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Dezember 1978 104. Jahrgang Nummer 12
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Christus und das Weihnachtsfest
David O. McKay
Zu Weihnachten denken wir mehr als zu
jeder anderen Zeit im Jahr an unsere
Mitmenschen und versuchen, in Wort
oder Tat unserem Wunsch Ausdruck zu
geben, andere glücklich zu machen. Darin
liegt das Geheimnis wahren Glücks. „Wer
sein Leben verliert um meinetwillen und
um des Evangeliums willen, der wird's
erhalten" (Markus 8:35). Diese Worte
sind Ausdruck der wahren Lebensan-
schauung, und der Geist des Weihnachts-
festes hilft uns, sie zu verstehen.
Das Weihnachtsfest soll im Zeichen der
Liebe zu Gott und zu unseren Mit-
menschen stehen. Ebendies wurde von
den himmlischen Heerscharen verkün-
digt, als sie die Botschaft großer Freude
überbrachten :
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf
Erden und den Menschen ein Wohlgefal-
len"' (Lukas 2:14).
Wie einfach sind diese Worte doch! Und
wie tief und umfassend ist ihre Be-
deutung! Zu Weihnachten feiern wir die
Geburt dessen, durch dessen irdische
Sendung :
1 . Gott verherrlicht worden ist
2. der Erde Frieden verheißen wird
3. alle Menschen, die Zusicherung erhal-
. ten, daß Gott ihnen gnädig gesinnt ist
Um wieviel froher und glücklicher wäre
das Leben doch, wenn sich jeder Mensch
in dieser Welt diese drei erhabenen Ideale
als Leitbild wählen würde! Mit diesem
Ziel vor Augen würde jeder nach allem
streben, was rein und gerecht, ehrenhaft,
tugendhaft und wahr ist -- nach allem,
was zur Vollkommenheit führt, denn
jeder, der danach strebt, Gott zu ver-
herrlichen, wird auch diese Tugenden
üben. Er wird sich von allem fernhalten,
was unrein, unehrenhaft oder gemein ist.
Wie sehr könnte jeder Mensch doch den
allgemeinen Frieden auf Erden und das
Glück der ganzen Menschheit fördern,
wenn er von dem Wunsch getrieben wäre,
allen seinen Mitmenschen mit Wohlwol-
len zu begegnen, und danach strebte,
diesem Wunsch dadurch Ausdruck zu
verleihen, daß er in jeder nur denkbaren
Weise in Wort und Tat sich selbstlos und
opferbereit erweist !
Das Weihnachtsfest ist ein geeigneter
Anlaß, uns von neuem dem Wunsch
hinzugeben — und uns in dem Entschluß
zu bestärken — , daß wir alles in unserer
Kraft Stehende unternehmen wollen, um
die Botschaft unter den Menschen Wirk-
lichkeit werden zu lassen, die die Engel bei
der Geburt des Erlösers überbracht ha-
ben. Verherrlichen wir Gott, indem wir
nach dem Guten, Wahren und Schönen
streben! Laßt uns danach trachten, auf
Erden Frieden zu schaffen, indem wir
einander mit dem gleichen Wohlwollen
begegnen, das Gott auch uns erwiesen
hat!
Millenial Star, LIII, 801 f. (1923)
Veröffentlichung Dezember 1978
der Kirche Jesu Christi der 104. Jahrgang
Heiligen der Letzten Tage Nummer 12
Erste Präsidentschaft: Spencer W. Kimball, N. Eldon Tanner. Marion G. Romney.
Der Rat der Zwölf: Ezra Taft Benson, Mark E. Petersen, LeGrand Richards, Howard W. Hunter,
Gordon B. Hincklcy. Thomas S. Monson. Boyd K. Packer, Marvin J. Ashton. Bruce R. McConkie,
L. Tom Perry. David B. Haight, James E. Faust.
Beratendes Komitee: Gordon B. Hincklcy, Marvin J. Ashton. L. Tom Perry, Marion D. Hanks.
James A. Cullimore, Robert D. Haies. Church Magazines: Dean L. Larsen. Herausgeber.
Internationale Redaktion: Larry A. Hiller, Carol Larsen. Roger Gylling.
Der Stern: Klaus Günther Genge, Übersetzungsabteilung. Grabenstraße 14. A-8010 Graz.
Nachrichtenredaktion: Holger G. Nickel, Porthstraße 5-7. D-6000 Frankfurt Main 50.
Telefon 0611,15 34278.
Inhalt
Eine Weihnachtsbotschaft von der Ersten Präsidentschaft 2
Was Besuchslehren sein kann. Spencer W. Kimball 5
Vielleicht kann man Weihnachten doch nicht kaufen. Jeffrey R. Holland .... 10
Joseph Smith, der gütige Prophet. Kenne th W. Godjrey 14
Auf der Suche nach Zion, 1830-1835. Glen M. Leonard 18
Das Zionslager. Ronald W. Walker 27
Wir werden durch Offenbarung geleitet.
Rede Wilford Woodruffs 28
Neue Anweisungen zur Arbeit für die Verstorbenen.
Ein Gespräch zwischen Bruder George H. Fudge und der Zeitschrift „Ensign" , 35
Für Kinder
Es ist wirklich passiert. Illustriert von Don Seegmiller 1
Das macht Spaß 3
Das Lamm. Margaret Allen 4
Frohes Hanukkah ! Bonnie Newton ; 7
Jahresabonnement :
Bestellungen über den Sternagenlen der Gemeinde:
DM 20. — an Verlag Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage,
Postscheckkonto Frankfurt 6453-604.
sFr. 21,— an First National City Bank. Genf, Konto-Nr. 0312750,007. Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage.
ÖS 130,— an Erste Österreichische Spar-Casse. Wien. Konto-Nr. 000-81 388,
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.
USA und Kanada (nicht mit Luftpost): $ 8.00.
(<J 1978 by the Corporation ol the President of The Church oi Jesus Christ of Latter-day Saints.
All rights reserved.
Verlag Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Porthstraße 5-7.
D-6000 Frankfurt am Main 50.
Eine Weihnachtsbotschaft
von der Ersten Präsidentschaft
U etzt bereiten sich wieder viele Menschen auf der ganzen
Welt auf Weihnachten vor. Wir hoffen, daß sie sich bereitmachen,
an diesem besonderen Tag die Geburt des Friedensfürsten, des
Messias und Erlösers der Welt, Jesu Christi, in einer Krippe in
Bethlehem zu feiern.
Von Adam an haben die Propheten das Kommen eines Erlösers
angekündigt. Jahrhunderte vor der Geburt des Kindes Jesu ver-
kündeten Jesaja und Nephi, daß Christus von einer Jungfrau ge-
boren werden würde. Micha und Alma prophezeiten von seinem
Geburtsort. Andere Propheten - Daniel etwa und Samuel der
Lamanite — beschrieben weitere Einzelheiten seines Wirkens auf
Erden. Hosea weissagte von der Flucht nach Ägypten.
In alter Zeit, vor Jesu Geburt, sprachen die Propheten von der
Größe seines Sühnopfers und vom Wunder seiner Auferstehung.
Sie sagten vorher, daß er kommen würde, um für alle Menschen
eine buchstäbliche Auferstehung zu ermöglichen — und ewiges
Leben für diejenigen, die sich diese „größte aller Gaben Gottes"
verdienten.
Der Herr sandte Johannes den Täufer, einen der bedeutendsten
Propheten, um den Weg für das Erdenwirken Christi zu bereiten.
Die Vorbereitung auf das Kommen des Herrn erstreckte sich über
Jahrhunderte. Mögen wir uns ebenfalls im Geist jener Propheten
aus alter Zeit - - und im Geist dessen, was der Erlöser selbst gesagt
hat — auf die Feier seiner Geburt in diesem Jahr vorbereiten. Unter
anderem hat er uns folgende Richtlinien gegeben :
,,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Matthäus
22:39).
„Wenn du . . . Almosen gibst, sollst du nicht lassen vor dir posau-
nen .. . " (Matthäus 6:2).
„Geben ist seliger als Nehmen" (Apostelgeschichte 20:35).
„Friede sei mit euch!" (Johannes 20:19).
„Liebet eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen" (Lukas
6:27).
„Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brü-
dern, das habt ihr mir getan" (Matthäus 25:40).
Es gibt aber noch etwas anderes, worauf wir uns vorbereiten und
woran wir auch zu dieser Jahreszeit denken sollen — nämlich an
das zweite Kommen Christi. Unser Erlöser hat uns oftmals ver-
sichert, daß er in Herrlichkeit auf diese Erde zurückkommen wer-
de.
Welch ein großes Ereignis, auf das wir uns vorbereiten müssen!
Was sollen wir tun? Wahrscheinlich kann man im Hinblick darauf
keinen besseren Rat aussprechen als den, den der Herr selbst seinen
Aposteln gegeben hat.
„Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe,
gleichwie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner
Liebe" (Johannes 15:10).
Daraufhin sprach Jesus über die Segnungen, die wir empfangen,
wenn wir seine Gebote halten: „ . . . damit . .. eure Freude voll-
kommen werde" (Johannes 15:11).
Möge dies für alle Menschen eine Zeit freudiger Vorbereitung sein!
Die Erste Präsidentschaft
Präsident Kimball hielt diese Rede am
16. September 1958 bei einer Besuchs-
lehrerinnentagung im Pfahl Salt Lake
Monument Park. Damals war Präsident
Kimball noch Mitglied des Rates der Zwölf.
Seine Worte haben nichts an der Aktualität
und grundlegenden Bedeutung verloren.
Ach glaube, daß es mir schon sehr früh
im Leben bewußt wurde, daß es die
Frauenhilfsvereinigung gab und welche
Bedeutung sie hatte. Meine Familie
siedelte von Salt Lake City nach Arizona
über, als ich drei Jahre alt war. Meine
Mutter hatte zu diesem Zeitpunkt sechs
Kinder, und in der Zeit, in der sie weitere
fünf Schwangerschaften und Geburten
durchmachte, war sie Gemeinde-FHV-
Leiterin.
Wir zogen in eine neue Welt, wo man das
Wasser noch aus offenen Brunnen
schöpfte und wo es so viele Fliegen gab,
daß man am Abend kaum durch das
Fliegennetz im Türrahmen sehen konn-
te; Typhus und viele andere Krankhei-
ten waren dort verbreitet; es gab kaum
medizinische Hilfe — jedenfalls keine
Krankenhäuser und kein ausgebildetes
Krankenpersonal, außer dem Landarzt,
der mehr zu tun hatte, als er je schaffen
konnte.
Vor nicht allzu langer Zeit las ich im
Tagebuch meiner Mutter Eintragungen
wie : „Ich ließ die Kleinen bei Ruth (oder
Delbert oder Gordon) und ging zu
Schwester Smith, wo das zweite Zwil-
lingskind gerade gestorben ist und die
übrigen Kinder schwer an Typhus er-
krankt sind." Oder : „Den heutigen Tag
habe ich mit anderen Schwestern damit
zugebracht, Totenkleider für Schwester
Jones' Kinder zu machen." Und so
konnte man weiter und weiter lesen. So
wurde ich mit der Frauenhilfsvereini-
gung bekannt, und ich bin sicher, daß
diese Arbeit in einem gewissen Ausmaß
immer noch getan wird, denn, wie ich
die Aufgabe der FHV verstehe, betrifft
sie nicht nur die geistige und moralische
Wohlfahrt der Mitglieder der Gemein-
de, sondern auch die physische und
materielle. Jedesmal, wenn ich an Be-
suchslehrerinnen denke, wird mir deut-
lich, daß Ihre Aufgaben sich vielfach mit
denen der Heimlehrer decken müssen,
die, kurz zusammengefaßt, darin be-
stehen, „immer über die Gemeinde zu
wachen" — nicht zwanzig Minuten pro
Monat, sondern immer — , „bei den
Mitgliedern zu sein und sie zu stärken"
— nicht an die Türe zu klopfen, sondern
bei ihnen zu sein, sie zu erbauen, zu
stärken und ihnen Kraft zu geben -
„und darauf zu sehen, daß weder Gott-
losigkeit noch Schwierigkeiten mitein-
ander, noch Lügen, Verleumden und
Übelreden in der Gemeinde herrschen"
(LuB 20:53, 54).
Welch eine Möglichkeit sich hier bietet!
Aber allzu viele möchten über etwas
anderes reden — über das Wetter, die
Politik oder etwas, was eben in der
Gemeinde geschehen ist, wie z. B. die
Teilung einer Gemeinde, die Berufung
einer neuen Bischofschaft, der FHV-
Leitung oder irgendein anderes der vie-
len Ereignisse, die in einer Gemeinde
vorkommen und die man kritisieren
oder in Frage stellen kann. Wie großar-
tig ist doch die Möglichkeit, die zwei
Schwestern haben, wenn sie eine Woh-
nung betreten und alles, was hinderlich
sein könnte, beiseite lassen und statt
dessen über alle Führer der Kirche, über
die Kirche selbst, ihre Lehren, Richt-
linien und Verfahrensweisen in positiver
Weise sprechen.
So wie ich es sehe, darf beim Be-
suchslehren kein Zwang ausgeübt wer-
den. Es ist ein Werk der Liebe und der
gegenseitigen Erbauung. Es ist er-
staunlich, wie viele Menschen wir durch
Liebe bekehren und anspornen können.
Wir sollen „warnen, erklären, ermahnen
und lehren und alle einladen, zu Christus
zu kommen" (LuB 20:59). Das betrifft
sowohl Menschen, die noch nicht der
Kirche angehören, als auch Mitglieder.
Um Erfolg zu erzielen, soll eine Be-
suchslehrerin einen edlen Zweck vor
Augen haben und ihn nie vergessen; sie
muß sich ihres Amtes in hohem Maß
bewußt sein; sie braucht eine nie nach-
lassende Begeisterung, eine positive Hal-
tung und viel Liebe.
Im Buch , Lehre und Bündnisse' (LuB
Was
Besuchslehren
sein kann
42:14) sagt der Herr: „Der Geist wird
euch durch das gläubige Gebet gegeben
werden; wenn ihr aber den Geist nicht
empfanget, sollt ihr nicht lehren." Wenn
man davon ausgeht, daß Ihre Arbeit eng
mit der des Priestertums zusammen-
hängt, gilt auch, daß Sie die Grundsätze
des Evangeliums lehren sollen, „die in
der Bibel und im Buche Mormon stehen,
worin die Fülle des Evangeliums ent-
halten ist" (LuB 42:12) - - nicht bloß
sittliche Grundsätze. Sie können die
heiligen Schriften jederzeit heranziehen,
sie auslegen und auf irgendeine be-
stimmte Schwester anwenden, wie Ihre
Inspiration Sie führt. Für jede einzelne
Schwester eine besondere Botschaft, ei-
Spencer W. Kimball
ne besondere Weise, sie anzusprechen,
eine besondere Schlußfolgerung und ein
besonderer Weg zum Zeugnis.
Selbstverständlich muß die Besuchsleh-
rerin auch alles selbst tun, was sie lehrt.
Darauf sollte man nicht eigens hin-
weisen müssen, obwohl wir es manch-
mal vergessen : alles, was sie sagt, soll sie
auch selbst in die Tat umsetzen.
Der Herr hat gesagt: „Ich gebiete euch,
einander in der Lehre des Reiches zu
der Schrift besser aus als irgend jemand
von uns, jeden beliebigen Vers können
sie aufschlagen und darüber reden; kei-
ner von ihnen kann jedoch Ihrem Zeug-
nis widersprechen. Sie können es nicht
widerlegen und müssen verstummen.
Man muß nicht immer auf höchst
formelle Weise Zeugnis ablegen — es
gibt so viele andere Möglichkeiten. Be-
suchslehrerinnen müssen hervorragen
und den Frauen, die sie besuchen, Füh-
,, Jedesmal, wenn ich an
Besuchslehrerinnen denke, wird
mir deutlich, daß ihre Aufgaben
sich vielfach mit denen der
Heimlehrer decken müssen, die,
kurz zusammengefaßt, darin
bestehen, „immer über die
Gemeinde zu wachen" — nicht
zwanzig Minuten pro Monat,
sondern immer.
Spencer W. Kim ha II
belehren" (LuB 88:77). Geben wir uns
nicht damit zufrieden, einander lediglich
zu besuchen und kennenzulernen.
Freundschaft ist natürlich wichtig, wie
kann man jedoch besser jemandes
Freund sein, als daß man ihn die ewigen
Grundsätze des Lebens und der Erlö-
sung lehrt?
Ihr Zeugnis ist ein gewaltiges Werkzeug.
Niemand kann es zerstören oder ihm
etwas entgegensetzen. Viele Theologen
verwenden ihr ganzes Leben darauf, die
Bibel zu studieren, und sie kennen sich in
rung bieten. Sie müssen überdurch-
schnittlich sein, was Energie, Einblick
und Gründlichkeit anbelangt — vor
allen Dingen, was ihr Zeugnis angeht,
denn es ist unwiderlegbar.
Mir gefällt der 38. Abschnitt des Buches
, Lehre und Bündnisse' — ich zitiere,
beginnend mit Vers 23 :
„Aber wahrlich, ich sage euch : Lehret
einander gemäß dem Amte, wozu ich
euch berufen habe.
Jedermann (dies betrifft, wie ich meine,
auch jede Frau) halte seinen Bruder
(seine Schwester) wert wie sich selbst
und übe Tugend und Heiligkeit vor
mir . . .
Denn welcher Mensch unter euch, der
zwölf Söhne hätte, machte keinen
Unterschied zwischen ihnen, und sie
dienten ihm getreulich, und er würde zu
dem einen sagen: Sei in herrliche Ge-
wänder gekleidet und setze dich hierher,
und zu dem anderen : Sei in Lumpen
gehüllt und setze dich dorthin, und
wollte dann auf seine Söhne blicken und
sagen : Ich bin gerecht ?
Sehet, das habe ich euch als ein Gleichnis
gegeben, und es ist so, wie ich bin. Ich
sage euch : Seid eins, denn wenn ihr nicht
eins seid, seid ihr nicht mein" (Luß
38:23, 24, 26, 27).
Viele Schwestern sind in Lumpen ge-
kleidet — Lumpen in geistiger Hinsicht.
Sie haben, wie es in dem Gleichnis heißt,
ein Anrecht auf herrliche Kleider, gei-
stige Kleider. Wir reden so häufig von
Pflicht — es ist vielmehr eine besondere
Gelegenheit für Sie, jemanden zu be-
suchen und seine Lumpen gegen herr-
liche Kleider einzutauschen.
Wir reden immer von Pflicht — aber wir
haben bereits unsere Begeisterung ver-
loren, unsere Einsicht und unser Ziel
vergessen, wenn wir sagen : „Heute vor-
mittag muß ich meine Besuchslehrarbeit
erledigen. " Vielmehr könnten wir sa-
gen : „Auf den heutigen Vormittag habe
ich schon gewartet, ich freue mich
darauf, die Schwestern zu besuchen und
sie zu erbauen".
Sie tragen Verantwortung. Sie sind
durch ordnungsgemäß eingesetzte
Führer der Kirche von Gott berufen. Es
heißt im 88. Abschnitt des Buches , Lehre
und Bündnisse' :
„Ja, reinigt eure Herzen und säubert
Hände und Füße, auf daß ich euch
reinigen und . . . bezeugen kann, daß ihr
rein seid vom Blute dieses gottlosen
Geschlechts" (LuB 88:74, 75).
Sie können nicht ungestraft eine Schwe-
ster übersehen oder sie unbeachtet las-
sen, auch wenn sie nicht besonders
entgegenkommend ist und sich über
Ihren Besuch nicht gerade freut. Es gibt
für eine Besuchslehrerin keine Entschul-
digung, wenn sie die Verantwortung für
vier, fünf, sechs oder sieben Familien
übernimmt und dann zusieht, wie sie in
geistigen Lumpen bleiben. Wenn Sie
jemanden besuchen, sollten Sie leeres
Gerede und große Worte vermeiden. Sie
sind da, um Seelen zu retten, und wer
weiß, wie viele der guten aktiven Mit-
glieder der Kirche heute deswegen aktiv
sind, weil Sie sie besucht und ihnen neue
Perspektiven gezeigt haben. Sie haben
den Vorhang beiseite geschoben, den
Horizont erweitert. Sie haben den
Menschen etwas Neues gegeben. Viel-
leicht wird man es Ihnen nie sagen, aber
trotzdem haben Sie Ihre Arbeit getan.
Sie retten, wie Sie sehen, vielleicht nicht
nur eine einzelne Schwester, sondern
auch deren Mann und deren Familie.
Wenn eine Schwester ein wenig inaktiv
ist oder es mit dem Evangelium nicht so
genau nimmt, dann hat sie wahrschein-
lich einen Mann, auf den dies in noch
größerem Maß zutrifft, und ihre Kinder
nehmen womöglich nur oberflächlich an
den Programmen der Kirche teil. Natür-
lich gibt es Ausnahmen. Meistens aber
entwickeln solche Kinder nur selten eine
enge Beziehung zur Kirche. Sie haben
also eine große Aufgabe vor sich.
„Wer da kärglich sät", schreibt Paulus,
„der wird auch kärglich ernten ; und wer
da sät im Segen, der wird auch ernten im
Segen" (2. Korinther 9:6). Solange wir
nur leere Worte reden, erreichen wir
nichts. Unsere Worte müssen von Her-
zen kommen, und wir müssen uns
Gedanken machen und uns auf das, was
wir sagen, vorbereiten. Ich wüßte gerne,
ob manche Schwestern fasten — viel-
leicht am Morgen vor dem Besuchsieh-
ren. Ich weiß nichts davon, daß dies
gefordert wird. Es gibt vieles in der
Kirche, was nicht gefordert wird, vieles,
was wir gern tun. Jemand, der nicht
mehr tut als nur Schwestern zu be-
suchen, an Türen zu klopfen, Zeit zu
vertreiben und Berichte auszufüllen,
gleicht dem Mann, von dem Paulus
schreibt, daß er in die Luft schlägt und
nichts bewirkt (1, Korinther 9:26).
Wir müssen unsere Arbeit so tun, wie es
von uns verlangt wird.
Ich nehme an, daß es überall Frauen
gibt, die die Besuchslehrerinnen nicht
einlassen. Darüber hinaus gibt es
Frauen, die sie zwar einlassen, aber
eigentlich nicht besucht werden wollen.
Und dann gibt es noch Frauen, die die
Besuchslehrerinnen wegwünschen, be-
vor sie tatsächlich gehen.
Wenn Sie es mit einer Schwester zu tun
haben, die Ihnen nicht öffnet, mit einer,
die zwar öffnet, aber nicht besucht
werden will, oder aber mit einer, die Sie
doch einläßt, nur ungern - - dann emp-
fiehlt es sich, den Rat des Herrn an-
zuwenden: ,, Diese Art fährt nur aus
durch Beten und Fasten" (Matthäus
17:21).
Sie wissen, daß der Herr über Kräfte und
Mittel verfügt, Herzen zu bewegen, die
für uns unbegreiflich sind. Denken Sie
nur an Alma ! An einem Tag verfolgte er
die Kirche, am nächsten war er ein
großer Missionar. Oder Paulus: Den
einen Tag verfolgte er die Heiligen und
warf sie ins Gefängnis, und kurz darauf
predigte er mit großer Macht in der
Synagoge das Evangelium. Was be-
wirkte die Veränderung? Es war eine für
uns unbegreifliche Macht, die der Herr
in seiner Weisheit hat wirken lassen. Er
bewegte das Herz dieser Männer. Aber
er tat noch etwas anderes, und wir
wissen auch, was er tat.
Sie werden sagen: „Diese Frau kann
durch nichts bewegt werden." Natürlich
kann sie es. Sie kann bekehrt werden.
Präsident Taylor sagte, daß jeder be-
kehrt werden kann, wenn der Richtige
im richtigen Zeitpunkt, auf die richtige
Weise und mit dem richtigen Geist die
richtige Methode anwendet. Er sagte
nicht so oft „richtig" - - das habe ich
dazugefügt - - glauben Sie aber nicht,
daß es nicht möglich sei.
Schlagen Sie das erste Buch im Buch
Mormon auf, und lesen Sie es von
neuem. Sicher erinnern Sie sich an die
Worte Nephis :
„Ich will hingehen und das tun, was der
Herr mir geboten hat, denn ich weiß,
daß der Herr den Menschenkindern
keine Gebote gibt, es sei denn, daß er
einen Weg für sie bereite, damit sie das
ausführen können, was er ihnen geboten
hat" (1. Nephi 3:7).
Es ist möglich! Wir müssen das Wort
„unmöglich" vollkommen aus unserem
Wortschatz streichen.
Wenn der Herr sie berief, akzeptieren Sie
das dann, oder meinen Sie, die Berufung
ist von der FHV-Leiterin ausgegangen?
Wenn Sie lediglich von der FHV-Leite-
rin berufen worden sind, dann können
Sie es vielleicht nicht schaffen ; sind Sie
hingegen durch die ordnungsgemäße
Vollmachtslinie von Gott berufen wor-
den - - und Sie wissen, daß das der Fall
ist — , dann ist die logische Folge, daß
Sie nicht versagen werden, wenn Sie
Ihren Teil tun.
Es ist leicht, den Mut zu verlieren. Es ist
leicht aufzugeben, aber das dürfen Sie
nicht. Denken Sie daran, wie Nephi in
eine ausweglose Lage geraten und nicht
an die Platten herangekommen ist.
Auch seine Brüder konnten es nicht. Sie
konnten sie weder kaufen noch durch
Bestechung erlangen. Sie konnten sie
auch nicht durch Gewalt an sich brin-
gen, und ihr Leben hing überdies an
einem seidenen Faden. All dem zum
Trotz drang ein unbewaffneter junger
8
Mann durch die Stadtmauer und die
verschlossenen Stadttore in die Stadt
ein, in einen Garten, der völlig unzu-
gänglich war, und in eine Schatzkam-
mer, die versperrt war, an Soldaten
vorbei, an denen man nicht vorüber-
konnte ; er kam wieder aus der Stadt, die
Arme voll von Aufzeichnungen, die
seine Nachkommenschaft und andere
Menschen davor bewahrt haben, in
Unglauben zu versinken (1. Nephi 3:4).
Er tat das Unmögliche. Dem Herrn aber
ist nichts unmöglich. Wenn wir ihn auf
unserer Seite haben, wenn er uns berufen
und ein Gebot gegeben hat und wenn
unsere Energie, unsere Anstrengung,
unsere Planung und unsere Gebete der
Aufgabe angemessen sind, werden wir
den Auftrag ausführen können.
Wir müssen Aufrichtigkeit und Demut
bewahren und uns ganz auf den Herrn
verlassen.
Vergessen Sie auch nicht, daß Liebe das
größte Gebot ist. Als der Herr gefragt
wurde, was das größte -Gebot sei, gab er
zur Antwort : „Du sollst lieben Gott,
deinen Herrn, von ganzem Herzen, von
ganzer Seele und von ganzem Gemüte.
Dies ist das vornehmste und größte
Gebot. Das andre ist dem gleich: Du
sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst1' (Matthäus 22:37-39).
Der Herr hat uns gesagt, wer unsere
Nächsten sind. Es sind diejenigen, die
von zu Hause fort und unterwegs sind;
diejenigen, die verwundet sind, und
solche, die nicht bezahlen können. Jeder
ist unser Nächster - - auch die Schwe-
stern, die Sie daheim besuchen. Aufträge
ausführen und dem Nächsten eine voll-
kommene Erkenntnis vom Evangelium
vermitteln sind zwei ganz verschiedene
Dinge. Es gilt, was ich zuvor gesagt habe
— alles ist möglich.
Der Schriftsteller Lloyd C. Douglas hat
folgendes geschrieben : ,,Die Natur hat
sich immer gegen alles gewehrt, was ihre
blinden, aber geordneten Vorgänge
stört. Ein Baum mag jahrelang einen
schweigenden und langwierigen Kampf
gegen eine ihn beengende Mauer führen,
ohne sichtlichen Erfolg. Eines Tages
fällt jedoch die Mauer; nicht, weil der
Baum plötzlich eine übernatürliche
Kraft erlangt hat, sondern weil seine
geduldige Selbstverteidigung und sein
Mühen um Befreiung schließlich ihre
Erfüllung erreicht haben. Der lange
eingeengte Baum hat sich befreit, die
Natur ist ihren Weg gegangen" (Lloyd
C. Douglas, 1877-1961, „The Robe").
Das können auch Sie. Wie die kleine
Weinrebe, die kleine Wurzel, die eine
Mauer umstürzen oder einen Stein spal-
ten kann, können auch Sie Herzen
bewegen und sie von Verankerungen
losreißen, die nicht gut sind. Sie können
andere zu vollständiger Aktivität in der
Kirche bewegen. Es ist zu schaffen !
Der Herr segne Sie, meine Schwestern,
in Ihrer wichtigen Arbeit, in Ihrem
liebenswürdigen Wesen und in dem
Einfluß, den Sie auf andere ausüben
können - - das erbitte ich im Namen
Jesu Christi. Amen.
Aus einer Rede an den Lehrkörper der
theologischen Fakultät der Brigham- Young-
Universität vom 12. Dezember 1976
Wi
lr können aus dem Bericht über
Christi Geburt soviel lernen, daß wir
zögern, wenn wir nur einen Aspekt auf
Kosten der anderen hervorheben. Ver-
zeihen Sie mir, daß ich das heute gerade
tue.
In der letzten Zeit ging mir nicht der
Gedanke aus dem Kopf, daß dies eine
Geschichte ungeheurer Armut ist. Ich
frage mich, ob Lukas sich etwas dabei
gedacht hat, als er nicht schrieb :,,...
weil kein Platz in der Herberge war",
sondern : ,,weil für sie kein Platz in der
Herberge war" (Lukas 2:7; Herder-
Übersetzung, 1965). Natürlich ist das
nur eine Vermutung, aber ich glaube,
das Geld hatte damals genausoviel
Macht wie heute. Wenn Maria und
Joseph reich oder mächtig gewesen wä-
ren, hätten sie sicher auch in einer
überfüllten Herberge noch eine Bleibe
gefunden.
In der inspirierten Version von Joseph
Vielleicht kann man
Weihnachten doch nicht kaufen
Jeffrey R. Holland
10
Smith heißt es: ,,Es gab niemanden, der
ihnen in den Herbergen einen Platz hätte
geben können" (Lukas 2:7; Inspirierte
Version). Soll damit angedeutet werden,
daß sie nicht die „richtigen" Leute
kannten?
Wir wissen nicht mit Bestimmtheit, was
der Verfasser ausdrücken wollte, doch
wir wissen, daß die beiden schrecklich
arm waren. Für das Reinigungsopfer,
das die Eltern nach der Geburt des
Kindes darbrachten, wählten sie statt
des Lammes ein Paar Turteltauben. Der
Herr hatte diese Ausnahme im Mo-
saischen Gesetz zugelassen, damit die
wirklich Armen nicht über die Maßen
belastet würden (3. Mose 12:8).
Später kamen die Weisen mit ihren
Gaben und verliehen dem Ereignis etwas
Glanz und Reichtum, doch kamen sie
von weither, wahrscheinlich aus Persien,
und hatten zumindest Hunderte von
Kilometern zurückgelegt. Wenn sie am
Abend der Geburt des Kindes angekom-
men wären, hätten sie lange vor dem
Erscheinen des Sterns aufgebrochen sein
müssen. Zudem berichtet Matthäus,
daß die Familie in einem Haus lebte, als
sie kamen (Matthäus 2:11).
Könnten wir hier nicht auch in der Art,
wie wir Weihnachten feiern, einen
Unterschied machen und Einkäufe, An-
fertigen und Einwickeln von Geschen-
ken und Schmücken des Baumes von
den stillen, persönlichen Augenblicken
trennen, in denen wir über die Be-
deutung des Kindes (und seiner Geburt),
die der eigentliche Anlaß für unsere
Geschenke ist, nachdenken.
Gold, Weihrauch und Myrrhe wurden
demütig überreicht und entgegenge-
nommen. Und so soll es jedes Jahr und
jederzeit sein. Meine Frau und meine
Kinder können bezeugen, daß sich nie-
mand mehr über Schenken und Be-
schenktwerden freut als ich.
Doch gerade aus diesem Grund muß ich
mir, wie Sie sich auch, das einfache Bild
dieser Armut in jener Nacht vor Augen
halten, in der es kein Lametta, keine
weltlichen Geschenke gab. Erst wenn
wir den einen, heiligen, schmucklosen
Gegenstand unserer Verehrung, das
Kind in der Krippe, vor uns sehen,
wissen wir, warum wir uns gerade zum
Fest seiner Geburt gegenseitig beschen-
ken.
Als Vater denke ich in der letzten Zeit oft
über Joseph nach, den starken, stillen,
fast unbekannten Mann, der würdiger
als jeder andere Sterbliche gewesen sein
muß, um der Pflegevater des Gottes-
sohns zu werden. Aus allen Männern
wurde Joseph ausgewählt, Jesus arbei-
ten zu lehren. Joseph unterrichtete ihn in
den Gesetzesbüchern. Joseph half ihm in
der Stille seiner Werkstatt, allmählich zu
erfassen, wer er war und was letztlich aus
ihm werden sollte.
Ich war Student an der Brigham-Young-
Universität und arbeitete an meinem
Doktorat, als unser erstes Kind, ein
Sohn, geboren wurde. Wir waren sehr
arm, wenn auch nicht so arm wie Maria
und Joseph. Meine Frau und ich studier-
ten beide, wir verdienten Geld nebenbei
und waren außerdem noch Hausverwal-
ter in unserem Mietshaus, damit wir
weniger Miete zahlen mußten. Wir fuh-
ren einen kleinen Volkswagen mit halb-
toter Batterie, weil wir uns keinen neuen
leisten konnten (eine Batterie übrigens
auch nicht).
Und doch, als „unsere" Nacht näher-
rückte, hätte ich auf ehrlichem Wege
alles getan und meine Zukunft ver-
pfändet, nur um sicherzugehen, daß
meine Frau saubere Laken, sterile In-
strumente, aufmerksame Kranken-
schwestern und fähige Ärzte hatte, auf
daß sie unserem ersten Sohn den Weg ins
Leben erleichterten. Wenn meine Frau
oder das Kind eine teure Spezialklinik
11
gebraucht hätten, hätte ich wohl mein
Leben dafür verpfändet.
Wenn ich meine Gefühle überdenke (es
waren bei jedem folgenden Kind die
gleichen), frage ich mich, was Joseph
wohl empfunden hat. Er ging durch die
Straßen einer fremden Stadt, ohne
Freunde oder Verwandte. Keiner streck-
te ihnen hilfreich die Hand entgegen. In
diesen letzten beschwerlichsten Stunden
ihrer Schwangerschaft hatte Maria die
160 Kilometer von Nazareth in Galiläa
nach Bethlehem in Judäa zu Fuß oder
auf einem Esel zurückgelegt. Joseph
mußte angesichts ihrer stillen Entschlos-
senheit geweint haben. Jetzt mußten sie
allein und unbemerkt, abseits der
menschlichen Gesellschaft, in einen Stall
einziehen, in dem das Vieh stand. Hier
sollte der Sohn Gottes zur Welt kom-
men.
Was mag Joseph empfunden haben, als
er den Dung und Schmutz wegräumte?
Hat er geweint, während er das sauber-
ste Stroh suchte und die Tiere zurück-
hielt? Hat er sich still gefragt : „Könnte
ein Kind unter ungesunderen, jämmerli-
cheren Umständen geboren werden? Ist
dies der Ort für einen König? Sollte die
Mutter des Gottessohnes ihre Nieder-
kunft in einem solchen finsteren, ab-
stoßenden Stall erleben ? Ist es falsch, ihr
ein wenig Bequemlichkeit zu wünschen?
Ist es recht, daß er hier geboren werden
soll?"
Doch bin ich gewiß, daß Joseph nicht
murrte und Maria nicht klagte. Sie
wußten es besser und taten, was sie
konnten.
Vielleicht wußten die Eltern damals
schon, daß ihr kleiner Sohn bei seiner
Geburt wie bei seinem Tod Schmerz und
Enttäuschung mitmachen sollte wie kein
anderer.
Ich habe auch über Maria nachgedacht,
die vor allen anderen Frauen in der
Weltgeschichte ausgezeichnet wurde. Sie
war fast noch ein Kind, als der Engel zu
ihr kam und ihr die Botschaft brachte,
die nicht nur ihr eigenes Leben, sondern
die Menschheitsgeschichte verändern
sollte : „Heil dir, Jungfrau, der Herr hat
dich sehr ausgezeichnet. Der Herr ist mit
dir; denn du bist unter den Frauen
auserwählt und gesegnet" (Lukas 1:28;
Inspirierte Übersetzung). Ihr Wesen und
ihre Bereitschaft, dem Herrn zu dienen,
spiegeln sich in ihrer demütigen Antwort
wider : „Siehe, ich bin des Herrn Magd ;
mir geschehe, wie du gesagt hast" (Lu-
kas 1:38).
Dies geht über mein Verständnis hinaus,
ich kann nicht nachvollziehen, was eine
Mutter empfindet, wenn sie weiß, daß
sie eine lebende Seele empfangen hat;
wenn sie spürt, wie das Leben in ihrem
Körper erwacht und wächst und ein
Kind zur Welt kommt. Die Väter kön-
nen dann nur zusehen, doch die Mütter
empfinden, und sie vergessen es nie.
Wieder mußte ich daran denken, wie
Lukas die Ereignisse der heiligen Nacht
in Bethlehem beschrieben hat:
„Und als sie daselbst waren, kam die
Zeit, daß sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten Sohn und
wickelte ihn in Windeln und legte ihn in
eine Krippe" (Lukas 2:6, 7). Hier ist
neben dem Kind selbst Maria die
Hauptfigur, die Königin, die Mutter
aller Mütter. Sie steht im Mittelpunkt
der dramatischen Ereignisse. Und aus
diesen einfachen Sätzen können wir
auch herauslesen, daß sie, bis auf die
Gesellschaft ihres Mannes, sehr allein
war.
Ich habe mich gefragt, ob sich diese
junge Frau, die selbst fast noch ein Kind
war, bei der Geburt ihres Kindes nach
ihrer Mutter, ihrer Schwester, einer
Tante oder Freundin gesehnt hat, die ihr
hätte beistehen können. Die Geburt
eines solchen Sohnes hätte die An-
wesenheit und Hilfe einer jeden Hebam-
12
me in ganz Judäa gerechtfertigt! Wün-
schen wir uns nicht alle, es hätte jemand
ihre Hand gehalten, ihr die Stirn gekühlt
und sie nach der Geburt in kühles,
weißes Leinen gebettet?
Doch es sah ganz anders aus. Nur mit
Josephs unerfahrenem Beistand gebar
sie ihren ersten Sohn, wickelte ihn in die
wenigen Windeln, die sie vorsorglich
mitgebracht hatte, und legte ihn viel-
leicht auf ein Kissen aus Stroh.
Und auf beiden Seiten des Schleiers sang
ein himmlischer Chor : „Ehre sei Gott in
der Höhe und Friede auf Erden und den
Menschen ein Wohlgefallen" (Lukas
2:14). Doch bis auf Besucher vom Him-
mel waren die drei allein — Joseph,
Maria und das Kind, das Jesus heißen
sollte.
Diesen bedeutenden Augenblick in der
Geschichte der Menschheit, in dem
sogar ein neuer Stern am Himmel er-
schien, erlebte wohl kein weiterer Sterb-
licher mit, nur ein armer junger
Zimmermann, eine wunderschöne jung-
fräuliche Mutter und das Vieh im Stall,
das nicht über die Fähigkei verfügte,
über dieses heilige Ereignis sich zu
äußern.
Bald darauf kamen die Hirten und
später die Weisen aus dem Morgenland.
Doch noch war nur die kleine Familie da
ohne Geschenke, Baum oder Lamet-
ta. Weihnachten begann mit einem neu-
geborenen Kind.
Weil dieses Kind geboren wurde, sollen
wir im Chor singen : ,,Hört, die Engels-
chöre singen : Heil dem neugebornen
Kind! Uns zur Freud ist er geboren,
denn sonst wären wir verloren. Er ver-
treibet alles Weh, Hosianna in der
Höh'!" (Gesangbuch, Nr. 235).
Jesus muß häufig gesagt haben, wenn er
den Kindern in die Augen blickte, die
ihn liebten (die am besten sahen, wer er
wirklich war) : „Wenn ihr nicht umkeh-
ret und werdet wie die Kinder, so werdet
ihr nicht ins Himmelreich kommen"
(Matthäus 18:3). Dabei dachte er viel-
leicht an die Umstände seiner eigenen
Geburt, seiner Kindheit, an die Rein-
heit, den Glauben und die wahre Demut,
die jedes celestiale Wesen haben muß.
Weihnachten ist für Kinder jeden Alters.
Vielleicht ist mein liebstes Weihnachts-
lied deshalb auch ein Kinderlied. Ich
singe es mit mehr Gefühl als jedes
andere :
„Im Stoh in der Krippe, kein Bett war im
Raum,
da lag\s Jesuskindlein, gar rein anzu-
schaun . . .
Sehau nieder vom Himmel, denn ich liebe
dich,
und halt deine Hände als Schutz über
mich.
Sei ganz nahe bei mir, so nah, wie es geht,
für immer und ewig, das ist mein Gebet.
Und segne die Kinder mit Kraft für und
ßr,
daß sie können leben im Himmel mit dir''''
(Sing mit mir, F-2).
Jeffrey Holland, der Bildungsbeauftrag-
te der Kirche, lebt in Bountiful, Utah.
13
Joseph Smith,
der gütige
Prophet
Kenneth W. Godfrey
An den sechzehn Jahren, die ich Kir-
chengeschichte lehre und mich intensiv
mit der frühen Geschichte der Heiligen
der Letzten Tage beschäftige, hat mich
an dem Propheten Joseph Smith vor
allem seine Güte beeindruckt. Sie war
Teil seiner selbst und umschloß die
Menschen aller Rassen und auch die
Tiere. Als er mit Freunden in Liberty in
Missouri eingekerkert war, schrieb er
mehrere Briefe an seine Frau Emma. In
einem sehr aufschlußreichen Brief er-
kundigt er sich in einem Satz nach seinen
Söhnen und Töchtern, dann nach
Joanna, seinem Pferd, und Old Major,
seinem Hund, die er liebte und gut
behandelte.
Es ist allgemein bekannt, daß Joseph
und Emma Smith Zwillinge adoptierten
und Julia, die die Angriffe des Pöbels in
Hiram in Ohio überlebte, wie ihr eigenes
Kind erzogen haben. Nach einer sehr
schwierigen Ehe kehrte Julia zu Emma
Smith zurück und wurde genauso liebe-
voll aufgenommen wie in ihrer Kind-
heit. Weniger bekannt sind vielleicht die
vielen guten Taten, die nur in den
Tagebüchern einzelner Mitglieder fest-
gehalten wurden.
1841 kamen John Walker, seine Frau
Lydia Adams Holmes und ihre zehn
Kinder nach Nauvoo. Diese treue Fami-
lie hatte das Massaker bei Haun's Mill
und die Verfolgungen seitens der Be-
wohner Missouris überlebt, die 1838
und 1839 stattgefunden hatten. Jetzt
kamen sie, völlig verarmt, aber mit
großen Hoffnungen und Erwartungen,
in der Mormonenstadt an. Sie zogen
zum Bruder ihres Vaters und lernten
Joseph Smith gleich am ersten Abend
kennen.
Der Sommer brachte ihnen Schüttel-
frost und Fieber, und Schwester Walker
blieb ans Bett gefesselt. Als Joseph
Smith hörte, wie krank sie war, kam er
mit seiner Frau und holte Schwester
Walker zu sich, weil er meinte, die
Veränderung würde ihr gut tun. Doch
Schwester Walker hielt es nicht lange
ohne ihre Kinder aus und wollte zu
ihnen zurück, obwohl sich ihr Gesund-
heitszustand nicht gebessert hatte. Ihr
Bett wurde auf einen Schlitten gelegt, sie
mit Decken umhüllt — inzwischen war
es nämlich schon Winter geworden —
und sie kehrte nach Hause zurück. Sie
rief ihre Kinder zusammen, ermahnte
sie, nie von der Wahrheit zu weichen und
so zu leben, daß sie sie ,,in der Welt, in
der es kein Leid und keine Tränen der
Angst mehr geben wird", wiedersehen
könne. Dann schloß sie die Augen, „ihr
Geist ging fort, nur ein himmlisches
Lächeln blieb auf ihrem Gesicht zu-
rück".
Schwester Walker hinterließ zehn Kin-
der, das Jüngste war noch nicht ganz
zwei Jahre alt. Das übergroße Leid
schien zuviel für Bruder Walker, und
bald bangte die Familie auch um sein
Leben.
14
Als Joseph Smith davon erfuhr, eilte er
wieder herbei. Er schlug Bruder Walker
einen Ortswechsel vor, da er seiner Frau
sonst bald nachfolgen werde, und mein-
te: „Sie haben Kinder, wie ich sie gern
hätte. Mein Haus kann ihnen fürs erste
ein Zuhause bieten. Ich rate Ihnen, Ihr
Haus zu verkaufen, die Kleinen bei
guten Freunden zu lassen und mir die
vier ältesten zu geben. Ich will sie wie
meine eigenen behandeln. Wenn ich
sehe, daß sich die Kleinen nicht wohl
fühlen oder daß man nicht gut zu ihnen
ist, nehme ich sie auch zu mir, bis Sie
zurückkommen."
So geschah es, und die Mutter Joseph
Smith' berichtet, daß der Prophet den
Kindern häufig seinen Wagen lieh, da-
mit sie ihre Geschwister besuchen konn-
ten, die jetzt in anderen Teilen der Stadt
lebten. Dann erkrankte die achtjährige
Lydia an Hirnhautentzündung. Der
Prophet bangte um ihr Leben und holte
sie zu sich, seinem Versprechen getreu.
Er betete für sie, pflegte sie wie sein
eigenes Kind, aber sie überlebte nur
wenige Tage und folgte dann ihrer
Mutter nach. Emma und Joseph Smith
gingen mit den anderen Kindern zur
Beerdigung der kleinen Lydia. Eins nach
dem anderen zogen die Kinder beim
Propheten ein. Sie blieben in seinem
Haus, bis er selbst starb. Dann kehrte ihr
Vater wohlbehalten zurück, und sie
begleiteten ihn in den Westen. Sie ver-
gaßen nie, wie liebevoll Joseph und
Emma Smith sich ihrer angenommen
hatten.
Mary Ann Stearns, die Stieftochter Par-
ley P. Pratts, berichtet in ihrer unver-
öffentlichten Autobiographie von einem
Erlebnis ihrer Familie mit dem Pro-
pheten Joseph Smith, das seine große
Güte widerspiegelt. Parley P. Pratt war
mit Frau und Kindern und einer Gruppe
Einwanderer von seiner Mission in
England zurückgekehrt. Er hatte den
Weg über St. Louis in Missouri gewählt,
aber die Gruppe wurde von der kalten
Witterung und den großen Eisblöcken,
die auf dem fast zugefrorenen Mississip-
pi trieben, fast vier Wochen aufgehalten.
Als sie schließlich in Nauvoo ankamen,
warteten die Mitglieder in der Stadt
schon ungeduldig auf sie, aber auch die
Einwanderer aus Großbritannien kon-
nten es kaum abwarten, den Propheten
Joseph Smith zu sehen. Joseph Smith,
sein Bruder Hyrum und viele andere ka-
men an den Landungssteg, um die Neu-
ankömmlinge willkommen zu heißen.
Bruder Pratt stellte den beiden Führern
der Kirche die Gruppe vor, und als alle
bis auf die Familie Pratt das Schiff ver-
lassen hatten, kam der Prophet in ihre
Kabine.
„Nach einer herzlichen Begrüßung setz-
15
te er sich, nahm die beiden Jungen,
Nathan und Parley, auf die Knie und
schien sehr bewegt zu sein. Bruder Pratt
meinte : ,Wir haben drei Kinder mit-
genommen und fünf wieder mitge-
bracht.' Da sagte Bruder Joseph: ,Ja,
Bruder Parley, Sie haben Ihre Ernte
eingebracht.1 Dabei strömten ihm die
Tränen über die Wangen. Bruder Pratt,
der sah, welche Gefühle dies hervorrief,
sagte darauf: ,Wenn Sie sich so wenig
über unsere Rückkehr freuen, müssen
wir wohl wieder gehen', und auch ihm
liefen Freudentränen über das Gesicht."
Das schien den Bann zu brechen, jeder
lachte wieder, und alle freuten sich.
Joseph Smith stand auf und sagte:
„Kommen Sie, Bruder Parley, bringen
Sie Ihre ganze Familie zu mir; es ist
nicht weit, und nach der weiten Reise
fühlen Sie sich dort wohler." Weil
Schwester Pratt sehr krank war, wurde
sie in einen bequemen Stuhl gesetzt, und
Bruder Hodge trug sie mit anderen
Begleitern des Propheten zu dessen
Haus, wo die ganze Familie ein kleines
Fest feierte.
Der Prophet begegnete allen Kindern
Gottes mit Güte. Wie sehr er alle
Menschen achtete, sehen wir an dem
folgenden Bericht von Jane Manning
aus dem Jahre 1893. Schwester Man-
ning, eine Negerin, hatte sich 1842 in
Connecticut der Kirche angeschlossen.
Unter großen persönlichen Opfern und
großer Gefahr machte sie sich mit
mehreren anderen schwarzen Mitglie-
dern auf den Weg nach Nauvoo. Sie
liefen, bis ihre Schuhe auseinanderfielen
und ihre Füße so wund waren, daß sie
bluteten und sie blutige Fußspuren hin-
terließen. In Peoria in Illinois drohte die
Obrigkeit, sie ins Gefängnis zu sperren,
falls ihre Papiere nicht in Ordnung seien.
Sie zeigten ihre Papiere vor und wurden
freigelassen. Sie mußten auf ihrer Wan-
derung noch Flüsse überqueren, in de-
nen ihnen das Wasser bis zum Halse
reichte. Als sie schließlich in Nauvoo
ankamen, wurden sie zu Joseph Smith
geführt, und Jane Manning berichtet
darüber :
„Schwester Emma stand in der Tür und
sagte freundlich: , Kommen Sie nur
herein !' Bruder Joseph sagte zu ein paar
weißen Schwestern, die da waren :
Schwestern, ich möchte, daß Sie hier
heute abend mit einigen Brüdern und
Schwestern zusammenkommen, die ge-
rade eingetroffen sind.' Bruder Joseph
stellte Stühle auf, brachte Schwester
Emma und Dr. Bernhisel herein und
stellte sie uns vor. Dann setzte er sich zu
mir und sagte: ,Sie haben diese kleine
Gruppe angeführt, nicht wahr?' Ich
antwortete: ,Ja.' Dann sagte er: ,Gott
segne Sie! Erzählen Sie uns, was Sie
unterwegs erlebt haben.' Ich erzählte
alles, was ich oben aufgeführt habe, nur
viel ausführlicher, weil ich inzwischen
einiges wieder vergessen habe. Bruder
Joseph schlug Dr. Bernhisel aufs Knie
und sagte: ,Was halten Sie davon, Dok-
tor, ist das nicht Glauben?' Der Doktor
sagte : ,Ja, das ist es, und wenn ich an
ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich
vielleicht aufgegeben und wäre nach
Hause gegangen.'"
Die ganze Gruppe blieb eine Woche im
Haus des Propheten, bis für eine ge-
eignete Unterkunft gesorgt war. Der
Prophet kam jeden Morgen in ihr Zim-
mer, um zu sehen, wie es seinen Gästen
ging, und gab Jane neue Kleider, weil sie
unterwegs alles verloren hatte. Eines
Morgens sah er, daß sie weinte, weil alle
außer ihr eine neue Bleibe gefunden
hatten. Er verließ das Zimmer, sprach
kurz mit seiner Frau, und bat Jane
Manning, in seinem Haus zu bleiben. Sie
blieb, bügelte, wusch und kochte für die
Familie und vergaß nie, wie gut Joseph
und Emma Smith zu ihr gewesen waren.
16
Sie starb im April 1908 als treues
Mitglied der Kirche.
Ein anderer Fall : Emily Williams, eine
Witwe, die damals noch kein Mitglied
der Kirche war, hatte eine kleine Toch-
ter, die sehr krank wurde. Nach etlichen
Tagen gab der Arzt jede Hoffnung auf.
Als Emily Williams hörte, Joseph Smith
sei nach Michigan gekommen, um Ver-
wandte zu besuchen, bat sie ihn, ihrem
Kind einen Krankensegen zu geben. Der
Prophet kam mit seinem Vater. Er
kniete sich bei dem Kind nieder, legte
ihm die Hände auf den Kopf und
versprach ihm, es werde genesen. Emily
berichtet: „Das Mädchen drehte sich
um, die Krämpfe ließen nach, und sie
schlief ein. Am nächsten Morgen war sie
völlig gesund. "
So war der Prophet Joseph Smith ein
Vorbild an Güte und Liebe gegenüber
allen Menschen, und wir tun gut daran,
ihm heute nachzueifern.
17
AUF DER SUCHE NACH
ZION ±
1830-1835
Glen M. Leonard
Di
ie bedeutenden Ereignisse in den
Jahren zwischen 1830 und 1840 machen
dieses Jahrzehnt zu einem der wichtig-
sten in der Geschichte der Kirche. Aus
einem kleinen Anfang in Fayette im
Westen des Staates New York wuchs die
Kirche schnell. Die Bekehrten waren
eifrig bemüht, das Werk zu unterstüt-
zen, und erzählten ihren Freunden und
Nachbarn bereitwillig von der Wieder-
herstellung des Evangeliums. Die-
jenigen, die Joseph Smith und Oliver
Cowdery als die „ersten Ältesten" der
Kirche anerkannten, gaben von ihren
Mitteln zum Unterhalt der Armen und
halfen beim Bau eines Tempels in Kirt-
land, Ohio. Der Stein, der ohne Zutun
von Menschenhänden vom Berg her-
unterkam, hatte seine weltweite Mission
begonnen. Er rollte zuerst nur langsam,
nahm aber mit der Zeit an Geschwindig-
keit und Größe zu.
Das Buch Mormon gab den ersten
Heiligen der Letzten Tage das erregende
Gefühl, an bedeutenden Ereignissen teil-
zuhaben, die dem Zweiten Kommen
. . ....- ■:■ '...:!■. i ■::■:•:■
18
Jesu Christi vorausgingen. Die Bibel
und das Buch Mormon wiesen zu-
sammen mit neuen Offenbarungen, die
durch Joseph Smith gegeben wurden,
auf eine wichtige Periode der Missions-
arbeit in den Letzten Tagen hin, wo die
Rechtschaffenen unter allen Völkern
aus dem Bösen gesammelt werden soll-
ten. Die Heiligen sahen es als Teil der
vorbereitenden Arbeiten für das Millen-
nium an, daß das Evangelium zu den
Übriggebliebenen vom Haus Israel ge-
bracht werden sollte.
Im Oktober 1830 begaben sich Oliver
Cowdery, Peter Whitmer jun., Parley P.
Pratt und Ziba Peterson von New York
aus auf eine Mission zu den Indianern
im Westen Amerikas. Sie besuchten auf
ihrem Weg den Stamm der Cattaraugus-
Indianer in der Nähe von Buffalo und
den Stamm der Wyandot in Ohio.
Weiße Siedler waren westlich schon bis
nach Missouri vorgedrungen. Jenseits
dieses Staates lebten die Indianer, die
von diesen Pionieren weiter nach We-
sten gedrängt worden waren. Aber als
Oliver Cowdery und seine Gefährten die
Grenze von Missouri erreichten, erleb-
ten sie eine Enttäuschung. Die Missio-
nare besuchten die Shawnee-Indianer
und trafen dann mit dem Häuptling der
Delawaren zusammen. Obwohl die
Indianer sie freundlich aufnahmen, wur-
den die Missionare gezwungen, das
Reservat zu verlassen, und zwar von
Indianeragenten der Regierung, die be-
haupteten, daß die Missionare den Frie-
den störten. So brachten diese ersten
Kontakte mit den Lamaniten nicht die
Bekehrungen, die die Missionare er-
wartet hatten. Indessen wurde die Auf-
merksamkeit der Kirche durch diese
Expedition auf Missouri gelenkt, wo die
Heiligen bald versuchen sollten, eine
Stadt Zion zu errichten.
In Ohio brachten die Missionare eine
wichtige Ernte ein. Auf ihrem Weg nach
Westen hatten sie Sidney Rigdon be-
sucht, einen früheren Prediger der
Campbelliten und Freund Parley P.
Pratts. Rigdon war zuerst skeptisch,
studierte aber dann das Buch Mormon
und forderte die Missionare auf, zu
seiner Gemeinde zu sprechen. Bald bat
er darum, getauft zu werden. 130 wei-
tere Menschen ließen sich ebenfalls tau-
fen. Rigdon wollte unbedingt den Pro-
pheten kennenlernen. Im Dezember
reiste er zusammen mit einem jungen
Hutmacher, Edward Partrigde, zu Jo-
seph Smith, der damals in Waterloo im
Staate New York wohnte. Der Prophet
war von Rigdons Fähigkeit beeindruckt
und empfing bald eine Offenbarung, in
der es hieß, daß der Herr ihn „für ein
größeres Werk vorbereitet" habe. Der
frühere Prediger benutzte seine redneri-
schen Fertigkeiten bald, um anderen das
Evangelium zu erklären. Dann begann
er, als Schreiber für Joseph Smith bei
einer inspirierten Revision der Bibel zu
arbeiten, und wurde Ratgeber in der
Ersten Präsidentschaft.
Die Mitglieder der Kirche in New York
brauchten als erstes einen Ort, um sich
zu sammeln, und durch Offenbarung
wurden ihnen zwei genannt. Einer da-
von lag im westlichen Missouri im Kreis
Jackson in der Nähe von Independence.
Im Sommer 1831 besuchte der Prophet
mit einigen anderen die Gegend und
wählte ein Siedlungsgebiet für eine
Gruppe von Heiligen aus, die von Coles-
ville in New York dorthin reisen sollten.
Sie nannten es das Zentrum Zions
(Independence sollte auch dazuge-
hören), weil eine Offenbarung es als die
künftige Hauptstadt des Neuen Jerusa-
lems bezeichnet hatte. Joseph Smith
setzte den Eckstein für einen Tempel in
Zion und ordinierte Edward Partrigde
zum Bischof, der sich um die zeitlichen
Belange kümmern sollte. Er war der
erste Bischof der Kirche.
19
Inzwischen gründeten andere Bekehrte
aus New York in der Gegend von
Kirtland im nördlichen Ohio eine zweite
Mormonengemeinde. Sie vereinigten
sich hier mit den Neubekehrten aus
Ohio zu einem als vorübergehend ge-
planten Gemeinwesen, um auf den Aus-
zug nach Zion zu warten. Joseph Smith
zog mit seiner Familie nach Ohio, und
bis 1838 war nun Kirtland der Hauptsitz
der Kirche.
Offenbarungen und Übersetzungen
Die ,Kirtlandperiode' ist ein aufregen-
der Abschnitt in der Geschichte der
Kirche. Die Heiligen in Kirtland erleb-
ten eine Ausgießung von Gaben des
Geistes, es gab viele Offenbarungen zur
Führung der neuen Kirche, und es
vollzogen sich wichtige Entwicklungen
in der Verwaltung der Kirche.
Zu den ersten Bekehrten in Ohio gehörte
Luke S. Johnson. Seine Eltern, John
Johnson und dessen Frau, die in der
Nähe von Hiram eine große Farm
besaßen, besuchten den Propheten in
Kirtland. Frau Johnson litt an chro-
nischem Rheumatismus und konnte seit
sechs Jahren einen Arm nicht bewegen.
Während des Besuchs faßte der Prophet
sie an der Hand und sagte: „Im Namen
des Herrn Jesus Christus befehle ich dir,
gesund zu sein!" Frau Johnson war
geheilt. Bei den Anwesenden hinterließ
dieser Vorfall einen nachhaltigen Ein-
druck von der Kraft des Priestertums.
Später folgten diesem Wunder andere
Kundgebungen verschiedener Gaben
des Geistes unter den Heiligen. Als aber
einige von ihnen, die früher der Sekte der
Shaker angehört hatten, versuchten, die
wahren Gaben durch sogenannte „gei-
stige Wirkungen" nachzuahmen, tadelte
der Prophet sie, weil sie sich auf törichte
Art rollten und wanden und das Gesicht
verzogen.
Es gab auch andere, die behaupteten,
Offenbarung für die Kirche zu erhalten.
Unter anderen maßte sich eine Frau
Hubble das Recht an, den Heiligen in
Ohio Anweisungen zu geben. Gegen-
über solchen Eindringlingen erklärte der
Prophet durch Offenbarung, wie er es
schon vorher getan hatte, daß der Herr
nur einen zu dieser Aufgabe bestimmt
habe. Joseph Smith führte die Heiligen
durch Offenbarung im täglichen Leben,
erklärte ihnen die Funktion der kirchli-
20
DER FREUND
12/1978
Es ist
wirklich
passiert !
DAS MACHT SPASS
Male die Flächen an, die durch einen Punkt gekennzeichnet sind,
und schau, welche Tiere du finden kannst.
Das Lamm
Margaret Allen
D
ie zarte Hand der Nacht hatte
den Vorhang des Himmels zuge-
zogen; Joel, der Jüngste unter den
Schafhirten, saß auf einem der Berg-
abhänge in Galiäa und liebkoste
sein Lamm. Er mochte die Abend-
zeit besonders gern, wenn die Sterne
wie Kerzen in der dunklen Wölbung
des Himmels erstrahlten. Er hatte
auch sein Lamm sehr gern und
fühlte sich nie einsam, wenn es an
seiner Seite ausgelassen tollte. In den
kalten Nächten wärmte ihn sein
Körper ; aber jetzt, da das Lamm
schlief, schauten Joels Augen groß
und fragend.
„Der Himmel ist heute so eigenartig
hell, Vater", sagte Joel zu dem
großen Mann, der aufrecht neben
ihm stand.
„Es ist die Herrlichkeit Gottes, mein
Sohn", erwiderte der Schäfer.
„Es ist immer so, wenn der Himmel
klar ist", sprach der Junge weiter.
„Aber in dieser Nacht scheint sich
der Himmel zur Erde gesenkt zu
haben, und mir kommt es vor, ich
könnte, wenn ich den Hügel erklet-
terte, den Himmel mit meiner aus-
gestreckten Hand berühren."
Der Mann neben ihm blickte kurz
auf und staunte. Aber da er ein
schweigsamer Mann war, sagte er
nur: „Das stimmt, mein Sohn."
Der Junge hielt sein Lamm eng an
sich gepreßt und hüllte sich in seinen
Umhang ; er lehnte sich zurück, um
die Herrlichkeit des Himmels besser
sehen zu können
Wie viele andere Schafhirten war
Joel von den Sternen tief beein-
druckt. Er glaubte, daß eines Tages
ein auserwählter Mensch den Plan
Gottes für diese Erde kennenlernen
würde, wenn er diese Fenster des
Himmels erforschte.
Jede Nacht hielt er nach den ihm
vertrauten Sternen Ausschau und
suchte nach neuen, die er sich mer-
ken wollte.
Joel hatte sich einen Lieblingsstern
erwählt; er stand im Osten und
leuchtete ganz hell. Er hatte sich
viele Geschichten für seinen Stern
einfallen lassen. Er war ein Engel,
der mit seinem mächtigen Schwert
den Bösen vertreiben würde. Oder er
war ein edler Fürst, der in Herr-
lichkeit kommen würde, um sein
Volk aus der Unterdrückung zu
befreien, und die zu ehren, die ihm
gedient hatten. Joel sehnte sich da-
nach, diesem geliebten Fürsten zu
dienen — er war selbst bereit, sein
Leben für ihn, seinen Herrn, zu
geben, wenn es notwendig sein soll-
te. Die Augen des Jungen schlössen
sich, als er so vor sich hinträumte,
und bald schlief er fest.
Plötzlich wurde Joel vom Lärm
vieler Stimmen geweckt; es war
nicht das gewohnte leise Murmeln
der wachenden Schäfer, sondern ein
aufgeregtes Stimmengewirr.
„Gehen wir", sagte ein Schäfer.
„Beeilt euch!"
„Es ist ein Zeichen, ein Zeichen von
Gott", sagte ein anderer.
Die Schafhirten löschten ihre Feuer
und hüllten sich in ihre Umhänge ;
sie ließen einen Hirten zurück, der
über die Schafe wachen sollte.
Als Joel aufblickte, wurde er bei-
nahe von dem Licht geblendet, das
den dunklen Himmel erhellte. Es
war, als ob die Tür zum Himmel
offenstand und Herrlichkeit her-
ausleuchtete.
Joel war nun hellwach und stand
auf. „Was ist los, Vater? Woher
kommt dieses Licht?" Er hob sein
Lamm hoch und hielt es in seinen
Armen.
Der Vater legte den Arm auf die
Schulter seines Sohnes und sagte mit
einer Stimme, die vor Erregung
zitterte. „Komm, Joel, das Zeichen
ist endlich da!"
Der Mann und der Junge folgten
den anderen, die in die Richtung des
Lichtes gegangen waren.
Der Hof des Wirtshauses war dun-
kel, als sie ihn erreichten; das ge-
schäftige Treiben des Tages war
vorbei. Selbst die Kamele schliefen,
gegen die Außenmauer gelehnt. Der
Stall jedoch schien eigenartig zu
leuchten.
Joel war beunruhigt. Ob ein Funke,
das von der Sonne dürre Holz des
Stalls angezündet hatte? Er über-
legte. Nein, denn sonst würden
Flammen an dem verstreuten Stroh
emporlodern, das wie Zunder bren-
nen würde. Es war Licht vom Him-
mel, das wie die Mittagssonne durch
den Stall schien. Die Hirten knieten
sich nieder, denn sie waren demütige
Männer und wußten, daß sie auf
heiligem Boden standen.
Ein Mann stand an der Stalltür. Als
ob er Besucher erwartet hätte, bat er
sie näherzutreten.
Konnte das Kindlein dort der Fürst,
der Erlöser seines Volkes sein? Es
konnte nicht stimmen — ein König
in einem Stall geboren ! Das war ein
Ort für bescheidene Hirten. Aber
doch, es mußte stimmen, denn da
war das Zeichen. Sicher war es von
Gott. Joel war sich bewußt, was für
eine Ehre es für ihn bedeutete, hier
sein zu dürfen. Sein Herz klopfte vor
Aufregung zum Zerspringen, er
drückte das Lamm gegen sich.
Er blickte zu seinem Vater hoch, der
ihm zunickte, als ob er wüßte, was
gerade in Joel vorging. Joel hielt das
Lamm noch fester, zögerte ' und
flüsterte schließlich : „Es wird ohne
mich frieren."
„Ein Bett im Heu wird warm genug
sein, mein Sohn."
„Aber es wird weinen, wenn ich es
verlasse."
„Die Tauben werden es in den
Schlaf singen."
„Aber es wird einsam sein."
„Das Kindlein wird es auch lieb-
haben, mein Sohn."
Joel hielt sein Lamm fest umklam-
mert, als er zur Krippe vortrat, dann
legte er das Lamm vor das Kindlein.
Die Mutter lächelte sanft, und jetzt
tat es Joel nicht mehr leid. Sein Herz
zersprang fast vor Freude, als er in
ihre Augen blickte, die ihn voller
Liebe und Verständnis ansahen. Es
war ihm, als ob sie wüßte, was es für
ihn bedeutete, das Liebste herzuge-
ben; im Lamm lag wie im Kind
neues Leben, das immer die Hoff-
nung der Welt ist.
Vaters Hand war warm und sanft,
als er Joel aus dem Stall führte,
vorbei an den schlafenden Kamelen
und in den offenen Hof. Die Luft
war klar wie vorher. Die Herrlich-
keit des Himmels leuchtete noch
immer auf diesen bescheidenen
Fleck Erde.
Der Mann und sein Sohn standen
still und lauschten. War das Musik,
was sie vernahmen? War es ein
Himmelschor? Konnten die Sterne
vereint singen? Joel wußte es nicht.
Er dachte sich, daß es auch die
eigenartige neue Musik sein könnte,
die in seinem Herzen erklang.
FROHES HANUKKAH!
Bonnie Newton
Wä
ährend die Christen einander in der
Weihnachtszeit Frohe Weihnachten
wünschen, begrüßen die Juden auf der
ganzen Welt ihre Freunde mit den
Worten Frohes Hanukkah (Fest des
Lichtes oder Fest der Weihung).
Anläßlich dieser Feier bekommen die
Kinder Geschenke und führen Schau-
spiele auf. Die Juden geben auch den
Armen Geschenke und sammeln Geld
für gute Zwecke.
Wenn ihr jeden Abend an den acht
Tagen des Hanukkah in das Haus einer
jüdischen Familie blicken könntet, dann
würdet ihr die Eltern und ihre Kinder
um einen schönen Menorah, einen acht-
armigen Kerzenständer, versammelt se-
hen. Am ersten Abend wird nur eine
Kerze von den acht angezündet; am
nächsten Tag eine zweite Kerze und so
fort, bis acht Kerzen das Haus erhellen.
Eine neunte Kerze, mit der die anderen
angezündet werden, wird Schammasch
genannt.
Wenn die Kerzen brennen, singen die
Menschen fröhliche Lieder, spielen Spie-
le, erzählen Geschichten und nehmen
besondere traditionelle Hanukkah-Lek-
kerbissen zu sich, wie zum Beispiel
Latkes (Kartoffelpfannkuchen) mit sau-
rer Sahne. Sie essen auch Kekse, die wie
Löwen geformt sind.
Mit dem Hanukkah feiern die Juden die
erneute Weihung des Tempels Gottes,
nach einer schweren Zeit. 1 68 v. Chr. fiel
Antiochus IV. Epiphanes, ein grie-
chisch-syrischer König, in Palästina ein
und besetzte Jerusalem. Er beschlag-
nahmte den Tempel und stellte darin
heidnische Götzen auf. Dann versuchte
er, die Juden zu zwingen, von ihrem
Glauben an Jehova abzulassen und statt
dessen die Götzen anzubeten, die er
hatte aufstellen lassen. Aber die Juden
weigerten sich, ihre Religion aufzuge-
ben. Ein Ältester von Palästina, Matta-
thias, widersetzte sich dem Tyrannen
und rief die Juden zum Aufstand auf.
Sie folgten ihm in die Berge von Judäa,
wo Judas Makkabäus, einer der fünf
Söhne Mattathias, eine Armee
zusammenstellte. Judas wurde der Mak-
kabäer genannt, was „Hämmerer" be-
deutet, wegen der Schläge, die er für die
Erringung der Freiheit gegen die Feinde
austeilte.
Drei Jahre lang bekämpften die Juden
Antiochus. Obwohl sie zahlenmäßig
weit unterlegen.und schlecht ausgerüstet
waren, führte Judas Makkabäus sie zu
vielen Siegen gegen die gewaltigen grie-
chisch- syrischen Armeen. Schließlich
eroberten sie Jerusalem wieder zurück.
Die Juden reinigten sofort den Tempel
von allen heidnischen Götzen und
machten ihn wieder zu einem Haus, in
dem man Gott verehren konnte.
Judas kündigte dann ein Fest an, um den
Tempel Gottes neuerlich zu weihen, und
sagte, daß ein ewiges Licht vor dem
Altar angezündet werden würde. Man
glaubt jedoch, daß nur soviel Öl ge-
funden werden konnte, um damit eine
Lampe für einen einzigen Abend vor
dem heiligen Schrein brennen zu lassen.
Gewissenhaft wurde die Lampe an-
gezündet ; sie brannte auf wundersame
Weise acht Tage lang, bis wieder mehr
Öl zur Verfügung stand. Während die
Lampe brannte, feierte das Volk.
Während der Hanukkah-Feiertage
weihen sich die Juden im Gedenken an
dieses denkwürdige Ereignis erneut,
auch bei Widerstand ihren Idealen, ih-
rem Glauben und Mut treu zu bleiben.
In dieser Zeit der Freude und des
Schenkens wird auch ein traditionelles
Spiel gespielt, das ,Dreidel' genannt
wird.
Dazu wird ein kleiner viereckiger Kreisel
verwendet, der mit der Hand gedreht
wird. Auf den Seiten des Kreisels stehen
vier hebräische Schriftzeichen, die für
die Worte stehen: Naze godolla hoya
scha (ein großes Wunder geschah dort).
Preise werden verteilt, je nachdem, wel-
che Seite des Kreisels nach dem Drehen
oben ist.
Es ist leicht zu verstehen, warum die
Juden stolz auf ihre Geschichte sind,
und warum sie so voller Freude die
Kerzen anzünden.
Joseph Smith forderte die Heiligen auf,
westwärts nach Zion zu ziehen, um den
Verfolgungen zu entgehen — in ein Land,
wo sie unbehelligt in Frieden und Glück
leben konnten, ein Land im Westen, das der
Herr ihm in einer Offenbarung gezeigt hatte.
Das Bild wurde von CCA Christensen
gemalt.
chen Ämter und unterwies sie in der
Lehre der Kirche.
In den 1830er Jahren erweiterte der
Prophet das Verständnis für die Lehre
dadurch, daß er verlorengegangene hei-
lige Schriften wiederbrachte. Zwei da-
von waren die Prophezeiungen Enochs
und die Visionen und Schriften Moses,
die später in der Köstlichen Perle ge-
sammelt wurden. Im Sommer 1830
begann er, das Alte und das Neue
Testament zu revidieren. Er arbeitete
ungefähr zwei Jahre lang daran und
korrigierte Verse, die durch frühere
falsche Übersetzung entstellt worden
waren. Während dieser Zeit erhielt Jo-
seph Smith auch viele wichtige Offenba-
rungen, darunter eine Vision von den
Stufen der Herrlichkeit (LuB 76), eine
Prophezeiung über Kriege (LuB 87), das
Wort der Weisheit (LuB 89), Unter-
weisungen über das Priestertum (LuB
84) und wichtige Wahrheiten über das
Verhältnis des Menschen zu Gott (LuB
93).
Von Anfang an wollten die Heiligen
Abschriften der Neufassung der Bibel
und von den Offenbarungen des Pro-
pheten. Er begann schon 1830, die
Offenbarungen für eine Veröffentli-
chung zusammenzustellen. Er bearbei-
tete die Offenbarungen, die er für ein
",Buch der Gebote" sammelte, und fügte
im November 1831 ein offenbartes Vor-
wort und einen Anhang hinzu. Von
dieser neuen heiligen Schrift waren etwa
zwei Drittel gedruckt, als im Juli 1833
ein Pöbelhaufen die Druckpresse der
Kirche in Independence zerstörte. Die
Mitglieder retteten ein paar unvoll-
ständige Kopien, aber weil sich die
Herausgabe dann um weitere zwei Jahre
verzögerte, konnten noch zusätzliche
Änderungen vorgenommen werden.
Der Prophet vergrößerte die Sammlung,
fügte mehrere Abhandlungen hinzu, die
„Vorlesungen über den Glauben" ge-
nannt wurden, und ordnete die Offenba-
rungen in fast chronologischer Reihen-
folge. Die neue heilige Schrift wurde im
Herbst 1835 unter dem Namen , Lehre
und Bündnisse' veröffentlicht.
Während die Anhänger des Propheten
seine offenbarten Verkündigungen ge-
spannt erwarteten, gab es viele in der
Umgebung, die allein schon den Ge-
danken an neuzeitliche Offenbarung
voller Geringschätzung zurückwiesen.
Die Zeitungen in Ohio verspotteten die
Mormonen wegen ihres Glaubens, und
die Geistlichen führten den Chor der
Schmäher manchmal noch an.
Dieser Widerstand führte mitunter so-
gar zu gewaltsamen Ausschreitungen.
Der bekannteste derartige Vorfall trug
sich in der Nacht des 24. März 1832 in
Ohio zu, als Joseph Smith und seine
Familie bei John Johnson in Hiram
wohnte. In jener Nacht zog eine Gruppe
von mehr als zwei Dutzend Männern
den Propheten und Sidney Rigdon aus
dem Bett ; man würgte sie, bis sie keinen
Widerstand mehr leisteten, und zog sie
hinaus aufs Feld. Sie zerkratzten die
Haut des Propheten mit ihren Fingernä-
geln, versuchten gewaltsam, ihm Säure
21
einzuflößen, und bestrichen dann seinen
nackten Körper mit Teer und Federn.
Bruder Rigdon blieb im Delirium zu-
rück, weil sein Kopf so hart auf die Erde
gestoßen worden war. Als der Prophet
eine Woche später zu einem zweiten
Besuch nach Missouri aufbrach, ver-
folgten seine Widersacher ihn. Er suchte
Schutz auf einem Flußdampfer und
konnte die Reise so sicher zurücklegen.
Von da an brauchte er fast ständig
Leibwachen, um sich vor weiteren Aus-
schreitungen oder gar der Ermordung
zu schützen.
Aber solche Schwierigkeiten konnten
die Bemühungen, die gute Nachricht
von der Wiederherstellung zu verkündi-
gen, nicht zum Stillstand bringen. Die
Druckpressen der Kirche in Missouri
und Ohio veröffentlichten ein Gesang-
buch, das die Frau des Propheten,
Emma Smith, zusammengestellt hatte,
gaben neue Ausgaben der heiligen
Schriften heraus, und dann erschien der
,,Evening und Morning Star" (Der A-
bend-und Morgenstern), die erste Zei-
tung der Kirche. Auch die Missionars-
arbeit dehnte sich anfangs der 1830er
Jahre aus. Die Ältesten erfüllten viele
Kurzzeitmissionen und reisten, wenn es
auf der Farm nicht so viel Arbeit gab, in
nahegelegene Städte. Ausgedehnte Mis-
sionen trugen das Evangelium in alle
Teile der damaligen Vereinigten Staa-
ten, und nach Kanada.
Das Reich Gottes wird organisiert
Ein wichtiges Thema der Offenbarun-
gen und Predigten der frühen 30er Jahre
war, daß das gesammelte, neuzeitliche
Volk Israel zur Vorbereitung auf das
Millennium das Reich des Herrn er-
richten würde. Dieses Reich, die wieder-
hergestellte Kirche Jesu Christi, wurde
in Einklang mit den Grundsätzen und
Vorschriften organisiert, die durch Of-
fenbarung verkündet worden waren.
Das Buch , Lehre und Bündnisse' von
1835 enthielt die frühesten Anweisungen
des Herrn über die Verwaltung der
Kirche, einschließlich Hinweisen auf das
Gesetz der Weihung und der Verwalter-
schaft und auf die Ämter des Priester-
tums.
Der Idealplan des Herrn hinsichtlich der
wirtschaftlichen Ordnung wurde 1831
und 1832 durch Offenbarungen auf-
gestellt. Er wurde das Gesetz der Wei-
hung und Verwalterschaft genannt. Die
Mitglieder der Kirche, die nach dieser
neuen ökonomischen Ordnung leben
wollten, weihten ihren Besitz und Un-
persönliches Eigentum der Kirche. Da-
für gab der Bischof jedem Mitglied ein
Erbteil oder eine Verwalterschaft, „so-
viel wie für ihn und seine Familie
ausreicht". Überschüsse wurden den-
jenigen zugewiesen, die weniger als das
Notwendigste hatten, den Armen ge-
geben und verwendet, um die Ver-
öffentlichungen der Kirche zu finan-
zieren und diejenigen zu unterstützen,
deren Ämter in der Kirche sie vollzeitig
beschäftigten. Nach dem einmaligen
Vorgang der Weihung wurde von den
Ein Bild von CCA Christensen ; es zeigt
Joseph und Hyrum Smith, als sie bei den
Indianern predigten.
22
Mitgliedern erwartet, daß sie ihren jähr-
lichen Überschuß dem Bischof brach-
ten.
Das Gesetz der Weihung und der Ver-
walterschaft wurde in Ohio und Missou-
ri befolgt. Einige Heilige zeigten, daß sie
nicht bereit waren, nach dem Gesetz zu
leben, und so wurden Anpassungen
vorgenommen. 1838 wurde ein System
eingeführt, das nicht so viel forderte, das
Gesetz des Zehnten (LuB 119).
Der Bischof hatte die Aufgabe, das
Geweihte und die Erbteile zu verwalten.
Während dieser Zeit handhabte Bischof
Partrigde die zeitlichen Angelegenheiten
in Missouri und Bischof Newell K.
Whitney in Ohio. Diese Bischöfe hatten
regionale Zuständigkeit. Ihr Amt war
eins von mehreren neuen Priester-
tumsämtern, die in den 1830er Jahren
bestimmt wurden, um die wachsende
Kirche zu verwalten.
Vor 1831 bestand die kirchliche Organi-
sation nur aus Ältesten, Priestern, Leh-
rern und Diakonen, an deren Spitze
die Zweierpräsidentschaft des „ersten"
und „zweiten" Ältesten stand. In den
nächsten vier Jahren führte Joseph
Smith verschiedene neue Priestertum-
sämter und Führungsgremien ein. Von
besonderer Bedeutung war die Ordinie-
rung der ersten Hohenpriester auf einer
Sonderkonferenz in Kirtland an 3. Juni
1831 und ihre Bestimmung zu präsidie-
renden Ämtern.
Das präsidierende Kollegium nahm
schnell die Form an, die es seit dieser
Zeit behalten hat. Am 25. Januar 1832
wurde Joseph Smith als Präsident der
Hohenpriester bestätigt, und innerhalb
von sechs Wochen wurden Sidney Rig-
don und Jesse Gause berufen, um die
Erste Präsidentschaft zu vervollständi-
gen. Gause diente weniger als ein Jahr,
wurde dann durch Frederick G. Wil-
liams ersetzt. Die Erste Präsidentschaft
präsidierte über die ganze Kirche und
bildete gleichzeitig die Präsidentschaft
des Pfahles Kirtland. Dabei wurde sie
von einen Hohen Rat unterstützt, der
am 17. Februar 1834 gebildet wurde. Im
Juli desselben Jahres wurden in Missouri
eine Pfahlpräsidentschaft und ein Hoher
Rat gebildet. Das war der Anfang des
Pfahls als Verwaltungseinheit der Kir-
che.
Ein anderes neues Amt, das durch
Offenbarung eingeführt wurde, war das
des Patriarchen. Joseph Smith sen. wur-
de als erster dazu berufen, und zwar am
18. Dezember 1833. Im Februar 1833
kamen die anderen beiden höchsten
Kollegien dazu : das der Zwölf Apostel
und das der Siebzig.
Die drei Zeugen des Buches Mormon
wurden berufen, die ersten Apostel aus-
zuwählen. Sie wählten eine ergebene
Gruppe von jungen Männern im Alter
zwischen 24 und 35 Jahren aus. Diese
sind nicht alle bis zum Ende getreu
geblieben, aber unter ihnen war Brig-
ham Young, der später Joseph Smith'
Nachfolger als Präsident der Kirche
werden sollte. Nicht lange nach ihrer
Ordinierung wurden die neuen Apostel
von Joseph Smith organisiert, wobei er
sich nach ihrem Alter richtete. Es waren:
Thomas B. Marsh, David W. Patten,
Brigham Young, Heber C. Kimball,
Orson Hyde, William E. M'Lellin, Par-
ley P. Pratt, Luke S. Johnson, William
B. Smith, Orson Pratt, John F. Boynton
und Lyman E. Johnson.
Ebenfalls im Februar 1835 berief Joseph
Smith die ersten Siebziger und organi-
sierte sie mit sieben Präsidenten für jedes
Kollegium. Die Präsidenten des Ersten
Kollegiums der Siebzig sollten alle Sieb-
ziger führen, und diese sollten den Zwölf
dabei helfen, das Evangelium in die Welt
zu tragen. Die Pflichten der neuen
Priestertumsämter wurden 1832 und
1835 durch Offenbarungen festgelegt.
Diese Offenbarungen finden wir in Ab-
23
schnitt 84 und 107 im Buch , Lehre und
Bündnisse'.
Vertreibung aus dem Kreis Jackson
Während diese organisatorische Ent-
wicklung in Kirtland vor sich ging,
verloren die Heiligen in Zion ihren
anfänglichen Anspruch auf das Land
Zion. 1833 legte Joseph Smith den Plan
für die Stadt Zion und ihre Tempel fest.
Die Stadt sollte 2,6 km2 groß sein, jedes
Stadtviertel sollte 4 Hektar umfassen,
im ganzen sollte es 24 Tempel darin
geben. Aber die Verwirklichung dieser
Vision von der Hauptstadt des Millen-
niums mußte aufgeschoben werden, weil
es zu Konflikten zwischen den Heiligen
der Letzten Tage und den älteren An-
siedlern in Missouri kam.
Diese Grenzsiedler fühlten sich von dem
Einfluß der Mormonen bedroht. Die
Heiligen kauften sehr viel Land im Kreis
Jackson und würden die ursprünglichen
Missourer an Zahl bald überwiegen.
Dann würden die Mormonen Wirt-
schaft und politische Wahlen bestim-
men. Außerdem waren die einheimi-
schen Bürger argwöhnisch wegen der
religiösen Lehren der Mormonen über
die Sammlung Zions, die Weihung und
neue Offenbarungen. Viele Bekehrte
kamen aus dem Nordosten der Ver-
einigten Staaten, während viele der frü-
heren Siedler den Südstaaten und der
Sklaverei zugeneigt waren.
Freie Neger waren ein heißes Eisen für
die Einwohner von Missouri, und das
Gesetz des Staates beschränkte ihren
Zuzug. Die Negerfrage stand im Mit-
telpunkt des Streits, als im Juli 1833 die
Feindseligkeiten gegen die Mormonen
ausbrachen. Einige einflußreiche Mis-
sourer hatten schon Monate vorher
nach Möglichkeiten gesucht, wie sie
diese unerwünschten Nachbarn loswer-
den könnten. Sie ließen gegen die Kirche
gerichtete Artikel zirkulieren und wand-
ten sich gegen die Prahlereien einiger
übereifriger Heiliger, die erklärten, daß
alle Nichtmormonen gezwungen wür-
den, ihr Land aufzugeben. Im Juli
enthielt die Zeitung der Kirche ,Evening
and Morning Star' einen Artikel, in dem
die Beschränkungen erklärt wurden, die
im Staat Missouri bezüglich des Zuzugs
freier Neger bestanden haben. Die übri-
gen Bewohner legten diesen Artikel als
Aufforderung zum Zuzug und als Be-
drohung für sich selbst aus, weil sie
Sklaven hielten. Der Herausgeber der
Zeitung, William W. Phelps, veröffent-
lichte schnell eine Richtigstellung, aber
die wütenden Bürger waren schon
zusammengekommen, um eine „gehei-
me Verfassung" zu entwerfen, in der die
Vertreibung der Heiligen gefordert wur-
de.
Im Verlaufe des Monats kamen die
Missourer in öffentlichen Versamm-
lungen zusammen, um Unterstützung
für ihr Ultimatum zu gewinnen. Sie
forderten die Mitglieder der Kirche auf,
ihr Land und ihre Geschäfte zu verkau-
fen und das Land zu verlassen. Die
örtlichen Führer der Kirche lehnten das
ab, und daraufhin zerstörten ungeduldi-
ge Missourer die Druckerei und griffen
andere Läden an, die Mitgliedern ge-
hörten. Edward Partrigde und Charles
Allen wurden auf dem Marktplatz ge-
teert und gefedert. Drei Tage später
zwang ein Pöbelhaufen die Beamten der
Kirche mit vorgehaltener Waffe, ein
Versprechen zu unterzeichnen, daß die
Mormonen ihr Eigentum bis zum kom-
menden Frühling aus dem Staat weg-
schaffen würden.
Die Führer der Kirche im Kreis Jackson
baten nun den Gouverneur von Missou-
ri, Daniel Dunklin, um Schutz. Staats-
beamte rieten den Heiligen, sich an die
örtlichen Gerichte zu wenden, und das
taten sie auch. Gleichzeitig gaben sie
bekannt, daß sie ihre Häuser und ihr
24
Es war gegen Ende März 1832 in
Hiram, Ohio, in der Nähe
Kirilands; Joseph Smith schlief,
nachdem er fast die ganze Nacht
wegen eines kranken Kindes
gewacht hatte. Plötzlich stürmte ein
Dutzend Männer in den Raum,
ergriffen ihn und Sidney Rigdon und
schleppten sie in ein Feld. Sie rissen
ihm seine Kleider vom Leib,
schlugen und kratzten ihn und
bedeckten seinen grün und blau
geschlagenen Körper mit heißem
Teer und Federn. Trotzdem erschien
er am nächsten Tag in der Kirche
und predigte, ohne zu erwähnen,
welchem Angriff er und Sidney
Rigdon am Abend zuvor ausgesetzt
gewesen waren. Das Bild stammt
von CCA Christensen.
Eigentum verteidigen wollten, und be-
gannen, sich zu bewaffnen. Die Missou-
rer legten dies dahingehend aus, daß die
Mormonen ihr Versprechen fortzuzie-
hen, nicht halten wollten. Am 31. Okto-
ber fand die erste von mehreren Ver-
geltungsaktionen gegen die Heiligen
statt. Ungefähr 50 Mann griffen eine
Siedlung am Big Blue River an, die 13
km westlich von Independence lag. Sie
zerstörten die Häuser und peitschten
mehrere Männer aus. Die Mormonen,
die in Independence wohnten, reagierten
auf die Drohungen, indem sie innerhalb
einer Woche flohen. Während eines
Gefechts am Big Blue River am 4.
November wurden auf beiden Seiten
Männer erschossen.
Lilburn W. Boggs, der stellvertretende
Gouverneur von Missouri, der in In-
dependence wohnte, diente als Ver-
mittler zwischen den beiden Gruppen.
Er überredete die Heiligen, ihre Waffen
abzugeben und den Landkreis innerhalb
von zehn Tagen friedlich zu verlassen.
Die örtlichen Führer der Kirche stimm-
ten seinem Plan zu, aber die Belästigun-
gen hörten nicht auf. Männer, Frauen
und Kinder packten in Hast ihr Hab und
Gut zusammen und flüchteten in
verschiedene Richtungen. Die meisten
wandten sich direkt nach Norden: über
den Missouri in den Landkreis Clay.
Dort boten ihnen die Einwohner der
größten Stadt, Liberty, Arbeit, Unter-
kunft und Lebensmittel. Die Flüchtlinge
zogen in verlassene Sklavenhütten, bau-
ten sich notdürftige Unterkünfte und
schlugen Zelte auf. Als der Frühling
kam, pachteten sie sich Land und fan-
den Arbeit.
Dieser unerwartete Wegzug aus dem
Kreis Jackson erfüllte den Propheten
mit Besorgnis. Die Heiligen mußten
dadurch nicht nur leiden, sondern die
Pläne zur Errichtung eines Sammelplat-
zes wurden auch gestört. Er riet den
Flüchtlingen, weiterhin vor Gericht um
ihr Eigentum und um Schadenersatz zu
kämpfen. Die Heiligen baten den Gou-
verneur von Missouri um eine mili-
tärische Eskorte, unter deren Schutz sie
ihre Häuser wieder beziehen wollten.
Der Gouverneur stimmte zu, sagte aber,
es würde die Miliz aus dem Kreis
Jackson sein, die ihnen ja feindlich
gesinnt war. Als bei den Ge-
richtsverhandlungen Zeugen belästigt
wurden, gaben die Führer der Kirche
diese Bemühungen auf. Sie sandten eine
25
Bittschrift an Andrew Jackson, den
Präsidenten der Vereinigten Staaten,
aber die Regierung in Washington ver-
trat eine Politik, die den Bundesstaaten
ihre eigenen Rechte zugestand. Die Bun-
desbeamten wollten sich nicht in örtliche
Angelegenheiten einmischen. Sie ver-
wiesen an den Staat Missouri.
Während diese Verhandlungen vor sich
gingen, organisierte Joseph Smith ein
freiwilliges Heer von Mitgliedern, das
bei der Befreiung des Landes Zion helfen
sollte. 1 m Februar 1 834 war eine Vorhut
aus der Gegend um Kirtland und dem
Osten der Vereinigten Staaten zu-
sammengekommen. Später schlössen
sich noch unter dem Namen „Zionsla-
ger" bekannt, wollten die örtlichen Mili-
zen in Missouri unterstützen, wenn diese
das Versprechen des Gouverneurs, daß
die Mormonen unbehelligt zu ihrem
Besitz zurückkehren konnten, wahr ma-
chen. Aber der Gouverneur zog sein
Angebot zurück. Er fürchtete, daß unzu-
friedene Missourer einen Bürgerkrieg
beginnen würden, wenn er den Heiligen
der Letzten Tage helfen würde. Statt
dessen drängte er die Heiligen dazu, das
umstrittene Land zu verkaufen und an
einen anderen Ort zu ziehen.
Abgeordnete von beiden Seiten trafen
sich am 16. Juni 1834 im Gerichtsgebäu-
de von Liberty. Die Vertreter der Kirche
machten das Angebot, den alten Sied-
lern ihre Ländereien abzukaufen, aber
diese lehnten ab. Die Heiligen wollten
ihr Land auch nicht verkaufen, und so
kamen die Verhandlungen zu keinem
Ergebnis. Einige Tage später erhielt
Joseph Smith auf dem Lagerplatz des
Zionslagers am Fishing River dicht vor
dem Kreis Jackson eine Offenbarung, in
der die Heiligen angewiesen wurden,
ihre Anstrengungen, das Land zurück-
zugewinnen, vorerst einzustellen. Eine
Woche später entließ er die Freiwilligen.
Viele kehrten in kleinen Gruppen nach
Kirtland zurück, andere blieben in Mis-
souri.
Die geflohenen Heiligen blieben zwei
Jahre lang im Landkreis in Clay in
Missouri. Dann erhoben die alten Ein-
wohner Einwände dagegen, daß sie sich
für ständig niederließen, und staatliche
Beamte halfen bei einem erneuten Um-
zug. Die Heiligen zogen nun in ein sehr
dünn besiedeltes Gebiet, das weiter
nördlich lag. Es wurden zwei neue
Landkreise geschaffen. Im neuen Land-
kreis Caldwell gründeten die Heiligen
die Stadt Far West. Sie wurde der neue
Sammelplatz im Westen für die Heili-
gen, und nach zwei Jahren lebten dort
fast 5000 Mitglieder der Kirche. Far
West hatte seine eigenen Läden und
Schmieden, Hotels, eine Druckerei und
Schulen. Die Heiligen gründeten auch
noch an anderen Stellen im Kreis Cald-
well und im zweiten neuen Landkreis,
im Kreis Daviess, mehrere kleine Sied-
lungen. Eine davon war Adam-ondi-
Ahman, das im Frühjahr 1838 ge-
gründet wurde. Sowohl in Far West als
auch in Adam-ondi-Ahman wurden
Plätze für einen Tempel bestimmt, aber
keiner der Tempel wurde gebaut, weil
der Pöbel es verhinderte und die Heili-
gen schließlich aus Missouri vertrieben
wurden.
Diese Umzüge in Missouri und die
daraus resultierende Unsicherheit
machte es doppelt wichtig, daß die
Heiligen in Kirtland ein beständiges
Zentrum behielten und einen Tempel
fertigstellten. Aber in der Mitte der 30er
Jahre hatten auch die Heiligen dort
Schwierigkeiten ; sie ergaben sich aus
dem Abfall vom Glauben und aus
wirtschaftlichen Problemen. Schließlich
würde Kirtland genau wie die Nieder-
lassungen im Norden Missouris ver-
lassen werden, und man würde Zuflucht
in Nauvoo im Staate Illinois suchen.
— Wird fortgesetzt
26
DAS ZIONSLAGER
Ronaid W. Walker
Der Marsch des Zionslagers war nicht
leicht: 200 Männer mußten im Jahre 1834
3200 km durch Amerika ziehen, jeweils
1 600 km hin und zurück. Brigham Young
erinnerte sich an den mühsamen Weg von
Ohio nach Missouri und zurück — 50 bis
65 km pro Tag, und das drei Monate lang.
Die Gepäckwagen mußten durch
Schlammlöcher gezogen werdel. Oft wa-
ren 20 oder 30 Mann notwendig, um einen
Wagen einen Hügel hinaufzuziehen. Die
Starken mußten den Schwachen und
Lahmen helfen. „Ich habe mich selten vor
11 oder 12 Uhr des Nachts zur Ruhe
gelegt", erinnerte er sich, „und morgens
sind wir immer sehr früh aufgestanden."
Das Lagerhorn ertönte zwischel 3 und 4
Uhr morgens.
Dies war eine Zeit des Lernens und der
Auslese. Joseph Smith sagte den Män-
nern, daß sie keine Tiere töten sollten,
außer wenn sie Nahrung brauchten.
„Wenn die Menschen ihre Neigung zur
Schlechtigkeit verlieren und aufhören,
Tiere zu vernichten, dann können der
Löwe und das Lamm beisammen liegen."
Brigham Young hörte dem Propheten
Joseph zu und lernte. Als er einmal seine
Schlafdecke auf dem hohen und dichten
Präriegras ausbreitete, richtete sich eine
Klapperschlange auf und bedrohte ihn.
Brigham Young rief einen Freund, der in
der Nähe war, und sagte : „Nimm diese
Schlange und trag sie weg und sag ihr, daß
sie nicht wiederkommen soll; sie soll auch
ihren Nachbarn sagen, daß sie heute nicht
in unser Lager kommen sollen, damit sie
nicht getötet werden." Sein Gefährte
nahm gehorsam die Schlange und trug sie
eine ganze Strecke vom Lager fort, ohne
Schaden zu erleiden.
Brigham Youngs angeborene Fähigkei-
ten machten ihn zum Führer. Er wurde als
einer der Hauptleute des Lagers gewählt.
Er predigte häufig. Manchmal erhielt er
den Auftrag, Lebensmittel zu besorgen.
Immer beobachtete er genau, wie Joseph
Smith die Männer führte, und er sammel-
te Erfahrungen. Aber nicht alle Männer
unterwarfen sich ohne Murren der Führ-
ung Joseph Smith' ! Männer, die nicht so
charakterstark waren, klagten über die
Schwierigkeiten des Marsches. „Wir hat-
ten Schwierigkeiten, weil einige sehr
widersetzlich waren", erinnerte sich Brig-
ham Young. „Dies war das erstemal, daß
wir mit einer großen Gruppe reisten . . .
Joseph Smith leitete und führte die Kom-
panie und kämpfte gegen den Unge-
horsam."
Die Uneinigkeit wuchs, als das Zionslager
den Heiligen in Missouri gar nicht helfen
konnte. Der ursprüngliche Plan hatte
vorgesehen, daß die Stadtmiliz die Mor-
monen wieder auf ihr Land in den Kreis
Jackson führen sollte, und das Zionslager
kam von Kirtland, um die Heiligen zu
verteidigen, sobald sie wieder auf ihrem
Eigentum waren. Aber im letzten Mo-
ment bot der Gouverneur von Missouri
die Miliz doch nicht auf. Joseph Smith
erhielt vom Herrn die Anweisung, die
Missourer nicht anzugreifen, sondern das
Lager aufzulösen und nach Ohio zurück-
zukehren.
Als Brigham Young wieder in Kirtland
war, verspotteten ihn viele, weil er mit
dem Lager nach Westen gezogen war.
„Wem hat es genutzt?" fragten sie.
„Wenn der Herr es geboten hat, was für
ein Ziel hatte er dabei?" Aber Brigham
Young wußte, welche wertvollen Erfah-
rungen er gesammelt hatte. „Ich sagte
diesen Brüdern, daß ich gut bezahlt wurde
— mit Zinsen und Zinseszinsen — , ja, daß
mein Maß zum Überfließen gefüllt war
mit den Erkenntnissen, die ich auf diesem
Marsch mit dem Propheten erhalten hat-
te."
Mehrere Monate später erhielt Joseph
Smith eine Offenbarung, die ihn anwies,
ein Kollegium der Zwölf Apostel zu
gründen. Unter denen, die am 4. Februar
1835 erwählt wurden, war auch Brigham
Young. Er hatte auf dem Marsch des
Zionslagers Joseph Smith und dem Herrn
seinen Eifer bewiesen.
27
WIR
WERDEN DURCH
OFFENBARUNG
GELEITET
Rede Wilford Woodruffs anläßlich einer
Pfahlkonferenz des Cache-Pfahls in Logan, Utah,
am 1. November 1891
H
eute morgen, bevor ich zur Ver-
sammlung gegangen bin, habe ich mit
großem Interesse zwei Gemälde im
Haus Bruder Thatchers betrachtet -
„Christus vor Pilatus" und „Christus
auf dem Kalvarienberg". Dabei dachte
ich mir, daß der Erlöser, wie Joseph
Smith gesagt hat, gewiß unter alle Dinge
hinabgestiegen ist. Er kam herab auf die
Erde, wurde in einer vom Vater be-
stimmten Evangeliumszeit von einer
Frau geboren und erhielt einen Körper
aus Fleisch . . . Überlegen Sie einmal,
wie kurz die Zeit war, die er nach seiner
Berufung von Gott Vater im sterblichen
Zustand gewirkt hat dreieinhalb
Jahre. Denken Sie an das Leid, das er auf
sich genommen, das Werk, das er voll-
bracht hat — er gründete die Kirche
Gottes, erwählte zwölf Apostel, Siebzi-
ger und einige Jünger, die ihm zu dieser
Zeit nachfolgten. Und denken Sie
schließlich daran, daß nicht nur er selbst
zum Tode verurteilt und gekreuzigt
wurde - - wobei er sein Blut für die
Erlösung der Welt vergossen hat — ,
sondern daß jeder seiner Apostel, außer
Johannes dem Offenbarer, um des Wor-
tes Gottes und des Zeugnisses von Jesus
Christus willen getötet wurde. Johannes
dem Offenbarer konnten sie das Leben
nicht nehmen, weil der Herr ihn dazu
bestimmt hatte, am Leben zu bleiben —
sonst wäre er genauso wie die anderen
ermordet worden. Als ich den ans Kreuz
genagelten Christus betrachtete, dachte
ich an unsere eigene Lage hier in den
Felsengebirgen. Wir haben als Volk nun
sechzig Jahre durchlebt. Warum haben
wir die Präsidentschaft der Kirche heute
noch? Warum leben die Apostel mitten
unter Ihnen, und warum wirken sie
heute, nach sechzig Jahren, in Freiheit
unter uns? Warum sind wir hier in
diesen Gebirgstälern über zweihundert-
tausend Heilige versammelt, inmitten
einer Generation, die sechzig Millionen
Menschen zählt? Dies sind Fragen, die
die Heiligen der Letzten Tage über-
denken sollen. All dies, Brüder und
Schwestern, hat eine bestimmte Be-
deutung. Wir leben in einer anderen
Evangeliumszeit und, in gewissem Sin-
ne, unter einer anderen Ordnung der
Gegebenheiten als Jesus und seine Apo-
stel. Die damalige Zeit war eine Zeit des
Opferns. Diese heiligen Männer, die das
Apostelamt bekleidet haben, waren be-
reit, ihr Leben zusammen mit dem
Erlöser niederzulegen, und ihr Leben
war kurz im Verhältnis zur Geschichte
der Kirche in unserer Zeit. Sie wurden,
mit einer einzigen Ausnahme, alle er-
mordet, und Gott hat sie zu sich ge-
28
„Der Herr ist mit uns und ist es von
Anfang an gewesen. Die Kirche ist
nie auch nur einen einzigen Tag lang
ohne Offenbarung geführt worden.
Und der Herr wird sie nie verlassen.
Es ist gleichgültig, wer von uns lebt
oder stirbt oder wer berufen wird,
die Kirche zu führen - - die
Betreffenden müssen sie mit der
Inspiration des allmächtigen Gottes
leiten1"'
Wilford Woodruff mit 46 Jahren
nommen. Er nahm auch das Priestertum
von der Erde, und es verblieb in den
Händen Gott Vaters und seines Sohnes
Jesus Christus bis zum Jahr 1829. Viele
Jahrhunderte vergingen. Millionen von
Menschen wurden geboren, lebten auf
Erden, starben und traten in die Geister-
welt. Soviel wir wissen, hatte nicht auch
nur eine Seele davon die Macht, die
heiligen Handlungen des Evangeliums,
des Lebens und der Erlösung zu voll-
ziehen. Zweifellos haben Millionen von
guten Menschen gelebt, die nach bestem
Wissen gehandelt haben. Da waren
Männer wie John Wesley, Martin Lu-
ther, Wycliffe, Zwingli, Melanchton und
Tausende andere, die zu ihrer Zeit
hervortraten und das Evangelium ihrer
Erkenntnis gemäß verkündigten. Sie
hatten jedoch nicht die Vollmacht, eine
einzige heilige Handlung zu vollziehen,
die nach dem Tod Gültigkeit gehabt
hätte. Sie besaßen nicht das heilige
Priestertum.
Wir leben heute zu einem Zeitpunkt in
der Weltgeschichte, wo das Priestertum
wiederhergestellt ist. Der Herr hat Jo-
seph Smith berufen. Er trat zu der Zeit
auf, zu der es vorgesehen war, und
gründete die Kirche. Wer war Joseph
Smith? Er war ein junger Mann . . . ,
ungebildet, was weltliches Wissen be-
trifft. Er war jedoch rein. Er stammte
von Abraham, Isaak und Jakob ab. Die
Propheten und Patriarchen in alter Zeit
haben von ihm prophezeit, und sein
Name wird im Buch Mormon genannt.
Joseph Smith wurde vom Heiligen Geist
bewegt, und Gott Vater und Gott Sohn
erschienen ihm aufsein Gebet hin. Gott
Vater sagte zu ihm : ,, Siehe, dies ist mein
geliebter Sohn, höre ihn! " (Joseph
Smith 2:17). Er befolgte auf das streng-
ste die Worte Jesu Christi, bis er wie der
Erlöser selber getötet wurde. Es war mir
damals unverständlich, warum der Herr
es zuließ, daß der Prophet und sein
Bruder Hyrum aus unserer Mitte ge-
nommen wurden. Aber Joseph Smith
war von Gott durch Offenbarung vom
30
Himmel berufen worden, und er legte
das Fundament der Evangeliumszeit der
Erfüllung. Er kam auf die Welt und
wurde ordiniert, um die Kirche Christi
zum letztenmal auf dieser Erde zu
gründen und um die Erde auf das
Kommen des Menschensohnes vor-
zubereiten. Deshalb bin ich, als ich
nachdachte, zu der Überzeugung ge-
kommen, daß er zu sterben ordiniert
worden war — er war ordiniert worden,
sein Blut als ein Zeugnis für diese
Evangeliumszeit zu vergießen . . . Wie
ich gesagt habe, war Joseph Smith ein
ungebildeter Mann; später waren seine
Lehrer jedoch Engel -- Apostel, die zur
Zeit Jesu im Fleisch gelebt hatten. Er
vermochte von Männern Zeugnis und
Unterweisung zu empfangen, die die
Welt nicht empfangen konnte. Und er
konnte die Kirche auf eine Weise organi-
sieren, wie es die gesamte christliche
Welt nicht zustande brachte. Warum?
Weil niemand, und mag er auch noch so
gelehrt sein, etwas geben kann, was er
nicht besitzt. Niemand hatte die Voll-
macht, die Kirche zu gründen, weil
niemand das Priestertum besaß. Aber
Joseph Smith trug das Priestertum, und
er konnte die Kirche gründen.
Von jenem Tag bis heute ist die Kirche
gewachsen, trotz Verfolgung und ob-
wohl die Mitglieder vertrieben und ihre
Häuser zerstört wurden. Millionen
gefallener Geister haben sich mit Millio-
nen Menschen gegen diese Kirche ver-
bündet, aber sie konnten sie nicht zer-
stören. Warum? Weil Gott der All-
mächtige bestimmt hat, daß sie bestehen
soll . . .
Ich bin dem Herrn dankbar, daß wir in
einer solchen Zeit leben können, wo wir
imstande sind, Zion aufzurichten und
die Worte der Propheten zu erfüllen. Die
Bewohner der Erde müssen gewarnt
werden. Dies ist der Grund, weshalb wir
hier sind . . .
Der Herr hat die Schwachen dieser Welt
ausersehen, dieses Volk zu führen. Jo-
seph Smith war noch jung, als er starb -
noch nicht vierzig Jahre alt. Er überlebte
die Gründung der Kirche um vierzehn
Jahre. Präsident Brigham Young war
sein Nachfolger. Wer war Brigham
Young? Von Beruf war er Maler und
Glaser, ein einfacher Mann. Der Herr
berief ihn jedoch, sein Volk zu führen.
Sie kennen Brigham Young, Sie wissen,
was er geleistet hat und welchen Geist er
besaß. Der Herr war mit ihm, und er
führte dieses Volk durch Gottes Macht
und Offenbarung von Jesu Christus. Er
legte in diesen Bergen Israels die Grund-
festen für ein großes Werk . . .
Wer war John Taylor? Er war Drechs-
ler, und er führte die Kirche längere Zeit.
Wilford Woodruff war Müller und Bau-
er. Was diese Welt betrifft, war dies das
Höchste, was er erreichte. Aber der Herr
hat diese Männer erwählt. Er hat sich
immer der Schwachen dieser Welt be-
dient. Gott zeigte dem Abraham die
Geister, die in seiner Gegenwart lebten,
„und unter ihnen waren viele Edle und
Große"; und Gott sagte zu Abraham:
,, Diese will ich zu meinen Regierern
machen ; . . . und er sagte: Abraham, du
bist einer von ihnen, du warst erwählt,
ehe du geboren wurdest" (Abraham
3:22, 23). Abraham stand zu Anbeginn
an der Spitze Israels. Er ist unser großer
Vorfahre. Gott erweckte den Erlöser aus
den Lenden Abrahams.
Die Heiligen der Letzten Tage sollen
nicht denken, der Herr habe sein Volk
verlassen oder er offenbare nicht seinen
Willen und seine Absicht; dies wäre
nicht wahr. Der Herr ist mit uns und ist
es von Anfang an gewesen. Die Kirche
ist nie auch nur einen einzigen Tag lang
ohne Offenbarung geführt worden. Und
der Herr wird sie nie verlassen. Es ist
gleichgültig, wer von uns lebt oder stirbt
oder wer berufen wird, die Kirche zu
31
führen - - die Betreffenden müssen sie
mit der Inspiration des allmächtigen
Gottes leiten. Wenn sie es nicht auf diese
Weise tun, ist es ihnen überhaupt nicht
möglich. Der Herr läßt uns in diesen,
den Letzten Tagen nicht im Stich, und er
wird alles erfüllen, was er durch seine
Propheten und Apostel verheißen hat,
bis Zion sich in Herrlichkeit erhebt und
die Braut des Lammes für das Kommen
des Bräutigams bereit ist.
Lesen Sie über Brigham Youngs Leben
nach — Sie werden kaum eine Offenba-
rung finden, wo er gesagt hat: „So
spricht der Herr." Der Heilige Geist war
jedoch bei ihm. Er hat durch Inspiration
und Offenbarung gelehrt. Mit einer
einzigen Ausnahme hat er jedoch seine
Offenbarungen in einer anderen Form
vermittelt, als Joseph Smith dies getan
hat. Sie wurden nicht als Offenbarungen
und Gebote für die Kirche in den
Worten und im Namen des Erlösers
niedergeschrieben und verkündet. Jo-
seph Smith hat fast immer gesagt: ,,So
spricht der Herr", als er die Grundfesten
zu diesem Werk legte. Seine Nachfolger
haben es jedoch nicht immer für not-
wendig gehalten, dies zu sagen. Und
doch haben sie das Volk durch die
M acht des Heiligen Geistes geführt ; und
wenn Sie wissen möchten, wovon ich
rede, lesen Sie im Buch , Lehre und
Bündnisse' an der Stelle nach (LuB 68:1-
6), wo der Herr Orson Hyde, Luke
Johnson, Lyman Johnson und William
McLellin beauftragt, den Menschen das
Evangelium zu predigen, wie der Heilige
Geist es ihnen eingibt:
„Und was sie, getrieben vom Heiligen
Geist, sprechen werden, soll heilige
Schrift sein, soll der Wille des Herrn
sein, der Sinn des Herrn, das Wort des
Herrn, die Stimme des Herrn und die
Kraft Gottes zur Seligkeit" (LuB 68:4).
Durch diese Kraft haben wir Israel
geführt. Diese Macht war es, durch die
Brigham Young über die Kirche präsi-
diert und sie geleitet hat. Durch dieselbe
Macht hat John Taylor über die Kirche
präsidiert und sie geführt. Und auf diese
Weise habe auch ich in meinem Amt
gehandelt, meinem besten Können ge-
mäß. Ich möchte nicht, daß die Heiligen
der Letzten Tage denken, der Herr sei
nicht mit uns und er gebe uns keine
Offenbarung; denn er offenbart sich uns
und wird dies weiterhin tun, bis diese
Evangeliumszeit vorbei ist.
Ich habe kürzlich eine Offenbarung
empfangen, die ich als sehr wichtig
erachte, und ich will Ihnen sagen, was
der Herr mir gesagt hat. Ich möchte Sie
auf das sogenannte , Manifest' aufmerk-
sam machen. Der Herr hat mir durch
Offenbarung gesagt, daß es in der gan-
zen Kirche, in ganz Zion, viele Mit-
glieder gebe, die in ihrem Herzen wegen
dieses Manifests und wegen des Zeugnis-
ses des Präsidenten der Kirche und der
Apostel vor dem Vorsitzenden des
Kanzleigerichts schwer geprüft werden.
Seit ich diese Offenbarung empfangen
habe, habe ich von vielen gehört, die
deswegen geprüft werden, nicht jedoch
vorher. Der Herr hat mir etwas geboten,
was ich vorigen Sonntag in Brigham
City ausgeführt habe, und ich werde
heute hier dasselbe tun. Der Herr hat
mir geboten, den Heiligen der Letzten
Tage eine Frage zu stellen. Er hat mir
gesagt, daß sie, wenn sie mir zuhören
und diese Frage durch den Geist und die
Macht Gottes beantworten, in dieser
Sache alle zu derselben Antwort ge-
langen würden. Die Frage lautet: Was
ist für die Heiligen der Letzten Tage
klüger - - daß sie weiterhin versuchen,
die Vielehe zu praktizieren, obwohl die
Gesetze des Staates und sechzig Millio-
nen Menschen dagegen sind, auf die
Gefahr hin, daß alle Tempel besetzt und
alle heiligen Handlungen darin ver-
hindert werden, sowohl für die Leben-
32
den als auch für die Verstorbenen ; auf
die Gefahr hin, daß die Erste Präsident-
schaft, die Zwölf und die Fami-
lienoberhäupter der Kirche eingekerkert
werden und daß jeder persönliche Besitz
unseres Volkes beschlagnahmt wird (je-
de einzelne dieser Aktionen würde der
Vielehe ein Ende setzen) ; oder daß wir,
nach allem, was wir getan und erlitten
haben, weil wir diesen Grundsatz be-
folgt haben, damit aufhören und uns
dem Gesetz unterwerfen und dadurch
die Propheten, Apostel und Väter zu
Hause und die Tempel uns erhalten
bleiben, damit wir die heiligen Hand-
lungen des Evangeliums für die Leben-
den und die Verstorbenen vollziehen
können?
Der Herr hat mir durch Offenbarung
und Visionen genau gezeigt, was sich
zutragen würde, wenn wir an der Vielehe
festhielten. Hätten wir damit nicht auf-
gehört, so hätten wir heute keine Ver-
wendung für all die Brüder im Tempel in
Logan; denn die heiligen Handlungen
könnten nicht mehr vollzogen werden.
In Israel würde Verwirrung herrschen,
und viele Männer wären im Gefängnis.
Diese Schwierigkeiten wären über die
gesamte Kirche gekommen, und wir
hätten gar nicht anders können, als die
Vielehe aufzugeben. Die Frage ist also,
ob wir sie auf diese Weise aufgeben
sollen oder so, wie der Herr es uns
gezeigt hat, indem die Propheten, Apo-
stel und die Väter frei bleiben, indem die
Tempel den Heiligen verbleiben und
Verstorbene weiterhin erlöst werden
können. Viele sind bereits durch dieses
Volk aus dem Gefängnis in der Geister-
welt befreit worden. Soll das Werk
weitergehen oder aufhören? Das ist die
Frage, die ich den Heiligen der Letzten
Tage stelle. Sie müssen selbst urteilen.
Ich gebe darauf keine Antwort ; ich sage
Ihnen aber, daß dies genau die Lage ist,
in der wir als Volk uns befänden, hätten
wir nicht den Weg gewählt, den wir
gegangen sind.
Ich weiß, daß es viele Männer - - und
wahrscheinlich einige Führer - in der
Kirche gibt, die geprüft worden sind und
dachten, Präsident Woodruff habe den
Geist Gottes verloren und stünde am
Rand des Abfalls. Sie sollen wissen, daß
Vier Generationen der Familie Woodruff
sind auf diesem Photo aus dem Jahre 1896
zu sehen.
er den Geist nicht verloren hat und daß
er nicht abtrünnig wird. Der Herr hat
mir genau gesagt, was ich tun soll und
was geschehen würde, wenn ich es nicht
täte. Freunde außerhalb der Kirche
haben mich ebenfalls gedrängt, die-
selben Schritte zu unternehmen, und sie
wußten, wozu die Regierung ent-
schlossen war. Auch die Mitglieder der
Kirche sind mehr oder weniger der-
selben Meinung gewesen. Ich sah genau,
was geschehen wäre, hätten wir nichts
unternommen. Ich habe diesen Geist
33
schon lange Zeit bei mir gehabt. Ich
möchte aber eines sagen: Ich hätte alle
unsere Tempel aufgegeben ; ich wäre
selbst ins Gefängnis gegangen und hätte
jeden anderen Mann einkerkern lassen,
wenn der Herr mir nicht geboten hätte,
was ich schließlich getan habe. Als die
Stunde kam, wo er es mir gebot, sah ich
die ganze Sache klar vor Augen. Ich bin
vor den Herrn getreten, und ich habe
geschrieben, was der Herr mir zu schrei-
ben geboten hat. Ich habe es meinen
Brüdern vorgelegt — Männern wie
George Q. Cannon, Joseph F. Smith
und den Zwölf Aposteln. Ich könnte
ebensogut versuchen, eine ganze Armee
von ihrer Marschroute abzubringen, als
diese Brüder daran zu hindern, das zu
tun, was sie für richtig halten. Diese
Männer stimmten mir zu, zusammen
mit Tausenden Heiligen der Letzten
Tage. Warum? Weil Sie vom Heiligen
Geist und durch die Offenbarungen
Gottes dazu bewegt worden sind.
Ich habe diese Worte gesagt und
möchte, daß Sie sie überdenken. Der
Herr ist auf unserer Seite. Er vollbringt
vieles, was Sie nicht verstehen. Beten Sie
über diese Angelegenheit. Seien Sie nicht
beunruhigt, und machen Sie sich deswe-
gen keine Sorgen.
Ich freue mich darüber, daß der Herr
uns das Evangelium offenbart hat. Ich
bin froh, daß ich zu einer Zeit lebe, wo
wir die Kirche Gottes auf Erden haben.
Wir hatten und haben Apostel und
Propheten unter uns. Sie haben hier im
Fleisch gewirkt und viele Seelen gerettet.
Viele sind gestorben und in die Geister-
welt eingegangen. Joseph Smith hat die
Schlüssel dieser Evangeliumszeit, und er
wird sie bis in alle Ewigkeit haben, wer
auch immer die Kirche nach ihm leiten
mag. Der Herr hat uns befähigt, hier-
herzukommen und Tempel zu bauen.
Wir haben in diesen Bergen drei Tempel
errichtet, und viele Verstorbene sind
dadurch erlöst worden, und sie werden
an der ersten Auferstehung teilhaben.
Wir sollen dem Herrn dafür danken.
Wir möchten das Werk in diesen Tem-
peln fortsetzen. Wir möchten, daß die
Tempel im Besitz der Heiligen der
Letzten Tage bleiben. Der Herr wird für
Sie und Ihre Familien sorgen. Er wird
für Zion sorgen und für diese Ge-
neration, und er wird alles erfüllen, was
er verheißen hat.
Gott segne Sie. Er wird Sie segnen, wenn
Sie auf seinen Rat hören.
Ich möchte, daß die Heiligen der Letzten
Tage aufhören, zu murren und sich über
die Vorsehung Gottes zu beklagen. Ver-
trauen Sie auf Gott, und tun Sie Ihre
Pflicht. Vergessen Sie nicht zu beten.
Glauben Sie an den Herrn, seien Sie
standhaft, und errichten Sie Zion
dann wird alles wohl sein. Der Herr wird
zu seinem Volk kommen, und er wird
sein Werk in Rechtschaffenheit be-
schleunigen, damit alles Fleisch errettet
wird. Achten Sie auf die Zeichen der
Zeit, und machen Sie sich bereit für das
Kommende. Der Herr segne Sie. Amen.
34
Neue Anweisungen
zur Arbeit für die
Verstorbenen
(Ein Gespräch zwischen Bruder George H. Fudge,
dem geschäftsführenden Direktor der Genealogischen Abteilung.
und der Zeitschrift „Ensign")
I
m August 1977 hat Präsident Spencer
W. Kimball gesagt: „Mir erscheint die
Tempelarbeit für die Verstorbenen
ebenso dringend wie die Missionsarbeit,
denn im Grunde handelt es sich um ein
und dieselbe Tätigkeit. Ich habe meinen
Brüdern, den Generalautoritäten, ge-
sagt, daß mich die Arbeit für die Ver-
storbenen ständig beschäftigt . . . Wir
fordern jedes einzelne Mitglied und jede
Familie, mag sie groß oder klein sein,
ohne Vorbehalte auf, diese Arbeit fort-
zusetzen" (Ensign, Okt. 1977, S. 82).
Ensign: Auf der Regionalversammlung
im Juni wurde bekanntgegeben, daß im
nächsten Jahr ein erweitertes Genealo-
gieprogramm beginnen wird. Könnten
Sie diese Änderung erläutern?
Br. Fudge : Das gegenwärtige Vier-
Generationen-Programm hat den Mit-
gliedern der Kirche die Möglichkeit
gegeben, sich mit den Familiengruppen-
bogen und dem Registrieren genealogi-
scher Angaben vertraut zu machen.
Diese Formulare sind in das Archiv der
Kirche gelangt, so daß viel Genealogie-
und Tempelarbeit geleistet werden
konnte.
Inzwischen stehen neue Technologien
zur Verfügung, die uns helfen können,
die Absichten des Herrn schneller und
mit größerer Genauigkeit auszuführen.
Es wäre ein Fehler, wenn wir diese
technischen Möglichkeiten nicht für das
Werk des Herrn nutzten.
Bisher war jedes Mitglied verpflichtet,
mindestens vier Generationen auf
Familiengruppenbogen einzureichen
und darüber hinaus seine Ahnen so weit
wie möglich zu erforschen. Bei dieser
Art der Familienforschung war es not-
wendig, überallhin Briefe zu schreiben
und die ganze Welt zu bereisen. Viel Zeit
und Arbeit mußte dafür investiert wer-
den, häufig ohne daß konkrete Ergeb-
nisse zustande kamen. Oftmals war
gleichzeitig ein Verwandter auf der Su-
che nach den gleichen Angaben und
verbrachte damit ebensoviel Zeit und
gab dafür ebensoviel Geld aus. Wenn
dann jeder von ihnen seine Forschung
abgeschlossen und die ausgefüllten Bo-
gen an die Genealogische Abteilung
gesandt hatte, stellte sich oft heraus, daß
die Unterlagen einander widersprachen.
Eine derartige Fehlerhaftigkeit in der
Arbeit können wir nicht länger hin-
nehmen. Außerdem haben wir so unge-
35
heuer viel Arbeit zu verrichten, daß wir
es uns nicht mehr leisten können, die
Arbeit doppelt auszuführen.
Ensign : Welcher Art sind die Änderun-
gen am Genealogieprogramm der Kir-
che?
Br. Fudge: Jeder einzelne wird jetzt
aufgefordert, mit seinen Brüdern,
Schwestern und Eltern zusammenzu-
kommen, die Angaben auf den
Familiengruppenbogen zu vergleichen
und nachzuprüfen, ob sie korrekt sind.
Ein Mitglied der Familie soll dann die
endgültige, richtige Ausfertigung der
Ahnentafel mit den vier Generationen
zusammen mit den dazugehörigen
Familiengruppenbogen an die Genealo-
gische Abteilung in Salt Lake City
senden. Bei diesem Vorgang trifft sich
die Familie mit den Verwandten der
Ahnenlinien des Vaters und der Mutter
(Onkel, Tanten und Großeltern), um die
Richtigkeit der Unterlagen über diese
und frühere Generationen zu überprü-
fen. Wenn sich bei neueren Forschungen
Beweise dafür ergeben haben, daß die
eingereichten Unterlagen geändert wer-
den müssen, so ist die betreffende Fami-
lie verpflichtet, die Genealogieabteilung
der Kirche darüber zu informieren, daß
die betreffenden Familiengruppenbogen
ergänzt bzw. geändert werden müssen.
Mit dem Dezember 1978 endet das
gegenwärtige Vier-Generationen-Pro-
gramm für die einzelnen Mitglieder, und
es beginnt das Vier-Generationen-Pro-
gramm für Familien. Die neuen
Familiengruppenbogen und Ahnenta-
feln nehmen wir ab Juli 1979 entgegen.
Das einzelne Mitglied kann zwar über
die vier Generationen hinaus weiter
Ahnenforschung betreiben, und die
dazugehörigen Informationen werden
von der Kirche auch angenommen,
doch wird dies nicht mehr verlangt. Statt
dessen fühlt sich die Kirche verpflichtet,
in großem Umfang genealogisches
Quellenmaterial zusammenzutragen
und ein ausgedehntes Namenauszugs-
programm abzuwickeln, um Namen für
die Tempelarbeit vorzubereiten.
Ensign : Was geschieht im Rahmen
dieser Sammlung von genealogischen
Urkunden und des Herausziehens von
Namen?
Br. Fudge : Gegenwärtig verfilmen wir
genealogisches Material mit 95 Kame-
ras in 35 Ländern und tragen auf diese
Weise pro Jahr zwischen 40 und 50
Millionen Seiten zusammen. Diese Auf-
zeichnungen werden geordnet und kata-
logisiert.
Die betreffenden Angaben müssen aus
den Unterlagen herausgezogen, bearbei-
tet und den Tempeln zugesandt werden,
so daß die heiligen Handlungen voll-
zogen werden können. Um dies zuwege
zu bringen, haben wir jetzt in den
Pfählen der Kirche mit einem Urkun-
denauszugsprogramm begonnen.
Wir schätzen, daß gegenwärtig ungefähr
900 Exzerpierer gebraucht werden, um
mit der Tätigkeit eines Verfilmers
Schritt zu halten. Wenn wir gegenwärtig
mit 95 Kameras arbeiten in den
kommenden Jahren werden es noch viel
mehr sein — , brauchen wir viele Exzer-
pierer, um mit der augenblicklichen
Verfilmungsarbeit Schritt zu halten und
die bisher angefertigten Mikrofilme aus-
zuschöpfen.
Ensign : Einigen mag dies vorkommen,
als würde die genealogische Arbeit jetzt
unpersönlich werden. Haben wir uns in
der Vergangenheit nicht gewissermaßen
eingeredet, daß jeder nur seinen eigenen
Vorfahren gegenüber verpflichtet ist?
Br. Fudge : Gewiß, aber inzwischen
haben die Intensität und das Tempo
dieser Arbeit zugenommen, und deswe-
gen hat der Herr den Führern der Kirche
eine bedeutsame Wahrheit vor Augen
geführt, nämlich daß wir alle dieselben
Vorfahren haben. Wir stammen zum
36
Beispiel alle von demselben Ehepaar ab :
von Adam und Eva, doch laufen unsere
Ahnenlinien schon viel eher als bei
Adam zusammen. Man braucht nur ein
paar Generationen zurückzugehen, bis
man auf Ahnen stößt, die auch die
direkten Vorfahren vieler anderer
Menschen sind.
Wenn die Mitglieder der Kirche dies
verstehen, werden wir alle den Wunsch
„Mir erscheint die
Tempelarbeit für die
Verstorbenen ebenso
dringend wie die
Missionsarbeit, denn
im Grunde handelt es
sich um ein und
dieselbe Tätigkeit."
(Spencer W. Kimball)
hegen, uns an dieser gemeinsamen Akti-
vität zu beteiligen, wobei jeder Namen
von Verwandten anderer Mitglieder
zusammenstellt. Die Mitglieder, die die-
se Arbeit leisten, mögen verschiedenen
Pfählen angehören und vielleicht sogar
auf verschiedenen Kontinenten leben.
Das gemeinsam erarbeitete Ergebnis
wird jedoch sein, daß alle effektiv an der
Erlösung unserer irdischen und im gei-
stigen Sinne Verwandten mitarbeiten.
Der Herr wünscht, daß wir diese Auf-
gabe in kollektiver Arbeit erfüllen -
„als Kirche und als Volk" ebenso wie als
einzelne Heilige der Letzten Tage (LuB
128:24).
Bei unserer Missionsarbeit für die Ver-
storbenen wenden wir gewissermaßen
Methoden an, die denen in unserer
Missionsarbeit für die Lebenden ähneln.
Wenn ich zum Beispiel als Missionar
nach England gesandt werde, reise ich in
dieses Land und unterweise dort jeden
Menschen, der mir zuhört, ohne die
Person anzusehen. Ich würde nicht nach
England gehen, um nur denjenigen das
Evangelium zu verkündigen, die den
gleichen Familiennamen haben wie ich
oder eng mit mir verwandt sind.
Wir senden auch nicht Missionare in die
großen Städte, damit sie dort nach
einem einzigen Menschen suchen, wäh-
rend wir die vielen Straßen vernachlässi-
gen, wo zahlreiche Menschen leben, die
das Evangelium annehmen würden. Bis-
her sind wir bei der genealogischen
Forschung jedoch in dieser Weise vor-
gegangen, weil uns die moderne Tech-
nologie noch nicht zur Verfügung ge-
standen hat. Jetzt hat uns der Herr neue
Hilfsmittel an die Hand gegeben, und
die Führer der Kirche sagen, daß jetzt
die Zeit gekommen sei, wo wir unsere
Missionsarbeit für die Verstorbenen
stärker betonen müssen. Genealogie
und Missionsarbeit stellen eigentlich ein
und dieselbe Tätigkeit dar. Warum soll-
ten wir dann nicht auch die gleichen
Grundsätze und Methoden anwenden?
Ensign : Angenommen, jemand von uns
wohnt in einem Pfahl, der sich am
Urkundenauszugsprogramm beteiligt.
Wie könnte er dabei mitwirken?
Br. Fudge : Da wir Urkunden in 35
Ländern sammeln, sind die meisten
davon nicht in englischer Sprache ab-
gefaßt. Daher könnte ein Pfahl in Ham-
burg die Angaben aus deutschen Quel-
len exzerpieren, während ein Pfahl in
Mexiko die Angaben aus den dortigen
spanischen Urkunden herausziehen
würde.
Nachdem man geeignete Personen aus-
findig gemacht hat, werden diese vom
Pfahlpräsidenten als Pfahl-Genealogie-
missionare berufen und eingesetzt. Der
Pfahlpräsident bestimmt, wie viele
Pfahl-Genealogiemissionare in seinem
Pfahl benötigt werden und wie viele
Stunden pro Woche jeder Missionar
37
dieser Tätigkeit widmen könnte. Alle,
die diese Berufung erhalten, werden im
Lesen alter Handschriften geschult, so
daß sie die Eintragungen aus den ver-
filmten Unterlagen — Taufen, Trauun-
gen, Todesfälle usw. — herausziehen
können. Jede Eintragung wird von zwei
Mitarbeitern exzerpiert. Die Ergebnisse
werden in einen Computer eingegeben,
und dieser vergleicht die Angaben.
Wenn sich dabei Widersprüche her-
ausstellen, sperrt die Tastatur, und der
zweite Maschinenschreiber — er ist zur
Kontrolle beauftragt — prüft sofort
nach, welcher Auszug die richtigen An-
gaben enthält. Dadurch wird gewährlei-
stet, daß genauere Aufzeichnungen
erstellt werden.
Ensign : Wäre es möglich, daß sich
jemand freiwillig bereiterklärt, einige
Stunden pro Monat Urkunden zu exzer-
pieren ?
Br. Fudge : Dies ist eine Sache der
Schulung. Mehrere Wochen sind erfor-
derlich, um jemand so zu schulen, daß er
im korrekten Entziffern von Hand-
schriften ausreichend geübt ist.
Ensign : Hat nun jemand, der nicht als
Exzerpierer berufen wird, noch weitere
Pflichten genealogischer Art, nachdem
er die Bogen für sein Vier-Generationen-
Programm eingereicht hat?
Br. Fudge : Gewiß ! Es gibt zahlreiche
Projekte, woran sich die Mitglieder der
Kirche beteiligen können. Der Pfahlprä-
sident kann die Mitglieder seines Pfahls
zum Beispiel Grabinschriften abschrei-
ben und in Gerichtsarchiven Angaben
sammeln lassen, so daß schließlich alle
genealogisch bedeutsamen Urkunden
des betreffenden Gebietes zusammen-
getragen und von den dortigen Mit-
gliedern katalogisiert werden. Eine sol-
che Tätigkeit muß natürlich koordiniert
werden. Wer dann in diesem Gebiet
nach Vorfahren sucht, erhält auf diese
Weise leicht Zugang zu den von ihm
benötigten Unterlagen, wenn er die
Angaben für sein Vier-Generationen-
Programm zusammenstellt oder diese
überprüft.
Ein wichtiger Dienst, den die Mitglieder
leisten können, besteht auch darin, daß
sie die vorhandenen Aufzeichnungen
mit einem Index versehen. Man braucht
dann nicht mehr eine Filmrolle nach der
anderen durchzugehen, sondern nur
noch im Index nachzusehen, und wird
sofort auf den benötigten Film ver-
wiesen. Wichtig ist auch, daß die Mit-
glieder für die aus den Urkunden exzer-
pierten Namen die Tempelarbeit ver-
richten. Im Juni 1977 haben wir im
Zusammenwirken mit zwei Pfählen in
St. George, Utah, ein Pilotprojekt des
Exzerpierens von Namen begonnen. Mit
weniger als 40 Personen, die als Exzer-
pierer berufen worden sind, sind diese
beiden Pfähle jetzt imstande, alle Na-
men zur Verfügung zu stellen, die bei
dem gegenwärtigen Pensum an Tempel-
arbeit im Tempel in St. George benötigt
werden.
Präsident Kimballs prophetischer
Wunsch, daß jeder Tempeldistrikt alle
Namen bereitstellen soll, die für seinen
Tempel gebraucht werden, wird somit
bald in Erfüllung gehen. Es ist auch
leicht abzusehen, wie diese Phase in die
nächste Phase vermehrter Tempelarbeit
übergehen wird, wie die Kirche mehr
Tempel erbauen und die Missionsarbeit
unter den Lebenden und den Verstorbe-
nen zunehmen wird. Somit erleben wir
als Kirche gerade, wie Prophezeiungen
in Erfüllung gehen.
Wir sind dabei, ein großes Reservoir von
Namen für die Tempelarbeit auf-
zubauen. Schon jetzt verfügen wir über
eine große Anzahl von Mikrofilmen,
woraus wir Urkunden exzerpieren kön-
nen, und täglich werden weitere ge-
nealogische Aufzeichnungen verfilmt.
Im Durchschnitt kann jeder pro Stunde
38
20 Namen herausziehen. In dem Maße,
wie weitere Genealogiemissionare
berufen werden, schaffen wir uns ein
Reservoir von Namen, die für die Tem-
pelarbeit bereitgestellt werden können.
Je nach Notwendigkeit kann dann jeder
Tempeldistrikt die Arbeit für die Ver-
storbenen beschleunigen. Die Priester-
tumsführer werden erkennen, daß es
notwendig ist, die Mitglieder dazu an-
zuhalten, daß sie öfter in den Tempel
gehen. Ich bin sicher, daß es mehr
Sessionen in den Tempeln geben wird,
daß die Tempel mehr Stunden am Tag
geöffnet sein und mehr Mitglieder den
Tempel häufiger besuchen werden.
Schon jetzt ist abzusehen, daß die Zeit
kommen wird, wo sich Präsident Kim-
balls Vorstellung von Tempeln ver-
wirklicht, die 24 Stunden am Tag
geöffnet sind. Ebenso wird sich seine
Vorstellung davon bewahrheiten, daß
das Land von Tempeln geradezu übersät
sein wird. Das Zusammenstellen ge-
nealogischer Aufzeichnungen und das
Exzerpieren von Namen daraus wird die
Voraussetzungen dafür schaffen. Im
Zusammenhang damit wird man größe-
res Gewicht auf den Bau neuer Tempel
und den Besuch der Tempel legen. Der
einzige Weg, wie wir dies erreichen
können, besteht darin, daß wir in
gemeinsamer Anstrengung die Kraft,
die Intelligenz und die Fähigkeiten der
Mitglieder nutzen, anstatt daß man sich
auf die Bemühungen einzelner stützt.
Ensign : Geschieht gegenwärtig etwas,
um die Bearbeitung von Namen für die
Tempelarbeit zu beschleunigen, sobald
diese exzerpiert sind?
Br. Fudge: Für die nicht auf dem
amerikanischen Kontinent gelegenen
Tempel werden gegenwärtig Tempel-
Dienststellen eingerichtet. Sie sollen vie-
le Funktionen übernehmen, die bisher
von der Genealogischen Abteilung
wahrgenommen worden sind. Eine sol-
che Tempel-Dienststelle arbeitet zum
Beispiel bereits in Brasilien. Die dort
lebenden Mitglieder brauchen deshalb
nicht mehr ihre Familiengruppenbogen
und sonstigen Antragsformulare zur
Bearbeitung nach Salt Lake City schik-
ken und darauf warten, daß diese nach
Brasilien zurückgesandt werden. Auch
ist es nicht mehr notwendig, daß sie,
nachdem die Tempelarbeit geleistet ist,
die Angaben darüber zurück nach Salt
Lake City schicken. Sie können jetzt ihre
Unterlagen in Brasilien selbst bearbei-
ten, dort die notwendige Tempelarbeit
ausführen und selbst darüber Aufzeich-
nungen anfertigen. Nachdem dies alles
geschehen ist, braucht der dortige Tem-
pel nur noch eine Aufstellung über die
geleistete Tempelarbeit nach Salt Lake
City zu senden, damit die Angaben im
Urkundengewölbe sicher verwahrt wer-
den.
Ebenso werden wir auch bei der Mikro-
verfilmung verfahren. Bald werden wir
in verschiedenen Teilen der Welt ge-
nealogisches Quellenmaterial verfilmen
und bearbeiten, katalogisieren und An-
gaben daraus exzerpieren. Nachdem der
Tempeldistrikt seine Arbeit ausgeführt
hat. wird er lediglich die Filmnegative an
die Genealogische Abteilung in Salt
Lake City senden.
Ensign : Wie lange wird es dauern, bis
diese Tempel-Dienststellen eingerichtet
werden ?
Br. Fudge : Sobald sich ein Bedarf dafür
ergibt. Es gibt solche Dienststellen be-
reits in Mexico City, in Sao Paulo
(Brasilien) und in Tokio. All dies ge-
schieht im Hinblick auf unsere Absicht,
die Verantwortung für diese Arbeit den
Mitgliedern selbst aufzuerlegen, denn sie
haben die Vollmacht und die Urkunden,
die Hilfsmittel für das Exzerpieren und
Bearbeiten und die Tempel.
Das Aufzeichnen der Angaben über die
Tempelarbeit wird bald dadurch erheb-
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lieh beschleunigt, daß in den Tempeln
kleine Computer in Dienst gestellt wer-
den. Mit Hilfe eines Computers kann
man einen Namen automatisch aus-
geben und die Unterlagen auf den neu-
esten Stand bringen. Jeder Tempelemp-
fehlungsschein wird einen magnetisier-
ten Streifen enthalten, wo der Name des
Betreffenden und die Nummer seiner
Einheit (Gemeinde und Pfahl) angege-
ben sind. Wenn der Tempelempfeh-
lungsschein in den Computer gesteckt
wird, gibt dieser automatisch in ge-
druckter Form den Namen dessen aus,
für den der Inhaber des Empfehlungs-
scheins als Stellvertreter amtieren soll.
Außerdem gibt der Computer in den
Unterlagen des Tempels den Namen des
Inhabers und die Nummer seiner Ein-
heit an und liefert den Priestertumsfüh-
rern der Gemeinde jeweils die neuesten
statistischen Angaben.
Ensign : Gibt es neue Bestrebungen der
Kirche, denjenigen zu helfen, die noch
dabei sind, ihre Familiengruppenbögen
für das Vier-Generationen-Programm
auszufüllen?
Br. Fudge: Ja. Vom kommenden Sep-
tember an wird in der Sonntagsschule
ein neuer, zwölfwöchiger Genealogie-
kurs durchgeführt. Der Leitfaden dafür
ist auf die Forschung für das Vier-
Generationen-Proggramm abgestimmt.
Ein weiteres Hilfsmittel ist die Compu-
ter-Ahnenkartei. Wenn die Mitglieder
vom Juli 1979 an beginnen, korrekte
Ausfertigungen ihrer Ahnentafeln ein-
zusenden, stellen wir eine riesige Com-
puterkartei aller uns zugegangenen
Informationen über die Vorfahren der
Mitglieder der Kirche zusammen.
Nehmen wir zum Beispiel an, jemand
beteiligt sich am Genealogieunterricht
in der Sonntagsschule und lernt, wie
man Familiengruppenbögen für das
Vier-Generationen-Programm ein-
reicht. Er wird als erstes Auskünfte aus
der Computer-Ahnenkartei der Kirche
einholen. Dies geschieht in der Weise,
daß er ein Exemplar seiner Ahnentafel
einsendet, soweit er sie bisher aufgestellt
hat, und der Computer prüft nach, ob
seine Ahnen bereits in der Kartei ent-
halten sind. Wir geben dem Betref-
fenden sodann alle Informationen da-
rüber und teilen ihm die Namen und
Anschriften derer mit, die diese An-
gaben eingesandt haben.
Wir sind auch dabei, einen Computerka-
talog zu erarbeiten. Dieser Katalog wird
unsere gesamten Bibliotheksbestände
sowie die genealogischen Aufzeichnun-
gen in der ganzen Welt erfassen, die in
unserer Bibliothek nicht vorhanden sind
und die wir auch nicht zu verfilmen
beabsichtigen. Wenn wir das von dem
Betreffenden benötigte Quellenmaterial
besitzen, wird dieser Katalog ihn direkt
darauf verweisen. Befindet es sich nicht
in unserem Besitz, so wird ihm der
Katalog die ursprüngliche Quelle nen-
nen. Wir hoffen, daß es uns gelingen
wird, häufig und mit geringen Kosten
den Katalog allen Pfahlbibliotheken zur
Verfügung zu stellen. Dies wird dadurch
geschehen, daß wir den Katalog auf
Mikrofiche aufnehmen oder in anderer
Weise vervielfältigen.
Ensign: Es ist geradezu packend, von
den gegenwärtigen und künftigen
Dimensionen dieser Arbeit zu hören.
Was würden Sie in Ihrer eigenen Familie
mit Ihren Kindern unternehmen, um
diese Arbeit zu fördern?
Br. Fudge : Ich würde dafür sorgen, daß
meine Kinder, meine Schwester und
deren Kinder mit meinem Vater
zusammenkommen und durch Abspra-
chen gewährleisten, daß die Angaben
auf unserer Ahnentafel und unseren
Familiengruppenbögen korrekt sind.
Wenn dann der Juli 1979 kommt, sind
wir bereit, dieses Material einzureichen.
Ich werde auch alle Informationen über
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meine Vorfahren einsenden, die über die
vier Generationen hinausgehen. Als
nächstes würde ich meine verheirateten
Kinder auffordern, weiter an ihrer
Familiengeschichte und ihrer eigenen
Lebensgeschichte zu schreiben. Ich habe
damit begonnen, meine eigene Biogra-
phie auf Tonband zu sprechen. Eine
solche Tonbandaufnahme halte ich in-
sofern für besonders wertvoll, als ich
dadurch meinen Enkeln und Urenkeln
die Möglichkeit gebe, meine Stimme zu
hören.
Ensign : Könnten Sie erklären, warum
die Kirche so großen Wert darauf legt,
daß wir ein Tagebuch führen und unsere
eigene Geschichte und die unserer Fami-
lie niederschreiben ? Was hat dies mit der
besprochenen Arbeit zu tun?
Br. Fudge : Erstens hat uns der Herr
geboten, Bericht zu führen. Zweitens ist
es für unsere Kinder und Enkel sehr
nützlich, wenn man ihnen bewußt
macht, was für ein geistiges Gut wir
ihnen mitgeben. Durch persönliche Auf-
zeichnungen kommen wir unseren Vor-
fahren näher und wenden ihnen unser
Herz bereitwilliger zu, weil wir mehr
über sie wissen. Die scheinbar alltägli-
chen Aktivitäten unserer Großeltern
haben uns oft dazu veranlaßt, die Ge-
bote gewissenhafter zu halten. Dadurch
werden auch unsere Familienbande ge-
festigt, und unser Wunsch wird stärker,
die der Erlösung dienenden heiligen
Handlungen des Evangeliums zu ihren
Gunsten zu vollziehen.
Ensign : Ist dies der Hauptzweck des vor
kurzem für das Jahr 1980 angekündig-
ten Weltkongresses über genealogische
Aufzeichnungen, der in Salt Lake City
stattfinden soll und unter dem Motto
„Das Überlieferte bewahren'1 stehen
wird?
Br. Fudge: Ja. Wir möchten die
Menschen dazu anregen, ihre eigene
Lebensgeschichte und die ihrer Familie
zu Papier zu bringen und auf dem
laufenden zu halten. Außerdem hoffen
wir, daß dieser Kongreß dazu beitragen
wird, den Schwung in unserer Missi-
onsarbeit zu vergrößern, indem wir die
Menschen wissen lassen, daß die Kirche
am geistigen Erbe der Familie, des
einzelnen und der Gemeinschaft inter-
essiert ist.
Ein weiterer wichtiger Zweck des Kon-
gresses liegt darin, daß wir die Compu-
ter-Ahnenkartei für die ganze Welt zu-
gänglich machen wollen. Wir werden
nicht nur die Mitglieder, sondern alle
Menschen auffordern, die Angaben
über ihre Vorfahren einzusenden, damit
wir eine Hauptkartei damit aufbauen
können. Wir sehen diesem Kongreß
begeistert und erwartungsvoll entgegen
und rechnen damit, daß sich viele
Gemeinsamkeiten daraus ergeben wer-
den.
Ensign : Wie stehen Sie persönlich zu
diesem neuen Programm?
Br. Fudge : Mir scheint, daß wir in dieser
Generation große Vorzüge genießen.
Viele Propheten im Altertum hätten
gern in diesen Tagen gelebt. Es ist eine
Zeit intensiver Anstrengung einer
Arbeit, an der sich alle beteiligen müs-
sen, denn niemand kann sie allein voll-
bringen.
Ich erinnere mich an das Gebet, das der
Erlöser gesprochen hat, bevor er in den
Garten Gethsemane ging. Er betete
darum, daß seine Jünger eins sein mö-
gen, ebenso wie er und sein Vater eins
seien (Johannes 17:22). Unser Bemühen
geht dahin, Adams Geschlecht zu einen,
und dies können wir nur bewerkstelli-
gen, wenn wir mit vereinten Kräften
arbeiten. Das Ergebnis unserer Arbeit
wird natürlich sein, daß wir das von
unserem Vater im Himmel gewünschte
Werk vollbringen, und zwar innerhalb
der von ihm dafür festgesetzten Zeit.