D 20 720 E
OKTOBER 1978
104. Jahrgang, Nummer 10
Konferenz-Sonderausgabe
Veröffentlichung
der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage
Oktober 1978
104. Jahrgang
Nummer 10
Erste Präsidentschaft: Spencer W. Kimball, N. Eldon Tanner, Marion G. Romney.
Der Rat der Zwölf: Ezra Taft Benson, Mark E. Petersen, Delbert L. Stapley, LeGrand Richards,
Howard W. Hunter, Gordon B. Hinckley, Thomas S. Monson, Boyd K. Packer, Marvin J. Ashton,
Bruce R. McConkie, L. Tom Perry, David B. Haight.
Beratendes Komitee: Gordon B. Hinckley, Marvin J. Ashton, L. Tom Perry, Marion D. Hanks,
James A. Cullimore, Robert D. Haies. Church Magazines: Dean L. Larsen, Herausgeber.
Internationale Redaktion: Larry A. Hiller, Carol Larsen, Roger Gylling.
Der Stern: Klaus Günther Genge, Übersetzungsabteilung, Grabenstraße 14, A-8010 Graz.
Nachrichtenredaktion: Holger G. Nickel, Porthstraße 5-7, D-6000 Frankfurt /Main 50, Telefon
0611/1534278.
148. Frühjahrs-Generalkonferenz
der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
Die Sprecher der Konferenz in alphabetischer
Anderson, Joseph 127
Ashton, Marvin J. . 12
Backman, Robert L 132
Benson, Ezra Taft 59
Brown, Victor L 162
Clarke, Richard J 150
Cook, Gene R 120
Cullimore, James A 47
Cuthbert, Derek A 130
Haight, David B 42
Hinckley, Gordon B 110
Hunter, Howard W 65
Kimball, Spencer W. . 5, 86, 139, 144, 175
Lee, George P 50
Maxwell, Neal A 17
McConkie, Bruce R 21
Monson, Thomas S 37
Reihenfolge
Packer, Boyd K 165
Perry, L. Tom 97
Petersen, Mark E 115
Poelman, Ronald E 58
Reeve, Rex C 134
Richards, LeGrand 135
Romney, Marion G 75, 93, 173
SM, Sterling W 123
Simpson, Robert L 68
Smith, Barbara B 155
Smith, Eldred G 65
Stone, O. Leslie 106
Tanner, N. Eldon 25, 80, 172
Taylor, Henry D 72
Tuttle, A. Theodore 158
Vandenberg, John H 101
Jahresabonnement :
Bestellungen über den Sternagenten der Gemeinde:
DM 20, — an Verlag Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage,
Postscheckkonto Frankfurt 6453-604.
sFr. 21 — an First National City Bank, Genf, Konto-Nr. 0/312750/007, Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage.
ÖS 130,— an Erste Österreichische Spar-Casse, Wien, Konto-Nr. 000-81388,
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.
USA und Kanada (nicht mit Luftpost): $ 8.00.
© 1978 by the Corporation of the President of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints.
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Verlag Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Porthstrasse 5-7,
D-6000 Frankfurt am Main 50.
INHALT
Versammlung am Samstagmorgen, dem 1. April 1978
Der wahre Weg zum Leben und zur Erlösung. Spencer W. Kimball 5
Keine Zeit zum Streiten. Marvin J. Ashton 12
Von Gott berufene Frauen. Neal A. Maxwell 17
„Der Morgen naht, die Schatten fliehn". Bruce R. McConkie 21
„Und [ihr] werdet die Wahrheit erkennen". jY. Eldon Tanner 25
Versammlung am Samstagnachmittag, dem 1. April 1978
Statistischer Bericht 1977 32
Bericht des Finanzkomitees der Kirche 34
Bestätigung der Beamten der Kirche 35
Das glaubensvolle Gebet. Thomas S. Monson 37
Die Primarvereinigung bereichert das Leben der Kinder. David B. Haight 42
Betrüben wir nicht den Heiligen Geist, damit wir ihn nicht verlieren. James A. Cullimore 47
Sich von der Welt unbefleckt halten. Georg P. Lee 50
Entscheidungen. Eldred G. Smith 55
„Ich bin nicht aus eigener Kraft an diese Stelle gelangt". Ronald E. Poelman 58
„Möge das Reich Gottes ausgehen". Ezra Taft Benson 59
Priestertumsversammlung am Samstag, dem 1. April 1978
„Tu deine Schuhe an!". Howard W. Hunter 65
„Nicht mein, sondern dein Wille geschehe". Robert L. Simpson 68
Offenbarung. Henry D. Taylor 72
Aufgaben des Priestertums. Marion G. Romney 75
Einer Empfehlung würdig sein. N. Eldon Tanner 80
Werten wir die Familie — die Grundeinheit der Kirche — auf. Spencer W. Kimball 86
Versammlung am Sonntagmorgen, dem 2. April 1978
Gebet und Offenbarung. Marion G. Romney 93
„Hoffe auf den Herrn". L. Tom Perry 97
„Was ist Wahrheit?" John H. Vandenberg 101
Erfolg in der Ehe. O. Leslie Stone 1 06
„Sei nicht ungläubig". Gordon B. Hinckley 110
Versammlung am Sonntagnachrnittag, dem 2. April 1978
„Ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht". Mark E. Petersen 115
Folgen Sie Ihrem geistigen Führer. Gene R. Cook 1 20
Erfolgslyrik. Sterling W.Sill 123
Eifrig wirken-. Joseph Anderson 127
Was erwartet der Herr von mir? Derek A. Cuthbert 130
Alles, was mir teuer ist. Robert L. Backman 132
Unter dem Eindruck der neuen Berufung. Rex C. Reeve . 134
Das Zweite Kommen Christi. LeGrand Richards 135
Hören Sie auf die Propheten. Spencer W. Kimball 1 39
Wohlfahrtsversammlung, Samstag, 1. April 1978
Reinen Herzens werden. Spencer W. Kimball 144
Das Lagerhaus-Hilfssystem. Richard Clarke 150
Die Zeit des Alters. Barbara B. Smith 155
Wohlfahrtsdienst beginnt bei Ihnen. A. Theodore Tuttle 158
Auf Liebe begründet. Victor L. Brown 162
Seelische Probleme nach des Herrn Weise lösen. Boyd K. Packer 165
Wir sind seine Verwalter. N. Eldon Tanner 1 72
Das königliche Gesetz der Liebe. Marion G. Romney 173
Familien, die nach dem Evangelium leben. Spencer W. Kimball 175
Bericht von der
148. Frühjahrs-Generalkonferenz
der Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage
Reden vom 1. und 2. April 1978
im Tabernakel auf dem Tempelplatz in Salt Lake City
,, Horche, o du Volk meiner Kirche . . .
Horchet ihr Völker in der Ferne, und
ihr, die ihr auf den Inseln des Meeres
seid, merkt alle auf!" (LuB 1:1).
Die inspirierten Reden, die auf den
Generalkonferenzen der Kirche gehal-
ten werden, entsprechen dem Geist die-
ser packenden Einleitung zum Buch
, Lehre und Bündnisse'. Auch die dies-
jährige Frühjahrs-Generalkonferenz -
ihre offizielle Bezeichnung lautet „148.
Frühjahrs-Generalkonferenz der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten
Tage" — wurde traditionell in diesem
Geist abgehalten.
Auf allen Versammlungen präsidierte
Präsident Spencer W. Kimball, der auf
der ersten Versammlung der General-
konferenz am Samstagmorgen vier neue
Brüder als Mitglieder des Ersten
Kollegiums der Siebzig bestätigen ließ.
Außerdem gab er die historisch bedeut-
same Anordnung bekannt, daß es in der
genealogischen Arbeit hinfort zwei
Schwerpunkte geben soll. Die Mit-
glieder werden aufgefordert:
1. ihre Lebensgeschichte niederzu-
schreiben und in einer Familien-
organisation mitzuarbeiten
2. das Vier-Generationen-Programm
zu erfüllen
Weitergehende Forschungen können
nach seinen Worten durchgeführt wer-
den, wenn die Betreffenden es wün-
schen. Im Zusammenhang mit dieser
erneuten Betonung des Vier-Generati-
onen-Programms wird in der ganzen
Kirche ein neues Programm eingeführt,
in dessen Rahmen die Mitglieder Na-
men aus genealogischen Aufzeich-
nungen herausschreiben.
Auf der Konferenz waren Führer der
Kirche aus der ganzen Welt zugegen,
darunter elf Gebietsbeauftragte, die
außerhalb der Vereinigten Staaten le-
ben, 183 Regionalrepräsentanten und
900 Pfahlpräsidenten, die zu der Kon-
ferenz eingeladen waren.
Die Versammlungen fanden am Sams-
tag, dem 1., und am Sonntag, dem 2.
April, statt. 32 Generalautoritäten
(gegenwärtig gibt es deren 66) haben
Reden gehalten. Dadurch, daß vier neue
Mitglieder in das Erste Kollegium der
Siebzig aufgenommen worden sind, hat
sich die Mitgliederzahl dieses Kolle-
giums auf 47 erhöht. Die neuen General-
autoritäten sind Ronald E. Poelman aus
Kalifornien, Derek A. Cuthbert aus
England, Robert L. Backman und Rex
C. Reeve sen. aus Salt Lake City.
Die Konferenzversammlungen wurden
im Tabernakel auf dem Tempelplatz in
Salt Lake City abgehalten. Zusätzliche
Sitzplätze wurden in der Assembly Hall
und im nahegelegenen Salt Palace
bereitgestellt. Die Versammlungen fan-
den am Samstag um 7 Uhr (Wohlfahrts-
versammlung), 10 Uhr, 14 Uhr und 19
Uhr (allgemeine Priestertumsver-
sammlung) und am Sonntag um 10 Uhr
und 14 Uhr statt.
Die Versammlungen oder Ausschnitte
davon wurden durch elektronische Me-
dien in viele Teile der Welt übertragen:
215 Sender und 125 Kabelsysteme über-
nahmen die Übertragung in den Ver-
einigten Staaten und in Kanada; 51
Rundfunksender strahlten sie in den
USA aus, 75 in Lateinamerika und 44 in
Australien. Ein Kurzwellensender be-
diente- Europa, Afrika und Latein-
amerika. Über Kabel wurden die Ver-
sammlungen in mehr als 300 Gemeinde-
häuser in den Vereinigten Staaten und
Europa übertragen. Die allgemeine
Priestertumsversammlung wurde mit
Hilfe von 1.360 Kabelstationen über-
tragen.
Zusätzlich zu den auf zwei Tage ver-
teilten Konferenzversammlungen fand
am Freitag, dem 31. März, im Amts-
gebäude der Kirche ein Seminar für
Regionalrepräsentanten statt. Dort gab
Präsident Kimball bekannt, daß es in
jedem Pfahl jährlich nur noch zwei
Pfahlkonferenzen geben soll und daß
von 1979 an einige Gebietskonferenzen
in den Vereinigten Staaten stattfinden
sollen. Weitere bedeutsame Belehrun-
gen und Anweisungen Präsident Kim-
balls hatten kirchliche, politische und
staatliche Angelegenheiten zum Gegen-
stand, daneben Fragen der Genealogie,
der Missionsarbeit und der Vereinfa-
chung des Programms und der Organi-
sation der Kirche.
Die Herausgeber
Versammlung am Samstagmorgen, d. 1. April 1978
Der wahre Weg zum Leben
und zur Erlösung
Präsident Spencer W. Kimball
H«
.eute, Brüder und Schwestern, trete
ich mit dankbarem Herzen vor Sie,
dankbar nicht nur dafür, daß wir uns
wieder einmal in religiöser Freiheit ver-
sammeln dürfen — ich weiß die Hingabe
der treuen Heiligen in der Kirche zu
würdigen — , sondern auch dafür, daß
Sie meiner Aufforderung Folge geleistet
haben, sich mehr anzustrengen. Diese
Aufforderung bleibt auch weiterhin be-
stehen. Viele von Ihnen haben fleißig
gearbeitet und ihr Haus und ihren
Garten verschönert. Andere haben den
Rat befolgt, sich einen Garten anzu-
legen, soweit dies möglich ist. Dies soll
dazu dienen, daß wir die Bindung an den
Ackerboden nicht verlieren und mehr
Sicherheit gewinnen, indem wir zumin-
dest einen Teil unserer Lebensmittel und
dessen, was wir zum Leben brauchen,
selbst erzeugen können.
Produzieren Sie auf Ihrem Grundstück,
falls Wasser vorhanden ist, so viele
Nahrungsmittel wie irgend möglich.
Beerensträucher, Weinstöcke und Obst-
Das Wichtigste, was man den Menschen heute sagen kann,
ist, daß Jesus Christus lebt und uns den Weg zum Leben
weist.
bäume sind am meisten zu empfehlen.
Pflanzen Sie diese, sofern das Klima bei
Ihnen dafür geeignet ist. Ziehen Sie auch
Gemüse, und essen Sie solches Gemüse,
das Sie im eigenen Garten produzieren.
Auch wer in einer Miet- oder
Eigentumswohnung lebt, kann im allge-
meinen in Töpfen oder Kästen ein wenig
Obst und Gemüse ziehen.
Ich habe schon einmal erwähnt, daß sich
die meisten Mitglieder der Kirche be-
wußt sind, wie sehr uns die Missions-
arbeit am Herzen liegt und wie oft wir in
vielen Ländern dazu aufgerufen haben,
sich der Evangeliumsverkündigung von
neuem zu widmen und Missionare
auszubilden, die allen Menschen die gute
Nachricht von der Wiederherstellung
des Evangeliums bringen können. Der
Tempelarbeit für die Verstorbenen mes-
se ich die gleiche Dringlichkeit bei wie
der Missionsarbeit für die Lebenden,
denn beides dient im Grunde demselben
Ziel. Ich habe meinen Brüdern, den
Generalautoritäten, gesagt, daß mich
die Arbeit für die Toten ständig be-
schäftigt.
Unlängst haben die Erste Präsident-
schaft und der Rat der Zwölf Apostel
gründlich darüber nachgedacht, wie wir
uns bei dieser ungeheuer wichtigen Auf-
5
gäbe mehr anstrengen können. Nun-
mehr geben wir bekannt, daß wir zwei
Schwerpunkte setzen:
1 . Alle Mitglieder der Kirche sollen ihre
Lebensgeschichte niederschreiben und
in einer Familienorganisation mit-
arbeiten. Außerdem möchten wir erneut
Nachdruck darauflegen, daß jeder mit
seiner Familie das Vier-Generationen-
Programm erfüllen soll. Dies machen
wir jedem Mitglied der Kirche zur
Pflicht. Wenn eine Familie es wünscht,
kann sie ihre Ahnentafel über die vier
Generationen hinaus erweitern.
2. Wir stellen hiermit ein für die ganze
Kirche gültiges Programm vor, in des-
sen Rahmen aus genealogischen Quellen
Namen herausgeschrieben werden. Die
Mitglieder der Kirche können jetzt im
Sinne der Zweiten Meile einen wert-
vollen Dienst leisten, indem sie mit-
helfen, nach den Bestimmungen dieses
Programms und unter der Weisung der
Priestertumsführer Namen aus genea-
logischen Aufzeichnungen herauszu-
schreiben. Dies soll auf örtlicher Ebene
geschehen; den Priestertumsführern
werden dazu noch nähere Anweisungen
zugehen.
Bei mir zu Hause stehen auf einem
Bücherregal in meinem Arbeitszimmer
33 große, mit Eintragungen gefüllte
-Tagebücher. Jedes Tagebuch umfaßt
den Zeitraum eines Jahres. Diese Biblio-
thek habe ich durch tägliche Ein-
tragungen aufgebaut. Sie enthält Auf-
zeichnungen über meine Reisen in viele
Länder der Erde und über die dort
abgehaltenen Versammlungen, die
Menschen, die ich dort kennengelernt
habe, und die Trauungen, die ich voll-
zogen habe, dazu Notizen über alles,
was für meine Familie und, wie ich
hoffe, eines Tages auch für die Kirche
von Interesse ist.
Ich fordere alle, die zur Kirche gehören,
dazu auf, sich ernsthaft um ihre
Familiengeschichte zu kümmern. Jeder
soll seine Eltern und seine Großeltern
dazu bewegen, ein Tagebuch zu führen.
Keine Familie soll in die Ewigkeit ein-
gehen, ohne ihren Kindern, Enkeln und
weiteren Nachkommen ihre Memoiren
zu hinterlassen. Alle sind dazu ver-
pflichtet, und ich ermahne jeden Heili-
gen der Letzten Tage, seine Kinder dazu
zu veranlassen, daß sie damit beginnen,
ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben
und Tagebuch zu führen.
In der Aprilausgabe der Zeitschrift ,,Das
Beste" ist in den Vereinigten Staaten
und im deutschen Sprachraum ein
besonderer Artikel erschienen, der sich
aus dem Heft heraustrennen läßt.
Es werden darin vier Eigenschaften
beschrieben, die viele Eltern in ihrer
Familie vermissen, und es wird ein Weg
aufgezeigt, wie jeder seine Familie mit
diesen Eigenschaften als Maßstab be-
urteilen kann. Außerdem werden all-
gemeine Hinweise dafür gegeben, wie
man ein glücklicheres Familienleben
führen kann. Es wird auch ein Beispiel
für diesen Aktionsplan dargestellt. In
der Zeitschrift „Das Beste" werden in
diesem Jahr noch drei weitere Artikel
dieser Art erscheinen. Ich empfehle es
allen Mitgliedern der Kirche und allen
Außenstehenden zur Lektüre.
Vor kurzem hat uns ein hoher Beamter
einen Besuch abgestattet und gesagt:
„Die Familie ist von entscheidender
Bedeutung. Sie bildet die Grundlage für
die Stärke unserer Zivilisation — eine
Tatsache, die man anscheinend ver-
gessen hat. Die Familie ist so ungeheuer
wichtig, denn von ihr hängen die körper-
liche und die seelische Gesundheit des
einzelnen entscheidend ab, und sie bietet
uns den sichersten Schutz vor Not und
Unglück. Als einzige Einrichtung garan-
tiert sie uns eine Umgebung, wo der
Fortbestand der Grundsätze und der
Begriffswelt gewährleistet sind, die uns
stark gemacht haben.
Ich erinnere mich an einen Zeugen, der
vor einem vom [amerikanischen] Kon-
greß eingesetzten Komitee ausgesagt
hat. Dieses Komitee befaßte sich mit der
Familie. Hier die Worte des Zeugen:
, Bevor Sie an der Familie herum-
pfuschen, sollten Sie sich erst einmal
klar darüber werden, daß in der über-
lieferten Geschichte alle staatsähnlichen
Gebilde es schließlich der Familie über-
lassen haben, die Kinder großzuziehen.
Ehe Sie versuchen, die Familie abzu-
schaffen, sollten Sie lieber herausfinden,
aus welchen Gründen alle Kulturen an
ihrer Einrichtung festgehalten haben.'
Ich halte es wirklich für außer-
gewöhnlich, daß Ihre Kirche so großen
Wert auf das Familienleben legt."
Das Evangelium ist seit jeher eine Sache
der Familie. Wir sollen uns ernsthaft
bemühen, regelmäßig einen begeistern-
den Familienabend zu halten und sorg-
fältig zu planen, worüber wir an diesem
Abend sprechen wollen. Dadurch setzen
wir für unsere Kinder Maßstäbe, die
während ihres ganzen Lebens richtungs-
weisend für sie sein werden. Wenn wir
uns in dieser Weise Zeit für unsere
Kinder nehmen und für sie da sind.
geben wir ihnen etwas, was sie stets
schätzen werden.
Der Familienabend-Leitfaden enthält
eine Fülle von wertvollen Anregungen.
Sie sollen den Eltern jedoch nicht die
Aufgabe abnehmen, mit Hilfe von In-
spiration darüber nachzusinnen, was an
dem jeweiligen Familienabend ge-
schehen soll, um auf bestimmte
Erfordernisse einzugehen. Wenn wir
unsere Familie zu Hause mit der geist-
igen Speise des Evangeliums nähren,
braucht sie nicht allein davon zu leben,
was sie aus den Versammlungen der
Kirche mitnimmt, sondern wird darin
eine kostbare Ergänzung sehen.
In der Familie wird die Anlage zu einem
Heiligen ausgebildet. Leider gibt es nicht
genug gute Familien. Noch immer wer-
den Kinder von ihren Eltern miß-
handelt. Sie finden zu Hause keine Liebe
und werden dort nicht in der Wahrheit
unterwiesen.
Wir machen uns große Sorgen darüber,
daß die Presse von immer neuen Kindes-
mißhandlungen berichtet. Wir sind er-
schüttert darüber, daß es einen Vater
oder eine Mutter geben kann, die dem
eigenen Kind Schaden zufügen. Der
Herr hat kleine Kinder liebgehabt und
gesagt:
„Lasset die Kinder und wehret ihnen
nicht, zu mir zu kommen; denn solcher
ist das Himmelreich" (Matthäus 19:14).
Kein Heiliger der Letzten Tage lade
jemals die schreckliche Schuld auf sich,
eines der von Christus so geliebten
kleinen Kinder zu mißhandeln!
Die neueste von der Regierung der
Vereinigten Staaten erarbeitete Statistik
zeigt, daß die Epidemie der Scheidungen
weiter um sich greift und an Intensität
noch zunimmt. 1975 wurden in den
USA eine Million Ehen geschieden oder
für nichtig erklärt. Dies ist die höchste
bisher berichtete Zahl.
Im vergangenen Jahr wurden fast halb
so viele Ehen geschieden, wie neue Ehen
geschlossen wurden. Es gab doppelt so
viele Scheidungen wie 1966 und fast
dreimal so viele wie 1950. Mehr als eine
Million Kinder unter 18 Jahren dürfte
von dieser Familienzerrüttung betroffen
sein. Die seelischen und sonstigen Fol-
gen sind für sie vielleicht noch schwer-
wiegender als für die Eltern selbst.
Auch wenn einige diese folgenschweren
Tatsachen ignorieren, sind wir der Auf-
fassung, fast jeder, der über die Ver-
hältnisse nachsinnt, sollte zu dem
Schluß kommen, daß die Nation zer-
brechen muß, wenn die Familie zerrüttet
wird. Es kann keinen Zweifel daran
geben, und alle Historiker sowie Men-
schen, die die Geschichte betrachten,
sind zu der gleichen Erkenntnis ge-
kommen.
Wir können uns einer bösen Ahnung
nicht erwehren: Es scheint uns, daß sich
die Befürworter vieler Bestrebungen ent-
weder nur wenig oder gar nicht um die
Heiligkeit der Familie kümmern.
Was uns besonders am Herzen liegt, ist
die geistige, seelische und sittliche
Gesundheit aller Familienmitglieder -
der Kinder, der Jugendlichen und der
Erwachsenen.
Es heißt, daß 1974 in den Vereinigten
Staaten über eine Million ungeborener
Kinder durch vorsätzliche Abtreibung
ihrer Lebensmöglichkeit beraubt wur-
den. Dies ist, auf die letzten Jahre
bezogen, eine enorme Steigerung. Aus
diesem Grund bekräftigen wir noch
einmal, daß wir Gegner der Abtreibung
sind. Wir halten sie nur in besonderen
Ausnahmefällen für gerechtfertigt.
Ich möchte meiner Dankbarkeit für die
großartigen Frauen in der Kirche Aus-
druck geben. Wir lieben die Frauen in
unserer Kirche. Sie bedeuten uns so viel
wie unsere Ehefrau und unsere Mutter,
unsere Großmütter, unsere Schwestern
und unsere Freunde. Wenn einmal die
vollständige Geschichte dieser und frü-
herer Evangeliumszeiten erzählt wird,
wird sie mit Berichten über beherzte
Frauen angefüllt sein — über ihre Weis-
heit, ihre Aufopferung und ihren Mut.
Nach der Auferstehung des Herrn Jesus
Christus trafen Frauen als erste an
seinem Grab ein, und es scheint uns, daß
auch unsere rechtschaffenen Frauen oft
instinktiv das aus ewiger Sicht Ent-
scheidende erfassen. Wir sind der glei-
chen Ansicht wie jener weise Mann, der
sinngemäß gesagt hat: Wir reden davon,
daß uns die Sprache unserer Mutter auf
Dauer prägt, während es doch die Liebe
unserer Mutter ist, die uns nachhaltig
beeinflußt.
Aus diesem Grund bereitet uns der
allgemeine Trend große Sorge, der den
Wert der Mutterliebe in der heutigen
Welt herabsetzt. Gott hat der Mutter
den Auftrag gegeben, die Kinder in
ihren ersten Lebensjahren zu lenken. Ein
großer Teil dessen, was Einzelpersonen
und Institutionen heutzutage unter-
nehmen, um Menschen wieder auf den
richtigen Weg zu bringen, geschieht nur
deshalb, weil die Eltern bei der Erzie-
hung versagt haben und diese Fehler
hinterher ausgeglichen werden müssen.
Umgekehrt spiegelt das glückliche Le-
ben eines Erwachsenen zu einem großen
Teil die gute Erziehungsarbeit der Mut-
ter wieder, die alles für ihr Kind getan
hat.
Goethe hat gesagt: „Das Ewig-Weibli-
che zieht uns hinan" (Faust, II. Teil, 5.
Akt).
Und in der Schrift heißt es: „Die Frau ist
der Ruhm des Mannes" (1. Korinther
11:7; frei nach dem griech. Urtext).
Die Schrift erinnert uns auch an fol-
gendes: „Frauen können ihren Unter-
halt von ihren Männern beanspruchen,
bis diese hinweggenommen werden"
(LuB 83:2). Die Frau hat gegenüber
ihrem Mann auch einen Anspruch dar-
8
auf, daß er sie voller Achtung und
Rücksichtnahme behandelt und ihr die
Treue hält. In der feinen, beglückenden
Beziehung, die zwischen Mann und
Frau herrschen soll, ist das Priestertum
Teil der Partnerschaft.
Wir sind sehr erfreut darüber, wie unsere
Schwestern ihre Talente entfalten, und
wir staunen über ihre Leistungen. Die
Bemühungen der Kirche um die Bildung
ihrer Frauen sprechen für sich selbst.
Uns ist vielleicht mehr als jeder anderen
von der Größe her vergleichbaren Grup-
pierung daran gelegen, daß unsere
Frauen ihre Fertigkeiten und Fähigkei-
ten entwickeln, denn wir glauben daran,
daß wir uns nicht nur für diese Welt
Bildung aneignen, sondern für alle
Ewigkeit.
Gleich von Anfang an hat die Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten
Tage den Fortschritt der Frauen ge-
fördert. Schon der Prophet Joseph
Smith hat die Ideale des Frauentums
gelehrt. Er war im wahrsten Sinne des
Wortes ein Fürsprecher der Frauen, und
er hat ihnen die volle Handlungsfreiheit
dafür eingeräumt, daß sie sich als Müt-
ter und Krankenschwestern, als Befür-
worterinnen hoher Ideale im Gemein-
wesen und als Beschützerinnen der Mo-
ral entfalten konnten.
Was könnte sich eine Frau mehr wün-
schen. Was könnte ein Mann mehr für
seine Frau wünschen? Was könnte ein
Mann mehr begehren, als selbst auf
ebenso hoher Stufe zu leben.
Der Prophet Joseph Smith hat uns die
Organisation der Frauenhilfsver-
einigung gegeben, um die Frauen in der
Kirche diesen hohen Zielen näherzu-
bringen. Heute ist die Frauenhilfs-
vereinigung eine weltweite Bewegung
und Mitglied staatlicher und internatio-
naler Organisationen, die für den Fort-
schritt und die Entwicklung der Frauen
eintreten.
Wir haben in der Kirche ein beliebtes
Lied, das eine bedeutsame Lehre zum
Ausdruck bringt: ,,0 mein Vater". Beim
Singen dieses Liedes werden wir gewahr,
daß hier das Höchstmaß mütterlicher
Sittsamkeit angedeutet wird — die
beherrschte, königliche Anmut unserer
Mutter im Himmel. Wenn wir be-
denken, wie dauerhaft unsere irdische
Mutter unsere Persönlichkeit geformt
hat, können wir dann annehmen, daß
uns unsere Mutter im Himmel weniger
beeinflußt, falls wir so leben, daß wir
wieder zu ihr zurückkehren dürfen?
Meine geliebten Brüder und Schwestern,
Gott lebt, und ich lege davon Zeugnis
ab. Jesus Christus lebt, und er ist der
Urheber des wahren Lebens und der
Errettung.
Dies ist die Botschaft der Kirche Jesu
Christi der Heiligen der Letzten Tage. Es
ist das Wichtigste, was man der heutigen
Welt verkündigen kann. Jesus Christus
ist der Sohn Gottes. Er wurde von Gott
Vater zum Erretter dieser Welt aus-
ersehen. Sein Erscheinen wurde schon
Jahrhunderte vor seiner Geburt voraus-
gesagt. Adam und Mose, Jesaja und
Jeremia, Hesekiel und Lehi, Nephi und
König Benjamin, Alma, Samuel und
viele andere hatten Visionen vom Kom-
men des Erlösers, und sie sahen auch
Maria, seine ewige Mutter.
Ein neuzeitlicher Prophet, der ver-
storbene James E. Talmage vom Rat der
Zwölf Apostel, hat folgendes über die
Natur Jesu Christi geäußert:
„Millionen verstorbener und lebender
Menschen vereinigen sich zum feierli-
chen Zeugnis, daß Er göttlich ist, der
Sohn des lebendigen Gottes, der Hei-
land und Erlöser des Menschen-
geschlechts, der ewige Richter der Seelen
der Menschen, der Erwählte und Ge-
salbte des Vaters - - kurz, der Christus
Jesus Christus war und ist Jehova, der
Gott Adams und Noahs, der Gott
Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott
Israels, der Gott, auf dessen Ver-
anlassung die Propheten aller Zeit spra-
chen, der Gott aller Völker — Er, der
dereinst als König der Könige und Herr
aller Herren auf Erden regieren wird"
(James E. Talmage, Jesus der Christus,
S. 1, 3).
Wozu wurde Christus gesandt?
„Gott schuf den Menschen zu seinem
Ebenbilde, zum Bilde Gottes schuf er
ihn; und schuf sie als Mann und Weib"
(1. Mose 1:27).
So wurde der Mensch nach dem Bilde
Gottes erschaffen und auf diese Erde
gestellt, um das irdische Dasein
durchzumachen ein Übergangs-
stadium zwischen dem vorirdischen Da-
sein und der Unsterblichkeit.
Unsere Stammeltern, Adam und Eva,
übertraten ein Gebot Gottes, indem sie
von der verbotenen Frucht aßen. Da-
durch wurden sie sterblich. Dies hatte
zur Folge, daß sie und alle ihre Nach-
kommen dem leiblichen und dem gei-
stigen Tod unterworfen wurden.
Wenn Adam seinen ursprünglichen Zu-
stand wiedererlangen sollte (das heißt -
ein Dasein in der Gegenwart Gottes),
mußte für seinen Ungehorsam eine Süh-
ne geleistet werden. Dementsprechend
sah Gottes Plan einen Erlöser vor, der
die Bande des Todes zerreißen und
durch seine Auferstehung die Voraus-
setzung dafür schaffen sollte, daß der
Geist und der Körper aller Menschen,
die auf der Erde gelebt haben, wieder
miteinander verbunden werden können.
Jesus von Nazareth war es, der vor der
Erschaffung der Welt dazu auserwählt
wurde, auf die Erde zu kommen und
diesen Dienst für die Menschen zu
leisten, nämlich den leiblichen Tod zu
überwinden. Durch sein freiwilliges Op-
fer sollte er die Sühne für Adams und
Evas Sündenfall erwirken und die Mög-
lichkeit dafür schaffen, daß der Geist des
Menschen seinen Körper wieder-
erlangen kann, so daß Geist und Körper
wieder miteinander vereinigt werden.
Niemand hat so einen starken Einfluß
auf die gesamte Menschheit ausgeübt
wie Jesus Christus. In einer Krippe
geboren, mit einer irdischen Mutter und
einem himmlischen Vater als Eltern, hat
er 33 Jahre auf Erden gelebt. Von diesen
33 Jahren hat er 30 damit verbracht, sich
auf seine Sendung und sein Wirken
vorzubereiten. Als er bereit war, ging er
zum Jordan, um sich von seinem Cou-
sin, Johannes dem Täufer, durch Unter-
tauchen taufen zu lassen. Dadurch, daß
er sich dieser symbolischen Handlung
unterzog, machte er für jedermann deut-
lich, daß man nur durch die Taufe in die
Kirche Gottes aufgenommen werden
kann. Gott Vater sprach vom Himmel
und bekundete sein Einverständnis mit
dieser wichtigen Handlung, indem er
sagte: „Dies ist mein lieber Sohn, an
welchem ich Wohlgefallen habe1" (Mat-
thäus 3:17).
Während der nächsten drei Jahre diente
der Erlöser den Menschen. Er heilte
Kranke und gab Blinden das Augenlicht
zurück, trieb unsaubere Geister aus und
weckte Tote auf, tröstete die Un-
terdrückten und breitete die gute Nach-
richt vom Evangelium der Liebe aus; er
zeugte für seinen Vater, verkündigte den
ewigen Plan der Errettung und schuf die
Grundlage für eine Organisation, die
sich der Erlösung des Menschen widmen
sollte: seine Kirche. Es war nicht die
Kirche Johannes des Täufers oder die
Kirche des Petrus, noch war es Paulus'
oder eines anderen Menschen Kirche. Es
war die Kirche Christi, und er war ihr
Oberhaupt.
Daß Christus eine Kirche gegründet hat,
läßt sich mit dem Neuen Testament gut
belegen. Im Brief an die Epheser heißt
es, die Kirche Jesu Christi sei „erbaut
10
auf den Grund der Apostel und Pro-
pheten, da Jesus Christus der Eckstein
ist" (Epheser 2:20). Zu Petrus hat der
Erlöser gesagt: ,,Ich will dir des
Himmelreichs Schlüssel geben, und al-
les, was du auf Erden binden wirst, soll
auch im Himmel gebunden sein, und
alles, was du auf Erden lösen wirst, soll
auch im Himmel los sein" (Matthäus
16:19).
Jesus Christus erwählte in seiner Kirche
zwölf Apostel und einen Rat der Siebzig.
Nachdem er ihnen Vollmacht gegeben
hatte, sandte er sie mit dem Auftrag aus,
zu verkündigen, daß Gott Vater seinen
Sohn anerkannt habe. Als sich um den
Tempel auf dem amerikanischen Kon-
tinent eine große Menschenmenge ver-
sammelt hatte und der Herr Jesus Chri-
stus ihnen als Auferstandener erschien,
hat der Vater erneut von ihm Zeugnis
gegeben mit den Worten:
,,Seht, mein geliebter Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe, in dem ich meinen
Namen verherrlicht habe — hört ihn!"
(3. Nephi 11:7).
Gegen Ende seines irdischen Wirkens
führte der Erlöser seine geliebten Apo-
stel Petrus, Jakobus und Johannes auf
den Berg der Verklärung. In der Schrift
wird dieses Geschehen so beschrieben:
,,Und nach sechs Tagen nahm Jesus zu
sich Petrus und Jakobus und Johannes,
seinen Bruder, und ging mit ihnen allein
auf einen hohen Berg.
Und er ward verklärt vor ihnen, und sein
Angesicht leuchtete wie die Sonne, und
seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Und siehe, da erschienen ihnen Mose
und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber hob an und sprach zu Jesus:
Herr, hier ist für uns gut sein! Willst du,
so wollen wir hier drei Hütten machen,
dir eine, Mose eine und Elia eine.
Da er noch redete, siehe, da über-
schattete sie eine lichte Wolke. Und
siehe, eine Stimme aus der Wolke
sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an
welchem ich Wohlgefallen habe; den
sollt ihr hören!
Da das die Jünger hörten, fielen sie auf
ihr Angesicht und erschraken sehr.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an
und sprach: Stehet auf und fürchtet euch
nicht!
Da sie aber ihre Augen aufhoben, sahen
sie niemand als Jesus allein" (Matthäus
17:1-8).
In unserer Evangeliumszeit hatte der
Prophet Joseph Smith ein ähnliches
Erlebnis, und er hat Zeugnis davon
abgelegt.
Zu Beginn einer langen Vision sah der
Prophet Joseph Smith „zwei Gestalten,
deren Glanz und Herrlichkeit
[unbeschreiblich waren], über [sich] in
der Luft stehen. Eine von ihnen sprach
zu [ihm], [ihn] beim Namen nennend,
und sagte, auf die andre deutend: Dies
ist mein geliebter Sohn, höre ihn!'" (Jo-
seph Smith 2:17).
Dies ist ein weiterer Beweis dafür, daß
Jesus Christus, unser Erlöser wirklich
lebt.
Immer wieder lege ich Zeugnis davon
ab, daß Jesus Christus, der dem Pro-
pheten Joseph Smith und den Nephiten
erschienen ist, göttlicher Herkunft ist.
Weiter lege ich Zeugnis davon ab, daß
unsere Sache göttlichen Ursprungs ist
und daß dies die wahre Kirche ist; daß
die heiligen Handlungen in dieser Kirche
von Gott eingesetzt sind und daß es für
jeden Menschen von größter Bedeutung
ist, gemäß den celestialen Gesetzen zu
leben. Dies bezeuge ich Ihnen im Namen
Jesu Christi, unseres Herrn. Amen.
11
Keine Zeit zum Streiten
Marvin J. Ashton
or wenigen Monaten erfuhren einige
unserer Missionare auf einer abgelege-
nen Insel im südlichen Pazifik, daß ich
sie bald für zwei oder drei Tage besuchen
würde. Als ich eintraf, warteten die
Missionare bereits besorgt, denn sie
wollten mir unbedingt einige gegen die
Mormonen gerichteten Schriften zeigen,
die in diesem Gebiet im Umlauf waren.
Die darin ausgesprochenen Anschuldi-
gungen beunruhigten sie, und sie waren
sehr darauf bedacht, Vergeltungs-
maßnahmen zu planen.
Die Ältesten saßen nur auf dem Rand
ihrer Stühle, während ich die von einem
Geistlichen verfaßten Verleumdungen
las, der sich anscheinend durch den
Erfolg der Missionare bedroht fühlte.
Beim Lesen einer Broschüre mit bös-
willigen und lächerlichen Behauptungen
mußte ich zum Erstaunen meiner jungen
Freunde sogar lächeln. Als ich fertig
war, fragten sie: „Was sollen wir jetzt
unternehmen? Wie können wir solche
Lügen am besten bekämpfen?"
Ich antwortete: „Wir wollen nichts ge-
gen den Verfasser unternehmen. Wir
haben keine Zeit zum Streiten. Wir
haben nur Zeit für die Belange unseres
Vaters im Himmel. Streiten Sie mit
„Können wir, wenn wir uns gegen die Mißstände der
heutigen Zeit wenden . . . , unsere Auffassung äußern . . ..
ohne Streit zu verursachen und ohne unseren Gesprächs-
partner zu einer Abwehrhaltung zu veranlassen?''''
niemandem. Verhalten Sie sich wie ein
Gentleman, und treten Sie ruhig und
überzeugt auf. Dann werden Sie, das
verspreche ich Ihnen, Erfolg haben."
Die Worte, die wir im Buch Mormon,
Helaman 5:30 finden, könnten diesen
Missionaren und uns allen als Richt-
schnur dienen: „Als sie diese Stimme
vernahmen und hörten, daß es keine
Donnerstimme war, auch keine lärmen-
de, schreiende Stimme, sondern eine
Stimme von vollkommener Sanftheit,
fast wie ein Flüstern, das gleichwohl bis
zum innersten Herzen durchdrang ..."
Niemals ist es wichtiger gewesen als
heute, daß die Mitglieder der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten
Tage einen festen Standpunkt einneh-
men, entschlossen an ihrer Überzeugung
festhalten und sich in allen Umständen
umsichtig verhalten. Einige versuchen
geschickt, die Menschen zum Streiten
über aktuelle Fragen aufzustacheln. Wir
dürfen uns von ihnen weder manipulie-
ren noch zum Zorn reizen lassen.
Wenn bei irgendeiner Streitfrage An-
sichten vorgetragen werden, die Gottes
Gesetzen widersprechen, so muß die
Kirche ihren Standpunkt eindeutig dar-
legen. Wir haben dies bisher getan und
werden es auch weiterhin tun, wenn
Grundprinzipien sittlichen Handelns
angegriffen werden. Heutzutage gibt es
einige, die schlechtes Verhalten und
12
Unmoral fördern, um Profit zu machen
und populär zu werden. Wenn andere
unserem Standpunkt nicht beipflichten,
sollen wir uns nicht mit ihnen streiten
oder es ihnen mit gleicher Münze heim-
zahlen. Wir können ein gutes Verhältnis
zu unseren Mitmenschen aufrecht-
erhalten und Streitigkeiten mit ihren
unangenehmen Folgen vermeiden, so-
fern wir unsere Zeit und unsere Kraft
vernünftig einsetzen.
Wir müssen gewissenhaft darauf achten,
daß wir andere durch unsere Äuße-
rungen nicht verärgern. Ständig müssen
wir uns daran erinnern, daß wir, wenn
wir auch andere Menschen nicht ändern
können, die Aufgabe haben, uns selbst
zu vervollkommnen.
Einige Menschen und Organisationen
versuchen uns zum Streit her-
auszufordern, indem sie uns verleum-
den, uns etwas unterstellen oder etwas
verzerren. Wie unklug handeln wir in
der heutigen Gesellschaft doch, wenn
wir uns zum Zorn reizen oder beirren
lassen oder gekränkt reagieren — nur
weil es anscheinend Freude bereitet,
unseren Standpunkt oder unser Ver-
halten verzerrt darzustellen. Unsere
Grundsätze werden nicht dadurch er-
schüttert, daß Streitsüchtige sie an-
greifen. Unsere Pflicht ist es, unseren
Standpunkt durch Argumente und ge-
naue Fakten überzeugend, aber gütlich
darzulegen. Wir müssen fest und un-
nachgiebig bleiben, wo es um mo-
ralische Fragen unserer Zeit und die
ewigen Grundsätze des Evangeliums
geht, ohne uns jedoch auf Streit mit
Menschen oder Organisationen einzu-
lassen. Zank führt nur dazu, daß Barrie-
ren aufgebaut werden, während die
Liebe alle Türen öffnet. Wir sind ver-
pflichtet, uns Gehör zu verschaffen und
die Welt zu unterweisen. Unsere Auf-
gabe beschränkt sich nicht darauf, daß
wir Streit vermeiden sollen; wir sollen
auch darauf hinwirken, daß die Men-
schen aufhören, miteinander zu streiten.
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer
den Geist der Zwietracht hat, ist nicht
von mir, sondern vom Teufel, dem
Vater der Zwietracht, und er reizt das
Herz der Menschenkinder zum Zorn
auf, gegeneinander zu streiten.
Seht, es ist nicht meine Lehre, das Herz
der Menschen zum Zorn gegeneinander
aufzureizen, sondern es ist meine Lehre,
daß solche Dinge aufhören sollen" (3.
Nephi 11:29, 30).
Wir müssen wieder darauf aufmerksam
gemacht werden, was Streit eigentlich
bedeutet: nämlich, daß man gegen-
einander kämpft, hauptsächlich in Ge-
stalt von Wortgefechten. Sich streiten
heißt, daß man sich mit seinem Mit-
menschen in aggressiver Form ausein-
andersetzt. Streit ist noch niemals dem
Fortschritt förderlich gewesen und wird
es auch niemals sein. Man wird unsere
Treue nie danach beurteilen, in welchem
Ausmaß wir uns an Disputen beteiligt
haben. Einige sind sich gar nicht darüber
im klaren, was alles als Streit einzustufen
ist, und sie sind sich der Gefahren des
Zanks nicht bewußt. Viele von uns sagen
allzu leicht: „Was, ich? Ich bin nicht
streitsüchtig, und ich mache jeden fertig,
der das von mir behauptet." Aber unter
uns gibt es immer noch einige, die lieber
einen Freund verlieren, als in einem
Wortgefecht unterlegen zu sein. Wie
wichtig ist es doch, daß man weiß, wie
man eine abweichende Meinung äußert,
ohne dabei weniger liebenswürdig zu
sein. Es geziemt einem jeden von uns,
sich an sachlichen Diskussionen und
sinnvoller Suche nach Erkenntnis zu
beteiligen, doch dürfen wir uns niemals
auf erbitterte Dispute einlassen.
Jeder Mensch kann durch Streit verletzt
werden; ebenso kann jede Familie durch
Zank Schaden nehmen. Es ist bedauer-
lich, wenn Kinder in einer Familie
13
aufwachsen, wo ständig Streit herrscht.
Ebenso traurig ist es, wenn eine Organi-
sation die Zwietracht offen oder ver-
steckt als Teil ihres Programms be-
handelt. Wer aus einer Familie kommt,
wo es nicht üblich ist, sich zu zanken,
findet es im allgemeinen abstoßend, wie
andere Tag für Tag miteinander hadern.
Von allen Seiten wird heute die Ein-
richtung der Familie bedroht. Konflikte
innerhalb der Familie sind gefährlich
und wirken sich oft schädlich aus.
Streitigkeiten sind eine schwere Be-
lastung für den Bestand und die Stärke,
den Frieden und die Einigkeit der Fami-
lie. Wo eine starke Familie aufgebaut
werden soll, gibt es sicher keine Zeit,
miteinander zu zanken.
Anstatt es zu Auseinandersetzungen
und Reibereien in der Familie kommen
zu lassen, sollen wir uns gegenseitig
erbauen, einander zuhören und ver-
nünftig miteinander reden. Bei einer
Fireside hat mir ein 1 5j ähriges Mädchen
schriftlich die Frage gestellt: ,,Gibt es
etwas, was ich tun kann, um das gegen-
seitige Verhältnis in meiner Familie zu
verbessern? Ich bin 15 Jahre alt und
freue mich fast nie darauf, nach Hause
zu kommen. Es kommt mir so vor, als
würde jeder nur darauf warten, daß ich
etwas Unpassendes sage, damit er über
mich herfallen kann."
Ein anderes junges Mädchen im Alter
von 17 Jahren wurde gefragt, warum sie
in einer Stadt mit ihrer Schwester
zusammenlebe, anstatt bei ihren Eltern
zu wohnen. Sie antwortete: „Wegen der
ständigen Streitigkeiten zu Hause. Ich
konnte es einfach nicht mehr aus-
halten." Sie fuhr fort: ,, Immer gibt es
dort Streit. Ich kann mich nicht er-
innern, daß es jemals anders war. Jeder,
vor allem meine Eltern, macht sich ein
Vergnügen daraus, dem anderen Grob-
heiten zu sagen." Ich will nur einige
wenige Äußerungen nennen, die man
zuweilen in einer Familie hört und die
Kränkung und Streit herbeiführen: „Du
weißt gar nicht, wovon du redest!" „Was
soll denn dieser Unsinn schon wieder?"
„Was hast du bloß schon wieder für eine
Unordnung in deinem Zimmer!" „War-
um tust du nicht, was ich dir sage?"
Vor fast fünf Jahrhunderten lebte und
wirkte in Italien ein schöpferisches Ge-
nie namens Leonardo da Vinci. Heute ist
er vorwiegend wegen seiner Gemälde —
zum Beispiel der Mona Lisa — berühmt,
aber er vermochte auch in Debatten und
als Redner zu faszinieren, und seine
Erzählungen lassen eine reiche Phanta-
sie erkennen. Eine seiner Fabeln möchte
ich Ihnen erzählen. Sie heißt einfach
„Der Wolf.
„Vorsichtig und behutsam verließ der
Wolf eines Abends den schützenden
Wald, angezogen vom Geruch einer
Schafherde. Langsamen Schrittes kam
er näher, indem er bei jedem Schritt die
Pfote mit größter Vorsicht aufsetzte, um
auch nicht das kleinste Geräusch zu
verursachen, denn dieses würde den
Hund aufwecken.
Eine Pfote trat jedoch unachtsam auf ein
Planke; diese knarrte und weckte den
Hund. Dem Wolf blieb nichts anderes
übrig, als mit knurrendem Magen wie-
der davonzulaufen. So litt das ganze
Tier, weil ein Glied des Körpers leicht-
sinnig handelte" (nach Leonardo da
Vinci).
Ich möchte etwas anschneiden, was
einigen vielleicht unwichtig erscheint,
wovon ich aber glaube, daß es der
Geistigkeit eines Heiligen der Letzten
Tage abträglich sein kann. Die be-
dauerliche Lage der beiden Mädchen,
von denen ich gesprochen habe, weist
daraufhin. Es verhält sich damit wie mit
der unachtsam aufgesetzten Pfote des
Wolfes; es verursacht unsägliches Leid,
hindert viele daran, geistig zu wachsen,
und untergräbt die Einigkeit in der
14
Familie. Ich meine Auseinander-
setzungen und unüberlegte Äuße-
rungen, die durch Zorn, Entrüstung und
Unduldsamkeit verursacht werden. Wie
traurig ist es doch, wenn jemand von zu
Hause fortzieht, weil er die Reibereien
nicht mehr ertragen kann.
Oft wird von Geschehnissen berichtet,
worin der Haß und die Erbitterung zum
Ausdruck kommen, die die Folge von
Streitigkeiten zwischen Nachbarn sind.
Einige Familien müssen wegen ernster
Konflikte sogar umziehen. Zwistig-
keiten zwischen Nachbarn lassen sich
oft nur dadurch beilegen, daß man die
Zweite Meile geht und die andere Wange
darbietet, den eigenen Stolz unterdrückt
und sich entschuldigt.
Der Erlöser hat die Ursache genannt,
worauf sich jeglicher Hader zurück-
führen läßt, ganz gleich, wo er auftritt,
ob in der Familie, im öffentlichen Leben
oder in der Schule: „Denn wahrlich,
wahrlich, ich sage euch, wer den Geist
der Zwietracht hat, ist nicht von mir
sondern vom Teufel, dem Vater der
Zwietracht, und er reizt das Herz der
Menschenkinder zum Zorn auf,
gegeneinander zu streiten" (3. Nephi
11:29). Dies besagt, daß der Satan nur
Macht über uns gewinnt, wenn wir ihm
Zugang gewähren. Wir können uns frei
entscheiden; wir bestimmen selbst, wie
wir uns verhalten wollen. Der Prophet
Joseph Smith hat einmal gesagt: „Der
Teufel hat nur in dem Maße Macht über
uns, wie wir es zulassen. Sobald wir uns
gegen etwas auflehnen, was von Gott
kommt, kann er über uns herrschen"
(Lehren des Propheten Joseph Smith).
Wenn man bedenkt, was für schlechte
Gefühle und Mißhelligkeiten durch
Streit entstehen, tut man gut daran, sich
zu fragen: „Warum beteilige ich mich
daran überhaupt?" Falls wir wirklich
ehrlich vor uns selbst sind, könnte
unsere Antwort etwa so lauten: „Wenn
ich streitsüchtig bin, brauche ich mich
nicht zu ändern, und ich habe dadurch
die Möglichkeit, mich an dem anderen
zu rächen." „Ich bin unglücklich, und
ich möchte, daß sich andere ebenso
elend fühlen." „Wenn ich mich streite,
kann ich selbstgerecht sein. Dadurch
kann ich mein Ich herausstellen." „Ich
möchte nicht, daß andere vergessen,
wieviel ich weiß!"
Unabhängig von dem eigentlichen
Grund für den Hang zur Zwietracht
muß sich jeder vergegenwärtigen, daß er
für sein Handeln selbst verantwortlich
ist. Das Kernproblem ist im Grunde die
uralte Neigung des Menschen zum
Stolz: „Unter den Übermütigen ist im-
mer Streit" (Sprüche 13:10).
Wenn es dem Satan gelingt, uns dahin zu
bringen, daß wir gewohnheitsmäßige
Streithähne werden, fällt es ihm leichter,
uns mit schweren Sünden zu binden, die
uns vom ewigen Leben ausschließen
können. Die Streitsucht kann fast jeden
Lebensbereich beeinträchtigen. Ein in
Hast und Zorn geschriebener Brief kann
uns zuweilen noch nach Jahren wie ein
böser Spuk verfolgen. Ein paar un-
überlegte, haßerfüllte Worte können
eine Ehe oder eine Freundschaft zer-
stören und den Fortschritt des Gemein-
wesens hemmen.
Können wir, wenn wir gegen die heuti-
gen Mißstände wie Abtreibung und
Homosexualität, Unmoral und
Alkoholmißbrauch, Drogensucht und
Unehrlichkeit, Intoleranz und der-
gleichen Stellung beziehen, unsere Auf-
fassung vortragen, ohne dabei die Faust
zu ballen, die Stimme zu heben und
Streit zu entfachen? Können wir, ohne
unsere Zuhörer herauszufordern, über
die nützlichen Grundsätze des Evange-
liums wie das Wort der Weisheit und die
Sabbatheiligung, die sittliche Reinheit
und andere Wahrheiten der Schrift spre-
chen? Es ist nicht leicht, aber möglich.
15
\
Wir sind verpflichtet, unsere eigene
Furche zu pflügen, unsere eigene Saat zu
säen und zu pflegen und unsere eigene
Ernte einzubringen. Dies läßt sich nicht
allein am besten mit dem Pflug anstatt
mit dem Schwert bewerkstelligen, son-
dern auch dadurch, daß wir die nötigen
Verpflichtungen eingehen, anstatt Streit
zu suchen.
Ich möchte Ihnen einige Ratschläge
geben, wie man Auseinandersetzungen
entschärfen kann:
1. Beten Sie darum, daß Sie von der
Liebe Gottes erfüllt werden. Zuweilen
kostet dies große Mühe, aber der Geist
des Herrn kann harte Gefühle mildern
und einen abgestumpften Geist sanft
stimmen.
2. Lernen Sie, Ihre Zunge im Zaum zu
halten. Es gibt dafür einen altbewährten
Grundsatz: ,, Denke zweimal nach, ehe
du redest, und dreimal, ehe du han-
delst."
3. Lassen Sie nicht zu, daß das Ge-
spräch von Emotionen beherrscht wird,
sondern reden Sie vernünftig mitein-
ander.
4. Lassen Sie sich nicht immer wieder in
die gleiche Art von Zank und Konfron-
tation hineinziehen.
5. Üben Sie sich darin, mit leiser, ruhi-
ger Stimme zu sprechen. Am besten
kann nicht derjenige mit seinen Mit-
menschen in Frieden leben, der mit
„lärmender, schreiender Stimme"
spricht, sondern derjenige, der dem
Vorbild des Erlösers gemäß mit einer
„Stimme von vollkommener Sanftheit"
(Helaman 5:30) redet.
Wir haben keine Zeit für Zank und
Streit. Wir müssen jeden Tag den Willen
und die Selbstbeherrschung aufbringen,
die notwendig sind, um der Streitsucht
Einhalt zu gebieten. Allen, die sich
ernsthaft darum bemühen, verheiße ich,
daß Gott ihnen helfen wird, diesen
schrecklichen Feind zu bezwingen. Be-
folgen wir die Worte des Herrn: „Höret
auf, einer gegen den andern zu streiten;
sprecht nicht mehr Böses voneinander"
(LuB 136:23). Wir haben für nichts
anderes Zeit als für die Werke unseres
ewigen Vaters. Von dieser Wahrheit lege
ich im Namen Jesu Christi Zeugnis ab.
Amen.
Von Gott berufene Frauen
Neal A. Maxwell
von der Präsidentschaft des Ersten Kollegiums der Siebzig
B,
'rüder und Schwestern, wir wissen so
wenig über die Gründe, warum Mann
und Frau, Mütter und Priestertums-
träger verschiedene Pflichten haben.
Diese Pflichten wurden von Gott zu
einer anderen Zeit und an einem anderen
Ort festgelegt. Wir sind es gewohnt, daß
die Männer Gottes im Brennpunkt des
Geschehens stehen, denn sie tragen das
Priestertum, und sie sind die Führer. Mit
dieser Vollmachtslinie geht jedoch ein
rechtschaffener Einfluß einher, der von
bemerkenswerten, im Dienste Gottes
stehenden Frauen ausgeübt wird. Solche
Frauen hat es in allen Zeitaltern und zu
jeder Evangeliumszeit gegeben, auch in
der unsrigen. Die Größe eines Menschen
wird dadurch bemessen, wie viele Spal-
ten ihm die Zeitungen oder selbst die
heilige Schrift widmen. Die Geschichte
der von Gott berufenen Frauen ist daher
bislang ein noch nicht geschriebenes
Schauspiel innerhalb eines Schauspiels.
Wir Männer kennen die im Dienste
Gottes stehenden Frauen als Ehefrauen
und Mütter, Schwestern und Töchter,
Bekannte und Freundinnen. Es scheint,
daß die Frauen uns Männer bändigen
und besänftigen, ja, unterweisen und
Seit jeher geht mit der Führung durch das Priestertum ein
rechtschaffener Einfluß einher, der von bemerkenswerten, im
Dienste Gottes stehenden Frauen ausgeübt wird.
aneifern. Wir bewundern Sie, die
Frauen, nicht nur, sondern sind Ihnen
auch von Herzen zugetan, denn die
Rechtschaffenheit hängt nicht davon ab,
daß man eine bestimmte Rolle innehat;
ebensowenig ist die Güte eine Frage des
Geschlechts. Im Reich Gottes arbeiten
Männer und Frauen zusammen, jedoch
ohne einander zu beneiden, denn sonst
würde es dazu kommen, daß wir die
naturgegebene Rolle von Mann und
Frau vertauschen und dadurch ihre
Möglichkeiten brachliegen lassen.
Ebenso wie bestimmte Männer vor
Grundlegung der Welt vorherordiniert
wurden, wurden auch bestimmte
Frauen zu gewissen Aufgaben aus-
ersehen. Durch göttliche Absicht und
nicht durch Zufall wurde Maria die
Mutter Jesu. Joseph Smith, der junge
Prophet, wurde nicht nur mit einem
großartigen Vater, sondern auch mit
einer vorzüglichen Mutter, Lucy Mack,
gesegnet, die eine ganze Evangeliumszeit
beeinflußt hat.
Wenn wir die Liebe und die Treue in
einem zwischenmenschlichen Verhältnis
bewerten, sprechen wir dann nicht noch
mehr von Ruth und Naemi als von
David und Jonathan? Es verwundert
nicht, daß Gott, der den Frauen so große
Beachtung schenkt, so großen Nach-
druck auf unsere Pflicht gegenüber den
Witwen legt.
17
Eine Witwe hat uns mit ihrem Scherflein
gezeigt, wie man den Zehnten bezahlt.
Eine arme Witwe, die mit ihrem Sohn
dem Hungertode nahe war, hat Elia mit
ihrem letzten Mahl und ihrem letzten Öl
bewirtet und uns damit gelehrt, wie man
mit anderen teilt. Dank ihrer von Gott
eingegebenen mütterlichen Instinkte hat
eine ägyptische Frau Mose aus dem
Schilf geborgen; dadurch hat sie die
Geschichte entscheidend geprägt und
gezeigt, daß ein Baby nicht eine Last,
sondern eine Segnung ist.
Hat es jemals ein Gespräch gegeben,
worin mehr freudige Erwartung zum
Ausdruck gebracht wurde als in jener
Unterredung zwischen Elisabeth und
Maria, wo sogar das Kind in Elisabeths
Leib hüpfte, als es Maria erkannte?
(Lukas 1:41).
Können wir nicht Rückschlüsse auf die
hohe Intelligenz der Frauen ziehen,
wenn wir im Zusammenhang mit der
Kreuzigung Jesu Christi auf Golgatha
lesen: „Und es waren viele Frauen da,
die von ferne zusahen" (Matthäus
27:55). Die Gegenwart dieser Frauen
hatte den Charakter eines Gebets, ihr
Verweilen kam einem ständigen An-
rufen Gottes gleich.
Und wer kam zuerst zu <i?m leeren
Grab, woraus Christus auferstanden
war? Zwei Frauen.
Wer war der erste Mensch, der den
auferstandenen Erlöser gesehen hat?
Maria Magdalena. Frauen, die sich Gott
geweiht haben, besitzen ein besonderes
geistiges Feingefühl, das ihre Hoffnung
noch lange wachhält, nachdem viele
andere bereits aufgegeben haben.
Die Nächstenliebe einer guten Frau ist
derart, daß sie sie nicht offen zur Schau
stellt, um sich bewundern zu lassen. Eine
gute Frau freut sich nicht, wenn andere-
Fehler machen, und sie ist mit döfrn
Dienst am Nächsten so beschäftigt,' daß
sie es sich nicht leisten kann, herumzu-
sitzen und darauf zu warten, daß man sie
kränkt.
Wie Maria denkt sie still und vertrauens-
voll über das nach, was sie nicht ver-
steht, anstatt sich wie andere davon
zermürben zu lassen. Gott schenkt den
Frauen soviel Vertrauen, daß er sie seine
Geistkinder zur Welt bringen und auf-
ziehen läßt.
Im heutigen Reich Gottes ist es kein
Zufall, daß die Frauen in der Frauen-
hilfsvereinigung den Auftrag erhalten,
Dienst am Nächsten zu leisten. Eine
Frau leistet so oft instinktiv einen
Dienst, wozu sich einige Männer erst
nach langer Planung bereitfinden. Ge-
rade deshalb, weil die Töchter Zions so
außergewöhnlich sind, wird der Wider-
sacher sie nicht in Frieden lassen.
Ihnen, liebe Schwestern, gönnen wir von
Herzen die Freude, die Sie empfinden,
wenn ein Baby Sie das erste Mal an-
lächelt und wenn Sie begierig zuhören,
wie Ihr Kind von seinem ersten Schultag
berichtet. So etwas zeigt, wie selbstlos
eine Frau ist. Frauen nehmen viel leicht-
er die Gefahren wahr, die entstehen,
wenn jemand die eigene Entfaltung über
die familiären Pflichten stellt. Eine Frau
wiegt ein schluchzendes Kind in den
Schlaf, ohne sich zu fragen, ob die
gegenwärtige Welt nicht an ihr vor-
übergeht, denn sie weiß, daß sie die Welt
von Morgen fest in den Armen hält.
Unsere Schwestern spenden so oft an-
deren Trost, auch wenn sie selbst mehr
zu leiden haben als diese. Diese Eigen-
schaft entspricht der Großzügigkeit, die
Jesus Christus noch am Kreuz an den
Tag gelegt hat. Es ist eine göttliche
Tugend, sich noch in tiefster Qual in
andere hineinversetzen zu können.
Ich danke unserem ewigen Vater dafür,
daß sein einziggezeugter Sohn auf Gol-
gatha nicht trotzig gesagt hat: ,,Mein
Körper gehört mir!" Ich bewundere die
Frauen, die sich der heutigen Mode,
18
Abtreibungen vornehmen zu lassen,
nicht anschließen und es nicht zulassen,
daß man ihren heiligen Mutterleib zu
einem Grab verschandelt!
Wenn einst die wahre Geschichte der
Menschheit ganz an den Tag gebracht
wird, wird man dann Kanonendonner
oder die sanften Wiegenlieder in den
Vordergrund stellen, die den Charakter
des Kindes so entscheidend formten?
Wird man die Eroberungen von
Generälen preisen oder den von Frauen
in der Familie zwischen Nachbarn ge-
stifteten Frieden? Wird sich zeigen, daß
an der Wiege und in der Küche letzten
Endes ein größerer Einfluß zustande
gebracht worden ist als in Kongressen?
Wenn die Brandung der Jahrhunderte
die großen Pyramiden zu Sand zer-
mahlen hat, wird die ewige Familie noch
immer bestehen, denn sie ist eine cele-
stiale Einrichtung, die außerhalb der
telestialen Zeit gebildet worden ist. Jede
von Gott berufene Frau weiß das.
Es nimmt nicht Wunder, daß die Mä-
nner Gottes Sie, die Schwestern, in Ihrer
besonderen Aufgabe unterstützen und
Ihnen darin zur Seite stehen, denn wenn
jemand seine Familie im Stich läßt, um
die . menschliche Gesellschaft zu for-
men, so handelt er genauso töricht, als
wollte man bewußt eine Über-
schwemmung herbeiführen, um die
Menschen schwimmen zu lehren.
Wir Männer wissen es zu schätzen, daß
Sie auf Rücksichtslosigkeit mit
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Rücksichtnahme und auf Egoismus mit
Selbstlosigkeit reagieren. Wir sind von
Ihrem lebenden Beispiel zutiefst beein-
druckt. Es erfüllt uns mit Dankbarkeit,
daß Sie mit uns Männern Geduld haben,
wenn wir uns nicht von unserer besten
Seite zeigen, weil Sie uns ebenso wie
Gott nicht nur um dessen willen lieben,
was wir sind, sondern auch um dessen
willen, was wir werden können.
Besonders bewundern wir die unbe-
fleckten alleinstehenden Frauen unter
uns, die zwar von niemandem besungen
werden, unter denen wir aber einen Teil
der edelsten Töchter Gottes finden.
Diese Schwestern wissen, daß Gott jede
einzelne von ihnen in besonderer Weise
liebt. Sie treffen eine weise Entscheidung
hinsichtlich ihrer beruflichen Laufbahn,
auch wenn sie die wertvollste Berufung
einer Frau nicht erfüllen können. Zwar
können sie sich in diesem, ihrem zweiten
Stand nicht ihren größten Wunsch erfül-
len, doch überwinden sie die Welt. Zwar
erfreuen sie sich keiner eigenen ehelichen
Bindung, doch können sie dafür oft
andere Einrichtungen der menschlichen
Gesellschaft bereichern. Sie behalten
ihre Segnungen nicht einfach deshalb für
sich, weil einige Segnungen ihnen vor-
enthalten werden. Ihr Gottvertrauen ist
ebenso stark wie das einer kinderlosen
Ehefrau, die auf Kinder nicht freiwillig
verzichtet hat und daher von einem
gerechten Gott eines Tages besondere
Segnungen empfangen wird.
Zusammen mit meinen Brüdern im
Priestertum spreche ich unseren ewigen
Partnerinnen unseren tiefsten Dank aus.
Wir wissen, daß wir ohne Sie nichts von
Belang erreichen können, und wir wol-
len es auch gar nicht anders. Wenn wir
uns zum Beten niederknien, tun wir es
gemeinsam. Wenn wir am Altar im
heiligen Tempel auf unsere Knie gehen,
geschieht auch dieses gemeinsam, und
wenn wir schließlich an das Tor ge-
langen, das von Jesus Christus selbst
bewacht wird, werden wir, sofern wir
getreu gewesen sind, gemeinsam hin-
durchgehen.
Der Prophet des Herrn, der heute unter
uns sitzt, könnte uns von einer solchen
engen Gemeinschaft berichten. Diese
Gemeinschaft war lebendig, als seine
überwältigende Berufung zum Apostel
kam und er von seiner Frau, Camilla,
getröstet wurde. Er wurde von dem
Gefühl gequält, dieser Berufung nicht
gewachsen zu sein, aber sie strich ihm
über das Haar und sagte: ,,Du kannst es
schaffen — du kannst es!" Und er hat es
tatsächlich geschafft, aber nur mit ihrem
Beistand.
Brüder, achten Sie einmal darauf, wie
alle Propheten ihre Frau behandeln und
ihnen stets ehrerbietig begegnen. Eifern
wir ihnen darin nach.
Und schließlich möchte ich, daß Sie
noch eines im Sinn behalten: Wenn wir
eines Tages in unsere wahre Heimat
zurückkehren, dann nur mit der gemein-
samen Zustimmung derer, die in den
königlichen Höfen in der Höhe herr-
schen. Wir werden dort eine Schönheit
vorfinden, wie sie kein irdisches Auge je
gesehen hat, und wir werden die Klänge
einer erhabenen Musik vernehmen, die
noch in kein irdisches Ohr gedrungen
sind (1. Korinther 2:9). Wäre eine so
königliche Heimkehr möglich, wenn
eine Mutter im Himmel nicht vorher
entsprechende Maßnahmen ergreifen
würde? Bis dahin müssen wir stets
bedenken, daß es keine getrennten Wege
zurück zu dieser himmlischen Heimat
gibt. Nur ein schmaler und gerader Weg
ist genannt, dessen Ende wir vielleicht
nur in Tränen erreichen, der uns aber,
wenn wir zum Ziel hindurchdringen, ein
Höchstmaß an Freude bringen wird.
Davon lege ich Zeugnis ab im Namen
Jesu Christi. Amen.
20
„Der Morgen naht, die Schatten
fliehn"
Bruce R. McConkie
vom Rat der Zwölf
W,
enn die Sonne untergeht und der
Tag der Nacht weicht, regiert die Dun-
kelheit. Während der Nacht herrscht
Finsternis, und die Sicht ist vermindert.
Niemand kann weit sehen. Wohl ist der
Himmel von unzähligen Sternen über-
sät, und der Mond, der die Nacht
regiert, spendet geborgtes Licht, aber die
Finsternis der Nacht vermögen sie nicht
zu erhellen.
Tiefe Schatten verbergen die Tiere des
Waldes und des Feldes. Lautlos geht die
Wildkatze auf Jagd. Das Geheul von
Rudeln hungriger Wölfe, das näher und
näher kommt, verbreitet unter ihren
Opfern Angst und Schrecken. Kojoten
heulen in der Ferne; irgendwo ertönt das
Gebrüll eines Berglöwen. Und ein
Schakal lauert in der tiefsten Finsternis
auf seine Chance, einem anderen die
Beute zu rauben. Die Schrecken der
Nacht sind Wirklichkeit.
Doch schließlich kündigt ein fernes
Dämmern einen neuen Tag an. Die
Morgensterne leuchten nun heller als die
anderen. Am östlichen Himmel durch-
brechen einige wenige Strahlen die
„Seht, Zions Banner ist enthüllt. Es dämmert über jenen
Höhn . . . zum schönen Tag der ganzen Welt."''
(Gesangbuch, Nr. 218).
Dunkelheit. Noch ist der Himmel von
Wolken bedeckt. Nicht viele Meilen von
hier gebiert die Natur einen neuen Tag.
Auf ihrer vorgeschriebenen Bahn rollt
die Erde langsam dem Morgen ent-
gegen. Die Dunkelheit flieht. Die Sterne
verblassen, und der Mond versteckt sein
Angesicht. Die Sonne erhebt sich, und
das strahlende Licht des Himmels er-
hellt die Erde.
Wenn der Morgen anbricht und die
Sonne scheint, beginnt sich die geplagte
Kreatur der Nacht zu erholen. Der
Löwe kehrt zu seiner Höhle zurück und
der Fuchs zu seinem Bau. Das Heulen
der Kojoten und Wölfe verstummt.
Angst und Schrecken, die in der Dunkel-
heit lauern, sind nun in den Felsen und
Höhlen versteckt.
Mit dem Morgen erwachen die Blumen
des Feldes und die Bäume des Waldes zu
neuem Leben. Das Vieh in den Ställen
erwacht vom Schlaf, und die Vögel
singen dem Herrn des Sabbats, dem
Schöpfer des ersten Tages, ein Lied. Die
Segnungen des Lebens und des Lichts
werden überall offenbar. Und wieder
beginnt ein neuer Tag — ein Tag der
Freude, des Frohlockens und des Lich-
tes.
Als die Sonne des Evangeliums vor
beinahe zweitausend Jahren unterging,
21
als das Priestertum hinweggenommen
wurde und eine traurige Dämmerung
über die Menschen hereinbrach, die das
Licht gekannt hatten, als Licht und
Wahrheit nicht mehr vom Himmel
schienen und als der Mensch nicht mehr
von Aposteln und Propheten unterwie-
sen wurde, herrschte geistige Finsternis.
Finsternis bedeckte das Erdreich und
Dunkel die Völker (Jesaja 60:2).
Ein finsteres Zeitalter hatte begonnen,
und das Licht des Himmels schien nicht
mehr im Herzen jener Menschen, die
vorgaben, den zu verehren, dem wir
gehören.
Die Vision von allem Geistigen wurde
wie die Worte eines versiegelten Buches
(Jesaja 29:1 1). Die Propheten und Seher
waren verstummt: die Schrift war der
breiten Masse nicht mehr zugänglich;
niemand konnte den Weg zur
Vollkommenheit erkennen; niemand
kannte den Weg, der zurück zum ewigen
Gott führt. Der Mensch, der nun auf
verbotenen Wegen wandelte, verirrte
sich in der Finsternis der Nacht.
Es ist richtig, daß der Himmel immer
noch von unzähligen Sternen übersät
war, und es gab viele weise und gute
Menschen, die das Licht der Wahrheit
und Güte, die sie besaßen, an andere
weitergaben. Und Monat für Monat
kam der Mond aufs Neue, um solche
Wahrheiten des Himmels auszu-
strahlen, die man durch Gefühl und
Verstand ergründen kann. Da erhob
sich ein Augustus, ein Maimonides, eine
Jeanne d'Arc, ein Thomas Moore, ein
Michelangelo, ein Galileo Galilei und
viele andere, die wie der Mond mit
geborgtem Licht schienen. Aber das
Licht des Himmels erleuchtete nicht
mehr den schmalen und geraden Weg,
der zum ewigen Leben führt.
Und es gab tiefe Schatten, in denen die
Kreaturen der Hölle lauerten. Luzifer
schlief nicht. Auf dem Konzil zu Nizäa
und durch die Feder des Athanasios
(Glaubensbekenntnis von Nizäa) wurde
der wahre Gott des Himmels herab-
gewürdigt und als eine unbegreifliche
Substanz aus Geist hingestellt, das die
unendlichen Weiten des Universums
füllt.
Und durch das Wort des römischen
Kaisers Konstantin gelang es dem Sa-
tan, aus einem heidnischen Weltreich
eine sogenannte Weltkirche zu schaffen.
Mit dem Schwert des Cortez drückte er
heidnischen Völkern das Kreuz in die
Hand und nannte sie dann Christen.
Durch den Mund des Tetzel verkaufte er
Ablässe, so daß — wenigstens ihrer
Meinung nach — einem die Sünden für
Geld vergeben wurden.
In Spanien, Mexiko und Peru ließ der
Teufel die Inquisition gedeihen und
Tausende von Menschen wurden nieder-
gemetzelt, um -- wie sie sie nannten —
die Ketzerei zu unterdrücken. Die Huge-
notten und andere, die sich gegen die
herrschende Klasse wandten, wurden zu
Tausenden ermordet.
Die vorherrschende Religion war ge-
kennzeichnet durch Furcht, Unwissen-
heit und Aberglauben; eine durch das
Schwert aufgezwungene Religion, die
die Entscheidungsfreiheit des Menschen
mißachtete.
Es war eine lange schwarze Nacht.
Schakale hatten sich im Schatten ver-
borgen, Wölfe in den Wäldern und
Kojoten waren überall. Der Löwe brüll-
te, und die Giftzähne der Schlange
drangen wieder und wieder ins mensch-
liche Fleisch. Die Pest breitete sich über
Europa aus. Überall tobte der Krieg.
Sitte und Moral hatten nur wenige
Befürworter. Die Schrecken der Nacht
gab es wirklich und die Nacht war lang
— lang und schwarz.
Doch schließlich kündigte sich ein zartes
Morgendämmern an. Da gab es einen
Kalvin, einen Zwingli, einen Luther,
22
einen Wesley, es gab weise und gute
Männer, es waren Morgensterne, die
heller schienen als ihre Mitmenschen
und die sich aus jedem Volk erhoben.
Einsichtige und mutige Männer traten
auf, die der Sünde und des Bösen der
Nacht überdrüssig waren. Diese großen
Geister feilten an den Ketten, mit denen
die Massen gebunden waren. Sie waren
bestrebt, Gutes zu tun und ihren Mit-
menschen zu helfen, und zwar nach
bestem Wissen.
In Deutschland, Frankreich, England,
der Schweiz und anderswo begannen
sich Gruppen von der Kirche früherer
Jahrhunderte zu lösen. Einige Strahlen
des Lichts teilten die Finsternis des
östlichen Himmels.
Viele, die sich nach Freiheit sehnten, um
Gott so zu verehren, wie es ihnen ihr
Gewissen gebietet, wanderten nach
Amerika aus. Und nun wurde nach dem
Willen Gottes in Freiheit eine neue
Nation geboren, in der jeder Mensch
gleich sein sollte. Die Vereinigten Staa-
ten von Amerika entstanden. Ein neuer
Tag brach an.
Während nun die Erde langsam auf
ihrer vorgeschriebenen Bahn dem Mor-
gen entgegenrollte und der Tag zu
dämmern begann, gewährte die Ver-
fassung der Vereinigten Staaten
Religionsfreiheit; der Mensch mäßigte
sich in seinen Empfindungen und be-
gann, den Mitmenschen mit größerer
Toleranz zu behandeln und ihn als
gleichberechtigt anzusehen; die Bibel
wurde von mehr Menschen gelesen, die
Finsternis floh, und es wurde lichter: die
Zeit für den Aufgang der Evangeliums-
sonne war gekommen.
Als diese Zeit gekommen war, der
verheißene Tag der Wiederherstellung
aller Dinge, sandte der Herr des Him-
mels in seiner unbegrenzten Weisheit,
Gnade und Güte aus seiner Gegenwart
jenen ewigen Geist, der dazu vorher-
ordiniert war, die Evangeliumszeit der
Erfüllung einzuleiten. Joseph Smith trat
sein irdisches Leben an. Man schrieb
den 23. Dezember 1805. Die Sonne
wurde nur noch von den Bergspitzen
verborgen.
Und dann, an einem glorreichen Tag im
Frühjahr des Jahres 1820, nach unserer
Vermutung war es der 6. April, kam die
Sonne hervor. Mit Jesus Christus zu
seiner Rechten stieg der ewige Gott vom
Himmel hernieder und offenbarte sich
persönlich in einem Wald im Staate New
York. Er nannte Joseph Smith beim
Namen und gebot ihm, sich keiner der
bestehenden Kirchen anzuschließen,
denn sie seien alle falsch. Er sagte ihm,
23
daß ihre Glaubensbekenntnisse dem
Himmel ein Greuel und daß ihre Lehrer
verderbt seien. Sie nahten sich dem
Herrn mit ihren Lippen, aber mit ihrem
Herzen seien sie ferne von ihm. Sie
lehrten nichts als Menschengebot und
übten scheinheilig Frömmigkeit, aber
die Macht Gottes leugneten sie (Joseph
Smith 2:19).
Von diesem Zeitpunkt an schienen die
Sterne nicht mehr, und der Mond ver-
barg sein Angesicht. Ihr Leuchten wurde
nicht mehr gebraucht, um die Dunkel-
heit der Nacht zu erhellen. Gott im
Himmel führte den Menschen in die
Evangeliumszeit der Erfüllung ein.
Engel kamen aus der Gegenwart Gottes,
um die Lehren wiederherzustellen,
Kraft, Vollmacht und das Priestertum
zu übertragen und die Schlüssel-
vollmachten des Reiches Gottes als Teil
des heiligen Apostelamtes wiederzu-
bringen, damit der sterbliche Mensch
auf Erden binden kann, damit es in den
Himmeln ewig gesiegelt sei.
Innerhalb eines kurzen Jahrzehnts kam
das Buch Mormon hervor; die Kirche
und das Reich Gottes waren auf Erden
wiederhergestellt; Offenbarung und
Prophezeiung waren wieder an der
Tagesordnung, und die Gaben des
Geistes -- all die Zeichen und Wunder,
die es in früheren Zeiten gegeben hatte
— wurden auf die Glaubenstreuen aus-
gegossen. Wieder erlebte der Mensch
Visionen, sprach in Zungen und erfreute
sich der Gabe des Prophezeiens. Kranke
wurden geheilt, Lahme konnten wieder
gehen, Taube wieder hören und Tote
wurden zum Leben zurückgerufen. Es
war unter den Heiligen der Letzten Tage
wie zur Zeit der Heiligen der Ersten
Tage.
Zeile um Zeile wurden die Wahrheiten
früherer Evangeliumszeiten wieder-
hergestellt. Eine heilige Handlung und
eine Verordnung früherer Zeiten nach
der anderen wurde auf neue offenbart.
Und bald leuchtete die Sonne des ewigen
vollständigen Evangeliums, nämlich die
Kraft Gottes, die den Menschen errettet
und erhöht, in ihrer ganzen Herrlichkeit
und Vollkommenheit. Die Evange-
liumssonne, die untergegangen war, als
Dunkelheit die Erde bedeckte, war zu
einem neuen Tag der Wiederherstellung
aufgegangen.
Und mit dem Erwachen des neuen Tages
und dem Ausbreiten des Evangeliums
über die ganze Erde schwanden die
Schrecken der Nacht dahin. Furcht,
Aberglaube und Unwissenheit machten
nun der Liebe, der Erkenntnis und
wahrer Religion Platz. Furcht wandelte
sich zu Erkenntnis, Aberglaube und
falsche Tradition wurden durch Licht
und Wahrheit des Himmels ersetzt.
Bald werden die Wölfe des Bösen nicht
mehr heulen und die Schakale der Sünde
nicht mehr das aufstrebende Reich Got-
tes beschleichen und der glorreiche Tag
des Millenniums wird erscheinen.
Dies ist der Tag, o Zion! „Mache dich
auf, werde licht; denn dein Licht
kommt, und die Herrlichkeit des Herrn
geht auf über dir . . .
Seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Und die Heiden werden zu deinem
Lichte ziehen und die Könige zum
Glanz, der über dir aufgeht . . .
Man soll nicht mehr von Frevel hören in
deinem Lande noch von Schaden oder
Verderben in deinen Grenzen, sondern
deine Mauern sollen ,Heü' und deine
Tore ,Lob' heißen . . .
Der Herr wird dein ewiges Licht und
dein Gott wird dein Glanz sein" (Jesaja
60:1-3, 18, 19).
„Der Morgen naht, die Schatten fliehn,
seht, Zions Banner ist enthüllt.
Es dämmert über jenen Höhn . . . zum
schönen Tag der ganzen Welt" (Ge-
sangbuch, Nr. 218).
Im Namen Jesu Christi. Amen.
24
„Und [ihr] werdet
die Wahrheit erkennen64
N. Eldon Tanner,
Erster Ratgeber des Präsidenten der Kirche
.n diesem Vormittag haben wir
wunderschöne Musik gehört, viele
Wahrheiten wurden uns erklärt, und es
gilt dasgleiche, was Jesus zu den Juden,
die an ihn glaubten, gesagt hat: „Wenn
ihr bleiben werdet an meiner Rede, so
seid ihr in Wahrheit meine Jünger
und werdet die Wahrheit erkennen, und
die Wahrheit wird euch frei machen"
(Johannes 8:31, 32).
Wir konnten auch vom Profeten des
Herrn, Spencer W. Kimball, hören,
dessen Worte wir alle befolgen sollten.
Unser Erlöser hat, kurz vor dem Verrat;
dem darauffolgenden Tod und seiner
Auferstehung viele heilige und feierliche
Augenblicke mit seinen Aposteln ver-
bracht, wo er sie tröstete und ihnen
einige Ereignisse offenbarte, die ein-
treten würden, auch wenn sie sie nicht
ganz verstanden oder die Bedeutung
seiner Worte nicht erfaßten. Nachdem
er ihnen angekündigt hatte, daß er sie
bald verlassen würde, sprach er von den
Drangsalen der Welt, ermahnte sie aber
getrost zu sein, da er die Welt über-
wunden habe. Dann hob er seine Augen
auf zum Himmel und sagte:
,, Vater, die Stunde ist da: verherrliche
„Und niemand empfängt eine Fülle, er halte denn seine
Gebote. Wer seine Gebote hält, empfang Wahrheit und
Licht, bis er in der Wahrheit verherrlicht ist und alle Dinge
weiß.1'''
deinen Sohn, auf daß dich der Sohn
verherrliche,
wie du ihm Macht gegeben hast über
alles Fleisch, damit er das ewige Leben
gebe allen, die du ihm gegeben hast.
Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich,
der du allein wahrer Gott bist, und den du
gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Ich habe dich verherrlicht auf Erden und
vollendet das Werk, das du mir gegeben
hat, daß ich es tun sollte.
Und nun verherrliche du mich, Vater,
bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei
dir hatte, ehe die Welt war.
Ich habe deinen Namen offenbart den
Menschen, die du mir von der Welt
gegeben hast. Sie waren dein, und du
hast sie mir gegeben, und sie haben dein
Wort behalten.
Denn die Worte, die du mir gegeben
hast, habe ich ihnen gegeben; und sie
haben's angenommen und erkannt
wahrhaftig, daß ich von dir ausgegangen
bin, und glauben, daß du mich gesandt
hast . . .
Heiliger Vater, erhalte sie in deinem
Namen, den du mir gegeben hast, daß
sie seien gleichwie wir" (Johannes 17:1-
6,8, 11).
Diese Worte enthalten einige der größ-
ten Wahrheiten, die jemals zum Wohle
und zum Segen der Menschheit ausge-
sprochen worden sind. Wir erfahren,
daß Jesus bei seinem Vater gelebt hat,
25
ehe die Welt erschaffen worden ist; daß
er vom Vater mit einem besonderen
Werk betraut und auf die Erde gesandt
wurde, um dieses Werk durchzuführen;
daß ihm die Ereignisse offenbart worden
sind, die mit seiner Kreuzigung, seinem
Tod und seiner Auferstehung in
Zusammenhang stehen; daß seine Apo-
stel vom Herrn berufen wurden, bei
diesem Werk zu helfen; daß sie an die
Worte glaubten, die der Vater ihnen
durch den Sohn sagen ließ; und daß es
völlig klar war, daß Gott Vater und Gott
Sohn, auch wenn sie zwei getrennte
Wesen waren, eins in ihren Absichten
sind; und er betete darum, daß es auch
seine Apostel sein würden.
In seiner Bitte an den Vater, legte Jesus
dar, was ewiges Leben ist: „Das ist aber
das ewige Leben, daß sie dich, der du
allein wahrer Gott bist, und den du
gesandt hast, Jesus Christus, erkennen"
(Johannes 17:3). Bei einer anderen Ge-
legenheit sagte er: „Dies ist mein Werk
und meine Herrlichkeit die
Unsterblichkeit und das ewige Leben
des Menschen zustande zu bringen"
(Moses 1:39).
Warum ist es für uns so wichtig, diese
Wahrheiten zu verstehen und anzu-
erkennen?
Weil wir ohne sie nicht hoffen können,
erhöht zu werden oder ewiges Leben zu
erlangen. Die geistige Seite in unserem
Leben muß an erster Stelle stehen.
Als Jesus sagte, er habe die Welt über-
wunden, meinte er, daß er seinen Glau-
ben bewahrt habe und daß er den Vater
verherrlicht und alles getan habe, was
von ihm verlangt worden war. So war er
frei von den Banden des Todes und
bereit, unsterblich zu werden und ewig
beim Vater zu wohnen.
Diese Verheißung gilt für alle. Wir lesen
in Johannes:
„Da sprach nun Jesus zu den Juden, die
an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet
an meiner Rede, so seid ihr in Wahrheit
meine Jünger
und werdet die Wahrheit erkennen, und
die Wahrheit wird euch frei machen"
(Johannes 8:31, 32).
Freiheit beruht auf Wahrheit und kein
Mensch ist wirklich frei, solange ein Teil
dessen, woan er glaubt, auf Irrtum
beruht, denn dadurch wird sein Geist
gebunden. Deshalb ist es so wichtig, daß
wir die ganze Wahrheit aus allen uns zur
Verfügung stehenden Quellen in uns
aufnehmen. Es ist besonders wichtig für
uns, in den heiligen Schriften zu lesen,
denn die darin enthaltenen Worte füh-
ren uns, wenn wir sie annehmen und
danach handeln, zum ewigen Leben.
Die heiligen Schriften beweisen uns, daß
es Gott und seinen Sohn Jesus Christus
wirklich gibt. Um richtig an Gott zu
glauben, ist es notwendig, sein Wesen
und seine Eigenschaften zu verstehen.
Unser Glaube an ihn muß auf wahren
Grundsätzen beruhen. Unser Glaube
wird uns nichts nützen, wenn er auf
falschen Voraussetzungen beruht. Zum
Beispiel haben einige der frühen ameri-
kanischen Kolonisten den Indianern
Schießpulver gegeben und ihnen ver-
sprochen, sie könnten damit ein Ge-
wächs züchten, das Schießpulver
hervorbringt.
Die Indianer pflanzten vertrauensvoll
das Schießpulver, ernteten aber natür-
lich trotz ihrer Bemühungen nichts, weil
ihr Glaube auf Unwahrheit beruhte.
Wir werden angespornt, zu lernen, zu
beten und nach Weisheit zu trachten und
einander zu belehren. Im Buch , Lehre
und Bündnisse' lesen wir: „Und ich
gebiete euch, einander in der Lehre des
Reiches zu belehren.
Lehret fleißig, und meine Gnade wird
euch begleiten, damit ihr vollkommener
unterrichtet werdet in der Lehre, den
Grundsätzen und Vorschriften und im
Gesetz des Evangeliums und in allen
26
Dingen, die zum Reiche Gottes gehören
und die zu verstehen euch nützlich sind,
damit ihr in allen Dingen vorbereitet
seid, wenn ich euch senden werde, die
Berufung, wozu ihr berufen seid, und die
euch übertragene Sendung zu ehren.
Sehet, ich habe euch ausgesandt, Zeug-
nis zu geben und das Volk zu warnen,
und es gebührt jedermann, der gewarnt
worden ist, seine Mitmenschen zu war-
nen.
Dann haben sie keine Entschuldigung,
und ihre Sünden ruhen auf ihren eigenen
Häuptern.
Wer mich aufsucht, wird mich finden
und wird nicht verlassen sein.
Verbleibet in der Freiheit, wodurch ihr
frei geworden seid. Verwickelt euch
nicht in Sünde, sondern bewahrt die
Hände rein, bis der Herr kommt" (LuB
88:77, 78, 80-83, 86).
Wir müssen die Gesetze kennen und
verstehen, um gehorsam sein zu können,
und wir müssen gehorsam sein, um frei
sein zu können. Das gilt für die Gesetze
Gottes und für die staatlichen Gesetze.
Zu oft sehen wir Freiheit nur als eine
Eigenschaft oder als einen Zustand an,
in dem man frei von Beschränkungen
oder Zwang von außen und dem Willen
eines anderen nicht Untertan ist, wo man
frei wählen kann und jeder tun kann,
was er will, unabhängig von den Folgen,
die es für ihn oder andere mit sich bringt.
Brigham Young hat folgendes gesagt:
,,Es gibt niemand unter uns, der nicht
sofort bereit ist zuzugeben, daß Gott
absoluten Gehorsam seinen Weisungen
gegenüber verlangt. Wenn wir nun die-
sen absoluten Gehorsam leisten, wer-
den wir dann zu Sklaven? Nein, denn es
ist der einzige Weg, wie Sie und ich frei
werden können; und wenn wir eine
andere Richtung einschlagen, werden
wir ein Sklave unserer Meinungen und
denen des Bösen . . . und Diener des
Teufels" {Journal of Discourses,
18:246).
Die Lehren Jesu Christi, die uns zu
unserem Segen und zu unserer Führung
gegeben worden sind, gründen sich auf
die Zehn Gebote, die Bergpredigt und
die Seligpreisungen. Interessanterweise
sind fast alle staatlichen Gesetze dem
gleichen ethischen Kodex entnommen.
Gottes Gesetze beruhen auf Wahrheit
und sind unveränderlich, und der
Mensch kann sie nicht verbessern. Je
nachdem, wie wir sie befolgen, werden
wir gesegnet oder bestraft.
Es gibt bestimmte unveränderliche
Naturgesetze, die, wenn sie übertreten
werden, entweder Krankheit oder vor-
zeitigen Tod mit sich bringen. An-
dererseits können wir von der Wissen-
schaft erforschte Gesetze dazu nutzen,
arbeitssparende Geräte, schnellere und
bequemere Transportmöglichkeiten,
zweckdienliche Nahrungsmittel und
synthetisches Material für Kleidung und
Haushaltsgeräte herzustellen. All dies
hilft uns, Zeit und Mühe zu sparen, und
wir sollten die gewonnene Zeit und
Energie für Gottes Werk verwenden.
27
Dadurch können wir unsere Dankbar-
keit für seine Güte ausdrücken.
Wir lernen aus der heiligen Schrift, daß
alle Wahrheit durch das Licht Christi
offenbart wird. „Dieses Licht geht von
der Gegenwart Gottes aus, um die
Unendlichkeit des Raumes zu füllen.
Es ist das Licht, das in allen Dingen ist,
das allen Dingen Leben gibt, welches das
Gesetz ist, wodurch alles regiert wird"
(LuB 88:12, 13).
Demnach wurden die Wahrheiten, die
Isaac Newton, Thomas Edison und
Albert Einstein entdeckt haben, ihnen in
Wirklichkeit durch das Licht Christi
offenbart. Solche offenbarten Wahr-
heiten haben viel dazu beigetragen, die
Menschen von der Sklaverei und Unwis-
senheit zu befreien, und sie haben unser
Wissen vom Universum erweitert. Auf
die gleiche Weise wurden durch die
Macht des Heiligen Geistes Wahrheiten
hinsichtlich der Beziehung des Men-
schen zu Gott und über die Mission Jesu
Christi verständlich gemacht.
Zu wissen, daß Gott Vater ein Wesen
mit einem Körper und Gefühlen ist und
daß Jesus Christus sein einziggezeugter
Sohn im Fleisch ist und unter den
Menschen mit den körperlichen Eigen-
schaften eines Menschen gelebt hat, sind
Wahrheiten, die dem Leben einen Sinn
verleihen und alle, die daran glauben,
von den Rätseln befreien, die sich um
den Ursprung des Menschen ranken.
Alle, die die Wahrheit über das Sühn-
opfer und die Auferstehung des Erlösers
verstehen, sind frei von den Rätseln und
Zweifeln über das schließliche Schicksal
des Menschen, und sie wissen, daß sie,
wenn sie sich nach der Wahrheit richten,
ewigen Fortschritt machen und sich der
herrlichen Segnungen des ewigen Le-
bens erfreuen können.
Dr. Henry Eyring, Mitglied der Kirche
und führender Wissenschaftler, hat
folgendes gesagt:
,,Je mehr ich mich bemühe, die Rätsel
der Welt, in der ich lebe, zu lösen, desto
mehr komme ich zu der Einsicht, daß es
eine über allem stehende Macht gibt —
Gott. Man kann zu dieser Ansicht
durch Beten und durch das Zeugnis des
Heiligen Geistes gelangen oder weil es
keine andere Erklärung für die Einheit
und das Wunder des Universums gibt,
oder man kann zu dieser Überzeugung
durch die pragmatische wissen-
schaftliche Methode kommen, die der
Erlöser schon lange vorher vorge-
schlagen hat: , Versuch es, und du wirst
es wissen.'
Mir wurde oft diese Frage gestellt: ,Dr.
Eyring, wie können Sie als Wissen-
schaftler offenbarte Religion aner-
kennen?' Die Antwort ist ganz einfach.
28
D as Evangelium verpflichtet uns nur zu
Wahrheit. Die gleichen praktischen Me-
thoden des Prüfens, die in der Wissen-
schaft Anwendung finden, sind auch auf
die Religion anwendbar. Versuche es.'
Funktioniert es? Die Vorstellung, daß
Gott das Weltall regiert und sich darum
kümmert, daß es funktioniert, ist für
mich unmöglich ohne die Begleit-
erscheinung, daß er sich für den Men-
schen, das bemerkenswerteste Phäno-
men in der Welt, interessiert. Wenn er an
dem Menschen interessiert ist, ist es ganz
natürlich, daß er für die Entwicklung
und für das Wohlergehen des Menschen
Sorge trägt und das geschieht durch das
Evangelium Jesu Christi . . .
Das bezeichnende Merkmal eines Wis-
senschaftlers ist dies: er erwartet einfach,
daß die Wahrheit gewinnt, weil es die
Wahrheit ist . . . In der Wissenschaft ist
das Ist eine Tatsache, und weil es so ist,
kann es niemand übelnehmen. Wenn
etwas falsch ist, kann niemand etwas
dafür tun, und wenn es richtig ist, kann
niemand es davon abhalten, zu ge-
winnen.
Genauso ist es mit dem Evangelium"
(Henry Eyring, The Faith of a Scientist,
S. 103, 105).
Wenn man weiß, daß Gott, der ewige
Vater, alle Wahrheit kennt und danach
handelt, erklärt dies, warum er gestern,
heute und für immer derselbe ist. Alles,
was er tut, ist, daß er sich an die
unveränderlichen Wahrheiten des Uni-
versums hält. Sein Sohn Jesus Christus
hat dieselben Eigenschaften wie er, er ist
„voller Gnade und Wahrheit" (Johan-
nes 1:14).
Einer der größten Unterschiede zwi-
schen Gott und dem Menschen ist, daß
Gott eine größere Kenntnis der Wahr-
heit besitzt, was ihn frei macht, Welten
zu schaffen und das Universum zu
beherrschen.
Wir glauben an folgendes: „Wie der
Mensch jetzt ist, war Gott einst und wie
Gott jetzt ist, kann der Mensch einst
sein" (Lorenzo Snow, 11. Januar 1892).
Dabei soll sich der Mensch während
seines ganzen Lebens bemühen, sein
Wissen zu erweitern und alle Wahr-
heiten zu erfassen, die er nur erfassen
kann. Er soll erkennen, daß das Evange-
lium Jesu Christi alle Wahrheit in sich
schließt, wo immer sie auch gefunden
werden mag, und daß er, wenn er sich
Wissen und Wahrheit aneignet, diese
seinen Nächsten lehren soll.
Besonders die Eltern haben die Aufgabe,
ihre Kinder zu belehren. Einem Kind
muß der Unterschied zwischen dem was
richtig und dem was falsch ist, gelehrt
werden. Wenn es sich allein überlassen
bleibt, lernt es vielleicht nur das Falsche
kennen. Es muß darin geführt und
unterwiesen werden, welche Folgen sei-
ne Entscheidungen haben können —
warum er für etwas gesegnet und für das
andere bestraft wird.
Vergessen wir niemals, daß wir die
Gestalter unseres eigenen Schicksals
sind. Gott ist nicht für die Folgen
unserer Handlungen verantwortlich. Er
gibt uns durch sein Wort die Wahrheit
und die Regeln, die wir befolgen sollen,
und die Möglichkeit, zu lernen, zu
handeln und Fortschritt zu machen. Mir
gefällt das, was David O. McKay dar-
über gesagt hat, sehr gut:
„Ich glaube daran, daß Gott voller
Liebe ist, daß er unser Vater ist und sich
wünscht, daß seine Kinder glücklich
werden und ewiges Leben erlangen . . .
Er hat den Menschen auf die Erde
gestellt und . . . gewährte ihm, nach
eigenem Gutdünken zu handeln" (LuB
29:35). Die Menschen können das Rich-
tige oder das Falsche wählen; sie können
in Finsternis oder im Licht wandeln;
und vergessen Sie nicht: Gott hat seine
Kinder nicht ohne das Licht gelassen. Er
hat ihnen in den verschiedenen Evange-
29
liumszeiten das Licht des Evangeliums
gegeben. Wenn sie in diesem Lichte
wandelten, brauchten sie nicht zu stol-
pern, sondern konnten Frieden und das
Glück finden, das er sich als liebender
Vater für sie wünscht. Der Herr nimmt
ihnen aber dabei nicht ihre Entschei-
dungsfreiheit.
Gott bedauert jetzt die unvermeidlichen
Folgen der Torheiten, Übertretungen
und der Sünden seiner widerspenstigen
Kinder, aber wir können ihn genauso-
wenig dafür die Schuld geben wie einem
Vater, der zu seinem Sohn vielleicht
sagt: ,Es gibt zwei Straßen, mein Sohn,
eine führt nach rechts, die andere nach
links. Wenn du die zur linken nimmst,
wird sie dir Elend, Unglück und viel-
leicht den Tod bringen. Wenn du die zur
rechten nimmst, wird sie dich zum
Erfolg und Glück führen, aber es bleibt
dir überlassen, welche du wählst. Du
mußt selbst die Entscheidung treffen;
ich werde dir deinen Weg nicht auf-
zwingen.'
Der junge Mann beginnt seine Reise und
sieht die Verlockungen und den Reiz der
linken Straße. Da er glaubt, es sei eine
Abkürzung zu seinem Glück, beschließt
er, sie zu wählen. Der Vater weiß, was
aus ihm werden wird, er weiß, daß nicht
weit vom Blumenpfad ein Sumpfloch
ist, in das der Junge fallen wird, er weiß,
daß er, nachdem er sich aus dem Sumpf
herausgemüht hat, in einen Morast
fallen wird ... Er konnte das lange
vorher sehen, noch ehe der Junge diese
gefährlichen Stellen erreicht hatte, und
deshalb konnte er es voraussagen. Der
Vater liebt den Jungen wie vorher, und
er warnt ihn weiterhin und fleht ihn an,
auf den rechten Pfad zurückzukehren.
Gott hat auch der Welt durch seine
Propheten in den vergangenen Zeiten
gezeigt, daß viele seiner Kinder, einzelne
wie auch Völker, den Weg gewählt
haben, der zu Elend und Tod führt, und
er hat es vorausgesagt; aber die Ver-
antwortung liegt bei denen, die Gottes
Worte nicht befolgten, und nicht bei
Gott" (Lewellyn McKay True to the
Faith, S. 86, 87).
Aber Gott hat für jene, die nicht den
richtigen Weg wählen, die sich von der
Wahrheit abwenden, in seiner un-
endlichen Liebe und Güte Vorsorge für
ihre Erlösung getroffen, nämlich durch
den herrlichen Grundsatz der Buße.
Buße bedeutet, seine Übertretungen zu
erkennen, sie zu bereuen und den Vor-
satz zu fassen, sie zu überwinden. Der
Herr hat gesagt:
„Daran könnt ihr erkennen, ob ein
Mensch für seine Sünden Buße getan:
sehet er wird sie bekennen und ablegen"
(LuB 58:43).
Seit dem Beginn der Zeit hat Gottes
Liebe für und Sorge um seine Kinder ihn
veranlaßt, sie vor den Versuchungen des
Feindes der Wahrheit und des Lichts,
den Satan, zu warnen, der entschlossen
ist, mit seinen Nachfolgern die Mensch-
heit zu vernichten und den Plan Gottes,
er will seine Kinder retten, zu vereiteln.
Wir können ruhig auf unsere Zeit die
Worte eines Propheten aus dem Buch
Mormon beziehen, der dazu vom Geist
des Herrn bewegt wurde:
„Ja, wehe diesem Volk, weil die Zeit
gekommen ist, wo es die Propheten
verstößt, verspottet, steinigt und tötet
und ihnen wie vor alters Böses jeder Art
zufügt.
Du böses und verkehrtes Geschlecht, du
hartnäckiges und verstocktes Volk, wie
lange wirst du glauben, daß der Herr
Geduld mit dir haben wird? Wie lange
wollt ihr euch von törichten und ver-
blendeten Führern leiten lassen? Ja,
wie lange wollt ihr dem Lichte die Fin-
sternis vorziehen?" (Helaman 13:24,
29).
Aber er hat auch die Zusicherung ge-
macht:
„Wenn ihr aber Buße tut und zum
Herrn, eurem Gott, zurückkehrt, will
ich meinen Zorn abwenden, spricht der
Herr. Ja, so spricht der Herr: Gesegnet
ist, wer Buße tut und zu mir zurück-
kehrt, doch wehe dem, der nicht Buße
tut" (Helaman 13:11). Mögen wir uns
alle nach Weisheit und nach Wahrheit
sehnen, damit wir das Reich Gottes
ererben und uns der verheißenen Seg-
nungen erfreuen können, denn er hat
gesagt: „Der Geist der Wahrheit ist von
Gott. Ich bin der Geist der Wahrheit,
und Johannes zeugte von mir, indem er
sagte: Er empfing eine Fülle der Wahr-
heit, ja, aller Wahrheit.
Und niemand empfängt eine Fülle, er
halte denn seine Gebote.
Wer seine Gebote hält, empfängt Wahr-
heit und Licht, bis er in der Wahrheit
verherrlicht ist und alle Dinge weiß"
(LuB 93:26-28).
Mögen wir alle Gott als unseren Vater
und seinen Sohn Jesus Christus als
unseren Erlöser anerkennen, und mögen
wir seine Gebote halten und weiterhin
nach der Wahrheit streben, die uns frei
machen wird und uns zum ewigen Leben
führt.
Ich erbitte dies demütig im Namen Jesu
Christi. Amen.
31
Versammlung am Samstagnachmittag, den 1. April 1978
Statistischer Bericht 1977
Vorgelegt von Francis M. Gibbons
Sekretär der Ersten Präsidentschaft
/ur Information der Mitglieder der
Kirche hat die Erste Präsidentschaft den
folgenden statistischen Bericht über das
Wachstum der Kirche und ihren Stand
am 31. Dezember 1977 herausgegeben:
Einheiten der Kirche
Pfähle Zions 885
Priestertum
Missionen 157
Diakone
Gemeinden
Lehrer
(über die ein Bischof
Priester
präsidiert) 5917
Älteste
Selbständige Gemeinden in den Pfählen
Siebziger
(mit Gemeindepräsidenten) 1549
Hohepriester
Gemeinden in den
Dies bedeutel
Missionen 1694
Priestertumst
Sozialstatistik
Geburtenziffer auf je tausend
Mitglieder 31.66
Eheschließungen auf je tausend
Mitglieder 13.25
Sterbefälle auf je tausend
Mitglieder 4.14
142.000
112.000
201.000
338.000
28.000
129.000
Hieraus ergibt sich ein Zuwachs von 541
Gemeinden im Jahr 1977.
Länder, in denen es organisierte
Gemeinden gibt 54
Mitgliederzahl
Gesamtzahl der Mitglieder nach Be-
richten aus Pfählen, Missionen und
Büros der Kirche
Ende 1977 3,966.000
Bei bleibender Wachstumsrate wird ge-
schätzt, daß die Mitgliederzahl jetzt 4
Millionen übersteigt.
Wachstum der Kirche 1977
Kindersegnungen 95.000
Taufen eingetragener Kinder 62.000
Taufen von Bekehrten 167.939
Vollzeitmissionare 25.300
Wohlfahrtsdienste
Anzahl derer, die unterstützt
wurden 99.600
Anzahl derer, denen die Soziale Hilfe
geholfen hat 15.000
Anzahl derer, denen Arbeit vermittelt
wurde 16.000
Anzahl der unbezahlten Arbeitstage für
das Wohlfahrtsprogramm 427.000
Nahrungsmittel (in Pfunden), die von
den Vorratshäusern
verteilt wurden 750.000
Genealogische Gesellschaft
Namen, die 1977 für heilige Handlungen
im Tempel freigegeben
wurden 3,374.000
32
Die Genealogische Gesellschaft sam-
melt in 36 Ländern Daten und besitzt
949 000 Rollen Mikrofilm zu je 30
Metern, was 4,517.000 Bänden zu je 300
Seiten entspricht.
Tempel
Anzahl der Endowments 1977
Für Lebende 47.037
Für Tote 3,555.118
Benutzte Tempel 14
Tempel, die geplant sind oder sich
im Bau befinden 6
Tempel, die renoviert werden 2
1977 wurden 180.362 mehr Endow-
ments vollzogen als 1976, obwohl 2
Tempel nicht zur Verfügung standen.
Bildungseinrichtungen der Kirche
Gesamtzahl der eingeschriebenen
Schüler im Schuljahr 1976/77:
Seminare und Religionsinstitute sowie
besondere Programme 288.000
Kirchenschulen und -Colleges 74.000
Todesfälle
Alma Sonne vom Ersten Kollegium der
Siebzig; Ina J. Ashton Richards, Gattin
LeGrand Richards' vom Rat der Zwölf;
Jeanne N. Smith, Gattin Eldred G.
Smith', des Patriarchen der Kirche;
John Harold Müllen, Präsident des
Pfahles El Paso in Texas; Ollie Richard
Crichton, Präsident des Pfahles Apia auf
Samoa; Dr. Sidney B. Sperry, Schrift-
steller und Erzieher; Edward Oliver
Anderson, Architekt des Tempels in
London, in der Schweiz und in Los
Angeles; Dr. Florence J. Madsen, Kom-
ponistin, Erzieherin und Leiterin aller
Aktivitäten für „Singende Mütter"in
der Kirche.
33
Bericht des Finanzkomitees der Kirche
Der Ersten Präsidentschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
vorgelegt von Wilford G. Edling,
dem Vorsitzenden des Finanzkomitees der Kirche
Wi
ir haben den Jahresfinanzbericht
der Kirche bis zum 31. Dezember 1977
und die finanziellen Angelegenheiten für
das Jahr 1977 überprüft. Die finanziel-
len Angaben und Unternehmen, die das
Komitee überprüft hat, schließen im
allgemeinen Fonds der Kirche und ihr
unterstehender Organisationen ein, de-
ren Finanzen von der Finanzabteilung
der Kirche verwaltet werden. Wir haben
ebenfalls die Haushaltspläne, die Buch-
führung und Buchprüfung und die Art
und Weise, wie Geld für die Fonds
eingenommen und ausgegeben wird,
geprüft. Wir haben festgestellt, daß die
Ausgaben für die allgemeinen Fonds der
Kirche von der Ersten Präsidentschaft
genehmigt worden waren. Die Geneh-
migung des Haushaltsplans untersteht
dem Rat für die Verwaltung des Zehn-
ten, dem die Erste Präsidentschaft, der
Rat der Zwölf und die Präsidierende
Bischofschaft angehören. Das Aus-
gabenkomitee der Kirche beschließt
in wöchentlichen Sitzungen über die
Ausgabe von Mitteln, die dem Haushalt
unterstehen.
Die Finanzabteilung und die anderen
Abteilungen nutzen moderne Geräte für
ihre Buchhaltung, um mit dem schnellen
Wachstum der Kirche Schritt zu halten.
Das Finanzkomitee und die Rechts-
abteilung der Kirche beschäftigen sich
mit allen Angelegenheiten im Zu-
sammenhang mit der Besteuerung der
Kirche seitens der Bundesregierung der
Vereinigten Staaten, der einzelnen
Bundesstaaten und der Regierungen an-
derer Länder.
Die Buchprüfungsabteilung der Kirche,
die von allen anderen Abteilungen un-
abhängig ist, nimmt regelmäßige Buch-
prüfungen bei allen Abteilungen und
Organisationen der Kirche vor; die Be-
richte darüber bewahrt die Finanz-
abteilung auf. Diese Buchprüfungen
umfassen auch die Missionen und die
Aktivitäten der einzelnen Abteilungen
im Ausland. Die Buchprüfungs-
abteilung trägt ebenfalls die Ver-
antwortung für die Überprüfung der
Computersysteme, die die Kirche ver-
wendet. Ausmaß und Umfang ihrer
Prüfungen, die die Mittel der Kirche
schützen sollen, steigern sich ent-
sprechend dem Wachstum der Kirche.
Die Buchprüfung der einzelnen Gemein-
den und Pfähle ist den Pfahl-Buch-
prüfern übertragen. Eingetragene
Gesellschaften, die Eigentum der Kirche
sind und deren Finanzverwaltung nicht
der Finanzabteilung der Kirche unter-
steht, unterstehen der Buchprüfung ent-
sprechender Firmen oder staatlicher
Stellen.
Unsere Überprüfung der Jahres-
finanzberichte und anderer Unterlagen
hat zusammen mit ständigen Be-
sprechungen mit dem Personal der Fi-
nanz-, Buchprüfungs- und Rechts-
abteilungen ergeben, daß die Ein-
nahmen und Ausgaben innerhalb der
allgemeinen Fonds der Kirche für das
Jahr 1977 im Einklang mit den Richt-
linien getätigt worden sind.
Hochachtungsvoll
Das Finanzkomitee der Kirche
Wilford G. Edling
Harold H. Bennett
Weston E. Hamilton
David M. Kennedy
Warren E. Pugh
34
Bestätigung der Beamten der Kirche
N. Eldon Tanner
Erster Ratgeber des Präsidenten der Kirche
Bf
►ei der letzten Konferenz hatten wir
eine Gegenstimme, und es hat deswegen
einige Mißverständnisse gegeben. Man
hat gesagt, ich hätte den Betreffenden
sehr schroff behandelt. Ich möchte des-
halb nur kurz erklären, was geschieht,
wenn einer oder eine Gruppe gegen
einen Vorschlag stimmt. Wir geben den
Leuten die Möglichkeit, zu einer
Generalautorität zu gehen und diesem
Bruder zu erklären, warum der, der
vorgeschlagen wird, ihrer Meinung nach
nicht würdig ist. Wenn wir feststellen,
daß der Betreffende tatsächlich nicht
würdig ist, unternehmen wir die not-
wendigen Schritte.
Zur Bestätigung schlagen wir vor Präsi-
dent Spencer W. Kimball als Propheten,
Seher, Offenbarer und Präsidenten der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage. Wer dem zustimmt, hebe
bitte die Hand. — Wer dagegen ist, zeige
dies durch dasselbe Zeichen.
Nathan Eldon Tanner als Ersten Rat-
geber des Präsidenten der Kirche und
Marion G. Romney als Zweiten Rat-
geber des Präsidenten. Alle, die dem
zustimmen, mögen bitte die Hand he-
ben. - - Wer dagegen ist, desgleichen.
Zur Bestätigung schlagen wir vor Ezra
Taft Benson als Präsidenten des Rates
der Zwölf Apostel. Wer dem zustimmt,
hebe die Hand bitte. Wer dagegen ist,
desgleichen.
Als Rat der Zwölf Apostel: Ezra Taft
Benson, Mark E. Petersen, Delbert L.
Stapley, LeGrand Richards, Howard W.
Hunter, Gordon B. Hinckley, Thomas
S. Monson, Boyd K. Packer, Marvin J.
Ashton, Bruce R. McConkie, L. Tom
Perry, David B. Haight. Wer dem zu-
stimmt, hebe bitte die Hand. Wer
dagegen ist, desgleichen.
Als Patriarchen der Kirche Eldred G.
Smith. Wer dem zustimmt, hebe bitte
die Hand. Wer dagegen ist, des-
gleichen.
Die Ratgeber des Präsidenten der Kir-
che, die Zwölf Apostel und den Patri-
archen der Kirche als Propheten, Seher
und Offenbarer. Wer dem zustimmt,
hebe bitte die Hand. — Wer dagegen ist,
desgleichen.
Spencer W. Kimball als Treuhänder der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage. Wer dem zustimmt, hebe
bitte die Hand. Wer dagegen ist,
desgleichen.
Als Präsidentschaft des Ersten Kollegi-
ums der Siebzig und die Mitglieder des
Ersten Kollegiums der Siebzig: Franklin
D. Richards, James E. Faust, J. Thomas
Fyans, A. Theodore Tuttle, Neal A.
Maxwell, Marion D. Hanks und Paul H.
Dünn. Wer dem zustimmt, möge dies
kundtun, wer dagegen ist, desgleichen.
Als Mitglieder des Ersten Kollegiums
35
der Siebzig: Alma Sonne, Sterling W.
Sill, Henry D. Taylor, Theodore M.
Burton, Bernard P. Brockbank, James
A. Cullimore, Joseph Anderson, Wil-
liam H. Bennett, John H. Vandenberg,
Robert L. Simpson, O. Leslie Stone,
William Grant Bangerter, Robert D.
Haies, Adney Y. Komatsu, Joseph B.
Wirthlin, S. Dilworth Young, Hart-
mann Rector jun., Loren C. Dünn, Rex
D. Pinegar, Gene R. Cook, Charles A.
Didier, William R. Bradford, George P.
Lee, Carlos E. Asay, M, Russell Ballard
jun., John H. Groberg, Jacob de Jager,
Vaughn J. Featherstone, Dean L. Lar-
sen, Royden G. Derrick, Robert E.
Wells, G. Homer Durham, James M.
Paramore, Richard G. Scott, Hugh. W.
Pinnock, F. Enzio Busche, Yoshihiko
Kikuchi, Ronald E. Poelman, Derek A.
Cuthbert, Robert L. Blackman und Rex
C. Reeve. Wer dem zustimmt, hebe bitte
die Hand. — Wer dagegen ist, des-
gleichen.
Als Präsidierende Bischofschaft: Victor
L. Brown, Präsidierender Bischof, H.
Burke Peterson als Erster Ratgeber und
J. Richard Clarke als Zweiter Ratgeber.
Wer dem zustimmt, hebe bitte die Hand.
— Wer dagegen ist, desgleichen.
Als Regionalrepräsentanten: Alle
Regionalrepräsentanten des Rates der
Zwölf, wie sie zur Zeit berufen und
eingesetzt sind.
Für die Frauenhilfsvereinigung: Barba-
ra Bradshaw Smith, Präsidentin; Janeth
Russell Cannon, Erste Ratgeberin, und
Marian Richards Boyer, Zweite Rat-
geberin; mit allen Mitgliedern des
Hauptausschusses, wie sie zur Zeit
eingesetzt sind.
Für die Sonntagsschule: Russell M.
Nelson, Präsident; Joe J. Christensen,
Erster Ratgeber; William D. Oswald,
Zweiter Ratgeber; mit allen Mitgliedern
des Hauptausschusses, wie sie zur Zeit
eingesetzt sind.
Für die Organisation der Jungen Män-
ner: Neil D. Schaerrer, Präsident; Gra-
ham W. Doxey, Erster Ratgeber; Quinn
G. McKay, Zweiter Ratgeber; mit allen
Mitgliedern des Hauptausschusses, wie
sie zur Zeit eingesetzt sind.
Für die Organisation der Jungen Da-
men: Ruth Hardy Funk, Präsidentin;
Hortense H. Child, Erste Ratgeberin;
Ardet G. Knapp, Zweite Ratgeberin;
mit allen Mitgliedern des Haupt-
ausschusses, wie sie zur Zeit eingesetzt
sind.
Für die Primarvereinigung: Naomi
Maxfield Shumway, Präsidentin; Col-
leen Bushman Lemmon, Erste Rat-
geberin; Dorthea Lou Chritiansen Mur-
dock, Zweite Ratgeberin; mit allen Mit-
gliedern des Hauptausschusses, wie sie
zur Zeit eingesetzt sind.
Der Bildungsausschuß der Kirche:
Spencer W. Kimball, N. Eldon Tanner,
Marion G. Romney, Ezra Taft Benson,
Gordon B. Hinckley, Thomas S. Mon-
son, Boyd K. Packer, Marvin J. Ashton,
Neal A. Maxwell, Marion D. Hanks,
Paul H. Dünn, Victor L. Brown, Barba-
ra Smith.
Wer dem zustimmt, hebe bitte die Hand.
— Wer dagegen ist, desgleichen.
Das Finanzkomitee der Kirche: Will-
ford G. Edling, Harold H. Bennett,
Weston E. Hamilton, David M. Kenne-
dy, Warren E. Pugh.
Der Tabernakelchor: Oakley S. Evans,
Präsident; Jerold D. Ottley, Dirigent;
Donald H. Ripplinger, Zweiter Diri-
gent; Robert Cundick, Roy M. Darley
und John Longhurst, Organisten. Wer
dem zustimmt, hebe bitte die Hand. —
Wer dagegen ist, desgleichen.
Präsident Kimball, ich glaube, die
vorgelegten Beamten sind einstimmig
bestätigt worden.
36
Das glaubensvolle Gebet
Thomas S. Monson
vom Rat der Zwölf Apostel
U,
nser Herz ist berührt von dem
wunderbaren Gesang dieser Jungen und
Mädchen der Primarvereinigung. Alle
Kinder, die heute Nachmittag hier mit-
singen, haben die Möglichkeit, mit an-
deren Kindern gleichen Alters einmal in
der Woche zur Versammlung der
Primarvereinigung zusammenzukom-
men. Es gibt aber auch Kinder — ebenso
kostbar und rein wie diese, denen dieses
Glück nicht beschert ist.
Als ich vor einigen Jahren die Mission in
Australien besuchte, bin ich auch mit
dem Missionspräsidenten nach Darwin
geflogen, wo wir den ersten Spatenstich
für das erste Gemeindehaus der Kirche
in dieser Stadt feiern wollten. Zum
Auftanken mußten wir in der kleinen
Bergwerksstadt Mt. Isa zwischenlanden.
Am Flughafen begrüßte uns eine Mutter
mit ihren zwei Kindern, die im PV-Alter
waren. Sie stellte sich als Judith Louden
vor und erwähnte, daß sie und ihre zwei
Kinder die einzigen Mitglieder der Kir-
che in dieser Stadt seien. Ihr Mann,
Richard Louden, war kein Mitglied. Wir
sprachen kurz mit der Frau. Ich erklärte
ihr, wie wichtig es sei, jede Woche eine
Heim-PV abzuhalten. Ich versprach ihr,
Das Wunder ausdauernden Betens hat den Ungläubigen
bekehrt, Menschen in Gefahr geschützt und dem
Strauchelnden wieder Halt gegeben.
ihr das Material für die Heim-PV zuzu-
schicken, um ihr die Arbeit zu er-
leichtern. Die Schwester war fest ent-
schlossen; sie wollte beten, sie wollte mit
den Kindern zusammenkommen und
sie wollte im Glauben Ausdauer zeigen.
Bei meiner Rückkehr nach Salt Lake
City half mir die damalige Präsidentin
La Vera Parmley, und man schickte der
Frau das Material für die Heim-PV
sowie ein Abonnement des „Children's
Friend" (frühere Zeitschrift der Kirche
für Kinder).
Jahre später erwähnte ich auf einer
Pfahlkonferenz des Pfahls Brisbane Au-
stralien während der Priestertums-
versammlung die Lage dieser gläubigen
Frau und ihrer Kinder. Ich sagte: ,, Eines
Tages würde ich gerne erfahren, ob diese
Heim-PV ein Erfolg gewesen ist, und ich
würde gerne den Ehemann und Vater
dieser guten Familie kennenlernen, der
kein Mitglied war." Einer der Brüder in
der Versammlung stand auf und sagte:
„Bruder Monson, ich bin Richard Lou-
don, der Mann dieser guten Frau und
der Vater dieser kostbaren Kinder. Das
Gebet und die PV haben mich in die
Kirche gebracht." Die Macht des Ge-
bets wurde mir auch im vergangenen
Winter wieder besonders bewußt. Ich
hatte viele tausend Kilometer im Süden
in der schönen Stadt Buenos Aires eine
Pfahlkonferenz zu besuchen. Dabei hat-
37
te ich etwas Zeit, um in den historischen
Palermo-Park zu gehen, der sehr schön
mitten in der Innenstadt liegt. Mir kam
in den Sinn, daß dies geheiligter Boden
war, denn dies war der Ort, wo am
Weihnachtstag 1925 Melvin J. Ballard,
ein Apostel des Herrn, ganz Südamerika
für die Verkündigung des Evangeliums
geweiht hat. Und wie ist hier ein in-
spiriertes Gebet in Erfüllung gegangen,
wenn man heute sieht, wie das Wachs-
tum der Kirche in diesen Ländern alle
Erwartungen übertrifft.
In diesem Park steht auch ein großes
Denkmal von George Washington, dem
Vater und ersten Präsidenten der Ver-
einigten Staaten von Nordamerika. Als
ich mir dieses Denkmal ansah, wander-
ten meine Gedanken zu einem anderen
historischen Ort zurück, an dem das
Gebet eine wichtige Rolle gespielt hat —
nämlich Valley Forge. Hier war es, wo
dieser Washington seine übel zuge-
richteten hungrigen und schlecht beklei-
deten Truppen in die Winterquartiere
führte.
Heute steht in Valley Forge in einem
stillen Wald ein großes Denkmal von
Washington. Man sieht ihn aber nicht
auf einem stürmenden Roß oder wie er
als Held über ein Schlachtfeld blickt -
man sieht ihn in demütigen Gebet auf
den Knien, wie er den Gott des Himmels
um Hilfe anfleht. Beim Anblick dieses
Denkmals fallen einem die oft gehörten
Worte ein: ,,Ein Mensch steht nie größer
da, als wenn er auf den Knien betet."
Männer und Frauen mit Charakter-
stärke und Zielstrebigkeit haben immer
eine höhere Macht als sich selbst an-
erkannt und durch das Gebet danach
gestrebt, von dieser Macht geführt zu
werden. So ist es immer gewesen, und so
soll es immer sein.
Ganz am Anfang erhielt unser Vater
Adam das Gebot, daß er Gott immerdar
im Namen seines Sohnes anrufen solle.
Adam hat gebetet. Abraham hat ge-
betet. Isaak hat gebetet. Mose hat ge-
betet, und so hat jeder Prophet zu Gott
gebetet und von ihm Kraft erhalten. Wie
der Sand, der durch die Sanduhr rinnt,
sind Generationen von Menschen ge-
boren, haben gelebt und sind gestorben.
Schließlich trat jenes glorreiche Ereignis
ein wovon Psalmisten gesungen haben
und für das Märtyrer gestorben sind und
worauf die ganze Menschheit gehofft
hat.
Die Geburt des göttlichen Kindes in
Bethlehem war überwältigend in ihrer
Schönheit und einzigartig in ihrer Be-
deutung. Jesus von Nazareth hat die
Prophezeiungen erfüllt. Er reinigte Aus-
sätzige, öffnete Augen von Blinden und
die Ohren von Tauben, stellte Leben
wieder her, lehrte die Wahrheit und
errettete alle Menschen. Und in dem
allen hat er den Vater im Himmel geehrt
und uns allen ein Beispiel gegeben, dem
wir nacheifern sollen.
Mehr als irgendein anderer geistiger
Führer hat er uns gezeigt, wie wir beten
sollen. Wer könnte seine Seelenqualen
und sein inbrünstiges Gebet im Garten
Gethsemane vergessen: „Mein Vater,
ist's möglich, so gehe dieser Kelch an
mir vorüber; doch nicht wie ich will,
sondern wie du willst" (Matthäus
26:39). Und sein Gebot: ,, Wachet und
betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet"
(Matthäus 26:41).
Wir erinnern uns auch an seinen Rat:
„Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein
wie die Heuchler, die da gerne stehen
und beten in den Synagogen und an den
Ecken auf den Gassen, auf daß sie von
den Leuten gesehen werden . . . Wenn
du aber betest, . . . bete zu deinem Vater,
der im Verborgenen ist; und dein Vater,
der in das Verborgene sieht, wird dir's
vergelten öffentlich" (Matthäus 6:5, 6).
Diese Anleitung hat vielen, die sich in
innerem Aufruhr befanden, den Frieden
38
entdecken helfen, nach dem sie so in-
brünstig verlangt und auf den sie so
ernsthaft gehofft haben.
Leider werden manche Menschen durch
Wohlstand, durch Ansehen und durch
das Lob der Welt zu einem falschen
Gefühl der Sicherheit und zu einer
hochmütigen Sicherheit geführt, und sie
sind nicht mehr geneigt zu beten. Umge-
kehrt ist es so, daß Prüfungen und
Leiden, Krankheit und Tod die Burgen
des menschlichen Stolzes brechen, den
Menschen auf die Knie zwingen und ihn
veranlassen, nach Kraft aus höherer
Quelle zu streben.
Ich glaube, daß sich in den Schrecken
des Zweiten Weltkrieges mehr Men-
schen Zeit zum Beten genommen haben
als zu irgendeiner anderen Zeit in unse-
rer Geschichte. Wer kann das Bangen
der Mütter, Frauen und Kinder er-
messen, die um den Schutz des All-
mächtigen für die Söhne, Männer und
Väter im tödlichen Kampf gebetet ha-
ben. Gebete werden gehört.
Herzergreifend ist das Beispiel einer
Mutter in Amerika, die für das Wohl-
ergehen ihres Sohnes betete, der mit dem
Schiff auf dem blutigen Kriegs-
schauplatz des Pazifiks unterwegs war.
Jeden Morgen erhob sie sich vom Gebet
und ging als Freiwillige in die Fabrik, wo
Rettungsseile und -ringe für die Männer
auf dem Schlachtfeld erzeugt wurden.
Könnte es sein, daß sich die Arbeit einer
Mutter irgendwie direkt auf das Leben
ihres Sohnes auswirken würde? Alle, die
sie und ihre Familie kannten, waren
ergriffen von dem, was ihr Sohn, Elgin
Staples erzählt hat. Sein Schiff war am
Guadelkanal gesunken. Staples ging
über Bord; aber er überlebte dank eines
Rettungsrings, den, wie eine spätere
Untersuchung ergab, seine eigene Mut-
ter zu Hause in Akron, Ohio, geprüft,
gepackt und abgestempelt hatte.
,,Ich weiß nicht, auf welche einzigartige
Weise, aber dies weiß ich: Gott erhört
unser Gebet. Ich weiß, daß er sein Wort
gegeben, daß mein Gebet stets von ihm
vernommen und früher oder später
erhört wird. Und so warte ich ruhig und
bete." (Eliza M. Hickock, „Prayer", in
„The Best Loved Religions Poems", S.
160.) Mit Recht könnte nun die jüngere
Generation die Frage stellen: „Aber wie
sieht es heute aus? Hört Gott uns immer
noch?" Worauf ich prompt erwidere:
„Die Ermahnung des Herrn an uns, zu
beten ist nicht zeitlich befristet. Wenn
wir an ihn denken, wird er auch an uns
denken."
In den meisten Fällen wehen keine
Flaggen und spielen keine Militär-
kapellen, wenn ein Gebet erhört wird,
Seine Wunder werden oft auf stille und
natürliche Weise vollbracht.
Als ich vor einigen Jahren eine Pfahl-
konferenz in Grand Junction, Colorado,
besuchte, fragte mich der Pfahl-
präsident, ob ich mit einer besorgten
Mutter und einem besorgten Vater spre-
chen könne, deren Sohn angekündigt
hatte, er wolle das Missionsfeld ver-
lassen, nachdem er gerade eben dort
eingetroffen war. Als die Menge der
Konferenzbesucher sich zerstreut hatte,
knieten wir still an einem ruhigen Ort
nieder-- Mutter, Vater, Pfahlpräsident
und ich. Als ich für alle betete, konnte
ich das unterdrückte Schluchen der
traurigen Mutter und des enttäuschten
Vaters hören.
Als wir uns erhoben, sagte der Vater:
„Bruder Monson, glauben Sie wirklich,
unser Vater im Himmel könnte die
angekündigte Entscheidung unseres
Jungen, vor Beendigung seiner Mission
nach Hause zu kommen, ändern? Wie
kommt es bloß, daß meine Gebete jetzt,
wo ich mich so sehr bemühe, das Rechte
zu tun, nicht erhört werden?"
Ich fragte nur: „Wo arbeitet denn ihr
Sohn?"
39
„In Düsseldorf in Deutschland", er-
widerte der Vater.
Da legte ich meine Arme um diese Eltern
und sagte zu ihnen: „Ihre Gebete sind
schon erhört worden. Heute wurden
mehr als achtundzwanzig Pfahl-
konferenzen abgehalten, bei denen
Generalautoritäten zu Besuch gewesen
sind, und ich bin gerade Ihrem Pfahl
zugeteilt worden. Und von all den
führenden Brüdern bin gerade ich es, der
den Auftrag hat, am kommenden
Donnerstag mit den Missionaren in der
Mission Düsseldorf zusammenzu-
kommen."
Ihre Bitte war vom Herrn gehört wor-
den. Es gelang mir, mit ihrem Sohn zu
sprechen. Er ging auf den Wunsch seiner
Eltern ein. Er blieb im Missionsfeld und
erfüllte sehr erfolgreich seine Mission.
Einige Jahre später besuchte ich wieder
den Pfahl Grand Junction in Colorado.
Noch immer war der Vater nicht so weit,
daß er seine große und wunderbare
Familie an sich siegeln lassen konnte,
damit seine Familie eine ewige Familie
werden konnte. Ich sagte ihnen, wenn sie
ernsthaft darum beteten, könnten sie es
schaffen. Ich ließ sie wissen, daß ich
gerne bei dieser heiligen Handlung im
Tempel Gottes amtieren würde, wenn es
soweit sei.
Die Mutter betete ständig, der Vater
strengte sich an, die Kinder drangen
auch in ihren Vater, und alle zusammen-
beteten sie. Das Ergebnis? Lassen Sie
mich Ihnen aus einem Brief vorlesen,
den ihr kleiner Sohn Todd am Morgen
des Vatertages unter das Kopfkissen des
Vaters gelegt hat.
„Lieber Papa!
40
Ich liebe Dich für das, was Du bist, und
für das, was Du nicht bist. Warum hörst
Du nicht auf zu rauchen? Millionen
Menschen haben es geschafft . . warum
kannst Du es nicht? Es ist schädlich für
Deine Gesundheit, für Deine Lungen
und für Dein Herz. Wenn Du das Wort
der Weisheit nicht befolgen kannst,
kannst Du nicht mit mir, Skip, Brad,
Marc, Jeff, Jeannie, Pam und ihren
Familien in den Himmel kommen. Wir
Kinder halten uns an das Wort der
Weisheit. Warum kannst Du es nicht?
Du bist doch stärker, und Du bist ein
Mann. Papa, ich möchte Dich auch im
Himmel sehen. Wir alle möchten das.
Wir wollen eine ganze Familie im Him-
mel sein — nicht nur eine halbe.
Papa, Du und Mama, ihr solltet Euch
zwei gebrauchte Räder besorgen und
anfangen, jeden Abend durch den Park
zu fahren. Du lachst vielleicht jetzt
darüber, aber ich würde an Deiner Stelle
nicht lachen. Du lachst über die alten
Leute, die im Dauerlauf durch den Park
laufen, mit dem Fahrrad fahren oder
Spazierengehen, aber diese Leute werden
älter werden als Du. Weil sie etwas für
ihre Lunge, für ihr Herz und für ihre
Muskeln tun. Sie werden zuletzt lachen.
Bitte, Papa, sei lieb — rauche und trinke
nicht mehr, und tu nichts mehr gegen
unsere Religion. Wir wollen, daß Du bei
unserem Schulabschluß dabei bist.
Wenn Du mit dem Rauchen aufhörst
und Dich mit guten Dingen befaßt wie
wir, dann können Du und Mama mit
Bruder Monson in den Tempel gehen
und ihr könnt Euch aneinander und wir
uns an Euch siegeln lassen.
Komm, Papa, schieb es nicht länger auf
— Mama und wir Kinder warten nur auf
Dich. Wir wollen für immer mit Dir
leben. Wir lieben Dich. Du bist der
Größte, Papa.
In Liebe
Dein Todd
PS Und wenn ein anderer von uns einen
solchen Brief geschrieben hätte, hätte er
das gleiche geschrieben.
PPS Mr. Newton hat mit dem Rauchen
aufgehört. Du kannst es also auch. Du
stehst doch Gott näher als Mr. New-
ton!"
Diese inständige Bitte, dieses Gebet des
Glaubens, wurde erhört. Es war ein
unvergeßlicher Abend, als diese Familie
sich vollzählig in einem heiligen Raum
in einem schönen Tempel vereinte. Der
Vater war da. Alle Kinder waren da.
Heilige Handlungen von ewiger Trag-
weite wurden vollzogen. Ein demütiges
Dankgebet brachte diesen lang-
ersehnten Abend zum Abschluß.
Mögen wir immer daran denken . . .
„Der Seele Wunsch ist das Gebet, in
Schmerzen oder Lust, gleich Feuer lodernd,
still es steht und zitternd in der Brust.
Es ist des Christen Lebensbrot, es ist des
Christen Luft, sein Losungswort bis hin zum
Tod, mit ihm tritt er zur Gruft.""
(Gesangbuch der Kirche, Nr. 109.)
Jesus Christus hat uns gelehrt, wie wir
beten sollen. Daß jeder von uns dies
lernen und es auch tun möge, das ist
meine ernsthafte Aufforderung und dar-
um bete ich aufrichtig im Namen Jesu
Christi. Amen.
41
Die Primarvereinigung bereichert das
Leben der Kinder
David B. Haight
vom Rat der Zwölf Apostel
D
'er Heiland, der jede kostbare
Gelegenheit benutzte, um seine An-
hänger zu belehren, wurde einmal mit
einer strittigen Frage konfrontiert. Seine
Jünger wollten gerne wissen, welche
Stellung sie einmal einnehmen würden.
Einer von ihnen fragte: „Wer ist doch
der Größte im Himmelreich?" Sogleich
rief der Herr ein Kind zu sich, stellte es
mitten unter sie und fragte: „Wenn ihr
nicht umkehret und werdet wie die
Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmel-
reich kommen." Und dann sagte er
noch: „Wer nun sich selbst erniedrigt
wie dies Kind, der ist der Größte im
Himmelreich."
Hat nicht der Heiland bei diesem Vorfall
von den Erwachsenen verlangt, daß sie
ihre Kindheit wiederfinden sollten, daß
sie ihre Schwächen oder alles Böse
ablegen müßten? Der Glaube der Kind-
heit muß wiedergewonnen werden.
„Und wer ein solches Kind aufnimmt in
meinem Namen, der nimmt mich auf."
Und vielleicht drückte der Heiland das
Kind an sich, als er sagte: „Wer aber
Ärgernis gibt einem dieser Kleinen, die
Aus einem bescheidenen Anfang in einer kleinen
Mormonenstadt ist eine große Organisation zum Segen der
Kinder hervorgegangen .
an mich glauben, dem wäre besser, daß
ein Mühlstein an seinen Hals gehängt
und er ersäuft würde im Meer, wo es am
tiefsten ist" (Matthäus 18:1, 3-6).
Es kostet einen erschreckenden Preis, die
Reinheit kleiner Kinder zu zerstören; ihr
Recht auf Wahrheit und Liebe ist ein
unveräußerliches Recht, ganz gleich,
was mit ihnen in späteren Jahren ge-
schehen mag.
Letztes Jahr im Oktober hat die Pfahl-
PV in Bountiful, Utah, die Kinder
aufgefordert, sich Geld zu verdienen,
um damit Exemplare des Buches Mor-
mon zu kaufen - - sie sollten das Geld
durch eigene Arbeit verdienen und da-
von die Bücher kaufen.
Die Kinder schrieben alle ihr Zeugnis
auf die Innenseite und klebten ihr Foto
dazu. 620 Exemplare des Buches Mor-
mon mit Bildern und Zeugnissen wur-
den an die Missionen geschickt.
Vor ein paar Tagen bekam nun eins
dieser PV-Kinder, die kleine Sarah Ri-
chards, folgenden Brief von Mrs. Earl
Mock aus Tucson, Arizona:
„Liebe Sarah, vielen herzlichen Dank
für das Buch Mormon mit deinem Foto
auf der Innenseite, das Du uns geschickt
hast. Du bist ein hübsches Mädchen und
ein sehr nettes. Ich werde das Buch und
Dein Foto und Dein Zeugnis immer in
Ehren halten.
42
Ich habe das Buch gerade ganz durch-
gelesen, und ich glaube auch, daß es
wahr ist. Es hat mir sehr gefallen, und
ich werde es noch viel öfter lesen.
Noch einmal herzlichen Dank, und
möge Gott Dich segnen."
Die Primarvereinigung. Wie ist sie ent-
standen? Hat der Herr den Heiligen in
Kirtland nicht verheißen, wenn sie Ge-
duld und Glauben hätten, würde alles
zum Guten für sie zusammenwirken,
und in dem Maße, wie das Evangelium
sich entfalten würde, würde er ihnen
Zeile um Zeile und Vorschrift um Vor-
schrift geben? (LuB 98:2, 3, 12).
Aurelia Rogers aus Farmington, Utah,
erhielt vor einhundert Jahren die In-
spiration, daß es eine Kinderstunde
geben solle. Es bestand ein Bedürfnis,
die Kinder ihrem Verständnis ent-
sprechend in den Grundsätzen des
Evangeliums zu unterweisen und sie
zudem noch gutes Benehmen und
Sauberkeit zu lehren.
Im Jahre 1878 war Farmington in Utah
ein kultiviertes Gemeinwesen mit über
1 200 Einwohnern und einer schönen
steinernen Kirche. Sie hatten eine
Frauenhilfsvereinigung, eine Literari-
sche Gesellschaft für Junge Männer und
eine Gemeinschaftliche Fortbildungs-
vereinigung für Junge Damen und eine
Blaskapelle.
Aber trotz all dieser geistigen und
kulturellen Einflußmöglichkeiten hatte
Farmington, wie andere Gemeinden
auch, seine Probleme mit der heran-
wachsenden Generation - - kleine Jun-
gen, die spät abends noch auf den
Straßen waren und in der Dunkelheit
Schelmenstreiche begingen. Es mußte
etwas dagegen unternommen werden.
Bischof John W. Hess, ein Veteran des
Mormonenbataillions, berief eine Ver-
sammlung der Eltern ein und forderte
diese dringend auf, mehr auf ihre Kinder
aufzupassen. Diese Zustände machten
auch Aurelia Rogers Sorgen. Sie dachte
sehr viel darüber nach und betete.
Im März 1878 besuchten Eliza R. Snow
und andere Frauen eine FHV-Kon-
ferenz in Farmington. Aurelia Rogers
schrieb später darüber: ,,Nach der Ver-
sammlung kamen diese Schwestern auf
dem Weg zum Bahnhof noch bei mir
vorbei. Unsere Unterhaltung drehte sich
um die jungen Leute und die rauhe und
gleichgültige Art vieler junger Männer
und Jungen. Ich stellte die Frage: ,Wie
sollen denn unsere Mädchen einmal
einen guten Mann finden, wenn sich das
Benehmen nicht bessert? Könnte es
nicht eine Organisation für kleine Jun-
gen geben, in der sie geschult werden,
einmal bessere Männer zu werden?"'
(Aurelia Rogers, „Life Sketches", S.
207-208).
Eliza R. Snow schien von dieser Frage
tief beeindruckt und sagte, sie wolle mit
den Führern der Kirche darüber spre-
chen.
Brigham Young war ein paar Monate
vorher gestorben. Die Zwölf mit John
Taylor als Präsidenten des Rates präsi-
dierten über die Kirche.
Kurze Zeit später erhielt Bruder Hess,
der Bischof, die Genehmigung, eine
neue Organisation für Kinder zu schaf-
fen. Bruder Hess fragte Aurelia Rogers,
ob sie bereit sei, die Leitung einer
solchen Organisation zu übernehmen.
Sie war bereit.
Aurelia Rogers dachte nun über die
Möglichkeit einer Organisation für Jun-
gen nach. Darüber schrieb sie: „Ein
Feuer schien in mir zu brennen. Dann
bewegte mich die Frage, ob es nicht eine
Organisation für kleine Jungen geben
könnte, wo sie alles Gute lernen konn-
ten, und wie man sich benimmt" (Ro-
gers, S. 207).
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die
kleinen Mädchen noch nie erwähnt
worden, aber Schwester Rogers hatte
43
das Gefühl, daß die Kinderstunde ohne
die Mädchen nicht vollständig wäre. Die
Organisation erhielt den Namen
,, Primarvereinigung". Am 11. August
1878 wurde Aurelia Rogers von Bruder
Hess als Leiterin dieser ersten Primar-
vereinigung eingesetzt. Auf seinen Vor-
schlag hin besuchte Aurelia Rogers und
ihre beiden neuen Ratgeberinnen Louisa
Haight und Helen Miller, alle Familien,
um sich die Namen aller Kinder geben
zu lassen und zu sehen, ob die Eltern
bereit waren, ihre Kinder in die Primar-
vereinigung zu schicken. Nach dieser
sorgfältigen Vorbereitung kamen am 25.
August 1878 115 Jungen und 100 Mäd-
chen zur ersten Versammlung der
Primarvereinigung ins Gemeindehaus.
Die Bürger, die an diesem denkwürdigen
Tag am Gemeindehaus vorbeikamen,
hörten die Kinderstimmen singen:
„In die Kirche unsres Herrn
kommen alle Kinder gern, denn sie möchten
seihen Willen immer tun. Sie sind
aufmerksam und still, hören zu, wie Gott es
will, um zu leben nach dem Evangelium.
Horch, horch, horch, die Kinder singen! O,
wie singen sie so schön, wenn sie liebevoll
und rein wie die Engel wollen sein und mit
Andacht und voll Freud zur Kirche geht.'''
(„Sing mit mir", B- 24.)
Heute ehrt die Kirche eine gläubige und
hervorragende Pionierfrau. Aurelia Ro-
gers ist durch Not, der sie von Kindheit
an ausgesetzt gewesen ist, und Prüfun-
gen, durch Entschlossenheit und Liebe
gewachsen. Ihr Glaube hat von Erlebnis
zu Erlebnis und von Prüfung zu Prüfung
zugenommen. Wie war ihr Werdegang?
Orson Spencer und seine sechs Waisen-
kinder fuhren mit der Fähre über den
Missouri und zogen in aller Eile in ihr
noch nicht fertiges Blockhaus in Winter-
Quarters ein. Ihre Mutter war ge-
storben, kurz nachdem die Familie nach
Nauvoo gezogen war.
Die Familie mußte sich dort eingelebt
haben, bevor ihr Vater nach England
fuhr — er war von Brigham Young
berufen worden, dort eine Zeitung für
die Kirche herauszugeben. Orson Spen-
cer hatte seine beiden ältesten Töchter,
die 14jährige Ellen und die 12jährige
Aurelia, so geschult, daß sie für die vier
jüngeren Geschwister die Rolle von
Vater und Mutter übernehmen konnten.
44
Er kaufte acht Kühe, damit sie genug
Milch zum Trinken und zum Verkaufen
hatten. Außerdem hatten sie noch ein
Pferd, das sie notfalls verkaufen konn-
ten, um sich Lebensmittel zu kaufen.
Der Winter, der nun kam, war lang, kalt
und einsam. Viele Menschen starben in
Winter-Quarters. Aurelia schrieb in ihr
Tagebuch: „Den ersten Teil des Winters
überstanden wir ganz gut. Unser Pferd
und alle unsere Kühe bis auf eine waren
gestorben . . . , wir hatten also keine
Milch und keine Butter mehr; unsere
Lebensmittelvorräte waren auch fast
erschöpft. Wir litten wirklich Hunger.
Teilweise hatten wir nichts anderes als
Maismehl, das wir mit Wasser ver-
rührten und auf dem Backblech aus-
backten. So manche Nacht bin ich ohne
Abendbrot ins Bett gegangen und mußte
warten bis ich genügend Hunger hatte,
um unser kärgliches Mahl zu essen"
(Rogers, S. 48, 50-51).
Eines Tages besuchte Brigham Young
die aus einem Raum bestehende Block-
hütte der Familie Spencer und fand sie
ordentlich und die Kinder sauber vor.
Ihr Vater war jetzt ein Jahr von zu Hause
weg. Die Heiligen fingen gerade mit den
Vorbereitungen für ihren Auszug nach
dem Westen an.
Die Kinder erzählten Präsident Young,
daß ihr Vater ihnen oft schrieb und
ihnen Anweisungen gab, was sie an-
ziehen und wie sie sich kämmen sollten,
was sie tun sollten, wenn sie krank
wurden, und wie sie füreinander sorgen
sollten. Präsident Young las den letzten
Brief des Vaters. Dann sagte er zu den
Kindern, er müsse ihnen eine sehr wich-
tige Frage stellen, über die sie nach-
denken sollten. Er fragte: „Was würdet
ihr sagen, wenn euer Vater mindestens
noch ein Jahr in England bliebe? Wir
brauchen ihn dort dringend."
Die Kinder sahen sich an und warteten
dann ab, was Ellen sagen würde, da sie
die älteste war. „Wenn Sie es für das
Beste halten", sagte Ellen bescheiden,
„dann haben wir auch nichts dagegen,
denn wir möchten gerne das tun, was am
besten ist" (Rogers, S. 62).
Sie glaubten an ihren Vater, an seinen
Rat und an den Vater im Himmel. Im
Frühjahr 1848 zogen die Kinder ent-
schlossen und dankbaren Herzens mit
den Heiligen nach dem Westen.
In den zwei Jahren, die der Vater von zu
Hause weg war, hatten die Kinder viel
durchgemacht — sie haben die Prärien
Nordamerikas durchquert und sind
nach Salt Lake City gekommen. Dort
haben sie zuerst im alten Fort gewohnt,
später sind sie in ein Einzimmerhaus aus
Ziegelsteinen gezogen. Verwandte und
Freunde kümmerten sich um die Kin-
der, aber die Hauptverantwortung hat-
ten die beiden ältesten Mädchen, Ellen
und Aurelia, getragen.
Schließlich kehrte Orson Spencer, der
frühere Baptistengeistliche aus Neu-
england, nach Hause zurück. Mit lauten
Rufen, mit Umarmungen und Küssen
wurde er von seinen heldenhaften Kin-
dern begrüßt. Orson Spencer wurde zum
Rektor der neuen Universität Deseret
ernannt. Seine Tochter Aurelia war
kurze Zeit auch Studentin, aber schon
vorher, bei der Fahrt durch die Prärien,
hatte Aurelia Thomas Rogers, einen
jungen Gespannführer kennengelernt
und sich in ihn verliebt. Sie heirateten
und gründeten ihren Hausstand in einer
Blockhütte in Farmington. Hier, an den
Ausläufern des Wasatch-Gebirges, mit
Blick auf den Großen Salzsee, ver-
brachte Aurelia Spencer Rogers den
Rest ihres Lebens. Hier brachte sie zwölf
Kinder zur Welt, von denen sie jedoch
fünf schon in ihrer Kindheit begraben
mußte. Als ihre Kinder älter wurden,
machte sie sich in zunehmenden Maße
Gedanken über den Mangel an ver-
nünftigen Aktivitäten für die Kinder -
45
und das war der Beginn der Primarver-
einigung.
Aurelia Rogers war ein echtes Kind aus
des Schmelzers Feuer (Maleachi 3:2).
Mosiahs Gebot ,,ihr werdet nicht zu-
geben, daß eure Kinder hungrig oder
nackend gehen . . . , das Gesetz Gottes
übertreten . . . sondern ihr werdet sie
lehren, auf den Wegen der Wahrheit . . .
zu wandeln . . ., einander zu lieben und
zu dienen" (Mosiah 4:14, 15), war ein
Teil ihres Lebens.
Aus diesem bescheidenen Anfang in
einer kleinen Mormonenstadt ist eine
weltweite Organisation für die Kinder
hervorgegangen. Alle Teile unseres PV-
Programms stehen im Einklang mit den
Lehren Christi. Ausgewogenheit und
Tugend, gutes Benehmen, Dienst am
Nächsten und Liebe — dies ist der
Zweck und die Kraft der Primarver-
einigung, deren hundertjähriges Be-
stehen wir dieses Jahr begehen.
Zu Beginn der Primarvereinigung gab es
keine Leitfäden für den Unterricht und
keinen Lehrplan. Man lehrte die Kinder
Gehorsam, Glauben an Gott, Beten,
Pünktlichkeit, gutes Benehmen und das
Wort der Weisheit. Eine Schriftstelle
muß Aurelia Rogers besonders viel
Kraft gespendet haben, nämlich: „Wer-
det deshalb nicht müde, Gutes zu tun,
denn ihr legt den Grund zu einem
großen Werke, und aus dem Kleinen
entspringt das Große" (LuB 64:33).
Die Primarvereinigung wird auch in
Zukunft ihren Zweck erfüllen und das
Leben der Kinder bereichern - nicht
nur zum Segen des einzelnen Kindes,
sondern auch zum Segen seiner Familie
und seiner Freunde. Jedes Kind muß
wissen, daß es einen Vater im Himmel
hat, der es liebt. Jedes Kind muß
Glauben an Jesus Christus entwickeln,
und es muß von dem Willen beseelt sein,
nach seinem Evangelium zu leben, um
dem Druck und den Problemen der
heutigen Welt standhalten zu können.
Die Primarvereinigung ist für die Kinder
da. Aurelia Rogers hat in ihrem Buch
geschrieben: „Warum sollte irgend et-
was vor die heiligste Pflicht der Eltern
treten dürfen, nämlich die Pflicht, sich
um die geistige Wohlfahrt der Kinder zu
kümmern? Das war die Frage, die mir
immer wieder durch den Kopf ging"
(Rogers, S. 206).
Die Primarvereinigung trägt zwar eine
große Verantwortung, aber die Auf-
gabe der Eltern ist noch größer. Es gilt
gegen so vieles anzukämpfen: gegen
schlechte Sendungen im Fernsehen, das
Drogenproblem, die Verherrlichung
von Gewalttätigkeiten und die beson-
ders für Kinder verderbliche Pornogra-
phie. Untersuchungen haben ergeben,
daß viele amerikanische Kinder oft den
halben Tag fernsehen. Bis zu ihrem 12.
Lebensjahr werden sie dabei den gewalt-
samen Tod von 18.000 Menschen ge-
sehen haben. Sie werden 10.720 Stunden
vor dem Fernseher verbracht haben und
selbst bei hundertprozentiger Anwesen-
heit nur 352 Stunden in der Primarver-
einigung.
Heute ehren wir nicht nur Aurelia
Rogers, sondern alle PV-Beamtinnen
und -Lehrerinnen, die uns in den ersten
hundert Jahren unterrichtet haben. Au-
relia Rogers Motto war:
„Unsere Kinder sind unsere Edelsteine.
Wir haben die Kosten wohl berechnet.
Mögen die Engel immer über sie wa-
chen, daß nicht ein Kind verlorengehe."
Rogers, S. III
Mögen wir als Eltern und geistige Füh-
rer verstehen, was der Herr gemeint hat,
als er sagte: „Wenn ihr nicht umkehret
und werdet wie die Kinder, so werdet ihr
nicht ins Himmelreich kommen" (Mat-
thäus 18:3). Im Namen Jesu Christi.
Amen.
46
Betrüben wir nicht den Heiligen
Geist, damit wir ihn nicht verlieren
James A. Cullimore
vom Ersten Kollegium der Siebzig
„Wir haben einen Freund, wenn wir ihn nicht durch Sünde
vertreiben; dieser Freund ist der Heilige Geist.'"
M,
.eine Brüder und Schwestern, ich
bringe Ihnen die Grüße der Mitglieder in
Großbritannien und Südafrika. Es ist
eine Freude zu sehen, wie das Werk
Gottes in diesen Ländern vorangeht. Es
gibt jetzt 27 Pfähle in Großbritannien
und einen in Südafrika. Die Führung ist
im allgemeinen stark, und das Werk
geht voran zum Segen der Menschen.
Und es muß schon etwas Besonderes für
die Mitglieder dort sein, daß sie nun eine
Generalautorität aus ihrem eigenen
Land haben. Bruder Cuthbert. ich glau-
be, ich kann mir das Recht nehmen,
Ihnen die Glückwünsche und den Segen
der Mitglieder in Ihrer Heimat zu über-
bringen. Wir beglückwünschen Sie.
Es ist mir eine Freude, in diesem Gebiet
dem Herrn zu dienen. Wenn ich jedes
Wochenende die Pfähle besuche, frage
ich den Pfahlpräsidenten oft, was seine
größte Sorge im Pfahl sei. Und oft lautet
die Antwort: „Der Mangel an Hingabe
bei den einzelnen Mitgliedern, der Man-
gel an Entschlossenheit, das Werk des
Herrn an die erste Stelle in ihrem Leben
zu setzen." Dabei muß ich an die Worte
Nephis denken:
„Und ich hörte eine Stimme vom Vater
sagen: Ja, die Worte meines Vielgelieb-
ten sind wahr und getreu. Wer bis ans
Ende ausharrt, wird selig werden.
Und nun, meine geliebten Büder, möchte
ich euch fragen, ob alles getan ist,
nachdem ihr diesen geraden und engen
Weg betreten habt? Sehet, ich sage euch:
Nein, denn ihr seid nur durch das Wort
Christi so weit gekommen, durch uner-
schütterlichen Glauben an ihn, indem
ihr euch ganz auf die Verdienste dessen
verließet, der mächtig ist, selig zu ma-
chen.
Daher müßt ihr mit Standhaftigkeit in
Christus vorwärtsstreben und voll-
kommen klare Hoffnung und Liebe zu
Gott und allen Menschen haben. Wenn
ihr daher vorwärtsstrebt und euch an
dem Wort Christi weidet und bis ans
Ende ausharrt, sehet, dann sagt der
Vater: Ihr sollt ewiges Leben haben" (2.
Nephi 31:15, 19, 20).
Wie wichtig ist es doch, das Licht des
Heiligen Geistes zu haben, das uns die
Richtung weist. Der Heilige Geist, der
durch das Priestertum wirkt, kann unser
Leben so viel reicher machen.
„Und das Licht, das jetzt leuchtet, das
euch Licht gibt, kommt durch ihn, der
47
eure Augen erleuchtet, und ist dasselbe
Licht, das euer Verständnis belebt.
Dieses Licht geht von der Gegenwart
Gottes aus, um die Unendlichkeit des
Raumes zu füllen" (LuB 88:11, 12).
Der Herr hat zu Frederick G. Williams
gesagt:
„Sei deshalb getreu, wirke in deinem
Amte, das ich dir gegeben habe; stärke
die Schwachen; stütze die Hände, die
erschlaffen, und kräftige die schwachen
Knie.
Und wenn du bis ans Ende getreu bist, so
wirst du in den Wohnungen, die ich im
Hause meines Vaters vorbereitet habe,
eine Krone der Unsterblichkeit und des
ewigen Lebens erlangen" (Lub 81:5, 6).
Gott gibt jedem seiner Kinder seinen
Geist, um ihnen zu helfen, die Gebote zu
halten und den Zweck ihres Lebens zu
erfüllen. Aber wie geschrieben steht:
„Was kein Auge gesehen hat und kein
Ohr gehört hat und in keines Menschen
Herz gekommen ist, was Gott bereitet
hat denen, die ihn lieben.
Uns aber hat es Gott offenbart durch
seinen Geist; denn der Geist erforscht
alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit
Wir aber haben nicht empfangen den
Geist der Welt, sondern den Geist aus
Gott, daß wir wissen können, was uns
von Gott geschenkt ist.
Und davon reden wir auch nicht mit
Worten, welche menschliche Weisheit
lehren kann, sondern mit Worten, die
der Geist lehrt" (1. Korinther 2:9, 10, 12,
13).
Von Präsident Lorenzo Snow erfahren
wir folgendes darüber, welchen Nutzen
es uns bringt, nach dem Geist zu trach-
ten:
„Es gibt einen Weg, wie man sein
Gewissen vor Gott und den Menschen
rein halten kann. Es besteht darin, daß
man den Geist Gottes bei sich behält,
der der Geist der Offenbarung für jeder-
mann ist. Er offenbart einem selbst bei
einfachsten Fragen, was man tun soll,
indem er einem Hinweise gibt. Wir
müssen versuchen, das Wesen dieses
Geistes zu ergründen, damit wir seine
Hinweise verstehen; dann werden wir
immer imstande sein, das Rechte zu tun.
Das ist das Recht eines jeden Heiligen
der Letzten Tage. Wir wissen, daß es
unser Recht ist, jeden Tag vom Geist
geführt zu werden. Der Geist ist in jedem
Menschen, so daß sie es überhaupt nicht
nötig haben, in der Finsternis zu wan-
deln, und es ist gar nicht notwendig, daß
sie immer zum Präsidenten der Kirche
oder zu den zwölf Aposteln oder den
Ältesten Israels kommen, um sich Rat
zu holen; sie haben ihn in sich. Von dem
Zeitpunkt an, wo wir das Evangelium
annehmen, uns taufen und im Anschluß
daran die Hände auflegen lassen, um die
Gabe des Heiligen Geistes zu empfan-
gen, haben wir einen Freund, wenn wir
ihn nicht durch Sünde vertreiben. Dieser
Freund ist der Heilige Geist, der an den
Dingen Gottes teilhat und sie uns zeigt.
Es ist ein großes Hilfsmittel, das uns der
Herr bereitet hat, damit wir das Licht
erkennen und nicht ständig in der
. Finsternis umherirren müssen"
(Generalkonferenz April 1899).
Der Apostel Paulus hat uns ermahnt,
den Heiligen Geist nicht zu betrüben,
damit wir ihn nicht verlieren. Er hat
gesagt:
„Und betrübet nicht den heiligen Geist
Gottes, mit dem ihr versiegelt seid auf
den Tag der Erlösung.
Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn
und Geschrei und Lästerung sei ferne
von euch samt aller Bosheit.
Seid aber miteinander freundlich, herz-
lich und vergebet einer dem anderen,
gleichwie Gott euch vergeben hat in
Christus" (Epheser 4:30-32).
Harold B. Lee hat gesagt: „Ich habe
etwas gelernt, was mich der Geist Gottes
48
gelehrt hat, und ich weiß jetzt, daß
Sicherheit auf dieser Welt nicht an einem
bestimmten Ort zu finden ist; es spielt
also keine so große Rolle, wo wir leben;
sondern das Entscheidende ist, wie wir
leben. Und ich habe festgestellt, daß
Israel nur dann in Sicherheit leben kann,
wenn es die Gebote hält, wenn es so lebt,
daß es sich der Begleitung, der Führung
und des Trostes des Geistes des Herrn
erfreuen kann; wir müssen bereit sein,
auf die Männer zu hören, die Gott
hierher gesetzt hat, um als seine Spre-
cher zu präsidieren, und wir müssen die
Ratschläge der Kirche befolgen"
(Generalkonferenz, April 1943).
Das Herzblut der Kirche ist der Heilige
Geist, der durch das heilige Priestertum
wirkt. Die Kirche wird bei jedem ihrer
Schritte durch Offenbarung geführt.
Der Herr hat zu Oliver Cowdery gesagt:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: So
wahr der Herr lebt, der dein Gott und
Erlöser ist, so sicher wirst du Erkenntnis
von allen Dingen erlangen, worüber du
mich im Glauben und aufrichtigen Her-
zens fragen wirst, vertrauend darauf,
daß du . . . erhalten werdest.
Ja, siehe, ich will es deinem Verstand
und deinem Herzen durch den Heiligen
Geist verkünden, der über dich kommen
und in deinem Herzen wohnen wird.
Siehe, dies ist der Geist der Offenba-
rung" (LuB 8:1-3).
Auf diese Weise erhält auch der Präsi-
dent der Kirche seine Weisungen.
Es ist derselbe Geist, der auch dem
Pfahlpräsidenten, dem Bischof der
Gemeinde und dem einzelnen Mitglied
der Kirche den Weg weist.
Meine Brüder und Schwestern, ich habe
ein Zeugnis von diesem großen Werk.
Ich habe dieses Zeugnis auch durch den
Heiligen Geist erhalten. Im Namen Jesu
Christi. Amen.
49
Sich von der Welt unbefleckt halten
Georg P. Lee
vom Ersten Kollegium der Siebzig
M,
.eine lieben Brüder und Schwestern,
ich will meine Worte an die jungen
Menschen der Kirche richten. Ich liebe
die Jugend der Kirche. Ich glaube auf-
richtig, daß die jungen Leute von heute
die auserlesensten jungen Leute sind, die
je auf Erden gelebt haben. Einer der
Gründe, warum ich das weiß, sind die
außergewöhnlich hingebungsvollen
Missionare, die ich in der Mission Arizo-
na Holbrook leite. Die Missionare von
heute sind besser vorbereitet, sind reifer
und sind geistiger eingestellt als je zuvor.
Sie, die Jugend von heute, zählen zu den
Tapfersten, sie gehören zu den erlesen-
sten aller Geister im vorirdischen Da-
sein; und Gott hat Sie zurückbehalten,
um in dieser gefahrvollen Zeit, in den
Letzten Tagen, für einen von Gott
bestimmten Zweck auf die Erde zu
kommen. Die auserwählten Geister, die
heute auf die Erde kommen, waren
schon im vorirdischen Dasein aus-
erwählt, bevor sie hierherkamen. Und
der Grund, warum sie im Himmel
auserwählt waren, war der, daß sie
gehorsam und tapfer waren und sich
genau an die Gesetze gehalten haben. Im
Himmel habt ihr im Schauen gelebt; mit
„Man kann nicht gleichzeitig dem Satan und Gott die
Hand halten; eine Hand muß man loslassen."
anderen Worten, ihr habt mit den Au-
gen eures Geistes gesehen, ihr habt Gott
gesehen, ihr habt Jesus Christus, euren
ältesten Bruder, gesehen, und ihr habt
den Satan gesehen.
Als der Satan in jenem Streit im Himmel
rebellierte und euch zu überreden ver-
suchte, ihm zu folgen, da habt ihr für
den Herrn gefochten. Ihr ward treu und
standhaft. Ihr habt euch genau an die
Gesetze Gottes gehalten und genau das
getan, was der Herr von euch erwartet
hat.
Und heute, in diesen Letzten Tagen, in
dieser kritischen und gefahrenvollen
Zeit, braucht der Vater im Himmel
junge Leute wieder, um sein Werk
voranzutragen. Er braucht euch, die ihr
die Prüfung im Himmel bestanden habt,
euch, die ihr erprobt worden seid, euch,
die ihr treu und standhaft gewesen seid.
Von euch hofft er, daß ihr allen Erschei-
nungen des Bösen auf dieser Welt wider-
steht, daß ihr hier genauso treu und
standhaft seid, wie ihr es vorher gewesen
seid, auf daß ihr in Vorbereitung des
Zweiten Kommens seines einzig-
gezeugten Sohnes, Jesu Christi, eures
ältesten Bruders, eures Erlösers und
Erretters, sein Werk vorantragen möget.
Ihr müßt euch vorbereiten, damit der
Herr euch gebrauchen kann. Dazu
möchte ich folgende Anregungen geben,
um euch zu helfen, euch von der Welt
unbefleckt zu halten:
50
1. Geliebte Jugend, es ist der Wille
Gottes, daß ihr tugendhaft seid. Ihr seid
besonders auserlesen und auserwählt,
ihr seid Söhne und Töchter Gottes. Ihr
seid imstande, tugendhaft zu sein. Der
Herr hat gesagt: „Laß Tugend un-
ablässig deine Gedanken schmücken"
(LuB 121:45).
Vor allem, was ihr besitzt, ist die Tugend
das Wichtigste. Sie ist eine kostbare
Perle. Der Mensch kann sein ganzes
Leben nach Ruhm und Reichtum stre-
ben und dafür arbeiten und schwitzen,
aber euer größter Reichtum und euer
größter Ruhm kommt durch ein tugend-
haftes Leben. Dieser Reichtum und
dieser Ruhm sind innerer Friede und
Friede mit euren Mitmenschen und mit
Gott, die Freuden und das Glück eines
rechtschaffenen Lebens. Der Ruhm, daß
euer Name in Gottes Buch des Lebens
aufgezeichnet ist als eines Menschen, der
treu und standhaft ist und den Herrn
liebt, ist viel wichtiger als alles Lob und
alle Herrlichkeit der Welt.
Laßt Tugend und Reinheit euer Schild
und eure Bewaffnung sein, dann werdet
ihr unbesiegbar sein. Aber so kostbar die
Tugend auch ist, ihr müßt sie offen
tragen und nicht im Keller verstecken
wie Kronjuwelen.
Der Apostel Paulus hat erklärt: „Wenn
jemand den Tempel Gottes verdirbt, den
wird Gott verderben, denn der Tempel
Gottes ist heilig; der seid ihr" (1 . Korin-
ther 3:17).
Spottet nicht Gott, ihr jungen Leute. Die
Tugend ist das Gesetz Gottes.
2. Meine jungen Freunde, es ist der
Wille Gottes, daß ihr ohne Unterlaß
betet. In meiner Kindheit in der Navajo-
Reservation habe ich oft in unserer
bescheidenen Hütte auf den Knien ge-
betet. Meine Prüfungen waren nicht
wenige. In diesen Augenblicken habe ich
zum Vater im Himmel gebetet, er möge
mir Glaube, Kraft und Mut geben, um
den Versuchungen widerstehen zu kön-
nen. Und oft, wenn ich auf den Knien
betete, haben meine eigenen Brüder sich
über mich lustig gemacht und gelacht
und gespottet und durch die Spalten der
Hütte gerufen, aber ich habe mich
dadurch nicht ärgern lassen.
Die jungen Menschen, die schon sehr
früh in ihrem Leben niederknien und
Gott im Glauben um Mut bitten, um der
Versuchung widerstehen zu können,
werden merken, daß die Versuchungen
viel von ihrem Glanz verlieren, und
dann ist die Versuchung nur wenig
anziehend. Ebensowenig, wie man voll
ausgewachsen auf die Welt kommen
kann, kann man auch nicht gleich ein
voll ausgewachsenes Zeugnis erhalten,
daß Gott lebt und daß die Kirche wahr
ist. Man fängt klein an, aber man
wächst, wenn man konsequent weiter-
macht.
Euer Glaube braucht Nahrung durch
das Beten. Trainiert die Muskeln des
Glaubens, bis er so stark ist, daß er euch
trägt und stützt. Liebe Jugend, geht auf
eure Knie. Der Herr hat ein Zeugnis für
jeden einzelnen von euch bereit - - ein
Zeugnis, das genau eurer Größe und
euren Bedürfnissen entspricht — aber
ihr müßt darum bitten, daß ihr es
bekommt.
Jeder junge Mann und jedes junge
Mädchen soll beten, bevor sie zu einer
Verabredung ausgehen. Ein Navajojun-
ge aus sehr einfachen, bescheidenen und
armen Verhältnissen ist zu einem ge-
schliffenen Werkzeug Gottes geworden,
weil er auf den Knien gebetet hat. Ein
betender Junge wird zu einem betendem
Mann; und ein betender Mann wird zu
einem Gott.
3. Meine jungen Freunde, es ist der
Wille Gottes, daß ihr für den Herrn
Jesus Christus, für die Kirche und für
seine Gerechtigkeit kämpft und sie ver-
teidigt. Josua nahm eine klare Haltung
ein und verkündete sie für alle, als er
sagte: ,, Wählt euch heute, wem ihr
dienen wollt . . . Ich aber und mein Haus
wollen dem Herrn dienen" (Josua
24:15).
Liebe Jugend, ihr müßt das gleiche tun.
Ihr müßt die gleiche Entscheidung tref-
fen. Bei jeder neuen Versuchung müßt
ihr bereits wissen, wie eure Ent-
scheidung oder Reaktion aussieht, näm-
lich, daß ihr dem Herrn dienen wollt. Ihr
müßt nach Gottes Lob und nicht nach
dem der Menschen trachten.
Als Navajojunge, der in einer Reserva-
tion aufgewachsen ist, und als einziger
Mormone in der Familie wurde ich viele
Male von Freunden auf die Probe ge-
stellt, deren Wertmaßstäbe nicht so
hoch waren wie meine. Selbst mein eigen
Fleisch und Blut, meine eigenen Brüder
und Schwestern, haben mich auf die
Probe gestellt.
Zwei, drei, vier meiner Brüder waren so
entschlossen, daß ich auch nach ihrem
Lebensstil leben sollte, daß sie mich
eines Tages angriffen und versuchten,
meine Arme und Beine zu fesseln. Wenn
ich mich dann nicht mehr wehren konn-
te, wollten sie Wein und Bier in mich
hineinschütten. Aber ihr Vorhaben miß-
lang ihnen. Ich wehrte mich mit allen
Kräften und allem Mut, den ich hatte.
Es gelang mir, ihnen zu entkommen.
Aber ich liebte sie dennoch und bat den
Vater im Himmel, ihnen zu vergeben.
Geliebte Jugend, ihr müßt es ebenso
machen; ihr müßt für den Herrn ein-
treten, selbst gegen euer eigen Fleisch
und Blut, selbst gegen eure eigenen
Brüder und Schwestern, selbst gegen
eure Familie und eure Freunde, wenn es
notwendig ist.
4. Geliebte Jugend, es ist der Wille
Gottes, daß ihr nur ihm dient und nicht
dem Bildnis eures eigenen Gottes nach-
geht. Der Herr hat gesagt: ,,Sie suchen
nicht den Herrn, um seine Gerechtigkeit
aufzurichten, sondern jedermann geht
seinen eigenen Weg nach dem Bilde
seines eigenen Gottes, dessen Bild dem
der Welt gleicht und dessen Wesen das
eines Götzen ist" (LuB 1:16).
Geliebte Jugend, man kann nicht gleich-
zeitig dem Satan und Gott die Hand
halten; eine Hand muß man loslassen.
Wenn ihr harte Rockmusik oder irgend-
einen anderen weltlichen Götzen mehr
verehrt als Geistiges, dann haltet ihr die
Hand des Satans und wandelt in der
Finsternis. Ihr werdet gefühllos gegen-
über den Einflüssen des Geistes. Ihr
werdet das Interesse und die Motivation
verlieren, zur Kirche zu gehen oder eine
Mission zu erfüllen. Zweifel und Ängste
werden euren Verstand umnebeln. Ihr
werdet anfangen, euren eigenen Weg
nach dem Bildnis eures eigenen Gottes
zu gehen, „dessen Bild dem der Welt
gleicht und dessen Wesen des eines
52
Götzen ist". Das Bildnis einiger Sport-
asse, Filmstars und Rockstars mit ihrem
Geld und Sportwagen gleicht dem der
Welt, und ihr Wesen ist das eines
Götzen. Betet sie nicht an.
5. Geliebte Jugend, es ist der Wille
Gottes, daß ihr gehorsam seid. Erzieht
euch selbst zum Gehorsam gegenüber
euren Eltern, euren Priestertumsführern
und dem Herrn. Gehorsam führt zu
Erfolg und wahrer Freude; Ungehor-
sam zu Auflehnung und geistigem Ver-
fall. Wenn eure Eltern euch den Rat
geben, nicht auszugehen, bis ihr sech-
zehn seid, dann hört auf sie und folgt
ihrem Rat. Wenn eure Priestertums-
führer euch den Rat geben, keusch zu
sein, dann befolgt ihren Rat. Wenn der
Herr jedem jungen Mann rät, eine
Mission zu erfüllen, dann hört auf
diesen Rat und befolgt ihn. Denn der
Herr hat gesagt: „Ich, der Herr, bin
verpflichtet, wenn ihr tut, was ich sage:
tut ihr es aber nicht, so habt ihr keine
Verheißung" (LuB 82:10).
6. Junge Freunde, es ist der Wille
Gottes, daß ihr eifrig in den heiligen
Schriften forscht. Lernt schon früh im
Leben die Schrift zu lieben. Sehet zu,
daß ihr selbst alle heiligen Schriften
besitzt. Die Schrift erleuchtet den Ver-
stand und bringt uns Kraft und Mut,
Frieden und innere Ruhe.
Schlechte weltliche Literatur verfinstert
den Verstand und den Geist.
Die Schrift bereitet den jungen Mann
auf eine Mission vor und hilft ihm, eine
erfolgreiche Mission zu erfüllen. Die
Schrift hilft den jungen Frauen, sich auf
ihre Rolle als Mutter vorzubereiten und
liebevolle Mütter in Zion zu werden. Die
Schrift wird euch mehr als irgendetwas
53
anderes helfen, die Welt zu überwinden,
und euch befähigen, Götter und Göt-
tinnen, Könige und Königinnen in der
celestialen Welt zu werden. Der Herr hat
gesagt:
„Was ich, der Herr, gesprochen habe,
das habe ich gesprochen und ich ent-
schuldige mich deshalb nicht; und ob-
wohl Himmel und Erde vergehen wer-
den, wird doch mein Wort nicht ver-
gehen, sondern es wird alles erfüllt
werden, sei es durch meine eigne Stimme
oder durch die meiner Diener" (LuB
1:38).
Junge Leute, wie die Versuchung auch
sein mag, ihr müßt euren Standpunkt
beziehen und für den Herrn eintreten.
Ihr seid zu auserwählt, zu unschuldig
und zu rein, als daß ihr verlieren könn-
tet. Geht den Versuchungen aus dem
Weg. Die schlimmsten Versuchungen
sind die, die ihr selbst plant und selbst
vorbereitet. Wenn die Welt euch haßt
und euch einen „Spießer" nennt, dann
denkt daran, was der Herr gesagt hat:
„Wenn euch die Welt hasset, so wisset,
daß sie mich vor euch gehaßt hat.
Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt
das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der
Welt seid, sondern ich euch aus der Welt
erwählt habe, darum hasset euch die
Welt" (Johannes 15:18, 19).
Tut nicht, was die Welt tut, ihr jungen
Leute. Seid ruhig für die Welt ein
„Spießer". Es macht Spaß, nach dem
Maßstab der Welt ein „Spießer" oder
„seltsam" zu sein. Eure Mission besteht
darin, die Welt zu überwinden, die
Sünde zu überwinden, Haß und Vor-
urteil zu überwinden, Entmutigung zu
überwinden, den fleischlichen Menschen
zu überwinden, und wieder treu und
standhaft zu sein, wie ihr es im vor-
irdischen Dasein gewesen seid. Im vor-
irdischen Dasein habt ihr eine Prüfung
bestanden. Ihr ward standhaft und
gehorsam. Der Herr erwartet von euch,
daß ihr hier auf Erden genauso seid —
gehorsam und standhaft.
Jemand hat einmal gesagt: „Kein
Mensch gelangt mit einem einzigen
Sprung in die Hölle." Meine jungen
Freunde, ich bete darum, daß ihr stark
genug seid, jeder Versuchung zu wider-
stehen, die auf euch zukommen mag,
und daß ihr schon die erste Erscheinung
des Bösen meidet und sehr wachsam
seid. Heute seid ihr schön, auserwählt
und rein, aber das Morgen hängt von
euch ab. Eure Zukunft ist hell und voller
Segnungen. Jugend ist Macht. Geson-
dert betrachtet, ist die Jugend die größte
Kraftquelle der Kirche und die wichtig-
ste Kraftquelle des Volkes.
Gott liebt euch. Ich liebe euch. Ich danke
Gott jeden Tag für junge Leute wie euch.
Und ich bete darum, daß er für immer
über euch wachen möge, im Namen Jesu
Christi. Amen.
Entscheidungen
Eldred G. Smith
Patriarch der Kirche
Ach möchte das, was ich heute sagen
will, mit einem Wort zusammenfassen:
„Entscheidung". Entscheidungen sind
das Ergebnis der Ausübung der von
Gott gegebenen Entscheidungsfreiheit.
Einige Menschen wollen ihre Ent-
scheidungen anderen aufzwingen.
Einige wollen keine eigenen Ent-
scheidungen treffen.
Einige haben die Gabe, schnelle und
genaue Entscheidungen zu treffen. Wie
bei allen anderen Gaben erfordert auch
das Treffen von Entscheidungen eine
gewisse Übung. Je mehr wir tun, desto
leichter wird es.
Man sagt, man kann den Charakter
eines Menschen daran messen, was er in
seiner Freizeit tut. Das ist nämlich die
Zeit, wo er allein seine Entscheidungen
trifft.
Einer der Hauptzwecke dieses irdischen
Lebens ist der, daß wir lernen, Entschei-
dungen zu treffen. Wer im Geschäfts-
leben, in der Kirche oder in der Familie
Menschen gut führen will, muß gute
Entscheidungen treffen können. Denk-
en Sie einmal an die Entscheidungen, die
ein Bischof oder ein Pfahlpräsident zu
treffen hat.
„Suchen Sie bei Ihren Entscheidungen die Führung des
Herrn, aber nutzen Sie auch das von Gott gegebene Recht
auf Entscheidungsfreiheit ."
Der Herr hat gesagt: „Dies ist mein
Werk und meine Herrlichkeit — die
Unsterblichkeit und das ewige Leben
des Menschen zustande zu bringen"
(Mose 1:39).
Als Lorenzo Snow der Evangeliumsplan
erklärt wurde, faßte er den ganzen Plan
in einer kurzen Aussage zusammen:
„Wie der Mensch jetzt ist, war Gott
einst; wie Gott jetzt ist, kann der Mensch
werden."
Wenn der Mensch also einmal so werden
will, wie Gott jetzt ist, muß er lernen, aus
eigener Initiative wichtige Ent-
scheidungen zu treffen.
Viele Menschen denken, daß der Herr
alle Fragen für uns beantworten wird,
entweder durch das Gebet oder durch
einen Priestertumssegen. Einige junge
Menschen wollen, daß der Herr ihnen
sagt, welche Fächer sie studieren sollen,
welche Schule sie besuchen sollen, wel-
chen Beruf sie ergreifen sollen und
welche freie Stelle auf dem Arbeitsmarkt
sie annehmen sollen. Ja, wir können
zwar durch das Beten oder durch einen
Segen große Hilfe erhalten, aber die
endgültige Entscheidung liegt bei uns.
Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß
sich der Herr nicht so sehr darum
kümmert, was wir studieren oder wel-
chen Beruf wir ausüben, solange wir
ehrlich unseren Lebensunterhalt ver-
dienen. Er interessiert sich aber für
55
unsere Unsterblichkeit und unser ewiges
Leben - oder unsere Erhöhung.
Jeder Mensch hat bestimmte Gaben und
Talente, die ihm mitgegeben sind. Fin-
den Sie durch Erforschung Ihrer Vor-
fahren die Talente heraus, die Sie geerbt
haben. Stellen Sie fest, was einige Ihrer
Vorfahren gerne gemacht haben und
was Sie gerne machen und was Ihnen
leichtfällt. Und werden Sie dann ein
Experte oder Spezialist in einem Teil-
bereich dieses Gebiets. Der Herr wird
dann Ihre Bemühungen in Ihrem Studi-
um und bei Ihrer täglichen Arbeit seg-
nen.
Der Herr hat Oliver Cowdery folgenden
Schlüssel zur Offenbarung gegeben:
„Doch siehe, ich sage dir: Du mußt es in
deinem Geiste ausstudieren und dann
mich fragen, ob es recht sei, und wenn es
recht ist, will ich dein Herz entbrennen
lassen, und dadurch sollst du fühlen, ob
es recht ist.
Ist es aber nicht recht, so wirst du kein
solches Gefühl haben, sondern deine
Gedanken werden verwirrt werden, wo-
durch du vergessen wirst, was unrichtig
ist" (LuB 9:8, 9).
Das sollte uns bei all unseren wichtigen
Entscheidungen als Anleitung dienen.
Wir treffen ständig jeden Tag Ent-
scheidungen, entweder im Geiste oder
mit Worten. Das ist die Ent-
scheidungsfreiheit — das Recht, eine
Entscheidung zu treffen.
Angesichts des heutigen Wachstums der
Kirche sehen wir die Weisheit in einer
Offenbarung, die 1 831 in Jackson Coun-
ty, Missouri, gegeben wurde:
,,Denn sehet, es geziemt sich nicht, daß
ich in allen Dingen gebieten sollte; denn
wer zu allem angetrieben werden muß,
ist ein träger und nicht ein weiser Diener;
56
deshalb empfängt er keine Belohnung.
Wahrlich, ich sage: Die Menschen soll-
ten in einer guten Sache eifrig tätig sein,
viele Dinge aus freien Stücken tun und
viele gerechte Taten vollbringen.
Denn die Kraft ist ihnen, nach freiem
Willen zu handeln, und wenn der
Mensch Gutes tut, wird es ihm nicht
unbelohnt bleiben" (LuB 58:26-28).
So sagen wir heute, was auch Mose
gesagt hat, als er vom Berg Sinai her-
abkam: „Her zu mir, wer dem Herrn
angehört" (2. Mose 32:26).
Und wie auch Josua dem Volk zuge-
rufen hat: ,,So fürchtet nun den Herrn
und dient ihm treulich und rechtschaffen
. . . wählt heute, wem ihr dienen wollt"
(Josua 24:14, 15).
Gebrauchen Sie Ihre Entscheidungs-
freiheit, um sich für die Ehrlichkeit und
gegen die Unehrlichkeit zu entscheiden
und um Ihren Mitmenschen zu dienen
und das Reich Gottes aufzubauen.
Fassen Sie schon früh im Leben den
Entschluß, auf Mission zu gehen. Viele
junge Männer, die auf Mission gehen
sollten, gehen nicht, weil sie nicht früh
genug den Entschluß dazu gefaßt und
nicht dementsprechend geplant haben.
Dann erscheinen ihnen später andere
Ziele wichtiger.
Fassen Sie den Entschluß, Ihr ganzes
Leben das Evangelium zu verkünden,
und nicht nur die zwei Jahre. Die zwei
Jahre Mission reichen gewöhnlich ge-
rade dafür, selbst zu lernen, wie wir
anderen das Evangelium erklären sollen.
Dann sollten wir den Rest unseres
Lebens damit verbringen, das Evangeli-
um zu verkünden.
Lehren Sie es durch Ihre Taten. Leben
Sie ein gutes und reines Leben. Ent-
scheiden Sie sich gegen die Unmoral.
Entscheiden Sie sich gegen die Porno-
graphie. Entscheiden Sie sich dafür, ein
reines Leben zu führen, damit Sie wür-
dig sind, im Tempel des Herrn die Ehe
für Zeit und Ewigkeit zu schließen.
Entscheiden Sie sich nicht nur dafür,
würdig zu sein, sondern entscheiden Sie
sich, im Haus des Herrn zu heiraten.
Entscheiden Sie sich dazu, nach dem
Gesetz der celestialen Ehe zu leben. Bei
der Ehezeremonie wird uns geboten,
fruchtbar zu sein und uns zu mehren. Im
Buch , Lehre und Bündnisse' sagt der
Herr folgendes — und er spricht hier von
den Segnungen der celestialen Ehe und
von der Beziehung zwischen Mann und
Frau, und er sagt unter anderem: ,, . . .
Und wenn sie meinen Bund halten und
keinen Mord begehen, wodurch un-
schuldiges Blut vergossen wird" (LuB
132:19). Was meinen Sie, wovon der
Herr hier wohl redet? Könnte es sein,
daß er hier die Abtreibung gemeint hat?
Denken Sie einmal darüber nach! Gibt
es ein unschuldigeres Leben als das eines
ungeborenen Kindes? Und warum wird
hier von Mord geredet, wo der Herr
doch über die Ehe spricht? Die
Empfängnis ist ein Vertrag mit Gott,
daß wir einen Körper erschaffen wollen,
und Gott verpflichtet sich dabei, den
Geist des Lebens in diesen Körper zu
pflanzen. Ein Bündnis mit dem Herrn
kann nicht gebrochen werden, ohne daß
dies eine Strafe nach sich zieht.
Entschließen Sie sich, die heiligen Schrif-
ten zu studieren. Lernen Sie den
Evangeliumsplan kennen, und gehen Sie
ganz darin auf.
Entschließen Sie sich, die Gebote des
Herrn zu halten. Wirken Sie am Aufbau
seines Reiches mit als Vorbereitung auf
sein Zweites Kommen.
Suchen Sie bei Ihren Entscheidungen die
Führung des Herrn, aber gebrauchen Sie
auch die von Gott gegebene Ent-
scheidungsfreiheit. Dann werden auch
Sie wissen, so wie ich es weiß, daß dies
seine Kirche ist, die Kirche Jesu Christi,
und dies bezeuge ich Ihnen im Namen
Jesu Christi. Amen.
57
„Ich bin nicht aus eigener Kraft an
diese Stelle gelangt64
Ronald E. Poelman
vom Ersten Kollegium der Siebzig
U,
nser aller Erlöser lädt jeden ein-
zelnen von uns ein, zu ihm zu kommen,
und er fordert uns auf, ihm ein demüti-
ges Herz und einen zerknirschten Geist
als Opfer darzubringen. Nie zuvor habe
ich die Bedeutung dieser Einladung und
Aufforderung so empfunden wie gerade
jetzt. Zugleich empfinde ich auch eine
Woge von Kraft und innerer Erneue-
rung, für die ich zutiefst dankbar bin.
Ich nehme diese Berufung mit Glauben
und Hoffnung an. Wie die kleine Schild-
kröte, die plötzlich feststellte, daß sie
oben auf einem Zaunpfahl saß, weiß ich,
daß ich nicht aus eigener Kraft an diese
Stelle gelangt bin.
Für meine liebe Familie, meine Freunde
und Lehrer, meine Führer und Mit-
arbeiter empfinde ich tiefe Dankbarkeit
und Hingabe — tiefer, als ich es in Worte
fassen kann. Wenn ich mein bisheriges
Leben betrachte, scheint es mir viel
schwieriger und viel erfüllter gewesen zu
sein, als ich hatte erwarten können. Ich
bete nur darum, daß die gesammelten
bisherigen Erfahrungen mich auf
irgendeine Weise auf das vorbereitet
haben, was vor mir liegt. Denn jetzt bin
ich vom Propheten Gottes berufen wor-
den, meine ganze Zeit und mein ganzes
Leben im Dienste des Erlösers zu arbei-
ten. Angesichts dieser Aufgabe spüre ich
meine Unzulänglichkeit, und ich erke-
nne, daß die Vorbereitung auf diesen
Dienst gerade erst begonnen hat.
Für Präsident Kimball, für die anderen
Führer der Kirche und gegenüber Ihnen
allen empfinde ich eine große Dank-
barkeit für Ihre Bestätigung, und ich
verspreche Ihnen, daß ich bei allen
Aufträgen, die auf mich zukommen
mögen, mein Bestes geben will.
Vor fast dreißig Jahren habe ich nach
ernsthaftem Forschen nach Wahrheit
und nach inbrünstigem Gebet durch den
Heiligen Geist die Bestätigung erhalten,
daß Jesus von Nazareth der Sohn Got-
tes, der Heiland und Erlöser jeder ein-
zelnen Seele ist. Aus dieser Überzeugung
und durch denselben Geist ist mir die
Erkenntnis erwachsen, daß das Evange-
lium ewig wahr ist und daß es auf Erden
wiederhergestellt worden ist; daß die
heiligen Schriften, die ich so liebe — das
Buch Mormon eingeschlossen
schriftliche Zeugen göttlichen Ur-
sprungs sind; daß Joseph Smith und
seine Nachfolger, einschließlich Spencer
W. Kimball, Propheten Gottes sind und
daß der Vater im Himmel jeden ein-
zelnen von uns liebt. Für diese Erkennt-
nis sage ich Dank und bezeuge Ihnen,
daß dies alles wahr ist. Im Namen
unseres Erlösers, des Herrn Jesus Chri-
stus. Amen.
58
„Möge das Reich Gottes ausgehen"
Ezra Taft Benson
vom Rat der Zwölf
.ls ich kürzlich in Europa weilte, hielt
ich mehrere Pressekonferenzen ab. Die
Reporter waren ein wenig über die
Kirche informiert und schienen — vor
allem, was die steigende Zahl der Be-
kehrungen betrifft — über den Wachs-
tum und Fortschritt der Kirche erstaunt
zu sein. Ich sagte zu ihnen: „Wir freuen
uns darüber, daß die Zahl der Mitglieder
so rasch ansteigt. Aber noch mehr
freuen wir uns, daß auch der Glaube und
die Geistigkeit der Mitglieder gewachsen
sind." Ich nannte dann einige stati-
stische Zahlen, um diese Behauptung zu
bekräftigen. Als ich 1943 in den Rat der
Zwölf berufen wurde, besuchten durch-
schnittlich 20 Prozent der Mitglieder die
Abendmahlsversammlung — unseren
Gottesdienst am Sonntag. Heute liegt
der Durchschnitt auf der ganzen Welt
bei 41 Prozent. Ich erklärte den Repor-
tern, daß das Wachstum, der Fortschritt
und die erhöhte Geistigkeit der Mit-
glieder der Kirche kein Zufall sind: Es ist
vielmehr die Folge dessen, daß die
Kirche auf ewiger Wahrheit aufgebaut
ist.
Jesus lehrte die Apostel der früh-
christlichen Kirche, daß dies eines der
„Seit Jahrhunderten haben Christen auf der ganzen Welt
darum gebetet, daß das Reich Gottes kommen möge; wir
erklären nun nachdrücklich: Der Tag ist jetzt gekommen!'1
Zeichen der Zeit sein würde. Er sagte:
„Und es wird gepredigt werden dies
Evangelium vom Reich in der ganzen
Welt zum Zeugnis für alle Völker, und
dann wird das Ende kommen" (Mat-
thäus 24:14).
Heute bringt die Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage diese ange-
kündigte Botschaft von der Wieder-
herstellung des Evangeliums jeder Na-
tion, die uns ihre Grenzen öffnet. So
erfüllt sich die Vision und Offenbarung
Daniels des Propheten, „der die Auf-
richtung des Gottesreiches in den Letz-
ten Tagen voraussah und vorhersagte —
das nimmermehr zerstört und auch
keinem anderen Volk gegeben werden
soll" (Joseph F. Smith, Vision von der
Erlösung der Verstorbenen, Vers. 44).
Er verglich das Entstehen dieses Reiches
mit einem kleinen Stein, der ohne Zutun
von Menschenhänden von einem Berg
losgerissen wurde. Dieser Stein sollte
herabrollen, bis er zu einem großen Berg
heranwuchs, der die ganze Erde füllte
(Daniel 2:34, 35, 44, 45).
Diese Auslegung wurde vom Propheten
Joseph Smith vom Herrn mit folgenden
Worten bestätigt:
„Die Schlüssel des Reiches Gottes sind
Menschen auf Erden übergeben worden,
und von nun an soll das Evangelium bis
an die Enden der Erde ausgehen gleich
dem Stein, der ohne Hände vom Berg
losgerissen wurde und herabrollen wird,
59
bis er die ganze Erde erfüllt" (LuB 65:2).
Das ist die vom Himmel beschlossene
Bestimmung der Kirche — des Reiches
Gottes.
Nicht alle Menschen werden jedoch die
Hand des Herrn in diesem Werk der
Letzten Tage wahrnehmen. Jesus er-
klärte Nikodemus: „Es sei denn, daß
jemand von neuem geboren werde, so
kann er das Reich Gottes nicht sehen"
(Johannes 3:3). Ohne Führung und
Inspiration vom Heiligen Geist werden
einige Menschen im Fortschritt der
Kirche nichts weiter als eine Kuriosität
der Gesellschaft sehen.
Man kann erwarten, daß die Recht-
schaffenheit der Heiligen und der Fort-
schritt des Reiches Gottes unvermindert
anhalten werden, aber es wird nicht
ohne Widerstand gehen. Der Rat der
Zwölf erklärte im Jahre 1845: ,,Da
dieses Werk weiter voranschreiten und
mehr und mehr politisches und religi-
öses Interesse erwecken wird . . . werden
kein König und Herrscher, kein Unter-
tan, kein Gemeinwesen und kein ein-
zelner Mensch neutral bleiben. Alle
werden entweder von dem einem oder
von dem anderen Geist beeinflußt wer-
den und werden entweder für oder gegen
das Reich Gottes Stellung nehmen"
(James R. Clark, Messages of the First
Presidency of The Church of Jesus
Christ of Latter-day Saints, 1 :257.)
Ja, der Herr hat gesagt: „Zion muß an
Schönheit und Heiligkeit zunehmen,
seine Grenzen müssen erweitert, seine
Pfähle verstärkt werden" (LuB 82:14).
Nicht nur die Rechtschaffenheit wird
zunehmen, sondern auch das Böse. Den
Beweis sehen wir um uns. Manchmal ist
das für die Heiligen ein Grund zur
Verzweiflung. Wir können jedoch ver-
sichert sein, daß der Herr sich darum zu
seiner Zeit und auf seine Weise küm-
mern wird. Hören Sie seinen Beschluß:
„Ich, der Herr, bin zornig über die Bösen
Ich habe in meinem Zorn geschworen
und Kriege über die Erde beschlossen;
und die Bösen werden die Bösen er-
schlagen, und es wird auf jedermann
Furcht fallen.
Und selbst die Heiligen werden kaum
entrinnen. Doch ich, der Herr, bin mit
ihnen und werde aus der Gegenwart
meines Vaters vom Himmel herab-
kommen und die Bösen mit unlösch-
barem Feuer verzehren" (LuB 63:32-
34).
Wir sind vielleicht nicht mehr sehr weit
von dem Tag entfernt, den Heber C.
Kimball, der Großvater Spencer W.
Kimballs und Mitglied der Ersten
Präsidentschaft, prophezeit hat:
,,Die Heiligen werden erprobt werden,
und nur die Besten werden stand-
halten. Der Druck wird so groß werden,
daß die Rechtschaffenen unter ihnen
Tag und Nacht den Herrn anrufen
werden, bis sie errettet werden" („Pro-
phecy of Heber C. Kimball, Deseret
News, 23. Mai 1931, S. 3).
Aber denken Sie daran, was der Herr in
einer neuzeitlichen Offenbarung gesagt
hat: „Seid ihr aber vorbereitet, so
braucht ihr nichts zu fürchten" (LuB
38:30). Sind wir vorbereitet? Gott möge
uns helfen, auf die kommenden Prüfun-
gen vorbereitet zu sein.
Diese prophetischen Warnungen und
Versicherungen und die sichtbaren Be-
weise für den wachsenden Einfluß des
Bösen bewegen die Mitglieder der Kir-
che zu fragen: „Warum unternimmt die
Kirche nicht mehr, um das Schlechte in
unserer Gesellschaft bloßzustellen?"
„Hat sich das Böse verschworen?" „Was
kann ich tun, um falsche Philosophien
zu bekämpfen, die in unser Schulsystem
und in unserer Gesellschaft im all-
gemeinen Eingang gefunden haben?"
„Soll ich meine Söhne und Töchter bei
der gegenwärtigen unsicheren politi-
schen und wirtschaftlichen Lage auf eine
60
Universitätsausbildung und zukünftige
Berufslaufbahn vorbereiten?" „Ist die
Kirche das einzige Mittel, das wir zur
Lösung der Probleme unserer Umwelt
anbieten, oder gibt es noch etwas an-
deres, was wir tun können?"
Man kann leicht verzweifeln, wenn man
sieht, wie die Grundlagen der Gesell-
schaft ins Wanken geraten. Wir müssen
jedoch daran denken, daß. der Herr seine
Heiligen in die Welt gesandt hat, „der
Welt ein Licht und den Menschen Er-
retter zu sein" (LuB 103:9). Jetzt ist die
Zeit, wo '„Zion . . . sich erheben und
seine schönen Gewänder anziehen [muß]
(LuB 82:14). Der Unterschied zwischen
der Kirche und der Welt wird in Zukunft
immer drastischer werden, und wir hof-
fen, daß dieser Kontrast die Kirche in
den Augen jener immer anziehender
werden läßt, die den Wunsch verspüren,
nach dem Plan Gottes für uns, seine
Kinder, zu leben.
Die Kirche wird immer für das eintreten,
was rechtschaffen, tugendhaft, wahr
und lobenswert ist. Ein solch ent-
schiedenes Eintreten für Recht-
schaffenheit setzt voraus, daß man alles
Böse und alle falschen Philosophien
ablehnt. Die Erste Präsidentschaft und
das Kollegium der Zwölf sind gegenüber
falschen Philosophien und dem Bösen
nicht blind und werden weiterhin ständ-
ig die Welt und die Heiligen warnen, wie
es der Herr anordnet.
61
Ja, es gibt eine Verschwörung des Bösen.
Der Urheber dieser Verschwörung ist
der Satan mit seinen Heerscharen. Er
hat große Macht über die Menschheit
und kann alle nach dem Willen
gefangenführen, die nicht auf die Stim-
me des Herrn hören würden (Moses
4:4). Der Satan kann seinen Einfluß
durch die Regierungen ebenso ausüben
wie durch falsche pädagogische, politi-
sche, wirtschaftliche, religiöse und
gesellschaftliche Weltanschauungen;
durch geheime Verbindungen und
Organisationen und durch unzählige
andere Mittel. Seine Macht und sein
Einfluß sind so groß, daß er, wenn
möglich, sogar die Auserwählten be-
trügen würde. Je näher das Zweite
Kommen des Herrn rückt, desto mehr
verstärkt sich der Einfluß des Satans
durch zahllose hinterhältige Täuschun-
gen.
Auch Eltern müssen für alles, was recht-
schaffen, tugendhaft und lobenswert ist,
eintreten. Das Familienoberhaupt hat
die Pflicht, alles zu unterstützen, was
einen guten Einfluß auf seine Kinder
ausüben könnte; sei es politisch, in der
Schule, in der Familie, in der Nachbar-
schaft, im Geschäftsleben, in der Kunst.
Die Eltern haben die Pflicht, darauf zu
achten, daß ihren Kindern die Freiheit
bewahrt bleibt und daß die gegenwärtige
Generation nicht zukünftige durch
Schulden und verschwenderische Aus-
gaben belastet.
Das Reich Gottes kann nur in Freiheit
gedeihen. Jeder Erwachsene ist ver-
antwortlich dafür, wem er bei einer
Wahl die Stimme gibt: denn der Herr
hat gesagt: „Ich, Gott der Herr, mache
euch frei, deshalb seid ihr wirklich frei
. . . Wenn aber der Gottlose herrscht,
seufzt das Volk. Daher sollte man fleißig
nach ehrlichen und weisen Männern
suchen" (LuB 98:8-10).
Es ist äußerst wichtig, daß ein stärkerer
rechtschaffener Einfluß auf die öffent-
lichen Angelegenheiten jedes Gemein-
wesens und jedes Staates ausgeübt wird.
Jede Seite des öffentlichen Lebens hat es
zum Guten nötig.
Viel zu viele Familienväter nehmen
keinen Anteil an den Angelegenheiten
ihres Gemeinwesens, weil sie meinen,
daß die Führer der Kirche sie nicht
speziell dazu aufgefordert haben. Der
Herr hat aber gesagt:
,,Es geziemt sich nicht, daß ich in allen
Dingen gebieten sollte; denn wer zu
allem angetrieben werden muß, ist ein
träger und nicht ein weiser Diener . . .
Die Menschen sollen in einer guten
Sache eifrig tätig sein, viele Dinge aus
freien Stücken tun und viele gerechte
Taten vollbringen.
Denn die Kraft ist in ihnen . . . , und
wenn der Mensch Gutes tut, wird es ihm
nicht unbelohnt bleiben" (LuB 58:26-
28).
Der Prophet Joseph Smith hat gesagt:
,,Es ist unsere Pflicht, unseren ganzen
Einfluß darauf zu verwenden, das, was
vernünftig und gut ist, bekannt-
zumachen und das, was unvernünftig
ist, unbeliebt zu machen" (History of the
Church, 5:286).
Wir müssen uns selbst fragen: Tun wir
alles, was in unserer Macht liegt, um
aktiv für die Erhaltung unserer Freiheit
zu kämpfen, indem wir einen positiven
Einfluß ausüben und indem wir der Flut
des Bösen widerstehen, die die ganze
Menschheit zu überschwemmen droht?
Eine der wichtigsten Aufgaben des
Familienoberhauptes ist es, den jungen
Menschen zu helfen, sich auf die Zu-
kunft vorzubereiten. Durch eindrucks-
volle Familienabende werden ihnen die
Evangeliumsgrundsätze gelehrt, und die
Jugendlichen werden für die Zukunft
gerüstet. Man muß sie voller Glaube
und Optimismus belehren und ihnen
Zeugnis geben.
62
Die Mission der Kirche ist es, das
Evangelium des Reiches Gottes der
ganzen Welt zu verkünden, unseren
verstorbenen Vorfahren den Weg zur
Erlösung öffnen und die Heiligen zu
vervollkommnen. Niemals zuvor in der
Geschichte der Kirche hat es einen
solchen Aufwand an Zeit, Planung und
Mitteln zur Erfüllung dieser Mission
gegeben. Letzten Endes bedeutet dieses
Bemühen, die einzige Lösung für die
Probleme der Welt.
Als Jesus vor Pilatus stand, fragte ihn
der römische Statthalter, ob er ein
König sei oder nicht. Es war eine
politische Frage. Der Erlöser erwiderte:
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt"
(Johannes 18:36). Seine Antwort paßt
für die heutige Zeit: Das Werk seines
Reiches ist vor allem geistig. Die wirt-
schaftlichen, politischen und gesell-
schaftlichen Probleme, denen dieses
Land wie auch andere Länder
gegenübersteht, werden nur mit der
Hilfe Gottes gelöst werden.
Die kommenden Tage werden schwer
sein und den Glauben der Heiligen auf
die Probe stellen. Aber wir können uns
Kraft aus dem holen, was uns der Herr
durch neuzeitliche Offenbarungen ver-
heißen hat. Ich zitiere:
„Deshalb wird er die Gerechten durch
seine Macht erhalten . . . Daher brau-
chen sich die Gerechten nicht zu fürch-
ten . . . , sie [sollen] errettet werden
und wenn es durch Feuer sein müßte" (1 .
Nephi 22:17).
„Ich will eure Schlachten schlagen"
(LuB 105:14). „Keiner Waffe, die gegen
dich bereitet ist, soll es gelingen ... Da
ist das Erbteil der Knechte des Herrn"
(3. Nephi 22:17).
„Große Trübsal soll unter den
Menschenkindern sein; aber mein Volk
werde ich erhalten"' (Moses 7:61).
Das Reich Gottes wird nicht seinen
Zweck verfehlen; es wird nicht zerstört
werden; es wird keinem anderen Volk
übergeben werden; es wird für immer
bestehen bleiben, bis „die Reiche der
Welt unsres Herrn und seines Christus
geworden sind" (Offenbarung 11:15).
„Niemand kann den Fortschritt dieses
Werks aufhalten; es mag sich Ver-
folgung erheben, der Pöbel zusammen-
rotten, Heere mögen aufgestellt und
allerlei Lügen verbreitet werden — aber
die Wahrheit Gottes wird kühn und edel
vorwärtsschreiten, bis sie jeden Kon-
tinent durchdrungen und jedes Land
erreicht hat und von jedem Ohr ver-
nommen worden ist, ja, bis die Ab-
sichten Gottes erfüllt sein werden und
Jehova sagen wird, daß das Werk voll-
bracht sei" (HC, 4:540).
Auf der ganzen Welt haben Christen seit
Jahrhunderten darum gebetet, daß das
Reich Gottes kommen möge; wir er-
klären nun nachdrücklich: der Tag ist
jetzt gekommen.
Den Heiligen der Letzten Tage auf der
ganzen Welt sagen wir: Euer Herz
fürchte sich nicht. Halten Sie die Ge-
bote. Hören Sie auf seinen Propheten,
und achten Sie darauf, daß Sie seine
Weisungen nicht durch Ihre persönli-
chen Ansichten verfälschen. Lehren Sie
Ihre Kinder, rechtschaffen vor dem
Herrn zu wandeln. Beten Sie morgens
und abends bei sich zu Hause. Beten Sie
für Ihre Regierung, selbst dann, wenn
Sie nicht mit ihr übereinstimmen. Beten
Sie für die Führer der Kirche. Beten Sie
darum - - wie Sie aufgefordert worden
sind — , daß sich die Tore aller Länder
dieser Welt für die Evangeliums-
verkündigung öffnen mögen. Befolgen
Sie die Gesetze des Landes; lehnen Sie
sich nicht gegen die Behörde auf. Er-
füllen Sie Ihre Pflicht als Bürger. „Gib
dem Bösen nicht nach, sondern be-
kämpfe es immer mit Gutem" (Vergil).
Allen, die dem Reich Gottes treu sind,
rufen wir zu: „Trachtet am ersten nach
dem Reich Gottes" (Matthäus 6:33).
„Erhebt euch und laßt euer Licht leuch-
ten, daß es den Völkern ein Panier sei
und daß die Sammlung im Lande Zion
und seinen Pfählen wie ein Schutz und
eine Zuflucht vor dem Sturme und dem
Zorn sein möge, wenn dieser ohne Maß
über die ganze Erde ausgegossen werden
wird" (LuB 115:5, 6).
Ja, „rufet den Herrn an, daß sein Reich
sich über die Erde ausbreiten möge und
ihre Bewohner es empfangen und sich
auf den künftigen Tag vorbereiten wer-
den, an dem des Menschen Sohn vom
Himmel herniederkommen wird, an-
getan mit dem Glanz seiner Herr-
lichkeit, um dem Reiche Gottes, das auf
Erden errichtet ist, zu begegnen.
Darum möge das Reich Gottes aus-
gehen, damit das Himmelreich komme"
(LuB 65:5, 6).
Ich lege demütig davon Zeugnis ab, daß
die Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage heute das wieder-
hergestellte Reich Gottes auf Erden ist.
Gottes Botschaft und seine Segnungen
sind für alle Kinder unseres Vaters
bestimmt. Es ist die Wahrheit, von der
ich dankbar Zeugnis gebe. Im heiligen
Namen Jesu Christi. Amen.
64
Tu deine Schuhe an!66
99
Howard W. Hunter
vom Rat der Zwölf
ausende junge Männer überall auf
der Welt haben sich heute abend mit uns
zu dieser Priestertumsversammlung im
Tabernakel in Salt Lake City ver-
sammelt. Ich werde heute zu diesen
jungen Männern sprechen, aber ihre
Väter und Großväter können auch zu-
hören, wenn sie wollen.
Vor einigen Jahren las ich im Jugendteil
unserer Zeitschrift „Improvement Era"
einen Artikel, der hieß: „Tu deine Schu-
he an." Es handelte sich um die un-
rühmliche Laufbahn eines jungen Man-
nes, der dem Football-Team eines
kleinen Gymnasiums auf dem Land
angehörte. Es gelang diesem jungen
Mann in die Mannschaft aufgenommen
zu werden, aber es war ganz eindeutig,
daß er nie ein Spitzenspieler sein würde.
Eigentlich sah es eher danach aus, als ob
er, außer vielen Schrammen und Beulen,
nichts erreichen würde. Er war der dritte
von drei Ersatzspielern, und es war
höchst unwahrscheinlich, daß er über-
haupt jemals spielen würde.
Als die Saison schon am Ende war, hatte
er die Hoffnung aufgegeben, jemals
aufgefordert zu werden, mitzuspielen.
Beim letzten Spiel des Jahres zog er seine
Der Jugend in der Kirche sage ich: „Bereitet euch vor, habt
Glauben, seid bereit; sagt, tut oder seid nicht etwas, was
euern Dienst im Reich Gottes beeinträchtigen könnte."
Schuhe aus, wickelte eine Decke um sich
und setzte sich bequem hin, um seinen
Kameraden zuzusehen.
Mitten im Spiel hörte er auf einmal den
Trainer seinen Namen rufen. Er war
erstaunt und fragte sich, ob er sich wohl
verhört habe. Nein, da war es wieder:
„Du! Komm her und beweg dich!"
Was sollte er tun? Sein erster Impuls
war, in Ohnmacht zu fallen. Sein zweiter
vorzugeben, nichts gehört zu haben.
Sein dritter war zu sagen: „Moment, ich
muß erst meine Schuhe anziehen." Er
tat das einzige, was ein richtiger Mann
tun würde. Er lief geradewegs zu seiner
Mannschaft hin und zog unterwegs noch
seinen Kopfschutz an. Seine Füße mit
den weißen Socken leuchteten den Spie-
lern beider Mannschaften, den Zusehern
und dem Trainer entgegen, der zu die-
sem Zeitpunkt wahrscheinlich auch ein-
er Ohnmacht nahe war.
Der Schock, sein erstes Spiel spielen zu
dürfen, war für den Jungen wohl zu
groß. Als er nämlich den Ball in die
Hände bekam, hatte er völlig vergessen,
in welche Richtung er damit laufen
sollte. Die übrigen in seiner Mannschaft
liefen nach rechts, während er nach links
rannte. Dort fand er sich, völlig allein
auf sich gestellt, plötzlich der gegne-
rischen Mannschaft gegenüber und ging
in der Menge der heranstürmenden
Spieler sang- und klanglos unter.
65
Er sagte später: „Keiner hat von mir
erwartet, daß ich ein paar Punkte für die
Mannschaft herausholen würde; selbst
daß ich in die falsche Richtung lief, war
noch zu verstehen, aber es gab keine
Entschuldigung für einen Spieler ohne
Schuhe."
Ich möchte heute die jungen Männer
auffordern, ihre Evangeliumsschuhe
anzubehalten und an ihre Zukunft zu
glauben.
Ich muß daran denken, was Abraham
Lincoln sagte, als er eine Wahl nach der
anderen verlor und sich abmühte, etwas
zu leisten. Er sagte einfach: „Ich werde
mich vorbereiten, und vielleicht kommt
einmal meine Chance." Er lebte lange
genug, um zu erfahren, was jeder lernen
muß, daß jemand, der sich vorbereitet,
immer mehr Chancen hat als ein an-
derer.
Ich weiß so sicher wie sonst nichts, daß
ihr jungen Männer gebraucht und in den
kommenden Jahren berufen werdet,
dem Reich Gottes zu helfen. Tatsächlich
rufen wir euch jetzt schon dazu auf. Wir
brauchen eure Gesellschaft und eure
Freundschaft, euren Dienst und eure
Grundsätze. Manche Berufung scheint
euch vielleicht unbedeutend zu sein, aber
sie ist sehr wichtig, und sie bereitet euch
auf größere Aufgaben vor.
Oliver Cowdery war einer jener, der nur
für einen Moment seine Schuhe auszog,
als das Spiel noch im Gange war; das
führte zu einem der enttäuschendsten
Erlebnisse in der Geschichte der Kirche.
Als das Buch Mormon übersetzt wurde,
hatte er für den Propheten Joseph Smith
als Schreiber fungiert, und der Herr
sagte ihm, daß auch er mit der Gabe der
Übersetzung gesegnet werden würde
(LuB 6:25).
Oliver Cowdery war nicht so bereit, wie
er es hätte sein können — oder wie er
einst war. Sein Glaube an sich und an
dieses große Werk in den Letzten Tagen
hatte nur ein wenig gewankt, und er rief
aus: „Wartet, bis ich mich bereit-
mache." Aber er lernte, daß ein ewiges
Werk selten lange warten kann. Der
Herr antwortete ihm schließlich: „Weil
du nicht fortfuhrst . . . , wie du an-
gefangen, habe ich dir dieses Vorrecht
genommen . . . , jetzt aber ist die Zeit
vorüber, und es ist nicht mehr ratsam"
(LuB 9:5, 11). Er hatte die Gelegenheit
seines Lebens nicht wahrgenommen,
und sie würde niemals wiederkehren.
Ich hoffe, Präsident Kimball hat nichts
dagegen, wenn ich ein paar persönliche
Worte von ihm wiedergebe. Ich möchte
auf seine Bereitwilligkeit und Vor-
bereitung hinweisen. Bei Harold B. Lees
Begräbnis sagte er voller Liebe und
Anteilnahme: „Präsident Lee ist ver-
schieden. Ich hätte nie gedacht, daß dies
jemals eintreten könnte. Ich wollte nie,
daß es geschieht. Ich bezweifle, ob
jemand in der Kirche derart beharrlich
und inständig um ein langes Leben und
um das allgemeine Wohlbefinden Präsi-
dent Lees gebetet hat wie meine Frau
66
und ich. Ich bin nicht ehrgeizig gewesen.
Ich bin vier Jahre älter als Bruder Lee
(bis auf den Tag genau, am 28. März).
Ich habe erwartet, daß ich lange vor ihm
gehen würde. Mein Herz weint um ihn.
Wie sehr haben wir ihn geliebt!"
(Ensign, Februar 1974, S. 86).
Gewiß war Präsident Kimball nicht
bestrebt, Präsident der Kirche zu wer-
den, aber als er dazu berufen wurde,
anscheinend ganz unerwartet, war er
bereit. In all den Jahren, in denen wir
Präsident Kimball kennen, war er im-
mer bereit. Er hat niemals seine Schuhe
ausgezogen, während das Spiel noch lief
— niemals. Er mußte niemals sagen:
„Wartet, bis ich mich vorbereitet habe.
Wartet, bis ich bereit bin." Obwohl er
vielleicht nie davon geträumt haben
mag, eines Tages diese Berufung zu
erhalten, hat er sich trotzdem sein gan-
zes Leben lang darauf vorbereitet.
Ich möchte noch ein Beispiel anführen,
um zu veranschaulichen, wie Präsident
Kimball schon vor vielen Jahren damit
begonnen hat, sich vorzubereiten. Als er
vierzehn Jahre alt war, besuchte ein
Führer der Kirche eine Pfahlkonferenz,
auf der Präsident Kimballs Vater präsi-
dierte. Dieser Bruder forderte die an-
wesenden Mitglieder auf, die heiligen
Schriften zu lesen.
Präsident Kimball erinnerte sich mit
folgenden Worten an dieses Erlebnis
„Ich erkannte, daß ich noch nie die Bibel
gelesen hatte, und so ging ich am
gleichen Abend, als die Rede zu Ende
war, zu unserer Wohnung, die einen
Straßenblock entfernt lag, stieg hinauf
in mein kleines Dachzimmer und zün-
dete eine kleine Petroleumlampe an.
die auf dem kleinen Tisch stand. Dann
las ich die ersten Kapitel des 1 . Buches
Mose. Ein Jahr später schloß ich die
Bibel, nachdem ich jedes Kapitel dieses
großen und herrlichen Buches gelesen
hatte . . .
Ich fand, daß es bestimmte Teile gab, die
für einen 14jährigen Jungen schwer zu
verstehen waren. Es gab einige Seiten,
die mich nicht besonders interessierten;
als ich aber 66 Bücher und 1 . 1 89 Kapitel
und 1.519 Seiten gelesen hatte, spürte ich
eine glühende Befriedigung, daß ich ein
Ziel geschafft und daß ich es erreicht
hatte.
Ich erzähle euch diese Geschichte nicht,
um zu prahlen. Ich benutze dies nur als
Beispiel, um damit zu zeigen, daß ihr es
bei elektrischem Licht tun könnt, wäh-
rend ich es bei Petroleumlicht tun mußte.
Ich bin immer froh darüber gewesen,
daß ich damals die Bibel ganz durch-
gelesen habe" (Der Stern, September
1974, S. 380).
So und auf tausenderlei andere Weise
hat sich der junge Spencer Woolley
Kimball still und erfolgreich vorbereitet,
ohne von dem zu träumen, was vor ihm
liegen würde.
Ich möchte nochmals der Jugend in der
Kirche zurufen — bereitet euch vor,
habt Glauben, seid bereit; sagt, tut oder
seid nicht etwas was euern Dienst im
Reich Gottes beeinträchtigen oder euch
dafür überhaupt unfähig machen könn-
te. Seid bereit, wenn ihr berufen wer-
det, denn das werdet ihr sicher. Laßt
eure Evangeliumsschuhe an, oder, wie
Paulus den Ephesern schrieb: „So stehet
nun, ... an den Beinen gestiefelt, als
fertig, zu treiben das Evangelium des
Friedens" (Epheser 6:14, 15). Der Herr
würde heute das sagen, was der Engel
vor langer Zeit zu Simon Petrus gesagt
hat: „Stehe behende auf! ... Tu deine
Schuhe an . . . und folge mir nach"
(Apostelgeschichte 12:7, 8).
Wie wunderbar ist es doch, das Priester-
tum tragen zu dürfen. Gott lebt und
Jesus Christus ist sein Sohn — unser
Herr und Erlöser. Ich bezeuge, daß es
heute einen Propheten Gottes auf Erden
gibt. Im Namen Jesu Christi. Amen.
67
„Nicht mein, sondern dein Wille
geschehe66
Robert L. Simpson
vom Ersten Kollegium der Siebzig
M,
. eine lieben Brüder im Priestertum,
mein Herz fließt jedesmal beinahe über,
wenn wir alle sechs Monate zu dieser
wunderbaren Priestertumsversamm-
lung der Kirche zusammenkommen.
Glauben Sie mir, keine andere Macht
auf Erden kann sich mit der Macht so
vieler Männer messen, die sich hier
wegen des Priestertums Gottes ver-
sammelt haben.
Dank der Wunder der Technik wie
Transistoren und Satelliten sind Tausen-
de andere in der Lage, uns an weit
entfernten Orten zu hören.
Ich kann mir vorstellen, daß in Perth,
Australien, auf der anderen Seite der
Welt, von Salt Lake City aus gesehen,
Bruce Opie, der Missionspräsident, mit-
ten unter seinen Missionaren sitzen und
mit ihnen an dieser Priester-
tumsversammlung an der Küste des
Indischen Ozeans teilnehmen wird. Bei
ihnen ist schon Morgen.
Dann gibt es den jungen Carlos in
Argentinien, dort ist es Mitternacht;
aber wer kümmert sich um ein paar
Stunden verlorenen Schlafes, wenn man
„Vier Milliarden Menschen brauchen, was wir haben.
Machen wir uns bereit, es ihnen zu bringen!'1
von einem Propheten unterwiesen wer-
den kann? Wissen Sie. Carlos bereitet
sich darauf vor, zwei Jahre seines Lebens
als Missionar für den Herrn zu inve-
stieren.
Weil ich gerade von Investieren spreche:
Als ich gestern die Main Street hinunter-
ging, sah ich viele Schilder, auf denen die
Leute aufgefordert werden, ihr Geld zu
investieren. Jede Bank bot 6 bis 8
Prozent Zinsen, je nachdem unter wel-
chen Bedingungen die Anlage getätigt
würde.
Im folgenden spreche ich über die Zin-
sen oder Dividenden, die der Herr
zahlt, wenn man zwei Jahre als Mis-
sionar in seinen Dienst investiert. Ein
Missionar, der vor einigen Monaten
entlassen wurde, schrieb:
„In erster Linie habe ich gelernt, wie
wichtig das Beten ist und welche Macht
es hat. Ich habe gelernt, mit dem Herrn
zu sprechen und wie ich seine Antworten
erkennen kann — sogar, wenn er nein
sagt. Ich habe gelernt, absoluten Glau-
ben und unbedingtes Vertrauen auf den
Herrn zu haben, etwas, was ich vorher
nie besaß. Ich habe gelernt, auf die
Eingebungen des Heiligen Geistes zu
achten. Ich habe die Gabe der Unter-
scheidung entwickelt. Ich habe sie bis zu
einem gewissen Grad vorher besessen,
aber auf dem Missionsfeld lernte ich, sie
68
richtig anzuwenden. Aber die Haupt-
sache von allem ist, daß ich mich selbst
kennenlernte, daß ich lernte, was ich
wirklich tun konnte.
Ich habe gelernt, wie man mit anderen
Menschen umgeht", fährt er fort, „und
das war wirklich etwas sehr Wertvolles
für mich. Seitdem ich von meiner Mis-
sion zurück bin, kann ich mit hoch-
erhobenen Kopf über das Universitäts-
gelände gehen und anderen gerade in die
Augen blicken. Es fällt mir leicht, mit
Menschen umzugehen; ich kann schwie-
rige Situationen meistern. Ich habe kei-
ne Angst davor, zu sagen, was ich denke
— und ich kann mich verständlich
ausdrücken. Ich plane alles besser und
bin ordentlicher geworden — meine
Mutter kann es nicht glauben, daß ich
das sein soll! Ich kann schwerer arbeiten
und mehr leisten. Ich habe mich immer
um andere gesorgt, aber jetzt weiß ich,
wie ich meine Anteilnahme zeigen kann.
Ich werde nicht mehr so schnell ent-
mutigt, wie es vorher bei mir der Fall
war: so man kann fraglos behaupten,
daß ich mich dank meiner Mission
bedeutend geändert habe."
Und noch eine weitere Stelle: „Als ich
darauf wartete, entlassen zu werden,
erhielt ich ein Zeugnis davon, daß der
Herr an meinen Bemühungen Freude
hatte. Es war aufregend, als ich mit dem
Missionspräsidenten sprach, besonders
als er mir in die Augen sah und sagte:
,Ich bin stolz auf Sie.' Das war Lohn
genug für mich. Was für ein erhebendes
Gefühl, zurückzublicken und zu wissen,
daß ich für den Herrn mein Bestes
gegeben hatte! Es gibt einem ein Gefühl
der Zufriedenheit und des Friedens, das
man sonst auf keine andere Weise erlan-
gen kann."
Hier ist noch ein weiterer Auszug: „Ich
war sehr aufgeregt, weil ich zu Hause auf
der Abendmahlsversammlung spre-
chen sollte. Ich wollte das Richtige
sagen. Mein Bischof hat mir nun einen
Brief geschrieben und mir erzählt, daß
sich als unmittelbare Folge meiner Rede
nun drei junge Leute in der Gemeinde
auf eine Mission vorzubereiten be-
ginnen!"
Und schließlich: „Ich habe nicht ein
einziges Mal bereut, die Berufung auf
Mission angenommen zu haben. Von
allem, was ich bisher getan habe, war es
das Lohnenswerteste. Ich bin sogar für
die schweren Zeiten dankbar, da sie
meinen Charakter gefestigt und mir
geholfen haben, wenigstens damit anzu-
fangen, so zu werden, wie mich mein
Vater im Himmel haben möchte. Ich
habe so viel mehr gelernt, als ich je hätte
lernen können, wäre ich zu Hause ge-
blieben. Die Kirche ist die wahre Kirche,
und ich bin so dankbar dafür, ein
Mitglied zu sein. Ich bin auch dankbar
dafür, daß ich dem Erlöser so nahe
gekommen bin; denn dies verdanke ich
meiner Mission und nichts anderem."
Ja, das ist ein wunderbarer Brief, und
wir können sagen, daß der Herr der
beste Zahler in der Welt ist — er zahlt
keine 6 Prozent, keine 8 Prozent, son-
dern — würden Sie es mir glauben — ,
wenn ich von Zinsen, so etwa um
tausend Prozent spreche? Und er zahlt
nicht nur momentan Zinsen, sondern in
alle Ewigkeit. Was für beeindruckende
Dividenden.
Aber nur aus dem einzigen Beweggrund
auf Mission zu gehen, um Fortschritt zu
machen, heißt, das Richtige aus dem
falschen Grund tun. Jeder, der die
Berufung annimmt, die Botschaft des
Herrn zu verkündigen, muß als Ziel den
ganz und gar selbstlosen Wunsch haben,
anderen Menschen zum Segen zu ge-
reichen.
Wir, die wir die Vollmacht des Priester-
tums innehaben, müssen so sein wie der
Erlöser und die Verpflichtung auf uns
69
nehmen, ihn zu vertreten. Es mag nicht
immer alles so geschehen, wie wir wol-
len, doch ist es sehr wichtig, daß wir auf
das hören, was uns sein Geist eingibt.
Auf eine Mission berufen zu werden ist
keine Sache, die auf die leichte Schulter
genommen werden kann; es ist immer
irgendwie mit einem Kampf verbunden;
es wird ein hohes Maß an Opfer-
bereitschaft erwartet und, ohne Aus-
nahme steht jedem sehr viel harte Arbeit
bevor, und man braucht all den Glau-
ben, den man besitzt, um sie leisten zu
können.
Brüder im Priestertum, ob Sie nun erst
vor kurzem zum Diakon berufen wor-
den sind oder ob Sie ein Hoherpriester
mit jahrelanger Erfahrung sind, es ist
Ihre Pflicht, sich auf eine Missions-
berufung vorzubereiten. Wenn Sie nie-
mals eine Mission erfüllt haben, möchte
der Herr, daß Sie sich auf eine vor-
bereiten. Wenn Sie auf Mission waren,
möchte der Herr, daß Sie sich auf eine
weitere vorbereiten. Da draußen leben
vier Milliarden Menschen, die brauchen,
was wir haben — und sie brauchen es
sehr dringend!
Zum Abschluß möchte ich Ihnen ein
Erlebnis erzählen, das Bruder Anguia-
no, ein junger mexikanisch-amerika-
nischer Missionar hatte. Er bereitete
sich darauf vor, in eine Mission berufen
zu werden, wo man Spanisch spricht;
statt dessen wurde er dann vom Pro-
pheten nach Christchurch, Neuseeland,
berufen, was einem seltsam vorkommt.
Stellen Sie sich einen jungen Mann vor,
dessen Muttersprache Spanisch ist und
der in ein Land gesandt wird, wo
Spanisch kaum, wenn überhaupt von
jemandem, je gesprochen wird.
Als Philip Sonntag, der Missions-
präsident, am Flughafen auf die An-
kunft seines einsamen Missionars warte-
te, bat er im Geist darum, daß ihm Gott
helfen möge, den richtigen Platz für
einen jungen Mann zu finden, der in
einer Mission wo nur Englisch ver-
standen wurde, Spanisch sprach. Als die
Passagiere von Bord gingen, entdeckte
Bruder Sonntag seinen neuen Missionar
augenblicklich. Vielleicht war es sein
leuchtend weißes Hemd, das, verglichen
mit den Urlaubsreisenden, besonders
weiß zu sein schien. Sein strahlendes
Wesen schien ihn als besonderen Men-
schen auszuzeichnen. Er war einer der
Gesalbten des Herrn. Seine Schritte
beschleunigten sich, als er sich dem
Flughafengebäude näherte. Er war an-
scheinend erpicht darauf, seine Mission
zu beginnen. Er kam mit ausgestreckten
Armen auf seinen Missionspräsidenten
zu und umarmte ihn, wie er es von
Mexiko her gewöhnt war. Das war das
Milieu, aus dem er kam, und das war
sein Brauch, sogar noch im weit ent-
fernten Neuseeland. Seine ersten Worte
lauteten: „Präsident, ich bin hierher-
gekommen, um zu taufen."
Gewöhnlicherweise entläßt ein Mis-
sionspräsident nicht einen seiner As-
sistenten, damit dieser einen neuen Mis-
sionar in seine Aufgabe einführt, aber
als Bruder Sonntag zum dritten Mal
dazu vom Geist bewegt worden war, war
er überzeugt, daß es richtig sei. Deshalb
wurde Bruder Keung, ein hervor-
ragender junger Mann chinesischer und
maorischer Abstammung, als Mit-
arbeiter freigestellt, um mit Bruder An-
guiano diese „Völkerbund"-
Mitarbeiterschaft zu gründen.
Werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen
sage, daß Bruder Sonntag keine drei
Wochen später davon informiert wurde,
daß die beiden die vielleicht einzige
Familie gefunden haben, die auf der
südlichen Insel Neuseelands nur Spa-
nisch spricht? Es war eine chilenische
Familie, die erst vor kurzem in Neusee-
land angekommen war, und sie brauchte
die Kirche. Sie brauchten Bruder An-
70
guiano, und der Herr gab ihr, was sie
brauchte — durch einen heutigen Pro-
pheten. Nicht nur das, wir haben auch
erfahren, daß mehr als hundert andere
Familien aus Chile in nächster Zeit nach
Neuseeland auswandern werden, und
Bruder Anguiano wartet schon unge-
duldig mit der kürzlich getauften Fami-
lie darauf, mit diesen Familien Freund-
schaft zu schließen und sie zu belehren.
Der Herr ist für dieses Werk ver-
antwortlich! Sie und ich, wir haben teil
an einem göttlichen Werk, das die
Erlösung der Kinder des Vaters im
Himmel, wo immer sie auch sein mögen,
zustande bringen kann. Wir müssen uns
jetzt vorbereiten, damit der Prophet
nicht in dem eingeschränkt wird, wozu
er aufgefordert worden ist.
Unsere größte Aufgabe als Missionare
wird es sein, Menschen aufzurichten, sie
dazu zu bringen, sich von den Wegen der
Welt abzukehren — einer Welt, die von
Unmoral erschüttert, durch unreine Ge-
danken geschwächt, von Egoismus zer-
fressen und von Stolz zu Fall gebracht
wird. Möge Tugend unablässig unsere
Gedanken schmücken; dann wird unser
Vertrauen in Gottes Dienst stark werden
(LuB 121 :45). Zuerst müssen wir uns, so
gut wie wir nur können, den weltlichen
Einflüssen entziehen; dann, wenn wir
auf einer höheren Ebene stehen, können
wir unsere Hände ausstrecken; wir kön-
nen andere emporheben; wir können
ihnen dann die Wahrheit lehren. Es
sollte keine Rolle spielen, wann man
berufen wird. Es sollte ohne Bedeutung
sein, wohin man berufen wird. Es kann
innerhalb der Gemeinde sein; es kann
auf der anderen Seite der Welt sein —
wie der Erlöser in seiner schwersten
Stunde gesagt hat: „Vater, . . . nicht
mein, sondern dein Wille geschehe!" Ich
bete darum, daß es so sein möge, denn
wer an dieser Priestertumsversammlung
heute abend teilnimmt, ist vorher-
ordiniert worden, die Hoffnung der
Welt zu sein; davon bin ich fest über-
zeugt, und das sage ich im Namen Jesu
Christi. Amen.
71
/.
Offenbarung
Henry D. Taylor
vom Ersten Kollegium der Siebzig
Di
ie Erste Präsidentschaft hat einmal
folgendes geäußert: „Die Kirche ver-
dankt ihre Gründung, ihr Bestehen und
ihre Hoffnung auf die Zukunft dem
Grundsatz fortwährender Offen-
barung" (,,Policy Statement of Presi-
dency", Church News, 10. Jan. 1970, S.
12).
Man kann Offenbarung im weitesten
Sinne als „Verbindung Gottes mit dem
Menschen" definieren. Der Herr offen-
bart sich auf vielerlei Weise.
Der erste Prophet dieser Evangeliums-
zeit, Joseph Smith, erhielt Offen-
barungen auf beinahe jede Weise, in der
sich der Herr dem Verstand und Willen
des Menschen kundtut. Die erste Offen-
barung, die er erhielt, war das tat-
sächliche Erscheinen unseres Vaters im
Himmel und seines auferstandenen Soh-
nes, des Herrn und Erlösers Jesus Chri-
stus.
Diese erste Offenbarung, die auch oft als
„Die erste Vision" bezeichnet wird,
hatte einen weitreichenden Einfluß. Zu-
erst einmal weist sie die Annahme
zurück, daß Offenbarungen aufgehört
hätten und Gott nicht mehr zu den
Menschen spreche. Zweitens bestätigte
„Jeder, der eine Berufung vom Herrn annimmt, hat, wenn
er rechtschaffen lebt, das Recht, dazu, Offenbarung zu er-
halten.
sie wiederum die Wahrheit, daß der
Mensch tatsächlich im Ebenbild Gottes
geschaffen worden ist. Drittens ließ sie
keinen Zweifel mehr darüber auf-
kommen und bestätigte auch, daß Gott
Vater und sein Sohn zwei getrennte
Wesen sind, die nur im Willen und in der
Absicht eins sind.
Der Prophet wurde auch von Boten vom
Himmel unterwiesen, wie zum Beispiel
von Moroni, der ihm von den goldenen
Platten berichtete, deren Inhalt später
als das Buch Mormon veröffentlicht
wurde. Später kam Johannes der Täu-
fer, der das Aaronische Priestertum
wiederherstellte, und Petrus, Jakobus
und Johannes, die das Melchisedekische
Priestertum wiederherstellten; ferner die
Wesen, die in der Vision im Tempel von
Kirtland erschienen sind (LuB 12, 27,
110).
Wenn man das Buch , Lehre und Bünd-
nisse' liest, stellt man fest, daß viele der
darin enthaltenen Offenbarungen vom
Propheten durch zwei Sehersteine, den
Urim und Tummim empfangen wur-
den. Diese Steine hat der Prophet bei der
Übersetzung des Buches Mormon ver-
wendet.
Dem Propheten wurde Göttliches durch
Visionen kundgetan. Eine solche Vision
ist zum Beispiel in dem 76. Abschnitt
des Buches , Lehre und Bündnisse'
niedergelegt. Er hat auch Offen-
72
barungen durch Inspiration erhalten, ja,
die meisten Offenbarungen im Buch
, Lehre und Bündnisse' sind auf diese
Weise gegeben worden.
Wenn man die heiligen Schriften gründ-
lich liest, lernt man noch andere Wege
kennen, wie sich der Herr seinen Kin-
dern hier auf Erden kundtut. Stephanus,
der zu Tode gesteinigt wurde, wurde
vom Heiligen Geist erfüllt. Er blickte
unverwandt gegen Himmel auf und sah
„Jesus stehen zur Rechten Gottes"
(Apostelgeschichte 7:55). Saulus, der bei
der Steinigung dabei war, hatte auch
aktiv an der Verfolgung des Stephanus
und anderer Jünger Christi teil-
genommen. Später, als er nach Damas-
kus unterwegs war, sah er „plötzlich ein
Licht vom Himmel;
und er fiel auf die Erde und hörte eine
Stimme, die sprach zu ihm. Saul, Saul,
was verfolgst du mich?
Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der
Herr sprach: Ich bin Jesus, den du
verfolgst" (Apostelgeschichte 9:3-5).
Saul wurde bekehrt und änderte sein
Leben; er wurde unter dem Namen
Paulus bekannt. Später wurde er als
Apostel berufen und war ein treuer
Anhänger und Jünger des Erlösers.
Oft werden Botschaften vom Himmel
durch Träume überbracht. In alter Zeit
hatte ein Pharao, ein König von Ägyp-
ten einen Traum. Er rief die Weisen des
Landes und andere zu sich, und forderte
sie auf, seinen Traum zu deuten, aber sie
konnten es nicht.
Der Pharao hatte geträumt, daß er in der
Nähe eines Flußes stünde, aus dem
sieben Kühe herausstiegen und auf der
Wiese grasten. Sie waren fette, schöne
Tiere, wohlgemästet. Dann kamen sie-
ben weitere Kühe aus dem Fluß. Sie
waren mager, nur Haut und Knochen,
sie fielen über die fetten Kühe her und
verschlangen sie (1. Mose 41:1-4).
Da erfuhr der Pharao, daß es einen
jungen Mann gab, der ungerechtfertigt
ins Gefängnis geworfen worden war.
Dieser junge Mann hatte die Träume des
Schenks und des Bäckers des Pharaos
deuten können. Sein Name war Joseph.
Er war einer der zwölf Söhne Israels.
Joseph war von seinen Brüdern an
Ismaeliter verkauft worden, die auf dem
Weg nach Ägypten waren. Joseph wurde
aus dem Gefängnis geholt, und als der
Pharao ihm seinen Traum erzählte,
konnte er ihn auslegen. Er erklärte, daß
es sieben Jahre des Überflusses geben
würde, die von sieben Jahre Hungersnot
gefolgt werden würden. Joseph machte
den Vorschlag, während der sieben gu-
ten Jahre den Überschuß der Ernte zu
lagern, um so für die kommende
Hungerszeit vorzusorgen. Der Pharao
war tief beeindruckt und betraute Jo-
seph, dem er vollkommenes Vertrauen
schenkte, mit der ganzen Bevorratung.
Joseph bekam große Macht, und er
wurde der zweite Mann in Ägypten nach
dem Pharao (1. Mose 41:9-40, 37:28).
Enos ist eines der besten Beispiele dafür,
wann einem die Stimme des Herrn ins
Herz kommt. Enos war von seinem
Vater unterwiesen worden, aber da er
jung und unreif war, hat er wohl einige
geringfügige Fehler begangen. Später
wurde er sich dessen bewußt und er-
kannte auch die Richtigkeit der Worte
seines Vaters. Er verspürte den über-
mächtigen Wunsch, Buße zu tun und
rechtschaffen zu leben. Enos jagte gerne.
Eines Tages, als er wieder in den Wald
auf die Jagd ging, kamen ihm die Worte
seines Vaters besonders stark in den
Sinn. Er wünschte sich sehr, daß ihm
seine vergangenen Fehler vergeben wer-
den würden. Er kniete sich nieder und
rief den Herrn demütig an, ihm zu
vergeben. Er betete den ganzen Tag lang
ernsthaft um Vergebung und hörte auch
nicht auf, als die Nacht anbrach.
Schließlich drang eine Stimme zu ihm
73
und sagte: ,,Enos, deine Sünden sind dir
vergeben." Da er sich auch um seine
Brüder, die Nephiten, sorgte, betete er
für sie. Als er so im Geiste kämpfte, kam
ihm die Stimme des Herrn ins Herz und
verlieh ihm Gewißheit.
Wir wissen, daß besonders dazu aus-
ersehene Führer der Kirche als Pro-
pheten, Seher und Offenbarer eingesetzt
werden und für ihre Berufung Offen-
barungen erhalten, aber man fragt sich
vielleicht, wer noch alles Offenbarungen
empfangen kann? Brigham Young hat
gelehrt, daß jeder einzelne für sich selbst
Offenbarungen erhalten kann. (Siehe
Discourses of Brigham Young, 3. Kapi-
tel, S. 35.) Eltern können hinsichtlich der
Erziehung ihrer Kinder Offenbarungen
erhalten.
Ich glaube fest daran, daß jeder Bischof
und jeder Pfahlpräsident berechtigt ist,
Offenbarungen darüber zu erhalten, was
für die Mitglieder der Gemeinde und des
Pfahles am besten sei. Ich glaube auch
daran, daß jeder, der eine Berufung vom
Herrn annimmt, das Recht hat, Offen-
barung hinsichtlich seiner Berufung zu
erhalten, wenn er rechtschaffen lebt und
mit dem Geist des Herrn im Einklang
ist.
Aber eines darf man nicht vergessen —
J. Reuben Clark hat dies vor vielen
Jahren mit folgenden Worten ausge-
drückt: „Der Herr hat erklärt, daß allein
der Prophet, Seher und Offenbarer der
Kirche . . . das Recht hat, Offen-
barungen für die gesamte Kirche zu
empfangen . . . oder bestehende Lehren
der Kirche irgendwie zu ändern." Kein
anderes Mitglied hat dazu das Recht
oder die Vollmacht (Church News, 31.
Juli 1954, S. 2).
Spencer W. Kimball ist heute derjenige,
der Offenbarungen für die Kirche emp-
fängt. Das bezeuge ich Ihnen. Mögen
wir auf seine Weisungen hören und
genug Weisheit und Urteilsvermögen
besitzen, um sie zu befolgen. Darum
bete ich im Namen des Herrn Jesus
Christus. Amen.
Aufgaben des Priestertums
Marion G. Romney
Zweiter Ratgeber des Präsidenten der Kirche
B
rüder, ich bete darum, daß ich bei
dem, was ich zu sagen habe, vom Geist
geführt werde, damit wir erbaut werden,
und ich fordere Sie auf, mit mir darum
zu beten. Ich möchte gerne etwas über
die Aufgaben der Priestertumsträger
sprechen. Meine lieben Brüder: Ich wen-
de mich zuerst an die Väter und spreche
über unsere Aufgabe, unsere Kinder zu
belehren und zu schulen. Dann werde
ich zu euch, den Trägern des Aaroni-
schen Priestertums, sprechen.
Vor kurzem mußte ich an einem Sams-
tag in einem Hotel übernachten. Am
Sonntag wurde ich von lauten, un-
flätigen Worten aufgeweckt. Die Aus-
drucksweise war schmutzig und ab-
stoßend. Ich war entsetzt, als ich dann
herausfand, daß dies Kinder waren, die
so gesprochen hatten. Mir fiel der
Spruch ein:
„Gewöhne einen Knaben an seinen
Weg, so läßt er auch nicht davon, wenn
er alt wird" (Sprüche 22:6).
Und dann dachte ich an die Offen-
barung: „Kleine Kinder . . . können . . .
nicht sündigen, denn dem Satan ist keine
Macht gegeben, kleine Kinder zu ver-
suchen . . . , daß von ihren Vätern große
Väter und Söhne sollen sich die Tugenden zu eigen machen,
die Joseph, Daniel, Nephi, Mormon und Joseph Smith in
ihrem Leben gezeigt haben.
Dinge gefordert werden mögen" (LuB
29:46-48).
Es stimmte mich traurig, als ich daran
dachte, welche Leiden diese Kinder und
ihre Väter ertragen werden müssen, weil
sie nicht die Unterweisung erhalten
haben, wie dies „von ihren Vätern . . .
gefordert" wird.
Wir Väter sollen niemals die Worte
Gottes vergessen, die da besagen:
„Wenn Eltern in Zion . . . Kinder haben
und sie nicht lehren, die Grundsätze der
Buße zu verstehen, des Glaubens an
Christus als den Sohn des lebendigen
Gottes, der Taufe und der Gabe des
Heiligen Geistes durch Händeauflegen,
wenn sie acht Jahre alt sind, so wird die
Sünde auf den Häuptern der Eltern
ruhen.
Auch sollen die Eltern ihre Kinder
lehren, zu beten und gerecht vor dem
Herrn zu wandeln" (LuB 68:25, 28).
In Doctrine and Covenants Commentary
steht dazu folgendes:
„Viele Menschen auf der Welt glauben,
daß sie ihre Pflicht getan haben, wenn sie
ihren Kindern ein Dach über dem Kopf,
Essen, Kleidung und eine Ausbildung
gewähren . . . Aber Heilige der Letzten
Tage haben als Eltern eine noch wichti-
gere Pflicht zu erfüllen. Sie müssen ihre
Kinder belehren ... Es genügt nicht, sie
einfach in die Primarvereinigung, zur
Sonntagsschule oder in die Schule zu
75
schicken. Die Eltern selbst haben die
persönliche Pflicht, ihre Kinder zu be-
lehren. Sie müssen darauf achten, daß
ihre Kleinen . . . lernen, zu beten und
rechtschaffen vor dem Herrn zu wan-
deln" (Hyrum M. Smith und Janne M.
Sjodahl, Doctrine and Covenants Com-
mentary, S. 414).
Wenn wir Väter öfter im Buch , Lehre
und Bündnisse', Abschnitt 39, Vers 40-
50 läsen, würde uns dies sehr dabei
helfen, uns stets unserer von Gott aufge-
tragenen Pflicht bewußt sein, unsere
Kinder zu belehren und zu schulen.
Und nun möchte ich euch, die Träger
des Aaronischen Priestertums, daran
erinnern, daß auch ihr eine Aufgabe
dabei innehabt. Ihr seid seit eurem
achten Lebensjahr vor dem Herrn für
euer eigenes Verhalten verantwortlich.
Bei der Geburt ist jeder von euch vom
Geist Christi erleuchtet worden. Dieser
Geist, der auch manchmal Gewissen
genannt wird, hat euch ein Gefühl für
das vermittelt, was richtig und was
falsch ist, noch ehe ihr acht Jahre alt
ward. Als ihr getauft und konfirmiert
worden seid, habt ihr als Hilfe die Gabe
des Heiligen Geistes erhalten.
Im Alter von zwölf Jahren haben die
meisten von euch das Aaronische
Priestertum erhalten. Gott hat euch
tatsächlich etwas von seiner
Priestertumsvollmacht und Kraft über-
tragen. Er hat so viel Vertrauen in euch,
daß er euch die Vollmacht gegeben hat,
bestimmte Aufgaben in seiner Kirche zu
erfüllen — Aufgaben, die auch der
Erlöser selbst erfüllt hat. Wenn ihr sie
durchführt, sind eure Handlungen ge-
nau so heilig und maßgebend, als wenn
Jesus oder seine Apostel sie vollziehen.
Der Herr hat, als er die Kirche ge-
gründet hat, über die Aufgaben des
Aaronischen Priestertums folgendes ge-
sagt:
„Die Pflicht des Priesters ist es, zu
predigen, zu lehren, auszulegen, zu er-
mahnen, zu taufen und das Abendmahl
zu segnen;
das Haus eines jeden Mitglieds zu be-
suchen und diese zu ermahnen, laut und
im stillen zu beten und allen Familien-
pflichten nachzukommen.
Die Pflicht des Lehrers ist es, immer
über die Gemeinde zu wachen, bei den
Mitgliedern zu sein und sie zu stärken,
auch zu sehen, daß sie [die Gemeinde]
sich oft versammelt und daß alle Mit-
glieder ihre Pflichten erfüllen" (LuB
20:46, 47, 53, 55).
Die Aufgabe des Diakons ist es, das
Abendmahl auszuteilen, Fastopfer
einzusammeln und zu „warnen, er-
klären, ermahnen und lehren und alle
einladen, zu Christus zu kommen" (LuB
20:59).
Wenn ihr eure Pflichten im Aaronischen
Priestertum richtig erfüllt, werdet ihr
wunderbare Segnungen erhalten.
Ich hoffe, daß ihr euch wünscht und fest
entschlossen seid, eure gegenwärtige
Berufung voll zu erfüllen, damit ihr,
wenn ihr das Melchisedekische Priester-
tum übertragen bekommt, so fortfahrt,
bis ihr zu den „Auserwählten Gottes"
gezählt werdet, denen der Herr in einer
einzigartigen Offenbarung über das
Priestertum folgendes verheißen hat:
„Diejenigen, die treu sind und diese
beiden Priestertümer erhalten . . . und
ihre Berufung verherrlichen, werden
durch den Geist geheiligt zur Erneue-
rung ihres Körpers.
Sie werden die Söhne Moses und Aarons
und der Same Abraham, die Kirche und
das Reich und die Auserwählten Got-
tes" (LuB 84:33, 34).
Im allgemeinen sind großartige und edle
Männer vortreffliche Knaben gewesen,
die die Grundlage zu ihrer Größe in den
Jahren errichtet haben, als sie das Aaro-
nische Priestertum trugen.
Ich werde jetzt auf einige dieser groß-
76
artigen Männer eingehen und bitte euch,
auf ihre Eigenschaften zu achten und
euch vorzunehmen, daß ihr ihnen nach-
eifert.
Denkt zum Beispiel einmal daran, welch
Vorbild an Tugendhaftigkeit Joseph
war. Mit siebzehn Jahren wurde er als
Sklave nach Ägypten gebracht und an
„Potiphar, des Pharao Kämmerer" ver-
kauft (1. Mose 37:36).
Seine Rechtschaffenheit und Tüchtig-
keit beeindruckten Potiphar derart, daß
er ihn zum Verwalter seines ganzen
Besitzes, einschließlich seines Hauses,
machte. Joseph war so gut aussehend,
daß Potiphars Frau wiederholt ver-
suchte, ihn zu verführen. Er jedoch wies
ihre Annäherungsversuche zurück und
sagte: „Wie sollte ich denn nun ein solch
großes Übel tun und gegen Gott sündi-
gen?" (1. Mose 39:9).
Sie erzählte eine Lüge über ihn, und
Joseph wurde ins Gefängnis geworfen.
Der Herr segnete ihn aber wegen seiner
Rechtschaffenheit, so daß er aus dem
Gefängnis entlassen und der oberste
Beamte des Pharaos wurde.
Er war schließlich ein Werkzeug dabei,
das ganze Haus Israel zu erhalten. Die
meisten von uns heute hier Anwesenden
erheben stolz Anspruch darauf, zu
seiner Nachkommenschaft zu zählen.
Jeder Priestertumsträger, ob er das
Aaronische oder das Melchisedekische
Priestertum trägt, soll es Josephs Vor-
bild gleichtun.
Daniel war beispielhaft für seinen Mut.
Als junger Mann wurde er nach Babylon
gebracht, um an König Nebukadnezars
Hof ausgebildet zu werden. Er und drei
seiner hebräischen Gefährten weigerten
sich trotz der Gefahr, in die sie sich
dadurch begaben, ihr Wort der Weisheit
zu brechen. Sie weigerten sich, üppiges
Essen und anderes zu sich zu nehmen,
das nicht gut für ihren Körper war
(Daniel 1:5-16).
Später zeigte Daniel seinen Mut wieder-
um, als er zwei Königen Kundgebungen
auslegte, die der Herr Daniel offenbart
hatte; Kundgebungen, die die Könige
erhalten hatten und die für sie Böses
ankündigten. Daniel sagte dem ersten
König, daß er den Verstand verlieren
und wie ein Tier auf dem Feld werden
und Gras wie ein Ochse fressen würde.
Dem zweiten König erklärte er, daß er
am Höhepunkt seiner Macht dahin-
gerafft werden würde (Daniel 2:36-45,
4:21-23; 5:26-29).
Diesen absoluten Herrschern ihre
Kundgebungen so auszulegen, zeugt
wirklich von dem großen Mut Daniels.
Er bewies einmaligen Mut, als er es
vorzog, lieber in eine Löwengrube ge-
worfen zu werden, als den Erlaß des
Königs zu befolgen, nicht mehr zum
Vater im Himmel zu beten (Daniel 6:7-
23).
Glauben wurde von Nephi bewiesen, als
er als junger Mann sagte:
„Ich will hingehen und das tun, was der
Herr geboten hat, denn ich weiß, daß der
Herr den Menschenkindern keine Ge-
bote gibt, es sei denn, daß er einen Weg
für sie bereite, damit sie das ausführen
können, was er ihnen geboten hat" (1.
Nephi 3:7).
Das antwortete Nephi seinem Vater
Lehi, dem der Herr geboten hatte, daß
Nephi und seine Brüder nach Jerusalem
zurückkehren sollten, um die Platten
Labans zu holen.
Als Laman, sein Bruder, Laban nicht
überreden konnte, ihnen die Platten zu
überlassen, wollten er und sein Bruder
Lemuel wieder ohne sie zu ihrem Vater
in die Wildnis zurückkehren. Aber Ne-
phi sagte:
„So wahr der Herr lebt, und so wahr wir
leben, wir werden nicht eher zu unserm
Vater in die Wildnis hinuntergehen, als
bis wir das vollbracht haben, was der
Herr uns geboten hat" (1. Nephi 3:15).
77
Er überredete sie dann dazu, das Gold
und Silber und andere Reichtümer zu
holen, die sie im Land ihres Erbteils
zurückgelassen hatten, um sie Laban für
die Platten anzubieten. Sie taten dies,
aber ohne Erfolg.
Nephi sagte dann zu seinen Brüdern, die
sich beklagten und ihn drängten, ohne
die Platten zu ihrem Vater in die Wildnis
zurückzukehren :
„Laßt uns wieder nach Jerusalem
hinaufgehen und treu sein im Halten der
Gebote des Herrn, denn er ist mächtiger
als die ganze Erde, warum denn nicht
mächtiger als Laban und seine fünfzig,
ja, selbst als seine Zehntausende?" (1.
Nephi 4:1).
Nephi, vom Geist des Herrn geführt,
ging dann allein in die Stadt und kam
mit den Platten zurück.
Groß war der Glaube Nephis.
Falls ihr, die Träger des Aaronischen
Priestertums, glaubt, daß ihr zu jung
seid, um die Verantwortung eurer Beru-
fung auf euch zu nehmen, denkt über
folgende Auszüge eines Briefes nach,
den Mormon geschrieben hatte.
„Ungefähr um die Zeit, als Ammaron
die Urkunden für den Herrn verbarg,
kam er zu mir (ich war damals ungefähr
10 Jahre alt ... ) und sagte zu mir: . . .
Deshalb wünsche ich, du mögst im
Gedächtnis behalten, was du unter die-
sem Volk siehst, bis du ungefähr 24
Jahre alt bist. Wenn du dieses Alter
erreicht hast, sollst du ... an einen
Hügel gehen, der Shim heißt; und dort
habe ich . . . alle heiligen Berichte über
dieses Volk verwahrt.
Du sollst die Platten Nephis an dich
nehmen. [Darauf] graviere alle Dinge,
die du unter diesem Volk beobachtet
hast" (Mormon 1:2-4).
Diese Anweisung erhielt Mormon, als er
erst zehn Jahre alt war.
Fünf Jahre später schrieb er:
In demselben Jahr [Mormon war fünf-
zehn Jahre geworden] brach erneut ein
Krieg zwischen den Nephiten und La-
maniten aus. Und trotz meiner Jugend
war ich groß von Gestalt; deshalb wähl-
te mich das Volk Nephi . . . zum Führer
seiner Heere.
Daher zog ich in meinem sechzehnten
Jahr an der Spitze eines nephitischen
Heeres gegen die Lamaniten" (Mormon
1:15, 2:1, 2).
Man könnte meinen, daß ein Träger des
Aaronischen Priestertums, der wegen
seiner Jugend zögert, die Pflichten seines
Amtes auszuführen, von diesen Helden-
taten Mormons Mut eingeflößt be-
kommt.
Joseph Smith, der Prophet, zeigte in
seiner Jugend all die edlen Eigen-
schaften, die andere Jungen, die später
große Männer wurden, während ihrer
Zeit als Träger des Aaronischen
Priestertums bewiesen haben. Er besaß
die moralische Stärke, die Joseph in
Ägypten gezeigt hatte, den Mut Daniels,
den Glauben Nephis und die Zuver-
lässigkeit Mormons.
Mit vierzehn Jahren hatte er genug
Glauben, um dieser Verheißung Jako-
bus' nachzukommen: „Wenn aber je-
mandem unter euch Weisheit mangelt,
der bitte Gott, der da gern gibt jeder-
mann und allen mit Güte begegnet, so
wird ihm gegeben werden" (Jakobus
1:5).
Als er den Rat des Jakobus befolgte,
erhielt er seine erste Vision.
In seiner Reaktion auf die Beschimp-
fungen, die folgten, als er von seiner
Vision erzählte, bewies er, wie mutig und
zuverlässig er war.
„Ich fand indessen bald", so schrieb er,
„daß die Erzählung meiner Erlebnisse
bei den Geistlichen ein starkes Vorurteil
gegen mich weckte und eine heftige und
zunehmende Verfolgung hervorrief. Ob-
wohl ich nur ein unbekannter Knabe
von vierzehn bis fünfzehn Jahren war,
78
und die Umstände, unter denen ich
lebte, mir, einem Knaben, keinerlei
Bedeutung in der Welt verliehen,
schenkten mir gleichwohl angesehene
Männer so große Beachtung, daß sie die
öffentliche Meinung gegen mich auf-
hetzten und eine erbitterte Verfolgung
anzettelten, und zwar unter allen
Gemeinschaften, denn alle vereinigten
sich, um mich zu verfolgen . . .
Das änderte aber nichts an der Tatsache,
daß ich ein Gesicht gehabt hatte. Ich
habe seither oft gedacht, daß mir wohl
ähnlich zumute war wie dem Apostel
Paulus, als er sich vor König Agrippa
verteidigte. Er erzählte ihm von dem
Gesicht, das er gehabt, wie er ein Licht
gesehen und eine Stimme gehört hatte.
Auch ihm glaubten nur wenige; etliche
sagten, er sei unehrlich, andere be-
haupteten, er sei von Sinnen, und so
wurde er verpottet und verlästert. Aber
all dies zerstörte nicht die Wirklichkeit
seines Gesichtes. Er hatte ein Gesicht
gesehen und wußte, daß er es gesehen
hatte, und alle Verfolgungen unter dem
Himmel konnten nichts daran ändern.
Und wenn sie ihn auch bis in den Tod
verfolgten, so wußte er dennoch bis zu
seinem letzten Atemzug: ich habe ein
Licht gesehen und wußte, daß eine
Stimme zu mir gesprochen hat, und die
ganze Welt kann mich nicht dazu be-
wegen, anders zu denken oder zu glaub-
en.
So ging es mir. Ich hatte wirklich ein
Licht gesehen, und inmitten des Lichtes
zwei Gestalten, und sie hatten tat-
sächlich zu mir gesprochen . . . , ich
konnte es nicht verleugnen" (Joseph
Smith, 2:22, 24, 25).
Wenn wir genauso erfolgreich sein wol-
len wie diese bedeutsamen Männer, die
uns vorausgegangen sind, dann wäre es
wohl wert, diesen Tugenden nachzu-
eifern, meine jungen Brüder im Aaroni-
schen Priestertum. Ich gebe euch Zeug-
nis, daß wir großartige Männer sein
werden, wenn wir das tun, was diese
jungen Männer getan haben. Und ich
bezeuge dies im Namen Jesu Christi,
unseres Erlösers. Amen.
Einer Empfehlung würdig sein
N. Eldon Tanner,
Erster Ratgeber des Präsidenten der Kirche
W<
enn ich so über die hier Ver-
sammelten blicke und an die Tausenden
denke, die zuhören, wird mir bewußt,
daß ich zu Priestertumsführern,
Priestertumsträgern und zu jenen spre-
che, die in der Zukunft Führungsämter
bekleiden werden. Jene, die jetzt Führer
sind, sollten schon Männer mit Charak-
ter sein, Männer mit den höchsten
Idealen und Maßstäben, denen die, die
sie führen, nacheifern können. Heute
abend möchte ich mich deshalb an die
jungen Männer wenden, die über den
Weg des Aaronischen Priestertums
schließlich die Plätze einnehmen wer-
den, die wir Älteren zur Zeit innehaben.
Ja, ohne Zweifel wird eines Tages einer
von euch jungen Männern hier an die-
sem Rednerpult stehen und Führer der
Kirche sein. Einer von euch wird viel-
leicht sogar der Präsident der Kirche
werden, und sicherlich werdet ihr alle,
wenn ihr aufrichtig und treu bleibt und
die Gebote haltet, im Reich Gottes
voranschreiten.
Was für ein ehrfurchtgebietender Ge-
danke! Es ist so notwendig und wichtig,
daß wir uns alle ständig bemühen,
Fortschritt zu machen und uns auf den
Es ist wichtig, so zu leben, daß wir damit Fortschritt im
Priestertum machen und schließlich im Reich Gottes aufge-
nommen werden.
Tag vorzubereiten, wo man vielleicht in
eine neue oder verantwortungsvollere
Stellung berufen wird. Der ganze Zweck
unseres Erdenlebens ist es, das Reich
Gottes aufzubauen und uns selbst für
würdig zu erweisen, in seine Gegenwart
zurückzukehren. Ihr seid heute abend
hier, weil ihr dies begriffen habt und zu
jenen gezählt werden wollt, die der Herr
sein nennen wird.
Was müßt ihr tun, was ihr nicht schon
tut? Wenn ich über das nachdenke, was
man tun muß, um ein fähiger und
nützlicher Diener des Herrn zu sein,
komme ich zur Ansicht, daß es sich im
Grund nur darum handelt, würdig zu
sein, von jemand Bevollmächtigten eine
einwandfreie Empfehlung bekommen
zu können.
Die Erste Präsidentschaft und einige
andere Generalautoritäten bereiten sich
zur Zeit auf eine Reihe von Gebiets-
konferenzen vor, die an weit ausein-
anderliegenden Orten stattfinden, wo es
Mitglieder der Kirche gibt. Bei diesen
Vorbereitungen wird auch darauf ge-
achtet, daß wir Päße oder Visas haben,
um den Einreisebedingungen der Län-
der zu entsprechen, die wir besuchen
werden. Diese Ausweispapiere müssen
von den jeweiligen Behörden genehmigt
werden, und erst wenn alle Vorschriften
erfüllt sind, erhalten wir unsere Papiere,
mit denen wir die Länder unserer Wahl
betreten können.
80
Vor kurzem sollte Bruder David B.
Haight vom Rat der Zwölf an einer
Pfahlkonferenz in Mexiko teilnehmen.
Als er an der Grenze ankam, stellte er
fest, daß er nicht alle notwendigen
Papiere bei sich hatte, die er zur Einreise
brauchte. Weder sein inständiges Bitten
noch die Wichtigkeit seiner Mission
halfen etwas: die Beamten hatten keine
Befugnis, ihn ohne die erforderlichen
Papiere einreisen zu lassen. Deshalb
konnte er nicht an der Pfahlkonferenz
teilnehmen.
Genauso ist es mit unserem Fortschritt
im Priestertum. Soll jemand von einem
Amt zu einem höheren aufsteigen, be-
darf es der Empfehlung und Genehmi-
gung von den dazu Bevollmächtigten.
Und diese erhält man nicht, ohne würdig
zu sein oder die nötigen Erfordernisse zu
erfüllen. So wird es sich auch verhalten,
wenn wir das Himmelreich betreten
wollen, um zu jenen zu gelangen, die vor
uns dorthin gekommen sind, und um
ewig bei Gott, unserem Vater, zu leben.
Es stimmt, daß sich einige ohne die
notwendigen Ausweispapiere heimlich
über die Grenze in ein anderes Land
stehlen, aber wenn sie entdeckt werden,
erwartet sie nach dem Gesetz eine Strafe
und die Ausweisung. Einige Mitglieder,
die einer Übertretung schuldig sind,
lügen vielleicht, um im Priestertum
weiterzurücken, um auf Mission oder in
den Tempel gehen zu können. Aber der
Herr weiß es, und sie können nicht
erwarten, sich seiner Segnungen zu er-
freuen.
Während meiner Tätigkeit in der Regie-
rung, der Industrie und in der Kirche,
wurde ich immer wieder von vielen
Leuten um ein Empfehlungsschreiben
oder eine Referenz gebeten, um ihnen zu
helfen, eine Stelle zu bekommen oder
befördert zu werden. Ich wurde auch
schon von leitenden Männern in der
Industrie und im öffentlichen Leben
gefragt, ob ich bestimmte Menschen,
deren Einstellung sie erwogen, empfeh-
len könnte.
Mich erfüllt es immer wieder mit Freude
und Genugtuung, wenn ich antworten
kann, daß derjenige es wert ist, in
Erwägung gezogen zu werden, daß er
ehrlich und verläßlich ist, daß er gut in
der Schule war, daß er gut mit anderen
Menschen auskommt, daß er fleißig ist,
daß er nichts aufschiebt, daß er loyal
und vertrauenswürdig ist. Unter solchen
Umständen füge ich hinzu, daß ich ihn
ohne Einschränkung empfehlen kann
und er ein Gewinn für das Unternehmen
sein würde.
Ich bin sehr betrübt, wenn ich jemand
nur mit Einschränkungen empfehlen
kann, weil er einige unerwünschte
Charakterzüge aufweist oder einige
Eigenschaften besitzt, derentwegen er
nach meiner Meinung seinen Arbeit-
geber nicht zufriedenstellen würde. Ge-
wöhnlich sage ich in so einem Fall, daß
ich nicht für ihn bürgen kann, oder ich
beantworte die Frage überhaupt nicht.
Es ist genauso wichtig, daß ich in meiner
Empfehlung aufrichtig bin, wie es wich-
tig ist, daß der voraussichtliche Ange-
stellte ehrlich und rechtschaffen ist.
Wenn man sich für einen Beruf ent-
scheidet, soll man zuerst seine Qualifi-
kationen überdenken: das heißt, wenn
jemand beispielsweise Arzt werden will,
soll er zu allen anderen Eigenschaften,
die den Charakter eines Menschen aus-
machen, wie sittliches Verhalten,
Ehrlichkeit, Verläßlichkeit usw., auch
noch einfühlend und um das Wohl-
ergehen der Menschen besorgt sein. Er
soll nicht nur diesen Beruf ergreifen, weil
er sehr lukrativ sein kann, sondern auch,
weil er wirklich an der Verbesserung der
Gesundheit der Menschen interessiert
ist. Ein Arzt ist jemand, der bereit ist,
sich für einen Kranken zu jeder Zeit, ob
am Tag oder in der Nacht, einzusetzen,
81
ohne an seine Bequemlichkeit zu denk-
en.
Wenn jemand ein Pilot werden will, soll
er fähig sein, ruhig und logisch zu
denken und zu handeln, wenn bei der
Ausübung seiner Pflichten Un-
erwartetes eintritt. Ein Rechtsanwalt
muß in der Lage sein, sich in Wort und
Schrift gut ausdrücken zu können. Ein
Verkäufer muß voll Begeisterung sein
und gut mit Menschen umgehen kön-
nen; er muß die Fähigkeit besitzen,
Menschen zu überzeugen, die er für sein
Produkt begeistern will. Eine Sekretärin
oder Empfangsdame muß Vertrauliches
für sich behalten können und im Büro
freundlich und hilfsbereit sein, wenn
andere darauf warten, bis sie an die
Reihe kommen.
Sie sehen also, für jeden Beruf sind
einige grundlegende und einige beson-
dere Fähigkeiten erforderlich, um die
geforderte Arbeit gut tun zu können.
Unser ganzes Leben lang sollen wir uns
um die Charaktereigenschaften bemü-
hen, die notwendig sind, damit wir
unseren Platz im Leben ausfüllen.
Vor ein paar Jahren hat die Kirche an
junge Mitglieder eine Reihe kleiner Kar-
ten ausgeteilt, auf denen auf der einen
Seite ein Bild war und auf der anderen
etwas stand. Diese Reihe hatte den Titel
„Sich selbst gegenüber ehrlich sein". Ich
zitiere auf einer davon:
„Sie haben gerade eine Schularbeit. Die
Schüler sind unbeaufsichtigt — der
Lehrer hat an ihr Gewissen und ihre
Ehre appelliert. Abgesehen von seinem
Gewissen und der Mißbilligung anderer
Schüler kann jeder in seinen Büchern
nachschlagen oder in das Heft seines
Sitznachbarn schauen, wenn er eine
Antwort nicht weiß. Was würden Sie
tun?"
Einige Kritiker der heutigen Jugend
behaupten, daß immer mehr in den
Gymnasien und Schulen geschwindelt
werde. Aber was noch schlimmer ist, sie
behaupten, es sei völlig normal, daß die
anderen Schüler, die nicht mogeln, und
einige Lehrer dies akzeptieren. Für
Schwindeln werden verschiedene Ent-
schuldigungsgründe genannt:
Man will für die Sportmannschaft oder
andere Aktivitäten noch in Frage kom-
men oder sich bei anderen Schülern oder
dem Lehrer beliebt machen; andere
wollen ihre Eltern zufriedenstellen, die
meinen, ihre Tochter oder ihr Sohn sei
so „gescheit wie jeder andere" oder
müßte es sein; wieder andere schwin-
deln, um einfach weiter die Schule
besuchen zu können.
Keiner dieser Gründe rechtfertigt das
Schwindeln; keiner wird der Prüfung der
Zeit und des Gewissens standhalten.
Schwindeln ist unaufrichtig, wo immer
es auch praktiziert wird — das war es
immer und wird es auch immer sein.
Der erste Betrüger war Satan, der ,Vater
der Lügen'. Er versuchte, uns im vor-
irdischen Dasein unseres Rechtes auf
Entscheidungsfreiheit und ewigen Fort-
schritt zu berauben. Der Satan hat
verloren. Betrüger feiern nie wirklich
einen Sieg.
Wenn jemand schwindelt, sei es, um eine
Schularbeit oder Prüfung zu bestehen,
oder wenn er schlimme Betrügereien
begeht, dann betrügt er sich selbst als
ersten.
„Tut es nicht! Seid euch selbst gegenüber
ehrlich — immer, in jeder Form!"
Ehrlichkeit wird einem zuerst in der
Familie beigebracht. Jeder von uns be-
sitzt etwas, was ihm alleine gehört. Wir
können und sollen das, was wir haben,
mit anderen teilen und anderen dienen;
aber wir besitzen Geld oder Schmuck
oder Kleidung, die uns allein gehören
und nicht ohne unsere Einwilligung
genommen werden sollen. Ein Kind, das
diesen Grundsatz zu Hause achtet, wird
nicht so schnell diesen Grundsatz außer-
82
halb der Familie mißachten. Anderer-
seits, wenn zu Hause wenig Nachdruck
auf diesen Grundsatz gelegt wurde, wird
dadurch die Mißachtung von den Rech-
ten und dem Eigentum anderer ge-
fördert.
Ich weiß, daß die jungen Leute heute
einer Vielzahl von äußeren Einflüssen
ausgesetzt sind und meinen, daß sie, um
bei ihren Freunden beliebt zu sein, vieles
tun müssen, das gegen ihre persönlichen
Wertmaßstäbe verstößt. Aber ich be-
schwöre euch, überlegt, welche Folgen
es haben könnte, wenn ihr eure Grund-
sätze aufs Spiel setzt; euer ganzes Leben
könnte dadurch nachteilig beeinflußt
werden.
Wenn ein Kind älter und reifer wird und
anfängt, für Geld zu arbeiten, ob es nun
für seine Eltern oder jemand anders sei,
muß es ehrliche Arbeit für sein Entgelt
leisten. Meistens ist die erste Arbeit für
einen jungen Mann die, daß er Zei-
tungen austrägt. Unzählige erfolgreiche
Geschäftsmänner haben mit dieser Ar-
beit angefangen. Sie haben gelernt, ver-
läßlich und schnell zu sein. Ich kenne
einen Zeitungsjungen, der immer seine
Zeitungen ausgetragen hat, egal welches
Wetter gerade geherrscht hat. Und er
hat den Monatsbetrag auf freundliche,
höfliche und geschäftsmäßige Art kas-
siert. Er hatte viele zufriedene Kunden,
und es bereitete ihm keine Schwierig-
keiten, neue Kunden zu werben. Diese
frühe Schulung half ihm, ein äußerst
erfolgreicher Geschäftsmann zu werden.
Ein anderer Junge, den ich kannte —
und ich habe mehrere wie ihn gekannt —
trug seine Zeitungen nicht rechtzeitig
aus und hatte Schwierigkeiten mit dem
Einkassieren des Zeitungsgeldes; die
Vertriebsstelle der Zeitung hatte schließ-
lich so viele Beschwerden über ihn, daß
sie ihn durch jemand anders ersetzen
mußte. Nicht, welche Arbeit wir tun,
zählt, sondern wie wir sie tun.
Als ich Leiter der Trans-Canada Pipe-
lines war, hatten wir im Büro einen
Laufburschen, der nur das tat, was man
ihm auftrug. Er wartete, bis man ihm
einen Botengang auftrug, oder er stand
einfach herum und wartete auf An-
weisungen; er bot nie freiwillig seine
Hilfe an. Als die Gesellschaft wuchs und
er mehr Arbeit hatte, als er allein
ausführen konnte, stellten wir einen
zweiten Burschen an, noch jünger als er;
dieser war flink und immer auf der
Suche nach weiterer Arbeit. In ein paar
Monaten erhielt er in einer Abteilung
eine Aufgabe mit verantwor-
tungsvollerem Wirkungskreis, und
innerhalb zweier Jahre hatte er drei
Vorrückungen, mehrere Lohnerhöhun-
83
gen und mehr Pflichten. Der andere
blieb ein Laufbursche.
Als ich Führer einer Pfadfindertruppe
war, bemerkte ich besonders, welche
Unterschiede zwischen den einzelnen
Jungen bestehen. Einige waren eifrig
und bedacht darauf, etwas zu lernen,
den Pfadfinderschwur einzuhalten, von
Diensten zu sein und alles zu erfahren,
was sie nur darüber lernen konnten, wie
man unter allen Bedingungen für sich
selbst sorgen kann. Man könnte viele
Begebenheiten darüber erzählen, wie
Pfadfinder ihr eigenes Leben und das
vieler anderer gerettet haben, weil sie
damals bei der Schulung aufgepaßt
haben. Es gab andere Pfadfinder, die so
wenig wie möglich taten und nur daran
interessiert waren, wie viele Streiche sie
spielen konnten, ohne dabei erwischt zu
werden. Ich wollte immer, daß die
Jungen Spaß hatten, solange sie ehrlich
und verläßlich waren und den
Pfadfinderschwur und das Pfadfinder-
versprechen hielten und die Schulung
abschlössen.
Ich erinnere mich sehr gut an einen der
leitenden Pfadfinder in England, der
während des Krieges die Aufgabe hatte,
Soldaten für streng geheime Missionen
auszusuchen. Er sagte, daß er immer
glücklich war, wenn er einen Mann
gefunden hatte, der ein guter Pfadfinder
gewesen war und seinen Arm aus-
strecken und das Zeichen für den
Schwur machen konnte und sagte, daß
er das Pfadfindergesetz und den
Pfadfindereid gehalten habe. Er sagte,
daß er unter diesen Bedingungen nicht
zögerte, einen Mann zu empfehlen, weil
er wußte, daß er sich auf ihn verlassen
konnte, und wußte, daß man ihm auch
vertrauen konnte. Er sagte, daß er nie
von einem dieser Männer enttäuscht
worden sei.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel erzählen,
um zu veranschaulichen, wie wichtig es
ist, Vorrangiges an erste Stelle zu
f f ff ■ MI !ä1 % ^T
84
setzen, wenn man im Leben erfolgreich
sein will. Ich wuchs auf einer Farm auf,
wo ich bis zur Schulzeit blieb. Ich hatte
beobachtet, wie ein Farmer auf der einen
Straßenseite sehr erfolgreich war, wäh-
rend der andere Farmer auf der anderen
Straßenseite fast ein Versager war. Was
hat den Unterschied ausgemacht? Sie
hatten gleich viel Sonnenschein und
gleich viel Regen. Sie pflanzten die
gleiche Samenart. Einer erntete schön
und viel, der andere wenig oder nichts.
Ich stellte fest, daß der erfolgreiche
Farmer hart arbeitete. Er pflügte, eggte,
säte und erntete zur richtigen Zeit,
während sein Nachbar die Arbeit
hinausschob oder fischen oder jagen
ging, während er hätte arbeiten sollen.
Wir müssen lernen, unsere Prioritäten
richtig festzusetzen. Keiner kann bei
seiner Arbeit Erfolg haben, wenn er
nicht zur richtigen Zeit arbeitet und zur
richtigen Zeit seinem Vergnügen nach-
geht.
Arbeit ist ein wunderbares Heilmittel für
vieles. Im Wartezimmer eines be-
kannten neurologischen Institutes hängt
ein Schild, das nicht für die Kranken,
sondern für die Gesunden bestimmt ist:
„Wenn Sie arm sind, arbeiten Sie. Wenn
Sie reich sind, arbeiten Sie. Wenn man
Sie ungerecht behandelt, arbeiten Sie.
Wenn Sie glücklich sind, fahren Sie mit
der Arbeit fort; Untätigkeit schafft
Raum für Zweifel und Ängste. Wenn Sie
von Sorgen überwältigt werden und
niemand aufrichtig zu sein scheint, dann
arbeiten Sie. Wenn Sie enttäuscht sind,
arbeiten Sie.
Wenn der Glaube wankt und etwas über
Ihren Verstand geht, dann arbeiten Sie
einfach. Wenn Träume vernichtet und
Hoffnungen zerstört werden — arbeiten
Sie. Arbeiten Sie, als ob Ihr Leben in
Gefahr ist, und das ist es auch.
Was Ihnen auch fehlt, arbeiten Sie.
Arbeiten Sie treu und mit Glauben.
Arbeit ist das beste Heilmittel, das es
gibt. Arbeit heilt seelische und körper-
liche Krankheiten."
Nun junger Mann, wenn du mich um
meine Hilfe bei der Arbeitssuche bitten
würdest, welches Empfehlungsschreiben
könnte ich für dich ausstellen? Könnte
ich sagen, daß du in allem vollkommen
ehrlich, verläßlich und aufrichtig bist?
Oder müßte ich sagen, daß du in einigem
qualifiziert bist, daß du aber faul bist
oder dich in der Schule nicht angestrengt
hast oder daß du nicht tust, was man dir
sagt, oder daß du treulos oder sonst
etwas bist, was dich nicht zu einem
wünschenswerten Angestellten machen
würde?
Wenn es so wichtig ist, sehr gute
Empfehlungen oder Referenzen zu ha-
ben, um eine Stellung zu erhalten, wie-
viel wichtiger ist es dann, so zu leben,
daß man von den Führern der Kirche
eine Empfehlung erhalten kann, damit
wir in den verschiedenen Ämtern und
Aufgaben des Priestertums Fortschritt
machen können und schließlich das
Himmelreich betreten können.
Als Priestertumsträger sollen wir wissen,
daß Gott unser Vater und sein Sohn
Jesus Christus unser Erlöser ist; daß wir
durch sein Sühnopfer auferstehen und
ewiges Leben erlangen können, wenn
wir seine Lehren befolgen; daß die
Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage durch Offenbarung ge-
gründet wurde; daß Spencer W. Kimball
ein Prophet Gottes und der Präsident
der Kirche Jesu Christi ist und daß das
Priestertum, das wir innehaben, die
Macht Gottes ist, die wir übertragen
bekommen haben, um in seinem Namen
zu handeln.
Mögen wir danach streben, jeden Tag
uns dieses wunderbaren Grundsatzes
würdig zu erweisen, darum bete ich
demütig im Namen des Herrn Jesus
Christus. Amen.
85
Werten wir die Familie
- die Grundeinheit der Kirche - auf
Präsident Spencer W. Kimball
M,
.eine lieben Brüder, ich freue mich,
daß ich auf dieser Konferenz-
versammlung mit Ihnen zusammen sein
kann.
Wir kommen in der Kirche oft zu
Konferenzen zusammen, um Gott zu
verehren, uns der Worte Christi zu
erfreuen und unseren Glauben und
unser Zeugnis zu stärken. Wir halten
unter anderem Gemeinde-, Pfahl-, Ge-
biets- und Generalkonferenzen ab.
In den letzten Jahren zählten besonders
die Gebietskonferenzen außerhalb der
Vereinigten Staaten zu den inspirierend-
sten. Wir haben vor, von 1978 an auch in
den Vereinigten Staaten einige Gebiets-
konferenzen einzuberufen. Dadurch
können mehr Mitglieder die Führer der
Kirche hören und kennenlernen. Zu
jeder dieser Konferenzen werden zwei
Brüder vom Rat der Zwölf und andere
Führer kommen.
Auch haben wir beschlossen, von 1979
an in jedem Pfahl jährlich nur noch zwei
Pfahlkonferenzen einzuberufen, damit
die Mitglieder der Kirche zeitlich und
finanziell weniger belastet werden und
Unsere Kinder werden sehr stark durch die Massenmedien,
aber auch durch ihre evangeliumsbezogenen Erinnerungen
beeinflußt.
weniger reisen müssen. Zu einer Pfahl-
konferenz werden einer oder mehr Füh-
rer der Kirche kommen, zur anderen der
zuständige Regionalrepräsentant. So
werden Pfahlpräsidenten und andere
örtliche Führer mehr Zeit haben, sich
für die Vervollkommnung der Heiligen
einzusetzen.
Und jetzt möchte ich etwas zu der
großen Aufgabe sagen, die wir als Patri-
arch unserer Familie haben. Sie wird mit
jedem Tag wichtiger, denn die Stärke
und Heiligkeit der Familie wird immer
wieder neu bedroht.
Die Familie ist die Grundlage des Rei-
ches Gottes auf Erden. Die Kirche kann
nicht stärker sein als ihre Familien.
Keine Regierung kann ohne stabile
Familien lang bestehen.
Noch nie war die Familie in der ganzen
Welt so vielen teuflischen Einflüssen
ausgesetzt. Viele von ihnen finden ihren
Weg direkt in unsere Wohnung, und
zwar durch Fernsehen, Radio, Zeit-
schriften, Zeitungen und andere Schrif-
ten. Brüder, als Patriarch Ihrer Familie
müssen Sie auf der Hut sein. Sie müssen
wissen, was für Fernsehsendungen Ihre
Kinder sehen oder was sie im Radio
hören. Soviel Schmutz und Unrat um-
gibt uns heute und läßt uns nicht
vergessen, daß die Sünden von Sodom
und Gomorrha heute „in" sind.
86
Es gibt heute Zeitschriften mit Bildern
und Artikeln, die gleichermaßen die
niederen Instinkte in Männern, Frauen
und Jugendlichen wecken. Es gibt in der
ganzen Welt Zeitungen, die mit Sex ihre
Auflagen steigern wollen. In manchen
Zeitungen finden wir Anzeigen, die uns
auffordern, in pornographische Filme
zu gehen. Durch solche Anzeigen und
Filme wird viel Same für Verge-
waltigung, Untreue und die abstoßend-
sten geschlechtlichen Sünden gesät.
Brüder, wenden Sie sich mit aller Kraft
dagegen, daß so etwas durch Zeitung
oder Rundfunk und Fernsehen in Ihre
Familie eindringt. Hüten Sie sich vor
schlechten Rundfunk- und Fernseh-
sendungen. Sorgen Sie dafür, daß nur
Gutes bei Ihnen zu finden ist. Beziehen
Sie Zeitschriften, die Ihr Wissen er-
weitern und Sie geistig aufbauen. Fs gibt
viele gute Zeitschriften, unter ihnen der
Ensign, die New Era und der
Friend, die Zeitschriften der Kirche.
In vielen großen Städten der Erde, in
London, Paris, Tokio, New York und
Saö Paulo, gibt es eine große Auswahl
unter den Tageszeitungen. Kaufen Sie
die Zeitung, die am besten zu den Lehren
und Grundsätzen der Kirche paßt.
Hier in Salt Lake City, dem Hauptsitz
der Kirche, machen wir uns darüber
viele Gedanken. Die Deseret News,
unsere Tageszeitung, trägt viel dazu bei,
daß in Stadt und Staat hohe Ideale
vertreten werden. Diese Zeitung hat
beständig unseren Standpunkt in bezug
auf Alkohol, Pornographie und Ab-
treibung vertreten. Sie ist wichtig für
eine sichere, saubere Stadt und unseren
Bundesstaat, in dem sich das Zentrum
unserer wachsenden, weltweiten Kirche
befindet.
Wie die Deseret News und die Church
News (mit Nachrichten aus der Kirche)
unsere Stadt und unseren Staat rein-
halten helfen, kann unsere Zeitung auch
Ihrer Familie nützlich sein, wenn Sie in
diesem Gebiet leben.
Brüder, wenn Sie darauf achten, was in
Ihre Familie eindringt, tun Sie das Ihre,
um mit Ihrer Familie nach allem zu
streben, was tugendhaft, lieblich, von
gutem Ruf oder lobenswert ist (13.
Glaubensartikel).
Ein kleiner Junge schrieb mir einmal in
einem Brief: „Ich kenne einen wunder-
baren Mann, und der heißt der Bischof."
Wir hatten immer einen guten Bischof.
Wir haben ihn immer geliebt. Wir hatten
Bischof Zundel und Bischof Moody,
Bischof Tyler und Bischof Wilkins. Ich
habe alle meine Bischöfe geliebt und
hoffe, daß alle meine jungen Brüder
ihren Bischof so lieben wie ich damals
meinen.
87
Ich freue mich außerordentlich, daß ich
zu dieser Zeit mit Ihnen Zusammensein
kann, denn wir gedenken unseres Erlö-
sers Jesus Christus, dessen, was er getan,
wie er uns gedient hat und unser Vorbild
war.
Er hat zu Moses gesagt: „Denn siehe,
dies ist mein Werk und meine Herr-
lichkeit — die Unsterblichkeit und das
ewige Leben des Menschen zustande zu
bringen" (Moses 1:39).
Ich möchte die Gelegenheit wahr-
nehmen, allen Leitern der Organisatio-
nen und den einzelnen Priestertums-
trägern zu danken, die überall in der
Welt ihre ganze Hingabe, ihre Kraft und
ihren Einfluß zum Wohl von unzähligen
Menschen einsetzen. Ich habe darüber
nachgedacht, welche Rolle die Kirche in
meiner Jugend gespielt hat. Ich weiß
nicht mehr, wie es anfing, aber ich kann
mich fast daran erinnern, daß ich in die
alte Robinson-Hall in Thatcher gegan-
gen bin, seit ich laufen konnte. Sie war
nur zwei Straßen von unserem Haus
entfernt; wir konnten bequem hingehen,
und so liefen wir ständig hin und her
über den Union Canal. Die Robinson-
Hall war ein großes rechteckiges
Backsteingebäude, das von unserer
kleinen Stadt für Tanzveranstaltungen,
für die Sonntagsschule und die PV, für
alle Versammlungen der Kirche, für
Beerdigungen, Feiern, kurz für alles
benutzt wurde, was bei uns los war.
Eines Abends fing unsere Robinson-
Hall Feuer, und ich kann mich noch gut
daran erinnern, wie der Himmel rot
leuchtete, wie die Rauchschwaden in der
Luft hingen und wir alle entsetzt waren,
88
denn ein so großes Feuer brachte die
ganze Stadt zusammen, und alle kamen
mit Eimern gelaufen, um beim Löschen
zu helfen. Wir hatten keine Feuerwehr,
aber alle Männer kamen mit ihren
Söhnen, sobald' sie den Ruf „Feuer"
hörten.
Der Anführer schickte alle Männer und
Jungen zum Kanal und ließ sie sich von
da aus bis zu dem brennenden Gebäude
aufstellen. Der erste Mann stand am
Kanalufer und füllte einen Eimer mit
Wasser und gab ihn an seinen Nachbarn
weiter.
So wanderte der Eimer durch die Rei-
hen, bis der letzte Mann das Wasser auf
die Flammen goß. Viele Eimer wurden
so geleert, aber das Feuer ließ sich nicht
eindämmen, und schließlich standen nur
noch die geschwärzten Mauern da wie
Wachposten, und wir gingen traurig und
geschlagen nach Hause. Erst viele Jahre
später bekam unsere kleine Stadt eine
Feuerwehr.
In dem Kanal wurde ich später getauft;
aus ihm holte ich das Wasser für die
Bäume und Pflanzen in unserem Gar-
ten. Ich war der jüngste Sohn, deshalb
war das meine Arbeit. Wir nannten
dieses Unternehmen „Eidechse". Haben
Sie schon einmal eine Eidechse gesehen?
Wir nahmen dazu einen Baumstamm in
Y-Form. In der Mitte brachten wir ein
Faß an und spannten ein Pferd vor die
„Eidechse". Dann ging es ab zum Ka-
nal, wo ich das Faß immer wieder füllte.
Mit dem Wasser goß ich zu Hause die
Pflanzen und Blumen.
Mein Vater gab sich alle Mühe, unser
neues Haus mit allen möglichen Blumen
zu umgeben und sie in den letzten
Sommertagen zu gießen, wenn das Was-
ser bereits knapp wurde. Ich mußte auch
die Pferde und Kühe zum Tränken an
den Kanal bringen.
Manchmal rissen die Spätsommerregen
die Dämme mit, und die Kanäle trock-
neten aus. Dann liefen meine älteren
Brüder, spannten die Pferde an und
holten Steine, Buschwerk und Geröll,
um den Kanal wieder in sein Bett zu
leiten, damit die Farmen und Häuser
genügend Wasser hatten.
Jahre später lernten wir, die Dämme
anders zu bauen, mit langem Maschen-
draht, den wir mit Steinen beschwerten,
um die Löcher im Fluß zu stopfen und
das Flußwasser zum Kanal zurück-
zuleiten.
In dem alten Union Canal wurden
damals fast alle Jungen und Mädchen
getauft. Die Allred-Hall, ein Fachwerk-
haus auf der Hauptstraße, war auch ein
Allzweckgebäude, und ich kann mich
erinnern, daß ich dort als kleiner Junge
zur Sonntagsschule, PV und
Abendmahlsversammlung ging, und
dort wurde ich konfirmiert.
Von der alten Allred-Hall zogen wir ins
Akademiehaus, Bildungsanstalt und
Treffpunkt für die Jugendlichen,
Gemeindezentrum für Feiern und Ver-
sammlungen der Kirche, denn in That-
cher gab es fast nur Mitglieder der
Kirche.
1902 wurde der erste Spatenstich für ein
neues Pfahl- und Gemeindehaus in
Thatcher getan, und ich gab von meinen
Ersparnissen zwei Dollar für den Bau.
Ich weiß noch, daß eine große Baugrube
ausgehoben wurde. Danach ließ der Bau
noch einige Zeit auf sich warten, weil
nicht genügend Geld da war. Der Bau-
platz lag auf dem Weg zur Post und zu
den Geschäften, und ich mußte oft
daran vorbei, wenn ich Petroleum für
die Lampen kaufte, zur Post ging oder
die Eier fortbrachte. Ich hatte einiges zu
tun. Dann lief ich immer auf der einen
Seite in die Ausschachtung hinein und
auf der anderen Seite wieder nach oben.
Als aber das Unkraut zu wuchern be-
gann und ich einmal ein paar Stinktieren
begegnete, ging ich an dem Loch vor-
89
über, denn mit Stinktieren wollte ich
mich nicht unbedingt anfreunden.
Als das neue Pfahlhaus, das heute noch
steht und für Gemeinde- und Pfahl-
veranstaltungen benutzt wird, fertig
war, hatte es nur zwei große, rechteckige
Räume, einen im Keller für gesellige
Veranstaltungen und einen im Erd-
geschoß für die Versammlungen. Ich
kann mich noch an die Drähte erinnern,
die von Wand zu Wand gespannt waren.
An ihnen hingen die Vorhänge, die die
Klassen unterteilten. Man bekam fast
von jeder Klasse etwas mit, und wenn
die Beleuchtung stimmte, konnte man
sogar einiges sehen. Ich weiß noch, wie
wir von der Gila-Akademie aus später
Basketball gespielt haben und ich mir
einbildete, daß es vor allem mir zu
verdanken war, wenn wir in dem kleinen
Gebäude mit den vielen Mängeln man-
che Oberschul- und Collegemannschaft
schlugen, obwohl wir selbst nur eine
Oberschule waren.
Ich kann mich noch an so manche
Lehrer erinnern. Montags abends gin-
gen wir immer zur Priestertums-
versammlung, und wir Diakone ver-
sammelten uns um den dickbäuchigen
Ofen und hörten zu. Ich sehe noch
Männer vor mir wie Orville Allen und
LeRoi Snow und viele andere. Ich hatte
auch viele gute Freunde in meinem
Alter. LeRoi Snow aus Salt Lake City
arbeitete bei uns in einer Bank. Er
fesselte uns, als wir Diakone wurden,
mit seinen Geschichten über das Rote
Meer, durch das die Kinder Israel ge-
zogen waren, und über Jerusalem, wo er
selbst gewesen war.
Ich weiß noch, wie ich zur Sonntags-
schule ging, und ich glaube, daß dort das
Fundament für mein Leben mitgelegt
worden ist. Wir hatten den Eröffnungs-
teil oben im Gottesdienstraum und gin-
gen dann nach unten in unsere Klasse.
Ich kann mich noch an manche Lehrerin
erinnern, die uns liebevoll und mit viel
Hingabe unterrichtete und mich vieles
lehrte, was die Grundlage für mein
Wissen um die Programme und Lehren
der Kirche bildete.
Meine Mutter hatte eine schöne Stim-
me. Sie spielte Orgel und sang mit
meiner Schwester Cläre Duette. Ich
habe ein wenig von ihrer Liebe zur
Musik geerbt und immer aus voller
Kehle mitgesungen. Ich kann mich noch
gut an das Lied „Wir kommen wieder
zur Sonntagsschule" erinnern. Wir sind
immer und immer wieder hinge-
kommen. Wir hatten uns in einem Jahr
das Ziel gesetzt, jeden Sonntag im Jahr
zur Sonntagsschule zu gehen. Als ich elf
Jahre alt war, starb meine Mutter in Salt
Lake City. Es war im Oktober. Seit dem
1. Januar hatte ich keine Sonntagsschule
ausgelassen. Ich war jede Woche dage-
wesen und konnte mir nur schwer ver-
zeihen, daß ich an dem Sonntag fehlte,
als sie bei uns zu Hause aufgebahrt lag.
Damals wußte ich noch nicht, wieviel
Mühe sich die Lehrer mit uns gaben. Ich
bin so dankbar für die große Schar von
Lehrern in allen Organisationen der
Kirche, die die Kinder in Zion so
unermüdlich und begeistert unter-
richten. Wir sangen viel, und wenn wir
mal den Text vergessen hatten, konnten
wir fröhlich in den Refrain einstimmen:
„Singet den Lobgesang, stimmt alle ein!
Freude soll ja in der Sonntagsschul
sein."
(Gesangbuch, Nr. 48.)
Das Lied „Wonne lächelt überall" (Ge-
sangbuch, Nr. 214) sangen wir am
Familienabend, der bei der Familie
Kimball bereits zu Beginn des Jahr-
hunderts immer stattfand.
Ich kann mich noch gut an das Lied „In
unserm schönen Deseret" erinnern, das
Eliza Snow verfaßt hat. Von ihr stam-
men viele unserer Lieder. Dieses liebten
wir zum Beispiel heiß und innig:
90
Horch, horch, horch, die Kinder singen!
O, wie singen sie so schön,
wenn sie liebevoll und rein
wie die Engel wollen sein
und mit Andacht und voll Freud1
zur Kirche gehn.
(Sing mit mir, B-24)
Ich weiß nicht, wie liebevoll und rein wir
waren, aber wir haben uns beim Singen
Mühe gegeben, um sogar das hohe E zu
schaffen, das für Kinderstimmen ziem-
lich hoch ist. Wir haben gesungen:
„Daß die Kinder leben lang,
schön sind, munter, immer stark ..."
Ich wollte lange leben und schön und
stark sein und habe es doch nie ge-
schafft.
,, Tabak, Kaffee, Tee sie stets scheun ..."
Ja, ich habe gelernt, all dies zu scheuen.
In unserer kleinen, ländlichen Stadt gab
es Mitglieder der Kirche, die Tee, Kaffee
und Tabak nicht immer scheuten. So
ging das Lied weiter:
„. . . trinken alle niemals Wein,
wolln mit Fleisch stets sparsam sein."
Ich esse immer noch nicht viel Fleisch.
„Wollen gut und weise sein."
Und dann immer wieder: „Horch,
horch, horch!" und „Wenn sie liebevoll
und rein wie Engel wollen sein." Die
dritte Strophe ging folgendermaßen:
Ist die Zunge noch so klein,
sollen sie sie hüten fein,
sollen Selbstbeherrschung üben allezeit.
Sollen immer höflich sein
zu den Menschen groß und klein;
ja, dem Herrn zu folgen sind sie stets
bereit.
Und wieder „Horch, horch, horch!"
Früh und abends, Tag für Tag,
jedes gerne beten mag,
daß der Herr vor allem Bösen sie
bewahr'.
Wenn sie immer dienen ihm,
sich mit ganzer Kraft bemühn,
dann behütet er sie auch in der Gefahr.
Und immer wieder „Horch, horch,
horch!" Ich wußte nie so recht, ob den
Engeln das Singen auch manchmal so
schwer fiel, aber wir ließen uns gern
loben. Ein Lied, das es heute nicht mehr
gibt, war „Schieß die kleinen Vögel
nicht".
Ich weiß noch, daß ich dabei immer laut
mitsang:
Schieß kleine Vögel nie,
sie singen dir ihr Lied
den ganzen Sommer lang
in Wiese, Wald und Feld.
Schieß kleine Vögel nie!
die Erd' gehört nur Gott,
und er sorgt für uns all,
ob groß wir oder klein.
Ich hatte eine Schleuder. Ich hatte sie
selbst gemacht, und sie funktionierte
tadellos. Ich mußte immer die Kühe zur
Weide bringen, die eine Meile von
unserem Haus entfernt war. Am Weg
standen hohe Pappeln, und ich weiß
noch, daß ich oft versucht war, auf die
kleinen Vögel zu schießen, die den
ganzen Sommer lang singen, denn ich
konnte ziemlich gut schießen. Ich traf
einen Pfosten oder einen Baumstamm
auf fünfzig Meter Entfernung. Aber weil
ich fast jeden Sonntag sang, „Schieß
kleine Vögel nie", konnte ich nicht auf
sie schießen. Die zweite Strophe ging
folgendermaßen:
Schieß kleine Vögel nie,
sie fliegen in der Höh', und früh am
Morgen schon
erklingt für uns ihr Lied.
Fallen auch Kirschen viel
von unserm Kirschenbaum,
picken die Beeren sie vom Gartenzaun.
Das Lied ging mir nicht aus dem Sinn,
und so machte es mir keinen Spaß, auf
die kleinen Vögel zu schießen.
Wir hatten auch das Lied „Der Mor-
monenjunge" von Evan Stephens. Was
war ich stolz, wenn wir in der Ver-
sammlung sangen:
91
Mormonenkind, Mormonenkind,
ein Mormonenkind bin ich.
Ein König beneidet mich,
weil ich Mormone bin.
Ich liebe dieses Lied, vor allem die
Worte „Ein König beneidet mich, weil
ich Mormone bin".
„Schon bald die Erntezeit wird sein" —
dieses Lied liebte ich, weil die ver-
schiedenen Stimmen so gut dabei
herauskamen.
Meine lieben Brüder, zum Schluß be-
zeuge ich Ihnen, daß ich das Priestertum
trage. Sie tragen das Priestertum. Es ist
das Priestertum, das Elia und Petrus,
Jakobus und Johannes getragen haben.
Sie und alle ihre Mitarbeiter trugen das
Priestertum. Doch ohne die Siegelungs-
vollmacht könnten wir nichts tun, denn
alles wäre ungültig. Sie allein zählt.
Deshalb ist Elia gekommen. Deshalb
kam auch Mose, denn er übertrug Pe-
trus, Jakobus und Johannes in ihrer
Evangeliumszeit diese Schlüssel-
vollmachten und Rechte, damit sie ihre
Arbeit tun konnten. Deshalb kamen sie
zum Propheten Joseph Smith, und der
Herr hat gesagt: „Siehe, ich will euch
senden den Propheten Elia, ehe der
große und schreckliche Tag des Herrn
kommt" (Maleachi 3:23).
Warum mußte er Elia senden? Weil
dieser die Schlüsselvollmacht für alle
heiligen Handlungen des Priestertums
innehatte und ohne diese Schlüssel-
vollmacht keine gültig heilige Handlung
vollzogen werden könnte.
Unsere Welt konnte nur durch die
Vermittlung Jesu Christi errettet wer-
den. Wie errettet Gott die Generation
der Menschen? Er sendet den Propheten
Elia. Das Gesetz, das Mose auf dem
Horeb offenbart wurde, wurde den Kin-
dern Israels als Volk niemals offenbart.
Elia wird die Bündnisse offenbaren, die
das Herz der Väter zu ihren Kindern und
das Herz der Kinder ihren Vätern zu-
wenden werden. Sie sollen gesalbt, ge-
siegelt und erwählt werden und sich Ihre
Berufung und Erwählung sichern.
„Ich weiß, daß Gott lebt. Ich weiß, daß
Jesus Christus lebt", sagte John Taylor,
einer meiner Vorgänger, „denn ich habe
ihn gesehen." Dieses Zeugnis gebe ich
Ihnen im Namen Jesu Christi. Amen.
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Versammlung am Sonntagmorgen, den 2. April 1978
Gebet und Offenbarung
Marion G. Romney
Zweiter Ratgeber des Präsidenten der Kirche
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.eine lieben Brüder und Schwestern
und Freunde in der ganzen Welt, ich
möchte heute über die wichtigste Be-
ziehung sprechen, die der Mensch unter-
halten kann, seine Beziehung zu Gott.
Er kann beten, das heißt, er wendet sich
an Gott, und er kann Offenbarungen
empfangen, das heißt, Gott teilt sich ihm
mit.
Ich glaube, wenn wir über Beten spre-
chen, dann denken die meisten an das
gemeinsame Beten bei Tisch, vor dem
Schlafengehen oder in der Kirche.
Es gehört aber noch viel mehr dazu,
wenn der Mensch sich an Gott wendet.
Nephi sagte nichts von Beten, als er seine
große Vision wiedergab. Er sagte ein-
fach:
„Nachdem ich zu wissen wünschte, was
mein Vater gesehen, und glaubte, daß
der Herr es mir kundtun könne, und nun
dasaß und in meinem Herzen darüber
nachdachte, wurde ich vom Geist des
Herrn entrückt auf einen überaus hohen
Berg" (1. Nephi 11:1).
Ich bin überzeugt, daß Nephi betete, als
„Mehr als alles andere hat der Herr uns geboten, daß wir
beten sollen."
er ,,in seinem Herzen" nachdachte. Der
Herr hat zu Emma Smith gesagt: „Mei-
ne Seele erfreut sich am Gesang des
Herzens; ja, der Gesang der Gerechten
ist mir ein Gebet" (LuB 25:12).
Häufig beten wir, um bestimmte Seg-
nungen zu erbitten. Wir sollen aber auch
danken, preisen, anbeten. James Mont-
gomery hat ein wunderbares Lied über
das Beten geschrieben:
Der Seele Wunsch ist das Gebet,
in Schmerzen oder Lust,
gleich Feuer lodernd, still es steht
und zitternd in der Brust
Ein Blick nach oben ist das Gebet,
ein Tränenstrom, der fließt,
ein Seufzer, der um Hilfe fleht,
den niemals Gott vergißt.
Das erste Wort von Kindermund,
gelispelt zart und fein,
und doch so tief, so ohne Grund,
so majestätisch rein.
Es ist des Christen Lebensbrot,
es ist des Christen Luft,
sein Losungswort bis hin zum Tod,
mit ihm tritt er zur Gruft.
(Gesangbuch, Nr. 109)
Wie wichtig das Beten ist, sehen wir
daran, wie häufig der Herr den Men-
schen geboten hat zu beten.
93
Als erstes gebot Gott Adam und Eva,
„daß sie den Herrn, ihren Gott, anbeten
. . . sollten.
Und nach vielen Tagen erschien Adam
ein Engel des Herrn und sagte: . . .
Deshalb sollst du alles, was du tust, im
Namen des Sohnes tun, und du sollst
Buße tun und Gott immerdar im Namen
seines Sohnes anrufen" (Moses 5:5, 6,
8).
Der Herr selbst erklärte dem Bruder
Jareds, wie wichtig das Beten ist. Jared
und seine Brüder lebten vier Jahre lang
am Ufer des Meeres in Zelten. „Und als
die vier Jahre vergangen waren, kam der
Herr wiederum zu Jareds Bruder . . . und
sprach mit ihm. Drei Stunden lang redete
der Herr mit Jareds Bruder und tadelte
ihn, weil er nicht daran gedacht hatte,
den Namen des Herrn anzurufen. Und
Jareds Bruder tat Buße für das Böse, das
er getan hatte, und rief den Herrn an . . .
Und der Herr sprach zu ihm: Ich will dir
und deinen Brüdern eure Sünden ver-
geben; aber du sollst nicht mehr sündi-
gen, denn ihr sollt daran denken, daß
mein Geist nicht immer mit dem Men-
schen rechtet. Wenn ihr daher sündigt,
bis die Zeit erfüllt ist, dann werdet ihr
von der Gegenwart des Herrn ver-
bannt"(Ether 2:1, 15).
Amulek ermahnte die abtrünnigen Ne-
phiten:
„Möge deshalb Gott euch gewähren,
meine Brüder, daß ihr anfangen könnt,
euern Glauben zur Buße auszuüben und
seinen heiligen Namen anzurufen,
Barmherzigkeit mit euch zu haben.
Ja, fleht ihn um Gnade an, denn er hat
die Macht zu erretten.
Ja, demütigt euch und fahret in eurem
Gebet zu ihm fort.
Ruft ihn an, wenn ihr auf dem Felde
seid, ja, für alle eure Herden.
Ruft ihn in euerm Haus an, ja, für euern
ganzen Haushalt am Morgen, am Mit-
tag und am Abend.
Ruft ihn gegen die Macht eurer Feinde
an.
Ruft ihn gegen den Teufel, den Feind
aller Rechtschaffenheit, an.
Fleht ihn für die Saaten auf euern
Feldern an, damit sie gedeihen.
Ruft ihn für die Herden auf euern
Feldern an, damit sie sich vermehren.
Aber das ist nicht alles; ihr müßt eure
Seele in eurem Kämmerlein und an
euern verborgenen Plätzen und in der
Wildnis vor Gott ergießen. Ja, und wenn
ihr den Herrn nicht laut anruft, dann
laßt euer Herz von ständigem Gebet zu
ihm für eure Wohlfahrt und für die
Wohlfahrt derer erfüllt sein, die um euch
sind" (Alma 34:17-27).
Als Jesus nach seiner Auferstehung zu
den Nephiten gekommen war, lehrte er
sie beten, indem er ihnen das Vaterunser
als Muster gab. Danach sagte er: „Seht,
wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr
müßt immer wachen und beten, damit
ihr nicht in Versuchung geratet; denn
Satan möchte euch besitzen, um euch
wie Weizen zu sichten.
Daher müßt ihr immer in meinem
Namen zum Vater beten;
und was ihr auch immer den Vater in
meinem Namen bittet, und was recht ist,
wenn ihr glaubt, daß ihr es empfangen
werdet, seht, das werdet ihr empfangen.
Betet immer in euern Familien in mei-
nem Namen zum Vater, damit eure
Frauen und Kinder gesegnet werden"
(3. Nephi 18:18-21).
Zu dem Propheten Joseph Smith sagte
der Herr noch vor der Gründung der
Kirche: „Bete immerdar, daß du den
Sieg davontragen, ja, daß du Satan
überwinden und den Händen seiner
Diener entrinnen mögest, die sein Werk
aufrechterhalten"(LuB 10:5).
Später sagte er zu Martin Harris:
„Und weiter gebiete ich dir, sowohl laut
als auch in deinem Herzen zu beten; ja,
vor der Welt und auch im stillen,
94
öffentlich sowohl als auch im Ver-
borgenen" (LuB 19:28).
Die Priester seiner Kirche wies er an, ein
jedes Mitglied zu Hause zu besuchen
und es „zu ermahnen, laut und im stillen
zu beten" (LuB 20:47).
Joseph Knight wies er an: „Siehe, durch
diese Worte mache ich dir, Joseph
Knight, kund, daß du dein Kreuz auf
dich nehmen sollst; um dies zu tun,
mußt du laut vor der Welt und auch im
stillen beten, auch in deiner Familie,
unter deinen Freunden und an allen
Orten" (LuB 23:6).
Und zu Thomas Marsh sagte er: „Bete
immer, daß du nicht in Anfechtung
fallest und deinen Lohn verlierest" (LuB
31:12).
Andere ermahnte er: „Betet ohne Unter-
laß, auf daß ihr nicht in Versuchung
kommt und den Tag seiner Zukunft
ertragen könnt, es sei im Leben oder im
Tode" (LuB 61:39).
„Was ich einem sage, sage ich allen:
Betet immerdar, auf daß der Böse keine
Gewalt über euch habe und euch nicht
aus eurem Platze rücke" (LuB 93:49).
„Auch sollen die Eltern ihre Kinder
lehren, zu beten und gerecht vor dem
Herrn zu wandeln" (LuB 68:28).
Den Bewohnern Zions sagte der Herr:
„Und ein Gebot gebe ich ihnen, daß
derjenige, der seine Gebete nicht zur
rechten Zeit verrichtet, vor dem Richter
meines Volkes in Erwähnung gebracht
werden soll" (LuB 68:33).
Das dürfen wir aber nicht so verstehen,
daß wir beten sollen, um eine aufge-
brachte Gottheit zu besänftigen; es geht
auch nicht darum, daß wir immer alles
gleich bekommen, wonach uns der Sinn
steht. Wir sollen beten, um uns mit dem
Geist oder Licht in Einklang zu bringen,
von dem der Herr gesagt hat: „Dieses
Licht geht von der Gegenwart Gottes
aus, um die Unendlichkeit des Raumes
zu füllen" (LuB 88:12). In diesem Licht
finden wir eine sichere Antwort auf alles,
was wir brauchen.
Beten ist der Schlüssel, der Christus die
Tür zu unserem Leben öffnet. Er hat
gesagt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und
klopfe an. So jemand meine Stimme
hören wird und die Tür auftun, zu dem
werde ich eingehen und das Abendmahl
mit ihm halten und er mit mir" (Offen-
barung 3:20).
So wie die Menschen durch Beten mit
dem Herrn in Verbindung treten kön-
nen, kann er sich den Menschen durch
Offenbarung mitteilen. Er benutzt ver-
schiedene Methoden. Mit Adam sprach
er selbst. Adam und Eva hörten, wie die
Stimme des Herrn aus dem Garten Eden
zu ihnen sprach, nachdem sie ihn an-
gerufen hatten (Moses 5:4).
Der Herr kann auch persönlich er-
scheinen.
„So redete ich, Abraham, mit dem
Herrn von Angesicht zu Angesicht, wie
ein Mann mit einem andern redet"
(Abraham 3:11).
„Und Gott redete zu Moses . . .
Und siehe, die Herrlichkeit des Herrn
ruhte auf Moses, so daß er in der
Gegenwart Gottes stand und mit ihm
von Angesicht zu Angesicht redete"
(Moses 1:3, 31).
Joseph Smith berichtet, wie Gott Vater
und sein Sohn Jesus Christus ihm er-
schienen sind:
„Ich [sah] unmittelbar über meinem
Haupt eine Lichtsäule, heller als der
Glanz der Sonne, allmählich auf mich
herabkommen, bis sie auf mir ruhte . . .
Als das Licht auf mir ruhte, sah ich zwei
Gestalten, deren Glanz und Herrlichkeit
[unbeschreiblich waren], über mir in der
Luft stehen. Eine von ihnen sprach zu
mir, mich beim Namen nennend, und
sagte, auf die andre deutend: Dies ist
mein geliebter Sohn, höre ihn!" (Joseph
Smith 2:16, 17.)
Manchmal schickt der Herr den Men-
95
sehen Boten. Beispielsweise sandte er
mehrmals Moroni zu Joseph Smith, um
ihn zu unterweisen (Joseph Smith 2:29,
30).
Seinen Bericht über diese Besuche leitet
Joseph Smith folgendermaßen ein:
,, Nachdem ich mich zu Bett begeben
hatte, wandte ich mich im Gebet und
Flehen an den allmächtigen Gott . . .
Während ich so im Gebet begriffen war,
gewahrte ich, daß ein Licht in meinem
Zimmer erschien, das zunahm, bis der
Raum heller war als am Mittag, worauf
alsbald ein Engel neben meinem Bett
erschien"(Joseph Smith 2:29, 30).
Verschiedentlich hat sich der Herr ein-
zelnen Menschen durch Träume und
Visionen kundgetan, denken wir
beispielsweise an Daniels Traum oder
Nephis Vision.
Enos berichtet: „Als ich so im Geiste
kämpfte, kam mir die Stimme des Herrn
abermals ins Herz und sagte: Ich will
mich deinen Brüdern je nach dem Fleiße
offenbaren, mit dem sie meine Gebote
halten"(Enos 10).
Diese Form der Offenbarung habe ich
selbst erfahren.
Einmal sprach ich auf der Beerdigung
einer wunderbaren Mutter, einer Heili-
gen der Letzten Tage. Als ich gerade
amen sagen und mich setzen wollte,
spürte ich die Worte: „Dreh dich um
und gib Zeugnis." Das tat ich. Dann
dachte ich nicht weiter darüber nach, bis
meine Schwester, die damals in einem
benachbarten Pfahl wohnte, zu Besuch
kam. Sie erzählte:
„In unserer Gemeinde lebt eine Frau,
die schon jahrelang kein Interesse mehr
an der Kirche hatte. Wir haben uns
vergeblich bemüht, sie zurückzu-
bringen. Seit kurzem ist sie völlig ver-
ändert. Sie zahlt den Zehnten, kommt
regelmäßig zur Abendmahlsversamm-
lung und beteiligt sich aktiv am Kirchen-
leben. Als ich sie fragte, wodurch sie sich
so verändert habe, antwortete sie mir:
,Ich war zur Beerdigung meiner Mutter
in Salt Lake City. Am Grab sprach ein
Mann namens Romney. Er hatte eine
ganz gewöhnliche Rede gehalten, und
ich dachte schon, er würde sich wieder
setzen. Doch statt dessen drehte er sich
noch einmal um und gab Zeugnis.
Dieses Zeugnis hat ungeheuren Ein-
druck auf mich gemacht. Damals er-
wachte in mir der Wunsch, so zu leben,
wie meine Mutter es mich immer gelehrt
hatte.'"
Ich weiß und bezeuge, daß sich der Herr
den Menschen durch das gesprochene
Wort, durch persönliches Erscheinen,
durch seine Boten, durch Träume und
Visionen und durch Gefühle offenbart.
Am häufigsten kommt die Offenbarung
jedoch durch die leise, feine Stimme.
Wie wichtig und real diese Form der
Offenbarung ist, hat der Herr selbst
erklärt.
Bezugnehmend auf das Zeugnis des
Propheten Joseph Smith vom Buch
Mormon, sagte der Herr durch Joseph
Smith zu Oliver Cowdery: „Siehe, ich
will es deinem Verstand und deinem
Herzen durch den Heiligen Geist ver-
künden, der über dich kommen und in
deinem Herzen wohnen wird"(LuB 8:2).
Wer Entscheidungen zu treffen hat, wird
vom Herrn Hilfe bekommen, wenn er
sich würdig macht und sich darum
bemüht. So hat der Herr es uns gesagt:
„Du mußt es in deinem Geiste aus-
studieren und dann mich fragen, ob es
recht sei, und wenn es recht ist, will ich
dein Herz in dir entbrennen lassen, und
dadurch sollst du fühlen, daß es recht ist.
Ist es aber nicht recht, so wirst du kein
solches Gefühl haben" (LuB 9:8, 9).
Daß das, was der Herr über Beten und
Offenbarung gesagt hat, wahr ist, be-
zeuge ich im Namen Jesu Christi, unse-
res Erlösers. Amen.
96
„Hoffe auf den Herrn66
L. Tom Perry
Vom Rat der Zwölf
I
n den Psalmen lesen wir: „Hoffe auf
den Herrn und tu Gutes; bleibe im
Lande und nähre dich redlich. Habe
deine Lust am Herrn; der wird dir geben,
was dein Herz wünscht. Befiehl dem
Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er
wird's wohl machen und wird deine
Gerechtigkeit heraufführen wie das
Licht und dein Recht wie den Mittag"
(Psalm 37:3-6).
Als ich vor vielen Jahren noch im
Großhandel tätig war, hatten wir in
einem unserer Läden einen Nacht-
wächter, dessen Tochter, ein Teenager,
sich der Kirche angeschlossen hatte. Er
sprach oft darüber, wie sehr sich das
Leben seiner Tochter verändert hatte.
Ihre Taufe hatte einen neuen Geist in die
Familie gebracht. Davon ausgehend
wollte ich auch ihm das Evangelium
nahebringen.
Als ich eines Abends aus dem Laden
kam, ließ er gerade die letzten Kunden
heraus. Ich blieb kurz stehen und be-
gann eine Unterhaltung. Er brachte das
Gespräch sofort auf seine Tochter:
„Wissen Sie, sie strahlt förmlich, seit sie
4n Ihrer Kirche ist."
Ich wollte ihm erklären, daß wir uns
„Wenn wir uns ein glücklicheres, erfüll teres Leben wün-
schen, müssen wir in uns das Licht des Evangeliums
leuchten lassen."
ändern, sogar im Aussehen, wenn wir
auf den Herrn hoffen und nach dem
Evangelium leben. In dem Augenblick
sah ich zwei Damen, die mit anderen
Kunden den Laden verließen. Sie sahen
gepflegt aus und hatten eine besondere
Ausstrahlung. Unwillkürlich fiel mein
Blick auf das Abzeichen „Pflicht vor
Gott", das viele unserer guten Jungen
ihrer Mutter verehren, nachdem sie
diese Auszeichnung erworben haben.
Ich sagte zu meinem Gegenüber: „Sehen
Sie sich die beiden Damen an, die gerade
auf die Tür zukommen. Sie sehen nicht
aus wie alle andern. Sie gehören auch zu
unserer Kirche.
Er war so beeindruckt von dem, was ich
gesagt hatte, daß er auf die beiden
Frauen zueilte und fragte: „Sind Sie
Mormonen?" Die Antwort war ja, und
er kam kopfschüttelnd zurück. „Wissen
Sie, man sieht es ihnen wirklich an",
meinte er. Dem konnte ich nur zu-
stimmen. Wer „auf den Herrn hofft und
Gutes tut", ist anders als die andern.
Die Geschichte zeigt uns das von Anbe-
ginn an. Wenn ich in der Schrift lese,
versuche ich, sie zum Leben zu er-
wecken. Ich versuche, mir ihre Gestalten
zu vergegenwärtigen.
Das möchte ich Ihnen an einem Beispiel
zeigen. Im 1. Mose, K. 37 lesen wir von
einer großen Familie mit vielen Söhnen.
Einen von ihnen, Joseph, liebte Jakob,
der Vater, mehr als die anderen Söhne.
97
Er ließ Joseph einen bunten Rock ma-
chen als Zeichen seiner Liebe. „Als nun
die Brüder sahen, daß ihn ihr Vater
lieber hatte als alle seine Brüder, wurden
sie ihm feind und konnten ihm kein
freundliches Wort sagen" (1. Mose 37:4).
Joseph machte es nur noch schlimmer.
Er hatte Träume und erzählte sie seinen
Brüdern, worauf sie ihn noch mehr
haßten. Können Sie sich vorstellen, wie
Ihre Kinder solche Träume aufnehmen
würden? Joseph erzählte seinen Brü-
dern:
„Hört doch, was mir geträumt hat.
Siehe, wir banden Garben auf dem
Felde, und meine Garbe richtete sich auf
und stand, aber eure Garben stellten sich
ringsumher und neigten sich vor meiner
Garbe.
Da sprachen seine Brüder zu ihm: Willst
du unser König werden und über uns
herrschen? Und sie wurden ihm noch
mehr feind um seines Traumes und
seiner Worte willen" (1. Mose 37:6-8).
Der Vater erschwerte das Ganze noch.
Er schickte die anderen aufs Feld, die
Herden hüten, und behielt Joseph bei
sich zu Hause. Hin und wieder schickte
er Joseph zur Kontrolle hin. Als sie ihn
eines Tages von ferne kommen sahen,
meinten sie, seinen Anblick nicht länger
ertragen zu können, und beschlossen,
ihn umzubringen. Dann wollten sie ihn
in eine Grube werfen und ihrem Vater
erzählen, ein wildes Tier habe Joseph
zerrissen.
Einer der Brüder sah eine Karawane
kommen, die in Richtung Ägypten zog,
und meinte: „Was hilft's uns, daß wir
unsern Bruder töten und sein Blut
verbergen? Kommt, laßt uns ihn den
Ismaelitern verkaufen, damit sich unse-
re Hände nicht an ihm vergreifen; denn
er ist unser Bruder, unser Fleisch und
Blut. Und sie gehorchten ihm" (1. Mose
37:26-27).
Und so verkauften sie ihren siebzehn
Jahre alten Bruder als Sklaven an eine
Karawane, die nach Ägypten zog, in ein
fremdes Land, mit einer fremden Spra-
che und fremden Sitten. Doch der Herr
war mit diesem außergewöhnlichen jun-
gen Mann, und es scheint, daß er
niemals verzweifelte. Zwar war er Aus-
länder, dazu noch Sklave, doch muß er
eine gewisse Ausstrahlung besessen ha-
ben, denn einer der Obersten von der
Leibwache des Pharao kaufte ihn. Bald
hatte Joseph sich so sehr hervorgetan,
daß dieser Mann ihn als Statthalter über
sein Haus setzte. Er war Aufseher über
den gesamten Besitz seines Herrn, und
dieser vertraute Joseph sein Hab und
Gut, all sein Einkommen, an.
Joseph sah sehr gut aus und hatte mit
der Hilfe des Herrn eine hohe Stellung
erreicht. Doch jetzt wurde es ernst. Der
schöne junge Mann fiel der Frau seines
Herrn auf. Als er eines Tages allein im
Haus arbeitete, hörte sie ihn, kam herein
und legte die Hand auf seinen Mantel.
Joseph war ein rechtschaffener junger
Mann und wußte, daß sich das nicht
schickte, also ließ er seinen Mantel fallen
und floh. Die Frau behielt den Mantel in
der Hand. Als ihr Mann nach Hause
kam, erzählte sie ihm Schlimmes über
Joseph, und der Mann wurde zornig. Er
warf Joseph ins Gefängnis. Zum
zweitenmal in seinem jungen Leben
befand sich Joseph in einer sehr miß-
lichen Lage.
Aber Joseph gab nicht so leicht auf. Er
zeichnete sich als der beste Gefangene
im ganzen Gefängnis aus und gewann
die Gunst des Aufsehers, „so daß er ihm
alle Gefangenen im Gefängnis unter
seine Hand gab und alles, was dort
geschah, durch ihn geschehen mußte"
(1. Mose 39:22). Das heißt, Joseph
wurde der oberste Gefangene und hatte
alle anderen unter sich. Sogar im Ge-
fängnis, unter schwersten Bedingungen,
machte Joseph das Beste aus seiner Lage.
98
Kurz nach Joseph wurden zwei hohe
Beamte des Pharao ins Gefängnis ge-
worfen, der Mundschenk und der ober-
ste Bäcker. Joseph lernte sie bald ken-
nen. Beide hatten einen Traum. Da
Joseph ein rechtschaffener Mann war,
baten sie ihn, die Träume zu deuten. Das
tat er. Dem einen sagte er: du wirst nicht
hier herauskommen, sondern hier ster-
ben. Dem anderen sagte er: du wirst
deinen Ehrenplatz beim Pharao bald
wieder einnehmen. Und er bat den
letzteren, ihn doch dem Pharao gegen-
über zu erwähnen, denn als Gefangener
konnte er nicht weiter aufsteigen.
Der Mundschenk kehrte in seine frühe-
re, bevorzugte Stellung zurück, aber
zwei Jahre lang dachte er nicht mehr an
Joseph. Eines Nachts hatte der Pharao
einen Traum, den ihm niemand deuten
konnte. Da fiel dem Mundschenk Jo-
seph ein, und er ging zum Pharao und
sagte ihm, im Gefängnis sei ein Mann,
der den Traum deuten könne. Der
Pharao ließ Joseph kommen, und Jo-
seph legte ihm den Traum durch gött-
liche Inspiration aus. Der Pharao war so
beeindruckt von Joseph, daß er ihn zu
seinem Diener machte. So wurde Joseph
Herr über das ganze Land und hatte nur
noch den Pharao über sich.
Weil Joseph ihm so gute Dienste leistete,
meinte der Pharao zu seinen Großen:
„Wie könnten wir einen Mann finden, in
dem der Geist Gottes ist wie in diesem?"
(1. Mose 41:38.) Der Pharao sah, daß
Gott mit Joseph war, denn er sagte
weiter: „Weil dir Gott dies alles kund-
getan hat, ist keiner so verständig und
weise wie du" (1. Mose 41:39).
Wer den Weg bereitet, der durch die
Schilder des Evangeliums Jesu Christi
markiert ist, und auf den Herrn vertraut,
tut dies nicht nur durch sein äußeres
Verhalten kund. Sein ganzes Wesen
ändert sich merklich. Seine ewige Seele
strahlt ein besonderes Licht aus, einen
besonderen Geist, der sich mit Worten
beschreiben läßt wie Licht, Freude,
Glück, Friede, Reinheit, Zufriedenheit,
Geist, Begeisterung usw.
Brigham Young hat gesagt: „Wer das
Reich Gottes auf Erden kennengelernt
hat und die Gottesliebe in sich trägt, ist
der glücklichste Mensch auf Erden . . .
Haben Sie schon einmal einen wahren
Heiligen der Letzten Tage gesehen, der
unglücklich war? Es gibt ihn nicht. Wer
die Quelle lebendigen Wassers oder die
Grundsätze des ewigen Lebens nicht
kennt, hat Grund, unglücklich zu sein.
Wenn aber die Worte des Lebens in uns
wohnen und wir auf ewiges Leben und
ewige Herrlichkeit hoffen und diesen
Funken in uns zur Flamme auflodern
lassen, die auch den letzten Rest von
Selbstsucht verzehrt, können wir nicht
in der Finsternis wandeln, und Zweifel
und Furcht sind uns fremd . . . Darüber
ärgert sich der Teufel. Ja, er ärgert sich,
denn er kann solche Menschen einfach
nicht unglücklich machen . . .
Wo ist Glück, wahres Glück? Nur bei
Gott. Wenn der Geist unseres Glaubens
in uns wohnt, sind wir morgens glück-
lich, wir sind es mittags und abends;
denn der Geist der Liebe und der
Eintracht ist mit uns. Wir freuen uns an
diesem Geist, denn er ist von Gott, und
wir freuen uns an Gott, denn er gibt alles
Gute. Jeder Heilige der Letzten Tage,
der die Liebe Gottes im Herzen verspürt
hat, nachdem ihm durch die Taufe seine
Sünden vergeben worden sind und man
ihm die Hände aufgelegt hat, erkennt,
daß er voll Freude und Glück ist, voll
des Trostes. Er mag Schmerzen erleiden,
sich irren, arm sein, im Gefängnis sogar,
doch ist er glücklich. So haben wir es
erfahren, und jeder Heilige der Letzten
Tage kann dies bezeugen.
Wirklich glücklich sind nur der Mann,
die Frau oder das Volk, die das Evange-
lium des Sohnes Gottes haben und seine
99
Segnungen zu schätzen wissen" (Dis-
courses of Brigham Young, Hg. John
Widtsoe, Salt Lake City, 1941, S. 235-
236).
Wenn das so ist, ist dies die größte
Quelle des Glücks auf Erden. Ich möch-
te etwas aus einem kürzlich erschienenen
Ensign zitieren:
„Im Sommer 1953 war ich sechzehn
Jahre alt und Schauspielschülerin . . .
Unsere Hauptausbilderin war eine hüb-
sche junge Frau mit roten Haaren, die
bei einem Wettbewerb in New York (so
hatte ich es jedenfalls gehört) die Haupt-
rolle bekommen hatte . . . Wir be-
wohnten gemeinsam eine Wohnung,
und wenn ich morgens aufwachte, saß
sie im Bett und las. So ging es vier
Monate lang, egal, um welche Uhrzeit
ich wach wurde.
Bald wußten wir alle, sie war Mor-
monin; und in einer Welt ohne jegliche
Moral blieb sie so rein wie frisch ge-
fallener Schnee. Sie trank nicht, rauchte
nicht, nicht einmal auf der Bühne, nie
war ein Mann in ihrem Zimmer. Sie war
zu jedem freundlich und liebevoll, ob-
wohl sie ein „Star" war. Und jeden
Morgen las sie, nicht ihre Rolle, sondern
andere Bücher und Zeitschriften, die sie
mitgebracht hatte.
Sie sprach nie mit mir über ihren
Glauben, und ich fragte sie auch nicht.
Aber ich habe sie nie vergessen.
Viele Jahre später, ich war inzwischen
verheiratet und hatte bereits zwei Kin-
der, verspürten mein Mann und ich eine
innere Unausgeglichenheit. Wir be-
schäftigten uns mit Religion, belegten
Kurse, gingen in alle möglichen Kirchen
und waren doch nicht zufrieden.
Dann fiel sie mir wieder ein. War sie
nicht Mormonin gewesen? Wir wußten
nichts über die Mormonen, ich hatte
nicht einmal im Geschichtsunterricht
etwas darüber gehört. So ging ich in der
kleinen Stadt Opelika in Alabama zur
Stadtbücherei und holte das einzige
Buch, das ich darüber fand, das Buch
Mormon. Darin waren etliche Missions-
büros verzeichnet, und ich schrieb an
das nächste, es war in Georgia, und
fragte, ob man sich der Kirche an-
schließen könne. Was folgt, gehört zu
unserer Familiengeschichte.
Ich habe die junge Frau nie finden
können. Ich würde ihr gern sagen, daß
jetzt auf beiden Seiten unserer Ver-
wandtschaft 37 Menschen Mitglieder
der Kirche sind, weil ich ihr gutes
Beispiel nicht vergessen konnte. Auch in
der Geisterwelt haben inzwischen un-
zählige davon profitiert" (ENSIGN,
Dezember 1977, S. 62).
Ja, die Welt braucht das Beispiel derer,
die von innen heraus das Licht des
Evangeliums Jesu Christi ausstrahlen!
Wir müssen der Welt beweisen, daß
rechtschaffenes Leben ewiges Glück mit
sich bringt!
Sie, die Sie das Evangelium unseres
Herrn und Erlösers angenommen ha-
ben, stehen wie ein Leuchtturm oben auf
einem Berg und zeigen denen den Weg,
die nach einem glücklicheren, erfüllteren
Leben suchen. Wenn Sie diese größte
aller Gaben noch nicht besitzen, kom-
men Sie zu uns, und wir helfen Ihnen,
sich ein besseres Leben aufzubauen.
Wenn wir unser Leben nach den Lehren
des Erlösers ausrichten, können wir
mehr Freude in eine verwirrte Welt
tragen.
Ich hoffe von ganzem Herzen, daß wir
„auf den Herrn hoffen und Gutes tun",
damit man auch von uns, wie einst von
Joseph, sagen kann: „Wie könnten wir
einen Mann finden, in dem der Geist
Gottes ist wie in diesem?" (1. Mose
41:38.)
Gott lebt. Jesus ist der Messias. Dies ist
seine Kirche. Das bezeuge ich Ihnen
heute aus vollem Herzen im Namen Jesu
Christi. Amen.
100
„Was ist Wahrheit?"
John H. Vandenberg
Vom Ersten Kollegium der Siebzig
Ach habe mir das Wunder der Kreuzi-
gung und Auferstehung unseres Herrn
und Erretters Jesus Christus wieder vor
Augen geführt und intensiv darüber
nachgedacht. Dabei kam ich immer
wieder zu dem zurück, was geschah,
nachdem die Juden Jesus gebunden und
vor den Richterstuhl geführt hatten.
In der Schrift heißt es:
„Da ging Pilatus wieder hinein ins
Richthaus und rief Jesus und sprach zu
ihm: Bist du der Juden König?
Jesus antwortete: Redest du von dir
selbst, oder haben's dir andere von mir
gesagt?
Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude?
Dein Volk und die Hohenpriester haben
dich mir überantwortet. Was hast du
getan?
Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht
von dieser Welt. Wäre mein Reich von
dieser Welt, meine Diener würden dar-
um kämpfen, daß ich den Juden nicht
überantwortet würde; aber nun ist mein
Reich nicht von dieser Welt.
Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du
dennoch ein König?
Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein
König. Ich bin dazu geboren und in die
Das Evangelium „schließt alle Wahrheit ein — in Natur-
wissenschaft, Geschichte, Philosophie und Logik; das gehört
einfach zur wahren auf Offenbarung beruhenden Religion."'
Welt gekommen, daß ich für die Wahr-
heit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit
ist, der höret meine Stimme.
Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahr-
heit? Und da er das gesagt, ging er
wieder hinaus zu den Juden und spricht
zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm"
(Johannes 18:33-38).
Die weiteren Verhandlungen zwischen
Pilatus und den Anklägern Jesu führten
dann doch zur Kreuzigung.
Mit der Frage „Was ist Wahrheit?" ließ
Pilatus Jesus auch schon stehen, ohne
eine Antwort abzuwarten. Warum?
Fürchtete Pilatus die Wahrheit wie so
mancher, der ihr nicht ins Angesicht
blicken kann, weil er die damit einher-
gehende Pflicht und Selbstzucht scheut?
Jesus hat gesagt: „Wer aus der Wahrheit
ist, der höret meine Stimme." Wer „aus
der Wahrheit ist", bemüht sich auch um
sie. Jeder Mensch soll ein Wahrheits-
sucher sein, denn sie ist die Substanz des
Lebens.
Diesen Gedanken hat jemand folgender-
maßen ausgedrückt: „Doch die Wahr-
heit, die nur sich selbst beurteilt, lehrt,
daß das Streben nach Wahrheit, das
heißt, das Werben um sie, das Erkennen
der Wahrheit, das heißt, ihr Gegen-
wärtigsein und der Glaube an die Wahr-
heit, das heißt, das Sichfreuen an ihr, das
erhabene Gute im Menschen ist" (Fran-
cis Bacon).
101
Im Einklang mit diesem Gedanken
schrieb ein Dichter des Altertums: „Wie
schön ist es, von der Küste aus zu
beobachten, wie die Schiffe auf dem
Meer hin und her geworfen werden; wie
schön ist es, von der Burgzinne aus das
Auf und Ab einer Schlacht zu verfolgen;
doch ein unvergleichliches Erlebnis ist
es, auf dem höchsten Punkt der Wahr-
heit zu stehen [einem Berg, den man
nicht einnehmen kann, auf dem die Luft
stets rein und heiter ist] und unten im Tal
die Irrtümer und Irrwege, Nebel und
Stürme zu betrachten; solange dieses
Betrachten von Mitleid begleitet ist und
nicht von Stolz und Hochmut. Gewiß
hat den Himmel auf Erden, wer voll
Anteilnahme ist, im Schöße der Vor-
sehung ruht und sich nach den Weg-
weisern der Wahrheit richtet" (Lucre-
tius, zitiert von Francis Bacon).
Hierzu passen die Worte Jesu: „Ich bin
dazu geboren und in die Welt ge-
kommen, daß ich für die Wahrheit
zeugen soll" (Johannes 18:37).
Wahrheit ist Erkenntnis! „Das ist aber
das ewige Leben, daß sie dich, der du
allein wahrer Gott bist, und den du
gesandt hast, Jesus Christus, erkennen"
(Johannes 17:3). Wahrheit finden wir im
Evangelium Jesu Christi.
Als der Herr auf Erden wirkte, gründete
er seine Kirche und machte demütige,
aufrichtige Männer zu seinen Aposteln.
Er lebte mit ihnen, zog mit ihnen umher,
lehrte sie. Er vollbrachte Wunder vor
ihren Augen, ordinierte sie, übertrug
ihnen Macht und Vollmacht - - und all
das, damit sie bereitgemacht wurden,
der Welt sein Evangelium zu verkünden.
Einmal, als er mit ihnen unterwegs war,
„kam Jesus in die Gegend von Cäsarea
Philippi und fragte seine Jünger und
sprach: Wer sagen die Leute, daß des
Menschen Sohn sei?
Sie sprachen: Etliche sagen, du seiest
Johannes der Täufer; andere, du seiest
Elia; wieder andere, du seiest Jeremia
oder der Propheten einer.
Er sprach zu ihnen: Wer saget denn ihr,
daß ich sei?
Da antwortete Simon Petrus und
sprach: Du bist Christus, des lebendigen
Gottes Sohn!
Und Jesus antwortete und sprach zu
ihm: Selig, bist du, Simon, Jonas Sohn;
denn Fleisch und Blut hat dir das nicht
offenbart, sondern mein Vater im Him-
mel. Und ich sage dir auch: Du bist
Petrus, und auf diesen Felsen will ich
bauen meine Gemeinde, und die Pforten
der Hölle sollen sie nicht überwältigen"
(Matthäus 16:13-18).
Die Kirche ist auf den Fels der Offen-
barung gebaut. Ohne Offenbarung wäre
die Kirche tot. Durch Offenbarung
spricht der Herr mit seinen Propheten,
die seine Kirche auf Erden führen. Die
Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage wurde durch die Voll-
macht göttlicher Offenbarung wieder-
hergestellt.
Zu Beginn des neunzehnten Jahr-
hunderts suchte ein junger Mann na-
mens Joseph Smith aufrichtig nach der
Wahrheit und fand im Brief des Jakobus
(der an die zwölf Stämme in der Zer-
streuung gerichtet war) die folgenden
Worte, die ihn sehr bewegten: „Wenn
aber jemandem unter euch Weisheit
mangelt, der bitte Gott, der da gern gibt
jedermann und allen mit Güte begegnet,
so wird ihm gegeben werden.
Er bitte aber im Glauben und zweifle
nicht; denn wer da zweifelt, der ist gleich
wie die Meereswoge, die vom Winde
getrieben und bewegt wird. Solcher
Mensch denke nicht, daß er etwas von
dem Herrn empfangen werde" (Jakobus
1:5-7).
Solchermaßen von Gott eingeladen, die
Wahrheit zu erforschen, betete Joseph
Smith und lernte Gott Vater und Jesus
Christus kennen, zwei verschiedene
102
Wesen. Er wurde vom Erlöser belehrt
und erfuhr als Antwort auf seine Frage,
daß keine Kirche wahr sei, denn, so
sagte der Herr, sie nahten sich ihm mit
ihren Lippen, aber ihr Herz sei ferne von
ihm; was sie lehrten, sei nichts als
Menschengebot, sie haben den Schein
der Göttlichkeit, Gottes Kraft aber
verleugnen sie" (Joseph Smith 2:19).
Darüber hinaus erfuhr Joseph Smith,
daß Gott sich seiner bedienen würde, um
seine wahre Kirche zur Erde zurückzu-
bringen.
„Gott der Herr tut nichts, er offenbare
denn seinen Ratschluß den Propheten,
seinen Knechten" (Arnos 3:7).
1841, elf Jahre nachdem die Kirche
wiederhergestellt worden war, wurde
Joseph Smith gebeten, ihre Lehren kurz
darzulegen. Seine Ausführungen dazu
kennen wir als die Glaubensartikel. Der
achte und der neunte Glaubensartikel
erklären, wie wir zu göttlicher Offenba-
rung stehen:
,,Wir glauben an die Bibel als das Wort
Gottes, soweit sie richtig übersetzt ist;
wir glauben auch an das Buch Mormon
als das Wort Gottes.
Wir glauben alles, was Gott geoffenbart
hat, alles was er jetzt offenbart, und wir
glauben, daß er noch viele große und
wichtige Dinge offenbaren wird in bezug
auf das Reich Gottes."
Wir wissen, daß die Bibel aus den
verfügbaren Offenbarungen, die Gott
seinen Propheten zum Nutzen seiner
Kinder gegeben hat, zusammengestellt
wurde. Die Bibel ist die Grundlage
unserer religiösen Literatur. Wir haben
sie rechtmäßig erhalten und haben sie in
unserer heutigen Welt bitter nötig. Sie
enthält viel von dem, was wir wissen
103
müssen. Was wüßten wir ohne die Bibel
von Jesus? Denken Sie nur an diese
Worte des Johannes:
„Im Anfang war das Wort, und das
Wort war bei Gott, und ohne dasselbe ist
nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben
war das Licht der Menschen.
Er war in der Welt, und die Welt ist
durch ihn gemacht; aber die Welt er-
kannte ihn nicht" (Johannes 1:1-4, 10).
Jesus hat die Erde und alles, was zu ihr
gehört, erschaffen. Als Jehova offen-
barte er seine Absichten seinen Pro-
pheten und leitete so alle bisherigen
Evangeliumszeiten ein.
Doch enthält die Bibel nicht alle Offen-
barungen, die er jemals gegeben hat.
Durch Joseph Smith, einen Propheten
der Neuzeit, haben wir das Buch Mor-
mon erhalten. Es ist ein neuer Zeuge für
Christus und belegt, daß die alten Be-
wohner Amerikas sein Evangelium
kannten und daß er Amerika nach seiner
Auferstehung besucht hat. Diese Men-
schen waren die „anderen Schafe" seiner
Herde (Johannes 10:16; 3. Nephi 15:21),
denn in ihren Adern floß das Blut
Israels. Durch neuzeitliche Offenbarung
wissen wir auch, daß Adam das Evange-
lium hatte: „Adam und sein Weib Eva
riefen den Namen des Herrn an, und sie
hörten die Stimme des Herrn ... zu
ihnen sprechen, und sie sahen nicht,
denn sie waren von seiner Gegenwart
verbannt.
Und er gab ihnen Gebote, daß sie den
Herrn, ihren Gott, anbeten und die
Erstlinge der Herden dem Herrn zum
Opfer darbringen sollten. Und Adam
war den Geboten des Herrn gehorsam.
Und nach vielen Tagen erschien Adam
ein Engel des Herrn und sagte: Warum
bringst du dem Herrn Opfer dar? Und
Adam sagte zu ihm: Ich weiß nicht, ich
weiß nur, daß der Herr es mir gebot.
Und dann sprach der Engel und sagte:
Dies ist ein Sinnbild des Opfers des
Eingeborenen des Vaters, der voller
Gnade und Wahrheit ist.
Deshalb sollst du alles, was du tust, im
Namen des Sohnes tun, und du sollst
Buße tun und Gott immerdar im Namen
seines Sohnes anrufen.
Und an jenem Tage fiel der Heilige
Geist, der Zeugnis gibt vom Vater und
Sohn, auf Adam und sagte: Ich bin der
Eingeborene des Vaters, von Anfang an,
hinfort und immerdar, auf daß du so,
wie du gefallen bist, auch erlöst werden
kannst, und die ganze Menschheit ja
alle, die erlöst werden wollen" (Moses
5:4-9).
Wir wissen heute auch mehr über
Enoch. Die Bibel sagt nur wenig über
diesen bedeutenden Propheten aus. Wir
wissen mehr über sein Wirken. Enoch
hat gesagt: „Der Herr, der zu mir
sprach, ist der Gott des Himmels, und er
ist mein Gott und euer Gott" (Moses
6:43). Der Herr legte Enoch den gesam-
ten Errettungsplan aus, und Enoch
kannte das Evangelium Jesu Christi, wie
sein Vater Adam es erhalten hatte.
Wir wissen auch mehr über Noah: „Der
Herr ordinierte Noah nach seiner eige-
nen Ordnung und gebot ihm, auszuge-
hen und sein Evangelium den Men-
schenkindern zu verkünden, selbst wie
es Enoch gegeben worden war.
Und Noah setzte seine Predigt unter
dem Volke fort und sagte: „Hört und
merkt auf meine Worte;
glaubt und tut Buße von euern Sünden
und werdet getauft auf den Namen Jesu
Christi, des Sohnes Gottes, so wie unsre
Väter, und ihr werdet den Heiligen Geist
empfangen, daß euch alle Dinge gezeigt
werden; wenn ihr dies aber nicht tut,
werden die Fluten über euch herein-
brechen; doch sie gehorchten nicht"
(Moses 8:19, 23, 24).
Auch über Abraham wissen wir mehr.
Jehova sprach mit ihm: „Mein Name ist
104
Jehova, und ich kenne das Ende vom
Anfang an; daher soll meine Hand über
dir sein.
Und ich will ein großes Volk aus dir
machen . . . und du sollst deinem Samen
nach dir ein Segen sein, daß er in seinen
Händen dieses Amt und dieses Priester-
tum zu allen Völkern trage" (Abraham
2:8, 9).
Abraham hatte eine Vision vom vor-
irdischen Dasein der Menschen, und der
Herr legte sie ihm aus: „Nun hatte der
Herr mir, Abraham, die geistigen Wesen
gezeigt, die vor der Schöpfung der Welt
gebildet wurden, und unter ihnen waren
viele Edle und Große.
Und Gott sah diese Seelen, daß sie gut
waren, und er . . . sagte zu mir: Ab-
raham, du bist einer von ihnen, du warst
erwählt, ehe du geboren wurdest" (Ab-
raham 3:22, 23).
Wenn wir die Offenbarungen der Neu-
zeit in ihrer Gesamtheit betrachten,
kann uns nicht entgehen, daß wir in der
Zelt leben, von der Paulus gesagt hat: „
. . . wenn die Zeit erfüllt wäre: daß alle
Dinge zusammengefaßt würden in Chri-
stus, beides, was im Himmel und auf
Erden ist" (Epheser 1:10).
Durch das Evangelium erfahren wir,
warum Jesus sich für die Sünden der
Menschheit geopfert hat, nämlich damit
alle Menschen erlöst werden können;
wir lernen, daß der Mensch errettet
wird, wenn er an Jesus und an alle seine
Lehren glaubt, sie befolgt und der Stim-
me des Herrn in allem treu ist. Es gehört
ein ganzes Leben dazu, all die ewigen
Grundsätze zu hören, zu lernen und zu
befolgen, denn das Evangelium er-
streckt sich bis in die Ewigkeit.
Über unseren Glauben an göttliche
Offenbarung hat James Anders gesagt:
„Dieser Glaube an Gott als die Quelle
aller Wahrheit und daran, daß er diese
Wahrheit den Menschen offenbart,
schließt alle Wahrheit im Universum
ein, ob sie bereits offenbart ist oder noch
offenbart wird, ob sie durch die Inspi-
ration des Allmächtigen bekannt wird,
die den Geist des Menschen beflügelt,
wenn er sich mit der Materie beschäftigt
und für ihn Neues entdeckt, oder sich in
dem manifestiert, was für das
Menschenauge sichtbar oder unsichtbar
ist. Er schließt alle Wahrheit ein — in
Naturwissenschaft, Geschichte, Philo-
sophie und Logik; das gehört einfach
zur wahren auf Offenbarung be-
ruhenden Religion. Das ist die Ordnung
und Gesetzmäßigkeit des Himmels. Es
ist das Evangelium des Herrn Jesus
Christus" (James H. Anderson, Gocts
Covenant Race, 1. Aufl. Salt Lake City,
1938, S. 132).
Wir möchten Sie alle einladen zu tun,
wozu ein Dichter riet: „Fliehe keine
Meinung, weil sie neu ist, sondern er-
forsche sie gründlich. Verwirf sie, wenn
sie falsch ist, nimm sie an, wenn sie wahr
ist."
Beten Sie dabei.
Ich bezeuge Ihnen, daß es ohne Offenba-
rung und Beten kein ewiges Leben geben
kann. Im Namen Jesu Christi. Amen.
105
Erfolg in der Ehe
O. Leslie Stone
Vom Ersten Kollegium der Siebzig
„Nirgendwo haben Glück und Erfolg größere Bedeutung als
in der Ehe."
Ach möchte mich heute vor allem an die
jungvermählten Paare wenden und an
alle, die ihre Eheschließung planen, doch
vielleicht gilt das, was ich sagen werde,
gleichermaßen für alle Eheleute und alle,
die eines Tages heiraten werden. Ich
möchte über die Kunst sprechen, eine
erfolgreiche Ehe zu führen. Unser Vater
im Himmel liebt uns alle und möchte,
daß wir glücklich sind. In der heiligen
Schrift heißt es: „Menschen sind, daß sie
Freude haben können" (2. Nephi 2:25).
Präsident Kimball hat einmal gesagt,
der Preis für unser Glücklichsein sei das
Halten der Gebote. Und nirgendwo
haben Glück und Erfolg größere Be-
deutung als in Ihrer Ehe.
Die Grundlage für eine glückliche, erfolg-
reiche Ehe ist die Siegelung im Tempel.
Wenn Sie nur für dieses Leben getraut
sind, möchte ich Ihnen ans Herz legen,
darüber nachzudenken, was für Seg-
nungen Ihnen zustehen, wenn Sie im
Tempel für Zeit und Ewigkeit anein-
ander gesiegelt werden. Wenn Sie eine
erfolgreiche Ehe führen wollen, sollte
dies ihr erstes und oberstes Ziel sein.
Als unser Vater im Himmel uns gestat-
tete, auf diese Erde zu kommen, gab er
uns die Entscheidungsfreiheit; wir kön-
nen also selbst entscheiden, was wir hier
tun. Dazu gab er uns Richtlinien für ein
rechtschaffenes Leben.
In seiner Weisheit läßt er zu, daß wir
viele Probleme haben, denn er weiß,
wenn wir uns ihnen stellen und sie lösen,
eignen wir uns Kenntnisse und Fähig-
keiten an, entwickeln einen Charakter
und lernen, das Böse zu überwinden.
All dies hilft uns, während wir hier auf
der Erde leben, und bereitet uns auf das
künftige Dasein vor.
Deshalb sollen wir auch die Probleme in
unserer Ehe als Möglichkeit sehen, zu
wachsen und Fortschritt zu machen.
Wenn wir sie meistern, erfahren wir in
unserer Ehe und Familie Frieden und
Ausgeglichenheit.
Zunächst einmal muß ein Ehepaar eine
gute Beziehung zueinander aufbauen.
Wenn Sie Liebe wollen, müssen Sie sie
sich erarbeiten. Tun Sie, was Sie können,
um Ihren Mann oder Ihre Frau glück-
lich zu machen. Seien Sie freundlich und
rücksichtsvoll. Sprechen Sie offen
miteinander, wenn Sie Probleme haben,
und beseitigen Sie Meinungs-
verschiedenheiten sofort. Gordon B.
Hinckley hat einmal gesagt, Sanftmut
sei die Sprache des Friedens. Präsident
McKay sagte immer, wir sollten ein-
ander zu Hause niemals anschreien.
Und dann fügte er mit verschmitztem
106
Lächeln hinzu, es gebe eine Ausnahme
— wenn das Haus brenne. Manchmal
wollen wir nicht einsehen, warum unser
Mann oder unsere Frau etwas anders
sieht und anders entscheidet als wir. Die
Menschen denken nicht alle gleich, und
es gibt viele verschiedene Meinungen.
Meinungsverschiedenheiten müssen so-
fort geklärt werden, wenn Mann und
Frau miteinander glücklich sein und
„am gleichen Strang ziehen" wollen.
Wer eine erfolgreiche Ehe führen will,
muß wissen, was in der Ehe von beiden
Beteiligten erwartet wird. Normaler-
weise verdient der Mann das Geld. Er
soll bereit sein, hart zu arbeiten und alles
zu tun, um seine Familie zu unterhalten.
Man muß darüber sprechen, was die
Familie braucht, und entsprechende
Prioritäten festlegen.
Die Frau führt den Haushalt. Sie sorgt
für ein sauberes, ordentliches Zuhause.
Manche Scheidungen sind darauf
zurückzuführen, daß die Frau ihre äuße-
re Erscheinung oder den Haushalt oder
beides vernachlässigt hat. Ich kann den
Schwestern nicht nachdrücklich genug
ans Herz legen, wie wichtig es ist, auf ein
gepflegtes, anziehendes Äußeres zu ach-
ten und ihren Haushalt in Ordnung zu
haben.
Wenn die Konstitution der Frau es
zuläßt, übt sie zu Beginn oft vorüber-
gehend noch ihren Beruf aus. Dann soll
der Mann bei der Hausarbeit mithelfen.
Wenn ein Mann seine Frau wirklich
liebt, kann er nicht zulassen, daß sie sich
überarbeitet, sondern hilft ihr gern, so
gut er kann.
Als ich noch ein junger Mann war, bat
mich meine Frau oft, ihr beim Abwasch,
beim Bettenmachen oder anderen Haus-
arbeiten zu helfen. Es kommt vor allem
darauf an, daß wir zusammenarbeiten
und einander helfen.
Zeigen Sie durch alles, was Sie tun, daß
sie einander lieben. Seien Sie jederzeit
rücksichtsvoll. Brüder, öffnen Sie die
Wagentür für Ihre Frau oder Ihre Be-
gleiterin. Wenn Sie gemeinsam ein Ge-
bäude betreten oder verlassen, dann
öffnen Sie die Tür, und lassen Sie sie
vorgehen. Seien Sie ihr behilflich, wenn
sie sich irgendwo hinsetzt, ehe Sie sich
selbst hinsetzen.
Manchmal lassen uns die Damen ein-
fach keine Zeit für solche Ritterlichkeit.
Ich möchte den Schwestern raten, sich
die Zeit zu nehmen. Wenn Sie ein
paarmal ohne seine Hilfe aus dem Auto
springen, wird er wohl bald erwarten,
daß Sie ihm die Tür aufmachen. Die
Schwestern dürfen nicht vergessen, daß
ein Mann seine Frau normalerweise so
behandelt, wie sie es von ihm erwartet.
Die Regelung der Finanzen ist eine
äußerst wichtige Angelegenheit. Ich
möchte Ihnen ein paar Punkte nennen,
die mir dazu nützlich erscheinen.
1 . Zahlen Sie stets als erstes Ihren Zehn-
ten. Qualifizieren Sie sich für die vielen
Segnungen, die der Herr denen ver-
heißen hat, die dieses Gebot halten. In
der heiligen Schrift heißt es: „Bringt
aber die Zehnten in voller Höhe in mein
Vorratshaus, auf daß in meinem Hause
Speise sei, und prüft mich hiermit,
spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch
dann nicht des Himmels Fenster auftun
werde und Segen herabschütten die
Fülle" (Maleachi 3:10). Ich bezeuge
Ihnen, daß dies wahr ist.
2. Sparen Sie. Sparen Sie von jeder
Mark, die Sie verdienen, einen Teil. Ich
schlage Ihnen vor, zehn Prozent zu
sparen, nachdem Sie dem Herrn das
Seine gegeben haben.
Brigham Young hat einmal gesagt:
„Wenn Sie reich werden wollen, sparen
Sie, was Sie bekommen. Ein Tor kann
Geld verdienen, aber nur ein Weiser
kann sparen und das Geld zu seinem
Vorteil anlegen" (Discourses of Brig-
ham Young, S. 292).
107
3. Überziehen Sie wenn möglich nie Ihr
Konto und kaufen Sie nichts auf Raten.
Die Kreditaufnahme wird uns heute so
leicht gemacht. Das verlockt dazu, sich
mit Luxus zu umgeben, ehe man ihn
bezahlen kann. Ich rate Ihnen, jetzt zu
sparen und später zu kaufen. So sparen
wir uns nicht nur den hohen Kreditzins,
sondern bleiben auch finanziell un-
abhängig.
Reuben Clark hat uns geraten: „Wir
müssen Schulden meiden wie die Pest.
Wenn wir jetzt verschuldet sind, müssen
wir zusehen, daß wir von den Schulden
wegkommen; wenn nicht heute, dann
morgen.
Achten wir streng darauf, daß wir nicht
mehr ausgeben, als wir haben, und
sparen wir noch ein bißchen" (General-
konferenz, April 1937).
4. Stellen Sie einen Haushaltsplan auf
und leben Sie nicht über Ihre Ver-
hältnisse. Vergessen Sie nie, daß immer
und überall die Familie an erster Stelle
steht. Dann kommen die kirchlichen
Aufgaben und danach ihre beruflichen
Angelegenheiten.
Der Herr mahnte seine Jünger:
„Trachtet am ersten nach dem Reich
Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird
euch solches alles zufallen" (Matthäus
6:33). Ich bezeuge Ihnen, daß das wahr
und in jeder Hinsicht der Weg zum
Erfolg ist.
Die Zeit ist mit das Wertvollste, was wir
besitzen. Wenn wir rechtschaffen leben
und den Zweck unserer Erschaffung
erfüllen wollen, müssen wir ständig
überprüfen, was wir getan haben, unse-
ren gegenwärtigen Standort bestimmen
und uns Ziele für die Zukunft setzen.
Ohne diese Arbeitsweise werden wir
unsere Ziele schwerlich erreichen.
Ich möchte jedem raten, mit guten Men-
schen zu verkehren. Die Menschen, mit
denen Sie Umgang haben, tragen zu
Ihren Erfolg oder Versagen bei, und ihre
Handlungsweise und ihre Ideale beein-
flussen Ihr Leben und Handeln nach-
haltig positiv oder negativ. Lernen Sie,
mit guten Menschen Umgang zu pfle-
gen. Meiden Sie das Böse, indem Sie der
Sphäre des Satans fernbleiben.
Seien Sie in allem ehrlich. Seien Sie
ehrlich gegenüber Ihrem Mann oder
Ihrer Frau, Ihrer Familie, sich selbst und
allen Ihren Mitmenschen. Zum Ehrlich-
sein gehört, daß Sie nicht lügen, be-
trügen oder stehlen und daß Sie allen
Ihren Verpflichtungen nachkommen.
Es gehört auch dazu, daß Sie in Ihrer
Arbeit ehrlich sind. Wenn wir unsere
Arbeit vernachlässigen, stehlen wir von
der Zeit unseres Arbeitgebers. Die Ar-
beitgeber suchen ehrliche, zuverlässige
Menschen. So war es immer, und so
wird es immer bleiben.
Hüten Sie Ihren guten Ruf, damit man
von Ihnen immer sagen kann, daß Sie
ehrlich und zuverlässig sind. Vielleicht
gehört Ihr guter Ruf zu dem Kostbar-
sten, das Sie besitzen.
Wenn Sie Vater und Mutter werden, dann
fühlen Sie sich für die Erziehung und
Belehrung Ihrer Kinder verantwortlich.
Die heilige Schrift spricht sich darüber
ganz deutlich aus:
„Und weiter: Wenn Eltern in Zion oder
einem seiner organisierten Pfähle Kin-
der haben und sie nicht lehren, die
Grundsätze der Buße zu verstehen, des
Glaubens an Christus als den Sohn des
lebendigen Gottes, der Taufe und der
Gabe des Heiligen Geistes durch
Händeauflegen. wenn sie acht Jahre alt
sind, so wird die Sünde auf den Häup-
tern der Eltern ruhen" (LuB 68:25).
Haben Sie etwas gemerkt'.' Da stand
nichts von Sonntagsschule oder PV. Die
Sünde soll auf dem Haupt der Eltern
ruhen.
Familie und Kindererziehung müssen in
Denken und Handeln der Eltern an
erster Stelle stehen, wenn die Ehe erfolg-
108
reich sein soll. Wir dürfen nie vergessen,
was David 0. McKay gesagt hat: „Ein
Versagen in der Familie läßt sich durch
keinen anderen Erfolg wettmachen."
Strahlen Sie in allem, was Sie tun, Liebe
aus, nicht nur im Umgang miteinander,
sondern auch gegenüber Ihren Ver-
wandten, Freunden und Bekannten.
Der Herr hat uns geboten, einander zu
lieben: ,,Du sollst deinen Nächsten lie-
ben wie dich selbst" (Matthäus 22:39).
Streiten, Nörgeln, Kritisieren müssen
wir unter allen Umständen meiden. In 3.
Nephi 1 1 :29, 30 hat der Herr dazu etwas
sehr, sehr Wichtiges gesagt:
„Denn wahrlich, wahrlich, ich sage
euch, wer den Geist der Zwietracht hat,
ist nicht von mir, sondern vom Teufel,
dem Vater der Zwietracht, und er reizt
die Herzen der Menschenkinder zum
Zorn auf, miteinander zu streiten.
Sehet, es ist nicht meine Lehre, das Herz
der Menschen zum Zorn gegeneinander
aufzureizen, sondern es ist meine Lehre,
daß solche Dinge aufhören sollen." In
Mosiah 4:14 lesen wir, daß die Eltern
sich vor allem auch um das Verhalten
ihrer Kinder kümmern sollen:
„Und ihr werdet nicht zugeben, daß eure
Kinder hungrig oder nackend gehen; ihr
werdet auch nicht dulden, daß sie das
Gesetz Gottes übertreten, miteinander
zanken und streiten und dem Teufel
dienen, der der Herr der Sünder oder der
böse Geist ist, von dem unsre Väter
geredet haben, denn er ist ein Feind aller
Rechtschaffenheit."
Ganz wesentlich ist, daß Sie jeden Mor-
gen und Abend mit der ganzen Familie
beten. Danken Sie der Reihe nach dem
Vater im Himmel dafür, daß er Sie
gesegnet hat, und bitten Sie ihn um das,
was Sie für Ihr Wohlergehen brauchen.
Unser Vater im Himmel hört jedes
Gebet. Manchmal fällt seine Antwort
anders aus, als wir sie erwarten, doch
kann ich Ihnen versprechen, daß seine
Antwort stets am besten für uns ist. Er
weiß besser als wir, wie unsere Gebete
erhört werden sollen.
Nehmen Sie sich jeden Tag die Zeit,
einige Minuten gemeinsam in der heiligen
Schrift zu lesen. In der heiligen Schrift
finden wir die Antworten auf alle unsere
Fragen.
Zu guter Letzt möchte ich Sie bitten,
immer in Verbindung mit der Kirche zu
bleiben. Ehren Sie Ihre Berufung im
Priestertum. Schwestern, unterstützen
Sie Ihren Mann in seinen kirchlichen
Aufgaben. Brüder, unterstützen Sie Ihre
Frau in ihren kirchlichen Aufgaben.
Gehen Sie oft zum Tempel, und bringen
Sie den Geist, den Sie dort finden, nach
Hause zurück. Seien Sie von ganzem
Herzen den Bündnissen treu, die Sie im
Haus des Herrn eingegangen sind oder
noch eingehen werden.
Präsident Kimball hat auf einer Fireside
an der Brigham-Young-Universität ge-
sagt: „Fast jede Ehe könnte schön,
harmonisch, glücklich und ewig sein,
wenn die beiden Menschen, um die es
geht, wollen, daß sie es sein soll, sein
muß und ist."
Möge unser Vater im Himmel Sie seg-
nen in Ihrem Bemühen, für Zeit und alle
Ewigkeit eine erfolgreiche Ehe zu füh-
ren. Das erbitte ich von ganzem Herzen
im Namen Jesu Christi. Amen.
109
„Sei nicht ungläubig
66
Gordon B. Hinckley
Vom Rat der Zwölf
D
'iese Konferenz markiert für mich
einen wichtigen Jahrestag. Vor genau
zwanzig Jahren habe ich hier zum ersten-
mal als Generalautorität der Kirche
gesprochen. An jenem Sonntagmorgen
im Jahre 1958 hatte ich Angst und fühlte
mich sehr unzulänglich. Jetzt nach
zwanzig Jahren und vierzig Konferen-
zen, sind mir diese Gefühle immer noch
nicht ganz fremd. Und so bitte ich
darum, daß der Heilige Geist mich
führt, damit Inspiration an die Stelle
meiner Angst tritt. Ich will nicht in die
Vergangenheit blicken, sondern nur den
Fortschritt der Kirche aufzeigen und
habe dafür ein paar Zahlen heraus-
gesucht, die 1958 auf der General-
konferenz veröffentlicht wurden. Da-
mals hatte die Kirche etwas über andert-
halb Millionen Mitglieder. Gestern ha-
ben wir gehört, daß sie heute fast vier
Millionen Mitglieder hat, das heißt, die
Wachstumsrate betrug in diesen zwei
Jahrzehnten rund 166 Prozent. 1958
hatten wir 273 Pfähle mit rund 2500
Gemeinden. Gestern haben wir gehört,
daß wir bis Ende letzten Jahres 885 und
letzten Donnerstag 937 hatten, von
denen einige gerade gegründet oder
„Glauben Sie an Jesus Christus — er ist der Sohn Gottes
und die bedeutendste Gestalt in Zeit und Ewigkeit.''
genehmigt werden. Heute haben wir
rund 7500 Gemeinden, dreimal soviel
wie vor zwanzig Jahren.
Diese wenigen Zahlen reichen aus, um
zu zeigen, was ich in den letzten zwanzig
Jahren persönlich miterlebt habe. Ich
will mich nicht brüsten. Nein, ich bin
dankbar, denn hinter diesen Zahlen
habe ich Männer, Frauen und Kinder in
vielen Ländern gesehen, deren Leben
einen neuen Sinn gefunden hat, in deren
Familie eine neue Liebe und ein neuer
Friede eingezogen sind und die durch
ihre Mitgliedschaft in der Kirche Jesu
Christi der Heiligen der Letzten Tage
ihren Platz im ewigen Plan Gottes besser
erfaßt haben.
Dieses erstaunliche Wachstum wurde
deshalb möglich, weil Tausende, die
durch die Macht des Heiligen Geistes ein
Zeugnis von Christus und der Wieder-
herstellung seines Evangeliums empfan-
gen haben, genug Mut hatten zu lehren
und genug Glauben um zuzuhören.
Letzten Sonntag hat die christliche Welt
Ostern gefeiert und Jesu Christi Auf-
erstehung gedacht. Damals war der
Herr zuerst Maria Magdalena er-
schienen, dann, im Laufe desselben
Tages, zehn von den Aposteln; Thomas
war nicht dabeigewesen.
,,Da sagten die andern Jünger zu ihm:
Wir haben den Herrn gesehen." Doch
Thomas reagierte wie soviele damals
und heute und sagte: ,,Wenn ich nicht in
110
seinen Händen sehe die Nägel male und
lege meinen Finger in die Nägelmale
und lege meine Hand in seine Seite, kann
ich's nicht glauben" (Johannes 20:25).
Haben Sie ähnliches nicht schon gehört?
Viele sagen: „Ich brauche Beweise,
empirische Beweise, die ich sehen, hö-
ren, anfassen kann, sonst glaube ich
nicht." Das ist die Sprache der Zeit, in
der wir leben. Der ungläubige Thomas
hat zu allen Zeiten Nachfolger ge-
funden, die nur akzeptieren wollen, was
sie materiell beweisen und erklären kön-
nen — als ob sie Liebe oder Glauben
oder auch nur eine physikalische Er-
scheinung wie Elektrizität beweisen
könnten. Aber fahren wir mit den Wor-
ten der Schrift fort. Acht Tage später
waren die Apostel wieder beisammen,
und diesmal war Thomas dabei.
,, Kommt Jesus, da die Türen ver-
schlossen waren, und tritt mitten ein und
spricht: Friede sei mit euch!" Zu Tho-
mas sagte der Herr: „Reiche deinen
Finger her und siehe meine Hände und
reiche deine Hand her und lege sie in
meine Seite und sei nicht ungläubig,
sondern gläubig!1'
Thomas war erstaunt und erschüttert
und konnte nur sagen: „Mein Herr und
mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Weil
du mich gesehen hast, Thomas, so
glaubst du. Selig sind, die nicht sehen
und doch glauben!" (Johannes 20:26-
29.)
Allen, die meine Stimme hören, möchte
ich zurufen, was der Herr zu Thomas
sagte, als dieser seine Wundmale be-
rührte: „Seid nicht ungläubig, sondern
gläubig!" Glauben Sie an Jesus Christus
— er ist der Sohn Gottes und die
bedeutendste Gestalt in Zeit und Ewig-
keit. Glauben Sie, daß sein unver-
gleichliches Leben schon lange vorher
begonnen hat, ehe die Welt gebildet
wurde. Glauben Sie daran, daß er die
Erde erschaffen hat, auf der wir leben.
Glauben Sie daran, daß er der Jehova
des Alten Testaments war, der Messias
des Neuen Testaments, daß er gestorben
ist, daß er den amerikanischen Kon-
tinent besucht und die Menschen dort
belehrt hat, daß er diese, die letzte
Evangeliumszeit eingeleitet hat und daß
er lebt — er, der Sohn des lebendigen
Gottes, unser Erretter und Erlöser.
Johannes sagt, alles sei durch Jesus
Christus erschaffen worden (Johannes
1:3).
Kann man den nächtlichen Sternen-
himmel betrachten, den Hauch des
Frühlings über der Erde verspüren und
dann noch daran zweifeln, daß Gott die
Kreatur erschaffen hat? Möchte man
nicht eher beim Betrachten der Natur
mit dem Psalmisten ausrufen: „Die
Himmel erzählen die Ehre Gottes, und
die Feste verkündigt seiner Hände
Werk. Ein Tag sagt's dem andern, und
eine Nacht tut's kund der andern"
(Psalm 19:2, 3).
Alles Schöne auf Erden deutet hin auf
das Wirken des Meisterschöpfers, auf
seine Hände, die Thomas nach der
Auferstehung des Herrn berühren woll-
te, ehe er glaubte.
Seien Sie nicht ungläubig, sondern
glauben Sie an Jehova, dessen Finger
inmitten des Donners auf dem Berg
Sinai schrieb: „Du sollst keine anderen
Götter haben neben mir" (2. Mose
20:3). Die Zehn Gebote, das Grund-
gesetz der zwischenmenschlichen Be-
ziehungen, sind das Produkt seines gött-
lichen Geistes. Wenn Sie die große Zahl
der Gesetze betrachten, die zum Schutz
der Menschen und der Gesellschaft
geschaffen worden sind, so denken Sie
daran, daß sie ihren Ursprung in den
wenigen kurzen und zeitlosen Er-
klärungen haben, die der allweise Jeho-
va Mose, dem Führer Israels, gegeben
hat.
Glauben Sie an ihn, den Gott Ab-
111
rahams, Isaaks und Jakobs, der zu allen
Propheten des Altertums gesprochen
hat, denn sie sprachen, wie der Heilige
Geist es ihnen eingab. Sie sprachen in
seinem Namen, wenn sie Könige
zurechtwiesen und Völker züchtigten
und wenn sie das Kommen des ver-
heißenen Messias vorhersagten und
durch die Macht der Offenbarung er-
klärten: „Darum wird euch der Herr
selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine
Jungfrau ist schwanger und wird einen
Sohn gebären, den wird sie nennen
Immanuel" (Jesaja 7:14).
„Auf ihm wird ruhen der Geist des
Herrn, der Geist der Weisheit und des
Verstandes, der Geist des Rates und der
Stärke, der Geist der Erkenntnis und der
Furcht des Herrn" (Jesaja 11:2).
„Und die Herrschaft ruht auf seiner
Schulter; und er heißt Wunder-Rat,
Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst"
(Jesaja 9:5).
Zweifeln Sie nicht, sondern glauben Sie
daran, daß er es war, der in einem Stall
geboren wurde, weil in der Herberge
kein Platz mehr war. Zu Recht fragte ein
Engel den Propheten, der diese Ereig-
nisse in einer Vision vorhersah: „Kennst
du die Herablassung Gottes?" (1. Nephi
11:16.) Ich glaube, niemand kann voll
und ganz ermessen, wie der große Jeho-
va so unter die Menschen kommen
konnte, in einem Stall, als Angehöriger
eines verhaßten Volkes, in einem
Vasallenstaat. Doch bei seiner Geburt
sang ein Engelchor von seiner Herr-
lichkeit. Hirten waren da und beteten
ihn an. Im Osten erschien ein neuer
Stern. Von weither kamen weise Männer
112
und brachten ihm Gold, Weihrauch und
Myrrhe dar. Man kann sich wohl vor-
stellen, wie ergriffen sie die kleinen
Hände des neugeborenen Königs be-
rührten.
Herodes der Große, dem die Prophe-
zeiungen bekannt waren, fürchtete diese
Hände und suchte, sie zu vernichten. Er
ließ unschuldige Kinder töten und
brachte ihr Blut über sich und seine
Hände.
Glauben Sie daran, daß Johannes der
Täufer durch die Macht der Offen-
barung gesprochen hat, als er von Jesus
sagte: „Siehe, das ist Gottes Lamm,
welches der Welt Sünde trägt!" (Johan-
nes 1:29). Dasselbe sagte auch die
Stimme des Allmächtigen, die über den
Wassern des Jordan verkündigte: „Dies
ist mein lieber Sohn, an welchem ich
Wohlgefallen habe" (Matthäus 3:17).
Glauben und wissen Sie, er war ein
Mann der Wunder. Als der große Jeho-
va hatte er die Welt erschaffen und
regiert; er kannte die Elemente der Erde
und alle Funktionen des Lebens. Von
Kana aus, wo er Wasser in Wein ver-
wandelte, ging er durch das Land,
machte Lahme gehend, Blinde sehend,
erweckte Tote wieder zum Leben — er,
der größte Arzt, der die Kranken mit der
Vollmacht heilte, die er als der Sohn
Gottes in sich trug.
„Kommet her zu mir alle, die ihr
mühselig und beladen seid; ich will euch
erquicken.
Nehmet auf euch mein Joch und lernet
von mir; denn ich bin sanftmütig und
von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe
finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft, und meine
Last ist leicht" (Matthäus 11:28-30).
Ich habe einmal mit einem Freund
gesprochen, der aus seiner Heimat ge-
flohen war. Beim Zusammenbruch sei-
nes Volks war er verhaftet und einge-
sperrt worden. Seine Frau und seine
Kinder waren entkommen, aber er war
drei Jahre lang gefangengehalten wor-
den, ohne mit den Menschen, die er
liebte, Kontakt aufnehmen zu können.
Das Essen war schlecht gewesen, die
Lebensbedingungen erniedrigend, und
es hatte keine Aussicht auf Besserung
bestanden.
„Wie konntest du diese schreckliche Zeit
nur überstehen?" fragte ich ihn. Er
antwortete: „Durch meinen Glauben,
meinen Glauben an den Herrn Jesus
Christus. Ich habe meine Last auf ihn
geworfen, dadurch schien sie mir leich-
ter."
Einmal, als der Herr durch Samaria zog,
war er erschöpft und durstig. Er machte
an Jakobs Brunnen Rast und bat die
Frau, die zum Brunnen Wasser holen
gekommen war, um etwas zu trinken. In
dem darauffolgenden Gespräch sagte er
ihr, daß seine Lehre die Macht habe zu
erretten: „Wer von diesem Wasser
trinkt, den wird wieder dürsten;
wer aber von dem Wasser trinken wird,
das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht
dürsten, sondern das Wasser, das ich
ihm geben werde, das wird in ihm ein
Brunnen des Wassers werden, das in das
ewige Leben quillt" (Johannes 4:13, 14).
Er gab sich der Frau zu erkennen, als die
Sprache auf den verheißenen Messias
kam. Schlicht und einfach sagte er: „Ich
bin's, der mit dir redet" (Johannes 4:25,
26).
Zweifeln Sie nicht, sondern glauben Sie,
daß er Herr ist über Leben und Tod. Der
trauernden Maria erklärte er seine gött-
liche Macht: „Ich bin die Auferstehung
und das Leben. Wer an mich glaubt, der
wird leben, ob er gleich stürbe;
und wer da lebet und glaubet an mich,
der wird nimmermehr sterben" (Jo-
hannes 11:25, 26).
Gibt es für Menschen, die um einen
lieben Angehörigen trauern, größere
Worte des Trostes? Thomas war dabei,
113
als der Herr dies sagte und als er dann
Lazarus von den Toten auferweckte.
Doch er zweifelte immer noch daran,
daß der Herr die Macht hatte, sich
selbst aufzuerwecken, nachdem er den
schrecklichen Tod am Kreuz gestorben
war. Thomas wollte erst glauben, nach-
dem er die Wunden selbst gesehen und
berührt hatte. So nimmt es nicht wun-
der, wenn Jesus ihn tadelte und sagte:
„Sei nicht ungläubig, sondern gläubig."
Wie Thomas gehen wir so leicht dazu
über, sein unvergleichliches Leben und
seine Macht zu vergessen. Die Beweise
seiner Macht finden wir nicht nur in der
Bibel, der Hinterlassenschaft der Alten
Welt. Auch die Neue Welt hat uns ein
Erbe hinterlassen, das durch die Gabe
und Macht Gottes ans Licht gebracht
wurde. Es soll die Juden und die Nicht-
juden davon überzeugen, daß Jesus der
Christus ist. Es verkündet sein Evange-
lium beredt und mit machtvollem Geist.
Als Jesus auf Erden wirkte, sprach er
von andern Schafen einer andern Herde,
die auch seine Stimme hören sollten,
und sagte: „Und wird eine Herde und
ein Hirte werden" (Johannes 10:16).
Nach seiner Auferstehung hörten die
Menschen im Land des Überflusses,
irgendwo auf dem amerikanischen Kon-
tinent, die Stimme Gottes, die ihnen
verkündete: „Seht, mein geliebter Sohn,
an dem ich Wohlgefallen habe, in dem
ich meinen Namen verherrlicht habe —
hört ihn!
Und ... sie sahen einen Mann vom
Himmel herniedersteigen, der war mit
einem weißen Kleid angetan. Er kam
herab und stand mitten unter ihnen"
und sagte zu ihnen:
„Seht, ich bin Jesus Christus, von dem
die Propheten bezeugten, daß er in die
Welt kommen werde" (3. Nephi 1 1 :7, 8,
10).
Sie zweifelten nicht, sondern glaubten,
wie so viele nach ihnen, die gelesen
haben, wie ihnen der auferstandene
Christus erschien. Wenn Sie dieses fünf-
te Evangelium noch nicht kennen, es
aber kennenlernen möchten, dann sollen
Sie es bekommen und damit die Ver-
heißung, daß Sie, wenn Sie es ge-
beterfüllt lesen, selbst erfahren können,
daß es wahr und ein neuer Zeuge für
Christus ist.
Es gibt aber noch einen Zeugen. Am
Jordan, auf dem Berg der Verklärung
und dann im Land des Überflusses hatte
Gott gesprochen und Jesus als seinen
Sohn bestätigt. Genauso war es, als die
jetzige Evangeliumszeit eingeleitet wur-
de. In einer herrlichen Vision erschienen
Gott, der ewige Vater, und sein Sohn
Christus einem jungen Mann, der sie
gesucht hatte. Dieser junge Mann
sprach in den darauffolgenden Jahren
als Prophet für den auferstandenen
Herrn und gab sogar sein Leben als
Zeugnis für den, der am Kreuz ge-
storben war.
Diesen zahlreichen Zeugnissen fügen
wir unsere eigene Überzeugung hinzu.
Durch die Macht des Heiligen Geistes
hat sie unser Herz erfüllt, und voll
Aufrichtigkeit und Liebe geben wir
unser Zeugnis von Jesus Christus. Seien
Sie deshalb nicht „ungläubig, sondern
gläubig", glauben Sie an ihn, den Sohn
Gottes, unseren Erretter und Erlöser.
Darum bete ich von ganzem Herzen in
seinem heiligen Namen, im Namen Jesu
Christi. Amen.
114
Versammlung am Sonntagnachmittag, den 2. April 1978
„Ein Nichtzweifeln an dem, das man
nicht sieht66
Mark E. Petersen
Vom Rat der Zwölf
E
s gibt noch immer Menschen, die das
Buch Mormon anzweifeln. Sie bezwei-
feln nicht nur die Echtheit dieses heiligen
Buches, sondern auch, daß wir neben
der Bibel noch weitere heilige Schriften
haben können.
Wir Heiligen der Letzten Tage haben
neben der Bibel noch drei weitere Bü-
cher, die für uns heilige Schriften sind.
Sie sind weitere Zeugen für den Herrn
Jesus Christus und erklären allen, die
bereit sind, sie zu lesen, daß er unser
Erretter und Erlöser ist. In der heutigen
Zeit der Wirrnis und des Zweifels sollten
wir doch eigentlich dankbar sein, daß
wir von neuem bestätigt bekommen,
daß er der Messias ist, oder?
Manche Menschen haben gelernt, die
Bibel enthalte das ganze Wort Gottes,
und fragen uns, wozu wir noch mehr
heilige Schriften haben. Sie sehen nicht,
daß die Bibel schon den Ansatz zu mehr
heiligen Schriften enthält. Sie deutet
darauf hin, daß der Herr schon in alter
Zeit immer Propheten auf die Erde
„Das Buch Mormon ist ein greifbarer Beweis für die
Unsterblichkeit, die Auferstehung von den Toten und die
Existenz Gottes und seines Sohnes Jesus Christus."
gesandt hat, die den Menschen heilige
Schriften gegeben haben.
Die Offenbarungen dieser Propheten
wurden aufgeschrieben und wurden zu-
sammen mit geschichtlichen Auf-
zeichnungen heilige Schrift. Was ein
neuer Prophet geschrieben hat, wurde
hinzugefügt. So wurde das Wort Gottes
immer umfangreicher. Im Laufe der
Zeit wurden die Bücher in der heutigen
Form zusammengefaßt, die wir als die
Bibel kennen.
So war es, solange der Herr Propheten
auf Erden hatte, sowohl zur Zeit des
Alten als auch des Neuen Testaments.
Niemand wäre auf den Gedanken ge-
kommen, diese Aufzeichnungen ent-
hielten das ganze Wort Gottes, denn der
Herr schickte immer wieder neue Pro-
pheten mit neuen Offenbarungen, die
ihrerseits in den bestehenden Teil der
heiligen Schrift aufgenommen wurden.
Das war die Ordnung des Herrn seit den
Tagen der Patriarchen bis zu Johannes
dem Offenbarer.
Mancher weiß nicht, daß es in der
Urkirche Propheten gab. Der Herr
braucht sie, bis wir alle zur Einheit des
Glaubens kommen. (Epheser 4:13).
Doch was haben wir heute anstelle
115
dieser Einheit in der Christenheit? Wir
haben Spaltungen, und sie sind ein
schlagender Beweis dafür, daß wir im-
mer noch Propheten brauchen.
Wissen Sie noch, wie Paulus den Ephe-
sern diesen Grundsatz erklärt hat? Er
sagte, das Fundament der Kirche ruhe
auf den Aposteln und Propheten, mit
Jesus Christus als Eckstein (Epheser
2:20).
Er erklärte auch, wie Jesus Christus
seine Kirche aufgebaut hatte: „Er hat
etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu
Propheten, etliche zu Evangelisten, et-
liche zu Hirten und Lehrern" (Epheser
4:11). Das waren einige Ämter in seiner
Kirche. Sie waren da, „daß die Heiligen
zugerüstet würden zum Werk des
Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi
erbaut werden" (Epheser 4:12). Können
die Mitglieder der Kirche zu irgend-
einem Zeitpunkt bereits aufhören, nach
Vollkommenheit zu streben? Brauchen
sie nicht mehr aktiv in der Kirche
mitzuarbeiten, brauchen sie keine Be-
lehrung mehr?
Paulus sagte, daß wir diese Ämter brau-
chen, damit wir belehrt und aufgebaut
werden, bis wir vollkommen sind, bis
wir zum vollen Maß der Fülle Christi
kommen. Es ist doch offensichtlich, daß
noch niemand von uns so weit ist.
Doch aus welchem weiteren Grund
brauchen wir diese Ämter? Paulus er-
klärt, daß sie uns zu unserem Schutz
gegeben sind, „auf daß wir nicht mehr
unmündig seien und uns bewegen und
umhertreiben lassen von jeglichem
Wind der Lehre" (Epheser 4:14).
Sie beschützen uns vor den falschen
Lehren von Sekten und Splittergruppen
und vor den irreführenden An-
schauungen der Menschen.
Die Kirche Jesu Christi sollte also im-
mer von Aposteln und Propheten ge-
leitet werden, die ihrerseits vom Himmel
aus geführt werden. Sie sollten der
Kirche stets als Seher und Offenbarer
dienen.
Durch ihr Wirken sollte es auch neue,
zusätzliche heilige Schriften geben, zuge-
schnitten auf die Zeit, in der sie lebten,
so, wie dies schon immer gewesen war.
Die Propheten der christlichen Urkirche
wirkten zu ihrer Zeit genauso wie früher
die Propheten des Alten Testaments.
Und warum? Schon Arnos hatte erklärt,
daß der Herr stets durch Propheten
spricht (Arnos 3:7).
Ohne Propheten gibt es keine göttliche
Führung, und die Menschen wandeln im
Dunkeln.
Es ist ein untrügliches Kennzeichen der
wahren Kirche, daß sie von Propheten
geführt wird, die der Herr berufen hat.
Dies sind Männer, die Offenbarungen
von Gott empfangen und deren Auf-
zeichnungen neue heilige Schrift werden.
Ein weiteres untrügliches Kennzeichen
der wahren Kirche ist, daß durch das
Wirken dieser Propheten zusätzliche
heilige Schrift zustandekommt. So war
es von Anfang an im Umgang Gottes
mit den Menschen.
Der Herr selbst hat vorhergesagt, daß es
neben der Bibel neue heilige Schriften
geben würde. Doch wußte er auch, daß
manche diese zurückweisen würden.
Und so hat er gesagt:
Es „werden viele NichtJuden sagen: Eine
Bibel! eine Bibel! Wir haben eine Bibel,
und es kann nicht noch eine andre Bibel
geben.
Wißt ihr nicht, daß es mehr als ein Volk
gibt? Wißt ihr nicht, daß ich, der Herr,
euer Gott, alle Menschen erschaffen
habe und daß ich mich derer erinnere,
die auf den Inseln des Meeres sind; und
daß ich oben im Himmel und unten auf
der Erde regiere und mein Wort unter
den Menschenkindern hervorbringen
werde, ja unter allen Völkern der Erde?
Warum murrt ihr, weil ihr mehr von
meinem Wort erhalten sollt? Wißt ihr
116
nicht, daß das Zeugnis zweier Völker
euch ein Beweis ist, daß ich Gott bin und
mich des einen Volkes sowohl wie des
andern erinnere? Daher rede ich zu
einem Volk dieselben Worte, die ich zum
andern rede. Und wenn die beiden
Völker zusammentreffen, dann wird das
Zeugnis beider Nationen auch Hand in
Hand gehen.
Und das tue ich, damit ich vielen
beweise, daß ich gestern, heute und
immerdar derselbe bin und daß ich
meine Worte nach meinem eigenen Gut-
dünken spreche. Und ihr braucht nicht
zu denken, weil ich ein Wort gesprochen
habe, daß ich nicht noch eines reden
könne; denn mein Werk ist noch nicht
beendet; und es wird auch nicht enden,
bis der Mensch ein Ende nimmt, noch
von der Zeit an bis in Ewigkeit.
Daher braucht ihr nicht zu denken, weil
ihr eine Bibel habt, daß sie alle meine
Worte enthalte; auch braucht ihr nicht
anzunehmen, daß ich nicht noch mehr
habe schreiben lassen.
Denn ich gebiete allen Menschen, im
Osten und im Westen, im Norden und
im Süden und auf den Inseln des Meeres,
die Worte zu schreiben, die ich zu ihnen
rede; denn aus den Büchern, die ge-
schrieben sind, werde ich die Welt rich-
ten, einen jeglichen nach seinen Werken,
nach dem, was geschrieben steht.
Denn sehet, ich werde zu den Juden
reden, und sie werden es schreiben; und
ich werde auch zu den Nephiten spre-
chen, und sie werden es schreiben; und
ich werde auch zu den andern Stämmen
des Hauses Israel sprechen, die ich
weggeführt habe, und sie werden es
schreiben; und ich werde auch zu allen
Völkern der Erde sprechen, und sie
werden es schreiben.
Und die Juden werden die Worte der
Nephiten und die Nephiten die Worte
der Juden besitzen; und die Nephiten
und die Juden werden die Worte der
verlorenen Stämme Israels haben; und
die verlorenen Stämme Israels werden
die Worte der Nephiten und der Juden
haben.
Und mein Volk, das vom Hause Israel
ist, wird in die Länder seines Eigentums
zurückgeführt werden; und auch mein
Wort soll in eins zusammengefaßt wer-
den" (2. Nephi 29:3, 7-14).
So sprach der Herr.
Natürlich haben wir auch die Bibel, wie
die andern Christen. Doch darüber hin-
aus haben wir die Aufzeichnungen der
Nephiten, der alten Bewohner Ameri-
kas, deren Offenbarungen und Ge-
schichte im Buch Mormon aufge-
zeichnet sind. Was ist nun das Buch
Mormon?
Der Apostel Paulus definierte Glauben
einmal als „Nichtzweifeln an dem, das
man nicht sieht" (Hebräer 11:1). Das
Buch Mormon ist ein greifbarer Beweis
für Sichtbares und Unsichtbares.
Es ist ein Buch, das man in die Hand
nehmen und lesen kann, greifbare Mate-
rie. Es läßt sich nicht wegdiskutieren.
Kein Kritiker kann es aus der Welt
schaffen. Es ist veröffentlicht und da
greifbar, faßbar.
Wir können es in die Hand nehmen. Wir
können es verschenken. Wir können es
als Postsache verschicken. Wenn wir
wollten, könnten wir es ins Meer werfen,
verbrennen oder es Seite für Seite studie-
ren, um daraus Licht und Erkenntnis zu
schöpfen.
Es ist ein greifbares Buch, mit ge-
wöhnlicher Druckerschwärze auf der
elektrischen Presse einer kommerziellen
Buchdruckerei auf kommerziell produ-
ziertem Papier gedruckt.
Mit anderen Worten, das Buch Mor-
mon ist genauso greifbar wie die Bibel
oder irgendein anderes Buch. Also läßt
sich seine Existenz nicht leugnen oder
wegdiskutieren.
Doch woher kommt es?
117
Ein Engel Gottes ist zur Erde ge-
kommen, um dieses Buch Joseph Smith,
dem Mormonenpropheten, zu über-
geben.
Gibt es in unserer aufgeklärten Zeit
noch Menschen, die an Engel glauben?
Wenn Sie an die Bibel glauben, müssen
Sie an Engel glauben. Und wenn Sie die
Bibel lesen, werden Sie wissen, daß darin
ganz deutlich steht: in den Letzten
Tagen wird ein Engel zur Erde kommen,
um einem bestimmten Menschen zu
einer bestimmten Zeit ein bestimmtes
Buch zu bringen.
Über diesen Menschen sagt die Bibel, er
sei ungebildet. Ist es nicht merkwürdig,
daß der Prophet Jesaja eine solche
Bezeichnung gebraucht? Doch kam die-
ser Engel zu der bestimmten Zeit zu
Joseph Smith, dem ungebildeten Men-
schen. Durch die Macht Gottes über-
setzte Joseph Smith das Buch und
veröffentlichte es für die Welt als das
Buch Mormon.
Für die Entstehung des Buchs gibt es
keine plausiblere Erklärung als die von
Joseph Smith.
Die Kritiker versuchen es schon über
hundert Jahre mit anderen Erklärungen
und haben noch nichts Besseres ge-
funden.
Wer war der besagte Engel? Er hieß
Moroni. Er brachte das Buch Mormon
und bewies dadurch, daß es Engel Got-
tes gibt und einer von ihnen Joseph
Smith dieses Buch brachte.
Und wer war Moroni? Er war ein
Prophet des Alten Amerika und starb
vor 1 500 Jahren.
Um in unserem Zeitalter zu erscheinen,
mußte er offensichtlich von den Toten
zurückkehren. Unsere ganze Religion
basiert auf Engeln, die von den Toten
zurückgekehrt sind. Also ist die
Unsterblichkeit eine Realität, sie ist
bewiesen durch die Tatsache, daß ein
unsterbliches Wesen einem sterblichen
Menschen das Buch Mormon in seiner
konkreten, greifbaren Form übergeben
hat.
Moroni kam als physische, faßbare
Realität von den Toten zurück. Er hatte
die schweren Goldplatten in der Hand.
Ein kompakter Metallblock mit den
Maßen 18x18x20 cm würde gut dreißig
Pfund wiegen. Und Moroni hatte die
Platten in der Hand und blätterte die
einzelnen Seiten um, mit Händen aus
Fleisch und Bein, Händen eines Aufer-
standenen.
So wird das Buch Mormon, ein kon-
kreter, greifbarer Gegenstand, zum Be-
weis für die Auferstehung von den
Toten.
Vergessen wir nicht, daß zwölf Männer
damals die Platten sahen, die Moroni
Joseph Smith übergeben hatte. Acht
davon sagten darüber aus, sie hätten die
Platten angefaßt: „Wir haben sie ge-
sehen und angefaßt, und wir wissen mit
Bestimmtheit, daß genannter Smith die
Platten hat, von denen wir gesprochen
haben" (Das Zeugnis der acht Zeugen,
Buch Mormon, S. IX).
Sie haben die Platten eigenhändig ange-
faßt, genau wie Moroni.
Sie haben die Seiten einzeln umge-
blättert, genau wie Moroni.
Sie haben die Gravierungen auf den
Platten untersucht. Einige von ihnen
hatte Moroni selbst 1 400 Jahre zuvor
angefertigt.
So ist das Buch Mormon in seiner
heutigen Form ein greifbarer Beweis für
die Unsterblichkeit, für die Auf-
erstehung von den Toten, für die Exi-
stenz Gottes und seines Sohnes Jesus
Christus.
Das Buch Mormon haben wir vor allem
deshalb erhalten, weil ,,auf zweier oder
dreier Zeugen Mund . . . jegliche Sache
stehen" soll (2. Korinther 13:1).
Wir haben die Bibel, und wir haben das
Buch Mormon, zwei Stimmen, zwei
118
Bände heiliger Schrift, von zwei alten
Völkern, die sehr weit voneinander ent-
fernt lebten und beide bezeugen, daß
Jesus Christus der Sohn Gottes ist.
Doch wir haben noch zwei weitere
Zeugen in der Form heiliger Schrift,
insgesamt also vier. Sie sind die heilige
Schrift, die wir durch Offenbarungen an
den Propheten Joseph Smith erhalten
haben, und auch sie erklären, daß Jesus
Christus, der Erretter, der Schöpfer, der
lang verheißene Messias ist.
Die Welt ist durch die sich wider-
sprechenden Glaubensbekenntnisse der
Menschen in ein Wirrwarr geraten; die
Wahrheit mußte noch einmal auf die
Erde kommen, damit die Menschen ihr
Denken wieder ins rechte Gleis bringen
konnten. Das konnte nur auf eine Art
geschehen, durch erneute Offenbarung.
Doch für neue Offenbarung brauchen
wir einen Propheten, denn wie Arnos
sagt, wirkt der Herr nur durch Pro-
pheten (Arnos 3:7).
Zu der Zeit, als die neue Offenbarung
kommen sollte, gab es auf der ganzen
Erde keinen einzigen Propheten. Also
berief Gott einen neuen Propheten für
diese Offenbarung, der das Buch Mor-
mon veröffentlichen und dafür sorgen
sollte, daß das wahre Evangelium jedem
Volk gepredigt wurde.
Und wer war dieser Prophet? Joseph
Smith. Er war der Seher, den Gott in
diesen Letzten Tagen berufen hat. Er
war der Offenbarer der Neuzeit. Er
übersetzte und veröffentlichte das Buch
Mormon auf Weisung des allmächtigen
Gottes. Nicht nur war er selbst als
Prophet von Gott berufen, unter ihm
und nach ihm wuchsen auch weitere
Propheten heran, die das Werk nach
seinem Tod weiterführen sollten. Wir
sind diese weiteren Propheten! Wir ha-
ben die göttliche Vollmacht Jesu Christi!
Wir sprechen in seinem Namen und
verkünden sein Wort! Und unser Zeug-
nis ist wahr!
Das bestätigen wir mit all unserer Kraft
im Namen Jesu Christi. Amen.
119
Folgen Sie Ihrem geistigen Führer
Gene R. Cook
Vom Ersten Kollegium der Siebzig
.ls ich vor einigen Monaten mit dem
Flugzeug in den Anden unterwegs war,
konnte ich dem Mann, der neben mir
saß, erklären, warum ich in Südamerika
war. Nachdem ich ihm einiges über die
Kirche und ihre Lehren und meine Rolle
als Führer der Kirche erzählt hatte,
fragte er: „Wie können Sie Ihr ganzes
Leben einem anderen Menschen wie
diesem Herrn Kimball übergeben und
so lange hier in diesem Land bleiben, wie
er es will? Das könnte ich nicht." Darauf
entgegnete ich: „Ich auch nicht, wenn er
nur ein gewöhnlicher Mensch wäre."
Und ich erklärte ihm meine Über-
zeugung, daß wir heute auf Erden einen
Propheten haben und daß ich für den
Herrn, für den er spricht, alles tun
würde.
Vor ein paar Jahren nahm ich jemanden,
der noch kein Mitglied der Kirche war,
zu einer Versammlung mit, auf der ein
Führer der Kirche sprechen sollte. Ich
hatte dem Betreffenden vorher erklärt,
dies sei einer der Gesalbten des Herrn.
Anschließend meinte der Mann: „Aber
das war doch auch nur ein Mensch."
Vielleicht hatte er einen Engel erwartet,
der in Zungen sprach, oder etwas Ähnli-
Es ist eine der großen Segnungen der Kirche, daß jeder
einen geistigen Führer hat.
ches, das als Beweis für die göttliche
Berufung dieses Führers der Kirche
dienen konnte.
Ich habe oft darüber nachgedacht, wie
viele von uns wohl getäuscht worden
wären, wenn wir in der Zeitenmitte mit
Jesus Christus, dem Sohn Gottes, hätten
zusammen sein können. Die über-
wiegende Mehrheit sah in Jesus nur
einen Menschen. Die wenigen, die die
Gabe der Unterscheidung hatten, wuß-
ten, wer er wirklich war. Wenn man sich
in seinem Urteil nur auf seine fünf Sinne
verläßt, wird man niemals etwas Geisti-
ges erkennen können. Haben Sie zuge-
hört, meine Brüder und Schwestern,
wirklich zugehört, während die Führer
der Kirche hier gesprochen haben? Sind
Sie bereit, ihrem Rat und auch dem Rat
Ihrer örtlichen Führer zu folgen?
Wo stehen Sie, wenn es darum geht, Ihre
geistigen Führer so zu sehen, wie der
Herr sie sieht? Wir sollen eine solche
Einstellung haben wie die treuen Israeli-
ten zu Josua:
„Und sie antworteten Josua und spra-
chen: Alles, was du uns geboten hast,
das wollen wir tun, und wo du uns
hinsendest, da wollen wir hingehen. Wie
wir Mose gehorsam gewesen sind, so
wollen wir auch dir gehorsam sein"
(Josua 1:16, 17).
Vor einiger Zeit fragte jemand: „Wissen
die Führer der Kirche wirklich, was in
den Randgebieten der Kirche vor sich
120
geht? Ich glaube nicht, daß sie die
Probleme in ihren Einzelheiten so
durchschauen wie wir." Eine gute
Schwester sagte: „Wenn der Bischof
wüßte, was ich über die FHV weiß,
würde er sicher anders handeln. Es ist
schade, daß er sich nicht mehr mit uns
bespricht und uns fragt, was in der
Gemeinde getan werden soll." Jemand
anders hat gesagt: „Ich gehe nicht zu
meinem Gemeindepräsidenten, wenn
ich Rat brauche. Er hat eine ganz andere
Einstellung als ich. Wir sind zu ver-
schieden. Wir sind einfach nicht auf der
gleichen Wellenlänge."
Ich möchte Ihnen sagen, daß die Führer
der Kirche und Ihr Pfahlpräsident, Ihr
Bischof und Ihr Kollegiumspräsident
wissen, worum es geht, was die herr-
schenden Grundsätze, das wirkliche
Wesentliche angeht. Alles andere wird
im Laufe der Zeit schon geregelt werden.
Dies ist die Kirche des Herrn. Er leitet sie
durch die festgelegte Vollmachtslinie des
Priestertums und Offenbarung. Wir
glauben an einen Gott der Wunder, und
er hat niemals aufgehört, durch seine
Priestertumsführer geistige Wunder zu
wirken.
Wir wissen, daß jeder Bischof und jeder
Gemeindepräsident von seinen Ratge-
bern oder auch von anderen Rat ein-
holen kann, ehe er durch Inspiration
eine Entscheidung trifft. Doch haben
wir in der Kirche keine allgemeine
Beteiligung an Entscheidungen, wir ho-
len nicht die Meinung eines jeden ein
und treffen keine Mehrheitsbeschlüsse.
Es mag Ausnahmen von dieser Regel
geben, doch bleibt das gewöhnlich der
Welt vorbehalten. Es gibt auch etliche
Kirchen, die nichts Besseres kennen. Die
Welt kann nur über Fragen beraten,
Meinungen und Erfahrungen aus-
tauschen und dann versuchen, aus den
gegebenen Fakten das Beste zu machen.
In der Kirche Jesu Christi der Heiligen
der Letzten Tage werden die Beamten
auf allen Ebenen durch Offenbarung
von Gott in ihrer Arbeit geführt. Viele,
zu viele lassen sich von den Falschen
beraten. Zuviele geben lieber Rat, statt
ihn anzunehmen. Vergessen Sie nicht,
daß andere Ihnen zwar ihre Erfahrungen
mitteilen und Ihnen einen besseren
Überblick vermitteln können; wenn Sie
aber für Ihre Arbeit Offenbarung emp-
fangen wollen, muß sie vom Herrn
kommen. Sie können sie direkt von ihm
bekommen oder als Offenbarung durch
Ihren zuständigen Priestertumsführer.
Die Kirche zeichnet sich unter anderem
dadurch aus, daß jeder einen geistigen
Führer hat, an den er sich wenden kann.
In der Familie ist der Mann für Frau
und Kinder zuständig. Wenn ein Pro-
blem mit einer höheren Instanz be-
sprochen werden soll, gehen Mann und
Frau zum Bischof, denn als Hoher-
priester der Gemeinde präsidiert er über
beide. In manchen Priestertums-
angelegenheiten kann sich der Mann an
seinen Kollegiumspräsidenten wenden.
Der Bischof ist für Mann und Frau da,
solange er sie nicht an einen anderen
verweist.
Der Herr hat in einer Offenbarung
verschiedene Gaben des Geistes aufge-
zählt und dann bezüglich Ihres Bischofs
oder irgendeines anderen Priestertums-
führers gesagt: „Dem Bischof der Kir-
che und denen, die Gott berufen und
ordinieren wird, über die Kirche zu
wachen und Älteste in der Kirche zu
sein, wird es gegeben werden, alle diese
Gaben zu unterscheiden, auf daß nie-
mand unter euch vorgebe, eine Gabe
von Gott erhalten zu haben, während sie
doch nicht von Gott ist" (LuB 46:27).
Hier wird ganz deutlich, daß die präsi-
dierenden Priestertumsführer die Gabe
der Unterscheidung erhalten.
Vergessen Sie nicht, daß Ihr Priester-
tumsführer etwas wirklich einmal an-
121
ders sehen kann als Sie. Es mag unter-
schiedliche Meinungen zu Detailfragen
oder Arbeitsmethoden geben, doch geht
es äußerst selten um Grundsätze des
Evangeliums. Ihr Führer hat das Recht,
seinem Amt seine persönliche Note zu
verleihen und seiner Erfahrung ent-
sprechend zu handeln. Natürlich kann
er in Detailfragen etwas anders machen,
als Sie es sich vorstellen, doch wenn Ihr
Priestertumsführer Ihnen im richtigen
Geist eine Weisung gibt, kommt dies
vom Herrn und ist verbindlich.
Wir leben in einer schweren Zeit. Sagen
wir uns doch, wenn uns unsere Führer
einen Rat erteilen: ,, Vater, ich akzep-
tiere, was mir gesagt worden ist. Und
wenn die Zeit kommt und ich den Preis
gezahlt habe, dann zeige mir, warum."
Es ist eine Gabe des Geistes, wenn Sie
akzeptieren, was Ihre Priestertums-
führer Ihnen sagen. Ich höre sie fast zu
Ihnen sagen: „Glauben Sie mir, von hier
oben ist alles viel deutlicher zu sehen als
dort, wo Sie jetzt stehen. Vertrauen Sie
mir, denn ich kann weiter sehen als bis
zum nächsten Berg." Wer auf seine
weisen Eltern und Priestertumsführer
hört, wird einsehen, daß sie das Leben
aus ewiger Sicht betrachten, nicht aus
einer kurzsichtigen, zeitlichen Perspekti-
ve. So kann man durch den geistigen
Einblick anderer lernen, ohne durch
eigene Erfahrung Gutes oder Schlechtes
unterscheiden zu lernen. Schließlich und
endlich verlangen wir in der Kirche
keinen blinden Gehorsam. Wir wollen,
daß jeder Mensch für sich selbst erfährt,
daß das, was seine Führer ihm sagen,
vom Herrn kommt. Er hat das Recht
dazu. Wenn er Geduld hat und auf den
Herrn vertraut, wird er erfahren, daß
seine Priestertumsführer ihm recht-
schaffenen Rat erteilen und ihn so
befähigen, auf festem Boden zu stehen.
Ich hoffe, wir können alle demütiger und
bereitwilliger Rat annehmen. Mögen
wir alle davon absehen, dem Herrn zu
raten, und statt dessen seinen Rat und
den seiner Diener suchen, denn das ist
das gleiche. Im Namen Jesu Christi.
Amen.
I
Erfolgslyrik
Sterling W. Sill
vom Ersten Kollegium der Siebzig
or einiger Zeit habe ich ein sehr
nützliches Buch geleseen, das der New
Yorker Psychiater Smiley Blanton ge-
schrieben hat. Darin erzählt er, wie er
vierzig Jahre lang Menschen mit Hilfe
erhebender Gedanken von ihren seeli-
schen und geistigen Problemen befreit
hat. Diese Gedanken hatte er Ge-
dichten, aber auch der heiligen Schrift,
guter Prosa und Liedern entnommen.
Ich glaube, diese Heilmethode des Psy-
chiaters gleicht der eines Arztes, der
seinen Patienten Rezepte ausstellt, die
sie nicht in der Apotheke, sondern in der
Buchhandlung einlösen, weil er fest-
gestellt hat, daß in Büchern oft mehr
Heilkraft steckt als in Pillendosen. Eine
Mutter heilt die blauen Flecken und
Schrammen ihres Kindes durch ihre
Zärtlichkeit und ihre liebevolle An-
teilnahme.
Ich habe über diese Heilmethode nach-
gedacht und zu ergründen gesucht,
woran Jesus gedacht haben mag, als er
sagte: „Arzt, hilf dir selber" (Lukas
4:23). Eine Interpretationsmöglichkeit
hat er uns gezeigt, als er Emma Smith
gebot, die inspirierenden Lieder auszu-
„Wenn wir Himmlisches denken, das heißt denken wie
Gott, entwickeln wir ein himmlisches Gemüt."
wählen, die uns heute so oft durch den
Kopf gehen und unser Herz erfreuen.
Ich habe mir vor kurzem in der Biblio-
thek eine Ausgabe dieses ersten Gesang-
buchs mit den neunzig Liedern besorgt,
die Emma Smith für uns ausgesucht hat.
Jeder von uns hat andersgeartete
Bedürfnisse und Interessen, und so glau-
be ich, wir müssen jeder unsere eigene
Auswahl treffen und diese Lieder dann
auswendig lernen und immer wieder mit
Begeisterung aufgreifen. Dann können
wir erfahren, welch große Heilkraft und
welch Antrieb von ihnen ausgeht.
William James, Harvards großer Psy-
chologe, hat einmal die Frage gestellt:
„Wollen Sie Herr sein über Ihr Denken
und Fühlen?" Er erklärte, daß das
Bewußtsein des Menschen sich aus dem
zusammensetzt, was man ihm eingibt.
Wenn ich meinem Verstand und Herzen
erhebende Gedanken, Glauben und
Begeisterung eingebe, stellt sich meine
ganze Persönlichkeit entsprechend ein.
Wenn wir Negatives denken, entwickeln
wir ein negatives Bewußtsein. Wenn wir
unsere Gedanken verkümmern lassen,
verkümmert auch unser Bewußtsein.
Wenn wir aber Himmlisches denken,
das heißt denken wie Gott, entwickeln
wir ein himmlisches Gemüt. Das hatte
Edward Dyer im Sinn, als er schrieb:
„Ein Königreich ist mein Gemüt,
Denn soviel Freude ich dort find,
Daß Schöneres es nirgends gibt,
Nein nirgendwo auf dieser Weif'
123
(aus: Poet's Gold, Hg. David Ross, New
York, 1937, S 41).
Wir entwickeln ein göttliches Wesen,
wenn wir bei der Beerdigung eines lieben
Menschen erhabene Musik und Gebete
hören, die Trauernden trösten und uns
selbst durch erhebende Gedanken auf-
bauen. Vor kurzem kam ein Ehepaar zu
mir, dessen dreijährige Tochter ganz
plötzlich vor den Augen der Eltern
gestorben war. Die Eltern waren ver-
zweifelt. Sie hatten viele Tränen ver-
gossen, der Schmerz ließ nicht nach, und
sie brauchten jemanden, dem sie ihr
Herz ausschütten konnten. Wir wissen
alle, wieviel es ausmacht, wenn wir uns
teilnahmsvoll anhören, was einen an-
deren bedrückt. Ich wußte noch gut, wie
ich als Junge am Bett meiner sieben-
jährigen Schwester gesessen hatte, währ-
end sie an Diphtherie starb.
Die Mutter des kleinen Mädchens kon-
nte sich nichts Schlimmeres vorstellen,
als daß dieses kleine Wesen hatte sterben
müssen, noch ehe es richtig zu leben
begonnen hatte. Ich konnte ihren
Schmerz mitfühlen, doch schließlich
sagte ich zu ihr: „Schwester Jones, ich
glaube, es würde Ihnen helfen, wenn ich
Ihnen von etwas erzähle, was schlimmer
ist als Ihr gegenwärtiger Kummer." Sie
meinte: „Wenn Sie so etwas kennen,
erzählen Sie es mir." Ich habe ihr das
Gedicht ,Trauer' von James Whitcomb
Riley vorgetragen. Darin geht es nicht
um den Verlust, den jemand beim Tod
eines Kindes erleidet, sondern um je-
mand, der gar kein Kind hat, eine Frau,
die mit ihrer Freundin um deren ver-
storbenes Kind trauert. Eine Frau be-
weint die Liebe ihres Kindes, das sie
verloren hat, und die andere hat diese
124
nicht einmal für kurze Zeit selbst erleben
dürfen.
Ich bin dem Dichter für diese Gedanken
sehr dankbar. Er hat mich angeregt,
selbst ein Buch des Trostes für Trauern-
de zusammenzustellen.
Es gibt auch Gedichte, die uns an-
spornen, mehr aus uns zu machen. Viele
Jahre lang erlebte Grantland Rice, der
berühmte Sportjournalist, die großen
Wettkämpfe mit und versuchte, die
Charaktereigenschaften zu benennen,
die aus einem Sportler einen Champion
machen. Was er fand, wollte er auch
anderen zugänglich machen, und er
schrieb rund siebenhundert Gedichte
über die Eigenschaften, die einen
Menschen groß machen. Eines dieser
Gedichte hat den Titel ,Mut'. Es heißt
darin:
„Dem Tod begegnend, möchf ich lächeln
dann und sagen ihm:
Ich habe jetzt noch einen Atemzug nimm ihn
mir fort.
Und laß zurück nur Staub oder Traum oder
im Flug
endloser Nacht die Seele, wo der Staub der
Sterne fließt,"
Doch sagte er auch:
„So nur dem Leben gegebüberstehn und
sagen:
Send, was du willst, an Kampf oder auch
Leid: ob Sonne, Sturm
steh fest ich, wenn auch Haß mir trotzen will
mit schwerer Hand.
Was auch das Schicksal mir noch bringen
will ich halte stand."'
Es ist schon gesagt worden, Dichter
könnten uns erheben wie sonst nur ein
Prophet es vermag. Ich habe noch nie
gehört, daß man Eliza Snow als Pro-
phetin bestätigt hätte, obwohl sie das
Lied ,,0 mein Vater"geschrieben hat.
Manchmal lesen wir diese wunderbaren
Verse in unserem Gesangbuch einfach,
ohne sie auswendig zu lernen und oft
aufzusagen. Wie wäre es wohl, wenn
jeder aus den neunzig wunderbaren
Gedichten des Glaubens die auswählte,
die ihm am meisten zu sagen haben. Ich
kann mir kaum vorstellen, daß Sie sich
jetzt danach sehnen, daß ich Ihnen das
Lied ,,0 mein Vater" vorsinge, aber ich
hoffe, Sie haben nichts gegen diese
erhabenen Worte des Glaubens und der
Gottesverehrung, in denen es heißt:
„O mein Vater, der du wohnest
hoch in Herrlichkeit und Licht
wann kann ich doch Aug zu Auge
wieder schaun dein Angesicht?
War in jenen lichten Räumen
nicht bei dir mein Heimatland?
In der Seele Jugendzeiten
pflegte mich nicht deine Hand?"'
In der zweiten Strophe heißt es:
„Ach, für eine weise Absicht
pflanztest du mich in die Welt
und versagtest mir Erinnrung
an mein f rühr es Lebensjeld!
Doch zuweilen flüstert 's leise,
ahnungsvoll im Herzen mir:
,Bist ein Fremdling auf der Erde,
deine Heimat ist nicht hier' "
Die dritte Strophe:
„Ob ich gleich dich Vater nannte
durch des Geistes heiligen Trieb,
bis es du mir offenbartest,
mir es ein Geheimnis blieb.
Sind im Himmel Eltern einzeln?
Die Vernunft weist solches fort,
und sie sagt mit Kraft und Wahrheit:
,Du hast eine Mutter dort!"'
Die vierte Strophe:
„Wenn vorüber dieses Leben,
dieser Leib dem Staube gleich,
dann werd ich mit Freuden jauchzen,
Vater, Mutter, treffen euch.
Dann, o Wonne, ist vollendet
alles Mühn der Sterblichkeit,
125
und ich werde froh und selig
mit euch sein in Ewigkeit."'
(Gesangbuch Nr. 87)
Ich glaube, auch unter den Worten der
Propheten läßt sich kaum etwas Erhe-
benderes finden.
Stellen Sie sich einmal vor, was ge-.
schehen würde, wenn jeder von uns eine
Anzahl der Gedichte auswendig lernen
würde, die er liebt. Die Kongreß-
bibliothek hat eine Abteilung unter dem
Stichwort „Die Gedichte von Glauben
und Freiheit". Der Herr hat gesagt:
„Denn meine Seele erfreut sich am
Gesang des Herzens; ja, der Gesang der
Gerechten ist mir ein Gebet, und es soll
ihnen mit einer Segnung auf ihre Häupt-
er beantwortet werden" (LuB 25:12).
Wenn ich morgens zur Arbeit gehe,
kann ich mich fast eine Stunde lang mit
den Gedanken beschäftigen, die mich
am meisten aufbauen. Ich habe auch
einige Gebete, die ich mit Freude
wiederhole, darunter das folgende:
„0 Gott, hab" Dank für diese Welt,
die stets mit Schönem mich erhebt,
die Sonne, die den Tag erhellt;
o Gott, ich danke dir, daß ich leb''
Dir weihe ich mein Leben gern
mit jedem Tag, der neu erwacht.
Die Seele schwingt sich auf zum Herrn
und dankt dem, der ihr Leben gab.
Ein neuer Morgen mir erblüht
für eine neue Liebestat,
die, wenn der Tag vorüberzieht,
dem Dank erweist, der Leben gab"
(Verfasser unbekannt)
Ich habe unter meinen Erfolgs-
gedichten auch Gedichte der
Begeisterung, des Fleißes, des Fort-
schritts. In einem davon heißt es:
[Und jeder kann sein Leben weihn
einem guten, großen Werk.]
Was mag im Tode besser sein,
wenn ungewiß, was kommt,
als daß man Gott sein Leben gab
und den Ahnen sich geweiht!1'
(nach Horaz)
Wenn wir älter werden, kommen neue
Probleme auf uns zu, und ich spreche
mir gern mit dem Gedicht „Mach weit-
er" Mut zu.
,, Vielleicht gehfs dir schlecht,
doch du weißt nicht, was kommt,
drum mach weiter, mach weiter,
mein Freund,
sei stolz auf dein Leben,
wink fröhlich ihm zu,
und gib ihm, was immer du hast.
Kämpf den guten Kampf,
bleib treu bis zum Ziel,
und kommt eines Tages der Tod,
ruf ein letztesmal dir selbst zu:
Jetzt mach weiter, mach weiter,
mein Freund!"
(nach Robert Service)
Ich möchte Ihnen allen meinen Segen
und meine Liebe in den Worten aus-
drücken, die ich einem alten irischen
Gedicht nachgebildet habe.
„Mög der Weg dir stets entgegenkommen,
Mög der Wind dir stets von hinten wehen,
Mög die Sonne warm dir immer scheinen,
Mög der Regen sanft auf deine Felder fallen,
Und mög jetzt und für immer in seiner Hand
Gott voll Liebe dich gern bewahren."
Daß es immer so sein möge, darum bete
ich im Namen Jesu Christi. Amen.
„Zu jedem Menschen auf der ErcT
kommt der Tod, ob früh, ob spät.
126
Eifrig wirken
Joseph Anderson
vom Ersten Kollegium der Siebzig
D
'er Herr hat uns gesagt: ,,Die Men-
schen sollten in einer guten Sache eifrig
tätig sein, viele Dinge aus freien Stücken
tun und viele gerechte Taten voll-
bringen.
Denn die Kraft ist in ihnen, nach freiem
Willen zu handeln, und wenn der
Mensch Gutes tut, wird es ihm nicht
unbelohnt bleiben" (LuB 58:27, 28).
Das bezieht sich auf die Mitglieder der
Kirche wie auch auf Außenstehende,
denn alle Menschen sind fähig, Gutes zu
tun. Es ist äußerst wichtig, daß wir
willens und entschlossen sind, recht-
schaffen zu leben. Wir dürfen uns nicht
für etwas engagieren, das keine „gute
Sache" ist. Wenn die Mitglieder der
Kirche sich für etwas Schlechtes ein-
setzen, kommen sie nicht dem nach, was
sie bei der Taufe versprochen haben. In
der Welt gibt es viele Menschen, die sich
für das Gute einsetzen und viele recht-
schaffene Werke vollbringen. Wer sich
bemüht, die Menschen zu verbessern,
wer Glauben an Gott und ein recht-
schaffenes Leben lehrt, setzt sich für
etwas Gutes ein und wird dafür belohnt
werden.
Wenn wir möchten, daß der Herr uns
,, Wenn wir Gutes tun, werden wir im Diesseits glücklich
und erben einmal ewiges Leben."''
segnet, müssen wir an Jesus Christus
glauben; wir müssen den wahren und
ewigen Gott erkennen; wir müssen Buße
tun für unsere Sünden und falsche
Lehren ablegen; wir müssen uns vor
Gott demütigen, mit ihm einen Bund
schließen und diesem Bund treu bleiben.
George Albert Smith, ein früherer Pro-
phet der Kirche und ein Mann ohne
Falsch hat in etwa gesagt: „Wir ver-
langen von unseren Freunden außerhalb
der Kirche nicht, etwas aufzugeben, was
wahr ist, sondern fordern sie auf, dem
Guten, das sie in ihrer Kirche und ihrem
Leben bereits haben, die ewigen Grund-
sätze des Evangeliums hinzuzufügen.
Wenn sie das tun, werden sie ein Glück
erfahren, das ihnen bis dahin unbekannt
war" (Sharing the Gospel with Others,
S. 12 f.).
Das Evangelium Jesu Christi schließt
alle Wahrheit ein, möge sie für das bloße
Auge sichtbar oder unsichtbar sein.
Jeder Mensch kann Buße tun für seine
Sünden, wenn er nicht die unverzeihliche
Sünde begangen hat. Er kann den Segen
eines rechtschaffenen Lebens erfahren,
wenn er sich nur entschließt, die Gebote
des Herrn zu halten, wenn er sich
demütigt und seine Hilfe und Führung
sucht.
Ich glaube, die Menschen wollen von
Natur aus Gutes tun; sie sind glück-
licher, wenn sie Gutes tun. Die Sünde
hat noch niemanden glücklich gemacht.
127
Sie baut einen eisernen Vorhang auf
zwischen dem Menschen und Gott. Der
Herr hat uns gesagt, was wir tun sollen:
„Was ihr wollt, daß euch die Leute tun
sollen, das tut ihnen auch1' (Matthäus
7:12). Der Herr hat uns kein einziges
Gebot gegeben, das uns keinen Nutzen
bringt und uns nicht glücklicher macht,
wenn wir es befolgen. Wir brauchen die
Hilfe des Herrn, und er hilft uns, wenn
wir ihn darum bitten und dann den Weg
gehen, den er uns aufzeigt.
Unsere Missionare, die der Welt das
Evangelium predigen, kehren glücklich
zurück, weil sie dem Herrn gedient
haben und ihren Mitmenschen Gutes
tun wollten. Der Herr ist mit ihnen
gewesen. Sein Geist hat sie geführt. Sie
leben rein, anders als die sinnliche Welt.
Wir gedenken beim Abendmahl des
Leidens Jesu Christi und unseres Ver-
sprechens, seine Gebote zu halten, wo-
für er uns verheißen hat, daß wir seinen
Geist immer mit uns haben werden. Sein
Geist leitet uns nicht zu Schlechtem an;
wenn wir ihm also folgen, kommen wir
dem Herrn näher. Wir werden immer
mehr Gutes tun und das Weltliche in uns
überwinden. Wer den Geist Gottes in
sich trägt, ist glücklich. Er kann über
seine Familie in Liebe und Treue präsi-
dieren, er ist ein guter Nachbar und übt
einen positiven Einfluß auf seine Um-
welt aus.
Die Lieder, die wir singen, können unser
Leben positiv beeinflussen. Die Lieder
des Tabernakelchors können den Zu-
hörer in seinem Glauben bestärken und
seinen Sinn für das Schöne ansprechen.
Der Geist, den die Lieder dieses Chores,
unsere Kirchenlieder und die Kom-
positionen anderer inspirierter Men-
schen ausstrahlen, erweckt in dem, der
zuhört oder mitsingt, den Wunsch, dem
Herrn zu dienen. Unsere Kirchenlieder
sind Gebete und Lieder der Freude, die
wir unserem Herrn singen.
Die Menschen sehnen sich nach Frieden
und finden ihn nicht. Viele Menschen in
der heutigen Zeit sind innerlich auf-
gewühlt. Wir brauchen uns nicht zu
fürchten, wenn wir auf der Seite des
Herrn stehen. Wir dürfen unsere Vorbe-
reitung nicht aufschieben, weil wir mei-
nen, der Herr werde sein Kommen
hinauszögern. Wir wissen zwar weder
den Tag noch die Stunde, den Monat
oder das Jahr, doch erkennen wir die
Zeichen, die uns dieses bedeutsame Er-
eignis ankündigen sollen.
Wie können wir uns auf diesen Tag
vorbereiten? Wir müssen die Gebote
halten; wir müssen Gutes tun und recht-
schaffen leben. Wir müssen unsere
Nachbarn warnen. Wir müssen unsere
Kinder die Wahrheit lehren und sie auf
rechtschaffene Pfade führen.
Der Herr hat zu seinem Volk gesagt:
„Nach eurem Zeugnis kommen Zorn
und Entrüstung über die Menschen"
(LuB 88:88).
Es ist ganz natürlich, daß wir alles, was
uns interessiert, was uns etwas bedeutet,
mit den Menschen teilen wollen, die wir
lieben. Wir haben das Evangelium unse-
res Herrn Jesus Christus, das Kost-
barste, das Wichtigste auf der ganzen
Erde. Wir lieben das Evangelium unse-
res Herrn, wir lieben die Kinder unseres
Vaters im Himmel, und wir möchten das
Evangelium ihnen bringen, weil es sie
glücklich machen wird. Wenn sie es
annehmen und danach leben, werden sie
in seinem Reich errettet und erhöht.
Unsere Kirche, die Kirche Christi, ist
freigiebig. Wir sind verpflichtet, unsere
ganze Kraft dafür einzusetzen, die Men-
schen zu erretten, ihnen Gott nahezu-
bringen und dem Herrn bei seinem
Werk zu helfen. Nur wenn die Welt nach
seinen Lehren, seinem Evangelium lebt,
kann sie errettet werden. Der Mensch
braucht den spirituellen Bereich seines
Lebens mehr als den physischen oder
128
materiellen, wenn er glücklich sein will.
Die Grundsätze des Evangeliums ver-
folgen das erklärte Ziel, den Menschen
in diesem Leben glücklich zu machen
und ihm ewige Freude zu schenken.
Warum bemühen wir uns so sehr dar-
um, unsere Mitmenschen dahin zu brin-
gen, daß sie Gott dienen und seine
Gebote halten? Es sind Gottes Kinder,
unsere Brüder und Schwestern.
James Talmage vom Rat der Zwölf hat
uns diesen erhebenden Gedanken
hinterlassen: „Was ist der Mensch
inmitten dieser grenzenlosen Pracht? Ich
sage Ihnen: Potentiell, das heißt seiner
Bestimmung nach, ist er größer und
bedeutender, nach Gottes Maßstäben
kostbarer als alle Planeten und Sonnen
des Alls. Für ihn wurden sie erschaffen;
sie sind Gottes Werk; der Mensch hin-
gegen ist sein Sohn! Auf der Erde hat der
Mensch nur über weniges Macht. Er soll
aber einmal über vieles herrschen . . .
So unermeßlich die Erde und das All in
all ihrer Pracht auch sein mögen, sie sind
nur Mittel zum Zweck, den der Herr
folgendermaßen zum Ausdruck brach-
te:
,Denn siehe, dies ist mein Werk und
meine Herrlichkeit die Unsterb-
lichkeit und das ewige Leben des Men-
schen zustande zu bringen'" (Moses
1:39) (Salt Lake City, Deseret News
Press, 1931, S. 357-358).
Bedenken Sie, welche Tragik, welche
schreckliche Verantwortung der
Mensch auf sich lädt, wenn er, wie es so
häufig geschieht, die Vernichtung
menschlichen Lebens so leicht nimmt.
Darauf ist eine ewige Strafe ausgesetzt.
Charles Kingsley, ein englischer Schrift-
steller, hat gesagt: „Nichts, was der
Mensch je erfindet, wird ihn von der
allumfassenden Notwendigkeit be-
freien, gut zu sein, wie Gott gut ist,
rechtschaffen, wie Gott rechtschaffen
ist, heilig, wie Gott heilig ist."
Unser Erlöser hat es uns ohne unser
Zutun durch sein Sühnopfer und seine
große Liebe für uns alle möglich ge-
macht, aus dem Grab hervorzu-
kommen. So hat er der ganzen Mensch-
heit die Tür zur Unsterblichkeit ge-
öffnet. Hätte er nicht für unsere Erret-
tung sein Leben gegeben, hätte der Tod
noch seinen fürchterlichen Stachel, das
Grab hätte den Sieg davongetragen. Der
Mensch wäre der Unsterblichkeit und
des ewigen Lebens beraubt.
Was heißt eigentlich ewiges Leben? Man
könnte annehmen, Unsterblichkeit und
ewiges Leben bedeuteten dasselbe. Zwar
gehört die Unsterblichkeit zum ewigen
Leben, doch wenn wir ewiges Leben im
wahrsten Sinne des Wortes haben wol-
len, müssen wir nach dem Evangelium
Jesu Christi leben, dem Plan des Lebens
und der Errettung, den er offenbart hat.
Nur so können wir Erhöhung und
ewiges Leben in der Gegenwart des
Vaters im Himmel in seinem ewigen
Reich empfangen.
Wenn wir Gutes tun, werden wir in
diesem Leben glücklich und erben ein-
mal ewiges Leben. Gutes tun heißt die
Gebote halten, die der Herr uns gegeben
hat. Das Evangelium ist der wahre
Lebensweg, es stellt die Lehren des
Erlösers dar, der das Licht der Welt ist.
Dem stehen nur Dunkelheit und Freud-
losigkeit gegenüber.
Ich bezeuge Ihnen, dies ist das Werk des
Herrn. Das Evangelium Jesu Christi ist
mit seiner Schlüsselvollmacht und Kraft
zur Erde zurückgebracht worden. Es ist
das Werk und die Herrlichkeit des
Herrn, die Unsterblichkeit und das ewi-
ge Leben des Menschen zustande zu
bringen. Im Namen Jesu Christi. Amen.
129
Was erwartet der Herr von mir?
Derek A. Cuthbert
vom Ersten Kollegium der Siebzig
Ein neuberufener Führer der Kirche gibt Zeugnis.
IM
.eine lieben Brüder und Schwestern,
ich stehe heute voll Liebe und Dank-
barkeit vor Ihnen. Von ganzem Herzen
möchte ich Ihnen danken für die Liebe,
den Glauben und die Gebete, die Sie
zum Ausdruck gebracht haben, als Sie
mich durch Ihr Handzeichen bestätigt
haben.
Wir sind so dankbar, daß das Evangeli-
um Teil unseres Lebens ist. Zur Zeit sind
wir auf Mission und können so in
geringem Maße zurückzahlen, was wir
vor vielen Jahren von zwei jungen Mis-
sionaren empfangen haben. Sie sind im
Spätsommer 1950 an unsere Tür ge-
kommen und haben uns die Augen für
die Fülle des Evangeliums geöffnet.
Ich höre immer wieder, wie die Mis-
sionare sagen, daß sie dankbar sind für
ihren Mitarbeiter. Ich möchte heute
sagen, wie dankbar ich für meine wun-
derbare Mitarbeiterin bin - auf Mis-
sion und in unserer ewigen Ehe. Sie ist
eine begeisterte Ehefrau und Mutter und
hat mir stets den Weg geebnet, so daß
ich dem Herrn dienen konnte. Ich bin
dankbar für unsere wunderbaren Kin-
der, von denen einige selbst schon Kin-
der haben, die im Tempel geheiratet
haben — und all das, weil die M issionare
zu uns gekommen sind. Ich weiß, daß
wir durch die heiligen Handlungen des
Tempels alle ewig zusammenbleiben
können und werden. Welch ein Segen ist
es für uns, wenn wir das Evangelium
kennenlernen und annehmen! Ich bete
von ganzem Herzen dafür, daß alle
Menschen die Missionare anhören und
die Mitglieder der Kirche den Mis-
sionaren ermöglichen, daß sie ihre
Freunde bei ihnen unterweisen, damit
alle dem Evangelium ihr Herz öffnen,
die es bis jetzt noch nicht angenommen
haben.
Das Evangelium Jesu Christi ist in
diesen, den Letzten Tagen in seiner
Vollständigkeit wiederhergestellt wor-
den. Ich weiß, daß das wahr ist. Wir sind
dadurch sehr glücklich geworden. Wir
haben gelernt, echt zu beten; wir haben
gelernt, mit der ganzen Familie und mit
unserem Ehepartner zu beten. Wir ha-
ben gelernt, für uns allein zu beten, dem
Herrn unser Herz auszuschütten und
uns von ihm führen zu lassen. Wir sind
von ganzem Herzen dankbar für diese
Segnungen.
Ich bin dankbar, daß wir einen Vater im
Himmel haben, der uns liebt. Er hat
seinen Sohn Jesus Christus in die Welt
gesandt, uns zu ihm zurückzubringen.
130
Ich bezeuge Ihnen, daß unser Herr Jesus
Christus lebt. Er hat als sterblicher
Mensch auf Erden gelebt und uns ein
vollkommenes Beispiel gegeben. Er hat
uns gezeigt, wie wir leben sollen, und wir
können uns jeden Tag die Frage stellen:
„Was erwartet der Herr von mir? Was
würde er tun?" Er hat sich für uns
geopfert und uns erlöst, und das konnte
nur er, der Sohn Gottes. Ich weiß, daß er
lebt und sein Evangelium in diesen, den
Letzten Tagen in seiner Vollständigkeit
wiederhergestellt hat. Er hat seine Kir-
che zurückgebracht und mit ihr die
errettenden heiligen Handlungen.
Er hat dem Menschen von neuem die
Priestertumsvollmacht übertragen, da-
mit er sich auf die Wiederkunft seines
Herrn vorbereiten kann. Ich weiß, daß
er heute seinen Willen durch Spencer
Kimball, einen mächtigen Propheten,
kundtut. Der Glaube und die Werke
dieses Propheten sind groß, so groß, daß
er Wunder vollbringt und die Tore der
Nationen öffnet. Wir beten für ihn, und
wir beten dafür, daß alle Staaten ihre
Tore öffnen.
Wir beten, daß die Missionare Erfolg
haben mögen. Wir sind dankbar, daß
wir uns an diesem wunderbaren Werk
der Letzten Tage beteiligen dürfen.
Wir lieben Schwester Kimball sehr und
beten für sie, die wunderbare ewige
Gefährtin des Propheten Gottes.
Wir sind dankbar für die Liebe und
Unterstützung all unserer großartigen
Brüder. Wir spüren, daß sie uns Kraft
geben. Von ganzem Herzen weihe ich
mich mit meiner Familie dem Herrn.
Wir wollen ihm alle Tage unseres Lebens
dienen und tun, was sein Prophet sagt.
Im Namen Jesu Christi. Amen.
131
Alles, was mir teuer ist
Robert L. Backman
vom Ersten Kollegium der Siebzig
„Alles, was meinem Herzen teuer ist, kann ich darauf
zurückführen, daß ich Mitglied der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage bin.'''
As ich drei Monate alt war, führte der
Pfahl Salt Lake City hier im Tabernakel
ein großes Theaterstück auf. Meine
Mutter, ein wahrer Engel, war Maria,
die Mutter Jesu, und ich hatte die Ehre,
das Christuskind zu spielen. Ich kann
mir vorstellen, daß mir damals wohler
zumute war als heute, wohl deshalb, weil
ich nicht zu sprechen brauchte. Doch in
der Zeit, die seitdem vergangen ist, habe
ich gespürt, wie die schützende Hand des
Herrn mich geführt und mich zeitweise
auch vor mir selbst bewahrt hat.
Ich habe viel erlebt, während ich älter
und verständiger wurde. Ich habe mich
oft gefragt: ,, Warum ich? Warum hat
der Herr mir diese großartigen Mög-
lichkeiten gegeben, zu wachsen und
mich zu entwickeln? Warum hat er mir
diese Gelegenheiten gegeben zu die-
nen?" Ich danke ihm aus tiefstem Her-
zen, daß mein Leben so erfüllt ist, so
glücklich und voll Freude.
Es scheint, daß ich mein Leben von
Menschen umgeben war, die mich
aufgerichtet und mir geholfen haben,
mich selbst zu übertreffen, die mich, um
es noch einmal zu sagen, vor mir selbst
bewahrt haben: meine guten Eltern, die
mich von der Wiege an gelehrt haben,
dem, was wirklich zählt, den Vorrang zu
geben, so, wie der Herr in ihrem Leben
stets an erster Stelle gestanden hat;
meine liebe Frau, die mir in jeder
Berufung so treu zur Seite gestanden
hat; unsere sieben großartigen Töchter,
die mich am liebsten als Präsidenten der
Kirche sähen; ihre wunderbaren Ehe-
männer, die dem Bund treu sind, den sie
im Haus des Herrn geschlossen haben;
unsere entzückenden kleinen Enkel, die
Freude meines Lebens.
Präsident Benson hat letzten Freitag in
unserem Seminar davon gesprochen,
daß die höchste Ehre, die uns zuteil
werden kann, die Mitgliedschaft in Got-
tes Kirche sei, und ich bin Mitglied; dazu
gehört die Überzeugung, daß Jesus
Christus unser Erlöser ist, und ich habe
sie. Ferner gehören dazu das heilige
Priestertum und die ewige Ehe, und ich
habe teil an beidem. Ich fühle mich über
die Maßen geehrt. Ich bin so reich
gesegnet, wie nur ein Mensch gesegnet
werden kann. Und ich bin dankbar für
die heilige Berufung, die jetzt an mich
ergangen ist.
Ich möchte Ihnen allen sagen, daß ich
132
jede Segnung, alles, was meinem Herzen
teuer ist, darauf zurückführen kann, daß
ich Mitglied der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage bin, daß ich
den Herrn liebe und von seinem Evange-
lium überzeugt bin und jede Gelegenheit
ergriffen habe, ihm zu dienen.
Ich freue mich, daß ich ihm mein Leben
jetzt ganz widmen darf, und lege es ihm
mit allem, was ich habe, vorbehaltlos zu
Füßen. Präsident Kimball, liebe Brüder,
meine Frau und ich sind bereit, hin-
zugehen, wohin Sie uns senden. Wir
wollen tun, worum Sie uns bitten, und
wir hoffen nur, daß wir ein Werkzeug in
der Hand des Herrn sein werden und
Ihnen helfen, das Reich Gottes aufzu-
bauen, sein Volk zu heiligen und den
Weg zu bereiten, wenn Christus in seiner
Herrlichkeit kommt und regiert. Dann
wird der Satan gebunden und jedes Knie
sich beugen und jede Zunge bekennen,
daß Jesus Christus der Erretter der Welt
ist und in alle Ewigkeit regieren wird.
Das bezeuge ich Ihnen im Namen Jesu
Christi. Amen.
133
Unter dem Eindruck der neuen
Berufung
Rex C. Reeve
Vom Ersten Kollegium der Siebzig
M«
Lein Herz fließt beinahe über. Mein
Geist ist demütig. Meine Seele ist mit
Dankbarkeit erfüllt. Als ich vor Jahren
zum Bischof berufen wurde, hatte ich
den starken Eindruck, daß ich nicht
dessentwegen, was iph getan habe,
berufen wurde, sondern daß ich mit
einer Fahrkarte fuhr, die jemand anders
für mich bezahlt hatte. Ich habe auch
heute diesen Eindruck. Es gibt viele, die
vor mir gegangen sind, die ihr Leben
gegeben haben, um dieses Reich zu
errichten.
Ich bin dankbar für meine wunderbare
Mutter und für meinen Vater. Ich bin
auch dankbar für meine großartige
Frau. Wenn ich in ihrer Gegenwart bin,
möchte ich immer ein besserer Mensch
sein. Ich bin auch dankbar für meine
sieben lieben Kinder und für die Töchter
und Söhne, die meine Schwiegerkinder
sind. Und ich bin dankbar für meine
vielen Enkel. Ich bin so dankbar, daß sie
mich immer unterstützt haben. Ich
möchte nun sagen, daß ich vielen
Menschen dankbar bin Freunden,
den Führern der Kirche (die ich viele
Mein Herz ist voll, mein Geist demütig, meine Seele mit
Dankbarkeit erfüllt.'''
Jahre lang beobachtet, bewundert und
denen ich zugehört habe) und auch den
wunderbaren Mitgliedern der Kirche.
Ich bin dankbar, ein Mitglied der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten
Tage zu sein. Ich weiß von ganzem
Herzen, daß Gott lebt. Ich weiß, daß er
spricht. Ich weiß, daß er uns hört. Ich
weiß, daß er uns liebt.
Ich bin dankbar, daß ich im Mis-
sionsfeld dienen durfte. Wenn es keinen
anderen Beweis dafür gäbe, daß dies die
Kirche Jesu Christi ist, dann wäre das,
was im Leben der jungen Männer und
im Leben der neuen Mitglieder ge-
schieht, für mich Beweis genug.
Ich habe mich dem Herrn gegenüber
verpflichtet — , alles zu geben, was ich
habe. Und hier vor Ihnen verpflichte ich
mich, alles zu tun, wozu ich von diesen
wunderbaren Männern gebeten werde,
die ich liebe. Schon dreißig Jahre lang ist
Präsident Kimball uns ein Segen. Er war
in unserem Leben ein geistiger Riese,
und er liebt uns. Jetzt kann ich Ihre
Liebe fühlen. Ich kann die Liebe der
Menschen spüren, und ich bin so dank-
bar dafür. Als Missionare wußten wir,
was es bedeutet, wenn dreieinhalb Mil-
lionen Menschen für einen beten, und
ich bin so dankbar dafür.
Ich gebe Ihnen Zeugnis, daß Gott lebt,
und ich verspreche Ihnen, alles zu tun,
was ich kann, solange ich lebe und auch
danach. Im Namen Jesu Christi. Amen.
134
Das Zweite Kommen Christi
LeGrand Richards vom Rat der Zwölf
„Prophezeiungen stellen den sichersten Weg dar, zu wissen,
was geschehen wird . . . Wir müssen sie nur verstehen."
Ach möchte, stellvertretend auch für
Sie, allen neuen Generalautoritäten sa-
gen, daß ich sie liebe und willkommen
heiße. Es ist mein größter Wunsch, daß
sie genausoviel Freude und Glück in
ihrem Dienst erfahren mögen wie ich in
den vierzig Jahren, seit ich General-
autorität bin.
Eines der größten Ereignisse, wenn nicht
das größte überhaupt, das sich in dieser
Welt seit der Erschaffung ereignet hat,
ist die Auferstehung Christi, des Sohnes
des lebendigen Gottes. Kein Wunder,
daß die Aposteln, nachdem sie ihn
gekreuzigt sahen und ihn ins Grab gelegt
hatten, dem Bericht der Frauen, daß er
von den Toten auferstanden sei, keinen
Glauben schenkten. Als Jesus nach der
Auferstehung mit zweien seiner Jünger
auf der Straße nach Emmaus ging (es
heißt in der Schrift, ,,ihre Augen wurden
gehalten", damit sie ihn nicht erkennen
konnten [Lukas 24:16], hörte er, was sie
über ihn, sein Leben und seine Kreuzi-
gung sprachen. Er erkannte, daß sie
nicht alles verstanden, was die Pro-
pheten über ihn offenbart hatten, des-
halb sagte er: ,,0 ihr Toren und träges
Herzens, zu glauben alle dem, was die
Propheten geredet haben!" (Lukas
24:25). Er zeigte ihnen dann, angefangen
bei Mose, wie diePropheten in allem von
ihm Zeugnis gegeben hatten und daß sie
sogar kleinste Einzelheiten anführten,
selbst daß bei seiner Kreuzigung um
seine Kleider das Los geworfen wurde,
hatten sie erwähnt.
Petrus hat gesagt:
„Und wir haben desto fester das pro-
phetische Wort, und ihr tut wohl, daß
ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da
scheint an einem dunkeln Ort, bis der
Tag anbreche und der Morgenstern
aufgehe in euren Herzen.
Und das sollt ihr vor allem wissen, daß
keine Weissagung in der Schrift eine
Sache eigener Auslegung ist.
Denn es ist noch nie eine Weissagung
aus menschlichem Willen hervor-
gebracht, sondern von dem heiligen
Geist getrieben haben Menschen im
Namen Gottes geredet" (2. Petrus 1:19-
21).
Wenn nun das prophetische Wort den
sichersten Weg darstellt, zu wissen, was
geschehen wird — und Jesaja sagte, daß
der Herr das Ende vom Anfang an
verkündigt habe (Jesaja 46:10) — , dann
müssen wir es nur verstehen, denn wir
besitzen es. Und ich meine, wenn Jesus
schon solch ein Urteil über jene gefällt
hat, die die Schriftstellen nicht ver-
standen haben, die von seinem Ersten
Kommen zeugten, wie würde er sich erst
uns und der Welt gegenüber fühlen.
135
wenn wir den Wert der Worte der
heiligen Propheten nicht erkennen, die
sich auf sein Zweites Kommen be-
ziehen? Ich möchte deshalb gerne ein
oder zwei Offenbarungen der Propheten
dazu anführen.
Zuerst fallen mir die Worte des Petrus
ein, die er nach Pfingsten zu jenen
gesprochen hat, die Christus getötet
hatten. Er sagte:
,,So tut nun Buße und bekehret euch,
daß eure Sünden getilgt werden, auf daß
da komme die Zeit der Erquickung von
dem Angesicht des Herrn und er sende
den, der euch zuvor zum Christus be-
stimmt ist, Jesus.
Und muß der Himmel aufnehmen bis
auf die Zeit, da alles wiedergebracht
wird, wovon Gott geredet hat durch den
Mund seiner heiligen Propheten von
Anbeginn" (Apostelgeschichte 3:19-21).
Ich bin sicher, daß dies die einzige
Kirche ist, die an eine solche Wieder-
herstellung all dessen glaubt, wovon die
heiligen Propheten gesprochen haben.
Andere Kirchen glauben an eine
Reformierung, aber eine solche stützt
sich nur auf die Weisheit von Menschen.
Die Wiederherstellung kommt von
Gott, dem ewigen Vater. Wir können
deshalb nicht erwarten, daß der Erlöser
zum zweiten Mal kommt, wenn nicht
vorher alles wiederhergestellt wird, und
das ist die Botschaft der Kirche Jesu
Christi der Heiligen der Letzten Tage.
Ich möchte jetzt gerne auf die Pro-
phezeiungen eines Propheten eingehen
- die Zeit erlaubt es nicht, mehr zu
besprechen — , und ich habe für meine
Rede heute die Zeichen ausgewählt, die
nach den Worten Maleachis, des im
Alten Testament zuletzt angeführten
Propheten, dem Zweiten Kommen Ch-
risti vorausgehen werden.
Der Herr sagte durch Maleachi, daß er
seine Boten aussenden würde, damit sie
den Weg für sein Kommen bereiten, und
daß er bald zu seinem Tempel kommen
würde. Aber wer wird den Tag seines
Kommens ertragen können, da er wie
das Feuer eines Schmelzers und wie die
Lauge der Wäscher sein wird? (Maleachi
3:1, 2). Sicherlich bezieht sich dies nun
nicht auf sein Erstes Kommen. Wir
erfahren: Wenn er mit großer Kraft und
Herrlichkeit und mit allen heiligen En-
geln kommen wird, werden die Gott-
losen zu den Felsen schreien: „Fallet
über uns und verberget uns vor [seinem]
Angesichte" (Offenbarung 6:16).
Und Sie werden wissen, daß Jesus seinen
Jüngern gesagt hat, der Tempel werde
zerstört werden und nicht ein Stein auf
dem andern bleiben. Sie fragten ihn:
„Sage uns, wann wird das geschehen?
und welches wird das Zeichen sein
deines Kommens [damit ist sein Zweites
Kommen gemeint] und des Endes der
Welt?" (Matthäus 24:3). Jesus erzählte
ihnen von Kriegen und Kriegs-
gerüchten, von Seuchen, Erdbeben,
Hungersnöten und daß sich ein Volk
wider das andere erheben werde, ,,und es
wird gepredigt werden dies Evangelium
vom Reich in der ganzen Welt zum
Zeugnis für alle Völker, und dann wird
das Ende kommen" (Matthäus 24:14).
Er sagte ihnen dann, daß es in den Tagen
des Kommens des Menschensohnes sein
würde wie zur Zeit Noahs. Die Men-
schen würden essen, trinken und freien
und sagen, daß der Herr sein Kommen
aufgeschoben habe; und dann würde er
wie ein Dieb in der Nacht kommen. Und
er sagte, daß zwei Männer auf dem
Felde sein würden, einer würde an-
genommen, der andere verworfen wer-
den. Zwei Frauen würden auf der Mühle
mahlen, eine würde angenommen, die
andere verworfen werden (Matthäus
25:37-41). Mit all dem, was der Erlöser
gesagt hatte, wollte er die Zeichen, die
seinem Zweiten Kommen vorausgehen
werden, aufzeigen.
136
Maleachi sah die Boten, die ausgesandt
würden - - und wenn der Herr einen
Boten sendet, dann kann dieser Bote nur
ein Prophet sein, Jesus gab Zeugnis von
Johannes dem Täufer, der als Bote
ausgesandt wurde, um den Weg für sein
Kommen in der Mitte der Zeiten zu
bereiten. Er sagte, daß kein Prophet in
Israel größer sei als Johannes der Täufer
(Lukas 7:28). Der Profet Arnos hat
gesagt: „Gott der Herr tut nichts, er
offenbare denn seinen Ratschluß den
Propheten, seinen Knechten" (Arnos
3:7). Wie könnte denn nun alles wieder-
hergestellt werden, was, wie Petrus sag-
te, von Anbeginn der Welt durch die
heiligen Propheten gesprochen worden
war, wenn nicht durch einen Propheten,
der mit dieser Wiederherstellung be-
auftragt wird. Und dieser Prophet war
kein anderer als Joseph Smith, der unter
der göttlichen Führung, der Weisung
und der Vollmacht Gott Vaters und des
Sohnes, diese großartige Kirche ge-
gründet hat - - die Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage.
Das zweite, was Maleachi hinsichtlich
des Kommens des Erlösers in den Letz-
ten Tagen gesagt hatte, war, daß sich das
ganze Haus Israel von ihm abgewandt
haben wird und sie dann wissen würden
wollen, warum. Er erwähnte, daß es mit
dem Zahlen ihres Zehntens und ihrer
Opfer zusammenhinge. Er sagte: „Ihr
betrügt mich allesamt." Und dann sagte
er noch: „Bringt aber die Zehnten in
voller Höhe in mein Vorratshaus, auf
daß in meinem Hause Speise sei, und
prüft mich hiermit, ... ob ich euch dann
nicht des Himmels Fenster auftun werde
und Segen herabschütten die Fülle"
(Maleachi 3:9, 10). Was für eine Auf-
forderung! Der Herr forderte Israel auf,
in den Letzten Tagen als Vorbereitung
auf sein Kommen wieder den Zehnten
und die Opfer zu geben! Er ging dann
noch ein wenig weiter und sagte, daß er
um ihretwillen den Fresser bedrohen
würde, damit ihre Frucht auf dem Acker
nicht vor der Zeit verderben solle und sie
von allen Menschen als gesegnet be-
zeichnet werden würden (Maleachi 3:1 1,
12).
Wir sind ein gesegnetes Volk. Der Herr
hat uns gesegnet. Nachdem unsere
Pioniere aus jeglicher Zivilisation ver-
trieben worden waren, zogen sie über
tausend Meilen hierher in die Wildnis.
Jesaja sah, daß der Herr die Wüste wie
eine Lilie zum Blühen bringen würde
(Jesaja 35:1). Er sah die Wüste voller
Wasserquellen und Wasserbäche von
hohen Bergen herunterstürzen, um das
Land fruchtbar zu machen (Jesaja
41:18).
Und warum? Damit die Heiligen, wenn
sie sich hier sammelten, seine Ver-
heißungen erfüllen könnten; denn wenn
das Evangelium, auf das sich Jesus
bezog, aller Welt verkündigt werden
sollte, dann mußte dies durch seine
Kinder geschehen. Und seit dieser Zeit
haben Hunderttausende von HLT-Mis-
sionaren in der ganzen Welt — zur Zeit
sind es etwa 25000 Missionare — , die
Wiederherstellung des Evangeliums als
einen der Schritte zur Vorbereitung
auf die Wiederkehr des Erlösers ver-
kündigt, denn er sagte, daß es der ganzen
Welt gepredigt werden solle.
Und dann gibt es so vieles anderes, was
getan werden mußte, was aber Geld
erforderte, um das Reich Gottes auf
Erden aufzubauen, wie zum Beispiel den
Bau von Gotteshäusern und von heili-
gen Tempeln; einschließlich der ge-
planten gibt es bereits 20 Tempel. Wir
sind das einzige Volk auf der Welt, das
Tempel baut -- und würde die Welt sie
bauen, sie wüßte nicht, was sie damit
anfangen sollte.
Das bringt uns wieder auf etwas, was
Maleachi gesagt hat. Er sagte:
„Ich will euch senden den Propheten
137
Elia, ehe der große und schreckliche Tag
des Herrn kommt.
Der soll das Herz der Väter bekehren zu
den Söhnen und das Herz der Söhne zu
ihren Vätern, auf daß ich nicht komme
und das Erdreich mit dem Bann schla-
ge'1 (Maleachi 3:23, 24).
Stellen Sie sich doch vor, was Maleachi
alles gesehen hat, als er das Kommen des
Elia voraussah. Wäre er nicht gekom-
men, würde die ganze Erde völlig ver-
wüstet werden (LuB 2:3). Ich bin sicher,
daß niemand auf dieser Welt außerhalb
der Kirche Ihnen sagen könnte, wie die
Botschaft des Elia lautete. Wir würden
es auch nicht wissen, wenn nicht Elia
gekommen und Joseph Smith und Oli-
ver Cowdery am dritten April 1836 im
Tempel zu Kirtland erschienen wäre.
Als Folge davon und wegen der
Schlüsselvollmachten die Elia gebracht
hat, haben wir alle diese heiligen Tempel
gebaut. Wir verstehen den Wert der
Ahnenforschung, deshalb haben wir in
dieser Stadt [Salt Eake City] eine genea-
logische Bibliothek und diese großen
Gewölbe in den Bergen gebaut, ein
Wunder an und für sich. Es gibt nichts
auf der ganzen Welt, das ihnen ähnlich
wäre. Und all dies, was da getan wurde,
ist Teil der Mission des Elia, damit der
Herr nicht komme und die ganze Erde
mit einem Fluch schlage.
Wir werden angehalten, die heiligen
Schriften zu lesen, die alten wie auch die
neuzeitlichen, um zu erfahren, was die
Propheten gesagt haben. Denken Sie an
die Worte des Petrus, daß wir desto
fester das prophetische Wort haben und
daß wir alle gut daran tun würden, es zu
befolgen. Ich möchte Ihnen bezeugen,
daß dies das Werk Gottes, des ewigen
Vaters, ist.
Ich stehe hier als ein Apostel des Herrn
Jesus Christus und bezeuge Ihnen, daß
die Prophezeiungen Maleachis, auf die
ich hingewiesen habe, durch die Wieder-
herstellung des Evangeliums erfüllt wor-
den sind; wiederhergestellt durch den
Propheten Joseph Smith und durch die
heiligen Propheten, die ihm als Präsi-
dent dieser Kirche nachgefolgt sind, bis
zu unserem heutigen Propheten, Spen-
cer W. Kimball, den ich von ganzem
Herzen verehre, wie auch alle meine
anderen Brüder, die Generalautoritäten
sind. Ich bezeuge Ihnen dies und bitte
Gott, daß er uns die Kraft und den
Glauben geben möge, unseren Teil beim
Aufbau seines Reiches zu tun. Im Na-
men des Herrn Jesus Christus. Amen.
138
Hören Sie auf die Propheten
Präsident Spencer W. Kimball
J-iiebe Brüder und Schwestern, war es
nicht schön, daß wir gerade das wunder-
bare Zeugnis von LeGrand Richards
hören durften? Dazu die neuen Brüder
im Ersten Kollegium der Siebzig, die uns
in ihr Herz haben blicken lassen, und all
die anderen Brüder, die uns etwas aus
dem reichen Schatz ihres Lebens ge-
geben haben.
Ich möchte als erstes der PV meinen
Tribut zollen — der Herr hat sie uns
gegeben. Vor genau hundert Jahren hat
Bischof Hess mit der Zustimmung der
Ersten Präsidentschaft Aurelia Spencer
Rogers berufen, in Farmington (Utah)
die erste PV ins Leben zu rufen. Aus den
bescheidenen Anfängen ist eine welt-
weite Organisation hervorgegangen, die
das Leben von Millionen von Menschen
beeinflußt hat. Ich glaube nicht, daß
unter den Mitgliedern, die mich jetzt
hören können, jemand ist, dessen Leben
die wundervollen Beamtinnen und
Lehrerinnen der PV nicht irgendwie
positiv berührt haben. Im vergangenen
Monat habe ich Hunderte von
Geburtstagskarten erhalten. Viele von
ihnen hatten PV-Kinder selbst gemacht.
Die im stillen wirkenden PV-Lehrerin-
nen pflanzen diesen lieben kleinen Kin-
„Beziehen wir das, was hier gesagt wird, auf uns, und zwar
jeder auf sich. Handeln wir danach, als hinge unser ewiges
Leben davon ab — denn das tut es auch!"
dern durch ihren Unterricht und ihr
Beispiel Liebe zum Herrn, zur Kirche
und zu deren Führern ins Herz.
Die PV hilft den kleinen Jungen und
Mädchen, sich auf ihre zukünftige Auf-
gabe als Vater und Mutter und als
Bürger Zions vorzubereiten. Alles, was
die PV lehrt, ist tugendhaft, liebenswert
und lobenswert. Möge der Herr die PV
der Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage und all die anderen Orga-
nisationen, die ähnliches leisten, weiter-
hin segnen.
Ich kann mich erinnern, daß ich als
Junge mit meinem Vater aus Arizona
zur Generalkonferenz herkam. Ich war
begeistert, die Führer der Kirche zu
hören. Ich habe Präsident Joseph F.
Smith und alle seine Nachfolger gehört
und war hingerissen von dem, was sie
sagten, und nahm ihre Warnungen
schon als Junge ernst. Diese Männer
waren Propheten Gottes, genauso wie
die Propheten im Buch Mormon oder in
der Bibel. Ich hatte nie das Gefühl, daß
diese Männer leere Drohungen aus-
stießen oder daß ihr Rat nichtig war.
Durch die Jahrhunderte hat man alle
möglichen Ausreden ersonnen, um diese
Boten Gottes abzulehnen. Man hat sie
verleugnet, wenn sie von niedriger Her-
kunft waren, etwa sinngemäß: „Was
kann von Nazareth Gutes kommen?"
(Johannes 1 :46). Von Jesus hieß es: „Ist
er nicht des Zimmermanns Sohn?"
139
(Matthäus 13:55.) Meistens hat man
irgendeinen noch so fadenscheinigen
Vorwand vorgebracht, um den Mann
und mit ihm seine Botschaft zu ver-
werfen. Propheten, die nicht gut reden
konnten und unbeholfen waren, wurden
verachtet. Statt auf Paulus zu hören,
sahen viele nur seine schwache körper-
liche Verfassung und blickten auf ihn
herab. Vielleicht beurteilten sie Paulus
nach dem Klang seiner Stimme oder
nach seiner Sprechweise, nicht nach den
wahren Lehren, die er verkündete.
Wir fragen uns, wie oft die Hörer die
Propheten zuerst ablehnten, weil sie sie
verachten, und sie schließlich noch mehr
verachteten, weil sie sie abgelehnt hat-
ten. Was gab es noch für Gründe, für die
fast vollständige Ablehnung? Die Welt
hat so viele Sorgen, in die sich selbst gute
Menschen verstricken. Sie folgen der
Wahrheit nicht, weil ihnen die Welt
zuviel bedeutet. So der junge Mann, der
von Jugend auf alle Gebote gehalten
hatte. Das eine, letzte, das Jesus von ihm
verlangte, konnte er nicht: „Verkaufe
alles, was du hast, und gib's den Armen"
(Lukas 18:22). Wir lesen, daß er betrübt
fortging, denn er war sehr reich.
Manchmal sind die Menschen so
materialistisch und ehrsüchtig, daß sie
nicht lernen, was sie am meisten brau-
chen. Die einfachen Wahrheiten ver-
werfen sie um der Weltanschauungen
willen, die weniger von ihnen verlangen,
und auch aus diesem Grund lehnen sie
die Propheten ab.
Die verschiedenen Entschuldigungen
dafür, daß man die Propheten ablehnt,
gehen auf einen gemeinsamen Ursprung
zurück, den wir nicht übersehen dürfen.
Die Welt mit ihren Interessen und Ehren
und ihrer Maßlosigkeit wird von einigen
wenigen beherrscht, die mit großer
Überzeugungskraft das Recht in An-
spruch nehmen, für alle zu sprechen.
Paulus hatte Schwierigkeiten, weil es
unter den Juden keine ideologischen
Führer gab. Jesus galt als Stein des
Anstoßes, und bei den Griechen war
Christsein eine Torheit.
Die Propheten haben sich nicht nur ent-
schieden von den menschlichen Ver-
irrungen distanziert, sondern sie auch
gebrandmarkt. So ist es kein Wunder,
daß man ihnen nicht immer gleichgültig
begegnete. Häufig hat man die Pro-
pheten abgelehnt, weil sie zuvor das
Fehlverhalten in ihrer Gesellschaft
aufgedeckt hatten.
Die Ausreden, die gegen die Propheten
vorgebracht werden, sind wenig stich-
haltig. Einen Propheten nach seiner
dunklen oder niedrigen Herkunft zu
beurteilen, ist schon deshalb gefährlich,
weil Gott sein Werk oft aus dem
Verborgenen hervorgebracht hat. Das
hat er selbst gesagt (LuB 1:30). Das
Christentum wurde nicht von Rom nach
Galiläa gebracht, sondern umgekehrt.
In der Neuzeit ging es von Palmyra nach
Paris und nicht von Paris nach Palmyra.
140
Daß etwas in unserer Mitte ist, heißt
noch nicht, daß wir mitten darin stehen.
Wir können täglich an einem Museum
oder einer Gemäldegalerie vorbei-
fahren, ohne zu wissen, was sich darin
befindet.
Das Problem bei einer persönlichen
Bekanntschaft mit dem Propheten ist,
daß er immer jemandes Sohn oder
Nachbar ist. Die Propheten werden aus
dem Volk berufen und nicht von einem
anderen Planeten hierher versetzt, so
aufregend das auch wäre.
David war der jüngste von acht Söhnen.
Sein ältester Bruder war empört, als
David die Frechheit besaß, an die Front
zu kommen, wo Goliath das israelitische
Heer verhöhnte. Die sich aufregten, als
David sich über Goliath empörte, über-
sahen ganz, daß Davids Zorn entflammt
war, weil Goliath das Heer des leben-
digen Gottes verhöhnte (1. Samuel
17:26-32).
David kam vom Land, und man
ignorierte ihn, solange es ging. Einen
Propheten nur deshalb abzulehnen, weil
er nichts gilt, ist töricht, und schon
Paulus hat uns davor gewarnt: „Sehet
an, liebe Brüder, eure Berufung: nicht
viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele
Gewaltige, nicht viele Edle sind beruf-
en" (1. Korinther 1:26).
Der Schrift entnehmen wir, daß der Herr
immer wieder gesagt hat, er vollbringe
sein Werk durch Menschen, die die Welt
als schwach verachtet. Die Menschen
lehnen die Propheten ab, weil ihr Herz
verhärtet ist, denn der Mensch wird von
der Gesellschaft geprägt. Diese Ver-
härtung kann schnell und fast unbe-
merkt erfolgen. Wer hätte beispielsweise
noch vor zwanzig Jahren gedacht, daß
die Abtreibung so sehr überhand-
nehmen würde. Wie alle krankhaften
Lehren des Teufels behagt dies dem
fleischlichen Sinn.
Die Propheten haben ihre Art, den
fleischlichen Sinn zu züchtigen. Zu oft
meint man fälschlich, die Propheten
seien hart und stets darauf bedacht zu
sagen: „Seht ihr, ich habe es gesagt." Die
Propheten, die ich kenne, haben viel
Liebe. Gerade wegen ihrer Liebe und
Ehrenhaftigkeit können sie die Bot-
schaft des Herrn nicht verfälschen, nur
um den Menschen einen Gefallen zu tun.
Sie sind zu gütig, um so grausam zu sein.
Ich bin dankbar, daß es den Propheten
nicht um Popularität zu tun ist.
Wenn wir wissen wollen, wie die rauhe
Wirklichkeit und die Gefahren, die das
Amt des Propheten mit sich bringt,
aussehen, brauchen wir nur einen Blick
auf Jona zu werfen. Er sollte in die
riesige Stadt Ninive gehen, die so groß
war, daß man sie nur in drei Tagen
durchwandern konnte (Jona 3:3). Wenn
man liest, wie der Prophet Ether sein
Volk warnte, muß man staunen, daß er
den Mut aufbrachte, immer wieder zu
den Menschen zu gehen, die ihm feind-
lich gesinnt waren (Ether 13). Wir lesen
von Enoch, der schon als Junge berufen
wurde. Er sagt von sich selbst, daß die
Menschen ihn als Jungen verachteten
und er schlecht reden konnte. Trotzdem
tat er voll Liebe und Anteilnahme seine
Pflicht, und sein Erfolg war über-
wältigend (Moses 6). Ich staune über das
Einfühlungsvermögen dieser Männer in
allen Zeitaltern, denn selbst Propheten
sind nicht immun gegen den Stachel im
Fleisch. Sie lernen aber, all ihre Sorgen
auf den Herrn zu werfen.
Das Zeugnis der Propheten steht in der
Schrift, doch haben sie es oft auch mit
roter Tinte geschrieben, weil sie Pro-
pheten Gottes waren. Sie helfen uns, das
Ziel von Anfang an vor Augen zu haben.
Sie waren immer frei von dem Übel ihrer
Zeit. Sie waren frei genug, als göttliche
Buchprüfer Betrug Betrug zu nennen,
Unterschlagung Unterschlagung und
Ehebruch Ehebruch.
141
Jetzt, zum Ende dieser General-
konferenz, wollen wir alle auf das hören,
was uns gesagt worden ist. Beziehen wir
das, was hier gesagt wird, auf uns, und
zwar jeder auf sich. Hören wir auf die,
die- wir als Propheten und Seher be-
stätigen, und auf die anderen Brüder, als
hinge unser ewiges Leben davon ab —
denn das tut es auch!
Ich möchte darüber sprechen, was mich
im Hinblick auf uns alle bewegt, denn
wir leben in einer schwierigen Zeit. Es ist
äußerst wichtig, daß Sie die Reden von
der Generalkonfernz im Stern lesen.
Tun Sie, was Ihnen schon gesagt worden
ist, und führen Sie ein Tagebuch. Wer
ein Buch der Erinnerung führt, kann den
Herrn in seinem täglichen Leben leichter
in Erinnerung behalten. Im Tagebuch
können wir festhalten, wie sehr der Herr
uns segnet, und den Bericht über diese
Segnungen für unsere Nachkommen
bewahren. Der Frühling erinnert uns
daran, unseren Garten zu bebauen,
damit wir selbst produzieren können,
was wir essen, und unseren Garten und
unsere Umgebung durch Blumen zu
verschönen. Selbst wenn Sie die Tomate,
die Sie essen, zwei Dollar kostet, wird sie
Ihnen Zufriedenheit schenken. Sie er-
innert uns alle an das Gesetz der Ernte,
das keine Ausnahme kennt. Wir ernten,
was wir säen. Selbst wenn Sie nur wenig
Land bebauen können, fühlen Sie sich
dadurch der Natur mehr verbunden, so
wie unsere ersten Eltern.
Wie kann man mit ansehen, daß die
traditionellen moralischen Werte ver-
fallen, ohne zu bemerken, daß auch der
Anstand schwindet? Als Junge sah ich
alle, jung und alt, schwer arbeiten. Wir
wußten, daß wir die Wüste Arizonas
zähmten. Hätte ich damals mehr Ein-
sicht gehabt, hätte ich gesehen, daß wir
auch uns selbst zähmten. Ehrliche Ar-
beit, Wüsten unterwerfen, Flüsse ein-
dämmen, all das nimmt nicht nur der
Umwelt des Menschen, sondern auch
ihm selbst das Wilde, Ungebändigte.
Daß heute viele die Arbeit scheuen, mag
ein Zeichen dafür sein, daß das Wilde,
Ungebändigte wieder an Boden ge-
winnt, vielleicht nicht in der Landschaft,
aber in manchen Menschen. Die Würde
und Selbstachtung, die mit ehrlicher
Arbeit einhergehen, brauchen wir unbe-
dingt zu unserem Glück. Muße ver-
wandelt sich so schnell in Trägheit.
Wie können wir mit ansehen, wie so
viele, die ein gutes Vorbild sein sollten,
zum schlechten Vorbild werden, ohne
daß wir laut aufschreien? Die, die über
die Ehe spotten, die Keuschheit vor und
Treue in der Ehe als altmodisch abtun,
scheinen entschlossen, neue, eigene
Maßstäbe einzuführen und sie anderen
aufzuzwingen. Sehen diese Menschen
nicht, daß sie diese Selbstsucht letzten
Endes mit Einsamkeit bezahlen müssen?
Sehen sie nicht, daß ihre Erfüllung eine
Leere erzeugt, von der sie kein ver-
gängliches Vergnügen befreien wird?
Das Gesetz der Ernte hat noch keiner
umgestoßen.
Wenn das Sinnliche im Menschen nicht
länger durch die Familienbande und
echte Religion gezügelt wird, bricht eine
Lawine von Begierden hervor, die einem
wahrhaftig Angst einjagen kann. Eins
folgt auf das andere, ob es um Homo-
sexualität, Korruption, Drogen oder
Abtreibung geht. Jedes begann als Be-
gierde, die hätte gezügelt werden müs-
sen. So nimmt das Elend erschreckende
Ausmaße an.
Die Dekadenz stellt ihre Ansprüche und
vertritt ihre Lehren. Sie ist ein Feind der
Freiheit. Dekadenz, die auf dem Boden
der Toleranz wächst, vertreibt diese
bald. Schließlich erreicht sie einen
Punkt, an dem ein Prophet gesagt hat:
„Es gab keine Rettung mehr."
Dann treten die Propheten mit noch
größerem Nachdruck auf, wie Alma, der
142
dem Bösen seiner Zeit sein reines Zeug-
nis entgegensetzte (Alma 4:19). Weniger
ist in solchen Augenblicken nicht ange-
bracht. Wir lesen, daß es in Teilen
unseres Landes mehr Abtreibungen gibt
als Lebendgeburten, mehr uneheliche
Kinder als eheliche, und dann fragen wir
uns, wie lange Gott sein Gericht noch
zurückhalten kann. Wir lesen, daß die
Menschen dem Trend folgen und
zusammenleben, ohne miteinander ver-
heiratet zu sein, und fragen uns, warum
sie nicht einsehen, daß sie ihre wahre
Identität aufgeben und nirgendwo rich-
tig hingehören, wenn sie Gottes Gebote
so mit Füßen treten. Wir sehen, wie viele
Kinder von einem alleinstehenden
Elternteil aufgezogen werden, und fra-
gen uns, was geschehen wird, wenn das
Gesetz der Ernte seinen Lauf nimmt.
Was falsch ist, ist falsch, und der Zeit-
geist verwandelt nicht in Recht, was
gegen Gottes Gesetze verstößt.
Wir erleben, wie die Sprache immer
verdorbener wird, und können uns vor-
stellen, wie es Lot erging, „welchem die
schändlichen Leute alles Leid taten mit
ihrem unzüchtigen Wandel" (2. Petrus
2:7). Wir fragen uns, wie diese Menschen
mit ihrer verdorbenen Sprache, selbst
wenn sie sich weigern, Gott zu ge-
horchen, geistig so abstumpfen können,
daß sie ihre Kommunikationsfähigkeit
immer mehr verlieren. Sprache ist wie
Musik; beide erfreuen uns durch Schön-
heit, Vielfalt und Klangreichtum. Dau-
erndes Wiederholen einiger armseliger
Noten erniedrigt uns.
Die Sünde ist weit davon entfernt, den
Menschen frei zu machen. Sündigen
heißt dem Herdentrieb folgen. Es ist eine
Kapitulation vor dem fleischlichen
Menschen, ein Verwerfen des Guten und
Schönen im Leben und in einer zu-
künftigen Welt. Weil die Sünde etwas so
Trauriges ist, sagen die Rechtschaffenen
nicht: „Siehst du, ich habe es dir gesagt."
Aufgrund ihrer Liebe wünschen sie viel-
mehr, ihr Zeugnis und ihre Worte hätten
mehr erreicht, damit es in der Welt
weniger Elend und mehr Glück gäbe. Es
nimmt nicht wunder, daß wir, die wir
den Plan der Errettung haben, uns
gedrängt fühlen, das Evangelium an-
deren nahezubringen, denn wir lieben
unseren Nächsten.
Möge Gott uns helfen, rechtschaffen zu
leben und so Zeugen für die Welt zu sein,
demütig, aber unerschrocken aufzu-
treten, wirkungsvoll und mit Güte
voranzugehen und das Evangelium Jesu
Christi stets zu unserer Richtschnur zu
machen.
Ehe ich schließe, möchte ich noch sagen:
was die vier neuen, jungen Führer der
Kirche gesagt haben, war sehr, sehr
anspornend. Jeder von ihnen hat gesagt:
,,Ich habe alles, was ich besitze oder
besessen habe, auf den Altar gelegt; der
Herr und seine Diener können es an sich
nehmen und beanspruchen." Das hat
mich sehr gefreut, denn wir wissen, es
gibt noch Glauben in der Kirche, in
Zion, unter der Jugend und den jungen
Menschen, die in dieser Kirche auf-
wachsen. Ich möchte nicht mehr sagen,
nur noch, der Herr segne Sie, meine
Brüder und Schwestern, wenn Sie nach
Hause zurückkehren. Friede sei mit
Ihnen. Möge das Zuhause, in das Sie
zurückkehren, das Evangelium in seiner
Fülle bergen. Auch ich bezeuge Ihnen,
daß dies Gottes Werk ist, das
Bedeutendste auf der Welt. Im Namen
Jesu Christi. Amen.
143
Wohlfahrtsversammlung, Samstag, 1. April 1978
Reinen Herzens werden
Präsident Spencer W. Kimball
nebe Brüder und Schwestern, Ihr
Anblick erfreut mein Herz. Ihr strahlen-
des Gesicht und die Schönheit der Natur
auf dem Tempelplatz erfüllen mich mit
Dankbarkeit für die Segnungen des
Herrn. Ich hoffe, daß auf dieser Kon-
ferenz alles, was wir sagen und tun, von
dieser Dankbarkeit durchdrungen sein
kann, denn wahrlich, der Herr freut sich,
die zu segnen, die ihn lieben und ihm
dienen (LuB 76:5).
Mit der Hilfe des Herrn möchte ich uns
erneut einige Grundsätze und Aufgaben
vor Augen führen, die wir als Führer
und als Volk niemals vergessen dürfen.
Danach möchte ich über den Aufbau
Zions durch Opfer und Weihung spre-
chen.
Zunächst möchte ich die Bischöfe daran
erinnern, wie wichtig es ist, daß sie
denen, die Wohlfahrtsunterstützung be-
kommen, die Gelegenheit geben, zu
arbeiten oder Dienste zu leisten, damit
sie ihre Würde und Selbständigkeit
wahren und sich weiterhin des Heiligen
Geistes erfreuen, während sie von der
Selbsthilfe durch die Wohlfahrtsdienste
„Wir arbeiten daraufhin, ein Zion der Letzten Tage zu
errichten.''''
der Kirche profitieren. Es kann uns
nicht oft genug gesagt werden, daß die
Wohlfahrt der Kirche auf einer geisti-
gen Grundlage ruht. Diese geistigen
Wurzeln müßten verkümmern, wenn
wir die Wohlfahrtsunterstützung zur
Spendenverteilung umfunktionieren. Je-
der, dem geholfen wird, kann etwas
dafür tun. Verfahren wir also nach der
Ordnung der Kirche: sorgen wir dafür,
daß jeder, der etwas erhält, dafür etwas
von sich selbst gibt.
Hüten wir uns davor, diesen Plan des
Herrn zur Unterstützung der Armen
durch irgend etwas zu ersetzen, das die
Welt bietet. Wenn wir hören, welche
Probleme die Regierung mit der Reform
des Wohlfahrtswesens hat, wollen wir
daran denken, daß wir versprochen
haben, einer des anderen Last zu tragen
und jedem zu helfen, wie es notwendig
ist. Präsident Romney, der für die
Wohlfahrtsdienste zuständig ist, hat vor
einigen Jahren folgendes gesagt, das ich
sehr gut finde:
„In der heutigen Welt, die den Plan des
Herrn in so vielen Varianten entstellt,
dürfen wir uns nicht vormachen lassen,
wir könnten unsere Verpflichtungen
gegenüber den Armen und Bedürftigen
auf irgendwelche staatlichen oder an-
dere öffentliche Stellen abwälzen. Nur
wenn wir unserem Nächsten freiwillig
144
und aus großherziger Liebe heraus ge-
ben, können wir die Eigenschaft er-
werben, die Mormon als die reine
Christusliebe bezeichnet (Moroni 7:47).
Und wir müssen sie erwerben, wenn wir
ewiges Leben wollen" (General-
konferenz, Oktober 1972).
Wir dürfen uns dabei nicht von irgend-
einem Ismus verwirren lassen. Ich
möchte Ihnen ins Gedächtnis rufen, wie
die Kirche zu staatlicher oder anderer
Sozialhilfe für einzelne steht:
,,In erster Linie trägt das Mitglied der
Kirche selbst die Verantwortung für sein
geistiges, gesellschaftliches, seelisches,
physisches und wirtschaftliches Wohl-
ergehen, zweitens seine Familie und
drittens die Kirche. Der Herr hat den
Mitgliedern der Kirche geboten, nach
besten Kräften selbständig und unab-
hängig zu sein (LuB 78:13, 14).
Kein wahrer Heiliger der Letzten Tage
wird freiwillig die Sorge für sein oder
seiner Familie Wohlergehen auf einen
anderen abwälzen, solange er selbst
körperlich und geistig imstande ist, sich
selbst darum anzunehmen. Solange er
kann, wird er sich mit der Inspiration
des Herrn und durch eigene Arbeit nach
besten Kräften darum bemühen, sich
selbst und seine Familie geistig und
materiell zu versorgen (1. Mose 3:19, 1.
Timotheus 5:8, Philipper 2:12).
Mit dem Geist des Herrn und in An-
wendung dieser Grundsätze soll jeder in
der Kirche selbst entscheiden, was für
Unterstützung er annimmt, sei es von
staatlicher oder anderer Seite. So wer-
den Unabhängigkeit, Selbstachtung,
Würde und Selbständigkeit gefördert,
und die Entscheidungsfreiheit bleibt er-
halten" (Erklärung der Präsidierenden
Bischofschaft, ENSIGN, März 1978, S.
20).
Dieser Erklärung liegt unsere Ein-
stellung zur Selbständigkeit zugrunde.
Keine Weltanschauung, keine Ausreden
können den Wert der Selbständigkeit
schmälern. Wir brauchen sie, denn:
„Alle Wahrheit und alle Intelligenz ist
unabhängig ... in dem Bereich, in den
Gott sie gestellt hat; anders gibt es kein
Dasein" (LuB 93:30). Der Herr erklärt,
daß hierin die menschliche Ent-
scheidungsfreiheit begründet liegt (LuB
93:31), und mit dieser Entscheidungs-
freiheit geht die Verantwortung einher,
die jeder für sich selbst trägt. Durch die
Entscheidungsfreiheit können wir uns
zur Herrlichkeit aufschwingen oder un-
ter Verdammnis fallen. Mögen wir per-
sönlich und als Gemeinschaft stets unse-
re Selbständigkeit wahren. Sie ist unser
Erbe und unsere Verpflichtung.
Der Grundsatz der Selbständigkeit be-
inhaltet, daß wir persönlich und als
Familie gerüstet sein sollen, wie es uns
die Kirche sagt. Wir haben darin bereits
großen Fortschritt gemacht, doch gibt
es immer noch zu viele Familien; die
nicht vorausschauend planen. Wenn der
Frühling kommt, hoffen wir, werden Sie
alle Ihren Garten bebauen, damit Sie im
Sommer und Herbst die Früchte Ihrer
Arbeit genießen können. Wir hoffen,
daß Sie die ganze Familie daran be-
teiligen, so daß jeder, auch die Kleinen,
eine Aufgabe hat. In Ihrem Garten
können Sie soviel lernen und ernten,
nicht nur Obst und Gemüse. Wir hoffen
ferner, daß Sie einen Jahresvorrat an
Lebensmitteln und wenn möglich auch
etwas Brennstoff und Bargeld angelegt
haben. Darüber hinaus hoffen wir, Sie
ernähren sich richtig und halten sich
gesund, damit Sie körperlich fit und dem
Leben gewachsen sind. Sorgen Sie dafür,
daß in Ihrem Kollegium und in Ihrer
FHV diese Grundsätze und ihre An-
wendung gelehrt werden.
Wir möchten alle Mitglieder daran er-
innern, wie sehr wir gesegnet werden,
wenn wir regelmäßig fasten und ein
möglichst großzügiges Fastopfer geben,
145
denn wir können es uns leisten. Wo
immer wir können, sollen wir ein Viel-
faches des Betrages spenden, den wir für
unsere Mahlzeiten aufgewendet hätten.
Wenn wir mit dem richtigen Geist fasten
und geben, werden Spender und Emp-
fänger gesegnet. Wer das Gesetz des
Fastens befolgt, findet eine Quelle der
Kraft, die ihm hilft, Bequemlichkeit und
Egoismus zu überwinden. Ich möchte
auf das verweisen, was Victor Brown in
seiner glänzenden Rede auf der letzten
Wohlfahrtskonferenz zu diesem Thema
gesagt hat (Der Stern, April 1978).
Nun lassen Sie uns ein paar Augenblicke
beiseite legen, was uns heute und in
diesen Tagen bedrängt. Ich möchte
Ihnen einen Überblick über einige sehr
wichtige Aspekte der Wohlfahrt geben.
Viele Jahre haben wir gelernt, daß wir
mit dieser Arbeit letztlich ein Zion der
Letzten Tage errichten wollen, ein Zion,
in dem die Kinder des Herrn eins sind.
Wir müssen beständig vor Augen haben,
was wir anstreben und wofür wir arbei-
ten, während wir lernen, was unsere
Aufgabe im Rahmen der Wohlfahrt ist,
und unsere Arbeit tun. Das gilt gleicher-
maßen für alles, was wir in der Kirche
tun. Im 58. Abschnitt des Buches , Lehre
und Bündnisse' vermittelt uns der Herr
einen kleinen Einblick in dieses Zion der
Letzten Tage:
„Mit euern natürlichen Augen könnt ihr
jetzt noch nicht sehen, was euer Gott in
bezug auf die Dinge geplant hat, die
nachher kommen sollen, auch nicht die
Herrlichkeit, die auf eure Trübsale fol-
gen wird.
Denn nach vieler Trübsal kommen die
Segnungen. Daher kommt der Tag, an
dem ihr mit großer Herrlichkeit gekrönt
werden sollt. Die Stunde ist zwar noch
nicht da, aber sie ist nahe.
Sehet, wahrlich, ich sage euch: Darum
habe ich euch gesandt, daß ihr gehorsam
seid und eure Herzen vorbereitet, um
Zeugnis zu geben von den Dingen, die
kommen werden;
auch damit ihr beehrt werden mögt, den
Grund zu legen für Zion und Zeugnis zu
geben von dem Lande, worin das Zion
Gottes stehen wird.
Danach kommt der Tag meiner Macht;
dann sollen die Armen, die Lahmen, die
Blinden, die Tauben zur Hochzeit des
Lammes kommen und am Mahle des
Herrn teilnehmen, das für den kom-
menden großen Tag zubereitet sein wird.
Sehet, ich, der Herr, habe es gespro-
chen" (LuB 58:3, 4, 6, 7, 11, 12).
Dieser Tag wird kommen, und wir sind
aufgerufen, ihn herbeizuführen! Mo-
tiviert Sie das nicht, weiter und schneller
auszuschreiten und sich für das Reich
Gottes einzusetzen? Ich fühle diesen
Elan, und ich freue mich, daß mir und
meiner Familie so viele Möglichkeiten
geboten werden, zu dienen und zu
opfern, wenn wir unseren Beitrag zum
Aufbau Zions leisten wollen.
Zu Beginn dieser Evangeliumszeit schei-
terten die Mitglieder der Kirche, als sie
versuchten, nach der Vereinigten Ord-
nung, dem Wirtschaftssystem Zions, zu
leben. Der Herr tadelte sie für ihre
Übertretungen: ,,Doch sehet, sie haben
nicht gelernt, in den Dingen, die ich von
ihnen gefordert, gehorsam zu sein, son-
dern sind von allerlei Bösem erfüllt und
teilen von ihren Gütern den Armen und
Notleidenden unter ihnen nicht mit, wie
es Heiligen geziemt, und sind nicht in
jener Einigkeit miteinander verbunden,
die das Gesetz des celestialen Reiches
verlangt.
Zion kann nur nach den Grundsätzen
des celestialen Reiches aufgebaut wer-
den, sonst kann ich es nicht zu mir
nehmen" (LuB 105:3-5).
Der Herr hat uns gesagt, wir müssen
Gehorsam lernen und Charakterstärke
entwickeln, ehe er Zion erlösen kann
(LuB 105:9, 10).
146
An anderer Stelle in derselben Offen-
barung wiederholt der Herr das Gesetz
Zions und spricht folgende Verheißung
aus:
„Und jene Gebote, die ich betreffs Zions
und seinem Gesetz gegeben habe, sollen
nach seiner Befreiung ausgeführt und
erfüllt werden. Wenn sie dem Rate
folgen, den sie empfangen, sollen sie
nach vielen Tagen die Macht haben, alle
zu Zion gehörenden Dinge zu voll-
bringen" (LuB 105:34, 37).
Wie lange es dauern wird, alles zu tun,
was Zion betrifft, hängt davon ab, wie
wir leben, denn der Aufbau Zions „be-
ginnt im Herzen jedes einzelnen" (Jour-
nal of Discourses 9:283). Die Propheten
wußten, daß wir dazu einige Zeit brau-
chen würden. 1863 hat Brigham Young
gesagt:
„Wenn die Menschen ihre Pflicht ver-
nachlässigen, sich von den heiligen Ge-
boten abwenden, die Gott uns gegeben
hat, nach eigenem Reichtum trachten
und die Belange des Reiches Gottes
außer acht lassen, können wir damit
rechnen, daß wir noch einige Zeit hier
sein werden - - vielleicht viel länger, als
wir erwarten" (Journal of Discourses
11:102).
Leider leben wir in einer Welt, die zum
größten Teil die Werte Zions verwirft.
Babylon hat Zion nie verstanden und
wird es nie verstehen. Der Herr hat dem
Propheten Mormon unser Zeitalter ge-
zeigt, und in einem der letzten Kapitel
im Buch Mormon heißt es: „Seht, ich
rede zu euch, als ob ihr zugegen wärt,
und doch seid ihr es nicht. Aber seht,
Jesus Christus hat euch mir gezeigt, und
ich kenne eure Werke.
Denn seht, ihr liebt das Geld, eure
Güter, eure schönen Kleider und den
Schmuck eurer Kirchen mehr als die
Armen, Notleidenden, Betrübten und
Kranken" (Mormon 8:35, 37).
Das steht in krassem Gegensatz zu dem
Zion, das der Herr durch sein Bundes-
volk errichten will. Zion kann nur unter
denen errichtet werden, die reinen Her-
zens sind, nicht unter einem Volk, das
zerrissen ist von Habsucht und Gier,
sondern unter reinen, edlen Menschen.
Es kommt nicht auf die reinliche Er-
scheinung an, sondern auf das reine
Herz. Zion soll in der Welt, aber nicht
von ihr sein, sich nicht von materieller
Sicherheit blenden oder von sinnlichen
Begierden lähmen lassen. Zion lebt nach
einer höheren Ordnung, die den Geist
beschwingt und das Herz heiligt.
Zion soll sein, so „jeder das Wohl seines
Nächsten suche und alle Dinge mit
lauterem Sinne zur Ehre Gottes tue"
(LuB 82:19).
Zion kann nur von denen errichtet
werden, die reinen Herzens sind und für
147
Zion wirken, denn „der Arbeiter in Zion
soll für Zion arbeiten; denn wenn er für
Geld arbeitet, soll er umkommen" (2.
Nephi 26:31).
So wichtig es ist, all dies vor Augen zu
haben, Zion wird nicht dadurch er-
richtet, daß wir es definieren und be-
schreiben. Zion kommt nur zustande,
wenn jeder in der Kirche sich jeden Tag
konsequent und energisch dafür ein-
setzt. Wir müssen es „tun", koste es, was
es wolle. Das ist einer meiner Lieblings-
sprüche: „Tu es!" Wir müssen uns zu
dreierlei verpflichten, wenn wir Zion
wiederbringen wollen.
Als erstes müssen wir unseren Hang zum
Egoismus ablegen, der die Seele um-
garnt, das Herz versteinert und das
Gemüt verdunkelt. Präsident Romney
hat vor kurzem auf den Teufelskreis der
Zivilisation verwiesen, den jeder in Be-
wegung setzt, der nach Macht und
Gewinn trachtet. Hat nicht Kain den
ersten Mord begangen, „um Gewinn zu
erlangen" (Moses 5:50)? Das ist doch
der Geist des Antichristen, der sagt, es
„hinge das Gedeihen des Menschen von
seiner Naturveranlagung ab und ein
jeder trüge seiner Stärke gemäß den Sieg
davon; und nichts, was ein Mensch tue,
sei ein „Verbrechen" (Alma 30:17).
Nephi hat darauf hingewiesen, daß die-
ser Geist seine Generation in die Ver-
nichtung trieb:
„Die Ursache dieser Gottlosigkeit unter
dem Volk war folgende: Satan hatte
große Macht, das Volk zu allerlei Bos-
heit aufzureizen und es im Stolz aufzu-
blähen und es zu versuchen, nach
Macht, Gewalt, Reichtümern und den
wertlosen Dingen der Welt zu trachten"
(3. Nephi 6:15).
Wenn wir nicht das gleiche Schicksal
erleiden wollen, müssen wir uns vor dem
hüten, was diesen Niedergang herbei-
geführt hat. Der Herr selbst hat zu
Beginn der Kirche gesagt: „Und weiter
gebiete ich dir: Sei nicht geizig" (LuB
19:26).
Weiter hat er gesagt:
„Sehet, ich, der Herr, bin mit vielen in
der Gemeinde zu Kirtland nicht ganz
zufrieden.
Denn sie geben ihre Sünden nicht auf,
auch nicht ihre gottlosen Wege und den
Stolz ihrer Herzen, nicht ihre Selbst-
sucht und nicht alle die Greuel, auch
beherzigen sie nicht die Worte der Weis-
heit und des ewigen Lebens, die ich
ihnen gegeben" (LuB 98:19, 20).
Wir müssen den Egoismus aus unserer
Familie, aus dem Berufsleben und aus
der Kirche vertreiben. Es bedrückt
mich, wenn Pfähle oder Gemeinden
Schwierigkeiten bei der gerechten Ein-
teilung der Wohlfahrtsprojekte oder
Wohlfahrtsproduktion haben. So etwas
darf nicht sein. Nehmen wir uns heute
vor, diese Neigung abzulegen.
Zweitens müssen wir in völliger Ein-
tracht zusammenarbeiten. Wir müssen
einstimmig entscheiden und handeln.
Der Herr hat die Heiligen aufgerufen:
„Jedermann halte seinen Bruder wert
wie sich selbst" (LuB 38:24). Dann
schließt er, was er über die Zusammen-
arbeit sagt, mit den folgenden
ausdrucksvollen Worten ab:
„Sehet, das habe ich euch als ein Gleich-
nis gegeben, und es ist so, wie ich bin. Ich
sage euch: Seid eins, denn wenn ihr nicht
eins seid, seid ihr nicht mein" (LuB
38:27).
Wenn der Geist des Herrn uns bei
unserer Arbeit zur Seite stehen soll,
müssen wir in allem einig zusammen-
arbeiten. Joseph Smith hat erklärt, was
geschieht, wenn wir das tun: „Die größ-
ten materiellen und geistigen Segnungen
für gemeinsame Anstrengungen und
Treue werden niemals einem einzelnen
für seine Mühen zuteil" (Lehren des
Propheten Joseph Smith, S. 154, dt.
Wortl. v. Übers, rev.). Kaum etwas in
148
der Kirche verlangt mehr Zusammen-
arbeit und gemeinsame Anstrengung als
das Wohlfahrtsprogramm. Ob es darum
geht, gemeinsam eine neue Stelle für ein
arbeitsloses Kollegiumsmitglied zu fin-
den, sich gemeinsam an einem
Wohlfahrtsprojekt abzumühen, in ei-
nem Betrieb der Deseret Industries zu
arbeiten oder Pflegekinder aufzu-
nehmen, immer hängt der Erfolg der
Wohlfahrtsarbeit von der Zusammen-
arbeit und dem gemeinsamen Streben
ab.
Drittens müssen wir alles auf den Altar
legen und opfern, was der Herr verlangt.
Wir geben ihm zunächst ein zer-
knirschtes Herz und ein reuiges Gemüt.
Dann geben wir in allem, was uns
aufgetragen wird, unser Bestes. Wir
lernen unsere Pflicht und führen sie
vollständig aus. Schließlich weihen wir
unsere Zeit, unsere Talente und Mittel,
wie unsere Führer uns dazu aufrufen
und wir vom Geist geführt werden. In
der Kirche wie im Wohlfahrts-
programm können wir jeder Fähigkeit,
jedem rechtschaffenen Wunsch, jedem
überlegten Impuls Ausdruck verleihen.
Als freiwilliger Helfer, Vater, Heim-
lehrer, Bischof oder Nachbar, als
Besuchslehrerin, Mutter, Hausfrau oder
Freundin stehen uns alle Wege offen,
alles zu geben. Und wenn wir geben,
erfahren wir, daß der Himmel uns für
unsere Opfer segnet. Dann lernen wir,
daß es eigentlich kein Opfer war.
Meine Brüder und Schwestern, wenn wir
das tun, hüllen wir uns in das Gewand
der Nächstenliebe, „die das größte von
allem ist, denn alle Dinge werden ver-
gehen — aber Nächstenliebe ist die reine
Liebe Christi und wächst ewiglich, und
wer sie am Jüngsten Tage besitzt, dem
soll es Wohlergehen" (Moroni 7:46, 47).
Beten wir vereint und aus tiefstem
Herzen, daß wir durch dieses Band der
Nächstenliebe versiegelt sein mögen;
daß wir das Zion der Letzten Tage
aufbauen, daß das Reich fortschreite
und das Reich des Himmels komme.
Darum bete ich und all das Gesagte
bezeuge ich Ihnen im Namen Jesu
Christi. Amen.
149
Das Lagerhaus-Hilfssystem
Richard Clarke
Zweiter Ratgeber des Präsidierenden Bischofs
Arbeitsvermittlung, das Lagerhaus des Bischofs,
Produktionsprojekte, die Wohlfahrtsdienste der Kirche, die
De ser et- Industrie, das Fastopfer und andere Hilfsquellen
stellen das Lagerhaus- Hilfssystem dar.
E
in Bischof hat die wunderbare Mög-
lichkeit, die Schwachen zu stärken, die
Hände aufzurichten, die erschlafft sind,
und die schwachen Knie zu stützen (LuB
81:5). Als Vater der Gemeinde wird er
bei vielen Problemen um Hilfe gebeten:
Arbeit für einen stellenlosen Vater
— Möbel und Kleidung für eine
deren Haus ausgebrannt ist
— sinnvolle Arbeit für einen Be-
dürftigen
— eine neue Familie und liebevolle
Eltern für eine unverheiratete
Mutter mit psychischen Problemen
— Arbeit und Selbstbewußtsein für
ein Mitglied, das keine neue Stelle
finden kann
Jeder Bischof weiß, daß ein göttlicher
Funke in ihm aufspringt, wenn er be-
dürftigen Mitgliedern materiell hilft.
Der Herr hat uns gelehrt, daß in seinen
Augen alles geistig ist. B. H. Roberts hat
erklärt, daß die höchste Entwicklung des
Geistigen in seiner Verbindung mit der
Materie stattfindet. In unserer Welt sind
die materiellen Probleme stets akut und
wollen gelöst sein. Der Herr hat der
Kirche aufgetragen, die Mittel zu be-
schaffen, die den Mitgliedern helfen,
diese Probleme zu lösen. Zu Präsident
McKay sagte einmal jemand: „Wenn
Ihre Kirche die einzig wahre ist, muß sie
die Lösung für jedes geistige, materielle
und gesellschaftliche Problem haben."
Brüder und Schwestern, wir haben diese
Lösungen!
Die wahren Jünger Christi haben sich
immer der Bedürftigen angenommen.
Zu Almas Zeiten „teilten sie den Armen,
Notleidenden, Kranken und Betrübten
von ihrer Habe mit, ein jeglicher nach
seinem Vermögen . . .
Unter diesen gedeihlichen Umständen
schickten sie niemanden weg, der nak-
kend, hungrig, durstig oder krank war
oder ihrer Pflege bedurfte" (Alma 1:27,
30).
In unserer heutigen Zeit hat der Herr
erklärt: „Und jetzt gebe ich der Kirche
in diesem Teil des Landes ein Gebot, daß
gewisse Männer in ihr ernannt werden
sollen . . . Diese sollen nach den Armen
und Notleidenden sehen und ihnen
Unterstützung angedeihen lassen, damit
sie nicht Not leiden müssen" (LuB
38:34, 35).
Bis heute hat uns der Herr voll Geduld
150
die Grundsätze lernen lassen, die unser
materielles Wohlergehen bestimmen.
Erst die schreckliche Depression der
dreißiger Jahre brachte die Kirche von
neuem dazu, die offenbarten Grund-
sätze anzuwenden und einen festen Plan
aufzustellen, nach dem das Priestertum
sich unserer Armen annehmen konnte.
Die Grundlagen des Wohlfahrtspro-
gramms wurden 1933 gelegt. Die Pfahl-
präsidenten und Bischöfe wurden gebe-
ten, eine Übersicht über die Erforder-
nisse aufzustellen. Da diese Angelegen-
heit so kompliziert war, wurde sie drei
Jahre lang beraten.
Im Oktober 1936 trat das Wohlfahrts-
programm der Kirche offiziell in Kraft.
Sie kennen die Erklärung, die damals
veröffentlicht wurde. Ich möchte sie hier
auszugsweise zitieren:
„Unser oberstes Bestreben war, soweit
dies überhaupt möglich ist, ein System
einzuführen, unter dem der Fluch des
Müßiggangs und die Übel des Almosen-
empfangs abgeschafft und Unabhängig-
keit, Fleiß, Sparsamkeit und Selbst-
achtung wieder unter unserem Volk
aufgerichtet würden. Das Ziel der Kir-
che ist es, den Menschen zu zeigen, wie
sie sich selbst helfen können. Die Arbeit
muß wieder ihren Ehrenplatz als beherr-
schendes Prinzip im Leben unserer Mit-
glieder einnehmen" (Heber J. Grant,
Generalkonferenz, Oktober 1936).
Vielleicht haben Sie diese — wenn wir sie
so nennen wollen Grundsatz-
erklärung wie ich häufig gehört, ohne
jedoch wirklich zu erfassen, daß unsere
persönlichen Anstrengungen durch ein
System vereinigt werden sollen. Dieses
System soll ausgleichen und integrieren,
die Menschen sollen nicht nur Kleidung
und Essen bekommen, sondern, um
weiter die Erste Präsidentschaft zu zitie-
ren: ,,Der Mensch, der ein ewiges Wesen
ist, soll durch Selbständigkeit,
schöpferische Betätigung, ehrliche Ar-
beit, durch Dienen, innere Größe erlan-
gen. Von Anfang an hatte sich das
Wohlfahrtsprogramm das langfristige
Ziel gesetzt, den Mitgliedern der Kirche,
Spendern und Empfängern, Charakter-
stärke zu vermitteln." Das Wohlfahrts-
system hat sich ausgeweitet und seine
Kinderschuhe ausgetreten und wird jetzt
als das Lagerhaus-Hilfssystem be-
zeichnet. Es beruht auf den sechs
Grundsätzen der Wohlfahrtsdienste:
Liebe, Arbeit, Selbständigkeit, Dienen,
Verantwortung und Weihung. Der Bi-
schof genehmigt die Unterstützung
durch das System, und wir steuern dazu
bei.
Kein Bischof steht in seinem Amt allein.
Dank der Opferbereitschaft der Mit-
glieder stehen ihm alle möglichen Dien-
ste und Hilfsmittel zur Verfügung. Viel-
fach stellt man sich in der Kirche unter
einem Lagerhaus nur einen Laden vor,
in dem man mit einer Bescheinigung
vom Bischof Kleidung und Lebens-
mittel erhält. Doch brauchen die Mit-
glieder heute mehr als das, und so
schließt das Lagerhaus-Hilfssystem
folgendes ein:
— Arbeitsvermittlung
— das Lagerhaus des Bischofs
— Produktionsprojekte
— die Wohlfahrtsdienste der
Kirche
— die Deseret Industries
— das Fastopfer und andere
Hilfsquellen
Der Bischof kann jetzt Kleidung, Unter-
kunft, Lebensmittel, ärztliche Versor-
gung, Arbeitsvermittlung, Adoptions-
und Pflegestellenvermittlung und
therapeutische Behandlung für psy-
chisch Gestörte zur Verfügung stellen.
Die „Gründungsväter" des Wohlfahrts-
programms freuen sich gewiß, daß sich
das System so weit entwickelt hat.
Danken wir dem Herrn, für die, die auch
in der Dunkelheit sehen und uns aus
151
dem Zweifel herausführen! Danken wir
dem Herrn für Propheten, die das Ziel,
das fertige Produkt, vor Augen haben.
Präsident Romney spielte auf diese Fä-
higkeit an, als er die folgenden Worte
von Brigham Young zitierte:
„Wenn Sie eine Vision von Zion hätten,
haben Sie es in seiner Schönheit und
Herrlichkeit gesehen, nachdem der Sa-
tan gebunden worden ist . . . Sie haben
sich nicht gesehen, wie Sie Vieh über die
Prärie trieben oder in irgendeinem
Schlammloch versanken. Sie haben
nicht die Panik unter dem Vieh oder die
noch schlimmere unter den Menschen
gesehen.
Nein, Sie haben den Glanz und die
Herrlichkeit Zions geschaut, als An-
sporn für Sie, damit Sie sich bereitma-
chen, mit dem Leid und den Ent-
täuschungen der Sterblichkeit fertig-
zuwerden und dann die Herrlichkeit des
Herrn, die Ihnen offenbart wurde, zu
empfangen."
Danach fuhr Präsident Romney fort:
,,Wir haben . . . Visionen vom
Wohlfahrtsprogramm. Wir haben herr-
liche Visionen von der Befreiung Zions
und der Errichtung des neuen Jerusa-
lems, der Einführung der Vereinigten
Ordnung, dem Beginn des Millenniums.
Doch ehe diese Visionen Wirklichkeit
werden, müssen wir noch einen schwe-
ren Weg gehen" (Rede auf der Sonder-
Wohlfahrtsversammlung am 5. April
1949).
Kann dies der Tag gewesen sein, den
Reuben Clark sah, der 1942 sagte: „Wir
haben alle gesagt, das Wohlfahrts-
programm ist nicht die Vereinigte Ord-
152
nung und war auch nicht als solche
konzipiert. Doch möchte ich Ihnen dies
sagen: wenn das Wohlfahrtsprogramm
einmal voll in Aktion tritt, was jetzt
noch nicht der Fall ist, werden wir nicht
mehr weit von den Grundlagen der
Vereinigten Ordnung entfernt sein"
(Generalkonferenz, Oktober 1942).
Ich bin überzeugt, daß das Wohlfahrts-
programm in den sechsunddreißig Jah-
ren, die seither vergangen sind, sehr viel
mehr in Aktion getreten ist. Im letzten
Oktober hat Präsident Kimball unsere
Vorstellungskraft mit den folgenden
Worten angeregt:
„Als ich darüber nachdachte, was ich
Ihnen sagen sollte, fiel mir ein, daß seit
dem Neubeginn dieser Wohlfahrtsarbeit
im Oktober 1936 eine ganze Generation
vergangen ist . . . Vor meinem geistigen
Auge zogen die großen Führer in dieser
Arbeit vorüber . . .
Während ich ihre Leistungen und den
glänzenden Fortschritt der Kirche in
den Wohlfahrtsdiensten überdachte,
kam mir folgende Frage in den Sinn:
Begreifen die heutigen Mitglieder, ins-
besondere die Führer der Kirche auf
Regions-, Pfahl- und Gemeindeebene,
die Prinzipien der Wohlfahrt ebenso gut
wie die Mitglieder und Führer der
Kirche der vorigen Generation?" (Der
Stern, April 1978, S. 46).
Präsident Kimball, ich bin überzeugt,
daß diese Generation die Aufforderung
annimmt und in dem, was sie jetzt tut,
bereits „weiter ausschreitet"! In den
Wohlfahrtsdiensten ist eine neue Zeit
angebrochen, die gekennzeichnet ist von
Verbesserungen in den folgenden fünf
Bereichen:
Erstens — bessere Koordination und
Zusammenarbeit innerhalb des Systems,
so daß Produktion, Verarbeitung und
Verteilung jetzt zügiger ablaufen. Das
bedeutet, daß die zuständigen Prie-
stertumsführer besser mit der örtlichen
Arbeitsvermittlungsstelle der Wohl-
fahrtsdienste zusammenarbeiten müs-
sen. Es bedeutet, eine höhere Aus-
nutzung der freiwilligen Arbeit der Mit-
glieder auf den Wohlfahrtsfarmen, in
den Stellen der Sozialen Hilfe der Kir-
che, in den Deseret Industries usw.
Zweitens — eine verbesserte Planung, so
daß das Lagerhaus-Hilfssystem als inte-
griertes Ganzes arbeitet. Dadurch kön-
nen wir seine Ausdehnung lenken und
ausgleichen. Hervorragende Planung
und vernünftige Beurteilung er-
möglichen es, daß wir alle Elemente des
Systems gleichermaßen ausbauen kön-
nen.
Drittens — eine wirksamere Durch-
führung der Projekte in allen Bereichen
des Wohlfahrtsplans. Die letzten vier
Jahrzehnte haben uns die Grundsätze
und Arbeitsweisen der Wohlfahrt ge-
lehrt. Mit der neuen Technologie und
durch eine bessere Geschäftsführung
können wir unsere frühere Produktivität
und Wirksamkeit erheblich steigern.
Viertens — größerer persönlicher Ein-
satz. Die Heimlehrer und die Besuchs-
lehrerinnen, die Beauftragten des Bi-
schofs, müssen sich mehr darum be-
mühen, die zu finden, die materieller
oder geistiger Hilfe bedürfen. Wenn wir
im Überfluß leben, müssen wir groß-
zügig sein. Durch das Fastopfer können
wir unseren Überfluß dem Hilfssystem
zukommen lassen. Wir brauchen uns
nicht auf den Gegenwert von zwei
Mahlzeiten zu beschränken. Der Pro-
phet hat uns aufgefordert, sogar den
zehnfachen Gegenwert zu geben, wenn
wir können (Generalkonferenz Oktober
1974). Die Reichen sollen über ihre
Gemeinde- und Pfahlgrenzen hinaus-
sehen. Durch das Fastopfer zeigen wir,
daß wir den Bedürftigen lieben. Das ist
der Weg des Herrn, und durch ihn
werden Geber und Empfänger bis hin zu
ihrer Errettung gesegnet.
153
Fünftens — größere Geistigkeit, das
heißt ein stärkeres Verbundensein mit
dem Herrn und größere Empfäng-
lichkeit für den Geist in unserem täg-
lichen Leben. Der Prophet hat uns
aufgefordert: „Eifern Sie dem Erlöser
nach, indem Sie dienen und den Grund-
satz der Weihung befolgen und indem
Sie Irdisches überwinden, so daß Sie
dafür im Spirituellen Höheres er-
reichen" (Der Stern, April 1978, S. 52).
Brüder und Schwestern, ich glaube auf-
richtig, daß dieser Fortschritt im
Wohlfahrtsprogramm in unserer
Generation so stattfindet, wie der Herr
es beabsichtigt hat. Es wird damit ein
Bedürfnis gestillt, das wir nur ahnen,
aber nicht genau kennen. Harold B. Lee
hat in seiner letzten öffentlichen
Stellungnahme zum Wohlfahrts-
programm gesagt: „Niemand weiß, zu
welchem Zweck das Wohlfahrts-
programm eingerichtet worden ist, doch
noch ehe alles hinreichend vorbereitet
ist, wird sein wahrer Zweck offenbart
werden, und dann wird die Kirche alle
Kräfte aufbieten müssen, um ihm ge-
recht zu werden" (Weihnachtsfeier für
Angestellte der Kirche, 1973).
Uns stehen gefährliche Zeiten bevor.
Das Gericht wird sich über die Bösen
ergießen. Die Mitglieder müssen die
Grundsätze der Rechtschaffenheit be-
folgen, wenn sie dem Unheil entrinnen
wollen, das die Propheten vorhergesagt
haben. Es ist noch viel zu tun, ehe unser
Herr und Erretter wiederkehrt. Es
stimmt, daß wir den genauen Zeitpunkt
seiner Wiederkunft nicht kennen. Bruce
R. McConkie hat gesagt: „Die genaue
Zeit seines Kommens ist absichtlich und
überlegt ungewiß geblieben, damit die
Menschen in jedem folgenden Zeitalter
sich so bereitmachten, als komme der
Herr zu ihren Lebzeiten" (Doctrinal
New Testament Commentary, Bd. 1, S.
675). Natürlich gibt es immer ein gewis-
154
ses Risiko, wenn wir im Zusammenhang
mit dem Wohlfahrtsprogramm von Pro-
phezeiungen sprechen, weil viele dann
anfangen, Mutmaßungen anzustellen.
Doch der Herr hat uns die Prophezeiung
gegeben, damit wir uns bereitmachen,
denn er hat gesagt: „Seid ihr aber
vorbereitet, so braucht ihr nichts zu
fürchten" (LuB 38:30).
Das Lagerhaus-Hilfssystem gibt uns die
Möglichkeit, die Grundsätze der Vor-
sorge, Liebe, Weihung, des Dienens und
Opferns anzuwenden. Nur auf dieser
Grundlage kann Zion jemals errichtet
werden. Ich bezeuge Ihnen, daß wir zwar
schwierigen Zeiten entgegensehen und
dies immer so sein wird, aber dies ist
Gottes Reich, sein Werk. Wir sind ein
Volk, und es ist gewiß, daß wir letztlich
mit dem Herrn siegen werden. Das
bezeuge ich Ihnen im Namen Jesu
Christi. Amen.
Die Zeit des Alters
Barbara B. Smith
Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung
cl eder muß sich auf das Alter vor-
bereiten — genauso wie wir die Men-
schen, die schon alt sind, lieben müssen.
, Jahre kommen, Jahre gehen — wie die
Zeit entflieht" (aus Anatevka).
Diese Zeilen erinnern mich an ein be-
freundetes Ehepaar, das genau wie die
Eltern in ,Anatevka' gar nicht merkte,
wie die Zeit verging. Der Mann war
ungefähr 63, die Frau 55 Jahre alt. Beide
waren gesund und glücklich und liebten
ihre Arbeit.
Eines Tages erfuhr der Mann, daß er
sich sofort zur Ruhe setzen mußte. An
dem ersten Montagmorgen seines Ruhe-
standes sah der Mann zu, wie seine Frau
sich anschickte, zur Arbeit zu gehen. Da
wurde ihm klar, daß er allein zu Hause
sein würde, ohne etwas zu tun zu haben!
Er hatte keine Arbeit, keine Hobbys,
keine besonderen Interessen und keine
Pläne für die Zukunft. Als er seiner Frau
an diesem Morgen zur Tür folgte, rief er
voller Angst: „Was soll mit mir werden?
Was kann ich tun?"
In der Tat, was gab es für diesen Mann
zu tun, der an einem Tage auf dem
Höhepunkt seiner Karriere stand und
am nächsten Tag zu den älteren Arbeits-
losen gehörte? Er mußte versuchen, ein
neues Leben für sich aufzubauen, wollte
er nicht dahinvegetieren und sterben.
Leider muß ich hinzufügen, daß er nach
kurzer Zeit gestorben ist.
Nun gibt es Menschen, die sagen wür-
den, daß diese Krise im Leben meiner
Freunde unvermeidbar war. Das stimmt
natürlich. Das Altwerden ist ein natürli-
cher Vorgang.
N. Eldon Tanner hat geraten: „Leute
jeden Alters müssen sich darüber klar-
werden, daß sie eines Tages alt sein
könnten . . . Auf diese Zeit sollten wir
uns alle vorbereiten."
Unser Leben in den späteren Jahren
wird durch viele verschiedene Umstände
und Faktoren beeinflußt. Aber es be-
steht ein Zusammenhang zwischen
unserer Vorbereitung auf das Alter und
der Freude, die wir dann haben. Im
Buch , Lehre und Bündnisse' lesen wir:
„Seid ihr aber vorbereitet, so braucht ihr
nichts zu fürchten" (LuB 38:30).
Darf ich einiges vorschlagen, wie wir uns
vorbereiten können?
Als erstes können wir jetzt beginnen,
eine gute Einstellung zu diesen späteren
Jahren zu gewinnen. Wir können lernen,
Weisheit, Erfahrung und Wert alter
Menschen zu achten. Wir können unsere
Familienabende festigen und erkennen,
welche Vorteile es bringt, wenn sich viele
Generationen in einer Familie ver-
einigen: Kinder, Jugendliche, Erwachse-
ne - - zu denen auch die älteren Leute
gehören.
155
Wenn die Familie sorgfältig die Be-
treuung älterer Familienmitglieder
plant, wird dies ihr Leben bereichern
und die Liebe festigen. Es gibt keine
bessere Möglichkeit, die Kinder zu leh-
ren, daß man alte Menschen achten muß
und daß jeder sich auf diese Zeit im
Leben vorbereiten muß, als wenn sie
helfen, für ihre alten Verwandten zu
sorgen.
Zweitens können wir lernen, uns finan-
ziell vorzubereiten, indem wir nicht über
unsere Verhältnisse leben und für die
Zeit sparen, wo wir nichts mehr ver-
dienen werden.
Drittens können wir es uns zur lebens-
langen Gewohnheit machen, anderen zu
dienen. Die späteren Jahre bringen uns
noch mehr Zeit zum Dienen, weil wir die
Stunden, in denen wir sonst unseren
Lebensunterhalt verdient oder unsere
Kinder erzogen haben, nun verwenden
können, das Leben anderer Menschen
durch Dienen in Kirche und Gemein-
wesen zu verschönern.
Wir können auch unser eigenes Leben
bereichern, wenn wir uns neue Fähigkei-
ten aneignen, nachdem wir nicht mehr
im Beruf tätig sind. Lernen soll eine
lebenslange Beschäftigung sein.
Endlich zahlt sich eine gesunde Lebens-
weise in späteren Jahren aus. Wir kön-
nen unsere Gesundheit steigern, wenn
wir das Wort der Weisheit befolgen,
ausgewogen essen, unsere Zähne pfle-
gen, auf unser Gewicht achten, für
genügend Schlaf und Ruhe sorgen,
regelmäßig etwas dafür tun, um fit zu
bleiben, und uns medizinisch betreuen
lassen.
Einige, die ins Rentenalter kommen,
haben anscheinend das Gefühl: „Ich
habe meinen Teil getan. Nun sind die
anderen an der Reihe." Aber solche
Zurückgezogenheit kann nach Ansicht
von Gerontologen und anderen, die sich
mit alten Menschen befassen, tatsäch-
lich den Altersprozeß beschleunigen.
Meine Tante Martha ist fast 95 Jahre alt.
Aber den meisten würde es schwerfallen,
mit ihr mitzuhalten. Sie findet un-
entwegt etwas zu tun. Sie besucht städti-
sche Versammlungen. Sie studiert die
Leseaufträge für die Kirche und arbeitet
in der Klasse mit. Wenn jemand in Not
ist, dann ist sie die erste, die Dienst am
Nächsten leistet. Ich habe schon von
vielen Leuten gehört, daß die heiße
Suppe, die sie gebracht hat, gerade das
war, was sie brauchten. War es die
Nahrung oder das liebevolle Interesse,
das so gut geholfen hat?
Die Schwestern, deren Besuchslehrerin
sie ist, wissen, daß sie schon am Anfang
des Monats zu ihnen kommen wird.
Jedesmal, wenn sie zum Tempel geht,
bleibt sie etliche Sessionen lang dort. Sie
ist ständig genealogisch tätig, hilft bei
der Hausarbeit und im Garten.
Aber ich glaube, ihre größte Freude ist
die Missionsarbeit. Sie hat mit 75 Jahren
in Südkalifornien eine Mission erfüllt,
und seitdem hat sie wahrscheinlich keine
einzige Möglichkeit versäumt, das
Evangelium an andere heranzutragen.
156
Sie liebt und wird geliebt. Sie ist dankbar
für das Leben und nutzt jeden Augen-
blick voll aus.
Priestertumsführer und FHV-Beamtin-
nen müssen erkennen, welche großen
Möglichkeiten solche Menschen wie
Tante Martha darstellen, die schon älter
sind und dienen können. Neben den
althergebrachten Aufträgen für ältere
Menschen schlagen wir vor, daß sie
Kindern, die Aufsicht brauchen, die
Großeltern ersetzen können, daß sie
Kleingruppenkurse in Stricken, Häkeln,
Brotbacken, Steppdeckennähen und
Gartenarbeit und anderen Fächern hal-
ten können, in denen junge Frauen oft
unwissend sind. Sie können Sehbe-
hinderten vorlesen, Familien- und
Gemeindegeschichtsberichte zusam- -
menstellen, Briefe für diejenigen schrei-
ben, die dabei Hilfe brauchen, oder
Analphabeten lesen und schreiben lehr-
en.
Für diejenigen, die Zeit und Fähigkeiten
anbieten können, tut sich eine wunder-
bare Welt des Dienens auf!
Bis jetzt habe ich über die älteren
Menschen gesprochen, die sich noch
selbst versorgen können, aber es gibt
viele, die von anderen abhängig sind.
Manche sind teilweise bettlägerig, an-
dere senil oder körperlich behindert.
Diese alten Menschen dürfen nicht
vernachlässigt werden. Manche können
zu Hause versorgt werden, wenn sie
jeden Tag Essen geliefert bekommen,
wenn man für sie einkauft, die Wohnung
saubermacht, und der Arzt sie regel-
mäßig besuchen kann, während andere
24 Stunden lang gepflegt und be-
aufsichtigt werden müssen. Oft versorgt
die Familie solche alten Angehörigen
liebevoll, braucht aber doch noch
Unterstützung von außen.
Priestertumsführer und FHV-Beamtin-
nen sollen besonders darauf achten, was
solche Familien brauchen.
Der abhängige alte Mensch braucht die
Freundlichkeit und Aufmerksamkeit
liebevoller Freunde und der Besuchs-
lehrerinnen und der Heimlehrer. Eine
Frau braucht vielleicht ein paar Stunden
Entspannung von der ständigen Pflege
eines älteren Menschen, genauso wie
eine junge Mutter von der ständigen
Sorge für ihre kleinen Kinder. Der
Dienst am Nächsten im Auftrag der
FHV kann die natürliche Antwort auf
diese Hilferufe sein.
In bestimmten Fällen können alte Men-
schen vielleicht nur in einem Pflegeheim
richtig versorgt werden. Wenn das not-
wendig sein sollte, können Priestertums-
führer und FHV-Beamtinnen der Fami-
lie helfen festzustellen, welches Heim am
besten geeignet ist.
Wenn ein Familienmitglied in ein sol-
ches Heim gekommen ist, müssen Fami-
lie und Kirche es weiterhin unterstützen,
indem sie durch Besuche und andere
Gesten Liebe und Interessen zeigen. Für
Schwestern in solchen Heimen können
die Besuchslehrerinnen und, wo ange-
bracht, besondere FHV-Versamm-
lungen im Heim, viel Segen bringen.
Wenn die Zeit des Alters über uns
kommt — und sie kommt bestimmt,
denn „schnell vergeht die Zeit", wie es in
dem Lied heißt, dann müssen wir sie mit
Mut und Glauben empfangen und dar-
auf vorbereitet sein. Zu all dem, was wir
für uns und unsere Familie tun, müssen
wir der Alten gedenken mit dem Geist
der Liebe Christi, in dessen Werk wir
stehen.
Möge der Ruf des Psalmisten in unse-
rem Herzen widerhallen: „Verwirf
mich nicht in meinem Alter, verlaß mich
nicht, wenn ich schwach werde" (Psalm
71:9).
Dies bitte ich demütig im Namen Jesu
Christi. Amen.
157
Wohlfahrtsdienst beginnt bei Ihnen
A. Theodore Tuttle
von der Präsidentschaft des Ersten Kollegiums der Siebzig
U,
nsere Generation ist geduldig länger
als 40 Jahre lang belehrt worden — jetzt
ist es nicht mehr freigestellt, sondern
jetzt hängt alles davon ab!
In Südamerika sahen wir eines Tages in
einem heißen Dschungel ein kleines
graubraunes Tier kopfüber von einem
Baum hängen. Es hatte ziemlich lange
Vorderpfoten und kurze Hinterbeine. Es
bewegte sich so langsam, daß man nur
schwer feststellen konnte, ob es lebte
oder tot war. Uns wurde gesagt, daß es
ein Faultier sei. Das interessierte mich,
weil in den heiligen Schriften oft von
Faulheit und Trägheit gesprochen wird.
Der Herr gebrauchte dieses Wort mit
Verachtung und bezog es auf Menschen,
die langsam waren zu handeln.
Als das Wohlfahrtsprogramm in den
30er Jahren dieses Jahrhunderts be-
gonnen wurde, hatte es das Ziel, den
Fluch des Müßiggangs auszurotten,
Selbstachtung wiederherzustellen und
den Menschen zu helfen. Die Grund-
prinzipien des Wirtschaftssystems des
Herrn waren dem Propheten Joseph
Smith schon früher offenbart worden.
Fast alles, was seitdem geschehen ist,
sollte uns auf die Zeit vorbereiten, wo
dieses Programm in weit größerem Aus-
maß gebraucht werden würde. In den
dazwischenliegenden Jahren sind viele
großartige Grundsätze erklärt worden.
Ich will sie kurz wiederholen.
Präsident Grant hat gesagt: ,,Die Kirche
braucht Segnungen, und die einzige Art,
wie wir sie empfangen können, ist durch
das Befolgen der Gebote, auf denen
diese Segnungen beruhen. Das grund-
legende Gesetz, das sich auf die Wohl-
fahrt unseres Volkes bezieht, ist das
Fastopfer. Wir betonen, daß das Fast-
opfer gezahlt werden soll, weil wir die
Segnungen brauchen, die wir dadurch
erhalten."
Präsident Clark hat uns geraten: ,, Leben
Sie nicht über Ihre Verhältnisse! Zahlen
Sie Ihre Schulden ab! Machen Sie keine
Schulden! Legen Sie etwas beiseite für
schlechte Zeiten, die immer gekommen
sind und wieder kommen werden! Ge-
wöhnen Sie sich an Fleiß. Sparsamkeit,
Wirtschaftlichkeit, Genügsamkeit!"
(Herbst-Generalkonferenz 1937).
„Jeder Haushaltsvorstand soll dafür
sorgen, daß er genug Nahrung, Klei-
dung und nach Möglichkeit auch Heiz-
material für mindestens ein Jahr zur
Verfügung hat . . . Jeder, der ein Stück
Garten hat, soll ihn bebauen; jeder, der
eine Farm besitzt, sie bewirtschaften"
(Frühjahrs-Generalkonferenz 1937).
„Bargeld ist weder Nahrung noch Klei-
dung, weder Kohlen noch Unterkunft;
und es hat schon Zeiten gegeben, daß
158
man — ganz gleich, wieviel Bargeld man
hatte - - dies alles nicht in der Menge
besorgen konnte, wie man es gebraucht
hätte ... Man kann sich nur auf das
verlassen, was man selbst herstellt.
Wir müssen aus unserem Herzen die
Neigung zum bequemen Leben aus-
rotten, den Fluch der Trägheit aus-
merzen. Gott hat erklärt, daß der sterb-
liche Mensch sein Brot im Schweiße
seines Angesichts essen solle. Das ist das
Gesetz dieser Welt" (ebd.).
„Viele von uns sind noch nicht bereit,
sich zu beherrschen, so daß wir nicht nur
alle unsere Ersparnisse, sondern auch
unseren ganzen Verdienst ausgeben und
darüber hinaus noch durch Ratenkäufe
Schulden machen" (Frühjahrs-General-
konferenz 1948).
Die Schwestern werden sich freuen, die
folgenden Worte noch einmal zu hören:
„Wenn es in der Kirche einen Bischof
gibt, der denkt, daß er ohne die FHV
auskommen kann, dann kennt er seine
Arbeit noch nicht richtig. Und wenn er
ohne die FHV auskommt, dann tut er
seine Arbeit nicht" (ebd.)
Harold B. Lee hat gesagt: „Der
Priestertumsführer und seine Frau er-
langen nur gemeinsam die Erhöhung.
Das Priestertum und die Schwestern
müssen in der Wohlfahrt zusammen-
arbeiten. Ohne diese Zusammenarbeit
würden wir niemals das erreichen, was
wir im Wohlfahrtsprogramm tun."
Präsident Lee hat auch gesagt: „Denken
Sie daran, daß das Wohlfahrts-
programm der Kirche bei Ihnen per-
sönlich beginnen muß. Es muß bei
jedem Mitglied der Kirche beginnen . . .
Sie müssen für sich selbst handeln und
sich beteiligen, bevor das Wohlfahrts-
programm in Ihrer Familie zur Anwen-
dung kommt. Wenn es sich von dort aus
in die Kollegien und zu gemeinsamer
Anstrengung ausweitet, werden wir
gewaltige Ergebnisse erzielen."
Weiter hat er gesagt: „Möge der Herr
uns helfen, diese Grundsätze zu ver-
stehen, und uns zu jener Bestimmung
führen, die darin besteht, daß wir unser
Leben und alles, was wir haben oder
sind, dem Aufbau des Reiches Gottes
weihen. Nur so können wir den Glauben
entfalten, den wir zur Erhöhung im
celestialen Reich brauchen."
Bruder Romney hat gesagt: „Geschichte
und Offenbarungen — und ich darf
wohl hinzufügen, der gesunde Men-
schenverstand — bezeugen uns, daß
keine Zivilisation lange bestehen kann,
wenn ihr der heutige Wohlfahrtsstaat
weiterhin zugrunde liegt.
Babylon wird vernichtet werden, und
groß wird sein Fall sein (LuB 1:16).
159
Aber lassen Sie sich nicht entmutigen.
Zion wird nicht untergehen, denn Zion
wird auf den Grundsätzen der Liebe zu
Gott und den Mitmenschen und auf
ernsthafte Arbeit gegründet, wie Gott es
geboten hat . . .
Während wir am Aufbau Zions arbei-
ten, dürfen und werden wir die Grund-
prinzipien, auf denen die Wohlfahrts-
dienste der Kirche beruhen, nicht auf-
geben: die Liebe zu Gott und den
Mitmenschen und die Arbeit" (Früh-
jahrs-Generalkonferenz 1976).
An anderer Stelle hat Marion G. Rom-
ney gesagt: „Fast vom Anbeginn meiner
Arbeit im Rahmen der Wohlfahrt der
Kirche habe ich die Überzeugung ge-
wonnen, daß das, was wir darin tun, nur
eine Vorbereitung auf die Wieder-
herstellung des Gesetzes der Weihung
und der Verwalterschaft darstellt, wie es
unter der Vereinigten Ordnung erforder-
lich ist. Wenn wir nur immer dieses Ziel,
auf das wir hinarbeiten, im Auge be-
halten, werden wir niemals in dieser
großartigen Arbeit vom richtigen Weg
abweichen" (ebd. Okt. 1977).
Liebe Brüder, achten Sie jetzt auf den
Ratschlag, den Alma den Führern der
Kirche gibt: „Und er befahl ihnen (den
Führern der Kirche), nichts zu lehren als
das, was er gelehrt hatte und was durch
den Mund der heiligen Propheten ge-
sprochen worden war" (Mosiah 18:19).
Wir unterstehen derselben Ver-
pflichtung.
Bruder Tanner hat gesagt, daß Marion
G. Romney die größte und am besten
informierte Autorität bezüglich des
Wohlfahrtsprogramms sei, die es heute
160
in der Kirche gebe. In den letzten Jahren
hat Bruder Romney die Grund-
prinzipien des Wohlfahrtsprogramms
neu formuliert und erläutert. Die
wichtigsten Reden von den Wohlfahrts-
sessionen der letzten fünf Konferenzen
sind im , Stern' gedruckt worden.
Die Kollegiumspräsidenten müssen die
vorbeugenden Aspekte des Wohl-
fahrtsprogramms verwirklichen, indem
sie diese Prinzipien lernen, lehren und
anwenden. Wenn Probleme auftauchen,
müssen sie sie einer dauerhaften Lösung
zuführen: Wenn ein Mitglied der Kirche
Hilfe braucht, soll es schließlich dahin
gebracht werden, daß es wieder für sich
selbst sorgen kann. Das ist die Aufgabe
der Priestertumskollegien, wie Bruder
Hinckley es vor sechs Monaten so schön
veranschaulicht hat. Das Kollegium
muß seinen schwachen Mitgliedern hel-
fen.
Ähnlich fällt den Kollegiumsführern des
Aaronischen Priestertums — die Bi-
schofschaft natürlich eingeschlossen —
die Aufgabe zu, mehr als eine halbe
Million junger Menschen, Jungen und
Mädchen, die Wohlfahrtsgrundsätze zu
lehren.
Oft hören wir die Jugendlichen fragen:
„Was können wir tun?" Zusätzlich zum
Einsammeln des Fastopfers durch die
Diakone bieten die Wohlfahrtsdienste
ein großartiges Betätigungsfeld für die
jungen Leute.
Brüder, nehmen Sie die ausgezeichneten
Aktivitäten, die im Handbuch für das
Aaronische Priestertum und in der An-
leitung zur Durchführung von Aktivi-
täten vorgeschlagen werden, in Ihr Pro-
gramm auf! Als Beispiel nenne ich Ihnen
ein paar nützliche und interessante
Möglichkeiten, wie Jugendliche sich an
der häuslichen Bevorratung und an den
Wohlfahrtsdiensten beteiligen können:
Nahrungsmittel und Wasser lagern,
Feuerholz stapeln und Brennmaterial
aus Zeitungen herstellen, alle Besitz-
tümer der Familie aufschreiben, einen
Garten anbauen, einen Komposthaufen
und eine Vorratsgrube im Freien an-
legen, Vergleiche ziehen, wo man am
günstigsten einkaufen kann, sich über
richtige Ernährung informieren, das
Haus sauberhalten, eine elektrische Lei-
tung reparieren, einen Wasserhahn aus-
wechseln, ein Haus innen und außen
anstreichen und ein Fest der Heimge-
staltungsgeschicklichkeiten durch-
führen.
Zu jedem dieser Vorschläge gehören
noch weitere Projekte, die Spaß machen
und nützlich sind.
Brüder und Schwestern, ich habe einen
kurzen Überblick über diese Prinzipien
gegeben. Sie sind vortrefflich. Sie kön-
nen danach handeln.
Jetzt möchte ich Ihnen noch eine War-
nung mitgeben. Das Wort , träge' oder
,Trägheit' erscheint 25mal in den heili-
gen Schriften, meistens, um diejenigen
zu verdammen, die langsam im Handeln
sind. Als wir dieses Faultier beob-
achteten, das da am Baum hing, faßte es
ganz langsam nach einem Blatt, riß es ab
und steckte es sich dann noch langsamer
in den Mund.
Als wir ihm so zusahen, verstanden wir,
wie unzufrieden der Heiland mit einem
Menschen sein muß, der langsam zu
handeln und träge ist.
Brüder und Schwestern, unsere
Generation ist mehr als 40 Jahre lang
geduldig belehrt worden. Jetzt ist es uns
nicht mehr freigestellt, ob wir diese
Prinzipien lernen und anwenden wollen,
sondern jetzt hängt alles davon ab!
Dieses Werk ist göttlich. Es wird uns
erlösen und erhöhen. Diese Erhöhung
kommt, wenn wir nach diesem Gesetz
leben. Mögen wir dieser Aufforderung
in Einigkeit nachkommen und danach
leben, bitte ich im Namen Jesu Christi.
Amen.
161
Auf Liebe begründet
Victor L. Brown
Präsidierender Bischof
E
in Aufruf an alle, die dazu in der Lage
sind, begeistert für Deseret-lndustrie zu
spenden und dort zu kaufen.
Heute möchte ich von einer Abteilung
der Wohlfahrtsdienste sprechen, die sel-
ten erwähnt wird, und doch bringt sie
durch ihre Organisation und ihre Aktivi-
täten alle, die daran beteiligt sind — die
Gebenden und die Empfangenden —
dem Heiland so nahe; denn sie ist auf
Liebe begründet und für ganz besondere
Menschen geschaffen. Dort bekommt
vielleicht jemand zum erstenmal das
Gefühl, daß er doch etwas wert ist — wo
die Umgebung geeignet ist, Selbst-
achtung zu gewinnen;
wo mangelnde Ausbildung, Geschick-
lichkeit oder Fähigkeit nicht als Manko
angesehen wird;
wo der Mensch mit liebevoller Fürsorge
behandelt wird, auch wenn er geistige
oder körperliche Beschränkungen hat;
wo jemand durch seine Beteiligung, ganz
gleich, wie bescheiden, das Gefühl er-
langt, daß er gebraucht wird und wichtig
ist;
wo jeder Arbeitstag mit einer Morgen-
andacht beginnt.
Diese auf Liebe begründete Einrichtung
für besondere Menschen ist die Deseret-
lndustrie. Die Deseret-lndustrie zeigt
den Geist der Lehren des Heilands in
konzentrierter Form und ist ein beson-
ders erregender Aspekt der Wohlfahrts-
dienste. Was sie so besonders erregend
macht, ist der Einfluß, den sie auf die
Menschen hat, die dort dienen.
Ihr Vorbild an Glauben, Unab-
hängigkeit und Entschlossenheit ist uns
allen ein Leitstern. Ich will Ihnen ein
wenig genauer berichten, was mit den-
jenigen geschieht, die für die Deseret-
lndustrie arbeiten. Ein Vater erzählt
folgendes von seinem Sohn:
Der älteste von unseren drei Söhnen ist
für unsere Familie ein besonderer Segen.
Er ist 31 Jahre alt und hat einen
Geburtsschaden. Dabei wurde sein Ge-
hirn verletzt, und er kann seine Muskeln
nicht richtig koordinieren und nicht
sprechen. Geistig ist er völlig normal.
Er ist einer der großartigsten Menschen,
die ich jemals gesehen habe. Mike ist
immer zufrieden. Er ist dankbar für
alles, was man für ihn tut, und klagt
niemals. Er hat ein starkes Gefühl für
Recht und Ordnung und ist immer auf
der Seite des Rechts. Er hat mehr dazu
beigetragen, daß ich mich der Kirche
angeschlossen habe, als alles andere. Ich
habe dadurch, daß ich für ihn gebetet
habe, viel über das Beten gelernt.
Als unser Deseret-Industrie-Betrieb fast
fertig war, meinte der Bischof, daß Mike
vielleicht dort Arbeit finden könnte.
162
Weder meine Frau noch ich mochten
uns vorstellen, daß wir ihn irgendwohin
bringen und dort lassen könnten, aber
nachdem wir mit dem Bischof und dem
Pfahlpräsidenten gesprochen hatten, be-
schlossen wir, es doch zu versuchen.
Es stellte sich heraus, daß dies einer der
wichtigsten Schritte in unserem und
Mikes Leben war. Zuerst ließen sie ihn
Schuhe färben, aber er brachte mehr
Farbe auf sich selbst als auf die Schuhe.
Deswegen ließen sie ihn Geschirr abwa-
schen. Er muß zuviel zerbrochen haben,
denn sie teilten ihn dann zum Sortieren
von Lumpen ein. Jetzt schneidet er
Knöpfe ab und erhält dafür 80 Cents die
Stunde. Können Sie sich vorstellem, wie
viele Knöpfe den Gegenwert von 80
Cents darstellen? Ich bezweifle, daß ein
normaler Mensch in der Stunde Knöpfe
im Wert von 80 Cents abschneiden
könnte! Aber die Deseret-lndustrie hat
hauptsächlich Interesse daran, den
Menschen das Gefühl zu geben, daß sie
nützlich sind, und sie dadurch froh zu
machen.
Wenn Sie ein geistiges Erlebnis haben
möchten, dann besuchen Sie die Dese-
ret-lndustrie, und sehen Sie, wie diejeni-
gen, die dort arbeiten, einander Liebe
entgegenbringen und wie glücklich sie in
ihrer Arbeit sind."
Im Mittelpunkt von allem, was die
Deseret-lndustrie tut, steht das Erwa-
chen zu einem Gefühl des persönlichen
Werts. Wenn man sieht, wie alle nach
der Morgenandacht Arm in Arm zu
ihrer Arbeitsstätte gehen, spürt man eine
tiefe Liebe.
Jim Clegg, der Leiter der Deseret-ln-
dustrie in Murray, besuchte eine
Abendmahlsversammlung in der Ge-
meinde seines Sohnes, wo das Pro-
gramm von einigen behinderten Jugend-
lichen gestaltet wurde.
Als Abschluß sollte eine liebe mongolo-
ide Schwester ein Solo singen. Bruder
Clegg wußte, daß diese junge Schwester
singen konnte, weil sie im Chor der
Deseret-lndustrie mitsang, aber er wuß-
te nicht, daß ein 70j ähriger Bruder sie
geschult hatte, weil er ihre stimmliche
Begabung erkannt hatte.
Als sie aufstand um zu singen, erkannte
sie Bruder Clegg unter den Zuhörern
und rief: ,,Da ist mein Deseret-ln-
dustrie-Leiter, da hinten!" Dann erzähl-
te sie, daß die Deseret-lndustrie der
schönste Ort auf der ganzen Welt wäre.
Als sie dann sang: ,,Ich bin ein Kind des
Herrn", zweifelte niemand unter den
Zuhörern daran, daß die Deseret-ln-
dustrie der schönste Ort auf der Welt sei.
Die Deseret-lndustrie wurde im Mai
1938 gegründet. Die Erste Präsident-
schaft stellte ihre Satzungen auf, um
denjenigen, die etwas haben, die Mög-
lichkeit zu geben, mit denen zu teilen, die
nichts haben, indem sie Kleidung. Mö-
bel, Geräte usw. der Deseret-lndustrie
spenden wo deren Renovierung
Unbeschäftigte beschäftigen würde und
die wieder brauchbaren Sachen zu er-
schwinglichen Kosten zur Verfügung
gestellt werden.
Obgleich es so scheint, als ob der
Hauptzweck der Deseret-lndustrie die
Beschäftigung ist, so ist sie doch nur
Mittel zu einem Zweck - dem Zweck,
den Menschen durch Arbeit zum Segen
zu gereichen. Es werden nicht nur die-
jenigen gesegnet, die arbeiten, sondern
auch diejenigen, die geben. Die Deseret-
lndustrie würde nicht funktionieren oh-
ne die Großzügigkeit derjenigen, die
Güter und Materialien spenden, die
dann ausgebessert und repariert werden.
Der nächste Schritt ist offensichtlich:
Diese Sachen müssen verkauft werden.
Vielleicht interessiert es Sie, was seit dem
Beginn vor 40 Jahren in der Deseret-
lndustrie geschehen ist. Am 17. März
1978 gab es 1700 behinderte Beschäftig-
te in 22 Deseret-Industrie-Betrieben und
163
Zweigstellen. Ungefähr 60 Prozent des
Bruttoeinkommens wird für den Lohn
der Behinderten verbraucht. Gegen-
wärtig haben wir Einheiten in Utah,
Idaho, Arizona, Kalifornien, und bald
werden in Oregon, Colorado und Neva-
da Betriebe eröffnet.
Ich spreche heute aus zwei Gründen
über die Deseret- Industrie: erstens, da-
mit diejenigen von Ihnen, die jetzt oder
in naher Zukunft Deseret-Industrie-Be-
triebe in der Nähe haben, die Mitglieder
in Ihren Gemeinden und Pfählen an-
regen, sich für dieses Programm zu
begeistern, indem sie erst etwas spenden
und außerdem dort etwas kaufen; und
zweitens, um die Priestertumsführer in
Gebieten, wo es keine Deseret-Industrie
gibt, anzuhalten, genau zu prüfen, ob
nicht die Zeit gekommen ist, auch in
Ihrem Gebiet einen Betrieb der Deseret-
Industrie zu gründen. Wenn Sie meinen,
es sei soweit, wenden Sie sich auf dem
vorgeschriebenen Wege an die
Wohlfahrtsdienste.
Wir sind uns darüber im klaren, daß es
viele Gebiete der Kirche gibt, wo es
wegen der geringen Mitgliederzahl nicht
sinnvoll wäre, das Programm zum
gegenwärtigen Zeitpunkt einzuführen.
Aber dann ist es angebracht, daß Sie
Ihren ganzen Einfallsreichtum auf-
wenden, um die Brüder und Schwestern
an den segensreichen Grundsätzen teil-
haben zu lassen, die wir besprochen
haben.
Ich möchte mit einem weiteren Erlebnis
schließen. Ich möchte Ihnen von einem
älteren Bruder erzählen, der in einem
Pflegeheim saß und Tag um Tag und
Woche um Woche vor sich auf den
Fußboden starrte. Jemand, der ihn lieb-
te und die Deseret-Industrie kannte,
sorgte dafür, daß er zur Arbeit dorthin
kam. Es begann damit, daß der Auf-
seher ihm einen breiten Besen in die
Hand drückte, ihn an ein Ende des
164
Korridors stellte und ihn den Besen bis
ans andere Ende des Korridors vor sich
herschieben ließ. Dann drehte er ihn
herum und ließ ihn den Besen wieder
zurückschieben. Das tat er immer wie-
der.
Im Verlauf dieser Tätigkeit regte sich ein
Funken Interesse an irgendetwas in
seinem Auge, er hob das Auge vom
Fußboden. Er sah die Wände, und er sah
die Fenster. Als dieser Vorgang sich
fortsetzte, entwickelte sich allmählich
ein Gefühl, das jeder braucht. Es dauerte
nicht lange, bis er andere Aufträge
erhielt, die er sehr gut ausführte. Mit der
Zeit waren sein Glaube an sich und sein
Selbstgefühl wiederhergestellt. Er konn-
te andere beaufsichtigen.
Möge der Herr diese wunderbaren,
besonderen Menschen segnen, und mög-
en wir als ihre Führer gesegnet werden,
damit wir durch die Arbeit des
Wohlfahrtsprogramms ihr Leben be-
reichern können. Das bitte ich im Na-
men Jesu Christi. Amen.
Seelische Probleme nach des Herrn
Weise lösen
Boyd K. Packer
vom Rat der Zwölf
^ m ir brauchen einen Vorrat an
seelischer Unabhängigkeit bei jedem zu
Hause, nicht nur im Büro des Bischofs."
Immer mehr Mitglieder, die sich an
ihren Bischof um Rat wenden, haben
seelische Probleme, nicht einen Mangel
an Kleidung oder Nahrung.
Ich möchte daher über das Thema
sprechen: seelische Probleme nach des
Herrn Weise lösen.
Glücklicherweise lassen sich die Prinzi-
pien der zeitlichen Wohlfahrt genauso
auf seeelische Probleme anwenden.
Die Kirche hat erst zwei Jahre be-
standen, als der Herr offenbarte: „Der
Müßiggänger soll in der Kirche keinen
Platz haben, es sei denn, er tue Buße und
bessere sich" (LuB 75:29).
Im Wohlfahrtshandbuch lesen wir:
„Das Ziel der Kirche ist es, den Men-
schen zu zeigen, wie sie sich selbst helfen
können" (S. 2).
Es ist uns einigermaßen gut gelungen,
die Heiligen der Letzten Tage zu lehren,
daß sie selbst für ihren Lebensunterhalt
aufkommen und darüber hinaus zur
Wohlfahrt derjenigen beitragen sollen,
die nicht für sich selbst sorgen können.
Wenn ein Mitglied sich nicht selbst
unterhalten kann, soll es sich an seine
Familie, dann an die Kirche wenden, in
dieser Reihenfolge, und nicht an den
Staat.
Wir haben den Bischöfen und den
Pfahlpräsidenten geraten, sehr vorsich-
tig zu sein, damit das Wohlfahrts-
programm nicht mißbraucht wird.
Wenn Leute imstande, aber nicht willens
sind, für sich selbst zu sorgen, dann
haben wir die Pflicht, uns an des Herrn
Wort zu halten, daß der Müßiggänger
nicht das Brot des Arbeiters essen soll
(LuB 42:42).
Die einfache Regel lautet, daß man für
sich selbst sorgen soll.
Als das Wohlfahrtsprogramm der Kir-
che 1936 zum erstenmal verkündet wur-
de, sagte die Erste Präsidentschaft:
„Unser oberstes Bestreben war es, so-
weit dies überhaupt möglich ist, ein
System einzuführen, unter dem der
Fluch des Müßiggangs und die Übel des
Almosenempfangs abgeschafft und
Unabhängigkeit, Fleiß, Sparsamkeit
und Selbstachtung wieder unter unse-
rem Volk aufgerichtet würden. Das Ziel
der Kirche ist es, den Menschen zu
zeigen, wie sie helfen können" (Herbst-
Generalkonferenz 1936).
Gelegentlich fühlt sich jemand wegen
des Wohlfahrtsprogramms zur Kirche
hingezogen. Man sieht die materielle
Sicherheit.
165
Zu solchen Leuten sagen wir: „Ja,
schließen Sie sich ruhig aus diesem
Grund der Kirche an! Wir können jede
Hilfe gebrauchen. Wir werden Sie dau-
ernd auffordern, anderen zu helfen."
Interessant, wie die Begeisterung für die
Taufe oft nachläßt!
Es ist ein System der Selbsthilfe und
nicht ein System, wo schnell Almosen
verteilt werden. Bevor etwas gegeben
wird, muß sorgfältig zusammengestellt
werden, welche Hilfsmittel man selbst
und in der Familie zur Verfügung hat,
und sie müssen zuerst eingesetzt werden.
Der Bischof, der verlangt, daß ein Mit-
glied, soweit es dazu in der Lage ist, für
das arbeitet, was es von der Kirche
bekommt, ist weder unfreundlich noch
gefühllos.
Ein Mitglied soll sich keinesfalls be-
schämt fühlen, wenn es von der Kirche
unterstützt wird, vorausgesetzt, daß es
selbst alles beigetragen hat, was in seiner
Macht steht. Marion G. Romney hat
betont: „Wenn man unter anderen
Voraussetzungen für die Leute sorgt,
schadet man ihnen mehr, als man ihnen
nützt" (Herbst-Generalkonferenz 1974).
Der Grundsatz der persönlichen Unab-
hängigkeit ist grundlegend für ein glück-
liches Leben. Wir entfernen uns an zu
vielen Orten und auf zu viele Arten
davon.
Was ich sagen möchte, ist im wesent-
lichen: Dasselbe Prinzip — Unabhän-
gigkeit - - ist auch in geistig-seelischer
Hinsicht anwendbar.
Wir sind gelehrt worden, einen Jahres-
vorrat an Kleidung, Nahrung und nach
Möglichkeit auch Heizmaterial zu la-
gern - - und zwar zu Hause!
Man hat nicht versucht, in jedem
Gemeindehaus Lagerräume zu schaffen.
{pHCö
166
Wir wissen, daß im Ernstfall die Mit-
glieder vielleicht gar nicht mehr zum
Gemeindehaus gelangen können, um
sich Vorräte zu holen.
Erkennen wir nicht, daß dasselbe Prin-
zip sich auf Inspiration und Offen-
barung, auf das Lösen von Problemen
und auf Beratung und Führung an-
wenden läßt?
Wir brauchen einen Vorrat davon bei
jedem zu Hause, nicht nur im Büro des
Bischofs.
Wenn das nicht der Fall ist, sind wir
geistig so gefährdet, wie es der Fall wäre,
wenn wir uns darauf verließen, daß die
Kirche in materieller Hinsicht schon für
uns sorgen würde.
Wenn wir nicht aufpassen, tun wir uns
seelisch (und damit geistig) dasselbe an,
das wir auf materiellem Gebiet seit
Generationen zu vermeiden gewußt ha-
ben.
Anscheinend entwickelt sich eine Seuche
des Ratsuchens, die die geistige Kraft
der Kirche verbraucht, genauso wie die
einfache Erkältung die Menschheit
mehr Kraft kostet als jede andere
Krankheit.
Manche mögen sagen, daß das keine
ernsthafte Gefahr sei, aber es ist eine!
Auf der einen Seite raten wir den
Bischöfen, Mißbrauch der Wohlfahrts-
hilfe zu vermeiden. Auf der anderen
Seite verteilen einige Bischöfe großzügig
Rat an die Mitglieder, ohne zu be-
denken, daß diese ihre Probleme selbst
lösen sollen.
Es gibt viele chronische Fälle
Menschen, die unentwegt Rat suchen,
aber niemals die Ratschläge befolgen,
die sie erhalten.
Ich habe gelegentlich bei einer Unter-
redung die Frage gestellt: „Sie wollen
Rat von mir haben. Haben Sie die
Absicht, den Rat zu befolgen, den ich
Ihnen gebe, wenn wir Ihr Problem
sorgfältig untersucht haben?"
Das überrascht die Ratsuchenden. Dar-
an haben sie nie geacht. Im allgemeinen
verpflichten sie sich dann, den Rat zu
befolgen.
Dann kann man Ihnen leichter zeigen,
wie sie sich selbst helfen können und,
was noch mehr ist, wie sie anderen helfen
können. Das ist die beste Therapie.
Bildlich gesprochen, hat mancher Bi-
schof auf der Kante seines Schreib-
tisches einen hohen Stapel für seelische
Hilfe.
Wenn jemand mit einem Problem
kommt, gibt der Bischof diese aus, ohne
zu überlegen, was er den Leuten da
antut.
Wir sind sehr beunruhigt über das
Ausmaß an Beratung, das wir in der
Kirche zu brauchen scheinen. Unsere
Mitglieder werden abhängig. Wir dürfen
nicht eine Menge Beratungsstellen ein-
richten, ohne gleichzeitig das Prinzip der
seelischen Unabhängigkeit des einzelnen
zu betonen.
Wenn wir unsere geistige Selbständig-
keit verlieren, können wir genauso oder
noch mehr geschwächt werden, wie
wenn wir materiell abhängig werden.
Wenn wir nicht aufpassen, können wir
die Macht der Offenbarung für den
einzelnen verlieren. Was der Herr zu
Oliver Cowdery gesagt hat, gilt für uns
alle:
„Siehe, du hast es nicht verstanden,
sondern du hast vermutet, es genüge,
mich zu bitten; ich würde es dir geben,
ohne daß du dir darüber Gedanken zu
machen brauchtest.
Doch siehe, ich sage dir: Du mußt es in
deinem Geiste ausstudieren und dann
mich fragen, ob es recht sei, und wenn es
recht ist, will ich dein Herz in dir
entbrennen lassen, und dadurch sollst
du fühlen, daß es recht ist.
Ist es aber nicht recht, so wirst du kein
solches Gefühl haben, sondern deine
Gedanken werden verwirrt werden, wo-
167
durch du vergessen wirst, was unrichtig
ist" (LuB 9:7-9).
Geistige Unabhängigkeit ist für die Kir-
che notwendig. Wie können Mitglieder
Offenbarung für sich selbst empfangen,
wenn wir ihnen die Selbständigkeit
rauben? Wie sollen sie wissen, daß es
einen Propheten Gottes gibt? Wie kön-
nen ihre Gebete erhört werden? Wie
können sie mit Sicherheit etwas wissen?
Der Bischof, der verlangt, daß die-
jenigen, die Rat von ihm verlangen,
vorher alle persönlichen Hilfsquellen
und die ihrer Familie erschöpfen, bevor
sie zu ihm kommen, ist nicht gefühllos.
Bischöfe, gehen Sie vorsichtig mit Ihren
„Formularen für emotionellen Bei-
stand" um! Geben Sie sie nicht aus, ohne
vorher die Hilfsquellen des einzelnen
untersucht zu haben!
Lehren Sie die Mitglieder, den richtigen
Weg bei der Lösung von Problemen zu
gehen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß
jemand bei Freunden, Nachbarn und
überall Rat einholt und sich hinterher
den aussucht, den er für den besten hält.
Das ist falsch. Manche möchten gleich
mit Psychologen anfangen, andere wen-
den sich direkt an die obersten Führer
der Kirche. Vielleicht müssen die Pro-
bleme tatsächlich diesen Autoritäten
vorgetragen werden, aber erst nachdem
alle Hilfsquellen, die der Betreffende
selbst, seine Familie oder die Gemeinde
hat, erschöpft sind.
Wir haben erwähnt, daß niemand sich
schämen soll, Wohlfahrtsunterstützung
von der Kirche zu beziehen, wenn seine
eigenen Mittel erschöpft sind. Das glei-
che gilt für den seelischen Beistand. Es
mag Zeiten geben, wo tiefsitzende seeli-
sche Probleme von der Familie, dem
Bischof oder dem Pfahlpräsidenten
nicht gelöst werden können. Für die
Hilfe bei sehr schwierigen Problemen
hat die Kirche in Gebieten mit sehr
großer Mitgliederzahl Beratungsdienste
eingerichtet. (Nur für diejenigen, die auf
dem vorgeschriebenen Wege dorthin
gelangen.)
Zu der ersten Kategorie gehören die
Dienste, für die man normalerweise eine
örtliche oder staatliche Genehmigung
braucht. Zu diesen genehmigten Dien-
sten gehören:
Adoption
Hilfe für unverheiratete Mütter
Pflegekinder
Unterbringung indianischer Kinder
Im Juli 1977 hat die Erste Präsident-
schaft in einem Schreiben an die
Priestertumsführer diesen Weisungen
bezüglich dieser Dienste erteilt.
Wir wollen hier über die Prinzipien
sprechen, die sich auf die sogenannten
klinischen Dienste beziehen.
Bei den klinischen Diensten gibt es
(wieder nur auf dem vorgeschriebenen
Wege) drei aufeinander folgende Schrit-
te:
Erstens: Beratung, wobei der Prie-
stertumsführer mit einem Vertreter der
Sozialen Hilfe der Kirche über ein
Mitglied mit schwerwiegenden Proble-
men spricht. Der Vertreter der Sozialen
Hilfe spricht dabei nicht mit dem Mit-
glied.
Der nächste Schritt ist die Beurteilung,
wobei der Priestertumsführer und das
Mitglied mit dem Beauftragten der
Sozialen Hilfe sprechen, um das Pro-
blem zu beurteilen. Im allgemeinen
genügt dazu eine Besprechung. Danach
kann der Priestertumsführer dem Mit-
glied weiterhelfen.
In hartnäckigen Fällen haben wir die
Therapie. Das Mitglied (und nach Mög-
lichkeit der Bischof) kommt mit einem
Praktiker von der Sozialen Hilfe der
Kirche zu Beratungen zusammen. Nach
Abschluß dieser Sitzungen hilft der Bi-
schof weiter.
Bischöfe und Pfahlpräsidenten können
ein Beispiel für Unabhängigkeit sein,
168
wenn sie diese Probleme am Ort lösen.
Letzten Endes ist es das Mitglied, das sie
lösen muß.
Bischöfe, Sie dürfen Ihre Ver-
antwortung an niemanden weitergeben
— nicht an professionelle Berater und
auch nicht an die Angestellten der
Sozialen Hilfe. Diese würden Ihnen das
auch sagen.
Sie haben die Macht erhalten, Frieden
zu bringen, zu heiligen, und zu heilen,
die andere nicht bekommen haben.
Manchmal braucht ein Mitglied Ver-
gebung — Sie haben den Schlüssel dazu.
Wenn Sie an einen Fall kommen, wo
professionelle Hilfe notwendig ist, seien
Sie sehr vorsichtig. Auf diesem Gebiet
werden oftmals einige besonders zer-
störerische Methoden empfohlen. Wenn
Sie Ihre Mitglieder anderen anver-
trauen, sollen Sie einen derartigen Rat
nicht befolgen. Lösen Sie die Probleme
auf die Weise des Herrn!
Manche professionellen Berater wollen
tiefer gehen, als es seelisch oder geistig
gut ist. Manchmal möchten sie alles
genauestens untersuchen und analysie-
ren. Sich bis zu einem gewissen Maß
seelisch abzureagieren mag heilsam sein,
aber es kann leicht ausarten. Wieder
zusammensetzen ist selten so leicht wie
auseinandernehmen.
Wenn wir zu tief sondieren oder endlos
über bestimmte Probleme sprechen,
können wir gerade das herbeiführen,
was wir vermeiden wollen. Vielleicht
haben Sie schon von den Eltern gehört,
die sagten: „Wir gehen jetzt weg, Kin-
der. Ihr dürft euch auf keinen Fall einen
Stuhl nehmen, in die Speisekammer
gehen, hinaufsteigen, die Plätzchendose
beiseite rücken, und die Tüte mit Boh-
nen nehmen und euch eine in die Nase
stecken!"
Daraus kann man etwas lernen. Nun
könnte ein Bischof mit Recht fragen:
169
„Wie soll ich denn bloß meine Aufgabe
als Bischof erfüllen und außerdem noch
die beraten, die wirklich Hilfe brau-
chen?"
Ein Pfahlpräsident hat zu mir gesagt:
„Die Bischöfe haben keine Zeit zu
beraten. Wir laden ihnen soviel auf, daß
wir sie umbringen."
Daran mag etwas Wahres sein, aber
manchmal denke ich, daß es sich eher
um Selbstmord handelt. Wir haben
durch Untersuchungen festgestellt, daß
die meisten Bischöfe unnötige Zeit ver-
schwenden, um die Programme durch-
zuführen. Der Einfluß des Bischofs in
der Gemeinde ist positiver, wenn er nur
präsidierender Beamter ist, anstatt sich
mit den Einzelheiten aller Programme
eingehend zu beschäftigen. Der Bischof
braucht meistens zu viel Zeit für die
Programme mit all ihren Versamm-
lungen, Schulungsaktivitäten usw.
Bischöfe,überlassen Sie das Ihren Rat-
gebern, den anderen Priestertums-
führern und den Leitern der Hilfs-
organisationen! Beispielsweise können
Probleme der Arbeitsbeschaffung von
den Heimlehrern und den Kollegiums-
führern gelöst werden.
Vertrauen Sie ihnen. Machen Sie sich
frei, damit Sie das tun können, was am
meisten bewirkt, nämlich diejenigen be-
raten, die es wirklich brauchen — nach
der Weise des Herrn.
Kürzlich haben die Führer der Kirche
zwei Sendschreiben ausgeschickt. In
dem einen wurde mitgeteilt, daß die
persönlichen Priestertumsunterredun-
gen auf allen Ebenen auf ein Drittel
reduziert werden sollen. In dem anderen
wurden die wichtigeren Versammlungen
von wöchentlichen und monatlichen auf
monatlich und vierteljährlich verlegt.
Wir hoffen, daß noch andere Erleichte-
rungen folgen werden.
Sie sind der Führer, Bischof! Organisie-
ren Sie Ihre Verwaltungs- und
Schulungsaufgaben so wirksam, daß Sie
Zeit haben, Ihre Gemeindemitglieder zu
beraten. Bischöfe, denken Sie immer
daran, daß der Vater über seine Familie
präsidieren soll.
Manchmal verlangen wir voll der besten
Absichten so viel von den Kindern und
vom Vater, daß er nicht mehr präsidie-
ren kann.
Wenn mein Junge beraten werden muß,
Bischof, dann sollte das zuerst meine
Aufgabe sein, und an zweiter Stelle Ihre.
Wenn mein Junge Entspannung
braucht, Bischof, dann soll ich an erster
Stelle dafür sorgen, und Sie an zweiter
Stelle.
Wenn mein Junge berichtigt werden
muß, dann soll ich das an erster Stelle
tun, und Sie an zweiter Stelle.
Wenn ich als Vater versage, dann helfen
Sie zuerst mir, und dann erst meinen
Kindern. Nehmen Sie mir nicht zu
schnell meine Aufgabe weg, meine Kin-
der zu erziehen. Seien Sie nicht zu schnell
bereit, sie zu beraten und alle ihre
Probleme zu lösen. Beteiligen Sie mich.
Das ist meine Aufgabe.
Wir leben in einer Zeit, wo der Wider-
sacher überall die Philosophie der sofor-
tigen Befriedigung vertritt. Wir ver-
langen alles sofort, auch die Lösung für
unsere Probleme.
Es wird uns eingeflüstert, daß wir uns
irgendwie seelisch immer sofort wohl-
fühlen sollen. Wenn das nicht der Fall
ist, bekommen manche Furcht — und
suchen zu oft das Heil in der Beratung,
in der Analyse oder sogar in Medika-
menten.
Aber das Leben soll Anforderungen
stellen. Es ist normal, daß man Angst
hat, sich bedrückt fühlt, enttäuscht wird
und manchmal sogar versagt.
Lehren Sie unsere Mitglieder, wenn sie
ab und zu einen oder mehrere Tage lang
unglücklich sind, dann sollen sie fest
170
stehen und damit fertigwerden. Es wird
von allein wieder besser.
Es ist wichtig, daß wir im Leben zu
kämpfen haben. Das folgende Gedicht
hat tiefe Bedeutung:
„Ja, mein zorniges Kind,
mich mit Blicken strafend,
ich kann leichter
zu dir kommen.
Aber ich habe schon
laufen gelernt.
Deshalb sollst du
zu mir kommen!
Laß los! Da!
Siehst du?
Merk dir diese Lehre, Kind,
und wenn du in späteren Jahren
mit geballten Fäusten
und unter Tränen rufst —
„Bitte, Gott, hilf mir!",
dann horch nur,
und du wirst eine leise Stimme hören:
,Ich würde kommen, Kind,
aber du bist es,
nicht ich,
der es lernen muß, Gott zu werden'."
— Carol Lynn Pearson
Bischof, diejenigen, die zu Ihnen kom-
men, sind Kinder Gottes. Beraten Sie sie
nach der Weise des Herrn. Lehren Sie
sie, selbst darüber nachzudenken und
dann darüber zu beten.
Denken Sie daran, wie beruhigend und
tröstend das Lesen in der Schrift wirkt.
Wenn Sie das nächste Mal irgendwo
sind, wo in der Schrift gelesen wird,
achten Sie darauf, wie alles ruhiger wird.
Spüren Sie den Frieden und die Sicher-
heit, die sie bringt.
Nun einen Schlußgedanken aus dem
Buch Mormon: Der Prophet Alma
stand vor einem größeren Problem als
Sie, Bischöfe, in Ihrer Amtszeit jemals
haben werden. Genau wie Sie fühlte er
sich unsicher. Er ging zu Mosiah.
Mosiah gab ihm weise das Problem
zurück und sagte:
„Siehe, ich richte sie nicht; ich übergebe
sie in deine Hände, daß du sie richtest.
Nun war Almas Geist wieder betrübt;
und er ging und fragte den Herrn, was er
in dieser Sache tun sollte, denn er
fürchtete, er könnte in den Augen des
Herrn Unrecht tun.
Und nachdem er sein ganzes Herz vor
Gott ausgeschüttet hatte, kam die Stim-
me des Herrn zu ihm." (Mosiah 26:12-
14).
Diese Stimme wird zu Ihnen sprechen,
Bischof. Das ist Ihr Recht. Ich bezeuge
das, denn ich weiß, daß Gott lebt.
Möge Gott Sie, Bischöfe, die inspirierten
Richter in Israel, segnen, und auch
diejenigen, die zu Ihnen kommen, damit
Sie sie nach des Herrn Weise beraten. Im
Namen Jeu Christi. Amen.
171
Wir sind seine Verwalter
N. Eldon Tanner
Erster Ratgeber des Präsidenten der Kirche
D
ie Arbeit wird am besten getan,
wenn wir die Grundsätze der Verwalter-
schaft befolgen.
Meine lieben Brüder und Schwestern,
diese Versammlung hat mir viel Freude
gemacht. Der Geist des Herrn ist heute
bei uns gewesen. Ich möchte Präsident
Kimball wissen lassen, daß er mein
Zeugnis und meinen Entschluß gestärkt
hat, meine Arbeit und meine An-
strengungen beim Aufbau des Reiches
Gottes noch zu vermehren.
Ich möchte Ihnen bezeugen, daß dies die
Kirche Jesu Christi ist. Lassen Sie es
mich noch einmal sagen: Dies ist die
Kirche Jesu Christi. Das ist sein Pro-
gramm. Sie sind seine Verwalter, und er
wird uns dafür zur Rechenschaft ziehen.
Als ich bei der Einweihung eines Muse-
ums an der Brigham-Young-Universität
teilnahm, sagte Bruder Bean: „Alles,
was wir haben, gehört dem Herrn. Wir
sind seine Verwalter, und alles, was er
von mir wünscht oder was die Führer
der Kirche von mir wünschen, werde ich
geben." Was für einen großartigen Geist
hätten wir, wenn uns klar würde, daß
alles, was wir zu verwalten haben, alles,
was wir unser eigen nennen, dem Herrn
gehört und daß wir so damit umgehen
müssen, wie er es wünscht!
Vieles ist getan worden, und viel muß
noch getan werden, und es wird am
besten getan, wenn wir die Grundsätze
der Verwalterschaft befolgen. Ich glau-
be, daß Präsident Kimball daran ge-
dacht hat, als er bei der vorigen
Wohlfahrtskonferenz sagte: „Brüder
und Schwestern, . . . [ich] möchte Sie
ermahnen, diese großartige Arbeit
schwungvoll fortzusetzen. So viel hängt
von unserer Bereitschaft ab, uns als
Gesamtheit und als einzelne darüber
klarzuwerden, daß unser gegenwärtiges
Niveau, unsere augenblicklichen Lei-
stungen in diesem Bereich weder für uns
selbst noch für den Herrn annehmbar
sind" (Stern, April 1978, S. 52).
In aller Demut bete ich darum, Brüder
und Schwestern, daß wir alles tun wer-
den, wenn wir für den Herrn in der
Wohlfahrtsarbeit tätig sind. Und ich
sage Ihnen noch einmal, daß dies das
Werk des Herrn ist. Es ist unsere Auf-
gabe, und wir werden entsprechend
unserer Pflichterfüllung gesegnet wer-
den. Mögen wir unsere Pflicht gut
erfüllen, bete ich demütig im Namen
Jesu Christi. Amen.
172
Das königliche Gesetz der Liebe
Marion G. Romney
Zweiter Ratgeber des Präsidenten der Kirche
Wi
ie gut sorgen wir gemeinschaftlich
und als einzelne für die Armen, Bedürfti-
gen, Hungrigen, Nackten, Kranken und
Gefangenen?
Brüder und Schwestern, ich habe diese
Versammlung genau wie Sie sehr ge-
nossen. Ich kann mich an keine bessere
Wohlfahrtsversammlung erinnern. Ich
schätze die Arbeit, die das Wohlfahrts-
komitee, die Präsidierende Bischof-
schaft und die Wohlfahrtsabteilung
tun.
Ich habe eine Rede vorbereitet, die für
die Zeit, die mir noch übrigbleibt, zu
lang ist. Ich glaube aber, daß Sie darauf
verzichten können, wenn Sie das tun,
was Ihnen heute hier gesagt worden ist.
Wir haben die Zeit heute morgen nutz-
bringend verwendet.
Der Titel meiner Rede lautet „Das
königliche Gesetz". Jakobus hat dar-
über gesagt: „Wenn ihr das königliche
Gesetz erfüllt nach der Schrift: Liebe
deinen Nächsten wie dich selbst, so tut
ihr wohl" (Jakobus 2:8). Wir müssen bei
allem, was wir in der Wohlfahrtsarbeit
tun, dieses Gesetz im Sinn haben. Wir
müssen unseren Nächsten wie uns selbst
lieben. Der Heiland hat diesem Gesetz
nur die Liebe zu Gott vorangestellt, als
er sagte: „Du sollst lieben Gott, deinen
Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und von ganzem Gemüte. Das
andere [Gebot] aber ist dem gleich: Du
sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst" (Matthäus 22:37, 39).
Wenn wir unser Fastopfer zahlen, müs-
sen wir dabei an das königliche Gesetz
denken. Sie erinnern sich daran, daß
Jesaja von den Menschen spricht, die
zum Herrn kamen und sagten:
„Warum fasten wir, und du siehst es
nicht an?"
Die Antwort hieß: Weil ihr nicht so
fastet, wie ich es geboten habe. Ihr laßt
euren Kopf hängen wie Schilf und bettet
euch in Sack und Asche, aber ihr gebt
euer Brot nicht dem Hungrigen und
führt den Obdachlosen nicht in euer
Haus und bekleidet den Nackten nicht.
Wenn du das tust, „dann wirst du rufen,
und der Herr wird dir antworten. Wenn
du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin
ich" (Jesaja 58:3-9).
Wenn wir das königliche Gesetz, unse-
ren Nächsten wie uns selbst zu lieben,
befolgen wollen, ist es unumgänglich,
daß wir uns der Armen und Not-
leidenden und aller annehmen, die unse-
re Hilfe benötigen.
Sie kennen sicher die großartige Rede
Amuleks über das Beten, wo er den
Leuten sagt, daß sie beten sollen und wie
oft sie beten sollen — am Morgen, am
Mittag und am Abend — , und er sagt
173
ihnen, wo sie beten sollen, wie sie beten
sollen und wofür sie beten sollen. Er geht
auf alle Einzelheiten ein und sagt dann:
,,Wenn ihr alle diese Dinge getan habt
und dann den Notleidenden und Nack-
ten zurückweist und den Kranken und
Leidenden nicht helft und von eurer
Habe, so ihr etwas besitzt, nicht denen
gebt, die Not leiden — ich sage euch,
wenn ihr keines dieser Dinge tut, seht,
dann ist euer Gebet vergeblich und nützt
euch nichts, denn ihr seid wie Heuchler,
die den Glauben verleugnen" (Alma
34:17-28).
Ich glaube, daß wir allmählich das
königliche Gesetz, „Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst", ver-
stehen. Sie werden sich daran erinnern,
daß Jesus kurz vor dem Ende seines
Wirkens zu seinen Aposteln gesagt hat:
,,Wenn aber des Menschen Sohn kom-
men wird in seiner Herrlichkeit und alle
Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf
dem Thron seiner Herrlichkeit,
und werden vor ihm alle Völker ver-
sammelt werden. Und wird sie vonein-
ander scheiden, gleichwie ein Hirt die
Schafe von den Böcken scheidet,
und wird die Schafe zu seiner Rechten
stellen und die Böcke zur Linken.
Da wird dann der König sagen zu denen
zu seiner Rechten: Kommt her, ihr
Gesegneten meines Vaters, ererbt das
Reich, das euch bereitet ist von An-
beginn der Welt!
Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr
habt mich gespeist. Ich bin durstig
gewesen, und ihr habt mich getränkt.
Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr
habt mich beherbergt.
Ich bin nackt gewesen, und ihr habt
mich bekleidet. Ich bin krank gewesen,
und ihr habt mich besucht. Ich bin
gefangen gewesen, und ihr seid zu mir
gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten ant-
worten und sagen: Herr, wann haben
wir dich hungrig gesehen und haben dich
gespeist? Oder durstig und haben dich
getränkt?
Wann haben wir dich als einen Fremd-
ling gesehen und beherbergt? Oder nackt
und haben dich bekleidet?
Wann haben wir dich krank oder ge-
fangen gesehen und sind zu dir ge-
kommen?
Und der König wird antworten und
sagen zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch:
Was ihr getan habt einem unter diesen
meinen geringsten Brüdern, das habt ihr
mir getan" (Matthäus 25:31-40).
Ich weiß, daß das Evangelium wahr ist.
Ich habe überhaupt keinen Zweifel dar-
an. Ich kann mich nicht daran erinnern,
daß ich jemals einen Grundsatz des
Evangeliums in Frage gestellt hätte. Ich
weiß, daß das Wohlfahrtsprogramm,
das in den 1930er Jahren entworfen
wurde, vom Herrn inspiriert war. Er hat
Präsident Grant die Inspiration gegeben
und hat ihm durch seinen großartigen
Ratgeber J. Reuben Clark und andere
geholfen, das Programm durchzu-
führen. Es ist jetzt unsere Pflicht, danach
zu handeln, und sein Reich in dem Geist
zu versorgen, daß wir unseren Nächsten
lieben wie uns selbst.
Wenn wir das tun, werden wir imstande
sein, die schwierigen Tage zu bestehen,
die vor uns liegen und schneller kom-
men, als wir denken. Die Völker der
Erde werden in solcher Unruhe und Not
sein, daß sie ihre Probleme nicht anders
lösen können, als sich dem Programm
des Herrn zuzuwenden. Ich bezeuge
Ihnen dies im Namen Jesu Christi.
Amen.
174
Familien,
die nach dem Evangelium leben
Spencer W. Kimball
Der folgende Text ist eine redigierte Rede,
die Präsident Kimball am 31. März auf
dem Seminar für die Regional-
repräsentanten gehalten hat.
Liebe Brüder, ich habe mit großer
Anteilnahme zugehört, als die Namen
der neuen Regionalrepräsentanten ver-
lesen wurden, und ich weiß, daß wir in
der ganzen Welt noch viel mehr qualifi-
zierte Brüder haben. Wir sind sehr
glücklich, daß die Brüder so gern bereit
sind, dem Herrn in diesem Amt zu
dienen, wenn sie dazu berufen werden.
Politische Betätigung
Ich möchte zunächst auf die politische
Betätigung von Mitgliedern der Kirche
eingehen.
Es liegt zwar kein konkreter Anlaß vor,
der uns zwingt, uns damit zu befassen,
doch möchten wir Ihnen, den Regional-
repräsentanten darlegen, wie die Erste
Präsidentschaft und der Rat der Zwölf
zu der politischen Betätigung der Mit-
glieder und der Übernahme von
Regierungsämtern stehen. Im Septem-
ber 1968 hat die Erste Präsidentschaft
die Mitglieder der Kirche an ihre staats-
„Ob wir persönlich oder als Kirche Erfolg haben, hängt in
hohem Maße davon ab, wie treu wir unser Familienleben
nach dem Evangelium ausrichten."'
bürgerlichen Pflichten im Gemeinwesen
und Staat erinnert. Die Erste Präsident-
schaft hat den Mitgliedern damals fol-
gende Ratschläge erteilt: „Die zuneh-
menden weltweiten Verpflichtungen der
Kirche lassen es nicht als ratsam erschei-
nen, daß sie auf all die vielfältigen
komplexen Fragen eingeht, die aus den
wachsenden Problemen der Städte und
Gemeinwesen entstehen, in denen die
Mitglieder leben. Doch soll dies die
einzelnen Mitglieder nicht davon ab-
halten, ihre staatsbürgerlichen Pflichten
wahrzunehmen.
Wir fordern unsere Mitglieder auf, ihre
Bürgerpflicht zu tun und Lösungen für
die Probleme zu suchen, mit denen
unsere Städte und Gemeinwesen zu
kämpfen haben.
Unsere Verantwortung erstreckt sich
auf die ganze Menschheit, und so kön-
nen die Mitglieder der Kirche die vielen
Probleme, die gelöst werden müssen,
nicht ignorieren, wenn unsere Familien
in einer Umwelt leben sollen, die die
Geistigkeit fördert.
Wenn diese Probleme nur in
Zusammenhang mit Menschen zu lösen
sind, die einen anderen Glauben haben,
so dürfen sich die Mitglieder nicht davor
scheuen, mitzumachen und voranzu-
gehen, solange das, was sie tun, mit den
Grundsätzen der Kirche vereinbar ist.
175
Das einzelne Mitglied kann natürlich
nicht die Kirche als Ganzes vertreten
oder zu etwas verpflichten, doch sollen
wir uns stets für eine gute Sache ein-
setzen und uns in allem von den Grund-
sätzen des Evangeliums Jesu Christi
leiten lassen."
Die Erste Präsidentschaft und der Rat
der Zwölf wollen diese wichtigen Aus-
führungen von 1968 erneut bekräftigen.
Wir glauben, daß wir gut daran tun,
wenn wir die Mitglieder der Kirche
auffordern, ihren Bürgerpflichten
nachzukommen. Die Kirche Jesu Chri-
sti der Heiligen der Letzten Tage kann
sich natürlich nicht als Institution enga-
gieren. Eine Ausnahme sind die Fragen,
zu denen die Erste Präsidentschaft und
der Rat der Zwölf offiziell Stellung
bezogen haben.
Wenn wir uns anders verhielten, hätte
sich die Kirche offiziell und formell mit
so vielen Problemen auseinander-
zusetzen, daß sie darüber ihre Haupt-
aufgabe, der Welt das Evangelium Jesu
Christi zu verkünden, vernachlässigen
würde.
Wir hoffen sehr, daß die Mitglieder der
Kirche sich ihrer persönlichen Ver-
antwortung bewußt werden, und sie mit
Weisheit wahrnehmen.
Wir hoffen, daß Sie, die Regional-
repräsentanten, den Pfahlpräsidenten
und anderen örtlichen Führern in Ihrer
jeweiligen Region raten, nicht die Kirche
als Institution auftreten zu lassen, wenn
es um Belange geht, die die Mitglieder
der Kirche am besten persönlich wahr-
nehmen. Wir hoffen ferner, daß Sie den
Priestertumsführern und den Mit-
gliedern klarmachen, warum die Kirche
es so oft ablehnen muß, sich in dieser
oder jener Frage zu engagieren. Es mag
um eine gute Sache gehen, doch aus den
genannten Gründen geht hervor, daß es
besser ist, wenn sich die Mitglieder
persönlich dafür einsetzen.
Ein neues Konferenzsystem
Wir kommen in der Kirche oft zu
Konferenzen zusammen, um Gott zu
verehren, uns der Worte Christi zu
erfreuen und unseren Glauben und
unser Zeugnis zu stärken. Wir halten
unter anderem Gemeinde-, Pfahl-, Ge-
biets- und Generalkonferenzen ab.
In den letzten Jahren zählten besonders
die Gebietskonferenzen außerhalb der
Vereinigten Staaten zu den inspirierend-
sten. Wir haben vor, von 1978 an auch in
den Vereinigten Staaten einige Gebiets-
konferenzen einzuberufen. Dadurch
können mehr Mitglieder die Führer der
Kirche hören und kennenlernen. Zu
jeder dieser Konferenzen werden zwei
Brüder vom Rat der Zwölf und andere
Führer kommen.
Auch haben wir beschlossen, von 1979
an in jedem Pfahl jährlich nur noch zwei
Pfahlkonferenzen einzuberufen, damit
die Mitglieder der Kirche zeitlich und
finanziell weniger belastet werden und
weniger reisen müssen. Zu einer Pfahl-
konferenz werden einer oder mehr Füh-
rer der Kirche kommen, zur anderen der
zuständige Regionalrepräsentant. So
werden Pfahlpräsidenten und andere
örtliche Führer mehr Zeit haben, sich
für die Vervollkommnung der Heiligen
einzusetzen.
Vereinfachung
Brüder und Schwestern, wir möchten
nicht, daß mit dem Wort „Ver-
einfachung" die Trägheit propagiert
oder unterstützt wird. Wir wollen, daß
die Programme der Kirche für die
Mitglieder da sind, nicht umgekehrt.
Wir möchten ferner, daß die
Priestertumsführer gebeterfüllt und
überlegt feststellen, was die Mitglieder
brauchen, und dementsprechend arbei-
ten. Die Programme der Kirche können
dabei eine große Hilfe sein, besonders
wenn die Priestertumsführer auch die
176
örtlichen Gegebenheiten berück-
sichtigen. Die Programme sind so flexi-
bel gestaltet, daß sie allen örtlichen
Gegebenheiten angepaßt werden kön-
nen. Sie können nicht erwarten, daß
Ihnen die Hauptausschüsse immer sa-
gen, was die Kirche von ihren Mit-
gliedern konkret erwartet. Die Zeiten
sind vorbei, in denen diese Ausschüsse
der untersten Ebene ein für alle ver-
bindliches Programm geben konnten.
Die Kirche hat nur einen einzigen
Verbindungsweg von oben nach unten,
und das ist die Vollmachtslinie des
Priestertums, die ausgeht von der Ersten
Präsidentschaft und dem Rat der Zwölf,
über die Zonenberater, Gebiets-
beauftragten, Regionalrepräsentanten,
Pfahlpräsidenten und Bischöfe. Die
Hauptausschüsse helfen diesen
Priestertumsführern, soweit sie können,
doch müssen Sie, die Sie diese
Vollmachtslinie sind, mehr Verant-
wortung übernehmen als je zuvor. Wir
müssen einfach genug arbeiten, um den
Menschen dort zu helfen, wo sie Hilfe
brauchen. Diese Einfachheit streben wir
an, selbst wenn dazu einige von uns
Schwerstarbeit leisten müssen.
So, wie der Bischof darauf achtet, daß
vom Gemeindehaushalt nicht mehr aus-
gegeben wird als für die einzelnen
Organisationen vorgesehen ist, muß er
auch die Zeit überwachen, die die Mit-
glieder seiner Gemeinde aufwenden. In
beiden Fällen muß er das Gleichgewicht
wahren.
Die Flexibilität, die wir Ihnen gewähren,
soll Ihnen helfen, Ihre Zeit, die Sie für
die Mitglieder aufwenden, besser zu
nutzen. Es besteht ein Unterschied zwi-
schen eifrigem Wirken und über-
triebener Geschäftigkeit, und an der
Basis vorwärtsschreiten heißt nicht, den
Mitgliedern „Fleisch" aufzwingen,
wenn sie noch „Milch" brauchen.
Die Kirche ist, was ihre Mitglieder
betrifft, dazu berufen, ihnen die Grund-
sätze, die Programme und das Priester-
tum zugänglich zu machen, das sie
brauchen, um sich ihre Erhöhung zu
erarbeiten. Ob wir persönlich oder als
Kirche Erfolg haben, hängt in hohen
Maße davon ab, wie treu wir unser
Familienleben nach dem Evangelium
ausrichten.
Erst wenn wir die Rolle des einzelnen in
der Familie klar erfaßt haben, können
wir auch verstehen, daß die
Priestertumskollegien und Hilfs-
organisationen, ja selbst die Pfähle und
Gemeinden, in erster Linie dafür da
sind, daß sie der Familie helfen, zu
Hause nach dem Evangelium zu leben.
Dann verstehen wir auch, daß die Men-
schen wichtiger sind als die Programme
und daß die Programme der Kirche stets
zu einem evangeliumsbezogenen
Familienleben hinführen sollen und
nicht umgekehrt.
Die Mitglieder sollen persönlich und als
Familie dafür gerüstet sein, innerhalb
und außerhalb der Familie im Sinne des
Evangeliums geistigen und materiellen
Beistand leisten zu können. Sie sollen für
sich selbst und für ihre verstorbenen
Angehörigen die Segnungen des Tem-
pels empfangen. Sie sollen das Evan-
gelium verbreiten, indem sie Vorbild
sind, Freundschaften schließen, Zeugnis
geben, auf Mission gehen, ihre Söhne
auf eine Mission vorbereiten und die
missionarischen Anstrengungen der
Kirche unterstützen. Jedes Mitglied soll
seine Talente entfalten, gute Bücher
lesen, die Kultur pflegen, in Lokal- und
Staatspolitik Bescheid wissen und sich
angemessen engagieren.
Es ist ganz offensichtlich, daß all dies am
besten durch ein solides Familienleben
gefördert wird. Die Kollegiums-
präsidenten sollen sich fragen: Wie kön-
nen wir den Brüdern in unserem Kolle-
gium am besten helfen, ihrer wichtigsten
177
Berufung im Priestertum, der des Ehe-
manns und Vaters, voll gerecht zu
werden? Wie können wir jedem
Priestertumsträger helfen, ein liebender,
verständnisvoller Führer zu sein und
seine Frau als Partner zu achten und zu
ehren? Mit den Bischöfen und Pfahl-
präsidenten sollen sie sich fragen: Wie
können wir den Eltern helfen, gemein-
sam mit ihren Kindern die heiligen
Schriften zu studieren, regelmäßig einen
sinnvollen Familienabend zu haben und
den Nutzen daraus zu ziehen?
Die Beamtinnen und Lehrerinnen der
FHV sollen sich fragen: Wie können wir
der Ehefrau und Mutter Wert und
Würde ihrer gottgegebenen Aufgabe
vermitteln? Wie können wir ihr helfen,
ihr Zuhause zu einem Ort der Liebe und
des Lernens, zu einer Stätte der Ge-
borgenheit und Kultur zu machen? Was
können wir ihr geben, daß sie fähig wird,
zusätzliche Verantwortung zu tragen,
wenn ihr Mann abwesend ist oder sie
keinen Mann hat?
Die Beamten und Lehrer der Jugend
sollen sich fragen: Was können wir
diesen jungen Menschen geben, daß sie
ihre Eltern lieben und ihnen gehorchen
und ihre Aufgaben innerhalb der Fami-
lie erfüllen? Wie können wir unsere
Versammlungen, Übungsstunden und
Aktivitäten so legen, daß sie die Familie
nicht auseinanderreißen, daß die Ju-
gendlichen noch ihre häuslichen Ar-
beiten verrichten und die Familie
gemeinsam etwas unternehmen kann?
Jedes Programm des Priestertums und
der Hilfsorganisationen soll klar auf ein
evangeliumsbezogenes Familienleben
ausgerichtet sein. Unter Umständen
müssen dazu auch fakultative Ver-
anstaltungen gestrichen werden, die
nicht auf die Familie ausgerichtet sind.
Wir wissen natürlich, daß viele Mit-
glieder allein leben oder zusammen mit
Familienangehörigen, deren Leben
nicht so um das Evangelium kreist. Wir
regen Sie an, besondere Familien-
abendgruppen zu bilden und gemeinsam
mit anderen alleinstehenden Erwachse-
nen etwas zu unternehmen, um an den
gleichen Zielen zu arbeiten. Dabei sollen
sie stets ihre Beziehung zu ihren Eltern,
Geschwistern und anderen Verwandten
aufrechterhalten und pflegen. Wenn die
örtlichen Priestertumsführer mit Be-
dacht dafür sorgen, daß die Familie
mehr Zeit füreinander hat, können wir
Eltern und Kindern sagen: „Kommt
wieder nach Hause." Die Eltern sollen
weniger Zeit im Kegelclub, auf Partys
und ähnlichem zubringen und sich mehr
ihren Kindern widmen. Die Jungen und
Mädchen müssen das Gleichgewicht
zwischen Schule und Freundeskreis und
Familie und Zuhause wahren.
Alle sollen sich gemeinsam bemühen,
aus ihrem Zuhause einen Ort zu ma-
chen, wo sie gern sind, wo sie zuhören
und lernen, wo jeder Liebe, Unter-
stützung, Anerkennung und Ansporn
findet.
Ich möchte es noch einmal sagen: Ob
wir persönlich oder als Kirche Erfolg
haben, hängt in hohem Maße davon ab,
wie getreu wir unser Familienleben nach
dem Evangelium ausrichten.
Genealogie
Wenn wir das Evangelium leben, ist es
für uns auch von Bedeutung, daß wir
uns um Tempelarbeit und Genealogie
kümmern. Wir wissen sehr wohl, daß in
der Geisterwelt unzählige Männer und
Frauen darauf warten, daß Sie und ich
anfangen, etwas für sie zu tun. Der Herr
hat uns damit eine große Verantwortung
auferlegt, und wir dürfen sie nicht
scheuen, denn sonst bringen wir uns in
Gefahr.
Wir haben die Genealogische Abteilung
gebeten, ihre Arbeitsweise zu verein-
fachen. Sie hat uns ihre Entwürfe vor-
178
gelegt, und wir haben sie nach sorg-
fältiger Prüfung genehmigt. Die Mit-
glieder der Kirche können jetzt die
zweite Meile gehen und dort, wo sie
wohnen, die Namen von den Mikro-
filmen bekommen. So können wir unse-
re Tempel schneller voll ausnutzen und
die Arbeit für die Verstorbenen be-
schleunigen.
Wir freuen uns. daß den Mitgliedern
dadurch Tempelarbeit und Genealogie
leichter gemacht werden.
Missionarsarbeit
Wir sind von ganzem Herzen dankbar
für die zahlreichen Missionare, die seit
Beginn der Zeiten wirken. Die
Missionarsarbeit besteht seit rund sechs-
tausend Jahren. Insgesamt haben die
Missionare bis jetzt nahezu fünf-
hunderttausend Jahre aufgewendet.
In diesen fünfhunderttausend Jahren ist
viel geschehen. Adam und Eva lebten im
Garten Eden. Kain erschlug seinen Bru-
der Abel. Noah brachte seine Familie
durch die Flut. Die Menschheit zog vom
Mississippi zum Berg Ararat. Abraham
lehrte die Ägypter Astronomie. Mose
führte die Kinder Israel durch das Rote
Meer. Lehi führte sein Volk in das
verheißene Land. Kolumbus entdeckte
Amerika. Der amerikanische
Unabhängigkeitskrieg brachte Amerika
die Freiheit. Durch den Propheten Jo-
seph Smith wurde das Evangelium
wiederhergestellt.
Die Missionare taufen heute nahezu
160000 bis 170000 Menschen im Jahr.
Vor vielen Jahren brachten sie 100000
Skandinavier, Briten, Deutsche und an-
dere auf 286 Segelschiffen nach Zion. Sie
überquerten den Ozean bis zur Mün-
179
düng des Mississippi und fuhren über
den Mississippi und Missouri bis St.
Joseph. Von dort aus fuhren sie mit
Planwagen und später mit der Eisen-
bahn weiter. Die Kirche hat ein phäno-
menales Wachstum erlebt -- von sechs
Mitgliedern auf vier Millionen. Jeder
Missionar braucht im Jahr rund 1 872
Dollar, und so investieren sie jetzt sozu-
sagen durch ihre Arbeit fünfzig Millio-
nen Dollar im Jahr in die Kirche. Dazu
kommen noch die anderen Auf-
wendungen für die Missionarsarbeit.
Wir sind stolz auf unsere Missionare.
Fast viertausend von ihnen stammen
nicht aus den Vereinigten Staaten.
Wir müssen uns ständig um eine tief-
gehende, weite Erkenntnis bemühen,
aus der der Herr durch uns sprechen
kann, denn durch den Propheten Joseph
Smith hat er deutlich gesagt, was unsere
Aufgabe hinsichtlich der Verkündigung
des Evangeliums ist.
Der Herr hat gesagt: ,, Trachte nicht
darnach, mein Wort zu verkündigen,
sondern suche es zuerst zu erhalten, und
dann wird deine Zunge gelöst werden;
dann wirst du, wenn du es wünscht,
meinen Geist und mein Wort emp-
fangen, ja, die Kraft Gottes, Menschen
zu überzeugen'1 (LuB 11:21).
Wir lehren es die Menschen in ihrer
eigenen Sprache.
Die meisten Missionare haben die Spra-
che, in der sie das Evangelium ver-
künden unter viel Mühe erlernt.
„Denn an jenem Tage wird jedermann
die Fülle des Evangeliums in seiner
Sprache hören, und zwar durch diejeni-
gen, die zu dieser Macht ordiniert wer-
den sollen durch den Dienst des Trö-
sters, der zur Offenbarung Jesu Christi
180
über sie ausgegossen wird" (LuB 90:11).
„Denn wahrlich, die Stimme des Herrn
ergeht an alle Menschen; keiner wird
entfliehen, jedes Auge wird sehen, jedes
Ohr wird hören, jedes Herz durch-
drungen werden.
Und des Herrn Arm wird offenbar
werden, und der Tag kommt, wann die,
die weder der Stimme des Herrn noch
der seiner Diener gehorchen, noch auf
die Worte der Propheten und Apostel
achten, aus dem Volke ausgestoßen
werden sollen . . . ,
daß jedermann im Namen Gottes des
Herrn, nämlich des Erlösers der Welt
rede" (LuB 1:2, 14, 20).
Auch die Könige, Herrscher, Potentaten
und die „Prominenten" sollen das Evan-
gelium hören, und wir bringen es ihnen
und geben uns besondere Mühe damit.
„Erwachet, o ihr Könige der Erde!
Kommt, o kommt mit eurem Gold und
Silber meinem Volk zu Hilfe, dem Haus
der Töchter Zions" (LuB 124:11).
Wenn zwei Millionen Elternpaare und
ihre Kinder sich jeden Tag morgens und
abends zum Gebet vereinen, wird der
Herr, der sie immer hört, ihre Gebete
erhören. Wir beten für die Nationen der
Erde. Wir beten, daß ihre Führer nach-
geben und die Missionare einlassen,
damit sie ihrem Volk Frieden, Liebe,
Freude und die Erkenntnis des Herrn
bringen können.
Wir haben jetzt David Kennedy als
Sonderbotschafter für die Welt. Er soll
den Weg für neue Missionen bereiten.
Durch seine Tätigkeit im Kabinett des
Präsidenten der Vereinigten Staaten und
seinen daraus resultierenden Umgang
mit den Staaten der Erde und seine
Erkenntnisse ist er hervorragend für die
Aufgabe geeignet. Mit der Hilfe von
James Faust, dem Präsidenten der
Internationalen Mission, hoffen wir,
daß uns noch mehr Staaten Einlaß
gewähren.
„Demutsvoll in Christi Namen . . .
Sprachst du dein Gebet?
O, das Beten bringt den Frieden . . .
denke ans Gebet"
(Gesangbuch, Nr. 14).
Kaiser, Könige und Regierungschefs,
öffnen Sie die Tür. Unsere Missionare
werden Ihnen eine machtvolle Botschaft
bringen, Frieden, Freude und ein glück-
liches, zufriedenes Volk. Bitte, öffnen
Sie die Tür.
„Und so begann die Predigt des
Evangeliums von Anfang an und wurde
von heiligen, von der Gegenwart Gottes
ausgesandten Engeln und durch seine
eigne Stimme und die Gabe des Heiligen
Geistes verkündigt.
Und so wurden Adam alle Dinge durch
eine heilige Verordnung bestätigt und
das Evangelium gepredigt und ein Be-
schluß ausgesandt, daß es in der Welt
sein sollte bis an ihr Ende; und so war es.
Amen" (Moses 5:58, 59).
Bei der Missionarsarbeit lernen unsere
25000 Missionare schnell, daß sie das
Evangelium durch ihr Zeugnis über-
mitteln. Der Herr hat dies im Buch
,Lehre und Bündnisse' folgendermaßen
erklärt:
„Dennoch seid ihr gesegnet, denn das
Zeugnis, das ihr gegeben habt, ist im
Himmel aufgezeichnet, daß die Engel es
sehen können; sie freuen sich über euch,
und eure Sünden sind euch vergeben"
(LuB 62:3).
Wir haben vor kurzem einen Scheck
über eine beträchtliche Summe erhalten.
Er stammte von einer Mutter, deren
Sohn das Geld für seine Mission gespart
hatte, der aber bei einem Autounfall
ums Leben gekommen war.
Die Mutter schrieb dazu: „Ich fühlte
mich einfach nicht berechtigt, das Geld
für mich zu verwenden. Mein Sohn hatte
es für seine Mission gespart. Er und sein
Vater kamen vor drei Jahren um. Er war
siebzehn Jahre alt. Es war ein schreck-
181
licher Unfall. Sie waren mit dem Auto
unterwegs, und ein großer Öltanker
prallte gegen sie . . . "
Welch beispielhafte Liebe und Selbst-
losigkeit! Schätzungen zufolge haben
wir seit 1830 rund 250000 Missionare
ausgesandt, die sich selbstlos für ihre
Mission eingesetzt haben.
Ich möchte allen Mitgliedern der Kirche
danken. Sie sind voll Begeisterung unse-
rem Aufruf gefolgt, in der Missionars-
arbeit und in den anderen Bereichen der
Kirchenarbeit mehr zu geben. Wir
unterhalten zur Zeit 156 Missionen —
mehr als jemals zuvor. Ich bin so
dankbar für alles, was Sie tun. Sorgen
Sie dafür, daß der Schwung, der Sie jetzt
alle erfüllt, anhält und weiter wächst.
Wir haben 38000 Jungen im Alter von
neunzehn Jahren, die auf Mission sein
sollten und es nicht sind. Wir haben
114000 Priester, die sich jetzt darauf
vorbereiten sollten, innerhalb der
nächsten drei Jahre auf Mission zu
gehen. Wir haben 83 000 Lehrer im Alter
von vierzehn und fünfzehn Jahren, die
sich jetzt darauf vorbereiten, in vier bis
fünf Jahren auf Mission zu gehen, 78 000
Diakone im Alter von zwölf und drei-
zehn Jahren, die jetzt anfangen, für ihre
Mission in sechs bis sieben Jahren zu
sparen.
Ich habe Ihnen bereits einen Auszug aus
meinem patriarchalischen Segen vor-
gelesen, den ich durch Samuel Claridge
empfangen habe: „Du wirst das
Evangelium vielen Völkern predigen,
doch vor allem den Lamaniten, denn der
Herr wird dich mit der Gabe der Spra-
chen segnen und mit der Kraft, jenem
Volk die Grundsätze des Evangeliums
klar und einfach zu vermitteln. Du wirst
sehen, wie sie sich organisieren und sich
darauf vorbereiten, rund um dieses Volk
einen Schutzwall zu bilden. Die Engel
Gottes werden um dich sein und dir
sagen, was du tun sollst, wenn du dich in
einer sehr kritischen Lage befindest,
denn du wirst den Tag sehen, da der
Zorn unserer Feinde gegen dieses Volk
auflodern wird. Du aber wirst gemein-
sam mit anderen fest stehen und die
Macht haben, sie zu verwirren und
Unheil zu bringen. Daher sage ich dir,
Bruder Spencer, du sollst in deiner
Jugend gesegnet sein und vor aller Sünde
und Versuchung bewahrt bleiben, der du
ausgesetzt sein magst, damit du mit
reinen Händen und einem reinen Herzen
vor deinem Vater im Himmel stehen
magst."
Ich habe mit Bruder Boyd K. Packer
darüber gesprochen, er ist sehr an dem
Programm für die Lamaniten inter-
essiert. Dabei habe ich erfahren, daß
jetzt über 400 000 Lamaniten der Kirche
angehören — 316000 davon in Amerika
und 94000 auf den Inseln des Meeres.
Wir sind sehr stolz darauf und glücklich,
daß sie soviel Fortschritt machen.
Viele Mitglieder schicken mir mit ihren
Weihnachtskarten auch Photos, und es
ist interessant, wie viele unserer Mis-
sionare Lamaniten sind. Wir haben sehr
viele großartige junge Männer und
182
Frauen. Aus den Missionen kamen viele
Karten mit den Photos der Lamaniten-
missionare, aber auch der anderen Mis-
sionare. Ich kann mich noch an die Zeit
erinnern, als wir nur wenige Lamaniten-
missionare hatten. Man konnte sie fast
an den Fingern abzählen, nicht nur die
Missionare, sondern die lamanitischen
Mitglieder überhaupt.
Das Leben hat sich geändert, wir leben
jetzt unter anderen Bedingungen. Der
Herr segnet unsere Arbeit. Ist dem
Herrn irgendetwas unmöglich? Sie wis-
sen, der Engel hat Abraham und Sara
diese Frage gestellt, dessen Nach-
kommen so zahlreich sein sollten wie
der Sand am Meer. So ähnlich wird es
sein, wenn wir all diese Menschen zu
Mitgliedern der Kirche machen und
glücklich dabei sind.
Insgesamt haben wir in diesem Jahr mit
der begrenzten Anzahl von Mis-
sionaren, die uns zur Verfügung stehen,
1 67 939 Menschen getauft. Wenn wir die
Zahl der Missionare verdoppeln, kön-
nen wir die Zahl der Bekehrungen leicht
vervielfachen, der Herr kennt noch viele
andere Möglichkeiten, die Missio-
narsarbeit erfolgreicher zu gestalten.
Ich setze mein vollstes Vertrauen darein,
daß die Arbeit sehr beschleunigt wird,
mit mehr Arbeitern in mehr Ländern.
Wilford Woodruff hat gesagt: „Die
Kirche wird Nord- und Südamerika
ausfüllen, ja die ganze Erde" (The
Discourses of Wilford Woodruff, Hg.
Homer Durham, S. 144 f.).
Brigham Young hat gesagt: „Zion wird
sich im Laufe der Zeit über die ganze
Erde ausbreiten. Es wir keinen Winkel,
keine Ecke mehr geben, die nicht Teil von
Zion sind" (Discourses of Brigham
Young, Hg. John A. Widtsoe, S. 120).
Brüder, ich freue mich, daß ich mit
Ihnen in diesem großen Werk tätig sein
kann. Ich bin so dankbar für meine
Ratgeber, die dem Herrn beständig
dienen, wie auch der Rat der Zwölf. Wir
kommen jede Woche im Tempel zu-
sammen. Wir sind sehr ernst, wenn wir
im Tempel sind und das Werk des Herrn
vorwärtsbringen.
Wir bemühen uns ständig, neue Mittel
und Wege zu finden, die Menschen in
der Welt anzusprechen und sie zu schu-
len und zu belehren. Ich habe ein Zeugnis
vom Evangelium. Ich weiß, daß der
Herr möchte, daß die Arbeit getan wird.
Auch wir möchten, daß sie getan wird,
und wir tun sie schneller, als jemals
zuvor. Möge der Herr Sie, Brüder und
Schwestern, in Ihrer Arbeit segnen, daß
Sie sich bereitmachen für die Arbeit, die
unmittelbar vor Ihnen liegt. Gott segne
Sie. Friede sei mit Ihnen. Im Namen
Jesu Christi. Amen.
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