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Ga^ Xlä, X
Harvard College
Library
\
By Exchange
Der Souveränetätsbegriff
von Bodin bis zu Friedlich dem Grossen.
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung der juristischen Doktorwürde
der
reclits- nnl staatsvissensGiaftllßlien FaMat
der
Kaiser- Wilhelms-Universität Strassburg
vorgelegt von
(Bischweiler i. Eis.)
Strassburg 1897.
Harvard College Library
May 81, 1898
By Exchange.
Inhaltsr Verzeichnis.
Seite
Einleitung 1
Erster Abschnitt.
Der Begriff der Souveränetät.
§ 1. Wort und Definition 5
§ 2. Die höchste Gewalt 11
§ 3. Die Entbundenheit vom Gesetz 18
§ 4. Das eigene Recht 32
§ B. Die Dauer * 38
§ 6. Beschränkbarkeit und Teilbarkeit des Souveränetätsbegriffs . 42
§ 7. Der absolute Charakter der Souveränetät 55
Zweiter Alisclinitt.
Die Souveränetätsrechte.
§ 8. Allgemeines 57
§ 9. Das Recht der Gesetzgebung 68
§ 10. Das Recht des obersten Richtertums 75
§ 11. Das Recht zu strafen und zu begnadigen 80
§ 12. Das Recht über Krieg und Frieden 85
§ 13. Das Recht der Beamten-Ernennung 91
§ 14. Das Mtinzrecht 102
§ 15. Das Besteuerungsrecht 105
§ 16. Das Recht auf Gehorsam, Treue und Geduld 112
§ 17. Die Kirchenhoheit 122
Schluss 129
Anliang.
Die Staatsidee Friedrichs des Grossen.
§ 1. Frühere Versuche einer organischen Staatspersönlichkeit . . 135
§ 2. Die Staatsidee Friedrichs des Grossen 143
Litteratur.
Otto Gierke, Johannes Althnsius nnd die Entwicklung der naturrechtlichen
Staatstheorien. Breslau 1880.
E. Hancke, Bodin. Eine Studie über den Begriff der Souverainetät.
Breslau 1894.
Rudolf Treumann, Die Monarchomachen. Eine Darstellung der revolutionären
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Quellen.
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Junius Brutus (Hubert Languet), Vindiciae contra tyraniios. (Abdruck
hinter Nie. Machiavelli Princeps ex Sylvestri Telii traductione.
Basel 1580.)
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in subditos et officio subditorum erga Magistratus. Abdruck hinter
den Vindiciae contra tyr.
Marius Salamonius, De principatu libri VI. Paris 1578.
Boucher, De justa Henrici tertii abdicatione e Fraucorum reguo. Lugd. 1591.
Gull. Rossaeus, De justa Eeipublicae Christianae in Eegcs impios et hae-
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Joh. Calvlnus, Institutio Christianae religionis. Genf 1559.
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Jacob Bornitlus, De majestate politica et sumnio imperio ejusque func-
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Juan Marlana, De rege ac regis institutione. Francof. 1611.
Lambertus Danaeus, Politices Christianae libri VII. Ed. II. Paris 1616.
Tobias Paurmeister, De jurisdictione imperii. Eomani 1616.
Andreas Kniclien, Opera politica. Hanaw. 1613.
Christoph Besoid, De majestate in genere ejusque juribus specialibus.
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Theodor Reinicingic, De Tegimine seculari et ecclesiastico. 1641.
Grasswinicei, De jure majestatis. 1642.
Lyncicer, De plenitudine summae potestatis. 1641.
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HIppoiithus a Lapide, De rationc Status in imperio nostro E-G. Freistadii
1647.
Joh. Limnaeus, Jus publicum Imperii E. G. 1657.
Joh. Theod. Sprenger, Jurisprudcntia publica. Francof. 1659.
J. H. Stamier, De Eeservatis Imperatoris Eomano-Germanici. Giessen 1657.
VI
Daniel Berkringer, Institutiones poUticae de Repnblica. Traj. a. Bh. 1662.
Joh. Frledr. Hornius, Politicomm pars architectonica de Civitate. Traj. a. Rh.
1664.
Franciscus Hotomannus, Francogallia. Francof. 1665.
Thomas Hobbes, De cive. 1646.
— Leviathan. 1651.
Leibnitz, Caesarini FtLrstenerii Tractatus de jure Snprematus ac Legationis
Principum Germaniae. 1678.
Joh. Nie. Hert, De tutela regni sive regnis sub tntela constitutis. 1682.
Phil. Knipschild, De juribus et privilegiis civitatum imperialium. Arg. Ed. II.
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Myler ab Ehrenbach, Hyparchologia, seu de ofPicialibus magistratibus et
administris. 1678.
Joh. Christ. Becmann, Meditationes politicae. Francof. a. Oder 1679.
J. Strauch, Dissertationes jur. publ. de controversiis quibusdam illastribus.
Giessen 1679.
Ziegler, De juribus majestatis tractatus academicus. Vitenb. 1681.
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Hugo Grotius, De jure belli et pacis. Francof. 1699.
6. H. Brückner, De Romani Imperatoris Majestate, praecipue reali et
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Samuel von Pufendorf, De jure Naturae et Gentium libri VIII. Amsterd.
1698.
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J. Fr. Pfeffinger, Vitriarius Illustratus seu Institutiones jur. Publici. Gotha
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Joh. Wilh. Engelbrecht, De Nota Characteristica Statuum Imperii. Heimst.
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Wllh. Goebel, De Juribus Procerum Imperii Majestatis. Helmstadt 1718.
Christian Thomaslus, Fundamenta jur. Naturae et Gentium. Ed. IV. Halae
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— Drei Bücher der göttlichen Rechtsgelahrtheit. Halae 1709.
— De injusta opppsitione jurium majestaticorum superioritatis terri-
torialis et reservatorum imperialium.
Nie. Hier. Gundling, Jus naturae et gentium. Halae 1728.
Joh. Peter Ludewig, Opuscula miscella. Halae 1720.
Joh. Henning Böhmer, Introductio in jus publ. universale, 1726.
H. Chr. V. Senckenberg, De fabula Judicii Palatini in Caesarem. Franqof.
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J. C. Spener, Teutsches jus publicum oder des H. R. T. R. vollständige
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Fr. Schmier, Jurisprudentia publica imperii R. G. 1731.
VII
Job. Jac. Masco V, Do jure foedemm In S. E. imperio. 1726.
— Principia jur. publ. Imperii R-G. Ed. VI. 1769.
Heinr. CocceJI, Dissertationes varii argumenti. Lemg. 1722.
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C. Fr. Necker, Kurzer u. aus den eigentlichen rechten Quellen hergeleiteter
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Job. Gottl. Heinecciue, Elementa jur. Germanici. Hai. 1736/37.
J. A. Graf v. Oettingen, De imperatoris Capitul. disquisitione. Heimst. 1741.
Cbristian Wolff, Jus Naturae. Francof & Lips. 1740/48.
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J. J. Moser, Teutsches Staatsrecht. Frankf. & Leipz. 1737/44.
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— Landeshoheit in Steuersachen.
— Sammlung einiger neuen Abhandlungen von Staatssachen. Zwey
Sammlungen. Stuttg. 1765.
I. Sammlung. No. 3. Grundsätze der Besteuerungsrechte der
Teutschen Reichsstände.
J. J. J. Sflndermabler, De libertate Ordinum Imperii ultra justos limites
non extendenda. Wirceb. 1763.
Seicbov, Elementa jur. publ. Germanici 1769.
Börner, Erläuterung des R. Deutschen Staatsrechts. 1761.
Job. Ulr. Gramer, Wetzlarische Nebenstunden. Ulm 1755.
J. G. Heuser, De distinctione regalium inter essentialia et accidentalia
ejusque usu. Gott. 1766.
Adrian Steger, De Confusione Regalium juris public! et privati crrori-
busque inde natis. Lips. 1765.
Job. Ad. L. B. ab Ickstadt, Opuscula juridica varii argumenti. Ingoist. 1759.
Job. Stepban Pittter, Kurzer Begriff des Teutschen Staatsrechts. II. Aufl.
Gott. 1768.
— Institutiones jur. publ. Gott. 1782.
— Beiträge zum teutschen Staats- u. Fürstenrechte. 1777.
— Literatur des teutschen Staatsrechts, 1770/83; fortges. von J. St
Klüber. 1792.
Benedict Scbmidt, Principia juris public! Germanici. lugolst. 1768.
Frbr. v. Kreittmayr, Grundriss des allgemeinen und teutschen Staatsrechts.
1770.
Pb. E. Bertram, Einleitung in die Staatsverfassung von Teutschland. 1770.
Franc. Joe. Heincke, Systema jur. publ. universalis. 1765.
Joacb. Georg. Darles, Institutiones jurisprudentiae universalis. Jena 1776.
Nettelbladt, Systema elementare universae jurisprudentiae naturalis. Halae
1785.
Goitfr. Achenwall, Jus Naturae. Gott. 1781.
J. F. L. Schrodt, Systema jur. publ. universalis. 1780.
VIII
Frhr. v. Paccassl, Beiträge zum deutschen Staatsrechte. Wien 1780.
P. J. A. Feuerbach, Anti-Hobbes, oder über die Grenzen der höchsten Gewalt.
Erfurt 1788.
Westphal, Das Teutsche Staatsrecht. Leipzig 1784.
A. L. Schlözer, Allgemeines Staatsrecht und Staatsvei*fassungslehre. 1793.
Friedrich der Grosse, Oeuvres, (J. D. E. Preuss), Berlin 1846/48.
— Band VIII. S. 65: L'Antimachiavel.
— — S. 167: Refutation du Prince de Machiavel.
— — IX. No. XV : Essai sur les formes de Gouvernement et sur
les devoirs de Souverains.
-- — IX. No. XIV: Expose du Gouvernement prussien.
Einleitung.
ocbon dreihundert Jahre ist es her, dass Bodin in seine
Definition vom Staat als drittes Merkmal, in welchem er ganz
besonders und vornehmlich die Staatseigenschaft zu finden
glaubte, die souveräne Gewalt hinstellte, und als der Erste nach
Aristoteles und Polybius den Begriff der Souveränetät einer
einlässlichen wissenschaftlichen Untersuchung und Darstellung
unterzog. Der Staat erschien ihm als die Rechtsordnung einer
Anzahl Familien und ihrer gemeinsamen Güter unter der
souveränen Gewalt. Die souveräne Gewalt selbst definierte er
als die höchste, eigene, dauernde und von den Gesetzen ent-
bundene Gewalt über die ünterthanen. Es war ein abstrakter,
energischer und aumassender, aber überaus logischer und für
seine Zeit und sein französisches Vaterland wahrer Begriff, den
Bodin der Welt als allgemeine Wahrheit hinstellte, und der,
sich erbitterte Gegner und begeisterte Anhänger schaffend, als
ein Markstein dastehen sollte in den Gefilden der Staatslehre,
umtost und umbrandet von den Stürmen der Systeme und
Schulen von Jahrhunderten. Und bis heute sind die Geister
nicht zur Ruhe gekommen ; wie damals steht der Souveränetäts-
begriff immer noch im Vordergrund staatsrechtlicher Erörte-
rungen, aber der Streit ist heute von der Trägerschaft, von der
Frage, ob Fürst oder Volk als Subjekte der Souveränetät zu
— 2 —
betrachten seien, in den Inhalt verlegt. Gehört es zum Wesen
des Staats, dass er souverän ist, und wodurch unterscheidet
sich eventuell ein nichtsouveräner Staat vom Communalverband?
Kann auch ein nichtsouveräner Staat völkerrechtlich selbst-
ständig auftreten? Wie erklärt sich die Unterordnung des ein-
zelnen Staats unter das Völkerrecht, und benimmt dem Einzel-
staat die Unterordnung unter einen mehrere Staaten umfassenden
Bundesstaat nicht die Staatsqualität? Zur Lösung aller dieser
Probleme geht man immer auf den Souveränetätsbegriff zurück
und sucht in ihm nach Merkmalen, die den Staatskörper einer-
seits von den in ihm vorhandenen Selbstverwaltungskörpern
unterscheiden, andererseits seine Unterordnung unter einen
Bundesstaat oder das Völkerrecht zulassen können. Dabei sind
die verschiedenen Definitionen den persönlichen concreten
Wünschen angepasst und gehen sehr weit auseinander, manch-
mal so weit, dass vereinzelt der ganze Begriff der Souverän etat
als nicht zum Ziele führend und für den Staatsbegriff entbehrlich
über Bord geworfen wird.
Der Ausdruck „souverän" (vom lateinischen supra, italie-
nisch sopra, sovra, woraus sovrano und souverain entstanden
sind) bezeichnet etwas Ausgezeichnetes, Hervorragendes, Ein-
ziges, das Erste und Höchste in seiner Art. In diesem Sinne
verwendet es auch der Sprachgebrauch des täglichen Lebens:
man redet von souveränen Gütern und Heilmitteln, von souve-
ränem Glück und souveräner Tugend, von der Souveränen Güte
Gottes und von souveränen Gerichtshöfen, deren Urteile keiner
Überprüfung unterliegen ; andererseits von der souveränen Ver-
achtung, die man für Jemand empfindet, von der souveränen
Schlechtigkeit eines Buches; radikale Minister einer Bepublik
betonen die Souveränetät des allgemeinen Stimmrechts und
appellieren an den souveränen Richterspruch des Landes.
„Souverän" ist ein Superlativ, aber wenn dem Laien ein ge-
wöhnlicher Superlativ nicht auszureichen scheint, dann hat er
— 3 —
das Gefühl, dass die Bezeichnung „souverän" am Platze sei;
es ist sozusagen ein potenzierter Superlativ.
Man identiöciert staatsrechtlich Souveränetät mit Staats-
gewalt, aber das Wort lässt über Umfang der Aufgabe und
Macht im Unklaren, es enthält an und für sich keinen materi-
ellen Inhalt
Angesichts dieser Zweifel und Unsicherheiten wird der
Jurist zurückschauen in die vergangenen Zeiten und zusehen,
wie die Väter ihren Souveräuetätsbegriff formuliert haben. „An
einer Dogmengeschichte des SouveränetätsbegriflFs", sagt Haenel
in seinem Staatsrecht (Band I, § 15, Anm. 1,) „fehlt es gänzlich.
Nicht einmal die Lehre Bodins hat eine irgend genügend^ Dar-
stellung gefunden". Letzteres trifft nun heute nicht mehr zu.
E. Hancke hat in überaus klarer, musterhafter Fassung die
Bodin'sche Lehre im Zusammenhang mit den Anschauungen
ihrer Zeit zur Darstellung gebracht, und Gierke hat in seinem
grossartig angelegten und durch die gewaltige Fülle des Ma-
terials geradezu staunenswerten Werke über Althusius nicht
allein die Lehre dieses Mannes der Vergessenheit entrissen,
sondern durch seine unvergleichliche Abstraktionskunst den
Ideengang der bedeutenderen Vertreter und Vertretergruppen
vom frühen Mittelalter bis zum letzten Jahrzehnt des vorigen
Jahrhunderts, dem Kulminationspunkt der uaturrechtlichen
Richtungen, festgestellt. Leider fehlt es gänzlich an Vorarbeiten
nach der subjektiven Seite hin und so stört die Masse des auf-
gehäuften Quellenmaterials sehr häufig gerade für den gründ-
lichen Leser die Übersicht. Gierke hat das selbst gefühlt und
Zorn hat es bei Besprechung der Schrift lebhaft bedauert.
Eine solche Vorarbeit soll auch nachstehende kleine Mono-
graphie sein. Es ist ein harter, steiniger und langer Weg, der
zugänglich und fahrbar zu machen ist; er führt durch Jahr-
hunderte und viele Länder. Den Anfang hat Hanckes Bodin
1*
gemacht; da setzt der Verfasser ein; abseits vom Wege steht
Oierkes Althusius und leuchtet zu den Arbeiten.
Das vorliegende Schriftchen behandelt die deutsche Litte-
ratur von Bodin bis zu Friedrich dem Grossen, Es ist ein
Chaos von Ideen und Systemen, das sich uns darstellt, eine
weit und fein verästelte Casuistik einer zweihundertjährigen
Litteratur, wobei die Fäden, welche die einzelnen Gedanken
mit dem Eardinalpunkte verbinden, oft durch die Masse der
Details verdeckt sind, ein wildes Bingen von Doktrinen und
Tendenzen, das weder am Abschluss dieser kleinen Abhandlung
seine zeitliche Grenze findet, noch auch örtlich auf das behan-
delte Gebiet beschränkt ist, sodass jede zusammenfassende
Schlussfolgerung aus diesem im ersten Beginn abgebrochenen
Ideengang und jede Abstraktionsmethode im Hinblick auf das
schiefe Resultat, das sie jedenfalls ergäbe, verfehlt wäre. Andere
Monographien mögen die Fortsetzung bis auf den heutigen Tag
liefern, wieder andere die ausser Deutschland in Betracht
kommenden Länder wie England, Frankreich, Italien, Spanien
behandeln; das Ganze wird dann eine grosse Quellensammlung
über die Souveränetät bilden. Erst eine solche umfassende
subjektive Vorarbeit wird es uns ermöglichen, die grossen
Merkmale, Kriterien und Grundideen der Souveränetät zu er-
kennen, und wird uns ein Fundament geben für das volle
objektive Verständais, uns den Weg weisen, hin zur objektiven
Wahrheit.
Erster Abschnitt.
Der Begriff der Souveränetät.
§ 1. Wort und Definition.
Bodin braucht Id seiner Definition des Souveränetätsbegriflfs
in der lateinischen Ausgabe seines Werks „de republica^ das
Wort „majestas", in der französischen den Ausdruck „souve-
raiuete''. Erstere Bezeichnung haben von ihm die meisten
Staatsrechtsschriftsteller der folgenden Zeit übernommen, wie
dies sein deutscher Kritiker Paurmeister ausdrücklich erklärt,
„quam vulgo Bodinum secuti Majestatem appellant**. Am ge-
bräuchlichsten sind die Ausdrücke „majestas^', „summa potestas"*,
„Majestät" und „höchste Gewalt". Von „Souverainete" und
„Souverain" sprechen nur Wenige, indem sie erklärend beifügen,
dass dieä der französische Name für „Majestät" sei, oder sie
erblicken in der „Independenz und Unabhängigkeit oder Souve-
ränetät eine Haupteigenschaft, ohne welche man sich das Wesen
der höchsten Gewalt nicht vorstellen könne". Ferner finden
sich die Worte „summum imperium", „plenitudo potestatis",
„suprematus" und „supremitas", während „superioritas" weniger
die Souveränetät bezeichnet, als vielmehr als „superioritas terri-
lorialis" die Landeshoheit der deutschen Fürsten. Sehr selten
trifft man „potestas eminens" und „imperium politicum."
Die Souveränetät erscheint für Bodin als die höchste,
eigene, dauernde, und von den Gesetzen entbundene Gewalt über
— 6 —
die ünterthanen. Diese klare, logische Begriffsbestimmung des
durch die ceutralisierte Regierung seines Landes verwöhnten
Franzosen fand bald Eingang in Deutschland und ihr Einfiuss
auf die deutschen Theoretiker ist unverkennbar. Manche
schrieben den ersten Satz der Definition einfach ab, und wenn
sie auch den Bodin meist nicht anführten, so leiteten sie ihre
Definition doch gewöhnlich mit „majestas deflnitur, quod sit"
ein, im Gegensatz zu Bodins Gegnern, welche ihr „definio im-
perium politicum**, „definio summam potestatem" stark hervor-
hoben, und dann auch meist die Ausdrücke „majestas"* und
„souverainete" ganz vermieden.
In vielen Werken, die lediglich deutsches Staatsrecht be-
handeln, in denen dann nie vom princeps und der majestas im
allgemeinen die Rede ist, sondern von der Gewalt des Kaisers
und der Stände, finden sich gar keine Definitionen, wohl aber
fast ausnahmslos in den Schriften vom allgemeinen Staatsrecht
und der Staatsverfassungslehre. Nur wenige Definitionen sind
so scharf und kurz gefasst wie die Bodinsche; in vielen ist
das eine oder andere Merkmal ausgelassen, obwohl es nicht,
wie man zuerst glauben möchte, geleugnet, sondern vielmehr
in erläuternden Zusätzen oder der weiteren Darstellung aus-
führlich abgehandelt wird. Andere Schriftsteller greifen für
ihre Begriffsbestimmung das eine oder andere Merkmal heraus,
ohne dass sie, wie sich aus ihren späteren Ausführungen ergiebt,
besonderen Wert gerade auf die angeführten Elemente im Gegen-
satz zu den anderen legten; wieder andere bringen nur die
Haupteigenschaft der Souveränetät, und eine ganze Anzahl
endlich beschränkt sich darauf, auf den unermesslichen umfang
der Alles umfassenden höchsten Gewalt hinzuweisen.
Hier einige der klarsten Definitionen:
T. Paurmeister, L c. 3: Imperium politicum definio:
Reipublicae in personas ac res ditionis suae Potestatem.
— 7 —
Th. ReiDkingk, II., Cl. 3, c. 11: Jura Principis consistunt
in summa et absoluta Imperii potestate ... Et haec jura Prin-
cipis UDO verbo diel possunt Majestas.
Hippolithus a Lapide, L, c. 3: Majestas definitur summa
et absoluta seu legibus soluta potestas.
Caesarin, Fürstener, p. 31: Atque hoc denum illud est,
quod ego voco Suprematum, et Gallos quoque arbitror cum de
rebus ad jus gentium spectantibus, pace, bello foederibusque
sermo est, et ipsi aliquos vocant Souverains, eos non de urbibus
libris loqui nee exiguorum territorium Dominis quae facile etiam
dives, Mercator sibi emere potest, sed de majoribus illis pote-
statibus, quae bellum inferre, bellum sustinere, propria quodam-
modo vi Stare, foedera pangere, rebus aliorum gentium cum
auctoritate intervenire possunt, etc. . .
G. H. Brückner, § 6: Majestas est summa in civitate
ubique potestas.
Hugo Grotius, I. c, 3, § 7, No. 1: Summa autem illa
dicitur, cujus actus alterius juri non subsunt, ita ut alterius
voluntatis bumanae arbitrio irriti non possint reddi.
S. Pufendorf, (De J. N. et G.), VII, c. 6, § 1: Inter
aflfectiones imperii primo loco occurrit, quod idem sit et dicatur
summum. Cujus denominationis potissima causa haec videtur,
quia major quam isthaec potestas homini in hominem nequit
competere, quam ut hie ad istius arbitrium vires opesque suas ^
adplicare ad bonum publicum teuiatur, ac juri vitae acnecis ^
obnoxius sit Ex quo et illud consequitur, quia id Im-
perium est summum, seu a superiore homine in his terris non
dependens; ideo non posse ipsius actus alterius voluntatis
humanae arbitrio irritos reddi.
J. Brunnemann, II. c. 3: Quod Majestas sive summum in
Civitate Imperium consistat quidem in independente et libero
exercitio jurium Regalium, quibus ad conservationem Reipublicae
opus est.
— 8 —
J. C. Spener, IV. c. 4, § 1 : Die Majestät ist zu be-
schreibeD, als sie seye die höchste von Gott eingesetzte und
authorisierte Gewalt, die ünterthanen zu regieren und zu
schützen.
J. H. Böhmer, I. c. 4, § 6: Jus summi imperii respectum
habet ad subditos et populeem, qui se imperanti subjicit, et
comprehendit in se omnem potestatem, vel per imperium v^l
alias ordinationes omnia illa agendi, quae ad finem reipublicae
praeflxum spectant. — § 36: Haec potestas summa alias dici
solet Majestas et jura inde dependentia, Majestatica, quae
nihil aliud sunt, quam complexus jurium variorum, quae im-
peranti iudependenter proprio jure in civitate competant ad
obtinendura finem reipublicae praeflxum.
Fr. Schmier, IL c. 3, No. 1: Definitio summae potestatis,
quod Sit facultas moralis, ab omni superiore independens, guber-
nandi imperium Romano-Germaiiicum, sive actiones civium Im-
perii Romani-Germanici dirigendi ad communem et publicam
utilitatem.
J. V. Strauss, c. 2, i. f: Unde nunc patet, quod Majestas
nihil aliud sit, quam summa ac perpetua in subditos potestas.
C. Fr Necker, I. c. 5, § 1: Die höchste Gewalt besteht
in einer von Niemand dependierenden Macht, den Staat so zu
regieren, wie es dessen äussere und innere Sicherheit und
Wohlfahrt erfordert.
Christian WolflF, (Institutiones), § 981: Quoniam imperium
civile quoad exercitium liberum est ab omni alia gente et
homine quocumque; nullus quoque actus ad imperii exercitium
spectans ab ullo homine irritus fleri potest. Quamobrem cum
imperium summum dicatur, cujus actus a nulle homine irriti
fieri possunt, imperium civile in se, quae scilicet originarie
populo competit, summum est.
Benedict Schmidt, § 42: Monarchae conceptus in eo
consistit, quod nimirum jura Majestatica simul sumpla, i. e.
— 9 -
summa Potestas et ipsissima Majestas in una persona ita coales-
cant, at unam voluntatem totias Civitatis seu Reipublicae, Im-
perii, Regni, Principatus ac Popali unamqae quasi vitam atque
animam efficiant omniaque solum ^ penes Principem, vulgo
Souverain, sint, manuque ejus gubernentur juxta versum. Sic
volosic jubeo, stat pro Ratione voluntas.
J. St. Pütter, (Beiträge), XIX: Nach der Natur der
Sache, d. i. ihrem Wesen und ihrer Absicht gemäss, erstreckt
sich die höchste Gewalt, (also in ihrer Art auch die Landes-
hoheit) auf alles, was die gemeinsame Wohlfahrt eines Landes
erfordert, — auf alles, sage ich, nichts davon ausgenommen,
was nur irgend einer menschlichen Qewalt unterworfen sein
kann, — also in einem ganz unermesslichen Umfang der alles
umfassenden Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis), —
aber auch eben deswegen weiter gar nicht, als soweit die ge-
meine Wohlfahrt gerechte Gründe dazu an die Hand giebt. L^
Frhr. v. Kreittmayr, § 5: Das Recht, welches dem Re-
genten oder Oberhaupt des Staats zusteht, alles zum gemein-
samen Besten desselben zu dirigieren und anzuordnen, ist eben
das, was man die höchste Macht und Gewalt, zu Latein:
summum imperium vel supremam in republica potestatem vel
Majestatem, zu nennen pflegt. Sie erstreckt sich auch eben
darum, weil selbe keine gleiche oder höhere Gewalt in dem
Staate über oder neben sich hat, auf alle darin befindlichen
Güter und Personen, soweit keine Spezialexcemption dargethan
werden kann, per regulam: Omnia, quae sunt in territorio,
sunt etiam de territorio. Eine Haupteigenschaft, ohne welche
man sich das Wesen der höchsten Gewalt nicht vorstellen
kann, ist die Independeuz und Unabhängigkeit oder Souveränetät,
welche aus dem Statu naturali fliesset, worinn sich Summi
imperantes sowohl respectu subditorum als exterorum befinden.
J. T. L. Schrodt, L c. 4, § 1: Cuum enim majestas,
Sit summa potestas regendi civitatem, consequens est, charac-
— 10 —
terem essentialem majestatis consistere in eo, ut sit summa ac
independens, et competat jure proprio.
Frhr. v. Paccassi, I. 11: Endlich, wo immer die wesent-
lichen Eigenschaften der Majestät in einer einzigen Person ver-
einigt sind, ich meyne, wo eine höchste, unabhängige Gewalt
angetroffen wird, da ist auch eine monarchische Verfassung,
^ welche eingeschränkt sein kann, ohne deshalben unvollkommen
zu sein, oder in eine andere Regierungsform auszuarten,
B. G. Struv. c. 29, § 16: Suprematus quidem vel communi
consenseu idem est, quod Gallis dicitur la Souverainete. —
§ 17. i. f: Uli enim saltim Majestatem habere dicuntnr, qui
nullum nisi Deum agnoscunt pro superiore
A. L. Schlözer, I. § 3: Heisst Majestät Unabhängigkeit
oder irresponsabilite eines Naturmenschen in allem, was er
ohne Beleidigung eines anderen thut, so ist sie ein Urrecht
aller Menschen, und diese Majestät ist von der Natur, also von
Gott. Aber mit diesem hohen Urrechte kann das Volk ebenso-
wenig zu rechte kommen, als ein Kind mit seinem ihm durch
Erbschaft angefallenem Rittergute. Es muss regiert werden,
dieses Bedürfnis fühlt es selbst, d. i. es muss durch Eintritt
in den Staat seiner angeborenen Majestät entsagen und sie
auf andere transferieren. Diese anderen, Herrscher genannt,
erhalten dadurch auf die Übrigen die Erlaubnis, ihre Handlungen
zu dirigieren, und für sich selbst das Recht der letzten In-
stanz. So entsteht' eine neue Art von Majestät, denkbar bei
allen Regierungsformen, aber verschieden, mehr oder weniger
sichtbar, und wirkend nach der Verschiedenheit derselben.
§ 2. Die höchste Gewalt.
Das Hauptmerkmal des Souveränetätsbegriffs ist das der
Löchsten Gewalt. Sie ist das erste, das unbestrittenste, das
Grundelement der Souveränetät. ,,Majestas est summa potestas""
beginnen die meisten Definitionen; stellen wir „haec potestas
summa alias dici solet majestas"*, Jura majestatica simul sumpta,
i. e. Summa potestas et ipsissima majestas", oder „definitio
summae potestatis, quod sit . . .^ und Jura majestatis et suminae
potestatis^^ wechseln in den einzelnen Begriffsbestimmungen ab.
In vielen, besonders den deutschgefassten, ist schlechtweg von
der höchsten Gewalt als Gesammtausdruck für die einzelnen
Souveränetätsmerkmale die Rede, und einige Wenige nennen
sogar die „Unabhängigkeit oder Souveränetät*' eine Haupt-
eigenschaft der höchsten Gewalt. Überall wird in den Zusätzen
und Erklärungen der Definitionen mit peinlicher Sorgfalt der
Begriff „höchst" erläutert und oft weitschweifig auseinander-
gesetzt, dass das Höchste das sei, über welchem es nichts mehr
gebe; dass deshalb über des höchsten Gewalt keine andere
irdische mehr existiere, die ihr zu befehlen hätte oder an die"
appelliert werden könnte ; dass die Akte dieser Gewalt niemandes
Rechte unterstehen, durch keinen höheren menschlichen Willen ^
ihrer Gültigkeit beraubt werden können; dass endlich diese
Gewalt im Staate dasselbe sei, wie das „summum genus in
logicis", das „summum Ens in metaphysicis", ^) Ein Theoretiker
l)Hippolitliu8 a Lapide,P. I. c. 3: Summa autem po-
testas ideo dicitur, quia actus ejus alterius juri non subsunt, ita et alte-
rius voluntatis humanae arbitrio irriti possiut reddi, Summum enim est,
— 12 —
betonte das negative Element der höchsten Gewalt; die Souve-
ränetät sei insofern die höchste Macht, als sie keiner anderen
unterstellt sei; nicht aber würden die Machtbefugnisse positiv
ausgedrückt; es gebe keine „summa potestas positive
sumpta". *)
Nur ein „Superius" giebt es über dem summum im Staate,
das göttliche Gebot. Von Einigen wird der Souverän ja gerade-
zu definiert als „ille qui non nisi a solo Deo dependet", „qui
nullum nisi Deum agnoscit pro superiore^^ und die Meisten
reden auch nicht von der höchsten Gewalt absolut, sondern
„in terris", oder „summa seil in genere potestatis humanae",
oder sie unterscheiden den Zustand, worin sich der Souverän
respectu subditorum et exterorum befindet von denjenigen re-
spectu Dei; „denn Gott sei das Kleinste wie das Grösste in
der Welt unterworfen." ^)
Ohne Ausnahme hielten am Erfordernis der höchsten Ge-
walt die Vertreter der Fürstensouveränetät fest, und interessant
dafür, wie geschickt und treffiich sich mit Worten streiten
lässt, ist der Streit zwischen den Abhängern der kaiserlichen
und denen der ständischen Souveränität, wem in Deutschland
die höchste Gewalt zukomme. Erstere, denen imperator major
quo nihil majus est, sed cujus imperio omnes continentur ac coercentur.
Adeoque majestas est omnis subjectionis nescia. — Theodor Eein-
kingk, I., Cl. 3, c. 11: Sieut summum est, supra quod poni nihil potest:
ita etiam summa potestas dicitur, quam nulla alia in terris praecellit. —
Lyncker, § 1, i. f: Summum autem id appellatur, supra quod poni
nihil potest: sie summum genus in logicis vocatur, quod supra se aliud
genus non habet, summum Ens in metaphysicis, quod superius non
agnoscit .... Hinc etiam summa potestas dicitur, quam nulla alia in
terris supergreditur. — P u £ e n d o r f ( De J. N. L. G.) VII. c. 6, § 1. —
Böhmer, I. c. 4, § 22.
2) G. H. Brückner, § 6: Dicitur autem in thesi 1) summa, seil,
in genere potestatis humanae et negative, quatenus nulli alii potestati
humanae subjicitur; Majestas enim seu potestas positive sumpta, i. e.
cujus omnes aliae potestates humanae subordinatae sunt, nee datur, nee
ob imbecillitates generis nostri dari potest.
3) Kreittmayr, § 5: — Struv, c. 29, § 16.
— 13 —
imperio, sprechen zwar den Ständen eine potestas aemula
Majestatis, aber doch dependens zu, und behaupten, dass die
dem Reich vorbehaltene Mitregierung sich auf die Hauptregierung
des Kaisers stätze, und dass es kein Reichsmajestätsrecht gebe,
in dem der Kaiser nicht das Vornehmste in Beschliessung und
Execution leichswegen zu thun hätte; dass der Kaiser keinen
Höheren über sich erkenne als Gott und das Schwert, (nisi
Deum et ensem), und dass alle dem Kaiser nicht nur Treue,
sondern auch Unterwerfung schwüren. *)
Die Vorkämpfer der ständischen höchsten Gewalt führten
ihren Beweis mit allgemeinen Sätzen, wie „constituens majus
est constituto", dependens non est majus dependente", und ver-
weisen auf constitutio und exauctoratio des Kaisers, sowie auf
seine rationis reditio den Ständen gegenüber. ^)
Nur scheinbar ist der Widerspruch der Monarchomachen,
denn sie sprechen dem Fürsten die höchste Gewalt nur ab in
ihrer Eigenschaft als Hauptmerkmal der Souveränetät, die sie
ihm überhaupt bestreiten. Gegen den Begriflf richten sie sich
nicht, sondern gegen die Trägerschaft, und Träger der Souve-
ränetät ist ihnen das Volk.
üebel daran waren die Anhänger der doppelten Majestät
nach denen die wahre Souveränität, die majestas realis, sich
beim Volke befinden und von diesen die majestas personalis
auf den Herrscher übertragen werden soll, mit dessen Tode
sie untergehe, um dann von neuem vergeben zu werden. Teil-
ten sie die höchste Gewalt dem Volke zu, so stand die Souve-
4) Eeinkingk, I, Cl. 2, c. 2: Suimnus ille dicitur, qui nullius
imperio tenetur, et caeteros cives tum universos tum singulos coercere
potest, definitore Bodino 1. 11. c. 6 de republ. Primum membrum defini-
tionis Bodianae optime convenit imperatoris, quia is nullius tenitur im-
perio et neminem nisi Deum et Ensem superiorem cognoscit. — Pfeif-
finger, ni., Tit. 13, § 8. — Spener, IV. c. 4, § 2.
5)Hippolithus a Lapide^I. c. 3. — Eeinkingk, I.
Cl. 5, 0. 9 führt die GrUnde der Vertreter der ständischen Souveränetät an.
— u —
ränetät des Herrschers unter dieser liöcLsteu Gewalt, war also
eine Souveränetät und zugleich auch keine, ein Widerspruch,
der die Vertreter der Herrschermajestät veranlasste, die majestas
realis, welche noch aclu auf dem Volke beruhen solle, ein
blosses „non ens'^ zu nennen. Man schrieb deshalb die höchste
Gewalt dem Fürsten zu. So stiess die widerspruchsvolle
^ Theorie der doppelten Majestät bei jedem Schritt auf Schwi^rig-
^ keiten und musste bald auf Seite der Fürsten — , bald auf die
der Volkssouveränetät treten, Nach ihr hätte es eigentlich im
Staate zwei höchste Gewalten gegeben, wovon dennoch die eine
der anderen als „höhere" übergeordnet wäre, Pufendorf, Böhmer
und Sündermahler halten sie für absurd und verderblich, Kreitt-
mayer für ein „non ens" und nur Brückner erklärt sie „sub
grano aligno salis" für annehmbar, wobei er ihr jedoch einen
ganz anderen Sinn giebt, nämlich in der majestas realis eine
Herrschaft über die Sachen, in der majestas personalis die höchste
Gewalt über die Personen erblicken will. ®)
Das achtzehnte Jahrhundert hatte der Lehre von der
doppelten Souveränetät keine Verteidiger mehr zu bieten.
Der Souverän ist im Staate allen vorgesetzt und ausser-
halb keinem höheren unterworfen. Das ist die oft wieder-
kehrende Unabhängigkeit der summi imperantes sowohl respectu
subditorum als exterorum; also eine innere und eine äussere
>^ Seite der höchsten Gewalt.
Im Innern ist. sie die allumfassende Grundgewalt, die
Quelle aller anderen Gewalten, und als ihre Objekte nennt
Bodin die cives ac subditi. Aber schon sein deutscher Kritiker
Paurmeister findet die Definition auch hierin zu eng: die Sou-
veränetät beziehe sich nicht nur auf freie Personen und Sklaven,
die der obersten Staatsgewalt beständig unterworfen sind, son-
6) P uf e n d or f , (De J. N. & G.) VH. c. 6, § 4. - Sünder-
mahler, § 5. — Kreittmayr, § 5. — Böhmer, I. c. 4, § 22. —
Brückner, § 7.
-^lo-
dern auch auf Nicbtunterthanen, die im Land contrahieren,
Delicte begehen oder liegenden Besitz haben ^) Die Juristen
des achtzehnten Jahrhunderts stehen fast durchweg auf dem
Standpunkt des Territorialitätsprinzips ; ^) am häufigsten trifft
man die Wendungen „summa potestas in territorio*' oder „in
civitate*'; viele erwähnen die Objekte der obersten Herrschaft
überhaupt nicht, und nur ganz selten sind ,,cives et populus'*,
„cives et subditi".
Aber nicht allein die sogenannte innere Souveränelät war
wesentlich; auch nach aussen musste der Staat, wenn er sou-
verän sein sollte, von jeder anderen Macht unabhängig sein.
Zur Zeit Bodins gab es verschiedene Rechtsverhältnisse zwischen
zwei Staaten, welche die Abhängigkeit des einen vom andern
oder gewisse Leistungen des einen an den andern zur Folge
hatten, und Bodin und seine Zeilgenossen untersuchten, ob und
inwieweit diese obligatorischen und Gehorsamspflichten sich mit
der Souveränetät des verpflichteten Staats vertrügen. Insbe-
sondere waren es Tributpflicht, Klientel und Vasallität, die sie
beschäftigten. Bei der Tributpflicht stellten sie fest, dass das
tributum coactum die Souveränetät aufhebe, nicht aber die
pensio libera. Die Elientelstaaten galten ihnen als souverän,
7) Paurmeister, I. c. 3, No. 27.
8) Böhmer, I. c. 4, § 23: Dirigitur haec summa potestas in per-
sonas territorio imperantis comprehensas, prout fiiiis reipublicae hoc exigit.
Cum autcm omnis summa potestas hodie ferc certo dislricta terminetur,
in de est, quod in omnes indistincte personas sese exten dat, quae in illo
territorio deprehenduntur, sive sint perpetui subditi, sive temporarii.
Nam et peregrini interim potestatem haue agnoscere et se accomodare
ad loci leges debent, qaatenus in illo loco versantur, et leges eis quoque
applicari possunt. Hinc est, quod ob delictum in extraneos statui possit,
et quod, si actus sit expediendus, imprimis expediri secundum loci statuta.
§ 26. Imo non tantum hie comprehenduntur bona subditorum, sed etiam
extraneorum, quatenus finibns ejus territorii sint inclusa; nam his quoque
potest legem dicere etc. ... — Neck er, I. c. 5, § 13. — V er gl. in § 1
die Definitionen von Brückner, Böhmer, Schmier, Neckar, Kreittmayr,
Schrodt, Brunnemanu.
— 16 —
und auf die sehr bestrittene Frage, ob der Vasall souverän sei,
fanden sie nur eine gewissermassen dingliche Lösung: bezüglich
des Lehnguts war es der Lehensmann nicht, was aber seine
Souveränetät bezQglich eines andern Besitzes nicht ausschloss. ^)
Die herrschende Meinung des achtzehnten Jahrhunderts
sah in der Tributpfiicht, Klientel und Vasallität an sich keinen
Hinderungsgrund für die Souveränetät, sofern diese Ver-
bindlichkeiten nur mit keinen anderen, die Unterwerfung
mit sich bringenden Umständen verbunden waren. Es kam
also auf die causa dependentiae an, auf die Frage ob die Ab-
hängigkeit von einer wirklichen Unterwerfung herrühre oder
nur aus einem Vertrag zwischen Gleichgestellten. *®) Anders
gingen die Darsteller speciell deutschen Staatsrechts vor, die
von diesen Rechtsverhältnissen meist nur die Vasallität in ihre
Betrachtungen zogen: die Abhängigkeit von einem Lehensherrn
und die Verpflichtung zu Gehorsam und Treue gegen eine
9) E. Hancke, Bodin, Seite 13—17.
10) B ö h m e r, I. c. 4, § 15 : Verum circa dependentiam quoque
considerandum, an sit vere talis, h. e. ita comparata, ut contra voluntatem
superioris nihil agi possit, sed omnia ejus arbitrio adhuc subjecta sint,
au vero apparens, quae summitati non vocet. § 16: Dcinde causa de-
pendentiae eruenda, utrum ex simplici subjectione ortum trahat, an vero
tantum ex pacto inter aequales inito, quae tantum Obligationen! per-
sonalem in altero operetur. lila tantum summitatem tollit, non vero
haec. § J7: Proindi concludo, nexum feudalem summac potestati non
nocere, si illa nuUa comitatur alia subjectione, cum praestatio fidelitatis
vasalliticae non procedat ex cogente imperio Domini directi, sed contractu
feudali. — § 18: Imo summae potestati nihil detrahitur, si vel maxime
minus potens se potentioria clientelae subjicit, modo praeter casum
defensionis, et quae praeterea in pacto clientelari sunt promissa, respiciat.
Facile tamen degenerare potest tale jus in subjectionem, unde vulgatiim
dictum: Schirmherren werden Sturmherrren. — Kreittmayr, §5:
Das Schutzrecht oder die blosse Lehenpflicht und Tributpflicht oder
Ziusbarkeit stehet derselben nicht entgegen, sofern diese Verbindlichkeiten
nur mit keinen anderen, die Subjection nach sich ziehenden Umständen
verbunden sind. — S ch rod t, I. c. 4, §§ 23, 24, 27, 28, 35. - Hugo
G r o t i u 8 , III. c. 3, § 23. — Bodin, I. c. 9. — Dagegen vergl.
A r n i s a e u s , P. I. c. 5. No. 20.
— 17 —
andere Gewalt widerstreite der Souveränetät, ohne jedoch den
Lehensmann sogleich zum Staatsbürger und Unterthan zu
machen. ") Da die Gehorsamspflicht nicht eine einseitige, per-
sönliche Verpflichtung, sondern vom Besitz des Lehensgut ab-
hängig war, so ergab sich wieder obige, gewissermassen ding-
liche Lösung. ^^)
11) Struo, c. 29, 316. — Selchov, § 159. — Puferdorf,
(De Statu Imp. G.), c. 5. i. f.
12) J. J. Moser, (Von den Teutschen Reichsständen). I. c. 1. § 19.
2
§ 3. Die Entbundenheit vom Gesetz.
Schon bei den gelehrten Publizisten des zwölften Jahr-
hunderts, die sich mit dem Verhältnis des Staats zum Recht
beschäftigten, findet sich neben anderen römischen Quellen-
sprüchen auch der alte Satz der lex 31 Dig. de legibus T. 3:
„Princeps legibus solutus est." Die Vertreter der Ftirsten-
souveränetät und die philosophischen Staatslehrer verwerteten
ihn zur Entwicklung ihrer Theorieeu vom Herrscher als der
„lex animata", als dem „medium inter legem naturalem et
positivam^ und machten ihn zum Mittelpunkt einer vielhundert-
jährigen, äusserst schwierigen, verwickelten und bis in die
kleinsten Einzelheiten und feinsten Unterscheidungen verästelten
Controversenlitteratur, woran sich die Staatslehrer aller Rich-
tungen und die Philosophen aller Systeme beteiligten. Man
empfand zwar den Zwiespalt zwischen Recht und Macht als ein
Missverhältnis, aber da man sich nicht zu dem Gedanken er-
heben konnte, dass der Staat durch das Recht entstanden sei,
nur durch das Recht bestehe und deshalb das Recht schützen
und weiterausbilden müsse, so verfiel man wieder auf die vom
Altertum überkommene Unterscheidung zwischen positivem und
natürlichem Recht und erhielt so ein Fundament, worauf sich
unter unzähligen Controversen die weitere Entwickelung dieser
Anschauungen vollzog und das auch im achtzehnten Jahrhundert
noch die unerschütterliche Basis bildete. ^)
1) 0. Gierke, Johannes Althusius, VI. Capitel, S. 264—820.
(Die Idee des Rechtsstaats).
— 19 —
Dieses Merkmal der legibus soluta potestas nahm Bodin
in seine Definition anf nnd stellte es als das schlechthin
wesentliche Kriterium wirklicher Souveränetät hin. Aber der
Digestensatz war damals keineswegs unbestritten. Natürlich
eximierten die Monarchomachen den Herrscher, der ihnen nur
Beamter des Volkes war, so wenig wie einen gewöhnliehen
Bürger von der Gewalt der Gesetze, aber auch ihr souveränes
Volk unterwarfen sie den Bechtsvorschriften, und zwar selbst
den rein positiven, da in allen staatlichen Gesetzen göttliche
oder Vernunftsgebote enthalten seien. Der Ansicht der Monar-
chomachen schlössen sich einige andere Juristen an, wie z. B.
Cnjacius, der die EntbunJenheit auf die Befreiung von der lex
Julia et Papia Poppaea und einige Solennitäten beschränkte,
oder Donellus, der dem Herrscher ausdrücklich eine „potestas
legibus adstricta'' zuschrieb, und in Deutschland Pruckmann
mit seinen Anhängern, der in einem eigenen Tractat die abso-
lutistische Lehre bekämpfte und seinerzeit ein neues Prinzip der
solutio entwickelte. ^) Trotz alledem hielt die herrschende
Meinung an der Entbundenheit vom Gesetz als einem speci-
fischen Element der Souveränetät fest, allerdings in verschiedenen
Abtönungen, sodass das Feld für die solutio bald enger bald
weiter war, und die am wenigsten absolutistische Rieh tung so
ziemlich auf das Gegenteil herauskam; aber gerade auch in
diesem Punkte zeigte sich die despotische Herrschaft dieses so
energischen und anmassenden Bodinschen Begriffs, dass man
sich scheute, direkt und offen anzukämpfen gegen das, was er
einst als seine Ansicht hingestellt hatte, oder nur formell ab-
zugehen von dem, was die Welt jahrhundertelang als unantast-
bare Wahrheit zu betrachten gewohnt war.
Viele Verfasser eines speciell deutschen Staatsrechts er-
wähnen in ihren Definitionen die legibus solutio nicht, ohne des-
2) Althnsins, c. 9, No. 21. — Vergl. Gierke, S. 282, Anm.
43—46. — Dagegen: Besold, I. c. 7. No. 3.
2*
— 20 —
halb, dieses Merkmal zu leugnen. Schlechthin wesentliches
Kriterium war ihnen ja die höchste, von niemandem abhängige
Gewalt, die sich auf alles erstreckte, was die gemeinsame
Wohlfahrt erforderte, und nicht die Entbundenheit vom Gesetz. ^)
Auch traten die meisten für die Souveränetät des Kaisers ein,
und schränkten deshalb, wie den Begriff überhaupt, so auch
die einzelnen Merkmale ein. Aber da sie dem Souverän die
höchste Macht zusprachen, mussten sie ihn notwendigerweise
auch über die Gesetze stellen. Zugleich erforderte gerade die
von ihnen so oft betonte „allgemeine Wohlfahrt", dass dem
Herrscher in seinem Wirken die Hände nicht gebunden seien.
Der innere Grund für die solutio legibus ist der Charakter der
Souveränetät als höchste Gewalt. „Wer könnte jenem, der die
höchste Macht im Staate hat, von niemand gezwungen und ge-
hindert werden kann, Gesetze geben"? Der Fürst sei keinen
Gesetzen unterworfen, wie ja schon Aristoteles versichere;
weder seinen eigenen, noch denen seiner Vorgänger, weder
„directive", noch „coahtive".*) Aber auch die wärmsten Ver-
fechter der Fürstensouveränetät, obgleich sie den von den
Jesuiten aufgestellten Unterschied zwischen der vis coactiva
und der vis directiva der Gesetze bekämpften und eine recht-
lich verpflichtende Kraft ohne Möglichkeit äusseren Zwanges
leugneten, verfehlten nicht, wenigstens auf die ethische Pflicht
des Herrschers zur Befolgung der Gesetze hinzuweisen, dem
3) Vergl. in § 1 die Definitionen von Brückner, Böhmer, Schmier,
Strauss, Necker, Pütter, Kreittmayr, Schrodt, Brunnemann.
4) G. H. Brückner, § 6.: ... Atque exinde Principem legibus
civilibus seil, non vero naturalibus et divinis solntum elicitnr: qnis enim
illi, qui summum in Eepubl. agit, qni non impediri, non judicari ullo
potest arbitrio, Leges ferat? qnod et Aristoteles 1. 4. Pol. c. 14 authori-
tate sua confirmat. — J. V. Strauss, c. 2, § 1 : Propriis enim nee
suorum praedecessorum legibus nee directive nee coactive obligatur.
— Schrodt, P. IL c. 1, § 22: Ex adverso, quum leges civiles praeseri-
bantur subditis, consequens est, imperantem legibus positivis a se latis
obligari neque quoad vim directivam, quae ex ipsa lege civili resultat.
— 21 —
Fürsten vorzustellen, dass es seiner Majestät nicht widerstreite,
wenn er aus freiem Willen nach dem Gesetz lebe und so durch
sein Beispiel die Bürger zu deren Beobachtung „einlade und
ködere**. ^)
Die Entbundenheit erschien als Consequenz des Souve-
ränetätsrecbts der Gesetzgebung. *) Der Herrscher gab die
positiven Gesetze, und konnte durch sie doch nicht gebunden
sein, da er sie jeden Augenblick verändern oder wiederaufheben
konnte. Aber es gab noch andere Satzungen, über die er nicht
frei verfügen konnte, wie es über dem „summum" im Staate
noch ein „superius** gab, das göttliche Gebot. Den „mensch-
lichen** Gesetzen, den „legibus positivis, proprie talibus** war
er nicht unterstellt, wohl aber dem göttlichen und natürlichen
Recht. Denn das sei nicht vom menschlichen Willen aufgestellt
und könne nicht verändert werden. Kein Mensch sei entbunden
von der Befolgung der Gesetze, die ihren Ursprung von Gott
selbst ableiteten, die die Begeln göttlicher Gerechtigkeit und
göttlichen Willens enthielten, auch der Fürst nicht, der hier
als inferior unter den Geboten eines superior stehe. Wie Gott,
so war auch die Natur älter als der Souverän, und auch dem
Naturrecht, das von der göttlichen Vorsehung aufgestellt und
den menschlichen Herzen eingegraben sei, stand der Herrscher
nur als Mensch gegenüber. Was Ehrfurcht, Frömmigkeit und
gute Sitten verletzte, das konnte dem Fürsten ebensowenig wie
dem Privaten erlaubt sein. '^) Die Ansicht Hobbes, der dem
5) F r. Schmier, II. c. 3. No. 1 : Est quoque legibus positivis
proprie talibus non aliter quam ex propria voluntate obligata. — Lyncker,
§ 29 : Legibus autem vivere suoque exemplo praeire subditis, non pugnare
cum Majestatis natura. — S ehr o dt, P. II. c. 1. § 22. — Neck er,
P. I. c. 6.
6)HippolithusaLapide,P. I. c. 5. — Schrodt, P. I.
c. 1. § 22.
7) Lyncker, § 29: Caeterum illud facile intelligitur, Caesarem
L. L. non tantum divinis teneri, quae immotam divinae justitiae et volun-
tatis regulam continent, et ad omues homines respiciunt, sed et natura-
Datürlichen Recht den Charakter des Rechts überhaupt absprach,
teilte in allen ihren Gonseqnenzen wohl niemand mehr, wohl
aber konnten sich noch Viele von seinem Einflüsse nicht ganz
frei machen. Das sieht man am deutlichsten bei Pufendorf und
seinen Anhängern. Seine Lehre ist Hobbes' schroffer Absolu-
tismus gemässigt durch Grotius Vertragsideen. Pufendorf trat
zwar energisch für den Rechtscharakter des jus naturale ein,
aber an Stelle des „jus inutilie** setzte er doch nur ein ,Jus
imperfectum*' : es gelte nur dann im Staate, wenn der Souverän
es sanctioniert habe, und nur eine „obligatio imperfecta" ver-
binde den Herrscher zur Befolgung der Naturrechtssätze. ®)
Wenn nun aber der Souverän das göttliche und natür-
liche Gebot doch verletzt? Die Vertreter aller Richtungen ent-
banden hier die Unterthanen vom Gehorsam, und man berief
sich auf den Bibelspruch, dass man Gott mehr gehorchen solle
als den Menschen. ®) Dieser Satz war die Quelle aller revo-
lutionären Ausflüsse des Mittelalters, der Ausgangspunkt für
libus, qüae divina quadam Providentia constitutae hominumque cordibus
inscriptae adeoque immutabiles permanent. — R e i n k i n g k , I. Cl. 3.
C. 12: Leges divinae morales, quod attinet, eis principem solvere plane
velle, impium est, cum inferior non Sit solutus legibus superioris. Idem
Judicium esto de legibus naturalibus, quae vitae honestatem morumque
integritatem concernunt, qui hac divina quadam Providentia sunt con-
stitutae et quia Naturae vinculum Principis authoritatem superat, quia
respecta juris naturalis Princeps non considerandus ut princeps, sed ut
homo. — Hippolithus aLapide, P. I. c. 5. — Paurmeister,
I. c. 6. No. 7. - Pufendorf (J. N. & G.), Vin. c. 1. § 2. -Böhmer,
I. c. 5. § 5—20. — Strauss, c. 2. § 1. — Kreittmayr, § 5. —
Brückner, § 6. — Schlözer, Abschn. I. § 2.
8) Pufendorf (J. N. & G.), VII. c. 8 u. 9; Vni. c. 1.
9) Schrodt, P. III. c, 1. § 7: Quando quidem tarnen obligationi
legis naturalis et divinae positivae, et quidquid mandato. Dei contrarium
est, extra terminos est imperii humani; facile patet, subditis in statu
civitatis superesse jus non obediendi, si imperans in moralibus legi
naturali, aut divinae morali notorie repugnantia praecipiat. Idque coii-
firmat doctrina sacrae scripturae : obedire oportet Deo magis quam homi-
nibus. — Necker, L c. 17, § 6. — Böhmer, III. c. 2. § 6. —Kreitt-
mayr, § 84.
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die monarchomachische Lehre vom Widerstandsrecht. Direkt
ergab sich daraas allerdings nur ein Recht des passiven Wider-
standes, aber die Lehre vom Herrschaftsvertrage gab den
Monarchomachen die Brücke hinüber ans andere Ufer, zum
aktiven jus resistendi; da das Volk dem f'ürsten die Macht
vertragsmässig übertragen hatte, konnte es sie „justis de causis"
wieder zurückfordern; wie fast immer, so hatten auch hier die
Vorläufer der modernen Demokratie die weiteste Consequenz
gezogen, die sich aus der Vertragstheorie ziehen liess, und deren
einzige, allerdings nicht zu unterschätzende Schranke in den
Worten Justis de causis" lag. •*) Solch zureichenden Grund
zum Widerstand gestanden sie niemals dem guten und gerechten
König, dem Monarchen im Sinn des „pater patriae'^ gegenüber
zu, sondern allein dem Tyrannen, den sie dem Leser in den
düstersten, abscheulichsten Farben vorführten. ^*) Beim Ty-
rannen selbst unterschieden sie wieder in tyrannus absque
titulo und tyrannus quoad exercitium. ^^) Ersterer war als
„hostis publicns** vogelfrei und konnte selbst nach Ansicht der
Absolutisten von jedermann getötet werden. ^') Mit dem
tyrannus quoad exercitium, der auf Grund des Vertrages ein
Recht auf seine Stellung hatte, musste man glimpflicher ver-
fahren, ihn zuerst warnen und auflfordern, von seinem ver-
werflichen Treiben abzulassen; erst wenn diese Ermahnungen
9a) Buchananius, S. 32. — Jun. Brutus, S. 156 ff. — ßos-
saeus, c. 2. § 7. — Boucher, I. c. 4; c. 9—30. — Salamonius,
S. 30. — Danaeus, S. 41. — Hotomanus, S. 56, 76.
10) Salamonius, S. 47 ff. — Eossaeus, c. 3. — Boucher,
III. c. 13—19. Buchananius, S. 3 u. S. 21 ff. — Jun. Brutus,
S. 146 ff.
11) Salamonius, S. 50. — Boucher, S. 266 ff. — Eos-
saeus, S. 143 ff unterscheidet noch: 1) tyrannus quoad bona, i. e. qui
leges contemnens rapaciter subdito^rum bona eripit; 2) tyrannus, qui contra
leges reipublicae dominatur; 3) tyrannus, qui fidem Christianam violat
et vastat; daraus folgt: rex haereticus, eo ipso tyrannus.
12) Boucher, S. 266 und 350. — Jun. Brutus, S. 156 ff.
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erfolglos bleiben, ist Widerstand gegen seine Befehle und sogar
eine Bestrafung nicht nur erlaubt, sondern zugleich seine
Pflicht, und zwar sonderbarer Weise eine Pflicht der Magistrate;
nicht der Gesammtheit der Magistrate, die man bei jeglichem
Mangel der Kenntnis von der Staatseinheit auch nicht kannte,
sondern des einzelnen öffentlichen Beamten. Man hatte eben
das OeffihI, dass es beim tyrannus quoad exercitium oft sehr
schwierig sei, zu erkennen, ob er seine Befugnisse übertreten
habe, und wollte dem „beschränkten Unterthanenverstand*' hier
keine Entscheidung fiberlassen; jedenfalls liegt hier nicht der
Ausgangspunkt ffir die Theorie von der potenzierten ünter-
thanenqualität der Beamten. ^^) Nur in zwei Fällen durfte der
Unterthan eingreifen : auf Befehl eines Beamten und wenn
Gott selbst ihn inspirierte; aber man hatte kein rechtes Zu-
trauen zur göttlichen Inspiration und warnte vor falschen Pro-
pheten, wie vor Thomas Münzer. ") Wird aber erst einmal
aktiver Widerstand geleistet, dann ist auch der Tyrannenmord
nicht mehr weit, für den alle Monarchomachen mit Ausnahme
von Hotomanus eine Lanze brechen und dabei mit begeisterten
Worten solche „facinora memorabilia^' aus der Geschichte an-
führen. «)
Schon im Altertum war die Lehre von Tyrannenmord
dem Volksbewusstsein nicht fremd, wie uns die alten Gesänge
zum Lobe der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton be-
weisen, und der Franziskaner Jean Petit konnte sich, als er
den auf Anstiften Johannes von Burgund 1407 an Ludwig von
Orleans verübten Mord verteidigte, auf die Bibel, auf Aristo-
teles, Cicero, Haies, Johann von Salisbury und Thomas von
13) Bnchananins, S. 39.
14) Jun. Brutus, S. 179 u. S. 66. — Johann Calvin, Insti-
tutiones Christianae religionis. Genf 1559. S. 661. — Danaeus, S, 147.
15) Boucher, III. c. 15—18; Jun. Brutus, S. 165. — Bucha-
naniug, S. 88. — Salamonius, S. 82. — Danaeus, S. 42.
— 26 —
Aquino berufen. Ebenso predigten die Brüder vom freien Geiste
unter ihren andern anarchistischen Doktrinen auch die Lehre
vom Tyrannenmord und sogar vom heiligen Stuhle wurden sie
schon zur Zeit der Regierung Heinrichs IV. gefördert. ")
Bekannt sind auch die Schwankungen der Reformatoren
über Existenz oder Nichtexistenz eines jus resistentiae. Nach-
dem Luther 1630 jedes Recht des Widerstandes gegen den
Kaiser negiert hatte, vertheidigte er neun Jahre später in
einem zusammen mit den Theologen Justus Jonas, M. Bucer
und Philipp Melanchton erlassenen Gutachten die Gegenwehr
sehr bestimmt und ausdrücklich. ^^)
Die herrschende Meinung der deutschen Staatslehrer
verwarf jedes Recht des bewaffneten Widerstandes und stellte
dem „jus resistendi" der Monarchomachen ein Jus passi-
vum subditorum non resistendi'' gegenüber, welches fortbe-
stehen soll, auch wenn man dadurch in die höchste
Lebensgefahr kommt; selbst wenn einem der Souverän unge-
rechterweise das Leben nehmen wolle, dürfe man keine
Gewalt gegen ihn anwenden. ^^) Es handelt sich hierbei
16) R. Treu mann, Die Monarchomachen, S. 41—48.
17) Luthers Brief an den Kurfürsten Johannes vom 6. März
1530. — Aus dem Gutachten der Theologen Luther, Jonas, Bucer und
Melanchthon aus dem J. 1639 u. a. der Satz: „Wie das Evangelium der
Obrigkeit Amt bestätigt, also bestätigt es auch natürliche und gesetz-
liche Rechte. ~ Und ist nicht Zweifel, ein jeder Vater ist schuldig,
nach seinem Vermögen Weib und Kind wider öffentlichen Mord zu
schützen. Und ist kein Unterschied zwischen einem Privatmann und
dem Kaiser, so er ausser seinem Amt unrecht G-ewalt und besonders
öffentliche oder notorie unrechte Gewalt vornimmt; denn öffentliche
violentia hebt auf alle Pflichten zwischen dem Unterthan und Oberherrn,
jure naturae".
18) N e c k e r , I. c. 17, § 6. i. f.: Wenn gleichwohl ein jeder Unter-
than bei der Aufrichtung der Bürgerlichen Gesellschaft sich verbindet,
das allgemeine Beste dem Besonderen vorzuziehen, so ist es seine
Schuldigkeit, lieber schwere Drangsalen über sich ergehen zu lassen, als
durch eine einseitige Selbstgewalt sein Recht zu beschützen, und dadurch
den ganzen Staat in Unheil und Verderben zu bringen. — Schrodt,
P. in. c 1. § 14: Atque hoc jus subditorum passivum non resisteudi
Bumxno imperanti perdurat etiam in gravissimo et extreme vitae periculo.
— 26 —
nicht allein um die Unverletzlichkeit des Souveräns, sondern um
eine Folge aus dem Unterwerfungsvertrag, wonach der Einzelne
gegenüber der Allgemeinheit immer zurücktreten muss. Bleibt
dem Unterthan nicht mehr die Rettung durch die Flucht, die
ihm allerdings erlaubt wird, so soll er eher sterben, als den
Herrscher töten, weil daraus für den Staat Zeiten schwerer
Greuel und Unruhen fliessen würden.
Dem natürlichen Recht wurde das den Völkern gemeinsame
Recht, das jus gentium gleichgestellt. ^')
Auf diese Weise hatte man nun schon ein grosses, vor
der Willkür des Herrschers geschütztes Rechtsgebiet erhalten.
Aber das Feld der solutio legibus wurde immer noch enger be-
grenzt. Der Standpunkt Hobbes, dass das Eigentum des
Bürgers Eigentum des Regenten sei und die Rechte des Volkes
ein Gut des Fürsten, woraus er machen könne, wozu seine Lust
ihn treibe, war längst überwunden. Man spricht den souve-
ränen Herrn nicht mehr von aller Pflicht und Verbindlichkeit
Quapropter subdito jus defensionis violentae contra principem, aggres-
sorem vitae etiam injustum, non competit. — Pufendorf, (De J. V.
et G.)i Vn. c. 8. § 1: Atque illud quidam a nemine cordato in dnbium
revocatur, quia nefas sit, imperantibus, quamdin intra potestatis suae
limites versantur, resistere. Nam ex fine et indole imperii adparet, cum
ipso necessario conjunctam esse debere Obligationen! non resistendi, i. e.
citra reluctant jam parendi, faciendo vel omittendo id, quod ab isto
injungitur. Enimvero de hoc potissimum disceptatur, an, si summus
imperans subjecto praeter fas quid imperet, aut quam vis injuriam
intentet, tunc quoque sacrosanctus sit, sie ut nullo modo ea injuria per
vim a subjecto repelli queat? § 2: Equidem Hobesii de cive c. 8 § 7
dogma est, civi a civitate fieri non posse injuriam, sicuti nee servo a
domino idque eo argumento, quo civitate cum cive nuUum intercedat
pactum; (sola quippe pacti violatio ex ipsius mente est injuria), et quia
civis voluntas voluntati civitatis subjecta est, sie ut quidquid a civitate
fit, volonte cive fieri intelligatur. Volenti autem injuriam non fieri trala-
titium est. Enimvero jam supra ostensum fuit, neque injuriam consistere
in sola pactorum violatione „et inter monarcham et cives pactum inter-
cedere. Subjectio autem voluntatis civium civitati facta ex fine hujus
interpretanda et limitanda est. — Kreittmayr, § 34 i. f.
19) Hippolithus a Lapide, P. Lc.6. ~ Strauss, c.2. §1.
— 27 —
gegen seine Unterthanen frei, sondern erklärte die bestmögliche
Beförderung gemeinsamer Wohlfahrt, Erhaltung des Staats und
Beschntzung der Unterthanen von innerer und äusserer Gewalt
and Unrecht für seine aus der Natur und Eigenschaft des
Herrscheramtes selbst unmittelbar fliessende Pflichten und Ob-
liegenheiten. ^°) „Salus populi suprema lex esto"" ist die allen
Souveränen gegebene „generalis lex^. ^^
Das vom Unterthan „ex pacto, lege, privilegio, concessione,
observantia vel praescriptione^* rechtmässig Erlangte, stellte
man unter den Schutz des jus naturae, das ja den Souverän
ebenso band wie seine Unterthanen, und der Herrscher konnte
Ihm diese jura quaesita nicht nur nicht nehmen, sondern musste
ihn darin erhalten und schlitzen, also Jus suum cuique ange-
deihen lassen". **)
Der Satz Senecas, dass alles Sache des Königs sei, wird
allgemein im Sinne eines Hoheitsrechts des Herrschers am
Privateigentum verstanden; der Fürst besitzt alles „jurisdictione,
defensione et protectione'', das wahre Eigenthum kommt den
20) Böhmer, I. c. 5. § 24. — Necker, I. c. 17. § 6. —
Schlözer, Abschn. III. § 8. — Feuerbach, c. 6. i. f. — Kreitt-
mayr, § 32. — Christian Wolff, (Jus Naturae), §§ 995—1034.
21) Pufendorf, (J. N. & G.) VII. c. 9. § 3: Generalis lex sum-
momm imperantium est haec: salus populi suprema lex esto. Plato de
rep. 1. 1: „ Nemo in aliquo principatu imperans, quatenus princeps est,
quod sibi conferat, cogitat aut praecipit, sed quod snbjecto conducat,
et quae dicit, quaeque facit, cuncta ad iUius utilitatem decorumque dielt
et facit.** Ea enim intentione in istos Imperium est collatum, ut per id
procuraretur finis, ob quem civitates sunt institutae. Inde credere iidem
debent, nihil sibi privatum expedire, quod non idem expedit civitati. —
Böhmer, I. c. 5. § 24: G«neratim autem ex lege naturae tan tum lila
imperans potest, quae non adversantur saluti totius corporis civilis, iuxta
vulgatum : Salus populi suprema lex esto. Quae autem huic adversantur,
ad illa agenda jus nullum habet. — S. Stryck, Diss. lU. No. 16. —
Kreittmayr, § 1, § 32. — Christian Wolff, (Jus. Nat.), § 86. —
Thomasius, (Göttl. Rechtsgelahrtheit), III. c. 6. § 163. — Hobbes,
(De cive), c. 18.
22) Schmier, IL c. 3. Np. 78. - Kreittmayr, § 32.
— 28 —
Einzelnen zu, weil es ein „dominiam penes duos in solidnm^
nicht geben könne. ^^) Nur in dem Falle, wo die jura quaesita
des Einzelnen mit Eigentum oder anderen Hechten der Ge-
samtheit oder eines grösseren Teils in CoUision geraten, hat der
Souverän vermöge seines juris oder dominii eminentis ein ,Jus
perfectum'* über die Güter der Unterthanen: er kann Eigen-
tums- und andere Rechte wissentlich aufopfern. ^*) Die Lehre
vom dominium eminens wurde in jener Zeit seit dem Streit
zwischen Hornius und den Wittenberger Gelehrten viel be-
handelt. Wenn auch Manche an der Bezeichnung „dominium'*
Anstoss nahmen, so herrschte doch über die Theorie selbst fast
völlige Übereinstimmung. Auch wurde von keinem Schriftsteller
bestritten, dass der Staat für eine solche Expropriation eine
Entschädigung zu leisten habe; aber einige erhoben sie zur
unbedingten Voraussetzung der Enteignung, andere traten für
die Kompensation nur dann und insofern ein, als sie möglich
ist und die Kräfte des Staats dies ertragen, ^ß) Eine gleiche
23) Strauss, c. 2. § 1: Hinc operosa illa oritur quaestio, an
Princeps ex plenitudine potestatis possit sine justa causa alicui aufferre
jus quaesitum, resolvo negative, ne injuriarum oriatur occasio, unde
Jura nascuntur, nee refert quod omnia sint principis, nam inteliige fis-
calia et patrimonialia ; nee ad rem facit, quod Seneca 1. I. de Benef.
omnia regis esse dicat. hie enim intelligit, quod Rex omnia Jurisdictione,
defensione et protectione possideat, singuli vero dpminio, quod penes
duos in solidum esse nequit. — Christian Wolff (Jus. Nat.), §§
110 — 114; § 116: Jus eminens tum demum locum habet, quando ejus
usas est medium unicum salutis publicae in casu emergente promovendae.
Jus eminens sola tuetur necessitas, modum autem accipit a salute pub-
lica. - Böhmer, I. c. 4. § 27.
24) Schmier, IL c. 3. No. 87. — Schrodt, P. IL c. 6. § L —
Pütter, (Beiträge) XX., i. f.
25) Christian Wolff, (Jus Nat.) § 119: Si de rebus singulorum
vi dominii eminentis disponitur de publico, quantum fieri potest, ipsis
satis faciendum, nee damnum nisi pro rata ferendum. — Schrodt, P.
IL c. 6. S. 15 : Caeterum cautela Grotii, ut ex communi compensatio fiat
ei, qui vi eminentis dominii suum amisit, vera est, in quantum compen-
satio est possibilis ; secus ergo obtinet, si compensatio physice vel mora-
lites Sit impossibilis. — Strauss, c. 2. § 1: . . . qualitercunque autem
— 29 —
Behandlung wie das Eigentum erfuhr die Person der Unter-
thanen, seitdem der Engländer Locke die „liberty and property^
fär die unangreifbaren Urrechte des Menschen erklärt hatte,
die vor der Staatenbildung bestanden hätten und dem Staat
nur zum Schutz anvertraut worden seien. Nach der Vertrags- '
lehre veräussert jeder von seinem Vermögen und seiner Freiheit
nur den Teil, den das Gemeinwesen nötig hat, der Herrscher
kann den Unterthan mit keiner dem Gemeinwesen unnützen
Fessel belasten, ^^) ja, wie Bousseau (Le contrat social, IL c. 4),
der aus allem die letzte und schroffste Gonsequenz zieht, aus-
führt: er kann es nicht einmal wollen. Da der Gesellschaf ts-
vertrag die Erhaltung der ihn Abschliessenden bezweckt, so
muss der, welcher sein Leben auf Kosten anderer erhalten will,
es, sobald es nötig ist, auch für sie hingeben. Die natürliche
Freiheit ist zwar der höchsten Gewalt unterworfen, aber der
Herrscher darf sie nicht aus blosser Willkür oder Eigennutz
verletzen, sondern nur, wenn die Erhaltung oder das Wohl des
Staates es verlangen. *')
Auch noch in einem Punkte wurde das an sich jetzt enge
Gebiet für die solutio principis weiter verkürzt. Zusammen
mit dem göttlichen, natürlichen und Völkerrecht werden die
„leges fundamentales"* angeführt. Durch seine Versprechungen
und Verträge wurde der Souverän ebenso verpflichtet wie der
Privatmann, denn es Verstösse nichts so sehr gegen Treue und
Glauben der Menschen, als wenn man abgeschlossene Pakte
verletze und das gegebene Wort nicht halte. Das Vertrags-
recht wurde als ein Teil des jus naturale behandelt. Zu den
auferatur, si reipublicae vires id patiantur, justum rei pretium retundi
aequum est. — Grotius, IL c. 14. §§ 7—9. — Kreittmayr, § 14.
— Westphal, c. 7. § 7. — Schmier, III. c. 3.
26) Pufendorf, (J. N. &G.)Vn. c. 1; c. 8 u. 9. - Thomasius,
I. c. 1. § 103. — Schmier, III. c. 3. — Gundling, c. 1. § 50 ff; c. 3.
- Chr. Wolff, (Jus Nat), § 114 ff.
27) Pütter, (Beiträge) XX. — Schmier, IL c. 3. No. 69.
— 30 —
Pacta des Sonveräns zählte man aber nicht nur seine Verträge
mit auswärtigen Staaten, seine Versprechungen und Abreden
mit Privaten, sondern auch seine politischen Zusicherungen an
seine Unterthanen, und unter dem Einfluss der Lehre vom
Herrschaftsvertrage gewann diese gewagte Consequenz immer
mehr Boden. ^®) Dieser Vertrag wird genau wie ein Vertrag
des Privatrechts behandelt; die beiden Con traben ten, Bex und
Populus, werden gleichmässig durch die Abmachungen ver-
pflichtet, und kein Teil kann z. B. die Verfassungssätze ein-
seitig interpretieren. ^^) Nach Bodin verliert zwar der Herrscher
mit Einführung einer Verfassung seine Souveränetät, und Hobbes
kann nicht einsehen, wem sich der Monarch verpflichten solle,
denn, da nach seiner Meinung das Volk durch den Unter-
werfungsvertrag aufhöre, eine „persona moralis" zu sein, fehle
es also an einem Paciscenten.
28) Reinkingk, I. Cl. 3. c. 12: Sunt praeterea leges regni, quae
fundamentales dicuntur, exinde quod per has fundamenta Reipubl. et
consociationls civilis coUigantur, hoc est, per quas princeps tamquam
Caput, imperii proceribus tamquam piis membris unitur in modo regi-
minis et administrationis publicae. Hisce legibus, cum eas in ingressu
regni Princeps, antequam confirmetur mutua cum proceribus conventione
et jurejurando int«rposito servare pro mittat, solutus non est, quia hisce,
tamquam arcta catena et spiritu quasi vitali reipublicae nervi continentur.
Ideoque fundamentalibus et dominandi legibus Principem solvere nihil
aliud esset, quam regui jura couvellere, caput a membris avellere et
Imperium totum pessumdare. — Lyncker, § 29, i. f: Quod vero leges
fundamentales attinet, illae nomen legum non nisi effective sustinent,
neque Leges sunt, maxime quoad Caesarem, formaliter: quin illius intuitu
Conventionis vicem gerunt, et ad illas Imperator obligatur vi volun-
tariae conventionis et promissi : adeoque propter datam fidem ex superiori
naturali jure et sacramento, cum nihil tam congruum sit fidei humanae,
quam pacta servare, et fidem datam, cumprimis religiosam, non fallere.
- Kreittmayr, § 5; §§ 31, 32. — Böhmer, I. c. 5. § 31. — Schrodt,
P. I. c. 4. § 17. - Strauss, c. 2. § 1. - Wolff, (Jus Nat.). § 77;
§ 124; §§ 815-822. - Grotius, IL c. 14, §§ 1 u. 2. - Pufendorf,
(Jus N. & G.) VII c. 5. § 8; VIIL c. 1. - (De off.): IL c. 12. -- Gund-
ling, c. L § 15; c. 12. § 43. —
29) Wolff, (Jus. Nat.), § 320 ff.
— 31 —
Den Verteidigern der Kaiserlichen Sonveränetät in Deutsch-
land jedoch war der Satz „princeps legibus fundamentalibus non
solutus'^ sehr willkommen: Es stehe der Majestät nicht ent-
gegen, wenn mit einem Herrscher abgeredet worden, dass alles,
was er „gegen eine gewisse Kapitulation vornehmen möchte,
null und nichtig sein sollte^, denn die Nullität dessen, was ein
Monarch wider die beschworenen Verträge vornehme, rühre nicht
von einem Oberherrn, sondern, „von der Kraft der genommenen
Abrede her." Und wenn das Reich, weil seine im Vertrag mit
dem Herrscher vorbehaltenen Rechte gar zu sehr verletzt
werden, dies auf dem Reichstag ahnde oder gar genötigt sei,
„die zum höchten Nachteil missbrauchte Majestät gelegentlich
von sich abzuthun*', so widerstreite das doch der Sonveränetät
des Kaisers nicht, denn dann wäre die Majestät völlig ausser
ihre Schranken getreten, und „es würde in solchem Falle mit
dem Kaiser bloss als mit einem Paciscenten, der die Verträge
kränken wollte, gehandelt werden. ^°)
30) Necker, I. c. 5. § 7. — Struv, c. 7. § 1. — Eeinkingk,
1. Cl. 3. c. 12. — B. Schmidt, § 49. — Spener, IV. c. 4. § 2. —
Pfeffinger, I. tit. 7, § 5, und tit. 19, § 2. — J. J. Moser, (Teutsches
Staatsrecht), 11. c. 17. §§ 20, 22. — Graf v. öttingen, c. 4. § 8.
§ 4. Das eigene Recht.
Die französische Definition Bodins enthält das Merkmal
des eigenen Rechts des Souveräns an der Souveränetät, Die
deutschen Theoretiker beschäftigen sich mit diesem Element sehr
oberflächlich ; eine eingehende, gründliche Behandlung findet man
nirgends. In den Kapiteln über die kaiserliche und ständische
Machtstellung wird es hie und da nebenbei erwähnt, und bald
dem Kaiser, bald dem Reich zugesprochen, oder zusammen mit
dem Erfordernis der Dauer überhaupt geleugnet und für un-
nötig erachtet. Nur Böhmer und Schrodt nahmen das Jus
proprium" an der Sonveränetät und den einzelnen Hoheits-
rechten in ihre Definitionen auf. ^) Im Grossen und Ganzen
hält man am Erfordernis des eigenen Rechts fest, ohne jedoch
gerade viel Wert darauf zu legen; schlechthin wesentliches
Kriterium wirklicher Sonveränetät ist es nicht.
Das eigene Recht an der Sonveränetät, die „proprietas"
steht im Gegensatz zum „exercitium" ; der souveräne Herrscher
zum „nudus minister senatus vel populi. ^) Hier begegnen sich
1) Böhmer, I. c. 4. § 35. — Schrodt, P. I. c. 4. § 1.
2) Schrodt, P. I. c. 4. § 3: Si proinde rex, dux vel Princeps
jure proprio imperium tenet, summa potestas ejus est; si jure alieno,
solum exercitium habet, ac nudus minister senatus vel populi est. —
Böhmer, I. c. 4. § 13: Potestas haec, quia summa est, debet esse
independens et exerceri jure proprio. Si esset dependens ab alio, non
esset summa nee absoluta; sed ejus jure exerceretur, a quo dependeret,
et ille demum supremam potestatem haberet, hie vero nudus esset offici-
alis vel minister; imo subditus summi imperantis. — Lyneker, §10:
Subjectum proinde hujus plenitudinis summae potestatis in nostro imperio
statuimus Imperatorem, idque ex hoc fundamento, 1) quod non modo
— 33 —
die Anhänger der Forsten- und die der Volkssouveränetät.
Ersteren war der Herrscher nicht souverän, wenn er seine
Macht nicht kraft eigenen, sondern fremden Bechts und im
Auftrage austtbte; -die Monarchomachen concedierten dem
Fürsten, der ihnen nur Organ, Depositär des Gemeinwillens
war, die Souverän etat überhaupt nicht. Die Lehre von der
doppelten Majestät war auch in diesem Punkte, wie in so
vielen anderen, auf Schwierigkeiten gestossen und hatte gezeigt,
dass sie in den Grundlagen von der der Monarchomachen sehr
wenig abwich und sich als ^elbstständige Doktrin nicht halten
konnte. Wenn ihre Vertreter dem Träger der majestas perso-
nalis auch eine summa, perpetua und absoluta potestas zu-
schrieben, so stimmten sie doch in den Punkten, wo es sich
um eine wirkliche Macht handelte, mit den Monarchomachen
fiberein, und so betrachteten sie auch hier die Souveränetät
als Eigentum des Volkes. Der Herrscher hat nach Berkringer,
Limnaeus, Paurmeister und anderen nur usus fructus, exer-
citium, locatio an den Majestätsrechten. ^) Nach der Theorie
vom Herrschafisvertrage leiteten zwar die Anhänger der
Fürstensouveränetät die Macht des Herrschers ursprünglich
vom Volke ab, aber sie sei ihm nicht „cumulative", sondern
„abdicative" übertragen worden.*) Das eigene Recht braucht
neminem in his terris agnoscat superiorem, .... vero etiam 2) quod
nemini una cum eo, sive conjunctim, nt causae sociae, sive divisim,
Majestas tamquam subjecto proprio, competat. — Thomasius, (De
inj. opp.), § 5: Uti enim Character Majestatis est, esse liberum ab omni
imperio alterius proprie sie dicto et neminem hac parte supra se quam
Deum agnoscere, ita etiam Status imperii hac libertate pollent, et pro-
prio exercent regalia majestatica, non jure ab arbitrio aut imperio alieno
dependente, et inde etiam titulo Dei gratia, Von Gottes Gnaden, gaudent.
— Pufendorf, (J. N. & G.) VIL c. 6. §15 i. f. — Sündermahler,
§ 5. i. f. — Struv, c. 29, § 17. — Hippolithus a Lapide, P.
I. c. 3.
3) Paurmeister, I. c. 3, No. 1 1 : Reges enim non suo, sed
Beipublicae nomine imperium et summam potestatem obtinent. — Ber-
kringer, I. 0. 4, § 6 u. 7. — Limnaeus, I. c. 10, No. 14.
4)Kreittmayr, §5. 2
— 34 —
also Dicht originär in der Person des Herrschers entstanden zu
sein. In diesem Punkte herrschte bei den Lehrern des deutschen
Staatsrechts ziemliche Unklarheit, und Pütter z. B. erklärt zwar
den Kaiser für den Souverän einer eingeschränkten Monarchie,
belässt aber das Eigentum an den Majestätsrecbten dem Reich,
weil Deutschland eine Wahlmonarchie sei.^)
Wie es über der höchsten Macht im Staate noch eine
höhere gab, die göttliche, und wie man den Souverän Gottes
Geboten unterstellte, so erklärten schon Bornitius, Besold u. a.
die überirdische, göttliche Macht als die Quelle der höchsten
staatlichen Gewalt.*^) Hornius vertrat in seiner Schrift über
den Staat diese Auffassung am klarsten und schärfsten: Wie
die städtischen Beamten nicht schon bei ihrer Wahl durch den
Gemeinderat, sondern erst durch den Souverän ihre amtlichen
Gewaltbefugnisse erhielten, so könnten freie Völker, dadurch
dass sie einen Herrscher wählten, diesem noch nicht die Majestät
übertragen; sie bezeichneten einfach die Person, der Gott dann
die Souveränetät verleihe.'')
Sehr interessant sind die Manipulationen der Monarcho-
machen, die theokratische Lehre mit ihrer Hauptwaffe, der
Theorie vom Herrschaftsvertrag, in Einklang zu bringen. Der
Satz des Paulus : Potestas a Deo est, liess sich im Jahrhundert
der Reformation nicht ignorieren, und es handelte sich darum,
entweder eine geschickte Interpretation zu finden oder aus der
Bibel selbst heraus den Vertrag zu rechtfertigen. Im Buche
Samuel (1. Sam., Kap. 9—11) nun fand sich eine Stelle, wo
ein Vertrag ausdrücklich mit dem Willen Gottes geschlossen
worden war: Gott selbst wählte den Monarchen, ordnete aber
5) P ü 1 1 e r , (Instit. jur. publ.), § 129 : Imo pro indole monarchiae
electitiae proprietas jurium, quae vel a solo Caesare exercentur, proprio
penes Imperium est. — (Beiträge), II. § 76.
6) Bornituis, c. 4. S. 17 u. 18. — Besold, I, c. 2. No. 5. u. 6.
7) Hornius, U. c. 1.
— 35 —
noch eine Einsetzung durch das Volk an. Gott fiel die „electio**,
dem Volke die „constitutio" zu.®) Nun hatte man zwar die
Vertragstheorie mit der Bibel selbst bewiesen, aber ihre Conse-
quenzen führten zum Widerstandsrecht, die der theokratischen
Lehre dagegen zur unbedingten Gehorsamspflicht. Und auch
hier half man sich mit der Bibel fiber die Bibel hinweg, denn
sie erklärte: Deum jurisdictione sua uti. Reges delegata tantum.
Gott war also der Lehensherr des Königs, der König Gottes
Vasall ;. die ünterthanen unterstanden mittelbar der Herrschaft
Gottes. »)
In Deutschland lassen sich im siebzehnten Jahrhundert
über die Ableitung der Souveränetät von Gott drei Haupt-
meinungen unterscheiden. Nach der ersten, die von Grotius
stammt, bringt das Volk die Majestät hervor, und Gott lässt
das geschehen. Nach der zweiten, zu der sich die meisten
lutherischen Theologen bekennen, verleiht Gott unmittelbar die
Souveränetät dem Fürsten. Die dritte Ansicht, die Thomasius
und Pufendorf verteidigen, ist eine Mittelmeinung: Gott, als
Urheber des Naturgesetzes, hat auch die Staatengründung
gewollt, und ist insofern indirekt auch die Quelle aller Souve-
räpetät. Thomasius, der der Ansicht des Paulus, welcher im
Staat reine Gottesordnung erblickt, die des Petrus, der den
Staat ebenso entschieden als Menschenwerk bezeichnet, gegen-
überstellt, bekämpft dabei aufs stärkste die Theologen, welche
durch die Religion über alle Vernunftgründe hinwegtäuschen
zu können glauben. ^®) Durch das ganze achtzehnte Jahrhundert
hindurch wird das „origo majestatis a Deo^ betont, auf den
Titel „von Gottes Gnaden" hingewiesen, und die Majestät ge-
radezu definiert als die „höchste, von Gott eingesetzte und
8) Jun. Bratus, S. 67. S. 137 ff. — Boucher, S. 26.
9) Jun. Brutus, S. 6, 4, 21. — vejgl. E. Treumann, S. 53-57.
10) Thomasius, (Fundam. jur. Nat.) III, 6. — (Göttl. Rechtsgc-
lahrtheit) in. c. 3 § 69 ff.
— 36 —
authorisierte Gewalt". ^^) Aber nicht allein Schlözer, der die
Majestät ausdrücklich „Menschen werk** nennt, erklärt das „origo
majestatis a Deo" für eine gefährliche scholastische Grille und
das erst spät aufgekommene ,,Von Gottes Gnaden ffir eine
Eanzlei-Phrasis," sondern auch Spener hält diejenigen fflr keiner
Widerlegung wert, welche „vorgeben, dass die höchste Gewalt
dem Landesherrn von Gott unmittelbar verliehen werde." **)
Eine Quelle vieler Unklarheiten war der oft wieder-
kehrende Ausdruck „Amt," indem man dem Fürsten einer be-
schränkten Monarchie im Gegensatz zu demjenigen einer abso-
luten ein „majestätisches Amt" beilegte. So weist zwar Spener
auf den Unterschied zwischen der Souveränetät kraft eigenen
Rechts und einem blossen Amte hin, teilt aber den Vikarien
„Zeitwährender Administration" eine eigene Majestät zu. Eben-
so hält Kreittmayr die „Reichsverweser und Vormütider" für
souverän, und sogar Böhmer, der an verschiedenen Stellen viel
Wert auf das eigene Recht legt, erklärt, man teile den
„tutoribus regiis" die Souveränetät nicht zu, weil sie nicht das
eigene Recht an derselben hätten, aber „in effectu" seien sie
doch „eo tempore, quo administrant" souverän. ")
Über die Machtqualität des „tutor regius" lagen die da-
maligen Gelehrten im Streit. ^*) Huber, dessen Ansicht sich
auch Grotius und mit geringen Abweichungen Hertius anschloss,
gestand die Ausübung der Hoheitsrechte dem Regenten zu, be-
11) Strauss, c. 2 § 1: Sicut enim omnis potestas a Deo est, ita
quoque per eum reges regnant. et justa decemunt. — Spener, IV, c. 4.
§ 1: Die Majestät ist zu beschreiben als sie seye die höchste von Gott
eingesetzte und authorisierte Gewalt.
12) Schlözer, Abschn. I. § 3. — Necker, I. c. B, § 15. —
Puf endorf, (J. N. u. G. Vn. c. 3, § 3. — (De off.) H. c. 6, § 20. -
Böhmer, I. c. 2. §§ 24 ff.
13) Spener, IV. c. 4, § 1. c. f. c. 9, §4. — Kreittmayr, § B.
c. f. — Böhmer, I. c. 4, § 14.
14) Hnber, I. Sectio Vn. c. 8, § 2. — Grotins, c. 3, § 11.
No. 2. c. f. — Hert, Sect. n. § 10. — Ziegler, I. c. 1, § 42.
— 37 —
Hess aber das Eigentum an der Sonveränetät beim unmfindigen
Thronfolger. Ziegler dagegen erblickte im Regenten den
Souverän, da kein Höherer über ihm stehe, der seine Akte
widerrufen könnte, weder das Volk, das die oberste Herrschaft
überhaupt nicht habe, noch der Bevormundete, der die Herr-
schaftsrechte nicht ausüben könne. Böhmer vertrat gleichsam
eine Mittelmeinung, wenn überhaupt eine solche zwischen den
Ansichten, ob souverän oder nichtsouverän möglich ist. Dabei
verlegte er den Schwerpunkt vom eigenen Recht weg in die
Unabhängigkeit: Der Regent habe allerdings die höchste
Gewalt nicht kraft eigenen Rechts, sondern im Namen des
Pupillen ; aber das zeige nur, dass es sich nicht um eine dauernde
und nicht um eine auf die gewöhnliche Art erlangte Herrschaft
handle; die „snmmitas imperii^ aber, welche hauptsächlich in
der Independenz bestehe, werde dadurch für die Zeit der
Regentschaft nicht aufgehoben, solange der „tutor regius^'
regiere, sei er „in effectu" souverän; erst mit beendeter Vor-
mundschaft müsse er Rechenschaft ablegen.
§ 5. Die Dauer.
Nach Bodin ist der Herrscher nur daon souverän, wenn
ihm die höchste Gewalt nicht auf bestimmte Zeit übertragen
ist, sondern dauernd zusteht, nur mit ihm selbst untergeht
und nicht aus Gründen endigt, die ausserhalb seiner Person liegen. ^)
Über dieses Souveränetätsmerkmal fliessen die deutschen
Quellen noch spärlicher als über das Element des eigenen
Rechts. Nur zwei Definitionen enthalten die Perpetuität; be-
sonderer Wert wird fast von Keinem darauf gelegt, und nur
aus beiläufigen Bemerkungen ersieht man oft, ob man sich dafür
erklärt oder es leugnet. ^)
Seitdem Grotiüs dem römischen Diktator, dem Reichs-
verweser und Regenten die Souveränetät zugesprochen hatte,
weil ihre Regierungshandlungeu ganz dieselben Wirkungen er-
zengten wie die von Monarchen auf Lebenszeit und von Niemanden
1) B o d i n u 8 , I. c. 8. ps. S. 103 : Perpetuam diximus esse oportere,
quia fieri potest, ut uni pluribusve summa in cives potestas nee tarnen
perpetua tribuatur, sed ad breve tempus, cujus decursu summa potestate
abdicant. Non igitur summi principes dici possunt, sed potius summae
potestatis ac imperii custodes tamdiu sunt, quoad summus princeps
popususve depositum Imperium reposcat, cujus ipsi sunt possessores
verissimi ac domini.
2) S trau SS, c. 2, § 1. c. f. unde nunc patet, quod majestas
nihil aliud sit, quam summa ac perpetua in subditos potestas. — Schmier,
II. c. 3, No. 1. c. f. : est perpetua certoque tempore neutiquam adstricta. —
Brückner, § 7. — Spener, IV. c. 9, §4. — Böhmer, I. c. 4, § 14.
— Kreittmayr, §5. c. f.: Die Dauer und Beständigkeit ist keine
notwendige Eigenschaft des höchsten Gewalt, wie man zum Exempel
an Eeichs Verwesern und Vormündern oder jenen, so die Begier ung
niedergelegt haben, ersehen hann.
— 89 —
widerrafen werden könnten, wurde unter den deutschen Ge-
lehrten die Frage, ob es einen „monarcham temporarium^ gebe,
viel erörtert. Die meisten und besonders die hervorragenden
Schriftsteller erkannten zwar, wie schon Bodin, dass der Diktator
nur ein ausserordentlicher Beamter sei, und erklärten, dass
eine dauernde Gewalt eine grössere Würde verleihe als eine
vorübergehende, auf Zeit verliehene, aber den Hauptgrund,
der diese Gewalthaber vom Souverän unterschied, erblickten
sie nicht im Moment der Dauer, sondern kamen immer wieder
auf das Element des eigenen Rechts im Gegensatz zum Auf-
tragsverhältnis zurück. ^)
3) Grotius, I. c. 3, § 11, No. 1: Altera cautio haec est. Aliud
esse de re quaerere, aliud de modo habendi, quod non in corporalibus
tantum, sed et in incorporalibus procedit. Ut enim res est ager, ita et
iter, actus, via. Sed haec alii habent jure pleno proprietatis, alii jure
usufructuario , alii jure temporario. Ita summum Imperium Dictator
Romanus habebat jure temporario: Reges denique [tam qui primi eli-
guntur, quam qui electis legitimo ordine succedunt, jure usufructuario:
At quidam Beges pleno jure proprietatis, ut qui justo beUo Imperium
quaesiverunt, aut in quorum ditionem populus aliquis majoris mali
vitandi causa, ita se dedidit, ut nihil exciperetur. 2) Neque enim illis
assentio, qui Dictatori negant fuisse summum imperium, quia perpetuum
non erat. Nam rerum moralium natura ex operationibus cognoscitur:
Quare quae facultates eosdem effectus habent, eodem nomini nuncupandae
sunt. At Dictator intra tempus suum omnes actus eodem jure exercet,
quo Rex, qui est optimo jure; Neque ejus actus ab alio reddi irritus
potest . . . Duratio autem naturam rei non immutat, quamquam si de
dignitate quaeritur, quae majestas dici solet, dubium non est, quin ea
major sit in eo, cujus jus perpetuum datum e^t, quam cui temporarium,
quia ad dignitatem facit habendi modus. Atque idem dictum volo de
his, qui antequam Reges ad suam tutelam pervenerint, aut dum furore,
aut captivitate impediuntur, curatores Regni ita constituuntur, ut populo
non subsint, neque ante legitimum tempus potestas eorum sit revoca-
biüs. — Schrodt, P. I. c. 4, § 11: Attamen in eo vehementer errat
Grotius, quando eo simul loco majestatem temporariam tribuit tutoribus
aut curatoribus regiis, quo tempore minorennitatis regiae, aut dum furore
vel captivitate Rex impeditur, sunt constituti. Quamvis enim potestas
tutorum vel curatorum regiorum vel sit dependens a populo, neque ante
legitimum tempus revocari queat, ex natura tamen tutelae vel curatelae
constat, tutoribus vel curatoribus regiis administrationem regni conferri
non jure proprio, sed jure alieno. Quamobrem praecipuus character
— 40 —
Als schwierig galt auch jene andere Frage, ob die Herr-
schaft des Souveräns aufhöre, wenn er nicht mehr im Stande
sei, einen Teil des Volkes zu schützen und zu vertheidigen, m.
a. W., ob es einem Teil des Staates, der sich nur noch durch
eigenmächtige Trennung retten könne, erlaubt sei, sich vom
Staatskörper loszulösen und sich einer fremden Herrschaft zu
unterwerfen. Man erkennt in diesen Fragen unschwer die
gleiche Tendenz wie in Leibniz Souveränetätslehre : eine durch
die Form wissenschaftlicher Untersuchung verblümte Aufforderung
an die deutschen Staaten, sich vom Reichsverbande loszumachen.
Die bejahende Antwort des Grotius will Cocceji mit Gründen
aus dem privaten und öffentlichen Recht belegen: Wie dem
Privaten Alles erlaubt sei, was er zu Schutz und Sicherheit
seiner Person nötig habe, so thue auch das schutzlose Volk,
welches sich einem Anderm ergebe, Niemandem Unrecht. Ferner
aber sei der Staat zum Schutze des Rechts gegründet
worden; die einzelnen Lande hätten sich dem Staatskörper an-
geschlossen, damit dieser ihnen Sicherheit gewähre; sei das
jedoch nicht mehr möglich, so falle der Herrschaftsgrund weg,
früheres Recht und Freiheit der einzelnen Landschaft kehren
wieder zurück, worüber dann diese frei verfügen, also sich auch
einem anderen unterwerfen könne. *) Obwohl sich zwar Schrodt
der Ansicht des Grotius nur unter vier Einschränkungen an-
schliessen möchte, die dieselbe fast ins Gegenteil verkehren,
so erblickt doch die herrschende Meinung in der Ohnmacht
des Herrschers, sein Volk zu schützen und in der Unfähigkeit
majestatis iis deficit. — Pufendorf, (J. N. & G.), VII. c. 6, § 15 . . .
Enimvero et ante istnm (d. i. Grotius) Bodinus de republ. 1. I, c. 8 et
post eruditi viri dictatorem non monarcham, sed magistratum dnntaxat
extraordinarium fuisse ostendernnt. Neque vero illnd axioma adeo firmo
stat talo : qnod illae f acultates sint eaedem, qnae videntur eosdem effectns
prodncere. Sed considerandum qnoque est, an qnis facultatem eam
exerceat tamquam snam, an tamquam alienam sibi delegatam etc. . .
4) G r o t i n s , n. c. 6, § B.
— 41 —
des Landes, selbst genflgenden Widerstand zn leisten, die Ver-
mutung, dass der Souverän seine Unterthanen der Verpflichtung
gegen ihn entbinde, bis die Geschicke ihm wider den Weg zur
Herrschaft öffneten, und zwar nur dann, wenn Schutz und
Sicherheit seines Volkes seine RQckkehr verlangten.^)
5)Schrodt, P. III. c. 3, § 21: Verum ad hanc assertionem
Grotii ad rationes Cocceji duo merito animadvertimus : I) quod jus
defensionis privatae non ita obtineat in praejudicium tertii, II) quod
potästas libera judicandi, an ab imperio legitimo non sit exspectanda
defensio, haud competat civitati subjectae. § 22: Quapropter^ hanc ex-
ceptionem Grotii tantum admittendum putamus sub quatuor limitatio-
nibns: 1) nt evidens et extrema civitatis sit necessitas, 2) nt civitas
deserta possit quidem facere deditionem temporariam, sed jus legitimi
imperii, sive totius corporis politici in partes non nisi per consensum
aut pacta legitimi imperantis aut reipublicae extinguatur : adeoque: 3) ut
jus legitimi imperii contradictione imperantis prioris, aut reipublicae
salvum maneat, et 4) ut civitas, quae sua virtute bestem repellit, pristi-
nam libertatem non recipiat, sed priori imperio rursus subjiciatur. —
Pufendorf, VII. c. 8, § 10 i. f:: Vix igitur adparet, quid magis
probabile beic dici possit, quam boc; si legitimus princeps in talem sit
conjectus statum, ut neque ipse, quam debet, defensionem civibus suis
praestare queat, neque tantae sint civium vires, ut invasori citra prae-
sens exitium valeant resistere: praesumi principem expulsum tantisper
civibus remisisse obligationem erga se, quoad fata ipsi viam ad regnum
iterum apeiiant, et quidem, quantum id ad conservationem ipsam et
declinandis periculis est necessarium. — Böhmer, III. c. 2, § 17.
§ 6. Beschränkbarkeit und Teilbarkeit des
Souveränetätsbegriffs.
Schon zur Zeit Bodins fand man, als man den scharf und
logisch ausgebauten Souveränetätsbegriff auf die bestehenden
Staatseinrichtungen prüfend anwandte, dass er in seiner absolu-
tistischen Färbung mit den damaligen Anfängen konstitutionellen
Staatswesens kollidierte. Ein typisches Beispiel giebt die
Bodin'sche Begriffsbestimmung selbst an die Hand. Bodin ver-
lässt sich bei seinen Konstruktionen nicht allein auf philoso-
phische Spekulation, sondern verbindet mit ihr allerdings
historische Motive. Nun war aber seine Lieblingsidee eine
starke französische Eönigsgewalt, von der er sich Beseitigung
der feudalen Schranken, Unterwerfung der kleinen Territorial-
herren, Einigung der Nation und eine energische Politik ver-
sprach, und diesen französischen Staatsgedanken stellte er der
Welt als allgemeine Wahrheit hin. Die Einwendungen, welche
ihm auf Grund des Rechtes der Stände in den mittelalterlichen
Herrschaften, bei Erlass der Landesordnungen mitzuwirken, ge-
macht wurden, sucht er dadurch zu widerlegen, dass er den
Ständen nur ein Recht der Beratung, der Vorstellung und
Empfehlung und dem Fürsten allein die Entscheidung, das
Gesetzgebung^recht, zuschreibt. Obwohl diese Ansicht für
Frankreich und in gewissen Zeiten auch für England und
Spanien eine relative Wahrheit enthielt, stand sie doch mit
den Thatsachen in Deutschland in schreiendem Widerspruch.
Auch aus anderen Stellen ergiebt sich die Einwirkung der
— 48 —
französischen Verhältnisse auf seine Meinung. Bodin unter-
scheidet drei Arten von Monarchieen: die patriarchalische
Despotie, die Tyrannis und die legitime Monarchie, das König-
tum, worin die Unterthanen den Gesetzen des Herrschers, dieser
denen der Natur unterstellt ist. Während die Tyrannis in den
freien Personen Sklaven und in ihrem Eigentum ein Gut des
Fürsten sieht, sind im Königtum, — im französischen König-
tum — , Eigentum und persönliche Freiheit in ihrer Berechti-
gung dem Staat gegenüber prinzipiell anerkannt. Dafür tritt
Bodin energisch ein; die legitime Monarchie darf nicht in eine ^
Tyrannis ausarten; aber bis zur Statnierung fester politischer
Bechte dem Herrscher gegenüber erhebt er sich nicht; sonst ^
glaubt er den Begriff der absoluten Gewalt aufzugeben.
Bodin will seinen Begriff mit historischen Gründen belegen,
thut dies aber auf sehr einseitige Weise, eben mit Rücksicht
auf sein französisches Vaterland. Der französische Staatsge-
danke war für ihn der alleinseligmachende, und in diesen
Irrtum hat er soviele Nachfolger mit hineingezogen, und bis
auf unsere Tage hat sich die Staatslehre von dem verhängniss-
vollen Einfluss dieses abstrakten, scharfumrissenen und an-
massenden Begriffs noch nicht vollständig befreien können.
Der Absolntist Bodin sollte in Thomas Hobbes seinen /
Meister finden. Reicht bei Bodin die historische Begründung
nicht aus, so fehlt sie bei Hobbes ganz. Sein Staat ist ein
Werk der Kunst, seine Staatslehre ein Werk spekulativer Ver-
nunft, eine lange Kette logischer rücksichtsloser Schlüsse, die
er aus den unerwiesensten Voraussetzungen zog. Er glaubte
die absolute Monarchie wissenschaftlich begründen zu können,
indem er die Staatslehre von jeder geschichtlichen Entwickelung
losriss; aber er förderte nur ein künstliches Produkt zu Tage,
ein Wesen ohne Lebensfähigkeit. Hobbes wurde der Prügel-
knabe für viele nachfolgenden Autoren; ein Publizist, der selb-
— 44 —
ständig keine neue Weisheit aufzustellen hatte, wnsste doch
Hobbes abzutbun und gefiel sich offenbar darin; die Eingangs-
phrase: Aberrat itaque quam gravissime Hobbes, war sterotyp.
Der abstrakte, formale, logische Souveränetätsbegriff kam
also notgedrungen mit den Thatsachen ins Gedränge, und schon
zur Zeit Bodins ergab sich für die Wissenschaft die Frage,
ob derselbe unbeschadet seiner Existenz Beschränkungen oder
eine Teilung zulasse.
Hancke führt drei Lösungen an, die damals versucht
wurden: Die eine Richtung gab im Hinblick auf die bestehenden
''!^ A, Verhältnisse den reinen Begriff auf, hielt denselben allgemein
für beschränkbar und koncedierte unbeschadet der Souveränetät
des Staatsoberhauptes noch anderen Gewalten im Staate einen
Hr^^if Einflüss auf die Herrschaft. Ihr gegenüber erklärte eine
zweite Ansicht, welche sowohl Bodin als Althusius verfochten,
die Gewalten teilung für unvereinbar mit der Souveränetät und
Bodin stellt den Unterschied zwischen Besitz und Ausübung
^u / der Souveränetät auf. Die dritte Lösung war die Theorie von
^01 '^ der teilbaren Souveränetät und der mixta forma. Der Begriff
selbst wurde dabei nicht zerteilt, aber er sollte sich zusammen-
setzen aus Rechten, die verschiedenen Organen zustanden.^)
Die herrschende Meinung in den hier behandelten Jahr-
hunderten hielt die Souveränetät für beschränkbar, aber für
nicht teilbar.
Schon aus den meisten Definitionen ergiebt sich der be-
schränkte Charakter der Souveränetät. Die souveräne Gewalt
wird nicht allein nirgends unumschränkt genannt, sondern es
werden ihr fast durchwegs Grenzen gezogen. 2) Wesen und
Absicht der Souveränetät sind Schutz und Regierung, Sicherheit
1) Vergl. E. Hancke, S. 41-46.
2) Vergl. in § 1 die Definitionen von Schmier, Necker, Pütt er,
Kreittmayr, Brnnnemann, Paccassi. — f. § 3 die Noten: 23,
25, 27, 30.
— 45 —
uod Wohlfahrt des Staats. Unermesslich ist also ihr umfang,
aber weiter geht sie doch nicht, als die gemeine Wohlfahrt
gerechte Gründe dazu an die Hand giebt. Allseitig wurde
aufs schärfste gegen Hobbes polemisiert, dessen Begriff an abso-
luter Färbung nicht mehr zu übertreffen war. Sein Souverän
kann das Volk nicht beleidigen, keine Verletzung des Vertrags
durch den Herrscher befreit den Unterthan von seiner unbe-
dingten Unterwerfung. Hobbes hält es sogar für die Pflicht
des Bürgers, zu schweigen und „mit trockenen Augen und
ruhigen Armen*^ zuzusehen, wenn Vater, Gatte oder Eind an
seiner Seite auf Befehl des Souveräns aus irgend einer Ursache
ermordet werden. Nur das Eine soll der Unterthan mit Recht
von sich ablehnen können, sich selbst oder seinen Vater mit
eigenen Händen zu ermorden, da aus diesem Ungehorsam für
den Staat kein Nachteil entstehe, da der Regent ja Henker
habe, die an seiner Statt ihr Amt verrichten könnten.^) Der
Herrscher ist hier alles, der Bürger nichts ; auf der einen Seite
eine unbeschränkte Gewalt zu befehlen, auf der andern der
einzige Verdienst, blindlings zu gehorchen. Persönlichkeit, er-
worbene Rechte und sogar Intellekt der Unterthanen werden
absorbiert durch diese allumfassende, unumschränkte Gewalt,
die durch kein Gesetz, keinen Vertrag verpflichtet werden kann,
da ja ein zur Limitation fähiger Höherer fehle; die sich selbst
Richter ist, und den Unterthanen gegenüber nur Rechte, nie
Pflichten hat.
Die Zeiten der Hobbes, Graswinkel, Wandalin, Masius
waren vorbei, ihre Ideen fanden keinen Vertreter mehr, der
wie sie an Citaten der Heiligen Schrift über absolute Herrscher
sich begeistert, oder durch Beispiele aus der Geschichte die
schrankenlose Herrschaft hätte legitimieren wollen. *) Im Gegen-
3) Hobbes, (De cive), c. VI. § 13.
4) Hobbes, (De cive), c. VI. § 18 und c. XL § 6; Böhmer, I.
c. B, §§ 18, 19.
— 46 —
teil hütete man sich wohl und warnte davor, dem Herrscher
eine Gewalt ohne Grenzen zuzuschreiben, da schon viele Staaten
dadurch in Unglück und Elend gestürzt worden seien. ^) Der
Souverän steht unter dem göttlichen, Natur- und Völkerrecht;
er ist an die Verfassung gebunden, durch seine Verträge und
Versprechungen verpflichtet; diese Versprechungen sind nicht
nichtig, wie Hobbes meint, und die Souveränetät geht deshalb
nicht unter, denn gerade von der Einwilligung der ünterthanen
hat ja nach der Vertragsidee die höchste Gewalt ihren Ursprung
und durch ihre Abrede mit dem Herrscher erhält sie ihre
Grenzen und Masze. ^)
Weit verbreitet war die zuerst von Limnaeus betonte
Unterscheidung zwischen potestatis summitas und plenitudo:
Wenn die Souveränetät beschränkt und ihr eine Grenze gesetzt
ist, so fehlt zwar die plenitudo potestatis, die summitas jedoch
bleibt deshalb unangetastet, und deshalb habe der Kaiser trotz
der Wahlkapitulation die summa potestas, nicht aber die plena.'^)
5) Böhmer, I. c. 5, § 15: E contrario a fortiori defendi potest,
vergere doctrinam contrariam in summum reipublicae praejudicium. Si
enim Principi talem ilümitatam adscribimus potestatem, putant, se omnia
juste agere, se plane nullis limitibus circumscriptam habere potestatem,
ex qua doctrina tot publicae calamitates oriuntur.
6) Graf v. öttingen, c. 4, § 8. — Necker, I. c. 5, § 15.
1) Limnaeus, I. c. 12, § 37: An salva majestatis essentia summus
princeps ejus modi in capitulationes jurare queat? dicendum arbitror,
si majestatem generice considerem, sive specifice, qualis vel hoc, vel illo
in regno, pro arbitrio statum inducta, eam capitulationibus ejus modi
non tolli, sed respective coarctari, premi, non opprimi. Nee enim maje-
stas haec generalis est, et, ut ita loquar, aliis similis, sed specifica, et
talis, qualem Status Imperii voluerunt. — Brunnemann,IL c. 3:
Vulgo distinguitur cum Limnaeo inter summitatem potestatis et ejus
plenitudinem. Quidquid Sit de terminis plenitudinis et summitatis, intri-
cata controversia isthaec, citra flosculos Metaphysicos, enodari posse
videtur, quod Majestas sive summum in Civitate imperium consistat
quidem in independente et libero exercitio jurium Eegalium, quibus ad
Conservationem Eeipublicae opus est. Sed si exercitium horum jurium
est temperatum aut restrictum, tunc non quidem plenitudo hujus pote-
statis adest sive imperium absolutum; summitas tarnen salva videtur,
— 47 —
Lyncker unterscheidet „inter rb plenum et absolutum" : Allen
jenen Herrschern, die den ünterthanen Zasicherungen und Ver-
sprechungen gemacht haben und den Staat also nicht pro lubitn
regieren können, fehlt die unbeschränkte Gewalt; trotzdem haben
sie aber die volle höchste Gewalt, da es das Wesen der pleni-
tudo nicht verlangt, dass Jemand eine unumschränkte und
tyrannische Macht habe, sondern nur, dass ihm alle Teile der
plenitudo unabhängig zustehen.^) Reinkingk verweist auf den
Unterschied zwischen „Monarchia'* und „Dominatus'': In der
Monarchie erfreuen sich die Ünterthanen der Freiheit und ihrer
erworbenen Rechte, gehorchen den Gesetzen des Herrschers,
wie dieser wieder sich durch die Gesetze Gottes und der Natur
verpflichtet fühlt. In der Allein- und Zwangsherrschaft ist der
Fürst der Herr der Freiheit und der Glücksgüter seiner Unter-
gebenen, die er regiert wie der pater familias seine Sklaven.
Der Souverän braucht also nicht willkürlich zu herrschen, dem
Staate pro Inbitu Gesetze zu diktieren: der „consensus procerum"
hebt die Souveränetät nicht auf. •) Auch Brückner führt unter
si per pacta non transfertur potestas ad eos, quibus promittitur, contra
facta rescindendi, sed tarnen clausula annullatoria. — Pfeffiuger, I.
tit. 7, § 5. — Sprenger, S. 15B. — Vergl. v. Hatten, De jure Maje-
statlco Imperatoris, § B7, S. 20, und Berndes, De Negotiis Capitulatione
Caesarea annuUatis c. I. § 9, S. 15. — Dagegen wenden sich: Staraler,
§ 8, und Lyncker in seiner Monagraphie De Doctrina Communi de
Capitul. § 9, S. 40.
8) Lyncker, § 7: Quod vero ista melius cognoscatur, liaud abs
re fore autumo, si statim in limine ponatur differentia inter rö plenum
et absolutum. Communiter enim accidit, quod Imperans absoluta quidem
destituatur, plena tamen nihilominus gaudeat potestate. Sic v. c. in Eo,
qui summum Imperium exercet secundum pacta ex propria ipsius volun-
tate inita, deficit quidem potestas absoluta, cum Imperium pro lubitu
exercere nequeat, plena tamen ideo non privatur. Nee quicquam per hoc,
quod limitate suam exercere debet potestatem, ipsius plenitudini adimitur.
Cum ad essentiam plenitudinis non requiratur, ut quis habeat illimitatam
et tyrannicam potestatem, sed sufficiat, si ei sint omnes partes plenitu-
dinis independenter.
9) Eeinkingk, L Cl. 2. c. 2: Distinguendum est inter Dominatum
et Monarchiam. Monarchia regalis est, in qua subdlti libertate ac do-
— 48 —
seinen übrigen Einleitungen der majestas in reale und personale,
in kirchliche und weltliche, auch diejenige in „limitata'' und
„absoluta^ an: Bei der ersteren benötigt der Souverän in
wichtigen Geschäften den Consens eines andern, bei letzterer
handelt er frei. Das klarste Beispiel für die beschränkte Sou-
veränetät scheint Brückner das deutsche Reich zu sein, wo die
„majestas invictissimi et augustissimi Imperatoris^ so beschränkt
sei, dass die Stände als causa sine qua non zu gewissen Ge-
schäften mit dem Kaiser sich verbinden.^®) Für Strauss giebt
es eine „ordinaria" und eine „absoluta potestas oder plenitudo
potestatis"; die weitere Einleitung der letzteren aber in „vio-
lentia sive abusiva potentia"* und „suprema potestas intra limites
rectae rationis inclusa" verwirft er, da jene eher eine Tyrannis
als eine wahre Gewalt sei.^^) Grotius endlich vergleicht das
staatliche Imperium mit der römischen patria potestas und
maritalis potestas und giebt unbedenklich mancherlei Beschrän-
kungen der Souveräne tat zu; so auch die durch freiwillige Ver-
sprechen des Herrschers gegenüber den Unterthanen. Dabei
kann der Souverän sowohl in der Ausübung seiner Bechte, wie
im Rechte selbst beschränkt werden. Handelt er gegen sein
Versprechen, so ist die Handlung im ersteren Falle ungerecht,
im zweiten Falle nichtig, und zwar keineswegs, weil eine andere,
minio renim suarum fruentes, sui Principis legibus obsequuntur, perinde
nt Princeps ipse divinis ac naturae legibus obtemperandum putat. Domi-
natus vero dicitur, cum princeps unus, libertatis ac fortunarum omnium
dominus, jure belli aut foedere factus, subditos quasi pater familias
servos moderatur. Majestatis non pertinet, leges concementes Universum
statum Eeipublicae pro lubitu ferre . . . Procerum namque consensus non
absorbet Majestatis et summae potestatis plenitudinem.
10) Brückner, § 16: Majestatis in limitatam et absolutam divisio
superest. Conspicuum hujus divisionis exemplum Imperium nostrum S.
B. praebet, ubi majestas invictissimi et Augustissimi Imperatoris ita
limitata est, ut S. E. J. Status tamquam causa sine qua non ad quaedam
negotia concurrunt.
11) Strauss, c. 2, § 1.
— 49 —
höhere Macht Ober ihm steht, sondern weil die Ungültigkeit
von Rechts wegen folgt.")
Andere Schriftsteller führen keine Unterscheidung in abso-
lute und beschränkte Souveränetät an, sondern glauben, dass
die Beschränkung allen souveränen Gewalten gemein sei, dass
alle Herrscher ihre Macht durch Packte eingeschränkt hätten.")
So richtet sich Kreittmayr gegen die „Machiavellisten und
pseudopolitici"*, und meint, wenn der Fürst nur „Selon le bon
plaisir" handeln dürfte, dann brauchte man sich mit der
schweren und weitläufigen Materie von den Souveränetätsrechten
nicht viel Mühe zu geben, alles wäre mit 4 Worten: „sie volo,
sie jubeo" erledigt. Und Thomasius verweist auf den Unterschied
zwischen Beschränkung und Verminderung der Souveränetät:
aliud enim est restringere potestatem suam, aliud minuere.
12) Grotius, I. c. 3, § 16, No. 1: Tertia observatio sit, non desi-
nere suinmum esse Imperium, etiam si is, qui imperaturus est, promittit
aliqua subditis aut Deo, etiam talia, qiiae ad imperii ratioiiem pertineant :
Nee jam de observatione juris naturalis et divini, adde gentium loquor,
ad quam reges omnes tenentur, etiamsi nihil promiserint, sed de regulis
quibusdam, ad quas sine promisso non tenerentur. Verum esse quod
dico ex similitudine patris familias apparet, qui si quid familiae facturus
se promiser it, quod ad familiae gubernationem pertineat, non eo desinet
in sua familia jus summum, quantum fert familia, habere. Nee maritus
maritali potestate privatur eo, quod aliquid uxori promiserit. 2) Faten-
dum tamen, id ubi fit, aretuis quodammodo reddi imperium, sive obli-
gatio dumtaxat cadat in exercitium actus, sive etiam direete in ipsam
faeultatem. Priore speeie actus contra promissum f actus erit injustus,
quia, ut alibi ostendemus, vera promissio jus dat ei, eui promittitur:
altera autem speeie erit etiam nuUus defecta facultatis. Neque tamen
inde sequitur, ita promittente superiorem dari aliquem; Nullus enim is
actus non redditur hoc casu ex vi superiore, sed ipso Jure. — § 18,
No. 1 : Multum tamen falluntur, qui existimant, cum reges acta quaedam
suam volunt rata esse, nisi a Senatu aut alio coetu aliquo probentur,
partitionem fieri potestatis : Nam quae acta eum in modum rescinduntur,
intelligi debent rescindi regis ipsius imperio, qui eo modo sibi cavere
voluit, ne quid fallaciter impetratur, pro vera ipsius voluntate haberetur.
Vergl. auch: Thomasius, (Göttl, Eechtsgel.) III. c. 6, §§ 114—135);
Wolff, (Jus Nat.), VIII. § 65; § 77 iF. (Institut) §§ 982, 984.
13) Kreittmayr, § 7. — Thomasius, (De inj. oppos) § 8. —
Böhmer, I. c. 5, §§ 10 und 12; §§ 18-25; §§ 31-36.
4
— 50 —
Die WahlkapitulatioD stand also der Souveränetät des
Kaisers nicht im Wege.**) Die souveräne Gewalt war be-
schränkbar .und die Macht des Herrschers in den einzelnen
Staaten je nach der Verfassung mehr oder weniger beschnitten.
So schreibt Limnaeus dem Kaiser eine ganz specifische Souve-
ränetät zu, die mit deijenigen anderer Monarchen gar nicht
verglichen werden könne, sondern so beschaffen sei, wie die
Stände es gewollt hätten. ") Lyncker, der seine Beweise haupt-
sächlich mit den kaiserlichen Kanzleiphrasen führt, nimmt für
den Kaiser sogar die plenitudo in Anspruch.*^) Aber dagegen
wendet sich Moser. Überhaupt hält er die Untersuchungen der
Staatsrechtslehrer über die kaiserliche Souveränetät für „tolles
Zeug'' und die Bestrebungen, ihm „eine unumschränkte Gewalt
in Regierungssachen und völlige Souveränetät" beizulegen, für
„lächerlich und gezwungen", aber die Majestät „in einem der
deutschen Staatsverfassung attemperierten Verstand" spricht
er ihm zu.")
Die Unteilbarkeit folgt aus der Haupteigenschaft der
Souveränetät, aus der höchsten Gewalt. Die Natur der höchsten
Gewalt verlangt es, dass sie nur „eine" sei; wo es zwei höchste
Gewalten giebt, da ist keine der andern übergeordnet. *^) Die
14) Graf von öttingen, c. 4, § 8. — Limnaeus, I. c. 12.
15) Limnaeus, L c. 12. i. f.
16) Lyncker, § 10: Subjectum proinde hujus plenitudinis
summae potestatis in nostro imperio statuimus Imperatorem: idque ex
hoc fundamento, quod 1) non modo neminem in bis terris agnoscat Su-
periorem, id quod certissimum Majestatis indicium esse testatur ipse
Bodinus 1. 1. de republ. c. 8. p. m. 126 quando inquit: Is Majestatem
habet, qui post Deum immortalem, se ipso majorem videt neminem.
Vero etiam 2) quod nemini una cum eo, sive conjunctim, ut causae
sociae, sive divisim, Majestas tamquam subjecto proprio competat.
17) Moser, (Teutsches Staatsrecht) II. c. 17, § 11 und § 22.
18) Böhmer, I. c. 4, § 22: Potestas haec debet esse una in
republica: contradictionem enim involvit, duas summas potestates sepa-
ratas in uno corpore civili esse posse. — Lyncker, § 19: Quam vis his
non obstat, quod Majestas Sit quid Individuum, quod partes proprio dictas
non admittit, sed saltem ab officio ao operationibus diversis variam sor-
— 51 —
Souveränetät ist „indivisibilis, ist ein „individuum". Aber das
Mitwirkungsrecht der Stände bei der Regierung war unleugbar.
Die überwiegende Mehrheit der deutschen Autoren trat für die
kaiserliche Souveränetät ein, einige für die ständische, und die
die Theorie von der mixta forma hatte nur wenige Anhänger.
Sehr interessant ist es, mit welchen Gründen die Anhänger
der Monarchie ins Feld ziehen. So führt Lyncker, der von
allen der kaiserlichen Macht den grössten Umfang zuschreibt,
aus, dass die Stände sich wegen des Treu- und Lehenseids
Dnterthänigste des Kaisers nennen, daher an der höchsten Ge-
walt keinen Anteil haben können, da diese Niemanden unter-
than sein könne. Auch begehen die Stände das crimen laesae
Majestatis gegen den Kaiser, dieser jedoch nicht gegen sie,
weshalb also der Status im Reich auch nicht mixtus sein könne. ^®)
Nach Reinkingk hat der Kaiser die Souveränetät, da sie un-
teilbar, entweder allein, oder überhaupt nicht. Würden sich
die Stände mit ihm in die Majestätsrechte teilen, so hätten sie
dieselben vom Kaiser; aber der Herrscher, der Majestätsrechte
abgebe, zerstöre sich selbst. ^^) Schmier spricht dem Kaiser
tiator, denominationem: nee cum aequali ant pari sabsistere possit, qnia
Omnibus debeat esse superior. Ubi autem sunt duae potestates pares,
ibi neutra sit summa, quia neutra est supra omnia : quod tarnen summae
potestatis natura postulat. — Pufendorf, (J. N. & G.) VII. c. 4, § 11.
— § 13: Haec quamquam manifesta sint, dantur tamen non pauci, qui
divislonem partium summi imperii propugnant, ut exinde nescio, quas
mixtiones rerum publicarum concinnent, quae, ubi rite temperatae fuerint,
felicissimam, si diis placet, remp. producere aptae sint . . . Arnisaeus rer.
pol. 1. i. c. 6, Sect. 1 volde huc operosus est, et praeter complura, quae
accurate observat, recte quoque rejicit spurias quasdam mixturae species.
Ad extremum tamen § 57 nuUum commodius potuit excogitare exemplum,
quam ut regi tribuat jus belli et pacis, tributa imperandi, monetam cu-
dendi, et praemia distribuendi ; senatum circa judicia et provocationes
recipiendas ocupari jubeat, eidemque reformationem morum per leges
faciendam, et jus vitae ac necis assignet; populo curam aerarii, et crea-
tionem magistratuum injungat. De quo ex jam dictis Judicium ferri
potest. § 14.
19) Lyncker, §§ 20, 22, 23.
20) Eeinkingk, I. Cl. 2. c. 2.
— 62 —
die Souveränetät „radicaliter, formaliter et indivisim'* zu; denn
einige Eechte seien ihm allein reserviert, während die Stände
ohne ihn überhaupt nichts zu thun vermöchten; andere Rechte
seien, was ihre Ausübung betreffe, vom Consens der Stände
abhängig; aber gerade in der Berufung der Stände und der
Promulgation der Gesetze zeige sich wieder die souveräne Ge-
walt. 2^) Nach Paccassi kann von einer „Mitregierung im eigent-
lichen Verstände", welche eine Gemeinschaft der Majestäts-
rechte, eine Teilnehmung an der höchsten Gewalt voraussetze,
keine Bede sein, denn der Anteil, den sie an den Gesetzen
hätten, bestehe allein in der Freiheit, ihr Gutachten abzugeben,
worauf es dann dem Kaiser überlassen sei, durch seine Bei-
tretung diesem noch nicht verbindlichen Gutachten die Kraft
eines allgemeinen Beichsgesetzes zu erteilen. ^^) Pütter schreibt
den Beichsständen zwar eine Mitregierung, „co'imperium" zu;
aber diese Mitregierung dürfe nicht im Sinne einer Mehreren
auf gleiche Art gemeinschaftlichen Mitherrschaft, „condominium"
genommen werden.^^) Ähnlich sprechen sich Spener, Struv,
Pfeffinger, Mascov, B. Schmidt, Strauss u. a. aus. ^*)
Diesen allen gegenüber steht die kleine Gruppe der An-
hänger der ständischen Souveränetät: Die Majestät befinde sich
„penes Imperium sive universos ordines in Comitiis congre-
gatos". Die Bechte, die der Kaiser allein ausübe, seien gering
und unbedeutend und hätten nicht einmal auf das Beich als
Ganzes Bezug. Ausserdem sei er noch „legitimus director" der
Comitien, „Executor" dessen, was die gesammten Stände dort
beschlossen, „sacri Imperii minister". Nur noch ein Schein, ein
Schatten früherer Souveränetät sei vorhanden. Ja Hippolithus
21) Schmier, I. c. 3, No. 96. ff.
22) Paccassi, I. No. 11.
23) Pütt er, (Kurzer Begriff d. deutsch. Staatsr.) § 68.
24) Vergl. u. a.: Spener, IV. c. 4, § 2. - Struv, c. 7, § 1. -
Mascov, (Principia), V. c. 1. - Pfeffinger, I. tit. 19, § 2, - B.
Schmidt, § 49. - Strauss, c. 1, §5. — Pütter, (Beiträge) IL, §67.
— 63 —
a Lapide erklärt ihn ansdrflcklich zum ünterthan des Beicbs,
während Sttndermahler ihn von dem auf den Reichstagen ver-
sammelten Corpus nicht ausgeschlossen wissen will. ^^)
Viel gemässigter, sachlicher und einleuchtender erscheint
diesen Richtungen gegenüber die Theorie von der mixta forma:
Die Regierungsform ist gemischt, die Souveränetät zwischen
Kaiser und Ständen geteilt. Nur die Reservate, die geringere
majestätische Rechte sind, übt der Kaiser allein; bei den
grösseren Souveränetätsrechten, den Communicata, ist die Con-
currenz oder Einwilligung aller Stände nötig. Da jede allge-
meine Benennung der Regierungsform des deutschen Reichs
zu unwiderleglichen Schwierigkeiten führt, können sich die An-
hänger der mixta forma für keines der „aristotelischen Kunst-
wörter" entscheiden, sondern erklären die Rechtsnatur des
Reichs als Vermischung von Monarchie und Aristokratie, und
zwar so, dass keine von beiden die Oberhand hat.^*) Der Be-
25) Hippolithus a Lapide, P. I. c. 4. — Sündermahler, § 4.
26) Born er, III. c. 1, § 6: Unser Eöm. Deutsches Eeich hat ohne
Zweifel eine vermischte ßegiernngsform, denn die höchste Gewalt ist
zwischen den Kaiser und die Stände verteilt. § 7. Die Teile der höchsten
Gewalt, die der Kaiser allein ausübt, heissen Reservate, dergl. z. E. die
Rechte, Reichsvasallen zu belehnen, den Reichshofrat zu bestellen, hohe
Adelswtirden und Privilegien zu erteilen sind. Hierdurch wird aber die
Mitregierung der Reichsstände nicht sehr eingeschränkt, weil die Reser-
vate nur geringere majestätische Rechte sind. Bei den grösseren maje-
stätischen Rechten aber ist die Concurrenz oder Einwilligung aller
Reichsstände nötig, daher sie communicata heissen. § 8. Da die höchste
Gewalt im Römisch-Deutschen Reich auf diese Art verteilt ist, so kann
die Regierungsform weder monarchisch, noch aristokratisch genennet
werden. — Die Regierungsform ist vielmehr vermischt oder aus Mo-
narchie und Aristokratie zusammengesetzt, doch so, dass keine von beiden
die Oberhand hat; die Monarchie nicht, weil die Reichsstände nicht
allein in ihren Territorien die Landeshoheit haben, sondern auch bei den
wichtigsten Reichsgeschäften mit dem Kaiser concurrieren ; die Aristo-
kratie auch nicht, weil der Kaiser sowohl das Oberhaupt des Römisch-
Deutschen Reichs genennet wird, als auch einen vorzüglichen Anteil an
der Regierung, besonders in Ansehung seiner Reservate hat. — Ber-
tram, § 36: Die Regierungsform des H. R. R. T. N. lasset sich durch
— 54 ~
griff der Souveränetät wird also nicht in einzelne Teile aus-
einander gerissen ; nur die Rechte, und besonders die geringeren,
welche nicht in Besitz der ganzen Souveränetät setzen, können
einzelnen Organen zustehen; Akte der Souveränetät vollziehen
sich nur bei Zusammenwirken der verschiedenen Organe.
kein aristotelisches Kunstwort bestimmen. Es finden sich bei jeder
allgemeinen Benennung unwiderlegliche Schwierigkeiten. Dies aber ist
unstreitig, dass 1) dem allerhöchsten erwählten Oberhaupt des Eeichs,
und 2) den Ständen des Eeichs die höchste Gewalt im teutschen Eeiche
zusteht. — Kestner, c. 7, § 5. — Heincke, I. c. 3, § 25 und 26. —
Gundling, c. 37, § 21-26. — Vergl. auch: Hert, (Elem. prud. civ.),
I. S. 11 ff, wo fünf Klassen von „republicae irreguläres" aufgezählt
werden; ihm folgt: Schmier. I. c. 4. — Vergl. auch; Spener, IL c.
15, § 1 und Pufendorf, (De statu Imperii Germ.) c. 6, No. III— IX;
No. IX: Nihil ergo aliud restat, quam ut dicamus, Germaniam esse
irreguläre aliquod corpus, et tantum non monstro simile, siquidem ad
regidas scientiae civilis exigatur; quod lapsu temporum per socordem
facilitatem Caesarum, ambitionum Principum, turbulentiam Sacerdotom,
ex Eegno regulari in tam male concinnatam formam est provolutum, ut
neque Eegnum, etiam limitatum, amplius sit, licet exteriora simulacra
tale quid prae se ferant, neque exacte corpus aliquod aut systema plu-
rium civitatum foedere nexarum, sed potius aliquid inter haec duo
fiuctuans.
§ 7. Der absolute Charakter der Souveränetät.
Da die in der hier in Betracht kommenden Zeit von der
Wissenschaft allgemein angewandte Untersnchungsmethode die
Befugnisse der souveränen Gewalt positiv zum Ausdruck bringen
wollte und nur ganz vereinzelt und nebenbei sich Hinweisungen
auf das negative Element der .Souveränetät finden, und da
viele Autoren die Herrschaftsrechte eines ganz bestimmten Mo-
narchen als Vorlage benutzten, auch bei Abfassung eines „jus
publicum universale^' wohl von der Machtstellung irgend eines
Forsten beeinflusst wurden, oder sogar tendenziös die Definition
und die ganze Abhandlung so zuschnitten, dass sie die Souve-
ränetät einem ganz bestimmten Subjecte zusprechen konnten,
so gingen wohl die Ansichten Über die Machtbefugnisse in
manchen Punkten auseinander und es konnte manchmal den
Anschein erregen, als gäbe es verschiedene Abtönungen und
Arten souveräner Gewalt. Wie es bei Darstellung menschlicher
Charaktere falsch ist, dieselben in einzelne Eigenschaften auf-
zulösen und nachher aus den Tugenden und Fehlern wieder zu
komponieren, so lässt sich auch die Souveränetät nicht positiv
ausdrücken als die Summe von einzelnen Machtbefugnissen,
sondern nur negativ als die höchste, oberste Gewalt, die keine
andere über sich hat; als eine Eigenschaft absoluten Charakters,
„die keine Steigerung und keine Verminderung zulässt, die
entweder vorhanden ist oder fehlt.** *)
1) Vergl. die Ausführungen von Lab and in seinem Staatsrecht
des deutschen Reiches, Band I, Seite 54, und im Archiv für öffentliches
Recht, Band II, S. 316.
— 56 —
Diesen Gedanken finden wir in seinen ersten leisen An-
fängen in den wenigen dürftigen Ausführungen über die Unver-
änderlichkeit der souveränen Gewalt, die gleichsam als winziger
Regulator für die Schwankungen der Darstellungen erscheinen:
Die Grösse des Staats und die Art der Regierungsform haben
keinen Einfluss auf die Souveränetät. Wie gross oder wie klein
der souveräne Staat, wie mächtig oder schwach der souveräne
Herrscher sein mag, die oberste, höchste Gewalt ist unverändert
dieselbe; dieselbe, ob sie von einem Monarchen, Aristokraten-
kollegium oder vom Volk ausgeübt wird.^)
2) Böhmer, I. c. 4, § 29: Potestas haec non augetnr vel minuitur
ex territorii amplitudine vel parvitate, cum et in parvo territorio eadem
summa potestas vigere possit quoad omiiia jnra, quae in amplissimo;
unde nee olim parvis territoriis regni decus denegatum. § 32: Praeterea
a quopue et hoc ex natura summae potestatis fluit, quod non angeatur
vel mutetur ex forma imperandi, cum rursus eadem summa potestas sit
in statu populär! et Aristo cratico, quae est in Monarchico. § 33. Multo
minus exinde diversitas inducitur, utrum regnum sit electivum an suc-
cessivum, patrimoniale an non patrimoniale, temporarium an perpetuum,
quae quidem in aliis differentiam jurium inducunt, nullo modo quoad
summitatem imperii. — § 34: Denique hoc quoque ex natura summi
imperii fluit, nihil addere vel detrahere summae potestati imperantium
coronationes, cum illae quoque sint arbitrariae, ac solenniores declara-
tiones tantum et in rebus publ. Aristocraticis et Democraticis eadem
accurrat vis imperandi, licet tales extemi ritus inaugurationem deficiant.
— Schrodt, P. I. c. 4, § 8: Secunda cautio, summam potestatem non
variari ex forma imperandi, cum eadem majestas in statu aristocratico
vel populari jure summo et proprio resident penes collegium optimatum
vel populum, quae in statu monarchico est penes unum individuum.
§ 34. Addimus summam potestatem non augeri vel minui ex territorii
amplitudine vel parvitate, quia in utroque territorio concurrit idem
summi imperii et subjectionis respectus, quamvis jura Majestatica trans-
euntia a gente potentiori efficacius exerceantur. — Kreittmayr, P. I.
§ 5 i. f. — Necker, P. I. c. 5, § 9. — Paccassi, I. 10.
Zweiter Abschnitt.
Die Souveränetätsrechte.
§ 8. Allgemeines.
Für das, was die heutige Wissenschaft „Funktionen der
Staatsgewalt^' nennt, waren im siebzehnten und achtzehnten
Jahrhundert die Ausdrücke „jura majestatica^ und Jura maje-
statis'* die gebräuchlichsten. Daneben finden sich die Bezeich-
nungen „regalia, jura supremae potestatis, partes" potestativae,
partes potentiales majestatis," ^) als Komplex nennen Lyncker
sie „plenitudo objectiva", andere „plenitudo materialis. " 2) Die
Jura majestatica erschienen nicht wie heute als die Willens-
äusserungen eines persönlichen Staates, sondern noch gerade
„wie zur Zeit Bodins als die Rechte des Herrschers, als Befug-
nisse eines Individuums, „so damit versehen ist'*, eines imperans,
„penes quem resident." So definiert z. B. Strauss die „ßegalia"
als die aus der höchsten Gewalt unmittelbar fiiessenden Bechte,
vermöge deren der Herrscher alles thut, erlaubt und fordert,
was auf Nutzen und Notdurft des Staates Bezug hat. ^) Mascov
1) Mascov, V. c. I. — Brückner, § 18. — Schrodt, P. 11.
c. 1, § 1.
2) Lyncker, § 6.
3) Strauss, c. 3, § 1. Eegalia definiri possunt, qnod sint jura
ex summo imperio immediate profluentia, vigore quorum Princeps vel
facit, vel praecipit, vel permittit, vel exigit ad reipublicae utilitatem vel
necessitatem spectantia.
— 58 —
erklärt, dass die Jura majestatica" deshalb gewöhnlich „regalia"
genannt werden, weil sie die den Königen und den „summi impe-
rantes** überhaupt eigenen Bechte seien. ^) Die souveräne
Gewalt erscheint fiberall als ein Komplex der mannigfaltigen
Rechte, welche dem Herrscher im Staate zustehen, „complexus
jurium variorum, quae imperanti in civitate competunt," „potestas
summa, qua refulgent reges et Principes summi,^* u. s, w.
Bodin ignoriert den Gedanken der Staatspersönlichkeit und
demgemäss der Staatssouveränetät noch vollständig. Als Souve-
ränetät definirt er die Macht des obersten Staatsorgans, und
diese Macht verwechselt er fortwährend mit der des ganzen
Staats. Er reisst die souveräne Gewalt von den übrigen
Staatseinrichtungen los und stellt sie als ein eigenes selbst-
ständiges Wesen hin. Das ist der verhängnisvolle Grundfehler
seines Systems, und consequent weiterbauend auf diesem Irrtum
gelangt er zur logischen Absurdität, dem Teile, der souveränen
Gewalt, eine unbeschränkte Macht über das Ganze, den Staat,
zuzuschreiben.
Was man nun bei den Autoren der folgenden Zeit für
Staatspersönlichkeit halten könnte und auch vielfach gehalten
hat, stellt sich bei näherer Untersuchung bald als Volks-, bald
als Herrscherpersönlichkeit heraus. So findet sich der Ausdruck
der „persona civitatis^* und die Auffassung des Monarchen als
,.persona civitatis^* zwar schon bei den Monarchomacben des
16. Jahrhunderts, und schon damals diente die organische
Staatslehre zum Ausgangspunkt des einheitlichen Staatsbegriffs,
aber man kam immer wieder auf ein Mandat, auf den Vertrags-
gedanken zurück: die Staatspersönlichkeit fiel mit der Volks-
persönlichkeit zusammen. Althusius scheint zwar mit seinem
„corpus symbioticum", das er verschiedentlich als Subject der
4) Masco V, I. c. 1: Jura autem supremae potestatis seu maje-
statica, Regalia vulgo quoque vocantur, i. e. jura veluti regia seu regibus
summisque imperantibus propria.
— 59 —
Staatsgewalt bezeichnet, ganz nahe am Ziel za sein» aber auch
er scheitert an der gerade von ihm so scharf ausgebildeten
Vertragsiehre: Unter dem Einfluss seiner Lehre des Herrschaf ts-
vertrags glaubt er den souveränen Staat in der „universitas
populi" zu finden, und diese „universitas populi** sinkt durch
seine Doktrin vom Geseilschaftsvertrag zu einer gewöhnlichen
„universitas", zu einer als Einheit fingierten Vielheit von Indi-
viduen herunter. Auf Seite der Anhänger der Herrscher-
souveränetät hatte Hobbes zuerst den Begriff der Staatspersön-
lichkeit mit dem technischen Ausdruck der ,.persona civitatis**
scharf zum Ausdruck gebracht und damit den juristischen Kon-
struktionen staatlicher Bechtssubjectivität einen Ausgangs- und
Mittelpunkt gegeben, aber sein Individualismus war es, der ihm
die Idee der staatlichen Bechtssubjectivität eingab, und deshalb
blieben ihm wahre Personen nur die Individuen, der Staat blieb
ihm eine „persona artificialis**, welche durch einen Vertrag aller
Individuen zustande kam, der dahin ging, dass Autorität, Wille
und Handlung eines Individuums rechtlich als Autorität, Wille
und Handlung aller Individuen gelten sollten. Nur für den
Augenblick der Staatsgrttndung und Einsetzung des Herrschers
sieht er in der Summe der Individuen, im Volk, eine Person;
im Moment, wo der Fürst eingesetzt ist, stirbt das Volk: der
Monarch ist nun zur einzigen Staatspei-son geworden. Der be-
rüchtigte Ausspruch Ludwigs XIV: L'Etat c'est moi, war schon
von Hobbes formuliert worden: Nam si per universos intelli-
gunt civitatis personam, ipsum intelligunt regem. (Leviathan,
18). Hobbes Staatspersönlichkeit war nichts anderes als die
Herrscherpersönlichkeit. Zwar kam Pufendorf mit seiner Lehre
von den „entia moralia** und dem Staat als „persona moralis"
der wahren Staatspersönlichkeit bedeutend näher, wurde aber
durch den Einfluss Hobbes und des den Naturrechtstheorieen
innewohnenden Individualismus wieder zu einer allerdings be-
schränkteren, konstitutionelleren Herrscherpersönlichkeit zurück-
— 60 —
geführt. Von Hugo Grotius wird der Unterschied zwischen
Staats- und Fürstensouveränetät wenigstens im Prinzip schon
aufgezeigt, wenngleich auch die nähere Begründung noch fehlt
und die Konsequenzen noch nicht gezogen sind. Jedenfalls be-
merkt er sehr richtig, dass die Souveränetät zuerst allgemein
dem Staate als dem Ganzen und dann im besonderen der
Person im Staate, welcher die oberste Herrschaft zukomme,
zugeschrieben werden müsse Bei den bedeutenderen Zeit-
genossen und Nachfolgern, wie Tliomasius, Becmann, Ludewig,
Cocceji, Gundling, Ickstatt, Daries, Kreittmayr, Heincke, Kestner,
Schmier u. a. finden wir durchwegs die persona moralis simplex
oder composita, aber als „corpus artiflciale seu mysticum", ent-
standen durch die Einigung der Willen und Kräfte aller Indi-
viduen, und einzig und vollständig repräsentiert durch den
Herrscher; und selbst Leibnitz und auch die Schriftsteller einer
mehr historischen Richtung, wie Pütter, Seckendorf und Moser
vermochten nicht zu einem andern Resultat zu gelangen.^)
Die Frage, welche Rechte zu den Souveränetätsrechten
gehörten, die ganze Lehre von den „regalia et jura majestatica"
galt allseitig als „schwer und weitläufig". Wenn man noch
die Gewalt des Souveräns in die Worte gefasst hätte: „sie volo,
sie jubeo; stat pro ratione voluntas", wie Benedict Schmidt
5) Bodin, I. c. 1, No. 1; IL c. 1; I. c. 8, No. 100 ff. — Arni-
saeus, I. c. 2. — Salamonius, S. 28, 30, 36. — Boucher, L c. 9.
— Rossaeus, c. 2, § 11. — Gierke, S. 19, 22, 23, 26, 28 ff., 31, 34 bis
35, 42, 47-48 (über Althusius). — Hobbes, (Lev.) c. 16—22; (De cive)
c. 5, § 9 u. 10. - Pufendorf, (J. N. & G.) I. c. 1, § 12-15; VII. c.
2, § 13; c. 6. — (De off.) IL c. 9. — Grotius, L c. 3, § 7, No. 3-.
Subjectum ergo commune summae potestatis esto civitas, ita ut jam
dicimus, intellecta. Subjectum proprium est persona una pluresve, pro
cujusque gentis legibus ac moribus, tJ Ttpiürrj äpxij apud Galenum libro
sexto de placitis Hippocratis et Piatonis. — §8. Tliomasius, I. c. 1,
§ 87; III. c. 6, § 26—31; § 62. — Becmann, c. 12, § 7. — Ludewig,
L, 1, 8. — Heincke, I. c. 3, § 5. — Kreittmayr, § 2. — Schmier,
L c. 3, No. 3, 28-34. 62-72; IL c. 2, No. 174 ff. - Leibnitz, c. IL
- Necker, P. L c. 5, § 6. — Vergl. Gierke, S. 190-200.
— 61 —
dies wollte und Kreittmayr es von den „Macchiavellisten und
pseudopolitici^ behauptete, dann wären über die ganze Lehre
nicht viel Worte zu verlieren gewesen.^; Aber die Frage nach
Beschränkbarkeit und Teilbarkeit der Souveränetät stand im
Vordergrund des Interesses, und bei jedem einzelnen Rechte
galt es zu untersuchen, ob es ein Ausfluss der souveränen Ge-
walt war, oder vielleicht nur ein reinfiskalisches Becht, nur
eine dem Souverän zustehende privatrechtliche Befugnis.
Das hervorragendste Ehrenrecht des Souveräns war die
Anrede „Majestäf". In Deutschland steht sie „proprio et stricte
loquendo** allein dem Kaiser zu, den Fürsten und Kurfürsten
kann sie nur „improprie et abusive'' zugeschrieben werden.^)
Während Reinkingk hierin einen weiteren Beweis für die
kaiserliche Souveränetät erblickt, betont Hippolithus a Lapide,
dass der Kaiser wegen dieses Titels, den ihm Niemand be-
streiten werde und könne, noch nicht die souveräne Gewalt
habe; denn die Macht liege nicht in einem Namen, sondern
zeige sich in ihren Rechten.^) Das andere Attribut der souve-
ränen Gewalt, „Von Gottes Gnaden", konnte der Kaiser sich
nicht ausschliesslich vorbehalten; die Stände des Reichs be-
dienten sich ganz gewöhnlich dieses Zusatzes als Einleitung
bei ihren Erlassen, worauf die Verfechter ständischer Souve-
6) Kreittmayr, § 7. - B. Schmidt, § 42.
7) Reinkingk, I. Cl. 3, c. 11: Competit ergo Majestas proprio
et stricte loquendo soli Imperatori. Improprie vero vel non proprie seu
abusive Majestatis appellatio tribuitur illis, quia jura quidem regalia et
territorialia habent, superiorem tamen recognoscunt, quales sunt Electores
et Principes Imperii, quibus non nisi improprie et absusive Majestas tribui
potest. — Schilter, L tit. 14, § 8. - Spener, V. c 1, § 2.
8) Reinkingk, I. CL 3, c. 12: Ex quo Imperatori praeeminenter
et secnndum excellentiam Majestas tribuitur, necesse est, ei etiam tribui,
quae majestati sunt connexa et consequentia. — Hippolithus a La-
pide, P. I. c. 3: Verbis quidem nemini nisi Imperatori in Germania
titulum majestatis competere, vel lippis vel tonsoribus notum est ....
Virtus namque non est posita in nomine, sed in plenitudine autoritatis.
ränetät, wie Thomasias, Goebel, n. a. hinzuweisen nicht ver-
fehlten.»)
Was Bortins seinen Zeitgenossen wegen der völligen
Systemlosigkeit bei der Behandlang der materiellen Souveräne-
tätsrechte vorgeworfen hatte, „Quot autores, tot paene parti-
tiones"*, das gilt auch mit ganz wenigen Ausnahmen für die
Schriftsteller des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts.
Im Allgemeinen bestand die ganze Systematik bei der Dar-
stellung der Staatsgewalt liehen Funktionen in der Aufzählung
einer längeren oder kürzeren Reihe von Majestätsrechten. Ein
leiser Versuch zur Methode der heutigen Staatsrechtslehre, die
staatlichen Aufgaben von einem höheren Gesichtspunkte aus
unter mehrere grosse Gruppen zu bringen, wie in Handhabung
des Rechtsschutzes im Innern, Wohlfahrtspflege, Pflege der aus-
wärtigen Beziehungen, Landesverteidigung, Finanzwirtschaft etc.,
finden wir in den unten näher zu erörternden Einteilungen der
regalia in immanentia und transeuntia, in regalia vel circa res
sacras vel profanas et hae vel circa civiles vel circa bellicas
und ähnlichen, was schliesslich nur ganz grobe Skelette waren
und der Bearbeitung oft nicht einmal zu Grunde gelegt wurden.
Oft erkannte der Autor während der Darstellung, dass sich
alle diese Rechte wie die sie bestimmenden staatlichen Auf-
9) Struv, c. 29, § 17; Exinde facile conseqnitur, quid de illa
sentiendum Sit quaestione, an Statibus Imperii tribui possit Jas Maje-
staticum. Plures equidem sunt, qui hoc affirment, atque in eo totus est
Wilhelmus Goebelius (De Juribus Procerum Imperii Majestaticis, Helm-
stadt 1718), qui Majestatem ita definit, quod sit facultas moralis cuncta
civitatis, pro lubitu regendi, in quibus pactis non est circumscripta. Ex
hoc igitur Statibus tribuit Majestatem eo, quod titulo utantur, Nos Dei
gratia. . . . . — Thomasius, § 4, i. f. üti enim Character Majestatis
est, esse liberum ab omni imperio alterius proprie sie dicto et neminem
hac parte supra se quam Deum agnoscere, ita etiam Status Imperii hac
libertate pollent, et jure proprio exercent regalia majestatica, non jure ab
arbitrio aut imperio aJieno dependente, et inde etiam titulo Dei gratia,
Von Gottes Gnaden, gaudent.
— 63 —
gaben, nicht einfach a priori unwiderleglich bestimmen Hessen,
sondern sich historisch entwickeln und weiter entwickeln, und
beschränkte sich dann auf das Hervorheben der hervorragendsten
Souveränetätsbefugnisse, die im Grossen und Ganzen ja auch
bei allen Theoretikern fibereinstimmen. War durch diese Ein-
teilungen, welche nur für die Darstellung von Wert waren und
höchstens indirekt wegen daraus entspringender grösserer
Klarheit der Sache selbst nützen konnten, der Begriff an sich
nicht viel gefördert worden, so war andererseits eine erstaunlich
weit verbreitete und beinahe allgemein adoptierte Unterscheidung
in regalia majora und minora, welche schon Sixtinus, Bocerus,
Vultejus, Huber u. a. vertraten, und die Strauss in einer Mono-
graphie in alle Details ausmalte, für die Klarheit des Souve-
ränetätsbegriffs höchst verderblich. Im Gegensatz zu den regalia
majora, durch welche die eigentliche Hoheit und majestätische
Machtstellung dargestellt werden, die nur dem wirklichen
Souverän zukommen und „ipsis quasi ossibus inhaerent", be-
zeichnen die regalia minora die Herrscherrechte mit fiskalischem
Beigeschmack, die Befugnisse, die der Fürst „ad conservandum
et augendum fiscum** hat. Diese Unterscheidung aber diente
bald nicht mehr zur Grenzbildung zwischen materiellen und
fiskalischen Hoheitsrechten, sondern alle fiskalischen Rechte,
mochten sie nun Souveränetätsrechte sein oder nicht, wurden
unter dieser Rubrik untergebracht: die Grenze zwischen fiska-
lischen und materiellen Hoheitsrechten wurden gerade durch
diese Unterscheidung mehr und mehr verwischt. Inhaltlich
stimmte diese Teilung mit den anderen in regalia Majestatis
und regalia fisci, in jura essentialia und accidentalia, in regalia
juris publici et privati fiberein.*®)
10) Vergl. die Monographieen von J. G. Heuser und Adrian
Steger. — Titins, HI. o. 5, § 3. — Mascov, V. c. 1, § 3. — Strauss,
c. 3, § 2: Dividuntur regalia in majora et minora; majora nuncupantur,
in quibus potissimum suprema potestas et praeeminentia princibis relucet ;
minora dieontor, quae magis utilitatem principis ejusque fiscum, quam
— 64 —
Necker scheidet die Rechte der höchsten Gewalt, nach
der zuerst von Titius durchgeführten Teilung, in „regalia im-
manentia und transeuntla'*, in solche, „die auf die innerliche
Ruhe des Staates gerichtet sind", und solche, „die seine äusser-
liche Ruhe angehen '^ Ersteren schliessen sich einige geringere
Regalien, wie Jagdgerechtigkeit, Berg- und Salzwerke, ... an,
welche „keine natürliche Folge der höchsten Gewalt sind", und
dem Landesherrn nur zukommen, „als sie demselben durch aus-
drückliche oder stillschweigende Bewilligung des Volks ein-
geräumt worden".") Ebenso konsequent, aber noch logischer
in der Gruppierung führt Brückner eine andere Disposition
durch. Er zerlegt die Majestätsrechte in jura vel ciica res
sacras vel profanas", und letztere „vel circa civiles vel circa
bellicas". Er allein arbeitet nicht mit Annexen, und die ganze
Darstellung ist sehr logisch und einleuchtend. Allerdings führt
er nicht alle Rechte einzeln auf, denn das sei, wie er meint,
fast unmöglich, indem täglich weitere hinzukommen könnten. ^^)
Schon nicht mehr eine Einteilung im eigentlichen Sinne ist die
illius dignitatem concermint, quamvis solus Bocer. c. 2, No. 2 eum malit
in regalia Majestatis et regalia fisci dividi, eo quod priora ad amplitu-
dinem imperii, reliqua ad utilitatem principis magis pertineant, cui non
contradico, modo inter majestatem et regalia maneat differentia, non
tarnen adstipulor Hottomanno de feud. c. 6, regalia feuda cum regalibus
juribus passim confundenti, illa enim semper bona, dignitatemque an-
nexam habent et investituram requirunt, haec vero non itidem; et si
quando in feudum conceduntur, ordinaria solennitate non indigere arbi-
tror etc. — Es wird ausgeführt, dass diese regalia minora dem Fiscus
„vel ex publicis, vel ex communibus, vel ex privatis, vel ex nullius
bonis" zukommen; es gehören dazu neben Straf- und Konfiskations-
gefällen die Eameral- und Domänengtiter, die Herrschaftsrechte über
das eingeschlossene Meer, schiffbare Flüsse und Seen, üferrechte, das
Eecht über harren- und erblose Güter, der Schatz, Bergwerks- und Salz-
regale, Mühlenrechte; ja bis zum Becht über Torf, Ehabarber, Pelzwerk
und Elephantenzähne . . . wurden die staatlichen Monopole aufgezählt,
die, in den einzelnen Staaten und Zeiten differierend, auftreten.
11) Necker, P. I. c. 5, § 16; c. 6-11; c. 13-16.
12) Brückner, § 18—24. — Ähnlich Althusius, c. 9, § 31, ff;
c. 11-16; c. 16; c. 17, § 1 ff. und § 65-61.
— 66 —
des Hippolithus a Lapide. An die Spitze stellt er eine Eigen-
schaft der souveränen Gewalt und ein Souveränetätsrecht, von
denen er glaubt, dass in ihnen die „ipsa Majestatis essentia"
liege, nämlich die Entbundenheit vom Gesetz und das Gesetz-
gebungsrecht. An diese Jura praecipua'^ reihen sich dann
„pJura jura magis specialia'', d. h. alle übrigen Rechte, mit
Ausnahme des vorweggenommenen Gesetzgebungsrechts, in
buntester Folge. ^^) Thomasius bringt alle Rechte unter die
von Ziegler übernommene Dreiteilung in Gesetzgebung, Be-
amtenernennung und Kriegführung. ^^) Schlözer endlich, der
eine von den anderen ganz abweichende Einteilung aufstellt,
löst „das hohe Regierrecht des Herrschers" in folgende fünf
Teile auf: 1) Potestas legislativa; 2) potestas executiva; 3) po-
testas inspectiva; 4) potestas repraesentativa; 5) potestas ca-
meralis. Die potestas executiva zerfällt wieder in potestas
jndiciaria, potestas punitiva und zwingende Gewalt vermöge
der „force publique". In einem besondern Abschnitt bringt er
das Recht des Herrschers auf „Gehorsam, Salarierung, Dank-
barkeit und Ehrfurcht des Volks".«)
Von diesen wenigen Einteilungsversnchen abgesehen führt
die überwiegende Mehrzahl ohne jede Klassifikation die ein-
zelnen Rechte in bunter Reihenfolge an, wie dies Bodin gethan
hatte, dem Paurmeister mit Recht vorwarf, dass seine Dar-
stellung nicht aus Gliedern (membra), sondern aus Brocken
(frasta) bestände. Dabei bestrebten sich einige Schriftsteller
offenbar, möglichst viele Souveränetätsrechte aufzählen zu können,
denn sie vermieden es ängstlich, verwandte Befugnisse, wie das
Recht über Krieg und Frieden, unter eines zusammenzustellen,
und übertrafen so Bodin in der Zahl der aufgeführten Funktionen
bei weitem. Der Urtypus hierfür ist Kreittmayr, der es auf
13) Hippolithus a Lapide, P. I. c. 5; c. 7; c. 8—14.
14) Thomasius, § 8.
16) Schlözer, Abschn. n, § 5; Abschn. III, § 7.
5
— 66 —
26 Nummern bringt.*^) Angenehm berühren demgegenüber Aus-
führungen, wie z. B. diejenigen von Strauss und Böhmer, wo
verwandte Funktionen zusammengestellt, mehrere Rechte von
dem leitenden Gesichtspunkte aus vereinigt werden ; ja es wird
sogar, wenn auch oft nur der eleganteren, fliessenderen Dar-
stellung wegen und manchmal auf etwas künstliche Art zu
zeigen versucht, wie die einzelnen Rechte sich zusammen und
auseinander entwickelt haben, wie sie auseinander folgen und
in welchem Zusammenhang sie untereinander stehen ")
Im Grossen und Ganzen finden wir überall die Bodinschen
16) Kreittmayr fülirt in den §§ 8—34 folgende 26 Nummern
auf: 1) Jus circa leges et privilegia ; 2) jurisdictionem et judicia; 3) officia
vel munera publica ; 4) collectas ; 5) vectigalia et conductum ; 6) jura
fisci; 7) Eecht über Bpna vel jura subditorum im Imperium vel domi-
nium eminens ; 8) Eecht, Honores, titulos, dignitates zu verleihen ; 9) oom-
mercia, jus protimiseos vel retractus; jus emporii; 10) Politiam; 11) Rem
monetariam et postas; 12) CoUegia et universitates ; 13) jus belli;
14) arraorum; 16) repressaliarum ; 16) neutralitatis ; 17) mediationis;
18) pacis; 19) armistitii; 20) foederum; 21) legationum; 22) Ceremoniarum ;
23) Sacrorum; 24) Pflichten des Regenten gegen die Ünterthanen, 25) gegen
andere Regenten und Staaten; 26) Pflicht der Subditi zu Gehorsam und
Treue. — Paurmeister, I. c. 3, No. 22; Quod ad divisionem vel par-
titionem jus omne Majestatis quod dicit, in octo Capita distribuit ....
Quae divisio multis et innumeris paene vitiis scatet: Primum enim nimis
est concisa et articulosa, non membra, sed frusta solummodo rei divi-
dendae continens. — Er führt z. B. an : Unum enim legis ferendae caput
in tria discemit, cum, ut ipse fatetur, nummi percutiendi, ac pondera
ac mensuras constituendi facultas generalis leges ferendae potestate
contineatur.
17) Strauss, c. 3—10: So behandelt z. B. Cap. 4 das Recht der
Gesetzgebung: Der Herrscher giebt Gesetze; entstehen Zweifel über
deren Sinn, so interpretiert er; er erteilt Privilegien und hebt die Gesetze
wieder auf. Da er nicht im Stande ist, dies Alles allein zu verrichten,
ernennt er Beamte, und während er das oberste Richtertum hat, bestellt
er Richter für die jurisdictio Simplex. — Cap. 6: Recht über Krieg und
Frieden: Wer die oberste Gewalt im Staate hat, der führt den öfltent-
lichen Krieg. „Affines" des Krieges sind die Repressalien; der Krieg
endigt durch den Frieden oder einen Bündnisvertrag; dazu braucht der
Herrscher Gesandte. Auf den Frieden folgen die Belohnungen für den
Krieg, daher hat der Fürst z. B. das ius nobilitandi, u. s. w. —
Böhmer, Lib. IE.
— 67 —
Funktionen. Hinzugekommen und fast von Allen behandelt
ist das Jus «acrorum oder circa sacra". Merkwürdigerweise
lässt Schrodt die Verfügung über Krieg und Frieden und das
Recht der Beamtenernennung aus.
Lange nicht so klar und übersichtlich wie die Darstel-
lungen eines jus publicum universale sind diejenigen, welche
sich mit speziell deutschem Staatsrecht befassen. Sie sind
breiter, mit historischen Notizen stark untermischt, und nirgends
tritt die unterschiedliche Auffassung der Vertreter der kaiser-
lichen« ständischen und geteilten Souveränetät stärker hervor
und wirkt störender als hier.
b*
§ 9. Das Recht der Gesetzgebung.
Fast durchweg gilt das Recht der Gesetzgebung als das
hervorragendste, erste unter den Souveränetätsrechten ; nur ver-
einzelt wird dem jus sacrorum aus einer Art von der Frömmigkeit
diktierter Galanterie der Vorrang gegeben. Die gesetzgebende
Gewalt ist das Jus eminens,^ das „primum jus majestaticum
immanens". Die Gesetze sind die Mittel, wodurch Wohlfahrt
und Sicherheit des Staates am meisten gefördert werden, ^)
Entbundenheit vom Gesetz und Gesetzgebungsrecht sind für
Hippolithus a Lapide die „praecipua et essentialia juramajestatis."^)
Das Gesetzgebungsrecht fliesst aus der Zwangsgewalt des
Souveräns, aus dem „supremum jus cogendi et subditos obli-
gandi", welches Böhmer so stark hervorhebt. Der Souverän
hat, wie Necker es kurz zusammenfasst, „das Recht, Gesetze
zu geben, dieselben zu erklären, davon zu dispensieren, Privi-
legien und Freiheiten zu erteilen," und zwar stehen ihm diese
Funktionen „unice", „radicaliter", „suo jure et indepiendentev"
1) Reinkingk, II. Gl. 5. c. 6: Leges et statuta condere summae
niajestatis est symbolum. — Schrodt, P. 11. c. 1, § 7: Primum jus
majestaticum immanens est potestas legislativa. (Lex civilis est com-
mune praeceptum summae potestatis, omnes subditos ad parendum
obstringens.) — § 8. Leges civiles sunt media, quibus salus et securitas
reipublicae maxime promovetur. — Böhmer, IL c. 3, § 8; Quando
tamen ob necessitatem publicam leges ferendae sunt, jus illas ferendi
penes summum imperantem unice residet, et quidem radicaliter, quippe
qui supremum jus cogendi et subditos obligandi habet. — Mascov, V.
c. 2: Proximum curae sacrorum locum damus jurisdictioni, i. c. jus
ferendi leges et iudiciaria potestas. — Strauss, a4, §1. — Chr.
Wolf f, (Jus Nat.) § 818 ff. — u. s. w.
2) Vergl. § 8, Note 18.
— 69 —
za. ') Der Souverän kann zwar dem Beamten die Verordnungs-
gewalt Übertragen, ihm eine diesbezügliche „concessio'' erteilen,
aber dann verordnet der Beamte nicht Kraft eigenen Rechts,
sondern Jure subordinato'^ und immer nur unter gewissen
Vorbehalten. Seine Verordnungen gelten nur für den seiner
Rechtssprechung unterstellten Bezirk; sie dürfen nicht gegen
die Stellung des Herrschers oder das öffentliche Wohl gerichtet
sein, nicht früheren Gesetzen des Souveräns widersprechen,
und sie unterliegen der ausdrücklichen oder stillschweigenden
Bestätigung, der Verbesserung und Widerrufung durch das
Staatsoberhaupt. ^) Böhmer hält zwar auch an der Concession
fest, aber wenn diese einmal übertragen sei, meint er, so be-
dürften die Verodnungen der Beamten nicht mehr notwendig
der Bestätigung, obwohl sie allerdings „nützlich'^ sei. ^)
Da die obligierende Gewalt des Gesetzes vom Willen des
Souveräns abhängt, so steht es bei ihm, jederzeit ein Gesetz
aufzuheben, entweder ausdrücklich oder indem er ein entgegen-
stehendes erlässt; ebenso von einem bestehenden Gesetz zu
dispensieren, ein Privilegium zu erteilen. Aber man verhehlte
sich nicht, welche ungeheure Macht damit dem Herrscher ge-
3) Böhmer, IL c. 3, § 14. — Necker, P. I. c. 6.
4) Böhmer, 11. c. 3, § 23: Magistratus subaltemi leges condere
nequeunt, nisi haec potestas illis fuerit concessa et delegata. — § 29:
Extra concessionem sive expressam sive tacitam imperantis, nemo sibi
jus legatorium intra limites territorii arrogare potest, nisi jura imperii
violare velit. — Schrodt, P. 11. c. 1, § 14: Porro ex eo, quod potestas
ferendi leges sit jus majestaticum, consequitur, ut magistratibus subal-
temis possit competere facultas condendi leges seu potius statuta, non
nisi ex concessione summi imperantis et jure subordinato, cujus subordi-
nationis quatuor consectaria allegamus. Primum est, ut statuta magi-
stratus subaltemi subsistant intra limites jurisdictionis magistratui com-
missae. Secundum, ut talia statuta non sint contra praeeminentiam
summi imperantis in republica, aut contra bonum publicum. Tertium,
ut non contrarientur legibus summi imperantis anterioribus. Qua tum,
ut confirmationi expressae vel saltem tacitae aut etiam correctioni, imo
abrogationi summi imperantis subjaceant.
5) Böhmer, IL c. 3, § 25.
— 70 —
geben war, und verfehlte nie, ihm vorzuhalten, doch nur aus
schwerwiegenden und gerechten Granden Privilegien zu erteilen.^)
Das Gesetz teilte man in zwei Teile. „Pars principalis,
seil, dispositiva'' war der Gesetzesinhalt, der die Handlungen
der Bürger regelte und bei dessen Festsetzung vorzüglich das
natürliche Recht berücksichtigt werden sollte. Die „pars altera
vindicativa" gab ersterem erst Wert und zwingende Kraft.
Um die Befolgung des Gesetzes den (Jnterthanen möglich zu
machen, bedurfte es der Promulgation, für welche man eine
verständliche Sprache und Ausdrucksweise verlangte Sollte
es aber dennoch unklar bleiben, dann hatte der Souverän das
Recht der authentischen Interpretation.^) Durch die Gesetze
werden Alle verpflichtet, welche der richterlichen Gewalt des
Souveräns unterstehen und in dem Gebiete sich aufhalten, für
welches die Gesetze ergangen sind.®) Gegen dieses Gesetzes-
recht trat das Gewohnheitsrecht völlig zurück. Allerdings
kommt es ganz auf dasselbe heraus, ob der Herrscher aus sich
selbst Gesetze erlässt, oder dem, was den Unterthanen billig
und gerecht erschien, Gesetzeskraft verleiht. Aber nicht durch
die Beobachtung und Handhabung der Unterthanen erlangen
Sitten und Gewohnheiten den Wert und die Wirkungen des
Gesetzes, sondern erst und allein durch die Approbation des
Souveräns. Einige vermntheten zwar in den Sitten und Ge-
bräuchen des Volks den schweigenden Consens des Herrschers,
6) Strauss, c. 4, § 2: Non solnm generalibns legibus iramoratur
potestas principis, sed etiam, si quid inveniat, quod non satis recte sub
communi jure positum est; id eximit et singulari jure donat, quod vulgo
Privilegium dicitur. — Schrodt, P. IL c. 1, §§35, 37,40. — Böhmer,
IL c. 3, § 66 und 57. — Struv, c. 13, § 1. — Schmier, IL c. 3, No. 56.
- Selchov, § 253. - Wolff, (Jus Nat.), § 824.
7) Böhmer, IL c. 3, §§ 31, 39, 40, 47. — Struv, c. 13, § 1. -
Necker, P. L c. 6. — Eeinkingk, L Gl. 3. c. 12 i. f.
8) Schrodt, P. IL c. 1, § 15: Lege civili obstringuntur, qui sub-
sunt imperio civili legislatoris et continentur finibus territorii, pro quo
lex civilis est lata. — Böhmer, 11. c. 8, § 86.
— 71 —
aber es warde ihnen entgegengehalten, dass diese FiktionN un-
möglich sei, da der Monarch nicht die Sitten aller Orten und
Körperschaften kennen könne. Fehlt jedoch die ausdrückliche
Erklärung des Souveräns, so nimmt man allerdings an, dass
sein Consens zu praesumieren sei und dass er die eingebürgerten,
alten Sitten der Unterthanen billige, weil er ja wisse, dass die
einzelnen Orte und Verbände nach ihren eigentümlichen Sitten
und Gewohnheiten zu leben gewohnt sind, und weil er diese
Gebräuche nicht immer durch entgegenstehende Gesetze auf-
beben könne, noch auch im Interesse des inneren Friedens gut
daran thäte. •) Ebenso schafften die Dekrete der höchsten
Gerichtshöfe nur mit vorhergehendem Willen des Herrschers
ein allgemein gültiges Gesetz. ^^)
Ganz anders liegt die Sache bei den in diesem Punkte
verschiedentlich stark von einander abweichenden Monarcho-
machen : das Bild des Königs als Gesetzgeber ist hier abgeblasst
und verwischt. Ein entscheidender Faktor für das Zustande-
kommen eines Gesetzes ist bei allen Monarchomachen die Zu-
stimmung des Volkes, wobei sie jedoch unt«r Volk die bevor-
rechtigten Stände verstehen; nurBuchanan verlangt die unmittel-
bare Teilnahme des Volks in Gestalt des Keferendums. ^^)
Aber der Herrscher wacht über die Befolgung der Gesetze und
vollstreckt sie ; er ist „custos", „minister", „executor" legum. ^2)
Welche Befugnisse er jedoch haben soll, wenn sich Lücken in
der Gesetzgebung herausstellen, darüber sind die Ansichten sehr
9) Böhmer, IL c. 3, § 16 und 17.
10) Böhmer, II. c. 3, § 19: Decreta suminorum tribunalinm non
aliter legem universalem constituunt, quam ex imperantis voluntate
antecedente.
11) Junius Brutus, S. 103. — Eossaeus, c. 2, § 8. --
Buchanan, S. 13: Ego nunquam existimavi universi populi judicio eam
rem permitti debere : sed ut prope ad consuetudinem nostram ex omnibus
ordinibus selecti ad Eegem in conslllum coirent. Deinde, ubi apud eos
TzpoßoüXeuiJLa factum esset, id ad populi Judicium deferretur.
12) Jun. Brutus, S. 98 und 108. — Buchanan, S. 14.
— 72 —
geteilt: bald wird dem König zur Ausfüllung der Lücken nur
eine Initiative zugeschHeben, ihm dagegen die Interpretation
der Gesetze gestattet unter Aufsicht eines Senats, b^ld wird
ihm auch die Interpretation abgesprochen. ") Der Fürst ist
hier nur ein Volksbeamter, allerdings der erste, der hervor-
ragendste; die Gesetzgebung ist ihm nicht unterstellt, sondern
er untersteht den Gesetzen.
Wie fanden sich nun aber die Darsteller eines deutschen
Staatsrechts, die ja ausnahmslos die potestas legislativa für den
Souverän in Anspruch nahmen, mit den Thatsaohen ab, dass
der Kaiser die Gesetzgebungsgewalt nur unter Mitwirkung des
Reichs ausübte und ein jeder Reichsstand vermöge seiner Landes-
hoheit die gesetzgebende Gewalt hatte? Einem Hippolithus a
Lapide und seinen Anhängern lieferten diese Verhältnisse im
Reich gerade ein Hauptargument gegen die Souveränetät des
Kaisers, und sie widerlegten alles vorweg, was die Vertreter
kaiserlicher Souveränetät vorbringen konnten : Gar keine Gesetze
könne der Kaiser allein geben, ändern oder abschaffen ; deshalb
spreche man auch von ,^Reichsabschieden" und „gemeinen
Reichsbeschlüssen'*; zur Berufung der Stände bedürfte es
der Kurfürsten, und was die Promulgation der Gesetze
betreffe, so wirkten dabei sehr oft die Stände mit, wie ans
den Worten hervorgehe: „Haben mit sammt Unsern und
des heiligen Reichs Kurfürsten, Fürsten und Ständen
und gemeiner Versammlung gesetzt und geordnet. . . ." ")
Das hindert aber Lyncker, Reinkingk, Spener, Schmier und
viele andere nicht, dem Kaiser die Souveränetät zuzusprechen, ja
manchmal stützen sie ihre Beweisführung gerade auf die gesetz-
gebende Gewalt. Am weitesten geht auch hier Lyncker, welcher
behauptet, die Stände hätten diese Rechte nicht durch eine
Abtretung von Seiten des Kaisers, sondern durch eine „cjn-
13) Jun. Brutus, S. 105, 108, 109. — Buchanan, S. 14.
14) Hippolithus a Lapide, P. I. c. 6.
— 73 —
cessio benevola'*, und dadurch sei die kaiserliche SonveräDetät
nicht geschmälert, sondern stehe viel ehrenvoller da und mfisse
viel mehr gefürchtet werden. Reinkingk will sogar damit etwas
beweisen, dass er hervorhebt, dass die vom Kaiser berufenen
Stände sich demselben anterthänigst nähern, und nach Schluss
des Reichstages den Kaiser um seine Gnade anflehen. Im
Allgemeinen wird in diesen Beweisführungen viel mit Äusser-
lichkeiten, Kanzleiplirasen und Titeln operiert und auf die ein-
schlägigen Reservatrechte des Kaisers, die für das Reich als
Ganzes meist ohne jede Bedeutung sind, ausserordentlicher
Wert gelegt. ^^) Hanptargumente aber waren Proposition,
Sanktion, Promulgation der Gesetze durch den Kaiser. Die
Mitwirkung, die Zustimmung der Stände war nicht zu leugnen,
aber der „consensns procerum^ bei Abfassung der Gesetze
schadete ja der Souveränetät des Herrschers nicht. Eine solche
Mitwirkung konnte durch Vertrag festgesetzt, durch die Ver-
fassung bestimmt sein, und an die „leges fundamentales "* war
ja der Souverän nach der herschenden Ansicht gebunden. Stets
aber legte man grossen Wert darauf zu erklären, dass der
Kaiser, nicht die Stände zugleich, das Recht ausübte; nur er,
allerdings „consensu procerum." ")
Was das Gesetzgebungsrecht der Stände in ihren Terri-
torien betrifft, so ist dasselbe ein Ausfluss ihrer Stellung im
Reiche überhaupt, die sich charakterisiert einerseits durch ihre
Mitwirkung bei der Regierung des ganzen Reichs, andererseits
durch ihre Territorialhoheit. Dass die Landesherren ihre Ge-
15) Lyncker, § 18 und 23. — Keinkingk, I. Gl. 2. c. 2. —
Schmier, IL c. 3, No. 59 und 60. — Spener, IV. c. 5, § 1.
16) Schmier, 11. c. 3, No. 50: Po testas Imperatoris circa ferendas
leges Statuum suffragio alligata est, per quod tarnen Majestati Caesareae
nihil derogatur. Imperator tenetur legibus Imperii, non quidem vi
coactiva, vel directiva, sed tantum indirecte; Status vero Imperii tenentur
tarn vi coactiva, quam directiva. — Mascov, V. c. 2. — B. Schmidt,
§ 341. — Böhmer, IL c. 3, § 16. — Paccassi, L No. IL — Pütter,
(Beiträge), HI. § 5. — Schilter, IV. tit. 12, § 9.
— 74 —
setze nicht unter denselben Eautelen wie die Beamten erliessen,
das bewiesen die einzelnen Landesrechte, die Statute, öffentlichen
Edicte, Landesordnungen, welche die Territorialherren gerade
wie der Kaiser im Reich unter Mitwirkung der Landstände
ihren Territorien gaben. Obwohl nun da» Landesrecht sogar dem
Reicbsrecht derogierte, bei Streitigkeiten zwischen Ständischen
das Reichskammergericht nach der betreffenden Landesordnung
urteilen musste ; obwohl die Landesherren ihre Ordnungen nicht
nur erliessen, sondern auch interpretierten, aufhoben, von ihnen
dispensierten, erkannte man ihnen doch kein souveränes Qesetz-
gebungsrecht zu. Ihre Macht blieb immer eine „dependens
aliqua potestas, aemula Majestatis'^ ; sie hatten einen Höheren
über sich, den Kaiser, der auch in ihren Territorien mit ihnen
concurrieren konnte. Die einzelneu Rechte ihrer Gewalt sollten
die Landesherren entweder aus kaiserlicher Concession erhalten
oder durch lange Übung erworben haben. Nicht Kollegen wollte
der Kaiser aus ihnen machen, sondern einen Teil seiner Mühen
und Arbeiten ihnen aufbürden» und ihnen jene Rechte nicht
„abdicative", sondern „cumulative" übertragen. ")
Alle, selbst die eifrigsten Verfechter der Souveränetät der
Stände als Gesammtheit, wehrten sich heftig gegen die Idee,
dass ein einzelner Reichsstand souverän wäre. Man hätte in
Deutschland eine Unzahl Souveräne gehabt; Deutschland wäre
nicht mehr ein Reich gewesen.
17) Limnaeus, IL c. 9. — Pütter, (Institut, jur. publ.), § 204.
— Paurmeister, I. c. 6, No. 11. — Struv, c. 29, § 18. — Pfef-
finger, IH. tit. 13, No. 8; tit. 17, No. 3, 8, 19. — Reinkingk, I. Cl.
6. c. 6, No. 7.
§ 10. Das Recht des obersten Richtertums.
Ohne AusubuDg, ohne Vollstreckung der Gesetze hätte das
Gesetzgebungsrecht keinen Wert: der Souverän ist oberster
Bichter. Es giebt keinen höheren Richter ttber dem Souverän
und er ist letzte Instanz fQr alle in seinem Lande ergangenen
Rechtssprüche. „Suprema juris dictio et extrema provocatio^
wird immer das souveräne Recht der Justizhoheit genannt.
Mit dem obersten Richtertum steht und fällt die Souveränetät,
und Hippolithus a Lapide ist sich wohl bewusst, welch' harten
Schlag er gegen die Stellung des Kaisers führt, indem er dieses
Recht auf die Stände und das Reich überträgt, ^)
Der Souverän ist Quelle aller richterlichen Gewalt, „fons
omnis jurisdictionis^' ; von ihm fliesst sie aus durch die Ver-
leihung und durch die Berufung kehrt sie wieder zu ihm zurück.^)
Da er das Recht der Beamtenernennung hat, braucht er die
richterlichen Funktionen nicht überrall selbst auszuüben; auch
kann er dies faktisch nicht, wohl aber rechtlich, denn die
Richter sind nur seine Beauftragten, die in seinem Namen den
Parteien Recht sprechen. *) Trotz der Bestellung von richter-
1) Sehr od t, P. II. c. 2, § 1: Finis essentialis civitatis exigit,
ut defensio jurium tarn publiconim quam privatorum et applicatio legum
ad actiones subditorum in statu civili summo imperanti reservata sit. —
Struv, c. 12, § 44. — Brückner, § 21. — Kr eittmay er , P. I,
§9. — Selchov, § 256. — Hippolithus a Lapide, P. L c. 10.
2) B. Schmidt, § 382. —
3) Böhmer, 11. c. 7, § 15: Cum vero ipse huic rei non satis
sufficere possit, constituit, qui jurisdictioni praesint et subditis litigan-
tibus jus dicant. — Schrodt, P. II. c. 2, § 2: Potestatem judiciariam
imperans vel ipse exercere potest, vel aliis eandem demandare, ut hi
— Te-
ilchen Beamten bleibt es dem Souverän unbenommen, Rechts-
streitigkeiten der Unterthanen vor sein Forum zu ziehen. *)
Er hat die Jurisdiktion kraft höchsten, eigenen Rechts; dem
Beamten ist sie vom Herrscher durch Auftrag, „ex delegatione",
„per participationen", „cumulative" mitgeteilt worden. ^) Daher
auch der Unterschied in der Ausübung: dem Beamten sind bei
seiner Jurisdiktion vom Herrscher gewisse Grenzen gezogen;
über dieselben hinaus ist er nicht mehr kompetent, ist er dem
Privatmann gleich. Ferner muss sich der sulbalterne Richter
bei seiner Rechtssprechung stets an die Gesetze des Staats
halten; der Souverän dagegen kann infolge seiner Entbunden-
heit vom Gesetz sich von Billigkeitsrücksichten leiten lassen,
falls das öffentliche Wohl oder andere Umstände dies verlangen ;
er kann einen sogenannten Machtspruch erlassen, eine „sententia
ex plenitudine potestatis lata", die in ihrer Wirkung dem
gegebenen Gesetz gleichkommt, und wodurch er z. B. die
Parteien zu einem Vergleich zwingen kann.
Am deutlichsten und wirkungsvollsten zeigt sich die
Subordination der unteren Richter unter den Souverän in der
Appellation, die immer stattfinden kann, soweit ihr der Herrscher
nicht bestimmte Grenzen gezogen hat. ^)
nomine imperantis eandem exerceant. TJnde potestas judiciaria seu juris-
dictio in civitate alia est snprema, quae imperanti summo et proprio
jure competit, alia subaltema, quae ex delegatione imperantis maglatra-
tibus subalternis competit. — Kreittmayr, P. I, § 9.
4) Böhmer, II. c. 7, § 16: Hoc ipso tamen imperans se haud
privat sua potestate, jus dicendi, sed integrum adhuc ei manet, quosdam
causas ab ordinato judicio avocare et sua decisione finire. — Schrodt,
P. n. c. 2, § 6: Imo in regula summo imperanti libera manet avocatio
causarum coram judiciis subalternis pendentium.
5) Brückner, § 21. — Schrodt, P. IL c. 2, § 2.
6) Schrodt, P. IL c. 2, § 4: Atque exinde est, quod 1) juris-
dictlo magistratus subaltemi sit adstricta ad limites a summo imperante
definitos, ita ut si judex de facto excedat limites suae jurisdictionis et
officii, impune ei non pareatur, cum extra limites suos instar privati sit;
2) quod jurisdictio magistratus subaltema debeat exerceri secundum leges
civitatis et servato justo ordine. Tertius et praecipuus effectus subor-
— 77 —
Oberster Richter in Deutschland war der Kaiser, unter
ihm standen, um ihn in Ausübung seiner Funktionen zu unter-
stützen, zwei höchste Gerichtshöfe, das Reichskammergericht
und der Reichshofrat Sie erliessen ihre Entscheidungen im
Namen und mit dem Siegel des Souveräns, als seine Vertreter,
„vice Imperatoris". '') überall zeigte sich das Bestreben, sie
in eine gewisse Unterordnung unter den Kaiser zu bringen.
dinationis, quod a judice inferiori ad summum imperantein semper detur
provocatio, vel ordinaria vel extraordinaria. — Böhmer, 11. c. 7, § 18:
Atque exinde est, quod ex judice inferiori semper provocetur imperans^
quatenus huic limitationi certos limites non posuit. § 22. Manet tarnen
inter principem et judicem subalternum adhuc insignis differentia. lUe
vero ex justa causa aliquando possit sententiam ferre, prout salus publica
et aliae circumstantiae hoc pustulant. Pertinet huc exemplum Salomonis
I. Eeg. III. 16 segg. Item Eudolphi I. imperatoris, quod refect Lehman,
in Chron. Spirensi lib. 5. c. 109, ut et Galbae apud Sueton, in ejus vita
c. 7. Dicitur haec sententia ex plenitudine potestatis lata, ein Macht-
Spruch, cum omnia possit ad salutem reip. accommodare, et sie gravi
causa existente legibus latis non praecise adstringatur, sed decisum suum
pro re nata absque uUis ambagibus iuste interponat. Sic etiam ob salutem
publicam aliquando partes ad transigendum cogit, etc. — Strauss,
c. 4, § 4; c. 8, § 4: Jus extremae provocationis non vulgaris potestatio
nota est, quo gravatis adversus praetensam ludicis inferioris injuriam
succuritur. Coepit esse fundamentum Majestatis. — Schmier, IL
c. 3, § 18.
7) M a s c o V , V, c. 8 : Imperator itaque supremam in imperio
jurisdictionem in praesenti exercet per duo tribunalia, Consilium Aulicum
ac Cameram Imperii. Ipse autem haud licet haec judicia in adminis-
tranda justitia, ullo modo impedire vel illorum unum alterumne mutare
aut novum instituere sive consensu Ordinum imperii. Nachher beim
Reichshofrat : In causis diversis, speciatim gravioribus iustitiae, solet
fieri relatio (vocant votum) ad Caesarem. Über das Eeichskammergericht.
Scilicet Max I. instituit hanc cameram tamquam supremum in imperio
iudicium, quod Caesarem et imperium repraesentaret. Ejus caput hodie
est judex, quem Caesar artis requisitis instructum ex principum comi-
tumque ordine, secularium imprimis, constltuere solet. — Reinkingk,
I. Cl. 2. c. 2: Camerae Judicium quoad contentiosam praecique juris-
dictionem et justitiae expeditionem, Imperatorem et Universum imperium
repraesentat. Imperator camerae Judicium ejusque iudicem constituit
eundemque suum appellat iudicem, et solus Camerae Praesides instituit.
Camera vice Imperatoris iudicat, hujusque nomine, autoritate et sigillo
omnia mandata et processus expediuntur. Ab Imperatore non datur ap-
— 78 —
Mehr Schwierigkeit hatte man bei den Ständen. Wie das
Gesetzgebnngsrecht, so hatten die Fürsten anch die Gerichts-
barkeit in ihren Landen, welche sie, anders wie die richterlichen
Beamten nnd die höchsten Gerichtshöfe, in eigenem Namen
ausübten . Allerdings unterstanden sie als Lehensmannen der
Gerichtshoheit ihres Herrn, nnd in Fällen, wo es sich nm Leben
nnd Lehen handelte, war der Kaiser der Vorsitzende des Fürsten-
gerichts. Von ihren gerichtlichen Entscheidungen stand der
Weg der Appellation an eines der beiden höchsten Reichsgerichte
oflfen, oder, wo dieser Weg durch ein Privilegium de non
appellando versperrt war, blieb wenigstens im Falle der Justiz-
verweigerung oder ungebührlichen Justizverzögerung die Be-
schwerde an die Reichsgerichte, sowie die Nullitätsklage gegen
ihre Urteile übrig.®) Trota alledem war die Ausübung richter-
pellatio. — Schmier, 11. c. 3. No. 94. — P u f e n d o r f , (De statu
Imp.), Cap. 5, No. XX. — Selchov, § 255—298. — B. Schmidt,
§ 382 und 383.
8) Pütt er, (Beiträge), XVIII: Unterthanen, denen von Seiten
ihres Herrn, oft auch nur mit dessen oder auch oft nur mit seines Mi-
nisters Genehmigung Unrecht geschieht, sind in unabhängigen Staaten
übel daran, da ihnen alle weitere Zuflucht zu eüier höheren Hülfe ab-
geschnitten ist. Ein Teutscher Eeichsstand muss sichs gefallen lassen,
dass selbst von seinen gerichtlichen Aussprüchen einem jedem, der sich
dadurch für beschweret hält, der Weg der Appellation an eines der
beiden höchsten Eeichsgerichte offen steht. Oder wo auch dieser Weg
etwas durch besondere Privilegien beschränkt oder ganz versperrt ist,
kann doch wenigstens ein jeder, wenn ihm das Kecht versaget oder
ungebührlich verzögert wird, oder auch, wenn er sich über Nichtigkeiten
zu beschweren hat, sich an die Eeichsgerichte wenden. Und, was noch
mehr ist, wenn ein Eeichsstand wider seine Unterthanen Gewalt vor
Eecht ergehen lassen, oder überhaupt seine Landshoheit missbrauchen
wollte, darf er nie verkennen, dass noch ein höherer Eichter über ihm
vorhanden ist. Ja, sowenig auch sonst die kaiserliche Gewalt in Dingen,
die ein jeder Eeichsstand in seinem Lande aus landesherrlicher Macht
verrichten kann, vorgreifen darf, so ist es doch möglich, dass in Fällen,
wo die Ausübung landesherrlicher Eechte widerrechtlich versagt wird,
die kaiserliche Gewalt gleichsam an dei-en Stelle eintrete. — Limnaeus,
IL c. 9. — B. Schmidt, § 411. — Strauss, c. 8, § 4. — Pfef-
finger. I, tit. 19. § 2.
— 79 —
lieber Befugnisse kraft eigenen Rechts nicht zu vereinbaren
mit einer Dnterthanenstellung, in die man die Stände, Kaiser
und Reich gegenüber bringen wollte.
Der souveräne Herrscher, der keinem Gesetz und keinem
Richter untersteht, hätte sich eigentlich in eigenen Angelegen-
heiten selbst richten sollen. Aber man hütete sich wohl ihm
die Souveränetät abzusprechen, wenn er vor einem andern
Richter als Partei Recht nahm, wie der französische König vor
dem Parlament, der deutsche Kaiser vor dem Kammergericht
oder dem Pfalzgrafen. Nur handelte es sich für die Wissen-
schaft darum, die Thatsachen mit der Souveränitätslehre in
Einklang zu bringen, und man führte aus, dass der Kaiser vor
dem Reichshofgericht nicht in seiner Eigenschaft als Oberhaupt,
sondern als Vasall des Reichs Recht nehme, und erklärte das
Gericht über dem Kaiser überhaupt als ein ehrenvolles Schieds-
richteramt, den Gerichtstand als freiwilligen; manche zweifelten
sogar an der Existenz des Pfalzgrafengerichts pnd hielten es
für eine alte Fabel »)
Aus der Justizhoheit Hess man vereinzelt auch das
Begnadigungsrecht, sowie die Befugnis, freies Geleit und
Moratorien zu gewähren, fliessen,")
9) E e i n k i n g k, I. Cl. 2. c. 2 :' Ob id, quod Imperator in Camera
conveniri potest, Majestas ejus non laeditur; Eex Galliae in Parlamento
convenitur. No. 116: Qui citari et conveniri Imperatur posset in Camera,
non tamquam Imperator, sed tamquam Archidiix Austriae vel alliis Im-
perii Princeps tum enim sibi ipsi mandasse Imperatorem his verbis:
Wir Carl etc. . . . Römischer Kayser, entbieten dir Carl, Ertzherzoge
zu Oesterreich ... — Masco v, in. c. 8, § 2: ludicium ergo Palatini
in Caesarem peculiaris plane quondam naturae ac indolis fnlt. — S e 1 -
c h o V , § 96 : Imperator sicut alii reges, cum süperiorem non agnoscat,
sequitur, ipsum nee potestati judiciariae cujusquam obnoxium esse.
Quae enim de judicio Palatini in Caesarem scriptores medii aevi memoriae
prodiderunt, et in aurea bulla repetuntur, si crude intelligas, poxime ad
fabulas accedunt, nee usu sequioris aevi comprobantur, licet certum sit,
Palatinum saepius, velut arbitrum honorarium, lites inter Caesarem ac
Status obortas judicasse. — Vergl. die Monographie von H. Chr. von
Senckenberg. - Necker, R l. c. 6. § 8. ^ Kreitmayer, §9.
§ 11. Das Recht zu strafen und zu begnadigen.
Eng verwandt mit dem Rechte der Gesetzgebung und des
obersten Richtertnms ist das Recht zu strafen; ohne dasselbe
wären die Gesetze, welche die Handlangen der Unterthanen
zur Wohlfahrt des Staats anleiten sollen, ohne Kraft. ^)
Bei keinem Recht bemühten sich die Staatsrechtslebrer so
sehr, es als Ausfluss der Souveränetät hinzustellen wie gerade
hier. War es doch kein Geringerer als Grotius, der stets gegen
die Majestätsqualität der Strafbefugnis angekämpft hatte und
dessen gewichtigen Worten noch Mancher Glauben schenken
mochte. Das Recht, Strafen zu verhängen, („malum passionis,
quod infligitur ob malum actionis", wie er die Strafe definierte),
schloss Grotius aus einer gewissen Überlegenheit des Unschul-
digen über den Delinquenten, welchen er eben durch seine
That allen Andern gleichsam unterstellt dachte. Bei der Grün-
dung des Staats sollten die Einzelnen mit ihrer Freiheit auch
die Strafbefugnis auf den Souverän übertragen haben, was
Grotius aus dem noch erhaltenen Recht zur Tötung des nächt-
lichen Diebs und zum Krieg gegen die Piraten folgern wollte.
Aber er wurde allseitig widerlegt. Man achtete zwar den Un-
schuldigen auch höher als den Verbrecher; aber höhere Moral
verlieh noch keine Herrschaftsbefugnisse. Auch zog man die
Gonsequenz aus dieser allgemeinen Strafgewalt des Einzelnen:
ein beständiges bellum omnium contra omnes, da mehr oder
weniger Alle Delicto zu begehen pflegen. Und selbst die
1) Necker, P. I. c. 7, § 2. — Schrodt, P. IL c. 3, § 1. -
Schlözer, Abschn. IL, § 5. - Wolff, § 832 ff.
— 81 —
Übertragung der individuellen Strafbefugnis anf den Souverän
Hess Schrodt nicht gelten, da nach der Bibel das Jus gladii"
dem Herrscher von Gott unmittelbar verliehen worden sei.^)
Ebenso entschieden wie Qrotius und ebenso heftig wider-
legt wie er, argumentierte Daries gegen das Majestätsrecht der
Strafe. Nach ihm besteht für alle Menschen eine natürliche
Verpflichtung, eine „obligatio naturalis^, wie er sie nennt,
zur Erhaltung und Pflege des vollkommenen im einzelnen
Individuum und zur Ausrottung des Unvollkommenen, Unmora-
lischen; die Verpflichtung aber, auf diesen Endzweck hinzu-
arbeiten, verleihe das Recht auf die entsprechenden genügenden
Mittel, d. h. die Strafen. »)
Es giebt also nach der herrschenden Meinung ein Recht
2) Grotius, IL c. 20, § 3, No. 1: Sed hujus iuris subjectum, id
est, cui jus debetur, per naturam ipsam determinatum non est, dictat
enim ratio maleficum posse puniri, non autem quis punire debeat : nisi
quod satis indicat natura convenientissimum esse, ut id fiat ab eo, qui
superior est: non tarnen ut omnino hoc demonstret esse necessarium,
nisi Yox superioris eo sumatur sensu, ut is, qui male egit, eo ipse se
quovis alio inferiorem censeatur fecisse et quasi ex hominum censu de-
trusisse in censum bestiarum, quae homini subjacent, quod a Tbeolo-
gicis quibusdam est proditum .... No. 2 : Qui consequens est, ut saltem
ab aeque nocente aeque nocens puniri non debeat : quo Christi sententia
pertinet: qui vestrum sine peccato est (tali scilicet) primum lapidem
mittat, Job. VIII. 7. — Schrodt, P. IL c. 3, § 10: Hac ratione jus
puniendi cum Grotio non potest deduci ex quadem superioritate inno-
centis in deliquentem, qui per delictum se omnibus quasi inferiorem red-
dere censetur, quia 1) juxta demonstrata ex ratione naturali ad jus
puniendi non sufficit, super ioiitas qualiscumque, sed requiritur superio-
ritas imperii. 2) Delinquens intuitu innocentis fit inferior quoad existi-
mationem, non vero quoad subjectionem et obligationem poanae. 3) Ex
eo sequeretur mutua subjectio et perpetuum bellum inter homines in
statu aequalitatis naturali, quoniam omnes delinquere solent. § 15. Neque
cum Grotio jus puniendi majestaticum derivari potest ex tali facto, quo
singuli suae libertati seu juris puniendi naturali in civitatis constitutione
renuntiarunt, illudque in imperantem transtulerunt. Nam jus puniendi,
quod et jus gladii appellatur, summo imperanti divinitus datum injunc-
tumque esse sacrae docent litterae ... — Pufendorf,(J. N. & G.),
VIII. c. 3, § 7.
3) Daries.
6
— 82 —
der Strafe nur im Staate, und nar dem Souverän steht es ver^
möge seines Herrschafts-, seines Zwangsrecht aber die tfoter*
thanen zu. Dieses Recht enthält aber zugleich eise Pflicht des
Herrschers gegenüber dem Staat, dessen Erhaltung und Wohl-
fahrt durch eine gerechte Handhabung der Strafgewalt bedingt
sind. Art und Grösse der Strafe sind allerdings der Bestimmung
des Souveräns überlassen, massgebend aber bei ihrer Bemessung
ist das öffentliche Wohl, und zwar so sehr, dass die Bestrafung
verschoben werden oder sogar unterbleiben muss, wenn dem
Staat ein Schaden dadurch erwachsen wärde. ^)
Auch die Ausübung dieses Rechts kann der Souverän
Beamten übertragen, und die Politiker rieten ihm, es nicht
selbst auszuüben, um sich die Liebe der Dnterthanen zu erhalten.'^)
Privaten und Körperschaften steht die Strafbefugnis nur durch
Verbreitung vom Herrscher zu oder durch das Recht der Not-
wehr und defensiven Selbsthülfe.«) Nur den ünterthanen in
4) Böhmer, 11. c. 8, § 11: Jus puniendi et poenas detemainandi
est penes imperantem in Eepnblica, qui ad hoc obligatur republicae, cui
praeest. Constat hoc ex fine reipubl., quia ad omne id obligatur Prin-
ceps, sine quo salva non potest esse republ. unde Paulus quoque Eom.
Xm. jus gladii magistratui tribuit. — § 12: Quemodmodum autem
omnia, ita quoque poenarum inflictio 'est subordinanda saluti civitatis,
atque adeo, si ex illa majus damnum in eam redundat differenda vel
remittenda potius est. — Necker, P. 1, c. 7, § 8: Aus dem Endzweck
der Straffen erhellet wiederum, dass es einem Landesherm nicht frey-
stehe, dieselbe nach seinem Gefallen auszuüben oder nicht, sondern dass
es seine Pflicht seye zu straffen, so ofte es zum Nutzen oder Nachtheil
des Staats gereichen kann. — Schrodt, P. n. c. 3, § 14: Ex his itaque
licet, jus puniendi proprie tale dari in solo statu civitatis.
B) Böhmer, II. c. 8, § 16: Perinde autem est, utrum princeps
jus puniendi per se, aut per alios ad id constitutos exerceat, quod poste-
rius, ubi fit, oritur inde jurisdictio criminalis. — Vergl. auch Eeinhard,
Theatr. prud. eleg. S. 1288.
6) Schrodt, P. II. c. § 16: Quodsi vero jus puniendi in statu
Civitatis reperiatur privatis esse concessum, illud non ex jure puniendi
primaevo, quod singulis in statu naturali juxta Grotium competit, sed
vel ex concessione summi imperantis vel ex jure necessariae defensionis
descendit. Huc refer jus privatorum, occidendi furem nocturnum ex
lege divina forensi, Graeca et Bomana, et bellum contra piratas singulis
— 83 —
einigen bestimmten Stellungen ist das Recht massiger Bestrafung
allgemein gelassen; so dem Vater über sein Kind, dem Herrn
insbetreff seiner Sklaven und Diener, dem Ehemann über seine
Ehefrau; der Lehrer soll sich jedoch nach Böhmer darauf
beschränken, zu tadeln und Censuren zu erteilen, und zwar
„amoris affectu". ^)
Während der Beamte an das . gegebene Recht gebunden
ist, weder härter noch milder sein kann als das Gesetz, das
einmal erlassene urteil, so wie es ist, vollstrecken muss, kann
der Souverän, der über den Gesetzen steht und die Quelle aller
staatlichen Strafgewalt ist, die Bestrafung verschieben, die
Strafe ändern, entweder eine schwerere verhängen oder sie auf-
heben, den Deliquenten begnadigen. So ist es dem Souverän
ermöglicht, gewisse Umstände des Deliquenten besser zu berück-
sichtigen, Härten des geltenden Rechts, welche erst in der
Rech tsan Wendung hervortreten, im Weg der Begnadigung aus-
zugleichen, und auf diese Weise die Gesetze, die er ja geben,
ändern und aufheben kann, für den bestimmten Fall zu
korrigieren. Allerdings darf er nicht willkürlich den einen
Verbrecher begnadigen, den andern nicht, sondern muss dieses
Recht da anwenden, wo es der Zweck der staatlichen Straf-
concessnm. Böhmer, II. c. 8. § 13. Fluit exinde collegiis sen societatibns
aequalibus jus puniendi non competere et quam vis pacto inter se certam
poenam determiii averint, illam tarnen absque execatione snperioris esse
inefficam. Poenae ratio potissima existit in executione. Hoc anicam
tantnm habet, ut si is, qui contra pacta collegii agit, qui stari pactis
recusat, excludatur a coUegio, qnia hoc reguläre est, ut societati renun-
ciare debeat, qui se legibus societatis confirmare non vult, quodsi tarnen
pacta illa confirmaverit imperans, tunc, quia in legis proprie dictas
transeunt, etiam a Magistratu poenae a Principe determinatae exigi possunt.
7) Böhmer, II, c. 8. § 15: Belinqui tarnen etiam subditis aliquod
jus modice puniendi potuit, quatenus in republica imperium quoddam
eis in certas personas est relictum. Talis potestas est parentum in liberos,
dominorum in servos et famulos, mariti in uxorum. — 14: Neque qui
docendi tantum munere funguntur, puniendi jus habent, licet censuras
et reprohensiones, amoris affectü adhibere possint.
6*
— 84 —
thätigkeit erfordert und es zur Wohlfahrt und zum Segen des
Landes gereicht, denn auch hier muss das Staatswohl seine
erste Richtschnur sein. ®)
Nach Schrodt soll der Souverän auch das Begnadigungs-
recht durch besondere Verbreitung den Beamten übertragen
können. »)
8) Schrodt, n. c. 3. § 36: Caeterum, quoniam aggratiatio in poena
a legibus determinata dispensationi aequipolet, consequens est, ut jus
aggratiandi ex causis extrinsecis sit reservatum illi, qui summam in
republica potestatem habet. — Necke r, P. I. c. 7. § 6: Weil es gleich-
wohl billig ist. dass man bey der Ausübung der Strafe auf die besonderen
Umstände eines Deliquenten sehe, so folget hieraus, dass 1) das Recht,
jemand zum Teil oder gänzlich zu begnadigen, jus aggratiandi, ein un-
streitiges Recht der höchsten Gewalt sei, 2) dass es nicht in der blossen
Willkür eines Regenten stehe, einem Missethäter zu erweisen oder nicht
zu erweisen, sondern dass es seine Pflicht sey, dieses Recht sich allezeit
so und nicht anders zu gebrauchen, als es mit der Wohlfahrt des Landes
und mit dem Zweck seines Straf amtes bestehen kann. — Böhmer, 11.
c. 8, § 17: Manet tamen adhuc haec differentia, quod imperantis jus
puniendi sit laxius, cum jure aggratiandi conjunctim, subalternorum vero
magistratuum adstrictius. Judex inferior non potest durior aut mitior
esse lege, neque poenam mutare, quia legibus alligatur. Imperahs contra
poenam mutare, remittere, vel etiam extra ordinem graviorem dictare
potest, prout Salus reip. hoc postulare videtur. — Brückner, §23. —
Bodin, I. c. 10, No. 30: In quo maxime Principis aut populi majestas
elucet: cum nuUi magistratus aut judices sententias a se latas injussi
mutare possint; nam qui sententiam semel in acta relatam mutaverit,
poena falsi obligatur. — Bornitius, cap. 19, S. 270: Unde Princeps
cuipue delicto poenam potest praefinire vel etiam praeter poenam statu-
tam severius in aliquos vindicare. S. 181: Judex enim secundum leges
judicare debet, ut medicus secundum praecepta suae artis. Nee varias
voces populi esse audiendas aut eorum vocibus credere oportere, quando
noxium crimine absolvi aut innocentem condemnare desiderat. — Besold?
III. c. 4, No. 2. — Arnisaeus, II. c. 3, No. 14.
9) Schrodt, P. 11. c. 3, § 37: Inde fluit, ut magistratus subal-
temus jus aggratiandi non habeat, nisi ex special! concessione summi
imperantis, quamvis is possit et teneatur perpendere circumstantias de-
licti intrinsecus, ne quid durius aut remissius decemat, quam ratio legis
et meritum rei, exposcant.
§ 12. Das Recht über Krieg und Frieden.
Da souveräne Herrscher keinen Richter über sich haben,
muss einer gegen den andern, falls er nicht gutwillige Genug-
thuung erlangen kann, das zugefügte Unrecht mit bewaffneter
Hand rächen und sich auf diese Weise selbst Genugthuung
verschaffen. Der Souverän, und nur er, hat das Recht über Krieg
und Frieden. Es ist eines der wichtigsten Souveräne tätsrechte
und hat seinen Platz in der oft wiederkehrenden Dreiteilung
in Gesetzgebung, Beamtenernennung und Kriegführung. Es
steht dem Herrscher hinsichtlich der anderen Staaten zu infolge
seines „Status naturalis et libertatis", infolge seiner Reprä-
sentativgewalt. 1) Die faktische Kriegführung und Verteidigung
des Staats muss ja allerdings Subalternen übertragen sein,
aber aus eigener Initiative dürfen diese den Krieg nicht be-
ginnen, wenn auch noch so viele gerechte Gründe dazu vor-
lägen. Nur wenn der auswärtige Feind plötzlich und unver-
muthet in eine Provinz eindringt, darf der Gouverneur seinen
Bezirk verteidigen, da ja auch der Einzelne in diesem Sinne
ein Vertheidigungsrecht hat. Ebensowenig können die F^ld-
1) Brückner, § 24: Hoc jus, cum maximopere reipublicae ab
exteris, defendi hostibus intersit, apud Superiorem residere necesse
est, cum lites alias oriundas nemo decideret, quia belli gereutes
neminem agnoscunt judicem nisi Deum et gladium. — Böhmer, ü.
c. 1, § 2: Vim itaque externam imminentem, vi opposita, iuste impe-
rans repellit, ex quo Jus belli hoc quoque sensu fluit; nam alias impe-
rans illud quoque habet, intuitu aliarum gentium ex ratione Status
naturalis et libertatis, in quo est constitutus. — Thomasius, (De
injusta opp.) § 8. — Kreittmayr, I. Th., § 20. — Schlözer, Abschn.
n. § 5, No. 4.
— 86 —
herrn, denen der Herrscher die Leitung des Kriegs anvertraut
hat, einen für die beiden kriegführenden Nationen verbindlichen
Frieden schliessen. Erst durch die Anerkennung des von
ihnen vereinbarten Vertrags durch den Souverän wird aus der
„sponsio" ein „pax", ein wirklicher Friedensvertrag *)
Man war sich wohl bewusst, welche ungeheure Macht
durch dieses Recht in den Händen des Herrschers lag und
verfehlte nicht, immer und immer wieder auf die Vorausset-
zungen eines gerechten Krieges hinzuweisen. Die grosse Grund-
lage, worauf dieses Recht beruhte, war die Verteidigung des
Staats; das einzige Ziel, das der Herrscher bei dessen Aus-
2) Böhmer, 11. c. I. § 8: Interim arbitrium, utrum bellum Sit
suscipiendum necne? est penes imperantem, ex jure naturae tamen ita
moderandum, ut bellum securitatis publicae stabiliendae, non toUendae
gratia suscipiatur. § 12 : Quam vis defensio reipublicae quoque concredita
Sit magistratibus subalternis, hi tamen, cum belli ratio admodum rei
publicae periculosa sit, inconsulto imperante, bellum inferre nequeunt,
licet vel maxime adsit justa causa. — Potissimum hie quaestio est de
praesidibus provinciae, qui integram provinciam gubemant, et sie quoque
defensionem ejus susceperunt. Equidem sub defensione etiam jus belli
comprehendi videtur, quod tamen non de alio quam de defensivo hello,
per quod vis instans repellitur intelligi debet; et sicuti defensio singulis
adhuc in statu civili concessa est, ita multo magis defensio provinciae
concessa erit magistratui inferiori, si ab hoste extraneo ex improviso
civitas vel provincia impetatur, quatenus se defendere potest, quia hoc
non potest non ipsis civitatibus relictum esse, quatenus unum corpus
sustinent, .... Neque enim sub generali concessa administratione pro-
vinciae hoc comprehendi videtur, de quo unice summus imperans arbitrari
et statuere debet. § 36. Duces itaque belli, quibus ab imperante belli
directio concredita est, hoc jus sibi vindicare nequeunt, adeo, ut si vel
maxime cum hoste, necessitate compulsi, pacem inire coacti fuerint, haec
tamen non aliter imperantem obligare, quam ex subsecuta ratihabitione,
queat, quali pactum cum belli ducibus initum olim Sponsio appellatimi
fuit. — Kreittmayr, I. Th. §20: Subordinierte Obrigkeiten führen den
Krieg andrergestalt nicht, als jussu et nomine principis, und wer nicht
souverän ist, der wird auch nicht jure belli traktiert, sondern der Begel
nach, actor sequitur forum rei, um der Jemand zugefügter Beleidigung
wegen, coram competente belangt. — § 25 i. f . : Die sogenannte sponsiones,
welche nämlich von den en chef commandierenden G-eneralen geschehen,
verbinden den Principalen andergestalt nicht, als mittels der Eatifikation-
- Grotius, I. c. 4, § 6 und c. 3, § 6 No. 3.
— 87 —
Übung im Auge haben sollte, das Wohl des Volkes und die
öffentliche Sicherheit. Deshalb verlangte man vor allem eine
,Justa cansa'* zum Krieg. Man suchte damals alle gerechten
Ursachen zu fixieren, und eine beliebte Streitfrage war, ob die
Erhaltung des europäischen Gleichgewichts, oder die Thatsachen,
dass ein fremder Staat nnserm Feinde Hfilfstruppen zuschickt,
dafür zu halten seinen. In diesem Sinne hatte man, wie
allgemein angenommen wurde, noch keinen gerechten Grund
zum Kriege, wenn man sab, wie der Nachbarstaat täglich
mächtiger würde, da man ja nicht wissen konnte, ob derselbe
gleich von seiner Macht Gebrauch machen würde, und ebenso
durfte man eine andersgläubige Nation nicht bekriegen, um
sie zum „wahren** Glauben zu bekehren. Totzdem ,Justa causa'*,
die Grotius in „necessitas** verschärfte vorlag, sollte der
Souverän nur dann Krieg anfangen, wenn genügende Streitkräfte
einen guten Ausgang wahrscheinlich machten, denn sonst stürzt
er sein Land ins Unglück und verfehlt den oft betonten „scopum
belli" der in der Verteidigung, nicht in der Zerrüttung des
Staats liegt.»)
In Deutschland beriet der Kaiser mit den Ständen über
3) Böhmer, IL c. i § 5: Jus belli . . . unico fere nititur fundamento,
Bcilicet in defensione reipublicae et civitatis. § 6 : Proinde licet imperans
ab alia gente lacessitus jnstam bellandi causam adversns alteram gentem
habere possit, hoc sensu, ut gens altera iniqua non possit conqueri de
injuria sibi illata; si tamen securitas publica eo ipso non est laesa, nee
ei alias periculum imminet, jus belli ab inperante non est exercendum,
quia ita securitas publica, quam conservare debet, in discrimen ambiguum
per bellum vocatur. § 9: Hoc sensu justa belli causa non est, si vicinae
reipublicae potentia nimis crescat. Neque enim statim certum est, quod
respublica vicina, si vel maxime possit, alteram velit opprimere. § 11:
Nullum est jus belli populum vicinum idolatrum ad veram religionem
reducendi, cum ex diversitate religionis securitas rerumpublicarum vici-
narum in ambiguum crimen haud vocetur. — G-rotius, n. c. i. § 17:
Adversus incertos metus a divina Providentia et ab innoxia cautione et
non a vi praesidium petendum est; vergl. II. c. 24. § 8 imd 9. — Strauss,
c. 6 § 1. — Necker, P. I. c. IB, §§ 2, 4, 5, 9. — Kreittmayr, I. Th.
§ 20, b bis d.
— 88 —
Krieg and Frieden, und nur wenn man färchtete, die Feinde
möchten zuvorkommen, genügte der Konsens der Chnrfürsten.
Aber der Kaiser galt für den obersten Kriegsherrn, und wie
bei andern Majestätsrechten, so sollte auch hier der „consensus
procerum** der Souveränetät nicht im Wege stehen; „in Exercitio
juris yero consensu Statuum Imprii concurrentium jnxta opus
est'' : überall blickt der Gegensatz zwischen Besitz und Ausübung
der Majestätsbefugnisse hindurch^ ohne jedoch als Gegensatz
besonders betont zu werden. Schon Bodin hat zwischen Staats-
form und Regierungsart, „forma reipublicae" und „ratio guber-
nandi„ unterschieden, und während ihm erstere stets unbeschränkt
und unbeschränkbar ist, soll die Regierungsform durch Heran-
ziehung und Beteiligung anderer Organe eine verschiedenartige
sein können; Bodin stand unmittelbar vor der zutreffendsten
Erklärung der Regierungsart im deutschen Reiche und überhaupt
vor der Idee des modernen Konstitutionalismus, — er hatte nur
das Mitwirkungsrecht der neben dem Souverän stehenden Organe
als ein selbständiges, unabhängiges Recht anzuerkennen; er
bezeichnete aber im Gegenteil die mit dem Herrscher concnr-
rierenden Elemente ausdrücklich als widerrufliche, abhängige
Beamte, und seine Vertreter sprachen sogleich von Delegataren,
Vertretern des Monarchen. Ebenso waren die deutschen Autoren
sich über diese Verhältnisse in ihrem Vaterlande im Allgemeinen
wenig klar; die Phrase „consensus pocerum non nocet" war zu
bequem, als dass sie sich um die Ergründung der juristischen
Natur des ständischen Mitwirkungsrecht weiter sehr bemüht;
sie zogen es vor, die „Klugheit'* des Fürsten zu loben, der vor
einem so wichtigen Schritte, wie der Kriegserklärung, zuerst
den Rat seiner Grossen einhole, oder folgerten aus dem „communis
sumptus" zur Kriegführung auch den „communis consensus".*)
4) Masceo, IV. c. 6: Bellum imperii definitur, quod sid publica
• arraorum contentio contra principem exterum superiorem non agnoscentem
a CaesarCj consensu Ordinum Imperii suscepta. — B. Schmidt, § 436:
— 89 —
Mit dem Recht über Krieg und Frieden hängen noch viele
Soaveränetätsrechte zasammen, die teils hierbei erwähnt, teils
abgesondert behandelt wurden; Voraussetzung des Eriegsrechts
ist das jus armornm, die Befugnis, nicht nur in Kriegs-, sondern
auch in Friedenszeiten nach dem Sprichwort: si vis pacem para
bellum ein Heer unter Waffen zu erhalten, Soldaten zu werben,
hohe und niedere Offiziere zu bestellen; ebenso das jus lustra-
tionis et sequelae; ferner das jus armandiae, fortalitiorum,
aperturae, d. i. das Rechte Kriegsmagazine, Zeughäuser, Waffen-
fabriken anzulegen, das Fortifikations- und Bewachungsrecht
und inbetreff der befestigten Orte das Öffnungsrecht ; weiter das
Recht, Soldaten einzuquartieren, Kasernen und Invalidenhäuser
anzulegen, Kriegsfrohnden zu fordern und Geiseln zu wechseln. ^)
Mit dem Kriegsrecht verwandt, aber ein gelinderes Zwangsmittel
ist das jus repressaliarum, womit der Souverän, wenn ihm oder
seinen Unterthanen von einem fremden Staat Gewalt zugefügt
oder die Justiz absichtlich verweigert wird, sich der in seinem
Lande befindlichen Güter oder Unterthanen dieses Staats
bemächtigt. Die Wirkung der Repressalien besteht inbezug auf
die Güter in einem Pfandrecht, inbezug auf die Unterthanen in
Personalarrest. Die Gesandten waren wegen ihrer Inviolabilität
durch das Völkerrecht ausgenommen.*) Ein Mittel, den Frieden
Imperatori Jus Belli, Pacis ac Foederum ceu Jus majestaticum Nomiue
totius Imperii coimpetere, dublum haud est. § 436: In Exercitio juris
vero con sensu Statuum Imperii concurrentium juxta opus est. -— Strauss,
c. 6. § 1: Prudens princeps procerum consilium modum inveniet, etiam
salva majestate. — Eeinkingk, I. Cl. 2. 1. 2. No. 134: Neque id ipsum
Imbecillitatis, sed prudentiae argumentum. Cum enim bella communi
periculo, communi sumptu susclpiantur, non nisi communi consensu fieri
oportet. — Krelttmayr,I.Th.§20f. — Selchov, §314. — Pfeffinger,
in, tit. III. No. II-V. - Pütter, (Kurz. Begr.) § 214-228.
5) Kreittmayr, I. Th. § 21. — B. Schmidt, § 43B. — Struv,
c. 24. — Mascov, V. c. 5. — Selchov, § 314. — Schmier, IL c. 4,
No. 1. - Pfeffinger, in. tit. III. No. 2. - Böhmer,n.c. l,§15-34.
— Brückner, § 24.
6) Böhmer, IL c. 1, § 48. — Kreittmayr, L Th. § 22. — Pfef-
finger, ni. tit. ni. No. IL
— 90 —
herbeizufabren, war die Mediation, die Vermittelung zwiscben
zwei im Krieg verwickelten Staaten. Mancbe hielten es fttr
ein Vorrecht des Kaisers, aber alle Souveräne konnten dieses
Mittleramt austtben. Der Mediator konnte die Parteien nicht
zur Annahme Beiner Vorschläge und Vorstellungen zwingen,
erst der von beiden Teilen angenommene Vergleich hatte ver-
bindende Kraft. 7) Von derselben Natur wie der Friede ist auch
4er Waffenstillstand, armistitium, treuga, indliciae, nur dass
ersteres fär „ewig'\ letzteres anf bestimmte Zeit geschlossen
ist. Streitig war, ob die Wirkung gleich mit dem Abschluss
des Vertrags oder erst mit der Promulgation eintrete, und man
riet deshalb an, solches ausdrücklich festzusetzen.^) Zum Wohl
und zur Sicherheit der Staaten haben die Souveräne das Recht,
öffentliche Bündnisse und Allianzen zu schliessen; als die
wichtigsten werden die Defensiv- und Offensivbündnisse, sowie
Subsidien-, Handels-, Erb- und Freundschaftsverträge bezeichnet.
Der Tod eines Souveräns soll den Vertrag nicht aufheben.')
In engem Zusammenhang endlich mit vielen dieser Rechte steht
das Gesandtschaftsrecht. ^®) Äusserst selten erwähnt wird noch
das Recht der Neutralität, das ein souveräner Staat hinsichtlich
zweier kriegführender Mächte hat, von denen er mit keinem
durch ein Bündnis zusammengehalten wird. ^^)
Das Correlat zum Souveränetätsrecht des Kriegs ist die
Verpflichtung der Unterthanen zur Heeresfolge. *2)
7) Kreittmayr, I. Th. § 24.
8) Böhmer, H. c. 1, §35 u. 36. - Kreittmayr, I. Th. § 26. -
Necker, P.I. c. 16. — Schlözer, Abschn.II. § 6. No. 4 — Mascov, V.c.6.
9) Mascov, V. c. 6. - Pfeffinger, H. tit. III. N. V. - B-
Schmidt, § 442. — Necker, P. I. c. 13. — Kreittmayr, I. Th. § 27.
- Böhmer, II. c. 1, § 46 u. 47. — Selchov, § 320. — Schmier, IL
c. 4, No. 44.
10) Kreittmayr, I. Th. § 28. — Necker, P. I. c. 14. — Mascov,
V. c. 6. — Schmier, 11. c. 4, No. 57. Strauss, c. 7.
11) Kreittmayr, L Th, § 23.
12) Paurmeister, I. c. 3, No. 22. — Necker, P. I, c. 15. —
Kreittmayr, I. Th. § 34.
Diese Verpflichtungen der Unterthanen sind gewöhnlich beim Becht
auf Gehorsam und Treue behandelt.
§. 13. Das Recht der Beamten-Emennnng.
Es ist selbstverständlich, dass der Soaverän in einem
grösseren entwickelteren Staatswesen kaum äie wichtigsten der
anzähligen Geschäfte verrichten kann, and, um gleichsam „viele
Aagen und Ohren** und „lange H^nde** zu haben, ernennt er
Beamte. ^ Dass er aber viele staatsgewaltliche Funktionen nicht
einmal selbst ausüben soll, wenn er nicht seinem Ansehen bei
den Unterthanen schaden wolle, lehren schon, besonders inbe-
treff der richterlichen und Strafgewalt, Bodin und die damaligen
Politiker. ') Es schiebt sich ein fester, vom Souverän ernannter
lind von ihm abhängiger Beamtenstand zwischen den Herrscher
und seine Unterthanen in den Staatsorganismus ein.
„OrigenetQS et quoad fundamentum** liegt die ganze Ver-
waltung und Alles, was damit zusammenhängt, in den Händen
des Souveräns; er setzt die Beamten ein und ab, subordiniert
sie einander, versieht sie mit Instrucktionen, erweitert und be-
schränkt ihre Gewalt und Befugnisse. ') Sie sind die Gehilfen
1) Kreittmayr, I. Th. § 10. — Bölimer, II. c. 6, § 1. — Brück-
ner, §22.
2) Bodin, IV. c. 6, S. 702, 705, 707—709. — vergl. Eeinhardt,
Theatr. prudent. eleg. S. 1288.
3) Böhmer, n. c. 6, § 1: Administratio reipnbl. et omnia quae ab
ea dependent sive concernunt ejus tranquillitatem extemam sive intemam,
origenetus et qnoad fundamentum penes solnm Imperantem in quavis
civitate resident. Consistit imperimn in jure omnia illa agendi, quae ad
salutem reip. spectant, quemadmodum etiam in principis voluntatem
omnia, quae huc spectant, delata sunt. Erga praeter imperantem nemo
jus imperandi in republica suo nomine et jure habere potest, sed omnes
sunt subditi, omnes ab eo dependent. Interim alia quaestio est, an non
prudentius imperans agat, si alios in consilium et auxilium in admini-
stratione reip. vocat? . . . Necke r, I. c. 8, § 8.
— 92 —
des Herrschers, denen dieser ein Teil staatsgewaltlicher Funk-
tionen fibertragen hat, nicht seine privaten Diener. Wer ihnen
Widerstand leistet, verweigert dem Monarchen selbst den Ge-
horsam; wer ein öffentliches Amt an sich reisst, vergreift sich
am Souverän, *) Den ünterthanen gegenüber repräsentieren
die Beamten die Staatsgewalt, das Volk ist ihnen Gehorsam
schuldig. Ihre Befehls- und Zwangsgewalt aber erhalten sie
nicht durch die Unterwerfung der Ünterthanen, sondern durch
den Willen des Souveräns, dem gegenüber sie blosse Ün-
terthanen sind. *) Ihr Amt üben sie ganz im .Namen des
4) Grotius, I. c. 4, No. 6. — Necker, I. c. 8, § 8: Weil alle Gerichte
und Obrigkeitliche Ämter im Namen des LandeB-Herren ursprünglich
geführet werden; so folget daraus: 1) dass derjenige, so diesen Staats-
personen nicht willig widerstehet, an dem Landesherren selbst sich ver-
greiffe, ... 3) dass derjenige, so ein öffentliches Amt eigenmächtig an
sich ziehet, an der höchsten Majestät sich vergreiffe ; es wäre denn, dass
er es zum Besten des Staats und mit vermutheter Genehmigung des
Landesherren gethan hätte. — Böhmer, IL c. 6, § 2; § 4: Porro, qui
sibi publicum aliquod munus absque concessione imperantis arrogat,
crimen laesae majestatis reus merito habetur . . . Ex quo etiam per se
fluit, quod quilibet subaltemus magistratus concessionem suam, seu titu-
lum principi edere debeat; si concessio ejus in dubium vocatur, cum
officium publicum a nemine sine concessione imperantis vel immediate
vel mediate possideri possit.
5) Necker, L c. 8, § 8, No. 2: . . . dass, sohoch auch das Amt
seyn möge, womit Jemand versehen ist, derselbe dennoch in Ansehen
des Landesregenten ein blosser Unterthan seye. — Grotius, I. c. 4,
No. 6: Si officiales considerantur respectu eorum, quibus praepositi sunt,
habentur pro publica persona, si respectu imperantis, sunt et manent
subditi et privati, nam omnis facultas gubemandi, quae est in magistra-
tibus summae potestati ita subjicitur, ut, quidquid contra voluntatem
summi imperantis faciant, id defectum Sit illa facultate, et pro actu
privato habendum. — Böhmer, IL c. 6, § 3: Ex quo fluit, omnia
officia, qualiacumque demum fuerint, dependere a summa potestate im-
perantis atque adeo respectu imperantis officiales manere subditos. —
in. c. 2, § 12: Sunt quoque subditi ex voluntate imperantis magistratui
subalterno ad obediendum obstricti; sed sicut haec obligatio sit subordi-
nata, ita semper censetur excepta imperantis persona. Magistratus sub-
alterni intuitu subditorum publicam personam et autoritatem habent,
sed non ex horum submissione, sed imperantis voluntate, intuitu cujus
meri subditi sunt. Cum itaque subditi hisce ad obedientiam obstricti
— 93 —
Souveräns; überschreiten sie ihre Befugnisse, so sind sie
dem Privatmann gleich und haben keinen Anspruch auf Ge-
horsam mehr. Die herrschende Meinung verurteilte deshalb
das von den Monarchomachen behauptete Widerstands-
recht der Beamten gegen den Souverän aufs schärfste. Um
die Stellung, welche die Beamten nach der Ansicht der Mo-
narchomachen einnahmen, zu verstehen, muss man auf die
Calvinischen Grundsätze vom Staat, die für jene von grösster
Wichtigkeit sind, zurückgehen. Calvins Staat, der nur eines
der äusseren Mittel zum Seelenheil ist, ruht vollkommen auf
theokratischer Grundlage und besteht aus drei Teilen: Magi-
stratus, qui praeses est legum ac custos; Leges, secundum quas
iuiperat; Populus, qui legibus regitur, et magistratui paret.
Der Magistat erschien Calvin als göttliche Institution, was er
mit vielen Bibelstellen belegte, und hatte viele und verschieden-
artige Rechte, wovon das über Leben und Tod der ünterthanen
das wichtigste war. Bei den Monarchomachen wurde die
Grundansicht, dass die Obrigkeit göttlichen Ursprungs sei, ab-
gelöst von der Lehre vom Herrschaftsvertrag, wobei jedoch
das Bestreben ersichtlich war, sie nicht mit der theokratischen
Begründung der Staatsgewalt in Widerspruch treten zu lassen.
Die Parteien des Vertrags sind das Volk als universitas und
der König, und zwischen diese beiden schieben sich die Ma-
gistrate, die vom Volk ihre Macht erhalten und für das Volk
den Vertrag mit dem Herrscher abschliessen, und zwar nicht
die Beamtenschaft als Gesamtheit, sondern, infolge des voU-
sint ex voluntate imperantis, certe contra voluntatem ejus illis obedien-
tiam praestare nequeunt. Nequaquam itaque audiendi sunt qui inferior! ,
magistratui facultatem resistendi principi concedunt, si forsan contra
officium agere videatur, inter quos est Danaeus lib. 4. polit. etc. Stepha-
nus Junius Brutus, cum tamen inferiores magistratus omnem suam
autoritatem a summo imperante habeant, ab eo dependeant, et intuitu
ejus plus juris non habeant quam ceteri subditi. Hoc unicum tantum
eis relictum est, ut, quae obstare executioni mandati videantur, referre
imperauti possint, sed neutiquam resistere.
— 94 —
ständigen Mangels eines einheitlichen Staatsbegriffs, jeder
einzelne Magistrat fDr sich. Jeder einzelne Beamte kann selbst-
ständig für sich sein Recht gegenüber dem König, der eben-
falls nur der hervorragendste Volksbeamte ist, geltend machen.
Die schärfste Consequenz hieraus ist der Widerstand, welcher
dem einzelnen Beamten gegenüber dem tyrannns quoad exerci-
tium nach vorheriger Warnung und Ermahnung nicht allein
coDcediert, sondern allgemein zur Pflicht gemacht wird, zur
Pflicht, die ihm kraft seines Eides obliege. Kurz zusammen-
gefasst: der Herrscher hat nach Ansicht der Monarchomachen
keine Macht fiber die anderen Beamten im Staate.
Dem gegenüber gründet die herrschende Meinung die
ganze Macht und Stellung der Beamten auf den Auftrag des
Herrschers, sieht in jedem Zuwiderhandeln gegen den Befehl
des Souveräns einen Akt einer Privatperson, und hält die
Magistrate durch ihr „officium speciale^ als Beamte noch mehr
als die anderen Unterthanen dem Souverän gegenüber zur Treue
und Gehorsam verpflichtet. *)
Die Unterthanenqualität der Beamten zeigt sich auch in
ihrer Ernennung durch den Souverän: da jeder Bürger ver-
pflichtet ist, zu den Staatslasten beizutragen und sich selbst
6) Calvin, Institutio Christ, relig. IV. c. 20, § 549 ff. de politica
administratione. — Boacher, § 19. — Buchanan, § 13. — Junins
Brutus, § 40: Magistratus nempe, rege inferiores a populo delectos, et
alia ratione constitutos, quasi imperii consortes et Eegum Ephores, qui
Universum Populi coetum repraesentant. Intelligimus etiam comitia, quae
nihÜ aliud sunt, quam Begni cujusque Epitome, ad quae publica omnia
negotia referuntur. § 77: ... . ofüciarii a populo in concilio nempe publico.
authoritatem capiunt, nee absque eodem exauctorari possunt. — Scbrodt,
P. III. c. 1, § 22: Denique etiamsi magistratus subaltemi intra fines officii
a summo imperante ipsis delati, sint personae publica e respectu inferiorum,
intuitu tamen summi imperantis sunt subditi privati, ac ofücium speciale,
quo summo imperanti magistratus subaltemi obstringuntur, profecto non
tollit, sed firmat obligationem subjectionis generalem. quapropter maxime
inepta est opinio illorum, qui jus resistendi summae potestati, si male
imperet, privatis negant, ac magistratibus inferioribus concedunt.
— 95 —
zurückzusetzen, wenn es sich um das allgemeine öfifentliche
Wohl handelt, kann der Souverän Unterthanen sogar gegen
ihren Willen zu Beamten machen. Man glaubte zwar nicht
recht an die Häufigkeit des Falles und versprach sich auch
nicht viel Gutes vom „Beamten wider Willen", da es, wie
Ereittmayr sich ausdrückt, nicht ratsam sei, „invitos canes
venatum ducere"*, aber der Monarch kann ja die Beamten, die
sich nachher als unwürdig und untauchlich erweisen, auch
gegen ihren Willen wieder entsetzen, ebenso wie er anderen,
welche den Dienst quittieren wollen, die Entlassung verweigern
kann. ^) Ebenso soll er selbst erbliche Beamte „ob abusum
ingentem" entsetzen können, denn wenn sie ihre Gewalt Kraft
eigenen Rechts ausüben, so ist sie doch der höchsten, souveränen
Macht subordiniert, und im Interesse des öffentlichen Wohles
wäre es nicht zulässig, wenn die mit der Patrimonalgerichts-
barkeit ausgestatteten Personen diese ungehindert zum Schaden
des Staats ausüben könnten. ®)
Die Wohlfahrt des Staats aber hängt zum grossen Teil
ab von guten, treuen Beamten, und solche zu ernennen machte
mau dem Souverän zur Pflicht. Setzte er deshalb untüchtige
ein und schloss geeignete aus, so versündigte er sich gegen
7) Böhmer, ü. c. 6, § 11: Quos imperans dignos jndicat, hos vel
invitos ad officium publicum subeundum cogere potest: quos iudignos
ex post facto et infideles animadvertit, hos rursus sua potest privare
potestate. Hoc fluit ex obligatione singulorum subditorum et potestate
imperantis circa rempubl. Eo ipso enim, quo quis se in Eempubl. aliquam
confert, merito quoque ad onera ejusdem subeunda obligatur. § 25.
Kreittmayr, I. Th. § 10 c. f. — Wo 1 ff, § 913 ff.
8) Böhmer, II. c. 6, § 12: Quod in tantum verum est, ut etiam,
quibus officium hereditarium concessum est, ob abusum ingentem suo
possint privari jure. Pertinet huc patrimonialis jurisdictio, quae pluribus
hodie concessa est, sed ob abusum merito aufertur ex ratione allata.
Licet enim jam videatur, propria esse, est tamen nihilominus adhuc
subordinata, nee ita potuit in alterum transferri, ut pro lubitu etiam in
detrimentrum reip. quis illam exeoere posset.
— So-
den Staat, nicht aber gegen die betreffenden Personen, da
Niemand ein Jus perfectnm" habe, Beamter zu werden. ')
Unmöglich kann der Herrscher eines grossen Staatswesens
die nötige Personenkenntnis oder auch nur genügende Zeit
haben, für alle die vielen, besonders niederen Stellen geeignete
Beamte auszuwählen. Es ist deshalb anderen Organen, vornehmlich
den höher gestellten Staatsdienern des Bezirks überlassen, diese
Besetzungen vorzunehmen; aber, wie schon Arnisaeus richtig
erkannte, verleiht nicht schon diese blosse Bezeichnung, Nam-
haftmachung, sondern erst die Bestätigung durch den Souverän
die Beamtenqualität, und ebenso bedürfen die Beamten, deren
Wahl den Unterthanen, Gemeinden u. s. w. überlassen ist, der
Bestätigung des Monarchen, dem diese ausschliesslich vor-
behalten ist.")
Auch während der Amtszeit des Beamten, zeigt sich
beständig die Oberhoheit des Monarchen. Er kann nach Out-
dünken eine Sache, die bei einer Obrigkeit anhängig ist, einer
andern überweisen; Unterthanen, denen von ihrer Behörde Gewalt
oder Unrecht zugefügt worden ist, können den Souverän um
Hülfe anrufen, und dieser kann dann vom Beamten Rechenschaft
verlangen. Diese Rechenschaftspflicht, die manche städtische
Beamte bezweifelt zu haben scheinen, wurde aus der Pflicht des
Mandatars zur Rechnungsablegung über die Ausführung der
Geschäfte gefolgert. ")
9) Böhmer, IL c. 6, § 10: Cum autem publicae rei administratio
satis ardua sit, praesides quoqiie tales desiderat, qui huic negotio sufiPicere
possunt. Atque adeo ad idoneos, h. e. sapientes et prudentes constituendos
princeps quilibet obligator. § 24: Interim, si imperans habiles excladit
ab officio, peccat qnidem contra officium et rempublicam, sed non in eos,
quos excludit, quippe qui nullum jus perfectum habent, suo jure postulandi
hoc officium. — Wolff, (Jus Nat.), § 895: Qui habilis est ad officium
publicum, is jus imperfectum ad idem habet, jus vero perfectum idem
ambiandi.
10) Necker, I. c. 8, § 8. No. 4.
11) Böhmer, IL c. 6, § 7: Et cum quilibet, qui alterius nomine
agit, alteri, cujus autoritate agit, ad rationes reddendas obstrictus sit,
— 97 —
Gewisse Eigenschaften und Fähigkeiten, verschieden in
den verschiedenen Staaten, waren die Voranssetzung der
Ernennung zum Beamten. So schloss das eine Land alle Aus-
länder von den Ämtern aus, das andere behielt ihnen gewisse
Stellen vor, die es prinzipiell nicht mit Inländern besetzte. Für
manche Ämter verlangte man ein gewisses Alter, fUr andere
einen bestimmten Stand; hier gab es wenige, dort zahlreiche
erbliche Staatsstellen. Die herrschende Meinung ttberliess es
dem freien Ermessen des Souveräns, die entsprechenden Be-
stimmungen zu erlassen, und gab ihm auch frei, von denselben
wieder abzuweichen, ausgenommen, wenn es sich um eine in
der Verfassung enthaltene Feststellung handelte. Aber man
warnt den Monarchen vor dem Neid und Hass der Zurückgesetzten,
und ermahnte ihn, stets das öffentliche Wohl im Auge zu
behalten. ^') Man wandte sich deshalb auch nicht prinzipiell
merito qnoque singuli officiales ad hoc obstricti sunt. Non desunt nostris
temporibus exempla, quae docent, a magistratu oppidano hoc in dabium
vocatum et existimatom fuisse, se ad rationes principi reddendas non
esse obstrictum. Sed cum omnem suam potestatem non jure proprio,
sed dependenter gerant, revera independentian eo ipso profitentur, qui
rationum redditionem declinant. — Necker, I. c. 8, § 8: .... so folget
daraus, .... 5) dass alle Obrigkeiten können angehalten werden, von
ihrer Aufführung Rechenschaft zu geben, 6) dass diejenigen, so unter
einer Obrigkeit stehen, wenn ihnen Gewalt geschiehet oder die Gerechtigkeit
versaget wird, bey dem Landes -Herren selbst Hülflte suchen können, 7)
dass dieser nach seinem Gefallen eine Sache, die vor eine gewisse Obrig-
keit gehöret, einer andern auftragen könne.
12) Strauss, c. 4, § 5: Qualis autem delectus in creandis Magi-
stratibus Sit instituendus, edocet tit. cod. de potior, ad mun. nominand.,
alii solebant praeferre exteros, alii indigenas ; apud Eomanos cautum erat,
ut nullt patriae suae administratio sine special! licentia principis trade-
retur, contrarium hodie apud Gallos et alias nationes introductum, ut
exteris via ad honores praeclusa sit, nisi jus indigenatus ex indulgentia
principis meruerint obtinere: ego haec Principum arbitrio relinquo, cum
utrumque non vulgaribus nitatur argumentis; item est de Magistratu
temporal! ac perpetuo, . . . unde in Democratia Magistratum temporalem,
in Monarchia et Aristocratia perpetuum approbo, nisi bonum commune
aliud exposcat, hinc non approbo formulam Codicillis officiorum in Gallia
inseri solitum: Taut qu'il nous plaira, quae clausula tarnen magistratus
7
— 98 —
gegen die käuflichen Ämter, aber betonte, dass neben dem Gelde
auch die Fähigkeit und Vorbildung des Aspiranten für seine
Ernennung mit entscheidend sein sollten, damit diese Stellen
nicht zu einem Privileg der Reichen würden und der Staat
Schaden darunter litte. ^^j Wie der Souverän Jemanden ein
Amt übertragen kann, so soll er ihm auch ein bald ireiwerdendes
in Aussicht stellen können. Über die Zulässigkeit und jui istische
Natur dieser sog. „Expectativae" wurde damals viel gestritten.
perpetuos relinquit. — Böhmer, IL c. 6, § 15: Quamvis vero imperans
lege antecedente publica statuin, aetatem aliasque qualitates circa officiales
determinaverit, ipse tarnen ad haec requisita non praecise obstringitur,
cum sibi legem haud dicerit, utut in dubio a lege illa publica recedere
noluisse praesumi debeat. Quaestiones politicae a juridicis sunt discer-
nendae. Non semper prudenter facit imperans, si contra legem latam
officiis publicis eum admoveat, qui debitis requisitis haud instructus est,
quoniam id ipsum non raro ceterorum invidiam et odium excitare solet;
interim, si facit, nihil contra regulas juris facit. § 16 : Sic quoque penes
imperantem arbitrium est, utrum indigenae an vero extranei officiis
publicis sint praeficiendi, nisi lege fundamentali, seu pacto publico impe-
rantis potestas restricta sit. Iterum haec quaestio magis est politica
quam juridica. Aliquando consultius est, plane indigenas non admittere,
sicuti in. jure Eomano exstant peculiares constitutiones, quibus exclu-
debantur indigenae a certis officiis publicis .... Aliquando autem Status
reipublicae non fert alienigenas, et hinc lege publica hoc praecaveri solet,
uti Myler ab Ehi enbach in hyparchol. c. 6, § 10 segg. ex variis gentium
et rerumpubl. moribus demonstrat.
13) Chr. Wolff, (Jus Nat.), §891: Quia officium publicum nemini
conferri debet, nisi qui habilis est, officia publica vendi non debent, nee
conferre plus licitanti, ne scilicet inhabilem habiliori praeferri contingat.
Quoniam tarnen jus conferendi officia publica superiori competit, ac ideo
ab ipsius voluntate dependet, qua lege eadem conferre velit, si utilitatis
publicae causae aliquid solvendum ab eo, cui officium aliquod publicum
confertur, id conferri potest sub hac conditione, ut certam pecuniam sol-
vat, modus tamen solutionis et pecuniae summa ita determinari debet,
ne ea de causa habilior excludatur, vel postponatur. — Böhmer, IL c.
6, § 23: Neque absolutum contra regulas juris naturae est, certum pre-
tium exigere ab illis, qui ad officia publica adspirant, modo de cetero
habeatur ratio qualitatis personarum, et salus publica inde nullum detri-
mentum capiat. Omne Vitium, quod hie subesse potest, inde est, si nuda
ad divites respiciatur, non attendendo, utrum sint habiles necne? . . .
Neque enim jus naturae determinat,' utrum munera gratis sint conferenda
an vero pro pecunia? ....
— 99 —
Die Einen verwarfen sie, weil sie ein „votura captandae mortis
alterias^ enthielte and notwendig Feindseligkeiten und Nach-
stellangen mit sich bringen müssten. Andere gaben zwar die
Gefährlichkeit dieser Institution zu, konnten aber keine Un-
gerechtigkeit oder Rechtsgefährdung darin finden, man mttsste
denn die Nachfolge überhaupt beseitigen ; dabei nahmen sie den
Herrscher in Schutz und wollten nur in der Bewerbung um eine
Expectativa, nicht aber in der Gewährung etwas Schimpfliches,
Unwürdiges entdecken.^*) Die „expectativa" selbst * erklärte
man bald als einen Vertrag zwischen dem Herrscher, der ein
Versprechen abgiebt, und dem Expectativar, der es annimmt ;^^)
bald als „nuda gratiosa declaratio", was der Souverän später
vorzunehmen gedenke;") bald als „promissio imperfecta", als
„promissio de officio in futurum ex gratia conferendo", da die
Ämterverleihung im Staate einzig und allein vom Willen und
der Gnade des Monarchen abhänge")
Auch dieses Majestätsrecht übte der Kaiser in Gemeinschaft
teils des Churfürsten, teils aller Stände aus; man müsste denn
das Recht der Beamtenernennung in seiner ihm reservierten
Befugnis, Titel und Würden zu verleihen, finden wollen. Die
Ausführungen der übereifrigen Vorkämpfer kaiserlicher Souve-
ränetät, die die Concurrenz der Stände für unerheblich erklärten
oder gar leugneten, nehmen sich deshalb zu gezwungen aus
gegenüber Pufendorfs unwiderlegbaren Citaten aus der Leopoldi-
niscben Gapitulation, und die ruhigeren, sachlicheren Schriftsteller
rechneten, wie Gesetzgebung, Entscheidung über Krieg und
Frieden etc., so auch dieses Recht zu den „communicata" oder
den „jura Caesareo-Electoralia", oder erkannten doch, wenn sie
14) Böhmer, II. c. 6, § 18; § 22. - Wolff , (Jus Nat), § 921. -
Über die einschlägigen Streitfragen vergl. Myler ab Ehrenbach, c. 3,
§ 1; ebenso Struv, Synt. jur. feudal, c. 7, No. 6.
15) Myler ab Ehrenbach, c. 3, § 24 ff.
16) Böhmer, II. c. 6, § 19.
17) Pufendorf, (De off. hom.) c 9, § 6.
7*
— 100 —
dem Kaiser die Souveränetät wahren wollten, an, dass seiner
Macht auch in diesem Punkte darch die Verfassung bestimmte
Schranken gezogen seien, und dass sie also aufhöre, eine
unumschränkte zu sein, nicht aber eine höchste, was jedoch der
Souveränität, da man die an die leges fundamentales band,
nicht schade.")
18) Hippolithus a Lapide, P. I. c. 13. — Pfeffinger, IH.
tit. in.No.VIL-Spener, IV. c. 5, § 1.- Schmier, IL c. 3. No. 141.
— Pufendorf, (De Statu Imp.), c. 5, § 5 ... . Isthaec potestas quin
Caesari in ditionibus suis haereditariis illibata competat, dubium non est.
Sed de reliquo imperio controvertitur. Equidem ab initio Duces Comites-
que Germaniae Magistratus proprie dictos fuisse, supra asseruimus. Id
hodie vocabulum pro summa injuria iidem accipient. Nee ullus Principum
Germaniae concedet, quod Caesar per ipsum ditioni suae subjectum po-
pulum gubemet, aut quod ipsius subditi Caesaris sint, saltim hactenus,
ut plus Caesari in ipsos juris, quam sibi competere agnoscant; utut multo
cum verborum honore de humilimo adversus eundem obsequio subinde
testentur. Et licet haereditarium in Eegno Magistratum existere non
repugnet: salvum tamen, ut in ministrum suimi, summo imperio semper
jus manebit. Ex iis, quae subjiciemus, res tota fiet clarior. Potest igitur
Imperator conferre alicui titulum S. R. Imperii Principis, aut Comitis,
verum jus suffragii ferendi in Comitiis dare non potest citra reliquorum
Ordinum Consensum. conf. artic. 44. Capitul. Leopoldinae. Et cum frustra
Principum titulo superbiant, quibus ditiones sustinendo ejus dignitatis
splendori desunt, ne novitios istos per feuda vacantia locupletare queat
Caesar, art. 30. cap. Leopold, cautum est. Ubi talia bona in Patrimonium
Imperii jubentur redigi. add. art. 29. capit. Leopold. Ejus constitutionis
duplex potissimimi ratio, tum ne omnia feuda vacantia per domum
Austriacam absorbeantur, quae, relicta facultate ista denuo in alios con-
ferendi, sui aut sibi obnoxiorum haud videbatur oblitura : tum ut tandem
aliquando praeter titulum tribuere quid possit Germania suo Caesari, ex
quo tanti fastigii sumtus toUeret ; ne in electione opum eligendi potissima
Sit habenda ratio. Ex propriis autem ditionibus recens creato Principi
dignum isto titulo Patrimonium assignare, et ad conditionem caeterorum
Germaniae Principatuum idem provehere, supra mensuram puto sobriae
liberalitatis fuerit. Extraneum, ac abs nemine superiore pendentem
Principem in reliquorum Germaniae Principum ordinem adsciscere Im-
peratori fors concessum. Sed si vel maxime alicui conditionem suam
deteriorem facere in mentem veniret, quem locum iste in Comitiis occu-
pabit? u. s. w. — § 6: Multo minus autem in arbitrio Imperatoris solius
est, alicui dignationem Principis adimere, aut quempiam Ordinum suis
ditionibus expellere, ne quidem ob crimen aliquod in Bempubl. admissum;
— 101 —
Der Beamtenernennung wurde vielfach das Recht zur
Einberufung der Ständeversammlungen zugezählt. Der Kaiser
hatte das Recht der Ansagung der Reichstage nach Einholung
der Zustimmung der Churfürsten, und die Proposition in den
Versammlungen. Da nun alle wichtigen Staatsangelegenheiten
auf dem Reichstag zur Vorlage gebracht und entschieden werden
mnssten, ausser dem Kaiser aber Niemand das Recht zur Ver-
sammlung der Stände hatte, so konnte man wohl sagen, dass
ihm bei diesem Majestätsrechte das Vornehmste und wichtigste
gelassen worden sei. ^')
sed in notorio etiam facto saltem Electorum consensu opus habet, prius-
quam proscriptionem delinqnenti intentat. vid. art. 28. capitul. Leopold.
. . . . u. 8. w.
19) Spener, IV. c. 5. § 1. — Pfeffinger, in. tit. in. No. I. —
Strauss, c. 4. § 6. — Pufendorf, (De Statu Imp.) c. 5. § 23.
§ 14. Das Mttnzrecht.
Wäbrend zur Zeit Bodins das Münzwesen als die wichtigste
Grundlage des Verkehrs nächst der Rechtssetzung angesehen
und behandelt und nach der Ableitung v^^c-nummus stets mit
dem Gesetzgebungsrecht in Verbindung gebracht wurde, erfuhr
es in der vorliegenden Periode viel weniger wissenschaftliche
Beachtung, und man stellte es gewöhnlich mit dem Recht über
Handel und Posten zusammen und deutete seine Verwandschaft
mit der Polizeiaufsicht des Staates an. ^)
Die Münzhoheit ist Souveränetätsrecht. Zur Sicherheit
des Handels und Verkehrs ist ein unter staatlicher Aufsicht und
Leitung stehendes Münzwesen notwendig. Der Souverän, und
nur er allein, hat das Recht der Prägung, jede Anmassung durch
Private ist Majestätsverbrechen. ^) Ebenso ist er befugt, den
1) Kreittmayr, I. Th., § 18: Das Münz- und Postrecjit schlägt
sehr tief in die Polizey und das commerciale ein, und ist sowohl ein-
als anderes ein unstrittiges Majestätsrecht und regalo. — Neck er, I. cap. 10
behandelt das „Eecht über Handlung, Münze und Posten". - B. Schmidt,
§ 361-375.
2) S trau SS, c. 7, § 3. . . . Majestatis crimine hinc tenetur, qui
monetam corrumpit; est enim labentis imperii praesagium corruptio et
mutilatio pecuniae. — Wolff , (Jus Nat.) § 939: Qui monetcim cudere
audet sine permissu Superioris, etiamsi probam cudat, hoc tarnen non
obstante jus superioris seu jus quoddam majestaticum violat. — Necker,
I. c. 10 §, 12: Weil die Münze zur Beförderung der Handlung nöthig,
und dem Staat viel daran gelegen ist, dass mit derselben kein unzuläs-
siger Wucher getrieben werde: so kommt das Eecht Münze zu schlagen,
allein dem Landes-Herren zu : Und wenngleich derselbe einer Privatperson
dieses Eecht verleihet, so bleibet ihm doch allezeit die Freiheit übrig,
darauf zu sehen, dass es nicht gemissbraucht werde. — Struv, c. 13,
§ 37. — Brückner, § 24.
— 103 —
Münzfuss des inländiscben Geldes zn äDdern, herauf- nnd herab-
zusetzen, und den Wert, den ausländisches Geld in seinem Staate
haben soll, zu bestimmen, da ja nur die staatliche Autorität
der Münze den bestimmten Wert verleiht. Obwohl nun aber
der Wert der Metalle, woraus die Münzen geprägt werden,
ursprünglich willkürlich festgesetzt war. so hat sich doch durch
die lange Berührung und durch Übereinkunft der Völker ein
bestimmter innerlicher Wert gebildet, und man stellte dem
Herrscher vor, wie er durch Abänderung des Münzfusses den
internationalen Verkehr zum Schaden und Nachteil seines Staates
beeinträchtige. *)
Kein Sonveränetätsrecht wird so hartnäckig und einstimmig
von allen Schriftstellern als kaiserliches Regal- und Eeservatrecht
hingestellt, wie die Münzhoheit, und thatsächlich gab es wohl
keine Befugnis, die von Mittelbaren und Unmittelbaren so allgemein
3) Neck er, I. c. 10, § 13: Der Landes-Herr selbst muss sich
diese Gerechtigkeit so gebrauchen, dass er durch Erhöhung und Ab-
setzung der Münze seine Unterthanen nicht in Schaden setze, und ihrem
Handel mit denen Auswärtigen Abbruch thue. Denn obwohl der Wehrt
des Metalles, woraus die Münze gepräget wird, seinem Ursprung nach
willkürlich ist ; so kann doch bei der jetzigen Beschaffenheit, da dasselbe
durch die Einstimmung der Völker einen gewissen innerlichen Wert
bekommen, das Schrot und Korn der Münze ohne Nachteil des Staats
nicht geändert, noch über ihren eingeführten Wert erhöhet werden. —
Wolff, (Jus Nat.), § 940: Superiori competit jus valorum extrinsecum
monetae tam propriae, quam peregrinae determinandi, eum augendi et
minuendi, prouti e re civitatis Visum fuerit. Etenim superior praescribere
debet, quantum metalli vilioris auro et argento puro in nummis admi-
sceri debeat. Quam obrem, cum valor intrinsecus aestimetur ex materia
et pondere, extrinseca vero consistat in val ore eidem imposito, hunc
vero imponere nequit nisi superior, qui leges praescribere potest. Enim-
vero, si propter commercia cum exteris permittendum, ut moneta pere-
grina invehatur, patet valorem extrinsecam utriusque monetae propor-
tionalem esse debere valori intrinseco utriusque, ita ut se habeat valor
extrinsecus monetae peregrinae ad valorem extrinsecum propriae, ut
illius valor intrinsecus ad valorem intrinsecum hujus, ne scilicet aequa-
litas in contractibus servanda turbetur diversarum monetarum usu. Su-
periori itaque etiam competit jus determinandi valorem extrinsecum mo-
netae peregrinae, quam habere debet in civitate. — § 941.
— 104 —
ausgeübt wurde, wie gerade diese. Schon seit der Earolingerzeit
hatten Geistliche und Weltliche, Stände, ChurfQrsten und Städte
das Münzprivileginm, und Pütter konnte erklären, dass man
nicht leicht einen Reichsstand fände, der nicht im Besitz dieses
Rechtes wäre, und dass andererseits der Kaiser selbst das
Münzrecht unmittelbar nicht mehr ausübte. Aber man wandte
sich allseitig aufs heftigste gegen die vereinzelt aufgestellte
Behauptung, dass das Münzrecht in der Territorialhoheit ent-
halten sei: nur durch unvordenkliche Verjährung oder besondere
kaiserliche Verleihung sei es erworben worden. *)
Als Annex des Münzrechts wurde das Recht über Masse
und Gewichte behandelt, zusammen damit das „Recht der Posten**,
die „Stappelgerechtigkeit" ; endlich das „Recht der Handlung".*^)
Es wird dem Souverän zur Pflicht gemacht, alles, was den
Handel betrifft, im Interesse der Staatswohlfahrt durch gute
Gesetze zu dirigieren; zu verordnen, wie, von wenn und womit
Handel getrieben werden soll; Ein- und Ausfuhr gewisser
Waaren zu verbieten oder zu erlauben, je nachdem es das
öffentliche Wohl zu Kriegs- oder Friedenszeiten erheischt ; Messen
zu errichten; Taxen für die dem täglichen Gebrauch dienenden
Waaren aufzustellen ; den Kaufleuten bei ihren Reisen Sicherheit,
Schutz und Privilegien zu gewähren und, wenn nötig, mit den
Nachbarstaaten darüber Verträge einzugehen, u. s. f.
4) Vergl. B. Schmidt, § 361, 362 tmd 374, wo er sich auf die
Goldene Bulle, tit. X. § 1 u. 2 ; auf die Mtinzordnung Ferdinands I. von
1559, § 178 und die ständischen Privilegien von Erfurt, Lüneburg, Magde-
burg etc. beruft. — Pütter, (Kurzer Begriff des T. St.), § 188. — Mas-
co v, V. c. 3. — Hippol ithus a Lapide, P. I. c. 14. — Pf eff inger,
III. tit. III. No. vin.
5) Kreittmayr, I. Th. § 18: Münzrecht und Posten; § 16: Com-
mercia; jus protimiseos vel retractus; jus emporii; § 17: Politia. — Struv,
c. 13. § 35: Jus Emporii, jus Geranii. — Pütter, § 195: Postwegen;
§ 192: Eecht über Strassen und Wege, etc. — Schmier, II. c. 3. No.
119 — 140: Commercia; Stapelrecht; Monopolrecht; Gewichte und Masse;
Münzrecht; Posten. — Neck er, I. c. 10 § 1—11: Eecht über den Handel;
§ 12 u. 13: Münzrecht; § 14: Posten.
§ 16. Das Bestenernngsrecht.
Wie schon bei der Entbundenheit vom Gesetz hervor-
gehoben, hat der Souverän ein „imperinm vel dominium emi-
nens^ aber die Güter der Unterthanen, vermöge dessen ihm
Eingriffe in das Vermögen desselben gestattet sind, wenn die
öffentliche Sicherheit and Wohlfahrt dies verlangt. Damit
wnrde von der herrschenden Meinung die Erhebung von Steuern
und Zöllen begründet. Hauptzweck des Staates ist Wohlfahrt
und Sicherheit des Cnterthans, damit er in Ruhe und Frieden,
geschützt gegen innere und äussere Feinde, den Ertrag seiner
Güter geniessen könne. Aber: „ex necessitate finis sequitur
necessitas medii''; und dieses Mittel sind die Steuern. Damit
war auch die Trägerschaft des Rechts gegeben: wer die Für-
sorge für die Existenz des Staats übernommen hat, muss auch
die hierzu nötigen Mittel schaffen: die Besteuerung ist ein
Recht des Souveräns.^) In diesem Sinne nannte man die
l)Straxis8, c. 5, §1: ... Haec tamqnam vera superioritatis
symbola et cum ipsis quasi imperiis nata teste poeta: Dum fuit Imperium,
fuit et coUecta, tributum, quodlibet imperium semper habet suum. Jure
gentium, Civili, Divino et naturali principibus competunt, Nov. 149, c, 2.
Sunt itaque tributi veri nervi imperii, hanc solam dotem habet Princeps,
hoc unicum necessitas publica subsidium; prompte igitur solvendum, ne
ex mora damnum emergat, exemplo veterum Germanorum, qui ultro
solebant conferre teste Tacit. de morib. Germ., dum inquit : mos est civi-
tatibus ultro ac viritim conferre principibus. — Sehr o dt, P. 2. c. 7,
§ 1: Ex necessitate finis sequitur necessitas medii. Enimvero tributa
sunt media, sine quibus salva et tuta respublica esse non potest; igitur
ex fine civitatis essentiali et necessario tributorum necessitas sequitur.
— Necessitatem tributorum in ordine ad securitatem civitatis praecipue
externam optime exprimit Tacitus (Hist. lib. IV. c. 74): Neque quies
— 106 —
Steuern die wahren Nerven des Staats, die einzige Dotierung
des Herrschers, das Symbol jeder höchsten Gewalt, das sogleich
mit der staatlichen Herrschaft entstehe. Böhmer zählt zwar
die Steuerhoheit auch zu den Souverän etätsrechten, aber er er-
innert an die bei Privatgesellschaften („societates aequales")
üblichen Beiträge, zu denen die Mitglieder durch das Statut
verpflichtet sind, und erblickt in den Zahlungen der Dnterthanen
mehr ein Aequivalent für die Leistungen des Staats, als einen
Eingriff der souveränen Gewalt vermöge ihres partiellen Ver-
fügungsrechts über die Güter der ünterthanen. Er hält daher
auch weder das „dominium eminens" für die erforderliche Grund-
lage, noch den Souverän für den notwendigen Träger dieses
Rechts, während nach Strauss dem Herrscher die Steuerhoheit
nach göttlichem und Civilrecht, nach Völker- und Naturrecht
zukommt,^) also wie nach Bodin unmittelbar aus der höchsten
Gewalt des Souveräns folgt.
Die Begründung des Rechts entscliied zugleich über seinen
gentium sine armis, neque arma sine stipendiis, nee stipendia sine tri-
butis haberi queunt. — Vergl. auch Armisaeus, doctrina politica, § 109,
wo diese Worte des Tacit. auch citlert werden. — Necker, I. c. 9, § 1.
— Kreittmayr, I. Th. § 11. — Wolff, (Jus Nat.), § 925. — Superiori
competit jus ouera tarn ordinaria, quam extra ordinaria exigendi et im-
ponendi. Note: Superiori enim competit dominium eminens, vi cujus de
rebus propriis civium salutis publicae causa in casu necessitatis dispo-
nere potest, et in hoc consentiunt, qui in civitatem coeunt . . . etc.
2) Böhmer, 11. c. 9, § 5: ütrobique itaque collegia membra obli-
gantur ad praestanda subsidia, sed inaequali jure ; ni aequali societate
quidem ex praecedente pacto; in inaequali ex imperio, cum paenes Impe-
rantem sit, exigere subsidia civilia a subditis. — Obligantur itaque sub-
diti tamquam membra imperii civilis, praesertim, quia sumptus fiunt in
communem salutem reipublicae. h. e. pro pace et tranquill i täte servanda,
ut seil, quilibet subditorum possit secure frui tranquillitate, patrimonii
sui commoda pacifice percipere, neque vim aut depraedationem ab hostibus
metuere. in quo singularum insignis consistit utilitas. §6: Neque itaque
hoc jus exigendi subsidia civilia imperanti praecise adscribendum propter
dominium aliquod eminens, cum alio ex fundamento ejus ratio satis
constet. In collegiis aequalibus non datur dominium eminens, et tarnen
obligatio singulorum adest ad subsidia collegio praestanda.
— 1Q7 —
Umfang: Das öffentliche Wohl, das Bedürfnis des Staats und
die Höhe der im Interesse des Staats gemachten Ausgaben
sollen bei Festsetzung der Steuern massgebend sein. ^) Belastet
aber der Souverän die Unterthanen aber ihre Kräfte, fordert
er grössere Summen als zur Erhaltung des Staats nötig, und
verwendet er sie zu seinem eigenen Vorteil, dann verstösst er
zwar gegen das Naturrecht, aber die Unterthanen sind zur Zah-
lung verpflichtet. Es liegt also nur eine politische Beschränkung
vor, und nicht wie nach Arnisaeus und Oregorius Tholozanns
ein rechtlicher, wonach ungebührliche Steuerauflage zur Bäck-
zahlung verpflichtete.*) Man versäumte deshalb nicht, an die
Würde des Monarchen zu appellieren, ihm vorzustellen, dass
missbränchliche Besteuerung, übermässige Belastung der Unter-
thanen sich für ihn nicht zieme; man gab ihm Ratschläge über
die Gott wohlgefälligsten, den Fürsten ehrenvollsten und dem
Volke nützlichsten Steuern, denn man wusste wohl, dass wenn
das Volk sich bei der Ausübung dieses Rechts nichts vor-
behalten hatte, es oft der Weg zu einer despotischen Ge-
walt war." ^)
3) Necker, IL c. 9, § 2: Wenn gleichwohl ein Volk bey der Aus -
tibang dieses Eechts sich nichts vorbehalten und bedungen, so fliesset
docli aus dem natürlichen Zweck, sowohl der höchsten Gewalt überhaupt,
als dieses Eechts insbesondere, dass ein Landes-Eegente 1) die Unter-
thanen nicht mehr besch wehre, als die Notdurft des Staats erforderet
und ihr Vermögen zulasset, 2) dass er das gesammelte Geld zu des
Staates Nutzen und Erhaltung anwende. — Kreittmayr, I. Th. § 11:
Bas Besteuerungsrecht fliesset aus dem innersten Wesen der bürgerlichen
Gesellschaft, kann daher citra necessitatem vel utilitatem publicam
nimmermehr Platz haben. Hiemächst hat man bei der Belegung eben
nicht auf die Bedürfnis allein, sondern auch auf die Kräften des ünter-
thans zu sehen.
4) Böhmer, II. c. 9, § 17: Modus in determinatione subsidiorum
desumendus ex publica inopia et gravitate expensarum in utilitatem
reipublicae faciendarum. Quidquid ultra Princeps in solam suam avari-
tiam extorquet, in eo officii limites transgreditur, et contra jus naturae
peccat. § 18: Quidquid autem imperans respectu subsidiorum civilium
subditis imperat, ad hoc eosdem, recte cogit, et imperio suo coercet.
5) Neck er, I. c. 9, § 1 i. f.: Es ist aber auch dem Staate sehr
— 108 —
Diese natürliche Beschränknug des Bestenerungsrechts
durch das Staatswohl folgt also unmittelbar aus dem Zweck
der souveränen Gewalt überhaupt und der Steuerhoheit insbe-
sondere. Aber wie bei anderen Majestätsrechten konnten auch
hier die Befugnisse des Herrschers beschränkt sein, und waren
es auch in Wirklichkeit wohl bei keinem andern Teil der
Souveränetät so allgemein wie hier. Der englische wie der
französische König waren an die Zustimmung der Kammern ge-
bunden, und in Deutschland wäre eine Ausschreibung direkter
Steuern durch den Kaiser nach Gutdünken etwas Unerhörtes
gewesen; mit Ausnahme der Kammerzieler, geringer Summen
zur Unterhaltung des Reichskammergerichts, pflegte eine stehende
Abgabe für die Bedürfnisse des Reichs gar nicht bezahlt zu
werden. ®)
gefährlich, und der Weg zu einer despotischen Gewalt, wann dieses
Recht ohne eine vernünftige Einschränkung dem Landes-Herren über-
lassen wird. — Strauss, c. 5, § 1: . . . Non decet autem principes hac
sua potestate abuti, ut fecerunt illi olim, qui ex umbra, aere, spiritu, et
aliis, quorum nonnulla referre pudet, exigebant, ita populum gravantes,
ut vix precarius vitae Spiritus relinqueretur. — So schrieb auch schon
Eesold, VI. c. 2, de republ. : Si quis autem de me scire velit, genus
vectigalium Deo gratissimum, civitatibus pulcherrimum, principibus
honestissimum, plebi utilissimum: illud est, quod iis imponitur rebus,
quae mores cormmpunt, quae ad delicias, quae ad luxum, quae ad libi-
tudinem spectant.
6) Bodin, I. c. 8, No. 66: At obici potest tributa temeraria nee
apud Anglos nee apud Hispanos imperari neo imperata solvi nisi ordi-
num consenso id fiat, idque Eduardi I Reges Anglorum veteri lege
cavetur, qua Populus adversus Principem quasi clipeo quodam se tueri
/saepe visus est. — VI. c. 2, S. 968: Itaque Philippe Valesio conventus
/ Gallicos habente anno 1338 populi rogatione decretum est, ne uilum tri-
buti ac vectigalis genus nisi consentientibus ordinibus imperaretur. —
\ Et quidem Philippus Cominius qui tunc consilii publici particeps erat
(seil, unter Karl VIII.) negavit principibus tributa imperare licere, sed
ea tantum capere posse, quae consentientibus subditis dona darentur,
eoque jure Hispanos, Britannos, Germanos etiamnum uti vldemus. —
Eeinkingk, I. Cl. 5, c. 3, No. 145. — Hippolithus a Lapide, P. I.
c. 12 : Collectatio , sive collectae generalis impositio, Reichssteuer, Reichs-
hülfe, Reichsanlage est de Regalibus et quidem potioribus seu majoribus.
Ea vero in Imperio nostro non ab Imperatore imponitur et a reservata
— 109 —
Trotz alledem lässt sich für jene Zeit, ebensowenig wie
für die Bodiosche, unabhängig von den Verfassungsbestimmungen
allgemein ein Steuerbewilligungsrecht der Unterthanen kon-
struieren.
Da die öffentlichen Einrichtungen Allen im Staate zu gute
kommen, so sind alle Unterthanen, und ebenso diejenigen Aus-
länder, welche liegende Gäter im Staate haben, zur Zahlung
verpflichtet, da auch ihrem Eigentum der Schutz der Gesetze
gewährt wird. ^) Ebenso wird den Fremden, die das Land
bereisen und dabei den Schutz der Obrigkeit geniessen, eine
kleine Steuer auferlegt; aber man warnt den Souverän, die
Reisenden durch zu grosse Belastung vom Lande fernzuhalten,
da ja schon ihr blosser Aufenthalt dem Lande Nutzen bringe. ®)
suprema ac semper atqne perpetuo apad Imperatorem residente potestate
deacendit, Ordinibus nudo saltem exactionis et coUectionis ministerio
permisso et concesso, ut fabulantur isti, quibus Caesaris favor magis
quam Patriae Libertas cordi est. Sed a toto Imperio, eo quo Ordinibus
placuerit, modo instituitur, nee ulia nisi in Comitiis, eorum consensu
indici potest, . . . Nee movet eos, quod Imperator tributa, ab Ordinibus
decreta suo velut nomine indicat. Hoc enim ideo fit, quia Imperator
est, hoc est summus Imperii Princeps, et Sacri Consilii seu Senatus
Imperialis, des Eeichsrats, Director. — Westphal, XX. Abhandlung,
§ 3. - B. Schmidt, § 427. - Pfeffinger, IH. tit. IV. § 7. —
Pütter, (Beiträge), III. § 5. — Pufendorf, (De statu Imperii),
c. 5, § 7.
7) Böhmer, 11. c. 9, § 12: Nee regulariter adstringitur ad con-\
sensum suorum subditorum in imponendis collectis, nisi lege fundamen-l
tali aliter provisum, vel ratio Beipubllcae aliud postulat.
8) Böhmer, 11. c. 9, § 13: Imperari possunt haec subsidia Omni-
bus, qui vel in territorio degunt, vel saltem bona ibidem habent, cum
etiam extranei bona ibidem possldentes fruantur securitate reipublicae.
-- Schrodt, P. n. c. 7, §3: Tributa imponuntur vel rebus, vel personis
absque respectu ad bona, vel personis et rebus simul; uude tributa vel
realia, vel mixta esse intelligimus. Tributa personalia non nisi subditis
vel quasi subditis imponi possunt, ac proinde extcri transeuntes tributum
capitis personale solvere non tenentur. Tributa vero realia etiam exteri,
qui bona immobilia in territorio imponentis sita habent, pendere obli-
gantur. — Vergl. Grotius, 11. c. 2, § 14, No. 1 i. f.
d) Neoker, I. c. 9, g 7.
— 110 —
Als „verus domiDUS^ der öffentlichen Wege und Flüsse erhebt
der Herrscher ferner Fluss- and Wege-, Brücken- und Thorzölle,
Ein- und Ausfuhrzölle. Juristisch wurden diese Zölle als Früchte
aus den im Verkehr befindlichen Waaren definiert.^®)
Niemand kann sich von der Steuerpflicht eigenmächtig
befreien, aber der Souverän kann Einzelne ausnehmen ; sowohl
Arme, die dem Staat doch zur Last fallen, als auch um den
Staat verdiente Personen zur Belohnung. Ebenso kann er einen
Unterthan statt Aller belasten, wenn es das Staatsinteresse
verlangte; aber der Beschwerte soll dann einen Ersatzanspruch
gegen seine Gemeinde haben. ") Die Befreiung von den Auflagen
bezieht sich nur auf die regelmässigen, ordentlichen Steuern,
nicht auf die ausserordentlichen, die die Staatswohlfahrt unter
Umständen benötigen kann; und auch für die Erlassang der
gewöhnlichen Beiträge verlangte man eine „gravis causa*', indem
jedes Privilegium eine härtere Belastung der übrigen Zahler
in sich schloss. ^^)
Auch dieses Majestätsrecht übt der Herrscher durch Beamte
aus, die aber nur nach Verleihung des Jus subcoUectandi'' ein
Forderungsrecht gegen die ünterthanen haben. Nur in Zeiten
äusserster Notwendigkeit, wie z. B. bei Belagerung einer Sudt
in Abwesenheit des Monarchen, wird sein Cousens zur Steuer-
erhebung durch die Stadtverwaltung präsumiert. *»)
10) Strauss, c. 5, § 1 i. f.
11) Necker, I. c. 9, § 4 u. 6. — Böhmer, IL c. 9, § 14. -
Strauss, c. 5, § 1.
12) Neck er, I. c. 9, § 6: Die Befreiung von denen Auflagen ver-
stehet sich von denen gemeinen Fällen, keineswegs aber von solchen, wo
die Erhaltung des Staats ausserordentliche Gaben erforderet. — Böhmer,
II. c. 9, § 15 : Et cum nimia immunitatis concessio caeteros per conse-
quentian\ graveb, illa absque gravi causa, et evidenti reipublicae utilitate
non concedenda. — Schrodt, P. 11. c. 7, § 4. — Strauss, c. 6, § 2-
13) Böhmer, 11. c. 9, § 7: Praeterea nee inferior magistratus jure
suo imperare potest subsidia, si vel maxime jurisdictionem omnem habeat,
nisi consentiant subditi, vel ex imperantis indulto expresso vel tacito
eidem certae praestationes debeantur. § 9 : Tempore necessitatis extremae
— 111 —
Tbatsächlich befandeu sich io Deutschland fast alle
ausserhalb der kaiserlichen Erblande gelegenen Zollstellen im
Eigentum von Ständen und Städten« und diese nicht-souveränen
Fürsten und Körperschaften übten ihr Recht nicht allein nach
der reinfiskalischen, sondern auch nach der politischen Seite aus,
sie beuteten nicht nur die vorhandenen Steuerquellen aus, sondern
schufen auch neue, und der Kaiser versprach in der Leopoldi-
nischen Kapitulation nur, darüber zu wachen, dass der Handel
des Reichs nicht durch übermässige Erhebungssätze der Stände
geschädigt werde. Die deutschen Juristen erkannten deshalb
die Übertragung dieses Rechts auch nach der politischen Seite
hin an, und wie tief diese Anschauung eingewurzelt war, erkennt
man sehr wohl daran, dass man das Besteuerungsrecht des
Kaisers gerade „jus concedendi vectigalia" nannte. **)
titate et con-
tamen etiam magistratui inferiori hoc jus non esset denegandum. Pona-
mus civitatem obsidione cinctara esse, Principe absente; magistratus
oppldani officium erit, civitatem in obsequio sui principis retinere, et
cum hoc aliter iieri iioii jJOBHit, quam per yti*^ '^~- *
tunc licittim erit, quod tarnen magis fit ex
cesslone imperantis. — § 10: Sic etiam jus
ab Im per ante indictaa inter civea distribuendi
exigendl ex commlesionö
potest — Necke r, I,^
Anlagen mit Zwang
Recht von den Lande
unumgängliche Notdur
Es pÜeget aiicli gar Zttl
der Untet-ObrigkeiJ^ "
14}
Jus coi
c. S. § 1
S. 41
§ 16, Das Recht auf Gehorsam, Treue
und Geduld.
Oehorsam und Treue sind die zwei Hauptstficke der
Unterthanenschaft, die ersten Pflichten der Unterthanen gegen
das Oberhaupt. Sie haben ihren Orund im ursprflnglichen
ünterwerfungsvertrag, in der Submission der Willen der Unter-
thanen unter den Willen des Souveräns^ und tretep am klarsten
in der Eidesformel bei der Huldigung zu Tage. ^)
Nicht allein dem Monarehen selbst, sondern auch seinen
Stellvertretern, den Beamten, ist der Bürger Gehorsam schuldig,
und ihre Befehle haben im Zweifel die Praesumption der Mög-
1) Schrodt, P. in. c. i. §4: Obligatio tarn negativa quam affir-
mativa subditomm intuitu summi imperantis tria praecipne involvit:
Scilicet 1) Obligationen! obedientiae, 2) Obligationen! patientiac seu non
resistendi, 3) Obligationen! fidelilatis. § 5: Quod 1) ad obligationem
obedientlae subditornm intuitu summi imperantis attinet, illa fundatur
in submissione voluntatis subditomm ad voluntatem supremam imperantis,
quae ex notione ac fine civitatis per se fluit, et in pacto subjectionis
primae vo continetur. — Kreittmayr, P. I. §34: Gehorsam und Treue
sind die zwey Haupt- und wesentliche Stück der Pflicht und Obliegen-
heit eines ünterthans gegen sein Oberhaupt. Alle Unterthanen sind
darin gleich, und die Eidsformel, welche bei der Huldigung abgelegt zu
werden pflegt, lautet ebenfalls hierauf. — Böhmer, III. c. 2, § 1: Obli-
gatio ex natura imperil et subjectionis potissimum consistit in necessitate
agendi ex imperantis praescripto, quae alias dicitur obedientia. § 2:
Dependet haec ipsa obligatio ex submissione voluntatis et agnitione im-
perantis, quae, si in totum deficiat, obligatio quoque cessat. § 3 : Et qula
haec obligatio saluti humani generis prospicit, et ex praecepto legis
naturae venit, et praeterea in statu civili absolute necessaria, hinc etiam
stringit conscientiam.
— 113 —
lichkeit und Qerechtigkeit für sich. ^) Auch beim Aufenthalt
im Auslände geht die Gehorsamspflicht nicht unter; der Herrscher
kann dem Unterthan die Zeit seiner Bückkehr festsetzen,
kann ihn zurückrufen, wie er ihm das Abreisen überhaupt ver-
bieten kann. Nur um ihn gewaltsam zurückzuführen, bedarf
es der Erlaubnis des fremden Souveräns, da ihm eigenmächtige
Eingriffe in dessen Gebiet nicht erlaubt sind. ') Das Auswandern
konnte durch Gesetz allgemein verboten sein, oder dem Unter-
than durch den Souverän „zur ungelegenen Zeit,'' z. B. bei
Ausbruch eines Kriegs, untersagt werden. ^) Der Unterthan
2) Kreittmayr, I. Th., § 34: . . . in all übrigen Sachen muss man
nicht nur seinem Landesherrn, sondern auch den Subalternen, soweit man
ihn subordiniert ist, parieren, und hat der Befehl in dubio allzeit
praesumptionem possibilitatis et justitiae für sich. — Schlözer, Abschn.
m, §7.
3) Kreittmayr, I. Th., § 34: . . .Ob sich der Unterthan inn- oder
ausser Landes befinde, ist circa obligationem obsequii einerley, wenngleich
letzterenfalls executio mandati nicht geschehen kann, ohne die Obrigkeit
des Orts, wo sich der Ungehorsame oder seine Güter befinden, hierum
gebührend zu implorieren. Solchemnach kann zwar der Landesherr z. E.
seine Unterthanen von auswärtigen Landen avocieren, ihnen fremde Dienste,
oder das Beisen und Auslaufen verbiethen, oder, wann sie wiederum
zurück kommen sollen, Ziel und Zeit setzen, ist auch kein Zweifel, dass
sie in solchen Fällen aller Orten, wo sich selbe immer befinden, zu
gehorchen schuldig sind. Dergleichen Befehl und Avocatoria aber extra
territorium anschlagen oder contumaces mit Gewalt aufheben zu lassen,
ist mit Umgehung selbiger Obrigkeit nimmermehr erlaubt, sondern würde
gar billich pro violatione territorii angesehen werden.
4) Böhmer, III. c. 2, § 18: Ceterum vinculum hoc subjectionis,
obligatio tam arcta ad parendum, non aufert singulis libertatem emigrandi
et pristinas sedes derellnquendi, quatenus tali emigratione nullum civitate
praejudicium creatur. § 19: Quodsi enim emigratio tenderet in gravem
reipublicae jacturam vel in fraudem ejus fieret, delictum constitueret, et
ab imperante impediri posset. § 20 : Praeterea emigrandi libertas restringi
potest I) si aliud insuper vinculum peculiare adsit, ob quod discedere
subditus non possit. § 21) II) Si lege publica emigratio prohibita sit, § 22)
ni) Si alias intempestiva fuerit, h. e. eo tempore suscipiatur, quo subditis
imperans valde eget. — § 23. Sicuti autem in totum prohiberi, ita quoque
ita restringi lege publica potest, ut discessuras onera quaedam praestet
in commodum illius reipublicae, quam deserere intendit. Ita in multis
civitatibus receptum est, ut subditus, deserore civitatem volens, de omnibus
8
— 114 —
bat über die Befeble des Souveräns kein Urteil, er muss ibnen
blind Folge leisten. '^) Als Correlat zur Enibundenheit vom
Oesetz ist die Gehorsamspflicht grundsätzlich unbeschränkt.
Aber da der Souverän den Geboten Gottes unb der Natur unter-
stellt ist, wird der Unterthan durch das göttliche und natürliche
Recht stärker als durch die Staa,tsgesetze verpflichtet: die
Gehorsamspflicht findet ihre Grenze in dem Satze, dass man
Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Wie schon bei
der legibus soluta potestas betont, entband man den Unterthan
gegenüber dem Herrscher, der göttliches und Naturrecht verletzt,
allgemein vom Gehorsam. Die direkte Folge der Gehorsams-
verweigerung aber wird eine Bestrafung des renitenten Unter-
thanen sein, und diese muss er ruhig über sich ergehen lassen,
der Monarch verliert durch Gottlosigkeit, Härte und Untreue
seine oberste Gewalt, und also auch seine Straf- und Zwangs-
gewalt nicht: das „imperium** ist ein heiliges Recht, auch wenn
es von einem gottlosen Menschen gehandhabt wird. ^) Zur
suis bonis certam pecuniae sammam solvere cogatnr, quam pensitationem
vulgo vocant: die Nachsteuer, Abzug. — Vergl. auch: My 1er ab Ehren-
bach, De Stat. imper. c. 63. No. 8. ff.
5) Schrodt, P. IIL c. 1, § 5 i. f.: Inde ex parte subditorum de-
ficit facultas judicandi de legibus et actionibus summi imperantis et
subintrat necessitas agendi ex praescripto summi imperii.
6) Kreittmayr, I. Th., § 34: . . . Unmögliche oder gegen Gott
laufende Dinge sind allein ausgenommen. — Böhmer, III. c. 2, § 9:
Quatenustamen voluntatemsuam submitterepotuerumt et voluerunt, eatenus
obligantur, et ita in hac obligatione censetur exceptus ipse Dens tam-
quam superior. Notum est vulgatum : Deo magis obediendum esse quam
hominibus, h. e. quaevis extrema potius esse toleranda, quam ut secun-
dum praeceptum principis illa agamus, quae voluntati Dei adversantur.
— Schrodt, P. ill. c. 1, § 7: Quandoquidem tamen obligatio obedientiae
subditorum intuitu summi imperantis, necessario subordinata est obli-
gationi legis naturalis, et divinae positivae, et quidquid mandato Dei
contrarium est, extra terminos est imperii humani, facile patet, subditis
in statu civitatis superesse jus non obediendi, si imperans in moralibus
legi naturali aut divinae morali notorie repugnantia praecipiat. Idque
confirmat doctrina sacra scripturae: obedire oportet Deo magis quam
hominibus. — § 9. i. f. : Quapropter subditis patienter ferendum esse, si
— 116 —
Gehorsamspflicht kommt die verwandte Treupflicht der Unter-
thanen yerstärkeud hinzu, die im Eid der Huldigung am sicht-
barsten zu Tage tritt. Beim Eintritt eines Eegierungswechseh
einerseits, bei erlangter Orossjährigkeit andererseits pflegt der
Treueid regelmässig geleistet zu werden: er begründete nicht,
sondern bestätigte die Pflicht der Unterthanen zur Treue. ^)
propter obsequium hoc casu denegatum ab imperante puniantur, aut
potius male tractentur, recte animadvertit Wolffius. § 10. Neque obli-
gatio obedientiae et subjectionis ex parte subditorum cessat intuiti impe-
rantis impii, dnri et infidelis, qaouiam hac ratione imperans non amittit
jus summum imperii, et imperium jus sanctum est, licet ab homine impio
administretur. - Wolff, (Jus Nat. & Gent.) H. c. 6, § 10. 79.
7) Schrodt, P. III. c. 1, § 30: Ad Obligationen! subditorum intuitu
summi imperantis III) refertur obligatio fidelitatis tarn negativa, quam
affirmativa. — Keinkingk, I. Cl. 5. c. 3. No. 2: Primus actus supe-
rioritatis territorialis et subjectionis exerceri solet in receptione et praesta-
tione Homagii seu juramenti subjectionis. No. 6: Arguit autem hoc
juramentum subjectionem et superioritatem non a priori sed posteriori.
Non enim ideo quis censetur subditus quia jurat. Et vice versa non ideo
quis superior est, quia recipit juramentum; sed quia superior est, ideo
exigit et recipit hoc ipsum. — Kreittmayr, I. Th., § 84. — Heuser,
§ 6 : Homagium est juramentum subjectionis, quo Dominus Territorialis
subditos ad obedientiam atque fidelitatem praestandam, treu, gehorsam
und unterthänig zu sein, sibi adstringit. Vetus quidam fuit veteribus
J. C. tis Brocardicon: aus der Huldigung enstehet Landsasserey: ex quo
intulerunt, quod praestito homagio tunc denunc oriatur subjectio. Sed
hocce principiis superioritatis Territorialis aperte repugnat. Jurisdictio
enim Territorio eo efltectu inhaeret, ut omnes, qui in territorio vel per-
petuo vel ad tempus degunt, illi sint subjecti. Satius itaque est affirmare,
quod fundamentum obligationis praestandi homagii sit ipsa subjectio, et
effectus Juris territorialis. Quae propter modo inverso priori hocce
substitui potest Brocardicon : aus der Landsasserey oder der Unterthänig-
keit entstehet die Huldigung. Sed obmoveri posset quaestio: Si subditi
principi Territoriali per se sunt subjecti, cui bono Sit homagii praestatio ?
Ad hunc repondeo: Ex principiis jam evolutis eam non judico necessariam.
Duplicem autem habet usum, 1) quod subditis eo magis reverentia, quam
Domino Territoriali debent, inculcetur. Quapropter, quo magis obedientiae
suae sint memores, non modo Terminus juramenti praestationi specialis
praefigi, sed iste etiam quotannis in quibusdam Territoriis solet celebrari.
2) Refert homagii praestatio ad fundandum jus Territoriale in locis, de
quibus quaestio movetur, an sint nempe pars Territorii, necne ? Si itaque
potest probari, quod ejus modi subditi homagium praestiterint, semper
est praesumptio pro eo principe, cui fuit juratum.
8*
- 116 —
Um des Souveräns Vorteil zu wahren, seinen Schaden
abzuwenden muss der Unterthan alles opfern. Hab und Gut,
Leib und Leben, ja seinen eigenen guten Namen, wenn er des
Monarchen Schande dadurch verdecken kann. ^) Man teilte
die Treupflicht in eine negative und eine affirmative. Erstere
verpflchtet den Unterthanen, nicht an den öffentlichen Ein-
richtungen zu rätteln, den Staat nicht zu untergraben, wenn
er sich nicht des Majestätsverbrechens, des Hochverrats schuldig
machen will. Die positive Seite der Verpflichtung heisst den
Dnterthan iu guten und bösen Zeiten, in Krieg und Frieden in
unerschütterlicher Treue zum Souverän stehen. ®) Aus diesem
Prinzip heraus beantwortete man auch die Stellungnahme der
Bürger zum Usurpator. Die Unterthanen müssen ihren legitimen
Herrscher beim Sturz oder der Tötung des Eronräubers unter-
stützen. ^®) Hat sich der Usurpator aber thatsächlich in Besitz
8) Kreittmayr, L Th., § 34; ... die Treue verbindet den Unter-
than bei aller Gelegenheit seines Herrn Nutzen zu befördern, und Schaden
zu wenden, auch im Fall der Noth, Haab und Guth, Leib und Leben
für ihn aufzusetzen, oder desselben Schand mit Verlust selbst seines
eigenen guten Nahmens retten zu helfen.
9) Schrodt, P. IIL c. 1, § 30: . . . Obligatio fidelitatis negativa
juxta Heineccium eo redit, ut subditi nee novis rebus studeant, nee
statum reipublicae convellant. § 31 : Huic itaque obligationi maxime est
contrarium, adeoque juri naturae, illicitum crimen laesae majestatis, quod
in genere dicitur factum, quo quid adversus jura majestatica et per
consequens adversus personam ejus, qui imperium summum habet, com-
mittitur. Speciatim vero vocatur crimen perduellionis, quo quis in
interritum imperantis, aut eversionem reipublicae aliquid hostili animo
machinatur, sicut ex diverso actus, quo imperio civitatis subjectus contra
imperantis dignitatem agit, criminis laesae majestatis in specie nomen
accipit. § 23. Obligatio fidelitatis subditorum erga summum imperantem
affinnativa, illud involvit, ut subditi tum pacis tum belli temporibus
summo imperanti cum fide inviolata adhaereant. — Wolff, (J. Nat. &
Gent.) m. Sect. H. c. 6, § 1082. ~ Darios, V. c. 2, § 718. — Vergl.
auch: Heineccius, (Elem. Jur. Nat. & Gent.) 11. § 226.
10) Schrodt, P. HE. c. 1, § 34: Ex hoc principio definiri debet,
quaenam sint jura civium subjectorum in invasorem imperii, seu illum,
qui, quum nullum jus ad imperium capassendum habeat, vi vel dolo id
occupat. § 85. Nimirum duplex hlc attendendus est casus. Aut enim
— 117 —
der Herrschaft gesetzt, kann der Souverän den Staat nicht
mehr verteidigen und reichen auch die Kräfte des Volks nicht
mehr zur Verbreitung und Überwindung des Eindringlings aus,
dann ist das erste leitende Motiv die Erhaltung und das Wohl
des Staats, hinter dem die Existenz der subjectiven Rechte des
Herrschers ganz zurücktritt. Das Gesetz der Notwendigkeit
verlangt jetzt, dass die Unterthanen im Interesse des Staats
mit dem neuen Herrn paktieren: sie schulden ihm vorfibergehend
den Gehorsam, zu dem man den Consens des frflheren Monarchen
präsumierte; sie mfissen ihm gegen einen Dritten Heeresfolge
leisten und dfirfen aus eigener Macht keine Feindseligkeiten
gegen ihn ins Werk setzen. ^^) Alles dies aus Rücksicht auf
Invasor imperii constitntus est in actu invasionis: ant possessionem im-
perii sola vi absque nlla pactione obtinet. Priori casu penes popnluxn
subjectam est perfectnm jus et obligatio adsistendi legitimo imperanti
et repellendo invasore, ac per consequens in talem invasorem licet, quod
in hostem licet, et qnia jus ad finem datjus ad media sufficientia; inva-
sorem jure natural! etiam licet interficere. § 36. Similiter posteriori
casu populo subjecto, ac ex eo singulis, est jus vi dejiciendi quia et
occidendi invasorem regni, in quantum dejectio aut interfectio invasoris
absque excidio civitatis est possibilis, antQcedente praesertim lege publica
aut jussione speciali legitim! imperantis, qua caedes Invasoris permittitur
aut praemiis afficitur. Quia tunc nihil interest, an legitimus imperans
suum jus occidendi invasorem imperii per se an per subditos exerceat. —
Wolff, (Instit.) I. c. 4, § 17. — Daries, V. tit. H, § 783. — Vergl.
auch Grotius, L c. 4, § 16. — Eeinkingk, I. C. I. c. 5. — Kestner,
c. 7, § 20 u. 21.
11) Schro dt, P. in. c. 1, §§ 38-40. - Hörn, IL c. 9, § 4 u. 21;
c. 11, i. f. — Pufendorf, (De J. N. & G.), VII. c. 8, § 9; § 10, i. f:
Vix igitur adparet, quid magis probabile heic dici possit, quam hoc: si
legitimus princeps in talem sit conjectus statum, ut neque ipse, quam
debet, defensionem civlbus suis praestare queat, neque tantae sint civium
vires, ut invasori citra praesens exitium valeant resistere; praesumi
principem expulsum tantisper civibus remisisse obligationem erga se,
quoad fata ips! vlam ad regnum iterum aperient, et quidem, quantum id
ad conservationem ipsorum et declinandis periculis est necessarium. Et
hactenus quoque duntaxat üdes, quam invasori cives dederunt, stringere
videtur, ut illa sit velut temporaria, expirans, ubi reg! expulso sit facultas
regnum suum recuperandi quaeque non tam intrinseca conscientiae
necessitate, quam praesenti metu contineatur. — Böhmer, III. c. 2, § 17.
— 118 —
das Staatswohl. In zweiter Linie kam die Wahrang der sub-
jectiven Rechte des legitimen Monarchen. Die gewaltsame
Besitzergreifung gab dem Usurpator noch keinen „titalas habilis'^
zur Erlangung der Herrschaft; bei der GoUision der beiden
Verpflichtungen der Un terthanen war die gegen den wahren Souverän
immer die stärkere; sie war auch während der neuen Herrschaft nicht
untergegangen, sondern ruhte nur, um, sobald sich die Möglichkeit
gab, wieder neu aufzuleben. Desshalb darf das Volk den
Usurpator nicht im Kampf gegen den alten Herrscher unterstützen,
wohl aber sich ihm widersetzen und, trotz des geleisteten
Treueids, ihn töten, wenn es vom legitimen Monarchen dazu
ermächtigt ist; und ebenso gelten die Akte des Usurpator nur
dann, wenn der Wille des wahren Souveräns sie im Interesse
der Staats wohl fahrt ausdrücklich oder stillschweigend bestätigt.^^)
Aus der Gehorsamspflicht der Unterthanen fliesst die
Verpflichtung zur Geduld gegenüber dem vom Souverän zu-
gefügten Unrechte. ") Seit der Ephorenlehre Calvins und den
bekannten Schwankungen der Reformatoren über ein Recht des
— Grotius, I. c. 4, §§ 16—19. — Vergl. auch: Hobbes, (Lev.) c. 21 und
Kant, (Werke), Vn. S. 139.
12) Schrodt, P. III. c. 1, § 42: Ex hoc fundamento § 39proposito
deducuntur sequentes conclusiones. Prima est, quod subditi, post hanc
fidem invasori imperii etiam privato datum, non teneantur, neque sponte
possint sequi invasorem in bello contra legitimam iraperantem, quia in
collisione fortior est obligatio erga legitimum imperantem quam invasorem
imperii. Neque subditi hoc casu tenentur sequi arbitrium invasoris, quod
ex judicio regis legitimi notorie injnstum est. § 43: Secunda conclusio
est, quod, non obstante hoc homagio per juramentum quoque confirmato,
populus usurpatori imperii possit arma opponere, imo eum occidere, modo
regis ejecti accedat authorltas. § 45: Tandem sequitur tertia conclusio,
quod offlcia subditorum erga legitimum principem durante invasoris
possessione tantum quiescant eatenus, quatenus Invasor impedit, ea expleri,
sicque reviviscant cessante ratione necessitatis, quae ab invasore hactenus
fait causata. Et quarta, quod acta invasoris non valeant ex jure agentis,
nisi quatenus voluntate expressa aut tacita legitima imperantis propter
utilitatem publicam confirmantur. — Vergl. auch: Wernher, (Elem. J.
N. & G.) c. 23, § 15; dagegen: Cocceji, (Diss. de Jur. regis ejecti), § 12.
13) Kreittmayr, I. Th., § 34, i. f. — Böhmer, UI. c. 2, §4.
— 119 —
bewaffneten Widerstandes, und seitdem Althasius, der erste
wissenschaftliche Verfechter der Volkssouveränetät, dem Volk
gegen den Monarchen wie gegen den obersten Beamten einer
Republik ein Jus resistentiae et exanctorationis"* zugesprochen
und dasselbe mit Gründen aus dem Wesen des Vertrags, aus
dem Begriff der Volkssouveränetät, des Naturrechts und der
göttlichen Lehre und mit Beispielen aus der Geschichte belegt
hatte, lagen Philosophen, Juristen und Theologen Jahrhunderte
lang im Streit, ob Jus resistendi" oder „jus passivum non
resistendi.'* Auf der einen Seite Aufruf zu Revolution und
Tyrannenmord, auf der andern Aufforderung zu bedingungs-
loser Unterwerfung und „obedientia passiva." Zwei Grund-
prinzipien beherrschten die gegnerischen Lager: das eine erkannte
den seine Machtsphäre überschreitenden Herrscher nicht mehr
als Souverän an, das andere verlangte unbedingte Anerkennung
der formellen Allmacht des Monarchen. ^^) Letztere Anschauung,
also formelle Verbindlichkeit jedes materiell noch so rechts-
widrigen Herrscherakts und unter keinen Umständen ein Wider-
standsrecht gegen den Souverän, bildete in der hier behandelten
Zeit die herrschende Lehre. Als einzige Beschränkung bestand
daneben der Satz, dass man Gott mehr gehorchen solle als
den Menschen. ") .
14) Vergl. § 3, Entbundenheit vom Gesetz, Note 9—18.
15) Kreittmayr, I. Th., § 35, i. f. - Pufendorf, (De J. N. &
G.) VII. c. 8, § 1: Atque illud quidem a nemine cordato in dubium
revocatur, quin nefas sit, imperantibus, quamdin inter potestatis suae limites
versantur, resistere. Nam ex fineet indole imperii adparet, cum ipso necessario
conjunctam esse debere obligationem non resistendi, i. e. citra reluctant jura
parendi, faciendo vel omittendo id, quod ab isto injungitur. Enimvero de hoc
potissimum disceptatur, an, si summus imperans subjecto praeter fas
quid imperet, aut quamvis injuriam intentet, tunc quoque sacrosanctus
Sit, Sic ut nullo modo ea injuria per vim a subjecto repelli queat. —
§ 5 : Enimvero difficilius est explicare, an ad quaslibet harum injuriarum
citra reluctantiam perferendas teneantur cives, an vero certo in casu per
vim eandem propulsare queant? Heic nobis ita videtur. Cum iUa vitae
humanae sit conditio, ut omni carere in conmiodo nequeat, neque ullus
— 120 —
Bei der VerplSichtnng zur Geduld unterschied man zwischen
privatem Unrecht, das dem Untert hauen von dem Herrscher
persönlich zugefügt worden, und öffentlichem, das ihm durch
die Verwaltung widerfahren. Ersterem gegenüber bestritt man
vor allem dem Staatsbürger die Fähigkeit zu beurteilen, ob ihm
überhaupt Unrecht geschehen war. Im Falle aber, wo es sich
um sein Leben handelt, streiten zwei Prinzipien des Naturrechts
miteinander: die Selbsterhaltung und die Erhaltung des Staats,
und bei ihrer Gollision ist es Pflicht des Unterthans, dasjenige
vorzuziehen, welches das„bonum perfectius** zur Folge hat, also in
diesem Fall, lieber selbst zu sterben, als den Monarchen zu töten,
und dadurch den Staat ins Unglück zu stürzen. Auch gegenüber
dem sogenannten „öffentlichen Unrechtes das der Souverän bei
der Verwaltung einem einzelnen Bürger oder dem ganzen Volke
zufügen kann, ist Widerstand nicht erlaubt, da der Unterthan
dadurch, dass er sich unter staatliche Herrschaft begiebt, auf
das Recht der natürlichen Freiheit, des Krieges, verzichtet, und
weil mit einem ,Jus resisteudi activum'' die öffentliche Ruhe,
homo facile tarn compositis extet moribns, ut ad unguem omnibus satis-
faciat ; stolidum iuxta atque impudens fuerit, ob quaevis vitia in principem
velle insurgere; praesertim cum neque nos ita accurate officium nostrum
erga ipsum faciamus, et in privatis quoque loges leviora delicta soleant
dissimulare. . . . Sed et hoc certum, etiam ubi atrocissima injuria a
principe animo hostili intendetur, potius esse emigrare aut fuga sibi
consulere, aut sub alterius civitatis tulelam concedere. Sed quid, si
princeps innocentem civem hostili animo perditum erat, neque fugae
locus supersit? ... Quin et si fugae via non datur, moriendum potius,
quam occidendum est, non tarn propter ipsius prineipis personam, quam
propter totam rempublicam, quae talibus oecasionibus gravibus fere
turbis solet involvi . . . Salva autem obligatione civis erga principem
nullo praetexto vim eidem opponere fas erit. — Böhmer, III. c. 2, § 1
— 16. — Heineccius, IL § 132 ff. — Heincke, III. c. 1. — Dagegen
die Ansicht derjenigen Naturrechtslehrer, welche ein Widerstandsrecht
entweder nur dem gesammten Volke concedierten, oder auf die änssersten
Fälle von „offenbarer" Tyrannis beschränkten: cf. Achenvall, IL §200 ff 5
Nettelbladt, § 1270; Schlözer, Abschn. IIL § 8; Wolff, (J. Nat.)
VIII, § 1041 ff; Necker, P. L c. 17.
— 121 —
welche doch der Zweck des Staats ist, niemals könnte aafrecht
erhalten werden. Übrigens glaubte man, dass dem Unterthan
hänfig das als Unrecht erscheine, was im Interesse des Staats
eine unbedingte Notwendigkeit ist, und verwies auf die Worte
des Tacitus: Injurias privatas utilitate publica compensari. ^^)
16) Seh ro dt, P. III. c. 1, § 12: Praeterea obligatio subditorum
intuitu summi imperantis ex idea et fini civitatis comprehendit obliga-
tionem ad patientiam, seu jus passivum non resistendi sunimae potestati
ob injurias. Ubi vel sermo est de injuriis privatis, quas imperans singulis
extra administrationem- imperii infert; vel de injuriis publicis, quas
imperans in adminstratione imperii committit. § 13: Propter injurias
summi imperantis privatas jus subditorum non resistendi passivum facile
evincitur hisce argumentis Nam 1) penes subditos singulos in statu
civitatis nulla residet facultas judicandi, an summus imperans intendet
injuriam, contravenit obligationi tan tum intemae, cui ex parte subditorum
nullum jus cogendi seu resistendi correspondet. § 14: Atque hoc jus
subditorum passivum non resistendi summo imperanti perdurat etiam in
gravissimo et extremo vitae periculo, quapropter subdito jus defensionis
violentae contra principem, aggressorem vitae etiam injustum, non com-
petit. Nam in coUisioni legum naturalium, illa absque dubio est prae-
ferenda, quae intendit bonum perfectius: sed lex de non resistendo
principi intendit perfectius bonum, (scilicet conservationem reipublicae,
quae a vita principis dependet), quam ea lex, quae praecipit conserva-
tionem privatam sui; ergo in collisione legum naturalium, de se conser-
vando, et de non resistendo principi, lex posterior manifesto praeferri
debet. § 17 : Majoris momenti inspectio est de jure non resistendi passivo
subditorum propter injurias publicas, quas summus imperans in admini-
stratione reipublicae in subditos singulos, aut populum subjectum committit.
Quod iterum merito affirmamus Nam 1) Majestas summi imperantis
independens est a populo subjecto, cujus subjectioni repugnat facultas
judicandi de actionibus summi imperantis. Sed et 2) injuriae saepius
videntur privatis, quae, ut admittantur, necessitas vel utilitas reipublicae
exigit, et tunc obtinet, quod Tacitus (Hist. IV. c. 74) ait: Injurias privatas
utilitate publica compensari. Praeterea 3) Jus resistentiae seu belli est
jus libertatis naturalis, idque implicat intuitu populi subjecti, qui ex
idea Status civilis libertati natural! omnimodo renunciat. Et sane 4)
cum jure populi subjecti resistendi activo subsistere non posset tran-
quillitas publica, quae tarnen scopus essentialis est civitatis. — Zu § 14
von Schrodt vergl. die gegnerischen Ansichten von Grotius, I. c. 4, § 7.
No. 6 und Bodin, 11, c. 5.
§ 17. Die Kirehe/akokmt
Wibrond Bodin bei Aafzfthlang der Soaveränetätsrechte
die Eircbenhoheit gar nicht erwähnt, und nur an vereinzelten
Stellen dem Verhältnis des Fürsten zu Andersgläubigen eine
kurze Besprechung gewidmet hat, sodass sich heute nicht mehr
feststellen lässt, ob er die „cura religionis** unabsichtlich weg-
^ liess oder überhaupt nicht als staatsgewaltliche Funktion
anerkannte, finden wir bei unseren Autoren das jus circa sacra,
jus sacrorum fast durchweg in die Reihe der Majestätsrechte
aufgenommen, manchmal sogar obenangestellt. ^)
Das Recht der Eirchenhoheit hat zwei Seiten, die eine
gegenüber den Unterthanen, die andere gegenüber der Kirche ^)
Erstere hat vor allem die Pflege der Religiosität zur
1) Vergl. Bodin, IV. c. 7, S. 742; VI. c. 1, S. 935. Brückner,
§ 19: Jus rerum sacrarum, quod et jus majestatis ecdesiasticum seu
potestatem circa ecclesiastica regiam atqae politicam dicont) contra Papam
summae adscribere potestati haud veremnr. Mascov, V. c. 1: . . . Inter
partes supremae potestatis jure meritoqae prinum occubat locum Jus
sacrorum. — B. Schmidt, § 315: Differt ab eo Jus circa Sacra, ut vocant
Advocativum, Executivum seu Ministeriale, quod est jus majestaticum
protegendi, et ab Ecclesia salutariter ordinata ad Executionem promo-
vendi, seu jus Brachii et Adsistentiae secularis, quod et fons variarum
Ordinationum politicarum circa sacra haud inepte nominatur, cui accedit
jus Majestaticum cavendi, ne ab Ecclesiis earumque Praesulibus quidquam
ordinetur, quod communi quieti, Securitati atque saluti publicae contra-
riatur, et haec duo jura Majestatica essentialiter et adeo Imperio civili
seu Politico sunt adnexa, ut abhinc nullo modo separari queant. —
Böhmer, IL c. 5, § 8. — Schrodt, P. 11. c. 5. § 11. — Struv, c. XI.
§ 7. — Kreittmayr. I. Th., § 30. — Necker, I. Th., c. 11. — Spener,
IV. c. 14.
2) Mascov, V. c. 1.
— 123 —
Aufgabe. Aber neben das religiöse Interesse tritt das staaliche
Interesse im Vergleich zu früheren Zeiten immer mehr in den
Vordergrund. Wie schon die Zeitgenossen Bodins, so beschäftigen
sich die Autoren hier hauptsächlich mit der Frage über die
Stellungnahme gegenäber den ungläubigen und Andersgläubigen,
und berücksichtigen bei ihrer Behandlung nicht allein den
Schutz der in die betreffende Religionsgemeinschaft Zusammen-
getretenen, sondern das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft
überhaupt. Man unterschätzte die Gewalt der Kirche über ihre
Glieder nicht, man wusste wohl, wie trefflich sie dem Staate
bei Erfüllung seiner Aufgaben sekundieren konnte; man hielt
zwar den Atheisten, wenn er als ruhiger Bürger seinen Pflichten
nachkam, wegen seiner persönlichen Überzeugung nicht für straf-
bar; breitete er aber seine Meinung in böser Absicht aus und
gefährdete die öffentliche Buhe und Sicherheit, dann befürwortete
man im Interesse des Staats seine Ausweisung oder harte
Bestrafung. In Verfolgung dieses Gedankens stellte man auch
die religiösen Phantasten und Träumer, die unter dem Vorwand
einer ihnen von Gott verliehenen geistlichen Macht sich Ein-
griffe in die weltliche Herrschaft erlaubten oder andere als
Ketzer verschrieen und die Lehre verbreiteten, dass man diesen
Treue und Glauben nicht zu halten brauchte, auf eine Stufe
mit den aktiven Atheisten. Man verfolgte in allen diesen mehr
den Anarchisten als den Ungläubigen; daraus ergiebt sich auch
die verschiedene Bestrafung. >) Für die Andersgläubigen hielt
man nur Ausschliessung aus der Kirchengemeinschaft für an-
gemessen, und verlangte, dass diese jeden beschimpfenden
Charakters entbehre und vor allem den Unterthan nicht seiner
staatsbürgerlichen Rechte beraube. Als das weitgehendste
Mittel erschien jedenfalls die Landesverweisung, und auch diese
3) Necker, P. I. c. 11, § 7. — Eeinkingk, HI. d. I. c. 5.
No. 14 u. 15.
— 124 —
fand man, wie jede Bestrafung, schon nngerecht, da man den
Aberglauben nicht fQr ein „crimen civile^ hielt. ^)
Was die andere Seite des Bechts der Kirchenhoheit betrifft,
das Verhältniss des Staats zur Kirche, so spiegelt sich die
dnrch die Beformation hervorgerufene Spaltung in der Kirche
in der Staatsrechtslitteratnr wieder; es bilden sich zwei Lager:
die Protestanten treten für die Landeskirchen ein, die Katholiken
halten jetzt um so entschiedener an der Einheit der Kirche fest.
Schon die Ansichten der Monarchomachen waren auf
keinem Gebiete so streng geteilt wie hier. Die Protestanten,
deren Auffassung hauptsächlich dnrch die Verhältnisse in den
protestantischen Territorien und die Lehren Calvins beeinflusst
war, erblickten in der protestantischen Obrigkeit die Hüterin
sowohl des weltlichen als des geistlichen Bechts, Der protes-
tantische Landesherr hat als erste Pflicht die Überwachung
4) Böhmer, II. c. 5, § 7: Praeterea haud interdictum esfc imperantif
eos, qui peregrinis dediti sacris sunt, non recipere, ant, si jam recepti
sunt, eis emigrationem ex justa causa injungere. — § 21: Neque tarnen
jus ullum imperanti abscribi potest, doctrin^m hanc semel approbatam
per modum legis obtrudendi subditis, nee dissentientes poenis afficiendi,
cum nullum jus in intellectum subditorum prineipi competat. Aliud est
doctrinam aliquam facere publicam, aliud doctrinam lege obtrudere sub
poena subditis. Illud tantum eo respicit, ne in publicis coetibus aliud
doceatur, adeoque nemo ad tale officium sacrum admitti possit, nisi huie
publicae doctrinae assensum praebeat. Hoc vero ulterius progreditur, et
libertatem conscientlis aufert, quod non admittendum. Unde poenae in
dissentientes injustae sunt, quia hactenus demonstrari non potuit, haeresin
per se esse aliquod crimen civile. — Neck er, P. I. c. 11, § 14: Alles,
was man mit Billigkeit von denen fordern kann, welche die Glaubens-
artikel nicht annehmen wollen, die von denen Aufsehern und Lehrern
der Kirche sind beschlossen worden, besteht darin, dass sie die Kirche
verlassen, dessen Schlüsseln sie nicht folgen wollen; denn eine jede
Gemeinde hat das Eecht, also zu verfahren. Es muss aber solche Aus-
schliessung aus der Kirche dem Ausgeschlossenen nicht zur Beschimpfung
gereichen, noch der Eechte ihn berauben, welche ohne Absicht auf die
Eeligion allen Gliedern des Staats zukommen; § 16. — Keingingk,
III. Cl. I. c. 5, § 18 u. 21. - Vergl. auch Besold, Sect. n. c. 6, No. 13.
— 125 —
und Verbreitang der wahres Religion. ^) Während hier also
die engste Verbindung zwischen Staat und Kirche proklamiert
wurde, traten die Katholiken für vollkommenste Trennung der
beiden ein, um die E^inheit der Kirche zu wahren. ^) Das
Freisein vom Staat würde die Herrschaft über den Staat zur
notwendigen Folge haben; was die Geschichte des ganzen
Mittelalters bewies, das formulierten die katholischen Monarcho-
macben scharf und klar: der Papst soll das Recht haben, die
Könige abzusetzen, wenn er es im Interesse der Kirche für
nötig erachtet. ^) Dem Herrscher seinerseits aber soll über
die Geistlichen in seinem Lande kein Recht zustehen. Sie sind
die Diener der Kirchen, und zwei Herren können sie nicht
dienen, ®)
Für seine Zeit hat Kreittmayr diese unterschiedlichen
Principien im Anschluss an die differenten Beziehungen des
Staats zur katholischen und zur protestantischen Kirche wohl
am einfachsten und deutlichsten, aber etwas grob und ungenau
beschrieben. Danach statuieren die katholischen Juristen eine
doppelte Macht, eine weltliche und* eine kirchliche, jede in
ihrer Sphäre und keine der andern übergeordnet. Der Landes-
herr hat hier die Rolle des Beschützers und über die Kirchen-
verwaltung die oberste Aufsicht; ausserdem können ihm „aus
ganz besonderen und priviligierten Rechten" positive Eingriffe
in die kirchlichen Verhältnisse gestattet sein. Die protestan-
5) De Jure Mag., S. 295. — Rossaeus, S. 482. Vergl. June
Brutus, S. 10, 32, 187; überhaupt die Vindiciae contra tyrannos.
6) Mariana, I. c. 10, S. 86.
7) Boucher, I. c. 4; 5—8; Rossaeus, c. 8. — Interessant ist,
dass man jetzt das Recht des Papstes aus der Bibel, und zwar aus der
Wahl Davids folgerte, während man früher aus dem Buch Samuel die
Volkssouveränetät bewies; so: Boucher, I. c. 6: Sie Samuel Saulem
regem a se institutum prius, quia spiritualem functionem usurpasset,
quia mandata Dei transgressus esset, quasi ezcommunicatum Regni jure
privavit, et in Davidem illud transtulit. — Vergl. auch I. c. 7, S. 16.
8) Mariana, I. c. 10; er geht von Allen am weitesten: S. 88:
Neminem ex sacrato ordine supplicio, quamvis merito, sabjidat.
— 126 —
tischen Autoren dagegen lassen nach Ereittmayr nur eine
Gewalt zu, die sowohl alle kirchliche als weltliche Macht
umfasst und in den Händen des Landesfiirsten liegt, der
zugleich Bischof und Papst in seinem Lande ist. Als solcher
erlässt er in Beligions- und Eirchenangelegenbeiten Gesetze
und Ordnungen, bestellt die kirchlichen Beamten und Consistorien,
beruft Syuoden, ordnet die Feier-, Fast- und Busstage an,
entscheidet in Kirchensachen reguliert die Ceremonien und
die Glaubenslehre, verwaltet die Güter der Kirchen und milden
Stiftungen, kurz er ist der oberste Herr in der Kirche wie im
Staat und ihre einzige Grenze findet seine Gewalt in der
Verfassung, in den „pacta vel leges regni fundamentales/' ^)
So einfach und klar liegt nun die Sache nirgends; weder
wurde der katholische Fürst streng auf das jus supremae
advocationis et inspectionis beschränkt, noch auch regierte der
protestantische Landesherr so absolut und unbeschränkt, wie
Kreittmayr dies annimmt und von den protestantischen Autoren
allgemein vertreten glaubt. Für die Beziehungen des Staats
zur katholischen Kirche 'zunächst lassen sich schwer über-
einstimmende Regeln feststellen; In den verschiedenen Ländern
differierten auch die Befugnisse, je nach der grösseren oder
geringeren Staatsgewalt. Im allgemeineti kommen zum Schutz-
und Aufsichtsrecht noch politische Einmischungen des Souveräns
in die Kirchenverwaltung hinzu, verschieden in den verschiedenen
Ländern. Er berief die Konzilien und ernannte die kirchlichen
Beamten, er hatte die Jurisdiktionsgewalt in Kirchensachen
und die Strafgewalt über die Kirchendiener, das Visitations-
recht in den Kirchen und oberste Aufsicht und eine gewisse
Verfügungsgewalt über die Kirchengüter u, s. w. *®)
9) Kreittmayr, 1. Th., § 30.
10) Schrodt, P. IL c. 6, § 10. — Brückner, § 19. — Mascov,
V. c. I. — lieber die Kaiserliche Gewalt vergl. S pener, IL c. 14, § 5.
— Hippolithus a Lapide, P. L c. 8. — Pufendorf, (De Statu
Imp.) c. V. § 16.
— 127 —
Andererseits ist die Macht der protestantischen Landesherrn,
die sich anfangs als die Nachfolger der früheren Bischöfe
betrachteten, viel beschränkter als Ereittmayr sie hinstellt.
Vor allem bestreitet die herrschende Meinung dem Fürsten
jegliches Recht der Einmischung in die inneren Kirchen-
angelegenheiten, die Ceremonien, wie die Beligion überhaupt,
die allein den Geistlichen zukomme. Aus seinem Herrscheramt
fliesse nicht, dass er auch das Haupt der Kirche sein müsse,
denn der Zweck der Kirche sei verschieden von dem staatlicher
Herrschaft. Bei seiner Mitwirkung am Kirchenregimente stellte
man ihm einen Rat geistlicher und weltlicher Personen,
Konsitorium^ zur Seite, deren er sich in der Leitung kirchlicher
Angelegenheiten bedienen musste. Eine Kirche oder Kirchen-
gemeinde konnte zwar dem Souverän Befugnisse wie z. B. das
Recht, Vorsteher zu erwählen u. a. abtreten, aber man liebte
diese direkten Einmischungen nicht und riet dem Herrscher
sich mit der Regierung des Landes und der obersten Aufsicht
über die Kirchen zu begnügen. ^0
Manche reihten der cura religionis die Errichtung und
Leitung von Schulen und Universitäten an, andere behandelten
das Souveränetätsrecht „circa collegia et universitates" gesondert
für sich. 1«)
11) Reinkingk, III. Ol. 1, c. 6, No. 2 u. 5; c. 10. — Necker,
P. I. c. 2, § 11-13; § 16 u. 17. - Böhmer, II. c. 5, § 7 ff. - Besold,
II. c. 3, No. 1, 2, 4.
12) Brückner, § 19, No. 5. — Böhmer, 11. c. 4, § B: Intro-
dnctis tarnen civitatibns, ex fine reipnblicae imperantis erit, praecavere,
ne per collegia alipnod praejudicinm reipnblicae inferatnr. Habet collegia
in repnblica Ina commoda, habent incommoda. Promovent commercia,
nnionem inter cives firmant, et defensioni reipnblicae inservinnt, qnae
saepe magis a coUegiis quam singnlis haberi potest. Sed incommoda
a collegiis qnoqne metnere debet reipnbl. Jam antea dixi, facile posse
degenerare in res pnblicas novas : certe apta snnt ad seditlones a repnblica
ferendas, ad declinandnm obseqninm, ad factiones collendas, qnae omnia
a singnlis non tam facile timenda sunt. ... Ad hoc vero avertendum
fines reipnbl. imperanti cnram singnlarem commendat. — § 6. Imo sicnti
singuli, ita qnoqne integra collegia imperantia directioni adhnc snbsunt.
— 128 —
§ 7. Sic itaque imperanti competit jus plane prohibendi collegium aliquod,
quo facto, collegium personae civilis admittit jura. § 8: Quem in finem
imperans quoque disponere potest, ne uUum aliquod collegium in republica
toleretur, nisi quod confirmatum et publice approbatum Sit. § 9: Similiter
imperanti competit jus nova collegia et societates instituendl, et illis
certum regimen, leges, privilegia, aliaque jura praescribendi, prout salus
reipublicae postulare videtur. § 10: Haec collegia publica ad administra-
tionem reipublicae pertinent, pro'mde imperant competit jus cogendi
subditos, ut in tale collegium se referant, et quod sui muneris ibi erit,
peragant. § 11: Circa privata collegia jus habet prospiciendi, nequid
ibidem statuatur in praejudicium reipublicae. § 12 : Quam vis itaque cuilibet
collegio integrum Sit, per modum pacti aliquid statuere de negotiis collegii,
secundum quod in iis procedatur; baec tamen statuta etiam subsunt
imperantis judicio et inspectioni. § 13: Ex eo fundamento fluit,
imperanti competere jus, collegiis praescribendi certos limites, quatenus
hoc reipublicae conducibile visum fuerit. — (Böhmer stützt sich
auf die Ausführungen von Petras Gregorius Tholoz., XIII. c. 3
und J. Terrarius Montanus. (De inst, reip.) VI. c. 5.) — Kreitt-
mayr, I. Th., § 19: Den Unterthanen ist zwar nicht verwehrt, zur
Beförderung ihres Nutzens in Particularsocietäten ^usamm zu tretten,
jura communitatis erlangen sie aber dadurch nicht, solang die Landes-
herrschaft solche nicht bewilliget, weil sonst leicht schädliche factiones
und Unruhen aus solchen Verbindnissen erwachsen können. Jus insti-
tuendi vel confirmandi collegia aut universitates ist demnach ein Werk
der Landeshoheit, womit das jus supremae inspectionis et direotionis
allzeit verknüpft ist. Aus dem letzten ergiebt sich auch das jus convo-
candi et proponendi, welches jedoch weder bey allen Communitäten,
noch bei allen Zusammenkünften derselben, sondern nur bey grösseren,
z. B. bei Eeichs- und Landtagsversammlungen exerciert zu werden pflegt.
Vi supremae inspectionis kann der Eegent von dem Vorstehern ihrer
geführten Administration Rechnung fordern, ihnen vorschreiben, wie sie
sich hierin zu verhalten haben. Falls er nun, wie es öfters geschiehet,
selbst in die Communität mit eintritt, so ist er sub duplici respectu ein
membrum und zugleich caput communitatis, oder soviel die Kirchen und
geistliche Communität betrifft, der oberste Schutzherr derselben. Andere
mag er auch wider ihren Willen in eine gewisse Communität einzutretten
zwingen und anhalten. Endlich stehet nicht weniger bey ihm, was er
derselben für jura, privilegia und instructiones mittheilen, ob er solche
vermehren, vermindern, wiederum gar aufheben, das corpus dissolvieren,
oder in ein anderes umschmelzen, und z. B. aus dem Dorf einen Markt-
flecken, oder aus diesem eine Stadt machen wollen. — Pufendorf,
(De Slatu Imp.), c. V. § 27: ... Sunt tamen quaedam jura, quae soll
Imperator! per Germaniam exercere datur. Inter quae referunt .... 4)
Quod Scholas publicas sive Academias constituit.
Schlnss.
Solchergestalt ist das Bild, das uns eine kompendiöse, an
Kontroversen überreiche Litteratur von zwei Jahrhunderten von
der Souveränetät entwirft. Die grossen Meister, wie Bodin
und Hobbes, Althusius und Grotius, Pufendorf und Thomasius,
Leibnitz und Wolff haben jeder dem Begriff ein besonderes
Gepräge verliehen, ihren eigenen individuellen Stempel auf-
gedrückt, und die unzählige Masse der Schüler und Gehülfen
an dem gewaltigen Werke haben die Ideen ihrer genialen
Lehrer weitergetragen und verarbeitet. Die Kämpfe und
Gegensätze der Absolutisten und Monarchomachen, der Vertreter
der Fürsten und der Volkssouveränetät, der naturrechtlichen
und der historischen Schule filtrierten durch ihre entgegen-
gesetzten Standpunkte, durch ihre unterschiedliche Auffassung
und Betrachtungsweise den Begriff mehr und mehr. Bein
philosophische Spekulation und sklavische Copie einer ganz
bestimmten souveränen Macht arbeiteten ohne Wollen und
Wissen vereint zusammen an der Erkenntnis der objektiven
Wahrheit. Es ist ein Chaos von Ideen und Systemen, ein
wildes Ringen von Doktrinen und Tendenzen, das weder am
Abschluss dieser kleinen Monographie seine zeitliche Grenze
findet, noch auch örtlich auf das behandelte Gebiet beschränkt
ist, sodass jedwede zusammenfassende Schlussfolgerung aus
diesem leider wohl in der besten Mitte abgebrochenen Ideen-
gang und jede Abstraktionsmethode im Hinblick auf das schiefe
Resultat, das sie jedenfalls ergeben würde, verfehlt wäre.
9
— 130 —
Bein äusserlich nach den Definitionen betrachtet ist die
Souveränetät auch jetzt noch die höchste, eigene and dauernde,
von den Gesetzen entbundene Qewalt über die Unterthanen,
wie sie uns Bodin vorführt. Die potestas legibus solnta ist
im Princip beibehalten, obwohl sie oft so ziemlich auf eine
legibus adstricta potestas herauskam. Schlechthin wesentliche
Eigenschaft war allerdings in Deutschland die höchste, von
Niemand abhängige Qewalt, die geradezu für die Souveränetät
gesetzt, ja als deren Haupteigenschaft sogar die Souveränetät
bezeichnet wird. So konnte man dem Kaiser am bequemsten
und mit möglichst geringer Vergewaltigung des Begriffs die
Majestät voll und ganz zuschreiben. Wie es über dem Summum
im Staat ein Superius gab, das göttliche Gebot, woraus man
wieder eine sehr bequeme und dehnbare Definition des Souveräns,
als „is qni nullum nisi Deum agnoscit pro superiorc" gewann,
so unterstellte man den über die Civilgesetze frei verfügenden
Herrscher dem göttlichen, Natur- und Völkerrecht; dem Natur-
recht subsumierte man die Verträge und zu diesen zählte
man ausser den privatrechtlichen Abmachungen des Monarchen
auch seine Abkommen mit auswärtigen Nationen und die
Verfassungsgesetze. Sehr verbreitet war die Theokratische
Begründung des Herrscherrechts, zu der sich im Jahrhundert
der Reformation auch die Monarchomachen bequemen mussten,
obwohl sie Mühe hatten, sie mit der widerstrebenden Vertrags-
lehre, ihrer Hauptwaffe, in Einklang zu bringen. Infolge der
monarchomachischen Doktrin aber war man sich über das
Erfordernis des eigenen Rechts an der Souveränetät nicht
mehr so recht klar; der Ausdruck des „majestätischen Amtes^
war sehr üblich geworden. Auch das Erfordernis der Dauer
wurde an sich aufrecht erhalten, obwohl der berühmte und
angesehene Qrotius viele zu seiner Ansicht bekehrt hatte,
dass Diktator, Reichsverweser und Regent auch Souveräne
seien, weil ihre Regierungshandlungen „in effectu" denen der
— 131 —
Monarchen gleichkommen. Die Frage, ob es einen „monarcba
temporarius gebe, war damals vielumstritten, und wenn auch
Viele den Diktator mit Bodin für einen ausserordentlichen
Beamten erklärten, so glaubten sie den Hauptgrund dafür im
Element des eigenen Rechts im Gegensatz zum Auftrags-
verhältnis zu finden.
Auch das negative Element der Souveränetät finden wir
schon betont, und vereinzelt auch erkannt und hervorgehoben,
dass sie eine Eigenschaft einfachen und absoluten Charakters
ist, die keine Steigerung und keine Verminderung zulässt;
dagegen stempelt Leibnitz seinen tendenziösen Begriff aus-
drücklich zu einem relativen, der Grade und der Beschränkung
fähigen.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die ganze Litteratur
die Bodinsche Lehre; so abstrakt, so energisch, so anmassend
musste der Begriff sein, wenn er auf Jahrhunderte hinaus auf
dem ganzen Gebiete des Staatsrechts tiefgehende Wirkungen
hinterlassen, wenn er sich begeisterte Anhänger und erbitterte
Gegner schaffen sollte. Bodins Herrscher war der französische
Herrscher, seine Herrschaftsidee der monarchische Gedanke des ^
starken centralisierten französischen Staates; seine Herrscher-
macht war nicht aus der Luft gegriffen, nicht nach Ideen kon-
struiert, sondern zeitlich und örtlich wahr, und die Bodinschen
Folgerungen waren von blendender Logik; daraus erklärt sich
der despotische Einfiuss, den sein Begriff auch in Deutschland
übte. Man führte mit Sätzen aus Bodin seine Beweise geradeso
wie mit Bibelstellen, und manchmal auf ebenso gewagte und
sophistische, um nicht zu sagen, betrügerische Art und Weise.
Wenn Reinkingk für den Kaiser die summa potestas und
Lyncker sogar die pleniduto potestatis in Anspruch nehmen,
glauben sie den schlagendsten Beweis dadurch zu erbringen,
dass sie ihre Behauptung mit Bodinschen Stellen belegen, und
umgekehrt konnte man sich mit vollstem Recht gerade auf
9*
— 132 —
Bodin berufen, um dem Kaiser die Souveränetät abzusprechen,
da dieser sie ausdrücklich, wenn auch inkonsequenterweise, den
Ständen zuteilt. ^)
Den Einfluss, den der Bodinsche Begriff auf die deutschen
Schriftsteller ausübte, den Anklang, den seine Theorie dort
fand, erkennt man am besten an den Stürmen und Kämpfen,
die sich um diejenigen Eigenschaft erhoben, die er am nach-
drücklichsten und zum ersten Male als das schlechthin wesent-
liche Kriterium wirklicher Souveränetät hingestellt hatte, um
die Entbundenheit vom Gesetz, und es ist interessant zu ver-
folgen, wie man trotz aller widerstreitenden Theorien immer
und immer wieder darauf zurückkam und nur Schritt für Schritt
nachgab und abliess von der Bodinschen Überkommenschaft.
Der erste, der den absoluten Charakter der Souveränetät im
Bodinschen Sinne durchaus verwirft, ist Althusius, zugleich der
bedeutendste wissenschaftliche Verfechter der Volkssouveränetät.
Er reserviert zwar seinem souveränen Volk gerade so wie Bodin
seinem souveränen Fürsten die oberste, ausschliessliche Macht
und Hoheit; aber er teilt ihm keine Willkürgewalt zu, sondern
die Staatsgewalt innerhalb der Schranken des Rechts. Er ist
der erste klassische Bepraesentant der Idee des Bechtsstaates.
Unter seinem und der übrigen Monarchomachen Einfluss unter-
warfen darauf auch die Anhänger der Lehre von der doppelten
Majestät den Träger der majestas personalis den Gesetzen,
gestanden ihm gegenüber aber nur den „leges fundementales"
eine „vis coactiva'', den übrigen Gesetzen bloss eine „vis directiva**
zu. Im Gegensatz zu diesen Bestrebungen formulierte die
Bodinsche Schule den Begriff immer absoluter: wenn sie auf
den Unterschied von vis coactiva und directiva eingingen, so
geschah dies nur, um hervor zu heben, dass nicht nur von
1) Eeinkingk, I. cl. 2, c. 2 beruft sich anf Bodin, II. c. 6, de
rep. und Lyncker auf Bodin, I. c. 8, m. p. 126 de rep. Vergl. § 2,
Note 4, und § 6, Note 16.
— 133 —
Strafe und Zwangsgewalt gegenüber dem Souverän keine Rede
sein könne, sondern dass anch .qnoad yim directivam das Gesetz
für ihn kein Gesetz, sondern vielleicht höchstens freiwillig be-
obachtete Richtschnus sei. Soweit wie Hobbes mit seinem
überspannten formal logischen Begriff, der überhaupt die Ver-
fassung in ihrer Wirkung dem Herrscher gegenüber negierte,
gingen sie nicht; nur eine ethische Verpflichtung sollte den
Herrscher an die Verfassungsgesetze, die er selbst beschworen
hatte, binden. Die herrschende Lehre hing damals mit allen
Fasern an der Idee, den souveränen Herrscher durch die leges
fundamentales, durch seine Verfassung rechtlich zu beschränken,
aber Bodins legibus solutio glaubte man nicht fallen lassen zu
dürfen, wenn man nicht den Begriff der Souveränetät überhaupt
aufgeben wollte. Man fand damals den bekannten Ausweg,
dass man die Verfassungsgesetze zu den Verträgen des Souveräns
zählte, und die Verträge standen als Teil des Naturrechts über
dem Souverän. Der Monarch stand aber noch immer über den
„leges civiles^ und es galt noch immer: princeps legibus solutus
est. Der berühmteste Vertreter, wenn auch nicht der Vater
dieser Theorie, Mar Hugo Grotius. Er that zugleich einen
Schritt weiter und betonte, dass der Souverän nur eben als
Souverän von den „leges civiles" entbunden sei, als Privat-
mann jedoch ihnen ebenso unterstellt wie jeder andere Con-
trahent. Dieser Doktrin schlössen sich auch im Grossen und
Ganzen Pufendorf und Thomasius an, aber sie hingen wieder
mehr nach der Seite Bodins und erklärten jede Zwangsgewalt,
wie sie sich nur äussern mochte, als mit dem Charakter der
Majestät unvereinbar, und den Fortschritt des Grotius paraly-c
sierten sie gewissermassen mit der Ausführung, dass der Sou-
verän „ex causa** auch die Verfassung ignorieren dürfte. Eine
solche „causa** ergab sich hauptsächlich aus der „Salus publica**
und die Entscheidung darüber, was das öffentliche Wohl ver-
langte, vindicierten sie ganz und ausschliesslich dem Souverän.
i/'
— 134 —
Diesen mehr oder minder absolutischen Richtungen gegenüber
sachten die Anhänger der ans ^er älteren Volkssouveränetäts-
lehre erwachsenen konstitutionellen Doktrin den Gedanken eines
den ganzen Staat beherrschenden Verfassungsrechts energisch
durchzuführen, aber auch sie konnten sich über den Satz der
legibus soluta potestas nicht hinweghelfen, und arbeiteten eben-
falls auf dem Fundament des kraft Naturrechts bindenden
Vertrags. Der Verfassnngsstaat wurde naturrechtlich ausgebaut.
Bei der eigenartigen Durchsetzung der Prinzipien der Herrscher-
souveränetät mit denen der Volkssouveränetät war aber schon
bei WolfiF ein klarer und ausgeprägter SouveränetätsbegrifiF nicht
mehr zu finden, obwohl er der aus dem contractus socialis ent-
stehenden Gewalt der universi über die singuli eine den Be-
dürfnissen des öffentlichen Wohles entsprechende Souveränetät
für immanent erklärt, die jedoch unter beliebigen Bedingungen
und Beschränkungen auf beliebige Subjekte übertragen und ge-
teilt werden kann. Nettelbladt endlich erkennt auch eine
potestas subalterna als Staatsgewalt an und streicht damit
ausdrücklich das Merkmal der Souveränetät aus dsm Staatsbegriff.
Anhang.
Die Staatsidee Friedrichs des Grossen.
§ 1. Frühere Versuche
einer organischen Staatspersönlichkeit.
Schon im 16. Jahrhundert diente die organische Staats-
aaflfassung zum Ausgangspunkt des einheitlichen Staatsbegriffs.
Man vergleicht den Staat mit dem „corpus humanum*^ den
Herrscher mit dem Arzt und spricht von den Nerven und der
Seele dieses Körpers und der Harmonie und den Funktionen
seiner Glieder.^) Zum Teil finden wir auch die korporative
Natur des Staats juristisch präzis gezeichnet und sogar schon
den Ausdruck der „persona civitatis für das Subjekt von
Die Darstellung der seit Bodin gemachten Versuche, sich zum
Gedanken der Persönlichkeit des Staats zu erheben, haben ihre Stelle
hier gefunden, weil sie, in die Paragraphen des ersten Abschnitts an
den verschiedenen Punkten zerstreut eingeflochten, der Klarheit und
Uebersichtlichkeit geschadet hätten ; weil sie femer für uns doch gerade
nur in ihrer Zusammenfassung von Wert sind; und hauptsächlich, weil
sie hier eben, durch die Gegenüberstellung, für die Errungenschaften
Friedrichs des Grossen eine bessere Würdigung ermöglichen.
Einige wichtige Punkte dieser Entwickelung sind allerdings schon
in § 8 zur Sprache gekommen, waren aber dort für das Verständnis und
den Zusammenhang unerlässlich.
1) Vergl. 0. Gierke, S. 158 ff, — Gregorius Tholozan: I. c-
1, § 8-10, § 16; ni. c. 1, § 1 ; X. c. 1, § 1 ; XVni. c. 1, § 4; XXI. c. 1»
§ 4, § 6-10, c. 2. - Buchanan, S. 13 ff.
— 136 —
Hoheitsrechten gebraucht,^) aber wir haben es noch keineswegs
mit dem Gedanken der Staatspersönlichkeit zu than, sondern
jetzt und noch für lange Zeit verstand man bei der bekannten
Spaltung der staatlichen Rechtssubjectivität in Herrscher und
Volk unter der Person des Staates nur bald die ,Volks-, bald
die Herrscherpersönlichkeit im Sinne der betreffenden Zeit
und Schule.
Was zunächst die Vertreter der Volkssouveränetät betrifft,
so liesseu sie allerdings den „populus", die „universitas populi",
wenn sie sie als den Träger der Souveränetät hinstellten, mit
dem ,,regnum", der „republica** zusammenfallen, aber sie erklärten
es ausdrücklich, dass, wenn sie auch das Volk als „una persona'^
hinstellten, es doch eine „Acta una** sei, und in Wahrheit „non
aliud, quam quaedam hominum multitudo**: eine als Einheit
fingierte Vielheit von Individuen. ^) Das wichtigste aber ist,
dass sie den Herrscher als ein Subjekt für sich dem Staate
gegenüber stellten. In denselben Fehler vei-fiel Althusius,
der seine Gesammtheit, d. h. die Oesammtheit der Stände,
Provinzen und Städte in Gegensatz zum König stellte. Er kam
allerdings mit seinem ,, corpus symbioticum", das er verschiedent-
lich als Subjekt der Staatsgewalt bezeichnete, dem Ziele viel näher,
aber auch er scheiterte an der gerade von ihm so scharf aus-
gebildeten Vertragslehre, unter dem Einfluss seiner Lehre
des Herrschaftsvertrags glaubte er den souveränen Staat in
der „universitas populi" zu finden, und diese „universitas
populi" sank durch seine Doktrin vom Gesellschaftsvertrag zu
einer gewöhnlichen, römisch-rechtlichen universitas, zu einer
2) Jun. Brutus,Qu. II. S. 75u. 84ff.;in. S. 248 ff. —Hotoman
c. 19. — Althusius, c. 9, § 19—27. — Vergl. auch Althusius,
Jurisprudentia Eomana, Ed. 2, Herbom, 1588. — Salainonius,
S. 28, 30, 36.
3) Hotoman, c. 9 und c. 19. — Eossaeus. c. 2, § 11. —
Boucher, I. c. 9. — Mariana, I. c. 8. — Buchanan, S. 79 ff. —
Danaeus, III. c. 6, S. 220. — Salamon, S. 20.
— 137 —
nur fingierten Einheit heranter. ^) Auch die nm die Wende
des 16. und 17. Jahrhunderts ziemlich verbreitete Lehre von
der doppelten Majestät schien sich dem Gedanken der Staats-
Persönlichkeit zn nähern, wenn sie ihr Subjekt der Souveränetät
als „respublica", „imperium" nnd „regnum** bezeichnet; aber
wie wir schon oben gesehen haben, kam diese Doktrin von den
zwei „höchsten** Gewalten im Staat, von denen dennoch die
eine als die „höhere** der andern übergeordnet sein sollte, trotz
ihrer gezwungenen sophistischen Manipulationen im Grunde
doch immer auf die Volkssouveränetätslehre hinaus, und wurde
von den Absolutististen als „absurd**, als ein „non ens** ver-
spottet; und so bezeichnen auch hier die „respnblica** u. s. w.
nichts anderes als das Volk als fingierte, künstliche Persönlich-
keit, personificiert im Gegensatz zum Herrscher. *) Von Hugo
Grotius, der unter dem Einfiuss der Lehre von der doppelten
Majestät stand, wurde der unterschied zwischen Staats- und
Fürstensouveränetät wenigstens im Princip schon aufgezeigt;
er bemerkte sehr richtig, dass die Souveränetät zuerst allgemein
dem Staate als dem Ganzen und dann im besonderen derjenigen
Person im Staate, der die oberste Herschaft zukomme, zuge-
schrieben werden müsse. Auch wusste er, dass die „civitates**
„immortales** seien und sprach von ihrem „Spiritus vitalis**,
aber die Konsequenzen aus dem von ihm formulierten Unter-
schied zwischen Staat- und Fürstensouveränetät konnte er
nicht ziehen, die Begründung der Staatssouveränetät musste
4) Gierke, S. 161.
5) Paurmeister, I. c. 3, No. 3. — Berkringer, I. c. 4, § 6 ff-
— Vergl. über diese Doktrin oben meinen § 2 und Limnaeus, I. c. 10
No. 14. — Panrmeister, I. c. 3, No. 10; 11. c. I, No. 11; I. c. 17*
No. I. — Berkringer, I. c- 4, § 6 ff.; u. c. B. — Besold, Sectio I. c.
1; c 2—7. — Gegner dieser Liehre waren: Pufendorf, (Jus Nat. &
Gent.) Vn. c. 2, § 14, c. 6, § 4. — De Off. H. c. g. - Böhmer, I. c. 4,
§ 22. - Hörn, c. lO, § 11 ff. — Huber, I. 3, c. 1, § 11. - Kreitt-
mayr, § 5. — Becmann, c. 12. — Brückner, § 7. — Sündermahler,
§ 5. — Ziegler, I. c. 1, § 44 ff.
— 138 —
er schuldig bleiben, da auch ihm der Begriff der Staatspersön-
lichkeit noch vollständig fehlte: der Staat erschien ihm im
Gegentheil als die „perfectissima societas", er sprach es direkt
aus, dass „singuli qaipue congregati, vel in snmmam reputati,
faciunt universos." Sein „commune subjectum*' war also eigent-
lich nichts anderes als die Volksgesammtheit; das „subjectum
proprium'' des Herrschers stand allerdings daneben, nicht im
Gegensatz dazu, nicht vom Staate gewissermassen ausgeschlossen,
nur insofern lässt sich jedenfalls behaupten, dass Grotius dem
Gedanken der Staatspersönlichkeit näher gekommen ist. ®)
Umgekehrt Hessen die Anhänger der Fürstensouveränetät
die Staatspersönlichkeit in der Herrscherpersönlichkeit aufgehen.
So ignoriert Bodin den Gedanken der Staatspersönlichkeit und
demgemäss der Staatssouveränetät noch vollständig. ^) Als
6) Grotius, I. c. 3, § 7, No. 1: Haec ergo summa potestas, quod
subjectum habeat, videamus. Subjectum aliud est commune, aliud pro-
prium: Ut Visus subjectum commune est corpus, proprium oculus. Ita
summae potestatis subjectmn commune est civitas, quam perfectum
coetum esse supra dixiraus. — Ebenso II. c. 6, § 6. — H. c. 9, § 3: Dixit
Isocrates, et post eum Julianus imperator, civitates esse immortales, id
est, esse posse, quia scilicet populus est ex eo corporum genere; quod ex
distantibus constat, unique nomini subjectum est, quod habet i^tu fiiavj
ut Plutarchusr spiritum unum, ut Paulus Jurisconsultus loquitur. Is
autem Spiritus sive e^ts in populo est vitae civilis consociatio plena
atque perfecta, cujus prima productio est summum Imperium, vinculum
per quod respublica cohaeret, spiritus vitalis, quem tot millia trahunt, ut
Seneca loquitur. Plane autem corpora haec artificialia instar habent
corporis naturalis. — II. c. 6, § 4. — Vergl. aber : II. c. 5, § 17 : Habent
autem omnes hoc commune, quod in iis rebus ob quas consociatio quaeque
instituta est, universitas, et ejus pars major nomine universitatis obligant
singulos qui sunt in societate. Omnino enim ea credenda est fuisse
voluntas in societatem coeuntium, ut ratio aliqua esset expediendi negotia:
Est autem manifeste iniquum, ut pars majorem sequatur minorem, quare
naturaliter, seclusis pactis ac legibus quae formam tractandis negotiis
imponunt, pars major jus habet integre. — Ebenso § 18—24. — IL c. 21,
§ 7, No. 1 i. f. : ... universi non possunt nisi ex singulis quibusque
constare: nam singuli quique congregati, vel in summam reputati,
faciunt universos.
7) Bodin, I. c. 1, No. 1; H. c. 1 ff.
— 139 —
Souveränetät definiert er die Macht des obersten Staatsorgans
and diese Macht verwechselt er fortwährend mit der des ganzen
Staats. Er nimmt die souveräne Gewalt von den übrigen Staats-
einrichtungen gewaltsam weg und stellt sie als ein eigenes,
selbständiges Wesen hin und durch consequentes Weiterbauen
auf diesem Irrtum gelangt er zur logischen Absurdität, dem
Teile, der souveränen Gewalt, eine unbeschränkte Macht über
das Ganze, dem Staat zuzuschreiben. Bei seinen Schülern findet
sich zwar die organische Auffassung; die „respublica" ist die
„Seele", durch welche der „Körper", die „civitas", erst reguliert
und belebt wird, aber die „respublica" ist eben identisch mit
dem Herrscher. ^) Die Absolutisten können auf jede Konstruktion
der Staatsgewalt herabsehen ; ihre Staatsgewalt ist die Herrscher-
gewalt. Handelte es sich aber darum, für eine Republik das
Subjekt der Staatsgewalt zu konstruieren, so finden wir stets
eine künstlich zusammengefasste Personenvielheit vor. ®) Klarer
und schärfer brachte Hobbes den Begriff der Staatspersönlichkeit
mit dem technischen Ausdruck der „persona civitatis" zum
Ausdruck und gab damit den juristischen Konstruktionen staat-
licher Bechtssubjektivität einen Ausgangs- und Mittelpunkt;
aber sein Individualismus war es, der ihm die Idee der Staats-
person eingab, und deshalb blieben ihm wahre Personen nur die
Individuen, der Staat blieb ihm eine „persona artificialis", ein
„homo artificialis", ein „excogitatum opificium artis" mit „vita
artificialis", eine Persönlichkeit, die durch einen Vertrag aller
Individuen zustande kam und der dahin ging, dass Autorität
Wille und Handlung eines Individuums rechtlich als Autorität,
Wille und Handlung aller Individuen gelten sollten. Nur für den
Augenblick der Staatsgründung und Einsetzung des Herrschers
sieht er in der Summe der Einzelnen, im Volk, eine Person; im
8) Arnisaeus, I. c. 2. — Bornitius, c. 5.
9) Bodin, I. c. 8, No. 99; H. c. 1, No. 174 ff. ; c. 6. - VI. c. 4
No. 710. — Bornitius, c. 5.
— 140 —
Moment, wo der Fürst eingesetzt ist, stirbt das Volk: der Monarch
ist nun zur einzigen Staatsperson geworden, Ludwigs XIV.
berühmten Ausspruch: L'Etat c'est moi, hatte schon Hobbes
formuliert: Nam si per universos inteliigunt civitatis personam,
jpsum inteliigunt regem. Nirgends zeigt sich so evident das
Zusammenfallen von Herrscher- und Staatspersönlichkeit wie
hier; es ist das klassische Gegenstück zu Grotius Erklärung
der „uuiversi" als „singuli quique congregati, vel in summam
reputati."^®) Nach Hobbes zog Hörn die letztmöglichen Konse-
quenzen des Individualismus; er erkannte überhaupt nur die
Individuen als Rechtssubjekte an und bestritt allgemein, dass
aus einer „multitudo'* durch Vertrag, durch Organisation mobr
werden könne als eine blosse Summe von Einzelnen, ^^) Während
Hörn mit seiner Überspannung des Individualismus ohne Anhänger
blieb, erfuhr die Hobbes'sche Doktrin, die von vielen adoptiert
wurde, bald darauf ihre genialste Weiterbildung durch die
Pufendorfsche Lehre von den „entia moralia". Er war der
Erste, der die Persönlichkeit im Recht als einen Begriflf in die
Sphäre des Übersinnlichen, „Moralischen" verwies und diese
„persona^moralis" von der physischen Existenz scharf zu unter-
scheiden wusste. Aber er wurde durch den Einfluss Hobbes
und des den Naturrechtstheorieen innewohnenden Individualismus
wieder zu einer allerdings beschränkten, konstitutionelleren
Herrscherpersönlichkeit zurückgeführt, indem er bei der Erklärung
und Zerlegung seiner , persona moralis composita*' wieder auf
einen „inoraliter" zustandekommenden Vertrag zurückkam, wonach
der Wille Eines als aller Einzelnen gelten sollte.") Nach Pufendorf
Hess ein Teil der Absolutisten besonders unter Böhmers Einfluss
10) Hobbes, (De Cive) c. 5, § 9 ff.; c. 6, § 19; c. 7 und 12; —
(Lev.) c. 16-22.
11) Hörn, I. c. 4, § 3 ff.; IL c. 1, § 2-21, c. 9, § 1, c. 10, § 11
bis 15, c. 11, § 1-5.
12) Pnfendorf, (J. N. & G.), I. c 1, § 12 ff. ; überhaupt das
ganze I. Cap. ; VII. c. 2, § 13. (De off.) IL c. 6, § 5-6, § 10.
— 141 —
den Begriff der „persona civitatis** wieder gänzlich fallen, ")
andere, wie Huber, Titius, Hert u. s. w. gebrauchen zwar den
Ausdruck der Staatspersönlichkeit, identiflcieren diese aber in
rein kollektifer Fassung ganz mit dem Herrscher und erkennen
daneben gewöhnlich eine „persona populi"* an. ^^) Auch die von
Leibnitz so stark iu den Vordergrund gestellte „persona civilis
seu moralis reipublicae** ist im Grunde nichts anderes als eine
„persona Acta", ") und ebenso decken sich bei Pütter und den
beiden Moser Staat und Herrscher vollständig. ")
Erhebliche Fortschritte sind im Grossen und Ganzen in
diesen zwei Jahrhunderten in diesem Punkt nicht zu
konstatieren. Eine organische Auffassung ohne Staats -
persönlichkeit und eine juristisch praecise Beschreibung
des Staatsganzen findet man durchgehends, und im
16. Jahrhundert schon ebenso klar und bewusst zum Ausdruck
gebracht wie am Ende dieser Periode. Alle diese Konstruktionen
und Untersuchungen wurden beeinflusst und beeinträchtigt
durch die verhängnisvolle, diese ganze Zeit beherrschende
Spaltung der staatlichen Rechtssubjektivität in Herrscher und
Volk, und auch die grossen Errungenschaften eines Althusins,
Grotius, Pufendorf und Hobbes gingen unter dem Einfluss
jener unseligen Trennung und unter der Hen^schaft des Alles
überwuchernden Individualismus zum grössten Teile wieder
zu Grunde.
13) Heincke, I. c. 3, § 5. — Kestner, c. 7, § 3. — Becmann,
c. 12, § 7. — Böhmer, I. c. 2, § 18, Note a; c. 3, § 1, Note 0, § 13 ff.
— Kreittmayr, § 2 und 4.
14) Huber, L 2 c. 2, § 1 ff. und § 17 ff.; c. 3, § 1. — I. 3 c. 1,
§ 32; c. 2, § 14; c. 6, § 26. - I. 9, c. 5, § 67. - IL 4, c. 1, § 24 ff. -
Titius, I. c. 1, § 43 ff. — IV. c. 5, VII. c. 7, § 19. - Schmier, I. c.
2, S. 4, § 1, No. 135 u. 136; c. 3, No. 3, 28 ff., 62-72. - H. c. 2, S. 3,
§ 2, No. 174-200, c. 4, S. 1, § 3. — Heineccius, H. § 20 ff. u. § 115 ff.
15) Leibnitz, Caesarin. — Fürsten, c. 11; vergl. seine Einl. zum
Cod. dipL L § 22, S. 306.
16) Vergl. Karl v. Moser, Der Herr und der Diener, Frankf. 1761.
— 142 —
Friedrich der Grosse war der Erste, der den Gedanken
der Staatspersönlicbkeit nnd demgemäss der Staatssouveränetät
zn erfassen wnsste. Wenn man ihm bestreiten will, — und
man hat es ihm vielfach bestritten — , dass er auch die moderne
Staatswissenschaft in neue Bahnen gelenkt hat, wie er andererseits
der grösste nnd genialste Vertreter der modernen Staatspraxis
geworden ist, so kann man allerdings behaupten, dass sich aus den
leider nnr vereinzelten und in seinen Werken zerstreuten Stellen ein
vollständiges, in alle Einzelheiten ausgeführtes Bild seiner Staats-
idee mit absoluter Sicherheit nicht konstruieren lässt; inbetreff
seiner Staatspersönlichkeit und Staatssouveränetät aber können
keine Zweifel herrschen, wenn man nnr alle einschlägigen
Äusserungen zusammenzustellen und zu komponieren und ihnen
den Sinn abzulauschen weiss, den ihnen der grosse König nach
aller möglichen Analogie geben will, wobei man an dem Mangel
an technischen Ausdrücken keinen Anstoss nehmen darf: auch
bei Calvin darf man nichts rein juristisches suchen, nnd doch
sind die Grundsätze, die er über den Staat aufgestellt hat, für
die Folgezeit nnd besonders für die Lehren der Monarchomachen
vom grösstem Einfluss gewesen.
§ 2. Die Staatsidee Friedrichs des Grossen.
Was zunächst die organische Auffassung betrifft, so ge-
braucht auch Friedrich der Grosse das Bild des menschlichen
Körpers. Aber, obwohl er von den Gliedern spricht, die in
enger, unlöslicher Vereinigung zusammengefügt sein müssen,
wenn der Körper stark und kräftig sein soll, und obgleich
er an anderer Stelle die Finanzen mit den Nerven vergleicht,
die alle Glieder in Bewegung setzen, so entwirft er doch keinen
zusammenhängendem, in alle Einzelheiten ausgeführten Vergleich
mit dem Corpus humanum und gefällt sich nicht darin, einen
fein ausgearbeiteten Organismus zu beschreiben, wie viele Schrift-
steller vor ihm. ^) Aus der ganzen Darstellung erhält man den
Eindruck, dass jener so oft verwandte, aber immer mehr oder
weniger spiritualistisch auf die Staatsgewalt als solche bezogene
Vergleich des Fürsten mit der Seele hier unmöglich wäre, oder
gar derjenige mit dem Arzt, der also neben dem Körper steht,
ausserhalb, der über seine Gesundheit wachen soll, aber jeden-
falls auch den wehrlosen in seiner Macht hat. Friedrich
glaubte durch den hin und wieder angewandten Vergleich
1) Antimach. c. 20: Eien ne contribue donc plus ä. la force d'une
monarchie, que runion intime et inseparable de tons ses membres, et ce
doit etre le but d'un prince sage de l'etablir. — c. g. : .... Comment
pourrait - eile (c. a. d. la republique) contenir toujours rambition des
grands qu'elle nourrit dans son sein? Comment pourrait-elle k la longue
veiller .... snr la corruption de ses membres . . . ? — c. 16 : . . . Le luxe,
qui nait de Tabondance, et qui fait circuler les richesses par toutes les
veines d'un Etat, fait fleurir un grand royaume. — Oeuvres IX.
No. XIV. p. 183: ... les finances, qui sont comme les nerfs dans le corps
humain, qui fönt mouvoir tous les membres ....
— 144 —
plastischer als darch juristische Konstruktionen seine Ideen
zum Ausdruck zu bringen. Das Bild ist daher keine Spielerei;
es ist aber auch mehr wie ein Bild: es ist eine Definition.
Der Herrscher erscheint als der Kopf, also als ein Teil
des Körpers, ein Teil des Staatsganzen, die Organisation des
Staates umfasst ihm mit: „Lui et ses peuples ne forment qu'un
Corps" erklärt Friedrich und lässt gewiss nicht unabsichtlich
das Attribut ,.humain" diesmal hinter „corps" aus; der Körper
ist jetzt der Staatskörper. Der Fürst ist durch unlösliche Bande
mit diesem verknüpft und fühlt und empfindet durch Rückschlag,
— par röpercussion — , alle Übel mit, welche jenen treffen, und
umgekehrt leidet der Körper mit unter dem Unglück, das dem
Herrscher begegnet. „II n'y a qu'un bien, qui est celui de l'Etat
en gen6ral." ^) Aber handeln und seine Vorteile wahren, kann
der Körper als solcher nicht selbst; darin wird er vom Souverän
vertreten, der sein Organ, sein „premier magistraf* ist. Dieser
allein sieht, denkt und handelt für die ganze Gemeinschaft
und — muss es zugleich thun, sein Recht ist zugleich eine
Pflicht. »)
Nirgends spricht Friedrich von den einzelnen Individuen,
nie sucht er den im Staat herrschenden Einheitswillen als aus
der Uebereinstimmung der einzelnen Willen im Wege der
2) Oeuvres IX. No. XV. p. 200: Le souverain est attache par
les liens indissoliibles au corps de l'Etat ; par consequent il ressent par
repercussion tous les maux, qui affligent ses sujets, et k societe souffre
egalement des malheurs, qui touchent son souverain. II n'y a qu'un
bien, qui est celui de l'Etat en general .... Je le repete donc, le sou-
verain represente TEtat; lui et ses peuples ne forment qu'un corps, qui
ne peut etre heureux qu'autant que la concorde les unit. Le prince est
k la societ6 qu'il gouveme, ce que la töte est au corps.
3) Oeuvres IX. No. XV. p. 200: .... il doit voir, penser et agir
pour toute la communaute^ afin de lui procurer tous les avantages, dont
eile est susceptible. — Oeuvres I. p. 123: . . . Un prince est le premier
serviteur et le premier magistrat de l'Etat. — An ti mach. c. 1: . . . H
se trouve que le souverain, bien loin d'etre le maitre absolu des peuples,
qui sont sous sa domination, n'en est lui-m§me que le premier domestiqua.
— 145 —
Addition entstaqden zn begränden; der Staat erscheint ihm
ganz als eine Person. Das ganze Leben der Menschen von
ihrer Geburt bis zu dem durch Krankheit oder hohes Alter
eintretenden Tod sieht er im Lebensprozess der Republiken
sich widerspiegeln: auch sie bilden sich, blUhen eine Zeit lang
und gehen endlich durch die Kühnheit eines Bürgers oder
feindliche Waffen zugrunde; ja sie fühlen es sogar, dass sie
einst sterben müssen, und sehen in jeder übermächtigen Familie
den Keim dieser tötlichen Krankheit. Diese Befürchtung existiert
aber nicht beim einzelnen Individuum und auch nicht bei der
Summe der Einzelnen, denn das wäre widersinnig, sondern
dieses Gefühl schlummert in dem also schon von Friedrich ge-
kannten geschichtlich gereiften Volksbewusstsein. ^)
Derselbe Gedanke spricht sich in seiner Lehre von dem
„temperament des Etats*' aus. Ebenso verschieden und mannig-
fach wie bei den Menschen sind die Temperamente der Staaten;
unter dem „temperament d'un Etat*' versteht er aber die Lage
und Ausdehnung seines Gebiets, die Grösse und den Geist seines
4) An ti mach. c. 9: Plnsienrs republiques sont retombees, par la
suite des temps, sous le despotisme; il parait mSme, que ce soit un
malheur inevitable, qui les attend toutes. Car, comment une röpublique
resisterait-elle etemellement k toutes les causes, qui micent sa liberte?
Comment pourrait-elle contenir toujours Tambition des grands qu'elle
nourrit dans son sein ? Comment pourrait - eile k la longue veiller sur
les reductions et les sonrdes pratiques de ses voisins et sor la cormption
de ses membres, tant qne Tinteret sera tant puissant chez les hommes?
Comment peutelle esperer de sortir toujours heureusement des guerres
qu'elle aura k soutenir? Comment pourra-t-elle prev^nir ces conjonctures
färcheüses pour sa liberte, ces moments critiques et decisifs, et ces hasards,
qui favorisent les corrompus et les audacieux. De m§me que les hommes
naissent, vivent un temps, et meurent par maladies ou par Tage, de
meme les republiques se forment, fleurissent quelques siöcles, et perissent
enfin par Taudace d'un citoyen ou par les armes de leur ennemis. Tout
a son periode, tous les empires et les plus grandes monarchies mdme
n'ont qu^un temps ; les republiques sentent toutes, que ce temps arrivera,
et elles regardent toute famille trop puissante comme le germe de la
maladie qui doit leur donner le coup de la mort.
10
— 146 —
Volkes, seine Gesetze und Gebräuche, seinen Handel und seinen
Reichtum, seine Stärke und seine Schwäche: Friedrich kennt
einen in territorialer Begrenzung abgeschlossenen Volkskörper. ^)
Der Souverän erscheint als das Haupt dieses Staatskörpers;
bis auf den heutigen Tag hat ja die Staatslehre für das Organ
der juristischen Person Staat noch keinen treffenderen Ausdruck
gefunden als den des Staatsoberhauptes. Friedrich nennt ihn
,9premier magistrat", „premier serviteur ' und sogar „premier
domestique'' im Gegensatz zum „maitre absolu'^ Der Staat
gehört nicht dem Monarchen, sondern dieser steht im Staat;
seinen Unterthanen gegenüber ist er nur ,,un de leur semblables/'
Der Einheitswille des Staats kommt nur als Wille des Herr-
schers zur Erscheinung: der Herrscher handelt fär den Staat,
aber da er [dessen Organ ist, ist sein Recht zugleich seine
Pflicht. So spricht Friedrich durchgehends von den „Services^,
den „devoirs, qu'nn prince doit remplir"*, und diese Pflichten
soll er „avec probitä, avec sagesse et avec un entier desinter^s-
sement^ flben, gerade wie wenn er in jedem Augenblick zur
Rechenschaft gezogen werden könnte. Ja Friedrich macht ihn
sogar für die „ignorance** ebenso verantwortlich wie für die
„malice". *)
5) An ti ma eh. c. 12: Tout est varie daus rnnivers : les temperaments
des hommes sont di£P6rents, et la natore etablit la meme variete, si J'ose
m'exprimer ainsi, dans le temp^rament des Etats. J'entends en general
par le temp^ament d'un Etat sa Situation, son etendu, le nombre, le
genie de ses peuples, son commerce, ses contnmes, ses lois, son fort, son
faible, ses richesses et ses ressonrces. — vergl. auch: Antim. c. 16:
Phidias devait son succ^s k l'etude de Poptique et des proportions. Cette
r^gle de proportion doit etre observSe dans la politique, les diflerences
des lieux fönt des differences des mazimes; vouloir en appliquer une
generalement, ce serait la rendre vicieuse; ce qui serait admirable pour
un grand royaume ne conviendrait point k un petit Etat.
6) Oeuvres IX. No. XV, p. 198: . . . . ces Services consistent k
maintenir les lois, k faire exactement observer la justice, k s^opposer de
toutes ses forces k la corruption des moeurs, k defendre l'Etat contre
ses ennemis. Le magistrat doit avoir Toeil sur la culture des terres; il
doit procurer rabondance des vivres k la soci^te, encourager rindostrie
— 147 —
Was die Begründung des Herrscberrechts betrifft, so teilte
anch Friedrich den Glauben an die Doktrin des Herrschafts-
vertrags. Daneben siebt er aucb Erbfolge nnd einen gerechten
Krieg als genügende Bechtstitel an. ^) In der Erhaltung der
Gesetze erblickt er die „vraie origine de la souverainet^'S den
einzigen Grund, warum die Menschen sich einen Herrn gaben. ®)
Aber es ist nicht der Unterwerfungsvertrag im Sinne der
Hobbesschen Lehre, wo die Menschen bei der Staatsgründung
et le commerce; il est comme une sentinelle permanente, qui doit veiller
sor les voislns et sür la conduite des ennemis de l'Etat. On demande
qne sa pr^voyance et sa prudence forment k temps les liaisons, et choi-
sissent les alli^sj les plus convenables aux int^rets de son association.
H faut joindre k cela une ^tude approfondie du local du pays que le
magistrat doit gouvemer, et bien connaitre le genie de la nation, par-
cequ^en penchant par ignorance, le souverain se rend aussi coupable que
par les pech^s, qu'il aurait commis par malice; les uns sont les defauts
de paresse, les autres les vices du coeur; mais le mal, qui en resulte
est le m^me pour la societe. p. 208: . . . Ce sont lä, en genöral, les
devoirs, qu'un prince doit remplir. Afin qu'il ne s'en ecarte jamais, il
doit se rappeler souvent, qu'il est homme comme le moindre de ses
siyets; s'il est le premier juge, le premier general, le premier financier,
le premier ministre de la soci6te, ce n'est pas pour qu'il represente, mais
afin qu'il en remplisse les devoirs. II n'est que le premier serviteur de
ri]tat, Obligo d'agir avec probite, aveo sagesse et avec un entier des-
interessement, comme si k chaque moment il devait rendre compte de
son administration k ses citoyens. — p. 200 und 205; ebenso Oeuvres I.
p. 123. — Refutation, p. 240: Leur Charge leur donne le pouvoir etc.
7)Antimach. c. 1: II n'y a donc que trois mani^res legitimes
pour devenir maitre d'un pays: ou par succession, ou par l'6lection des
peuples, qui en ont le pouvoir, ou lorsque par une guerre justement en-
treprise ou fait la conquete de quelques provinces sur l'ennemi. f. c. 6.
i. f. e. — Oeuvres, IX. 6. —
8) Oeuvres, IX. No. XV. p. 196: Mais comme ces lois ne pou-
vaient ni se maintenir, ni s'executer sans un surveillant, qui s'en occupät
Sans cesse, ce fut l'origine des magistrats, que le peuple elut et aux-
quels il se soumit. Qu'on s'imprime bien que la conservation des lois
fut l'unique raison qui engagea les hommes k se donner des superieurs,
puisque c'est la vraie origine de la souverainete. Ce magistrat etait le
premier serviteur de l'Etat. — Refutation, p. 176: Je le r6pete ce que
j'ai dit dans le premier chapitre: los princes sont nes juges des peuples,
c'est de la justice qu'ils tirent leur grandeur; ils ne doivent donc jamais
renier le fondement et l'origine de leur institution.
10*
— US —
rein kopflos ge^vesen sein mussten, da sie sich selbst rechtlos
machten, um einen Schutz für ihr Recht zu gewinnen; sondern
nur im Hinblick auf seine Weisheit, auf seinen Schutz und die
Dienste, die sie vom Herrscher erwarteten, sollen sie ihn zu
ihrem Herrn erhoben haben und dabei zu ihm gesagt: „du reste,
nous exigeons de vous, que nous respectiez nos libertes/' *)
Friedrich teilt uns in der ihm eigenen plastischen Aus-
drucksweise sogar den Wortlaut des Vertrags mit, über Bedeutung
und Inhalt desselben lässt er uns aber im Grunde ganz im
Unklaren. Dass es sich ebensowenig um eine unwiderrufliche
Veräusserung der Herrschaft durch das Volk, die zur absoluten
Fürstensouveränetät geführt hätte, wie anderseits um eine blosse
„concessio imperii" handeln kann, wie sie die Volkssouveränetät-
lehre ausbildete, ist klar. Die souveräne Gewalt des Friede-
ricianischen Herrschers liegt in der Mitte und erhält vor allem
einmal dadurch ihre Begrenzung, dass der Monarch Organ des
Staats ist, also jedenfalls nicht thun kann, was der Staat nicht
kann; ausserdem aber wird sie praecisiert durch die von Friedrich
dem Grossen zum obersten Grundsatz gestempelte Staatswohl-
fahrt. Als Monarch kann nun zwar der Monarch nach Friedrichs
Staatsidee mit den Staatsinteressen nicht in Konflikt kommen,
denn „il n'y a qu'un bien, qui est celui de l'Etat en general",
der Staat umfasst ihn mit; wo aber die Vorteile des Fürsten
9) Oeuvres IX. No. XV. u. 207: Si Ton remonte k Torigine de
la societe, il est de tonte evidence qne le souverain n'a aucim droit sur
la fa^on de penser des citoyens. Ne fandrait-il pas ^tre en d6mence
ponr se fignrer qne les hommes ont dit k nn homme lenr semblable:
Nous vons elevons audessns de nous, parceque nous aimons k etre
esclaves, et nous vous donnons la puissance de diriger nos pensees k votre
volonte? Ils ont dit au contraire: Nous avous besoin de vous pour
maintenir les lois auxquelles nous voulons obeir, pour nous gouvemer
sagement, pour nous d6fendre ; du reste, nous exigeons de vous que vous
respectiez nos libertes. Voilä la sentence prononcee, eile est sans appel,
et meme cette tol6rance est si avantageuse aux societes oü eile est
etablie, qu'elle fait le bonheur de TEtat. — s. Oeuvres, IX. No, XV. p. 198.
— 149 —
ala Privatperson mit denen der Gesamtheit kollidieren, mnss
er immer zarQcktreten und sowohl seine „agrSments'' wie anch
sein Leben der Gesammtheit opfern. ^®)
10) Refutation c. 1: C'est donc la justice, aurrait-on dit, qui
doit faire le principal objet du souverain ; c'est donc le bien des peuples,
qu'il gouverne qu'il doit pr6ferer k tout autre int^ret, c'est donc leur
bonheur et leur felicite, qu'il doit augmenter, ou le leur procurer, s'ils
ne Font pas. Que deviennent alors ces id6es d^int^r^ts, de grandeur,
d'ambition, de despotisme? II se trouve que le souverain, bien loin
d'etre le maitre absolu des peuples qui sont sous sa domination n'en
est lui-m^me que le premier domestique, et qu'il doit §tre Tinstrument
de leur fÖicite, comme ces peuples le sont de sa gloire. — So unter
andern: Oeuvres, IX. No. XV. p. 205: Le souverain doit souvent se
Souvenir de Tetat du pauvre peuple, se mettre k la place d'un paysan
et d'un manufacturier et se dire alors: Si J'etais ne dans la classe de
ces citoyens, dont les bras sont le capital, que d6sirerais-je du souverain ?
ce que le bon sens alors lui indiquera, son devois est de le mettre en
pratique. — Oeuvres, VI. p. 219: Je recommande ä, tous mes parents
k vi vre en bonne intelligence, et k savoir, quand il le faut, sacrifier leurs
interets personeis au bien de la patrie et aux avantages de l'Etat. —
Oeuvres, IX. 6 (Miroir des Princes etc.): Ne pensez point, que le pays
de Würtemberg a ete fait pour vous: mais cropez que c'est vous que la
Providence a fait venir au monde pour rendre ce peuple heureux.
Preferez toujours leur bien-etre k vos agrements et si, k notre äge tendre,
vous savez sacriQer vos desirs au bien de vos Sujets, vous en serez non
seulement les delices, mais vous serez encore Padmiration de Tunivers.
— Aehnlich seine Ansicht über die völkerrechtlichen Verträge, eine Art
Staatsraison: Oeuvres 11. Avant-Propos, p. XXV: L'interet de
l'Etat doit servir de rögle k la conduite des souverains. Les cas de
rompre les alliances sont ceux: 1) ou l'allie manque k remplir ses
engagements, 2) ou Pallie medite de vous tromper et ou il ne vous reste
de ressource que de le pr6venir; 3) une force majeure, qui vous opprime
et vous force k rompre vos traites; 4) enfin Tinsuffisance des moyens
pour continuer la guerre : par je ne sais qu'elle fatalite ces malheureuses
richesses influent sur tout, et les princes sont les esclaves de leur moyens.
Si le prince est dans Tobligation de sacrifier sa personne m§me au salut
de ses sujets, k plus forte raison doit-il leur sacrifier des liaisons, dont
la continuation leur deviendrait prejudiciable. — p. XXVII.: La parole
d'un particulier n'entraine que le malheur d'un seul homme, celle des
souverains, des calamites g^nerales pour des nations enti^res . . ceci se
reduit k cette question: Vaut-il mieux que le peuple perisse, ou que le
prince rompe son traite. Quel serait Pimbecile qui balancerait pour decider
cette question?
— 150 —
Leider spricht sich Friedrich der Grosse ebessowenig über
die Elemente der Sauveränetät wie über die einzelnen Funktionen
der Staatsgewalt positiv aas. ^^) Er hat ja kein Staatsrecht
11) Ueber das Eecht der Strafe und Begnadigung schreibt er in
seiner Eefutation, c. 17. p. 240: Le depot le plus pr^cieux, qui soit
confie entre les mains des princes. c'est la vie de leur sujets. Leur
Charge leur donne le pouvoir de condamner k mort ou de pardonner
aux coupables; ils sont les arbitres supremes de la- justice, Un mot de
leur bouche fait marcher devant eux ces organes sinistres de la mort et
de la destruction etc. . . . Mais qu'un pouvoir aussi absolu Fernande de
circonspection, de prudence et de sagesse pour n'en point abuser. Les
tyrans ne comptent pour rien la vie des hommes. . . . Les bona princes
regardent ce pouvoir non limite sur la vie de leurs sujets comme le
poids le plus pesant de leur couronne. Hs savent quHls sont bommes
comme ceux sur lesquels ils doivent juger, ... ils . . . ne prennent
de ces resolutions funestes que dans des cas desesperes et pareils k
ceux oü un homme se sentant un membre gangrene, malgre la tendresse
qu*il a pour lui-meme, se resoudrait k le laisser retrancher, pour garantir
et pour sauver du moins par cette Operation douloureuse le reste de
son Corps. — Nachher spricht er von den gerechten Ursachen zum Krieg:
Refutation, c. 26. p. 297: Toutes les guerres donc qui seront entre-
prises, apres un examen rigoureux, pour repousser des usurpateurs, pour
maintenir des droits legitimes, pour garantir la liberte de l'univers et
pour eviter Toppression et la violence des ambitieux, sont conformes k
la justice et k TequLt^. Les souverains qui en entreprennent de pareilles
sont innocents de tont le sang repandu, puisqu'ils sont dans la necessitö
d'agir, et que, dans des circonstances, la guerre est un moindre malheur
que la paix . . . Ce süjet me conduit naturellement k parier des princes
qui trafiquent du sang de leurs peuples par un infame negoce . . . Ces
princes devraient itougir de la lachete avec laquelle ils vendent la vie
des hommes qu'ils devraient proteger comme peres des peuples; ces
petits tyrans devraient entendre la voix de l'humanite, qui d^teste le
cruel abus, qu'ils fönt de leur pouvoir, et qui de \k möme les juge in-
dignes d'une plus hautes fortune et des couronnes, qu'ils n*ont pas . . .
p. 298. — Niemand hat wohl diese kleinen Tyrannen so treffend charak-
terisiert wie Friedrich der Grosse: Refutation, c. 10. p. 209: La plupart
des petits princes, et nomöment ceux d'Allemagne, se ruient par la de-
pense, excessive k proportion de leurs revenues, que leur fait faire l'ivresse
de leur vaine grandeur; ils s'abinent pour soutenir l'honneur de leur
maison, et ils prennent par vanit6 le chemin de la misöre et de l'hopital;
il n'y a pas jusqu*au cadet du cadet d'une ligne apanag^e, qui ne
s^imagine d'etre quelque chose de semblable k Louis XIV: ü bätit son
Versailles, il baise sa Maintenon et il entretient ses arm^es.
— IBl ~
geschrieben; er war nicht Jurist, sondern Politiker, und einer
der grössten Bealpolitiker, die die Welt gesehen. . In politischen
Reflexionen, in Versuchen fiber die Staatsformen, in Instruktionen
an verwandte jugendliche Fürsten und in seiner Widerlegung
der Machiavellistischen Grundsätze sind seine Ideen zerstreut
niedergelegt. Sehr bezeichnend ist eine Stelle, wo er der
Republik Erwährung thut und sie der Monarchie gegenüber-
stellt. ^^) Er sieht in der Republik einen Staat, der durch
weise Gesetze regiert, eine Art Gleichheit unter den Mitgliedern
herstelle, wodurch diese mehr dem Stand der natürlichen
Freiheit genähert würden. Trotzdem zieht er die Monarchie
vor. Er hält diese deshalb für die schönste Staatsform^ weil
der König Kraft seiner grösseren Machtbefugnisse, wenn er
nur seine Pflicht erfülle, viel grössere Resultate erzielen, das
Volk viel glücklicher machen könne.
12) Eefutation, c. 9. p. 202: H n'y a point de sentiment plus
inseparable de notre etre que celui de la liberte; depuis Phomme le plus
police jusqu'aa plus barbare, tous en sont penetr^s egalement ; car comme
nous naissons sans chaines, nous pretendons vivre sans contrainte, et
comme nous ne voulons dependre que de nou8-m§me, nous ne voulons
point nous assujettir aux caprices des autres. C'est cet esprit d'inde-
pendance et de fierte qui a produit taut de grands hommes dans le
monde, et qui a donne Heu k ces sortes de gouvernement qu'on appelle
republicains, qui, par appuis de sages lois, soutiennent la liberte des
Citoyens contre tout ce qui peut l'opprimer, et qui etablissent une 6spöce
d'egalite entre les membres d'une republique, ce qui les rapproche beau-
coup de r^tat naturel. p. 204: On ne persuadera jamais un republicain,
k Caton ou k Littleton, que le gouvernement monarchique est la meilleure
forme de gouvernement lorsqu'un roi a l'intention de remplir son devoir,
puisque sa volonte et sa puissance rendent sa bonte efficace. J'en con-
viens, vous dira-t-il; mais oü trouver ce phenix des princes? C'est
rhomme de Piaton, c'est la Venus de Medicis qu'un sculpteur habile
forma de Tassemblage de quarante beautes differentes, et qui n'exista
jamais qu'en marbre. Nous savons ce que comporte Thumanite, et qu'il
est peu de vertue, qui resistent ä, la puissance illimit6e de satisfaire ses
desirs, et aux seductions du throne. Votre monarchie metaphysique
serait un paradis sur la terre, s'il en existait une; mais le despotisme,
comme il est r^ellement, change du plus au moins ce monde en veritable
enfer.
— 152 —
Das ist sehr charakterisch für Friedrich den Grossen. Er
weist nicht anf die unterscheidenden juristischen Merkmale
zwischen den beiden Staatsformen hin, sondern sieht nur in
der grösseren Freiheit und Ungebundenheit des fürstlichen
Herrn ein Mittel, dem Volk in grösseren Massstabe, ohne von
Anderen darin beeinträchtigt zu werden, dienen und nützen zu
können.
Und darin beruht vor allem die Grösse Friedrichs auf
unserm Gebiete. So sehr auch die allgemein verbreitete ^ Lehre
von dem mit dem Patrimonialstaat mehr und mehr identiflcierten
absoluten Staat seinem Ehrgeiz und seiner Herrschbegier
schmeicheln mochte, so behielt doch der Mut der Wahrheit in
ihm die Oberhand, und er wollte sich vor allem über die
Natur des Herrscherrechts und Herrscherberufs selbst klar sein.
Und was sein scharfer, kritischer Verstand bei der rücksichts-
losen Prüfung gefunden, das hat er seinen Vettern auf dem
Throne als Spiegel vorgehalten ; Friedrich der Grosse war in
der That der König unter den Lehrern und Philosophen, weil
er der Philosoph und Lehrer unter den Königen war.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme und ehrenvolle
Pflicht, Herrn Prof. Dr. Lab and lür die Anregung zu
dieser Arbeit und für die vielfache Unterstützung bei
Anfertigung derselben meinen tiefgefühlten Dank aus-
zusprechen.
Lebenslauf.
Am 1. Juli 1874 wurde ich, Karl Adolf Dock, zu Bisch weil er
Im Elsass als Sohn des Kaufmanns Gustav Adolf Dock und seiner
Ehefrau Marie-Elise, geb. E g 1 y, geboren. Meinen Vater verlor ich
am 31. März 1882, meinen Stiefvater, den Tuchfabrikanten Heinrich
Dock, den 11. März 1889. Von Herbst 1881 bis Herbst 1890 besuchte
ich das Progyranasium meiner Vaterstadt, von 1890 bis 1892 die Prima
in Hagenau, wo ich im Juni 1892 das Zeugnis der Eeife erhielt. Im
Oktober 1892 Hess ich mich bei der rechts- und staatswissenschaftlichen
Fakultät der Kaiser -Wilhelms-Universität Strassburg inscribieren und
gehörte derselben mit Ausnahme meines zweiten Studiensemesters, das
ich in Berlin verbrachte, bis heute an.
Allen meinen hochverehrten Lehrern sage ich hiermit meinen
innigsten Dank.
Buchdruckerei C. Seil (Hans Adler) Greifswald.
Tbie book sho'pld be retnmed to
tba Iiibrary on or before the last date
stamped below.
A fine of üve eents a day is iacurred
by retatoing it beyond the öpeeifled
time*
FleBse retum pro napüja#^#i*»f J
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