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Full text of "Der rationelle weinbau und die weinbereitungs-lehre, mit einem anhang über den einfluss der climatischen verhältnisse auf den weinbau"

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rationelle Weinbau 


und die 


Weinbereitungs⸗Lehre 


mit einem Anhang über den Einfluß der climatiſchen Verhältniſſe 


—— 
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auf den Weinbau. 


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Von 
J. Dornfeld, 
Cameral⸗Verwalter in Weinsberg, 
Verfaſſer der Preisſchrift „Die Weinbauſchule“, Ritter des Friedrichs-Ordens, 
Mitglied der württembergiſchen Weinverbeſſerungs-Geſellſchaft, ſowie verſchiedener anderer 
landwirthſchaftlicher Geſellſchaften und Vereine. 


Den Weinproduzenten und Wein-Commerzianten Deutſchlands, ſowie allen Freunden des 
Weinbaues und eines reinen Natnxweines gewidmet. ö 


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Heilbronn. 
Buchhandlung von Albert Scheurlen. 


8 1864. 


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Vorrede. 


Wir beſitzen über den Weinbau und die Weinbereitung aus 
ältern und neuern Zeiten zwar viele Schriften, dieſelben beziehen ſich 
aber entweder nur auf einzelne Weinbaugegenden, oder es wird in 
denſelben blos der Weinbau oder die Weinbereitung abgehandelt, ob— 
gleich beide Gegenſtände fo enge mit einander verbunden find, daß 
fie nicht wohl von einander getrennt werden ſollten, weil auch bei 
dem rationellſten Weinbaue der erzeugte Wein noch durch eine un— 
paſſende Weinbereitung verdorben oder bedeutend an Qualität ver— 
lieren kann. 

Außerdem ſind in Folge der Verhandlungen der deutſchen Wein— 
und Obſtproduzenten (vergleiche die Wein- und Obſtproduzenten 
Deutſchlands von J. Dornfeld, Stuttgart, Cotta'ſcher Verlag 1852) 
ſowie der deutſchen Land- und Forſtwirthe über Weinbau fo viele 
Erfahrungen über einen rationellen Betrieb des Weinbaues und der 
Weinbereitung gemacht worden und ſo manche intereſſante Fragen 
zur Erörterung gekommen, daß dadurch in allen Weinbaugegenden 
Deutſchlands ein reger Eifer in der Verbeſſerung des Weins erwacht 
iſt, der theils von den Regierungen der einzelnen Länder, theils durch 
Privatvereine auf mancherlei Weiſe gepflegt und unterſtützt wird, wo— 


durch ſich auch die frühern Weinbauverhältniſſe in manchen Weinbau— 


gegenden weſentlich geändert haben und überhaupt eine neue Epoche 
bei dem Weinbaue und der Weinbereitung eingetreten iſt. Insbe⸗ 
ſondere gebührt der württembergiſchen Weinverbeſſerungsgeſellſchaft 


IV 


und der württembergiſchen Centralleitung der Landwirthſchaft das 
Verdienſt, daß, durch meiſtens unentgeldliche Vertheilung von vielen 
Millionen edler Reben, ſowie durch Entſendung von intelligenten 
Weingärtnern in andere Weinbaugegenden, die Anpflanzung edler 
Rebſorten und die zweckmäßige Erziehung und Behandlung derſelben 
weſentlich befördert und verbreitet wurde. Durch dieſe Beſtrebungen 
und gegenſeitige Mittheilungen find auch manche neue Traubengat— 
tungen im Großen angepflanzt worden, die in einzelnen Weinbauge⸗ 
genden entweder noch gar nicht bekannt waren, oder die nur im Klei— 
nen in Verſuchsanlagen gepflanzt wurden und deren Eigenſchaften 
und Tauglichkeit zu der Erzeugung eines guten Weins noch nicht ge- 
hörig bekannt ſind. 


Es dürfte deßwegen für jeden intelligenten Weinbauer als ein 
Bedürfniß erſcheinen, nicht nur die neueren erprobten Erfahrungen, 
ſondern auch die Grundſätze, nach welchen überhaupt ein rationeller 
Weinbau und die damit in Verbindung ſtehende Weinbereitung ein- 
zurichten iſt, in einer beſondern Schrift zuſammengeſtellt zu finden, 
und glaubt der Verfaſſer, einem ſolchen Unternehmen ſich umſomehr 
unterziehen zu dürfen, als die in dem gegenwärtigen Werke aufge- 
ſtellten Grundſätze ſich faſt durchgängig auf eigene Erfahrungen und 
Wahrnehmungen gründen, die bei dem nun ſeit mehr als zwanzig 
Jahren betriebenen eigenen ausgedehnten Weinbaue geſammelt wurden, 
und bei dem nicht nur alle edleren Rebſorten im Großen angepflanzt, 
ſondern mit dem auch einzelne Verſuchsländer verbunden ſind, in 
welchen gegen 150 der verſchiedenartigſten Rebſorten zur Anpflan- 
zung kamen. 


Außerdem wollte der Verfaſſer in dem vorliegenden Werke die 
Grundſätze, die in der von ihm verfaßten und von der württembergi⸗ 
ſchen Weinverbeſſerungsgeſellſchaft herausgegebenen Preisſchrift „Die 
Weinbauſchule“ (Heilbronn, bei Albert Scheurlen) niedergelegt ſind, 
weiter ausführen, daher das gegenwärtige Werk vielleicht vielen Be⸗ 
ſitzern der Weinbauſchule willkommen iſt, und insbeſondere dürfte das⸗ 
ſelbe bei dem Unterricht in den landwirthſchaftlichen Fortbildungs- 


V 
ſchulen als Erläuterung des Inhalts der Preisſchrift mit Nutzen 
Anwendung finden. 

Auch der dem Werke beigegebene Anhang über den Einfluß der 
Witterungsverhältniſſe auf den Weinbau dürfte nicht nur für alle die— 
jenigen, welche ſich für ſolche Einflüſſe der Witterung intereſſiren, 
ſondern insbeſondere auch für die Weinproduzenten und Wein-Com— 
merzianten von beſonderem Werthe ſein, indem nach den dort gegebe— 
nen Anleitungen und Vergleichungen ſich ſchon nach beendigter Trau— 
benblüthe in der Regel berechnen läßt, welcher Qualität von Wein 
man auf den kommenden Herbſt entgegenjehen darf, was auf den Ver— 
kauf ſo wie auf den Einkauf des Weins immer von weſentlichem Ein— 
fluß ſein wird. 

Möge nun das ganze Werk eine wohlwollende Aufnahme finden. 


Weinsberg im September 1863. 
Der Verfaſſer. 


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3. 


Inhalta-HUeberſicht. 


I. Beſchreibung der Rebe und der Traube. 


Die Wurzel 
Der Stamm, die Zweige, m Blätter 
Die Traube : B : 


II. Die Traubengattungen 
nach ihrer ſyſtematiſchen Ordnung. 


Weiße und rothe Trauben. 
Orleans a 

Weißer Räuſchling £ 

Traminer (der rothe, Gewürz⸗, 10 85 1 5 5 


Rother Malvaſier 


„Rother Velteliner (der große, Sr ee ses Heine) 


Der weiße Hängling . - > 
Der Elbling (der weiße, gelbe sth, 1 5 Rauelbling) 
Der weiße Kleinedel > 8 } 2 . 
Der Rothurbau i . . 8 

Der weiße Clevner 5 5 5 

Der Ruländer (graue 1 2 Ä . 


Sylvaner (der weiße, gelbe, rothe) 
Ortlieber (gelber, weißer) 

Weißer Tokayer | 

Weißer Süßling 

Rother Reifler 

Weißer Rothgypfler > 
Weißer Burgunder . a i a 


Weißer Fütterer 


Rießling (der weiße, 3 

Weißer kurzſtieliger Champagner a 
Heuniſch (der weiße, gelbe, rothe, blaue) 
Weißer Welſchrießling 


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24. Rother Hans (kleiner Velteliner) . . 8 32 
25. Rother Trollinger . - 32 
26. Gutedel (der weiße, rothe, Krachgutedel) - 33 
27. Muskateller (der weiße, rothe) 33 
Blaue und ſchwarze Trauben. 
0 Blaue Eicheltraube 34 
2. Blauer Augſter 8 34 
5. Blauer Marokkaner . 34 
4. Blauer Blüſſardt (ſchwarzer Malvafter) 35 
5. Blauer Bernardi . 35 
6. Rothblauer Zottelwelſche other Oer, Gol, eiptauben) 35 
7. Blaue Müllertraube (ſchwarzer Rießling). N 36 
8. Schwarzblauer Zottelwelſcher DEN. aufe 36 
9. Schwarzer Traminer ß ; 37 
10. Blauer Hängling 9 : 37 
11. Blauer Färber . B b 5 } 37 
:12. Schwarzer Elbling 38 
13. Blaue Bodenjeetraube 38 
14. Schwarz⸗Urban 38 
15. Blauer Clevner (blaues Möhrchen e af, Brieteonen) 39 
16. Blauer Sylvaner . 5 5 ; - . 40 
17. Blauer Portugieſe 40 
18. Blauer Tokayer 41 
19. Blauer Carmenet 41 
20. Blaue Kadarka 42 
21. Blauer Neri 42 
22. Blauer Klöpfer 42 
23. Blauer Wildbacher 43 
24. Blauer Gelbhölzer (mers heimer Schwürge) 43 
25. Blaue Hartwegstraube (Grob: 5 5 5 43 
26. Blauer Liverdun : 44 
27. Blauer Pineau ; 45 
28. Schwarzblauer Scheuchner, ble Köllner bertel, Pommern) 45 
29. Der blaue Heuniich . 5 5 z 2748 
0 Der Mohrenkönig 45 
Blauer Burgunder 46 
> Blauer Affenthaler 47 
33. Blauer Trollinger (der vothholgige, gabe 48 
34. Blauer Gänsfüßler 5 . 48 
35. Blaue Frankentraube (Süß roth) 5 49 
36. Blauer Limberger. - 49 
37. Schwarzer Muskateller 50 
Blauer Muskateller 8 50 


Tafeltrauben. 


Weiße und blaue Gaisdutte 
Der weiße Malvaſier 
Gelbe Seidentraube, auch weiße Sich 
Früher weißer Damaszener 
ee frühe Lahntraube 
Weißer Muskat⸗Sylvaner . 
Früher blauer Jakobi⸗ oder Auguſt⸗ ae 
Weißer Gutedel⸗Malvaſier l 
Blaues Ochſenau ge 
Blaue Iſabelle . : - 
Blauer und zweifarbiger Morillon 
Blauer Aramon 
Rothe Kalebstraube . 
Weiße Vanilletraube 
Weißer Pariſer Gutedel A 
Früher weißer, auch Perl⸗ oder Dana Gutedel 
Rother Königs⸗Gutedel 


Weißer und rother geſchlitztblättriger ER: Beterfilien: Gutedel 8 


Großer, weißer und rother ſpaniſcher Gutedel 
Schwarzer auch blauer Musfat-Öutedel . 
Weißer Muskat⸗Gutedel N 


III. Der rationelle Weinbau. 


Erforderniſſe eines rationellen Weinbaues, ſowie der Weinberei⸗ 


tung, Unterrichtsanſtalten . 


IV. Lage der Weinberge. 


Im Allgemeinen ; : 3 : 3 : 5 
.Die ſüdliche Lage : . . 
. Die Erhebung über die Meeres⸗ in Thalflächen 

Die Richtung gegen die Himmelsgegend . 

Abdachungen gegen die Thalſohle 

Die Richtung der herrſchenden Winde 

Die Umgebung der einzelnen Weinbergslagen 

Die Regenmenge 


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56 


V. Nahrungsſtoffe der Reben, Boden der Weinberge. 


Allgemeine Grundſätze über die F der Fe RR 
rungsſtoffe der Luft 

Urſtoffe der Erde . 

Bildung unſerer Erdrinde g ; 

Die Bodenarten und ihre n . a 


Der Humus 

Der Untergrund 

Chemiſche Unterſuchung einzelter nber rde 

Chemiſche Unterſuchung der Rebe und ihrer Aſche 

Allgemeine Grundſätze für einen guten Weinbergsboden 
Boden für die einzelnen Traubengattungen . 8 a 5 


VI. Die anzupflanzenden Traubengattungen. 


Allgemeine Grundſätze 5 Ä h 
Reine oder gemiſchte Beſtockung . 1 . N 
Paſſendſte Traubengattungen 
Für weiße Weine 
Für rothe Weine 8 x 
Anpflanzung verſchiedener Traubengattungen 
Für rothe und weiße Weine 
Mitten bei reiner Beſtockung 
Unten bei reiner Beſtockung 
Oben bei reiner Beſtockung 
Bei gemiſchter Beſtockung 


VII. Die Anlegung der Weinberge. 


1. Die Vorbereitung des Bodens 


Das Reuten (Rotten) 
a. Lage und Abdachung 
b. Unebenheiten 
c. Untergrund, Witterung 
d. Die Art des Reutens 
e. Das tiefe oder ſeichte Reuten 
f. Die Zeit des Reutens. 
g. Die Anlegung von Mauern und 17 


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3. Die Setzreben 
a. Die Erziehung aus Samen 
b. Die Erziehung aus dem Holze . 
6. Die Wurzelreben 5 
4. Die Schnittlinge (Blindreben) 
e. Die Auswahl der Reben 


4. Das Setzen. 
a. Die Zeit des Setzens 
b. Das Zurichten des Bodens 
c Das Auszielen (Weite der Beſtockung) 
d. Die Art des Setzens 
e. Das Verlegen und Vergruben der Reben 


VIII. Die Enichung des Weinſtocks. 


Allgemeine Grundſätze , 
1. Die Erziehung des jungen Rebſtocks 


A. 


Die Die Kopferziehung 


b. Die Schenkelerziehung r A 
2. Die Erziehung ohne Holzunterſtützung 
Bockſchnitt 0 0 5 4 
Balkenerziehung 
Hecken⸗Weinberge 
3. Die Erziehung mit defsunteftügung 


. 
b. 
C. 
d. 


Pfahlerziehung 
Rahmenerziehung 
Kammer⸗Erziehung 
Die Erziehung an Geländen, Arkaden⸗ an ben 
Buſchbaum⸗ Pyramiden- und . an 


e. Die Erziehung in Töpfen 
4. Die Erziehung des tragbaren Rebſtocks 


a: 


Das Schneiden. 

Im Allgemeinen 

Der einzelnen Rebgattungen 
Die Inſtrumente zum Schneiden 
Die Zeit des = chneidens 


. Das Ruthenbiegen 


ce Außerordentliche Frühjahr: 0 


d. 
Das Ueberhauen, Gppfeln, e . Aus⸗ 


aa. Das Stöckeſetzen . 5 

bb. Das Pfropfen der Rebſtöcke 

ce Das Ringeln der Reben 

Das Verbrechen, Zwicken und Einkürzen der Neben 


blatten der Reben 


IX. Die Boden- und ſonſtige Weinbergsarbeiten. 


Im Allgemeinen. 


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Das Aufziehen, Aufdecken 


2. Das Aufräumen 
3. Das Hacken, Graben, Umkehren 5 
= Das Pfählen 

.Das Anhängen, Anheften? Gürten 
6. Außerordentliche Arbeiten. 


a. Das Graben-Ausſchlagen 
b. Das Rainpritichen 
c. Das Steineleſen 5 s 


7. Das erſte Felgen, Brachen, Rühren 
8. Das Binden der Reben 5 
9. Das zweite Felgen, Rühren, Lautergräbee 


XII 


Seite 

7 Das Heften oder zweite Binden 8 ö . 5 8 
Das dritte Felgen - 5 5 5 „52 
17 Das Bandaufſchneiden und Pfähleausziehen 5 257 


13. Das Niederlegen und Bedecken (Trechen, Beziehen) 95 Reben 259 


X. Die Düngung. 


Allgemeine Grundſätze . ; . 5 \ i . 5 263 
Die Düngung mit Mineralſtoffen. 
alt . 5 8 5 e 5 286 
2. Gyps oder 5 Kalt \ a . - 8 : 266 


3. Düngende Salze. 


a. Laugenſalze 5 | 
b. Torf: und een 8 267 
C. Salpeterſaure- und kochſalzſaure Salze a 4 
4. Der Mergel 5 - 5 £ 5 l 8 g 8 268 
5. Der Schiefer . . 5 3 g : 3 A 289 
6. Die Erde 3 5 ! 5 5 5 : - x 269 
Organiſche Düngung 
1. Pflanzen⸗ oder vegetabiliſche Düngung. 
a. Gründüngung 3 : DR 
b. Die Düngung mit DER Laub VER Holz der ben : 5 274 
c. Düngung mit todten Pflanzentheilen. 
Stroh, Laub, Holznadeln, Heidekraut, Moos, Oelkuchen 28 
2. Thieriſche Düngung. 
a. Abfälle der Abdeckereien 8 ; x 5 N . 278 
b. Das Blut 5 : u l 5 5 5 5 3 2 
c. Hornſpähne . 8 . 5 5 2 = 
d. Haare und ſonſtige fe a a 2 8 h 5 
e. Wolle 0 5 2 3 5 % . 5 278 
f. Knochen ; 5 g 5 5 Ä 5 28 
g. Guano oder Wield dger 8 ; . . . 8 278 
h. Jauche, Gülle 8 5 : : | — 
3. Vegetabiliſch animaliſche Düngung 
a. Rindviehdünger . 
b. Pferdedünger N 
c. Der Schafdünger 5 2 . 8 5 8 / 
d. Der Schweinsdüngern e 
e. Der Abtritts⸗ oder er 
f. Zubereitung und Wirkſamkeit dieſer n 
4. Der künſtliche Dünger. 
a. Compoſt g N 208 
b. Der chemiſche Dünger 5 
5. Die Nachhaltigkeit, Zeit und Art 9225 Düngung. 
a. Die Nachhaltigkeit ; 5 5 290 
b. Die Zeit der Düngung 5 A : e no 298 


c. Die Art der Düngung 5 - 8 u e 


XIII 


XI. Die Krankheiten und Beſchädigungen des Weinſtocks 
und der Traube. 


| Seite 
1. Beſchädigung durch die Winterfälte : - . 296 
2. Beſchädigung durch Winde 5 5 299 
3. Beſchädigung durch Frühjahrs- und eoitihesfcfe . 300 
4. Der rothe Brenner (Laubrauſch) 3 - 306 
5. Der ſchwarze Brenner . 8 : . 3 3 308 
6. Die Gelbſucht > N i 9 S 21795 ; 340 
7. Der Honig: und Mehlthau ; g 315 
8. Die Saftüberfüllung und das Wera en der Reben 5 316 
9. Die Trauben: oder . ö 3 316 
10. Der Grind 5 ; 320 
11. Beſchädigungen durch agel Wottenbeihe bea, Nebel. 
a. Durch Hagel 0 5 9 2 
b. Durch Wolkenbrüche 5 : > ; ; N 323 
c. Durch Regen und Nebel : ; 5 b 5 332 
12. Das Braten der Trauben e > 3 5 326 
13. Das Faulen der Trauben 8 ; ' ; ; „ 20 
14. Sonſtige Unfälle des Rebſtocks. 
a. Die Auszehrung, Entkräftung © - 5 . 328 
b. Die Bemooſung ; : 5 a N 328 
15. Die Beſchädigungen durch Inſetten. 
a. Der Heu⸗ und Sauerwurm 8 3 ; . i 329 
b. Der Springwurmwickler : e 
e, Die rauchfarbige Eule 8 5 5 8 : 1333 
d. Die Flechtweiden⸗Eule 5 
e. Der Rebenſticher 
f. Der Maikäfer 334 
g. Die Horniſſe, Weſpen, en, Mücken 
h. Die Schnecken und Ameiſen 


16. Beſchädigungen durch Thiere ; . ; 8 336 


XII. Die Weinbereitung. 


1. Die Weinleſe. 
Beſtandtheile der a die Entwicklung und das nn 


derjelben . 5 ; 5 l 338 

Die Zeit der Traubenlefe . . 5 : l 5 s 349 
Die Art und Weiſe der Traubenleſe 

a. Der Reifegrad der Trauben 5 351 

b. Das Ausſcheiden der verſchiedenen Trhbenge gen 5 354 

c. Das Ausſcheiden des guten und geringen Gewächſes „ 

d. Die Berückſichtigung der e 8 351 

e. Der Uebergang zu der Spätleſe . . . 355 


f. Die Einrichtung und Art der Leſe ; g 3 357 


XIV 


Seite 
2. Das Zerdrücken der Traubenbeere. 
a. Das Zerdrücken mit den Kämmen 3 5 Ä 360 
b Das Zerdrücken ohne Kämme. ; . : 362 


Die Behandlung und Aufbewahrung der zerdrückten Traubenbeere 372 


3. Das Keltern des Weinmoſtes. 
a. Die Kelterhäuſer 373 
b. Die Preſſen g 8 4 5 375 
aa. Die Baum⸗ (Hebel-) Preſſen (Torkeln) 376 
bb. Die Kaſten⸗ Schrauben: oder Spindelpreſſen 378 
cc. Die hydrauliſchen Preſſen Art des Preſſens 80 
4. Erzeugung verſchiedener Gattungen von Weinmoſt, Prüfung 
auf Qualität 5 0 0 5 a N 381 
5. Die Gährung des Weinmoſtes 
Allgemeine Grundſätze . 4 { 3 h iq 2389 
a Die Gährlokale . ; 4 i { . 3094 
b. Die Gährgefäſſe : 5 } . : . 397 
c. Die Art der Gährung. 
aa. Die Gährung an den Trebern N . 400 
bb. Die Gährung ohne die Treber. f ; \ 402 
cc. Die Entſchleimung . 93 
dd. Die offene und verſchloſſene Gährung N 0 . 407 
d. Die Gährung des weißen Weins. 8 { £ 1410 
e. Die Gährung des rothen Weins 412 
f. Ueber das Aufhören und die Unterdrückung er Gährung 446 
XIII. Die Nebennutzungen. 
1. Abfälle an Laub und 1 i 3 . . h 418 
2. Rebſchnittlinge . 5 g 5 \ 0 419 
3. Die Traubenkerne . 0 5 5 5 £ f 419 
4. Die Weintreber . 5 3 : 420 
5. Die Weinhefe. 5 A . a 5 420 
6. Die Anpflanzung von Neben en S : 5 3 
XIV. Die Behandlung des Weins im Keller. 
m Algen 5 . 2 > . 5 5 . 421 
1. Die Kellereinrichtung . 5 5 1 2 N 3 
2. Die Fäſſer ; . 424 
3. Das Ablaſſen des Weins m heller eg a bei u 
nach dem Ablafje - 5 ie ART 


4. Beſtandtheile des ein Prüfung = Qualität ; g 434 


XV 


Anhang. 

Seite 

Einfluß der climatiſchen Verhältniſſe auf den Weinbau, nach den Be— 
obachtungen in Württemberg. 8 5 5 8 
© Sommertage. - - Ä 2 s { o 439 
Mittlere Temperatur. 5 5 ; . 5 AS 
3, hegenfal - ’ . - ; > 8 452 
4 Traubenblüthe, Weinleſe WR 456 


Betrachtungen über die Beſtimmung der Weingualität nach De Wit⸗ 
terungsverhältniſſen 5 A . 3 - 3 259 


Weſentliche Druckfehler. 


— —— 


Seite 84 Zeile 24 von oben lies: in dieſelben ſtatt in denſelben. 
„ 92 „6 unten ” Nagelflue ſtatt Nagelflur. 
"296 MW ‚Ʒ T " „ Mergel kommt in verſchiedenen Formationen vor 
ſtatt verſchiedener Formation. 
„ 100 5 und 6 von oben ſiehe $. 78 ſtatt Anmerkung zu $. 78. 
„ 108 „ 1% 2% „ Columne 4 lies: von Meißen ſtatt von Weißen. 
„123 7 von unten lies: Blüſſardt ſtatt Bläſſardt. 


e „ „ Karmenet ſtatt Kormenot. 

e „ „ Kadarka ſtatt Kodarka. 

5 „ „ Hooibrenk ſtatt Hovibrenk. 

„160 letzte Zeile / „ „ da jedoch, beſonders wenn die Reben ſtatt beſonders 
wenn 2c 


„ 233 Zeile 3 von unten lies: Sonnenbrand ſtatt Sommerbrand. 
„ 244 » 1 „ oben — und ſtatt in. 

1 em „ „ freiſtehen ſtatt reiſtehen. 

„258 „ 12 u. 13 von oben lies: einſchieben. 

„272 „ 14 von oben lies: vegetabiliſche ſtatt vegatabiliſche. 

„ 344 „ 13 „ „ Zellen ſtatt Zelten. 

„ 372 „ 7 „ „ „ Walzen ſtatt Walzer. 

„406 „19 u. 20 von oben lies: Trauben ſtatt Trüben. 

„417 „10 von unten lies: bei ſtatt be⸗ 

„ 426 » 9 „ oben lies: Wein ſtatt Weingeiſt 


J 


Die rationelle Weinbau: und Mein: 
bereitungslehre. 


I. Beſchreibung der Rebe und der Traube. 


file 

Die Rebe gehört zu den verbreitetſten Gewächſen der Erde, man findet 
dieſelbe in wildem Zuſtande als Schlingpflanze von den Aequator⸗Gegenden 
bis zum fünfzigſten Grad nördlicher Breite, und auch in Deutſchland wird 
dieſelbe noch in manchen Gegenden wie im Rhein- und Donau-Thale als 
wilde Pflanze angetroffen. In dieſem Zuſtande gelangen aber ihre Beeren⸗ 
früchte entweder gar nicht zur vollſtändigen Reife oder geben nur einen herben 
und ſauren Saft, der dem als edlen Wein bekannten Nectar kaum oder nur 
in ſehr entferntem Grade gleichkommt. Soll aus der Frucht der Rebe ein 
edler Wein erzeugt werden, ſo bedarf die Rebe einer ſorgfältigen Anpflanzung 
und Erziehung, und um beide dem Zwecke entſprechend vollführen zu können, 
iſt vor allem eine genaue Kenntniß der Rebe und ihrer Frucht, der Traube, 
erforderlich. f 

Die Rebe beſteht aus der Wurzel, dem Stamme und den Zweigen mit 
ihren Blättern, von welchen jeder Theil ſeine Functionen zu verrichten hat, 
die zur Ernährung und Erhaltung der Pflanze dienen. 


1. Die Wurzel. 


Die Wurzel beſteht aus dem Wurzelſtock oder der Stange, weil ſie ſich 
meiſt faſt ſenkrecht in dem Boden befindet, von der dann die übrigen Wurzel⸗ 
theile ausgehen. Sie hat in der Regel eine Länge von I—1'/, Fuß und iſt 
in Entfernungen von 2—3 Zoll in Gelenke (Knoten, Abſätze) abgetheilt, an 
welchen ſich die Wurzeln anſetzen. Dieſelben werden abgetheilt: 

a. In die Fußwurzeln, die am unterſten Ende des Wurzelſtocks ſich anſetzen 
und ausbreiten, tief in den Boden eindringen und dort den Fuß des ganzen 
Stocks bilden, durch den derſelbe die nöthige Feſtigkeit im Boden erhält. Sie 
ſind zugleich die Hauptwurzeln, welche dem Stock die meiſte Nahrung auch 
aus den untern Bodenſchichten, ſowie, wenn der obere Boden ausgetrocknet 

| 4 


2 


iſt, die erforderliche Feuchtigkeit zuführen, und ohne welche kein Rebſtock ge⸗ 
hörig gedeihen und ein kräftiges Alter erreichen kann. 

Unter denſelben wird die ſtärkere, die mehr ſenkrecht und tief in den Boden 
eindringt, um dort Nahrung zu ſuchen, die Stech-, Pfahl- oder Herz⸗Wurzel 
genannt. 

b. In die Seitenwurzeln, welche ſich an verſchiedenen Stellen der Stange 
anſetzen und ausbreiten und dem Stocke aus dem gebauten Grunde die 
erforderliche Nahrung zuführen. 
| e. In die Thau⸗ oder Tagwurzeln, welche ſich am oberſten Gelenke unter 
dem Kopfe des Stocks bilden und ihren Namen daher haben ſollen, daß ſie, 
weil mehr an der Oberfläche des Bodens, theilweiſe zu Tage gehen und 
hauptſächlich den Thau einſaugen. Sie erſcheinen an jungen Rebſtöcken und 
in lockerem, kräftigem, gutgedüngtem Boden häufiger, als an alten Reben in 
feſterem Boden. 

Die Wurzeln entwickeln ſich bei der in den Boden eingeſentten Rebe, be⸗ 
ſonders an dem an jedem Gelenke befindlichen Wulſt, wo auch das Auge ſich 
befindet, das durch die Wärme und Feuchtigkeit des Bodens in Trieb kommt 
und dadurch Leben in die Rebe bringt und dieſelbe, weil das Auge als im 
Boden befindlich ſich nicht entwickeln kann, dadurch zur Wurzelbildung anregt. 

Jede größere Wurzel hat in der Regel wieder ihre Zweigwurzeln, die 
ſich in dünne, zarte, faſerartige Zweige abtheilen, aus dem Boden die zum 
Gedeihen des ganzen Rebſtocks erforderliche Nahrung, die ihnen hauptſächlich 
durch das Waſſer theils aus der Luft, theils aus der Erde zugeführt wird, 
an ſich ziehen, und daher Saug- oder Haarwurzeln genannt werden. 

Alle Wurzeln ſind an ihrem Ende etwas ausgehöhlt und mit einer großen 
Menge kleiner Löcher oder Poren, wie der Kopf einer Gießkanne, verſehen, 
durch welche die Nahrungsſäfte aus dem Boden eingeſaugt werden. Sie ver⸗ 
längern ſich und wachſen, ſo lange ſie im Boden Nahrung finden und dringen 
oft in die härteſte Erde, in Steinſpalten, weiche Steine und Gemäuer ein, 
um dort Nahrung zu ſuchen. Finden ſie keine Nahrung oder wird durch harten 
Boden, Felſen ꝛc. das Vor- und Seitwärtsſchreiten der Wurzeln gehindert, 
ſo tritt eine Stockung der Vegetation ein, die Wurzeln ſterben nach und nach 
ab und mit ihnen der Rebſtock ſelbſt, oder er bleibt in der Entwicklung zurück. 
In einem kräftigen, gut durchgearbeiteten, nicht zu feſten und zu lockeren Bo⸗ 
den, durch den die Wurzeln überall dringen und Nahrung finden, wird die 
Bewurzelung ſehr ſtark ſein und gegen alle Seiten ſich eine ſchöne Wurzelkrone 
bilden, während in all zu lockerem, leichtem, magerem, ſandigem oder gar 
wäſſerigem Boden, die Wurzeln, weil ſie weniger Nahrung finden, dünner 
und länger werden und weniger Seitenwurzeln haben, d. h. ſie müſſen ſich 
mehr ausdehnen, um entſprechende Nahrung zu finden, wobei jedoch auch 


3 


wieder zwiſchen den einzelnen Rebgattungen eine große Verſchiedenheit jtatt- 
findet, indem manche Gattungen, wie der Trollinger, eine ſehr ſtarke Vegeta⸗ 
tionskraft beſitzen und daher eine ausgedehnte Wurzelkrone bilden, während 
andere Gattungen mit geringerer Vegetationskraft, wie der Traminer, nur 
wenig ausgebreitete Wurzelkronen beſitzen. 

Die Wurzeln entſtehen dadurch, daß ſich innerhalb derſelben kleine Luft⸗ 
gefäſſe bilden, die von einem feinen Zellgewebe in einer bedeckten Haut einge- 
ſchloſſen find, und fi nach und nach verlängern, die Haut der Wurzel durch- 
dringen und in die Erde gehen, woraus deutlich zu entnehmen iſt, daß auch 
die Wurzelu zu ihrer Fortbildung Luft nöthig haben, und daß, ſo wie ſie zu 
tief mit Erde bedeckt werden und die Luft fehlt, die Pflanze zu Grunde gehen 
muß. Mit den gewöhnlich im weichen oder flüſſigen Zuſtande befindlichen 
Nahrungsſäfte der Rebe gehen aber auch Stoffe in die Wurzeln über, welche 
zur Ernährung derſelben nicht nöthig find, und die daher, nachdem die zuſam⸗ 
mengeſetzten Stoffe durch die Rebe verarbeitet find (§S. 75), durch die Poren 
der Wurzeln wieder ausgeſchwitzt werden; es ſind dieß die Excremente der 
Reben. 


2. Der Stamm, die Zweige, die Blätter. 


SI: 

Der Stamm, der ſich außer der Erde befindet, iſt eine Fortſetzung des 
Wurzelſtocks. Er beſteht bei der Kopferziehung zunächſt in dem Kopfe (der 
Krone), einem runden Wulſt, der, bei der Anlage eines Weinberges, durch 
mehrmaliges Abwerfen der aus dem oberſten Gelenke des Setzholzes ausge— 
wachſenen Zweige gebildet wird. Bei der Schenkelerziehung iſt der Stamm 
eine einfache Verlängerung des Wurzelſtocks, der, ſtatt durch Abwerfen, durch 
Heranziehung der oben gedachten Zweige ſeine etwa ein Fuß hohe Form erhält. 
Durch das öftere Abwerfen der oberen Zweige an dem Stamme bildet ſich 
dort auch nach und nach eine Art Kopf oder Krone; der Theil vom Kopf 
herab bis zum Boden und zum Wurzelſtock heißt dann der Hals. 

Aus dem Kopfe werden, wenn das Abwerfen deſſelben unterlaſſen wird, 
im dritten oder vierten Jahr die Schenkel, gewöhnlich drei, herangezogen, die 
den eigentlichen Stamm bilden, auf welchen dann, wie bei der Schenkeler— 
ziehung auf dem einfachen Stamme, die Zweige hervorwachſen. Die letztern 
werden abgetheilt: 11 

a. In das zweijährige Holz, das entweder als fruchttragendes Holz zu 
der Erzeugung von Trauben oder zu der Heranbildung neuer Schenkel oder 
Stämme herangezogen wird. Im erſtern Falle wird es 

Tragholz, Zugäſte, Geſcheer, im zweiten Falle Bodenholz genannt, das 

1 * 


4 * 


unmittelbar aus dem Kopfe oder aus den unterſten Theilen der Sachen 
kel erwachſen iſt. 

Dieſe Hölzer ſind, wie die Stange im Boden, in Gelenke (Knoten) . 
theilt, die ſich durch ovale Erhabenheiten bemerklich machen. Ihre Form iſt 
jedoch bei den einzelnen Rebgattungen verſchieden und theils weit oder eng 
auseinanderſtehend, groß oder klein, erhaben oder platt gedrückt, von der Farbe 
des Rebholzes oder heller oder dunkler gefärbt. 

b. In das einjährige Holz, das aus dem zweijährigen Holze oder auch 
unmittelbar aus den Schenkeln oder dem Stamme und aus dem Kopfe heraus⸗ 
wächst. So lange dieſe Triebe noch weich ſind, werden ſie Schooße, wenn 
ſie aber ausgezeitiget und hart ſind „Hölzer genannt. 

Der Körper des Rebſtocks und der Rebe beſteht aus verſchiedenen Be— 
ſtandtheilen, nämlich aus der Rinde, dem Holze und dem Marke. Die Rinde 
theilt ſich ab in äußere und innere, und bedeckt den Rebſtock ſowohl innerhalb 
als außerhalb des Bodens. Sie hat die Beſtimmung den Weinſtock in der 
natürlichen Form zu erhalten, das Einſaugen und Ausdünſten der zum Leben 
deſſelben erforderlichen oder entbehrlichen Säfte zu bewirken und die im Innern 
zur Verarbeitung der Säfte vorhandenen Einrichtungen zu ſchützen. 

Die äußere Rinde iſt ein dünnes Häutchen, welches die feſt daran liegende 
innere Rinde umgiebt, ſie hat ſehr viele Oeffnungen, die mit ähnlichen Oeff— 
nungen der innern Rinde in Verbindung ſtehen. An den Wurzeln des Reb— 
ſtocks bleibt ſie glatt, weich, feucht und ſpringt ſelten auf, an dem Stamme 
über dem Boden aber, wo ſie den Einwirkungen der Kälte und Wärme, der 
Feuchtigkeit und Trockenheit und den Winden ausgeſetzt iſt, ſpringt ſie meiſtens 
über den Winter auf, ſo daß ſie im Frühjahr abgeſtreift werden kann, indem 
ſich dann ſchon wieder eine neue Oberhaut gebildet hat. Die innere Rinde 
iſt ſehr gefäßreich und liegt unmittelbar unter der äußern Rinde, ſie beſteht 
in einer lebenden Ninden-Subjtanz, die eine grüne mit Säften erfüllte Maſſe 
bildet, ſie iſt anfänglich glatt und zart, wird aber ſpäter ſtärker und verhärtet 
ſich nach und nach. 

Unter der Rinde liegt der Baſt, dann der Splint und das feſtere Holz, 
die ein und dieſelbe Subſtanz ſind, ſich aber nur in verſchiedenen Lebensperio⸗ 
den befinden. Der Baſt iſt ein aus dicht zuſammengedrängten Gefäſſen zu⸗ 
ſammengeſetztes Zellgewebe, das ſich noch nicht verhärtet hat und daher ſchlei⸗ 
mig und zähe iſt. Er iſt es hauptſächlich, durch den der Säfte-Umlauf be⸗ 
fördert wird, weßhalb, wenn der Baſt rings um den Stamm verletzt wird, 
oder durch Winterfroſt zu Grunde geht, auch die Rebe abſtirbt. Der Splint 
iſt das weichere Holz, der verhärtete Baſt, der das ältere feſte Holz umgiebt, 
nach und nach in letzteres übergeht und wie bei andern Hölzern einen öfters 
kaum bemerkbaren Jahresring bildet. Sowie der Baſt in Splint übergeht, 


5 


fo entſteht ob demſelben wieder eine neue Baſthaut, fo daß die Vegetation nie 
ſtille ſteht. Das Holz iſt der feſtere holzartige Theil der Rebe, es beſteht aus 
lauter Gefäſſen und Faſern wie Röhrchen, die enge neben einander liegen 
und eine poröſe, ſtets mit Flüſſigkeit gefüllte Maſſe bilden. 

Unter dem Holze in dem innerſten Theile der Rebe befindet ſich das 
Mark. Es iſt eine lockere Subſtanz, die das Anſehen eines dichten mit Saft 
angefüllten Zellgewebes hat, und die Natur ſcheint es den Pflanzen in der 
Abſicht gegeben zu haben, um Vorrath von Flüſſigkeiten zu ſammeln, damit ſie 
bei eintretender Dürre nicht leiden; es iſt daher in jungen Reben ſtärker vor— 
handen als in ältern, beſonders dem Stamme, wo es von dem anwachſenden 
Holze immer mehr verengert wird, weil daſſelbe, wenn es eine Feſtigkeit er⸗ 
langt hat, nicht mehr fo viel Nahrung erfordert, wie die junge Rebe. Es iſt 
in dem ältern Rebholze von bräunlicher, in dem jüngeren, den Schooſen, von 
grünlicher oder weißlicher Farbe und ſowohl in dem Stamme als in den 
Wurzeln vorhanden, auch findet man es, obgleich kaum ſichtbar, in den feinſten 
Würzelchen. Es iſt offenbar das wichtigſte Organ der Rebe und gleichſam 
der Centralpunkt des vegetativen Lebens, obgleich ältere Reben, aus dem an⸗ 
geführten Grunde, auch fortleben können, wenn das Mark durchgeſtoßen wird, 
oder andere Hölzer, wie die Weide, wenn das Mark durch Alter und Fäulniß 
zu Grunde geht. Starke Markgefäſſe treiben, um das Wachsthum der Pflanze 
zu befördern, den Nahrungsſaft mit mehr Schnelligkeit und in größerer Menge 
empor als engere, daher iſt auch das Mark der jungen Rebe viel ſtärker, als 
in dem Stamme, und es läßt ſich dadurch auch das ſtarke Wachsthum der 
Rebe gegenüber von andern Pflanzen ſowie einzelner Rebgattungen erklären 
Ebenſo warum Reben auf ganz fettem Boden ein größeres Mark erzeugen 
als ſolche auf magerem Boden. Sobald an der jungen einjährigen Rebe das 
Mark in die bräunliche Farbe, der Baſt in Splint und dieſer in feſteres Holz 
übergegangen iſt, auch die äußere Rinde die ihr eigenthümliche braune oder 
braunrothe Farbe angenommen hat, ſo hat die Rebe oder das Rebholz ſeine 
Zeitigung und dadurch die Fähigkeit zur Fruchtbringung im folgenden Jahre 
erlangt. Reben, welche dieſe Zeitigung nicht erlangt haben, oder die vor der— 
ſelben durch Spätjahrsfröſte ꝛc. beſchädigt worden ſind, bleiben in der Regel 
unfruchtbar. 

Die ganze Rebe iſt, wie ſchon bemerkt, in Gelenke abgetheilt und an 
jedem Gelenke mit Knoten verſehen, an welchen ſich die mit Zellgeweben ver— 
bundenen verſchiedenen Gefäſſe der Rebe verengen und ſich gegen den Mittel— 
punkt an die Markröhren ſternähnlich anſchließen, wie beim Durchſchneiden der 
Rebe erſichtlich iſt. Der Säfteumlauf wird dadurch etwas aufgehalten oder 
zuſammengedrängt, damit die verſchiedenen Reproductionsorgane Zeit gewinnen, 
ihr Geſchäft zu vollziehen und die von der Wurzel durch Stamm und Rebe 


6 


— 


aufgenommenen, nährenden, belebenden oder flüſſigen Stoffe zu ihrer weitern 


und endlichen Beſtimmung zu verarbeiten und dadurch den Frucht- und andern 


Trieben Leben und kräftige Entwicklung zu geben. 


Der Saft der Rebe iſt eine Flüſſigkeit, die aus der Erde und der At⸗ 
mosphäre in dieſelbe eingeführt und von ihr verarbeitet wird. Auf welche 
Weiſe die Verarbeitung vor ſich geht, und welche Verrichtungen die einzelnen 
Beſtandtheile der Rebe dabei zu übernehmen haben, darüber ſind die Natur⸗ 
forſcher noch nicht einig, nur ſo viel ſcheint ſicher zu ſein, daß die Säfte, 
welche die Rebe aus dem Boden und aus der Luft an ſich zieht, ohne Zutritt 
und Mitwirkung der letztern ſelbſt, ſowohl außer als im Boden nicht verar⸗ 


beitet werden können, daher auch die Rebe, ſo wie jede andere Pflanze beſon⸗ 


dere Luftgefäſſe enthält. 
Der Saft übt zwei verſchiedene Bewegungen aus, durch die eine wird er, 


nachdem er aus dem Boden durch die Saugröhren der Wurzeln eingeſogen 


iſt, bis zu den äußerſten Zweigen des Stocks emporgehoben, indem er durch 
alle Gefäſſe der Rebe hindurchgeht, durch die andere läuft er, nachdem er 
durch die Einwirkung des Sonnenlichts und die Verarbeitung in den Blättern 
(§. 4) bedeutende Veränderungen erfahren, bis zu den letzten Wurzelver⸗ 
zweigungen unter der Erde zurück. Er iſt beſtändig in Bewegung und je nach 
der Jahreszeit und dem Zuſtande der Entwicklung der Rebpflanze bald raſch, 
bald weniger geſchwind. Die Wärme übt auf das Aufſteigen des Saftes einen 
weſentlichen Einfluß aus. Im Frühjahr zeigt derſelbe die größte Thätigkeit, 
weil hier die größere Feuchtigkeit des Bodens mit der größeren Wärme⸗Ent⸗ 
wicklung zuſammentrifft. Bei Tage ſcheint er mehr im Aufſteigen, zur Nacht⸗ 
zeit mehr im Hinabſteigen begriffen zu ſein. 


Auch während des Winters ſtockt der Saft des Weinſtockes nicht REN 


ſondern er bewegt ſich nur viel langſamer. Er dünſtet aus und fett auch die 


Verarbeitung der Säfte fort. 

Bei dieſem Säfte⸗Umlauf ſoll das Mark des Weinſtocks als ein zur 
Verarbeitung des Saftes beſtimmten Behälter, die Holzſchichten als die Ca⸗ 
näle des aufſteigenden Saftes und die Rindenſchichten als die Röhren des ab⸗ 
ſteigenden Saftes zu betrachten ſeyn. Die Haarröhren des Holzes, weil ſie 
einen dem Haare ähnlichen Durchmeſſer haben, beſitzen die Eigenſchaft, die 


flüſſigen Stoffe auf noch nicht genau erörterte Weiſe gegen die Geſetze den 


Schwere empor zu heben und zwar mit einer deſto größeren 12. je Eleiner 
ſie find. 

Die Elektrizität der Luft ſcheint gleichfalls bei der Bag der Rebe, 
mithin an der Bewegung, Verarbeitung und Ausdünſtung der Säfte weſentlich 
Antheil zu nehmen, wenigſtens iſt es Erfahrungsſache, daß in Jahren, in 


> 


1 — 


7 


welchen die Luft mehr mit electriſchen Stoffen geſchwängert iſt, dieſelben einen 
weſentlichen Einfluß auf die lebhafte Vegetation der Rebe ausgeübt haben. 


8.3. 

An den Gelenken der Reben befinden ſich die Augen, die eutweder ſpitz 
oder ſtumpf, kahl oder wollig, oft ſchuppig und mit einer kleinen wolligen 
Spitze verſehen, oder ganz geſchloſſen und auch in der Farbe etwas verſchieden 
ſind; dieſelben wachſen in zwei entgegengeſetzten Reihen, ſo daß, wenn das erſte 
unterſte Auge auf der rechten Seite der Rebe ſteht, das folgende auf der lin⸗ 
ken Seite erſcheint und ſofort. Das Auge iſt eine Fortſetzung der Rinde, des 
Holzes und des Markes. Daſſelbe iſt durch drei oder vier lederartige Blätt⸗ 
chen eingehüllt, die als eine Verlängerung der Rinde erſcheinen. Dieſe Blätt⸗ 
chen haben auf ihrer Oberfläche die Farbe der Reben, die innere Seite fällt 
aber ins Grüne. Sie bedecken das Auge in Form eines Daches. Unter dieſer 
erſten Hülle befindet ſich eine zweite, die aus einem wolligen Stoffe beſteht, 
lichtroth und beſonders dicht in dem obern Theile des Auges iſt. Daſſelbe 
wird aus der Rebe da gebildet, wo man beim Querdurchſchnitt derſelben Linien 
wahrnimmt, welche von dem Marke ausgehen und in verſchiedener Richtung 
ſich bis zum äußern Umfange erſtrecken. Dieſe Linien ſcheinen Markfortſetzun⸗ 
gen zu ſein und werden daher Markſtrahlen genannt. Das Auge ſelbſt, wie 
alle übrigen Triebe, werden aber durch die an den Gelenken befindlichen Spi⸗ 
ral gefäſſe hervorgebracht, die in Gefäßbündeln mit Zellgeweben beſtehen. 

Aus den Augen gehen entweder Früchte oder neue Zweige, einjähriges 
Holz, hervor. Sind dieſelben vollkommen dick, faſt viereckig, ſo ſind ſie in der 
Regel fruchtbringend und werden Fruchtaugen, ſind ſie aber dünn, zugeſpitzt 
und unvollkommen, ſo treiben ſie nur Holz und Blätter und werden Holzaugen 
genannt. Letztere zeigen und entwickeln ſich auch an den Gelenken der Schenfel 
und des Stamms ſowie an den Auswüchſen des Kopfes. 

Aus den Fruchtaugen entwickeln ſich nicht unmittelbar die Trauben, ſon⸗ 
dern dieſelben treiben zuerſt Schooſe (Lotten), die wieder in Gelenke abge— 
theilt ſind, an welchen ſich dann erſt die Trauben anſetzen. So wie im Früh⸗ 
jahr Wärme eintritt, ſo ſchwellen die Augen an, es entwickelt ſich eine Knospe, 
aus der dann der erſte Trieb hervorgeht, der an ſeinem erſten Gelenke ſchon 
wieder ein Auge zeigt, das gewöhnlich, weil die Witterung noch kühl und die 
Vegetation noch ſchwach iſt, in ein Holzauge übergeht, je mehr aber die Wärme 
zunimmt, deſto ſchneller entwickelt ſich auch der Trieb der Rebe. Das erſte 
und zweite Gelenke (Glied) ſtehen, weil die Vegetation noch nicht ſehr lebhaft 
iſt, in der Regel enge beiſammen, durch die wärmer gewordene Luft vermehrt 
ſich aber die Vegetation täglich mehr, wodurch die Glieder des Triebs ſich 
immer raſcher ausdehnen und dadurch auch mehr von einander entfernt werden. 


8 8 


Bei anhaltend günſtiger Witterung entwickeln ſich ſchon am zweiten und 
bei einzelnen Traubengattungen ſogar ſchon am erſten Glied aus den ſich zei⸗ 
genden jungen Augen die Traube bis zum ſiebten Glied und manchmal noch 
höher hinauf, jo daß aus dem einen Auge des vorjährigen Holzes gewöhnlich 
zwei, öfters aber auch vier bis ſechs Trauben hervorgehen. Die Eigenſchaft, 
daß einzelne Traubengattungen ſchon aus den unterſten Augen des vorjährigen 
Holzes Trauben treiben, während dieſes bei andern erſt am dritten oder vier⸗ 
ten Auge der Fall iſt, hat auf die Erziehung der Rebe einen weſentlichen Ein⸗ 
fluß und verdient dabei, wie wir ſpäter nachweiſen werden, alle Beach— 
tung (§. 134.) 


Die Entſtehung der ſogenannten Holzaugen kann nicht nur aus dem be⸗ 


reits angeführten Grunde, ſondern auch noch weiter dadurch hergeleitet werden, 
daß die Säfte der Rebe zuerſt bis gegen die Spitze der friſchen Triebe ſteigen, 
dort eine Umbildung erleiden und in der Rinde gegen den Boden zurückkehren, 


daß jedoch, je weiter ſie gegen unten kommen, der Saft geringer und zur 


Fruchtbildung untauglicher wird, ſo daß die an den untern Theilen der Rebe 
befindlichen Augen nicht mehr kräftig ausgebildet werden können, und un⸗ 
fruchtbar bleiben, worin auch der Grund zu ſuchen iſt, warum bei ſtarktriebi⸗ 
gen Reben ſich unten mehr Holzaugen als bei ſchwachtriebigen zeigen, und 
warum daher erſtern längere Ruthen als letztern angeſchnitten werden müſſen. 


Tritt während der Entwicklung der Knoſpe und des Triebs unbeſtändige, 


kalte und regneriſche Witterung ein, ſo fallen die Knoſpen gerne ab, oder die 
Augen der jungen Triebe verwandeln ſich, weil es an Wärme fehlt, in Holz⸗ 
augen, oder die ſich zeigende unvollkommene Traube verwachst in eine Gabel 
(Bollhacken). Solche Gabeln ſind daher nichts anderes als unausgebildete 
Trauben, daher auch hei ungünſtiger Witterung der Winzer ſagt: die Trauben 
vergabeln ſich. 

Aus dem hier Angeführten läßt ſich auch erklären, warum die Reben der 
gleichen Gattung bei naſſem, feuchten Wetter, auf kühlem, feuchten Boden oder 
in minder guten ſchattigen Lagen ſtärkeres Holz mit weiter auseinanderſtehen⸗ 
den Gelenken hervorbringen, als in warmen ſonnigen Lagen mit warmem Bo⸗ 
den und warum die weit auseinanderſtehenden mehr platten Augen weniger 
fruchtbar ſind. Ueberhaupt hat die Wärme einen mächtigen Einfluß auf die 
Entwicklung der Triebe und der Trauben, wie denn in ſüdlichen Ländern 
häufig ſchon die unterſten Augen Trauben treiben, während dieſes in mehr 
nördlichen weit weniger der Fall iſt. 


/ 


Die einjährigen Triebe haben gewöhnlich eine Länge von 2—4 Fuß, hie 


und da wachſen ſie in triebigem Boden aber bis zu 6 und mehr Fuß, ihre 
obern Augen treiben keine Trauben mehr ſondern Gabeln, Hacken (Bollhacken), 
Ranken, die in runden länglichen Trieben von der Farbe des Rebholzes be⸗ 


ſtehen und den Zweck haben, dem noch weichen, einjährigen Holze und den 
daran hängenden ſchweren Trauben zur Stütze zu dienen, damit das Holz 
durch die Winde nicht abgeriſſen und die Trauben nicht auf die Erde zu liegen 
kommen und verfaulen. Sie ſind vornen in dünne Hacken abgetheilt, mit 
welchen ſie ſich an alle nahe Körper (Pfähle) anhängen, dieſelben feſt um⸗ 
ſchlingen und dadurch die Rebe feſthalten. Sie verholzen bis zum Spätjahr 
wie das Rebholz, auch unterſcheiden ſich die einzelnen Rebgattungen dadurch 
von einander, daß ſie bald mehr, bald weniger Gabeln treiben. 


Ebenſo erſcheint auch bei dem Rebholz der verſchiedenen Rebgattungen, 
nachdem ſich daſſelbe verholzt hat, hinſichtlich der Geſtalt und Farbe ein we⸗ 
ſentlicher Unterſchied, indem daſſelbe gerade oder etwas gebogen, gefurcht oder 
nicht gefurcht, dunkelbraun, hellbraun oder gelblich braun, röthlich und theil- 
weiſe mit ſchwarzen oder braunen Punkten und Streifen verſehen und hie und 
da glänzend iſt. Bei den Endſpitzen der jungen Triebe findet man gleichfalls 
ſehr beſtändige Unterſcheidungszeichen, indem dieſelben theils grün, theils ins 
rothe ſpielend erſcheinen und mit ganz loſer Wolle oder mit dichten Haaren 
bedeckt ſind, die den Endſpitzen bei manchen Traubengattungen eine faſt weiße 
Farbe geben. 


§. 4. 

Jedem Auge des einjährigen Holzes ſteht am gleichen Knoten ein Blatt 
gegenüber und ob dem Blattſtiele entwickeln ſich, geſchützt durch den letztern, 
zwei ob einanderſtehende Augen, wovon das untere kleinere das Holzauge bildet 
und während des Sommers ausſchlägt und Schooſe treibt, die man Aberzähne, 
Eberzähne, Geizen, richtiger Afterzähne, Afterſproſſen, Nebenzweige, Winkel⸗ 
triebe nennt, die, wie die Hauptzweige auch wieder ihre Knoten, Augen und 
Blätter und in günſtigen Weinjahren auch noch kleine Träubchen treiben, die 
jedoch ſelten vollkommen reif werden. Das obere vollkommenere Auge bildet 
ſich zum Fruchtauge des folgenden Jahres aus. 


Die Blätter gehören zu den wichtigſten Organen des Weinſtocks und ſind 
gleichſam die Werkzeuge zum Athmen deſſelben. Daſſelbe oder das Ausdün⸗ 
ſten des Weinſtocks geſchieht hauptſächlich durch die Blätter, außerdem aber 
auch durch das Holz (§. 2), die Blüthen und Früchte. Die Ausdünſtung 
iſt ſehr ſtark und ſoll wenigſtens ſiebzehnmal ſtärker ſein als diejenige des 
Menſchen, die Wärme vermehrt ſie, daher ſie an heißen Tagen ſtärker als 
zur Nachtzeit und an Regentagen iſt. Wärme auf Regen befördert ſie ſehr, 
während kühle Witterung und Feuchtigkeit dieſelbe unterdrückt, daher auch 
naſſe und kühle Sommer ſo nachtheilig auf die Entwicklung der Rebe und 
der Traube einwirken. 

Die Blätter find eine Verlängerung eines Theils des am Knoten befind— 


lichen Gefäßbündels der Rebe, der zuerſt den Stiel und an deſſen oberem 
Ende durch ſeine Entfaltung und Ausbreitung das Blatt bildet. 

Der Blattſtiel iſt bei den einzelnen Rebgattungen verſchieden ausgebildet, 
lang oder kurz und, je nach dem Standort der Rebe an Mauern oder auf 
fettem Boden etwas länger als im normalen Zuſtande. Er iſt in der Regel 
rund, dünn oder dick, unten und oben hie und da verdickt und mit mehr oder 
minder ſtarken und zahlreichen Haaren (wollig, borſtig) bedeckt, manchmal aber 
auch kahl. Seine Oberfläche iſt theils glatt, theils gerippt, geſtreift, warzig, 
und hie und da auf der obern Seite gefurcht. Seine Farbe iſt hell, dunkel, 
gelbgrün, rothgeſtreift und roth überlaufen, auch iſt derſelbe manchmal etwas 
gekrümmt. 

Der oben am Blattſtiel ſich theilende Gefäßbündel bildet die hervorſprin⸗ 
genden Rippen des Blatts, durch deren weitere Veräſtung die ſogenannten 
Blattuerven auf der ganzen Oberfläche des Blatts entſtehen. Daſſelbe hat 
gewöhnlich fünf Hauptrippen, von welchen die längſte und ſtärkſte gerade auf⸗ 
wärts, von den übrigen aber je zwei auf jeder Seite ſich ausdehnen und da⸗ 
durch dem Blatt die Form geben. An die Hauptrippen ſchließen ſich die 
Blattnerven an, die ſich wieder in viele kleine Gefäſſe zertheilen und die Rip⸗ 
pen dadurch mit einander verbinden. Rippen und Nerven ſind beſonders auf 
der untern Blattſeite durch Erhabenheiten zu erkennen, fie treten entweder 
ſtark hervor oder liegen faſt ganz in der Blattfläche, in welchem Falle dieſelbe 
als eben betrachtet wird. Auf der obern Blattfläche ſtehen die Rippen am 
Stielpunkt bis in die Hälfte des Blatts gewöhnlich ein wenig hervor, verlieren 
ſich, aber dann nud bilden bei manchen Rebgattungen Vertiefungen oder mit 
dem übrigen Blatt eine ebene Fläche. Die Zwiſchenräume der Rippen und 
Nerven ſind mit einem Zellgewebe ausgefüllt, das ſich wie ein Netz mit vielen 
Maſchen geſtaltet. 

Durch die fünf Hauptrippen wird jedes Blatt in fünf Lappen getheilt, 
die durch Randeinſchnitte ſichtbar ſind und ſich wieder abtheilen in den Mittel⸗ 
lappen und in die zwei vordern und zwei hintern Seitenlappen. Manchmal 
ſind auch einzelne Lappen und beſonders die hintern zuſammengewachſen, daher 
die Blätter an manchen Rebgattungen als dreilappig oder faſt als ganz 

(ohne Lappen) erſcheinen. 

Die Randeinſchnitte in die Blätter, wodurch die Lappen gebildet werden, 

heißen Buchten, bei regelmäßig gelappten Blättern bilden ſich zwey zwiſchen 
dem Mittel⸗ und den Vorderlappen, zwey zwiſchen den Vorder- und Hinter⸗ 
lappen und durch die letztern eine am Stiel, die Stielbucht. Die Buchten 
haben ſehr verſchiedene Formen, dieſelben gehen entweder tief oder nur ſchwach 
in das Blatt hinein, in welchem Fall ſie ſeicht oder tief ſind, gehen ſie aber 
bis zur mittleren Hauptrippe, ſo daß ein jeder Lappen faſt ein eigenes Blätt⸗ 


unse 


chen bildet, wie bei der Peterſilien⸗Rebe, ſo heißt das Blatt zuſammengeſetzt. 
Außerdem iſt der Grund der Bucht entweder ſpitz- oder ſtumpfwinkelig, aus⸗ 
gerundet oder herzförmig. Gehen die Lappen oben übereinander, fo find fie 
überdeckt, im andern Falle offen. 


Der Rand der Blätter hat gewöhnlich viele kleinere Einſchnitte, mit klei⸗ 
nen Läppchen, die man Zähne nennt, und an deren Spitzen bei manchen Reb⸗ 
gattungen ſich gelbe, kugelige, auch hackenförmige Knöpfchen befinden. Die 
Form der Zähne iſt ſehr verſchieden, fie find groß, klein, ſpitzig, ſtumpf, un 
gleich, wenn große mit kleineren Zähnen wechſeln. Unter dieſen Zähnen hat 
der Endzahn des Mittellappens die ausgeprägteſte Form, daher derſelbe auch 
als beſonderes Erkennungszeichen der einzelnen Rebgattungen betrachtet und 
bezeichnet wird, als kuppelförmig, halbkuppelförmig und zugeſpitzt. Die Blätter 
im Ganzen unterſcheiden ſich dann wieder durch ihre Größe, Dichtheit, Glätte, 
Farbe u. ſ. w., ſie ſind daher entweder groß oder klein, länglich, rund oder 
ſtumpf, d. h. mehr breit als lang, dick oder dünn, leder- oder taftartig, ſteif 
oder ſchlaff, glatt oder rauh, glänzend, eben, faltig oder blaſig, d. h. mit klei⸗ 
nen Erhebungen, hie und da mit zurückgeſchlagenen Rändern. Die Farbe iſt 
theils dunkel- theils hellgrün, theils röthlich mit vielen Unterabtheilungen ins 
bläuliche, bräunliche, gelbliche, röthliche ſpielend. Die Farbe der untern Blatt⸗ 
ſeite iſt gewöhnlich von der, der obern Blattſeite verſchieden. Auch durch die 
Verfärbung der Blätter im Spätjahre unterſcheiden ſich die einzelnen Rebgat⸗ 
tungen, manche zeigen keine Spur von rother Farbe, während andere einen 
Ueberfluß davon beſitzen. Erſtere zeigen dann bei der Verfärbung eine Nei- 
gung zum Gelbwerden, letztere zum Rothwerden. Dieſelbe nimmt beſonders 
bei den ins Gelbe ſpielenden Blättern in der Regel ihren Anfang am Rande 
derſelben und dehnt ſich nach und nach über den ganzen Blattrand und den 
größeren Theil des Blattes aus. Die rothe Farbe zeigt ſich bei manchen 
Gattungen mehr in Flecken, welche nach und nach das ganze Blatt einnehmen. 


Eine beſondere Beachtung verdient die Behaarung der Blätter. Die 
Haare wachſen aus kleinen Poren und ſcheinen dazu beſtimmt zu ſein, die fei⸗ 
neren Luftfeuchtigkeiten einzuſaugen, daher auch Reben auf beſonders hitzigem 
Standort ſowie aus ſüdlichern Gegenden öfters eine etwas ſtärkere Behaarung 
zeigen. Dieſelbe iſt jedoch ſehr verſchieden, je nachdem die Eigenthümlichkeit 
der Rebſorte dieſelbe mehr oder minder zu ihrem Gedeihen bedarf und bildet 
deßwegen ein beſonderes Unterſcheidungszeichen zwiſchen den einzelnen Rebgat⸗ 
tungen, auch iſt die Behaarung auf der Oberfläche des Blatts und auf der 
untern Blattfläche häufig verſchieden, daher auch dieſer Unterſchied zu berück— 
ſichtigen iſt. Unter der Behaarung verſteht man jedoch nicht die häufig an 
den Rippen oder Nerven befindlichen Borſte, ſondern die auf der ganzen Blatt⸗ 


12 


7 
* 


fläche verbreiteten Haare. Nach dieſer Behaarung laſſen ſich die Blätter ab⸗ 
theilen: 

a. in Blätter oben und unten behaart oder unten wollig (ſtärker behaart); 

b. in filzige Blätter, unten mit langen, durch einander gewirkten Haaren, 
wie ein Filz; 

c. in faſt nackte oder table Blätter, mit nur wenigen unmerkbaren Haa⸗ 
ren auf der Blattfläche, während die Rippen mit Haaren oder Borſten ver⸗ 
ſehen ſein können. 

Die Verrichtungen der Blätter ſind äußerſt wichtig und viel umfaſſend, 
ſie gewähren den zarten Zweigen, den Augen, den Blüthen und der Traube 
Schutz gegen Unfälle und gegen den Einfluß ungünſtiger Witterung, ſo wie 
Schatten in der heißen Jahreszeit und dienen zur Entwicklung und Erhaltung 
des Auges für das folgende Jahr. Sie find mit einer Menge kleiner Deff- 
nungen (Poren) verſehen, die dazu beſtimmt ſind, Feuchtigkeit (Regen, Thau) 
ſowie elaſtiſch dunſtförmige und gasförmige Stoffe (Kohlenſtoff, Sauerſtoff) 
aus der Luft einzuſaugen. Sie wachſen ſehr ſchnell und befördern eben da⸗ 
durch auch das Wachsthum der Rebe, indem das, was dieſelbe durch die 
Blätter einſaugt, unabläſſig zur Bildung neuer Triebe verwendet wird. 

Durch die Poren der glatten Oberfläche erfolgt bei Tage hauptſächlich 
die Ausdünſtung des Weinſtocks, d. h. das Geſchäft der Abſonderung und des 
Auswurfs derjenigen Säfte, die der Stock im Ueberfluß hat oder die ihm un⸗ 
nütz ſind. Dieſe Ausdünſtung iſt beim Weinſtocke beträchtlich und ſteht im 
Verhältniß mit dem Flächengehalt ſeiner Blätter. 

Durch die Poren der untern Blattfläche werden hauptſächlich zur Nacht⸗ 
zeit gasförmige Stoffe aus der Luft aufgenommen, und Luft in alle Theile 
des Weinſtocks geleitet, die auf den Saft deſſelben reinigend und belebend wirkt. 

Die Blätter ſind ſomit diejenigen Organe, in welchen der Lebensſaft der 
Pflanze verarbeitet wird, ſie ſind zur Ernährung und zum Leben derſelben 
unentbehrlich und ein Rebſtock, der ganz oder zum größern Theile entblättert 
würde, würde entweder ganz zu Grunde gehen oder in der Vegetation weit 
zurück bleiben. Das Auge wird unfruchtbar, wenn das ſchützende Blatt wäh⸗ 
rend der Bildung deſſelben hinweggenommen, und die Traube bleibt in der 
Zeitigung zurück oder wird gar nicht reif, wenn der Stock entlaubt, oder die 
Blätter durch die Sommerhitze geſengt werden oder durch Krankheit ihre 
Funktionen nicht mehr verrichten können. | 


3. Die Traube. 


8.5. 
Aus dem einjährigen Holze erwachst die Traube, dieſelbe beſteht in dem 
Traubenſtiele, dem Kamme, den Beerenſtielen und den Beeren. 


19413 


Der Traubenſtiel iſt derjenige aus dem Rebholz gewachſene Zweig, der 
die Traube mit der Rebe in Verbindung bringt. Er iſt anfänglich eine weiche, 
nach der Auszeitigung aber eine holzige Maſſe und in der Länge, Dicke, Farbe 
und ſonſtigem äuſſeren Ausſehen bei den einzelnen Rebſorten ſehr verſchieden. 
Er kann lang oder kurz, dick oder dünn, ſteif oder biegſam, hängend, zottig, 
borſtig oder kahl fein. Seine Farbe wechſelt nach den verſchiedenen Rebſor— 
ten vom hellen Gelbgrün bis zum dunkeln Roth, wobei er geſtreift, punktirt, 
warzig oder glänzend erſcheinen kann. Bei den meiſten Rebſorten iſt der 
Traubenſtiel durch einen Knoten in zwei Theile getheilt, der letztere iſt öfters 
ſtark verdickt, manchmal aber auch flach und kaum bemerkbar, bei verſchiedenen 
Traubenſorten kommt an demſelben eine kleine Traube mit einigen Beeren, 
manchmal aber auch nur eine Gabel hervor, die nach dem Blühen der Traube 
vertrocknet und abfällt. An dieſem Punkte iſt der Traubenſtiel leicht abzu⸗ 
brechen. f 

Der Kamm iſt eine Fortſetzung des Traubenſtiels und beginnt da, wo 
aus demſelben kleinere Stielchen hervorwachſen, an welchen ſich die Trauben— 
beere befinden (die Beerenſtielchen). Er wird der Blumenſtiel genannt. Bei 
manchen Traubengattungen gehen von dem Kamme verſchiedene Zweige (Aeſte) 
aus, an welchen ſich dann erſt die Beerenſtielchen befinden. Die Trauben 
werden daher eingetheilt in einfache und in zuſammengeſetzte. Letztere haben 
3—4 Abtheilungen, nämlich den Haupt⸗ oder Blumenſtiel, die an demſelben 
befindlichen Nebenſtiele (Zweige), die ſich öfters noch in Stiele dritter Gattung 
veräſten, und auf welchen dann erſt die Beerenſtielchen ſitzen, deren Geſammt⸗ 
heit an einem Aeſtchen, die Dolde, bildet. Solche zuſammengeſetzte Trauben 
werden als äſtig, manchmal aber auch als achſelig und beſonders dann als 
ſolche bezeichnet, wenn am untern Theile der Traube, da wo der Traubenſtiel 
endigt, ſich ein oder zwei Zweige zeigen, die wie Achſeln über den übrigen 
Theil der Traube hervorſtehen. 

Die Beerenſtielchen ſind bei den einzelnen Traubengattungen auf verſchie⸗ 
dene Weiſe geformt, ſie ſind entweder lang oder kurz, dick oder dünn, gleich 
dick oder gegen beide Endpunkte oder nur gegen einen etwas verdickt, glatt 
oder rauh, hie und da warzig. Gegen die Beere endigt das Stielchen in 
einem Wulſt, der allmählig verdickt, oder klein, oder keulenförmig, oder zu⸗ 
geſpitzt, hie und da warzig oder glatt erſcheint. Wenn man die Beere ab⸗ 
nimmt, jo zeigt ſich am Trennungsorte ein kleiner Ring, die F Franze, die gleich- 
falls verſchiedene Formen hat. 

Ss. 6. 

Auf den Beerenſtielchen ſitzen die Traubenbeere, die verſchiedene Bildungs⸗ 
ſtufen durchmachen müſſen, bis fie ihre ganze Reife und Vollkommenheit er- 
reichen. 


14 
Die Beere entiteht aus der Blüthe, iſt anfänglich ganz hart und grün, 
wird aber, je mehr ſie ihrer vollkommenen Ausbildung entgegengeht, nach und 
nach weich und nimmt eine beſtimmte Form und Farbe an. Sie beſteht dann 
aus der Beerenhaut, dem Safte und den Kernen. a ah 
Die Blüthe der Traube enthält von auſſen gegen innen den Kelch und 
die Blumenkrone, die Staubfäden und den Stempel. 
Jedes Beerenſtielchen endigt mit einer erweiterten und abgeplatteten Ober⸗ 
fläche, die in dem Fruchtboden beſteht. Dieſer Fruchtboden iſt ein wenig 
rund und erhaben und trägt in feiner Mitte den Blumengriffel (Stempel), 


die Staubfäden und die Honiggeſäſſe, am 9919 9 befindet ſich die Blumen⸗ 
krone und der Kelch. 


Der Kelch iſt die äuſſere Decke der Blüthenknoſpe, einblätterig und hat 
die Form eines kreisförmigen, grünen, dünnen und ſchmalen Bändchens, das 
durch ſeinen untern Rand mit dem Fruchtboden zuſammenhängt, am obern 
Rande aber freiſteht und nicht ſehr regelmäßig iſt, indem ſich theils abwech⸗ 
ſelnd mit den Blumenblättern fünf faſt kaum bemerkbare Zähne, theils an⸗ 
dere Bildungen zeigen. Dieſer Rand des Kelchs vertrocknet oft vor dem Auf⸗ 
blühen der Blume, weil er äuſſerſt klein und dünn iſt, woher auch die 
Unregelmäßigkeiten deſſelben kommen mögen. Der ganze Kelch vertrocknet und 
fällt, jedoch viel jpäter, mit den übrigen Blüthentheilen ab, manchmal erſt, 
wenn die Frucht etwa den dritten Theil ihres Umfanges erreicht hat. 


Die Blumenkrone iſt gleichfalls eine aber viel größere Decke als der 
Kelch. Sie iſt die unmittelbare Schutzdecke der Geſchlechtstheile, der Staub⸗ 
fäden und des Stempels (Griffels), und hält dieſelbe umhüllt, bis die Be⸗ 
fruchtung vor ſich gehen ſolle. Sobald dieſelbe beginnt, öffnet ſich die Blü⸗ 
thenknoſpe, d. h. die Blumenkrone ſpringt der Länge nach an den fünf gegen 
die Spitze vertieften Furchen auf und beſteht dann aus fünf, freiſtehenden, 
grünen Blättchen, die ſich jedoch nicht oben, ſondern unten am Fruchtboden 
von der Knoſpe nach einander trennen und gegen die Spitze ſich ziemlich 
ſchnell aufrollen, ſo daß die ganze Blumenkrone nur noch von den Staub⸗ 
fäden getragen wird, und hier einen Stern oder Kelch bildet, der ſofort in 
einem Stück zur Erde fällt. Aus der Form der Knoſpen der Blumenkrone 
läßt ſich ſchou auf diejenige der künftigen Frucht ſchließen, indem ſie kugelig 
bei den Traubengattungen mit runden Beeren, etwas länglich oder birnförmig 
bei jenen mit länglichen oder eiförmigen Beeren erſcheint. | 

Nach der Ordnung, dem Bau und der Vereinigung, die man in den 
Blüthentheilen bemerkt, erſcheint der Kelch als eine Vereinigung der äußeren, 
die Blumenkrone mehr als eine Verlängerung der inneren Rinde. Sie haben 
durch Einſaugung und Ausdünſtung die gleichen Verrichtungen wie die Rinde 


15 


und Blätter der Reben und tragen ſomit weſentlich zur ng der 
Blüthe bei. 

Die Staubfäden ſtehen je einer hinter einem Blumenblatt, nach Innen 
zu, auf dem Fruchtboden in der Furche zwiſchen dieſem und der Baſis des, 
Fruchtknotens und ſind ſtets ebenſo zahlreich wie die Blumenblättchen. Sie 
ſind gewöhnlich aus fünf eine Linie langen Fäden gebildet, an deren äuſſerſter 
Spitze ſich die Staubbeutel befinden. Die letztern beſtehen in einem gelben 
Körper mit zwei Zellen, die ſich gegen ihre Spitze mit einander vereinigen 
und dem Staubbeutel ein herzförmiges Ausſehen geben. Der Inhalt derſelben 
iſt ſtaubig und von weiß gelber Farbe. Die Staubfäden ſind die männlichen 
Zeugungsorgane. Wenn die Blüthe vollkommen entwickelt iſt, platzen die 
Staubbeutel der Länge nach an dem Theile auf, der gegen den Mittelpunkt 
der Blüthe gerichtet iſt und laſſen den von ihnen verſchloſſenen Befruchtungs— 
ſtaub auf die Narbe d. h. auf die Mündung des weiblichen Begattungstheiles 
fallen. Der Samenſtaub verbreitet den herrlichen Geruch, der während der 
Blüthezeit in den Weinbergen duftet. So lange die Befruchtung dauert, 
halten ſich die Staubfäden aufrecht und ihre Staubbeutel ſind gegen die Narbe 
gerichtet, ſo bald aber dieſelbe vorüber iſt, ſo verwelken ſie und fallen in der 
Regel ab, nur bei einigen Traubengattungen bleiben ſie ſtehen, bis die Beere 
ſich färbt oder ſogar bis nach der Beerenreife. 

Der Stempel (Griffel) beſteht aus einem Fruchtknoten, auf dem 185 an 
der Spitze ein runder Punkt ſich befindet, den man die Narbe nennt. Der 
Fruchtknoten kann zwei verſchiedene Formen haben: bald iſt er abgerundet, 
beinahe kugelrund und ſpitzt nach ſeinem obern Ende raſch zu, um dadurch 
unterhalb der Narbe einen Stempel oder Griffel zu bilden; bald iſt er läng⸗ 
lich, ſpindelförmig und verbindet ſich nach und nach mit der Narbe. Man 
ſollte glauben die letztere Form gebe den Traubenkernen eine ovale oder läng⸗ 
liche Geſtalt, man findet jedoch auch bei dieſen Traubengattungen häufig runde 

Beere. Zwiſchen dieſen zwei entgegengeſetzten Erſcheinungen kommen dann 
auch noch Fruchtknoten von keiner genau beſtimmten Form vor. 

Die Narbe iſt die Mündung des weiblichen Begattungstheiles, ſie iſt ab⸗ 
gerundet, platt und gegen das Innere etwas geſenkt, bisweilen faſt zweiſpaltig. 
Ihre ſammtartige Oberfläche, von grünlicher oder gelblicher Farbe, läßt in 
dem Augenblicke der Befruchtung durch die Staubbeutel einen kleineu Tropfen 
durchſichtigen Saftes ausſchwitzen, durch den der befruchtende Staub in den 
Fruchtknoten geführt wird. Der Fruchtknoten iſt hohl und durch eine Schei- 
dewand in der Mitte in zwei gleiche Fächer getheilt, die öfters auf der Ober- 
fläche deſſelben durch Einſchnitte angezeigt werden. Jede Höhlung ſchließt 
zwei Eier ein, die an der ſchiefſten Stelle der inneren Wand ſitzen, durch den 
in den Fruchtknoten geführten Staub befruchtet werden und dadurch den Grund 


16 


zu der Entſtehung der Frucht und einer neuen Pflanze legen. Dieſe Eierchen 
füllen die Höhlung nicht ganz aus, ſondern es bleibt zwiſchen ihnen und der 
Wand immmer noch ein leerer Raum, der aber verſchwindet, ſobald die 
Frucht zu wachſen anfängt. | 

Nicht alle Fruchtknoten ſcheinen auch bei den günſtigſten Witterungsver⸗ 
hältniſſen befruchtet zu werden, oder die nöthige Kraft zu ihrer Entwicklung 
zu haben, denn es iſt eine regelrechte Erſcheinung, daß alle Traubenſorten 
gegen das Ende der Blüthenzeit eine Menge von Fruchtknoten abfallen laſſen. 
Sind die Witterungs-Verhältniſſe günſtig, d. h. iſt die Luft rein, ohne Dünſte 
und hat die Atmosphäre eine Wärme von mindeſtens 16—18 Grade Reau⸗ 
mur, ſo erfolgt die Befruchtuug binnen 36—48 Stunden, und es ſind dann 
Ausſichten auf einen reichen und guten Herbſt vorhanden. Treten aber vor 
der Traubenblüthe und während derſelben kalte Luft, Nebel und Regen ein, 
ſo wird dieſelbe dadurch weſentlich geſtört, die Staubfäden ſind von der Kälte 
angegriffen und zuſammengezogen oder geſchwächt durch häufige Näſſe, es 
mangelt ihnen die zu ihrer natürlichen Verrichtung erforderliche Schnellkraft 
ſie gelangen nicht zu der gleichfalls kranken Narbe, und können daher dieſelbe 
entweder gar nicht oder nur unvollſtändig befruchten, beſonders da auch der 
zur Befruchtung erforderliche Saft verdickt, vermindert oder verdorben iſt. 
In einem ſolchen Falle erſcheinen entweder gar keine Trauben, oder ſolche 
mit unbefruchteten Kleinbeeren oder mit kranken Beeren, die ſpäter abfallen 
und daher nur einen geringen Herbſt in Ausſicht ſtellen. 

Blüthen, wie bei den Weinreben, welche die männlichen und weiblichen 
Befruchtungswerkzeuge in ſich begreifen, werden Zwitterblüthen genannt. 

Nach der Befruchtung wird die Narbe welk und verhärtet an der kleinen 
befruchteten Beere. Sie befindet ſich entweder genau in der Mitte der Bee— 
renſpitze oder iſt hie und da etwas auf die Seite geſtellt. 

Am Grunde des Fruchtknotens (Stempel) iſt derſelbe an der Stelle des 
früheren Kelches mit einem angeſchwollenen zirkelförmigen Randſtreifen um⸗ 
geben, in dem ſich kleine Körper in der Form von vier eckigen Plättchen be⸗ 
finden, die man die Scheibe auch Honiggefäſſe nennt. Dieſelben reihen ſich, 
wie die Staubfäden, in der Vertiefung zwiſchen dem Fruchtboden und der 
Baſis des Fruchtknotens an einander, kommen in allen Blüthen vor und 
unterſcheiden ſich nur in der Farbe, indem ſie bei einigen Gattungen von 
gelber, bei anderen von grüner Farbe ſind. Sie welken mit den Staubfäden 
und fallen mit dieſen zu gleicher Zeit ab. 

Außerdem findet man bei den meiſten Traubengattungen am Grunde des 
Fruchtknotens und ſcheinbar vereinigt mit der Scheibe, kleine Drüſen, die bald 
hart werden und dann jenen Theil bilden, den man an der Beere oder dem 
Beerenſtiel (§. 5) die Franze nennt. 


17 


Die hier gegebene Beſchreibung der Traubenblüthe (Scheine, Geſcheine) 
iſt der gewöhnliche Stand derſelben, es zeigen ſich aber bei einzelnen Trau— 
bengattungen bald mehr bald mindere Abweichungen davon, in Beziehung auf 
die Form der Knoſpen, die Art und Weiſe der Entfaltung der Blumenkrone, 
der Richtung der Staubfäden, der Zahl der Blumenblätter, der Staubfäden⸗ 
und der Fruchtknoten⸗Zellen, daher es ſehr von Intereſſe wäre, dieſe Verſchie— 
denheiten genauer kennen zu lernen, indem ſich bei weiteren Beobachtungen 
vielleicht auch darnach Kennzeichen auffinden laſſen, welche die einzelnen Reb— 
ſorten von einander unterſcheiden. 


SE 

Nachdem die Befruchtung der Blüthe vor ſich gegangen iſt, verwandelt 
ſich der Fruchtknoten in eine runde oder längliche, nach und nach aufſchwellende 
harte Beere. Sie hat die Beſtimmung die befruchteten Keime einige Zeit in 
ihrem Innern aufzubewahren und zu entwickeln, bis die letztern die erforderliche 
Reife und Vollkommenheit und dadurch die Kraft zur Fortpflanzung der Rebe 
erlangt haben, in welchem Zuſtande die Beere weich, ſüß und voll Saft er⸗ 
ſcheint. Dieſelbe beſteht aus dem Balge, dem Fleiſche, Mark oder Safte und 
den Kernen. Der Balg (Haut) ſcheint mit der inneren Rinde des Rebholzes 
in Verbindung zu ſtehen, er iſt dehnbar, zuerſt dick, je mehr aber die Zeitigung 
der Beere voranrückt, deſto dünner wird er, bei einigen Traubenarten ſogar durch⸗ 
ſichtig. Seine Beſchaffenheit iſt auch bei vollſtändiger Reife nicht bei allen 
Sorten gleich, ſondern er iſt entweder dick, fleiſchig und weich, oder dick und 
hart, oder mehr oder weniger dünn, hie und da auch beim Aufbeißen krachend. 
Das Fleiſch oder Mark der Beere beſteht aus einer Menge von Röhrchen 
und Bläschen (Zellen), die eine Art von zuſammengeſetzter Drüſe ausmachen, 
in der der Saft bereitet und aufbewahrt wird. Die Beere wird dadurch 
gebildet, daß aus dem Mittelpunkt des Stiels zwei große Gefäſſe hervorkom⸗ 
men, die den Saft in die Beere bringen, ſich durch die Mitte derſelben erhe— 
ben, wenn ſie an das entgegengeſetzte Ende derſelben gekommen, ſich umbiegen 
und ſich im Kreiſe umher in acht oder zehn feine Adern theilen, die ſich wei— 
ter veräſteln und endlich nahe an der äuſſeren Fläche ſich wieder vereinigen, 
um in den Stiel zurückzukehren, ſtets in einigem Abſtande von ſich ſelbſt und 
dem Balge, um gleichſam den überflüſſigen, unzubereiteten Saft wieder in 
den Stiel zurückzuführen. 

Das Mark der Beere beſteht in einer ſchleimigen, gewöhnlich weißlichen 
und nur bei der ſogenannten Farbtraube in einer rothen Subſtanz, die durch 
eine Anhäufung der zarteſten Bläschen entſteht, welche die Zwiſchenräume 
eines netzförmigen Gewebes ausfüllen, das aus vielen ſehr feinen Fäden zu⸗ 
ſammengeſetzt iſt. Man unterſcheidet in der Beere das Centralmark, worin 
die Kerne ſich befinden mit einem ſchleimigen Safte; das mittlere Mark, 

2 


18 - 
welches den Zwiſchenraum zwiſchen dem erſteren und den Mündungen der 
zurückführenden äuſſern Gefäſſe ausfüllt und einen ſehr ſüßen, zucker⸗ 
haltigen Saft enthält; ferner das Rindenmark, das zwiſchen dem mitt- 
lern Mark und dem Balg ſich befindet und in einem zwar zuckerhaltigen aber 
mehr ſäuerlichen Stoffe, als derjenige des mittlern Markes beſteht. Endlich 
befindet ſich über dem innern Theile des Balgs eine färbende harzartige Sub⸗ 
ſtanz, welche zur Zeit der Reife ſichtbar wird und der Traube die Farbe gibt, 
die auch in den Balg ſelbſt überzugehen ſcheint, daher die verſchiedenen Gat⸗ 
tungen bald weiß, gelb, grünlich, bald blau, roth, blauroth, grünroth ꝛc. ſind. 


Die Kerne befinden ſich in der Mitte der Beere, welche deren gewöhnlich 
fünf enthalten ſolle, wovon aber öfters nur 1—3 ausgebildet find, einzelne 
Sorten haben ſogar gar keine Kerne ($. 137). Von dem Fleiſche der Beere 
laufen die Enden mehrerer kleinen Fleiſchröhren in dem Kerne aus, um den 
Keim darin auszubilden und zu nähren. 


Die Kerne ſind im reifen Zuſtande mit einer kaffeebraunen, einen adſtringi⸗ 
renden Stoff enthaltenden Haut überzogen, ſind hart, dick, laſſen ſich vom Trau⸗ 
benfleiſch leicht ablöſen und enthalten eine weiße Subſtanz zum Kern, aus der 
ſich Oel ausſcheiden läßt. Durch dieſelben, wenn ſie vollſtändig ausgezeitigt 
ſind, pflanzt ſich die Rebe fort, es kommt jedoch dieſe Fortpflanzung, weil ſie 
lange Jahre in Anſpruch nimmt, bis die Rebe zum Ertrag kommt, ſelten vor. 
Wird der Blüthenſtaub bei der Befruchtung der Traube auf andere Trauben⸗ 
gattungen durch den Wind, oder durch Juſekten (Bienen ꝛc.), oder auf künſt⸗ 
liche Weiſe übertragen, ſo entſtehen Baſtarde, wodurch ſich vielleicht manche 
neue, brauchbare, vielleicht ſogar vorzügliche Traubengattung erzeugen ließe. 

Betrachtet man die Traubenbeere nach ihrer Farbe, Geſtalt und Be— 
ſchaffenheit, ſo ſind ſie, wie ſchon bemerkt, von verſchiedener Farbe, die je mehr 
die Reife zunimmt, bei den blauen Trauben dunkler wird (dunkelblau, ſchwarz⸗ 
blau), manche rothe gehen nach und nach in's bläuliche über (rother Sylva— 
ner), die graurothen nehmen einen bläulichen Farbenton an (Ruländer) und 
die grünen zeigen Neigung zum gelb werden und bekommen öfters braune 
Flecken. Außerdem befinden ſich faſt auf allen Beeren kleine Punkte, die auf 
den dunkelfarbigen hell, auf den hellfarbigen aber dunkel erſcheinen. Oben 
auf der Beere befindet ſich die vertrocknete Narbe, die entweder etwas hervor— 
ſteht oder bei manchen Traubengattungen in einem kleinen Grübchen liegt, 
auch ſind die Beere mit einem Dufte belegt, der bei manchen Rebſorten ſehr 
ſtark (Trollinger), bei andern faſt unmerklich iſt. 

Die Farbe der Traube hat einigen Einfluß auf deren Reife, indem, wie 
allgemein bekannt, ein dunkler Körper mehr Licht und alſo auch mehr Wärme 
aufnimmt als ein heller, wornach auch dunkel (blau und ſchwarz) gefärbte 


KR 
No) 


Trauben etwas früher reifen, als rothe und dieſe wieder etwas früher als 
weiße Trauben derſelben Gattung. Die Form der Traubenbeere iſt entweder 
verſchieden lang, oder länglich eiförmig, oder länglich in's Kugelige ſpielend, 
oder rund, kugelig, wobei dann namentlich bei den länglichen eine Menge von 
Abstufungen, zugeſpitzt, oval, ſtumpf, vorkommen. Ferner ſind die Beere ent⸗ 
weder klein, oder mittelmäßig, oder groß, oder ſehr groß. 


Die innere Beſchaffenheit der Beere iſt entweder ſaftig mit viel Saft, 
oder fleiſchig mit weniger Saft, auch hart. 


Der Saft iſt entweder dünnflüſſig oder ſchleimig, wäſſerig, ſäuerlich (herb), 
ſüß ohne beſondere Schärfe (mild ſüß), oder ſehr ſüß mit einer gewiſſen 
Schärfe, Weinſäure, die jedoch durch die größere Menge Zucker überdeckt wird 
und dadurch dem Weine gerade den angenehmen Geſchmack gibt. Bei einzel⸗ 
nen Traubengattungen mit beſonderem aromatiſchen Geſchmack, wie beim Mus⸗ 
kateller, Muskat⸗Gutedel, Rießling. Die Trauben im Ganzen genommen ſind 
meiſt etwas länglich (cylindriſch), und entweder einfach oder achſelig mit Sei- 
tenäſten (Achſeln §. 5), dicht, wenn die Beere enge, neben und aufeinander⸗ 
ſtehen, locker, wenn dieß weniger der Fall iſt, zottig mit ſehr langen Beeren⸗ 
ſtielchen. 


Hinſichtlich der Reife werden 1 die Trauben noch eingetheilt in 
frühreifende, mittelreifende und ſpätreifende d. h. in ſolche, die in guten Wein⸗ 
jahren ſchon im Monat September oder zu Anfang des Monats Oktober oder 
erſt zu Ende deſſelben vollſtändig zur 8 kommen. 


II. Die Traubengattungen. 


Se 
| Woher die Rebe ſtammt, wo der Urſitz derſelben war, 19 ſich nicht 
mehr beſtimmen. Manche nehmen an, daß dieſelbe urſprünglich aus Aſien, 
aus den Gegenden zwiſchen dem Schwarzen und Kaſpiſchen Meere ſtamme, 
weil dort auch beſſere Rebſorten häufig noch im wilden Zuſtande angetroffen 
werden und die Rebe eine außerordentliche Vegetation entwickle, ſo daß Stämme 
von 3—6 Fuß Durchmeſſer vorkommen. Wie ſchon erwähnt (§. 1) iſt aber 
die Rebe als wilde Pflanze auf einem großen Theil des Erdkörpers verbreitet 
und man findet ſie in Gegenden, wie z. B. in Nordamerika, wo ſie nicht 
durch frühere Cultur, ſondern nur durch die Natur verbreitet worden ſein kann. 
Wir glauben deßwegen, daß die Rebe eine ſchon urſprünglich weit verbreitete 
Pflanze iſt, daß man jedoch in den angeführten Gegenden Aſiens, wo auch 
Noah mit ſeiner Arche gelandet ſein ſolle und wo überhaupt, ſo weit unſere 


20 


Kenntniſſe und Traditionen reichen, der Urſitz der Civiliſation und der Cultur 
des Menſchengeſchlechts zu ſuchen ſein möchte, es zuerſt verſtand, aus dem 
Saft der Traube das edle Getränke, den Wein, zu bereiten, und daß dadurch 
auch von hier aus zunächſt die culturmäßige Anpflanzung der Rebe in die be- 
nachbarten aſiatiſchen Länder, den Wohnſitz der alten Cultur-Völker, und von 
dieſen dann ſpäter in andere Länder, Griechenland, Italien und die römiſchen 
Provinzen verbreitet worden ſey. 

Die nunmehr auf einem großen Theile unſeres Erdkörpers cultivirten 
Rebſorten ſind, hinſichtlich der Farbe und der Geſtalt der Traubenbeere, des 
Laubes und des Rebholzes ſehr verſchieden von einander, ſo daß wir nur allein 
in Deutſchland gegen dreihundert Sorten zählen und in Frankreich ſoll der 
berühmte Miniſter und Chemiker Chaptal gegen das Ende des vorigen Jahr- 
hunderts in einer beſondern Anlage ſogar zwölfhundert Sorten angepflanzt 
haben. Dieſe große Zahl von Sorten, die wir, wenn wir die verſchiedenen 
Sorten in andern entferntern Ländern (Aſien, Amerika) berückſichtigen, noch 
lange nicht alle kennen, mögen theils ſchon urſprünglich beſtanden haben, wie 
die verſchiedenen Sorten wilder Reben in Amerika nachweiſen, theils auch 
durch die Erziehung der Rebe aus Samen und der vorausgegangenen Befruch— 
tung durch andere Rebſorten ſowie auch durch climatiſche Einflüſſe entſtanden 
ſeyn, indem es eine bekannte Sache iſt, daß Pflanzen und insbeſondere auch 
die Reben in entferntere Gegenden verſetzt, leicht und in der Weiſe ausarten, 
daß ſie in geringen Lagen ſich verſchlechtern, in beſſeren aber ſich veredeln 
und dadurch, weil ſie dieſe Eigenſchaften bei Verpflanzung durch Rebſchnitt⸗ 
linge beibehalten, neue conſtante Abarten bilden. Außerdem kommen die ein⸗ 
zelnen Rebſorten in den einzelnen Ländern und Weinbaugegenden unter ſolch 
verſchiedenen Namen vor, daß die meiſten Sorten nach ihrer provinziellen Be⸗ 
nennung häufig eine ganz andere Sorte darſtellen, als in einer andern benach⸗ 
barten Gegend, während die Traube ein und dieſelbe iſt, ſo daß man nach 
den verſchiedenen Namen die eigentliche Sorte häufig nicht erkennen kann. 
Es haben ſich deßwegen ſchon manche Oenologen Mühe gegeben, in dieſes 
Chaos durch Claſſifikation der einzelnen Rebgattungen und durch Sammlung 
und Zuſammenſtellung der einzelnen Benennungen Ordnung zu bringen, unter 
welchen ſich neuerlich der verſtorbene Hofdomänenrath v. Gok in Stuttgart 
und Freiherr v. Babo zu Weinheim, im Großherzogthum Baden, beſonders 
auszeichneten. Erſterer gründete in ſeinem Werke „die Weinrebe und ihre 
Früchte“ (Stuttgart in der Georg Ebner'ſchen Kunſthandlung 1836) die Claſſi⸗ 

fikation der einzelnen Rebgattungen auf die Behaarung der Blätter, letzterer in 
ſeinem Werke „der Weinſtock und ſeine Varietäten“ (Frankfurt am Main bei 
Heinrich Ludwig Brönner 1844) auf die Geſtalt der Beere, ob lang, oder 
länglich, oder kugelig, wobei dann als Unterabtheilungen die Behaarung und 


, 


21 


Bezahnung der Blätter erſcheinen. Letzteres Werk ift nicht nur neuer, ſondern 
auch ſyſtematiſcher geordnet, und umfaßt, mit wenigen Ausnahmen, die ſämmt⸗ 
lichen Traubenſorten Deutſchlands, während das Erſtere ſich hauptſächlich nur 
auf württembergiſche Traubenſorten (ca. 120 Gattungen) beſchränkt. Wir ver⸗ 
weiſen hinſichtlich der Kennzeichen der einzelnen Reb⸗ und Traubenſorten ſowie 
der verſchiedenen Benennungen derſelben auf dieſe Werke und beſchränken uns 
hier hauptſächlich auf die Aufzählung der Eigenſchaften derjenigen Trauben⸗ 
gattungen die vorzugsweiſe in Süddeutſchland gepflanzt werden und bemerken 
nur noch, daß die Unterſuchung der Blätter der Reben am beſten während 
oder gleich nach der Blüthe vorgenommen wird, weil hier die Kennzeichen der— 
ſelben, beſonders auch die Behaarung, ſich am vollſtändigſten ausgebildet haben, 
während die Kennzeichen der Traubenbeere und des Rebholzes am richtigſten 
vor der Traubenleſe beurtheilt werden können. 
S 

Wir theilen die Reb⸗ und Traubengattungen ab in weiße und rothe und 
in blaue und ſchwarze, auch laſſen ſich dieſelben, je nach ihrer hauptſächlichſten 
Benützungsart in Wein- und Tafeltrauben ſcheiden. Wir beginnen daher zu⸗ 
nächſt mit den vorzüglich zur Weinerzeugung tauglichen Trauben und werden 
dann eine Zuſammenſtellung der Tafeltrauben folgen laſſen, wobei wir die Ein⸗ 
theilung nach dem v. Babo'ſchen Syſtem zu Grund legen: 


Weiße und rothe Trauben, 


J. Abtheilung. Beere länglich. 
Fre Alnterabtheilung. Blätter filzig. 


Zweite Alnterabtheilung. Blätter wollig, zottig. 
(Siehe Tafeltrauben $. 41.) 


Dritte Anterabtſeilung. Blätter faſt kahl. 
Endzahn, halbkuppelförmig. 


1. Orleans. Die Orleansrebe ſoll unter Karl dem Großen von Orleans in 
Frankreich nach dem Rüdesheimerberg, im Rheingau, verpflanzt worden ſein und 
ſich von dort aus im Rheinthale weiter verbreitet haben. Der Stock macht 

ſehr ſtarkes, kräftiges Holz, erfordert deßhalb eine lange Erziehung, iſt auch 
u Spalieren zu gebrauchen und taugt für magern, ſehr warmen Boden. Es 
gibt einen gelben und grünen Orleans, beide Sorten ſind ſehr tragbar, dauer⸗ 
haft in der Blüthe und röhren nicht leicht ab, reifen aber ſehr ſpät, geben 
aber bei vollkommener Reife einen geiſtreichen, dauerhaften Wein ohne beſon⸗ 
deres Arom, der ſich erſt in einigen Jahren gehörig entwickelt. Das Gewicht 


22 


des grünen Orleans betrug nach der Moſtwage von Mechanikus Kinzelbach 
in Stuttgart, oder der württembergiſchen Weinverbeſſerungsgeſellſchaft, womit 
auch die Wage von Mechanikus Oechsle übereinſtimmt: 1857 96, 1858 89 
bis 90, 1859 106, 1862 107 Grade. | 

Beide Gattungen taugen nur in vorzügliche beſonders geſchützte Lagen. 


II. Abtheilung. Beere rund ins Tängliche. 


Arſte Anterabtheilung. Blätter filzig. 
a. Endzahn, kuppelförmig. 


| §. 10. 

2. Weißer Räuſchling: Der Stock iſt mittelmäßig ſtark mit grober ab⸗ 
ſpringender Rinde, macht ziemlich viel und ſtarke Triebe, und erträgt, je nach 
der Boden-Qualität, lange oder kurze Erziehung. 

Er wird in Württemberg wenig gebaut und kommt hauptſächlich nur in 
den Weinbergen des Jagſtthales bei Dörzbach und zum Theil auch im Tau- 
berthale vor. In der Schweiz am obern Zürcherſee und wahrſcheinlich auch 
in der Bodenſeegegend erſcheint er unter dem Namen Lindauer, 

God, die Weinrebe S. 101, 
und wird dort ſowie auch im Breisgau, in der Ortenau (Baden) und im Cl⸗ 
ſaß häufig gepflanzt. Die Traube iſt ziemlich groß, etwas locker, ſaftreich 
und reift etwas ſpät. 

Gewicht des Saftes: 

1857: 86, 1858: 72, 1859: überreif 98, 1862: 94 Grade. 

Zu dem Räuſchlinggeſchlecht wird häufig auch der blaue Räuſchling (Klöp⸗ 
fer) und der Gelbhölzer gerechnet, ſie ſind jedoch nach der ſyſtematiſchen Ein⸗ 
theilung etwas verſchieden von dem weißen Räuſchling, daher fie hienach (8. . 
unter ihren ſpeziellen Benennungen vorgetragen werden. 


Zweite Anterabtheilung. Blätter wollig, zuttig. 
a. Endzahn, kuppelförmig. 


Sl 
3. Der Traminer iſt eine ſchwachtriebige Rebſorte mit ſchwachem, zärtlichem 
Wurzelanſatze, daher der Stock in der Regel ſchwach erſcheint und keinen ſtar⸗ 
ken Holztrieb macht. Er ſcheint von Tyrol aus in Deutſchland verbreitet 
worden zu ſein und ſeinen Namen von dem Dorfe Tramin an der Etſch er⸗ 
halten zu haben. Bei dem Traminer kommen drei Gattungen vor, der rothe, 
der weiße und der ſchwarze Traminer. 


23 


Gewicht des Weinmoſtes vom rothen Traminer: 

1857: 95-96, 1858: 88—89, bei der eh e 98—99, 1861: 100, 
1862: 98—100 Grade. | 

Der Traminer gewährt nur in ganz entſprechender Lage und Boden und 
bei ſorgfältiger Behandlung einen angemeſſenen, außerdem aber nur einen ge— 
ringen Ertrag, daher deſſen Anpflanzung mit Vorſicht geſchehen muß. 

Neben dem gewöhnlichen rothen Traminer gibt es auch noch einen rothen 
Gewürz⸗ oder Muskat⸗Traminer, der ſich in ganz reifem Zuſtande durch einen 
vorzüglichen Muskatgeſchmack auszeichnen ſoll. Der Stock iſt wenig verbreitet 
und kommt hauptſächlich nur in Rebſammlungen vor. In der Nähe von 
Karlsruhe in Baden ſoll jedoch durch den verſtorbenen Markgrafen Wilhelm 
von Baden ein ganzer Weinberg mit Gewürztraminer angelegt worden ſein 
und dieſe in der ächten Sorte beſtehen. 


Der ſchwarze Traminer 
ſiehe unten §. 29. 


b. Endzahn, halbkuppelförmig. 


\ Sal 

4. Der rothe Malvaſier, in Württemberg auch Mährer oder früher ro— 
ther Velteliner genannt (God S. 31), wird ſonſt auch als rother Hängling 
beſchrieben (Babo S. 216) iſt in der Regel ſehr ſtarktriebig und verlangt das 
her auf gutem kräftigem Boden eine lange Erziehung, d. h. mit langen Schen- 
keln und Bögen, weßhalb er hauptſächlich zu der Anlegung von Rebgeländen 
(Kammerzen) oder auch zu Wandſpalieren an Gebäuden, Lauben ꝛc. taugt. 

Gewicht 1857: 102, 1858: 91, 1859: 91. 1 62: 105 Grade. 

In Oeſterreich und beſonders in Steyermark ſollen mit einer hieher ge— 
hörigen Traube unter dem Namen rother Zierfahnler ganze Weingärten an— 
gepflanzt ſein. Dieſelbe kommt auch unter dem Namen Italieniſcher Malvaſier 
vor und iſt in dem Werke von Babo als rothe Babotrauhe beſchrieben, nach 
meinen Unterſuchungen konnte ich aber zwiſchen dieſer Rebe und dem oben be— 
ſchriebenen rothen Malvaſier keinen weſentlichen Unterſchied finden. 

§. 13. 

5. Der Velteliner iſt eine alte weit verbreitete Traube, ſie kommt in 
Württemberg im untern und mittlern Neckarthal ſowie in deſſen Seitenthälern 
hie und da, im Kocher-, Jagſt⸗ und Tauberthale dagegen unter dem Namen 

Fleiſchtraube ſehr häufig vor und bildet dort mit einigen andern Gattungen 
zum Theil den Hauptrebſatz. Auch am Rhein, insbeſondere aber in den öſt— 
reichiſchen Donaugegenden ſowie in Steiermark trifft man dieſelbe häufig an. 
Dem Namen nach ſollte dieſe Traubengattung aus dem Veltelin im Mailän⸗ 
diſchen, früher zum Kanton Graubündten gehörig, ſtammen, neuerlich will man 


24 


jedoch dort (Bronner) keine ähnliche röthliche Traubengattung, ſondern eine 
ſehr verſchiedene ſchwarze Traube gefunden haben, auch kennt man in der 
Schweiz unter dem Namen Velteliner nur einen ſehr dunkelrothen Wein, da⸗ 
her bei dem früheren ſtärkeren Weinverkehr mit Oeſtreich wir wohl werden 
annehmen dürfen, daß die Veltelinertraube von dort aus verbreitet worden iſt. 

Man unterſcheidet zwiſchen einem großen, mittleren und kleinen Velteliner. 
Bei allen drei Gattungen iſt die Traube röthlich und hat die Eigenthümlich⸗ 
keit, daß ſie in minder guten Jahren und in nicht ſehr warmen Lagen auf der 
Rückſeite nie ganz roth wird, ſondern grünlich bleibt, deſſen ungeachtet aber 
auch in dieſem nicht ganz reifen Zuſtande noch einen guten kräftigen Wein 
gibt. Anmerkung 1. 

Gewicht vom mittleren Velte liner: 

1857: 92, 1858: 86, 1859: 85, 1861: 95, 1862: 100 Grade. 

Der fleine Velteliner kommt in 9 0 Gegenden Württembergs 
unter dem Namen Hans vor, er unterſcheidet ſich von dem eigentlichen Velte⸗ 
liner durch ſeine kugelige Beere, den ſpitzern Endzahn der Blätter und ſeine 
frühere Reife, während jener mehr runde in's längliche ſpielende Beere und 
halb kuppelförmige Endzähne hat. Der kleine Velteliner wird deßwegen hie— 
nach (8. 20) als Hans beſonders beſchrieben werden. 

Zu dem Velteliner Geſchlecht wird unter dem Namen früher Velteliner 
auch der Mährer gerechnet, der jedoch unter dem Namen Malsaſier bereits 
beſonders beſchrieben iſt. (§. 12.) Anmerkung 2. 

§. 14. 

6. Der weiße Hängling kommt unter dem Namen grüner Häußler haupt⸗ 
ſächlich nur in der Gegend von Reutlingen vor, der Rebſtock iſt ſchwach, wie 
der Süßrothe (S. 38) und gleicht auch im Uebrigen demſelben, daher wir uns 
hier auf deſſen Beſchreibung beziehen und nur noch bemerken, daß die früh⸗ 
reifende, gelbgrüne Traube auch im reifen Zuſtande die gleichen Eigenſchaften 
wie die ſüßrothe Traube beſitzt, ebenſo empfindlich wie dieſe iſt und zum Theil 
noch etwas kleinere Beere wie dieſe hat. 

7. Der Elbling iſt die verbreitetſte Traubengattung nicht nur in Würt⸗ 


1. Anmerkung. Babo, der Weinſtock und ſeine Varietäten S. 206 beſchreibt 
nur den großen Velteliner und zweifelt, ob es auch noch andere Unterarten gibt. Nach 
den aus dem Rheinthale erhaltenen Reben vom großen Velteliner unterſcheidet ſich der? 
ſelbe aber ſehr durch ſeine große gedrungene ſehr ſpät reifende Traube mit großen 
Beeren von dem mittleren Velteliner, ſo daß dieſe Unterart wohl als eine conſtante 
angenommen werden darf. 

2. Anmerkung. Babo im angeführten Werke S. 601 zählt den Mährer zu 
dem Geſchlecht der Hanſen, was unrichtig iſt, indem ſich beide Traubengattungen we⸗ 
ſentlich unterſcheiden und auch in Dürktemberg nie unter dem gleichen Namen vor⸗ 
kommen. 5 


0 


25 


temberg, ſondern in ganz Europa, indem man denſelben in allen nördlich ge— 
legenen Weinbauländern von den Pyrenäen bis nach Ungarn antrifft. Es 
gibt dreierlei Gattungen: der weiße Elbling, der rothe Elbling und der ſchwarze 
Elbling. Bei den erſten Gattungen kommen dann noch Unterarten vor, 
und zwar: . 

| a. Der gelbe Elbling, eine Unterart des Weißelblings, wahrſcheinlich 
durch Anpflanzung von Reben von alten, weniger kräftigen Weißelblingſtöcken 
entſtanden, die auf magerem Standort auch gelbliche Trauben treiben, ſoll 
hauptſächlich in Baden an der Bergſtraße und in Rheinbayern am Hardtge— 
birge verbreitet ſein. Er unterſcheidet ſich vom Weißelbling durch kleinere, 
hellere, gelbe Beere mit durchſcheinenden Adern und durch hellgrüne Blätter. 
Er ſoll dauerhafter in der Blüthe ſein, einen ſüßeren Saft haben und etwas 
beſſeren Wein geben, als der Weißelbling. 

b. Der Rau⸗ auch Grobelbling iſt eine Ausartung des geſchlachten Elb— 
lings und kommt als Weiß- und Rothelbling vor. Er zeichnet fi) vor dem 

geſchlachten Elbling dadurch aus, daß das Laub zackiger, d. h. tiefer einge— 
ſchnitten iſt und mehr und längere Zähne hat, während daſſelbe bei dem ge— 
ſchlachten Elbling weniger eingeſchnitten und mehr rund erſcheint. Außerdem 
erzeugt der Rauelbling kleinere Trauben mit einzelnen großen und vielen Klein— 
beeren mit wenig und geringem Saft und gehört eben deßwegen zu den ge⸗ 
ringen wenig einträglichen Traubengattungen. 

Gewicht vom weißen Elbling: 

1857: 92, 1858: 69, 1859: 85: 1860: 65-—70, 1861: 88, 1862: 94 
Grade. 
| Vom rothen Elbling 1857: 91, 1858: 71, 1859: 79, 1860: 65, 1861: 
87, 1862: 95 Grade. 

In der Bodenſeegegend kommt der weiße dort häufig grüne Elbling ine 
dem Namen Didelbling oder Burgauer vor. 

8. Der weiße Kleinedel gleicht viel dem weißen Burgunder und weißen 
Clevner, unterſcheidet ſich aber von erſterem durch ſeine nicht ganz runden 
Beere und von letzterem durch den ſtatt ſpitzen, mehr kuppelförmigen Endzahn. 

Gewicht, 1857: 87, 1858: 87, 1859: 83—84, 1862: 89 Grade. 

Der Stock ſcheint jedoch etwas weniger . als der weiße Burgunder 
und weiße Clevner zu ſein. 


c. Endzahn, ſpitzig. 


8. 15. 

9. Der Rothurban. Der Urban, nach dem Schutzheiligen der Weingärt— 

ner genannt, iſt eine Württemberg ſpeziell angehörige Reb- und Traubengat- 
tung, der auch hier hauptſächlich nur in der mittlern Neckargegend gepflanzt 


26 


wird, und wahrſcheinlich aus dem Tyrol oder dem nördlichen Italien zu uns 
gekommen iſt. Er iſt ein ſtarktriebiger Rebſtock, der eine lange Erziehung mit 
Schenkeln und Bögen erfordert, weil er erſt am vierten oder fünften Auge 
ſeine Haupttrauben treibt. Er wird abgetheilt in den Roth- und Schwarz⸗ 
Urban. 

Gewicht 1857: 97, 1858: 84-85, 1859: 80, 1860: 76, 1861: 91, 
1862: 97 Grade. 

Der Rothurban gehört zu den beſſeren Weinbergstrauben und dürfte in 
Gemeinſchaft mit dem mittlern Velteliner und dem Hans einen vorzüglichen, 
ſüßen, geiſtreichen Wein liefern. Der Stock taugt übrigens auch vorzüglich 
zu der Bekleidung von hohen Geländen, Lauben u. ſ. w. 

Der Schwarz⸗Urban S. 31. 

10. Der weiße Clevner wird häufig mit dem weißen Burgunder verwech— 
ſelt und kommt daher ſelten in reiner Beſtockung zur Anpflanzung. Er unter⸗ 
ſcheidet ſich jedoch von dem letztern (§. 19) durch ſeine kleinere etwas läng⸗ 
liche, mehr hellgelbe oder weißliche Beere, durch ſein minder glänzendes mehr 
dunkelgrünes, blaſiges und ſtärker geripptes ſowie durch das oben und unten 
wollige, mattgrüne Blatt und durch die weißwolligen Endſpitzen der jungen 
Triebe. Ferner durch den ſchwächeren Rebſtock, den engeren Knotenſtand und 
durch das ſchlanke, dünne, mehr dunkelbraune Rebholz, gefurcht mit Pe 
Streifen und braun, auch grau punctirt. N 

Der Rebſtock hat eine mittlere Vegetationskraft, darf daher nicht zu ſtark 
durch Anſchneiden von Tragreben in Anfpruch genommen und auch nicht lang 
geſchnitten werden, weil er die Trauben mehr am hintern Holze treibt. 

Gewicht in geringerer Lage: 

1857: 92, 1859: 95, 1860: 72 - 73, 1862: 100 Grade. 

11. Der Ruländer, auch rother oder grauer Clevner genannt, gehört zum 
Clevnergeſchlecht, was ſchon daraus hervorgeht, daß hie und da an einem und 
demſelben Stock ſich graue und blaue Clevnertrauben zeigen, oder daß in man⸗ 
chen Jahren ganze Stöcke blaue Trauben tragen, während ſie ſpäter wieder 
in den Ruländer übergehen. Wenn jedoch von ſolchen veränderten Trauben 
Reben geſchnitten und verpflanzt werden, ſo ſollen ſie die angenommene Eigen⸗ 
ſchaft der blauen Clevnertraube beibehalten. Der Stock treibt in den erſten 
Jahren ſtark in's Holz, zeigt aber im Durchſchnitt, wie überhaupt die Clev⸗ 
nerreben nur eine mittlere Vegetationskraft, daher 15 nicht zu viel Holz an⸗ 
geſchnitten werden darf. 

Gewicht, 1857: 99-105, 1858: 92, 1859: 98—106, 1861: 101 
Grade. ’ 

Die Traube wird, namentlich im Elſaß, auch unter dem Namen grauer 
Tokayer angepflanzt, den einzelne Weinzüchter für eine beſondere Unterart hal⸗ 


27 


ten wollen, indem er reichlicher trage/als der gewöhnliche Ruländer und ſich 
nicht ſo leicht verfärbe, wie der letztere. Nach meinen und anderer Oenologen 
genau angeſtellten Vergleichungen (Bronner, die Bereitung von Rothwein 
S. 103) kann aber zwiſchen beiderlei Gattungen kein weſentlicher, ſondern nur 
darin ein Unterſchied gefunden werden, daß die unter dem Namen „graue 
Tokayer“ gepflanzten Stöcke öfters ein unregelmäßig etwas gekrümmtes Rebholz 
und mehr ſpitze Augen beſitzen, auch einen reichlichern Ertrag geben, als an— 
dere Ruländerſtöcke, was ohne Zweifel daher kommt, daß die urſprünglichen 
Reben einem ſehr fruchtbaren Stocke entnommen wurden, daher der graue 
Tokayer blos eine conſtantere Gattung des Ruländers bilden dürfte. 


Dritte Anterabtheilung. Blätter faſt kahl. 


a. Endzahn, kuppelförmig. 


S. 16. 


12. Der Sylvaner iſt mit dem Elbling die verbreitetſte, in manchen Ge- 
genden (Kocher, Jagſt, Tauber), ſogar die vorherrſchende Traubengattung, und 
nicht ſelten wird neuerlich der Elbling durch den Sylvaner verdrängt. Der— 
ſelbe ſcheint von Oeſterreich aus in die Main⸗, Rhein- und Neckargegenden 
eingewandert zu ſein, daher er auch in manchen Gegenden, wie im Tauberthal, 
und am Main und Rhein, „Oeſtreicher“, genannt wird. 

Es gibt verſchiedene Gattungen von Sylvaner, nämlich den weißen oder 
grünen Sylvaner, den gelben Sylvaner, den rothen Sylvaner, den blauen 
oder ſchwarzen Sylvaner. 

Der gelbe Sylvaner unterſcheidet ſich vom grünen Sylvaner durch hellere, 
gelbgrüne Blätter und durch die gelbliche Farbe ſeiner Beere, die bei voll— 
ſtändiger Reife mit vielen braunen Punkten beſprengt ſind, und iſt daher 
hauptſächlich nur während der Sommer- und Herbſt-Vegetation genau zu er⸗ 
kennen. Er wird weit weniger als der grüne Sylvaner angebaut und kommt 
in Württemberg hauptſächlich am Traufe der Alp, im Lauterthale, vor, wo er 
dem grünen Sylvaner vorgezogen wird, weil er ſüßere, etwas früher reifende 
Trauben als jener liefere und daher auch einen beſſeren, kräftigeren Wein 
geben ſolle. Ohne Zweifel iſt der gelbe Sylvaner eine Unterart des grünen 
Sylvaners und dadurch konſtant geworden, daß man Reben von urſprünglich 
ſchwachen und alten Stöcken des grünen Sylvaners anpflanzte, die in mage— 
rem Boden öfters auch gelbliche Trauben treiben und dieſe Eigenſchaft fort— 
pflanzen. Der gelbe Sylvaner iſt daher auch häufig weniger fruchtbar als 
der grüne. 

Gewicht des weißen (grünen) Sylvaners: 1857: 103. 1858: 86. 1859: 
92. 1860: 70—75. 1861: 85. 1862: 92 Grade. 9 


28 


Gewicht des rothen Sylvaners: N 
1857: 94. 1858 geringere Lage: 72. 1859: 92. 1861: 96 Grade. 
Der blaue oder ſchwarze Sylvaner hienach §. 32. 


III. Abtheilung. Beere kugelig. 


Erſte Alnter-Acbtheilung. Blätter filzig. 
a. Endzahn, kuppelförmig. 


8 75 


13. Der gelbe Ortlieber iſt zu Ende des vorigen Jahrhunderts vom 
Elſaß aus durch einen Gaſtwirth Ortlieb zu Reichenweiher verbreitet worden, 
und war anfänglich eine ſehr beliebte und geſuchte Traube, kam aber, weil 
er in ungeeigneter Lage und Boden ſehr gerne und ſchnell fault, bald in 
Mißkredit. 

Gewicht: 1857: 92, 1858: 101. 1859 als verfault: O0. 1861: 86. 
1862: 85 Grade. 

Die Traube reift ziemlich Take und gewährt daher bei ihrer Fruchtbarkeit 
auch in minder günſtigen Jahren noch einen guten und brauchbaren Ertrag, 
ihre Anpflanzung iſt jedoch nur auf luftigen Höhen und auf magerem Boden 
zu empfehlen. 

14. Der weiße Tokayer, auch Putſcheere oder Ungar, iſt ein ziemlich 
ſtarker, jedoch empfindlicher Rebſtock, weil das Holz ſelten vollſtändig reift; 
treibt ſehr viele große, ſaftreiche Trauben und fand bei den Were 
vielen Beifall und bald große Verbreitung. 

Die Traube gibt jedoch nur einen dünnen, wäſſerigen Saft und ganz de 
ringen Wein, daher deren Anpflanzung ſchon öfters, beſonders in Württ en 
verboten worden iſt. N 

Gewicht: 1857: 84. 1858: 76. 1859 überreif: 90. In geringeren 
Jahren nur 50—60, 1862: 78 Grade. 

Der blaue Tokayer ſiehe hienach F. 34. 


b. Endzahn, halbkuppelförmig. 


8 5.18: 

15. Weißer Süßling. Dieſe Traubengattung ſoll viele Aehnlichkeit mit 
dem gelben Ortlieber und dem weißen Burgunder haben, und daher mit den⸗ 
ſelben öfters verwechſelt werden. Nur hinſichtlich der Kuppelform des End- 
zahns unterſcheidet ſie ſich vom Ortlieber, ſowie dadurch, daß das Blatt 
weniger dunkel, die vordern Seitenlappen mehr unregelmäßig gebildet und 


29 


die Beere heller und nicht fo ſtark punktirt find, auch nicht ſo leicht faulen, 
wie beim Ortlieber. a 

Gewicht: 1857: 95. 1858: 97. 1859: 105. Auch in geringeren Jah⸗ 
ren 75—85 Grade. 

16. Der rothe Raifler. Der Stock iſt ſtark und ſehr tragbar, Blüthe 
und Reife jedoch etwas ſpät, daher er nur in guten Lagen zu pflanzen wäre. 

Gewicht 1857: 92. 1858: 85. 1859: 93. 1862: 81 Grade. 

17. Der weiße Rothgypfler ſtammt aus Oeſtreich, und iſt im ſüdweſtl. 
Deutſchland und insbeſondere auch in Württemberg erſt in den letzten 10—15 
Jahren zur Anpflanzung gekommen. Er hat ſeinen Namen von den rothen 
Endſpitzen ſeiner Triebe und zeigt in den meiſten Bodenarten ein gutes, kräf⸗ 
tiges Wachsthum. 

Rebſtock: Stark mit guter Wurzelbildung und fein abſpringender Rinde. 

Rebholz: (einjährig) Stark und ſchlank, rund, fein gefurcht, bläulich grau 
mit hellbraunen Streifen, zuweilen braun punktirt, etwas im Zickzack wach— 
ſend, reift ziemlich frühe und iſt nicht empfindlich gegen Kälte. 

Endſpitzen: Wollig, röthlich gefärbt, 1—2 Fuß lang. 

Knoten: Wenig erhaben, Abſtand der Gelenke mittelmäßig. 

Augen: Etwas erhaben, klein, geſchloſſen, ſpitzig, zuweilen mit etwas Wolle. 

Blätter: Mittelgroß, dick, borſtig und ſehr ſtark behaart, blaſig, rund, 
fünflappig mit tiefen Einſchnitten, ſehr konſtant, dunkel⸗ und mattgrün, zuweilen 
Verfärbung in's Gelbgrüne. 

Bezahnung: Klein und gleich, meiſt rechtwinkelig, ſehr konſtant. Stiel⸗ 
bucht eng geſchloſſen. 

Blattſtiel: Kurz, dick, behaart und gegen die Sommerſeite röthlich gefärbt. 

Traube: Mittelgroß, äſtig, auch walzenförmig mit ſehr gedrängten, in der 
Regel übereinanderſtehenden Beeren. 

Beere; Mittelgroß, rund, hie und da in's Längliche ſpielend, weißlich 
grün, bei guter Zeitigung durchſichtig und gegen die e röthlich ge⸗ 
färbt, fein punktirt und grünweißlich beduftet. 

Reife: mittelmäßig, mit dem Elbling. 

Saft: bei völliger Reife für, kräftig mit gutem, eigenthümlich garömatiſchem 
Geſchmack und gibt einen ſtarken, guten Wein. 

Die Rebe trägt in guter Lage mit warmem trockenen Boden ſehr reich⸗ 
lich und ſicher, iſt nicht empfindlich in der Blüthe und die Traube widerſteht 
lange der Fäulniß, daher die Rebe größere Verbreitung verdient, bei dem 
kräftigen Wachsthum könnte dieſelbe auf Bogreben geſchnitten werden, bei der 
großen Fruchtbarkeit des Holzes iſt aber der Zapfenſchnitt angemeſſener. 

Gewicht nach den von dem Gemeinderath Single in Stuttgart angeſtell⸗ 
ten Beobachtungen 1857: 106. 1858: 93. 1859: 100 Grade. 


30 


C. Endzahn, ſpitzig. 


Zweite Anterabtheilung. Blätter wollig, zottig. 
a. Endzahn, kuppelförmig. 


b. Endzahn, halb- oder verlängert kuppelförmig. 


819. 

18. Der weiße Burgunder iſt von Frankreich aus in Deutſchland verbrei⸗ 
tet worden, wo er in Burgund und in den hinter den dortigen Gebirgen lie— 
genden Weingegenden bis in die Champagne im Großen gepflanzt wird. Er 
wird nicht ſelten mit dem weißen Klevner verwechſelt, beide Sorten unter- 
ſcheiden ſich aber durch verſchiedene hier und §. 15 beſchriebene Merkmale. 

Das Blatt ſolle ſich dadurch kennzeichen, daß es an der Grundbucht von 
der Rippe an keinen Blattanſatz mehr hat. 

Gewicht: 

1857: 96. 1858.90. 1859 93. 1860 7273. 8 
100 Grade. 

Der Stock trägt nach den bisherigen Erfahrungen reichlich, iſt dauerhaft 
und wenig empfindlich in der Blüthe, ſowie gegen manche Krankheiten, wie 

der Schwarz- und Rothbrenner, Grind ꝛc. 

| 19. Der Fütterer, Fütterling, Förderling auch Wieſethaider, Miſſethäter 
genannt, iſt eine alte Weinbergstraube Württembergs und gehört dieſem ſpe⸗ 
ziell an, da ſie auſſer in dem angrenzenden untern Neckarthale ſonſt nirgends 
vorkommem ſoll. Rebe und Traube haben äußerlich manche Aehnlichkeit mit 
dem weißen Rießling. Der Fütterer treibt gern Holz, jedoch einen ſtärkeren 
Stock als der Rießling, mit grob abſpringender Rinde, iſt gegen den Froſt 
nicht ſehr empfindlich, in der Blüthe dauerhaft, ſetzt viele mittelmäßig große, 
engbeerige, grünlich gelbe Trauben an, die einen ſüßen, ziemlich gewürzhaften 
Wein geben, aber gerne faulen. i 

20. Der Rießling gehört nicht zu den ſtarken, ſondern zu den ſchwachen 
Rebgattungen, die kein ſtarkes Holz machen, er iſt aber deßwegen nicht ſchwach⸗ 
triebig, wie der Sylvaner, ſondern zeichnet ſich auch noch im Alter durch gute 
Triebkraft aus und hat daher einen größeren Wurzelſtock als jener. Er er- 
reicht ein ziemlich hohes Alter und bleibt dabei ſtets in gutem Ertrag. 

Es gibt einen weißen und einen rothen Rießling. 

a. Der weiße auch kleine Rießling iſt die edelſte bis jetzt in Deutſchland 
bekannte Traubengattung, er ſtammt aus den Rheingegenden, wo er ſchon ſeit 
Jahrhunderten gepflanzt wird. Von dem kleinen Rießling unterſcheidet ſich 
der grobe Rießling durch ſtärkeres Holz und ſtärkeren Trieb ſowie durch dunk⸗ 


31 


leres ſaftigeres Laub, ersträgt in ganz günſtigen Weinjahren zwar reichlich, 
läßt aber in minder günſtigen Jahren die Traubenbeere in der Blüthe fallen 
(wie der Rau⸗Elbling), kommt jedoch in den Weinbergen ſelten vor. Er iſt 
ein ausgearteter Rießlingſtock und ſollte überall ausgerottet werden. 

In andern Weinbaugegenden, namentlich im Moſelthale, werden bei dem 
weißen Rießling unterſchieden (Babo, der Weinſtock und ſeine Varietäten 
(S. 475) 

aa. Der gelbe Rießling, der etwas früher reifen und den beſten 
Wein geben ſoll. 

bb. Der grüne Rießling, ſpäter reifend und weniger bouquetreich. 

ec. Der rothſtielige Rießling. 

dd. Der wilde und ſchütterbeerige Rießling, geringhaltig, vielleicht der 
oben beſchriebene Grob-Rießling. 

b. Der rothe Rießling unterſcheidet ſich von dem weißen Nießling durch 
ſeine hellrothe Farbe und die etwas tiefer eingeſchnittenen Blätter, er wird in 
der Gegend von Heilbronn im Großen angebaut, iſt noch etwas ſicherer in 
der Blüthe und trägt noch reichlicher als der weiße Rießling, ſoll auch etwas 
früher reifen, iſt aber weniger bouquet⸗ und ae e als jener. 

Gewicht des weißen Rießlings. 

1858 98. 1899: 96. 1860: 9—80. 1861: 96, 1862: 
95 Grade. i 

Gewicht des rothen Rießlings. 

4857: 94. 1858: 82. 1861: 87. 1862. 90 Grade. 

c. Endzahn, ſpitzig. 
§. 20. 

21. Der weiße kurzſtielige Champagner, auch kleiner Heinſch genannt, 
ſtammt aus Frankreich und ſoll manche Aehnlichkeit mit dem weißen Bur- 
gunder haben. 

Gewicht: 1857: 90. 1858: 87—88. 1859: 93. 1862: 80 Grade. 

Der Stock darf zu den beſſeren Weinbergstrauben gerechnet, aber nicht 
mit dem langſtieligen Champagner (gelben Goüais) verwechſelt werden, der 
weniger Ertrag und einen geringeren Wein gibt. 

22. Der Heuniſch iſt eine alte im ſüdweſtlichen Deutſchland längſt be— 
kannte Traube, die aus Ungarn zu uns gekommen iſt und früher weit mehr 
als neuerlich Anpflanzung gefunden haben muß. Er gleicht viel dem Elbling, 
unterſcheidet ſich jedoch von demſelben hauptſächlich durch die dickeren und ſtär⸗ 
ker gezahnten, meiſt dreilappigen, mehr lichtgrünen, ebene nicht blaſige, unten 

ſtark behaarte Blätter und den ſpitzigen Endzahn, ſowie durch den geringeren 
Gehalt der Traube und des Weins, während der Elbling ein großes dunkel— 


= j 32 > ] 


grünes meiſt fünflappiges ſehr blaſiges Blatt mit ſtarken Zähnen 55 ſtarken 
Endſpitzen hat und auf der untern Seite an den Blattrippen zwar borſtig, 
aber weniger behaart iſt. Der Heuniſch gibt einen geringen Wein. 

Gewicht: 1857: 78. 1858: 83-87. 1859: 91. 1862: 89 Grade. 

Es gibt einen weißen, gelben, rothen und blauen Heuniſch, die ſich jedoch 
hauptſächlich nur durch die Farbe von einander unterſcheiden. 

23. Der weiße Welſchrießling ſoll aus der Champagne nach Deutſch⸗ 
land verpflanzt worden ſein, wo er noch nicht ſehr verbreitet iſt und früher 
nur in der Gegend von Heidelberg Anpflanzung gefunden habe tea aber 
auch in Steyermark verbreitet ſei. 

Gewicht: 1857: 93. 1858: 85. 1859: 94. 1862: 96 Grade. 

Wegen der ſpäten Reife nur in den beſten Weinbaugegenden und beſten 
Lagen zum Anbau zu empfehlen, in Steyermark ſolle derſelbe aber, bei den 
günſtigern klimatiſchen Verhältniſſen eine ſehr geſchätzte Weinbergstraube ſein. 

24. Der rothe Hans auch kleiner Velteliner genannt wird hauptſächlich 
in Württemberg und beſonders in der Gegend von Plochingen als Weinbergs⸗ 
traube im Großen gebaut und dort als ſolche ſehr geſchätzt. | 

Gewicht: 1857: 103. 1858: 78. 1859: 90. 1860: 74. 1861: 95. 
1862: 100 Grade. 

Dieſe Traubenſorte verdient größere Verbreitung als fie bisher gefun— 
den hat. | 

Dritte Unter--Xbtheilung. Blätter faſt kahl. 


a. Endzahn, kuppelförmig. 


b. Endzahn, halbkuppelförmig. 


SR, 

Der rothe Trollinger wird in dem mittlern Nedarthale hie und da als 
Weinbergstraube gepflanzt, er ſcheint jedoch etwas weniger einträglich zu ſein 
als der blaue Trollinger und auch einen geringeren, jedoch feineren Wein als 
dieſer zu geben, daher er bis jetzt nirgends große Verbreitung gefunden hat. 
Im Uebrigen wird ſich auf die Beſchreibung des blauen Trollingers berufen 
(S. 38) und nur bemerkt, daß ſich der rothe Trollinger von demſelben durch 
die hellrothe Farbe ſeiner Trauben, durch die feinere abſpringende Rinde, durch 
das weniger ſtark gefurchte Rebholz, ſowie durch die etwas dunklere, braune 
Farbe deſſelben mit dunklern Streifen und durch die weniger dunklen Knoten 
unterſcheidet. 

Gewicht: 1857: 88. 1858: 77. 1859: 83. 1862: 97 Grade. 

Es ſoll ſodann auch noch einen weißen Trollinger geben, der jedoch ſo 
ſelten gepflanzt wird, daß er mir noch nie zu Geſicht kam. 


33 


C. Endzahn ſpitzig. 
F. 22. 

26. Der Gutedel ſcheint aus Frankreich, wo er ſehr verbreitet iſt, zu 
ſtammen, er kommt in den Weinbergen Süddeutſchlands und Oeſtreichs, mit 
Ausschluß des Rheingaues, des Niederrheins, der Moſel- und der Bodenſee— 
gegend jiberall vor und bildet in einzelnen Gegenden, wie im Breisgau, in 
dem Kocher⸗, Jagſt⸗ und Tauberthale eine der Haupttraubengattungen in den 
dortigen Weinbergen. 

Die gewöhnlich zur Weinbereitung zu verwendenden Gutedelarten werden 
abgetheilt in den weißen, rothen und Krachgutedel. Außer dieſen gibt es noch 
verſchiedene andere Gutedelarten, die jedoch ſelten im Großen angebaut werden 
und daher mehr zu den Tafeltrauben gehören (F. 44). 

Der Krachgutedel unterſcheidet ſich vom weißen Gutedel durch eine här— 
tere Haut und feſtere Beere, die beim Zerdrücken krachen. Dieſelben ſind 
beim Krachgutedel fleiſchig, beim gewöhnlichen Gutedel vollſaftig, dagegen gibt 
jener einen kräftigern Wein und bildet in verſchiedenen Gegenden des Breis⸗ 
gaues faſt den ausſchließlichen Rebſatz, von dem der bekannte, angenehme 
Markgräfler Wein gewonnen wird. 

Gewicht: 1857: 78. 1858: 79. 1859: 80. 1864: 88. 1862: 93 Grade. 

Es gibt auch einen rothen Krachgutedel, der jedoch mehr unter dem Na⸗ 
men Königsgutedel bekannt iſt, ſelten als Weinbergstraube zur Anpflanzung 
kommt, etwas früher reifen aber weniger zur Weinbereitung taugen ſoll, be— 
ſonders da er ſich gern abbeert. Er gehört zu den Tafeltrauben. 

27. Der Muskateller wurde früher weit häufiger mo” in größerer Menge 
als gegenwärtig gepflanzt. 

Es gibt verſchiedene Muskatellertrauben, weiße oder gelbe, rothe und 
ſchwarze, die ſich ſämmtlich durch einen biſamartigen Muskatgeſchmack aus⸗ 
zeichnen, der ſich auch dem Weine in hohem Grade mittheilt. Die Trauben 
reifen jedoch ſpät und gelangen daher nur in den beſſeren Weinbaugegenden 
und in guten Lagen ſowie in kräftigem warmen Boden zur vollſtändigen Zei⸗ 
tigung, ſie ſind etwas empfindlich in der Blüthe und verlangen als Wein— 
bergstraube eine kurze Erziehung, weil der Rebſtock zwar ziemlich ſtark iſt, 
aber bei ſeiner ſchwachen Bewurzelung nur wenig nachhaltige Triebkraft hat 
und daher bei der gewöhnlichen Beſtockung auch nur geringen Ertrag gibt. 
In ſüdlichen Gegenden, namentlich in dem ſüdlichen Frankreich, werden aus 
der Muskatellertraube die vorzüglichſten Muskatweine bereitet, aber auch hier 
findet eine kurze Erziehung auf Zapfen mit 1—2 Augen ſtatt, weil Trauben 
mit längerem Holz viel von ihrem Muskatgeſchmack n ſollen. 

Der ſchwarz⸗blaue Muskateller. 

Unten S. 39. 


34 


Außer dieſen gewöhnlichen Muskatellerarten gibt es auch noch einen 
grauen 
und Muskateller, 
violetten 
die jedoch nur als Unterarten des rothen Muskatellers at betrachten find und 
hier keine beſondere Beſchreibung verdienen. 


Blaue und ſchwarze Trauben. 
I. Abtheilung. Beere länglich. 
Sehe Aluter-Qbtheilung. Blätter filzig. 
a. Endzahn kuppelförmig. 


§. 23. 

1. Die blaue Eicheltraube kommt hie und da jedoch ſehr ſelten in den 
Weinbergen vor. 

Gewicht: 1858: 75. 1859: 84. 1862: 76 Grade. 

Sie kommt ſelten zur vollkommenen Reife und ſollte als Weinbergstraube 
ganz ausgerottet und nur an warmen Wandungen als Spalier gepflanzt wer⸗ 
den, wozu ſich die Rebe bei ihrer ſtarken Triebkraft vorzüglich eignet und hier 
dann auch ihre gehörige Zeitigung erlangen könnte. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


§. 24. 
2. Der blaue Augſter wird im ſüdweſtlichen Deutſchland ſelten angebaut, 
dagegen mehr in Steyermark und Ungarn. 
Gewicht: 1857: 86. 1858: 76. 1859: 83. 1862: 99 Grade. 
Iſt eine ſehr einträgliche Traube, eignet ſich aber mehr zu Spalieren als 
zu einer Weinbergstraube. 


c. Endzahn ſpitzig. 


. 
3. Der blaue Marokkaner kommt hauptſächlich nur in Traubenſammlun⸗ 
gen vor und gehört mehr zu den Tafel- als Weintrauben. 
Gewicht: 1857: 72. 1858: 62. 1859: 80. 1862: 77 Grade. 
Eignet ſich vermöge ſeiner ſtarken Triebkraft mehr an Mauern und 
Wandungen als in den Weinberg und iſt jedenfalls eine geringe Weinbergstraube. 


\ 


| 35 


Zweite Unter-Xbtheilung. Blätter wollig, zottig. 


Dritte Anter- Abtheilung. Blätter faſt kahl. 
a. Endzahn kuppelförmig. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


C. Endzahn ſpitzig. 


S. 26. 

4. Blauer Blüſſart, auch ſchwarzer Malvaſier, iſt noch wenig verbreitet, 
er ſoll am Genferſee häufig gepflanzt werden und iſt jedenfalls eine franzö⸗ 
ſiſche Traubengattung. 

Der Rebſtock iſt mittelmäßig ſtark mit feiner abſpringender Rinde, treibt 
nicht ſtark in's Holz und leidet gerne bei ungünſtiger naßkalter Witterung. 

Die Traube iſt ziemlich groß, dicht mit großen, eiförmigen, ſchwarzblauen 
Beeren, die ziemlich früh reifen und einen ſehr ſüßen, gewürzhaften Saft ha⸗ 
ben, der einen guten Wein geben ſollte. Sie iſt jedoch etwas empfindlich in 
der Blüthe und ſcheint nicht ſehr reichlich zu tragen. | 

5. Blauer Bernardi. Wird gleichfalls wenig gepflanzt und ſcheint mehr 
als Tafeltraube vorzukommen. Rebſtock: Stark mit ziemlich fein abſpringen⸗ 
der Rinde. Derſelbe ſolle im Sandboden üppig treiben. 

Die Traube iſt mittelgroß, dicht, äſtig, reift mittelmäßig, faſt etwas ſpät 
und hat große, ovale, ſchwarzblaue Beere mit hellblauem Duft, die einen 
dünnen, füßen, bei vollſtändiger Reife gewürzhaften Saft geben. 

Gewicht: 1857: 81. 1858: 85. 1859: 87. 1862: 75 Grade. 


II. Abtheilung. Beere rund ins Aängliche. 


Se Anter- Abtheilung. Blätter filzig. 
a. Endzahn kuppelförmig. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


5. . 
6. Der rothblaue Zottelwelſche kommt auch unter dem Namen blaurother 
Hudler, Weißlauber, Gol vor. Der Rebſtock iſt ſehr ſtark mit grob abſprin⸗ 
gender Rinde und holzt gerne, verlangt zwar eine gute Lage, nimmt aber mit 
geringem Boden vorlieb. Er gehört zu den ſchlechteren Traubenſorten, iſt 
nicht zu empfehlen und ſollte überall ausgerottet werden. 
; - 3 * 


36 


7. Die blaue Müllertraube, in einzelnen Gegenden Württembergs unrich⸗ 
tig auch ſchwarzer Rießling genannt. Dieſelbe ſtammt aus Frankreich, wo 
ſie in verſchiedenen Departements, namentlich in der Gegend von Orleans 
im Großen gepflanzt wird. 

Der Stock gehört mehr zu den ſchwächeren als ſtärkeren Rebgattungen, 
mit grober abſpringender Rinde, er hat aber eine ſtarke Vegetationskraft, iſt 
wenig empfindlich, nimmt mit geringem Boden vorlieb und trägt gerne und 
viel, beſitzt aber keine große Dauerhaftigkeit, daher bei der Erziehung darauf 
beſondere Rückſicht genommen werden muß. 5 

Gewicht von mittlerer Lage: 

1857: 100, 1858: 90, 1859: 87 Grade. 

Nach dieſem Gewicht ſollte die Traube einen guten Wein geben, nach 
allgemeinen Erfahrungen iſt aber der Saft zwar ſüß, hingegen wenig geiſtreich 
und gibt nur einen leichten, milden Wein, der im erſten Jahre angenehm zum 
Trinken iſt, aber nicht auf's Lager taugt und bald an Farbe verliert, weil die 
harte Beerenhaut weniger Farbſtoff beſitzt und bei der Gährung weniger fah- 
ren läßt als bei andern Traubengattungen, namentlich dem Clevner. Auch 
in Frankreich wird der Wein nach Jullien zu den geringeren gerechnet, doch 
kann derſelbe dadurch ſehr verbeſſert werden, wenn die Traube, welche an- 
ſcheinend frühe reift, nicht als Frühtraube behandelt, ſondern, wenn die Leſe 
derſelben möglichſt verſchoben und jedenfalls nicht vor der gewöhnlichen Leſe— 
zeit vorgenommen wird, indem die blaue Farbe nicht immer die vollſtändige 
Reife anzeigt, vielmehr braucht die Traube, nach erfolgter Färbung, noch 
einige Zeit, um bei ihrer harten Beerenhaut den Waſſergehalt auszuſchwitzen 
und denſelben in Zuckerſtoff zu verwandeln. Die Traube gleicht viel dem 
blauen Clevner und wird daher, namentlich bei dem Verkaufe der Trauben 
nach dem Pfunde an Fabrikanten mouſſirender Weine, gerne mit demſelben 
verwechſelt oder abſichtlich für Clevner verkauft, fie unterſcheidet ſich von dem⸗ 
ſelben jedoch hauptſächlich durch ihre glänzendere, ſchwarzblaue Farbe, ſowie 
durch die ſtärkeren und behaarteren Trauben- und Beerenſtiele. Die Rebe iſt 
an dem Blatt gut zu erkennen, indem die Oberfläche des letzteren mit vieler 
weißer Wolle überzogen iſt, was wie mit Mehl beſtaubt ausſieht, wo⸗ 
durch fie den Namen Müllertraube erhalten hat. | 


c. Endzahn ſpitzig. 
8:28:08 


8. Der Schwarzblaue Zottelwelſche wird von Babo als blaurothe Rohr— 
traube beſchrieben, in Württemberg, wo er im mittleren Neckarthale hie und 
da gebaut wird, kommt er unter dem Namen Wullewelſch vor. Er hat 
manche Aehnlichkeit mit dem Trollinger und dem rothblauen Zottelwelſchen 


37 ' 


(rothen Hudler, Weißlauber), doch find gegenüber vom Trollinger die Trauben 
lockerer, auch unterſcheidet er ſich hauptſächlich durch den weißen Filz ſeiner 
untern Blattſeite. Vom rothblauen Zottelwelſchen durch die mehr geſchlitzten 
Blätter, den ſpitzen Endzahn und durch die dunklere Farbe und etwas beſſere 
Qualität ſeiner Trauben. 
Der Rebſtock iſt ſtark, dauerhaft, in der Blüthe ſpät und N empfind⸗ 
lich, auch verlangt er keinen beſonders guten Boden. 
Die Rebe iſt beſonders auch wegen der ſpäten Reife der Trauben nicht 
ſehr empfehlungswerth und kann daher jedenfalls nur in den beſſeren Wein— 
baugegenden und in guten Lagen gepflanzt werden. 


Zweite Anterabtſeilung. Blätter wollig, zottig. 


a. Endzahn kuppelförmig 


5 285 
9. Schwarzer Traminer. Rebſtock: ſchwach mit feiner anliegender Rinde, 
ſcheint ſehr empfindlich zu ſein und bald abzugehen, iſt auch wenig tragbar. 
Verlangt, wie alle Traminergattungen, einen beſonders angemeſſenen Bo⸗ 
den und wird daher nicht überall zu empfehlen ſein, obgleich der Wein von 
vorzüglicher Qualität zu ſein ſcheint. 
Gewicht: 1857: 92, 1858: 93, 1859: 88—89, 1862: 95 Grade. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


§. 30. 

10. Der blaue Hängling wird in Württemberg hauptſächlich am Traufe 
der Alp in Reutlingen und Umgegend unter dem Namen Schwarzer Häußler, 
ſowie zu Weilheim im Lauterthal gepflanzt. Der Rebſtock iſt theils mittel- 
mäßig, theils etwas ſchwach mit zarter abſpringender Rinde und verlangt einen 
guten Boden und eine kurze Erziehung, wenn er einen entſprechenden Ertrag 
geben ſolle. i 

Gewicht: 1857: 100, 1859: 93, 1862: 107 Grade. 

Im Uebrigen hat der Hängling viele Aehnlichkeit mit der . 
oder Frankentraube (S. 38.) 

11. Der Färber iſt die einzige, in Deutſchland angepflanzte Rebe, welche 
einen rothen Saft hat, er iſt jedoch keine vorzügliche Traubengattung, indem 
er ſpät reift, ſelten ganz reif wird, und auch in dieſem Zuſtand nur einen 
ſäuerlich ſüßen Saft gibt. 

Gewicht: 1856: 79, 1859: 86, 1862: 95 Grade. 

Er wird deßwegen in der Regel nur der rothen Farbe wegen gepflanzt, 
wobei jedoch erſt noch die Frage näher zu unterſuchen und zu erörtern wäre, 


38 | 5 


7 


ob dem Weine wirklich mehr Farbſtoff, als von andern blauen und ſchwar⸗ 
zen Traubengattungen mitgetheilt, und ob während der Gährung nicht ein Theil 
der rothen Farbe durch die Kohlenſäure zerſtört wird. Jedenfalls wird es 
zweckmäßig ſein, wenn man, um eine dunkle rothe Farbe zu a: den 
Wein ſtark an den Trebern vergähren läßt. 

Der Rebſtock iſt ziemlich ſchwach mit grober abſpringender Rinde, treibt 
nicht ſtark ins Holz und iſt gegen Kälte und ſonſtige mige Witterungs- 
einflüſſe empfindlich. 

Er verlangt bei ſeiner ſchwachen Bewurzelung einen guten Boden und 
eine geſchützte Lage, ſollte aber nie in großer Menge angepflanzt werden. 

12. Der Schwarzelbling kommt als Weinbergstraube wenig zur Anpflan⸗ 
zung, er unterſcheidet ſich vom Weiß- und Rothelbling (§. 14.) durch feine 
Farbe, ſeine weniger großen, ſelten äſtige Trauben und die kleineren Beere 


ſowie auch dadurch, daß er ſelten fo reichlich trägt wie jene, obgleich fein Er— 


trag nicht gering iſt. 

Gewicht: 1857: 86, 1858: 77, 1859: 92, 1862: 82 Grade. 

13. Die blaue Bodenſeetraube kommt in der Bodenſeegegend unter dem 

damen blauer oder ſchwarzer Sylvaner vor, fie gehört jedoch nicht zu dem 

Sylvanergeſchlecht und wird deßwegen von Babo unter obigem Namen als 
eine beſondere Gattung beſchrieben. Nach genauen, von verſchiedenen Oenolo⸗ 
gen an Ort und Stelle angeſtellten Unterſuchungen iſt jedoch die Bodenſee⸗ 
traube, wenn auch einige kleine Abweichungen vorkommen, (die Beeren ſeien 
nach Babo nicht kugelig, ſondern rund ins längliche ſpielend) nichts anderes, 
als ein blauer Burgunder, der von Babo ganz übergangen wird und der denſelben, 
wie es ſcheint, zum Clevnergeſchlecht rechnet, ob er gleich einen weißen Clevner 
und weißen Burgunder beſchreibt und die Unterſcheidungszeichen genau angibt. 
Es wird ſich deßwegen bezüglich der Bodenſeetraube auf die Beſchreibung des 
blauen Burgunders und auf die dort angeführten Unterſcheidungszeichen vom 
blauen Clevner bezogen (§. 38.) 


6. Endzahn ſpitzig. 
Sa, 

14. Der Schwarzurban, auch Schwarzer Süßwelſcher, Blauwelſcher oder 
ſchwarzer Zottelwelſcher genannt, gleicht ganz dem in F. 15 beſchriebenen Roth⸗ 
urban und unterſcheidet ſich von demſelben blos durch feine ſchwarzblaue, etwas 
kleinere Beere, ſowie durch das etwas dunklere Rebholz, das fein gefurcht und 
grau punctirt iſt und dunklere Streifen hat, auch ſolle der Stock weniger 
empfindlich gegen den Froſt ſein als jener. Er reift mittelmäßig, jedoch etwas 


früher als der Trollinger (§. 38) und gibt einen etwas ſtärkeren, gewürzreiche⸗ 


39 


ren Wein als der Rothurban, der namentlich wegen des reichen Farbeſtoffs 
unter der Beerenhaut eine ſchöne, dunkelrothe Farbe bekommt. 

Gewicht: 1857: 97, 1858: 90, 1859: 87—88, 1861: 95, 1862: 103 
Grade. 

Der Schwarzurban gehört zu den beſſeren Weinbergstrauben und verdient, 
daß er in guten geſchützten Lagen mehr als bisher angebaut wird, wobei man 
ſich jedoch ſehr zu hüten hat, daß er nicht mit dem gewöhnlichen Zottelwelſchen 
(S. 27) verwechſelt wird, von dem er ſich hauptſächlich durch ſeine weniger 
wolligen oder filzigen Blätter unterſcheidet. 

15. Der blaue Clevner, am Rhein auch Klebroth genannt, ſcheint von 
Frankreich aus bei uns verbreitet worden zu ſein, wo er in Burgund, beſon⸗ 
ders aber in der Champagne eine ausgebreitete Anpflanzung findet. Der 
Rebſtock iſt zwar ziemlich ſtark mit grob abſpringender Rinde, aber ſchwach 
bewurzelt, daher er nicht zu den ſtarktriebigen Reben gehört, worauf bei der 
Erziehung beſondere Rückſicht zu nehmen iſt, auch kommt er nicht in allen 
Bodenarten gleich gut fort (S. 83). Dagegen iſt er nicht ſehr empfindlich 
gegen Froſt und gegen ungünſtige Witterung in der Blüthe, leidet aber in 
manchen Jahren vorzugsweiſe durch den Heu- und Sauerwurm. Mit dem 
blauen Clevner wird häufig der blaue Burgunder verwechſelt, ſie haben jedoch 
verſchiedene Unterſcheidungszeichen, woran jede Sorte zu erkennen iſt (F. 38). 
Bei dem Clevner ſind die Beere rund, ins Längliche ſpielend und ſtehen ſehr 
dicht (gedrungen), das einjährige Holz iſt dünn, etwas flach gefurcht und bei 
ſchwächerem Wuchſe ſtehen die Augen enge beiſammen, es iſt röthlich braun, 
grau punctirt und treibt in der Regel am zweiten und dritten Auge der Trag— 
rebe und der jungen Schooſe je eine Traube. Der Saft iſt dünn ſchleimig, 
ſehr ſüß und aromatiſch und gibt einen vorzüglichen, gewürz⸗ und bouquetrei⸗ 
chen Rothwein. | 

Gewicht: 1857: 90—94, 1858: 95 96, 1859: 89, 1860: 74, 1861: 
87, 1862: 100 Grade. | 

Wenn die ganzen Trauben gekeltert und nicht zu ſtark ausgepreßt werden, 
ſo kann aus der blauen Clevnertraube auch ein vorzüglicher weißer Wein be— 
reitet werden, der häufig zu der Fabrikation von mouſſirenden Weinen verwen— 
det wird, wozu ſich die Clevnertraube vorzüglich eignet. 

Neben dem gewöhnlichen blauen Clevner gibt es auch noch einige andere 
Clevnerſorten, namentlich 

a. einen frühen blauen Jakobi⸗ oder Auguſt⸗Clevner, 

b. das blaue Möhrchen und 

C. den blauen Arbſt, auch Thalroth. \ 

Der Früh⸗Clevner iſt keine Weinbergs- ſondern Tafeltraube und wird un— 
ter dieſen beſchrieben werden (§. 42). 


40 


Das blaue Möhrchen unterſcheidet ſich von dem blauen Clevner durch 
ſeine kleineren Trauben, die frühere Reife derſelben und durch den geringeren 
Ertrag, hauptſächlich aber dadurch, daß ſich die Blätter ſchon gegen das Ende 
des Monats Auguſt ganz roth färben, was beim ächten Clevner in der Regel 
nur am Rande der Fall iſt. | 
Der blaue Arbſt wird hauptſächlich im Baden'ſchen Oberlande gepflanzt 
und davon der rothe Affenthaler und Zellerwein erzeugt. Er unterſcheidet ſich 
von dem blauen Clevner durch den ſchwächeren Rebſtock, ſein fait rundes, 
glätteres, wachsartig glänzendes Blatt mit ſchönen rothen Flecken und Rän⸗ 
dern, das ſich jedoch nicht ſo häufig wie beim Möhrchen ganz ins Rothe ver— 
färbt, ſowie beſonders durch kurze Blattſtiele und hellgrün wollige Endſpitzen 
der jungen Triebe. Ferner durch ſeine mehr kleinen als großen Trauben, am 
Grunde äſtig, einem Tannenzapfen ähnlich, auch ſind die Beere weniger ge— 
drungen, insbeſondere aber auch durch den dünneren rothen Traubenſtiel bei 
vollſtändiger Reife. Er trägt viel reicher als das Möhrchen und ſolle auch 
den gewöhnlichen blauen Clevner nicht ſelten im Ertrag übertreffen. 


Dritte Anterabtheilung. Blätter faſt kahl. 


a. RN kuppelförmig. 

a 
16. Der blaue Sylvaner 110 bis auf die Farbe dem grünen und e 
Sylvaner (16). In niedern Lagen mit fettem mehr kühlem Boden (Lehm) 
wird die Traube ſelten ganz ſchwarzblau und gleicht dann faſt ganz dem ro- 
then Sylvaner, während er in magerem warmen Boden, auch in minder 
guten Jahren ſeine blaue Farbe bekommt. Der Wein von dem blauen Syl⸗ 
vaner ſolle einen kräftigern Wein geben als die andern Sorten, was wohl 
daher kommen mag, daß die blaue Traube mehr Gähr- und Gerbſtoff, als 
der grüne Sylvaner beſitzt, wodurch ſich der vorhandene Zuckerſtoff mehr in 

Alkohol als bei letzterem verwandeln kann. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


8.335 
17. Der blaue Portugieſe iſt im ſüdweſtlichen Deutſchland und nament⸗ 
lich in Württemberg erſt neuerlich als Weinbergstraube angepflanzt worden 
und kommt von Oeſtreich, wo er in Steiermark ſchon geraume Zeit bekannt 
iſt und wahrſcheinlich aus Portugal bezogen wurde. Aut 
Der Rebſtock ift ſtark, mit grob abſpringender Rinde, hat ein ſehr kräf⸗ 
tiges Wachsthum und gehört daher zu den ſtarktriebigen Rebſtöcken. Das 
einjährige Holz iſt dick, etwas gebogen, auf der Augenſeite flach gedrückt, weit 


41 


gefurcht, ſattbraun ins Gelbliche, dunkelbraun gefleckt, ſaftreich mit weiten 

Saftgefäßen und bleibt fleiſchig, ſo lange es wächst. Das Mark iſt ſtark und 
locker, wornach der Rebſtock zu den weicheren und empfindlichern gehört. Er 
hat die Eigenſchaft, daß er im Spätjahr lange fortwächst, und, ſo lange ſein 
Wachsthum dauert, das Holz nicht gehörig zeitiget. Außerdem treten, wenn 
der Stock durch Düngung oder kräftigen fetten Boden zu maſt gebaut wird, 
gerne Saftſtockungen ein, die verſchiedene Krankheiten, namentlich den Grind, 
Schwarzbrenner, Gelbſucht herbeiführen und die Pflanzung zu Grunde richten. 
Die Anpflanzung dieſer Rebgattung erfordert daher nach Lage und Boden eine 
beſondere Beachtung (§. 83). Die Knoten ſind weit, verdickt, wenig erhaben. 
Augen: Dick, kurz, geſchloſſen. Endſpitzen: Kahl, hellgrün. 

Blätter: Groß, dünn, flach, meiſt glatt, tief eingeſchnitten, oben dunkelgrün, 
glänzend, unten heller. Verfärbung ins Rothe. 

Der Rebſtock trägt frühzeitig, gerne und viel Trauben. Die letztern 
ſind ſchön, ſchwarzblau, hie und da äſtig, ziemlich gedrungen, früh reifend mit 
dem Clevner (in guten Lagen etwas früher) mit ziemlich großen, etwas läng⸗ 
lichen Beeren, die ſehr viel Farbſtoff beſitzen und einen dünnen, i ſüßen, 
angenehmen Saft haben, jedoch ohne beſonderes Arom. 

Gewicht: 1857: 88—89, 1858: 78, 1859: 81, 1861: 88, 1862: 95 
Grade. 

C. Endzahn ſpitzig. 


III. Abtheilung. Peere kugelig. 


Srste Anterabtheilung. Blätter filzig. 
a. Endzahn kuppelförmig. 


§. 34. 

18. Der blaue Tokayer unterſcheidet ſich von dem weißen (§. 17) haupt⸗ 
ſächlich durch ſeine Farbe, und daß er noch ſpäter reift als jener, daher er 
noch weniger empfehlungswerth als dieſer iſt. 

Gewicht des Saftes: 1857: 82, 1858: 60, 1859: überreif 96; in ge⸗ 
ringeren Jahren: 4760, 1862: 88 Grade. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


c. Endzahn ſpitzig. 


8.35 
9, Der ate Karmenet wird in Frankreich als Weinbergstraube in ver⸗ 
ſchiedenen Departements, namentlich aber in demjenigen der Gironde gepflanzt 


(2 


42 


und aus demſelben theilweiſe die feinen Bordeaux⸗ und Medocweine gewonnen. 
In Deutſchland iſt die Rebe noch wenig verbreitet und kommt hauptſächlich f 
nur in Muſteranlagen vor. 

Der Rebſtock iſt theils ſchwach, theils mittelmäßig ſtark, mit grob ab- 
ſpringender Rinde, er zeigt keine ſtarke Vegetationskraft und ſcheint gegen un⸗ 
günſtige Witterungseinflüſſe ſehr empfindlich zu ſein und mehr einen ſandigen, 
warmen oder hitzigen als ſtrengen Thonboden und eine gute geſchützte Lage 
zu verlangen, auch ſcheint er keine lange Erziehung vertragen zu können. 

Gewicht: 1857: 95, 1858: 98, 1859: 106, 1862: 105 Grade. 

20. Die blaue Kadarka ſtammt aus Ungarn und wird auch als edler 
ſchwarzblauer Tokayer (Gock) beſchrieben, wird aber in Württemberg ſowie im 
ſüdweſtlichen Deutſchland noch ſelten angepflanzt. 

Der Rebſtock iſt ſtark und ſtarktriebig, die Traube groß und dicht, die 
Beere ſchwarzblau, ſaftreich mit dünner Beerenhaut und bei vollſtändiger 
Reife mit einem ſüßen Safte von gewürzhaftem Geſchmack. 

Reifezeit mittelmäßig. 

In Ungarn ſollen von der Kadarka die vorzüglichſten rothen Weine er⸗ 
zeugt und aus der Traube beſonders auch Trockenbeere zur Ausbruchbereitung 
gewonnen werden, bei uns dürfte jedoch dieſelbe hauptſächlich nur in guten 
Lagen mit gutem warmen oder auch hitzigen Boden, wo ſchwachtriebige edle 
Sorten nicht mehr recht gedeihen, zur Anpflanzung gebracht werden. 

21. Der blaue Neri iſt wenig bekannt und nur in Traubenſammlungen 
zu finden. Der Rebſtock iſt ziemlich ſtark mit grobabſpringender Rinde, 
zeigt gute Triebkraft, iſt nicht empfindlich und trägt gerne. 

Die Traube iſt mittelgroß, dicht mit dunkelblauen, ziemlich großen, ſaft⸗ 
reichen Beeren, mit dünner Beerenhaut, die einen dünnen, etwas ſäuerlich ſüßen 
Saft enthalten, der jedoch bei vollſtändiger Reife kein geringes Ge zeigt: 

1857: 93, 1858: 90, 1859 9541862789 Grade. 

Die Reifezeit iſt die mittlere, und dürfte die Rebe bei ihrem guten Ertrag 
und ihren ſaftreichen Trauben als Weinbergstraube kein ungünftiges Reſultat 
liefern, jedenfalls aber einen guten Mittelwein geben. 


Zweite Anterabtheilung. Blätter wol lig, zottig. 


a. Endzahn kuppelförmig. 


§. 36. 5 
22. Der blaue Klöpfer kommt häufig unter dem Namen blauer Räuſch⸗ 
ling vor; er unterſcheidet ſich jedoch von den Räuſchlingen hauptſächlich durch 
ſein weuiger filziges, mehr wolliges Blatt. Unter erſterem Namen wird er 
namentlich im Breisgau (Emendingen und Ihringen) öfters angepflanzt. Der 


43 


Rebſtock iſt ſtark mit ziemlich feiner, abſpringender Rinde, hat gute Triebkraft, 
und ſoll auch ſehr fruchtbar ſein, nach meinen Erfahrungen iſt jedoch letzteres 
nicht der Fall. 

Gewicht: 1857: 90, 1858: 89, 1859: 93, 1862: 78 Grade. 

Die Reifezeit der Traube iſt die mittlere, fie ſcheint aber keinen beſon⸗ 
ders guten gewürzreichen Wein zu geben und gehört daher nicht zu den empfeh— 
lungswertheren Traubengattungen. 

23. Der blaue Wildbacher ict hauptſächlich in Steiermark zu Haufe, wo 
er faſt wild wächst, und wird im ſüdweſtlichen Deutſchland ſelten und nur in 
Traubenſammlungen gepflanzt. Der Rebſtock iſt ziemlich ſtark mit fein ab— 
ſpringender Rinde, großer Triebkraft und außerordentlicher Tragbarkeit, dauer— 
haft und nicht empfindlich. 

Die Traube iſt klein, dicht, hie und da etwas äſtig. Vollſtändige Reife 
etwas ſpät, in geringen Weinjahren ſelten. | 

Gewicht: 1857: 89, 1858: 94, 1859: 90, 1862: 91 Grade. 

Taugt nur in vorzügliche Lagen, wo aber beſſere Traubengattungen zweck— 
mäßiger gebaut werden, und iſt daher im Allgemeinen nicht zu empfehlen. 

Zur Bekleidung von Lauben ſehr tauglich, reift aber dann noch ſpäter. 

24. Der blaue Gelbhölzer kommt in Württemberg in dem Enzthale bei 
Vaihingen, Roswaag und Mühlacker unter dem Namen „Lomersheimer 
Schwarze“ vor. Der Reſbſtock iſt nicht ſtark, mit fein abſpringender Rinde, 
in gutem Boden aber doch von ziemlich ſtarker Triebkraft, er iſt nicht em— 
pfindlich und trägt gerne und viel. Rebholz: Etwas ſchwach, fein gefurcht, 
glatt, gelbbraun, ſchwärzlich punktirt, manchmal dunkler geſtreift. Knoten: 
Verdickt vorſtehend. Augen: Mehr ſtumpf mit ſchwacher Spitze. End— 
ſpitzen: Weißwollig. 

Blätter: Mittelgroß, dick, ſteif, etwas blaſig, meiſt tief eingeſchnitten, 
oben hellgrün, etwas glänzend, unten graugrün, ſchwach zottig. 

Gewicht: 1857: 90, 1858: 85, 1859: 91, 1862: 96 Grade. 

Bei der Verſammlung der württembergiſchen Weinproduzenten zu Vai⸗ 
hingen a. d. Enz den 8. September 1862 iſt zwar der Lomersheimer Schwarze 
für einen Affenthaler Rebſtock erklärt worden, derſelbe ſcheint jedoch bezüg— 
lich der Geſtalt des Blatts, des Endzahns und der Reifezeit der Traube doch 
inige Verſchiedenheit vom Affenthaler zu zeigen ($. 38). 

25. Die blaue Hartwegstraube wird in Württemberg hauptſächlich im 
Tauberthale mit dem Süßrothen (§. 38) unter dem Namen Grobſchwarz, 
Tauberſchwarz gepflanzt. Der Rebſtock iſt ſtark, hat viele Triebkraft, trägt 
gerne und viel Trauben und taugt daher beſonders in den magern Boden des 
Tauberthales. 

Die Traube iſt ziemlich groß, lang, äſtig, locker und reift ziemlich frühe, 


44 


aber hie und da etwas ungleich, ſo daß ſich an manchen Trauben reife und 

unreife Beere befinden. 

Gewicht: 1857: 95, 1858: 74, 1859: 85, 1861: 92, 1862: 90 Grade. 
— — 


— 
5 von niedern Lagen 
Aus dem Grobſchwarzen wird in Verbindung mit dem Süßrothen der 
rothe Tauberwein erzeugt, der zwar nicht von großer Dauerhaftigkeit, aber in 
den erſten Jahren ſehr ſüß und angenehm zum Trinken iſt. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


c. Endzahn ſpitzig. 
8.3 


205. 15 blaue Liverdun iſt erſt ke beſonders in Württemberg, im 
Großen zur Anpflanzung gekommen, die Erfahrungen darüber ſind daher noch 
ziemlich mangelhaft. Er ſtammt aus Frankreich und namentlich wird er im 
Departement de la Meurthe, dem öſtlichen Lothringen und der Umgegend von 
Nancy, Luneville, Saarburg und Toul, beſonders wegen feiner Fruchtbarkeit 
häufig angebaut, wo er unter dem Namen Liverdun oder ſchwarzer Erice 
vorkommt. 

Der Rebſtock iſt ſchwach mit grober, abſpringender Rinde = treibt Feine 
ſtarke Wurzeln, jedoch in der Jugend viel Holz, das frühe zeitigt, ſehr viele 
Trauben treibt und ſogar, wenn die Hauptaugen durch Froſt Schaden 
gelitten haben, noch durch die Beiaugen Trauben nachtreiben ſoll, ſo daß er 
zu den ertragreichſten Rebgattungen gehört. Soll jedoch der Ertrag nachhal- 
tig ſein, ſo darf ihm wegen ſeiner ſchwachen Wurzelbildung nicht zu viel Trag— 
holz gelaſſen werden, weil er ſich ſonſt überträgt und bald altert, er erfordert 
deßhalb in der Erziehung eine beſondere Behandlung (§. 138), auch verlangt 
der Stock wegen ſeines reichen Ertrags einen kräftigen, ausgeruhten Boden 
(S. 883 

Die Traube iſt theils mittelgroß, theils klein, einfach und gedrungen, 
hie und da auch locker und reift ziemlich frühe mit dem ſchwarzen Burgunder, 
jedoch etwas langſamer als dieſer und ſoll die Eigenſchaften haben, daß ſie 
ſich auf der Sommerſeite um ca. 8 Tage früher färbt, als auf der W 
daher nicht zu frühe zu leſen. 

Gewicht: 1857: 75, 1858: 67, 1859: 84, 1861: 95, 1862: 95 Grade. 

Die Liverdunrebe wird nur für Lagen und Gegenden zu empfehlen ſein, 
wo nicht auf Qualität, ſondern hauptſächlich nur auf Quantität gebaut wird. 
Auch in Frankreich will man die Erfahrung gemacht haben, daß, je en 
der Stock iſt, deſto mehr die Bu des Weins abnimmt. 


45 


27. Der blaue Pineau gleicht viel dem Clevner und a hie und da 
in den Clevnerpflanzungen vor, er unterſcheidet ſich jedoch von dem letzteren 
(§. 31) durch ſeine runden, kugeligen Beere, durch die ſtärkere Behaarung 
ſeiner Blätter und durch den größeren Endzahn. Der Pineau ſtammt aus 
Frankreich, wo er ziemlich verbreitet zu ſein ſcheint, doch kommen dort er 
dieſem Namen auch andere Traubengattungen vor. 


Der Rebſtock iſt ziemlich ſchwach mit grob abſpringender Rinde und hat, 
wie der Clevner, keine große, nachhaltige Triebkraft, iſt empfindlich, erfordert 
eine ähnliche Behandlung wie der Clevner, ſcheint aber nicht ſehr einträglich 
zu ſein und wäre daher nicht zu empfehlen. 

Gewicht: 1857: 91 Grade. 1858: 82 Grade. 


28. Der ſchwarzblaue Scheuchner auch blauer Köllner wird in Württem— 
berg hie und da, hauptſächlich aber im obern Remsthal und an den ſteilen 
Kalkgebirgen des mittleren Neckarthales angebaut und kommt dort unter dem 
Namen Grübler, Pommerer vor. 

Der Rebſtock iſt ſtark, hat ſtarke Vegetationskraft, iſt nicht empfindlich 
gegen Froſt und ſehr fruchtbar, ſo daß häufig jedes Auge vom A an 
zwei Trauben treibt. 


Stock und Trauben gleichen viel dem Trollinger, das Blatt unterſcheidet 
ſich jedoch durch die unten wollige Blattſeite und die Traube iſt gedrungener 
und zeitiget ſpäter als der Trollinger. 

Die Rebe wird hauptſächlich nur wegen ihres reichlichen Ertrags ge— 
pflanzt, iſt aber nicht zu empfehlen und ſollte nur in ſteilen und ausgezeichnet 
warmen Lagen gepflanzt werden. 

29. Der blaue Heuniſch unterſcheidet ſich von dem weißen Heuniſch (§. 20) 
hauptſächlich durch ſeine Farbe und durch ſeine ſpäte Reifezeit und iſt, da er 
in der Regel nur einen ſauern Wein gibt, nicht zu empfehlen. 

30. Der Mohrenkönig iſt eine blaue Traube, die bei uns noch wenig 
vorkommt, in einzelnen Gegenden von Steyermark (am Gaberberg bei Tüffer), 
aber als Weinbergstraube öfters gepflanzt wird. 

Der Rebſtock iſt mittelgroß, hat keine beſonders ſtarke Triebkraft und er— 
fordert daher mehr eine kurze als lange Erziehung, er ſoll aber nicht beſon— 
ders empfindlich ſein, namentlich ſtrengen Winterfröſten widerſtehen und ziem⸗ 
lich guten Ertrag geben. 


Der Wein iſt nicht beſonders gehaltreich, ohne Arom. 
Gewicht: 1857: 82. 1858: 75. 1859: 82. 1862 überreif: 104 Grade. 


36 5 | \ 


Dritte Anter-Albtheilung. Blätter faſt kahl. 
a a. Endzahn kuppelförmig. 


b. Endzahn halbkuppelförmig. 


§. 38. | 
| 31. Der blaue Burgunder wird häufig mit dem blauen Clevner verwech⸗ 
ſelt (S. 31), unterſcheidet ſich jedoch von demſelben durch folgende wee 
Merkmale. 

Das Holz iſt ſtark, kräftig, röthlich braun und blaugeſtreift und treibt in 
der Regel am dritten und fünften Auge der Tragreben je eine Traube. Das 
kräftige Wachsthum des Holzes iſt nachhaltig. Das Blatt iſt kahl (nicht 
behaart), glatt und blaßgrün; die Traube mehr langſtielig, mit ſtarkem 
Kamm und Achſeln, die Beere kugelförmig und ſtehen weniger gedrungen 
als beim Clevner. Gock unterſcheidet in ſeinem Werke „Die Weinrebe“ zwar 
bereits zwiſchen dem Cleoner und Burgunder und findet den Unterſchied haupt⸗ 
ſächlich darin, daß das Blatt des Clevners mehr behaart iſt, als dasjenige 
des Burgunders; auf die beſondern Unterſcheidungszeichen iſt man jedoch erſt 
durch die in dem Werke von Gemeinderath Single in Stuttgart „die Abbil⸗ 
dungen der württembergiſchen Traubenſorten“ angeſtellten Vergleichungen auf⸗ 
merkſam geworden. 

Der Burgunderſtock iſt zwar etwas ſtarktriebiger, als der Clevner, er 
darf aber, wenn er dauerhaft ſein ſolle, deſſenungeachtet nicht mit zu viel 
Tragholz verſehen werden, ſondern verlangt, wie jener, eine beſonders auf— 
merkſame Erziehung (§. 138). Es gibt zweierlei Burgunderarten, eine grö⸗ 
ßere und eine kleinere, die ſich jedoch hauptſächlich nur durch die Größe der 
Trauben und Beere, durch ſtärkere Achſeln und ein größeres Blatt von ein⸗ 
ander unterſcheiden. Der große Burgunder wird hauptſächlich in der Boden: 
ſeegegend unter dem Namen „blauer Sylvaner“ gepflanzt (§. 30), den kleinen 
Burgunder findet man häufig in den Clevner-Anlagen des württembergiſchen 
Unterlandes, namentlich an den Abfällen gegen das Rheinthal in den Ober⸗ 
ämtern Maulbronn und Neuenbürg, wo er durch die württembergiſche Wein⸗ 
verbeſſerungsgeſellſchaft mit dem Clevner verbreitet wurde. Der Bezug der 
Schnittlinge durch dieſelbe erfolgte theils aus der Gegend von Weinheim in 
Baden, wo meiſtens Clevner, theils aus Rheinheſſen (Ingelheimer Grund), 
theils von Aßmannshauſen im Rheingau, wo die Weinberganlagen durchſchnit⸗ 
lich zur Hälfte mit dem kleinen Burgunder, und der Reſt mit Clevner beſtockt 
ſein ſollen. 

Die Traube des blauen Burgunders zeitigt etwas ſpäter, als der Clev⸗ 
ner, jedoch immer noch ziemlich frühe, auch gibt dieſelbe einen etwas gerin- 


47 


geren Wein, als jene. Die Beere find jedoch ſaftig, für, gewürzhaft, daher 
der Wein doch noch zu den vorzüglichen rothen Weinen gehört. Dagegen 
trägt die Burgunderrebe reichlicher als der Clevner, und da auch Trauben und 
Beere größer ſind, ſo iſt dieſelbe weit einträglicher als dieſer. Der ächte 
blaue Burgunder darf daher zu den vorzüglichſten Rebſorten gerechnet und 
deſſen Anbau ſehr empfohlen werden. 


Neben dem gewöhnlichen Burgunder gibt es auch noch einen frühen 
blauen Burgunder, der etwas früher als der gewöhnliche Burgunder zeitigt, 
jedoch nicht ſo frühe, wie der Frühklevner. Er taugt deßwegen eher als dieſer 
zur Weinbergstraube, gibt jedoch keinen ſolchen e e Wein, wie der 
ſpätere blaue Burgunder. 


32. Der Affenthaler kommt in Württemberg, namentlich im mittlern 
Neckarthale in der Gegend von Eßlingen, Cannſtadt, Marbach, Winnenden, 
ſowie im Enzthale hie und da zur Anpflanzung, und iſt eine Rebgattung die 
Württemberg ſpeciell angehört. Woher ſie ſtammt, iſt nicht genau bekannt, 
da fie jedoch zu dem Burgundergeſchlecht gehört und auch als kleiner ſäuer— 
licher Burgunder beſchrieben wird (v. Gock S. 47), ſo iſt es wahrſcheinlich, 
daß ſie aus Frankreich zu uns gekommen iſt. 


Der Rebſtock iſt mittelſtark, mit ziemlich feiner, abſpringender Rinde, hat 
jedoch nicht viel Triebkraft und muß daher in der Erziehung beſonders be— 
handelt werden (S. 138). 


Der Stock iſt in der Jugend ſehr fruchtbar, läßt aber im Alter gern 
nach, wenn er nicht geeigneten Boden und eine angemeſſene kurze Erziehung 
bekommt. Er iſt nicht empfindlich gegen ungünſtige Witterungseinflüſſe, na⸗ 
mentlich gegen Spätjahrs⸗ und Frühjahrsfröſte, und das Holz zeitigt gerne 
und regelmäßig, daher er zu den ſogenannten harten oder dauerhaften Reb— 
ſorten gehört. 


Die Traube iſt mittelgroß, länglich etwas locker, meiſt äſtig, fault ſelten 
und reift ziemlich frühe, doch ſpäter und langſamer als der Clevner und der 
blaue Burgunder, zeigt aber bei der Leſe hie und da dreierlei Trauben, näm⸗ 
lich ganz reife, mittelreife und halbreife, daher die blaue Färbung nicht immer 
für eine vollſtändige Reife angeſehen werden darf, vielmehr muß die Traube 
beinahe bis zur Ueberreife am Stock hängen bleiben und darf nicht in un⸗ 
günſtigen Lagen gepflanzt werden, wenn der Saft nicht ſauer, ſondern ſüß 
ſchmecken ſoll. Die Beere find mittelgroß, ſchwarzblau, blauduftig und ent- 
halten einen dünnen, ſtrengen, ſäuerlich ſüßen Saft, der nur bei der Ueberreife 
etwas milder ſchmeckt und zwar einen dauerhaften aber in den erſten Jahren 
etwas harten Wein gibt. 


48 


Gewicht: 1857: 90. 1858: 88. 89. 1862: 94 Grade, aber auch bei 
dieſem guten Gewicht immer etwas ſäuerlich ſchmeckend. 

Da bei dem Affenthaler, ſowohl bei der Anpflanzung, als bei der Erzie— 
hung und der Zeitigung ſo verſchiedene Rückſichten zu nehmen ſind, die nicht 
von jedem Weingärtner eingehalten werden und eingehalten werden können, 
auch der Wein, wenn er mild und angenehm zum Trinken werden ſoll, län— 
gere Zeit zur Ablagerung nöthig hat, während neuerlich der Weintrinker ſich 
mehr für neue Weine entſcheidet, ſo gehört er nicht zu den empfehlenswerthen 
Traubengattungen. 

33. Der blaue Trollinger, auch Schwarzwälſcher genannt, wird in Würt⸗ 
temberg faſt in allen Weinbaugegenden gepflanzt. Er kommt bei Beſigheim 
unter dem Namen Pommerer, im Kocherthale als Bockshode, im Oberamt 
Neuenbürg als Hammelsſchelle, in Hohenhaslach als Hudler, an der Alptraufe 
als Zottler, und im Rhein- und Mainthale zum Theil als Fleiſchtraube, 
Malvaſier ꝛc. vor, ſcheint aus Oberitalien und Tyrol zu ſtammen und haupt⸗ 
ſächlich ſeit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts bei uns verbreitet worden 
zu ſein. 

Neben dem rothen und weißen Trollinger (S. 21) gibt es unter dem 
blauen Trollinger einen gelb- und einen rothholzigen Trollinger, die ſich 
hauptſächlich durch die Farbe des Holzes und außerdem auch durch den Wuchs 
des Stocks, die Farbe und Geſtalt der Blätter, ſowie durch die Größe der 
Trauben und die Fruchtbarkeit des Stocks von einander unterſcheiden. 

Der rothholzige Trollinger treibt mehr ſchlankes Holz von röthlich brau— 
ner Farbe. 

Der Stock iſt etwas härter und das Holz weniger empfindlich gegen 
Froſt, aber auch weniger fruchtbar als beim gelbholzigen Trollinger, woraus 
ſich erklären läßt, warum der Wein von der Traube öfters eine beſſere Qua⸗ 
lität zeigt, als von letzterem. 

Bei dem gelbholzigen Trollinger iſt der Rebſtock ſtark, mit grob abſprin⸗ 
gender Rinde und treibt etwas weniger aber kräftiges Holz mit etwas engen 
Gelenken und alſo auch mehr Fruchtaugen. 

Gewicht des gelbholzigen Trollingers: 1857: 93, 1858: 76, 1859: 85, 
1860: 68—69, 1861: 92, 1862: 100 Grade. x 

Der Trollinger taugt bei ſeinem ſtarken Wuchſe namentlich in zu Spa- 
lieren und gehört zu den beiten und beliebteſten Tafeltrauben. 

34. Der blaue Gänsfüßler ſcheint feinen Namen von dem tief einge- 
ſchnittenen Blatt erhalten zu haben, das eine Aehnlichkeit mit einem Gänſefuß 
hat. Er iſt eine alte bekannte Traubengattung, iſt früher im Rheinthale, ſo 
lange der Kammerbau noch allgemeiner eingeführt war ($. 127), häufig ge⸗ 
pflanzt worden und wird noch jetzt dort als e zu der Bekleidung 


49 


4 


von Gebäuden und Lauben öfters gebraucht. Er iſt in ee Zeiten wahr- 
ſcheinlich aus Italien zu uns gekommen. 


Der Rebſtock iſt ſtark, baumartig und hat eine ſehr ſtarke Triebkraft, ſo 
daß er als Wesen ganze Wandungen überdeckt und in dieſer Eigenſchaft 
auch einen ſehr guten Ertrag liefert, was weniger als Weinbergstraube bei 
der gewöhnlichen Erziehung der Fall iſt, doch wird er in Württemberg auch 
in den Weinbergen, namentlich im Zipfelbachthale in der Gegend von Win— 
nenden, häufig gepflanzt. Er treibt zwar viele Trauben, iſt aber empfindlich 
in der Blüthe, ſo daß nach derſelben manche fehlen oder kleinbeerig ſind. 

Gewicht: 1857: 81, 1858: 80, 1859: 80 Grade. 


f Der Gänsfüßler gehört als Weinsbergstraube nicht zu den empfehlungs⸗ 
werthen Gattungen. 


35. Die blaue Frankentraube oder der Süßrothe, Süßſchwarze, wird 
häufig in dem Tauber⸗ und dem obern Jagſtthale gepflanzt, wo aus derſelben 
in Verbindung mit dem Grobſchwarzen (S. 36) die füße angenehmen, rothen 
Tauberweine erzeugt werden. 


Der Rebſtock iſt nicht ſehr ſtark und hat nur mittlere Triebkraft, daher 
bei deſſen Erziehung beſonders auf die Bodenbeſchaffenheit Rückſicht genommen 
werden muß (S. 137). Er iſt ziemlich empfindlich, beſonders in Niederungen 
und leidet daher leicht Schaden durch Froſt, den Brenner ꝛc. 

Gewicht: 1858: 71, 1859: 89, 1861: 88, 1862 92 Grade. 

Der Rebſtock ſetzt zwar viele Trauben an, er gehört jedoch wegen ſeiner 
Empfindlichkeit und der Lockerkeit der Trauben nicht zu den einträglichern 
Gattungen, daher bei deſſen Anpflanzung mit beſonderer Sorgfalt in der 
Auswahl der Lage und des Bodens zu Werke gegangen werden muß. 

36. Der blaue Limberger iſt eine erſt neuerlich in Württemberg und in dem 
ſüdweſtlichen Deutſchland bekannt gewordene Traubengattung und aus Oeſtreich 
mit dem blauen Portugieſen zu uns gekommen. 

Der Rebſtock iſt ſtark mit guter Wurzelbildung, hat ein kräftiges Wachs- 
thum, eine gute Triebkraft und iſt dauerhaft. Er iſt nicht empfindlich, hat 
ein feſtes, hartes Holz mit engem Mark, das auch in fettem Boden bald 
aufhört zu wachſen und frühe zeitigt, wodurch es durch Spätlingsfröſte weni— 
ger Schaden nimmt und auch für das nächſte Jahr die „ gehörig 
ausbilden kann. 

Rebholz: Stark, gefurcht, etwas platt gedrückt, braun mit ſchwarzen und 
bräunlichen Punkten. Knoten: Wenig erhaben, Abſtand ziemlich weit. 
Augen: Stark, ſtumpf mit ſchwacher Spitze. Endſpitzen: Glatt, dunkel⸗ 
grün. 


„ 50 


Das Blatt iſt groß, dick, blaſig, faſt rund, dunkelgrün, pergamentartig, 
oben und unten kahl mit wenig eingeſchnittenen Seitenlappen, nicht ſtarker 
Bezahnung und Warme manchmal auch ganz kuppelförmigem 
Endzahn. 

Die Traube iſt groß, ſchwarzblau, etwas locker mit Achſeln und reift 
ziemlich frühe, doch etwas ſpäter als der Portugieſe. Die Beere ſind mittel⸗ 
mäßig, der Fäulniß auch bei ungünſtiger Witterung nicht ſo bald unterworfen, 
mit einem ſüßen Saft, der einen geiſtreichen, dauerhaften und gewürzhaften 
rothen Wein geben ſoll, der jedoch, weil die Beere den Farbſtoff weniger fah⸗ 
ren laſſen, an den Trebern vollkommen vergähren muß, wenn er dickroth 
werden ſoll. 

Eine Anlage unten und in der Mitte von blauen Limbergern und oben 
von blauen Portugieſen ſollte einen vorzüglichen rothen Wein geben. 


C. Endzahn ſpitzig. 
8 

37. Der ſchwarze Muskateller iſt ſüßer und gewürzhäfter als der weiße 
und rothe Muskateller, hat aber weniger Muskatgeſchmack. | 

Die Traube gibt gerne einen feinen, ſehr gewürzreichen aber doch etwas 
leichten und nicht ſehr haltbaren Wein, dagegen kann ſie mit anderen blauen 
oder ſchwarzen Trauben gepflanzt, das Gewürz derſelben ſehr erhöhen. 

Gewicht 1857: 96, 1858: 90, 1859: 97, 1861: 82, 1862: 101 Grade. 

Neben dem ſchwarzen gibt es auch noch einen blauen Muskateller, die 
zwar häufig mit einander verwechſelt werden, ſich aber doch weſentlich von 
einander unterſcheiden, namentlich hat der blaue Muskateller etwas ſtärkere, 
lederartige, längliche Blätter mit weniger aber breiten Zähnen. Er reift viel, 
ſpäter als der ſchwarze Muskateller, hat hellblaue Beere mit weniger Mus⸗ 
katgeſchmack, iſt ſehr empfindlich in der Blüthe und trägt meiſtens nur we- 
nige und geringe ſaure Trauben und iſt daher weder als Weinbergs- noch 
als Tafeltraube zu empfehlen. 

Nähere Unterſcheidungsmerkmale beider Gattungen enthält Single die 
Traubenſorten Württembergs S. 36. ! 


Tafeltrauben. 


F. 40. 

Zu den Tafeltrauben rechnen wir diejenigen, die ſich wegen ihres feinen 
angenehmen Geſchmacks hauptſächlich zum Genuſſe oder als beſondere Curio⸗ 
ſität zu der Aufſtellung auf der Tafel eignen und in der Regel in Gärten 
und an Spalieren erzogen werden können. 


51 


Zu ſolchen Traubengattungen gehören übrigens auch manche Weinbergs— 
trauben, daher wir zunächſt dieſe unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte 
Beſchreibung hier zuſammenſtellen. 

1. Der rothe und weiße, ſowie der Gewürztraminer §. 11. 

2. Der rothe Malvaſier §. 12. 

3. Der Roth⸗ und Schwarz⸗Urban §. 15 und 31. 

4. Der weiße und blaue Clevner §. 15 und 36. 

5. Der Ruländer §. 15. 

6. Der grüne, rothe und blaue Sylvaner §. 16 und 32. 

7. Der weiße und blaue Burgunder §. 19 und 38. 

8. Der rothe und blaue Trollinger §. 21 und 38. 

9. Der weiße und rothe, fo wie der Krachgutedel 8. 22. 

10. Der weiße, rothe und ſchwarze Muskateller §. 22 und 39. 

11. Der blaue Marokkaner 8. 25. 
12. Der blaue Blüſſardt §. 26. 
13. Der blaue Bernardi §. 26. 

14. Der blaue Portugieſe §. 33. 
15. Der blaue Carmenet $. 35. 
16. Der blane Pineau §. 37. 


Ausſchließlich zu Tafeltrauben eignen ſich ſodann hauptſächlich noch fol- 
gende Sorten: 5 


I. Abtheilung. Peere länglich. 
Arſte Alnterabtheilung. Blätter filzig. 
Endzahn halbkuppelförmig. 
§. 41. 


17. Gaisdutte weiß und blau. 


Eignen ſich hauptſächlich nur zur Bedeckung von Lauben und heißen 
Wandungen und ſind wegen der großen Trauben und der langen ovalen Beere 
mehr intereſſante als vorzügliche Tafeltrauben. Die weiße und blaue 
Gattung ſoll ſich durch das Blatt etwas von einander unterſcheiden, daher 
erſtere von Babo unter dem Namen Sauterne beſchrieben wurde. 


Zweite Ankerabtſeilung. Blätter wollig, zottig. 
Endzahn halbkuppelförmig. 
18. Der weiße Malvaſier. 
Derſelbe gehört zu den vorzüglichſten Tafeltrauben und iſt zur Anpflan⸗ 


zung als Spalier an Mauern und Wandungen beſonders zu empfehlen, indem 
4 * 


: rad 
er wegen ſeiner Frühreife eine ſehr geſuchte Tafeltraube it, die in der Regel 
gut bezahlt wird. 


7 


Dritte Anterabtſeilung. Blätter faſt kahl. 
Endzahn ſpitzig. 

19. Die gelbe Seidentraube auch weiße Zibebe genannt. 

Eine vorzügliche, wegen der Frühreife ſehr geſchätzte Tafeltraube, die in 
ſüdlichen Ländern häufig als Weinbergstraube gepflanzt und getrocknet wird, 
die Beere aber als Trockenbeere (Zibeben) in den Handel kommen. Der Stock 
iſt empfindlich gegen die Winterkälte und bei uns hauptſächlich in geſchützten 
Lagen an Mauern und Lauben auf gutem, mildem, kräftigem Boden anzu⸗ 
pflanzen. 

20. Der frühe weiße Damaszener kam aus Griechenland unter dem 
Namen „Weißer Griechiſcher “zu uns. 

Sit ſehr empfindlich gegen Froſt und gegen naßkalte Witterung während 
der Blüthe. Er fordert eine lange Erziehung als Spalier. 


II. Abtheilung. Beere rund ins Xängliche. 
Erſte Anterabtheilung. Blätter filzig. 
Endzahn ſpitzig. 
S. 42. 
21. Die weiße frühe Lahntraube. 
Scheint ſich hauptſächlich zur Bekleidung von Lauben und Mauern zu 
eignen. 
Zweite Anterabtheilung. Blätter wollig, zottig. 
Endzahn halbkuppelförmig. 


22. Der weiße Muskat⸗Sylvaner unterſcheidet ſich von dem gewöhnlichen 
weißen oder grünen Sylvaner hauptſächlich durch das mehr wollige Blatt und 
durch den feinen Muskatgeſchmack. 8 

Derſelbe wird in dem ſüdlichen Frankreich häufig als Weinbergstraube 
angepflanzt und werden aus demſelben vorzügliche Weine erzeugt. 

Er ſoll dort theilweiſe unter dem Namen Clairet de Limaux vorkom⸗ 
men, einige unter dieſem Namen dem Verfaſſer zugekommenen Reben ſtimm⸗ 
ten zwar mit obiger Beſchreibung ziemlich überein, unterſcheiden ſich aber ſehr 
von einem andern als Muskat⸗Sylvaner erhaltenen Rebſtock, beide aber waren 
ſehr empfindlich und ihre Früchte kamen in mittleren Weinbergslagen ſelten 
vollſtändig zur Zeitigung, daher der Muskat⸗Sylvaner hauptſächlich nur als 
Tafeltraube in geſchützter Lage und in gutem Boden anzupflanzen wäre. 


53 


Dritte Anker-Zbtheilung. Blätter fait kahl. 
Endzahn ſpitzig. 


| 23. Der frühe blaue Jakobi- oder Auguſt⸗-Clevner ſtammt aus Burgund 
und der Champagne und wird hauptſächlich nur wegen ſeiner frühen Reife, die 
in guten Jahren bald nach Jakobi oder im Monat Auguſt erfolgt, geſchätzt. 
24. Der weiße Gutedel-⸗Malvaſier iſt bis jetzt nur wenig und nur als 
Tafeltraube bekannt. Gehört zu den vorzüglichſten Tafeltrauben. 


III. Abtheilung. Beere kugelig. 


Erſte Anter-Jtbtheilung. Blätter filzig. 
a. Endzahn kuppelförmig. 


§. 43. b 
25. Das blaue Ochſenauge ſtammt aus Amerika und iſt eine noch wenig 
bekannte Traubengattung. 
Taugt wegen der ſpäten Reife, und weil der Stock eine lange Erziehung 
fordert, nur zur Bedeckung von Lauben, Wandungen ꝛc. 


b. Endzahn verlängert kuppelförmig. 


26. Die blaue Iſabelle ſtammt gleichfalls aus Nordamerika, iſt erſt 
neuerlich bei uns verbreitet worden und zeichnet ſich durch eigenthümlichen 
erdbeerartigen Geſchmack aus. 

Wegen der Weitbeerigkeit der Traube und des geringen Saftgehalts der 
Beere eignet ſich die Rebe durchaus nicht zur Weingewinnung. Dagegen bei 
ihrer ſtarken Triebkraft ſehr zur Bedeckung von Lauben, Wandungen 2c., wozu 
häufig nur ein Stock nöthig iſt. 


Zweite Anter-Abtheilung. Blätter wollig, zottig. 
c. Endzahn ſpitzig. 


27. Morillon, blauer und zweifarbiger. Der erſtere wird in Frankreich 
theilweiſe als Weinbergstraube gepflanzt, der letztere erſcheint blos als Curio— 
ſität und als ſolche nur für die Tafel brauchbar. 

28. Der blaue Aramon wird in dem ſüdlichen Frankreich wegen ſeiner 
Tragbarkeit in einigen Departements als Weinbergstraube gepflanzt und dann 
zur Weingeiſtfabrikation verwendet, bei uns kann die Traube wegen der ſpäten 
Reife nur an warmen Mauern und Wandungen, ſo wie in geſchützten Lagen 
zur Bedeckung von Lauben gepflanzt werden und iſt wegen der großen langen 
Trauben und der großen Beere hauptſächlich als Merkwürdigkeit zu betrachten. 


e 8 


29. Die rothe Calebstraube zeichnet ſich hauptſächlich durch ihre große, 
oft mehrere Pfund ſchwere Trauben und durch die großen Beere aus, woher 
ſie auch den Namen hat. Sie iſt nur durch ihre Größe merkwürdig und da- 
her auch nur dadurch für die Tafel geeignet. 

Taugt nur als Spalier an heißen Wänden. 


Dritte Anterabtſeilung. Blätter faſt kahl. 


Endzahn ſpitzig. 


8. 44. 


30. Die weiße Vanilltraube ſcheint aus ſüdlichen Gegenden, wahrſcheinlich 
aus dem ſüdlichen Frankreich zu ſtammen, wo die Muskatweine erzeugt werden 
und zeichnet ſich durch ihren außerordentlichen gewürzigen Geſchmack aus, der 
noch ſtärker als beim Muskateller ſein ſoll, was ſich jedoch bei dem von mir 
in guter Lage unter andern Weinbergstrauben gepflanzten Exemplare noch 
nicht gezeigt hat. ; 

Der Rebſtock zeigt bei der gewöhnlichen Erziehung eine fehr geringe Er— 
tragsfähigkeit, daher er auch bei der ſpäten Zeitigung nur an warmen Mauern 
und in ſehr gutem Boden gepflanzt werden ſollte, wo er dann wahrſcheinlich 
auch mehr Gewürz entwickelt. 


31. Der weiße Pariſer Gutedel, auch Gutedel von Fontainebleau, ſoll von 
der Inſel Cypern ſtammen und wird namentlich in der Gegend von Fontaine⸗ 
bleau an Spalieren in Gärten mit Mauern umgeben, im Großen gepflanzt 
und zum Verkauf nach Paris gebracht, wo er als vorzügliche Tafeltraube gut 
bezahlt wird. 

Iſt am Spalier ziemlich fruchtbar und dauerhaft in der Blüthe, die 
ſpät eintritt, bei einer niedern Erziehung im Weinberg aber empfindlich und 
wenig fruchtbar. a 

32. Der frühe weiße Gutedel, auch Perl- oder Diamant⸗Gutedel, unter: 
ſcheidet ſich vom Weißen und Pariſer Gutedel wenig und hauptſächlich nur 
durch das etwas ſtärkere Rebholz, den engeren Knotenſtand, durch das unten 
mehr gelbgrüne Blatt, durch die großen, mehr lockeren Trauben mit größeren 
Beeren. Die Traube zeitigt gleichfalls frühe. 

33. Der rothe Königs⸗Gutedel, auch frührother Krachgutedel, unterſcheidet 
ſich von dem gewöhnlichen rothen Gutedel durch die dickere Beerenhaut und 
insbeſondere dadurch, daß ſich die Beere noch im unreifen Zuſtande und jo- 
gleich nach der Blüthe roth färben. 

34. Der weiße und rothe, geſchlitzt blättrige Gutedel oder Peterſilien⸗ 
Gutedel unterſcheidet ſich von den übrigen Gutedelarten hauptſächlich durch die 


55 


tief bis auf den Stielpunkt eingeſchnittenen Blätter, welche viel dem Blatt 
der Peterſilie gleichen. 

Bei dem rothen Peterſiliengutedel zeigt blos die Farbe einen Unterſchied 
gegenüber vom weißen. Er iſt in Deutſchland nur in Traubenſammlungen 
zu finden, in Frankreich dagegen wird er hie und da gepflanzt. 

Neben dem ganz geſchlitztblättrigen Gutedel gibt es auch noch einen halb— 
geſchlitztblättrigen, der ſich durch die weniger geſchlitzten Blätter unterſcheidet, 
indem den Stielpunkt noch eine ſchmale Blattfläche umgibt. Derſelbe iſt je- 
doch im ſüdweſtlichen Deutſchland nicht bekannt, ſoll aber in Steiermark als 
Weinbergstraube öfters angetroffen werden und fruchtbarer als der ganzgeſchlitzt— 
blättrige ſein. 

35. Der große, weiße und rothe ſpaniſche Gutedel zeichnet ſich zwar icht 
durch geſchlitzte, aber durch tief eingeſchnittene Blätter, ſowie durch ſeine großen, 
weißen oder röthlichen Beeren aus. Er gehört zu den vorzüglicheren Tafel— 
trauben, kommt aber in Deutſchland nur in einzelnen Traubenſammlungen 
ſowie hie und da in Gärten an warmen Geländen vor. 

36. Der ſchwarze Gutedel, auch blaue Muskat⸗Gutedel, kommt ſelten als 
Weinbergstraube vor, doch findet man ihn in einzelnen Weinbergen zu Reut⸗ 
lingen. 

Gehört zu den empfindlichern Traubengattungen und wäre hauptſächlich 
nur an geſchützten Mauern und in gutem, milden, kräftigen Boden zu pflanzen. 

37. Der weiße Muskat⸗Gutedel zeichnet ſich durch den etwas ſchwach— 
holzigen Rebſtock und gelbe Beere mit hartem Fleiſche, hauptſächlich aber durch 
ſeinen Muskatgeſchmack vor dem gewöhnlichen weißen Gutedel aus, der ſich 
jedoch bei feuchter, ungünſtiger Witterung nicht gehörig entwickeln ſoll. 

Gehört zu den vorzüglichſten Tafeltrauben, der Rebſtock iſt aber etwas 
empfindlich, trägt nicht viel und ſollte daher nur an warmen, geſchützten 
Mauern, und in gutem, lockeren, warmen Boden gepflanzt werden. Er iſt in 
Deutſchland wenig verbreitet, kommt aber in ſüdlichen Ländern, namentlich 
in dem ſüdlichen Frankreich, auch als Weinbergtraube vor. 

S algı 

Wir haben hier 27 weiße und rothe und 37 blaue und ſchwarze Gattungen 
von Weinbergstrauben, die hauptſächlich in Württemberg und im ſüdweſtlichen 
Deutſchland angepflanzt werden, ſowie 21 Gattungen beſonderer Tafeltrauben 
beſchrieben; es iſt jedoch ſchon bemerkt worden (§S. 8), daß die Zahl der ver— 
ſchiedenen Traubengattungen ſich weit höher beläuft, und daß dieſelbe noch 
lange nicht vollſtändig ermittelt iſt. Auch in den, in Württemberg von einzel— 
nen Freunden und Beförderern des Weinbaues angelegten Reb- und Trauben⸗ 
ſammlungen, ſowie in den Verſuchsanlagen des Verfaſſers befinden ſich noch 


56 


* 


manche Traubengattungen, die hier nicht beſchrieben wurden, weil ſie weder 
als Wein⸗ noch als Tafeltrauben von beſonderem Werthe, oder weil ſie auf 
die eine oder andere Weiſe noch nicht gehörig erprobt ſind. 

Wir glauben jedoch uns auf eine Beſchreibung von weiteren Trauben⸗ 
gattungen nicht einlaſſeu zu follen, indem unter den bereits beſchriebenen Gat— 
tungen die vorzüglichſten Weinbergs⸗ und Tafeltrauben begriffen ſind, ſo daß 
man insbeſondere bei der Anlage eines Weinberges hinſichtlich der Wahl der 
Sorten nicht in Verlegenheit kommen wird. Vielmehr wollen wir nunmehr, 
auf welche Weiſe der Rebe der beſte und reichſte Ertrag abgewonnen, und wie 
das Produkt derſelben behandelt werden muß, um ein edles Getränke, den 
Wein, davon zu bereiten, einer nähern und ſorgfältigern Betrachtung unter⸗ 
ziehen. 


III. Der rationelle Weinbau. 


§. 46. 

Wenn gleich die Rebe zu denjenigen Gewächſen gehört, welche am weiteſten 
auf unſerer Erde verbreitet ſind, wie ſie denn auch bei uns im wilden Zuſtande 
angetroffen wird (§. 1), jo gehören doch diejenigen Gattungen, die wir ſo 
eben hier beſchrieben haben, und aus welchen gute und edle Weine erzeugt 
werden können, ſüdlichern Gegenden an, die erſt durch die Cultur des Bodens 
bei uns verbreitet worden ſind. 

Die Rebe erfordert deßhalb, wenn ſie durch unſere climatiſche Verhält— 
niſſe nicht zu Grunde gehen und einen entſprechenden Ertrag geben ſoll, eine 
ſehr ſorgfältige Behandlung, die, wie wir hienach ſehen werden, in verſchiede— 
nen Geſchäften beſteht, welche faſt das ganze Jahr andauern und viele Arbeit 
und Aufmerkſamkeit erfordern. 

Die Rebe verlangt zunächſt warme climatiſche Verhältniſſe und kann da⸗ 
her in Deutſchland nicht überall, ſondern nur in warmen, geſchützten Thälern 
und in der Regel an ſüdlich gelegenen Abhängen und Bergen gepflanzt werden, 
auf welchen vermöge ihrer Abdachung die Sonnenſtrahlen ſtärker auffallen 
und daher auch eine größere Erwärmung des Bodens bewirken. Aus eben 
dieſem Grunde und bei den beſondern Eigenſchaften der Rebe als ein ranken⸗ 
des, tief wurzelndes Gewächs können aber durch den Weinbau viele Boden⸗ 
flächen in Cultur gebracht werden, die ſonſt bei der Aupflanzung anderer Pro⸗ 
dukte wenig oder gar keinen Ertrag geben würden, auch gewährt die Rebe un⸗ 
ter allen bei uns bekannten Produkten nicht nur auf der kleinſten Bodenfläche 
den größten, ſondern namentlich an ſteilen faſt unzugänglichen Abhängen öfters 
einen ſehr vorzüglichen Ertrag, daher auch in den weinbautreibenden Bezirken auf 
kleinem Flächenraum eine große und in der Regel eine weit größere Bevölke⸗ 


57 


rung Nahrung und ein angemeſſenes Fortkommen findet, als bei jeder an— 
dern landwirthſchaftlichen Beſchäftigung. | 

Bei dieſen beſondern Verhältniſſen hat der Weinbau einen hohen national- 
wirthſchaftlichen Werth, und es iſt ihm deßwegen ſowohl in der alten, als 
neuern Zeit von allen und insbeſondere von der württembergiſchen Regierung, 
nicht nur eine große Aufmerkſamkeit geſchenkt worden, ſondern es ſind zum 
Schutze und zur Beförderung deſſelben und des mit demſelben in Verbindung 
ſtehenden Obſtbaues vielfache Anordnungen getroffen worden, die einen theils 
mehr, theils minder günſtigen Einfluß auf denſelben ausübten und auch für 
die Zukunft nicht aus dem Auge gelaſſen werden dürfen, da auch beim Wein— 
bau, wie bei jeder andern Produktion, ein ſteter Fortſchritt ſtattfinden muß, 
was wir nun unter dem rationellen Weinbaubetrieb näher ausführen wollen. 


§. 47. 


Unter dem rationellen Weinbau verſteht man einen Betrieb, der ſich auf 
allgemeine aus der Vernunft abgeleitete und in der Natur der Dinge bewährte 
Sätze gründet, und daher nicht nur eine genaue Kenntniß aller Weinbauver— 
hältniſſe hinſichtlich der climatiſchen Einflüſſe und der Bodenverhältniſſe ſowie 
hinſichtlich der Natur der Rebe, ihrer Beſtandtheile, ihrer Nahrungsſtoffe, 
ihrer Gebrechen, Krankheiten, Feinde ꝛc., ſondern auch eine richtige und zweck— 
mäßige Beurtheilung und Anwendung dieſer Verhältniſſe bei der Ausübung 
des Weinbaues erfordert. Derſelbe iſt ſomit ein weit umfaſſender und muß 
ſich namentlich erſtrecken: 

1) Auf eine genaue Kenntniß der Lage der Gegend und der Bodenfläche 
auf der Weinreben gepflanzt werden wollen, indem dieſelben nicht in jeder 
Lage gedeihen und ein gutes Getränke liefern, ſondern dieſes hängt ab von 
der Erhebung über die Meeresfläche, von der Lage gegen die Himmelsgegend 
und von der mehr oder minder ſteilen Abdachung, ſowie von der Lage in engen 
oder weiten Thälern, in der Nähe vou Waldungen, fließenden Waſſern, Seeen, 
falten Moos⸗ und Wiesgründen, indem alle dieſe Umſtände einen weſentlichen 
Einfluß auf das Gedeihen der Rebe und des Weins ausüben. 

2) Auf eine genaue Kenntniß des Bodens und der in demſelben enthalte— 
nen der Rebe günſtigen oder nachtheiligen Nahrungsſtoffe, und zwar nicht allein 
auf der Oberfläche, ſondern auch in dem Untergrunde, weil die Rebe, als ein 
tief wurzelndes Gewächs, Raum zur Bewurzelung haben will und die einzelnen 
Gattungen nicht in jeder Bodenart gedeihen, vielmehr manche und beſonders 
die edleren ganz geeignete Bodengattungen verlangen, wenn ihr Gedeihen ein 
Nachhaltiges ſein ſoll. | 
| 3. Auf die Anlage der Weinberge, namentlich die Art des Reutens, ob 
tief oder ſeicht zu reuten und wie der Untergrund zu behandeln iſt, wenn ſich 


58 


Stein⸗, Kiesfelſen, Quellen, zeigen und wie nach der Beſchaffenheit der Lage, 
des Bodens und der Traubengattung die Reben zu ſetzen ſind, weit oder eng, 
tief oder ſeicht, ob mit Blindreben oder Wurzelreben, Fechſer ꝛc. 

4. Auf eine genaue Kenntniß der Rebe ſelbſt und ihrer verschiedenen Be⸗ 
ſtandtheile (S. 1—7), ſowie der einzelnen Rebgattungen, ihrer Vegetations⸗ 
kraft nach der Beſchaffenheit des Stocks, des Holzes oder Laubs, weil, wie 
ſchon bemerkt, nicht jede Traubengattung in jede Lage, in jeden Boden paßt 
und bei der großen Zahl von einzelnen Gattungen große, für den Ertrag und 
die Qualität des Weins höchſt nachtheilige Mißgriffe gemacht werden können, 
wenn unpaſſende Rebgattungen angepflanzt werden. 

5. Auf die Kenntniß, welche Nahrungsſtoffe die Rebe zu einem kräftigen 
Gedeihen aus der Luft und dem Boden vorzüglich nöthig hat, wie ſolche dem 
letztern durch Düngung beizubringen und welche Düngerarten 8 die einzelnen 
Bodengattungen am angemeſſenſten ſind. 

6. Auf die zweckmäßige Erziehungsweiſe der einzelnen Rebgattungen nach 
ihrer Vegetationskraft, indem, wenn Reben mit ſchwacher Vegetationskraft 
höher und holzreicher erzogen werden wollen, als die ſchwächeren Wurzeln zu 
ernähren vermögen, die Reben bald altern und abſterben, während, wenn bei 
ſtarker Vegetationskraft dem Stock zu wenig Holz gelaſſen wird, Saftſtockungen 
und dadurch Krankheiten entſtehen, oder der Stock ſeine Triebkraft mehr durch 
ſtarken Holzwuchs, als durch Anſetzung von Trauben, deren Augen gerne 
verholzen, an den Tag legt. 

7. Welchen Gefahren und Krankheiten die Rebe und die Trauben N 
ſetzt und wie ſolche möglichſt zu verhüten ſind. 

8. Auf die Kenntniß der Blüthe und Reife der Trauben, damit nicht 
frühe und ſpätreifende Trauben nebeneinander in gleicher Lage gepflanzt wer⸗ 
den, und dadurch die Leſe und die Erzeugung eines guten Weins geſtört, ſon— 
dern jeder Traubengattung die ihrer Reife und ſonſtigen Beſchaffenheit ange- 
meſſene Lage und Bodenart angewieſen wird. 

9. Auf die Kenntniß des größeren oder geringeren Ertrags und der Qua— 
lität des Weins, der aus jeder einzelnen Traubengattung erzielt werden kann, 
indem davon der Abſatz und der Verkaufswerth des Weins ſowie e 
die Rentabilität des Weinbergs weſentlich abhängt. 

10. Auf die Kenntniß einer ſorgfältigen Weinbereitung, namentlich welche 
Traubengattungen zur Erzeugung eines guten charakterfeſten Weins zuſammen⸗ 
paſſen, wie eine ſorgfältige Leſe und Kelterung, insbeſondere die Ausleſe, vor⸗ 
zunehmen und bei welchen Traubengattungen eine Spätleſe anzuwenden, und 
wie eine vollſtändige Gährung ſowohl des weißen als rothen Weins einzuleiten 
und wie die Weine nach der Gährung im Keller aufzubewahren und zu behan⸗ 
deln ſeien. 


59 

Aus dieſen hier nur angedeuteten Punkten wird man leicht ermeſſen kön⸗ 
nen, welcher Umfang und welcher Reichthum von Kenntniſſen, namentlich auch 
in naturwiſſenſchaftlichen und chemiſchen Fächern, zu einem rationellen Betriebe 
des Weinbaues erforderlich ſind; um nun dazu zu gelangen und die einem 
rationellen Betriebe entgegenſtehende Hinderniſſe bleibend beſeitigen zu können, 
iſt zunächſt eine angemeſſene Reglung der Weinbauverhältniſſe, ſowie die Er— 
richtung und Beförderung von ſolchen Anſtalten erforderlich, in und durch welche 
der Weinbauer ſich die erforderlichen rationellen Kenntniſſe erwerben kann. 


1 


Der Weinbau iſt nicht fo, wie manche andere Culturart beſchaffen, die, 
wenn ſie nicht taugt, in kurzer Zeit wieder verlaſſen und durch eine andere 
erſetzt werden kann, ſondern er gehört zu den nachhaltigen, ſtabilen Culturen, 
die, wenn eine Anlage einmal gemacht iſt, nicht ſogleich wieder verlaſſen, ge— 
ändert oder verbeſſert werden kann, ſondern ſo lange beibehalten werden muß, 
bis der Weinberg gealtert iſt und eine neue Anlage erfordert, daher auch 
Verbeſſerungen, die von der hergebrachten Behandlungsweiſe abweichen, nur 
mit der größten Vorſicht eingeführt werden dürfen. 

Der Weinbauer kann ſich jedoch ebenſowenig, wie jeder andere Produzent, 
wenn er durch den Minderwerth ſeines Produkts nicht bedeutenden Schaden 
leiden will, angemeſſenen, durch die Zeitverhältniſſe gebotenen Verbeſſerungen 
entgegenſtemmen, vielmehr muß er dafür ſorgen, daß ſein Produkt ſtets eine 
geſuchte und beliebte Waare iſt. 

Der Weingeſchmack hat ſich gegenüber von demjenigen in ältern Zeiten 
dadurch weſentlich verändert, daß die Conſumtion der alten abgelegenen Weine 
bedeutend abgenommen und ſich jüngeren, ſüßen, pikanten Weinen zugewendet 
hat, auch will man häufig keine aus blauen und weißen Trauben gewonnene, 
ſogenannte Schillerweine, durch welche das Zarte und Feine der weißen Trau— 
ben durch die Härte und das Herbe der blauen Trauben verdeckt wird, ſon— 
dern man will Weine von beſtimmter Farbe, weiß oder roth, und durch die 
auch für den Gaumen ein beſtimmter Charakter ausgedrückt wird. Auch hat 
durch die bedeutende Conſumtion von Bier, Obſtmoſt und Kaffee nicht nur die 
Weinconſumtion im Allgemeinen bedeutend abgenommen, ſondern der Geſchmack 
hat ſich dadurch auch ſehr verändert, indem die herben, ſauren, harten Weine 
ſelten Liebhaber mehr finden, ſondern hauptſächlich nur noch ſüße, milde, 
flackere (dünne) und doch geiſtreiche Weine verlangt werden. 


8. 49. 


Damit nun dieſer Zweck durch ſichere und nachhaltige Verbeſſerungen 
des Weinbaues erreicht wird, ſollte zunächſt für eine angemeſſene Reglung 
deſſelben auf jeder Markung geſorgt werden und zwar: 


e 


1) Durch Ausſcheidung der nur allein zum Weinbau tauglichen Lagen, 
die in der Regel zu den beſſeren gehören werden, da jedoch an ſehr ſteilen 
Abhängen auch minder gute Lagen nur allein als Weinfeld einen angemeſſenen 
Ertrag gewähren, ſo wäre zwiſchen guten und geringeren Lagen zu unter⸗ 
ſcheiden. 

5 2. Durch Ausſcheidung der ſowohl zum Weinbaue als zum Feldbaue ge⸗ 
eigneten Lagen, die hinſichtlich des Weinbaues entweder noch zu den mittleren 
oder zu den geringeren gehören werden. 

3. Durch Ausſcheidung der zum Weinbau nicht geeigneten Lagen. 

Jeder zweckmäßig betriebene Weinbau erfordert zunächſt Schutz gegen 
Winde und Stürme, den eine geſchloſſene Weinbergsanlage, wenn ſie größere 
Flächen umfaßt, ſchon durch ſich ſelbſt gibt, indem dadurch nicht nur kalte 
Winde auf⸗, ſondern auch die warme Luft mehr zuſammengehalten wird, was 
auf die Zeitigung des Rebholzes und der Trauben einen ſehr günſtigen Einfluß 
ausübt, während bei einem nicht geſchloſſenen Rebfeld gerade das Gegentheil 
eintritt. Auch wird, wenn neben und zwiſchen einem Rebfeld andere Produkte, 
namentlich Gras und Klee, gebaut werden, nicht nur der Froſt und die Ent— 
wendung der Trauben befördert, ſondern auch ſchädliche Thiere und Inſekten 
herbeigezogen und viel Unkraut in den Weinbergen verbreitet, daher in dieſer 
Richtung zum Schutze der einzelnen Weinbergbeſitzer feſte Beſtimmungen in 
der Art gegeben werden ſollten, daß 

a. die unter Punkt 1. aufgenommenen Lagen ausſchließlich zum Weinbaue 
beſtimmt ſeien und in denſelben, mit Ausſchluß der Ruhezeit von dem Aushauen 
bis zur Wiederanlage, die jedoch auf eine beſtimmte Zeit, etwa 4—-6 Jahre, 
zu reguliren wäre, keine andern Produkte gebaut werden dürfen; 

b. daß bei den unter Punkt 2. aufgenommenen Lagen, ſo lange ſich der 
größere Theil der Beſitzer für die Benützung als Weinfeld erklärt, die gleichen 
Beſtimmungen, wie unter Punkt 1. ſtattzufinden haben, ſo bald aber die Mehr⸗ 
zahl derſelben ihr Feld für andere Culturen beſtimmen, der ganze Diſtrikt zur 
willkührlichen Bebauung freigegeben werden ſollte, und | 

c. daß bei dem Weinfeld unter Pkt. 3., wenn auf demſelben auch der 
Weinbau nicht unterſagt werden will, hauptſächlich auf deſſen Verlaſſen und 
auf die Anpflanzung anderer Produkte durch Belehrung und andere Mittel 
hinzuwirken wäre, was vielleicht am leichteſten dadurch erreicht werden könnte, 
wenn ſolchen Weinbergen der allgemeine Weinbergsſchutz entzogen würde. 

Bei der Ausſcheidung der zum Weinbaue nicht geeigneten Diſtrikte dürfte 
jedoch ſehr in Berückſichtigung zu ziehen fein, ob dieſelben nach Lage und Bo- 
den zu einer andern Cultur paſſen und wenn dieſes nicht der Fall iſt, wie an 
ſteilen Abhängen, wo dem Boden nur durch die Aufführung von Mauern ein 
Ertrag abzugewinnen iſt, ſollten ſolche Diſtrikte eher unter die Abtheilung 1. 


61 

aufgenommen, dabei aber darauf geſehen werden, daß dieſelben mit frühreifen- 
den Traubenſorten angepflanzt werden. Beſonders in rauheren Gegenden 
könnte manche Lage durch Anpflanzung geeigneter Traubengattungen dem Wein- 
baue erhalten werden, während, wenn ſie, unter den angeführten Umſtänden, 
auch anfänglich zu andern Culturen (Klee, Obſt, Kartoffel) benützt wird, nach 
einiger Zeit, wenn die Mauern nach und nach einſtürzen und der Boden ab— 
geſchwemmt wird, der Verödung auheimfallen, weil für jene Culturen die koſt— 
ſpieligen Mauern und Raine ſelten erneuert werden, während, ſo lange auf 
den betreffenden Diſtrikten Weinbau getrieben wird, Mauern und Raine ſtets 
in gutem Stande erhalten werden müſſen. Beiſpiele von ſolchen Verödungen 
ſind in den minder bedeutenden Weinbaudiſtrikten viele zu finden, was immer 
als ein nationalwirthſchaftlicher Verluſt betrachtet werden kann. Außerdem 
wären aber bei einer zweckmäßigen Reglung des Weinbaues nachfolgende 
Verhältniſſe zu berückſichtigen. 

4. Weinberge von unebener oder mehr öſtlicher und weſtlicher Lage kön⸗ 
nen durch Abheben oder Ausfüllen der Unebenheiten ſowie durch Aufführung 
von Mauern auf der öſtlichen oder weſtlichen Seite ſehr verbeſſert werden, in— 
dem dieſelben dadurch eine mehr ſüdliche Lage erhalten, wie dieſes ſchon in 
manchen Weinbaugegenden geſchehen iſt. Es können aber auch durch ſolche 
Abhebungen und Auffüllungen ſowie durch Aufführung von Mauern die Des 
ſitzer der benachbarten Weinberge ſehr benachtheiligt werden, indem dadurch 
ihre Weinberge mehr beſchattet werden, oder bei höher liegenden, Abrutſchungen 
erfolgen können, daher auch hier die verſchiedenen Intereſſen durch feſte Be— 
ſtimmungen geregelt werden müſſen. Ebenſo 
b 5) bei der Aufführung von Stütz⸗ und Flügelmauern ſowie bei der An⸗ 
legung von Rainen und Böſchungen, namentlich wie weit man dabei vom 
Nachbar entfernt bleiben muß, um demſelben keinen Schaden zuzufügen. Fer⸗ 
ner ſollte 

6. bei der neuen Anlage der Weinberge genau beſtimmt werden, wie man 
ſich dabei gegen den Nachbar zu verhalten hat, insbeſondere welche Entfernung 
von der Eigenthumsgrenze und vom Nachbar man bei der Anlegung von 
Grenzfurchen und bei dem Setzen der Reben einzuhalten hat. Namentlich 
ſollte dabei auch auf die Entfernung der ſogenannten Steinmauern, Steinkäſten 
(S. 158) gedrungen werden, indem fie den Weinbergen ein unſchönes Anſehen 
geben und dadurch vieler Boden nutzlos liegen bleibt. 

7. Durch die Anpflanzung ausgiebiger, aber ſchlechter, ſpätreifender T Trau⸗ 
bengattungen, wie Tokayer (Putzſcheeren), iſt ſchon mancher Weinort in bedeu— 
tenden Mißkredit gekommen, der Anpflanzung ſolcher Traubengattungen, durch 
welche einem ſicheren Weinabſatze bedeutender Schaden zugefügt wird, ſollte 
da her mit aller Strenge entgegengetreten werden. 


62 


8. Die Beſchattung der Weinberge durch Aufführung von Gebäuden, durch 
die Anlegung von Hecken und das Setzen von Bäumen, bringt nicht nur dem 
Eigenthümer, ſondern auch den Nachbarn manchen Schaden und zieht ſchäd— 
liche Thiere (Vögel) und Inſekten herbei, daher die Erbauung oder die An- 
pflanzung ſolcher Gegenſtände im Allgemeinen unterſagt und da, wo es Ein⸗ 
zelne für nöthig oder vortheilhaft finden, nur nach zuvor eingeholter obrigfeit- 
licher Erlaubniß und vorausgegangener Vernehmung der Nachbarn zur Ausfüh⸗ 
rung gebracht werden ſollte. No; 


9. An ſteilen Bergen kann bei heftigem Regen und Wolkenbrüchen durch 
den Waſſerabfluß bedeutender Schaden durch Abſchwemmungen von Boden, 
Rebſtöcken und Pfählen angerichtet werden, es muß deßwegen Vorſorge getroffen 
werden, daß der Waſſerabfluß durch Anlegung von Waſſerabzugsgräben ge— 
regelt und der Schaden möglichſt verhütet wird, auch ſind darüber Beſtim⸗ 
mungen zu geben, wie es mit den abgeſchwemmten Gegenſtänden zu halten iſt 
und welche Entſchädigungen bei dem Einſturze von Mauern in Anſpruch ge- 
nommen werden können. 


10. Die Trauben ſind, wenn ſie einmal der Reife entgegen manchen 
Entwendungen und Beſchädigungen durch Menſchen und Thiere ausgeſetzt, da— 
her für den Schutz derſelben durch Aufſtellung von Hütern geſorgt werden 
muß. In manchen Gegenden, wie im Rhein- und Breisgau, wird dabei ſogar 
der Schluß der Weinberge angeordnet, ſo daß dieſelben, außer den Hütern, 
Niemand ohne beſondere obrigkeitliche Erlaubniß begehen darf, wodurch die 
Trauben, namentlich gegen Entwendung, geſichert werden. 


11. Zu den wichtigſten Arbeiten einer rationellen Weinbereitung gehört 
die Weinleſe, während dieſelbe namentlich von den kleineren Weinbergbeſitzern 
häufig ſehr vernachläßigt wird. Die Zeit der Vornahme derſelben dem einzel⸗ 
nen Weinbergbeſitzer zu überlaſſen, wäre daher für eine gute Weinbereitung 
mit großem Nachtheile verbunden, weil der gewöhnliche Weingärtner den Zeit⸗ 
punkt der Leſe öfters nicht erwarten kann, nur auf Quantität ſieht und, ſowie 
einzelne Trauben zu faulen anfangen, mit derſelben beginnen würde. Genaue 
Vorſchriften über die Beſtimmung der Zeit der Leſe durch die Gemeinden und 
ganze Bezirke, über die Vorleſe und die allgemeine Leſe, über die Spätleſe, 
das Ausleſen des rothen und weißen, des guten und geringen (unzeitigen und 
faulen) Gewächſes, ſowie insbeſondere das Leſen und Abſondern des Weins 
nach den beſſeren, mittleren und geringern Weingeländen find daher ein un— 
umgängliches Erforderniß, wobei jedoch dem größeren Weinbergbeſitzer, der 
verſchiedene Traubengattungen von verſchiedener Qualität (früh- und ſpätrei⸗ 
fende), angepflanzt hat, in der beſondern rationellen Behandlung der Leſe kein 
weſentliches Hinderniß in den Weg gelegt werden ſollte. 


63 


Sehr zweckmäßig erſcheint die bisherige Leſeordnung in Württemberg, 
wornach die Zeit der Leſe durch die Bezirksbeamten unter Zuziehung der 
Ortsvorſteher der Weinorte und nach vorausgegangener Beſichtigung der 
Weinberge bei dem ſogenannten Herbſtſatze beſtimmt wird und wobei die einzel— 
nen Bezirke wieder unter ſich über den Beginn der Leſe geeignete Rückſprache 
nehmen, ſo daß die Leſe in jeder Weinbaugegend in der Regel zu gleicher 
Zeit beginnt, was bei dem gewöhnlich eingeführten Verkaufe des Weins wäh— 
rend des Herbſtes unter der Kelter die gute Folge hat, daß die Weinkäufer 
in jedem Weinorte Wein zum Verkaufe antreffen, wodurch der Abſatz weſentlich 
erleichtert wird. 

Nach all dieſem iſt für einen rationellen Weinbau und eine rationelle 
Weinbereitung eine zweckmäßige Weinbauordnung ein dringendes Bedürfniß 
und es iſt dieſes auch in älteren und neueren Zeiten anerkannt und zu dieſem 
Behufe manche zweckmäßige Anordnung getroffen worden. Bei einer den 
neueren Grundſätzen entſprechenden Weinbauordnung dürfte aber bei deren 
Entwerfung die im Herzogthum Naſſau für das Rheingau eingeführte Ordnung 
um ſo mehr zum Muſter dienen, als von tüchtigen Oenologen ſchon öfters 
die Behauptung aufgeſtellt worden iſt, daß die dort beſtehenden Vorſchriften 
viel zu dem dortigen muſterhaften Weinbaubetriebe beigetragen haben. 


8. 50. 


Durch die Erlaſſung zweckmäßiger Verordnungen über den Betrieb des 
Weinbaues und der Weinbereitung kann zwar viel für eine rationelle Behand⸗ 
lungsweiſe gewirkt werden, die Hauptſache bleibt jedoch immer, daß der Wein- 
gärtner ſelbſt für eine ſolche Betriebsweiſe gewonnen wird und daß er ein— 
ſehen lernt, daß das Verharren bei dem althergebrachten Schlendrian nicht 
mehr in ſeinem Vortheile liegt, ſondern daß er auch feiner Seits in dem Be⸗ 
triebe ſeines Weinbaues durch angemeſſene Verbeſſerungen fortſchreiten und 
dadurch den Anforderungen der Zeit und dem Geſchmacke der „e mög⸗ 
lichſt zu entſprechen ſuchen muß. 

Das erſte Erforderniß in dem Betriebe eines rationellen Weinbaues iſt 
das Verlaſſen der in vielen Weinbaubezirken noch beſtehenden gemiſchten Be⸗ 
ſtockung, wodurch die ſogenannten mißfarbigen Schillerweine erzeugt werden, 
und der Uebergang zur reinen Beſtockung, ſo daß nur eine gute, oder nur 
wenige und nur ſolche Traubengattungen mit einander gepflanzt werden 
(weiß oder roth), welche nach Klima, Lage, Boden und Zeitigung zu einander 
paſſen und aus welchen ein kräftiger, charakterfeſter Wein erzeugt werden 
kann. Dieſes Ziel läßt ſich, ohne daß der Weingärtner zu koſtſpieligen, Ver⸗ 
luſt bringenden Experimenten veranlaßt wird, auf verſchiedene Weiſe erreichen. 

1. Durch Ausmittlung und Beſtimmung derjenigen Traubengattungen 


64 


für jede einzelne Weinbaugegend, die nach Klima, Lage und Boden für die⸗ 
ſelbe zu einem rationellen Betrieb am paſſendſten erſcheinen. 

1 2. Durch Anlegung von Muſterweinbergen in den beſſeren Weinbauge⸗ 
genden entweder von Seiten der Regierung, oder von einzelnen, namentlich 
den landwirthſchaftlichen Vereinen, um dem Weingärtner ein lebendiges Bei- 
ſpiel zur Nacheiferung zu geben, wobei jedoch auf die beſtehenden klimatiſchen, 
Boden- und ſonſtigen Verhältniſſe die ſorgfältigſte Rückſicht genommen werden 
muß, damit eine ſolche Anlage ſowohl hinſichtlich des Ertrags als der Qua- 
lität des Weins wirklich als eine in allen Beziehungen nachahmungswürdige 

Muſteranlage erſcheint. 5 

3. Durch Beiſchaffung von ſolchen Reben in guter Qualität, welche zur 
Anpflanzung für die einzelnen Weinbaugegenden am paſſendſten erſcheinen und 
durch deren unentgeldliche Abgabe an die Weingärtner oder durch Abgabe um 
billige Preiſe, damit dieſelben bei dem Uebergange zu den anempfohlenen Ver⸗ 
beſſerungen ſtets verſichert ſind, daß ſie die dazu nothwendigen Reben in guter 
Qualität und mit möglichſt geringem Koſtenaufwand erhalten können. 

4. Durch Ausſetzung von Preiſen für die zweckmäßige Anpflanzung und 
Erziehung guter Rebſorten ſowie für ſorgfältige Leſe und Kelterung, durch Bee⸗ 
ren oder Raſpeln der Trauben, und für die Gährung in verſchloſſener Bütte 
mit Senkboden ꝛc. | 

5. Durch periodiſche Viſitation derjenigen Weinberge, für deren mujter- 
hafte Anlage Preiſe gegeben werden durch Weinbauverſtändige, um ſich zu 
überzeugen, ob die Anlagen fortwährend in muſterhaftem Stande erhalten 
werden und durch Verſammlung der Weingärtner des betreffenden Orts und 
der Umgegend, um ihnen die Anlage ſolcher Weinberge zur Nachahmung zu 
empfehlen und Belehrung darüber zu ertheilen. 

6. Durch Aufhebung und Beſeitigung der auf dem Weinbaue haftenden 
beengenden Verhältniſſe und drückenden Abgaben, da wo ſie noch beſtehen, wie 
Kelterbann, Zehent⸗, Theil⸗, Bodenweinabgaben ꝛc. Damit ſich der Weingärt⸗ 
ner bei der Anlegung ſeiner Weinberge und bei der Bereitung ſeines Weins 
frei bewegen kann und nicht, wie z. B. bei der Anpflanzung von frühe rei⸗ 
fenden Trauben, befürchten muß, daß dieſelben wegen der beengenden Leſeord⸗ 
nung am Stocke verfaulen, oder der Wein wegen des Kelterbanns und der 
beſtehenden Kelterordnung in der Bütte verſauert, oder daß er bei der An- 
pflanzung von etwas ſpät reifenden Trauben genöthigt wird, ſolche vor der 
vollſtändigen Reife abzuſchneiden, wodurch natürlich jede nachhaltige Weinver⸗ 
beſſerung unterdrückt wird. | 

Soll 

Zu der Herſtellung und Einführung eines ganz rationellen Weinbaues 

gehört aber nicht blos die Anpflanzung paſſender Rebſorten in geeigneter Lage 


65 


und Boden, ſondern der Weingärtner muß auch, wie bereits angeführt, mit 
der Natur des Weinſtocks und der einzelnen Rebgattungen ſowie mit der dar— 
auf zu gründenden Erziehung, ferner mit der Natur der Traube ſowie mit 
der Weingewinnung daraus durch ſorgfältige Leſe, Kelterung und Gährung 
genau bekannt ſein und um dieſe Kenntniſſe möglichſt vollkommen erlangen zu 
können, ſind Anſtalten nöthig, in welchen der junge Weingärtner den erforder— 
lichen Unterricht erhalten kann. 

Zwar wird in Deutſchland und beſonders in den beſſeren Weinbaugegen— 
den der Weinbau mit einer höheren Intelligenz betrieben als in manchen an⸗ 
dern Ländern, und insbeſondere iſt es der württembergiſche Weingärtner, der 
mit vielem Fleiße, Eifer, Aufmerkſamkeit und ſeltener Ausdauer ſich dem 
Weinbaue widmet. Der Fleiß und die Intelligenz der Einzelnen genügt aber noch 
nicht, ſondern der ganze Weinbaubetrieb ſowie die Weinbereitung muß ſich auf 
zwar einfache aber richtige uaturwiſſenſchaftliche Kenntniſſe gründen, indem nur 
dadurch die anzuſtrebenden Verbeſſerungen eine zuverläſſige Baſis erhalten 
und von nachhaltigem gewinnreichen Erfolge ſein können. 

Die Errichtung von Muſteranſtalten für den Unterricht in dem Weinbau 
oder von ſogenannten Weinbauſchulen iſt daher ein unumgängliches Erforderniß 
für den Betrieb eines rationellen Weinbaues, in welchem nicht nur der erfor— 
derliche theoretiſche, ſondern hauptſächlich auch praktiſcher Unterricht in dem 
Weinbaubetriebe und der Weinbereitung zu ertheilen und zu welchem Behuf 
jede Anſtalt mit einem angemeſſenen Areal von Weinbergen zu verſehen wäre. 

Die Nothwendigkeit der Errichtung von Weinbauſchulen kam in Württem⸗ 
berg ſchon im vorigen Jahrhundert zur Sprache und iſt auch in andern Län⸗ 
dern als ſolche erkannt worden. Zu dieſem Behuf ſind nicht nur in Oeſtreich 
in der Nähe von Wien, ſowie zu Würzburg in Bayern bereits ſolche Anſtalten 
errichtet, ſondern auch in Frankreich ſoll nach öffentlichen Ankündigungen zu 
Beaume, Provinz Burgund, eine chemiſche Station, verbunden mit einer Wein⸗ 
bauſchule eingerichtet werden, um eine Pflanzſtätte für den rationellen Betrieb- 
des Weinbaues zu erhalten. | 

Man ſollte deßwegen auch in dem ſüdweſtlichen Deutſchland, als dem 
Hauptweinlande Deutſchlands, mit der Errichtung ſolcher Anſtalten nicht mehr 
länger ſäumen, und insbeſondere dürfte für Württemberg die Errichtung einer 
Weinbauſchule am nothwendigſten und geeignetſten erſcheinen, indem, bei der 
großen Verſchiedenheit der Weinbaugegenden und der ſehr verſchiedenen Er— 
ziehungsweiſe der Reben, hier das Bedürfniß einer rationellen Behandlung 
des Weinbaus am meiſten hervortritt, auch dürfte es für Württemberg, das 
in andern landwirthſchaftlichen Fächern viele vortreffliche Anſtalten beſitzt und 
in mancher Beziehung andern Ländern zum Vorbilde dient, als Ehrenſache zu 
betrachten ſein, auch hier mit gutem Beiſpiel voranzugehen. 

5 


66 


Der Unterricht in einer ſolchen Anſtalt hätte ſich übrigens nicht blos auf 
den Weinbau zu beſchränken, ſondern auch auf diejenigen Fächer auszudehnen, 
die häufig mit dem Weinbaue verbunden find, nämlich auf den Obſt⸗ und Ge⸗ 
müſebau, indem der erſtere in allen Weinbaugegenden, namentlich von dem 
Weingärtnerſtande, ausgedehnt betrieben wird und letzterer demſelben, beſon⸗ 
ders in der Nähe größerer Städte, einen ſehr gewinnreichen Nebenverdienſt 
gewährt, der ihm, beſonders bei Fehlherbſten, ſehr zu ſtatten kommt und daher 
ein zweckmäßiger Unterricht in dieſen Fächern von großem Nutzen für den 
Weingärtner ſein dürfte. | 

Außerdem müßte aber mit einer Weinbauſchule auch noch ein gener 
landwirthſchaftlicher Betrieb in Verbindung ſtehen, damit der nöthige Dünger, 
das Bindſtroh ꝛc. erzeugt wird, und den Weinbauſchülern, bei ungünſtiger 
Witterung, wo in den Weinbergen nicht gearbeitet werden darf, die nöthige 
Beſchäftigung gegeben werden kann. Das zu der Errichtung einer Weinbau⸗ 
ſchule erforderliche Areal wird daher immerhin eine Fläche von 150.200 
Morgen zu umfaſſen haben. 

§. 52. 

Bei dem Betriebe des Weinbaues überhaupt, insbeſondere aber bei einem 
rationellen Betriebe deſſelben muß hauptſächlich auch auf den Weinabſatz Rück⸗ 
ſicht genommen und demgemäß vorzugsweiſe nur ſolcher Wein produzirt wer⸗ 
den, der dem Geſchmacke der Konſumenten entſpricht und ſowohl darnach als 
hinſichtlich des Preiſes angemeſſene Abnahme findet, d. h. es muß für jede 
Weinbaugegend beſtimmt werden, ob dort nach den Abſatzverhältniſſen haupt⸗ 
ſächlich nur edle, oder gute oder gemeinere Mittelweine mit Vortheil erzeugt 
werden können. Von der Erzeugung geringer Weine kann natürlich keine 
Rede ſein. Edle Weine finden zwar nicht ſelten zu unverhältnißmäßig hohen 
Preiſen Abſatz, derſelbe iſt aber ein beſchränkter und die allzu ausgedehnte 
Produktion von edlen Weinen möchte daher nicht im Intereſſe des gewöhn⸗ 
lichen Weingärtners liegen, dagegen deſto mehr die Erzeugung guter und zu⸗ 
gleich charakterfeſter Mittelweine, wobei insbeſondere zu berückſichtigen wäre, 
daß dieſelben nicht nur hinſichtlich der Farbe und des Geſchmacks den Anfor⸗ 
derungen der Conſumenten zu entſprechen haben, ſondern auch in ſolcher Menge 
erzeugt werden, daß ſie um verhältnißmäßig billige Preiſe abgeſetzt und da⸗ 


durch, namentlich mit dem wohlfeileren Bier, angemeſſene Conkurrenz halten 


können. In Weinbau⸗Gegenden mit einer gemiſchten Beſtockung und wo das 


Weinbergs⸗Areal ſehr vertheilt iſt, wie in Württemberg, iſt es aber für den 


einzelnen Weingärtner öfters eine Unmöglichkeit, beſonders durch, Ausſcheidung 
des rothen und weißen Gewächſes, einen charakterfeſten Wein zu erzeugen, weil 
die erzeugte Quantität nicht ſelten zu klein iſt und es an dem erforderlichen 
Herbſtgeſchirr fehlt, um eine paſſende Ausſcheidung und Ausleſe vornehmen 


67 


zu können, es find deßwegen neuerlich in manchen Orten Weingärtner-Bereine 
(Aſſociationen) zu dem Zwecke gebildet worden, um das Trauben-Erzeugniß 
zuſammenzuwerfen, gemeinſchaftlich zu keltern, den Wein ſofort im Ganzen zu 
verkaufen und den Erlös nach dem Gewichte der Trauben zu vertheilen. 
Solche Vereine könnten faſt in jedem größeren Weinorte errichtet werden, wo 
es nicht an dem erforderlichen Herbſtgeſchirr und an Kellern und Fäſſern zum 
vorübergehenden Einkellern des Weins fehlt. Als Grundſatz wäre dabei feſt— 
zuhalten: 

a. Daß die Weinberge nach ihrer Lage gut, mittel, gering, abgetheilt und 
die Trauben darnach ſowie überhaupt nach ihrer Qualität ſortirt 
werden. 

b. Daß die weißen und blauen Trauben je beſonders geleſen, die rothen 
aber in der Regel mit den weißen vereinigt oder, wenn deren . 
groß iſt, gleichfalls beſonders geleſen werden. 

C. Daß, beſonders in geringeren Weinjahren, oder in beſſeren, wenn die 
Trauben zu faulen beginnen, die geringen weniger reifen oder faulen 
Trauben bei der Leſe ſorgfältig ausgeſchieden und beſonders gekeltert 
werden. 

d. Daß früh⸗ und ſpätreifende Trauben von einander abgeſondert gehal— 
ten und gekeltert werden und die letztern möglichſt lange am Stock 
hängen bleiben, ſo daß ſie ihre vollſtändige Reife erhalten. 

e. Daß all dieſes durch eine beſondere, von den betreffenden Weingärtnern 
unter Mitwirkung der Ortsobrigkeit gewählte Commiſſion überwacht 
und von derſelben namentlich die Claſſifikation der Trauben mit Sorg⸗ 
falt und Gewiſſenhaftigkeit vorgenommen wird. 

f. Daß die Trauben in der Regel von den Kämmen geſondert (gebeert, 
geraſpelt) werden, ſorgfältig gekeltert, die weißen Weine womöglich 

ſüß in's Faß gebracht, die rothen aber entweder in verſchloſſener Kufe 
mit Senkboden und Gährrohr oder im Faſſe mit men: der Gäh⸗ 
rung überlaſſen werden, und 

g. daß die Vereine nicht allzu ſehr ausgedehnt, ſondern hauptſächlich nur 
auf die kleineren Weinbergbeſitzer beſchränkt werden, damit das nach 
oder während des Herbſtes zum Verkauf zu bringende Weinquantum 
nicht allzugroß iſt, und die Preiſe dadurch nicht herabgedrückt werden 
oder ein Theil unverkauft bleibt. 

Durch die auf ſolche Weiſe behandelten Trauben und insbeſondere da— 
durch, daß das weiße und rothe Gewächs beſonders gehalten wird, werden 
die Weine verkäuflicher und es werden dafür in der Regel beſſere 
Preiſe erzielt, als beim Einzelnverkauf, auch kann durch die Trennung der 
früh⸗ und ſpätreifenden Trauben, das e IORN ee beſſer abgewartet 

5 * 


68 


N 


und nicht nur dadurch, ſondern auch durch die forgfältige Leſe, Kelterung und 
Gährung eine weit beſſere Qualität erzielt werden. Außerdem erſpart der 
Weingärtner die ſonſt mit dem Keltern und mit dem Verkaufe zugebrachte 
Zeit und iſt wegen des Geldbedarfs, der öfters bedeutenden und peinlichen 
Sorge des Weinverkaufs überhoben, denn wenn anch der Wein im Herbſt 
keinen Käufer finden ſollte, ſo können, durch Beſtellung von Fauſtpfändern auf 
den unter Verſchluß der Vereinskommiſſion und der Ortsbehörde befindlichen 
Wein, Gelder wenigſtens bis zum halben Werth aufgenommen und dadurch 
das nächſte Geldbedürfniß des Weingärtners befriedigt werden, was immer 
noch weit vortheilhafter iſt, als wenn derſelbe zum Selbſtausſchank ſchreiten 
muß. 


Wir haben hier die ee im Allgemeinen angeführt, worauf ein 
rationeller Weinbau jo wie die Weinbereitung und der Weinverkehr zu beru⸗ 
hen haben, wir wollen nun den Verſuch machen, dieſes auch im Einzelnen nach 
den verſchiedenen Lagen, Bodenarten und Betriebsweiſen nachzuweiſen. 


* 


IV. Lage der Weinberge. 


§. 53. 

Das Gedeihen der Rebe, als Pflanze, von welcher ein edles Getränke 
gewonnen werden kann, erfordert warme, hie und da etwas feuchte klimatiſche 
Verhältniſſe, daher in allzuheißen Klimaten die Rebe entweder ausdorrt, oder 
bei allzuſtarker Feuchtigkeit und guter Bodenkraft deren Vegetation in zu ho⸗ 
hem Grade geſteigert wird, fo daß fie ihre Triebkraft in Blatt- und Holzbil⸗ 
dung verſchwendet und nur geringe Früchte hervorbringt, wie dieſes häufig in 
den Aequatorgegenden bis zum 25. Grade der Breite der Fall iſt, wo der 
lange anhaltende Regen während der Regenzeit (ſtatt des Winters) die Ge- 
fäſſe des Weinſtocks mit rohen Säften überfüllt, die nachfolgende Hitze und 
Dürre aber das Holz vor der Zeit hart macht und die Gefäſſe austrocknet, 
wodurch die Blätter welken und abfallen, die Vegetation ſich übereilt und die 
Trauben entweder gar nicht oder nur unvollſtändig zeitigen, ſo daß ſie nicht 
Zeit haben, den Traubenſaft zur Weingährung vorzubereiten und die verſchie⸗ 
denen Stoffe zu zerſetzen, daher ſie häufig nur ein dickes, ſüßes Getränke, aber 
keinen haltbaren und geiſtreichen Wein geben. Doch ließen ſich vielleicht auch 
hier noch gute Weine erzielen, wenn auf die Cultur der Rebe mehr Sorgfalt 
verwendet und namentlich paſſende Lagen an höhern nördlich abdachenden 
Bergen gewählt würden. 

In kalten Klimaten erliegt die Rebe dem Froſte und gedeiht entweder 
gar nicht, oder deren Früchte gelangen ſelten zur gehörigen Zeitigung und 


69 


liefern daher nur ein ſaures, ungenießbares Produkt. Die beften Lagen für 
die Rebe, wo fie ohne beſondere Cultur gedeiht, werden deßhalb unter 25—40 
Graden der Breite zu ſuchen ſein, obwohl auch hier, wenn die Rebe ihrer na- 
türlichen Vegetation überlaſſen und dieſelbe nicht durch den Schnitt zurückge— 
halten, ſondern nur auf die Quantität des Produkts geſehen wird, nicht ſelten 
nur geringe, wenig haltbare Weine von derſelben gewonnen werden, wie dieſes 
bei vielen italieniſchen und ſpaniſchen Weinen der Fall iſt. 

Je mehr aber der Weinbau in kältere Climate vorrückt, deſto mehr be⸗ 
darf die Rebe Schutz gegen die ungünſtigen climatiſchen Einflüſſe; während 
man daher in heißen ſüdlichen Gegenden für den Weinbau die kühlern nörd— 
lichen Lagen und in der Höhe der Berge, wo kühlere Winde wehen, auswählt, 
muß in kältern nördlichen Gegenden der Weinbau ſich in die niedern wärme⸗ 
ren Thäler und an ſonnige Abhänge flüchten und dadurch die Ungunſt des 
Climas wieder ausgeglichen werden. 

Auf unſerer nördlichen Erdhälfte und insbeſondere in Deutſchland wird 
regelmäßig bis zum 52. Grad der Breite (Sachſen, Schleſien), Weinbau ge⸗ 
trieben, was nur durch ſorgfältige Auswahl der betreffenden Lagen möglich 
iſt, indem hievon der größere oder geringere Grad der Kälte, der Wärme, 
des Lichts und der Beſchaffenheit der Luft abhängt, wie denn überhanpt 
alles dieſes einen großen Einfluß auf die Fruchtbarkeit eines jeden Grundſtücks 
ausübt. Man hat daher bei der Auswahl der Lage für einen Weinberg haupt⸗ 
ſächlich Rückſicht zu nehmen 
a. auf die mehr oder minder ſüdliche Lage im Allgemeinen, 

b. auf die Erhebung über die Meeresfläche ſowie über die einzelnen Thal⸗ 
flächen, | | 

Kauf die Richtung gegen die Himmelsgegend, 

. auf die Abdachung gegen die Thalſohle, 

. auf die Richtung der herrſchenden Winde, 
auf die Umgebung der einzelnen Weinberglagen und 

. auf die Regenmenge, die in einer Gegend fällt. 


RN mo Quo 


§. 54. 
1. Die ſüdliche Lage. 


Die Lage der Weinberge oder Weingärten innerhalb der angeführten 
Weinbaugrenzen hat auf den Betrieb des Weinbaues einen ſehr entſcheidenden 
Einfluß, denn je ſüdlicher eine dem Weinbaue zugängliche Landſchaft gelegen 
iſt, je weniger ſich dieſelbe über das allgemeine Erdniveau erhebt, deſto weni— 
ger wird die Lage und der Boden der Weingärten auf das Erzeugniß derſel⸗ 
ben einen den Weinbau bedingenden Einfluß ausüben, je weniger aber eine 


70 d 
Landſchaft dem ſüdlichen Himmelsſtriche angehört und je höher ſie liegt, deſto 
mehr wird bei der Anlegung der Weingärten die Lage, der Boden und die 
beſondern Eigenſchaften der einzelnen Traubengattungen zu berückſichtigen ſein. 


Während in ſüdlichen Gegenden, wie z. B. in Italien, im ſüdlichen Frankreich 


der Weinbau häufig auf niedern, ebenen Flächen oder an mehr nördlich gele- 
genen der Sonnenhitze weniger ausgeſetzten Abhängen getrieben wird, muß 
ſich derſelbe, ſowie er die Grenze jener Länder überſchreitet, ſchon mehr an 
füdlich gelegene Berge und Abhänge zurückziehen, und in Deutſchland ſelbſt find 
eben gelegene Weingärten ſchon eine Seltenheit oder gehören zu den minder 


guten Lagen der betreffenden Weinbaugebiete. Ferner hat in ſüdlichen Ländern 


die ſtarke Ausdünſtung des Meeres oder großer Seeen einen ſehr vortheilhaf— 
ten Einfluß auf die Erzeugung der Weine, wie denn in Spanien, Ungarn, 
Griechenland ꝛc. die vorzüglichſten Weine in der Nähe großer Flüſſe oder des 


Meeres gewonnen und in Italien manche Weingärten ſogar bewäſſert werden, 


während in den mehr nördlichen Weinbaugegenden der Weinbau durch die 
Nähe des Meeres, wie im weſtlichen Frankreich, bedeutend zurückgedrängt 
wird und die Nähe großer Seeen einen ſehr ungünſtigen Einfluß auf denſelben 
ausübt (S. 59). Ebenſo erfordert in den mehr nördlich gelegenen Ländern bei 
dem Betriebe des Weinbaues die Auswahl des Bodens eine beſondere Vor— 
ſicht, indem derſelbe hier nur in einem warmen, kräftigen, der Wärme und 
der Feuchtigkeit zugänglichen Erdreich mit gutem Erfolg getrieben werden kann 
und deſſen Kraft⸗ und Wärme⸗Erzeugung von Zeit zu Zeit noch durch ange⸗ 
meſſene Düngung unterſtützt werden muß, während in ſüdlichern Ländern ein 
kühler (jedoch nicht naßkalter) Boden ohne Düngung dem Weinbaue mehr ent⸗ 
ſpricht. Auch bei der Auswahl der anzupflanzenden Reben muß in nördlich 
gelegeuen Weinbaugegenden mit Vorſicht zu Werke gegangen werden, indem 
hier manche in ſüdlichen Gegenden angepflanzten Traubengattungen gar nicht 
zur gehörigen Reife gelangen und daher nur von mehr frühreifenden Sorten 
ein edles Produkt erwartet werden kann. Das Gleiche iſt der Fall bei der 
Erziehung der Rebe und der Bebauung der Weinberge, indem in jenen Län⸗ 
dern beides mit beſonderer Vorſicht und Kenntniß (S. 50. 51) geſchehen 5 
und daher einen großen Koſten-Aufwand erfordert, während in ſüdlichen Län⸗ 
dern mit weit weniger Koſten Alles mehr der Natur überlaſſen werden kann. 


8.55. | f 
2. Die Erhebung über die Meeres- und über die Thalflächen. 


Das Meer, das den Erdkörper umſchließt, bildet die niedrigſte, zugleich 
aber gleichſte Fläche deſſelben, über welche ſich die bewohnte und vegetative 
Erdfläche mit ihren Hügeln und Bien theils mehr, theils weniger N 


— 


71 


es gewährt daher eine ſichere Grundlage für die Berechnung der Erhebund 
der Erdfläche und wird deßhalb auch bei allen ſich darauf beziehenden Unter- 
ſuchungen und Berechnungen zur Baſis genommen. Die Meſſung erfolgt mit 
dem Barometer durch den Druck der Luft, den dieſelbe auf das Queckſilber 
ausübt. Je ſtärker der Luftdruck, deſto höher ſteigt das Queckſilber in dem 
luftleeren Raume, je geringer, deſto mehr fällt daſſelbe; da nun an der Fläche 
des Meeres das Queckſilber in der Barometerröhre durchſchnittlich einen Stand 
von 28 Zoll 2 Linien pariſer Maß zeigt und je mehr ſich die Erdfläche über 
die Meeresfläche erhebt, die Luft immer reiner und leichter wird, und aus die⸗ 
ſem Grunde mit jeder ſenkrechten Erhebung von 75 pariſer Fuß das Queck⸗ 
ſilber um je eine Linie fällt, ſo läßt ſich dadurch die Erhebung über die Mee⸗ 
resfläche bei jeder Erd⸗ oder Bergfläche wenigſtens annähernd leicht berechnen. 
Eine andere mehr ſichere Berechnungsart geſchieht auf trigonometriſche Weiſe 
unter Zuhülfnahme des Theodoliten oder eines Nivellir-Inſtruments mit 
einem Höhenkreis oder auch eines Sextanten. Hiebei wird zuerſt die Entfer⸗ 
nung des Standpunktes von dem Höhenpunkt und ſofort die Zenithdiſtanz oder 
der Vertikal⸗Winkel ermittelt. Erſteres erfolgt durch gewöhnliches geometri⸗ 
ſches Meſſen, letzteres mittelſt eines Gradbogens. Die Vertikal- (aufrecht⸗ 
ſtehende, ſcheidelrechte) Linie bildet mit ihrer Grundlinie einen Winkel von 
90 Graden, wenn nun mit dem Abſehen des Gradbogens nach dem Punkt, 
deſſen Höhe zu ermitteln iſt, viſirt wird, ſo zeigt der an dem Gradbogen be— 
findliche Senkel die Grade des Vertikalwinkels gegenüber von dem gegebenen 
Höhenpunkt an und wenn dieſe von 90 Graden abgezogen werden, ſo beſteht 
der Reſt in dem Höhenwinkel des gegebenen Punktes, unter deſſen Zugrund⸗ 
legung ſich auf trigonometriſche Weiſe berechnen läßt, wie hoch der gegebene 
Punkt über der Meeresfläche liegt, doch muß dabei ſtets ein dritter Punkt ge⸗ 
geben ſein, deſſen Höhe über dem Meere bekannt iſt. 

Je höher nun die Erdoberfläche über die Meeresfläche ſich erhebt und je 
höher ein Gebirge iſt, deſto mehr iſt es den ſtarken, kalten Winden ausgeſetzt, 
deſto geringer alſo auch die Wärme ſeiner Luftſchichten und deſto weniger für 
den Weinbau geeignet. Von der geringern oder größeren Erhebung der einzel- 
nen Weinbaugegenden über die Meeresfläche hängt daher das Gedeihen des 
Weinbaues weſentlich ab und es findet hier zwiſchen den mehr ſüdlich und 
den mehr nördlich gelegenen Gegenden nur in ſo fern ein Unterſchied ſtatt, 
daß in jenen wegen der allgemein wärmeren climatiſchen Verhältniſſe der 
Weinbau auch noch bei größeren Erhebungen über die Meeresfläche (8. 53) 
als in dieſen gedeiht, wie denn auf dem Cap der guten Hoffnung der dortige 
edle Conſtantiawein bei einer Erhebung des Berges von 2000 Fuß über den 
Meeresſpiegel gewonnen wird. In Deutſchland erheben ſich die mildern Wein⸗ 
baugegenden (Rheingau) etwa 200, die höher gelegenen Gegenden 18— 1900 


12 


Fuß über die Meeresfläche. Aber nicht allein von der Erhebung der Weinge⸗ 
birge über die Meeresfläche, ſondern auch von derjenigen über die betreffenden 
Thalſohlen hängt die Erzeugung eines guten und edlen Weines ab, indem, 
wenn auch das Thalniveau einer Weinbaugegend im Allgemeinen nicht allzuſehr 
über die Meeresfläche ſich erhebt, doch die höhern Theile der Gebirge oder 
die Rücken derſelben ſich nicht ſehr zum Weinbaue eignen, weil auch hier die 
häufigeren und ſtärkeren Winde auf die Vegetation der Rebe und die Zeiti⸗ 
gung der Traube, ſowie auf die Austrocknung des ohnehin magern Bodens 
einen nachtheiligen Einfluß ausüben, wodurch jedenfalls nur ein geringes Pro⸗ 
dukt erzeugt werden kann. In unſerem gemäßigten Clima wird daher auch 
bei geringer Erhebung über die Meeresfläche, die Erhebung der Weingebirge 
über die Thalſohle 400 —500 Fuß nicht überſteigen, bei höher liegenden Ge⸗ 
genden aber höchſtens nur 200 —300 Fuß betragen dürfen, wenn noch ein gut 
ter Wein erzielt werden ſoll. 
Bei der Erhebung der einzelnen Weingebirge über die Thalſohle muß 
dann wieder zwiſchen der untern, mittlern und obern Lage unterſchieden wer⸗ 
den. Auf die untern Lagen können die Sonnenſtrahlen, beſonders in engen 
Thälern, weniger einwirken und wenn der Abend herbeikommt und dieſelben nicht 
mehr wirken können, ſo ſteigt die erwärmte Luft von dem Thal in die Höhe, 
wodurch die Luftſchichten ſowie der Boden an den höhern Bergabhängen er⸗ 
wärmt bleiben, während in den Thälern, beſonders im Frühjahr und Spätjahr, 
Luft und Boden ſich ſtark abkühlen und aus letzterem kalte feuchte Nebel auf⸗ 
ſteigen. Solche Niederungen ſind nicht ſelten den Frühjahrs- und Spätjahrs⸗ 
fröſten ausgeſetzt und die mittlere Temperatur iſt an denſelben überhaupt niedri⸗ 
ger, indem nach angeſtellten Beobachtungen (Babo, der Weinbau nach der 
Reihenfolge der Arbeiten S. 70) der Wärmegrad des Bodens an ſüdlichen 
Abhängen gegen diejenige der Ebene im Durchſchnitt täglich 1,3 Grad Reau⸗ 
mür mehr betrug, ſo daß vom Frühjahr bis zum Spätjahr während 193 
Tagen eine ebene Lage 250 Wärmegrade weniger empfing als ſonnige Berg⸗ 
abhänge, was auf die Zeitigung der Traube und des Holzes einen nachtheiligen 
Einfluß ausübt. Eben deßwegen gehören auch ebene, auf der Thalſohle ange⸗ 
legte Weinberge in der Regel nicht zu den vorzüglichen. Die obere Lage der 
Weingebirge ſowie der Rücken derſelben iſt, wie ſchon bemerkt, den Winden zu 
ſehr ausgeſetzt, wodurch die Luft ſtets abgekühlt wird und die Sonne weniger 
wirken kann. Die vorzüglichſte Lage bildet daher die Mitte der Berge, indem 
dieſelbe durch ihre höhere Lage vor dem Froſt, und durch den Berg ſelbſt vor 
ſtarken und kalten Winden geſchützt iſt, die Sonnenſtrahlen möglichſt ſenkrecht 
auffangen und dadurch dem Boden, der Rebe und der Traube am meiſten 
Wärme erhalten kann. Aus dieſem Grunde iſt auch das von der Mitte eines 
Weinberges gewonnene Weinprodukt in der Regel das Vorzüglichſte. 


73 0 
§. 56. 


3. Die Richtung gegen die Himmelsgegend. 


Die Richtung gegen die Himmelsgegend wird abgetheilt in 105 öſtliche, 
ſüdliche, weſtliche und nördliche, die dann wieder verſchiedene Unterabtheilungen 
haben, wie die ſüdöſtliche, ſüdweſtliche, nordöſtliche, nordweſtliche u. ſ. w. Je 
länger nun eine ſolche Lage den Einwirkungen der Sonnenſtrahlen ausgeſetzt 
iſt, und je mehr dadurch der Boden erwärmt und die Vegetation der Rebe 
und der Traube befördert wird, deſto mehr iſt ſie für den Weinbau geeignet. 
Unter dieſen Lagen iſt mithin die ſüdliche die vorzüglichſte, indem ſie nicht nur 
die Sonnenſtrahlen am längſten behält, ſondern auch noch den weitern Vor— 
theil gewährt, daß namentlich im Frühjahr, wenn Reifen und Froſt eintreten, 
der Reif, Thau und Regen, welche während der Nacht fallen, auf den jungen 
empfindlichen, zum Theil erſtarrten Trieben nicht zu ſchnell, ſondern nur 
nach und nach, bevor die Sonne allzuſehr brennt, aufgelöst und aufgetrocknet 
werden, wodurch die Reben vor manchen Beſchädigungen (Froſt) verwahrt und 
die Zeitigung der Trauben, welche während derſelben etwas Feuchtigkeit ver⸗ 
langen, weſentlich befördert wird. Nach ihr folgt die ſüdweſtliche und ſüdöſtliche, 
namentlich darf erſtere noch zu den vorzüglichſten Weinbergslagen gerechnet 
werden, weil hier, nachdem die untern Luftſchichten bereits erwärmt ſind, die 
Sonne, beſonders gegen das Spätjahr, auf die Zeitigung der Trauben und 
des Holzes einen ſehr vortheilhaften Einfluß ausübt, während bei letzterer hie 
und da ſchon die bei der öſtlichen Lage vorkommenden Nachtheile eintreten. 
Die öſtlichen und weſtlichen Lagen dürfen in der Regel zu den mittlern Wein- 
berglagen gerechnet werden. Die öſtliche Lage wird durch die aufgehende 
Sonne, deren Strahlen in gerader Richtung auf den Weinſtock fallen, frühe 
erwärmt und dieſe Wärme wird auch, wenn die Sonnenftrahlen die Lage be⸗ 
reits verlaſſen haben oder nur noch ſchief einfallen, durch die inzwiſchen einge— 
tretene Erwärmung des Bodens und der untern Luftſchichten, faſt den ganzen 
Tag bis gegen Abend erhalten, wodurch der Trieb und überhaupt das vege— 
tative Leben des Weinſtocks frühzeitig erweckt wird, was auf die Ergiebig- 
keit des Weinſtocks und die Zeitigung der Traube einen vortheilhaften Einfluß 
ausübt. Dagegen ſind die öſtlichen Lagen häufig den kalten und rauhen Oſt⸗ 
und Nordoſtwinden ausgeſetzt, die nicht nur an den Reben manche Beſchädi— 
gungen, wie Winddürre ꝛc., ſondern auch Froſt und Reifen veranlaſſen, wo⸗ 
durch, wenn die gefrorenen zarten Triebe durch die aufgehende Sonne ſchnell 
aufthauen, die Gefälle derſelben (§. 2) ſich ausdehnen und zerſpringen und 
dadurch zu Grunde gehen. Die öſtliche Lage hat übrigens, die Beeinträchti— 
gung des Ertrags durch Froſt ausgenommen, vor der weſtlichen Lage manchen 
Vorzug und fie kann ſogar zu den guten gerechnet werden, wenn fie hinreichen- 

J 


74 


den Schutz vor den kalten Winden genießt (S. 58). Die weſtliche Lage be⸗ 
kommt die Sonnenſtrahlen zu ſpät, hie und da erſt gegen Mittag, wodurch 
der Boden zu ſpät erwärmt und die Vegetation aufgehalten wird. Reifen, 
Thau und Regen bleiben daher zu lange auf den jungen Trieben ſtehen und 
werden dann durch die glühende Hitze der Mittagsſonne allzuſchnell abgetrod- 
net, der gleiche Fall tritt bei dem Boden ein, indem auch dieſer die Feuchtig⸗ 
keit zu lange behält und wenn die Sonne erſcheint, zu ſchnell austrocknet, wo⸗ 
durch Saftſtockungen und verſchiedene Krankheiten der Reben und Trauben 
entſtehen ($. 200). Gegen Abend empfängt die weſtliche Lage die Sonnen⸗ 
ſtrahlen in gleicher Richtung mit dem Horizont, wodurch dieſelben unter die 


Weinſtöcke dringen, den dürren Boden noch mehr austrocknen und nicht ſelten 


auf die unbeſchützten Trauben eine nachtheilige Wirkung ausüben. Außerdem 
iſt die Lage gegen Weſten den heftigen und feuchten Weſtwinden und, da von 
dieſer Gegend auch die meiſten Gewitter kommen, häufiger dem Hagel und 
den Verheerungen durch Wolkenbrüche ꝛc. ausgeſetzt. Im Allgemeinen erzeugt 
die weſtliche Lage, weil ſie mehr Feuchtigkeit genießt, zwar mehr, aber geringe⸗ 
ren Wein als die öſtliche Lage. 

Die nördliche Lage iſt die ungünſtigſte, indem ſie das Licht und die Son⸗ 
nenſtrahlen nur von hinten, und, wenn die Weinberge ſtark gegen Norden ab- 
dachen, die Sonne erſt gegen Mittag empfängt und dieſelbe bald wieder ver⸗ 
liert. Die auf dieſe Weiſe auffallenden Sonnenſtrahlen haben weit weniger 
Wirkung, der Boden wird dadurch ſpäter und ſchwächer erwärmt, er dünſtet 
weniger aus und bleibt länger feucht (8. 4). Eine ſolche Lage übt daher auf 
die Vegetation der Rebe einen ſehr nachtheiligen Einfluß aus, indem ſie ſpäter 
beginnt und früher aufhört, wodurch Holz und Traube öfters nicht zur gehö— 
rigen Reife kommen, was auch auf den quantitativen Ertrag der Rebe im 
nächſten Jahre einen nachtheiligen Einfluß hat. Dagegen genießt die nördliche 
Lage den Vortheil, daß dieſelbe durch geringere Wärmeentwicklung und die 
ſpätere Vegetation weniger den Frühjahrsfröſten ausgeſetzt iſt, weil der an 
den Reben ſich anſetzende Reifen hier nicht, wie in ſüdlichen Lagen, wenn die 
Sonne erſcheint, ſchnell aufgelöst und dadurch die Triebkraft der Rebe zerſtört 
wird, ſondern derſelbe bleibt hier auch während der Mittagszeit an den Reben 
hängen, bis überhaupt mildere Witterung eintritt, wodurch dieſelben weit weni⸗ 
ger Schaden nehmen. Nördliche Lagen, beſonders wenn ſie vor den heftigen 
Nord⸗, Nordoſt⸗ und Nordweſtwinden geſchützt ſind und das Holz des 
Vorjahrs gehörig zur Reife kam und dadurch die erforderliche Triebkraft hat, 
können quantitativ einen größern Ertrag als mehr ſüdliche Lagen geben, 


qualitativ wird aber das Weinerzeugniß allen andern Lagen nachſtehen. Unter 


den nördlichen Lagen iſt übrigens aus den bereits oben angeführten Gründen 
die nordöſtliche Lage wieder der nordweſtlichen vorzuziehen. 


75 


SHOT 
4. Die Abdachungen gegen die Thalſohle. 
Die Wärme äußert auf alle Pflanzen einen weſentlichen Einfluß, insbe— 


ſondere iſt es aber der Weinſtock, der zu ſeinem Gedeihen und zu der Zeiti— 
gung der Traube einen gewiſſen Grad von Wärme erfordert. Dieſelbe wird 


durch die Sonnenſtrahlen bewirkt, indem dieſelben, ſowie ſie die Erdoberfläche 
treffen, abſorbirt werden und in fühlbare Wärme ſich verwandeln. Von dem 
erwärmten Boden werden dann erſt durch die Ausſtrahlung der Wärme die 
untern Luftſchichten erwärmt, daher am Boden die Wärme am ſtärkſten, je 
höher in der Luft, alſo auf Bergen, deſto geringer iſt. Außerdem hängt die 


Erwärmung des Bodens von der Richtung ab, in welcher die Sonnenſtrahlen 


— 


auffallen, je ſenkrechter dieſes geſchieht, deſto mehr haben ſie Wirkung, je 
ſchiefer, deſto weniger Wärme verbreiten ſie, woraus ſich die Abnahme der 
Wärme und die Zunahme der Kälte in den nördlichen Gegenden erklären läßt. 
Bei unſern gemäßigten climatiſchen Verhältniſſen müſſen deßwegen für den 
Weinſtock Lagen gewonnen werden, welche die Wärme der Sonnenſtrahlen 
nicht nur möglichſt vollſtändig aufnehmen, ſondern durch welche auch die Kraft 
derſelben bei dem Auffallen auf dem Boden noch vermehrt wird. Solche 
Lagen beſtehen in Abdachungen an Bergen und Hügeln, an welchen die Son⸗ 
nenſtrahlen Mittags bei minderer Steilheit in einem ſtumpfen, bei mittlerer 
in einem rechten, bei ſtärkerer Steilheit in einem ſpitzen Winkel auffallen. 
Da nun nach den angeführten phyſikaliſchen Regeln die Sonnenſtrahlen da 
am kräftigſten wirken, wo ſie möglichſt ſenkrecht, alſo in dem ſpitzigſten Winkel 


auffallen und dieſelben, da wo ſie vom Boden nicht ganz aufgeſogen werden, 


in demſelben Winkel wieder zurückprallen und dadurch gleichfalls Wärme ver— 
breiten, ſo darf man annehmen, daß die ſteilſten gegen Mittag gekehrten Lagen 
an den Bergen auch die vorzüglichſten für den Weinbau ſeien. Allzuſteile Ab- 
dachungen haben aber den Nachtheil, daß das Waſſer zu ſchnell ablauft, der 
fruchtbare Boden häufig abgeſchwemmt wird und die Sonnenſtrahlen zu ſtark 


aufprallen, wodurch der Boden zu ſchnell austrocknet und die Vegetation ge- 


hemmt wird. An ſolchen Lagen muß daher die Steilheit durch aufzuführende 
Mauern oder Raine gemildert werden, wie dieſes auch in den ſoeben angeführ— 
ten vorzüglichen Weinberglagen der Fall iſt, ſo daß die einzelnen Weinbergs— 
beete wohl ſelten eine ſtärkere Abdachung als von 30 Graden haben. 

Die angemeſſenſten Abdachungen für den Weinbau dürften daher die mehr 
ſanft anſteigenden ſein, mit einem Neigungswinkel von 15 - 30 Graden und 
wo der Berg Mittags gegen die Sonne einen rechten Winkel bildet. 

An ganz ſchwachen Abdachungen oder auf ebenen Lagen haben die Son- 
nenſtrahlen, als in einem ganz ſtumpfen Winkel auffallend, die geringſte Wir⸗ 


\ 


76 


kung, auch beſchatten ſich dadurch die Rebſtöcke ſelbſt, was beſonders auf die 
Auszeitigung der Traube einen nachtheiligen Einfluß ausübt, daher die Weine 
von ebenen Lagen häufig von geringer Qualität find. Außerdem find folche 
Weinbergslagen öfters den Frühjahrs- und Spätjahrsfröſten ausgeſetzt, auch 
lauft hier das Waſſer entweder gar nicht oder nur langſam ab. Solche Lagen 
müſſen daher die Feuchtigkeit in ſich und in ihren Früchten verzehren, wodurch 
letztere mehr Waſſertheile erhalten, was beſonders in naſſen Jahrgängen große 
Nachtheile herbeiführt, indem die Trauben gerne faulen, die Rebſtöcke die 
meiſte Zeit im Waſſer ſtehen und durch Gelbwerden, durch Anſetzung des 
Schwarzbrenners oder auf andere Weiſe Schaden nehmen. Dagegen zeichnen 
ſich ſolche Lagen, weil der Boden in der Regel ſehr fett und kräftig iſt, wenn 
ſie keinen Froſtſchaden erleiden, durch einen reichlichen Ertrag aus, daher in 
guten Jahren zwar große Quantität, aber geringere Qualität erzeugt wird. 
Bei nördlichen Weinbergslagen ſind ſchwache Abdachungen häufig zuträglicher 
als ſteile, weil die Sonnenſtrahlen von hinten einfallen und dieſelben daher 
je weniger ſteil, deſto bälder erhalten, ſie ſind aber deſſen ungeachtet aus den 
in §. 56 angeführten Gründen keineswegs empfehlungswerth. 


§. 58. 
5. Die Richtung der herrſchenden Winde. 


Die über ganze Länder hinziehenden, ſowie an einzelnen Weinberghalden 
herrſchenden Winde üben einen großen Einfluß ſowohl auf die Größe, als die 
Güte des Weinerzeugniſſes aus, fo daß hie und da ganz günſtige Weinbergs— 
lagen dadurch, daß fie kalten und feuchten Winden ausgeſetzt find, in eine ge- 
ringe Claſſe zurückfallen, während ſonſt ungünſtige Lagen durch den Schutz 
vor ſchädlichen Winden ſehr gewinnen und ein weit beſſeres Erzeugniß liefern, 
als andere ähnliche, aber nicht geſchützte Lagen. Kalte Winde üben ſowohl 
auf die Entwicklung der Rebe durch die Erzeugung won Froſt, als auf die 
Traube durch die Zerſtörung der Blüthe, durch ſpäte und unvollſtändige Zei⸗ 
tigung ꝛc. einen ſehr nachtheiligen Einfluß aus. Zu den ſchädlichſten Winden 
gehören daher die kalten Nord-, Nordoſt- und Oſtwinde, während heiße feuchte 
Südwinde, wie der Föhn in der Bodenſeegegend, das ſchnelle Faulen der öfters 


noch unreifen Trauben herbeiführen und dadurch gleichfalls großen Schaden 


bringen. Weſtwinde ſind häufig ſehr ſtürmiſch, führen öfters Regen und Ge⸗ 
witter herbei und ſind hie und da von Wolkenbrüchen und Hagel begleitet, 
was Alles den Reben und Trauben nicht zuträglich iſt, ſondern denſelben 
großen Nachtheil bringen kann (§. 195). Zu den beſſeren und zuträglichern 
Winden gehören die trockenen, warmen Süd-, Südoſt⸗ oder Südweſtwinde, 
indem ſie die naſſen und unreifen Früchte ſchnell abtrocknen, den Froſt und 


77 


andere ſchädliche Einflüſſe verhüten und die Befruchtung, ſowie die Ausbildung 
und Auszeitigung der Reben und Trauben befördern. Je mehr daher eine 
Weinbergslage gegen ſchädliche Winde geſchützt iſt und von den beſſeren milden 
Winden beſtrichen werden kann, deſto beſſer iſt dieſelbe. Der Schutz wird 
herbeigeführt durch benachbarte höhere Gebirge, welche die Weinberge, beſon— 
ders gegen Norden und Oſten, umgeben, durch Waldungen, namentlich dichte 
Laubwaldungen, welche ſich zwar in der Nähe, aber nicht unmittelbar an den 
Weinbergen entweder oben oder auf den Seiten oder an benachbarten Bergen 
und Hügeln befinden, durch die keſſelartige Geſtalt der Weinberge ſelbſt, oder 
durch Erhöhungen und Bergeinſchnitte in denſelben, indem beſonders die ſoge— 
nannten muldenförmigen Einſchnitte bei guter ſüdlicher Lage zu den vorzüg— 
lichſten Weinberglagen gehören, nicht nur, weil ſolche Mulden meiſtens von 
den kalten und feuchten Oſt⸗ und Weſtwinden überſchlagen werden und ſich 
dort ſtets eine warme Luftſchichte entwickeln kann, ſondern weil auch ſolche Ver⸗ 
tiefungen in der Regel einen tiefgründigen, kräftigen Boden haben, der den 
Trieb der Rebe, ſowie die Traubenerzeugung und deren Entwicklung ſehr be— 
fördert. Auch durch ſich ſelbſt gewähren höhere Weingebirge einzelnen Theilen 
Schutz gegen kalte Winde, indem namentlich die mittlern Berglagen, beſonders 
bei etwas ſüdweſtlicher Lage, weit weniger als die höhern Lagen, gegen den 
Rücken oder auf dem Rücken der Berge, von kalten Winden beſtrichen werden 
können. Hie und da kann blos ein benachbarter Hügel oder die Wendung 
des Thales den rauhen Winden eine ſolche Richtung geben, daß dieſelben, ſo— 
wie ſchädliche Ausdünſtungen von den Weinbergen abgeleitet werden. Kalte 
Nord⸗, Oſt⸗ oder Weſtwinde werden gemildert, wenn ſie zuvor über weite, 
warme Ebenen ſtreichen, dadurch ſich erwärmen und die urſprünglichen ſchäd— 
lichen Eigenſchaften verlieren, bevor ſie die ihnen entgegenſtehenden Weingebirge 
berühren, wie dieſes in manchen Gegenden des mittlern Neckarthales, ſowie im 
Rheinthale bei dem auf der linken Seite gegen Oſten liegenden Haardtgebirge 
der Fall iſt. Solche Lagen ſind in der Regel trocken und haben weniger 
Regen, weil die von Weſten und Südweſten herziehenden Regenwolken über 
ſie wegſtreichen, ſich erſt am entgegengeſetzten Gebirge ſtoßen und dort ent- 
leeren. Sie genießen mithin die Vortheile, aber nicht die Nachtheile der öſt⸗ 
lichen Lage (8. 56) und gehören daher nicht ſelten zu den vorzüglichen Wein⸗ 
bergslagen. N 

Zu den minder günſtigen Lokalitäten für den Weinbau gehören, wenn ſich 
in den Weingebirgen gegen Nord, Oſt oder Weſt tiefe Bergſchluchten befinden, 
durch welche kalte, naſſe und feuchte Winde Zutritt zu den an den Schluchten 
ſelbſt oder an Vorbergen befindlichen Weinbergen haben, indem dadurch die 
ſchädlichen Winde vermehrt werden, daher lange Thalwände ohne tiefe Berg— 
einſchnitte für den Weinbau weit vortheilhafter ſind. Auch enge, tiefe Thäler 


78 


haben den Nachtheil, daß die Sonne ſpäter erſcheint und ſie früher verläßt, 
der Luftzug gehemmt ift und die warmen Luftſchichten ſich in denſelben nicht 
gehörig entwickeln können; ſie ſind deßwegen häufig kühl, neblich und dem 
Weinbaue weniger günſtig, beſonders, da ſich in denſelben im Früh- und Spät⸗ 
jahr gerne Froſt erzeugt, der den Reben Schaden bringt. Weniger iſt dieſes 
der Fall in engen, aber mehr flachen Thälern, indem hier mehr Luftzug iſt 
und die Sonne länger und kräftiger wirken kann, wodurch ſich in dem Thal 
grunde eine große Menge von Wärme anſammelt, während die kalten Winde 
darüber wegſtreichen. Solche Thäler bilden, bei entſprechender Richtung gegen 
die Himmelsgegend, öfters ſehr vorzügliche Weinbergslagen. In weiten Thä⸗ 
lern kann die Sonne vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend ihre Wirkung 
pollſtändig entwickeln, die warmen Winde haben dort mehr ungehinderten Zu— 
tritt, während die kalten Winde, bevor ſie ſich den an den Thalwandungen 
angelegten, mithin mehr vom Thalgrunde zurückſtehenden Weinbergen nähern, 
erwärmt werden, wodurch in ſolchen Thälern gewöhnlich eine freie, heitere 
Luft herrſcht, die den Froſt mehr verhütet als begünſtigt. Aus dieſem Grunde 
haben auch das Rheinthal vor den in daſſelbe einmündenden engern Thälern, 
ſowie das mittlere und untere Neckarthal vor den engeren Thälern der Enz, 
des Kochers und der Jagſt entſchiedene Vorzüge. 


8. 59. 
6. Die Umgebung der einzelnen Weinbergslageu. 


Die Umgebungen der Weinberge, die Nachbarſchaft einzelner Gegenſtände 
haben auf den Weinbau einen ſehr weſentlichen Einfluß, ſo daß davon häufig 
die gute oder geringe Lage derſelben abhängt. 


Vortheilhaft für den Weinbau ſind: 

a. Alle Gegenſtände, durch welche, wie bereits angeführt (F. 58), die 
rauhen, kalten, ſtürmiſchen Winde abgehalten und dadurch die Wärme der ein⸗ 
zelnen Lagen erhöht wird, wie die Umgebungen von höhern Gebirgen, von 
ſchützenden Waldungen, die Nähe von Gebäuden, Felſen u. ſ. w. 


Welch' großen Einfluß der Schutz durch Gebirge und höher liegende Wal⸗ 


dungen auf den Weinbau hat, iſt daraus erſichtlich, daß in dem obern Neckar⸗ 


thale, das Schutz durch das nahe Alpgebirge und durch die Schönbuchswal⸗ 
dungen genießt, namentlich zwiſchen Tübingen und Rottenburg bei einer Er⸗ 
hebung des Thalgrundes von 12—1400 Fuß noch bedeutender Weinbau ge⸗ 
trieben wird, während im oberen Kocherthal bei Hall bei einer Erhebung der 
Thalfläche von 952 Fuß der Weinbau faſt ganz aufgehört hat. 5 


+ 


79 


b. Die ſogenannten Wetterſcheiden, durch welches die Gewitter und alſo 
auch Hagel und Wolkenbrüche von einzelnen Gegenden abgeleitet werden. 

C. Die Umgebungen der Weinberge mit Mauern und Erddämmen, indem 
dadurch beſonders auf dem Rücken der Berge nicht nur die kalten und rauhen 
Winde abgehalten, ſondern auch durch das Abprallen der Sonnenſtrahlen an 
den Mauern Wärme in den Weinbergen verbreitet wird, auch bieten die 
Mauern große Flächen dar, zur Anlage von einträglichen Rebgeländen. 


d. Die Nähe von anſehnlichen Flüſſen und Seen in weiten oder flachen 
Thälern wirkt auf die Vegetation der Rebe und der Traube in vielen Fällen 
ſehr vortheilhaft, indem der Reflex der Sonnenſtrahlen auf der ausgedehnten 
Waſſerfläche eine ſehr günſtige Wirkung auf gegenüberliegende Weinberge, hin— 
ſichtlich der Erhöhung der Wärme, ausübt und die von größeren Waſſerflächen 
häufig aufſteigenden Nebel bei eintretenden Frühjahrsfröſten die Reben vor 
dem allzufrühen Beſcheinen der Sonne ſchützen, wodurch das Aufthauen des 
Reifs langſamer von ſtatten geht und die jungen Triebe und Trauben mehr er- 
halten werden, auch befördern die Ausdünſtungen des Waſſers die Entwicklung 


und Zeitigung der Trauben ſehr, ſo daß auf die Erzeugung der ausgezeichneten 


Weine des Rheingaues, ſo wie auf diejenige der vorzüglichen Weine von Un⸗ 
tertürkheim, Cannſtatt, Mundelsheim, Beſigheim u. ſ. w. zuverläſſig auch die 
Ausdünſtungen des Rheins und des Neckars ſehr günſtig einwirken. Die fei⸗ 
neren Theile dieſer Ausdünſtungen ſteigen in die Höhe, verbreiten ſich in der 
Atmosphäre und fallen im Sommer als Thau oder als erquickender Regen, 
im Herbſte als dünner Nebel herab, ſie mäßigen die Hitze und Trockenheit, 
vermehren die Säfte, befördern dadurch die Vegetation, erweichen die Trauben 
und beſchleunigen die Zeitigung derſelben. Solche günſtige Einwirkungen ſetzen 
jedoch einen warmen, trockenen Weinbergsboden voraus, der die atmosphäriſchen 
Ausdünſtungen gerne und leicht an ſich zieht, während bei einem kühlen, kalten 
oder naſſen Boden gerade das Gegentheil eintreten würde. 
Nachtheilig für den Weinbau ſind: 

a. Die unmittelbare Nähe von Ortſchaften und von Fabriken, indem da⸗ 
durch Rauch und unreine Dünſte verbreitet werden, die durch Niederſchlag 
theils die Blüthe beſchädigen und die Befruchtung hindern, oder ſich den 
Trauben mittheilen und dadurch auf deren Geſchmack einen ungünſtigen Ein⸗ 
fluß ausüben, auch ſind ſolche nahe Weinberge der Beſchädigung durch die 
verſchiedenen Hausthiere, ſowie durch Vögel ꝛc. ſehr ausgeſetzt. 

b. Das unmittelbare Angrenzen der Weinberge an dichte, beſonders Nadel- 
waldungen, indem aus denſelben kalte, feuchte Nebel aufſteigen und dadurch 
Schatten, Kälte und Feuchtigkeit verbreitet werden, weil hier Schnee und Eis 
länger liegen bleiben und dieſelben auch nach heftigem Regen langſamer aus⸗ 


80 


trocknen, ein freier warmer Luftzug gehindert und viele ſchädliche Thiere (Vö⸗ 
gel und Vierfüßler) herbeigezogen werden. 
c. Die Nähe von Bäumen, Hecken u. ſ. w., indem dadurch gleichfalls Schat⸗ 


ten verbreitet, durch ihre Wurzelausläufer den Rebſtöcken viele Nahrung ent⸗ 


+ 


zogen und ſchädlichen Inſekten, Vögeln, Mäuſen ꝛc. der Aufenthalt erleichtert 
wird. 

d. Die Nähe von Wieſen- und grünen Futter- und Fruchtfeldern, indem 
ſie Thau und Nebel ſtark anziehen, dadurch Kälte verbreiten und die Gefahr 
des Erfrierens der Rebſtöcke, beſonders im Frühjahr, ſowie die Beſchädigung 
durch ſchädliche Thauniederſchläge ſehr vermehren. 

e. Die Nähe von kalten, waſſerhaltigen Moos- und Wiesgründen, beſonders 
am Fuße der Weinberge, indem durch die ſtarken, kalten und nebeligen Aus⸗ 
dünſtungen die Luft verunreinigt, erkältet und nicht nur ſchädliche Thaunieder⸗ 
ſchläge herbeigezogen werden, ſondern auch die angrenzenden Weinberge der 
Gefahr des Erfrierens vorzugsweiſe ausgeſetzt find. 

Der gleiche Fall tritt ein 

f. wenn in engen Thälern Flüſſe und Bäche ſich befinden, indem ſie durch 
den gehemmten Luftzug gleichfalls Kälte verbreiten und die Gefahr des Er— 
frierens des Weinſtocks vermehren. 

g. Die Nähe von Schnee- und Eisbergen, durch welche ſogar während des 
Sommers hie und da eiskalte Winde herabziehen, ſo wie die Nähe von aus⸗ 
gedehnten Seeen, weil durch deren Ausdünſtung die Luft gleichfalls, beſonders 
während der Nacht abgekühlt wird und zu ſtarke Thau- und Regenniederſchläge 
erfolgen, ſind den Reben in unſerm gemäßigten Clima gleichfalls ſehr ſchädlich, 
indem eiskalte Winde die zarten Triebe der Rebe häufig beſchädigen und die 


Atmosphäre erkälten, ſtarke [hau und Regenniederſchläge aber zwar die Ve— 


getation befördern, den Trauben aber viel Waſſer mittheilen, den Zuckergehalt 
derſelben, ſowie ſpäter den geiſtigen Gehalt des Weins vermindern und öfters 
eine baldige Fäulniß der Trauben herbeiführen, wodurch zu einer frühzeitigen 
Leſe geſchritten werden muß, wie dieſes in der Bodenſeegegend häufig vorkommt. 


S. 60. 
7. Die Regenmenge. 


Die in einer Gegend fallende Regenmenge iſt für den Weinbau von we⸗ 
ſentlichem Einfluß, indem hauptſächlich Wärme und Feuchtigkeit die bedingen⸗ 
den Urſachen zu der Erzeugung eines guten Weins ſind. Die Traube ver⸗ 
langt zu ihrer vollſtändigen Auszeitigung einen gewiſſen Grad von Feuchtigkeit 
und namentlich iſt dieſes bei einzelnen Traubengattungen, wie z. B. bei dem 
Trollinger, in höherem Grade der Fall, indem derſelbe, wenn, nach vorausge⸗ 


81 


gangener heißer und trockener Witterung, während der Zeitigung kein Regen 
fällt, bei hitzigem Boden in der Vegetation ſtille ſteht und nur geringe Quan⸗ 
tität und Qualität liefert. Aus dieſem Grunde werden auch in ſüdlichen Ge— 
genden, wo während des Sommers ſelten Regen fällt, die vorzüglichſten Weine 
in der Nähe der großen Flüſſe, Seen oder dem Meere erzeugt, indem dort 
die ſtärkeren Thauniederſchläge den Regen erſetzen. 

Allzuviel Regen und Feuchtigkeit ſchadet jedoch der Weinerzeugung außer— 
ordentlich, fo daß ſogar in ſehr warmen Gegenden, wie z. B. auf den weſt⸗ 
indiſchen Inſeln, aus den §. 53 angeführten Gründen, die Erzeugung eines 
geiſtreichen und haltbaren Weins zur Unmöglichkeit wird. Auch in gemäßigten 
Gegenden iſt eine größere Regenmenge wenigſtens der Erzeugung eines guten 
Weins ſchädlich, indem durch den größeren Regenfall auch die Temperatur⸗ 
verhältniſſe ſich in der Regel niedriger ſtellen, weil viele Regentage auch 
manche trübe Tage zur Folge haben, an welchen die Wärme-Entwicklung ge⸗ 
ringer iſt, was für die gute Auszeitigung der Trauben um ſo nachtheiliger iſt, 
als durch den ſtärkeren Regenfall dieſelben auch viele wäſſerige Theile auf- 
nehmen, die bei den niedrigern Temperaturverhältniſſen nicht mehr gehörig 
zerſetzt und in Zucker verwandelt werden können. Bei der Beurtheilung einer 
Gegend hinſichtlich ihrer beſſeren oder geringeren Lage für den Weinbau darf 
daher die durchſchnittlich fallende Regenmenge ($. 263, 268) wohl auch in 
Rechnung gebracht werden. 


V. Die Nahrungsfoffe der Reben, der Boden der Weinberge. 


§. 61. 


Die Reben, ſowie alle Pflanzen, werden nur dadurch ernährt, daß ſie die 
nährenden Stoffe in flüſſiger oder dampfartiger Form theils aus der Luft, 
theils aus dem Boden aufjaugen. f 

Die Luft beſteht hauptſächlich aus Stickſtoff und Sauerſtoff, ſowie in ge⸗ 
ringerer Menge aus Kohlen- und Waſſerſtoff. Es find dieſes gasartige 
Grundſtoffe, die chemiſch nicht zerlegbar ſind, theils aber unter ſich, theils mit 
andern Stoffen (Erde, Metalle, Waſſer) verſchiedene Verbindungen eingehen. 

Der Stickſtoff bildet beinahe / der Atmosphäre, außer derſelben iſt er 
ſehr ſparſam in der Natur verbreitet. In den Grundſtoffen des Mineralreichs 
fehlt er ganz, dagegen wird er in dem thieriſchen Organismus in beträcht⸗ 
licher Menge gefunden. 

Der Sauerſtoff macht ungefähr den fünften Theil der Atmosphäre aus. 
Er iſt der wichtigſte Beſtandtheil der Luft, indem durch ihn der Beſtand des 

thieriſchen Lebens, das Athmen, das Keimen des Samenkorns und das Ge— 
deihen der Pflanzen, das Brennen des Feuers und das Verweſen der Pflan- 
5 5 6 


82 


zen⸗ und thieriſchen Stoffe bedingt wird. Er verbindet ſich, wo er ſich wirk⸗ 
ſam zeigt, mit dem Gegenſtand, auf den er wirkt, und bildet Säuren. 

Der Kohlenſtoff kommt nur in ſehr geringer Menge und nicht ſelbſtſtän⸗ 
dig, ſondern nur in Verbindung mit dem Sauerſtoffe vor, mit dem er die 
Kohlenſäure bildet, durch die hauptſächlich die Ernährung der Pflanzen ber 
wirkt wird. 

Der Waſſerſtoff bildet gleichfalls einen geringen Theil der atmosphäri⸗ 
ſchen Luft, er iſt leichter als die übrigen Luftarten, daher man ihn in der 
. zum Füllen der Luftballons verwendet. Er geht am häufigſten mit dem 

Sauerſtoff Ver bindungen ein und bildet dann das Waſſer, das entweder als 
wäſſeriger Dunſt ſich in der Atmosphäre befindet oder ſich als Thau und 
Regen niederſchlägt. 

Dieſe Beſtandtheile der Luft werden von den Blättern und Wurzeln der 
Pflanzen durch die Poren derſelben eingeſaugt ($. 1. 4), im Innern verarbei⸗ 
tet und das Ueberflüſſige auf gleiche Weiſe durch 1 wieder Ay 
ſtoßen. 

l ee 

Neben den angeführten Grundſtoffen enthalten die Bilden aber auch 
Mineralien (Erde, Metalle, Salze u. ſ. w.), die ſie hauptſächlich aus dem 
Boden beziehen und die, aufgelöst durch den Zutritt der Luft, der Wärme und 
des Waſſers, den Pflanzen in flüſſigem Zuſtande zugeführt werden. 

Der in der Luft enthaltene Wärmeſtoff, ſo wie das damit in Verbindung 
ſtehende Sonnenlicht ($. 57) üben gleichfalls einen wichtigen Einfluß auf das 
Gedeihen der Pflanzen aus. Ohne Wärme erſtarrt der Boden und die 
Pflanze wird zu Eis und geht zu Grunde. Ohne dieſelbe iſt daher kein 
Pflanzenleben denkbar. Die natürliche Wirkung der Wärme beſteht darin, 
daß ſie die Körper ausdehnt, die Kraft, womit die Theile derſelben zuſammen⸗ 
hängen, ſchwächt oder auflöst, und dadurch den Einfluß anderer Stoffe auf 
die Bildung neuer Zuſammenſetzungen erleichtert. Auf dieſe Art macht die⸗ 
ſelbe die Säfte der Pflanzen flüſſiger, fie erleichtert ihre Bewegungen in den 
Gefäſſen (§. 2) und begünſtigt, im Verein mit Flüſſigkeit und Luft, die Auf⸗ 
löſung der nährenden Theile der Erde und das Einſaugen derſelben durch die 
feinen Poren der Wurzeln. Allzuviel Wärme befördert aber die Ausdünſtungen 
der Pflanzen all zu ſehr, indem ſie ihnen das Waſſer entzieht, welches die 
Säfte flüſſig erhält und ſo in ihren Organen Stoffe verdichtet, die früher 
flüſſig waren, wodurch die Vegetation gehemmt wird und das Leben der Pflan⸗ 
zen ſtille ſteht oder gänzlich aufhört. Dieſer Fall tritt bei großer Hitze ein, 
wenn nicht durch Regen, Thau oder künftliche Wäſſerung der durchs Aus⸗ 
dünſten und Verdampfen verurſachte Verluſt erſetzt wird. 


/ 


83 


Vermindert ſich aber die Wärme der Luft bedeutend, und es tritt Kälte 
ein, io verdicken ſich die Säfte der Pflanze gleichfalls, die Bewegung derſelben 
wird langſamer, die Thätigkeit der Organe vermindert ſich und die Lebens— 
verrichtungen werden matter und ſtehen zuletzt ganz ſtill, wenn die Lebenskräfte 
nicht wieder durch Wärme erneuert werden. Dieſer Fall kommt vor, wenn 
die Kälte der Luft ſo zunimmt, daß die innere Wärme der Pflanze der äußern 
Kälte nicht mehr widerſtehen kann, indem dann der Saft der Pflanzen ſich in 


Eis verwandelt, das die Gefäſſe derſelben ausdehnt, wodurch dieſelben zer— 


ſpringen und die ganze Pflanze zu Grunde geht. 

Das Licht übt zwar keinen ſo bedeutenden Einfluß auf das Pflanzenleben 
aus, wie die Wärme, daſſelbe iſt jedoch deſſenungeachtet von beſonderer Wich— 
tigkeit, indem Pflanzen im Schatten oder in der Dunkelheit erzogen, bei wei⸗ 
tem nicht die Farbe, den durchdringenden Geruch und den Geſchmack haben 
und weit ſeltener Früchte tragen, als wie die, welche den unmittelbaren Ein— 
wirkungen der Sonnenſtrahlen ausgeſetzt ſind. Auch wird durch das Licht die 
Kohlenſtoff⸗Aufnahme der Pflanzen (§. 113), die in der Dunkelheit aufhört, 
bedingt und die Ausdünſtung derſelben befördert, indem die Blätter derſelben 
nur dann Sauerſtoff ausſtrömen, wenn ſie von der Sonne beſchienen werden. 

Eine weitere Beſchaffenheit der Luft, welche auf die Vegetation der Pflan- 
zen Einfluß ausübt, iſt die Elektricität derſelben. Sie iſt eine elaſtiſche, un⸗ 
ſichtbare Flüſſigkeit, allgemein in der Natur verbreitet und hat die beſondere 
Eigenſchaft, daß ſie andere Körper ſelbſt auf bedeutende Entfernungen anzieht 
und abſtößt. Ihre bis jetzt noch nicht vollſtändig ermittelten Einwirkungen 
auf die Atmosphäre und dadurch auf das Leben der Pflanzen ſind jedenfalls 
von großem Einfluſſe, indem ſie durch ihre anziehende und abſtoßende Kraft 
nicht nur das hie und da geſtörte Gleichgewicht der Beſtandtheile der Atmos⸗ 


phäre (Stickſtoff, Sauerſtoff, Kohlenſtoff und Waſſerſtoff) wieder herſtellt 


und dadurch zum Gedeihen von Thieren und Pflanzen beiträgt, ſondern ſie 
bedingt auch die Wirkung des Sauerſtoffs auf die Pflanzen und beſtimmt den 
Umlauf und das Ausſtrömen der wäſſerigen Flüſſigkeiten. Sie zeigt ihren 
Einfluß auf die Vegetation insbeſondere bei Waſſerniederſchlägen, indem das 
mit elektriſchen Stoffen geſchwängerte Regenwaſſer, namentlich bei Gewitter— 
regen, auf das Keimen und Wachſen der Pflanzen weit günſtiger als gewöhn⸗ 
liches Brunnem oder Flußwaſſer wirkt. 

Das Waſſer, das aus 12—15 Procent Waſſerſtoff und aus 85—88 Pro- 
cent Sauerſtoff beſteht, theilt beide Stoffe den Pflanzen mit, trägt dadurch 
weſentlich zu deren Ernährung bei und iſt überhaupt für deren Leben ganz 


unentbehrlich, indem es die Erde befruchtet, ihre Theile trennt und ſie dadurch 


empfänglich macht für die Ausbreitung der Wurzeln, den Zutritt der Luft und 
für die Entwicklung der erſten Keime, auch beſitzt es nicht nur die Eigenſchaft, 
8 5 


84 


die Gefäſſe der Pflanzen zu erweitern und auszudehnen und die Lebenskraft 
derſelben ſtets in Thätigkeit zu erhalten, ſie zu reizen, zu ſtärken, im Zuſtande 
der Erſchlaffung wieder zu wecken und zu beleben, ſondern auch alle diejenigen 
Nahrungsſtoffe (Mineralien) zu löſen, welche für ſich allein nicht flüſſig oder 
luftförmig werden können. Es trägt ferner durch ſeine flüſſige Beſchaffenheit 
zur Erzeugung der verſchiedenen Säfte der Pflanzen bei und vermittelt dadurch 
die Bildung der feſten Pflanzentheile (§. 2). 


8. 63. | 


Die Beſtandtheile der Pflanzen find durch die Verbindungen, wins die 
Grundſtoffe unter ſich und mit andern Körpern eingehen, in den manch⸗ 
fachſten Verhältniſſen in denſelben enthalten, wodurch dann auch die Ver⸗ 
ſchiedenheit der einzelnen Pflanzengattungen entſtanden iſt. 


Durch jene Verbindungen entſtehen eine Menge neuer Körper, die zur 
Ernährung der Pflanzen beitragen, wie z. B. durch die Verbindung des Koh— 
lenſtoffs und Sauerſtoffs, die Kohlenſäure; durch die Verbindung des Stick⸗ 
ſtoffs mit dem Sauerſtoff, der Salpeter und mit dem Waſſerſtoff, das Am⸗ 
moniak. Ferner durch die Verbindung der Kohlenſäure mit reiner Kalkerde 
der kohlenſaure Kalk ꝛc. Eine nähere Ausführung dieſer verſchiedenartigen 
Verbindungen gehört jedoch nicht hierher, ſondern zur landwirthſchaftlichen 
Chemie, wir haben deßwegen hinſichtlich der Ernährung der Pflanzen nur 
noch anzuführen, daß alles, was als Pflanzen-Nahrung brauchbar ſein ſoll, 
entweder flüſſig oder luftförmig ſein muß, damit daſſelbe durch die feinen, mit 
bloßem Auge gar nicht erkennbaren Poren der Wurzeln und Blätter der 
Pflanzen aufgeſaugt und denſelben zugeführt werden kann, da feſte Körper 
nicht in denſelben einzudringen vermögen. 


Wenn man die Pflanzenkörper chemiſch zerlegt, fo bilden Kohlen-, Waſſer⸗ 
und Sauerſtoff und bei einzelnen Pflanzen Stickſtoff, zu welchen auch die 
Traube gehört, die vier Grundelemente derſelben, wozu noch einzelne Mineral⸗ 
ſtoffe kommen. Man nennt jene die organiſchen Stoffe, weil ſie als die 
Hauptbeſtandtheile aller organiſchen Stoffe (des Pflanzen⸗ und Thierreichs) 
anzuſehen ſind, oder auch verbrennliche, weil ſie beim Erhitzen an der Luft 
vollſtändig verbrennen und verſchwinden, d. h. ſich in luftförmige Verbindun⸗ 
gen verwandeln. Die Mineralſtoffe, welche gewöhnlich nur in geringer Menge 
in den Pflanzen enthalten ſind, gehören zu den unorganiſchen oder unver⸗ 
brennlichen Stoffen, weil ſie durch die Hitze nicht verbrannt oder verflüchtigt 
werden. Unter dieſen Beſtandtheilen der Pflanzen iſt der Kohlenſtoff in der 
größten Menge in denſelben ea und macht daher. die Srrublage: des 
ganzen FT. Reiches aus. 


Be 85 


Die Kohlenſäure der Luft wird fortwährend von den Blättern der 
Pflanzen eingeſaugt und von denſelben zerlegt, wodurch ſie ſich den Kohlenſtoff 
aneignen, den Sauerſtoff aber wieder in die Atmosphäre ausſtoßen und da— 
durch die, durch das Einathmen von Menſchen, Thieren und Pflanzen konſu— 
mirte Menge ſtets wieder erſetzen. Die zum Leben der Pflanzen ſo unent⸗ 
behrliche Kohlenſäure iſt aber nicht blos in der Luft, ſondern auch in dem 
Quellwaſſer und in jedem Boden enthalten, der gährende Stoffe enthält, in- 
dem Gährung durch die Entwicklung der Kohlenſäure entſteht. Dieſelbe wird 
daher täglich in größter Menge erzeugt, ſie wird unerachtet ihrer verſchieden— 
artigen Eutſtehung von der Luft aufgenommen und trägt weſentlich zur gleich- 
förmigen Erhaltung derſelben bei. 


Den Sauer⸗ und Waſſerſtoff erhalten die Pflanzen hauptſächlich mit 
dem Waſſer, beide dringen mit demſelben in die Pflanzen, verbinden ſich mit 
ihren Säften und ſind als Nahrungsſtoffe die erſten Lebensbedingungen der⸗ 
ſelben. . 


Der Stickſtoff wird von den Pflanzen theils aus der Atmosphäre ange⸗ 
zogen, theils den Wurzeln derſelben in dem animaliſchen und vegetabiliſchen 
Dünger durch den Ammoniak zugeführt. Der Stickſtoff iſt außer in der Luft, 
auch noch in dem Körper der Thiere und Pflanzen enthalten, ſterben nun 
dieſe ab und gehen in Fäulniß (Gährung) über, ſo werden von den vorhande— 
nen vier Grundſtoffen, der Kohlenſtoff und Sauerſtoff ausgeſtoßen und mit 
dem dritten, dem Waſſerſtoff, bleibt er verbunden und ſtellt das Ammoniak vor, 
das eines der wichtigſten und werthvollſten Nährmittel der Pflanzen iſt. Es 
beſitzt einen ſehr ſtarken, ſtechenden Geruch und eine große Flüchtigkeit, es 
entweicht daher in die Atmosphäre, wenn die Fäulniß nicht in der Erde ſtatt⸗ 
findet, oder ſeine Flüchtigkeit nicht durch Säuren (Schwefelſäuren, Salzſäure, 
Humus) an den Boden gebunden wird, daher es nur in dieſem Falle zur Er- 
nährung der Pflanzen dient. 


Die mineraliſchen (unorganiſchen) Stoffe werden den Pflanzen durch das 
Waſſer zugeführt, indem dieſelben, wie bereits angeführt, durch die Einwirkung 
der Luft, der Wärme, der Kälte und des Waſſers verwittern, ſich in feine 
Theile auflöſen, dadurch mit dem Waſſer ſich verbinden und mit demſelben in 
die Pflanzen übergehen. 

Nach dem hier Angeführten beſtehen die Nahrungsmittel der Pflanzen 
hauptſächlich in Kohlenſäure, Waſſer, Ammoniak und einigen Mineralſtoffen, 
wie nun aber dieſe einzelnen Stoffe von der Natur verarbeitet und diejenigen 
Stoffe daraus gebildet werden, die wir in den Pflanzen finden, in dieſe Ge⸗ 
heimniſſe der Natur ſind unſere Chemiker bis jetzt noch 5 5 
daher wir hier unſer Nichtwiſſen bekennen müſſen. 


86 


/ 5 EEE 


§. 64. 
Die Urſtoffe unſeres Erdkörpers beſtehen aus Mittal und zwar aus 
Erde und Metallen. 

Unter Erde verſteht man trockene, lockere Körper, welche, in reinem Zu- 
ſtande geruchlos, von weißer Farbe, im Feuer unſchmelzbar und unzerſtörbar 
und im Waſſer nicht ganz lösbar ſind. Dieſe Erden rechnete man früher, 
wie die Grundſtoffe der Luft, zu den Elementen (einfache Grundſtoffe); nach 
neueren Unterſuchungen iſt dieſes aber nicht der Fall, ſondern es ſind Ver— 
bindungen von Metallen mit dem Sauerſtoff (Metalloxyde). 

Metalle ſind unzerlegbare Körper, die ſich durch ihren eigenthümlichen 
Glanz, ihr ſtarkes Gewicht, ihre Undurchſichtigkeit, ihre Zähigkeit und Dehn⸗ 
barkeit auszeichnen. Sie ſind ſchmelzbar, gehen mit dem Sauerſtoff (Oxygen) 
gerne Verbindungen ein, wodurch ſie ihre phyſiſche Eigenſchaft verlieren und 
ſich in ein erdartiges Pulver verwandeln (Oxydation), wodurch ſich die ‚Des 
talloxyde und Metallſäuren bilden. 

Diejenigen Erdarten, die im Boden allgemein verbreitet ſind und in grö⸗ 
ßerer Menge in demſelben vorkommen, find Kieſelerde, Thon-, Kalk: und 
Bittererde. Weitere Erdarten, welche neuerlich durch die Chemie entdeckt 
worden find (Barytherde, Gyeinerde ꝛc.), weil fie nur in einzelnen Minera⸗ 
lien enthalten ſind, kommen hier nicht in Betracht. 

1. Die Kieſelerde iſt im Waſſer, ſowie auch in Säuren, außer der Fluß⸗ 
ſpathſäure, völlig unauflöslich, nimmt aber, wenn ſie im trockenen Zuſtande mit 
Waſſer übergoſſen wird, bei 100 Theilen 250—280 Theile Waſſer in ſich 
auf, läßt jedoch daſſelbe ſchnell wieder verdunſten (dreimal ſchneller als koh⸗ 
lenſaurer Kalk und fünfmal ſchneller als Thonerde). Sie iſt über die Hälfte 
aus Sauerſtoff zuſammengeſetzt, und iſt am häufigſten auf unſerem Erdkörper 
verbreitet, ſo daß mehr als die Hälfte deſſelben aus Kieſelerde beſteht, daher 
fie überall im Boden mit andern Erdarten gemiſcht (8. 65), als feinſtes Puls 
ver oder als Sand, ſowie auch in den Pflanzen vorkommt. 

2. Die Thonerde iſt zwar nicht im Waſſer, aber in allen Säuren auf⸗ 
löslich. Sie ſchluckt das Waſſer gierig an und nimmt das vierfache ihres 
Gewichts im Waſſer auf, ohne es in Tropfen fahren zu laſſen und hält das⸗ 
ſelbe ſtark zurück, beſonders im Innern des Bodens. Sie beſteht aus 46,70 
Sauerſtoff und aus 53,30 Theilen einer metalliſchen Subſtanz, dem Alumi⸗ 
nium, und iſt in jedem Boden, in größerer Menge aber im bündigen, in ge⸗ 
ringerer im loſen Boden vorhanden. f 

In Verbindung mit Kieſelerde und Eiſen bildet ſie den Thon, der zu⸗ 
nächſt aus dem Feldſpath und Thonſchiefer (§. 66) entſtanden zu ſein ſcheint 
und zwar viel Waſſer, jedoch nur eine beſtimmte Menge, in ſich aufnimmt, er 
widerſetzt ſich dem Eindringen des Weitern, d. h. er iſt waſſerdicht. Er hat 


87 


die meiſte Anziehungskraft und verbindet ſich deßwegen gern mit andern Stof- 
fen, er ſaugt die Feuchtigkeit aus der Luft an, zerſetzt im naſſen Zuſtande die 
atmosphäriſche Luft und verbindet ſich mit dem Sauerſtoff. Er erwärmt ſich 
langſam, langſamer als der Sand und verliert die Wärme viel ſchneller wie- 
der, doch hält er ſie länger als Kalk und Bittererde. Im glühenden Zuſtande 
verhärtet es ſich zu einer ſteinigen Maſſe. 

3. Die Kalkerde hat einen laugenhaften Geſchmack und iſt im Waſſer 
und in allen Säuren auflöslich. Wenn ſie mit Waſſer begoſſen wird, ſchluckt 
ſie daſſelbe unter Ziſchen begierig an und zerfällt zu einem feinen Pulver. 
Dabei erzeugt ſich ein hoher Grad von Wärme, die daher kommt, daß das’ 
von dem Kalke eingeſchluckte Waſſer mit ihm verbunden wird und dadurch 
ſeine Wärme fahren läßt. Sie bildet dadurch die Grundlage des Mauerkal⸗ 
kes. Reine Kalkerde beſteht aus 28,09 Sauerſtoff und aus 71,91 Calcium, 
kommt aber in der Natur nirgends vor, ſondern iſt im Boden entweder als 
kohlenſaurer Kalk oder als ſchwefelſaurer Kalk enthalten. 

a. Der kohlenſaure Kalk beſteht aus Kalkerde, Kohlenſäure und Waſſer, 
er kommt jedoch im Boden ſtets in einer Miſchung mit Thon und Sand vor. 
Er löst ſich in allen Säuren auf, wobei die mit ihm verbundene Kohlenſäure, 
wenn man denſelben mit einer verdünnten Salz⸗ oder Salpeterſäure ꝛc. bes 
gießt, in Geſtalt von Bläschen und mit Geräuſch entweicht. Wird der koh⸗ 
lenſaure Kalk (Kalkſäure) einem hohen Hitzegrad ausgeſetzt (gebrannt wie in 
den Ziegelöfen), jo verflüchtigt ſich zuerſt das Waſſer, dann die Kohlenſäure, 
er iſt nun reine Kalkerde oder gebrannter Kalk. Er nimmt in zerriebenem 
Zuſtande faſt eben fo viel Waſſer auf, als fein Gewicht beträgt, verdunſtet 
daſſelbe ſchneller wieder als reine Thonerde, langſamer aber als Thon. Er 
ſaugt in einer beſtimmten Zeit weniger Feuchtigkeit aus der Luft an, wie der 
Thon, aber mehr als gemengte kalkloſe Bodenarten, auch auf die Zerſetzung 
der Luft durch Aufnahme des u derſelben wirkt er ebenfalls gerin- 
ger als der Thon. 

Durch eine Verbindung der tohlenfanern Kalkerde mit Thon entſteht der 
Mergel. 

b. Der ſchwefelſaure Kalt iſt aus Kalk, Schwefelſäure und Waſſer zu⸗ 
ſammengeſetzt und kommt unter dem Namen Gyps und Alabaſter vor. Er 
iſt im kalten Waſſer löslich und im Feuer ſchmelzbar. Wenn man ihn einer 
hohen Feuerhitze ausſetzt, fo verdunſtet das Waſſer und ein Theil des Schwe— 
fels, er nimmt eine weiße Farbe an, zerfällt und erſcheint als gebrannter 
Gyps. Er verbindet ſich mit dem Waſſer nicht ſo raſch wie der Kalk, nimmt 
aber eine größere Menge davon auf, und wird hauptſächlich zum Vertünchen 
der Wandungen und Decken, ſo wie auch zu Abgüſſen benützt. 

4. Die Bittererde oder Talkerde, auch Magneſia, iſt im Waſſer unauf⸗ 


88 


löslich, aber in allen Säuren lösbar. Sie äußert keine Wirkung auf die or⸗ 
ganiſchen Subſtanzen und entwickelt keine Wärme, wenn ſie mit Waſſer über⸗ 
goſſen wird. Sie nimmt bis zum vierfachen Betrag ihres Gewichts Waſſer 
auf, ohne es in Tropfen fahren zu laſſen. Sie ſaugt weit langſamer, als 
die Kalkerde, Feuchtigkeit aus der Luft an und viel ſpäter als dieſe ſättigt 
ſie ſich mit Kohlenſäure. Sie kommt im Boden immer nur als kohlenſaure 
Bittererde vor, die im Waſſer gering löslich iſt und bei dem Begießen mit 
Säuren aufbraust, wie kohlenſaure Kalkerde. Die kohlenſaure Bittererde nimmt 
von allen Beſtandtheilen des Bodens das meiſte Waſſergauf, verdunſtet das⸗ 
ſelbe am langſamſten, ſaugt am meiſten Feuchtigkeit aus der Luft auf und 
zieht aus der Luft in größter Menge Sauerſtoff an. Sie nimmt von der 
Luft die wenigſte Wärme an, erkaltet am ſchnellſten und kommt faſt in allen 
Bodenarten, jedoch in ſehr geringer Menge vor. 


§. 65. 


Zu den Metallen, welche eines Theils zu der Bildung unſeres Erdkör— 
pers, andern Theils zur Ernährung der Pflanzen beitragen, gehören haupt» 
ſächlich Eiſen, Silicium, Aluminium, Magnium, Calium, Natrium, Calcium. 
Alle dieſe Metalle find unzerlegbar und gehören ſomit, wie die Beſtandtheile 
der Luft, zu den Grundſtoffen unſeres Erdkörpers. Sie werden ſelten in 
reinem Zuſtande getroffen, ſondern in der Regel verbunden mit andern Na- 
turkörpern, beſonders mit Felsmaſſen, denen ſie häufig ihre Farbe geben. 
Sind ſie vermiſcht mit Schwefel, ſo haben ſie ein metalliſch glänzendes, mit 
dem Sauerſtoff der Luft aber ein erdiges Ausſehen. Durch eine Miſchung 
mit wirklicher Säure werden es Salze. | 


1. Das Eiſen kommt allein im reinen Zuſtande in der Erde vor, jedoch 
nur als Meteoreiſen, in der Regel erſcheint es in Verbindung mit Sauerſtoff, 
d. h. im oxydirten Zuſtande. Es iſt allgemein in der Erde in großer Menge 
verbreitet und macht ca. den 200. Theil unſerer Erdrinde aus. Es gibt we- 
nige Mineralien, die nicht Eiſen enthalten, wenn es auch nur als Farbeſtoff 
darin enthalten iſt. Mit dem Thon iſt es oft in großer Menge verbunden, 
dem es häufig auch ſeine braunrothe Farbe gibt; geringer iſt ſein Gehalt in 
den bittererdigen Geſteinen oder Erdarten, am geringſten im Kalke enthalten. 
Auch das Waſſer mancher Flüſſe und Ströme, ſo wie vieler Quellen enthält 
Eiſen in großen oder kleinen Quantitäten, ſo wie man es auch häufig in Ge⸗ 
wächſen findet. f 

Das mit Sauerſtoff verbundene Eiſen wirkt auf viele Felsarten zeritö- 
rend und zerſetzend ein, dagegen ſpielt daſſelbe beim Feſterwerden, Erhärten 
mineraliſcher Maſſen eine große und wichtige Rolle, indem ihm bei veränder⸗ 


89 


ten Miſchungsverhältniſſen eine ſtarke bindende Kraft verliehen iſt und es daher 
auch zum Erhärten unſerer Felsmaſſen vieles beigetragen hat. 

2. Silicium, Aluminium und Magnium (Mangan) bilden die metalliſchen 
Grundlagen der Kieſelerde, Thonerde und Talkerde und werden daher auch 
Erdmetalle genannt. Dieſe Metalle kommen in reinem Zuſtande nirgends, 
fondern blos verbunden mit andern Körpern vor, ſie werden daher erſt auf 
chemiſchem Wege rein dargeſtellt. Unter denſelben iſt Mangan (Braunſtein) 
das verbreitetſte und wird in dieſer Beziehung dem Eiſen wenig nachgeben, ob 
es gleich ſtets nur in geringer Menge getroffen wird. 

3. Cali, Natron und Calcium gehören zu den ſogenannten Altali⸗Metallen. 
Sie kommen nirgends rein vor, ſondern durch ihre Verbindung mit Sauerſtoff 
entſpringen die Alkalien oder alkaliniſchen Erden, woher fie ihren Namen ha- 
ben. Sie zeichnen ſich durch einen ſcharfen, brennenden Geſchmack aus und 
haben die Eigenſchaft, daß ſie die rothe Farbe der Pflanzenſäfte in eine blaue, 
und die blaue in eine grüne verwandeln. Sie haben eine große Neigung, ſich 
mit Säuren zu verbinden, in welchem Falle beide ihren urſprünglichen Cha- 
rakter verlieren und ſich gegenſeitig neutraliſiren. 

Das Kali oder vegetabiliſche Laugenſalz iſt vorzüglich in den Pflanzen 
und hauptſächlich auch in der Rebe enthalten und wird aus der Aſche der 
verbrannten Pflanzen gewonnen, aus der zuerſt Potaſche und aus dieſer ſodann 
reines Cali dargeſtellt wird, das in einer weißen ſalzartigen Subſtanz beſteht. 

Das Natrum (Soda) trifft man in mineraliſchen, vegetabiliſchen und 
thieriſchen Körpern an. Es iſt überall mit Säuren verbunden. Mit der Salz— 
ſäure vereinigt, bildet es das Kochſalz. Es wird aus dieſem, ſowie auch aus 
Pflanzen, die auf ſalzigem Boden oder am Meeresſtrande wachſen, auf chenti- 
ſchem Wege dargeſtellt und hat ähnliche Eigenfchaften wie das Kali. 

Calcium iſt, wie bereits erwähnt, (S. 64) die metalliſche Grundlage der 
Kalkerde. 

Die ſchon hie und da erwähnten Säuren find mächtig wirkende Kräfte 
bei vorkommenden chemiſchen Veränderungen. Sie zeichnen ſich vorzüglich 
durch ihren ſauren Geſchmack aus, und üben einen großen Einfluß auf die 
Farbe der Pflanzenſäfte aus, indem ſie die meiſten blauen Pflanzengefäſſe roth 
und mehrere rothe, gelbroth färben. Sie ſind es, welche fortwährend zahl— 
loſe Zerſetzungen von Mineralkörpern hervorbringen und eine Menge Ver— 
bindungen mit denſelben eingehen, wodurch ſie Salze bilden. Die größere 
Zahl derſelben ſtellt ſich, in Folge ihrer Anziehung zum Waſſer, flüſſig dar, 
einige ſind feſte Körper, andern iſt Gasgeſtalt eigen. Sie entſtehen meiſt 
durch Verbindung gewiſſer Subſtanzen mit Sauerſtoff. 

Die intereſſanteren Säuren beſtehen hauptſächlich: 

aus Schwefelſäure, Kohlenſäure, Salpeterſäure, Phosphorſäure und 


90 
Salzſäure. Dieſe Säuren, und beſonders die Schwefelſäure ſind in Menge 
mit Alkalien, Erde und Metallen verbunden, wie denn z. B. Bit Gyps faſt 
zur Hälfte aus jener Säure beſteht. 

Die durch Säuren in Verbindung mit andern Körpern ldi Salze 
ſpielen keine unwichtige Rolle bei der Vegetation der Pflanzen und ſind in 
denſelben in großer Menge vorhanden. Im Allgemeinen werden ſie eingetheilt 
in Salze des Mineralreichs, die ſich durch Verbindung mit Metallen oder 
Erde zu einem Salze vereinigt haben, und in Salze der Pflanzen und des 
Thierreichs, die hauptſächlich aus Abgängen von eee Körpern, wie der 
Salpeter, gewonnen wird. 


S. 66. 


Unſere Erdrinde beſtand urſprünglich aus Felſen und Geſteinen, die auf 
zweifache Weiſe entſtanden ſind, durch Feuer und auch Waſſer, und werden deßwe⸗ 
gen eingetheilt in plutoniſche oder vulkaniſche und in neptuniſche. Die pluto⸗ 
niſchen Gebilde waren urſprünglich in feurig flüſſigem Zuſtande vorhanden und 
erkalteten nach und nach zu einer feſten ſteinigen kryſtalliniſchen Maſſe, wie 
dieſes noch gegenwärtig bei den durch den Ausbruch der Feuerberge entſtehen⸗ 
den vulkaniſchen Gebilden der Fall iſt. Die plutoniſchen Gebilde ſind die älte⸗ 
ſten unſerer Erdrinde und gehören zu den ſogenannten Urgebirgen. Sie zeich⸗ 
nen ſich aus durch ihre feſten, dichten, kryſtalliniſchen Beſtandtheile ohne 
Bindemittel, durch ihre metallreichen Gänge, der Hauptlagerſtätte der Metalle, 
und dadurch, daß in denſelben die Reſte einer organiſchen Welt gänzlich fehlen. 
Sie beſtehen hauptſächlich in Quarz, Feldſpath, Glimmer, Granit, Gueis. 
Quarz gehört zu den einfachen Geſteinen und beſteht blos aus Kieſelerde, er 
iſt hell oder ganz durchſichtig, farblos und bildet die Bergkryſtalle. Feldſpath 
beſteht hauptſächlich aus Thon und Kieſelerde, er iſt graulich, gelblich oder 
röthlich weiß, hie und da durchſichtig und glänzend, manchmal auch matt und 
erdig und zeichnet ſich gegenüber von Quarz durch ſeine geringere Härte und 
ſeine Verwitterbarkeit aus. 

Der Glimmer hat einen lebhaften, metallähnlichen Glanz, woher er ſeinen 
Namen hat, er ſpaltet ſich in die dünnſten Blättchen, iſt von geringer Härte 
und beſteht hauptſächlich aus Kieſelerde, Thonerde verbunden mit Kali. 

Granit iſt ſchon zuſammengeſetzt aus Quarz, Feldſpath und Glimmer, 
faſt zu gleichen Theilen, doch herrſcht der Feldſpath vor. 

Gneis beſteht hauptſächlich aus Glimmer, dann aus Feldſpath und Quarz. 
Außer dieſen Hauptgebirgsarten enthalten die Urgebirge noch manche andere 
plutoniſche Maſſen, wie Glimmerſchiefer, Magneteiſen, Talk⸗ und Chlorit⸗ 
ſchiefer, Urgyps, körnigen Kalk ꝛc., ſie ſind jedoch von geringerer Bedeutung 
und können hier übergangen werden. 


’ 91 

Die neptuniſchen Gebilde find hauptſächlich durch die Wirkungen des 
Waſſers, durch Anſchwemmungen von Trümmern der Urgebirge entſtanden 
und werden deßwegen auch 

Flöz⸗ oder Sekundäre⸗ Gebirge 
genannt. 

Durch die Wirkungen des Waſſers, der Luft und Wünneheigleh auch 
durch vulkaniſche Kräfte (Feuer) wurde ein Theil des Beſtandes der Urgebirge 
aufgelöst und in feinere und gröbere Theile zertrümmert. Beim Granit und 
Gneis iſt es hauptſächlich der Feldſpath, der die Verwitterung begünſtigt, er 
wird am früheſten erdig, das Waſſer löst ihn auf und der Zuſammenhalt der 
drei Stoffe, aus welchen dieſelben beſtehen, iſt aufgehoben, das Geſtein zer⸗ 
fällt, Trümmer reißen los, es entſtehen Spalten, das Waſſer dringt ins In- 
nere, Klüfte trennen die Maſſen und ganze Blöcke ſtürzen in die Tiefe. Auf 
dieſe Weiſe entſtanden Anſchwemmungen unter der Meeresfläche, die durch 
den Hinzutritt von verſchiedenen Bindemitteln (Thon, Kalk, Eiſen) zu einer 
zuſammenhängenden, mehr oder minder feſten Maſſe verbunden wurden und 
ſpäter durch plutoniſche Kräfte gehoben, nun die Flözgebirge ausmachen. 

Die auf dieſe Weiſe gebildeten Gebirgsarten ſind in ihren Beſtandtheilen 
ſehr verſchieden, ſie werden jedoch nach den verſchiedenen Hauptbeſtandtheilen 
in einzelne Abtheilungen oder Gruppen gebracht, die hauptſächlich beſtehen: 

1. in der Thonſchiefergruppe, 
die aufgelagert auf dem Urgebirge hauptſächlich Thonſtein, Thonſchiefer, Grau⸗ 
wacke, Sandſtein, Kohlenſandſtein (Anthracit), Steinkohle, Todtliegendes und 
Trümmer⸗Geſtein ꝛc. enthält. 

In dieſer Gruppe kommen Ablagerungen von Kalk, Mergel, Gyps und 
Thon vor, auch zeigt ſich bereits ein vegetatives Leben durch die Entſtehung 
ausgedehnter Waldungen, der baumſtämmigen Farrenkräuter, jo wie einiger 
lebender Thiere, die zur Claſſe der Reptilien gehören. Außerdem ſcheinen bei 
der Bildung dieſer Gruppe große Umwälzungen unſerer Erdrinde ſtattgefunden 
zu haben, welche einen Theil derſelben zertrümmert, zermalmt, und ſpäter zu 
andern Bildungen (Grauwacke, Todtliegendes) verwendet, auch ganze Urwal⸗ 
dungen (Steinkohlenbildung) begraben haben. 

2. In dem bunten und rothen Sandſtein, 
der ſeinen Namen von dem braunrothen Ausſehen erhalten hat. Er beſteht aus 
Quarzkörnern mit Glimmerblättchen und aus einem eiſenhaltigen, theils kieſeli⸗ 
gen, theils thonigen, theils kalkigen Bindemittel mit Erzgängen. 
| 3. In dem Muſchelkalk. | 

mit vielen verſteinerten Muſcheln, daher der Namen, und in verſchiedenen 
Mergel: und Kalkſteiaſchichten beſtehend. 

Nach neueren mikroſcopiſchen Unterſuchungen ſolen die Kalkſteine, ſowie 


92 


auch die Kreide auf dem Grunde des Meeres aus einer Menge kleiner zuſam⸗ 
mengebackener Schalthiere entſtanden ſein, die dem bloßen Auge nicht ſichtbar 
find und durch ein kalkiges, hie und da auch thoniges, Bindemittel zuſammen⸗ 
gehalten werden. 
4. In dem Keuper, 
der in ſehr verſchiedenen Schichten von Mergel, Gyps, Thon und Sandſtein 
beſteht. N 
5. In dem Liaskalk, auch ſchwarzen Jura 

mit vielen Verſteinerungen, beſtehend 

a. in dem eigentlichen Liaskalk, einem Kalkſteine, der ſic von dem Mu⸗ 

ſchelkalk durch ſeine ſchwarzblaue Farbe unterſcheidet; 

b. in Kalkmergelſchiefer; f 

c. Liasſandſtein: 

d. Thoneiſenſtein. 

6. In dem Jurakalk, 
auch braunen oder weißen Jura, gleichfalls mit vielen Verſteinerungen und in 
vielen Abtheilungen beſtehend. 
7. In dem Kreide- und Quader- (grüner) Sandſtein, 
mit vielen foſſilen Reſten von „ Vögeln, Fiſchen, a be⸗ 
ſtehend aus kalkigen, ſandigen und thonigen Lagern. 
8. Ju vulkaniſchen Gebilden, 
die hauptſächlich während der letzten Periode der Erdbildung aus dem Innern 
der Erde ſich erhoben, die einzelnen Schichten durchdrungen, in Spalten bis 
zur Oberfläche der Erde aufgeſtiegen und dort zum Theil noch Berge gebildet 
haben. | 

Nach der Bildung der Flöz- oder Sekundär-Gebirge entſtanden haupt 

ſächlich aus einzelnen Trümmern derſelben neuere Schichtenbildungen, 
die Terziäre- oder Molaſſe-Bildung. 

Sie iſt durch Anſchwemmungen unter dem Meerwaſſer oder unter dem 
Waſſer großer Landſeen entſtanden und beſteht hauptſächlich in Thon⸗ und 
Kalkablagerungen und in einem feſten Sandſtein von ſehr feinem Korn, der 
eigentlichen Molaſſe, mit häufigen Einlagerungen von Braunkohle und mit, 
manchen Unterbrechungen von Mergel- und Gypsſchichten. Auf die Molaſſe 
folgen häufig große Lager von Sand, feſte Geröllſchichten aus Trümmern von 
Ur⸗ und Flözgebirgen (Nagelflur), und zum Theil mächtige loſe Geröll: oder 
Kiesablagerungen. 

An die dritte Periode der Erdbildung ſchließen ſich 

die Diluvial⸗Gebilde 
an. Man nimmt an, daß ſie entweder durch eine große Fluth angeſchwemmt 
worden ſind, oder den Niederſchlag größerer Waſſerbedeckungen von ſpätern 


5 1 


93 


Perioden der Erdbildung ausmachen. Sie beſtehen hauptſächlich in großen 
Lehmlagern und aus Lagern von Süßwaſſerkalk, Geröllen, Grus, Sand und 
in einzelnen Gegenden aus ungeheuren, über die Oberfläche derſelben zerſtreu— 
ten Felsblöcken vom Urgebirge. Sie kommen beſonders in großen Flußthälern 
und in ehemaligen Binnenſeen, wie in Oberſchwaben, vor und zeichnen ſich 
dadurch aus, daß ſie keine regelmäßigen Schichten bilden und viele Foſſilien 
von großen, zum Theil untergegangenen Säugethieren enthalten. Sie bilden 
häufig die Unterlage der gebauten oder Dammerde. Die letzte Bildung unſerer 
Erdrinde beſteht in den 
Poftdiluvial⸗ oder Alluvial-Bildungen, 
die ſich erſt nach dem Zurücktritt und dem Verlaufen der Diluvialgewäſſer 
bis auf unſere Tage gebildet haben. Sie finden ſich hauptſächlich in den Fluß— 
thälern als Anſchwemmungen von Geſchieben, Sand, Lehm, als Kalktuffbil⸗ 
dungen, als Torfmoore ꝛc. 
8.07 

Alle dieſe Gebirgsarten haben die Eigenſchaft, daß, wenn ſie mit der Luft 
und dem Waſſer in Berührung kommen, ſie ſich nach und nach auflöſen (ver⸗ 
wittern), ihre Auflöſung geht jedoch nicht gleich leicht vor ſich. Je einfacher 
und dichter eine Steinart iſt, je weniger ſie metalliſche und kaliſche Beſtand⸗ 
theile hat, deſto ſchwerer löst fie ſich zu Erde auf, und aus je weniger Stein- 
arten eine Felsart zuſammengeſetzt iſt, je weniger klüftig ſie iſt, deſto ſchwerer 
zerfällt ſie zu Sand und Brocken, daher auch die Urgebirge in der Regel weit 
weniger löslich als die Flöz- und ſpäter gebildete Gebirge ſind. 

Die ſchnelle oder langſame Verwitterung der verſchiedenen Felsmaſſen 
hängt von der Gattung und der Menge der Bindemittel ab. Stark eiſenhal— 
tige und kalkige Bindemittel geben gewöhnlich feſtere Geſteinarten, als thonige, 
indem der feſte Thon überhaupt ſchneller verwittert als der Kalk. Bei einem 
reichlichen, thonigen Bindemittel bleiben beſonders die Sandſteine weich und 
löſen ſich bald auf, das gleiche iſt bei den loſen Sandſteinen der Fall, wo es 
an Bindemitteln fehlt. 

Die Verwitterung der feſten Erd- und Felsmaſſen erfolgt theils auf me⸗ 
chaniſche, theils auf chemiſche (auflöſende) Weiſe. Auf mechaniſche Weiſe durch 
das Eindringen des Waſſers in die feinſten Spalten der Gebirgsarten und 
durch den ſchnellen Wechſel zwiſchen Kälte und Wärme, wodurch, wenn das 
Waſſer ſich durch Kälte in Eis verwandelt und ſich dadurch ausdehnt, die zu— 
ſammenhängenden Theile zerſprengt, aufgelöst und nach und nach in Erde 
verwandelt werden, oder wenn bei feuchtem Zuſtande der Uebergang in den 
trockenen Zuſtand durch Hitze allzuſehr beſchleunigt wird, wodurch eine beſchleu— 
nigte Ausdünſtung oder ſchnelle Entziehung der Waſſerdünſte ſtattfindet, was 

ein Zerſpringen der feſten Maſſen in kleinere Splitter, wie bei den feſten 


94 


Thon⸗ und Mergelarten, zur Folge hat. Auch das Eindringen der Wurzeln 
der Pflanzen in die feinſten Ritzen der Gebirgsarten und der dadurch bewirkte 
Zutritt des Waſſers trägt ſehr zur Trennung und Auflöſung derſelben bei. 
Das Waſſer ſpielt dabei immer eine Hauptrolle. Ebenſo tragen auch Wolken⸗ 
brüche und große Ueberſchwemmungen zur Auflöſung der verſchiedenen Gebirgs— 
arten bei, indem dadurch große Maſſen von den Gebirgen losgeriſſen, fortge⸗ 
rollt und durch das fortwährende Aneinanderreiben und Aneinanderſtoßen 
abgerundet und bis zum feinſten Sande aufgelöst werden. Unſer Flußſand 
und Kies hat dadurch ſeine Entſtehung erhalten. Auch bei den chemiſchen 
Zerſetzungen iſt das Waſſer hauptſächlich thätig, indem durch den Zutritt des⸗ 
ſelben und durch die häufig darin enthaltene Kohlenſäure ſich viele Beſtand⸗ 
theile des Mineralreiches (Eiſen, Kali, Natron) auflöſen oder nach §. 65 neue 
Stoffe, Säuren, Oxyde ꝛc. gebildet werden, welche auf die Zerſetzung der 
Stein⸗ und Erdarten einwirken und deren Verwitterung beſchleunigen. Häufig 
wirken die mechaniſchen und chemiſchen Kräfte mit einander gemeinſchaftlich 
auf die einzelnen Zerſetzungen. | 

Durch ſolche Zertrümmerungen und Zerfegungen der feſten Theile unfes 
rer Erdrinde, die beim Entſtehen derſelben, ohne Zweifel durch die größere 
Wärme des Erdkörpers, im großen Maßſtab ſtattgefunden hat, find alle un⸗ 
ſere fruchtbaren Erdarten entſtanden und man kann daher häufig von der dar— 
unter befindlichen Gebirgsart auf ihre Beſtandtheile ſchließen, indem ſie nicht 
ſelten durch deren Verwitterung gebildet wurden. Regelmäßig iſt jedoch dieſes 
nicht der Fall, indem durch die größeren Waſſerflächen, welche in den Urzeiten 
unſeres Erdkörpers denſelben bedeckten, durch große Strömungen, ſowie noch 
gegenwärtig durch Flüſſe und Bäche, die Auflöſungen der verſchiedenen Ge— 
birgsarten an ganz andere Stellen geführt und abgelagert wurden, als da, 
wo ſie urſprünglich gelegen waren und noch mit ganz andern Subſtanzen ge⸗ 
miſcht wurden, als ihr urſprünglicher Gehalt betragen hat, wie die öfters 
mehrere hundert Fuß betragende Diluvial-Anſchwemmungen ſo wie auch ge⸗ 
genwärtig noch die Anſchwemmungen unſerer größeren Flüſſe beſonders an 
ihren Ausmündungen zur Genüge nachweiſen. Auch hat gerade dieſes Vers 
mengen verſchiedener Erdbeſtandtheile hauptſächlich zur Fruchtbarkeit des Bo⸗ 
dens beigetragen. Doch dürfen wir uns unſere Flußbeete in urweltlichen 
Zeiten nicht ſo vorſtellen, wie ſie gegenwärtig beſchaffen ſind, ſondern häufig 
als große einzelne Waſſerbecken, von welchen aus ſich erſt nach und nach das 
Waſſer durch die ihm entgegenſtehenden Gebirgsmaſſen einen Weg bahnen 
mußte. In ſolchen Becken kommen dann allerdings auch Boden⸗Ablagerungen 
vor, welche den dort befindlichen Gebirgsarten entſprechen, wie denn in unſe⸗ 
rem mittlern und untern Neckarthale, wo der Muſchelkalk vorherrſcht, häufig 
große kalkhaltige Lehmablagerungen ſich befinden, welche hauptſächlich durch 


= 05 


den aufgelösten Muſchelkalk und feinen Mergel entſtanden fein mögen, während 
in den angrenzenden Thälern der Keuperformation mehr ſtrengerer Thonboden 
vorkommt, der dem mehr Thon enthaltenden Keuper und Keuper-Mergel ent⸗ 
ſpricht. Wir werden deßwegen den Grundſatz aufſtellen dürfen, daß zwar alle 
Bodenarten aus dem allmäligen Verfall und der Verwitterung der von der 
Urzeit herkommenden Gebirgsarten entſtanden ſeien, daß aber nur ſolcher Bo— 
den, der auf der Felsmaſſe, welcher er ſeine Eutſtehung verdankt, liegen ge— 
blieben iſt, derſelben mehr oder weniger in ſeinen Beſtandtheilen gleich kommen 
wird, daß dagegen, wo der Boden aus angeſchwemmtem Material beſteht, 
derſelbe in der Regel keine Verwandtſchaft weder in ſeinen mineralogiſchen 
Beſtandtheilen noch in ſeiner chemiſchen Zuſammenſetzung mit den unter dem⸗ 
ſelben befindlichen Felsmaſſen hat, wie z. B. die kalkhaltigen Lehmanſchwem⸗ 
mungen in der Keuperformation von Heilbronn und Weinsberg. 
8. 68. 

Durch die auf fo verſchiedene Weiſe vorgegangene Zerkleinerung, Ver⸗ 
witterung und Auflöſung der Gebirgsarten ſind die verſchiedenartigſten Boden⸗ 
arten entſtanden, die der rationell gebildete Weinbauer genau kennen muß, 
wenn er mit nachhaltigem Erfolge Weinbau treiben will. Dieſe Verſchiedenheit 
iſt noch dadurch bedeutend vermehrt worden, daß die einzelnen Gebirgsabtheilungen 
nicht aus einerlei, ſondern wie bereits bemerkt worden, aus ſehr verſchiedenen, oft 
ſehr mächtigen, manchmal aber auch ſehr dünnen Schichten von wenigen Fuß 
beſtehen, die einen ſehr verſchiedenen, bald mehr thonigen, bald mehr kalkigen 
oder ſandigen Gehalt haben und die daher bei Boden, der nicht durch An— 
ſchwemmung, ſondern durch Verwitterung der unter ihm liegenden Gebirgs- 
ſchichte entſtanden iſt, beſonders an Bergen, große Mannigfaltigkeit in dem 

Gehalt deſſelben veranlaßt haben. | 

Die Hauptbeſtandtheile eines großen Theils der Bodenarten beſtehen 
jedoch in Thon, Kalk, Sand (oder wenn man auf die Urſtoffe zurückgeht, 
§. 62 in Kieſelerde, Kalk und Thonerde), wornach dieſelben im Allgemeinen 
nach ihren feſten Beſtandtheilen, welche nicht verflüchten, je nachdem der eine 
oder andere Beſtandtheil in ee Menge m iſt, eingetheilt wer⸗ 
den in: 

Thonboden, | 

Kalk⸗ und Mergelboden, 

Sandboden. 

Außerdem enthalten manche Bodenarten auch 190 Bittererde, Eiſenoxyd 
und Humus. Die beiden erſten Gattungen kommen jedoch ſelten in großer 
Menge vor und wäre dieſes der Fall, ſo würden dieſelben nur die Unfrucht⸗ 
barkeit des Bodens vermehren. Eiſenoxyd gibt dem Boden in der Regel die 
braune Farbe, daher daſſelbe in allen dergleichen Bodenarten zu finden iſt. 


96 


Thon und Sand find die unentbehrlichen Beſtandtheile aller fruchtbaren 
Bodentheile, während der Kalk bei gewiſſen Miſchungen fehlen, für die Rebe 
aber nicht wohl entbehrt werden kann. Der Sand trägt insbeſondere dazu 
bei, die feſten Thontheile zu trennen, den Boden dadurch loſe und für t 
Wärme und Feuchtigkeit zugänglich zu machen. 


1. Thonboden. 

Zu dieſem werden diejenigen Bodenarten gerechnet, die mehr als 50—60 
Procent Thon, aber nicht mehr als 10 Procent Kalk beſitzen, und bei welchen 
dann der Sand hauptſächlich den Reſt ausmacht. Der Thon beſteht übrigens 
nicht mehr aus reinem Thon, ſondern aus einer Verbindung von Thon und 
Kieſelerde mit mehr oder weniger Eiſenoxyd (§. 64). Hinſichtlich des Kalk⸗ 
gehalts wird der Thonboden eingetheilt in 

kalkhaltigen und in kalkloſen. 

Hat der Thonboden weniger Thonerde und mehr Sand, jo geht er über 

in einen fiene Thon-⸗ oder 
2. in den ſogenannten Lehm- (Lös⸗) Boden. 

Dieſer beſteht in 

30—50 Procent Thon, 10 Procent Kalk nnd 45.65 Procent Sand. 

Hat der Boden nur 20—30 Procent Thon und dagegen mehr Sand, jo 
heißt er ſandiger Lehmboden. Beide Gattungen werden wieder in kalkhaltigen 
und kalkloſen Lehmboden abgetheilt. 


3. Kalkboden. 


Zu dem Kalkboden wird derjenige Boden gerechnet, der über 60 Procent 
Kalk und dagegen nur 30— 50 Procent Thon und den Reſt in Sand beſitzt. 
Der Kalk hat ſich bereits mit der Kohlenſäure der Luft geſchwängert und be— 
ſteht daher in kohlenſaurem Kalke. 

Je nach dem Thon- und Sandgehalt wird der Kalkboden eingetheilt 

in thonigen Kalkboden mit etwa 30 Procent e und 10 Procent Sund 
in lehmigen Kalkboden mit etwa 20 „ nen Ri 
in ſandigen Kalkboden mit etwa 10—15 „ „ „ 25 0 „ 

Hat der Boden zwar über 10, aber nicht mehr als 20 Procent Kalk, ſo 
nennt man ihn mergelhaltig, hat er aber zwiſchen 20 und 60 Procent Kalk, 
ſo wird er ! 2 

4. zu dem Mergelboden 
gerechnet, der wieder abgetheilt wird in thonigen, lehmigen und ſündigen Mer⸗ 
gelboden, je nachdem der Thon- oder Sandgehalt vorherrſchend iſt. Der 
Mergel kommt in verſchiedener Formation vor, namentlich aber in der Mu⸗ 
ſchelkalkformation als Kalkmergel, in der Keuperformation als Thon- oder 
Sandmergel, in der Liasformation als Kalkmergelſchiefer e. Außer dem Kalk 


un 
und Thon enthält der Mergel auch noch andere Beſtandtheile, wie Kali, Na⸗ 
tron, Gyps, welche der Rebe ſehr zuträglich ſind. | 
5. Der Sandboden. | 

Der Sand beiteht in einer Verbindung der Kieſel- und Kalkerde mit 
Eiſenoxyd, wobei, je nachdem feine Zerkleinerung von Sand- oder Kalkfelſen 
ſtattfand, die eine oder andere Erdart vorherrſcht. | 

Er hat unter fich keine Bindekraft, daher er zu feiner Fruchtbarkeit eine 
Beimiſchung von Thon unumgänglich nöthig hat. Ohne ein Bindemittel be⸗ 
ſteht der Sand in Flugſand, der keinen Werth hat. a 

Zu einem fruchtbaren Sandboden gehören mindeſtens 10 Procent Thon 
und höchſtens 90 Procent Sand; hat er mehr Thon, bis 20 Procent, ſo 
kann man denſelben als lehmigen Sandboden bezeichnen. Kalkgehalt iſt nicht 
gerade nöthig, daher man beide Bodengattungen abtheilen kann in kalkhaltigen 
und kalkloſen, ſowie, wenn ihm nur einige Procent Kalk beigemiſcht ſind, in 
mergeligen Sandboden. Im Allgemeinen ſind jedoch kalkhaltige Böden frucht⸗ 
barer als kalkloſe, weil der Boden durch den Kalk lockerer wird, derſelbe die 
Feuchtigkeit mehr anzieht, und auf den Humus und die Pflanzenüberreſte gün⸗ 
ſtig einwirkt, indem er den an den Thon gebundenen Humus auflöslicher macht 
und dadurch die Thätigkeit des Bodens erhöht. Auch wird die durch das 
Waſſer aufgelöste Kohlenſäure des Kalkes von den Pflanzen gierig eingeſogen, 
was ſehr zu ihrem guten Gedeihen beiträgt. 


S. 69. 

Die einzelnen Bodenarten ſind jedoch theils mechaniſch, theils chemiſch 
auf ſo verſchiedene Art verbunden, daß ſie in unzählige Abſtufungen zerfallen, 
wovon hauptſächlich die Dichtigkeit, die wärmehaltende und die waſſerhaltende 
Kraft des Bodens abhängt, wir haben daher in dieſer Beziehung noch zu be⸗ 
trachten: 

1. die Dichtigkeit. 

Unter derſelben verſteht man die Gebundenheit und geſtggleit des Bodens; 
dieſe Eigenſchaft kommt hauptſächlich dem Thone zu, je weniger daher der 
Thonboden mit Sand und Kalk gemengt iſt, deſto gebundener iſt derſelbe. Der 
Boden wird in dieſer Beziehung eingetheilt: 

a. In zähem (Lett⸗) Boden, der auch bei der Bearbeitung zuſammenhängend 
bleibt, große Schollen bildet, nur ſchwer getrennt werden kann und auf der 
Schnittſeite glatt und glänzend erſcheint, beim Austrocknen ſich verhärtet und 
daher dem Eindringen der Wurzeln großen Widerſtand entgegenſetzt. Er ent⸗ 
hält 80—90 Procent Thon und ſehr feinen Sand, der eine undurchlaſſende 
Eigenſchaft beſitzt. f 

7 


98 | | 

b. In ſtrengen Boden, der gleichfalls noch viel Gebundenheit zeigt, nicht 
leicht in Pulver, ſondern nur in Schollen zerfällt, bei ſtarkem Regenwetter ſich 
ſehr geſchloſſen zeigt und bei langanhaltender Hitze und Trockenheit durch 
weite Sprünge zerklüftet. Es iſt dieß der fruchtbare Thonboden mit 60—80 
Procent Thon. Die Zähigkeit und Strenge des Bodens wird jedoch gemil— 
dert, wenn demſelben, wie dieſes häufig im Neckar- und Enzthale der Fall iſt, 
kleinere Steine und Kieſel beigemengt ſind. 

c. In lockern, mürben Boden, der ſich leicht bearbeiten läßt und bei der 
Bearbeitung leicht zu Pulver zerfällt, wohin der Lehmboden mit 20— 50 Proc. 
Thon und der thonige und lehmige Kalkboden gehört. 

d. In loſen, leichten Boden, der wenig Bindekraft hat und gerne zu 
einem mehr oder minder groben Pulver zerfällt, wohin der Sandboden, ſowie 
der ſandige Kalkboden und der Kreideboden gehört. Der Kalk zerfällt an der 
Luft, dorrt bei trockener Witterung ganz aus und wird Staub, daher auch 
die ſtark kalkhaltigen Böden wenig Gebundenheit zeigen und die Beimiſchung 
von Kalk den Zuſammenhang des Thons ſehr mindert und denſelben milder 
macht. 

Wenn man reinen, von Sand geſeubeßten Thon hinſichtlich feiner Dich- 
tigkeit zu 100,0 annimmt, ſo beträgt nach einer früher von Profeſſor Schübler 
in Tübingen vorgenommenen Unterſuchung (Chaptal II. Bd. S. 335. Corre⸗ 
ſpondenzblatt 1823. IV. Bd. S. 51) diejenige 


des, zähen Thonbodenngsnsns Eazr ea 
des ſtrengen Thonbodeoeo s . 2. Ges 
Des, Mergelbo dens”. u ae | 
des Lehmbodens . ö, = BenLeree 
des leichten lehmigen Kallbovens e Thon. 
der Kalkerde ane. 1 eee | 
der Gypserde „e e e e 
des Quarz⸗ und Kalkſandes ff 
San: 


2. Die waſſerhaltende Kraft des Bodens. 

Das Waſſer übt auf die Fruchtbarmachung des Bodens und auf die 
Vegetation der Pflanzen einen ſehr großen Einfluß aus (S. 42); dieſe gute 
Eigenſchaft trifft jedoch nur dann zu, wenn das Waſſer in einer dem Boden 
und der Pflanze entſprechenden Menge vorhanden iſt, ſo wie daſſelbe aber in 
allzugroßer Menge ſich anſammelt, ſo wirkt es auch ſehr nachtheilig auf die 
Befruchtung des Bodens und die Vegetation der Pflanzen, daher es bei der 
Beurtheilung des Bodens ſehr auf ſeine waſſerhaltende Kraft ankommt. Es 
iſt dabei beſonders zu berückſichtigen, ob der Boden nach ſeiner Beſchaffenheit 


99 


viel Waſſer in ſich aufnehmen kann und ob er daſſelbe lange behält oder bald 
wieder fahren läßt. 

Hiebei kommt es hauptſächlich auf den Thon⸗, Kalk⸗ und Sandgehalt der 
einzelnen Bodenarten an, im Allgemeinen iſt jedoch zu bemerken, daß die 
waſſerhaltende Kraft des Thon⸗, Kalk⸗ und Sandbodens in einem gewiſſen 
Verhältniß zu der Größe ihrer Theilchen beſteht und daher zunimmt, je feiner 
die einzelnen Theile derſelben zerfallen und ſich aufgelöst haben, ſo daß zwi— 
ſchen der waſſerhaltenden Kraft ein und derſelben Bodenart öfters eine I 
deutende Verſchiedenheit herrſcht. 

Der Thon, jo wie die Bitter- oder Talkerde haben die meiſte 1 1 
tende Kraft, indem ſie nicht nur häufig am meiſten Waſſer in ſich aufnehmen 
können, ſondern daſſelbe auch am längſten behalten (S. 64), zähe und ſtrenge 
Thonböden, welche wenig Kalk und Sand und ſehr viel Thon beſitzen, werden 
deßwegen immer auch die meiſte waſſerhaltende Kraft beſitzen. Iſt daſſelbe 
im Uebermaß vorhanden, ſo gehören ſie zu den waſſerhaltigen und weil das 
Waſſer nicht erwärmt, ſondern erkältet, auch zu den kalten Böden, die nament⸗ 
lich der Rebe am wenigſten zuſagen. 

Die Kalkerde ſchluckt das Waſſer zwar gierig an und nimmt mehr Waſſer 
zwiſchen ſich auf als der Thon (§. 64), hält es aber nicht fo feſt wie die 
Thonerde und trocknet daher ſchneller aus, doch iſt ihre waſſerhaltende Kraft 
ſehr verſchieden, indem ſie im feinſten pulverförmigen Zuſtande 85 Theile 
Waſſer in ſich aufnehmen kann, während in Form von Sand die waſſerhal— 
tende Kraft ſich bis auf 29 vermindert. Der Sandboden kann am wenigſten 
Waſſer zwiſchen ſich aufnehmen und läßt daſſelbe am ſchnellſten wieder fahren, 
weil ſeine einzelnen Sandtheile in gröberen Theilen beſtehen, daher ſich auch 
die waſſerhaltende Kraft vermindert, je gröber der Sand iſt; dagegen vermehrt 
ſich dieſelbe bedeutend, je feiner der Sand iſt, und wenn derſelbe ſchlammartig 
wird, kann er ſogar waſſerhaltig und undurchlaſſend werden, wie die ſogenann⸗ 
ten kühlen oder kalten Schlaisböden zur Genüge nachweiſen. 

Nach Schübler halten 100 a an 7 En u dem Gewicht: 


zäher Thonboden 61 
Breugevj&honbopen 2: Sansa 70 
Neergelboaem a sHtinsins” 63 
Kalkhaltiger Ihonboden - » 2 N nn 40 
Kalkhaltiger Lehmboden 46 
Lehmiger Kelkee den ie RR 
Lehmiger Sandboden 38 
Quarzſand VVV 
Kalkſand i;; é» 29 


Reiner Tenn n 0 


100 


Kalkerde 


d aun une 85 
Hümus⸗ oder Dammerrde au 
Bitter⸗ oder Talkerde  IEBE 
Ghps erde 38 


Ueber die waſſerhaltende Kraft der verſchiedenen Mergelarten ſiehe An— 

merkung zu §. 78. 
8. 715 
3. Die wärmehaltende Kraft des Bodens. 

Welche große Kraft die Wärme auf die Vegetation der Pflanzen ausübt, 
haben wir bereits angeführt ($. 42); nicht jeder Boden hat aber die Eigen⸗ 
ſchaft, den gleichen Grad von Wärme in ſich aufzunehmen und dieſelbe längere 
Zeit zu behalten, ſondern dieſelbe iſt ſehr verſchieden und hängt zunächſt von 
den wärmeleitenden Eigenſchaften des Bodens ab, die theils in der Farbe 
deſſelben, theils in deſſen Beſtandtheilen zu ſuchen ſind. | 

Die Farbe hat keinen unweſentlichen Einfluß auf die Entwicklung der 
Wärme, indem eine dunkle Farbe weit mehr Wärme aufnimmt als eine weiße, 
daher auch die Wärmeentwicklung des Bodens theilweiſe durch deſſen Farbe 
bedingt wird. Die dunklen Bodenarten, vom Braunen bis zum Schwarzen, 
nehmen die Wärme weit ſchneller auf, als die weißen kalk- und kreideartigen 
Böden. Nach den angeſtellten Beobachtungen erwärmte ſich eine ſchwarze 
Dammerde, der Sonne ausgeſetzt, in einer Stunde, nach dem Thermome⸗ 
ter, von 18 auf 31 Grade, während in der gleichen Zeit die Wärme eines 
kreidehaltigen Bodens ſich nur um 2 Grade erhöhte. Außer der Farbe kommt 
bei der Beurtheilung der wärmehaltenden Kraft eines Bodens auch die Feſtig⸗ 
keit deſſelben in Berückſichtigung. Je feſter ein Boden iſt, deſto langjamer 
nimmt er die Wärme in ſich auf, er behält ſie aber deſto länger, wenn er 
nicht waſſerhaltend iſt. Je loſer ein Boden iſt, deſto ſchneller erwärmt er 
ſich, läßt aber auch die Wärme ſchnell wieder fahren, weil die kältere Luft 
leicht Zutritt hat. Wenn man daher die ſchnelle Erwärmung des Bodens 
zur Grundlage nimmt, ſo gehören die Sandböden zu den wärmſten, wenn 
man das längere Behalten der Wärme berückſichtigt, fo gehören die Thon- 
böden, namentlich mit viel Kieſelerdegehalt ($. 64), ſowie der Kalkboden und 
die durch Verwitterung ehmaliger vulkaniſcher Gebilde (Baſalt, Porphyr, 
Lava) entſtandenen Bodenarten zu den nachhaltigſten. Kalk verbreitet auch 
noch dadurch Wärme in den Boden, daß ſich einzelne Theile deſſelben durch 
den Zutritt von Feuchtigkeit auflöſen und Wärme erregen, ſo wie, daß er 
Dünger und andere nährende Bodentheile ſchnell auflöst, wodurch gleichfalls 
Wärme erzeugt wird. j a: 

Nach Schübler beträgt die wärmehaltende Kraft, wenn man die des 
Kalkſandes = 100 amimmt: | 


* 


101 


ene. 996 
ene 65% 
CCCCCJV)CJV c 61,8 Hi: 
domerde Humus 459,0 Neger 
ee Talkerde . 380 
iir 73,8 


Im Allgemeinen en man a ofen, daß bie aus den Ur⸗ und 
vulkaniſchen Gebilden entſtandenen Böden wegen ihres ſtärkeren Kieſelerde— 
gehalts die meiſte, die von den Flöz⸗ oder ſogenannten ſekundären Gebirgen 
und namentlich aus den neueren Gebilden herkommenden Bodenarten (Kies) 
eine mittlere, diejenigen von tertiären Bildungen aber die geringſte Wärme— 
kraft beſitzen, wobei jedoch manche Ausnahmen vorkommen mögen. 

In agronomiſcher und önologiſcher Beziehung werden die Bodenarten in 
jener Richtung eingetheilt: 

a. In hitzige Böden, welche die Wärme gerne aufnehmen und lange be— 
halten, wohin die Sandböden, die ſtrengeren Thon- und Mergel⸗, ſowie die 
Kalkböden und die vulkaniſchen Erden gehören. 

b. In warme Böden, welche die Wärme zwar gerne aufnehmen, aber 
auch leichter wieder fahren laſſen, wozu die mehr milden Böden, der thonhal- 
tige Kalk⸗ und Mergel⸗, ſowie die ſandigen Thon- und die kräftigen, mehr 
thonhaltigen Lehmböden gerechnet werden. 

c. In kühle Böden, welche etwas waſſerhaltig find und die Wärme weni— 
ger gerne aufnehmen und ſchneller wieder fahren laſſen, wie die loſen und 
leichten Lehmböden mit wenig Thon und viel ganz feinem waſſerhaltigem Sand. 

d. In kalte Böden, welche waſſerhaltig, zähe und wenig empfänglich für 
die Aufnahme der Wärme ſind, wohin die zähen Thonböden gehören. 

Wie ſehr die Bodenwärme insbeſondere auf die ſchnellere Vegetation der 
Rebe und Traube und auf eine beſſere Qualität des Weins einwirkt, beweiſen 
einige an verſchiedenen Orten angeſtellte Unterſuchungen der Bodenwärme, 
indem nach Babo (der Weinbau nach der Reihenfolge der Arbeiten S. 236) 
bei Meſſungen der Erdwärme im Sommer des Jahrs 1840 ſich folgende Re— 
ſultate zeigten: 

Im Baden'ſchen Oberlande Greiburg) 


Mitteldurchſchnitt der Bodenwärmne „ 11,8 Grad R. 
Mahſte Wärme 19790, e eee eee, 
Bei Weinheim an der Gereſtraße | 
chnitt in beſter Lage 14/2 vn, 0 
Höchſte Wärme %%%; ́ õ᷑ ff 
Durchſchnitt in geringer fn VF 


Höchſte Wärme HE, BIER ene, DEE n ieee ee, 


102 


Im Rheingau 5 
Zu Aßmannshauſen am 17. Jul!!! SERRibOnSE 
Zu Rüdesheim am 3. September . e T r2a: 
und in einem ähnlichen Verhältniß werden auch Be Weinqualitäten an dieſen 
Orten hinſichtlich der Stärke und des Bouquets zu einander ſtehen. | 


§. 72. 

Durch die hier angeführten Beſtandtheile und Eigenſchaften des Bodens 
wird derſelbe aber noch nicht für alle Pflanzen fruchtbar, ſondern es gehören 
auch noch organiſche Stoffe, Humus, dazu, um denſelben vollſtändig frucht⸗ 
bringend zu machen. 

Der Humus entſteht aus der Verweſung thieriſcher und vegetabiliſcher 
(Pflanzen) Körper, die mit atmosphäriſchen Stoffen geſchwängert, in Gäh⸗ 
rung übergehen und dadurch neue, für die Ernährung der Pflanzen taugliche 
Stoffe erzeugen (S. 43). Haben ſich die gedachten Körper vollſtändig aufge⸗ 
löst, ſo zerfallen ſie in eine braune, pulverige Maſſe, welche mit Erden und 
Alkalien, wie z. B. dem Kalke, manchfache Verbindungen eingeht und eine 
Säure bildet, die man Humusſäure nennt und die hauptſächlich aus Kohlen⸗ 
ſtoff, Hydrogen, Azot und Oxygen beſteht. 

Humus iſt nicht nur nach den Stoffen, aus welchen er erzeugt wird, 
einer Verſchiedenheit, ſondern auch nach dem Grade der Auflöſung einer fort- 
währenden Veränderung unterworfen. Er wird eingetheilt in milden frucht— 
baren Humus, der hauptſächlich aus den verſchiedenen Düngerarten entſteht, 
und in ſauren Humus, der entſteht, wenn der Boden fortwährend feucht oder 
naß iſt, ſo daß Luft und Wärme nicht einwirken können, wodurch er ſich mit 
dem Sauerſtoff des Waſſers verbindet und in dieſem ſauren Zuſtande nicht 
in die Organe der Pflanzen übergehen kann, mithin unfruchtbar iſt oder nur 
ſaure Pflanzen (ſaures Futter) erzeugt. 

Unter Humus oder Dammerde wird jedoch häufig auch die obere 10 
Erdſchichte verſtanden, die mit Humus geſchwängert iſt. Dieſelbe beſteht jedoch 
zum geringſten Theil aus Humus, indem ein ſehr kräftiger, fetter Boden 
höchſtens 5—10, ein mittlerer ſelten mehr als 3, ein geringerer magerer Bo⸗ 
den aber nur 1—2 Procent Humus beſitzt. 

Die Auflöſung oder Verwendung (Conſumtion) des Humus zu der Er⸗ 
nährung der Pflanzen iſt bei den einzelnen Bodengattungen ſehr verſchieden. 
Der Thonboden hat die Eigenſchaft, den feineren Humus mit ſich zu binden 
und in bedeutender Menge in ſeine Zwiſchenräume aufzunehmen, ohne ihn 
durch bloßes Waſſer, durch Ausſpielen oder andere mechaniſche Operationen 
wieder abzugeben, er muß jedoch wegen ſeiner Zähigkeit und weil dadurch die 
Wurzeln der Pflanzen ſich nicht ſo frei nach allen Seiten ausdehnen können, 


103 


mit vielem Humus durchdrungen ſein, ſoll er ſich fruchtbar zeigen. Wenn er 
aber einmal ganz durchdrungen iſt, ſo erfolgt die Zerſetzung langſam, weil ſich 
der Thon dem allzuſtarken Eindringen der Luft widerſetzt und dadurch den 
Humus gegen allzuſchnelle Zerſetzung ſchützt, wodurch ſich auch die länger 
dauernde und gleichförmige Fruchtbarkeit deſſelben erklären läßt. 
| Der Kalkboden zerſetzt in Folge feines ſtarken Kohlenſäuregehalts den 
Humus ſehr ſchnell, er zeigt deßwegen eine gute, aber weniger nachhaltige Ve— 
getationskraft als der Thonboden. Weniger iſt dieſes, je nach dem Ver⸗ 
hältniß ſeines Thon⸗ und Kalkgehalts, bei dem Mergelboden der Fall. 

Der Sandboden zerſetzt den Humus gleichfalls ſchnell, weil wegen ſeiner 
Lockerheit Luft, Wärme und Feuchtigkeit beſſer auf die Zerſetzung einwirken 
können, wodurch die Abſcheidung des Kohlenſtoffs ꝛc. ſchneller vor ſich geht. 

Auf die langſamere oder ſchnellere Zerſetzungsweiſe des Humus muß da⸗ 
her bei der Düngung des Bodens Rückſicht genommen werden. 

Die allmählige Zerſetzung des Humus erfolgt dadurch, daß ſich der Sauer⸗ 
ſtoff der Luft mit dem Kohlenſtoff des Humus zu Kohlenſäure, zum Theil mit 
dem Waſſerſtoff zu Waſſer verbindet, wobei zugleich ein Theil des Stickſtoffs 
vom Humus in Verbindung mit Waſſerſtoff u Ammonium und mit Sauer⸗ 
ſtoff zu Salpeterſäure ſich bildet. Dieſe verbinden ſich zu Salzen, welche den 
Pflanzen als Reizmittel dienen und zugleich die Kraft beſitzen, die im Boden 
befindlichen mineraliſchen Nährſtoffe aufzuſchließen und für die Pflanzen ge⸗ 
nießbar zu machen. 

Sind die nährenden Theile des Humus von den Pflanzen aufgezehrt, ſo 
wird der Boden unfruchtbar, daher derſelbe durch Dünger oder durch Auf— 
bringung von fruchtbarer Erde wieder erſetzt werden muß (§. 167). Der 
Humus hat zugleich die Eigenſchaft, daß er einen geringen Grad von Bündig— 
keit hat, daß er mehr als alle übrigen Beſtandtheile des Bodens das Waſſer 
aus der Atmosphäre und den Sauerſtoff der Luft anſaugt, faſt am meiſten 
Waſſer zwiſchen ſich angezogen erhalten kann, daſſelbe lange behält, und, der 
Sonne ausgeſetzt, ſich ſchnell erwärmt, wodurch ſich zugleich ſeine befruchtende 
Wirkung erklären läßt. Zugleich mindert er auf mechaniſche Weiſe den zu 
ſtarken Zuſammenhang, namentlich des Thonbodens, macht den dürren Sand⸗ 
boden waſſerhaltiger, den waſſerhaltigen Boden durch deſſen Trennung wärmer 
und verhütet durch die Anſaugung der in der Luft befindlichen Waſſerdämpfe 
das Ausdorren der Pflanzen. 


§. 73. 


Auf das Gedeihen der Pflanzen hat übrigens nicht blos der obere gebaute 
Boden, ſondern auch der unter demſelben befindliche Untergrund einen wichti⸗ 
gen Einfluß, und insbeſondere iſt dieſes der Fall bei den tief wurzelnden Pflan⸗ 


r 


104 


zen, wie bei der Rebe, bei der ſchon der Obergrund mindeſtens eine Tiefe von 
2—3 Fuß haben muß. | 

Der Untergrund beſteht entweder aus den gleichen Erdſchichten wie der 
Obergrund, nur ohne Humus, er iſt gleichartig, oder es find andere Erdſchich⸗ 


ten, Geſteine, Felſen vorhanden, in welchem Falle er als ungleichartig bezeich⸗ 


net wird. Erſteres kommt häufig da vor, wo ſich der Obergrund aus der 


Verwitterung des Untergrundes gebildet hat, oder bei angeſchwemmtem tief 


gründigem Boden, wie in Thälern und Niederungen, wo der letztere öfters 
ſehr tief iſt, ſo daß die unter demſelben liegenden ungleichartigen Schichten 
keinen Einfluß mehr auf die Vegetation der Rebe haben. Der ungleichartige 
Untergrund zeigt ſich beſonders da, wo nur ſeichte Anſchwemmungen, wie an 
Bergen und Hügeln ſtattgefunden haben, oder wo Geſteine und Felſen den 
Untergrund bilden. 


Hinſichtlich ſeiner Beſchaffenheit iſt der Untergrund entweder waſſerdurch⸗ 


laſſend oder er hält daſſelbe zurück, er iſt undurchlaſſend. Der durchlaſſende 
Untergrund beſteht gewöhnlich in Schichten von gröberem Sand, Steingerölle, 
Kies, den milderen Thon- und Lehmarten, oder in zerklüfteten Felſen; der 
undurchlaſſende dagegen in zähem, feſtem Thon (Letten), oder in feſten, zuſam⸗ 
menhängenden Felsmaſſen und Geſchieben, welche dem Waſſer keinen Durch— 
zug geſtatten, insbeſondere gehört hieher auch der ganz feine Sand, zumal, 
wenn ihm reichlich Glimmertheile beigemiſcht ſind, der in Verbindung mit 
etwas Thon ſich fo verkittet, daß er den Boden ganz verſchließt und undurch— 
laſſend macht (8. 70), jo daß ſich ob demſelben ſogar ſaurer Humus bildet, 
wie viele Torfmoore zur Genüge nachweiſen. Da nun die Wurzeln der Reben 
nicht blos in dem Obergrund ſich verbreiten, ſondern auch in den Untergrund 
dringen, um dort Nahrung zu ſuchen, ſo iſt ein angemeſſener, durchlaſſender 


Untergrund für das Gedeihen der Rebe und für einen längeren Beſtand der 


Weinberge von großer Wichtigkeit. Der beſte und für die Rebe am tauglichſte 
Untergrund iſt wohl derjenige, der dem Eindringen der Wurzeln der Rebe 
den geringſten Widerſtand entgegenſetzt und dabei einen gehörigen Feuchtig⸗ 
keitsgrad beſitzt, ohne naß zu ſein, wie die meiſten der angeführten durchlaſſen⸗ 
den Boden- und Felsſchichten, während der zähe Thon oder Letten, ſowie der 


undurchlaſſende Sand das Waſſer entweder gar nicht oder nur langſam auf⸗ 


nehmen und daſſelbe lange behalten, wodurch die Wurzeln der Rebſtöcke auf 
einem ſolchen Untergrund häufig naß und im Waſſer ſtehen, was zum Gelb⸗ 
werden der Rebſtöcke, zum Kränkeln derſelben und baldigen Abgange des Wein⸗ 
berges häufig Veranlaſſung gibt. Ein felſiger, undurchlaſſender Untergrund 
hat weniger Nachtheile, weil das Waſſer auf demſelben ſchneller ablaufen kann; 
doch mag ſich auch hier bei geringer Abdachung oder ebener Lage am Fuße 
oder auf dem Rücken der Berge das Waſſer gegen den Obergrund anſtauen. 


+ 


105 


Auch iſt derſelbe bei heftigem Regen und Wolkenbrüchen häufig ſtarken Ab⸗ 
ſchwemmungen unterworfen, weil das Waſſer nirgends verſenken kann und dann 
den gebauten Boden bis auf den feſten Untergrund fortreißt. Haben Wein⸗ 
berge mit felſigem Untergrund einen ſeichten Obergrund, oder iſt der Untergrund 
von loſem Sand und Steingerölle und allzu durchlaſſend, fo trocknet der Bo⸗ 
den bei heißem Wetter bald aus, was auf die Vegetation gleichfalls nachthei— 
lig wirkt. Unter dem ſteinigen und felſigen Untergrund iſt der Kalkſtein der 
beſte, weil er meiſtens zerklüftet iſt und die Wurzeln der Reben ſich gerne 
zwiſchen die einzelnen Spalten hineinziehen und von dem Kalkgehalt des Ge— 
ſteins Nahrung ſuchen. Weit weniger angemefjen iſt ein Untergrund von 
Sandſteinen, weil dieſe häufig langſamer verwittern, bei und nach der Ver— 
witterung der Rebe wenig Nahrung geben und auch die Feuchtigkeit weniger 
anziehen, als der Kalkſtein, vielmehr durch ihren Sandgehalt zum Austrocknen 
des Bodens beitragen. 

Ein nachtheiliger, undurchlaſſender Untergrund kann, im Falle die Schich⸗ 
ten nicht allzu ſtark ſind, verbeſſert werden, wenn man dieſelben durchbricht 
und mit dem Obergrunde vermiſcht oder beſeitigt, wie beim zähen Thon, feſten 
Sand und bei Mergel- und Steinſchichten. Doch muß man dabei ſehr mit 
Vorſicht zu Werke gehen, weil, wenn auf dem bisherigen ſeichten und magern 
Obergrunde inzwiſchen feine Weine erzeugt worden find, wie in dem Tauber⸗ 
thale, die Qualität des Weins durch einen tieferen Untergrund, und dadurch 
herbeigeführte ſtärkere Vegetation der Rebe leicht verſchlechtert werden kann. 


§. 14. 


Wenn wir nun die hier im Allgemeinen entwickelten Grundſätze über Bo: 
denbildung und Bodenbeſtandtheile ſpeziell auf die Anpflanzung der Rebe an⸗ 
wenden, ſo kommen wir zu folgendem Reſultat: 

Die Rebe als Schlingpflanze gedeiht faſt in jedem Boden, von dem 
Sumpflande der Niederungen bis in dem beinahe loſen Sande ($. 1.), wenn aber 
die Frucht derſelben zu einer vollſtändigen Reife gelangen und aus dem Saft 
derſelben ein angenehmes, geiſtreiches Getränke gewonnen werden ſoll, ſo 
nimmt daran die Befchaffenheit des Bodens weſentlichen Antheil, daher der— 
ſelbe beſondere Mach tunz verdient. Es kommen dabei hauptſächlich in Berück— 
ſichtigung: 

a2, feine phyſikaliſchen Eigenſchaften, Dichtigkeit, Anziehungskraft für die 
Feuchtigkeit, waſſerhaltende und wärmehaltende Kraft; 

b. die Beſchaffenheit der unorganiſchen Stoffe; 

C. der Gehalt an organiſchen Stoffen. 

Dieſe Eigenſchaften und Beſtandtheile des Bodens ſind im Allgemeinen 
bereits oben (8. 68 — 72) abgehandelt worden, um aber zu erfahren, welche 


106 


von dieſen Beſtandtheilen hauptſächlich zur Ernährung der Rebe beitragen, 
ſind ſchon manchfache Unterſuchungen der Bodenarten einzelner Weinberge und 
der Beſtandtheile des Rebholzes ſowohl in als außerhalb Württembergs an⸗ 
geſtellt worden, die keine unintereſſanten Reſultate lieferten. 

Wir berufen uns in dieſer Beziehung hinſichtlich 

1. des Weinbergbodens von dem Keupergebirge auf der AN Stutt⸗ 
gart auf die Unterſuchungen des Profeſſors Schübler zu Tübingen, 

Correſpondenzblatt des württembergiſchen landwirthſchafllichen a. 
von 1823, II. Bd., S. 59; 

2. der Weinbergerden auf ber Markung Heilbronn, gleichfalls Keuper⸗ 
boden, auf die Unterſuchung von Profeſſor Dr. G. F. Walz in Heidelberg, 
(früher in Speier), 

die Wein⸗ und Obſtproduzenten Deutſchlands, von Dornfeld, Stutt- 
gart, Cotta'ſcher Verlag 1852, S. 132; 

3. der Weinbergserden in der Rheinpfalz, namentlich auf den Markungen 
Deidesheim, Forſt, Ruppertsberg und Speier auf die Unterſuchung von Pro⸗ 
feſſor Dr. Walz, 

vergl. Beiträge zur Weinkultur, von Walz, Landau 1846, ſowie die 
Wein: und Obſtproduzenten S. 122; / 

4. des Weinbergbodens von Kaiſerſtuhl, Markung Ihringen und des dort 
befindlichen Minerals auf die Unterſuchung von Profeſſor Dr. v. Dabo in 
Freiburg, 

die Wein⸗ und Obſtproduzenten S. 117; 

5. des Weinbergbodens am Johannisberg im Rheingau auf die Unter⸗ 

ſuchung von Profeſſor v. Liebig in München, 
Hecklers Weinbaulehre, 1858 S. 6. 

Die Erdarten dieſer verſchiedenen Weinberge beſtehen bei dem aus dem 
Keuper entſtandenen Boden, wie zu Stuttgart und Heilbronn hauptſächlich aus 
Thon (wirklichem und kieſelſaurem), Eiſenoxyd, kohlenſaurem Kalk, Magneſia, 
Kali, Natron und etwas ſchwefelſaurem Kalk, während der Boden von den 
Weinbergen in der Pfalz, wahrſcheinlich zum größern Theile aus der Verwit— 
terung des Vogeſenſandſteins entſtanden, vorzüglich Kieſelerde, Thonerde, Ei- 
ſenoxyd, kohlenſauren Kalk, Kali und Natron enthält. Dagegen beſteht der 
Boden eines vorzüglichen Weinberges im Vogelſang zu Würzburg in Franken 
auf der Muſchelkalkformation in kohlenſaurer Kalkerde 54, Thonerde 26, Kie⸗ 
ſelerde 10, Bittererde 6, Humus, Schwefel, Eiſenoxyd 4 Theile. 


8 


Aus den Bodenbeſtandtheilen derjenigen Weinberge, auf welchen vorzügliche 
Weine erzeugt werden, läßt ſich ſchon beurtheilen, welche Beſtandtheile des 


107 


Bodens von Wichtigkeit ſind für das Gedeihen der Rebe, diejenigen Beſtand⸗ 
theile aber, welche die Rebe wirklich aus dem Boden entnommen hat, lernt 
man erſt aus der Unterſuchnung ihrer Aſche kennen, indem alle unorganiſchen 
(Boden⸗) Beſtandtheile der Rebe bei der Verbrennung des Holzes, der Blätter 
u. ſ. w. als Aſche zurückbleiben. Wir laſſen deßwegen eine Ueberſicht über die 
von Profeſſor Dr. Walz und andern Chemikern angeſtellten Unterſuchungen der 
Aſchen von den auf verſchiedenen Bodengattungen gewachſenen Reben und 
deren Ergebniß folgen; 


| | 
Unorganiſche Beſtandtheile der Reben | Von Heilbronn. Obere Waſſerrunze. 


mit dem Laube Clevner. Rießling. Trollinger. 


Aſchenprocente 9 6,20 7,745 6,00 
FVV 70,56 63,6 119,13 
Natron | 92,67 70,93 34,65 
FCCWIn 206,26 23531 301,43 
| Magneſia (Bittererde) . | 69,12 47,22 92,72 
Manganoxydul er: | a 1,40 1,74 

Phosphorſaures Eiſenoxyd . | 22,06 23,62 24,64 

Phosphorſaure Thonerde e 9,17 10,07 


Phosphorſaurer Kalk 2 111,82 | 96,46 92,48 

Schwefelſaurer Kalk. >30. 2 33,10. 20,62 

, #12 0 16,99 

V 35,288 34,57 32,29 

Kohle, kohlenſaurer Sand ꝛ ce. 34,19 277.60 2053,25 
1000,00 | 1000,00 | 


108 


r 08% S8, | gear | zur SPI Oe | mot 809%? aanpfuejgog aun 
| | 27908 pumw| (R u non 
u e) mol aa Loylaanng 


Bl one oT. GER MOB CT Can 1.2 00T | 0 or ogaaalaı 
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Buydang "aagunimg raumnunag aaaupgmg | Buydang amuwag| usaog | naajog; | ‚Jodpay 
| -aahdaas | ag Inge | auenva! anvg auge wagag 


ade uog eggs uog ne | am 90 
- oda | ang iu aeg amagraunzlag aphundtoun 
ul acc an | uad uoR on 


109 


Dadurch, daß Rebholz zu den Unterſuchungen mit und ohne Laub ver- 
wendet wurde, zeigt ſich einiger Unterſchied beſonders an ſtarkem Aſchen- und 
Kieſelerdegehalt bei den Unterſuchungen von Heilbronn. 

Nach dieſen Ergebniſſen und der Anſicht der Chemiker ſcheinen die für 
das Gedeihen der Reben wichtigſten Bodenbeſtandtheile in einer gewiſſen Menge 
von Alkalien und alkaliſchen Erden zu beſtehen. Es ſind dieß nach v. Babo 
Kalk, Bittererde, Kali, Natron, die ſich in der Aſche an Kohlenſäure gebunden 
finden, was beweist, daß ſie in der Pflanze an eine organiſche Säure gebun— 
den waren. 

Die einzelnen Beſtandtheile dieſer ons Stoffe find jedoch nicht 
nur bei den verſchiedenen Rebgattungen unter fich, ſondern auch bei jeder ein- 
zelnen Rebgattung, je nachdem ſie auf einem Boden gewachſen iſt, ſehr ver— 
ſchieden, daher darauf, bevor nicht noch weitere vergleichende Verſuche mit 
einzelnen Rebgattungen angeſtellt find, noch keine feſten Regeln über die An⸗ 
pflanzung der Reben nach den verſchiedenen Bodengattungen gegründet werden 
können, doch wird ein Boden, dem jene hauptſächlich zum Gedeihen der Rebe 
erforderlichen Stoffe ganz fehlen, oder die in demſelben nur in unverhältniß⸗ 
mäßig geringer Menge vorhanden ſind, wenig zur Anpflanzung der Rebe ge— 
eignet ſein. Auch ſcheinen nach obigen Analyſen einzelne Gattungen bald dieſen 
bald jenen Stoff zu einer geordneten Vegetation in größerer Menge zu be— 
dürfen, wie z. B. der Traminer mehr Kali, der Rießling mehr reinen und 
phosphorſauren Kalk, der Ruländer und Clevner mehr Natron, der Trollinger 
viel Kali, Kalk und Bittererde, woraus ſich denn auch erklären läßt, warum 
letzterer in den Muſchelkalkgebirgen des Neckarthales eine ſo ſtarke und lange 
andauernde Vegetationskraft zeigt. 


§. 76. 


Inſofern nun nicht nur das Gedeihen der Rebe, ſondern auch das Zeitigen 
der Traube und die Entwicklung der geiſtigen Kraft des Weins von der Wärme 
ſowohl der Atmosphäre als des Bodens abhängt, ſo können wir doch für einen 
hauptſächlich der Anpflanzung der Rebe entſprechenden Boden folgende allge⸗ 
meine Grundſätze aufſtellen: 

1. Die wärmehaltende Kraft deſſelben muß vorherrſchend ſein, daher die— 
jenigen Böden, welche viel Kieſelerde oder Quarzſand, der faſt ganz aus Kie— 
ſelerde beſteht und weniger Thon- und Kalkerde enthalten, ſondern die über⸗ 
haupt mehr aus den Urgebirgsarten entſtanden ſind, als die vorzüglicheren 
erſcheinen werden. 

2. Seine Dichtigkeit darf nicht zu ſtark ſein, damit er die Wärme leicht 
aufnehmen kann und dieſelbe nicht zu lange behält, daher die reine Thonerde 
(§. 64) nicht vorherrſchend fein darf, wogegen Boden von mehr gemiſchter 


110 


Art, der ſich durch ſeine Miſchung nicht ſo feſt zuſammenlegen kann, ſowie 
Boden von verwittertem Granit oder überhaupt von plutoniſchen und vulkani⸗ 
ſchen Gebilden, welche jene Eigenſchaft gleichfalls beſitzen und daher der Ein⸗ 
wirkung der atmosphäriſchen Luft leicht zugänglich ſind, dem Weinſtock äußerſt 
zuträglich iſt. 

3. Der Boden muß einige Anziehungskraft für Waſſer und Feuchtigkeit 
haben und daher etwas Kalk beſitzen (S. 70), ſeine waſſerhaltende Kraft darf 
jedoch nicht zu groß ſein, weil ſonſt die Wärme nicht gehörig wirken kann und 
allzuviel Waſſer und Feuchtigkeit dem Rebſtock ſchadet. sr 

4, Der Kalkgehalt deſſelben darf jedoch nicht ſtark fein, weil ſonſt die 
nährenden Theile des Bodens zu ſchnell aufgelöst werden ($. 71), und dadurch 
ein angemeſſenes Verhältniß der Bodenbeſtandtheile unter ſich geſtört wird, 
auch ſcheint ein allzuſtarker Kalkgehalt auf das Bouquet der Weine nachtheilig 
einzuwirken. 

5. Ein allzuſtarker Sandgehalt des Bodens (Sandboden) iſt der Rebe 
und beſonders dem Ertrag derſelben gleichfalls nicht günſtig, indem er wenig 
nährende Beſtandtheile beſitzt, alſo mager iſt, daher vielen Dünger erfordert, 
wenig Waſſer und Feuchtigkeit in ſich aufnimmt und daſſelbe, ſowie auch die 
Wärme, ſchnell wieder fahren läßt. 


6. Das im Boden enthaltene Eiſen (S. 65) iſt zwar ein guter Wärme⸗ 
leiter und hat deßhalb auf denſelben und namentlich auf kühlen und kalten 
Boden eine gute Wirkung, wenn es aber in zu großer Menge vorhanden iſt, 
ſo wirkt es auf die Vegetation nicht günſtig, weil es doch keine eigentlichen 
Nährſtoffe hat und den warmen Boden zu ſehr austrocknet. 

7. Humus ſcheint nicht unumgänglich nothwendig zum Gedeihen der Reben 
erforderlich zu ſein, indem die Erfahrung lehrt, daß beſonders bei neuen An— 
lagen Reben in einem Boden kräftig herangewachſen ſind, der keinen Humus 
enthalten hat, auch beweist dieſes das dem Boden ſehr zuträgliche Uebertragen 
mit Mergel und mit der vom Untergrund heraufgenommenen Erden, die keinen 
Humus enthalten, doch kann, wenn auch bezüglich der Quantität ein entſpre⸗ 
chender Ertrag erzielt werden will, bei alten und überhaupt ſchon länger im 
Ertrag ſtehenden Weinbergen, bei welchen die nährende Kraft des Bodens 
ſchon etwas ausgeſogen iſt (S. 72) eine von Zeit zu Zeit zu wiederholende 
Düngung mit organiſchen Stoffen und dadurch die Erzeugung von Humus 
nicht entbehrt werden. 

8. Ein durchlaſſender Untergrund iſt für das gute Gebel der Rebe in 
ſer Regel ein unumgängliches Erforderniß (S. 73), und nur da dürfte eine 
Ausnahme ſtattfinden, wo der Obergrund ſehr tief iſt und Reben auf dem⸗ 
delben gepflanzt werden, die nicht tief wurzeln. 


111 


1 

Wenn wir nach dieſen allgemeinen Grundſätzen die Bodenarten nach ihrer 
Zuträglichkeit für den Weinſtock zu claſſificiren ſuchen, ſo iſt durch die Erfah— 
rung und nach der Beſchaffenheit des Rebſtocks hinlänglich nachgewieſen, daß 
derſelbe am beſten gedeiht in einem warmen, trockenen, lockern, milden und 
kräftigen Boden mit durchlaſſendem Untergrund, wo die feinen Wurzeln der 
Reben überall durchdringen und Nahrung finden können; wir werden daher in 
die erſte Linie zu ſetzen haben die warmen vulkaniſchen Bodenarten, dann in 
der zweiten Linie die warmen und kräftigen Mergel- und die kalkhaltigen, nicht 
zu ſtrengen, ſondern etwas ſandhaltigen Thonböden, ſowie den aus Thonſchiefer 
entſtandenen Boden, indem der Schiefer durch ſein blätterartiges Gefüge und 
das weniger gepreßte Aufliegen der einzelnen Schieferſtückchen auf einander 
und auf dem obern Boden nicht nur den Zutritt der warmen Luft ſehr er- 
leichtert, der Aufnahme der Wärme eine größere compactere Fkäche darbietet 
und dadurch ſehr wärmehaltend erſcheint, ſondern ebendadurch auch die ſchnelle 
Austrocknung des Bodens verhindert, weil die durch die äußere trockene Luft 
im Boden befindliche Feuchtigkeit, die in Dampfform entſchwindet, demſelben 
nicht entzogen wird, ſondern an dem untern Theile der kleinen Schieferblättchen 
als kleine Waſſertropfen wieder hängen bleibt; auch gibt der Schiefer durch 
ſeine allmählige Verwitterung der Rebe immer wieder neue Nahrung und es 
haben deßwegen die vorzüglichen Weinberge im Rheingau, Johannisberg, Rü— 
desheim, Aßmannshauſen ꝛc. neben ihrer guten Lage und dem warmen, kieſel⸗ 
erdehaltigen Boden, beſonders auch dem dortigen, zur Grundlage der Wein— 
berge dienenden Thonſchiefer das ausgezeichnete Erzeugniß zu verdanken. 
Solche warme zum Theil hitzige Böden üben auf die Auszeitigung der 
Trauben und den geiſtigen Gehalt der Weine dadurch einen ſehr vortheilhaf— 
ten Einfluß aus, daß fie gerne viel Wärme aufnehmen, dieſelbe lange behal— 
ten und insbeſondere während der kühlen Nächte nur nach und nach ausſtrö— 
men laſſen, wodurch die Trauben ſtets in einer warmen Temperatur ſich be- 
finden, was deren vollſtändige Auszeitigung außerordentlich befördert. Es wer- 
den deßhalb in ſolchen Bodenarten mit guten Lagen, die in der Regel auch 
die zur Ernährung der Rebe vorzüglich dienenden Alkalien (§. 75) in einem 
angemeſſenen Verhältniß enthalten, die geiſt- und bouquetreichſten Weine er⸗ 
zeugt und auch in minder günſtigen Lagen werden auf denſelben ſtets beſſere 
Weine gewonnen, als auf kühlen und kalten Böden. Insbeſondere ſind es die 
warmen und ſtrengen Mergelböden, wie im Weinsbergerthale, die dem Weine 
ein vorzügliches Gewürz geben. 

Der Kalkboden, der in dritter Linie erſcheint, verzehrt durch feinen ſtarken 
Kalkgehalt (8° 72) die nährenden Theile ſchnell, iſt bei ſtarker Düngung im⸗ 
mer etwas magerer und erzeugt zwar, vermöge ſeines guten Wärmegehalts, 


112 


feine, aber mehr gewürzhafte als bouquetreiche Weine, auch find ſolche Weine 
in den erſten Jahren zwar feurig, mild und angenehm zum Trinken, haben 
aber weniger Lagerhaftigkeit als die in ſtarkem Thon- und Mergelboden er- 
zeugten Weine. Der quantitative Ertrag iſt in der Regel aus dem angeführ⸗ 
ten Grunde nicht ſehr groß. | 

Der Gyps, eine mit Schwefelſäure verbundene Kalkerde (8. 64), kommt 
beſonders in dem Mergel häufig vor, er unterſcheidet ſich jedoch von dem 
letztern dadurch, daß er nicht ſo leicht wie dieſer zerfällt und vom Kalke, daß 
er nicht mit Säuren aufbraust. Der Boden mit Gypsgehalt erwärmt ſich 
ſtark, behält die empfangene Wärme lange, er nimmt wenig Waſſer auf und 
behält es nicht lange, auch hat er eine geringe Bindekraft und gleicht daher 
viel dem Kalk- ſowie dem Sandboden. Eigentlicher Gypsboden kommt jedoch 
jelten vor, er taugt jedoch ſehr zur Verbeſſerung des ſtrengen thonhaltigen 
Bodens, indem er deſſen Dichtigkeit mildert. 

Der Lehmboden gehört, je mehr er mit feinem, ſchlammartigem, waſſer⸗ 
haltendem Sande gemiſcht iſt (S. 68. 70. 71) zu den kühlen, je mehr er ſich 
aber dem Thonboden nähert, mehr zu den warmen Böden. In demſelben 
wird gewöhnlich zwar viel, aber meiſtens leichter, jedoch auch zarter Wein er— 
zeugt, der bald trinkbar wird, aber wenig Haltbarkeit beſitzt. 

Der Sandboden gehört zwar zu den warmen Bodenarten (§. 71), weil 
er aber bei feinem geringen Thongehalt (8. 68) wenig Bindekraft und waſſer⸗ 
haltende Kraft hat, ſo trocknet er allzu ſchnell aus, hat wenig nährende Theile 
für die Rebe und iſt daher zu deren Anpflanzung nicht ſehr geeignet, auch 
wird in demſelben wenig Weinbau getrieben, da er meiſtens nur in weiten 
Thälern oder auf Hochebenen vorkommt. Hat jedoch der Sandboden hinrei⸗ 
chenden Obergrund und einen feuchten etwas undurchlaſſenden Untergrund, 
von dem die Rebe Feuchtigkeit anziehen kann, ſo erſcheint er für den Weinbau 
ſchon weit geeigneter, als bei ſandigem, ſtark durchlaſſendem Untergrund. Solche 
Bodenarten geben jedoch nur leichte, aber zarte, übrigens wenig haltbare 
Weine. 

Am wenigſten geeignet für den Weinbau iſt der kalte, zähe und waſſer⸗ 
haltige Boden ($. 70. 71), indem, wenn er auch noch einen ähnlichen, un⸗ 
durchlaſſenden Untergrund hat, was nicht ſelten der Fall iſt, die Rebſtöcke 
auf demſelben wenig gedeihen und bald kränkeln und abſterben. Auf demſel⸗ 
ben werden in der Regel nur geringe und gehaltloſe Weine erzeugt und nur 
in ganz heißen und trockenen Jahren können hievon Ausnahmen vorkommen. 

Hinſichtlich des Humusgehalts (S. 12) des Bodens iſt anzuführen, daß 
fette, kräftige Böden einen reichlichen, magere Böden aber gewöhnlich einen 
geringen Ertrag geben, dagegen erzeugen erſtere häufig auch einen fetten, molzigen 
Wein, der wenig Geiſt und Gewürz hat und manchen Krankheiten, wie dem 


113 


Schwerwerden unterworfen iſt. Allzufetter Boden treibt häufig mehr in's 
Holz als in Trauben und letztere ſind gewöhnlich von minder guter Qualität. 
Sind einzelne Bodenarten mit kleinen Steinen, Kieſeln oder grobem Sande 
gemengt, ſo wird dadurch ihre Zuträglichkeit für den Weinſtock öfters weſent— 
lich verändert, indem ein allzufeſter Boden dadurch lockerer gemacht wird, ſo 
daß die Luft mehr eindringen kann, ein allzu leichter, loſer und ſandiger oder 
kalkhaltiger Boden aber dadurch mehr Feſtigkeit bekommt. Auch erhalten die 
Steine die Wärme länger und ziehen die Feuchtigkeit der Luft mehr an, ſo 
daß der Boden dadurch ſtärker erwärmt und länger feucht erhalten wird. 
Ein Gerölle von Kalkſteinen iſt zuträglicher als von Sandſteinen, indem er- 
ſtere die Feuchtigkeit mehr anziehen und durch ihre Verwitterung der Rebe 
mehr Nahrung als die Sandſteine geben. 
SS 

Es iſt bereits angeführt worden (§. 68), daß die Gebirge und namentlich 
auch die Weingebirge aus ſehr verſchiedenen, häufig wechſelnden Stein- und 
Erdſchichten beſtehen, und daß darnach auch der daraus entſtandene Bo⸗ 
den verſchiedene Eigenſchaften beſitzen kann. Im Allgemeinen wird man an— 
nehmen können, daß der unten am Fuße der Gebirge befindliche Boden am 
kräftigſten und fetteſten ſein wird, weil er nicht nur manche angeſchwemmte 
kräftige Bodentheile enthält, ſondern weil ihm auch durch Abſchwemmungen 
von den obern Theilen des Gebirges ſtets neue Nährtheile zugeführt werden. 
Der mittlere Theil des Gebirges wird den nachhaltigſten und ſchon vermöge 
der Lage den wärmſten Boden, der obere Theil dagegen mehr magern, fandi- 
gen oder kühlen, zähen Thon oder Lehm enthalten. 

Ein großer Theil unſeres Weinbergbodens iſt durch Verwitterung der 
unter demſelben befindlichen Mergelſchichten entſtanden, unter dem Mergel 
beſteht aber noch (S. 68) eine große Verſchiedenheit, daher auch die von dem— 
ſelben herkommenden Bodenarten ſehr von einander abweichen. Enthält der 
Mergel zuwenig Kalk und Sand und beſteht ſomit hauptſächlich aus Thon, ſo bildet 
ſich aus der Verwitterung deſſelben ein zäher, ſchwerer, meiſt kalter Thonboden, 
Enthält er zu wenig Kalk oder Gyps und neben dem Thon viel Sand (Sand- 
mergel), ſo iſt er mager und beſitzt wenig Triebkraft, hat er zu viel Kalk und 
weniger Thon und Sand, ſo hat er zwar viele, aber nicht ſehr nachhaltige 
Triebkraft. Iſt in dem Mergel viel Eiſen (Braunſtein) enthalten, was jedoch 
ſelten vorkommt, ſo iſt er der Vegetation des Weinſtocks mehr ſchädlich als 
nützlich. 

Außerdem bietet der Mergel (Hohenheimer Wochenblatt für Land- und 
Forſtwirthſchaft 1860. S. 269 und 278) noch die beſonderen Vortheile dar, 

a. daß er den Baugrund vor zu großer Austrocknung ſchützt (wie der Thon⸗ 
ſchiefer); 
8 


114 

b. daß er die Sonnenſtrahlen für die Rebe auf eine intenſive Weiſe 
ſammelt; 

e. daß er bei längerem oder ſtarkem Regenfall durch ſein blättriges Ge⸗ 
füge das Feſtſetzen des Bodens verhindert und 

d. durch den Zutritt von Regenwaf ſſer eine verſteckte Wärme dadurch ent⸗ 
wickelt, daß der Boden eine höhere Temperatur annimmt und daß die⸗ 
ſes ſich auch bei bereits. benetztem und wieder getrocknetem Mergel mie- 


derholt, ſo daß die Wärmeentwicklung nicht eine einmalige, ſondern eine 


wiederholende iſt. 

Die Erſcheinungen sub a—e treffen jedoch nur bei dem ſchuppigen oder 
zu kleinen Schieferblättchen zerfallendem Mergel zu, während bei Mergel, der 
bei dem Begießen mit Waſſer in erdige Stücke zu einem Gries zerfällt, dieſes 
nicht der Fall iſt. Es wird deßwegen ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen dem 
blättrigen und mehr erdigen (ſchüttigen) Mergel gemacht und dabei insbeſon⸗ 
dere dem glimmerreichen Thon, ſowie dem plattigen Sandmergel die Beibe- 
haltung der ſchieferartigen Auflöſung zugeſchrieben. 

Ohne Zweifel hängt dieſelbe, ſowie die Wärmeentwicklung sub d auch mit 
dem Kalkgehalte des Mergels zuſammen, indem durch die Zugießung von Waſ⸗ 
ſer, wie bei dem Kalkboden des Tauberthales, worüber von dem Verfaſſer 
Unterſuchungen angeſtellt worden ſind, kleine Theile des kohlenſauren Kalkes 
ſich auflöſen und dadurch nicht nur Wärme verbreiten (S. 71), ſondern auch, 
wenn Kalk in größerer Menge vorhanden iſt, zur Auflöſung des Mergels 
ſelbſt beitragen. | 

Der Mergel, und insbeſondere der ſchieferige, zeigt übrigens nicht nur 
eine ſchützende Kraft gegen die Hitze und gegen die Austrocknung und Ver— 
ſchleimung des Bodens in Folge von Kälte, ſondern er iſt auch ein Schutz 
mittel gegen die Kälte, indem nach den beſtehenden Erfahrungen friſch be— 
ſchüttete Weinberge viel unempfindlicher gegen Fegg ſind, als die 
mit verſchafftem Boden. 

Wirken auch bei dem verborgenen Schaffen der Natur noch ganz a 
Kräfte mit, um den Einfluß des Bodens auf die Rebe zu vermitteln, ſo i 
doch in Vorſtehendem nachgewieſen, daß ſich der praktiſche Weinbauer 1 
fordert fühlen darf, bei der Miſchung des Bodens mit Umſicht und eigenem 
Nachdenken zu Werke zu gehen und dabei insbeſondere auf die in vielen Ge⸗ 
birgen enthaltenen Mergellager Rückſicht zu nehmen. In wie vielen Weinor⸗ 
ten liegen die trefflichſten Schichten in den Weinbergen ſelbſt nur wenige Fuß 
unter der Erdfläche, und dem Weingärtner fällt es nicht ein, ſeinen Boden 
damit zu beſchütten, mühſam trägt er vielmehr den vom Regen abgeſchwemm⸗ 
ten, ausgelaugten Floßboden, den ihm der gütige Regen zu ſeinem eigenen 


* 


115 


Beſten nehmen wollte, vom Thal wieder zu Berg, ſtatt daß er darauf finnt, 
ſeinem Boden friſches, unverwittertes Gebirge zuzuführen! 


§. 79. 

Wir haben bisher den für die Rebe zuträglichen Boden im Allgemeinen 
betrachtet, bei der großen Zahl der verſchiedenen Rebgattungen gedeiht aber 
nicht jede Rebe gleich gut iu jedem ſonſt guten Boden, ſondern es finden hier 
je nach der Beſchaffenheit des Rebſtocks und der ihm zuträglichen Ernäh— 
rungsſäfte viele Abweichungen ſtatt, die einer nähern Ausführung bedürfen. 

Wenn es auch der Wiſſenſchaft noch nicht gelungen iſt, durch genaue 
Unterſuchung der verſchiedenen Rebgattungen und ihrer Aſchen mit Zuverläſ— 
ſigkeit beſtimmen zu können, welche Bodenart jede einzelne Rebgattung vorzugs— 
weiſe verlangt, um anhaltend guten und ſichern Ertrag zu gewähren (§. 75), 
ſo iſt doch durch Erfahrung, namentlich bei denjenigen Rebgattungen, welche 
häufiger zum Anbau kommen, mit ziemlicher Sicherheit feſtgeſtellt, welcher Bo— 
den und welche Lage denſelben am zuträglichſten iſt, daher wir unter Berück⸗ 
ſichtigung der Aufſchlüſſe, welche uns die Wiſſenſchaft gibt, in jener Rich— 
tung folgende Grundſätze aufſtellen können. 

Die Rebe zieht ihre Nahrung, wie bereits ausgeführt worden iſt (§. 61), 
theils durch die Blätter aus der Luft, theils durch die Wurzeln aus dem 
Boden. Die Letztern ſind jedoch bei den einzelnen Rebgattungen von ſehr 
verſchiedener Ausbildung, indem ſie bald ausgedehnte, bald nur ſchwache Wur— 
zelkronen zeigen (S. 1). Reben mit ſchwacher Wurzelkronenbildung müſſen 
daher ihre Nahrung aus dem Boden mehr in ihrer unmittelbaren Nähe ſuchen 
und haben daher bei gutem Gedeihen einen kräftigen milden Boden nöthig, 
den ihre zarten Wurzeln überall durchdringen und in demſelben die erforder— 
liche Nahrung aufſuchen läßt, während Reben mit ſtarker Vegetationskraft 
und ausgedehnten Wurzelkronen ihre Wurzeln öfters in große Tiefe und in 
entferntere Bodentheile entſenden, um dort Nahrung zu ſuchen. Letztere ge— 
deihen deßwegen faſt in allen der Rebe zuträglichen Bodenarten, während für 
jene in der Regel eine ſorgfältige Auswahl zu treffen iſt. 

Ferner werden Rebſorten, deren Holz frühe reift und die weniger em— 
pfindlich gegen Spätjahrs⸗ und Winterfröſte ſind, in fettem und kühlem Bo— 
den weniger Unfällen unterliegen und mithin beſſer im Ertrag ſein, als ſolche, 
deren Holz im Spätjahr länger fortwächst und daher ſpät reift. 

Rebſorten, in ganz ungeeignetem Boden gepflanzt, arten gerne aus, wer⸗ 
den empfindlich in der Blüthe, die Beeren fallen ab (röhren aus), oder die 
Trauben werden kleinbeerig und geben wenig Ertrag, es muß deßwegen bei der 
Anlage eines Weinberges auf die Beſchaffenheit des Bodens beſondere Rück— 
ſicht genommen werden. Bei der Lage iſt zu berückſichtigen, daß wegen der 

8 * 


116 5; 
kühlen Temperatur und den heftigen Winden auf Höhen und Bergrücken keine 
ſpätreifende und keine langſtieligen oder langachſeligen Sorten gepflanzt werden 
ſollten, weil dort die Zeitigung überhaupt ſpäter erfolgt, und letztere durch 
die ſtarken Winde zu ſehr bewegt und herumgetrieben werden, wodurch die 
Stiele abgedreht und lahm werden und die Zeitigung der Traube aufhört. 

In Beziehung auf die Qualität des Weins iſt zu beachten, daß manche 
Rebſorten mit poröſem Holz und ſtarkem Mark, deren Trauben viel Schleim- 
theile und weniger Gerbeſtoff enthalten (S. 248), wie Sylvaner, in hitzigem, 
magerem Boden oder bei ſchwacher Düngung einen geſunderen und gehalt— 
volleren Wein geben, als in kühlem oder fettem Boden oder bei ſtarker Dün⸗ 
gung, während härtere und zugleich etwas ſpätreifende, meiſt ſtarktriebige Sor- 
ten mit feſtem Holz und ſchwachem Mark, deren Trauben viel Gerbeſtoff 
beſitzen, wie die Trollinger, in kräftigem fettem Boden oder bei ſtarker Düngung 
ſchneller zur Reife gelangen und mithin einen beſſeren Wein geben, als in 
magerem Boden. / 

§. 80. 

Nach dieſen allgemeinen Grundſätzen laſſen ſich für die hauptſächlich als 
Weinbergstrauben zur Anpflanzung kommenden Gattungen, unter Bezugnahme 
auf die SS. 9—39 eingehaltene Ordnung, N Eintheilungen hinſichtlich 
der Bodenbeſchaffenheit machen: 


Weiße und rothe Traubea. 


a. Reben, welche faſt in jedem Weinbergsboden gut fortkommen. 


1. Der Orleans (S. 9.) Doch iſt es zweckmäßig, wenn derſelbe mehr in 
einem tief gereutheten, hitzigen, ſteinigen Boden gepflanzt wird, indem er hier 
tief in die Kluften der Felſen eindringt, wogegen in einem kühlen Lehmboden 
deſſen Früchte ſeltener zur vollkommenen Reife gelangen. 

2. Der weiße Räuſchling (§. 10.) Er iſt jedoch, weil er gerne aufſpringt 
und fault, für magere Böden geeigneter als für kräftigere und fette. 

3. Der Elbling (§. 14) wird in allen Bodenarten gepflanzt und kommt 
auch in allen gut fort, wir treffen deßwegen denſelben von dem kühlen zum 
Theil kalten Lehmboden bis zu dem hitzigen und ſtrengen Thonboden, ſowie 
im Kalkboden überall an; der warme kräftige Thonboden ſcheint ihm jedoch 
am beſten zuzuſagen, indem er hier den reichſten Ertrag abwirft, auch in dem 
triebigen, etwas zähen Thonſchieferboden am Fuße der Alp zeigt er eine außer⸗ 
ordentlich ſtarke Vegetation mit reichem Ertrag. Weniger reichen Ertrag zeigt 
er in dem leichten hitzigen Kalk- und Sandboden, dagegen taugt er bei ſeiner 
ſtarken Vegetationskraft auch in warme, magere, kieſige und ſteinige Böden, 
wo er häufig und mit Vortheil oben an den Bergen und gegen den Rücken 


117 


derſelben angepflanzt wird. In dem ſtarken, warmen Thonboden kommt er 
bei ſeiner Empfindlichkeit, jedoch beſſer durch die Blüthe, als im mageren 
leichten, ſandhaltigen, lehmartigen Boden, am ſchlechteſten in kalten Böden. 
Seine Neigung zum Faulen bei regneriſcher, feuchter Witterung erhöht 
ſich bedeutend im kühlen und kalten Boden, ſo daß hie und da, wie in der 
Bodenſeegegend, faſt der ganze Ertrag zu Grunde geht; auch iſt die Qualität 
des Weins in ſolchen Böden weit geringer, als in warmen, trockenen Böden. 
4. Der Rothurban (§. 15.) | 
Siehe Schwarzurban §. 82. 
\ 5. Der Sylvaner (§. 16) kommt, wie der Elbling, in allen Bodengat⸗ 
tungen zur Anpflanzung. Auf kräftigem, reichem Thon- und Lehmboden am 
Fuße der Weinberge fault jedoch die Traube gerne bei etwas naſſer und 
feuchter Witterung, und gibt einen fetten, molzigen, wenig gewürzhaften Wein, 
der gerne ſchwer und ſchleimig wird, beſonders bei weſtlicher und nordweſt— 
licher Lage der Weinberge, auch dauert in ſolchem triebigem Boden das Wachs— 
thum der Rebe im Spätjahr zu lange fort, wodurch bei ungünſtiger Witterung 
das ſtarkmarkige Holz nicht zur gehörigen Zeitigung kommt und der Ertrag 
des nächſten Jahres zum Theil verloren geht. Dagegen eignet er ſich ſehr, 
und vor vielen andern Traubengattungen in magern Kies-, Sand- und Kalk⸗ 
boden, auch kommt er im ſteinigen Boden fort und gibt zwar in ſolchen Bo⸗ 
denarten einen etwas geringeren Ertrag, aber einen viel feineren, geſunderen 
und aromatiſcheren Wein, als in fettem Boden. Der Sylvaner gehört zwar 
zu den ſchwachtriebigen Rebſorten, er kommt aber aus dem Grunde in allen 
Bodenarten gut fort und gibt überall einen guten Ertrag, weil die Rebe nicht 
empfindlich iſt und ſchon an den unterſten Augen der Tragrebe ſchöne vollkom— 
mene Trauben (meiſtens zwei) treibt (§. 3) und daher auch bei kurzer Erziehung 
und kurzem Schnitt noch genügend Trauben trägt. 

6. Der Tokayer (§. 17) gedeiht bei ſeiner ſtarken Vegetationskraft in allen 
Bodenarten; auf kräftigem Thon- und Lehmboden trägt er zwar ſehr reichlich, 
fault bei ungünſtiger Witterung aber auch gerne und gibt gewöhnlich einen 
leichten, wäſſerigen Wein, wogegen er auf warmem, magerem Boden zwar 
etwas weniger Ertrag, aber einen beſſeren Wein liefert, der jedoch immer leicht 
bleiben wird. i | 
7. Der Rothgypfler (8. 18) ift neuerlich erſt auf der Markung Stuttgart 
und Umgegend zur Anpflanzung im Größern gekommen und ſoll nach den 
dort angeſtellten Beobachtungen in allen Bodenarten, namentlich in derjenigen 
der Keuperformation fortkommen und guten Ertrag gewähren, befonders aber 
im Lehmboden, ſtarken und ſandigen Thonboden. 

8. Der weiße Burgunder (S. 19) und 
9, der weiße Süßling (§. 18) 


| Se le 


gehören, und beſonders der erſtere, zu den weniger empfindlichen Traubengat⸗ 
tungen und können deßwegen auch in den meiſten Bodenarten mit gutem Er⸗ 
folg gepflanzt werden, doch wenn mehr auf reichlichen Ertrag geſehen wird, 
ſo gewähren ſie in ſogenannten kühlen oder kalten Böden, alſo in Lehmböden, 
in etwas zähem, waſſerhaltigem Thon (Lettboden), wie man am Fuße der Ge— 
birge häufig antrifft, einen größeren Ertrag, als in hitzigen Thon⸗, Kalk- und 
Sandböden, dagegen wird der Wein hier geiſtreicher, aromatiſcher und geſünder. 
Auch ſoll der Stock in ſolchen hitzigen Böden gerne ausarten (ungeſchlacht wer- 
den), wie der Rauelbling, und dann in der Blüthe eine große Empfindlichkeit 
zeigen, was an der dunkleren Farbe der Blätter, den tieferen Einſchnitten und 


— 


den ſcharfkantigen Zähnen zu erkennen ſei. Von dem Verfaſſer ſind jedoch 


darüber noch keine näheren Erfahrungen gemacht worden, vielmehr ſind die 
von ihm im warmen Thonboden gepflanzten weißen Burgunder freudig ge- 
diehen und haben einen guten Ertrag gegeben. Ob übrigens der weiße Bur— 


gunder auch im Kalkboden, wie er im Tauberthale vorkommt, gut gedeiht und 


einen entſprechenden Ertrag gewährt, wäre noch näher zu ermitteln. 
10. Der Heuniſch (S. 20) gleicht viel dem Elbling und kann, wie dieſer, 
in allen Bodenarten mit gutem Erfolge gepflanzt werden. 


11. Der Welſchrießling (§. 20) ſcheint gleichfalls für alle Bodenarten zu 
taugen und zeigt beſonders auch in magerem Sand- und Kiesboden eine lang 
andauernde Fruchtbarkeit. Wegen der ſpätern Reife werden jedoch, wenn die 


climatiſchen Verhältniſſe nicht beſonders günſtig ſind, warme vor kühlen und 


kalten Böden vorzuziehen ſein. 
12. Der rothe Trollinger. 
Siehe den blauen Trollinger §. 82. 
§. 81. 
b. Reben, welche einen beſonders geeigneten Boden verlangen. 
1. Der Traminer (§. 11) verlangt bei feiner ſchwachen Triebkraft und 
großen Empfindlichkeit einen lockern, milden, warmen, kräftigen Boden, mithin 


einen warmen kräftigen Lehm⸗ oder Sandboden mit viel Humus und Kalige⸗ 
halt, auch darf derſelbe ziemlich Kalk beſitzen, der die Wärme und Feuchtigkeit 


ſchnell aufnimmt, letztere nicht zu lange behält und mithin der nicht ſtark 


wurzelnden Rebe die gehörige Nahrung gibt. Sie verlangt daher öftere Dün⸗ 
gung. In ſchweren, ſtrengen und kalten Böden altert die Rebe bald, artet 
aus und trägt wenig. Außerdem ſoll in Traminerweinbergen nie bei naſſer 
Witterung und auch Morgens nicht, wenn ſtarker Thau auf den Reben liegt, 
gearbeitet werden, weil vorzugsweiſe dieſe Rebe das Arbeiten im Weinberg, 


119 


fo lange die Böden und die Stöcke noch naß und feucht find, nicht ertragen 
kann. a 

2. Der Velteliner (§. 13) verlangt, als eine ſpätreifende Traube, neben 
einer guten Lage einen kräftigen, warmen und ſogar hitzigen Thon, Mergel⸗ 
oder Kalkboden und dabei eine gute Düngung, wenn er einen guten Ertrag 
geben ſoll. In magern und ſteinigen Böden kommt er zwar gleichfalls fort, 
ſein Ertrag iſt aber geringer. In kühlem und kaltem Boden reift er ſelten 
vollſtändig. 

3. Weißer Hängling oder grüner Häußler ($. 14). 

Siehe Süßrother §. 83. 

4. Weißer Clevner (S. 15) und 

5. Ruländer ($. 15). 

3 Siehe blauer Clevner 8. 83. 

6. Der Ortlieber (§. 17) kann bei feiner ſtarken Neigung zur Fäulniß 
nur in warmen, magern, ſteinigen oder ſandhaltigen Böden oder auf luftigen 
Höhen gepflanzt werden, wo er gegenüber von andern Traubengattungen einen 
reichen Ertrag verſpricht. In Niederungen und in kühle, kalte und naſſe 
Böden taugt er durchaus nicht. 


7. Der rothe Reifler (S. 18) fordert wegen ſpäter Reife, neben einer 
guten Lage, einen warmen, kräftigen Boden, wenn er entſprechenden Ertrag 
gewähren ſoll. 


8. Der weiße Fütterer ($. 10) hat viele Neigung zum Faulen und taugt 
deßwegen nicht in reiche, kräftige Thon- und Lehmböden, ſondern kann, wie 
der Ortlieber, mit Vortheil nur in magerem Sand-, Kalk- und Thonboden 
und auf luftigen Höhen gepflanzt werden, ob er gleich die Frühlingsfröſte 
leichter als andere Traubengattungen erträgt und daher auch in Niederungen 
taugt, jedoch nie in kühle, waſſerhaltige und humusreiche Böden. 


9. Der weiße und der rothe Rießling (8. 19) kommen zwar faſt in allen 
Bodenarten fort, da jedoch die Rießlingstraube ſpät reift und der Rießling⸗ 
wein ſich hauptſächlich durch ſein feines Bouquet auszeichnen ſoll, ſo muß bei 
der Wahl des Bodens darauf beſondere Rückſicht genommen und deßhalb die 
Rießlingrebe nicht in kühlem und kaltem Boden gepflanzt werden, weil hier 
die Traube viel ſpäter reift und das Bouquet ſich nur ſchwach oder gar nicht 
entwickelt. Der angemeſſenſte Boden für die Rießlingrebe iſt ein warmer, 
kräftiger, nicht allzu ſtrenger Thon mit Sandgehalt, ſowie namentlich Boden 
von verwittertem Granit oder von vulkaniſchen Beſtandtheilen (Baſalt ꝛc.) mit 
gutem Humusgehalt; doch ſoll der Wein im Thonſchieferboden noch bouquet— 
reicher werden, als im Baſalt ($. 77). Außerdem erfordert der Boden und 


* 


— 


120 


die Traube zur Entwicklung des Bouquets etwas Feuchtigkeit, die demſelben 
entweder durch einen feuchten, jedoch nicht naſſen Boden, oder durch ſtarke 
Thauniederſchläge in der Nähe von größeren fließenden Waſſern oder von 
Seen zugeführt werden kann. Aus eben dieſem Grunde zeigt auch der im 
hitzigen Kalk- und Sandboden gepflanzte Rießlingwein zwar einen ſtarken gei⸗ 
ſtigen Gehalt, aber, wenn nicht eine feuchte Unterlage vorhanden iſt, weniger 
Bouquet. Im leichten ſandhaltigen Boden wird der Rießling früher reif und 
angenehm trinkbar, zeigt aber wenig Haltbarkeit. Eine allzuſtarke Düngung, 
weil die Vegetation des Stocks dadurch zu ſtark angeregt und die Zeitigung 
der Traube verzögert wird, hat auf die Vorzüglichkeit des Produkts gleichfalls 
einen ungünſtigen Einfluß. 5 


10. Der rothe Hans oder kleine Velteliner (§. 20) verlangt einen etwas 
magern Boden, weil er bei allzukräftigem, rauhem oder etwas feuchtem Boden 
und bei allzuſtarker Düngung zu ſehr ins Holz treibt, leicht ausartet, unge— 
ſchlacht und weniger tragbar wird. Ein etwas magerer Lehm- und ſandhaltiger 
Thonboden oder auch kräftiger Sandboden, wie er in den obern Weinbergs⸗ 
lagen, beſonders der Keuperformation vorkommt, eignet ſich daher für denſelben 
am beſten. 


11. Der Gutedel (S. 22) fordert mehr feuchten lockern, als ſtrengen und 
ſehr trockenen Boden, indem in dem letztern ſeine Vegetationskraft bedeutend 
nachläßt, die Rebe nur kleine lockere Trauben treibt und wenig Ertrag gibt. 
Ein kräftiger Lehm-, feuchter Sand- oder ein lockerer Kalkboden, wie in dem 
Kocher und Tauberthale, der Wärme und beſonders Feuchtigkeit gerne auf- 
nimmt und letztere nicht zu ſchnell fahren läßt, ſind ihm daher ſehr zuträglich, 
wobei aber der Lehmboden immer den Vorzug verdient. Sogar in kühlem, 
etwas kaltem, aber kräftigem Boden gedeiht er gut und ſoll dort in der Blüthe 
dauerhafter ſein, als im trockenen, hitzigen Boden. Auch mageren Boden, 
wenn er einen gehörigen Feuchtigkeitsgrad hat, erträgt er, doch gibt er in 
fettem Boden einen reichlichern Ertrag. Er taugt daher mehr in Niederungen, 
beſonders auch wegen ſeiner frühen Reife, und weil er keine Neigung zum 
Faulen hat; er unterliegt aber gerne dem Froſt und treibt nicht mehr nach, 
worauf bei der Anpflanzung Rückſicht zu nehmen iſt. 


12. Der Muskateller (S. 22), der ſpät reift und nur bei vollſtändiger 
Reife ſeinen Muskatgeſchmack gehörig entwickelt, kann nur in warmem, hitzigem, 
etwas mildem Thon⸗, Kalk⸗, oder auch in kräftigem Sandboden gepflanzt 
werden, beſonders wenn derſelbe nicht allzu trocken iſt. In kühlem und kaltem 
Thon⸗ und Lehmboden wird er ſelten ganz zur Zeitigung kommen und wenig 
Muskatgeſchmack entwickeln. 


121 


§. 82. 5 bu 
Blaue und ſchwarze Trauben. 


a. Reben, welche faſt in jedem Weinbergsboden gut fortkommen. 


1. Die blaue Eicheltraube (§. 23), 

2. der blaue Augſter (§. 24), | 

3. der blaue Marokkaner ($. 25), 
gehören nach den angeführten Beſchreibungen zu den geringeren Weinbergs- oder 
theilweiſe mehr zu den Tafeltrauben, kommen aber, vermöge ihrer ſtarken 
Triebkraft in jedem Boden fort, doch wird ihnen wegen ihrer zum Theil ſpäten 
Zeitigung ein warmer, thonreicher Boden zuträglicher, als ein kühler und 
kalter ſein. N 

4. Der rothblaue Zottelwelſche, blaurother Hudler, Gol, Weißlauber (§. 27), 

5. Der ſchwarzblaue Zottelwelſche, Wullewelſch (S. 28), 
nehmen bei ihrer ſtarken Vegetationskraft auch mit geringem Boden le 
doch werden ſie bei ihrer ſpäten Reife auf warmem, kräftigen Boden einen 
beſſern Wein geben, als auf kühlem und kaltem Boden. 

6. Die Müllertraube (8. 27) kann bei ihrer ſtarken Vegetationskraft in 
jedem Weinbergsboden gepflanzt werden, doch wird von derſelben auf warmem, 
magern Boden, beſonders auf Höhen mit guten Lagen, weil hier die ſtarke 
Vegetation etwas gehemmt wird, ein beſſerer Wein erzielt werden, als in Nie⸗ 
derungen mit fettem, kühlem oder kaltem Boden. 

7. Der ſchwarze Elbling (§S. 30) hat weniger Vegetationskraft als der 
Weiß⸗ und Rothelbling (S. 80), ſcheint jedoch wie dieſe, keine beſondere Erdart 
zu verlangen. 

8. Der Schwarz⸗Urban 0 31), 

9. der ſchwarzblaue Scheuchner, Grübler, Pommerer ($. 37), 

10. der blaue Trollinger, Schwarzwälſcher ($. 38), 

11. der blaue Gänsfüßler (S. 38), 
werden häufig mit einander und in den verſchiedenartigſten Bodenarten gepflanzt, 
doch find dieſen Traubengattungen die warmen, kräftigen, kalkhaltigen Thon⸗ 
und thonigen Kalkböden an den ſteilen Muſchelkalkgehängen des mittleren Neckar⸗ 
und des Enzthales am zuträglichſten, die beſonders der Trollingerrebe viel 
Kali und Kalk mittheilen können (S. 75), wo fie öfters in einem ſeichten, dünn 
auf dem Felſen auflagernden Obergrunde gut fortkommen und lange dauern, 
indem die kräftigen Wurzeln in die Felſenſpalten eindringen und dort ihre 
Nahrung ſuchen. In den weniger kalkhaltigen, aber kräftigern, fettern und 
thonreichen Böden der Keuperformation werden die Trauben zwar größer und 
die Beeren vollkommener, dagegen tritt die Reife etwas ſpäter ein, bei vollkom⸗ 


122 


mener Reife wird aber der Wein gewürzhafter. In kühlen und kalten Boden⸗ 
arten tragen dieſe Traubengattungen zwar vielen, aber geringen Wein, weil 
ſie als ſpät reifend, ſelten zur vollkommenen Reife kommen. Doch wird der 
Urban als etwas früher reifend auch in kühlem Boden immer noch einen * 
ren Wein als die übrigen Sorten geben. 

In magern Kalk- und Sandboden geben dieſe Traubengattungen, weil fie 
bei ihrer ſtarken Triebkraft zu wenig Nahrung finden, den geringſten Ertrag 
und die Stöcke altern ſchneller, wenn nicht ſtark gedüngt wird. In allzu hitzigem 
und trockenem Boden bleibt beſonders der Trollinger bei lang andauernder 
Trockenheit gerne in der Entwicklung ſtehen und gibt dann nur unvollkommene 
Früchte, daher bei ſolchen Bodenarten ein etwas feuchter durchlaſſender Unter⸗ 
grund ſehr zuträglich iſt, auch deutet darauf der ſtarke Gehalt an Bittererde 
bei der Trollingerrebe hin, indem dieſe Erdart das meiſte Waſſer aufnehmen 
und ſomit den Boden ſtets etwas feucht erhalten kann (F. 64). 

12. Der blaue Sylvaner (8. 32). | 

Siehe weißer Sylvaner $. 80. 

13. Der blaue Tokayer (S. 34) verlangt, weil er ſpäter reift, als der 
weiße, noch eine wärmere Lage und einen wärmeren Boden als der letztere (8.80). - 

14. Der blaue Neri (§. 35) ſcheint bei feiner guten Triebkraft in allen 
für den Weinſtock geeigneten Bodenarten fortzukommen, nur wird in warmem, 
kräftigem Thon⸗ oder Mergelboden ein beſſerer und wahrſcheinlich auch mehr 
Wein erzielt werden, als in leichtem und kühlem oder kaltem Boden. 

15. Der blaue Klöpfer, auch blauer Räuſchling (S. 36), wird in verſchie⸗ 
denen Bodenarten angepflanzt; er ſcheint jedoch, wenn er einen reichlichen 
Ertrag gewähren ſoll, mehr einen lockern, ſandhaltigen, wenn auch nicht gerade 
kräftigen Thon⸗, Mergel- oder Lehmboden zu lieben, als einen warmen und 
ſtrengen oder zähen und kalten Thonboden. 

16. Der blaue Wildbacher (S. 36) wird bet feiner ſtarken Triebkraft in 
allen Bodenarten fortkommen, da er jedoch ſpät zeitigt, ſo dürfte neben guter 
Lage ein warmer, kräftiger Thon⸗, Mergel- oder Sandboden für die Anpflan⸗ 
zung in Süddeutſchland das angemeſſenſte ſein. 

17. Der blaue Gelbhölzer, auch Lomersheimer Schwarze ($. 36), wird in 
Württemberg hauptſächlich im kalkhaltigen Thon- und Lehmboden mit Kalk⸗ 
ſteinunterlage gepflanzt, zeigt aber auch in warmem, etwas ſteinigem Thon⸗, 
ſowie in Mergelboden ein gutes Gedeihen, daher er auch noch in andern Bo⸗ 
denarten fortkommen wird, doch ſcheint ihm ein warmer, kräftiger Boden am 
zuträglichſten. 

18. Die blaue Hartwegstraube, Grobſchwarz, Tauberſchwarz (S. 36) 
zeigt in dem magern, warmen, kalkhaltigen Boden des Tauberthales ein gutes 
Gedeihen, daher ſie hauptſächlich für magere, aber warme Bodenarten geeignet 


1 


123 


fein dürfte, doch kommt die Rebe auch in andern Bodenarten (Thon-, Yehm-, 
Sandboden) gut fort und gibt namentlich im kräftigen, warmen Thon⸗ und 
Lehmboden reichen Ertrag. 
19. Der blaue Köllner (§. 37) gleicht viel dem ſchwarzblauen Scheuchner (oben 
Pkt. 9) und ſcheint, wie dieſer, in den meiſten Bodenarten gut fortzukommen. 

20. Der blaue Heuniſch (§. 37). 

Siehe weißer Heuniſch §. 80. 

Bei der ſpäten Reife wird er neben guter Lage vorzugsweiſe nur in kräf⸗ 
tigem, warmem Boden anzupflanzen ſein. Sandboden taugt weniger. 

21. Der blaue Burgunder (S. 38) zeigt in den verſchiedenartigſten Bo— 
denarten (Thon⸗, Mergel⸗, Lehm⸗, Kalk⸗ und Liasſchieferböden) ein gutes Ge⸗ 


deihen, doch wird in den eigentlichen Kalkböden, ſowie auch in magern Sand⸗ 


böden ſein Fortkommen weniger geſichert ſein, jedenfalls gibt er in ſolchen 
Böden einen geringeren Ertrag, und von kühlen und kalten Böden iſt der 
Wein nicht jo gewürzhaft, wie von warmen und hitzigen Böden. 

22. Der Affenthaler (S. 38) wird in Württemberg, wo er vorzugsweiſe 
zu Hauſe iſt, in ſehr verſchiedenem Boden gepflanzt, wenn aber aus demſelben 
ein guter Wein erzeugt werden ſoll, ſo verlangt er neben guter, ſüdlicher Lage 
auch einen guten, warmen, nachhaltig kräftigen, nicht zu ſtrengen, ſondern 
mehr milden Thon⸗, Mergel⸗ oder Kalkboden. In kühlen Lehm⸗ und Thon⸗ 


böden zeigt er zwar viel Fruchtbarkeit und gewährt einen reichen Ertrag, der 


Wein wird aber, wenn nicht außerordentlich warme Jahre eintreten, immer 


einen herben ſäuerlichen Geſchmack behalten. 


23. Der blaue Limberger (8. 38) ſcheint, nach den bis jetzt gemachten 
Erfahrungen, in jedem Weinbergsboden gut fortzukommen, doch wird ihm, wie 
dem Elbling, (S. 80) der warme, ſtrenge, kräftige Thon⸗ oder thonhaltige Kalk⸗ 
boden am. beiten zuſagen; es darf hier nicht zu⸗ſtark gedüngt werden, wenn 
keine Saftſtockung eintreten und der Rebſtock in der Blüthe nicht empfindlich 
werden ſoll. In hitzigen, magern, leichten, ſtark ſandhaltigen Böden iſt er wie der 
Elbling empfindlich in der Blüthe, auch bleibt er, wenn der Boden allzu trocken und 
hitzig wird, in der Eutwicklung ſtehen, wenn nicht noch rechtzeitig Regen eintritt. 

„ 
b. Reben, welche einen beſonders geeigneten Boden wee 

1. Der blaue Bläſſardt §. 26. 

2. Der blaue Bernardi F. 26. 

Beide Gattungen gehören zu den empfindlichern Rebſorten, die einen 


warmen, milden, lockern, kräftigen Boden verlangen (ſandiger Thon⸗, warmer 


kräftiger Lehm⸗, kräftiger Sandboden); auf ſtrengen, zähen Thon⸗, leichten ma⸗ 
gern Lehm⸗, Kalk⸗ und Sandböden, ſowie auf kühlen und kalten Böden wer⸗ 
den ſie nur kümmerlich gedeihen und bald abgehen. 


124 


3. Der ſchwarze Traminer (8. 29.) | - 
Siehe den rothen Traminer $. 81. 

4. Der blaue Hängling (§. 30) verlangt einen guten, warmen, kräftigen, 
milden Boden und wird daher, bei ſeiner ohnehin etwas ſchwachen Triebkraft, 
nur in einem kalk- und ſandhaltigen reichen Thon oder Lehm mit anziehender 
Feuchtigkeit zu einem entſprechenden Ertrag gelangen. 

5. Der Färber (§. 30) gedeiht als ein gegen Kälte ſehr empfindlicher 
Rebſtock und bei feiner geringen Vegetationskraft nur in warmem, mildem, 
kräftigem Boden, in ſtrengen, an oder zu hitzigen Böden geht er bald zu 
Grunde. 

6. Der blaue Clevner (S. 310 gehört zwar nicht zu den beſonders em— 
pfindlichen Rebſorten, er verlangt aber doch wegen der ſchwachen Bewurzelung 
einen ganz geeigneten Boden. Der Clevner gedeiht am beſten in einem war⸗ 
men, milden, kräftigen Thon- oder Mergel-, oder in einem kräftigen Lehm⸗ 
boden mit einem bedeutenden Gehalt von Humus, in dem der ſchwache Wur⸗ 
zelſtock die gehörige Nahrung findet, derſelbe ſollte einen angemeſſenen Gehalt 
von Natron beſitzen (§. 75), und zwar mit Sand- und Kalk gemiſcht fein, 
aber nicht in zu reichem Maße, indem die Clevnerrebe in dem eigentlichen 
Sand- und Kalkboden, ſowie in magern Böden wenig oder nicht gedeiht, da— 
her auch das Tauber- und das mittlere Kocher- und Jagſtthal mit ihren Kalk⸗ 
böden für den Clevner nicht taugen und die früher verſuchte Anpflanzung dort 
kein Fortkommen fand, auch iſt die Rebe in dem leichtern, loſern Boden bei 
ihrer Schwachen Wurzelkrone mehr dem Erfrieren ausgeſetzt. (Anmerkung 3.) 

Die Klevnerrebe verlangt ferner einen Boden, der entweder ſchon an und 
für ſich einige Feuchtigkeit beſitzt, oder der die Feuchtigkeit gerne aufnimmt 


3. Anmerkung. In der Champagne und in Burgund wird zwar die Clevner⸗ 
rebe auch im Kreide und in einem ſtark kalkhaltigen Boden gebaut, der letztere be⸗ 
ſitzt aber neben dem Kalk⸗ auch einen ſtarken Thon- und Humusgehalt und ſcheint da⸗ 
her für den Clevneranbau nicht ungeeignet zu ſein, auch iſt in beiden Weinbaugegen⸗ 
den die Erziehung der Rebe eine ganz andere, als in Württemberg, und namentlich 
in Burgund werden die Weinberge, nachdem die einzelnen Rebſtöcke ein Alter von 
10—15 Jahren erreicht haben, eingelegt (vergrubt wie in der Bodenſeegegend), und 
dadurch fortwährend erneuert. 

Außerdem wird es noch einer nähern Unterſuchung bedürfen, ob in den gedachten 
franzöſiſchen Weinbaugegenden überall die ächte blaue Clevnertraube gepflanzt werde, 
oder ob nicht mehr die blaue Burgunder- oder ähnliche Traubengattungen, die zu ihrem 
Fortkommen keinen beſondern Boden verlangen, zur Anpflanzung kommen. (Bronner's 
Rothweine S. 91). 

Die von dem Verfaſſer aus der Champagne r Reben gleichen jedenfalls 
nicht der Clevnerrebe. 


125 


aber nicht zu lange behält, oder wo die Feuchtigkeit des Bodens durch ſtarke 
Thauniederſchläge, wie z. B. in der Nähe von großen fließenden Waſſern oder 
Seen, oder durch einen etwas feuchten aber durchlaſſenden Untergrund erſetzt 
wird. In einem ſolchen Boden wird die Rebe bei entſprechender Erziehung 
(§. 137) lange in gutem Ertrage bleiben und ein ziemliches Alter erreichen. 
In ſtrengen, hitzigen Thon- und Mergelböden mit gleichem Untergrund iſt 
daher deren Anpflanzung gleichfalls nicht anzurathen, indem hier zwar eine 
vorzügliche Qualität erzeugt werden kann, der Ertrag hinſichtlich der Duanti- 
tät aber weit hinter den Erwartungen zurückbleiben wird, auch werden die 
Reben in ſolchem Boden keine lange Dauer zeigen. Kalte, waſſerhaltige Thon⸗ 
und mehr kühle als warme Lehmböden taugen ebenſowenig, indem hier die 
Rebe mehr in's Holz als in Trauben treibt, der Weinberg mithin im Ertrag 
bald nachlaſſen und ſelten den feinen, gewürzhaften Wein geben wird, der den 
Clevnerwein vor vielen andern rothen Weinen auszeichnet. 

7. Der blaue Portugieſe (S. 33) gedeiht am beſten in einem warmen, 
auch hitzigen, ſtrengen und trockenen oder auch ſandhaltigen Thon⸗, Mergel⸗ 
und Kalkboden, der jedoch kräftig, aber nicht fett ſein darf, wie man denſelben 
häufig in den obern Lagen der Keuperformation, ſowie am Traufe der Alp 
in der Liasformation antrifft, wo der kalkhaltige Weinbergsboden mit dem 
Liasſchiefer übertragen und gemengt wird, der zwar durch ſeine Verwitterung 
und dunkle Farbe die Vegetation außerordentlich befördert, jedoch wegen des 
Kalkgehalts den Boden nie zu fett werden läßt, ſondern immer etwas mager 
hält, daher auch hier die Portugieſerrebe vorzugsweiſe gut gedeiht, wozu 
die höhere luftige Lage über der Meeresfläche auch einiges beitragen mag. 

In niedere Lagen, wo der Froſt ſich häufig einſtellt und in kühle, feuchte, 
humusreiche und gut gedüngte Böden taugt die Portugieſerrebe nicht, indem 
bei dem ſaftreichen und fleiſchigen Holz öfters Saftüberfüllungen und Saft⸗ 
ſtockungen eintreten, wodurch nach §. 33 leicht Froſtſchaden oder andere 
Krankheiten entſtehen, die den Ertrag beeinträchtigen und den Stock zu Grunde 
richten. 

8. Der blaue Karmenot verlangt nach den bis jetzt gemachten Erfahrun⸗ 
gen ($. 35) einen ſandigen, warmen, milden Thon- oder Lehmboden oder auch 
kräftigen Sandboden mit etwas feuchter Unterlage. 

In kalten oder hitzigen, ſtrengen Thonböden altert er bald und gibt we⸗ 

nig Ertrag. 
9. Die blaue Kodarke wird zwar bei ihrer ſtarken Triebkraft i in den meiſten 
Bodenarten gut fortkommen, vorläufig und bis weitere Erfahrungen geſammelt 
ſind, dürfte jedoch deren Anpflanzung in der §. 35 beſchriebenen Bodenart 
oder überhaupt in warmem, trockenem und N Boden am angemeſſenſten 
erſcheinen. 


126 


10. Der blaue Liverdun (8. 37) verlangt bei feiner ſchwachen Wurzel⸗ 
bildung einen warmen, kräftigen, ausgeruhten Boden, wo er in ſeiner nächſten 
Umgebung die erforderliche Nahrung finden kann und ſollte daher nur, wie 
der Clevner, in warmen, lockern, kräftigen, etwas ſandhaltigen und die Feuch⸗ 
tigkeit anziehenden humusreichen Ihon-, Mergel- oder Lehmböden gepflanzt 
werden, nachdem in demſelben zuvor einige Jahre Futterkräuter gebaut waren, 
oder in ſogenanntem wildem (Wald-Waide-) Boden. In magerem, alſo nament⸗ 
lich auch im Kalk⸗ und Sandboden, altert die Rebe bald und kommt ſelten 
zum vollen Ertrag. | 

11. Der blaue Pineau (§. 37) hat bei ſchwacher Vegetationskraft und 
ziemlicher Empfindlichkeit gleichen Boden nöthig, wie der Clevner u. blaue Liverdun. 

12. Der blaue Mohrenkönig (§. 37) wird, bis deſſen Eigenſchaften näher 
bekannt ſind, nur in warmem, kräftigem Thon⸗, Mergel- und Lehmboden an⸗ 
zupflanzen ſein. 

13. Die blaue Frankentraube oder der Süßrothe, Süßſchwarze ($. 38) 
gehört zu den empfindlichern Traubengattungen und muß daher hinſichtlich der 
Lage und Bodengattung mit Auswahl angepflanzt werden. Hinſichtlich der 
Lage taugt dieſelbe, weil ſie gerne aufſpringt, nicht in feuchte Niederungen, 
ſondern mehr in luftige Höhen, auch kann ſie, aus dem angeführten Grunde, 
einen kühlen, feuchten, humusreichen Thon- oder Lehmboden nicht ertragen; 
dagegen gedeiht ſie bei angemeſſener Düngung gut in einem warmen, magern, 
ſand⸗ oder kalkhaltigen Thon- oder Mergelboden, oder in einem thonhaltigen 
Kalkboden, ſowie auch in einem kräftigen Sandboden, wie man ſolche im Tau⸗ 
berthale antrifft. Auch gedeiht ſie bei ihrer etwas frühen Reife ſogar in 
nördlichen oder nordweſtlichen Lagen noch gut und gibt, weil ſie in jenen Bo⸗ 
denarten, ohne aufzuf ſpringen, lange hängen gelaſſen werden kann, noch einen 
guten Wein. 

14. Der ſchwarze Muskateller (8. 39.) 

Siehe den weißen Muskateller §. 81. 


VI. Die anzupflanzenden Trauben-Gattungen. 


§. 84. 

Bei der Anlegung von Weinbergen verdient die Frage, welche Trauben⸗ 
gattungen anzupflanzen ſeien, die ſorgfältigſte Ueberlegung, indem bei der ver⸗ 
ſchiedenen Reifezeit und den ſonſtigen beſondern Eigenſchaften derſelben Klima, 
Lage und Boden auf das Gedeihen der Reben und auf deren Ertrag einen 
ſolch weſentlichen Einfluß ausüben, daß hievon das Gelingen eines rentablen 
Weinbaues überhaupt abhängig gemacht werden muß. Es laſſen ſich in die⸗ 
ſer Richtung folgende allgemeine Grundſätze aufſtellen: 


127 

1. In jeder Weinbaugegend und in jedem Orte derſelben muß ſowohl 
hinſichtlich der Quantität als der Qualität, je nach der Oertlichkeit, der mög— 
lichſt beſte und nachhaltigſte Weinertrag zu erzielen geſucht werden. Es dürfen 
deßwegen b 
2. in minder günſtigen Weinbaugegenden und Weinbergslagen (§. 56) 
keine ſpät⸗, ſondern müſſen mehr frühreifende Trauben gepflanzt werden und 
insbeſondere iſt auch auf ſolche Gattungen Rückſicht zu nehmen, deren Holz 
gern und bald zeitigt und viele Fruchtaugen entwickelt, weil jonft in minder 
günſtigen Jahren manche derſelben nicht zur Auszeitigung und Extragsfähigkeit 
gelangen. Ebenſo dürfen 

3. in Gegenden, in welchen öfters Regen fällt, ſtarke Thauniederſchläge 
erfolgen und deren klimatiſche Verhältniſſe überhaupt etwas feucht ſind, keine 
Traubengattungen gepflanzt werden, die gerne und bald in Fäulniß übergehen. 

4. Der zu erzeugende Wein muß eine beſtimmte Farbe, roth oder weiß 
und dadurch einen feſten Charakter erhalten, ſogenaunte Schillerweine find 
(nach §. 223) gänzlich zu verwerfen. Man muß daher bei der Anpflanzung 
eines Weinberges ſich darüber entſcheiden, ob man weißen oder rothen Wein 
erzeugen und ob man weiße oder blaue Traubengattungen anpflanzen will. 
Ebenſo muß man ſich 

5. bei jeder Anpflanzung klar machen, ob man mehr auf Quantität oder 
mehr auf Qualität bauen will, und im erſten Falle mehr auf ausgiebige und 
dauerhafte, im andern Falle mehr auf edle Trauben geſehen werden. 

6. In einem wie in dem andern Falle dürfen aber nur ſolche Trauben- 
gattungen zuſammen angepflanzt werden, welche nicht ungleich reifen, indem 
ſonſt die beſſere Qualität der frühreifenden durch die geringere Qualität der 
ſpätreifenden Trauben, beſonders in ungünſtigen Weinjahren, wieder aufgehoben 
wird, vielmehr jollte, je nach der Oertlichkeit, nur eine oder nur wenige, aber 
gleichreifende Sorten zur Anpflanzung kommen. 

7. Auch wenn mehr auf Quantität gebaut wird, ſollten nie ſolche Trau⸗ 
bengattungen gewählt werden, welche auch in guten und mittlern Weinjahren 
nur einen geringen, leichten oder ſogar ſauren Wein geben, deßhalb ſollte 
einer jeden Anpflanzung wo möglich eine Prüfung der anzupflanzenden Trau— 
bengattungen, nach dem in benachbarten Weingärten daraus erzielten Moft- 
gewicht, vorausgehen und keine Traubengattungen angepflanzt werden, die 
nicht mindeſtens in mittlern Jahren ein Gewicht von 65, in guten Jahren 
aber von 73—75 Graden nach der Moſtwage der württembergiſchen Wein- 
verbeſſerungsgeſellſchaft (Mechanikus Kinzelbach, Oechslin) zeigen. | 

8. Wird hauptſächlich auf Qualität gebaut, fo dürfen, neben einer guten 
Lage und gutem Boden, vorzüglich nur edle Rebſorten, wie Rießling, Trami⸗ 


128 


ner, Clevner, weiße und blaue Burgunder, Ruländer u. . w. zur Anpflanzung 
kommen. Der Weinmoſt ſollte mindeſtens 
in geringen Jahren ein Gewicht von 65—70 Graden, 


in mittlern Weinja hren 70-80 „ 
ir guten vorn SEI 11 
in vorzüglichen von 90 100 


zeigen. Im Allgemeinen kann als Grundſatz angenommen werden, daß, je 
kleiner die Beeren einer Weintraube ſind, und je dunkler ihre Farbe iſt, deſto 
beſſer wird, unter ſonſt gleichen Verhältniſſen, auch der Wein. Weintrauben 
mit ſehr großen Beeren enthalten in der Regel viel wäſſerigen Saft und 
geben nur geringen Wein, ſie eignen ſich daher nicht für unſere elimatiſchen 
Verhältniſſe. 

Hinſichtlich der Lage dürfte 

9. in minder günſtigen Lagen, weil hier doch keine vorzüglichen Weine 
erzeugt werden können, mehr auf Quantität, in vorzüglichen Lagen dagegen 
mehr auf Qualität gebaut werden. 

10. Eine beſondere Berückſichtigung bei der Anpflanzung der einzelnen 
eee verdient der Geſchmack der Conſumenten, indem, wenn z. B. 
mehr rothe Weine verlangt werden, hauptſächlich blaue und ſchwarze Trauben⸗ 
ſorten, wenn die weißen Weine geſucht ſind, vorzüglich weiße Traubengattungen 
zu pflanzen wären. Namentlich bei dem Abſatze der Weine in entferntere, be⸗ 
ſonders Nichtweingegenden, darf nicht immer der Geſchmack des Produzenten, 
der durch den Genuß der gewöhnlichen Landweine nicht ſelten etwas verdorben 
iſt, entſcheidend ſein, ſondern, wenn ein nachhaltiger Abſatz erzielt werden will, 
muß man ſich hauptſächlich nach dem Begehr der Käufer, ob rothe oder weiße, 
ſchwere (gehaltreiche) oder leichte Weine ꝛc. verlangt werden, richten und da⸗ 
rauf auch bei der Anpflanzung der Traubengattungen Rückſicht nehmen. Ins⸗ 
beſondere iſt zu beachten, daß durch ein Gemiſch von mehreren Traubengat⸗ 
tungen der eigenthümliche Geſchmack einer jeden derſelben verwiſcht wird, daher 
edle Weine nur nach den einzelnen Sorten zu erziehen ſind, bei andern Weinen 
aber, welche aus gemiſchten Anpflanzungen gewonnen werden, iſt darauf zu 
ſehen, daß nur wenige und nur ſolche Traubengattungen mit einander gepflanzt 
werden, die auch hinſichtlich ihres Gehalts und Geſchmacks zu einander paſſen. 


§. 85. 


Bei der Beſtockung eines Weinberges kommt hauptſächlich auch der wich⸗ 
tige Umſtand zur Sprache, ob in demſelben ein oder mehrere Rebgattungen 
angepflanzt werden ſollen. Bisher wurden die Weinberge häufig gemiſcht mit 
ſehr verſchiedenen, nicht ſelten ganz ungleichartigen Sorten, beſtockt und zur 
Rechtfertigung dieſer Behandlungsweiſe angeführt: 


129 


a. daß dadurch, weil nicht jedes Jahr die einzelnen Sorten gleich gut 
gedeihen, der Ertrag mehr geſichert ſei, ſo daß weniger gänzliche Fehlherbſte 
eintreten; | 

h. daß beſonders durch die gemiſchte Beſtockung von weißen und rothen 
Trauben der Wein haltbarer und zum Theil angenehmer, auch vor manchen 
Krankheiten bewahrt werde, indem dem milden, aus weißen Trauben gewon— 
nenen Wein die rothen Trauben Haltbarkeit, dem rothen rauhen Wein aber 
die weißen Trauben Süße und Milde verleihen, wodurch der Wein mehr 
Kaufsliebhaber finde. 

Welche Nachtheile jedoch mit einer ſolchen gemiſchten Beſtockung verbunden 
ſind, iſt bereits §. 48 nachgewieſen worden, daher wir eine ſolche unter 
keinen Umſtänden empfehlen können; damit ſoll aber nicht geſagt ſein, daß in 
jedem Weinberge nur eine Traubenſorte gepflanzt werden ſoll, indem dieſes, 
bei den verſchiedenen Lagen und Bodenarten, die in einem und demſelben 
Weinberg häufig vorkommen, nicht ſelten ebenſo unzweckmäßig wäre, als die 
ſogenannte gemiſchte Beſtockung. 

Wie bereits ausgeführt worden iſt, hat ſich der rationelle Weinbauer bei 
der Bepflanzung ſeiner Weinberge genau nach den climatiſchen Verhältniſſen 
der Weinbaugegend, ſowie nach der Lage und dem Boden ſeiner Weinberge 
zu richten, zu dieſem Behuf wird er weiße und blaue Trauben womöglich 
nicht in einem und demſelben Weinberg, ſondern jede Gattung in einer beſon— 
dern Anlage pflanzen, ſpät reifende Trauben nicht für rauhere Gegenden oder 
ungünſtige nördliche oder niedere Lagen, ſondern für jede Traubengattung die— 
jenige Lage und Bodengattung wählen, die für dieſelbe, nach ihrer Vegetations— 
kraft und Reifezeit am angemeſſenſten erſcheint. 

Im Allgemeinen kann man hinſichtlich der Lage und häufig auch hin— 
ſichtlich des Bodens die höhern Gebirge in drei Lagen, nämlich in die untere, 
mittlere und obere, die kleineren Berge und Hügel aber in zwei, nämlich in 
die untere und obere abtheilen, bei den ganz niedern und faſt ebenen Lagen 
findet kein Unterſchied ſtatt. Nach dieſen verſchiedenen Lagen wäre auch die 
Beſtockung in der Art einzurichten, daß für jede Lage eine ihr entſprechende 
Traubengattung zu wählen iſt, ſo daß alſo höchſtens dreierlei Gattungen zur 
Anpflanzung kommen, oder wenn je in den einzelnen Abtheilungen mehr als 
eine gepflanzt werden wollte, ſo müßte dieß wenigſtens beet- oder zeilenweiſe 
geſchehen, und die betreffenden Gattungen, hinſichtlich ihrer Vegetationskraft 
und Reifezeit, möglichſt mit einander übereinſtimmen Gleiche Rückſicht, beſon⸗ 
ders hinſichtlich der Reifezeit, wäre auch da zu nehmen, wo, wie beim kleine- 
ren Weinbauer, das Erzeugniß des ganzen Weinbergs oder dasjenige einiger 
Weinberge im Herbſt zuſammengeleſen wird. 5 | 

Durch eine ſolche Beſtockungsweiſe könnte in jedem Weinberge eine feiner 

9 


130 


Lage und Bodenbeſchaffenheit entſprechende reine oder ungemiſchte Beſtockung 
hergeſtellt und dadurch nicht nur ſehr zur Veredlung des Weines beigetragen, 
ſondern zugleich auch das Intereſſe des kleinen Weinbauers hinſichtlich der Si— 
cherheit des Ertrags und der zu erzielenden Quantität gewahrt werden. 


S. 86. 


Wir haben bereits erwähnt ($. 84), daß bei einem rationellen Weinbau- 
betrieb hauptſächlich auf die Erzeugung charakterfeſter, weißer oder rother 
Weine geſehen werden muß und daß bei der Auswahl der Traubengattungen 
darauf beſondere Rückſicht zu nehmen iſt. 

Als die paſſendſten Traubengattungen dürften daher anzunehmen ſein: 

1. für weiße Weine. 

a. Für edle bouquetreiche Weine: 
Der weiße Rießling, als die bis jetzt bekannte edelſte weiße Trauben- 
gattung. 
Der rothe und weiße Traminer. 
Der weiße Clevner. 
Der weiße Burgunder. 
. Der Ruländer. 
Der mittlere Velteliner. 
Der weiße und rothe Muskateller. 
Der Orleans. 
Der rothe Malvaſier. 
Davon gehören Nr. 1, 2, 6, 8 zu den ſtarken, kräftigen, Nr. 3, 4, 
5, 7, 9 mehr zu den milden, etwas weniger haltbaren Weinen. 


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* 


D g ge g be 


b. Für kräftige Mittelweine: 
1. Der weiße Hängling. 
2. Der weiße und rothe Elbling. 
3. Der Rothurban. 
4. Der grüne, gelbe und rothe Sylvaner. 
5. Der gelbe und weiße Ortlieber. 
6. Der weiße Rothgypfler. 
7. Der weiße Fütterer. 
8. Der rothe Rießling. 
9. Der weiße Welſchrießling. 
10. Der rothe Hans, auch kleiner Velteliner. 
11. Der rothe Trollinger. 
12. Der weiße und rothe Gutedel, ſowie der Krachgutedel. 


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H> 0 


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— — 
oo OO o D m 


A2 — 
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131 


Davon dürfen die Weine von Nr. 2, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11 zu den 
ſtärkern, kräftigern, diejenigen von Nr. 1, 4, 5, 12 zu den mildern, 
weniger haltbaren, gerechnet werden. 


c. Für geringere Mittelweine: 


Der weiße Raäuſchling. 
. Der weiße Tokayer, jedoch nur in Verbindung mit andern beſſern 


Traubengattungen. 


Der rothe Reifler. 
Der weiße und gelbe Heuniſch. 


2. Für rothe Weine. 


a. Für edle, gewürzreiche Weine: 


Der blaue Blüſſardt. 
Der Schwarzurban. 
Der blaue Clevner und der blaue Arbſt. Geben den edelſten Roth⸗ 


wein. 


Der blaue Carmenet. 
Der blaue Burgunder. 
Der ſchwarze Muskateller. 


Die Weine aus dieſen Traubengattungen dürfen ſämmtlich als ſtark, 
kräftig und gewürzhaft bezeichnet werden. 


b. Für kräftige Mittelweine: 


Der blaue Bernardi. 

Die blaue Müllertraube, auch ſchwarzer Rießling. 
der ſchwarzblaue Zottelwelſche (Wullewelſch). 
Schwarzer Traminer. 

Blauer Hängling (Schwarzer Häuf ßler). 

„Der ſchwarze Elbling. 

. Der blaue Sylvaner. 

Der blaue Portugieſe. 

Die blaue Kadarka. 

Der blaue Neri. 

. Der blaue Gelbhölzer (Lomersheimer Schwarze). 
2. 
Der blaue Liverdun. 

Der ſchwarzblaue Scheuchner (Grübler, Pommerer). 
„Der blaue Affenthaler. 


Die blaue Hartwegstraube (Grob⸗Tauberſch warz). 


9 * 


132 


16. Der blaue Trollinger (Schwarzwälſch). 

17. Die blaue Frankentraube (Süßroth). 

18. Der blaue Limberger. 
Davon geben Nr. 3, 6, 9, 10, 11, 14, 15, 16 flaree ß 
Jahren etwas rauhe, aber lagerhafte, Nr. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 12, 13, 
17, 18 mehr milde, angenehme, ſüße, zum Theil etwas leichte Weine. 


c. Für geringere Mittelweine: 
Der blaue Augſter. 
Der rothblaue Zottelwelſche (Hudler, Weißlauber, Gol). 
Der Färber. 
Der blaue Klöpfer (auch blauer Räuſchling). 
Der blaue Wildbacher. 
Der blaue Heuniſch. 
Der blaue Gänsfüßler. 


+ 


N OD Sta ww — 


§. 87. 

Nach den gegebenen Nachweiſungen kann, auch wenn reine Beſtockung ein— 
geführt werden will, wegen der Verſchiedenheit des Bodens und der Lage und 
wegen den ſehr von einander abweichenden Eigenſchaften der verſchiedenen 
Traubengattungen, nicht jeder Weinberg mit Vortheil und Zweckmäßigkeit 
durch eine Traubengattung beſtockt werden (S. 85), es kommt deßwegen, wenn 
dieſer Fall eintritt, ſehr viel darauf an, welche Traubenſorten zur Beſtockung 
eines Weinberges nach ſeiner Lage und ſeinem Boden gewählt werden, daher 
wir hierüber, neben dem bereits ausgeſprochenen Grundſatze (§. 84), daß keine 
ungleichreifende Trauben zuſammengepflanzt werden ſollen, noch Folgendes 
anzuführen haben: 

Da ſich die Weinconſumtion nach §. 48 neuerlich von den alten abgela⸗ 
gerten Weinen ab, und mehr den neuen, ſüßen, milden Weinen zugewendet 
hat, ſo muß auch bei der Produktion, ſowohl der weißen als rothen Weine, 
darauf beſondere Rückſicht genommen und der Grundſatz feſtgehalten werden, 
daß da, wo harte Traubengattungen gepflanzt werden, welche einen lagerhaften, 
erſt nach mehreren Jahren angenehm trinkbaren Wein geben, wie die in §. 82 
Ptk. 9, 10, 11 beſchriebenen Sorten, neben denſelben weichere Traubengattungen 
zur Anpflanzung zu bringen ſind, welche die Härte und das Raue des Weins 
mildern, und daß da, wo hauptſächlich weiche Sorten, wie Sylvaner, Gutedel ꝛc. 
gepflanzt werden, welche milde, leichte, zum Theil dicke, molzige Weine geben, 
die allzubald abnehmen und manchen Krankheiten unterworfen ſind, deuſelben 
Traubengattungen beizugeben ſind, welche dem Weine mehr Kraft und Halt⸗ 
barkeit verleihen. 

Zu dieſem Behuf konnten, in Rückſicht daß an hohen und gut gelegenen 


133 


— 


Weinbergen die Trauben oben und unten ihre vollſtändige Reife etwas ſpäter 
als in der Mitte erhalten, zur Anpflanzung je nach der Lage und Bodenbe— 
ſchaffenheit kommen: 
Für rothe Weine, 
da wo harte Traubengattungen gepflanzt werden: 

In der Mitte: Blaue Trollinger, ſchwarzblaue Zottelwelſche (Wullewelſch), 
der ſchwarzblaue Scheuchner (Grübler, Pommerer), Schwarzurban, Schwarzer 
Muskateller, der blaue Gelbhölzer (Lomersheimer Schwarze). 

Unten: Blaue Clevner, blaue Burgunder, blaue Limberger, Affenthaler, 
blaue Liverdun, blaue Müllertraube. 

Oben: Blaue Burgunder, blaue Portugieſer, blaue Hartwegstraube (Grob— 
ſchwarz, Tauberſchwarz), blaue Sylvaner, die blaue Frankentraube (Süßrothe), 
der blaue Hängling, blaue Müllertraube. 


Für weiße Weine: 


In der Mitte: Weißer Rießling, der mittlere rothe Velteliner, der Elb— 
ling, der Traminer, der Rothurban, rothe Trollinger, Rothgipfler, der rothe 
Rießling, der Welſchrießling, der weiße und rothe Muskateller. 

Unten: Der Gutedel, der weiße Burgunder, der weiße Clevner, der Ru— 
länder, der Sylvaner (im ſandigen Boden), Fütterer (im mageren Boden). 
(Anmerkung 4.) 

Oben: Der Sylvaner, der Ortlieber, der Fütterer, der rothe Hans, der 


Anmerkung 4. Die Anpflanzung des Gutedels in den untern Theilen der 
Weinberge wird neuerlich vielfach empfohlen, weil er in dem dort häufig vorkommenden 
Lehmboden beſonders gut gedeihe (§. 81) Die, nach bereits kräftig vorangeſchrittener 
Vegetation eingetretenen Froſttage am 13., 14. und 15. April 1862 haben aber zur 
Genüge bewieſen, daß der Gutedel nicht beſonders in untere Lagen taugt, weil er etwas 
frühe treibt und daher ſehr dem Erfrieren ausgeſetzt iſt. Die gedachten Froſttage 
haben bei den in den untern Theilen der Weinberge angepflanzten Gutedeln den Er— 
trag um die Hälfte bis Dreiviertel vernichtet, während bei den neben angepflanzten 
ſpättriebigen Sylvanern kaum ein Froſtſchaden zu bemerken war Aus dieſem Grunde 
wird der Sylvaner immer eine empfehlungswerthe Traubengattung auch für Niede— 
rungen ſein, wenn er dort auch gerner fault und keinen ſo feinen Wein gibt, als in 
magerem Boden auf Höhen, denn es wirkt nichts nachtheiliger auf einen rationellen 
Weinbaubetrieb, als wenn Traubengattungen in Lagen zur Anpflanzung empfohlen 
werden, von welchen der Ertrag in einer Nacht zu Grunde gerichtet werden kann, 
während der Nachbar, der andere Gattungen anpflanzte, noch einem guten Ertrag 
entgegenſieht. Die Anpflanzung des Gutedels dürfte ſich daher mehr für Höhen in 
kühlem, wenn auch magerem Lehmboden eignen, wie er auf dem Rücken der Muſchel— 
kalkgebirge häufig vorkommt und wo derſelbe auch an gedachten Froſttagen keinen 
Schaden nahm. 


134 


weiße Burgunder, der Gutedel beſonders in den kühlen Lehmböden auf dem 
Rücken der Gebirge. 


§. 88. 


Bei der Anpflanzung der einzelnen Weinberge wäre nun, wenn nach Lage 
und Boden nicht reine Beſtockung vorgezogen, d. h. nur eine Traubengattung 
angepflanzt werden will, einige von den hier angeführten, oder oben (S. 9— 39 
und 79—83) weiter beſchriebenen Traubengattungen zu wählen und dabei ſorg⸗ 
fältig auf Lage und Boden Rückſicht zu nehmen, ſo daß z. B. für mittlere 
und geringere Lagen keine ſpätreifenden, ſondern mittel- oder mehr frühreifende, 
für magere Boden keine ſolche Traubengattungen zu beſtimmen ſind, welche 
einen kräftigen Boden verlangen u. ſ. w. und wobei nur noch zu bemerken iſt, 
daß je mehr edle und geiſtreiche Sorten zur Anpflanzung kommen, deſto feiner, 
edler, gewürz- und bouquetreicher auch der Wein wird. Demgemäß werden 
die edelſten rothen Weine aus dem blauen Clevner und blauen Burgunder 
erzeugt, ferner feine Weine aus einer Miſchung des Schwarzurbans mit dem 
Clevner oder Burgunder, ſehr gute Mittelweine aus Miſchungen des blauen 
Trollingers mit dem Clevner, Burgunder, oder mit dem blauen Portugieſen, 
und dem blauen Sylvaner, oder des blauen Burgunders mit dem blauen Lim⸗ 
burger und dem blauen Liverdun, oder der Franken- (Süßrothen) Traube mit 
dem Grobſchwarzen, blauen Sylvaner, blauen Liverdun oder blauen Bur⸗ 
gunder. 

Die feinſten und bouquetreichſten weißen Weine werden von dem weißen 
Rießling gewonnen, wenn er in gute und vorzügliche Lagen mit entſprechendem 
Boden gepflanzt wird, in geringen Lagen oder auch ſchon in geringen Mittellagen 
mit minder gutem Boden ſollte derſelbe wegen ſeiner Spätreife nie zur An⸗ 
pflanzung kommen. 

Nach dem Rießling folgt ſogleich der rothe und weiße Traminer, der 
gleichfalls einen ſehr feinen und geiſtreichen Wein gibt, nur etwas weniger 
bouquetreich, als der Rießling, dagegen reift er früher und hat mehr Süße 
als dieſer. In geringen Weinjahren können daher durch eine Miſchung von 
Rießling und Traminer noch gute Weine erzielt werden. Auch durch eine 
Miſchung des Rießlings mit Ruländer oder weißem Clevner, werden ſehr feine 
Weine erzeugt, nur wird, weil die letztern früher reifen, die Miſchung in der 
Regel erſt im Faſſe vor ſich gehen müſſen. Durch eine Miſchung von etwa 
ein Drittel Rießling, ein Drittel Velteliner und ein Drittel Sylvaner, Elb⸗ 
ling, Ortlieber oder Gutedel werden gleichfalls angenehme und geiſtreiche 
Weine erzeugt. Ebenſo durch eine Miſchung von Traminer und Sylvaner. 

Zu der Erzeugung ſehr guter Mittelweine eignen ſich die Velteliner mit 
dem Gutedel, Sylvaner oder Elbling, der Rothurban mit dem Fütterer, Gut⸗ 


135 


edel oder Sylvaner, der Hans mit dem Sylvaner und weißen Burgunder, der 
Welſchrießling mit dem Sylvaner und weißen Burgunder, der Elbling mit 
dem weißen Burgunder, Gutedel, Ortlieber, Fütterer oder Hans. 

Aus den übrigen, ſowohl rothen als weißen Traubenſorten können entwe— 
der nur leichte oder geringe oder, wenn ſie auch mit beſſeren Sorten gemiſcht 
werden, nur mittelmäßige Weine erzeugt werden, oder ſie eignen ſich nicht für 
ausgedehnte Pflanzungen, daher fie ſelten oder nur ausnahmsweiſe zur An- 
pflanzung kommen ſollten. 


VII. Die Anlegung der Weinberge. 


8. 89. 


Der Anlage eines Weinberges muß die Entwerfung eines geeigneten Plans 
vorausgehen, wobei nicht nur die klimatiſchen Verhältniſſe, die Lage, der Bo— 
den und die anzupflanzenden Traubengattungen nach den bereits entwickelten 
Grundſätzen zu berückſichtigen ſind, ſondern es müſſen auch Vorbereitungen 
hinſichtlich der Zurichtung des anzupflanzenden Platzes und der Anſammlung 
der Reben getroffen werden, was in gewiſſen Fällen hie und da einige Jahre 
erfordert, indem die Rebe zu ihrem Gedeihen nicht nur einen geeigneten, theils 
mehr, theils minder kräftigen, ſondern als tief wurzelnd, auch einen tiefgrün⸗ 
digen lockern Boden verlangt. 


1. Die Vorbereitung. 


Bei der Anlage eines Weinberges kommt zunächſt zur Sprache, ob eine 
ganz neue Anlage gemacht, oder ob ein abgegangener Weinberg wieder erneuert 
werden ſolle. Der erſtere Fall kommt zwar in der Regel ſeltener vor, er 
erfordert aber ebendeßwegen eine ſehr umſichtige Ueberlegung, wenn die An— 
lage allſeitig als gelungen betrachtet werden ſoll. Hier kommen zunächſt die 
klimatiſchen Verhältniſſe in Betracht, ob dieſelben überhaupt der Anlegung 
von Weinbergen zuträglich find (S. 53—55), ſodann die Lage (8. 56-66), 
indem dieſelbe nicht in der Tiefe und auf Ebenen wegen der Kühle des Grun— 
des und des dort entſtehenden Froſtſchadens und ebenſo wenig auf hohen un⸗ 
beſchützten Bergen, wegen der über dieſelben ſtreichenden kalten Winde und 
der geringen Wirkung der Sonne ſich befinden darf und überhaupt vor ſtar— 
ken und kalten Winden geſchützt ſein muß. Auch muß ſie eine gute, möglichſt 
ſüdliche, nicht allzuſteile und nicht zu ſchwache Abdachung haben, ſo daß die— 
jenigen Lagen zu den beſſeren gerechnet werden dürfen, welche ſich in der 
Mitte der Berge befinden, und die Sonne am längſten den Tag über behal— 
ten. Außerdem darf die nächſte Umgebung keine ungünſtige ſein, indem z. B. 
die unmittelbare Begrenzung durch Waldungen oder die Anlegung von Wein— 


136 


bergen mitten in Waldungen denſelben durch Beſchattung, durch Entziehung 
der Nahrung durch die Wurzeln der Waldbäume mancher Nachtheil zugehen 
würde und ſpäter die Trauben durch Inſekten, Vögel und andere Thiere vie⸗ 
len Beſchädigungen ausgeſetzt wären. 

Hinſichtlich des Bodens iſt zu erwägen (F. 76. 77), ob derſelbe überhaupt 
zum Weinbaue ſich eigne und namentlich ſoviel wärmehaltende und Nähr⸗Kraft 
beſitze, daß die Rebe in demſelben gut gedeihen kann, insbeſondere ob ſich an 
der Oberfläche keine Waſſerquellen zeigen und ob und wie dieſelben abgeleitet 
und der Boden dadurch trocken gelegt werden kann; ob der Ober- und Un⸗ 
tergrund nicht in waſſerhaltigem Thon beſtehe, Der nicht beſeitigt oder nicht 
verbeſſert werden kann; ob der Boden nicht zu ſeicht iſt und daher ein ange— 
meſſenes Reuten durch feſte Felsmaſſen nicht unmöglich gemacht oder ſehr er— 
ſchwert wird; ob der Boden nicht zu locker, zu leicht und zu mager ſei, ſo 
daß die Rebe in demſelben, wie im loſen Sand, nicht die gehörige Nahrung 
findet. 

Auf einem Felde, auf dem früher keine Reben gepflanzt wurden, wird 
es bei der tiefen Wurzelung derſelben und der noch unbenützten Bodenkraft 
ſelten an der erforderlichen Nahrung für dieſelben fehlen, vielmehr iſt es Er— 
fahrungsſache, daß dieſelben in einem ſolchen ausgeruhten Boden (wie Wald— 
und Waideboden) ſehr freudig gedeihen, auch läßt ſich ein nicht ganz geeigne— 
ter Boden verbeſſern, wie z. B. ein waſſerhaltiger Thon durch Anlegung von 
Waſſerabzugsdohlen (§. 93), durch Aufführung und Vermiſchung mit Mauer⸗ 
ſchutt, Kalkſteingerölle oder leichterem, beſſerem, ſand- oder kalkhaltigem Bo⸗ 
den; ein leichter, loſer Boden aber durch Beimiſchung von einem feſteren 
Thon oder Lehm, oder durch Aufführung von Raſen, oder durch ſtarke Dün⸗ 
gung, doch wird es bei Neuanlagen immer das Angemeſſenſte ſein, wenn man 
ſolche in ſehr ungeeignetem Boden, im Falle nicht durch eine vorzügliche Lage 
die Nachtheile theilweiſe ausgeglichen werden, gänzlich unterläßt, weil es immer 
etwas ſehr unſicheres bleibt, ob der Boden auch bei aller Mühe und Arbeit 
auf nachhaltige Weile verbeſſert werden kann und ob durch die oft ſehr bedeu— 
tenden Verbeſſerungskoſten der künftige Ertrag nicht ganz abſorbirt wird. Zeigt 
ſich bei einer Neuanlage durch darunter befindlichen Felsmaſſen ein ſeichter 
Boden, ſo kann derſelbe durch Ausbrechung der Felſen oder durch Aufbringung 
von Erde auf die ſeichten Stellen und Aufführung von Mauern tiefgründiger 
gemacht werden, wie dieſes an den ſteilen mit vorzüglichen Lagen verſehenen 
Muſchelkalkgebirgen des mittlern und untern Neckarthales, ſowie auch des 
Enz⸗ und Tauberthales hie und da der Fall iſt. 


8.90. 
Soll ein abgegangener Weinberg wieder erneuert werden, fo iſt, da über 


137 


die Lage bereits entſchieden iſt, hauptſächlich zu unterſuchen, ob die Fläche 
noch den erforderlichen Bodenreichthum beſitze, um der neu anzupflanzenden 
Rebe die nöthige Nahrung zu geben, oder ob derſelbe auf natürliche oder 
künſtliche Weiſe erſetzt werden muß. 

Die neueſten Unterſuchungen unſerer Naturforſcher haben gezeigt, daß 
die Pflanzenwurzeln diejenigen Safttheile, welche nicht zur Ernährung der 
Pflanzen dienen, wieder von ſich geben, ausſchwitzen, wie dieſes bei den Exkre— 
menten der Thiere der Fall iſt (S. 1). Wenn nun eine Pflanze, wie die 
Rebe, Jahre lang an einer Stelle ſtehen bleibt, ſo wird in gewiſſen Fällen 
nicht nur die zur Ernährung derſelben geeignete Bodenkraft von derſelben 
nach und nach ausgeſogen, ſondern die Erde wird auch mit ihren Exkrementen 
immer mehr angefüllt und dadurch unfruchtbar, die ausgeſchiedenen Stoffe 
tragen jedoch die Fähigkeit zur Ernährung anderer Pflanzen in ſich, worauf, 
wie in der Landwirthſchaft allgemein bekannt iſt, die Fruchtwechſelwirthſchaft 
und bei dem Weinbaue auch die natürliche Erneuerung der Bodenkraft der ab— 
gegangenen Weinberge beruht. 

Die erforderliche Bodenkraft für die Neuanlage wird vorhanden ſein, 
wenn der Boden ſolche zur Ernährung der Rebe taugliche Beſtandtheile in 
ſich begreift, welche nur ſehr langſam verwittern und daher demſelben immer 
wieder neue Nährtheile zuführen, wie z. B. da, wo der Boden hauptſächlich 
aus Kalkſteingerölle, Kalkſchiefer, hartem Kalk- oder Thon-Mergel, oder 
aus Urgebirgstrümmern (Granit) oder vulkaniſchem Boden beſteht, und wo 
zugleich, vermöge der guten Lage und der ſteilen Abdachung, durch das ſtarke 
Aufprallen der Sonnenſtrahlen die Vegetation ohnehin befördert wird, auch 
würde in einer ſolchen Lage und in einem ſolchen Boden wegen der hitzigen 
Eigenſchaft beider der Verſuch, durch die Zwiſchenanpflanzung anderer Ge— 
wächſe den Boden ausruhen zu laſſen und demſelben neue Kräfte zu geben, 
nur ſchlecht gelingen, weil hier andere Gewächſe, wie Körnerfrüchte oder Fut— 
terkräuter, nur ſchlecht oder gar nicht gedeihen würden. Außerdem kann aber 
durch die Anpflanzung beſonders von tief wurzelnden Futterkräutern (Klee) in 
einem von Natur triebigem Boden ein Ueberreiz in demſelben entſtehen, wo— 
durch zwar in den erſten Jahren die Reben ein ſehr üppiges Gedeihen zeigen, 
ohne in dieſem Verhältniß einen höhern Ertrag zu gewähren, dann aber aus 
Ueberreiz bald wieder abſterben, wie dieſes in dem ſtark kalkhaltigen Boden 
des Tauberthales bei vorangegangenem mehrjährigem Kleeeinbau der Fall 
ſein ſoll. 

Das alsbaldige Reuten (Rotten) eines Weinberges, nachdem die alten 
Reben ausgehauen ſind, heißt man das Reuten vom Stock hinweg. Wenn 
aber auch ein ſolches Reuten vom Stock hinweg vorgenommen werden will 
oder muß, ſo ſind auch hiebei einige Vorbereitungen nöthig, indem es in man— 


138 


chen Fällen ſehr zweckmäßig erſcheint, wenn in dem letzten Jahre vor dem 
Aushauen der Reben dieſelben möglichſt lang angeſchnitten werden, um von 
ihnen noch den möglichſt großen Ertrag zu erzielen, ſofort aber alle weitere 
Bauarbeiten unterlaſſen, und der Boden mit Klee oder Grasſaamen eingeſät 
und ſofort nach dem Herbſt untergereutet wird, was ſehr zur Kräftigung des 
Bodens beiträgt, ohne demſelben einen allzugroßen Ueberreiz zu geben. Außer⸗ 
dem kann auch Raſenerde, Kompoſt oder ſonſt ein geeignetes Kräftigungsmit⸗ 
tel angeſammelt werden, das beim Reuten mit der Erde in den Reutgräben 
gemiſcht wird. 


8. 91. 


Hat der Boden nach dem Abgange eines Weinbergs nicht die nöthige 
Kraft, um die neugeſetzten Reben nachhaltig ernähren zu können, fo muß die⸗ 
ſelbe, wenn die Rebanlage gedeihen ſoll, auf irgend eine Weiſe erſetzt werden. 
Die natürlichſte Erſetzung erfolgt, wenn man den Boden einige Jahre aus⸗ 
ruhen und öd liegen läßt, damit derſelbe, vermöge ſeiner Anziehungskraft, durch 
die Luft, den Thau und den Regen mit denjenigen Beſtandtheilen ſich ſchwän⸗ 
gern oder diejenigen innern Beſtandtheile auflöſen kann, welche zur Ernährung 
der Rebe nothwendig ſind. Die zweckmäßigſte Erſetzung iſt jedoch, wenn der 
ausgehauene Weinberg einige (46) Jahre mit andern und beſonders mit 
tief wurzelnden Gewächſen angebaut wird, wie mit Klee und namentlich dem 
blauen Klee (Luzerne), indem durch andere Gewächſe die für die Rebe um- 
fruchtbaren Exkremente derſelben konſumirt, durch das tiefe Wurzeln der Bo- 
den gelockert, der Zutritt der Luft befördert und manche befruchtenden Theile 
aus der Tiefe heraufgeholt werden, ſo daß durch alles dieſes der Boden neue 
Nahrungsſäfte ſammeln kann und beſonders durch die Verweſung der langen 
ausgebreiteten Wurzeln, ſowie der dichten Grasnarbe demſelben viele nachhal- 
tige, der Rebe ſehr zuträgliche Nahrungsſtoffe zugeführt werden. Da jedoch 
der Boden durch den Einbau anderer Gewächſe gleichfalls in Anſpruch ge⸗ 
nommen wird, ſo iſt es nach den gemachten Erfahrungen angemeſſen und 
dem Gedeihen der ſpäter anzupflanzenden Rebe ſehr förderlich, wenn derſelbe, 
während jener Anpflanzung, einige Male tüchtig gedüngt wird. Namentlich 
will man die Bemerkung gemacht haben, daß, wenn bei dem längeren Einbau 
von blauem Klee, beſonders in leichterem Boden, nicht vor dem Reuten ein 
bis zweimal gut gedüngt wird, der Weinberg keine Nachhaltigkeit zeige, ſon⸗ 
dern mehr ins Holz als in Trauben treibe. Ebenſo ſollen auch Weinberge, 
bei welchen der Boden zuvor einige Jahre ganz öd lag, zwar langſamer her- 
anwachſen, aber dauerhafter ſein als ſolche, in welchen zuvor Klee gebaut 
wurde, weil hier, durch allzuſtarken Trieb der Rebe, in den erſten Jahren der 
Stock allzuſehr in Anſpruch genommen werde und dadurch früher nachlaſſe. 


189 


Die Anblümung eines Weinbergs mit andern Gewächſen, beſonders mit 
Gras oder Klee, kann entweder im letzten Jahr des Beſtands deſſelben durch 
die Einſaat zwiſchen die Rebſtöcke (§. 90) geſchehen, wobei dann das Aus⸗ 
hauen der Rebſtöcke erſt nach dem Herbſt erfolgt, oder der Weinberg wird 
nach dem Aushauen der Stöcke mit einer Körnerfrucht (Gerſte, Einkorn) an⸗ 
geblümt und unter dieſelbe dann auch der Gras- oder Kleeſaamen geſäet, 
unter deren Schutze derſelbe im erſten Jahre freudig gedeiht. 

Der Boden, der eine längere Vorbereitung für das künftige Gedeihen der 
Rebe erfordert, beſteht hauptſächlich in ſolchem, der weniger alkaliſche Stoffe, 
ſowie Kalk ꝛc. (S. 75) mit ſich führt, wie dieſes namentlich bei den kühlen 
Böden, beſonders dem Lehmboden, und bei dem in der Keuperformation ent⸗ 
ſtandenen Thonboden häufig vorkommt, daher in Württemberg auch in ſolchen 
Bodenarten die mehrjährige Anpflanzung anderer Gewächſe, namentlich blauer 
Klee, vor der Neuanlage eines Weinberges faſt überall eingeführt iſt, auch iſt 
zu berückſichtigen, daß bei der Anpflanzung der verſchiedenen Gewächſe, welche 
zur Vorbereitung für die Neuanlage eines Weinberges dienen, auf die Be⸗ 
ſchaffenheit des Bodens beſondere Rückſicht zu nehmen iſt, indem die Erfah⸗ 
rung lehrt, daß eine gleichförmige Behandlung nicht überall als angemeſſen 
erſcheint, namentlich, je mehr ein warmer Boden ſchon an und für ſich Kalk, 
Natron und Kali enthält, deſto weniger wird, aus den bereits angeführten 
Gründen, den künftigen Rebanlagen die längere Aupflanzung von tief wur⸗ 
zelnden und eine ſtarke Grasnarbe gebenden Gewächſen, wie blauer Klee ꝛc., 
zuträglich ſein, vielmehr iſt in einem ſolchen Falle die Anpflanzung von an⸗ 
dern Gewächſen oder von einjährigem rothen Klee, wie in dem Ohr- und 
Tauberthale, angemeſſener. 

Eine künſtliche Wiederherſtellung der erſchöpften Bodenkräfte kann vorge⸗ 
nommen werden durch Aufbringung und das Unterreuten von kräftiger Erde, 
Kompoſt, Raſen, ſtark verweſtem Dünger oder durch das Ausfüllen der Reut⸗ 
gräben mit ſolchen Subſtanzen, oder durch Belegung derſelben mit Reben⸗, 
Dorn⸗, Nadelholzbüſcheln, indem dieſe durch ihre Verweſung der Rebe nicht 
nur viele Nahrung geben, ſondern auch die untern Bodenſchichten längere Zeit 
locker erhalten, wodurch die Wurzeln der Rebe ſich überall gehörig ausbreiten 
können. Hauptſächlich wird bei einer ſolchen künſtlichen Erneuerung der Bo— 
denkräfte darauf Rückſicht zu nehmen ſein, daß dadurch den Reben nicht nur 
die organiſchen Grundſtoffe, die ihre nachhaltige und kräftige Vegetation be⸗ 
dingen, Kohlen-, Waſſer⸗, Sauer⸗ und Stickſtoff, ſowie die Erzeugniſſe derſel⸗ 
ben, die Kohlenſäure, das Ammoniak und Humus (§. 61. 63. 72), ſondern 
auch die erforderlichen unorganiſchen Stoffe: Kalk, Kali, Natron ꝛc. ($. 75) 
in gehöriger Menge zugeführt werden, was aber in manchen Fällen mit kei⸗ 
nem unbedeutenden Koſten⸗Aufwand verbunden ſein dürfte. 


140 


2. Das Reuten (Rotten). 


892 
Durch das Reuten (Rotten) eines Weinberges ſollen neben einer tiefen, 
der Rebe zuträglichen Auflockerung des Bodens auch verſchiedene andere Zwecke 
erreicht werden, die wir hier zu betrachten haben und worüber vor dem Be⸗ 
ginnen der Arbeit ein angemeſſener Plan entworfen werden muß, wenn die 
neue 8 ganz zweckmäßig ausfallen ſoll. 


a. Lage und Abdachung. 


Ein Weinberg ſoll eine gleiche, möglichſt ſüdliche Lage haben, damit die 
Sonnenſtrahlen eine gleiche Wirkung auf denſelben ausüben, indem jede Un— 
gleichheit in der Lage auch eine ungleiche Wirkung der Sonnenſtrahlen und 
dadurch eine Ungleichheit in der Zeitigung der Trauben herbeiführt. Wenn 
daher insbeſondere bei der neuen Anlage eines Weinberges ein ſolcher ſich 
mehr gegen Oſten oder Weſten neigt, ſo kann die Lage in eine mehr ſüdliche 
verwandelt werden, wenn die hintere gegen Oſten oder Weſten ſtehende Seite 
bedeutend erhöht und die Erhöhung erforderlichen Falls durch Mauern oder 
Grasraine unterſtützt wird, wie dieſes in manchen Gegenden Württembergs 
hie und da zur Anwendung gekommen iſt, wobei jedoch der Nachbar ohne 
ſeine Zuſtimmung nicht benachtheiligt werden darf. 

Sind die Abdachungen an einem Weinberge zu ſteil, ſo daß der obere 
Boden bei ſtarkem Regen leicht abgeſchwemmt werden könnte, ſo muß die 
Steilheit durch Aufführung von Mauern oder durch Anlegung von Grasrai— 
nen auf die §. 57 angegebene Weiſe gemildert und zu dieſem Behufe ſchon 
vor der Anlage des Weinberges die erforderliche Vorſorge getroffen, bei de— 
ren Errichtung aber die hienach enthaltenen Vorſchriften (§. 98) berückſich— 
ſichtigt werden. 

b. Unebenheiten. 


Bei der neuen Anlage von Weinbergen kommt es nicht ſelten und hie 
und da auch bei dem Umreuten alter Weinberge vor, daß ſich Vertiefungen 
und Erhöhungen zeigen, die, wenn der Weinberg eine gleiche Lage erhalten 
ſoll, nicht ſo belaſſen, ſondern ausgeglichen werden müſſen. Können die ein⸗ 
zelnen Erhöhungen zu der Ausgleichung der Vertiefungen verwendet werden, 
ſo kann dieſes während des Reutens dadurch geſchehen, daß man die Erde 
auf diejenige Seite ſchafft, wo ſich die Vertiefungen befinden. Iſt die Erhö— 
hung in der Mitte, ſo wird mit dem anzulegenden Reutgraben auf beiden 
Seiten begonnen und die Erde immer gegen die Vertiefung geſchafft, ſo daß 
die Erhöhung in der Mitte ſich verlieren muß; iſt die Erhöhung auf der 
einen Seite, ſo wird der Reutgraben auf der niedern Seite angelegt, und die 


141 


Erde fortwährend auf dieſe Seite geſchafft, wodurch ſich Erhöhung und Ver— 
tiefung gleichfalls ausgleichen werden, ſind aber nur Erhöhungen und keine 
Vertiefungen vorhanden oder letztere von erſteren weit entfernt, ſo müſſen in 
den Erhöhungen vor dem Reuten, je nach dem Zuge derſelben, den Berg 
hinauf oder quer ſogenannte Schlitzgräben angelegt und hier ſo viel Erde aus— 
und in die Vertiefungen getragen oder bei Seite geſchafft werden, bis die Er— 
höhung ausgeglichen iſt, wobei jedoch die Vorſicht zu gebrauchen wäre, die 
obere humusreiche Erde zuvor abzuheben, bei Seite zu legen und dann beim 
eigentlichen Reuten in den Untergrund zu ſchaffen, weil ſonſt der letztere an 
ſolchen Stellen zu mager bliebe. 


„ 
C. Der Untergrund. Die Entwäſſerung. 


Auf den Untergrund eines Weinberges muß je nach der verſchiedenen 
Beſchaffenheit deſſelben (S. 73) bei und vor dem Reuten deſſelben beſondere 
Rückſicht genommen werden, indem durch die Heraufſchaffung und Vermiſchung 
des Untergrunds mit dem Obergrund der letztere öfters bedeutend verbeſſert 
werden kann, wie z. B., wenn ſich in erſterem Mergel, Gyps, fetter Thon⸗ 
ſchiefer ꝛc. befindet, oder wenn mit dem obern, lockern, leichten Boden, ein 
ſtrengerer und ſchwererer Boden oder auch nicht allzugrobes Steingerölle ge— 
miſcht, oder wenn der ſtrenge Obergrund durch den mehr ſandigen Untergrund 
lockerer gemacht werden kann. Iſt dagegen der Obergrund ſeicht und befin— 
den ſich in dem Untergrund Felſen, ſo müſſen ſolche ſo weit ausgebrochen wer— 
den, als zur Gewinnung eines angemeſſenen Obergrundes nöthig iſt, wobei 
die Steine bei ſteilen Abdachungen zu der Aufführung von Mauern verwendet 
werden können. Zeigt ſich der Untergrund dadurch undurchlaſſend, daß ſich 
in demſelben dünne Schichten von Steinen, wie in dem Mergelboden, die 
Mergelſteine, oder feſter Mergel (Kies), oder zäher Thon (Letten) befinden, ſo 
müſſen die dünnen Schichten durchbrochen, Steine und Thon beſeitiget, oder 
der letztere, je nach Umſtänden, ſowie der Mergel mit dem übrigen Boden 
gemiſcht werden. 

Kommen Waſſerquellen, oder an einzelnen Stellen kleine Anſammlungen 
von Waſſer, ſogenannte Waſſergallen, oder überhaupt ein ſtark waſſerhaltiger 
Untergrund zu Tage, ſo muß derſelbe durch Ableitung des Waſſers möglichſt 
trocken gelegt werden. Dieſes geſchieht, wenn das Waſſer nicht in den tiefern 
Untergrund verſenkt werden kann, durch die Anlegung von unterirdiſchen Grä— 
ben, die mit kleineren Steinen ausgefüllt und dann, wie das übrige Gereuth, 
mit Erde bedeckt werden, und durch die ſich dann das Waſſer abziehen kann, 
oder es können, wenn der Waſſerandrang ſtärker iſt, auch gemauerte Abzugs— 
dohlen angelegt werden. 


142 


In der neuern Zeit iſt häufig auch die Entwäſſerung der Weinberge durch 
Drainröhren (Drainirung) zur Sprache gekommen, indem bei den außerordent⸗ 
lich günſtigen Reſultaten, den die Drainirung des Bodens bei andern Cultur⸗ 
zweigen herbeigeführt hat, bei den Weinbergen gleichfalls und um ſo mehr 
ſehr günſtige Ergebniſſe erwartet werden dürften, als die Reben gerade zu den⸗ 
jenigen Pflanzen gehören, welche eine allzugroße Feuchtigkeit am wenigſten er⸗ 
tragen können, und deßwegen öfters von einer Krankheit, der Gelbſucht, be⸗ 
fallen werden, die durch die Drainirung beſeitigt werden könne. Außerdem 
könnte durch den Zutritt der Luft in den untern Bodenſchichten mittelſt der 
Drainröhreit ein allzuſtrenger Weinbergsboden milder und lockerer gemacht, 
und dem Boden vom Frühjahr bis zum Spätjahr eine Menge warmer Luft 
zugeführt werden, wodurch die Vegetation der Rebe und die Zeitigung der 
Trauben außerordentlich befördert werden müßte. Nur wäre der Umſtand zu 
befürchten, daß, weil ſich die Wurzeln tiefſtehender Gewächſe häufig der Feuch⸗ 
tigkeit nachziehen, dieſes auch bei der Rebe der Fall ſein könne, wodurch ſich 
die Drainröhren durch die in denſelben ſich bildenden Wurzelſchwänze bald 
verſtopfen könnten, wie dieſes bei Drainanlagen in Baumpflanzungen ſchon der Fall 
geweſen ſeie. Ob nun in Deuſchland ſchon größere Drainanlagen in Weinbergen vor⸗ 
genommen und ob dabei die in Ausſicht geſtellten Vortheile auch wirklich erreicht 
worden ſind, iſt dem Verfaſſer nicht bekannt, auch hat eine von ihm im Kleinen an⸗ 
gelegte Drainirung in Beziehung auf die Reben kein außergewöhnliches Reſul⸗ 
tat herbeigeführt. Dagegen wurde bei der Verſammlung der deutſchen Wein⸗ 
und Obſtproduzenten in Wiesbaden im Spätjahr 1858 angeführt, daß Drain⸗ 
Anlagen am Neuſchateller See und in Frankreich mit gutem Erfolge in den 
Weinbergen eingeführt werden und daß nach den bisherigen Erfahrungen das 
Verſtopfen der Röhren durch Wurzelgeflechte der Reben nicht zu befürchten 
ſei, weil die Rebe das Waſſer nicht ſo ſuche, wie ſaftreichere und waſſerhal⸗ 
tigere Pflanzen, als die Weide ꝛc. 

Auch in der Gegend von Wien wurden von dem Gärtner Daniel Hovi⸗ 
brenk zu Hitzing gelungene Verſuche mit der Drainirung von Weinbergfeldern 
gemacht, wodurch namentlich auch ein früheres Reifen der Trauben herbeige⸗ 
führt worden ſei. 

(Hohenheimer landwirthſchaftliches Wochenblatt, 1860, Seite 245.) 

Wollen Verſuche mit der Drainirung von Weinbergen gemacht werden, 
ſo wird es jedenfalls zweckmäßig ſein, wenn dieſes bei der Neuanlage derſelben 
geſchieht, weil, wenn ein alter Weinberg mit einem waſſerhaltigen Boden 
drainirt werden wollte, die an eine größere Feuchtigkeit gewöhnten Wurzeln 
durch die Trockenlegung des Bodens leicht ausdorren und abſterben und der 
Weinberg dadurch ſtatt zu- bedeutend abnehmen könnte. 

In Württemberg dürften ſich, nach der Anſicht des Verfaſſers, die Wein⸗ 


143 


berge in der Bodeuſeegegend wegen des dortigen größeren Feuchtigkeitsgrades 
vorzugsweiſe zur Drainirung eignen, indem dadurch zugleich das häufige Fau⸗ 
len der Trauben verringert und die Zeitigung derſelben befördert würde. 


8. 94. 
d. Die Art des Reutens. 


Bei dem Reuten eines Weinberges kommt zunächſt zur Sprache, ob der— 
ſelbe ganz oder nur einzelne Theile deſſelben gereutet werden ſollen, und ob, 
vermöge ſeiner mehr oder minder ſteilen Abdachung und der Beſchaffenheit 
des Bodens, Mauern oder Grasraine erforderlich ſind oder nicht. 

Sollen nur einzelne Abtheilungen gereutet werden, ſo muß man ſich da⸗ 
bei genau nach der Anlage des übrigen Weinberges richten, damit, gegenüber 
von dieſem, keine Ungleichheiten entſtehen, während man bei der neuen Anlage 
eines ganzen Weinberges freiere Hand hat und planmäßiger auf die bereits 
angegebene Weiſe verfahren kann. 

Sind Mauern oder Raine aufzuführen, ſo müſſen die Stellen, wo dieſes 
zu geſchehen hat, zuvor genau bezeichnet, und der Weinberg in eben ſo viele 
Abtheilungen abgetheilt werden, von welchen jede nach einem beſondern Plane 
zu reuten und anzulegen iſt, jedoch ſo, daß die Zeilen der Stöcke möglichſt auf 
einander gehen. 

Der Zweck des Reutens beſteht übrigens nicht nur in einer tiefen Auf, 
lockerung und Umkehrung des Bodens, ſo daß die obere, durch die Berührung 
mit der Luft und durch Düngung oder Anpflanzung von andern Gewächſen 
fruchtbar gemachte Bodenſchichte in die Tiefe kommt, um die Reben gehörig 
tief ſetzen zu können, und denſelben einen zu ihrem Gedeihen gut zugerichteten 
Boden zu verſchaffen, ſondern auch darin, daß die untere unfruchtbare Erde 
an die Oberfläche gebracht, durch Verwitterung fruchtbar gemacht und dadurch 
den Reben die zu ihrem Gedeihen erforderlichen unorganiſchen Beſtandtheile 
nach und nach zugeführt werden. 

Wenn nun ein Weinberg eine gleiche Lage hat, oder nicht in viele und 
ſchmale Abtheilungen durch Aufführung von Mauern abgetheilt iſt, wird mit 
dem Reuten in der Regel unten am Berg dadurch begonnen, daß man einen 
ſogenannten Reutgraben von 3—4 Fuß Breite quer durch den Weinberg, 
unter Zugrundlegung eines beſtimmten Maßes, abſteckt, und die Erde ſofort, 
je nachdem man ſeichter oder tiefer reuten will, 2—3 Fuß tief aushebt und 
dieſelbe entweder auf einen nahe liegenden leeren Platz bringt, oder an das 
obere Ende der zu reutenden Fläche (die Stirne) trägt, um damit den letzten 
Graben auszufüllen. Iſt der erſte Graben ausgetragen, ſo wird ein zweiter 
Graben von gleicher Breite abgeſteckt, derſelbe in gleicher Tiefe, wie der erſte 
Graben, ausgehoben, die Erde in den letztern geworfen und derſelbe damit 


144 


ausgefüllt, wobei darauf zu ſehen iſt, daß die obere fruchtbare Erde, wenn zu— 
vor Klee gepflanzt wurde, die Kleenarbe, unten in den Graben zu liegen 
kommt, damit die Wurzeln der Rebe genügende, kräftige und andauernde Nah⸗ 
rung finden. Auch ſoll beſonders ein zäher, ſtrenger, zuſammenhängender Bo— 
den nicht mit dem Spaten ausgeſtochen und in den Reutgraben geworfen wer- 
den, weil ſonſt der ganze Stich zuſammengeballt beiſammen bleibt, und der 
Boden dadurch wenig oder gar uicht aufgelockert in die Tiefe kommt, wodurch 
dem Eindringen und Ausbreiten der Wurzeln viele Hinderniſſe entgegengeſetzt 
werden. Am wenigſten zweckmäßig, ſondern ſehr verwerflich iſt es, wenn, 
nachdem der Reutgraben ausgeſchlagen iſt, der nächſte zum Ausfüllen beſtimmte 
Boden, an der feſten Wand untergraben wird, ſo daß dieſelbe auf einmal in 
den Graben ſtürzt, wodurch zwar der Graben größtentheils ausgefüllt, aber 
ein ganz undurchgearbeiteter Boden in großen feſten Maſſen in den Untergrund 
kommt, in dem die Reben, wie bereits angeführt, nicht gehörig wurzeln können 
und durch den auch noch der Abfluß des Waſſers in der Tiefe gehemmt wird. 


Am zweckmäßigſten iſt es, wenn der Boden mit der Haue oder dem zwei— 
zinkigen Karſt aufgehauen und mit der Schaufel in den Reutgraben gewor⸗ 
fen wird. 


Hat der Boden viele Steine, wie im mittleren Neckar- im Kocher⸗ 
Jagſt⸗ und Tauberthale, fo iſt es ſehr zweckmäßig, wenn die größten Steine 
ausgeleſen und damit der Boden des Reutgrabens belegt wird, indem die 
Rebe mit Luſt ihre Wurzeln durch die Steine treibt, und das Waſſer ſich in 
dem Graben nicht aufhalten kann, ſondern unter den Steinen ſeinen Weg 
weiter ſucht. Beſonders angemeſſen iſt dieſes, wenn ein Weinberg einen zähen, 
lettigen, undurchlaſſenden Untergrund hat (S. 93), doch wird in ſolchen Fällen 
manchmal etwas tieſer gereutet werden müſſen, damit der Boden über der Stein⸗ 
lage immer noch eine Tiefe von 2 Fuß erhält. 


Wie bei dem erſten und zweiten Reutgraben, ſo wird mit der Anlegung 
und Ausfüllung der übrigen fortgefahren, bis der ganze Platz umgereutet iſt, 
worauf der letzte Graben entweder mit der vom erſten Graben beigetragenen 
oder mit anderer disponiblen Erde ausgefüllt wird. Damit jedoch für die 
Ausfüllung der einzelnen Reutgraben nicht zu wenig und nicht zu viel Erde 
gewonnen wird, ſo muß man ſich bei der Anlegung derſelben, ſowohl für die 
Breite als Tiefe eines beſtimmten Maßes bedienen, indem das gereutete Feld 
ſtets eine gleiche Tiefe zu erhalten hat, ſo daß der unter demſelben befindliche 
Untergrund eine gleiche anſteigende Fläche bildet, auf dem das in dem Boden 
befindliche Schnee- und Regenwaſſer bequem ablaufen kann. Ein ungleiches 
Reuten würde viele Mißſtände veranlaſſen und namentlich eine ungleiche Tiefe 
den großen Nachtheil herbeiführen, daß in den ſtärkeren Vertiefungen, beion- 


145 


* 
* 


ders bei undurchlaſſendem Untergrund, das Waſſer längere Zeit fen bliebe 
und Krankheiten der Rebe veranlaſſen würde. 


§. 95. 


Eine beſondere Vorſicht erfordert das Reuten, wenn, was auch bei alten 
Weinbergen vorkommen kann, ſich kleinere Erhabenheiten oder Vertiefungen 
zeigen, oder wenn überhaupt einem Weinberge in Folge einer andern Einthei- 
lung oder der Aufführung von Mauern theilweiſe eine andere Lage gegeben 
und dieſes bei dem Reuten ausgeglichen werden ſoll. Zeigen ſich nämlich Ver— 
tiefungen, welche erhöht werden ſollen, ſo werden an ſolchen Stellen, um mehr 
Boden zu gewinnen, die Reutgräben breiter gemacht und damit fo, lange fort- 
| gefahren, bis die Vertiefung ausgefüllt iſt, wogegen, wenn man an die höher 
liegende Fläche kommt, an der Breite der Gräben nach und nach etwas abge— 
brochen wird, bis ſie wieder die urſprüngliche Breite erhalten haben und der 
gereutete Boden eine gleiche Fläche bildet. Sind Erhöhungen, aber keine Ver— 
tiefungen vorhanden, in die man die überflüſſige Erde ſchaffen kann, ſo wird 
dieſelbe durch anzulegende Schlitzgräben auf die in §. 92 angegebene Weiſe 
beſeitigt, will man aber, beſonders bei neuen Anlagen, die Lage eines Wein— 
berges wegen der Richtung gegen die Sonne, auf einer Seite etwas erhöhen, 
ſo kann man dieſes neben der in §. 92 angegebenen Weiſe auch ſchon durch 
das Reuten dadurch erreichen, daß man mit der Anlegung der Reutgräben auf 
der niedern Seite in ſchiefer Richtung beginnt und dieſelben tiefer aushebt, 
wodurch mehr Boden gewonnen und derſelbe dadurch erhöht wird. 

Mußten bei ſehr ſtarken Abdachungen ſchmale, durch hohe Mauern ges 
ſchiedene Abtheilungen gemacht werden, ſo iſt es zur Erhaltung der Mauern 
ſehr zweckmäßig, wenn nicht von unten gegen oben, ſondern quer über jede 
Abtheilung gereutet wird. 


§. 96. 
b. Das tiefe oder ſeichte Reuten. 


Die Tiefe der Reutgräben hängt hauptſächlich von der Lage und Boden⸗ 
beſchaffenheit der einzelnen Weinberge ab. Im Allgemeinen darf angenommen 
werden, daß in hohen, ſteilen Lagen tiefer zu reuten iſt, als in niedern Lagen, 
weil in jenen der Boden gewöhnlich hitziger iſt, derſelbe durch das ſtarke Auf— 
prallen der Sonnenſtrahlen früher austrocknet und Regen- und Schneewaſſer 
ſchnell ablauft und daher nicht ſo tief in den Boden dringt, wodurch, wenn 
nicht durch tiefes Reuten für eine tiefe Bewurzelung der Rebe geſorgt wird, 
dieſelbe in heißen und trockenen Sommern leicht austrocknen und in der Vege— 
tation zurückbleibeu könnte. Unter ſolchen und ähnlichen Verhältniſſen wird 


10 


146 

daher der Reutgraben an der feſten Seite gegen den Berg eine Tiefe von 
2½—83 Fuß erhalten dürfen, jo daß der umgereutete Boden eine Tiefe von 
3—4 Fuß hat. Insbeſondere bei ganz neuen Weinbergsanlagen wird bei 
einem ſtrengen Thon⸗, Mergel- oder ſteinigen und felſigen Boden darauf zu 
ſehen ſein, daß tief gereutet wird, indem dieſes auf die Dauerhaftigkeit des 
Weinberges einen großen Einfluß hat. Man wird hier, namentlich bei ſteini⸗ 
gem, felſigen oder hartem, mergeligen (kieſigen) Untergrund immerhin auf eine 
Tiefe von 4—6 Fuß gehen dürfen. Beſondere Umſtände können gleichfalls 
ein vorübergehendes oder theilweiſes tieferes Reuten veranlaſſen, wie z. B., 
wenn an einzelnen Stellen Steine und Felſen, anſtatt ſie mit vielen Koſten aus 
dem Weinberg zu ſchaffen, verſenkt, oder der Boden des Reutgrabens nach 
§. 94 mit Steinen belegt werden ſoll. Im erſten Falle macht man tiefe Gru⸗ 
ben, in die man die Steine hineinwirft, worauf ſolche wieder mit Erde bedeckt 
werden. Ferner wenn man, wegen Mangel an beſondern Erdengruben, aus 
dem Weinberge ſelbſt Erde gewinnen will, indem dann von einzelnen Beeten 
(Abtheilungen) die obere fruchtbare Erde abgehoben und zum Uebertragen des 
übrigen Weinberges verwendet wird. Solche abgehobene Weinbergsbeete müſſen 
dann bei der neuen Anlage, um ſie mit dem übrigen Weinberge wieder in 
gleiche Lage zu bringen, tief, öfters 6—8 Fuß tief gereutet und der dadurch herauf⸗ 
geſchaffte magere Boden durch ſtarke Düngung möglichſt bald verbeſſert 
werden. N 
Ein ſeichtes Reuten iſt hauptſächlich nur da zuträglich, wo der Boden 

ſchon an und für ſich locker und dem Eindringen der Wurzeln der Rebe keine 
weſentlichen Hinderniſſe entgegenſtellt, wie dieſes in Niederungen bei Sandboden, 
ſandigem Lehm oder bei ſtark kalkhaltigem Boden der Fall iſt. 

In ſolchen, ſowie überhaupt in Bodenarten, in welchen mehr ein ſeichtes 
Reuten geboten iſt, kann ein tiefes Reuten auch nachtheilig wirken, weil da⸗ 
durch der gute fruchtbare Boden ſo tief vergraben wird, daß denſelben die 
Rebe in den erſten Jahren ihrer Pflanzung nicht erreichen kann, wodurch ſie 
in der Entwicklung zurückbleibt, auch kann in allzutief gereutetem Boden die 
Wärme bis zu den Wurzeln der Rebe nur langſam eindringen, wodurch die 
Vegetation gleichfalls aufgehalten und die vollſtändige Zeitigung der Trauben 
(Ueberreife) verhindert wird, fo daß ein ungeeignetes Reuten auch die Quali⸗ 
tät des Weins verſchlechtern kann. In ſolchen Fällen wird es gut ſein, wenn 
die obere fruchtbare Erde nicht ſogleich in die Tiefe geſchafft, ſondern dieſelbe 
bei Seite gelegt, der Reutgraben zuerſt mit magerer Erde von der untern 
Bodenſchichte aufgefüllt und dann erſt die gute Erde hineingezogen wird, ſo 
daß die neuzuſetzenden Reben in dieſelbe zu ſtehen kommen, oder ſolche mit 
ihren Wurzeln bald erreichen können. 

Außerdem iſt noch ſehr zu berückſichtigen, ob die anzupflanzenden Trau⸗ 


7 
% 


Rx 


147 


bengattungen viele ſtarke und tiefgehende Wurzeln anſetzen, wie der Trollinger 


der Urban ꝛc., oder ob dieſelben nur einen ſchwachen Wurzelſtock beſitzen, wie 
der Traminer, Sylvaner ꝛc., indem bei erſteren immer einen Fuß tiefer als 
bei letzteren gereutet werden darf, weil jene, wenn ſie älter werden und im 
Untergrund nicht mehr gehörig Raum und Nahrung finden, gerne gelb werden 
und kränkeln, während bei letztern Gattungen ein zu tiefes Reuten die Stöcke 


unfruchtbar machen ſoll, weil ſie mehr ins Holz als in Trauben treiben. Es 


iſt deßwegen auch hieraus erſichtlich, daß eine ungeeignete gemiſchte Beſtockung 
von ſtark⸗ und ſchwachtriebigen Rebſorten nichts weniger als angemeſſen er— 
ſcheint, auch wäre es wohl möglich, daß die in einzelnen Weinbaugegenden be- 
ſtehende Klage, daß der Trollinger gerne an Gelbſucht leide, von einem nicht 
gehörig tiefen Reuten herkommt. Wenn daher, je nach der Bodenbeſchaffen⸗ 
heit, bei ſtarktriebigen Reben eine Tiefe der Reutgräben von 3—4 Fuß als 
nothwendig erſcheint, wird bei ſchwachtriebigen Reben eine Tiefe von 2—3 Fuß 


genügen. 


Ein ſeichtes Anlegen der Reutgräben kann auch durch beſondere Umſtände 


geboten werden, wenn, wie im Tauberthale, der Obergrund ſeicht iſt und 


große Felsmaſſen ſich im Untergrund befinden, die ſich nicht durchbrechen und 
beſeitigen laſſen, oder wenn unter den gleichen Verhältniſſen ein zäher, waſſer—⸗ 
haltiger Untergrund vorhanden iſt, der nicht heraufgeſchafft werden will, auf 


den aber die Reben, als nachtheilig, auch nicht mit ihren Wurzeln kommen 
ſollen. In ſolchen Fällen wird aber von der fupflanzung ſtarktriebiger Reben 


keine Rede ſein können. 
Will man den Untergrund aus andern Urſachen nicht heraufſchaffen, je⸗ 
doch den Wurzeln der Rebe den Zutritt zu demſelben durch Auflockern ver— 


ſchaffen, ſo wird derſelbe Ya Fuß tief aufgehackt und ſodann die Erde des 
nächſten Grabens darüber 9 e 


8. 97. 
1. Die Zeit des Reutens. 


Das Reuten der Weinberge wird in der Regel vom Spätjahr nach dem 
Herbſt bis zum Frühjahr vorgenommen, weil hier der Weingärtner am wenig⸗ 
ſten von ſeinen übrigen Geſchäften in Anſpruch genommen wird, mithin die 


meiſte Zeit darauf verwenden kann. Es kommt jedoch auch hiebei ſehr auf 


die Bodenbeſchaffenheit an, zu welcher Jahreszeit daſſelbe am zweckmäßigſten 
vor ſich gehen kann, ob während des Sommers, oder im Spätjahr vor dem 
Winter, oder während des Winters, oder im Frühjahr. 
Im Allgemeinen muß ſo frühzeitig gereutet werden, daß ſich der Boden 
J 10² 


148 


vor dem Einlegen der Reben noch gehörig ſetzen kann, weil, wenn die Rebe 
in allzu lockern und zerklüfteten Boden zu ſtehen kommt und derſelbe ſich erſt 
ſpäter ſetzt, dieſelbe eine ungleiche Lage erhält, d. h. bald zu tief, bald zu ſeicht 
zu ſtehen kommt, wodurch die Bewurzelung derſelben nicht gehörig vor ſich 
gehen kann, was der Entwicklung äußerſt nachtheilig iſt. 

Bei einem warmen, ſtrengen und ſehr geſchloſſenen Boden, wie beim 
ſtrengen Thon⸗ und Mergelboden, wird der Sommer und das Spätjahr immer 
die geeignetſte Zeit zum Reuten bilden, wenn der Weingärtner dazu die nöthige 
Zeit finden kann. Iſt dieſes nicht der Fall, ſo ſollte das Reuten wenigſtens 
während des Vorwinters in den Monaten November und Dezember geſchehen. 
Ueberhaupt iſt dieſe Zeit in den meiſten Fällen die geeignetſte für die Reut⸗ 
arbeiten, beſonders auch bei ſeichtem, etwas lockerem und leichtem Obergrund, 
damit derſelbe die Winterfeuchtigkeit gehörig aufnehmen kann und im nl 
nach dem Setzen der Reben, nicht ſo leicht austrocknet. 


Werden die Reben, wie im Tauberthale, vor dem Winter geſetzt, ſo muß 
das Reuten ohnedieß ſogleich nach dem Herbſt begonnen werden. 

Blos bei tiefgründigem, zähem, lettartigem Boden dürfte es angemeſſener 
ſein, mit dem Reuten deſſelben erſt im Frühjahr zu beginnen, weil ſonſt ver- 
ſelbe während des Winters zu viel Waſſer anziehen und vermöge ſeiner Schwere 
ſich allzuſehr ſetzen, dabei wieder zuſammenballen und eine feſte Maſſe bilden 
könnte, was einer guten und ſtarken Bewurzelung ſehr hinderlich wäre. 

Aus eben dieſem Grunde erſcheint auch das Reuten während des Winters, 
beſonders in Bodenarten welche die Feuchtigkeit gerne anziehen und lange be⸗ 
halten, nicht angemeſſen, am allerwenigſten ſoll aber der Boden gefroren in 
den Untergrund gebracht werden, indem derſelbe, weil der Zutritt der Wärme 
fehlt, nur langſam aufthauet und wenn diefes auch nach und nach geſchieht, 
derſelbe keine lockere, ſondern, wie beim kalten Boden, eine kalte, feſte Maſſe 
bildet, welche die Vegetation der Rebe nicht befördert, vielmehr zu manchen 
Krankheiten, wie das Gelbwerden, den ſchwarzen Brenner ꝛc. Veranlaſſung 
gibt. Es iſt deßwegen bei der Anlage eines Weinberges von beſonderer Wich⸗ 
tigkeit, die Zeit des Reutens ſo zu wählen, daß bei dem Umkehren des Bodens 
derſelbe möglichſt trocken und locker in den Untergrund kommt. 

Wird, wie im Kocher- und Jagſtthale, mit dem Reuten zugleich das Setzen 
verbunden, ſo hat erſteres ſich nach der Zeit des letzteren zu richten. 


8. 98. 
g. Die Anlegung von Mauern und Rainen. 


Die Nachtheile, die mit allzuſteilen Abdachungen verbunden ſind, ſind 


149 


bereits nachgewieſen worden ($. 57. 92) und daß daher folche durch Auffüh- 
rung von Mauern oder Grasrainen zu mildern ſind. In welchen Fällen nun 
Mauern oder Grasraine nöthig ſind, darüber entſcheidet wieder die Bodenbe— 
ſchaffenheit, indem bei einem zähen, bündigen Boden, bei Abdachungen von 
20—30 und mehr Graden, noch keine oder wenig Mauern erforderlich ſind, 
während bei leichterem und loſerem Boden, wie bei den ſteinigen, thon- lehm⸗ 
und kalkhaltigen Böden des mittlern Neckar- des Kocher- Jagſt-⸗ und Tau⸗ 
berthals öfters ſchon Unterſtützungen durch Mauern bei 15—20 Graden Ab— 
dachung angebracht werden müſſen. 


Bei ſteilen Abdachungen wird man ſich wegen der Feſtigkeit und der Höhe 
der aufzuführenden Unterſtützungen unbedingt für die Herſtellung von Mauern 
zu entſcheiden haben, bei minder ſteilen kommt aber die Frage in Betracht, 
ob es angemeſſen ſei, Mauern oder Grasraine anzulegen. Mauern ſind 
dauerhafter und geben dem Weinberge ein hübſcheres Ausſehen als Grasraine, 
ſind aber ſehr koſtſpielig, daher deren Errichtung nur dann anzurathen iſt, 
wenn die Steine aus dem Weinberge ſelbſt oder in deſſen Nähe gebrochen 
werden können; im andern Falle wird man ſich mit Grasrainen begnügen 
müſſen, die zwar weniger dauerhaft find, den Froſt gerne anziehen und Uns 
kraut im Weinberg verbreiten, aber von jedem Weingärtner faſt ohne Koſten 
hergeſtellt werden können, und dem Aermeren auch einigen Grasertrag ab— 
werfen. Bei öſtlicher, weſtlicher oder nördlicher Lage, ſind die Raine haltba⸗ 
rer als bei ſüdlicher Lage, wo dieſelben bei heißer Sommerwitterung öfters 
ſo ausbrennen, daß die Grasnarbe abſtirbt, und der Rain einrutſcht. Zur 
Dauerhaftigkeit eines Rains trägt es bei, wenn bei dem Setzen deſſelben der 
grüne Raſen nicht auswärts, ſondern auf die Seite (quer) gerichtet, und wenn 
der Rain jedes Jahr, ſo lange noch Feuchtigkeit im Boden iſt, gepritſcht wird. 
Die Höhe der Mauern oder Grasraine richtet ſich nach der Steilheit der Ab- 
dachung, indem dieſelben ſo hoch aufgeführt werden ſollen, daß die einzelnen 
Abtheilungen keine ſteileren Abdachungen als von 20—24 Graden erhalten. 


Bei der Anlegung der Mauern (Terraſſen) werden dieſelben quer über 
den Berg entweder in gerader Linie oder ſchief in einem ſchwachen Winkel, je 
nach der Neigung des Berges, gezogen. Die Dauerhaftigkeit hängt haupt⸗ 
ſächlich von einem guten Fundament ab, das bei Mauern von 4—5 Fuß 
Höhe 1½, Fuß, bei höhern Mauern 2—3 Fuß tief und 3—4 Fuß breit an⸗ 
gelegt werden muß. Die Mauer ſelbſt darf nicht ſenkrecht aufgeführt werden, 
ſondern muß, um dem Andrange des Waſſers und der erweichten Erde mehr 
widerſtehen zu können, eine Neigung etwa 1 Zoll auf 1 Fuß Höhe gegen den 
Berg haben und muß mit guten feſten Hintermauern unten von 3, oben von 
2 Fuß Breite verſehen ſein. Statt der Weinbergswege (Furchen) wird in 


\ 


EN au 


ſteilen Weinbergen gewöhnlich ein Geſtäffel angelegt, das mit Steinplatten | 


einzufaſſen iſt. f 
Bei dem Zuge der Mauern iſt darauf zu ſehen, daß ſie ſobiel als mög⸗ 
lich den Reflex der Sonnenſtrahlen befördern und dadurch eine gute Wirkung 


auf die Zeitigung der Trauben ausüben, auch ſoll durch dieſelben die Richtung 


der von oben kommenden Gewäſſer geregelt und deren Gewalt durch eine 


zweckmäßige Vertheilung gebrochen werden. Aus dieſem Grunde ſind ſchief 
angelegte Mauern, wie man fie im Neckarthale bei Untertürkheim, Cannſtatt 
und auch zu Weinsberg findet, zweckmäßiger als geradelaufende, weil über 
letztere das Waſſer bei ſtarken Regengüſſen und Wolkenbrüchen von einem 
Mauerabſatze auf den andern ungehindert ſtürzen und dadurch nicht nur den 
Boden an manchen Stellen auswühlen, ſondern auch die Mauern ſelbſt um⸗ 
reißen kann. Bei der Anlegung von ſchiefen Mauern iſt dieß weit weniger 
der Fall, indem am Fuße derſelben gleichfalls ſchiefe Waſſerabzugsgräben an⸗ 
gebracht werden, welche das Waſſer in eine gepflaſterte Waſſerrinne (Waſſer⸗ 
furche, Geſtäffel) führen, wodurch der Ablauf deſſelben geregelt und größere 
Bodenabſchwemmungen verhindert werden. Solche ſchiefe Mauern müſſen 
von zwei Seiten gegen die in der Mitte befindliche Waſſerrinne ziehen und 
letztere daher, je nach der Steilheit des Berges, in Entfernungen von 30—60 
Fuß angelegt werden. ; 

Will man die durch jeden Regen abgeflößte Erde wieder ſammeln, jo 
kann man am Fuße des Geſtäffels ausgemauerte und gepflaſterte Sammel⸗ 
käſten anlegen, in welche das Waſſer geleitet wird und in denen der abge⸗ 


— 


flößte Boden ſich niederſchlägt, wie man ſie in der Gegend von Würzburg 


öfters antrifft. 

An ſteilen Bergen und bei geradlaufenden Mauern wird das Geſtäffel 
nicht immer gerade den Berg hinauf durch die Mauern angelegt, ſondern an 
der Seite derſelben hinauf geführt, wodurch zwar die Steilheit etwas gebro- 
chen, aber auch die Sicherheit des Tritts, beſonders bei ſchweren Laſten, ver⸗ 
mindert und der verderbliche Waſſerabzug noch mehr befördert wird. 

Sehr zweckmäßig iſt es und trägt ſehr zur Zierde des Weinberges bei, 
wenn bei hohen Mauern entweder am Fuße derſelben oder durch Einſetzung 
von Reben in die Mauern ſelbſt, Rebgelände (Kammerzen) angelegt und da⸗ 
durch der durch die Anlegung der Mauern verloren gegangene Boden wieder 
erſetzt wird (S. 128—130). Bei der Einlegung der Reben in die Mauern werden 
in denſelben Oeffnungen von 4—6 Zoll im Quadrat gelaſſen und ſodann 


hinter und durch dieſelben 3—4 Fuß lange Reben 2—4 Fuß tief von oben 
eingelegt und in Entfernungen von 8—10 Fuß hervorragende Steine mit 


viereckigen Löchern eingeſetzt, in welche die zum Gelände erforderlichen Rahm⸗ 
ſchenkel eingeſteckt und befeſtigt werden. 


/ 


+ 


151 


3. Die Setzreben. 
1 


Bei der neuen Anlegung eines Weinberges können die dazu erforderlichen 
Reben entweder 

a. aus Samen, oder } 

b. aus dem Holze erzogen werden, d. h. im letztern Fall 

in Wurzelreben oder 

in Schnittlingen (Blindreben) 
beſtehen. 


a. Die Erziehung aus Samen. 


Die Erziehung der Rebe aus Samen iſt nirgends allgemein gebräuchlich 


und iſt bis jetzt nur von einzelnen Oenologen verſuchsweiſe in Anwendung 


gekommen, weil es ſehr lange anſteht (8—12 Jahre), bis von den aus Samen 
gezogenen Reben ein vollkommener tragbarer Rebſtock herangebildet iſt und 
weil, wenn dabei nicht mit aller Sorgfalt verfahren wird, die herangezogenen 
Rebſtöcke entweder weit geringere (herbe und ſaure) Trauben als der Mutter⸗ 
ſtock, oder von demſelben ganz verſchiedene Trauben, ſogenannte Baſtarde, 
geben, die häufig gleichfalls von geringem Werthe ſind. Da jedoch auf der 
andern Seite durch die Erziehung der Rebe aus Samen dauerhaftere, an die 
klimatiſchen Verhältniſſe mehr gewöhnte und den verſchiedenen Beſchädigungen 
und Krankheiten weniger ausgeſetzten Rebſtöcke erzogen und durch Befruchtung 
während der Blüthe neue ſchätzbare Traubengattungen gewonnen werden kön— 
nen, bei welchen die gegenſeitig guten Eigenſchaften von zwei Gattungen ver— 
einigt erſcheinen würden, wie z. B. bei einer Vereinigung des weißen Bur⸗ 
gunders mit dem weißen Rießling, oder mit dem grünen Muskateller, die frü— 
here Reife und das feine Bouquet, ſo wäre es, beſonders für den deutſchen 
Weinbau, von großer Wichtigkeit, wenn ausgedehnte nachhaltige Verſuche mit 
der Erziehung der Rebe aus Samen angeſtellt würden, was aber, weil die 
anzuſtellenden Verſuche viele Jahre erfordern dürften, nur in einer zu errich— 
tenden Weinbauſchule mit Erfolg geſchehen könnte, daher auch aus dieſem 
Grunde die Errichtung einer ſolchen ſich empfehlen dürfte ($. 51). 

Wir wollen nun verſuchen, darzuſtellen, auf welche Weiſe ein nachhaltig 
guter, geſunder und kräftiger Rebſtock aus Samen gewonnen werden kann. 

Jede Frucht kann aus dem Kerne nur dann in ihrer ganzen Voll— 
kommenheit erzogen werden, wenn ſie vollſtändig ausgezeitiget iſt und 
alſo auch der Kern ſeine vollſtändige Reife erlangt hat, Pflanzen aus 
minderreifen Kernen erzogen, gleichen häufig nicht mehr dem Mutter⸗ 
ſtock, ſondern beſtehen in ſogenannten Wildlingen, die nur unvollkommene 


152 


wenig ſchmackhafte oder gar keine Früchte hervorbringen, wie bei den aus 
Kernen erzogenen Obſtbäumen ſchon vielfach die Erfahrung gemacht worden 
iſt. Wenn man daher aus Traubenkernen Reben von der gleichen Sorte er⸗ 
ziehen will, ſo müſſen die dazu erforderlichen Trauben nicht nur in ganz vor⸗ 
züglichen Jahrgängen, in welchen dieſelben ihre vollſtändige Reife, wo möglich 
Ueberreife, erlangt haben, ſondern auch von beſonders tragbaren Stöcken und 
von dieſen wieder von den ausgezeitigtſten Reben genommen werden, jo daß 
auch die Kerne durch ihre braune Farbe die §. 7 näher beſchriebene Reife 
vollſtändig nachweiſen. Außerdem ſind die Trauben nur von ſolchen Stöcken 
zu nehmen, bei welchen man verſichert iſt, daß ſie während der Blüthe nicht 
von andern Traubengattungen befruchtet worden ſind und dadurch keine Ba⸗ 
ſtarde zu Tag kommen, mithin nur von rein, d. h. von ein und derſelben 
Traubengattung beſtockten Pflanzungen. 

Die auf dieſe Weiſe geſammelten Trauben werden in einem dem Froſt 
nicht unterworfenen Lokale bis zum künftigen Frühjahr durch Aufhängen 
oder auf andere Weiſe vor eigentlicher Fäulniß bewahrt, nachdem zuvor die 
weniger ausgebildeten Beere davon entfernt worden ſind. Im Monat März 
werden dann die Kerne aus den faſt ganz vertrockneten Beeren herausgenom⸗ 
men und die ausgebildetſten zur Ausſaat in der Art verwendet, daß man die⸗ 
ſelben in gute, feine mit etwas Sand vermiſchte Erde in Reihen ziemlich weit 
auseinander ſäet, oder ſteckt und , Zoll hoch mit Erde bedeckt. Die Aus⸗ 
ſaat kann entweder im freien Land oder in einem Miſtbeet geſchehen, jeden⸗ 
falls muß aber eine ſolche Einrichtung getroffen werden, daß die jungen Pflänz⸗ 
chen vor den Nachtheilen der Frühjahrs⸗ und Spätjahrsfröſte geſichert find. 
Gehen die Pflanzen zu dicht auf, ſo werden die ſchwächeren ausgezogen, damit 
für jede derſelben ein Raum von 3 Zoll im Quadrat bleibt und im Uebrigen 
vom Unkraut rein erhalten. Während des Winters werden ſie mit Stroh 
und leichtem Dünger bedeckt, ſo daß die Kälte keinen Schaden thun kann. 
Im zweiten Jahre werden die jungen Pflanzen im Frühjahr kurz beſchnitten, 
ſo daß nur ein Auge ſichtbar bleibt und mit kurzen PIE verſehen, an welche 
die neuen Triebe gebunden werden. Im dritten Jahre werden die Stöcke 
gleichfalls kurz beſchnitten und jedem Stock nur ein Trieb oder eine Rebe ge⸗ 
laſſen, die an das Pfählchen gebunden wird. Sind die Stöckchen erſtarkt, ſo 
können ſie im 4. oder 5. Jahre ausgehoben und wie Wurzelreben verſetzt 
werden, in welchem Falle alle Triebe bis auf einen abgeworfen werden, an 
dem man 3—4 Augen ſtehen läßt, der wie Wurzelreben oder Schnittlinge mit 
dem Wurzelſtock in den Boden kommt, bis auf 1 Zoll mit Erde bedeckt, und 
an deſſen oberem Ende in den folgenden Jahren durch Abwerfen der jungen 
Triebe der Kopf erzogen wird. Solche aus Samen gezogene Stöcke erhalten 
viele feine Haarwurzeln, die zum Einſaugen der Bodenſäfte geſchickter ſind, 


7 


153 


als die Wurzeln der andern Reben, wodurch der Weinberg dauerhafter und 
tragbarer werden ſolle. i 

Außerdem laſſen ſich auch durch künſtliche Befruchtung neue Traubenſor— 
ten erziehen. Sprenger ſagt im dritten Theil ſeines Weinbaues S. 108, daß 
ſich durch künſtliche Befruchtung die Eigenſchaften zweier Traubenſorten, die 
zu gleicher Zeit blühen, in der aus dem Kern erzogenen Rebe vereinigen laſſen, 
wenn man, noch ehe die Blumen ſich öffnen und ehe die Staubfäden den 
Samenſtaub ausfließen laſſen (S. 6), denn etwas vom eigenen Samenſtaub 
der Pflanze gehört zur Befruchtung, in den Blumen der einen Blüthe alle 
Staubbeutel abſchneidet und auf die Narbe der andern Blume den ausflie- 
ßenden Samenſtaub mit einem Pinſel in ziemlicher Menge ſo aufträgt, daß 
er ſich mit der von der Narbe ausſchwitzenden Feuchtigkeit vermiſcht, wie die— 
ſes bei gleichblühenden und nahe bei einander ſtehenden Weinſtöcken durch den 


Wind, die Inſekten ꝛc. zufällig geſchieht. Es wäre deßwegen ſehr alas, 


wenn hierüber weitere Verſuche angeſtellt werden wollten. 


§. 100. 
b. Die Erziehung aus dem Holze. 


Das einjährige und zum Theil auch das zweijährige Rebholz zieht Wur⸗ 
zeln und treibt an den Augen junge Schooſe, ſowie es in den Boden gebracht 
wird, worauf die Erziehung und Fortpflanzung der Rebe aus dem Holze 
beruht. | 

Bei der Auswahl und Zurichtung des Holzes ſind jedoch verſchiedene 
Rückſichten zu beobachten, die einer beſondern Erörterung bedürfen. 

Nachdem man ſich über die Sorten, die angepflanzt werden ſollen, ent⸗ 
ſchieden hat (8. 84—88), iſt es die erſte Sorge, daß man die betreffenden 
Reben in reiner, geſunder, unverfälſchter Qualität bekommt. Man kann zwar 
die Gattung des Rebholzes an der Farbe deſſelben, an dem Abſtande der Ge— 
lenke, an der Form der Augen ꝛc. erkennen, es gehören aber hiezu ſehr er— 
fahrene Weingärtner und auch dieſe können ſich täuſchen, weil es einzelne Reb— 
gattungen gibt, die ſehr ſchwer von einander zu unterſcheiden ſind. Damit 
hier keine Verwechslung vorgeht, iſt es ſehr angemeſſen, wenn man die Reben 
aus eigenen Weinbergen nehmen kann und wenn man in denſelben, beſonders 
bei gemiſchten Beſtockungen, die betreffenden Stöcke (etwa mit einer Weide am 
Schenkel) genau bezeichnet. Jedenfalls ſind die Reben, wenn man nicht betro- 
gen werden will, nur von ganz zuverläſſigen Weingärtnern zu beziehen. Das 
Sammeln geſchieht in der Regel im Frühjahr bei dem Schneiden der Reb— 


ſtöcke, da, wo aber ſchon vor dem Winter geſetzt oder zum Theil geſchnitten 


wird, auch beim Schneiden im Spätjahr, nur muß dann im letztern Falle für 


5 154 


1 4 ——— 9 1 


gutes Aufbewahren der Reben während des Winters durch Einſchlagen in 
Sand oder Erde im Keller oder freien Land geſorgt werden. 

Nicht jede Rebe iſt aber zur Setzrebe tauglich, wenn der künftige Ertrag 
des Weinberges ein guter ſein ſoll, weil es unter jeder Traubengattung auch 
weniger fruchtbare und hie und da faſt unfruchtbare Stöcke (wie der Rauh⸗ 
Elbling §. 14) gibt, die ſich auf gleiche Weiſe fortpflanzen und von welchen 
daher keine Setzreben geſammelt werden dürfen, vielmehr muß das Rebholz 
nur von ſolchen Stöcken und Schenkeln geuommen werden, welche ſich durch 
beſondere oder mindeſtens gute Fruchtbarkeit auszeichnen, weßhalb die Stöcke 
wo möglich mehrere Jahre lang zu beobachten und beſonders zu bezeichnen ſind. 
Auch muß das Holz ſtark, geſund und mit engſtehenden Augen verſehen ſein, N 
wobei man ſich jedoch, ohne ſich von der guten Tragbarkeit eines Stocks über⸗ 
zeugt zu haben, von dem etwa ſtarken Holztrieb nicht täuſchen laſſen darf, in⸗ 
dem unfruchtbare Stöcke öfters am meiſten Holz treiben; aber auch ſchwaches, 
nicht völlig reifes, erfrorenes oder ſonſt beſchädigtes Rebholz darf nicht zur 
Nachzucht genommen werden. Beſonders bei ſolchen Rebſorten, welche ſich in 
verſchiedene, von einander ſchwer zu erkennende Unterarten abtheilen, wie z. B. 
bei dem Clevner (§. 31) erfordert die Auswahl der Reben und deßhalb die 
genaue Bezeichnung der tragbaren Stöcke eine beſondere Sorgfalt. 

Da die Rebſtöcke im Alter im Ertrag und Trieb nachlaſſen und daher 
häufig kein kräftiges, gern tragbares Rebholz mehr hervorbringen, ſo beſteht 
die weitere Regel, daß das Setzholz von keinen alten, ſondern von jungen, 
kräftigen, jedoch bereits im Ertrag ſtehenden Weinbergen genommen werden 
ſoll, indem nur von dem Setzholze aus dieſen dauerhafte und reichlich tragende 
Stöcke erwartet werden dürfen. Die Lage und der Boden, in welchem eine 
Rebe gewachſen iſt, haben auf das künftige Gedeihen und die Ertragsfähigkeit 
derſelben gleichfalls weſentlichen Einfluß. Die Setzreben ſollen daher eher aus 
einer kalten in eine wärmere Lage, als umgekehrt gebracht werden, zu welchem 
Behuf z. B. die Reben zur Anpflanzung auf Höhen, welche den Winden ſtark 
ausgeſetzt ſind, von ähnlichen Weinbergen und nicht von wärmeren Geländen 
genommen werden ſollten, weil jene an die rauheren climatiſchen Einflüſſe weit 
mehr, als letztere gewöhnt find. Dagegen werden Reben von rauheren Ge- 
länden in gelindere verſetzt, gewöhnlich ſehr freudig gedeihen. Aehnliche Ver— 
hältniſſe finden auch bei dem Boden ſtatt, daher Reben aus ſehr warmem und 
fruchtbarem Boden nie in mageren und kalten, wohl aber umgekehrt verpflanzt 
werden ſollten, indem die im fetten Boden erzogenen Reben ein weites Ge- 
fäſſeſyſtem beſitzen, dick und weich find, und daher in einem magern Boden 
ſchlecht vegetiren werden. Aus dieſem Grunde ſind auch Reben von im Garten 
gezogenen maſten und kräftigen Rebgeländen (Kammerzen) weniger für eine 
Weinbergsanlage geeignet, als diejenigen von gewöhnlichen Rebſtöcken. 


\ 155 
In keinem Falle ſollten die Reben aus vernachläſſigten, herabgekommenen 
Weinbergen mit ausgeſaugtem Boden genommen werden, indem die Stöcke in 
ſolchen Weinbergen ſelten gute und fruchtbare Reben hervorbringen. 


8, 101. 


Die zum Setzen erforderlichen Reben werden gewöhnlich von dem ein— 
jährigen Holze, in einzelnen Gegenden, wie im oberen Neckarthale und am 
Traufe der Alp, aber auch vom zweijährigen Holze und zwar vom vorjährigen 
Bogen, an dem man etwas einjähriges Holz ſtehen läßt, genommen, daher 
man ſolche Reben, wegen ihrer gebogenen Form, Krägen nennt. Sie ſollen 
dauerhaftere Weinberge, als diejenigen von einjährigem Holz geben, was aber 
ohne Zweifel daher kommt, daß in dem dortigen, rauheren Clima das ein- 
jährige Holz, beſonders in den obern Theilen, weniger gut auszeitigt, wodurch 
bei deſſen Verwendung das Gedeihen der neuen Anlage weit mehr in Frage 
geſtellt wird, als wenn man zur Unterlage zweijähriges Holz nimmt und an 
demſelben nur einige untere Augen vom einjährigen, jedenfalls am meiſten 
ausgezeitigten Holze ſtehen läßt. 

An welchen Theilen des Rebſtocks das Rebholz gewachſen, iſt nicht gleich— 
gültig, indem in der Regel das aus dem Kopfe oder aus Zapfen (Knoten) auf 
dem Kopfe gewachſene Holz, wenn auch dünner, doch weit kräftiger und frucht- 
barer, mithin tauglicher zur Fortpflanzung iſt, als das Rebholz aus dem har⸗ 
ten Holze, auf dem Schenkel, oder am äußerſten Ende der Bogrebe (dem Schna⸗ 
bel) oder vom Zapfen eines Schenkels, daher hauptſächlich von jenen Theilen 
des Rebſtocks die Setzreben geſammelt werden ſollten. 

Die einzelnen Theile einer Rebe taugen gleichfalls nicht gleich gut zur 
Fortpflanzung. Der untere Theil derſelben, der auf dem alten Holze aufge⸗ 
ſeſſen, iſt in der Regel kräftiger und ausgereifter, als der mittlere und obere 
Theil, daher jener hauptſächlich nur zur Fortpflanzung verwendet, der übrige 
Theil aber beſeitigt werden follte; auch iſt es gut, wenn man beim Schneiden 
der Reben noch etwas vom alten Holze mit abſchneidet, damit das junge Holz 
bis zum Gebrauche nicht ausdorrt. { 

Vor dem Gebrauche muß die Rebe auf eine beſtimmte Länge eingekürzt 
werden, was man Zuſchneiden heißt. Die Länge iſt, je nach den verſchiedenen 
Setzarten verſchieden (S. 111, 112), doch muß ſtets auf eine angemeſſene Länge 
geſehen werden, damit die Rebe nicht blos am Fuße, ſondern auch an den untern 
Seitengelenken eine gute Wurzelkrone treiben (S. 1) und dadurch ſich gehörig 
befeſtigen und die erforderliche Nahrung aus dem Boden einſaugen kann. 


Sit die Rebe zu kurz, ſo kann ſich entweder nur eine Wurzelkrone aus“ 
bilden, oder die obere kommt zu ſeicht zu ſtehen, wodurch ſie durch Froſt, Hitze 


156 


oder durch die Bearbeitung des Bodens beim Hacken leicht beſchädigt werden 
kann. 

In der Regel hat die Setzrebe eine Länge von 1/—1 / Fuß, was ges 
wöhnlich die Länge von der Spitze des mittlern Fingers bis zum Ellenbogen 
iſt, wornach die Weingärtner das Maß nehmen. Nach dieſem Maß wird die 
Rebe oben etwa / — 5 Zoll über dem Auge, damit dieſes Saft behält und 
nicht fo leicht verdorrt, unten aber fo abgeſchnitten, daß der Wulſt vom Aus⸗ 
wuchs aus dem alten Holze, wo die Rebe eine ſchwache Biegung macht, ſtehen 
bleibt, indem die hier ſich zeigenden kleinen Augen ſehr dazu beitragen, daß 
der Stock bald mehrere Wurzeln treibt, dadurch bald eine gute Wurzelkrone 
bekommt und erſtarkt und gedeiht; auch will man behaupten, daß nur ſolche 
unten etwas gebogene Reben Pfahlwurzeln treiben, indem durch die Biegung 
die Wurzelausſchläge mehr dem Untergrunde zugewieſen werden; andere Reben, 
welche gerade und nicht gebogen ſind, ſollen nur horizontale Wurzeln treiben. 
Manche Weiagärtner laſſen beim Schneiden der Reben aus Unkenntniß noch 
vom alten Holze ſtehen, da jedoch dieſes ſich nicht ſo ſchnell bewurzelt, wie das 
einjährige Holz, vielmehr gerne fault und die Fäulniß auch der Rebe mittheilt, 
ſo erſcheint eine ſolche Behandlungsweiſe ganz fehlerhaft. Iſt an dem 
Schnittling nichts mehr vom alten Holz vorhanden, ſo wird die Rebe unter 
dem unterſten Auge, wo das Holz (der Steeg) das Mark durchkreuzt, eben 
geſchnitten, ſo daß man nichts oder wenig mehr vom Marke ſieht, was die 
gute Folge hat, daß bei einem ſolchen gleichen ebenen Schnitt der untere Theil 
der Rebe leichter überwächst und Wurzeln treibt. Da, wo mit der neuerlich 
eingeführten Rebſcheere geſchnitten wird, erhalten die Reben oben und unten 
einen ebenen Abſchnitt, bei dem Schneiden mit der Hape wird aber oben ge— 
wöhnlich ſchief geſchnitten, wobei darauf zu ſehen iſt, daß der Abſchnitt gegen 
das obere Auge gerichtet iſt, weil daſſelbe ſonſt bei ſtarkem Ausfluß des Saftes 
leicht erſaufen könnte. 

Sowohl beim Sammeln der Reben nach dem Schneiden, als beim Zu— 
ſchneiden derſelben müſſen ſie vor der Sonne geſchützt werden, weil ſie leicht 


austrocknen; wenn daher das Setzen nicht ſogleich erfolgt, ſo ſind ſie entweder 


in einem Keller aufzubewahren und von Zeit zu Zeit mit Waſſer zu begießen, 
oder an einem ſchattigen, kühlen Ort in Erde einzuſchlagen, ſo daß blos die 
Spitzen ſichtbar, oder, wenn die Aufbewahrung länger dauert, auch dieſe 2—3 
Zoll hoch mit Erde bedeckt ſind. Das Einſchlagen in Erde verdient jedoch 
vor der Aufbewahrung in dumpfen Kellern den Vorzug. 


§. 102. 
e. Die Wurzelrebe. 
Die zugeſchnittene Rebe (Schnittling, Blindrebe) kann entweder ſogleich 


19% , 


zu der Weinbergsanlage verwendet, oder zuvor zu einer Wurzelrebe herange— 
zogen werden. Letzteres geſchieht entweder in beſondern Rebländern oder durch 
Ableger von tragbaren Rebſtöcken. 

Die Ausbildung der Rebe beruht hauptſächlich auf ihrer mehr oder min⸗ 
der ſtarken Bewurzelung, indem die Wurzeln die Hauptnahrungsorgane ſind, 
welche die zum Wachsthum der Rebe erforderlichen Stoffe aufnehmen und der— 
ſelben zuführen (S. 1). Je wurzelreicher daher eine Rebe iſt, deſto mehr Nah⸗ 
rungsſtoffe kann fie aufnehmen und auf ein deſto beſſeres Gedeihen des künf⸗ 
tigen Rebſtockes darf gerechnet werden. Bei der Anlage eines Reblandes iſt 
daher darauf, ſowohl hinſichtlich der Lage als des Bodens, beſondere Rückſicht 
zu nehmen. Dieſem zufolge muß daſſelbe eine warme, womöglich gegen Mor— 
gen oder Mittag ſich neigende Lage und einen guten, warmen, lockern, nicht 
zu fetten, lieber etwas magern, ſandigen Boden haben, der Wärme und Feuch— 
tigkeit gerne aufnimmt und letztere nicht zu lange behält, indem in einer ſolchen 
Lage und in einem ſolchen Boden die Vegetation und Bewurzelung ſehr beför⸗ 
dert wird, und, wenn die Reben ſpäter in einen fetteren Weinbergsboden fom- 
men, in demſelben weit beſſer gedeihen, als im umgekehrten Fall. Will man 
nur für eine beſtimmte Weinbergsanlage Wurzelreben ziehen, ſo iſt es zweck— 
mäßig, wenn dieſelben in gleichem Boden erzogen werden. Ein allzufetter und 
triebiger Boden, wie gutes Gartenland, ſollte aus dem bereits angeführten 
Grunde (§. 100) nie zu einer Rebſchule benützt werden. 

Zur Anlage eines Reblandes wird der Boden 1½ —2 Fuß tief umge⸗ 
graben und ſofort, in Entfernungen von 2—3 Fuß, Gräben etwas ſchief von 
11 / Fuß Tiefe und Weite gezogen und in dieſelben die Reben ſchief an 
der Wand des Grabens 3—5 Zoll weit eingelegt, worauf von der ausgeſchla— 
genen Erde wieder etwas in den Graben geworfen, der Fuß der Rebe feſtge— 
treten und der Graben ſofort mit der übrigen Erde zugefüllt wird. Die Be⸗ 
deckung des obern Theils der Rebe mit Erde darf 1 Zoll, diejenige des untern 
Theils 5—6 Zoll nicht überſchreiten, auch kann man das Anwachſen derſelben 
dadurch befördern, daß man den Graben zuvor mit Schleimſand, Floßerde, 
Compoſt oder Moos auslegt. Jedenfalls muß darauf geſehen werden, daß 
der untere Theil der Rebe nicht auf den ungereuteten Boden zu ſtehen, ſon⸗ 
dern immer noch 4—5 Zoll gereuteten und beſonders guten fruchtbaren Boden 
unter ſich hat, indem ſonſt die untere, mithin die wichtigſte Wurzelbildung 
nicht gehörig vor ſich gehen kann, man muß daher ſchon beim Umgraben des 
Bodens darauf geeignete Rückſicht nehmen. Auch das Eingießen der Reben 
mit Waſſer, beſonders bei warmer Witterung und trockenem Boden iſt ſehr 
anzurathen. Will man auf beiden Seiten des Grabens Reben einlegen, ſo 
muß derſelbe eine Weite von 3 Fuß erhalten 

Das Einlegen der Reben in das Rebland geſchieht am zweckmäßigſten 


158 


ſogleich nach dem Schneiden, 1 dann der Boden in der Regel in Wins 
terfeuchtigkeit hat und die Reben noch friſch und nicht vertrocknet ſind, ſo daß 
bei den meiſten ein gutes und kräftiges Anwachſen erwartet werden darf. Iſt 
jenes aber nicht möglich, jo müſſen die Reben, wie bereits bemerkt (§. 101), 
ſorgfältig an einem kühlen Ort oder durch Einſchlagen in Erde 1 
werden. ö 

Während des Sommers wird das Rebland einigemal gefelgt und von 
Unkraut rein erhalten, im Spätjahr aber die angewachſenen Reben nach dem 
Laub gemuſtert und die falſchen Stöcke von andern Sorten, was ſelten ganz 
zu vermeiden iſt, ausgeſchieden und ſofort die Reben angehäufelt oder mit Erde 
bedeckt, damit ſie gegen die Winterkälte verwahrt ſind. Im folgenden Früh⸗ 
jahr wird die Erde von den jungen Trieben bis zu dem Kopfe hinweggezogen 
und, weil ſich bald neue Triebe zeigen, die jungen Stöcke frühzeitig bis auf 
ein Auge abgeworfen, damit ſich ein kleines Köpfchen bildet. Sind die Triebe 
des erſten Jahres noch ſchwach, ſo können dieſelben auch blos eingekürzt wer⸗ 
den, ſind ſie aber ſehr ſtark, ſo kann die einjährige Rebe (Einlauber), welche 
in dieſem Falle gute, dicht am Stock ſtehende Wurzelkronen mit zarten Wur⸗ 
zeln gebildet haben wird, auch ſchon herausgenommen und zum Verſetzen im 
Weinberg verwendet werden. Bleibt ſie aber noch ein Jahr im Rebland 
ſtehen, ſo wird ſie im zweiten, wie im erſten Jahre behandelt und im darauf⸗ 
folgenden Frühjahr (Zweilauber), entweder gleichfalls auf ein Auge abgeworfen 
oder zum Verſetzen verwendet. Die Reben mehr als zwei Jahre im Rebland 
zu laſſen, erſcheint nicht ſehr angemeſſen, weil dieſelben dann zu ſtarke Wurzeln 
ziehen, die beim Verſetzen nicht mehr gerne anwachſen. Eine zweijährige Er⸗ 
ziehung erſcheint daher am zweckmäßigſten, oder in dem angeführten Falle, 
beſonders wenn die Rebe in kräftigem, triebigem Boden erzogen wird, auch 
eine einjährige, indem ſich dann die Rebe beim Verſetzen ſchneller an die neuen 
Boden- und climatiſchen Verhältniſſe gewöhnt und noch nicht verholzt iſt, ſon⸗ 
dern eigene Kraft beſitzt, um aus ſich ſelbſt neue Wurzeln zu treiben, 


8. 103. 


Will man nicht in beſondern Rebländern Wurzelreben ziehen, oder hat 
man dazu keine Gelegenheit, ſo kann dieſes auch in den Weinbergen ſelbſt, 
beſonders in jungen, durch Heranziehung von Ablegern (Fechſer, Fößling) ge⸗ 
ſchehen. Wenn ein Stock einen überflüſſigen Schenkel oder aus dem Kopf 
mehrere lange Ruthen (Waſſerruthen, Bodenhölzer) getrieben hat, die nicht 
zur Ergänzung der Schenkel nöthig ſind, ſo können dieſelben neben dem Stock 
und ohne ſie von demſelben zu trennen, . eingelegt werden, daß man | 
eine ½ oder gegen 1 Fuß tiefe und 1 Fuß lange Grube gräbt, den Schenkel 
oder die Rebe in dieſelbe einlegt, auf der Stockſeite mit zwei gekreuzten Pfähl⸗ 


159 


chen befeſtigt, ſofort die Grube wieder mit Erde zufüllt, ſolche feſttritt und 
die Rebe am andern Ende der Grube heraufzieht, bis auf 4—6 Augen ab- 
wirft und, damit ſie aufrecht ſtehen bleibt, an einem kurzen Pfahl feſtbindet. 
Solche Reben treiben nicht nur häufig ſchon im erſten Jahre einige Trauben, 
ſondern ziehen auch Wurzeln, ſo daß ſie im folgenden Frühjahr oder längſtens 


im zweiten Jahre von dem Mutterſtock, da wo ſie in die Erde gezogen wurden, 


abgelöst, ausgezogen und zum Verſetzen verwendet werden können. Doch ziehen 
ſolche Ableger, weil ſie vom Mutterſtock nicht getrennt ſind, ſelten einen ſolchen 
ſtarken und gut bewurzelten Fuß, wie die im Rebland gezogenen Wurzelreben, 
daher ſie weniger zum Verſetzen bei der Anlage neuer Weinberge, als zur 
Ergänzung nebenſtehender inkl Rebſtöcke brauchbar find, in welchem 
Falle ſie ſchon beim Einlegen an die Stelle des abgegangenen Stocks gezogen 
werden und, nachdem ſie vom Mutterſtock abgelöst ſind, im Boden ſtehen 
bleiben. | 
Die zum Einlegen beſtimmten Schenkel oder Reben werden ſchon beim 
Schneiden dadurch bezeichnet, daß man dieſelben nicht beſchneidet oder ein— 
kürzt, auch nicht von Bollhacken reiniget, ſondern blos vom Schenkel das alte 
und kurze Holz hinwegnimmt, ſo daß nur noch die zum Einlegen beſtimmte 
Ruthe übrig bleibt. Das Einlegen kann dann entweder ſogleich oder erſt 
beim Hacken geſchehen, daher ſolche Stöcke auch Hackſtöcke genannt werden. 

Auf ähnliche Weiſe werden auch die ſogenannten Korbſtöcke erzogen, indem 
die einzulegende Rebe in einem von Weiden geflochtenen 10—12 Zoll hohen 
und 5—6 Zoll weiten Korb gezogen wird, der unten am Boden mit einer 
1 Zoll im Quadrat haltenden Oeffnung verſehen iſt, in dem Korb ſofort auf- 
gerichtet, derſelbe in die Grube eingeſetzt und mit Erde gefüllt und umgeben 
wird, jo daß die abgeworfene Rebe noch mit 4—6 Augen aus dem Korb und 
dem Boden hervorſteht. Die Rebe zieht in dem Korbe Wurzeln, wird dann 
im folgenden Frühjahr dicht unten am Korb abgeſchnitten, mit dem Korbe her— 
ausgenommen und dahin verſetzt, wo man ſie nöthig hat. Es gewährt eine 
ſolche Erziehung den großen Vortheil, daß durch die Verſetzung die Bewurze— 
lung der Rebe nicht geſtört wird, und dieſelbe dadurch an ihrer neuen Stelle, 
da das Flechtwerk des Korbes im 2. oder 3. Jahre verfault iſt, ſich ungehin- 
dert ausbreiten kann. 

Statt dem vorjährigen Holz kann man auch grüne Sommertriebe, be— 
ſonders von jungen, noch nicht im Ertrag ſtehenden Weinbergen, während oder 
ſogleich nach der Blüthe als Ableger einlegen, die im gleichen Jahre noch 
Wurzel ziehen und im folgenden Frühjahr verſetzt werden können, wie dieſes 
im Ohrthal hie und da vorkommt. Solche Ableger nennt man Gräßling. 

Außerdem laſſen ſich auch nach §. 11 bei der Anlegung junger Wein- 
berge mit Schnittlingen dadurch Wurzelreben erziehen, daß man die Reben 


7 


160 


etwas weit von einander einlegt und wenn beide wachſen, eine Rebe mit den 
Wurzeln herauszieht, ausſcheidet, oder ſogenannte Scheidſtöcke macht, wobei 
man jedoch ſehr vorſichtig zu Werke gehen muß, damit der im Boden blei⸗ 
bende Stock nicht verletzt wird. 

Hat man nur wenige Reben von ſeltenen Gattungen, ſo kann man die⸗ 
ſelben dadurch vermehren, daß man die Reben wagerecht in das Rebland 
2—3 Zoll tief einlegt und dieſelbe mit guter feiner Erde bedeckt, jo daß jedes 
Auge einen Trieb mit einer Wurzelbildung macht. Nach Verfluß des erſten 
und zweiten Jahres werden dieſe Triebe etwas eingekürzt, und im dritten 
Jahre, wenn ſie gehörig Wurzeln gebildet haben, von einander getrennt und 
jeder Trieb beſonders verſetzt und jo behandelt, wie nach §. 99 die aus Sa⸗ 
men gezogenen Stöckchen. Man kann auch die Reben vor dem Einlegen auf 
2—3 Augen zerſchneiden, ſie der Länge nach in gute Gartenerde 46 Zoll 
von einander bis an das oberſte Auge einſenken und dann auf die angegebene 
Weiſe behandeln, doch werden ſolche Stöcklinge mehr für Gartenanlagen oder 
für Zucht in Töpfen erzogen, als für Weinbergsanlagen, weil die Erziehung 
viel zu viel Zeit erfordert und ſolche Stöcke wegen des kurzen Wurzelſtocks 
nur in ganz vorzüglichen Boden taugen. 


§. 104. 
d. Die Schnittlinge (Blindreben). 


Wie die zum Setzen zu verwendenden Schnittlinge oder Blindreben ge⸗ 
ſammelt, geſchnitten und bis zum Setzen aufbewahrt werden ſollen, iſt bereits 
abgehandelt worden (S. 100—101). Manche Weingärtner wollen jedoch wij- 
ſen, ob die Reben auch den erforderlichen Trieb haben, oder find der Mei— 
nung, daß dieſelben beſſer anwachſen, wenn man ſie zuvor antreiben laſſe und 
ſie dann erſt ſpäter (Ende Mai oder Anfangs Juni) in warmen Boden bringe, 
es iſt daher in einzelnen Orten und Gegenden, wie bei Heilbronn, das Stür⸗ 
zen oder das verkehrte Einlegen der Reben in eine Grube eingeführt. Durch 
dieſes Stürzen ſolle bewirkt werden, daß die obern Augen, welche Schooſe 
treiben, als tief in kühler Erde, zurückgehalten werden, weil ſie, wenn ſie ſtark 
angetrieben hätten und beim Setzen an die Luft und Sonne kämen, leicht ab⸗ 
brennen könnten, wogegen bei den untern Augen, welche beim Setzen in den 
Boden kommen und zur Wurzelbildung beitragen ſollen, als der Sonnenwärme 
mehr ausgeſetzt, der Trieb erweckt wird, wodurch dieſes Verfahren zwar den 
Vortheil gewährt, daß diejenigen Reben, welche keine oder nur eine geringe 
Triebkraft haben, ausgeſchieden werden können und daß die getriebenen Reben, 
wenn ſie unbeſchädigt in den warmen Boden kommen, gerne und ſchnell an⸗ 
wachſen, beſonders wenn die Reben ſchon etwas ſtark angetrieben haben, die 


161 


Triebe beim Setzen leicht abgeſtoßen werden können, in welchem Falle der 
Trieb entweder ganz unterdrückt wird, oder von den Reben wieder neue Triebe 
gemacht werden müſſen, mithin das Anwachſen verzögert wird oder unvollſtän— 
dig geſchieht, ſo kann eine ſolche Behandlungsweiſe, weil bei derſelben, wenn 
auch aus dem abgeſtoßenen Auge oder Trieb nicht unmittelbar die Wurzeln 
entſtehen (S. 1), doch die Wurzelbildung verzögert oder geſtört wird, in keinem 
Falle zur allgemeinen Anwendung empfohlen werden. Noch viel weniger kann 
das Antreiben der Reben in lehmhaltigem Waſſer oder in ähnlicher Gülle 
angerathen werden, weil die Reben dadurch an zu große Feuchtigkeit gewöhnt 
werden und daher leicht verdorren, wenn ſie ſolche im Weinbergsboden, be— 
ſonders bei trockener Witterung, nicht mehr vorfinden. 

Dagegen iſt es ſehr zweckmäßig, wenn jede Rebe nach dem Zuſchneiden 
ſogleich in's Waſſer geſtellt wird, unter das etwas Lehm gemiſcht iſt, damit 
dieſelbe feucht und nicht ausgetrocknet in den Boden kommt. Wird ſpät ge- 
ſetzt, etwa erſt im Mai, und ſind die Reben lange zuvor in Kellern oder an— 
dern Räumen aufbewahrt worden und mithin etwas ausgetrocknet, ſo wird es 
auf das ſchnelle Anwachſen in dem warmen Boden jedenfalls eine gute Wir- 
kung ausüben, wenn dieſelben nach dem Zuſchneiden einige Tage in Zübern 
2—3 Zoll hoch in lehmhaltiges Waſſer geſtellt werden. Auch Wurzelreben 
ſollen, wenn man ſie nach dem Schneiden an einem feuchten und ſchattigen 
Ort im Boden einſchlägt oder kurze Zeit in's Waſſer ſtellt, ſehr bald und 
gerne anwachſen. So lange die Reben in kühlen Räumen oder durch Ein- 
ſchlagen in Erde aufbewahrt werden, iſt es ſehr angemeſſen, wenn dieſes in 
ihrem ganzen urſprünglichen Beſtande geſchieht und das Zuſchneiden erſt kurz 
vor dem Setzen erfolgt, weil dadurch das Austrocknen derſelben weſentlich 
verhütet wird. Will man zugeſchnittene Reben längere Zeit aufbewahren, 
oder in entferntere Gegenden verſenden, ſo iſt es gut, wenn man dieſelben, 
um das Austrocknen zu verhüten, oben und unten mit etwas Baumwachs 
verklebt oder in Kollodium eintaucht. Insbeſondere können Wurzelreben bei 
längerem Aufbewahren oder bei Verſendungen dadurch vor dem Eintrocknen be— 
wahrt werden, daß man die Wurzeln in eine mit Waſſer angerührte breiar- 
tige Maſſe von friſchem Kühdünger und zähem Lehm eintaucht. 

Manche Weingärtner nehmen zu der Anlage der Weinberge auch gerne 
ſogenannte Haarſchnittlinge, welche in jungen Gereuten dadurch gewonnen 
werden, daß einzelne Reben, wenn ſie nicht abgeworfen werden und etwas mit 
Erde bedeckt ſind, feine Haarwurzeln ziehen und dadurch nach dem Ablöſen 
der Rebe vom Mutterſtock gerne anwachſen. 

Auf wie verſchiedene Weiſe die Rebe ſich fortpflanzen läßt, beweist der 
weitere Umſtand, daß man neuerlich mit Reben Verſuche machte, an welchen 
von unten herauf die Rinde 5 Zoll lang ganz abgeſchält war, ohne die Augen 

41 


162 


zu verlegen und daß dieſe weit kräftigere Triebe gemacht haben ſollen, als 
eingelegte Reben mit der Rinde. 
(Heilbronner landwirthſchaftl. Wochenblatt 1861. No. 52.) 


§. 105. 
e. Die Auswahl der Reben. 


Eine der wichtigſten Sorgen bei der Anlage eines Weinberges iſt die 
Auswahl der Reben, indem davon nicht allein das gute Gedeihen deſſelben, 
ſondern auch der höhere oder geringere Ertrag abhängt. Es ſind daher dabei 
nicht nur die §. 84—88 aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze genau zu beob⸗ 
achten, ſondern auch noch weiter zu berückſichtigen, daß da, wo ohne vorherige 
Zubereitung des Bodens ſogleich vom Stock hinweg gereutet wird, wenn die 
Bodenverhältniſſe nicht beſonders günſtig ſind, womöglich nicht wieder die 
gleiche Traubengattung angepflanzt wird, weil die zur Ernährung derſelben 
erforderlichen Bodenbeſtandtheile durch die vorangegangene Pflanzung, aus 
den §. 90 angegebenen Gründen, ſo ausgeſogen ſein können, daß das gute 
Gedeihen der neuen Anlage in Frage ſteht. Ebenſo iſt es auch bei einer 
gemiſchten Beſtockung durchaus nicht räthlich, ſtarktriebige und ſchwachtriebige 
Reben neben einander zu pflanzen, weil die erſtern den letztern die | 
ſäfte mehr oder weniger entziehen würden. 

Ob eine Neuanlage mit Wurzelreben oder mit Schnittlingen (Glindreber) 
beſtockt werden ſoll, iſt gleichfalls eine Frage, die einer ſorgfältigen Ueber— 
legung bedarf. Die Anlage mit Schnittlingen iſt in den meiſten Weinbau— 
gegenden die gebräuchlichere, weil ſie leichter und wohlfeiler zu bekommen ſind, 
während die Anſchaffung von Wurzelreben, wenn man ſie kaufen muß, keinen 
unbedeutenden Aufwand oder bei der Selbſterziehung eine beſondere Boden— 
fläche und eine ein- bis zweijährige Vorbereitung erfordert, dagegen wächst 
ein mit Wurzelreben angelegter Weinberg leichter an und kommt 1—2 Jahre 
früher in Ertrag. Manche Weingärtner wollen behaupten, daß Schnittlinge 
dauerhaftere Weinberge geben als Wurzelreben, es ſcheint jedoch dieſes mehr 
auf einer durch lange Gewohnheit vorgefaßten Meinung zu beruhen, indem 
ſich hiebei kein Grundſatz im Allgemeinen aufſtellen läßt, ſondern auch hier in 
vielen Fällen Lage und Boden die Entſcheidung geben müſſen, wie denn in 
einzelnen Weinbaugegenden, wie zu Reutlingen, zu Untertürkheim und Fell⸗ 
bach ꝛc., im mittlern Kocherthal, im Ohrthal, in der Bodenſeegegend das 
Setzen mit Wurzelreben oder Ableger (Fechſer) demjenigen von Schnittlingen 
vorgezogen wird, während in andern die Anlage mit Schnittlingen herkömmlich 
iſt. In der Bodenſeegegend legt man neue Weinberge ſogar am liebſten mit 
alten Rebſtöcken an, welche mit den Wurzeln ausgehoben und eingegraben 


163 


werden, weil jie früher zum Ertrag kommen ſollen und zu dem dort einge— 
führten Vergruben tauglicher ſeien. 

Verſuche, welche mit dem Einlegen alter Rebſtöcke in ſtarkem Thonboden 
gemacht wurden, ſind jedoch nicht als gelungen zu betrachten, daher auch hier 
die Beſchaffenheit des Bodens ſehr zu berückſichtigen iſt. 

Nach den gemachten Erfahrungen haben auch die mit Wurzelreben ange— 
legten Weinberge eine lange Dauer, nur muß die Anlage mit Sorgfalt und 
mit ganz geſunden, kräftigen und gut bewurzelten Reben geſchehen und daher 
bei der Erziehung derſelben die §. 102 gegebenen Vorſchriften genau eingehal— 
ten werden. Auch bei dem Herausnehmen der Wurzelreben aus dem Rebland 
muß mit Achtſamkeit zu Werke gegangen, damit keine Wurzeln verletzt und 
dieſelben vor Sonne, Wind und Luft geſchützt werden, weil jede Beſchädigung, 
ſowie das Austrocknen der Wurzeln einen weſentlich nachtheiligen Einfluß auf 
das Gedeihen derſelben ausübt, daher, nach dem Herausnehmen aus dem Reb⸗ 
land, noch eine Ausſcheidung der geringen von den guten und geſunden Wur— 
zelreben ſtattfinden und ein ſorgfältiges Beſchneiden derſelben vorgenommen 
werden muß, bei dem die obern Wurzeln vom Kopfe abwärts bis auf ½ Fuß 
ganz hinweggenommen, die übrigen aber bis auf 1—1⁰ Zoll eingekürzt und 
die jungen Triebe auf dem Kopf bis auf das letzte Auge abgeworfen werden, 
wobei namentlich die zarten Saugwurzeln ſehr ſchonend zu behandeln ſind. Die 
Wurzelreben wachſen in mehr nördlichen oder weſtlichen Lagen, wo die Sonne 
weniger wirken kann, oder in trockenen Jahren oder heißen und trockenen 
Weinbergsgeländen weit leichter und kräftiger an, als Schnittlinge, daher hier 
überall das Anlegen der Weinberge mit Wurzelreben denjenigen mit Schnitt⸗ 
lingen vorgezo gen werden dürfte, beſonders wenn die Weinbergbeſitzer die Wur— 
zelreben in eigenen Rebländern erziehen können. Sehr zweckmäßig dürfte es 
ſein, wenn man mit jeder Wurzelrebe einen Schnittling von gleicher Gattung 
einlegt, indem dann jedenfalls einer von den Setzlingen gut anwächst und 
dadurch nicht nur das gute Gedeihen des Weinberges geſichert iſt, ſondern 
man kann auch, wenn beide Reben gut anwachſen und dieſelben beſonders am 
Fuße in gehöriger Weite eingelegt werden, durch Herausnahme der Schnitt— 
linge ſich auf die leichteſte Weiſe Wurzelreben erziehen (§. 111), die zum 
Nachſetzen oder auf andere Weiſe verwendet werden können. 5 

Werden dagegen zu einer Anlage mit Wurzelreben kranke, an der Stange 
beſchädigte oder ſchlecht bewurzelte oder ausgedorrte Stöcke genommen, oder 
dieſelben in Rebländern mit warmem, fetten Boden erzogen und nachher in 
magern oder kalten Boden gebracht, ſo werden ſolche fehlerhafte Beſtockungen 
allerdings weniger dauerhafte Weinberge als mit Schnittlingen geben, weil 
letztere mit dem Beginnen ihrer Vegetation ſich an den betreffenden Boden 
und an die klimatiſchen Einflüſſe der Lage mehr gewöhnen, während die Wur- 

11 * 


164 


zelveben durch das Verſetzen in ihrer Vegetation geſtört und durch eine un— 
günſtige Lage und ungeeigneten Boden in ihrer Entwicklung weſentlich aufge⸗ 
halten werden. In den angeführten Fällen, jo wie, wenn man die Wurzel- 
reben nicht ſelbſt erziehen kann, ſondern ſie von unzuverläſſigen Händlern er— 
kaufen muß, wird daher, weil die Gattung der Reben beſſer an Schnittlingen 
als an Wurzelreben zu erkennen iſt, die Anlage mit erſtern der Anlage 
mit Wurzelreben vorzuziehen ſein. Ebenſo wird man auch in minder heißen 
Lagen und in mehr kühlem Boden ein gutes Gedeihen der Anlage mit Schnitt⸗ 
lingen zu erwarten haben und daher hier eine ſolche, als minder kaoſtſpielig, 
angemeſſen oder wenigſtens nicht nachtheilig erſcheinen, auch dürfte in tief— 
gründigem Boden die Anlage mit Schnittlingen den Vortheil gewähren, daß 
dieſelben mehr Pfahlwurzeln treiben oder überhaupt tiefer wurzeln, während 
durch das Verſetzen der Wurzelreben und das Beſchneiden der Wurzeln die— 
ſelben dadurch mehr zu dem Anſatz von Seitenwurzeln angewieſen werden. 
Wer jedoch ſchnell wieder zu einem guten tragbaren Weinberge kommen will, 
wird immer der Anlage mit Wurzelreben den Vorzug zu geben haben, nur 
muß man dabei die Vorſicht gebrauchen, die neue Anlage, wenn ſie auch im 
zweiten und dritten Jahre kräftige Triebe macht, nicht zu frühzeitig zum Er- 
trage anzuſchneiden, weil dadurch der Weinberg, ehe ſeine Wurzelkrone ſich 
gehörig ausgebildet hat, zu ſehr angegriffen wird und daher bald altert. Die- 
ſer Umſtand mag daher auch dazu beitragen, daß, wenn ſich gewinnſüchtige 
Weingärtner durch den ſtarken Trieb ihrer mit Wurzelreben bepflanzten Wein⸗ 
berge verleiten laſſen, ſolche zu frühzeitig zum Ertrag anzuſchneiden, die Be— 
pflanzung der Weinberge mit Wurzelreben bei Manchen in Mißkredit ſteht. 


4. Das Setzen. 
§. 106. 


Bei der Anlage eines Weinberges muß auf das Setzen der Reben eine 
beſondere Sorgfalt verwendet werden, denn es liegt ſehr viel daran, daß der 
erſte Satz gut gedeiht, weil dadurch der Weinberg nicht nur früher zum Er- 
trag kommt, ſondern weil auch nachgeſetzte Stöcke öfters in dem ſchon etwas 
feſteren Boden weniger oder nur langſam anwachſen und ſomit das Gedeihen 
und die Dauerhaftigkeit eines Weinberges häufig von dem guten Gerathen 
des erſten Satzes abhängt. Wir haben daher bei dem Setzen der Reben die 
Zeit des Setzens, die Zurichtung des Bodens, das Auszielen und die Art des 
Setzens zu betrachten. 


a. Die Zeit des Setzens. 
Das Setzen der Reben kann entweder im Spätjahr nach dem Herbſt oder 


165 


im Frühjahr geſchehen. Erſteres iſt jedoch mit manchen Nachtheilen verbunden, 
indem die Reben bei dem Setzen mit Schnittlingen im Spätjahr öfters noch 
nicht vollſtändig ausgezeitigt ſind, dieſelben während des Winters, beſonders 
weil die Kälte in den gereuteten Boden ſchneller eindringt, leicht erfrieren, 
oder durch allzugroße Näſſe und das lange Liegen in dem feuchten Boden 
anfaulen können, was Alles dem künftigen kräftigen Gedeihen eines Weinberges 
ſchadet. Das Setzen im Spätjahr wird daher nur da mit Vortheil angewen— 
det werden können, wo ſich, wie im Tauberthale, ein ſeichter, hitziger, die Feuch— 
tigkeit nicht lange anhaltender Boden befindet oder in ſüdlichen Gegenden, wo 
der Boden im Frühjahr bald austrocknet und es daher in beiden Fällen an⸗ 
gemeſſen erſcheint, wenn die Reben in die Winterfeuchtigkeit kommen. 

Für die meiſten Weinbaugegenden Deutſchlands iſt die zweckmäßigſte Zeit 
zum Setzen das Frühjahr, bis wohin die Reben ihre möglichſte Auszeitigung 
erlangt haben, und wo noch die Winterfeuchtigkeit in dem Boden iſt, und 
der letztere von der täglich kräftiger werdenden Sonne immer mehr erwärmt 
wird. Es iſt jedoch dabei zwiſchen Reben, welche man zuvor antreiben läßt 
(ſtürzt, S. 104) und ſolchen, die man entweder als Schnittling oder Wurzelre— 
ben unmittelbar in den Boden bringt, zu unterſcheiden. Bei erſteren muß 
das Antreiben der Augen zuvor abgewartet werden, auch iſt es bei denſelben, 
damit keine Unterbrechung des Triebs und keine Saftſtockung eintritt, ein we— 
ſentliches Erforderniß, daß dieſelben in den bereits erwärmten Boden kommen 
und dadurch ihre Vegetation ungehindert fortſchreiten kann. Bei dieſen wird 
daher die zweckmäßigſte Zeit des Setzens die Mitte oder das Ende des Mo— 
nats Mai oder auch der Anfang des Monats Juni ſein. 

Bei den Schnittlingen oder Blindreben, welche man nicht antreiben laſſen 
will, ſowie bei den Wurzelreben iſt dagegen ein längeres Aufbewahren in Kel— 
lern oder das Einſchlagen in Erde nicht ſehr angemeſſen, daher bei dieſen ein 
früheres Setzen zweckmäßiger erſcheint. Die Setzrebe ſoll vom Rebſtock abge— 
ſchnitten und die Wurzelrebe aus dem Rebland genommen werden, ſo lange 
die Rebe noch nicht in Trieb gekommen iſt, weil ſonſt Saftſtockungen eintreten 
können und bei dem Mutterſtock an den abgeſchnittenen Stellen ein zu ſtarker 
Saftausfluß und dadurch Kraftverluſt ſtattfindet, mithin in der Mitte oder 
gegen das Ende des Monats März oder längſtens in den erſten Tagen des 
Monats April. Wenn es nun auch gleich bei dieſen ſehr gut iſt, wenn ſie in 
bereits erwärmten Boden kommen und dadurch das ſchnelle Antreiben befördert 
wird, ſo iſt hier doch und beſonders bei den Wurzelreben das Setzen aus den 
oben angeführten Gründen im Monat April oder längſtens zu Anfang des 
Monats Mai das angemeſſenſte, wobei, ſowie überhaupt bei allem Setzen da— 
rauf zu ſehen iſt, daß daſſelbe bei trockenem oder nur bei feuchtem und nicht 
bei naſſem Boden geſchieht, weil ſonſt derſelbe ſich zuſammenballt, feſt wird 


166 | 
und dem Eindringen der Wurzeln Widerſtand entgegenſetzt. Doch iſt, nach 
den gemachten Erfahrungen, das Setzen der Reben auch noch im Sommer 
bis gegen das Ende des Monats Juni ausführbar, wenn man dieſelben an 
einem kühlen oder kalten, ſchattigen Orte einſchlägt und beim Setzen die jungen 
Triebe möglichſt ſchont, nur müſſen dann die Reben, weil der Boden in der 
Regel nicht mehr die erforderliche Feuchtigkeit hat, mit Waſſer gehörig einge- 
flößt werden. Auch Wurzelreben ſollen noch im Sommer zum Verſetzen ver⸗ 
wendet werden können, indem dieſelben, wenn die jungen Schooſe auch bis auf 
das Köpfchen abgeworfen werden, wieder neue vollkommen ausgebildete Triebe 
machen ſollen. Ob ſolche Reben aber dauerhafte Stöcke geben, möchte noch 
in Frage ſtehen, jedenfalls kann dieſe Eigenſchaft der Reben dazu beitragen, 
daß man, wenn einzelne Stöcke in einem Gereute zurückbleiben, für dieſelben 
noch im gleichen Jahre andere nachſetzen und dadurch einen gleichen Stand 
des Weinberges erhalten kann. 


§. 107. 
b. Das Zurichten (Planiren) des Bodens. 


Es iſt bereits bemerkt worden ($. 97), daß das Setzen der Reben nicht 
früher geſchehen ſoll, als bis ſich der umgereutete Boden gehörig geſetzt hat, 
was gewöhnlich während des Winters durch das Gefrieren deſſelben, das Ein— 
dringen des Schneewaſſers oder im Frühjahr nach einigen tüchtigen Regen er⸗ 
folgt. Das Setzen des Bodens geſchieht jedoch nicht gleichförmig, ſondern an 
einer Stelle mehr, an der andern weniger, ſo daß, wenn der Boden vorher 
ganz gleich iſt, nachher ſich doch wieder Unebenheiten zeigen. Wollte man da⸗ 
her ſogleich nach dem Reuten ſetzen, ſo würde mancher Stock zu tief, ein an— 
derer zu hoch zu ſtehen kommen, ſo daß der Kopf von der Erde entblöst wäre, 
was nicht nur an und für ſich dem Wachſen und Gedeihen der Rebe ſchaden 
würde, ſondern in den Vertiefungen würde ſich auch Regenwaſſer anſammeln, 
wodurch die Stöcke gleichfalls Schaden nehmen oder ganz abſtehen könnten. 
Die Zeit, die ein Boden zum Setzen nöthig hat, richtet ſich nach S. 97 ganz 
nach der Bodenbeſchaffenheit, daher in einem milden, loſen Boden, der ſich 
bei der Umarbeitung locker, aber doch ſatt auf einander legt, bald nach dem 
Reuten und ſo bald er die nöthige Feuchtigkeit aufgenommen hat, mit dem 
Einlegen der Reben begonnen werden kann, während ein ſtrenger, geſchloſſener 
Boden, der beim Umarbeiten ſich nicht in feine Theile zertheilt, einige Monate 
zum Setzen bedarf. 

Iſt Letzteres geſchehen, ſo wird unmittelbar vor dem Setzen der Reben 
der Boden mit der Trech- oder Felghaue oder mit einem eiſernen Rechen ver⸗ 
zogen, die größeren Erdſchollen zerſchlagen und die Unebenheiten ausgeglichen, 


167 


jo daß derſelbe eine ganz gleiche Fläche bildet und dadurch zum Setzen der 
Reben vorbereitet iſt. 


§. 108. 
* o. Das Auszielen oder die Weite der Beſtockung. 


Vor der Beſtockung eines Weinberges muß man darüber mit ſich im 
Reinen ſein, wie weit man beſtocken oder ſetzen will, indem davon nicht nur 


der künftige Ertrag des Weinberges, ſondern insbeſondere auch die Qualität 
des Weins abhängt. 


Die Weite der Beſtockung hat ſich zu richten nach der Lage, dem Boden, 
der Traubengattung und der Erziehungsart des Rebſtocks. | 


Bei der Lage eines Weinberges kommt in Betracht, welche Wirkung die 
Sonnenſtrahlen auf denſelben ausüben können, mithin zunächſt die Richtung 
nach der Himmelsgegend, ſowie die ſteilere oder ſchwächere Abdachung. Wein⸗ 
berge, welche eine öſtliche oder weſtliche oder mehr nördliche Lage haben, ent- 
behren entweder einen großen Theil des Tages ganz die Sonnenſtrahlen, oder 
die Wirkung derſelben iſt minder kräftig, wodurch dieſelben weit langſamer aus⸗ 
trocknen, ſie müſſen deßwegen, wenn die Trauben durch Fäulniß keinen Scha⸗ 
den nehmen und eine möglichſt gute Qualität erzielt werden ſoll, weiter 
als ſüdlich gelegene Weinberge beſtockt werden und dieſes um ſo mehr, weil 
durch die feuchtere Lage die Vegetation der Rebe ſehr befördert wird. Ein 
ähnlicher Fall tritt bei den niedern oder minder ſteilen Weinbergen ein, indem 
auch bei dieſen die Sonne nicht ſo kräftig wirken kann, wie an ſteilen Ab⸗ 
dachungen (§. 57), daher hier gleichfalls weiter als an letztern beſtockt wer⸗ 
den muß. 


Auch auf beſondere climatiſche Verhältniſſe, beſonders auf die Winde, muß 
bei der Beſtockung eines Weinberges Rückſicht genommen werden, indem eine 
weite Beſtockung den Winden weit mehr Zutritt geſtattet, als eine enge, wo— 
durch die Rebſtöcke leicht windbürr und die Trauben am Stiele lahm 
werden und in der Zeitigung zurückbleiben. Schon der Umſtand, daß 
die Trauben bei ſtarken Winden durch die Blätter weniger Schutz 
genießen, übt auf die Auszeitigung derſelben einen nachtheiligen Einfluß aus, 
weil die Erfahrung lehrt, daß die von Blättern wohlbedeckten Trauben ſüßer 
und gewürzreicher werden, als die mehr entblösten. In Gegenden, die häufig 
ſtarken Winden ausgeſetzt ſind, wie am Traufe der Alp und beſonders in der 
Bodenſeegegend erſcheint daher eine engere Beſtockung als zweckmäßig und 
nothwendig, auch darf in einzelnen Gegenden auf Höhen, an hervorſtehenden 
Bergrücken, in engen Thälern, wo häufig ſtarke und kalte Winde ſtreichen, 


168 


darauf bei der Beſtockung Rückſicht genommen und dieſelbe nach Verhältniß 
etwas enger geſtellt werden. l 

Bei dem Boden kommt es hauptſächlich auf deſſen größere oder geringere 
Triebkraft, ſowie auf deſſen Wärme und waſſerhaltende Kraft an, ob weiter 
oder enger geſtockt werden ſoll. In einem warmen, kräftigen Boden, der 
die Rebe zu einer ſtarken und ausgedehnten Vegetation aureizt, wodurch die— 
ſelbe auch mehr Raum zu ihrer Ausbildung nöthig hat, iſt weiter, als in einem 
magern leichten Boden zu ſtocken, obgleich, weil der letztere weniger Nährkraft 
beſitzt, in demſelben auch nicht zu eng beſtockt werden darf, wenn die Rebe die 
erforderliche Nahrung finden ſoll. 

Ebenſo muß in einem, die Feuchtigkeit lange anhaltenden, naſſen, kühlen 
oder kalten Boden, damit die Sonne kräftiger wirken und die Feuchtigkeit 
ſchneller auftrocknen kann, die Beſtockung weiter als in einem warmen und 
trockenen Boden angelegt werden. 

Bei der anzupflanzenden Traubengattung iſt beſonders ihre größere oder 
geringere Triebkraft, die bei den einzelnen Gattungen ſehr verſchieden iſt, zu 
berückſichtigen. Starktriebige Reben, wie Trollinger, Schwarz- und Roth⸗ 
Urban ꝛc. müſſen bedeutend weiter, als ſchwachtriebige oder ſchwachvegetirende, 
wie Sylvaner, Rießling, Traminer, Gutedel, Velteliner, geſetzt werden, wenn 
bei enger und gemiſchter Beſtockung die ſchwachtriebigen Reben von den ſtark— 
triebigen nicht unterdrückt, bei weiter Beſtockung aber bei den ſchwachtriebigen 
Rebſtöcken nicht unnöthig überflüſſiger Raum vorhanden ſein ſoll. Zugleich 
iſt hieraus erſichtlich, wie ſchon bei der Anlage eines Weinberges eine ge— 
miſchte Beſtockung auf verſchiedene Hinderniſſe ſtößt und daß eine ſolche ſich 
mit einem rationellen Weinbaubetriebe nicht wohl verträgt. 

Einen weſentlichen Einfluß auf die Weite der Beſtockung, hat die Er- 
ziehung des Rebſtocks, indem ſtarkwüchſige Reben, mit 3—4 langen Schenkeln, 
weiten Bögen und langen Zapfen einen größern Raum zu ihrer Erziehung 
nöthig haben, als ſchwachtriebige Reben, welchen nur 1—2 kurze Schenkel mit 
Halbbögen oder Zapfen gegeben wird; es muß daher bei der Anlage eines 
Weinberges genau erwogen werden, nicht nur, welche Reben man anpflanzen, 
ſondern auch wie man ſie erziehen will, und darauf bei der Weite der Be⸗ 
ſtockung ſorgfältig Rückſicht nehmen. 


§. 109. 

Im Allgemeinen läßt ſich für die Weite der Beſtockung der Grundſatz 
aufſtellen, daß dieſelbe nicht nur dem Rebſtocke Raum zu ſeiner vollſtändigen 
Entwicklung geben, ſondern auch der Sonne und der Luft überall Zutritt ge⸗ 
ſtatten muß, damit die zur Vegetation der Rebe und der Zeitigung der Traube 
erforderliche Wärme-Entwicklung ungehindert vor ſich gehen und der Boden 


169 


gehörig austrocknen kann. Sie darf aber auch nicht zu weit fein, weil ſonſt 
heftige oder auch nur öftere ſtarke Winde Reben und Trauben beſchädigen, 
oder die Sonne, beſonders an ſteilen Lagen mit hitzigem Boden, den letztern 
ſo austrocknen kann, daß die Rebe in der Vegetation zurückbleibt und der 
Weinberg dadurch, nach den gemachten Erfahrungen, weniger und einen geringe— 
ren Wein liefert, als bei einer engeren Beſtockung. 

Wie weit nun aber unter den angeführten Verhältniſſen beſtock werden 
ſoll, dieß hängt ſo ſehr von der örtlichen Beſchaffenheit der Weinberge und 
deren Beſtockung ab, daß hiefür keine ſpeziellen Vorſchriften gegeben werden 
können, ſondern es kann nur ſo viel bemerkt werden: 

a. daß bei ſchwachtriebigen Reben und kurzer Erziehung mit 1—2 Schen- 
keln und Halbbögen und Zapfen, je nach der Triebkraft des Bodens, an Ber⸗ 
gen eine Weite von 3—3½ Fuß, an minder ſteilen Abhängen aber von 3½ 
Fuß genügen dürfte, welche Entfernung auch im Rheinthale bei den vorzüglich- 
ſten Weinbergen des Rheingaues und in der Pfalz bei kurzer Erziehung ein- 
gehalten wird; 

b. daß ei Reben von mittlerer Vegetationskraft und mittlerer En 
mit 2—3 Schenkeln und Bögen, Halbbögen, auch zum Theil Zapfen wieder, 
je nach der Triebkraft des Bodens, an Bergen mit guter Lage eine Weite 
von 3½—4 Fuß, an minder ſteilen Anhöhen von 4 Fuß erforderlich iſt und 

C. daß bei Reben von ſtarker Vegetationskraft und langer Erziehung mit 
3—4 Schenkeln und weiten Bögen und langen Zapfen an Bergen eine Weite 
von 4½—5, an minder ſteilen Lagen von 5 Fuß und bei ſtarker Vegetation 
auch noch darüber nöthig ſein dürfte. 

Hiebei kommt dann noch weiter in Berückſichtigung, daß bei der Schenfel- 
erziehung (§. 120, 121) eher etwas enger, als bei der Kopferziehung geſtockt, 
und daß bei der Reihen- oder geſtreckten Rahmen-Erziehung mehr an der 
Breite, als an der Höhe, bei der kurzen ein- oder zweiſchenkeligen Pfahler- 
ziehung aber eher an der Höhe, als an der Breite etwas abgebrochen werden 
darf, ſowie daß inner der hier gegebenen Rahme auch die übrigen Verhält— 
niſſe (§. 108) ihre Berückſichtigung zu finden haben. 


& (io, 


Iſt der Boden geebnet und beſtimmt, wie weit man ſetzen will, jo beginnt 
das Ab⸗ oder Auszielen, d. h. das Bezeichnen der Stelle, wohin jede Rebe 
geſetzt werden ſoll, mittelſt eines Pfählchens von 1½ Fuß Länge, das man 
Ziel nennt. Dieſes Auszielen hat den Zweck, daß die Rebſtöcke nicht nur in 
ſchönen, geraden Linien, ſondern in der Höhe und Breite in gleichweiter Eut— 
fernung von einander zu ſtehen kommen, indem durch ungleiche Entfernungen 
das Auge beleidigt und bei der künftigen Vegetation der Rebe die bereits an— 


170 


geführten Nachtheile eintreten würden. Zu dieſem Behuf werden zuerſt die 
äußern Zeilen auf allen vier Seiten abgeſteckt, um ſich nach dieſen bei dem 
Abſtecken der übrigen Zeilen richten zu können, was man den Stall oder Kranz 
nennt, und wobei man von der Grenzmarke in einer beſtimmten Entfernung 
bleiben muß, die in den einzelnen Weinbaugegenden 1¼—2 Fuß beträgt. Bei 
dieſer äußern Einfaſſung muß mit beſonderer Sorgfalt verfahren werden, in- 
dem bei unzweckmäßiger Anlage derſelben dieſes auch bei der ganzen innern 
Abzielung der Fall wäre. ö 

Um dieſes zu vermeiden, muß das ganze Gereut oder das einzelne Beet, 
das beſonders ausgezielt werden will, genau in der Länge und Breite gemeſſen 
werden, und, wenn etwa bei der angenommenen Höhe und Breite etwas Raum 
übrig bleiben oder derſelbe nicht ganz zureichen würde, an dem Maß zugegeben 
oder abgebrochen werden, wobei man ſich, wenn nur einzelne Beete ausgezielt 
werden ſollen, auch nach der Weite der benachbarten ältern Beete richten muß. 

Iſt darnach das Maß der Höhe und Breite der Zeilen vollkommen rich— 
tig geſtellt, ſo wird daſſelbe auf einem Pfahl genau angezeigt, worauf man 
Schnüre von ſtarkem Bindfaden, ſogenannte Reutſchnüre nimmt, die man an 
den Seiten des Gereuts in gleicher Linie anzieht und einſteckt, ſofort das 
Maß anlegt und neben, nicht über demſelben, ein Pfählchen (Ziel) einſteckt, ſo 
daß die obere Seite mit dem Maß ganz gleich ſteht. Sind auf dieſe Weiſe 
alle vier Seiten des Gereuts abgeſteckt, ſo iſt der Stall oder Kranz fertig, 
worauf man die Reutſchnüre von den äußern Zeilen der Länge und Breite 
nach über das ganze Gereute zieht und die Stelle, wo ſich die Schnüre kreu— 
zen, jedesmal mit einem Ziel gleichförmig, d. h. entweder fortwährend über oder 
unter der Schnur bezeichnet, wodurch die Entfernung der einzelnen Rebſtöcke 
von einander genau gegeben iſt. 

Sollte der Weinberg unten und oben nicht gleich breit, oder auf beiden 
Seiten nicht gleich lang ſein, ſo müſſen Halbzeilen oder ſogenannte Spitzzeilen, 
welche ſich gegen die ſchmälere Seite zuſpitzen, gemacht werden, im erſten 
Falle der Länge, im andern Falle der Breite nach, nur muß darauf geſehen 
werden, daß die Spitzzeile nicht an die äußere Furche kommt, daß ſie da, wo 
ſie ausläuft, je nach der übrigen Weite der Beſtockung nicht zu ſchmal wird 
und daß, wenn einige Spitzzeilen erforderlich ſind, dieſelben nicht neben einan— 
der gezogen werden, ſondern mit ganzen Zeilen abwechſeln. 

Das Abſtecken einer Spitzzeile geſchieht dadurch, daß man von dem Ziel 
der breiten Seite die Schnur in die Mitte der gegenüberſteheuden Zeile zieht 
und darnach, ſoweit es die Breite der Zeile geſtattet, die Ziele einſtockt. 

Bei den mehr öſtlich oder weſtlich liegenden Weinbergen dürfte noch ins— 
beſondere, wie beim Reuten (§. 92), jo auch beim Abzielen Bedacht darauf 
genommen werden, daß ſpäter die Rebſtöcke einen möglichſt guten Stand gegen 


171 


die Sonne bekommen, und daher das Auszielen nach der Sonnenlinie vorge— 
nommen werden, ſo daß die Zeilen nicht gerade den Berg hinauf oder hinunter, 
ſondern nach dem Stand der Sonne, den dieſelbe um die Mittagszeit ein— 
nimmt, gezogen werden, was man dadurch leicht ermitteln kann, wenn man 
Mittags 12 Uhr einen Pfahl in das Gereut einſteckt und in der Richtung, 
in welcher derſelbe ſeinen Schatten wirft, den Zug der Zeilen einrichtet. Es 
wird dadurch der Weinberg Mittags, wo die Sonnenſtrahlen am kräftigſten 
wirken, denſelben am meiſten geöffnet, was auf das Gedeihen der Reben und 
auf die Zeitigung der Trauben eine ſehr günſtige Wirkung ausübt, daher vie- 
ſes einfache Mittel zur Verbeſſerung weniger günſtigen Weinbergslagen überall, 
wo es die Oertlichkeit geſtattet, angewendet werden ſollte. 


8. 111. 
d. Die Art des Setzens. 


Das Setzen der Reben wird in den einzelnen Weinbaugegenden auf ſehr 
verſchiedene Weiſe vorgenommen, da jedoch die Art deſſelben häufig von der 
Beſchaffenheit des Bodens abhängt, ſo haben wir jede Methode beſonders zu 
betrachten. 

1. Bei dem Setzen in Stufen werden kleine Gruben mit der Haue ſchief 
gegen den Berg gemacht und die Reben ebenſo ſchief gegen den Berg in die— 
ſelben eingelegt, ſo daß der untere Theil, der Fuß, an den Bergen 6—8 Zoll, 
in ebener Lage 8—10 Zoll tief, der obere Theil, der Kopf, aber 1 Zoll tief 
in den Boden kommt. Dieſe Setzmethode ist in allen Bodenarten anwend— 
bar, hauptſächlich muß ſie aber zur Anwendung kommen, in Böden mit 
vielem Steingerölle oder in zähem, feſten Boden, weil hier andere Setzme— 
thoden entweder nicht angewendet werden können oder mit Nachtheilen, beſon— 
ders beim Anwachſen der Reben, verbunden wären. Bei dieſer Setzmethode 
kann der Rebe am ſicherſten die richtige Lage gegeben und dieſelbe mit guter 
Erde überall und gleichförmig umgeben werden, ſie erſcheint daher, beſonders 
wenn die Stufen nicht zu ſeicht gemacht werden, als die angemeſſenſte und iſt 
namentlich bei dem Setzen mit Wurzelreben ſehr zweckmäßig, weil dabei die 
Wurzeln in die angemeſſenſte Lage gebracht und dieſelben dabei am meiſten 
vor Beſchädigung geſchützt werden können. 

Wird mit Schnittlingen geſetzt und will man ſpäter nach einem oder 
zwei Jahren einen Stock ausziehen und als Wurzelrebe verwenden (ſogenannte 
Scheideſtöcke machen), ſo muß die Stufe ſo breit gemacht werden, daß die 
Schnittlinge unten am Fuß 5—6 Zoll entfernt von einander zu liegen kommen, 
oben am Kopf aber bis auf 1—2 Zoll zuſammenlaufen, jo daß ſie nur ein 
Pfählchen nöthig haben. Zu dem Stufenmachen bedient man ſich einer be— 


172 


ſondern Setzhaue, die, um den Boden bequemer ausheben zu können, länger 
ſein und gerader ſtehen muß, als die gewöhnliche Reuthaue. 

2. Bei dem Setzen hinter die Haue wird keine Stufe gemacht, ſondern 
zweimal auf der gleichen Stelle in den Boden gehauen, ſo daß die Setzhaue 
bis an den Schaft in den Boden kommt, der letztere ſofort etwas zurückge⸗ 
zogen und dann die Reben unter die Haue geſteckt. Daſſelbe paßt jedoch nur 
für lockern, etwas milden Boden, weil in ſteinigem Boden die Haue, durch 
die Steine aufgehalten, nicht immer die erforderliche Tiefe erreichen könnte 
und bei ſtrengem oder zähem Boden dem untern Theil der Rebe die erforder— 
liche Lockerheit des Bodens zum guten und ſchnellen Anwachſen entgehen würde. 
Dieſe Art des Setzens iſt überhaupt mit verſchiedenen Nachtheilen verbunden 
und daher nicht ſehr empfehlungswerth, weil der Arbeiter beim Einhauen nicht 
immer die gleiche Stelle unter dem Ziele trifft und dadurch die Gleichheit des 
Setzens verrückt wird, wodurch ein Stock zu hoch, ein anderer zu nieder zu 
ſtehen kommt. Auch kommen die Reben zu ſchief und ungleich tief zu liegen, 
wodurch die Stöcke in trockenen Jahren durch die Hitze des Sommers, oder 
während des Winters, wenn beim Decken der Reben die Wurzeln von Erde 
etwas entblöst werden, durch die Kälte leicht Schaden nehmen können. 

3. Das Setzen mit dem Setzholze oder der Stelze iſt in ſehr vielen 
Weinbaugegenden eingeführt. Das Setzholz iſt 5 Fuß lang, 3 Zoll ſtark, ab⸗ 
gerundet, oben zum beſſern Regieren mit einem 1½ Fuß langen Querholz 
verſehen, unten bis auf einen Zoll zugeſpitzt und mit Eiſen beſchlagen, von 
unten gegen oben aber in einer Höhe von 2 Fuß mit einem Abſatze (Stelze) 
verſehen. Mit dieſer Stelze ſtellt ſich der Arbeiter an den Abhang des Berges 
gegen unten, ſtoßt unterhalb hart am Ziele etwas ſchief abwärts vom Berge 
ein Loch in den Boden, erweitert daſſelbe durch das Hin- und Herbewegen 
der Stelze, tritt dann mit dem Fuße auf den Abſatz und drückt ſie dadurch 
immer tiefer in den Boden, bis der Tritt mit dem Boden gleich iſt und das 
Loch dadurch eine Tiefe von 2 Fuß und eine Weite unten von 1, oben 3— 4 
Zoll erhalten hat. In dieſes Loch werden dann die zwei Setzreben gelegt, 
wovon die eine, wenn beide wachſen, nach ein oder zwei Jahren abgeſchnitten 
wird. Will man aber die Reben ſo ſetzen, daß eine ſpäter ausgezogen werden 
kann (Scheidſtock), ſo werden rechts und links vom Ziele aus, zwei ſchiefe 
Löcher gemacht, welche oben 1—2 Zoll, unten 1 Fuß weit von einander ſtehen 
und in jedes Loch dann eine oder auch zwei Reben gelegt. Auf ähnliche Weiſe 
wird verfahren, wenn mit einem Erdbohrer geſetzt wird. 

Durch dieſes Setzen kommen die Reben am tiefſten und faſt ſenkrecht in 
den Boden, es iſt daher beſonders da in Anwendung zu bringen, wo der Bo⸗ 
den nicht ſeicht, ſondern tief umgereutet wurde und wo durch mehrjähriges 
Anpflanzen mit Klee oder auf andere Weiſe ein guter kräftiger Boden in den Un⸗ 


173 


tergrund kam, oder wo ein ſtrenger Thon- oder Mergelboden vorherrſchend 
iſt, der bei heißer und trockener Witterung häufig tiefe Sprünge bekommt, 
wodurch, wenn der Stock nicht tief ſteht, die Wurzeln leicht austrocknen und 
abſterben können. In feſtem, etwas feuchten Boden, wird jedoch durch das 
Einſtoßen und Hin⸗ und Herbewegen des Setzholzes die Erde an den Wan— 
dungen des dadurch gebildeten Lochs etwas feſtgedrückt, wodurch die feineren 
Wurzeln der jungen Rebe nur mit Schwierigkeit in dieſelbe eindringen können, 
was das Wachst hum derſelben hindert, auch können in naſſen Jahrgängen die 
tief geſetzten Reben, durch das Anſammeln des Waſſers in der Tiefe, Schaden 
nehmen und in der Vegetation zurückbleiben oder ganz zu Grunde gehen, weil 
die Wärme weniger tief in den Boden dringt, daher in waſſerhaltigem Boden 
das Setzen in Stufen angemeſſener erſcheint. 


Im Rheinthale und beſonders im Rheingaue werden mit dem Setzholze 
drei Löcher gegen den Berg in Entfernungen von 3 Zoll gemacht und in jede 
Oeffnung eine Rebe eingelegt, die zuſammen einen Stock, jedoch mit kurzer, 
geſtreckter Erziehung (§. 125) bilden. 


4. Das Setzen mit dem ſogenannten Gaißfuß iſt erſt neuerlich in Ge— 
brauch gekommen und ſcheint ſehr zeit- und koſtenerſparend zu fein, wird jedoch 
hauptſächlich nur in mildem, lockern und zugleich kräftigem Boden, der keinen 
Zuſatz von guter fruchtbarer Erde nöthig hat, und bei dem das Angießen der 
Rebe mit Waſſer nicht erforderlich iſt, mit Zweckmäßigkeit in Anwendung ge- 
bracht werden können, auch iſt dieſe Setzmethode nur mit Schnittlingen (Blind⸗ 
reben) ausführbar. N 

Der Gaisfuß iſt von Eiſen und hat unten zwei bewegliche Hacken, welche 
die Rebe faſſen, die man dann am obern Ende feſt an die eiſerne Stange 
drückt und das ganze Inſtrument ſofort in den Boden ſtoßt, bis der obere 
Theil der Rebe mit dem Boden gleich iſt, worauf das Inſtrument zurückge⸗ 
bogen und herausgezogen wird, die Rebe aber im Boden bleibt. 


5. Das Setzen während des Reutens, wobei die Reben, nachdem der 
Reutgraben zur Hälfte aufgefüllt iſt, in denſelben eingelegt werden, wie das⸗ 
ſelbe in dem mittlern Kocherthale, in dem Jagſtthale und in dem Tauberthale vore 
kommt und wobei die Reben zum Theil vom Berg gegen das Thal von oben gegen 
unten in die Gruben eingelegt werden, iſt nicht ſehr empfehlungswerth, weil ein glei⸗ 
ches und genaues Abzielen und Setzen häufig nicht möglich iſt und dadurch eine 
pünktliche Weinbergsanlage verfehlt wird, auch iſt ſehr zu berückſichtigen, daß 
ein ſolcher Weinberg längere Zeit, als bei der gewöhnlichen Setzmethode, 
zu ſeiner Entwicklung nöthig hat (6—8 Jahre), und daß dadurch ein Theil 
des Ertrags verloren geht. 


174 


6. Die Einlage der Reben in die Stufen oder Oeffnungen geſchieht in 
der Regel gegen den Berg, in einzelnen Weinbaugegenden finden aber hievon 
auch Ausnahmen ſtatt, indem, wie bereits bemerkt, hie und da vom Berg gegen 
das Thal und in einigen Gegenden von Rheinbayern, beſonders in ebenen 
Lagen, quer, d. h. nach der Breite des Weinbergsfeldes in der Art eingelegt 
wird, daß von zwei Zeilen die Stufen 1 Fuß tief quer gegen einander ge- 
macht und die Reben ſofort in dieſe eingelegt werden, ſo daß ſie am Fuße 
nur 4—5 Zoll von einander entfernt liegen. In dieſen Gaſſen wird ſpäter 
auch blos gedüngt und zuvor der Boden hie und da etwas ausgehoben, ſo 
daß der Dünger in eine Grube zu liegen kommt, die mit der ausgehobenen 
Erde wieder bedeckt wird. 

7. Eine beſondere Vorſicht erfordert das Setzen der Reben an Mauern 
und Rainen, weil durch dieſelben die Kälte während des Winters tief ein- 
dringt und daher die Stöcke, wenn die Reben auf die gewöhnliche Weiſe von 
unten gegen oben eingelegt werden, in kalten Wintern leicht erfrieren können, 
und außerdem an Rainen öfters der üppige Graswuchs den Stöcken wenig— 
ſtens theilweiſe die Nahrung entzieht. In ſolchen Fällen iſt es daher ange— 
meſſen, wenn die Reben von oben gegen unten eingelegt werden. Auch bei 
ſchmalen Furchen, oder wenn der Weinberg gegen den Nachbar einen Abſatz 
hat ꝛc., iſt es zweckmäßig, wenn die letzte Zeile gegen den Nachbar etwas ſchief 
gegen den eigenen Weinberg geſetzt wird, damit, wenn beim Nachbar Reut⸗ 
arbeiten, Setzung von Mauern und Rainen vorgenommen werden, die Wur⸗ 
zeln der Reben nicht Noth leiden. 

8) Eine vorzügliche Beachtung verdient in Weinbergen mit hohen Mauern 
die Anlegung von Rebgeländen an denſelben, indem dadurch der Ertrag der 
Weinberge ſehr erhöht werden kann. Dieſelben werden entweder durch Ein— 
legen von Reben am Fuße der Mauern oder durch Einlegung von Mauer⸗ 
ſtöcken herangezogen. Die Reben werden weiter als bei der gewöhnlichen 
Weinbergsanlage in Entfernungen von 8—10 Fuß eingelegt und bei der Ein⸗ 
lage am Fuße der Mauer dieſelbe ſo eingerichtet, daß ſie in die Mitte der 
Weinbergs-Zeilen zu liegen kommen und etwa 1 Fuß von der Mauer ab⸗ 
ſtehen, damit ſpäter Reben und Trauben von dem herabfließenden Waſſer 
nicht beſchädiget werden und unten am Fuße der Mauer noch ein kleiner Gra⸗ 
ben zum Ableiten des Waſſers gebildet werden kann, zu welchem Behuf die 
Rebe erſt, wenn fie 1 Fuß hoch ift, gegen die Mauer gezogen werden darf. 

Bei der Einlegung von Mauerſtöcken muß ſchon bei der Anlegung der 
Mauern auf die §. 98 angegebene Weiſe Rückſicht genommen und fofort die 
Reben zu den Mauerſtöcken in einer Länge von 3—4 Fuß, von oben herab 
in einer Tiefe von 2—4 Fuß da eingelegt werden, wo ſich die in der Mauer 
befindlichen Oeffnungen befinden, wobei jedoch der Kopf der Rebe nicht zur 


175 


Oeffnung herausſehen darf, weil ſonſt derſelbe oder die jungen Triebe durch 
die Sonne leicht abgebrannt werden können, auch iſt es, wenn die Mauer- 
ſtöcke tief geſetzt werden, ſehr gut, wenn die Gruben hinter der Mauer nach 
dem Setzen nicht ganz zugeworfen, ſondern mit guter Compoſterde etwa nur 
zur Hälfte angefüllt werden, damit die Sonnenwärme mehr eindringen und 
die Rebe zu einer ſchnellen und ſtarken Vegetation veranlaſſen kann. 

9) In manchen Weinbaugegenden, wie in dem mittleren Neckarthale, im 
Kocher⸗ und Jagſtthale enthält der Boden öfters ſo viel Steingerölle, daß 
beim Reuten und beim jährlichen Hacken die größeren Steine, als den Wein— 
bergsarbeiten hinderlich, ausgeleſen und im Weinberg auf beſondere Haufen 
(Steinkäſten, Steinmauern) gelegt werden, wodurch dem gebauten Feld viel 
Boden entzogen wird, es wäre deßwegen, wenn dieſe Steinmauern nicht ganz 
beſeitigt werden können, ſehr zweckmäßig und von beſonderem Gewinn, wenn 
neben dieſen Steinmauern langtriebige Reben eingelegt und dieſelben ſpäter 
über die Steinmauern, ohne weitere Holzunterſtützung gezogen würden, wodurch 
ſich, wie an Mauer⸗Geländen, lauge Schenkel bilden, auf welchen man dann, 
damit ſie ſich ſelbſt tragen, Zapfen von 2—4 Augen anſchneiden könnte 
(8. 123). 

Im Allgemeinen iſt es ſehr angemeſſen, wenn bei dem Setzen die jungen 
Reben in fetten Sand (Schleimſand) oder in gute Compoſterde, oder auch in 
vermoderte Weintreber gelegt, und nachdem ſie mit Erde halb zugedeckt ſind, 
mit Waſſer angegoſſen werden, indem ſich dadurch die Erde weit feſter an— 
ſchließt, die Feuchtigkeit länger erhalten und das Wachsthum ſehr befördert 
wird, daher dieſes nirgends verſäumt werden ſollte. Die Sorgfalt, die man 
bei dem Setzen den Gereuten widmet, wird durch das kräftige Anwachſen und 
die frühere Ertragsfähigkeit derſelben hinreichend belohnt, während Gereute, 
in welchen man nach dem erſten und zweiten Jahre viele Stöcke nachſetzen 
muß, ſelten kräftige und dauerhafte Weinberge geben, weil nachgeſetzte Stöcke 
in dem ſchon etwas feſteren Boden nicht mehr jo gerne und jo gut anwach— 
ſen, als wie im erſten Jahre. Insbeſondere tft das Einſchlämmen bei geſtürz— 
ten oder angetriebenen Reben (S. 104) faſt unumgänglich nöthig, indem ſonſt 
durch das Feſtſtampfen oder Feſttreten der Erde die Triebe abgeſtoßen und 
dadurch ver erwartete Zweck verfehlt wird. Solche Beförderungsmittel zum 
ſchnellen und guten Anwachſen der Reben laſſen ſich jedoch hauptſächlich nur 
bei dem Setzen in Stufen oder mit dem Setzholze anwenden, daher auch 
aus dieſem Grunde beide Setzmethoden für die zweckmäßigſten erkannt werden 
dürften. 

8 12. 

Bei den einzelnen Setzmethoden herrſcht darin wieder eine Verſchieden— 

heit, wie tief die Rebe in den Boden zu ſtehen kommen ſoll, auch iſt dabei 


176 


auf die Lage der Weinberge und auf die Beſchaffenheit des Bodens Rückſicht 
zu nehmen. 

Tief oder mehr ſenkrecht zu ſetzen iſt in flachen oder mehr eben gelegenen 
Weinbergfeldern, in welchen die Reben während des Winters dem Erfrieren 
ausgeſetzt ſind, ferner in tiefgründigem Boden mit fruchtbarer Erde, in dem 
die Reben ihre Nahrung mehr in der Tiefe zu ſuchen haben. Seichter iſt 
zu ſetzen, d. h. die Rebe iſt mehr ſchief einzulegen, in einem ſeichten Dber- 
grund mit undurchlaſſendem feſten, felſigen, oder zähen thonigen Untergrund, 
indem die Reben in letzterem keine Nahrung finden, vielmehr, wenn die Wur⸗ 
zeln auf einen waſſerhaltigen Untergrund kommen, leicht Schaden nehmen 
und abſterben. Ferner, wenn vom Stock hinweggereutet wird, weil der un— 
tere Boden, auch bei tiefem Obergrund, mehr mager als fett iſt, und die 
Rebe daher ihre Nahrung mehr von oben als unten beziehen muß; jedenfalls 
braucht der Weinſtock in ſolchem Obergrund, wenn tief geſetzt wird, länger zu 
ſeiner Entwicklung als in ausgeruhter fruchtbarer Erde (§. 91), wie dieſes 
bei der Setzmethode im Kocher- Jagſt- und Tauberthale in der Regel vor⸗ 
kommt. 

Bei dem ſeichten Setzen in mehr ſchiefen Stufen kann zwar das Waſſer 
beſſer ablaufen, die Wärme leichter und ſtärker zu den Wurzeln dringen und 
der Dünger ſchnellere und beſſere Wirkung thun, wodurch die Reben ſchneller 
zum Wachſen gebracht und das Gereut ſchnell herangezogen werden kann, 
auf der andern Seite hat aber auch ein zu ſeichtes Setzen den großen Nach— 
theil, daß, weil dabei die Reben häufig keine Pfahlwurzeln, ſondern ihre 
Wurzeln mehr auf den Seiten gegen den oberen fetteren Obergrund treiben, 
die Stöcke keine feſte Haltung bekommen und ſpäter beim Schneiden leicht em⸗ 
porgehoben und aus ihrer Ruhe gebracht werden, auch können dieſelben in 
kalten Wintern leicht erfrieren und in heißen Sommern durch allzuſtarkes 
Austrocknen des Bodens Schaden nehmen, oder in der Entwicklung zurückblei⸗ 
ben. Die Stufen zum Setzen ſollten daher mindeſtens ſo tief gemacht werden, 
daß der Fuß des Stocks 1 Fuß tief zu liegen kommt, jedenfalls aber erſcheint 
beim ſeichten Setzen das öftere Uebertragen des Weinberges mit Erde und 
namentlich ſchon im erſten Spätjahr oder im folgenden Frühjahr als eine 
Nothwendigkeit, damit die Wurzeln der Rebe nicht allzuſehr an die Oberfläche 
des Bodens zu liegen kommen. Man mag nun aber tief oder ſeicht ſetzen, 
ſo muß die Rebe doch immer ſo zu liegen kommen, daß die obere Spitze noch 
½—1 Zoll mit Erde bedeckt iſt, weil dieſelbe dadurch vor dem Austrocknen 
geſchützt und von oben durch die Wärme der atmosphäriſchen Luft, von un⸗ 
ten aber durch die aus der Erde aufſteigende Feuchtigkeit zur ſchnellen und 
kräftigen Vegetation veranlaßt wird. Deſſenungeachtet kommt, beſonders bei 
einem trockenen und warmen Frühjahr, oder wenn der Boden ſich noch etwas 


177 


ſetzt, noch hie und da der Fall vor, daß die Spitzen der Reben zum Vor— 
ſchein kommen und dadurch ausdorren, ſo daß ſie entweder gar nicht oder erſt 
am zweiten oder dritten Gelenke antreiben, wodurch der Stock kurz und ſchwach 
bleibt. Um dieſes zu verhüten, iſt es zweckmäßig, wenn die Spitzen der Re— 
ben mit Moos, Sägmehl, Gerberlohe oder einem andern ſchlechten Wärme— 
leiter bedeckt, oder beim Setzen der Reben in Stufen mit einem länglichen 
Raſen, die Grasnarbe gegen unten gekehrt, belegt werden, wodurch das bal— 
dige Austrocknen der Reben verhindert und das Anwachſen derſelben weſentlich 
befördert wird. 


8. 113. 
e. Das Verlegen und Vergruben der Reben. 


Statt dem vollſtändigen Erneuern der Weinberge iſt in manchen Wein⸗ 
baugegenden das Verlegen oder Vergruben der Reben, wie in der Boden— 
ſeegegend, im Baden'ſchen Oberlande, in Oeſtreich, beſonders in Steyermark, 
ſowie in einzelnen Weinbaugegenden der Schweiz und Frankreich, namentlich 
in Burgund, eingeführt. 

Bei dieſer Behandlungsweiſe werden, wenn einzelne Rebſtöcke zu alt oder 
bei der Schenkelerziehung zu hoch find, Gruben im Quadrat von 1/—1 7 
Fuß tief und 2— 2½ Fuß allweg weit gemacht und die ganzen Stöcke in 
der Art in dieſelben eingelegt, daß jede Rebe des eingelegten Stocks gegen den 
gegenüberſtehenden Stock quer gezogen und dort wieder gegen den Berg in 
die Höhe gerichtet wird, damit ſie an die Stelle des gegenüber liegenden 
Stocks zu ſtehen kommt, wornach die Entfernung der einzelnen Stöcke von 
einander blos 2, höchſtens 3 Fuß beträgt. Man hat dabei hauptſächlich dar— 
auf zu ſehen, daß diejenigen Stöcke, welche im folgenden Jahre verlegt 
oder vergrubt werden ſollen, ſchon im Sommer zuvor bezeichnet und zu dem 
künftigen Zwecke in der Art herangezogen werden, daß man nur die ſtärkſten 
und längſten Reben ſtehen läßt, ſolche wenig oder gar nicht einkürzt, fie dar 
gegen von allen Nebentrieben reinigt, damit die Kraft des Rebſtocks einzig 
auf deren Ausbildung verwendet wird, auch ſollten keine über 1—2 Fuß hohe 
alte Stämme zur Vergrubung kommen, damit nicht zuviel altes Holz in den 
Boden kommt, dagegen die einzulegenden Ruthen eine Länge von 2—4 Fuß erhalten 
und dadurch viele Wurzeln anſetzen können. Für das Verlegen müſſen ſolche 
Jahre gewählt werden, in welchen die Reben ihre vollſtändige Zeitigung er— 
langt haben, indem unreifes Holz entweder gar nicht in Trieb kommt oder 
kranke und ſchwache Stöcke gibt. Das Einlegen kann im Herbſt nach der 
Traubenleſe erfolgen, am zweckmäßigſten geſchieht es aber im Frühjahr (Mo⸗ 
nat März oder April), weil dort am beſten beurtheilt werden kann, ob das 

12 


178 


Holz vollkommen geſund ift oder nicht. Vor dem Einlegen des Stocks wer⸗ 
den alle Reben entfernt, welche nicht zum Einlegen beſtimmt ſind, und die 
Wände in der Grube, in welche der Stock zu liegen kommt, möglichſt ſenk⸗ 
recht hergeſtellt. Von dem alten Stock räumt man alsdann die Erde bis an 
die Hauptwurzeln ſorgſam weg, ſchneidet die obern (Thau-) Wurzeln ab, legt 
den Stock behutſam in die Grube nieder und ſorgt dabei dafür, daß die Stange 
nicht abgebrochen und keine Hauptwurzel verletzt wird, auch darf vom alten 
Holz nichts aus dem Boden hervorſtehen. Damit der Stock in ſeiner gehö⸗ 
rigen Lage erhalten wird, tritt der Arbeiter mit dem Fuße darauf und zieht 
an der gegenüberliegenden Wand der Grube die Rebe da in die Höhe, wohin 
der neue Stock zu ſtehen kommen ſoll, unterlegt ſie mit etwas guter Erde, 
und bedeckt dann den Stock mit ſoviel Boden, daß er feſt zu liegen kommt und 
ſich nicht mehr aufrichten kann, wobei die obere fruchtbare Erde in den unte— 
ren Theil der Grube kommen muß, damit die Rebe gehörig Nahrung findet, 
daher bei dem Ausheben der Grube die obere Erde beſonders zu legen iſt. 
Nachhaltiger iſt es jedoch, wenn Raſen- oder gute Compoſterde in den untern 
Theil der Grube gebracht wird, in keinem Falle aber friſcher Dünger, weil 
derſelbe zu tief im Boden ſchimmeln und, unmittelbar an der Rebe, dieſelbe 
in Fäulniß bringen würde. Während des Einlegens ſucht man die Reben mit 
den benachbarten Stöcken in gleiche Linie und von denſelben in die gehörige 
Entfernung zu bringen, worauf ſie auf 3—4 Augen abgeworfen werden, ſo 
daß die Stöcke ſchon im erſten Jahre einige Trauben treiben, im zweiten 
Jahre aber einen halben und im dritten Jahre einen vollen Ertrag gewähren 
können. 

Köpfe werden an ſolch eingelegten Reben nicht gezogen, weil es ſonſt 
4— 5 Jahre anſtehen würde, bis ſie in Ertrag kämen, ſondern es findet dabei 
überall die Schenkelerziehung ſtat.. Muß wegen Mangel an einzulegenden 
Stöcken und Reben an die Stelle des alten Stocks eine Rebe von gleichem 
Stock eingelegt werden, ſo wird ein Schenkel oder eine Rebe in die um den 
alten Stock gemachte Grube im Bogen herumgelegt und möglichſt in der 

Nähe des alten Stocks aufgerichtet. 
| Der einzulegende Stock darf nicht zu tief, im lockern Boden 1 ½ Fuß, 
in bündigem oder kaltem Boden aber höchſtens 1 Fuß in Boden kommen, 
weil ſonſt die Luft keinen Zutritt hat und dadurch die Wurzelbildung gegen 
unten verhindert wird. Sehr zweckmäßig iſt es, wenn die Gruben anfänglich 
und bis zum Spätjahr nur zur Hälfte mit Erde zugefüllt und dann vor dem 
Zufüllen mit kurzem Dünger belegt werden. Auch auf die Rebgattung muß 
bei dieſer Verleg⸗Methode Rückſicht genommen werden, indem in der Regel 
nur ſtark⸗ und langtriebige Reben, wie Trollinger, Elbling, Clevner, Burgun⸗ 
der dazu taugen, weil ſonſt für das Verlegen nicht die erforderliche Länge der 


179 


Reben gewonnen werden kann, auch kommen in denjenigen Gegenden, wo 
das Vergruben ſtaͤttfindet, gewöhnlich ſolche Reben zur Anpflanzung. Schwach- 
triebige und kurz zu erziehende Reben, wie Rießling, Traminer möchten weni- 
ger dazu taugen, weil wegen der Kürze der Reben zu enge geſtockt werden 
müßte. 

Wie oft das Verlegen wiederholt werden muß, hängt von der Triebkraft 
des Bodens und der Rebe ab, in ganz magerem Boden muß nicht nur die 
Rebe in der Erziehung kurz gehalten, ſondern auch das Verlegen wieder bald, 
in 8—10 Jahren, vorgenommen werden, um dem Stock dadurch wieder neuen 
Trieb zu geben, während in mehr kräftigem und triebigen Boden das DVer- 
legen erſt in 15—20 Jahren vor ſich gehen darf, je nach dem die Stöcke 
ſich abgängig zeigen, oder die aufrecht ſtehenden Schenkel zu alt oder zu lang 
werden und die Trauben dadurch zu hoch zu ſtehen kommen. 

Ueber das Einlegen einzelner Reben behufs der Erziehung von Wurzel— 
reben oder der Ergänzung abgegangener Stöcke ſiehe $. 103. 142. 143. 


8. 114. 


Die Anſichten über die Vortheile und Nachtheile der Weinberganlage und 
Erhaltung durch das Vergruben ſind ſehr verſchieden, daher das Verfahren 
theils ſehr empfohlen, theils ſehr getadelt wird. 

Die Vortheile beſtehen darin: 

a. Daß die Weinberge ſtets in einem e gut mittlern tragbaren 
Zuſtande erhalten werden und daher ſelten einer vollſtändigen Erneuerung 
bedürfen, durch die fie mindeſtens 4—5 Jahre ganz ertraglos werden, 
was für manchen Weingärtner, beſonders wenn während dieſer Zeit gute 
Weinjahre eintreten, öfters mit großem Verluſt verbunden iſt. 

b. Die Reben werden durch das Einlegen auf mehrere Jahre fruchtbarer, 
weil dieſelben durch die Wurzelbildung der eingelegten Reben, ſowie durch 
die Wurzeln des alten Stocks doppelten Nahrungszufluß erhalten. 

e. Die Trauben werden in den erſten Jahren nach dem Einlegen, weil fie 
nahe am Boden ſtehen, vollkommener und reifer, was beides auf reich— 
lichen und guten Ertrag Einfluß hat. 

d. Rebſtöcke von ſchlechten Traubengattungen laſſen ſich durch das Vergru— 
ben am ſchnellſten dadurch beſeitigen, daß man dieſelben aushaut und 
benachbarte beſſere Stöcke dafür einlegt. 

e. Die auf einmal aufzuwendenden bedeutenden Koſten einer neuen Anlage 
werden erſpart, da die Koſten des jährlichen Vergrubens nicht von Be⸗ 
deutung find und von dem Weinbergbeſitzer, weil ſein Weinberg nie ers 
traglos wird, mit Leichtigkeit getragen werden können. 

12% 


A. 


C. 


den 
nur 


ſche 


180 


Die Nachtheile beſtehen darin: 

Daß keine Ordnung im Weinberge hinſichtlich des gleichen Zugs der 
Zeilen eingehalten werden kann, wodurch der Weinberg ein unſchönes 
Ausſehen bekommt und einzelne ſehr vortheilhafte Erziehungsmethoden, 
wie die Rahmen⸗Erziehung, gar nicht angewendet werden können. 


Daß der Weinberg nie in vollen Ertrag kommt, weil ein Theil der 


vergrubten Reben ſtets ertraglos iſt. 

Daß in vergrubten Weinbergen ſich Stöcke von verſchiedenen Altersſtufen 
befinden, die auch hinſichtlich der Quantität und Qualität einen verſchie⸗ 
denen Ertrag geben. Denn 


während die an den neuvergrubten Stöcken am Boden hängenden Trau⸗ 


ben in der Reife vorauseilen, ſind die an hohen Schenkeln und weiten 
Bögen hängenden öfters noch unreif, wodurch erſtere entweder ganz zu 
Grunde gehen oder faulen, jedenfalls hat aber die Verſchiedenheit der 
Trauben auf die Qualität des Weins einen nachtheiligen Einfluß, bes 
ſonders wenn, wie es öfters der Fall iſt, wegen der Fäulniß der untern 
Trauben, die Leſe zu frühzeitig vorgenommen wird, auch wird dadurch 
eine beſtimmte Leſeordnung und die Ausleſe der Trauben erſchwert. 


„Iſt die Verlegmethode nur bei der Schenkelerziehung anwendbar und 


kann alſo da nicht eingeführt werden, wo bei der Kopferziehung die Re— 
ben durch Niederlegen vor dem Erfrieren während des Winters geſchützt 
werden müſſen, wenn nicht das umſtändliche und koſtſpielige Zudecken 
derſelben mit Stroh, wie zu Ravensburg, eingeführt werden will. 
Dieſelbe kann nicht in allen Bodenarten mit gutem Erfolg angewendet 
werden, ſondern nur in lockerem, loſen Boden, in dem die Wurzeln 
der Reben auch ohne daß derſelbe umgereutet wird, eindringen können, 
während in ſtrengem, zähen und feſten Boden dieſes nicht der Fall 
und daher derſelbe auch nicht für das Verlegen geeignet iſt. 


Bei heftigen Regen oder bei dem Abgange des Schnees ſammelt ſich 


in den einzelnen Gruben Waſſer, das wegen der feſten Seitenwände 
nicht abfließen kann und dadurch die Wurzeln der Rebe krank macht. 


Wenn die jährlichen Koſten des Verlegens von mehreren Jahren zu- 


ſammengerechnet werden, ſo werden ſie denjenigen einer Neuanlage nicht 
nur gleichkommen, ſondern dieſelben eher überſteigen. 


8. 115. 


Erwägt man nun die Vortheile und Nachtheile des Vergrubens, ſo wer⸗ 
die letztern gegen die erſtern wohl überwiegend erſcheinen, daher daſſelbe 
da mit Zweckmäßigkeit in Anwendung gebracht werden kann, wo klimati⸗ 
und Bodenverhältniſſe daſſelbe geſtatten, d. h. wo die Reben wegen der 


181 


Winterkälte nicht niedergelegt werden dürfen und wo ein lockerer, ſandhaltiger 
Boden ſich befindet, der der Bewurzelung der Rebe, auch wenn er nicht um— 
gereutet wird, kein weſentliches Hinderniß entgegenſtellt. Auch in magerem 
leichten Boden mit feſtem undurchlaſſenden Untergrund, wo die Rebſtöcke 
ihre Nahrung mehr im Obergrund ſuchen müſſen und bei gewöhnlicher Anlage 
bald zu Grunde gehen, könnte das Vergruben mit Vortheil angewendet wer— 
den und ebenſo bei ſolchen Reben, welche anerkanntermaßen im Ertrag bald 
nachlaſſen. In Württemberg wird, wo, außer in der Bodenſeegegend, faſt 
überall die Kopferziehung eingeführt iſt, ſowie bei dem meiſt ſtrengen Thon— 
und Mergelboden das Vergruben kein gedeihliches Fortkommen finden, wenig— 
ſtens haben die von dem Verfaſſer in ſtrengem Thonboden angeſtellten Ver— 
ſuche bis jetzt kein beſonders günſtiges Reſultat gezeigt, da jedoch hier bei den 
vielen Clevner⸗ und Burgunderanlagen häufig über die baldige Abnahme des 
Ertrags geklagt wird und deßwegen eine öftere Erneuerung derſelben vor— 
genommen werden muß, ſo dürfte es von beſonderem Intereſſe und vielleicht 
von großem Vortheil ſein, wenn in den auf dem Rücken der Gebirge, wo der 
Froſt weniger Schaden thut, öfters vorkommenden kräftigen und lockern Lehm— 
böden Verſuche mit dem Vergruben der Clevner- und Burgunderreben, bevor 
ſie zu ſehr gealtert find, alſo in 12 —-15 Jahre um fo mehr gemacht wür⸗ 
den, als dieſe Rebgattung nach den Erfahrungen in der Bodenſeegegend und 
in Burgund hauptſächlich zum Vergruben ſich eignet und ihr fortwährend guter 
Ertrag davon abzuhängen ſcheint. Auch ließe ſich vielleicht ein Mittel zwiſchen 
Kopf⸗ und Schenkelerziehung dadurch finden, daß in den erſten Jahren nach 
dem Vergruben an der eingelegten Rebe ſtets 2 Hölzer erzogen werden, von 
welchen das untere immer wieder abzuwerfen wäre, wodurch ſich, ohne daß der 
Ertrag des Stocks abnähme, nach und nach ein Kopf bilden würde, auf dem 
dann 1—2 Schenkel zum Niederlegen erzogen werden könnten. Ein beſonde— 
res Hinderniß ſteht übrigens dem Uebergang zur Vergrub-Methode dadurch im 
Wege, daß in manchen Weinbaugegenden die Weinberge weiter geſtockt ſind 
als beim Vergruben nöthig iſt, wodurch längere Schenkel und Ruthen zum 
Einlegen erforderlich ſind, was die Folge hätte, daß nicht ſelten die äußerſten 
Spitzen der Reben zum Kopfholz beſtimmt werden müßten, die entweder nicht 
ganz reif ſind, oder jedenfalls weniger Triebkraft haben, als das ſtärkere hin— 
tere Holz, das gewöhnlich zu Setzreben und Einlegern benützt wird, daher in 
einem ſolchen Fall lieber ganz neue engere Zeilen zu bilden wären, wobei 
dann aber nach Zeilen (d. h. ganze Zeilen) vergrubt werden müßte, was 
überhaupt zweckmäßiger wäre, als das unregelmäßige Vergruben, indem dann 
jedes Jahr eine beſtimmte Anzahl Zeilen vergrubt und dadurch nicht nur dem 
Weinberge ein gleichmäßigeres Ausſehen gegeben, ſondern auch der Waſſerab— 
fluß mehr befördert werden könnte. 


182 
VIII. Die Erziehung des Weinſtocks. 


e 


Die Erziehung des Weinſtocks muß nicht nur ſeiner natürlichen Beſchaffen⸗ 
heit, ſondern auch den klimatiſchen und Bodenverhältniſſen ($. 53, 76), nach 
den bereits gegebenen Anleitungen entſprechen, insbeſondere muß darauf ge— 
ſehen werden, daß Stamm und Aeſte in einem richtigen Verhältniß zu dem 
Bewurzelungsvermögen des Stocks ſtehen (§. 1), damit die Wurzeln demſelben 
weder zu viel noch zu wenig Nahrung zuführen und der Stock dadurch in 
ſeinem Triebe weder allzuſehr geſteigert noch zu ſtark geſchwächt wird, d. h. 
je mehr die klimatiſchen und Bodenverhältniſſe die Vegetation des Weinſtocks 
befördern und je mehr und ſtärkere Wurzeln er nach ſeiner natürlichen Be⸗ 
ſchaffenheit erzeugen kann, einen deſto höhern, kräftigern und aſtreichern Stamm 
wird er auch ernähren können, je mehr aber ſeine natürliche Beſchaffenheit 
ſich ehr dem zwergartigen nähert, je weniger die Vegetation durch klimatiſche 
und Bodenverhältniſſe unterſtützt wird, deſto kürzer werden auch Stamm und 
Aeſte gehalten werden müſſen. 

Als allgemeiner Grundſatz folgt daraus: 

a. daß in nördlichen Weinbaugegenden und in hohen windigen Lagen die 
Reben nicht hoch, wie in ſüdlichen Gegenden, gezogen werden dürfen; 

b. daß in ſeichtem oder magerem Boden der Rebſtock kürzer als in tief 
gründigem und kräftigem Boden gehalten werden muß, und 


c. daß Reben, welche vermöge ihrer natürlichen Beſchaffenheit keine ſtarke 
Vegetationskraft beſitzen, zu keinen ſtarken und hohen Stämmen, ſondern mög⸗ 
lichſt nieder zu erziehen ſind. 

Die Erziehung des Weinſtocks iſt mithin eines der wichtigſten Geſchäfte 
bei eiuem rationellen Weinbaue und verdient daher die ſorgfältigſte Behand⸗ 
lung. Dieſelbe theilt ſich ab: 

1. In die Erziehung des jungen Rebſtocks bis zu ſeiner Tragbarkeit; 

2. in die Erziehung ohne oder mit eiuer Holzunterſtützung, und 

3. in die Erziehung des tragbaren Rebſtocks. 


1. Die Erziehung des jungen Rebſtocks. 
e 


Die Erziehung des jungen Rebſtocks beginnt, ſobald derſelbe in dem Gereut 
geſetzt iſt und ſich Schooſe (Zweige), Lotten und Wurzeln gebildet haben. Die⸗ 


183 


ſelbe kann aber auf verſchiedene Weiſe erfolgen, daher man fich ſchon beim 
Setzen der Reben für eine beſtimmte Art entſcheiden muß. 

Die Haupterziehungsarten beſtehen in der Kopf- und Schenkelerziehung, 
bei denen dann wieder verſchiedene Unterarten vorkommen, daher wir eine 
jede Abtheilung beſonders zu betrachten haben. 


a. Die Kopferziehung. 


Bei der Erziehung einer jeden Rebe beſteht der hauptſächlichſte Zweck in 
der Heranbildung eines kräftigen Rebſtocks. Um nun dieſes bei der Kopfer⸗ 
ziehung zu erreichen, muß vorzüglich auf die Ausbildung des Kopfes und auf 
die Kräftigung der Wurzeln geſehen werden; denn in dem Kopfe concentrirt 
ſich ſpäter der ganze Saftzufluß des Rebſtocks von unten und von oben und 
von hier aus wird er dann in die einzelnen Glieder gleichmäßig vertheilt, da— 
her von der gehörigen Ausbildung des Kopfes auch die künftige Fruchtbarkeit 
und Dauer des Rebſtocks abhängt. Zu dieſem Behuf überläßt man die Rebe 
im erſten Jahre dem freien Wachsthume, ohne etwas davon zu ſchneiden oder 
zu binden und ſorgt nur dafür, daß ſie nicht auf irgend eine Weiſe beſchädigt, 
wenn ſie durch Regen oder Wind ihre Bedeckung verloren hat (§. 112) wieder 
zugedeckt, oder wenn ſie vom Regen überſchwemmt und verſchüttet, wieder ge- 
luftet, und der Boden vom Unkraut rein gehalten wird, weßhalb derſelbe ein— 
oder zweimal gefelgt und dadurch zugleich dem Zutritt der Wärme geöffnet 
werden muß. Im Spätjahr vor oder nach dem Herbſt, bevor Fröſte eintreten, 
wird an die jungen Stöcke Erde angehäufelt, damit ſie vor der Kälte geſchützt 
ſind. Im folgenden Frühjahr nimmt man die Erde von den angehäufelten 
Stöcken hinweg und räumt um dieſelben die Erde einige Zoll tief mit der Hand 
oder mit einem paſſenden Holz oder mit der Haue weg, worauf die jungen 
Triebe möglichſt nahe am alten Holz abgeworfen werden, ſo daß höchſtens 
das unterſte Auge ſtehen bleibt, zugleich werden auch die obern Wurzeln bis 
zum zweiten Gelenke (die ſogenannten Thauwurzeln §. 1) weggeſchnitten, da⸗ 
mit der Wurzeltrieb des Stocks mehr in der Tiefe erfolgt. Dieſes Abwerfen 
muß frühzeitig geſchehen, bevor der neue Saft in die Rebe kommt, damit, 
wenn letzteres erfolgt, die Abwürfe ſchon etwas vernarbt ſind und die Rebe 
nicht zu viel Saft verliert, was dieſelbe ſchwächen würde. Nach dem Abwer— 
fen wird die Erde wieder an den Stock gebracht und derſelbe, um ihn vor 
dem Froſte und der heftigen Wirkung der Sonnenſtrahlen zu ſchützen, leicht 
mit Erde bedeckt. Durch das Abwerfen der jungen Triebe wird der Stock 
genöthigt, den Bildungstrieb zu theilen, wodurch ſich auf dem dadurch gebilde— 
ten kleinen Wulſte mehrere Augen und ſomit mehrere Triebe entwickeln, die 
zur Bildung des Kopfes beitragen. 

Sind einzelne Stöcke noch ſchwach, was häufig in Gereuten vorkommt, 


184 


wo vom Stock hinweggereutet wurde, fo iſt es zweckmäßig, wenn dieſelben vor 
dem Winter eine Düngung erhalten und im erſten Frühjahr nicht ganz abge⸗ 
worfen, ſondern nur auf einige Augen eingekürzt werden, damit der Stock 
gegen oben einen ſtärkeren Trieb bekommt und dadurch mehr erſtarkt, indem, 
wenn ſolche Stöcke ganz abgeworfen werden und der Saftzudrang zu dem 
kleinen Köpfchen zu ſtark iſt, dieſelben leicht im Saft erſticken und zu Grunde 
gehen können, weil der Abwurf zu wenig Trieb und Zug hat. Im zweiten 
und dritten Jahre werden die jungen Stöcke und Gereuthe auf gleiche Weiſe, 
wie im erſten Jahre behandelt, d. h. letztere werden einigemal gefelgt, um ſie 
von Unkrant freizuhalten und die Stöcke im Spätjahr angehäufelt und im 
Frühjahr aufgeräumt und abgeworfen. 

Sind die Reben zum Ausſcheiden geſetzt worden (§. 111), ſo wird im 
zweiten Jahre der ſchwächere Stock als Scheidſtock herausgenommen, im an⸗ 
dern Falle aber derſelbe in dieſem oder im dritten Jahre abge⸗ 
ſchnitten. Das Ausziehen der Scheidſtöcke kann“, nachdem dieſelben gehörig 
aufgeräumt ſind, im lockern Boden mit der Hand geſchehen, im feſten Boden 
muß aber die Haue zur Hand genommen werden. Im dritten Jahre wird 
zugleich aufgepfählt und dabei jedem Stock, wenn drei oder mehr Schenkel 
herangezogen werden wollen, zwei Pfähle gegeben, die rechts und links vom 
Ziele in einer Entfernung von 5—6 Zoll geſteckt werden, damit den einzelnen 
Trieben die gehörige Richtung gegeben und dieſelben mit Sorgfalt angebunden 
werden können. Werden weniger als drei Schenkel gezogen, ſo genügt auch 
ein Pfahl. 

In dem aufgepfählten Gereut werden die jungen Triebe, die man auch 
Geſchoſe, Sommerlatten nennt, ſobald fie eine Länge von 1-1 ½ Fuß erlangt 
haben, an die Pfähle mit Stroh angebunden, ſo oft die längeren Triebe es 
erfordern, aufgeheftet und da, wo fich lange Aberzähne (§. 4) zeigen, dieſelben 
entweder abgezwickt oder ausgebrochen, damit der Haupttrieb deſto mehr er- 
ſtarkt. Im dritten Jahre wird das Gereut auch zum Erſtenmal gehackt, wie 
bisher gefelgt und die Reben da, wo es herkömmlich und nöthig iſt, über den 
Winter gedeckt, wenn nicht, die Köpfe wenigſtens mit Erde angehäufelt, auch 
muß, wenn vom Stock hinweggereutet wurde, daſſelbe, wenn es nicht ſchon 
früher geſchehen, zum Erſtenmal gut gedüngt werden. Im folgenden Frühjahr, 
mithin im vierten Jahre werden die vorjährigen Reben zu Zapfen von 4—6 
Augen oder bei einem ſehr kräftigen Trieb hie und da auch zu Bogen ange⸗ 
ſchnitten, woraus dann im fünften die Schenkel (§. 2) gebildet werden, wodurch 
der Stock ſeine vollkommene Ausbildung erhalten hat. Das Anſchneiden von 
Zapfen im vierten Jahr iſt jedoch in der Regel zweckmäßiger als Bögen, weil 
erſtere weit kürzere Schenkel geben, die nicht ſo bald wieder abgeworfen oder 
zurückgeſchnitten werden dürfen. 


185 


§. 118. 

Bei dem ſorgfältigſten Setzen und bei der beiten Pflege der Gereute 
wachſen doch manche Reben entweder gar nicht oder nur ſchwach an, ſo daß 
der Stock ſpäter zu Grunde geht. Im erſten und zweiten Jahre müſſen daher 
die Gereute im Spätjahr vor dem Anhäufeln genau durchgegangen und die 
fehlenden Stöcke durch das ſchiefe Einſtecken des Ziels (Pfählchens) bezeichnet 
und Vorſorge getroffen werden, daß die fehlenden Stöcke im folgenden Früh— 
jahr durch kräftige Wurzelreben auf die in §. 142 näher beſchriebene Weiſe 
erſetzt werden. Sollten auch im dritten Jahre noch einzelne Stöcke fehlen, ſo 
iſt es zweckmäßiger, wenn ſtatt einer Wurzelrebe, im folgenden Jahre von 
einem benachbarten Stock eine Rebe an die Stelle des fehlenden Stocks herüber— 
gezogen und als Ableger (Sohn) behandelt wird, weil ſich in der Regel der 
Boden ſchon zu ſtark geſetzt hat und Wurzelreben nicht mehr gerne anwachſen 
und ſelten tief wurzeln. 

Bei der Erziehung der jungen Reben muß übrigens beſonders auch auf 
die Bodenkraft und darauf Rückſicht genommen werden, mit welcher Gattung 
von Reben (Wurzelreben oder Schnittling) der Weinberg angelegt wurde, je— 
denfalls aber kein Stock früher zum Ertrag angeſchnitten werden, als bis er gehö— 
rig erſtarkt und der Kopf vollſtändig ausgebildet iſt, ſo daß die Stange etwa 
einen Durchmeſſer von / —1 Zoll, der Kopf aber einen ſolchen von 2—3 
Zoll hat. Bei der Anlage mit Wurzelreben kann in kräftigem Boden und 
wenn die Anlage gut gerathen iſt, auch ſchon im zweiten Jahre aufgepfählt 
und im dritten Jahre zum Ertrag angeſchnitten werden, während in magerem 
Boden oder, wenn ohne vorangegangene mehrjährige Anpflanzung von Futter⸗ 
kräutern, vom Stock hinweggereutet wird, bei der Anlage mit Schnittlingen 
oder überhaupt bei ſchwachen Stöcken es öfters ſehr angemeſſen iſt, wenn die 
Gereute dreimal abgeworfen und erſt im vierten Jahre aufgepfählt und im 
fünften Jahre zum Ertrag angeſchnitten werden, doch wird man bei dreimali— 
gem Abwerfen im dritten Jahre die ſtärkeren Triebe nicht mehr ganz, ſondern 
nur auf 1, 2—3 Augen abwerfen dürfen, weil ſonſt der Saftzudrang gegen 
den Kopf zu ſtark und derſelbe darin erſticken oder erſaufen könnte, wie denn 
aus dieſem Grunde bei dem kräftigen Boden des mittlern und untern Neckar— 
thals die ſtärkern Triebe mancher Gereute im zweiten Jahre nicht mehr ganz, 
ſondern auf 2 Augen, im dritten und vierten Jahre aber nur auf 3—4 
Augen abgeworfen werden, während im Remsthal bei dem Reuten vom Stock 
hinweg, ſowie im Kocher, Jagſt⸗ und Tauberthale bei dem magern Boden 
und weil bei dem mit dem Reuten verbundenen Setzen der Reben dieſelben 
etwas tiefer zu liegen kommen, die jungen Stöcke öfters bis zum ſechsten 
Jahre zum Abwurf kommen. 

Auch die Lage iſt bei der Erziehung der Rebe zu berückſichtigen, indem, 


186 


wenn dieſelbe minder günftig iſt, die Rebe weniger Triebkraft entwickelt und 
daher längere Zeit zu ihrer vollſtändigen Heranbildung erfordert, als in guten 
Lagen. | 

Ein allzufrühes Anſchneiden zum Ertrag, auch wenn ſich kräftige Triebe 
und Reben gebildet haben, hat häufig den Nachtheil, daß der Stock mehr 
gegen oben treibt, während die Wurzeln ſchwach bleiben, wodurch der Stock 
bald altert oder ertraglos wird. Das öftere Abwerfen des Stocks hat den 
Zweck, daß ſich der Trieb mehr gegen unten zieht und dadurch der Stock ſich 
mehr in der Tiefe bewurzelt. 

Bei dem Anſchneiden oder Zuſchneiden der Reben zum Ertrag muß zu— 
gleich dafür geforgt werden, daß der neu gebildete Kopf nicht zulauft, ſondern 
ſtets Veranlaſſung zu neuen Trieben hat, daher man neben den zu den künf⸗ 
tigen Schenkeln erforderlichen Hölzern, gerne noch 1—2 weitere als Zapfen 
ſtehen läßt, um ſie im folgenden Jahre abwerfen und dadurch den Kopftrieb 
erhalten zu können. Durch das Zulaufen (Zuwachſen) des Kopfes wird der 
Stock entweder bald alt, weil er keine neue Kopftriebe mehr machen kann, 
oder es müſſen ſpäter, wenn auch nicht der ganze Stock, doch einige ſeiner 
Schenkel abgeworfen werden, womit die Gefahr verbunden iſt, daß derſelbe 
in feinem eigenen Saft erſtickt, oder daß ein Theil des Ertrags auf einige 
Jahre verloren geht. Die anzuſchneidenden Reben läßt man zweckmäßig ver- 
theilt in einem Drei- oder Viereck an den äußern Seiten des Kopfes ſtehen, 
damit der innere Theil Raum zu neuen Trieben hat. 


8. 419 


Bei dem Heranziehen des Kopfes und des ganzen Rebſtocks findet häufig 
eine verſchiedene Behandlungsweiſe ftatt, indem in manchen Weinbaugegenden 
die jungen Triebe ganz nahe am Kopf abgeworfen werden, ſo daß kaum das 
untere ſogenannte Waſſerauge noch ſichtbar iſt, während in andern Gegenden 
im erſten Jahre entweder gar nicht oder nur bis auf ein Auge (1 Zoll hoch), 
im zweiten aber nur bis auf zwei Augen abgeworfen wird. 

Dieſe verſchiedenen Behandlungsweiſen mögen ſich zwar theilweiſe durch 
die eigenthümlichen Lagen und Bodenverhältniſſe, ſowie durch die zur An⸗ 
pflanzung kommenden Traubengattungen rechtfertigen laſſen; in manchen Fällen 
mag aber auch blos Gewohnheit die Richtſchnur bilden. Durch das vollſtän⸗ 
dige Abwerfen der einjährigen Triebe entwickeln ſich an dem jungen Kopfe 
viele Augen, die neue Triebe hervorbringen und dadurch zu der Ausbildung 
eines ſchönen und zweckmäßigen Kopfes beitragen, läßt man aber einen kleinen 
Zapfen mit ein oder zwei Augen ſtehen, ſo nimmt der Trieb des Stocks 
hauptſächlich dahin ſeine Richtung und die übrigen Kopfausſchläge unterbleiben 
entweder ganz oder ſind weniger zahlreich, wodurch nothwendig die Ausbildung 


187 


des Kopfes und dadurch, nach dem bereits Angeführten, auch diejenige des 
ganzen Stocks leiden muß. Wir glauben deßwegen, daß bei einer rationellen 
Kopferziehung der Ausbildung des Kopfes die möglichſte Sorgfalt gewidmet 
und deßwegen die vollſtändige Abwerfung deſſelben bei der Anpflanzung von 
Wurzelreben im erſten, bei der Anpflanzung von Schnittlingen im erſten und 
zweiten Jahre in der Regel eingehalten werden ſollte, und daß da, wo eine 
Ausnahme ſtattfinden muß (8. 117) und der Abwurf erſt im zweiten Jahre 
erfolgt, derſelbe auch noch im dritten Jahre vollſtändig geſchehen ſollte. Be— 
fürchtet man aber bei ſehr ſtarkmarkigen und vollſaftigen Reben, daß der 
Kopf bei ſtarkem Andrange des Saftes erſticke, ſo wären nur ein oder zwei 
oder höchſtens ſo viele Triebe, als man ſpäter Schenkel bilden will, etwas 
länger abzuwerfen, die übrigen Triebe aber möglichſt kurz am Kopfe, wodurch 
die Nachtriebe und die Ausbildung des Kopfes geſichert blieben. Das Auf- 
pfählen oder überhaupt das Anheften an die Holzunterſtützung iſt gleichfalls 
nicht zu übereilen, weil durch das Aufheften und durch das Ausbrechen oder 
Abzwicken der Nebenzweige die Triebe ſtärker wachſen, wodurch der Stock im 
Boden weniger erſtarkt, während, wenn die Reben auf dem Boden liegen, 
das Aufſteigen des Saftes verhindert und derſelbe mehr gegen den untern 
Theil der Rebe und die Wurzeln zurückgedrängt wird. Das Aufpfählen ſollte 
daher nie früher, als in dem Jahre vor dem Anſchneiden zum Ertrag geſchehen, 
könnte aber in Gegenden, die weniger den Winden ausgeſetzt ſind, auch noch 
im erſteren Jahre unterlaſſen und erſt beim Anſchneiden erſtmals vorgenom— 
men werden. 

Die jungen Stöcke ziehen gerne an den obern Gelenken Wurzeln, weil 
in den gebauten Boden die Wärme und Feuchtigkeit ſchneller eindringt und 
den Bildungstrieb weckt, wodurch aber den untern ſtarken Wurzeln am Fuße 
der Stange die Nahrung entzogen wird, die Entwicklung derſelben Noth lei- 
det und Keime zum frühen Abſterben des Stocks ſich bilden, auch entſtehen 
aus den oberſten Wurzeln gerne neue Reben (Wurzeltriebe), die den Frucht⸗ 
reben die Säfte entziehen und zu dem Eingehen des Stocks beitragen. Ueber- 
dieß ſind die an der Oberfläche des Bodens befindlichen Wurzeln dem Ein⸗ 
fluſſe der Witterung ſehr ausgeſetzt und verdorren bei ſtarker Hitze oder er- 
frieren bei ſtrenger Kälte, werden beim Bearbeiten des Bodens leicht verletzt 
und bringen alſo dem Weinſtock, gerade wenn er es bedarf, keine Nahrung. 
Dadurch rechtfertigt ſich das Aufräumen der jungen Stöcke und das Abnehmen 
der Thau⸗ und Tagwurzeln (§. 117), wobei man aber auch auf die Länge 
der geſetzten Reben Rückſicht nehmen muß, indem, wenn dieſelben tief ſtehen, 
die Wurzeln bis zum zweiten Gelenke einſchließlich, wenn ſie aber ſeicht ſtehen, 
nur bis zum erſten Gelenke einſchließlich abgeſchnitten werden dürfen. Wenn 
es die Witterung geſtattet, iſt es übrigens zweckmäßiger, wenn man die Wur⸗ 


188 


— 


zeln nicht abſchneidet, ſondern ſie nur zu Tage fördert, damit ſie vertrocknen, 
weil dann der Stock keine Wunde erhält und weniger ſchnell neue Wurzeln 
nachtreiben kann. 


§. 120. 
b. Die Schenkelerziehung. 


Die Schenkelerziehung unterſcheidet ſich nach 8. 2 von der Kopferziehung 
dadurch, daß hier kein Kopf gebildet, ſondern die Schenkel unmittelbar aus 
dem Wurzelſtock durch eine angemeſſene Verlängerung heraugezogen werden. 
Bei dieſer Erziehungsweiſe werden in die Stufen auch Gruben, oder in die 
mit dem Setzholze zu machenden Oeffnungen (Löcher) der Gereute entweder 
nur eine Rebe, oder es werden den Berg hinauf in Entfernungen von 3—6 
Zoll zwei Reben, wie in verſchiedenen Orten von Rheinheſſen, oder 3—4 Re⸗ 
ben, wie im Rheingau, oder 4 Reben im Quadrat mit je / Fuß Entfernung, 
wie zu Rüdesheim, eingelegt und überhaupt bei der ganzen Erziehung auf die 
Bildung ſtarker Schenkel Rückſicht genommen. Solche in Entfernungen von 
einigen Zollen eingelegte Reben bilden nur einen Stock und jede Rebe erhält 
in der Regel nur einen Schenkel, daher dieſe Behandlung in ein- zwei- drei⸗ 
und vierſchenkelige, oder wenn man das Ganze einen Satz nennen will, in 
ein⸗ zwei⸗ dreiſätzige Erziehung eingetheilt wird. 

Die Anlage erfolgt theils mit Wurzelreben, theils mit Schnittlingen 
(Blindreben), die man im erſten und zweiten Jahr willkürlich wachſen läßt, 
hie und da auch auf einige Augen einkürzt und das Rebfeld vom Unkraut 
rein erhält. Im dritten Jahre werden die Triebe, zum Theil dicht am jalten 
Holz, theils auf 2—3 Augen, den ſtärkſten Trieb etwas länger, die übrigen 
etwas kürzer abgeworfen, die Stöcke 4—6 Zoll tief aufgeräumt und die Thau⸗ 
wurzeln bis zum zweiten Gelenke abgeſchnitten, im vierten Jahre wird wieder 
aufgeräumt, die Thauwurzeln werden entfernt und jeder Rebe ein Zapfen 
(Stift) von 3Z—4 Augen angeſchnitten, der den künftigen Schenkel bildet und 
ſpäter einen Bogen, hie und da auch noch am untern Theile einen Stift er- 
hält. Im dritten, manchmal auch erſt im vierten Jahre erhält die Rebe 
einen Pfahl, an welchen die jungen Triebe mit Stroh geheftet werden. Wird 
mit Wurzelreben geſetzt, ſo beginnt das Aufpfählen und das Anſchneiden zum 
Ertrag ein Jahr früher, während in magerem Boden das Abwerfen der Re— 
ben auf einige Augen bis in's vierte und die vollſtändige Erziehung bis in's 
fünfte und ſechste Jahr dauert, indem auch hier, wie bei der Kopferziehung, 
wenn die Anlage dauerhaft werden ſoll, hauptſächlich auf Kräftigung des 
Stocks geſehen werden muß. 

Hat eine Rebe mehrere Triebe (Schooſe) gemacht, ſo läßt man dieſelben 


189 


— — 


zwar ſämmtlich wachſen und wirft ſie auch im zweiten, dritten oder vierten 
Jahre auf einige Augen ab, wodurch ſich gleichfalls ein kleines Köpfchen bil— 
det, ſobald aber die Rebe zum Ertrag angeſchnitten wird, läßt man nur den 
unterſten, kräftigſten Trieb oder auch 2 Triebe, je nachdem man auf der 
Rebe 1 oder 2 Schenkel ziehen will, als ſolche ſtehen, wodurch ſich mit der 
Zunahme der Stärke der Schenkel auch die Kopfform nach und nach wieder 
verliert. Wachſen einzelne Reben im erſten Jahre nicht an, ſo werden ſie im 
folgenden durch Schnittlinge oder Wurzelreben erſetzt, bei ſpäterem Ausbleiben 
wird dagegen da, wo 2 oder mehrere Reben geſetzt wurden, eine der ange— 
wachſenen an die Stelle der fehlenden gezogen und dort eingelegt. 


8, 121. 


Bei der Schenkelerziehung find bezüglich der Lage, der Bodenbeſchaffen⸗ 
heit, dem bäldern oder ſpätern Anſchneiden zum Ertrag und der Abnahme der 
Thauwurzeln die gleichen Rückſichten zu beobachten, wie bei der Kopferziehung 
(S. 118. 119), die Schenkelerziehung gewährt jedoch häufig den Vortheil der 
früheren Tragbarkeit, weil auf die Erziehung eines angemeſſenen Kopfes keine 
Zeit verwendet werden darf, ſowie, daß der Schnitt und die übrige Behand— 
lungsweiſe, weil der Stock freier ſteht, die reihenweiſe Erziehung der Rebe 
an Rahmen oder an Pfählen erleichtert, wodurch in den freien Gaſſen die 
Sonne kräftiger wirken kann; ſie hat aber auch verſchiedene Nachtheile, indem 
bei derſelben die Fähigkeit, neue Triebe aus dem Boden zu bilden, unterdrückt 
wird, wodurch, wenn an dem aufrecht ſtehenden Schenkel das untere Tragholz 
fehlt, derſelbe, öfters gegen den Willen des Rebmanns, ſo hoch gezogen wer— 
den muß, daß dadurch die Tragreben zu weit vom Boden entfernt ſind und 
die Zeitigung der Trauben Noth leidet, auch wird da, wo mehrere Reben in 
Entfernungen von 3 oder mehr Zollen eingelegt und dadurch mehrere einzeln— 
ſtehende Stöcke zu einem Stocke vereiniget werden, durch das nahe Zuſammen— 
ſtehen dieſer einzelnen Stöcke die Wurzelbildung und die Nahrungskraft des 
Bodens beeinträchtiget und verkümmert, wodurch die Weinberge nicht nur 
einen geringern Ertrag liefern, ſondern auch früher wieder abgehen. Außer- 
dem ſind die Reben, weil die freiſtehenden Schenkel während des Winters 
entweder gar nicht oder nur unvollſtändig, die künftigen Tragreben aber nur 
ſehr mühſam und mit größerem Aufwand niedergelegt werden können, weit 
mehr dem Erfrieren während des Winters oder ſonſtigen Beſchädigungen, 
wie Saftſtockungen ꝛc. ausgeſetzt, wodurch der Stock entweder ganz verloren 
geht, oder, wenn der Schenkel abgeworfen wird, die Erneuerung und Heran— 
ziehung eines neuen Schenkels weit mehr Zeit erfordert, als bei der Kopfer⸗ 
ziehung, auch können ſich unter der groben Rinde der Schenkel eine Menge 


190 


ſchädlicher Inſekten aufhalten (Henwurm, Sauerwurm), die den Blüthen und 
Trauben ſehr gefährlich werden. 

Die Schenkelerziehung ſollte daher nur da in Anwendung kommen, wo 
die klimatiſchen Verhältniſſe das Niederlegen der Reben während des Win- 
ters nicht erfordern, ſowie bei der Kammer-Erziehung, wo das Niederlegen der 
Reben gleichfalls nicht vorgenommen wird, aber auch hier iſt, weil die mit 
der Schenkelerziehung verbundenen Nachtheile die Vortheile derſelben nicht 
überſteigen, in vielen Fällen die Kopferziehung der Schenkelerziehung, beſon⸗ 
ders auch aus dem Grunde vorzuziehen, weil aus dem Kopfe immer wieder 
neue Triebe herangezogen und der Stock dadurch weit öfters erneuert und in 
gutem Ertrage erhalten werden kann. 


2. Die Erziehung ohne Holzunterſtützung. 


§. 122. 

Bei dieſer Erziehungsweiſe wird der Rebſtock entweder ſo niedergehalten, 
daß ſich derſelbe ohne Holzunterſtützung ſelbſt trägt, oder man läßt die Reben 
auf dem Boden liegen und dort gleichfalls ohne Holzunterſtützung nach Be⸗ 
lieben fortwachſen. Erſtere Erziehungsweife iſt unter dem Namen Bockſchnitt 
(Bockweingarte), letztere unter dem Namen kriechende oder Heckenweingarter— 
ziehung bekannt. 

Die Erziehungsart mit dem Bockſchnitt beruht hauptſächlich darauf, 
daß dem Rebſtock durch öfteres Abwerfen ein möglichſt vollkommener 
geſunder Kopf gebildet wird. Dieſes Abwerfen wird, je nachdem der Boden 
kräftig oder mager iſt und mit Berückſichtigung, ob mit Wurzelreben oder 
mit Schnittlingen geſetzt wurde (S. 118) bis zum dritten oder vierten Jahre 
vorgenommen, in welchem Jahre dann die jungen Stöcke vor der Trauben— 
blüthe, nachdem die Triebe 1 bis 1½ Fuß hoch gewachſen ſind, durchgangen 
und die im Innern des Kopfes enthaltenen Triebe ausgebrochen werden, die 
am äußern Rande deſſelben aber läßt man möglichſt kreisförmig 4—5, wenn 
ſie auch noch ſchwach ſind, ſtehen und kürzt ſie etwa auf 1 Fuß ein, was 
ſpäter, wenn erforderlich, noch einmal geſchehen kann. Im folgenden Jahre 
werden dann dieſe Triebe auf 2 Augen in der Art abgeworfen, daß das 
obere Auge gegen Außen zu ſtehen kommt, damit die neuen Triebe ſich mehr 
gegen Außen entwickeln und der Stock dadurch, wenn die vorjährigen Triebe 
auf dem Kopfe gehörig vertheilt ſiud, eine Keſſelform bekommt. Vor oder 
nach der Traubenblüthe, je nach der Triebkraft der Stöcke, werden die Neben⸗ 
zweige (Aberzähne, Geizen) an den jungen Trieben ausgebrochen oder einge— 
kürzt und ſofort ſämmtliche Triebe zuſammengefaßt, in der Höhe von 2½ bis 
3 Fuß mit Stroh zuſammengebunden und einige Zoll über dem Band abge- 
ſchnitten, ſo daß ſich der Stock ſelbſt trägt, was ſpäter, wenn nöthig, noch 


191 


einmal wiederholt wird. Im nächſten Jahre bilden dann die im Vorjahre 
angeſchnittenen Reben kurze Schenkel, auf welchen bei der Frühjahrsbehand— 
lung die jungen Reben bis auf 3 Augen zurückgeſchnitten und die neuen Triebe 
ſofort, wie im vorigen Jahre, in einem Bund vereiniget werden. Die im 
Innern des Kopfs gewachſenen Reben werden' bei der Frühjahrsbehandlung 
dicht am Kopfe abgeſchnitten, ſo daß derſelbe immer hohl bleibt, während die 
jungen Reben am Rande des Kopfs neben den Schenkeln nur bis auf ein 
Auge abgeworfen werden, damit ſich aus denſelben immer wieder neue Triebe 
entwickeln, und, wenn die alten Schenkel zu lang oder abgängig werden, neue 
davon erzogen werden können, was, wenn dieſelben eine Länge von 6— 10 Zoll 
erreicht haben, ſtets zu geſchehen hat. In allen weitern Jahren wird dann 
mit der Erziehung der Rebſtöcke auf ähnliche Weiſe fortgefahren, doch können 
bei kräftiger Entwicklung an zwei gegenüberſtehenden Schenkeln die Reben bis 
auf 4 Augen angeſchnitten werden, während die übrigen nur 2—5 Augen er- 
halten. Sollten die Stöcke in den erſten Jahren noch zu ſchwach ſein, um 
ſich ſelbſt tragen zu können, ſo kann denſelben auch ein kurzer Pfahl gegeben 
werden. 

Will man in ältern Bockweingärten abgegangene Stöcke durch Einleger 
von einem benachbarten Stocke ergänzen, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß 
die dazu beſtimmten Reben, damit ſie die gehörige Länge erhalten, nicht ein- 
gekürzt, ſondern neben dem Stock an einen Pfahl in geſtreckter Weiſe den 
Berg hinauf oder hinunter gebunden werden, was auch geſchehen kann, wenn 
ein Stock zu triebig iſt und zu üppig wächst, dem dann neben den ſogenann⸗ 
ten Korb⸗ oder Keſſelreben noch zwei, etwas längere Schenkel angeſchnitten 
werden können, die, wie bei der geſtreckten Erziehung, mit ihren Tragreben 
den Berg hinauf und hinunter gezogen und am Ende an Pfähle gebunden 
werden. Die Erziehung nach dem Bockſchnitt kann übrigens nur in Anwen- 
dung kommen, in Weinbergen mit etwas magerem Boden, wo kein allzu üppi⸗ 
ges Wachſen der Reben zu erwarten iſt, und bei Reben, welche weniger trie— 
big und kräftig ſind und keine lange Erziehung erfordern, ſondern einen kurzen 
Schnitt vertragen, wie der weiße Rießling, und wo nicht auf Quantität, ſon⸗ 
dern mehr auf Qualität gebaut wird. In kräftigem Boden müſſen die Reben 
jedenfalls etwas länger geſchnitten und die jungen Triebe frühzeitig eingekürzt 
werden. 

In Württemberg iſt dieſe Erziehungsweiſe blos bei dem Weinberge der 
Weinverbeſſerungsgeſellſchaft zu Untertürkheim und in einzelnen Rießlingpflan— 
zungen an dem Eilfingerberg bei Maulbronn eingeführt. 

Eine Abweichung von der Bockweingarterziehung iſt der ſogenannte Bal⸗ 
kenbau, wo an beiden Seiten der Stocklinien die Erde etwas aufgeworfen 
wird, ſo daß ſie einen Balken, neben in den Gaſſen aber eine Rinne oder 


192 


Vertiefung ſich bildet. Zwei der längern und gejündern Reben werden dann 
umgebogen, die vordern drei Augen geblendet und in die Erde des Balken 
geſteckt, ſo daß jede Rebe einen halben Bogen bildet, wodurch auf der einen 
Seite die Trauben dem Boden möglichſt nahe kommen, auf der andern das 
Waſſer von den Stöcken möglichſt abgeleitet und der Abfluß deſſelben durch die 
Rinnen befördert wird. Die übrigen Reben oder Schenkel erhalten, wie beim 
Bockſchnitt, Zapfen von zwei bis drei Augen. Tragen ſich letztere nicht ſelbſt, 
ſo kann dem Stock ein Pfahl gegeben werden. 
Ueber den ſogenannten Kopfſchnitt vergl. §. 134. 


§. 123. 


Die kriechende oder Heckenweinberg-Erziehung kommt ſelten vor und er⸗ 
ſcheint nur da als zweckmäßig, wo, wie etwa in ſüdlichen Gegenden, die Wein⸗ 
gärten an der See heftigen Winden ausgeſetzt ſind, oder wo, wie im obern 
Nahethal, einem Seitenthal des Rheins, der Boden der Weinberge faſt aus 
lauter Steinen beſteht, auch ließe ſich nach §. 111 Pkt. 9 eine ſolche Er⸗ 
ziehungsweiſe in Württemberg, wenn die ſogenannten Steinmauern mit Reben 
überzogen würden, einführen. 8 

In dem Nahethal werden, nach Bronner (der Weinbau in Süddeutſch— 
land), dem ſteinigen magern Boden entſprechend, die 2—2 ͤ Fuß langen 
Setzreben entweder ſchon beim Reuten eingelegt oder nach demſelben mit 
Setzeiſen Löcher in den Boden geſtoßen, in dieſe die Reben eingeſteckt und die 
Löcher entweder mit trockener Erde zugefüllt oder neben denſelben ein zweites 
Loch geſtoßen, wodurch das erſtere zugedrückt wird. Nach Verfluß des erſten 
und zweiten Jahres werden die jungen Stöcke auf 1—2 Augen abgeworſen, 
im dritten Jahr läßt man denſelben 3Z—4 Zapfen von 2 Augen ſtehen, und 
iu vierten Jahre wird eine Erdrebe (Bogrebe) von 4—5 Augen und einige 
Zapfen (Knöter) auf dem Kopfe angeſchnitten, die dann, wenn ſie neue Triebe 
gemacht haben, vermöge ihrer eigenen Schwere ſich bereits auf den Boden 
legen und dort ſich ausbreiten. Im fünften Jahre wird der Schnitt auf 
ähnliche Weiſe, nur etwas länger (mit mehr Augen) fortgeſetzt, wodurch ſich 
kleine Schenkel bilden, welche auf den Boden ſo hingelegt und vertheilt werden, 
daß jeder Schenkel mit ſeinen jungen Trieben einen Raum ausfüllt. 

Wird auf dieſe Weiſe auch in den folgenden Jahren fortgefahren, ſo ver⸗ 
längern ſich die Schenkel auf mehrere Ellen und der Boden wird nach und 
nach ganz mit Reben bedeckt, wobei dann hauptſächlich auf ſorgfältiges Ver⸗ 
theilen und Ausbreiten derſelben geſehen werden muß. Geht ein Stock ab, 
ſo wird von einem andern eine vordere Rebe in den Boden eingelegt und da⸗ 
durch ein neuer Stock gebildet. 

Während des Sommers werden die Reben weder ausgebrochen noch abge- 


193 


ſchnitten, ſondern Alles dem freien Wachsthum überlaſſen, wodurch, da bie 
jungen, kaum 2 Fuß hohen Triebe aufrecht ſtehen, die Weinberge ein hecken⸗ 
artiges Ausſehen erhalten. Bloß beim Beginnen des Frühjahrs wird das 
Schneiden derſelben vorgenommen und ſodann während des Sommers der 
Boden mit einem langen Karſt gelockert. 

Dieſe Erziehungsweiſe hat den großen Nachtheil, daß der Boden von den 
Reben ganz überdeckt iſt, wodurch die Sonne wenig auf denſelben eindringen 
kann und daher derſelbe immer feucht bleibt, was, namentlich in naſſen Jahr— 
gängen, auf die Trauben und die Zeitigung des Holzes einen ſehr nachtheiligen 
Einfluß ausüben muß, doch ſollen bei derſelben in einigen Orten des Nahetha⸗ 
les, wo hauptſächlich Rießling und etwas Elbling angepflanzt ſind, ſehr gute Weine 
erzeugt werden, was unzweifelhaft von dem magern ſteinigen Boden herkommt, 
der auch ſelten gedüngt wird. 


3. Die Erziehung mit Holz⸗Unterſtützung. 
§. 124. 


Die Holzunterſtützung hat den Zweck, eines Theils dem Rebſtock eine 
feſte Stütze zu geben, damit er, ſowie die Trauben, durch Winde und Stürme 
und überhaupt durch ungünſtige Witterung nicht beſchädigt werden, andern Theils 
aber auch eine zweckmäßige Erziehung des Stocks zu ermöglichen und zu er— 
leichtern, wobei hauptſächlich darauf zu ſehen tft, daß der Boden den Einwir— 
kungen der Sonne und der Luft ausgeſetzt und die Tragreben ſowie die Trau⸗ 
ben demſelben möglichſt nahe gebracht werden, weil die warme Ausdünſtung 
deſſelben auf die Entwicklung und Reife der Trauben einen ſehr wohlthätigen 
Einfluß ausübt, doch dürfen bei feuchten und mehr ungünſtigen climatiſchen 
Verhältniſſen, wie in der Bodenſeegegend, die Trauben auch nicht zu nieder 
zu hängen kommen, damit dieſelben vor dem frühzeitigen Faulen geſchützt ſind. 
Hienach iſt hauptſächlich auch die Zweckmäßigkeit der einzelnen Holzunter⸗ 
ſtützungen und die darnach ſich richtende Erziehungsweiſe zu beurtheilen. 

Dieſelbe wird abgetheilt in die 

Pfahlerziehung, 
Rahmenerziehung, 
Kammererziehung und in die 
Erziehung an Geländen. 


a. Die Pfahlerziehung. 


Die Erziehung an Pfählen erfolgt entweder an einem oder an 
zwei, drei oder auch an vier und mehr Pfählen. Die Erziehung an einem 
Pfahl kommt hauptſächlich bei der Schenkelerziehung vor, doch wird 

13 


194 


auch bei der Kopferziehung in magerem Boden und bei dem eigenthümlichen 
Kopfſchnitt mit einem Schenkel hie und da nur ein Pfahl gegeben. Im 
Breisgau des Baden'ſchen Oberlandes werden den zwei aus der Setzrebe ge— 
zogenen Schenkeln zwei lange Bogreben von 10—12 Augen und ein Zapfen 
von 3—5 Augen oder ein Bogen und zwei Zapfen angeſchnitten und erſtere 
über einander an den 7 Fuß langen Pfahl angebunden, daher ein Schenkel 
immer etwas länger als der andere ſein muß. Im Moſelthal werden ſogar 
aus den drei eingelegten Setzreben drei Schenkel gezogen und dieſe mit ihren 
Tragreben in der Form von weiten Bogen mit 12—15 Augen und von 
Zapfen von 46 Augen, wie in der Bodenſeegegend, an eine einzige 10—12 
Fuß lange Stange gebunden, ſo daß ein Stock neben verſchiedenen Zapfen 
häufig drei Bögen bekommt, die, wie Stockwerke, über einander zu ſtehen 
kommen und nicht ſelten 6—8 Fuß vom Boden entfernt find, daher eine ſolche 
Erziehung, wenn man auch den ſehr triebigen Thonſchieferboden in Berückſich⸗ 
tigung zieht, offenbar zu den ſchlechteſten und unzweckmäßigſten gehört, wobei 
zwar ſehr viel, aber meiſtens ein ſaurer Wein gewonnen wird. Man wird 
ſich deßhalb auch nicht wundern dürfen, wenn von dem Moſelthale aus durch 
Gall zu Trier zuerſt empfohlen wurde, den ſauren Wein mit Waſſer zu ver— 
dünnen und mit Zucker zu verbeſſern. Jene unzweckmäßige Erziehung tft be- 
kannt unter dem alten Moſelbau, doch ſoll dieſelbe neuerer Zeit in manchen 
Orten verlaſſen und durch eine niedrigere Erziehung unter dem Namen neuer 
Moſelbau, aber immer noch mit einem Pfahl erſetzt werden. 


8.120. 

Die Erziehung mit zwei oder mehreren Pfählen findet hauptſächlich bei 
der Kopferziehung Anwendung, indem hier aus dem Kopf einige Schenkel er⸗ 
zogen, die gegen den Berg möglichſt nahe am Boden mit ihren Tragreben an 
die Pfähle gebunden werden. Man kann ſie eintheilen in die höhere und in 
die niedere oder geſtreckte Pfahlerziehung. Bei der Erziehung mit zwei Pfäh⸗ 
len erhält der Stock zwei kurze Schenkel, die gegen den Berg etwas auf die 
Seiten gezogen und dort mit ihren Tragreben theils in ganzen Bögen, theils 
in halben Bögen oder mit Zapfen an die geſteckten Pfähle geheftet werden, 
wie ſie im obern Neckarthale in der Umgegend von Rottenburg und Tübingen, 
in dem Steinach» und Lauterthal, ſowie in dem Jagſt⸗ und Tauberthal ein- 
geführt iſt. Sie erſcheint hauptſächlich da am angemeſſenſten, wo entweder we⸗ 
gen der klimatiſchen Verhältniſſe oder wegen der magern Bodenbeſchaffenheit 
eine kurze Erziehung der Rebe nothwendig iſt. f 

Bei der Erziehung mit 3 Pfählen werden dieſelben in Entfernungen von 
2—3 Fuß über den Stock in einem Dreieck geſteckt, jo daß ein Pfahl in ge⸗ 
rader Linie vom Kopfe des Stockes aus und die zwei andern auf die beiden 


195 


1 


Seiten des Stocks, doch auch noch gegen den Berg geſtellt werden. An dieſe 
Pfähle werden dann die aus dem Kopf erzogenen Schenkel mit ihren Trag⸗ 
reben und den daraus gebildeten Bögen, Halbbögen oder Zapfen gebunden. 

Die Erziehung mit 4 Pfählen ſtimmt mit derjenigen mit 3 Pfählen 
überein, nur daß hier an den Kopf, zum Aufbinden der Kopftriebe, auch noch 
ein Pfahl geſteckt wird. 

Nach dieſen beiden Erziehungsarten werden die Reben hauptſächlich im 
mittlern und untern Neckarthale, im Remsthale, im Murrthale, im Enzthale 
und theilweiſe auch im Kocherthale behandelt, auch kommt ſie im Mainthale 
bei Würzburg und Wertheim vor. 

Bei der Erziehung mit fünf und mehr Pfählen erhält der Stock vier 
oder fünf Schenkel, ſie iſt jedoch nirgends allgemein, ſondern nur ausnahms⸗ 
weiſe bei ſtarktriebigen Reben und in kräftigem, ſtark gedüngtem Boden ein⸗ 
geführt, und kann daher nur als eine unregelmäßige, hauptſächlich nur auf Quan⸗ 
tität abzielende Erziehungsweiſe angeſehen werden, wobei die Pfähle, um die 
Schenkel gehörig ausbreiten zu können, halbmondförmig um den Stock geſteckt 
werden. Die hier angeführten Erziehungsarten gehören zu der höhern Pfahl⸗ 
erziehung mit zum Theil langen Schenkeln und Bogreben, wodurch die Trau— 
ben, beſonders bei weiten Bögen, theilweiſe ziemlich hoch an den Pfählen zu 
ſtehen kommen, die Zeitigung derſelben in minder günſtigen Weinjahren nicht 
gleichförmig erfolgt und daher der Qualität des Weins Eintrag thut. 

Zu der niedern Pfahlerziehung wird gerechnet, wenn nur zwei, höchſtens 
drei kurze Schenkel gegeben und auch dieſen nur Zapfen mit wenigen Augen 
angeſchnitten, im übrigen aber die Erziehung mit zwei oder drei Pfählen ein⸗ 
gehalten wird. Hauptſächlich gehört aber zu der niedern Pfahlerziehung die 
ſogenannte geſtreckte oder Rheingauer Erziehungsweiſe, bei der jeder Stock drei 
kurze Schenkel erhält mit zwei Bog⸗ oder Streckreben und auf dem dritten 
ſchwächeren Schenkel mit kurzen Zapfen von 2—4 Augen. Zu zwei Stöcken 
werden fünf Pfähle gegeben, die mit dem Stock in gleicher Linie den Berg 
hinauf und hinuntergeſteckt werden, ſo daß der Kopf je einen Pfahl erhält und 
zwiſchen die beiden nächſten Stöcke gegen unten und oben gleichfalls ein Pfahl 
geſteckt wird. An den Pfahl beim Kopf wird nicht nur der ſchwächere Schen⸗ 
kel mit feinen Zapfen und Trieben, ſondern auch die zwei Schenkel mit den 
Streckreben gebunden und letztere gegen die Pfähle in der Mitte der Stöcke 
in horizontaler Richtung, jedoch in einem kleinen Bogen den Berg hinauf und 
hinunter gezogen und ſofort mit ihren Spitzen, etwa 1 Fuß hoch vom Bo⸗ 
den, an den in der Mitte ſtehenden Pfahl geheftet, ſo daß die geſtreckten Re⸗ 
ben von 2 Stöcken nur einen Pfahl bekommen. Mit dieſer Erziehungsweiſe 
find verſchiedene ſehr weſentliche Vortheile verbunden, indem durch dieſelbe die 
Trauben faſt in gleicher Linie, nur wenige Zoll vom warmen Boden entfernt, 

13* 


196 


u hängen kommen und deßwegen nicht nurz frühe, ſondern auch gleichförmig 
zeitigen können, auch bilden ſich zwiſchen den geraden Stockreihen freie Gaſſen, 
in welche die Sonne ungehindert einwirken und den Boden weit mehr als 
bei andern Erziehungsarten erwärmen kann. Die Stöcke ſtehen auf beiden 
Seiten frei, daher man denſelben beſſer beikommen und die Schnittmethode 
genauer einhalten kann, auch können in den offenen Gaſſen die übrigen Arbeiten 
weit leichter und weniger koſtſpielig vorgenommen und das Unkraut bequem und 
rechtzeitig, wenn es im Saft ſteht, ausgehackt werden; das Pfählen und Anbin⸗ 
den erfolgt vor dem Hacken, wodurch der Boden weniger zuſammengetreten wird 
und für Wärme und Feuchtigkeit mehr empfänglich iſt. Dieſe Erziehungsart 
gehört daher offenbar zu den rationellſten und ſollte deßhalb überall, wo, be⸗ 
ſonders bei edlen Trauben, Pfahlerziehung ſtattfindet, eingeführt werden. Nur 
muß ſchon bei der Anlage der Weinberge darauf Rückſicht genommen werden, 
und den Berg hinauf, beſonders bei ſchwachtriebigen Reben etwas enger als 
der Breite nach geſtockt werden (§. 109). 

Die geſtreckte Pfahlerziehung kann bei der Kopf- und Schenkelerziehung 
in Anwendung gebracht werden, nur werden bei der letzten drei Reben zu 
jedem Stock genommen und dieſelben in Entfernungen von 3—4 Zoll gerade 
den Berg hinauf eingelegt, wie dieſes §. 111 Pkt. 3 näher beſchrieben iſt. 
An dieſen drei zu Schenkelſtöcken herangebildeten Reben werden dann die er⸗ 
forderlichen Zapfen und Streckreben angeſchnitten. 


8. 126. 
b. Die Rahmen⸗Erziehung. 


Die Rahmen beſtehen gewöhnlich aus eichenen Pfoſten (Stiefeln) von 
2—3 Zoll Stärke und 3—6 Fuß Länge, welche in Entfernungen von 8—12 
Fuß in geraden Linien den Berg hinauf feſt in den Boden geſchlagen und 
an welche dann 1—1 ½ Fuß über demſelben Latten von 1-1 Zoll Breite 
oder hölzerne Stänglen (Truderbalken) befeſtiget werden, an die ſofort die 
Reben theils als Bogen, theils als Halbbogen oder Zapfen zu ſtehen kom⸗ 
men. Der Rahmenbau kommt hauptſächlich in einigen Gegenden des Rhein⸗ 
thales, beſonders in der bayrischen Rheinpfalz, am Haardtgebirge ꝛc. vor; es 
werden durch denſelben gleichfalls offene Gaſſen gebildet, ſo daß er mit der 
geſtreckten Pfahlerziehung vieles gemein hat und ähnliche Vortheile wie die 
dieſe, ſowie noch den weitern darbietet, daß, da die Rahmen feſtſtehen, manche 
Arbeiten, wie das Pfahlſpitzen, Pfahlſtecken, Pfahlausziehen ꝛc. erſpart werden. 
Dieſe Erziehungsart kann bei der Kopf⸗ und Schenkelerziehung in Anwendung 
gebracht werden und findet neuerlich auch in Württemberg bei intelligenten 
Weingärtnern, namentlich zu Stuttgart, Untertürkheim, Weinsberg ꝛc. Ein⸗ 


197 


gang. Die Rahmenerziehung wird abgetheilt in die niedere und höhere und 
die Doppelrahmenerziehung. 

Die niedern Rahmen haben nur Stiefeln von 3 Fuß Länge, wovon 
1—/ỹ᷑ Fuß im Boden ſich befinden und bloß eine Querlatte, die 1-1) Fuß 
vom Boden an die Stiefeln mit Nägeln oder mit Weidenbändern geheftet 
wird. Sie eignet ſich hauptſächlich für Reben mit niederer Erziehung und 
kurzem Schnitt, bei welcher beſonders auf die Erzielung einer vorzüglichen 
Wein⸗Qualität geſehen wird, ſowie für magern Boden. 

Bei der höhern Rahmenerziehung erhalten die Rahmen vom Boden an 
eine Höhe von 2—2 / Fuß, fie eignet ſich daher hauptſächlich für kräftigen 
Boden, in welchem den Reben bei kurzer Erziehung doch etwas längere Schen— 
kel ſowie mehr Bog⸗ und Halbbogreben, als Zapfen angeſchnitten werden 
müſſen, wobei dann die Reben ſo gebogen werden, daß die Spitze unten an 
den Schenkel, die Mitte des Bogens aber an die Latte gebunden wird. Sie 
gewährt mehr Raum für die Erziehung der Rebe, auch können die jungen 
Triebe regelmäßiger aufgebunden werden. 

Die Doppelrahmenerziehung hat höhere Stiefeln von 3½—4 Fuß Länge 
über dem Boden und eine doppelte Reihe von Latten (Trudern) in Entfer- 
nungen von 1½ —2 Fuß und taugt in kräftigen Boden und bei guter Dün⸗ 
gung hauptſächlich für Reben, die eine längere Erziehung mit Bogen und 
Halbbogen verlangen. Man findet ſie hauptſächlich in der Gegend von Hei- 
delberg und Worms und auch in Württemberg, wo die Rahmenerziehung ein⸗ 
geführt iſt, kommt ſie gewöhnlich in Anwendung, ſie koſtet jedoch ſehr viel Holz, 
iſt mithin theuer und hat den Nachtheil, daß, wenn beim Schneiden und An— 
binden der Reben nicht mit Vorſicht zu Werke gegangen wird, die Trauben 
etwas zu hoch vom Boden zu hängen kommen. Die Reben können entweder 
in Bögen, wie bei den höhern Rahmen, oder geſtreckt, wie bei der geſtreckten 
Pfahlerziehung, an die untere Rahme gebunden werden, die bei etwas langen 
Schenkeln dann 2 Fuß vom Boden zu ſtehen kommt. 

Bei den hohen Holzpreiſen hat man neuerlich am Rhein, in Frankreich 
und auch in einigen Orten Württembergs den Drahtbau eingeführt, indem 
ſtatt der Querlatten an den Stiefeln ſtarker Draht aufgezogen wurde, was 
ziemlich billiger als Holz zu ſtehen kommt, auch können die Drahtreihen enger 
als bei Latten oder Stänglen gezogen werden, ſo daß die niedern Rahmen 
2, die höhern Rahmen 3—4, die Doppelrahmen 4—5 Reihen Draht erhal⸗ 
ten, wodurch die jungen Triebe an den Rahmen beſſer vertheilt und zweck— 
mäßiger angebunden werden können, auch wirft der Draht weniger Schatten, 
als die Querhölzer, insbeſondere aber können ſich an dem Draht keine Inſek⸗ 
ten, wie an dem Holze der Heu- und Sauerwurm, aufhalten und verpuppen, 
wodurch die Weinberge vor vielen Beſchädigungen geſichert ſind. 


198 


Bei ſolchen Drahtanlagen werden in den Weinbergen oben und unten 
in Entfernungen von 30, 40 oder 50 Fuß ſtarke eichene Pfoſten, 1½¼—2 Zoll 
dick und 2 Zoll breit, ſchief eingeſchlagen und an denſelben in der Höhe von 
1 Fuß hervorſtehende Nägel, womöglich mit einem Hacken, befeſtigt, auf wel⸗ 
chen der aufgezogene Draht ruhen kann. An den beiden Enden der Linie 
werden dann entweder große Steine 2 Fuß tief in den Boden eingegraben 
oder ſtarke eichene Pflöcke in denſelben eingeſchlagen, an denſelben ein Draht⸗ 
hacken befeſtigt, an dem dann die ſämmtlichen aufgezogenen Drähte angehängt 
werden. Weil jedoch die Drähte bei der angegebenen Länge nie ganz feſt 
angezogen werden können, auch die eingeſchlagenen Pflöcke oder die eingegra⸗ 
benen Steine etwas nachgeben, ſo iſt es ſehr angemeſſen, wenn vor dem Auf⸗ 
ziehen der Drähte in jeder Linie, in die Mitte derſelben, ein Spannſchlößchen 
eingeſchoben wird, an dem man den lockern Draht etwas aufwickeln kann, ſo 
daß er ſtets in ſtarker Spannung bleibt. 


Eine nähere Beſchreibung und Zeichnung dieſes Drahtbaues und bejon- 
ders auch der Spannſchlößchen enthält das Hohenheimer Wochenblatt für 
Land⸗ und Forſtwirthſchaft von 1853 Nr. 48. 


Bei hohen Rahmen wird es jedoch, damit das Ganze mehr Feſtigkeit bekommt 
und an die untere Linie die Schenkel feſt angebunden werden können, ſehr zweck— 
mäßig ſein, wenn dieſelben ſtatt Draht mit ſchmalen Latten verſehen werden, 
zu welchem Behuf zwiſchen den höhern Pfoſten in Entfernungen von 8—10 
Fuß kleine eichene Pfoſten von 2½—3 Fuß Länge eingeſchlagen werden, an 
welchen die Latten noch beſonders zu befeſtigen ſind, damit ſie ſich nicht biegen 
und abſpringen. Zur Erhaltung ſämmtlicher Pfoſten dient es ſehr, wenn die⸗ 
ſelben, ſoweit ſie in den Boden kommen, angebrannt oder vor dem Einſchlagen 
ganz mit Theer zwei- bis dreimal angeſtrichen oder nach §. 156 mit einer 
Auflöſung von Kupfervitriol oder Chlorzink getränkt werden. Das Anſtreichen 
mit Theer muß auch bei dem Draht nach dem Aufziehen oder mit Mening 
geſchehen, der noch dauerhafter als der Theer ſein ſoll. 


8. 127, 
ce, Die Kammer⸗Erziehung. 


Dieſe Erziehung ſcheint ihre Benennung von dem kammerartigen Holzge- 
rüſte erhalten zu haben, das dazu erforderlich iſt. Es werden dabei der Länge 
der Zeilen nach in Entfernungen von 6—8 Fuß eichene Pfoſten (Stiefeln) 
von 4—5 Fuß Länge und 2—3 Zoll Dicke in den Boden eingeſchlagen und 
dieſelben oben 6 Zoll unter der Spitze dadurch mit einander verbunden, daß 
in die Stiefel 1 Zoll tiefe und 1—2 Zoll weite Einſchnitte gemacht werden, 


— 199 
in welche eichene Querbalken oder Latten (Lännrichbalken) von 1 Zoll Dicke 
und 14—16 Fuß Länge eingelegt und dort mit Weiden oder Nägeln befeſtigt 
werden. Die Zeilen erhalten eine Weite von 4½—6 und mehr Fuß, wobei 
je 3—4 Zeilen mit dünneren Querbalken (Querlatten, Truder) in Entfernun⸗ 
gen von 4 Fuß mit einander verbunden werden, die dann zuſammen eine Kam⸗ 
mer bilden. An die Längebalken werden die Rebſtöcke mit ihren Schenkeln 
feſtgebunden, auf die Querbalken oder Truder aber die Tragreben geheftet, 
wobei dann die jungen Triebe keine weitere Holzunterſtützung haben, außer ſie 
werden gleichfalls an die Truder gebunden, wobei aber manche abbrechen kön— 
nen. Will man die Reben nicht zu hoch ziehen und zugleich den neuen jungen 
Trieben einige Holzunterſtützung geben, jo kann man 8—9 Zoll unter dem 
Längebalken auch noch eine ſchmale Latte von gleicher Länge befeſtigen, auf 
die dann die Tragreben heruntergezogen und als Halbbogen angebunden wer- 
den. Dieſe Erziehungsart iſt theilweiſe an der Bergſtraße unter Heidelberg 
bis Weinheim und in Rheinbayern in der Umgegend von Landau und Eden— 
koben eingeführt und ſcheint aus ſüdlichen Ländern und vielleicht noch aus der 
Römerzeit zu ſtammen, wo der Boden vor dem Austrocknen und die Trauben 
vor der allzugroßen Sonnenhitze geſchützt werden müſſen. Dieſes iſt jedoch 
in Deutſchland nicht nothwendig, daher die Kammererziehung, weil die Trauben 
in der Regel zu hoch zu hängen kommen und dadurch, ſowie der Boden, zu 
wenig den Einwirkungen der Sonne ausgeſetzt find, zu den ungeeignetſten Er— 
ziehungsarten gehört, bei der häufig nur geringer Wein erzeugt wird. Auch 
iſt die Holzunterſtützung ſehr koſtſpielig und ſetzt einer geordneten Bearbeitung 
der Rebfelder manche Schwierigkeiten entgegen, daher auch in dieſer Be— 
ziehung nicht empfehlungswerth. Zu der Kammer- gehört auch die Dach- 
lauben⸗Erziehung, bei der die querſtehenden Stiefel nach und nach bis zur 
Hälfte erhöht werden, ſo daß die aufgelegten Truder und die an dieſelben an⸗ 
gebundenen Reben einen dachartigen Abfall haben und das Ganze eine Art 
Laube bildet, die einfach iſt, wenn der dachartige Abfall nur auf einer Seite 
erſcheint, doppelt, wenn derſelbe auf zwei Seiten angebracht iſt, ſo daß die 
höhern Stiefeln in der Mitte ſtehen und die Laube ſich auf beiden Seiten wie 
ein Satteldach abdacht. 

Dieſe Lauben⸗Erziehung iſt jedoch keine regelmäßige Erziehung für Wein⸗ 
berge, ſondern kommt in denſelben blos an Lauben oder in den Ortſchaften in, 
Höfen und Gärten vor, wie denn namentlich an der Bergſtraße manche Höfe 
damit überzogen ſind, was denſelben nicht nur ein freundliches Ausſehen gibt 
ſondern auch öfters reichen Ertrag abwirft, daher ſolche Einrichtungen, wenn 
auch gleich der Wein davon etwas gering wird, doch mehr Nachahmung in 
den dürften. Für die Kammer⸗ ſowie für die Dachlauben⸗Erziehung taugen 
nur Reben von ſtarker Triebkraft, die eine lange Erziehung vertragen, und die 


200 


nach dem Kopf⸗ oder Schenkelſchnitt behandelt werden können, auch gehört dazu 
ein kräftiger Boden. 


I 
d. Die Erziehung an Geländen. 


Die Erziehung an Geländen iſt ein Uebergang von der hohen Rahmen⸗ 
Erziehung durch Erweiterung derſelben, indem die Gelände (Spaliere, in Würt⸗ 
temberg Kammerzen⸗Erziehung) mit höhern Pfoſten und mehr Querlatten ver⸗ 
ſehen werden, fo daß auch der Rebſtock eine höhere und ausgebreitetere Er⸗ 
ziehung erhält. 


Gelände werden in den Weinbergen gewöhnlich an hohen Mauern oder 
an Weinbergshäuschen angelegt, in Gärten häufig als freiſtehend, oder als 
Bogengang, als Laube oder auch an Mauern erzogen, in den Ortſchaften 
aber die Wandungen der Gebäude damit bedeckt. Die Oertlichkeit, an welcher 
die Gelände angebracht werden, iſt daher ſehr verſchieden, daher auch die Er- 
ziehung der Rebe, welche ſich darnach zu richten hat, verſchieden ſein muß. Im 
Allgemeinen laſſen ſich dabei folgende Grundſätze aufſtellen. 


Bei der Holzunterſtützung werden die aufrecht ſtehenden Pfoſten in Ent⸗ 
fernungen von 8—10 Fuß feſt in den Boden eingeſchlagen und ſofort an den⸗ 
ſelben Querlatten, Stangen oder auch einfache Pfähle neuerlich auch ſtarker 
ausgeglühter Draht vom Boden an in Entfernungen von 1—1 , höchſtens 
2 Fuß befeſtigt, wobei hauptſächlich darauf zu ſehen iſt, daß die Pfoſten in 
ſolchen Entfernungen von einander eingeſchlagen werden, daß der Anfang und 
das Ende der Querlatte ꝛc. an einen Pfoſten zu ſtehen kommt. 


Bei der Anlage der Gelände und bei der Erziehung der Reben kommt 
es darauf an, mit welchen Traubengattungen dieſelben beſetzt und ob dieſelben 
hoch oder nieder erzogen werden ſollen. Zu der Anlage von Geländen, be— 
ſonders in Gärten und an Gebäuden, werden häufig Tafeltrauben genommen 
(§. 40—44), weil dieſelben gewöhnlich nicht zur Weinbereitung, ſondern zum 
Verſpeiſen beſtimmt ſind, wobei als erſter Grundſatz zu berückſichtigen iſt, daß 
die Anlage und Erziehung der Rebe fo erfolgen muß, daß die Wand des Ge- 
ländes vollkommen von derſelben gedeckt wird. Da nun die einzelnen Reb⸗ 
gattungen nicht gleich lange Reben treiben, ſondern einige meiſt kurze, andere 
mehr mittelmäßige oder lange Triebe machen, ſo muß darauf ſchon bei der 
Anlage Rückſicht genommen und zu dieſem Behuf ſchwachtriebige Reben nur 
zu niedern Geländen von 3—4 Querlatten, mittelmäßigtriebige zu Geländen 
von 5—7 Latten, ſtarktriebige zu Geländen von 7 und mehr Latten verwen⸗ 
det oder zu der Bekleidung von ganzen Wandungen genommen werden. 


201 


8. 129. 

Die Weite des Satzes und die Zahl der zu ſetzenden Reben, ſowie die 
anzuſchneidenden Schenkel hängen wieder von der niedern oder höhern Er— 
ziehung, beziehungsweiſe von der Zahl der nothwendigen Querlatten ꝛc. ab. 

Bei der Entfernung der einzelnen Stöcke von 5—6 Fuß und bei mehr 
niederer Erziehung mit drei Querlatten, wobei dem Stock nur ein oder zwei 
Schenkel gegeben werden, genügt ein Stock, werden aber die Stöcke in Ent— 
fernungen von 8—12 Fuß gepflanzt und ſollen dieſelben hoch gezogen werden 
mit 5—7 oder mehr Querlatten, ſo müſſen 2— 3 Schenkel aus dem Kopf 
angeſchnitten werden, wobei es zweckmäßig iſt, wenn zwei Stöcke neben einan⸗ 
der geſetzt werden. Bei ſtarktriebigen Reben mit weiten Gelenken können die 
Latten in Entfernungen von 2 Fuß, bei minder triebigen in Entfernungen von 
1½/2—1 Fuß angebracht werden. 

Zum Setzen der Reben kann man Wurzelreben oder Schnittlinge nehmen, 
dieſelben müſſen aber länger, als gewöhnliche Setzreben ſein und daher eine 
Länge von 3—4 Fuß erhalten, damit ſich der Stock ausgedehnt bewurzeln 
und die erforderliche Kraft zu der hohen Erziehung ſammeln kann. Auch 
kommt dabei mehr die Kopf- als die Schenkelerziehung in Anwendung; bei 
der letztern muß für jeden höher zu ziehenden Schenkel eine beſondere Rebe 
eingelegt werden. Die Schenkel jeder Rebe werden entweder in gerader oder 
etwas zirkelförmiger Richtung an dem Lattengerüſte hinaufgezogen, oder in 
wagrechter Richtung auf die Latten gelegt und dort feſtgebunden. Erſtere 
kann man die fächerförmige, letztere die winkelrechte oder den Winkelſchnitt 
nennen. 

Bei der fächerförmigen Erziehung werden zwei Schenkel aus dem Kopf 
erzogen und ſolche rechts und links von demſelben in entgegengeſetzter Richtung 
an die erſte Querlatte gebunden. Von dieſen Schenkeln gehen je zwei Zugäſte 
aus, auf welchen dann die Tragreben angeſchnitten werden, was auf folgende 
Weiſe erreicht wird. Sowie der Stock zum Ertrag kommt, werden an jedem 
Schenkel zwei längere Reben angeſchnitten, an der untern Latte ſenkrecht, doch 
etwas nach rechts und links ausgebreitet angebunden, wodurch die künftigen 
vier Zugäſte oder längere Schenkel gebildet ſind. Die ſtärkern Triebe an 
dieſen vier Reben werden den Sommer über ſorgfältig an den Querlatten 
vertheilt und aufgeheftet, die ſchwächeren aber eingekürzt. Im folgenden Früh⸗ 
jahr werden die ſtärkeren Schneidreben, gewöhnlich die oberſten, auf 5—6 
Augen als neue Zugreben, die ſchwächeren aber als Zapfen auf 2 Augen zu⸗ 
geſchnitten. Jedes Jahr wird nun fortgefahren, die Zugäſte durch das An- 
ſchneiden neuer Zugreben zu verlängern, bis die Höhe des Lattengerüſtes er— 
reicht iſt, wobei jedoch darauf Rückſicht zu nehmen iſt, daß die Zugäſte in Ent⸗ 
fernungen von I—1'/ Fuß immer neue Zapfen erhalten, damit das Gelände 


202 


mit den jungen Trieben gehörig bedeckt werden kann. Wird der Stock zu 
hoch oder ein Schenkel zu mager, ſo verjüngt man denſelben durch Einkürzen 
des Schenkels und durch Heranziehung einer neuen Zugrebe von einem un⸗ 
tern Zapfen. 

Mit dieſer Erziehungsweiſe iſt jedoch der Nachtheil verbunden, daß, wie 
bei allen ſenkrechten Erziehungsmethoden, der Saft der Rebe größtentheils 
nach oben ſteigt, wodurch die untern Zapfen mager bleiben und wenig oder 
keine Früchte bringen, auch ſind die meiſten Früchte zu weit vom Boden ent⸗ 
fernt und zeitigen, beſonders an freiſtehenden Geländen, ſpät, daher dieſe Er⸗ 
ziehung hauptſächlich nur bei ſolchen Traubengattungen in Anwendung kommen 
ſollte, welche an Zapfen gerne tragen, wie bei Sylvaner, Gutedel, weniger 
bei Trollinger, Urban, Muskateller, rothe Malvaſier, Seidentrauben, welche 
mehr lange Reben (Bogreben) verlangen. 


8. 130. 


Bei der winkelrechten Erziehung werden, wenn die Reben durch Abwerfen 
bis zum vierten Jahr zu einem kräftigen Stock herangezogen ſind, zwei der 
ſtärkſten auf dem Kopfe ſtehende Reben vereinigt und ſenkrecht ½ Fuß über 
dem Kopfe mit einem Weidenbande aufgebunden und dann jede Rebe an der 
erſten Latte eingebogen, da, wo die Rebe gebogen wird, gleichfalls mit einem 
Weidenband feſt an die Latte gebunden und ſofort horizontal an derſelben auf⸗ 
gelegt und in Entfernungen von 10—12 Zoll mit einem Weidenband verſehen. 
Auf dieſe Weiſe bildet jede Rebe einen rechten Winkel und erhält dadurch ihre 
Grundform, wobei die untern Augen bis an die Latte, ſowie die Augen auf 
der Latte die gegen unten ſehen, ausgeſchnitten werden, jo daß nur in Ent- 
fernungen von 9—12 Zoll junge Triebe erſcheinen, welche, wenn ſie gehörig 
herangewachſen ſind, an die zweite Latte und ſpäter an die dritte gebunden, 
höher wachſende aber abgezwickt werden, damit der Trieb in die Uebrigen ge— 
leitet und dieſe dadurch die erforderliche Höhe erreichen. Hat die Rebe noch 
nicht ihre horizontale Lage bis zum nächſten Stock, ſo wird der äußerſte Trieb, 
ſowie er erſtarkt iſt, ſtatt ſenkrecht gleichfalls horizontal auf die Latte gebunden 
und der künftige Schenkel auf dieſe Weiſe gehörig verlängert. Iſt der Stock 
auf die angegebene Weiſe ausgerüſtet, ſo werden erſt die weiter aus dem Kopf 
gewachſenen Reben ausgeſchnitten, damit, wenn beim Umbiegen eine Rebe ver⸗ 
unglückt, noch eine Reſerverebe vorhanden iſt. Im folgenden Jahre werden 
dann die Triebe des Vorjahrs theils zu Tragreben mit 4—6 Augen, theils 
zu Zapfen mit 2 Augen in der Art angeſchnitten, daß zwiſchen zwei Reben 
ein Zapfen zu ſtehen kommt und auf die Weiſe abgewechſelt, daß der Rebe 
des Vorjahrs ein Zapfen, dagegen dem Zapfen eine Rebe angeſchnitten wird, 
wodurch eine Wechſelwirthſchaft entſteht, bei der das vorjährige längere und 


203 


dadurch entkräftete Holz bis zur letzten Ruthe abgeworfen wird, während das 
ausgeruhte, kurze Holz die längeren Tragreben bekommt, ſo daß man jedes 
Jahr auf beſtimmte Fruchtbildung rechnen kann. Die Tragreben werden an 
der dritten Latte feſtgebunden. 

Iſt das Lattengerüſte höher, ſo wird bis zur dritten Latte unmittelbar 
aus dem Kopf ein dritter Schenkel und bis zur fünften Latte ein vierter Schen— 
kel ꝛc. gezogen und dieſe ebenſo, wie die untern Schenkel und Reben behandelt. 

Sehr zweckmäßig iſt es, wenn alle Schenkel aus dem Kopf gezogen wer— 
den, weil, wenn auf einem Stamm mehrere Schenkel und aus dieſen wieder 
Schenkel gezogen werden, der Zug der Säfte ſich öfters mehr auf eine, meiſt 
obere Seite, als auf die andere untere Seite neigt, wodurch der gleiche Trieb 
der Rebe und überhaupt die Ausbildung des ganzen Stocks geſtört wird, weß— 
halb bei mehreren Schenkeln es auch nothwendig iſt, zwei Reben zu ſetzen. 

Auf dem Kopf ſelbſt und an den untern Schenkeln werden keine Seiten⸗ 
triebe geduldet, ſondern es muß aller Trieb in die obern mit Tragreben be⸗ 
ſetzten Theile der Schenkel geleitet werden, welche hier die eigentliche Grund— 
lage der ganzen Erziehung bilden, doch kann in den erſten Jahren auf dem 
Kopf noch eine kurze Reſerverebe von einigen Augen angeſchnitten werden, da⸗ 
mit, wenn ein Schenkel, fo lange fie noch nicht gehörig erſtarkt find, verun— 
glückt, ein anderer ſogleich nachgezogen werden kann. 


ls 


Bei den bisher beſchriebenen Erziehungsweiſen haben wir hauptſächlich 
diejenigen an Weinbergs⸗ oder Gartenmauern oder an freiſtehenden Geländen 
oder an den Wandungen der Gebäude im Auge gehabt und dabei nur noch 
zu bemerken, daß es bei den vielen hohen Weingebirgen in Württemberg und 
bei den in denſelben angelegten vielen Mauern es ſehr auffallend erſcheint, 
daß an denſelben ſelten Rebgelände (Kammerzen) angelegt ſind, was ohne 
Zweifel daher kommt, daß die Weinbergsmauern gleichlaufend ſind und kaum 
die Höhe des Bodens haben, wodurch bei ſtarken Regengüſſen und Wolken⸗ 
brüchen das Waſſer über die Mauern herunterſtürzt und die unten an denſel⸗ 
ben angelegten Stöcke mit Waſſer, Erde und Steinen überſchütten und nicht 
nur ſehr verunreinigen, ſondern manchmal ganz zu Grunde richten würde, 
auch hätte das Waſſer, weil am Fuße der Mauer gewöhnlich ein Waſſerab⸗ 
zugsgraben gegen das nächſte Geſtäffel angelegt iſt, bei dem Einlegen von 
Stöcken neben der Mauer keinen geregelten Abzug und würde deßwegen ver⸗ 
heerend ſich über den ganzen Weinberg ergießen. 

Durch die Nichtbekleidung der vielen Mauern mit Reben bleibt aber eine 
Menge Raum unbenützt und viel Ertrag geht in ſolchen Weinbergen verloren. 
Die angeführten Hinderniſſe ließen ſich jedoch dadurch zum großen Theile be- 


204 


feitigen, wenn die Reben nicht unmittelbar am Fuße der Mauer, ſondern 2—3 
Fuß davon entfernt eingelegt und auf die in §. 111, Pkt. 8, angegebene Weiſe 
erzogen würden, oder wenn, beſonders bei ſchief angelegten Mauern (§. 98) 
dieſelben oben 1—1 ½ Fuß über den Boden erhöht würden, wodurch ſich 
hinter denſelben, alſo an der Mauer, ein Waſſerabzugsgraben bildete, durch 
den das Waſſer, wenn der Boden noch etwas ausgehoben werden wollte, gleich⸗ 
falls ſicher in das Geſtäffel geleitet werden könnte. 


8. 132. 


Zu der Gelände⸗Erziehung gehört aber auch noch, wie bereits bemerkt, 

die Arkaden⸗ oder Bogengang⸗- ſowie die Lauben⸗Erziehung, 

ferner: 

die Buſchbaum⸗Pyramiden⸗ oder Hochſtamm⸗Erziehung. 

Bei der erſtern werden in Entfernungen von 10—12 Fuß eichene Pfähle 
oder Pfoſten von 12 Fuß Höhe in den Boden eingeſchlagen und an denſelben 
drei Reben eingelegt, von welchen der Fuß unten ſo ausgebreitet ſein muß, 
daß er zuſammen ein Dreieck bildet und die Reben dadurch die gehörige Nah— 
rung erhalten, wogegen die Köpfe oben etwas zuſammenzulaufen haben. Von 
den Reben rechts und links werden die Seiten des Bogengangs oder der 
Laube auf die angegebene Weiſe (§. 129, 130) bekleidet, von der Rebe in der 
Mitte wird aber der Schenkel an dem Pfoſten in die Höhe gezogen und mit 
den Trieben deſſelben der obere Theil des Gangs oder der Laube (die Decke) 
bedeckt, der entweder eine Bogenform erhalten oder durch gleichliegende Duer- 
latten gebildet werden kann. 

Zu Buſchbäumen und Pyramiden kann man einen kräftigen Rebſtock wäh⸗ 
len mit einem Hauptſtamm (Schenkel), der an einem 10—15 Fuß hohen 
Pfoſten (Stange) dadurch in die Höhe gezogen wird, daß derſelbe jedes Jahr 
durch eine an der Spitze anzuſchneidende Rebe von 3—5 Augen verlängert 
wird. An dieſem Stamme zieht man 1—1 / Fuß über dem Boden kurze 
Zugäſte von 3—10 Zoll Länge, die gegen oben in Entfernungen von /ÿ— 54 
Fuß von einander ſtehen und nach verſchiedenen Seiten gerichtet ſind, nach 
oben aber etwas kürzer geſchnitten werden, ſo daß der Stock einen zugeſpitzten 
Buſch oder eine Pyramide bildet. An den obern kurzen Zugäſten wird ein 
Zapfen, an den unteren längeren zwei Zapfen mit 2—3 Augen angeſchnitten. 
Während der Sommerbehandlung werden die jungen Triebe öfters eingekürzt, 
ſo daß ſie ſich ſelbſt tragen und der Stock ſtets die angenommene Form behält. 
Solche Stöcke können in den Gärten auf den Rabatten, ſtatt der Roſen⸗ und 
Obſtbäumchen gepflanzt werden, nehmen ſich ſehr gut aus und tragen meiſt 
ſchöne Trauben, namentlich Sylvaner und Gutedel, die gerne auf Zapfen 
tragen. 5 


205 


> 


Eine andere Art um Buſchbäume und Pyramiden zu erziehen, bejteht 
darin, daß man drei Reben in einem Dreiecke von 3 Fuß Durchmeſſer einlegt 
und entweder jeder Rebe einen langen Pfahl oder ein Stänglen gibt, die oben 
zuſammenlaufen oder es wird in der Mitte ein 10—12 Fuß langer Pfoſten 
eingeſetzt, indem man von 2 zu 2 Fuß je vier Löcher einbohrt, jo daß fie einen 
Kranz bilden, in dieſe Löcher werden rund gemachte Hölzer von 2—3 Fuß 
Länge eingeſteckt und außen an einem ſtarken Raif befeſtigt, an den dann die 
einzelnen Reben, wie an einem Gelände vertheilt und gebunden werden, wobei 
die obern Ouerhölzer immer etwas kürzer gemacht werden müſſen, fo daß der 
Stock etwas ſpitz zulauft und dadurch einen Buſchbaum oder eine Pyramide 
bildet. Auf den um die einzelnen Raife zu ziehenden Schenkel werden gleich- 
falls nur Zapfen von 2—3 Augen angeſchnitten und die jungen Triebe ſtets 
Ran der nächſt obern Abtheilung angebunden, längere aber rechtzeitig eingekürzt. 


8. 133. 


Wir haben jetzt noch der Erziehung der Reben 

1 in Töpfen 

zu erwähnen, wodurch nicht nur frühzeitig reife Trauben gewonnen, ſondern 
auch eine beſondere Zierde für Wohngelaſſe erzogen werden kann. 

Die einfachſte Erziehung in Töpfen beſteht darin, daß man eine Rebe 
von einem ältern Stocke, wie in §. 103 beſchrieben iſt, ſtatt in einen Korb, 
in einen weiten irdenen Blumentopf zieht, denſelben mit guter Erde und Lohe 
um die Rebe herum anfüllt und mit Moos bedeckt. Um das untere Loch, wo 
die Rebe eingezogen wird, kann man, um den Abfluß des Waſſers und den 
Zutritt der Luft zu befördern, einige irdene Scherben legen, und um die Wur⸗ 
zelbildung zu erleichtern, am unterſten Knoten einen ſchmalen Ringelſchnitt 
machen. Während des Sommers muß der Stock durch Begießen mit Waſſer 
ſtets feucht erhalten werden, wodurch ſich bis zum Spätjahr die Rebe ſo be— 
wurzelt haben wird, wovon man ſich durch das Hinwegnehmen der obern Erde 
überzeugen kann, daß ſie nach dem Herbſt unten am Topf abgeſchnitten, der⸗ 
ſelbe herausgenommen und in ein froſtfreies Zimmer gebracht werden kann. 
Hat die Rebe ſchon im erſten Jahre Trauben getrieben, ſo wird dieſelbe wäh⸗ 
rend des Sommers durch das Anbinden an ein Pfählchen, durch Einkürzen ꝛc. 
ebenſo behandelt, wie jede andere Tragrebe, auch kann man auf dieſe Weiſe, 
wenn nach dem Herausnehmen des Stocks die Seitentriebe bis auf einige 
Augen eingekürzt und der Haupttrieb 2—3 Augen über der oberſten Traube 
abgeſchnitten wird, die Trauben lange bis zum Frühjahr am Stock aufbewah⸗ 
ren. Solle aber derſelbe zum frühen Treiben neuer Früchte herangezogen 
werden, ſo wird der Topf, nach deſſen Herausnehmen aus dem Boden an 
einen kühlen, froſtfreien luftigen Ort im Hauſe geſtellt, damit derſelbe abtrock⸗ 


206 


net und das Holz gehörig auszeitigt. Zu Anfang des Monats Dezember 
nimmt man die obere Erde bis auf die Wurzeln, ohne dieſelben zu verletzen, 
heraus, gibt gute neue Erde, ſchneidet die getriebene Rebe auf 3—4 Augen 
zurück und ſtellt den Stock in ein warmes Zimmer an das Fenſter oder zwi⸗ 
ſchen Vorfenſter, ſo daß derſelbe einige Stunden des Tags die Sonne hat. 
Haben die Augen getrieben, ſo wird der Stock in ein Zimmer gebracht, das 
eine möglichſt gleichförmige Wärme von 12 Graden nach Reaumür hat, durch 
öfteres, aber nicht zu ſtarkes Begießen, womöglich mit Regen- und hie und 
da mit Dungwaſſer in gutem, kräftigem Trieb erhalten, dabei möglichſt der 
Sonne ausgeſetzt und vor Staub, Zugluft und ſtarker Erſchütterung bewahrt, 
was beſonders vor und während der Blüthe zu geſchehen hat. Durch ſorg⸗ 
fältige Behandlung eines ſolchen Stocks wird man ſchon im Monat Juni, be⸗ 
ſonders von Frühſorten, reife Trauben erhalten. Nach der Abnahme der 
Früchte wird dann derſelbe mit dem Ballen in das Land geſetzt, damit das 
Holz gehörig ausreift, im Spätjahr aber wieder in einen etwas größern Topf 
gebracht. 

Zu der Pflanzung in Töpfen ſind vorzugsweiſe ſolche Traubengattungen 
zu wählen, welche keine lange Erziehung erfordern, ſondern gerne auf Zapfen 
tragen, wie Sylvaner, Gutedel ꝛc., auch wird dabei kein Kopf, ſondern nur 
ein Schenkel erzogen. 


4. Die Erziehung des tragbaren Rebſtocks. 
§. 134. 


Durch die Erziehung des tragbaren Rebſtocks muß derſelbe nach den all— 
gemeinen Erziehungsgrundſätzen (§. 116) in ein richtiges Verhältniß zu ſeiner 
Ernährungskraft gebracht und demnach die Vegetation deſſelben ſo geleitet 
werden, daß er ſeine Säfte nicht unnöthig vergeudet und ſich dadurch ſchwächt 
und altert, ſondern ſolche hauptſächlich zu ſeiner Erhaltung und Stärkung, ſo⸗ 
wie zu der Hervorbringung möglichſt vollkommener und edler Früchte ver- 
wendet. 

Um nun dieſes gehörig erreichen zu können, äh die mit der Erziehung 
der tragbaren Rebſtöcke verbundenen Arbeiten jedes Jahr wiederholt werden, 
zu welchem Behuf man dieſelben abtheilt: 

a. in das Schneiden der Reben, 

b. in das Ruthenbiegen, 

c. in das Verbrechen (Zwicken) und Einkürzen der Reben, 


d. in das Ueberhauen und Ausflügeln des Rebſtocks, wozu noch 
verſchiedene außerordentliche Frühjahrsarbeiten kommen. 


207 


a Das Schneiden. 

Das Schneiden der Reben hat den Zweck, den Rebſtock nicht nur von 
allem überflüſſigen Holze zu befreien, ſondern auch die demſelben zu belaſſenden 
Reben ſo zurückzuſchneiden, wie es die Beſchaffenheit des Stocks erfordert, 
wobei die klimatiſchen Verhältniſſe, die Bodenkraft, das Alter des Rebſtocks 
und die natürliche Vegetationskraft deſſelben zu berückſichtigen ſind. Das 
Schneiden iſt daher eine der wichtigſten Arbeiten in den Weinbergen und er— 
fordert gute Kenntniſſe in der Behandlung des Weinſtocks, indem durch gutes 
und vorſichtiges Schneiden ein Weinberg in guten Stand geſetzt und darin 
erhalten, während er durch ſchlechtes Schneiden bald zu Grunde gerichtet wer— 
den kann. 

Die dem Rebſtock bei dem Schneiden zu belaſſenden Reben beſtehen 
hauptſächlich in den Trag- oder Fruchtreben, die auf den Schenkeln des Reb— 
ſtocks angeſchnitten werden und in dem ſogenannten Bodenholz, das unmittel⸗ 
bar aus dem Kopfe, oder bei der Schenkelerziehung aus dem untern Theil 
des Stammes erwachſen iſt und zu der Heranbildung neuer Schenkel oder 
Stämme verwendet wird (S. 2). 

Das Tragholz wird entweder lang oder kurz geſchnitten, im erſtern Falle 
gibt es Streck⸗, Bog⸗ oder Schneidreben und zwar bei 5—8 Augen Halbbögen, 
bei 8 und mehr Augen ganze Bögen, im letzteren Falle Zapfen, Knoten, Stifte 
von 2—4 Augen. 

Was nun zunächſt die klimatiſchen Verhältniſſe anbetrifft, ſo iſt es eine 
bekannte Thatſache, daß in wärmeren Gegenden die Reben viel fruchtbarer 
find, als in rauheren und daher ſchon an den unteren Augen ſchöne vollkom— 
mene Trauben treiben, während in den letztern dieſes bei einzelnen Trauben⸗ 
gattungen erſt am dritten oder vierten Auge der Fall iſt, man muß daher bei 
dem Schneiden der Reben zwiſchen den Frucht- und Holzaugen genau unter- 
ſcheiden (S. 3). In ſüdlichen Ländern werden, wenn man feinere Weine er⸗ 
zielen will, die Reben öfters bis auf wenige Augen abgeworfen, und geben 
deſſenungeachtet noch einen reichlichen Ertrag, was man als Kopfſchnitt be- 
trachten kann, während, wenn man mehr auf Quantität ſieht, dieſelben auch 
baumartig wegen der ſtärkeren Vegetationskraft erzogen werden können (§. 116). 

Die klimatiſchen Berhältniſſe ſind übrigens nicht jedes Jahr gleich, in 
manchen dem Rebſtock beſonders günſtigen Jahren (Wärme mit abwechſelnder 
Feuchtigkeit) treibt derſelbe viel mehr und kräftigeres Holz als in andern, da⸗ 
her demſelben im folgenden Jahre auch mehr Holz angeſchnitten werden kann 
und darf als gewöhnlich, während im umgekehrten Fall weniger als her- 
kömmlich anzuſchneiden iſt, weßhalb beim Schneiden nicht blos das Herkom— 
men, ſondern auch der Holztrieb des vorigen Jahrs beſondere Berückſichtigung 
finden muß. 


208 


Die Bodenkraft des Weinberges, beſtehe nun dieſelbe in einer natürlichen 
oder durch Düngung herbeigeführten, entſcheidet hauptſächlich darüber, ob lang 
oder kurz geſchnitten werden fol. Iſt der Boden mager und ſchwach in der 
Düngung, ſo kann nur wenig und kurzes Holz, mithin mehr Zapfen und Halb⸗ 
bögen als ganze Bögen angeſchnitten werden, hat dagegen der Weinberg kräf— 
tigen Thon- oder Lehmboden und iſt er in der Düngung gut unterhalten, ſo 
muß länger, mithin mehr auf ganze Bögen geſchnitten werden, beſonders da 
im kühlen, triebigen Lehmboden die unterſten 2 Augen ſelten fruchtbar ſind 
(vergleiche S. 204). Iſt der Boden locker (leicht oder hitzig) und ſeicht und 
hat er trockenen, felſigen oder kieſigen Untergrund, der leicht austrocknet, wie 
Granit und andere Urgebirgsarten, ſo wie angeſchwemmter Flußkies, ſo iſt nicht 
viel Holz zu geben, weil in trockenen Sommern der Untergrund die Feuchtigkeit 
dem Obergrund immer mehr entzieht, wodurch, wenn dem Weinberge durch ſtarkes 
Holzanſchneiden zu viel zugemuthet wird, derſelbe in einem Jahre rückgängig ges 
macht werden kann, während, wenn der Weinberg mehr tiefen Obergrund und 
mehr feuchten oder etwas waſſerhaltigen Untergrund hat, wie Sand- und Kalkfelſen, 
waſſerhaltiger Thon, die dem Rebſtock Feuchtigkeit mittheilen, mehr Holz zu 
geben iſt. Im Allgemeinen kann die Regel befolgt werden, daß, wenn ein 
Rebſtock im Vorjahr ſehr ſtark getrieben hat, ſo kann im Holz zugeſetzt, war 
er mäßig im Trieb, ſo kann der vorjährige Schnitt beibehalteu, war der Trieb 
gering, ſo muß am Holz abgebrochen werden. 

Junge, gut angelegte Weinberge haben gewöhnlich weit mehr Triebkraft, 
als alte, daher darauf auch beim Schneiden ſorgfältig Rückſicht genommen 
und erſtern bei gleichen oder ähnlichen Rebgattungen in der Regel mehr Holz 
als letztern gegeben werden muß, durch zweckmäßiges mehr kurzes als langes 
Schneiden können ältere Weinberge lange in gutem Ertrag erhalten werden, 
während, wenn ſie durch allzuſtarkes Anſchneiden von Holz zu ſehr zum Ertrag 
gereizt werden, bald zu Grunde gehen. 

Bei jungen allzutriebigen Weinbergen, die dann mehr in's Holz als in 
Trauben treiben, kann der Trieb gemäßigt werden, wenn denſelben 1 oder 
2 Jahre viel Holz und lange Bogreben angeſchnitten werden. 

Die natürliche Vegetationskraft der einzelnen Rebgattungen iſt ſehr ver» 
ſchieden, daher bei dem Schnitt ſich beſonders darnach gerichtet werden muß, 
wie hienach ($. 137. 138) näher ausgeführt werden wird. Beſonders muß 
zwiſchen zwergartigen und ſtarktriebigen Reben unterſchieden werden, indem bei 
erſteren die fruchtbaren Augen meiſt nahe am alten Holze ſich befinden, wäh⸗ 
rend bei den letztern dieſelben mehr entfernt vom alten Holze, erſt mit dem 
3. oder 4. Auge beginnen (S. 3), doch kommen bei jungen zwergartigen Reben 
in kräftigem Boden auch hie und da Ausnahmen vor, indem ſie in ſolchen 
Fällen gleichfalls einen längeren Schnitt erfordern. Im Allgemeinen iſt als 


209 


Grundſatz anzunehmen, daß das obere Holz des Weinſtocks und die Zahl der 
Schenkel und Tragreben in einem richtigen Verhältniß zu dem Wurzelvermö— 
gen ſtehen muß, was man häufig nach der Stärke der Stange beurtheilen 
kann. Starktriebige Reben laſſen ſich nach S. 2 häufig an der Stärke des 
Markes erkennen. 

Hat ein Weinberg im vorangegangenen Jahre einen allzureichen Ertrag 
gegeben, wodurch deſſen Vegetationskraft geſchwächt wurde, ſo iſt demſelben zu 
ſeiner Erholung im folgenden Jahre etwas weniger Holz anzuſchneiden. 

Auch von der weiten oder engen Beſtockung eines Weinberges iſt der 
Schnitt des Rebſtocks abhängig, indem da, wo weit geſtockt wird, der Stock 
alſo in einem weiteren Umkreiſe ſeine Nahrung finden kann, demſelben mehr 
und längere Schenkel und Bögen angeſchnitten werden können, als bei einer 
engen Beſtockung. 

8135 

Wenn man nun nach den hier im Allgemeinen aufgeſtellten Grundſätzen 
das Schneiden der Reben vornehmen will, ſo hat man hauptſächlich darauf 
zu ſehen: 

a. dem Stock jo viel Früchte (Tragreben) anzuſchneiden, als er ehne Nach- 
theil für den künftigen Beſtand ertragen kann; 

b. den Stock nieder zu halten, damit das Tragholz und die Trauben dem 
Boden möglichſt nahe gebracht werden; 

d. Für Tragholz im nächſten Jahre zu ſorgen, d. h. den Stock durch paſ— 
ſenden Schnitt zu veranlaſſen, brauchbare Fruchtreben für's kommende 
Jahr zu erzeugen und 

d. den Stock durch all dieſes nicht nur bei kräftiger Geſundheit, ſondern 
auch in der angenommenen Erziehung zu erhalten. 

Fruchtbildung für das gegenwärtige und Holzbildung für das künftige 
Jahr iſt daher ſtets der Hauptzweck des Rebſchnitts, zu dieſem Behufe muß 
alles dasjenige Holz entfernt werden, das zu keinem der beiden Zwecke erforder- 
lich iſt. Das fruchtbringende Holz iſt gewöhnlich aus dem Holze des Vor— 
jahrs erwachſen, iſt kräftig und zur Fruchtbildung herangereift, wogegen das 
aus dem Kopfe, den Schenkeln oder dem Stamme erwachſene Holz (Waſſer⸗ 
ruthen, Holzreben) ſelten oder nur wenige Früchte bringt und nur in beſtimmten 
Perioden zur Bildung von neuem Holze verwendet werden kann. 

Bevor jedoch der Rebmann mit dem Schneiden beginnt, muß er darüber 
einig ſein, wie nach den verſchiedenen Erziehungsarten geſchnitten werden ſoll, 
ob kurz oder lang, ob auf Bögen oder Zapfen, ob viel oder wenig Schenkel 
erforderlich ſind u. ſ. w. Um nun dieſes gehörig beurtheilen zu können, ſtellt 
ſich der Weingärtner vor den Stock und betrachtet ſeine Vegetationskraft im 
Allgemeinen und richtet darnach ſeinen Schnitt ein. Zuerſt wird, nachdem die 

14 


210 


Erde unter dem Kopf oder neben dem Stamm aufgeräumt iſt, die Stärke 
des Wurzelſtocks betrachtet, indem nach derſelben, beſonders bei jungen Wein⸗ 
bergen, genau beurtheilt werden kann, ob dem Stock viel oder wenig Trag⸗ 
holz zu geben iſt, worauf die ſogenannten Tag- oder Thauwurzeln aus dem 
§. 119 angeführten Grunde hinweggenommen oder zum Abſterben blos gelegt 
werden. 

Durch das Abnehmen oder Abſchneiden der Thauwurzeln ſoll der Stock 
gezwungen werden, ſich mehr am untern Theile der Stange zu bewurzeln, 
außerdem könnten dieſelben die gegen den Kopf aufſteigende Säfte theilweiſe 
an ſich ziehen und dadurch dem Kopftriebe ſchaden. Das tiefe Abnehmen der 
Thauwurzeln iſt übrigens nach §. 119 hauptſächlich nur bei neu angelegten 
und jungen Weinbergen nothwendig, bei ältern Weinbergen, welche ihre Nah⸗ 
rung mehr von dem obern durch Düngung gekräftigten Boden beziehen müſſen, 
könnte das tiefere Abnehmen derſelben über das erſte Gelenke durch Entziehung 
eines Theils der Nahrungsſäfte auch ſchädlich wirken, daher hier hauptſächlich 
nur die unmittelbar unter dem Kopfe herausgewachſenen Wurzeln entfernt 
werden ſollten, wie dieſes auch in einzelnen Weinbaugegenden Württembergs 
eingeführt iſt, wo in ältern Weinbergen das Abſchneiden der Thauwurzeln 
ſowohl bei der Kopf- als Schenkel-Erziehung zum Theil ganz unterlaſſen wird, 
was jedoch nicht überall als zweckmäßig erſcheint. Nur in ganz alten Wein⸗ 
bergen, die hauptſächlich mit ſolchen Traubengattungen beſtockt, die im Alter 
nicht mehr aus dem Kopf treiben, wie beim Trollinger, läßt ſich daſſelbe eini⸗ 
germaßen rechtfertigen. 

. 

Nach der Reinigung der Stange oder des Wurzelſtocks geht man zu der⸗ 
jenigen des Kopfs oder des Stamms über, wobei man denſelben zunächſt von 
den ſchwachen oder dürr gewordenen Trieben, ſo wie von den dürren Stum⸗ 
pen früherer Abwürfe reinigt, und wenn ſich ein abgeſtandener Schenkel vor- 
findet, oder wenn beſonders bei einer kurzen Erziehung ein Schenkel zu alt 
oder zu lang iſt, ſo wird derſelbe möglichſt nahe am Kopfe oder Stamm ab⸗ 
geſchnitten und dagegen ein kräftiges Bodenholz ausgeſucht, das, je nach der 
Stärke, auf 3—4 Augen abgeworfen und als Schenkel herangezogen wird, 
was auch zu geſchehen hat, wenn ſchon von früheren Jahren ein Schenkel 
fehlt. Namentlich bei jungen Weinbergen hat man darauf zu ſehen, die 
Schenkel nicht zu alt und zu ſtark werden zu laſſen, damit fie dem Kopf nicht 
gleich werden und dadurch den Kopftrieb verhindern, daher ſtets junges Holz 
(Bodenholz) zur Erneuerung der Schenkel nachgezogen werden muß. Hiebei 
hat man, beſonders bei der Kopferziehung, darauf zu achten, daß die Schenkel 
und die ſonſtigen auf dem Kopf befindlichen Hölzer nicht zu nahe beiſammen 
ſtehen, ſondern auf demſelben ſo vertheilt werden, daß zwiſchen denſelben junge 


211 


Triebe herausgeſchnitten werden können, damit der Kopf nicht zulauft, ſondern 
ſtets eine runde Form behält und die Kopftriebe erhalten werden. Haben ſich 
auf dem Kopfe oder am Stamm im Vorjahr keine neuen Triebe gebildet und 
will der erſtere zulaufen, ſo iſt es ſehr angemeſſen, wenn man in jungen 
Weinbergen die Köpfe mit dem Meſſer behackt (verwundet), wodurch neue 
Triebe erweckt werden, oder wenn man einen Schenkel abwirft, wodurch der 
Kopf wieder Luft bekommt, um neue Triebe zu machen, oder wenn man in 
ältern Weinbergen die zum Theil abgeſtandenen Köpfe von allen dürr ge— 
wordenen Stumpen und ſonſtigem alten Holze ſo lange reinigt, bis man auf 
grünes Holz und auf das noch gute Mark des früheren Triebs kommt, das 
wieder, beſonders in warmen trockenen Jahren, neue Triebe bilden kann. 
Nach dem Reinigen des Kopfs wird derſelbe mit feiner Erde wieder zugedeckt. 
Man kann ſich bei dieſem Geſchäft, damit an dem Stock nicht zu ſtark beim 
Abſchneiden gezogen werden darf, wodurch leicht Wurzeln abgeriſſen werden 
könnten, einer kleinen Handſäge von nur einigen Zoll Länge bedienen, mit der 
man dem Stocke öfters beſſer beikommen kann, als mit dem Meſſer, nur muß man, 
wo geſägt wurde, den Kopf mit dem Meſſer am äußern Rande, jedoch ohne 
das Mark zu verletzen, etwas beſchneiden, weil ſich dadurch die neuen Triebe 
beſſer entwickeln. Sehr zweckmäßig iſt es, wenn man aus dieſer Arbeit, um 
mehr Zeit dazu zu haben, ein beſonderes Geſchäft nach dem Hacken macht, 
wobei man die Stöcke noch einmal aufräumt und nach der Reinigung der 
Köpfe bis zum erſten Felgen offen ſtehen läßt, damit durch die ſtärkere Wärme 
der Kopftrieb möglichſt geweckt wird. 

Iſt man mit dem Ausſchneiden und Reinigen des Kopfs oder des Stamms 
fertig, ſo geht man mit dem Schneiden an die Schenkel und übrigen Hölzer. 

Zuerſt ſchneidet man die alten Bögen aus, läßt aber ſo viel vom ein— 
jährigen Holze ſtehen, als man zu den neuen Bögen und Zapfen nöthig hat, 
jedoch auf einem Schenkel höchſtens zwei Hölzer, die man entweder zu zwei 
Bögen, oder zu einem Bogen und einem Zapfen oder zu zwei Zapfen von 
3—5 Augen verwenden kann. Man nimmt dazu, damit der Schenkel nicht 
zu lang wird, die hinterſten Reben vom vorjährigen Holze, wobei man wo— 
möglich den Zapfen nicht vor, ſondern hinter die Bogrebe ſtellt, weil im er— 
ſtern Falle, wenn der Bogen an den Pfahl gebunden iſt, der Zapfen über 
den Bogen und Pfahl hinausſtehen würde und leicht abgeriſſen werden könnte 
und weil, nach der Weingärtnerſprache, der Sohn nicht vor dem Vater her— 
gehen ſoll. Ob auf Bogreben (geſtreckte Reben) oder auf Zapfen geſchnitten 
werden ſoll, jo wie die Länge der Bogreben (Ganz oder Halbbogen) hängt 
nach der bereits gegebenen Ausführung theils von der Erziehungsweiſe, theils 
von dem Wachsthum der Reben, theils auch davon ab, ob die Gelenke mit 
den Fruchtaugen weit oder enge beiſammen ſtehen, indem man im erſteren 

14 * 


212 


Falle etwas längere Bögen als im letztern macht. Das gleiche iſt zu beob- 
achten, wenn ſich die hintern Augen verholzt haben, daher darauf beim Schnei⸗ 
den beſonders zu achten iſt. Bei jungen Weinbergen iſt auf die Stärke der 
Stangen Rückſicht zu nehmen, und wenn dieſelbe noch ſchwach iſt, auf Zapfen 
zu ſchneiden; weil, wenn dem Weinberg in früherer Jugend zu viel Ertrag 
zugemuthet wird, derſelbe bald altert und im Ertrag nachläßt. 

Der Schnitt wird 1—1'/2 Zoll lang über dem letzten Auge und entwe⸗ 
der gleich oder ſchief auf der dem Auge entgegengeſetzten Seite gemacht, da⸗ 
mit bei dem Ausfließen des Saftes derſelbe nicht über das Auge rinnt und 
daſſelbe durch das Anbinden des Bogens an den Schenkel oder den Pfahl 
keinen Schaden nimmt. Der gleiche Schnitt mit der hienach beſchriebenen 
Rebſcheere iſt jedoch zweckmäßiger als der ſchiefe, weil durch jenen die kleinſte 
Zahl von Gefäſſen blos gelegt wird, mithin auch weniger Saftausfluß erfolgt. 
Außerdem werden Schenkel und Rebe von allen Auswüchſen gereinigt und 
namentlich Aberzähne und Bollhacken ausgeſchnitten. 

Sind zur Erneuerung der Schenkel keine Bodenhölzer, oder iſt am vor— 
jährigen Bogen kein taugliches Holz zu einem neuen Bogen vorhanden, dagegen 
am Schenkel eine ſchöne Rebe, ſo kann man auch dieſe, beſonders wenn ſie 
nahe am Kopfe ſteht, zu einem neuen Schenkel heranziehen, oder zur Bog⸗ 
rebe verwenden und den Schenkel zurückſchneiden. Man nennt dieſes, weil 
die Ruthe an dem Schenkel einen Abſatz bildet, in manchen Weinbaugegenden 
eine Stelze und verwirft eine ſolche Behandlungsweiſe, weil ein derartiger 
Schnitt ein ſchlechtes Ausſehen hat und die Stelze beim Niederlegen gerne 
abbricht; bei dem Mangel an anderem Holz, namentlich in alten Weinbergen, 
läßt ſich aber eine ſolche Behandlungsweiſe wohl rechtfertigen, überhaupt darf auf 
kürzere Schenkel und ſomit auf das Zurückholzen derſelben ſehr geſehen wer- 
den, weil bei zu langen Schenkeln der Saft zu ſtark vorwärts dringt, wodurch 
der Stock hinten nicht mehr austreibt. Im Allgemeinen hüte man ſich, die 
Stöcke mit Holz zu überladen, indem dadurch nicht nur die Kraft und Ge⸗ 
ſundheit des Stocks nothleidet, ſondern auch eine geringere Qualität Wein 
erzeugt wird, weil die Reben keine ſo vollkommene Trauben treiben und die 
Zeitigung derſelben ſpäter erfolgt, wie bei weniger Holz, daher ſchneide man 
eher etwas weniger als zu viel Holz an. 

Das abgeſchnittene unbrauchbare Rebholz wird während des Schneidens 
1—2 Fuß lang zerſchnitten und auf den Boden geworfen, das dann in der 
Regel von Weibsleuten und Kindern geſammelt, auf kleine Haufen getragen 
mit Weiden zu Büſcheln gebunden, nach Hauſe geſchafft und dort als Brenn⸗ 
holz verwendet wird. Dieſes Geſchäft heißt man das Rebenleſen. 

Die zum Setzen brauchbaren Reben (Schnittling, Blindholz) werden dä⸗ 
gegen nicht zerſchnitten, ſondern ſogleich nach dem Schneiden nach den einzel⸗ 


213 


nen Gattungen geſammelt in Büſcheln zu 100 —200 Stück gebunden und 
auf die S. 101 beſchriebene Weiſe aufbewahrt. 


8 137 

Die Art des Schneidens hängt aber auch von der Erziehungsart und 
von der Gattung der Rebe ab. Auf welche Weiſe das Schneiden der Reben 
bei den verſchiedenen Erziehungsarten vorzunehmen iſt, iſt bereits oben §. 117 
bis 133 im Allgemeinen angedeutet worden und im Uebrigen ſind die beim 
Schneiden der tragbaren Rebſtöcke aufgeſtellten Grundſätze zu beobachten, da⸗ 
her hierüber nichts Weiteres anzuführen iſt. Dagegen treten bei dem Schnei⸗ 
den der einzelnen Rebgattungen verſchiedene Rückſichten ein, die einer nähern 
Betrachtung bedürfen. 

Bei der verſchiedenen Triebkraft der einzelnen Rebgattungen und bei der 
Einwirkung, welche die Triebkraft des Bodens und climatiſche Verhältniſſe 
auf die Vegetation der Rebe ausüben, kommt bei der Frage, welche Erzie- 
hungsweiſe bei jeder Rebgattung die zweckmäßigſte ſei und ob daher lang, 
mittel oder kurz geſchnitten werden ſoll, zunächſt die Rebgattung und dann 
die climatiſchen Verhältniſſe und die Triebkraft des Bodens in Betracht. 
Wir wollen deßwegen hier die bei dem Schneiden zu beobachtenden Regeln 
von denjenigen Traubengattungen näher erörtern, die in Deutſchland haupt⸗ 
ſächlich zur Weinbereitung benützt werden, auch werden hiebei die in Würt⸗ 
temberg bei der Kopferziehung gemachten Erfahrungen zu Grund gelegt und 
Weinberge vorausgeſetzt, die ſich im mittlern kräftigen Alter befinden, weil 
bei jungen ſtarktriebigen und bei alten ſchwachtriebigen Weinbergen öfters 
Ausnahmen gemacht werden müfjen. 

1. Der weiße Räuſchling (§S. 16 und 80) verträgt, je nach der Trieb⸗ 
kraft des Bodens, langen Schnitt mit 3 Schenkeln und mit Bögen und Za- 
pfen oder kürzeren mit 2 Schenkeln und Halbbögen und Zapfen. 

2. Der Traminer ($. 11. 29. 81) verträgt bei feiner geringeren Vege⸗ 
tationskraft keine lange und ausgedehnte Erziehung, es darf deßwegen dem- 
ſelben nicht zuviel Holz gegeben werden, weßhalb in der Regel 2 nicht allzu 
lange Schenkel und ein Bodenholz als Reſerveſchenkel, damit erſtere bald er- 
neuert werden können, genügen dürften, dagegen können den Schenkeln, weil 
der Traminer weniger fruchttreibend iſt und die hintern Augen ſelten Früchte 
bringen, Bogreben mit 12—15 Augen und hie und da auch noch ein Zapfen, 
dem Reſerveſchenkel aber ein Zapfen von 3—4 Augen angeſchnitten werden. 
Allzu kurz geſchnitten kann der Traminer, weil er frühe treibt, auch leicht im 
eigenen Saft erſticken. 

3. Der rothe Malvaſier oder Mährer verlangt nach §. 12 eine lange 
Erziehung mit 3 langen Schenkeln und weiten Bogreben ſowie einigen Zapfen, 


A 


bei magerem Boden dürften jedoch auch 2 Schenkel und 1 Bodenholz mit 
1 Zapfen genügen, wobei, weil das Holz weniger fruchtbar iſt, lange Bog⸗ 
reben zu geben wären. 

Junge Stöcke find ſpät zum Ertrag anzuſchneiden, damit dieſelben zuvor 
möglichſt erſtarken und die lange Erziehung ertragen können. 

4. Der Velteliner (S. 13. 82) iſt zwar ſehr fruchtbar, jo daß faſt jedes 
Fruchtauge zwei Trauben erzeugt, er treibt jedoch kein ſtarkes und langes Holz 
und gehört daher mehr zu den ſchwachtriebigen Sorten, daher demſelben in 
gutem Boden nur 2 Schenkel mit je einem Halbbogen von 6—7 Augen und 
2—3 Bodenhölzer mit Zapfen von 2—3 Augen zur Erneuerung und zum 
Zurückholzen der Schenkel anzuſchneiden ſind, in magerem Boden häufig nur 
Zapfen. Wird dem Stock mehr Holz gegeben, ſo altert derſelbe nicht nur 
bald, ſondern die Trauben, weil der Stock ſich überträgt, zeitigen auch ſelten 
ganz. 

5. Dem Weiß⸗ und Roth⸗Elbling (8. 14. 81), als ſtarktriebig, find in 
gutem kräftigen Boden und bei guter Düngung 3 etwas lange Schenkel mit 
je einem Bogen von 10—12 Augen und einem Zapfen von 2—3 Augen, 
ſowie ein kurzes Bodenholz oder ein Reſerveſchenkel mit Zapfen von 3—4 
Augen zu geben. Bei fettem Boden und kräftigem Trieb können auch vier 
Schenkel gegeben werden. In magerem Boden und bei weniger ſtarker Dün⸗ 
gung, wie im Kocher- Jagſt- und Tauberthale, ſollten nur 2 Schenkel mit je 
einer Bogrebe von 10—12 Augen und einem kurzen Reſerveſchenkel mit einem 
Zapfen von 2—4 Augen angeſchnitten werden, wobei auf ſehr zweckmäßige 
Weiſe eine Wechſelwirthſchaft eingeführt werden kann, indem der Reſerve— 
ſchenkel zu einem langen Schenkel herangezogen, ein langer aber durch Zu— 
rückholzen zu einem Reſerveſchenkel gemacht wird. Wird dem Elbling zu viel 
Holz angeſchnitten, ſo artet er, weil Holz und Trauben nicht zur gehörigen 
Zeitigung kommen können, gerne aus und geht in den Rauh-⸗Elbling über. 

Der ſchwarze Elbling (§. 82), iſt nicht fo ſtarktriebig, wie die beiden 
andern Gattungen, es darf deßwegen demſelben, je nach der Bodenkraft, etwas 
weniger Holz als jenen gegeben werden. 

6. Dem Urban ($. 15. 31. 82) können bei feiner ſtarken Triebkraft, je 
nach der Bodenbeſchaffenheit, 3—4 lange Schenkel mit je einer Bogrebe und 
einem Zapfen belaſſen werden, insbeſondere iſt aber, weil er erſt am vierten 
oder fünften Auge feine Haupttrauben treibt, auf lange Bogreben von 10—15 
Augen zu halten, weil ſonſt bei kurzem Schnitt die meiſten Fruchtaugen hin⸗ 
weggeſchnitten werden und der Ertrag gering iſt. 

7. Der weiße und blaue Clevner, ſowie der graue Clevner (Ruländer) 
(§. 15, 31, 83) verlangt nicht nur günſtige klimatiſche Verhältniſſe und ganz 
geeigneten Boden, ſondern auch eine, ſeinem ſchwachen Wurzelſtock angemeſſene 


215 


Erziehung. Der Clevner hat die Eigenschaft, daß er, wenn er zum Ertrag 
angeſchnitten wird, ſehr ſtark ins Holz treibt, daß aber dagegen der Wurzel— 
ſtock zurückbleibt und wenn die Rebe einmal im Ertrag iſt, wenig oder nicht 
mehr zunimmt, jo daß, wenn derſelbe in den erſten 5— 6 Jahren nach dem 
ſtarken Oberholz und nicht nach der Stärke der Stange behandelt und zu 
viel Tragholz angeſchnitten wird, derſelbe bald im Ertrag nachläßt, altert und 
abgängig wird. Derſelbe ſollte daher nicht frühzeitig zum Ertrag angeſchnitten 
werden, bis die Stange und die Wurzeln erſtarkt ſind und demſelben nicht zu 
viel Holz gegeben werden, höchſtens zwei 1—2 Fuß lange Schenkel und ein 
Kopf⸗ oder Bodenholz als Reſerveſchenkel mit Zapfen von 2—4 Augen, wo⸗ 
gegen den beiden Schenkeln lange Bogreben von 12—15 Augen und etwa je 
ein Zapfen von 3—4 Augen anzuſchneiden ſind, weil die Clevnerrebe in der 
Regel erſt am 3.—5. Auge Trauben treibt und die vom 5.—10. Auge getrie- 
benen am vollkommenſten ſind. Sehr angemeſſen dürfte es ſein, wenn bei 
dem Anſchneiden der Bogreben eine Art Wechſelwirthſchaft eingeführt würde, 
wie dieſes auch in manchen Gegenden von Burgund der Fall ſein ſoll, ſo daß, 
wenn im erſten Jahre den zwei Schenkeln Bogreben angeſchnitten werden, im 
zweiten Jahre der ſogenannte Reſerveſchenkel eine Bogrebe erhält, dagegen 
einer der beiden andern Schenkel zurückgeſchnitten und auf Zapfen behandelt 
wird, was zugleich den weitern Vortheil gewährt, daß die Schenkel fortwäh— 
rend erneuert und ſtets auf jung Holz geſchnitten werden kann, wodurch der 
Stock bis ins Alter in gutem Ertrag erhalten wird. 


8. Der grüne, rothe und blaue Sylvaner (§. 16, 32, 80) gehört zu den 
ſchwachtriebigen Rebſorten, dem in magerem Boden, wie zum Theil im obern 
Neckarthale und im Enzthale, ſowie im Kocher-, Jagſt⸗ und Tauberthale, nur 
zwei Schenkel, entweder mit zwei Halbbogen, je mit 6—7 Augen, oder mit 
einem Bogen und einem Zapfen und ein bis zwei Kopf- oder Bodenhölzer 
mit 2—3 Augen gegeben werden dürfen. Auch können auf den Schenkeln 
zum Zurückſchneiden derſelben, weil ſtets auf Jungholz geſehen werden muß, 
ein oder zwei Zapfen angeſchnitten werden. In kräftigem Boden, wie im 
mittlern und untern Neckarthale, kann der Stock auch drei Schenkel mit je 
einer Bogrebe und einem Zapfen, ſowie 1— 2 Bodenhölzer vertragen, doch 
iſt es auch hier zweckmäßig, wenn demſelben nur zwei Bögen von 8—10 
Augen und dem dritten Schenkel ein oder zwei Zapfen gegeben und darin 
mit den drei Schenkeln abgewechſelt wird. Wird mehr Holz angeſchnitten 
(der Stock überholzt), ſo hat dieſes nicht nur den Nachtheil, daß der Stock 
bald altert, ſondern die Trauben bleiben auch in der Zeitigung zurück und 
geben einen weniger kräftigen, öfters molzigen Wein, wogegen aus dem Syl⸗ 
vaner in gutem, warmen, nicht allzukräftigen Boden und bei kurzem Schnitt 


216 


ein ſehr feiner und kräftiger Wein erzeugt werden kann, dem die Krankheiten, 
die dem Sylvanerwein nachgeſagt werden, nicht anhängen. 

9. Dem Ortlieber (S. 17, 81) find bei feiner guten Triebkraft in 
kräftigem Boden drei Schenkel je mit einer Bogrebe und 1—2 Zapfen, ſowie 
1—2 Kopfhölzer, in magerem Boden aber nur 2—3 Schenkel mit Halbbögen 
oder Zapfen und einigen Kopfhölzern zu geben. 

10. Der weiße und blaue Tokayer ($. 17, 34, 80) verlangt, weil die 
Reben ſelten ihrer ganzen Länge nach reif werden und der Stock bei ſeinem 
ſtarken Ertrag ſich leicht übertragen würde, einen kurzen Schnitt und ſind 
deßwegen demſelben nur Halbbögen und Zapfen zu geben. 

11. Der Rothgypfler (S. 18, 80) wäre, als noch weniger bekannt, je nach 
der Bodenart, vorläufig auf ähnliche Weiſe zu ſchneiden, wie der Sylvaner, 
indem bei feiner guten Tragbarkeit derſelbe bei allzuvielem Holz ſich übertra- 
gen und bald abgängig werden, die Trauben aber in der Zeitigung zurück— 
bleiben würden. 

12. Der weiße Burgunder und der mit demſelben verwandte Süßling 
(S. 18, 19, 80) verlangt keinen zu kurzen Schnitt, weil er ſonſt mehr ins 
Holz, als in Trauben treibt und gerne ausartet, wie der Rauelbling. In 
kräftigem Boden dürfen daher demſelben drei Schenkel mit je einem Bogen 
von 9—12 Augen und ein Zapfen von 2—4 Augen, ſowie ein Kopfholz mit 
3—4 Augen gegeben werden, in magerem Boden und bei ſchwacher Düngung 
dagegen genügen zwei Schenkel von mittlerer Länge, je mit einem Bogen von 
9—12 Augen und einem Kopfholz (Reſerveſchenkel) mit einem Zapfen von 
3—4 Augen, wobei durch Zurückſchneiden eines längern Schenkels mit dem 
Reſerveſchenkel gewechſelt werden kann. 

13. Der Fütterer (S. 19, 81) iſt bei ſeiner ſtarken Tragbarkeit und bei 
der Neigung der Trauben zum Faulen etwas kurz im Schnitt zu halten, da- 
mit der Stock Luft erhält und die Trauben die gehörige Zeitigung erlangen 
können. Es iſt deßwegen angemeſſen, wenn derſelbe in gutem Boden zwei 
Schenkel mit je einem Bogen von 8—10 Augen, einen Zapfen von 2—3 Augen 
und einen Reſerveſchenkel von 3—4 Augen erhält, in ſehr magerem Boden aber 
ſtatt der Bögen, theilweiſe auf Halbbögen und Zapfen geſchnitten wird. Doch 
muß auch ein allzu kurzer Schnitt vermieden werden, weil der Stock durch 
den allzu ſtarken Saftandrang leicht empfindlich wird, beſonders in der Blüthe, 
und bei wenigen, aber allzumaſten Trauben, die Fäulniß derſelben früher 


eintritt. 
§. 138. 


14. Der weiße und rothe Rießling (§. 19, 81) iſt zwar nicht ſchwach⸗ 
triebig und treibt ſchon an den unterſten Augen Trauben, reift aber ſpät, da⸗ 


217 


her derſelbe nieder gehalten werden muß und nicht zu viele Früchte ange— 
ſchnitten werden dürfen, weil ſolche ſonſt ſelten zur gehörigen Reife gelangen. 
Für die Rießlingrebe eignet ſich am beſten der Bockſchnitt (S. 122) oder die 
geſtreckte Pfahl⸗ oder Rahmen⸗Erziehung (§. 125, 126), je nach der Boden— 
kraft mit 2—3 kurzen Schenkeln und zwei Streckreben von 7—10 Augen, 
ſowie mit einem Kopfholz von 2—4 Augen, wobei eine Wechſelwirthſchaft in— 
ſoferne auf ſehr zweckmäßige Weiſe eingehalten werden kann, daß demjenigen 
Schenkel (Kopfholz), dem im vorangegangenen Jahre nur Zapfen gegeben 
wurden, im folgenden eine Streckrebe und dagegen einem andern Schenkel nur 
Zapfen angeſchnitten und auf dieſe Weiſe ſtets gewechſelt und beſonders auf 
Jungholz gehalten wird. Bei der dreiſchenkligen Pfahlerziehung mit drei 
Pfählen, die in Württemberg am häufigſten in Anwendung kommt, muß gleich- 
falls auf kurze Schenkel geſehen werden, auch dürfen den Schenkeln dabei 
keine ganze, ſondern nur Halbbögen von 6—8 Augen oder Zapfen von 3—5 
Augen gegeben und durch öfteres Zurückſchneiden der Schenkel, ſowie durch 
Heranziehung von Kopfhölzern zu jungen Schenkeln eine ſehr angemeſſene 
Wechſelwirthſchaft eingeführt werden. Alte Schenkel taugen für den Rießling 
durchaus nicht, indem dadurch der Kopftrieb unterdrückt wird und der Stock 
im Ertrag bald nachläßt. 

15. Der Heuniſch (S. 20, 80) kann nach dem gleichen Schnitt, wie der 
Elbling, behandelt, durch etwas kürzeren Schnitt jedoch auf frühere und beſſere 
Reife der Trauben hingewirkt werden. 

16. Der rothe Hans oder kleine Velteliner (S. 20, 81) iſt zwar ziemlich 
ſtarktriebig und verlangt deßwegen auch einen längeren Schnitt, beſonders, da 
er an den hintern Augen ſelten und keine vollkommene Trauben treibt und 
weite Gelenke hat. Er kann jedoch keine alte Schenkel vertragen, daher beim 
Schnitt ſtets auf junges Holz geſehen werden muß. In magerem Boden, 
wohin er vorzüglich taugt, ſind daher dem Stock zwei kurze Schenkel mit Bo— 
gen von 12—15 Augen und ein Kopfholz (Reſerveſchenkel) zum Verjüngen 
der Schenkel mit Zapfen von 3—4 Augen, in kräftigerem Boden dagegen 
drei Schenkel, je mit einem Bogen von 12 —15 Augen und einem Kopfholz 
zu geben. 

17. Der rothe und blaue Trollinger (8. 21, 38, 82) gehört zu den ſtark⸗ 
triebigſten Rebſorten und verlangt daher lange Schenkel und Ruthen, beſon— 
ders da er an den hinterſten Augen ſelten vollkommene Trauben treibt, doch 
dürfen ihm bei den großen Trauben, die er treibt, auch nicht zu lange Ruthen, 
wie dem Urban gegeben werden, weil der Stock ſich ſonſt übertragen würde. 

Es muß bei deſſen Erziehung hauptſächlich auf ſtarke Stöcke mit gut 
ausgebildeten Köpfen geſehen werden, daher der Stock nicht zu bald zum Er— 
trag angeſchnitten werden darf, ſondern öfters abzuwerfen iſt. In kräftigem 


218 


Boden können demſelben 3—4 lange Schenkel mit je einer Bogrebe von 
810 Augen und einem Zapfen zum Zurückſchneiden von 2—4 Augen ge⸗ 
geben, auch iſt es beſonders in jungen Weinbergen angemeſſen, wenn man 
darauf achtet, daß der Kopf nicht ſo bald zuwächst und daher für Kopfhölzer 
zur Erneuerung der Schenkel, in ältern Weinbergen aber für Zapfen auf den 
Schenkel zum Zurückſchneiden derſelben ſorgt. In magerem Boden genügen 
drei Schenkel oder zwei Schenkel mit einem kurzen Reſerveſchenkel und einigen 
Zapfen, die Ruthe kann dagegen etwas länger, bis zu 12 Augen geſchnitten 
werden, weil der Stock weniger und kleinere Trauben treibt und die Trauben 
leicht verwachſen zu Gabeln (Bollhacken) §. 3. 

18. Der Gutedel ($. 22, 81) verträgt bei geeignetem Boden kurzen und 
langen Schnitt, daher auf letztern beim Schneiden beſonders Rückſicht zu neh⸗ 
men iſt. In kräftigem Boden können drei Schenkel mit nicht zu langen Bögen 
von 8—10 Augen und Zapfen, in magerem Boden dagegen, wie im Kocher— 
und Tauberthale, nur zwei kurze Schenkel mit je einem Halbbogen von 6—7 
Augen oder Zapfen und mit einem Kopfholz oder Reſerveſchenkel gegeben 
werden. 

19. Der weiße (gelbe), rothe, blaue und ſchwarze Muskateller (§. 22, 
39, 81) erfordert bei ſeiner ſchwachen Wurzelkrone und geringeren Triebkraft 
ſowie bei der geringeren Fruchtbarkeit des Holzes eine beſondere Erziehung, 
wobei demſelben, wenn er nachhaltig im Ertrag bleiben ſoll, nicht zu viel Holz 
angeſchnitten werden darf. Es genügen deßwegen zwei Schenkel und ein Kopf⸗ 
holz als Reſerveſchenkel, dagegen find namentlich dem weißen und rothen Mus- 
kateller wegen der geringeren Fruchtbarkeit, beſonders in den hintern Augen, 
lange Ruthen anzuſchneiden. Der ſchwarze Muskateller treibt noch weniger 
ins Holz, daſſelbe iſt aber fruchtbarer, daher demſelben kürzere Ruthen oder 
Halbbögen und Zapfen gegeben werden können. | 

20. Der rothblaue Zottelwelſche (Weißlauber, Gol) und der ſchwarzblaue Zot⸗ 
telwelſche (Rohrtraube, Wullewelſch) (8.27, 28, 82) verlangen bei ihrer ſtar⸗ 
ken Triebkraft, wie der Trollinger, eine lange Erziehung mit Schenkel, Bog- 
reben und Zapfen, doch kann durch eine etwas kürzere Erziehung auf beſſere 
Reife der Trauben hingewirkt werden. Der ſchwarzblaue Zottelwelſche taugt 
namentlich auch zu Geländen in Weinbergen und in Gärten. 

21. Die blaue Müllertraube (Schwarzer Rießling) ($. 27, 82) iſt neben 
ihrer ſtarken Vegetationskraft auch ſehr fruchtbar, es darf ihr aber, wenn ſie 
letztere Eigenſchaft behalten und länger dauern ſoll, nicht allzu viel Holz an⸗ 
geſchnitten werden, weil ſonſt ihre Kraft zu ſchnell abſorbirt wird. In kräf⸗ 
tigem Boden können 2—3 nicht allzulange Schenkel je mit einem Bogen von 
10-15 Augen und ein Kopfholz zur Erneuerung der Schenkel, in magerem 
Boden dagegen blos zwei Schenkel je mit einer Bogrebe und einem Kopfholz 


219 


von 2—4 Augen als Reſerveſchenkel angeſchnitten werden. Das Ueberholzen 
derſelben mit 3—4 Schenkel, mit Ruthen von 15--20 Augen und 1—2 Zapfen 
auf jedem Schenkel, wie es in manchen Weinbaugegenden Württembergs vor— 
kommt, iſt ganz unpaſſend, trägt zum alsbaldigen Altern des Stocks bei und 

erzeugt eine geringe Weinqualität. 

22. Der blaue Hängling (§. 30, 83) und die blaue Frankentraube (Süß⸗ 
roth §. 38, 83) haben viele Aehnlichkeit mit einander und ſind auch im Schnitt 
gleich zu behandeln. Bei der geringeren Vegetationskraft ſollten, wie im 
Tauberthale, wo namentlich der Süßrothe häufig angebaut wird, nie mehr, 
als zwei kurze Schenkel, je mit einer Bogrebe von 8—10 Augen, oder in 
magerem Boden mit einem Halbbogen, ſowie mit einem Zapfen von 2—3 
Augen und einem Kopfholz zur Erneuerung der Schenkel, was öfters geſchehen 
muß, gegeben werden. 

23. Der Färber (§. 30, 83) gehört gleichfalls zu den ſchwachtriebigen 
Reben, daher derſelbe, wie andere ähnliche Sorten, nur zwei Schenkel mit 
Halbbögen oder Zapfen und einem Kopfholz vertragen kann. In ſehr kräftigem 
Boden können ganze Bögen oder noch ein Zapfen gegeben werden. 

24. Der blaue Portugieſe (S. 33, 83) iſt ein ſehr ſaftreicher ſtarktriebiger 
Rebſtock, der ſich namentlich bald entwickelt und daher bald zum Ertrag ange— 
ſchnitten werden kann. Bei dem ſtarkmarkigen Holz, das ſpät reift, darf je— 
doch, damit die Reife rechtzeitig erfolgt, nicht zu viel und zu langes Holz an— 
geſchnitten werden. Es können deßwegen 3—4, aber nicht zu lange Schenkel 
gegeben, auf denſelben aber keine ſo lange Ruthen, wie bei dem Urban und 
Trollinger angeſchnitten werden, ſondern nur Bögen von 8— 10 Augen oder 
Halbbögen mit je einem Zapfen, auch iſt hauptſächlich auf Kopfholz zur bal- 
digen Erneuerung der Schenkel zu ſehen. | 

Bei dem Anſchneiden der Tragreben ſollen mehr ſchwächere Reben ge— 
wählt werden, weil ſie mehr innere Kraft, als die ſtarken, markigen beſitzen 
und daher auch ſchönere Trauben treiben. 

25. Die blaue Hartwegsrebe (Grobſchwarz §. 36, 82) hat weit mehr 
Triebkraft, als der Süßrothe, mit dem ſie namentlich im Tauberthale gemiſcht 
gepflanzt wird, es kann ihr deßwegen in kräftigem Boden auch mehr Holz ge— 
geben werden, nämlich drei Schenkel mit je einer Bogrebe von 8—12 Augen, 
einem Zapfen von 2—3 Augen und zur Nachzucht und Erneuerung der Schen— 
kel ein Kopfholz von 2— 4 Augen. In magerem Boden hat ſich der Schnitt 
mehr demjenigen des Süßrothen (Pkt. 22) zu nähern. 

26. Der blaue Liverdun (S. 37, 83) muß, wenn er nicht bald altern und 
im Ertrag nachlaſſen ſoll, in der Erziehung etwas kurz gehalten werden und 
zu dieſem Behuf nicht nur 1—2 Jahre ſpäter, als andere Sorten, bis der 
Wurzelſtock gehörig gekräftigt iſt, zum Ertrag angeſchnitten, ſondern auch bei 


220 


der großen Fruchtbarkeit eines jeden Auges, beim jährlichen Schnitt kurz ge⸗ 
halten werden. In kräftigem Boden ſind daher höchſtens drei Schenkel mit 
kurzen Ruthen (Halbbögen oder Zapfen) von 4—8 Augen und ein Kopfholz, 
in magerem Boden aber nur zwei Schenkel mit Halbbögeu und Zapfen und 
ein Kopfholz zu geben. 

27. Dem ſchwarzblauen Scheuchner (Grübler, Pommerer §. 37, 82) darf 
bei ſeiner ſtarken Fruchtbarkeit und bei der ſpäten Reife der Trauben nicht 
zu viel Tragholz gegeben werden, weil ſonſt die Traubenreife noch mehr ver- 
zögert wird. In kräftigem Boden ſollte derſelbe höchſtens drei Schenkel, in 
magerem Boden aber nur zwei Schenkel, je mit Halbbögen oder Zapfen und 
ein Kopfholz erhalten. 


28. Der blaue Burgunder (§. 38, 82) verlangt einen ähnlichen Schnitt, 
wie der blaue Clevner Pkt. 7), doch können demſelben bei feiner ſtärkeren 
Triebkraft in ſehr kräftigem Boden ausnahmsweiſe auch drei Schenkel mit 
etwas kürzeren Bogreben und Zapfen und einem Kopfholz gegeben werden. 

29. Der Stock des blauen Affenthalers (S. 38, 82) gleicht viel dem 
Clevner und blauen Burgunder (Pkt: 7 und 28), d. h. er treibt in den erſten 
4—5 Jahren mehr ins Oberholz, als in den Wurzelſtock, zeigt eine größere 
Fruchtbarkeit, als er nachhaltig ertragen kann und muß daher auch, wie jene 
in der Erziehung behandelt werden, wenn er nicht frühzeitig altern ſoll. Der 
Stock darf daher nicht frühzeitig (nicht vor dem fünften Jahre) zum Ertrag 
angeſchnitten werden, bis der Wurzelſtock gehörig erſtarkt iſt und in ſehr kräf⸗ 
tigem Boden, wie der Sylvaner (Pkt. 8) höchſtens auf drei kurze Schenkel 
angeſchnitten werden, wovon zwei je eine Bogrebe, der dritte aber nur Zapfen 
erhält, in minderem kräftigen Boden dürfen ihm aber nur zwei Schenkel mit 
je einer Bogrebe und ein Kopfholz oder Reſerveſchenkel mit Zapfen von eini⸗ 
gen Augen gegeben werden. Bei dieſer Erziehung kann der Affenthaler tat 
in allen Bodenarten gepflanzt werden. 

30. Der blaue Gänsfüßler ($, 38, 82) kann bei feiner jtarfen Triebkraft 
auf ähnliche Weiſe, wie der blaue Trollinger (Pkt. 17) geſchnitten werden, 
mit dem er auch häufig gemiſcht gebaut wird. 

31. Der blaue Limberger ($. 38, 82) kann in der Erziehung, wie der 
blaue Portugieſe behandelt werden (Pkt. 24), doch verträgt er etwas längere 
Schenkel und Ruthen. 


Nach den hier für die hauptſächlichſten Traubengattungen angegebenen 
Schnittmethoden können auch diejenigen der übrigen Traubengattungen behan⸗ 
delt werden, wenn die Triebkraft und ſonſtigen Eigenſchaften derſelben gehörig 
beobachtet und darnach die Erziehung eingerichtet wird, daher eine nähere Be⸗ 
ſchreibung nicht erforderlich iſt. 


221 


So la8ı 

Fehlt in ältern Weinbergen an einer Stelle ein Stock, ſo kann von 
einem benachbarten Stock ein Schenkel oder eine Ruthe herübergezogen und 
auf die §. 103 angegebene Weiſe eingelegt und dadurch der fehlende Stock 
ergänzt werden, nur muß die Grube etwas tiefer als bei der Erziehung von 
Fechſern, mithin etwa 1½ Fuß tief, gemacht werden, damit der neue Stock 
weder durch Hitze noch durch Kälte Noth leidet, wie dieſes hienach §. 142. 
143 näher beſchrieben iſt. 

Zu allen mit dem Schneiden der Rebe verbundenen Arbeiten bedient 
man ſich in der Regel entweder des Rebmeſſers oder der Rebſcheere. Das 
Rebmeſſer (Hape) iſt vornen etwas gebogen, wodurch der Schnitt erleichtert 
wird und iſt ein ſchon längſt und in allen Weinbaugegenden bekanntes In⸗ 
ſtrument. Die Rebſcheere iſt erſt neuerlich in Gebrauch gekommen, ſie beſteht 
aus zwei Schenkeln, wovon oben der eine Theil in einer ſtumpfen Hape, die 
einen Viertelskreis bildet, der andere in einem etwas abgerundeten ſcharfen 
Meſſer beſteht, durch das die Rebe durchſchnitten wird. In der Mitte zwi— 
ſchen den beiden Schenkeln iſt die Scheere zur Erleichterung des Drucks mit 
zwei Federn verſehen und unten befindet ſich an dem einen Schenkel zum Zu⸗ 
ſammenlegen derſelben ein Halter, am andern ein Hacken, der beim Gebrauch 
der Scheere die Hand zurück- und feſthält. Sie gewährt den Vortheil, daß 
das Geſchäft des Schneidens weit ſchneller und leichter vor ſich geht und daß 
der Schnitt ſicher und nicht ſchief, ſondern gleich und eben, jo wie weit ſchär— 
fer und genauer geführt wird, daher die Scheere allgemeine Verbreitung 
verdient. 

§. 140. 

Um den bereits angegebenen Zweck des Schneideus der Rebe (§. 135) 
vollſtändig erreichen zu können, iſt es nothwendig, daß daſſelbe zu einer Zeit 
vorgenommen wird, wo das Holz der Rebe vollſtändig gezeitigt, der Saft 
mehr gegen den Stamm und die Wurzeln zurückgetreten und kein Drang ge— 
gen oben vorhanden iſt (S. 2), jo daß aus der durch den Schnitt geöffneten 
Wunde kein oder wenig Saft ausfließt, weil jeder Saftausfluß (das Thränen, 
Weinen der Rebe) die Kraft der inneren Vegetation vermindert. Die Zeit 
des Schneidens der Rebe iſt daher von beſonderer Wichtigkeit. Daſſelbe kann 
entweder im Spätjahr nach dem Herbſt oder im Frühjahr, bevor die Rebe 
in Trieb kommt, vorgenommen werden, es entſteht daher zunächſt die Frage, 
welche Zeit als die zweckmäßigſte erſcheint. Das Schneiden im Spätjahr ge⸗ 
währt den Vortheil, daß während des Winters die Schnittwunde austrocknen 
und ſich dadurch ſchließen und vernarben kann, wodurch im Frühjahr kein 
oder wenig Saftausfluß ſtattfindet (die Rebe ſich nicht verblutet), was ſtärkend 
auf den Rebſtock einwirkt, es hat aber den Nachtheil, 


222 


a. daß, wenn während des Winters durch Winterkälte, kalte Winde ꝛc. ein 
Schenkel oder eine Ruthe Schaden nimmt, kein anderes Holz mehr zum 
Erſatze vorhanden iſt; 5 

b. daß durch das Herausſchneiden alles überflüſſigen Holzes die Weinberge 
ſehr blos geſtellt und ſich dadurch ſelbſt keinen Schutz mehr gegen Winde ze. 
geben, auch können dadurch die Reben leicht abgeknickt werden; 

c. in kalten Wintern iſt das durch den Schnitt verwundete Holz weit mehr 
den Einwirkungen des Froſtes ausgeſetzt und erfriert daher leichter. 

Werden die Reben aber 

d. niedergelegt und zugedeckt, ſo kann noch mancher Schenkel und manche 
Rebe beim Niederlegen verletzt oder abgebrochen werden, für den gleich— 
falls kein Erſatz vorhanden iſt; 

e. die im Spätjahr geſchnittenen Reben ſollen, weil kein Saftausfluß ſtatt⸗ 
findet, im Frühjahr bälder austreiben und daher auch mehr den Früh— 
jahrsfröſten ausgeſetzt ſein, auch ſoll 

f. der Herbſtſchnitt, weil der Trieb zu ſtark (geil) iſt, mehr auf Holz und 

Blätter wirken, während der Frühjahrsſchnitt mehr Früchte erzeugen ſoll; 

verzögert ſich der Herbſt lange und wird dabei noch eine Spätleſe vor— 

genommen, ſo bleibt bis zum Eintritt des Winters oder der ungünſtigen, 
regneriſchen und kalten Spätjahrswitterung, beſonders bei den kurzen Ta⸗ 
gen, wenig geeignete Zeit mehr übrig zur Vornahme eines geordneten 

Schnitts, auch dauert die Auszeitigung des Holzes häufig noch bis gegen 

den Winter fort, daher eine Verletzung deſſelben durch den Schnitt nichts 

weniger als zuträglich erſcheint. 

Wenn nun auch dieſe Nachtheile nicht immer eintreten, ſo werden für 

den Herbſtſchnitt doch nur wärmere, vor kalten Winden geſchützte Gegenden 

geeignet ſein, in welchen das Niederlegen und Decken der Weinberge nicht 
eingeführt und nicht nöthig iſt, und wo auch die vollſtändige Zeitigung des 

Holzes frühe vor ſich geht. In höher liegenden, kältern, den Winden mehr 

ausgeſetzten Gegenden und wo das Decken der Reben als nothwendig er— 

ſcheint, iſt dagegen der Frühjahrsſchnitt geeigneter, obgleich auch damit der 

Nachtheil verbunden iſt, daß bei ungünſtiger Frühjahrswitterung das Schnei⸗ 

den, das viele Aufmerkſamkeit und Zeit erfordert, ſich öfters ſehr verzögert, 

ſo daß es theilweiſe mit dem Trieb der Reben zuſammenfällt, wodurch ein 
ſtärkerer Saftausfluß entſteht und auch die übrigen Weinbergsarbeiten hin⸗ 
ausgeſchoben werden. Sehr zweckmäßig iſt daher das in einzelnen Weinbau⸗ 
gegenden Württembergs eingeführte Verfahren, an den Stöcken vor dem Nie⸗ 
verlegen derſelben nur die alten Bogreben, inſoweit fie kein neues Tragholz 
enthalten, ſowie die abgängigen alten Schenkel auszuſchneiden, was man Aus⸗ 


0 


223 
rüſten heißt, indem dadurch nicht nur das Niederlegen erleichetrt, ſondern auch 
das Schneiden im Frühjahr ſehr befördert wird. 

Bei dem Frühjahrsſchneiden muß zwiſchen nicht gedeckten und gedeckten 
Reben unterſchieden werden. Mit dem Schneiden der nicht gedeckten Reben 
kann bei heiteren, warmen Tagen ſchon im Monat Januar und Februar be- 
gonnen werden, indem dieſe ſchon an die kältere Witterung gewöhnt ſind. Bei 
gedeckten Reben iſt dagegen das allzufrühe Aufziehen und Schneiden derſelben 
manchmal mit großen Nachtheilen verbunden, weit dieſelben durch das Nieder⸗ 
legen etwas weich und empfindlich werden und daher durch die öfters vor— 
kommenden kalten Winde, ſowie durch Schnee, Eis und Reifen in dem Mo— 
nat Februar und theilweiſe auch im März durch Erfrieren, Winddürre ꝛe. 
Schaden nehmen. Solche Reben ſollten daher, wenn nicht beſonders günſtige 
Witterung eintritt, vor der Mitte des Monats März nicht aufgedeckt und mit 
dem Schneiden derſelben erſt zu Ende dieſes Monats und zu Anfang des 
Monats April begonnen werden, doch können Reben, die nur mit Pfählen 
oder Steinen niedergelegt ſind, früher aufgedeckt und geſchnitten werden, als 
ſolche, die mit Erde gedeckt wurden, indem dieſe am empfindlichſten ſind. Sind 
in ungünſtigen Jahren die Reben nicht vollkommen reif geworden, ſo iſt das 
frühe Aufziehen und Schneiden gleichfalls nicht zuträglich, weil dieſelben noch 
empfindlicher ſind als vollſtändig ausgereifte Reben und namentlich bei ſtrengen 
Oſtwinden gerne winddürr werden. Jedenfalls iſt mit dem Schneiden der 
Reben in den Bergen der Anfang zu machen, weil dort ungünſtige Witterung 
auf die Reben weniger nachtheiligen Einfluß ausübt, als in Niederungen. Ein 
ſpätes Schneiden der Reben iſt wegen des allzuſtarken Saftausfluſſes in der 
Regel mit Nachtheil verbunden und nur bei allzutriebigen und maſten Wein⸗ 
bergen, die mehr in's Holz als Trauben treiben, möchte ein ſpätes Schneiden 
den Vortheil gewähren, daß durch den ſtärkeren Saftabfluß der allzuſtarke 
Trieb unterbrochen und der Fruchtanſatz befördert wird. 


b. Das Ruthenbiegen. 


8 


Das Biegen der zum Ertrag angeſchnittenen Ruthen hat den Zweck, 
nicht nur die ſich ſpäter bildenden Trauben dem Boden möglichſt nahe zu 
bringen, ſondern es wird auch durch das Biegen und feſte Anbinden der 
Ruthe das üppige Wachſen der Reben unterdrückt und die Gefäſſe des Holzes 
mehr zuſammengedrückt, dadurch der Saftumlauf aufgehalten, mehr nach innen 
und vermöge des Selbſterhaltungstriebs zur Fruchterzeugung gedrängt, wodurch 
an den Bögen kräftige Augen und mehr und vollkommenere Früchte er⸗ 
zeugt, auch am hintern Theile der Rebe in der Nähe des Schenkels ſtarkes 


224 


Fruchtholz für das künftige Jahr gebildet werden ſoll. Das Biegen der 

Ruthen kommt hauptſächlich nur bei der Pfahlerziehung vor (§. 124. 125), 
kann jedoch auch bei der Rahmenerziehung ($. 126), wenn lange Ruthen an⸗ 
geſchnitten werden, in Anwendung gebracht werden, denn je mehr man die 
Rebe dreht und biegt, ohne ihr übrigens durch übermäßiges Drehen und 
durch Aufſpringen der Rinde Schaden zu bringen, deſto zuträglicher ſoll es 
für die Fruchterzeugung fein. Bei dem Biegen der Ruthen muß darauf ges 
ſehen werden, daß es einen ſchönen runden und keinen länglichen oder Gei— 
genbogen gibt, zu dieſem Behuf nimmt man die Ruthe am äußerſten Ende 
(am Schnabel) mit der rechten Hand, und mit der linken Hand ½ Fuß 
rückwärts und biegt dann die Spitze ein wenig einwärts gegen die linke 
Hand, fährt dann mit der letztern bis an das hinterſte Gelenke, biegt auch 
hier etwas ein und zieht mit der rechten Hand den Schnabel gegen die 
linke hin, ſo wird der Bogen möglichſt rund werden. Wird die Ruthe 
auch in der Mitte gebogen, ſo bekommt der Bogen häufig einen Knick, 
wodurch er länglich und der Saftumlauf geſtört wird. Erhält ein Schen- 
kel zwei Bögen, ſo kann die eine Ruthe rechts, die andere links hingebogen 
werden, jo daß beide Schnäbel am Schenkel zuſammenkommen, eine Ga⸗ 
bel machen und dort befeſtigt werden. Außerdem muß bei dem Biegen 
der Ruthen auch auf die Stellung derſelben Rückſicht genommen werden; iſt 
eine Ruthe aus einem obern Auge des Schenkels entſprungen, jo muß ſie ab⸗ 
wärts gegen den Schenkel, iſt ſie aber aus einem untern Auge erwachſen, ſo 
muß ſie aufwärts über die Spitze des Abſchnitts gebogen werden, weil, wenn 
man ſie abwärts, der angewachſenen Richtung entgegen, biegen wollte, dieſelbe 
vom Schenkel leicht abſchlitzen könnte; inſofern jedoch abwärts gerichtete Bö⸗ 
gen, als dem Boden näher kommend, zweckmäßiger ſind als aufwärts gerich— 
tete, ſo muß man ſchon beim Schneiden für eine gute Stellung der Bögen 
ſorgen. Damit die Bögen die gegebene Form behalten, müſſen ſie entweder 
an den obern Theil des Schenkels oder an den Pfahl gebunden werden. Er- 
ſteres geſchieht bei etwas längerer Erziehungsweiſe, wie im mittlern und un⸗ 
tern Neckarthale ſowie im Enzthale und in der Bodenſeegegend, wo dann das 
Biegen der Reben ſogleich nach dem Schneiden erfolgt. Bei einer kürzeren 
Erziehung, wie im oberen Neckarthale, im Rems⸗ Kocher: Jagſt⸗ und Tau⸗ 
berthale, wo nur kleine Bögen oder Halbbögen gemacht werden, werden die 
Bögen an den Pfahl gebunden, daher das Biegen erſt nach dem Hacken und 
Pfählen vorgenommen wird. Bei dem Binden der Bögen an die Schenkel 
werden dieſelben den Berg hinunter oder niederwärts gegen den Schenkel, bei 
dem Binden an den Pfahl, imeil der letztere gewöhnlich nicht unter, ſondern 
über dem Stocke ſteht, den Berg hinauf oder auswärts geſtellt. Bei der 
letztern Behandlung kommt das Ende des Bogens, das Schnabelholz, das 


225 


häufig die ſchönſten Trauben hat, höher zu ſtehen, alſo auch die Trauben höher 
zu hängen, als bei dem Einwärtsſtellen der Bögen gegen den Schenkel, wo 
dann die Trauben des Schnabelholzes hie und da auf den Boden zu liegen 
kommen, beſonders wenn der Bogen am Schenkel zu nieder angehängt wird, 
weßhalb der Schnabel des Bogens mindeſtens einen Fuß vom Kopfe entfernt 
ſein fol. Bei dem Anhängen der Bögen an den Pfahl muß, damit die Trau- 
ben nicht allzuhoch zu hängen kommen, beſonders auf kurze Schenkel geſehen 
werden. Werden nur zwei Schenkel dem Stock gegeben, ſo iſt es ſehr zweck— 
mäßig, wenn, wie zu Rottenburg‘, Reutlingen und in der Bodenſeegegend, 
Schenkel und Bögen den Berg hinauf und hinuntergeſtellt werden, ſo daß 
ſich aufwärts gegen den Berg eigentliche Gaſſen bilden, in welche die Son— 
nenwärme ungehindert einwirken kann und dadurch auch einen wohlthätigen 
Einfluß auf die Zeitigung der Trauben ausübt. 

Das Befeſtigen der Bögen an den Schenkeln oder am Pfahl geſchieht 
durch einen Klank von dünnen Weiden, die man Bandweiden nennt. Bei der 
Vornahme des Ruthenbiegens iſt ſich auch nach der Witterung zu richten, in= 
dem bei warmer trockener Witterung das Rebholz gerne ſpröde wird und dann 
öfters abbricht, wogegen daſſelbe bei feuchter oder naſſer Witterung zäher und 
biegſamer iſt, es iſt daher ſehr zweckmäßig, wenn das Ruthenbiegen Morgens 
frühe, ſo lange der Thau noch auf den Reben liegt, oder Abends oder nach 
einem Regen vorgenommen wird. 


c. Außerordentliche Frühjahrsarbeiten. 


§. 142 u. 143. 

Mit dem Schneiden und Ruthenbiegen find die regelmäßigen Frühjahrs- 
arbeiten, welche ſich auf die Erziehung des Rebſtocks beziehen, beendigt, es 
kommen aber nicht ſelten auch außerordentliche Arbeiten vor, wie das Stöcke— 
nachſetzen, das Pfropfen und Ringeln der Reben, deren zweckmäßige Behand- 
lung einer näheren Beſchreibung bedarf. 


aa. Das Stöckeſetzen. 


In neuen Anlagen bleiben, auch bei der größten Sorgfalt, hie und da 
Stöcke aus (§. 118) und in alten Weinbergen werden hie und da Stöcke ab— 
gängig, die wieder erſetzt werden müſſen. 

In neu angelegten Gereuten werden ſchon bei dem Zudecken der Stöcke 
mit Erde (Anhäufeln) vor dem Winter diejenigen, welche nicht angetrieben 
haben, dadurch bezeichnet, daß man das Ziel ſchief ſteckt. Kommt das Früh⸗ 
jahr herbei, ſo wird an der Stelle des fehlenden Stocks eine Grube (Stufe) 
von 1 Fuß weit und 1½ Fuß tief gemacht, in dieſelbe etwas reine zarte 
Erde, Schleimſand oder Weintreber gethan und der Stock (Wurzelrebe oder 

15 


Fechſer §. 102. 103) darauf möglichſt frühe geſetzt, damit die Rebe, che fie 
antreibt, in den Boden und der Stock in die Winterfeuchtigkeit kommt. Iſt 
das Gereut erſt ein Jahr alt und der Boden mehr mild als ſtrenge, ſo kön— 
nen ſtatt eines Stocks auch zwei Schnittlinge (Blindreben) zur Ergänzung ge- 
nommen und ſtatt in Stufen mit dem Setzholze (Stelze) geſetzt werden; zu 
der Ergänzung älterer Gereute ſind aber jedenfalls ein- oder zweijährige 
Stöcke erforderlich. Sehr gut iſt es, wenn dabei der Stock oder die Rebe 
mit Waſſer angegoſſen und die Spitze neben der Erde mit etwas Moos, Säg⸗ 
ſpänen ꝛc. bedeckt wird (S. 112), damit dieſelbe vor der Beſchädigung durch 
die Frühjahrsreifen und vor dem Austrocknen geſchützt wird. 

In ältern Weinbergen können entweder abgegangene Stöcke fehlen, die 
durch neue erſetzt werden müſſen, oder es ſind Stöcke vorhauden, die ſelbſt 
Altershalber oder weil man einen Theil der Schenkel und Reben zu der Er- 
gänzung benachbarter fehlender Stöcke nöthig hat, verjüngt werden müſſen. Bei⸗ 
des geſchieht in der Regel durch das Einlegen ganzer Stöcke oder einzelner 
Reben von benachbarten Stöcken, entweder ſogleich nach dem Herbſt, wenn das 
Holz zeitig und das Wetter günſtig und trocken iſt, oder beſſer und ſicherer zeitig 
im darauffolgenden Frühjahr, auf die §. 103 und 113 angegebene Weiſe. 

Kann an der Stelle eines abgegangenen Stocks kein Einleger gemacht 
werden, jo kann derſelbe durch eine Wurzelrebe, Fechſer oder Korbſtock (S. 103) 
erſetzt werden, wobei jedoch Korbſtöcke immer vorzuziehen ſind. In dieſem 
Falle wird ſchon im Spätjahr nach dem Herbſt der abgegangene Stock aus⸗ 
gehauen, an deſſen Stelle eine Grube von 2 Fuß Tiefe und 1½—2 Fuß 
Weite gemacht, dieſelbe womöglich zum dritten Theil mit gutem Raſen ange⸗ 
füllt und während des Winters offen gelaſſen, damit Erde und Raſen durch— 
frieren, dadurch zerfallen, mürbe und fein werden. Im Frühjahre wird dann 
in die Grube der neue Stock, nachdem er gehörig geſchnitten iſt, geſetzt, dabei 
an die obere Wand der Grube angelegt, unten mit lockerer Raſenerde bedeckt 
und mit dem Fuße feſtgetreten. Hierauf füllt man die Grube bis zur Hälfte 
mit Erde voll, tritt ſie nochmals feſt und zieht dann die übrige Erde vollends 
in die Grube. An den neu geſetzten Stock wird ſofort ein Ziel geſteckt, damit 
die Stelle, wo er ſteht, bei den übrigen Weinbergsarbeiten gut kenntlich iſt, 
und die Beſchädigung deſſelben verhütet wird. Durch den Raſen (Wildung) 
ſoll der durch den alten Stock etwas ausgeſaugte Boden neu gekräftigt und 
dem Stocke eine gute Nahrung zugeführt werden, damit er ſchnell und gut 
anwächst. Hat man keine Raſen, ſo kann man im Frühjahr noch Compoſt, 
Floß⸗ oder andere gute Erde zum Setzen nehmen, nur keinen friſchen Dünger, 
weil derſelbe, wenn er an die Wurzeln kommt, hitzt (brennt) und zum Krank⸗ 
werden des Stockes beiträgt, auch hier iſt es gut, wenn die Stöcke mit Waſſer 
eingeflößt werden. Reben, welche keine große Wurzelkrone machen, ihre Nah⸗ 


b Di 


227 


rung deßwegen zunächſt aus dem fie umgebenden guten Boden fuchen und 
ſchneller anwachſen, wie der Sylvaner, find zu dem Ausbeſſern älterer Wein- 
berge tauglicher, als Reben mit langen Wurzeln, weil dieſelben in den die 
Grube umgebenden feſteren Boden gar nicht oder nur mit Mühe eindringen 
können. 


bb. Das Pfropfen des Rebſtocks. 


8. 144. 


Das Pfropfen des Rebſtocks kann hauptſächlich als Mittel angewendet werden, 
um, wenn ſich in einem neuangelegten Weinberge untragbare oder unpaſſende 
Rebgattungen befinden, dieſelben durch andere beſſere zu erſetzen. Dieſe Ver— 
edlung der Reben war ſchon den Griechen und Römern bekannt und wird noch 
jetzt in ſüdlichen Ländern, wie in Ungarn und im ſüdlichen Frankreich, häufig 
angewendet, in Deutſchland aber iſt daſſelbe wenig im Gebrauche, auch haben 
die vom Verfaſſer und andern Oenologen angeſtellten Verſuche zu keinem be> 
ſonders günſtigen Reſultate geführt, indem die meiſten derſelben dadurch miß— 
glückten, daß die Pfropfreiſer entweder gar nicht oder nur ſchwach antrieben 
und ſpäter wieder verdorrten. Es ſcheint deßwegen, daß in dem gemäßigten 
Clima Deutſchlands der Trieb der Rebe nicht ſo ſtark und kräftig ſei, wie 
in wärmeren Gegenden, um eine ſchnelle Vereinigung des Propfreiſes mit 
dem Mutterſtocke zu bewirken, und daß dadurch das häufige Mißlingen der 
angeſtellten Verſuche herbeigeführt wurde, daher das Erſetzen unpaſſender 
Stöcke durch andere, mit weit mehr Zuverläßigkeit durch Einleger von benach— 
barten Stöcken ($. 142), als durch das Pfropfen geſchieht. Das Letztere wird 
daher nur da anzuwenden ſein, wo nicht durch Einleger geholfen, und wo die 
Bodenverhältniſſe von der Art ſind, daß das gute Gedeihen junger, neu ein— 
geſetzter Stöcke nicht erwartet werden kann. 

Die Veredlung der Rebe kann, wie diejenige der Obſtbäume, auf ver⸗ 
ſchiedene Weiſe vorgenommen werden, nämlich: 

a. durch Pfropfen in den Stamm unter der Erde, 

b. durch Pfropfen in das zwei- oder einjährige Holz unter oder über der 

Erde, ſowie 

e, durch Okuliren und Kopuliren der Reben. 

Unter dieſen Veredlungsmethoden hat jedoch, nach den bisherigen Erfah— 
rungen, das Pfropfen in den Stamm unter der Erde noch die günſtigſten 
Reſultate geliefert, daher wir daſſelbe hier näher beſchreiben. 

Man pfropft mit jungem einjährigen Holze auf die Wurzelſtange des 
alten Stocks. Der Letztere darf dabei nicht zu alt oder beſchädigt, ſondern 
muß kräftig und in gutem Wachsthum ſein, daher das Pfropfen nicht zu der 

15% 


228 


Verjüngung alter Weinberge dienen kann, auch ſoll der Stock nicht von edle⸗ 
rer Art als der Zweig ſein, oder der erſtere nicht zu den ſtarktriebigen Reben 
gehören, während der Zweig von ſchwachtriebigen genommen wird, weil der 
letztere in dem ſtarken Safttrieb leicht erſticken könnte. Dagegen wird es 
keinen weſentlichen Unterſchied ausmachen, ob ſchwarze auf weiße oder dieſe 
auf ſchwarze Traubenſtöcke gepfropft werden. Der Zweig ſoll nur von ganz 
geſunden fruchtbaren Stöcken, die ſchon Trauben getragen haben, aber noch 
nicht zu alt ſind, ſowie von ganz ausgezeitigtem Holze mit vollkommen ausge⸗ 
bildeten, geſunden, nicht weit auseinander ſtehenden Augen genommen werden, 
welche Eigenſchaften gewöhnlich am untern Theile der Rebe bis zum ſiebenten 
Auge angetroffen werden, indem höher ſtehende Augen häufig minder ausge- 
zeitigt und weniger fruchtbar ſind. Auch das unterſte, zunächſt am alten Holze 
ſtehende Auge wird, weil gewöhnlich ein Holzauge, nicht gerne zum Pfropfen 
gewählt, daher der tauglichſte Theil der Rebe derjenige iſt, der zwiſchen dieſem 
und dem ſiebenten Auge ſteht. 

Das Abſchneiden der Zweige kann zwar nicht zur Pfropfzeit geſchehen, 
doch iſt es zweckmäßig, wenn dieſelben im Spätjahr oder im Frühjahr zeit⸗ 
lich und bevor der Safttrieb in die Rebe kommt, abgeſchnitten werden, damit 
ſie den Saft vom abgeworfenen Stock gehörig aufnehmen können. Im letz 
tern Falle werden die Zweige in feuchten Sand oder in lockere feuchte Erde 
geſtellt und im Keller oder an einem andern trockenen, der Kälte nicht ausge- 
ſetzten Orte aufbewahrt, auch kann man, um das Austrocknen der Zweige 
mehr zu verhindern, beim Schneiden etwas vom alten Holze ſtehen laſſen, das 
jedoch vor dem Pfropfen weggenommen werden muß. 

Bei dieſem wird der Stock ½ —1 Fuß tief aufgeräumt, von allen Sei⸗ 
ten⸗ und Thauwurzeln gereinigt, die Stange unter dem Kopfe oder auch tiefer 
etwa 3 Zoll über der Theilung der Wurzel unter einem Gelenke (Knoten) 
abgeſägt, ſo daß dieſelbe zwiſchen dem abgeſägten Gelenke und dem nächſten 
noch eine Länge von 2 Zoll hat und die Stelle, wo die Zweige aufgeſetzt 
werden, womöglich 4 Zoll unter den Boden kommt. Dieſelbe wird ſofort 
mit einem Meſſer (Hape) eben geſchnitten, und die Stange in der Mitte, je⸗ 
doch ohne Verletzung des Markes, bis zum nächſten Gelenke mit der Hape 
oder einem Meißel geſpalten, nachdem man zuvor die Stange am Gelenke 
feſt mit einer- Weide gebunden hat, damit der Spalt nicht weiter und durch 
ein Gelenke geht. Hierauf wird der einzuſetzende Zweig auf beiden Seiten 
keilförmig, ſo lange der Spalt iſt, mit einem ſcharfen Meſſer zugeſchnitten, ſo 
daß auf der einen Seite das Mark ſichtbar iſt, hütet ſich jedoch, daſſelbe zu 
verletzen, treibt den Spalt durch den Meißel oder die Hape ſanft auseinander 
und ſchiebt den zugeſchnittenen Zweig in denſelben ein, ſo daß ſeine Safthaut 
(Splint) an der äußern Seite mit der Safthaut des Stocks genau zuſammen⸗ 


229 


trifft, daher auch Rinde und Safthaut unverletzt fein müſſen. Zweckmäßig 
iſt es, wenn in den Spalt zwei Zweige auf beide Seiten eingeſetzt werden, 
weil ein Zweig durch den ſtarken Saftzudrang leicht erſticken kann. Bei dem 
Zuſchneiden des Zweigs darf auf der einen Seite das Mark ſichtbar ſein, auf 
der andern Seite wird aber blos ein Einſchnitt bis auf den Splint gemacht 
und der Keil ſo abgeflächt, daß der innere Theil etwas dünner, der äußere 
aber etwa ſo dick wie ein Meſſerrücken bleibt, auch muß derſelbe ſo glatt ge— 
ſchnitten ſein, daß zwiſchen dem Spalt ſich keine Oeffnungen zeigen, indem 
eine jede derſelben das Verwachſen hindert. Man fängt mit dem Schnitt an 
einem Auge, das auswärts geht, an und beim Einſetzen auch gegen außen ger 
richtet werden muß, indem daſſelbe das Verwachſen befördert, und gibt dem 
Zweig einen kleinen Abſatz, damit derſelbe feſt auf der Stange aufſitzt. Nach 
dem Einſetzen der Zweige wird der obere, abgeſägte Theil der Stange itm 
etwas Baumſalbe, Baumwachs ꝛc. überſtrichen, um den Zutritt der Luft 
und der Näſſe, ſowie das Ausſtrömen des Saftes zu verhindern, ſofort der 
Spalt mit etwas Papier bedeckt, damit kein Unrath in denſelben fallen kann 
und auf beiden Seiten mit Baumwachs verſtrichen, alsdann mit Leinwand, 
die zuvor mit zerfloſſenem Unſchlitt und Harz getränkt wird, verbunden und 
dieſelbe mit Baſt oder Weiden befeſtigt, auch kann man, damit der Saft 
nicht nachtheilig auf den eingeſetzten Zweig wirkt, unter dem Verband die 
Stange mit dem Meſſer leicht verwunden, wodurch der überflüſſige Saft eini⸗ 
gen Abfluß bekommt. Zur Erhaltung der Feuchtigkeit legt man um die Lein⸗ 
wand Moos, einen Zoll dick, und deckt dann die Stange wieder mit Erde 
zu, jo daß von dem eingeſetzten Zweig 1—2 Augen unter die Erde und 2 
Augen über die Erde zu ſtehen kommen. Oben wird der Zweig gleichfalls 
mit etwas Baumwachs beſtrichen, um das Austrocknen des Markes zu ver- 
hüten, weil es längere Zeit dauert, bis der Zweig anwächst und in Trieb 
kommt; auch kann man zu Abhaltung von Kälte und ſtarker Hitze denſelben 
oben mit Moos, Sägſpähnen, Gerberlohe ꝛc. bedecken. Der Stock wird durch 
ein kleines Pfählchen bezeichnet, und wenn die Pfropfreiſer angewachſen ſind, 
nach dem erſten und zweiten Jahre bis auf die, unterm Boden befindlichen 
Augen abgeworfen und dadurch ein neuer Kopf gezogen. Sind zwei Zweige 
eingeſetzt worden und gediehen, ſo wird nach dem erſten oder zweiten Jahre, 
der geringere herausgeſchnitten und nur einer zum Stock herangezogen. Wäh— 
rend dieſer Zeit werden auch alle aus den eingeſetzten Zweigen getriebenen 
Thauwnrzeln abgeſchnitten, indem ſolche dem Gedeihen und der Tragbarkeit 
des Stocks Eintrag thun. Gut iſt es, wenn die Zweige, bevor man fie ein— 
ſetzt, 1—2 Tage 1 Zoll tief ins Waſſer geſtellt werden, beſonders wenn ſie 
ſchon früher geſchnitten oder von andern Orten her transportirt wurden. Die 
beſte Zeit zum Pfropfen iſt das Frühjahr, bevor der Safttrieb in der Rebe 


230 


beginnt, damit der Zweig einige Zeit zu ſeiner Entwicklung hat, ehe der Saft⸗ 
zufluß zu ſtark wird. Ein Uebermaß der Säfte erſtickt nicht ſelten die Augen 
des Zweiges, daher auch in ſüdlichen Ländern, wie z. B. in Ungarn, das 
Pfropfen erſt dann für vortheilhaft gehalten wird, wenn der Safttrieb etwas 
nachgelaſſen und die Augen des zu pfropfenden Rebſtocks ſich bis zum zweiten 
Laub entwickelt haben, was bei ſtarktriebigen Reben vielleicht; auch bei uns 
zweckmäßig erſcheinen dürfte. 
| §. 145. 

Das Pfropfen in das zweijährige oder einjährige Holz wird auf ähnliche 
Weiſe, wie in die Stange, vorgenommen. Man wählt an dem zu pfropfen⸗ 
den Stocke Zweige, welche 1—2 Fuß über dem Boden ſtehen, ſchneidet fie 
glatt ab, ſpaltet ſie, wie oben angegeben wurde und ſetzt das zugeſchnittene 
Pfropfreis in den Spalt ſo ein, daß wenigſtens auf einer Seite Rinde auf 
Rinde paſſen, zweckmäßiger iſt es aber, wenn das Pfropfreis eben ſo ſtark 
iſt, wie die zu pfropfende Stelle. Bei dem Pfropfen in das zweijährige Holz 
muß auch das Pfropfreis 1¼—2 Zoll zweijähriges Holz enthalten, das dann 
hauptſächlich zum Einſetzen durch keilförmiges Zuſchneiden verwendet wird. 
Sind die Pfropfreiſer aufgeſetzt, ſo gräbt man bei beiderlei Pfropfarten den 
ganzen Stock auf, ſo daß derſelbe etwa 1 Fuß tief von der Erde entblößt iſt, 
zieht Gruben von 1 Fuß Tiefe, bis an die Stelle, wohin die gezweigten 
Schenkel des Stocks gelegt werden ſollen und bringt auf den Boden etwas 
fruchtbare Erde, damit ſich die Wurzeln darin leicht bilden können. Nun wird 
der ganze Stock umgelegt, die Pfropfreiſer ſorgfältig in die Gruben gebracht, 
damit fie ſich nicht verſchieben, die verbundenen Stellen mit guter Erde be- 
deckt, mit dem Fuß angetreten und jedes Reis an der Stelle, wohin der neue 
Stock beſtimmt iſt, etwa 1 Fuß ſenkrecht aufgebogen, an einen Pfahl gebun⸗ 
den, auf 1—2 Augen abgeworfen, und die Grube ſofort mit Erde zuge- 
worfen. 

Bei dem Pfropfen in das zweijährige Holz will man die Erfahrung ge⸗ 
macht haben, daß wenn daſſelbe erſt gegen Ende des Monats April, wenn 
die Reben erbſengroße Augen getrieben haben, vorgenommen wird, es im 
Erfolge ſehr ſicher ſei. Die Pfropfreiſer müſſen aber jedenfalls vor dem 
Beginnen des Safttriebs geſchnitten werden. 

Ueber der Erde kann man in das einjährige Holz und in die grünen 
Zweige pfropfen, beide Arten ſind jedoch weniger gebräuchlich, weil ſie ſelte⸗ 
ner gedeihen, indem die eingeſetzten Zweige gerne austrocknen oder vom 
Winde ꝛc. beſchädigt werden, auch kann man nur in dem Falle auf einen 
dauerhaften Stock rechnen, wenn die gepfropften und angewachſenen Zweige 
im nächſten Jahre in den Boden eingelegt, und dann erſt von dieſen Einle⸗ 


231 


gern Stöcke erzogen werden, wogegen man den Vortheil hat, daß wenn das 
Pfropfen mißlingt, der Stock nicht verloren iſt, ſondern ſchon im nächſten 
Jahre wieder Früchte bringen kann. 

Bei dem Pfropfen in das einjährige Holz muß, wegen des Eintrocknens 
deſſelben der Spalt etwas länger gemacht und ebenſo auch der einzuſetzende 
Zweig länger zugeſchnitten werden, ſo daß das einzuſetzende Auge etwa noch 
6 Linien in den Spalt zu ſtehen kommt, auch muß wieder dafür geſorgt wer— 
den, daß Rinde auf Rinde paßt. 

Das Okuliren der Reben wird, wie dasjenige der Obſtbäume, vorgenom⸗ 
men, indem man mit einem Okulirmeſſer an einem tragbaren Stocke geſunde 
Augen aushebt und dieſelben in einen an dem zu okulirenden Stocke in das 
einjährige Holz gemachten Rindeneinſchnitt genau einſchiebt, fo daß jedes Auge 
an der Rinde des obern Querſchnitts genau anliegt, worauf das Ganze mit 
Baſt oder Hanf umwunden wird. Es erfordert große Pünktlichkeit, wenn es 
gelingen ſoll, und iſt daher noch weniger, als das Pfropfen im Gebrauche. 

Das Kopuliren der Rebe hat gleichfalls viele Aehnlichkeit mit demjenigen 
der Obſtbäume. Man nimmt Rebholz (Schnittlinge), an welchem ſich noch 
ca. / Fuß zweijähriges Holz befindet und kopulirt dieſes zweijährige Holz 
mit gleichem Holz auf dem zu veredelnden Stock durch den ſogenannten Reh— 
fußſchnitt, wobei man darauf zu ſehen hat, daß beide Reben gleich ſtark ſind 
und genau auf einander paſſen. Man umbindet dann die kopulirte Stelle 
mit einem ſtarken in gutes Baumwachs getauchten Band, ſo daß die verwun— 
dete Stelle luft- und waſſerdicht geſchloſſen iſt, reinigt den kopulirten Stock 
von allen Trieben und Augen, legt denſelben in eine Grube, befeſtigt ihn mit 
einem Hacken, jo daß nur 2—3 Augen von einjährigem Holz über den DBo- 
den herausſchauen und füllt dann die Grube mit guter Erde zu. Einjäh⸗ 
riges Holz hat zu viel Mark und verwachst daher nicht ſo gerne wie 2jähriges. 


ce. Das Ringeln der Reben. 


§. 146. 

Das Ringeln der Reben beſteht in dem ringförmigen Rinden-Ausſchnitt 
unter den angeſetzten Trauben, wodurch das Abröhren derſelben verhütet und 
die Vollkommenheit ſowie die frühe Zeitigung derſelben befördert werden ſoll. 
Das Verfahren dabei iſt folgendes. 

An denjenigen grünen Trieben, an welchen ſich Trauben angeſetzt haben, 
werden unterhalb der Traube in der Regel vor oder ſogleich nach der Blüthe 
mit einem kleinen Meſſer zwei einige Linien von einander entfernte Rund— 
ſchnitte gemacht und die dazwiſchenliegende Rinde mit dem Nagel bis auf 
den Schnitt, oder mittelſt einer beſonders dazu angefertigten Zange 
abgelöst, wobei aber die übrige Rinde weder verſchoben noch ſonſt ver— 


232 


letzt werden darf. Hat eine Rebe mehre Trauben angeſetzt, jo muß das 
Ringeln jedesmal ob der zweiten Traube wiederholt werden, weil ſich die 
Wirkung deſſelben nur einige Augen weit erſtreckt. Durch das Ringeln wird 
der niederſteigende Saft in der Rinde und dem Baſte aufgehalten und der 
Traube zugeführt, was man deutlich daran erſieht, daß die oberhalb des Rin⸗ 
gelſchnitts ſtehen gebliebene Rinde dicker wird, nach und nach einen Wuljt bil- 
det, der ſich über den Schnitt herabzieht, bis er den Rand der untern Rinde 
erreicht und die Verbindung wieder hergeſtellt hat. Durch das Aufhalten des 
Saftes ſchwillt die Traube an, wird vollkommener und geht der Reife an— 
ſcheinend früher entgegen, indem ſie ſich bälder färbt, es ſcheint jedoch mehr 
eine krankhafte Beſchleunigung zu fein, indem die Reben auch die Blätter fal- 
len laſſen, die Beere hie und da kleiner und der Saft minder ſüß und ſchmack— 
haft iſt, d. h. weniger deſtillirt als bei andern Trauben ſein ſoll. Da nun 
das Ringeln ſehr behutſam vorgenommen werden muß, indem, wenn auch 
der Splint verletzt wird, daſſelbe mehr ſchadet als nützt, weil durch die 
gänzliche Unterbrechung der Saftzirkulation der Zweck des Ringelns verfehlt 
und Krankheiten der Reben herbeigeführt werden, auch daſſelbe an den künf— 
tigen Tragreben nicht wohl ausgeführt werden kann, weil das Holz dadurch 
brüchig und ſeiner vollſtändigen Zeitigung weniger entgegengeht, und das 
ganze Geſchäft überhaupt ſehr zeitraubend iſt und viele Arbeit erfordert, ſo 
glauben wir, daß daſſelbe zur Ausführung im Großen nicht wohl empfohlen 
werden kann, dagegen könnte daſſelbe an einzelnen Rebgeländen, um ſehr voll⸗ 
kommene und reife Trauben zu erzielen, ſowie in ungünſtigen Weinjahren bei 
ſolchen Rebſtöcken in Anwendung kommen, die, wie der Rauh-Elbling, die Beere 
gerne fallen laſſen (abröhren) oder Kleinbeere machen, nur müßte bei ſolchen 
Stöcken das Ringeln jedenfalls vor oder während der Blüthe erfolgen. 


d. Das Verbrechen (Zwicken) und Einkürzen der Reben. 


§. 147. 


Das Verbrechen oder Zwicken der Reben beſteht, wie bei dem Schnei⸗ 
den, in dem Abnehmen oder Einkürzen der überflüſſigen oder zu lang gewach⸗ 
ſenen jungen Triebe (Lotten) und iſt daher gewiſſermaßen die Vorarbeit zu 
dem Schneiden des nächſten Jahres. Der Zweck deſſelben beſteht vorzüglich 
in dem Zurückdrängen des Saftes von den Spitzen der Zweige gegen den 
untern Theil derſelben, wo die Trauben ſich befinden, damit der Rebſtock 
ſeine Kräfte nicht in nutzloſen Trieben erſchöpft, ſondern dieſelben hauptſäch⸗ 
lich zur Ausbildung zahlreicher und ſchöner Früchte, ſowie eines kräftigen 
Tragholzes für das nächſte Jahr verwendet. Außerdem ſoll der Rebſtock, 
inſoweit es die angeſetzten Früchte geſtatten, durch Entfernung der überflüſſi⸗ 


233 


gen Triebe gelichtet werden, damit Luft und Sonne möglichſt auf denſelben, 
ſowie auf die Erwärmung des Bodens einwirken können ($. 62. 71). 

Das Verbrechen gehört daher zu den wichtigſten Arbeiten des Weinbaues 
und erfordert Arbeiter, die mit demſelben genau bekannt ſind, indem die 
richtige Ausführung deſſelben nicht nur auf den Ertrag des laufenden Jahrs, 
ſondern auch auf die Dauer des Stocks, und deſſen künftige Fruchtbarkeit 
einen weſentlichen Einfluß ausübt. Die Art des Verbrechens geſchieht auf 
ſehr verſchiedene Weiſe, wobei hauptſächlich die Triebfähigkeit des Rebſtocks 
und des Bodens in Berückſichtigung kommt. Bei demſelben wählt man zu— 
nächſt die künftigen Traghölzer aus, wozu man, damit die Schenkel nicht zu 
lang werden, die aus den hinterſten Augen zunächſt dem Schenkel ausgewach— 
ſenen Ruthen nimmt, die, wenn gut gebogen und angehängt worden iſt, bei 
der Pfahlerziehung zunächſt dem Pfahle ſtehen ſollten. Man läßt gerne ein 
Holz mehr, als man im künftigen Frühjahr beim Schneiden braucht, ſtehen, 
damit, wenn eines während des Sommers oder beim Niederlegen verunglückt, 
daſſelbe durch das Ueberflüſſige erſetzt werden kann, ſo daß man alſo, wenn 
man einem Schenkel einen Bogen und einen Zapfen geben will, 3 Traghölzer 
heranzieht. Das Gleiche hat zu geſchehen, wenn man von einem Weinberge 
im folgenden Jahre Schnitt⸗((Blind⸗) Reben ſammeln will. Hat man die 
Traghölzer ausgewählt, ſo werden entweder ſogleich beim Verbrechen oder 
bei dem darauf folgenden Binden die Seitentriebe, die ſogenannten 
Aberzähne, Geizen, Afterzähne, ausgebrochen oder abgezwickt, ſofort alle 
übrige Triebe an der Rebe oder am Bogen 2—3 Augen über der letzten 
Traube mit der Hand abgebrochen (abgezwickt), wobei man darauf zu ſehen 
hat, daß nicht zu kurz, ſondern eher etwas lang verbrochen wird, indem ſonſt 
die vorhandenen Trauben nicht die gehörige Bedeckung erhalten, und die 
Traube am oberſten Auge gerne abfällt, oder in der Entwicklung zurückbleibt. 
Sind die Triebe an der Haupt⸗(Bog⸗) Rebe verbrochen, jo werden auch die 
überflüſſigen Triebe an den Zapfen hinter dem Bogen und an den Schenkeln 
auf ähnliche Weiſe wie am Bogen abgebrochen; befinden ſich an den Trieben 
des Schenkels keine Trauben, oder wenn man dieſelben nicht als junges Holz 
zum Zurückſchneiden der Schenkel nachziehen will, ſo werden ſie häufig ganz 
weggebrochen, ſo daß der Schenkel ganz geſäubert daſteht, doch finden hier 
manche Ausnahmen ſtatt, wobei zu berückſichtigen iſt, daß die Schenkel durch 
das gänzliche Abreißen der Triebe nicht ſelten Wunden bekommen, die dem 
übrigen Triebe der Rebe ſchaden und hie und da Krebs- oder andere Krank— 
heiten veranlaſſen können, auch erhalten die Trauben, wenn man die Zweige 
blos einkürzt, mehr Schutz vor dem Sommerbrand ꝛe. 

Die Kopftriebe werden, inſoweit ſie nicht zum Nachziehen neuer Schenkel 
beſtimmt ſind, gleichfalls abgebrochen. Haben ſich bei der Kopferziehung viele 


234 


Ausſchläge aus dem Kopf angeſetzt, ſo ſchaden ſie nicht ſelten dem Fruchttrieb, 
es iſt daher rathſam, daß man ſich noch vor dem eigentlichen Verbrechen ein 
beſonderes Geſchäft daraus macht, die unnützen Auswüchſe gleich beim Ent⸗ 
ſtehen zu unterdrücken, wobei man zugleich die übrigen überflüſſigen Triebe, 
die keine Trauben angeſetzt haben, entfernen kann. Bei der Schenkelerziehung 
bilden ſich weniger derartige Auswüchſe, weil dazu kein Raum vorhanden iſt 
und der Saft in dem Schenkel in geſpannter Richtung in die Fruchtſchoſe 
treiben kann. 
§. 148. 

Von den hier für das Verbrechen im Allgemeinen aufgeſtellten Grund» 
ſätzen finden jedoch, aus dem bereits angeführten Grunde, manche Ausnahmen 
ſtatt, indem z. B. im obern Neckarthale theilweiſe die Schenkel bis auf die 
zur Nachzucht beſtimmten Hölzer von allen Trieben gereiniget und die Aber— 
zähne ausgebrochen, während in der Umgegend von Tübingen alle Triebe auch 
an den Schenkeln, ſowie die Aberzähne blos abgezwickt werden, damit die 
Trauben mehr Schutz vor den kalten Winden haben. 

Ueber das Ausbrechen oder das bloſe Abzwicken der Aberzähne ſind die 
Anſichten ſehr verſchieden, indem diejenigen, welche das Ausbrechen derſelben 
vertheidigen, dafür anführen, daß die Aberzähne dem nebenſtehenden Auge die 
Kraft zur vollſtändigen Ausbildung entziehen und das Rebholz bälder zur Zei— 
tigung gelange, wenn kein Zug mehr in den Seitentrieben vorhanden ſei, 
auch werden durch die Entfernung der Aberzähne die Rebſtöcke und der Wein— 
berg weniger beſchattet, während durch das Stehenlaſſen derſelben die Augen 
ſich gerne verholzen und untragbar werden, wogegen diejenigen, die nicht für 
das Ausbrechen, ſondern nur für das Abzwicken der Aberzähne über dem Auge 
jind, behaupten, daß durch das Ausbrechen derſelben die Augen zwar mehr 
anſchwellen und hervortreten, daß dieſes aber blos ein künſtliches Befördern 
der künftigen Vegetation ſei, indem der Saft, der den Aberzähnen zufloß, ſich 
nach dem Ausbrechen derſelben gegen die Augen dränge und fie mehr hervor— 
hebe und belebe, dadurch aber auch empfindlicher mache und namentlich dem 
Erfrieren während des Winters weit mehr ausſetze, wie denn namentlich in 
denjenigen Gegenden Württembergs, in welchen die Aberzähne meiſtens aus- 
gebrochen werden, die Weinberge in der Regel gedeckt werden müſſen, wäh⸗ 
rend in andern, wo das Ausbrechen nicht ſtattfinde, wie in den Rheingegen⸗ 
den, die Weinberge während des Winters ungedeckt bleiben, deſſen ungeachtet 
aber dort kein Nachtheil im Ertrag bemerkt werde, vielmehr ſollen ſich auch 
an den hintern Augen gerne Trauben entwickeln und die Aberzähne beſonders 
dazu beitragen, daß ſich dieſe Augen nicht verholzen, ſondern zu Fruchtaugen 
ausbilden. Das Ausbrechen der Aberzähne ſei daher ein reiner Ueberfluß 
und ein unnöthiger Geldaufwand. 


235 


Wir wollen das Ausbrechen derſelben nicht gerade vertheidigen, ſondern 
nur anführen, daß daſſelbe in Württemberg hauptſächlich in ſolchen Gegenden 
eingeführt iſt, wo ein ſtarktriebiger Boden ſich befindet und ſtarktriebige Re— 
ben angepflanzt ſind, daß dagegen in Weinbaugegenden mit magerem Boden 
(wie häufig im Rheinthale), daſſelbe ſelten ſtattfindet, indem, wenn man in 
jenen Gegenden die Nebenzweige wachſen ließe oder blos einkürzen wollte, die 
Weinberge ſich ſo bewalden würden, daß dieſes einen wirklichen Nachtheil für 
die Auszeitigung der Trauben und des Holzes hätte, auch werden durch das 
Ausbrechen der Aberzähne die Weinbergbaukoſten nicht geſteigert, indem dieſes 
ſchneller als das Abzwicken von ſtatten geht und jedenfalls dadurch das Schnei— 
den im nächſten Frühjahr befördert wird, weil keine Nebenzweige, beſonders 
beim Trollinger, ausgeſchnitten werden dürfen, indem bei dieſem die Neben— 
zweige feſtſitzen, während ſie beim Elbling, Sylvaner und andern weißen 
Traubengattungen häufig ſelbſt abfallen. 

Man darf mit Recht fragen, warum denn beim Schneiden und Verbre— 
chen überall darauf hingearbeitet wird, die Säfte der Rebe zurückzudrängen 
Hund zu konzentriren und warum dieſes gerade bei den Aberzähnen durch Nicht— 
ausbrechen derſelben unterlaſſen werden ſolle, während in Württemberg gerade 
diejenigen Weinbaugegenden, wo das Ausbrechen ſtattfindet, ſich durch reich— 
lichen Ertrag auszeichnen. Außerdem kommt noch in Berückſichtigung, daß 
wenn man die Aberzähne an den hintern Augen ſtehen läßt, auch die Säfte 
des Stocks ſich immer mehr dahin ziehen und neue Triebe veranlaſſen, wo— 
durch die Zeitigung des Holzes nicht ſo ſchnell und vollkommen vor ſich gehen 
dürfte, als wenn die Aberzähne ausgebrochen werden, wo dann die Säfte der 
Rebe ſich mehr den Endſpitzen derſelben zuziehen, was, namentlich in ungün⸗ 
ſtigen Weinjahren, wo das Holz ohnedieß ſpäter zeitiget oder gar nicht voll— 
ſtändig reif wird, beſondere Beachtung verdient. 

Wir glauben deßwegen, daß auch hier auf die Triebkraft des Bodens 
und der Rebe, ſowie auf die Erziehung der Letztern und auf klimatiſche 
Verhältniſſe Rückſicht genommen werden muß, jo daß, bei magerem Bo- 
den und geringer Triebkraft der Rebe, ſowie bei kurzer Erziehung das Aus⸗ 
brechen der Aberzähne zum Schutze der Trauben und bei ſehr geringer Trieb— 
kraft ſogar auch das Einkürzen beim Verbrechen unterlaſſen werden kann, daß 
aber bei ſtarker Triebkraft des Bodens und der Rebe, weil die blos einge— 
kürzten Aberzähne bald wieder nachtreiben würden, das Ausbrechen derſelben, 
damit der Rebſtock ſich nicht zu ſehr bewalde und demſelben, ſowie den Trauben 
möglichſt Luft und Licht verſchafft wird, ohne Schaden vorgenommen werden 
kann, daß jedoch da Ausnahmen ſtattzufinden haben, wo die Stöcke alte lange 
Schenkel erhalten, die weniger Triebkraft beſitzen und wo die Trauben, wie 
beim Trollinger, mehr Schatten als Sonne verlangen. Schädlich wird aber 


236 


das Ausbrechen nicht ſelten da wirken, wo die Aberzähne ſchon ſo ſtark find, 
daß ſie ſich unten am Auswuchs aus der Rebe ſchon etwas verholzt oder eine 
ſtärkere Rinde gezogen haben, ſo daß der Ausbruch nicht mehr leicht erfolgt, 
ſondern mit demſelben nicht ſelten auch ein Theil der Rinde der Rebe weg— 
geriſſen und dadurch das Auge beſchädigt wird, in einem ſolchen Falle iſt es 
daher zweckmäßiger, wenn die Aberzähne etwa 1 Zoll hoch über dem Aus- 
wuchſe abgebrochen oder abgeſchniten werden. Auch dann dürfte daſſelbe nach⸗ 
theilig wirken, wenn an der Stelle der ausgebrochenen Zähne ſich wieder neue 
Triebe entwickeln, weil dadurch der künftige Trieb des Auges geſchwächt wer— 
den könnte, daher das Ausbrechen nicht allzufrühzeitig zu geſchehen hat. Ebenſo 
in ſehr ſüdlichen heißen Lagen mit hitzigem ſeichten Boden, indem hier, wenn 
die Reben zu ſehr gelichtet werden, der Boden leicht austrocknet und dieſelben 
dadurch Schaden nehmen. Die Zeit des Verbrechens hat ſich gleichfalls nach 
der Triebkraft der Rebe zu richten, ein allzufrühes Verbrechen iſt jedoch nicht 
zu empfehlen, weil, ſo lange die Triebe noch zu kurz (noch keinen Fuß lang) 
ſind, die oberſten Trauben ihrer Bedeckung beraubt oder gar mit abgebrochen 
werden, auch die abgezwickten Triebe bald wieder Aberzähne nachtreiben, ſo 
daß ſpäter faſt ein nochmaliges Zwicken nöthig wird. Während der Trauben- 
blüthe ſoll nicht verbrochen (gezwickt), ſondern, ſo lange dieſelbe dauert, der 
Weinſtock ganz in Ruhe gelaſſen werden, weil die Blüthen während der Arbeit 
abgeſtreift und die Befruchtung der Traube gehindert werden kann. Die an— 
gemeſſenſte Zeit iſt daher vor oder ſogleich nach der Traubenblüthe, wobei 
man jedoch auch auf die Witterung Rückſicht zu nehmen und die Arbeit bei 
naſſem Wetter ſorgfältig zu unterlaſſen hat, weil bei oder nach derſelben die 
Trauben und Traubenbeere gerne abfallen. 


§. 149. 
Das Einkürzen nach der Blüthe. 


Bei unſern klimatiſchen Verhältniſſen geht das Beſtreben intelligenter 
Weinbauern immer mehr dahin, der Rebe eine möglichſt kurze Erziehung zu 
geben, und ſie dadurch nicht nur dem warmen Boden immer näher zu bringen, 
ſondern auch den Saft der Rebe in die untern Theile zurückzudrängen und 
dadurch dieſelbe zu der Hervorbringung einer kräftigen, ſaftreichen Frucht, ſo⸗ 
wie zu der Anſetzung eines ſtarken, fruchtbaren, kurzgegliederten Tragholzes zu 
veranlaſſen, was ſowohl auf die Qualität, als die Quantität des Ertrags 
einen vortheilhaften Einfluß ausübt. Zu dieſem Zwecke hat man neuerlich 
das Einkürzen der Reben nach der Blüthe ſehr empfohlen und auch nach den, 
von dem Verfaſſer in dieſer Richtung ſchon ſeit mehreren Jahren gemachten 
Erfahrungen, hat ſich das Verfahren als zweckmäßig erprobt. 


237 


Daſſelbe beſteht darin, daß nicht nur die beim gewöhnlichen Verbrechen 
einzukürzenden Triebe abgezwickt, ſondern auch die Traghoͤlzer, ſobald fie die 
erforderliche Lange erlangt haben, alſo bald nach der Traubenblüthe, eingekürzt 
werden, wobei dann aber, damit der Saftumlauf nicht gehemmt wird, die 
Aberzähne (Winkeltriebe, $. 4) nicht ausgebrochen werden dürfen. 

Unter dieſem Einkürzen verſteht man alſo dasjenige des künftigen Trag⸗ 
holzes, indem bei demſelben durch das Zurückdrängen des Saftes gegen den 
untern Theil der Rebe ein ſtarkes, kräftiges, kurz gegliedertes Tragholz erzeugt 
werde, das nicht nur zur größeren Fruchtbarkeit der untern Augen beitrage, 
ſondern auch im folgenden Jahre viele, ſehr ſchöne und vollkommene Trauben 
hervorzubringen und daher ſehr zur Erhöhung des Ertrags der Weinberge 
beizutragen im Stande ſei. Dagegen wollen einzelne Weinbauer die Erfah— 
rung gemacht haben, daß durch das Einkürzen die Tragbarkeit der Reben zwar 
bedeutend erhöht, die Qualität des Weins aber ebenſo vermindert werde, in— 
dem die Trauben zwar eine ungewöhnliche Größe erreichen, wodurch aber blos 
die wäſſerigen Theile derſelben vermehrt werden, während der Geſchmack alles 
Gewürzige und Feine verliere, weil der Stock, indem ihm beſonders die jüngern, 
zur Verarbeitung der Säfte beſonders tauglichen Blätter entzogen werden, die 
Kraft zur weitern Deſtillirung der Traube verliere, weil die untern, ältern, 
verdickten Blätter die erforderliche Luftnahrung nicht mehr gehörig einziehen 
und verarbeiten können. 

Dieſe Anſicht dürfte vielleicht da, wo auf die Erzeugung ganz feiner Weine 
geſehen wird, Beachtung verdienen, obgleich die vom Verfaſſer bei einem Rieß⸗ 
ling⸗Weinberge gemachten Beobachtungen damit nicht übereinſtimmen, auch 
wird, wenn beſonders auf Qualität geſehen wird, das Einkürzen bei jungen 
kräftigen Weinbergen weniger angemeſſen, als bei ältern erſcheinen, weil es 
eine längſt bekannte Sache iſt, daß in jungen Weinbergen, wegen des größern 
Ertrags und der größern Trauben und Beere, keine ſo feine Weine, wie in 
ältern Weinbergen erzeugt werden, und daher bei jenen der Ertrag nicht noch 
geſteigert werden darf. 

Wir glauben jedoch, daß man auch hier zwiſchen den Erziehungsarten 
und den einzelnen Traubengattungen unterſcheiden muß, indem das Einkürzen 
hauptſächlich nur für Reben mit kurzer Erziehung paßt und daher nur bei 
dem Rießling, Traminer, Sylvaner, mittleren Velteliner ꝛc. ſowie in Gegenden 
in Anwendung kommen ſollte, wo wegen der magern Bodenbeſchaffenheit ohne- 
dieß eine kurze Erziehung mit Halbbogen und Zapfen eingehalten werden muß, 
wie im Kocher Jagſt⸗ und Tauberthale (S. 148), indem hier das Einkürzen 
der Tragreben nach der Traubenblüthe und das Unterlaſſen des Ausbrechens 
der Aberzähne zuverläſſig ſehr zur Erkräftigung und größeren Tragbarkeit der 
Reben beitragen würde, ohne die Qualität zu beeinträchtigen, weil durch die 


238 


niedrige Erziehung die Trauben dem Boden möglichſt nahe gebracht und da⸗ 
durch ihre Zeitigung und Deſtillation weſentlich befördert wird. Das Gleiche 
wird auch bei der geſtreckten Pfahl⸗ und der niedern Rahmenerziehung ſtatt⸗ 
finden, auch erzeugen ſich dadurch, daß die Aberzähne nicht ausgebrochen, 
ſondern beim Verbrechen nur eingekürzt werden, bis zum Einkürzen der Trag⸗ 
reben, an jenen ſchon wieder neue Triebe, ſo daß es an jungen Blättern zur 
Einſaugung der Luftnahrung nicht fehlen wird. Bei Reben, welche eine lange 
Erziehung verlangen (§. 137. 138), wie beim Trollinger, Urban, Elbling, wird 
das Einkürzen der Tragreben, beſonders in kräftigem, triebigen Boden, weniger 
angemeſſen erſcheinen, weil es längere Zeit nach der Blüthe anſtehen wird, bis 
die Rebe ihre gehörige Länge zu einem weiten Bogen erlangt hat und das Ein- 
kürzen faſt mit dem Ueberhauen (Abgipfeln) zuſammenfallen würde, auch dann 
das untere Holz ſchon mehr ausgebildet iſt, ſo daß das Einkürzen auf daſſelbe 
und auf die Ausbildung der Augen nicht mehr die erwartete Wirkung hätte. 
Jedenfalls hat aber der Weingärtner durch das Einkürzen ein vortreffliches 
Mittel in der Hand, die Vegetation auf den Rebſtöcken möglichſt gleich zu 
vertheilen und dadurch beſonders die mehr zurückſtehenden Triebe, die öfters 
ſchwächer bleiben, als die an der Spitze befindlichen, mehr zu kräftigem und 
zu künftigem Tragholz geſchickter zu machen. Auch können dadurch ältere 
Weinberge lange und in gutem Ertrage erhalten werden, daher die Einkürz— 
Methode mehr als bisher in Anwendung gebracht werden dürfte. 


e. Das Ueberhauen, Ausflügeln, Gipfeln, Laubſchneiden, Ausblatten. 
8. 150. 


So lange der Weinſtock ſeine Ruthen in die Höhe treibt, werden dieſelben 
wohl länger und ſtärker, ihre vollkommene Ausbildung und Auszeitigung er- 
folgt aber erſt, wenn das Wachsthum in die Höhe nachgelaſſen hat. Um nun 
dieſes in gemäßigten Klimaten, wo die Vegetation durch Hitze, wie in heißen 
Klimaten, nicht eingeſtellt wird, rechtzeitig, d. h. vor dem Eintritt von Froſt 
und Kälte zu bewirken, werden die Reben gegen das Spätjahr, nachdem ſie 
ihre gehörige Länge erreicht haben, abgeſchnitten, ab- oder ausgebrochen, was 
man Ueberhauen, Gipfeln, Ausflügeln, Verhauen, Laubſchneiden ꝛc. nennt. 

Unter dem Ueberhauen und Gipfeln verſteht man das Abſchneiden der 
der künftigen Tragreben, inſoweit ſie über den Pfahl hinausgewachſen find, 
nach der Pfahlhöhe oder bei andern Erziehungsarten auf die Länge, die etwa 
zum künftigen Tragholze erforderlich iſt, wobei man eher etwas zugibt, als zu 
ſtark abſchneidet. Sind an einzelnen Stöcken kurze Pfähle oder iſt ein Schen- 
kel an dem Pfahl hoch angehängt (angebunden), ſo wird etwas ob dem Pfahl 
abgeſchnitten, damit die künftige Tragrebe ihre gehörige Länge erhält. 


239 

Unter dem Ausflügen, Verhauen, begreift man das Abſchneiden oder 
Ausbrechen der an dem übrigen Holze des Weinſtocks gewachſenen Nebentriebe 
(Flügel), die früher abgezwickt wurden und ſpäter wieder neue Triebe gemacht 
haben, damit den Trauben möglichſt Luft und Licht zugeführt wird, ohne die 
Beſchattung ganz zu beſeitigen, daher an den fruchttragenden Reben die Ne— 
bentriebe ob den Trauben nicht ausgebrochen, ſondern nur ſo weit eingekürzt 
werden dürfen, daß ſie den Trauben noch einigen Schatten gewähren, weil 
bei manchen Traubengattungen die Reife derſelben durch die unmittelbare Ein— 
wirkung der Sonnenſtrahlen nicht befördert wird. Zu dem Ausflügeln gehört 
insbeſondere auch das Einkürzen der Aberzähne an den künftigen Tragreben 
bis auf das untere Auge, wobei jedoch dem oberſten Aberzahn ein Zugreis 
gelaſſen werden muß, oder in manchen Gegenden das zweite Ausbrechen der— 
ſelben, was jedoch, aus den bereits angeführten Gründen (§. 148), beſonders 
an den künftigen Tragreben, nicht für ſehr angemeſſen erkannt werden kann, 
während das Ausbrechen derſelben an dem übrigen Holz, wenn es zu dicht 
belaubt iſt, hie und da zweckmäßig erſcheinen dürfte. 

Bei der Einkürzungsmethode (S. 149) kommt das Ueberhauen gar nicht 
vor, ſondern nur das Ausflügeln oder Einkürzen der, nach dem Einkürzen der 
Hauptreben ſich gebildeten Seitentriebe (Aberzähne), die, weil ſich der Zug des 
Saftes hauptächlich auf dieſe geworfen hat, oft lange gewachſen ſind und eine eigent— 
liche Laubdecke über den ganzen Stock bilden und ihn zwar während des Sommers 
gegen Sonnenbrand und Hagel ſchützen, gegen das Spätjahr aber, wo dieſe 
Schäden nicht mehr zu befürchten ſind, dadurch beſeitiget werden müſſen, daß 
man fie über dem erſten oder zweiten Auge von der Hauptrebe an, abſchnei— 
det; der Zweck beider Arbeiten beſteht darin, den Zug des Saftes gegen oben 
und dadurch auch das weitere Wachſen der Reben zu unterbrechen und dadurch 
auf die Zeitigung des Holzes d. h. durch die Verwandlung des Baſtes und 
Splints in feſteres Holz (§. 2) einzuwirken, indem, ſowie der Saft zurückge— 
drängt wird und ſtockt, das Holz wegen der geringeren Safteirkulation weit 
ſchneller zeitigt, als wenn derſelbe ſeinen regelmäßigen Zug gegen oben hat. 
Zeitigt aber das Holz, ſo beginnt auch die Traube zu reifen, was man bald 
daran erkennen wird, daß die Stiele und Kämme braun und die Beere weich 
werden. 

Außerdem ſoll das allzu große Beſchatten der Trauben beſeitiget und der 
Sonne und warmen Luft mehr Zutritt zu den Reben und Trauben verſchafft 
werden, wodurch die Zeitigung beider gleichfalls befördert wird. Das Ueber— 
hauen und Ausflügeln iſt daher in vielen Fällen ein wichtiges Beförderungs⸗ 
mittel der Traubenreife und der Heranziehung eines vollſtändig ausgereiften 
Rebholzes für das nächſte Jahr. 

Daſſelbe ſoll nicht bälder vorgenommen werden, als bis die Rebe von 


240 


unten herauf ſtark zeitigen und dadurch der Saftzudrang etwas abgenommen 
hat, alſo je nach dem Jahrgang zu Ende des Monats Auguſt oder zu Anfang 
oder in der Mitte des Monats September, jedenfalls hüte man ſich vor all— 
zufrühem Ueberhauen, weil, wenn das Holz noch grün iſt und durch das 
Ueberhauen die Säfte ſchnell und zu ſtark zurückgedrängt werden, während die 
Beſtandtheile der Traube noch nicht erweicht, ſondern noch in der Entwicklung 
begriffen ſind, bis ſich der geſtörte Organismus wieder geregelt hat, ein Still— 
ſtand in jener eintritt, wodurch nicht nur die Zeitigung der Trauben in's 
Stocken gerathet, mithin eine entgegen geſetzte Wirkung hervorgebracht wird, 
ſondern auch durch den Saftzudrang die neu gebildeten Augen leicht zum An⸗ 
treiben veranlaßt werden, wodurch der Ertrag für das nächſte Jahr verloren 
geht. Will man, wegen des allzuſtarken Wachſens der Reben, deſſen ungeach— 
tet etwas früher Ueberhauen, ſo laſſe man, da wo das Ausbrechen der Aber— 
zähne ſtattfindet, oben an der Rebe einige abgezwickte Aberzähne ſtehen, damit 
die Cirkulation der Säfte nicht ganz unterbrochen wird und die Rebe noch 
einigen Zug hat. 

Der angemeſſenſte Zeitpunkt zum Ueberhauen und Ausflügeln iſt nicht 
allein, wenn das Holz zu zeitigen beginnt, ſondern auch wenn die Trauben 
ſchon weich ſind, indem dann keine allzuſtarke Störung in der Safteirkulation 
zu befürchten iſt. 

Bei Traubengattungen, welche die unmittelbare Einwirkung der Sonne 
weniger ertragen können (wie der Trollinger), ſondern gerne im Schatten ſte— 
hen, iſt es angemeſſen, wenn die gedachten beiderlei Arbeiten je abgeſondert 
vorgenommen werden, nämlich das Ueberhauen, wenn die Trauben zu reifen 
beginnen, das Ausflügeln, wenn dieſelben in der Reife vorangeſchritten ſind. 
Eine beſondere Aufmerkſamkeit iſt bei dem Ueberhauen, beſonders in ältern 
Weinbergen, darauf zu richten, ob in der Nähe Stöcke fehlen und an deren 
Stelle eine Rebe von einem benachbarten Stocke eingelegt werden kann, indem 
in dieſem Falle bei dem Ueberhauen darauf Rückſicht genommen und nicht zu 
kurz abgehauen werden darf. 

S. 151 

Ein beſonderes Geſchäft bildet das Ausblatten oder das Ausbrechen der 
Blätter, es iſt nicht allgemein eingeführt, ſondern kommt nur bei einzelnen 
Traubengattungen oder von einzelnen Weinbergbeſitzern in Anwendung. Durch 
daſſelbe ſollen die Trauben mehr der Sonne ausgeſetzt und denſelben überhaupt 
viel Luft und Licht verſchafft werden. Daſſelbe iſt von unten gegen oben in 
der Art vorzunehmen, daß man immer nur die Blätter um die Trauben, be⸗ 
ſonders an denjenigen Reben, die nicht zu den künftigen Tragreben gehören, 
wegnimmt, die Blätter aber nicht abbricht, ſondern in der Mitte des Stiels 
abſchneidet, ſo daß alſo der Rebſtock beſonders von unten Luft bekommt, wäh⸗ 


241 


rend die obern Blätter ſtehen bleiben, damit die Blätternahrung nicht ganz 
aufhört. Auf Letzteres iſt beſondere Rückſicht zu nehmen und eher zu wenig 
als zu viel Blätter wegzunehmen, weil durch ſtarkes Ausblatten dem Rebſtock 
die, während der Zeitigung der Trauben ſo nöthige Luftnahrung entzogen, da— 
durch die Vegetation und die Reife gehemmt und weit mehr Nachtheil als 
Vortheil geſtiftet wird. Das Ausblatten ſoll deßhalb mit großer Vorſicht und 
erſt dann vorgenommen werden, wenn die Trauben ſchon in der Reife voran— 
geſchritten ſind und anfangen hell oder durchſichtig zu werden, oder ſich ſchon 
gefärbt haben und hauptſächlich nur bei ſolchen Traubengattungen, welche, wie 
der Ortlieber, gerne dem Faulen unterworfen ſind, oder bei anhaltend regne— 
riſcher Herbſtwitterung, durch die das Faulen der Trauben befördert wird. 
Mit dieſer Arbeit kann dann auch da, wo beim erſten Ueberhauen und Aus— 
flügeln die obern Aberzähne gar nicht oder nur ſchwach eingekürzt worden 
ſind, das zweite Zurückſchneiden oder Ausbrechen derſelben vorgenommen werden. 

Das beim Ueberhauen, Ausflügeln und Ausblatten gewonnene Laub wird 
mit den jungen, weichen Zweigen häufig als Viehfutter benützt, wenn es jedoch 
dazu nicht nöthig iſt, ſo iſt es das Angemeſſenſte, man läßt daſſelbe als Dung⸗ 
mittel in den Weinbergen liegen, zu welchem Behuf die längern Zweige zer— 
ſchnitten werden. Sehr zweckwidrig iſt es aber, dieſelben in Bündeln auf die 
Pfähle zu ſtecken und zu dörren, weil dadurch die Beſchattung des Weinberges 
vermehrt wird und derſelbe ein unſchönes Ausſehen erhält. 


IX. Die Doden-Arbeiten. 


F. 152. 


Das gute Gedeihen des Rebſtocks erfordert nicht blos eine entſprechende 
Lage und Erziehung, ſowie einen angemeſſenen Boden, ſondern der letztere 
muß auch für das Eindringen von Wärme und Feuchtigkeit gelockert und von 
Unkraut rein gehalten werden, damit die Nahrung des Stocks durch letzteres 
nicht verkümmert und der Boden durch daſſelbe nicht beſchattet wird. Außer: 
dem muß der Rebſtock bei den meiſten Erziehungsarten durch Holz unterſtützt 
und die Rebe an dem Holz befeſtigt werden, damit Winde und Stürme die— 
ſelbe nicht beſchädigen und die Sonne gehörig auf den Rebſtock einwirken kann. 
Die Weinberge erfordern daher neben der Anpflanzung und Erziehung des Wein— 
ſtocks noch verſchiedene andere mehr mechaniſche Arbeiten, die ſich auf Bodenbear— 
beitung oder auf die Herſtellung oder Benützung der Holzunterſtützung beziehen, 
und die hauptſächlich beſtehen in dem Aufziehen der Rebſtöcke, in dem Aufräumen 
derſelben, in dem Hacken und Felgen des Bodens, in dem Pfählen und dem 
Binden und Heften der Reben an die Holzunterſtützung, in verſchiedenen 
außerordentlichen Arbeiten, in dem Bandaufſchneiden und Pfähleausziehen, jo- 
16 


242 


— 


wie in dem Bedecken der Rebe vor dem Winter. Dieſe Arbeiten kommen 
jedoch nicht in allen Weinbaugegenden vor und werden auch nicht in allen 
gleichförmig behandelt, daher wir uns hier mehr nur auf eine allgemeine Be- 
ſchreibung derſelben einlaſſen können. 


1. Das Aufziehen, Aufdecken. 
§. 153. 


Das Aufziehen der Weinberge iſt nur in denjenigen Weinbaugegenden 
nothwendig, wo die Weinberge vor dem Winter mit Erde, Pfählen, Steinen, 
Stroh ꝛc. zugedeckt werden (S. 165), um ſie vor der Winterkälte zu ſchüz⸗ 
zen, wie es in vielen Weinbaugegenden Deutſchlands eingeführt iſt. Das Auf— 
ziehen oder Aufdecken der Reben iſt das erſte Frühjahrsgeſchäft, ſie werd en 
dabei von denjenigen Gegenſtänden, mit welchen ſie niedergelegt und zugedeckt 
wurden, befreit und dadurch zur Erweckung der Vegetation den Einwirkungen 
der Sonne und der Luft wieder ausgeſetzt. Daſſelbe geſchieht, wenn mit Erde 
oder Raſen gedeckt wurde, mit dem Karſt, oder einer Dunggabel oder auch 
nur mit einem Pfahl, je nachdem die Laſt ſchwer oder leicht iſt. Man greift 
dabei mit dem Inſtrument unter die Reben, hebt ſie empor, ſchüttelt ſie, oder 
ſchlägt etwas gelinde an dieſelben, damit die Erde, die daran hängt, abfällt 
Das Aufziehen bei Steinen oder bei Pfählen geſchieht mit der Hand. Die 
Steine werden dabei im Weinberg auf beſondere Häufchen und an Stellen zu- 
ſammengetragen, wo ſie bei den übrigen Arbeiten am wenigſten hindern und 
bis zum Spätjahr liegen bleiben können, weil aber doch diejenigen Stellen, 
wo ſie liegen, während des ganzen Frühjahrs und Sommers nicht bearbeitet 
werden können, auch unter den Steinen Schnecken, Mäuſe und andere ſchäd— 
liche Thiere Aufenthalt finden, ſo iſt es da, wo Mauern vorhanden ſind, zweck— 
mäßiger, wenn man ſie auf dem Rande derſelben auflegt, wodurch ſie zugleich 
bei ſtarkem Regenwetter das Abflößen der oberhalb liegenden fruchtbaren Wein- 
bergserde aufhalten. Wurde mit Pfählen gedeckt, ſo werden dieſelben auf be— 
ſondere Haufen zwiſchen vier in die Erde eingeſchlagene kurze Pfähle gelegt, 
nachdem zuvor oben und unten kleine Erdaufwürfe mittelſt Stufen gemacht 
ſind, damit die Pfähle behufs ihrer beſſeren Erhaltung nicht auf dem Boden, 
ſondern hohl liegen. 

Bei dem Aufziehen muß man ſich ſehr in Acht nehmen, daß keine Ruthen 
und Schenkel abgebrochen werden, was, wenn dieſelben ſtark mit Erde oder 
Raſen bedeckt ſind, durch ſchnelles unvorſichtiges Aufreißen leicht geſchehen kann. 
Das Aufziehen ſoll erfolgen, wenn der Boden etwas abgetrocknet iſt, und be- 
vor die Augen angeſchwollen ſind, oder gar angetrieben haben, was unter der 
warmen Erde leicht geſchieht und wodurch, wenn die Augen an kühlere oder 


243 


kalte Luft kommen, dieſelben leicht Schaden nehmen können. Auch das längere 
Gedecktſein bei anhaltendem Regenwetter iſt zu vermeiden, indem dadurch Reben 
und Augen gerne ſchwarz werden und abfallen. Das frühere Aufziehen er— 
ſcheint daher angemeſſener als das allzuſpäte, obgleich im erſtern Falle die 
Reben bei den ſtarken und kalten Märzwinden hie und da der Gefahr ausge— 
ſetzt ſind, winddürr zu werden, oder, weil ſie weich aus dem Boden kommen, 
bei eintretender ſpäterer Kälte zu erfrieren. 

Bei günſtiger, warmer Witterung kann mit dem Aufziehen in hohen 
Bergen ſchon Ende Februar begonnen werden, gewöhnlich ſoll es aber in der 
Mitte des Monats März geſchehen, oder nach der Weingärtnersregel an 
Mariä⸗Verkündigung, den 25. März. 

Man wähle zum Aufziehen heitere, warme Tage, damit die aus dem Bo— 
den kommenden, feuchten Reben ſchnell abtrocknen und vor dem Eintritt der 
kalten Nächte ſich an die Luft gewöhnen können. Aus dieſen Gründen ſoll 
auch das Aufziehen nur während der beſſern Tageszeit, etwa von Morgens 9 
Uhr bis Nachmittags 3 Uhr, und nicht an Tagen geſchehen, an welchen kalte 
Winde wehen. 


2. Das Aufräumen. 
8. 154. 


Das Aufräumen (Verraumen) iſt die Vorarbeit zum Schneiden der Rebe 
(§. 134) und iſt hauptſächlich bei der Kopferziehung nothwendig und eingeführt. 
Bei dem Schneiden des Rebſtocks ſoll der Kopf gehörig ausgeputzt (ausge— 
ſchnitten) und die unter demſelben am obern Theile der Stange befindlichen 
ſogenannten Thauwurzeln entfernt, auch nach der Größe des Kopfes und der 
Stärke der Stange beurtheilt werden, ob dem Stock viel oder wenig Tragholz 
(Bogen oder Zapfen) gegeben werden ſoll (S. 119, 135), daher der Kopf frei 
ſtehen und die Stange bis zum erſten, bei jungen und tiefſtehenden Stöcken 
aber bis zum zweiten Gelenke von der ſie umgebenden Erde befreit werden 
muß, was durch das Aufräumen geſchieht. Außerdem hat daſſelbe den Zweck, 
das um den Rebſtock gewachſene Unkraut zu entfernen, möglichſt viel Wärme 
demſelben zuzuführen und neue kräftige Erde an denſelben zu bringen und durch 
all dieſes den Kopftrieb ſowie überhaupt den Trieb an den untern Theilen 
des Stamms zu befördern, wodurch neue kräftige Schenkel herangezogen und 
der Weinſtock lange geſund und tragbar erhalten werden kann, daher das Auf— 
räumen auch bei der Schenkelerziehung, beſonders bei jungen Weinbergen, zweck— 
mäßig erſcheint. 

Das Aufräumen hat unmittelbar vor dem Schneiden zu geſchehen, mit 
einer leichten Haue, damit der Stock nicht beſchädigt wird, und in der Art, 

16 * 


244 


daß um denſelben eine runde Vertiefung von ½—1 Fuß gegraben wird, in 
der Kopf und Stange in der Mitte ſtehen. 

Durch tiefes Ausräumen bis zum zweiten Gelenke und dadurch herbeige— 
führte kräftige Saft⸗Cirkulution ſollen auch manche Krankheiten des Reb— 
ſtocks verhütet werden. | 

Das Aufräumen findet übrigens auch bei der Kopferziehung nicht in allen 
Weinbaugegenden, oder nur bei jungen Weinbergen in den erſten 3—4 Jah— 
ren ſtatt, und wird beſonders da bei ältern Weinbergen manchmal unterlaſſen, 
wo vom Stock hinweggereutet oder ſeicht geſetzt wird (S. 112) und daher der 
Rebſtock ſeine Nahrung mehr in den obern gedüngten Bodenſchichten ſuchen 
muß, mithin ſeiner obern Wurzeln nicht beraubt werden darf, oder wo Trauben⸗ 
gattungen, wie z. B. Trollinger im mittlern Neckarthale, gepflanzt werden, die 
im Alter nicht mehr gerne aus dem Kopf treiben, was jedoch, aus dem an— 
geführten Grunde, nicht immer und beſonders da nicht als zweckmäßig erſcheint, 
wo auf junge Triebe aus dem Kopfe geſehen werden muß. 

Nach dem Aufräumen bleibt der Rebſtock gewöhnlich offen ſtehen, bis zum 
Hacken; wenn jedoch frühzeitig aufgeräumt und geſchnitten wird, iſt es noth— 
wendig, daß der Stock ſogleich nach dem Schneiden wieder zugedeckt wird, da— 
mit derſelbe durch die hie und da noch eintretende ſtrenge Kälte keinen Scha— 
den leidet. 

Auch in magerem, ſteinigen Boden ſoll nach dem Schneiden der aufge— 
räumte Boden ſogleich wieder, oder beſſer friſche Erde an den Stock gebracht 
werden, weil der Boden ſonſt zu ſtark austrocknet. 


3. Das Hacken, Graben, Umkehren. 
§. 154. 


Das Hacken der Weinberge, auch Graben und Umkehren genannt, iſt die 
erſte größere und wichtigere Bodenarbeit und wird im Frühjahr nach dem 
Schneiden der Reben (S. 140) vorgenommen, doch kommen bei einzelnen Er- 
ziehungsweiſen auch Ausnahmen vor (§. 156, 157). 

Der Zweck des Hackens beſteht 

a. in der Auflockerung des, durch die Herbſtgeſchäfte des vorigen Jahrs, 
ſowie durch die vorangegangenen Geſchäfte des Aufziehens, Aufräumens und 
Schneidens zuſammengetretenen Bodens, damit Luft, Wärme und Feuchtigkeit 
in denſelben eindringen und dadurch die in dem Boden befindlichen Nahrungs⸗ 
theile zerſetzt und der Rebe zugeführt werden (§. 61—63, 70, 71). 

b. In der Vertilgung des Unkrauts, damit dieſes die Nahrungsſäfte des 
Bodens nicht an ſich und dadurch dem Reſbſtock entzieht. 

Daſſelbe geſchieht gewöhnlich den Berg hinauf, wodurch der Boden den 


245 


Berg hinunter geſchafft und die obere Zeile nach und nach erdenlos wird. 
Um dieſes zu vermeiden, werden vor dem Hacken Anfälle oder ſogenannte 
Hackſchläge gemacht, d. h., es wird vom untern Ende des Weinbergs hinter 
der letzten Zeile der Boden aufgehackt und die Erde an das obere Ende, den 
Kopf, getragen, damit dieſer Theil nicht erdenlos bleibt. Kann übrigens dieſer 
oberſten Zeile durch Ausſchlagen von Gräben oder auf andere leichtere Weiſe 
Erde gegeben werden, ſo kann das Hintragen von Erde vom untern Ende 
des Weinbergs unterlaſſen, dagegen muß jedenfalls der Boden aufgehackt und 
die Erde in die untern Zeilen des Weinbergs geworfen werden. Sit ein Wein⸗ 
berg durch Mauern oder Raine in mehrere Beete (Gräben) abgetheilt, ſo kann 
der Boden (Hackſchlag) vom untern Theile des obern Beets auf den obern 
Theil des zweiten Beets geworfen werden, wodurch manche Arbeit erſpart 
wird. 

Sind die Beete ſchmal, ſo wird hie und da ſtatt den Berg hinauf in die 
Quere gehackt, deſſen ungeachtet muß für Hackſchläge geſorgt werden, weil be— 
ſonders an ſteilen Bergen auch viel Boden durch Regen von dem obern gegen 
das untere Ende des Beets geflößt wird. In einzelnen Weinbaugegenden, 
wie im Rheingau, in welchen die geſtreckte Pfahl- oder die Rahmenerziehung 
eingeführt iſt, wird beim Hacken der Boden, in den einzelnen Gaſſen gegen 
die Mitte auf ſogenannte Balken gezogen, damit, weil ſich dadurch gegen die 
Rebſtöcke Vertiefungen bilden, die Wärme mehr auf den Stock einwirken kann 
und ſich weniger Thauwurzeln anſetzen. Das Aufräumen vor dem Schneiden 
wird dann aber öfters unterlaſſen. Das Hacken geſchieht in der Regel mit 
dem, mit zwei breiten, vornen etwas ſcharf gemachten Zinken verſehenen Karſch, 
indem man mit demſelben am leichteſten in den Boden einhauen und die Erde 
aufziehen kann. 

In den Weinbergswegen (Furchen), oder wo überhaupt der Boden ſehr 
hart iſt, wird auch die Reuthaue dazu verwendet. In der Bodenſeegegend 
wo das Hacken, Graben, Umkehren genannt wird, erfolgt daſſelbe entweder 
mit dem Spaten, wobei ½ Fuß tief geſtochen wird, oder mit der Furke, einer 
Gabel mit drei Zinken. Man hackt etwas ſchief in den Boden, zieht die Erde 
gegen ſich ſo, daß der obere Theil unten zu liegen kommt und der Boden alſo 
umgekehrt wird. Der Boden ſoll möglichſt tief gelockert und daher beſonders 
in jungen Weinbergen tief gehackt werden, ſo daß der Karſch ſo tief in den 
Boden kommt, als die Zinken lang ſind, man hat ſich dabei jedoch ſehr in 
Acht zu nehmen, daß die Wurzeln der Reben nicht verletzt werden. In ältern 
Weinbergen, wo die Stöcke ihre Nahrung mehr von den obern Wurzeln bes 
ziehen, kann daher etwas ſeichter gehackt werden, ebenſo in Weinbergen, in 
welchen bei der Anlage die Reben etwas ſeicht gelegt wurden (ſchief in Gräben 
oder mit der Haue, §. 111, 112). Auch auf die Bodenart muß Rükſicht ges 


246 


nommen und in ſchwerem Boden tiefer, d. h. 1 Fuß tief, in leichtem Boden 
ſeichter, d. h. 4—6 Zoll tief gehackt werden. Der ſchwere Boden bedarf ein 
tiefes Hacken, weil er durch daſſelbe nie ſo vollkommen gelockert wird, wie der 
von Natur loſe, ſandige oder kalkige Boden, auch muß man dabei die Schollen 
mit dem Helme des Karſtes zerſchlagen, damit ſie kleiner werden und überall 
Luft, Wärme und Feuchtigkeit eindringen laſſen. Bei einem leichten, lockern 
Boden, der beim Hacken in kleine Theile zerfällt, tritt dieſe Rückſicht nicht ein, 
vielmehr nimmt er Regen und Thau ſchnell in ſich auf, läßt aber das Waſſer 
eben ſo ſchnell und leicht in die Tiefe verſinken oder in die Luft verdunſten, 
wodurch der Boden bei warmer Witterung zu ſchnell austrocknet und den Wur- 
zeln die erforderliche Feuchtigkeit entzogen wird, daher dieſelbe durch das nicht 
zu tiefe Lockern des Bodens den Wurzeln der Rebe möglichſt lange erhalten 
werden ſoll. Außerdem muß das Hacken um die einzelnen Rebſtöcke mit Sorg⸗ 
falt geſchehen, weil dieſelben ſonſt leicht mit dem Karſt beſchädigt werden 
könnten. 

Auf die Vertilgung des Unkrauts iſt eine beſondere Aufmerkſamkeit zu 
verwenden, man ſäubere daher den Boden von demſelben gänzlich, namentlich 
laſſe man das ſchädliche Flechtgras und die Wenden nicht aufkommen, reiße 
ſie deßhalb mit den Wurzeln ſorgfältig aus und entferne fie aus dem Wein- 
berg, weil, wenn man ſie auf dem gehackten Boden zum Abdorren liegen läßt, 
ſolche beim erſten Regen wieder anwachſen und ſich weiter verbreiten. Sehr 
zweckmäßig iſt es, wenn nach dem Hacken die Weinberge durchgangen und das 
wieder angewachſene Unkraut herausgehauen wird, indem, wenn dieſes im erſten 
Safttrieb geſchieht, die etwa zurückgebliebenen Wurzeln in dem Safte erſticken 
und dadurch zu Grunde gehen, wodurch eine nachhaltige Ausrottung des Unkrauts 
bezweckt wird. Bei ſehr ſaftreichem Unkraut, wie z. B. Diſteln, laſſen ſich 
dieſelben auch dadurch ausrotten, daß man auf die zurückgebliebenen Wurzeln 
etwas Koch- oder Viehſalz ſtreut. 

Das Hacken ſoll vorgenommen werden, wenn kein Schneefall und keine 
ſtrenge Kälte mehr zu befürchten iſt, mithin im Monat April oder zu Anfang 
des Monats Mai, und da es häufig in der Faſtenzeit geſchieht, ſo wird es 
auch hie und da Faſtenhauen genannt. Ein frühes Hacken kann ſehr ſchädlich 
wirken, indem, wenn Kälte, Schneewaſſer und Eis in den Boden bis zu den 
Wurzeln dringen, der erſtere erkältet wird und die letztern leicht krank werden. 
Tritt dann ſpäter warme Witterung ein, ſo drängt die Wärme leichter in den 
Boden, wodurch der Trieb der Reben zu ſchnell erweckt wird, was, wenn ſpä⸗ 
ter Froſt eintritt, den Reben weit mehr Schaden bringen kann, als wenn bei 
ſpätem Hacken der Boden länger geſchloſſen bleibt. Auch hat ein allzufrühes 
Hacken noch den weitern Nachtheil, daß ſich der Boden durch die im Frühjahr 
öfters fallenden Regen zu bald ſchließt, wodurch ſpäter die Wärme und warme 


247 


Gewitterregen in den Boden nicht gehörig eindringen können, vielmehr den 
Berg hinabſtrömen und Dung und Erde mit fortnehmen. Doch ſoll daſſelbe 
auch nicht zu ſpät und beſonders nicht zu der Zeit vorgenommen werden, wo 
die Augen etwas angetrieben haben, indem dieſelben nicht nur leicht abgeſtoßen 
werden können, ſondern auch von ſelbſt abfallen, wenn man mit dem Karſch 
oder dem Fuß an einen Schenkel ſtößt. Bei naſſer Witterung ſoll nicht ge— 
hackt werden, weil der Boden dabei zu viel Feuchtigkeit aufnimmt, nicht zerfällt, 
ſondern zähe und zuſammenhängend bleibt und durch das Geſchäft ſelbſt ſowie 
durch die darauffolgenden Arbeiten (Pfählen, Anbinden) allzuſehr zufammenge- 
treten würde, es iſt deßwegen zum Hacken womöglich eine beſtändige und 
warme Witterung zu wählen. 

Auch auf die Lage und Bodenart muß Rückſicht genommen werden, ins⸗ 
beſondere ſind trockene Höhen frühzeitig zu hacken, weil ſie dadurch bei etwa 
fallendem Regen mehr Feuchtigkeit aufnehmen und ſich bälder wieder ſchließen, 
mithin die Feuchtigkeit länger behalten, warme Böden früher als kalte, lockere 
früher als ſtrenge. Sind die zur Ergänzung fehlender Stöcke bejtimmten 
Reben von benachbarten Stöcken nicht ſchon früher eingelegt worden (§. 139, 
142, 143), ſo muß dieſes bei dem Hacken geſchehen, daher man ſolche Stöcke 
auch Hackſtöcke nennt. 


4. Das Pfählen. 


§. 156. 


Der Zweck der Holzunterſtützung überhaupt und insbeſondere des Pfäh- 
lens, ſowie die der Erziehung des Weinſtocks entſprechende Ausführung deſſel⸗ 
ben iſt bereits oben §. 255 und 256 abgehandelt worden, daher wir hier mehr 
nur die mechaniſchen Arbeiten zu beſchreiben haben. Das Pfählen wird je nach 
der Erziehungsweiſe, entweder vor oder ſogleich nach dem Hacken vorgenom— 
men, ſowie der Boden etwas abgetrocknet iſt und ſo lange der Untergrund 
noch Feuchtigkeit hat, damit die Pfähle gut und tief geſteckt werden können. 
Bei naſſem Wetter iſt daſſelbe zu unterlaſſen, weil der Boden dabei zu ſehr 
zuſammengetreten würde. Das Pfählen vor dem Hacken ſowie das Anhängen 
der Reben an die Pfähle iſt gewöhnlich bei der geſtreckten oder Rheingauer⸗ 
Erziehungsweiſe, das Pfählen nach dem Hacken bei den übrigen Pfahlerzie⸗ 
hungen eingeführt. 

Die zur Unterſtützung der Rebſtöcke zu verwendenden Pfähle werden ge— 
wöhnlich aus tannenem Holz geſpalten und ſollen 6, in einzelnen Weinbaugegenden 
auch 7 Fuß lang und mindeſtens 1 Zoll ſtark fein. Hie und da werden auch 
eichene Pfähle genommen, die, weil das eichene Holz weit langſamer als das 
tannene Holz fault, etwas kürzer aber von gleicher Stärke wie tannene Pfähle 


248 


fein müſſen. Eichene Pfähle von grünem Holz werden gerne krumm, daher 
dieſelben nach dem Spalten mindeſtens ein Jahr lang der Luft und dem Re— 
gen ausgeſetzt und dabei gut beſchwert, auch anfänglich hie und da mit Waſſer 
begoſſen werden müſſen, damit ſich die Lohe herauszieht und das Austrocknen 
befördert wird. 

In einzelnen Weinbaugegenden, wo eine ſehr hohe Erziehung der Reben 
eingeführt iſt, wie in der Bodenſeegegend und im Moſelthal, werden anſtatt 
der Pfähle tannene Stänglen von 10—12 Fuß Länge verwendet, die man 
Stecken nennt. Vor dem Einſtecken der Pfähle müſſen dieſelben wenigſtens 
an einem Ende geſpitzt werden, damit ſie tiefer und beſſer in den Boden gehen, 
auch iſt es gut, wenn die Pfähle, um ſie mehr vor Entwendung zu ſichern, 
mit dem Namen des Eigenthümers bezeichnet werden, was dadurch ſchnell 
geſchieht, wenn man den in Eiſen geformten Anfangsbuchſtaben in jeden Pfahl 
einſchlägt. Die Spitze des Pfahls ſoll, damit er feſtſteht, noch in den unge— 
bauten (ungehackten) Boden kommen. Das Einſtecken der Pfähle geſchieht 
gewöhnlich mit dem Pfahleiſen, das ſich der Arbeiter an den rechten Fuß ſchnallt 
nnd womit er den Pfahl unten faßt und 6—10 Zoll tief in den Boden drückt. 
In denjenigen Weinbaugegenden, wo der Weinbergsboden mit vielem Stein— 
gerölle vermiſcht iſt, wie z. B. im Kocherthale, werden die Pfähle mit einem 
eiſernen oder hölzernen Hammer eingeſchlagen. Bei dem Einſtecken der Pfähle 
muß auf die Erziehung eines jeden einzelnen Stocks Rückſicht genommen und 
alſo bei langen Schenkeln weiter, bei kürzern enger gepfählt werden. Kommt 
der Pfahl bei langen Schenkeln zu nahe an den Stock, ſo muß der Bogen 
zu weit an den Pfahl hinauf gebunden werden, was nicht nur einen nachthei— 
ligen Einfluß auf die Zeitigung der Trauben, ſondern auch den weitern hat, 
daß die jungen Hölzer bald über den Pfahl hinauswachſen und nicht mehr 
angebunden werden können. Aus dieſem Grunde ſind auch die längeren Pfähle 
den Schenkeln und Bögen, die ſchon etwas abgefaulten und kürzeren aber den 
Zapfen und den Trieben aus dem Kopfe (Bodenhölzer) zu geben. Wird der 
Pfahl bei kurzen Schenkeln zu weit vom Stocke geſtellt, ſo müſſen dieſelben 
ſowie die Augen zu nieder angehängt werden, wodurch die untern Trauben 
auf den Boden zu liegen kommen und gerne anfaulen oder von Inſekten ꝛc. 
beſchädiget werden. Gewöhnlich ſollen die Bögen oder Zapfen der Schenkel 
1 Fuß über dem Boden ſtehen. 

Bei der geſtreckten Erziehung muß hauptſächlich darauf geſehen werden, 
daß die Pfähle in eine gleiche Linie zu ſtehen kommen und namentlich der 
Pfahl in der Mitte von 2 Stöcken ſo geſteckt werden, daß die Streckreben 
beider Stöcke an denſelben bequem gebunden werden können. Der Kopf be⸗ 
kommt dabei den ſtärkſten Pfahl, bei dem Stecken der Pfähle an die Köpfe 
dürfen jedoch dieſelben dem Kopfe nicht allzu nahe kommen, damit die Wurzeln 


249 


nicht verletzt werden. Bei dieſer Erziehungsweiſe wird, wie bereits bemerkt, 
in der Regel vor dem Hacken gepfählt und angehängt, weil dadurch, wenn die 
offenen Gaſſen bereits gebildet ſind, erſteres weſentlich erleichtert wird. 

Der bedeutende Aufwand, der durch die Bepfählung eines Weinberges 
veranlaßt wird, indem bei einer Beſtockung von 4 Fuß Weite auf 2400 Stöcke 
mindeſtens 7200, bei einer Weite von 3¼ Fuß auf 3200 Stöcke mindeſtens 
8000 9600 Pfähle nöthig find, was bei einem Preiſe von 2 fl. per Hundert 
ein Kapital von 144—192 fl. repräſentirt, das längſtens binnen 8— 10 Jahren 
wieder erneuert werden muß, hat ſchon vielfache Vorſchläge zu Verminderung 
dieſer unverhältnißmäßig großen Auslagen hervorgerufen, die dahin gingen: 

a. Durch Erziehung der ſchnell wachſenden Akazie aus Samen das Pfahl— 
holz ſelbſt zu gewinnen, indem die Stämmchen, ſobald ſie die Stärke von 
1—1½ Zoll erreicht haben, dazu verwendet werden können. 

b. Die Pfähle vor dem Einſtecken mit Asphalt-Theer 2—3 mal wenig⸗ 
ſtens zur Hälfte von unten herauf zu beſtreichen, wodurch ſie vor dem ſchnel— 
len Verfaulen geſchützt werden. 

e. Die Pfähle mittelſt Eintauchen in eine Flüſſigkeit Kupfervitriol zu 
konſerviren, wodurch dieſelben gleichfalls gegen ſchnelle Fäulniß geſchützt wer— 
den und mindeſtens eine vierfache Dauer erlangen ſollen, zu welchem Behufe 
1 Pfd. Kuepfrvitriol möglichſt frei von Eiſen in 100 Pfd. Waſſer aufgelöst 
und dieſe Flüſſigkeit in alte Fäſſer, Kufen oder Züber ſo vertheilt wird, daß 
fie 12—15 Zoll hoch damit angefüllt find, worauf fo viele Pfähle in dieſelbe 
geſtellt werden, als hineingehen. Da nun die Flüſſigkeit in den Saftröhren 
des Holzes aufwärts ſteigt, ſo werden die Pfähle, beſonders wenn man Pfähle 
von grünem Holze dazu verwendet, in dem die Saftröhren noch nicht einge— 
trocknet ſind, in jener Höhe in 2—3 Wochen ganz davon durchdrungen ſein 
und oben ein bläuliches Ausſehen erhalten, worauf man ſie umkehrt und das 
andere Ende ebenſo lange in der Auflöſung ſtehen läßt. Nach der Verwen— 
dung läßt man ſie an der Luft trocknen. Gleiche Dienſte ſoll auch der Chlor— 
zink leiſten, wobei 1 Pfd. koncentrirte Chlorzinklöſung mit 20 Pfd. Waſſer 
verdünnt wird. 

Dieſe verſchiedenen, zur Erſetzung oder Erhaltung der Pfähle empfohle— 
nen Mittel ſind aber, ſoviel dem Verfaſſer bekannt iſt, noch nirgends im 
Großen angewendet worden, daher es ſehr zu wünſchen wäre, wenn in dieſer 
Richtung weitere Verſuche angeſtellt und das Verfahren dabei, das möglichſt 
einfach ſein ſollte, bekannt gemacht würde. 

Am zweckmäßigſten wäre es, wenn man immer mehr zu dem $. 126 be- 
ſchriebenen Rahmenbau übergehen und bei demſelben dann die Draht-Anlage 
einführen würde, die, nach neueren Notizen, beſonders in den Rheingegenden 
immer mehr Verbreitung findet und auch ſonſt noch manche Vortheile darbietet. 


250 


5. Das Anhängen, Anheften, Gürten. 
8. 157. 


Das Anhängen, Anheften, auch Gürten genannt, beſteht in dem Anbin⸗ 
den des Schenkels und des Bogens an den Pfahl, was gewöhnlich mit dün⸗ 
nen Weiden (Anhängweiden), hie und da auch mit Stroh oder Binſen ge— 
ſchieht. Das Anhängen muß ſogleich nach dem Pfählen vorgenommen werden, 
weil ſonſt bei ſtarken Winden die Schenkel und Bögen an die Pfähle geſchla— 
gen werden, wodurch die gewöhnlich ſchon angetriebenen Augen abfallen, daher 
man auch beim Anhängen ſelbſt darauf zu ſehen hat, daß die Bögen nicht 
ſtark bewegt und die Augen nicht abgeſtoßen werden. Das Geſchäft des An⸗ 
hängens iſt nicht unwichtig, indem durch ein zweckmäßiges Ausführen deſſel⸗ 
ben die folgenden Geſchäfte, namentlich das Verbrechen (Zwicken), ſehr erleich- 
tert und auch die Zeitigung der Trauben befördert wird. Der Bogen darf 
nicht quer, ſondern muß ſo angehängt werden, daß derſelbe den Berg hinauf 
oder hinunter und der Schnabel womöglich nicht gegen oben, ſondern gegen 
den Boden ſieht, damit die künftigen Traghölzer am hintern Theile des Bo- 
gens gegen oben zu ſtehen kommen und beim Verbrechen leicht erkannt werden 
können. Iſt dieſes nicht der Fall und ſteht der Schnabel bald oben bald un⸗ 
ten am Pfahl, ſo muß man beim Verbrechen die hinterſten Wachshölzer erſt 
mühſam ſuchen, oder es werden die beſten Hölzer abgebrochen und die Schna— 
belhölzer ſtehen gelaſſen, die man im nächſten Frühjahr zu Traghölzer oder 
Bögen nicht brauchen kann und daher wegſchneiden muß, wodurch ein Theil 
des Ertrags verloren geht. Zugleich muß bei dem Anhängen darauf geſehen 
werden, daß der Bogen oben und unten feſt an dem Pfahl anliegt und feſt 
angebunden werden kann, damit derſelbe nicht durch jeden Wind bewegt wird, 
indem dadurch die Rinde der Rebe leicht aufgerieben und brandig wird, die 
Trauben aber gerne am Stiel lahm werden und dadurch in der Zeitigung 
zurückbleiben. Hat der Schenkel zwei Bögen, ſo werden ſie auf beiden Sei— 
ten des Pfahls hie und da mit einem Klank angehängt. Sind ſtatt der Bö⸗ 
gen nur Zapfen angeſchnitten, ſo werden auch dieſe oder der ganze Schenkel 
mit Weiden an den Pfahl geheftet. Werden beim Biegen der Bögen dieſel— 
ben nicht an die Schenkel, ſondern nach §. 141 an den Pfahl gebunden, fo 
wird mit dem Anhängen der Bögen an den Pfahl auch das Biegen ver- 
bunden. 

Bei der geſtreckten Pfahl-Rahmen⸗ und Kammer⸗Erziehung wird das 
Anhängen in der Regel nach dem Schneiden und vor dem Hacken vorgenom- 
men, indem dadurch die Reben vor Beſchädigungen beim Hacken geſichert wer⸗ 
den und letzteres ſehr erleichtert wird ($. 156). Durch das Anhängen ſollen 
die Trauben dem warmen Boden zwar möglichſt nahe gebracht und dadurch 


251 


die Zeitigung derſelben befördert werden, wenn jedoch der Boden naß und 
kalt iſt, ſo darf etwas höher angehängt werden als bei warmem und trockenem 
Boden, weil ſonſt die Trauben gerne frühzeitig faulen. 


6. Außerordentliche Arbeiten. 


§. 158. 
Die Lage, der Boden und die Bebauung mancher Weinberge machen ne— 
ben den gewöhnlichen auch außerordentliche Arbeiten nöthig, die beſonders im 
Frühjahr vorzunehmen ſind und die wir hier kurz berühren wollen. 


a. Das Graben⸗Ausſchlagen. 


Wenn Weinberge ſehr ſteil und mit keinen Mauern und gepflafterten 
Waſſerabzugsfurchen verſehen ſind, oder wenn der Boden locker und leicht ab— 
ſchwemmbar iſt, werden nicht ſelten in der Mitte derſelben oder ſonſt an paſ— 
ſenden Stellen Gräben zum Auffangen und Ableiten des Waſſers angelegt, 
in welchen ſich während des Sommers und Winters Erde und Schlamm an— 
ſammeln, die von Zeit zu Zeit ausgeſchlagen werden müſſen, damit das Waſ— 
ſer in denſelben ſich gehörig anſammeln und von dort ablaufen kann. Dieſes 
Ausſchlagen hat regelmäßig im Frühjahr vor dem Hacken zu geſchehen, indem 
mit der ausgeworfenen Erde häufig die Hackſchläge gemacht werden können 
(S. 155), auch iſt daſſelbe ſowie das Reinigen der Waſſerabzugsfurchen jedes— 
mal nach heftigen Waſſergüſſen zu wiederholen. Mit dieſem Geſchäft kann 
auch das Ausſchlagen der gewöhnlich unten an den Weinbergen zum Auffan— 
gen des Waſſers und der Erde befindlichen Erd- und Waſſerlöcher oder der 
ausgemauerten und gepflaſterten Sammelkäſten (S. 98), ſowie die Reinigung 
der Wege und Staffeln verbunden werden. 


b. Das Rainpritſchen. 


Sind in den Weinbergen ſtatt der Mauern, Grasraine angelegt (§. 98), 
ſo muß auch für deren Erhaltung geſorgt werden, indem dieſelben durch die 
Winterkälte ſowie durch die Hitze, beſonders wenn ſie den Wirkungen der 
Sonnenſtrahlen ſtark ausgeſetzt ſind, ſich auflockern, zerfallen und abrutſchen. 
Um dieſes zu verhüten, müſſen ſie, ſo lange noch die Winterfeuchte im Boden 
und derſelbe weich und feucht iſt, oder nach einem ſtärkern Regenfall durch 
Pritſchen wieder feſtgemacht werden, wodurch man ſie lange erhalten kann. 
Man bedient ſich dabei einer beſondern Rainpritſche von Holz, die 4—5 Fuß 
lang und 3—4 Zoll breit iſt. 

c. Das Steineleſen. 

In hohen und ſteilen Kalkſteingebirgen, wie z. B. im mittlern Neckar⸗ 

Enz⸗ Kocher⸗ und Jagſtthale, iſt der Boden ſehr häufig mit vielen großen 


252 


und kleinen Kalkſteinen gemiſcht, die zwar auf der einen Seite die Erde vor 
dem Abflößen ſchützen, die Wärme des Bodens vermehren und die Feuchtig— 
keit länger erhalten, mithin für die Rebe ſehr zuträglich ſind, auf der andern 
aber die Bebauung der Weinberge, beſonders wenn ſie von größerem Umfange 
ſind, erſchweren, daher nach dem Hacken die größeren Steine, die bei demſel⸗ 
ben öfters zum Vorſchein kommen, zuſammengeleſen und entweder aus dem 
Weinberge geſchafft oder auf beſondere, in den Weinbergen angelegte Stein— 
haufen, ſogenannte Steinmauern (§. 111. Pkt. 9) zuſammengetragen werden, 
woraus in manchen Orten ein beſonderes Geſchäft, das Steinleſen, ge— 
macht wird. 


7. Das erſte Felgen (Rauhfelgen), Brachen, Rühren. 


8. 159. 


Je aufgelockerter der Boden in den Weinbergen iſt, deſto mehr kann die Luft und 
die Wärme ſowie die Feuchtigkeit in denſelben dringen und dadurch nicht nur die 
Auflöſung der im Boden befindlichen Nahrungsſtoffe, ſondern auch die Ausdünſtung 
des Bodens an kohlenſtoffhaltigen Subſtanzen, an Wärme und Feuchtigkeit 
befördern und dadurch ſehr wohlthätig auf das Wachsthum des Rebſtocks und 
der Trauben ſowie auf die Zeitigung der letztern einwirken. Ein öfteres Be⸗ 
arbeiten des Bodens in den Weinbergen iſt daher eine Nothwendigkeit und 
hat nach dem Hacken während des Sommers einigemale zu geſchehen. Die 
erſte Bodenarbeit nach dem Hacken, Pfählen und Anhängen iſt daher daͤs 
erſte Felgen auch Rauhfelgen genannt, weil der Boden vom Hacken noch rauh 
daliegt, oder das Rühren, Brachen oder zweite Graben. Daſſelbe ſoll nicht 
früher begonnen werden, als bis die jungen Schoſe an den Reben ziemlich 
erſtarkt ſind, indem ſie ſonſt leicht abgeſtoßen werden, doch darf daſſelbe auch 
nicht zu lange und namentlich nicht bis gegen die Blüthe im Anſtand gelaſſen 
werden. Die beſte Zeit, je nach dem Triebe der Weinberge, iſt das Ende 
des Monats Mai oder der Anfang des Monats Juni. Der Zweck des Rauh⸗ 
felgens iſt, den vom Hacken noch aufgeworfenen Boden zu ebnen, die vorhan⸗ 
denen Erdſtücke (Schollen) zu zerkleinern, ſowie den durch ſtarke Regen mit 
einer Kruſte überzogenen Boden zu öffnen und überhaupt denſelben zart und 
nach der Weingärtnerſprache mohl zu machen, damit derſelbe der Wärme und 
den ſonſtigen Einflüſſen der Witterung mehr zugänglich iſt; ferner das nach 
dem Hacken wieder angewachſene Unkraut auszurotten, zu welchem Behuf un⸗ 
ter den Rebſtöcken mit Sorgfalt gefelgt und beſonders das Flechtgras, das 
den Boden außerordentlich ausmärgelt, entfernt werden muß. In manchen 
Orten wird das Unkraut nach dem Felgen aufgeleſen und aus dem Weinberg 
geſchafft, damit daſſelbe nicht wieder neu anwachſen und durch Ausfallen des 


253 


Samens ſich nicht vermehren kann, was ſehr zweckmäßig erſcheint. Auch das 
hie und da gebräuchliche Aushauen der Unkrautbüſche nach dem Anhängen iſt 
für die Reinhaltung der Weinberge beſonders dann ſehr empfehlungswerth, 
wenn bei ſehr hitzigem Boden mit ſeichtem Obergrund in trockenen Jahren 
das öftere Bearbeiten des Bodens, damit er nicht allzuſehr austrocknet und 
die Vegetation der Rebe zum Stillſtand kommt, nicht räthlich erſcheint. Der 
dritte Zweck des Felgens iſt das Zudecken der Köpfe an den Rebſtöcken, die 
beim Hacken offen gelaſſen oder nach demſelben wieder aufgeräumt worden 
ſind (S. 136), damit fie von der Sonne nicht ausgebrannt werden, ſowie, 
wenn beim Hacken in der Mitte der Gaſſen Balken gebildet werden ($ 155), 
das Verziehen derſelben gegen die Stöcke, ſo daß der durch Luft, Wärme und 
Feuchtigkeit befruchtete Boden an dieſelben zu liegen kommt und der Weinberg 
wieder eine gleiche Fläche bildet 

Das Felgen wird mit einer kurzen, unten aber breiten Haue verrichtet, 
die wohl etwas geſchärft ſein darf, damit der Boden gehörig durchgearbeitet 
werden kann, auch muß daſſelbe aus dieſem Grunde etwas tiefer als das 
zweite Felgen (2—3 Zoll tief), und bei trockener Witterung und trockenem 
Boden geſchehen, indem ſonſt der angegebene Zweck gar nicht erreicht werden kann 
vielmehr bringt das Felgen bei naſſer Witterung und naſſem Boden durch 
das Gelbwerden der Rebſtöcke mehr Schaden als Nutzen, namentlich ſollen 
dabei die ſtärkeren Thauniederſchläge dem Trollinger ſehr ſchädlich ſein. Man 
hüte ſich jedoch durch allzutiefes Felgen die obern Wurzeln zu verletzen, indem, 
wenn dieſelben gleich im Frühjahr weggeſchnitten werden, eine Verletzung der— 
ſelben im Sommer während der Vegetation der Rebe einen Nachtheil auf die 
letztere ausüben würde. 

Bei allen Arbeiten mit der Haue arbeitet man in der Regel gegen den 
Berg, d. h. denſelben hinauf, ſo daß die Erde vom Berg herabgezogen wird, 
beim Felgen wird aber an ſteilen Bergen mit vielen ſchmalen Mauerabſätzen 
in einzelnen Gegenden, wie im mittlern Neckarthale, den Berg hinunter gear— 
beitet, jo daß die Erde den Berg hinaufgezogen wird, was inſofern als ange— 
meſſen erſcheint, weil dadurch der Boden dem betreffenden Weinbergsbeet mehr 
erhalten und das öftere Erdentragen erſpart wird. 


8. Das Binden der Reben. 
§. 160, 


Die jungen Reben ſind bei ihrem erſten Heranwachſen, beſonders in 
maſten Weinbergen ſehr weich und werden daher durch Winde und Gewitter— 
ſtürme leicht abgeriſſen. Die Natur hat ihnen zwar durch die Gabeln (Boll— 
hacken §. 3) eine Stütze gegeben, durch welche ſie ſich an alle feſte Körper an⸗ 


254 
hängen können, dieſes geſchieht jedoch nicht immer auf regelmäßige und dem 
Wachſen und Zeitigen der Traube entſprechende Weiſe, daher hier durch Kunſt 
mittelſt Anbinden der jungen Triebe an die Pfähle, Rahmen, Truder ꝛc. nad: 
geholfen werden muß. 

Das Binden der Reben hat daher zu erfolgen, ſobald dieſelben ſo weit 
(1½—2 Fuß hoch) herangewachſen ſind, daß ſie durch Winde beſchädigt wer— 
den können, oder auch durch ihre eigene Schwere herabhängen und leicht ab— 
brechen. Gewöhnlich wird daſſelbe ſogleich nach dem Verbrechen (Zwicken) 
vorgenommen, indem dann diejenigen Triebe, welche zu künftigen Traghölzern 
herangezogen werden ſollen und hauptſächlich das Anbinden erfordern, ausge— 
ſchieden ſind, während dieſes bei den eingekürzten (abgezwickten) Hölzern weniger 
nöthig iſt (S. 147, 148). Das Binden vor dem Verbrechen iſt nicht zweck- 
mäßig, weil dadurch nicht nur letzteres erſchwert, ſondern auch das Erſtarken 
des Holzes verhindert wird, und durch das Aufbinden das junge Holz mehr 
in die Länge als Stärke wächst. Aus dieſem Grunde iſt auch da, wo das 
Verbrechen, wie im Tauberthale, nicht regelmäßig vorgenommen wird, ein 
frühes Binden nicht angemeſſen. Das Verbrechen und Binden vor der Blüthe 
der Trauben gewährt den Vortheil, daß denſelben mehr Sonne und Luft zu— 
geführt wird und das Verblühen gleichmäßiger, das Wachſen der Trauben 
aber ſchneller geſchieht. Bei der Erziehung ohne Holzunterſtützung unterbleibt 
das Binden entweder ganz oder wird nur auf die in S. 122 beſchriebene Weiſe 
vorgenommen. 

Auch bei der Einkürzmethode (§. 149) kann das Binden oder wenigſtens 
das ſpätere Heften ($. 162) unterbleiben. Bei dem Binden werden die zu 
einem Schenkel gehörigen, nicht abgezwickten Hölzer (Wachs-, Stand», Trag⸗ 
hölzer) einigemal ſo an den jedem Schenkel gegebenen Pfahl gebunden (§. 124, 
125, 156), daß ſie vom Winde nicht erfaßt und hin und her getrieben werden 
können. Das Gleiche geſchieht mit den zur Nachzucht beſtimmten Kopfreben, 
hat jedoch der Kopf keinen Pfahl erhalten, ſo werden die Wachshölzer an 
einen Schenkel gebunden. 

Da wo das Ausbrechen der Aberzähne gebräuchlich iſt (S. 148), wie im 
untern Neckarthale, wird dieſes Geſchäft gewöhnlich nicht mit dem Zwicken, 
ſondern mit dem Binden verbunden, wobei es vor dem Anbinden der Ruthen 
zu geſchehen hat. 

Das Anbinden erfolgt mit Stroh, man nimmt 2—3 Halme, umwendet 
damit Ruthen und Pfahl und befeſtigt dieſelben durch einen ſogenannten Klank. 
Roggen- oder Einkornſtroh iſt, weil es die meiſte Zähigkeit hat, das tauglichſte 
zum Binden, Dinkelſtroh bricht gerne ab. In manchen Gegenden nimmt man 
ſtatt des Strohs Binſen, wodurch das oft ſehr theure Stroh erſpart wird. 
Bevor das Stroh zum Binden gebraucht wird, muß es durch eine etwas weite 


hölzerne Neff gezogen und dadurch von Gras, Unkraut und dem verwirrten 
Stroh gereinigt werden, die reinen Halme werden dann in ſogenannte Schäube 
(kleinere Büſchel) gebunden und oben abgehauen, damit die Halme eine gleiche 
Länge erhalten und die Klanke nicht zu lang werden und dadurch an den 
Stöcken herumflattern. Unmittelbar vor dem Binden werden die Strohſchäube 
in Waſſer getaucht, und beſonders die ſtarken Roggenhalme etwas mit den 
Füßen getreten, um ſie weicher und gelenkiger zu machen. Die Strohbänder 
ſollen nur locker und nicht feſt angelegt werden, weil ſonſt dieſelben in die 
weichen Triebe leicht einſchneiden und fie verletzen oder die Safteirkulation 
leiden könnte. Auch ſind die einzelnen Triebe beim Zuſammenbinden nicht 
zu ſtark anzuziehen, und Trauben und Laub nicht unter das Band zu bringen, 
weil die Triebe ſonſt abbrechen oder zu gedrängt auf einander zu liegen kom— 
men, wodurch Trauben und Blätter zu ihrer Entwicklung zu wenig 
Luft und Licht erhalten. Gut iſt es daher, wenn die Triebe etwas 
bogen⸗ oder keſſelförmig und jedenfalls nicht gekreuzt, ſondern freiſtehend an- 
gebunden werden, ſo daß innerhalb des leeren Raums die Träubchen hängen 
und ſich gehörig entwickeln können. Beſonders ſind die Bodenhölzer aus dem 
Kopfe öfters ſo ſeitwärts ausgewachſen, daß ſie beim ſtarken Anziehen leicht 
abbrechen, daher ſie nicht mit Gewalt an den Pfahl oder Schenkel gezogen 
werden dürfen, ſondern mehr bogenförmig, oder es kann denſelben noch ein 
beſonderes Pfählchen gegeben werden. 

Außerdem hat das Binden nur bei trockener Witterung und auch nicht 
bei ſtarkem Morgenthau zu geſchehen, indem das Arbeiten an den Rebſtöcken 
bei naſſer Witterung, wie ſchon mehrmals bemerkt wurde, ſchädlich iſt und 
wenn das feuchte Laub zuſammengebunden wird, daſſelbe ſich leicht erhitzen, 
faulen und mit den Trauben abſtändig werden kann. 


9. Das zweite Felgen, Rühren, Lanutergraben. 
§. 161. 


Bei dem zweiten Felgen verfolgt man ähnliche Zwecke, wie bei dem erſten 
Felgen, der Boden ſoll durch daſſelbe der Wärme, der Luft und der Feuchtig⸗ 
keit wiederholt geöffnet und das Unkraut vertilgt werden. Daſſelbe iſt auch 
in dem Falle nicht zu unterlaſſen, wenn das erſte Felgen aus dem in §. 159 
angeführten Grunde unterblieben iſt, weil ſonſt das Unkraut allzuſehr überhand 
nehmen könnte und der Boden, der die Winterfeuchtigkeit längſt verloren hat, 
allzuſehr geſchloſſen bliebe, auch ein lockerer Boden ſich weit weniger als ein 
ſtreng geſchloſſener erwärmt, dagegen Luft und Feuchtigkeit weit eher, als ein 
geſchloſſener zu den Wurzeln dringen läßt und erfahrungsgemäß den Thau 
weit mehr anzieht. Daſſelbe darf nicht ſo tief, wie das erſte geſchehen, ſon⸗ 


256 


dern der Boden höchſtens einen Zoll tief aufgerührt werden. In Württem⸗ 
berg erfolgt das zweite Felgen in den Weinbaugegenden mit kräftigem Thon— 
und Lehmboden, der ſich bälder ſchließt und ſchnell wieder Unkraut treibt, 
in der Regel im Monat Auguſt, mithin zur heißeſten Zeit des Jahres, daher 
man ſich während der Mittagshitze bei ſtarkem Sonnenſchein hüten muß, dieſes 
Geſchäft zu verrichten, weil die Trauben ſonſt gerne braten. Iſt viel Gras 
und Unkraut im Weinberg, was in naſſen Jahrgängen, beſonders im kühlen 
Boden, nicht ſelten der Fall iſt, ſo iſt es zweckmäßig, wenn der Weinberg vor 
dem Felgen ausgegrast und das Unkraut aus demſelbeen entfernt wird, damit 
ſich daſſelbe durch Ausfallen des Samens nicht weiter verbreitet. 

In andern Weinbaugegenden, wie z. B. im Rheinthale, wird das zweite 
Felgen oder das zweite Rühren, das auch drittes Hacken oder Graben oder 
Lautergraben genannt wird, ſpäter und in der Regel erſt dann vorgenommen, 
wenn die Trauben weich werden wollen, oder ſich läutern ſollen, weil in dem 
dortigen, meiſt warmen, ſandigen, zum Theil etwas magern Boden, das Un— 
kraut ſich nicht ſo ſchnell vermehrt und ein Oeffnen des mehr lockern Bodens 
zur heißen Jahrszeit denſelben allzuſehr austrocknen würde, auch fällt dort viel— 
leicht weniger Regen als in den höher liegenden mehr bewaldeten Neckarge— 
genden. Zugleich ſoll dort durch das zweite Felgen zu Ende des Monats 
Auguſt oder im Monat September, wo die Tageswärme nicht mehr ſo ſtark 
iſt, daß fie ſchaden könnte, der Boden derſelben geöffnet und dadurch die Aus- 
bildung und Reife der Trauben weſentlich gefördert werden. 

Daſſelbe iſt jedoch nur bei trockener Witterung vorzunehmen, indem die 
Vornahme bei naſſer Witterung nicht nur, wie das erſte Felgen, nachtheilig 
auf den Rebſtock einwirken, ſondern auch die entgegengeſetzte Wirkung herbei— 
führen, nämlich ſtatt Wärme, Feuchtigkeit in den Boden bringen und ſtatt zur 
Verdünſtung der letztern beizutragen, dieſelbe noch vermehren würde. 

In der Bodenſeegegend, wo das Gras in den Rebländern ſehr üppig 
wächst, wird mit dem zweiten Felgen noch ein beſonderes Geſchäft, das Jä— 
ten oder Grasausziehen verbunden, was mit der Hand oder mit einer Gabel 
von zwei Zinken geſchieht und wobei das Gras entweder durch Liegenlaſſen 
auf dem Boden oder durch Aufhängen an den Stecken (Pfählen) gedörrt und 
als Winterfutter nach Hauſe geſchafft wird. 


10. Das Heften oder zweite Binden. 
162 


Das raſche Wachſen der jungen Triebe der Rebe dauert fort, bis das 
Holz und die Traube zu zeitigen beginnt, in triebigem Boden, wie im Neckar⸗ 
thale und ſeinen Seitenthälern, muß daher im Monat Auguſt auf das erſte 


257 


Binden noch ein zweites folgen, bei dem die nachgewachſenen Triebe, wie beim 
erſten Binden, mit Stroh an den Pfahl gebunden werden, was man Heften 
heißt, wahrſcheinlich weil die Triebe ſchwächer ſind und kein ſo ſtarkes und 
feſtes Band mehr erfordern. Bei dieſem Heften werden zugleich die erſten 
Bänder, welche durch Winde ꝛc. losgeriſſen wurden, ergänzt, und, wo das 
Ausbrechen der Aberzähne an den Tragreben üblich iſt, dieſelben, um die 
Reife des Holzes zu befördern, nochmals ausgebrochen. 

Das Heften wird im Monat Auguſt, je nachdem ſich neue lange Triebe 
zeigen, entweder vor oder nach dem zweiten Felgen vorgenommen, in manchen 
Weinbaugegenden, wo die Triebkraft der Rebe geringer iſt, aber ganz unter— 
laſſen. 


11. Das dritte Felgen 


§. 163. 

wird, wenn die Trauben weich werden und zu reifen beginnen, vorgenommen 
und hat den Zweck, den Weinberg von dem nachgewachſenen Unkraut noch- 
mals zu ſäubern, hauptſächlich aber um durch Oeffnung des Bodens der Luft, 
Wärme und Feuchtigkeit Zutritt zu verſchaffen und dadurch die Traubenreife 
zu befördern, auf die es einen weſentlichen Einfluß hat, und ſollte daher da, 
wo ein öfteres Felgen wegen der Bodenverhältniſſe nothwendig erſcheint, nie 
verſäumt werden. Die Vornahme deſſelben iſt jedoch nur bei trockenem Bo- 
den und nicht bei naſſer Witterung anzurathen, indem im letztern Falle durch 
das Felgen das Faulen der Trauben, beſonders in mehr ebenen Lagen mit 
kräftigem Thon⸗ und Lehmboden, ſehr befördert würde. 

Bei dieſem Geſchäft ſind auch an denjenigen Stöcken, an welchen die 
Trauben auf dem Boden liegen, unter denſelben Grübchen in den Boden zu 
machen, oder dieſelben an den Stöcken hinaufzubinden, damit fie wieder frei- 
hängen und dadurch weniger dem Faulen und der Beſchädigung durch Inſekten 
ausgeſetzt ſind, ſo daß ſie geſund und ausgereift in die nun bald beginnende 
Weinleſe kommen. 


12. Das Bandaufſchneiden und Pfähleausziehen. 


8. 164. 


Iſt der Herbſt vorüber, ſo hat der Weingärtner zunächſt dafür zu ſorgen, 
daß die Reben vor den ſchädlichen Einflüſſen der Winterwitterung geſchützt 
werden. Das erſte Geſchäft beſteht in dem Bandaufſchneiden und Pfähleaus- 
ziehen, erſteres hat aber auch da zu geſchehen, wo kein Pfahlbau ſtattfindet, 
oder wo die Pfähle (Stecken), wie in der Bodenſeegegend, im Boden ſtecken 
bleiben und wo die Reben nicht niedergelegt werden, weil dieſelben, wenn ſie 

17 


258 


reiſtehen und vom Winde hin und her bewegt werden können, ſchnell abtrod- 
nen und dem Glatteis während des Winters weniger ausgeſetzt ſind. Das 
Aufſchneiden der Bänder geſchieht mit dem Rebmeſſer (Hape), wobei nicht nur die 
Stroh- ſondern auch die Weidenbänder aufgeſchnitten werden müſſen, ſo daß 
der Rebſtock von dem Pfahle oder der ſonſtigen Holzunterſtützung ganz be- 
freit wird. 

Das Pfähleausziehen erfolgt mit der Hand, indem man den Pfahl mit 
beiden Händen faßt und gerade in die Höhe zieht, bis er aus dem Boden iſt. 
Bei ſchrägem Ausziehen brechen die Pfähle, beſonders bei trockenem Boden, 
gerne ab, was ſorgfältig zu vermeiden iſt, indem durch das häufige Abbrechen 
kein unbeträchtlicher Schaden entſteht. 

Nach dem Ausziehen werden die Pfähle armvollweiſe auf den Boden ge— 
legt, fo daß der untere Theil den Berg hinabſieht; nachher werden ſie ent- 
weder zum Niederlegen der Reben verwendet, oder man legt ſie in Schrägen. 
auf die Weiſe ein, daß zwei Pfähle in Entfernungen von 2 Fuß ſchräg gegen 
einander in den Boden geſtoßen werden, damit ſie oben ein Kreuz bilden, in 
das man dann die Pfähle einlegt, und wobei die unteren Spitzen derſelben 
auf den Boden zu liegen kommen, oder man ſchlägt der Länge nach in Ent⸗ 
fernungen von 4 Fuß vier Pfähle in den Boden, ſo daß ſie zwei Kreuze bil— 
den und ſchafft dann in dieſelben die übrigen Pfähle, damit ſie frei in der 
Luft liegen, auch kann man ſogenannte Pfahlſchaften machen, indem man vier 
ſtarke Pfähle 2 Fuß in der Breite und 4 Fuß in der Länge in den Boden 
ſchlägt, hinten und vornen die Erde etwas aufwirft und auf dieſe Aufwürfe 
kurze Pfähle legt, auf die dann die übrigen Pfähle der Länge nach zu liegen 
kommen, ſo daß ſie nirgends den Boden berühren und daher bei ſchlechter 
Witterung leicht wieder abtrocknen. Ferner kann man die eingeſchlagenen 
Pfähle oben kreuzen und das Kreuz mit einer Weide befeſtigen und ſofort in 
dieſe Pfahlſchaft die Pfähle, das untere Theil den Berg hinab gerichtet, ein- 
ichieben, ſo daß das Ganze wie ein Dach oben zulauft, wodurch Regen und 
Schneewaſſer leicht ablaufen und in das Innere der Pfahlſchaft ſelten Waſſer 
eindringen kann. 

Die letztern Aufbewahrungsweiſen ſind für die Erhaltung der Pfähle die 
zweckmäßigſten. In hohen und ſteilen Weingebirgen mit vielen Mauerabſätzen 
werden die Pfähle hie und da an die Mauern geſtellt; es hat jedoch dieſe, 
ſowie die erſtere Behandlungsweiſe das Nachtheilige, daß der untere Theil der 
Pfähle während des ganzen Winters auf der Erde ſteht, wodurch das Fau⸗ 
len des Holzes befördert wird. 

Iſt der Boden in den Weinbergen ſehr ſtrenge und zähe und geſchieht 
das Pfahlausziehen bei weichem Boden, ſo daß das Loch, in dem der Pfahl 
geſteckt iſt, nicht ſelbſt zufällt, ſo iſt es zweckmäßig, wenn die Löcher mit dem 


259 


Fuße zugetreten oder ſpäter mit der Haue zugeräumt werden, weil ſich fonft 
Waſſer in denſelben anſammeln könnte, das, wenn es während des Winters 
gefriert, auf die Wurzeln der Rebſtöcke ſehr ſchädlich wirken würde. Bei 
Weinbergen, welche mit Erde gedeckt werden, geſchieht dieſes gelegentlich des 
Deckens. 


13. Das Niederlegen und Bedecken (Trechen, Beziehen) der Reben. 


§. 165. 


Durch das Niederlegen und Bedecken der Reben vor dem Winter ſollen 
die Rebſtöcke vor der Winterkälte geſchützt werden, indem in ſtrengen Wintern 
nicht nur die unbedeckten Ruthen, ſondern auch die Schenkel und die Köpfe im 
Boden erfrieren können, wodurch der ganze Stock zu Grunde geht. 

Das Decken der Reben iſt jedoch in den ſüdlichen Weinbaugegenden, wo 
keine ſtrenge Winterkälte vorkommt, gar nicht und auch in mehr nördlichen 
Gegenden nicht überall eingeführt, je nachdem die beſondern klimatiſchen Ver- 
hältniſſe daſſelbe mehr oder weniger fordern, oder die Vortheile und Nach— 
theile deſſelben, die wir hienach näher bezeichnen werden, für überwiegend ge— 
halten werden. Das Niederlegen und Decken, auch Beziehen oder Trechen 
genannt, geſchieht theils mit Erde, theils mit Steinen, theils mit Raſen oder 
Pfählen und hie und da auch mit Stroh, man muß übrigens zwiſchen dem 
Niederlegen und Decken unterſcheiden, indem durch erſteres der Rebſtock blos 
auf den Boden niedergelegt und durch aufgelegte Steine oder Pfähle dort 
feſtgehalten wird, während er durch das Decken nicht blos auf dem Boden 
niedergehalten wird, ſondern auch noch durch Erde, Raſen, Stroh eine ſchü— 
tzende Decke bekommt, was auf die Geſundheit und die Erhaltung, ſowie auf 
den Ertrag der Rebe hie und da von Einfluß iſt. Das Niederlegen und 
Decken mit Erde iſt im Allgemeinſten verbreitet. Man nimmt das zu einem 
Stock gehörige Rebholz mit der Hand zuſammen und legt es gegen den Berg 
auf den Boden nieder, tritt mit dem einen Fuß darauf, hebt mit der breiten 
Trechhaue Erde neben dem Stock aus und bedeckt damit die Schenkel und 
Ruthen, daß ſie auf dem Boden liegen bleiben. Weil jedoch ſtarke Schenkel 
durch das allzutiefe Niederlegen gerne abſpringen, ſo iſt es angemeſſen, wenn 
vor dem Niederlegen etwas Erde gegen den Kopf herangezogen wird, ſo daß 
die Schenkel auf dieſelbe zu liegen kommen und dadurch nicht hohl liegen, 
ſondern einen feſten Stützpunkt haben. Außerdem wird auch der Kopf etwa 
½ Fuß lang gegen die Schenkel mit Erde bedeckt (angehäufelt) und dadurch 
gleichfalls vor dem Erfrieren geſichert. Bei dieſem Decken iſt hauptſächlich 
auf gute Bedeckung des Kopfes und der Schenkel zu ſehen, weil auch während 
des Winters die Safteirkulation in dem Holz nicht ganz aufhört und wenn 

U 


260 


dann nur die Ruthen, die Schenkel aber nicht bedeckt ſind und daher kalt lie⸗ 
gen, Saftſtockungen eintrete können, wodurch dieſelben grindig werden und 
abſterben. Bei Weinbergen, bei welchen die geſtreckte Pfahlerziehung einge⸗ 
führt iſt, iſt es zweckmäßig, wenn nicht ſämmtliche Reben den Berg hinauf, 
ſondern nach der Erziehung ($. 125) ein Schenkel den Berg hinauf, der an⸗ 
dere den Berg hinab niedergelegt wird, weil der letztere, wenn er gegen den 
Berg hinauf gezogen wird, leicht abbrechen kann. Bei dem Beziehen mit 
Erde muß man den Boden genau unterſuchen und kennen, ob er keine den 
Augen ſchädliche Beſtandtheile enthält, indem bei dem Vorhandenſein von vie— 
lem Gyps, Kalk oder ſalpeterartigen Beſtandtheilen die Augen gerne ausge⸗ 
freſſen werden (freſſender Boden) und der Ertrag dadurch geſchmälert wird. 
Bei ſolchen Bodenarten iſt es daher angemeſſener, wenn die Rebſtöcke entwe⸗ 
der gar nicht bedeckt oder mit Steinen oder Pfählen niedergelegt, oder, wie 
im Tauberthale, nur an der Spitze der Ruthe, die beim Schneiden hinweg— 
fällt, mit Erde bedeckt oder zuvor mit Stroh überlegt werden. Das Nieder⸗ 
legen mit Steinen kommt hauptſächlich da vor, wo wegen des ſteinigen Bo— 
dens nicht mit Erde gedeckt werden kann. Hier werden auf die Schenkel und 
Ruthen Steine, die in den Weinbergen aufbewahrt werden (S. 153), gelegt, 
damit ſie auf dem Boden liegen bleiben, der Kopf aber mit Dünger zugedeckt, 
der im Frühjahr unter dem Kopf eingehackt wird. 

Werden die Pfähle zum Decken der Rebſtöcke verwendet, ſo drückt man 
dabei Schenkel und Ruthen auf die angegebene Weiſe auf den Boden und 
belegt ſie ſofort quer mit 4—6 Pfählen, durch die ſie auf dem Boden gehalten 
werden, denn es iſt eine alte Erfahrungsweiſe, daß die Reben nicht erfrieren, 
wenn ſie auch nicht bedeckt, ſondern nur auf den Boden niedergelegt und da— 
durch vor den kalten und ſtrengen Nordoſtwinden geſchützt ſind. Blos vor 
dem Glatteis, durch das häufig die Augen beſchädiget werden, ſchützt das Nie- 
derlegen mit Pfählen oder Steinen nicht überall, dagegen bleiben die Augen 
dabei, beſonders in naſſen Wintern, geſünder als in dem feuchten Boden und 
die Rebſtöcke werden gegen die kalte Frühjahrswitterung nicht ſo empfindlich, daher 
ein derartiges Niederlegen mehr Nachahmung finden dürfte. Mit Pfählen 
kann man übrigens, weil man mehr Pfähle braucht als der einzelne Stock 
hat, nur ungefähr die Hälfte der Reben niederlegen, die andere Hälfte wird 
dann mit Erde oder Steinen gedeckt. Das Niederlegen mit Pfählen kann 
auch noch dadurch vollzogen werden, daß man die Reben mit den Pfählen auf 
den Boden ſpannt, indem man dieſelben theils ſchief auf die Reben legt, theils 
unter die Schenkel ſchiebt, wodurch man eine Spannung und einen Druck 
auf die Reben hervorbringt, durch den ſie auf dem Boden gehalten werden, 
wobei aber hie und da auch ein Schenkel abſpringen kann. 

Das Decken mit Raſen kann nur da nachhaltig in Anwendung kommen, 


261 


wo Gelegenheit zum Stechen deſſelben auf Oedungen und Waiden der Ge: 
meinden gegeben iſt. Ebenſo iſt auch das Decken mit Stroh, wie es in der 
Bodenſeegegend bei Ravensburg eingeführt iſt, wegen der Koſtſpieligkeit und 
des Mangels an Stroh in vielen Weinbaugegenden nicht anwendbar, auch hat 
daſſelbe ſowie das Decken mit Moos und Laub den Nachtheil, daß beide zu— 
viel Näſſe aufnehmen, dadurch ſich erhitzen, faul werden und hiedurch, ſowie 
durch das baldige Erregen der Vegetation der Rebe Schaden bringen, über— 
dies Mäuſen und andern Thieren zum Aufenthalt dienen, von welchen die 
Augen der Reben ausgefreſſen werden. Bei der Schenkelerziehung läßt ſich 
das Niederlegen und Decken der Rebſtöcke in der Regel nur theilweiſe aus- 
führen, indem die aufrecht ſtehenden, öfters ſtarken Schenkel, wenn ſie nicht 
brechen ſollen, nicht immer gebogen und niedergelegt werden können, daher 
dieſes gewöhnlich nur bei den Ruthen ſtattfinden kann. 

Das Niederlegen und Decken der Reben kann ſogleich nach dem Pfahl⸗ 
ausziehen vorgenommen werden, jedoch nicht bälder, als bis dieſelben ihre voll- 
kommene Reife erlangt haben, holzig und braun geworden ſind, gewöhnlich zu 
Anfang oder im Laufe des Monats November. Das Niederlegen muß mit 
Vorſicht und ſo geſchehen, daß die Reben höher zu liegen kommen als das 
ſie umgebende Erdreich, damit ſich kein Waſſer unter denſelben anſammeln 
kann, auch muß man, beſonders da, wo mit Erde gedeckt wird, ſich nach der 
Witterung und der Bodenbeſchaffenheit richten, indem mit ganz trockenem Bo⸗ 
den nicht gut gedeckt werden kann, weil derſelbe zerfällt und dadurch nicht auf 
den Reben liegen bleibt, wodurch dieſelben ſich wieder aufrichten. Der Boden 
ſoll daher feucht, aber nicht naß ſein. Das Decken bei Regenwetter oder nach 
gefallenem Schnee iſt nicht angemeſſen, weil, wenn die Stöcke naß oder mit 
Schnee umgeben unter den Boden kommen, beſonders wenn er nicht austrock— 
net, ſondern bald darauf gefriert, leicht Schaden nehmen können. 


8. 166. 


Das Niederlegen und Bedecken der Rebſtöcke gewährt den Vortheil, daß 
dieſelben vor der Beſchädigung nicht nur durch die ſtrenge Winterkälte, ſon⸗ 
dern durch das Bedecken auch in minder ſtrengen Wintern vor dem den Au— 
gen ſehr ſchädlichen Glatteis geſchützt ſind, und daß bei dem Bedecken mit 
Erde der aufgezogene Boden den Einwirkungen der Kälte blos geſtellt und 
dadurch nicht nur milder wird, ſondern auch aus der Atmosphäre ſich mit 
nährenden Beſtandtheilen ſchwängern kann, auch werden viele Unkrautwurzeln, 
ſowie die im Boden befindliche Inſektenbrut zerſtört, und die Reben vor dem 
nachtheiligen Benagen durch Thiere (Haſen ꝛc.) geſchützt. 

Die Nachtheile beſtehen jedoch darin, daß die Rebſtöcke verweichlicht wer⸗ 
den und daher nicht nur für manche Krankheiten empfänglicher ſind, ſondern 


262 


auch durch die Frühjahrsfröſte nicht ſelten bälder als das ungedeckte Holz 
Schaden nehmen und kein ſo hohes Alter erreichen als ungedeckte Stöcke. 

An den ungedeckten Reben kann das Holz, beſonders wenn nicht bald 
ſtrenge Kälte eintritt, weit mehr auszeitigen, die Saftgefäſſe (Poren) deſſelben 
werden ſtärker und ziehen ſich enger zuſammen, widerſtehen dadurch mehr der Kälte, 
und das Holz treibt häufig mehr Trauben, als das gedeckte Holz, wenn gleich 
hie und da behauptet werden will, daß die Trauben an letzteren vollkommener 
werden und dadurch hinſichtlich des Ertrags kein Unterſchied ſtattfinde. Bei 
den ungedeckten Reben können überdieß die Frühjahrsarbeiten weit früher 
beginnen, oder ſchon nach dem Herbſt vorgenommen und dadurch namentlich 
das Schneiden ſorgfältiger, rechtzeitiger und ohne großen Saftverluſt vollzo— 
gen werden ($. 140), auch werden die Koſten des Deckens und des Aufziehens 
der Reben erſpart. 

Die Vorzüge des Nichtdeckens ſcheinen daher größer als diejenige des 
Deckens zu fein, daher das letztere in den höhern Bergen und geſchützten La— 
gen, wo Kälte und Froſt weit ſeltener Schaden thun, in der Regel und be— 
ſonders auch noch aus dem Grunde unterlaſſen werden dürfte, weil in den 
ſteilen Bergen die Sonne den Schnee weit ſchneller als in niedern Lagen 
ſchmilzt und durch das öftere Aufthauen und Zugefrieren deſſelben während 
der Nächte, die niedergelegten Reben durch Bildung von Glatteis ꝛc. weit 
mehr Schaden nehmen, als wenn ſie freiſtehen und durch die Winde und 
Sonnenwärme ſchnell abtrocknen. 

Das Niederlegen und Decken der Reben ſollte deßhalb auf niedere und 
unbeſchützte Lagen, jo wie auf den Rücken der Berge, wo die kalten und ſtren⸗ 
gen Winde überall Zutritt haben, beſchränkt und dabei hauptſächlich darauf 
geſehen werden, daß mehr mit Pfählen und Steinen niedergelegt, als mit 
Erde ganz gedeckt wird, weil bei Erſterem die Reben, aus dem bereits ange- 
führten Grunde, geſünder bleiben und weniger Schaden nehmen. 

Außerdem ſollte bei der Entſcheidung der Frage, ob gedeckt oder nicht ge— 
deckt werden ſoll, auch auf die Rebgattungen Rückſicht genommen werden, in⸗ 
dem es eine Thatſache iſt, daß Reben mit engen Saftgefäſſen (Poren) weit 
länger Kälte und Froſt, ohne Schaden zu nehmen, ertragen können, als die⸗ 
jenigen mit weiten Gefäſſen. Zu jenen ausdauernden Reben gehört nament⸗ 
lich der Rießling, daher derſelbe in manchen Gegenden ſchon ſeit vielen Jah⸗ 
ren nicht mehr gedeckt wird, ohne daß man irgend einen Nachtheil dabei ver⸗ 
ſpürt hat. Auch ein weiterer Umſtand, wenn nämlich einzelne Rebgattungen 
mehr an den vordern Augen Trauben treiben, wie z. der Urban, dürfte Be⸗ 
achtung finden, indem durch das Niederlegen und Decken ſolcher Reben, die 
vorderen Augen leicht beſchädigt werden, daher es angemeſſen ſein wird, wenn 
ſolche ungedeckt bleiben. 


263 


Bei dem Unterlaſſen des Deckens ift jedoch die Vorſicht zu gebrauchen, 
die Köpfe der Rebſtöcke ſtark, etwa /. —! Fuß hoch mit Erde anzuhäufeln, 
damit jedenfalls der Kopf und der untere Theil der Schenkel vor der ſtrengen 
Kälte geſchützt ſind, ſo daß, wenn auch der übrige Theil des Stocks erfriert, 
derſelbe wieder neue Triebe machen kann, wodurch ſich manche Stöcke, wie 
nach dem ſtrengen Winter von 1860-61 wieder ganz verjüngen. 


X. Die Düngung. 


8. 167. 

Die Rebe, wenn ſie gehörig gedeihen ſoll, bedarf, wie jede andere Pflanze, 
einer angemeſſenen Ernährung, die Stoffe, welche dazu tauglich ſind, empfängt 
ſie theils aus der Luft, theils aus dem Erdboden. 

Die Luftnahrung beſteht in den §. 61 beſchriebenen Bereit der 
Luft, ſowie in der Wärme⸗ und Feuchtigkeits⸗ (Regen-) Entwicklung derſelben 
(8. 62), die der Rebe theils durch die Poren der Blätter, theils durch die— 
jenigen der Wurzeln zukommen. Außerdem enthält aber auch der Boden ver— 
ſchiedene Beſtandtheile (Erde, Metalle, Salze, Humus ꝛc.), die der Rebe zur 
Nahrung dienen, und, nachdem ſie durch die Luft, Wärme und Feuchtigkeit 
aufge löst ſind, derſelben in flüſſigem Zuſtande zugeführt werden. 

Die Luftnahrung wird durch die Ausdünſtungen des Bodens und der 
Pflanzen, ſowie durch die Strömungen der Luft fortwährend erſetzt (S. 63), 
bei den in dem Boden enthaltenen Nahrungsſtoffen iſt dieſes aber weniger 
der Fall, indem dieſelben nach und nach von den darauf gebauten Pflanzen 
aufgezehrt werden, und wenn ſie nicht mehr in gehöriger Menge, oder gar 
nicht mehr vorhanden ſind, denſelben, und insbeſondere der Rebe, nur noch 
ein dürftiges Vegetiren geſtatten. Damit nun die letztere die natürlichen 
Nahrungsſtoffe in gehöriger Menge und auf die leichteſte Weiſe erhält, dazu 
dienen die bereits abgehandelten Bodenarbeiten; die im Boden enthaltenen, von 
der Rebe aber abſorbirten Nährtheile müſſen dagegen auf künſtliche Weiſe er⸗ 
ſetzt werden und dieß führt zur Düngung der Weinberge. 

In ſüdlichen Ländern, wo die natürlichen Nahrungsſtoffe durch die clima⸗ 
tiſchen Verhältniſſe auf die Rebe weit kräftiger wirken, iſt die Düngung der— 
ſelben hie und da ganz überflüſſig, oder weit ſeltener nöthig, in nördlicheren 
Gegenden, wie unſer Deutſchland, kann dieſelbe aber nicht umgangen werden, 
weil dadurch der Rebe nicht nur neue Nahrung zugeführt, ſondern auch durch 
die Verweſung der meiſten Düngerarten Wärme im Boden verbreitet, ver- 
ſelbe gelockert, dadurch der Zutritt der äußern Wärme erleichtert und ſomit 
auch derjenige der natürlichen Nahrungsſtoffe, ſowie überhaupt die durch die 
elimatiſchen Verhältniſſe weniger begünſtigte Vegetationskraft befördert wird 


264 


Unter Dünger verſteht man im Allgemeinen jeden Körper, der zur Er⸗ 
nährung der Pflanzen dient; nicht jede Pflanze hat aber die gleichen Nahrungs⸗ 
ſtoffe nöthig (§. 63) und auch diejenigen für die einzelnen Rebgattungen erfor⸗ 
derlichen find nicht immer die gleichen, daher bei der Anwendung der vers 
ſchiedenen Düngerſtoffe darauf beſondere Rückſicht zu nehmen iſt. 

Nach den in §. 75 enthaltenen Unterſuchungen beſtehen die Hauptbeſtand⸗ 
theile der Rebe in Kali, Natron, Kalk, Magneſia (Bittererde) und Phosphor, 
auch hat dieſelbe zu der Hervorbringung kräftiger Früchte eine gewiſſe Menge 
ſtickſtoffhaltiger Materien (Ammoniak) nöthig, daher durch die Düngung der— 
ſelben vorzugsweiſe jene Stoffe zugeführt werden müſſen. Sie ſind nach 
§. 65 theils in verſchiedenen Metallen, aus welchen unſere Erdrinde beſteht, 
alſo auch in dem gebauten Boden, theils in Pflanzen und Thierkörpern ent⸗ 
halten, daher die Düngerſtoffe eingetheilt werden in 

Organiſche und in 

Unorganiſche oder Mineralſtoffe. 

Um jedoch richtig beſtimmen zu können, welche von den verſchiedenartigſten 
Düngerſtoffen dem Weinbergsboden zuzuſetzen ſind, muß man die Beſchaffenheit 
der einzelnen Bodengattungen genau kennen, und deßhalb iſt insbeſondere beim 
We inbaue eine genaue Bodenkunde eine unerläßliche Bedingung (§. 74), denn 
jeder Dünger wirkt nur da wohlthätig auf die Pflanzen, wo ſein Stoff im 
Boden entweder ganz fehlt oder nicht in gehöriger Menge vorhanden iſt, ſo 
daß da, wo er ſchon genügend zugegen, ein Uebermaß deſſelben eine ganz ent⸗ 
gegengeſetzte Wirkung hervorbringen könnte, wie z. B. in einem kalkreichen 
Boden eine ſtark kalkhaltige Düngung keine günſtige Wirkung haben kann, 
während in einem kalkarmen Boden dieſelbe von ſehr gutem Erfolge ſein wird. 

Aus eben dieſem Grunde muß der rationelle Weinbauer auch mit den 
verſchiedenen Beſtandtheilen der verſchiedenen Düngerarten genau bekannt ſein, 
indem er ſonſt nicht beurtheilen kann, welche Subſtanzen derſelbe enthalten 
muß, um die dem Boden durch die Erzeugung der Traube entzogene Kraft 
wieder vollſtändig in dem Dünger zu erſetzen und eine unpaſſende Düngung 
dieſen Erſatz, wie bereits angeführt, nicht nur nicht leiſtet, ſondern ſogar 
ſchädlich wirken und dadurch immer mehr zur Entkräftung des Bodens bei- 
tragen kann. Mit Beſtimmtheit wird man daher annehmen dürfen, daß die 
in einzelnen Gegenden verſuchte Anpflanzung edler Traubengattungen (Clevner, 
Traminer) hauptſächlich nur aus dem Grunde mißlungen iſt, weil für dieſel⸗ 
ben nicht der zu ihrer nachhaltigen Ernährung geeignete Boden gewählt und 
derſelbe durch eine entſprechende Düngung auch nicht zu verbeſſern, oder bei 
angemeſſenem Boden die Bodenkraft durch eine paſſende Düngung nicht zu er⸗ 
halten geſucht wurde. 

Die Beſtandtheile der Rebe und die zu ihrer Ernährung erforderlichen 


265 


Stoffe lernen wir aus einer genauen Unterſuchung der Beſtandtheile des Neb- 
holzes und Laubes (§. 75), dasjenige, was dem Boden jährlich durch die Er— 
zeugung der Frucht entzogen wird, durch die genaue Unterſuchung der Traube 
kennen, es wird deßwegen, wenn man einmal mit dieſen Momenten bekannt 
iſt, nicht mehr ſchwer werden, zu beurtheilen, welcher Boden für die Anpflan- 
zung jeder einzelnen Rebgattung der geeignetſte iſt, und welche Düngerſtoffe 
zur Erhaltung und Ergänzung der Bodenkraft erforderlich ſind. 

Weil übrigens nicht jeder Weinbauer mit den Unterſuchungen der Be— 
ſtandtheile der einzelnen Boden- und Rebgattungen umgehen kann, ſo würden 
ſich unſere landwirthſchaftlichen Anſtalten und Weinbauſchulen ein großes Ver— 
dienſt erwerben, wenn ſie, wie es auch bereits von einzelnen Freunden und 
Beförderern des Weinbaues geſchehen iſt (§. 70, 75), in jener Beziehung 
weitere Unterſuchungen nach gleichen Principien vornehmen und die Reſultate 
von jeder Weinbaugegend beſonders bekannt machen würden. 

Die Nahrung, welche die Rebe durch die Atmosphäre bezieht (Stickſtoff, 
Kohlenſäure), werden derſelben durch die Luft und das Waſſer zugeführt 
(§. 63), es handelt ſich daher bei der Ergänzung der Bodenbeſtandtheile 
durch den Dünger hauptſächlich um diejenigen der feſtern Beſtandtheile (Al- 
kalien), die theils in den organiſchen (vegetabiliſchen), theils in den animali⸗ 
ſchen Düngerſtoffen enthalten ſind, daher wir die verſchiedenen Düngergattun- 
gen einer nähern Betrachtung unterziehen und mit den 

Mineralſtoffen 
beginnen wollen. 
§. 168. 

Nach den Beſtandtheilen des Rebholzes gehören zu den düngenden, ein— 
fachen Mineralſtoffen der Kalk, Gips, die Laugenſalze (Kali, Natrum), Sal⸗ 
peter, Kochſalz, Schwefel oder deren Säuren ($. 64, 65), die an und für 
ſich oder in Verbindung mit andern Stoffen im Waſſer löslich ſind und ſich 
in dieſem flüſſigen Zuſtande der Rebe mittheilen; auch die Aſche muß hieher 
gerechnet werden, indem fie blos die in der Rebe enthaltenen Mineralſtoffe 
darſtellt (S. 75). Zu den zuſammengeſetzten Mineralſtoffen gehören aber die 
verſchiedenen Erdarten, wie Mergel, Thon, Lehm, Schiefer, Sand, die nicht 
nur ſchon vermöge ihrer Zuſammenſetzung düngende Stoffe enthalten (8. 67, 
68), ſondern auch die einfachen Mineral- ſowie die organiſchen Stoffe in ſich 
aufnehmen und im löslichen Zuſtande der Rebe zuführen. 

Der mineraliſche Dünger wirkt theils chemiſch, indem er die Auflöſung 
der im Boden enthaltenen, ſchwer auflöslichen Stoffe erleichtert, wodurch dieſe 
zu wirklichen Nahrungsſtoffen umgeſchaffen werden, wie Kalk, Mergel, Aſche, 
theils wirkt er mehr reizend auf die Pflanzen ſelbſt, indem er ihre organiſche 
Thätigkeit erhöht und zum Theil ſich ſelbſt den Pflanzenſäften mittheilt, wie 


266 


die verſchiedenen Salze. Auch mechanisch wirkt derſelbe dadurch, daß er die 
nährenden Beſtandtheile der Atmosphäre anzieht, die Wärme und Feuchtigkeit 
an ſich hält und den Boden lockert, und dadurch die le Eigenschaften 
deſſelben verbeſſert, wie Sand, Thon, kleine Steine ꝛc.; häufig vereinigen aber 
die verſchiedenen Düngerarten alle drei Eigenſchaften 1 ſich. 


1. Der Kalk. 


Da der Kalk einen weſentlichen Beſtandtheil der Rebe ausmacht, ſo muß 
ſie in jedem Boden, in dem ſie freudig gedeihen ſoll, Kalk finden, jedoch nicht 
im Uebermaße, indem die Rebe im reinen Kalkboden gar nicht gedeiht, im 
ſtark kalkhaltigen aber weniger ſtark vegetirt. Fehlt der Kalk im Boden oder 
iſt er durch die Rebe conſumirt worden, ſo kann er dadurch erſetzt werden, 
daß man gebrannten, ungelöſchten Kalk (S. 64) an der Luft zerfallen läßt, 
ihn dann mit etwas feuchter Erde vermiſcht, und dieſe Maſſe bei trockenem 
Wetter dünn auf die Oberfläche des ee ſtreut, ohne ſie mit den 
Blättern in Berührung zu bringen. 

Der Kalk äußert eine ſtarke Wirkung auf den im Boden befindlichen ſau⸗ 
ren Humus, beſonders auf ſchwerem, naſſen Thonboden in dem ſich der Humus 
weniger leicht zerſetzt, weil er denſelben im Waſſer löslich macht, und dadurch 
als Nahrungsſtoff zubereitet, auch lockert er den gebundenen kalten Boden 
und trägt dadurch zu deſſen Erwärmung bei. Die Düngung mit reinem Kalke 
kommt jedoch in den Weinbergen ſelten vor, häufiger dagegen mit kalkhaltiger 
Erde, doch ſoll eine Düngung mit gebranntem Kalk das Gelbwerden der Reben 
verhindern oder vertreiben, auch das Untermengen von Kalk unter den Vieh- 
dünger die Traubenreife beſchleunigen. a 


2. Der Gyps oder ſchwefelſaurer Kalk. 


8. 169. 


Dieſer iſt eine Verbindung der Schwefelſäure mit Kalk ($. 64, 77), er 
übt eine ähnliche Wirkung aus, wie der Kalk, beſonders auf bündigem, waſſer⸗ 
haltigen Boden, weniger auf trockenem und hitzigem Sandboden, er kommt 
jedoch beim Weinbaue nie in reiner Geſtalt in Anwendung, weil er ſchwerer 
löslich als der Kalk iſt, dagegen wird er da, wo er im Boden mit Erde ge— 
miſcht vorkommt, häufig zum Düngen der Weinberge verwendet, wo er, ſowie 
bei dem Einſtreuen deſſelben in die Düngergruben gute Wirkung thun ſoll. 

Aus dem Gyps können die Pflanzen ſich mit Kalk und Schwefel verjor- 
gen, er wird daher, wie der Kalk, hauptſächlich nur da von Wirkung ſein, 
wo einer oder beide Stoffe fehlen, oder nicht in gehöriger Menge vorhan⸗ 
den ſind. 


267 


3. Die Salze. 
§. 170. 


Unter den düngenden Salzen verſteht man alle diejenigen, welche im 
Waſſer löslich ſind und in dieſem aufgelösten Zuſtande den Reben oder über— 
haupt den Pflanzen zugeführt werden. 

Sie werden eingetheilt in 


2. Laugen alze, 


die einen laugenartigen Geſchmack haben, wie das Kali und Natrum und aus 
den Aſchen verſchiedener Pflanzenreſte bereitet werden, auch wird hieher der 
aus vegetabiliſchen Düngerſtoffen entſtehende Ammoniak gerechnet (§. 72). 
Sie wirken mehr reizend auf die Pflanzen und äußern eine größere auflöſende 
Wirkung auf den Humus als der Kalk; Kali und Natrum kommen aber 
nie in reinem Zuſtande als Düngungsmittel in Anwendung, ſondern in unge— 
reinigtem Zuſtande als Holzaſche, wozu dann auch noch die Steinfohlen- und 
Torfaſche kommt. 

Die Holzaſche enthält nach §. 75 neben den Laugenſalzen auch noch foh- 
lenſauren, phosphor⸗ und ſchwefelſauren Kalk, ſowie Bittererde, Eiſenoxyd und 
etwas Thon⸗ und Kieſelerde, fie wirkt daher nicht nur reizend, humusauflö— 
ſend und Dünger vermittelnd, ſondern ſie kann, weil ihre Salztheile in der 
Auflöſung in die Pflanzen ſelbſt eingehen und als Beſtandtheile derſelben ge— 
funden werden, und die erdigen Verbindungen mit Säuren ebenfalls Dung⸗ 
mittel ſind, auch als wirkliches Düngermaterial betrachtet werden. Sie kommt 
jedoch ſelten in dieſem Zuſtande als Dünger zur Anwendung, ſondern ſie fin— 
det meiſtens dadurch eine vortheilhaftere Verwendung, daß ihre Laugenſalze 
behufs des Waſchens, Bleichens und Seifenſiedens oder in Potaſchen- und 
Salpeterſiedereien, Glasfabriken ꝛc. zuvor ausgezogen werden, worauf ſie erſt 
im ausgelaugten Zuſtande die Verwendung als Dünger findet, der immer noch 
ſehr ſchätzbare Eigenſchaften als Dungmaterial beſitzt, doch iſt deſſen Wirkſam⸗ 
keit bezüglich des vorausgegangenen Gebrauchs ziemlich verſchieden. 

Dieſe ausgelaugten Aſchen, namentlich von Potaſchen-Salpeterſiedereien ꝛc. 
enthalten, neben etwas zurückgebliebenen Salzen, hauptſächlich Kalk, Thon, 
ſowie etwas Eiſen⸗ und Kieſelerde, unter dieſen herrſcht aber in den Aſchen 
von Bleichen und Seifenſiedereien kohlenſaurer und ätzender Kalk vor, weil 
denſelben, um das Aetzende der Lauge zu erhöhen, viel Kalk zugeſetzt wird, 
daher dieſe Aſchen und beſonders diejenigen von Seifenſiedereien von dem 
Kochſalzzuſatz, und weil ſie auch noch unaufgelöste Fleiſchtheile des Fetts ent— 
halten, die eine unmittelbar düngende Eigenſchaft beſitzen, am wirkjam- 
ſten ſind. 


268 


b. Torf- und Steinkohlenaſche 


finden keine andere nutzbringende Verwendung und werden daher nur als 
Düngungsmittel gebraucht, ſie enthalten hauptſächlich kohlen⸗ und phosphor⸗ 
ſauren Kalk, Gyps⸗, Thon⸗ und etwas Eiſen und Kieſelerde und ihre Wirk 
ſamkeit hängt hauptſächlich von der größeren Menge der erſten im Verhältniß 
zu den erdigen Subſtanzen ab. | 

Die Aſchen find übrigens eben jo verſchieden, wie die Gattungen des 
Brennmaterials, daher ihre Wirkung gleichfalls verſchiezen iſt und nur da 
hauptſächlich von nachhaltigem Erfolg ſein wird, wo viele nährende Beſtand— 
theile im Boden vorhanden ſind, zu deren Auflöſung ſie hauptſächlich beitragen. 
Auf armem und magerem Boden wird daher die Wirkung geringer ſein. Für 
den Rebſtock, der viel Kalkgehalt beſitzt, ſind hauptſächlich ſolche Aſchen zu— 
träglich, die viel Kali haben, wie diejenige von buchen Holz. 


c. Salpeterſaure und kochſalzſaure Salze 


werden als Salpeter oder Kochſalz wegen ihrer Koſtſpieligkeit ſelten oder nie 
zur Düngung verwendet, dagegen ſind ſalpeterhaltige Erden aus dem Boden 
der Viehſtälle, Keller und den Wohnungen des Menſchen, ſowie der ſalpeter— 
haltige Bauſchutt ſehr wirkſame Düngungsmittel. Ebenſo die ſogenannte Hall⸗ 
erde (ſalzſaure Kalkerde), die in dem Bergwerke zu Sulz am Neckar gegraben 
wird, ſowie die Abfälle in den Salinen, der Dorn- und Pfannenſtein, die in 
Gyps und kohlenſaurem Kalke beſtehen. 

Die Anwendung der verſchiedenen ſalzartigen Düngerſtoffe in den Wein⸗ 
bergen wird am beſten geſchehen, wenn man dieſelben entweder mit gewöhn⸗ 
licher Erde vermiſcht und ſie vor dem Hacken in den Weinbergen ausſtreut, 
oder in kleinen Quantitäten (eine Hand voll) ob jedem Rebſtock ½ Fuß tief 
eingrabt und ſie etwas mit Erde mengt, oder wenn man ſie vor dem Ein⸗ 
bringen des gewöhnlichen Düngers in die Weinberge mit demſelben genau 
vermiſcht. Das bloſe Ausſtreuen auf den Boden iſt nicht räthlich, weil ſie 
an den Bergen leicht abgeſchwemmt werden können. 


4. Der Mergel 
5 


auch Kies, Kerf genannt, wird beſonders in Württemberg häufig zum Düngen 
der Weinberge verwendet und hat nach den in §. 68 angegebenen Bejtand- 
theilen von Kalk, Kali, Natrum beſonders da eine ſehr gute Wirkung, wo die 
Letztern im Boden entweder ganz fehlen, oder nicht in gehöriger Menge vor⸗ 
handen ſind. Der Mergel kommt in der Kalkſteinformation als Kalkmergel 
oder als Steinmergel, wenn er beim Ausgraben eine ſteinartige Maſſe bildet, 


269 


und in der Keuperformation als Thonmergel vor. Er zerfällt an der Luft 
bald und wird erdiger Mergel genannt, wenn feine Auflöſung pulverartig iſt, 
ſchieferiger Mergel aber (Leberkies, Kerf), wenn er einen ſchieferartigen 
Bruch hat. Er hat nach S. 78 durch ſeine Wärme und Feuchtig⸗ 
keit haltende Kraft auch in phyſikaliſcher Beziehung eine ſehr vortheilhafte 
Wirkung auf die Rebe, ſowie auf das Wachſen und frühere Reifen der Traube, 
daher da, wo Mergel und namentlich fetter, weniger ſandhaltiger zu haben 
iſt, derſelbe vorzugsweiſe, wenn auch mit mehr Mühe und Koſten als andere 
düngende Erde, in die Weinberge geſchafft werden ſollte, indem ſich ein ſolcher 
Aufwand gewiß ſehr gut lohnen wird. 


5. Der Schiefer 


hat durch ſeinen fetten Thongehalt (Thonſchiefer) nicht nur eine vorzüglich 
düngende, ſondern auch durch ſein Zerfallen in einzelne Blättcheu, wie der 
Mergel, eine Wärme und Feuchtigkeit haltende Kraft ($. 77) und wird daher 
nicht nur in Württemberg, ſondern auch in andern Weinbaugegenden, wie im 
Rheingau und an der Moſel und Saar, zum Düngen der Weinberge ver— 
wendet, was man Schiefern nennt. 


6. Die Erde 


gehört, je nach ihrem Gehalt von Thon, Kalk, Gyps, Mergel, Sand gleich— 
falls zu den düngenden Subſtanzen und wird, beſonders in Württemberg, in 
den meiſten Weinbaugegenden in ziemlichen Quantitäten in die Weinberge ge— 
bracht. Das Einbringen von Boden in die Weinberge hat den doppelten 
Zweck, um dieſelben nicht erdenlos werden zu laſſen, und um ſie mit einem 
neuen, kräftigen, düngenden, die Vegetation befördernden Boden zu verſehen. 


Bei der beſonders in Württemberg faſt allgemein eingeführten Kopfer⸗ 
ziehung iſt es die erſte Aufgabe des Weingärtners, dafür zu ſorgen, daß der 
Kopf des Rebſtocks nicht erdenlos wird, ſondern ſtets leicht mit Erde bedeckt 
iſt, indem er ſonſt von der Sonne ausgebrannt wird, dadurch bis auf die 
Schenkeltheile abſtirbt und keine neue Triebe mehr macht. Da nun ſchon 
durch die Bebauung der Weinberge der Boden mehr den Berg hinunter als 
hinauf gearbeitet, namentlich aber an ſteilen Bergen bei heftigen Regengüſſen 
viel Boden abgeſchwemmt oder auf andere Weiſe den Berg hinunter geſchafft 
wird, ſo muß den Weinbergen der auf verſchiedene Weiſe entzogene Boden 
von Zeit zu Zeit durch Herbeiſchaffung von neuer Erde erſetzt werden, damit 
aber die Erde auch eine düngende Wirkung hat und der Weinbergsboden durch 
dieſelbe zugleich verbeſſert wird, ſo muß dabei nicht nur auf die Qualität der 


270 


einzubringenden Erde, ſondern auch auf die Bodenbeſchaffenheit der betreffenden 
Weinberge Rückſicht genommen werden. 

Der beſte Boden iſt der ſogenannte wilde Boden, der in abgehobenen 
Raſen von Wieſen und Allmanden, oder in gutem, weder ſteinigen noch ſumpfi⸗ 
gen Waldboden beſteht. Durch Verweſung des Raſens und der daran be— 
findlichen vielen Wurzeln äußert er eine große düngende Kraft und trägt, wo 
er regelmäßig in die Weinberge gebracht wird, hauptſächlich zur ſtarken und 
kräftigen Vegetation der Rebe bei. Auch verwitterte vulkaniſche Erde von 
Lava, Baſalt, Dolorit ꝛc. hat einen vorzüglichen Einfluß auf die Fruchtbarkeit 
der Rebe, fo daß ſolche Rebberge fait keine ſonſtige Düngung nöthig haben. 
Ebenſo Erde von verwittertem Urgebirge, wie Feldſpath, Glimmer, Gneiß (F. 66). 

Der theils ſtrenge, theils milde warme Boden, beſonders aber der kalk— 
haltende Thonboden gehören gleichfalls zu denjenigen Bodenarten, die in den 
Weinbergen eine gute düngende Wirkung hervorbringen, während dieſes bei 
mehr kühlem und leichtem Boden, dem Lehm, dem Sand, dem waſſerhaltigen 
zähen Thon (Letten) weniger der Fall iſt, daher deren Beiſchaffung in die 
Weinberge möglichſt vermieden, oder dieſelben da, wo kein anderer Boden zu 
haben iſt, durch kräftigen Viehdünger verbeſſert werden ſollten. 

Zu den ſchlechteſten Bodenarten gehört der in der Keuperformation öfters 
vorkommende ſogenannte Aſchenboden, eine, wie es ſcheint, vermoderte, unaus— 
gebildete Mergelgattung, die ganz leicht wie Aſche iſt, durchaus keinen innern 
Gehalt hat, ſich leicht abſchwemmt und daher nie in die Weinberge gebracht 
werden ſollte. Ebenſo Schlamm aus Seen ausgeſchlagen oder Sumpferde, 
indem dieſe viele freie Humusſäure haben ($. 72), die den Reben mehr ſchadet 
als nützt, wenn man ſie nicht einige Jahre auf Haufen verwittern läßt, oder 
ſie mit Kalk oder Aſche miſcht, welche die Säuren auflöſen. 

Statt gewöhnlicher Erde wird, wie bereits erwähnt, häufig auch Mergel 
oder Schiefer, da, wo ſolche zu haben ſind, in die Weinberge gebracht. 

Es taugt jedoch nicht jede Erde für jeden Boden in den Weinbergen, 
daher vor der Einbringung die Tauglichkeit genau geprüft werden muß, indem 
durch eine richtige Auswahl derſelben der Weinbergsboden ſehr verbeſſert wer— 
den kann, was auch auf die Qualität des Weins einen weſentlichen Einfluß 
ausübt. 0 

Für einen kühlen oder kalten oder ſchweren lettigen Boden taugt am 
beſten Mergel (Kies, Kerf) der denſelben erwärmt und durch ſeinen Kalk— 
und Kaligehalt den gebundenen Humus auflöst; für einen leichten, ſandigen 
Boden, guter warmer Thon, ſowie auch Raſen, Mergel, Schiefer, Waldboden; 
für einen ſchweren, allzuhitzigen und geſchloſſenen Boden mehr leichte, ſand— 
haltige Erde, wie guter Lehm, ſandiger Mergel oder auch wirklicher Sand, 
indem derſelbe nicht nur durch Trennung und Zertheilung der feſten Erd⸗ 


271 


theile mechaniſch, ſondern auch düngend wirkt, wenn die einzelnen Körner aus 
Steinarten beſtehen, die ſich nach und nach auflöſen, wie Glimmer, Feldſpath, 
Kalk ꝛc. (Anmerkung 5.) 

Durch zweckmäßige Verbeſſerung des Weinbergbodens, namentlich des 
ſchweren, werden auch häufig die Weinbergsarbeiten, beſonders das Hacken, 
ſehr erleichtert. 

5 

Allzuviel Erde darf jedoch nicht in die Weinberge geſchafft werden, 
indem, wenn die Köpfe der Reben zu tief in der Erde ſtehen, dieſelben nicht 
mehr ausſchlagen und neue Triebe machen, auch werden dadurch die Wurzeln 
des Rebſtocks zu ſehr nach oben gezogen, wodurch ſie leicht dem Erfrieren 
ausgeſetzt ſind. 

Doch kann dabei auch auf die Traubengattung Rückſicht genommen wer— 
den, indem z. B. der Trollinger, der, wenn er älter iſt, weniger aus dem 
Kopf treibt, einen ſtärker bedeckten Kopf erhalten darf, als andere, bei wel— 
chen, wie bei dem Sylvaner, wegen Verjüngung der Schenkel mehr auf Kopf— 
triebe geſehen werden muß. 

Erde ſoll den Weinbergen erſt dann gegeben werden, wenn ſie dieſelbe, 
als etwas erdenlos, wirklich bedürfen, da jedoch damit auch eine Düngung 
verbunden wird, ſo wird das Erdentragen, namentlich in einzelnen Weinbau⸗ 
gegenden Württembergs, häufig regelmäßig in beſtimmten Jahresperioden, 
etwa von 3 zu 3, oder von 6 zu 6 Jahren wiederholt, wobei beſonders auf 
die Lage der Weinberge, ob mehr oder weniger ſteil, ſowie auf die Beſchaf— 
fenheit des Weinbergsbodens, ob er leicht abgeſchwemmt werden kann oder 
nicht, Rückſicht genommen wird, hie und da wird es auch faſt ganz unter— 


wm 


laſſen. 


5. Anmerkung. Die Verbeſſerung des ſtrengen Bodens durch Sand wird ſich 
in den meiſten Fällen nur ſehr langſam bewerkſtelligen laſſen, weil ſich der Sand 
mit dem geſchloſſenen Thonboden nicht ſo leicht und erſt durch längere Bearbeitung 
verbindet, dagegen geſchieht dieſes weit leichter mit Kalk, indem ſich dieſer ſchneller 
mit dem Thon verbindet und ſchon ein Kalkgehalt von nur 1—2 Proc. auf die Locker⸗ 
heit des Bodens einen weſentlichen Einfluß hat. Der Kalk darf jedoch demſelben nicht 
im feſten, ſondern nur im gebrannten Zuſtand, in welchem er bald an der Luft zer— 
fällt, beigemiſcht werden, inſofern übrigens das Brennen mit vielen Umſtänden und 
Koſten verbunden iſt, ſo wird deſſen häufige und allgemeine Anwendung ſelten vor— 
kommen, dagegen kann deſſen Stelle der Mergel, der an der Luft ohne weiteres Zus 
thun zerfällt, in den meiſten Fällen vertreten, daher derſelbe für den Weinbau von 
großem Werthe iſt. Namentlich kann zur Verbeſſerung des Bodens verwendet werden 
auf kaltem ſtrengem Boden, der Thon- und Kalkmergel, auf mehr leichtem loſem Bo⸗ 
den, der Thonmergel, und auf ſtrengem, hitzigen Boden der Kalk: und Sandmergel. 


272 


Die zum Uebertragen der Weinberge erforderliche Erde wird theils aus 
beſonderen Erdengruben, theils aus den Weinbergen ſelbſt genommen, in welch 
letzterem Falle der in einem Beet hinweggenommene Boden bei dem Reuten 
nach §. 96 wieder ausgeglichen werden muß. 


Die organiſche Düngung. 


§. 174. 


Dieſelbe theilt ſich ab in die Düngung mit den unmittelbaren Pflan⸗ 
zen und Thierſtoffen und in die Düngung der Pflanzen und Thierſtoffe, welche 
zur Nahrung der Menſchen und Thiere dienten, d. h. in die Auswürfe und 
Exkremente derſelben. 


1. Der Pflanzen⸗ oder vegetabiliſche Dünger. 


Die Nahrung der Pflanzen beſteht neben den mineraliſchen Stoffen und 
denjenigen, welche dieſelben aus der Luft und dem Waſſer an ſich ziehen 
(S. 61), hauptſächlich in Stoffen aus dem Pflanzenreich, die denſelben durch 
den Pflanzen oder vegatabiliſchen Dünger (Humus S. 72) zugeführt werden. 

Dieſer Dünger wird aus Pflanzen erzeugt, die entweder grün, bevor ſie 
ihre vollſtändige Reife erlangt haben, ganz oder in einzelnen Beſtandtheilen 
in den Boden gebracht, oder von welchen blos die abgeſtorbenen Ueberreſte 
zur Düngung verwendet werden. Erſteres heißt man die grüne Düngung, 
letzteres iſt die Düngung mit todten Pflanzen oder deren Ueberreſten. 

Alle Pflanzen laſſen ſich zu Dünger verwenden, in ſo weit ſie durch Gäh— 
rung einer Zerſetzung fähig ſind. Die Zerſetzung erfolgt um ſo ſchneller, je 
ſaftiger die Pflanze und je zuſammengeſetzter und loſer ihr Körper iſt (8. 63), 
ſie geht aber deſto langſamer vor ſich, je einfacher die einzelnen Pflanzentheile 
ſind und je feſter ihr Zuſammenhang iſt, wie beim Holz. Aus dieſem Grunde 
iſt auch ein bedeutender Unterſchied zwiſchen den verſchiedenen Gattungen der 
Pflanzen⸗Düngung, im Allgemeinen iſt jedoch diejenige am paſſendſten für den 
Boden, die ſich am vollſtändigſten und in kurzer oder wenigſtens nicht in all⸗ 
zulanger Zeit zerſetzt und dadurch den Pflanzen zur Nahrung zugänglich wird. 

Wir haben hier nun zunächſt diejenigen Dünger-Gattungen näher zu be⸗ 
trachten, welche hauptſächlich zur Düngung der Weinberge verwendet werden. 


a. Die grüne Düngung. 


Die grüne Düngung beruht auf dem Grundſatze, daß viele Pflanzen 
während ihres Vegetationsprozeſſes mehr organiſche Beſtandtheile aus der 
Luft und dem Waſſer anziehen, als aus dem Boden, man verſteht daher un⸗ 
ter derſelben hauptſächlich das Einſäen der Weinberge mit ſaftreichen Pflanzen 


273 


und deren Unterbringung im grünen Zuſtande, es gehört zu denſelben aber 
auch das Ein- und Unterbringen von allen grünen, noch nicht in der Verwe— 
ſung begriffenen Pflanzenreſten, wie das grüne Rebholz, das Traubenlaub und 
die Traubentreber. 

Die grüne Düngung durch das Einſäen von ſaftreichen Pflanzen in die 
Weinberge wird dadurch vorbereitet, daß man die Einſaat im Frühjahr ſogleich 
nach der erſten Bodenarbeit (dem Hacken) oder während des Sommers beim 
zweiten Felgen ziemlich dicht und reihenweiſe vornimmt, damit dadurch das 
Begehen der Weinberge bei den übrigen Arbeiten erleichtert wird. Man 
wählt dazu Pflanzen, die ſchnell wachſen und in kurzer Zeit eine möglichſt 
große Krautmaſſe liefern, mithin mit vielen breiten Blättern, weil ſie die 
meiſten luftförmigen Stoffe aufnehmen und vermöge ihres Saftreichthums 
ſchnell verweſen und den meiſten Nahrungsſtoff für die Rebe verbreiten, wie 
die Lupine oder Wolfsbohne, die Acker- Pferde- oder Saubohne, der Reps, 
die Erbſen ꝛc., die man, um das Wachsthum zu befördern, mit Aſche, Kalk 
oder Gyps überſtreuen kann. Sie müſſen, wenn ſie in voller Blüthe ſtehen, 
mithin bei der Frühjahrsſaat beim zweiten oder dritten Felgen, bei der Som— 
merſaat entweder in dem Winter oder im darauf folgenden Frühjahr in den 
Boden gebracht werden, weil ſie hier in der höchſten Entwicklungsperiode fte- 
hen und ſo bald ſich die Früchte entwickeln, dem Boden zu viel Nahrungsſtoff 
entzogen wird, auch die Blüthen Stickſtoff enthalten, der der Rebe erhalten 
werden ſollte. Dieſe grüne Düngung gewährt den Vortheil, daß ſie wenig 
koſtet, von jedem Weinbergbeſitzer und beſonders von ſolchen in Anwendung 
gebracht werden kann, die keinen ſonſtigen Dünger beſitzen, und daß ſie der 
Rebe am ſchnellſten gute Nahrungsſtoffe zuführt, daher ſie hauptſächlich für 
leichte, ſandige oder ſtark kalkhaltige und weniger geſchloſſene Bodenarten, in 
welchen der animaliſche Dünger bald verflüchtet, paſſend erſcheint, ſie hat aber 
den großen Nachtheil, daß ſie den Weinbergsboden allzu ſehr beſchattet und 
dadurch mehr Kühle als Wärme verbreitet, auch die nothwendigen Bodenarbeiten 
(S. 152) verhindert oder erſchwert, wodurch der Boden zu ſehr geſchloſſen bleibt, 
und nicht bei allen Erziehungsarten, namentlich bei der Erziehung mit drei und 
mehr Pfählen, ſondern in der Regel nur bei der geſtreckten Reihen- und Rahmen⸗ 
erziehung anwendbar iſt, auch iſt fie weniger nachhaltig als andere Düngungs- 
arten und muß daher öfter oder faſt jedes Jahr wiederholt werden. Eine 
ſolche Düngung paßt daher mehr in ſüdliche Gegenden, wo die Trauben zu 
ihrer gehörigen Ausbildung mehr Kühle und Schatten verlangen, wie denn 
dieſelbe auch in Italien und im ſüdlichen Frankreich häufig vorkommen ſoll; 
bei den klimatiſchen Verhältniſſen Deutſchlands kann ſie aber für den dortigen 
Weinbau nicht empfohlen werden und wird daher nur ausnahmsweiſe bei jun⸗ 

18 


274 
gen Gereuten, wo großer Mangel an ſonſtigem Dünger vorhanden iſt, als 
zweckmäßig erſcheinen. 

In tragbaren Weinbergen ſollte dieſelbe nie verſucht werden, weil dadurch 
zwar der Holztrieb aber nicht der Traubentrieb geweckt wird, und die Traube 
in der Blüthe und Zeitigung zurückbleibt, mithin wenig und geringer Wein 
erzeugt wird. 

Zu der Gründüngung gehört auch die Anlegung von Graspfaden, wie 
ſie hie und da vorkommt, indem bei der kurzen, reihenweiſen Erziehung der 
dazwiſchen liegende Boden je über den zweiten oder dritten Reihen mit Gras⸗ 
oder Kleeſamen eingeſäet und dann im folgenden Jahre untergehackt wird, 
wodurch, wenn man mit den Reihen abwechſelt, der Rebe von Zeit zu Zeit 
eine kräftige Düngung zugeführt wird, ſie läßt ſich jedoch aus den bereits an⸗ 
geführten Gründen mit einem rationellen Weinbaue gleichfalls nicht recht ver⸗ 
einigen, erſcheint aber bei einem leichten, loſen, hitzigen Boden, in welchem die 
Rebe gegen das allzuſchnelle und ſtarke Eindringen der Wärme geſchützt wer⸗ 
den ſoll, noch zweckmäßiger als die erſtere Art der Gründüngung, beſonders 
wenn man das Gras nie hoch wachſen läßt, ſondern daſſelbe öfters abſchneidet. 

Zu der grünen Düngung darf auch gerechnet werden, wenn in ausge— 
hauenen Weinbergen Futterpflanzen gebaut werden, mit großen, ſaftigen Wur⸗ 
zeln, wie der rothe Klee, der blaue Klee (Luzerne) und Eſparſette (Eſper), 
welche, wenn jene geveutet werden, durch ihre Fäulniß den Reben auf län- 
gere Zeit eine kräftige Nahrung geben, was, wie §. 91 näher nachgewieſen 
iſt, beſonders in Württemberg ſehr häufig vorkommt. 


S Sr 
b. Die Düngung mit dem Laub und Holz der Reben. 


Nach mehrfachen Erfahrungen bildet das von den Reben abfallende Laub 
jo wie das dürre und grüne Holz wegen ſeines ſtarken Kaligehalis einen vor- 
züglichen Pflanzendünger und wird von einzelnen Weinbergbeſitzern auch ſchon 
ſeit längerer Zeit mit gutem Erfolg dazu verwendet. Das Rebholz, als zu 
den weicheren Hölzern gehörig, verwest ſchnell in dem Boden, verwandelt ſich 
in Holzerde und gibt in dieſem Zuſtande einen ganz guten Dünger, ſo daß 
man in einem kräftigen Boden faſt jede andere Düngung erſparen kann. Zwar 
darf man in den erſten 4—6 Jahren keine ſolche augenſcheinliche Erfolge er— 
warten, wie bei gutem Viehdünger, dagegen wirkt die fortgeſetzte Düngung 
mit Rebholz gleichförmiger und nachhaltiger, auch übt daſſelbe auf die Be⸗ 
ſchaffenheit des Bodens einen ſehr wohlthätigen Einfluß aus, indem durch 
daſſelbe der ſtrenge Boden lockerer, der kühle oder naſſe und bündige durch⸗ 
laſſender und wärmer, der magere dagegen humusreicher und feſter wird, was 


275 


nicht nur zur Beſeitigung mancher Krankheiten der Rebe, wie der Gelbſucht ꝛc. 
beiträgt, ſondern auch die Feinheit und das Bouquet des Weins vermehrt, 
auch wird durch das im Boden befindliche Rebholz das ſchnelle Ablaufen des 
Waſſers bei ſtarken Regengüſſen aufgehalten und dadurch das Abſchwemmen 
des Bodens verhindert. Der Verfaſſer kann dieſes aus eigener langjähriger 
Erfahrung beſtätigen, daher die Düngung mit dem Rebholz weit häufiger und 
namentlich von denjenigen Weinbergbeſitzern in Anwendung gebracht werden 
ſollte, welche keinen eigenen Vieh- oder andern Dünger beſitzen, ſondern den— 
ſelben häufig um theures Geld und manchmal in ſchlechter Qualität von An— 
dern erkaufen müſſen, dagegen das Rebholz dem Baumann als etwas Werth— 
loſes überlaſſen. 

In magerem oder in ſeichtem Weinbergsboden mit kalkigem Untergrund, 
der von der Rebe mehr ausgeſogen wird, ſowie in ältern Weinbergen mit 
weniger kräftigem Boden wird zwar durch die Düngung mit Rebholz eine 
weitere mit Vieh⸗ oder anderem Dünger nicht ganz erſpart, aber ſie darf doch 
erſt in längeren Zwiſchenräumen in 6—8 Jahren vorgenommen werden, in 
jungen tief gereuteten Weinbergen mit kräftigem Boden erſcheint aber die Zus 
gabe von anderem Dünger faſt ganz überflüſſig, beſonders wo bei einem kräf— 
tigen Stand der Reben viel Rebholz abfällt. 

Zu dieſer Düngung wird übrigens blos das ſchwächere Rebholz, Bögen 
und einjähriges Holz verwendet, das ſtärkere aber, die Schenkel, beſonders 
geſammelt und als Brennholz nach Hauſe geſchafft. Damit jenes zur Dün⸗ 
gung tauglich gemacht wird und unter den Boden gebracht werden kann, muß 
es auf eine Länge von 2— 3 Zoll verkleinert werden. Dieſes geſchieht ent— 
weder da durch, daß man das Rebholz bei oder nach dem Schneiden händevoll— 
weis ſammelt und auf kleinen Blöckchen mit einem Beile zerhaut und dann 
wieder im Weinberge zerſtreut, was durch Kinder geſchehen kann, oder daß 
man da, wo man mit der Rebſcheere ſchneidet, jede abgeſchnittene Rebe oder 
einige mit einander ſogleich zerſchneidet und die kleinen Abſchnitte auf den Bo— 
den fallen läßt. Letztere Behandlungsweiſe erſcheint als die zweckmäßigere, 
indem, wenn die Arbeiter einmal damit umgehen können, das Schneiden und 
Zerkleinern der Reben kaum etwas mehr Zeit erfordert, als jenes allein. Die 
zerkleinerten Rebabſchnitte werden dann beim Behacken des Weinbergs unter— 
gehackt. Die beim Verbrechen und Ueberhauen abfallenden weichen Triebe 
läßt man entweder zerſchnitten im Weinberg liegen, oder man kann ſie, wenn 
ſie länger ſind, der Länge nach in kleine Grübchen neben den Stöcken unter⸗ 
bringen. 

Zu der Pflanzendüngung gehören auch die ausgekelterten Weintreber, in— 
dem ſie wegen ihres Kaligehalts ein vorzügliches Dungmittel abgeben und 
deßwegen auch ſchon beim Setzen der Reben zweckmäßig verwendet werden 

18 * 


276 


können (S. 84), es find darunter aber nur die friſchen Weintreber verſtanden, 
indem, wenn dieſelben, wie häufig geſchieht, zuvor zum Branntweinbrennen 
benützt werden, durch das Kochen ein großer Theil des Kaligehalts ausgelaugt 
wird und in dieſem Falle nur noch im verwesten Zuſtande, beſonders, wenn 
ſie hie und da mit Jauche übergoſſen und mit Erde vermiſcht umgearbeitet 
werden, als Dünger, in der Eigenſchaft als Humus, gute Dienſte leiſten 
(S. 251). Die Treber werden, weil man ſie ſelten in großer Menge beſitzt, 
in Gräben ob den Rebſtöcken in den Boden gebracht und ſofort wieder mit 
der ausgehobenen Erde bedeckt, oder auch mit anderem Dünger vermiſcht. 


8. 176. 
e. Die Düngung mit todten Pflanzentheilen. 


Bei der Tauglichkeit todter Pflanzentheile oder einzelner Ueberreſte der⸗ 
ſelben zu der Düngung der Weinberge, kommt es hauptſächlich darauf an, 
ob ſie ſich mehr oder weniger ſchnell zerſetzen, d. h. Stoffe enthalten, welche 
ſich ſchon im kalten Waſſer auflöſen, wie Gummi, Schleim, Zucker, Eiweiß, 
Extractivſtoffe, Pflanzenſäuren und ihre Verbindungen mit Laugenſalzen, oder 
ob ſie viele feſte Theile beſitzen, wie Holzfaſern, Stärke, Kleber, Harz, fette 
Oele ꝛc. und ob ſich bei der Zerſetzung von den der Rebe ſo zuträglichen lös— 
lichen Stoffen, wie Kali, Natron, Kalk mehr oder weniger entwickeln. Dieſe 
todten Pflanzentheile beſtehen hauptſächlich in dem Stroh der verſchiedenen 
Getreidearten, in dem Laub der Bäume und in den Nadeln und ſchwächern 
Trieben der Nadelhölzer, in dem Heidekraut und in dem Moos von Waldun⸗ 
gen und öden Plätzen, ſowie in den Ueberreſten von ausgenutzten Körnerfrüch⸗ 
ten, wie Oelkuchen ꝛc., ſind aber hinſichtlich ihrer düngenden Kraft jo ver- 
ſchieden von einander, daß jede derſelben in dieſer Beziehung einer nähern 
Darſtellung bedarf. 


aa. Das Stroh. 


In dem Stroh der verſchiedenen Getreidearten ſind als Beſtandtheile 
Schleim und Zucker vorhanden, und der Zuſammenhang der Holzfaſern iſt 
gering, auch trägt die hohle oder mit Mark erfüllte Form deſſelben dazu bei, 
daß die Luft in das Innere mehr Zutritt hat und daß es die Feuchtigkeit 
mehr zurückhält, wodurch es ſchneller in Gährung übergehen kann und ſich 
daher auch als Dungmittel beſonders gut eignet, und dieſe Eigenſchaft nimmt 
zu, je mehr das Stroh nährende Theile für Thiere 2c. beſitzt. 

Hinſichtlich des Gehalts an Mineralſtoffen verdient das Gerſten- und 
Haberſtroh den Vorzug vor dem Waizen- und Roggenſtroh, indem bei jenen 
der Kali⸗ und Natrongehalt noch einmal ſo viel als bei letztern beträgt (6 und 


277 


5½ gegen 12 und 14). Auch Bohnen- und Repsſtroh haben ſehr viel Kali⸗ 
gehslt und gehören in dieſer Beziehung zu dem beſſern Dungmaterial, bei dem 
Erbſen⸗, Wicken⸗ und Kartoffelſtroh iſt der Kaligehalt etwas geringer. Auch 
die der Rebe zuträgliche Phosphorſäure findet man in allen dieſen Stroh— 
gattungen, der Gehalt iſt jedoch nicht ſo verſchieden wie beim Kali. 


bb. Laub. 

Das Laub der Bäume zerſetzt ſich, weil es conſiſtenter iſt und Luft und 
Feuchtigkeit weniger aufnehmen kann, nicht ſo ſchnell, wie das Stroh, auch iſt 
der Kaligehalt gering und das Laub wird bei der Ausbreitung in den Wein— 
bergen durch Winde leicht entführt, daher er zu den geringeren Streumaterialien 
gehört, doch hält, wenn es ſich einmal im Boden befindet, ſeine Wirkung aus 
dem angeführten Grunde länger an, als bei dem Stroh, man muß aber, um 
eine gleiche Wirkung, wie beim letztern hervorzubringen, mehr Dünger auf— 
führen, weil derjenige von 100 Pfd. Laubſtreu durchſchnittlich nur 32 Pfd. 
Stroh gleichkommen ſoll. | 


cc. Holznadeln. 

Die Holznadeln und die Schwachen Aeſtchen der Nadelhölzer, an welchen 
ſich erſtere befinden, zerſetzen ſich wegen der harzigen und feſten holzigen Be- 
ſtandtheile noch langſamer als das Laub, auch ſind ſie beſonders im dürren 
Zuſtande ſehr arm an löslichen Stoffen (Kali und Natron), indem ſie davon 
kaum ½ Procent enthalten. Dagegen ſind ſie als Dungmittel nachhaltiger, 
die Weinberge erfordern aber, wenn eine gleiche Wirkung wie beim Stroh 
erzielt werden ſoll, eine größere Menge an Dünger. 100 Pfd. Holznadelſtreu 
ſoll 58 Pfd. Strohſtreu gleich kommen. 

Eine ähnliche Bewandtniß hat es 


dd. mit dem Heidekraut, 


indem auch dieſes wegen ſeiner feſten holzfaſerigen Beſtandtheile ſich ſehr ſchwer 
zerſetzt, dagegen hat es viel Gehalt an Kali und muß deßwegen, wenn es ein— 
mal zerſetzt iſt, eine gute Wirkung auf die Reben ausüben. 5 

ee. Das Moos 


ſcheint eine ähnliche Wirkung wie die Holznadelſtreu zu haben, indem auch 
hier 100 Pfd. Streumaterial 58 Pfd. Stroh gleich ſtehen ſollen. Die Samm- 
lung deſſelben iſt jedoch ſehr zeitraubend und koſtſpielig, daher es nur in ſehr 
ſtreuarmen Gegenden in Anwendung kommt. 

ff. Die Oelkuchen 


haben viel ſtickſtoffhaltige Subſtanzen, wie Eiweiß ꝛc., wodurch fie zur Ent- 


278 


wicklung von Ammoniak beitragen, ſowie ziemlich Kali, Natron, Kalk und 
Phosphorſäure, daher ſie als Dünger ſehr kräftig wirken. Sie werden im 
zerriebenen oder gepulverten Zuſtande etwa 1 Pfd. an jeden Rebſtock gebracht 
und ſogleich mit Erde vermiſcht und zugedeckt. Auch kann man ſie in Waſſer 
auflöſen und wie Gülle an die Rebſtöcke bringen. 

Die hier beſchriebenen Düngermaterialien werden jedoch, mit Ausſchluß 
der Oelkuchen, in der Regel nicht unmittelbar zur Düngung verwendet, ſon⸗ 
dern zunächſt als Streumaterial für das Vieh benützt, wodurch die flüſſigen 
und feſten thieriſchen Exkremente mit denſelben verbunden werden, und, nach⸗ 
dem ſie aus den Stallungen gebracht und auf den Dungſtätten aufgeſchichtet 
find, durch den Zutritt der Luft in Gährung übergehen, durch die ſich, ver- 
möge der Wärme⸗Entwicklung, auch die feſteren Theile nach und nach auflöſen. 
Dadurch wird dann erſt der für die Weinberge brauchbare, d. h. der ſogenannte 
Stalldünger erzeugt. Damit die Exkremente der Thiere und das Streuma⸗ 
terial ſich mit einander verbinden und in Dünger übergehen, iſt es nothwendig, 
dieſelben ſo lange der Gährung auszuſetzen, bis die Verbindung und Zerſetzung 
beider erfolgt iſt. Die Gährung geht um ſo ſchleuniger und gleichförmiger 
vor ſich, je gährungsfähiger und zerſetzbarer die thieriſchen Exkremente und 
die Streumaterialien ſind, jene ſind jedoch, wie dieſe, nicht gleich zerſetzbar 
und gährungsfähig, daher wir, um den Werth und die Wirkung des Düngers 
richtig beurtheilen zu können, denſelben hienach unter der Abtheilung anima⸗ 
liſch⸗vegetabiliſchen Dünger (§. 181) eine beſondere Betrachtung zu widmen 
haben. 


2. Thieriſche Düngung. 
S. Nr 


Alle thieriſchen Körper oder einzelne Beſtandtheile derſelben dienen zur 
Nahrung der Pflanzen und können als Dungmittel betrachtet werden. Die 
meiſten thieriſchen Subſtanzen werden aber auf andere Weiſe benützt und er⸗ 
langen dadurch einen weit höhern Werth als wie der Dünger, daher zu dem⸗ 
ſelben in der Regel nur die Abfälle, beſtehend in den Abfällen der Abdecke⸗ 
reien, in Blut, Hornſpähne, Haare, Wolle, Knochen ꝛc. verwendet werden, 
deren Werth wir als Dünger hier näher zu unterſuchen haben. 

Die Körper der Thiere enthalten ſehr viel Stickſtoff, der ſich, ſobald die⸗ 
ſelben in Fäulniß oder Gährung übergehen, in Ammoniak verwandelt (8. 63), 
wodurch die einzelnen Abfälle ſehr werthvollen Dünger abgeben. 


ä. Die Abfälle von Abdeckereien. 


Dieſe Abfälle beſtehen in dem nicht zu verwendenden Fleiſch oder den 
Aastheilen der Thiere, die, wenn ſie in Gruben mit gebranntem Kalk und 


279 


Erde ſchichtenweiſe gelegt werden, wodurch ſich auch ihr ſtarker Geruch nach 
und nach verliert, ein vorzügliches und ſchnell wirkendes Dungmaterial abge— 
ben, das in gepulvertem Zuſtande an die Pflanzen gebracht wird. 


b. Das Blut 


gehört gleichfalls zu den kräftigſten ſchnellwirkenden Dungmitteln und übt be— 
ſonders auch auf den Ertrag des Weinſtocks einen ſehr vortheilhaften Einfluß 
aus. Es kann entweder friſch im flüſſigen Zuſtande der Rebe zugeſetzt wer— 
den, indem man eine um den Rebſtock gemachte kleine Grube damit anfüllt 
und ſie ſofort mit Erde zudeckt, oder es wird im geronnenen Zuſtande mit 
Kalk und Erde vermiſcht, auf Haufen gebracht und einigemal umgearbeitet, 
worauf es gleichfalls in Gruben an die Rebſtöcke gebracht wird. Sehr zweck— 
mäßig wäre es daher, wenn in Schlachthäufern das Blut der Thiere in be— 
ſondern ausgemauerten Behältern aufgefangen und auf die angegebene Weiſe 
zu Dünger bereitet würde. Auch die Abfälle von Zuckerfabriken, die hauptſäch⸗ 
lich aus geronnenem Ochſenblut und Zucker beſtehen, können mit Nutzen als 
Dünger verwendet werden. 


c. Die Hornſpähne. 


Die Hörner, Klauen, Hufe finden bei den Drehern ꝛc. zum Theil eine 
techniſche Verwendung, die Abfälle davon, die Hornſpähne, geben aber auch 
noch, vermöge ihres Stickſtoffgehalts, einen ſehr nachhaltigen Dünger, wenn 
ſie zuvor mit Erde, Kalk oder Aſche gemiſcht und durch Zugießung von Jauche 
in Gährung geſetzt werden. Bei der Verwendung ganzer Klauen, Hufe ꝛc. zu 
Dünger müſſen dieſelben zuvor verkleinert werden. Sie wirken nicht ſo ſchnell, 
aber nachhaltiger, weil ihre Auflöſung langſamer von Statten geht. 


d. Haare und ſonſtige Abfälle von Gerbereien und Leimſiedereien 


ſind vor der Verwendung als Dünger, wie die Hornſpähne, durch Kalk, Erde 
und Jauche in Gährung zu ſetzen, weil namentlich die Haare ſich ſehr lang— 
ſam zerſetzen, ſie können jedoch auch unmittelbar an die Rebſtöcke gebracht 
werden, in welchem Falle jedem Stock eine Hand voll gegeben und das Ma- 
terial ſofort mit Erde bedeckt wird. 


e. Die Wolle. 


Die Abfälle von Wollſpinnereien, insbeſondere aber wollene Lumpen, bil⸗ 
den, nach den bisher gemachten Erfahrungen, einen ſehr wirkſamen Dünger. 
Sie können im verkleinerten Zuſtande entweder vor dem Winter in einer klei— 
nen Grube je eine Hand voll unmittelbar und nachdem ſie zuvor in Jauche 
getaucht wurden, an die Rebſtöcke gebracht und mit Erde bedeckt werden, wo— 


280 


bei fie ſich durch die Winterfeuchtigkeit in Gährung ſetzen, oder fie werden 
auf Haufen geſetzt, mit Erde oder Raſen vermiſcht und mit Jauche begoſſen 
und auf dieſe Weiſe der Gährung überlaſſen, worauf ſie erſt nach deren Vol⸗ 
lendung an die Rebſtöcke gebracht werden. Zwölf bis zwanzig Centner, je nach⸗ 
dem man düngen will, ſind per Morgen erforderlich, es ſollen dadurch aber 
auffallend günſtige Reſultate bei den Reben erzielt werden. 


§. 178. 
f. Die Knochen 


der Thiere beſtehen aus einem erdigen Gewebe von feinen Zellen, in denen 
eine organiſche Subſtanz, Gallerde oder Leim, eingeſchloſſen iſt, die ſehr viel 
Stickſtoff enthält, leicht verfault, wenn ſie mit Waſſer angefeuchtet an der Luft 
ſtehen bleibt und ſich dadurch in Ammoniak verwandelt. Die erdigen Beſtand⸗ 
theile beſtehen in der Hauptſache in phosphorſaurem und in geringerer Quan⸗ 
tität in kohlenſaurem Kalke. Da nun alle dieſe Beſtandtheile auch dem Ge— 
deihen der Rebe ſehr förderlich ſind, ſo bilden die Knochen, wenn ihnen auch 
das Kali fehlt, um ſo mehr ein gutes Dungmaterial, als durch dieſelben der 
Wein nicht leicht einen unangenehmen Geſchmack bekommt, wie bei andern 
ſcharfen Düngerarten. 

Die Knochen können übrigens, weil ſie ſich ſonſt viel zu langſam zerſetzen 
würden, nicht in ihrem urſprünglichen Beſtand, ſondern nur im zerkleinerten, 
gepulverten Zuſtande, was auf beſondern Knochenmühlen geſchieht, als Dünger 
benützt werden. Je feiner dieſelben zermahlen werden, deſto ſchneller zerſetzt 
ſich das davon gewonnene Mehl und deſto wirkſamer iſt daſſelbe. Die Zer- 
ſetzung deſſelben und dadurch auch die Wirkſamkeit kann beſchleunigt werden, 
wenn man das Knochenmehl mit Schwefelſäure dadurch aufſchließt, daß man 
fein gemahlene Knochen mit derſelben anrührt und einige Tage ſtehen läßt, 
worauf ſich dieſelben in einen weißen Brei verwandeln, indem die Schwefel- 
ſäure die feſten Beſtandtheile der Knochen auflöst und ſich mit den Kalktheilen 
zu Gyps verbindet, der dem Verweſungsprozeß des Leims in der Erde kein 
Hinderniß mehr entgegenſetzt. 

Nach chemiſchen Unterſuchungen enthält das Knochenmehl 


Waſſe rr!!! 9 

Stickſto ff DO 

Verbrennliche Stoffe außer dem Stickſtoff 28—42½ „ 

Phosphorſauren Kalk 53—36 „ 

Kohlenſauren Kalkhkhllt 8 * 

Sand, Edde REN DIE 5 
100. 100. 


281 


Bei der Anwendung deſſelben in den Weinbergen feuchtet man daſſelbe 
gut an und vermiſcht es mit der gleichen Quantität Erde und Aſche, wodurch 
das fehlende Kali ergänzt wird. Man ſchlägt es dann zu einem feſten ſpitzen 
Haufen zuſammen und überläßt es, wenn es fein gemahlen iſt, einige Tage, 
wenn es aber gröber, etwa wie Gries iſt, 2—3 Wochen ſeiner Selbſtauflöſung, 
worauf der Haufen umgeſtochen und bei dem Hacken jedem Stock eine Hand 
voll von dem präparirten Dünger in der Art gegeben wird, daß er zwar in 
die Nähe, aber nicht in unmittelbare Berührung mit den Wurzeln und nicht 
zu tief in den Boden kommt. Das durch Schwefelſäure aufgeſchloſſene Kno— 
chenmehl, kann, ſobald es mit Erde und Aſche gemiſcht iſt, ſogleich zur Dün⸗ 
gung verwendet werden. Bei der Vermiſchung deſſelben mit gewöhnlichem 
Stalldünger erhöht es deſſen Wirkſamkeit. Bezüglich der Bodenart wird das— 
ſelbe auf einem Boden von mittlerer Bündigkeit die ſchnellſte und ſicherſte 
Wirkung hervorbringen, während dieſes auf ſehr ſchwerem oder ſehr leichtem, 
loſen Boden weniger der Fall ſein wird, weil es dem Knochenmehl in ſehr 
geſchloſſenem und naſſem Boden nicht ſelten an Luft, in ſehr leichtem und 
loſem Boden aber an Waſſer zu ſeiner Zerſetzung fehlen wird. Ebenſo wird 
es in einem Boden, in dem ſeine Hauptbeſtandtheile Stickſtoff, Kalk und Phos⸗ 
phor ſchon in hinreichender Menge vorhanden ſind, weniger wirken, als da, 
wo dieſelben mehr oder weniger fehlen. 


8 179. 
g. Der Guano oder Vogeldünger. 


Der Guano beſteht aus den Exkrementen von Seevögeln, die ſich haupt- 
ſächlich von Fiſchen nähren, und aus den verwesten Körpern derſelben. Er 
hat ſich in ſüdlichen Meeren auf unbewohnten Inſeln und Klippen im Laufe 
von Jahrhunderten in ſtarken Lagern aufgehäuft und wird in Europa erſt ſeit 
einigen Jahrzehnten als Dünger verwendet. Der beſte kommt aus Gegenden, 
wo es gar nicht oder nur ſelten regnet, wie aus Peru und Südamerika, indem 
der durch Regen ausgelaugte, wenig Wirkung und Werth hat. 

Der Gehalt des beſſeren beſteht in 

Feuchtigkeit .. . 1I0—8 Procent 
Verbrennlichen ſtickftoffhaltigen Stoffen 59—65 „ 
Darunter Stickſtoffgehalt 12 —13¼. 


Phosphorſaurem Kalk 2522 „ 
Kaliſalze %% 8 2—4 „ 
Natron e ee 75 
Kieſelerde, Sand, See DR NE 
100. 100. 


Hienach ſollte auch der Guano ein ſehr ſchnell wirkſamer Dünger für die 


282 


Weinberge fein, nachhaltige Erfahrungen find aber hierüber noch nicht gemacht, 
ſondern bei einzelnen angeſtellten Verſuchen nur ſo viel bemerkt worden, daß 
derſelbe in trockenen Jahrgängen, wo es dem Boden an Feuchtigkeit fehlt, von 
keiner weſentlichen Wirkung war, daher der Guano, wie das Knochenmehl, 
vielleicht hauptſächlich nur für Boden von mittlerer Bündigkeit paßt, in an⸗ 
dern Bodenarten aber nur im flüſſigen Zuſtande, indem er in einer angemeſſe⸗ 
nen Quantität Waſſer aufgelöst wird, angewendet werden ſollte. Bei der An- 
wendung im trockenen Zuſtande werden die öfters zuſammengebackenen Maſſen 
zuerſt verkleinert und pulveriſirt und mit der 2—3fachen Menge Erde oder 
mit Aſche und Erde gut gemiſcht und wie das Knochenmehl an die Rebſtöcke 
gebracht. | 

Zu dem Guano oder Vogeldünger gehört auch derjenige von Tauben, 
Hühnern und anderem Geflügel, er iſt, weil daſſelbe größtentheils von Inſek⸗ 
ten und Körnern und zum Theil auch von grünen Pflanzen lebt und dieſe 
Gegenſtände feiner zertheilt und verdaut, leicht zerſetzbar und ſchnell wirkend, 
hat aber, wie der Guano, viel Stickſtoffgehalt und iſt daher ſehr reizend, er 
muß deßhalb vor der Verwendung gleichfalls mit Erde und Aſche gemiſcht oder 
nur in ſehr kleinen Quantitäten an die Rebſtöcke gebracht werden. Er wird 
jedoch in der Regel nur in geringer Menge gewonnen und erſcheint daher 
neben dem übrigen Dungmaterial nicht von Bedeutung. Unter dieſem Geflü⸗ 
geldünger iſt derjenige von Tauben und Hühnern der wirkſamſte, derjenige 
von Gänſen und Enten dagegen als wäſſeriger und viele geringe vegetabiliſche 
Stoffe (Gräſer) enthaltend, von geringerer Qualität. 

Bei der Verwendung aller dieſer Düngerarten mit viel Stickſtoffgehalt 
muß man übrigens ſehr vorſichtig zu Werke gehen, weil die Rebe leicht über- 
reizt wird, und dadurch zwar viel Holz, aber wenig Früchte bringt oder gar 
zu Grunde geht, und weil der Wein bei der Anwendung von ſcharfem Dünger 
gerne einen unangenehmen Geſchmack annimmt. 


§. 180. 
h. Die Jauche, Gülle. 


In dem Urin (Harn) der Thiere entwickelt ſich, wenn er in Fäulniß 
(Hährung) übergeht, ſehr viel Ammoniak, auch enthält er ſehr viel Kali, wo⸗ 
durch er zu den ſcharfen, reizenden Dungmitteln gehört und bei dem Wein- 
baue nur mit Vorſicht zu verwenden iſt. Wird er aber mit den feſten Exkre⸗ 
menten der Thiere und mit den durch den Regen aus denſelben ausgezogenen 
flüſſigen Theilen in Verbindung gebracht, ſo bildet er die Jauche oder Gülle, 
die weniger Schärfe beſitzt, jedoch, je nachdem fie mit mehr oder weniger Re— 
genwaſſer gemiſcht, von verſchiedener Qualität iſt. Je ſchärfer dieſelbe ift, 
deſto vorſichtiger muß bei der Verwendung zu Werke gegangen werden, weil 


283 


durch den ſcharfen ätzenden Gehalt die Wurzeln leicht angegriffen werden und 
Noth leiden, oder durch den allzu ſtarken Trieb und Saftzudrang die Stöcke 
brandig werden. Die Jauche gehört zu den ſchnell wirkenden, aber weniger 
nachhaltigen Dungmitteln und thut namentlich in kühlem, mehr feuchten Boden 
und bei Rebſtöcken, welche naß ſtehen und gelb werden, eine ſehr gute Wir— 
kung. Auch in magerem, wenn auch hitzigem Boden ſoll ſie gute Dienſte 
thun, weil durch den Ammoniak die Auflöſung der verſchiedenen Bodenbeſtand⸗ 
theile ſchneller bewirkt wird. Man muß ſich aber hüten, dieſelbe bei trockenem, 
hitzigen Wetter in die Weinberge und unmittelbar an die Wurzeln der Reben 
zu bringen, auch wenn ſie zu ſcharf iſt, was man an dem Geruch erkennt, 
zuvor mit Waſſer miſchen. Am zweckmäßigſten geſchieht die Verwendung, 
wenn die Jauche in den Wintermonaten in die Weinberge gebracht wird, wo 
ſie fi) mit dem Regen- und Schneewaſſer vermiſcht und mit demſelben den 
Wurzeln der Reben zugeführt wird. In kühlen Jahrgängen wird ſie auch 
nichts ſchaden, wenn ſie während der Sommermonate bei Regen verwendet 
wird. Man kann dieſelbe bei der Reihenkultur in der Mitte der Reihen aus- 
gießen oder, was wirkſamer iſt, hinter jedem Rebſtock eine kleine Grube ma— 
chen, in dieſelbe 2—4 Maas Jauche bringen und dieſelbe mit der ausgewor— 
fenen Erde wieder bedecken. Zu oft darf jedoch die Düngung mit Jauche, 
wegen des ſtarken Ammoniakgehalts, nicht wiederholt werden. 

Sehr zweckmäßig wird die Jauche auch verwendet, wenn man damit an⸗ 
dere Dungſtoffe übergießt, oder ſie bei der Bereitung des Compoſtdüngers 
(8. 187) benützt. 

Die Jauche oder Gülle wird in beſondern, waſſerdicht angelegten Behäl⸗ 
tern geſammelt, die ſich entweder unmittelbar vor dem Viehſtalle oder am 
tiefſten Theile der Miſtſtätte befinden und wohin der Urin der Thiere und 
der flüſſige Theil der Miſtſtätte geleitet wird. Die Behälter müſſen eine 
gute Bedeckung haben, damit kein Regen eindringen und womöglich mit einer 
Pumpe verſehen ſein, damit der Inhalt leicht geleert werden kann. 


3. Die vegetabiliſch⸗animaliſche Düngung. 
8. 181. 


Den meiſten Dünger liefern die Auswürfe oder die Exkremente der Haus- 
thiere und Menſchen, dieſelben kommen aber ſelten in dieſer Geſtalt unmittel⸗ 
bar zur Anwendung, ſondern werden zuvor mit den oben in §. 176 beſchrie— 
benen Pflanzentheilen dadurch gemiſcht, daß man dieſelben beim Vieh als 
Streumaterial benützt, wodurch ſie mit den thieriſchen Exkrementen in Gährung 
übergehen und dadurch den vegetabiliſch-animaliſchen oder den Stalldünger 
bilden. Dieſer Dünger macht die Hauptmaſſe aller Düngerſtoffe aus und 


284 


kommt am meiſten bei allen Gewächſen in Anwendung. Unſere Hausthiere 
ſind pflanzenfreſſende Thiere und nur bei den Schweinen kommt hie und da 
eine Ausnahme vor, indem dieſe auch thieriſche Subſtanzen genießen. 


Die Auswürfe der Thiere find daher ein Gemenge, das aus den Ueber⸗ 
bleibſeln der genoſſenen Pflanzen und Getränke und aus den zur Auflöſung 
derſelben beigemiſchten thieriſchen Säften beſteht; ſie ſind unter ſich nach der 
Natur des Thiers und nach der Beſchaffenheit und Menge des Futters ſehr 
verſchieden. Sie enthalten viel Stickſtoff, der durch Verbindung mit dem 
Sauerſtoff der Luft die Gährung derſelben veranlaßt, wodurch ſich Ammoniak 
bildet, der, wenn er mit dem Streumaterial und der Erde gemiſcht wird, auch 
zur Auflöſung der vegetabiliſchen und insbeſondere der animaliſchen Theile 
derſelben, ſowie zur Bildung von ſalpeterſauren Salzen beiträgt, die das 
Wachsthum und gute Gedeihen der Pflanzen jo ſehr befördern. Unter den⸗ 
ſelben machen die Auswürfe des Hornviehes den größten Beſtandtheil des 
Düngers aus, worauf der Menge nach derjenige der Pferde, der Schafe und 
der Schweine und zum Schluſſe derjenige des Menſchen folgt. 


a. Der Rindviehdünger. 


Dieſer Dünger verdient bei den Weinbergen vor allen andern den Vor— 
zug, indem er als breiartig einen größern Grad von Feuchtigkeit beſitzt, das 
durch mit einer größeren Menge von Streu ſich verbindet, wodurch, ſowie weil 
er arm an gährungserregendem Stickſtoff iſt, die eigene Zerſetzung zurückge— 
halten, diejenige der Streu aber befördert und ſomit eine Nachhaltigkeit her⸗ 
beigeführt wird, welche die andern Düngerarten in der Regel übertrifft, indem 
Feuchtigkeit, Ammoniak und Kohlenſäure nicht ſo ſchnell verdunſten, auch iſt 
er reich an Alkalien, welche auf die Vermehrung des Zuckergehalts der Traube 
Einfluß haben und ſomit auch dadurch ſeine beſondere Brauchbarkeit für die 
Weinberge nachweist. 


Er verbindet ſich am leichteſten mit dem Boden, befördert die atmos— 
phäriſche Einwirkung auf denſelben durch Anziehung der Feuchtigkeit und hat 
außerdem die gute Wirkung, daß der vergohrene und ſpeckige Dünger den lo⸗ 
ſen ſandigen Boden bindet, den hitzigen Kalk- und Mergelboden kühlt, den 
kühlen Lehm- und naſſen Thonboden erwärmt und den ſchweren Thonboden 
durch den Strohgehalt lockert, auch übt er, beſonders in verrottetem Zuſtande, 
keinen nachtheiligen Einfluß auf die Rebe und den Wein aus, vielmehr trägt 
er viel zu deſſen Gehalt und Güte bei und gibt ihm, weil er unter den 
meiſten thieriſchen Auswürfen am wenigſten Stickſtoff hat, keinen unangeneh⸗ 
men Beigeſchmack. 


285 


8 182 
b. Der Pferdedünger 


iſt trocken, hat wenig Feuchtigkeit und vermiſcht ſich daher und vermöge ſeines 
feſteren Zuſammenhangs mit dem Streumaterial ſchwer, beſonders da er mit 
dem letzteren gewöhnlich jeden Tag aus dem Stalle gebracht wird. Er hat 
ſehr viel Stickſtoff, iſt deßhalb ſehr hitzig und hat, weil er ſchnell in Gährung 
übergeht, weniger nachhaltige Wirkung als der Rindviehdünger. Durch deſſen 
Vermiſchung mit dem Urin (Harn) der Pferde entwickelt ſich ſehr viel Am— 
moniak, der ſich durch den ſtechenden Geruch anzeigt und leicht verflüchtet, 
wenn der Dünger nicht mit Gyps oder gypshaltigem Mergel oder auch mit 
Erde bedeckt und dadurch an denſelben gebunden wird. 

Für die Weinberge eignet ſich der Pferdedünger beſonders im friſchen 
Zuſtande wegen feines ſtarken Stickſtoff⸗ und des daraus ſich bildenden ſchar— 
fen Ammoniak⸗Gehalts (§. 63), wodurch er dem Weine leicht einen unange— 
nehmen Geſchmack beibringt, wenig, daher er nur in Verbindung mit Rind⸗ 
viehdünger, oder nur auf kalten, naſſen Böden, nachdem er auf der Miſtſtätte 
hinreichend vergohren hat, in Anwendung kommen ſollte, in welchem Zuſtande 
er, wegen des beigemengten vielen Streumaterials den Boden locker und der 
Wärme zugänglicher macht. 

§. 183. 


c. Der Schafdünger 


iſt, wie der Pferdedünger, trocken und hat ähnliche Wirkung, jedoch noch mehr 
Triebkraft, aber weniger Nachhaltigkeit wie dieſer, weil ſich keine gröbere 
Pflanzentheile in demſelben befinden, welche die Gährung und den Uebergang 
in die Pflanzenwurzeln aufhalten, und ſollte, wegen feines ſtarken Stickſtoff— 
gehalts und der davon abhängenden Ammoniakentwicklung ſtets mit Gyps, 
Mergel oder Erde überſtreut werden, wodurch ſeine Wirkung auch nachhaltiger 
würde. Er paßt wegen ſeiner hitzigen Eigenſchaft mehr für kühle, kalte und 
naſſe Böden, die er lockert und erwärmt, als für warme oder hitzige Böden 
und ſollte nur im vergohrenen Zuſtande in die Weinberge gebracht werden, 
weil er im friſchen Zuſtande, wegen ſeines ſcharfen Geruchs, dem Weine einen 
unangenehmen, böckerartigen Geſchmack beibringen kann, der ſich erſt durch das 
Ablagern verliert. 
§. 184. 


d. Der Schweinedünger 


iſt, wie der Rindviehdünger, aufgelöst und breiartig und mit vielem wäſſeri— 
gen Harne gemengt, er hat aber weit weniger Wirkung wie jener, weil die 


286 

Schweine häufig mit geringem, wäſſerigen Futter ernährt werden und ihre 
Verdauungswerkzeuge ſehr ſcharf zu ſein ſcheinen, wodurch ſie auch aus 
geringem Futter noch Nahrung ziehen können, eben deßwegen aber auch wenig 
Gehaltreiches mit ihren Exkrementen abgeht. Mehr Wirkung ſoll der Urin 
derſelben haben, wenn er die faulige Gährung durchgemacht hat. Der Schweine⸗ 
dünger zerſetzt ſich mit dem Streumaterial langſam, hat deßwegen keine er— 
wärmende, kräftige, ſondern eine mehr kühlende Wirkung, befördert den Gras— 
wuchs und taugt nicht für die Weinberge, beſonders da er auch auf den Wein⸗ 
geſchmack ungünſtig einwirken kann, dagegen kann er durch Miſchung mit dem 
Pferdedünger den letztern tauglicher für die Weinberge machen. 


8. 185. 
e. Der Abtritts- oder Menſchendünger 


enthält vielen Stickſtoff, geht daher ſchnell in Gährung über und hat eine ſehr 
ſtarke aber ſchnell vorübergehende Wirkung, die jedoch, wenn derſelbe mit 
Erde gemiſcht wird, nachhaltiger gemacht werden kann. Er iſt weder allzu— 
hitzig noch zu kühlend und läßt ſich daher für jeden Boden gebrauchen, er 
kommt jedoch, weil deſſen Menge nicht bedeutend iſt, ſelten allein zur An⸗ 
wendung, blos in großen Städten, wo viel erzeugt wird und Mangel an ſon⸗ 
ſtigem Dünger iſt, wird er zur Düngung der Weinberge verwendet. Er ent— 
hält gewöhnlich viel Urin und hat daher eine ſcharfe ſalpeterartige Beſchaffen— 
heit, die zwar bei der Rebe eine außerordentliche Triebkraft erweckt, öfter an— 
gewendet den Boden aber allzuſehr mit ſalpeterartigen Theilen ſchwängert, 
was, da er auch wenig Zucker erregende Alkalien beſitzt, dem Weine einen 
ſcharfen Geſchmack beibringen und jedenfalls dem Bouquet ſchaden muß. Der 
Abtrittsdünger ſollte daher nie allein und im friſchen Zuſtande in die Wein- 
berge gebracht, ſondern zuvor mit gutem Streumaterial, namentlich Erde oder 
anderem Dünger gemiſcht und einer ordentlichen Gährung unterworfen wer— 
den, wo er dann gute Dienſte thun kann, doch dürfte da, wo edle Weine mit 
feinem Bouquet erzeugt werden wollen, deſſen Anwendung ganz unterbleiben, 
weil ſtinkender Dünger auf den Wohlgeruch der Weine einen ſehr nachtheili- 
gen Einfluß ausübt, während geruchloſe und langſam in Verweſung über— 
gehende Stoffe, wie Wolle, Hornſpäne, Beinſchwarz denſelben befördern ſollen. 
Nur an ſolchen Stellen der Weinberge, wo ſich regelmäßig kranke Stöcke be— 
finden, die ſich durch Gelbwerden auszeichnen, iſt es nicht ſelten angemeſſen, 
ſolche ſtark mit Abtrittsdünger zu übertragen, indem der Boden hie und da 
Erdſchichten (Waſſergallen) enthält, die der Rebe nicht zuträglich ſind und die 
durch jene Düngung verbeſſert oder unſchädlich gemacht werden können. 

In manchen Ländern, wie in Frankreich und Belgien, ſowie neuerlich auch 


287 


in Deutſchland ſucht man den Abtrittsdünger, ſo lange er noch nicht mit 
Streumaterial gemiſcht iſt, entweder allein oder unter Zugabe von Kalk und 
Gyps zu trocknen und daraus ein ſehr wirkſames Dungpulver zu bereiten, 
das unter dem Namen Poudrette (Miſterde) in den Handel gebracht wird, 
und bei den Reben, wie das Knochenmehl, in Anwendung zu bringen wäre. 
Sehr gut iſt es in jedem Falle, wenn man den in waſſerdichten Behältern 
geſammelten Dünger von Zeit zu Zeit mit Erde überdeckt, indem dadurch nicht 
nur der ſtarke Geruch unterdrückt, ſondern auch die flüchtigen Theile (Ammo⸗ 
niak ꝛc.) weniger verloren gehen. 
§. 186. 


f. Zubereitung und Wirkſamkeit dieſer Düngerarten. 


Die Wirkſamkeit und Nachhaltigkeit der hier angeführten vegetabiliſch⸗ 
animaliſchen Düngerarten hängt übrigens nicht allein von der Qualität des 
Streumaterials (S. 176), ſondern auch von der Nahrung der Thiere und 
Menſchen ab. Der Dünger von ſchlecht genährten Thieren hat weit nicht die 
Kraft und Nachhaltigkeit, wie derjenige von gut genährten, weil jener nicht 
nur kräftigere vegetabiliſche Subſtanzen, ſondern auch mehr thieriſche Säfte 
enthält, die, wie aller thieriſcher Dünger ($. 177), als Dungmaterial ſehr 
wirkſam ſind. | 

Es liefert deßwegen das Maſtvieh, das mit Körnern gefüttert wurde, 
einen ſehr kräftigen Dünger, während derjenige von magerem Vieh, das haupt⸗ 
ſächlich mit Stroh gefüttert wird, nur von geringer Wirkſamkeit iſt. Ebenſo 
iſt der Pferdedünger von ſolchen Pferden wirkſamer, die mit Haber und kräf⸗ 
tigem Heu gefüttert wurden, als von ſolchen, die blos Heu oder Grünfutter 
erhielten. Eine weitere Wirkſamkeit des Düngers hängt von der Menge des 
Einſtreu⸗Materials ab, indem, wenn daſſelbe im Uebermaß vorhanden iſt, ſo 
daß ſich die thieriſchen Exkremente mit demſelben nicht gehörig vermiſchen 
konnten, der Dünger weniger kräftig ſein wird, als wo eine angemeſſene Mi⸗ 
ſchung vorhanden iſt. In jenem Falle iſt es zweckmäßig, wenn der Dünger 
auf der Miſtſtätte öfter mit Gülle übergoſſen und dadurch die Gährung be— 
fördert wird. 

Die Art und Weiſe, wie der Dünger bis zu ſeinem Gebrauche auf der 
Miſtſtätte aufbewahrt wird, hat ebenfalls Einfluß auf deſſen Qualität, indem 
ein vom Regen ausgewaſchener Dünger weit weniger Wirkung als ein ſolcher 
hat, in dem die urſprünglichen Beſtandtheile noch größtentheils vorhanden ſind. 
Es iſt deßwegen nothwendig, daß die Miſtſtätte vertieft und möglichſt waſſer⸗ 
dicht angelegt wird, ſo daß der flüſſige Dünger nicht abfließen und ſich nicht 
in den Boden verſenken kann, ſowie daß der Dünger, ſobald er aus dem 
Stalle gebracht wird, ordnungsmäßig aufgeſchichtet, und wo möglich mit Erde, 


288 


Mergel oder Gyps bedeckt wird, damit die Gährung gleichmäßig vor ſich geht 
und die durch dieſelbe ſich entwickelnden flüchtigen düngenden Theile, wie Am⸗ 
moniak ꝛc. nicht in die Luft entweichen, ſondern von der aufgelegten Erde auf- 
gefangen und für den zu düngenden Boden erhalten werden. 


4. Der künſtliche Dünger. 
8 


Zu den künſtlichen Düngerarten gehören alle diejenigen, die aus verſchie— 
denen animaliſchen, vegetabiliſchen und mineraliſchen Stoffen zuſammengeſetzt 
ſind und entweder auf einfache Weiſe durch Aufhäufung und Miſchung ver— 
ſchiedener Düngerſubſtanzen in Gruben oder auch freien Plätzen oder in be— 
ſondern Fabriken auf chemiſche Weiſe bereitet werden. 


a. Der Compoſt. 


Der Compoſt (Mengedünger) gehört zu den bekaunteſten künſtlichen Dün⸗ 
gerarten, weil er leicht und überall bereitet werden kann und deſſen gute 
Wirkung ſchon vielfach erprobt iſt. Er kann auf ſehr verſchiedene Weiſe be— 
reitet werden. Die einfachſte Bereitung beſteht darin, daß man eine, wo 
möglich etwas waſſerdichte Grube von 3—4 Fuß Tiefe anlegt, in dieſelbe zu⸗ 
erſt eine Schichte Erde oder Mergel, beſonders Raſenerde, darauf eine Schichte 
Stalldünger und dann wieder Erde und Dünger bringt, bis dieſelbe gefüllt 
iſt. Dieſer Düngerhaufen wird ein bis zweimal, oder auch öfter, ſowie er 
etwas trocken erſcheint, mit Gülle begoſſen, damit derſelbe in Gährung kom⸗ 
men kann, einigemal mit dem gewöhnlichen Spaten oder mit einem Dungſpa⸗ 
ten, der herzförmig geſtaltet und auf beiden Seiten bis zur Spitze ſcharf 
iſt, umgeſtochen, damit auch die Luft auf alle Theile deſſelben einwirken kann, 
und wenn er gehörig gemengt iſt und vergährt hat, nach Verfluß von /2—1 
Jahr in die Weinberge gebracht. Neben dem Dünger kann man aber auch 
noch manche andere Düngerſtoffe, wie Aſche, Gyps, Kalk, grüne Pflan⸗ 
zen, Laub, Moos, Blut, Hornſpäne und ſonſtige thieriſche Abfälle von Gerbe- 
reien und Leimſiedereien, Gaſſenkoth ꝛc. in die Grube bringen, man hüte ſich 
aber vor der Beigabe von Unkraut, das ſchon Samen getrieben hat, wenn 
man daſſelbe nicht in die Weinberge verpflanzen will, wobei man jedoch zu 
berückſichtigen hat, daß nur ſolche Materialien in die Grube gebracht werden, 
welche auf die Reben nicht ſchädlich wirken und daß, bei Materialien, welche 
ſich ſchwer oder langſam zerſetzen, wie Sägmehl- und Holzſpähne, Heide⸗ 
kraut ꝛc. es ſehr zweckmäßig iſt, wenn dem Kompoſt etwas ungelöſchter Kalk 
beigegeben wird, der die Zerſetzung befördert, auch muß man in dieſem Falle 
den Compoſthaufen länger liegen laſſen und öfter umſtechen, bis ſämmtliche 


289 


Materialien gehörig zerſetzt ſind. Man kann, wenn dem Compoſt verſchiedene 
andere düngende Materialien beigegeben werden, den Stalldünger weglaſſen, 
dagegen darf die Uebergießung mit Gülle, wenn der Dünger gehörig vergäh— 
ren und kräftig werden ſoll, nie unterlaſſen werden, auch wird die Gülle auf 
dieſe Weiſe am vortheilhafteſten für die Weinberge verwendet. Bei der 
Beigabe von Erde muß Rückſicht auf die Bodenbeſchaffenheit des Weinberges 
genommen werden, in den der Dünger gebracht wird und daher für Wein— 
berge mit ſchwerem, ſtrengen Boden mehr leichte, ſand- und kalkhaltige Erde 
(Lehm, Mergel), für Weinberge mit leichtem, loſem Boden mehr ſchwere, ſtrenge 
Erde (Thon), für kalkloſen Boden mehr kalkhaltige Erde (Mergel, Gyps, Kalk), 
zu der Compoſtbereitung genommen werden. 


§. 188. 
b. Der chemiſche Dünger 


wird in der Regel in beſondern Dünger-Fabriken aus thieriſchen und Mine⸗ 
ralſtoffen bereitet und beſteht häufig 

1. aus künſtlichem Guano, ganz aus thieriſchen Stoffen bereitet, mit 
5 Procent Stickſtoff und 25 Procent phosphorſaurem Kalk, oder 

36—40 Proc. organiſchen Stoffen und Ammoniakſalze, 

54 —46 Proc. phosphorſaurem Kalk und mineraliſchen Stoffen und 

10-14 Proc. Feuchtigkeit. 

2. Aus Kalk⸗Superphosphat (ſchwefelſauren Knochen) mit 10—12 Proc. 
löslicher Phosphorſäure, 4 Proc. Stickſtoff und 40— 45 Proc. phosphorſau⸗ 
rem Kalk, oder 

3. Aus aufgeſchloſſenem Knochenmehl oder Knochenkohlenmehl (Super⸗ 
phosphat) mit 16—19 Proc. ſaurem phosphorſaurem Kalk = 10—12 Proc. 
löslicher Phosphorſäure, 

15—14 Proc. gewöhnlichem phosphorſauren Kalk, 

48—43 Proc. mineraliſchen Stoffen, 

10—12 Proc. organiſchen Subſtanzen und Ammoniak, 

11 —12 Proc. Feuchtigkeit 
darunter 1,60 —1,70 Proc. Stickſtoff. 
Ferner 

4. Guaniſirte Knochenkohle, die hauptſächlich als Weinbergsdünger em⸗ 
pfohlen wird. 

Solche künſtliche Düngerfabriken befinden ſich in Württemberg zu Reut⸗ 
lingen, Tübingen und Heilbronn. Bei der Beurtheilung der einzelnen Fabrikate 
kommt es hauptſächlich auf den Gehalt an Stickſtoff und Phosphorſäure an, 
indem dieſe hauptſächlich auf das gute Gedeihen der Pflanzen einwirken (8. 178). 

19 


290 

In wie fern nun dieſe künſtlichen Düngerarten auch zur Düngung der Wein: 
berge geeignet ſind, darüber ſind, ſoviel dem Verfaſſer bekannt iſt, noch keine 
genügenden Erfahrungen gemacht worden, und auch die von ihm angeſtellten 
Verſuche haben noch zu keinem beſtimmten Reſultat geführt. 

Der Kunſtdünger kommt in pulveriſirter Form in Anwendung und ſoll 
bei den Weinbergen, namentlich die guaniſirte Knochenkohle, in dem Verhältniß 
von 1 zu 3 Theilen mit geſiebter oder durchworfener guter Weinbergserde ges 
mengt, ca. 8 Tage mit wenig Waſſer angefeuchtet, liegen gelaſſen und dann 
in die Nähe der Hauptwurzeln der Reben (wie das Knochenmehl S. 178) 
durch Hacken untergebracht werden, was am beſten geſchieht, ſo lange die 
Stöcke aufgeräumt ſind und bevor dieſelben zugehackt werden. Vier Centner 
Dünger mit 12 Centner Erde gemiſcht ſollen für einen Morgen als ganze 
Düngung genügen, zwei Centner als halbe Düngung. Sehr zweckmäßig dürfte 
es ſein, wenn 7/8 Kunſtdünger (Guano) und ½ aufgeſchloſſenes Knochenmehl, 
mit Erde gemiſcht und dieſe Miſchung an die Reben gebracht wird, indem 
erſterer dann auch eine nachhaltigere Wirkung hätte. 


5. Die Nachhaltigkeit, Zeit und Art der Düngung. 
§. 189. 


Bei der Düngung überhaupt, ſowie insbeſondere bei derjenigen der Wein: 
berge, kommt weiter in Frage, wie oft, zu welcher Zeit und auf welche Weiſe 
gedüngt werden ſoll, daher, wenn auf eine angemeſſene Wirkung des Düngers 
gerechnet werden will, dieſe drei Fragen eine beſondere Betrachtung verdienen. 


a. Die Nachhaltigkeit des Düngers. 


Bei der Frage, wie oft gedüngt werden ſoll, um einen Weinberg im ge- 
hörigen tragbaren Stand zu erhalten, kommt zunächſt die Bodenbeſchaffenheit 
des Weinbergs und die Qualität des Düngers in Berückſichtigung. 

Bei der Bodenart kommt in Betracht, ob der Boden an und für ſich 
ein kräftiger und feſter oder ein magerer Boden iſt, und ob derſelbe den Dün⸗ 
ger gerne aufnimmt und länger behält oder denſelben ſchnell verzehrt (§. 72). 
Zu den kräftigſten Bodenarten (S. 76, 77) gehören die vulkaniſchen und die 
aus dem Urgebirge entſtandenen, die faſt gar keine oder nur in langen Zwi⸗ 
ſchenräumen eine Düngung erfordern. Zu den kräftigen Böden werden die 
ſtarken Thon⸗ und Mergelböden gerechnet, die mindeſtens von 6 zu 6 Jahren 
eine ſtarke Düngung verlangen, zu den mittlern Böden die leichten Thon- und 
thonhaltigen Kalk⸗, fowie die Lehmböden, die je in 3—4 Jahren eine gute 
Düngung erfordern, und zu den leichteren, den Dünger ſchnell verzehrenden 
Bodenarten, die Sand- und Kalkböden, bei denen es ſehr angemeſſen iſt, wenn 


291 


die Düngung oft, und wenn auch nicht jedes Jahr, doch in zwei, längſtens in 
drei Jahren wiederholt wird, wobei jedoch weniger ſtark gedüngt werden darf. 
Außerdem kommt es darauf an, ob ein Boden mehr oder weniger für den 
Rebbau überhaupt oder für einzelne Traubengattungen (S. 79—82) geeignet 
iſt, indem, je weniger derſelbe der Rebe entſpricht, deſto öfter muß mit Dünger 
nachgeholfen werden. Auch einzelne Traubengattungen, wie z. B. die blauen 
Clevner, Ruländer, Gutedel, ſowie alle diejenigen, die wegen minder ſtarker 
Bewurzelung ſchon an und für ſich einen guten, milden, kräftigen Boden er- 
fordern (§. 82, 83), verlangen eine öftere Düngung als andere, die in jedem 
Boden fortkommen, worauf gleichfalls geeignete Rückſicht zu nehmen iſt. Fer— 
ner kommt die Erziehungsart der Rebe in Betracht, indem bei der Schenkel— 
Erziehung, bei der die obern (Thau-) Wurzeln nicht immer weggeſchnitten, 
ſondern gepflegt werden, öfter, doch nicht ſo ſtark gedüngt werden darf, als 
bei der Kopferziehung, bei der die obern Wurzeln hinweggenommen werden, 
weil in jenem Falle der Rebſtock hauptſächlich im obern Boden ſeine Nahrung 
ſuchen muß. Auch darf man die obern Theile der Weinberge ſtärker düngen, 
als die untern, weil der Boden und die düngenden Theile durch Regen- und 
Schneewaſſer ſtets von oben abgeſchwemmt und unten abgelagert werden 
(vergl. §. 173). 

Zu einer ſtarken Düngung rechnet man 8—12 zweiſpännige Wagen Stall- 
miſt, zu einer mittlern Düngung 7—8 Wagen, zu einer halben Düngung 
4— 5 Wagen auf den württembergiſchen Morgen. 

Bei der Qualität des Düngers kommt es hauptſächlich auf die oben 
8. 167—183 näher beſchriebenen Beſtandtheile an, indem, je nachhaltiger 
und nährender dieſelben wirken, in deſto längeren Zeitabſchnitten oder in deſto 
geringeren Ouantitäten darf derſelbe aufgebracht werden, wir können deßwegen 
hier nur im Allgemeinen anführen, daß für die Weinberge nachhaltige, kräftige 
Düngerſtoffe, wie der vegetabiliſch animaliſche Dünger und unter dieſem der 
Rindviehdünger und bei gewiſſen Bodenarten auch der Pferdedünger oder der 
gemiſchte Rindvieh⸗ und Pferdedünger in der Regel die angemeſſenſten ſind, 
indem dieſelben alle diejenigen Eigenſchaften beſitzen, die der Rebe am zu— 
träglichſten find (S. 181), wobei jedoch der Dünger nicht im friſchen, ſondern 
nur in dem in §. 186 beſchriebenen vergährten Zuſtande in die Weinberge 
und unter den Boden gebracht werden darf, weil er ſonſt zu ſehr hitzt und 
dadurch Brand und andere Krankheiten der Rebe verurſacht, auch dem Weine 
leicht einen Beigeſchmack beibringt. 

Die mineraliſchen Düngungsmittel ſind, gegenüber von den organiſchen, 
die ſchwächſten, weil ſie nur einige Stoffe enthalten, die bei ihrer Zerſetzung 
in die zu nährende Pflanze übergehen, mineraliſche Dünger, wie Kalk, Aſche, 
ſowie diejenigen chemiſchen Düngerarten, die weniger nährend, ſondern mehr 

19 * 


292 


reizend und humusauflöſend find, können zwar aus dem letztern Grunde hie 
und da ſehr kräftig wirken, dürfen aber nie zu oft und nur in längeren Zwi⸗ 
ſchenräumen, zwiſchen welchen eine andere Düngung mit Stalldünger, Compoſt 
oder guter nährender Erde ſtattfinden muß, in Anwendung gebracht werden, 
weil die Rebſtöcke ſonſt zu ſehr überreizt werden und dadurch zwar Holz, aber 
keine Trauben treiben, oder zuletzt wegen Mangels an nachhaltiger Nahrung 
ganz zu Grunde gehen. 

Der vegetabiliſche Dünger, wie grüne Pflanzen, Rebabſchnitte und Wein⸗ 
treber entwickeln in den meiſten Bodenarten nicht immer diejenige nährende 
Kraft und Nachhaltigkeit, daß ſich der Rebſtock allein damit begnügen kann, 
daher die Anwendung dieſer Düngerſtoffe gleichfalls eine Zwiſchendüngung von 
Stallmiſt erfordert, auch müſſen dieſelben, wenn ſie eine Wirkung auf den 
Rebſtock ausüben ſollen, ſogleich mit Erde bedeckt werden. 

Eine Abwechslung mit verſchiedenen, der Rebe je nach der Bodenart zu⸗ 
träglichen Düngerſtoffen, dürfte ſich, weil hiedurch die Triebkraft vermehrt 
wird, als ſehr zweckmäßig erweiſen, nur wird, wenn, wie es in Württemberg häufig 
vorkommt, mit der mineraliſchen, d. h. mit Auftragen von Erde und mit der 
Stallmiſtdüngung gewechſelt wird, in gutem kräftigen Boden nicht gut ſein, 
wenn auf das Beitragen von Erde im darauffolgenden Jahre ſogleich gedüngt 
wird, ſowie wenn überhaupt zu ſtark gedüngt wird, weil die Rebſtöcke ſonſt 
zu triebig werden, weniger Trauben anſetzen und leicht durch ſchädlichen Thau, 
Froſt ꝛc. Schaden nehmen, die Trauben aber in einem zu fetten Boden gerne 
faulen und der davon erzeugte Wein häufig molzig und ſchwer wird. 


§. 190. 
b. Die Zeit der Düngung. 


Bei der Beurtheilung der angemeſſenſten Zeit zur Düngung der Wein⸗ 
berge kommt zunächſt die Bodenbeſchaffenheit und hie und da auch die Lage 
in Berückſichtigung, indem man dabei hauptſächlich darauf zu ſehen hat, daß 
man zu einer Zeit düngt, in welcher ſich der Dünger am beſten und ſchnellſten 
mit dem Boden verbindet und demſelben ſeine düngende Kraft mittheilt, auch 
kommt es auf die Art und Beſchaffenheit des Düngers an. 

Das Düngen mit gutem Stalldünger erfolgt am zweckmäßigſten nach dem 
Herbſt, bevor es einwintert und ſo lange kein Schnee liegt, indem die Winter⸗ 
kälte und Winterfeuchtigkeit den Dünger weit mehr, als während der Früh— 
jahrs⸗ und Sommerwitterung anzieht, wodurch er feſter auf den Boden zu 
liegen kommt und demſelben dadurch mehr Schutz und Kraft gibt. Auch kann 
der Dünger ſich während des Winters gehörig zerſetzen, mit dem Boden ver- 
binden, und die düngenden Theile können bis zu den Saugwurzeln der Rebe 


293 


dringen, wodurch zugleich bei Dünger, der zu viel Stickſtoff und Ammoniak 
beſitzt (S. 182, 183), die nachtheiligen Wirkungen deſſelben auf den Geſchmack 
des Weins vermieden werden. Das Düngen im Spätjahr dürfte daher für die 
meiſten Bodenarten die geeignetſte Zeit ſein, insbeſondere aber für Weinberge 
von ſtrengem, geſchloſſenen Thonboden, weil ſich mit dieſem der Dünger am 
langſamſten verbindet, und nur bei loſem, tiefen Sand- und Lehmboden, weil 
ſich hier die düngenden Theile während des Winters zu ſchnell in den Unter— 
grund verſenken können, dürfte vielleicht eine Ausnahme ſtattfinden. Dagegen 
dürfte das Düngen während des Winters bei gefrorenem und geſchloſſenem 
Boden möglichſt vermieden werden, weil ſich hier der Dünger mit dem Boden 
nicht verbinden kann und durch das Ausfrieren an Kraft verliert. 

Das Düngen im Frühjahr iſt für ſtrengen Boden, wenn nicht ganz ver— 
gohrener und aufgelöster Dünger in den Weinberg gebracht wird, ſchon weni— 
ger angemeſſen, weil daſſelbe aus dem angeführten Grunde auf den Trauben- 
anſatz wenig mehr wirken wird. Dagegen iſt daſſelbe für milderen Thon- und 
Mergel⸗, ſowie für Kalk⸗, Lehm- und Sandboden ſchon mehr geeignet, weil 
dieſe Bodenarten den Dünger ſchneller aufnehmen und ſchneller zerſetzen, doch 
muß darauf Bedacht genommen werden, daß der Dünger nicht zu frühe in 
den Weinberg gebracht wird, weil er den Froſt anzieht, jedoch ſo, daß er beim 
Hacken in den Boden kommt. Wird nach dem Hacken gedüngt, ſo muß der 
Dünger kurz (ſtark verwest) ſein, damit er beim erſten Felgen untergebracht 
werden kann. In keinem Falle ſoll friſcher Dünger in den Weinberg gebracht 
und ſogleich untergehackt werden, weil dieſer erſt im Boden die Gährung durch— 
machen muß, wodurch er zu hitzig wird und gerne brennt, wenn warme, 
trockene Witterung eintritt, was auf die Rebſtöcke den nachtheiligen Einfluß 
hat, daß dieſelben häufig gelb und krank werden und die Trauben fallen laſſen. 
Ebenſo darf man ſich vor einer allzuſtarken Düngung hüten, weil durch die 
dadurch herbeigeführte ſtarke Ammoniak-Entwicklung die Triebkraft der Reb— 
ſtöcke zu ſehr geſteigert und die angeſetzten Trauben (Geſcheine) ſich in Ranken 
(Bollhacken) verwachſen könnten. 

Bei dem Düngen während des Sommers trocknet der Dünger auf ſtrengem, 
hitzigen Boden und in ſteilen warmen Lagen zu ſchnell aus (verbrennt), verliert 
dadurch einen großen Theil ſeiner düngenden Kraft und kann ſpäter, wenn er 
untergebracht wird, nur noch eine mechaniſche Wirkung durch Lockerung des 
Bodens hervorbringen. Bei kühlem, feuchtem und lockerem Boden (Lehm) 
wird dagegen die Sommerdüngung mit weniger Nachtheil verbunden ſein, doch 
hat man ſich zu hüten, daß der Dünger nicht erſt ſpät, wenn die Trauben 
ausgewachſen ſind und während der Traubenreife eingebracht wird, weil ſonſt 
der Wein leicht molzig und ſchwer werden und, einen üblen oder Böckſerge— 
ſchmack erhalten könnte, auch werden dadurch die Stöcke unnützerweiſe zu neuem 


294 


Triebe gereizt, was auf die Zeitigung des Holzes einen nachtheiligen Ein⸗ 
fluß hat. | 

Die hier hinſichtlich der Zeit der Düngung aufgeſtellten Grundſätze be- 
ziehen ſich hauptſächlich auf die Einbringung des gewöhnlichen, d. h. des Stall⸗ 
düngers, bei der Anwendung anderer Dungmittel iſt die Zeit der Anwendung 
derſelben theils ſchon oben bei der Abhandlung über deren Wirkſamkeit ange⸗ 
geben werden, theis kommt es dabei hauptſächlich darauf an, ob der Dünger 
im feinen oder mehr groben Zuſtande, dem Boden übergeben wird, und ob 
derſelbe, vermöge ſeiner innern Beſchaffenheit, mehr oder weniger geeignet iſt, 
bald in die auflöſende Gährung und dadurch in die Rebe überzugehen. So 
werden unter den Mineralſtoffen Mergel, Schiefer und Erde am zweckmäßig⸗ 
ſten vor und während des Winters in die Weinberge gebracht, damit der Froſt 
und die Winterfeuchtigkeit auf die Zerſetzung derſelben und dadurch auf deren 
Wirkſamkeit für das nächſte Jahr noch einwirken können, während die mehr 
ſalzhaltigen Düngmittel auch bei dem Einbringen im Frühjahr noch gute Dienſte 
leiſten werden, wogegen das Einbringen während des Sommers nur ſchädlich 
wirken könnte. 

Die Düngung mit Pflanzenſtoffen hängt von der Zeit ab, wo dieſelben 
verwendet werden können, wie die Gründüngung, die Düngung mit dem Reb⸗ 
holze ꝛc., während bei den thieriſchen Stoffen es wieder auf ihre mehr oder 
minder ſchnelle Zerſetzung ankommt, zu welcher Zeit ſie am beſten zur Düngung 
verwendet werden. Hornſpähne, Haare, Wolle, grobes Knochenmehl werden 
daher am zweckmäßigſten vor dem Winter an die Rebſtöcke gebracht, dagegen 
können Blut, aufgelöstes Knochenmehl, Guano auch noch im Frühjahr vor 
dem Hacken mit Vortheil zur Verwendung kommen. Das gleiche iſt der Fall 
bei dem Kunſtdünger, mit Ausſchluß des Compoſts, indem die chemiſche Zu- 
ſammenſetzung deſſelben meiſt aus thieriſchen, ſchnell löslichen Subſtanzen 
beſteht. 


S. 10 
c. Die Art der Düngung. 


Dieſelbe kann auf zweierlei Weiſe vorgenommen werden, nemlich dadurch, 
daß man den Dünger oben auf dem Boden ausbreitet und denſelben bei den 
Bodenarbeiten nach und nach in den Boden bringt und mit demſelben ver⸗ 
bindet, oder daß man denſelben nach dem Einbringen in die Weinberge in 
beſondere Gruben eingräbt. 

Die erſtere Düngungsweiſe iſt in Württemberg faſt in allen Weinbau⸗ 
gegenden eingeführt und nur in der Bodenſeegegend wird, neben jener, auch 
bei der Verjüngung durch das Vergruben der Stöcke denſelben Dünger in 
die Grube gegeben. 


23 

Bei dem Düngen oben auf den Boden hat man blos die Regel zu be— 
folgen, daß man den Dünger, ſo bald er in den Weinberg gebracht wird, 
gleichmäßig ausbreitet, damit er überall wirken kann, und denſelben nicht feucht 
oder naß unterhackt, weil er ſonſt verkohlt und wenig Wirkung hat. 

Die Düngung in Gruben kommt hauptſächlich da vor, wo es an Dünger 
mangelt, indem man durch dieſelbe an Dünger viel erſparen kann, ſie iſt je- 
doch, weil nicht alle Bodentheile gedüngt werden, nicht ſo nachhaltig, wie eine 
ſich über den ganzen Boden verbreitende Düngung und muß daher öfter wie⸗ 
derholt werden. 

Dieſe Düngungsart kommt hauptſächlich in den Weinbaugegenden des 
Rheinthales vor und kann auf verſchiedene Weiſe vorgenommen werden. 

Da, wo die reihenweiſe Pfahl- oder die Rahmen⸗Erziehung eingeführt 
iſt, werden häufig zwiſchen den einzelnen Reihen ſeichte Gruben gemacht, in 
dieſelben der Dünger eingelegt und ſofort wieder mit der ausgehobenen Erde 
bedeckt, oder es wird blos die Erde gegen die Stöcke auf beiden Seiten ange⸗ 
zogen, in die dadurch gebildete Vertiefung der Dünger eingelegt und ſpäter 

mit der hinweggezogenen Erde wieder bedeckt. 

Will man den Dünger ſparen oder nicht vollſtändig düngen, ſo wird je 
eine Zeile überſprungen und dieſe dann im folgenden oder zweiten Jahre mit 
Dünger verſehen. 

In andern Gegenden, namentlich im Rheingau, werden Gruben oberhalb 
der Stöcke gemacht, und in dieſelben der Dünger eingelegt und mit der aus» 
gehobenen Erde bedeckt. Hiebei ſoll es ſehr zweckmäßig ſein, wenn hinter jeden 
Stock eine / Fuß tiefe und 1⅛ Fuß lange querlaufende Grube gemacht und 
hier der Dinger eingelegt wird, wobei die ausgehobene Erde gegen die Berg— 
ſeite geworfen, mit derſelben ſofort die Grube des oberhalb ſtehenden Stocks 
oo und dadurch die Erde ſtets den Berg hinauf geſchafft wird. 

Bei dem Düngen während des Vergrubens der Stöcke wird der Dünger, 
nachdem die Stöcke mit Erde bedeckt ſind, in die Grnbe gebracht, dort längere 
Zeit offen liegen gelaſſen und dann erſt beim Felgen oder vor dem Winter 
mit Erde bedeckt. Ueberhaupt iſt es bei dem Einlegen des Düngers in Gru— 
ben aus dem bereits angeführten Grunde nicht gut, wenn der friſche Dünger 
ſogleich ſtark mit Erde bedeckt wird, vielmehr iſt es angemeſſener, wenn der— 
ſelbe einige Zeit unbedeckt in der Grube liegen bleibt oder nur eine leichte Be⸗ 
deckung von Erde erhält und erſt ſpäter vollſtändig bedeckt wird. 

Bei der Düngung in Gruben iſt auch auf die Bodenart Rückſicht zu 
nehmen, indem der Dünger nicht ſo tief vergraben werden darf, daß die Luft 
wenig oder keinen Zutritt hat, weil dadurch die Auflöſung deſſelben nur lang— 
ſam, oder ſtatt derſelben eine torfartige Vorkohlung vor ſich gehen würde, die 
auf die Rebe keine Wirkung hätte. Es muß deßwegen namentlich zwiſchen 


296 


ſtrengem, ſchwerem, waſſerhaltendem und lockerem, loſem ſand- und kalkhalti⸗ 
gen Boden, der den Dünger ſchneller zerſetzt, unterſchieden, in erſterem derſelbe 
nur ganz oberflächlich mit Erde bedeckt, in letzterem aber etwas tiefer einge— 
bracht werden, wobei jedoch auch noch der weitere Umſtand zu beachten iſt, ob 
bei der Anlage des Weinberges ſeicht oder tief geſetzt wurde, indem durch 
das Ausheben der Gruben in keinem Falle die Wurzeln des Rebſtocks beſchä— 
digt werden ſollten, daher die Gruben den Stöcken nicht zu nahe gebracht wer: 
den dürfen. | 


XI. Die Krankheiten und Defchädigungen des Weinſtocks und 
der Traube. 


§. 192. 

Auf die Dauer und Lebenskraft einer jeden Pflanze, mithin auch des 
Weinſtocks und ſeines Erzeugniſſes üben klimatiſche und meteorologiſche Um— 
ſtände, ſowie die Bodenverhältniſſe einen mächtigen Einfluß aus, ſo daß, ſowie 
die zu einer kräftigen Vegetation nothwendigen Erforderniſſe fehlen oder in 
ihrer Thätigkeit geſtört werden, dieſe auch auf den Rebſtock oder auf die Traube 
einen mehr oder minder ungünſtigen Einfluß ausüben, wodurch Krankheiten 
entſtehen, die entweder ein Verkümmern der Rebe und der Traube oder eine 
gänzliche Auflöſung (Abſterben) derſelben veranlaſſen. 

Neben dieſen durch äußere Einflüſſe herbeigeführten Störungen der Lebens- 
kraft der Rebe und der Traube haben aber dieſelben und insbeſondere die letz 
tern auch viele Feinde, die weſentliche Beſchädigungen derſelben herbeiführen 
können und insbeſondere auf den Ertrag der Rebe nicht ſelten eine ſehr nach— 
theilige Wirkung haben. 

Durch genaue Kenntniß der innern Organiſation der Rebe, ſowie der 
Urſachen, durch welche die Krankheiten, Unfälle und Beſchädigungen derſelben 
und der Trauben herbeigeführt werden, laſſen ſich jedoch manche entweder 
ganz beſeitigen oder wenigſtens mildern, daher dieſelbe für den rationellen 
Weinbauer von hohem Intereſſe iſt, indem davon nicht ſelten die Dauer ſeiner 
Weinberge, ſowie der größere oder geringere Ertrag derſelben abhängt, wir 
wollen deßhalb den am häufigſten vorkommenden Krankheiten und Beſchädi⸗ 
gungen je beſondere Abhandlungen widmen. 


1. Die Beſchädigungen durch die Winterkälte. 
§. 193. 


Die Rebe gehört nicht zu den empfindlichen Pflanzen, welchen durch die 
Winterkälte bald ein Schaden zugefügt wird, vielmehr iſt im Allgemeinen ſchon 


297 


ein größerer Grad von Kälte (von 15—18 Graden) nöthig, wenn dieſelbe durch 
den Winterfroſt leiden ſoll. Bei ſehr ſtarkem Froſt von 20—24 und mehr 
Graden, wo der Boden bis zu den Grundwurzeln durchgefroren iſt, werden 
aber auch dieſe durch denſelben beſchädigt. Das Erfrieren der Rebe erfolgt 
dadurch, daß derſelben durch eine ſtarke Kälte der innere Wärmeſtoff ſo voll— 
ſtändig entzogen wird, daß die innern Säfte gefrieren und dadurch die feinen 
Gefäſſe der Rebe ſich ausdehnen und zerſpringen, wodurch die Lebenskraft der— 
ſelben aufhört und entweder einzelne betroffene Theile oder der ganze Rebſtock 
zu Grunde geht. Iſt das Erfrieren der Rebe nicht vollſtändig erfolgt, ſo ent— 
ſtehen im Laufe des Sommers manche Störungen der Lebenskraft oder innere 
Krankheiten, wie Saftſtockungen, Grind, Abzehrungen, die ein Kränkeln des 
Weinſtocks und ſpäter gleichfalls deſſen Abſterben oder einzelner Theile 
(Schenkel) veranlaſſen, daher der rationelle Weinbauer eine genaue Kenntniß 
von den Wirkungen der Kälte und deren Folge beſitzen muß. 

Das Erfrieren der Rebe hängt häufig von verſchiedenen äußern Umſtän⸗ 
den, ſowie von der Beſchaffenheit der Rebe ſelbſt ab. 

Reben, die vom Schnee bedeckt ſind, erfrieren bei ſtrenger Kälte weniger 
als unbedeckte, ebenſo leiden Reben, die den ftrengen und kalten Nord- und 
Nordoſtwinden ausgeſetzt find, mehr, als ſolche in geſchützten Lagen; Reben in 
Niederungen, weil hier die Kälte ſtärker iſt, mehr als auf luftigen Höhen. 
Eine ſtrenge, aber kurz andauernde Kälte ſchadet in der Regel weniger, als 
lange andauernde, aber nicht ſo ſtarke Kälte, weil hier der Rebe der Wärme⸗ 
ſtoff zwar langſamer, aber um ſo gewiſſer entzogen wird. Tritt eine ſtrenge 
Kälte ſehr frühe ein, wo das Holz noch nicht feſt und hart iſt, oder erſt 
ſpät im Laufe des Monats Februar, wo ſchon der junge Saft in die Rebe 
aufzuſteigen begonnen hat, ſo wirkt dieſelbe nachtheiliger, als in der Mitte des 
Winters. Vorzüglich ſchädlich wirkt, wenn nach Regen oder nach Thauwetter 
oder nach ſtarken Nebeln und Thauniederſchlägen, ſo lange die Reben noch 
naß find, Froſt eintritt und dadurch ſich eine Eiskruſte (Glatteis) um die Ne: 
ben bildet, wodurch die Augen zernichtet, die Rinde an der Rebe losgezogen 
und dieſe dadurch ſelbſt berſtet und ſchwarz wird. Ein ſolches nachtheilige 
Glatteis kommt in gelinden Wintern, in welchen ein häufiger Temperatur- 
wechſel eintritt, öfter vor, als in ſtrengen Wintern, auch wirkt daſſelbe in 
engen Thälern ſchädlicher, als in weiten luftigen Thälern und auf Höhen, 
weil hier die Reben ſchneller abtrocknen und ſich ſomit weniger Glatteis bil- 
den kann. 

Je nach dem Kältegrad und den ſonſtigen äußern Umſtänden erfriert zu⸗ 
erſt das einjährige Rebholz mit den daran befindlichen Augen, dann der 
Schenkel und zuletzt auch noch der Kopf oder der Stamm. 

Unter dem Rebholz ſelbſt wird das im Vorjahr vollſtändig reif gewordene 


298 

und ausgezeitigte nicht fo bald erfrieren, als das weniger zeitige noch ſchwam⸗ 
mige Holz, ebenſo erfrieren Rebgattungen mit weichem poröſen Holze (§. 2), 
weil in dieſelbe die Kälte ſchneller eindringen kann, wie bei Sylvaner, Elb⸗ 
lingen ꝛc., oder mit maſtem Holze auf fettem Boden in Niederungen bälder, 
als bei Rebgattungen mit feſterem Holze, wie bei den Rießlingen. Hie und 
da ſind beſonders bei Glatteis nur diejenigen Augen erfroren, welche dem 
ſtrengen Winde zugekehrt ſind und an welchen ſich das Eis ſchneller bildete, 
als an den vor dem Winde mehr geſchützten Augen. Bemooste Stöcke, welche 
das Eis mehr anziehen und länger behalten, ſind dem Erfrieren mehr als 
andere, und ältere Stöcke, als weniger Lebenskraft beſitzend, demſelben mehr 
als jüngere ausgeſetzt. | 


8. 194. 


In vielen Weinbaugegenden und insbeſondere auch in den württembergi⸗ 
ſchen ſucht man die Reben vor den Nachtheilen der Winterkälte durch das 
Niederlegen und Bedecken derſelben auf die S. 165—166 beſchriebene Weiſe 
zu ſchützen. Bei ſehr ſtrengen Wintern hilft aber auch dieſes Schutzmittel 
nicht immer, auch iſt daſſelbe nach S. 166 hie und da mit andern Unzuträg⸗ 
lichkeiten verbunden, daher daſſelbe in ſolchen Weinbaugegenden, die mehr vor 
kalten Winden geſchützt ſind, wie im Rheinthale, ſelten in Anwendung kommt, 
doch iſt es auch in einem ſolchen Falle gut, wenn wenigſtens der Kopf der 
Rebe gut mit Erde zugedeckt wird. 

Die Beſchädigungen durch die Winterkälte erkennt man daran, daß die 
Rinde der Schenkel aufſpringt und das innere Holz der Rebe braun ſtatt 
grün iſt. In einem ſolchen Falle bleibt nichts anderes übrig, als die erfro— 
renen Schenkel und Reben abzuwerfen und den Kopf ſo auszuputzen, daß er 
wieder neue Triebe machen kann. Doch iſt auch auf die Beſchaffenheit des 
Stocks Rückſicht zu nehmen, indem, wenn junge, vollſäftige Stöcke, namentlich 
Trollinger, ganz abgeworfen werden, dieſelben bei dem ſtarken Frühjahrstrieb 
ſich allzuſehr verweinen (verbluten), oder in ihrem Safte erſticken könnten, 
wodurch der Stock gleichfalls zu Grunde gehen würde. Hier iſt es dann an⸗ 
gemeſſen, wenn man das Abwerfen der Schenkel erſt vornimmt, wenn die 
Saftſtrömung bereits begonnen hat, weil bei einem frühen Abſchnitt die Poren 
des Holzes ſich vor der Saftſtrömung ſchließen und ein nachtheiliger Saft⸗ 
überfluß entſtehen könnte, oder wenn man einen weniger beſchädigten Schenkel 
bis zum nächſten Jahre ſtehen läßt, damit der Saft des Stockes ſich dahin 
noch ziehen kann und die neuen Kopftriebe deſto kräftiger werden, zu welchem 
Behuf es zweckmäßig iſt, wenn man die Stöcke zu der Zeit, wo keine Früh⸗ 
lingsfröſte mehr zu befürchten ſind, nochmals aufräumt und die Gruben län⸗ 
gere Zeit offen ſtehen läßt. 


299 


Sind nur einzelne Tragreben durch die Winterkälte beſchädigt worden, fo 
ift es rathſam, das Schneiden der Reben zu verſchieben, bis der Saft in die— 
ſelben eingetreten iſt, oder die Knospen ſich zu entwickeln beginnen (Ende April 
oder Anfang Mai), damit die ſchadhaften Hölzer von den geſunden gehörig 
unterſchieden und erſtere durch Bodenhölzer erſetzt werden können. Doch kann 
der Stock zuvor, zur Zeit des gewöhnlichen Schneidens, von den alten Bögen 
oder den zu langen Schenkeln geſäubert und die unbrauchbaren, überflüſſigen 
jungen Hölzer ausgeſchnitten werden, damit derſelbe wenigſtens theilweiſe aus— 
gerüſtet daſteht, ſpäter das Schneiden der Tragreben deſto ſchneller vor ſich 
geht, und beſonders dem Stock durch das ſpäte Schneiden nicht zu viel Saft 
entzogen wird. . 

Das Heranziehen von Bodenhölzern iſt beſonders auch bei den durch die 
Kälte nur theilweiſe beſchädigten aber kränkelnden Reben zu empfehlen, weil 
die letztern im folgenden Jahre doch abgeworfen und daher durch geſunde Re— 
ben erſetzt werden müſſen. 

Iſt auch der Kopf erfroren, der Stock in der Erde aber noch geſund, ſo 
kann man mit dem Pfropfen des Stocks in die Stange (§. 144. 175) oder 
mit dem Abwerfen des Kopfes nach §. 195 einen Verſuch machen, indem man 
dadurch, beſonders in ältern Weinbergen, immer noch bälder und ſicherer zu 
einem neuen tragbaren Stock kommen kann, als wenn eine Wurzelrebe einge— 
legt wird. 


2. Beſchädigungen durch Winde. 


8. 195. 

In unbeſchützten Weinbergslagen, beſonders in ſolchen, welche den kalten 
und ſtrengen Nord- und Nordoſtwinden ausgeſetzt ſind, können die Reben da⸗ 
durch Schaden nehmen, daß durch die Winde der Saftumlauf geſtört wird 
und das einjährige Reb⸗ oder Tragholz austrocknet, dürr (winddürr) und un⸗ 
fruchtbar wird und entweder ganz abſteht oder als kränkelnd keine Trauben 
treibt. Solche Beſchädigungen kommen beſonders bei nicht ausgezeitigtem 
Holze, ſo wie im Frühjahr bei gedeckten Weinbergen vor, weil bei dieſen durch 
die geſchützte Lage während des Winters, das Holz weit empfindlicher iſt als 
bei ungedeckten, daher bei jenen ein allzu frühes Aufziehen (§. 153) zu ver⸗ 
meiden iſt. 

Die dürr gewordenen Reben werden beim Schneiden derſelben abgewor⸗ 
fen und dabei hauptſächlich für neue Kopftriebe geſorgt. Iſt es zweifelhaft, 
ob eine Rebe noch geſund iſt oder nicht, ſo iſt es beſſer, man läßt dieſelbe 
ſtehen, damit der Saftzufluß mehr zertheilt wird und keine Saftſtockungen 
entſtehen. Sind nicht blos die Reben, ſondern auch die Schenkel winddürr, 
was bei vorausgegangenen naſſen Jahrgängen hie und da vorkommt, ſo daß 


300 


der Stock als abgegangen zu betrachten iſt, jo iſt es, weil derſelbe in der Re⸗ 
gel im Boden noch geſund iſt, nicht angemeſſen, wenn er geradezu ausgehauen 
und durch einen Einleger oder auf andere Weiſe erſetzt wird, vielmehr kann 
er öfters noch dadurch gerettet werden, wenn man denſelben im Frühjahr bis 
auf den Kopf abwirft und etwa 1 Fuß tief bis gegen die unterſten Wurzeln 
aufräumt, ſo daß die Stange freiſteht, wodurch ſich an der letztern gerne 
junge Triebe entwickeln, die, weil ſie nicht fo feſt ſitzen, wie Triebe aus an⸗ 
derem Holz, ſorgfältig an Pfähle gebunden werden müſſen und in dieſem Falle 
dann in kurzer Zeit zu einem neuen Stocke herangewachſen ſind. Die Grube 
läßt man ſo lange offen ſtehen, bis das junge Holz im Herbſt die gehörige 
Reife erlangt hat. 2 

Starke und kalte Winde, beſonders in den Monaten April und Mai, 
richten aber auch noch dadurch Schadeu an, daß, wenn die Augen ſchon etwas 
angetrieben haben, ſolche in ihrem Triebe gehemmt und dadurch weniger kräf— 
tig austreiben oder ganz wegfallen, ſo wie, daß die jungen Triebe, wenn ſie 
ſehr ſaftreich ſind, gerne abgeriſſen werden, wodurch die Vegetation gleichfalls 
geſtört wird und beſonders in jungen Gereuten hie und da das Abſtehen des 
ganzen Stockes zur Folge hat. Ein baldiges und ſorgfältiges Anheften der 
jungen Triebe an die Holzunterſtützung ſollte daher nie unterlaſſen werden. 


3. Beſchädigung durch Frühjahrs- und Spätjahrsfröſte. 
§. 196. | 


Zu dem Gedeihen aller vegetabiliſchen und animaliſchen Geſchöpfe gehört 
Wärme, daher auch die Pflanzen einen gewiſſen Grad von innerer Wärme 
beſitzen. Dieſe iunere Wärme wird durch die Einwirkungen der Sonnenſtrah— 
len geſteigert und jede Pflanze, mithin auch die Rebe, zu neuen Bildungen 
veranlaßt. Ein ſolcher Trieb tritt beſonders im Frühjahr ein, nachdem die 
Rebe während des Winters ausgeruht hat und durch die nach und nach ein— 
tretenden ſtärkeren Wirkungen der Sonnenſtrahlen der Boden und die Rebe 
ſich erwärmt haben und dadurch zu neuen Saftbildungen veranlaßt werden, 
die um ſo ſtärker ſind, je mehr der Boden durch die angeſammelte Winter⸗ 
feuchtigkeit zu der Auflöſung der Nährtheile der Rebe geneigt iſt, und je mehr 
dieſelbe ans der Luft Wärme an ſich ziehen kann. Iſt nun dieſes bei anhal⸗ 
tender warmer Frühjahrswitterung der Fall, ſo treiben ſich die Augen der 
Reben, und es entſtehen bald ſaftige Triebe, an welchen die jungen Träubchen 
ſichtbar ſind. Tritt dann ſpäter, bei dem häufigen Temperaturwechſel im 
Frühjahr, beſonders nach Gewitterregen, wieder kältere Witterung ein und 
und ſinkt dieſelbe unter den Gefrierpunkt, ſo erſtarrt der durch die feuchte Luft 
an den Reben ſich angehängte Thau zu Eis, es entſteht ein Reifen, durch den 


301 
die Saftbewegung der jungen Triebe entweder gehemmt oder der Saft ſelbſt 
in Eis verwandelt wird, und da, nach den Geſetzen der Natur, die in Eis 
verwandelte Flüſſigkeit ſich ausdehnt, ſo hat dieſes die Folge, daß durch dieſe 
Ausdehnung die zarten Saftgefäſſe der jungen Triebe zerreißen und ab— 
welken, beſonders wenn durch das baldige Erſcheinen der Sonne ein allzu 
ſchneller Temperaturwechſel und dadurch eine Ungleichförmigkeit in der Zu— 
ſammenziehung und Ausdehnung, ſowie eine zu ſchnelle Erſchlaffung der aus- 
gedehnten Gefäſſe eintritt, bevor ein neuer belebender Saftzufluß erfolgen kann. 

Der Reifen gründet ſich zunächſt auf die Entſtehung des Thaues und 
dieſer auf den allgemeinen phyſikaliſchen Grundſatz, daß da, wo Wärme und 
Kälte mit einander in Berührung kommen, beide Luftarten ſich beſtreben eine 
gegenſeitige Ausgleichung dadurch herbeizuführen, daß der wärmere Theil ſei— 
nen überwiegenden Wärmeſtoff an den kältern abgibt. Da nun bei hellen, 
windſtillen, kühlen Nächten die Luft eine niedrigere Temperatur hat, als die am 
Boden ſtehende Gewächſe, ſo geben dieſe fortwährend Wärme an dieſelbe ab, 
und da die dadurch erwärmte Luft als leichter fortwährend in die Höhe ſteigt 
und durch kältere Luft wieder erſetzt wird, ſo geht die Wärme⸗Entziehung der 
Pflanzen oder deren Erkalten um ſo ſchneller vor ſich. a 

Sind nun die Pflanzen gegen den kommenden Morgen kälter als die ſie 
umgebende Luft, ſo ſchlägt ſich auf dieſelben, wie an jedem kalten Körper der 
in eine wärmere Temperatur gebracht wird, die in der Luft befindliche Feuch⸗ 
tigkeit als Dünſte nieder, die ſich nach und nach in Thautropfen zuſammenziehen 
und bei Zunahme der Kälte ſich in Eis oder Reifen verwandeln, der aus den 
Pflanzen ſo lange noch den Wärmeſtoff herauszieht, bis auch deren Säfte ſich 
in Eis verwandelt haben. 

Thau ſchlägt ſich in allen hellen, kühlen Nächten nieder und er iſt um 
ſo größer, je ſtärker der Temperaturwechſel des vorangegangenen Tages und 
der darauf folgenden Nacht, wie in ſüdlichen Ländern, iſt. Bei bedecktem 
Himmel, weil hier der Temperaturwechſel nicht ſo ſtark iſt, und mithin auch 
keine Wärmeausſtrahlung ſtattfindet, ſowie bei Wind, weil dieſer den Gewäch— 
ſen auch wieder Wärme zuführt und dadurch ihre größere Erkältung verhin— 
dert, findet kein Thau⸗Niederſchlag ſtatt. 

Hieraus läßt ſich erklären, warum in der Nacht die Luft auf Höhen 
wärmer als in den Thälern iſt, und daß daher auf denſelben die Reben vom 
Froſt weniger zu leiden haben als in Niederungen, ſowie daß derſelbe bei 
bedecktem Himmel und bei ſtark bewegter Luft, weil hier die Reben auch 
ſchnell wieder abtrocknen, ſeltener ein- und nicht jo heftig auftritt als bei 
hellem Himmel und ruhiger Luft, wobei jedoch, wenn der Thau ſich bereits 
auf den Pflanzen angeſetzt hat und gegen Morgen ein kalter Oſt- oder Nord⸗ 
oſtwind ſich erhebt, auch das Gegentheil bewirkt werden kann, weil dieſer die 


802 


Luft Schnell und hie und da fo ſtark erkältet, daß dadurch die Rebſtöcke 
auch ohne Thau erfrieren können. Aus jenen Wirkungen folgt ferner, daß 
der Froſt weit weniger oder gar nicht ſchadet, wenn auf denſelben kein Son⸗ 
nenſchein, ſondern trübe Witterung eintritt, wodurch das Aufthauen der ges 
frorenen Theile nicht gewaltſam, ſondern nur langſam vor ſich geht, und die⸗ 
ſelben durch neuen Saftzufluß wieder geſtärkt werden können. Ein bald auf 
den Froſt eintretender Regen trägt gleichfalls dazu bei, daß ſich manche be- 
ſchädigte Reben wieder erholen. 

Dagegen vermehrt vorangegangene naſſe Witterung oder überhaupt ein 
feuchter, naſſer Boden, ſo wie, aus dieſem Grunde, eine kur; vorangegangene 
noch auf der Oberfläche des Weinberges befindliche Stallmiſtdüngung die Ge⸗ 
fahr des Erfrierens, während ein trockener Boden mehr davor ſchützt, weil 
in jenem Falle mehr Feuchtigkeit ausgedünſtet wird, und je feuchter die Luft 
iſt, je mehr werden die Pflanzen, weil feuchte Luft ein beſſerer Wärmeleiter 
iſt als trockene, dadurch erkältet, und deſto ſtärker ſind die Thauniederſchläge. 

Aus einem ähnlichen Grunde erfrieren Reben, die in der Nähe von Wie- 
ſen, Grasrainen, Kleefeldern ſich befinden, bälder und ſtärker als andere, 
weil hier durch die gedrängt ſtehenden ſaftigen Pflanzen die Feuchtigkeitsaus⸗ 
dünſtung vermehrt wird, die Wärmeausſtrahlung bei denſelben ſchneller vor 
ſich zu gehen ſcheint und dadurch die Luft ſich bälder erkältet. Ebenſo tritt 
in engen Thälern, in welchen der Boden weniger ſchnell austrocknet und der 
freie Luftzug mehr gehemmt iſt, der Froſt ſtärker auf und zieht ſich in den 
Weinbergen höher hinauf als in weiten Thälern (8. 55). | 

Werden die Reben frühzeitig durch den Froſt beſchädiget, wo die Augen 
noch nicht vollſtändig angetrieben haben und manche noch in der Wolle ſtecken, 
ſo iſt der Schaden in der Regel weniger bedeutend, auch machen in einem 
ſolchen Falle die Beiaugen der Reben, beſonders beim Sylvaner, noch Nach⸗ 
triebe und die geſund gebliebenen Augen treiben öfters mehr und größere 
Trauben, ſo daß es hie und da (wie 1862) noch ſehr viel Wein gibt, und 
alsdann das alte Sprichwort der Weingärtner in Erfüllung geht: 

„Wenn der Weinſtock erfriert in der Wollen, 
„ſoll man die alten Fäſſer herfür holen.“ 

Tritt der Froſt ſpät ein, wo die Reben ſchon Schooſe getrieben haben, ſo 
iſt wenig Hoffnung auf einen Weinertrag vorhanden, weil die Nachtriebe ſelten 
Trauben bringen. Nach einem ſolchen Froſte ſehen die erfrorenen, zarten 
Triebe, weil das Aufthauen des Eiſes durch die Sonnenſtrahlen zu ſchnell 
vor ſich ging, wie vom heißen Waſſer gebrüht aus und werden bald ſchwarz 
und dürr; doch iſt es nicht räthlich, ſie ſogleich auszubrechen, weil unten gegen 
das alte Holz ſich doch noch etwas Geſundes befinden kann, aus dem ſich 
neue Triebe entwickeln, dagegen erſcheint es angemeſſen, wenn nach Verfluß 


303 | 


von einigen Tagen der erfrorene Theil der Schooſe abgeſchnitten wird, damit 
der Rebſtock ſeine Säfte nicht unnütz zur Wiederbelebung der erfrorenen Theile, 
ſondern ausſchließlich zur Hervorbringung neuer Triebe verwendet. 

Die gefährlichſte Zeit für die Reben hinſichtlich des Eintritts des Froſtes 
iſt das Ende des Monats April und bis gegen die Mitte des Monats Mai 
(Pankratius, Servatius und Bonifacius vom 12.—14. Mai), indem dieſelben 
hier gewöhnlich ſchon zarte Triebe entwickelt haben, die auch von einem leich- 
ten Froſt beſchädigt werden. Später iſt die Luft und der Boden mehr er⸗ 
wärmt, ſo daß weniger Froſt zu befürchten iſt, doch iſt ein ſolcher auch ſchon 
zu Ende des Monats Mai und zu Anfang des Monats Juni vorgekommen. 


F. 197. 


Bei dem Froſte muß man übrigens zwiſchen dem Erſtarren der Pflanzen 
und der gänzlichen Zerſtörung der organiſchen Gefäſſe oder einzelner Theile 
wohl unterſcheiden, indem im letztern Falle das Leben derſelben durch kein 
äußeres Mittel mehr zurückgerufen, während im erſtern Fall dieſelben nicht 
ſelten dadurch noch gerettet werden können, wenn, wie ſchon bemerkt, 
nach dem Froſt ein trüber Himmel eintritt, oder Regen erfolgt, oder 
wenn die Pflanzen mit Waſſer begoſſen werden, weil der wärmere Gehalt des 
Waſſers das Eis aus der Pflanze herauszieht, wie man dieſes, wenn man 
gefrorenes Obſt in kaltes Waſſer legt, deutlich bemerkt, oder wenn man durch 
das Räuchern der Weinberge die allzu ſchnelle Erkältung der Luft, ſowie die 
allzuſtarke Einwirkung der Sonnenſtrahlen auf die erſtarrten Reben zu ver⸗ 
hindern ſucht. Auch die in Geſtalt von Nebeln von Bächen und Flüſſen auf⸗ 
ſteigenden Dünſte können theils zur Zerſtörung der Pflanzen durch Vermeh— 
rung des Froſts beitragen, theils zum Schutze derſelben dienen, je nachdem ſie 
vom Winde getrieben ſich an die ihnen nahen Pflanzen als Thau anſetzen, 
oder erſt ſpät aufſteigend bei ziemlich ruhiger Luft gleichſam eine Nebelwand 
bilden, in welcher die Strahlen der aufgehenden Sonne gebrochen und da— 
durch hinſichtlich ihrer zerſtörenden Kraft unwirkſam werden. 

Die Wirkungen des Froſtes und die Urſachen, durch welche dieſelben bei 
den Reben verhütet werden, ſind ſehr verſchieden, daher der Froſt, wenn er 
nicht erſt ſpät, wo die Triebe ſchon ganz entwickelt ſind, und ſehr ſtark auf- 
tritt, wodurch die Gefäſſe der jungen Triebe zerſtört werden, ſehr ſelten ſich 
ganz, ſondern je nach dem Stande der Reben (unten, mitten, oben) und nach 
dem Zuge des Windes u ſ. w. theils mehr theils minder zerſtörend zeigt, jo 
daß ſich ſogar an einem und demſelben Stocke und an einer und derſelben 
Rebe, je nachdem die einzelnen Reben und Augen vor den zerſtörenden Ur— 
ſachen geſchützt waren, ſich erfrorene und geſunde Theile befinden können. 

Der Schutz, den man den Reben gibt, um ſie im Allgemeinen vor den 


304 
Wirkungen des Froſtes zu bewahren, wird daher hauptſächlich darin beſtehen, 
ſie mit einer wärmenden Decke zu verſehen, wodurch ſowohl die Heftigkeit des 
Froſtes gebrochen, als die nachtheilige Einwirkung der erwärmenden Sonnen- 
ſtrahlen verhütet werden. 

Eine ſolche wärmende Decke kann durch das Räuchern in den Weinber⸗ 
gen herbeigeführt werden, es iſt jedoch für die einzelnen Weinbergbeſitzer, 
wenn ſich nicht größere Flächen an einem Stück befinden, weniger ausführbar, 
vielmehr gehört dazu ein gemeinſchaftliches Zuſammenwirken ſämmtlicher Wein⸗ 
bergbeſitzer, ſo wie eine genaue und ſorgfältige Ausführung, woran bisher 
nachhaltige Verſuche im, Großen häufig ſcheiterten, auch wird daſſelbe bei einer 
förmlichen Windſtille nicht immer die erwartete Wirkung thun. 

Um das Räuchern der Weinberge zweckmäßig ausführen zu können, muß 
dafür geſorgt werden, daß durch die Weinberge ein hinlänglich dicker Rauch 
verbreitet werde, durch Anhäufung von brennbaren Materialien um die Wein⸗ 
berge, den Berg hinauf in Entfernungen von 20—30 Schritt namentlich von 
langen und einige Fuß dicke Wellen von Reiſach, in welche man Moos, Säg⸗ 
mehl, Gerberlohe einlegen und mit umgekehrten Raſen bedecken kann. Dieſe 
Brennſtoffe werden auf der Seite, von welcher der Wind kommt, Morgens 
in der Frühe ſowie der Froſt eintreten will, angezündet und fort erhalten bis 
kein Froſt mehr zu befürchten iſt, mithin etwa bis Morgens 9 Uhr. Iſt die 
Weinbergfläche ſehr groß, ſo daß der Rauch dieſelbe nicht ganz durchdringen 
kann, ſo müſſen in den Wegen (Furchen) neue Brennhaufen angelegt werden. 

Ein weiteres Mittel, die Reben vor dem Froſte zu ſchützen, will man 
darin gefunden haben, wenn man mit Strohſeilen, welche einige Fuß tief in 
den Boden reichen, die Rebſtöcke umwendet, oder die Seile über die Reihen 
hinlaufen läßt und fie in gewiſſen Entfernungen, jedoch in lothrechter Rich⸗ 
tung, wieder mit der Erde verbindet, weil durch das Stroh, als ein ſchlechter 
Wärmeleiter, die aus dem Boden kommende Wärme mehr zurückgehalten und 
an die Rebſtöcke geleitet wird, mithin die Erkältung derſelben langſamer von 
ſtatten geht. Dieſes Mittel wird jedoch nur bei gelindem Froſt einige ſchüz⸗ 
zende Wirkung äußern und ſich daher bei der Umſtändlichkeit und dem zwei⸗ 
felhaften Erfolge nicht wohl im Großen, ſondern nur an einzelnen Trauben⸗ 
ſtöcken in Gärten anwenden laſſen, auch läßt ſich daſſelbe ſowie das Ueber⸗ 
hängen der Rebſtöcke mit zuſammengebundenem Stroh oder mit Strohhütchen 
erſt nach dem Pfählen der Weinberge und Anhängen der Reben anfügen, 
während der Froſt öfter viel früher eintritt. 

Das einfachſte Mittel die Reben vor dem Froſte zu ſchützen, und das 
auch von jedem einzelnen Weinbergsbeſitzer angewendet werden kann, wäre, 
wenn man die Rebſtöcke mit Strohmatten oder mit in Theer getränktem Pa⸗ 
pier, Pappendeckel ꝛc. in der Art überhängt, daß zwei etwa 3 Fuß breite und 


305 


4 Fuß lauge Matten ꝛc. oben zuſammengeheftet und die beiden Flügel über 
die Rebſtöcke gehängt werden, ſo daß ſie gleichſam ein Dach über denſelben 
bilden. Es läßt ſich dieſes Schutzmittel jedoch nur bei der Rahmenerziehung 
zweckmäßig anwenden, auch iſt die Anſchaffung der Strohmatten, Pappen⸗ 
deckel ꝛc. etwas koſtſpielig, weil aber dieſelben bei ſorgfältiger Aufbewahrung 
lange Jahre brauchbar bleiben, ſo dürfte ſich der Aufwand bei der Anwen— 
dung im Großen doch gut rentiren. 

Die natürlichſten Schutzmittel gegen jeden Froſtſchaden beſtehen jedoch 
darin, wenn man bei der Anlage der Weinberge auf gute, gegen die kalten 
Nord⸗ und Oſtwinde geſchützte Lagen Rückſicht nimmt, und wenn man in 
Lagen, welche den Frühjahrsfröſten ausgeſetzt ſind, keine frühtreibende und 
ſolche Traubenſorten anpflanzt, die gegen den Froſt beſonders empfindlich ſind, 
wie Trollinger, Elbling, Gutedel, Traminer, Velteliner, dagegen härtere wie 
Sylvaner, Fütterer, Clevner, Rießling, auch bei den jährlichen Weinbergsar— 
beiten Froſtlagen beſonders behandelt, namentlich nicht zu frühe oder vor dem 
Winter ſchneidet und nicht zu frühe hackt, weil durch beide Arbeiten der Trieb 
der Rebe frühzeitig geweckt wird, und, aus dem bereits angeführten Grunde, 
keine Graspfade und Grasraine in den Weinbergen duldet, und wo letztere 
nicht umgangen werden können, ſie frühzeitig abgrast. 

Bei der Anwendung von künſtlichen Schutzmitteln muß auch die rechte 
Zeit dazu gewählt werden. Frühlingsfröſte treten meiſtens nach Gewittern oder 
Stürmen ein, durch welche die Lufttemperatur in wenigen Stunden hie und 
da zur empfindlichen Kälte herabgedrückt wird; wird dann dieſelbe durch kalte 
und trockene Nord- und Oſtwinde vermehrt, ſo ſtellt ſich, beſonders wenn ſich 
die Winde um Mitternacht legen, in der Regel der Froſt am Morgen des 
dritten Tages nach dem Gewitter ein, daher, wenn ſolche Anzeigen vorhanden 
ſind, ſchon Vorbereitungen zur Verhütung des Froſtes getroffen werden dür— 
fen, und da die Kälte kurz vor oder bei Sonnenaufgang am größten iſt, ſo 
müſſen hier die Vorbeugungsmittel, wie z. B. das Räuchern, überall in der 
Ausführung begriffen ſein. 


8 

Spätjahrsfröſte, die ſich entweder vor, während oder nach dem Herbſte 
einſtellen, wirken in der Regel weniger zerſtörend, als die Frühjahrsfröſte, 
doch können ſie, wenn ſie frühzeitig vor dem Herbſt erſcheinen, jo lange Trau⸗ 
ben und Holz noch nicht reif ſind, auch ſehr nachtheilige Wirkungen haben, 
wie im Jahr 1805, 1816 und 1817, doch kommen ſolche Jahre ſehr ſelten 
vor. Durch einen ſolchen heftigen Froſt werden zunächſt die Blätter der Reb⸗ 
ſtöcke beſchädiget, jo daß fie ſchnell welken und abfallen, wodurch die Safteir⸗ 
kulation geſtört und die Zeitigung des Holzes und der Trauben aufgehalten 

20 


306 


wird. Iſt der Froſt fo ſtark, oder wiederholt er ſich, daß dadurch auch die 
Traubenſtiele und die Trauben ſelbſt angegriffen werden, ſo ſtehen letztere in 
der Zeitigung ſtill und iſt dieſelbe noch weit zurück, ſo welken ſie ab und es 
ſteht wenig und ein ſehr ſaurer Wein in Ausſicht. Wird durch den Froſt 
auch noch das Holz im unreifen Zuſtande angegriffen, ſo hört die Zeitigung 
auf, es wird braun und hat die nachtheilige Wirkung, daß auch der Ertrag 
des nächſten Jahres in Frage geſtellt wird, weil unvollſtändig gereiftes Holz 
ſelten oder wenig Trauben treibt. Ein Froſt kurz vor oder während des 
Herbſtes, wenn Holz und Trauben gehörig gezeitiget ſind, thut keinen wejent- 
lichen Schaden, indem er zwar die Ouantität vermindert, dagegen aber die 
Qualität des Weins erhöht, weil durch denſelben eine Menge Waſſer aus 
den Trauben herausgezogen wird und ſich verflüchtet, doch bekommt der Wein 
hie und da einen Froſtgeſchmack, der ſich jedoch durch Ablagerung verliert. 
Der Froſt nach dem Herbſt verurſacht in der Regel keinen Schaden, wenn er 
nicht, wie eine Winterkälte, ſo heftig auftritt, daß er auch das noch etwas 
zarte einjährige Holz, ſowie die grünen Augen angreift, was jedoch ſelten der 
Fall iſt, vielmehr kommt derſelbe, wenn er nur die Blätter verſengt, dem 
Weingärtner erwünſcht, weil dadurch die Safteirkulation vermindert, die Zei- 
tigung des Holzes befördert und weil, bevor dieſe erfolgt iſt, nicht niederge— 
legt und gedeckt werden ſoll (S. 165). 

Es iſt ſchon hie und da die Anſicht aufgeſtellt worden, daß in den letzten 
hundert Jahren und namentlich in dem gegenwärtigen Jahrhundert die Be— 
ſchädigungen durch die Frühjahrs- und Spätjahrsfröſte zugenommen haben, 
nach angeſtellten Unterſuchungen und Vergleichungen iſt jedoch dieſes wenig— 
ſtens in keinem auffallenden Verhältniſſe der Fall. Dagegen könnte die Hef- 
tigkeit der Fröſte in manchen Weinbaugegenden dadurch zugenommen haben, 
daß nicht nur in den Weinbergen ſelbſt die Anpflanzung von Futterkräutern 
(Klee) ſich vermehrt hat, ſondern daß auch die Brache des Ackerfeldes faſt 
ganz mit grünen, ſaftigen Futter- und andern Kräutern eingebaut wird, 
wodurch die Erkältung der Luft bälder und ſtärker erfolgen dürfte, als bei 
einem geringeren Bracheinbau oder bei der Einhaltung reiner Brache. 


4. Der rothe Brenner (Laubrauſch). 


S 


Der rothe Brenner beſteht in einer Krankheit des Blatts, die in den 
Sommermonaten ſich bemerklich macht und hauptſächlich entſteht, wenn in den 
Monaten Juli und Auguſt Regen mit Sonnenſchein ſchnell wechſelt und da— 
durch die Blätter weder vollſtändig abtrocknen, noch die Flüſſigkeit durch die 
Poren derſelben (S. 4) ganz aufgeſaugt wird. Die auf den Blättern der 


307 


Rebe befindlichen Waſſertropfen werden dann je nach dem Stande der Sonne, 
beſonders bei bewölktem Himmel mit wechſelndem Sonnenſchein, weil hier die 
Sonnenſtrahlen in einem engeren Kreiſe zuſammengedrängt und fixirt werden, 
wie durch ein Brennglas ſo erwärmt, daß dadurch da, wo der Waſſertropfen 
ſtand, das Blatt ſowie das Mark deſſelben verbrüht und die Safteirkulation 
ſowie das Aufnehmen (Einathmen) neuer Lebenskräfte von der Luft, dem 
Thau, dem Regen, dem Sonnenſchein gehemmt wird, was bei der Fortdauer 
abwechſelnder Witterung krebsartig um ſich frißt und nach und nach das Ab— 
ſterben und Abfallen des Blatts zur Folge hat. 

Da nun durch die Blätter hauptſächlich die Saftcirkulation vermittelt 
wird, ſo leiden durch die Beſchädigung derſelben auch die nun unbedeckten 
Trauben, indem ſie in der Entwicklung und Zeitigung zurückbleiben und hie 
und da vom Brenner ſelbſt getroffen, nicht ſelten braten und dürr werden 
oder ſich ausbeeren und ganz abfallen. Auch auf die Zeitigung des Holzes 
übt die Krankheit des Blatts, wenn ſie lange andauert, einen nachtheiligen 
Einfluß aus. | 

Der Rothbrenner bildet zuerſt nur einzelne Punkte oder Kreiſe und zeigt 
ſich zunächſt an allen denjenigen Stellen der Blätter, wo die Regen⸗ hie und 
da auch Thautropfen am längſten ſtehen bleiben, mithin bei abwärts ſtehenden 
Blättern am Rande derſelben, bei ſenkrechten oder gebogenen Blättern an 
den Vertiefungen derſelben zwiſchen den Hauptrippen, bei aufrecht ſtehenden 
Blättern gegen den Blattſtiel, wo die Rippen ſich verzweigen. Ferner an 
ſolchen Stöcken mehr, die nach der Lage des Weinberges oder nach dem 
Stande der einzelnen Rebſtöcke der Morgen- und beſonders der ſtark wirken— 
den Abendſonne ausgeſetzt ſind, wie am Rande der einzelnen Weinberge, wäh— 
rend die mehr beſchatteten Stöcke ganz oder theilweiſe davon verſchont bleiben, 
insbeſondere aber die Weinberge mit ſtark weſtlicher Lage, weil dort die Reb— 
ſtöcke zu lange naß bleiben und dann die Sonne auf einmal zu kräftig ein⸗ 
wirkt. Außerdem ſind auch die einzelnen Traubengattungen theils mehr, theils 
weniger dem Rothbrenner ausgeſetzt, die empfindlichſten ſind die ſchwarzen 
oder blauen Sorten und unter denſelben namentlich der Clevner, Affenthaler, 
der Portugieſer, wobei ſich das Blatt zunächſt roth färbt; unter den rothen 
Sorten der Malvaſier mit rothen, unter den weißen der Elbling, Rießling 
mit gelben Kreiſen. Je häufiger zur gedachten Zeit Regen mit Sonnenſchein 
wechſelt, deſto ſtärker wird auch der Rothbrenner auftreten, wenn aber nach 
dem erſten Erſcheinen deſſelben Trockenheit eintritt, ſo wird er weniger nach— 
theilig wirken, weil ſich dann die noch geſunde Stelle des Blatts von der ver— 
brannten abfehließ: und ihre Thätigkeit fortſetzt. Mehr wird er in dem Falle 
auftreten, wenn auf vorangegangene große Trockenheit längeres warmes Re— 
genwetter folgt, wodurch bei den Reben durch vermehrten Saftzufluß von den 

9 


308 


Wurzeln ein ſchnelleres Wachsthum und eine Ueppigkeit und Zartwerden der 
Blätter eintritt, die, ſowie ſpäter kein anhaltender Sonnenſchein mit Luftzug 
und allmähliger Hitze, ſondern brennender Sonnenſchein kommt, von demſelben 
leichter als kräftigere Blätter beſchädigt und zerſtört werden. Der Boden hat 
hie und da gleichfalls Einfluß auf den Brenner, indem in kühlem und kaltem 
Boden die Reben weniger ſchnell abtrocknen und manchmal ein ſehr üppiges 
und empfindliches Laub erzeugen, das mehr vom Brenner getroffen wird. 
Aehnliches gilt auch von der Lage der einzelnen Weinberge. Reben, welche 
vom Winde hin- und herbewegt werden können, wodurch die Regentropfen 
abfallen und auftrocknen, werden weniger vom Rothbrenner getroffen, als die⸗ 
jenigen, die feſt an den Pfahl gebunden ſind, daher die Rahmenerziehung mit 
Drahtanlage als ein beſonderes Schutzmittel erſcheinen dürfte, indem der Draht 
beweglicher iſt als Pfähle oder Latten, wodurch ſich die Regentropfen leichter 
und vollſtändiger abſchütteln, als bei jeder andern Holzunterſtützung. 

Beſondere Heilmittel gegen die Krankheit ſind keine bekannt, doch ſollen 
eingekürzte Reben (§. 149), ohne Zweifel weil ſie kräftigere Triebe machen, 
ſpäter vom Brenner getroffen werden als andere. 


5. Der ſchwarze Brenner. 
§. 200. 


Der ſchwarze Brenner, auch ſchwarzer Freſſer genannt, zeigt ſich haupt⸗ 
ſächlich in naſſen Jahrgängen, wo viel überflüſſige Feuchtigkeit in dem Boden 
ſteckt und nach ſtarken Nebeln und Thauniederſchlägen. Er erſcheint in der 
Regel etwas ſpäter als der Rothbrenner, in den Monaten Auguſt und Sep⸗ 
tember und macht ſich an den, dem Boden zunächſt ſtehenden jungen Trieben, 
öfters aber auch an den obern Gipfeln des jungen Holzes bemerkbar. Die 
jungen weichen Triebe an der äußerſten Spitze der Rebe erſcheinen zuerſt wie 
vom heißen Waſſer gebrüht, welken ſofort ab und werden ſchwarz. Das Gleiche 
wird nach und nach auch an den ältern Blättern bemerkbar, ſie bekommen 
ſchwarze Punkte, wie mit glühendem Eiſen gebrannt, welche ſich immer mehr 
ausbreiten und durchfaulen, wodurch das Blatt Löcher und Riſſe bekommt, 
abſtirbt und ſeine Lebensthätigkeit ganz oder größtentheils verliert. Dieſer 
Krankheitsſtoff geht, wenn die ungünſtige Witterung länger fortdauert, auch 
auf das junge Holz und auf die unter den Blättern hervorſtehenden Trauben 
über. Erſteres bekommt ſchwarze Punkte, die ſich immer mehr ausdehnen und 
ſich faſt bis auf das Mark der Rebe durchfreſſen, wodurch nicht nur die Reife 
deſſelben gehemmt und für das folgende Jahr als Tragholz wenig oder gar 
nicht brauchbar iſt, ſondern auch Saftſtockungen eintreten, durch welche ein⸗ 


309 


zelne Schenkel oder ganze Stöcke zu Grunde gehen, weil ſelten Nachtriebe 
ſtattfinden. 

Die Traubenbeere und Traubenſtiele erhalten gleichfalls ſchwarze Punkte, 
die ſich an dem hintern Theile der Traube, die der Luft weniger ausgeſetzt 
ſind, zuerſt zeigen, ſich vergrößern und auf andere Beere übergehen, ſo 
daß diejenigen, die noch wenig ausgebildet (unzeitig) find, abwelken, ſchwarz 
werden und abfallen, was auch nicht ſelten bei ganzen Trauben geſchieht, in— 
dem ihnen die zu ihrer Ausbildung erforderliche Luft- und andere Nahrung 
entzogen wird. Vollkommenere Traubenbeere oder die vom Brenner nach ge— 
höriger Ausbildung ſpäter befallene Beere fallen nicht ganz ab, behalten aber 
ihre ſchwarze Flecken, die ſich immer mehr ausdehnen und der vollſtändigen 
Zeitigung der Trauben ſehr hinderlich ſind. Sie behalten immer eine gewiſſe 
Säure, die ſich um den nach und nach verhärteten Fleck bildet und müſſen 
daher bei der Leſe ſorgfältig entfernt werden. An den Trauben, die durch 
Laub geſchützt ſind, zeigen ſich die ſchwarzen Punkte weniger als bei freihän⸗ 
genden und bei dieſen auf der Vorderſeite mehr als auf der Hinterſeite, hie 
und da fallen aber auch an der letztern die Beere, wo ſie weniger vollkommen 
waren, ganz weg. 

Nach all dieſem wirkt der ſchwarze Brenner weit ſchädlicher als der 
rothe Brenner, indem er nicht nur den Weinertrag des laufenden Jahrs hin— 
ſichtlich der Quantität und Qualität ſehr vermindert, ſondern auch eine ſehr 
nachtheilige Wirkung auf die Geſundheit des Stocks und auf den Ertrag des 
nächſten Jahrs ausübt. 

Die Art der Entſtehung des ſchwarzen Brenners iſt noch nicht gehörig 
ermittelt, es iſt aber nicht unwahrſcheinlich, daß derſelbe, da die brandigen 
Stellen ganz daſſelbe Ausſehen wie vertrocknete Thautropfen haben, durch 
ſchädliche Erdausdünſtungen erzeugt wird, die ſich als kalter, vielleicht etwas 
ſalpeterhaltiger Thau an der Rebe anſetzen und daß daher auch da, wo ſich 
derſelbe ſtärker niederſchlägt und weniger ſchnell abtrocknet, die Beſchädigungen 
ſtärker ſind als an andern Orten. Vielleicht tragen auch Saftſtockungen im 
Innern der Rebe dazu bei, indem, wenn der Boden allzuviel Feuchtigkeit ent- 
hält, durch die Waſſerhaltigkeit deſſelben oder durch die Lage des Weinberges 
herbeigeführt, die Rebe dadurch in einen krankhaften Zuſtand verſetzt wird, 
d. h. gleichfalls zu viel Waſſer in ſich aufnimmt, das ſie, wenn ſchnell Hitze 
eintritt, nicht mehr gehörig verarbeiten kann, wodurch, indem durch die bren— 
nenden Sonnenſtrahlen die Säfte mehr koncentrirt werden, kranke (ſchwarze) 
Stellen an Laub, Holz und Trauben entſtehen. 

Auch will man bei genauen Unterſuchungen mit Vergrößerungsgläſern 
gefunden haben, daß ſich auf den kranken Stellen moos- und pilzartige Ge— 
wächſe bilden, die als Schmarotzerpflanzen, ſich durch Samen, ſogenannte 


310 


Sporen, wie der Schimmel bei der Traubenkrankheit, ſehr ſchnell vermehren 
und ſich über alle benachbarten Pflanzentheile verbreiten. 

Nach den bisherigen Erfahrungen zeigt ſich der ſchwarze Brenner haupt⸗ 
ſächlich in naſſen Jahrgängen und in Weinbergen mit kühlem, naſſen und 
kalten Boden (Lehm, Letten) oder mit ſtrengem, waſſerhaltigen Thonboden, 
der die überflüſſige Feuchtigkeit lange behält, oder in ebenen, wenig abhängi⸗ 
gen Weinbergen, wo das Waſſer nicht gehörig ablaufen kann, oder in nicht 
ſehr tief (2 Fuß) gereuteten Weinberge, mit wenig durchlaſſendem Unter⸗ 
grund, wo die Wurzeln des Rebſtocks im Waſſer ſtehen, vorzugsweiſe und 
weit heftiger, als in Weinbergen mit trockenem, tief gereutetem Boden und 
ſtarker Abdachung. Auch enge Thäler, wo die Winde nicht gehörig ſtreichen 
können und in welchen am Tage die Hitze der Sonnenſtrahlen durch den Reflex 
verdoppelt wird, während ſie in kühlen Nächten wieder mehr den kalten und 
feuchten Nebeln ausgeſetzt ſind, und wo alſo am Tage die Triebkraft der 
Stöcke aufgereizt, in der Nacht aber um ſo ſtärker zurückgeſchreckt wird, ſollen 
der Entſtehung des Brenners mehr günſtig ſein, als weite Thäler und luftige 

öhen. 

> Außerdem werden auch einzelne Traubengattungen und namentlich ſolche 
mit ſchwammigem, poröſen Holze, wie Sylvaner, Portugieſer, von demſelben 
mehr als andere getroffen, was auf die oben angeführten Saftſtockungen hin- 
deuten würde, da jedoch auch Sorten mit härterem Holz, wie Rießling, Süß⸗ 
rothe von dem Brenner bald ergriffen werden, ſo läßt ſich davon kein allge— 
meiner Grundſatz über die Entſtehung der Krankheit ableiten, vielmebr ſcheint 
deren Entwicklung doch hauptſächlich von den Witterungsverhältniſſen und der 
Bodenbeſchaffenheit abzuhängen. 

Als Vorbeugungsmittel gegen dieſe Krankheit dürfte ſich daher hauptſäch⸗ 
lich das möglichſt ſchnelle Ableiten des Waſſers aus den Weinbergen durch 
Waſſerabzugsgräben, Drainirung (F. 93), durch tiefes Reuten und durch das 
Reuten bei trockenem Boden (S. 94. 95), ſowie das Uebertragen der Wein⸗ 
berge mit warmer, wenig waſſerhaltender Erde (Mergel, Kies) empfehlen, auch 
dürfte das Einkürzen der Reben, um ſie kräftiger und widerſtandsfähiger zu 
machen, gute Dienſte thun. 


6. Die Gelbſucht. 
§. 201. 


Die Gelbſucht der Rebſtöcke beſteht darin, daß die Blätter einzelner 
Stöcke oder derjenigen ganzer Gelände vor oder bald nach der Blüthe gelb 
werden, abwelken und ſpäter abfallen, ſo daß der Ernährungs- und Lebens⸗ 
proceß des Rebſtocks ganz oder theilweiſe aufhört und die Fruchterzeugung für 


311 


das laufende Jahr, und je nach Umſtänden auch der ganze Rebſtock oder ein- 
zelne Schenkel deſſelben verloren gehen. Dieſelbe kann auf verſchiedene Art 
entſtehen, in der Hauptſache wird aber der Grund vorzüglich in der Störung 
des Ernährungsprozeſſes zu ſuchen ſein, der entweder durch die Bodenbeſchaf— 
fenheit oder durch äußere atmosphäriſche Einflüſſe herbeigeführt werden kann. 

Durch die Bodenbeſchaffenheit kann das Gelbwerden der Reben ent— 
ſtehen: 

a. Wenn bei der Anlage eines Weinberges auf dieſelbe keine Rückſicht 
genommen und ein ſtrenger feſter Boden nur ſeicht gereutet wird, oder ein 
undurchlaſſender Untergrund vorhanden iſt, deſſen nachtheilige Wirkungen nicht 
beſeitigt wurden (§. 73), indem dadurch der Boden ſentweder zu ſchnell aus- 
trocknet und ſeine Nährkraſt verliert oder, beſonders in naſſen Jahrgängen, 
die Feuchtigkeit zu lange behält und das Waſſer gegen die Wurzeln anſtauet, 
wodurch dieſelben weich und krank (waſſerſchleichend)d und zur Aufnahme von 
Nährſtoffen untauglich werden. Der gleiche Fall tritt ein, wenn bei dem Ver⸗ 
legen der Stöcke Gruben gemacht werden, in welchen das Waſſer ſich anſam⸗ 
melt und nicht abziehen kann. 

b. Wenn ſich in dem Weinbergsboden unterirdiſche Quellen befinden, die 
bei der Anlage nicht gehörig abgeleitet oder deren Abzug erſt ſpäter gehemmt 
wurde, oder die erſt neu entſtanden ſind, indem auch durch dieſe den Wurzeln 
der Reben zuviel Waſſer zugeführt wird, wodurch dieſelben krank werden und 
in der Ernährung des Stocks nachlaſſen. 

e. Wenn die chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens den Ernährungs- 
principien der Rebe nicht entſpricht, beſonders wenn ſich in naſſen Jahrgän⸗ 
gen die alkaliſchen und ſalzigen Stoffe im Boden allzu reichlich auflöſen, wo⸗ 
durch die flüſſigen Nährſtoffe der Rebe nicht nur mit Kalkſalzen überfüllt und 
die Verbindung und Entwicklung der kohlenſtoffhaltigen Subſtanzen und viel- 
leicht ſelbſt des Ammoniaks gehindert, ſondern auch der Rebe überhaupt zu— 
viel Waſſer zugeführt wird. Dadurch werden die zur Ernährung der Rebe 
dienenden Stoffe derſelben ganz oder theilweiſe entzogen, es tritt Schwäche 
und Kränklichkeit ein und das Gelbwerden der Blätter erfolgt umſomehr, als 
das Licht auf die Pflanzen einen weſentlichen Einfluß ausübt, und Waſſer und 
Luft dieſelben nur dann grün färben ſollen, wenn das Licht nur auf die Pflan⸗ 
zen, nicht aber auf das Waſſer einwirke und Waſſer in Verbindung mit alka⸗ 
liſchen Stoffen die Gewächſe gelb mache. Das Gelbwerden der Rebſtöcke er- 
ſcheint daher häufig in ſolchen Weinbergen in größerer Ausdehnung, welche 
viel Kalkgehalt beſitzen, indem der im Boden befindliche Kalk öfters die Ver— 
anlaſſung zu der Bildung von ſalpeterſauren Salzen gibt. 

d. Ein magerer Boden trägt gleichfalls zu dem Gelbwerden der Reben 
bei, indem, wenn derſelbe ſo ausgeſaugt iſt, daß die Rebe keine vollſtändige 


312 


Nahrung mehr findet, dieſelbe nicht nur an allgemeiner Schwäche leidet, ſon⸗ 
dern auch die Blätter, weil die Kraft zur vollſtändigen Ausbildung der Traube 
fehlt, beſonders gegen die Traubenreife gelb werden und abfallen, wodurch 
auch die Trauben in der Auszeitigung zurück oder ganz ſtehen bleiben. Es 
kommt dieß namentlich in ältern Weinbergen bei Rebgattungen mit ſtarker 
Triebkraft und beſonders bei dem Trollinger in dem Keuperboden des untern 
Neckar- und Weinsberger Thales bei einer Beſtockung von 3½ —4 Fuß Weite 
öfters vor, während es in der Gegend von Stuttgart bei ähnlichem Boden, 
aber bei einer Beſtockungsweite von 4½ —5 Fuß, weit weniger der Fall iſt, 
und in den Kalkgebirgen des Neckarthales, ſowie auch da, wo der Trollinger 
gemiſcht gebaut wird, jene Krankheitserſcheinung gar nicht bemerkt wird. 

Der Trollinger verlangt bei ſeiner ſtarken Triebkraft, da, wo er mehr 
rein gepflanzt wird, Luft ſowohl oben als im Boden und bedarf daher, wenn 
die Erde nicht allzuſehr ausgeſaugt werden ſoll, neben einer regelmäßigen 
guten Düngung, einen größeren Raum zu feiner Ernährung, als manche an- 
dere Traubengattungen; auch mögen vielleicht einzelne Gattungen des Keuper— 
bodens, beſonders ſolche mit geringem Kalkgehalt, für den Trollinger weniger 
nährende Theile beſitzen, als wie die Kalkgebirge des Neckarthales, dagegen 
zeichnen ſich die Trollingerweine des Keuperbodens vor denjenigen von den 
Kalkgebirgen nicht ſelten durch ſtärkeres Bouquet und Gewürz aus. 


8. 202. 

Zu den äußern atmosphärischen Einflüſſen, welche die Krankheit herbei- 
führen, gehört vorzüglich lang andauerndes, kaltes Regenwetter, wodurch in 
dem Boden überhaupt ſich allzuviel Feuchtigkeit anſammelt, jo daß die Wur- 
zeln im Waſſer liegen und entweder allzuviele wäſſerige Säfte oder ſchädliche 
chemiſche Zerſetzungen aufnehmen müſſen, oder es bildet ſich beſonders in ſtark 
thonhaltigen Böden, ein ſaurer Humus (§. 72), der die feinen Haarwurzeln 
umgibt, ſie ihres Ueberzugs beraubt, zernagt und tödtet, und dadurch dem 
Rebſtock ſelbſt die Nahrungsſäfte abſchneidet. Auch entbehrt derſelbe durch 
lange anhaltende ungünſtige Witterung der Wärme und des Sonnenſcheins, 
die er beide zu ſeinem guten Gedeihen verlangt, wodurch auch die Thätigkeit 
der Blätter in der Aufnahme der zur Verarbeitung der Säfte erforderlichen 
Stoffe (8. 4) geſtört wird. Ferner kann im Gegenſatz zu allzuſtarker naſſer 
Witterung eine allzutrockene Witterung, wie im Jahr 1842, das Gelbwerden 
der Reben bewirken, indem, wenn ſich in dem Boden keine Feuchtigkeit mehr 
befindet, auch der Saftzufluß aufhört, der, wenn er lange andauert, auf das 
Wachsthum und den ganzen Vegetationsproceß der Rebe einen nachtheiligen 
Einfluß ausübt. 

Außerdem kann das Gelbwerden der Reben noch veranlaßt werden, wenn 


313 


in vorausgegangenen kalten Wintern, die Wurzeln der Reben Schaden genom— 
men haben, oder wenn ſie durch Inſekten (Engerlinge), Mäuſe ꝛc. beſchädigt 
werden, oder wenn durch das Unterhacken von Schnee und Schloſſen, dieſelben 
in dem Boden zu ſehr erkältet werden, oder wenn in bindendem Boden bei 
Regenwetter gehackt wird, wodurch derſelbe ſich leicht ganz ſchließt und das 
Eindringen der atmosphäriſchen Luft und das Zerſetzen der Nahrungsſtoffe 
verhindert, ſowie, wenn bei naſſer oder regneriſcher Witterung die ſogenannten 
Laubarbeiten (Zwicken, Binden, Einkürzen) in den Weinbergen vorgenommen 
werden, weil durch die Verwundung der Reben der ſchon durch die ungünſtige 
Witterung benachtheiligte Lebensproceß der Rebe noch mehr geſtört wird. 
Auch das tiefe Hacken bei ſeicht angelegten Weinbergen, wodurch die Wurzeln 
verletzt werden, ſowie das Einbringen und alsbaldige Unterhacken von friſchem, 
beſonders Schaf- und Pferdedünger, weil durch zu ſtarke Ammoniak-Entwick⸗ 
lung die Wurzeln gleichfalls angegriffen werden (S. 189), kann ein Gelbwer— 
den der Rebe verurſachen. 

Nach dem hier Angeführten üben faſt alle die Gelbſucht herbeiführenden 
Umſtände einen nachtheiligen Einfluß auf die Wurzeln der Rebe aus, da nun 
Wurzel⸗, Zweig⸗ unb Blätterbildung in einer genauen Wechſelwirkung zu 
einander ſtehen, ſo daß dieſelben ſich in ihrer Ausbildung nach Kräften zu 
unterſtützen haben, ſo folgt daraus, daß die Verletzung des einen Theils auch 
ein Uebelbefinden des andern Theils nach ſich zieht. Wenn man daher die 
Krankheit vermeiden oder bei deren Erſcheinung derſelben entgegen wirken will, 
ſo iſt es zunächſt nothwendig, daß man die Urſache derſelben genau kennt und 
keine Mittel anwendet, welche dieſelbe, ſtatt zu unterdrücken, noch mehr be— 
fördert. 

Nicht ſelten hilft die Natur ſich ſelbſt, indem ſie die Gegenſätze auszu— 
gleichen ſucht, jo daß z. B. durch den Eintritt warmer, trockener auf voraus- 
gegangene naſſe Witterung die Krankheit nach und nach ſich wieder von ſelbſt 
verliert. Iſt dieſes aber nicht der Fall, ſondern zeigt ſich dieſelbe in einzelnen 
Weinbergen oder an einzelnen Stellen derſelben faſt jedes Jahr, ſo iſt dieß 
ein Beweis, daß ungünſtige Boden- oder ſonſtige Verhältniſſe vorhanden ſind, 
die, wenn die Krankheit aufhören ſoll, beſeitigt werden müſſen. Hat man den 
Grund der Krankheit gehörig erforſcht, ſo können verſchiedene Mittel zu deren 
Beſeitigung angewendet werden. 

Um dem Gelbwerden von Anfang an entgegen zu wirken, dient zunächſt 
bei ſtrengem, waſſerhaltigen Boden oder bei undurchlaſſendem Untergrund ein 
tiefes Reuten nach der oben ertheilten Anweiſung (§. 93—98) oder bei ſeich— 
tem, allzuhitzigen Boden, daß man das Hacken ganz unterläßt und den Wein— 
berg nur durch Jäten oder Futtergraſen rein zu erhalten, oder die allzugroße 
Hitze durch Anlegung von Graspfaden zwiſchen den Zeilen abzuhalten jucht, 


314 


(S. 174). Iſt das Gelbwerden durch allzuſtarken Waſſerzudrang und durch 
den dadurch gebildeten ſauren Humus entſtanden, ſo kann demſelben bei an⸗ 
haltender Näſſe durch unterirdiſche Quellen ꝛc., durch Ableitung derſelben mit- 
telſt Waſſerabzugsgräben oder Drainirungen entgegengewirkt werden, oder wenn 
es nur vorübergehende Näſſe einzelner Jahrgänge iſt, durch Anhäufeln des 
Bodens gegen die Stöcke und Ziehen von ſchwachen Gräben in der Mitte der 
Zeilen, um dem Waſſer ſchneller Abfluß zu verſchaffen, oder durch Aufgraben 
und Entfernen der Erde von den kranken Stöcken und durch Auffüllung mit 
friſcher guter Raſenerde, beſonders vor dem Erſcheinen der Krankheit, ferner 
durch das Düngen mit kräftigem, hitzigen und ſcharfen Dünger, wie Schafe— 
und Pferdedünger, Gülle, beſonders aber Abtrittsdünger, indem dadurch die 
Lebenskraft der Rebe wieder mehr angeregt und dem Boden mehr paſſende 
Nährtheile zugeführt werden. Auch das Auftragen von Aſche, beſonders Stein— 
kohlenaſche, von Kalk und Gyps und das Unterbringen derſelben bei der näch- 
ſten Bodenarbeit wird gute Dienſte leiſten, wenn der Boden nicht zuvor ſchon 
ſehr kalk⸗ oder gypshaltig iſt, indem ſonſt, wenn ſich in Folge des Kalkgehalts 
ſalpeterſaure Salze gebildet haben, die Krankheit noch vermehrt wird, wogegen 
in einem ſolchen Falle das Aufbringen oder das Vermiſchen des Düngers mit 
Aſche vorzüglich gute Dienſte leiſten ſoll. Auch das Uebertragen der Wein— 
berge bei zähem, naßkalten Boden mit warmem, trockenen Boden, beſonders 
Mergel oder auch mit Steinkohlenaſche, ſtark mit Sand gemiſcht, wird na— 
mentlich als Vorbeugungsmittel gute Wirkung thun, ſowie bei einzelnen Stöcken, 
wenn mit dem Erdbohrer tiefe Löcher zwiſchen zwei Stöcken gebohrt werden, 
um das Waſſer mehr von denſelben abzuleiten. Ebenſo bei ſtarken Abda⸗ 
chungen das Düngen hinter die Stöcke (oberhalb), weil durch den eingegrabe— 
nen Dünger das Waſſer abgeleitet und weil derſelbe nicht ſo ſchnell zerſetzt 
wird, den Wurzeln der Rebe immer wieder neue kräftige Nahrung zugeht. 
Kommt das Gelbwerden von der Magerkeit des Bodens her, ſo wird 
ein ſchnell wirkender Dünger, wie Gülle, und das öftere Wiederholen der 
Düngung (von zwei zu zwei Jahren) dem Gelbwerden am beſten entgegen— 
wirken. Trägt aber eine unpaſſende Düngung oder eine zur unpaſſenden Zeit 
vorgenommene Bodenarbeit die Schuld, jo wird das baldige Oeffnen des Bo⸗ 
dens durch Wiederholen der Arbeit oder durch die Vornahme der nächſten 
Bodenarbeiten zu einer zweckmäßigen Zeit, damit Luft und Licht eindringen 
und Näſſe und ſonſtige ſchädliche Dünſte ausſtrömen können, gute Wirkung 
thun, wobei aber etwas tiefer zu greifen iſt, damit der untere Boden herauf- 
geſchafft wird. Am wenigſten wird der Gelbſucht entgegengewirkt werden 
können, wenn dieſelbe durch ungünſtige chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens 
entſtanden iſt und nur vorbeugend kann dadurch geholfen werden, wenn man 
von den, häufig von der Krankheit befallenen Stöcken die ſie umgebende Erde 


315 


entfernt und durch beſſere, namentlich Raſenerde, erſetzt, oder wenn man bie 
Weinberge mit anderer guter Erde, wie z. B. den Kalkboden mit warmer 
Thonerde, ſtark überträgt. Jedenfalls iſt es gut, wenn bei ſolchen Böden, 
die gerne zu der Bildung überflüſſiger, ſalpeterſaurer Salze geneigt ſind, kein 
ſtark wirkender, viel Ammoniak haltender Dünger, wie Schaf- und Pferde— 
dünger, ſondern mehr Compoſt, Raſenerde, oder nur alter vergohrener Rind— 
vieh⸗, oder auch grüner vegetabiliſcher Dünger angewendet wird. 

Da wo das Verlegen (Vergruben) der Reben eingeführt iſt, werden gelb 
gewordene Stöcke im nächſten Jahre häufig verlegt, was auch gute Dienſte 
thun ſoll. 


7. Der Honig- und Mehlthau. 
§. 203. 


Wenn die Reben in der Saftfülle ſtehen und es tritt ſchneller Witterungs— 
wechſel ein, ſo daß Wärme und Kälte ſchnell auf einander folgen, was beſon— 
ders im Frühjahr und Sommer, wo auf ſtarke Regen ſchnell wieder heißer 
Sonnenſchein und mitunter kühle Nächte eintreten, öfters der Fall iſt; ſo wird 
hiedurch eine Stockung im Umlauf der Säfte veranlaßt, die innern Pflanzen— 
gefäſſe zerplatzen und es wird auf den Blättern ein ſüßer Saft ausgeſchwitzt, 
dem Bienen und andere Inſekten eifrig nachgehen. Folgt nun warme Witte— 
rung, ſo vertrocknet der Saft und es zeigt ſich ein weißer mehlartiger Ueber— 
zug anf den Blättern, den man Honig- oder Mehlthau nennt, ob er gleich 
mit dem Thau nichts gemein hat. Durch dieſen klebrigen Ueberzug werden, 
wenn nicht bald Regen eintritt, der denſelben ganz oder theilweiſe abwaſcht, 
die Schweißlöcher (Poren) der Blätter verſtopft und letztere vielleicht auch 
durch die Saugapparate der Inſekten noch verwundet, wodurch die Thätigkeit 
derſelben gehindert, deren Welkwerden, wie bei der Gelbſucht, herbeigeführt 
und überhaupt die ganze Vegetation des Rebſtocks beeinträchtigt wird, was 
natürlich auch einen nachtheiligen Einfluß auf die Ausbildung und die Zeiti— 
gung der Traube hat. Die auf oder in dem Thau befindlichen Inſekten wer— 
den erſt durch denſelben herbeigezogen und ſind nicht, wie hie und da irrig 
angenommen wird, dadurch die Urſache deſſelben, daß ſie die Säfte der Pflan⸗ 
zen einſaugen und als verarbeiteten Honig wieder von ſich geben. 

Mittel gegen die dadurch herbeigeführte Krankheit ſind keine bekannt, höch— 
ſtens könnten die vom Thau befallenen Zweige und Blätter ausgebrochen 
werden, auch könnte vielleicht ein dünnes Beſtreuen mit ungelöſchtem Kalk— 
ſtaube in der Frühe, ehe der Thau ſich verhärtet hat, oder das Begießen der 
angegriffenen Theile mit Waſſer, in dem etwas Kochſalz aufgelöst iſt, gute 
Dienſte leiſten. f 


316 


8. Die Saftüberfüllung und das Verwachſen der Trauben. 
§. 204. 


Die Traube verlangt zu ihrer Entwicklung einen gut ausgebildeten, con⸗ 
ſiſtenten Nahrungsſtoff nnd warme, trockene Witterung. Tritt nun während 
der Entwicklung derſelben warme, aber zugleich naſſe oder feuchte Witterung 
ein, ſo wird die Rebe zu einem außerordentlich ſtarken Triebe durch ſchnelle 
Aufſaugung der Nahrungsſäfte veranlaßt, bei dem dieſelben in den innern 
Organen der Rebe nicht mehr gehörig verarbeitet werden und daher gehaltlos 
und wäſſerig bleiben, fo daß dadurch, wenn ſich auch einzelne Trauben (Ge— 
ſcheine) zeigen, dieſelben dem Saftandrange nicht widerſtehen können, ſondern 
ſich verwachſen und in Ranken (Gabeln) übergehen ($. 3), was den Ertrag 
der Weinberge öfters ſehr ſchmälert. Aehnliche Saftüberfüllungen kommen 
auch bei ſehr naſſen Weinbergen vor, ſei es nun, daß dieſelben durch allzu- 
ſtarke Düngung oder durch einen fetten, feuchten Untergrund herbeigeführt 
werden, indem auch hier die Säfte nur zur Bildung der Triebe verwendet 
werden und die Trauben entweder gar nicht zu Stande kommen oder kleinbee— 
rig und ohne Samen bleiben und ſpäter abröhren. 

Werden ſolche krankhafte Anzeigen an den Reben bemerkt, ſo iſt es ſehr 
zweckmäßig, wenn man dem allzuſtarken Saftandrang Abfluß zu verſchaffen 
ſucht, entweder dadurch, daß man, wie bei den Obſtbäumen, die Rinde des 
Stamms und der Schenkel aufſchlitzt (verwundet), wodurch der Saft ſich hier 
einen Ausweg ſucht und die Verdünſtung deſſelben befördert wird, oder wenn 
man durch Wegſchneiden von einjährigem oder älterem Holze, beſonders aber 
durch ſtarkes Verwunden am Kopfe des Rebſtocks den Abfluß des Saftes er— 
leichtert, oder durch das Abnehmen eines Theils der geilen Triebe das Wachs— 
thum des Stocks zu mäßigen ſucht. 

Wird ein Weinberg durch die Bodenverhältniſſe zu einem allzuſtarken 
Triebe veranlaßt, fo kann ein langer Schnitt, wodurch die Säfte mehr ver⸗ 
theilt und viele Augen zum gleichzeitigen Austreiben veranlaßt werden, von 
gutem Erfolge ſein, ſowie überhaupt beſonders ſtarktriebige Rebſorten, wenn 
ſie unfruchtbar ſein ſollten, unter den angeführten Verhältniſſen durch langen 
Schnitt zum Ertrag gebracht werden können. 


9. Die Trauben⸗ oder Schimmel⸗Krankheit. 
S i N 


Dieſe Krankheit iſt erſt in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren auf⸗ 
getreten, hat ſich jedoch weniger in den gemäßigten Weinbaugegenden Deutſch⸗ 
lands, als in ſüdlichern Ländern, wie in dem ſüdlichen Tyrol, im ſüdlichen 


317 


Frankreich, in Italien und in Griechenland durch große Verheerungen ausge— 
zeichnet, ſo daß ganze Weinernten zu Grunde giengen. 

Sie beſteht in einem Pilze, Oidium, der ſich zuerſt 1845 an einzelnen 
Weinreben in den Glashäuſern von England, dann 1847 und 1848 in den 
Gewächshäuſern in der Umgegend von Paris und Verſailles an feinen Tafel- 
trauben zeigte, bald aber auch auf die Rebgelände im Freien überging. Im 
ſüdweſtlichen Deutſchland wurde die Krankheit hauptſächlich nur an hohen Reb— 
geländen (Kammerzen) und am häufigſten an der Trollinger- und Urbantraube 
wahrgenommen, woraus hervorgeht, daß nicht alle Traubengattungen gleich 
empfänglich für die Krankheit ſind. Nach dem Trollinger und Urban folgen 
die dem erſten verwandten Traubengattungen, wie der rothblaue Zottelwelſche 
(Gol, Weißlauber), der ſchwarzblaue Zottelwelſche (Rohrtraube, Wullewelſch), 
der blaue Gänsfüßler, dann der Muskateller, der Portugieſe, ſowie der Tra- 
miner, der Elbling, Sylvaner, weißer Räuſchling, Gutedel, Tokaier. 

Am wenigſten empfänglich für die Krankheit ſind: der Rießling, der blaue 

Clevner und Burgunder, der weiße Burgunder, ferner der Affenthaler, die 
Müllertraube, der Rothgypfler und blaue Limberger. Die nordamerikaniſchen 
Trauben (Iſabelle) ſollen bis jetzt von der Krankheit nicht befallen wor⸗ 
den ſein. 
Auch bleiben nach den gemachten Erfahrungen junge Reben, die im 
erſten oder zweiten Jahre des Ertrags ſtehen, häufig von der Krankheit ver— 
ſchont, ſowie auch ganz niedrig gehaltene Reben, ſogenannte Heckenweinberge 
(§. 123), wenig oder gar nicht von derſelben befallen wurden, während an 
hochſtämmigen und an Rebgeländen ſich dieſelbe vorzugsweiſe und in größerer 
Ausdehnung zeigte. 

Nach der Unterſuchung und Beſchreibung des Herrn Profeſſors v. Mohl 
in Tübingen zeigt ſich der weiße, ſchimmelartige Pilz zuerſt als ein nur dem 
bewaffneten Auge und nur ſchwierig erkennbares, die Oberhaut überziehendes 
Spinngewebe. 

Solche Flecken erſcheinen im Anfange vereinzelt; ſtrahlig ſich ausbreitend, 
fließen fie erſt jpäter zuſammen. Auch finden fie ſich mehr oder weniger weit 
entwickelt, bereits an den ältern, untern Stengelgliedern der Rebe, wenn die 
oberen, vor Kurzem erſt aus dem Knoſpenzuſtande hervorgegangenen, noch 
völlig frei davon ſind. Die einfachen Zellenreihen, aus welchen der Pilz be— 
ſteht, wachſen der Oberhaut, den von ihnen befallenen Pflanzentheilen dicht 
angeſchmiegt, dieſer entlang. Sie veräſteln ſich nach rechts und links, wenig 
nach vorwärts gerichtete Seitenſproſſen entſendend. Auch dieſe verzweigen ſich 
aufs Neue. So entſteht bald jenes den ganzen ergriffenen Pflanzentheil über- 
und umſpinnende Netz. Aus den etwas älteren Theilen dieſes Geflechts er— 
heben ſich bei Zeiten ſchon ſenkrecht aufſtrebende Sproſſen, Reihen kurzer Zel⸗ 


318 


len, deren Endzelle anſchwellend ſich endlich abgliedert und fo eine zur Fort— 
pflanzung dienliche Spore darſtellt. Der nämliche Vorgang wiederholt ſich 
in der zunächſt unteren Zelle des aufrechten Fadens, ſo daß man an der 
Spitze deſſelben bisweilen zwei bis drei hinter einander ſtehende eiförmige 
Sporen findet. Werden die Fortpflanzungszellen vom Luftzuge auf, vom 
Pilze noch nicht überzogene, grüne Theile der Rebe getragen, ſo keimen ſie 
leicht und bald, indem ſie einen ſchlauchförmigen, fädlichen Fortſatz treiben: 
die erſte Anlage der auf der Oberhaut der Nährpflanze hinkriechenden Fäden. 

Unter den jüngſten Enden der kriechenden Pilzfäden erſcheint die Oberhaut 
der Rebe völlig unverändert und von normaler Grüne, unter den ältern Thei- 
len des Pilzgeflechts, dagegen zeigt die Nährpflanze hie und da kleine braune 
Flecken. Jeder ſolchen mißfarbigen Stelle entſpricht eine Ausſtülpung des 
Pilzfadens nach unten; eine Auftreibung oder lappige Ausſackung ſeiner Außen⸗ 
haut, die mit ſtumpfen, halbkugeligen Enden auf den Außenwänden von Ober- 
hautzellen der Rebe haftet. — Bald nimmt dieſes Haftorgan des Pilzes eine 
braune Farbe an, die gleiche Färbung tritt in Wand und Inhalt der berühr— 
ten Oberhautzellen, ſpäter auch in deren Nachbarinnen ein, ſo daß in der 
örtlichen Abtödtung der Oberhaut der Rebe, der Blätter und der Traube 
einzig und allein das Weſen der Krankheit zu ſuchen iſt. Der entwickelte Pilz 
ſtellt ſich als ein ſchimmelartiges Gewächſe dar, das die weitere Vegetation 
der Rebe und Traube hemmt und dazu beiträgt, daß durch die Krankheit der 
Oberhaut das obere junge Rebholz ſowie die Blätter welken und verdorren, 
und die Traubenbeere aufſpringen, dann in Fäulniß gerathen, ſpäter eintrock— 
nen und dadurch nach und nach ganz zu Grunde gehen. Der Pilz verbreitet 
ſich durch Beſamung fo ſchnell, daß in acht bis zehn Tagen ein ganzer Wein- 
berg davon erkrankt ſein kann. 

Die untern Theile des jungen Rebholzes werden häufig von der Krank— 
heit nicht befallen, auch leidet der Rebſtock ſelbſt nicht darunter, wenn die 
Krankheit nicht allzu heftig auftritt, ſo daß förmliche Saftſtockungen eintreten, 
auch macht derſelbe im erſten Jahre nach der Krankheit neue Triebe und 
treibt neuen Samen, um, wie es ſchon häufig vorkam, wieder aufs Neue von 
der Krankheit befallen zu werden. 

An der Traube erſcheint die Krankheit gewöhnlich zuerſt an den kleinen 
zurückgebliebenen Beeren, die in der Blüthe nicht befruchtet wurden, und ver⸗ 
breitet ſich von dieſer geſchützten Lage aus dann auf die übrigen Beere. 
Streicht man über die vom Pilz befallenen Blätter und Beere, ſo erſcheint die 
Stelle feucht und verbreitet einen widerlichen ſauren Geruch. 

Die Entſtehung derſelben hat man ſchon ſehr verſchiedenen Urſachen, na⸗ 
mentlich Saftſtockungen oder Desorganiſation des Rebſtockes zugeſchrieben und 
demgemäß auch viele von einander ſehr verſchiedene Mittel zur Heilung oder 


319 


Verhütung derſelben vorgeſchlagen, bis jetzt iſt man aber weder bei den einen 
noch bei den andern ganz ins Klare gekommen. Da jedoch die Krankheit zur 
gleichen Zeit mit der Kartoffelkrankheit aufgetreten iſt und bei derſelben ſich 
die gleichen Symptome, wie bei dieſer zeigen, ſo daß zuerſt die Blätter und 
Stengel und dann die Frucht davon befallen wird, anch bei andern Gewächſen, 
wie z. B. bei den Kirſch⸗ und Nußbäumen ꝛc. ähnliche Krankheitsanfälle beo⸗ 
bachtet wurden, ſo iſt nicht unwahrſcheinlich, daß alle dieſe Krankheitserſchei— 
nungen mit dem innern Leben unſerer Erde zuſammenhängen und durch feine, 
ſchädliche Ausdünſtungen derſelben entſtanden ſind, die ſich als Nebel oder Thau 
niedergeſchlagen oder auf irgend eine andere Weiſe ſich an die zärteren Theile 
der Pflanzen angehängt haben und dadurch zu der Entwicklung des Pilzes 
Veranlaſſung geben, der ſich dann durch ſeine Samenentwicklung ſchnell weiter 
verbreitet, worauf auch der Umſtand hindeutet, daß vorzugsweiſe die höher ge— 
zogenen Reben davon befallen werden. 

Nach den angeſtellten Verſuchen zur Beſeitigung der Krankheit, die ſich 

hauptſächlich auf die Vertilgung des Pilzes beziehen, haben folgende Mittel 
ſich am beſten bewährt: 
2. Das Eintauchen der Trauben bald nach der Blüthe in ein leichtes 
Leimwaſſer (2 Loth Leim auf 2 Maas Waſſer), was jedoch ſehr beſchwerlich 
und zeitraubend iſt und daher nicht wohl im Großen angewendet werden kann; 
dagegen wird das Beſpritzen der angegriffenen Trauben mit Leimwaſſer mit⸗ 
telſt einer gewöhnlichen ſeierartigen Gartenſpritze von Blech mit 1—1!/2 Zoll 
Lichtweite ſchneller und leichter von Statten gehen. 

b. Das Einſchwefeln der ganzen Rebſtöcke im trockenen Zuſtande mit 
feiner Schwefelblüthe und zwar 14 Tage vor der Blüthe, ſowie man an den 
grünen Stellen der Reben einige weißliche Punkte bemerkt, dann und haupt⸗ 
ſächlich vor oder während der Blüthe und 3 Wochen nach der Blüthe oder 
nach der zweiten Schwefelung, indem dadurch nicht nur der Schimmel gänzlich 
Zzerſtört, ſondern auch die Vegetation der Rebe und Traube befördert wird, 
auch ſoll dieſes Mittel, nach den in Südtyrol und Frankreich gemachten 
Erfahrungen, das bewährteſte ſein, das auch im Großen ohne viel Mühe und 
Koſten ausgeführt werden kann. Wird der Schimmel durch dieſe dreimalige 
Schwefelung nicht gänzlich zerſtört, fo iſt eine nochmalige Anwendung deſſel— 
ben, beſonders vor dem Weichwerden der Trauben nothwendig. Man bedient 
ſich dazu eines Blasbalges, an deſſen vorderer Seite ein längliches Käſtchen 
von Blech, in der Mitte durch ein Sieb abgetheilt, angebracht iſt, aus dem 
der Schwefel bei der geringſten Bewegung des Blasbalges durch eine an dem 
Kiſtchen befindliche längliche Röhre ausgeſtäubt wird, oder einer Puderquaſte 
mit einem 1—2 Zoll weiten Cylinder von Blech und oben mit einem Seiher, 
in den theilweiſe wollenes Garn eingeflochten wird, das man 2—3 Zoll 


320 


lang quaſtenartig hängen läßt, und aus dem dann der Schwefel bei einer 
ſtarken Schwingung ausſtäubt. (Bei Flaſchner Auguſt Haas in Stuttgart.) 

Das Einſchwefeln der Reben im naſſen Zuſtande nach Regen, Thau ꝛc. 
ſoll weit weniger von günſtigem Erfolge ſein. 

Man kann zum Beſtäuben auch eine gewöhnliche Gartenſpritze gebrauchen. 

c. Auch das Eintauchen oder Beſpritzen der Trauben mit Schwefelwaſſer 
ſoll gute Dienſte thun. Man nimmt 1 Pfd. Schwefelblüthe und 1 Pfd. friſch 
gelöſchten Kalk, verbindet ſie innig mit einander und vermiſcht ſie mit 2 Maas 
Waſſer in einem glaſirten Topf, worauf das Ganze unter fortwährendem Um⸗ 
rühren eine Viertelſtunde lang gekocht, ſofort abgekühlt, und, nachdem ſich die 
Maſſe geſetzt hat, die klare Flüſſigkeit abgegoſſen und in gut verkorkten Fla⸗ 
ſchen oder Krügen aufbewahrt wird. Bei der Anwendung kann ein Theil mit 
80—100 Theilen reinem Waſſer gemengt werden. 

Am zweckmäßigſten iſt es, wenn man durch öfteres genaues Viſitiren der 
Reben und der Trauben die Krankheit ſo viel wie möglich im Keime zu er— 
ſticken ſucht, was dadurch am einfachſten geſchieht, wenn man bei dem Durch— 
gehen der Weinberge, wie z. B. beim Verbrechen (Zwicken), oder auch ſchon 
früher alle Blätter und Zweige abbricht und entfernt, die auch nur im Ent- 
fernteſten einen Schimmelanſatz zeigen, was man daran am beſten erkennt, 
wenn Blätter und Zweige welk werden und oben einzelne braune und abge— 
ſtorbene Flecken zeigen, die dann gewöhnlich unten mit dem Pilze beſetzt ſind. 

Werden deſſen ungeachtet nach der Blüthe einzelne Trauben von der 
Krankheit befallen, ſo iſt es am zweckmäßigſten, wenn man die Traubenſtöcke 
genau durchgeht und alle Beere, auf welchen ſich weiß beſtäubte Pünktchen 
zeigen, zerdrückt oder auspflückt und beſeitigt. 

Sind dagegen ſchon mehrere Beere oder die ganze Traube von der Krank— 
heit ergriffen, ſo kann man dieſelbe mit einem in Schwefelblüthe getauchten, 
weichen Maurerpinſel einigemal auf allen Seiten bedupfen, wodurch der Pilz 
zerſtört, die bedupfte Stelle etwas feucht wird und der Schwefel dadurch gerne 
an derſelben hängen bleibt. Nachher kann man noch den ganzen Stock mit 
der Puderquaſte einſchwefeln, damit auch der etwa ſchon am Laub oder Reb— 
holz befindliche Pilz zerſtört wird. Iſt auch ſchon der Traubenſtiel von der 
Krankheit ergriffen, ſo kann zwar durch die angeführte Manipulation die Traube 
gerettet werden, dieſelbe wird aber wegen des geſtörten Saftzufluſſes in der 
Entwicklung ſtets zurückbleiben, daher auch daraus hervorgeht, wie nothwendig 
es iſt, die Krankheit ſogleich bei ihrer Entſtehung zu bekämpfen. 


10. Der Grind. 


§. 206. N 
Der Grind beſteht in dem unregelmäßigen Ausſchwitzen der Säfte des 


321 


Rebſtocks. Er entſteht durch ſtrenge Winterkälte, wenn durch dieſelbe bie 
innern Gefäſſe der Rebe ganz oder theilweiſe zerſtört und dadurch die Saft— 
zirkulation gehemmt wird (§. 193), ferner durch Frühjahrsfröſte, wenn in 
Folge derſelben der Saft von den Spitzen der Reben gegen die Schenkel zu— 
rückgetrieben wird, oder auch nur, wenn häufige Näſſe und Wärme mit Kälte 
ſchnell wechſeln, was beſonders in engen Thälern der Fall iſt, indem, wenn 
ein Stock im Frühjahr oder Sommer in Folge der warmen feuchten Witterung 
zu viel Säfte einſaugt, die durch die Wärme in ſchnellen Lauf kommen, und es 
tritt rauhe kalte Witterung ein, durch welche die Ausdünſtungen des Stocks 
vermindert werden, können die jungen Triebe das Uebermaß der Säfte nicht 
mehr conſumiren, wodurch gleichfalls ein Rücktritt derſelben gegen Schenkel 
und Kopf erfolgt. Solche Zufälle können ſich beſonders bei jungen Reben 
auf ſehr kräftigem, fetten Boden zeigen, wenn durch günftige Witterung Saft» 
überfüllungen und ſpäter durch ungünftige Witterung Saftſtockungen ein- 
treten. 

Durch dieſes Zurücktreten oder Zurückdrängen der Säfte gegen die Schen— 
kel und den Kopf erfolgt ein theils mehr, theils weniger ſtarkes Zerſpringen 
der innern Gefäſſe derſelben, wodurch der überflüſſige Saft ausgeſchwitzt wird 
und ſich eine Art Geſchwulſt (Grind) bildet, der die freie Cirkulation des 
Saftes hindert, oder ableitet und dadurch den Rebſtock krank macht, ſo daß 
die Schenkel oder der ganze Stock entweder ſchon im laufenden Jahr, beſon— 
ders gegen die Traubenreife, oder längſtens im nächſten Jahre abſtirbt. 

Von dieſer Krankheit werden vorzugsweiſe Rebſtöcke mit ſchwammigem, 
ſaftreichen Holze, wie Sylvaner, blaue Portugieſen ꝛc. befallen, beſonders 
wenn ſie in unpaſſende Lagen und Boden gepflanzt werden, auch entſteht ſie 
gerne iu Folge anderer Krankheiten, durch welche Saftzurücktretungen veran⸗ 
laßt werden. 

Mittel gegen die Krankheit, wenn ſie einmal eingetreten iſt, laſſen ſich 
keine anwenden, dagegen läßt ſie ſich, beſonders bei Beſchädigung durch Win— 
terkälte und Frühjahrsfroſt, durch die dort angegebene Behandlung der Reben 
(S. 194, 197), hie und da verhüten, iſt fie aber einmal vorhanden, jo bleibt 
nichts übrig, als ſo bald als möglich junges Holz aus dem Kopfe nachzuziehen 
und die kranken Schenkel im erſten oder zweiten Jahre herauszuſchneiden oder 
den ganzen Stock durch Einleger zu erſetzen. 


11. Die Beſchädigungen durch Hagel, Wolkenbrüche, Regen, Nebel. 
8.207. 
a. Beſchädigungen durch Hagel 


Solche Beſchädigungen ſind zwar nur örtlich, ſie dehnen ſich aber öfters 
21 


322 


nicht blos auf einzelne Markungen, ſondern auf eine ganze Weinbaugegend 
aus und gehören zu den größeren und am nachtheiligſten wirkenden Unfällen, 
welche die Weinberge treffen können, indem, wenn die Beſchädigung ſpät, wäh⸗ 
rend des Sommers eintritt, häuſig nicht nur der größere oder der ganze Jah— 
resertrag vernichtet, ſondern theilweiſe auch der Ertrag von den nächftfolgen⸗ 
den Jahren gefährdet wird, weil das noch weiche, künftige Tragholz entweder 
ganz abgeſchlagen oder durch die Hagelkörner ſo beſchädigt wird, daß es braune 
oder ſchwarze Brandplatten bekommt und dadurch im nächſten Jahre keine 
oder wenig Trauben treibt, öfters aber noch beim Biegen der Reben abbricht, 
ſo daß ſtatt Bogen nur kurze Zapfen angeſchnitten werden können. War der 
Hagel ſo ſtark, daß auch die Schenkel beſchädigt wurden, und müſſen ſolche 
hinweggenommen werden, fo kann es 3—4 Jahre anſtehen, bis der Weinberg 
wieder in vollen Ertrag kommt. 

Der Hagel wirkt um ſo ſchädlicher, wenn damit ein ſtarker Wind ver— 
bunden iſt, indem derſelbe die ſchützenden Blätter in die Höhe jagt und die 
Hagelkörner in ſchräger Richtung um ſo ſtärker an die unbedeckten Trauben 
und an die Zweige des Weinſtocks treibt. 

Tritt der Hagel frühe, vor der Traubenblüthe ein, ſo machen die Reben 
aus den Beiaugen hie und da noch Nachtriebe, von welchen aber die Trau— 
ben ſelten vollkommen werden und zur gehörigen Reife kommen. 

Auch die vom ſpätern Hagel getroffenen Traubenbeere bleiben in der 
Zeitigung zurück und behalten an dem Punkt, wo ſie vom Hagel getroffen 
wurden, ſtets eine Säure, daher, wenn noch ein guter Wein erzielt werden 
will, ſolche Trauben und Traubenbeere, ſowie die nachgetriebenen unreifen 
Trauben bei der Leſe ſorgfältig ausgeſchieden und zur Nachleſe genommen 
werden müſſen. 

Verwandelt ſich der Hagel in einen ſogenannten Eisregen, geſchmolzenen 
Hagel, der eiſig kalt iſt, jo wirkt auch dieſer dadurch ſchädlich, daß zwei Ex— 
treme zuſammentreffen, nemlich der hohe Grad von Hitze, der gewöhnlich ſol— 
chen Gewittern vorausgeht, und der hohe Grad von Kälte des Eisregens, in— 
dem nicht ſelten, wenn ein Tropfen auf eine Beere fällt, dieſelbe welk wird, 
oder, wenn er bis auf den Traubenſtiel dringt, ſo kann auch dieſer mit der 
Traube abſtehen. 

Zur Abwendung des Hagels ſind noch keine Mittel entdeckt worden, indem 
die bis jetzt in Vorſchlag gebrachten Hagelableiter mittelſt Befeſtigung von 
Strohſailen oder von Metalldrähten an hohen Stangen und Einſenkung in 
den Boden noch zu keinem entſprechenden Reſultate führten. (Anmerkung 6.) 


6. Anmerkung. Ueber die Entſtehung des Hagels, wobei die Elektricität der 


323 


Bei minder ſtarkem Hagel, beſonders ohne Sturmwind, dürfte das Ein— 
kürzen der Reben von gutem Erfolge ſein, indem die herabhängenden Aber— 
zähne häufig eine ſchützende Decke für die Trauben bilden. Jedenfalls wird 
es ſehr augemeſſen fein, wenn in Gegenden, wo öfters Hagel vorkommt, die 
Weinbergbeſitzer ſich bei einer Hagelverſicherung betheiligen, um wenigſtens 
einigen Erſatz für den erlittenen Schaden zu erhalten. 

Iſt ein ſtarker Hagelſchaden eingetreten, ſo iſt das Hinwegſchneiden der 
vom Hagel getroffenen Triebe ſogleich nach demſelben, um die Reben zu neuen 
Trieben zu veranlaſſen, nicht immer räthlich, weil die Beſchädigung unmittel- 
bar nach dem Hagel öfters weit ſtärker erſcheint, als ſie wirklich iſt und 
manche Rebe ſich noch erholt; dagegen iſt auch das gänzliche Unterlaſſen des 
Wegſchneidens nicht angemeſſen, indem dadurch der Rebſtock einen großen Theil 
ſeiner Säfte zur Wiederbelebung der verſtümmelten Triebe unnütz verwendet, 
wodurch Selbſtſchwächung eintritt und die Wunden leicht in krebsartige Krank— 
heiten (Grind ꝛc.) übergehen können. Am zweckmäßigſten iſt es daher, wenn 
mit dem Hinwegnehmen der beſchädigten Triebe etwa 6—8 Tage gewartet 
wird, bis man die geſunden und wenig beſchädigten Theile von den ſtärker 
beſchädigten und nicht mehr brauchbaren unterſcheiden kann. | 


§. 208. 
b. Beſchädigung durch Wolkenbrüche. 


Mit heftigen Gewittern, beſonders aber mit Hagelwettern, ſind häufig 
ſehr ſtarke Regen, ſogenaunte Wolkenbrüche, verbunden, die namentlich in ſehr 
ſteilen Weinbergen große Beſchädigungen verurſachen, und die nur mit großen 
Koſten beſeitigt werden können, indem durch dieſelben nicht nur ein großer 
Theil des fruchtbaren Bodens, hie und da ſogar mit den Pfählen, herabge⸗ 
ſchwemmt, ſondern auch die Rebſtöcke ſelbſt manchmal aus dem Boden ge— 
riſſen und ſogar Mauern eingeſtürzt werden. 


Solche Beſchädigungen laſſen ſich entweder ganz oder wenigſtens theil— 
weiſe verhüten, durch zweckmäßige Anlegung von Mauern, Wafferabzugs- und 
Auffanggräben auf die in §. 98 näher beſchriebene Weiſe, ſowie auch dadurch, 
wenn man je von 4—56 Zeilen kleine ſchmale Ouergräben macht, in dieſelben 
im Frühjahr abgeſchnittenes Rebholz einlegt und ſofort 1—2 Zoll hoch mit 
Erde bedeckt, indem dadurch das den Berg herabſtürzende Waſſer in ſeinem 
Laufe gehemmt wird und weit weniger Boden mitnehmen kann, oder, wenn 


Luft eine weſentliche Rolle zu ſpielen ſcheint und über die Grundſätze, nach welchen 
Hagelableiter einzurichten wären, ſiehe die intereſſanten Abhandlungen in dem Corre⸗ 
ſpondenzblatt des württembergiſchen landwirthſchaftlichen Vereins von 1822, S. 155, 
von 1825 7. Band S. 209 und 8 Band S. 300. 


21 * 


324 


überhaupt das Rebholz klein zerſchnitten und nach §. 175 als Gründüngung 
in den Boden eingehackt wird. b 


§. 209, 
c. Beſchädigung durch Regen und Nebel. 


Das durch Regen und Schnee aus der Atmosphäre niederfallende meteo— 
riſche Waſſer zeichnet ſich gegenüber von andern Waſſern (Quellbrunnenwaſſer) 
durch ſeinen größern Gehalt an Electricität (S. 62) und Sauerſtoffgas aus 
und beſonders iſt dieſes bei dem Waſſer von Gewitterregen der Fall, das 
auch noch einen ziemlichen Gehalt an ſalpeterſauren Salzen beſitzen ſoll. Durch 
dieſe Eigenſchaften übt das Regenwaſſer einen weit größeren Einfluß auf die 
Belebung der Vegetation aus, als das gewöhnliche Quellwaſſer, indem nach 
einem warmen, beſonders Gewitterregen, die manchmal ganz erſchlaffte Vege— 
tation wieder erfriſcht, belebt und zu erneuter Thätigkeit angeſpornt wird. 

So wohlthätig nun ein zur rechten Zeit niederfalleuder Regen auf die 
Vegetation, insbeſondere der Rebe, wirkt, ebenſo ſchädlich kann er aber auch 
werden, wenn er zur unrechten Zeit eintritt oder zu lange anhält. Regnet es 
lange, während die Weinberge beſonders mit Erde gedeckt find, ſo erſtickt 
oder erſauft manches Auge unter dem naſſen mit Waſſer angefüllten Boden, 
oder es werden durch das Waſſer die im Boden enthaltenen ſalz- und ſalpe⸗ 
terartigen Beſtandtheilen in größerer Menge aufgelöst und dadurch die Augen 
der Reben ausgefreſſen. Fällt viel Regen während der Entwicklung des Reb— 
ſtocks und der Trauben vom Frühjahr bis zum Spätjahr, jo können die Wein⸗ 
berge nicht gehörig und nicht zur rechten Zeit bearbeitet werden, der Weinſtock 
treibt mehr in's Holz als in Trauben, die letztern bleiben in der Entwicklung 
und Zeitigung zurück, und iſt der Boden mit Waſſer angefüllt, ſo hat dieſes 
auch auf den Rebſtock ſelbſt einen nachtheiligen Einfluß, indem manche Wur⸗ 
zeln abſtehen und das Laub gelb und krank wird. Beſonders ſchädlich ſind 
kalte, ſowie anhaltende Regen während der Traubenblüthe, indem dieſe dadurch 
aufgehalten und in ſofern geſtört wird, als die auf der Blüthe ſitzende Käpp⸗ 
chen ſtatt abzufallen auf denſelben ſitzen bleiben und ſich zuſammenballen, wo⸗ 
durch die Befruchtung nicht gehörig vor ſich gehen kann (§. 6) und einzelne 
Beere oder ganze Trauben abfallen, oder nur Kleinbeere, erzeugen. Einzelne 
Traubengattungen, wie die Elblinge ꝛc. leiden jedoch durch eine Störung der 
Blüthe mehr als andere, was in der individuellen Entwicklungsfähigkeit der⸗ 
ſelben liegt, indem den Staubfäden die Kraft, die Decke wegzudrücken, bei der 
einen und der andern Traubenſorte mehr oder weniger gegeben iſt, wodurch 
ſich die Empfindlichkeit in der Blüthe ausdrückt, auch kommt dieſes in ältern, 
namentlich in Elblingweinbergen häufiger vor, als in jungen und kräftigen. 


325 


Das Abfallen der Traubenbeere ſoll zwar durch das Ringeln der Reben ver- 
hütet werden können, aus den §. 146 angeführten Gründen iſt daſſelbe aber 
nicht allgemein und im Großen ausführbar. Außerdem bieten die langſame 
Blüthe und die zuſammengeballten Käppchen dem Heuwurme bequeme Gele— 
genheit dar, ſich zu entwickeln, in den Käppchen einzuniſten und feine Ver⸗ 
heerungen unter den zarten Traubenbeerchen zu beginnen. Dagegen ſchadet 
ein nicht lange anhaltender, warmer Regen mit nicht zu heftigem Winde wäh⸗ 
rend der Blüthe nicht, indem der Wind die Käppchen abſchüttelt und dadurch 
die Befruchtung befördert, der Regen aber die kleinen Beerchen abwaſcht, da— 
mit ſie beſſer fortwachſen können. 

Starke und mehrere Tage anhaltende Nebel erkälten häufig die Luft und 
haben beſonders während der Traubenblüthe ähnliche nachtheilige Wirkung 
wie der lange anhaltende Regen, beſonders iſt dieſes bei den ſogenannten 
ſtinkenden Nebeln der Fall, indem dieſelben ſich bei der Blüthe verſchiedener 
Gewächſe ſehr ſchädlich äußern. 

Auch ſpätere Nebel ſollen namentlich auf den Trollinger nachtheilig wir- 
ken, ſo daß derſelbe das Laub verliert und in der Zeitigung zurückbleibt. Ohne 
Zweifel wirken die Nebel nicht allein durch die Verbreitung von Kälte und 
Näſſe, ſondern in gewiſſen Fällen auch durch den Gehalt der niedergeſchlage— 
nen Feuchtigkeit ſchädlich, indem dieſelbe, nach chemiſchen Unterſuchungen, 
Pyrrhin in Geſellſchaft von freier Salzſäure und zuweilen ſalzſaure Kalkerde 
und Phosphorſäure enthalten ſoll (S. 205). Jedenfalls iſt durch die Erfah— 
rung beſtätiget, daß nach ſtarken Morgennebeln nicht nur die Weinreben, ſon⸗ 
dern auch Bäume und ſonſtige Gewächſe Schaden nehmen und namentlich bei 
den erſteren ſich der Brenner oder ſonſtige Krankheiten zeigen, auf welche 
Weiſe dieſes aber geſchieht, iſt noch nicht gehörig feſtgeſtellt. 

Die Nebel haben hie und da und beſonders bei großer Trockenheit aber 
auch eine gute Wirkung, indem ſie durch ihre Niederſchläge die Pflanzen er— 
friſchen und namentlich zur Zeit der Traubenreife dadurch gute Dienſte leiſten, 
daß durch die wäſſerigen Niederſchläge das Weichwerden der Trauben beför— 
dert, die Haut der Beere dünn gemacht und die Zeitigung beſchleuniget wird. 

Zu den Nebeln darf auch der ſogenannte Höhenrauch gerechnet werden, 
der in einem trockenen Nebel beſteht, der ſich in ziemlicher Höhe als ein ne— 
beliger Ueberzug über das blaue Gewölke des Himmels zeigt und namentlich 
in trockenen, warmen Jahren theils kurze, theils längere Zeit erſcheint und 
für die Vorbedeutung eines guten Weinjahrs gehalten wird. Ueber die Ent— 
ſtehung dieſes Nebels iſt man noch nicht einig. Manche wollen denſelben, 
beſonders auch wegen ſeines ſtinkenden Geruchs, einfach als Erzeugniß der 
Moorbrände in den nördlichen und nordöſtlichen Gegenden Deutſchlands an— 
ſehen, Andere nehmen an, daß derſelbe keinen von der Erdoberfläche ausge— 


326 
gangenen Urſprung habe, vielmehr bei deſſen Bildung, nebſt dem vorausge⸗ 
gangenen Temperaturwechſel die Luftelectricität vorzüglich thätig ſeie und daß 
ein ſolcher Nebel in ſo lange die Stelle eines ſchwachen Gewitters vertrete, 
als er nicht in Regen aufgelöst oder durch ſtarke Winde zerſtreut werde, mit- 
hin ein unvollkommen verdichtetes Waſſer ſei, in dem das elektriſche Fluidum 
ſich noch ungebunden befindet, was um jo wahrſcheinlicher ſei, als der ſtin— 
kende Geruch des Nebels die meiſte Aehnlichkeit mit demjenigen des ungebun⸗ 
denen elektriſchen Fluidums habe. Jedenfalls erſcheint erſtere Annahme, da 
der Höhenrauch öfters ganze Länderſtrecken gleichförmig überzieht, als die un⸗ 


wahrſcheinlichſte. 


12. Das Braten der Trauben (Sonnenbrand). 


8. 210. 

Wenn in den Sommermonaten, beſonders im Auguſt und zu Anfang 
des Septembers, heiße und trockene Witterung eintritt, die noch nicht ausge— 
wachſenen Trauben aber noch wenig Saft haben, ſo zeigen ſich an freihän— 
genden Trauben, welche an heißen klaren Sommertagen den Einwirkungen der 
Sonne ſtark ausgeſetzt ſind, einzelne welke Beere oder ganze Traubentheile, 
die ſich ſchnell braun färben und abdorren, was man das Braten der Trau— 
ben oder den Sonnenbrand nennt. Manche braten nur an der Sommerſeite, 
auch werden ſolche, welche länger im Schatten gehangen ſind und durch die 
Laubarbeiten ſchnell der Sonne ausgeſetzt werden, häufiger von der Krankheit 
befallen, als die, welche das Sonnenlicht ſchon länger gewohnt find, und ein- 
zelne Traubengattungen, wie Trollinger, Elbling, Velteliner, Weislauber 2c. 
ſind dem Braten mehr als andere ausgeſetzt. Es iſt deßwegen in hei— 
ßen, trockenen Jahrgängen ſehr angemeſſen, wenn man beim Verbrechen, Bin⸗ 
den, Heften und Ueberhauen den Trauben ihren natürlichen Schutz, die über⸗ 
hängende Zweige, weniger hinwegnimmt, auch das Felgen bei heißen Tagen, 
beſonders während der Mittagshitze, ganz unterläßt, indem durch Oeffnung 
des Bodens die Trockenheit vermehrt und dadurch auch das Braten befördert 
wird. Außerdem gewährt die Einkürzungsmethode ein ſicheres Mittel gegen 
den Sonnenbrand, indem durch die ausgewachſenen Aberzähne die meiſten 
Trauben leicht beſchattet werden und dadurch vor dem Braten geſchützt wer- 
den. Auch das Belegen des Fußes der Rebſtöcke mit kühlendem Moos, ſo⸗ 
bald die Trockenheit eintritt, ſoll das Braten der Trauben verhüten. 


13. Das Faulen der Trauben. 


§. 211. 
Das Faulen der Trauben theilt ſich ab in die Sauer- und Süßfäulniß. 


—— 


a. Die Sauer⸗ oder Grün⸗Fäulniß tritt ein, wenn zur Zeit, wo bie 
Traubenbeere erwachſen und zu erweichen beginnen, anhaltendes Regenwetter 
eintritt und dadurch das Waſſer, das zwiſchen die Beere eindringt, nicht ab— 
trocknet, ſondern die Fäulniß einzelner Beere und zuletzt der ganzen Traube 
veranlaßt. Solche unreif gefaulten Beere bleiben ſauer und ſchaden daher 
nicht nur der Qualität des Weins und vermindern die Quantität, ſondern' 
geben ihm auch einen unangenehmen, ſauren, widrigen Geſchmack oder machen 
ihn ganz ungenießbar, wenn viele ſolche Trauben zu dem Weine kommen. Die 
Fäulniß ſtellt ſich bälder und nachtheiliger ein in niedern Lagen mit kühlem 
oder kaltem, waſſerhaltigen Lehm⸗ und Thonboden als auf luftigen Höhen 
mit trockenem Sand⸗ Mergel- (Kies-) oder ſteinigem Boden. Man ſucht der⸗ 
ſelben zu begegnen durch Lüften der Rebſtöcke mittelſt ſtarkem Ausbrechen der 
überflüſſigen Triebe und Blätter, beſonders am untern Theile der Stöcke, 
beim Ueberhauen und Ausbrechen (Ausflügeln derſelben §. 150, 151), ſowie 
durch das Aufheften der herabhängenden Zweige, an welchen ſich Trauben 
befinden, wodurch das ſchnellere Abtrocknen und die Reife derſelben befördert 
wird. Iſt aber die Krankheit einmal vorhanden, ſo iſt es das Zweckmäßigſte, 
wenn man die angefaulten Theile der Trauben ausſchneidet (ausbeert), oder 
bei ſtarker Fäulniß die ganze Trauben abſchneidet und dieſelben, je nach dem 
vorangegangenen Grade der Reife entweder zum Nachwein, oder zum Brannt⸗ 
weinbrennen verwendet. Jedenfalls müſſen ſolche Trauben bei der eigentlichen 
Leſe ſorgfältig ausgeſchieden und dürfen nicht mit den übrigen vermiſcht werden. 

b. Die Süß⸗ auch trockene Fäulniß unterſcheidet ſich von der ſauren da⸗ 
durch, daß bei derſelben die Zuckerbildung in der Traube bereits ſo weit vor— 
angeſchritten iſt, daß der Saft nicht mehr ſauer, ſondern ſüß ſchmeckt, man 
muß deßwegen, beſonders dann, wenn die Reife der Trauben ſchon ziemlich 
vorangeſchritten iſt, zwiſchen Sauer⸗ und Süßfäulniß genau unterſcheiden, da 
eine noch nicht ganz ausgereifte Traube immer noch Säure beſitzt und daher 
dem Weine nur ſchadet, wenn fie mit den übrigen Trauben abgeleſen und 
gemiſcht wird. Außerdem ſetzt ſich an den ſüßgefaulten Trauben bald Schim⸗ 
mel an, der dem Weine einen unangenehmen Geſchmack gibt, auch klären ſich 
Weine, unter welchen ſich der Saft von vielen angefaulten Trauben befindet, 
weniger gern, daher es in vielen Fällen ſehr angemeſſen ſein wird, wenn die 
angefaulten Trauben beſonders geleſen und der Wein durch öfteres Ablaſſen 
auch beſonders behandelt wird. Sehr angemeſſen wird es ſein, wenn man 
die angefaulten und ſchimmeligen Trauben ſogleich nach der Leſe auspreßt und 
den Moſt in gut eingeſchwefelte Fäſſer in Keller bringt, nach der Leſe der 
guten Trauben denſelben aber an den ausgepreßten Trebern derſelben vergäh— 
ren läßt, wodurch nicht nur der Schimmelgeſchmack beſeitiget, ſondern der 
Wein auch friſcher und weniger zum Krankwerden geneigt ſein wird. 


328 


Die Süßfäulniß entſteht auf ähnliche Weiſe wie die Sauerfäulniß, da⸗ 
her man derſelben auch auf gleiche Weiſe, wie der letztern, durch Lüften des 
Weinſtocks und beſonders durch das Ausblatten deſſelben (§. 151) zu begeg⸗ 
nen ſucht, wobei dann noch auf diejenigen Traubengattungen, die gerne und 
frühzeitig der Fäulniß unterliegen, wie Ortlieber, Sylvaner ꝛc. beſondere Rück⸗ 
ſicht genommen werden muß. 

Tritt die Fäulniß ſehr ſpät ein, wo die Traube ſchon ihre vollſtändige 
Reife erlangt hat, ſo wird aus den faulen Trauben häufig ein beſſerer Wein 
als von den geſunden gewonnen, weil in jenem der Waſſergehalt der Beere 
ſchneller verdunſtet und ſogenannte Trockenbeere entſtehen, die, wie bei der 
Strohweinbereitung, einen vorzüglichen Wein geben. Springen aber die Beere 
auf und es ſetzt ſich Schimmel an, ſo geht der Saft bald in Eſſigſäure über, 
trocknet ganz oder theilweiſe ein und iſt dann zur Weinbereitung nicht mehr 
zu gebrauchen. 

Die Süßfäulniß hat zwar einige Aehnlichkeit mit der Edelfäulniß der 
härteren Traubengattungen, wie der Rießlinge, man muß jedoch zwiſchen bei— 
den genau unterſcheiden, indem letztere mehr in einem Morſchwerden der Bee— 
renhäute beſteht, wodurch die Verdunſtung der wäſſerigen Theile der Beere 
gleichfalls befördert wird, dagegen in der Regel kein Schimmel und kein Ueber— 
gang in eine kranke Fäuluiß eintritt, durch welche die ganze Traube zu Grunde 
geht. Der Edelfäulniß werden wir bei der Lehre von der Weinbereitung eine 
nähere Beſchreibung widmen ($. 224). 


14. Sonſtige Unfälle des Rebſtocks. 
8. 212 


Neben den hier angeführten Krankheiten können die Rebfelder aber auch 
noch andere treffen, die mehr in Zufälligkeiten oder in einer weniger ſorg— 
fältigen Anlage und Bebauung derſelben ihren Grund haben, und von 
welchen wir hier nur noch kurz anführen: 

a. Die Auszehrung, Entkräftung der Reben. 

Dieſelbe entſteht, wenn entweder eine andere Krankheit des Rebſtocks ꝛc. 
vorausgegangen, beſonders, wenn dieſelbe in einer ungünſtigen Bodenbeſchaf⸗ 
fenheit ihren Grund hat, der Obergrund ſeicht, der Untergrund undurchlaſſend 
iſt, von welchen der Rebſtock keine Nahrung ziehen kann. 

In allen dieſen Fällen iſt in der Regel der untere Theil des Wurzelſtocks 
krank, er zehrt ab und kann mit den obern Wurzeln der Rebe nicht mehr die 
erforderliche Nahrung liefern, wodurch die Fruchtbarkeit ſchwindet und endlich 
der ganze Stock zu Grunde geht. 

Aehnliche Zufälle erſcheinen bei Weinbergen, die durch allzu langen Schnitt 


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—— . 8 2 z 


329 


in der Jugend zu ſehr zum Ertrage gereizt worden find und dadurch oder we— 
gen Alters und wegen des ausgeſogenen Bodens (§. 90) an Entkräftung lei— 
den, oder wenn in einigen auf einander folgenden ſehr trockenen Jahren keine 
Feuchtigkeit mehr im Boden ſteckt, beſonders in ſtrengem, hitzigen Boden, 
und die Wurzeln der Reben keine Nahrung mehr aufnehmen können, wie die— 
ſes 1858 hie und da vorkam. 

Manchmal kann die Krankheit, beſonders wenn derſelben keine fortwir— 
kende Urſache im Boden zu Grund liegt, durch angemeſſene Düngung, fleißige 
Bearbeitung des Bodens, kurzes Schneiden der Rebſtöcke, Ableitung von über— 
flüſſigem Waſſer ꝛc. beſeitiget werden, in den meiſten Fällen wird aber nichts 
übrig bleiben, als die kranken Stöcke zu entfernen und durch Einleger, Korb— 
ſtöcke ꝛc. zu erſetzen oder, wenn die Krankheit allgemein iſt, den ganzen Wein— 
berg auszuhauen und entweder ſogleich oder nach mehrjährigem Anbau von 
andern Gewächſen wieder neu anzulegen, wobei namentlich auf tiefes Reuten, 
Erſetzung des ſchlechten Bodens durch andern und auf die Auswahl paſſender 
Rebſorten zu ſehen wäre. 

b. An alten Weinſtöcken, beſonders in ſeichten Lagen oder in naſſen Jahr— 
gängen, fett ſich an dem Stamm und den Schenkeln gerne Moos an, daſſelbe 
iſt aber eine Schmarotzerpflanze, die ihre Wurzeln in den Splint des Rebſtocks 
einſchlägt und demſelben die beſten Nahrungsſtoffe entzieht, ſo daß er ſeine 
Vegetationskraft und Fruchtbarkeit ganz oder theilweiſe verliert und nach und 
nach ſchwindſüchtig wird. Es iſt deßwegen ſehr zweckmäßig, wenn man das 
Moos nie aufkommen läßt, oder baldmöglichſt zu entfernen ſucht, was durch 
Abſtreifen beim Schneiden der Reben, am beſten aber durch einen Anſtrich 
von leichter Kalkmilch geſchehen kann, der entweder im Spätjahr nach dem 
Herbſt, oder bald im Frühjahr mit einem ſtarken Mauerpinſel an den ältern 
Theilen des Rebſtocks anzubringen iſt, wodurch das Moos erſtirbt und der 
Anſtrich nach einiger Zeit abfällt. 


15. Die Beſchädigungen durch Inſekten. 
8213. 


Unter den Inſekten befinden ſich verſchiedene Gattungen, welche den Re— 
ben, insbeſondere aber den Trauben, ſehr gefährlich ſind und nicht ſelten 
großen Schaden anrichten, daher, um deren Vertilgung rechtzeitig und zweck— 
mäßig vornehmen zu können, eine genaue Kenntniß derſelben und deren Ent— 
wicklung für den Rebenbeſitzer von beſonderem Intereſſe iſt. 


a. Der Heu: und Sauerwurm. 


Unter allen Inſekten richtet der Heu⸗ und Sauerwurm, auch Wolf ger 


330 


nannt, die häufigſten und größten Verheerungen unter den Trauben an, indem 
er während der Vegetation der Rebe und Traube zweimal, nemlich als Blü⸗ 
thenraupe und dann ſpäter als Traubenbeer- oder Sauerwurm erſcheint und 
das Erſtemal die Blüthe, das Zweitemal die noch ſauren Beere angreift und 
beſchädigt. Die wurmartige Raupe, die zu der Gattung der Blattwickler ge⸗ 
hört, entſteht aus den Eiern eines kleinen Nachtſchmetterlings, der ſogenannten 
Traubenmotte, die nicht größer als eine mittlere Fliege iſt, einen dünnen, 
länglichen Körper mit vier Flügeln, ſechs Füßen, zwei Fühlhörnern und rothe 
Augen hat und vom Kopf an etwas gelblich, dann aber grau erſcheint. 

Die Raupe erreicht eine Länge von ca. 3½ Linien, fie hat einen dunkel⸗ 
braunen, faſt ſchwarzen Kopf, an dem glatten, an der Seite nur mit einzelnen 
Härchen beſetzten, braun grünlichen ins Graue ſtechenden Körper zwölf Ringe 
und auf jeder Seite vier hellere, etwas durchſichtige Punkte. Der untere 
Theil des Körpers iſt geſtreift, die Schwanzklappe dunkelbraun und erſterer 
mit ſechzehn Füßen verſehen. 

Die Puppe liegt in einem, der Seide ähnlichen Geſpinnſt, kriecht, wenn 
ſie den Winter überſtanden hat, gegen das Ende des Monats Mai oder zu 
Anfang des Monats Juni, je nach dem Wärmegrad der Witterung, aus der 
Puppe als Schmetterling aus und flattert dann die ganze Nacht mit raſchem 
Fluge herum. Derſelbe legt ſofort ſeine Eier in die Knospen und Geſcheine 
der Trauben und ſtirbt dann in kurzer Zeit. Die Eier werden nach etwa 
vierzehn Tagen durch die Sonnenwärme ausgebrütet, aus welchen im Monat 
Juni kleine Räupchen auskriechen, die ſich durch Zuſammenſpinnen einiger 
Pflanzentheile eine Wohnung bilden und ſobald die Blüthenknospen der Reben 
ſich entfalten, ſich an denſelben feſtſetzen und mehrere Blüthen und Blüthen⸗ 
käppchen mit einem weißlichen Geſpinnſt umwickeln und innerhalb deſſelben 
die Knospen und Blüthen, ſowie die bereits angeſetzten Traubenbeere abfreſſen, 
wobei ſie mit dem Geſpinnſt immer weiter rücken, bis faſt die ganze Blüthe 
(etwa zwölf Knospen) verzehrt iſt, auch ſich zuweilen in den Stiel der Traube 
einbohren und deſſen Mark verzehren, ſo daß dadurch die Traube ganz oder 
theilweiſe zu Grunde geht. Beſonders wenn die Träubchen ſich bei kalter und 
regneriſcher Witterung nur langſam entwickeln können, ſind die Verheerungen 
von Bedeutung, während, wenn die Blüthe ſchnell vorübergeht und die Träub- 
chen frühe erſtarken, ſolche der Raupe nicht mehr zur Nahrung dienen können, 
auch ſcheint derſelben kühle Witterung mehr zu behagen, als ſehr warme, in⸗ 
dem bei der letztern, weil ſich die Raupen durch das Geſpinnſt gegen die heiße 
Sonne nicht mehr zu ſchützen wiſſen, ein großer Theil zu Grunde geht. Das 
Erſcheinen dieſer Raupen fällt zugleich mit der Heuernte zuſammen, daher ſie 
allgemein unter dem Namen Heuwürmer bekannt ſind. 

Gegen das Ende des Monats Juni oder zu Anfang des Monats Juli 


331 


ſpinnt ſich die Raupe in den verheerten Träubchen ein und wird zur Puppe 
um nach acht bis vierzehn Tagen, mithin Ende Juli oder zu Anfang des 
Auguſts wieder als Nachtſchmetterling zu erſcheinen, der ſeine Eier an die nun 
ſchon etwas erwachſenen Traubenbeere legt, aus welchen gegen das Ende des 
Monats Auguſt oder zu Anfang des Monats September Räupchen ausſchlüpfen 
und nunmehr ſich meiſtens von unten in der Nähe des Stiels in die unreife 
und ſaure Beere bis zum Kerne einbohren und ſich dort hauptſächlich von der 
Milch des Kernes nähren, daher man dieſe zweite Generation der gleichen 
Raupe den Sauerwurm nennt. Die Anweſenheit deſſelben in der Beere er- 
kennt man leicht, wenn man unten an derſelben kleine blaue Flecken antrifft. 
Sowie die Raupe erſtarkt iſt, verläßt ſie die erſte Beere und ſetzt ihren Fraß 
in andern Beeren fort, fo daß fie täglich 3Z—4 Beere bis auf den Kern an⸗ 
bohren und ausfreſſen kann. Sie umſpinnt die angefreſſenen Beere mit einem 
weißen Geſpinnſt, in dem ſich die von den Häutungen abgelegte Haut ſowie 
der Unrath anſammelt. Kühle, regneriſche Witterung verlängert, wie während 
der Traubenblüthe, das Leben des Sauerwurms, hält die Trauben in der 
Entwicklung zurück und trägt zur Vermehrung des Schadens bei. 

Die vom Sauerwurm angefreſſenen Traubenbeere können zwar noch theil— 
weiſe zur Entwicklung kommen, ſo daß die Verheerungen deſſelben anfänglich 
weniger auffallen, die Beere bleiben aber immer ſauer und äußern auf die 
Qualität des Weins einen ſehr nachtheiligen Einfluß, daher ſie bei der Leſe, 
bei der man dann erſt den ganzen Umfang der Zerſtörung ut lernt, ſorg⸗ 
fältig ausgeſchieden werden müſſen. 

Tritt dann, ehe die Trauben reifen, regneriſche Witterung ein, ſo gehen 
die angefreſſenen Beere leicht in Fäulniß (Sauerfäulniß) über, die dann auch 
die geſunden Beere anſtecken, wodurch noch größerer Schaden verurſacht wird. 

Gegen die Zeit der Traubenreife erfolgt die Verpuppung, die Raupe läßt 
ſich an einem Faden zur Erde nieder, um ſich in irgend einer Ecke am Stamm 
oder unter der Rinde der Rebe, oder in Ritzen der Pfähle und Rahmen ein⸗ 
zuſpinnen und dort ihren Winterſchlaf zu halten, um dann im folgenden Früh⸗ 
jahr ihre Verheerungen neu zu beginnen. (Anmerkung 7.) 


7. Anmerkung. Nach den von E. Wagner in Bingen gemachten Beobachtungen 
verpuppt ſich der Sauerwurm, wenn er ſpinnreif iſt, wie der Heuwurm, nachläßig 
und oberflächlich am Blatt und Blattſtiel, wenn es vorübergehend warmes Wetter iſt—⸗ 
und ſchlüpft dann bei fortdauernder warmer Witterung auch noch als Nachtfalter aus, 
geht aber dann eher zu Grunde, ſo daß er im folgenden Jahr als Heuwurm ſehr 
ſelten erſcheint. Er verpuppt ſich dagegen ſorgfältiger ins Holz, wenn kühle, naſſe 
Witterung ſtattfindet, um dort zu überwintern. Da nun nicht alle Sauerwürmer auf 
einmal ſpinnreif find, auch die Witterung vor und nach dem 20. September (durch⸗ 
ſchnittliche Verpuppungszeit in den wärmſten Lagen) nicht gleich gut iſt, ſo kann jedes 


332 


Auf die Vertilgung dieſes ſchädlichen Inſekts darf daher der Weingärtner 
eine beſondere Aufmerkſamkeit verwenden, wenn er ſpäter nicht großen Schaden 
erleiden will. Zur Vertilgung deſſelben trägt zuerſt bei, wenn man ſchon 
während des Winters in ungedeckten Weinbergen die Puppen dadurch auf⸗ 
ſucht und vertilgt, daß man die Rinde an allen Stöcken abkrazt, das abge⸗ 
ſchabte Zeug auf einem untergelegten Tuche ſammelt und verbrennt, wobei 
aber alle Ritzen und Winkeln der Rebenäſte, ſowie der Pfähle und Rahmen 
durchſucht und auch das beim Schneiden der Lebe abgefallene Rebholz früh— 
zeitig aus dem Weinberg geſchafft werden muß, auch trägt es zur Vertilgung 
der Puppe bei, wenn man die Rebſtöcke mit Kalkmilch anſtreicht. Am einfach⸗ 
ſten kann man jedoch auf die Vertilgung eines großen Theils der Puppen 
hinwirken, wenn man bei dem Schneiden der Reben die rauhe Rinde an den 
Schenkeln mit der Hand oder beſſer mit einem wollenen Lappen abreibt, in⸗ 
dem ſich unter derſelben die meiſten Puppen befinden. Die ſchon dadurch, ſo⸗ 
wie daß ſie beim Hacken in den Boden kommen, zerſtört werden. Haben 
dieſe Mittel aber keinen genügenden Erfolg gehabt und zeigen ſich nach dem 
Ausſchlüpfen der Puppen viele Nachtfalter, ſo kann man in den Weinbergen 
während der Nacht kleine Feuer anzünden, denen ſich die Schmetterlinge gerne 
nähern und häufig verbrennen, was aber nicht in einzelnen Weinbergen, ſon⸗ 
dern in ganzen Diſtrikten ausgeführt werden ſollte. Mehr Erfolg für den 
einzelnen Weinbergbeſitzer wird es jedoch haben, wenn der Heuwurm während 
der Traubenblüthe in ſeinen Verſtecken, die man an dem weißen Geſpinnſt 
leicht erkennt, aufgeſucht und vertilgt wird, was entweder mit einem kleinen 
Klämmchen von Blech oder mit einer feinen Stricknadel oder einem ſonſtigen 
ſpitzigen Inſtrumente geſchieht; auch kann man das ganze Geſpinnſt ſammt 
den angefreſſenen Traubenbeeren mit einer kleinen Scheere ausſchneiden, nur 
muß man dabei die Vorſicht gebrauchen, daß man, wenn ſich die Raupe in 
den Traubenſtiel eingefreſſen hat, dieſelbe durch einen ſchwachen Druck auf der 
angefreſſenen Stelle zuerſt zum Herauskriechen zwingt. Dieſe Arbeit erfordert 
nicht allzugroße Mühe und Zeitaufwand und keine große Koſten, da ſie durch 
Kinder verrichtet werden kann, auch iſt dieſes Mittel, mit Genauigkeit ausge⸗ 
führt, wohl das nachhaltigſte zur Vertilgung des Heuwurms. (Anmerkung 8.) 


Jahr ein Theil der Würmer in den warmen Tagen an Blättern, und ein anderer bei 
kalter Witterung ins Holz ſich verpuppen, wodurch das Aufſuchen und Vertilgen der 
Puppen während des Winters ſehr erſchwert wird. 
Verhandlungen der deutſchen Wein⸗ und Obſtproduzenten zu Wiesbaden 1858 
S. 118. 


8. Anmerkung. Behufs der Vertilgung des Heu- und Sauerwurmzs iſt von dem groß⸗ 
herzoglich heſſiſchen Kreisamt Bingen ein eigenes Regulativ für die Gemeinde Büdesheim 


% 


333 


§. 214. 

Neben dem Heu⸗ und Sauerwurm gibt es noch einige andere Raupen— 
arten, die den Reben und Trauben Schaden bringen, jedoch weit nicht in ſo 
hohem Grade wie jener, auch erſcheinen ſie nicht ſo oft und ſo regelmäßig, 
wenigſtens in den Weinbergen Deutſchlands, wie der Heu- und Sauerwurm, 
und zwar: 


b. Der Springwurmwickler, 


gleichfalls ein Nachtfalter, der mit dem Heuwurmſchmetterling zu Ende des 
Monats Mai fliegt und ſeine Eier in die Rinde des Rebholzes legt, aus denen 
die Raupe ſich kurz vor oder während der Traubenblüthe entwickelt. Dieſelbe 
iſt etwa ¼ Zoll lang, ſchmutzig grün, etwas ins braune gehend. Der Kopf 
lederartig, glänzend braun, das Halsſchildchen heller kaſtanienbraun, mit einer 
dunklen Rückenlinie und einem Seitenſtreifen. 

Der Schaden beſteht darin, daß die Raupe mit ihrer Seide die Blätter 
und jungen Geſcheine umſchlingt und, weil ſich dann der Saft nicht mehr frei 
bewegen kann, ſolche gewiſſermaßen erdrückt, auch ſoll fie neben dieſem Zuſam⸗ 
menſpinnen eine klebrige Feuchtigkeit von ſich geben, welche wie ein Aetzmit⸗ 
tel wirke und das Austrocknen der Blätter und das Abwelken der Geſcheine 
verurſache. Die Vertilgung des Inſekts kann auf ähnliche Weiſe, wie diejenige 
des Heu⸗ und Sauerwurms geſchehen. 


c. Die rauchfarbige Eule, 


eine Raupe, die namentlich in den Weinbergen von Würzburg ſchon Verhee— 
rungen angerichtet hat. Sie iſt / —1)⁰ Zoll lang, von der Dicke eines 
ſtarken Strohhalms, düſterfarbig grau, etwas ins broncefarbig ſchimmernd, 
mit hartem Kopf und Nackenſchild, hornfarbig glänzend und ſchwärzlich gefleckt, 
der Rücken mit einem breiten, ſchmutzig gelben, in der Mitte ſchwärzlichen 
Längsſtreifen, die Seite mit weißlichen Linien gezeichnet. Der Körper iſt ſonſt 
glatt, unbehaart, mit einzelnen ſchwärzlichen, faſt walzenförmigen Punkten be⸗ 
ſetzt, und hat neben den gewöhnlichen drei Fußpaaren noch vier Paar Bauch— 
füße und ein Paar Nachſchieber. Die Raupe zeigt ſich in den Monaten April 
und Mai an den jungen Trieben der Rebe, frißt dieſelben ab und richtet da⸗ 
durch nicht geringen Schaden an. 


erlaſſen worden, nach dem die hier zur Aufſuchung der Puppen und zur Vertilgung des 
Wurms angeführten Maßregeln auf der ganzen Markung zu gleicher Zeit in Anwen⸗ 
dung kommen und namentlich nach dem Schneiden der Reben das Rebholz, Heftſtroh, 
Heftweiden, Ranken und Laubbüſchel ſogleich aus den Weinbergen entfernt werden 
ſollen. 

Verhandlungen der deutſchen Wein⸗ und Obſtproduzenten zu Karlsruhe 1853, 
182. 


334 


Sie hält ſich am Tage in der Erde verſteckt und geht nur des Nachts 
auf Fraß aus. Gegen Ende des Monats Mai verpuppt ſie ſich in kleinen 
Erdhöhlen und in den letzten Tagen des Monats Juli entwickelt ſich daraus 
ein Nachtſchmetterliug, aus deſſen Eiern wahrſcheinlich ſchon im September 
junge Raupen auskriechen, die in rundlichen Höhlen des Bodens überwintern 
und im folgenden Frühjahre dieſelben verlaſſen, um, ſowie ſich die jungen 
Triebe der Rebe zeigen, dieſelben anzugreifen, wo ſie bei ihrer Größe am 
leichteſten abgeleſen und vertilgt werden können. 


d. Die Flechtweiden⸗Eule, 


die ſich als Raupe ſchon in den Weinreben von Rheinpreußen als gefährliche 
Feindin derſelben gezeigt haben ſoll. Sie iſt walzenförmig, nackt, gelbgrünlich 
grau, oft indeſſen auch etwas dunkler gefärbt und mehr bräunlich. Sie iſt 
auf dem Rücken ſtets heller als an den Seiten, der Farbe der Rebe ſehr 
ähnlich, wodurch ihr Auffinden ſehr erſchwert wird, und mattgrau geſtreift. 
Sie hat 1½ bis 1⅝ Zoll Länge und erreicht die Dicke eines gewöhnlichen 
Gänſefederkiels. Die Puppe iſt braun, % —1 Zoll lang, walzenförmig und 
glatt und der Schmetterling gleichfalls ein Nachtfalter. 

Die Raupe kommt blos Abends beim Beginnen der Dunkelheit zum Vor⸗ 
ſchein, wo ſie von Rebe zu Rebe kriecht, das Herz und die Seiten des Auges 
benagt, das dann in 3—4 Tagen abſtirbt. Später werden von derſelben 
auch die 3—5 Zoll langen Triebe angegriffen, die 13 gleichfalls ſchwäch⸗ 
lich bleiben und Noth leiden. 


8.215. 
Unter den Käfern haben die Reben und Trauben gleichfalls verſchiedene 
Feinde, unter welchen ſich zunächſt 


e. Der Rebenſticher 


auszeichnet, der zu dem Geſchlecht der Rüſſelkäfer gehört, von welchen es 
mehrere Arten gibt. Alle Gattungen ſind mit einem langen, ſcharfen Rüſſel 
verſehen, mit dem ſie in die jungen Triebe und Geſcheine dringen, dieſelben 
abnagen und ausſaugen, ſo daß ſie verdorren, wodurch der ganze Herbſtertrag 
zu Grunde geht. 

Der Rebenſticher iſt 3 Linien lang, 1¼ Linien breit, glänzend goldgrün 
mit purpurfarbenen Füßen. Der Leib iſt beinahe viereckig, hinten rundlich. 
Die Männchen haben vorn am Halſe zwei kleine Spitzen, welche den Weibchen 
fehlen. Er lebt, ſo lange die Rebſtöcke noch nicht ausgeſchlagen haben, auf 
Obſtbäumen, Birken und Weiden, und macht ſich erſt ſpäter an die jungen 
Triebe des Weinſtocks, wo er namentlich im Rheingau und in den Nahegegen- 


335 


den, ſowie in der Pfalz ſchon große Verheerungen angerichtet hat, weniger iſt 
dieſes in Württemberg und in andern Weinbaugegenden beobachtet worden. 

Der Käfer ſcheut die Hitze und verbirgt ſich daher bis gegen Abend un— 
ter den Blättern c. Er hat die Eigenſchaft daß er bei der geringſten Be— 
wegung die Füße zuſammenzieht und wie leblos auf die Erde fällt, wodurch 
er leicht eingefangen und vertilgt werden kann, wenn man, beſonders Morgens, 
Tücher unter die Rebſtöcke legt, dieſelben leicht ſchüttelt und ſofort die abge— 
fallenen Käfer ſchnell ſammelt. 


f. Der Maikäfer. 


Derſelbe kann der Rebe auf zweierlei Art ſchaden, indem er, fo lange er 
ſich als Larve (Engerling) im Boden befindet, die zarten Wurzeln derſelben 
annagt und dadurch ganze Stöcke zu Grunde richtet, oder wenigſtens deren 
Vegetation ſchwächt und zu verſchiedenen Krankheiten (Gelbſucht) Veranlaſſung 
gibt, und dann, indem er als Käfer das Laub der Reben abfrißt und dadurch 
die Vegetation der Rebe und die Zeitigung der Traube hemmt. Doch ſind 
in Deutſchland, wo die Maikäfer ſich mehr an die Obſtbäume und andere 
Gewächſe halten, ausgedehnte Verheerungen weniger bekannt, als in ſüdlichen 
Gegenden, wo hie und da durch dieſelben ganze Weinberge zerſtört werden 
ſollen. 


g. Horniſſe, Wespen, Mücken, Bienen 


beſchädigen die Trauben dadurch, daß ſie die reifen, ſüßen Beere anſtechen und 
ausſaugen, ſo daß von der Traube häufig nur noch die leeren Häute übrig 
bleiben. Unter denſelben erſcheinen die Horniſſe und Weſpen in warmen, 
trockenen Jahren öfters in ſo großer Menge, daß ſie ſehr erheblichen Schaden 
anrichten, wobei jedoch der Weingärtner ſie als die Vorboten eines guten 
Weins anſieht. 

Die Beſchädigungen durch dieſelben laſſen ſich durchgreifend nur dadurch 
beſeitigen, daß man ihre häufig im Boden befindliche Neſter aufſucht und zer— 
ſtört, nachdem man zuvor die Weſpen oder Horniſſe durch angebrannten Schwe— 
fel oder mit Pulver oder mittelſt gewöhnlichen Rauchs, indem man ein Feuer 
auf der Oeffnung des Neſtes macht, oder durch Eingießen von Waſſer, zu 
betäuben oder zu tödten ſucht, was beſonders Morgens und Abends, wo ſich 
die ganze Familie noch im Reſt befindet, zu geſchehen hat. 

Nicht ſelten ſetzen Gemeinden in Jahren, in welchen ſich dieſelben in grö— 
ßerer Anzahl zeigen, Preiſe für die Einbringung der Neſter aus, was auch 
ſchon durch ältere Regierungsverordnungen empfohlen wurde. 

Unter den Fliegen ſind es beſonders die ſogenannten Stechfliegen, die 
durch das Anſtechen der Beere den Trauben manchen Schaden zufügen, durch 


336 


das Aufſtecken von Leimruthen oder das Aufhängen von Schnüren, Seilen ıc. 
getränkt mit Fliegenleim in kleiner Entfernung, beſonders von Rebgeländen 
und Spalierſtöcken, laſſen ſich viele Fliegen und andere Inſekten wegfangen, 
auch ſoll das Aufhängen von Fliegengläſern mit engen Oeffnungen und gefüllt 
mit Honigwaſſer, in welchen ſich Wespen und Fliegen fangen, gule Dienſte 
leiſten. | 


h. Schnecken und Ameiſen. 


Die Schnecken benagen nicht nur im Frühjahr die jungen Rebſchoſe, jon- 
dern freſſen auch, ſowie die Ameiſen beſonders die auf dem Boden liegenden 
Trauben an, wodurch ſie leicht in Fäulniß gerathen und ganz oder theilweiſe 
verderben. 

Durch das von Zeit zu Zeit zu wiederholende Ableſen der Schnecken, 
ſowie durch das Hinaufbinden der am Boden liegenden Reben und Trauben 
(8, 163) kann mancher Schaden verhütet werden. N 

Ameiſen und Schnecken, wenn ſie ſich in großer Menge zeigen, laſſen 
ſich auch dadurch vertreiben, wenn man Kalk, Gyps, Aſche, Kaminruß, Salz⸗ 
abgang um die Rebſtöcke auf den Boden ſtreut, die dann vor dem Winter 
hinunter gefelgt werden können. 


16. Die Beſchädigungen durch Thiere. 


8. 216. 


Sowie die Trauben zu reifen beginnen, ſo eilen eine Menge Vögel und 
vierfüßige Thiere den Weinbergen zu, um dort Nahrung zu ſuchen und das 
mühſam errungene Erzeugniß des Winzers zu ſchmälern, wodurch, wenn kein 
Schutz vorhanden iſt, kein unbeträchtlicher Schaden in den Weinbergen verur— 
ſacht wird. 5 

Unter den Vögeln ſind es beſonders die Staare, Feldhühner, Sperlinge, 
Krammetsvögel ſowie auch die Elſtern, Dohlen und Weindroſſeln, welche den 
Weinbergen nachziehen und nicht nur viele Traubenbeere verzehren, ſondern 
auch blos anpicken, wodurch eine Menge Fliegen und andere Inſekten ange— 
zogen werden, welche die Beere vollends ausſaugen. Namentlich ſind es die 
Staare, welche in großen Zügen zu vielen Hunderten in die Weinberge ein— 
fallen und große Verheerungen unter den Trauben anrichten. 

Zu den vierfüßigen Thieren gehören die Füchſe, Dachſe, Marder, ſowie 
Mäuſe und Ratten und, wenn fie in größerer Anzahl in benachbarten Wal⸗ 
dungen vorhanden ſind, auch Hirſche, Rehe und Wildſchweine, welche den 
Weinbergen nachgehen, Trauben freſſen und vielen Schaden verurſachen, be⸗ 


337 


ſonders ſind es die Frühtrauben, denen dieſe Thiere gerne nachſtellen und ſie 
oft ſo verheeren, daß dem Eigenthümer wenig vom Ertrag übrig bleibt. 

Die Beſchädigungen durch alle dieſe Thiere können nur durch einen 
kräftigen Schutz der Weinberge verhütet werden, indem man, ſowie die erſten 
Trauben zu reifen beginnen, Weinberghüter (Schützen) in genügender Anzahl 
aufſtellt, welche die Weinberge weder bei Tag noch bei Nacht verlaſſen dürfen, 
ſondern dieſelben von Zeit zu Zeit zu begehen und durch Rätſchen mit einer 
Klapper von Holz und Schießen die unberufenen Näſcher zu vertreiben haben. 
Die Vögel ſuchen ihre Nahrung bei Tag, die angeführten vierfüßigen Thiere bei 
Nacht, daher das öftere Schießen während derſelben, namentlich wenn die 
Nacht beginnt, und nach Mitternacht den Weinberghütern beſonders auferlegt 
werden dürfte, auch würde es von gutem Erfolg für den Weinbergſchutz ſein, 
wenn den Jagdeigenthümern und den Pächtern der Jagden das Wegſchießen 
der ſchädlichen Raubthiere: Füch ſe, Dachſe, Marder zur beſondern Obliegen— 
heit gemacht würde. g 

Füchſe und Dachſe ſollen auch durch Feuer mit ſtinkenden Sachen, wie 
wollene Lumpen vertrieben werden, oder durch wollene Lappen, die man in 
ein Gemiſch von 1 Pfund Salz, ½ Pfund Schweinfett und 4 Loth Terpen- 
tin, das zuſammengeſchmolzen wird, ſowie von 1 Quintchen Teufelsdreck und 
I), Pfund Schießpulver, das vorher etwas feucht in kleinen Parthien und in 
Geräthen, die kein Feuer geben, zerrieben wird, eintaucht und an den Reb— 
ſt öcken aufhängt, wo das Wild herkommt. 


XII. Die Weinbereitung. 
8. 217. 


Der Wein iſt ein durch die geiftige Gährung des Trauben- oder eines 
andern Fruchtſaftes entſtandenes Produkt, daher es ſehr verſchiedene Weine 
wie Trauben⸗ Obſt⸗ Johannisbeer-⸗ Stachelbeer- ꝛc. Weine gibt, unter dem 
allgemeinen Ausdruck Wein verſteht man jedoch in der Regel den Trauben- 
wein, den wie hier allein im Auge haben. 

Die Erzeugung eines guten Weins hängt jedoch von fo viel Vorbedingun— 
gen ab, daß die Weinbereitung zu den wichtigſten Geſchäften des Weinbergbe— 
ſitzers gehört und deßwegen einer ſehr ſorgfältigen Behandlung bedarf, wenn 
nicht der Fleiß und die viele Mühe, welche ſich der Weingärtner bei der An— 
lage und der Bearbeitung ſeines Weinberges gab, ganz oder theilweiſe ver— 
loren gehen ſolle. 

Die Weinbereitung theilt ſich ab: 

a. In die Weinleſe, 

b. in das Zerdrücken der Traubeubeere, 

22 


398 


c. in das Keltern des Weinmoftes, und 
d. in die Gährung deſſelben. 


1. Die Weinleſe. 
S. 218. 


Die Traubenbeere beſteht in ihrem unreifen Zuſtand in einer feſten Sub- 
ſtanz mit wenig Saft, der hauptſächlich Waſſer und Säuren enthält (§. 7). 
Je mehr aber die Beere wächst und ſich ausdehnt, deſto mehr erhöhen ſich 
auch die ſaftigen Theile derſelben, in denen ſich neben verſchiedenen andern 
Beſtandtheilen nach und nach ein Zuckerſtoff, der ſogenannte Traubenzucker, 
bildet. So lange die Beere noch wächst und in ihrer erſten Ausbildung be— 
griffen iſt, nimmt mit der Zunahme des Saftes auch der Säuregehalt zu, 
während der Zuckergehalt noch ſehr unbedeutend und nur ſehr langſam im 
Zunehmen begriffen iſt. Hat jedoch derſelbe ca. den vierten Theil des Zucker— 
gehalts einer ganz reifen Beere erreicht, ſo nimmt der Zuckergehalt ſehr raſch 
zu, während der Säuregehalt ſich nach und nach, jedoch nicht im gleichen 
Verhältniß vermindert. (Eine intereffante Unterſuchnng über das Reifen der 
Trauben und über die Beſtimmung des Zucker- und Säuregehalts derſelben 
während des Reifens von A. Famintzin enthalten die Berichte über die Ver— 
handlungen der naturforſchenden Geſellſchaft zu Freiburg im Breisgau 1860. 
II. Bd. II. Heft. S. 177. Ferner das Hohenheimer Land- und forſtwirth⸗ 
ſchaftliche Wochenblatt von 1851. Nr. 7. S. 31 von Profeſſor Fehling in 
Stuttgart). 

Während der Entwicklung der Traube gehen mit den anfänglichen Be— 
ſtandtheilen derſelben verſchiedene Veränderungeu vor, die wir, wenn wir über 
das Ausreifen der Trauben und über die Bereitung des Weins durch die 
Gährung ein richtiges Urtheil fällen wollen, näher kennen lernen müſſen, da- 
bei jedoch zwiſchen den gährungserregenden (ſtickſtoffhaltigen) und den nicht 
gährungserregenden (ſtickſtofffreien) Subſtanzen zu unterſcheiden haben, indem 
letztere hauptſächlich in den Wandungen und in einem größern Theil des In— 
halts der Pflanzentheile beſtehen oder zu deren Bildung vorhergehen müſſen, 
während erſtere hauptſächlich die Verwandlung der Traubenſäfte in Wein 
mittelſt der Gährung bewirken. Die ſtickſtofffreien ſind vorzüglich aus Koh— 
lenſtoff, Sauerſtoff und Waſſerſtoff zuſammengeſetzt, wogegen zu den ſtickſtoff⸗ 
haltigen auch noch der Stickſtoff hinzutritt und mit erſteren verſchiedene Ver— 
bindungen eingeht (S. 63) wozu bei beiden noch unorganiſche Stoffe kommen. 

a. Stickſtofffreie Beſtandtheile der Trauben. 

1. Der Zellſtoff oder die Celluloſe bildet die erſten Zellenglieder und iſt 
daher in den jungen Beeren ſehr reichlich vorhanden, indem zu demſelben nicht 


339 


blos die Zellenwandungen, ſondern auch die Verdickungsſchichten derſelben ge— 
hören, ſo daß man in der unreifen Beere nur Mark mit mehr oder minder 
ſaurem Safte findet und ſomit der Hauptinhalt derſelben, neben Säuren und 
Salzen, in Zellſtoff beſteht. Während der Reife der Traube geht der innere 
Zellſtoff zuerſt in Dextrin und dann in Traubenzucker über. 

2. Das Dextrin oder Gummi bildet ſich aus Zellſtoff und Stärkmehl 
durch erhöhte Temperatur, durch Säuren, ſowie durch die Einwirkung der ſo— 
genannten Diaſtaſe, einer im keimenden Samen auftretenden eiweißartigen 
Subſtanz (wie im Gerſtenmalz) und wird dann durch Einwirkung derſelben 
Agentien in Traubenzucker verwandelt, doch bleiben auch nicht umgebildete Theile 
in der Traube zurück, die dann auch in den Weinmoſt übergehen und das ſo— 
genannte Fett oder Schmalz des Weins bilden ſollen. 

Ob in der Traube ſich auch Stärkmehl (Amylum) entwickelt, das in der 
Regel als Körnchen oder Kügelchen von beſtimmter Geſtalt und Größe in 
feſteren Körpern, wie in den Körnerfrüchten, Kartoffeln ꝛc. vorkommt, und ob 
daſſelbe ſomit auch zur Entwicklung des Traubenzuckers mitwirke, iſt noch un— 
beſtimmt, doch nicht unwahrſcheinlich, weil die Traubenbeere auch Eiweißſtoffe 
enthalten, in welchen die Stärke ſich in reichlichem Maße befinden ſoll. „es 
denfalls iſt der Stärkmehlgehalt der Beere ſelbſt von unbedeutendem Belange, 
dagegen enthält das Mark und die Rinde der Trauben- und der Beerenſtiel⸗ 
chen viel Stärkmehl, von wo es in die Traube behufs der Zuckerbildung über- 
führt werden kann. 

3. Der Zucker muß einen der Hauptbeſtandtheile der Traubenbeere bil- 
den, wenn ein guter Wein erzielt werden ſoll, indem durch deſſen Verwand— 
lung mittelſt der Gährung die geiſtige Kraft des Weins erzeugt wird. Die 
Pflanzen enthalten verſchiedene Zuckerarten, die unter drei Hauptformen er⸗ 
ſcheinen, nämlich als Rohrzucker, der vollkommen eryſtalliſirbar und im Waſ— 
ſer löslich iſt; als Traubenzucker, der undeutlich kryſtalliſirbar und ſüßſchmeckend 
iſt; als Frucht- oder Schleimzucker, der nicht kryſtalliſirbar, dabei löslicher iſt 
und ſüßer ſchmeckt als der Traubenzucker. In der Traube kommt hauptſäch⸗ 
lich der Trauben- und dann der Schleimzucker vor. (Anmerkung 9.) 


9. Anmerkung. Auf welche Weiſe die Zuckerbildung vor ſich gehe, iſt oben 
Punkt 1 und 2 erwähnt worden, es iſt jedoch ſchon öfters die Behauptung aufgeſtellt 
worden, daß auch die Säuren in Zucker übergehen, wenn gleich der Säuregehalt nicht 
in dem Grade abnimmt als der Zuckergehalt zunimmt. (Siehe die oben allegirten 
Unterſuchungen von Famintzin.) Da jedoch der Beere von der Rebe nicht unmittelbar 
Zucker, ſondern nur verſchiedene Säfte, die keinen Zucker enthalten, zugeführt werden, 
jo muß der letztere erſt innerhalb der Beere durch Zerſetzung der Säftemaſſe auf de: 
miſche Weiſe bereitet werden, wobei es ſich recht wohl denken läßt, daß, während der 
Beere durch die Verbindungsgefäſſe mit der Rebe ſtets neue freie Säure zugeführt 


225 


340 


4. Der Pflanzeuſchleim (Pectin) iſt eine gallertartige Subſtanz, der mit 
dem Sauerſtoff Verbindungen eingeht und in dieſem Falle eine ſaure Maſſe, 
die Pektinſäure bildet. Die Funktionen, die dieſer Pflanzenſchleim während 
der Zeitigung der Traube zu verrichten hat, ſind noch nicht bekannt, in der 
unreifen, harten und herben Traube iſt jedoch dieſer Pflanzenſchleim noch un- 
löslich, er verwandelt ſich jedoch mit dem Voranſchreiten der Reife in das 
gummiartige, lösliche Pektin, daher derſelbe vielleicht in Verbindung mit Der- 
trin ähnliche Wirkung wie dieſer hervorbringt. 

5. Die Pflanzenſäuren ſind von ſehr verſchiedener Art und kommen theils 
frei, theils mit organiſchen oder unorganiſchen Baſen zu Salzen verbunden, 
in der Pflanze vor, in der Traube ſind jedoch die freien Säuren weit vor— 
herrſchender als die gebundenen. Dieſelben beſtehen hauptſächlich in Wein⸗ 
ſteinſäure, Traubenſäure, Citronenſäure, Apfelſäure, Gerbſäure, auch Gerbitoff 
(Tanin). 

6. Wachs und harzige ölige Stoffe ſind in dem Pflanzenreich ziemlich 
verbreitet. Das Blattgrün oder Chlorophyll, ſowie die gelben und gelbrothen 
Pflanzenfarbſtoffe ſind immer an eine wachsartige, in kleine Körner ab— 
geſonderte Grundlage gebunden. Auch der bläuliche Anflug der Trauben be— 
ſteht, wie bei den Pflaumen, wahrſcheinlich in einer dünnen Schichte von 
Wachs. 

An öligen mit Harz verbundenen Stoffen beſitzt der Traubenſaft nur ganz 
geringe Quantitäten (in einem Schoppen nur wenige Tropfen), den ſogenann⸗ 
ten Oenanth-Aether, der hauptſächlich das Bouquet der Weine bilden ſoll, 
worüber jedoch die Chemiker noch nicht einig ſind. 

(Vergl. die Wein- und Obſtproduzenten Deutſchlands von Dornfeld. 
Stuttgart 1852. S. 393-398.) Anmerkung 10. 


wird, ein Theil derſelben innerhalb der Beere in Zucker übergeht und daß, wie bereits 
bemerkt, wenn mit der Zunahme der Reife die Verbindungsgefäſſe in der Rebe ver- 
trocknen und der Säftezufluß aufhört, dadurch auch die ſchnelle Zunahme des Zucker— 
gehalts ſich erklären läßt, denn wohin ſollte denn der anfänglich in der Beere ent— 
haltene ſtarke Gehalt an Säure gekommen ſein, wenn keine Verwandlung vorgehen 
würde? 

10. Anmerkung. Nach neueren chemiſchen Unterſuchungen ſoll ſich aus bou- 
quetreichen Weinen eine eigenthümliche Stickſtoffverbindung in Form eines neutralen 
Salzes abſcheiden laſſen, das den Geruch des Bouquets des verwendeten Weins hat, 
mit dem Unterſchied, daß der Geruch deſſelben von vorzüglichen Weinen ſehr ange: 
nehm, von geringen Weinen aus unausgereiften Trauben aber ſehr unangenehm erdig 
ſein ſoll, es iſt ſomit auch hieraus zu entnehmen, wie nothwendig, um feine, bouquet⸗ 
reiche Weine zu erzielen, eine ſorgfältige Ausleſe des ganz Reifen, Minderreifen und 
Unreifen iſt, da das Unreife nicht nur an und vor ſich ſchlecht iſt, ſondern auch noch 
das Gute in hohem Grade verſchlechtert. 


341 

Eine größere Quantität von Del beſitzen die Kerne der Traubenbeere, 
das als Speiſe- und Brennöl verwendet werden kann (§. 251). 

7. Die Farbeſtoffe der Trauben, die ſich unter der Beerenhaut bilden 
(S. 7) beſtehen in einer eigenen Subſtanz und find, wie die Farbe der Trau— 
ben, von verſchiedener Beſchaffenheit, haben aber für den Weinzüchter ein 
beſonderes Intereſſe, da ſie beſonders den Rothweinen die Farbe und je nach 
ihrer größern oder geringeren Anweſenheit, mehr oder weniger Anſehen geben. 
Farbſtoffe, die keine Säure beſitzen, gehören häufig zu den ſtickſtoffhaltigen 
Beſtandtheilen der Pflanzen. 

8. Ein beſonderer Stoff erſcheint in den Pflanzen und beſonders auch 
in der Traube, der noch nicht gehörig erforſcht iſt, weil es mit außerordent— 
lichen Schwierigkeiten verbunden iſt, denſelben völlig rein und völlig unveräu— 
dert darzuſtellen. Es iſt dieſes der Extractivſtoff. Er findet ſich in den 
Pflanzen als farbloſe Materie in wäſſeriger Löſung, verändert ſich leicht, geht 
gerne mit dem Sauerſtoff der Luft Verbindungen ein, in welchem er dann 
den Wein trüb macht, eine braune Farbe und einen unangenehmen Geſchmack 
gibt, der ſich jedoch wieder verliert, wenn der Sauerſtoff dem Extractivſtoff 
wieder entzogen wird. Er ſpielt ſomit bei der Weinbereitung und Weinbe— 
handlung keine unwichtige Rolle, auch hat er vielleicht Einfluß auf das Bou— 
quet der Weine und ſcheint hauptſächlich durch den Stoffwechſel der Organis— 
men erzeugt zu werden, er hat häufig einen ſüßen oder bittern, kratzenden, 
herben ꝛc. Geſchmack, und gleicht viel den humusartigen Stoffen, indem er 
mit dieſen leicht Verbindungen eingeht. 


Stickſtoffhaltige Beſtandtheile der Trauben. 


1. Die eiweißartigen oder Proteinkörper (Pflanzenleim) fehlen in keinem 
Pflanzeutheil und haben einige Unterabtheilungen. In der Traube kommen 
hauptſächlich vor: 

Das Pflanzeneiweiß oder Albumin, das ſich in allen Pflanzenſäften ge— 
löst oder in halb geronnenem Zuſtande, wie im Zellkorn findet und durch 
Hitze (70 Grad), Säuren und Weingeiſt niedergeſchlagen werden kann. 

Der Pflanzenfaſerſtoff, vermiſcht mit Pflanzeuſchleim, it im Alkohol lös⸗ 
lich und kann durch Deſtillation aus demſelben entfernt werden. Beide Stoffe 
enthalten Schwefel und Phosphor, die hie und da im Weingeſchmack bemerk⸗ 
lich ſind, die Verbindungen, welche die ſtickſtoffhaltigen Stoffe mit den ſtick— 
ſtofffreien (Schleim, Säure, Extractivſtoff ꝛc.) eingehen und dadurch neue 
Stoffe bilden, werden in der Weinbauſprache mit dem allgemeinen Namen 
„Kleber“ bezeichnet. 

c. Die unorganiſche Beſtandtheile der Pflanzen find größtentheils Sauer⸗ 


342 


ſtoffverbindungen und werden durch das Verbrennen der betreffenden Pflanzen 
dargeſtellt (8. 175). Sie beſtehen bei den Trauben hauptſächlich in 

Kali, Natron, Kalk, Magneſia, Phosphorſäure, Schwefelſäure, Salzſäure, 
Thonerde, Eiſenoxyd, Kieſelerde. a 

Neben dieſen organiſchen und unorganiſchen Stoffen enthalten die Trau⸗ 
benbeere auch noch Waſſer, das ſogar den Hauptbeſtandtheil derſelben aus⸗ 
macht und natürlich auf den Gehalt des Weins einen mächtigen Einfluß aus⸗ 
übt. Herr Profeſſor Walz hat im Jahr 1846 Trauben von einigen Gegen⸗ 
den ihrem ganzen Inhalt nach unterſucht (die Wein- und Obſtproduzenten 
Deutſchlands S. 348), daher wir das intereſſante Reſultat hier folgen laſſen: 


345 


— — —àää— . ̃ ͤK———ͤ 6göà—ö—mT— ꝛv ui,t,..᷑ĩ̃ ̃ ͤ—t—-—: << ne 
{ 


Beſtandth 


Apfelſäure 


Je 
Farbeſtoff 


Gerbeſtoff 


Salzſäure 
ee 
Natron. 
ak 
Magneſia 
Thonerde. 
Eiſenoxyd 
Kieſelerde 
Waſſer 


Weinſteinſäure 
Traubenſäure 
Citronenſäure 


* 


* 


* 


+ 


* 


+ 


„* 


+ 


+ 


* 


Phosphorſäure . 
Schwefelſäure 


+ 


+ 


* 


eile 


„* * 4 


Gummi und Dextrin .. 


* + * 


* * * 


Kleber und Eiweiß. . . 


+ 


+ 


Trauben von Speyer 
vom 21. Auguſt 1846. 


0 


Trauben nn e vom Ende Auguſt. 


Mießling | Clevnern Trollinger 
— — | — — „5 — —— 
Rießling Traminer Ruländer ziemlich | ziemlich | ziemlich | ziemlich | ziemlich | ziemlich 
| | E unreif | reif | unreif reif unreif reif 
| 
5 0 135 e , 2 
0,160 0,314 0,210 0,546 0,078 Spuren 0,012 0,56% 0,408 
Spuren Spuren Spuren Spuren Spuren — — — — 
| 4,620 5,010 4,200 3,409 2,465 4,301 2,9790 2,835 1893 
5,143 5137 6 55 131 4,963 6,793 A, 132 7, 964 5,581 
| 159,593 198,763 180,514 110, „3317 en 106, 370 152,176 102, 700 125,975 
3 Spuren Spuren — Gn — 0,136 
15,176 22,158 14,210 13,864 15,300 10,158 11,768 19,167 18,375 
0,134 1,354 Spuren Spuren Spuren 0,9461 0,998 0,143 0,158 
0,227 1,061 0291 0,190 0214 0,385 0,506 0,154 0,164 
0,031] 0,050 0,094 0,025 0,0351 9,034 0,031 0,029 0,273 
0,087 95 071 0,051 0,037) 0,029) 0,027 0,028“ 0,038 0,2% 
| 1,143 2,176 1,145 1,005 0,964 1,348 1,035 1,004 
2,387 1354 0.025 2 2,174 2 27369 0,561 20,401 0,379 
1,846 0,956 0,410 1,846 1,799 0,139| 0,313 0,431 
0,7655 1,354 0,114 1,003 0,925 0,014 0,018) 2,978 0,076 
0,241 0,1951 0,091 . 0,2101 2,225 0,003 0,005 0,006 
0,514 0,097 0,035 0,609 0,630 C,006 0,007 0,009 
0,635 1,141 il „135 0,854 0,736 0,403 0,600 0,732 
801, 43 754, 674 787, 386 855, 639 824, 151 866, 827 822, 310 861,691 840, IS 


11000, 1000,00 1000 1000, 000100 1000, 00010 1000,0001 000 1000,00 000 999, 700 999,7701000, 0001000, 1000,000 


344 


Die Stoffe, aus welchen die Traubenbeere gebildet ſind, find jedoch in 
den einzelnen Trauben in ſehr verſchiedenem Verhältniß vorhanden, und hängt 
dieſes hauptſächlich von der Traubengattung, von dem Boden und von der 
Beſchaffenheit des Jahrganges ab, in dem die Traube erwachſen iſt, beſonders 
hat letzterer auf den Zucker- und Schleim: (Kleber) Gehalt des Weinmoſtes 
einen weſentlichen Einfluß. 


l 

Die angeführten Beſtandtheile der Traubenbeere find ſchon in der ganz 
unreifen Beere vorhanden, doch zeigt ſich in derſelbon der Zucker noch in ſolch 
geringer Menge, daß er bei der chemiſchen Unterſuchung nur als eine Spur 
zur Zuckerbildung erſcheint. Die Beere hat jedoch, bis ſie zu ihrer vollkom⸗ 
menen Ausbildung (Reife) gelangt, verſchiedene Perioden durchzumachen, wobei 
ſie in der erſten neben den Kernen blos als ſaure, markige Subſtanz erſcheint, 
die in eine Menge kleiner Zelten eingetheilt iſt. In der zweiten Periode gehen 
unter Abnahme des Waſſer- und Säuregehalts diejenigen Sub ſtanzen, aus 
welchen ſich der Zucker bildet, in Zuckerſchleim über, und in der dritten Pe— 
riode wird unter fortwährender ſtarker Abnahme des Waſſers und Säurege— 
halts faſt aller Zuckerſchleim zerſetzt und zu Zucker gebildet, was jedoch nur 
in vorzüglichen Jahrgängen bei der Ueberreife der Trauben eintritt. 

Die Güte und Menge des Weins hängt daher hauptſächlich davon ab, 
daß ſich die Beſtandtheile der Traube in allen Beziehungen gehörig ausge⸗ 
bildet haben und insbeſondere, daß ein augemeſſener Gehalt an Zucker vor⸗ 
handen iſt. Es iſt deßwegen von hoher Wichtigkeit, die Traubenleſe nicht 
früher vorzunehmen, als bis eine vollkommene Reife der Trauben eingetreten 
iſt, die ſich durch verſchiedene Merkmale zu erkennen gibt. 

Die Reife erfolgt, wenn das einjährige Rebholz ſich verhärtet und braun 
wird, wodurch der Saftzufluß nach und nach gehemmt und dadurch die Zucker⸗ 
bildung gefördert wird, indem dann der Traubenſaft hauptſächlich auf ſich 
ſelbſt und auf die Einflüſſe der Atmosphäre beſchränkt iſt, durch die er geläu⸗ 
tert und ſeiner vollſtändigen Reife entgegengeführt wird. So lange das Reb— 
holz noch grün iſt, wird der Traube immer neuer Saft mitgetheilt, und dadurch 
die vollſtändige Reife gehindert. Dieſelbe erfordert, neben warmer, ſonniger 
Witterung, einige Feuchtigkeit, daher Herbſtnebel oder warme, nicht anhaltende 
Regen ſehr günſtig auf dieſelbe einwirken, indem dadurch nicht nur die Ver⸗ 
dünnung und Ausdehnung der Beerenhaut, ſondern auch die Deſtillation des 
Saftes befördert wird, ſo daß auf die dünne Beerenhaut die Sonne kräftiger 
einwirken und die Verwandlung der ſauren und wäſſerigen Säfte in Zucker, 
ſowie die Verdunſtung der Waſſertheile ſchneller vor ſich gehen kann. Tritt 
aber in trockenen, heißen Jahrgängen auch zur Zeit der Traubenreife kein Re⸗ 


345 


gen ein, jo daß die Reben ganz trocken ſtehen, oder entjteht anhaltendes, naſſes 
trübes Wetter, ſo wird dadurch die Traubenreife weſentlich verzögert und 
nicht ſelten darf man ſich, beſonders im letztern Falle, auf einen geringen Wein 
gefaßt machen. 

Die Reife der Trauben kann auf verſchiedene Weiſe befördert werden: 

a. Zunächſt iſt es die Erziehung der Rebe, welche einen weſentlichen 
Einfluß auf dieſelbe hat, indem je näher die Traube dem Boden hängt, deſto 
ſchneller und vollſtändiger geht auch, vermöge der Wärmeausſtrahlung des 
Bodens, die Zeitigung vor ſich. (§. 124—125.) | 

Auch wird dieſelbe 

b. durch einen angemeſſenen Schnitt des Rebſtocks, wodurch der Saftzu— 
fluß nicht zu ſehr vertheilt und vergeudet, ſondern mehr zuſammen gehalten 
wird (§. 134), ſowie durch die ganze Sommerbehandlung der Rebe befördert. 
Insbeſondere zielt 

c. das Ueberhauen der Reben (§. 150) darauf hin, indem dadurch das 
Wachsthum derſelben unterbrochen und durch das Zurückdrängen des Saftes 
die Zeitigung des Holzes befördert wird. 

Auf künſtliche Weiſe kann die Traubenreife befördert werden: 

d. durch das Abdrehen der Traubenſtiele, indem dadurch der Saftzudraug 
aus dem Stocke gehemmt und die Verdünſtung der Waſſertheile befördert wird, 
doch darf dieſes erſt geſchehen, wenn die Zuckerbildung in der Traube ge— 
hörig vorangeſchritten iſt, jo daß durch das Abdrehen des Stiels eigentlich 
eine Ueberreife, wie bei der Erzeugung der Muskatweine im ſüdlichen Frank— 
reich, herbeigeführt wird. 

e. Durch das Ringeln der Reben auf die in §. 146 angegebene Weiſe, 
beſonders wenn daſſelbe erſt vor dem Herbſt vorgenommen wird, indem auch 
dadurch eine Hemmung des Saftzufluſſes eintritt. 

Die Reife der Beere beginnt von innen gegen außen, ſo daß alſo die 
erſte Zuckerbildung im Herzen der Beere um die Kerne erfolgt, während die 
Zeitigung des Saftes der Zellgewebe und des Rindenmarks erſt ſpäter eintritt, 
wie man ſich bei jeder halbreifen Beere überzeugen kann. Die vollſtändige 
Reife erkennt man daher 

f. wenn die Traubenſtiele ſich verholzen und braun werden, das Häutchen 
der Beere dünn und der Saft ſelbſt hell und durchſichtig wird, ſo daß bei 
weißen Trauben die Beerenhäute bräunlich und punktirt werden, wie beim 
Sylvauer und Rießling, und man die Kerne der Beere erkennen kann; ferner 
wenn die Beere ſich leicht ablöſen laſſen, der Saft ſüß und klebrig iſt, und 
die Kerne von keiner klebrigen Subſtanz umgeben, ſondern braun find. Ins⸗ 
beſondere bei blauen Trauben, wenn nach Abwiſchen des Duftes, die Beere 
eine dunkelſchwarzblaue Farbe zeigt, und beim Abnehmen derſelben der 


346 


Zapfen roth iſt, wenn der rothholzige Trollinger rothe Kammäſte hat, und 
wenn beim Clevner und Burgunder die Beere dem Einſchrumpfen (Welkwer⸗ 
den) nahe ſind, auch ſcheint die Farbe der Trauben einigen Einfluß auf die 
Reife derſelben auszuüben, da nach phyſikaliſchen Geſetzen ein dunkler Körper 
mehr Licht und Wärme aufnimmt als ein heller, wornach blaue und ſchwarze 
Trauben von gleicher oder ähnlicher Gattung früher als rothe, dieſe früher 
als weiße reifen werden. (Vergl. §. 7.) Ein weiteres Zeichen der Reife iſt, 
wenn der Beerenſaft ein Gewicht zeigt, das nach §. 269 einem guten Weine 
entſpricht, daher es ſehr zweckmäßig ſein wird, wenn man von Zeit zu Zeit 
den Saft von einzelnen Trauben der gleichen Gattung und der gleichen Lage 
ausdrückt, filtrirt und auf der Moſtwage unterſucht, wobei, fo lange der Zucker— 
gehalt noch in ſtarkem Zunehmen begriffen iſt, bei guter Witterung immer 
noch ein beſſerer Reifegrad der Traube erwartet werden darf, während bei 
naſſer, feuchter Witterung, weil die Traubenbeere viel Feuchtigkeit an ſich ziehen, 
die Moſtwage ein Zurückgehen des Zuckergehalts anzeigen wird und daher in 
einem ſolchen Falle zur Beſtimmung des Reifegrades unbrauchbar wird. 

Die Kennzeichen einer vollſtändigen Reife ſind jedoch nicht jedes Jahr 
gleich ſtark vorhanden, ſondern fehlen öfters theilweiſe, beſonders in minder 
günſtigen Weinjahren, daher man die allgemeinen Witterungsverhältniſſe des 
betreffenden Jahrganges ſtets auch in Berückſichtigung ziehen muß. (§. 267 
bis 269.) 

SD! 

Von der gewöhnlichen Reife der Trauben unterſcheidet fich die Ueberreife 
oder Edelreife (Edelfäule) derſelben, die dadurch herbeigeführt wird, daß man 
die Trauben, nachdem die Anzeichen der vollſtändigen Reife eingetreten ſind, 
noch längere oder kürzere Zeit am Stock hängen läßt, jo daß durch Nebel, 
Thau und Sonnenſchein die Beerenhäute immer mehr verdünnt und die wei— 
tere Zuckerbildung, ſowie die Ausſchwitzung der wäſſerigen Theile des Saftes 
befördert und erleichtert wird und endlich durch das Morſchwerden der Bee— 
renhaut eine Edelfäule eintritt, bei der ſich der Zuckerſtoff der Beere immer 
mehr verdichtet, wodurch zuletzt ein ſüßer, feiner, bouquetreicher Wein erzeugt 
wird, der beſonders in guten Jahrgängen zu den Edelweinen gerechnet werden 
darf und einen viel höheren Werth als der gewöhnliche Wein hat. 

Die Ueberreife oder Edelfäule erkennt man, bei den weißen Trauben, 
wenn die Beerenhaut morſch wird, eine braune oder braunrothe Farbe ans 
nimmt und das Abwelken derſelben beginnt; bei den rothen und blauen Trau⸗ 
ben, wenn die Beerenhaut welk wird und die Beere einſchrumpfen; bei bei- 
derlei Gattungen, wenn, neben den angeführten Anzeichen, auch die Trauben⸗ 
und Beerenſtiele abwelken und morſch werden und einzelne Beere oder hie 
und da ganze Trauben abfallen. 


347 


Zu der Ueberhaltung bis zur Ueberreife oder Edelfäule eignen ſich aber 
nicht alle Traubenſorten, ſondern nur die härteren, indem dieſe eine dickere 
Beerenhaut und markiges Fleiſch haben, die der eigentlichen Fäulniß länger 
widerſtehen, wodurch die Zuckerbildung immer mehr zunehmen, das Waſſer 
ſich aber ſtets mehr verlieren kann, auch mögen die markigen Stoffe längere 
Zeit, als bei ſaftigern Trauben, zur Zuckerbildung nöthig haben, wodurch ſich 
bei längerem Ueberhalten der Zuckerſtoff gleichfalls vermehrt. Außerdem mö— 
gen ſich bei der Ueberreife auch edlere Stoffe, wie das Gewürz und Bouquet 
noch beſonders ausbilden, da ſich gerade die auf dieſe Weiſe erzeugten edlen 
Weine durch jene Eigenſchaften vorzugsweiſe auszeichnen. 

Zu den härteren Sorten gehören von den weißen und rothen Trauben 
zunächſt der Rießling und Traminer, ſowie der Orleans und Velteliner, ſo— 
dann bis zu einem gewiſſen Grad der Ueberreife auch der Rothurban, der 
Gutedel, beſonders der Krachgutedel, der Hans oder kleine Velteliner und der 
rothe Malvaſier. Von den blauen Trauben der Trollinger, der Schwarzurban, 
der Zottelwelſche, ſowie zum Theil auch der Affenthaler, der blaue Clevner, 
der blaue Burgunder, der blaue Scheuchner (Grübler), die Müllertraube und 
der blaue Liverdun, doch darf bei den blauen Trauben die Ueberreife nicht 
ſo weit getrieben werden, daß dadurch eine Zerſetzung der Beerenhaut 
vor ſich geht, weil ſonſt auch der in und unter derſelben enthaltene Farbeſtoff 
zerſetzt und der Wein keine ganz dunkelrothe Farbe erhalten würde. 

Bei den weicheren, ſaftreicheren Trauben dagegen, wie bei dem Elbling, 
Sylvaner, Fütterer, Muskateller, weißen Burgunder, Räuſchling, Süßrothen, 
Ortlieber, Tokayer, Grobſchwarzer, Hängling ꝛc. tritt, beſonders bei etwas 
feuchter Witterung, häufig ſtatt der Edelfäule, die wirkliche Fäulniß ein, womit 
das Auslaufen des Saftes und das Vertrocknen und Zugrundegehen der gan— 
zen Tranbe verbunden iſt, daher man bei dieſen Gattungen die Leſe in der 
Regel nie länger als bis zur vollkommenen Reife verſchieben darf, doch können 
dieſelben in magerem Sand-, Kalk- und Mergelboden und auf luftigen Höhen 
auch lange übergehalten und dadurch wenigſtens theilweiſe einer Ueberreife 
entgegengeführt werden, was natürlich auf die Qualität des Weins einen 
außerordentlichen Einfluß hat. 

Das Ueberhalten zur Ueberreife kann übrigens nur in guten Weinjahren, 
wo die Trauben zur vollſtändigen Reife kommen, in Ausführung gebracht 
werden, in ungünſtigen Weinjahren, wo die Reife der Trauben nur unvoll 
ſtändig erfolgt, kann man zwar, wenn die Witterung es erlaubt, durch mög— 
lichſt langes Verſchieben der Leſe auf die Qualität der Trauben und des 
Weins ſehr vortheilhaft einwirken, indem durch daſſelbe der Zuckergehalt ſich 
immer noch um etwas vermehren wird, eine Ueberreife in dem oben ange— 
gebenen Sinne wird aber nie eintreten, ſondern nur ein Morſchwerden bei 


348 


dem, weil bei einer unreifen Traube Säure und Waſſer vorherrſchend ſind, 
durch die Verdünſtung des letztern eine ſtärkere Säure als bei der noch ganz 
friſchen Traube ſich zeigen oder wirkliche Fäulniß, beſonders bei ungünſtiger 
Witterung, eintreten kann. 

In den deutſchen Weinbaugegenden iſt das Ueberhalten der Trauben bis 
zur Ueberreife hauptſächlich in dem Rheingaue und in einigen Gegenden oder 
Orten des Ueberrheins eingeführt, auch ſind in Württemberg ſchon öfters ein— 
zelne Verſuche damit gemacht worden. In Ungarn wird der berühmte Tos 
kayerwein dadurch bereitet, daß man die Trauben ſo lange am Stock hängen 
läßt, bis ſich die Beere zu Trockenbeeren gebildet haben, worauf dieſelben ab⸗ 
genommen, in eine Kufe gebracht und aus demjenigen Saft, der durch den 
Druck des eigenen Gewichts der Trauben abfließt, zunächſt die genannte 
Tokayereſſenz bereitet. Der Reſt der Traubenbeere wird dann gequetſcht und 


mit gutem ſüßem Moſt von gewöhnlichen Trauben übergoſſen, was ſofort den 


Tokayerausbruch gibt. 

In Frankreich werden nach Jullien ein Theil der weißen Bordeauxweine, 
ſowie einzelne weiße Weine im Departement Lot und Garonne gleichfalls da— 
durch bereitet, daß man die Trauben hängen läßt, bis ſie die Reifheit über— 
ſchritten und die Schalen, nachdem ſie eine braune Farbe angenommen haben, 
an den Fingern kleben. | 

Von der Ueberreife der Trauben iſt die Nachreife zu unterſcheiden, die 
dadurch herbeigeführt wird, wenn die abgeſchnittenen Trauben durch Auflegen 
auf Hurten, durch Aufhängen auf Stäben oder auf irgend eine andere Weiſe 
längere Zeit in einem nicht zu kalten Lokale, in dem kein Froſt eintritt, auf⸗ 
bewahrt werden, indem durch das längere Lagern ſich zwar kein neuer Zucker— 
ſtoff bildet, dagegen aber der vorhandene durch die Verdünſtung der Waſſer— 
theile ſich mehr concentrirt, wodurch ein weit beſſerer Wein erzeugt wird, wie 
wir dieß bei der Fabrikation des ſogenannten Strohweins ſehen, bei dem die 
Trauben bis gegen das Frühjahr, auf Stroh gelagert oder an Bindfäden auf- 
gehängt, aufbewahrt und dann erſt gepreßt werden. (Siehe das Hohenheimer 
Wochenblatt für Hauswirthſchaft 1834 S. 121.) 

Der Nachreife können jedoch auch nur die härteren Traubengattungen, 
weil bei den weicheren bald Fäulniß eintreten würde, und, aus den oben ange⸗ 
führten Gründen, nur in Jahrgängen unterworfen werden, in welchen dieſelben 
zur vollkommenen Reife gelangen, auch dürfen die Trauben nicht zu lange der 
Nachreife ausgeſetzt werden, weil ſonſt blos ein ſüdlicher, ſüßer Wein erzeugt 
wird, ohne Blume, während bei nicht allzu langem Liegenlaſſen, d. h. bis 
der Moſt bei dem Auspreſſen einzelner Trauben in mittleren Weinjahren nach 
der Moſtwage 100, in guten 115—120 Grade zeigt, ein vorzügliches Produkt 
gewonnen werden kann. Im Großen wird jedoch ein ſolches Verfahren, weil 


* 
A 


349 


es ſehr viel Raum erfordert und wegen der Umſtändlichkeit des Lagerns, ſowie 
weil, wenn einzelne Traubenbeere zu faulen beginnen, ſolche von jeder Traube 
weggenommen werden müſſen, ſelten ausführbar ſein. 


8,22, 

Die Zeit ver Weinleſe wird in den meiſten Weinbaugegenden obrigkeitlich 
beſtimmt und es iſt dieſes um ſo nothwendiger, als durch die willkürliche Be— 
ſtimmung von Seiten der einzelnen Weinbergbeſitzer, nicht nur viele Unord— 
nungen durch Entwendungen von Trauben ꝛc. vorkommen könnten, ſondern auch 
das frühzeitige Leſen einzelner, beſonders der kleineren Weinbergbeſitzer, und 
das Nichtabwarten der vollſtändigen Reife der Trauben manche ſonſt gute 

Weinorte in einen üblen Ruf kommen könnten, wodurch allgemeine Nachtheile 
für einen ganzen Ort oder für eine ganze Gegend entſtehen würden. In 
manchen Weinbaugegenden, namentlich in einzelnen Gegenden des Rheinthales 
(Rheingau und im Breisgau ꝛc.), werden die Weinberge, ſobald die Reife der 
Trauben ſo weit vorangeſchritten iſt, daß Traubenſchützen (Weinbergshüter) 
aufgeſtellt werden können, die Weinberge ſogar ganz geſchloſſen, ſo daß auch 
der einzelne Beſitzer dieſelben ohne beſondere obrigkeitliche Erlaubniß 
nicht mehr betreten darf, auch werden an manchen Stellen die Zugänge mit 
Dornen vermacht. Zu dieſem Behuf wird etwa acht Tage vor dem Schluſſe 
der Weinberge dieſes öffentlich bekannt gemacht, damit die in den Weinbergen 
nothwendigen Arbeiten zuvor noch beſorgt werden. Die Oeffnung erfolgt dann 
erſt wieder, wenn entweder bei ungünſtiger Witterung das Faulen der Trauben 
beginnt und daher eine Ausleſe nothwendig wird, nach deren Beendigung die 
Weinberge aber wieder geſchloſſen werden, oder wenn unter Zuziehung größe— 
rer und verſtändiger Weinbergbeſitzer die Traubenreife ſo weit vorangeſchritten 
iſt, daß mit der Leſe allgemein begonnen werden kann, wobei es aber einzelnen 
Weinbergbeſitzern unbenommen bleibt, die Trauben für die Spätleſe, auch noch 
länger hängen zu laſſen. Dieſe in vielfacher Beziehung ſehr zweckmäßige Ein— 
richtung iſt jedoch nur da vollſtändig ausführbar, wo größere, geſchloſſene Wein— 
bergshalden ſich befinden, wo der Futterbau (Kleebau) in den ausgehauenen 
Weinbergen nicht eingeführt iſt, ſondern in der Regel ſogleich vom Stock hin— 
weggereutet wird (§. 90, 91), weil das für den Viehſtand oft höchſt nöthige 
grüne Futter nicht auf längere Zeit nach Hauſe geſchafft werden kann, und 
wo in den einzelnen Weinbergen nicht zu vielerlei, ſondern ziemlich gleich rei— 
fende Trauben, alſo keine früh- und ſpätreifende, wie Clevner und Trollinger 
gepflanzt werden, ſo daß keine Vorleſe nothwendig iſt. 

In andern Weinbaugegenden, beſonders Württembergs, wird die Ordnung 
des Leſens und Kelterns nach dem Looſe beſtimmt, was, damit der Weinmoſt 
nicht zu lange über den Trebern ſtehen bleibt, ganz zweckmäßig erſcheint, wo— 


350 


gegen die Ordnung der Leſe nach Gewänden (Bännen, wie fie hie und da 
vorkommt) einer rationellen Weinbereitung nicht immer entſpricht, indem dabei 
beſonders die gleichzeitige Gährung des Moſtes geſtört und eine Ausleſe des 
rothen und weißen, ſowie des guten und geringen Gewächſes mit manchen 
Umſtändlichkeiten verbunden iſt. Nur das Gute kann bei gehöriger Berück— 
ſichtigung der Traubenreife damit verbunden werden, daß die Leſe der geringe— 
ren Gelände, in welchen die Reife der Trauben in der Regel noch etwas zu— 
rück iſt, entweder noch einige Zeit verſchoben oder jedenfalls zuletzt vorgenom— 
men wird. 

Ueber den richtigen Zeitpunkt der Leſe ſollten übrigens nicht blos die 
Ortsobrigkeiten vernommen, ſondern in jedem Bezirk zur Unterſuchung und 
Begutachtung des Reifezuſtandes der Trauben eine Commiſſion von Sachver— 
ſtändigen, etwa aus der Mitte der landwirthſchaftlichen Vereine, gewählt und 
dieſer zugleich zur Pflicht gemacht werden, ſich jedes Jahr auch über die zweck— 
mäßigſte Art der Leſe zu äußern. 


Im Allgemeinen darf wohl der Grundſatz aufgeſtellt werden, daß bei 
der Beſtimmung der Zeit der Leſe die vollſtändige Reife der Trauben abzu— 
warten und daher die Leſe möglichſt lange zu verſchieben iſt, indem je reifer 
eine Traube iſt, deſto beſſer wird nicht nur der Wein, ſondern deſto ſaftreicher 
wird auch dieſelbe, ſo daß der Weinproduzent ſowohl an Quantität als Qua⸗ 
lität gewinnt. f 

Sollten daher bei dem Eintritt ungünſtiger, regneriſchen Witterung die 
Trauben zu faulen beginnen, ſo iſt es, ſtatt einer frühen Leſe oder ſtatt der 
Leſe während der ungünſtigen Witterung, weit zweckmäßiger, wenn man die 
faulen Trauben herausſchneidet und den daraus gewonnenen Weinmoſt, der 
häufig von vorzüglicher Qualität iſt, bis zur allgemeinen Leſe im Keller auf— 
bewahrt und ihn ſpäter mit dem übrigen Moſt vereinigt, indem dieſes, wenn 
die faulen Trauben zeitig ſind und ſich noch kein Schimmel angeſetzt hat, unbe- 
denklich geſchehen kann, wogegen das Vermiſchen mit dem Moſte von ſtark in 
Schimmel übergegangenen Trauben ſorgfältig zu vermeiden iſt, weil der Wein 
dadurch einen ſehr unangenehmen Schimmelgeſchmack bekommt, der ſich erſt 
ſpät und nur nach mehrmaligem Ablaſſen verliert. 


Wenn dagegen die Reife der Trauben noch ziemlich zurück iſt und nach 
der vorangeſchrittenen Jahreszeit keine vollſtändige Reife derſelben, ſondern bei 
ungünſtiger Witterung mehr eine Abnahme derſelben zu erwarten wäre, ſo 
wird es angemeſſen ſein, wenn man, beſonders mit Rückſicht auf den kleineren 
Weinproduzenten und gewöhnlichen Weingärtner, auf die ungewiſſe kleine Zu— 
nahme der Qualität verzichtet und dagegen die Quantität zu retten ſucht, mit⸗ 
hin die Traubenleſe nicht allzulange verſchiebt, ſondern ſie noch ſo zeitig vor— 


351 


nimmt, bevor Trauben und Moſt durch Regen und Froſt noch mehr verdorben 
und verſchlechtert werden. 


2 

Bei der Traubenleſe kommt hauptſächlich auch die Art und Weiſe der— 
ſelben in Berückſichtigung, indem davon vorzüglich die Gattung (weiß oder roth) 
und die Qualität des Weins (gering, mittelgut, edel) abhängt. 

Bei dem veränderten Weingeſchmack (§. 48) iſt hauptſächlich auf die Er: 
zeugung ſolcher Weine zu ſehen, welche bald reif und dadurch zur Conſumtion 
geeignet werden, was nur geſchehen kaun, wenn bei der Traubenleſe eine ſorg— 
fältige Ausleſe gemacht und dieſelbe überhaupt mit Umſicht und Sorgfalt vor— 
genommen wird. 

In ältern Zeiten, bei der vorherrſchenden Conſumtion vou alten, abge— 
lagerten Weinen, war dieſes weniger nöthig, weil durch das Ablagern ſich 
manches Herbe und Unangenehme in dem Weine verloren hat, jetzt aber muß 
auf eine ſorgfältige Leſe ein Hauptgewicht gelegt werden. Zunächſt iſt darauf 
zu ſehen, daß zu dem Leſen keine Kinder, ſondern nur erwachſene Perſonen 
genommen werden, welche die einzelnen Gattungen der Trauben genau kennen 
und ihre Brauchbarkeit zu beurtheilen verſtehen, indem unerfahrene Leſer zu 
einer ſorgfältigen Ausleſe des guten, ſowie des geringen, unreifen, faulen Ge— 
wächſes durchaus nicht zu gebrauchen ſind. 

Bei der Leſe ſelbſt kommt in Betracht: 

Der Reifegrad der Trauben im Allgemeinen und in den einzelnen Ge— 
wänden; 

das Ausſcheiden der verſchiedenen Traubengattungen; 

das Ausſcheiden des guten und geringen Gewächſes; 

die Berückſichtigung der Witterungsverhältniſſe; 

der Uebergang zu einer Spätleſe; 

die Werkzeuge, die zu der Leſe und Ausleſe erforderlich ſind. 


a. Der Reifegrad der Trauben. 


Im Allgemeinen iſt mit der Leſe, wenn die Witterung des Jahrganges 
und des Herbſtes es geſtattet, erſt dann zu beginnen, wenn die Trauben ihre 
vollſtändige Reife erlangt haben, d. h. am reichſten an Zucker und am ärmſten 
an Säure ſind. Da jedoch dieſe Reife nicht in allen Geländen und bei allen 
Traubengattungen zu gleicher Zeit erfolgt, vielmehr von der Lage und der 
Bodenbeſchaffenheit jener, ſowie von den angepflanzten Traubenſorten, dem 
Alter und der mehr oder minder ſorgfältigen Erziehung und Cultur des Wein— 
bergs abhängt, jo muß darauf die geeignete Rückſicht genommen werden. Die: 
ſelbe wird in warmen, ſüdlichen Lagen früher, als in öſtlichen, weſtlichen oder 


852 


nördlichen und in Weinbergen mit warmem Boden früher, als in ſolchen mit 
kaltem Boden erfolgen, daher man bei dem Beginnen der Leſe den Anfang 
da machen muß, wo die Reife ſchon am weiteſten vorangeſchritten iſt. Hat 
ein Weinberg ſelbſt verſchiedene Lagen, d. h. zieht er vom Grund des Thales 
bis auf und über den Rücken des Berges, ſo muß auch hier bei der Leſe 
zwiſchen den einzelnen Lagen unterſchieden und die Trauben derſelben je ab— 
geſondert geleſen, aufbewahrt und gekeltert werden, indem beſonders an ſehr 
ſteilen Abhängen die Mitte der Berge, wo die Sonne am kräftigſten wirken 
kann, weit beſſer iſt, als unten, wo der Boden kühler und die Sonne weniger 
Kraft hat und oben, wo die kalten Winde mehr ſtreichen und auch der Boden 
viel leichter iſt und weniger Kraft hat. Bei der Reife der verſchiedenen Trau— 
bengattungen findet gleichfalls ein weſentlicher Unterſchied ſtatt (S. 220), in⸗ 
dem die weichen Gattungen in der Regel früher zur vollſtändigen Reife ge— 
langen werden, als die harten, daher bei jenen mit der Leſe zu beginnen wäre. 
Aber auch bei der Reife jeder einzelnen Traubengattung wird man faſt in 
allen Jahrgängen bald etwas mehr, bald etwas weniger reife Trauben finden 
und dieſes wird beſonders in minder günſtigen Jahrgängen der Fall ſein, in- 
dem z. B. diejenigen Trauben, welche dem Boden nahe hängen, einen ſtärkern 
Reifegrad als die höher hängenden erreichen werden. Außerdem hat auch das Alter 
der Weinberge einigen Einfluß auf die Reife der Trauben, indem in alten 
Weinbergen dieſelben etwas bälder, als in jungen kräftigen reifen, und ebenſo 
hängt die bäldere Reife nach §. 219 nicht ſelten von der Erziehung und übri— 
gen Cultur der Rebe ab. 

Unter Berückſichtigung all dieſer beſondern Umſtände wird daher derje— 
nige intelligente Weinbauer, der in guten Weinjahren ſehr vorzügliche oder 
edle Weine erzeugen will, die Traubenleſe fo lange verſchieben, bis die Trau- 
ben den möglichſt hohen Reifegrad erlangt haben und dann zuerſt die reifſten 
und zum Theil ſüß- oder edelfaulen, nachher aber erſt die weniger reifen leſen 
laffen, jedenfalls muß dieſes aber in minder günſtigen Jahren, wo noch un— 
reife, ſaure Trauben vorhanden ſind, geſchehen, indem hier das Unreife von 
dem Reifen, ſogar durch das Herausnehmen (Auspflücken) der unreifen oder 
reifen Beere aus den einzelnen Trauben mit aller Sorgfalt geſchehen muß, 
weil durch eine unreife Beere der Gehalt von 10 reifen verſchlechtert wird. 
Sollten jedoch die Trauben zu mouſſirenden Weinen beſtimmt ſein, jo darf 
man keine Ueberreife eintreten laſſen, weil der Moſt, damit er ſich bei der 
Entſchleimung ſchneller und beſſer klärt, nicht ſehr conſiſtent (dick) ſein darf, 
und derſelbe ſich von noch ganz geſunden Trauben beſſer auspreſſen läßt, ohne 
bei blauen Trauben (Clevner) dem Weine Farbe mitzutheilen, auch ſollen die 
Trauben nicht bei ſehr warmer Witterung geleſen werden, damit der Wein⸗ 


353 


moſt nicht ſogleich in Gährung übergeht, wodurch die Entſchleimung gleichfalls 
erſchwert wird (S. 245). 


§. 223. 
b. Das Ausſcheiden der verſchiedenen Traubengattungen. 


Wenn ſchon bei der Anlage eines Weinberges auf eine rationelle Weiſe 
verfahren wurde (S. 84—88), fo wird bei der Traubenleſe eine Ausſcheidung 
einzelner Traubengattungen ſelten vorkommen, da wo aber gemiſchte Beſtockung 
noch ſtattfindet, wie dieſes häufig in den einzelnen Weinbaugegenden Würt⸗ 
tembergs der Fall iſt, iſt die Ausſcheidung des rothen und weißen Gewächſes, 
ſowie der edlen (härteren) von den gemeinen (weichen) oder der früh- und 
und ſpätreifenden Traubenſorten unumgänglich nothwendig, wenn gute charak— 
terfeſte Weine erzeugt werden wollen, was beſonders von den größern Wein- 
bergsbeſitzern nie unterlaſſen werden ſollte. Die Beſtandtheile und der Ge— 
ſchmack der rothen und weißen Traubengattungen zeigen zum Theil eine große 
Verſchiedenheit, insbeſondere beſitzen erſtere weit mehr Gerbſtoff und Gerbſäure 
als letztere (§. 218), daher auch der Geſchmack der rothen und weißen Weine 
ſehr verſchieden iſt. Werden nun die verſchiedenen Traubengattungen bei der 
Leſe untereinander gemengt, ſo wird die Eigenthümlichkeit einer jeden Gattung, 
d. h. der Geſchmack und das Bouquet oder Gewürz unterdrückt, es entſteht 
ein ungleichartiges röthliches Gemiſch, der ſogenannte Schillerwein, der weder 
eine entſchiedene Farbe, noch einen beſtimmten Geſchmack und Charakter hat, 
und beſonders in entfernteren, dem Weinlande nicht angehörigen Gegenden 
nicht geſucht iſt, ſondern im Mißkredit ſteht, und nur in denjenigen Weinbau⸗ 
gegenden getrunken wird, wo man an denſelben gewöhnt iſt. 


C. Das Ausſcheiden des guten und geringen Gewächſes. 


Die Trauben können auf verſchiedene Weiſe durch Froſt, Krankheiten, 
Hagel, Braten, Faulen, durch Inſekte u. ſ. w. (8. 196— 216) beſchädiget 
werden, in welchem Falle ſie in der Regel in der Entwicklung und Zeitigung 
zurückbleiben und nur einen geringen Wein geben, es müſſen daher, wenn man 
einen guten, kräftigen, reinen Wein erzielen will, bei jeder Leſe die beſchädig⸗ 
ten Trauben oder Beere ſorgfältig ausgeleſen oder ausgebeert werden, indem 
auch in guten Weinjahren immer etwas Geringes, Halbvertrocknetes oder ſonſt 
Beſchädigtes auszuſcheiden ſein wird, und es iſt um ſo mehr darauf zu ſehen, 
als, wie bei den unreifen Trauben, nur eine beſchädigte, den Wein von vie— 
len guten Trauben verſchlechtert. Insbeſondere iſt bei der Erzeugung von 
Rothweinen darauf zu halten, daß alle faule Beere, auch wenn ſie ſüß und 
noch nicht in Schimmel übergegangen ſind, entfernt werden, weil ſie dem 

23 


354 
Wein die Friſche nehmen, und weil der Farbſtoff in der Beerenhaut bereits 
zerſtört und in ein mattes Braun übergegangen iſt, auch beeinträchtigen ſie 
die ſchöne rothe Farbe und ſtören die Haltbarkeit des Weins. Eine ſorgfäl⸗ 
tige Ausleſe wird ſich daher ſtets durch die Erzielung einer möglichſt guten 
Qualität und durch gute Verkaufspreiſe ſehr lohnend zeigen und ſollte daher 
nie unterlaſſen werden. 


d. Die Berückſichtigung der Witterungsverhältniſſe. 


Die Witterungsverhältniſſe haben ſowohl auf das Ausreifen der Trauben 
als auf die bereits reifen Trauben einen mächtigen Einfluß, indem bei regne⸗ 
riſcher oder neblicher Witterung die Traubenbeere durch die dünne Beerenhaut 
nicht nur von dem niederfallenden Regen oder Thau viel Waſſer und Feuch— 
tigkeit anziehen, ſondern es bleibt auch faſt an jeder Beere ein Regen- oder 
Thautropfen hängen, wodurch, wenn während einer ſolchen Zeit die Leſe ſtatt— 
findet, viel Waſſer zu den Trauben kommt und dadurch auch dem Weine bei⸗ 
gemiſcht wird. Wie nachtheilig dieſes auf die Qualität des Weins einwirkt, 
wird man finden, wenn man den Moſt von Trauben wiegt, die bald nach 
einem gefallenen Regen oder während ein ſtarker Thau noch auf denſelben lag, 
abgeleſen wurden, indem derſelbe mindeſtens einige, nach angeſtellten Verſu⸗ 
chen ſogar 5—10 Grade weniger wägen wird, als von den gleichen Trauben, 
die bei trockener Witterung geſammelt wurden. 


Die Traubenleſe muß deßwegen wo möglich ſtets bei trockenem Wetter 
vorgenommen, jedenfalls aber bei Regenwetter und ſogleich nach demſelben 
unterlaſſen werden. Iſt während der Nacht ein ſtarker Thau gefallen, ſo muß 
mit der Leſe etwa bis Morgens 9 oder 10 Uhr gewartet werden, bis der⸗ 
ſelbe abgetrocknet iſt, wogegen mit derſelben über Mittag, wo die beſte Zeit 
iſt, unausgeſetzt fortgefahren werden kann, fie iſt aber wieder einzuſtellen, ſo⸗ 
wie ſich gegen Abend um 3 oder 4 Uhr wieder feuchte Luft, Nebel und Thau 
zeigt. Froſt bringt denjenigen Trauben, die in der Reife ſchon ziemlich vor⸗ 
angeſchritten ſind, keinen Schaden, vielmehr trägt er, wenn nicht ſogleich nach 
dem Aufthauen der Beere geleſen wird, ohne dem Wein einen Froſtgeſchmack 
zu geben, ſehr zur Verbeſſerung deſſelben bei, indem durch denſelben die Waf- 
ſertheile mehr zuſammengezogen und die Beerenhäute morſcher werden, wo⸗ 
durch das Verdunſten des Waſſers weit ſchneller vor ſich geht. Dagegen 
wird die Quantität durch denſelben weſentlich vermindert. Bei unzeitigen 
Trauben wird durch den Froſt der Säuregehalt vermehrt, auch bekommt dann 
der Wein gerne einen Froſtgeſchmack, daher dieſelben nie mit den guten und 
reifen Trauben vermengt werden dürfen. 


§. 224, 


e. Der Uebergang zu der Spätleſe. 


Unter der Spätleſe verſteht man das Zurückſtellen der Leſe bis zur 
Ueberreife der Trauben; da jedoch aus den §. 220 angeführten Gründen bei 
den blauen Trauben die Ueberreife nicht bis zum Morſchwerden der Beeren— 
häute verſchoben werden darf, ſo handelt es ſich bei den beſondern Regeln 
für die Spätleſe hauptſächlich um die härteren weißen und rothen Trauben. 
Derſelben ſind gewöhnlich nur die Trauben in den beſſeren Lagen und in 
möglichſt reifem Zuſtande zu unterwerfen, da in geringen Lagen die Ueberreife 
ſeltener eintreten und jene häufig, weil die Sonne weniger wirken kann, mehr 
kühl und feucht find und daher mehr auf die wirkliche Fäulniß als die Edel⸗ 
fäulniß einwirken, jedenfalls aber ein geringeres Produkt als die beſſern La⸗ 
gen geben werden, bei dem ſich der höhere Werth durch den Verluſt an 
Quantität nicht gehörig ausgleicht. 

Bei einer zweckmäßigen Spätleſe hält man die Leſe fo lange zurück, bis 
die grüne oder gelbbraune Haut der Beere eine rothbraune Farbe angenom⸗ 
men hat und dieſelbe ſich bei der geringſten Berührung von der Beere ab⸗ 
löst, oder hie und da bereits aufgeſprungen iſt. Iſt dieſer Zuſtand eingetre⸗ 
ten, ſo wird mit der Leſe begonnen, da jedoch in manchen Jahrgängen der 
Grad der Ueberreife oder Edelfäule nicht bei allen Trauben zur gleichen Zeit 
eintritt, ſo wird eine Ausleſe veranſtaltet, bei der nur die auf die angegebene 
Weiſe ſich zeigenden überreifen Trauben oder Traubenbeere ausgeſchnitaten ode 
ausgebeert, die übrigen aber noch länger hängen gelaſſen werden, bis jener 
and eintritt, oder ſie werden in beſondere Geſchirre gethan und als zweite 
Sorte behandelt, wobei natürlich Alles wirklich faule oder ſonft beſchädigte 
auf die ſorgfältigſte Weiſe ausgeſchieden werden muß. 

Will man die Spätleſe noch weiter treiben, wie dieſes in den größeren 
Rebgütern des Rheingaues in den beſſeren Jahrgängen nicht ſelten geſchieht, 
ſo läßt man die Trauben ſo lauge hängen, bis die edelfaulen einſchrumpfen 
und roſinenartig werden, ſo daß faſt alles Waſſer verdunftet iſt und nur ein 
dünner Syrup aus den zerquetſchten Beeren hervorquillt. Sfr dieſer Zuſtand 
eingetreten, ſo werden verſchiedene Ausleſen vorgenommen, und dabei zuerſt 
die roſinenartigen Trauben und Beere, dann die edelfaulen, aber nicht einge⸗ 
ſchrumpften Trauben geſammelt und in beſonderen Geſchirren aufbewahrt. 
Nach dieſer Ausleſe werden die übrigen noch geſunden d. h. nicht in die Edel⸗ 
fäule übergegangenen Trauben abgeleſen und eine dritte Sorte Wein daraus 
bereitet. Zuletzt werden die abgefallenen und auf dem Boden liegenden Trau⸗ 
ben und Traubenbeere geſammelt und gleichfalls beſonders aufbewahrt, weil, 
wenn einzelne Trauben durch Vertrocknen oder Abfaulen der Stiele frühzeitig 


23 * 


356 
abgefallen find, dieſelben, wenn auch gleich faul, doch keine ſolche feine Qua— 
lität beſitzen, wie die am Stocke gefaulten. 

Läßt ſich in minder günſtigen Jahren keine ſolche feine Ausleſe vorneh— 
men, ſo werden von Zeit zu Zeit die ungeſunden und wirklich faulen Trauben 
ausgeſchnitten und dann, ſo wie der zu erwartende möglichſte Grad der Reife 
erreicht iſt, mit der Leſe in der Art begonnen, daß ſich je 2 Leſer an einen 
Stock ſtellen und von dem einen Leſer alle edelfaule, von dem Andern alle 
noch geſunden Trauben abgeſchnitten und in beſondern Geſchirren geſammelt 
werden, oder es wird jeder Leſer mit 2 Geſchirren verſehen, um darnach die 
Ausſcheidung vorzunehmen, wobei, wenn an einer Traube ſich nur einzelne 
edelfaule Beere befinden, dieſelben ſorgfältig ausgebeert und zu den übrigen 
edelfaulen Trauben geworfen, auch die abgefallenen und auf dem Boden Tie- 
genden Beere mit feinen Nadeln oder gewöhnlichen Speiſegabeln aufgeſtochen 
und zur geeigneten Sorte gethan werden. Die edelfaulen Trauben geben dann 
die erſte, die übrigen die zweite Sorte Wein. 

Durch ſolche auf einen hohen Grad getriebenen Spätleſen werden zwar 
Weine erzeugt, von welchen das Stückfaß nicht ſelten um 5000 fl. und mehr 
oder der Eimer für 1000 — 1400 fl. verwerthet wird, es geht aber ſtets ein 
ziemlicher Theil der Quantität an Wein, hie und da bis zu 7 oder die Hälfte 
verloren, auch treten, beſonders wenn andauernde ungünſtige Witterung er— 
folgt, oft Umſtände ein, welche der Qualität des Weins ſchaden, indem nach 
heftigem Froſt auch die grünen Beerenhäute eine braunrothe Farbe annehmen 
und dadurch von den edelfaulen bei der Ausleſe nicht mehr unterſchieden wer— 
den können, oder die edelfaulen Beere, deren Haut bei dem Uebergang in 
dieſen Zuſtand an einigen Stellen aufreißt, worauf ein kleines Tröpfchen ho— 
nigartigen Saftes austritt, das ſich bei guter Witterung zuckerartig verdickt, 
werden bei regneriſcher Witterung ausgewaſchen, wodurch viel Zuckerſtoff ver— 
loren geht, fo daß der Verluſt hie und da 10—15 Grade nach der Moſtwage 
beträgt. Außerdem gehören, um die verſchiedenen Ausleſen vornehmen zu 
können, größere Flächen von Weinbergen dazu, auf welchen die gleiche Trau— 
bengattung, vorzugsweiſe Rießlinge, gebaut werden, damit von jeder Ausleſe 
eine entſprechende Quantität gewonnen werden kann. Es darf daher von 
jedem, beſonders aber von dem gewöhnlichen Weinbergbeſitzer, bevor er zu 
der Spätleſe übergeht, wohl in Ueberlegung genommen werden, ob überhaupt 
durch die zu erwartende Oualität und den höheren Preis des Weins die grö— 
ßern Koſten der Leſe und der Verluſt an Quantität genügend erſetzt werden 
und ob die Witterungsverhältniſſe des betreffenden Jahrganges von der Art 
ſind, daß die Trauben durch das längere Hängenlaſſen zur vollſtändigen Reife 
gelangen, ſo daß ſie, beſonders durch Froſt und Reifen keinen Schaden mehr 
nehmen, und daß dadurch wirklich ein Verdunſten des Waſſergehalts, wozu 


397 


trockene, womöglich auch warme Witterung gehört, eintritt und der Zweck der 
Spätleſe gehörig erreicht wird. Im andern Falle wird zwar die Leſe der 
Trauben möglichſt lange zu verſchieben und dadurch ein vorzüglich hoher Reife— 
grad derſelben zu erzielen, eine eigentliche Spätleſe aber zu unterlaſſen ſein. 


§. 225. 
f. Die Einrichtung und Art der Leſe. 


Ein Hauptaugenmerk bei der Leſe iſt auf die rechtzeitige Vornahme und 
auf eine ſorgfältige Ausleſe zu richten, es find deßwegen nur erfahrene Per— 
ſonen dazu zu nehmen, und da es eines Theils wegen der gleichzeitigen 
Gährung des Weinmoſtes von beſonderem Werthe iſt, daß die zuſammenge— 
hörigen Trauben ſchnell nacheinander abgeleſen werden, andern Theils, wenn 
ſich die Leſe lange verzögert, im tiefen Spätjahr die zur Leſe günſtige Witte⸗ 
rung nur ſpärlich ſich zeigen wird, iſt es ſehr zweckmäßig, wenn zur Leſe, 
in ſo weit es thunlich iſt, nicht zu wenig, ſondern möglich viel Perſonen ge— 
nommen werden, damit dieſelbe in wenigen Tagen beendigt wird. 

Bei der Ausleſe des weißen und rothen Gewächſes, ſo wie bei der Spät— 
leſe iſt es am angemeſſenſten, wenn man zuerſt eine Gattung ableſen läßt und 
dann erſt zur andern übergeht; ebenſo iſt es auch bei der Spätleſe mit der 
Ausleſe der roſinenartigen Trauben und Beere, ſo wie der edelfaulen zu hal— 
ten, wozu hauptſächlich nur ganz erfahrene und intelligente Leſer zu verwen— 
den ſind. 

Das Gleiche iſt zu beobachten, wenn die Trauben einen verſchiedenen 
Reifegrad erreicht haben (8.222), indem hier durch eine mehrmalige Durchleſe 
der Weinberge die reifſten Trauben von den weniger reifen und dieſe von 
den unreifen getrennt, und die erſtern dadurch vor Fäulniß bewahrt, die letz— 
tern aber durch längeres Hängenlaſſen zur möglichſten Reife gebracht werden 
ſollen, daher man ſich von einer ſolchen mehrmaligen Durchleſe durch die etwa 
entſtehenden größeren Koſten nicht abhalten laſſen ſollte, denn mit Recht ſagte 
Schams, der berühmte ungariſche Oenologe bei der Verſammlung der deut— 
ſchen Naturforſcher zu Freiburg: 

„Nie ſind die Trauben aller Rebſorten und nie ſind alle Trauben der— 
„ſelben Rebſorte und derſelben Rebe gleich leſereif, der größere Aufwand bei 
„der mehrmaligen Leſe der gleich reifen Trauben bezahlt ſich daher mit Wu— 
„cherzinſen durch beſſere Weine.“ 

Wird bei mehr gleichen Traubengattungen und bei mehr gleicher Reife 
derſelben nur auf die Ausleſe und auf die Ausſcheidung der guten und gerin— 
geren oder beſchädigten Trauben (§. 223), oder bei der Spätleſe nur auf die 
Ausscheidung der edelfaulen und der gefunden Trauben (§. 224) geſehen, fo 


=: 


53-89) 
308 


iſt es am zweckmäßigſten, wenn N eſer mit zwei Geſchirren verſehen und 
angehalten wird, in das eine die guten, in das andere die minder guten oder 
geringen Trauben zu werfen, 01 wobei nicht nur darauf zu ſehen wäre, daß 
die Geſchirre nicht verwechſelt, ſondern daß auch jede einzelne abgeſchnittene 
Traube geprüft, und wenn der Reifegrad derſelben verſchieden iſt oder be⸗ 
ſchädigte Beere an derſelben ſich befinden, die einzelnen Beere ſorgfältig aus⸗ 
gepflückt und, je nach ihrer Beſchaffenheit, in das betreffende Geſchirr gewor⸗ 
fen werden. Man kann zwar auch hier zuerſt das Gute ableſen und das Ge⸗ 
ringere oder Schlechte hängen laſſen und ſpäter abſchneiden, da jedoch viele 
Trauben nur theilweiſe beſchädiget, unreif oder angefault ſind, ſo muß bei 
einer ſolchen Leſe, weil man dabei nur ganze Trauben ſortiren kann, das 
Ausbeeren der einzelnen unterlaſſen werden, wodurch entweder manche geringe 
Traubentheile zum Guten kommen und dieſes verſchlechtern, oder einzelne gute 
Traubentheile müſſen unnöthigerweiſe zum Schlechten genommen werden, wo⸗ 
durch die pünktliche und ſorgfältige Ausleſe wenigſtens theilweiſe verloren geht. 

Eine beſondere Aufmerkſamkeit iſt auch dem Traubeneſſen der Leſer zu 
widmen, denn da von dieſen in der Regel nur die edelſten und reifſten Trau⸗ 
ben gegeſſen werden und manche derſelben ſich dabei ſehr unmäßig benehmen, 
ſo kommen beſonders bei einer ſorgfältigen Sortirung eine große Zahl der 
beſſeren Trauben ſtatt in das Leſegeſchirr in den Magen der Leſer, wodurch 
dem Weinbergbeſitzer kein unbeträchtlicher Schaden zugefügt wird, es iſt da⸗ 
her in ſolchen Fällen ſehr angemeſſen, wenn man den Leſern unter Androhung 
augenblicklicher Entfernung aus dem Weinberge und Verkürzung des Lohns 
das Traubeneſſen ganz unterſagt, ihnen dagegen eine angemeſſene Lohnerhö⸗ 
hung zuſichert. 

Das Abſchneiden der Trauben geſchieht entweder mit dem Rebmeſſer 
(Hape §. 139) oder mit der Traubenſcheere, die einer gewöhnlichen Scheere 
ähnlich, hinten aber mit einer Feder verſehen iſt, damit ſie ſich ſelbſt auf⸗ 
drückt. Mit der Scheere geht das Geſchäft weit leichter und ſchneller von 
ſtatten, auch kann man mit derſelben den Trauben beſſer beikommen, und der 
Stock erleidet durch das Abſchneiden keine Erſchütterung, wie bei dem Reb⸗ 
meſſer, wobei öfters die edelſten Beere abfallen, daher, namentlich bei der 
Spätleſe, überall nur ſcharfe Scheeren angewendet werden dürfen. 

Während der Leſe muß für möglichſte Reinlichkeit der Leſegeräthſchaften 
(Kübeln, Butten, Kufen, Fäſſer) geſorgt werden, da der in denſelben etwa be⸗ 
findliche Unrath, Erde, Laub, faule Beeren ꝛc. auf den guten Geſchmack des 
Weins leicht einen übeln Einfluß ausüben kann, zu welchem Behuf dieſelben 
jeden Tag vor der Leſe zu reinigen ſind. 

Außerdem iſt bei derſelben darauf zu fehen, daß die Stöcke bei dem Auf⸗ 
ſuchen der innerhalb derſelben befindlichen Trauben nicht zerriſſen, und die 


Bögen und Ruthen bei dem Aufſchneiden von Stroh und Weiden, behufs der 
Herausnahme der eingebundenen Trauben, nicht verletzt werden, auch ſind die 
Leſekübel nicht auf die Schenkel und nicht unter die Stöcke zu ſtellen, damit 
erſtere nicht abgebrochen werden, und, wenn die Leſe ſchon Morgens früh be— 
ginnt, nicht auch noch der Than von den Blättern oder der früher gefallene 
Regen in dieſelben kommt, was, wie bereits angeführt (S. 223), auf die Qua⸗ 
lität des Weins einen ſehr nachtheiligen Einfluß hätte. 

Nur in Jahren, wo ein ſaurer Wein zu erwarten iſt, könnte das Leſen 
bei feuchter Witterung und bei ſtarkem Thau, mithin überhaupt die Zugabe 
von Waſſer, auf die theilweiſe Entſäurung des Weins einwirken. 


2. Das Zerdrücken der Tranbenbeere. 


§. 226. 


Das Zerdrücken der Traubenbeere hat den Zweck, den in den Beeren 
enthaltenen Saft in eine flüſſige Maſſe zu bringen und dadurch den Einwir⸗ 
kungen der Luft auszuſetzen, damit er in Gährung übergeht und ſein Zucker⸗ 
ſtoff ſich in Alkohol, der ganze Saft aber in Wein verwandelt. 

Die einzelnen Beſtandtheile der Traubenbeere (Zucker, Waſſer, Gerbſtoff) 
ſind nämlich in derſelben nicht gemiſcht, ſondern beſonders der Zucker und 
die gährungserregenden Subſtanzen in beſondern Abtheilungen vorhanden, da⸗ 
her, ſo lange die Beere ganz und der Saft derſelben unvermiſcht bleibt, keine 
weingeiſtige Gährung eintreten wird, wohl aber kann der in der Beere ent- 
haltene Zucker, wenn die Beere ungewöhnlich erwärmt wird oder ſich ſelbſt 
erhitzt, durch einen beſondern Gährungsakt in Eſſigſäure fich verwandeln. Das 
mit nun der Uebergang des Traubenſaftes in Wein ohne Störung geſchehen 
kann, ſo muß bei dem Zerdrücken der Beere hauptſächlich darauf geſehen 
werden, daß daſſelbe gleichförmig erfolgt, und alle Beere zerdrückt werden, ſo 
daß das Ganze eine gleiche ſaftige Maſſe, die Trebermaſſe, bildet. 

Das vollſtändige Zerdrücken der Beere hat auf die regelmäßige und gleich- 
förmige Gährung und die ſpätere Klärung des Weins einen weſentlichen Ein— 
fluß, während durch ein unvollſtändiges Zerdrücken, wenn der Weinmoſt an 
den Trebern ganz oder theilweiſe vergährt, die Gährung dadurch geſtört wird, 
daß manche Beere nicht zerdrückt werden, fo daß der innerhalb derſelben be⸗ 
findliche Saft ſüß bleibt oder in Säure übergeht und erſt bei dem Abkeltern 
der Treber ausgedrückt und zu dem übrigen bereits in Gährung befindlichen 
Saft kommt, wodurch, wenn viele ſolcher Beere vorhanden ſind, eine ungleiche 
und unvollſtändige Gährung eintritt, ſo daß manche trübe und molzige Theile 
in dem Weine zurückbleiben, die deſſen ſpäteres Trüb- und Schwer⸗(Rahn⸗) 
oder Sauerwerden oder andere Krankheiten herbeiführen. Werden die Treber 


360 


ſogleich nach dem Zerdrücken auf die Kelter gebracht, wie dieſes in einigen 
Weinbaugegenden Württembergs der Fall iſt, jo iſt das unvollſtändige Zer- 
drücken mit wenigen oder keinen Nachtheilen verbunden. 

Das Zerdrücken der Traubenbeere erfolgt auf verſchiedene Weiſe und 
theilt ſich zunächſt ab in das Zerdrücken mit den Kämmen und ohne die Kämme. 
Im Allgemeinen iſt jedoch dabei zu bemerken, daß daſſelbe, wie das Leſen, 
mit möglichſter Reinlichkeit geſchehen muß, weil jeder unreine Zuſatz dem Wein 
und beſonders dem edlen einen unangenehmen Beigeſchmack geben oder auf 
deſſen Feinheit einen nachtheiligen Einfluß ausüben könnte. i 


a. Das Zerdrücken mit den Kämmen 


erfolgt, wenn man die abgeſchnittenen Trauben ſogleich auf die Preſſe (Kelter) 
bringt und ſie dort ausdrückt. Es geſchieht dieſes hauptſächlich bei den zur 
Fabrikation mouſſirender Weine beſtimmten Trauben, wobei jedoch kein ſtarkes 
Ausdrücken ſtattfinden darf, damit das Molzige des Saftes in der Beerenhaut 
zurückbleibt und beſonders bei den zu mouſſirenden Weinen zu verwendenden 
blauen Trauben (Clevner) die Farbe der Häute nicht mit ausgedrückt wird, ſo 
daß die Treber nachher entweder noch zur Färbung von anderem Wein, oder 
durch Uebergießung mit geringerem Moſt noch zur Verbeſſerung deſſelben oder 
durch Uebergießung mit reinem oder Zuckerwaſſer noch zu einem guten Nach- 
wein verwendet werden können. 

Hie und da werden die Trauben auch bei der gewöhnlichen Weinerzeu⸗ 
gung unmittelbar auf die Kelter zum Ausdrücken gebracht, um entweder einen 
möglichſt feinen, reinen und bald trinkbaren oder einen beſſeren Wein zu er- 
zeugen, weil dadurch der molzige, ſchleimartige und wenig ausgereifte Saft, 
wenigſtens theilweiſe in den Beerenhäuten zurückbleibt, wodurch ein milderer 
und angenehmerer Wein erzielt wird, als wenn die Trauben zuvor zertreten 
oder zerſtampft werden, daher eine ſolche Kelterung beſonders in geringen 
Weinjahren, wo überhaupt das Auspreſſen nicht zu ſtark erfolgen ſollte, ſehr 
angemeſſen erſcheint. 

Die gewöhnliche Art des Zerdrückens der Trauben mit den Kämmen er⸗ 
folgt jedoch dadurch, daß man die abgeleſenen Trauben, je ein Butten oder 
Korb voll nach dem andern, in einen kleinen Zuber (Tretzuber) ausleert, der 
auf einem hölzernen Geſtell und auf einem größeren Zuber (Bergzuber) oder 
auf einer Kufe (Bütte) ſteht, im Boden mit vielen runden Löchern verſehen 
iſt und in dem dann die Trauben von einem Buben mit bloſen oder beſchuh— 
ten Füßen oder mit einem hölzernen Stämpfel zertreten oder zerſtoßen werden, 
von wo aus der Saft in den unten ſtehenden Zuber oder in die Kufe lauft, 
die zurückgebliebenen Treber aber durch ein beſonderes, in dem Boden des 
Tretzubers angebrachtes Thürchen gleichfalls in die Kufe geleert werden, wie 


361 


dieſes in vielen und beſonders auch in den meiſteu württembergiſchen Wein— 
baubez irken eingeführt iſt. 

Eine ſolche Behandlungsweiſe iſt jedoch mit dem Nachtheile verbunden, 
daß, wenn man dabei nicht mit aller Sorgfalt zu Werke geht, doch nicht alle 
Beere zerdrückt werden, beſonders aber, daß mit dem Zertreten oder 
Zerſtampfen der Beere auch ein Theil der Kämme und Kerne 
zerdrückt und dadurch der herbe und ſaure Saft der erſtern mit dem Trau— 
benfafte gemiſcht und der ölige Geſchmack der letztern dem Weine mitgetheilt 
wird, was beſonders in geringen Weinjahren, wo die Kämme noch grün und 
ſaftreich ſind, der Qualität des Weins zuverläßig ſehr ſchadet, wogegen dieſes 
in guten Weinjahren, wo die Kämme, beſonders bei der Spätleſe, meiſtens 
dürr und wenig oder keinen Saft haben, weniger der Fall iſt, vielmehr kann, 
weil die Kämme auch viel Gerbſtoff beſitzen, durch Belaſſung des Trauben— 
ſaftes an den Kämmen, demſelben, beſonders bei ſehr zuckerreifen Trauben, 
die, wenig Gerbſtoff beſitzen, die erforderliche Menge von den Kämmen mit 
getheilt werden, was auf einen regelmäßigen Verlauf der Gährung von gutem 
Erfolge ſein dürfte, auf der andern Seite aber auch mit einigem Verluſt von 
Saft verbunden ſein wird, den die dürren Kämme einſchlucken. Außerdem 
gehört aber das Zertreten mit den Füßen nicht zu den reinlichſten Arbeiten, 
beſonders wenn der Treter, wie es häufig der Fall iſt, den Tretzuber hie und 
da verläßt, und, ohne die Schuhe oder Füße zu reinigen, ſpäter wieder in den 
Zuber ſteigt, wodurch dem Moſte manche fremde, zum Theil ſchädliche Sub— 
ſtanzen beigemiſcht werden, die ſpäter dem reinen Geſchmacke des Weins noth- 
wendig ſchaden müſſen. Jedenfalls ſollte aber das Zertreten nicht mit nägel— 
beſchlagenen Schuhen oder Stiefeln, ſondern eher mit Holzſchuhen geſchehen, 
weil ſonſt dadurch Kämme und Kerne ſtärker zerdrückt werden und der im 
Traubenſafte enthaltene Weinſtein gerne die Nägel angreift und nach und nach 
dem Weine Stoffe mittheilt, wodurch dieſer einen mehr oder weniger zu— 
ſammenziehenden Geſchmack erhalten kann. 

Die zweckmäßigſte und zugleich reinlichſte Einrichtung zum Zerdrücken der 
Traubenbeere iſt die Traubenmühle, ſie beſteht in einem viereckigen Trichter, 
oben weit und unten mit einer ſchmalen nur etwa 2—3 Zoll weiten länglichen 
Oeffnung, unter der zwei hölzerne oder eiſerne gegen einander laufende Walzen 
etwa 2 Fuß 6 Zoll lang und 6 Zoll ſtark angebracht find, die durch ein Hand— 
getriebe in Bewegung geſetzt werden und auf welche die in den Trichter ein— 
geleerten Trauben fallen und durch das Umdrehen der Walzen mittelſt einer 
Kurbel von dieſen zerdrückt und ſofort als Treber in den unter der Mühle 
befindlichen Zuber fallen, wobei es ſehr zweckmäßig iſt, wenn die Walzen 
gleichlaufend oder etwas gewunden gerippt oder zur Hälfte mit Weißblech in 
der Art beſchlagen ſind, daß das Blech der einen Walze der Holzſeite der 


* 


362 


andern Walze gegenüber ſteht, und wobei das Blech, wie bei einem Reibeiſen 
4 Linien weit ausgeſchlagen ſein muß, damit dadurch die Trauben von den 
Walzen ſchneller gefaßt werden, auch müſſen dieſelben eine Vorrichtung haben, 
damit ſie je nach der Größe der Trauben enger oder weiter geſtellt werden 
können und dadurch zwar das Zerdrücken der Beere, aber möglichſt wenig 
dasjenige der Kämme und Kerne bewirkt wird. Dieſes Zerdrücken geht hier 
am leichteſten und ſchnellſten vor ſich, indem die ganze Maſchine durch einen 
Mann in Bewegung geſetzt werden kann und in einigen Minuten ein ganzer 
Butten mit Trauben zerdrückt iſt. 

Eiſerne Walzen ſind übrigens weniger zweckmäßig als hölzerne, weil das 
Eiſen, wie bereits erwähnt, dem Weine einen unangenehmen Geſchmack geben 
kann und daſſelbe den weißen Weinen gerne eine graue unſcheinbare Eiſen⸗ 
farbe mittheilt. 

Hölzerne Walzen nützen ſich dagegen, wenn ſie nicht von ſehr hartem 
Holze gefertigt ſind, bald ab. Werden dieſelben aber ſtatt gerippt, mit weißem 
Eiſenblech beſchlagen, und letzteres zuvor wie ein Reibeiſen durchlöchert, ſo ſind 
ſie lange haltbar, ohne durch den Gebrauch Schaden zu nehmen. 


8. 227. 


b. Das Zerdrücken ohne Kämme. 


Bei dem Zerdrücken der Trauben ohne Kämme müſſen die Beere zuvor 
von den letztern geſondert, d. h. die Trauben müſſen abgebeert (gerappt) wer⸗ 
den. Dieſes Abbeeren (Abrappen) kann auf verſchiedene Art, nämlich mit der 
Hand oder auf mechaniſche Weiſe geſchehen, und iſt neuerlich hauptſächlich in 
verſchiedenen Weinbaugegenden Württembergs eingeführt. Das Abbeeren ge— 
ſchieht jedoch nicht dadurch, daß man die Beere von den einzelnen Trauben 
abpflückt, ſondern die Trauben werden auf ein großes Sieb von Holz oder 
Draht geworfen und dort ſo lange umgerührt (geraſpelt), bis ſich die reifen 
Beere von den Kämmen getrennt und durch die Oeffnungen des Siebes ge⸗ 
fallen find, fo daß eben nur noch die Kämme mit den daran hängenden un⸗ 
reifen Beeren zurückbleiben. Dieſes Sieb nennt man daher in der Regel das 
Raſpelſieb und das Abbeeren häufig Abraſpeln. 

Sind die Beere von den Kämmen getrennt, ſo muß dann erſt für das 
Zerdrücken derſelben geſorgt werden, was wieder auf verſchiedene, häufig auf 
mechanische Weiſe durch eine mit der Raſpel in Verbindung ſtehende Vorrich- 
tung geſchehen kann: 

Die bis jetzt bekannten Raſpeln haben folgende Einrichtungen: 

1. Die einfache Raſpel, die in einem gleichſeitigen oder etwas länglichen 
Viereck beſteht, das auf dem Boden eine Fläche von 3 Fuß bis 3 Fuß 3 Zoll 


393 
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darſtellt, mit eichenen kantigen Stäben, die ſo in einander gefügt ſind, daß 
ſich zwiſchen denſelben kleine Oeffnungen ergeben, die im Viereck eine Weite 
von 8—10 Linien haben und dadurch eine Art Gitter oder Sieb bilden. 
Dieſer Boden hat eine Einfaſſung von ſchief anſtehenden tannenen Brettern, 
Zoll 3 Linien hoch und oben auf allen Seiten 3 Fuß 6 Zoll weit, oder 
auf zwei Seiten etwas länger als breit, in welche die einzelnen Stäbe einge— 
laſſen und durch beſondere Leiſten befeſtigt find. 

Eine ſolche Raſpel wird auf einen Weinbergzuber (Bergzuber) geſtellt, 
jeder Butte mit Trauben in dieſelbe geleert und die letzteren mit den Händen 
ſo lange leicht umgeſchafft und umgerührt, bis ſich die zeitigen Beere abgelöst 
haben, die dann durch die erwähnten Oeffnungen in den unter der Raſpel 
befindlichen Zuber fallen. Die Kämme, an welchen beim Abbeeren doch etwas 
Saft hängen bleibt (an den Zapfen der Beere), mit den an denſelben befind- 
lichen unreifen Beeren, kommen in einen nebenſtehenden Zuber, und werden 
beſonders zerdrückt und gekeltert, woraus dann der ſogenannte Kammwein er⸗ 
zeugt wird. Die guten Beere aber werden, wenn der Raſpelzuber gehörig 
angefüllt iſt, mit einem Schöpfkübel wieder eingefaßt und nach und nach in 
den auf der großen Kufe oder auf einem dritten Zuber ſtehenden Tretzuber 
gefüllt, wo ſie entweder mit beſchuhten Füßen zertreten oder mit einem Stämp⸗ 
fel zerdrückt werden. 

Statt der eichenen Stäbe kann man das Junere der Raſpel auch mit 
Draht in der angegebenen Weite oder auch etwas enger ausflechten, es iſt 
jedoch damit der Nachtheil verbunden, daß ſich die Trauben auf dem Draht⸗ 
gitter nicht ſo leicht abbeeren, wie auf den kantigen Stäben, daher mehr Zeit 
zum Raſpeln erforderlich iſt, und daß, beſonders bei weißen Trauben, dieſelbe 
leicht eine graue Farbe oder einen Eiſengeſchmack annehmen. 

Werden die Oeffnungen zwiſchen den einzelnen Stäben ſo enge gemacht, 
daß beſonders große Traubenbeere nicht durchfallen, fo kann mit dem Abbee⸗ 
ren auch das Zerdrücken der Beere verbunden werden, was jedoch mit den 
Händen geſchehen müßte, und nicht nur ſehr mühſam und aufhaltend wäre, 
ſondern es würde auch von dem Safte, dem Fleiſch und den Häuten Vieles 
an den Kämmen hängen bleiben und dadurch die Quantität des guten Beere— 
weins vermindert, dagegen diejenige des geringeren Kammweines vermehrt 
werden. Man kann auch die abgeraſpelten Traubenbeere unzerdrückt auf die 
Preſſe bringen, es muß dieſes aber ſogleich nach dem Abbeeren geſchehen, weil 
ſonſt die Beere durch das Aufeinanderliegen ſich erwärmen und der in den⸗ 
ſelben befindliche Zucker durch die innere Gährung leicht in Eſſigſäure über⸗ 
geht, auch können die Beere unzerdrückt, wie bei dem Keltern ganzer Trauben, 
nicht ſo rein ausgedrückt werden, wodurch ein Verluſt an Quantität eintritt. 

2. Die doppelte Raſpel hat zwei Abtheilungen, nämlich oben die ſo eben 


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beſchriebene einfache Raſpel und unter derſelben eine zweite, ſiebartige Ein⸗ 
richtung gleich einem Tretzuber, deren Boden mit Hohlkehlen ¼ Zoll tief 
und ½ Zoll weit verſehen iſt, ſo daß ſich zwiſchen zwei Hohlkehlen ein Rand 
von ¼ Zoll Breite bildet. In jeder Hohlkehle werden 1½ Zoll ſentfernt, 
Löcher eingebohrt, die im Innern des Siebs ½ Zoll weit ſind, auf der un⸗ 
tern Fläche des Bodens aber weiter, trichterförmig und ſo gebohrt werden 
müſſen, daß der Durchmeſſer des Trichters gegen den innern Theil des Siebs 
wieder abnimmt, damit die Beerenhäute und Kerne, die ſich in die Löcher 
ſtopfen, leichter durchfallen und bei einem ſpäter etwa nothwendig werdenden 
friſchen Durchſtoßen der Hohlkehlen, die Löcher im Innern nicht zu weit 
werden. 

Die Nebenwanduugen dieſer zweiten Abtheilung ſtehen, wie diejenigen der 
erſten Abtheilung, gleichfalls etwas ſchief, oben etwas weiter als unten am 
Boden und haben eine Höhe von 1 Fuß, die von oben herab einige Zoll lang 
zu 45 Zoll abgeplattet werden, jo daß dadurch ein Abſatz gebildet wird, auf 
den die obere Abtheilung gelegt wird, und, ſowie man in der zweiten Abthei— 
lung arbeitet, hinweggenommen werden kann, wobei die Wand, an der der 
Arbeiter ſteht, im Mittel etwa 2 Zoll tief auszuſchweifen iſt, um dem Arbeiter 
das Geſchäft zu erleichtern. Einfacher iſt es aber, wenn beide Abtheilungen 
zuſammenhängend angefertigt werden, mit einer Seitenwand von 12 Zoll Höhe, 
in der Länge von 3 Fuß 7 Zoll und in der Breite 3 Fuß 5 Zoll, unten am 
Boden der zweiten Abtheilung aber 3 Fuß weit. In der Mitte der längern 
Seitenwand 6 Zoll hoch wird dann das Gitter der erſten Abtheilung ohne 
Seitenwand, aber mit Seitenrahmen an Charnierbändern befeſtigt und auf 
der entgegengeſetzten Seite auf einer in gleicher Höhe angebrachten Leiſte auf- 
gelegt. Auf dieſes Gitter werden die Trauben geleert und abgeraſpelt, wor— 
auf die Beere in die zweite Abtheilung fallen, und auf dieſer von dem Kafp- 
ler mit einem 10—12 Zoll langen, 4—5 Zoll breiten und 2 Zoll hohen 
Reibholze zerdrückt werden, das oben auf beiden Seiten der Länge mit höl— 
zernen nach der Breite gerichteten Handgriffen verſehen iſt, die rund gewölbt, 
4 Zoll hoch, abgerundet und etwas dick ſein müſſen. Auf der untern Seite 
des Reibholzes werden der Länge nach Ya Zoll ſtarke Hohlkehlen gezogen und 
zwiſchen zwei derſelben ein Rand von ½ Zoll gelaſſen. Die obere bewegliche 
Abtheilung muß ſo eingerichtet ſein, daß das Gitter nach Beſeitigung der 
Kämme, bequem aufgeſchlagen werden kann, der untere Reibboden aber hat 
wie der Tretzuber, ein Thürchen, das hinweggenommen oder aufgeſchlagen 
wird, und durch das die zerdrückten Traubenbeere (Treber) ohne beſondere 
Mühe in den darunter befindlichen Zuber geſchafft werden. Die doppelte 
Raſpel koſtet zwar etwas mehr als die einfache, gewährt aber gegen dieſe den 
Vortheil, daß dabei das Ueberſchöpfen der gebeerten Trauben zum Zerdrücken 


365 


— 


oder Treten und weitere Geſchirre erſpart wird, ſowie daß durch die Hand— 
arbeit das Zerdrücken der Beere, woran viel gelegen iſt, ſorgfältiger geſchehen 
kann. 

3. Die Walzenraſpel hat oben eine ähnliche einfache Handraſpel, wie 
unter 1. beſchrieben wurde, unter der ſich ein viereckiger, trichterförmiger Kaſten 
befindet, in den die Traubenbeere beim Raſpeln fallen, und der unten eine 
ſchmale längliche Oeffnung hat, unter der zwei hölzerne oder eiſerne Walzen, 
wie bei den Traubenmühlen (S. 226), angebracht find, zwiſchen welchen die 
darauf fallenden Beere zerdrückt werden, und die je nach der Größe der Beere, 
enger oder weiter geſtellt werden können. 


8 28 

Zu den mechaniſchen Raſpeln gehören: 

4. Die Reibmaſchine, die namentlich in der Gegend von Eßlingen, Un— 
tertürkheim und Cannſtatt im Gebrauch iſt. Sie beſteht aus zwei Theilen, 
nemlich aus dem obern Kaſten, in den die Trauben eingefüllt, und dem Reib— 
kaſten, in dem dieſelben abgebeert und zerdrückt werden. Der erſtere Theil 
bildet einen viereckigen Kaſten von 2½/2—3 Fuß Weite und einer angemeſſenen 
Höhe, ſo daß er einen Butten mit Trauben gut faſſen kann. Derſelbe iſt 
unten etwas enger und mit einer Drehfalle verſehen, durch die man die Trau— 
ben in beliebiger Quantität in den Reibkaſten fallen laſſen kann. Der letz 
tere iſt halb kreisförmig mit zwei Seitenſtücken verſehen, in welche eichene 
platte oder etwas gerippte Stäbe eingelaſſen find, die 4—6 Linien von einan⸗ 
der ſtehen und einen Roſt bilden, ſo daß zwiſchen denſelben die abgelösten 
und zerdrückten Beere in die Kufe fallen können. Oben in dieſem Kaſten iſt 
ein Wellbaum mit Hebel angebracht, der in der Mitte eingeſetzt iſt, und an 
dem ſich im Innern des Kaſtens ein Flügel befindet, der einige Zoll breit, 
oben ſo lang als der Boden des Kaſtens und unten mit Rippen verſehen 
(ausgekehlt) iſt, und nur ſo weit von dem Boden des Kaſtens entfernt ſein 
darf, (je nach der Größe der Trauben 6—10—15 Linien), daß die Trauben 
durch das Hin⸗ und Herbewegen des Flügels mittelſt eines außerhalb des 
Kaſtens befindlichen Handgriffs abgebeert und zerdrückt werden, wobei die ein- 
fache Mechanik ſo eingerichtet iſt, daß der Flügel hoch oder nieder geſtellt 
werden kann. Auf der andern Seite des Kaſtens befindet ſich ein Thürchen, 
das, wenn ein Butten Trauben abgebeert iſt, geöffnet wird, um die zurückge— 
bliebenen Kämme mit einem kleinen Rechen herauszuſchaffen und in einen be⸗ 
ſondern nebenſtehenden Zuber zu werfen. 

Die ganze Maſchine ruht auf einem einfachen Geſtelle von 4 Rahm⸗ 
ſchenkeln und 4 Pfoſten, an den obern beiden kürzern Rahmſchenkeln wird der 
obere und untere Kaſten befeſtigt, mit den untern längeren wird die Maſchine 


366 


auf die Kufe oder den Zuber geſtellt, in den die zerdrückten Traubenbeere 
fallen. Die obern und untern Rahmſchenkel werden durch die 4 Pfoſten ver⸗ 
bunden, die in dieſelben eingelaſſen ſind. 

Durch dieſe Reibmaſchine werden zwar die Beere von den Kämmen ab⸗ 
gebeert und zerdrückt, dieſes geſchieht aber ſowohl bei den reifen als unreifen, 
wodurch der eigentliche Zweck des Beerens, die unreifen Beere von den reifen 
zu trennen, verfehlt wird, auch bleiben viel Beerenhäute und Saft an den 
Kämmen hängen, der für die beſſere Qualität verloren geht. Außerdem wer⸗ 
den durch das längere Hin- und Herreiben der Kämme dieſelben noch mehr 
gedrückt und verkleinert als durch das Treten derſelben, was beſonders bei 
Trauben von geringerem Reifegrad für die Qualität des Weins ſehr nach⸗ 
theilig iſt, auch iſt das Geſchäft an und vor ſich ſehr mühſam und fchwerfül> 
lig und iſt im Allgemeinen nicht zu empfehlen. 

Man hat deßwegen dieſe N ann: neuerlich dadurch verbeſſert, daß 
der obere Kaſten etwas niederer und weiter gemacht, die Falle ausgehoben 
und auf denſelben ein der einfachen Raſpel ähnliches Gitter aufgeſetzt wurde, 
wodurch dieſelbe, da nun das Abbeeren der Trauben vor dem Zerdrücken der 
Beere erfolgt, allerdings weit zweckmäßiger eingerichtet ift und mit der hie⸗ 
nach RN Reibraſpel Aehnlichkeit hat. 

5. Die Walzenreibraſpel iſt durch eine Zuſammenſetzung der Walzeuraſ⸗ 
pel und der Reibmaſchine entſtanden und von einem Waguermeiſter Gottlieb 
Neff in Fellbach bei Cannſtadt erfunden worden. Der Oberbau beſteht, wie 
bei der Walzenraſpel (sub 3), jedoch ohne Gitter, in einem trichterförmigen 

Kaſten, in den die Trauben geleert werden und von dort ſammt den Kämmen 
auf zwei darunter befindliche Walzen von ca. 5 Zoll Durchmeſſer fallen, welche 
die ganzen Trauben hineinziehen und, ob zeitig oder unzeitig, hart oder weich 
zerquetſchen. Dieſe Walzen, welche je nach der Größe der Trauben enger 
oder weiter geſtellt werden können, werden un ein auf der Seite des Ka⸗ 
ſtens befindliches Getriebe in Bewegung geſetzt, mit einer Kurbel die in ein 
größeres, eiſernes Rad (Ueberſetzung) eingreift, durch das die Walzen getrie⸗ 
ben werden. Der Unterbau der mit dem Oberbau in zuſammenhängender 
Verbindung ſteht, beſteht in der halbkreisförmigen Reibmaſchine (sub 4), auf 
welche die zerquetſchten Trauben fallen und dort durch zwei unten mit Quer⸗ 
leiſten verſehene Arme (Flügel) von den Kämmen abgerieben und ſofort in den 
darunter befindlichen Zuber fallen. Die beiden Arme ſtehen mit dem Getriebe 
der Walzen in Verbindung und werden durch dieſes in Bewegung geſetzt, die 
abgebeerten Kämme aber werden, wie bei 4. durch ein am Roſte angebrachtes 
Thürchen heraus genommen. 

6. Die Reibraſpel, eine mit Patent geſicherte Erfindung des Wagnermei⸗ 
ſters Holoch in Stuttgart, unterſcheidet ſich von der Reibmaſchine dadurch, 


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daß hier die Trauben zuerſt abgeraſpelt (abgebeert) und dann erſt durch die 
Reiber zerdrückt werden, während bei letzterer gerade die umgekehrte Behand— 
lung ſtattfindet. 

Dieſe Reibraſpel beſteht gleichfalls aus zwei Theilen, nämlich aus einem 
länglichen Kaſten von 3½¼ Fuß Länge und 2 Fuß Breite, der hinten einen 
feſten Bretterboden von 10—12 Zoll Breite hat, vornen aber, anſtatt deſſel— 
ben, mit einem Raſpelgitter verſehen iſt. Auf dem hintern Boden werden die 
Trauben gebeert, er iſt abhängig mit einem Fall von 3 Zoll gegen das vor— 
dere Gitter, ſo daß die Trauben bequem auf das Letztere zum Abraſpeln ge— 
zogen werden können. In der Mitte des Kaſtens iſt ein Schild, der eine 
Höhe von 8 Zoll hat und auf jeder Seite zwiſchen zwei Schiebleiſten bis auf 
5 Zoll gegen das Gitter eingelaſſen iſt, ſo daß die Trauben beim Ausleeren 
des Buttens nicht in den vordern Raum des Kaſtens fallen. Vornen haben 
die Wandungen des Kaſtens eine Höhe von 5 Zoll, hinter dem Schild aber 
werden dieſelben, zum Schutze der eingefüllten Trauben, höher, ſo daß die 
Seitenwandungen etwas ausgeſchweift eine Höhe von 12 Zoll, die hintere 
Wand eine ſolche von 10 Zoll erreicht, die ganze Maſchine iſt auf zwei lan⸗ 
gen Rahmſchenkeln mit 2 Querleiſten befeſtiget und iſt mit 4 kleinen Füßen 
verſehen, ſo daß ſie leicht hingetragen und aufgeſtellt werden kann, wo man will. 

Das Abraſpeln erfolgt, ſtatt mit den Händen, mit einem kleinen Rechen, 
der ſo lange iſt, als das Gitter breit und an einer Walze befeſtiget iſt, die 
durch Einſchnitte in der Mitte der Seitenwandungen des Kaſtens mit der 
Hand hin und her bewegt werden kann, zu welchem Behuf der Rechen oben 
einen Handgriff hat. Der untere Theil der Maſchine beſteht in dem bei der 
Reibraſpel beſchriebenen halbkreisförmigen Reibkaſten, in dem ſich zum ſchnelle⸗ 
ren und beſſeren Zerdrücken der Beere zwei Flügel mit Reiber befinden, auch 
ſtehen dieſelben außen an der Maſchine durch eine Kurbel mit dem Rechen ſo 
in Verbindung, daß, wenn der letztere zum Abbeeren der Trauben in Bewe⸗ 
gung geſetzt wird, die beiden Flügel gleichfalls arbeiten und dadurch nie einen 
größeren Vorrath an Beeren anwachſen laſſen. 


8.229. 

Durch das Abbeeren oder Raſpeln der Trauben ſoll in guten Weinjah⸗ 
ren ein möglichſt feiner, in minder günſtigen Weinjahren aber ein guter, an⸗ 
genehmer, jedenfalls nicht ſaurer Wein erzeugt werden. Soll dieſer Zweck 
aber vollſtändig erreicht werden, fo gehört dazu nicht nur ein ſorgfältiges Aus⸗ 
leſen der Trauben während der Leſe, ſondern dieſelben müſſen auch noch wäh— 
rend des Abbeerens auf dem Raſpelſieb einer Muſterung durch die Raſpler 
unterworfen und dabei jede faule, ungeſunde oder unreife Traube oder einzelne 
Beere derſelben entfernt und zu den Kämmen geworfen werden, weil bei der 


368 


Leſe doch hie und da der Fall vorkommen wird, daß aus Unwiſſenheit oder 
Nachläſſigkeit der Leſer ſchlechte Trauben zu der guten Ausleſe kommen; eine 
Hauptſache iſt es daher, daß zu dem Raſpeln ein verſtändiger Mann genom⸗ 
men wird, der die Trauben genau kennt und das Raſpeln verſteht, damit 
während deſſelben, das entweder mit der Hand oder bei ſehr kalter Witterung 
mit einem kleinen, dünnen, kurz abgeſchnittenen Beſen, oder, wie oben bemerkt, 
auf mechaniſche Weiſe geſchehen kann, durch das ſtarke Drücken der Trauben 
nicht auch die unreifen Beere abgebeert werden. . 

Ein weiterer Hauptzweck des Abbeerens oder Raſpelns der Trauben be— 
ſteht darin: 

a. daß die Traubenbeere von den Kämmen befreit werden, damit der 
ſaure und bittere Saft der letztern beim Zertreten oder Zerdrücken der Trau— 
ben ſo wie bei dem Keltern nicht mit dem Traubenſafte gemiſcht wird, und 

b. daß die an den einzelnen Trauben, beſonders in minder günſtigen 
Weinjahren, öfters befindlichen unreifen oder minder reifen Beere möglichſt 
dadurch ausgeſchieden werden, daß ſie bei dem leichten Umrühren mit den 
Händen ꝛc. als feſter ſitzend an den Kämmen hängen bleiben und mit dieſen 
zu dem Kammwein kommen. 

Damit aber all dieſes gehörig erreicht wird, müſſen auch die Raſpeln 
und die damit in Verbindung ſtehende Vorrichtung zum Zerdrücken der Beere 
eine dem Zweck entſprechende Einrichtung haben, was nicht bei allen oben be— 
ſchriebenen Raſpeln der Fall iſt. 4 

Die einfache Raſpel tft die minder koſtſpielige, leicht transportabel, 
kann auf jeden größern Zuber oder Kufe geſtellt werden, und es laſſen ſich 
bei derſelben, wenn damit das Zerdrücken der Beere in dem Tretzuber ver— 
bunden wird, alle Zwecke des Raſpelns leicht und ohne viel Umſtände errei— 
chen, ſie eignet ſich daher beſonders für den kleinen Weinbergbeſitzer und iſt 
auch im untern Neckarthale und in den Seitenthälern deſſelben, wo ein ratio— 
nelles Raſpeln unter dem Weingärtnerſtande am meiſten verbreitet iſt, vielfach 
im Gebrauche. 

Bei der Doppelraſpel kann zwar das Zerdrücken der Beere und das 
Raſpeln nach einander durch eine Perſon und gründlicher beſorgt werden, als 
das Zerdrücken in dem Tretzuber, auch läßt ſich das Zerreiben der Beeren— 
häute bei der Bereitung des Rothweines durch öfteres Hin- und Herſchaffen 
der Trebermaſſe damit verbinden, die Arbeit iſt aber ſehr mühſam und geht 
nicht raſch von ſtatten, daher bei einer größeren Zahl von Leſern immerhin 
zwei Raſpler angeſtellt werden müſſen. Es vereinigt ſich jedoch damit große 
Reinlichkeit, auch iſt deren Anſchaffung, weil damit zugleich die Koſten des 
Tretzubers erſpart werden, nicht theuer und eignet ſich daher beſonders auch 


369 


für den kleineren und mittlern Weinbergbeſitzer, der über die erforderlichen 
Arbeitskräfte verfügen kann. 


Mit der Walzenraſpel geht das Abbeeren und Zerdrücken der Trau— 
benbeere ſchnell und leicht vor ſich, die Beere werden aber von derſelben nur 
gequetſcht und nicht zerrieben, daher beſonders bei der Bereitung rother Weine 
der Farbeſtoff während der Gährung aus den Häuten nicht ſo vollſtändig 
ausgezogen wird, wie beim Zerreiben derſelben. Auch iſt die Raſpel etwas 
ſchwerfällig zum transportiren, ziemlich koſtſpielig und erfordert einen Raſpler, 
der mit der Einrichtung derſelben bekannt iſt und die Walzen gehörig zu ſtel— 
len weiß. Sie dürfte daher beſonders größeren Weinbergsbeſitzern und ſol— 
chen zu empfehlen ſein, die hauptſächlich weiße Weine erzeugen. 


Die verbeſſerte Reibraſpel mit Gitter gehört zu den beſſeren 
Raſpelmaſchinen und hat beſonders den Vorzug, daß durch dieſelbe die Trau— 
benbeere nicht blos zerdrückt, ſondern die Häute, wenn die Flügel und Reiber 
ſehr nieder geſtellt werden, mit etwa 1—3 Linien Zwiſchenraum, auch zerrie— 
ben werden, daher dieſelbe, da hiedurch der Farbſtoff durch die Gährung mehr 
ausgezogen werden kann, zu der Erzeugung von Rothweinen mit beſonderem 
Vortheil benützt werden kann. 


Bei der Walzeuraſpel wird das Abbeeren der Trauben gegenüber 
von den übrigen Raſpeln in umgekehrter Weiſe vorgenommen, d. h. die Trau⸗ 
ben werden mit den Kämmen ohne Rückſicht, ob einzelne Trauben oder Beere 
ganz reif, halbreif oder unreif oder ſonſt ſchadhaft ſind, zuerſt zerdrückt 
und dann in dieſem Zuſtande von den Kämmen abgerieben, der oben ange— 
gebene Zweck des Raſpelns wird daher durch dieſelbe, wie bei der Reibraſpel 
ohne Gitter, in keiner Weiſe erreicht, auch bleibt an den Kämmen viel Saft 
hängen, der durch das Austrocknen derſelben für den Weinbergsbeſitzer größ— 
tentheils verloren geht, und bei der künſtlichen Einrichtung des Getriebes mit 
verſchiedenen Rädern kann an der Maſchine, beſonders bei ungeübten und un⸗ 
geſchickten Arbeitern, leicht etwas zerbrochen werden, das nicht ſchnell wieder 
zu repariren iſt, wodurch, zum großen Schaden des Beſitzers, das ganze Wein⸗ 
bereitungsgeſchäft ins Stocken gerathen kann. Sie hat deßwegen blos den 
Vorzug, daß das Zerdrücken der Trauben und Beere ſehr ſchnell vor ſich 
geht, und daß daher in möglichſt kurzer Zeit ein größeres Quantum Trauben 
vermoſtet werden kann, und nur für den größeren Weinbergbeſitzer in dem 
Falle einen Werth, wenn die Trauben vollkommen reif ſind, und wenn bei 
der Leſe derſelben das Schadhafte und Untaugliche mit Sorgfalt ausgeleſen 
wurde. Im Allgemeinen aber liefert ſie blos den Beweis, zu welchen ver— 
kehrten Anſichten der menſchliche Erfindungsgeiſt ſich verleiten läßt, und da 
dem Erfinder ein Patent ertheilt wurde, wie wenig die Sachverſtändigen, die 

24 


370 


darüker gehört wurden, den eigentlichen Zweck des Raſpelns ins Auge gefaßt 
oder richtig gewürdiget haben. 

Die Reibraſpel hat neben dem, daß mit derſelben alle Einrichtungen 
einer guten Raſpel verbunden ſind, noch den Vorzug, daß bei derſelben das 
Abbeeren nicht mit den Händen, was beſonders bei kalter Witterung mit gro— 
ßer Beſchwerde verbunden iſt und zu einer übereilten nachläſſigen Arbeit 
führt, ſondern mit dem Rechen geſchieht, und daß mit dem Abbeeren zugleich 
das Zerdrücken oder Zerreiben, je nachdem die Reiber geſtellt werden, mit 
leichter Mühe erfolgt, auch die dabei in Anwendung kommende Mechanik ein— 
fach und leicht herzuſtellen iſt, nur dürfen bei der Handhabung des Rechens 
nicht zu viele Trauben auf das Gitter vorgezogen und nicht überſehen werden, 
daß während des Abbeerens mit dem Rechen die etwa noch vorkommenden 
unreifen oder ſonſt beſchädigten Trauben mit der einen Hand ausgeleſen und 
beſeitiget werden müſſen. Sie darf daher mit Recht als beſonders brauchbar 
und zweckmäßig empfohlen werden. 


8. 230. 

Das Raſpelu (Abbeereu, Abrappen) der Trauben kommt in Württemberg 
häufig vor (S. 81), und es ſind deßwegen dort auch die hier beſchriebenen 
Raſpeln hauptſächlich im Gebrauch, auch wird nach deu vielfach gemachten 
Erfahrungen bei den dortigen klimatiſchen und Bodeuverhältniſſen von den ab— 
geraſpelten Trauben ein viel feinerer und nicht ſelten weit geiſtreicherer Wein 
erzeugt, als von den mit den Kämmen gemoſteten Trauben, daher auch der 
ſogenaunte Beerwein gewöhnlich theurer als der andere bezahlt wird. In 
anderen beſonders aber milderen Weinbaugegenden, wie im Rheinthale, iſt das 
Raſpeln der Trauben weniger eingeführt, vielmehr wird demſelben von ein— 
zelnen Weinproduzenten der Vorwurf gemacht, daß der Wein durch daſſelbe 
weniger geiſtreich und weniger haltbar werde, als bei dem Zerdrücken und 
Keltern mit den Kämmen, was in einzelnen Fällen auch begründet ſein mag; 
da jedoch neuerer Zeit der Geſchmack der Wein-Conſumenten ſich mehr den 
jüngern, pikanten Weinen zugewendet hat, ſo dürfte es doch im Intereſſe der 
meiſten Weinproduzenten liegen, dieſem Geſchmacke durch die Erzeugung eines 
bald reifen und angenehmen trinkbaren Weines Rechnung zu tragen, indem die 
mit den Kämmen gekelterten Weine, beſonders wenn ſie zuvor an denſelben 
ganz oder theilweiſe vergohren haben, zwar mehr Haltbarkeit und weniger 
Neigung zum Krankwerden zeigen, dagegen in den erſten Jahren mehr hart 
und rauh und weniger angenehm zum Trinken ſind als die Beerweine. 
Bei der Frage, ob abgebeert werden ſoll oder nicht, hat mau jedenfalls 
auf verſchiedene Umſtände Rückſicht zu nehmen. In minder günſtigen, bejon: 
ders höher oder mehr nördlich liegenden Weinbaugegenden, oder auch in ein- 


— — — 


zelnen ungünſtigen Weinbergslagen, wo die Trauben ſelten zur Ueberreife 
kommen und alſo auch die Kämme noch vielen ſauren, gerbſtoffhaltigen Saft 
enthalten, wird das Abbeeren der Trauben für die Erzeugung eines guten 
Weins ſtets mit Vortheil verbunden und daher regelmäßig anzuwenden ſein. 
Der gleiche Fall wird eintreten in Weinbergslagen mit ſehr kräftigem, triebi— 
gem und etwas kühlem Boden, der ſtarke ſaftreiche Kämme treibt, die nicht 
ſo bald abdorren und dürr werden, mithin dem Weine, wenn ſie an den Tre— 
bern gelaſſen werden, noch viel von ihrem Säuregehalt mittheilen können. 

In milden (niedern und geſchützten) oder mehr ſüdlich gelegenen Wein— 
baugegenden dagegen, wo eine vollkommene Reife der Trauben faſt regelmä— 
ßig und nicht ſelten Ueberreife eintritt, beſonders wenn damit auch noch ein 
magerer Sand» oder Kalkboden verbunden iſt, der keine allzukräftige Vegeta— 
tion aufkommen läßt, wird es, wie bereits bemerkt (S. 226), nicht unzweckmä⸗ 
ßig, vielmehr hie und da mit Nutzen verbunden ſein, wenn in guten Wein— 
jahren die Kämme an den Trauben gelaſſen und mitgekeltert werden, weil, 
wenn die Trauben ſehr reif ſind, auch die Kämme dürr werden und wenig 
Säure, aber immer noch Gerbſtoff beſitzen, den ſie dem Weinmoſte, der je 
mehr er Zuckerſtoff beſitzt, deſto weniger Gerbſtoff hat, mittheilen und dadurch 
zum ſchnelleren und beſſeren Niederſchlagen des Klebers beitragen können, doch 
wird auch hier eine vollſtändige Vergährung an den Trebern zu vermei— 
den ſein. 

In minder günſtigen Weinjahren, wo die Trauben ſich in keinem ganz 
vollkommenen, reifen Zuſtande befinden, wird aber das Raſpeln der Trauben, 
damit der Wein nicht zu viel Säure bekommt, ſtets als Regel aufzuſtellen ſein. 

Eine weitere Rückſicht bei dem Raſpeln der Trauben iſt auf die Gattung 
derſelben zu nehmen, indem namentlich an den rothen Weinen ein gewiſſer 
Gerbſäuregehalt geliebt wird, die demſelben beſonders in milderen und wär— 
meren Gegenden nur durch das Vergähren an den Kämmen in gehöriger 
Menge beigebracht werde, auch ſoll ſich die Farbe und das Bouquet an ſol⸗ 
chen Weinen ſtärker entwickeln, als wenn die Trauben geraſpelt werden. In 
ſolchen Fällen wird daher das Raſpeln der Trauben zu unterlaſſen, dagegen 
eine ſchnelle Gährung derſelben an den Trebern herbeizuführen ſein, weil der 
Wein ſonſt leicht doch einen allzu herben oder unangenehmen, ſogenannten 
Treber -Geſchmack bekommen könnte. Auch bei weißen Traubengattungen, 
welche viel Schleim, bei vollkommener Reife aber nicht viel Säure enthalten, 
werden die Kämme, weil durch dieſelben viele Schleimtheile niedergeſchlagen 
werden, eine gute Wirkung auf die Klärung und ſomit auch auf die Qualität 
des Weins ausüben, doch wird dieſes auch in den meiſten Fällen dadurch er— 
reicht werden können, daß man die gebeerten Trauben an den Trebern ver— 
gähren läßt. 

rare 


Was ſodann noch das Zerdrücken der Traubenbeere anbetrifft, jo muß 
dabei gleichfalls nicht nur nach §. 229 auf die Traubengattung, ſondern auch 
auf die Reife der Trauben Rückſicht genommen werden, indem bei minder rei- 
fen, beſonders weiße Trauben die Beerenhäute, damit der in denſelben be— 
findliche ſaure Saft möglichſt zurückgehalten wird, nicht zerrieben, ſondern die 
Beeren nur zerquetſcht werden dürfen, weßhalb bei den Walz- und Neibma⸗ 
ſchinen die Walzer und Reiber darnach geſtellt werden müſſen. 


§. 231. 


c. Die Behandlung und Aufbewahrung der zerdrückten Traubenbeere. 


Das Treten oder Zerdrücken der Trauben geſchieht entweder bei der 


Kelter, zu welchem Behuf dieſelben in Butten beigetragen, oder in beſonderen 
runden oder ovalen Zübern beigeführt und dann die zerdrückten Treber von 
dem Tretzuber oder der Raſpel ſogleich in die Standkufe (Bütte) geleert wer- 
den, oder das ganze Geſchäft erfolgt auf einem freien Platz in der Nähe der 
Weinberge, wo dann die Treber zunächſt in einen größern Zuber (Bergzuber, 
Berggölte) kommen und von hier in ſogenannten Lad- (Herbit-) Fäſſern 5 
Kelter geführt und dort in die Kufe geleert werden. 

Die Kufen ſowie überhaupt das ſämmtliche Herbſtgeſchirr muß vor dem 
Gebrauche einige Tage gewäſſert und die Reife angetrieben werden, um ver— 
ſichert zu ſein, daß daſſelbe waſſerdicht und nicht rinnig iſt, worauf es durch 
Auswaſchen zum Gebrauch hergerichtet wird. Auch nach dem Herbſt muß 
ſämmtliches Herbſt⸗ und Keltergeſchirr ſorgfältig aus- und abgewaſchen wer⸗ 
den, weil während des Gebrauchs in den Spalten und Poren des Holzes der 
Weinmoſt eindringt, und, wenn er durch Auswaſchen nicht entfernt wird, bald 
in Sauergährung übergeht, wodurch bei dem Einfüllen von Weinmoſt im 
nächſten Herbſt, demſelben leicht ein übler Geſchmack beigebracht werden könnte. 
Sehr zweckmäßig iſt es, wenn Kufen und Züber innerhalb mit guter Oelfarbe 
ſtark angeſtrichen werden, indem dadurch das Eindringen des Weinmoſtes in 
das Holz verhütet und das Reinigen erleichtert wird. 

Um den Wein von der Kufe ablaſſen zu können, muß dieſelbe auf einer 
etwa 2 Fuß vom Boden entfernten Erhöhung ſtehen, wozu man entweder ein 
hölzernes Geſtell (Kreuz) oder ganz ſtarke Hölzer benützt, die quer auf vier 
gleiche Steine gelegt werden. Außerdem muß die Kufe mit einem Zapfloche 
verſehen ſein, das ſich entweder unten im Boden der Kufe, oder unten an 
einer Seitendaube, befindet. Im erſtern Falle erhält das Loch im Innern 
der Kufe einen langen Zapfen, der bis an den Rand der Kufe reicht und von 
Innen gezogen wird, wie an einem Waſchzuber, im zweiten Falle einen kur⸗ 
zen Zapfen von Außen, wie an einem Faſſe. Damit übrigens der Weinmoſt 


rein, ohne Treber, ablaufen kann, muß, um die letzteren zurückzuhalten, vor 
das Zapfloch ein kleines Dornbüſchelchen gelegt werden, das bei einem langen 
Zapfen mittelſt Durchſtechen mit demſelben, bei einem kurzen Zapfen durch 
leichte Belegung mit einigen Steinen am Zapfloch feſt gehalten wird. 

In der Bodenſeegegend iſt das Ablaſſen des Weines von der Kufe vor 
dem Keltern nicht eingeführt, weil man die ganze Trebermaſſe bald möglich auf 
die Kelter zu bringen ſucht und die Kufen keine Vorrichtung zum Ablaſſen ha- 
ben, es wäre jedoch gar nicht unangemeſſen, wenn auch hier Einrichtungen zum 
Ablaſſen des Weins und zum theilweiſen Vergähren an den Trebern getroffen 
würden, weil auf der einen Seite durch das Ablaſſen an den Trebern (Vor— 
laß) ein weit beſſerer Wein erzielt werden könnte, als bei dem Keltern des 
ganzen Quantums mit den Trebern, und auf der andern Seite dem Molzig⸗ 
und Schwerwerden mancher Weine, wie z. B. im Argenthal, durch das Ver— 
gähren an den Trauben begegnet würde. 

Aehnliche Einrichtungen ſollen auch im Rheinthale, beſonders im Rhein⸗ 
gau vorkommen, wo man die Weintreber in kleinen Kufen (Bütten) aufbe⸗ 
wahrt, die häufig von alten durchſchnittenen Stückfäſſern gebildet werden und 
mit guten, ſchließbaren Deckeln verſehen ſind. Die Treber bleiben jedoch in 
denſelben nicht lange ſtehen, ſondern werden läugſtens binnen 12 Stunden 
mit allem Safte auf die Kelter gebracht, wobei vorausgeſetzt werden muß, 
daß faſt jeder Weinbergbeſitzer ſeine eigene Kelter beſitzt. 


3. Das Keltern des Weinmoſtes. 
232 


Auf das Zerdrücken der Trauben folgt das Keltern derſelben oder der 
ſogenannten Weintreber. Unter demſelben verſteht man das Ausdrücken des 
an den Weintrebern befindlichen Traubenſaftes, der dann die Benennung Moft 
(Weinmoſt, ſüßer Wein) erhält. 

Zu dieſem Ausdrücken oder Keltern des Weinmoſtes find verſchiedene Bor- 
richtungen, namentlich Kelterhäuſer und Preſſen, nothwendig, die wieder ſehr 
von einander abweichende Einrichtungen haben und daher einer näheren Be⸗ 
ſchreibung bedürfen. 


a. Die Kelterheſäur. 
Die Kelter⸗(Torkel⸗) Häuſer und die in denſelben befindlichen Preſſen 
find entweder öffentliches Eigenthum und im Beſitze des Staats, von Grund⸗ 


herrſchaften oder Gemeinden, oder ſie ſind Privateigenthum und dienen nur 
zum Keltern des eigenen Weinmoſtes des Beſitzers oder werden auch, gegen 


3 


Entſchädigung an Weinmoſt oder Geld, andern Weiubergbeſitzern zur Benützung 
überlaſſen. 

Die Kelterhäuſer mögen nun aber im öffentlichen oder Privatbeſitz ſein, 
ſo ſollten dieſelben jedenfalls eine ſolche Einrichtung haben, daß in denſelben 
nicht blos die Preſſen aufgeſtellt, ſondern auch die Kufen untergebracht wer⸗ 
den können, damit die in denſelben aufbewahrten Weintreber von nachtheiligen 
Witterungseinflüſſen (Regen, Hitze, Sonnenſchein) möglichſt geſchützt werden 
können, indem, beſonders das Aufſtellen der Kufen unter freiem Himmel, wie 
es noch in vielen Weinbaugegenden vorkommt, wenn ſie auch Deckel haben, 
weil dieſe ſelten genau ſchließen und daher Regen und Hitze doch eindringen 
kann, auf die Qualität des Weins nicht ſelten einen ſehr ungünſtigen Einfluß 
ausübt. Aber auch in bedeckten Räumen ſollten die Kufen mit Deckel und 
zwar mit ſchließbaren und dieſe in der Mitte mit einem runden Loch zur Ein⸗ 
ſetzung eines Gährrohrs verſehen fein, indem dadurch nicht uur manche Dies 
bereien verhütet, und die Weintreber vor jeder Verunreinigung bewahrt wer- 
den, ſondern auch, wenn die Kelterung, beſonders in reichen Herbſten, nicht 
ſo ſchnell, als gewünſcht wird und nöthig wäre, vorgenommen werden kann, 
die beginnende Gährung des Weins in verſchloſſener Kufe vor ſich geht (§. 247). 
Die namentlich im Rheingau beſtehende Einrichtung, wornach jede Bütte (Kufe) 
einen hölzernen Deckel hat, der über den Rand der Kufe 1 Zoll hervorſteht 
und mit einer Schlempe, die Kufe aber mit einem Schließkloben verſehen iſt, 
ſo daß das Ganze feſt verſchloſſen werden kann, dürfte daher, wenn dabei eine 
Vorrichtung zum Ablaſſen des Weins von den Trebern angebracht wird, itber- 
all Nachahmung finden. 

Bei der innern Einrichtung der Kelterhäuſer iſt hauptſächlich für Rein⸗ 
lichkeit und dafür zu ſorgen, daß dieſelben trocken und hell und genügenden 
Raum zu den Kufen und ſonſtigen Kellergeräthſchaften haben, daher es ſehr 
angemeſſen ſein wird, wenn dieſelben mit Steinplatten belegt und öfters ge— 
reiniget und die Wände und Decken mit Mauerſpeis gut vertüncht werden, 
indem ein gut hergeſtelltes und reinlich gehaltenes Kelterhaus auch einen gu⸗ 
ten Eindruck auf die Weinkäufer machen wird. N 

In öffentlichen Kelterhäuſern, oder überhaupt in Keltern wo verſchiedene 
Weinbergbeſitzer ihr Erzeugniß keltern wollen, muß eine beſtimmte Ord⸗ 
nung eingeführt werden, nach welcher das Abkeltern ſtattfindet. Dieſelbe vich- 
tet ſich, wie die Leſe (8. 221), entweder nach dem Looſe oder nach der Zeit 
der Beendigung der Leſe oder nach der Anmeldung zum Keltern oder nach 
irgend einer andern beſtimmten Ordnung, wobei hauptſächlich darauf geſehen 
werden muß, daß das Abkeltern möglichſt befördert und daſſelbe bei einzelnen 
Weinbergbeſitzern nicht ſo lange hinausgeſchoben wird, daß die Weintreber in 
vollſtändige ſtürmiſche Gährung oder zuletzt gar in Eſſiggährung übergehen. 


b. Die Preſſen. 


Das Gewinnen des in den Weintrebern enthaltenen Saftes kann dadurch 
geſchehen, daß man dieſelben ſogleich nach dem Zerdrücken unter die Preſſe 
bringt und ausdrückt, oder daß man die Treber in einer Kufe aufnehmen, 
d h. durch die beginnende Gährung etwas in die Höhe ſchieben läßt, ſodann 
den unten ſich anſammelnden Weinmoſt durch das unten an der Kufe ange— 
brachte Zapfenloch abläßt, der den ſogenannten Vorlaß bildet, und ſofort 
nur noch die zurückbleibenden Treber auspreßt, die dann den Druck 
geben, der in der Regel herber und jtrenger und in ungünſtigen Weinjahren 
auch ſaurer als der Vorlaß iſt, daher hinſichtlich der Qualität zwiſchen Vor— 
laß und Druck häufig unterſchieden wird. Doch gibt der letztere, beſonders in 
guten Weinjahren, dem Weine mehr Haltbarkeit, und weil er viel Gerbſtoff 
hat, übt er auch auf den vollſtändigen Verlauf der Gährung eine gute Wir- 
kung aus, daher es in dem angeführten Falle nicht unzweckmäßig iſt, wenn 
der Moſt, der auf das erſte und zweite Drücken von der Kelter ablauft, mit 
dem Vorlaß gemiſcht wird. 

Das Ausdrücken des in den Weintrebern enthaltenen Saftes erfolgt durch 
die Weinpreſſe. Die Einrichtung dieſer Preſſen iſt aber von ſehr verſchiedener 
Art, auch werden die Gattungen derſelben durch neue Erfindungen in der Mes 
chanik immer noch vermehrt, doch laſſen ſich dieſelben in der Hauptſache ab⸗ 
theilen in 

die Baum⸗ oder Hebelpreſſen (Baumkelteru) und 

die Kaſten⸗, Schrauben- oder Spindelpreſſen. 

Die Einrichtung ſämmtlicher Preſſen beſtehen in dem Biet⸗ oder Preß⸗ 
raum, auf den die Treber aufgeſchüttetl werden, in den Preßgeräthſchaften, 
Preßkaſten, Preßbretter, Preßbalken (Bracken), welche die Trebermaſſe zuſam⸗ 
menhalten und auf dieſelbe aufgelegt werden, damit der Druck der Preſſe 
gleichförmig erfolgt, und in der zur Ausübung des Drucks eingerichteten 
Preſſe. 

Die Abweichungen der einzelnen Preſſen von einander beſtehen in der 
Verſchiedenheit der ganzen innern Einrichtung oder einzelner Theile derſelben. 

Die Eigenſchaften einer guten Weinpreſſe ſollen hauptſächlich darin be— 
ſtehen, daß die Trebermaſſe möglichſt gut ausgedrückt wird, das Auspreſſen 
ſchnell vor ſich geht, durch daſſelbe der ſaure unangenehme Saft in den Käm— 
men und Kernen nicht zugleich ausgedrückt und mit dem Traubenſafte vermiſcht 
wird, und daß dabei die möglichſte Reinlichkeit beobachtet werden kann, hienach 
iſt auch die Zweckmäßigkeit der Einrichtung der einzelnen Preſſen zu beur⸗ 
theilen. 


376 


aa. Die Baum⸗ und Hebelpreſſen 


auch Torkeln genannt, ſind wohl die älteſten und einfachſten Preſſen, weil 
mit denſelben auf einmal ſehr viel und möglichſt ſtark gepreßt werden kann. 

Dieſelben beſtehen in einem breiten, aus eichenem Holz ausgehauenen 
Biet von 10—12 Fuß im Quadrat mit niedern Seitenwänden von höchſtens 
1 Fuß Höhe (den Bietſchalen), die eine gemauerte oder von eichenem Holz 
konſtruirte Unterlage von 3—4 Fuß Höhe haben. Ju der Mitte dieſes Biets 
werden die Treber aufgeſchüttet und aus denſelben ein möglichſt viereckiger, 
etwas mehr länger als breiter Secker (Haufen) gebildet. Auf dieſen Secker 
werden zuerſt ſtarke Bretter und auf dieſelben die ſogenannten Kelterhölzer 
(Bracken) von 4—6 Zoll Breite, 2—3 Zoll Stärke und 4—6 Zoll Länge in 
viereckiger Form bis unter die Preſſe aufgeſetzt. Die letztere beſteht aus d—6 
zuſammengefügten, gewöhnlich 30—40 Fuß langen eichenen Stämmen als 
Preßbalken (Hebel), die hinten auf einer Unterlage zwiſchen zwei aufrecht 
ſtehenden, in dem Boden gut befeſtigten Balken (Hinterdocken), vornen aber 
in einer hölzernen Spindel ruhen, die durch die Preßbalken durchgeht, und 
wodurch dieſelben entweder hinauf- oder herabgewunden werden können. Die 
Spindel iſt in den ſogenannten Vorderdocken befeſtigt, die entweder in einem 
großen hölzernen Roſte beſtehen, der 8—10 Fuß tief in den Boden gelegt 
und dort durch S.itenbalfen, ſowie durch Auffüllung mit Erde und Steinen 
befeſtigt wird, oder die Vorderdocken beſtehen in einem großen freihängenden 
Kaſten von Holz, der mit Steinen gefüllt iſt, ein Gewicht von 40-60 Cent: 
ner hat und in einer im Boden befindlichen Oeffnung von 8—10 Fuß Tiefe 
hängt. Wenn nun die Preßbalken vornen durch die Spindel in die Höhe ge- 
trieben werden, ſo ſenkt ſich der hintere Theil derſelben und wird dann dieſer 
durch einzuſchiebende Hölzer zwiſchen den Hinterdocken geſpannt, ſo daß er 
ſich nicht mehr in die Höhe heben kann und der vordere Theil durch die Spin- 
del herabgelaſſen, ſo wird dadurch ein außerordentlich ſtarker Druck auf die 
Bracken und auf die unter denſelben befindliche Trebermaſſe ausgeübt, ſo daß, 
wenn die Treber mehrmals umgearbeitet und neu aufgeſetzt werden, auch faſt 
der letzte Tropfen aus denſelben ausgepreßt wird. 

Mit deu feſtſtehenden Vorderdocken kann man zwar ſtärker preſſen als 
mit den freihängenden, ſie laſſen aber in ihrer Kraft bald nach, ſowie die 
Trebermaſſe durch das Preſſen mehr zuſammengedrückt wird und nachgibt, 
daher ſie öfters angezogen werden müſſen, während die freihängenden ſtets 
einen gleichen Druck ausüben und immer fortpreſſen, ſo lange das Gewicht 
noch freihängt, daher ſie vor jenen in mancher Beziehung den Vorzug ver⸗ 
dienen. | 

Im Allgemeinen find jedoch die Baumpreſſen viel zu ſchwerfällige Ma⸗ 


ſchinen, die viel Raum einnehmen und auf welchen man zwar ſehr viel preſſen 
kann, durch die man aber an einer ſorgſältigen Ausleſe und Sortirung häufig 
gehindert wird, weil ſich kleinere Quantitäten auf denſelben nicht gut preſſen 
laſſen, und weil auch das Preſſen ſelbſt etwas langſam von ſtatten geht, in— 
dem die Trebermaſſe nicht zwiſchen Seckerbrettern eingeſchloſſen iſt, ſondern 
frei auf dem Biet liegt und daher, ſo lange ſie noch breiartig iſt, durch den 
Druck von oben immer wieder aus einander gedrückt wird. Sie muß daher 
mehrmals aufgeſetzt werden, bis ſie einen gleichen viereckigen Secker bildet, 
der dann auf den vier Seiten mit einem ſcharfen Beile beh auen wird, ſo daß 
die Wände ſenkrecht ſtehen und wobei eine Menge von Kämmen und Kernen 
zerhauen und dadurch bei der außerordentlich ſtarken Hebelkraft der Preſſe 
auch das Ausdrücken des ſauren, herben und zuckerloſen Saftes von dieſen 
erleichtert, mithin die Weinqualität weſentlich verſchlechtert wird, wie denn 
auch der Weinmoſt des behauenen Seckers ſtets herber iſt, als des unbe⸗ 
hauenen. Außerdem kann der Saft, weil der Secker auf keinem durchlöcher⸗ 
ten Senkboden ruht, nur gegen die Seiten ausgedrückt werden, was den Nach- 
theil hat, daß das Preſſen dadurch gleichfalls aufgehalten wird und ungleich 
erfolgt, indem die unmittelbar unter den Preßbalken befindliche Maſſe weit 
ſtärker ausgepreßt wird, als die außerhalb an den Seiten befindliche, wodurch 
der äußere Theil des Seckers durch Behauen immer wieder gegen die Mitte 
geſchafft werden muß, und dadurch endlich auch der letzte Saft der, bei dem 
Treten mit beſchuhten Füßen ohnehin ſchon häufig zerquetſchten Kämme zum 
Ausdruck kommt. 


Bei den Baumpreſſen könnte man übrigens dadurch noch Verbeſſerungen 
anbringen, daß man den Secker mit feſtſtehenden oder beweglichen durchlö⸗ 
cherten Seckerbrettern umgibt, insbeſondere aber, weil bei einem Druck von 
oben der Saft lieber gegen unten als gegen die Seiten ſich zieht, wenn man 
auf dem Boden des Biets durchlöcherte Senkbretter auflegen würde, wodurch 
de rAbfluß des Weinmoſtes weit leichter und ſchneller von ſtatten gienge, als 
bei der gegenwärtigen Einrichtung. 


Die hier beſchriebenen Baumpreſſen ſind beſonders in Württemberg ein⸗ 
geführt, in andernWeinbaugegenden, wie z. B. im Rheinthale, ſind zwar 
auch Baumpreſſen im Gebrauche, aber kleinere mit nur 1—2 Hebeln (Eich⸗ 
bäumen) von 20—25 Fuß Länge und kleinerem Biet, bei welchen die ange⸗ 
führten Verbeſſerungen leichter anzubringen ſein dürften. 

Hinſichtlich des Preſſens ſelbſt iſt bei der gegenwärtigen Baumkelterein⸗ 
richtung noch zu bemerken, daß anfänglich das Preſſen der Trebermaſſe nicht 
zu ſtark, ſondern langſam vorgenommen, mithin die Kelter nicht zu feſt zugezogen 
werden ſollte, weil ſonſt durch den ſtarken Druck die Seiten des Seckers ſich 


378 


zu ſchnell dem Ausfluß des Saftes verſchließen, wodurch derſelbe gehemmt und 
das Keltergeſchäft weſentlich verzögert wird. 


§. 234. 
bb. Die Kaſten⸗, Schrauben- oder Spindelpreſſen, 


in manchen Weinbaugegenden auch Trotten genannt, unterſcheiden ſich von den 
unförmlichen Baumpreſſen dadurch, daß dabei die langen, ſchweren Eichbäume 
ganz wegfallen, die Treber in einem geſchloſſenen Raume, dem Preßkaſten, ſich 
befinden, und der Druck durch die über dem Preßkaſten befindliche Spindel 
unmittelbar auf die Trebermaſſe ausgeübt wird, wodurch das Ausdrücken der 
Treber in der Regel weit ſchneller vor ſich geht. Solche Preſſen ruhen auf 
einer Unterlage von ſtarkem Holz oder gemauerten Steinen von 2—3 Fuß 
Höhe, das Biet von ſtarken eichenen Dielen iſt nicht viel größer als der 
Preßraum, der mit einem feſtſtehenden oder auch in Einſchiebleiſten laufenden 
Mantel (Seckerbretter) umgeben iſt, deſſen einzelne Theile im letztern Falle, 
behufs der Reinigung des Biets, herausgenommen werden können und die, zur 
Beförderung des Ablaufs des Weinmoſtes, mit vielen etwas von oben gegen 
unten gebohrten Löchern verſehen ſind. 

Zwei der Seitenbretter haben ſtarke, dicke Ohren, die durch die zwei 
andern Bretter geſteckt und außen durch Einſteckung von eiſernen Nägeln zu- 
ſammengehalten werden. Werden die Nägel herausgenommen, ſo kann der 
ganze Kaſten auseinander gelegt werden. Auf den Kaſten kann man in dem 
Falle, wenn man auf einmal viel preſſen will, noch einen Aufſatz von 4—6 
Zoll Höhe ſetzen, der die gleiche Einrichtung wie der Kaſten hat. 

In den, je nach der Kraft der Spindel 3—6 Fuß im Quadrat haltenden 
Preßraum werden die Treber geſchüttet, dieſelben ſofort mit ſtarken Kelter- 
brettern, die genau in den Preßraum paſſen, belegt, auf welche die Kelterhölzer 
und zuletzt der Preßblock kommen, auf die ſodann die oben in der Mitte des 
Preßkaſtens befindliche Spindel durch Zuziehen derſelben ihren Druck ausübt. 

Die ganze Preſſe befindet ſich zwiſchen zwei ſtarken aufrecht ſtehenden 
Balken, die oben durch einen oder zwei Querbalken verbunden ſind, in welchem 
die Spindel mit ihren Gewenden lauft und durch Einſteckung von Querarmen 
zugezogen werden kann. Zwiſchen dem 5—8 Zoll hohen Rande des Biets und 
den Seckerbrettern befindet ſich eine ſchmale Rinne von 3—4 Zoll Breite, in 
welche von den durchlöcherten Seckerbrettern der ausgepreßte Weinmoſt lauft 
und von hier aus zu dem an dem vordern Theile der Preſſe befindlichen Aus- 
lauf kommt, wobei es zur Beförderung des ſchuellen Ablaufs ſehr zweckmäßig 
iſt, wenn der hintere Theil des Biets einige Zoll höher, als der vordere, oder 
wenn die Rinne vornen tiefer als hinten iſt. 


319 


Dieſe Spindelpreſſen ſind dann unter ſich wieder ſehr verſchieden und 
können zunächſt abgetheilt werden, in Preſſen mit einer und mit zwei Spin— 
deln, welch' letztere hauptſächlich bei größeren Preſſen zweckmäßig erſcheinen, 
jedoch auch den Uebelſtand mit ſich führen, daß von den beiden Spindeln der 
Druck nicht immer gleichförmig ausgeübt wird, und daß in dieſem Falle, wenn 
nicht durch erfahrene Perſonen beide Spindeln gleich zugewunden werden, die— 
ſelben leicht Schaden nehmen, wodurch das ganze Preßgeſchäft aufgehal— 
ten wird. 

Eine weſentliche Verbeſſerung bei den Spindelpreſſen iſt dadurch eingetre— 
ten, daß bei den neueren Preſſen die Spindel von Eiſen etwa 4—5 Fuß lang 
und 2—3 Zoll ſtark gefertigt und nicht mehr von oben zugewunden, ſondern 
durch das Biet und durch die zur Unterlage dienenden Hölzer geht und unten 
an der Außenſeite derſelben in einen Kopf endigt, der etwas in das Holz ein— 
gelaſſen iſt und mit demſelben durch eine Schraube oder auf andere Weiſe 
feſt verbunden wird, innen im Biet aber mit einer Platte umgeben iſt, damit 
der Moſt nicht durchrinnen kann. Die Spindel ſteht auf dieſe Weiſe ganz 
feſt, geht oben durch den Preßblock und iſt mit Gewenden verſehen, in welchen 
ſich eine ſehr ſtarke eiſerne Mutter befindet, die durch das feſte Zudrehen auf 
den Preßblock, die Kelterhölzer und Trebermaſſe drückt und dadurch gewiſſer— 
maßen einen doppelten Druck von oben und unten herbeiführt. In der Mut⸗ 
terſchraube befinden ſich runde Oeffnungen oder kurze eiſerne hohle Arme, in 
welche die hölzernen Arme zum Zudrehen der Schraube eingeſteckt werden. 
Die aufrechtſtehenden und Querbalken (Docken), in welchen nach der oben ent⸗ 
haltenen Beſchreibung die hölzerne Spindel lauft, fallen bei jener Einrichtung 
ganz weg. | 

Will man den Ablauf des Weinmoſtes und das Ausdrücken deſſelben be⸗ 
fördern, jo iſt es ſehr zweckmäßig, wenn man nicht nur auf das Biet einen 
Senkboden auflegt, ſondern wenn man auch zwiſchen die Trebermaſſe einige 
Weidengeflechte oder dünne durchlöcherte, mit ſchmalen Hohlkehlen verſehene 
Bretter einlegt, wodurch der Druck in der Mitte des Seckers vermehrt und 
das Preßgeſchäft beſonders dann weſentlich erleichtert und befördert wird, wenn, 
nachdem der Preßraum zur Hälfte angefüllt iſt, die Maſſe kurz gepreßt, dann 
wieder ein Weidengeflecht oder ein Senkboden aufgelegt und jo fortgefah- 
ren wird, bis der Preßraum ganz angefüllt iſt, wo dann erſt das eigentliche 
Preſſen beginnt. 

Dieſe Spindelpreſſen ſind in der neueſten Zeit vielfach abgeändert und 
theils durch einfache, theils mehr künſtliche Einrichtungen angeblich verbeſſert 
worden. Von dieſen verbeſſerten Preſſen verdienen die von dem Mechanikus 
Klein in Cannſtatt angefertigten Schnellpreſſen eine beſondere Erwähnnng, 
indem dieſelben nach den in verſchiedenen Keltern Württembergs gemachten 


380 


Erfahrungen, wirklich ſehr gute Dienſte leiſten und auf denſelben ſich noch 
einmal ſo viel als auf den alten Baumpreſſen keltern läßt. Sie haben zwei 
Spindeln und unterſcheiden ſich von den gewöhnlichen Preſſen haupſächlich 
dadurch, daß durch einen eigenthümlichen und ſinureichen Mechanismus die 
beiden Schraubenmuttern ſo in Bewegung geſetzt werden, daß dieſelben den 
Preßbalken zu gleicher Zeit und mit gleicher Stärke niederdrücken, wodurch 
ein gleichförmiger Druck und zugleich ein ſchnelles vollſtändiges Auspreſſen 
des Seckers bewirkt wird. 

Das Ganze wird durch ein auf der Seite der Preſſe befindliches Rad 
in Bewegung geſetzt, wodurch zugleich das Keltergeſchäft ſehr erleichtert und 
vereinfacht wird. Eine nähere Beſchreibung dieſer Schnellpreſſe mit Zeich⸗ 
nung enthält das Hohenheimer Wochenblatt für Haus- und Landwirthſchaft 
von 1845 Nr. 19 Seite 103. 

Bei ſämmtlichen Spindelpreſſen hört jedoch der Druck auf die Treber⸗ 
maſſe mehr oder weniger auf, ſobald dieſelbe durch die Preſſe mehr zuſam⸗ 
mengedrückt wird und keinen Widerſtand mehr leiſtet, daher dieſelben immer 
wieder feſter zugezogen und die Trebermaſſe öfters umgearbeitet werden muß. 
In dieſem Falle kann auf denſelben ſchneller als auf den Baumpreſſen und 
auch kleinere Quantitäten gepreßt werden, daher die Anſchaffung einer eigenen 
Preſſe für jeden größeren Weinbergbeſitzer ein Haupterforderniß iſt, indem er 
nur dadurch in Stand geſetzt wird, zu jeder Zeit für die rechtzeitige Auskelte⸗ 
rung ſeines Weinerzeugniſſes Sorge zu tragen. 

A 235. 
cc. Hydrauliſche Preſſen, Art des Preſſens. 

Neben den hier angeführten Preſſen können auch noch hydrauliſche Prei- 
ſen zum Ausdrücken des Weinmoſtes verwendet werden, wie dieſes auf den 
herzoglich Naſſauiſchen Domanialgütern zu Wiesbaden und Rüdesheim der 
Fall ſein ſoll, bei der komplicirten Einrichtung derſelben ſind ſie aber nicht 
nur ſehr koſtſpielig, ſondern erfordern auch viele Reparationen, weil ſie nur 
kurze Zeit verwendet werden können und daher bei denſelben während der 
langen Unthätigkeit von einem Herbſt zum andern der Cylinder leicht eiuroſten 
und das Lederwerk unbrauchbar werden kann, wodurch vor jedem Herbſt die 
Preſſe durch einen Sachverſtändigen auseinandergelegt und zum Gebrauche 
hergerichtet werden muß. 

Die Preſſen ſollen zwar ſehr gut, raſch und rein auspreſſen, werden aber 
jedenfalls nur für größere Weinbergbeſitzer taugen, die Gelegenheit haben, 


dieſelben zum Gebrauche ordentlich herrichten und, ſowie etwas daran zerbricht, 


ſogleich wieder repariren zu laſſen. 
Das Auspreſſen der Weintreber und die Anwendung von Prefjen dabei 


381 


iſt übrigens nicht in allen Weinbaugegenden eingeführt, indem dieſelben in 
jüplichen Ländern bei dem reichen Ertrag, den dort die Reben gewähren, häu— 
fig ganz unbekannt ſind. Man zapft dort den Wein blos von den etwas aus— 
genommenen Trebern ab und verwendet den Reſt, wie im ſüdlichen Frankreich, 
zur Branntwein⸗Weingeiſt⸗) Fabrikation oder man überſchüttet die Treber 
mit Waſſer und gewinnt daraus einen Nachwein, der zum eigenen Gebrauche 
des Winzers verwendet wird. 

Hie und da, wie in einzelnen Gegenden von Ungarn, werden die Treber 
nach dem Ablaſſen in Säcke von Bindfaden gefüllt und der Saft in denſelben 
ausgetreten oder in kleinen Preſſen ausgedrückt. Solche Säcke würden, nach 
den angeſtellten Proben, auch auf unſern Baumpreſſen, beſonders wenn man 
den Weinmoſt nicht lange über den Trebern ſtehen laſſen will, gute Dienſte 
leiſten, indem die Trebermaſſe mehr zuſammengehalten und dadurch, ſo wie 
wenn man zwiſchen die einzelnen Lagen der Säcke Weidengeflechte legen würde, 
das Keltergeſchäft ſehr befördert werden könnte. 

4, Die Erzeugung verſchiedeuer Gattungen von Weinmoſt und Prüfung deſſen Qnalität 
§. 236. 

Die bei der Weinleſe und Kelterung der Trauben aufgeſtellten Grund— 
ſätze beziehen ſich auf die Weinerzeugung im Allgemeinen, wie aber ſchou bei 
der Anlage eines Weinberges der rationelle Weinzüchter ſich entſcheiden muß, 
welche Gattung von Wein er erzeugen will (S. 84), jo muß dieſes auch bei 
der Weinleſe (S. 223), ſowie vor und bei der Kelterung geſchehen, indem ſein 
Hauptaugenmerk ſtets darauf gerichtet ſein muß, aus ſeinem Traubenerzeugniß 
einen möglichſt guten und edlen Wein zu gewinnen. 

Die Weine werden zunächſt in weiße und rothe Weine eingetheilt und die 
erſteren aus weißen, die letztern aus blauen oder ſchwarzen Trauben dadurch 
erzeugt, daß man den Weinmoſt an den Trebern (Traubenbeeren, Hülſen) 
vergähren läßt, wodurch die unter und in den Häuten der Beere befindliche 
rothe Farbe ausgezogen und dem Weine mitgetheilt wird, worüber unter der 
Abtheilung Gährung das Weitere abgehandelt werden wird. Man könnte 
bezüglich der Farbe auch noch eine dritte Sorte von Weinen aufſtellen, näm— 
lich die gelben Weine, die aus hellrothen Trauben (Velteliner, NRothurban) 
gewonnen werden, dieſelben werden aber gewöhnlich zu den weißen Weinen 
gerechnet, weil ſich die gelbe Farbe mit dem Alter immer mehr verliert, 
während die weißen Weine, beſonders wenn ſie etwas an den Trebern ver— 
gohren haben, im Alter eine in's Gelbliche gehende Farbe annehmen, wodurch 
zwiſchen beiderlei Weinen kein großer Unterſchied mehr ſtattfindet. 

Nicht immer will man aber aus blauen Trauben rothe, ſondern häufig 


382 


auch weiße Weine erzeugen, wie zur Fabrikation mouſſirender Weine, auch 
können nicht in allen Jahren aus blauen Trauben, beſonders aus ſpät reifen⸗ 
den, ganz dunkel- (dick⸗) rothe und dabei angenehme Weine erzeugt werden, 
indem in minder günſtigen Weinjahren der Farbſtoff in den blauen Trauben 
ſehr häufig nicht ſehr ſtark entwickelt iſt, ſo daß, wenn der blaue Duft hin— 
weggenommen iſt, die Beerenhaut mehr roth als blau ſieht, auch hat der 
Saft gewöhnlich einen mehr ſäuerlichen und herben als ſüßen Geſchmack, wo⸗ 
durch aus ſolchen Trauben nur wenig Farbſtoff ausgezogen werden kann, ſo 
daß der Wein mehr eine hellrothe Farbe und dabei einen harten, ſelten aro— 
matiſchen und angenehmen Geſchmack erhalten würde. In ſolchen Fällen iſt 
es daher angemeſſener, wenn aus den blauen Trauben weiße Weine erzeugt 
werden, wie dieſes auch in Weingegenden, wo vorzüglich rothe Weine produ— 
zirt werden, namentlich in Burgund, häufig vorkommt. 

Bei der Erzeugung von weißen Weinen aus blauen Trauben dürfen die— 
ſelben weder abgebeert noch zerdrückt werden, ſondern die Trauben kommen 
ganz mit den Kämmen auf die Kelter und werden hier ein- bis zweimal ge— 
preßt, jo daß der Saft ganz weiß oder kaum etwas röthlich gefärbt ablauft, 
was ſpäter bald in's Gelbliche übergeht. Dieſer weiße Wein hat, wenn er 
aus ganz reifen und ausgezeitigten Trauben ausgepreßt wird, einen ſehr fei— 
nen, ſüßen und angenehmen Geſchmack, der auch nach der Gährung ſehr milde 
und bald trinkbar, aber weniger haltbar iſt und weniger Arom und Geiſt 
hat, weil durch das angegebene Preſſen hauptſächlich die mehr wäſſerigen Theile 
der Beere ausgedrückt werden, ein Theil des Zuckerſtoffes ſo wie das in den 
Zellgeweben und zum Theil in den Beerenhäuten befindliche Gewürz der 
Trauben in den noch nicht vollſtändig ausgepreßten Trebern zurück bleibt. 

Ein ſolches Verfahren oder wenigſtens ein einmaliges Preſſen dürfte auch 
bei großbeerigen blauen Trauben, die verhältnißmäßig mehr weißen Saft als 
Farbſtoff beſitzen, angewendet werden, indem dadurch aus dem Reſt der Tre— 
ber ein deſto dunklerer rother Wein gewonnen werden könnte. Der Reſt der 
Treber wird dann in einem wie in dem anderen Falle mehrmals getreten oder 
geſtampft und ſofort der Gährung überlaſſen, worauf er, wenn dieſe vollendet 
iſt, erſt nochmals auf die Preſſe gebracht wird. Sind die Treber nach dem 
erſten Preſſen zu trocken, ſo kann, nach dem Stampfen derſelben, etwas ge— 
ringer rother oder auch weißer Weinmoſt denſelben beigegeben werden, indem 
man auch im letztern Falle immer einen ſchönen rothen Wein erhalten wird. 

Aus dem angeführten Grunde iſt es, wenn man aus blauen Trauben 
lauter rothe Weine gewinnen will, von hohem Werthe, daß das Fleiſch und 
die Häute derſelben möglichſt zerdrückt und zerrieben werden, damit alle Theile 
derſelben ſich leicht auflöſen, indem nur dadurch mittelſt der Gährung 
alle Farb⸗ Gewürz und Zuckerſtoffe vollſtändig aus denſelben ausgezogen 


383 


werden, in welchem Falle der daraus zu entwickelnde Wein ſich ſehr vortheil— 
haft durch Körper, Geiſt und Gewürz vor dem blos aus ausgedrückten Trau— 
ben gewonnenen Wein auszeichnen wird. 

Man darf deßwegen auch von dem auf ſolche Weiſe zubereiteten Wein 
Vorlaß und Druck nicht beſonders thun, ſondern es muß, wenn der Wein in 
mehrere Fäſſer kommt, der Druck unter dieſelben ganz nach Verhältniß des 
Vorlaſſes vertheilt werden, zu welchem Behuf kein Faß ganz, ſondern höch— 
ſtens nur zu / mit Vorlaß angefüllt werden darf. 

Befinden ſich aber die Trauben in keinem ganz gereiften Zuſtande, ſo 
wird es, je mehr ſie ſich von der vollſtändigen Reife entfernen, wenn keine 
ganz pünktliche und ſorgfältige Ausleſe vorgenommen werden will, ſowohl bei 
blauen als weißen Trauben am angemeſſenſten ſein, wenn dieſelben ganz auf 
die Kelter gebracht und nur ſo weit ausgepreßt werden, als der Saft noch 
einen entſprechenden Zuckergehalt entwickelt, indem dadurch, wenn auch etwas 
leichter, doch immer noch angenehme und bald trinkbare Weine gewonnen wer— 
den können, wogegen der noch weiter ausgedrückte, meiſt ſaure und herbe Moft 
mit dem erſten nicht vermiſcht werden darf, ſondern beſonders eingekellert 
werden muß oder zu einem Nachwein verwendet werden kann. 


e 

Wenn nun in manchen Jahren die Weinbereitungsmethode von dem 
Reifegrad der Trauben und von der zu erwartenden Weinqualität abhängt, To 
iſt es für jeden Weingärtner von beſonderem Intereſſe, ſchon vor dem Herbſte 
die zu hoffende Weinqualität möglichſt genau kennen zu lernen. 

Die allgemeinen von den Witterungsverhältniſſen abhängenden Anhalts⸗ 
punkte werden am Schluſſe beſonders zuſammengeſtellt und dabei die Anwen— 
dung auf den Wein näher abgehandelt werden, ein vorzügliches Mittel, die 
Weinqualität von jeder einzelnen Weinberglage zu ermitteln, beſteht aber in 
der Weinmoſtwage, die kein ſorgfältiger Weinzüchter entbehren kann. 

Die Moſtwage beruht auf dem allgemein bekannten Prinzipe, daß, wenn 
man einen feſten Körper auf eine Flüſſigkeit bringt, derſelbe unterſinkt, weun 
er ſchwerer, auf derſelben aber ſchwimmt, wenn er leichter iſt. Im letztern 
Falle verdrängt er, im Verhältniß ſeiner Schwere, eine größere oder kleinere 
Menge der Flüſſigkeit, oder er taucht mehr oder minder tief ein. Dieſes Ein- 
keit, indem eine ſchwerere, dichtere Flüſſigkeit dem ſchwimmenden Körper einen 
größeren Widerſtand entgegenſetzt, d. h. je dichter eine Flüſſigkeit iſt, deſto 
weniger ſinkt ein leichter Körper in dieſelbe ein. Da nun der Weinmoſt, ver— 
möge ſeines Zuckergehalts, ſchwerer und dichter als das Waſſer iſt, von dem 
größeren oder geringeren Gehalt an Zucker aber die Güte des Weinmoſtes 


384 


abhängt, ſo beruht darauf die Einrichtung der Moſtwage, um bei dem mehr 
oder mindern Einſinken derſelben auf den größeren oder geringeren Zuckerge⸗ 
halt des Moſtes ſchließen zu können. 

Die Moſtwage beſteht aus einer hohlen Kugel (Schwimmer), damit die 
Wage in der Flüſſigkeit nicht unterſinkt, unten mit einem kleinen Stiefel, um 
das gleichförmige ſenkrechte Schwimmen derſelben in der Flüſſigkeit zu bewir⸗ 
ken und oben mit einem dünnen 1—1¼ Zoll langen Stänglein oder einer Röhre, 
an der der Punkt, bis zu dem die Wage im Waſſer einſinkt, mit einem Strich 
und mit einer Null bezeichnet wird, oben aber muß dieſelbe mit einer Nadel— 
ſpitze verſehen ſein, in die Gewichte eingeſetzt werden können. Dieſe Gewichte 
müſſen von der Beſchaffenheit ſein, daß das kleinſte mit 1 bezeichnet gerade /1000 
vom Gewicht der Wage beträgt. 

Wenn man nun das ſpezifiſche (eigenthümliche, verhältnißmäßige) Gewicht 
des Waſſers zu 1000 Gewichtseinheiten (Graden) annimmt und man das Ge- 
wicht des Weinmoſtes gegenüber vom Waſſer erfahren will, ſo muß man, weil 
der Moſt ſchwerer iſt als das Waſſer und die Wage daher in denſelben nicht 
bis zum Nullpunkt einſinken wird, jo viele Gewichtchen aufſetzen, bis das Ein— 
ſinken zu dem gedachten Punkte erfolgt. Die Zahl der aufgeſetzten Gewichts— 
theile zeigt dann an, um wie viel Gewichtseinheiten der Moſt ſchwerer iſt als 
das Waſſer, oder in welchem Verhältniß das Gewicht einer gewiſſen Menge 
Moſt zum Gewicht einer gleich großen Menge Waſſer ſteht. In der Natur- 
lehre beſteht nämlich der Satz,, daß, wenn ein Körper in einer Flüſſigkeit 
ſchwimmt, die von ihm aus der Stelle gedrängte Flüſſigkeit gerade ſo viel 
wiegt, als er ſelbſt, woraus folgt, daß wenn die Moſtwage, welche 1000 Ge— 
wichtseinheiten wiegt, im Waſſer bis zu dem Nullpunkt an der Röhre ein⸗ 
ſinkt, eine Waſſermenge, welche ſo viel Raum einnimmt als die Moſtwage bis 
zu dem Nullpunkt, auch 1000 Gewichtseinheiten wiegt. Wenn man nun bei 
einem Moſt z. B' 80 Gewichtseinheiten auflegen muß, bis die Wage auch hier 
bis zum Nullpunkt einſinkt, ſo folgt daraus weiter, daß ſich das Gewicht des 
Weinmoſtes zu demjenigen des Waſſers wie 1080 zu 1000 verhält, oder daß 
eine gleiche Menge Moſt 1,080 ſchwerer als eine gleiche Menge Waſſer iſt, 
d. h. der Moſt wiegt abgekürzt 80 Grade ſchwerer als das Waſſer. Dieſes 
ſtärkere Gewicht wird hauptſächlich durch den Zuckergehalt des Moſtes her⸗ 
beigeführt, ſo daß alſo die Zahl der aufgelegten Einheitsgewichte oder die 
Grade zugleich den Zuckergehalt des Moſtes anzeigen, wobei die Einheit einem 
fünftels Procent des im Weinmoſte enthaltenen Zuckers entſpricht, ſo daß 
1 Procent ( = 5 Grade) etwas mehr als 1 Pfd. oder 5 Procent ungefähr 
6 Pfd. Zucker in dem württ. Eimer gleichkommen. (Anmerkung 11.) 


11. Anmerkung. Nach angeſtellten Unterſuchungen nimmt mit der Schwere 


385 

Je weniger ein Weinmoſt, mithin über das Gewicht des Waſſers wiegt, 
deſto geringer iſt er, jo daß nach §8. 269 ein Weinmoſt von 55—65 Graden 
zu den geringen, von 66— 76 zu den mittlern, von 77—85 zu den guten, ein 
Weinmoſt unter 55 Graden aber zu den ganz geringen gehört, der nur aus 
unreifen ſauren und zum Theil noch harten Trauben gewonnen wird. 

Eine andere, aber auf die gleichen Grundſätze gebaute, jedoch zum Ge— 
brauche einfachere Moſtwage hat die Einrichtung, daß entweder der Stiefel 
durch ſeine eigene Schwere oder daß unten an demſelben durch ein Gewende 
ein Gewichtchen angehängt wird, durch das die Wage in klarem Waſſer bis 
50 Graden einſinkt. Das Einſinken bis zu dieſem Punkt iſt oben an dem 
Stänglein mit einem Strich und mit der Zahl 50 bezeichnet, von wo an auf 
demſelben gegen die Kugel eine Scala mit Graden bis zu 100 angebracht iſt, 
auf der jeder Grad, wie bei den Gewichten, die Zunahme des Moſtes um 
5 Procent Zucker anzeigt. Wird nun dieſe Wage in den Weinmoſt gebracht, 
ſo wird ſie, je dichter und zuckerreicher derſelbe iſt, deſto weniger in denſelben 
einſinken und dadurch die Grade ſeines Zuckergehalts anzeigen. 

Solche Moſtwagen ſind urſprünglich und zwar erſtere auf Veranlaſſung 
der württembergiſchen Weinverbeſſerungsgeſellſchaft durch den Mechanikus Kin— 
zelbach in Stuttgart, letztere durch den Mechanikus Oechsle in Pforzheim ge— 


des Moſtes auch der Zuckergehalt zu, fo daß in 1000 Pfd. = 1000 Einheiten von 
75 Graden an, der Zuckergehalt bei 5 Graden (1 Procent) je um 1½ - 1°/ı Pfd. ſteigt. 
Im Allgemeinen wird man aber annehmen dürfen, daß der Zuckergehalt von unſern 
vorzüglichſten Traubengattungen (Rießling, Traminer ꝛc.) in den beſten Jahren höch— 
ſtens 28-30 Procent, mithin derjenige von gewöhnlichen guten Weinen nur 18—24 
Procent beträgt, während derſelbe in ſüdlichen Gegenden nicht ſelten 50 Procent er— 
reicht. Demnach würde ein württembergiſcher Eimer Moſt à 160 Maas = 320 Fla⸗ 
ſchen von 80 Graden an Zucker enthalten: 

5 Procent = 25 Grade = 6—9 Pfd. Zucker, mithin 

80 Grade — 19-28 ½½ Pfd. und da der Eimer Wein durchſchnittlich 700 Pfd. 
(altes, nicht Zollgewicht) hat, und das ſpezifiſche Gewicht eines guten Weins gegen- 
über von Waſſer (= 1000) — 0,991, dasjenige eines guten Weinmoſtes — 1,085 
beträgt, ſo wird man das Gewicht eines Eimers Weinmoſtes wohl zu 775 annehmen 
dürfen, thut 

7% mal = 147 ½ bis 220% Pfd. oder wenn man 18-294 Procent Zuckergehalt 
annimmt = 139½ bis 186 Pfd. 

Nach einer von Profeſſor Fehling und Marx in Stuttgart auf chemiſchem Wege 
angeſtellten Unterſuchung des Zucker- und Säuregehalts des Weinmoſtes, erſteres mit- 
telſt einer Kupferlöſung, letzteres durch Säftigung des Saftes mit kohlenſaurem Nat⸗ 
ron und deſſen Vergleichung mit dem Gewicht nach der Moſtwage haben ſich nach dem 
Hohenheimer land- und forſtwirthſchaftlichen Wochenblatt von 1858 Nro. 5 S. 27 
folgende Reſultate ergeben: 

25 


. - 


386 


50/0 10'218 0%6 
18°0 |8'ez | 068 
190298 | 096 
G2’012'9% | 006 
69°0 |1’8G | 066 
60098 | 006 


600 Y o 
890 


äuregehalt 
in 100 


Ka 
iS 


2 


Zuckergehalt 


1 
O 
— 


in 100 


LOL I8°LT |098 OST IE'ST osS II 
SZT TAT I088 Le“ IST 16 IET 
8T’T |E'9T 62 98/7991 | 088 187 
LIT HIL 088 I9F°T 99T | 008 196° T 
GO. 82T 028°. | — | 05 
980 Ce 086 90˙T C606 20T 
060 9°6T 86 |YT'T ISZT | 068 ZIT 
064 CT O9 og |8@L 6°ST|oF} 95 
FH 8 EN 
e |@ 1858 |% 338° 
4081 5081 


92118 
981 ol 
FI 089 
6FT | 002 
FT ogg 
8‘GT | 069 
691 | oR}. 
O PI 079 
„ 
. 8 
0881 


06.0 |8‘81 


OL Te 


Ga 


90˙T 961 


68˙002˙81 
6801927 
160 818 


| 


Säuregehalt 
in 100 
Zuckergehalt 


in 100 


| 
| 


| Säuregehalt | 


Grade der 
Weinmoſtwag 


6781 


— 


1 

N 
— 

— 


in 100 


708 O86 
F066 
9˙6Toß6 
861098 
FFL|002 
5.81088 
5.06 O8 
oLIL 024 
3 8 
Fair 


| 


+ 


+ 


* * 


2910979) 
Hungen 
ma Lava 
ga 61026 


* * 


AND NIE 
UDO aounac 


+ 


+ 


* * 


a0 
oma 


nabungoch⸗noguvaz 


387 


fertiget worden, und ſind nun unter dem Namen dieſer erſten Anfertiger in 
den Gebrauch gekommen. Da jedoch der ſüße Weinmoſt neben Zucker und 
Waſſer auch noch manche andere Subſtanzen enthält, wie dicker Schleim, 
Säuren, Theile von Beerenhäuten, Kerne ꝛc., die denſelben gleichfalls verdich— 
ten und das Einſinken der Wage hindern, ſo muß derſelbe vor dem Wägen 
von allen dieſen Unreinigkeiten möglichſt gereinigt und zu dieſem Behuf ent— 
weder durch feine Leinwand oder durch Fließpapier filtrirt werden, oder man 
läßt denſelben in einem Glaſe einige Zeit ſtehen, bis ſich die fremden Be— 
ſtandtheile geſetzt haben und der Moſt möglichſt hell iſt. Trüber, dicker Moſt 
wird nie ein ſicheres Reſultat geben. Auch auf die Traubengattung darf 
einige Rückſicht genommen werden, indem der Moſt von ſchleimigen Trauben, 
wie vom Sylvaner, immer etwas mehr als von andern Trauben wägen wird, 
daher bei ſolchen der Schleim ꝛc. mit möglichſter Sorgfalt zu entfernen iſt. 
Außerdem muß der Moſt noch ganz ſüß ſein und darf durchaus noch keine Zeichen 
der Gährung beſitzen, weil ſonſt ſein Gewicht weit geringer iſt, auch muß die 
Moſtwage ganz rein ſein, daher ſie nach jedem Wägen mit einem feinen Tuche 
zu reinigen und zu trocknen iſt, weil jede Unreinigkeit Einfluß auf das Ge— 
wicht hat. Der Moſt ſelbſt ſoll eine Temperatur von 12—14 Graden nach 
Reaumür (der gewöhnlichen Zimmerwärme) haben, für welche Temperatur die 
angeführten Weinwagen ausgearbeitet ſind, denn jeder Körper wird durch 
Wärme ausgedehnt und dadurch leichter, durch Kälte dagegen ſchwerer, ſo 
daß, weil auch die Kälte und Wärme auf das Gewicht des Moſtes Einfluß 
ausübt, indem je kälter derſelbe iſt, deſto mehr ſteigt das Gewicht, bei ſehr 
kaltem Moſt immerhin, je nach der Temperatur, 1—2 Grade in Abzug ge— 
bracht werden dürfen. i 

Wenn nun auch die Moſtwagen die künftige Qualität des Weins nicht 
immer ganz genau anzeigen, weil auf dieſelbe auch noch andere Gegenſtände, 
namentlich aber der Säuregehalt und die gewürz- und bouqueterregenden Sub⸗ 
ſtanzen einigen Einfluß ausüben, ſo geben dieſelben doch einen Hauptbeſtandtheil 
des Moſtes, den Zuckergehalt oder den geiſtigen Gehalt des künftigen Weins 
ziemlich genau an, daher ſolche allgemeine Verbreitung verdienen. 

Außer den angeführten ſind übrigens auch noch verſchiedene andere Moſt⸗ 


— — 


Hienach würde ſich bei dem württembergiſchen Eimer Weinmoſt berechnen, wenn 
das Gewicht deſſelben zu 775 Pfd. angenommen wird: der Zuckergehalt 


bei dem geringſten von 64 Grade und 14 Proc. Zucke 108% Pfd. 

bei den beiten von 95 Graden und 27 Procernn 209½ Pfd. 
der Gehalt an freier Säure, 

bei den geringſten à 1,46 Procent oder 14,60 Promille . 14% Pfd. 

bei den beiten à 0,51 Procent oder 5,40 Promille 4% Pfd⸗ 


2. 


wagen im Gebrauch, die, weil ihnen eine andere Eintheilung zu Grund liegt, 
öfters ein von den angeführten Wagen ſehr verſchiedenes Gewicht haben, wo— 
durch mancher Wein für gering erachtet werden und dem Verkäufer weſent— 
lichen Schaden bringen kann, während dieſes blos von der Wage herkommt; 
es wäre daher ſehr angemeſſen, wenn in allen Orten, in welchen ſich öffent— 
liche Keltern befinden, eine gute Kinzelbach'ſche oder Oechsle'ſche Moſtwage 
angeſchafft würde, damit ſich nicht nur jeder Verkäufer und Käufer derſelben 
bedienen kann, ſondern es würde auch ſehr zum Rufe eines Weinortes beitra- 
gen, wenn von jedem Weinmoſt, der zur Kelterung kommt, das Gewicht, ſo 
lange er noch ſüß iſt, amtlich erhoben und in ein beſonderes Buch zur Notiz 
für Käufer und Verkäufer ſo wie zu Vergleichungen mit künftigen Jahren ein— 
getragen würde. Außerdem würde eine ſolche öffentliche Controle der Wein— 
qualität ſehr und mehr als jede andere Veranſtaltung oder Aufmunterung da— 
zu beitragen, daß nicht nur eine ſorgfältige Ausleſe des guten und geringen 
Gewächſes vorgenommen wird, weil kein Weingärtner einen Moſt mit geringem 
Gewicht würde haben wollen, ſondern Unterſchleife, Betrügereien und Ver— 
fälſchungen des Moſtes würden auch in den meiſten Fällen verhütet werden 
können. 


§. 238. 


Neben dem Zucker hat auch eine gewiſſe Quantität von Säure einen 
weſentlichen Einfluß auf die Qualität des Weins, die Unterſuchung des Säure— 
gehalts des Weinmoſtes bietet daher umſomehr ein beſonderes Jutereſſe dar, als die 
öfters vorzügliche Süße mancher Traubengattungen, wie „B. beim Sylvaner, 
nicht blos von dem ſtarken Zucker-, ſondern theilweiſe auch von dem geringen 
Säuregehalt herkommt. 

Von dem letztern hängt aber hauptſächlich auch die künftige Ausbildung 
des Weins ſowie deſſen Haltbarkeit ab, indem, je weniger der Wein eine ent- 
ſprechende Quantität Säure hat, deſto weniger Haltbarkeit wird er auch zeigen, 
wie wir an manchen ſüdlichen Weinen wahrnehmen. 

Nach den angeſtellten Unterſuchungen ſollten gute und angenehm trinkbare 
Weine wenigſtens 4½ und höchſtens 7 Promille freie Säure haben, Weine, 
welche weniger haben, nähern ſich mehr den ſüßen Weinen, diejenigen, die mehr 
haben, mehr den ſäuerlichen, herben oder ſauren Weinen. Da nun der Säure— 
gehalt des Weinmoſtes durch die Gährung ſich nicht verändert, ſondern höch— 
ſtens / Promille durch die in demſelben enthaltenen unorganiſchen Stoffe 
ausgeſchieden wird, ſo läßt ſich vom Säuregehalt des Moſtes auch auf die— 
jenige des künftigen Weins und deſſen Qualität ſchließen, wie oben in der 
in Anmerkung 11 enthaltenen Zuſammenſtellung und Berechnung nähere 
Nachweiſung gegeben wurde, nach welcher der Weinmoſt von dem ſchlechten 


389 


Jahrgang 1850 1,46 Procent oder 14,6 Promille Säure euthielt, während 
dieſelbe bei dem Weinmoſt von dem guten Jahr 1857 blos 0,54 Procent oder 
5,4 Promille betrug. 

Die Ermittlung des Säuregehalts geſchieht entweder, wie oben bemerkt 
wurde, auf chemiſchem Wege, oder mittelſt eines Säuremeſſers, wobei man 
ſich entweder des von Profeſſor Otto in Braunſchweig oder des von Mecha— 
nikus Geisler in Bonn erfundenen Säuremeſſers bedienen kann, die in Dr. 
Ludwig Galls praktiſcher Anleitung ſehr gute Mittelweine aus unreifen Trau- 
ben zu erzeugen, dritte umgearbeitete Auflage S. 166 und 169, Trier 1854, 
näher beſchrieben ſind. 


5. Die Gährnug des Weinmoſtes. 
238, 


So lange die in §. 218 näher beſchriebenen Beſtandtheile der Traube 
noch in der Beerenhaut eingeſchloſſen und durch dieſelbe, ſowie durch die zum 
Theil wachsartigen Beſtandtheile derſelben von der Luft abgeſchloſſen werden, 
geht keine weſentliche Veränderung mit denſelben vor, ſowie aber das organiſche 
Leben der Traube und der Beere aufhört, letztere zerdrückt und dadurch deren 
Saft mit der Luft und insbeſondere mit dem Sauerſtoff derſelben in Berüh— 
rung geſetzt wird, ſo wird dieſelbe, wie jeder todte, organiſche Kör— 
per, weſentlich verändert, es tritt in dem Traubenſafte nach und nach 
eine Bewegung ein, wobei ſich kleine Luftbläschen an der Oberfläche des— 
ſelben zeigen, der ſchon vorher nicht ganz klare Saft wird trüber, die gröberen 
Schleimtheile heben ſich und bilden eine Decke auf der Oberfläche des Mo— 
ſtes, die Bewegung der Flüſſigkeit wird nach und nach ſtärker, ſie erhitzt ſich 
dadurch, es bildet ſich Schaum an der Oberfläche, die Luftbläschen (Gasbläs- 
chen) werden größer, die Conſiſtenz der Flüſſigkeit vermindert ſich u. ſ. w., 
d. h. die Gährung des ſüßen Traubenſaftes hat begonnen, wodurch eine mehr— 
fache Umgeſtaltung der Beſtandtheile deſſelben beſonders dadurch herbeigeführt 
wird, daß ſich der Zucker auflöst und in Alkohol (Weingeiſt) übergeht. Zu der 
Herbeiführung der Gährung gehört jedoch, neben den Beſtandtheilen des Trau— 
benſaftes, Luft und Wärme, indem ohne dieſe ſich kein Gährungsſtoff entwickeln 
kann. 

Unter den Beſtandtheilen des Traubenſaftes iſt der eiweishaltige Stick— 
ſtoff der eigentliche Erreger der Gährung, ſowie daher derſelbe mit der Luft 
in Berührung kommt, ſo geht er Verbindungen mit dem Sauerſtoffe derſelben 
ein, wodurch eine gährende Bewegung in den Traubenſaft kommt, in Folge 
deſſen ſich Hefe bildet, die dadurch nach Mulder (S. 77) erfolgt, daß die in 
dem Traubenſaft enthaltene Weinſteinſäure die feſten eiweisartigen Körper auf— 


390 


zulöſen im Stande iſt und daß aus dem Pflanzenſchleime (Pectin) kleine häu⸗ 
tige Bläschen (Hefen-Celluloſe) entſtehen, welche deu aufgelösten Eiweisſtoff 
einſchließen, der durch die Wände der Bläschen durchſchwitzt und dann, mit 
dem Zucker in Berührung gebracht, auch dieſen in Gährung ſetzt, woraus ſich 
erklären läßt, warum bei dem Beginn der Gährung, der Weinmoſt faſt . 
ſeine volle Süße beſitzt. 

Die Gährung beginnt daher durch Eiweis oder Pflanzeuleim, der unter 
dem Einfluß von Sauerſtoff umgeſetzt wird, worauf aber fogleich auch die He⸗ 
fenbildung eintritt, durch die dann die Gährung fortgeſetzt und allgemein ver⸗ 
breitet wird. 

Die Hefe muß jedoch Pflanzeuſäure enthalten, wenn ſie die Gährung gut 
befördern ſoll, daher auch Rohrzucker viel langſamer als Traubenzucker ver- 
gährt, wenn erſterem nicht etwas Weinſtein zugeſetzt wird. Aus eben dieſem 
Grunde gährt auch der Saft von nicht ganz reifen Trauben, der viel Säure 
beſitzt, ſchneller als von ganz reifen Trauben, und ſehr zuckerreicher Weinmoſt 
wegen ſeines geringern Gehalts an freier Säure, langſamer, als weniger 
zuckerhaltiger. 

Unter Pflanzenſäuren iſt es hauptſächlich die Weinſteinſäure, welche auf 
den guten und ſchnellen Verlauf der Gährung einen vortheilhaften Einfluß 
ausübt und beſonders auch zu einer größeren Alkohol-Entwicklung beiträgt. 
Ohne Weinſteinſäure würde der Moſt, aus dem oben angeführten Grunde 
nicht in Gährung übergehen. Gerbſäure iſt in dem Moſte keine vorhanden, 
wohl aber in den Häuten, Kernen und Kämmen der Trauben, die durch das 
Preſſen derſelben, ſowie durch das Gähren an den Häuten und Kämmen aus 
denſelben ausgezogen wird, daher auch Weine, die an den Trebern vergohren 
haben, mehr Gerbſäure als für eingekellerte beſitzen. Sie geht mit den ei- 
weißartigen, alſo ſtickſtoffhaltigen Stoffen eine innige Verbindung ein und 
wirkt dadurch auf die Gährung hemmend, trägt aber dadurch auch zur Halt— 
barkeit des Weins bei, indem fie die Umſetzung des letztern, mithin den Ein- 
tritt einer Nachgährung hindert; auch gibt ſie dem Weine, wenn nicht in zu 
großer Menge vorhanden, einen eigenthümlichen zuſammenziehenden Geſchmack, 
der beſonders bei rothen Weinen geliebt wird. Aepfelſäure theilt dem Weine 
blos Säure mit und hat deßwegen, in großer Menge vorhanden, auf denſelben 
einen ſehr ungünſtigen Einfluß, ſie iſt in den Obſtweinen in großen Quanti⸗ 
täten enthalten und trägt daher auch zur geringeren Qualität derſelben, gegen- 
über von dem Traubenwein, bei. | 

Durch die Gährung, insbeſondere aber durch die Hefenbildung, ſowie da⸗ 
durch, daß ſich die unorganiſchen Beſtandtheile des Traubenſaftes (Kalk ꝛc.) 
auflöſen, trübt ſich der Traubenſaft, der Zucker verwandelt ſich in Alkohol, der 
Pflanzenſchleim, aus dem ſich die Wände der Hefenzellen bildeten, wird unlös⸗ 


391 
lich, der eiweisartige Inhalt der Hefenbläschen geht in den Wein über, aus 
den unorganiſchen Stoffen ſcheiden ſich Salze (weinſteinſaure Magneſia) aus, 
die ſich theils niederſchlagen, theils in dem Weine zurückbleiben, auch andere 
Stoffe des Traubenſaftes löſen ſich auf und durch all dieſes bildet ſich der 
Wein. 

So lange dieſe Symptome der Gährung ſich zeigen, dauert dieſelbe unter 
dem Namen ſtürmiſche Gährung fort, ſowie aber dieſelbe vorüber iſt, d. h. ſo⸗ 
wie ſich der größere Theil des Zuckers in Alkohol aufgelöst hat und der Gäh— 
rungsſtoff ſich vermindert, ſchlagen ſich die gröberen Theile der unaufgelösten 
Stoffe (Celluloſe, unorganiſche Beſtandtheile), weil fie ſich in der weniger con- 
ſiſtenten weingeiſtigen Flüſſigkeit nicht mehr halten und mit derſelben keine 
neuen Verbindungen eingehen können, nieder, der Wein beginnt ſich zu klären, 
und auf dem Boden des Faſſes erſcheinen die ausgeſchiedenen Theile als rohe 
Weinhefe. 

Mit dem Ende der ſtürmiſchen Gährung hat aber dieſelbe ihr Ende noch 
nicht erreicht, ſondern dieſelbe dauert, unter dem Namen Stille- oder Nach⸗ 
Gährung fort, ſo lange ſich noch Hefenſtoffe und Zucker in dem Weine befin⸗ 
den und mithin noch Auflöſungen und Zerſetzungen urſprünglicher Stoffe vor 
ſich gehen können. f 

Dieſe ſtille Gährung wird durch die, durch die Hefenzellen durchgeſchwitz— 
ten und in dem jungen Weine zurückgebliebenen Hefenbeſtandtheile unterhalten, 
der Wein behält während derſelben durch die Kohlenſäure-Entwicklung einen 
den Gaumen reizenden ſäuerlich prikelnden Geſchmack, er wird immer alkohol- 
reicher, die im Weine zurückgebliebenen Salze ſcheiden ſich, weil ſie im Alkohol 
unlöslich ſind, aus, ſetzen ſich und bilden in Verbindung mit Kalk den rohen 
Weinſtein, der übrigens auch ſchon in der niedergeſchlagenen Hefe vorhanden 
iſt. Auch die Säuren (Gerbſäure ꝛc.) werden mit den aufgelösten Stoffen 
theilweiſe niedergeſchlagen, der Wein bekommt dadurch mehr Feinheit und durch 
die Entfernung eines großen Theils der Säuren und der Auflöſung der fei— 
neren Beſtandtheile des Traubenſaftes, der ätheriſchen Oele, erhält er erſt 
ſeinen feinen gewürz⸗ und bouquetreichen Geſchmack. 

Durch den Uebergang des Zuckers in Gährung entwickelt ſich Kohlenſäure, 
die das Brauſen und Schäumen des Weinmoſtes veranlaßt und in Gasform 
entweicht, ſo daß alſo nur ein Theil des Zuckers als Alkohol im Weine zu⸗ 
rückbleibt, und da nahezu aus dem Procentſatz des Zuckers die Hälfte an Al⸗ 
kohol erzeugt wird, ſo geben 2 Procent Zucker 1 Procent Alkohol. 

Ohne Zucker entſteht keine geiſtige Gährung, er bildet daher die Baſis 
der Weingährung, dagegen tritt bei denjenigen todten organiſchen Körpern, die 
keinen Zucker enthalten, eine andere Art der Auflöſung, die Verweſung oder 
faulige Gährung ein, die ſogar auch hie und da, jedoch ſelten beim Weine, be- 


392 


ſonders bei ganz ſchwachen Weinen, eintreten kann, wenn der Zucker⸗ und AL 
kohol⸗Gehalt ſo gering iſt, daß dadurch der Uebergang des Weins in Fäulniß 
nicht geſchützt wird, woraus ſich auch einzelne Krankheiten deſſelben erklären 
laſſen. Der Zucker in Verbindung mit Waſſer geht jedoch nur dann in gei⸗ 
ſtige Gährung über, wenn er durch einen dritten Stoff, die Hefe, dazu veran⸗ 
laßt wird. Die Traube, ſowie alle Obſtgattungen unterſcheiden ſich übrigens 
dadurch weſentlich von andern zuckerhaltigen Produkten, daß bei denſelben der 
Gährungsſtoff im Safte vorhanden iſt, während er bei andern, wie bei den 
Körnerfrüchten, Kartoffeln ꝛc. häufig in der Geſtalt von Hefe (Bierhefe) zuge- 
ſetzt werden muß, um dieſelben in Verbindung mit Waſſer in Gährung zu 
bringen. 

Der durch die Gährung der Traubenbeſtandtheile entſtandene Wein darf 
jedoch nicht zu lange den allzuſtarken Einwirkungen der Luft ausgeſetzt werden, 
weil ſonſt der, in dem Weine enthaltene Alkohol, beſonders, wenn noch Gäh— 
rungsſtoff in dem Weine vorhanden iſt, neue Verbindungen mit dem Sauer⸗ 
ſtoffe der Luft ein⸗ und dadurch in Eſſig⸗ (Sauer-) Gährung übergeht. Auch 
vor allzu großer Einwirkung der Wärme muß der Wein während und nach 
der Gährung bewahrt werden, indem ſich bei einer äußern Wärme von 20 
bis 22 Grade Reaumür die weinige Gährung leicht in Eſſiggährung ver— 
wandelt. 


§. 240. 


Der Erfolg der Gährung iſt jedoch nicht immer der gleiche, ſondern der— 
ſelbe hängt von verſchiedenen äußern auf dieſelbe einwirkenden Umſtänden, 
ſowie von dem innern Gehalte des Traubenſaftes ab. 

Zu den äußern Umſtänden gehören: 

1. Der Zutritt der Luft, dieſelbe iſt jedoch, wenn die Gährung einmal 
im Gange iſt, nicht mehr jo nöthig, als beim Anfange derſelben zum Er— 
regen der Gährung, was hienach (S. 247) näher erörtert werden wird. 

2. Ein gewiſſer Grad von Wärme. Eine allzuſtarke Wärme (Siedhitze) 
löst die gährungserregenden Stoffe entweder auf, oder es erfolgt, wie bereits 
erwähnt, eine andere Gährung, die Eſſiggährung. Kälte unterdrückt die Gäh— 
rung, daher dieſelbe bei einer Temperatur unter 8 Graden Reaumür entweder 
gar nicht oder nur unvollſtändig erfolgt, ſo daß, wenn der Wein ſpäter in 
eine wärmere Temperatur kommt, eine wiederholte Gährung mit Trübung und 
und andern Nachtheilen vor ſich gehen kann, woraus dann weiter folgt, daß 
man von dem gleichen Moſte, wenn er in verſchiedenen Temperaturen gährt, 
Weine von ſehr ungleicher Güte und Beſchaffenheit erhalten kann. Die an⸗ 
gemeſſenſte Temperatur für gährenden Wein wird daher eine ſolche von 10 
bis 12 höchſtens 15 Graden Reaumur ſein, wobei jedoch auch auf die Quan⸗ 


“a 


393 


tität der gährendenMaſſe Rückſicht genommen muß, indem, je größer dieſelbe 
iſt, deſto mehr erfolgt die innere Erhitzung durch ſich ſelbſt, je kleiner dieſelbe 
iſt, deſto geringer iſt die Selbſterhitzung und deſto mehr braucht dieſelbe 
äußere Einwirkung. 

Zu den innern, die Gährung des Weinmoſtes bedingenden Beſtandtheilen 
ſind zu rechnen: 

3. Eine im Verhältniß ſtehende Quantität von Zucker und Waſſer (etwa 
1 Theil Zucker auf 10 Theile Waſſer), indem, ſowie allzuviel Zucker vorhan⸗ 
den iſt, die Gährung entweder gar nicht oder nur unvollſtändig erfolgt, weil 
der zu dichte Zuckerſtoff die Hefenſtoffe umhüllt und dadurch bei dev gleich” 
falls vorhandenen geringen Menge von Weinſteinſäure die Gährungsfähigkeit 
unterdrückt, wodurch der Zucker ganz oder noch ein großer Theil deſſelben im 
Weine zurückbleibt, wie wir dieß an den ſüßen, ſüdlichen Weinen beobachten 
und wodurch der Wein, wenn er öfter oder länger mit der Luft in Berührung 
kommt, leicht in Milch⸗ oder Eſſigſäure übergehen oder ſonſt eine Krankheit 
annehmen kann. 

4. Eine der Auflöſung des Zuckers angemeſſene Quantität von Gährungs- 
ſtoff. Die Gährung dauert nur ſo lange fort, als Zucker und ſtickſtoffhaltiger 
Gährungsſtoff in dem Weine vorhanden ſind, iſt der eine oder andere Theil 
aufgelöst, ſo hört die Gährung in der Art auf, daß, wenn der Zucker aufge— 
löst, aber noch Gährungsſtoff vorhanden iſt, ein Theil des letztern im Weine 
zurückbleibt, ſo daß, wenn derſelbe neuen Zuckerzuſatz bekommt, er bei entſpre— 
chender Wärme wieder in Gährung übergehen oder verſchiedene Weinkrankhei— 
ten, zähe, rahn werden (trüben) ꝛc. herbeiführen kann, hat ſich aber der Gäh— 
rungsſtoff vor dem Zucker umgeſetzt, ſo bleibt ein Theil des Zuckers im Weine 
zurück, was, wenn es nur in geringer Menge geſchieht, dem Weine eine ange— 
nehme Süße geben wird, wenn er aber in größerer Menge vorhanden iſt, mit 
den oben angeführten Nachtheilen verbunden ſein kann. 

Bei der Leitung der Gährung muß daher hauptſächlich darauf Rückſicht 
genommen werden, daß die, dieſelbe bedingenden Urſachen in einem gegenſeiti— 
gen angemeſſenen Verhältniſſe vorhanden ſind, ſo daß womöglich eine voll— 
ſtändige Auflöſung des Zuckers und eine vollſtändige Niederſchlagung des Gähr— 
ſtoffes (auch Kleber genannt) ſtattfindet. Jenes Verhältniß kann wenigſtens 
theilweiſe durch Herbeiführung angemeſſener äußerer Umſtände, ſowie durch 
Zuſatz oder Entfernung innerer Beſtandtheile des Moſtes erreicht werden. Die 
Gährung wird nemlich gefördert und beſchleunigt und dadurch auf eine voll— 
ſtändigere Zerſetzung des Zuckers eingewirkt. 

5. Durch Erhöhung der Temperatur des Gährlokals und des Moſtes. 

6. Durch Vermehrung und ſtärkere Anregung des Gährungsſtoffes. 


394 


7. Bei allzu zuckerreichem Weinmoſte durch Verdünnung deſſelben mittelſt 
Waſſer, was hie und da bei ſüdlichen Weinen vorkommt. 

8. Durch das Vermengen des Gährungsſtoffes mit dem Zuckerſtoff mittelſt 
öfterem Umrühren der gährenden Maſſe, ſo daß ſich die Hefe erſt niederſchlägt, 
nachdem kein Gährſtoff mehr in derſelben enthalten iſt. 

Die Gährung wird ermäßigt oder theilweiſe aufgehalten, beziehungsweiſe 
auf vollſtändige Niederſchlagung der Hefenſtoffe hingewirkt. 

9. Durch Verminderung der Gähr- oder Hefenſtoffe. a 

10. Durch Entfernung der Pflanzen-, beſonders der Gerbſäure, ſowie der 
ſauren mineraliſchen (Kali) Salze, indem dieſelben in großem Ueberfluſſe vor⸗ 
handen, der Gährung entgegenwirken, während eine geringe Menge derſelben 
förderlich iſt. s 

11. Durch Vermehrung der Zuckerſtoffe. 

12. Durch Vermehrung des Zutritts der Luft. 

Auf welche Weiſe nun all dieſes zu erlangen iſt, und wie darnach die 
verſchiedenen Gattungen der Weine zu behandeln ſind, darüber haben wir 
nähere Betrachtungen anzuſtellen. 


. 
a. Die Gährlokale. 


Der Weinmoſt bedarf zu feiner vollſtändigen Gährung nicht nur einen 
gewiſſen Grad von Wärme, ſondern auch eine möglichſt gleichmäßige Wärme, 
denn ſowie ſich die Temperatur ſtark erkältet, ſo vermindert ſich entweder die 
Gährung oder hört ganz auf, tritt aber wieder ein oder ſteigert ſich, ſowie die 
Wärme zunimmt, oder wenn ſpäter der Wein in ein wärmeres Kellerlokal ge— 
bracht wird, was, wie bereits angeführt, für den Wein, durch Umſchlagen, 
Krankwerden ꝛc. von bedeutendem Nachtheil ſein kann. 

Da nun in den meiſten deutſchen Weingegenden, beſonders bei der immer 
mehr in Aufnahme kommenden Spätleſe die Lufttemperatur während des 
Herbſtes häufig eine ſehr kühle iſt, die nicht mehr den, zur Durchführung einer 
vollſtändigen Gährung erforderlichen Wärmegrad beſitzt, jo iſt es von bejon- 
derer Wichtigkeit, daß für ein Gährlokal mit der erforderlichen Wärme ge- 
ſorgt wird. 

Die Gährung geht, ſo lange der Weinmoſt ſich noch in der Kufe befin⸗ 
det, entweder in freier Luft oder in bedeckten und geſchloſſenen Kelterlokalen, 
wenn aber derſelbe gekeltert iſt, gewöhnlich in den Kellern vor ſich. Daß hier 
ein der vollſtändigen Gährung entſprechender Wärmegrad nicht immer vor— 
handen iſt, lehrt die Erfahrung, am unzweckmäßigſten erſcheint aber die Ver⸗ 
gährung des Weinmoſtes unter freiem Himmel, indem, wenn auch die Kufen 


395 


bedeckt ſind, die Luft doch einen allzu freien Zutritt zu dem Moſte hat, wodurch 
Wärme, Kälte und Regen einen ſehr abwechſelnden und häufig ſehr ungün— 
ſtigen Einfluß auf die Gährung ausüben können. Beſonders ſehr nachtheilig 
für dieſelbe iſt es, wenn die Kufen von der Sonne beſchienen werden können, 
indem dadurch die Gährung ſo ſchnell vor ſich geht, daß leicht Eſſiggährung 
eintreten kann, oder wenn die Kufen nicht fo gut bedeckt oder verſchloſſen fint, 
daß kein Regen und keine Feuchtigkeit eindringen kann, was ſelten der Fall 
iſt, wodurch nicht nur die Gährung aufgehalten und geſtört, ſondern der Wein— 
moſt auch mehr als gut iſt, gewäſſert werden kann. Eine derartige Gährung 
iſt daher unter allen Umſtänden zu verwerfen. 

Die Gährung in bedeckten und geſchloſſenen Kelter- und anderen Lokalen 
iſt zwar mit den ſo eben angeführten Nachtheilen weniger verbunden, da jedoch 
auch hier die Luft meiſtens freien Zutritt hat und die Wärme oder Kälte der— 
ſelben einen weſentlichen Einfluß auf den Verlauf der Gährung ausübt, ſo iſt 
dieſelbe ſo ſehr von den Witterungsverhältniſſen abhängig, daß ſie in vielen 
Fällen zu keinem vollſtändigen Erfolge führt und daher gleichfalls nicht als 
ſehr zweckmäßig erſcheint. Doch könnte, wenn in unſern weiten Kelterräumen, 
ſtatt der unförmlichen Baumpreſſen, nach und nach Spindelpreſſen eingeführt 
würden, in denſelben viel Raum zu der Aufſtellung von Kufen disponibel 
werden, wodurch, gegenüber von deren Aufſtellung unter freiem Himmel, ſchon 
viel gewonnen wäre. 

Den angeführten beiden Vergährungsarten iſt jedoch die Gährung des 
Weinmoſtes in den Kellern weit vorzuziehen, indem die Temperatur in deuſel— 
ben, wenn ſie nicht zu ſeicht und wenig verwahrt ſind, ziemlich gleichförmig 
iſt, ſo daß die Gährung nicht geſtört wird, ſondern einen gleichen Verlauf 
nehmen kann, auch können dieſelben, wenn ſie zu kühl ſein ſollten, bei warmer 
Witterung durch Oeffnung der Thüren und Läden über die Mittagszeit, oder 
durch Anmachung von Feuern oder durch vorübergehende Aufſtellung eines 
Ofens erwärmt werden, wobei man ſich jedoch, wenn ſich auch noch ältere 
Weine in einem Keller befinden, ſehr hüten muß, daß derſelbe nicht zu ſtark 
erwärmt wird, weil ſonſt dieſe leicht wieder in Gährung kommen oder in 
Eſſiggährung übergehen könnten. 

Die angemeſſenſte und dem Zwecke einer vollſtändigen Gährung am mei— 
ſten entſprechende Einrichtung ſind unſtreitig beſondere heizbare Gährlokale, 
in welchen man, je nachdem man die Gährung ſteigern oder mäßigen will, 
die Temperatur durch Einheizen erhöhen oder durch Lüftung erniedrigen kann 
und wodurch man die Leitung derſelben ganz in der Hand hat, auch will man 
die Erfahrung gemacht haben, daß die in gut geheizten Lokalen vergährten 
Weine ſich weit beſſer aus bildeten, als die in ungeheizten Räumen und daher 
auch theurer bezahlt wurden. Solche Gährlokale ſollen ſich zur ebenen Erde 


396 


über oder in der Nähe der Keller befinden, damit der vergohrene Wein leicht 
und womöglich durch einen Schlauch in letztere geſchafft werden kann. Sie 
haben einen Plattenboden von Stein und in der Mitte einen Ofen, von dem 
aus 1½ —2 Fuß über dem untern Boden eiſerne Wärme-Abzugs⸗ 
röhren /—)⁰ Fuß im Durchmeſſer laufen, fo daß dadurch die Wärme 
überall verbreitet und das Lokal ganz gleichförmig erwärmt wird. Weil jedoch 
die Wärme, vermöge ihrer eigenthümlichen Leichtigkeit, immer in die Höhe 
ſteigt, ſo wird es zweckmäßig fein, wenn die Lokale, beſonders auch zu Erſpa⸗— 
rung von Heizmaterial, nicht ſehr hoch ſind, vielmehr dürfte eine Höhe von 
8 Fuß genügen. 

Bei einer ſolchen Einrichtung läßt ſich auch genau unterſuchen und prüfen, 
ob die ſtürmiſche Gährung ganz vorüber iſt und die dabei nothwendigen Zer— 
ſetzungen vollſtändig beendigt find, indem man, ſowie die Gasentwicklung und 
das laute Entweichen deſſelben beendigt iſt, die Temperatur von 10—15 Gra⸗ 
den auf 20—24 Grade erhöht und wenn dann nicht wieder eine ſtärkere Gäh— 
rung eintritt, ſo darf man annehmen, daß Zucker und Gährſtoff ſich gehörig 
zerſetzt haben. 

Man muß jedoch dabei mit möglichſter Vorſicht zu Werke gehen und die 
erhöhte Temperatur nur wenige Stunden andauern laſſen, weil ſich ſonſt leicht 
Eſſig erzeugen könnte. 

Die Einrichtung ſolcher Gährlokale wird übrigens nur für den größeren 
Weinbergbeſitzer als lohnend erſcheinen, der kleinere Weinbergbeſitzer kann jedoch 
bei allzu niedriger Temperatur die Gährung ſeines Weinmoſtes dadurch be— 
fördern und vervollſtändigen, wenn ein Theil des Moſtes, etwa 2 Imi per 
Eimer, in einem Keſſel erwärmt und dann dem Uebrigen beigegeben wird, 
doch darf die Wärme nicht bis zur Siedhitze ſteigen, weil ſonſt der Gährungs— 
ſtoff zerſtört wird, auch kann man gegen das Ende der Gährung ein gelindes 
Erwärmen wiederholen, wenn der Weinmoſt ſich wieder zu ſehr erkältet haben 
ſollte. 

In geſchloſſenen Räumen, mithin in Kellern oder beſondern Gährlokalen, 
entwickelt ſich während der Gährung durch Ausſtrömen aus dem Moſte nicht 
ſelten ſo viel kohlenſaures Gas, daß dadurch das Athmen ſehr erſchwert wird, 
oder, wenn daſſelbe in großer Menge vorhanden iſt, das Athmen ganz auf- 
hört und ein Erſtickungstod erfolgt, man darf deßwegen ſolche Lokale nur mit 
der größten Vorſicht begehen. Dieſes Gas iſt weit ſchwerer als die atmos— 
phäriſche Luft, ſenkt ſich daher immer zu Boden und nimmt zuerſt die unterſte 
Stelle in dem Lokale ein, ſowie ſich aber die Gasausſtrömungen vermehren, 
ſo ſteigt es nach und nach, indem es ſtets eine horizontale Fläche bildet, im— 
mer höher, bis der ganze Raum damit angefüllt iſt. Demnach iſt es für den 
Eintretenden ſo lange unſchädlich, als ſein Kopf ſich noch über der oberſten Schichte 


397 
deſſelben befindet, ſowie er ſich aber bückt, wird er die ſchädliche Einwirkung 
deſſelben ſogleich empfinden. Licht und Feuer erlöſchen in dieſer Luftart, daher 
man durch Vorhalten eines Lichts leicht erfahren kann, ob ſich Gas entwickelt 
hat und wie hoch die Schichte deſſelben geht. Daſſelbe vermiſcht ſich, aber 
nur langſam, mit der atmosphäriſchen Luft, wodurch das Athmen erleichtert 
wird, daher alles das, was die Vermiſchung befördert, namentlich Luftzug 
durch Oeffnen der Thüren und Läden, vorſichtiges Feueranmachen in dem Lo— 
kale, oder das Schießen mit Feuergewehren die Gefahr vermindert. 

Das kohlenſaure Gas hat die Natur einer Säure und verbindet ſich gerne 
mit Alkalien (Potaſche, Natron, Ammoniak und gebranntem Kalk), daher die 
ſchädliche Einwirkung ganz verhütet werden kann, wenn die Gährgefäſſe (Fäſſer, 
Kufen) mit Gährröhren verſehen werden, die in einem Gefäß mit Waſſer aus- 
münden und bringt man in daſſelbe gelöſchten Kalk oder beſſer Potaſche, ſo 
verbindet ſich das Gas mit dem Kalk zu einem feſten, ſich niederſchlagenden 
Pulver, mit der Potaſche aber zu einem im Waſſer löslichen Salze, ſo daß 
die Ausſtrömung in das Gährlokal dadurch beſeitigt wird. 


§. 242. 
b. Die Gährgefäſſe. 


Dieſelben beſtehen entweder in weiten offenen Kufen (§. 231), die häufig 
gebraucht werden, wenn der Weinmoſt an den Trebern vergähren ſoll, oder 
in Fäſſern, in welchen man in der Regel den in der Kelter ausgepreßten Wein— 
moſt vergähren läßt. Will man den Wein in den Kufen an den Trebern ver- 
gähren laſſen, fo find ſchon oben (§. 241) die Nachtheile nachgewieſen worden, 
die mit der Gährung in offener Kufe verbunden ſind, das Zudecken derſelben 
mittelſt eines luftdicht verſchließbaren Deckels iſt daher ein weſentliches Er— 
forderniß, wobei es ſehr angemeſſen iſt, wenn man ſich dabei beſonderer Gähr— 
kufen mit Senkboden und Gährrohr bedient. Dieſe Kufen ſind oben und un— 
ten gleich weit, im Ganzen mehr hoch als weit und haben in der Mitte eine 
Schraube mit Gewenden, in welche der Senkboden einpaßt und an der der— 
ſelbe auf⸗ und abgelaſſen werden kann. Derſelbe wird aus tannenen Bret— 
tern in runder Form gefertigt, ſo daß er bequem in die Gährkufe paßt; er 
wird, wenn die Treber eingefüllt ſind, vermittelſt der Schraube bis auf die 
Treber niedergelaſſen, ſo daß ſich dieſelben nicht über den Senkboden erheben 
können, dagegen iſt er mit einer Menge kleiner, ½ Zoll weiter Oeffnungen zu 
verſehen, damit durch dieſelben die durch die Gährung ausgedehnte Weinmoſt— 
maſſe aufſteigen kann. Die Kufe darf jedoch höchſtens zu ¼ mit Trebern 
angefüllt werden und muß oben mit einem in einen Falz eingelaſſenen Deckel 
verſehen ſein, der genau paßt und der alsdann am Rande noch mit Lehm 


398 

oder Hafnererde luftdicht verſchloſſen wird. Dieſer Deckel erhält in der Mitte 
ein rundes Loch, je nach der Größe der Gährkufe, von 1—2 Zoll Weite, in 
das das Gährrohr feſt eingeſetzt wird, deſſen anderes Ende in einem kleinen 
Gefäß mit Waſſer endigt, das von Zeit zu Zeit ergänzt oder aufgefüllt werden 
muß, ſo daß der Zutritt der Luft und dadurch das Entweichen der flüchtigen 
geiſtigen Beſtandtheile möglichſt verhindert wird. Das Gährrohr kann von 
Blech, Holz, Glas oder Thon gefertigt und muß oben gebogen ſein oder ein 
doppeltes Knie haben, damit das eine Ende in das Waſſergefäß gebracht wer- 
den kann. 

Wer ſich übrigens keine beſondere Gährkufe anſchaffen will oder kann, 
wie der kleinere minder bemittelte Weingärtner, der kann auch die gewöhn— 
lichen Kufen (Bütten), ſo wie Weinbergszüber dadurch zu jenem Zwecke her— 
richten, daß der Senkboden nicht breiter wird, als die obere enge Oeffnung 
der Kufe und daß derſelbe durch Leiſten, die an der Kufe ob dem Senkboden 
mit Schrauben befeſtigt werden, auf der Trebermaſſe zurückgehalten und die 
Kufe ſofort wie oben mit Deckel und Gährrohr verſehen wird. Noch einfacher 
und weniger koſtſpielig iſt es, wenn ſtatt des Senkbodens Pfähle ſo zuge— 
ſchnitten werden, daß ſie in die Kufe eingeſpannt werden können, wobei ſie ſo 
dicht neben einander gelegt werden müſſen, daß ſich die Trebermaſſe nicht über 
ſie erheben kann. 

Will man den Wein in den Fäſſern vergähren laſſen, ſo ſind dazu ſolche 
von Eichenholz die geeignetſten, da jedoch daſſelbe ſehr viel Gerbſtoff enthält, 
der durch den Wein ausgezogen wird, ſo könnte derſelbe leicht einen unange— 
nehmen Faßgeſchmack bekommen, wenn neue Fäſſer ohne vorangegange Zube— 
reitung zu der Gährung des Weins verwendet werden wollten. Dieſe Zubs— 
reitung beſteht darin, daß man die Fäſſer mehrmals mit heißem Waſſer aus- 
vrüht, dem man etwas Alaun zuſetzen kann. Nach dem Ausbrühen werden 
dieſelben mit kaltem Waſſer gefüllt, das in denſelben einige Tage, beſſer einige 
Wochen ſtehen bleibt und von 8 zu 8 Tagen zu erneuern iſt, wodurch ein 
großer Theil des Gerbſtoffs ausgezogen wird und in das Waſſer übergeht. 
Ganz wird aber das Ausziehen der Gerbſäure ſelten erfolgen, daher in ſolche 
Fäſſer kein alter Wein eingefüllt werden darf, wenn er nicht einen Faßge— 
ſchmack erhalten ſoll, dagegen hat bei dem neuen Wein das Ausziehen des ge— 
ringeren Gerbſäuregehalts aus dem Holze der Fäſſer hie und da die gute 
Wirkung, daß der Klebergehalt deſſelben ſtärker niedergeſchlagen wird, wodurch 
der Wein ſich mehr ausbildet und haltbarer wird, daher namentlich bei jehr - 
ſchleimigen Weinen das Vergährenlaſſen in neuen Fäſſern öfters von beſonde— 
rem Vortheil iſt. 

Bei dem Einfüllen des Weinmoſtes muß man die Vorſicht gebrauchen, 
daß man weißen Weinmoſt nicht in Fäſſern vergähren läßt, in welchen zuvor 


399 


rother Weinmoſt vergohren oder rother Wein gelegen hat, weil derſelbe Farbe 
an das Holz abſetzt, welche ſich durch die Gährung dem weißen Weine mit— 
theilen könnte. Soll der Weinmoſt mit den Trebern vergähren, ſo muß das 
Spundloch erweitert und ein beſonderer Trebertrichter mit weitem Rohr an— 
geſchafft werden, damit die Treber bequem eingefüllt werden können, oder man 
kann auch die Fäſſer aufrecht auf den hintern Boden ſtellen, den vordern Bo— 
den herausnehmen, die Treber einfüllen, den Boden nachher wieder einſetzen 
und ſofort das Faß in die gewöhnliche Lage bringen oder daſſelbe aufrecht 
ſtehen laſſen, in welchem Falle daſſelbe dann unten mit einem Zapfloch zum 
Abzapfen des Weins verſehen werden muß. Eine beſondere Beachtung ver— 
dient die Größe der Gährgefäſſe, indem der Weinmoſt in großen Gährgefäſ— 
ſen ſich während der Gährung weit mehr erhitzt, als bei kleineren, weil dem 
Weinmoſt in den letztern durch größere Berührung mit der kälteren Luft ver— 
hältnißmäßig weit mehr Wärmeſtoff entzogen wird, als größern Quantitäten, 
ſo daß, während der Weinmoſt ſich in größeren Gährgefäſſen (Lagerfäſſern) 
hie und da bis zu 20—25 Grad Reaumur erhitzt, in kleineren Gefäſſen die 
Temperatur oft kaum 10—12 Grade erreicht. Die Gährung wird daher in 
größeren Gefäſſen ſchneller und wahrſcheinlich auch vollſtändiger vor ſich gehen, 
als in kleineren, weßhalb es ſehr zweckmäßig ſein wird, wenn man in unge— 
heizten Lokalen den Weinmoſt in größeren Gährgefäſſen vergähren läßt, in 
geheizten dagegen in kleineren etwa von 2—4 Eimern, damit hier der Wein- 
moſt durch die wärmere Luft bälder und gleichmäßiger erwärmt wird, wodurch 
auch die Gährung vollſtändiger vor ſich gehen kann. Doch hat man auch auf 
den Gehalt des Weinmoſtes Rückſicht zu nehmen, indem ein gehaltreicher, we— 
gen der größeren Zuckermenge und der geringeren Menge au Gährſtoff, zur 
Gährungsentwicklung eine größere Einwirkung von außen (Luft und Wärme) 
erfordert, als geringerer Weinmoſt, daher bei erſterem die 3—5 eimerige 
Gährgefäſſe am zweckmäßigſten, für letztere mehr größere Lagerfäſſer ange⸗ 
meſſen ſein dürften, und dieſes um ſo mehr, als bei ſtärkerer Erhitzung des 


ſchen Theile deſſelben mehr verflüchten ſollen, wodurch die beſſeren und edle— 
ren Weine vielen Gehalt verlieren würden. Es kann übrigens auch in gro— 
ßen Fäſſern, wenn ſie ſich in tiefen kalten Kellern befinden, die Gährung, un— 
erachtet der ſtarken Erhitzung des Weinmoſtes, eine unvollſtändige bleiben, 
weil derſelbe, wenn die Gährung abnimmt, zu bald erkaltet, wodurch die Gäh— 
rung zu ſchnell, mithin unvollſtändig vorübergeht und auch eine unvollſtändige 
Nachgährung folgt. Ein angemeſſener, ſich möglichſt gleich bleibender Wärme— 
grad des Gährlokals ſo wie ein nicht allzu ſtürmiſcher, ſondern mehr allmäh— 
liger Verlauf der Gährung wird daher zu der Herbeiführung einer vollſtän— 
digen Weinmoſtgährung immer eine Hauptſache bleiben. 


400 


8. 243. 


c. Die Art der Gährung. 


Die mehr oder minder vollſtändige Gährung hängt, wie bereits bemerkt, 
hauptſächlich auch von dem innern Gehalte des Weinmoſtes ab, daher durch 
die Art der Gährung dieſelbe weſentlich befördert werden kann, weßhalb es 
von beſonderem Intereſſe iſt, die verſchiedenen Gährmethoden und diejenigen 
Umſtände, unter welchen jede einzelne zweckmäßig in Anwendung zu bringen 
iſt, näher kennen zu lernen. 


aa. Die Gährung an den Trebern. 


Die Häute, Kerne und Kämme der Traubentreber enthalten viel Gerb— 
ſäure und erſtere auch noch Farbſtoff, da nun zur Erregung der Gährung 
hauptſächlich auch Pflanzenſäure gehört (§. 239), ſo wird durch die Gährung 
des Traubeuſaftes an den Trebern dieſelbe beſonders in dem Falle ſehr an— 
geregt und befördert, wenn der Traubenſaft ſelbſt wenig Säure beſitzt, was 
namentlich in guten Weinjahren bei zuckerreichen Trauben auf die Zuckerauf— 
löſung und Erzeugung von Alkohol einen ſehr günſtigen Einfluß ausübt. Au⸗ 
ßerdem hat aber die Gerbſäure auch noch die Eigenſchaft, daß ſie mit den 
gährungserregenden (eiweißartigen und ſtickſtoffhaltigen) Stoffen Verbindungen 
eingeht, und dadurch das ſpätere Nachgähren und Umſchlagen des Weins ver— 
hindert, wodurch, ſowie durch die Vermehrung des Alkohols, zugleich auch die 
Haltbarkeit des Weins erhöht wird. Die Gerbſäure ſowie der Farbſtoff der 
Häute wird theilweiſe ſchon bei dem Zerdrücken der Traubenbeere aufgelöst 
und ausgedrückt und von dem in dem Traubenſafte enthaltenen Waſſer aus— 
gezogen. Dieſes Auflöſen und Ausziehen wird aber durch den Alkohol des 
Weins weſentlich befördert und hat namentlich auf das Ausziehen der Farbe 
aus den Häuten einen weſentlichen Einfluß. | 

Bei der Gährung an den Trebern muß man jedoch unterſcheiden, ob die 
Trauben gebeert (geraſpelt) oder mit den Kämmen zerdrückt wurden, iſt letz⸗ 
teres der Fall und ſind namentlich die Kämme noch grün und nicht abgedorrt, 
in welchem Falle ſie noch viel Gerbſäure enthalten, die ſich durch die Gährung 
noch mehr als durch den Druck der Preſſe dem Moſte mittheilt, ſo wird es 
immer gut ſein, wenn man die Gährung nicht vollſtändig vorübergehen läßt, 
ſondern nur bis ſich die Treber gehoben haben und die ſtürmiſche Gährung 
zum größern Theile beendiget iſt, was man an dem Aufhören des Kochens 
(Sprudeln) des Moſtes erkennt, fo wie wenn bei dem Aufſetzen eines Gähr- 
rohrs in dem Sperrwaſſer nur noch langſam Blaſen geworfen werden, weil 
ſonſt der Wein zu viel Gerbſäureſtoff erhalten und dadurch, wenigſtens in 


401 


den erſten Jahren, rauh und unangenehm werden könnte. Sind die Kämme 
ganz dürr, ſo wird von denſelben zwar wenig oder keine Gerbſäure dem Weine 
mitgetheilt werden, dagegen können ſie dem Weine bei vollſtändiger Gährung 
an denſelben einen andern unangenehmen Geſchmack beibringen, jedenfalls 
werden ſie aber etwas Weinmoſt einſaugen, der durch die Preſſe ſpäter nicht 
mehr ganz aus denſelben entfernt werden kann, wodurch ein Verluſt an Flüſ— 
ſigkeit entſteht. Bei dem Ablaſſen eines ſolchen noch in der Gährung be— 
findlichen Moſtes, ſowie bei dem Auspreſſen der Treber hat man jedoch da— 
für zu ſorgen, daß der Moſt ſo wenig wie möglich den Einwirkungen der 
äußern Luft ausgeſetzt, mithin ſchnell zu Faß gebracht wird, weil ſonſt die 
Kohlenſäure zu ſchnell entweichen und der junge Wein mit dem Sauerſtoffe 
der Luft Verbindungen eingehen könnte, die eine längere Trübung herbeifüh— 
ren würde. Das Abbeeren der Trauben von den Kämmen wird ſich daher 
auch aus den hier angeführten Gründen empfehlen, auch kann man dann die 
Gährung an den Trebern eher vollſtändig, bis das Brauſen oder Kochen des 
Moſtes oder das Sprudeln im Sperrwaſſer aufhört, vorübergehen laſſen, in— 
dem dabei nicht nur alle mit der Gährung an den Kämmen verbundenen 
Nachtheile vermieden, ſondern auch die in den Häuten einzelner Traubengat— 
tungen enthaltenen wohlriechende Stoffe ausgezogen und dadurch das Bouquet 
des Weins erhöht wird, doch iſt auch hier anzurathen, den Wein beim Ablaſ— 
ſen und Auspreſſen möglichſt ſchnell zu Faß zu bringen. Will man den Wein 
beſonders in minder vorzüglichen Jahren nicht an allen Trebern vergähren 
laſſen, jo hat es für die vollſtändigere Gährung ſchon eine gute Wirkung, wenn 
man dem Weinmoſte etwa 1 Imi per Eimer ſüße, entweder gepreßte 
oder unausgepreßte Treber gibt, wobei es jedoch im erſtern Falle gut iſt, 
wenn die Treber von den Kernen zuvor gereiniget werden, weil der Wein von 
der öligen Subſtanz derſelben, die durch das Preſſen etwas gelöst worden iſt, 
leicht einen bittern, unangenehmen Geſchmack annehmen könnte. Sehr vor⸗ 
theilhaft iſt es in dieſem Falle, wenn man zu gewöhnlichem Weinmoſt Treber 
von edlen Traubengattungen (Rießling, Traminer, Muskateller, Clevner) füllt, 
indem der Wein dadurch einen feineren Geſchmack bekommt. Auch alte oder 
kranke Weine können durch Zugabe von 1 Imi unausgepreßten ſüßen Trebern 
per Eimer wieder erfriſcht oder hergeſtellt werden. 

Durch die Vergährung des Weins an den Trebern in guten Jahren er— 
hält derſelbe nicht nur mehr Geiſt, Gewürz und Bouquet, ſondern er wird 
auch durch die größere Haltbarkeit vor manchen Krankheiten bewahrt, daher 
die Gährung an den Trebern bei ſehr ſchleimhaltigen Trauben, für die meiſten 
Jahre beſonders auch aus dem Grunde empfohlen werden darf, weil die Gäh— 
rung durch die gleichförmige Vertheilung der Wärme in der dickeren Maſſe 
regelmäßiger vor ſich geht, und weil durch dieſelbe der an den Beerenhäuten 
26 


402 


hängende Zuckerſchleim vollſtändiger aufgelöst und dadurch auch mehr Moſt 
erzeugt wird. 

Bei der Gährung des Weinmoſtes an den Trebern werden die letztern 
erſt ſpäter nach der Gährung ausgedrückt, wodurch bei großem Drange der 
Herbſtgeſchäfte dieſelben weſentlich gefördert werden, doch muß, weil der Moſt 
ſchon in Wein übergegangen iſt, dann mit der Kelterung möglichſt geeilt und 
der Wein nach dem Ablauf ſogleich wieder zu Faß gebracht werden, weil ſich 
ſonſt neben dem bereits angeführten Uebelſtande auch zu viel Alkohol verlieren 
könnte. 


2° 


8. 244 


bb. Die Gährung ohne die Treber. 

Bei der Gährung ohne die Treber kommt hauptſächlich in Berückſichti⸗ 
gung, ob ein möglichſt farbloſer Wein erzeugt werden will, ſowie der Grad 
der Reife der Trauben und die künftige Qualität des Weins. 

Durch die Gährung an den Trebern wird, wie bereits angeführt, haupt— 
ſächlich auch der in den Häuten befindliche Farbſtoff ausgezogen und da nicht 
blos die gefärbten rothen oder blauen Trauben, ſondern auch die weißen oder 
grünen Trauben Farbſtoff beſitzen, indem, wenn dieſelben mit Weingeiſt über- 
goſſen oder durch die Gährung mit Weingeiſt in Berührung kommen, aus den⸗ 
ſelben eine gelbliche Flüſſigkeit ausgezogen wird, die dem Weine von rothen 
Trauben eine ſtark gelbe, hie und da röthlich gelbe, von weißen Trauben aber 
eine ſchwächere gelbliche Farbe gibt, ſo darf man, wenn man reine weiße 
Weine erziehen will, keine Gährung an den Trebern vor ſich gehen laſſen. 
Die gelbliche Farbe von weißen Trauben ſcheint jedoch hauptſächlich dadurch 
zu entſtehen, daß der im Weinmoſte enthaltene Extraktivſtoff durch Weingeiſt 
aufgelöst wird und wenn derſelbe dann mit der Luft in Berührung kommt, 
ſich oxydire und braun färbe und in verdünntem Zuſtande dadurch dem Weine 
die gelbliche Farbe gebe. 

Häute und Kämme der Trauben haben aber auch viel Gerbſäure, die in 
erhöhtem Maße vorhanden iſt, wenn die Trauben nicht zur vollſtändigen Reife 
gelangen, indem dann nicht ſelten die in dem Saft der Beere ſo wie in den 
Häuten und Kämmen enthaltene Säure den Zuckergehalt überſteigt, daher, je 
länger der Wein an den Trebern ſteht, deſto mehr wird auch der Säurege- 
halt aus denſelben ausgezogen und dem Weine mitgetheilt. In geringen Wein⸗ 
jahren iſt es deßhalb ein unumgängliches Erforderniß, daß man, um noch 
einen guten und trinkbaren Wein zu erhalten, die in demſelben enthaltenen 
Säuren möglichſt zu vermindern ſucht, was hauptſächlich dadurch geſchieht, 
wenn man den Wein nicht an den Trebern vergähren läßt. Dieſes erfolgt 
durch das Keltern der ganzen Trauben nach §. 226, indem dadurch der in den 


403 


— nn 


Kämmen enthaltene ſaure Saft gar nicht, der Saft in den Häuten aber nur 
theilweiſe ausgedrückt wird. Es wird aber auch, jedoch in minderem Grade 
erreicht, wenn man die mit den Kämmen zerdrückten oder die gebeerten und 
zerdrückten Trauben ſogleich nach dem Zerdrücken auspreßt und den Weinmoſt 
möglichſt ſüß in den Keller ſchafft, damit er auch dort noch durch angemeſſene 
Behandlung mittelſt Entſchleimens und baldiges Ablaſſen ſeines Säuregehalts 
entledigt wird. In beſſeren Weinjahren kann man durch das Unterlaſſen der 
Gährung an den Trebern den beſondern Zweck erreichen, daß der vergohrene 
Wein länger einen ſüßen Geſchmack behält und bald ein angenehmes, mildes, 
liebliches Getränke abgibt, man muß aber auch erwarten, daß der junge Wein, 
wenn die Sommerwärme eintritt, weil die Gährung wegen Mangel an Gäh— 
rungsſtoff nicht vollſtändig vorüber ging, durch Zäh- und Trübwerden krank 
wird, daher in guten Weinjahren das Einkellern des ſüßen Weinmoſtes ohne 
vorausgegangene Gährung an den Trebern nur dann anzurathen iſt, wenn 
der Wein bald konſumirt werden ſoll, oder wenn demſelben nach §. 243 we— 
nigſtens /2—1 0 Imi pr. Eimer gute Weintreber beigegeben werden. 


§. 245. 
ce. Die Entſchleimung. 


Der von den Trebern abgelaſſene und gekelterte ſüße Weinmoſt iſt in 
der Regel nicht hell, ſondern trübe, was daher kommt, daß in demſelben ſchwe— 
bend ſich noch viele leichte Schleim- (Kleber) und Hefenſtoffe (ſtickſtoffhaltige 
Beſtandtheile) befinden, die, wenn derſelbe einige Zeit ruhig bleibt, ohne in 
Gährung überzugehen, niederſinken und ſich auf dem Boden der Kufe oder 
des Faſſes feſtſetzen, ſie kommen aber wieder in Bewegung, und ſteigen in den 
Weinmoſt herauf, ſowie die Gährung beginnt und theilen dadurch dem Weine 
nicht nur vielen Gährungsſtoff, ſondern auch durch ihre Auflöſung den in den— 
ſelben enthaltenen nicht ſelten ſauren Saft mit. Werden daher vor dem Be— 
ginnen der Gährung jene gröbern Schleim- und Hefenſtoffe aus dem Moſte 
entfernt, ſo wird dadurch ein ſehr milder, ſüßer, angenehmer Wein erzeugt, 
indem dadurch namentlich auch manche ſpäteren Krankheitsſtoffe niedergeſchlagen 
werden. Man hat deßwegen ſchon vor längerer Zeit Verſuche gemacht, die 
Gährung des ſüßen Weinmoſtes auf künſtliche Weiſe zurückzuhalten, was auch 
gelungen iſt und was man nun das Entſchleimen deſſelben nennt. Das— 
ſelbe erfordert, daß der Moſt ganz ſüß in das Faß und daſſelbe in einen kal— 
ten Keller gebracht wird, deſſen Temperatur die Gährung zurückhält, oder daß 
man das Faß ſo ſtark mit Schwefelſchnitten einbrennt, bis daſſelbe mit Schwe— 
feldunſt ganz angefüllt iſt und die Schnitten in dem Faſſe nicht mehr brennen, 
worauf der Moſt eingefüllt und das Faß womöglich ganz gefüllt und gut ver— 

28 


404 


— —t 


ſpundet wird. Man hat jedoch dabei auch auf die Lufttemperatur und auf die 
Temperatur des Lokals Rückſicht zu nehmen, indem in kühlen Herbſten, wo 
der Weinmoſt ſehr kalt ins Faß gebracht wird, oder in kalten Kellern die ſtarke 
Einſchweflung der Fäſſer weniger nothwendig, als im entgegengeſetzten Falle 
iſt. Der Schwefeldunſt (Schwefelſäure) hat die Wirkung, daß er mit dem 
Weinmoſte Verbindungen eingeht und dadurch nicht nur die Gährung zurüd- 
hält, ſondern auch das Niederſchlagen der gröberen Schleim- und Hefentheile 
befördert, daher durch letzteres Verfahren der Zweck des Entſchleimens voll— 
ſtändiger als durch erſteres erreicht werden wird. 

Will man die Verbindung der ſchwefeligen Säure mit dem Weinmoſte 
befördern, oder befürchtet man, daß derſelbe zu frühe und ehe er ſich gehörig 
geſetzt hat, in Gährung übergehen werde, ſo kann, wenn das Faß zur Hälfte 
mit Moſt gefüllt iſt, derſelbe durch einander geſchlagen werden, wodurch die 
Verbindung des Schwefels mit dem Moſte befördert wird, worauf man das 
Faß nochmals mit Schwefel aufbrennt und daſſelbe vollends zufüllt. Wäh⸗ 
rend des Einfüllens iſt es gut, wenn man, ſowie ein Butten eingefüllt iſt, 
den Spunden wieder verſchließt, damit der Schwefeldunſt nicht entweichen kann. 

Sobald ſich der Weinmoſt durch Ablagerung ſeiner gröberen Beſtand— 
theile gehellt hat, ſo daß er durchſichtig iſt, je nach der Beſchaffenheit deſſelben 
nach 1—3 Tagen, wird er abgelaſſen, ſo lange er noch hell fließt, in ein 
reines ungeſchwefeltes Faß gebracht und dort der Gährung überlaſſen. Der 
abgeſetzte Schleim kommt in ein beſonderes Faß, um dort gleichfalls zu 
vergähren, der davon gewonnene Wein wird aber nie mit dem entſchleimten 
vermiſcht. Haben ſich die Schleimtheile noch nicht gehörig geſetzt, ſo kann man 
die dünneren durch ein wollenes Tuch ſeien und den abgelaufenen Moſt dem 
Entſchleimten beigeben. 

Dieſes Verfahren bezieht ſich hauptſächlich auf den Weinmoſt von weißen 
Trauben oder weißen Wein, will man aber auch den Weinmoſt von blauen 
Trauben entſchleimen und nachher doch einen rothen Wein erzeugen, ſo werden 
die blauen Trauben, ſowie ſie abgebeert und zerdrückt ſind, ſogleich auf die 
Preſſe gethan und gekeltert, der Weinmoſt ſofort ganz ſüß in ein geſchwefeltes 
Faß gebracht und dort wie der weiße Weinmoſt behandelt, die von der Kelter 
abgenommenen Treber hingegen, in einer Gährbütte oder in einem Faſſe feſt 
eingeſtampft, mit ſtarkem, reinen Weingeiſt oder feinem, reinen Hefenbrannt⸗ 
wein (2—3 Maas per Eimer) übergoſſen und luftdicht verſchloſſen, damit die 
Gährung und der Uebergang in Eſſigfäure verhindert und durch den Wein- 
geiſt der Farbſtoff möglichſt aufgelöst wird. 

Iſt nun bei dem Weinmoſte das Entſchleimungsverfahren vorüber, ſo 
wird er abgelaſſen, zu den Trebern wieder gefüllt, durch Aufrühren mit den⸗ 
ſelben möglichſt verbunden und ſofort der Gährung überlaſſen, daher bei dem 


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Einfüllen der Treber in das Gährgefäß ſo viel leerer Raum gelaſſen werden 
muß, daß der entſchleimte Moſt gut zugefüllt werden kann und auch noch der 
erforderliche Raum zur Gährung übrig bleibt. Da jedoch die Treber während 
der Entſchleimung des Moſtes in einem möglichſt kühlen Lokale aufbewahrt 
werden ſollen, damit ſie ſich nicht erhitzen, ſo kann man auch Moſt und Treber 
nach der Entſchleimung in ein beſonderes Gährgeſchirr bringen und daſſelbe 
in einem angemeſſenen, mehr warmen Gährlokal aufſtellen, wodurch die Gäh— 
rung vollſtändig vor ſich gehen wird. Durch die nachherige Vermiſchung des 
entſchleimten Weinmoſtes wieder mit den Trebern werden zwar in dem Weine 
die Schleimtheile nicht ſo rein ausgeſchieden, wie bei dem weißen Weine, weil 
die Treber immer auch noch Schleim enthalten, da jedoch der größere Theil 
deſſelben durch das Auspreſſen doch in den Weinmoſt gekommen iſt, und die 
blauen Trauben häufig weniger Schleim, dagegen mehr die Gährung beför— 
dernde Gerbſäure beſitzen, ſo wird ſich der Wein bei der Gährung von allen 
fremden Stoffen gehörig reinigen können und die Entſchleimung bei demſelben 
nicht minder vortheilhaft als bei dem weißen Wein ſein. Dieſe Vortheile be— 
ſtehen hauptſächlich darin, daß 

1. der, beſonders in mittleren und geringeren Weinen öfters vorhandene 
Ueberfluß an Schleim⸗ und Hefenſtoff vor der Gährung ausgeſchieden oder 
vermindert und dadurch eine Ausgleichung gegenüber vom Zuckerſtoff vorge— 
nommen wird, ſo daß nach der Gährung kein Stoff zurückbleibt, der ſpäter 
eine Krankheit des Weins, wie das Trüb- oder Zähewerden, oder bei den 
rothen Weinen den Stich herbeiführen könnte, was häufig dadurch erprobt 
werden kann, daß, wenn man den entſchleimten Moſt einige Zeit der Luft aus⸗ 
ſetzt, derſelbe ſeine Farbe unverändert beibehält, während der niedergeſchlagene 
Schleim eine ſchwache bräunliche Farbe annehmen wird. Im Allgemeinen 
bleiben daher die entſchleimten Weine geſünder und friſcher, auch geht 

2. nach dem Abziehen des Weins in ein anderes Faß, die Gährung nicht 
ſo heftig und ſtürmiſch, wie bei Weinen mit viel Hefeſtoff, ſondern laugſam 
vor ſich, wodurch ſich die feineren und gewürzreicheren Theile des Weins, be⸗ 
ſonders bei vielem Schleimgehalt wie beim Sylvanerwein, weit mehr entwickeln 
können und der Wein durch die Niederſchlagung aller unreinen erdigen Be- 
ſtandtheile mehr reinen Geſchmack, manchmal mit einem angenehmen Bouquet 
bekommt, insbeſondere wird der Wein den Beigeſchmack, den er hie und da 
vom Boden bekommt, ganz oder zum größern Theile verlieren. 

3. Der nach 8.218 in dem Weinmoſte enthaltene Extraktivſtoff, der, wenn 
im Ueberfluß vorhanden, gern mit dem Sauerſtoff der Luft Verbindungen 
eingeht und dadurch dem Weine eine trübe, röthliche Farbe und einen unan⸗ 
genehmen Geſchmack oder anch bald einen ältlichen (Firniß) Geſchmack beibringt, 
wird durch die Entſchleimung zum größern Theile niedergeſchlagen, daher, wenn 


406 


der Wein beim Ablaß oder bei Verfüllungen der Luft ausgeſetzt wird, nicht 
zu befürchten iſt, daß er trüb und mißfarbig werden wird. 

Ob der Weinmoſt ſtark oder weniger ſtark zu entſchleimen ſei, hängt von 
deſſen Qualität und von den mehr oder weniger ſchleimhaltigen Traubengat— 
tungen, ſowie von dem Gebrauche ab, zu dem man den Wein beſtimmt hat. 
Geringe Weine, die in der Regel von nicht ganz reifen Trauben gewonnen 
werden, beſitzen viel ſauren Schleim- und Hefenſtoff, der aus dem bereits an- 
geführten Grunde aus dem Weinmoſte möglichſt entfernt werden ſollte, ſolche 
Weine werden daher ſtark, d. h. bis fie ſich vollſtändig gehellt haben, zu ent- 
ſchleimen ſein, was um ſo angemeſſener erſcheint, als dieſelben gewöhnlich nicht 
auf das Lager gehalten werden, ſondern ſchnell zum Verbrauche beſtimmt ſind. 
Mittlere, ſchon mehr zuckerhaltige Weine weniger ſtark, jo daß nur die gröbe— 
ren Schleim- und Hefentheile niedergeſchlagen werden, indem ſonſt zu viel 
Hefenſtoff entfernt werden und der Wein dann nachher keine vollſtändige Gäh— 
rung durchmachen könnte. 

Jedenfalls wird es gut ſein, wenn der Wein während der Entſchleimung 
jeden Tag unterſucht wird, indem ein allzu ſtark entſchleimter Wein dadurch, 
daß ihm die Kraft zu ſeiner vollſtändigen Entwicklung fehlt, gerne auch matt, 
ſchaal und leicht wird. Ebenſo wird der Wein von ſehr ſchleimhaltigen Trü— 
ben, wie z. B. vom Sylvaner, Ortlieber, mehr, als von weniger ſchleimhalti— 
gen, wie Rießling-, Traminer-, Clevner- und Trollinger-Trauben, ferner von 
Trauben auf einem fetten, düngerreichen Boden mehr, als von Trauben auf 
magerem Boden zu entſchleimen ſein. 

Insbeſondere dürfte bei den ſtark kleberhaltigen Weinen der Bodenſee— 
und andern ähnlichen Weingegenden das Entſchleimen von guten Folgen ſein. 

Weine von guten Jahrgängen, die viel Zucker-, aber wenig Hefenſtoff 
haben, dürfen gar nicht entſchleimt werden, weil dadurch die Gährung theil— 
weiſe unterdrückt und der Wein durch Niederſchlagung von nicht im Ueberfluß 
vorhandenen, zu ſeiner Entwicklung nothwendigen Stoffen in denſelben weſent— 
lich geſtört, mithin an Gehalt, Gewürz und Bouquet verlieren würde, auch 
trägt bei nicht entſchleimten Weinen die ſtärkere Alkohol-Entwicklung dazu bei, 
daß die im Weine befindlichen unreinen Theile mehr niedergeſchlagen werden 
und der Wein, vermöge ſeiner Stärke, weniger Krankheiten unterworfen iſt. 

Im Uebrigen darf das Entſchleimen jedenfalls mit beſonderer Aufmerk— 
ſamkeit vorgenommen werden, damit bei dem für den gewöhnlichen Gebrauch 
beſtimmten Wein die Gährung nicht ganz unterdrückt, d. h. der Wein nicht 
ſtumm gemacht wird, indem ein ſolcher Wein zwar lange ſehr ſüß bleiben, 
aber dabei nicht nur einen ziemlichen Theil ſeines Gehalts, ſondern auch die 
Geſchmack bildende Stoffe verlieren, mithin ſchaal bleiben und im folgenden 
Sommer doch wieder in Gährung kommen würde. 


2 
IND 
HI 
er 


dd, Die offene und verſchloſſene Gährung. 


Unter der offenen Gährung verſteht man zunächſt diejenige, bei welcher 
der noch an den Trebern befindliche Weinmoſt in der entweder offenen oder 
bedeckten Kufe den freien Einwirkungen der Luft vor der Kelterung ausgeſetzt 
wird, wie dieſes nicht ſelten nicht nur in württembergiſchen Weinbaugegenden, 
ſondern auch noch in manchen andern vorkommt; eine ſolche Gährung ſteht 
jedoch aus den ſchon in §. 241 angeführten Gründen mit einer rationellen 
Weinbereitung in einem ſolchen Widerſpruch, daß fie in keiner Beziehung Be— 
achtung und Nachahmung verdient, auch kommt ſie ſelten in volle Anwendung, 
weil auch dem unvernünftigſten Weingärtner bekannt iſt, daß, wenn er ſeinen 
Wein vollſtändig in offener Kufe, ſei ſie nun ganz offen oder leicht bedeckt, 
an den Trebern vergähren läßt, derſelbe einen großen Theil ſeines geiſtigen 
Gehalts verliert, rauh und herbe wird und leicht einen Sauerſtich bekommt. 
Man ſucht deßwegen in einem ſolchen Fall den Weinmoſt, bevor er ſeine Gäh— 
rung ganz beendigt hat, mithin wenigſtens noch etwas ſüß zu keltern und in 
das Faß zu bringen, doch kann auch hier ſchon dem Weine Eſſigſäure mitge— 
theilt werden, wenn nämlich während der Gährung die Treber (der Käs) ſich 
über -den Moſt io erhebt, daß er wenig Feuchtigkeit mehr beſitzt, wodurch die 
weingeiſtige Maſſe mit dem Sauerſtoffe der Luft ſehr leicht Verbindungen ein— 
geht und Eſſig ſich bildet, der dann durch die Kelterung mit dem Moſte ver: 
miſcht wird. Um dieſes zu verhindern, müſſen entweder die gehobenen Treber 
täglich einigemal in den darunter befindlichen Moſt niedergedrückt und einge— 
rührt, oder die obere ſaure und hie und da ſogar mit Schimmel überzogene 
Trebermaſſe vor der Kelterung abgehoben und beſeitigt werden. 

Zu der offenen Gährung muß auch diejenige nach erfolgter Kelterung des 
Weinmoſtes in den Fäſſern gerechnet werden, wenn der Zutritt der Luft da— 
von nicht abgeſchloſſen wird, indem man das Spundloch entweder offen läßt, 
oder daſſelbe nur leicht mit einem Rebenblatt und Sandſäckchen bedeckt oder 
den Spunden verkehrt aufſetzt. Man füllt in dieſem Falle das Faß nicht ganz 
voll, damit noch etwas atmosphäriſche Luft, die auf die vollkommene Nieder— 
ſchlagung des Klebers wirkt, ſich über dem Weine ausbreiten kann und die 
Kohlenſäure Raum findet, auch füllt man das Faß erſt nach beendigter ſtür— 
miſcher Gährung etwas auf und ſpundet daſſelbe feſter zu. Es iſt dieſes bei 
vielen Weinproduzenten die gewöhnliche Art, wie man den Weinmoſt der Gäh— 
rung überläßt, und iſt, weil dadurch der Zutritt der Luft zwar nicht ganz, 
aber doch zum größern Theile vom Weinmoſt abgeſperrt wird, auch die im 
leeren Raume des Faſſes enthaltene Kohlenſäure den Zutritt der Luft ſowie 
die Eſſiggährung verhindert, der erſteren Art der offenen Gährung weit vor— 


408 


zuziehen, es kann ihr daher nur der Vorwurf gemacht werden, daß mit der 
freien Entweichung der Kohlenſäure auch ein Theil des durch die Gährung 
entwickelten Alkohols und vielleicht auch manche feinere und edlere Stoffe ent- 
weichen, die ſpäter auf die Entwicklung des Bouquets Einfluß gehabt hätten. 
Auch kann ſich, wenn nach der ſtürmiſchen Gährung und der Entweichung der 
Kohlenſäure ein Faß ziemlich leer bleibt, durch den Zutritt der Luft Kahn und 
ein ſaurer Hautüberzug über der Oberfläche, des Weins bilden, der gleichfalls 
durch Eſſiggährung eutſteht, und der, wenn er in den Wein unterſinkt, dem⸗ 
ſelben Säure mittheilen kann. | 

Bei der Anwendung diefer Gährmethode wird man wohl daran thun, 
wenn man geringem Weinmoſt, der zuvor nicht entſchleimt wurde, mehr Raum 
für den Zutritt der atmosphäriſchen Luft gibt, als gutem, ſüßen Weinmoſt, 
damit dieſelbe bei jenem auf die Niederſchlagung der im Ueberfluß vorhande— 
nen kleberartigen Stoffe mehr einwirken kann. 

Eine beſondere Art offener Gährung iſt von dem als Chemiker berühm— 
ten Pofeſſor Dr. Liebig in München in Vorſchlag gebracht worden, indem er 
davon ausgieng, daß, weil bei der Bierwürze, wenn dieſelbe in weiten offenen 
Gefäſſen, welche dem Sauerſtoff der Luft unbeſchränkten Zutritt geſtatten, bei 
einer Temperatur von 8—10 Graden R. der Gährung überlaſſen wird, eine 
Abſcheidung der Säuerungs-Erreger gleichzeitig im Innern und an der Ober— 
fläche der Flüſſigkeit ſtattfindet, dieſes auch ſich auf eine rationelle Weinberei- 
tung anwenden laſſen müſſe, indem der Wein dadurch in der kürzeſten Zeit 
die nämliche Reife und Güte erhalten werde, die er ſonſt erſt nach jahrlangem 
Lagern zeigt. 

Da jedoch ein guter haltbarer Wein nicht nur Alkohol, ſondern auch noch 
Zucker, der dem Weine Süße gibt, und einen feinen gewürz- und blumen⸗ 
reichen Geſchmack enthalten muß, wenn er den Anforderungen eines Weinken⸗ 
ners entſprechen ſoll, durch die Gährung des abgekelterten Weinmoſtes in einer 
weiten offenen Kufe aber dem Zutritt der Luft zu viel Spielraum gelaſſen 
wird, wodurch die Gährung zu ſchnell und die Zuckerauflöſung zu vollſtändig 
vor ſich geht, ſich viel Alkohol während der Gährung verflüchtet und ſolche 
Weine häufig weniger Gehalt zeigen, ſo hat dieſes Verfahren nach den von 
verſchiedenen Weinproduzenten angeſtellten Verſuchen zu keinem günſtigen Re⸗ 
ſultat geführt. 

(Die Wein- und Obſtproduzenten Deutſchlands S. 320.) 

Blos unſer berühmter Weinzüchter, der leider nun verſtorbene Freiherr 
v. Babo zu Weinheim hat bei weiter angeſtellten Verſuchen die Entdeckung 
gemacht, daß ſich die angeführten Nachtheile vermeiden laſſen, wenn man den 
Weinmoſt nur ſo lange in weiter offener Kufe den Einwirkungen der Luft 
ausſetzt, bis ſich, in Folge der beginnenden Gährung, Kohlenſäure entwickelt 


409 


— 


und dadurch die gröberen Schleimtheile im Moſt auf die Oberfläche geworfen 
und dort eine ziemlich feſte Decke bilden, die dann, ſowie ſie ſich nach einiger 
Zeit an einzelnen Stellen hebt und zu durchbrechen beginnt, mit einem gewöhn— 
lichen Schaumlöffel rein abgehoben und beſeitigt, der Moſt aber ſofort ohne 
Verzug in das Faß gebracht und dort der weitern Gährung überlaſſen wird. 

Durch die Abhebmethode ſoll dem ſtark kleberhaltigen Weinmoſt fein Ueber— 
fluß an Schleim⸗ und Hefeſtoffen entzogen, mithin eine Verminderung derſel— 
ben vor der Gährung herbeigeführt werden, wodurch die weitere Gährung 
zwar etwas ſchwächer und langſamer, aber doch vollſtändig vor ſich geht, der 
Wein hingegen zugleich diejenigen Stoffe verliert, die das Klären deſſelben. 
hindern und den Grund zu manchen Krankheiten deſſelben legen. Auch ſoll 
mit der Schleimdecke die überſchüſſige Säure von geringen Weinen zum grö— 
ßern Theile entfernt werden, ohne daß bei guten und vorzüglichen Weinen die 
Geſchmack bildenden aromatiſchen Stoffe eine Minderung erfahren, weil die 
feineren Klebertheile und Extraktivſtoffe im Moſt zurückbleiben. 

Dieſe Behandlungsart des Weinmoſtes ſei vorzugsweiſe anwendbar bei 
ſüßem Weinmoſt, wenn man bei ihm zu viel Kleber vermuthet, ſowie bei ſau— 
rem Moſt von geringen Jahren, beſonders wenn ſie eine namhafte Zuckermenge 
enthalten, die von überwiegendem Säuregehalt verdeckt wird. 

Weitere Verſuche zur Ausbildung dieſes Verfahrens dürften übrigens 
noch gemacht werden, der Verfaſſer glaubt jedoch, daß durch die Gährung des 
ſüßen Weinmoſtes von guten Weinjahren an den von den Kämmen entfernten 
Beerenhäuten, ſowie durch die Entſchleimung des ſauren Weinmoſtes in geringen 
Weinjahren jedenfalls ein ſichereres und vollſtändigeres Reſultat wird erlangt 
werden können. 

§. 247. 

Unter der verſchloſſenen Gährung verſteht man die Abſperrung des Wein— 
moſtes von der freien atmosphäriſchen Luft. Um die Gährung anzuregen, 
bedarf zwar der Weinmoſt Luft (§. 239), dieſe nimmt er aber ſchon während 
des Einfüllens in das Gährgefäß in ſich auf, auch befindet ſich in dem in dem 
letztern zur Entwicklung der Gährung zu laſſenden leeren Raum hinreichend 
Luft, um die Gährung zu bewirken, hat aber dieſelbe einmal begonnen, ſo iſt, 
nach den angeſtellten Verſuchen, ein weiterer Zutritt von Luft nicht mehr un— 
umgänglich nöthig. 

Die verſchloſſene Gährung wird auf die §. 242 näher beſchriebene Weiſe 
bewirkt, entweder durch Aufſetzung von Gährrohren oder mittelſt Einſetzung 
von Spunten mit einem beweglichen Deckel (Klappe), der aufgedrückt wird, ſo 
wie der Druck der Kohlſäure im Innern des Gährgefäſſes größer iſt, als das 
Gewicht des Deckels und der Druck der äußern Luft, der aber wieder zerfällt, 
ſo wie ein Theil der Kohlſäure ſich entleert hat. 


410 

Die verſchloſſene Gährung hat die Wirkung 

a. daß die aus dem Weinmoſte aufſteigende Kohlenſäure Verbindungen 
mit der im Junern des Gährgefäſſes befindlichen atmosphäriſchen Luft ein⸗ 
geht (S. 242) und dadurch die ſchädlichen Einwirkungen derſelben auf die 
Entwicklung des Weinmoſtes hindert; . 

b. daß gegen das Ende der Gährung, wo die Ausſtrömungen der Koh⸗ 
lenſäure ſich mindern und dieſelbe ſomit keinen hinlänglichen Schutz mehr 
gewährt, das Eindringen der Luft zu dem gährenden Moſte abgehalten, mit⸗ 
hin auch der geringſte Auflug von Eſſigſäure beſeitiget wird; 

c. daß dadurch eine ruhigere und gleichmäßigere Gährung herbeigeführt 
und zugleich eine vermehrte Alkoholerzeugung, ſo wie eine vollſtändige Ent— 
wicklung der aromatiſchen Stoffe bewirkt wird, indem das kohlenſaure Gas 
erſt dann durch das Sperrwaſſer der Gährröhre entweichen kann, wenn deſſen 
Druck größer iſt als derjenige des Waſſers, ſo lange daher dieſer Druck nicht 
ſtärker iſt, wird das Gas einen rückwirkenden Druck auf den Moſt ausüben, 
wodurch deſſen Gährung weniger ungeſtüm vor ſich geht, als weint die Maſſe 
ſich frei in der atmosphäriſchen Luft bewegen kann; 

d. daß die kleinen Theile von Alkohol und aromatiſchen Auflöſungen, die 
in Verbindung mit der Kohlenſäure aufſteigen, nicht mit derſelben verflüchten, 
ſondern durch den gegenſeitigen und ſtarken Druck der Glasbläschen innerhalb 
des Gährgefäſſes in den Moſt als tropfbare Flüſſigkeit wieder zurückgedrängt 
werden, bevor das Gas ſich in Luftgeſtalt durch das Sperrwaſſer entfernt. 

Unter allen Gährmethoden dürfte daher die verſchloſſene Gährung in 
Verbindung mit einem entſprechenden Gährlokal als die rationellſte betrachtet 
werden, nur iſt dabei, um die möglichſte Vollſtändigkeit derſelben herbeizuführen, 
noch zu berückſichtigen, daß wenn die Weintreber oder der Weinmoſt ſehr kalt 
in die Gährgefäſſe gebracht werden, und dieſelben ſich in keinem erwärmten 
Lokale befinden, die Gährröhren oder der Klappſpunten nicht bälder aufgeſetzt 
werden dürfen, als bis die Gährung begonnen hat, damit, bei dem geringen 
innern Gährungserreger, die äußere Luft noch genügend auf Erregung der 
Gährung einwirken kann. 

248. 


22 


d. Die Gährung des weißen Weins. 


An dem weißen Wein liebt man in der Regel i Feinheit, Süße, Geiſt, ein 
angenehmes Bouquet und eine möglichſt weiße oder hellgelbe Farbe, daher, 
um all' dieſe Eigenſchaften zu erreichen, bei der Gährung darauf beſondere 
Rückſicht zu nehmen und deßwegen zunächſt zwiſchen Weinen von guten und 
geringen Jahren, ſo wie zwiſchen Weinen von ſchleimhaltigen und nicht ſchleim⸗ 
haltigen Trauben zu unterſcheiden iſt. 


411 

Der Weinmoſt von guten Jahrgängen hat in der Regel wenig Hefe— 
Säure⸗ und Gerbitoff-Gehalt, dagegen durch die vollſtändige Reife der Trau— 
ben viel Zucker, ſo daß zu der Verwandlung des letztern während der Gäh— 
rung im Alkohol öfters nicht genug Gährſtoff vorhanden iſt, indem, ſo wie 
der letztere zum größern Theile verarbeitet iſt, auch die Gährung aufhört, 
wodurch, wenn im folgenden Sommer größere Wärme in den Keller dringt 
und in dem Weine nur noch wenig Gährſtoff vorhanden iſt, eine Nachgäh— 
rung erfolgt, durch welche derſelbe trüb, zähe oder ſonſt krank werden kann. 
In einem ſolchen Falle iſt es daher ſehr zweckmäßig, wenn man den Wein— 
moſt von dem in den Beerenhäuten ſo wie bei ungebeerten Trauben auch von 
dem in den Kämmen enthaltenen Gerbſtoff, durch welchen die Gährung be— 
fördert wird, etwas anziehen und dem Weinmoſt auf die §. 243 näher be- 
ſchriebene Weiſe entweder ganz oder theilweiſe an den Trebern vergähren läßt, 
oder demſelben, bei nur theilweiſer Vergährung, nachher noch einen kleinen 
Zuſatz von guten Trebern gibt, was noch den weitern Vortheil gewährt, daß 
dadurch auch das theilweiſe in den Häuten befindliche Arom mit ausgezogen 
und der Wein dadurch ein ſtärkeres Bouquet erhält. 


Durch die vollſtändige Gährung des Weins an den Trebern erhält der— 
ſelbe aber eine mehr hellgelbliche, und wenn viele rothe Trauben darunter 
ſind, eine röthlich gelbe Farbe und verliert dadurch die einladende weiße Farbe, 
wer daher reine weiße Weine erziehen will, darf die Gährung an den Trebern 
nie vollſtändig vorübergehen laſſen, ſondern muß den Wein ablaſſen und zu 
Faß bringen, nachdem die Treber ſich geſchoben haben, und die ſtürmiſche Gäh— 
rung in der Hauptſache vorüber iſt, ſo daß der Wein noch theilweiſe ſüß in 
das Faß kommt, wobei aber dann immer noch ein Gährrohr oder Gähr— 
(Klapp⸗) Spunten aufgeſetzt werden muß. Läßt man den Weinmoſt mit den 
Kämmen vergähren, jo iſt das baldige Abſondern des Weins vou den Tre— 
bern aus den bereits angeführten Gründen (§. 243) um ſo nothwendiger. 


In einem wie in dem andern Falle wird der Wein durch die Gährung 
an den Trebern an Friſche und Reinheit gewinnen und mancher in dem Kle— 
ber enthaltene Bodengeſchmack entfernt werden, auch wird es ſehr angemeſſen 
ſein, wenn bei dem Keltern der Treber nur der erſte Druck zu dem übrigen 
Weine gefüllt, der übrige aber, der einen nachtheiligen Einfluß auf deſſen Fein⸗ 
heit haben könnte, beſonders aufbewahrt und behandelt wird. 


Sind die Trauben, aus welchen der Moſt bereitet wurde, ſchon ihrer 
Gattung nach (Sylvaner, Ortlieber), oder weil ſie auf einem ſehr fetten und 
ſtark gedüngten Boden aufgewachſen ſind, von ſehr dickem, ſchleimigem Gehalt, 
ſo iſt hier eine vollſtändige Gährung an den Trebern gerathener, weil ſonſt 
der ſtarke Klebergehalt nicht niederſchlagen wird, oder es wird eine leichte 


412 


Entſchleimung, jo daß der Moſt noch trüb vom Faſſe ablauft, oder auch die 
Abſchöpfmethode angewendet. 

Eine andere Behandlung erfordert der Weinmoſt von geringen Jahrgän⸗ 
gen, indem dieſer gewöhnlich weniger Zucker, dagegen einen Ueberfluß an 
Säure, Gähr⸗ und Gerbſtoff beſitzt, der möglichſt bald aus dem Weinmoſt 
entfernt und dadurch wieder ein Gleichgewicht zwiſchen dem Zucker- und Gähr⸗ 
ſtoff hergeſtellt werden muß, wenn der Wein nicht ſauer und durch den gleich 
nach der Gährung noch vorhandenen Ueberfluß an kleberhaltigen Stoffen ſpä— 
ter nicht krank werden ſoll. 

Die Entfernung dieſes Ueberfluſſes erfolgt, wenn man die ganzen Trau⸗ 
ben auf die Kelter bringt und ausdrückt, oder, wenn man den ſüßen Weinmoſt 
entſchleimt, jedenfalls aber nicht an den Trebern vergähren läßt, wie dieſes 
8. 226. 244. 245 näher beſchrieben iſt und es muß auf die Entfernung dieſes 
Ueberfluſſes um ſo mehr Bedacht genommen werden, je mehr ſchleimigen In⸗ 
halt die Trauben enthalten haben. Nach der Entfernung deſſelben, wobei der 
letzte Druck bei dem Keltern der Trauben oder Treber nicht mit dem übrigen 
Weine gemiſcht, ſondern beſonders aufbewahrt werden ſollte, wird der Wein— 
moſt offen oder verſchloſſen der Gährung überlaſſen, oder kann auch verſuchs— 
weile die von Liebig'ſche Gährmethode (§. 246) in Anwendung gebracht 
werden. 

Will man aus blauen Trauben weißen Wein bereiten, jo tritt das §. 246 
beſchriebene Verfahren ein, wobei es ſich von ſelbſt verſteht, daß hier keine 
Gährung an den Trebern vor ſich gehen darf. & 


§. 249. 
e. Die Gährung der rothen Weine. 


Der Saft der meiſten rothen und blauen Trauben iſt in der Regel weiß 
und nur einige wenige Traubengattungen, bei welchen auch der Saft roth iſt, 
machen hievon eine Ausnahme, von welchen in Deutſchland hauptſächlich nur 
die ſogenannte Farbtraube (Färber §. 30) jedoch ſelten angepflanzt wird. 

Die rothen Weine werden daher faſt ausſchließlich aus blauen oder ſchwar— 
zen Trauben dadurch gewonnen, daß der in den Beerenhäuten und unmittel⸗ 
bar unter denſelben befindliche Farbſtoff während der Gährung aufgelöst und 
dadurch, ſo wie durch das nachherige Preſſen der Häute dem Weine mitge— 
theilt wird. Derſelbe erſcheint jedoch in den Beerenhäuten in der Regel hell— 
oder dunkelblau (ſchwarzblau), daher er erſt dadurch in die rothe Farbe über⸗ 
geht, daß er mit den in dem Weinmoſte enthaltenen freien Säuren, nament⸗ 
lich der Weinſteinſäure, ſich verbindet und dadurch ſich roth färbt. 

Dieſer Farbeſtoff iſt von wachs- oder harzartiger Natur und nur in Wein⸗ 


— — — 


geiſt löslich, daher die Auflöſung deſſelben nur durch den während der Gäh— 
rung ſich bildenden Alkohol erfolgt. 

Ohne Alkoholentwicklung durch bloſes Preſſeu der Beerenhäute würde 
äußerſt wenig Farbe dem Weinmoſt mitgetheilt werden, die Erzeugung rother 
Weine erfordert daher zunächſt, daß dieſelben an den Trebern der blauen 
Trauben vollſtändig vergähren und daß die Beerenhäute bei dem Zerdrücken 
der Trauben ſtark zerriſſen und zerrieben werden, damit das Ausziehen der 
Farbe während der Gährung möglichſt leicht und vollſtändig geſchehen kann, 
wobei hauptſächlich die oben beſchriebenen Doppel- und Reibraſpeln (§. 227229) 
gute Dienſte leiſten werden. Je vollſtändiger daher die Gährung vorüber 
geht, je zuckerreicher der Moſt iſt, und je mehr Alkohol daraus gebildet wird, 
deſto mehr wird Farbe ausgezogen und deſto dunkler wird auch der Wein 
werden. 

Bei der Leſe oder bei dem Abraſpeln der Trauben hat man jedoch ſehr 
darauf zu ſehen, daß keine faulen Trauben zu der Maſſe kommen, indem in 
dieſen der Farbſtoff zerſtört iſt und daher deren Beimiſchung nicht nur die 
Farbe des Weins mindern, ſondern demſelben auch die Friſche und glanzhelle 
Farbe nehmen würde. 

Will man die Auflöſung der Farbe noch mehr befördern, ſo kann man 
die abgebeerten Treber entweder vor der Gährung, nachdem der flüſſige Moſt 
theilweiſe abgelaufen iſt, in einen Keſſel bringen und dieſelben bis gegen den 
Punkt des Siedens erhitzen, ohne daß jedoch das Sieden wirklich erfolgt, weil 
ſonſt leicht das Gewürz und Bouquet verloren gehen könnte, worauf erſt das 
Ganze der Gährung überlaſſen wird, auch kann man nach vollendeter Gäh— 
rung die etwas trockenen Treber unter Zugießung von etwas Weinmoſt in 
den Keſſel zum Erhitzen und dann ſogleich auf die Preſſe bringen. 

Die Gährung an den Trebern kann nach der oben enthaltenen Ausfüh- 
rung (§. 243—247) 

in offener oder bedeckter Kufe, 

in verſchloſſener Kufe mit Senkboden und Gährrohr und 

in Fäſſern im Keller mit oder ohne Gährrohr 
erfolgen, wir beziehen uns daher auf das dort Geſagte und haben hier nur 
noch anzuführen, daß man an den rothen Weinen zwar Geiſt, Gewürz, Milde 
und Zärte, aber weniger Süße, dagegen etwas fein adſtringirendes (zuſam— 
menziehendes) liebt, das denſelben hauptſächlich durch die Säuren und insbe— 
ſondere durch die Gerbſäure mitgetheilt wird, daher ein vollſtändiges Vergäh— 
ren derſelben an den Trebern ſtattfinden muß, und daß, namentlich das 
Gähren an den Traubenkämmen in vorzüglichen Weinjahren und von 
guten Lagen, wo der Moſt 100 und mehr Grade wiegt, mit weit weniger 
Nachtheilen als beim weißen Wein verbunden iſt, vielmehr ſehr zur Erhöhung 


414 


des Gerbſäuregehalts und zur vollſtändigen reinen Gährung beitragen kann, 
nur darf der Weinmoſt nicht zu lange an den Trebern bleiben, vielmehr muß 
derſelbe, ſo wie die Gährung beendiget iſt, ohne Verzug abgelaſſen, gekeltert 
und zu Faß gebracht werden, weil der Wein ſonſt von den Kämmen einen 
unangenehmen Geſchmack annehmen könnte. 

Bei der Gährung in offener Kufe oder im offenen Faß iſt es ein unum⸗ 
gängliches Erforderniß, daß die Trebermaſſe, beſonders während der ſtürmi— 
ſchen Gährung, täglich Z— Amal umgerührt und mit dem ſich mehr auf den 
Boden geſenkten Moſt vermiſcht wird, indem dadurch die Gährung befördert, 
die Ausziehung der Farbe möglichſt vollſtändig geſchieht und auf dem ge— 
hobenen ziemlich trockenen Treberkäs (Hut) ſich keine Eſſigſäure bilden kann, 
was bei warmer Temperatur in kurzer Zeit geſchehen würde. Außerdem iſt 
es gut, wenn die Gährbütte oben enger als unten iſt, damit bei dem Aufſtei— 
gen des Treberkäſes (Huts) derſelbe ſich feſter an die Wand anſchließt, wo— 
durch weniger Weingeiſt verflüchtet. 

Im Allgemeinen muß der offenen Gährung viel Aufmerkſamkeit gewidmet 
werden, indem bei derſelben, ſo lange die ſtürmiſche Gährung dauert, durch 
die ausſtrömende Kohlenſäure zwar die Eſſigbildung verhindert wird, ſo wie 
aber dieſelbe vorüber iſt, ohne daß die Gährung geſtört und die Temperatur 
der Trebermaſſe herabgeſtimmt wird, tritt Eſſigbildung ein, wodurch zunächſt 
der Grund gelegt wird, daß der Wein ſpäter einen Stich bekommt. Man 
muß deßwegen auch den offen vergohrenen Wein bälder und ehe ſich die 
Gährung vollſtändig gelegt hat, zur Kelterung bringen. 

Die verſchloſſene Gährung kann man mit oder ohne Senkboden einleiten, 
das erſtere geſchieht häufig durch Einfüllung der Treber in die im Keller be— 
findlichen Fäſſer, kann aber auch in Kufen mit luftdicht geſchloſſenem Deckel 
erfolgen, in beiden Fällen muß jedoch der Zutritt der atmosphäriſchen Luft 
durch Aufſetzung eines Gährrohrs oder eines Gährſpuntens verhindert werden. 
Es iſt übrigens damit der Nachtheil verbunden, daß die Treber während der 
Gährung nicht umgerührt werden koͤnnen, worunter der Auszug der Farbe 
nothleiden kann, auch wird zwar, ſo lange die ausgedünſtete Kohlenſäure auf 
der Treber- und Moſtmaſſe liegt, dieſelbe vor dem Uebergang in Eſſigſäure 
geſchützt ſein, ſo wie aber die Gährung abnimmt und durch irgend einen Zu— 
fall atmosphäriſche Luft eindringt, kann die Bildung der letztern, beſonders 
bei der im Innern des Faſſes vorhandenen ſtarken Wärme, ſehr ſchnell vor 
ſich gehen. Bei dieſer Gährmethode wird es daher gut ſein, wenn man nach 
beendigter Gährung die Kelterung der Treber ſchnell vornimmt. 

Die zweckmäßigſte Gährungsart wird übrigens aus den §. 247 angeführ⸗ 
ten Gründen die verſchloſſene Gährung mit Senkboden, ſeie es nun im Faſſe 


415 
oder in der Kufe bilden, daher wir dieſelbe namentlich für die Erzeugung 
vollkommen geſunder, dickrelher Weine beſonders empfehlen dürfen. 

Iſt die Gährung vorüber, die man durch Warmhaltung des Gährlokals 
oder durch Erwärmen der Treber zu beſchleunigen ſuchen ſollte, weil durch eine 
langſame Gährung die Alkoholentwicklung weniger ſtark iſt und dadurch weni— 
ger Farbſtoff ausgezogen wird, auch, beſonders bei offener Gährung, ſich leicht 
Eſſigſäure bilden könnte, jo wird der Wein abgelaſſen und in andere Fäſſer 
verfüllt, die Treber aber gekeltert und der Druckwein unter den Vorlaß nach 
Verhältniß vertheilt, da derſelbe noch viel Farbſtoff, hie und da aber auch 
noch Gährſtoff enthält, doch wird man wohl thun, wenn man den letzten 
Druck, der viele rauhe Theile mit ſich führt, beſonders aufbewahrt. 

Vor dem Keltern iſt es zur Erhöhung der Farbe ſehr gut, wenn die 
Beerenhäute beſonders in dem Falle, wenn ſie bei dem Zerdrücken der Beere 
nicht zerrieben worden ſind, tüchtig herumgearbeitet und dadurch verkleinert 
oder in dem Weinmoſte förmlich gewajchen werden, wodurch der lösbare Farbe: 
ſtoff abgerieben und bei dem Preſſen leichter ausgepreßt wird. | 

Will man nun eine erfolgreiche Nachgährung herbeiführen und verſichert 
ſein, daß ſich in dem Weine kein Gährſtoff mehr befindet, ſo kann man den 
in die Fäſſer eingefüllten Wein täglich mit dem Stoßeiſen bearbeiten und da⸗ 
mit fortfahren, bis ſich in dem Speerwaſſer des aufzuſetzenden Gährrohrs 
keine Blaſen mehr zeigen, worauf erſt der Wein aufgefüllt und der ſtillen 
Gährung überlaſſen wird, wobei es übrigens ſehr gut iſt, wenn dem Weine 
etwas von Kernen gereinigte Beerenhäute, etwa 1—2 Butten auf 8—10 Eimer 
beigegeben werden, indem dadurch die Nachgährung befördert und die Farbe 
des Weins erhöht wird. N 

Manche Weinproduzenten laſſen die gebeerten Treber an dem Weine bis 
zum Ablaſſen im Dezember, Januar oder Februar liegen, was jedoch in vie— 
len Fällen nicht ſehr angemeſſen erſcheint, weil der Wein leicht einen Treber— 
geſchmack oder zu viel Zuſammenziehendes und Herbes bekommen kann und 
vielleicht nur da zweckmäßig iſt, wo die Gährung wegen des geringern Wärme— 
Gehaltes des Gährlokals langſam vor ſich geht und der Weinmoſt von Traus 
ben gewonnen iſt, die den Farbſtoff ungern fahren laſſen (blaue Sylvaner). 

In einem ſolche Falle wäre es aber zweckmäßiger, wenn man die blauen 
Trauben entweder ſogleich nach beendigter Leſe oder wenigſtens nach Vollen— 
dung der ſtürmiſchen Gährung keltern, die Treber von den Kernen reinigen 
und ſofort blos die Beerenhäute in das Faß bringen würde, weil, wenn man 
die Kerne länger im Weine liegen läßt, ſolche demſelben einen herben, etwas 
bittern Geſchmack beibringen. 

Die Entwicklung des Farbſtoffs geht übrigens nur in guten Weinjahren 
jo ſtark und in ſolcher Menge vor ſich, daß aus den Trauben ſchöne dunkel- 


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rothe Weine erzeugt werden können, auch ſcheint in minder günſtigen Wein⸗ 
jahren der Farbſtoff weniger löslich zu ſein, in ſolchen Jahren iſt es daher 
ſehr angemeſſen, wenn man aus den blauen Trauben keine rothe, ſondern 
weiße Weine dadurch zu erzeugen ſucht, daß man dieſelben nicht an den Tre— 
bern vergähren läßt, ſondern entweder in ganzen Trauben keltert oder ſogleich 
nach dem Zerdrücken auf die Kelter bringt (S. 244). 


Ebenſowenig darf man aber in guten Weinjahren die zur Erzeugung rother 
Weine beſtimmten blauen Trauben durch die Spätleſe zur Ueberreife kommen 
laſſen (§. 220), jo daß ſie faſt ganz eintrocknen, indem zwar viel Zucker-, 
aber zu wenig Gähr- und Gerbſtoff erzeugt wird, wodurch jener nicht ganz in 
Alkohol übergeht und dadurch auch der Farbſtoff nicht vollſtändig ausgezogen, 
ſondern ein ſüßer Wein gewonnen wird, der ſich den ſüdlichen Liqueurweinen 
nähert, aber den feinen, flüchtigen Gehalt mit angenehmem Feuer und leich— 
tem zuſammenziehenden Geſchmack verloren hat. Zu einem guten Rothwein 
gehören daher geſunde (unverfaulte) Trauben, höchſter Reifegrade (wenn ein— 
zelne Beere anfangen einzutrocknen) und ſchnelle Gährung, womöglich mit Ab— 
ſchluß von der atmosphäriſchen Luft, wie dieſes auch in den vorzüglichſten 
Weinbaugegenden (Rheingau, Aßmannshauſen), wo rothe Weine erzeugt wer— 
den, eingeführt iſt. 


§. 250. 
f. Ueber das Aufhören und die Unterdrückung der Gährung. 


Der gekelterte ſüße Traubenmoſt gährt nicht im luftleeren Raume, ſo bald 
aber die Luft Zutritt hat und er Verbindungen mit dem Sauerſtoffe derſelben 
eingehen kann, ſo beginnt die Gährung und ſchreitet fort, auch wenn nun die 
Luft abgehalten wird. Die Gährung hört aber wieder auf oder beginnt gar 
nicht, ſowie die Wirkung des Gährungs-Erregers unterdrückt oder aufgehoben 
wird, was z. B. durch die Siedhitze geſchieht. 


Wenn man eine Flaſche mit ſüßem Weinmoſt füllt, luftdicht verſchließt und 
jo lange in ſiedendes Waſſer legt, bis daß der Moſt die Siedhitze angenom⸗ 
men hat, ſo wird während des Erhitzens die geringe Menge Sauerſtoff, welche 
mit der Luft in der Flaſche eingeſchloſſen war, von den Beſtandtheilen des 
Moſtes ſo aufgenommen, daß dadurch die Urſache der Gährung entfernt iſt. 
Der Moſt bleibt ſo lange ſüß, bis die Flaſche geöffnet und derſelbe wieder 
mit der Luft in Berührung gebracht wird. 

Ebenſo kommt ſtark geſottener Weinmoſt nicht mehr in Gährung, weil 
ſeine ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheile, die mit dem Sauerſtoff der Luft Verbin⸗ 
dungen eingehen, durch die Siedhitze eine Veränderung erlitten haben, wodurch 


417 


jene Verbindung aufgehoben wurde, er verliert aber dadurch feinen eigen- 
thümlichen Gewürz⸗ und Bouquet⸗Geſchmack. | 

Auch durch die Kälte wird die Gährung längere Zeit zurückgehalten, in- 
dem dieſelbe zu ihrem Beginnen neben der Luft auch einen gewiſſen Wärme⸗ 
grad erfordert. In kalten Gährlokalen wird daher die Gährung entweder gar 
nicht oder ſehr ſpät beginnen und nur ſehr unvollſtändig vor ſich gehen, ſowie 
aber der Wein in ein wärmeres Lokal kommt, wird dieſelbe aufs Neue wieder 
angeregt werden. 

Der Alkohol oder Weingeiſt beſitzt gleichfalls die Eigenſchaft die Gährung 
zu hemmen, indem die gährenden Stoffe durch den geiſtigen Gehalt deſſelben 
abgehalten werden, die zur Gährung erforderlichen Verbindungen einzugehen. 
Aus dieſem Grunde hört auch die Gährung auf, wenn man dem Weinmoſt 
viel Alkohol zuſetzt, oder wenn ſich in einem zuckerreichen Weine ſo viel Alko— 
hol entwickelt, daß dieſer, gegenüber von den Gährungsſtoffen vorherrſchend 
wird. In dieſem Falle bleibt ein Theil des Zuckers unzerſetzt, und der Wein 
behält einen ſüßen Geſchmack, die Gährung tritt aber wieder ein, ſo bald ſich 
der überſchüſſige Alkohol verflüchtet hat, oder neuer Gährungsſtoff zugeſetzt 
wird, oder der noch im Wein vorhandene Gährungsſtoff durch erhöhte Tem⸗ 
peratur wieder mehr Leben bekommt. Geiſtige Weine ſind daher einer ſolchen 
krankhaften Nachgährung weniger unterworfen, als ſchwache, welche wenig Al— 
kohol, aber noch viel Gährungsſtoff beſitzen. 

Auch durch einen allzuſtarken Zuckergehalt und zu geringen Gährſtoff- und 
Säuregehalt des Weins, d. h., wenn kein angemeſſenes Verhältniß mehr 
zwiſchen dieſen Stoffen exiſtirt, wird die Gährung anfgehoben, weil dieſelben 
dann keine Verbindungen eingehen können, vielmehr die letztern durch den 
dichten Zuckerſtoff umhüllt und dadurch unwirkſam gemacht werden. 

Nur in dem Falle, wenn man dem zuckerdichten Weinmoſt einen fremden 
Gährſtoff (Ferment), wie den Getreidekörnern (Bierhefe oder Sauerteig) mit 
Waſſer zuſetzte, würde die Gährung deſſelben ſich wieder herbeiführen laſſen. 
Die Gährungs-Unterdrückung durch den Zuckerſtoff kommt jedoch nur be— 
Weinen aus ſüdlichen Ländern, bei den deutſchen Weinen aber ſelten und nur 
in dem Falle vor, weun die wäſſerigen Beſtandtheile der Trauben durch länge— 
res Aufhängen oder Ablagern derſelben zum größern Theile entfernt wurden, 
ſo daß hauptſächlich uur noch der Zuckerſtoff vorhanden iſt, wie bei der Erzeu⸗ 
gung der ſogenannten Strohweine. 

Die Säuren und insbeſondere die Schwefelſäure beſitzen die Eigenſchaft, 
daß ſie Verbindungen mit den Hefeſtoffen des Weinmoſtes eingehen, dadurch 
die Natur derſelben verändern und dazu beitragen, daß die gröberen Schleim- 
und Hefentheile des Moſtes niedergeſchlagen werden, wodurch die Gährung 
deſſelben entweder ganz unterdrückt oder aufgehalten wird. Der Weinmoſt 

2X 


418 


muß jedoch in dieſem Falle von den Einwirkungen der atmosphäriſchen Luft 
möglichſt abgeſchloſſen werden, indem, ſowie dieſelbe Zutritt hat, die Gährung 
beſonders bei zunehmender Wärme nach und nach beginnt, was häufig zur 
Zeit der Traubenblüthe des folgenden Jahres erfolgt. Es beruht hierauf das 
Entſchleimen ($. 245), ſowie das ſogenannte Stummmachen des ſüßen Wein⸗ 
moſtes, durch letzteres verliert aber derſelbe einen großen Theil ſeiner Wein⸗ 
beſtandtheile (Säure, aromatiſche Stoffe und, wie es ſcheint, auch einen Theil 
des Zuckers), ſo daß er, wenn er ſpäter in Gährung kommt, gewöhnlich nur 
einen matten, ſchaalen, wenig feurigen Wein gibt. | 
Gleiche Wirkung haben auch ſchwefelhaltige Oele oder Pflanzen, wie Senf, 
Meerrettig, indem, ſowie dem vollkommen ſüßen Weinmoſte nur wenige Loth 
beigemengt werden und das Faß luftdicht abgeſchloſſen wird, die Gährung 
längere Zeit, häufig bis zum folgenden Frühjahr oder Sommer, zurückgehalten 
und dadurch dieſes Verfahren zu der Erzeugung ſüßer Deſſertweine benützt 
werden kann. | 


XIII. Die Uebennutzungen. 


§. 251. 

Der Ertrag der Weinberge beſteht nicht blos in Wein, ſondern die Ab- 
fälle von denſelben an Laub, Rebholz, Rebſchnittlingen, ſowie die Ueberreſte der 
ausgepreßten Trauben, die Treber, und die von dem Weine abgeſetzte Hefe 
geben auch noch einen Nebenertrag, auch werden in manchen Weinbergen noch 
andere Produkte, die zur Nahrung der Menſchen oder des Viehes dienen ge⸗ 
pflanzt, was alles unter dem Namen Nebennutzungen begriffen wird und hin⸗ 
ſichtlich der Brauchbarkeit und des Werthes ſowie des Einfluſſes, den dieſelben 
auf die Weinerzeugung ausüben, hier näher betrachtet werden ſoll. 


1. Die Abfälle an Laub und Rebholz. 


Das Laub und namentlich das Holz der Reben enthalten nach den in 
F. 15 angeſtellten Unterſuchungen, ſehr viele alkaliſche Beſtandtheile, die dem 
Gedeihen der Rebe ſo ſehr förderlich ſind, die Abfälle beim Schneiden der 
Reben im Spät⸗ oder Frühjahr, ſowie die grünen Abfälle beim Verbrechen, 
Ausbrechen (Ausflügeln) und Ueberhauen der Reben (F. 134—151) bilden 
daher nach §. 175 einen werthvollen Weinbergsdünger, und es iſt nur zu be⸗ 
dauern, daß dieſelben in dieſer Eigenſchaft nicht mehr verwendet werden. 

Die hauptſächlichſte Benützung dieſer Abfälle in den meiſten Weinbau⸗ 
Gegenden beſteht darin, daß das beim Schneiden der Reben abfallende ältere 
zum Theil dürre Rebholz geſammelt, in Büſcheln gebunden und zum Ver⸗ 
brennen nach Hauſe geſchafft wird, daher es beſonders in holzarmen Gegenden 


419 
dem gewöhnlichen Weingärtner einen ſehr ſchätzbaren Beitrag zu dem anzu— 
ſchaffenden Brennmaterial liefert. 

Die beim Verbrechen und Ueberhauen abfallenden grünen Triebe werden 
dagegen häufig als Viehfutter benützt, haben aber als ſolches keinen hohen 
Werth und ſollten nur in futterarmen Jahren als Erſatz für das fehlende 
beſſere Futter benützt werden. 


2. Die Rebſchnittlinge. 


Bei dem Schneiden der Reben fällt nicht nur älteres abgegangenes Holz 
ab, ſondern auch junges ein- und zweijähriges Holz, ſogenannte Schnittlinge, 
Blindhölzer, die uach §. 100 und 103 entweder zu der Anlage neuer Wein- 
berge oder zu derjenigen von Rebländern verwendet werden können, ſie werden 
zu dieſem Gebrauche häufig gut bezahlt (das Hundert 20 30 kr., hie und 
da bis zu 1 fl.), daher es für manchen Weinbergbeſitzer ein lohnendes Ge— 
ſchäft iſt, dieſelben auf die oben angegebene Weiſe zu ſammeln und zum Ver⸗ 
kaufe zu bringen. 


3. Die Traubenkerue. 


Die ſelben ſind nach §. 7 mit einer kaffeebraunen Haut überzogen, die 
einen adſtringirenden Stoff (Gerbſtoff) enthält, der die Eigenſchaft beſitzt, daß 
er mit den im Weine befindlichen Schleim» und ſtickſtoffhaltigen Stoffen (Kle⸗ 
ber) Verbindungen eingeht, wodurch ſich dieſelben im Weine bald ablagern, 
was zur Klärung trüber, zäher, nicht ganz vergohrener Weine weſentlich bei— 
trägt. Zu dieſem Behuf übergießt man je 8 Loth Körner mit / Quart 
heißem Wein oder Waſſer, läßt ſie 24 Stunden weichen und bearbeitet dann 
die Körner mit der Hand, damit die äußere Haut ſich ablöst und möglichſt 
zerrieben wird. Hierauf wird Alles in einem reinen irdenen Gefäß unter fort— 
währendem Umrühren 2 Stunden gekocht, damit aller Gerbſtoff gelöst wird, 
ſofort durch Leinwand filtrirt, mit 1 Schoppen auf 8 Imi des kranken 
Weins innig vermiſcht und in kleinen Portionen ins Faß gegoſſen und in dem 
Weine gut umgerührt. Auf einen Eimer Wein rechnet man einige Pfund 
reine Traubenkerne, auch wird es gut ſein, wenn man vor dem Eingießen des 
gerbſtoffhaltigen Aufguſſes denſelben mit etwas aufgelöster Hauſenblaſe oder 
Gallertſchöne vermiſcht. 

Zugleich enthalten die Kerne ein feines Oel, aus dem ein vorzügliches 
Speiſeöl oder auch Brennöl bereitet werden kann, wenn man fie durch Aus- 
breiten auf einem trockenen Boden und durch tägliches Umrühren zuerſt trock— 
net, dann von dem anhängenden Treberunrath in einem Drahtſieb oder auf 
einer Putzmühle reinigt und ſofort auf die Oelmühle bringt, wo ſie zunächſt 
gemahlen, dann etwas, jedoch nicht ſtark, erwärmt und ſofort gut gepreßt 

r 


420 


werden müſſen. Ein Simri Traubenkerne gibt gewöhnlich 1—2 Pfund Oel, 
was einen Werth vou 24—48 kr. hat, jo daß eine ſolche Oelbereitung immer 
noch als hinreichend lohnend erſcheint. 


Auch diejenigen Traubenkerne, über welchen bereits Branntwein abgezogen 
wurde, können noch zur Oelbereitung verwendet werden. 


4. Die Weintreber 


werden, nachdem ſie von den Kämmen gereinigt ſind, gewöhnlich zum Brannt⸗ 
weinbrennen benützt und daraus ein guter Weinbranntwein, oder durch mehr⸗ 
maliges Abziehen auch Weingeiſt gewonnen. 


Außerdem kann man von den Weintrebern auch einen guten Nachwein 
(Treberwein, Läuren) bereiten, wenn man an ca. 6 Butten, womöglich auch 
von deu Kernen gereinigten Trebern, weil letztere dem Getränke einen bittern 
Geſchmack geben, ſobald ſie von der Preſſe kommen, und ohne daß ſie zuvor 
warm geworden ſind, 12—16 Imi Waſſer gießt, und ſolche dann einige Tage 
womöglich unter einem Senkboden gähren läßt, worauf man die Flüſſigkeit 
abläßt und zu Faß bringt, die Treber aber entweder nochmals mit ca. 4—5 
Imi Waſſer übergießt und ſie wiederholt 8 Tage gähren läßt oder ſie keltert, 
und beim zweiten Behauen oder Umarbeiten mit etwas Waſſer befeuchtet und 
ſofort auch den Druck zu der übrigen Flüſſigkeit ins Faß bringt. Wird dann 
pr. Eimer 30 Pfd. Trauben⸗ oder Farinzucker in einigen Imi Nachwein aufge⸗ 
löst, dieſe Auflöſung heiß ins Faß gethan und ſofort das Ganze der Gäh— 
rung überlaſſen, jo erhält man dadurch einen angenehmen Nachwein, der be: 
ſonders während des Sommers bei ſtarker Hitze ſehr kühlend wirkt. Will man 
denſelben ſtärker machen und einen förmlichen Weingeſchmack beibringen, ſo 
kann man pr. Eimer bis 75 Pfd. Traubenzucker, 1 Pfd. aufgelöste Weinſtein⸗ 
ſäure etwa 1½—2 Imi gute alte Weinhefe beigeben und Alles mit vergäh⸗ 
ren laſſen, nur muß man dann dieſen Nachwein nicht für wirklichen Wein 
ausgeben. | 

Die ausgenützten Kämme und Häute können ſofort, wie die Lohe bei den 
Gerbern, in beſondere Formen getrieben, getrocknet und als Brennmaterial 
benützt werden, auch geben ſie eine gute Düngung, indem ſie namentlich viel 
Kali und mehr Stickſtoff als der gewöhnliche Stalldünger enthalten, daher ſie 
beſonders zur Bereitung von Compoſt ſehr vorzüglich ſind und in dieſer Ei⸗ 
genſchaft nützlicher verwendet können, als wenn ſie als Brennmaterial benützt 
werden. f 


5. Die Weinhefe a 
gibt gleichfalls einen guten Weinbranntwein, auch läßt ſich aus derſelben ge⸗ 


421 


reinigter Weinſtein präpariren, was hie und da ſchon Veranlaſſung gab, bie 
Zubereitung fabrikmäßig zu betreiben. 

Außerdem kann man die Hefe in ſtarken leinenen Säcken laugſam und 
ſtark auspreſſen und das Abgelaufene, das meiſt zwei Drittel des Ganzen be— 
trägt als Wein benützen, den Rückſtand aber an der Luft trocknen, der dann 
ein ſehr wirkſames Brennmaterial abgibt, deſſen Aſche, beinahe die Hälfte ihres 
Gewichts, faſt chemiſch reine Potaſche liefern ſoll. 


6. Die Aupflanzung von Nebeugewächſen in den Weinbergen. 


In manchen Weinbaugegenden, wo es an Boden zur Erzeugung der er— 
forderlichen Lebensmittel fehlt, oder in der Nähe volkreicher Städte, wo alle 
Produkte zu guten Preiſen verwerthet werden können, werden die Weinberge 
auch zu der Anpflanzung von Nebengewächſen, namentlich Mais (Welſchkorn), 
Bohnen, Rüben, Rettige, Spargeln, Kraut ꝛc. benützt, was auch in einzelnen 
Weinbaugegenden Württembergs der Fall iſt. 

Solche Anpflanzungen äußern aber gewöhnlich einen ſehr nachtheiligen 
Einfluß auf die Weinerzeugung, indem dadurch dem Boden ein großer Theil 
der Nahrungsſäfte, die dem Rebſtocke zufließen ſollten, entzogen wird, was 
entweder den Ertrag im Allgemeinen verringert oder den Weinberg bald alt 
macht. Sie laſſen ſich deßwegen nur bei Gereuthen mit einem guten, kräfti⸗ 
gen Boden und ſo lange dieſelben noch nicht im Ertrage ſtehen, rechtfertigen, 
oder in Weinbergen mit weiter Beſtockung bei kräftigem Boden und öfterer 
ſtarker Düngung, beſonders wo es an ſonſtigem Boden fehlt; auch in alten 
Weinbergen, wo hie und da einzelne Stöcke fehlen, wird an der Stelle der— 
ſelben die Anpflanzung von Nebeuprodukten weniger Schaden bringen. Ein 
intelligenter Weinbauer wird aber alle Anpflanzungen, auch in den Gereuthen 
möglichſt zu vermeiden ſuchen, weil durch dieſelben der Boden nicht nur aus⸗ 
geſaugt, ſondern auch eine weit ſtärkere Beſchattung der Weinberge herbeige⸗ 
führt wird, was einen nachtheiligen Einfluß auf die Zeitigung der Trauben 
und des Holzes ausüben muß. 


XIV. Die Behandlung des Weins im Seller. 


§. 292. 
Mit der Beendigung der ſtürmiſchen Gährung, ddieſelbe mag nun in der 
Kufe oder im Faſſe erfolgt ſein, hat ſich der ſüße Weinmoſt zwar in Wein 
verwandelt, damit iſt aber ſeine Entwicklung noch nicht beendigt (§. 239), ſon⸗ 
dern dieſelbe dauert, nachdem der Wein in den Keller geſchafft iſt, im Faſſe 
durch die ſtille oder Nachgährung noch fort, bis ſich der trübe Wein gehörig 


422 


geklärt, der Zuckerſtoff ſich möglichſt aufgelöst und der Gähr⸗ und Sauerſtoff 
ſich gehörig niedergeſchlagen hat. 

Während der ſtillen Gährung fallen die im Weine noch enthaltenen Stoffe, 
die nicht im Stande ſind, bei derſelben mitzuwirken, mithin auch mit dem 
jungen Wein keine Verbindungen eingegangen haben, ſondern nur noch ſchwe⸗ 
bend in demſelben ſich befinden, wie der Schleimſtoff (Kleber), der Weinſtein, 
der Extraktivſtoff zu Boden, oder lagern ſich an den Wandungen der Fäſſer 
und bilden zuletzt die Hefe, daher auch die Entwicklung des Weines ſo lange 
fortdauert, ſo lange ſich noch Hefe abſetzt 

Bei der Behandlung des Weines im Keller muß daher dieſelbe hauptſäch⸗ 
lich darauf gerichtet ſein, den Wein von allen fremdartigen Theilen zu reinigen, 
jede nachtheilige Einwirkung auf denſelben zu beſeitigen und dadurch deſſen 
Klärung ſowie die Entwicklung ſeines eigenthümlichen Geſchmacks und Geruchs 
(Bouquet) und feiner ſonſtigen beſonderen Eigenſchaften möglichſt zu befördern . 

Dieſe Behandlung hängt ab von der Einrichtung der Keller, von der 
Einrichtung der Fäſſer und von dem öftern rechtzeitigen Abziehen des Weins 
von der Hefe (Ablaſſen), was wir hier näher ausführen wollen. 


1. Die Kellereinrichtung. 
§. 253. 


Wie zu der Erregung der Gährung ein angemeſſenes Lokal mit dem er⸗ 
forderlichen Wärmegrad gehört (§. 241), jo iſt dieſes auch bei der Fortſetzung 
derſelben durch die ſtille Gährung erforderlich. Ein guter Keller iſt daher zu der 
Erziehung eines guten, geſunden Weins ein unumgängliches Erforderniß. Die 
gute Beſchaffenheit deſſelben hängt ab von der Lage, dem Luftzug und dem 
Wärmegrad, ſowie von der Feuchtigkeit und Reinlichkeit deſſelben. 

Das erſte Erforderniß eines guten Kellers beſteht in der gleichen Tempe⸗ 
ratur deſſelben, jo daß er während des Sommers nicht zu warm und wäh— 
rend des Winters nicht zu kalt wird, weil durch beides die regelmäßige Ent⸗ 
wicklung des Weins geſtört wird, indem durch die Wärme des Sommers 
dieſelbe allzuſchnell befördert und dadurch zu manchen Krankheiten des Weins (trüb⸗ 
zähe werden) Veranlaſſung gegeben wird, während durch die Kälte des Win⸗ 
ters bei der Entwicklung ein Stillſtand eintritt. Um eine möglichſt gleiche 
Temperatur zu erreichen, muß derſelbe 

a. gegen Norden liegen, und auch die Kelleröffnungen ſollten größtentheils 
dieſe Lage haben, jedenfalls aber nicht gegen Mittag, weil ſonſt die Sonnen⸗ 
hitze zu ſehr eindringen kann. 

b. Der Keller muß eine angemeſſene Tiefe haben, etwa von 15—18 Fuß, 
damit die äußere Luft weniger in denſelben eindringen kann und auch die 


423 


Wärme oder Kälte der ihn umgebenden Bodenſchichten weniger Einfluß auf 
denſelben hat, wobei übrigens auch auf die Bodenart Kückſicht zu nehmen iſt, 
weil in Thon⸗ und Felſenboden die Wärme und Kälte weniger ſchnell eindringt 
als in leichtem Sand» und ähnlichem Boden. 

o, Die Umgebungen eines Kellers haben gleichfalls Einfluß auf deſſen 
Temperatur, indem in einem von allen Seiten frei liegenden Keller die äußere 
Luft weit mehr eindringen kann, als in geſchloſſenen Straßen, wo die benach- 
barten Gebäude Schutz gewähren und ſelten ein ſtarker Luftzug ſtattfindet. 
Freiliegende Keller müſſen daher in der Regel tiefer als andere ſein. 

Die weitern Erforderniſſe eines guten Kellers beſtehen noch darin: 

d. daß in demſelben eine möglichſt reine Luft herrſcht, weil dieſelbe nicht 
blos durch die Spunten und Zapfen, ſondern auch durch die Poren des Hol- 
zes in die Fäſſer dringt, wodurch eine dumpfe Luft die Entwicklung des Weins 
ſtört, das Holz der Fäſſer mit Schimmel überzieht und daſſelbe faul und 
morſch macht. Der Keller muß daher eine angemeſſene Höhe von 15—18 Fuß 
und Kelleröffnungen auf wenigſtens zwei Seiten haben (gegen Norden, Oſten, 
Weſten), damit der Luftzug befördert wird. 

e. Derſelbe muß gewölbt ſein, weil in Keller, die oben nur mit Holz⸗ 
werk (Balkenkeller) geſchloſſen ſind, Wärme und Kälte viel leichter eindringen 
können. 

f, Er darf nur ein gemäßigtes Licht haben, indem ein all zu ſtarkes Licht, 
beſonders wenn die Sonne auf die Fäſſer ſcheinen ſollte, der Entwicklung des 
Weins ſchädlich iſt. 

g. Ein guter Keller darf weder zu trocken noch zu feucht ſein, weil im 
erſten Falle das Holz der Fäſſer ſchwindet und dieſelben leck werden, auch der 
Wein zu ſchnell zehrt, im letztern Falle aber, weil die Fäſſer ſich mit Schim⸗ 
mel überziehen und bald zu Grunde gehen, der Wein aber gerne faul wird 
und zu manchen Krankheiten geneigt iſt. In einem Keller, der naß iſt und 
in dem ſich von Zeit zu Zeit Waſſer anſammelt, wird felten ein guter Wein 
erzogen werden können. | | 

h. Derſelbe ſoll mit guten ſteinernen Platten belegt fein, damit der Bo⸗ 
den deſſelben ſowohl in den Gängen als unter den Fäſſern möglichſt rein ge⸗ 
halten und öfters geſäubert werden kann, indem durch Unreinlichkeit die Luft 
gleichfalls verdorben wird. 

1. Ferner ſollen keine andere Produkte als Wein, namentlich aber keine 
Gemüſe, welche ſtark ausdünſten und in Gährung übergehen, in dem Wein⸗ 
keller aufbewahrt werden, indem dadurch der Keller feucht und die Luft dumpf 
wird, und der ſtarke Geruch einzelner Gewächſe ſich durch die Luft auch dem 
Weine mittheilen, oder deſſen aromatiſche Entwicklung hindern kann. 

k. Gegen öftere Erſchütterungen ſoll ein guter Keller gleichfalls bewahrt 


424 


jein, indem durch dieſelben ſowohl der Wein als die Hefe in Bewegung kommt, 
wodurch ſich erſterer ſchwer klären und letztere ſich nicht gehörig ſetzen kann, 
ſondern ſich immer wieder mit dem Weine miſcht und zum Sauerwerden oder 
ſonſtigen Krankheiten deſſelben beiträgt. Keller unter Straßen oder ganz in 
der Nähe derſelben, auf welchen viele und ſchwere Fuhrwerke fahren, oder in 
der Nähe von Hammerwerken, Schmieden, welche ſtarke Erſchütterungen ver⸗ 
anlaſſen, ſind daher für die Weinerziehung nicht ſehr geeignet. 

1. Die Nähe von Senkgruben, Jauchenbehältern, Abtritten iſt für einen 
Keller hie und da ſchädlich, weil ſich unreine Luft in denſelben zieht, oder 
ſogar übelriechende Flüſſigkeit in demſelben ſich ſammelt. 

Außerdem muß 

m. jeder Keller während des Winters gegen das Eindringen der Kälte 
gut verwahrt, im Frühjahr aber bei heller Witterung öfters, beſonders Mor⸗ 
gens und Abends, gelüftet, gegen das Eindringen der Sonnenſtrahlen aber 
verwahrt werden. Bei der Annäherung eines Gewitters müſſen die Keller⸗ 
läden geſchloſſen werden, weil das Eindringen des Blitzes und der CHR 
Luft dem Weine ſehr ſchadet. 

Sind die Keller auf die angegebene Weiſe eingerichtet und vor äußern 
ſchädlichen Einwirkungen gehörig verwahrt, ſo darf bei einer gewöhnlichen 
Temperatur von 6—8 Graden R. auf eine angemeſſene ſtufenweiſe Entwick⸗ 
lung des Weines gerechnet werden, nur bei alten Weinen, die keine Hefe mehr 
abſetzen und keiner weitern fortſchreitenden Entwicklung mehr bedürfen, ſondern 
deren zurückſchreitende Entwicklung durch Ablagerung und Entweichen des Wein- 
geiſtes möglichſt aufgehalten werden ſoll, ſind Keller von niederer (kälterer) 
Temperatur von 3—4 Graden R. angemeſſen, daher bei größeren Weinlagern 
beſondere Kellerräume für Ältere Weine eingerichtet werden dürften. 


2. Die Fäſſer. 
§. 254. 

Es iſt bereits oben (F. 242) ausgeführt worden, daß die Größe der Fäſſer 
auf die Gährung des Weins einigen Einfluß ausübt, und das Gleiche iſt auch 
bei der weitern Entwicklung deſſelben der Fall. Da ſich nun der Wein in 
kleineren Fäſſern ſchneller ausbildet als in größeren und feinere, edlere und 
ſtarke Weine zur Ausbildung längere Zeit brauchen als gewöhnliche, gemeine 
und etwas ſchwache Weine, jo wird es angemeſſen fein, wenn für erſtere Fäſ⸗ 
ſer von 3—4 Eimer, für letztere von 5—12 Eimer gewählt werden. 

Die Fäſſer werden in der Regel von eichenem Holz, als das feſteſte und 
zäheſte gefertiget, auch hat man dabei noch darauf zu ſehen, daß möglichſt 
dichtes Holz, das nicht im Saft gehauen wurde, dazu verwendet wird, weil 


425 
poröſes Holz einen ſtarken Verluſt an Wein durch Verdünſtung herbeiführt, 
was auch auf die Qualität deſſelben Einfluß hat. Aus dieſem Grunde ſind 
Fäſſer von Fichten⸗ Lerchen⸗ Kaſtanien⸗Holz, wie fie in einzelnen Weinbau⸗ 
Gegenden (Steyermark, Tyrol) hie und da vorkommen, weniger tauglich und 
zugleich weniger haltbar. 

Neue Fäſſer können jedoch nur zu neuem, jungen Wein, ſo lange derſelbe 
ſich noch in der Gährung befindet und noch nicht abgelaſſen iſt, verwendet 
werden, nachdem ſie zuvor gehörig ausgebrüht und einige Zeit mit Waſſer 
gefüllt waren (§. 242), indem der von dem neuen Wein aus dem Holze aus— 
gezogene Gerbſtoff ganz oder zum größern Theile mit der Hefe niedergeſchla— 
gen wird, während bei dem alten Weine, bei dem die Gelegenheit, ſich des 
ausgezogenen Gerbſtoffs zu entledigen, fehlt, derſelbe im Weine zurückbleiben 
Hund demſelben einen harten und unangenehmen Geſchmack geben würde. Zu 
der Verfüllung vergohrener Weine ſind daher ältere, ſogenannte weingrüne 
Fäſſer, die auf der inneren Oberfläche ſchon mit etwas Weinſtein belegt ſind, 
die zweckmäßigſten. Aber auch hier ſteht der Wein durch die Poren des Hols 
zes ſo wie durch die Spunten und Zapfen mit der äußern Luft immer noch 
in einiger Berührung, daher durch das Holz ſtets etwas Wein verdünſtet (das 
Zehren, der Schwand), jedoch mehr die wäſſerigen als die geiſtigen Theile 
deſſelben, weßhalb Weine von guter Qualität während ihrer Entwicklung im— 
mer geiſtreicher werden. 

Die Verdünſtung, ſowie das Faulen des Holzes kann umgangen werde n, 
wenn man die äußeren Seiten der Fäſſer zuerſt mit etwas dickem Leimwaſſer 
und dann mit einem guten Firniß oder einer Oelfarbe anſtreicht, wodurch die 
Poren des Holzes verſtopft und das Entweichen des Weins verhindert wird. 
Das Beſtreichen mit Leimwaſſer iſt aus dem Grunde nothwendig, weil, wenn 
das Anſtreichen unmitelbar mit Firniß oder Oelfarbe geſchehen würde, dieſelbe 
durch die Poren des Holzes dringen und dem Weine einen üblen Geſchmack 
beibringen könnte. Da jedoch junge Weine zu ihrer Entwicklung immer etwas 
Luft nöthig haben, ſo dürfen in luftdicht angeſtrichene Fäſſer nur alte, voll⸗ 
kommen entwickelte Weine gelegt werden, indem junge Weine in ſolchen Fäſ⸗ 
ſern wegen Mangel an Luft in ihrer Entwicklung zurückbleiben und faul (zähe) 
werden könnten. 

732,299. 

Die Verfüllung des vergohrenen Weins während des Ablaſſens in an⸗ 
dere Fäſſer erfordert gleichfalls einige Vorbereitung. 

Dieſelben find, wenn fie lange zuvor nicht gebraucht wurden, einigemal 
mit heißem Waſſer tüchtig auszubrühen, indem ſonſt der Wein einen eigen⸗ 
thümlichen Holzgeſchmack bekommen könnte. Das Brühwaſſer iſt jedesmal, ſo 
lange es noch warm iſt, aus den Fäſſern zu entfernen und dieſelben zuletzt 


426 


mit reinem kalten Waſſer auszuwaſchen, auch wird es ſehr gut ſein, wenn 
dieſelben mit gutem Trübwein ausgeſchwenkt, oder mit einem franzöſiſchen 
Weingeiſt oder ſtarkem Hefenbranntwein, der keinen Fuſelgeſchmack hat, aus⸗ 
gebrannt werden, indem dadurch nicht nur jede ſchädliche äußere Einwirkung 
beſeitiget wird, ſondern der Wein auch öfters einen feineren Geſchmack be⸗ 
kommt, nur muß der Weingeiſt, bevor er angezündet wird, im ganzen Faße 
herumgeſchwenkt und ſo wie er ausgebrannt iſt, der Rückſtand herausgeſchafft 
und das Faß gut verſpundet werden, damit ſich der Weingeiſtdunſt dem Holze mittheilt. 

Sind die leeren Fäſſer kurz zuvor mit Weingeiſt gefüllt geweſen und durch 
Einbrennen mit Schwefel gut erhalten worden, mithin weingrün, ſo genügt 
vor dem Einfüllen des Weins ein einfaches Auswaſchen derſelben mit kaltem, 
noch beſſer aber mit warmem Waſſer, jedenfalls wird auch hier das Ausbren⸗ 
nen mit Weingeiſt gute Dienſte leiſten, weil durch den Schwefel, der zum 
Einbrennen verwendet wird, ſich ein Anſatz am Holz bildet und im Faß ſelbſt 
eine ſäuerlich ſchwefelige Luft entſteht, was beides ſich dem Weine mittheilen 
und eine nachtheilige Einwirkung auf denſelben haben kann. 

Sind die Fäſſer unrein, hat ſich Schimmel oder Säure in dem Holze 
gebildet, oder iſt ſehr ſaurer Wein oder Obſtmoſt oder Hefe längere Zeit in 
denſelben eingefüllt geweſen, ſo iſt es nie zu rathen, in dieſelben, ohne voran⸗ 
gegangene ſorgfältige Reinigung mit Kalkmilch, warmer, junger Weinhefe oder 
durch Ausbrennen mit Weingeiſt, guten neuen oder alten Wein zu bringen, 
weil derſelbe dadurch leicht einen unangenehmen Beigeſchmack bekommen konnte. 

Fäſſer, in welchen geringe, ſaure Getränke aufbewahrt werden oder Ge— 
tränke mit üblem Geſchmack, wie Hefe, werden auf ähnliche Weiſe gereiniget, 
auch kann, wenn die Aufbewahrung nicht längere Zeit dauerte, ſchon ein mehr⸗ 
maliges Ausbrühen mit heißem Waſſer und das nachherige ſtarke Einſchwefeln 
gute Dienſte leiſten. 5 

9. 256. 

Zur Erhaltung der Fäſſer dient beſonders das Ausſchwefeln derſelben, 
indem der Schwefel, wenn er angezündet wird, die Eigenſchaft befitst, mit dem 
Sauerſtoffe der Luft Verbindungen einzugehen, wodurch ſich ſchwefelige Säure 
erzeugt, die nicht nur in den leeren ausgebrühten Fäſſern die Waſſertheile zu⸗ 
ſammenzieht und die Wände trocknet, ſondern auch die feuchte Luft aus den 
Fäſſern austreibt und dadurch den Schimmel oder den Säureanſatz verhindert. 
Da jedoch der Schwefeldampf ſich nach und nach in den Fäſſern dadurch wie⸗ 
der verliert, daß ſich die ſchwefelige Säure ſelbſt wieder mit Waſſerſtoff ſät⸗ 
tiget, wodurch ihr die erwähnte Eigenſchaft entgeht, und andere, häufig feuchte 
Luft in die Fäſſer eindringen kann, jo muß, wenn dieſelben längere Zeit leer 
bleiben, das Schwefeln öfters und in der Regel, beſonders in feuchten Kel⸗ 
lern, von 3 zu 3 Monaten wiederholt werden. 


427 


Auch vor dem Einfüllen des Weins in leere Fäſſer werden dieſelben, nach⸗ 
dem ſie gehörig gereinigt ſind, nicht ſelten mit Schwefel eingebrannt, indem 
dadurch die wäſſerige Feuchtigkeit oder ein ſonſtiger falſcher Geſchmack ent- 
fernt wird. Das Ausbrennen mit Weingeiſt iſt jedoch in dieſem Fall vorzuziehen. 

u darf 5 Füſſer, welche a 155 leer waren und 1 Dr 
gereinigt und e neu 1 ſind. ae dem Einſchwefeln 
nimmt man gewöhnlich ſogenannte Schwefelſchnitten, die durch das Aufſtreichen 
des flüſſigen Schwefels auf einen ein Zoll breiten und ein Fuß langen ſtarken 
Papier oder Leinwandſtreifen gefertigt und auf dieſe Weiſe dem Gewicht nach 
in den Handel gebracht werden. Man nimmt zu dem Einſchwefeln gewöhn⸗ 
licher Fäſſer etwa bis zu 10 Eimer in der Regel eine Schwefelſchnitte, zu 
größern Fäſſer etwas mehr. 

Der gewöhnliche Schwefel enthält übrigens hie und da auch noch etwas 
Arſenik und andere unreine Beſtandtheile, die in das Holz der Fäſſer eindrin- 
gen und ſich ſpäter dem Weine mittheilen, wodurch derſelbe gleichfalls verun— 
reiniget oder durch die ſchwefelige Säure etwas verſäuert werden kann, daher 
man neuerlich von verſchiedenen Fabriken gereinigte Schwefelſchnitten in den 
Handel bringt, die von jenen unreinen Theilen befreit find, daher deren An- 
wendung ſehr zweckmäßig erſcheint und die überall eingeführt werden dürften. 

Außerdem werden dem gereinigten Schwefel öfters auch noch feine Ge— 
würze zugeſetzt und die auf ſolche Weiſe zubereiteten Schwefelſchnitten als Ge— 
würzſchwefel verkauft, der die beſondere Eigenſchaft beſitzen ſoll, dem Weine 
einen gewürzhaften Geſchmack beizubringen, was jedoch noch einer nähern Un- 
terſuchung bedürfen wird. Der Hauptnutzen des Gewürzſchwefels beſteht wahr— 
ſcheinlich darin, daß durch das Gewürz die ſchwefelige Säure mehr gedeckt wird. 


3. Das Ablaſſen des Weins und deſſen Behandlung vor, bei und nach dem Ablaſſe. 


2 

Der neue Wein mag die ſünmiſche Gährung in verſchloſſener Kufe oder 
in dem Faſſe durchmachen, ſo erfordert er, ſo wie dieſelbe beendigt iſt, eine 
andere Behandlung als en, derſelben. Er bedarf zu ſeiner Entwicklung 
während der Nachgährung des ſtarken Zutritts der Luft nicht mehr, vielmehr 
iſt er, damit ſeine feinere Beſtandtheile nicht verdunſten und er keine neue 
Verbindungen mit dem Sauerſtoff der Luft eingeht, nach und nach möglichft 
von derſelben abzuſchließen. Dieſes geſchieht, wenn die Fäſſer, in welchen der 
Wein ſich befindet, bis zur Spuntdaube aufgefüllt, durch Nachfüllen von 4 zu 
4 Wochen voll erhalten und mit einem gut ſchließenden Klappſpunten verſehen 
werden, jo daß durch denſelben die ſich in dem Weine noch entwickelnde Kohlen⸗ 
ſäure gehörig entweichen kann, ohne daß ein weſentlicher Zutritt der Luft ſtattfindet. 


» 


428 


Während der Nachgährung erſcheint der junge Wein immer noch etwas 
trübe, auch hat er noch einen ſäuerlich prickelnden Geſchmack, was beweist, 
daß ſich noch viele Hefenſtoffe (Kleber) fo wie auch Extraktivſtoff in demſelben 
befindet (S. 239. 240), und daß durch die Auflöſung des Zuckerſtoffs ſich im⸗ 
mer noch Kohlenſäure entwickelt. Bei der weitern Entwicklung des Weins iſt 
daher das Augenmerk des rationellen Weinzüchters hauptſächlich darauf zu 
richten, daß der Zuckergehalt des Weins möglichſt zerſetzt und in Alkohol aufs 
gelöst, die in demſelben enthaltenen fremden Beſtandtheile (Kleber, Extraktiv⸗ 
ſtoff) aber vollſtändig niedergeſchlagen werden, damit der reine Weingeſchmack 
nach und nach ganz zu Tage tritt. 

Erſteres kann nach §. 240 auf verſchiedene Weiſe, insbeſondere aber da⸗ 
durch erreicht werden, daß man die anregenden Gähr- (Hefen-) Stoffe nicht 
bälder aus dem Weine zu entfernen ſucht, als bis fie ſich gehörig niederges 
ſchlagen haben und der Wein eine angemeſſene Helle (Klärung) erreicht hat. 
Letzteres geſchieht, indem man das Niederſchlagen der fremden Beſtandtheile 
durch öfteres Ablaſſen des Weins und durch ſtarkes Einſchwefeln der Fäſſer, 
in welche der Wein zu liegen kommt, befördert. 

Hienach muß, wie bei der ſtürmiſchen Gährung (§. 248.249), auch bei der 
Behandlung des Weins während der Nachgährung ein beſonderes Verfahren ein⸗ 
treten. Die Nachgährung dauert fort, ſo lange die Gährſtoffe ſich nicht vollſtän⸗ 
dig niedergeſchlagen haben, und ſo lange noch Zucker im Wein vorhanden iſt, der 
ſich in Alkohol verwandelt, was man gewöhnlich an der niedergeſchlagenen Hefe 
bemerkt. Da nun geringe Weine mehr Gähr- und Sauerſtoff, aber weniger 
Zucker, gute und vorzügliche Weine dagegen weniger Gähr- und mehr Zucker⸗ 
ſtoff beſitzen, ſo folgt daraus, daß auch die Nachgährung, je nach der Quali⸗ 
tät des Weins, einen ſehr verſchiedenen Verlauf nimmt, daher auch die Be- 
handlung deſſelben eine verſchiedene ſein muß. 

Bei den geringen Weinen geht, aus dem augeführten Grunde, die Nach⸗ 
gährung und Klärung derſelben in der Regel weit ſchneller vor ſich, als bei 
guten zuckerreichen Weinen, es iſt deßwegen nothwendig, daß, wie vor der 
Gährung durch Entſchleimen (S. 245), auch nach derſelben die ſauren Hefen⸗ 
und Schleimtheile baldmöglichſt von denſelben durch das Ablaſſen entfernt 
werden, während bei vorzüglichen Weinen vermöge des ſtärkeren Zuckergehalts 
die Nachgährung ſehr langſam vor ſich geht und daher hier ein ſpätes Ab⸗ 
laſſen von den niedergeſchlagenen Hefeſtoffen und hie und da ſogar ein Auf⸗ 
rühren der Letztern beſonders anfänglich etwa von 4 zu 4 Wochen, zur Ver⸗ 
mehrung der Gährungsanregung (§. 240) als zweckmäßig erſcheint, jo daß 
alle geringen Weine möglichſt frühe und in kurzer Zeit zweimal, etwa zu Ende 
des Monats Dezember oder zu Anfang des Monats Januar und dann wie⸗ 
der Ende März oder zu Anfang des Aprils abzulaſſen ſind, indem ſie dadurch 


429 


nicht nur milder und bälder trinkbar werden, ſondern auch verhütet wird, daß 
bei dem geringen Alkoholgehalt eine Sauer- oder Eſſiggährung beginnt, wozu 
die niedergeſchlagene Hefe, wenn fie nicht entfernt wird, gerne Veranlaſ— 
ſung gibt. 

Bei guten, geiſtreichen Weinen iſt dagegen ein frühes Ablaſſen mehr 
ſchädlich als nützlich, weil denſelben dadurch die zu ihrer Entwicklung erforder— 
lichen Stoffe wenigſtens theilweiſe entzogen und der Grund zu manchen Krank— 
heiten (Zähewerden ꝛc.) gelegt wird. Es genügt daher, wenn bei ſolchen Wei⸗ 
nen mit dem erſten Ablaß erſt im Monat April oder Mai begonnen wird, 
jedenfalls aber vor der Traubenblüthe, indem durch die zu dieſer Zeit eintre⸗ 
tende Wärme der Wein häufig wieder in Gährung kommt und dabei durch 
das Aufſteigen der Hefentheile ſich trüben und einen Hefengeſchmack annehmen 
könnte. Außerdem iſt auch auf die Temperatur des Kellers Rückſicht zu neh- 
men, indem in warmen Kellern die Gährung und Entwicklung des Weins 
ſchneller vor ſich geht als in kalten (§. 241), daher in jenen der Ablaß etwas 
früh zeitiger als in den letztern wird beginnen können, wenn ſich der Wein ge- 
hörig geklärt hat. ? 

Das in vielen Weinbaugegenden beſtehende Verfahren die jungen Weine, 
ohne Rückſicht auf die Gattung und Qualität, gewöhnlich im Monat März 
und dann höchſtens noch einmal vor der Traubenblüthe abzulaſſen, verdient 
daher offenen Tadel und iſt blos ein Beweis, daß namentlich viele Küfer von 
der Gährung des Weins keinen ordentlichen Begriff haben und deßhalb die 
Weinbehandlung ganz mechaniſch betreiben. 

§. 258. 

Das Ablaſſen des Weins in andere Fäſſer hat den Zweck, nicht nur die 
niedergeſchlagenen Schleim- und Hefenſtoffe von demſelben zu entfernen, ſon⸗ 
dern auch durch die Bewegung, in die derſelbe durch den Ablaß kommt, zur 
Reinigung und Klärung anzuregen und denſelben zugleich nach allen Theilen 
durch den dünnen Strahl aus dem Ablaßhahnen mit dem Sauerſtoffe der at⸗ 
mosphäriſchen Luft in Berührung zu bringen, indem der letztere mit dem auch 
noch im hellen jungen Weine ſchwebend befindlichen feinen Hefe- und Schleim⸗ 
ſtoffe gerne Verbindungen eingeht und dadurch zu deren Unlöslichkejt und Nie⸗ 
derſchlagung beiträgt, was der nach dem erſten und zweiten Ablaſſe ſich ſtets 
zeigende Hefenabſatz vollſtändig nachweist. Das Ablaſſen muß daher ſo oft 
erfolgen, als der Wein ſich noch nicht vollſtändig geklärt hat und noch Hefe 
abſetzt, ſo wie, ſo lange derſelbe nach dem Ablaſſe noch eine auffallende Süße 
behält, indem dieß ein Beweis iſt, daß er in der Entwicklung noch zurück iſt, 
mithin geringe Weine, wie bereits bemerkt, wenigſtens zweimal, beſſere und 
vorzügliche Weine aber, die ſich langſamer entwickeln, in der Regel dreimal, 
nämlich im Frühjahr (April), vor der Traubenblüthe und vor dem Herbſt, 


430 


auch iſt, weun fich derſelbe durch dieſes dreimalige Ablaſſen nicht gehörig ge- 
reiniget hat, hie und da noch ein viertes Ablaſſen im folgenden Frühjahr oder 
überhaupt ein jo oftmaliges Ablaſſen nothwendig, bis derſelbe keinen Boden⸗ 
ſatz mehr abſetzt. 

Weiße Weine, welche gewöhnlich mehr Zucker- und weniger Gähre und. 
Gerbſtoff beſitzen, müſſen öfter als rothe Weine abgelaſſen werden, letztere 
verlieren durch das öftere Ablaſſen an Farbe. Auch muß auf die Beſtand⸗ 
theile der einzelnen Weine Rückſicht genommen werden, indem beſonders ſolche, 
welche von ſehr ſchleimhaltigen Trauben, wie von Sylvanern, oder von Wein⸗ 
bergen mit ſehr fettem Boden gewonnen wurden, ein öfteres Ablaſſen als an— 
dere erfordern, weil bei ſolchen Weinen der viele Schleimgehalt durch die 
Gährung nicht immer vollſtändig niedergeſchlagen wird und daher im Weine 
zurückbleibt und zu ſpätern Krankheiten Veranlaſſung gibt, wenn er nicht durch 
oͤfteres Ablaſſen entfernt wird. 

Das Ablaſſen ſelbſt muß mit beſonderer Vorſicht vorgenommen und der 
Wein namentlich vor allzu langer Berührung mit der Luft bewahrt werden, 
weil Weine mit noch viel Gähr- Zucker- und beſonders Extraktivſtoffgehalt 
(S. 218) gerne allzu ſtarke Verbindungen mit dem Sauerſtoffe der Luft ein⸗ 
gehen, wodurch der Wein eine trübe, braune Farbe und einen widerlichen Ge— 
ſchmack (das Rahnwerden) annimmt, der ſehr ſchwer und häufig nur durch 
künſtliche Mittel (Schönen) aus dem Weine wieder entfernt werden kann. Es 
iſt daher bei dem Ablaſſen nothwendig, daß der Wein möglichſt raſch in ein 
anderes Faß gebracht wird, indem dadurch auch der geiſtige Gehalt weniger 
verflüchtet, insbeſondere iſt aber das Transportiren des Weins in andere Kel— 
ler mit offenen Butten ſorgfältig zu vermeiden. 

Sehr angemeſſen iſt es, wenn man die Weine vor dem Ablaſſen prüft, 
ob ſie zum Rahnwerden Neigung haben oder nicht, was dadurch geſchieht, daß 
man ein Glas voll, etwa 24 Stunden lang, offen den Einwirkungen der Luft 
ausſetzt. Trübt ſich dabei der Wein und nimmt er eine Mißfarbe an, ſo iſt 
ſehr zu rathen, denſelben nur durch Schläuche abzulaſſen, wodurch er mit der 
Luft weniger in Berührung kommt. 

Auch Auf die Witterung muß bei dem Ablaſſen des Weins Rückſicht ge⸗ 
nommen werden, indem ſtarker Froſt, wodurch die Kellerräume ohnedieß er⸗ 
kältet werden, ſo wie feuchte, nebliche Witterung oder feuchte Winde, wenn der 
Wein während derſelben mit der Laft in Berührung kommt, aus dem ange⸗ 
führten Grunde einen nachtheiligen Einfluß ausüben können, daher das Wein⸗ 
ablaſſen nur bei hellem, klaren, trockenen, etwas kühlen Wetter und bei küh⸗ 
lem Winde vorgenommen werden ſollte. | 

| 8 259 . 
Die Fäſſer, in welche der Wein abgelaſſen wird, müſſen vollſtändig rein 


nn 


und gut vorbereitet ſein (S. 254— 256), insbeſondere iſt es ſehr gewagt, Fäſſer dazu 
zu nehmen, welche nicht vollſtändig weingrün oder die zuvor von Schimmel, Eſſig⸗ 
ſtich ꝛe. gereinigt worden find, indem in ſolche nur unvergohrener Wein ver— 
füllt werden ſollte, weil der vergohrene einen ſchwer zu vertreibenden Beige— 
ſchmack bekommen könnte. Auch müſſen die Fäſſer feſt auf dem Lager liegen, 
damit kein Schwanken derſelben eintritt und dadurch die ſpäter abzuſetzende 
Hefe nicht wieder in den Wein zurückkommt. 

Vor dem Einfüllen des Weins werden die Fäſſer in der Regel, je nach 
der Größe derſelben, mit gereinigtem Schwefel eingebrannt, und es iſt dieſes 
hauptſächlich dann anzurathen, wenn der Wein ſich noch nicht vollſtändig ge— 
hellt hat, indem die ſchwefelige Säure die Eigenſchaft beſitzt, nicht nur die at— 
mosphäriſche Luft aus dem Faſſe auszutreiben und dadurch das Kahnziehen 
des Weins zu verhindern (S. 256), ſondern auch mit den noch im Wein vor⸗ 
handenen ſchleimigen Stoffen Verbindungen einzugehen und dadurch zu deren 
Niederſchlagung und Reinigung des Weins beizutragen. Man darf jedoch, 
wenn der Wein nicht zu trüb iſt und dadurch einer Krankheit entgegen zu 
gehen ſcheint, nicht allzu viel Schwefel anwenden, etwa 1 Schnitte auf 4 bis 
5 Eimer, weil die Schwefelſäure ſonſt leicht in den Wein übergehen und der— 
ſelbe einen ſchwefelſauren Geſchmack annehmen köunte. In angemeſſener Quan⸗ 
tität angewendet, ſchadet der Schwefel dem Wein um ſo weniger, als die 
ſchwefelige Säure in demſelben nur in ſehr geringer Menge vorhanden iſt, 
und dieſelbe auch mit den im Wein vorhandenen Salzen (Säuren §. 218) 
Verbindungen eingeht, wodurch ſie neutraliſirt wird. 

Der zur Anwendung kommende Schwefel muß gehörig gereiniget ſein 
(§. 256) und dem Weine, nach dem Einſchwefeln der Fäſſer und dem Ein⸗ 
füllen des Weins, längere Zeit Ruhe gelaſſen werden, damit der Schwefel 
die erwähnten Verbindungen eingehen und dadurch zur Reinigung des Weins 
beitragen kann. Junge Weine, die zum alsbaldigen Gebrauche beſtimmt ſind, 
ſollen, weil die ſchwefelige Säure, jo lange fie noch keine Verbindungen ein⸗ 
gegangen hat, der Geſundheit ſchadet, namentlich Kopfſchmerzen verurſacht, 
entweder gar nicht geſchwefelt, oder, weil die ſchwefelige Säure in nicht ganz 
vollen Fäſſern durch die Austreibung der atmosphäriſchen Luft auch das 
Kahnziehen auf dem Weine verhindert, nur von Zeit zu Zeit ganz ſchwach 
aufgebrannt werden. 

Der Schwefel beſitzt die weitere Eigenſchaft, daß er zum Theil auch die 
Farbe der Weine niederſchlägt, daher derſelbe bei rothen Weinen ſelten in 
Anwendung kommt, auch iſt das Schwefeln hier weniger nothwendig, weil die 
rothen Weine in der Regel weniger Schleim- und mehr Gerbſtoffe beſitzen, 
wodurch die Reinigung derſelben ohnehin ſchneller und vollſtändiger vor ſich 
geht, als bei weißen Weinen. 


432 


Zu dem Einbrennen von Fäſſern, in welche rother Wein kommt, wird 
es daher zweckmäßiger ſein, wenn man eine mehrmals durchbohrte und mit 
feinem Weingeiſt geſättigte Muskatnuß, etwa 1 Loth auf 2 Eimer nimmt oder 
eine angemeſſene Quantität reinen Weingeiſt dazu verwendet (S. 255). 


§. 260. 

Bei jedem Ablaſſen des Weins zeigt ſich, beſonders ſo lange er noch Hefe 
erzeugt, am Schluſſe Trübwein, der, weil er noch mit Hefentheilen geſchwängert 
iſt, nicht mit dem hell abgelaſſenen Weine, namentlich bei dem zweiten, dritten 
und weitern Ablaſſe, gemiſcht werden darf, weil er denſelben nicht nur un⸗ 
nöthig trüben, ſondern auch einen Anlaß zur Gährung geben und dadurch die 
Entwicklung des Weins mindeſtens verzögern würde. Weit zweckmäßiger iſt 
es daher, wenn man das überfüllte Faß etwas leer läßt, daſſelbe, damit der 
Wein keinen Kahn zieht, mit Schwefel aufbrennt, den Trübwein aber, damit 
er ſich ſchnell hellt, in ein beſonderes ſtark geſchwefeltes Faß bringt und dene 
ſelben, ſowie er ſich gehörig geklärt hat, zum Auffüllen oder Nachfüllen des 
Hauptfaſſes verwendet. | 

Um den in der Hefe enthaltenen Wein vollſtändig zu erhalten, kann mau 
bei dem erſten Ablaſſen die dicke Hefe in Säcke füllen, auf die Kelter bringen 
und den ausgepreßten Wein, nachdem er ſich geklärt hat, gleichfalls zum Auf⸗ 
füllen verwenden. 

Auf das Auffüllen des Weins nach erfolgtem Ablaſſe und das feſte Ver— 
ſpunten der Fäſſer muß beſondere Sorgfalt verwendet werden. 

Daſſelbe hat den Zweck, den Wein von der atmosphäriſchen Luft mög- 
lichſt abzuſchließen, damit derſelbe keinen Kahn bildet, indem dieſer dem Weine 
ſehr ſchädlich iſt, und auf den ſtarken Schwand einen weſentlichen Einfluß 
ausübt. 

Der Kahn entſteht, wenn der Wein in nicht ganz vollen Fäſſern, beſon⸗ 
ders bei warmer Witterung, längere Zeit liegen bleibt, die Spundöffnung nicht 
ſorgfältig geſchloſſen iſt, ſo daß viele Luft in den leeren Raum des Faſſes 
eindringen kann, indem ſich zuerſt eine dünne Haut über dem Weine bildet, 
die immer dicker und nach und nach mit Schimmel überzogen wird, einen 
Eſſigſäure-Geſchmack annimmt und wenn ſie zu ſchwer wird, in den Wein ein⸗ 
ſinkt und demſelben gleichfalls Säure mittheilt. 

Der Kahn entwickelt ſich hauptſächlich auf ſehr ſchleimhaltigen und zucker⸗ 
reichen Weinen, daher er durch die Verbindung des Sauerſtoffs der Luft mit 
dem Kleber und Zucker zu entſtehen ſcheint und beſonders auch den Nachtheil 
herbeiführt, daß die Weine durch den Kahn nach und nach alle Süßigkeit ver⸗ 
lieren, während magere und ſaure Weine öfters weniger Kahn ziehen, am 
meiſten widerſtehen aber demſelben ſehr alkoholreiche Weine. 


Die Kahnbildung wird verhindert, wenn die Fäſſer ſtets voll erhalten 
und luftdicht verſpundet werden, oder, im Falle dieſelben nicht ganz voll ſind, 
wenn die atmosphäriſche Luft durch periodiſches Einbrennen derſelben mit 
Schwefel ausgetrieben wird. 

Wir haben bereits erwähnt, daß der Wein auch in vollen und feſt ver— 
ſchloſſenen Fäſſern durch die Poren des Holzes mit der äußern Luft doch immer 
noch in Verbindung ſteht ($. 254), was die Folge hat, daß fortwährend ein 
Verdunſten von Feuchtigkeit und Flüſſigkeit ſtattfindet, wodurch ſich ſtets wie— 
der leere Räume in den Fäſſern zeigen oder ein Schwand des Weins entſteht, 
der ein Nachfüllen oder Auffüllen der Fäſſer erfordert. Die Feuchtigkeit, welche 
aus den Fäſſern verdunſtet, beſteht jedoch zu dem größten Theile in Waſſer 
und nur in einem ſehr geringen Grade in geiſtiger Flüſſigkeit, während die 
öligen Theile ſowie das Arom ꝛc. des Weins davon gar nicht berührt werden, 
daher auch junge Weine in Fäſſern, welche ſtets voll gehalten werden, ſich geiſt— 
reicher und aromatiſcher entwickeln, als in blos theilweiſe angefüllten Fäſſern. 

Das Auffüllen der Fäſſer muß daher bei einer zweckmäßigen Weinpflege 
von 14 zu 14 Tagen, längſtens aber von 4 zu 4 Wochen geſchehen, indem 
ſich ſonſt bei manchen Weinen ſchon Kahn zeigt. Daſſelbe muß womöglich mit 
dem gleichen Weine oder wenigſtens mit einem ähnlichen Weine geſchehen, in 
keinem Falle aber von geringerer Qualität. Hat man keinen entſprechenden 
Wein, ſo iſt es am angemeſſenſten, wenn man die Fäſſer mit ausgeſuchten 
gut gewaſchenen Kieſelſteinen auffüllt, die jedoch nicht in Kalkſteinen beſtehen 
dürfen, weil der Wein den Kalk auflöst. Hat der Wein bereits Kahn gezogen, 
jo muß das Auffüllen mit beſonderer Vorſicht geſchehen, indem, wenn der 
Wein von einer gewiſſen Höhe auf den Kahn fällt, derſelbe in dem Weine 
niederſinkt, ſich ſchwimmend in demſelben erhält und das Sauerwerden (ſoge— 
nannter verſoffener Kahn) deſſelben veranlaſſen kann. In einem ſolchen Fall 
iſt es daher ſehr zweckmäßig, wenn man zum Auffüllen einen langen Trichter 
nimmt, der tief in den Wein hineinreicht. 

Iſt ein Faß aufgefüllt, ſo muß zunächſt dafür geſorgt werden, daß daſſelbe 
feſt verſpundet wird und kein Luftzutritt ſtattfindet. Das Spundloch muß 
daher vollſtändig rund und mit einem in der Dreherei gebräuchlichen ſtähler⸗ 
nen Ausreiber ausgerieben ſein, ſo daß der Spunten ſowohl innen als außen 
genau an das Holz der Spuntdaube ſich anſchließt, indem, ſowie dieſes nicht 
der Fall iſt, ſich zwiſchen dem Daubholze und dem Spunten ein leerer Raum 
befindet, in den Luft eindringt und zum ſtarken Schwand des Weins und zur 
Kahnbildung beiträgt. 

Es müſſen daher ganz feſtſchließende Spunten von Eſchen- oder Akazien⸗ 
holz oder von Kork verwendet werden, wenn aber bei alten Fäſſern ſolche Spun⸗ 
ten nicht mehr feſt ſchließen, ſo thut es ſchon gute Dienſte, wenn man die zum 

28 


Umwenden des Spuntens erforderliche Leinwand mit reinem Unſchlitt oder 
Wachs dünn beſtreicht, ohne daß Fett an dem Tuche hängen bleibt. 
Beſonders angemeſſen iſt es, wenn den Fäſſern ſogenannte Füllflaſchen 
aufgelegt werden, die in gläſernen Flaſchen mit dickem Glas mit zwei Hälſen 
beſtehen, wovon der eine in das Spuntloch ſelbſt oder in einen Spunten von 
Kork feſt zu ſtehen kommt, der andere aber oben, nachdem die Flaſche gefüllt 
iſt, mit einem Stöpſel feſt verſchloſſen wird. Man ſieht hier immer genau, 
um wie viel der Wein durch Verdunſtung abgenommen hat und kann 1 
ſtets zur rechten Zeit nachfüllen und die Kahnbildung verhindern. 


4. Die Beſtandtheile des Weins, Prüfung der Qnalität. 


261. 


YR 


Durch die Gährung des Weins ſind mit den urſprünglichen Beſtandthei⸗ 
len der Traube und des Moſtes, nach dem bereits Angeführten, weſentliche 
Veränderungen vorgegangen, ſo daß die Hauptbeſtandtheile des Weins nun— 
mehr beſtehen: a 

a. in Waſſer, 

b. in Alkohol oder Weingeiſt, in den ſich ein großer Theil des Zuckerge— 
halts Aigen: ak Derſelbe bildet eine waere, ſehr dünne d flüch⸗ 
Geſchmack und iſt bedeutend leichter als deſtillirtes Waſſer, 

c. in dem unaufgelösten im Weine zurückgebliebenen Zucker, 

d. in verſchiedenen Säuren, namentlich Gerb- und Weinſteinſäure, 

e. in den Farbſtoffen und 

f. in den, den Weingeſchmack und das Gewürz und Bouquet bildenden 
öligen und ſalzhaltigen Stoffen. 

Die Güte des Weins hängt hauptſächlich von der angemeſſenen Miſchung 
dieſer verſchiedenen Beſtandtheile ab, wornach dieſelbe beſtehen ſoll in 7—12 
Procent Alkohol, in 4—6 pro Mille Säure und iin bei vorzüglichen 
Weinen bis 3½ Procent Zucker, hat daher ein Wein weniger Alkohol, fo 
gehört er zu den ſchwachen, hat er aber mehr e und wenig Zucker 
zu den ſauren Weinen. Bei 8—10 pro Mille Säure tritt dieſelbe ſchon be⸗ 
deutend hervor, Weine von 12—17 pro Mille ſind aber wirklich ſauer, wo⸗ 
gegen Weine von 6 und mehr Procent Zucker ſchon zu den ſüßen Weinen ge⸗ 
hören, woraus folgt, daß bei einem vollkommenen Wein weder Geiſt, noch 
Süße, noch Säure beſonders hervortreten dürfen. a 

Den Alkoholgehalt des Weins will man durch die Weinwage erforſchen, 
die auf das Princip gegründet iſt, daß der Alkohol leichter als das Waſſer 
iſt, indem wenn ein Gefäß, das mit 1000 Pfd. Waſſer gefüllt iſt, die gleiche 


435 


Quantität Alkohol erhält, derſelbe nur ein Gewicht von 791 Pfd. zeigt, jo daß 
791 Pfd. Alkohol denſelben Raum einnehmen, wie 1000 Pfd. Waſſer. Das 
Inſtrument iſt auf ähnliche Weiſe geformt wie die Moſtwage (S. 237) und 
dabei jo eingerichtet, daß die in Grade von 1—10 eingetheilte Scala im kla— 
ren Waſſer bis zum Nullpunkt und ſofort je tiefer einſinkt, je mehr Alkohol⸗— 
gehalt der Wein hat. Da jedoch derſelbe neben dem Alkohol auch noch an— 
dere Stoffe, namentlich Zucker enthält, welche dem Einſenken der Wage ent⸗ 
gegenwirken, wodurch ſehr alkoholreiche aber dabei auch ſüße Weine häufig ein 
ſehr geringes Gewicht anzeigen, ſo ſind die gewöhnlichen Weinwagen ſehr un— 
ſichere Inſtrumente zu der Erforſchung des Alkoholgehalts, beſonders edler 
und vorzüglicher Weine, und können höchſtens nur bei gemeinen Weinen, die 
wenig Zucker beſitzen, den Alkoholgehalt annähernd anzeigen. Dagegen iſt in 
den letzten Jahren von dem Phyſiker Geisler in Bonn ein ſehr vorzügliches 
Inſtrument, unter dem Namen Vaporimeter, angefertigt worden, das auf den 
in Mulders Chemie des Weins Seite 151 aufgeſtellten Prineipien über die 
Ermittlang des Alkohols des Weins zu beruhen ſcheint und nach dem ſich der 
Gehalt bis auf ein halb Tauſendſtel ermitteln läßt, daher daſſelbe allſeitige 
Verbreitung finden dürfte. | 

Der Säure- und Zuckergehalt des Weins läßt ſich annähernd beim Ver— 
ſuchen durch die Zunge und den Gaumen beſtimmen, auch kann man ſich zur 
Unterſuchung des erſtern, nach S. 238 eines Säuremeſſers bedienen. 

Bei den übrigen Beſtandtheilen des Weins muß zwiſchen Geruch, Bou— 
quet und Gewürz unterſchieden werden. Den allgemeinen Weingeruch beſitzen 
alle Weine, er kommt von einer im Weine enthaltenen fetten Säure, dem 
Oenanth⸗Aether her, der ſich in geringer Menge (etwa I/so,ooojtel) in dem 
Weine befindet und ſich auch aus Weinhefe und Weintreber gewinnen läßt. 
Dieſer allgemeine Weingeruch iſt um ſo ſtärker, je jünger der Wein iſt, er iſt 
aber unzertrennlich mit gutem Weine verbunden, charaktriſirt denſelben, ſo alt 
er auch ſein mag und iſt ein Zeichen reeller Qualität, daher Weine, bei wel— 
chen derſelbe fehlt, als verfälſcht zu betrachten ſind. 

Das Gewürz und Bouquet kommt dagegen nicht bei allen Weinen, ſon⸗ 
dern nur bei den vorzüglichſten vor. 

Das Gewürz entwickelt ſich in der Regel aus der Traube ſelbſt, wie 
z. B. aus der Muskat⸗ und Muskatellertraube, auch haben die Traminer— 
und Clevnerweine vielen Gewürzgeſchmack, ſowie derſelbe überhaupt bei den 
rothen Weinen vorherrſchender iſt als bei den weißen. 

An der Bildung des Bouquets nimmt auch der Boden Autheil, indem 
es Bodenarten gibt, die ſehr bouquetreiche, andere die weniger bouquetreiche 
oder mehr gewürzige Weine liefern. Namentlich ſoll eine gewiſſe Quantität 
Thon und rechtzeitige Feuchtigkeit bei der Auszeitigung der Traube der Aus- 

28 * 


436 
bildung des Bouquets ſehr günſtig ſein, daher auch bei bouquetreichen Weis 
nen, wie bei dem Rießling, das Bouquet nicht jedes Jahr gleich ſtark er⸗ 
ſcheint. Daſſelbe macht ſich durch einen feinen blumenartigen Geruch bemerk⸗ 
bar, der nur durch die Geruchsnerven erkannt werden kann, während das 
Gewürz mehr Sache des Geſchmacks iſt. Aus welcher Weinſubſtanz das 
Bouqnet entſteht, darüber herrſchen noch manche Zweifel, nach neueren Unter⸗ 
ſuchungen ſoll ſich aus bouquetreichen Weinen eine eigenthümliche Stickſtoff⸗ 
Wurzen in Form eines neutralen Salzes ausſcheiden laſſen, das den Ge⸗ 
ruch des Bouquets in hohem Grade beſitze und bei vorzüglichen Weinen einen 
höchſt angenehmen, bei ſchlechten Weinen aber, aus nicht ausgereiften Trau⸗ 
ben, einen widrigen Geruch äußern ſoll. (Vergl. 8.218 Anmerkung Nr. 10.) 

Gewürz und Bouquet laſſen ſich übrigens bei manchen Weinen ſehr 
ſchwer unterſcheiden, weil die bouquetreichen Weine häufig auch Gewürz haben. 

Zur ſicheren Beurtheilung der Qualität eines Weins gehören übrigens 
nicht nur die angeführten Inſtrumente, ſondern auch verſchiedene Sinneswerk⸗ 
zeuge, namentlich | 

a. das Auge, um die Farbe und Klarheit der Weine zu beurtheilen. 
Entſchiedene Farbe (roth, gelb, weiß) und Klarheit ſind zwar günſtige aber 
noch keine entſcheidende Zeichen für einen guten Wein, während, wenn ein 
Wein nicht durchſichtig ſondern trüb iſt, man mit Beſtimmtheit behaupten 
kann, daß er an irgend einem Gebrechen leidet. 

b. Die Naſe, um darnach den allgemeinen Weingeruch ſo wie das be— 
ſondere Bouquet zu beurtheilen, das letztere iſt, wenn angenehm, wie die Farbe 
und Klarheit des Weins, ein gutes aber gleichfalls kein entſcheidendes Zeichen 
für die Güte des Weins, indem es auch leichte Weine mit Bouquet und 
Weine mit unangenehmem, widerlichen Bouquet gibt. 

c. Die Zunge und der Gaumen. Der Geſchmack, den der vordere Theil 
des Mundes empfindet, iſt nicht derſelbe, welchen der hintere Theil wahr— 
nimmt. Wird der Wein in den Vordermund genommen, ſo läßt ſich an den 
Rändern und der Spitze der Zunge ſogleich ſpüren, ob derſelbe mehr Säure 
oder Süße oder einen zuſammenziehenden Geſchmack hat. Iſt das Eine oder 
andere vorherrſchend, ſo wird die Qualität minder gut ſein, während, wenn 
ſich die drei Geſchmacksgegenſtände jo vereinigen, daß keines als vorherr— 
ſchend, ſondern das Ganze dem Munde angenehm und gefällig erſcheint, die— 
ſes eine gute Qualität anzeigt. | 

Gelangt der Wein in den hintern Theil des Mundes an den Gaumen, 
jo läßt ſich dort hauptſächlich die Stärke oder Schwäche an Alkohol, der Erd- 
geſchmack, das widerlich Salzige, das Bittere und der Faßgeſchmack verſpüren. 

Wird der Wein verſchluckt, ſo ſteigt, ſowie er den hintern Theil des 
Gaumens paſſirt hat, ein hervorſtechender, deutlich ausgeprägter Geruch aus 


dem Schlunde in die Naſe auf, wodurch gleichfalls die Qualität oder die Ge⸗ 
brechen des Weinbouquets beurtheilt werden können, auch läßt die letzte Be⸗ 
rührung des Weins mit den Schleimhäuten des Schlundes und der Zunge 
einen längeren Eindruck des Geſchmacks zurück, deſſen angenehme oder unan- 
genehme Empfindung mit dem Ausdruck „Nachgeſchmack“ bezeichnet werden 
kann. Diejenigen Weintrinker, die mit einer beſondern Feinheit und Em— 
pfindlichkeit der gedachten Sinneswerkzeuge ausgeſtattet ſind, werden daher 
darnach die Qualität eines jeden Weins am ſicherſten beurtheilen können. 


Ueber die Behandlung der ausgebildeten Weine, über die Krankheiten, 
denen dieſelben unterworfen ſind ꝛc., könnte nun noch Vieles geſagt werden, 
da jedoch die gegenwärtige Schrift ſich nur auf den Weinbau und die Wein⸗ 
bereitung beziehen ſolle, jo läßt ſich eine weitere Abhandlung über Weinbe- 
handlung mit derſelben nicht vereinigen, vielmehr wird ſich auf andere in die⸗ 
ſer Beziehung bereits vorhandene Schriften berufen. 


Anhang. 


Einfluß der climatiſchen Verhältniſſe auf den Weinbau. 
Nach den Beobachtungen in Württemberg. 


8 2 

Die Witterungsverhältniſſe üben auf den Ertrag der Weinberge und auf 
die Qualität des Weins einen mächtigen Einfluß aus, es iſt deßwegen von 
hohem Intereſſe, dieſelben von den einzelnen Weinbaugegenden näher kennen zu 
lernen und damit Vergleichungen mit dem Erzeugniſſe der Weinberge hinſicht— 
lich der Quantität und Qualität derſelben anzuſtellen. 

Beobachtungen über die Witterungsverhältniſſe in den einzelnen Weinbau— 
gegenden Württembergs find früher auf Veranlaſſung des Herrn Profeſſors 
Plieninger in Stuttgart, ſpäter durch Veranſtaltungen des topographiſchen 
Bureau daſelbſt von verſchiedenen Freunden der Meteorologie unter Benützung 
gleichartiger Inſtrumente gemacht, von Herrn Profeſſor Plieninger zuſammen⸗ 
geſtellt und meiſtens in den württembergiſchen Jahrbüchern bekannt gemacht 
worden. Neuerlich werden ähnliche Notizen auch auf den einzelnen Telegra— 
phen⸗Stationen von den dort augeſtellten Perſonen aufgenommen und jährlich 
an das topographiſche Bureau in Stuttgart eingeſendet, bei dem ſich die Akten 
über ſämmtliche ältere und neuere Beobachtungen befinden. Unter Benützung 
dieſer Akten, ſowie nach Privatmittheilungen einzelner Freunde der Meteoro— 
logie ſind nun die nachfolgenden Zuſammenſtellungen gefertigt worden, die, 
wenn gleich wegen Mangels an Beobachtungen lückenhaft, doch vielſeitiges 
Intereſſe gewähren dürften. 


239 


1. Sommertage 
von 20 und mehr Graden nach Reaumur. 


I. Oberes Aeckarthal 


Tübingen, Pfullingen, Reutlingen, Biſſingen 
1162 Fuß 1488 Fuß 1344 Fuß 1448 Fuß 
Se über dem ; über den über dem über dem 
Jahr. Meere. Jahr. Meere. Meere. Meere. 
Mai— Okt. Mai- Okt. Mai- Okt. Juli Okt. 
1820. 29 1838. 47 — | — 
1821. 17 1839. 4⁵ e 28 
1822. 42 1840. 34 — 2 
1823. 26 1841. 42 _— 20 
1824. 22 1842. 64 — 48 
1825. 29 1843. 41 — 17 
1826. 40 1824. 34 — 15 
1827. 35 1845. 28 — 21 
1829. 1 1846. 3 — 2 
1830. 3 1847. 46 — 32 
1831. 23 1848. 79 — 35 
1832. 30 1849. 65 — — 
1833. 20 180 63 — 20 
„ 1851 & 56 — 1 
Durchſchnitt 18529. d — 32 
von 1820/6 1853. 43 32 
29 1854. 47 3 
von 1827/33 1855. 3 24 15 
26 5 6 48 1 
Geſammt⸗ 8 Durchſch itt By e 
Durchſchnitt A | 42 
von 13 ehren got 4 555 5 
l von 1817,51 Durchſchnitt Durchschnitt 
| 62 | 45 von 1839/46 
Geſammt⸗ | m 
Durchſchnitt von 1847/56 
in 14 Jahren 30 
e Geſammt⸗ 
| Durchſchnitt 


in 17 Jahren 
28 


440 


— — j — 


II. Mlittleres Neckarthal. 


| 8 a 5 
Stuttgart a | we Hohenheim 
ah, dem Meere. 5 Fuß über 1 
Jahr. 1 | dem Meere. Be 
Mai August. Be 1 
Fuli. kt. Mai—0kt. Mio. | Mai — Okt 


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1825 48 u —_ 1 

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1841 30 2 53 . 

April O, Dam | 

18423 100 sah 70 u 67 

April 2. A 

8138 Saas = 35 
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1844 12 8 25 — 27 

20 Cannſtatt 
| 30 


Jahr. 


Stuttgart. 
Mai Auguft 


Juli. Oktober. 


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von 1827/36) 


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von 1847/56 
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| 35 
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1 a 7 0 


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von 1837/46 
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441 


I Wangen Ludwigs⸗ | 
u. Cannſtatt. burg. Hohenheim. 


Mai 17 Mai Auguſt 


Mai — Oktober = 


Juli. Oktober Juli. Oktober. 
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von 185 7/44 von 1837/39 von 1847/56 


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von 1844/46 Geſammt⸗ Geſammt⸗ 
| 51 Durchſchnitt Durchſchnitt 


von 1847/56ſin 10 Jahren in 19 Jahren 
2 | 170 | 46 | 3 

Geſammt⸗ 

Durchſchnitt | 

in 29 Jahren 

„ 


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1 


| 
Heilbronn Weinsberg 


442 


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| 532 Fuß über 708 Fuß über 


Heilbronn. Weinsberg. 


1841 


Jahr. IB m Meere. dem Meere. | Jahr. 
eee ber- Mai- Oktober Mai — Oktober 
1811 | 47 —_ — gude 117% WE 
1818 67 „„ 27 | 32 
1822 | 80 — 11844 20 30 
1825 48 „„ usa 30 39 
1826 57 — — 1846 78 77 
1827 37 — — 1847 46 52 
1828 40 — — 1848 43 60 
1829 26 „ eg 25 48 
1830 45 0 37 35 
1831 46 — 1851 32 317 
1832 36 „ 852 54 44 
1833 34 — — 1853 35 30 
1881 8 — — 11854 20 36 
1835 61 5 1855 45 41 
1836 0 — — 1856 50% 
1837 a 5 EAT 
| 17 2 Durchſchnitt Durchſchnitt 
1838 f 47 45 5) von 1 8 
1839 1 05 von u 786 „ 
1840 8 52 17756 
41 68 von 5 46 von a 


von 1847/56 Geſammt⸗ 
Durchſchnitt 

Geſammt⸗ in 15 Jahren 

Durchſchnitt 490 

in 30 Jahren 

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1 


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V. . 
| Winnenden | 
a 1070 uß über 
Jahr. | ee 
Mai Ottober. 
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1839 48 
1840 BYI 
1841 53 
1842 74 
1843 40 
1844 23 
1845 28 | 
1846 76 
1847 53 
1848 48 
1849 ad 
1850 29 
1851 28 
1852 46 
18533 32 | 
18541 29 . 
ee 
| 35 | 
1856 e 
3 | 
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von 1838 46 
von Ira 


| Geſammt⸗ 
Durchſchnitt 
in 19 Be 


V. Kocherthal. 


u 


Jahr. 


VI. babe 


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* Amlishagen 
| Oehringen Schönthal 15 —1600 Fuß 
1 Fuß über 781 Fuß üb ei 1 Ne 
dem Meere, | Jahr. | dem Meere. Grenze des 
| | I Weinbaues. 
10155 Auguſt. ö 
Juli. Oktober. 5 am Mai- jOftober 5 an Dttober 
38 1830 | 26 | 225 
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JJ 
| 65 1833 20 | 
8 1834 60 . 
46 1835 46 Ki 
31 1836 28 „ 
47 1837 30 . 
| 93 1838 20 . 
%% ͤ ᷣͤ 726 50 
C 16 
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39 1842 49 35 
28 1843 | a 14 
| 63 1844 rer 9 
| 40 1845 zum 28 
ö 48 1846 78 
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46 1848 a 58 
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45 1850 . 35 
| Durchſchnitt 1852 ar 30 
von 1838/46 2 75 57 
5 BE | 1 
von un 1855 = . 
| — 45 
Geſammt⸗ 6 
„Duchſchnitt 1856 | — 28 2 
in 19 en | — 49 
An Durchſchnitt Durchſchnitt 
| von 1827/36 von 1839/46 
| 33 u) lg 
| | von 1837 42 von 1847/56 
| | | N 45 
| Geſammt⸗ Gejammt- 
| Au 


Jahr. 


1839 
1840 


1841 


1842 


1843 


1844 
1845 


1846 
1847 
1848 
1849 


1850 


1851 


1852 
18538 
1854 | 


1855 
1856 


VII. CTauberthal. 


Mergent⸗ Oberſtetten 


| 
| 


Weingarten 
e 


Weingarten | 
1835 


Jahr. 


| VIII. Sodenser-Gegend. 


Friedrichs⸗ 
hafen 


‚1402 Fuß über 


| dem Meere 
Nai re 


waagen, 


1 
1853 
1854 
1855 
1856 


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Mal Oltober Mai-Oftoben 
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| 47 | 47 
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. 1 
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| 44 22 
| 44 30 
— 22 
— 38 
38 26 
41 0 
43 | 31 
| 32 | 34 | 
| Se | Durchſchnitt 
von ae von 1889/46 
| 36 | 34 
von 1847/56 von 1847,56 
| 4) 30 | 
Geſammt⸗ Geſammt⸗ 
9 Durchſchnitt Durchſchnitt 


in 13 Jahren i 
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in 10 Jahren 


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445 


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* 


8. 263. 


2. Mittlere Temperatur. 


Nach dem Thermometer von Reaumur und nach Graden über dem Eispunkt, 
auf einen Tag reduzirt. 


J. Oberes Aeckartgal. 

Tübingen Pfullingen | Biſſingen . Biſſingen Reutlingen 
1462 Fuß über 1488 Fuß über 1448 Fuß über 1448 Fuß 1 1344 Fuß über 
dem Meere. S. dem Meere. dem Meere, . dem Meere. dem Meere. 
OR Mai > Auguſt Mai Aue Auguſt 9? Mai August Mai Auguſt 
Sue DM | i St. Jan Dt. Fili. Det Juli. Sk 

bite 10 40 1838 13,78 Jul 06 — 1853112 2,64 11,06 13,22 11,58 
4 11,58 | 2 an | alone e 
182011,25 9,8211839112,78 10,9913,39 10,9218 54113, e eee eee 1.09 
Sen): 54 De 80 r e ne 
1821110,56 10,611840 11 45 0,6312 28 95, 954855 12,50 12,10 13, 15 12,32 

10,48 | 10,54 ene, n 

18221: 3,89 10,901841112,96 11,572 84 IA 34185612, 3111,53, 02 11,82 
1250 7512,26 12,09 i 42 
182412,15 11,07 1342 13,54 10,67 13,86 10,69 | | 
San e ak en 
825.111,64 10,891843111,62 9 3 in 18 Jahren 
18 mer 95 85 | Dr 1 2 6, 11 11 1 12,73 11,00 13,42 11,84 
1826112,97 12,31 184411,05 10.071131 10,772, 1186 12,63 
| 12 Do e e,, | 
1827113,52 11, 321845 11,99 8,84112,62 10,74 | 
oe 1 | 
183112,55 11 71184613,42 11,52114,52 12,52 | 
ee F | 
1832 11,36 9, 771847 13,69 11,2413,43 10, 70 | | 
10, 700 e ö 
18881205 8,68 1848 13,50 11,91113,66 11,41 | | 
36 i n | | | 
1849 13,86 2,0113, 5111 ‚1 | | 

„Durchſchnitt dl, | 

in iS Jahren 185 5010,46 17 7512 2,41 9, 65 

ene, en 1008 | 

11,49 185111,59 10 8711,76 10,50 

185 2 In 13 ne 67 | 

1852 3,67 10 | 

| Durchſchnitt { 

in e 12,17 | 

12,56 10,90 | 

a | 

| 

| 


Von 


446 


II. Mittleres Aeckarthal. 


Stuttgart beſitzen wir Beobachtungen über die mittlere Tempe⸗ 


ratur vom Jahr 1792 (Correſpondenzblatt des württembergiſchen landwirth— 
ihaftlihen Vereins 1836 I. Band S. 286), die wir hier bis zum Jahr 


1826 zuſammenſtellen, 
Orten hinzukommen. 


wo ſodann noch weitere Beobachtungen von andern 


Auguſt | 


„ Mai Auguft ,; Mai „ Mai August „ Mai Auguſt 
Juli. Oktober. SE Fuli. Okfober. 8 Juli. Oftober. 8 Fuli. Oftober. 
&? 8 1, Go 8 03 
pr. Tag. br. Dag: — 23 | pr. Tag. pr. Tag. 
| 55 | 7 
1792 13,68 12,7 1801 14,23 16 01 18: 0113,30 12,27 2er 14,30 141,50 
aller 14,0 127790 I, 
1793 14,12 12,61 1802 14,30 13,34 1811 14,98 12, 57 1820 12,68 11,09 
eee e 15,80 13% T 
1794 15,28 11,40 1803 13,45 11,24 181213, 51 11,16 |1821|11,72 11,80 
ae | | 230 1233 „ 
1795 |14, 14 14, 02 1804 | 14, 24 12.69 1813 12,70 kl 05 1822 15,26 11,70 
13, / ie 15, 48 
179613, 60 2 40 180512, 19 10 e 10, 49 1 1823 
13,00 i 11,57 „ aan 
1797 14,70 12,51 1806 13,95 11,43 1815 132 4 11,08 1824 13,22 11,9 
| 13,6 12 695 12; 16 12 58 
1798 14, 46 12,55 1807 14,10 1127 11 1816 11, 36 10, 59 1825 1 4.03 11,19 
en 13 10,9 2 
1799 12,92 11 ‚75 1808 14,30 u 35 1817 12,99 10,66 1826/14,23 13,28 
| 12,33 rd 83 | Se 
1800 13,87 12, 12 1809| 13 1a 1151 1818 13, 92 10, 86 | 
| 12,99 | 262 | 2,3 | 


| 
| 


Jahr. 


| 


en 


Stuttgart 


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860 Fuse Ey | 


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Mai t 
Juli. Oktober. 
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Wangen 929, 
Cannſtat 765 
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447 


Meere. 


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Mai Auguſt 

Juli Oktober. 
pr. Tag. 


Mai Auguſt 9 
Juli. Oktober. 
Tag. 


14,77 11,80 
| 3,2 


14,60 11, 16 


1365 10,28 


11,96 


14.52 10,93 


6312,62 
13,79 2 „26 
| 13,03 
13; 


115, 84 1255 
14, 20 


12,84 


13,36 14,61 
13,04 11,25 


12,14 


12 2,50 


14,39 11,68 


13,04 
13,47 10,75 
12,11 


23,80 12,44 


13,12 


14,19 11,79) 


12,99 


12,72 11 N 


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14,5 11,44 


13,51 11,50 


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j 


13,39 11,84 


— 


Ludwigsburg | 


Mai 
Juli. 


Hohenheim 
1373 Fuß über 
dem Meere. dem Meere 


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Unteres 
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1 0 Mai Auguſt 
Oktober. Juli. Oktober. 
Tag. 


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| 283 332 5 Fuß über 
. 2 — | ein Meere. 
e — 13,35 11,20 
ö | al 
13,20 10,22| 13,12 10,48 — 13,62 11,39 
11,71 1180 12,50 
13,84 10,73 14,69 11, 50 ar. 
1229 19 
13,14 11,84 13,93 13, 59 2 
12 4) 16% 
12,70 11,39 14,10 12,50 —— 
205 E 13,30 | 
114,07 9,62 15,35 10,84 — 
Isa 3,09 
6 15,25 12,26 16,79 155 40 2% 
1% , 10 | 
13,77 10,60| 14,83 10,83 25 
12,18 12/83 
12,72 11/03 13,73 12,18 * 
11,88 #41 119,95 
12,41 10,88|13,91 11,22 I 
141,64 HELD, 56% | 
13,18 10,83 e ie 
1200 110 
13,92 11,09 — 13,9 11,4 
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12 98 Dad 1 A 7 u er 
1414 8940 12,2 „ dem Meere. 
13,34 11,82 — 13,3 11,8 14,88 13,22 
12,588 35 
la, 11,12) — 138 11,5 115,21 12,06 
2,02 12,0. | 13,63 
1225 11 34 — 1256 11,6 | 15 11,54 
1129 | 25.1% 2,35 


448 


| Wangen 929 | 1 8 
„Stuttgart Cannſtatt 765 Ludwigsburg Hohenheim 
860 Fuß über Fuß über dem 1022 Fuß über | 1373 Fuß über 
9 | dem Meere. Meere. | dem Meere dem Meere. 
st vr —— — . | m 
Mai Auguft Mai Auguft Mai Auguft Mai Auguft 
Fuli. Okt. Fuli. Stf. Juli. Okt. Fuli. Okf. 
pr. Tag. pr. Tag. pr. Tag. P. Tag. 
1844 13,26 11,30 12,27 106 134 108 
e e „ 
Cannſtatt | 
Wi 13,16 11,33 
| ee | | 
1845 13,19 11,02|13,30 1094 — 13,3 104 
15 12,12 119 
1846 15,82 12,98 015,27 10) — 149128 
14,40 14,16 Ben. 


1847 14,55 11,33 14,36 11,14 — | 189104 
12,94 12,74 


1848 14,57 11,94 14,42 11,72 5 14,0 11,5 
1825 ä 180 , ı | 12,8 
1849 14,51 11,26 13,87 11,06 — 13,811, 
2,88 12,47 . DE 
1850 12,88 10,17 12,92 10,04 — 12,10 9,7 
11,53: 11,48 „1 
1851 12,69 11,09 12,26 10,91 „ 2 
11,39 f 18 
1852 14,59 11,48 13,97 10,86 — 14, 10, 
13,04 12,41 | 12,3 
1853 15,45 12,25 13,54 11,45 — 13,4 116 
13,85 12,49 132,5 
1854 14,08 11,660 13.53 11,04 — 13,3 11,1 
12,87 120% | 122 
1855 13,23 12,67 13,28 12,144 — 13,3 11,10 
12,95 i a 12,6 
12,84 1231 H La an ee 
Durchſchnitt In 31 Jahren e bis In 19 Jahren 
n 65 Jahren 13,40 11,34 14.39 11,75 13,4 11,2 
13,85 11,76 12,37 Bo 
12,80 Anmerk. 13. 


13. Anmerkung. Die etwas ſtärkere mittlere Temperatur zu Ludwigsburg mag 
hauptſächlich daher kommen, daß in der höher und freier liegenden Stadt die Luft häufig 
trockener und heiterer als in den benachbarten Thälern iſt, und daß aus dieſen bei 
Windſtille die erwärmte Luft des Abends in die Höhe ſteigt, ſo daß höher liegende Orte häufig 
wärmere Nächte als Thalorte haben, indem in den Thälern durch die geringere Beweglichkeit 
der Luft und die aufſteigenden Nebel die Luft Abendserkältet wird, wodurch ſich auch das öftere 
Erfrieren der Reben in Thälern als auf Höhen erklären läßt. Aehnliche Erſcheinungen kommen 
auch bei den beobachteten Sommertagen zu Oehringen Amslishagen und in andern Orten vor 


Remsthal Kocherthal Jogſithal Tauberthal 
Oberurbach = ne 
963 Fuß 5 
Stetten Oehringen Schönthal Amlishagen Mergentheim 
Jahr. l Sub 808 Fuß über 731 Fuß über 15—4600 Fuß 744 Fuß über 
1070 Fuß über dem Meere. dem Meere. über d. Meere. dem Meere. 
dem Meere. 2 
Mat. Auguſt Mai. Auguft. Mai. Auguſt. Mai. Auguft Nai Auguft. 
Juli. Sklober Juli. Oktober. Juli. Oktober. Juli. Oktober Juli. Oktober. 
Oberurbach | | 
1829 12,47 10,06 — — TER | SE 
126 | 
1830 13,33 10,42 — 13,83 10,81 = | En 
11,87 | 794 | 
1831 12,97 11,86 — 13,30 12,09 mr | TER 
, 1269 | 
1832 12,32 10,71 — e 5 | 7755 
i ; | 
1833 — | — 14,14 10,05 5 | 18 
Stetten 1 ‚og | | 
1834 13,82 11,87 — 15,07 12 35 12 | 17 7 
| 5 | 
1835. 14,13 11,72 — 14,13 11,34 FT | Bus 
| | 12, I A a ö 
Winnenden | | | 
1836 13,51 11,68 — 13,19 11,78 ER | ars 
12959 8 N | | 
1837 13,35 12,45 — 12,68 11,40 SR 755 
12,90 | | 
1838 13,78 12,49 13,7 11,0 13,20 10, 86 7 | 5 
h 1203 | 
1839 13,73 11,33 14,2 11,5 14,30 11,5214,46 11,5314,21 11,95 
, 12,9 12 12,99 13,08 
1840 12,67 10,37 13,2 10,3 12,97 10,97 11,75 9,60 13,80 10,93 
f 11,52 1.7 ,, 1067 12,36 
1841 13,58 12,06 13,7 11,8 13,89 12,26 12,42 10,93115,50 12,85 
N 12 13,09 u, 67 el 
1842 13,87 11,49 13,8 11,0 14,98 11,7913,03 10, 7101887 11,72 
| ‚6 12,4 %% ı use 8 
1843 12,14 11,24 14,7 107 — 11,20 16, 1 
12,7 10,89 
1844 11, 96 10, e e ee, 5 11,58 9,71 — 
ol I | „ 
1845 13,19 10,89 13,4 10,3 . 12,40 9,96 10,43 10,92 
ö ö 1 re 10 
1846 14,55 12,95 14,8 14,6 — 14,92 12,90 == 
3). 14 5 1 29 


—— — 
Fortſetzung S. 451. 


450 


Jahr. 


1847 
1848 
1849 


Remsthal. Kocherthal. 


Winnenden Oehringen 


1070 Fuß über 808 Fuß über) Jahr. 


dem Meere. dem Meere. 


Mai Auguſt Mat nn 
Juli. Oktober. Juli Sttober 2 


Bodenſee⸗ 
Gegend. 


Friedrichshfn 

Oberſtetten 7905 1 
1450 J dem Meere, 

5 15 1 Weingarten⸗ 
über d. Meere Ravensburg 
1693 Fuß 


Mai Auguſt Mai Auguſt 


Tauberthal. 


Juli. Oktober. Juli. Oktober 


12,10 12,3 
13,27 11,11 12,5 44,1830 
12,99 11,8 

13,20 10,82 15,2 10,5 [1831 
12,01! 12,9 1832 
12,36 9,56 12,9 9,10 1833 
10,96 1174 

14,35 10,52 12,2 10,7 1834 
10,93 11,5 Ä 
13,37 9,65 14,4 105 


111,51 125 (4835 
13,02 14,20 13,0 10,9 

12,11 119 
12,52 10,90 13,3 10,7 
er A En 
12,19 41,79 12,8 11,7 
1414,99 423 
12,29 14,55 12,7 14,5 


1836 
1837 


1838 


13,51 40,70 14,0 40,7 482 
= 


Friedrichshf. 
— 12,20 9,29 
10,74 


Weingarten 

— 13,33 11,60 
12,46 

Friedrichsh. 

== 14,40 12,16 


13,28 
— 13,85 12,12 
12,99 


14,69 11,65. a 
13,17 Ravensburg 


11,92 412,1 [1840 13,39 10,68 42,46 10,43 
— 12,03 1480 
[Durchſchnitt Durchſchnitt 1244 1 8 ! 
auf 26 A 19 Jahren 1841 5 11,94 5 
13,7 11,17 13,5 11, N 
12.412 12.3 1842 13,73 14,32 — 
1 & 42552 
| 1843 112,17 1121 — 


1844 
1845 


1846 


14,69 

10,83 10,46 
10,64 
12,87 10,17 
11,52 

14,16 12,87 
13,52 


Jahr. 


Jagf 


ſtthal 


Tauberthal. 


Bodenſee⸗ ee⸗ 


| Gegend. 


er 
| 


Schönthal. 


731 Fuß über 


| dem Meere. 
| 


Mai 


| Durchſchnitt | 


in 13 Jahren 


e 


12,56 


| Amlishagen 


15 — 4600 Fuß 
über d. Meere 


| = un 


Mergentheim 
741 Fuß über 
dem Meere. 


Mar 


13, 12 05 83 


2,34 


14, 3 11, 11ʃ3 


12 


14,19 10,55 


14, 69 10, 91 


12,80 


14 ‚2 41 ‚52 13,34 11, 33 13,19 41 39 


1 12,77 
13,55 11,13 
11234 
12,95 11,87 


12,45 


in 18 Jahren 


239 


Auguft 


12,91 11,99 


Durchſchnitt 
13,14 10,85 


Mai 
Juli Oktober. 


13,56 9,21 
11,38 


13,34 10,18 
11,76 


| Oberſtetten 


Auguſt 


13,55 10, 810 


| 


| 


1400 4450 F 
über d. Meere | 


Mai Auguft 
Juli. Oktober. 


13,61 11,05 


| 12,8 | 
13,46 10, 19 
1.117,03 


11,05 


2 — 


! 


12,34 
13,71 11,21 


13,38 12,27 
12,82 


7 


auf 13 Sabre i 
e e 
12,38 


13,11 9,95 


Durchſchnitt 


12 0% % 9,00 
F 
12,26 115 39 
s 
13,95 10,94 
12,44 


12,29 
13,39 11,09 
12,24 
12,69 11,96 
12,33 


12,45 


Durchſchnitt 
in 18 Jahreni 
13,19 14,22 
| 12,02 


Friedrichshaf. 
1402 Fuß über 


dem Meere. 


Ful. Offober. 


— 


Friedrichshf. 
11,42 10,05 
10,73 
14 07 12,44 
13,25 
13,93 12,78 
13,39 


12,52 11,15 2,68 12,2213,19 12,35 


12,77 


Durchſchnitt 

in 9 Jahren 

15,17 2 47 
142,32 


29 * 


3. Regenfall. 
Nach Pariſer Kubikzollen, beobachtet in einem Blechgefäß von 1 Pariſer 


Quadratfuß Oeffnung. 


I. Oberes Aeckarthal. II., Mittleres Weckartbal, 
Tübingen Biſſingen Stuttgart 
1462 Fuß über dem .. 1448 Fuß über dem 25 ' 860 Fuß über dem 

eo | Meere. S0 Meere. 8. | Meere. 
Bom e Vom | Vom 
| a Auguft|, Son Diet Auguſt ganzen Mai Mai ut ganzen 
Juli Okt. Jahr Ful. tt. Jahr Juli. DE Jahr 


1819 1615 805 3577 3577 1841 12360 1252 3857 1825 970 12⁵0 3433 
1820 673 532 1780 1842 780 827 2568 1826 1651 743 3038 
1821 1215 1123 3512 1843 2288 1207 5255 1827 1159 1013 4000 
1822 1170 848 2764 1844 1955 1357 | 4590 1828 701) 714 2602 
1824 21511815 5325 1845| 1947 1199 4497 1829 931 1229 3364 
1825 763 1457 3329 18461141 1347 4356 1830 1509| 936 3474 
18261651 743 3038 1847 4812 1384 4662 1831 1429 793 4005 
1827 1176 888 4020 18481210 1484 4793 1832 15 469 2409 


1829 824 1484 3497 1849 1195 981 43501833 1200 1220 4189 
1830 14811099 3650 1850 1753 1869 5571 1834 742 716 2011 
1831 1385 1087 397018511841 24136044 1835 680 965 2988 
1832 913 545 2599 1852 1177 1445 3842 1836 823 829 3583 
1833 18301056 | 4808 1854 2128 985 4449 1837 1 1148 3136 

1854 1302 859 37701838 1149 647 
Ducchſch 96 10373528 1855 1444 851 3681 1839 1077 690 3286 
2333 1.8856 2102 8464688 1840 1359 714 3095 
1 — 1384 1160 1045) 3245 
Durchſchnitt in 16 Jahren 1842 642 641 2144 
| en 4434 1843 1290| 737 3414 

5 


493 


— — — — 


II. Mittleres Aekarthal. 


1848 934 
1849 829 


1856 


5 
Mai. 


| 
1838 1109 
1839 878 
1840 1069 
1841 
1842 
1843 1286 
1844 1034 
1845 1420 
1846 


1850 
1851 
1852 


1050 
840 


Au. Ott. Jake. 


‚1011 
639 


880 
1847 1142 


1990 1687 
840 1350 
1853 1359 


1854 
1855 


Stuttgart Wangen 929, 

2 860 Fuß über dem .. Cannſtatt 765 Fuß 
= Deere. über dem Meere 
, En. 
ö . Auguſtganzen Mai. Auguſt anzen 
4 Juli. Okt. Jahr Juli. Okt. Jahre. 
1844 1173 1156 3470 1825 931 1341 3250 
1845 1576 874 3817 1826 1500 496 2689 
1846 685 824 3259 1827 1056 918 3519 
1847 1026 1206 3369 1829 712 982 2680 
1848 940 848 32261830 1050 792 2663 
1849 935 830 3343 1831 1245 744 3525 
1850 1282 1162 3822 1832 1068 436 2306 
1851 1347 1910 4333 1833 1112 1217 3791 
1852 1462 1300 3617 1834 590 690 1942 
1853 1250 636 3749 1835 781 978 2713 
1854 1268 689 3247 1836 716 798 3364 
1855 942 689 3027 1837 1084 1277 3479 
1856 1705| 669 3613 1838 995 692 2641 
| 1839 596 562 2388 
1841 1091 1014 2954 

Durchſchnitt in 30 dagen 843 462 Eee 

1116 „„ 

i =. 3012 

Durchſchnitt 

937 847 2862 

1784 

Cannſtatt 

1844 — — 3578 

1845 1844 868 4034 

1846 719 820 3251 

1847 1099 1332 3559 

1848 880 885 3379 

1849 951 746 3219 

1850 1186 1179 3730 

1851 1748| 1662 4737 

1852 1554 1169 3660 

1853 1772| 7163430 

18541347 | 7303225 

1855 1208 793 3292 

18561741 758 3730 

Diurchſchnitt 


1337 971 3602 
2308 


125 
101¹ 
2116 


Hohenheim 
De 1000 Fuß über dem 
Meere 


August. Vom 


ganzen 


746 
70⁵ 
733 


2983 
3015 
2812 
3263 
2178 
3619 
3349 
2988 
3424 
3165 
3424 
2636 
3870 
4672 
2990 
3139 
550 3370 
609 2827 
621 3612 


957 
1222 
437 
940 
1022 
925 
634 
1308 


801 


Durchſchnitt 


1153 


886 3220 
2039 


454 


III. Uuteres Üerkarthal. 


| V. Aemsthal. VI. Cauberthal. 


Heilbronn 
532 Fuß über dem 
| Meere. 


Mai Augu ganzen 
Juli Set. Jahr 


2061 899 3827 
500 449 2246 


Durchſchnitt 
1280 674 
1954 
IV. Jagstthal. 
Schönthal 
731 Fuß über dem Meere. 
1827 786 10184268 
1829 1084 | 1496 3646 
18301732 11004357 
183101643 54614971 
1 903 3712974 
| 


us 


1853 
1854 


1833 637 | 1165 4297 
1834 813 946 2646 
1835| 836 9863425 
1836| 674 665 4193 
1837 1267 1029 4234 
1838| 967 717 3181 
1839 836 8393637 
1840 936 753 2891 
1841 1026 1077 3509 
1842 335 606 2287 


Durchſchnitt in 15 Jahren 
3634 


965 881 
1846 


ſt Vom 


3036 1837 


| ee 

| | | | 
Winnenden 

ß über dem 

’ Meere. 


Mergentheim 
711 Fuß über dem 
| Meere. 


AIR 


Dei Kugufl nen 
| Full DE. Jahr 
1831/11415: 9235227 1849 
e ee 1048 1030 a 
1836| 911 1034 3767 185301538 7433 

1837 933 969 2990 1854 920 91513514 
837 453 2550 1855 1180| 600 2854 
678 744 2985 1856 1449 745 3372 
713 543 


2085 
1841 766 9982859 
1842 418 632 1993 
1843 1740 1162 4662 
1844 1328 1577 4336 
1845 1745 1289 4673 VII. Vodenser-Gegend. 
1846 855 8943894 
1847 1421 923 4285 Friedrichshafen 
1848 784 1231 3840 1402 Fuß über dem Meere. 
1849 1174 932 3995 1827 1346 952 4167 
1850 1249 1372 4313 1830 1479 1571 4806 
1851 1316 1940 5162 1835 347 1599 3068 
1852 1239 1367 40211836 681 683 3118 
1853 1851 823 — 1837 9284449 3524 
1854 1317 844 3926 1953 2194 | 1777 5341 
1855 1474 1027 4371 1854 1737 4273 4929 
1856 2111 840 4708 1855| 1439 | 1608 3927 
| 18561592 813 4010 
Durchſchnitt in 20 Jahren a 
1197 1028 3771 
2229 | 


„ 

a = ganzen 

Juli Okt. Jahr 
——— 


1000 7773162 


Mai 


1 
1 


1838 | 
1839 | 
1840 | | 
Durchſchnitt 

1196 801 3333 
1997 


Durchſchnitt 
1305 1266 4099 
2574 


An 
0 


I 
+ 


6. 


455 


§. 265. 


Nach voranſtehender Zuſammenſtellung betragen durchſchnittlich von den 


Monaten Mai bis Oktober einſchließlich 


Im obern Neckarthale bei einer Er- 
hebung über die Meeresfläche von 
1162 —4448 Fuß 
Vom Mittlerge Neckarthale bei einer 
Erhebung über die Meeresfläche von 
860-1373 Fuß.. 
Vom untern Neckarthale bei einer 
Erhebung über die Meeresfläche von 
532 708 Fuß 
Vom Remsthale bei einer Erhe— 
bung über die Meeresfläche von 
963-1070 Fuß. 
Vom Kocherthal bei einer Erhebung 
über die . von 808 
Fuß 12% 
Bom Jagſtthale 

bei einer Erhebung über die Mee⸗ 
resfläche von 731 Fuß 

von 15—1600 Fuß an der Gente 
des Weinbaues 
Vom Tauberthale 

bei einer Erhebung über die Mee— 
zesflache von 711 Fuß 

von 1100 Fuß an der Grenze des 
Weinbaues. 
Von der Bopenfeegegend bei einer 
Erhebung über die „ 
von 1402 Fuß 5 


die mittlere, 


der Regenfall 


Temperatur Vom 
| age! > - ganzen 
as, Mai Auuguſt Mat Auguſt 3 Jahre. 

5 Juli. Oktober. Juli. Oktober. 

= Auf 1 Tag. Im Ganzen. 

3 12%½6 1,9 1436 153 3981 

193 2589 
44 13,62 11441136 904 3259 
12,53 2040 
46 14,4 11,881280 674 3036 
12,96 1954 
ene, 117 190 1028 3771 
| l DD 
511/135 11,0 = di 
12,3 
30 13,71 11,42 965 881 | 3634 
2010,90 1846 
39 13,14 10,85 755 — 
99 
41 213,53 11,21 1496 801 3333 
12,38 SL | 
32 lo E22 7 — 
1220 
39 13,17 11,471305 1206 4099 


| 12,32 2571 


456 


Vergleichen wir von den einzelnen Jahrgängen die Zahl der Sommertage, 
die mittlere Temperatur und die gefallene Regenmenge von den auf die Ve⸗ 
getation der Rebe und Traube einflußreichen Monaten mil dem ſpezifiſchen 
Gewicht und der allgemein bekannten Qualität des Weins, ſo finden wir, daß 
Wärme und Feuchtigkeit einen wefentlichen Einfluß nicht nur auf die Qualität, 
ſondern auch häufig auf die Quantität ausüben, indem, wenn ſich in den Mo⸗ 
naten Mai bis Oktober viel Wärme und keine zu große Regenmenge ent— 
wickelt, wir auf einen guten Wein und reichen Ertrag, im entgegengeſetzten 
Falle aber auf einen geringen Wein und in der Regel auch auf wenig Ertrag 
uns Rechnung machen dürfen. 

Stellen wir nun zunächſt Vergleichungen zwiſchen den einzelnen Weinbau— 
gegenden nach den durchſchnittlichen Wärmegraden und der Regenmenge an, 
ſo zeigt ſich, daß 

a. das obere Neckarthal, bei nur 11,93 Grad Wärme und bei 2589 Cubik⸗ 
zollen Regenmenge in den Vegetationsmonaten ſowie bei 3981 Cubikzoll im 
ganzen Jahr zu den geringeren Weinbaugegenden gehört, und daß ſich 

b. die Bodenſeegegend, zwar mit 12,32 Grad Wärme, aber mit 2574 
Cubikzoll Regenmenge und im ganzen Jahr mit 4099 Cubikzoll an jenes an- 
reiht, 

daß dagegen 

e. das mittlere und untere Neckarthal mit 12,53 und 12,96 Wärmegra⸗ 
den und nur mit 1954— 2040, im ganzen Jahr aber nur mit 3036 — 3259 
Cubikzoll Regenmenge zu den beſſeren Weinbaugegenden gerechnet werden darf, 
an die ſich dann die übrigen Weinbaugegenden theils als gute, theils als 
mittlere anſchließen, wobei jedoch zu bemerken iſt, daß, da in den letztern Ge— 
genden die Beobachtungen nicht in mehreren, ſondern nur in einzelnen Orten 
angeſtellt worden find, die berechneten Durchſchnittszahlen keinen jo allgemeinen 
Maßſtab, wie in den übrigen Weinbaugegenden, abgeben, namentlich liegen 
von dem eigentlichen Rems- und Kocherthale keine oder nur wenige Beobach— 
tungen vor, indem diejenigen vom Remsthale in dem benachbarten, ſchon etwas 
höher liegenden Winnenden, das eigentlich in einem Seitenthal des Neckars, 
in dem Zipfelbachthale liegt und diejenigen vom Kocherthale zu Oehringen in 
dem gleichfalls etwas höher und freier liegenden Ohrthale angeſtellt worden find. 

§. 266. 
4. Traubenblüthe und Weiuleſe. 

Eine Ueberſicht über den Eintritt der Traubenblüthe und der gewöhnli— 
chen Weinleſe hat für den Weinproduzenten manchfaches Intereſſe, indem der 
frühe oder ſpäte Eintritt des Einen oder des Andern ſowie beider einen ziem⸗ 
lich ſichern Schluß auf die Qualität des Weins machen läßt. Es ſind deß— 


457 


wegen auch darüber Notizen geſammelt und in der hier folgenden Ueberſicht 
zuſammengeſtellt worden, in der auch das ſpezifiſche Gewicht des Weinmoſtes 
von jedem Jahrgang, in ſo weit es erhoben werden konnte, beigefügt wurde. 


Jahr. 


1819 
1820 
1821 
1822 
1824 
1825 
1826 
1827 
1828 
1829 
1830 
1831 
1832 
1833 
1834 
1835 
1836 
1837 
1838 
1839 
1840 
1841 
1842 
1843 
1844 
1845 
1846 
1847 
1848 
1849 
1850 
1851 
1852 
1853 
1854 
1855 
1856 


| 


Zeit der 
Blüthe. 


1 Juli 
5. Juni 
28 Juni bis 8. Juli 
Vor dem 24. Juni 


Ende Juni 
14. Juni b. 15. Juli 
Ende Juni 
Juli 

15.—24. Juni 
10.—15. Juni 
13. 22. Juni 
19,—24, Juni 
28.—6. Juli 
1.—12. Juli 
28.— 30. Juni 


Anfangs Juni⸗Juli 
Anfangs Juni 
Anfangs Juli 
Ende Juni 
Anfangs Juni 
. Juni 


20. Bo Juni 
25.—30. Juni 
Juli 

Ende Juni 

Ende Juni 
Anfangs Juli 

29. Juni 

27. Juni bis 6. Juli 
3300 


Stuttgart 
| Zeit der Spezifiſches Gewicht 
| Weinleſe. | nach Graden. 
Mittleres Höchſtes Geringſtes 
| — 5 
| — 59 | 6858 7054 
| — 3% Ko 
| = 8 91 70 
25. Oktober O EN 
Do ur Dimiben 77 80 67 
16.— 19. Oktober 65 75 60 
11. Oktober 76 „ 
15.17. Oktober 68 95 58 
21.— 28. Oktober 61 80 51 
15.—16. Oktober 74 88 54 
17-24. Oktober 71 5 
19.—23. Oktober 64 3 
18.—20. Oktober 64 18 
6. Oktober „ ee 
20. Oktober 82 88 AR 
20. 30, Sister, —- 100 
24.—31. Oktober 44—-55 — —: 
18.—24. Oktober 64— 72 Ba 
14.— 15. Oktober 0—78 — | — 
17. Dftober 68 en 
5.—10. Oktober 76 — 
11. Oktober | 0 * 
26. Oktober — ee 
eres 
21.—24. Oktober 63 — 5 
10.—15. Oktober 80-90 — an 
20,—31. Oktober — 5 
11.—16. Oktober 6075 80) „As 
21.—23. Oktober 76 1 
23.—27. Oktober 665 Ne 
20.—25. Oktober | — 
15. October | — 


28. Oktober 
Eude Oktober 
25. Oktober 
24. Oktober 


Fe 


458 


Nach dieſer Ueberſicht iſt nach den zu Stuttgart angeſtellten Beobachtun⸗ 
gen in 33 Jahren von 1824 — 1856 eingetreten: N 


a. Die Traubenblüthe: | b. Die Weinleſe: 
Anfangs 8 Ende Juni u. Ende Sept. 5 „ Ende Oct. u. 
Sunn; Mitte Juni Anfangs Juli N Mitte Oktober Anfangs Nov. 
1834 1825 1824 1834 1825 1824 
1842 1833 1826 184414 1826 
1846 1885 1828 1842 1828 1836 
1836 1829 1846 1830 1837 
1840 1830 1831 1843 
1847 1831 1832 1844 
1848 1832 1833 1845 
18491837 1835 1847 
n 1838 18 
1839 1839 1850 
1841 1840 de 188 
1843 1848 1855 
1844 1852 1855 
4 5 
1850 1856 
1851 
1852 
1853 
1854 
1855 
1856 


Die Traube braucht, wenn nicht ganz vorzüglich günſtige Witterung ein⸗ 
tritt, zu ihrer vollſtändigen Entwicklung von dem Anfang der Blüthe bis zur 
vollkommenen Reife einen Zeitraum von 120—430 Tagen, wie denn auch 
derſelbe in den vorzüglichen Weinjahren von 


1834 422 Tage 
I eee eee 
a 


VE | 
betrug, wenn nun durch ungünſtige Frühjahrswitterung die Blüthe nicht in der 
erſten Hälfte des Monats Juni, ſondern erſt in der Mitte oder gegen das Ende 
deſſelben und ſogar erſt zu Anfang des Monats Juli eintritt, ſo braucht die 
Traube zu ihrer Ausbildung ſchon die wärmere Jahrszeit, nämlich die Mo⸗ 
nate Juli, Auguſt und häufig auch noch einen Theil des Monats September, 
ſo daß das Weichwerden und die Reife in eine kühlere Jahreszeit fällt, in 


459 
welcher die Zuckerbildung nicht mehr jo vollſtändig vor ſich geht, als wenn 
der Auguſt (Kochmonat) noch darauf einwirken kann, es bleibt deßhalb in den 
Traubenbeeren noch viel Waſſer und Säure zurück, die ſich nicht, wie der 
Zuckerſtoff, bei der Gährung in Weingeiſt auflöſen und wodurch der Wein 
geringhaltig und hie und da ſauer und ſchlecht wird. 

Man wird deßwegen, wenn die Traubenblüthe nach der Mitte des Mo— 
nats Juni oder erſt zu Ende deſſelben oder ſogar erſt im Monat Juli allge— 
mein beginnt, in der Regel auf einen mittelmäßigen, häufig uur auf einen ge— 
ringen Wein ſich Hoffnung machen dürfen, indem, wenn auch die Leſe lange 
und bis gegen das Ende des Monats Oktober verſchoben wird, dieſer Monat 
das, was im Auguſt und September hätte geſchehen ſollen, nicht mehr voll— 
ſtändig nachholen kann, wie denn dieſes auch die oben bemerkten Jahrgänge, 
in welchen Blüthe und Leſe ſpät eintraten, zur Genüge nachweiſen. 

Einen gleichen Nachweis liefern die hier angeführten Weinmoſtgewichte, 
indem dieſelben in allen denjenigen Jahren, in welchen Blüthe und Leſe ſpä— 
ter folgten, gering ausfielen. 


8. 267. 


szene Betrachtungen über die Beſtimmung dev Weinqualität 
nach den Witterungsverhältniſſen. 


Wir haben ſchon bemerkt, daß die Witterungsverhältniſſe eines jeden 
Jahrs einen mächtigen Einfluß auf die Quantität und Qualität des zu erzeu— 
genden Weins ausüben, insbeſondere iſt es aber die in den Vegetationsmona⸗ 
ten (Mai bis Oktober) entwickelte Wärme und gefallene Regenmenge, welche 
namentlich auf die Qualität des Weins einen entſcheidenden Einfluß haben, 
während in einzelnen Lagen auch noch der Zutritt der Winde, die mehr oder 
minder trockene Luft, ſowie im Allgemeinen die Elektrizität derſelben bedingende 
Momente ſind, von welchen die Qualität des Weins abhängt. 

Kennt man jedoch einmal die Hauptmomente, Wärme und Feuchtigkeit, 
von einem Jahrgange, ſo läßt ſich ſchon mit ziemlicher Sicherheit berechnen, 
ob es viel oder wenig guten oder geringen Wein geben wird, wie folgende 
Zuſammenſtellung zeigt.“ 

a. Im Allgemeinen. 
Vom mittleren Neckarthale, von welchem die vollſtändigſten Notizen vorliegen. 


Durchſchnitt. 
Zeitperiode. Sommertage. Wärmegrade. Regenfall. Ertrag per Morgen. 
1827/36. 46. 12,80, 1892. 5 Eimer. 
1837/46. 46. 12,69. oT, 2 Eimer 2 Imi. 


1847/56. 35. 12,80. 2210. 2 Eimer 1 Imi. 


460 


Es hat alſo die Zeitperiode von 1827/36, welche durchſchnittlich die 
meiſten Sommertage und Wärmegrade, aber den wenigſten Regenfall gehabt 
hat, auch den meiſten Ertrag und den beſten Wein geliefert, indem in dieſelbe 
die guten Weinjahre 1827, 1834 und 1835 gefallen ſind, während die Zeit— 
periode von 1847/56 den geringſten Ertrag gab, indem, wenn auch gleich die 
Zahl der Wärmegrade derjenigen von 1827/36 gleichkommt, die geringere 
Zahl der Sommertage und der bedeutend größere Regenfall ſehr ungünſtig 
auf den Ertrag ſowie auf die Qualität des Weins einwirkte. 


b. Spezielle Vergleichung einzelner Jahre. 


& Mittlere | Er 
Orte. 85 e Regenfall. Su E 25 
DO — CC 
Jahrgang. S da egal mai August Trauben- Er 
| ame: sun . einleſe. 3 
5 21. a Juli, "Dit. blüthe | S 
1. Oberes Neckarthal. | | | | 
Tübingeu | | | 
im Neckarthal 
1162 Fuß über 
dem Meere. | | 
| | . Auſangs 10/5. 
5 41388 | | 
1822 Gut. 42 9715 9 848 Juni. Septbr. 


1821 Schlecht. 17 10,36 10,61 1215 1123 Juni. 30. Okt. — 
ö N | 


1826 Mittelmä- 40 12,97 12311661 743 Ze -Zunii9 Oft. 61 


ßig. | | 12030, 8. Juli. | 
Pfullingen | | | | | | 
im Echazthale 1488 | | 
Fuß über dem Meere | | | | | 
1846 Gut. 83 N 11,52 — 14. Juni. 6. Oft. — 
3 DAT | | | 
1844 Schlecht. | 34 11,05 10,07 — — — a 
| 10,06 i | 
1849 Mittelmä- | 65 13,86 11,011! — 15. Juni. 20. Okt. — 
ßig. | 12,44 | | | 
Biſſingen | | 9 5 N | 
tm Lauterthale 1448 | | 
Fuß über dem Meere | | | | 
1846 Gut, De 14,52 Dat la, — _— |. 
| 13, 52 | | 
1844 Schlecht. — u 31 10, 7211955 1357 — — . 
‚02 | 
1849 Mittelmä- | — 13, 51110101195 981 „ 


ßig. | | 12,26 


461 


{ 


Mittlere 7 


Arte e 8 Temperatur. Regenfall. Zeit der 5 8 
Jahrgang. Mai Auguſt 3 Ze August rea: August Zar Wein⸗ re 
Juli Okt. n⸗ a 
Juli Okt. c Auf 1 Tag. Juli Okt ae | leſe 37 
— ic Neckar- | | 
a. Stuttgart | | 
im Reſenbachthal | | | 
860 Fuß über der | | 
Meeresfläche. 5 | 
b Wangen | N | 
um Neckarthale 
928 Fuß über dem 
Meere. | | 
0. Cannſtatt | 
im Neckarthale | 
765 Fuß über | 
dem Meere. | | 
Gute Jahrgänge. 5 | | | 
1 „ „ 27 10 37 4,77 11,801159 1013 Mitte A. 
ehört zu den ge⸗ Er | „ 
ren guten d Jahr⸗ 7 2 | Juni Okt. | 
1884 a | Dane 39 88 84 12,5 56 742 716 10/15 | 
5 53 35 88 185, „56 742 716 5 6. 
| Sn Juni O 79/84 
b. | 88 15 25 12 26 590 690 Anfgs | 
5 5 a Juni Se | 
1842 3, 42 32 74 14,19 11,79 642 641 Aufgs 17. 
b. | 70 14,12 11,12 462 620 —  — 
45 22 6 7 a e 
1846 a. | 22 67 15,82 12 0 685 824 Anfgs 10/45 
| .|,. 1440 uni, Ott 90/90 
a) 1 19,27 13,05 29 320 12 08 | 
le 14,16 | Juni Okt. 
Summe 167 99 m 10,52.68,5564999 5324 — 
Durchſchnitt 42 25 78 15,04 12,22 714 761 „ 
| | 13,63 | | | 78/87 
Geringe Jahrgänge. | | 
1820 1206 26 13,65 10,28 931 1229 Ende 2128 
| | 11,96 Juni 64 
3 22 F 
14 1 | | | 
1837 a. Dad 44 13,04 Al. 251175 1148 28. Jun 24„/4 
1 12,14 6. Juli Okt. 4/55 
b. 49 112,41 10,88 1084 1277 1. Juli 24. | 


| 
{ 


11,64 | Okt. 


Se mn, 8 pers | Regenfall. Zeit der | 225 
’ a ee | — en 
Jahrgang. Mai Auguſt & 910 W dei Auguft | Trau | Wein⸗ | Ss 
Juli Skt. 2 1 Ei: Okt. e leſe. | 33 
1838 % ç T' ‚50 1149 647 | 171% 15,24 64/72 
112.50 Juli | Okt. 
b. 4413,18 10,83 995 692 l. Juli 19. 
| 12,0 | Okt. 
1844 a 12 8 2013,26 11 30 1173 1156 Ende 21 25 65 
Ka] 19,8 | Juni Okt. 
b. 2512,21, 10,67 21 
| IT, | | Sum Olk. 
85 3012,16 11,36 | | 12. 
| a 24 Bir, Si] Okt. | 
Summe 90 47 307.117,58 68.098,26 8,26 7219 7131 235.197 
Durchſchnitt 22 12 | 3413,08 10,92 1031 1019 | | 59/63 
Pe 12.00 i | | 
9 | | | | | 
158 % 701 714 28/3015/17 68 
828 5 f 9 1014,00 11 16 701 71428J0¼ö 17 
1828 a. 31 2 „gun 110 5 
30 DT: 9 14, 33 10, 903 1509 936 un 15/16 7 
ele 2 126% 75 Jil Okt. 
b. 3913,84 10,7 105% 792 
1851 In eng 1 10 8 7912,26 1429 793 Ende ma 71 
| "se 18 un —E | 
b. 4018, 14 11,84 1245 77 1 u“ 
| 2,49 5 . a 
1832 a. 20 16 | 3015 2 1173 868 469 Juli 19723 64 
12, 280 | | Okt. 
> | 3912 „70 117 39 1068 436 1. Juli 
ö | 12, 05 | | 
18332. 335884 BT 9,98 1200 1220 115/24. 18/20 64 
118 | 12,55 | Juni Okt 
b — 24 0 9,62 1112 1217 18 — | 
| | Juni nt 
1835 a. ne 2] | 61142 25 u, 44 680 963 „ 5 15 
Gut Mittel. 12, Jun Oft | 
| 
b. 6313 77 10,60 781 978 23. 20. 
Age, 18 | Juni DES 
1888 9 21 5018 36 11 61 823 829 19,24. 20/0 77 
| 11 | 12,49 Juni Okt. 


Gut Mittel. | 


I 


| 
l 
} 


g b g 
e „ 8 ep a joe | Zeit der 3 — 8 
Jahrgang. Mai Auguſt 8 Mai Auguſt Mai Auguſt Thau Wein⸗ 3 8 
RE ea — 
1336 b. 51 12,2 11,08) 740 m 24 
. | Juni Okt 
1839 a. 40 13 53 14,39 11,08 1077 690 2830. 14/13 70,78 
13,04 | Juni Okt 
b. 48 13 ‚92 11 09 596 562/20 Jun 14/155 — 
ar ener Anfng. Okt 
2 15 40 13,47 10,7 75 1356 714 17. 68 
i % n . | Okt. 5 
2 )( 8 
| | ul 8 | Juni Okt. 
1841 a. 30 23, 33 13,80 12,44 1169) 1045| Juni 5/10.) 76 
Gut Mittel. e | | Juli Okt. 
1 0 e ,, 
| 1 12 Bor | | | 
1843 a. 13 e 112, 72 144,78 1290 737 Anfgs 26, 62 
Gering Mittel. | 1222 | Juli Okt. 
BD ee ln —_ 
5 I | Juni Okt. 
1845 a. 22 1 19 14,02 1576| 874 Ende 21/24 71 
„ 125 10 | | Juni Okt. 
C. 3913,30 10,94 1844 868 17. 25. — 
| e Juni Okt. 
Summe 348 168 | 97 311,97.297,71\23194117393 840 
Durchſchnitt 29 14 43 13,56 14,12 1104 828 70 


12,34 


464 


Sommer: Mittlere 
Orte. tage. Temperatur. 
Jahrgang. 


Regenfall. 


5 


Zeit der 


Trauben- Wein⸗ | 


Mai Auguſt Mai Auguft Mai Auguft Blüthe Leſe 
| 


Juli. Oktober. Juli. Oktober. Juli. Oktober. 
Winnenden 1070 Fuß über dem Meere. 


1846 Gut. 76 — 14,55 12,95 855 891/13. Juuiſ3. Okt. 
13, 75 | | 

1844 Schlecht | 23 — 11,96 10, 121328 1577/7. Jun Okt. 
11 04. | | 

1849 Mittel 37 — 13,20 10,82]1174 932119. Juni 22. Okt. 


[4 


3. Kocherthal. 


Oehringen im Seitenthal der Ohr 808 Fuß über dem Meere. 


1846 Gut „ een ee, 
| . 1aTyr 4 | 

1844 Schlecht 31 125 106 — 5. 
| | | | 

1849 Mittel il. 46. 15,2 106 20 


4. Jagſtthal. 
Schönthal 736 Fuß über dem Meere. 


1834 Gut 60 15, 07 12,35813 946121. 
13,71 8 

20 1320 10,861967 717 26 
12,0 | 


ö 


1838 Schlecht 


LO 


| 


1835 Mittel 46 14,13 11,34836 986113. 


113 
5. Tauberthal. 
Mergentheim 711 Fuß über dem Meere. 


1842 zieml. gu 47 4,87 11, — — 9. 
| 13, 
1848 Miltel 55 3, 55, 10, 81 — — 18, 


1850 Gering 44 13, 11 Zn 1030 26 


7 


§. 268. 


Juni 1 


Juniß5. Okt. 
| 
uni er. 2 


20. 3 Okt. 


Mais. Okt. | 
| | 
Sn Okt. | 


Inni 21. Okt. 


SE 
16: SE 
28. Okt. 


Juni 


Juni 


een 894 
eee eee 


Aus dieſen Zuſammenſtellungen erſehen wir, daß die Entwicklung der 
Wärme und der gefallenen Regen in den einzelnen Weinbaugegenden nicht 


465 


gleich, ſondern zum Theil ſehr verſchieden iſt, und im Allgemeinen die Wärme 
mit der geringereren Erhebung über der Meeresfläche oder der niedern Lage 
zu⸗, während die gefallene Regenmenge abnimmt, was auch auf die Qualität 
des Weins einen weſentlichen Einfluß ausübt, indem z. B. das mittlere ſpeci— 
fiſche Gewicht des Weinmoſtes in dem untern Neckarthale faſt jedes Jahr um 
ein oder einige Grade mehr beträgt, als im mittleren Neckarthale und in die— 
ſem wieder mehr als im obern Neckarthale. | 

Bei der Vorausbeſtimmung der Weinqualität muß man daher zwiſchen 
den einzelnen Weinbaugegenden unterſcheiden, wobei man nach den bis jetzt 
gemachten Beobachtungen folgende Regeln aufſtellen kann. 


1. Oberes Neckarthal. 


Ein guter Wein mit 70—77 Graden wird erzeugt werden, wenn die 
mittlere Temperatur durchſchnittlich per Tag 12—13 Grade, beſonders in den 
Vegetationsmonaten bis nach der Blüthe 13—14 Grade, in den Entwicklungs- 
monaten der Traube aber 11—12 Grade erreicht und die gefallene Regen— 
menge in den erſtern Monaten die Zahl von 1100 — 1200 Kubikzoll, auf den 
Pariſer Quadratfuß (S. 264) in den letztern Monaten die Zahl von 900— 1100 
Kubikzollen nicht überſteigt, ſo daß die Blüthe bald eintreten kann, und die 
Traube in ihrer Entwicklung nicht geſtört wird. 

Auf einen geringen Wein mit 48—56 Graden wird man ſich Rechnung 
machen dürfen, wenn die mettlere Temperatur ſowohl in den erſten als letzten 
Vegetationsmonaten auf 10—14 Grade herabfinkt, die Regenmenge aber ſich 
auf 2400 bis 3000 Kubikzoll erhöht. 

Die mittlern Weine mit 58—70 Graden fallen in die Grenzen zwiſchen 
den guten und geringen Weinen, wenn nach obigen Zuſammenſtellungen ent— 
weder die Blüthe wegen kühlem Wetter und ſtarkem Regenfall ſich bis in 
Juli verzögert, oder wenn nach günſtig vorübergegangener Blüthe die Ent— 
wicklung der Traube wegen geringer Temperatur und ſtarkem Regenfall zu— 
rückbleibt. 


Y 
1 


2. Mittleres Neckarthal. 


Für dieſes Thal, dem wir auch die untern Theile des Rems- und Enz— 
thales gleichſtellen dürfen, und von dem wir die zuverläſſigſten Notizen be⸗ 
ſitzen, können wir folgende Anhaltspunkte geben: 


| | | | ee 
Sommer- | Mittlere | Regen- Zeit der 8 
tage. Temperatur fall. | S 8 
! m rr 2 = 
Fe 2 11 8 5 — Trauben⸗ Wein⸗ 8 5 S 
Mai Auguſt Mai Auguſt Mai Auguſt | =& 

Juli. "DE. Juli. Oft. Juli Okt Blüthe Leſe r 5 

Für gute u. | | | Ende Nr re 

ausg. Wein⸗ | 600 e & ptemb 

jahre 1834. 40/50 25/35 14/16 12/13 100/800; Anfangs Anfangs) 7 77—85 

1842. 1846 60—80 13—14½ | 13—1600 Juni. Ban —90 

Für geringe | | | Ende 


Weinjahre 1025 8,15 12,13 10/11900/%200 Juni. . 

1838. 1844 | 19—2400 Juli. Oktober. 
Für mittlere 125/40 102012 ¾ 14 7001400 Mitte | Mitte 66-76 

Beinjahre ı 40-60 | 1012/12 600/1200 Juni bis bis 

12 —13 | 14-2000 Anfangs, Ende 

Juli. Oktober. 


3. Bei dem unteren Neckarthale, dem Kocher- und Jagſtthale 


fehlen verſchiedene Notizen, daher keine genaue Berechnung angeſtellt wer— 
den kann. 
4. Bei dem Tauberthale 


fehlt von den meiſten Jahren, von welchen Beobachtungen vorliegen, die Re— 
genmenge, auch find die klimatiſchen Verhältniſſe hie und da etwas verſchieden 
von denjenigen der übrigen Thäler, indem z. B. der Wein des Jahrs 1849 
in dem Tauberthale zu den geringſten gerechnet wird, während er in dem 
Neckarthale zu den mittleren gehört, auch beſchädigte der Frühjahrsfroſt im 
Jahr 1846 die Reben des Tauberthales ſo ſtark, daß es nur ſehr wenig Wein 
gab, während in andern Gegenden ein mittlerer Ertrag gewonnen wurde. 
Außerdem fehlen von dem Tauberthale die Aufzeichnungen von den vorzüg— 
lichen Weinjahren, wie 1846, man wird jedoch in Vergleichung mit den voll— 
ſtändigeren Aufzeichnungen von dem Nebenthal der Vorbach (Oberſtetten) bei 
dem unmittelbaren Tauberthale annehmen dürfen, daß zu erwarten iſt: 


23 
Regen⸗ Zeit der 


Mittlere 
8 „ fall. 8 5 
N e eTsgeIee Trauben⸗ Wein⸗ 
2 Mai uguf Mai Auguſt 7 
| > Juli Di. a Dit, Blüthe Leſe 
Ein guter | 14/15 Anfangs Anfangs Die weicheren 
Wein bei 60/70 165742. 600/800 Juni Oktober Traubengat⸗ 
| ' 13—14 13—1500 | tungen des 
ö | | | Tauberthales 


11/13 LEE Ende Ende zeitigen auch 


Ein geringer 
800/1100 Juni bis Oktober vollſtändig bei 


Wein bei 20050 10—12 


‚1800/2100 Anfangs. einer etwas 
Sul | geringeren 
Ein mittle⸗ 12 700 / 1200 | Temperatur, 


rer Wein Bei 05 | 10,1% 700/1000 Mitte Mitte | können aber 
11—13 55 Juni | weniger die: 


| gen vertragen. 
| 


5. Die Bodenſee⸗Gegend. 


Von dieſer Gegend beſitzen wir nur einzelne Bruchſtücke von Witterungs⸗ 
beobachtungen, auch ſind die klimatiſchen Verhältniſſe ſehr verſchieden von den 
übrigen Weinbaugegenden und unerachtet der mehr ſüdlichen Lage zeigt ſich 
wegen der höhern Lage doch eine geringere Temperatur, aber häufig mehr 
Regenfall als in den Neckargegenden, man wird deßwegen für die Vegetations⸗ 
monate blos annehmen dürfen: 

Mittlere Temperatur dagegen Regenfall 


Für gute Wein jahre 13—14½ Grade 16-2200 Cubikzoll 
Für geringe Weinjahre 10-12 24-3000 „ 
Für mittlere Weinjahre . 111 —13 „ 18—2400 „ 


Im Allgemeinen dürfen wir, wenn wir die phhſikaliſchen Eigenſchaften 
des Rebſtocks in Betracht ziehen, den Grundſatz aufſtellen: 

a. Wenn mit dem Monat Mai warme, trockene Witterung und kein Froſt 
eintritt, ſo daß die Blüthe der Reben bald zu Ende dieſes Monats und zu 
Anfang des Monats Juni beginnt und bei guter Witterung ſchnell vorüber 
geht, ſo daß ſie längſtens bis zur Mitte des Monats Juni beendigt iſt, auch 
die folgenden Monate heiß und trocken find, und Wärme und Trockenheit. 
nur durch kurze, warme Regen unterbrochen werden, jo daß Holz und Trau⸗ 
ben ſich vollſtändig entwickeln und auszeitigen können, ſo dürfen wir uns auf 


einen reichen Herbſt und guten Wein Rechnung machen und auch wegen der 
guten Auszeitigung des Holzes und der Ausbildung der Fruchtaugen auf einen 
guten Ertrag im folgenden Jahre hoffen, was auch durch die Erfahrung be- 
ſtätigt wird, wie die reichen Herbſte 1828, 1835 und 1847 nach den guten 
Jahren 1827, 1834 und 1846 nachweiſen. 
Iſt dagegen BR 
b. der Monat Mai naß und kalt, tritt noch Froſt in demſelben ein, der 


die Reben beſchädigt, geht die Entwicklung derſelben langſam vor ſich und 


dauert die unbeſtändige Witterung im Monat Juni fort, ſo daß die Blüthe 
derſelben erſt zu Ende dieſes und zu Anfang des Monats Juli, auch die Be— 
fruchtung nur unvollſtändig (§. 6) vor ſich gehen kann, und iſt auch die Som⸗ 
mer: und Herbſtwitterung kühl und naß, treten in den Monaten September 
und Oktober bald Fröſte ein, welche das Laub, die Trauben und das Holz 
beſchädigen, wodurch die Trauben ihren Schutz verlieren und in der Zeitigung 
gehemmt werden, ſo iſt ein geringer Herbſt, und ein ſchlechter, ſaurer Wein 
zu erwarten. Auch für das folgende Jahr ſind in dieſem Falle die Ausſichten 
ſehr zweifelhaft, denn ein naßkalter Sommer treibt viel und ſtarkes Holz, das 
aber zur Auszeitigung viel Wärme und Hitze bedarf, fehlt nun dieſe ſowohl 
in dem abgekühlten naſſen Boden als außerhalb deſſelben, ſo bleiben das Holz, 
ſo wie die Fruchtaugen in der Entwicklung zurück, letztere verholzen und beide 
nehmen durch den eingetretenen Froſt leicht Schaden, und wenn auch durch 
denſelben die Rinde der Reben, wie bei dem ausgezeitigten Holze, bräunlich 
gefärbt wird, ſo treibt daſſelbe doch keine fruchtbringende Augen, auch werden 
in dieſem Falle Holz und Augen durch den Winterfroſt gerne beſchädigt. Heiße 
und trockene Sommer treiben nur kurzes und etwas ſchwaches Holz, aber mit 
vollen und engſtehenden Augen, die vollkommen auszeitigen, verhärten und 
leichter die Winterkälte ertragen, daher viel und ſtarkes Holz wenig Wein, 
wenig und ſchwaches Holz viel Wein. 

Will man erfahren, ob die Augen des verfloſſenen Jahres fruchtbar ſind, 
ſo nehme man von den verſchiedenen Lagen und Rebgattungen eines Weinbergs 
Schnittlinge, die in der Mitte der Rebe abgeſchnitten werden, ſtelle ſie zu 
Anfang des Monats Januar etwa handhoch in's Waſſer und in ein Zimmer, 
in dem es nicht gefriert, jedoch entfernt vom Ofen und an eiue ſonnige lichte 
Stelle und erneure das Waſſer von 3 zu 3 Tagen, nachdem daſſelbe zuvor 
einige Stunden im Zimmer geſtanden hat, damit es die gleiche Temperatur 
mit dem abzugießenden Waſſer annimmt. Nach Verfluß von 4—5 Wochen 
werden die geſunden Augen ſich entfalten, Blätter und mehr oder weniger 
Trauben treiben, wornach wenigſtens einigermaßen die Ergiebigkeit der Reben 
im nächſten Sommer beurtheilt werden kann, obgleich dieſelbe auch noch von 


— de a a 


469 
andern Umſtänden, wie von der ce oder lang! amen F im Früh⸗ 
jahr abhängt. 

C. Auf ein mittleres Weinjahr darf gerechnet werden, wenn e 
ein Theil der Vegetationsmonate der Entwicklung der Rebe und der Traube 
günſtig iſt, d. h. wenn entweder günſtige Frühjahrswitterung eintritt und die 
Rebe und Trauben ſich ſchnell entwickeln und verblühen können, ſo daß die letztern bei 
ſpäterer ungünſtiger Witterung doch noch einen Vorſprung haben, oder wenn 
nach ungünſtiger Frühjahrswitterung noch ein guter warmer und trockener, ſo— 
genaunter Nachſommer, eintritt, insbeſondere übt ein gutes, warmes Spätjahr 
und eine gute Herbſtwitterung noch außerordentlich günſtig auf die Auszeitigung 
der Traube und des Holzes, daher man in dieſem Falle in der Regel eine mitt- 
lere Weinqualität erwarten darf, während umgekehrt dieſes, wie 1847 weniger 
der Fall iſt. 


„ e 

Will man in einer beſtimmten Weinbaugegend nach den Witterungsver⸗ 
hältniſſen eines einzelnen Jahrganges auf die Qualität des zu hoffenden Weins 

einen Schluß ziehen, ſo kommen hier zunächſt 

a. die Temperaturverhältniſſe, ſofort 

b. der Regenfall, 

während der Vegetationsperiode der Rebe in Betracht. 

Als weitere Anhaltspunkte dienen dann noch 

C. die Zahl der Regen- und trüben Tage, 

d. die Zeit der Traubenblüthe und die Zahl der Tage von dieſer bis zur 

Weinleſe. 

Nehmen wir zuerſt die mittleren Temperaturverhältniſſe, wie ſie oben an⸗ 
gegeben wurden und die Beobachtungen von der Stadt Stuttgart zur Grund— 
lage und ſtellen wir Vergleichungen zwiſchen den Wärmegraden ſehr guter 
Jahrgänge wie 1811, 1822, 1834 und 1846 und denjenigen ganz geringer 
Jahrgänge wie 1816, wo ohne eingetretenen Froſtſchaden nur wegen ſchlechter 
Witterung ſo zu ſagen gar kein oder ein äußerſt geringer Wein gewachſen iſt, 
o zeigt ſich folgende Differenz: 

Mittlere Temperatur von 


Sommertage. 
1811 — 13,78 
1822 — 13,48 
1834 — 14,20 — 88 
1846 -- 1440 — 67 
55,86 155 
Def, 1986 Th 


470 


Sommertage. 
8 e schre 1808 11,32 
Ganz geringe re 1816 — 10,97 — 20 
22,29 
Durchſcrn . In 


Differenz 2,81 ⅛ 


Setzen wir nun die Güte des Weins von vorzüglichen Jahrgängen — 1 
von den geringſten = 0, und vergleichen damit andere Jahrgänge dadurch. 
daß wir von ihren Wärmegraden diejenigen des geringſten Jahrganges ab- 
ziehen, fo zeigt ſich zwiſchen denſelben und den vorzüglichen Jahrgängen fol- 
gendes Verhältniß: 

1829 mittlere Temperatur 1196, 

Davon 1114½ 

Reſt 81 ½ 
d. h. die Güte des Weins von 1829 verhält ſich zu derjenigen von vorzüg- 
lichen Jahrgängen, wie 81¼ zu 281½ oder nahezu wie ?/ zu 1 oder die 
Güte des Weinmoſtes von 1829 hat nur ?/7 der Güte der vorzüglichen Jahre, 
iſt mithin um ä geringer. Annähernde Verhältniſſe werden ſich auch erge— 
ben, wenn man zwiſchen den Sommertagen und dem mittleren ſpezifiſchen Ge: 
wicht des Weinmoſtes Vergleichungen anſtellt, wobei auch noch die Zahl der 
Regentage und die Zeit der Traubenblüthe in Berückſichtigung kommt, wie 
folgende Tabelle zeigt: 


| 
| 
\ 
| 
| 
| 
| 
| 
| 
| 
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ME N 855 rs 
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8 5 i — — | 
EN | | | | | | 8 Se 2 
| 1 | 0 | | | 2 
1827 13,8 / 37 ½ 83 il e 
! m H 
1842 12,99 | 5/a.1.74 % 65 
— — | 


| 

| 65 10. Juni 123 80 ( Wein⸗ 

26, 77 I 148 | 236 5 | jahre. 
| | ! | | 


Durch⸗ i „ | 
ſchnitt 13 13% 273 55½ % 74 | 118 78 5 
1828 12,88 / | 40 she 88 28. Juni 110 68 5 
1835 12,84 % 61 | 7 88 18. Juni 124 78 705 
1848 13,25 / 44 % 72 25. Juni 111 75 \ Wer 
1849 12,88 | / 36 / 74 25. Juni 119 76 
51,85 I > 1s29.. | 464 297 
Durch⸗ | | | | ® 
1950 12,96 914 45 4 80 | 11 2% 
1,96 | % | 26 % 95 30. Juni Geert 
1837 1244 Su 44 % 83 3. Juli 115 56 ens 
nee es e 1. Juli 1 63. jahre 
1850 11,63 | e e e 102 3. Juli 1 „ NR 
r 3. 457 245 
Durch⸗ | | „ | | | 
ſchnitt 11,93 % 31 ½ 93 114 61 / 


| | | | | 
| | | | | | | 
Stellt man nun Vergleichungen zwiſchen den einzelnen Jahrgängen an, 
jo iſt z. B. der 1827er Wein, unerachtet die Vegetationsmonate mehr mitt⸗ 
lere Wärme hatten als das Jahr 1842 doch etwas geringer geworden als 
der Wein vom letzten Jahre, weil weniger ſehr warme (Sommer-) Tage, da⸗ 
gegen mehr Regentage vorhanden waren, die Traubenblüthe ſpäter eintrat 
und die Trauben dadurch weniger Zeit zur Ausbildung und Zeitigung hatten 
als 1842. Ebenſo war der Wein von 1828 etwas geringer als derjenige von 
1835, weil er weniger Sommertage hatte und die Blüthe ſpät eintrat. In 
geringen Weinjahren ſind in der Regel alle auf die Vegetatiou der Rebe ein⸗ 
wirkende Umſtände ungünſtig, wenig Wärme und wenig Sommertage, dagegen 
viel Regentage und ſpäte Blüthe. 

Wird der Regenfall, deſſen Menge auf die Qualität des Weins einen 
weſentlichen Einfluß ausübt, auch noch in Berechnung genommen, ſo muß die 
Summe der Wärmegrade während der Vegetationsperiode mit der Menge des 


Ei. 


Regenfalls verglichen werden, und man wird dabei zu entſprechenden Verhält⸗ 
nißzahlen kommen, wenn man mit den Wärmegraden in Wenige des ee 


falls e 


Suv bag 


1834 
1846 
Oſch. 


1827 
1842 


Dſch. 
1828 
1835 
1848 
1849 


Die. 
1829 
1837 


1850° 


„wie ende Heberficht zeigt: 


Mittlere Regenfall ei 3 | Mi ittleres 
mene dener . , den dee dae 

grade BT pe | = Traun Traun) Gewicht 

S. „ |... benblüthe 
„ e $ benblüthe. bis zur des Wein | 
en = 7 1 | mas} SEE} 

N 4458 88 68 12. Juni 122 be 
2649,9 | 1509 167 | 68 10. % aua8s0 Br 
5290,90 2987 55 136 5252. Er 

2648,4 1483 0,56. 7712| 68 126. 8 
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862,2 3455 111 148° 236 166 

2431,1 1727 0,71.554.| 74 118 78 
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2356, 1643 68 88 18. „ 124 — 8 J Wein 
2438,5 1788 44 7 25. „ 141 18 ehe 
2400,90 1765 30 A 25. „ 119 76 a 
95718 6611 181 322 464 297 
2393.7 1653 0,69 45 80 ie e 

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