einer  Stand- 
haftigkeit  und  absonderlicher  grofser  Andacht  bei  vollkommener 
guter  Vernunft  er  sein  Leben  geendiget."  ^ 


So  schied  der  Fürst,  der  in  Wahrheit  der  Begründer  und 
Schöpfer  des  preufsischen  Staates  gewesen  ist.  Seine  Wirksam- 
keit war  eine  ebenso  tiefgehende  wie  umfassende.  Es  bedeutete 
viel,  dafs  er  das  Gebiet  um  ein  reichliches  Dritteil  vergröfsert, 
mehr,  dafs  er  es  fest  in  sich  zusammengeschlossen,  die  ständi- 
schen und  provinziellen  Sondergewalten  gebrochen,  einheitliche 
Verwaltung  und  systematisch  geordnete  Finanzgebarung  ein- 
geführt, die  Wehrmacht  auf  sichere  und  bleibende  Grundlagen 
gestellt  hatte. 

Friedrich  Wilhelm  war  nicht  ein  unersättlich  nach  neuem 
Landerwerb  Strebender  gewesen.  So  mechanisch,  so  brutal 
fafste  er  den  Begriff  des  Staates  und  seiner  Kräfte  nicht  auf. 


^  Vgl.  Burnet,  History  of  his  own  time  (London  s.  a.),  8.  475: 
„He  received  the  intimations  of  death  with  the  firmness  that  became 
both  a  Christian  and  a  hero.'' 


480  Siebentes  Buch. 

Er  wünschte  dessen  Ausdehnung  nur  an  den  Orten,  wo  sie 
dessen  wesentlichen  Interessen  wirklich  zu  gute  kam:  wie  in 
Pommern,  in  Schlesien,  in  Ostfriesland,  an  der  Elbe.  Land- 
gewinn, von  dem  er  schädliche  Verwicklungen  und  dauernden 
Nachteil  fttr  die  politische  Stellung  Brandenburgs  fürchtete,  hat 
er  vielmehr  zurückgewiesen,  wie  ihm  solchen  Frankreich  in  den 
Jahren  1683  bis  1685  auf  Kosten  der  Weifen  dargeboten  hatte. 
Er  imterschied  eben  sorgfältig  zwischen  dem  augenblicklichen, 
vorübergehenden  und  dem  bleibenden,  höheren  und  deshalb 
wahrhaft  fruchtbaren  Erfolge.  So  opferte  er  noch  gegen  Ende 
seines  Leben  alle  Aussicht  auf  den  Besitz  Vorpommerns,  der, 
wie  sich  damals  die  Dinge  gestaltet  hatten,  nur  um  den  Preis 
der  Unterwerfung  unter  Frankreich  erhältlich  war,  dem  grofsen 
Gedanken  der  evangelischen  Union  und  des  europäischen  Frei- 
heitsbundes. Diese  Fähigkeit,  das  Kleinere,  wenn  es  auch  für 
den  Moment  noch  so  lockend  erschien,  wichtigeren  Gesichts- 
punkten und  Zielen  unterzuordnen,  ohne  dabei  das  praktisch 
Mögliche  für  Chimären  hinzugeben  —  diese  Fähigkeit  vor  allem 
stempelt  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  zum  grofsen 
Staatsmann. 

Als  Hohenzoller  und  Fürst  hielt  er  sich  von  Gott  für  be- 
rufen und  verpflichtet,  sein  Haus,  seinen  Staat  und  sein  Be- 
kenntnis zu  fördern.  Insofern  war  er  in  erster  Linie  partiku- 
laristisch  gesinnt.  Allein  wie  sein  innerstes  Empfinden  deutsch 
war,  so  erkannte  er  auch,  dafs  die  Blüte,  ja  das  Bestehen 
seines  Staates  von  der  Selbständigkeit  und  Macht  des  ganzen 
Deutschland  durchaus  abhänge.  War  das  Reich  schwach  und 
den  Fremden  Untertan,  so  liefs  sich  Brandenburg- Preufsens 
Selbständigkeit  in  den  europäischen  Verwicklungen  nicht  be- 
haupten. Wir  sehen  ihn  deshalb,  sei  es  mit  Absicht  oder  un- 
willkürlich, allerorten  deutsches  Wesen  schützen  und  vor  der 
Unterjochung  durch  die  Fremden  retten:  so  in  Ostpreu(ton 
gegen  das  Polentum,  so  in  Kleve  und  Ostfriesland  gegen  die 
Holländer,  so  in  Hamburg  gegen  die  Dänen,  so  am  Rhein  gegen 
Frankreich.  Brandenburg  vor  allem  hat  zum  erstenmal  seit 
vielen  Jahrhunderten  die  weitere  Abreifsung  deutscher  Gebiete 
von  dem  Körper  des  Reiches  und  Volkes  verhindert,  schon  ver- 
lorene oder  doch  bedrohte  diesem  zurückgebracht.  Auch  die 
Absicht  auf  Vorpommeiii,  auf  völlige  Vertreibung  der  Schweden 
aus  Deutschland  entsprach  dem  deutschen  Interesse,  und  ihre 


Achtundyierzigstes  Kapitel.    Der  Abschlufs.  4gl 

Verwirklichung  wttrde  aus  dem  ReichBorganismus  einen  schmerz- 
lich als  solchen  empfundenen  Fremdkörper  entfernt  haben. 
Gewifs  hat  der  Kurfürst  den  Vorteil  ganz  Deutschlands  nicht 
als  Hauptzweck  sich  gesetzt;  allein  es  wäre  ungerecht,  zu  ver- 
kennen, dafs  er  tatsächlich  der  erfolgreichste,  ja  zu  seiner  Zeit 
der  einzig  erfolgreiche  Verfechter  und  Verbreiter  deutschen 
Wesens  war.  Es  wäre  ebenso  ungerecht ,  ihm  —  wie  das  jetzt 
bisweilen  geschieht  —  das  Gefühl  für  das  weitere  Vaterland 
überhaupt  abzusprechen.  Hat  er  nicht  1684  den  Vorschlag  des 
allmächtigen  FranzosenkOnigs,  ihm  das  glühend  gewünschte  Vor- 
pommern gegen  die  Zustimmung  zur  Abtretung  der  Reichs- 
festung Philippsburg  an  Frankreich  zu  verschaffen,  rundweg  ab- 
gelehnt? Welcher  deutsche  Fürst  würde  damals  einen  so  ge- 
waltigen Vorteil  aus  den  Händen  gegeben  haben  gegen  ein  Zu- 
geständnis, das  ihm  selbst  nichts  kostete,  nur  die  Sicherheit  und 
Ehre  des  Reiches  schädigte  ?  Auch  hier  hat  Friedrich  Wilhelm 
ein  grofses  und  glänzendes  Beispiel  gegeben.  Selbst  sein  Bünd- 
nis mit  Frankreich  hat  er  sorglich  zur  möglichsten  Wahrung 
der  Reichsintegrität  benutzt.  Er  bot  dem  Kaiser  die  Umwand- 
lung der  brandenburgischen  in  eine  Reichsflotte,  wollte  dem 
ganzen  Deutschland  so  ein  Machtmittel  überliefern,  das  es  seit 
vielen  Jahrhunderten  schmerzlich  und  zu  seinem  grofsen  Schaden 
vermifste.  Nicht  seine  Schuld  ist  es  gewesen,  wenn  der  deutsche 
Doppelaar  damals  nicht  über  den  Meeren  schwebte. 

Friedrich  Wilhelms  politische  Begabung  hat  sich  nie  glän- 
zender gezeigt  als  während  der  letzten  Jahre  seines  Lebens,  wo 
sein  Körper  durch  unaufhörliches  schmerzliches  Leiden,  sein 
Herz  durch  Zwist  und  Unglück  in  der  nächsten  Familie  ge- 
peinigt und  gebeugt  waren.  Da  gerade  entwarf  und  befolgte 
er  das  geniale  Programm:  Zusammenfassung  ganz  Europas,  mit 
Verzicht  auf  alle  Sondervorteile  und  kleinliche  Streitigkeiten, 
gegen  die  drohende  Universalmonarchie  des  Königs  von  Frank- 
reich. Er  stand  mit  seinem  Neifen  Oranien  an  der  Spitze  des 
europäischen  Gegenbundes,  an  dessen  Ausdehnung  und  Befesti- 
gung der  Greis  mit  jugendlichem  Schwung  und  Feuer  arbeitete. 
Gewifs,  er  hat  nicht  als  erster  diesen  Gedanken  gefafst;  aber 
das  ist  auch  nicht  das  verdienstlichste,  vielmehr  ist  es  die  plan- 
mäfsige,  unentwegte,  entschlossene  Tätigkeit  für  dessen  Ver- 
wirklichung. Und  er  war  der  erste,  der  den  Plan  zu  dem  für 
das  Gelingen   des  grofsen  Programms  unentbehrlichen  Unter- 

Philippaon,  D«r  Qrofte  KurfOnt.    III.  31 


482  Siebentes  Buch. 

nehmen  auf  England  gedacht  und  auf  seine  Ausführung  hin- 
gestrebt hat,  —  schon  bei  Lebzeiten  Karls  II.,  seit  1684.  Er 
allein  hat  den  Oranier  und  die  Generalstaaten  allmählich  von 
der  Notwendigkeit  dieser  Tat  überzeugt.  Es  ist  das  ein  Ver* 
dienst  von  höchster  weltgeschichtlicher  Bedeutung;  es  würde 
allein  genügen,  die  seltene  politische  Begabung  dieses  grofsen 
Fürsten  zu  erweisen. 

Kurbrandenburg  hatte  bis  auf  ihn  nicht  allein  in  Europa, 
sondern  selbst  im  Reiche  eine  ganz  untergeordnete  Rolle  ge- 
spielt. Nur  gelegentlich  bei  Kaiserwahlen  hatte  es  eine  Ein- 
wirkung geübt.  Sonst  war  es  einer  der  wenigst  wichtigen 
deutschen  Mittelstaaten  gewesen:  es  liefs  sich  an  Bedeutung 
mit  Kursachsen,  Bayern,  ja  der  Kurpfalz  und  Hessen  nicht  ver- 
gleichen. Friedrich  Wilhelm  hat  es  mit  einem  Male  zu  dem 
mächtigsten  und  einflufsreichsten  Reichsfürstentume  erhoben,  ja 
ihm  eine  angesehene  und  wirksame  Stellung  in  der  europäischen 
Staatenwelt  geschaffen.  Brandenburg-Preufsen  hiefs  noch  nicht 
ein  unabhängiges  Königreich,  aber  es  war  tatsächlich  ein 
solches  geworden  durch  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm. 

Von  dieser  seiner  äufseren  Politik  ist  seine  innere  gar 
nicht  zu  trennen.  Beide  sind  nur  verschiedene  Seiten  und 
Betätigungsweisen  des  eiuen  grofsen  und  mächtigen  Staats- 
gedankens, der  ihn  beseelte.  Er  hat  die  mittelalterliche  Unter- 
ordnuDg  des  Staates  unter  den  religiösen  Gesichtspunkt  auf  der 
einen,  unter  das  persönliche  Interesse  des  Herrschers  auf  der 
anderen  Seite  grundsätzlich  und  mit  Entschlossenheit  aufgegeben. 
Volle  Duldung  jeder  religiösen  und  philosophischen  Anschauung, 
Gerechtigkeit  für  alle,  aber  auch  Vermehrung  des  materiellen 
Wohlstandes,  Steigerung  der  Volkszahl,  Hebung  der  Steuerkraft, 
Sicherung  des  Staates  durch  ein  zahlreiches,  stets  schlagfertiges 
Heer,  fest  geregeltes  und  geeintes  Beamtentum,  Zentralisation 
der  Staatsgewalt  in  der  Hand  des  Herrschers  und  seiner  Mi- 
nister, —  das  sind  die  Verwaltungsgrundsätze  des  Grofsen  Kur- 
fürsten. Prinzipien,  die  typisch  sind  für  die  erste  Entwicklungs- 
phase des  modernen  Staates  und  zumal  mafsgebend  für  Friedrich 
Wilhelms  eigene  Nachfolger.  Nicht  erst  von  Friedrich  dem 
Grofsen,  schon  von  seinem  Urgrofsvater  ist  der  aufgeklärte 
Absolutismus  begründet  und  zum  überwiegenden  Teile  auch  ver- 
wirklicht worden.  Friedrich  Wilhelm  wollte  seiner  landesherr- 
lichen Gewalt  unbeschränkte  Geltung  im  Staatsleben  verschaffen, 


Achtundvierzigstes  Kapitel.    Der  AbschluTs.  483 

und  er  erreichte  seinen  Zweck  durch  Einführung  bleibender, 
von  ständischer  Bewilligung  unabhängiger  Steuern,  durch  Er* 
Setzung  der  ständischen  und  städtischen  Beamten  durch  landes- 
herrliche, endlich  durch  die  Ausbildung  der  „Polizei**,  die  be- 
hufs HerbeifQhrung  eines  möglichst  hohen  Mafses  allgemeiner 
Glückseligkeit  sich  leitend,  mahnend  und  strafend  in  sämtliche 
Angelegenheiten  des  privaten  wie  des  öffentlichen  Lebens 
mischte.  In  allen  Einzelheiten  ist  das  noch  nicht  zum  Ab- 
schlufs  gebracht,  aber  die  Grundsätze  sind  doch  allerorten  auf- 
gestellt und  die  Wege  gewiesen. 

Bisher  zerfiel  das  Gebiet  des  Kurfürsten  in  eine  grofse  An- 
zahl einzelner  Länder,  deren  jedes  seine  Selbständigkeit  und 
die  Eigenheit  seiner  Interessen  behauptete  und  höchstens  durch 
die  Personalunion,  vermittelst  des  gemeinsamen  Landesherm,  eine 
Verbindung  mit  anderen  Teilep  des  Gebietes  anerkannte.  Fried- 
rich Wilhelm  hat  Tatsache  und  Bewufstsein  der  Staatseinheit 
{überhaupt  erst  geschaffen.  Das  ist  vielleicht  die  wichtigste 
Seite  und  das  bedeutsamste  Ergebnis  seiner  gesamten  Tätigkeit. 
Die  grofsen  militärischen  und  politischen  Erfolge  des  Herrschers 
haben  hierbei  gewifs  mitgeholfen  und  den  stolzen  branden- 
burgisch -  preufsischen  [Patriotismus  erzeugt.  Aber  vorgearbeitet 
und  dann  praktische  und  dauernde  Formen  gegeben  hat  ihm 
Friedrich  Wilhelm  durch  seine  Tätigkeit  im  Innern  des  Staates. 
Er  hat  hier  das  Indigenatsvorrecht  für  die  Anstellungen  und 
J^iederlassungen  in  den  einzelnen  Provinzen  tatsächlich  beseitigt. 
Er  hat  den  Einflufs  des  partikularen  Adels  und  besonders  der 
slten,  mächtigen  Provinzialgeschlechter  gebrochen.  Er  hat  die 
Macht  in  allen  einzelnen  Teilen  seines  Staates  auf  das  Beamten- 
tum übertragen,  das  in  ihm  sein  einziges  Oberhaupt  sah,  das 
Ton  jeder  provinziellen  und  Familienrücksicht  frei  war,  und  in 
-dem  viele  Bürgerliche  und  gar  Ausländer  sich  befanden,  die  nur 
von  dem  Herrscher  Schutz  und  Beförderung  erwarten  konnten. 
Dieses  Beamtentum  hat  er  mit  unendlicher  Mühe  diszipliniert 
und  von  Eigensucht  und  Käuflichkeit  geheilt.  Er  hat  die 
schlimmsten  Übertretungen,  wenn  auch  mit  Milde,  bestraft;  er 
hat  aber  viel  mehr  auf  positive  Weise,  durch  Gewährung  regel- 
mäfsiger  und  ausreichender  Besoldung,  sowie  durch  Verbreitung 
4es  Geistes  der  Pflicht  und  Hingabe,  den  Grund  zu  befriedigender 
Entwicklung  des  Beamtentums  gelegt.     So  besserten  sich  die 

Zustände  unter  der  früher  entarteten  und  dem  Einflüsse  des 

3l* 


484  Siebentes  Buch. 

LandeBherrn   beinahe  entzogenen   brandenburgisch  -  preufsischen 
Beamtenschaft. 

Wir  finden  bei  dem  Grofsen  Kurftlrsten  auch  die  Anfiluge 
der  Kabinettsregiemng ,  die  für  die  absolute  Monarchie  in 
Preufsen  so  charakteristisch  geworden  und  deren  Spur  dort 
noch  heute  nicht  verschwunden  ist.  Das  Kollegium  des  Ge- 
heimen Rates  wurde  zur  höchsten  Verwaltungsbehörde  fflr  die 
laufenden  Geschäfte  des  Staates  erhoben  und  als  solche  ver- 
wandt. Indes  für  alle  wichtigeren,  ausschlaggebenden  Angelegen- 
heiten ,  besonders  der  äufseren ,  aber  auch  der  inneren  Politik 
beruft  der  FQrst  einen  oder  den  anderen  Vertrauten,  mit  dem 
er  in  seinem  Kabinette  arbeitet  und  beschlielist,  ohne  dafs  die 
andern  Räte  davon  das  mindeste  auch  nur  erfahren  dürfen. 
Derart  wird  die  Summe  der  Geschäfte  ausschliefslich  in  der 
Person  des  Herrschers  vereinigt.  Daneben  bemerken  wir  die 
Ansätze  zu  Ministerien  im  heutigen  Sinne:  für  die  Finanzen, 
für  das  Heer,  für  die  Marine,  für  Auswärtiges.  Kurz,  überall 
knüpft  die  neuere  Entwicklung  an  die  Schöpfungen  Friedrich 
Wilhelms  an :  er  hatte  eben  an  jeder  Stelle  die  Bedürfnisse  des 
modernen  Staates  erkannt  und  ihnen  Rechnung  getragen,  in- 
soweit Zeit,  Kräfte  und  äufsere  Umstände  es  ihm  gestatteten. 

Die  gröfste  Schwierigkeit  erwuchs  ihm  in  der  Schaffung 
einer  geregelten  Finanzverwaltung,  die  ihm  erst  gegen  Ende 
seiner  Regieiiing  gelungen  ist.  Er  hat  da  ein  geordnetes 
Kassenwesen  und  regelmäfsige  Etats  begründet.  Allerdings 
blieben  die  Vielheit  der  Zentralkassen  und  die  Anweisung  zahl- 
reicher Einzelausgaben  auf  besondere  und  provinzielle  Ein- 
nahmen —  eine  Kompliziertheit,  die  bis  zum  Ende  des  „alten 
Regimes**,  bis  auf  die  Reformen  von  1807  augedauert  hat. 
Unter  ihm  beginnt  gleichfalls  im  Staatshaushalte  das  Vorwiegen 
der  Ausgaben  für  das  Heer:  er  hat  Brandenburg -Preufsen  den 
militärisch  -  spartanischen  Charakter  aufgeprägt ,  der  diesem 
Lande  bis  auf  den  heutigen  Tag,  wenn  auch  in  jetzt  gemilderter 
Form,  eigen  geblieben  ist. 

Das  Heer  erschien  eben  dem  Kurfürsten,  für  jene  inter- 
national rechtlosen  Zeiten  sicher  mit  Recht,  als  die  einzig  zu- 
verlässige Gewähr  für  die  Unabhängigkeit  und  Gröfse  des 
Staates.  Und  er  beschränkte  sich  nicht  auf  die  theoretische 
Erkenntnis;  er  hat  sie  mit  unentwegter  Tatkraft  und  Beharr- 
lichkeit ausgeführt,    unter  Niederwerfung  alles,  auch   formell 


Achtundvierzigstee  Kapitel.    Der  Abachlufs.  485 

noch  so  berechtigten  Widerstandes.  Das  Heer  sollte  ihm  übri- 
gens nicht  nur  zur  Sicherung  des  Staatswesens  und  zur  Ver- 
fechtung seiner  Politik  nach  aufsen  dienen,  sondern  auch  zur 
Aufrechterhaltung  der  Staatseinheit  und  der  fürstliehen  Voll- 
gewalt im  Innern.  Seiner  ganzen,  tiefen  Auffassungsweise  ge- 
mftfs,  die  nicht  an  der  Oberfläche  der  Dinge  haften  blieb, 
sondern  in  deren  eigentliche  Natur  eindrang,  begnügte  er  sich 
nicht  mit  der  Aufstellung  einer  groAen  Anzahl  von  Streitern. 
Er  hat  vielmehr  das  stärkste  Gewicht  auf  die  Beschaffen- 
heit seines  Heeres  gelegt,  in  strenger  Disziplinierung,  steter 
Übung  und  guter  Bewaffnung,  sowie  in  der  Ausbildung  des 
soldatischen  Geistes.  Unablässig  hat  er  daran  gearbeitet  und 
mit  bestem  Erfolge.  Der  Oberbefehl  und  die  höchste  Ver- 
waltung des  Heeres  wurden  vereinheitlicht  und  damit  wirksam 
und  zweckdienlich  gestaltet.  Das  brandenburgisch-preufsische  Heer 
in  seiner  unvergleichlichen  Organisation  und  Tüchtigkeit  ist 
durchaus  ein  Werk  des  Grofsen  Kurfürsten. 

Indes,  alle  diese  politischen,  finanziellen  und  militärischen 
Bestrebungen  erschöpften  das  Walten  dieses  hervorragenden  und 
vielseitigen  Geistes  nicht.  Er  war  ebenso  emsig  auf  Förderung 
des  Ackerbaues,  des  Handels  und  Gewerbfleifses  in  seinen 
Landen  bedacht  und  gab  auch  auf  dem  ökonomischen  Gebiete 
die  Richtung  an,  die  bis  zu  der  Neugeburt  Preufsens  in  der 
napoleonischen  Zeit  dort  herrschend  geblieben  ist,  nämlich  die 
merkantilistische.  Man  sieht:  alles  in  dem  Preufsen  vor  1807 
geht  auf  diesen  Herrscher  zurück.  Er  ist  femer  der  Schöpfer 
der  preufsischen  Post  geworden,  mit  ihren  vorbildlich  ausge- 
zeichneten Einrichtungen.  Er  trat  den  Ausschreitungen  des 
Zunftwesens  entgegen.  Er  fafste  den  grofsen  Gedanken,  auf 
den  weitentwickelten  Küsten  seiner  Lande  einen  regen  Seever- 
kehr zu  begründen,  eine  Kriegsmarine  ins  Leben  zu  rufen, 
Kolonien  zu  erwerben,  dadurch  Brandenburg-Preufsen  in  den 
grofsen  Welthandel  einzuführen.  Und  wie  er  es  nirgends  bei 
geistreichen  Entwürfen  und  plötzlichen  Anregungen  bewenden 
liefs,  vielmehr  solche  mit  aller  Besonnenheit,  aber  auch  mit  aller 
Zähigkeit  durchführte,  so  hat  er  ebenfalls  es  hier  getan. 
Brandenburg  begann,  einen  ehrenvollen  Platz  unter  den  Handels- 
und Kolonialstaaten  einzunehmen.  Nicht  seine  Schuld  war  es, 
wenn  seine  Nachfolger  fast  zwei  Jahrhunderte  lang  seine  ebenso 


486  Siebentes  Buch. 

geistvolle  wie  erspriefsliche  Tätigkeit  nach  dieser  Richtung  auf- 
gegeben haben. 

Friedrich  Wilhelm  wurde  zu  solchen,  seiner  ganzen  Um- 
gebung femliegenden  Plänen  veranlafst  durch  die  weite  und 
universelle  Bildung,  die  er  sich  bei  seinem  mehijährigen  Auf- 
enthalte in  Holland  während  seiner  Jugend  erworben  hatte. 
Von  lebhafter  Wifsbegier  erfüllt,  suchte  er  seine  Kenntnisse 
fortdauernd  und  nach  den  verschiedensten  Seiten  hin  zu  ver- 
mehren. Er,  der  unaufhörlich  mit  den  öffentlichen  Angelegen- 
heiten Beschäftigte,  fand  doch  die  Mufse,  Gelehrsamkeit  und 
bildende  Künste  eifrig  zu  fördern ,  und  zeigte  stets  die  Befrie- 
digung und  das  Vergnügen,  die  sie  ihm  gewährten.  Freilich, 
sie  in  der  Kurmark  heimisch  zu  machen,  gelang  ihm  nicht  bei 
der  Sprödigkeit  des  dortigen  Menschenmaterials  und  bei  der 
Ungunst  der  Umstände.  Aber  er  tat,  was  er  konnte :  die  König- 
liche Bibliothek,  die  Gemäldegalerie,  das  Münzkabinett  und 
die  Naturaliensammlung  in  Berlin  danken  ihm  ihr  Entstehen. 
Er  war  zu  frei  und  weitblickend  in  seinem  Denken,  um  nicht, 
bei  aller  persönlichen  Glaubenstreue  und  Glaubenswärme,  jeder 
echten  Überzeugung  volle  Duldung  zu  verstatten.  Inmitten 
einer  bis  zum  Fanatismus  intoleranten  Zeit  gab  er  die  schönsten 
Beweise  der  Vorurteilslosigkeit  und  Unbefangenheit,  indem  er 
sogar  den  verachteten  und  gemiedenen  Juden  seine  Gunst  zu- 
wandte, —  und  darin  war  er  mehr  vorgeschritten  als  manche 
seiner  Nachfolger. 

Das  Weite  und  Grofse  in  seinem  Wesen  übte  endlich  Ein- 
ilufs  auch  auf  seine  Umgebung.  Unt^  seiner  Einwirkung  be- 
gann Berlin-,  sich  aus  einem  kleinen,  armseligen  märkischen  Land- 
Hecken  zu  einer  Grofsstadt  umzuwandeln,  deren  Einrichtungen, 
Bauten  und  Monumente  mit  denen  anderer  europäischer  Haupt- 
städte zu  wetteifern  im  stände  waren.  Noch  wichtiger  war  die 
Metamorphose,  die  sein  Einflufs  den  brandenburgisch-preufsischen 
Adel  durchmachen  liefs.  Damals  gab  der  Adel,  der  Monarchie 
gegenüber,  seinen  Mitbewerb  um  die  Ausübung  der  höchsten 
Gewalt  auf.  Er  verzichtete  auf  diese,  um  von  der  Krone  durch 
Mehrung  seiner  sozialen  Vorrechte  und  durch  Vergröfserung 
seiner  Herrschaft  und  seiner  Vorteile  auf  Kosten  der  Land- 
bevölkerung entschädigt  zu  werden.  Nachdem  die  Tatkraft  des 
Grofsen  Kurfürsten  ihm  gezeigt,  dafs  er  keine  Aussicht  habe, 
den  Thron  in  den  Schatten  zu  stellen,  schlofs  der  Adel  mit  jenem 


AchtundYierzigstes  Kapitel.    Der  Abschlufs.  487 

den  Bund,  der  bis  auf  den  heutigen  Tag  besteht,  und  aus  dem 
er  zweifellos  viel  gröfseren  Nutzen  gezogen  hat  als  die  Krone 
selber.  Friedrich  Wilhelm  hegte  persönlich  noch  starkes  Mifs- 
trauen  gegen  den  Adel,  aber  suchte  gerade  deshalb  ihn  zu 
gewinnen;  alle  ferneren  Regenten  haben  die  Festigkeit  des 
Bundes  lediglich  verstärkt. 

So  umfassend  war  das  Wirken  des  Grofsen  Kurfürsten. 
Was  ihn  charakterisiert,  ist,  dafs  er  zugleich  weitblickend,  von 
universeller  Begabung,  schöpferisch  und  doch  auch  eminent 
praktisch  war.  So  vielseitig  und  ungestüm  er  vorwärtsstrebte, 
so  sorgfältig  und  verständnisvoll  drang  er  in  alle  Einzelheiten 
der  Geschäfte  ein,  so  besonnen  erwog  er  das  Kleine  wie  das 
Grofse.  Nichts  Menschliches  hielt  er  von  sich  fem,  und  seinem 
freien  und  hochentwickelten  Geiste  kam  die  Güte  und  Treue 
seines  Herzens  gleich.  Er  steht  einzig  da  unter  den  Hohen- 
zoUem  in  der  Universalität  seines  Denkens  und  Strebens,  in 
der  Vielseitigkeit  und  Originalität  seines  Empfindens  und 
Schaffens.    Ein  grofser  Herrscher! 


Aktenstücke. 

(Sämtlich  aus  dem  Geheimen  Staatsarchiv  in  Berlin.) 


Friede  ron  1679. 

1.  Generalleutnant  von  Spaen  an  Blaspeil,  Minden,  17. /27. 
Juni  1679  (Rep.  92,  Meinders  7):  «...  Ick  wilde  liever,  ick 
weet  niet  wat,  doen,  als  op  soo  eene  wyse  een  Soldaet  ageeren. 
Dann,  wan  Gott  geen  vreede  geeft,  soo  is  seeker  alle  de  Ruj- 
terie  verlooren,  dann  hi^r  is  niet  een  handvoll  voeden  in 
voorraet,  onde  wy  sjn  niet  alleen  van  onse  vyanden  maer  oock 
vant  gansse  Huys  Brunswic,  Osnabrück  en  Lippe  geblocqueert^ 
800  dat  men  ons  hier  in  een  sack,  gelyck  men  de  veldhoenderen 
vanght,  gejaegt  heeft,  daer  geen  hoop  van  uytkommen  is.  Dese 
Vesting  is  vry  schlechter  als  Weesel.** 

2.  Kopie  (ebendas.)  ohne  Datum,  aber  sicher  von  Ende 
Juni  1679:  Generalleutnant  von  Spaen,  Generalmajor  von 
Ellcron  und  sämtliche  Obersten  stellen  dem  Kurfürsten  vor,  dafs 
die  Fourage  für  die  Kavallerie  in  dem  erschöpften  und  vom 
Feinde  immer  mehr  umstellten  Lande  nicht  mehr  zu  beschaffen 
ist.  Wenn  der  Friede  nicht  zu  stände  kommt,  mufs  die  Reiterei 
in  grofse  Not  geraten. 

3.  Meinders  an  Schwerin,  9.  Juli  1679  (ebendas).  •  .  .  „Je 
ne  puis  que  confirmer  ce  que  je  vous  ay  mand6,  c'est  k  dire, 
que  TEmpereur  ne  fera  rien  pour  S.  A.  El.  Je  crois  la  mesme 
chose  de  TEspagne,  Angleterre  et  des  E.  G6n6r' ,  et  je  crois  encore 
pis  de  la  Pologne,  Zell,  Hanovre,  Munster  et  de  TEmpire.  Au 
nom  de  Dieu,  faisons  la  paix  . . .  C'est  ä  mon  grand  regret  que  je 
suis  oblig6  de  le  souhaitter,  et  de  voir  les  choses  dans  TEstat 
oii  elles  sont.   Mais  que  faire?  Voulons-nous  tout  perdre,  parce 


Aktenstocke.  489 

que   D0U8  ne   pouvons  pas  tout  gaigner?     L'Empereur  licencie 
rannte,  c'est  ä  dire  une  grande  partie/ 

4.  Blaspeil  an  Meinders,  27.  Juni/ 7.  Juli  1679  (ebendas). 
Blaspeil  billigt  völlig  den  AbschluGs  des  Friedens.  „Personne 
n'aura  sujet  de  vous  le  reprocher  de  ne  Tavoir  poinctfait  meilleure. 
Car  vous  auriez  est6  oblig^  de  vous  contenter  de  bien  moins 
si  la  France  auroit  voulu.  ...  Je  vous  assure  que  je  m'en 
resjouis  de  tout  mon  cceur  que  c'est  une  affaire  falte;  il  ne 
faut  songer  pr6sentement  qu'ä  la  ratifier  au  plustost/ 


Korrespondenz  zwischen  dem  Kurprinzen  Friedrich  und 
Meinders   Aber  des  ersteren  Zerwflrfnis  mit  seinem  Tater. 

(Rep.  92,  Meinders  8.) 

5.  Kurprinz  an  Meinders,  4.  August  1687 : 

„. .  .  Comme  mon  esloignement  de  Berlin  est  fond6  sur  des 
raisons  solides,  et  que  ma  desobeissance  envers  S.  A.  £.  n^  a 
aucune  part,  ainsi  qu41  aura  assez  paru  par  ce  que  je  Luy'en 
ay  escrit  et  ä  Messieurs  les  conseillers:  j'espere  qu'y  faisant 
reflexion,  Tindignation  qu'EUe  peut  avoir  conceOe  contre  moy 
Sans  un  juste  sujet,  se  passera  de  plus  en  plus,  et  qu'ainsi  on 
sortira  bien -tost  d'affaire,  comme  je  le  souhaite  de  tout  mon 
coeur ....    Je  vous  prie  . .  .  d'avoir  sein  de  mes  interests." 

6.  Derselbe  an  denselben,  Marburg,  20.  August  1687 : 

, Vielgeliebter  Herr  von  Meinders! 
[Die  Vermählung  seiner  Schwester  Marie  ist  ihm  nicht  angezeigt 

worden.] 
„An  meinen  Herrn  Vatter,  und  auch  auf  Desselben  Ein- 
rahten  habe  ich  an  Fraw  Mutter  geschrieben,  umb  zu  sehen,  ob 
ich  einige  Antwohrt  darauf  bekommen  werde,  wohmach  ich  her- 
nacher  meine  meseuren  nehmen  werde,  dann  ich  hemacher  alles 
gethan  habe,  was  ein  Sohn  seinen  Eltern  schuldig  ist  Ich  hoife, 
Derselbe  werde  alles  darhin  dirigiren  helfen ,  dafs  ich  einmahl 
eine  Antwohrt  bekomme,  dann  sonsten  ich  mich  befOrchten  mus, 
dafs  ich  Unrecht  daran  thue.  Im  Uebrigen  sage  Demselben  auch 
Dank,  dafs  Er  mich  hat  gerathen,  nacher  Rosenburg  zu  gehen, 
aber  bei  solche  gestalte  Conjuncturen  kan  ich  mich  noch  nicht 
daherzu  resolviren,  dan  solange  ich  sehe,  dafs  mein  Herr  Vatter 
noch  immer  wie  zuvohr  ungnädig  auf  mich  ist,  und  zum  zweyten 


490  Aktenstacke. 

keine  Garantie  führ  mich  sehe,  so  würde  doch  das  letzte  ärger 
sein  dan  das  eheste.  Also  ist  besser,  dafs  ich  mich  noch  so  lange 
in  frembden  Herren  Ländern  aufhalte  . . .  Wo  mein  Herr  Vatter 
länger  so  hart  gegen  mich  verbleibet,  so  werde  ich  mich  ent- 
lich an  einige  Puissancen  hängen  müssen,  da  ich  doch  bis  dato 
solches  noch  nicht  gethan.  Also  ersuche  ich  Denselben  auf 
Seinem  Eid  und  Pflicht,  so  Er  dem  Churhause  geschworen,  diese 
Sache  bestens  mit  Seinen  Herren  CoUegen  zu  überlegen,  darmit 
ich  nicht  zur  Desperation  gebracht  würde  und  sie  sämtlich 
solches  hemacher  beklagen  möchten,  welches  aber  dann  zu  spät 
sein  würde 


a 


Terantwortang  Melnders'  wegen  der  gegen  ihn  erhobenen 

Anklagen«    (Rep.  92.  Meinders  9.) 

7.  Meinders  an  den  Kurfürsten,  16.  Dezember  1685.  Er  hat 
stets  nur  auf  kurfürstlichen  Befehl  gehandelt.  ,,So  hab  ich  doch 
eine  Zeit  hero  erfahren  müssen,  dafs  man  an  einigen  aufswertigen 
Höfen  und  theils  woll  gar  durch  Ewrer  Ch.  D.  eigene  Diener 
meine  Treue  und  Ehre  aufs  heftigste  zu  beschmutzen  und  aller- 
hand unbegründete  und  falsche,  auch  theils  absurde  und  lächer- 
liche Dinge  mir  anzudichten,  auch  mich  dadurch  in  Ewrer 
Ch.  D.  Ungnade  zu  stürzen  bemühet  gewesen."  Meinders  beruft 
sich  auf  sein  Gewissen  und  erhofft  des  Kurfürsten  Schutz. 

8.  R^benac  an  Meinders,  Berlin,  7.  Juli  1687 :  „.  . .  L'Electeur 
m'a  dit  qu*il  avoit  d6couvert  celui  qui  trahissoit  ses  secrets, 
et  que  vous  esti6s  le  seul,  qu'on  luy  avoit  fait  cognoitre  la  chose 
si  clairement  quMI  nen  pouvoit  doubter,  que  pour  ce  qui  estoit 
de  la  copie  d'ordres  que  ie  luy  auois  donn6e  c'estoit  vous  qui 
pour  vous  attirer  une  marque  de  recognoifsance  des  Imperiaux 
l'auiez  envoy^  a  Straatman,  qu'il  vous  obligeroit  a  en  convenir 
devant  moy  mefme,  et  que  ce  nestoit  pas  la  seule  chose  quil 
avoit  descouvert  (sie!).  Vous  pouu6z  iuger  de  mon  estonnement* 
Er  habe  dem  Kurfürsten  widersprochen  und  ihm  gesagt:  „que  ie 
croyois  estre  afsur^  que  ce  fust  M.  Fuchs,  parce  que  ce  ie  scauois 
de  science  certaine  que  depuis  plus  de  4  ans  quil  sestoit  mis  en  teste 
de  gouuerner  seul  les  affaires. **  Deshalb  habe  er  den  Kurfürsten 
vom  König  getrennt,  um  mit  Hilfe  der  Kaiserlichen  und  Ge- 
neralstaaten bei  dem  Kurfürsten  alles  zu  gelten :  „la  haine  quil 


AktenstQcke.  491 

avoit  contre  vous  et  qu'il  couurait  dune  amitiö  exterieure;  son 
engagement  avec  TEmpereur,  la  Hollande  et  leurs  ministres  dont 
il  auoit  a  diverses  fois  receu  de  tres  gros  presents  .  .  .  Mr. 
TEL  me  respondit  affinnativement:  Ge  que  ie  vous  dis  est 
vray,  et  ie  l'obligeray  den  convenir  devant  vous."  —  Röbenac 
betont  die  Falschheit,  die  Fuchs  gegenüber  Meinders  gezeigt 
hat.     „Mr.  de  Grumkau  vous  en  dira  beaueoup  plus.*' 

9.  Fuchs  an  Meinders,  Berlin,  12./22.  Juni  1687 :  ,Mon  tres 
eher  frfere.^  Man  sucht  des  Kurfürsten  beste  Diener  zu  ver- 
leumden und  zu  verhetzen.  So  erzählt  man  Meinders,  dafs 
Fuchs  sein  Gegner  sei  und  ihn  zu  verdrängen  suche.  Das  ist 
eine  Unwahrheit.  Erzählt  man  doch  dem  Kurfürsten  selbst, 
dafs  Fuchs  alle  Geheimnisse  seines  Herrn  dem  Baron  Fridag 
verrate.  Aber  Fuchs  hat  ein  reines  Gewissen.  Er  ruft  Gott 
zum  Zeugen  an,  „qui  scrutatur  corda  et  renes^. 

10.  Fuchs  an  Meinders,  Hamburg,  6./16.  Juli  1687 :  „Vous 
m'obliger6s,  Monsieur  et  tres-cher  fröre,  de  ne  songer  plus  ä 
ce  qui  s'est  pass6  entre  nous.  Je  vous  ay  desia  t6moign6,  que 
ie  voudrois  que  cela  n'eüt  pas  estö,  et  que  jen  ay  du  chagrin. 
Vous  pouv^s  aufsi  estre  afseurö  que  ce  que  je  vous  ay  mand^ 
de  la  sinc6rit6  de  mon  coeur  envers  vous,  est  tres-v6ritab]e,^  etc. 
Anrufung  Gottes  .  .  .  „Je  vous  embrasse,  eher  fröre  et  suis  de 
tout  mon  cceur  votre  tres-humble  et  tres-oböissant  serviteur  et 
tres-fidelle  fröre ..." 

11.  Fuchs  an  Meinders,  7./17.  Juli  1687:  „. . .  Celle  cy  n'est 
que  pour  vous  rendre  encore  un  million  de  graces  de  toutes  les 
honn^tetös  dont  vous  m^accablös  dans  votre  demiöre.  J'y  suis 
sensible,  conmie  je  dois,  et  je  vous  conjure  d'ötre  tousiours 
afseurö  du  reciproque  de  mon  costö  ...  II  est  vray  qu'on  se 
Charge  quelques  fois  des  (sie!)  soubsons  mal  fond^s;  et  il  ne 
manque  point  des  (sie !)  rapporteurs  non  plus ;  mais  . . .  il  n'y  a 
point  de  meilleur  remede  que  de  s'öclaircir  et  de  s'entendre. 
Je  Ie  feray,  k  l'advenir ..." 


Berichte  des  französischen  Besldenten  In  Hamburg, 
Bidal,  an  den  Harqnis  von  Lonvols«    (Abschriften,  Rep.  94, 

4  Hb,  10/?.) 

12.  6.  September  1686:  „Le  B^  de  ce  moisM.  de  Knisbeg(!!) 
pafsa  par  icy  allant  de  la  part  de  Mr.  TEL  de  Brandebourg 


492  Aktenstocke. 

vers  le  Roy  de  Dannemark  poar  dire  ä  oette  Majest^  que  FEI'- 
8on  maistre  ne  mettoit  aacune  difference  entre  bombarder  Ham- 
bourg  et  Berlin.  Le  Roy  promist  de  s'abatenir  de  faire  jetter 
du  feu  dans  la  ville,  jussques  a  ce  que  M.  Revenlau,  quMl  en- 
Yoyoit  vers  VEV\,  luy  eust  fait  entendre  ses  raisons.* 

13.  22.  November  1686:  „Quoy  que  M.  TEL  de  Brande- 
bourg  ait  prot^gö  oette  ville  dans  les  difföiens  qu'elle  a  en 
depuis  deux  ans  avec  M.  le  Duc  de  Zell  et  le  Roy  de  Danne- 
mark, eile  ne  luy  a  pas  pourtant  accordö  Texercice  de  Religion 
qu'il  demandoit  pour  les  calvinistes.  Get  Elect'*  en  est  choquö 
et  de  ce  qu*on  a  restably  un  Bourgmestre  qu^on  sgauoit  n'6tre 
point  de  ses  amis.** 


Nachtrag  zn  Band  II:  Korrespondenz  des  Herzogs 

Ton  Croy,  knrfArstlichen  Statthalters  In  Preaben^  mit  Baron 

Idlllenhoek,  schwedischen  Gesandten  in  Polen. 

(Rep.  92,  Croy,  Nr.  143.) 

14.  Lillienhoek  an  Croy,  Zoppot,  28.  Dezember  1674/7.  Januar 
1675.  Er  erbittet  ein  Saufconduit  fUr  sich,  sein  Gefolge  und 
sein  Gepäck,  da  er  auf  seine  Güter  in  Livland  zu  gehen  gedenkt. 
„Je  crois  que  Y.  A.  sera  bien  surprise  d'entendre  des  plusieurs 
endroits  en  Europe  le  bruit  qui  y  court,  comme  s'il  y  avoit 
quelque  mesintelligence  entre  S.  M.  le  Roy  mon  maistre  et 
S.  A.  Elect.  de  Brandenbourg.  Je  puis  assürer  V.  A.  en  foy  de 
gentilhomme  que  le  Roy  mon  maistre  ny  aucun  de  ses  ministres 
ne  m'ait  donnö  aucune  connaissance  d'un  tel  dessein,  et  je  crois 
absolument  qu'il  nV  en  a  aucune  apparence.*" 

15.  Croy  an  Lillienhoek,  1./11.  Januar  1675.  Im  Vertrauen 
darauf,  dafs  tatsächlich  kein  Bruch  zwischen  Schweden  und 
Brandenburg  erfolgt,  gewährt  er  dem  Gesandten  einen  Pafs 
durch  Preufsen. 

16.  Lillienhoek  an  Croy,  Danzig,  18.  Januar  1675  n.  St. 
Lillienhoek  kann  die  in  Obigem  enthaltene  Bedingung  nicht  an- 
nehmen, da  er  weder  seines  K&nigs  Absichten  genau  kennt  noch 
weifs,  ob  nicht  der  Kurfürst  zum  Bruche  sehreiten  wird,  weil 
,les  trouppes  de  S.  M.  le  Roy  mon  maistre,  pour  auoir  eu  besoin 
de  s'elargir,  auroient  6t6  obliges  de  toucher  les  terres  de  S.  A.  E. 


Aktenstocke.  49^ 

de  Brandebourg  .  .  .  le  mouuement  des  troappes  du  Roy  mon 
maistre  ne  pouaant  estre  pris  pour  des  actes  d'hostilit^,  non 
plus  que  ceux  que  des  (sie!)  autres  Princes  et  S.  A.  £.  de  Brandeb. 
ont  quelquesfois  faits  en  TEmpire . . .  Les  actions  du  Roy  moa 
maistre . . .  ne  scauront  descendre  ä  la  voye  des  armes  sans  que 
S.  M.  y  soit  indispensablement  contrainte  .  .  .  Mais  .  .  .  on  a 
Proteste  depuis  peu  de  jours  de  la  part  de  S.  A.  £.  contre  les 
actions  innocentes  des  trouppes  de  mon  Roy/ 

17.  Kurfürst  an  Croy,  Gemünden  in  Schwaben,  20./30.Januar 
1675.  Wegen  der  Umtriebe  des  Lillienhoek  in  Polen  und  Danzig 
soll  derselbe  keinen  Saufconduit  erhalten,  sondern  mit  seinem 
Verlangen  an  den  Kurfürsten  gewiesen  werden.  Sollte  er  schon 
im  Herzogtum  Preufsen  sich  befinden,  so  darf  er  keine  Festung 
betreten,  mufs  genau  beobachtet  und  an  jedem  Verkehr  behindert 
werden.    Man  fürchtet  seine  Umtriebe  daselbst 

18.  Croy  an  Lillienhoek,  15./ 25.  Januar  1675  (also  schon  vor 
dem  kurfürstlichen  Schreiben).  Bei  den  veränderten  Umständen 
verweigert  er  den  Saufconduit  und  verweist  Lillienhoek  an  den 
Kurfürsten. 

19.  Lillienhoek  an  Croy,  28.  Mai  1675  n.  St.  „. . .  Je  puis 
asseurer  V.  A.  que  le  Roy  mon  maistre  est  tres  dipos6,  pour 
n'auoir  autre  büt  que  de  procurer  la  paix  universelle,  et  sur- 
tout  Celle  de  TEmpire,  aussi  bien  que  pour  ötablir  avec  Son  A.  £ 
une  correspondance  et  amiti6  plus  ferme  que  par  le  pass6. 
L'autoritä  qui  est  partout  acquise  ä  la  haute  vertu  et  prudence 
de  V.  A.,  ne  scauroit  iamais  mieux  et  plus  glorieusement  s'em- 
ployer,  que  si  V.  A.  vouloit  trauailler  auec  tont  sein  a  porter 
S.  A.  E.  a  de  semblables  intentions,  dont  depend  non  seulement 
le  repos  de  ses  Etats  et  de  ceux  de  ses  voisins,  mais  aussi  celuy 
de  toute  TEurope." 

20.  Croy  an  den  Kurfürsten,  Labtau,  24.  Mai/ 3.  Juni  1675: 
Sendet  das  Schreiben  Lillienhoeks  ein  und  bittet  um  Befehl,  was 
ihm  zu  antworten  sei. 

21.  Kurfürst  an  Croy,  Renfsdorf  i,  Thür.,  6./ 16.  Juni  1675: 
„.  . .  Nun  ist  Ew.  Ld.  selbst  woll  bekannt,  dafs  Ich  des  Königs 
und  der  Krohn  Schweden  freündschafft  iederzeit  sehr  ästimiret 
und  dieselbe,  Meines  theils,  mit  aufrichtigen  Beaeigungen  unter- 
halten. Nachdem  Ich  und  Meine  Lande  aber,  ohne  einige  darzu 
gegebene  rechtmäfsige  Ursachen,   von  demselben  Könige  und 


494  Aktenstücke. 

der  Krohn  Schweden  mit  Krieg  überzogen,  Meine  arme  un- 
schuldige Unterthanen  in  den  Grund  ruiniret,  dieselbe  Barbarisch, 
alfs  Türcken  und  Tartaren,  nicht  ärger  machen  können,  feindlich 
tractiret,  und  damit  noch  immerhin  continuiren.  So  mufs  Ich 
solches  alles  dem  gerechten  Grott,  der  dergleichen  Unrecht  nicht 
ungestraiFet  läfst,  und  der  Zeit  anheim  stellen  •  .  / 


Personenverzeichnis. 


A. 

Abbadie,  französischer  Prediger, 

III  158. 
,Abd-er-Rachm&n,  Kommandant 

von  Ofen,  m  439. 
Achmed  Köprili,  Grofswesir,  II 

30  f.  35.  37. 
Achtienhoven,  Isaak  Panw  van, 

Pensionär  von  Enkhuizen,  II  309. 

311. 
Adelaide  von  Savoren,  KurfÜrstin 

V.  Bayern,  I  306.  —  II  135. 
Adolf  Johann,  schwed.  Prinz,  I 

348.  —  II  82. 
Agricola,  brandenb.  Hofprediger, 

I  147. 
Ahlefeld,  Detlef  von,  dän.  Diplo- 
mat, I  283.  —  III  3. 
A  i  t  z  e  m  a,  Leo  van,  Agent  der  klev. 

Stände,  I  136. 
Akakia,   Roger,  franz.  Diplomat, 

I  229.  283. 
Alb  in  US,  Prof.  der  Medizin,  III 

174. 
Albrecht  Friedrich,   brandenb. 

Prinz,  n  252. 
Aldersen,    Thomas ,   Commodore, 

III  224  f. 
Alezander,   Prinz   von  Kurland, 

in  32.  438. 
Alezander  VII.,  Papst,  I  219. 
Alezei     Aleziowitsch ,      mss. 

Grofsfurst,  II  142. 
Alezei    Michailowitsch,   mss. 

Zar,   I   186  f.    197.   241.  247.  260. 

326. 
Amalie  von  Solms,  Prinzessin  von 

Oranien,  I  66.  198.  374.  382  f.  — 

II  6.  20.  22.  52.  —  III  16.  18  f.       | 
Amalie    Elisabeth,    Landgrfifin  | 

von  Hessen,  I  50.  57.  78.  121.  123.  | 


Amerongen,  Godert  Adrian  van, 
niederländ.  Diplomat,  II  24  f.  250-- 
254.  256.  260.  262.  282.  —  III  224. 
227.  271.  276.  300.  315.  318  f.  349. 
374.  378. 

Ancillon,  französ.  Prediger,  m 
153. 

Anethanus,  Dr.,  kaiserl.  Beichs- 
hofrat,  I  160  f. 

Anna,  KOnigin-Regentin  v.  Frank- 
reich, I  57.  —  n  65.  69. 

Anna,  englische  Prinzessin,  III 
340.  474. 

Anna  von  Neubnrg^,  II  9. 

Anna  Maria  Luise,  Prinzessin 
V.  Orleans,  I  63  f. 

Apaff 7,  Michael,  Fürst  y.  Sieben- 
bürgen, II  30.  332. 

Appelbom,  schwed.   Diplomat,  I 


m. 


Arensdorf,  schwed.  Generalleutn., 

II  305. 
A rg y  1  e ,  schottischer  Graf,  III  385 f. 

Armstrong,  Ritter,  UI  361  f.  368. 
Arnim,  yon,  brandenb.  Rittmeister, 

n  283. 
Ascheberg,    schwed.    Oberst,    I 

257.  823. 
Athias,    Joseph,    holländ.   Buch- 
händler, ni  159. 
Aubry,  franz.  Publizist,   II  110  f. 

118. 
Auersberg,  Graf,  kaiserl. Minister, 

II  84. 
August,  Fürst  y.  Anhalt,  I  161. 
August,  Herzog  y.  Braunschweig, 

I  161. 
August,  Herzog  y.  Holstein-Plön, 

brandenb.  General,  TL  33.  85—38. 

78.  81.  343.  376.  —  III  50. 
August,   Herzog  y.  Sachsen,   Ad- 


496 


Penonenverzeichnis. 


ministrator  v.  Magdeburg,  I  108. 
295.  802.  —  U  76-81.  851.  354. 
402.  421.  428.  -  III  288  f.  249. 

Aureng-Seb,  Grofsmogal,  HI  238. 

A  n  t  e  1 .  Baron  von,  belgischer  Diplo- 
mat, m  288. 

Avaugour,  d\  franzOs.  Diplomat, 
I  56.  229.  287.  258  f. 

Avauz,  d\  Graf,  französ.  Staats- 
mann, I  56-^58. 68  f.  87—89.  100  bis 
102.  104  f.  107.  109.  114.  272.  404. 
406.  416.  -  m  272.  810.  868.  377. 
891.  895.  897.  428.  458. 

B. 

Baibase 8,   Marques  de  los,  span. 

Diplomat,  II  311.  821. 
Banz,  Abt,  Otto  von,  TU  269.  271. 
Barfus,  Hans  Albrecbt  von,  bran- 

denb.  Generalmajor,  III  487. 
Bartsch,  Gottfried,  Kupferstecher, 

ni  184. 
Bawyr,  Generalleutn.,  I  258. 
Bazin,  französ.  Diplomat,  lU  812. 
Beeck,  Jobann,  brandenb.  Agent, 

III  152.  264  f. 
Beger,  Lorenz,  Münzkundiger,  III 

Behm,  Theologe,  I  416.  418. 

Beilstein,  Bürgermeister  v.  Köln, 
III  884. 

B  e  i  1  i  c  u  m ,  preufs.  Kommandant, 
U  174. 

Benckendorf,  brandenb. Geheim- 
rat, I  61  f. 

Berg,   Dr.,  brandenb.  Hofprediger, 

I  416-419.  -  III  19. 
Berendts,  Oberstleu tn.,  II  194. 
Berlepsch,    Otto    Wilhelm    von, 

Berliner  Schlofshauptmann,  II  42. 
107.  —  III  214. 

Besser,  Johann,  brandenb.  Lega- 
tionsrat, III  97.  861.  867  f. 

Bethune,   de,    französ.    Diplomat, 

II  833.  888.  408.  —  HI  207. 
Beuningen,      van,      niederländ. 

Staatsmann,  II  188.  —  III  358. 
Beveren,    Comelis    Classen   van, 

Admiral,  II  884.  -  IH  223  f. 
Beverning,     Hieronymus    van, 

niederlftnd.   Staatsmann,    II   67  f. 

251.  379.  —  ni  168. 
Beyer,  Johann  de,  klevischer  Vize- 
kanzler, II  87  f.  91  f.  HL  —   m 

431. 
Bi  elke,  Steen,  seh wed.  Agent,  II  82. 
Biermann    von    Ehrenschild, 

dän.  Diplomat,  DI  327. 
Bille,  d&i.  Feldmarschall,  I  282. 


Bismarc k,  Otto  von,  HI  254. 
Björnclou,   schwed.   Diplomat,    I 

145  f.  258.  289.  291.  —  Et  111.  131. 
Blaspeil,   Werner   Wilhelm    von, 

brandenb.    Diplomat,    H   49—51. 

108.    120.   185.   248.   880.   423.  — 

HI  21.  55. 
Biesen,  Abt  von,  U,  146. 
Biesendorf,  Joachim  Ernst,  Archi- 
tekt, III  122.  188.  185.  209. 
Blonck,    Schiffskapitän,    IH    227. 

229  f. 
Blondel  des  Croisettes,  Franz, 

französ.  Diplomat,  I  272.  291.  298. 

297.  808.  352. 
Blumenthal,  Christ  Kasp.  von, 

brandenb.  Geheimrat,   II  28 — 26. 

69  f.  104.   119.   128.  183.  141.  149. 

151  f.  154. 15a  228.  244.  298.  318.  — 

UI  56. 
Blumenthal,  Joachim  Friedr.  von, 

brandenb.    Geheimrat,   I   29.   66. 

155  f.  166  f.  169— 17L  380  f. 
Bnin.  Palatin  von,  I  251. 
Boernave,  berühmter  niederlftnd. 

Mediziner,  III  174. 
Boetzelaer,    lothring.   Oberst,   I 

158  f. 
Bogdanow,  russ.  Sekretär,  I  241. 
Boguslaw  XIV,   Herzog  v.  Pom- 
mern, I  9.  84. 
Bolsej,  Ol^rst,  II  365. 
Bon  de,   Gust  H.,  schwed.  Reicha- 

schatzmeister,  II  83  f. 
Bon  in,  Georg  von,  brandenb.  Ge- 
heimrat, I  212.  214.  222.  245.  250. 

—  Hl  177. 

B  o  n  i  n ,    Wedige    von ,    brandenb . 

Oberkommissar,  I  438. 
Bonzi,  Peter,    Bischof  v.  B^iers, 

II  136.  143.  149-15L  154  f.  158  f. 
Borch,  Johann  von  der,  brandenb. 

Hofmeister,  I  7. 
Borne,  von^  neum&rk.  Kanzler,  I  41. 
B  o  u  r  n  o  n  V 1 1 1  e ,  Herzog  von,  kaiseri. 

General,  II  286.  316.  822.  324  bis 

380.  844. 
Brand,     Achaz     von,     brandenb. 

Hauptmann,  I  184. 
Brandt,    von,    brandenb.    Oberst- 

leutn.,  UI  809. 
Brandt,  Christoph  von,  brandenb. 

Geheimrat,   I  881.  338.  358  f.   — 

U  49.  100.  103.  134.  243.  259.  334. 

842.  381.  —  m  40. 
Brandt,   Eusebius  von,   brandenb. 

Diplomat,   II  194—197.  201.   381. 

-  in  186. 

B  r  a  s  s  e  r ,      Dietrich ,      niederlftnd. 
Oberst,  II  800. 


Personenverzeichnis. 


497 


Br^gy,  Vicomte  de,  französ. Diplo- 
mat, I  64. 
Brienne,     Graf    von,     französ. 

Minister,  I  64.  115. 
Brnynincz,  niederlftnd.  Diplomat, 

n  436. 
B  u  c  h  w  a  Id ,  dän.  Diplomat,  III  286. 
Burgsdorf,     Georg     Ehrentreich 

von,  brandenb.  Oberst,  I  80  f. 
Burgsdorf,  Konrad  von,  brandenb. 

Oberst  und  Oberkämmerer,   I  19. 

27.  32  f.  35.  48.  52  f.  67.  70.  81  f. 

87.    119—123.   152.    154.   164—167. 

169. 
Bnrnet,    Gilbert,    engl.    Bischof, 

m  14. 
Busch,     Klamor    von,    brandenb. 

Diplomat,  III  294.  351. 

C. 

Calizt,  Georg,  Professor,  1  419. 
Calow,  Theologe,  HI  128. 
Galvau,  französ.  General,  11  421  f. 
Cammacher,  Hauptmann  von,  III 

110. 
0  a  n  i  t  z ,  von,  brandenb.  Geheimrat, 

in  54. 

Can stein,  Baban   von,    kurmfirk. 

Kammerpräsident,   1    400.    —    II 

257.  293.  —  III  51.  66—68. 
Castel-Rodrigo,     Marquis    von, 

Generalgouv.   v.   Belgien,    n   97. 

105.  108.  112  f.  120.  133.  138.  143. 
Cayard,  französ.  Ingenieur,  III  85. 
Chambonni^res,     Andreas    von, 

Pianist,  III  179. 
Chanut,  Pierre,  französ.  Diplomat, 

Charlotte,  Prinzessin  v.  Kurland, 
m  25  f. 

Charpentier,     französ.     Chirurer, 
ni  85.  ^' 

Ch&tiilon,  Herzogin  von,  III  365. 
Chavaignac,  Graf  von,  I[  152. 
Chemnitz,   Präsid.   des    kurmärk. 

Konsistoriums,  I  422. 
Cheverny,   französ.  Diplomat,  III 

377. 
Chiöze,    Philipp    von,    brandenb. 

Generalquartiermeister,  III  89. 118. 

121  f.  209. 

Chmielnicki,  Bogdan,  Kosacken- 

führer,  I  133.  219. 
Choiseul,   französ.  Diplomat,    III 

364. 

Christian,  sächsischer  Prinz,  III 

285. 
Christian  IV., König  v. Dänemark, 

I  407. 

Philippflon,  Der  OroAe  KarfOrst.    m 


Christian  V.,  König  v.  Dänemark, 
n  278.  306.  313.  319.  344.  364.  37?! 
380  f.  -  ni  260.  267.  303.  306. 
312.  323.  325.  328.  360.  433-435. 
459. 

Christian  Albrecht,   Hefzo«  v. 

Gottorp,  ni  433.  435.  * 

Christian  I.  Ludwig,  lÄrzog  v. 

Mecklenburg -Schwerin,  III  365  f. 
Christine,  Königin  v.  Schweden. 

I  9.  48  f.  59—61.  94  f.  97.  103. 124 

^130.  185.  417  f.-  m  143.  455. 

Christine  Charlotte,  Fürstin  v. 

Ostfriesland,  III  301.  308  f.  353  f. 
466. 

Christoph  Bernhard  (v.  Galen), 
Bischof  V.  Münster,  I  156.  161. 
181.  810.  391  -  n  45-48.  52.  55. 
58.  60.  62.  70  f.  103.  240-242.  247. 
261.  284  f.  287.  313.  364.  374.  883. 

^l?^®^?^?/i»   ^^*^'   ^^S^'  Minister, 

II  106.  111. 

Claude,  Jean,  Prediger,  III  457. 
Cleffman,  Admiralitätsrat,  HI  232. 
Clever,  Arzt,  ÜI  164.  168. 
Colbert,   Jean-Baptiste,  französ. 

Minister,   II  97.  223.  236.   —  HI 

91.  93.  98. 

Colbert-Croissy,  Charles  Marquis 
von,  französ.  Minister,  II  65.  67  f. 
70.  404.  423.  425.  —  m  151.  264. 
272.  275.  285.  305.  312.  314  f.  317. 
319.  325  f.  342.  359.  371.  381.  404  f. 

f 9?  ^?A^'  ^28. 442.  447.  449.  452  bis 
454.  462. 

Colignj,  französ.  General,  H  40. 

Conde,  Heinrich  Prinz  von  (vor 
dem  Tode  seines  Vaters  Herzog 
y^?^  %S*^*®^>'   französ.  Feldherr, 

I  49.  127.  240.  -  U  10.  36.  136! 
146-155.  158.  261.  272.  287.  316. 
o22. 

Consbruch,  Landrentmeister,  III 
215. 

Consbruch,  kaiserlicher  Sekretär, 

III  368.  * 
Copes,  brandenb.  Diplomat,  I  334. 

338. -n  100.  120. 
Cosimo,  Prinz  v.  Toskana,  II  142. 
Couplet,  Reisender  und  Sinologe, 

HF  163. 

Courtois,   Abb^,  französ.   Agent, 

II  149.  * 

Craanen,  Theodor  van,  Leibarzt, 
IH  163. 

Cracow,  brandenb.  Diplomat,  IH 
267. 

Cr^qui,  von,  französ.  Marschall, 
n  109.  325.  364.  427.  429.  —  m 
257.  265.  366. 

32 


498 


PersonenyeneichmB. 


Creuts,  von,  Oberst,  I  243.  —  II 
167. 

Crockow,  Matthias  von,  pommer- 
scher  Hofrichter,  I  142.  144.  146. 

Crom  well,  Oliver,  Protektor  Eng- 
lands, I  191.  200  f.  217.  224.  2^. 
285.  298.  319.  418. 

Cromwell,  Bichard,  dessen  Erbe, 

I  319.  321.  325.  328  f.  334.  341. 
:354. 

Cr 07,  Bognslaw,  Herzog  von,  Ad- 
ministrator von  Camin  nnd  Statt- 
halter in  Preufsen,  I  107.  —  II 
192  f.  195.  198-200.  —  III  40.  43. 
50.  169.  190. 

Czarnecki,poln.  General,  I  228 f. 
257  f.  276.  m  296.  316—318.   — 

II  10. 

Czarnecki  d.  Jüngere,  dessen 
Sohn,  II  176. 

D. 

Dach,  Simon,  Dichter,  III  179. 
Danckelmann,  Eberhard,  ILI  23. 

34.  476. 
D  a  n  n  i  e  s ,  Berehauptmann,  III  234. 
Deetze,  Jakob,  Burger  v.  Stendal, 

II  214. 
Degen  er,  Baumeister,  I  428. 

Derfflinger,    Georg,     brandenb. 

FeldmarschaU,  I  202  f.  249  f.  317. 

485.  —  II  249.  270.  297.  299.  308. 

313  f.  320.  323-325.  328.  330.  344. 

350.  354—361.  370.   396.  411.  414. 

423.  —  III  42.  48-51.  54.  56  f.  60. 

193.  201.  207.  212—214.  238.  320. 

325.  333.  335.  339.  437.  456  f. 
Des  Nojers,  Sekretär,  I  428. 

Deutsch,  Job.  Friedr.  von.  Dom- 
herr, III  141. 
Di  est,  Job.  von,  klev.  Vizekanzler, 

I  390.   -   III  235.   309.  362.  367. 
369.  378.  382.  403.  431. 

Dietrich,   Vertreter   der  Jülicher 

Städte,  I  391  f. 
Dillger,  Major,  III  230  f. 

Dirschau,  Dr.,  samländ.  Konsisto- 

nalfiskal,  lU  124. 
Dobrczenski,  Ulrich,  von  Dobr- 

czeme,  I  192.  —  II  169. 

Ao#®°'rT^*"^^^'   Baumeister,  I 
^™'-  —  111  122. 

II  ?40'    ^''*^'    '''*''^^^-   Diplomat, 
I>ohna,     Christian     Alb.     Graf 

Dohna,     Fabian,    Burggraf    von, 


brandenb.  Diplomat,  I  64  f.  67. 
87  f.  131.  417.  —  II  60. 

Dohna,  Friedrich,  Burggraf  von, 
m  85. 

Dohna,  Graf  Karl  Emil,  Ul  438. 

Dohna,  Graf  Dietrich,  UI  438. 

Dorothea,  Kurfürstin  t.  Branden- 
burg, II  322.  349.  385.  411.  -  lU 
17-22.  25.  27.  29  f.  35.  38  f.  119. 
124.  186.  273.  313.  334.  425.  429. 
432.  470. 

Dorp,   van,  niederländ.  Diplomat, 

I  303. 

Douglas,  schwed.  Greneral,  I  321. 
Dreier,  Dr.,  Prof.  der  Theologie, 

II  173.  184.  —  ni  130.  143  f. 
Drowning,  engl.  Diplomat,  I  341. 

-  II  49. 
Du    Moulin,    französ.    Diplomat, 

II  63. 

Du  Moulin,  brandenb.  Major,  III 

233. 
Du  Quesne,  französ.  Admiral,  II 

377. 
DuraeuB,   Job.,   schott.  Theologe, 

III  127.  132. 

Du  ras,    franz.    Marschall,    II  272. 

287. 
Dusärd,  Bildhauer,  I  427.  429.  — 

in  181. 

£. 

Eberstein,  hess.  Kriegskommissar, 

I  54. 

Effern,  Baron  von,  I  47. 
Eggers,  Bartholomaeus,  Bildhauer, 

in  181. 
Ehren  st  een,    schwed.    Diplomat, 

II  336. 

Eleonore,  Königin  v.  Polen,  II 
159. 

Elisabeth,  Königin  v.  Böhmen, 
I  12. 

Elisabeth  Charlotte,  Knrfurstin 
V.  Brandenburg,  I  6.  19.  262.  — 
m  424. 

Elisabeth  Charlotte,  Herzogin 
V.  Orleans,  III  387—889.  398 f. 
420  f. 

Elisabeth  Henriette  v.  Hessen- 
Kassel,  Kurprinzessin  v.  Branden- 
burg, III  26  f. 

Eller,  brandenb.  General,  II  249. 
308.  364. 

Elliger,  Ottomar,  Maler,  III  180. 

El 8 holz,  Botaniker,  III  89. 

Enghien,  Herzoe  von  (Sohn  des 
„ffroraen*  Ludwig  v.  Cond6),  II 
10.  125-127.  129.  136.  142.  155. 


PerBonenyerzeichnis. 


499 


Enno   IIL,    Graf  y.    Ostfriesland, 

in  45. 
Ernst,   Markgraf  v.  Brandenburg, 

I  85.  42.  44  f. 
Ernst  Augast,    Herzog   v.   Han- 
nover, m  284.  294.  351.  383.  387. 

400.  418.  434.  469. 
Espence,   Beauvau  d',  Oberst,  II 

378.  403  f.   424.  427.  431.  436.  — 

III  153.  255  f.  274  f.  277.  427.  434. 
Essich,  brandenb.  Geheimrat,  III 

92. 
Estrades,  Graf  yon ,  französ.Staats- 

manu,  I  17.   —   II  60.  62.  65.  67. 

99.  404.  416. 
Estr^es,  Kardinal  von,  III  447. 
Eulenburg,    Jonas    Kasimir   von, 

brandenb.  Diplomat,  I  232. 

F. 

Fagel,  holi&nd.  Staatspensionar.  II 

291.  369.  382.  416  f.  —  III  25.  310. 

350.  356.  358.  374.  378.  382.  391  f. 

395.  403.  417. 
Falaiseau,   Pierre   de,    brandenb. 

Diplomat,  III  368.  385.  416. 
Ferdinand,  Kurf.  y.  Köln,  I  142. 
Ferdinand   IL,   deutscher  Kaiser, 

I  15  f.  26. 
Ferdinand  HI.,  deutscher  Kaiser 

I  30.   32.  45  f.  49.  80.  82.  85.  96. 

98.  100.  111  f.   116-118.    121.  123. 

127.   142.   144-147.  155-157.  171. 

174.  214.  228.  256.  263.  305.  307. 

.392.  —  II  29. 
Ferdinand  IV.,    römischer  König, 

I  146  f.  263.  305.  307. 
Ferdinand     (yon      Fürstenberg), 

Bischof  von  Paderborn  u.  Münster, 

II  61.  241.  307  f.  310.  419. 
Ferdinand    Maria,     Kurf.    von 

Bayern,   I  306  f.   —   II    135.  261. 

273.  382.  393.  —  III  263. 
Fcrnemont,    Österreich.    General, 

I  288.  290.  296  f.  344. 
Feuquiöres,  Marquis  von,  französ. 

Diplomat,  II  335  f.  -  III  279.  291. 
Flanssen,    Dietrich    von,    preufs. 

Landtagsmarschall,  II  170. 
Floriszoon,  niederländ.  Admiral, 

I  322. 

Forbin-Janson,  französ. Diplomat, 

II  317. 

Forgatsch,  Graf,  kaiserl. General, 

II  34. 

F  o  r  m  o  n  t ,     Gebrüder ,     Bankiers, 

III  167.  265. 

Fornerod,  französ.  Prediger,   lU 
148. 


Franz,    Herzog  v.   Lothringen,  I 

179.  353. 
Franz    Egon   (von    Fürstenberg), 

Bischof  V.  Strafsburg,  II  70.  116  f. 
Freyberg,     Dr.,     Andr.     Albr., 

brandenb.    Ober-Kriegskommissar, 

III  214. 
Frey  tag,   brandenb.   Diplomat  u. 

Admiralit&tsrat,  III  232. 
F r i cqu e t ,  kaiserl.  Diplomat,  I  325. 

—  Ö  44.  47. 
Fridag,  Franz  Heinrich  von,  Baron 

Göden,  kaiserl.  Diplomat,  III  48. 

57.  96.  384  f.  4n.  413  f.  423.  444. 

448.  468.  479. 
Friedrich  (IH ),  Kurprinz  v.  Bran- 
denburg,  I   377.   —   II  220.  371. 

411.   —  III  12.   15.   22  f.  25-30. 

33-36.  48.  54.  57.  254.  320.  339  f. 

351.  363.  369.  413  f.  418.  469.  476. 

478  f. 
Friedrich  U.,   der  Grofse,   König 

V.  Preufsen,   III  9.   11.   127.   254. 

414. 
Friedrich,    Prinz    v.    D&nemark, 

Administator  v.  Bremen,  1  108. 
Friedrich  lU.,   König  von  Däne- 

mark,  I  287.  314  f.  m.  335.  340  bis 

342.  345  f.  352.  360.  407.  -  II  7  f. 

116. 
Friedrich  IV.,  Kurfürst  v.  d.  Pfalz, 

III  425. 
Friedrich  V.,  Kurfürst  v.  d.  Pfalz, 

und  König  v.  Böhmen,  I  6. 
Friedrich  Heinrich  (von Oranien), 

Generalstatthalter      der     Nieder- 
lande, I  10  f.  13.  17.  53  f.  66.  70  f. 

79  f.  105.  130.  439. 
Friedrich  Wilhelm  L,  König  y. 

Preufsen,  III  35.  121. 
Friedrich  Wilhelm  IIL,  König 

v.  Preufsen,  III  259. 
Friedrich  Wilhelm  IV.,   König 

V.  Preufsen,  III  259. 
Frischmann,  Joh.,  französ.  Publi- 
zist, I  331—333.  352. 
Frohen,  Stallmeister,  II  359. 
Fromantiou,  Hendryk  de.  Maier, 

in  180. 
From  hold,  Joh.,  brandenb.  Hofrat, 

I  87.  124. 
Fromm,  Andr.,  Propst,  III  134. 
Fuchs,  Paul  von,  brandenb.  Staats- 
mann,  III  14.  28.  36.  5a— 56.  60. 

220.  273  f.  298.  313.  SU.  344.  352  f. 

356.  358.361—363.  367  f.  381— ;^6. 

390-398.  402  f.  412.  414.  416.  427. 

435.  456. 
Fürstenberg,  Felix  Egon  von,  Abt 

V.  Murbach,  III  352  f. 

32* 


500 


Personenverzeichnis. 


Fürstenberg,  Herrmann  von, 
bayer.  Obernofmarschall,  II  135. 

Ffirstenberg,  Wilhelm  Landgraf 
yon,  II  70.  116  f. 

Fürst enberg,  Wilhelm  Egon  yon, 
Bischof  von  Strafsbure,  karkölni- 
scher Minister,  11  231  f.  307.  — 
III  355.  427  f.  460.  464.  469  f.  471  f. 

G. 

Gabel,  Friedrich  von,  dän.  Diplo- 
mat, I  314  f.  —  III  328.  363.  384. 

Gabel,  Lorenz,  Grofshftndler,  III 
102. 

Gal  las,  Graf,  kaiserl.  Feldmarschall, 

I  48-50. 

Gardie,  Maffnns,  Graf  de  la, 
schwed.  Reichskanzler,  I  62.  97. 
21L  —  II  83  f.  87.  121  f.  243.  333. 
363.  —  III  259.  279. 

Ganltier  de  St.  Blancard,  Franz 
de,  Prediger.  III  378  f. 

Georg,  Prinz  y.  Dänemark,  III 
339.  474. 

G  eorg  W  i  1  heim,  Kurf.  y.  Branden- 
burg, I  6  f.  10.  12—16.  18—21.  24. 
26  f,  34.  38.  85.  379.  386. 

(ieorg  Wilhelm,  Herzog  v.  Celle, 

II  53.   55.   257.  278.  830.  —  III 
267.  418.  434.  445. 

Gerhard,  Paul,  Prediger,  III 127. 

132  f. 
Giese,  neu  bürg.  Diplomat,  II  132. 

143. 
Gieas,  David,  Prediger,  III  134. 
Gi il i ,  brandenb. Obermünzdirektor, 

III  67. 

Giustiniani,    Ascanio,    venezian. 

Dinlomat,  II  436. 
Glaoiebeck,  Bodo  von,  brandenb. 

General-Kriegskommissar,   III  68. 

212  f.  239. 
Glen  n ,  Graf,  kaiserl.  Feldmarschall, 

I  55. 
Goefs,  Joh.  Freiherr  von,   kaiserl. 

Diplomat,  II  54  f.  67.  69.  99.  108. 

123.  134.  136.    152.   155.  260.  295. 

371.  —  III  14. 
Goldacker,  von,  brandenb.  Oberst, 

I  35. 
Gollstein,    neub.     Diplomat,    II 

302. 
Goltz,   Joachim    Friedr.   von  der, 

brandenb.   General ,   I  288.   298  f. 

323.   337.   —   II  12.  78.   105.  270. 

284.  325.  —  ni  42.  44  f. 
Gomara,  Est^van  de,  span.  Diplo- 
mat, II  67. 
Gomont,  französ.  Diplomat,  11  131. 


Gonsiewski,  litauischer  Kronf eld- 

herr,  l  247—250.  252.  269.  271. 
Gonzaga,  Hannibal,  Vizeprfts.  dea 

kaiserl.  Hofkriegsrats,  I  860. 
G  ö  r  t  z  k  e ,     Joachim    Ernst    von, 

brandenb.    Oberst,    I    264.   —    II 

410—412. 
Götz,  von,  Hofmeisterin,  I  377. 
Götze,     Sigism.    von,     brandenb. 

Kanzler,  I  33.  48—47.  60  f.  76.  78. 

119  f. 
Götzen,     von ,     Oberhofineisterin, 

m  23. 
Graevius,  Philologe,  III  168. 
Grafenthal,     schwed.    Diplomat, 

III  884.  416. 
Grana,  Marquis  von,  kaiserL  Diplo- 
mat, II  349. 
Gravel,  Abb^,  französ.  Diplomat, 

II  103. 
Gravel,  Rob.  von,  französ.  Diplo- 
mat, II  273. 
Gray,   Lord,   lU   361  f.   868.    385. 

894. 
Greifenfeld,    d&n.    Minister,    ü 

872. 
Gremonville,  französ.  Diplomat, 

II  108.  122.  242.  274  fl  302. 
Groben ,  Hans  Ludwig  von,  U  210. 
Groben,  Otto  Friedr.  von,  Major, 

ni  229  f. 
Groot,  de,  niederi&nd.  Staatsmann, 

n  245. 
Grote,    Otto   von,    hannoverscher 

Minister,  IH  327.  351.  354.  360. 

363.  368.  370.  383. 
Grumbkow,   Ernst  Joachim  von, 

brandenb.  General-Kriegskommis- 
sar, III  54.  56.  60.  153.  213  f.  334. 

416. 
Guericke,     Otto    von,     magdeb. 

Bürgermeister,   I   108.  —    U  76. 

79  f.  —  m  163. 
Gurszinski,  poln.  Oberst,  I  887. 
Gustav  Adolr,  Herzog  v.  Mecklen- 

burg-Güstrow,  UI  376. 
Gustav   IL    Adolf,    König    von 

Schweden,  I  8  f.  43.  139.  1&.  186. 

190.  —  III  201.  210. 
Gyllenstjerna,     Joh.,     schwed. 

Staatsmann,  II  243.   —  UI  259  f. 

272.  279. 
Gysels   van  Lier,  Arnold,    Ad- 

miral,  I  438—441.  —  II  208  f. 

H. 

Hackelberg,  Amtsrat,  III  67. 
Hainzelmann,  Kupferstecher,  III 
184. 


Penonenverzeichnis. 


501 


H  a  1 1  a  r  d ,  brandenb.  FestuDga- 
kommandant,  II  374. 

Hamel,  du,  brandenb.  General- 
major, III  434. 

Hammerstein,  von,  lüneb.  Hof- 
marschall, II  119. 

Haro,  Lnis  de,  span.  Minister,  I 
353. 

Hatzfeld,  Graf  Melchior  yon, 
kaiserl.  Feldmarschall,  I  160  f. 
266.  278.  283. 

Hedwig  Eleonore,  Königin-Re- 
gentin y.  Schweden,  I  358.  —  II 
122. 

Hedwig  Sophie,  Landgr&fin  v. 
Hessen,  TL  ©5.  278.  —  III  19.  26. 

Heemskerk,  niederländ.  Diplomat, 
II  311. 

Heister,  kaiserl.  General,  II  265. 

Hendreich,  Christian,  brandenb. 
Historiograph  u.  Bibliothekar,  III 
165.  169. 

Henni(n)ge8  von  Treffenfeld, 
brandenb.  General  I  435.  —  II 
326.  412. 

Hermann,  Markgr.  y.  Baden,  II 
112  f.  120.  209.  —  III  277. 

HermannWerner  (v. Mettemich), 
Bischof  y.  Paderborn,  III  353. 

Hefsen,  Kardinal  von,  III  144. 

Heufsner  yon  Wandersieben, 
kaiserl.  Kriegskommissar,  I  49  f. 

Hey  den,  brandenb.  Oberst,  II  427. 

Hille,  brandenb.  Oberst,  II  178  f. 

Hirt,  Konrad,  Maler,  I  428. 

Ho  eher,  von,  kaiserl.  Kanzler,  II 
275.  311.  313.  401. 

Hoeff,  dänischer  Diplomat,  III  285. 

Hoenn,  Stempelschneider,  I  429. 

Holstein-Wiesenburg,  Herzogin 
Charlotte  von,  III  22.  33.  35. 

Holzapfel,  Melandervon,  kaiserl. 
General,  I  121.  151. 

Hombnrg,  Landgr.  Friedrich  von, 
brandenb.  General,  II  356 — 358. 
361.  388.  395.  —  III  20. 

Honthorst,  Gerhard,  Maler,  1429. 

Honthorst,  Wilhelm,  Maler,  1429. 

—  III  180. 

Hop,  Jakob,  Pensionär  von  Amster- 
dam, III  220.  459. 

Hörn,  Graf  Christer,  schwed. 
General,  II  888. 

Hörn,  Graf  Henrik,  schwed.  Feld- 
marschall, II  408-413.  429. 

Hoverbeck,  Joh.  von,  brandenb. 
Staatsmann,  I  39.  133.  194.  227. 
252.  257.  276.   279.   294.  380.  355. 

—  II  11.  13.  15.  126.  136.  14:3.  148. 


153.  157.  176  f.  184.  194.  388.   — 

III  32.  51. 
H n  a  r  t ,     Jean  -  Pierre     und    Ami, 

BrQder,  Maler,  III  181. 
Hubalt,  III  190. 
Hübner,  Joachim,  brandenb.  Hof- 

historiograph,  I  430.  —  III  164. 
Hüll,  Anselm  van,  Maler,  I  429. 
Hülsemann,  Theoloee,  III  128. 
Hülsen,   von,    brandenb.    Oberst, 

II  386. 

Hnmiöres,  französ.  Marschall,  III 

447. 
Huwald,    Christ    von,   brandenb. 

Generalmajor,  I  133  f. 

I. 

II gen,  brandenb.  Diplomat,  11 1 
&4.  274  f.  277. 

Innozenz  XL,  Papst,  III  405  f. 
421  f.  436.  447—449.  465.  469  f. 

Isinck,  Dr.  jur.,  I  371. 

J. 

Jacobson,  Moses,  III  157. 
Jakob,    Herzog    von   Kurland,    I 

213.  321  f.  —  II  388,    —   III  26. 

408. 
Jakob  (IL),  Herzog  von  York  und 

König  von  England,  III  361.  379  f. 

385  f.   392.    394.    399.   430  f   461. 

473—175. 
Jansen,  Buchhändler,  III  170. 

Jena,  Friedrich  von,  brandenb. 
Geheimrat,  I  227.  244.  246.  257  f. 
316.  322.  383.  393.  409.  —  II  53. 
60.  77—80.  113.  153.  157.  169.  184. 
200.  211.  229.  249-251.  256.  298. 
403.  —  III  14.  40—47.  51—51.  68. 
136. 138.  192.  280.  297.  299. 302. 805. 

Jena,  Grottfried  von,  dessen  Bruder, 
brandenb.    Diplomat,   II    122.    — 

III  241.  287.  294.  306  f  315.  451  bis 
454.  465. 

Jephson,  engl.  General,  I  298. 

Joachim  IL,  Kurf.  von  Branden- 
burg, II  437.  —  III  89.  210. 

Jodoci,  kurmainz.  Geheimrat,  II 
108. 

Johann,  Markgraf  v.  Brandenburg, 
III  210. 

Johann  Adolf,  Pfalzgraf,  I  267 f. 

Johann  Friedrich,  Herzog  v. 
Hannover,  II  53.  127.  240.  279. 
287.  313.  336  f.  346.  365. 

Johann  Friedrich  ,  Markgraf  v. 
Ansbach,  III  387.  407. 


502 


PerBonenyerzeichDis. 


Johann  Georg  IL,  Färst  v.  An- 
halt, I  317.  375.  383.  —  II  13.  60. 
228.  249.  263—265.  267.  270.  273. 
286.  297.  338.  341  f.  347.  854.  423. 

—  ni  16  f.  19.  28.  42.  46—49.  54. 
200.  805.  313.  320.  333.  337—339. 
414. 

Johann  Georg  L,  Kurf.  v.  Sach- 
sen, I  27.  30.  122  f.  152.   154.  282. 

Johann  Georg  IL,  Kurf.  y.  Sach- 
sen, II  36.  40-43.  77  f.  115  f.  121. 

135.  241.  257  f.  346.  351.  393.  428. 

—  III  249.  V63. 

Johann  Georg  III.,  Kurf.  v.  Sach- 
sen, m  128.  284  f.  344.  365. 

Johann  Hugo,  Kurf.  v.  Trier, 
III  360  f.  430.  463. 

Johann  Kasimir,  König  v. Polen, 

I  133  f.  159.  186  f.  211.  213.  219. 
226.  229.  231.  233.  238.  245-248. 
250-253.  255—258.  262.  271.  276. 
278  f.  288.  293.  298  f.  303.  329.  346. 
420.  —  II  9-11.  17.  126.  128-131. 

136.  142  f.  145—147.  168  f.  175  bis 
177.  179.  189. 

Johann  Moritz,  Fürst  v.  Nassau- 
Siegen,  I  390-393.   424.   444.  — 

II  19.  200.  —  III  16.  26.  51.  168. 
Johann  Philipp,  Kurf.  v.  Mainz, 

I  310.   —    II    29.   39-42.    107  f. 

III  f.  241  f.  258.  281. 

Johann  Sigismund ,  Kurf.  v. 
Brandenburg,  III  129. 

Johann  Wilhelm  Friso,  Fürst 
V.  Nassau,  III  392. 

Joseph,  kaiserlicher  Prinz,  III  264. 
412.  467. 

Juel,  Jens,  dän.  Diplomat,  I  315. 

Julius  Franz,  Herzog  v,  Lauen- 
burg, III  334. 

Jurieux,  Prediger,  III  382. 

K. 

Kagge,  Lars,   dän.  Feldmarschall, 

Kalckstein,  Albr.  von,  General- 

leutn.,  I  243.   -  II  166-170.  174. 

179.  187  f. 
Kalckstein,  Christian  Ludwig  von, 

Oberst,   II    167  f.    187—197.   199- 

202.  —  III  109. 
Kalckstein,    Christoph    Albrecht 

von,  Oberst,  II  167  f.  187  f. 
Kanne,  von,  kursächs.  Hofmarschall, 

II  78. 

Kara  Mustapha,  Grofsvesir,  III 

329.  336. 
Karl,    Landgr.    v.    Hessen- Kassel, 

III  34.  387.  407.  464. 


Karl,   Kurf.  v.  d.  Pfalz,   UI   168. 

386—389.  399.  424. 
Kar  1 II ,  König  v.  England,  I  191.  — 

II  4  ff.  19—21.  48  f;  63.  103.  106. 
111.  137.  139.  235  f.  245.  260  f. 
287.  307  f.  347.  353.  388-391.  394. 
402—404.  —  III  18.  37.  259.  276. 
302.  361.  868.  379.  482. 

Karl   IIL,    Herzog   v.   Lothringen, 

I  96.  156.  159.  179.  —  II  148.  234. 
264. 

Karl  (IV.),  Prinz,  dann  Herzog  v. 
Lothringen,  II    142.    146—158.  — 

III  aS4.  340.  437—439.  467. 
Karl  X.  Gustav,  König  v.  Schwe- 
den, I  48.  59.  140.  185  L  189.  193  f. 
196  f.  199.  20L  203.  206  f.  211  f. 
216—223.  226.  228-239.  242.  249. 
251—253.  255.  257—269.  272  f. 
276—278.  282  f.  285-296.  300  bis 
304.  313-315.319.  321—826.  328  f. 
333-335.  342  f.  348-350.  356  bis 
358.  —  II  76.  360. 

Karl  XL,  König  v.  Schweden,  I 
358.  —  II  8.  18.  82  f.  243.  334  bis 
336.  345.  369  f.  373.  377.  388.  406. 
408.  —  III  253.  259  f.  279.  286. 
288  f.  295.  312.  324.  328.  416. 

Karl  IL,  König  v.  Spanien,  III 
380. 

Karl  Emil,  Kurprinz  v.  Branden- 
burg, I  377.  —  II  241.  262.  301. 
316.  322.  325—327.  —  III  19  f. 
22—25.  27.  185.  187  f. 

Karl  Kaspar  (v.  d.  Leyen),  Kurf. 
V.  Trier,  II  117.  282  f.  301. 

Karl  Ludwig,  Kurf.  v.  d.  Pfalz, 

II  28.  53.  273.  312  f.  —  Hl  274. 
399.  424  f. 

Kaunitz,  Graf,  kaiserlicher  Diplo* 

mat,  III  446. 
Kaunitz,   Gräfin   Maria   Eleonore, 

III  446. 
Kempen,  Martin  van.    Gelehrter, 

III  165. 

Kern,  Leonh.,  Bildhauer,  I  429. 

Khurtz,  Graf  Maximilian,  bayr. 
Minister,  I  306. 

Kittelmann,  Lazarus,  brandenb. 
Beamter,  I  197.  316. 

Kl  ei  he,  Dietr.  Schweder,  schwed. 
Regierungsprftsident,  II  84.  86. 

Kleist,  Ewald  von,  brandenb.  Ge- 
heimrat, I  67—^9.  87.  92.  105.  141. 
170.  248.  381.  —  III  40. 

Klemens  IX.,  Papst,  III  148. 

Klerck,  Adam  de,  Maler,  III  180. 

K 1  i  t  z  i  n  g ,  Job.  Kasp.  von,  General, 
I       I  26  f. 
i  Knanst,  schwed.  Oberst,  I  323. 


PersoneDyerzeichnie. 


503 


Rnesebeck,     Thomas     von    der, 

brandenb.  Geheimrat,    II  348.  — 

in  239.  434  f. 
Knyp hausen,  Dodo  Frhr.  zu  Inn- 

und,  brandenb.  Hofkammerpräsid., 

III  60.  65.  68—71.  115. 
Koberstein,  Daniel,  Maler,  I  429. 
Kochcwski,    poln.    Schriftsteller, 

II  146. 
Kohl,  Andr.  von,  kurmärk.  Vixe- 

kanzler,  I  414. 
Koniecpolski,   poln.    General,   I 

211. 
Königseck,    Bemb.   von,   preufs. 

Edelmann,  I  39. 
Königsmark,  Hans  Christoph  Graf 

von,  schwed.  General,  I  127.  336. 
Königsmark,  Otto  Wilh.  Graf  von, 

schwed.  General,  II  365.  370.  374  f. 

386.  396  f. 
Kopiscb,  Seidenhändler,  III  93. 
Koricki,  poln.  Oberst,  II  14. 
Kospatt,  von,  Kammerjunker,  III 

189. 
Kospoth,  von,  preuüs.  Kanzler,  II 

181. 
Kospoth,  von,  kursächs.  Diplomat, 

II  346. 

Kracht,  von,  brandenb.  Oberst,  135. 

Kramprich,  Dan.  Joh.,  kaiserl. 
Diplomat,  II  140.  345.  —  lU  358. 

Krockow,  kaiserl.  General,  I  47. 

Krockow,  Lorenz  Georg  von, 
brandenb.  Diplomat,  II  18.  89.  92. 
130.  150.  232.  236.  239.  259.  262. 
267.  287.  290.  310  f.  335.  344.  367. 
422.  —  in  137.  306  f. 

Krosigk,  von,  hess.  Kriegskom- 
missar I,  50. 

K  u  n  c  k  e  l ,  Kammerdiener  und  Che- 
miker, m  92.  164. 

L. 

Lacky,  poln.  Oberst,  II  195. 
Lafuente,  Graf,  span.  Diplomat, 

n,  25. 
La  Grange,  franz.   Intendant,  III 

441. 
Lamberg,   Johann   Philipp,  Graf, 

kaiserlicher  Diplomat,  iU  26.  48. 

54.  270  f.  275  f.  &1.  292  f.  300.  305. 

313.  315.  384.  855. 
Lambrechts,   Jakob,  Schiffskapi- 

t&n,  IU  890. 
Langerveid,  Rütger  van,  Maler, 

III  180. 
Lanskoronski,poln.Grofser,  1213. 
La    Yang  UV  on,     Graf,     firanzös. 

Diplomat,  II  266  f.  270  f.  277.  821. 


Ledebaur,  Joh.  von ,  brandenb. 

Diplomat,  I  284.  —  II  79.  87  f. 
Lee,  Pieter  Fransen  van  der,  Por- 
zellanbäcker, in  184. 
Lehndorff,  Ahasv.  von,  brandenb. 

Legationsrat,  U  150.  194. 196  f.  250. 
Leibniz,  berühmter  Philosoph,  II 

371.  ~  in  132.  450. 
Leuten,  von,  dänischer  Diplomat, 

III  852. 
Leonbard,   Joh.   Friedr.,   Kupfer- 
stecher III,  184. 
Leopold  I.,    deutscher   Kaiser,    I 

214.  263.  266.  278.  284  f.  288-291. 

297.  304.  307—309.  344—347.  355  f. 

359  f.  409.  -  II 5. 25.  28—41. 53-55. 

72.  78.  83.  85  f.  89.  99.  101.  107  f. 

110—121.    126—130.    132  f.    135  f. 

189-141.   147-149.   151.   157.  233. 

245.  241—243.  260.  263—268.  274  f. 

281  f.  285  f.   290  f.   294.  301-303. 

807.  313.  316  f.  320.  326.  344  f.  364. 

367—872.  382  f.  386.  394.  397.  400 

bis  402.  417  f.  435—437.  —  III  30 

138.  145  f.  250.  252.  264.  267.  269  f. 

276—278.287.  292  f.  301  f.  307—309. 

316.  319.  329 f.  332 f  387-340.  349  f. 

353—355.   376.  379.  401.  406.  411 

bis  416.   421—423.  426.  434.  436. 

439-444.  446—448.  450—454.  458. 

461-463.  465—468.  470.  481. 

Leopold  Wilhelm,  Erzherzog,  I 

42.  116.  228  f.  243. 
Leopold  Wilhelm,  Markgrafvon 

Baden,  II  36. 
L  e  rod  t ,  Baron  von,  neuburg.  Kanz- 
ler, II  50. 
Lesseins,   de,   französ.   Diplomat, 

II  17.  22.  24. 
Leszczvnski,  Bischof  von  Erme- 

land,  I  247.  271. 
Leszczynski,   Joh.,   Palatin   von 

Posen,  I  283.  285. 
Leti,  Gregorio,  Geschieh tschreiber, 

m  165. 
Leuchtenberg,  Maxim.  Phil,  von, 

n,  16. 
Leuchtmar,  Gerb.  Rumelian  von, 

brandenb.  Geheimrat,  I  36.  41—47. 

52.  56.  76.  87. 

Leuchtmar, Joh.  Friedr.  Kalckhun 
von ,  Hofmeister,  I  7  f.  10.  12.  16. 

Lewis,  schottischer  Lord,  III  475  f. 

Leygebe,  Gottfr.,  Maler,  III  181. 

183.  185. 
Lilius,  Propst,  III  188. 
Lilljehöck,  schwed.  General,  I  41. 
Lilljehöck,  schwed.  Diplomat,  II 

369.  387. 


504 


PersonenyeneichniB. 


Lilljeström,  schwed.  Reicbsrat)  I 
36.  141. 

Lionne,  de,  französ.  Minister,  I 
115.  351.  —  II  22.  24.  121.  131. 
136.  141.  152.  154.  192.  226.  228. 
236.  239.  243.  —  in  45. 

Li  sola,  Franz  von,  kaieerl.  Diplo- 
mat, I  218.  223.  243.  248.  252,  256  f. 
259.  263.  270—275.  277  f.  283.  - 

II  11.  31  f.  103.  111.  268.  313  f.  — 

III  14. 

Loben,  Job.  Friedr.  von,  brandenb. 

Gebeimrat,  I  49.  62.  87.   93.  102. 

284. 
Lobkowitz,  Wenzel, Fürst,  kaiserl. 

Minister,  U  122.  242.  265.  274  f. 

285.  294.  —  III  463. 
L  o  c  k  a  r  t ,  engl.  Staatsmann,  1 1  260. 
Longneville,  Herz,  von,  französ. 

Prinz,  I  100. 
Lorge,  de,  französ.  General  II  329. 
Louvois,  französ.  Minister,  II  223. 

248.  271.  289.  295.  390.  421.  —  III 

198.  256.  265.  272.  856. 449.  452. 462. 
Lubomirski,  Georg,  poln.  Grofs- 

feldberr,  I  187.  229.  283.  -  II  10. 

12.  126—129.  165.  167. 
Ludolf,  Erfurter  Ratsmeister,  II  41. 
Ludwig,  brandenb.  Prinz,  III  22. 

29—33.  37.  285. 
Ludwig,  Dauphin,  III  263.  380  f. 
Ludwig,     brandenb.     Kriegskom- 
missar, I  119.  393. 
Ludwig    XIV.,    König  v.   Frank- 
reich, I  57.   225.   307  f.   338.   335. 

353.  —  II  4.  7.   18.  23.  25  f.  27  f. 

58  f.  61.  63.  66.  70  f.  87.  92  f.  97 

bis  99.   104  f.   107.   109.   111.    118. 

117—121.  124.   129-132.  136.    138 

bis  143.  147.  149.  154.  158  f.  223  f. 

226  f.  231  f.  234.  236—240. 243—246. 

254  f.  258—261.  266—270.  272.  277. 

287  f.  289-291.299.  301—304.  307. 

310.  312.  316.  323.  331—333.  352. 

377.  390  f.  399.  402-407.  416—431. 

433.  —  III  30.  34.  42.  143.  147  bis 

152.   195.   252.   257—269.  272.   274 

bis  280.  282  f.  286.   288.  290—297. 

299.  303-307.  310—314.  317-320. 

324-428.  333.  336-349.  352.  356. 

359.  363—366.  369—372.  374-376. 

381.  385.  387.  389  f.  396-411.  415. 

418—423.  426-429.  436.  440-442. 

446-454.  457—463.  467.  469-474. 

481. 
Ludwig  Heinrieb,  Grafv.Nassau- 

Dillenburg,  I  161. 
Luise  Charlotte,  Schwester  des 

Grofsen  Kurfürsten,  I  35.  44.  273. 
Luise    Henriette   (von   Oranien), 


erste  Gemahlin  des  Grofsen  Kur- 
fürsten, I  65—67.  70  f.  79. 155. 165. 

168.  224.  230.  244.  257.  273.  281. 
299.  874.  377.  382.  402.  405.  427. 
447  f.  —  II  14.  64  f.  127.  —  IH 
15—17.   23.  27.  35  f.  40  f.  44.  47. 

169.  185  f. 

Luise  Hollandine  von  der  Pfalz, 

I  12.  16.  65. 
Luise  Maria  (von  Gonzaga),  Koni« 

fin  V.  Polen,  I  73.  229.  262.  270. 
76.  278  f.  281  f.  289.  294.  299.  303. 
339  f.  353-355.  357.  359.  —  II  9 
bb  12.  14-17.  73.  125-130.    145. 
165.  168.  175.  177. 
Lumbres,  de,    französ.   Diplomat, 

I  195.  215.  225.  233.  237.  258.  271. 
283.  291.  293.  330.  340.  353—357.  - 

II  10. 

Lynar,  Graf  von,  III  92. 


Maffirus,  prenfs.  Chronist,   II  185. 
Manreuholz,     Kurt    Asche    von, 

Präsident  von  Halberstadt,  II  53. 

122.  258.  303. 
M  a  i  d  e  1 ,  Theodor,  poln.  Grofsjftger- 

meister,  I  231. 
Maintenon,  Marquise  von,  II  424. 
Mandelsloh,    Philipp   Ernst  von, 

brandenb.   Legationsrat,   III   387 

bis  389.  425. 
Mangiot,  Otto,  Bildhauer,  I  429. 
M  a  n  s  f  e  1  d ,  Graf  Maximilian,  kaiserl. 

Diplomat,  IL  113. 
Man  stein,  Hauptmann  von,  III  111. 
Mardefeld,  Konrad  von,  schwed. 

Vizekanzler  v.  Pommern,  II  305. 
Marescotti,  Nunzius,  III  143  f. 
Maria  (v.  Enffland),   Prinzessin   v. 

Oranien,  II  6.  19. 
Maria,   Prinzessin  v.  England,   H 

389.  474. 
Maria   Am  alle,    brandenb.    Prin- 
zessin, III  34. 
MariaAnna,  Kurfurstin  v.  Bayern, 

I  306. 
Maria  Anna,  Prinzessin  v.  Bayern, 

III  263. 
Maria  Anna,  Königin  v.  Spanien, 

n  97. 
Marie     Antonia,     Kurfurstin    v. 

Bayern,  III  445. 
Marie     Eleonore,     Königin     v. 

Schweden,  I  8.  60  f. 
Marly,  de,  französ.  General,  III  473. 
Martanffis,    von,   französ.  Diplo- 
mat, m  295,  318. 
Marwitz,  von  der,  brandenb.  Kam- 


Personenyerzeichn  u. 


505 


merjunker    und    Gesandter,   I   18 

S59f. 
M  a  r  "w  i  t  z  ,    von   der ,    brandenb. 

Oberstleutn.,  I  173.  —  lU  488. 
Matthiae,   Job.,  scbwed.  Biscbof, 

I  60. 
Matthias, Michael, brandenb.  Post- 

direktoT,  I  418  f.  —  IH  98.  105  f. 
Maximilian   Emanuei,  Eurf.   y. 

Bayern,  lU  268.   816  f.   426.  487. 

445  f. 
Maximilian  Heinrich,  Kurf.  y. 

Köln,   I  179.  181.  810.  312.  —  n 

117.  240.  246  f.  261.  —  III  852  f. 

855.  364.  407  f.  427.  480.  460.  469. 
Mazarin,   Kardinal,   firanzös.  Pre- 
mierminister, I  68.  96.    101.    115. 

176  f.  195.  218.  224.  272.  291.  308. 

305.    807  f.    310.   319.    325.    380  f. 

338  f.  851-853.  —  II  4.  10.  22.  97. 
Mef^elin,  poln.  Hauptmann,  U  195. 
Meinders ,  Franz,  brandenb.  Staats- 
mann, n  60f.  114.  184.  152.  249  f. 

256.    286.   298—296.  404-407.  415. 

bis  417.  420—431.  -  III  18  f.  28. 

34.  40—43.  51-56.  60.  68.  108.  212. 

255—257.  260  f.  264.  273.  280.  294. 

297.   299.  827.  884.  836.  844.  374. 

882.  402.  416. 
Meinders,  Placidus,  Abt,  III  141. 
Melyiile,  schott.  Lord,  III  475. 
Memhardt,  Baumeister,  I  427.  429. 

—  m  118.  121  f.  185. 
Menzel,  Leibarzt,  III  167. 
Meyercroon,  dän.   Diplomat,   III 

295.  812.  817.  458. 
Meyernberg,  Frhr.  yon,  kaiserl. 

Diplomat,  n  148. 
Millet,  Jenre  de,  französ.  Oberst, 

II  92.   104  f.    109.  113.  118  f.  121.  | 
127.  132.  184.  186.  —  III  45.  i 

Mohammed  Gerai,  Khan  der  Ta- 
taren, I  219.  282. 
Moll,    Vertreter     der     kleyischen 

Städte,  I  891  f. 
Monmouth,  Herzog  yon,  III  861  f. 

867  f.  385  f.  394. 
Montaffu,    engl.   Admirai,    I   825. 

Montecuccoli,  Graf  Raimund, 
kaiserl.  Feldmarschall,  I  288  f. 
288—291.  304.  316-318.  828.  837. 
844—347.  857.  —  II  86  f.  265.  267. 
274.  279-281.  2a3-286.  295.  802. 
811.  816.  824.  344.  851.  866. 

Monterey,  Marques  yon,  General- 
statthalter der  span.  Niederlande, 
II  269.  802.  820  l 

Montespan,  Herzogin  yon,  II 
424.  -  III  18. 


Montgommeri,  brandenb.  Leut* 
nant,  II  195-197.  200. 

Morel,  Jean,  Abt  y.  St.  Amoul,  III 
889.  398  f.  422. 

Morosini,  Job.,  yenezian.  Diplo- 
mat, II  814. 

Moroyas,  Frtoyn  de,  Parlaments- 
präsident, III  422.  425. 

Morsztjn,  Andr.,  litauischer  Grofs- 
meister,  EU.  81. 

Morsztjn,  Anton,  poln.  Kronrefe- 
rentar,  I  298.  —  II  129  f. 

Mull  er,  niederländ.  Bildhauer  II  72. 

Müller,  Seidenhftndler,  lU  92. 

Müller,  Andr.,  Propst  und  Sino- 
loge, ni  168.  167.  m. 

Müller,  Dr.  Jakob,  Lehrer,  I  7. 

Myrten s,  Job.,  Maler,  III  181. 

Mjschezki,  Daniel  Ifiemowitsch, 
russ.  Grofser,  I  282. 

N. 

Nagel,   münsterscher  General,   II 

292. 
Narowski,  Jos.,  Landmesser,  III 88. 
Narwitz,  österr.  Beamter,  II  152. 
Nassau,  Gr&fin  Eleonore  yon,  III 45. 
Nassen,  Pieter,  Maler,  III  181. 
Nering,    Job.    Arnold,    Architekt, 

III  121.  181  f. 
Nestorow,  russ.  Gesandter,  I  817. 
Neuhaus,  Bürgermeister  y.  Colin 

a.  d.  Spree,  IQ  192. 
Nicolartz,  kurköln.  Agent,  II  287. 
Niefs,  Dr.,  Syndikus  der  kleyischen 

Ritterschaft,  I  898. 
Nimric,  Frhr.  yon,  brandenb.  Feld- 

zeugm.,  III  214. 
Norprath,    Job.    yon,    brandenb. 

Generalleutn.,  I  52—54.  76  f.  79.  87. 
Noth,  yan  der,  schwed.  Oberst,  II 

376. 


0. 

0  b  e  r  g ,  yon,  bannoyerscher  Minister, 

lU  370. 
Oliyenkranz,   schwed.   Diplomat, 

U  378. 
Olszowski,  Andr.,  Bischof  y. Kulm, 

II  156  f.  159.  191.  198. 
0  p d  a  m ,  Jakob  yan  Wassenaer,  Herr 

yon,    niederl&nd.  Admirai,  I  209. 

228.   239.   820.  822.   826.  828.  386 

bis  889.  841.  —  II  55. 
Opocki,  Albert,  poln.  Unterkam- 

merer,  II  196. 
Orleans-Montpensier,  Fräulein 

von,  U  187  f.  —  III  18. 


506 


Personenverzeichnis. 


Ostau,   von,  preufs.  Ober-Appella- 

tioDsrat,  I  330. 
Oxenstierna,  Graf  Axel,  schwcd. 

Reichskanzler,  I   36.   44.  46.  60  f. 

95.  97.  188. 
Ozenstierna)  Frhr.   Bengt,  I  145 

bis    147.    204  f.    258.    —    II   345. 

405  f.  —  III  279.  288.  416. 
Ozenstierna,    Erich,     Sohn    des 

Grafen  Axel,  I  189.  212.  217.  226. 

228.  289  f.  252. 
Oxenstierna,  Graf  Johann,  Brader 

von  Erich ,  I  41  f.  46  f.  60.  93.  95. 

97  f.  101.  103—105.  107. 


P. 

Pac,    litauischer    Grofsfeldherr ,    II 

388.  408  f. 
Pac,  Christoph,  poln.  Grofskanzler, 

U  149. 
P  a  l  b  i  t  z  k  i ,  Matthias,  schwed.  Diplo- 
mat, II  86.  94. 
Pastorius,  Joachim,  Hofhistorio- 

graph,  I  430. 
Patin,  Reisender,  III  123. 
Pels,  niederländ.  Diplomat,  I  213. 
Pefiaranda,  span.  Diplomat, I  284. 
Per  band,   Gottfr.   von,   brandenb. 

Oberst  u.  Kämmerer,  III  22. 
Pesenecker,    Kupferstichhändler, 

in  170. 
Pettekum,  niederländ.  Oberst,  III 

475. 
P  eucker,  Nicolaus,  Dichter,  III 179. 
Pe ucker,  pfälz.  Diplomat,  III  407. 
Philipp,   orandenb.  Prinz,   III  29. 

34.  382.  392.  426.  429.  482. 
Philipp,  Herzog  von  Orleans,  III 

387.  421. 
Philipp  IV.,  König  von  Spanien, 

II  59.  97.  209.  —  III  222. 
Philipp   Wilhelm,    Pfalzgraf  v. 

Neuburg,  dann  Kurfürst  von  der 
Pfalz,  181.  158  f.  161.  181.  224. 
306.  310.  353.  391.  894.  —  II  11. 
47  f.  73  f.  127-181.  133.  137.  142 
bis  144.  146-158.  288.  —  III  386 
bis  388.  399  f.  406  f.  420-422.  424. 
436.  442.  470.  476. 

Piso,  Dr.  Wilh.,  Arzt,  III  7. 

P 1  a t en ,  Klaus  Ernst  von,  brandenb. 
General. Kriegskommissar,  I  228. 
230.  244.  432  f.  —  II  60.  78-80.  — 

III  212. 

Plemont,  Herr  von,  III  265. 

Plettenberg,  Georg  von,  kaiserl. 
Rat,  I  99. 

Podewiis,  von,  brandenb.  Ober- 
kriegskommissar, III  190. 


Podewiis,  Georg  Wilh.  von,  bran- 
denb. Kammerjunker,  II  85.  250. 
Podlodowski,  Graf,  poln.  Grofser, 

I  227. 

Pol e mann.  Major,  III  167  f. 
Pöllnitz,  Gerh.  Bemh.  von,  bran- 
denb. Oberstallmeister  und  General, 

II  105.   121.    134.  228.  249.  268  f. 
291.  299.  308.  —  III  42.  45  f.  54.  98. 

Pomarius,  Diakon.,  I  421  f. 

Pomponne,  Simon  Amaud  Mar- 
quis von,  französ.  Minister,  II  243. 
416.  421.  423.  430.  -  III  260  f. 
264.  272. 

Poorter,    Victor  de,  Schiffbauer, 

III  100. 

Potocki,  poln.  Grofser,  1  211.  213. 

—  n  15  f: 

Ponssin,  französ.  Gesandtschafts- 
sekretär, in  479. 

Pradel,  französ.  General,  II  62. 

Prazmowski,  Erzb.  v.  Gnesen.  II 
146.  151.  154.  165.  179. 

Puchenius,  Theoloee,  I  418. 

Pufendorf,  Samuel,  Historiker  und 
Staatsrechtslehrer,  II  205  f.  —  III 
12.  132.  166  f. 

Q. 

Quast,  von,  brandenb.  General- 
major, I  347.  349. 

B. 

Rabenhanpt,  hess.  Oberst,  I  50. 
54.  78. 

Radziejowski,  poln.  Unterkanz- 
ler, I  187. 

Radziejowski,  Michael,  Bisch,  v. 
Ermland,  III  143. 

Radziwili,  Fürst  Boguslaw,  Statt- 
halter v.  Preufsen,  1284.  324.  327. 
830.  348.  396.  —  II  18  f.  150.  164* 
170.  176.  192.  —  III  31.  40.  130. 

Radziwili,  Luise  Charlotte,  Prin- 
zessin von,  UI  31—4^3.  285. 

Raesfeld,  brandenb.  Oberstleutn., 
n  178. 

R  a  h  d  e  n  ,  Lucius  von ,  kurm ärk. 
Vizekanzler,  III  61.  160. 

Rakoczj,  Franz,  Fürst  v.  Sieben- 
bürgen, II  16. 

R  a  k  0  c  z  V ,  Georg  I.,  Fürst  v.  Sieben- 
bürgen, I  255.  260.  262-264.  267. 

Rakoczy,  Georg  IL,  Fürst  v. 
Siebenbüin^en,  11  30. 

R  a  u  e  oder  R  a  v  e ,  Propst  und  Biblio- 
thekar, I  480.  —  III  169. 

Raule,  Benj»  brandenb.  OberschifEs- 
direktor,  II  365.  375.  884.  —  Ul 


Personenverzeichnis. 


507 


60.  97.  99—101.  220—223.  225-227. 
229.  281  f.  235.  255. 

R^benac,  Fran^ois  Pas  de  Feu- 
qaiöres,  Graf  von,  franzöa.  Diplo- 
mat, U  407.  419.  428  f.  —  UT  22. 
28.  50  f.  54  f.  57.  187.  202.  207.  266. 
268.  273.  275.  279  f.  288.  290-292. 
295—297.  299.  311.  313  f.  320.  327. 
329.  333  f.  336.  343  f.  363.  365.  370. 
381.  386.  390.  397.  400-402.  404. 
408.  410.  418  f.  423  f.  427  f.  440. 
458.  460.  467.  471.  473. 

Reers,  Cornelia,  Commadore,  III 
224.  234. 

Reichel,  Buchhändler,  III  170. 

Reinhardt,  Theologe,  III 127.  133. 

Reymond,  Reisender,  III  10. 

Rochow,  von,  brandenb.  Oberst, 
I  35  f. 

Rocolles,  Jean  Baptist e  de,  Dom- 
herr, ni  165. 

Rodt,  Winand,  brandenb.  Diplo- 
mat, I  57  f.  63.  66. 

R  o  j  a  B ,  D.  Cristoval  de,  Bischof,  II 
209.  371.  —  III  132. 

Rollos,  Peter,  Kupferstecher,  I  429. 

Romandon,  Abraham,  Maler,  III 
181  f. 

Romberg,  von,  I  391  f. 

Romswinkel,  brandenb.  Diplomat, 
H  100.  120. 

Roncaldo,  poin.  Gesandter,  I  95. 

R  o  n  d  e ,  Christian,  Reisender,  III 163. 

Rort^,  de,  französ.  Diplomat^  I  56. 

Roseneck,  Joach.  Tromsee  von, 
schwed.  Diplomat,  I  47  f.  59  f. 

Roth,  Hieronymus,  Schöffenmeister, 
II  168.  170  f.  176-180. 

Roth,  dessen  Bruder,  Jesuit,  II  168. 

Roth,  des  Hieronymus  Sohn,  poln. 
Kammerherr,  II  175.  180.  191.  194. 

Roye,  Graf  von,  französ.  General, 
m  320. 

Royen,  van,  Maler,  III  180. 

Ruck,  Melchior  von,  brandenb. 
Diplomat,  III  98.  222.  294.  339. 
349.  401. 
Ruprecht,  Prinz  v.  d.  Pfalz,  I  12. 
Ruyter,  Michael  de,  niederl&nd. 
Admiral,  I  324  f.  335.  343.  349.  — 
II  57.  87.  110.  377. 


8. 

Sahnitz,  von,  schwed.  General- 
major, II  375. 

Saint-Geran,  Graf  von,  französ. 
Oberst,  II  248—256.  258  f. 

S  a  i  n  t-  R  o  m  a  i  n ,  de,  französ.  Diplo- 
mat, I  93.  97.  99  f.  115. 


S  a  1 V  i  u  s ,  Adler,  schwed.  Staatsmann, 

I  36.  89.  95.  98.  101.  107.  139.  141. 
144. 

Sandrart,  Joach.  von,   Maler,  III 

181. 
Sapieha,  poln.  General,  I  267. 
Sayn    und   Wittgenstein,  Job. 

Reichsgraf  von,  I  87.  99.  103.  105. 

124. 
Schacky  dän.  General,  I  349. 
Schaffgotsch,  Graf,  kaiserl.  Diplo- 
mat, n  153.  —  III  424. 
Schardius,  Berliner  Bürgermeister, 

III  192. 
S  c  h  e  i  d  t ,  Job.  Wehrenpfennig  von, 

neuburg.  Geheimrat,  I  79. 
Schenk  von  Winterstett,braun- 

schw.  Rat,  I  178. 
Schilling,  Jakob,  Prediger,  1422. 
Schinckel,  Bürgermeister  v.  Emden 

und  brandenb.  Admiralitätsrat,  III 

232. 
Schlezer,  A.  F.,  brandenb.  Diplo- 
mat, I  61.  192. 
Schlezer,    Joh.    Friedr.,    dessen 

Bruder,  I  191. 
Schlieben,  Rittmeister,  von,  II 169. 
Schlieben,  Graf,  III  143. 
Schlieben- Birkenfelde,    Graf 

von,  II  169  f. 
Schlippen bach,  Graf  Christoph 

von,  schwed.  Staatsmann,  I  189  f. 

192.  205  f.  242.  251.  253.  263.  272. 

274.  277. 283-286.  291.  300-302.  — 

II  18. 

Schlüter,   berühmter  Baumeister, 

III  182. 

Schmettau,  von,  brandenb.  Diplo- 
mat, III  435.  465.  467. 

Schmid,  brandenb.  Oberst,  II  81. 

Schmid,  Kaspar,  bayr.  Kanzler,  II 
135.  -  III  317. 

Schmid,  Mich.  Matth.,  Architekt, 
III  181. 

Schmising,  von,  Münsterer  Kom- 
tur, III  427  f. 

Schnitter,  von,  Ingenieurkapitan, 
m  230.  236. 

Schölten,  Admiralitätsrat,  ELI  232. 

Schomberg,  Friedrich  Armand 
Herzog  von,  Marschall,  III  34.  36. 
57.  456-458.  475  f. 

Schönberg,  Marschall  von,  II  234. 

Schöning,  Hans  Adam  von,  bran- 
denb. Hofrat,  II  61. 

Schöning,  Hans  Adam  von,  bran- 
denb. General,  II  413.  —  III  56  f. 
424.  437-440.  443.  456  f. 

S  c  h  o  0  k ,  Martin,  Historiograph,  III 
164. 


508 


Personenveneichnis. 


Schrei,  Buchhändler,  III  170. 
Schröder,  Prediger,  lil  129. 
Schröter,  kaiserl.  Geheimsekretar, 

I  121.  123. 
Schul enhnrg,   Werner   von   der, 

I  10. 
Schulze,  Christoph,  Stendaler  Bür- 
ger, II  214. 
Schütz,  Dr.,  kaiserl.  Diplomat,  I 

297.  315. 
Schwarz  en  b  er  g,  Adam  Graf,  bran- 

denb.  Minister,  I  13—16.   18—20. 

27.  31-34.  66.  75. 
Schwarzenberg,  Job.  Adolf  Graf, 

später  Fürst,   dessen   Sohn,  I  34 

bis  36.  -  II  34.  336. 
Schwerin,    Bogislaw  von,    bran- 

denb.  Generalmajor,  I  382.  —   II 

270.  366.  374. 
Schwerin,  Otto  von,  dessen  Bruder, 

brandenb.   Staatsmann,   I   70.  87. 

136  f.  166.  168-170.  190.  203—206. 

230.  289.  245.  251.  255.  257—259. 

268  f.  273-275.  279.  284  f.  290.  298. 

300-302.  321.  326.  332  f.  853.  359. 

371.  376.  380-383.  385.  409.  —  II 

13—15.  22  f.  55.  60.  99.  104.  113. 

117.  131  f.  149.  164.  166  f.  169—171. 

173-175.   179.  198-200.  210.  229. 

236.  239.  249  f.  253.  256.  270.  286. 

292  f.  299.   308.  312.  314  f.  348  f. 

408.  424.  429.  —  III  12—16.  23  f. 

27.  40-47.  51.  84  f.  92.  95  f.  136. 
Schwerin,  Otto  von,  der  Jüngere, 

dessen  Sohn,   11  92.  128.  298.  347. 

353.  389.  —  III  44.  56.  94.  316.  319. 

377.  384. 
Scultetus,     Joach.,    brandenb. 

Affent,  II  150. 
Seckendorf,     Veit     Ludw.    von, 

Nationalökonom,  II  213. 
Seidel,  brandenb.  Geheimrat,  I  70. 
Seidel,  Martin,  Kammergerichtsrat, 

in  135. 
Servien,  Graf,  französ.  Diplomat, 

I  57.  87.  89.  100.  105.  319.  351. 
Simonetti,  Hofstukkateur,  III  118. 
Sinzendorf,  Rudolf  Graf,  kaiserl. 

Diplomat,  n  90. 
Skelton,  engl.  Diplomat,   III  394. 

431.  461. 
Skytte,  Benedikt,  schwed.  Senator, 

III  177  f. 
Smids,  Baumeister,  III  121. 
S  o  b  i  e  s  k  i ,  Job.,  poln.  Grofser,  später 

König  V.  Polen,  II  10.  146.  150  f. 

317.    352.    369.    386-388.   408.    — 

III  31.  262.  285.  317.  340. 
Sobieski,  Jakob,  dessen  Sohn,  Ul 

31.  285. 


S  0  m  n  i  t  z )  Lorenz  Christ,  von,  bran- 
denb. Geheimrat,  I  217.  225.  227. 
254.  274.  330.  355.  380.  —  II  113. 
200.  210.  250.  293.  879  f. 

Sonnius,  Eman.,  Maler,  I  429. 

S  OD  hie,  Herzogin  v.  Hannover,  U 

Sophie  Charlotte ,  Kurprinzessin 
V.  Brandenburg,  III  29.  33—35. 
351.  363.  369. 

Souches,  de,  kaiserl.  General,  I 
346-348.  361.  —  H  34.  36  f.  324. 

S  o  u  r  d  i  s ,  Ritter  von,  französ.  Gene- 
ral, III  265. 

Southwell,  engl.  Diplomat,  HI 
249.  276. 

Spaen,  Alex,  von,  brandenb.  Gene- 
ral, I  159.  245.  —  II  51.  249.  285. 
364.  390.  422.  426  f.  —  lU  215.  37a 
431.  476. 

Spanheim,  Ezechiel  von, brandenb. 
Diplomat,  lU  97.  149.  151  f.  168. 
273—275.  282.  284.  299.  308.  312. 
314.  326.  842.  366.  371.  375.  380. 
385-388.  400-404.  407.  410.  424  f. 
429.  452-463.  467. 

Sparr,  Otto  Christ,  von,  brandenb. 
Feldmarschall,  1  151.  153.  165.  179. 
201  f.  215.  233.  236.  279.  294.  817. 
348.  435.  —  II  23.  36.  59.  69.  78. 
81.  270.  —  DI  212. 

Spengler,  Ad.,  Marinekommissar, 
III  218. 

Spiring,  Kaufmann  und  Zollauf- 
seher, I  38  f. 

Spork,  kaiserl.  General,  I  347.  349. 

Stempels,  Trine,  Hexe,  lU  188. 

Stenbock,  Otto,  schwed.  Feldmar- 
schall, I  211.  216.  249.  261.  263  f 
348  f. 

S  t  e  p  h  a  n  i ,  brandenb.  Geheimrat, 
Ilf  92. 

Sternberg,  Ad.  Wratislaw  Graf 
von,  kaiserl.  Diplomat,  II  371  f. 

Stille.  Christ.  Barthol.,  brandenb. 
Hof-Amtmeister  u.  später  General- 
Postdirektor,  II  217  f.  —  UI  106. 

S 1 0  s  c  h ,  Barthol.,  Hofprediger,  1 407. 

Stosch,  Friedr.  Wilh.,  dessen  Sohn, 
III  162. 

Stratmann,  Theodor ,  neuburg. 
Staatsmann,  11.132.288—290.  293  f. 

Strauch,   Dr.  Ägidius,    Theologe, 

II  387  f. 

S  u  d  o  1  e  t  z ,    Samuel ,    Landmesser, 

III  88. 

Su  leim  an  Pascha,  Grofswesir,  lU 

488  f. 
S  u  l  z  b  a  c  h ,  Pfalzgraf  von,  sc  h  wed. 

General,  I  295.  321.  348  f. 


Personenyerzeichnis. 


509 


Sydney,  Sir  Henry,  III  476. 
SyverSy  Abraham,  Kaufmann,  III 
102. 


T. 

Talan,  Major  von,  III  110. 
Tambonnean,  französ.  Diplomat, 

III  366. 
Taren t,  Heinrich  Karl  Prinz  von, 

I  65.  67.  70. 

T a  V  e  r  n  i  e  r ,  Jean  Baptiste,  Reisen- 
der, III  233. 

Tempi e,  Sir  William,  engl.  Diplo- 
mat, II  402. 

Ter  Ion,  Ritter  von,  franzö«.  Diplo- 
mat, I  272.  283.  301.  314.  339.  850. 
855  f. 

Tettan,  Hans  yon,  prenfs.  Land- 
hofmeiBter,  I  39. 

Tbulden,  Theodor  von,  Maler,  lU 
181. 

Tbnn,  Kardinal,  Erzbisch,  v.  Salz- 
burg, II  122. 

Tiefenbach,  Berlin.  Bürgermeister, 

m  192. 

T  ocbt,  van  der,  Pensionär  v.  Gouda, 

n  372  f.  379.  381  f. 
Tökölv,  Emmerich,  ungar.  Magnat, 

II  oO<5. 

Tornow,  Dr.,  brandenb.  Geheim- 
rat, I  169  f. 

Torstenson,  schwed.  Gkneral,  I 
42.  46-49.  405. 

Tott,  schwed.  Diplomat,  II  292. 

Tourmont,  französ.  Beamter,  II 426. 

Tramp,  dän.  Oberst,  I  346. 

Trantmannsdorf,  Graf,  kaiserl. 
Staatsmann,  1  89—91.  98.  112. 

Tromp,  ComeÜB  van,  niederländ. 
Admiral,  I  17.  —  U  55.  —  111  21. 

Tnrenne,  Vicomte  von,  französ. 
Feldherr,  I  49.  127.  852.  —  II  24  f. 
105.  134. 167.  261.  271  f.  280  282  f. 
286-289.  291.  294.  302.  316.  322 
bis  330.  351.  366.  -  III  45,  457. 

ü. 

Ucedo,  Sebastian  de,  span.  Diplo- 
mat, II  32. 

Uffelmann,  braunschw.  General, 
U  89. 

Uff  ein,  von,  brandenb.  General, 
I  292. 

U  h  1  f  e  1  d  t ,  Corfitz  von,  dän.  Minister, 
n  8. 

U 1  c  k  e  n ,  holsteinischer  Vizekanzler, 
m  454. 


Ulrike   Eleonore,    Königin    von 

Schweden,  III  260. 
Ursin  US,  Hofprediger,  III  34. 

y. 

Vane,  Sir  Walter,  engl.  Diplomat, 

n  63  f.  66  f. 
Vauban,  französ.  Marschall,  II  261. 

316.  377.  —  III  209. 
Vaubrun,   Marquis    von,   französ. 

Diplomat,  II  2^-280. 
Verjus  de  Cr^cy,  Graf  Louis  de, 

französ.  Diplomat,  11228—241.  291. 

294.  297.  300  f.  303  309.  312.  315. 

319.  321.  —  III  398.  465. 
Villars,  Marschall  von,  lU  446. 
Vogelsangh,    niederländ.    Diplo- 
mat, I  339.  343.  360. 
Völcker,  Buchhändler,  III  170. 
V  Ol  mar,  kaiserl.  Diplomat,  I  96. 
Yorstius.  Philologe,  UI  169. 
VoTs,  Mathaeus  de,  Schiffskapitän, 

III  229. 

W. 

Wachmann,  bremischer  Syndikus, 

U  83f. 
Wagner,    Jesuit  und   Historiker, 

n  435. 
Wal  deck,    Georg   Friedrich    Graf 

von,  I  165. 167—172.  174r-182.  190. 

193—195.  203-207.  210.  215.  224f. 

227  f.  230.  233.  242.  244-246.  248  f. 

252.  255.  261  f.  264.  268  f.  301.  321. 

373.  375.  381.  383.  403.  —  II  27. 

59.   91.    114  f.    133.   141.    167.  250. 

264.  299.  345.  —  HI  40.  66.  188. 

287.  348—350.  356.  358. 

W  a  1  do ,  Enffländer  in  Indien,  HI  168. 

Wallenroat,  Job.  Ernst  von,  bran- 
denb. Generalkriegskommissar,  I 
432. 

Waller,  Sir  William,  Oberst,  III  97. 

Wangelin,  schwed.  Oberst,  II  281. 

288.  302.  305.  315.  355  f.  373. 
Wangen  heim,  Fräulein  von,   HI 

22.  54. 
Weber,  Gottfr.,  Rektor,  III  172. 
Wedel,  Geore  Ernst  von,  General- 

minor,  I  19.  35. 
Wedell,  münsterischer  General,  II 

364. 
Weiler,  Ernst,  brandenb.  Artillerie- 
Oberst,  III  211. 
W  e  i  m  a  n  n  ,    Daniel ,    brandenb. 

Staatsmann,  I  190.  205—209.  225. 

245.  254.  256.  289.  298.  300-302. 

321.  334.  388  f.  393.  —  II  19.  21.  50. 
W  e  i  f s ,  Dr.  brandenb.  Leibarzt,  1 19. 


510 


PenoDenverzeichnis. 


Weiffl,  von,  Offizier,  III  110. 

Wenner,  Kapitän,  III  431. 

Wesenbeck,  Aatthaens,  brandenb. 
Geheimrat,  I  87.  180.  240. 

Wicqnefort,  Abraham  von,  Diplo- 
mat, I  88.  97.  115.  119  f. 

Wietzel,  Gabriel,  Maler,  I  429. 

W i Icken ,  Wassertechniker,  III  102. 

Wilhelm  VI.,  Landgr.  v.  Hessen- 
Kassel.  I  180  f.  418. 

W  i  1  h  e  l  m  IL  (von  Oranien),  General- 
statth.  der  Niederlande,  I  131. 
142.  153.  281. 

Wilhelm  III.,  dessen  Sohn,  1 198.  — 
II  5—7.  19  f.  60.  68  f.  98  f.  101. 128. 
139.  241.  267.  269.  283.  289.  299. 
302.  308  f.  314.  316.  320  f.  324.  343. 
349  f.  365.  369.  377.  382.  386.  389  f. 
392.  399  f.  416  f.  422.  —  III  9.  29  f. 
43.  57.  259.  281.  313.  315.  318.  339. 
348.  356-358.  369.  377—382.  390 
bis  394.  397  f.  417.  425  f.  428-432. 
457.  473—476.  481  f. 

Wilhelm  Heinrich,  brandenb. 
Prinz,  I  71. 

Wilich,  Dietr.  Karl  Freiherr  von, 
I  391  f. 

Willing,  Niklas,  Maler,  III  180. 

Will  mann,  Michael,  Maler,  UI 183. 

Winter feld,  Samuel  von,  bran- 
denb. Geheimrat,  I  43. 

Wintgens,  knrköln.  Kriegsrat,  III 
363. 

Wisnowiecki,  Demeter  von,  poln. 
Magnat,  II  16.  192. 

Wisnowiecki,  Michael,  König  v. 
Polen,  n  156-159.  189.  191—193. 
196  f.  805.  316. 

Witt,  Comelis  de,  niederl&nd.  Ad- 
miral,  I  322. 

Witt,  Johan  de,  hoUänd.  Rats- 
pensionar,  1 199.  208  222.  256.  320. 
326.  328.  338.  341.  343.  —  II  7.  24. 
47.  55.  57.  68.  71.  98.  101.  105.  118 
bis  120.  123  f.  132.  138  f.  225. 

Wittenberg,  schwed.  Feld- 
marschall, I  196.  206. 

Wittgenstein,  s.  Sayn. 


Wladislaw  IV.,  König  v.  Polen, 

I  38-40.  46.  56.  73  f.  95.  133.  419. 
Wolfgang  Wilhelm,  Pfalzgr.  v. 

Neuburg,  I  75—77.  79—82. 149  bis 

161. 
Wolfgrübel,   Georg,    Maler,   III 

183.  185. 
Wolframsdorf,  s&chs.   Diplomat, 

III  263. 
Wolfsberg,  schwed.  Diplomat,  I 

192.  276  f.  295.  302. 
Workum,    Wybrand  van,    Schiff- 
bauer, III  100. 
Wojna,  von,  Offizier,  III  110. 
Wr  a  n  g  e  1 ,  Karl  Gustav  von,  schwed. 

Admiral,  I  322.  388  f.  347. 
Wrangel,  Karl  Gustav  Graf  von, 

schwed.  Feldmarschall,  I  116.  127. 

282.  292.  295  f.  —  II  36.  57.  84  bis 

94.  133.  335.  339.  346.  858.  355  f. 

360.  363.  370. 
Wrangel,  Waldemarvon,  schwed. 

General,  II  346.  355—360. 
W  r  e i  ch ,  Christoph  Sigismund  von, 

brandenb.  Hofrat,  I  316.  855  f. 
Wulleaum^,  Jakob,  Bildhauer,  I 

429. 
W  u  1  f f e  n ,    schwed.    Generalmajor, 

II  384. 

WuUodowski,  poln. Sprachlehrer. 

I  8. 
Würtz,   schwed.    General,    I  257. 

260.  263.  267.  330.  347. 


T. 

Ysbrandt,   niederländ.    Diplomat, 
I  288  f.  294.  315. 


Z. 

Zaluski,  Andreas,  Bischof  v.  Kiew, 

III  832 
Zeidler,  Dr.,  Theologe,  III  130. 
Z  e  r  1  a  n  g ,  Bürgermeister  von  Berlin, 

II  214. 
ZoUikofer,   Gabriel,   Rektor,  III 

173. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Vorwort III— V 

Sechstes  Buoh.    Der  Grofse  Kurfttrst,  sein  Staat  und  Volk, 

1660-1688 1—245 

Fünfunddreifsigstes   Kapitel.     Der  Grofse   Kurfürst 

und  sein  Hof 3—57 

Charakter  des  Kurfürsten,  S.  8.  —  Seine  Tätigkeit,  8.  8.  — 
Neigungen,  S.  10.  —  Aufgeklärter  Absolutismus,  S.  12.  —  Ge- 
mahlinnen: Luise  Henriette,  S.  15.  —  Dorothea,  S.  18.  —  Söhne: 
Karl  Emil,  S.  22.  —  Friedrich,  S.  25.  —  Friedrichs  Zerwürfnis 
mit  den  Eltern,  S.  27.  —  Ludwig,  S.  31.  —  Beilegung  der  Zer- 
würfnisse, S.  82.   —    Die  Testamente  des  Grofsen  Kurfürsten, 
S.   86.  —  Minister:  Schwerin  und  Jena,  S.  40.  —  Meinders, 
S.  41.  —  Goltz  und  Pöllnitz,  S.  44.  —  Anhalt,  S.  46.  —  Derflf- 
linger,  S.  49.  —  Fuchs,  S.  53.  —  Schöning,  S.  56. 
Sechsunddreifsigstes  Kapitel.    Die  Verwaltung  .    .    .    58—83 
Das  Beamtentum,  S.  58.  —  Der  Geheime  Rat,  S.  60.  -    Gerichts- 
verfassung, S.  61.  —  Schwächung  der  Selbstverwaltung,  S.  63. 
—  Finanzverwaltung,  S.  66.  —  Staatseinnahmen,  S.  70.  —  Staats- 
ausgaben, S.  78.  —  Verdienste  des  Kurfürsten  auf  diesem  Ge- 
biete, S.  82. 
Siebenunddreifsigstes  Kapitel.    Kurfürst  und  Volks- 
wohlstand   84—125 

Innere  Kolonisation,  S.  84.  —  Die  R^fng^^s,  S.  85.  —  Müil- 
roser  Kanal,  S.  89.  —  Gewerbepolitik,  S.  91.  —  Kommerz- 
koliegien,  S.  95.  —  Handelspolitik,  S.  96.  —  Schiffbau  und  See- 
handel, S.  99.  --  Elbhandel,  S.  103.  —  Post,  S.  105.  —  Münz- 
wesen, S.  106.  —  Handwerkspolitik,  S.  107.  —  Adel,  S.  109.  — 
Bürger,  S.  112.  —  Bauern,  S.  112.  —  Berlin,  S.  116.  —  Potsdam, 
S.  124. 
Achtunddreifsigstes  Kapitel.  Die  Religionsbekennt- 
nisse       12Ö— 161 

Frömmigkeit  und  Duldsamkeit  des  Kurfürsten,  S.  126.  — 
Einigung  der  evangelischen  Bekenntnisse,  S.  127.  —  Verteidi- 
gung seiner  Glaubensgenossen  im  Auslande,  S.  137.  —  Wohl- 
wollen gegen  die  Katholiken,  S.  138.  —  Schutz  der  Evangeli- 


512  Inhaltsyerzeichnis. 

S«ite 

sehen  gegenüber  dem  Kaiser,  S.  145.  —  Gegenüber  Ludwig  XI\ ., 
8.  147.  —  Das  Potsdamer  Edikt,  8.   150.  —  Mennoniten  und 
Sozinianer,  S.  154.  —  Juden,  8.  156.  —  Souyeränit&t  des  Staates 
in  Kirchensachen,  8.  160. 
Neununddreifsigstes  Kapitel.    Geist  und  Sitte  ....  162—192 
Allseitige  wissenschaftliche  Interessen  des  Kurfürsten,  8. 162. 

—  Hofhistoriographen,  S.  164.  —  Pufendorf,  8. 166.  —  Bücher- 
wesen, 8.  168.  —  Volksschule,  8. 170.  —  Gymnasien,  8. 171.  — 
Universitäten,  8.  173.  —  Dichtung  und  Künste,  8. 179.  —  Klei- 
dung, 8.  185.  —  Sitten,  S.  186.  —  Aberglaube,  8.  187.  —  Duelle, 
8.  189.  —  Entstehendes  Nationalgefühl,  8.  191. 

Vierzigstes  Kapitel.    Das  Heer .193—218 

Beseitigung  des  Lehns*  und  Milizheeres,  8.  193.  —  St&rke 
des  stehenden  Heeres,  8.  194.  —  Organisation,  8.  195.  —  An- 
werbung, 8. 197.  —  Bekleidung,  8.  198.  —  Milit&rjustiz,  S.  199. 

—  Musterungen,  8.  200.  —  Taktik,  S.  201.  —  Der  Kurfürst  als 
Feldherr,  8.  202.  —  Sold  und  Verpflegung,  8.  202.  —  Avance- 
ment, 8.  204.  —  Generalquartiermeisterstab,  8.  204.  —  Innere 
Beschaffenheit  des  Heeres,  8.  205.  —  Invalidenwesen,  8.  207.  — 
Festungen,  8.  209.  —  Artillerie,  8.  210.  —  Verwaltung,  8.  211. 

—  General- Kriegskommissariat  und  dessen  Beamte,  8.  212.  — 
Bedeutung  als  Landes- Verwaltungsbehörde,  8.  217. 

Einundvierzigstes  Kapitel.    Marine  und  Kolonien  .    .  219—286 
Vielseitigkeit  und  Originalität  des  Grofsen  Kurfürsten,  8. 219. 

—  Raule,  8.  231.  —  Seekrieg  mit  Spanien,  8.  222.  —  Treffen 
bei  San  Vincent^  8.  225.  —  Afrikanische  Kompanie,  S.  226.  — 
Kolonien  an  der  Goldküste,  8.  227. 

Zweiundvierzigstes  Kapitel.    Der  Anheimfall  Magde- 
burgs      237—245 

Bedeutung  der  Stadt  Magdeburg,  S.  237.  —  End- 
gültige Besitznahme  des  Landes,  8.  289.  —  Neuorganisation, 
8.  239.  —  Tatsächliche  Beseitigung  der  mittelalterlichen 
„Libertät^  8.  241. 

Biebentes  Bueb.    Des  Grofsen  Kmfftnten  Aasgang     ....  247—487 

Dreiundvierzigstes  Kapitel.  Das  französische  Bündnis  249—289 
Gründe  für  den  Übertritt  des  Kurfürsten  zu  Frankreich, 
8.  249.  —  Absichten  auf  Schwedisch-Pommem,  8.  253.  —  Seine 
Vorschläge  an  Frankreich,  S.  255.  —  Mifstrauen  Frankreichs, 
8.  256.  —  Geheimvertrag  zu  St.  Germain,  8.  262.  —  Dänisch- 
hamburgischer  Streit,  8.  267.  —  R^benac,  französ.  Gesandter  in 
Berlin,  S.  268.  —  Bemühungen  des  Kaisers  und  der  Nieder- 
lande um  den  KurfQrsten,  8.  269.  —  Colbert-Croissj,  8.  272.  — 
Spanheim  in  Paris,  8.  273.  —  Hoffnungen  und  Entwürfe  Fried- 
rich Wilhelms,  8.  278.  —  Engeres  Bündnis  mit  Frankreich,  zu 
Berlin,  8.  279.  —  Die  Reunionen,  8.  286.  —  Der  Assoziations- 
vertrag, 8.  288. 


Inbaltsyenseichnis.  513 

8«ito 

Vierundy ierzigstes     Kapitel.       Der    Anschlag     auf 

Schweden 290—330 

Frankreich  regt  das  Unternehmen  auf  Vorpominem  an, 
S.  290.  —  Der  Kurfürst  Gefolgsmann  Frankreichs,  8.  292.  — 
Ostfriesland.  8.  301.  —  Itzehöer  Bündnis,  8.  303.  —  Spannung 
zwischen  Brandenburg  und  Frankreich,  S.  304.  —  Brandenburg 
in  Ostfriesland,  S.  308.  —  Orange,  S.  313.  —  Brandenburg  zum 
Abfall  yon  Frankreich  geneigt,  S.  314.  —  Frankreich  betreibt 
das  „Konzert"  mit  Brandenburg  und  Dänemark,  8.  317.  — 
Scheitern  des  Konzerts,  S.  324.  —  Vereinsamung  des  Kur- 
fürsten,  S.  328. 
Fünfundyierzigstes    Kapitel.      Die     Braunschweiger 

Fehde 331—372 

Die  Türken  yor  Wien,  S.  332.  —  Der  Kurfürst  ist  bereit, 
dem  Kaiser  zu  helfen,  8.  332.  —  Unfreundliche  Haltung  des 
Kaisers,  S.  385.  —  Der  Generalstaaten,  8.  389.  —  Bettung 
Wiens  und  ihre  Folgen,  8.  340.  —  Der  Kurfürst  rettet  den 
Frieden,  8.  342.  —  Neues  Bündnis  mit  Frankreich,  8.  844.  — 
Streitigkeiten  mit  Braunschweig-Lüneburg,  8.  354.  —  Fuchs' 
erste  Sendung  nach  dem  Haag,  8.  356.  —  Feindseligkeiten  gegen 
die  Braunschweiger,  8.  358.  —  Der  Kurfürst  für  den  Frieden, 
8.  360.  —  Gewaltuten  Frankreichs,  8.  366.  —  Bündnis  mit 
den  Braunschweigem,  S.  369.  —  Der  zwanzigjährige  Waffen- 
stillstand, 8.  372. 
Sechsundyierzigstes  Kapitel.    Die  Abkehr  yonFrank- 

reich 378—419 

Wendung  der  brandenburgischen  Politik  gegen  Frankreich, 
8.  373.  —  Die  Freiheit  Europas  und  der  eyangelische  Bund, 
8.  876.  —  Jakob  II.  yon  England,  8.  879.  —  Fuchs  abermals 
nach  dem  Haag,  8.  381.  ^  Fridag  in  Berlin,  8.  884.  —  Be- 
mühungen um  England,  S.  385.  —  Die  Pfälzer  Erbschaft,  8.  886. 
—  Das  Bündnis  mit  Holland,  S.  390.  —  Verschärfung  des  Pfälzer 
Erbstreits,  8.  398.  —  Gegensatz  zu  Frankreich,  8.  400.  —  Er- 
gebenheitserklärung des  Kurfürsten,  8.  408.  —  Verhandlungen 
mit  dem  Kaiser:  der  Schwiebuser  Kreis,  8.411.  —  Bündnis  mit 
dem  Kaiser,  8.  414.  —  Bündnis  mit  Schweden,  8.  416.  — 
Brandenburg  an  der  Spitze  des  europäischen  Freiheitsbünd- 
nisses, 8.  418. 
Siebenundyierzigstes  Kapitel.    Augsburger  Bund  und 

Türkenkrieg 420—455 

Beruhigung  im  Pfälzer  Erbstreite,  S.  422.  —  Das  branden- 
burgische Hilfskorps  gegen  die  Türken,  S.  423.  —  Die  Augs- 
burger Allianz,  S.  426.  —  Zusammenkunft  des  Kurfürsten  und 
Oraniens  in  Kleye,  8.  429.  —  Rettung  Hamburgs  yor  den 
Dänen,  8.  433.  —  Heldenmut  der  Brandenburger  yor  Ofen, 
8.  487.  —  Gewalttaten  Frankreichs,  8.  441.  —  Undankbarkeit 
des  Kaisers  gegen  Brandenburg,  8.  443.  —  Drohende  Haltung 

Philipp son,  Der  OroDM  KurfOrtt.   III.  33 


514  Inhaltsverzeichnis. 

8«ite 

Ludwigs  XIV.,  S.  445.  —  Sturz  Gottfried  v.  Jenas,  S.  451.  — 
Friedenshemühungen,  S.  454. 
Achtundvierzigstes  Kapitel.  Der  Ahschlufs  ....  456 — 487 
Schomherg,  hrandenhurgischer  Feldmarschall,  S.  456.  — 
Kurf&rst  gegen  vorzeitigen  Krieg,  S.  459.  —  Die  Franzosen  in 
Trarbach,  S.  461.  —  Gefahren  für  den  Kurfürsten,  S.  465.  — 
Tod  Maximilian  Heinrichs  von  Köln:  drohender  Konflikt  mit 
Frankreich,  S.  469.  —  Hoffnung  des  Kurfürsten:  ein  Unter- 
nehmen Oraniens  auf  England,  S.  478.  —  Friedrich  Wilhelms 
Ende,  S.  477.  —  Charakteristik  und  Ergebnisse  seiner  Regie- 
rung, S.  479. 

Aktenstücke 488-— 494 

Personenverzeichnis 495—510 

Inhaltsverzeichnis 511 — 514 


Picr«rBch«  Hofbuehdruokerei  Stephan  ^i^ih^\  k  Co.  in  AlUnbarg. 


VERLAG  SIEGFRIED  CRONBACH,  BERLIN. 


Napoleon  und  Bernadotte  im 
Herbstfeldzuge  1813. 

Von 

Dr.  Ernst  Wlehr. 

Mit  6  Skizzen.    Preis  7  Mk.  50  Pf. 

■^  Von  allen  historischen  Zeltschriften  wird  dieses  Weric  ai^ 
eine  bedeutende  Arbelt  bezeichnet. 

Die  „VoBsiKche  Zeitung*'  schreibt:  Dies  dem  Professor  Delbrück  ^- 
widmete  Buch  wird  nicht  verfehlen,  Aufsehen  su  erregen,  denn  es  rüttelt  an  einer 
bei  uns  tief  eingewurzelten  und  beinahe  geheiligten  Oberlieferung. 

Kriegsführung  und  Politik 

König  Friedrichs  des  Grofsen 
in  den  ersten  Jahren  des  siebenjährigen  Krieges. 

Von 

Dr.  Gustav  Berthold  Volz. 

Preis  8  Mk. 

Die  „Internationale  Reyne**  über  die  gesamten  Armeen  und  Flotten 
urteilt:  Die  kritischen  Untersuchungen,  welche  Dr,  Volz  auf  die  beiden  ersten 
Jahre  des  siebenjährigen  Krieges  ausdehnt,  haben  den  Zweck,  die  Absichten  de» 
grof:«en  Königs,  welche  seine  politischen  und  strategischen  Mafsnahmen  motivieren, 
an  der  Hand  eines  reichen  Quellenmaterials  klarzulegen  und  darzustellen.  Da  der 
Verfasser  hierbei  zu  wesentlich  anderen  Ergebnissen  gelangt,  als  andere  vonin- 
gehende  und  gleichzeitige  Schriftsteller  (F.  Wagner),  so  mufs  seine  Schrift  die  be- 
sondere Aufmerksamkeit  derer  erregen,  welche  sich  Friedrich  den  Grofsen  und 
seine  Kriege  zum  besonderen  Studiums-Gegenstand  gewählt  haben. . . . 


Die 

deutsehen  Einheitsbestrebungen 

im  neunzehnten  Jahrhundert  und  ihre 

Verwirklichung. 

Von 

Dr.  Ed.  Loewenthal. 

Preis  broschiert  2  Mk.  50  Pf.,  gebunden  3  Mk. 

„Hessisch-Nassauischer  Volksbote''  in  Frankfurt  a.  M.:  Ausgehend 
von  den  Ereignissen  am  Schlufs  des  18.  Jahrhunderts,  schildert  der  Verfasser  die 
darauf  folgende  Auflösung  des  alten  deutschen  Reichs  und  die  Erniedrigung  Deutsch- 
lands zu  Anfang  unseres  Jahrhunderts  mit  dem  Beginn  der  französischen  Revo- 
lution. Dann  geht  es  aufwärts,  es  folgt  die  erste  Periode  der  deutschen  Einheits- 
bestrebuugen ,  die  zweite  derselben  in  den  50er  Jahren,  die  mit  der  Neu);rfindung 
des  deutschen  Reichs  ihren  Abschlufs  findet  Ein  hundertjähriger  Geschichtsabschnitt 
ist  in  diesem  kleinen  Buche  unter  obigem  Titel  zusammengestellt  Der  Schlufs 
behandelt  den  staatlichen  Aufbau  des  Reiches  luid  seine  Gesetzgebung,  Handel  und 
""  *kehr,  Industrie  u.  s.  w.  Alten  und  jungen  Volksgenossen  empfehlen  wir  die  An- 
'■ffung  dieses  Buches  angelegentlichst  N. 


Picrersehe  Hofbuchdmcker»!  Stephan  Ueibel  &  Co.  in  Altenburg.  t)t 


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