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Full text of "Der Stern"

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AUF  DEM  UMSCHLAG: 

Wundervolle  Hilfsmittel  -  darunter  auch  die  Zeitschriften  der 
Kirche  -  "helfen  uns,  an  unseren  Wert  festzuhalten  und  dem 
Herrn  gehorsam  zu  sein".  Siehe  „Eine  Zeitschrift  für  die  ganze 
Welt",  Seite  32.  (Fotos  von  Craig  Dimond  und  Jerry  Garns.) 

UMSCHLAGBILD  KINDERSTERN: 

Der  zehnjährige  Arietana  lebt  in  dem  Land  Kiribati  auf  einer 
Insel  im  Pazifik.  Er  geht  gern  zur  PV  und  zur  Schule,  er  fischt 
und  beteiligt  sich  an  den  traditionellen  Tänzen.  Siehe 
„Arietana  aus  Kiribati",  Seite  14.  (Foto  von  Joyce  Findlay.) 


MAGAZIN 

2       BOTSCHAFT  VON  DER  ERSTEN  PRÄSIDENTSCHAFT:  GEIST  UND  SEELE  NÄHREN 

PRÄSIDENT  GORDON  B.  HINCKLEY 

1  2      DIE  FAMILIE     ELDER  HENRY  B.  EYRING 

24  DIE  FAMILIE  -  EINE  PROKLAMATION  AN  DIE  WELT 

DIE  ERSTE  PRÄSIDENTSCHAFT  UND  DER  RAT  DER  ZWÖLF  APOSTEL 

25  BESUCHSLEHRBOTSCHAFT:  DIE  CELESTIALE  EHE 

26  „DU  SOLLST  NICHT  STEHLEN"     RICHARD  D.  DRAPER 

32      EINE  ZEITSCHRIFT  FÜR  DIE  GANZE  WELT    MARVIN  K.  GARDNER 

38      GEDANKEN  DAZU,  WIE  DAS  EVANGELIUM  IN  OSTEUROPA  FUSS  FASST 

ELDER  DENNIS  B.  NEUENSCHWANDER 


SIEHE  SEITE  12 


FÜR  JUNGE  LEUTE 

8      SASCHA  STRACHOWA    MARVIN  K.  GARDNER 
36      GOLDENE  FRAGEN     PAT  MEYERS 

KINDERSTERN  l 

2      VON  FREUND  ZU  FREUND:  SUSAN  L.  WARNER 
4       LIED:  SCHÖNSTER  HERR  JESUS 

6       DAS  MITEINANDER:  ICH  KANN  JETZT  EIN  MISSIONAR  SEIN 

SYDNEY  REYNOLDS 

8       ERZÄHLUNG:  DER  GEHEIMNISVOLLE  BALL    ALMA  J.  YATES 

1  3      DAS  MACHT  SPASS:  KRABBELSACK  MIT  GESCHICHTEN  AUS 
DEM  ALTEN  TESTAMENT 

VIVIAN  PAULSEN  UND  CORLISS  CLAYTON 

1  4      FREUNDE  IN  ALLER  WELT:  ARIETANA  AUS  KIRIBATI     JOYCE  FINDLAY 


SIEHE  KINDERSTERN, 
SEITE  14 


SIEHE  SEITE  38 


Oktober  1998  124.  Jahrgang  Nummer  10 

DER  STERN  98990  150 

Offizielle  deutschsprachige  Veröffentlichung  der  Kirche 

Jesu  Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage 

Die  Erste  Präsidentschaft: 

Gordon  B.  Hinckley,  Thomas  S.  Monson,  James  E.  Faust 

Das  Kollegium  der  Zwölf: 

Boyd  K.  Packer,  L.  Tom  Perry,  David  B.  Haight, 

Neal  A.  Maxwell,  Russell  M.  Nelson,  Dahin  H.  Oaks, 

M.  Russell  Ballard,  Joseph  B.  Wirthlin,  Richard  G.  Scott, 

Robert  D.  Hcles,  Jeffrey  R.  Holland,  Henry  B.  Eyring 

Chefredakteur:  Marlin  K.  Jensen 

Redaktionsleitung:  Jay  E.  Jensen,  John  M.  Madsen 

Abteilung  Lehrplan: 

Geschäftsführender  Direktor:  Ronald  L.  Knighton 

Direktor  Planung  und  Redaktion:  Richard  M.  Romney 

Direktor  Künstlerische  Gestaltung:  Allan  R.  Loyborg 

Redaktion: 

Geschäftsführender  Redakteur:  Marvin  K.  Gardner 

Assist.  Geschäftsführender  Redakteur:  R.  Val  Johnson 

Co-Redakfeure:  David  Mitchell 

Redakfionsassistenf/n:  Jenifer  Greenwood 

Terminplanung:  Beth  Dayley 

Assistentin  Veröffentlichungen:  Konnie  Shakespear 

Gestaltung: 

Manager  Graphische  Gestaltung:  M.  M.  Kawasaki 

Direktor  Künsterische  Gestaltung:  Scott  Van  Kampen 

Layout:  Sharri  Cook 

Designer:  Tadd  R.  Peterson 

Manager  Produktion:  Jane  Ann  Peters 

Produktion:  Reginald  J.  Christensen,  Denise  Kirby, 

Jason  L.  Mumford 

Digitale  Prepress:  Jeff  Martin 

Abonnements: 

Direktor:  Kay  W.  Briggs 

Manager  Versand:  Kris  Christensen 

Manager:  Joyce  Hansen 

Verantwortlich  für  Übersetzung: 

Deutsches  Übersetzungsbüro 

Max-Planck- Straße  23  A,  D-61381  Friedrichsdorf 

Telefon:  (06172)  736410  und  736411 

Vertrieb: 

Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage 

Industriestraße  21,  D-61381  Friedrichsdorf 

Deutschland-Leserservice 

Telefon:  (06172)  7103-23;  Telefax:  (06172)  7103-44 

Österreich  und  Schweiz-Leserservice 

Telefon:  (06172)  7103-96;  Telefax:  (06172)  7103-80 

Jahresabonnement: 

DEM  21,00;  ATS  147,00;  CHF  21,00 

Bezahlung  erfolgt  an  die  Gemeinde  bzw.  den  Zweig  oder 

auf  eines  der  folgenden  Konten: 

D  Commerzbank  Frankfurt, 

Konto-Nr.  588645200,  BLZ  500  400  00 

A  Erste  Österreichische  Spar-Casse-Bank 

Konto-Nr.  004-52602 

CH  Schweizerischer  Bankverein,  Birsfelden, 

Konto-Nr.  30-301,363.0 

Adressenänderung  bitte  einen  Monat  im  voraus  melden 

Beilagenhinweis:  Dieser  Ausgabe  liegt  der  „KINDER- 
STERN April  1998"  bei. 

Manuskripte  und  Anfragen:  International  Magazines, 
50  East  North  Temple,  Floor  25,  Salt  Lake  City,  UT 
84150-3223,  USA;  or  e-mail  to  CUR-Liahona- 
IMag@ldschurch.org 

Die  Internationale  Zeitschrift  der  Kirche,  deutsch  „DER 
STERN",  erscheint  monatlich  auf  chinesisch,  dänisch, 
deutsch,  englisch,  finnisch,  französisch,  holländisch,  italie- 
nisch, japanisch,  koreanisch,  norwegisch,  portugiesisch, 
samoanisch,  schwedisch,  spanisch  und  tongaisch;  zwei- 
monatlich wird  sie  auf  indonesisch  und  thai  veröffentlicht, 
vierteljährlich  auf  bulgarisch,  cebuano,  fidschi,  gilberte- 
sisch,  isländisch,  polnisch,  rumänisch,  russisch,  tagalog, 
tschechisch,  ukrainisch,  ungarisch  und  vietnamesisch. 
(New  quarterly  magazines  may  begin  with  one,  two,  or 
three  issues  a  year.) 

©  1  998  by  Intellectual  Reserve,  Inc.  All  rights  reserved. 
Used  by  The  Church  of  Jesus  Christ  of  Latter-day  Saints 
by  permission.  Printed  in  the  United  States  of  America. 

For  Readers  in  the  United  States  and  Canada: 

October  1998  vol.  124  no.  10.  DER  STERN  (ISSN  1044- 
338X)  is  pubiished  monthly  by  The  Church  of  Jesus  Christ 
of  Latter-day  Saints,  50  East  North  Temple,  Salt  Lake  City, 
UT  841 50.  USA  subscription  price  is  $1 0.00  per  year; 
Canada,  $14.00.  Periodicals  Postage  Paid  at  Salt  Lake 
City,  Utah.  Sixty  days'  notice  required  for  change  of 
address.  Include  address  label  from  a  recent  issue; 
changes  cannot  be  made  unless  both  old  and  new 
address  are  included.  Send  USA  and  Canadian  subscrip- 
tions  and  queries  to  Salt  Lake  Distribution  Center,  Church 
Magazines,  PO  Box  26368,  Salt  Lake  City,  UT  84126- 
0368.  Subscription  help  line:  1-800-537-5971.  Credit 
card  Orders  (Visa,  MasterCard,  American  Express)  may  be 
taken  by  phone. 

POSTMASTER:  Send  address  changes  to  Salt  Lake 
Distribution  Center,  Church  Magazines,  PO  Box  26368, 
Salt  Lake  City,  UT  84126-0368. 


LESERBRIEFE 


„DIE  FAMILIE  -  EINE  PROKLAMATION  AN 
DIE  WELT" 

Im  Sommer  1996  waren  zwei  Musiker 
aus  einer  russischen  Volkstanzgruppe  bei 
uns  zu  Gast.  Ich  hatte  meinem  Mann  kurz 
zuvor  ein  Abonnement  des  Liahona 
(russisch)  geschenkt,  und  eines  Morgens 
blätterte  einer  unserer  Gäste  in  der 
Ausgabe  vom  Juni  1996.  Er  zog  seine  Brille 
hervor  und  sah  sich  eine  bestimmte  Seite 
sehr  gründlich  an.  Dann  zeigte  er  sie 
unserem  anderen  russischen  Gast.  Ich 
erfuhr  später,  daß  die  Seite  in  der 
Zeitschrift,  die  sein  Interesse  so  sehr 
geweckt  hatte,  die  Proklamation  zur 
Familie  war,  die  die  Erste  Präsidentschaft 
und  der  Rat  der  Zwölf  Apostel  herausge- 
geben haben. 

Als  unsere  Gäste  am  Ende  der  Woche 
wieder  abreisten,  baten  sie  nur  um  ein 
einziges  Souvenir  -  die  Zeitschrift  mit 
der  Proklamation  zur  Familie.  Wir  haben 
sie  ihnen  gern  geschenkt  -  hoffentlich 
zusammen  mit  guten  Erfahrungen  mit 
unserer  Familie. 

Victoria  Morris, 
Gemeinde  Bountiful  41, 
Pfahl  Bountiful  Utah  Heights 

Anmerkung  der  Herausgeber:  „Die  Familie  - 
Eine  Proklamation  an  die  Welt"  ist  auf  Seite 
24  dieser  Ausgabe  noch  einmal  abgedruckt. 

HILFE  FÜR  DIE  MITGLIEDER, 
DIE  MISSIONARE  SEIN  WOLLEN 

Ich  lese  gern  den  Seito  no  Michi  (japa- 
nisch). Es  steht  soviel  Gutes  darin,  und 
jede  Ausgabe  hilft  mir.  Ich  kopiere  häufig 
Seiten  aus  der  Zeitschrift  und  schenke  sie 
Freunden  und  Untersuchern. 

Kazuko  Oikawa, 
Zweig  Kitakami, 
Pfahl  Morioka,  Japan 


BEISPIELE  AUS  DEM  LEBEN  UNSERER 
PROPHETEN 

Der  Liahona  (spanisch)  ist  mir  und 
meiner  Familie  ein  Segen.  Die  Artikel,  vor 
allem  die  Botschaft  von  der  Ersten 
Präsidentschaft,  festigen  meinen  Glauben. 
Der  Liahona  hat  mir  geholfen,  ein  Zeugnis 
davon  zu  bekommen,  daß  der  Herr 
Propheten  erweckt,  die  von  ihm  Zeugnis 
geben  und  seine  Lehren  an  uns  weiter- 
geben -  so  wie  die  Propheten  in  alter  Zeit 
gelehrt  und  von  ihm  Zeugnis  gegeben 
haben.  Ihr  Beispiel  weckt  in  mir  das 
Verlangen,  nach  den  Lehren  des  Herrn  zu 
leben.  Wie  viele  andere  Jugendliche  in  der 
Kirche  bereite  ich  mich  jetzt  auf  eine 
Vollzeitmission  vor. 

Lehi  Spencer  Santiago  Lastra, 
Gemeinde  Los  Jardines, 
Pfahl  Huanuco  Amarilis,  Peru 

ARTIKEL,  DIE  ZU  HERZEN  GEHEN 

Die  Artikel  im  Liahona  (spanisch)  gehen 
mir  zu  Herzen.  Meine  Lieblingsrubriken 
sind  die  Artikel  für  die  Jugendlichen  und  die 
Leserbriefe.  Ich  übermittle  Ihnen  meinen 
Dank.  Leisten  Sie  auch  weiterhin  so  gute 
Arbeit. 

Dairo  Cogollo  de  Avila, 

Zweig  El  Socorro, 

Distrikt  Cartagena  El  Bosque,  Kolumbien 


OKTOBER 
1 


19  9  8 


BOTSCHAFT  VON  DER  ERSTEN  PRÄSIDENTSCHAFT 


Geist  und 
Seele  nähren 

Präsident  Gordon  B.  Hinckley 


mos  prophezeite  in  alter  Zeit:  „Seht,  es  kommen  Tage  - 
Spruch  Gottes,  des  Herrn  -  ,  da  schicke  ich  den  Hunger  ins 
Land,  nicht  den  Hunger  nach  Brot,   nicht  Durst  nach 


Wasser,  sondern  nach  einem  Wort  des  Herrn. 

Dann  wanken  die  Menschen  von  Meer  zu  Meer,  sie  ziehen  von  Norden 
nach  Osten,  um  das  Wort  des  Herrn  zu  suchen;  doch  sie  finden  es  nicht." 
(Arnos  8:11,12.) 

Es  herrscht  ein  Hunger  im  Land  und  ein  aufrichtiger  Geist  -  ein  großer 

Hunger  nach  dem  Wort  des  Herrn  und  ein  ungestillter  Durst  nach  den  Dingen 

des  Geistes.  Ich  bin  davon  überzeugt,  daß  die  Welt  nach  geistiger  Nahrung 

hungert.  Wir  haben  die  Verpflichtung  und  die  Möglichkeit,  die  Seele  zu  nähren. 

BEMÜHEN  SIE  SICH  DARUM,  SICH  VOM  GEIST  LEITEN  ZU  LASSEN 

Vor  über  hundert  Jahren  hat  Präsident  Brigham  Young  in  einem  Gebet  um 
einen  Segen  für  das  Priestertum  gefleht  und  „für  alle,  die  in  der  Kirche, 
deinem  Reich,  Vollmacht  haben,  damit  der  Heilige  Geist  über  sie  ausgegossen 
werde  und  sie  dazu  befähige,  alle  ihre  Aufgaben  wahrzunehmen". 

Dieses  Gebet  sprach  er  am  Rednerpult  des  Tabernakels.  Es  war  das 
Anfangsgebet  in  der  ersten  Konferenz,  die  die  Kirche  dort  jemals  abhielt. 

OKTOBER       1998 


Ich  verheiße  Ihnen, 

ohne  zu  zögern:  wenn 

Sie  Ihre  Familie  im  Geist 

der  Worte  in  Lehre  und 

Bündnisse  121  führen,  die 

ja  vom  Herrn  stammen, 
werden  Sie  Ursache  haben, 

sich  zu  freuen,  genauso 

wie  diejenigen,  für  die  Sie 

verantwortlich  sind. 


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Das  war  am  6.  Oktober  1867.  Über  130  Jahre  später 
ist  seine  flehentliche  Bitte  an  den  Herrn  noch  genauso 
angebracht  wie  damals,  als  sie  ausgesprochen  wurde. 

Wir  brauchen  den  Heiligen  Geist  in  unseren  leitenden 
Aufgaben.  Wir  brauchen  ihn,  wenn  wir  in  unseren  Klassen 
und  in  der  Welt  das  Evangelium  lehren.  Wir  brauchen  ihn, 
um  unsere  Familie  anzuleiten  und  zu  unterweisen. 

Wenn  wir  unter  dem  Einfluß  dieses  Geistes  anleiten 
und  belehren,  bringen  wir  eine  geistige  Gesinnung  ins 
Leben  derer,  für  die  wir  verantwort- 
lich sind. 

DIE  KIRCHE  IST  WELTWEIT  VERTRETEN 

Die  Kirche  wächst  gewaltig,  und 
es  wird  uns  immer  mehr  bewußt,  wie 
umfangreich  die  Angelegenheiten 
des  Reiches  des  Herrn  sind.  Wir 
haben  ein  umfassendes  Programm  für 
die  Unterweisung  der  Familie.  Wir 
haben  Organisationen  für  die  Kinder, 
die  Jugendlichen,  für  die  Mütter  und 
die  Väter.  Wir  haben  ein  riesiges 
Missionssystem,  einen  gewaltigen 
Wohlfahrtsplan  und  wahrscheinlich 
das  umfassendste  genealogische 
Programm  in  der  ganzen  Welt.  Wir 
müssen  Gotteshäuser  bauen  -  zu  Hunderten  und 
Tausenden.  Wir  müssen  Schulen,  Seminare,  Institute 
betreiben.  Was  wir  tun,  wirkt  sich  auf  die  ganze  Welt  aus. 
All  das  ist  Aufgabe  der  Kirche.  Aber  sie  ist  mehr  als  eine 
Organisation  mit  inspirierten  Unternehmungen.  Sie  ist 
mehr  als  eine  soziale  Körperschaft.  All  dies  ist  nur  Mittel 
dazu,  den  wahren  Zweck  der  Kirche  zu  erfüllen. 

Dieser  Zweck  besteht  darin,  daß  wir  dem  Vater  im 
Himmel  helfen,  sein  Werk  und  seine  Herrlichkeit 
zustande  zu  bringen,  nämlich  die  Unsterblichkeit  und 
das  ewige  Leben  des  Menschen  (siehe  Mose  1:39). 

Die  Kräfte,  gegen  die  wir  im  Einsatz  sind,  sind 
gewaltig.  Wir  brauchen  mehr  als  unsere  eigene  Kraft,  um 
damit  fertig  zu  werden. 

Ich  richte  eine  inständige  Bitte  an  jedes 
Familienoberhaupt,  an  alle,  die  ein  Führungsamt 
innehaben,  an  unsere  vielen,  vielen  Lehrer  und 
Missionare:  Nähren  sie  bei  allem,  was  Sie  tun,  den  Geist 
und  die  Seele.  „Der  Buchstabe  tötet,  der  Geist  aber 
macht  lebendig."  (2  Korinther  3:6.) 


ch  richte  eine  flehentliche  Bitte  an 
jedes  Familienoberhaupt,  an  alle, 
die  ein  Führungsamt  innehaben,  an 
unsere  vielen,  vielen  Lehrer  und 
Missionare:  Nähren  sie  bei  allem, 
was  Sie  tun,  den  Geist  und  die  Seele 


Diejenigen,  die  verwalten,  die  Führer  der  Kirche  in 
unseren  Tausenden  von  Pfählen,  Missionen,  Distrikten, 
Gemeinden  und  Zweigen,  diejenigen,  die  die  vielen 
verschiedenen  Versammlungen  gestalten  und  leiten  -  und 
da  schließe  ich  mich  selbst  mit  ein  -  bitte  ich  flehentlich: 
bemühen  wir  uns  unablässig  um  Inspiration  vom  Herrn 
und  darum,  daß  sein  Heiliger  Geist  mit  uns  sein  möge, 
damit  er  uns  in  dem  Bemühen,  auf  einer  hohen  geistigen 
Ebene  zu  bleiben,  segne.  Solche  Gebete  bleiben  nicht 

ungehört,  denn  durch  Offenbarung 
ist  uns  diese  Verheißung  gegeben 
worden:  „Gott  wird  euch  durch 
seinen  Heiligen  Geist,  ja,  durch  die 
unaussprechliche  Gabe  des  Heiligen 
Geistes,  Erkenntnis  geben,  die  von 
Anfang  der  Welt  bis  heute  nicht 
offenbart  worden  ist."  (LuB  121:26.) 
Dazu,  wie  wir  unsere  Versamm- 
lungen leiten  sollen,  hat  der  Herr 
gesagt,  daß  diejenigen,  die  die 
Versammlung  leiten,  das  so  tun 
sollen,  „wie  sie  vom  Heiligen  Geist 
geführt  werden,  gemäß  den  Geboten 
und  Offenbarungen  Gottes"  (LuB 
20:45) .  Und,  so  „ist  es  den  Ältesten 
meiner  Kirche  von  Anfang  an  immer 
gegeben  gewesen  -  und  es  wird  immer  so  sein  -  ,  daß  sie 
alle  Versammlungen  so  leiten,  wie  sie  vom  Heiligen  Geist 
angewiesen  und  geführt  werden"  (LuB  46:2). 

Sinnen  wir  doch  außer  über  diesen  Grundsatz  noch 
über  eine  weitere  Aussage  nach,  die  vor  langer  Zeit 
gemacht  wurde.  Moroni  schrieb  bezüglich  der  neuen 
Mitglieder,  die  zur  Kirche  gekommen  waren:  „Und 
nachdem  sie  für  die  Taufe  angenommen  worden  waren 
und  nachdem  durch  die  Macht  des  Heiligen  Geistes  auf 
sie  eingewirkt  worden  war  und  sie  gesäubert  worden 
waren,  wurden  sie  dem  Volk  der  Kirche  Christi  zuge- 
zählt; und  ihr  Name  wurde  aufgenommen,  damit  ihrer 
gedacht  würde  und  sie  durch  das  gute  Wort  Gottes 
genährt  würden,  um  sie  auf  dem  rechten  Weg  zu  halten, 
um  sie  beständig  wachsam  zu  halten  im  Beten." 
(Moroni  6:4.) 

Brüder  und  Schwestern,  leiten  wir  doch  alle  unsere 
Versammlungen  so,  daß  wir  immer  darauf  bedacht  sind, 
die  Herde  Gottes  mit  dem  Brot  zu  nähren,  das  nicht 
verdirbt. 


DER 


STERN 

4 


LEHREN  SIE  MIT  DEM  GEIST 

Allen  Eltern,  allen,  die  das  Evangelium  lehren,  auch 
den  Missionaren,  einem  jeden  von  Ihnen  möchte  ich 
eine  Frage  stellen,  die  der  Herr  selbst  gestellt  hat: 
„Darum  stelle  ich,  der  Herr,  euch  diese  Frage:  Wozu  seid 
ihr  ordiniert  worden?" 

Er  gibt  selbst  die  Antwort:  „Daß  ihr  das  Evangelium 
durch  den  Geist  predigt." 

Und  dann  spricht  der  Herr  über  das  Bemerkenswerte, 
das  geschieht,  wenn  wir  durch  den  Geist  predigen: 
„Darum  können  der,  der  predigt, 
und  der,  der  empfängt,  einander 
verstehen,  und  sie  werden  beide 
erbaut  und  freuen  sich  miteinander." 
(LuB  50:13,14,22.) 

Ist  das  nicht  das  Ziel  all  unserer 
Anstrengungen,  daß  sowohl  wir,  die 
wir  lehren,  als  auch  diejenigen, 
die  unterwiesen  werden,  einander 
verstehen  und  beide  erbaut  werden 
und  sich  miteinander  freuen? 


GESCHICHTE  VON  EINEM 
MILITÄRGEISTLICHEN 

Ich  denke  in  diesem  Zusammen- 
hang an  einen  unserer  Militärgeistli- 
chen, einen  Mann  mit  großem  Glauben,  voller 
Engagement  und  Mut.  Er  war  über  ein  Jahr  im  zentralen 
Hochland  von  Vietnam,  als  dort  vor  rund  30  Jahren  der 
Krieg  tobte.  Er  befand  sich  dort,  wo  erbittert  gekämpft 
wurde  und  die  Verluste  tragisch  waren  -  wie  an  so  vielen 
Orten  in  Vietnam.  Er  wurde  zweimal  verwundet.  Er  sah 
mit  an,  wie  entsetzlich  viele  aus  seiner  Brigade  verwundet 
wurden  oder  in  der  Schlacht  fielen.  Die  Männer  in  seiner 
Einheit  liebten  und  achteten  ihn.  Seine  vorgesetzten 
Offiziere  ehrten  ihn. 

Er  war  nicht  immer  Mitglied  dieser  Kirche  gewesen. 
Er  war  in  den  Südstaaten  der  USA  in  einer  religiösen 
Familie  aufgewachsen,  wo  man  in  der  Bibel  las  und  wo 
die  Familie  regelmäßig  in  die  kleine  Kirche  am  Ort  ging. 
Er  wünschte  sich  die  Gabe  des  Heiligen  Geistes,  da  er  in 
der  Bibel  davon  gelesen  hatte,  aber  man  sagte  ihm,  es 
gebe  sie  nicht.  Das  Verlangen  danach  verließ  ihn  nie.  Er 
wuchs  heran  und  diente  in  der  US -Armee.  Er  suchte 
nach  dem,  was  er  sich  am  meisten  wünschte,  fand  es  aber 
nie.  Zwischendurch  war  er  Gefängniswärter.  Während  er 


Ist  das  nicht  das  Ziel  all  unserer 
Anstrengungen,  daß  sowohl  wir, 
die  wir  lehren,  als  auch  diejenigen, 
die  unterwiesen  werden,  einander 
verstehen  und  beide  erbaut  werden 
und  sich  miteinander  freuen? 


in  Kalifornien  im  Wachturm  des  Gefängnisses  saß,  sann 
er  über  seine  Schwächen  nach  und  betete  zum  Herrn,  er 
möge  den  Heiligen  Geist  empfangen  und  den  Hunger 
stillen,  den  er  in  der  Seele  spürte.  Die  Predigten,  die  er 
gehört  hatte,  hatten  diesen  Hunger  nicht  zu  stillen 
vermocht. 

Eines  Tages  klopften  zwei  junge  Männer  an  seine  Tür. 
Seine  Frau  bat  sie,  wiederzukommen,  wenn  ihr  Mann  zu 
Hause  war.  Die  beiden  jungen  Männer  unterwiesen  die 
Familie  durch  den  Heiligen  Geist.  Nach  zweieinhalb 

Wochen  ließ  die  Familie  sich  taufen. 
Ich  habe  gehört,  wie  dieser  Mann 
davon  Zeugnis  gab,  wie  es  war,  durch 
die  Macht  des  Heiligen  Geistes 
unterwiesen  zu  werden,  daß  er  erbaut 
wurde  und  sich  mit  denen  freute,  die 
ihn  unterwiesen.  Aber  diese  wunder- 
volle Erfahrung  mit  dem  Heiligen 
Geist  war  erst  der  Anfang.  Es 
ergossen  sich  Licht  und  Wahrheit 
über  ihn,  und  den  Sterbenden  wurde 
Frieden  geschenkt,  die  Trauernden 
wurden  getröstet,  die  Verwundeten 
wurden  gesegnet,  die  Ängstlichen 
faßten  Mut,  die  Spötter  fanden  zum 
Glauben.  Die  Frucht  der  Unterweisung 
mit  der  Inspiration  des  Heiligen  Geistes  ist  süß.  Geist 
und  Seele  werden  dabei  genährt. 

DER  HEILIGE  GEIST  FÜR  ELTERN 

Ich  möchte  den  Eltern,  die  ja  Oberhaupt  ihrer  Familie 
sind,  einen  besonderen  Rat  geben:  Wir  brauchen  für 
unsere  heikle  und  gewaltige  Aufgabe,  die  geistige 
Gesinnung  in  unserer  Familie  stark  zu  machen,  die 
Weisung  des  Heiligen  Geistes. 

Es  gibt  in  der  ganzen  Welt  zahllose  entsetzliche 
Tragödien,  die  daher  rühren,  daß  in  den  Familien  Streit 
herrscht. 

Vor  vielen  Jahren  klingelte  einmal  das  Telefon  in 
meinem  Büro.  Der  junge  Mann  am  anderen  Ende  der 
Leitung  erklärte  mir  ungestüm,  er  müsse  mich  unbedingt 
sehen.  Ich  erklärte  ihm,  ich  hätte  den  ganzen  Tag  noch 
einen  Termin  nach  dem  anderen.  Ich  fragte  ihn,  ob  er 
nicht  am  nächsten  Tag  kommen  könne.  Er  erwiderte,  er 
müsse  mich  sofort  sehen.  Ich  sagte  ihm,  er  solle  kommen, 
und  bat  meine   Sekretärin,   alle   übrigen  Termine   zu 


DER 


STERN 
6 


ändern.  Nach  wenigen  Minuten  kam  er  herein,  er  sah 
gehetzt  und  verwirrt  aus.  Seine  Haare  waren  lang,  und  er 
sah  sehr  elendaus.  Ich  bat  ihn,  sich  zu  setzen  und  ganz 
offen  zu  sprechen.  Ich  versicherte  ihm,  ich  sei  an  seinem 
Problem  interessiert  und  wolle  ihm  helfen. 

Er  begann,  mir  eine  herzzerreißende  Geschichte  zu 
erzählen.  Er  steckte  in  ernsten  Schwierigkeiten.  Er  hatte 
das  Gesetz  übertreten,  er  war  unrein  gewesen,  sein  Leben 
war  völlig  durcheinander.  Jetzt,  in  seiner  äußersten  Not, 
war  ihm  bewußt  geworden,  in  welch  entsetzlicher  Lage  er 
steckte.  Er  brauchte  Hilfe,  weil  er  allein  nicht  weiter 
wußte,  und  er  flehte  mich  an,  ihm  zu  helfen.  Ich  fragte 
ihn,  ob  sein  Vater  von  seinen  Schwierigkeiten  wisse. 
Darauf  erwiderte  er,  mit  seinem  Vater  könne  er  nicht 
reden,  sein  Vater  hasse  ihn. 

Zufällig  kannte  ich  seinen  Vater,  und  ich  wußte,  daß 
sein  Vater  ihn  nicht  haßte.  Er  liebte  ihn  und  war  seinet- 
wegen zutiefst  bekümmert,  aber  der  Vater  hatte  seinen 
Jähzorn  nicht  im  Griff.  Immer  wenn  er  seine  Kinder 
bestrafte,  verlor  er  die  Beherrschung  und  ruinierte  damit 
seine  Kinder  und  sich  selbst. 

Ich  blickte  den  zitternden,  gebrochenen  jungen 
Mann,  der  seinen  Vater  als  seinen  Feind  betrachtete, 
über  den  Schreibtisch  hinweg  an.  Ich  dachte  an  die  erha- 
benen Worte  offenbarter  Weisheit,  die  durch  den 
Propheten  Joseph  Smith  gegeben  wurden.  Sie  geben  den 
Wesenskern  dessen  wieder,  von  welchem  Geist  das 
Priestertum  sich  leiten  lassen  soll,  und  ich  glaube,  sie 
gelten  auch  dafür,  wie  wir  unsere  Familie  führen  sollen. 

IN  „UNGEHEUCHELTER  LIEBE"  STECKT  MACHT 

Es  „kann  und  soll  keine  Macht  und  kein  Einfluß 
anders  geltend  gemacht  werden  als  nur  mit  überzeu- 
gender Rede,  mit  Langmut,  mit  Milde  und  Sanftmut  und 
mit  ungeheuchelter  Liebe, 

mit  Wohlwollen  und  mit  reiner  Erkenntnis,  wodurch 
sich  die  Seele  sehr  erweitert  -  ohne  Heuchelei  und  ohne 
Falschheit."  (LuB  121:41,42.) 

Ich  glaube,  diese  wundervollen  und  schlichten  Worte 
legen  dar,  von  welchem  Geist  wir  Eltern  uns  leiten  lassen 
sollen.  Bedenken  sie,  daß  wir  angemessen,  aber 
einfühlsam  strafen  sollen,  daß  wir  weise  tadeln  sollen. 
Bedenken  Sie,  wie  die  Schriftstelle  weitergeht: 

„Alsbald  mit  aller  Deutlichkeit  zurechtweisend 
[Wann?  Wenn  man  zornig  ist  und  die  Beherrschung 
verlieren  könnte?  Nein.],  wenn  dich  der  Heilige  Geist 


dazu  bewegt  [ist  der  Heilige  Geist  zugegen,  wenn  man  im 
Streit  zurechtweist?  Nein.],  wirst  du  danach  aber  demje- 
nigen, den  du  zurechtgewiesen  hast,  vermehrte  Liebe 
erweisen,  damit  er  nicht  meint,  du  seiest  sein  Feind, 

damit  er  weiß,  daß  deine  Treue  stärker  ist  als  die 
Fesseln  des  Todes."  (LuB  121:43,44.) 

DER  HEILIGE  GEIST,  DER  SCHLÜSSEL  DAZU,  WIE  WIR 
UNSERE  FAMILIE  FÜHREN  SOLLEN 

Dies,  meine  Brüder  und  Schwestern,  die  Sie  das 
Oberhaupt  Ihrer  Familie  sind,  ist  der  Schlüssel  dazu,  wie 
Sie,  vom  Heiligen  Geist  geleitet,  Ihre  Familie  fuhren  sollen. 
Ich  lege  diese  Worte  jedem  Vater  und  jeder  Mutter  ans 
Herz  und  verheiße  Ihnen,  ohne  zu  zögern:  wenn  Sie  Ihre 
Familie  im  Geist  dieser  Worte  führen,  die  ja  vom  Herrn 
stammen,  werden  Sie  Ursache  haben,  sich  zu  freuen, 
genauso  wie  diejenigen,  für  die  Sie  verantwortlich  sind. 

Diese  inspirierten  Worte  sind  der  geistige  Lebensnerv 
des  Evangeliums;  sie  werden  zum  Rückgrat  unseres 
Glaubens.  Möge  Gott  uns  helfen,  uns  bei  allem,  was  wir 
in  der  Kirche  und  in  unserer  Familie  tun,  daran  auszu- 
richten. 

Ich  kehre  noch  einmal  zu  dem  Gebet  zurück,  das 
Präsident  Young  vor  über  hundert  Jahren  gesprochen  hat: 
Unser  ewiger  Vater,  wir  bitten  dich  um  deinen  Segen  für 
„das  Priestertum  [und]  für  alle,  die  in  der  Kirche,  deinem 
Reich,  Vollmacht  haben,  damit  der  Heilige  Geist  über  sie 
ausgegossen  werde  und  sie  dazu  befähige,  alle  ihre 
Aufgaben  wahrzunehmen"  -  in  der  Familie,  in  ihren 
Berufungen,  im  Beruf,  in  der  Nachbarschaft  und  bei  allem, 
was  sie  tun,  und  im  Umgang  mit  allen  Menschen.  D 

FÜR  DIE  HEIMLEHRER 

1.  Die  Welt  hungert  nach  geistiger  Nahrung. 

2.  Wir  brauchen  den  Heiligen  Geist,  um  unsere 
Familie  anzuleiten  und  zu  unterweisen.  Wir  brauchen 
ihn  in  unseren  leitenden  Aufgaben  in  der  Kirche.  Wir 
brauchen  ihn,  wenn  wir  in  unseren  Klassen  und  in  der 
Welt  das  Evangelium  lehren. 

3.  Wir  brauchen  den  Geist,  damit  alle  Beteiligten 
einander  erbauen  und  sich  miteinander  freuen  (siehe 
LuB  50:22). 

4.  Unsere  rechtschaffenen  Gebete  darum,  der  Heilige 
Geist  möge  unser  Begleiter  sein,  werden  nicht  ungehört 
bleiben. 


OKTOBER 

7 


19   9  8 


EINE  JUNGE  RUSSIN  ENTDECKT  EIN  NEUES  LEBEN  -  UND  NIMMT  ES  AN, 

Sascha  Strachowa 


Als  Sascha  Strachowa  13  Jahre 
alt  war,  spürte  sie  in  sich  das 
Verlangen,  Gott  zu  erkennen. 
Monatelang  betete  sie:  „Himmlischer 
Vater,  ich  möchte  dich  besser 
kennenlernen." 

Der  Herr  erhörte  ihr  Beten.  Eines 
Tages  wurden  zwei  Missionare  einge- 
laden, zu  den  Schülern  in  ihrer  Klasse 
an  einer  Schule  in  St.  Petersburg  zu 
sprechen.  Etwas,  das  sie  sagten,  über- 
raschte sie  und  weckte  ihre 
Aufmerksamkeit:  „Menschen  sind, 
damit  sie  Freude  haben  können."  (2 
Nephi  2:25.)  Welch  ungewöhnlicher 
Gedanke!  „Aber  ich  glaubte  ihnen", 
sagt  Sascha.  „Ich  hatte  das  Gefühl, 
daß  sie  wußten,  wie  wir  Freude  haben 
können." 

Voller  Begeisterung  lief  sie  nach 
Hause,  um  ihrer  Mutter  von  ihrer 
Entdeckung  zu  berichten.  Aber  ihre 
Mutter,  die  erst  vor  kurzem 
geschieden  worden  war  und  sich  vom 
Leben  überwältigt  fühlte,  wollte  von 
ihrer  Begeisterung  nichts  wissen. 
Sascha  flehte  sie  an,  ihr  zu  erlauben, 
die  Sonntagsversammlungen  im 
Zweig  der  Kirche  zu  besuchen, 
obwohl  es  dorthin  ein  weiter  Weg 


Marvin  K.  Gardner 

war.  „Mama  sagte:  ,Warum  mußt  du 
so  weit  fahren?'  Aber  ich  habe 
gesagt:  ,Mama,  ich  werde  in  diese 
Kirche  gehen.'" 

Am  nächsten  Sonntag  fuhr 
Sascha  allein  mit  dem  Bus  und  der 
U-Bahn  zur  Kirche.  „Ich  habe  die 
Liebe  dort  gespürt",  sagt  sie.  „Ich 
habe  das  Leben  in  den  Menschen 
gespürt.  Ich  habe  ja  erst  angefangen, 
Gott  kennenzulernen,  und  ich  wollte 
so  gern  fühlen,  was  sie  fühlten." 

Bald  fragte  sie  ihre  Mutter,  ob  die 
Missionare  zu  ihnen  nach  Hause 
kommen  konnten.  „Meine  Mutter 
sagte:  ,Nein,  wir  brauchen  keine 
Missionare.'  Aber  ich  sagte  ihr: 
,Mama,  ich  werde  jeden  Tag  den 
Fußboden  wischen.  Bitte  laß  sie 
kommen.'"  Nachdem  Sascha  einen 
Monat  lang  den  Fußboden  gewischt 
hatte,  überredete  sie  ihre  Mutter,  die 
Missionare  doch  kommen  zu  lassen. 
Als  sie  kamen,  stellten  sie  zu  ihrer 
Überraschung  fest,  daß  die  Wohnung 
voller  Dreizehnjähriger  war.  Sascha 
hatte  ihre  gesamte  Schulklasse  einge- 
laden! Drei  Monate  später  ließen  sie 
und  zwei  ihrer  Freundinnen  sich 
taufen. 

DER       STERN 

8 


„SIE  WOLLEN  ETWAS  ÜBER  GOTT 
ERFAHREN!" 

Sascha  wollte  so  gern,  daß  auch 
ihre  Mutter  an  den  Segnungen  des 
Evangeliums  teilhatte.  „Ich  habe  für 
sie  gefastet  und  gebetet",  sagt  sie. 
„Jeden  Abend  habe  ich  ihr  einen 
Zettel  aufs  Bett  gelegt.  Ich  habe 
geschrieben:  ,Liebe  Mama,  Gott  liebt 
dich  so  sehr.  Bitte  bete  zu  ihm.  Er 
wird  dich  heute  sicher  segnen.'" 
Sascha  hält  mit  ihrer  Mutter  den 
Familienabend  und  hofft  noch 
immer,  daß  sie  sich  einmal  taufen 
lassen  wird. 

Als  Sascha  14  war,  sah  sie 
eines  Tages  einen  Handzettel  einer 
protestantischen  Kirche,  auf  dem 
die  Menschen,  die  mehr  über 
Gott    erfahren    wollten,    zu    einer 

Sascha  findet  in  St.  Petersburg, 
einer  Stadt,  die  reich  ist  an  Kultur, 
Freude  und  Lebenssinn.  Oben 
links:  Der  Triumphbogen  am 
Palastplatz.  Oben  rechts:  Die 
Auferstehungskirche. 
Gegenüberliegende  Seite:  An  einer 
Brücke  über  einen  der  vielen 
Kanäle  in  der  Stadt. 


y  s* 


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I   ß/i 


Sascha  und  eine  Freundin,  links,  leiten  auf  einer  Jugendtagung  einen  Workshop.  Als  Zweig-FHV-Leiterin,  rechfs, 
besucht  Sascha  gern  die  Schwestern  und  ihre  Familie. 


Versammlung  eingeladen  wurden. 
Sascha  dachte  sich:  „Sie  wollen  etwas 
über  Gott  erfahren!"  Sie  meinte,  das 
wäre  eine  wundervolle  Gelegenheit, 
ernsthaften  Wahrheitssuchern  etwas 
vom  Evangelium  zu  erzählen,  und 
ging  ganz  allein  zu  der  Versammlung. 
In  der  Versammlung  stellte  sie  sich 
mutig  vor  den  Raum  voller  Menschen 
und  gab  Zeugnis  vom  Erretter  und 
von  der  Wiederherstellung.  „Ich  habe 
ihnen  erklärt,  daß  ich  von  ganzem 
Herzen  weiß,  daß  das  wahr  ist",  sagt 
sie.  „Und  ich  habe  sie  alle  zur  Kirche 
eingeladen."  Seit  jenem  Tag  im  Jahre 
1992  hat  Sascha  mitgeholfen, 
mehrere  Freunde  zur  Kirche  zu 
bringen. 

VERLOCKUNGEN  DER  WELT 

Es  gab  in  Saschas  Leben  allerdings 
auch  eine  Zeit,  wo  die  Verlockungen 
der  Welt  sie  fast  überwältigten.  Sie 
tanzt  für  ihr  Leben  gern  und  hat  seit 
ihrer  frühen  Kindheit  darauf  hingear- 
beitet, eine  professionelle  Tänzerin  zu 
werden.  Mehrere  Monate  nach  ihrer 
Taufe  wurde  sie  Mitglied  einer  profes- 
sionellen Modern- Dance -Gruppe  in 
St.  Petersburg.  Die  meisten  übrigen 
Tänzer  in  der  Gruppe  waren 
Erwachsene.  Niemand  von  ihnen  war 
Mitglied  der  Kirche,  und  keiner  lebte 
nach  den  Grundsätzen  der  Kirche. 


Als  Sascha  15  war,  begann  die 
Tanzgruppe,  sich  auf  eine  Tournee  in 
die  Schweiz  vorzubereiten.  Das  war 
die  Chance  ihres  Lebens.  „Ich  habe 
jeden  Tag  ungefähr  acht  Stunden 
getanzt",  sagt  sie.  „Ich  habe  mich  von 
ganzem  Herzen  auf  die  Reise  vorbe- 
reitet." Nach  ein  paar  Monaten,  in 
denen  sie  sich  nur  auf  das  Tanzen 
konzentriert  hatte,  hatte  sie  sich 
gefährlich  weit  von  ihrer  Mutter, 
ihren  schulischen  Aufgaben  und  der 
Kirche  entfernt. 

Zum  Glück  hatte  sie  noch  Anja, 
eine  Freundin  aus  der  Kirche.  Eines 
Tages  sagte  Anjas  Mutter,  die  auch 
Mitglied  der  Kirche  ist:  „Sascha,  hör 
auf!  Meinst  du,  du  kannst  in  einer 
solchen  Umgebung  rein  bleiben? 
Diese  Menschen  halten  sich  nicht 
an  das  Wort  der  Weisheit  und  auch 
nicht  an  das  Gesetz  der  Keuschheit. 
Meinst  du,  der  Heilige  Geist  kann 
mit  dir  bleiben?" 

„Diese  Worte  sind  mir  ins  Herz 
gedrungen",  sagt  sie.  „Mir  wurde 
plötzlich  klar,  daß  ich  von  geistiger 
Finsternis  umgeben  war,  und  ich 
bekam  Angst.  Anja  und  ich  fielen 
auf  die  Knie  und  fingen  an  zu  beten. 
Nachdem  wir  gebetet  hatten,  schien 
um  uns  herum  ein  Licht  zu  leuchten. 
Ich  wußte,  daß  ich  die  Tanzgruppe 
verlassen  mußte." 


Aber  wie  konnte  sie  tatsächlich 
aufhören?  Wie  konnte  sie  die 
anderen  Tänzer  enttäuschen?  Sascha 
bat  um  einen  Priestertumssegen. 
Dann  nahm  sie  Anja  mit,  um  der 
Leiterin  der  Tanzgruppe  die 
Nachricht  zu  übermitteln.  „Als  wir  in 
die  Halle  kamen,  sah  ich,  wie  meine 
Leiterin  dort  saß  und  rauchte.  Sie 
sagte,  ich  sollte  mich  beeilen  und 
mich  für  die  Probe  umziehen", 
erzählt  Sascha.  „Ich  erklärte  ihr,  ich 
würde  nicht  mehr  dort  arbeiten  - 
aber  sie  hörte  mir  gar  nicht  zu.  ,Wie 
kannst  du  so  etwas  wagen?'  fragte  sie. 
,Warum  verrätst  du  uns?'  Sie  hielt 
mich  fest  und  brachte  mich  zu  der 
Gruppe.  Ich  versuchte  mit  ihr  zu 
reden,  aber  ich  hatte  keine  Kraft 
mehr;  ich  konnte  nichts  sagen." 

Zum  Glück  war  Anja  noch  bei  ihr 
-  sie  sagte  nichts,  aber  im  stillen 
betete  sie  für  ihre  Freundin.  „Plötzlich 
hatte  ich  das  Gefühl,  daß  ich  die  Kraft 
hatte,  zu  der  Gruppe  zu  sprechen", 
sagt  Sascha.  Sie  erklärte,  warum  sie 
aufhören  wollte.  „Es  war  schwierig, 
weil  es  ja  meine  Freunde  waren." 

Als  der  Leiterin  klar  wurde,  daß 
Sascha  ihre  Meinung  nicht  änderte, 
suchte  sie  sich  eine  Ersatztänzerin 
und  bat  Sascha,  ihr  alles  beizu- 
bringen. „Ich  fing  an  zu  tanzen",  sagt 
Sascha,  „und  dabei  habe  ich  geweint, 


DER 


STERN 
10 


weil  ich  wußte,  daß  ich  diese  Tänze 
zum  letzten  Mal  tanzte." 

Als  sie  nach  Hause  kam,  war  sie 
erschöpft.  „Aber  ich  wußte,  daß  ich 
gewonnen  hatte!  Ich  betete  an  dem 
Abend  und  an  jedem  Abend,  der 
seitdem  vergangen  ist.  Mir  war  klar, 
daß  wir  für  den  Herrn  manchmal 
das  opfern  müssen,  was  wir  am 
meisten  lieben.  Eigentlich  begann 
in  dem  Augenblick  mein  neues 
Leben." 

Sascha  versöhnte  sich  mit  ihrer 
Mutter,  machte  den  Oberschulab- 
schluß und  suchte  sich  eine  neue 
Möglichkeit  zu  tanzen.  Sie  hat  vor 
kurzem  an  einer  Fachschule  für 
Kultur  und  Kunst  in  St.  Petersburg 
eine  Tanzausbildung  absolviert. 
Noch  wichtiger  ist  ihr  aber,  daß  sie 
ihr  Herz  wieder  ganz  auf  den  Herrn 
ausgerichtet  hat. 

„ICH  WUSSTE,  DASS  WIR  EINE 
FAMILIE  SEIN  MUSSTEN" 

Mit  16  Jahren  wurde  Sascha  als 
Erste  Ratgeberin  in  der  Zweig- JD- 
Leitung  berufen.  Ihre  Freundin  Anja 
war  die  Leiterin.  Die  beiden  waren 
die  einzigen  aktiven  JD  in  ihrem 
Zweig.  Eines  Tages  sagte  einer  der 
Führer  zu  ihnen:  „Ihr  habt  viele 
Jungen  Damen  in  eurem  Zweig,  aber 
nur  ihr  beiden  kommt.  Gott  hat 
euch  zur  Arbeit  berufen!" 

Also  machten  Sascha  und  Anja 
sich  an  die  Arbeit.  Innerhalb  eines 
Monats  waren  fast  15  Mädchen  in 
dem  Zweig  aktiv.  Ein  paar  Monate 
später  wurde  Sascha  als  Zweig-JD- 
Leiterin  berufen.  Und  mit  17  wurde 
sie  Erste  Ratgeberin  in  der  Distrikts- 
JD-Leitung.  „Wie  ich  waren  viele 
dieser  Mädchen  das  einzige  Mitglied 
der  Kirche  in  ihrer  Familie,  und  ich 
wußte,  daß  wir  alle  eine  Familie  sein 
mußten.  Ich  wünschte  mir,  daß  wir 
alle      wahre      Freundinnen      sein 


konnten.  Dann  konnten  wir  alle  dem 
Herrn  treu  sein." 

Die  Mädchen  kamen  im  Lauf  der 
Woche  oft  zusammen,  um  zusammen 
zu  sein,  Aktivitäten  durchzuführen 
und  zu  dienen.  Sie  wechselten  sich 
mit  dem  Unterricht  ab.  Sie  nahmen 
in  ihrem  Zweig  am  Seminar  teil.  Sie 
gingen  spazieren  und  unternahmen 
einiges  gemeinsam.  „Die  meisten 
dieser  Mädchen  sind  immer  noch  in 
der  Kirche  aktiv",  sagt  Sascha.  „Sie 
haben  ein  starkes  Zeugnis  und  dienen 
jetzt  selbst  in  einer  Berufung.  Wir  sind 
immer  noch  gute  Freundinnen." 

„ES  WIRD  SO  LEICHT  SEIN" 

Mit  18  wurde  Sascha  als  Zweig- 
FHV-Leiterin  berufen.  „Zuerst  dachte 
ich:  ,Ich  habe  reichlich  Energie.  Ich 
kann  alles  allein  schaffen,  es  wird  so 
leicht  sein.'  Aber  dann  wurde  mir 
klar,  daß  wir  in  unserem  Zweig  über 
90  Schwestern  hatten  -  wobei  die 
meisten  älter  waren  als  ich  -  und  daß 
ich  gar  nicht  alles  allein  schaffen 
konnte!" 

Sie  demütigte  sich  und  bat  den 
Herrn  um  Hilfe.  Ihr  Zweigpräsident 
ermutigte  sie,  die  Schwestern  in 
Freundschaft  zu  einen.  „Wir  hatten 
das  Gefühl,  daß  das  Besuchslehren 
unsere  wichtigste  Arbeit  war." 

DER  GEIST  DER  WEIHNACHT 

Jahrzehntelang  war  das  Weih- 
nachtsfest in  Rußland  nicht  mehr 
gefeiert  worden.  Aber  nach  vielem 
Beten  hatte  Sascha  das  Gefühl, 
es  sei  wichtig,  an  diesem  Tag  die 
Geburt  des  Erretters  zu  feiern. 
„Ich  wollte,  daß  jede  Schwester  den 
Geist  der  Weihnacht  spürte",  sagt 
sie.  In  der  Arbeitsstunde  lernten 
sie,  Stofftiere  anzufertigen.  Dann 
besuchten  kleine  Gruppen  von 
Schwestern  alle  anderen  im  Zweig  - 
über  50  Familien  -  sie  übermittelten 


Weihnachtsgrüße  und  brachten  den 
Kindern  Spielzeug  mit. 

Sascha  war  so  sehr  mit  den  Vorbe- 
reitungen und  Besuchen  beschäftigt 
gewesen,  daß  sie  nicht  einmal  daran 
gedacht  hatte,  ob  sie  selbst  besucht 
wurde.  „Aber  am  23.  Dezember,  dem 
kältesten  Abend  des  Winters,  klin- 
gelte es  an  meiner  Tür,  und  vier 
meiner  Schwestern  kamen  in  meine 
Wohnung",  erzählt  sie.  „Eine  von 
ihnen  war  seit  anderthalb  Jahren 
nicht  mehr  in  der  Kirche  aktiv 
gewesen.  Sie  hatten  an  dem  Abend 
bereits  mehrere  Schwestern  besucht, 
aber  jetzt  hatten  sie  beschlossen,  auch 
mich  noch  zu  besuchen!  Es  war  so 
kalt  -  sie  froren  sehr.  Aber  sie 
zündeten  Kerzen  an  und  sangen  mit 
mir  ,Stille  Nacht'.  Sie  sagten  mir  viele 
freundliche  Worte  und  gaben  mir 
eine  der  Weihnachtskarten,  die  wir  in 
der  Arbeitsstunde  angefertigt  hatten! 
Ich  fühlte  mich  von  ihnen  und  vom 
himmlischen  Vater  sehr  geliebt." 

Später  erzählten  viele  der  Frauen 
Sascha,  wieviel  Freude  es  ihnen 
bereitet  hatte,  ihre  Weihnachtsbe- 
suche zu  machen  und  besucht  zu 
werden.  „Als  sie  mir  von  ihren 
Erfahrungen  berichteten,  waren  sie 
voller  Gefühle,  voller  Licht  und 
Feuer.  Ich  spürte  die  Wärme,  die  sie 
ausstrahlten,  obwohl  es  die  kälteste 
Zeit  des  Winters  war!" 

Heute,  mit  20,  dient  Sascha  als 
Ratgeberin  in  der  Distrikts-FHV- 
Leitung.  „Ich  lerne  immer  etwas", 
sagt  sie,  „und  ich  habe  Angst  davor, 
die  eiserne  Stange  loszulassen  [siehe 
1  Nephi  11:25].  Ich  lese  jeden  Tag 
im  Buch  Mormon;  es  ist  meine 
Stütze.  Die  Liebe  unseres  himmli- 
schen Vaters  und  Jesu  Christi  ist  das 
Größte  auf  der  Welt.  Nur  sie  können 
uns  ewiges  Glück  schenken.  Ich 
kann  mir  mein  Leben  ohne  sie  nicht 
mehr  vorstellen!"  D 


OKTOBER 
11 


19  9  8 


Die  Familie  ist  nicht  nur  die  Grundlage  unserer  Gesellschaft  und  der  Kirche, 
sondern  auch  unserer  Hoffnung  auf  ewiges  Leben. 


Eider  Henry  B.  Eyring 

vom  Kollegium  der  Zwölf  Apostel 


Seit  der  Wiederherstellung  des  Evangeliums 
Jesu  Christi  durch  den  Propheten  Joseph 
Smith  hat  die  Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen 
?der  Letzten  Tage  nur  viermal  eine 
Proklamation  herausgegeben.1  Seit  der 
vorhergehenden,  die  den  Fortschritt,  den  die  Kirche  in 
ihrer  150jährigen  Geschichte  gemacht  hatte,  schilderte, 
waren  über  15  Jahre  vergangen.  Wir  können  also  sehen, 
wie  wichtig  dem  himmlischen  Vater  die  Familie  ist,  die  ja 
das  Thema  der  fünften  und  jüngsten  Proklamation  ist, 
die  am  23.  September  1995  herausgegeben  wurde.2 

Da  unser  Vater  seine  Kinder  liebt,  läßt  er  uns  nicht 
im  Ungewissen  über  das,  was  in  diesem  Leben  am  wich- 
tigsten ist  und  wo  unsere  Aufmerksamkeit  uns  glücklich 
und  Gleichgültigkeit  uns  traurig  machen  kann. 
Manchmal  sagt  er  jemandem  etwas  direkt,  durch 
Inspiration.  Aber  außerdem  teilt  er  uns  diese  wichtigen 
Dinge  durch  seine  Diener  mit.  Um  es  mit  den  Worten 
des  Propheten  Arnos  zu  sagen,  die  vor  langer  Zeit 
niedergeschrieben  wurden:  „Nichts  tut  Gott,  der  Herr, 
ohne  daß  er  seinen  Knechten,  den  Propheten,  zuvor 
seinen  Ratschluß  offenbart  hat."  (Arnos  3:7.)  Er  tut  dies 
so,  daß  selbst  diejenigen,  die  keine  Inspiration  spüren, 
wissen  können,  falls  sie  überhaupt  zuhören,  daß  ihnen 
die  Wahrheit  gesagt  worden  ist  und  daß  sie  gewarnt 
worden  sind. 


Der  Titel  der  Proklamation  zur  Familie  lautet  „Die 
Familie  -  eine  Proklamation  an  die  Welt  -  Die  Erste 
Präsidentschaft  und  der  Rat  der  Zwölf  Apostel  der 
Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage."3 

Dreierlei  an  diesem  Titel  ist  es  wert,  daß  wir  gründlich 
darüber  nachdenken.  Erstens  das  Thema,  die  Familie. 
Zweitens  die  Adressaten,  die  ganze  Welt.  Und  drittens 
diejenigen,  die  die  Proklamation  herausgegeben  haben 
und  die  wir  als  Propheten,  Seher  und  Offenbarer 
bestätigen.  All  dies  bedeutet,  daß  die  Familie  für  uns  von 
größer  Wichtigkeit  ist  und  daß  alles,  was  in  der 
Proklamation  steht,  jedem  in  der  Welt  helfen  kann  und 
daß  die  Proklamation  der  Verheißung  entspricht,  in  der 
der  Herr  sagt:  „Sei  es  durch  meine  eigene  Stimme  oder 
durch  die  Stimme  meiner  Knechte,  das  ist  dasselbe." 
(LuB  1:38.) 

Ehe  wir  nun  den  Text  der  Proklamation  näher 
betrachten,  wollen  wir  anmerken,  daß  der  Titel  der 
Proklamation  uns  etwas  darüber  sagt,  wie  wir  uns  auf 
die  darauffolgenden  Worte  einstimmen  sollen.  Wir 
können  damit  rechnen,  daß  Gott  uns  nicht  einfach 
etwas  Interessantes  zum  Thema  Familie  sagt;  er  sagt  uns 
hier,  was  eine  Familie  sein  soll  und  warum.  Außerdem 
wissen  wir,  daß  unser  himmlischer  Vater  und  sein  Sohn, 
Jesus  Christus,  wollen,  daß  wir  so  werden  wie  sie,  damit 
wir  für  immer  in  einer  Familie  bei  ihnen  leben  können. 


DER 


STERN 
12 


„Im  vorirdischen  Dasein  kannten  und  verehrten  die 
Geistsöhne  und  -töchter  ihren  ewigen  Vater  und 
nahmen  seinen  Plan  an;  nach  diesem  Plan  konnten 
sie  einen  physischen  Körper  erhalten  und  die 
Erfahrungen  des  irdischen  Lebens  machen,  um  sich 
auf  die  Vollkommenheit  hin  weiterzuentwickeln  und 
letztlich  als  Erben  ewigen  Lebens  ihre  göttliche 
Bestimmung  zu  verwirklichen/1 


ELEKTRONISCHE  ILLUSTRATIONEN  VON  SCOTT  WELTY;  FOTOS  VON  CRAIG  DIMOND,  WO  NICHTS 
ANDERES  ANGEGEBEN  IST.  SEITE  13:  FOTO  DER  FAMILIE  VON  MICHAEL  MCRAE;  GEMÄLDE  VON 
ROBERT  T.  BARRETT 


#» 


OKTOBER 
13 


19  9  8 


Wir  wissen,  daß  dies  wahr  ist,  weil  wir  diese  schlichte 
Aussage  zu  ihren  Absichten  haben:  „Es  ist  mein  Werk  und 
meine  Herrlichkeit,  die  Unsterblichkeit  und  das  ewige 
Leben  des  Menschen  zustande  zu  bringen."  (Mose  1:39.) 

EWIGES  LEBEN:  EIN  ERREICHBARES  ZIEL 

Ewiges  Leben  bedeutet,  so  wie  der  Vater  zu  werden 
und  glücklich  und  in  Freude  für  immer  in  einer  Familie 
zu  leben;  also  wissen  wir,  daß  wir  Hilfe  brauchen,  wenn 
wir  das,  was  er  sich  für  uns  wünscht,  erreichen  wollen. 
Und  wenn  wir  uns  unzulänglich  fühlen,  mag  es  uns 
leichter  fallen,  umzukehren  und  bereit  zu  sein,  uns  auf 
die  Hilfe  des  Herrn  zu  verlassen.  Daß  die  Proklamation 


für  die  ganze  Welt  gültig  ist,  für  jeden  Menschen  und 
jede  Regierung  darin,  schenkt  uns  die  Gewißheit,  daß  wir 
uns  von  unserem  Gefühl  der  Unzulänglichkeit  nicht  über- 
wältigen lassen  müssen.  Wer  wir  auch  sind,  wie  schwierig 
unsere  Umstände  auch  sein  mögen,  wir  können  wissen, 
daß  das,  was  unser  Vater  von  uns  verlangt,  wenn  wir  für 
die  Segnungen  ewigen  Lebens  würdig  sein  wollen,  unsere 
Fähigkeiten  nicht  übersteigt.  Was  ein  Junge  vor  langer 
Zeit  einmal  gesagt  hat,  als  er  vor  einer  scheinbar  unmög- 
lichen Aufgabe  stand,  ist  wahr:  „Ich  weiß,  der  Herr  gibt 
den  Menschenkindern  keine  Gebote,  ohne  ihnen  einen 
Weg  zu  bereiten,  wie  sie  das  vollbringen  können,  was  er 
ihnen  geboten  hat."  (1  Nephi  3:7.) 

Wir  müssen  vielleicht  voll  Glauben  beten,  um  zu 
erkennen,  was  wir  tun  sollen,  und  wenn  wir  es  dann 
wissen,  müssen  wir  mit  dem  festen  Vorsatz  beten, 
gehorsam  zu  sein.  Aber  wir  können  wissen,  was  wir  tun 


Die  heiligen 
Handlungen  und 
Bündnisse,  die  im 
W  heiligen  Tempel  voll- 

If    zogen  werden  können, 
ermöglichen  es  dem 
einzelnen,  in  die 
Gegenwart  Gottes 
zurückzukehren,  und 
der  Familie,  auf  ewig 
vereint  zu  sein." 


sollen,  und  sicher  sein,  daß  der  Herr  uns  den  Weg  bereitet. 
Wenn  wir  lesen,  was  die  Proklamation  uns  zum  Thema 
Familie  sagt,  können  wir  erwarten  -  ja,  müssen  wir 
erwarten  -  daß  wir  Eingebungen  zu  dem  erhalten,  was  wir 
tun  sollen.  Und  wir  können  zuversichtlich  sein,  daß  es  uns 
möglich  ist,  diesen  Eingebungen  entsprechend  zu  handeln. 

Die  Proklamation  beginnt  folgendermaßen:  „Wir,  die 
Erste  Präsidentschaft  und  der  Rat  der  Zwölf  Apostel  der 
Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage, 
verkünden  feierlich,  daß  die  Ehe  zwischen  Mann  und 
Frau  von  Gott  verordnet  ist  und  daß  im  Plan  des 
Schöpfers  für  die  ewige  Bestimmung  seiner  Kinder  die 
Familie  im  Mittelpunkt  steht." 

Stellen  wir  uns  doch  vor,  wir  wären  kleine  Kinder,  die 
diese  Worte  zum  ersten  Mal  hören  und  glauben,  daß  sie 
wahr  sind.  Das  kann  eine  nützliche  Einstellung  sein, 
wann  immer  wir  das  Wort  Gottes  lesen  oder  hören,  denn 
er  hat  uns  gesagt:  „Amen,  das  sage  ich  euch:  Wer  das 
Reich  Gottes  nicht  so  annimmt  wie  ein  Kind,  der  wird 
nicht  hineinkommen."  (Lukas  18:17.) 

Ein  kleines  Kind  fühlt  sich  geborgen,  wenn  es  hört, 
daß  „die  Ehe  zwischen  Mann  und  Frau  von  Gott 
verordnet  ist".  Das  Kind  weiß  dann,  daß  die  Sehnsucht 
danach,  sowohl  vom  Vater  als  auch  von  der  Mutter 
geliebt  zu  werden,  die  zwei  Personen  sind,  einander  aber 
vollkommen  ergänzen,  deshalb  besteht,  weil  diese 
Sehnsucht  Teil  des  ewigen  Plans,  des  Plans  des 
Glücklichseins,  ist.  Das  Kind  fühlt  sich  auch  deshalb 
geborgen,  weil  es  weiß,  daß  Gott  dem  Vater  und  der 
Mutter  hilft,  Meinungsverschiedenheiten  beizu- 
legen und  einander  zu  lieben,  wenn  sie  bloß 


um  seine  Hilfe  bitten  und  sich  bemühen.  Die  Gebete  der 
Kinder  auf  der  ganzen  Erde  steigen  so  zu  Gott  auf  und 
flehen  um  seine  Hilfe  für  die  Eltern  und  die  Familien. 

Lesen  Sie  jetzt  genauso,  als  ob  wir  kleine  Kinder 
wären,  die  nächsten  Worte  der  Proklamation: 

„Alle  Menschen  -  Mann  und  Frau  -  sind  als  Abbild 
Gottes  erschaffen.  Jeder  Mensch  ist  ein  geliebter 
Geistsohn  beziehungsweise  eine  geliebte  Geisttochter 
himmlischer  Eltern  und  hat  dadurch  ein  göttliches  Wesen 
und  eine  göttliche  Bestimmung.  Das  Geschlecht  ist  ein 
wesentliches  Merkmal  der  individuellen  vorirdischen, 
irdischen  und  ewigen  Identität  und  Lebensbestimmung. 

Im  vorirdischen  Dasein  kannten  und  verehrten  die 
Geistsöhne  und  -töchter  ihren  ewigen  Vater  und  nahmen 
seinen  Plan  an;  nach  diesem  Plan  konnten  sie  einen 
physischen  Körper  erhalten  und  die  Erfahrungen  des 
irdischen  Lebens  machen,  um  sich  auf  die 
Vollkommenheit  hin  weiterzuentwickeln  und  letztlich  als 
Erben  ewigen  Lebens  ihre  göttliche  Bestimmung  zu 
verwirklichen.  Der  göttliche  Plan  des  Glücklichseins 
macht  es  möglich,  daß  die  Famililenbeziehungen  über 
das  Grab  hinaus  Bestand  haben.  Die  heiligen 
Handlungen  und  Bündnisse,  die  im  heiligen  Tempel  voll- 
zogen werden  können,  ermöglichen  es  dem  einzelnen,  in 
die  Gegenwart  Gottes  zurückzukehren,  und  der  Familie, 
auf  ewig  vereint  zu  sein." 

Wenn  wir  diese  Wahrheiten  kennen,  sollte  es  uns 

leichter  fallen,  uns  wie  ein  kleines  Kind  zu  fühlen,  nicht 

nur  dann,  wenn  wir  die  Proklamation  lesen,  sondern 

unser  Leben  lang,  weil  wir  ja  Kinder  sind  -  aber  in 

was  für  einer  Familie  und  mit  welchen  Eltern! 


FOTO  VON  WELDEN  ANDERSEN 


OKTOBER       1998 
15 


Wir  können  uns  ausmalen,  wie  es  damals  mit  uns  war,  als 
wir  viel  länger,  als  wir  es  uns  heute  vorstellen  können, 
Söhne  und  Töchter  waren  und  in  unserer  himmlischen 
Heimat  mit  Eltern  zusammen  waren,  die  uns  kannten 
und  liebten.  Außerdem  wissen  wir,  daß  wir  in  der  vorir- 
dischen Welt  aufgrund  unseres  Geschlechts  Männer  und 
Frauen  mit  einzigartigen  Gaben  waren  und  daß  die 
Möglichkeit,  zu  heiraten  und  eins  zu  werden,  nötig  war, 
damit  wir  in  Ewigkeit  glücklich  sein  können.  Aber  jetzt, 
da  wir  hier  sind,  können  wir  uns  ausmalen,  wie  es  sein 
wird,  wenn  wir  nach  dem  Tod  wieder  zu  unseren 
himmlischen  Eltern  an  jenen  wundervollen  Ort  heim- 
kehren, und  zwar  nicht  mehr  nur  als  Söhne  und 
Töchter,  sondern  als  Ehemann  und  Ehefrau,  Vater  und 
Mutter,  Großvater  und  Großmutter,  Enkelsohn  und 
Enkeltochter,  die  einander  für  immer  in  einer  liebenden 
Familie  verbunden  sind. 

Mit  diesem  Bild  vor  Augen  können  wir  nie  wieder  in 
Versuchung  geraten,  zu  denken:  Vielleicht  würde  mir  das 
ewige  Leben  gar  nicht  gefallen.  Vielleicht  wäre  ich  im 
Leben  nach  dem  Tod  an  einem  anderen  Ort  genauso  glück- 
lich, schließlich  habe  ich  gehört,  daß  selbst  das  niedrigste 
Reich  schöner  ist  als  alles,  was  wir  hier  auf  der  Erde  haben." 
Um  einer  solchen  Einstellung  entgegenzuwirken, 
müssen  wir  das  Ziel  ewiges  Leben  nicht  nur  im  Sinn, 
sondern  auch  im  Herzen  haben.  Wir  wünschen  uns 
ewiges  Leben  in  einer  Familie.  Wir  wünschen  es  uns 
nicht  nur  für  den  Fall,  daß  es  sich  zufällig  einrichten  läßt, 
und  wir  wünschen  uns  auch  nichts,  das  fast  so  ist  wie 
ewiges  Leben.  Wir  wünschen  uns  ewiges  Leben,  was 
immer  das  an  Anstrengung,  Schmerz  und  Opfern  kostet. 
Wenn  wir  also  versucht  sind,  auf  ewiges  Leben  nur  zu 
hoffen,  statt  fest  dazu  entschlossen  zu  sein,  könnten  wir 
an  ein  Haus  denken,  das  ich  vor  kurzem  gesehen  habe. 

Ich  war  in  Boston  in  Massachusetts.  Aus  nostalgischen 
Gründen  kehrte  ich  zu  der  Pension  zurück,  in  der  ich 
wohnte,  als  ich  Kathleen  kennenlernte,  die  jetzt  meine 
Frau  ist.  Das  war  lange  her,  deshalb  erwartete  ich,  das 
Haus  in  etwas  verfallenem  Zustand  vorzufinden.  Aber  zu 
meiner  Überraschung  war  es  frisch  gestrichen  und 
umfangreich  renoviert.  Ich  dachte  daran  zurück,  wie 
wundervoll  die  Eigentümer  damals  ihre  Mieter,  alles 
Studenten,  bei  sich  aufgenommen  hatten.  Ich  hatte  ein 
großes  Zimmer  und  ein  eigenes  Badezimmer,  Möbel  und 
Bettwäsche,  Zimmerservice,  sechsmal  in  der  Woche  ein 
opulentes  Frühstück  und  fünfmal  in  der  Woche  ein  herr- 
liches Abendessen,  und  das  alles  zu  einem  recht  geringen 
Preis  pro  Woche.  Außerdem  waren  die  Mahlzeiten  immer 
reichlich  und  so  liebevoll  zubereitet,  daß  wir  unsere 
Vermieterin  „Ma  Soper"  nannten.  Heute  weiß  ich,  daß 
ich  Frau  Soper  sicher  nicht  oft  genug  gedankt  habe,  auch 


DER 


nicht  Herrn  Soper  und  den  Töchtern,  denn  es  war  sicher 
nicht  einfach,  an  jedem  Abend  in  der  Woche  12  allein- 
stehende Männer  zum  Abendessen  da  zu  haben. 

Diese  alte  Pension  hätte  die  größten  Zimmer,  den 
besten  Service  und  die  nettesten  Mieter  haben  können, 
aber  wir  hätten  dort  trotzdem  immer  nur  vorüberge- 
hend bleiben  wollen.  Es  hätte  schöner  sein  können,  als 
wir  uns  je  vorstellen  könnten,  und  trotzdem  hätten  wir 
nicht  für  immer  als  Alleinstehende  dort  wohnen 
wollen,  wenn  wir  auch  nur  eine  schwache  Erinnerung 
oder  Vorstellung  von  einer  Familie  mit  geliebten  Eltern 
und  Kindern  haben  -  so  wie  die  Familie,  die  wir 
verlassen  haben,  als  wir  zur  Erde  kamen,  und  die 
Familie,  die  wir  schaffen  und  in  der  wir  für  immer  leben 
sollen.  Es  gibt  im  Himmel  nur  einen  Ort,  wo  Familien 
sein  werden  -  den  höchsten  Grad  im  celestialen  Reich. 
Dort  werden  wir  sein  wollen. 

Ein  Kind,  das  die  Worte  der  Proklamation  dazu,  daß 
eine  Familie  in  Ewigkeit  vereint  sein  kann,  hört  und 
glaubt,  beginnt  wohl  eine  lebenslange  Suche  nach  einem 
heiligen  Tempel,  wo  heilige  Handlungen  und  Bündnisse 
zu  finden  sind,  die  die  Familie  über  das  Grab  hinaus 
bestehen  lassen.  Das  Kind  beginnt  dann  wohl  auch,  sich 
darum  zu  bemühen,  würdig  zu  werden  und  sich  auf 
sonstige  Weise  darauf  vorzubereiten,  einen  potentiellen 
Partner  zu  finden,  der  sich  seinerseits  für  solche  heiligen 
Handlungen  würdig  gemacht  hat.  Die  Worte  der 
Proklamation  machen  es  deutlich,  daß  jemand,  der  diese 
Segnungen  erlangen  will,  gewisse  Erfahrungen  durch- 
laufen muß,  die  der  Vervollkommnung  dienen.  Ein  Kind 
spürt  das  vielleicht  nicht  von  Anfang  an,  aber  es  lernt 
wohl  bald,  daß  es  einen  der  Vollkommenheit  kaum  näher 
bringt,  wenn  man  nur  gute  Vorsätze  faßt  und  sich  mehr 
bemüht.  Vielmehr  braucht  man  zusätzliche  Hilfe. 

Mit  dem  Alter  kommt  auch  die  Versuchung,  manches 
zu  tun,  das  Schuldgefühle  auslöst.  Jedes  Kind  verspürt 
irgendwann  diese  Gewissensbisse,  so  wie  wir  alle,  Und  wer 
diese  kostbaren  Schuldgefühle  hat  und  sich  nicht  davon 
befreien  kann,  verzweifelt  vielleicht,  weil  er  das  Gefühl 
hat,  daß  das  ewige  Leben  eine  Vervollkommnung  voraus- 
setzt, die  ihm  unerreichbar  vorkommt.  Deshalb  müssen 
wir  alle  uns  vornehmen,  mit  Menschen,  die  noch  nicht 
wissen,  wie  man  solchen  Fortschritt  macht,  zu  sprechen 
und  ihnen  zu  erklären,  was  wir  wissen.  Wir  tun  das,  weil 
wir  wissen,  daß  sie  sich  eines  Tages  das  wünschen  werden, 
was  wir  uns  wünschen,  und  daß  sie  dann  wissen  werden, 
daß  wir  ihr  Bruder  beziehungsweise  ihre  Schwester  waren 
und  daß  wir  den  Weg  zum  ewigen  Leben  kannten.  Es  ist 
nicht  schwer,  ein  Missionar  zu  sein,  wenn  man  an  diesen 
Augenblick  in  der  Zukunft  denkt,  in  dem  sie  und  wir  die 
Dinge  so  sehen  werden,  wie  sie  wirklich  sind. 

STERN 
16 


DIE  HEILIGKEIT  DES  MENSCHENLEBENS 

Andere  Worte  in  der  Proklamation  sind  aufgrund 
dessen,  was  wir  über  das  ewige  Leben  wissen  für  uns  von 
besonderer  Bedeutung.  Sie  stehen  in  den  beiden  näch- 
sten Absätzen: 

„Das  erste  Gebot,  das  Gott  Adam  und  Eva  gab,  bezog 
sich  darauf,  daß  sie  als  Ehemann  und  Ehefrau  Eltern 
werden  konnten.  Wir  verkünden,  daß  Gottes  Gebot  für 
seine  Kinder,  sich  zu  vermehren  und  die  Erde  zu  bevöl- 
kern, noch  immer  in  Kraft  ist.  Weiterhin  verkünden  wir, 
daß  Gott  geboten  hat,  daß  die  heilige  Fortpflanzungskraft 
nur  zwischen  einem  Mann  und  einer  Frau  angewandt 
werden  darf,  die  rechtmäßig  miteinander  verheiratet  sind. 

Wir  verkünden,  daß  die  Art  und  Weise,  wie  sterbli- 
ches Leben  erschaffen  werden  soll,  von  Gott  so  festgelegt 
ist.  Wir  bekräftigen,  daß  das  Leben  heilig  und  in  Gottes 
ewigem  Plan  von  wesentlicher  Bedeutung  ist." 

Ein  Kind,  das  diese  Worte  glaubt,  könnte  leicht  sehen, 
welche  Fehler  manche  Erwachsene  in  ihrer  Argumentation 
machen.  Beispielsweise  machen  scheinbar  kluge  und 
mächtige  Menschen  Armut  und  Hunger  als  Ursache  dafür 
aus,  daß  es  in  manchen  Teilen  der  Erde  oder  auf  der  Erde 
überhaupt  zu  viele  Menschen  gibt.  Sie  setzen  sich  leiden- 
schaftlich dafür  ein,  die  Zahl  der  Geburten  zu  beschränken, 
als  ob  das  die  Menschen  glücklich  machen  würde.  Ein 
Kind,  das  die  Proklamation  glaubt,  weiß,  daß  das  nicht  so 
sein  kann,  auch  ehe  es  diese  Worte  hört,  die  der  Herr  durch 
seinen  Propheten  Joseph  Smith  hat  sprechen  lassen: 
„Denn  die  Erde  ist  voll,  und  es  ist  genug  vorhanden,  ja,  daß 
noch  übrigbleibt;  ja,  ich  habe  alles  bereitet,  und  ich 
gewähre  den  Menschenkindern,  daß  sie  selbständig 
handeln."  (LuB  104:17.) 

Ein  Kind  könnte  sehen,  daß  der  himmlische  Vater  den 
Menschen  nicht  gebieten  würde,  zu  heiraten  und  sich  zu 
vermehren  und  die  Erde  zu  bevölkern,  wenn  die  Kinder, 
die  sie  in  die  Sterblichkeit  einladen,  die  Erde  völlig 

„Das  erste  Gebot,  das  Gott  Adam  und  Eva  gab,  bezog 
sich  darauf,  daß  sie  als  Ehemann  und  Ehefrau  Eltern 
werden  konnten." 


FOTO  VON  CRAIG  DIMOND 


( 


ausbeuten  würden.  Da  aber  genug  vorhanden  ist,  so  daß 
sogar  noch  etwas  übrigbleibt,  ist  der  Feind  menschlichen 
Glücks  und  die  Ursache  von  Armut  und  Hunger  nicht 
die  Geburt  von  Kindern.  Vielmehr  ist  er  darin  zu  sehen, 
daß  die  Menschen  mit  der  Erde  nicht  so  umgehen,  wie 
Gott  sie  lehren  könnte,  wenn  sie  bloß  fragen  und  gehor- 
chen würden,  da  sie  ja  selbständig  handeln  können. 

Wir  würden  auch  sehen,  daß  das  Gebot,  keusch  zu 
sein  und  die  Fortpflanzungskraft  nur  in  der  Ehe  zu 
gebrauchen,  uns  nicht  einschränkt,  sondern  uns  viel- 
mehr bereichert  und  erhöht.  Kinder  sind  eine  Gabe  des 
Herrn  an  uns  -  sowohl  in  diesem  Leben  als  auch  in 
Ewigkeit.  Ewiges  Leben  bedeutet  nicht  nur,  daß  unsere 
Nachkommen  aus  diesem  Leben  uns  für  immer  gehören. 
Es  bedeutet  auch  ewige  Vermehrung.  So  wird  uns  das, 
was  uns  erwartet,  wenn  wir  durch  einen  Diener  Gottes, 
der  die  Vollmacht  hat,  an  uns  die  heilige  Siegelung  zu 
vollziehen,  im  Tempel  als  Mann  und  Frau  gesiegelt 
worden  sind,  geschildert.  Hier  die  Worte  des  Herrn: 

„Dann  wird  ihnen  alles  geschehen,  was  mein  Knecht 
ihnen  zugebilligt  hat  -  in  der  Zeit  und  in  aller  Ewigkeit; 
und  ihr  Bund  wird  voll  in  Kraft  sein,  wenn  sie  außer  der 
Welt  sind,  und  sie  werden  an  den  Engeln  und  den 
Göttern,  die  dort  hingestellt  sind,  vorbeigehen  zu  ihrer 
Erhöhung  und  Herrlichkeit  in  allem,  wie  es  auf  sie  gesie- 
gelt worden  ist,  und  diese  Herrlichkeit  wird  eine  Fülle 


sowie  ein  Weiterbestand  der  Nachkommen  sein,  für 
immer  und  immer. 

Dann  werden  sie  Götter  sein,  weil  sie  kein  Ende 
haben;  darum  werden  sie  von  Unendlichkeit  zu 
Unendlichkeit  sein."  (LuB  132: 19,20.) 

Jetzt  können  Sie  sehen,  warum  unser  Vater  den 
Gebrauch  unserer  Fortpflanzungskraft,  deren  Fortbestand 
der  Wesenskern  ewigen  Lebens  ist,  mit  so  hohen 
Maßstäben  verknüpft.  Der  Herr  Jesus  Christus  hat  uns 
erklärt,  was  ewiges  Leben  wert  ist:  „Wenn  du  meine 
Gebote  hältst  und  bis  ans  Ende  ausharrst,  sollst  du  ewiges 

„Weiterhin  verkünden  wir,  daß  Gott  geboten  hat,  daß 
die  heilige  Fortpflanzungskraft  nur  zwischen  einem 
Mann  und  einer  Frau  angewandt  werden  darf,  die 
rechtmäßig  miteinander  verheiratet  sind." 


Leben  haben,  und  diese  Gabe  ist  die  größte  von  allen 
Gaben  Gottes."  (LuB  14:7.) 

Wir  können  verstehen,  warum  unser  himmlischer 
Vater  uns  gebietet,  große  Achtung  vor  dem  Leben  zu 
haben  und  die  Kraft,  die  Leben  erschafft,  als  heilig  zu 
erachten.  Wenn  wir  in  diesem  Leben  keine  solchen 
ehrfürchtigen  Gefühle  haben,  wie  kann  unser  Vater  sie 
uns  dann  in  der  Ewigkeit  überlassen?  Das  Familienleben 
hier  ist  das  Klassenzimmer,  in  dem  wir  uns  auf  das 
Familienleben  dort  vorbereiten.  Und  damit  wir  die 
Möglichkeit  haben,  dort  in  einer  Familie  zu  leben,  hat 
die  Schöpfung  stattgefunden.  Deshalb  wurde  das 
Kommen  Elijas  folgendermaßen  geschildert:  „Und  er  wird 
den  Kindern  die  den  Vätern  gegebenen  Verheißungen  ins 
Herz  pflanzen,  und  das  Herz  der  Kinder  wird  sich  ihren 
Vätern  zuwenden.  Wenn  es  nicht  so  wäre,  würde  die 
ganze  Erde  bei  seinem  Kommen  völlig  verwüstet  werden." 
Qoseph  Smith  -  Lebensgeschichte  1:39.) 

Für  manche  von  uns  besteht  die  Prüfung  im 
Klassenzimmer  der  Sterblichkeit  darin,  daß  sie  sich  eine 
Ehe  und  Kinder  in  diesem  Leben  von  ganzem  Herzen 
wünschen,  daß  dies  aber  erst  später  kommt  oder  ihnen 
ganz  verwehrt  bleibt.  Selbst  solchen  Kummer  können  der 
gerechte  und  liebende  Vater  und  sein  Sohn,  Jesus 
Christus,  in  Segen  verwandeln.  Niemandem,  der  voll 
Glauben  und  mit  ganzem  Herzen  nach  den  Segnungen 
ewigen  Lebens  trachtet,  bleiben  sie  verwehrt.  Und  wie 
groß  wird  doch  die  Freude  sein  und  wieviel  tiefgehender 
die  Wertschätzung  -  nachdem  man  jetzt  in  Geduld  und 
Glauben  ausgeharrt  hat. 

IN  DER  FAMILIE  GLÜCKLICH  WERDEN 

Die  Proklamation  legt  dar,  wie  wir  hier  für  das 
Familienleben  geschult  werden: 

„Mann  und  Frau  tragen  die  feierliche  Verantwortung, 
einander  und  ihre  Kinder  zu  lieben  und  zu  umsorgen. 
,Kinder  sind  eine  Gabe  des  Herrn.'  (Psalm  127:3.)  Die 
Eltern  haben  die  heilige  Pflicht,  ihre  Kinder  in  Liebe 
und    Rechtschaffenheit    zu    erziehen, 
für  ihre   physischen   und   geistigen 
Bedürfnisse  zu  sorgen,  sie  zu  lehren, 
daß    sie    einander    lieben    und 
einander  dienen,  die  Gebote 
Gottes  befolgen  und  gesetzes- 
treue Bürger  sein  sollen,  wo 
immer  sie  leben.  Mann  und 
Frau  -  Vater  und  Mutter  - 
werden    vor    Gott    darüber 
Rechenschaft  ablegen  müssen,  wie 
sie  diesen  Verpflichtungen  nachge- 
kommen sind. 


Die  Familie  ist  von  Gott  eingerichtet.  Die  Ehe  zwischen 
Mann  und  Frau  ist  wesentlich  für  seinen  ewigen  Plan.  Das 
Kind  hat  ein  Recht  darauf,  im  Bund  der  Ehe  geboren  zu 
werden  und  in  der  Obhut  eines  Vaters  und  einer  Mutter 
aufzuwachsen,  die  den  Ehebund  in  völliger  Treue 
einhalten.  Ein  glückliches  Familienleben  kann  am  ehesten 
erreicht  werden,  wenn  die  Lehren  des  Herrn  Jesus  Christus 
seine  Grundlage  sind.  Erfolgreiche  Ehen  und  Familien 
gründen  und  sichern  ihren  Bestand  auf  den  Prinzipien 
Glaube,  Gebet,  Umkehr,  Vergebungsbereitschaft,  gegensei- 
tige Achtung,  Liebe,  Mitgefühl,  Arbeit  und  sinnvolle 
Freizeitgestaltung.  Gott  hat  es  so  vorgesehen,  daß  der  Vater 
in  Liebe  und  Rechtschaffenheit  über  die  Familie  präsidiert 
und  daß  er  die  Pflicht  hat,  dafür  zu  sorgen,  daß  die  Familie 
alles  hat,  was  sie  zum  Leben  und  für  ihren  Schutz  braucht. 
Die  Mutter  ist  in  erster  Linie  für  das  Umsorgen  und  die 
Erziehung  der  Kinder  zuständig.  Vater  und  Mutter  müssen 
einander  in  diesen  heiligen  Aufgaben  als  gleichwertige 
Partner  zur  Seite  stehen.  Behinderung,  Tod  und  sonstige 
Umstände  mögen  eine  individuelle  Anpassung  erforderlich 
machen.  Bei  Bedarf  leisten  die  übrigen  Verwandten  Hilfe." 

Diese  beiden  Absätze  sind  voller  praktischer  Bezüge. 
Es  gibt  manches,  womit  wir  jetzt  beginnen  können  und 
das  damit  zu  tun  hat,  daß  wir  für  die  geistigen  und  mate- 
riellen Bedürfnisse  einer  Familie  sorgen.  Es  gibt  manches, 
was  wir  jetzt  tun  können,  um  uns  vorzubereiten,  lange 
ehe  der  Bedarf  besteht,  damit  wir  in  dem  Bewußtsein, 
daß  wir  alles  getan  haben,  was  wir  können,  inneren 
Frieden  haben  können. 

Zunächst  können  wir  beschließen,  unseren  Erfolg 
und  nicht  unser  Versagen  zu  planen.  Jeden  Tag  werden 
uns  Statistiken  vorgehalten,  die  uns  weismachen 
wollen,  eine  Familie,  die  aus  einem  liebenden  Vater  und 

einer  liebenden  Mutter  und 
Kindern  besteht,  die  so 


geliebt,  unterwiesen  und  umsorgt  werden,  wie  die 
Proklamation  es  rät,  gehe  angeblich  den  Weg  der 
Dinosaurier  und  sei  im  Aussterben  begriffen.  Sie  haben 
in  Ihrer  Familie  genügend  Beweise,  um  zu  wissen,  daß 
rechtschaffenen  Menschen  manchmal  die  Familie  durch 
Umstände,  auf  die  sie  keinen  Einfluß  haben,  auseinan- 
dergerissen wird.  Man  braucht  Mut  und  Glauben,  um  für 
das  zu  planen,  was  Gott  einem  als  Ideal  vor  Augen  führt, 
statt  für  das,  was  uns  die  Umstände  aufzwingen  mögen. 

Umgekehrt  gibt  es  wichtige  Möglichkeiten,  bei  denen 
ein  Versagen  wahrscheinlicher  und  das  Ideal  weniger  wahr- 
scheinlich   ist,    wenn    man    das    Versagen    einplant. 
Betrachten  Sie  beispielsweise  diese  beiden,  zusammen- 
gehörigen Gebote:  Der  Vater  hat  die  Pflicht,  „dafür  zu 
sorgen,  daß  die  Familie  alles  hat,  was  sie  zum  Leben  .  .  . 
braucht."  Ebenso:  „Die  Mutter  ist  in  erster  Linie  für  das 
Umsorgen  und  die  Erziehung  der  Kinder  zuständig."  In 
dem  Bewußtsein,  wie  schwer  das  sein  kann,  entscheidet 
sich  ein  junger   Mann  vielleicht  für   eine  berufliche 
Laufbahn  auf  der  Basis  dessen,  wieviel  Geld  sie  ihm 
einbringt,  selbst  wenn  das  bedeutet,  daß  er  dann  vielleicht 
nicht  genug  zu  Hause  wäre,  um  ein  gleichwertiger  Partner 
zu  sein.  Dadurch  hat  er  bereits  beschlossen,  daß  er  nicht 
darauf  hoffen  kann,  das  zu  tun,  was  am  besten  ist.  Eine 
junge  Frau  bereitet  sich  vielleicht  auf  eine  berufliche 
Laufbahn  vor,  die  mit  ihrer  Hauptaufgabe,  ihre  Kinder  zu 
umsorgen,  nicht  vereinbar  ist,  weil  es  ja  möglich  ist,  daß  sie 
nicht  heiratet,  daß  sie  keine  Kinder  bekommt  oder  daß  sie 
allein  für  die  Kinder  sorgen  muß.  Oder  sie  könnte  es  unter- 
lassen, ihre  Ausbildung  auf  das  Evangelium  und  auf  die 
nützlichen  Erkenntnisse  in  der  Welt  auszurichten,  die  die 
Sorge  für  eine  Familie  verlangt,  da  ihr  nicht  klar  ist,  daß  sie 
ihre  Talente  und  ihre  Ausbildung  zum  höchsten  und  besten 
Nutzen  anwendet,  indem  sie  sie  in  der  Familie  nutzt.  Wenn 
also  ein  junger  Mann  und  eine  junge  Frau  auf  diese  Weise 
planen,  ist  es  vielleicht  weniger  wahrscheinlich,  daß  sie  das 
erlangen,  was  für  eine  Familie  am  besten  ist. 

Gewiß  verhalten  sie  sich  beide  klug,  wenn  sie  sich  über 
die  materiellen  Bedürfnisse  ihrer  zukünftigen  Familie 
Gedanken  machen.  Die  Kosten  für  den  Kaufeines  Hauses 
steigen  im  Vergleich  zum  Durchschnittseinkommen,  und 
es  ist  schwieriger  geworden,  einen  Arbeitsplatz  zu 
behalten.  Aber  es  gibt  noch  weitere  Möglichkeiten  für 
den  jungen  Mann  und  die  junge  Frau,  sich  auf  das 
Umsorgen  ihrer  zukünftigen  Familie  vorzubereiten.  Das 
Einkommen  ist  nur  ein  Teil  davon.  Ist  Ihnen  aufgefallen, 
daß  ein  Mann  und  eine  Frau,  die  unter  Geldmangel 
leiden,  sich  für  Lösungen  entscheiden,  die  das 
Einkommen  der  Familie  steigen  lassen,  wobei  sie  dann 
bald  feststellen,  daß  es  ihnen  immer  an  Geld  mangelt, 
egal  wie  hoch  das  Einkommen  ist?  Es  gibt  eine  alte 


Formel,  die  ungefähr  so  lautet:  Einkommen  fünf  Dollar 
und  Ausgaben  sechs  Dollar:  Elend.  Einkommen  vier 
Dollar  und  Ausgaben  drei  Dollar:  Glück. 

Ob  der  junge  Mann  für  seine  Familie  sorgen  und  nach 
der  Arbeit  zu  einer  vernünftigen  Uhrzeit  zu  seiner 
Familie  zurückkehren  kann  und  ob  die  junge  Frau  da  sein 
und  ihre  Kinder  umsorgen  kann,  kann  genauso  sehr 
davon  abhängen,  wie  sie  ihr  Geld  ausgeben  lernen,  wie 
davon,  ob  sie  lernen,  es  zu  verdienen.  Präsident  Young 
hat  das  folgendermaßen  ausgedrückt,  wobei  er  genauso 
sehr  zu  uns  gesprochen  hat  wie  zu  den  Menschen  seiner 
Zeit:  „Wenn  ihr  reich  werden  wollt,  dann  spart,  was  ihr 
bekommt.  Ein  Narr  kann  Geld  verdienen,  aber  man  muß 
weise  sein,  um  es  zu  sparen  und  es  zu  seinem  Vorteil  zu 
nutzen.  Dann  macht  euch  an  die  Arbeit  und  fertigt  eure 
Hüte  und  eure  Kleidung  selbst  an."3 

In  der  heutigen  Welt  würde   Präsident  Young  den 
jungen  Ehepaaren  vielleicht  nicht  raten,  ihre  Hüte  selbst 


FOTO  VON  JED  CLARK 

„Die  Eltern  haben  die  heilige 
Pflicht,  ihre  Kinder  in  Liebe 
und  Rechtschaffen heit  zu 
erziehen,  für  ihre  physischen 
und  geistigen  Bedürfnisse  zu 
sorgen,  sie  zu  lehren,  daß 
sie  einander  lieben  und 
einander  dienen,  die  Gebote 
Gottes  befolgen  . . .  sollen/' 


DER 


STERN 

20 


anzufertigen,  sondern  ihnen  eher  ans  Herz  legen,  gründ- 
lich darüber  nachzudenken,  was  sie  wirklich  an  Autos, 
Kleidung,  Freizeitgestaltung,  Häusern,  Urlaub  und  sonst 
so  brauchen,  um  für  ihre  Kinder  zu  sorgen.  Und  er 
könnte  darauf  hinweisen,  daß  die  Differenz  in  den 
Kosten  zwischen  dem,  was  die  Welt  für  nötig  hält,  und 
dem,  was  die  Kinder  wirklich  brauchen,  die  Zeitspanne 
einbringt,  die  Vater  und  Mutter  mit  ihren  Kindern 
verbringen  müssen,  um  sie  zu  ihrem  himmlischen  Vater 
nach  Hause  zu  bringen. 

Selbst  das  sparsamste  Vorgehen  beim  Geldausgeben 
und  die  sorgfältigste  Planung  für  die  Berufstätigkeit 
mögen  nicht  ausreichen,  um  den  Erfolg  zu  sichern,  aber 
sie  können  ausreichen,  um  uns  den  inneren  Frieden  zu 
sichern,  der  damit  einhergeht,  daß  wir  wissen,  wir  haben 
das  Beste  getan,  um  vorzusorgen  und  zu  umsorgen. 

Es  gibt  noch  eine  weitere  Möglichkeit,  wie  wir  unseren 
Erfolg  planen  können  -  trotz  der  Schwierigkeiten,  die 
vielleicht  vor  uns  liegen.  Die  Proklamation  gibt  uns  einen 
hohen  Maßstab  vor,  wo  sie  von  unserer  Verpflichtung 
spricht,  unsere  Kinder  zu  unterweisen.  Wir  sollen  sie 
irgendwie  so  unterweisen,  daß  sie  einander  lieben  und 
einander  dienen,  daß  sie  die  Gebote  halten  und  daß  sie 
gesetzestreue  Bürger  sind.  Wenn  wir  an  gute  Familien 
denken,  die  diese  Prüfung  nicht  bestanden  haben,  und  es 
gibt  nur  wenige,  die  ihn  bestehen,  ohne  in  ein,  zwei 
Generationen  auch  gewisse  Fehler  zu  machen,  könnten 
wir  den  Mut  verlieren. 

Wir  können  nicht  darüber  bestimmen,  wie  andere 
sich  entscheiden,  und  wir  können  unsere  Kinder  nicht  in 
den  Himmel  zwingen,  aber  wir  können  beschließen,  was 
wir  tun  wollen,  und  wir  können  beschließen,  daß  wir 
alles  tun,  was  wir  können,  um  die  Himmelskräfte  in  die 
Familie  zu  bringen,  für  die  wir  uns  so  sehr  wünschen,  daß 
sie  für  immer  besteht. 

Einen  Schlüssel  dazu  finden  wir  in  der  Proklamation: 
„Ein  glückliches  Familienleben  kann  am  ehesten  erreicht 
werden,  wenn  die  Lehren  des  Herrn  Jesus  Christus  seine 
Grundlage  sind." 

Wann  wäre  die  Wahrscheinlichkeit  größer,  daß  die 
Menschen  in  einer  Familie  einander  dienen,  daß  sie  die 
Gebote  Gottes  befolgen  und  das  Gesetz  achten?  Es 
bedeutet  nicht  bloß,  daß  man  das  Evangelium  lehrt.  Es 
bedeutet,  daß  sie  das  Wort  Gottes  hören  und  es  dann  im 
Glauben  auf  die  Probe  stellen.  Dann  ändert  ihr  Wesen 
sich  dergestalt,  daß  sie  das  Glück  finden,  das  sie  suchen. 
Die  folgenden  Worte  Mormons  schildern  genau,  inwie- 
fern diese  Wandlung  die  natürliche  Frucht  des  Lebens 
nach  dem  Evangelium  Jesu  Christi  ist: 

„Und  die  erste  Frucht  der  Umkehr  ist  die  Taufe;  und 
die  Taufe  kommt  aus  dem  Glauben,  wodurch  man  die 


DER 


Gebote  erfüllt;   und  die  Erfüllung  der  Gebote  bringt 
Sündenvergebung; 

und  die  Sündenvergebung  bringt  Sanftmut  und 
Herzensdemut;  und  auf  Sanftmut  und  Herzensdemut  hin 
kommt  der  Besuch  des  Heiligen  Geistes,  und  dieser 
Tröster  erfüllt  mit  Hoffnung  und  vollkommener  Liebe, 
und  die  Liebe  harrt  durch  Eifer  im  Gebet  aus,  bis  das 
Ende  kommt,  da  alle  Heiligen  mit  Gott  wohnen  werden." 
(Moroni  8:25,26.) 

Wenn  wir  unsere  Kinder  auf  die  Taufe  vorbereiten 
und  wenn  wir  das  gut  machen,  bereiten  wir  sie  auf  den 
Prozeß  vor,  der  die  Auswirkungen  des  Sühnopfers  in  ihr 
Leben  bringt  und  die  Himmelskräfte  in  unsere  Familie. 
Denken  Sie  an  die  innere  Wandlung,  die  wir  alle  brau- 
chen. Wir  brauchen  den  Heiligen  Geist,  der  uns  mit 
Hoffnung  und  vollkommener  Liebe  erfüllt,  so  daß  wir 
durch  Eifer  im  Gebet  ausharren.  Und  dann  können  wir 
für  immer  in  einer  Familie  bei  Gott  leben.  Wie  kann 
der  Heilige  Geist  kommen?  Durch  die  schlichte 
Verheißung,  die  Mormon  seinem  Sohn  Moroni  gegeben 
hat.  Der  Glaube  an  Jesus  Christus,  der  zur  Umkehr 
bewegt,  und  dann  die  Taufe  durch  jemanden,  der  die 
nötige  Vollmacht  hat,  führen  zur  Sündenvergebung. 
Das  bringt  Sanftmut  und  Herzensdemut.  Und  das 
wiederum  erlaubt  es  uns,  den  Heiligen  Geist  zum 
Begleiter  zu  haben,  der  uns  mit  Hoffnung  und  vollkom- 
mener Liebe  erfüllt. 

Was  diese  ersehnte  Liebe  und  das  ersehnte  Glück 
betrifft,  ist  die  Proklamation  in  dem,  was  sie  verheißt, 
sehr  vorsichtig:  „Ein  glückliches  Familienleben  kann 
am  ehesten  erreicht  werden,  wenn  die  Lehren  des 
Herrn  Jesus  Christus  seine  Grundlage  sind."  Mir  tut 
das  Herz  ein  wenig  weh,  weil  ich  weiß,  daß  viele,  die 
diese  Worte  lesen,  von  Menschen  umgeben  sind,  die 
die  Lehren  Jesu  Christi  nicht  kennen  oder  sie  leugnen. 
Sie  können  nur  ihr  Bestes  tun.  Aber  sie  können  dies 
wissen:  Der  himmlische  Vater  weiß,  in  welcher  Familie 
sie  leben,  so  groß  die  Herausforderungen  auch  sein 
mögen.  Sie  können  wissen,  daß  für  sie  ein  Weg 
bereitet  ist,  so  daß  sie  alles  tun  können,  was  von  ihnen 
verlangt  wird,  damit  sie  für  das  ewige  Leben  würdig 
sind.  Sie  können  vielleicht  nicht  sehen,  wie  Gott 
ihnen  diese  Gabe  verleiht  oder  mit  wem  sie  sie  teilen 
werden.  Aber  die  Verheißung  des  Evangeliums  Jesu 
Christi  ist  gewiß: 

„Sondern  lernt,  daß  derjenige,  der  die  Werke  der 
Rechtschaffenheit  tut,  seinen  Lohn  empfangen  wird, 
nämlich  Frieden  in  dieser  Welt  und  ewiges  Leben  in  der 
zukünftigen  Welt. 

Ich,  der  Herr,  habe  es  gesagt,  und  der  Geist  gibt 
Zeugnis.  Amen."  (LuB  59:23,24.) 

STERN 

22 


Dieser  Friede  entspringt  der  Gewißheit,  daß  das 
Sühnopfer  in  unserem  Leben  wirksam  geworden  ist,  und 
der  Hoffnung  auf  ewiges  Leben,  die  mit  dieser  Gewißheit 
einhergeht. 

Die  Proklamation  spricht  warnend  davon,  daß  auf 
diejenigen,  die  sich  ihrer  Wahrheit  verschließen,  schlim- 
mere Folgen  warten  als  bloß  die,  daß  sie  in  diesem  Leben 
keinen  Frieden  haben  und  nicht  glücklich  sind.  Hier  die 
prophetische  Warnung  und  der  Aufruf  zum  Handeln,  mit 
dem  die  Proklamation  endet: 

„Wir  weisen  warnend  daraufhin,  daß  jemand,  der  die 
Bündnisse  der  Keuschheit  verletzt,  der  seinen 
Ehepartner  oder  seine  Kinder  mißhandelt  oder  seinen 
familiären  Verpflichtungen  nicht  nachkommt,  eines 
Tages  vor  Gott  Rechenschaft  ablegen  muß.  Weiter 
warnen  wir  davor,  daß  der  Zerfall  der  Familie  Unheil  über 
die  einzelnen  Menschen,  die  Gemeinwesen  und  die 
Nationen  bringen  wird,  wie  es  in  alter  und  neuer  Zeit 
von  den  Propheten  vorhergesagt  worden  ist. 

Wir  rufen  die  verantwortungsbewußten  Bürger  und 
Regierungsvertreter  in  aller  Welt  auf,  solche 
Maßnahmen  zu  fördern,  die  darauf  ausgerichtet  sind,  die 
Familie  als  Grundeinheit  der  Gesellschaft  zu  bewahren 
und  zu  stärken." 

Die  Familieneinheit  ist  nicht  nur  die  Grundlage  der 
Gesellschaft   und   der  Kirche,    sondern   auch   unserer 
Hoffnung  auf  ewiges  Leben.  Wir  beginnen  mit  dem  Üben 
in  der  Familie,  der  kleineren  Einheit,  aber  das  dehnt  sich 
dann  auf  die  Kirche  und  auf  die  Gesellschaft,  in  der  wir  in 
dieser  Welt  leben,  aus,  und  dann  üben  wir  es  in  Familien, 
die  einander  durch  Bündnisse  und  durch  Treue  für  immer 
verbunden  sind.  Wir  können  jetzt  anfangen,  „solche 
Maßnahmen  zu  fördern,  die  darauf  ausge- 
richtet sind,  die  Familie  ...  zu  bewahren  und 
zu  stärken".  Ich  bete,  daß  wir  das  tun.  Ich 
bete,  daß  Sie  fragen:  ,Yater,  wie  kann  ich 
mich  vorbereiten?"   Erzählen  Sie  ihm, 
wie  sehr  Sie  sich  das,  was  er  Ihnen 
schenken  möchte,   wünschen.   Sie 
werden  Eingebungen   erhalten, 
und  wenn  Sie  sich  daran  halten, 
werden    die     Himmelskräfte 
Ihnen  helfen,   das   verheiße 
ich  Ihnen. 

Ich  bezeuge,  daß  unser 
himmlischer  Vater  lebt, 
daß   wir   als   Geist  bei 
ihm  gelebt  haben  und 
daß 


Welt  irgendwo  anders  als  bei  ihm  leben  würden.  Ich 
bezeuge,  daß  Jesus  Christus  unser  Erretter  ist,  daß  er, 
indem  er  für  die  Sünden  aller  gelitten  hat,  den 
Wandel  in  uns,  der  uns  ewiges  Leben  verschaffen  kann, 
möglich  gemacht  hat.  Ich  bezeuge,  daß  der  Heilige 
Geist  uns  mit  Hoffnung  und  mit  vollkommener 
Liebe  erfüllen  kann.  Und  ich  bezeuge,  daß  die 
Siegelungsvollmacht,  die  Joseph  Smith  übertragen 
wurde  und  die  Präsident  Gordon  B.  Hinckley  jetzt 
innehat,  uns  in  einer  Familie  verbinden  und  uns  ewiges 
Leben  schenken  kann,  wenn  wir  im  Glauben  alles  tun, 
was  wir  können.  D 

FUSSNOTEN 

1.  Diese  Proklamationen  sind  in  Daniel  H.  Ludlow, 
Herausgeber,  Enyclopedia  of Mormonism,  5  Bde.  (1992), 
3:1151-57)  abgedruckt. 

2.  Siehe  Der  Stern,  Oktober  1998,  24. 

3.  In  Journal  of  Discourses,  11:301. 

„Ein  glückliches  Familienleben  kann  am  ehesten 
erreicht  werden,  wenn  die  Lehren  des  Herrn  Jesus 
Christus  seine  Grundlage  sind." 


wären,   wenn  wir 
in  der  zukünftigen» 


wir     einsam 


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DIE  FAMILIE 

EINE  PROKLAMATION  AN   DIE  WELT 

Die  Erste  Präsidentschaft  und  der  Rat  der  Zwölf  Apostel 

der  Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage 


Wir,  die  Erste  Präsidentschaft  und  der  Rat  der  Zwölf 
Apostel  der  Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der 
Letzten  Tage,  verkünden  feierlich,  daß  die  Ehe  zwischen 
Mann  und  Frau  von  Gott  verordnet  ist  und  daß  im  Plan 
des  Schöpfers  für  die  ewige  Bestimmung  seiner  Kinder  die 
Familie  im  Mittelpunkt  steht. 

Alle  Menschen  -  Mann  und  Frau  -  sind  als  Abbild 
Gottes  erschaffen.  Jeder  Mensch  ist  ein  geliebter  Geistsohn 
beziehungsweise  eine  geliebte  Geisttochter  himmlischer 
Eltern  und  hat  dadurch  ein  göttliches  Wesen  und  eine  gött- 
liche Bestimmung.  Das  Geschlecht  ist  ein  wesentliches 
Merkmal  der  individuellen  vorirdischen,  irdischen  und 
ewigen  Identität  und  Lebensbestimmung. 

Im  vorirdischen  Dasein  kannten  und  verehrten  die 
Geistsöhne  und  -töchter  ihren  ewigen  Vater  und  nahmen 
seinen  Plan  an;  nach  diesem  Plan  konnten  sie  einen  physi- 
schen Körper  erhalten  und  die  Erfahrungen  des  irdischen 
Lebens  machen,  um  sich  auf  die  Vollkommenheit  hin 
weiterzuentwickeln  und  letztlich  als  Erben  ewigen  Lebens 
ihre  göttliche  Bestimmung  zu  verwirklichen.  Der  göttliche 
Plan  des  Glücklichseins  macht  es  möglich,  daß  die 
Famililenbeziehungen  über  das  Grab  hinaus  Bestand 
haben.  Die  heiligen  Handlungen  und  Bündnisse,  die  im 
heiligen  Tempel  vollzogen  werden  können,  ermöglichen  es 
dem  einzelnen,  in  die  Gegenwart  Gottes  zurückzukehren, 
und  der  Familie,  auf  ewig  vereint  zu  sein. 

Das  erste  Gebot,  das  Gott  Adam  und  Eva  gab,  bezog  sich 
darauf,  daß  sie  als  Ehemann  und  Ehefrau  Eltern  werden 
konnten.  Wir  verkünden,  daß  Gottes  Gebot  für  seine 
Kinder,  sich  zu  vermehren  und  die  Erde  zu  bevölkern,  noch 
immer  in  Kraft  ist.  Weiterhin  verkünden  wir,  daß  Gott 
geboten  hat,  daß  die  heilige  Fortpflanzungskraft  nur 
zwischen  einem  Mann  und  einer  Frau  angewandt  werden 
darf,  die  rechtmäßig  miteinander  verheiratet  sind. 

Wir  verkünden,  daß  die  Art  und  Weise,  wie  sterbliches 
Leben  erschaffen  werden  soll,  von  Gott  so  festgelegt  ist. 
Wir  bekräftigen,  daß  das  Leben  heilig  und  in  Gottes 
ewigem  Plan  von  wesentlicher  Bedeutung  ist. 

Mann  und  Frau  tragen  die  feierliche  Verantwortung, 
einander  und  ihre  Kinder  zu  lieben  und  zu  umsorgen. 
„Kinder  sind  eine  Gabe  des  Herrn."  (Psalm  127:3.)  Die 
Eltern  haben  die  heilige  Pflicht,  ihre  Kinder  in  Liebe  und 
Rechtschaffenheit  zu  erziehen,  für  ihre  physischen  und 
geistigen  Bedürfnisse  zu  sorgen,  sie  zu  lehren,  daß  sie 


einander  lieben  und  einander  dienen,  die  Gebote  Gottes 
befolgen  und  gesetzestreue  Bürger  sein  sollen,  wo  immer 
sie  leben.  Mann  und  Frau  -  Vater  und  Mutter  -  werden 
vor  Gott  darüber  Rechenschaft  ablegen  müssen,  wie  sie 
diesen  Verpflichtungen  nachgekommen  sind. 

Die  Familie  ist  von  Gott  eingerichtet.  Die  Ehe  zwischen 
Mann  und  Frau  ist  wesentlich  für  seinen  ewigen  Plan.  Das 
Kind  hat  ein  Recht  darauf,  im  Bund  der  Ehe  geboren  zu 
werden  und  in  der  Obhut  eines  Vaters  und  einer  Mutter 
aufzuwachsen,  die  den  Ehebund  in  völliger  Treue 
einhalten.  Ein  glückliches  Familienleben  kann  am  ehesten 
erreicht  werden,  wenn  die  Lehren  des  Herrn  Jesus  Christus 
seine  Grundlage  sind.  Erfolgreiche  Ehen  und  Familien 
gründen  und  sichern  ihren  Bestand  auf  den  Prinzipien 
Glaube,  Gebet,  Umkehr,  Vergebungsbereitschaft,  gegensei- 
tige Achtung,  Liebe,  Mitgefühl,  Arbeit  und  sinnvolle 
Freizeitgestaltung.  Gott  hat  es  so  vorgesehen,  daß  der 
Vater  in  Liebe  und  Rechtschaffenheit  über  die  Familie 
präsidiert  und  daß  er  die  Pflicht  hat,  dafür  zu  sorgen,  daß 
die  Familie  alles  hat,  was  sie  zum  Leben  und  für  ihren 
Schutz  braucht.  Die  Mutter  ist  in  erster  Linie  für  das 
Umsorgen  und  die  Erziehung  der  Kinder  zuständig.  Vater 
und  Mutter  müssen  einander  in  diesen  heiligen  Aufgaben 
als  gleichwertige  Partner  zur  Seite  stehen.  Behinderung, 
Tod  und  sonstige  Umstände  mögen  eine  individuelle 
Anpassung  erforderlich  machen.  Bei  Bedarf  leisten  die 
übrigen  Verwandten  Hilfe. 

Wir  weisen  warnend  darauf  hin,  daß  jemand,  der  die 
Bündnisse  der  Keuschheit  verletzt,  der  seinen  Ehepartner 
oder  seine  Kinder  mißhandelt  oder  seinen  familiären 
Verpflichtungen  nicht  nachkommt,  eines  Tages  vor  Gott 
Rechenschaft  ablegen  muß.  Weiter  warnen  wir  davor, 
daß  der  Zerfall  der  Familie  Unheil  über  die  einzelnen 
Menschen,  die  Gemeinwesen  und  die  Nationen  bringen 
wird,  wie  es  in  alter  und  neuer  Zeit  von  den  Propheten 
vorhergesagt  worden  ist. 

Wir  rufen  die  verantwortungsbewußten  Bürger  und 
Regierungsvertreter  in  aller  Welt  auf,  solche  Maßnahmen 
zu  fördern,  die  darauf  ausgerichtet  sind,  die  Familie  als 
Grundeinheit  der  Gesellschaft  zu  bewahren  und  zu 
stärken.  D 

Diese  Proklamation  wurde  von  Präsident  Gordon  B.  Hinckley  als  Teil  seiner 
Ansprache  in  der  Allgemeinen  Versammlung  der  Frauenhilfsvereinigung 
verlesen,  die  am  23.  September  1995  in  Salt  Lake  City  stattgefunden  hat. 


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VON  FREUND  ZU  FREUND 


Susan  L.  Warner 

Zweite  Ratgeberin  in  der  PV- Präsidentschaft 

Nach  einem  Interview  mit  Rebecca  Todd 


In  meiner  Kindheit  und  Jugend  lebte  meine  Familie 
in  Kalifornien.  1947  fuhren  wir  zur  Hundertjahrfeier 
für  die  Pioniere  nach  Salt  Lake  City.  Wir  gingen  zur 
Weihung  des  Denkmals  „Dies  ist  der  Ort",  und  ich 
kann  mich  noch  daran  erinnern,  mit  welch  besonderem 
Gefühl  ich  die  große  Statue  von  Brigham  Young  sah 
und  die  Geschichten  der  Pioniere  hörte,  die  nach  Utah 
gekommen  waren. 

Mein  Urgroßvater  Benjamin  Lillywhite  war  als  ganz 
kleiner  Junge  mit  seien  Eltern  aus  England  gekommen, 
nachdem  sie  sich  der  Kirche  angeschlossen  hatten.  Als 
sie  in  St.  Louis  ankamen,  starben  sein  Vater  und  seine 
kleine  Schwester  an  der  Cholera.  Seine  Mutter  hatte 
nicht  genug  Geld,  um  für  die  Weiterreise  ins  Salt  Lake 
Valley  einen  Wagen  zu  kaufen,  aber  sie  wollte,  daß  ihr 
Sohn  so  bald  wie  möglich  dorthin  kam,  wo  die  Heiligen 
sich  sammelten.  Deshalb  schickte  sie  den  sechsjährigen 
Benjamin  mit  einer  anderen  Familie  mit,  und  unter  ihrer 
Obhut  gelangte  er  zu  Fuß  dorthin.  Ich  habe  gehört,  daß 
er  sich  Lumpen  um  die  Füße  wickelte,  als  seine 
Schuhe  unterwegs  völlig  abgenutzt  waren.  Aber 
trotz  der  Mühen  schaffte  er  den  Weg. 

Als  Kind  habe  ich  diese  Geschichte  immer 
und  immer  wieder  gehört.  Ich  habe  von 


der  Opferbereitschaft  meiner  Vorfahren  gehört  und 
wollte  so  sein  wie  sie.  Ich  wußte,  daß  der  himmlische 
Vater  jetzt  darauf  angewiesen  war,  daß  ich  so  mutig  und 
glaubenstreu  war  wie  sie. 

Wo  wir  in  Kalifornien  wohnten,  waren  mein  Bruder, 
ein  weiterer  Junge  und  ich  an  unserer  Grundschule  die 
einzigen  Mitglieder  der  Kirche.  Wir  waren  als 
Mitglieder  der  Kirche  anders  als  alle  anderen.  Statt  am 
Samstag  vormittag  die  Cartoons  im  Kino  anzusehen, 
gingen  wir  zur  PV,  die  damals  in  unserer  Gemeinde  am 
Samstag  stattfand.  Wenn  meine  Freundinnen  am 

In  ihrer  Jugend,  von  links:  Schwester  Warner  als  Baby; 
als  Vierjährige;  auf  dem  Auto  der  Familie  sitzend,  von 
ihrem  Vater  festgehalten;  auf  einem  Pferd,  eine  ihrer 
Lieblingsbeschäftigungen. 


Sonntag  zum  Strand  fuhren,  ging  unsere  Familie  zur 
Kirche. 

Schon  von  klein  auf  an  wußte  ich,  daß  ich  ein 
Vorbild  sein  mußte,  weil  die  meisten  meiner  Freunde 
und  Nachbarn  keine  Mitglieder  der  Kirche  waren.  Eine 
meiner  Lieblingsschriftstellen  ist  1  Timotheus  4:12: 
„Niemand  soll  dich  wegen  deiner  Jugend  gering- 
schätzen. Sei  den  Gläubigen  ein  Vorbild  in  deinen 
Worten,  in  deinem  Lebenswandel,  in  der  Liebe,  im 
Glauben,  in  der  Lauterkeit."  Die  Menschen  beobach- 
teten meine  Familie  ständig,  weil  sie  wußten,  daß  wir 
Mitglieder  der  Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der 
Letzten  Tage  waren.  Ich  wußte,  daß  der  himmlische 
Vater  darauf  angewiesen  war,  daß  ich  durch  mein 
Beispiel  eine  Missionarin  war.  Das  gilt  für  alle  PV- 
Kinder.  Ihr  könnt  eurer  Familie,  euren  Freunden  und 
allen  Menschen,  die  euch  beobachten,  ein  Vorbild  sein. 

Als  ich  neun  Jahre  alt  war,  habe  ich  etwas  Wichtiges 
über  den  himmlischen  Vater  und  das  Beten  gelernt.  Ich 
liebte  Pferde.  Manchmal  ließen  meine  Freunde  mich 
ihre  Pferde  reiten,  und  wir  ritten  zusammen  ohne  Sattel 
durch  die  Orangenhaine.  Aber  ich  wünschte  mir  so 
sehr  ein  eigenes  Pferd. 

In  jenem  Jahr  wurde  in  einer  Nachbarstadt  ein 
neues  Geschäft  eröffnet.  Als  Teil  der 
Eröffnungsfeierlichkeiten  wurde  ein 
Pony  verlost.  Ich  machte  mit  und 


betete  jeden  Tag,  ich  möge  gewinnen.  Der  himmlische 
Vater  hatte  mein  Beten  immer  erhört,  und  ich  war 
sicher,  daß  er  mich  auch  diesmal  erhörte.  Ich  traf 
schon  Absprachen  dafür,  daß  das  Pferd  auf  der  Weide 
einer  Freundin  stehen  konnte.  Ich  schrieb  sogar 
meinen  Großeltern  und  erzählte  ihnen  von  dem  Pony, 
das  mir  bald  gehören  sollte. 

Als  die  Ziehung  stattfand  und  der  Gewinner 
bekanntgegeben  wurde,  war  ich  es  nicht.  Ich  war  sehr 
enttäuscht  und  traurig.  Liebevoll  sagte  meine  Mutter: 
„Es  ist  nicht  so,  daß  der  himmlische  Vater  dein  Beten 
nicht  gehört  und  erhört  hat.  Denk  daran,  wenn  du 
betest,  erhört  der  himmlische  Vater  dein  Beten  so,  wie 
es  für  dich  am  besten  ist."  Der  himmlische  Vater  weiß 
wirklich,  was  für  uns  am  besten  ist.  Er  liebt  einen  jeden 
von  uns,  und  er  hört  und  erhört  unser  Beten. 

In  der  PV  singen  wir  von  den  Pionieren.  Meine 
lieben  Freunde,  ihr  könnt  ein  Pionier  sein,  indem  ihr 
vorangeht  und  anderen  ein  Beispiel  gebt.  Ihr  bringt  der 
Welt  Licht  und  Glück,  wenn  wir  euch  mutig  für  das 
Rechte  entscheidet.  Eurer  Führer  lieben  euch  und 
beten  für  euch.  Der  himmlische  Vater  und  Jesus 
Christus  lieben  euch,  und  sie  zählen  auf  euch.  Ihr  seid 
die  Pioniere,  für  die  eure  Kinder  dankbar  sein  werden 
und  deren  Beispiel  sie  nacheifern  werden.  D 


Das  Denkmal  „Dies  ist  der  Ort",  Mitte.  Von 
links:  mit  1 0  Jahren;  Susan  (rechts)  mit 
ihrer  Schwester  (Mitte)  und  einer  Freundin; 
mit  ihrem  Mann  Terry  und  ihren  1 0 
Kindern,  1985. 


OKTOBER       1998 

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Vers  1  gemeinsam  singen.  Vers  2  kann  als  Duett  gesungen  werden. 

Text:  Münster  1677 

Musik:  Schlesische  Weise,  arr.  von  Darwin  Wolford,  geb.  1936.  Arr.  ©  1989  HLT 

Dieses  Lied  darf  für  den  gelegentlichen,  nichtkommerziellen  Gebrauch  in  der 
Kirche  und  zu  Hause  vervielfältigt  werden. 


Lehre  und  Bündnisse  43:34 
Lehre  und  Bündnisse  110:2—4 


DAS  MITEINANDER 


Ich  kann  jetzt  ein  Missionar  sein 


Sydney  Reynolds 


„Ich  schäme  mich  des  Evangeliums  nicht:  Es  ist  eine 
Kraft  Gottes,  die  jeden  rettet,  der  glaubt,  zuerst  den 
Juden,  aber  ebenso  den  Griechen."  (Römer  1:16.) 

Habt  ihr  schon  einmal  darüber  nachgedacht, 
ob  ihr  gern  ein  Missionar  sein  wollt?  Wußtet 
ihr,  daß  ihr  schon  jetzt  ein  Missionar  sein 
könnt?  Ein  Missionar  liebt  den  Herrn  und  seine 
Mitmenschen.  Wenn  wir  unsere  Mitmenschen  lieben, 
wollen  wir  ihnen  gern  vom  Evangelium  Jesu  Christi 
erzählen. 

Im  Buch  Mormon  erfahren  wir,  wie  Ammon  ein 
großartiger  Missionar  wurde  (siehe  Alma  17-20).  Er 
und  seine  Brüder  waren  die  Söhne  von  König  Mosia, 
und  die  Nephiten  erwarteten,  daß  einer  der  Brüder 
nach  Mosia  König  wurde.  Aber  jeder  von  ihnen  sagte, 
er  wolle  lieber  ein  Missionar  sein  als  ein  König. 

Ammon  reiste  in  das  Land  von  König  Lamoni,  einem 
Lamaniten,  und  erklärte  sich  bereit,  der  Knecht  des 
Königs  zu  sein.  Weil  er  treu  die  Herden  des  Königs 
hütete  und  gegen  die  Feinde  des  Königs  kämpfte,  wurde 
er  gebeten,  dem  König  und  dessen  Volk  das  Evangelium 
zu  verkünden.  Als  der  König  und  die  Königin  erfuhren, 
daß  Jesus  Christus  kommen  und  sie  von  ihren  Sünden 
erlösen  sollte,  waren  sie  von  Freude  überwältigt. 
Ammon  erfuhr,d  aß  der  Herr  jeden  willkommen  heißt, 
der  umkehrt  und  an  ihn  glaubt. 

Der  Apostel  Petrus  wußte,  daß  das  Evangelium  den 
Sündern  helfen  kann,  aber  er  war  Jude  und  meinte,  es 
wäre  falsch,  mit  jemandem  zusammen  zu  sein,  der  kein 
Jude  war.  Kornelius  war  ein  römischer  Offizier;  die 
Römer  hatten  das  Land  der  Juden  besetzt.  Aber 
Kornelius  war  ein  guter  Mensch,  der  das  Rechte  tun 
wollte.  Ein  Engel  sagte  Kornelius,  er  solle  nach  Petrus 
schicken,  damit  Petrus  ihm  erklärte,  was  Gott  von  ihm 
erwartete.  Während  Petrus  auf  dem  Dach  des  Hauses 
von  Simon,  einem  Gerber,  betete,  gab  Gott  ihm  eine 
Vision,  um  ihm  klarzumachen,  daß  er  das  Evangelium 
den  Menschen  aller  Länder  verkünden  sollte. 

Dreimal  sah  Petrus  diese  Vision,  ehe  er  bereit  war, 
Kornelius  von  Jesus  Christus  zu  erzählen.  Als  Petrus 


dann  Kornelius  unterwies,  glaubte  der  Römer  ihm. 
Petrus  erfuhr,  daß  der  Herr  alle  Menschen  liebt  und  sie 
akzeptiert  (siehe  Apostelgeschichte  10). 

Du  kannst  wie  Ammon  und  Petrus  sein.  Du  kannst 
schon  jetzt  ein  Missionar  sein,  indem  du  nach  dem 
Evangelium  lebst  und  allen  Kindern  des  himmlischen 
Vaters  Liebe  erweist. 

ANLEITUNG 

Nimm  die  Seite  7  aus  der  Zeitschrift  heraus  und  kleb 
sie  auf  dünne  Pappe.  Schneide  die  Hintergrundszenen 
aus,  und  falte  sie  entlang  der  gestrichelten  Linien. 
Schneide  die  Figuren  aus,  und  klebe  einen  etwa  10 
Zentimeter  langen  Stock  hinten  auf  jede  Figur  (siehe 
das  Beispiel) .  Benutz  die  Szenen  und  die  Figuren,  um 
beim  Familienabend  die  Geschichte  von  Petrus  und 
Kornelius  zu  erzählen  (siehe  Apostelgeschichte  10). 

ANREGUNGEN  FÜR  DAS  MITEINANDER 

1 .  Schreiben  Sie  verschiedene  Situationen  auf  mehrere 
Blätter  Papier,  und  bitten  Sie  die  Kinder,  nachzuspielen,  wie 
ein  guter  Missionar  sich  verhalten  würde.  So  können  die 
Kinder  Römer  1:16  besser  auf  sich  beziehen.  Mögliche 
Situationen:  ein  guter  Nachbar  sein,  jemanden,  der  neu  ist, 
mitspielen  lassen  und  ihn  in  den  Freundeskreis  aufnehmen, 
einem  kleineren  Kind  in  einer  gefährlichen  Situation  helfen, 
im  Geschäft  und  in  der  Schule  ehrlich  sein,  andere  ermu- 
tigen, Substanzen,  die  unserem  Körper  und  Sinn  schaden 
können,  zu  meiden,  einen  Freund  zu  einer  Aktivität  in  der 
Kirche  oder  der  PV  einladen. 

2.  Zeigen  Sie  Bilder  von  Missionaren,  Namensschilder, 
Landkarten  und  Sprachlernbücher.  Bitten  Sie  mehrere 
Kinder  im  voraus,  von  Missionarserlebnissen  zu  erzählen, 
zum  Beispiel  aus  einem  Brief  eines  großen  Bruders  oder 
einer  großen  Schwester,  die  auf  Mission  sind,  die 
Bekehrungsgeschichte  eines  Vorfahren  oder  die  Begegnung 
ihrer  Familie  mit  den  Missionaren.  Erinnern  Sie  sie  daran, 
daß  wir  alle  aufgrund  irgendeines  Missionars  Mitglieder  der 
Kirche  sind.  Singen  Sie  ein  Lieblingslied,  das  mit 
Missionsarbeit  zu  tun  hat,  zum  Beipsiel  „Ich  möchte  einmal 
auf  Mission  gehn".  D 


KINDERSTERN 

6 


Das  Evangelium  ist  für  alle  Länder  da 

Apostelgeschichte  10 


Was  machst  du  da  mit  meinem  Ball?" 
schrie  Rodney  Sims  mich  an.  Ich 
stand  unter  dem  großen  Baum  im 
Park  und  bewunderte  den  neuen  Football,  den 
ich  im  Gras  gefunden  hatte.  Er  kam  mit  hoch- 
rotem Kopf  auf  mich  zugerannt;  man  sah  ihm  an, 
daß  er  in  der  Sonne  Ball  gespielt  hatte. 

Ich  nickte  meinem  Freund  Frank  zu.  „Wir  sind 
hier  bloß  gerade  mit  dem  Fahrrad  hergekommen 
und  haben  den  Ball  gesehen.  Ich  hatte 
gedacht,  jemand  hätte  ihn  verloren." 

„Ich  hatte  ihn  hier  liegen  lassen",  sagte 
Rodney  unfreundlich  und  riß  mir  den  Ball 
aus  der  Hand  und  steckte  ihn  unter  den 
Arm.  „Es  hat  ihn  niemand  verloren, 
und  ich  will  auch  nicht,  daß  jemand 
ihn  stiehlt." 


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ERZAHLUNG 


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Der 
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Ball 


Alma  J.  Yates 

ILLUSTRIERT  VON  MARK  ROBISON 


„Ich  habe  nicht  versucht,  ihn  zu  stehlen",  sagte  ich 
und  stieg  wieder  auf  mein  Fahrrad.  „Aber  es  ist  ein 
toller  Ball.  Ich  würde  meinen  Namen  draufschreiben, 
damit  ich  ihn  nicht  verliere." 
■    „He,  willst  du  den  Ball  kaufen?"  Rodneys  Stimme 
klang  auf  einmal  ganz  freundlich.  Überrascht  drehte  ich 
mich  um.  „Ich  hab  noch  einen."  Er  nickte  den  Jungen 
zu,  die  noch  Football  spielten.  „Wenn 
du  diesen  haben  willst,  verkaufe 
ich  ihn  dir." 

Ich  legte  das  Fahrrad  wieder 
hin  und  nahm  den  Ball  -  er 
paßte  genau  in  meine  Hand. 
Ich  hatte  in  dem 
Sportgeschäft  bei  uns  in  der 
Nachbarschaft  einen 
solchen  Ball  gesehen.  Ich 


hatte  mir  einen  solchen  Ball  gewünscht,  aber  er  kostete 
10  Dollar. 

„Er  gefällt  mir",  sagte  ich,  nahm  den  Ball  fest  in  die 
Hand,  beugte  den  Arm  und  tat  so,  als  wollte  ich  einen 
Paß  werfen.  Dann  gab  ich  Rodney  den  Ball  zurück  und 
sagte:  „Aber  ich  habe  keine  10  Dollar." 

Rodney  rollte  den  Ball  in  der  Hand  und  studierte  ihn 
dabei.  „Ich  verkauf  ihn  dir  für  5  Dollar." 

„Fünf  Dollar?" 

„Ich  hab  ja  noch  einen  Ball,  deshalb  brauche  ich 
diesen  sowieso  nicht." 

Mir  schössen  viele  Gedanken  durch  den  Kopf.  Ich 
hatte  zu  Hause  in  meiner  Schublade  4  Dollar,  und 
einen  Dollar  konnte  ich  von  meiner  kleinen  Schwester 
Stephanie  borgen.  Ich  fuhr  mir  mit  der  Zunge  über  die 
Lippen  und  griff  wieder  nach  dem  Ball  und  suchte  nach 
Mängeln,  aber  ich  fand  keine. 


„Ich  müßte  das  Geld  von  zu  Hause  holen",  sagte  ich 
und  griff  nach  meinem  Fahrrad.  „Das  dauert  15  bis  20 
Minuten." 

„Ich  bin  ja  noch  hier.  Aber  er  kostet  5  Dollar.  Es  gibt 
kein  Geld  zurück,  und  ich  nehme  den  Ball  auch  nicht 
zurück." 

Ich  fuhr  so  schnell  nach  Hause,  daß  Frank  kaum 
mitkam.  Stephanie  erklärte  sich  bereit,  mir  den  einen 
Dollar  zu  leihen,  und  ich  griff  nach  den  4  Dollar  in 
meiner  Schublade. 

„Überleg  dir  das  gut",  sagte  Frank  warnend,  als  ich 
aus  der  Haustür  gerannt  kam  und  nach  meinem 
Fahrrad  griff.  Er  stand  noch  mit  seinem  Fahrrad  in  der 
Einfahrt. 

„Was  meinst  du  mit  Überlegen?  So  ein  Geschäft 
mache  ich  nie  wieder!  Fünf  Dollar,  Frank,  und  der  Ball 
ist  10  wert!  Soviel  müßte  ich  im  Sportgeschäft  dafür 
bezahlen.  Das  kann  ich  mir  nicht  entgehen  lassen." 

„Irgendetwas  ist  da  faul,  Joshua",  warnte  er  mich 
noch  einmal.  „War  Rodney  jemals  nett  zu  dir?"  Ich 
dachte  kurz  nach  und  schüttelte  den  Kopf.  „Weshalb  tut 
er  dir  dann  plötzlich  einen  so  großen  Gefallen?" 

„Er  hat  ja  noch  einen  Football,  und  diesen  braucht  er 
nicht.  Ich  helfe  ihm  doch  bloß",  erwiderte  ich  störrisch. 

„Mit  dem  Ball  ist  irgend  etwas  faul.  Vielleicht  ist  ein 
winziges  Loch  drin.  Hast  du  daran  schon  gedacht?" 

„Ich  hab  mir  den  Ball  genau  angesehen,  Frank.  Er  ist 
brandneu.  Mit  dem  ist  alles  in  Ordnung." 

„An  deiner  Stelle  würde  ich  ihn  nicht  kaufen, 
Joshua." 

Ich  starrte  meinen  Freund  an.  „Du  bist  doch  bloß 
neidisch,  weil  er  ihn  nicht  dir  verkauft.  Ich  hole  mir 
den  Ball,  ehe  Rodney  seine  Meinung  ändert." 

Rodney  wartete  im  Park  mit  einem  seiner  Freunde 
unter  dem  Baum  auf  mich.  Die  anderen  waren 
gegangen.  Er  hatte  den  neuen  Ball  und  noch  einen,  der 
abgegriffen  aussah.  Ich  hielt  ihm  das  Geld  hin,  und  er 
griff  eilig  danach.  Sobald  er  sicher  war,  daß  es  alles  da 
war,  gab  er  mir  den  Football.  „Du  hast  dir  gerade  einen 
Ball  gekauft",  sagt  er.  Er  lachte  und  schlug  seinem 
Freund  auf  die  Schulter.  „Komm,  wir  hauen  ab." 

Ich  hielt  den  Ball  in  der  Hand  und  sah  zu,  wie  die 
beiden  wegrannten.  Sie  grinsten  sich  gegenseitig  an,  als 
sie  noch  einmal  über  die  Schulter  zu  mir  zurück- 
blickten. Ich  wurde  etwas  unsicher.  Franks  Warnung  fiel 


mir  ein.  Vielleicht  war  mit  dem  Ball  wirklich  etwas 
nicht  in  Ordnung.  Ich  warf  ihn  ein  bißchen  in  die  Luft. 
Er  fühlte  sich  gut  an.  Ich  drückte  ihn,  um  zu  sehen,  ob 
er  Luft  verlor.  Er  schien  fest  genug.  Auch  wenn  mit  dem 
Ball  etwas  nicht  in  Ordnung  war,  wußte  ich  jedenfalls 
nicht,  was. 

In  den  nächsten  beiden  Tagen  spielten  meine 
Freunde  und  ich  mit  dem  neuen  Ball.  Es  wurde  unser 
Lieblingsball.  Er  verlor  nicht  das  kleinste  bißchen  Luft. 
Er  war  brandneu,  so  wie  er  aussah.  Ich  lachte  Frank 
aus,  weil  er  mich  gewarnt  hatte,  und  fragte  ihn,  ob  er 
sich  wünschte,  er  hätte  5  Dollar  gehabt.  Er  schüttelte 
den  Kopf,  aber  ich  hatte  das  Gefühl,  daß  er  immer  noch 
neidisch  war. 

Als  ich  an  einem  Nachmittag  auf  unserer 
Vordertreppe  saß  und  meinen  Ball  in  die  Luft  warf  und 
wieder  fing,  kam  er  mit  dem  Fahrrad  vorgefahren.  Er 
sah  ernst  aus.  „Ich  habe  etwas  über  deinen  Ball 
erfahren",  sagte  er. 

Ich  grinste.  „Machst  du  dir  immer  noch  Gedanken 
wegen  dem  Ball,  Frank?" 

Frank  lächelte  nicht.  „Mein  Bruder  Derek  kennt 
einen  von  Rodneys  Freunden.  Er  sagt,  Rodney  hätte 
den  Ball  gestohlen." 

„Was  meinst  du  mit  gestohlen?" 

„Rodney  hat  ihn  im  Sportgeschäft  gestohlen.  Ein 
paar  seiner  Freunde  haben  für  ihn  Schmiere  gestanden, 
aber  er  hat  ihn  aus  dem  Laden  mitgenommen.  Deshalb 
wollte  er  ihn  verkaufen." 

Ich  hatte  das  Gefühl,  Frank  hätte  mir  in  den  Magen 
geboxt.  Ich  sah  den  Football  an.  „Vielleicht  ist  es  nicht 
derselbe  Ball",  erwiderte  ich  und  spürte,  wie  ich  wütend 
wurde. 

„Rodney  hat  an  dem  Nachmittag,  an  dem  du  den 
Ball  gekauft  hast,  genau  so  einen  Ball  gestohlen.  Es  ist 
schon  derselbe." 

„Jedenfalls  habe  ich  ihn  nicht  gestohlen",  stieß  ich 
aus.  „Ich  habe  ihn  bezahlt,  also  ist  es  nicht  mein 
Problem.  Und  ich  habe  nicht  gewußt,  daß  er  gestohlen 
war,  als  ich  ihn  Rodney  abgekauft  habe.  Er  ist  der  Dieb, 
nicht  ich." 

Frank  zuckte  mit  den  Schultern  und  wandte  sich  ab. 
„Ich  wollte  dir  bloß  Bescheid  sagen." 

Ich  war  wütend  auf  ihn,  weil  er  mir  von  Rodneys 
Diebstahl  erzählt  hatte,  schließlich  mochte  ich  den  Ball 


KINDERSTERN 

10 


und  wollte  ihn  behalten.  „Willst  du  es  jemandem 
sagen?"  schrie  ich  hinter  ihm  her.  Er  drehte  sich  um 
und  starrte  mich  an.  Langsam  schüttelte  er  den  Kopf. 
Nachdem  er  gegangen  war,  legte  ich  den  Ball  weg. 
Als  Stephanie  mich  fragte,  ob  ich  mit  ihr 
Zuwerfen  spielen  wollte,  sagte  ich  nein. 
Ich  sagte  mir  immer  und  immer 
wieder,  daß  der  Ball  mir  gehörte,  mit 
vollem  Recht,  und  daß  ich  nichts 
Falsches  getan  hatte.  Aber  ich  hatte 
kein  gutes  Gefühl  dabei.  Ich  wollte 
nicht  einmal  mehr  mit  dem  Ball 
spielen.  Und  ich  sagte  auch  meinen 
Eltern  nichts  von  dem,  was  Frank  mir 


erzählt  hatte.  Sie  hatten  es  nicht  so  gut  gefunden,  daß 
ich  mir  von  Stephanie  den  einen  Dollar  geliehen  hatte, 
aber  sie  hatten  es  mir  überlassen. 

Am  nächsten  Tag  suchte  ich  nach  Rodney.  Er  fuhr 
gerade  mit  dem  Fahrrad  mit  einigen  seiner  Freunde  über 
den  Parkplatz  an  der  Schule,  als  ich  ihn  fand.  Ich  ging 
auf  ihn  zu  und  hielt  ihm  den  Football  hin.  „Ich  will 
meine  5  Dollar  zurück!" 

Er  sah  den  Ball  an  und  dann  mich.  „Ich  habe  dir 
doch  gesagt,  es  gibt  nichts  zurück.  Außerdem  habe 
ich  das  meiste  Geld  schon  ausgegeben.  Außerdem", 
und  er  zeigte  auf  den  Ball,  „sieht  er  ja  nicht  mal 
mehr  neu  aus." 

„Du  hast  den  Ball  gestohlen",  zischte  ich. 


Das  Grinsen  verschwand  aus  seinem  Gesicht.  Er 
sprang  vom  Fahrrad  und  ließ  es  zu  Boden  fallen,  dann 
hielt  er  mich  am  Hemd  fest  und  zog  mich  auf  sich  zu. 
„Wer  hat  dir  das  gesagt?" 

„Das  wissen  einige",  sagte  ich  keuchend.  „Ich  will 
keinen  gestohlenen  Ball." 

„Lauf  hier  bloß  nicht  rum  und  plapper  was  davon,  ich 
hätte  den  Ball  gestohlen,  sonst  kriegst  du  Schwierigkeiten. 
Niemand  kann  beweisen,  daß  ich  ihn  gestohlen  habe. 
Außerdem  ist  es  dein  Ball.  Du  hast  ihn  bezahlt." 

„Ich  will  ihn  nicht  mehr." 

„Das  ist  dein  Problem.  Wenn  du  ihn  nicht  willst,  wirf 
ihn  doch  weg."  Er  stieß  mich  noch  einmal  fest,  stieg  auf 
sein  Fahrrad  und  fuhr  mit  seinen  Freunden  weg. 

Langsam  verließ  ich  den  Parkplatz.  Ich  hatte  den 
Football,  der  mir  so  wichtig  gewesen  war,  in  der  Hand. 
Jetzt  erinnerte  er  mich  eiskalt  an  eine  unehrliche 
Handlung.  Ich  sah  den  Müllcontainer  in  der  Ecke  des 
Parkplatzes  und  überlegte,  ob  ich  den  Ball  wegwerfen 
sollte.  Aber  das  konnte  ich  nicht.  Ich  hatte  5  Dollar 
dafür  bezahlt,  und  außerdem  schuldete  ich  Stephanie 
immer  noch  einen  Dollar.  Ich  konnte  ihn  nicht  einfach 
wegwerfen. 

Ich  versuchte  mir  einzureden,  ich  hätte  ja  gar  nichts 
Falsches  getan.  Als  ich  den  Ball  gekauft  hatte,  hatte  ich 
gar  nicht  gewußt,  daß  er  gestohlen  war.  Ich  hatte  ihn  ja 
auch  gar  nicht  geklaut.  Ich  hatte  sogar  versucht,  ihn 
Rodney  zurückzugeben.  Was  sollte  ich  sonst  tun?  Sollte 
ich  meine  5  Dollar  verlieren,  bloß  weil  Rodney  etwas 
Falsches  getan  hatte? 

Ich  schüttelte  den  Kopfe.  Alle  meine  Ausreden 
nahmen  mir  nicht  die  Übelkeit  und  die  Schuldgefühle. 
Ich  dachte  an  das  Sportgeschäft.  Ich  war  immer  gern 
hingegangen  und  hatte  mich  dort  umgesehen.  Jetzt 
dachte  ich  jedes  Mal,  wenn  ich  vorbeikam,  an  den 
gestohlenen  Football.  Und  selbst  wenn  ich  den  Ball 
nicht  gestohlen  hatte,  fehlte  dem  Laden  immer  noch 
ein  Ball.  Und  ich  hatte  ihn.  Ich  wußte,  was  meine 
Eltern  sagen  würden,  und  ich  wußte,  ich  würde  mich 
erst  wieder  besser  fühlen,  wenn  ich  es  tat. 

Ich  ging  nach  Hause,  stieg  auf  mein  Fahrrad  und 
fuhr  in  die  Stadt.  Es  war  hart,  in  den  Laden  zu  gehen. 
Ich  fragte  nach  dem  Manager,  Mr.  Turley.  Einer  der 
Verkäufer  sagte,  er  sei  hinten  in  seinem  Büro. 

„Hallo,  Joshua",  begrüßte  Mr.  Turley  mich,  als  ich  in 
sein  Büro  kam.  „Was  kann  ich  für  dich  tun?" 

Ich  legte  den  Football  mitten  auf  seinen  Schreibtisch 
und  starrte  ihn  an.  „Dieser  Ball  ist  aus  Ihrem  Laden 
gestohlen  worden",  sagte  ich  leise.  „Ich  habe  ihn  aber 
nicht  gestohlen",  fügte  ich  rasch  hinzu.  Dann  erzählte 
ich  ihm  die  ganze  Geschichte. 


„Es  ist  also  nicht  mein  Ball",  schloß  ich.  „Sie  wollen 
ihn  ja  vielleicht  auch  nicht  zurückhaben,  weil  er 
gebraucht  ist  und  ich  außerdem  mit  einem  schwarzen 
Marker  meinen  Namen  draufgeschrieben  habe." 

Mr.  Turley  lehnte  sich  in  seinem  Stuhl  zurück  und 
legte  die  Hände  hinter  den  Kopf.  Er  dachte  lange  nach, 
ohne  etwas  zu  sagen.  Schließlich  lehnte  er  sich  wieder 
nach  vorn  und  nahm  den  Ball  vom  Schreibtisch  und 
rollte  ihn  in  der  Hand  hin  und  her.  „Joshua,  als  erstes 
will  ich  dir  dies  sagen:  Ich  freue  mich,  daß  du  den  Mut 
hattest,  herzukommen.  Das  war  sicher  nicht  einfach." 
Ich  schüttelte  den  Kopf,  ohne  ihn  anzusehen.  „Es  ist 
nicht  immer  einfach,  völlig  ehrlich  zu  sein.  In  diesem 
Fall  hat  es  dich  5  Dollar  gekostet.  Und  du  hattest  den 
Ball  nicht  einmal  gestohlen.  Aber  Ehrlichkeit  ist  wich- 
tiger als  dieser  Football  oder  das  Geld,  das  du  dafür 
ausgegeben  hast." 

Mr.  Turley  lächelte  mich  an.  „Ich  will  versuchen,  es 
dir  diesmal  etwas  leichter  zu  machen,  ehrlich  zu  sein. 
Ich  habe  hier  Arbeit  für  dich,  mit  der  du  den  Ball  abbe- 
zahlen könntest." 

„Sie  meinen,  ich  kann  ihn  behalten?" 

Mr.  Turley  lächelte.  „Komm  morgen  früh  her." 
Grinsend  drehte  ich  mich  um  und  ging  zur  Tür.  Die 
schrecklichen  Schuldgefühle  waren  verschwunden. 
„He,  Joshua",  rief  Mr.  Turley  mir  noch  zu.  Ich  drehte 
mich  wieder  um.  Er  lachte  und  warf  mir  den  Ball  zu. 
„Nimm  ihn  lieber  mit,  ehe  jemand  anders  damit 
verschwindet!"  D 


KINDERSTERN 

12 


DAS  MACHT  SPASS 


Krabbelsack  mit 
Geschichten  aus  dem 
Alten  Testament 

Vivian  Paulsen  und  Corliss  Clayton 

Um  dieses  Spiel  mit  Geschichten  aus  der  Bibel 
spielen  zu  können,  mußt  du  diese  Seite  aus  dem 
Kinderstern  heraustrennen.  Kleb  die  Bilderkarten  auf 
dünne  Pappe,  schneide  sie  aus,  und  leg  sie  in  eine 
kleine,  feste  Tüte.  Der  erste  Spieler  zieht  eine  Karte 
aus  der  Tüte  und  erzählt  die  Geschichte  aus  dem 
Alten  Testament,  an  den  die  Karte  ihn  erinnert.  Es 
gibt  keine  falschen  Antworten,  aber  der  Spieler  muß 
die  Geschichte  erzählen,  an  die  die  Karte  ihn  erinnert. 
Eine  Karte  vom  Meer  kann  einen  Mitspieler  beispiels- 
weise an  die  Teilung  des  Roten  Meeres,  an  Noach  und 
die  Arche  oder  an  die  Schöpfung  erinnern.  Wenn  dem 
Mitspieler  nichts  einfällt,  können  die  anderen  ihm 
helfen.  Spielt  so  lange,  bis  zu  jeder  Karte  wenigstens 
eine  Geschichte  erzählt  worden  ist.  D 


ö  ö  4       d 


REGENBOGEN 


OKTOBER 

13 


9  9  8 


FREUNDE  IN  ALLER  WELT 


Arietana  aus 
Kiribati 


Joyce  Findlay 

FOTOS  VON  DER  AUTORIN 


Das  Leben  kann  sehr  einfach 
sein,  wenn  man  auf  einer 
winzigen  Insel  mitten  im 
Pazifischen  Ozean  lebt.  Der  zehnjährige 
Arietana  lebt  auf  der  Insel  Buota  in 
dem  Staat  Kiribati  (ausgesprochen: 
Kiribas)  in  einem  Haus,  das  aus 
Kokospalmen  gebaut  ist.  Arietana  liebt 
seine  Inselheimat;  er  kann  zu  Fuß  zur 
Kirche  und  zur  Schule  gehen,  und  er 
kennt  jeden  in  dem  kleinen  Dorf. 

Er  und  seine  Freunde  basteln  sich  gern  ihr  Spielzeug 
selbst.  Arietana  und  sein  Bruder,  der  neunjährige 
Ienratu,  machen  sich  aus  Dosen  und  Holzstücken 
Autos  und  Boote.  Sie  machen  sich  aus  den  Blättern  der 
Kokospalme  Spielzeug,  das  Geräusche  macht  und  pfeift. 
Manchmal  bastelt  Arietana  für  seine  vierjährige 
Schwester  Tiareni  Windmühlen,  mit  denen  sie  umher- 
laufen und  spielen  kann. 

Arietanas  Vater,  Beniera,  ist  es  sehr  wichtig,  daß 
seine  Kinder  das  Evangelium  lernen,  damit  sie  starke 
Mitglieder  der  Kirche  sein  können.  Sie  haben  jeden 
Morgen  und  jeden  Abend  bei  sich  zu  Hause  eine  kurze 
Familienandacht.  Außerdem  freuen  sie  sich,  wenn  sie 
sonntags  zur  Kirche  gehen  können.  Sie  sind  Mitglieder 
des  Zweigs  Rawannawi  und  kommen  häufig  als  erste 


KIND 


zur  Kirche.  Arietanas  Mutter, 
Katangiman,  ist  die  FHV-Leiterin, 
deshalb  paßt  Arietana  oft  auf  seine 
Schwestern  Tiareni  und  Nei  Mwa  auf,  während  sie 
ihren  Aufgaben  nachgeht. 

Arietana  erzählt  gern  von  dem  besonderen 
Gemeindehaus  des  Zweiges.  „Unser  Gemeindehaus  ist 
ein  maneaba  -  es  ist  aus  Kokospalmen  gebaut.  An  den 
Seiten  ist  es  offen,  und  es  hat  ein  strohgedecktes  Dach. 
Jeder  sitzt  auf  geflochtenen  Matten  auf  dem  Fußboden", 
erklärt  er.  Nach  der  Abendmahls  Versammlung  treffen 
sich  die  Kinder  in  einer  kleinen  Hütte  neben  dem 
maneaba. 

„Ich  gehe  gern  in  die  PV",  sagt  Arietana.  „Wir 
singen,  und  wir  lernen  Geschichten  aus  den  heiligen 
Schriften."  Seine  Lieblingsperson  im  Buch  Mormon  ist 
Nephi.  Er  mag  die  Geschichte  davon,  wie  Nephis  Bogen 
kaputtging  und  er  sich  einen  neuen  machen  mußte, 

ERSTERN 

14 


damit  seine  Familie  etwas  zu  essen  hatte.  Er  und  die 
übrigen  Kinder  in  der  PV  lernen  das  Lied  „Ich  bin  ein 
Kind  von  Gott"  auf  englisch. 

Kiribati  ist  ein  Land  mit  vielen  kleinen  Inseln  und  viel 
Meer.  Buota  ist  Teil  des  Tarawa- Atolls.  Der  Pazifische 
Ozean  befindet  sich  auf  der  einen  Seite  der  Insel,  und 
auf  der  anderen  Seite  ist  eine  große  Lagune.  Ein  Atoll  ist 
eine  Kette  kleiner  Inseln,  die  so  nah  beieinander  liegen, 
daß  sie  einen  Kreis  oder  Halbkreis  bilden.  In  dem  Kreis 
liegt  eine  Lagune;  außerhalb  des  Kreises  befindet  sich  der 
Ozean.  Die  meisten  Inseln  in  dem  Atoll  sind  lang  und 
schmal,  deshalb  kann  man  auf  der  Insel  stehen  und 
sowohl  den  Ozean  als  auch  die  Lagune  sehen.  Da  die 
Inseln  so  nah  beieinander  liegen,  gibt  es  zwischen  ihnen 
manchmal  Brücken  oder  Deiche.  Die  Insel  Buota  hat  an 
einem  Ende  eine  Brücke,  die  sie  mit  der  Insel  im  Süden 
verbindet,  aber  zur  nächsten  Insel  im  Norden  muß  man 
durch  das  Wasser  waten  oder  mit  dem  Kanu  fahren. 


Arietana  lebt  nah  am  Äquator,  deshalb  ist  es  jeden 
Tag  heiß,  und  der  Ozean  ist  sehr  warm.  Die  Kinder 
verbringen  viel  Zeit  im  Wasser;  sie  schwimmen  und 
fischen,  oder  sie  spielen  einfach.  Arietana  fischt  gern, 
und  er  gräbt  gern  im  Sand  nach  Muscheln.  „Einmal 
habe  ich  genug  Fische  für  unser  Abendessen  gefangen", 
erzählt  er.  „Mein  Vater  war  sehr  überrascht,  daß  ich  so 
viele  gefangen  hatte.  Wenn  ich  fischen  gehen  will, 
suche  ich  mir  einen  kleinen  Einsiedlerkrebs  als  Köder; 
dann  werfe  ich  von  der  Brücke  die  Angel  aus  und 
warte,  bis  die  Fische  anbeißen." 

Arietana  gehört  zu  einer  Tanzgruppe,  die  die  tradi- 
tionellen Volkstänze  von  Kiribati  lernt.  Die  Jungen  und 
Mädchen  in  seinem  Land  sind  noch  sehr  jung,  wenn  sie 
anfangen,  die  wunderschönen  Sitz-  und  Stehtänze  zu 
lernen,  die  zu  ihrem  Leben  gehören.  In  vielen  der 
Tänze  bewegen  sie  die  Arme  anmutig  auf  eine  Weise, 
die  an  fliegende  Vögel  erinnert.  Wenn  Arietanas 
Tanzgruppe  auftritt,  tanzen  einige  der  Kinder,  während 
die  anderen  singen  oder  auf  einer  großen  Holzkiste  den 
Rhythmus  trommeln. 


Unten:  Arietana  und  seine 
Familie  vor  ihrem  Haus,  das  aus 
einheimischen  Kokospalmen 
gebaut  ist.  Mitte:  Arietana  fischt 
gern.  Rechts:  Arietana  am  Kanu 
seiner  Familie,  das  für 
Transportzwecke  und  zum 
Fischen  benutzt  wird. 


Die  Matte,  die  Arietana  und  die  anderen  Jungen 
beim  Tanzen  als  Kostüm  tragen,  heißt  Te  Burebure. 
Arietanas  Mutter  hat  seine  Tanzmatte  und  seinen 
Armschmuck  selbst  gemacht.  Er  tanzt  gern,  vor  allem 
wenn  seine  Gruppe  vor  den  Eltern  auftritt  oder  wenn 
sie  zu  besonderen  Anlässen  wie  einer  Geburtstagsfeier 
oder  einem  Feiertag  das  Dorf  vertritt. 

Arietanas  Mutter  sagt,  er  könne  gut  arbeiten  und 
helfe  bereitwillig  im  Haushalt  mit.  Sie  erklärt:  „Jeden 
Morgen  fegt  er  die  Blätter  im  Hof  zusammen,  und 
abends  holt  er  die  Moskitonetze  herunter  und  legt  die 
Schlafmatten  zurecht."  Arietana  fügt  hinzu,  daß  er  auch 
gerne  kocht.  „Ich  helfe  gern  beim  Zubereiten  der 
Mahlzeiten  mit;  manchmal  läßt  meine  Mutter  mich 
unser  Trinkwasser  abkochen  oder  den  Reis  für  das 
Abendessen  kochen."  Er  erklärt  weiter:  „Am  liebsten 
mag  ich  Fisch,  Brotfrucht  und  Reis." 

Jeden  Morgen  machen  Arietana  und  Ienratu  vor 
der  Schule  Lauftraining.  Arietana  läuft  gern;  er 
möchte  wie  sein  Vater  ringen  lernen,  der  Vater  war 
schon  zweimal  Landesmeister  im  Ringen.  Manchmal 
macht  die  Familie  einen  Ausflug  zum  Flughafen,  wo 
Arietanas  Vater  als  Sicherheitsbeamter  tätig  ist. 

Wie  bei  vielen  Familien  in  Kiribati  wohnen 
Arietanas  Verwandte  nah  beieinander;  seine  Tanten 
und  Onkel  und  seine  Großmutter  wohnen  ganz  in 
der  Nähe.  Aufgrund  dieser  Nähe  haben  Arietana  und 
die  übrigen  Kinder  viele  Vettern  und  Kusinen,  mit 


denen  sie  spielen  können.  Die  Verwandten  können 
einander  auch  leicht  helfen.  Die  Menschen  in 
Kiribati  finden  es  sehr  wichtig,  allen  Verwandten  zu 

helfen. 

Eins  der  aufregendsten  Erlebnisse  in  Arietanas 
Leben  war  der  Besuch  von  Eider  L.  Tom  Perry.  Er 
weihte  Kiribati  für  die  Missionsarbeit  und  gründete 
dort  den  ersten  Pfahl.  Arietanas  ganze  Familie  fuhr 
nach  Eita,  um  dabei  zu  sein.  Sie  waren  begeistert,  weil 
sie  einen  Apostel  des  Herrn  sehen  und  hören 
konnten.  Sogar  der  Präsident  von  Kiribati  kam,  um 
Eider  Perry  sprechen  zu  hören! 

Arietana  spricht  eine  Sprache,  die  l-Kiribati  genannt 
wird,  und  wie  alle  übrigen  Bewohner  seiner  Insel  hat  er 
nur  einen  Namen.  Wenn  er  für  offizielle  Zwecke  einen 
zweiten  braucht,  hängt  er  seinem  Namen  den  Namen 
seines  Vaters  an.  Arietanas  Vater  heißt  Beniera,  also 
würde  sein  vollständiger  Name  Arietana  Beniera 
lauten.  Aber  sein  Großvater  heißt  Koneteti,  deshalb 
heißt  sein  Vater  Beniera  Koneteti. 

Arietana  wurde  von  seinem  Vater  im  Ozean  getauft. 
Er  sagt,  er  sei  sehr  glücklich,  ein  Mitglied  der  Kirche  zu 
sein.  Auf  die  Frage,  was  er  machen  will,  wenn  er  groß 
ist,  antwortet  er:  „Ich  möchte  auf  Mission  gehen  wie 
mein  Vater  und  Fischer  sein." 

Wenn  sein  Zeugnis  weiterhin  wächst,  werden  seine 
Netze  sicher  immer  voll  sein.  D 


sA 


VN 


Man  muß  schon  rennen,  um 
mit  Tiareni,  Ienratu  und 
Arietana  Schritt  zu  halten. 
Ihre  Begeisterung  für  das 
Leben  ist  so  groß  wie  ihre 
Liebe  zum  Evangelium. 


KINDERSTERN 

16 


BESUCHSLEHRBOTSCHAFT 


DIE  CELESTIALE  EHE 


r 


Präsident  Brigham  Young  hat 
über  die  celestiale  Ehe  gesagt: 
„Sie  bildet  die  Grundlage  für 
die  Welten,  . . .  dafür,  daß  die  intelli- 
genten Wesen  mit  Herrlichkeit,  mit 
Unsterblichkeit  und  mit  ewigen 
Leben  gekrönt  werden.  Tatsächlich  ist 
sie  der  Faden,  der  sich  von  Anfang  bis 
Ende  durch  das  heilige  Evangelium 
von  der  Errettung  . . .  hindurchzieht." 
(Lehren  der  Präsidenten  der  Kirche: 
Brigham  Young  [1997],  163.)  Das  ist 
deshalb  so,  weil  es  uns  darauf  vorbe- 
reitet, den  höchsten  Grad  der 
Herrlichkeit  im  celestialen  Reich  zu 
erlangen,  wenn  wir  den  neuen  und 
immerwährenden  Bund  der  Ehe 
annehmen  und  einhalten  (siehe 
LuB  131:1-3). 

SO  LEBEN,  DASS  WIR  EINER  EWIGEN 
EHE  WÜRDIG  SIND 

Eine  celestiale  Ehe  beginnt  damit, 
daß  man  im  Tempel  heiratet.  Leider 
kann  nicht  jeder,  der  sich  eine 
Tempelehe  wünscht,  diese  Segnung 
sofort  erhalten.  Präsident  Gordon  B. 
Hinckley  hat  allerdings  einmal  gesagt: 
„Ich  bin  sicher,  daß  gemäß  dem  Plan 
unseres  liebenden  Vaters  und  des 
göttlichen  Erlösers  niemandem  eine 
Segnung,  derer  er  würdig  ist,  für 
immer  verwehrt  bleiben  wird."  (Der 
Stern,  Januar  1992,  92.) 

Der  Herr  weiß  um  unsere 
Würdigkeit  und  um  die  Wünsche 
unseres  Herzens,  und  er  segnet  uns 
für  unsere  Glaubenstreue. 

Andererseits  müssen  diejenigen, 
die  die  Möglichkeit  haben,  im  Tempel 
zu  heiraten,  ihre  Tempelbündnisse 
einhalten,  um  das,  was  ihnen  dort 
verheißen  wurde,  auch  zu  erlangen. 
Eider    Bruce    R.    McConkie    vom 


Kollegium  der  Zwölf  Apostel  hat 
erklärt:  „Die  celestiale  oder  ewige  Ehe 
ist  das  Tor  zur  Erhöhung.  Um  .  .  . 
ewiges  Leben  zu  erlangen,  müssen 
ein  Mann  [und  eine  Frau]  in 
diese  Ordnung  der  Ehe  eintreten  und 
alle  Bündnisse  und  Verpflichtungen, 
die  damit  einhergehen,  einhalten." 
(Doctrinal  New  Testament  Commentary, 
3  Bände  [1966-73],  1:547.) 

EIN  EWIGER  BUND  MIT  ZEITLICHEN 
SEGNUNGEN 

Die  Tempelehe  ist  zwar  mit 
Verheißungen  für  die  Ewigkeit 
verbunden,  aber  Mann  und  Frau 
brauchen  nicht  auf  die  Ewigkeit  zu 
warten,  um  die  Segnungen  einer 
celestialen  Ehe  zu  erlangen.  Es  sind 
auch  viele  zeitliche  Segnungen  damit 
verbunden,  wenn  man  sich  auf  die 
Eheschließung  im  Tempel  vorbereitet 
und  sie  vollzieht.  Vor  etwa  acht 
Jahren  verlor  Lee  Hing  Chung  aus 
Hongkong  bei  einem  Arbeitsunfall 
einen  Arm.  Dadurch  verlor  er  auch 
seine  Arbeit;  er  wurde  krank  und  war 
deprimiert.  Aber  heute  ist  sein  Herz 
von  Glauben  erfüllt,  wenn  er  daran 
denkt,  wie  er  im  Tempel  an  seine 
Frau  Kumviengkumpoonsup  und  ihre 
Kinder  gesiegelt  wurde. 

„Ehe  wir  uns  der  Kirche   ange- 
schlossen      haben,       war       mein 
Hauptanliegen,  Geld  zu  verdienen", 
erzählt  er.  „Heute  habe  ich  andere 
Prioritäten. . . .  Wenn  ich  am  Sonntag 
mit  meiner  Familie  zur  Kirche  gehe, 
bin  ich  so  dankbar  dafür,  daß  wir 
zusammen   sind   und   für   immer 
Zusammensein  können.  .  .  . 
Der  Tempel  erinnert  mich 
daran,  gut  zu  sein,  diszi- 
pliniert zu  sein,  würdig 


zu  sein."  (Zitiert  in  Kellene  Ricks 
Adams,  „Hongkong:  Ein  Traum  wurde 
wahr",  Der  Stern,  März  1997,  38.) 

Gewiß  ist  eine  starke  Ehe  auch 
möglich,  ohne  daß  die  Bündnisse 
des  Tempels  den  Mann  und  die 
Frau  in  ihrer  Verpflichtung  fürein- 
ander zusammenhalten.  Aber  die 
Tempelehe  eröffnet  den  Blick  auf 
die  Ewigkeit  und  mehr  göttlichen 
Beistand  als  eine  standesamtlich 
geschlossene  Ehe.  Eider  Bruce  C. 
Hafen  von  den  Siebzigern  nennt  die 
Tempelehe  einen  Ehebund  und  sagt: 
„Wenn  die  Partner  eines  Ehebundes 
in  Schwierigkeiten  geraten,  arbeiten 
sie  gemeinsam  daran.  Sie  heiraten, 
um  zu  geben  und  zu  wachsen,  sie 
sind  durch  einen  Bund  miteinander, 
mit  dem  Gemeinwesen  und  mit  Gott 
verbunden."  („Die  Ehe  als  Bund", 
Der  Stem,  Januar  1997,  25.) 

•  Was  müssen  wir  tun,  um  des  höch- 
sten Grades  der  celestialen  Herrlichkeit 
würdig  zu  sein? 

•  Inwiefern  schützt  der  Ehebund  uns 
in  der  heutigen  Welt?  D 


\\#r'    "-'• 


V 


DU  SOLLST 


NICHT  STEHLEN 


(.(. 


Richard  D.  Draper 


Das  achte  Gebot  verbietet 
alle  Formen  des  Diebstahls. 
Das  Gesetz  des  Herrn  lehrt 
uns  die  positive  Seite  dieses 
Gebots:  Achtung  vor  den 
Rechten,  dem  Eigentum  und 
den  Bedürfnissen  anderer. 


Als  mein  Kollege  das  zerbrochene  Fenster 
seines  Autos  sah,  wurde  ihm  übel.  Das  Gefühl 
rührte  nicht  bloß  daher,  daß  er  wußte,  daß  er 
eine  neue  Fensterscheibe  brauchte,  sondern 
eher  daher,  daß  das  Ergebnis  jahrelanger  Arbeit  vielleicht 
verloren  war.  Einen  Augenblick  später  hatte  seine 
Befürchtung  sich  bewahrheitet;  jemand  hatte  seinen 
Aktenkoffer  gestohlen. 

Er  war  Professor  und  sollte  in  einer  großen  Stadt  einen 
Vortrag  halten.  Er  war  später  als  erwartet  dort  ange- 
kommen und  hatte  in  einer  kleinen  Seitenstraße  in 
einiger  Entfernung  von  dem  Vorlesungsgebäude  geparkt. 
Um  seinen  vollgestopften  Aktenkoffer  nicht  mitnehmen 
zu  müssen,  hatte  er  nur  die  Vorlesungsnotizen  mitge- 
nommen und  den  schäbigen  Aktenkoffer  auf  dem 
Autositz  zurückgelassen.  Er  sah  so  abgenutzt  aus  und 
enthielt  nichts,  was  materiellen  Wert  hatte,  deshalb 
hatte  der  Professor  sich  sicher  gefühlt.  Leider  hatte  er 
sich  geirrt. 

Gott  gewährte  seinen  Kindern  die  Freiheit,  die  Frucht 
ihrer  Arbeit  zu  schaffen  und  zu  genießen.  Adam 
lernte,  „sein  Brot  im  Schweiße  seiner  Stirn  zu  essen", 
nicht  im  Schweiße  eines  anderen,  „und  auch  Eva, 
seine  Frau,  arbeitete  mit  ihm". 


Es  ging  mir  zu  Herzen,  als  er  mir 
später  von  seiner  Enttäuschung  und 
seinem  Kummer  angesichts  des  Verlusts 
erzählte.  Der  alte  Aktenkoffer  hatte  die 
Ergebnisse  von  Hunderten  von  zurück- 
gelegten Kilometern,  der  Arbeit  von 
mehreren  tausend  Dollar  an  Stipendien, 
das  Ergebnis  von  monatelanger  Forschungsarbeit, 
Analyse,  Nachsinnen  und  Schreiben  enthalten.  Das 
Papier  in  dem  Aktenkoffer  hatte  für  niemanden  sonst 
irgendeinen  materiellen  Wert  gehabt.  Aber  was  der  Dieb 
wahrscheinlich  empört  weggeworfen  hatte,  war  ein 
wertvoller  Teil  des  Lebens  eines  anderen  Menschen 
gewesen. 

Das  ist  bei  einem  Diebstahl  häufig  so  -  es  wird  mehr 
gestohlen  als  materielle  Güter.  Wenn  jemand  das  achte 
Gebot  übertritt,  verlieren  die  Opfer  nicht  nur  ihren 
inneren  Frieden,  sondern  auch  etwas  an  Eigentum,  das 
einen  Teil  ihres  Lebens  darstellt. 

DIE  BEDEUTUNG  DES  ACHTEN  GEBOTS 

Der  Auftrag  Gottes  an  Israel  in  diesem  Gebot  ist  im 
Hebräischen  direkt  und  eindrucksvoll:  lo  tignov,  „du  sollst 
nicht  stehlen".  Tignov  stammt  aus  der  Wurzel  ganav,  was 
soviel  wie  „ein  Dieb  sein"  oder  „stehlen"  bedeutet.  Dieses 
Wort  impliziert  auch  Betrug  und  Heimlichkeit.  Im  grie- 
chischen Text  des  Alten  Testaments  ist  das  Hebräische 
mit  dem  Wort  klepto  wiedergegeben.  Klepto  bedeutet,  wie 
das  hebräische  ganav,  daß  jemand  heimlich  und  gerissen 
etwas  an  sich  nimmt,  das  von  Rechts  wegen  einem 
anderen  gehört.  Veruntreuung  und  widerrechtliche 
Aneignung  sind  gute  Beispiele  für  diese  Form  von 
Diebstahl.  Begriffe  wie  täuschen  und  betrügen  gehören  zur 
Vorgehensweise  eines  Diebs. 


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Aber  was  ist,  wenn  jemand  etwas  mit  Gewalt  an 
sich  nimmt?  Eng  verwandt  mit  dem  hebräischen  ganav 
ist  das  Wort  gasal,  „rauben".  Es  trägt  die  Bedeutung 
Konfrontation,  Gewalt  oder  Androhung  von  Schaden  in 
sich.  Gott  hat  geboten:  „Du  sollst  deinen  Nächsten  nicht 
ausbeuten  und  ihn  nicht  um  das  Seine  bringen." 
(Levitikus  19:13.)  Für  den  Herrn  schließt  Stehlen  das 
Ausbeuten,  Plündern,  Berauben  und  andere  Formen  der 
widerrechtlichen  Aneignung  ein. 

Die  Bibel  legt  Nachdruck  darauf,  daß  das  Stehlen  zur 
selben  Art  von  Sünde  gehört  wie  Mord,  Ehebruch  und 
Meineid.  Alle  diese  stehen  in  direktem  Zusammenhang, 
und  der  Diebstahl  ist  etwas,  was  sie  alle  miteinander 
gemein  haben;  wer  mordet,  nimmt  einem  anderen  auf 
unrechtmäßige  Weise  das  Leben,  Ehebruch  nimmt  dem 
anderen  die  Tugend,  und  ein  Meineid  nimmt  ihm  den 
guten  Ruf  oder  etwas  von  seinem  Besitz. 

Der  Satz  „du  sollst  nicht  stehlen"  (Exodus  20:15) 
schließt  keinen  bestimmten  Gegenstand  ein.  Das  Verbot 
ist  umfassend  und  bedingungslos:  Du  sollst  überhaupt 
nichts  stehlen.  In  einer  Zeit,  in  der  die  Sklavenhaltung 
allgemein  üblich  war,  legte  der  Herr  mit  diesem  Gesetz 
nicht  nur  den  Schutz  des  Eigentums  fest,  sondern  er 
schützte  auch  die  Menschen  davor,  unrechtmäßig  festge- 
halten zu  werden  (siehe  Exodus  2L16).1 

Da  das  Gebot  so  umfassend  ist,  bedeutet  es  auch,  daß 
man  einen  anderen  nicht  fahrlässig  berauben  darf.  In  der 
Tat  lehrt  die  Bibel,  daß  man  sich  auch  durch 
Fahrlässigkeit  an  einem  Verbrechen  mitschuldig  macht. 
Der  wahre  Jünger  Christi  muß  selbst  einem  Fremden  ein 
guter  Mitmensch  sein  (siehe  Deuteronomium  22:1-4) 
und  muß  einem  Mitmenschen,  der  in  Not  ist,  auch  dann 
helfen,  wenn  dies  schwierig  ist  (siehe  Sprichwörter 
24:10-12).  Ein  Gelehrter,  der  diese  drei  Verse  in  den 
Sprichwörtern  besprach,  meinte:  „Der  bezahlte  Knecht, 
nicht  der  wahre  Hirt,  macht  schlechte  Bedingungen 
[Vers  10],  hoffnungslose  Aufgaben  [Vers  11]  und 
verzeihliche  Unwissenheit  [Vers  12]  geltend;  die  Liebe 
läßt  sich  nicht  so  leicht  mundtot  machen  -  auch  der 
Gott  der  Liebe  nicht."2  In  einer  Erörterung  dessen,  was 
Unterlassungssünden  sind,  meinte  Eider  Spencer  W. 
Kimball,  der  damals  noch  dem  Kollegium  der  Zwölf 
Apostel  angehörte:  „Nicht  nur  sollen  wir  nicht  stehlen, 
sondern  wir  sollen  das  Eigentum  des  anderen 
schützen."3 


DREI  WICHTIGE  GRUNDSÄTZE 

Die  genaue  Betrachtung  des  achten  Gebots  führt  uns 
zu  drei  Grundsätzen,  die  uns  klarmachen,  warum  das 
Stehlen  sowohl  eine  Sünde  als  auch  ein  Verbrechen  ist. 

Erstens  legt  das  Gebot  das  Recht  auf  Privatbesitz  fest, 
womit  es  eine  nötige  Lebensverantwortung  schützt. 
Präsident  Ezra  Taft  Benson  hat  erklärt:  „Es  kann  keine 
Freiheit  geben,  solange  man  nicht  in  seinem  Recht  auf 
Besitz  gesetzlich  geschützt  ist  und  das  Gesetz  einen  vor 
dem  Verlust  oder  die  Vernichtung  des  Eigentums  schützt. 
Wenn  man  dieses  Recht  wegnimmt,  ist  der  Mensch  zum 
Sklaven  degradiert.  Der  frühere  Richter  am  obersten 
Gericht  der  USA,  George  Sutherland,  hat  das 
folgendermaßen  zum  Ausdruck  gebracht:  ,Wenn  man 
jemandem  die  Freiheit  schenkt,  ihm  aber  sein  Eigentum 
nimmt,  das  die  Frucht  und  das  äußere  Zeichen  seiner 
Freiheit  ist,  bleibt  er  immer  noch  ein  Sklave.'"4 

Gott  hat  seine  Kinder  auf  einen  Thron  gesetzt,  als  er 
ihnen  durch  Adam  die  Herrschaft  über  die  Erde  über- 
trug. Dabei  gewährte  er  ihnen  die  Freiheit,  die  Frucht 

Zu  Noachs  Zeit  erfüllten  geheime  Verbindungen  - 
mittels  derer  diejenigen,  die  im  Finstern  wirkten, 
durch  Mord  und  Diebstahl  Gewinn  erlangen  wollten  - 
die  Erde  mit  Gewalttätigkeit.  Deshalb  sandte  der  Herr 
die  Flut  und  tilgte  die  Schlechten  aus. 


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ihrer  Arbeit  zu  schaffen  und  zu  genießen. 
Adam  lernte,  „sein  Brot  im  Schweiße  seiner 
Stirn  zu  essen",  nicht  im  Schweiße  eines 
anderen,  „und  auch  Eva,  seine  Frau,  arbei- 
tete mit  ihm"  (Mose  5:1;  Hervorhebung 
hinzugefügt) . 

Zweitens  zeigt  uns  das  achte  Gebot, 
daß  Gott  -  und  nicht  die  Menschen  oder 
der  Staat  -  die  Quelle  des  Rechts  auf 
Privatbesitz  ist.  Alle  Gebote  haben  in  ihm 
ihren  Ursprung.  Er  legt,  als  der  souveräne  Herr,  der 
Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde,  die  Gesetze  fest,  die 
sein  Reich  regieren  (siehe  LuB  88:34-42).  Die  Erde 
gehört  ihm,  und  er  hat  beschlossen,  daß  die  Menschen 
daran  Anteil  haben.  Allerdings  muß  jeder  sich  dabei  an 
seine  göttlichen  Gesetze  halten. 

Drittens  handelt  jeder,  der  stiehlt,  gegen  Gott.  Da 
alles  göttliche  Gesetz  in  ihm  seinen  Ursprung  hat,  ist  eine 
Übertretung  dieses  Gesetzes  gegen  ihn  gerichtet.  Wenn 
man  also  irgendwelche  irdischen  Gesetze  übertritt,  die 
auf  seinen  Geboten  beruhen  -  Gesetze,  in  denen  es  um 
den  einzelnen  und  die  Familie,  um  Eigentum,  Kapital, 
Arbeit,  Staat  oder  Kirche  geht  -  wendet  man  sich  gegen 
unseren  Vater.  König  David  war  dies  bewußt,  und  er 
sagte,  unter  Bezug  darauf,  daß  er  die  Frau  eines  anderen 
gestohlen  und  diesen  anderen  hatte  umkommen  lassen: 
„Gegen  dich  allein  habe  ich  gesündigt,  ich  habe  getan, 
was  dir  mißfällt."  (Psalm  51:6.)5 

Das  Stehlen  ist  eine  Sünde  gegen  unseren  himmli- 
schen Vater,  auch  wenn  es  der  Not  und  der  Armut 
entspringt.  Die  Tat  entehrt  Gott  (siehe  Sprichwörter 
30:9).  Im  Gegensatz  dazu  beweist  ein  ehrlicher  Mensch, 
der  sich  auch  unter  sehr  schwierigen  Bedingungen 
dafür  entscheidet,  nicht  zu  stehlen,  daß  er  Gott 
vertraut.  Er  ist  sich  seines  Bundes  mit  dem  Herrn 
bewußt  und  hält  sich  daran. 

Ein  Student  hat  mir  einmal  etwas  erzählt,  das  diesen 
Punkt  bezüglich  der  Ehrlichkeit  untermauert.  In  seiner 
Jugend  war  sein  Vater  mit  seinem  Geschäft  bankrott 
gegangen.  Der  Vater  arbeitete  hart  und  eröffnete  ein 
neues  Geschäft,  das  verheißungsvoll  aussah,  der  Familie 
aber  zunächst  nur  ein  mageres  Einkommen  bescherte. 
Die  Mutter  des  Studenten  war  auch  arbeiten  gegangen. 
Das  bekümmerte  die  Familie,  vor  allem  den  Vater,  aber  er 
versprach,  daß  es  nur  für  kurze  Zeit  sein  sollte.  Innerhalb 


eines  Jahres  hatte  sich  die  Geschäftslage 
so  gebessert,  daß  die  Mutter  aufhören 
konnte,  zu  arbeiten.  Später  ging  es  der 
Familie  recht  gut. 

Als  nun  mein  Student,  der  im 
Hauptfach  Betriebswirtschaft  studierte, 
anfing,  für  seinen  Vater  zu  arbeiten, 
erfuhr  er,  daß  seine  Eltern  alle 
Schulden  aus  dem  früheren  Konkurs 
bezahlt  hatten,  obwohl  sie  dem  Gesetz 
gemäß  erlassen  worden  waren.  Sein  Vater  hatte  ange- 
fangen, sie  abzuzahlen,  sobald  er  das  neue  Geschäft  in 
Angriff  genommen  hatte.  Das  war  auch  mit  der  Grund 
dafür  gewesen,  daß  seine  Mutter  arbeiten  gegangen  war. 
Als  mein  junger  Freund  in  Frage  stellte,  ob  es  klug  war, 
Schulden  abzuzahlen,  die  von  Rechts  wegen  erlassen 
worden  waren,  erklärte  sein  Vater  ihm,  es  sei  ihm  zwar 
klar,  daß  viele  ehrliche  Menschen  ihre  Schulden, 
die  ihnen  von  Rechts  wegen  erlassen  wurden,  nicht 
bezahlen  können,  daß  er  aber  der  Meinung  war,  daß  er 
seine  Schulden  über  einen  langen  Zeitraum  hinweg 
bezahlen  konnte.  Seine  Sorge  über  seine  unerledigten 
Verpflichtungen  zwang  ihn  und  seine  Frau,  ihre 
Verpflichtung  gegenüber  dem  Herrn  und  den 
Bündnissen,  die  sie  mit  ihm  eingegangen  waren,  erneut 
zu  überdenken.  Sie  hatten  das  Gefühl,  daß  sie  moralisch 
verpflichtet  waren,  die  Schulden  zu  bezahlen,  und  daß 
alles  andere  für  sie  dem  Diebstahl  gleichkam.  Deshalb 
hatten  sein  Vater  und  seine  Mutter  zusammengearbeitet, 
um  das  zu  bezahlen,  was  sie  ihrer  Meinung  nach  schuldig 
waren,  und  sie  und  ihre  Kinder  waren  gesegnet  worden. 

STEHLEN  UND  GEHEIME  VERBINDUNGEN 

Das  Stehlen  verletzt  ein  grundlegendes  Gesetz  des 
Himmels,  das  die  Menschen  anweist,  sich  die  Erde 
Untertan  zu  machen  und  über  die  Tiere  zu  herrschen,  und 
zwar  unter  Gott  -  das  heißt,  entsprechend  dem,  was  der 
himmlische  Vater  vorgibt.  Fast  seit  Anbeginn  der 
Geschichte  trachten  rebellische  Geister  danach,  ihren 
eigenen  Regeln  entsprechend  zu  herrschen  -  kurz,  zu 
stehlen.  Sie  wollen  die  Herrschaft  über  die  Erde  und  ihre 
Bewohner  -  sie  wollen  die  Menschen  bestehlen,  das 
Tierreich  ausrauben  und  die  Erde  plündern  -  ohne  die 
einschränkende  Hand  ihres  Schöpfers  und  Gesetzgebers. 
Das  Töten  hing  seitdem  mit  dem  zusammen,  was  Kain  als 


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sein  „großes  Geheimnis"  bezeichnete,  damit  er  morden 
und  Gewinn  erlangen  konnte  (siehe  Mose  5:31). 

Die  geheimen  Verbindungen  und  diejenigen,  die  im 
Finstern  wirken,  waren  zu  Noachs  Zeit  fast  erfolgreich. 
Die  Folge  war,  daß  die  Erde  „von  Gewalttätigkeit  erfüllt" 
war  (siehe  Mose  8:28).  „Gott  sah  sich  die  Erde  an:  Sie 
war  verdorben;  denn  alle  Wesen  aus  Fleisch  auf  der  Erde 
lebten  verdorben."  (Genesis  6:12.)  Deshalb  sandte  der 
Herr  die  Flut  und  tilgte  die  Schlechten  vom  Erdboden 
(siehe  Genesis  7:4;  Mose  8:30). 

Nach  der  Flut  dauerte  es  nicht  lange,  bis  die 
Menschen  wieder  verderbt  waren.  Sie  ließen  sich  vom 
Satan  beeinflussen  und  erfanden  Systeme,  die  ihnen 
halfen,  widerrechtlich  in  den  Bereich  Gottes  einzu- 
dringen. Durch  die  Macht  des  Teufels  nahmen  die  bösen 
Führer,  die  „nach  Macht  strebten"  und  darauf  aus  waren, 
„Macht  zu  gewinnen  und  zu  morden  und  zu  plündern", 
dem  Volk  Eide  ab,  womit  sie  es  in  Schlechtigkeit  an  sich 
banden  (siehe  Ether  8:16).  Diese  Geheimnisse  wurden 
von  einer  Generation  an  die  nächste  weitergegeben.  Im 
Buch  Mormon  steht  Gadianton  für  diesen  Vorgang.  Er 
war  „in  vielen  Worten  überaus  gewandt  .  .  .  ebenso  in 
seiner  Hinterlist,  um  das  geheime  Werk  des  Mordens  und 
des  Raubens  auszuführen"  (Helaman  2:4).  Dieses  System 
wurde  allmählich  zur  beherrschenden  Kraft  bei  den 
Nephiten  und  trug  direkt  dazu  bei,  daß  dieses  Volk 
unterging  (siehe  Helaman  2:13). 

In  diesen,  den  Letzten  Tagen  leidet  die  Welt  unter  den 
gleichen  Problemen,  und  das  wird  auch  weiterhin  so  sein. 
Zu  den  traurigen  Geschehnissen  unserer  Zeit  gehört  es,  daß 
die  Menschen  sich  auf  erschreckende  Weise  selbst 
vernichten  und  daß  sie  von  „Mord  und  Zauberei,  von 
Unzucht  und  Diebstahl"  nicht  ablassen  (siehe  Offenbarung 
9:21). 

In  der  gesamten  Geschichte  der  Menschheit  hat  der 
Herr  sich  immer  wieder  bemüht,  die  Menschen  zu 
lehren,  den  Reichtum  der  Erde  auf  gute  Weise  zu  nutzen. 
Beispielsweise  berief  er  Mose  dazu,  bei  den  Israeliten  die 
Gesetze  einer  rechtschaffenen  Gesellschaft  zu  etablieren. 
Der  Herr  wollte,  daß  sein  System  dazu  beitrug,  daß  jeder 
Mensch  sich  entfalten  konnte;  dieses  System  sichert 
jedem  Menschen  die  materiellen  Güter,  die  der  Lohn  der 
Arbeit  sind.  Aber  allzu  häufig  können  die  Menschen  das 
Verlangen,  die  materiellen  Güter,  die  andere  haben,  zu 
besitzen    oder    zu    beherrschen,    nicht    überwinden. 


DER 


Der  Prophet  Arnos  sagte  beispielsweise  über  sein  Volk: 
„Weil  sie  den  Unschuldigen  für  Geld  verkaufen  und  den 
Armen  für  ein  Paar  Sandalen.  . . ."  Ihre  Gier  war  so  groß, 
daß  sie  „die  Kleinen  in  den  Staub"  traten  (siehe  Arnos 
2:6,7).  Und  über  diejenigen,  die  dem  Vater,  der  ihnen 
doch  alles  gegeben  hat,  ihre  Opfergaben  vorenthielten, 
sagte  Maleachi  deutlich:  „Darf  der  Mensch  Gott 
betrügen?"  (Maleachi  3:8.) 

Wir  sind  heute  leider  nur  allzu  sehr  mit  denen 
vertraut,  die  so  gierig  sind,  daß  sie  sich  nicht  nur  weigern, 
mit  anderen  zu  teilen,  sondern  daß  sie  sogar  nur  zu  bereit 
sind,  anderen  alles  abzunehmen,  koste  es,  was  es  wolle. 

Wenn  wir  klug  sind,  lieben  wir  die  Menschen  und 
nutzen  die  Dinge  so,  wie  unser  Vater  es  vorgesehen  hat. 
Unmoral  herrscht  dort,  wo  wir  Dinge  lieben  und 
Menschen  benutzen.  Der  schreckliche  Gedanke,  den  der 
Satan  Kain  beibrachte,  bestand  darin,  Menschenleben  in 
Besitz  zu  nehmen  und  aus  einem  Kind  Gottes  bewegliche 
Habe  zu  machen. 

DAS  HÖHERE  GESETZ  DES  ERRETTERS 

Als  der  Erretter  kam,  etablierte  er  wieder  das  höhere 
Gesetz  seines  Reiches: 

„Du  sollst  den  Herrn,  deinen  Gott,  lieben  mit  ganzem 
Herzen,  mit  ganzer  Seele  und  mit  all  deinen  Gedanken. 

Das  ist  das  wichtigste  und  erste  Gebot. 

Ebenso  wichtig  ist  das  zweite:  Du  sollst  deinen 
Nächsten  lieben  wie  dich  selbst. 

An  diesen  beiden  Geboten  hängt  das  ganze  Gesetz 
samt  den  Propheten."  (Matthäus  22:37-40.) 

Das  Neue  Testament  fordert  die  umkehrwillligen 
Jünger  Christi  auf,  nach  seinem  Gesetz  der  Liebe  als 
neuer  Mensch  zu  leben  (siehe  Römer  6:4;  Hebräer 
10:19-24).  Dieses  Gesetz  sollte  die  Art,  wie  wir  unsere 
Pflicht  gegenüber  unseren  Menschen  und  unsere 
Fähigkeit,  ihnen  und  dem  Herrn  zu  dienen,  sehen,  ganz 
beherrschen.  So  sagt  Paulus:  „Der  Dieb  soll  nicht  mehr 
stehlen,  sondern  arbeiten  und  sich  mit  seinen  Händen 
etwas  verdienen,  damit  er  den  Notleidenden  davon 
geben  kann."  (Epheser  4:28.) 

Außerdem  sollen  das  Ablassen  von  den  Sünden  der 
Vergangenheit  und  das  Verlangen  danach,  dem  Beispiel 
des  Herrn  nachzufolgen,  uns  bewußt  machen,  daß  wir  in 
unseren  täglichen  Verpflichtungen  die  höchsten  sittlichen 
Grundsätze  brauchen.  Präsident  Spencer  W  Kimball  hat 

STERN 

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Sg|ro2V*4 


In  der  gesamten 
Geschichte  der  Menschheit 
hat  der  Herr  sich  immer 
wieder  bemüht,  die 
Menschen  zu  lehren,  den 
Reichtum  der  Erde  auf 
gute  Weise  zu  nutzen, 
wozu  auch  gehört,  daß 
jeder  sich  die  materiellen 
Güter  sichern  kann,  die 
der  Lohn  der  Arbeit  sind. 


auf  folgendes  hingewiesen:  „Ehrlichkeit  kann  gelehrt  aber 
nicht  legalisiert  werden.  ,Es  müßte  ein  Gesetz  geben', 
sagen  viele,  wenn  die  Korruption  ihr  häßliches  Haupt 
erhebt,  und  unsere  Antwort  lautet,  daß  es  Gesetze  gibt  - 
zahllose  Gesetze,  die  nicht  durchgesetzt  werden;  aber 
unsere  Antwort  lautet  außerdem,  daß  man  Gutsein  und 
Ehre  und  Ehrlichkeit  nicht  legalisieren  kann.  Es  muß  eine 
Rückkehr  hin  zum  Bewußtsein  dieser  Werte  geben."6 
Wenn  die  Menschen  diese  Werte  praktizieren,  können  die 
Macht  des  Geistes  und  die  Kraft  der  Liebe  etwas  bewirken, 
was  das  Gesetz  nicht  vermag  -  sie  können  die  Gier  und 
Begehrlichkeit,  die  zum  Stehlen  führen,  überwinden. 

DIE  WAHREN  KOSTEN 

An    einem   Frühjahrsmorgen   vor    einigen   Jahren 
pflanzten  meine  Frau  und  ich  in  einer  sonnigen  Ecke 


unseres  Grundstücks  einen  kleinen  Kirschbaum.  Wir 
freuten  uns  schon  auf  die  reiche  Ernte,  die  uns  irgend- 
wann bevorstand.  Aber  am  nächsten  Morgen  ging  meine 
Frau  kurz  nach  draußen  und  kam  mit  einem  erstaunten 
Gesichtsausdruck  zurück:  „Jemand  hat  unseren  Baum 
gestohlen!"  So  war  es,  ein  Dieb  hatte  ihn  ausgegraben 
und  uns  nur  das  Loch  zurückgelassen. 

Wir  verloren  zwar  nicht  viel  an  materiellem  Wert, 
aber  wir  verloren  all  die  Zeit,  die  wir  damit  zugebracht 
hatten,  die  Pflanzstelle  vorzubereiten  und  den  Baum  zu 
kaufen  und  einzupflanzen.  Trotzdem  ging  es  uns  im 
Vergleich  zu  anderen,  die  viel  schlimmere  Verluste 
erlitten  haben,  noch  gut.  Ich  habe  mich  schon  gefragt,  ob 
derjenige,  der  den  Baum  mitgenommen  hat,  jemals 
darüber  nachgedacht  hat,  welchen  geistigen  Preis  er 
dafür  wohl  gezahlt  hat. 

Am  Ende  wird  kein  Dieb  jemals  ungestraft  davon- 
kommen; ein  Dieb  riskiert,  seine  Seele  zu  verlieren.  Er  hat 
ein  Gebot  Gottes  übertreten  und  dabei  sich  selbst  mehr 
geschadet  als  irgendeinem  anderen.  Unser  Vater  hat  uns 
durch  seinen  Sohn  geboten:  „Ihr  sollt  also  vollkommen 
sein,  wie  es  auch  euer  himmlischer  Vater  ist."  (Matthäus 
5:48.)  Das  griechische  Wort,  das  hier  als  „vollkommen" 
wiedergegeben  ist,  schließt  unversehrt  und  vollständig 
mit  ein.  Gewiß  gehört  auch  Redlichkeit  dazu. 

Der  Vater  im  Himmel  ist  ganz;  er  ist  voll  Redlichkeit. 
Wir,  seine  Kinder,  haben  die  Möglichkeit  in  uns,  so  zu 
werden,  wie  er  ist.  Aber  alles,  was  wir  tun,  was  nicht  das 
göttliche  Wesen  in  uns  bildet,  verletzt  das,  was  wir  sind, 
unser  wahres  Ich  und  die  ewige  Verwandtschaft  mit  dem 
himmlischen  Vater.  Stehlen  hält  uns,  wie  jede  bewußte 
Übertretung  eines  seiner  Gebote,  davon  ab,  darauf 
hinzuarbeiten,  daß  wir  ganz  oder  „vollkommen"  werden. 

Ein  Dieb  wertet  sein  göttliches  Potential  ab,  genauso 
wie  die  Segnungen,  die  dem  Gehorsamen  gelten,  und 
gibt  sie  für  materiellen  Gewinn  auf.  Wenn  er  nicht 
umkehrt,  beraubt  er  sich  des  ewigen  Lebens.  D 

FUSSNOTEN 

1.  Dale  Patrick,  Old  Testament  Law  (1985),  55f. 

2.  Derek  Kidner,  in  Rousas  John  Rushdoony,  The  Institutes  of 
Biblical  Law  (1973),  465;  siehe  auch  464f. 

3.  The  Miracle  of  Forgiveness  (1969),  99. 

4.  The  Teachings  ofEzra  Taft  Benson  (1988),  608. 

5.  Siehe  The  Institutes  of  Biblical  Law,  10-13. 

6.  The  Teachings  of  Spencer  W.  Kimball,  Hg.  Edward  L.  Kimball 
(1982),  193. 


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Bulgarisch  (Liahona) 


Indonesisch 
(Liahona) 


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Schwedisch 
(Nordstern) 


Chinesisch  (Die 
Srim??ie  der  Heiligen) 


Tschechisch 
(Liahona) 


Dänisch  (Stern) 


Italienisch 
(Der  Stern) 


Japanisch  (Der 
Weg  der  Heiligen) 


1:Kiribati  (Liahona) 


— 

OD: 


1 

1 

r 


Holländisch 
(Der  Stern) 


Koreanisch  (Der 
Freund  der  Heiligen) 


*Tagalog  (Liahona) 


Thai  (Liahona) 


Tonga  (Die  Fackel) 


Ukrainisch 
(Liahona) 


M 


£  ) 


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Englisch  (Liahona) 


es 


es 


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3 


1 


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Norwegisch  (Licht 
über  Norwegen) 


1 


1 


'"'Vietnamesisch 
(Liahona) 


Einige  Fakten  über  den  Stern 

Eine  Zeitschrift  für 
die  ganze  Welt 


Marvin  K.  Gardner,  geschäftsführender  Herausgeber 


,Wir  sehen  eine  wundervolle 
Zukunft  für  die  Kirche  vorher,  auch 
wenn  wir  in  einer  sehr  unsicheren 
Welt  leben.  Wenn  wir  an  unseren 
Wertvorstellungen  festhalten,    wenn 


wir  auf  dem  Vermächtnis,  das  uns 
hinterlassen  worden  ist,  aufbauen, 
wenn  wir  in  Gehorsam  vor  dem 
Herrn  leben,  wenn  wir  einfach  nach 
dem  Evangelium  leben,  werden  wir 


FOTO  VON  PRÄSIDENT  HINCKLEY  VON  CRAIG  DIMOND 

auf  großartige  und  wundervolle  Weise 
gesegnet. 

Als  Mitglieder  der  Kirche  haben 
wir  wundervolle  Hilfsmittel,  die  uns 
helfen,  an  unseren  Wertvorstellungen 


DER 


STERN 
32 


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— 
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"Fidschi  (Liahona)  Finnish  (Das  Licht) 


Französisch 
(Do-  Stern) 


Deutsch  (Der  Stern)        Ungarisch  (Liahona)  Isländisch 

(Stern  der  Hoffnung) 


"Polnisch  (Liahona) 


Portugiesisch 
(Liahona) 


"Rumänisch 
(Liahona) 


Russisch  (Liahona) 


Samoanisch 
(Liahona) 


Spanisch  (Liahona) 


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1-J 

? 

Der  Stern  wird  in  31  Sprachen  herausgegeben.  Die  jüngste  Ausgabe  -  Cebuano 
(links),  eine  philippinische  Sprache  -  beginnt  mit  der  aktuellen  Nummer.  Das 
Sternchen  gibt  an,  daß  die  betreffende  Ausgabe  seit  1 998  besteht. 


"Cebuano  (Liahona) 


festzuhalten  und  in  Gehorsam  vor 
dem  Herrn  zu  leben.  Dazu  gehören 
auch  die  Zeitschriften,  die  die  Kirche 
herausgibt.  Durch  die  Zeitschriften  der 
Kirche  können  die  Worte  der  lebenden 
Propheten  und  Apostel  regelmäßig  zu 
uns  nach  Hause  gelangen  und  uns 
und  unsere  Familie  anleiten  und 
inspirieren. 

Wir  fordern  alle  Mitglieder  in  der 
ganzen  Welt  auf,  abonnieren  Sie  die 
Zeitschriften  der  Kirche,  und  lesen  Sie 
sie.  Wir  spornen  die  Priestertumsführer 
an:  achten  Sie  darauf,  daß  jede  Familie 
in  der  Kirche  diese  Möglichkeit  hat." 
(Die  Erste  Präsidentschaft  -  Gordon 


B.   Hinckley,    Thomas   S.    Monson, 
James  E.  Faust,  l.  April  1998.) 

EINE  WELTWEITE  ZEITSCHRIFT 

Wir  im  Büro  des  Herausgebers  am 
Hauptsitz  der  Kirche  in  Salt  Lake 
City  erhalten  häufig  Fragen  zur 
Veröffentlichung  des  Stern.  Es  folgen 
einige  Antworten  und  zusätzliche 
Informationen. 

■  In  wie  vielen  Sprachen  wird 
der  Stern  veröffentlicht?  Wir  veröf- 
fentlichen die  Zeitschrift  zur  Zeit 
in  3 1  Sprachen.  In  Zukunft  werden 
noch  weitere  Sprachen  hinzu- 
kommen. 


■  Ist  der  Inhalt  der  Zeitschrift  in 
allen  Sprachen  gleich?  Jede  Seite,  bis 
auf  den  Nachrichtenteil  in  der  Mitte, 
ist  in  allen  Sprachen  genau  gleich  - 
dieselben  Artikel,  Bilder,  Illustra- 
tionen und  Fotos.  Die  meisten 
Nachrichtenteile  enthalten  Artikel 
über  Mitglieder  der  Kirche  und 
Ereignisse  aus  dem  jeweiligen  Gebiet. 

■  Hat  die  Ausgabe  in  jeder 
Sprache  den  gleichen  Titel?  Nein, 
auch  wenn  der  Inhalt  der  gleiche 
ist.  Achtzehn  Ausgaben  tragen  den 
Titel  Liahona  -  ein  Begriff  aus  dem 
Buch  Mormon,  der  Kompaß  oder 
Wegweiser  bedeutet.  Zehn  Ausgaben 


OKTOBER 

33 


19  9  8 


haben  die  Worte  Stern  oder  Licht 
oder  Fackel  im  Titel.  Andere  sind  den 
Heiligen  als  die  „Stimme"  oder  der 
„Weg"  oder  der  „Freund"  der  Heiligen 
bekannt.  Bei  uns  in  Salt  Lake  City 
heißt  der  Stern  einfach. 

■  Ist  Der  Stern  einfach  eine  Über- 
setzung des  Ensign?  Nein.  Der  Stern 
enthält  nicht  alle  Artikel  aus  dem 
Ensign,  der  New  Era  und  dem  Friend 
(Zeitschriften  der  Kirche,  die  auf 
englisch  herausgegeben  werden) . 
Allerdings  drucken  wir  im  Stern 
einige  Artikel  aus  diesen  Zeitschriften 
ab  -  und  manche  erscheinen  auch 
im  selben  Monat.  Andere  Artikel 
kommen  zuerst  im  Stern  heraus  und 
später  vielleicht  in  den  übrigen 
Zeitschriften. 

WEITERE  FAKTEN 

Die  erste  Zeitschrift  der  Heiligen 
der  Letzten  Tage,  die  The  Evening 
and  the  Morning  Star  hieß,  wurde 
1832  in  Independence,  Missouri, 
herausgegeben  -  zwei  Jahre  nach 
der  Gründung  der  Kirche. 

Die  erste  nichtenglischspra- 
chige  Zeitschrift  der  Kirche  wurde 
1846  (walisisch)  herausgegeben. 
Weitere  frühe  nichtenglischspra- 
chige  Zeitschriften  der  Kirche 
erschienen  1851  (dänisch,  franzö- 
sisch und  deutsch).  Im  Laufe  der 
Jahre  kamen  weitere  Sprachen  dazu. 
1967  wurden  alle  nichtenglischspra- 
chigen  Zeitschriften  der  Kirche  in 
einer  einzigen  Veröffentlichung 
zusammengefaßt,  die  jetzt  in  den 
verschiedenen  Sprachen  herausge- 
geben wird. 

Die  Kirche  begann  1977,  eine 
englische  Ausgabe  des  Stern  heraus- 
zugeben.  Der  englische  Liahona,  diese 


Zeitschrift,  wird  hauptsächlich  in 
den  englischsprachigen  Gebieten 
außerhalb  der  USA,  Kanadas, 
Großbritanniens,  Australiens  und 
Neuseelands  gelesen.  Er  ist  überall 
erhältlich. 

Manche  fremdsprachigen  Aus- 
gaben erscheinen  monatlich,  andere 
zweimonatlich  oder  vierteljährlich. 
Die  Häufigkeit  der  Veröffentlichung 
wird  von  den  Kirchenräten  in  Salt 
Lake  City  festgelegt.  Die  Entschei- 
dungen basieren  auf  den  Empfeh- 
lungen der  Gebietspräsidentschaften, 
der  Zahl  der  bekannten  Haushalte 
mit  Mitgliedern  der  Kirche,  die 
die  jeweilige  Sprache  sprechen,  der 
Zahl  der  Abonnements  und  der 
Verfügbarkeit  der  Übersetzungs-  und 
Produktionsmöglichkeiten. 

Die  Botschaft  von  der  Ersten 
Präsidentschaft  und  die  Besuch' 
slehrbotschaft  sind  jeden  Monat  in 
63  Sprachen  erhältlich.  Die 
Mitglieder,  die  die  Zeitschrift  nur  alle 
zwei  Monate  oder  einmal  im 
Vierteljahr  erhalten,  können  in  den 
Monaten,  in  denen  die  Zeitschrift 
nicht  erscheint,  diese  Veröffentli- 
chungen bei  ihren  Priestertumsfüh- 
rern  anfordern. 

Diese  Botschaften  sind  also  nicht 
nur  in  den  31  Sprachen  erhältlich, 
in  denen  die  Zeitschrift  erscheint, 
sondern  auch  in  weiteren  32 
Sprachen  (siehe  den  Kasten  auf  der 
gegenüberliegenden  Seite) . 

DIE  BESTELLUNG  DES  STERN 

Abonnieren  Sie  den  Stern  - 
oder  behalten  Sie  Ihr  laufendes 
Abonnement.  Sie  können  den  Stern 
in  jeder  der  verfügbaren  Sprachen 
erhalten,  wo  Sie  auch  wohnen. 


Bestellen  Sie  die  Zeitschrift  als 
Geschenkabonnement  für  irgend 
jemanden  auf  der  ganzen  Welt.  Sie 

können  Abonnements  für  Freunde, 
Verwandte,  neugetaufte  Mitglieder 
und  jeden  anderen  bestellen,  den  Sie 
kennen  -  ob  es  sich  um  Mitglieder 
der  Kirche  handelt  oder  nicht.  Die 
Zeitschriften  der  Kirche  sind  wunder- 
volle Geschenke  zur  Hochzeit,  zu 
einem  Jubiläum,  zum  Geburtstag,  zu 
Weihnachten,  zum  Studienabschluß 
und  zu  anderen  Anlässen.  Spenden 
Sie  Abonnements  für  Bibliotheken, 
Schulen,  Krankenhäuser,  Arzt- 
und  Zahnarztpraxen  und  andere 
Einrichtungen  vor  Ort. 

So  bestellen  Sie  die  Zeitschrift: 
Halten  Sie  sich  an  die  Bestellinforma- 
tionen vorn  auf  der  ersten  Seite  jeder 
Ausgabe  -  oder  auf  der  letzten  Seite 
Ihres  Nachrichtenteils.  Oder  fragen 
Sie  Ihren  Zeitschriftenvertreter  in 
Zweig  und  Gemeinde,  Ihren 
Führungssekretär,  Gemeindesekretär, 
Bischof  oder  Zweigpräsidenten.  Oder 
wenden  Sie  sich  an  den  Versand  der 
Kirche.  An  manchen  Orten  ist  es 
nicht  möglich,  eine  Zeitschrift  an  die 
Adresse  einer  Einzelperson  zu 
schicken.  In  solchen  Fällen  werden 
die  Zeitschriften  an  die  Gemeinde 
beziehungsweise  den  Zweig  geschickt 
und  an  die  einzelnen  Mitglieder  und 
Familien  weitergegeben. 

SO  KÖNNEN  SIE  SICH  BETEILIGEN 

Schicken  Sie  uns  Leserbriefe 
und  Anregungen,  Ihr  Zeugnis  und 
Artikel.  Wir  können  nicht  alles 
abdrucken,  was  wir  bekommen, 
aber  viele  unserer  Artikel  stammen 
von  Lesern  in  der  ganzen  Welt. 
Schreiben  Sie  uns  in  Ihrer  Sprache, 


DER       STERN 
34 


und  geben  Sie  Ihren  vollständigen 
Namen,  Ihre  Adresse,  Ihre 
Gemeinde  beziehungsweise  Ihren 
Zweig  und  Ihren  Pfahl  beziehungs- 
weise Distrikt  an.  Unsere  Adresse, 
die  immer  auf  der  ersten  Seite  der 
Zeitschrift  steht,  lautet:  International 
Magazines,  50  East  North  Temple, 
Floor  25,  Salt  Lake  City,  UT 
84150-3223,  USA. 

Schreiben  Sie  Artikel  für  Ihren 
Nachrichtenteil.  Schicken  Sie 
Nachrichtenartikel  an  die  örtliche 
Adresse,  die  auf  der  ersten  Seite  in 
Ihrer  Zeitschrift  -  oder  auf  der  letzten 
Seite  im  Nachrichtenteil  -  steht. 

WIE  SIE  DIE  ZEITSCHRIFT  NUTZEN 
KÖNNEN 

Jede  Ausgabe  ist  eine  hervorra- 
gende Quelle  für  Ihr  persönliches 
Evangeliumsstudium  und  für  den 
Evangeliumsunterricht  in  der 
Familie. 

Jede  Ausgabe  enthält  Artikel 
und  Aktivitäten  für  Kinder  und 
Jugendliche. 


Jede  Ausgabe  kann  Ihnen  in 
Ihren  kirchlichen  Berufungen  helfen 

-  als  Quellenmaterial  für  Heimlehren, 
Besuchslehren,  Miteinander,  „Lehren 
für  unsere  Zeit"  und  andere  Lektionen 
und  Ansprachen. 

Jede  Ausgabe  kann  Ihnen  einen 
aktuellen  Überblick  über  örtliche 
und  kirchenweite  Neuigkeiten 
vermitteln.  Sie  können  Artikel 
von  lokalem  Interesse  lesen.  Sie 
können  auch  etwas  über  interes- 
sante aktuelle  Ereignisse  lesen  -  zum 
Beispiel  über  die  Ratschläge,  Reisen 
und  Aktivitäten  von  Präsident 
Gordon  B.  Hinckley  und  anderen 
Kirchenführern. 

Jede  Ausgabe  bietet  Ihnen  die 
Möglichkeit,  den  Menschen  vom 
Evangelium  zu  erzählen  und  weniger 
aktiven  Mitgliedern  zu  helfen,  ihr 
Zeugnis  wiederzuentdecken.  Wir 
erhalten  viele  Briefe  und  Zeugnisse 
aus  der  ganzen  Welt,  aus  denen 
hervorgeht,  wie  der  Geist  des  Herrn 
durch  die  Zeitschriften  der  Kirche  zu 
den  Menschen  spricht.  D 


Die  Botschaft  von  der  Ersten 
Präsidentschaft  und  die 
Besuchslehrbotschaft  werden 
nicht  nur  in  den  31 
verschiedenen  Ausgaben  des 
Stern  veröffentlicht,  sondern 
auch  in  32  weiteren  Sprachen, 
dort  aber  nicht  in 
Zeitschriftform: 


Albanisch 

Arabisch 

Armenisch  (Ost) 

Bislama 

Braille  (Englisch) 

Kambodschanisch 

Kroatisch 

Estnisch 

Griechisch 

Haitianisch 

Hiligaynon 

Hmong 

Ilokano 

Kosraeanisch 

Laotisch 

Lettisch 

Litauisch 

Maltesisch 

Marschallesisch 

Mongolisch 

Motu 

Neomelanesisch 

Niueanisch 

Pohnpeianisch 

Rarotonga 

Serbisch 

Slowakisch 

Slowenisch 

Tahitisch 

Trukesisch 

Türkisch 

Waray 


OKTOBER       1998 

35 


Goldene  Fragen 


Pat  Meyers 

ILLUSTRIERT  VON  DILLEEN  MARSH 


ch  gehörte  nicht  zu  den  beliebtesten  Schülern  an 
meiner  Highschool,  deshalb  war  mein  Freundeskreis 
eher  klein.  Ich  war  so  schüchtern,  daß  ich  die  meiste 
Zeit  für  mich  blieb.  Ich  war  so  entsetzlich  schüchtern, 
daß  es  schon  schmerzte. 

Als  ich  einmal  zum  Geschichtsunterricht  kam  und 
mich  an  meinen  Platz  setzte,  setzte  sich  ein  anderes 
schüchternes  Mädchen  neben  mich.  Wir  hatten  uns 
sicher  vorher  schon  mal  unterhalten,  aber  ich  kannte  sie 
eigentlich  nicht. 

Als  sie   ihre   Bücher  auf  den  Tisch  legte,   fiel  ein 


Ringbuch  neben  mir  auf  den  Boden.  Ich  drehte  mich  um, 
um  es  aufzuheben,  und  da  fielen  mir  die  Worte  Seminar  - 
Kirche  Jesu  Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage  auf  dem  Titel 
auf.  Ich  griff  nach  unten  und  hob  das  Ringbuch  auf.  Ich  gab 
es  ihr  und  fragte  ängstlich.  „Ach,  geht  ihr  samstags  zur 
Kirche?" 

Sie  sah  verwirrt  aus.  „Nein",  antwortete  sie.  „Warum?" 

Ich  zeigte  auf  das  Ringbuch.  „Da  steht  Kirche  Jesu 

Christi  der  Heiligen  der  Letzten  Tage.  Bedeutet  das  nicht, 

daß  ihr  am  letzten  Tag  der  Woche  zur  Kirche  geht?" 

Sie    lächelte    und    kicherte    ein    bißchen.    Dann 


DER       STERN 
36 


atmete  sie  tief  ein  und  fragte:  „Was  weißt  du  über  die 
Mormonenkirche  ? " 

Ich  antwortete  ehrlich:  „Nicht  gerade  viel." 

Sie  atmete  noch  einmal  tief  ein  und  fragte:  „Möchtest 
du  vielleicht  mehr  wissen?" 

„Ja",  antwortete  ich  ohne  zu  zögern. 

In  dem  Augenblick  muß  ihr  Unterkiefer  den  Boden 
berührt  haben.  Ihre  Augen  funkelten,  und  sie  sah  sicht- 
lich erleichtert  aus.  Ich  erfuhr,  daß  sie  Yvonne  Anderson 
hieß,  und  wir  wurden  Freundinnen.  Bald  hatten  wir  auch 
einen  Termin  mit  den  Missionaren,  die  mit  mir  die 


erste  Lektion  durchnahmen.  Und  bei  meiner  Taufe  war 
Yvonne  auch  da. 

Ich  weiß,  daß  das  Ringbuch  nicht  zufällig  hingefallen 
ist.  So  albern  meine  erste  Frage  auch  geklungen  haben 
mag,  sie  war  goldrichtig:  sie  ermöglichte  es  einem  schüch- 
ternen Mädchen,  ein  anderes  schüchternes  Mädchen  zu 
fragen:  „Möchtest  du  vielleicht  mehr  wissen?" 

An  jenem  Tag  im  Geschichtsunterricht  war  plötzlich 
eine  Freundschaft  da.  Durch  zwei  goldene  Fragen 
wurden  zwei  schüchterne  Mädchen  Freundinnen  für  die 
Ewigkeit.  D 


OKTOBER 
37 


19  9  8 


GEDANKEN 


DAZU 


E 


TEURO 


Eider  Dennis  B.  Neuenschwander   von  den  Siebzigern 

FOTO  VON  CRAIG  DIMOND;  FOTO  VON  DER  STATUE  DES  ENGELS  MORONI  VON  RICHARD  M.  ROMNEY. 


Die  Verkündigung  des  Evangeliums  in  aller  Welt 
dient  einer  göttlichen  Bestimmung.  Die  Propheten 
erklären  seit  langem,  daß  das  Wort  des  Herrn  jedes 
Land  durchdringen  und  daß  es  jedem  Stamm,  jeder 
Sprache  und  jedem  Volk  verkündet  werden  wird. 
Abraham  erhielt  die  Verheißung:  „Segnen  sollen  sich 
mit  deinen  Nachkommen  alle  Völker  der  Erde." 
(Genesis  22:18;  Hervorhebung  hinzugefügt.)  Nephi 
„sah  die  Kirche  des  Lammes  . . .  über  die  ganze  Erde 
verbreitet".  (1  Nephi  14:12.)  Und  der  Herr  selbst  hat 
verkündet:  „[Meine]  Stimme  .  .  .  ergeht  an  alle 
Menschen,  und  es  gibt  keinen,  der  ihr  entrinnt;  und  es 
gibt  kein  Auge,  das  nicht  sehen  wird,  auch  kein  Ohr, 
das  nicht  hören  wird,  und  auch  kein  Herz,  das  nicht 
durchdrungen  werden  wird."  (LuB  1:2.) 

Die  Etablierung  des  Evangeliums  in  den 

Ländern  Osteuropas  in  den  letzten 

zwanzig  Jahren  ist  ein  deutliches 

Zeugnis  dafür,  wie  diese  und 

ähnliche  Prophezeiungen  in 

Erfüllung  gehen.  Aber 

diese  Erfüllung  fand 


nicht  ohne  jahrelange  Vorbereitung  und  erhebliche 
Veränderungen  in  der  politischen  Atmosphäre 
Osteuropas  statt.  Auch  nicht  ohne  ähnliche  Jahre  der 
Vorbereitung  in  der  Kirche  selbst.  Ich  möchte  hier 
persönliche  Beobachtungen  zu  einigen  wenigen 
Ereignissen  wiedergeben,  die  mit  dieser  Vorbereitung 
und  Veränderung  zu  tun  hatten.  Zwischen  1975  und 
1991  habe  ich  mehrere  Jahre  mit  meiner  Familie  in 
Europa  gelebt,  wo  ich  zunächst  im  Bereich 
Mikroverfilmung  für  die  genealogische  Arbeit  der 
Kirche,  dann  als  Missionspräsident  und  schließlich  als 
Generalautorität  tätig  war. 

WANDEL  IN  EUROPA 

Nach  dem  Ende  des  Zweiten  Weltkriegs  wünschten 
viele  Menschen  sich  die  Freiheit,  ihre  persönlichen, 
politischen  und  religiösen  Vorlieben  zum  Ausdruck 
bringen  zu  können.  Aber  die  Herrschaft  einer  einzigen 
politischen  Partei  machte  dies  schwierig  und  führte 
zu  gefährlicher  politischer  Konrontation.  Die 
Menschen  in  Polen,  der  Tschechoslowakei,  Ungarn 

und  Jugoslawien  standen  bei 
diesen  Auseinandersetzungen 


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an  vorderster  Front.  Ihren  denkwürdigsten  Ausdruck 
fanden  die  Bekundungen  des  Unwillens  in  dem 
Aufstand  in  Ungarn  von  1956  und  in  Prag  von  1968. 
*  Die  Arbeiteraufstände  in  Polen  von  1956,  1970  und 
1976  führten  letztlich  dazu,  daß  im  Dezember  1980 
die  freie  Gewerkschaft  Solidarnosc  gegründet 
wurde. 

Diese  Bekundungen  politischen  Unwillens  stei- 
gerten  sich  in  Ungarn  im  Jahre  1989  immer  mehr. 
Am  1.  Mai  1989  begann  Ungarn,  den  Zaun  entlang 
der  östereichichen  Grenze  abzubauen.  Es  gestat- 
tete Menschen  aus  der  DDR,  über 
%  diese  Grenze  nach  Österreich  zu 
gelangen.  Bis  zum  10.  September 
waren  über    100000  Bürger   der 
DDR  nach  Westeuropa  gelangt. 
Ich    wohnte    damals    mit 
meiner    Familie    in    Wien. 
Jeden    Abend    gab    es    im 
Fernsehen  Berichte  über  das 
lautstarke  Willkommen,  mit 
dem  die  DDR-Bürger  beim 
Grenzübertritt    in    Öster- 
reich begrüßt  wurden.  Mit 


ihnen  kamen  Ungarn.  Die  Straßen,  die  nach  Wien 
führten,  waren  voller  Ungarn,  die  sich  jetzt  frei 
bewegen  konnten.  Viele  kamen  zum  ersten  Mal  in 
ihrem  Leben  nach  Österreich  und  kehrten  dann  nach 
Hause  zurück.  Andere  entschieden  sich  dafür,  zu 
bleiben  und  die  liberale  Asylgesetzgebung  in 
Anspruch  zu  nehmen.  Wieder  andere  kamen,  um 
Geräte  zu  kaufen,  die  es  bei  ihnen  nicht  gab.  Häufig 
sah  man  Waschmaschinen,  Kühlschränke  und  andere 
Geräte,  die  oben  auf  den  Autos  festgebunden  waren 
und  nach  Ungarn  transportiert  wurden. 

Das  sichtbarste  Ergebnis  dieses  Wegfalls  der  Grenzen 
war  der  Einsturz  der  Berliner  Mauer.  Sie  zog  sich 
zwar  nur  um  den  sowjetischen  Sektor  Berlins,  aber 
sie  war  das  Symbol  eines  geschlossenen  politischen 

Unten:  Der  Mormonentabernakelchor  während  seiner 
Tournee  im  Juni  1 991  auf  dem  Roten  Platz  in  Moskau; 
dies  war  ein  Sinnbild  für  die  wachsende  Bedeutung 
der  Kirche  in  Osteuropa.  Gegenüberliegende  Seite, 
oben:  Eine  Statue,  die  den  Engel  Moroni  darstellt,  von 
Valerij  Velitschko  aus  der  Ukraine;  sie  scheint  den 
Einzug  des  Evangeliums  in  solche  Länder  anzukündigen, 
denen  Religionsfreiheit  früher  verwehrt  war. 


ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  LDS  CHURCH  ARCHIVES 


ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  LDS  CHURCH  ARCHIVES 


und  wirtschaftlichen  Systems  in  ganz  Osteuropa.  Die 
Öffnung  der  Mauer  in  der  Nacht  vom  9.  auf  den  10. 
November  1989  stellte  die  symbolische  Öffnung 
Osteuropas  dar. 

Auch  andernorts  in  Osteuropa  dämmerte  ein  neuer 
Morgen.  Nur  zwei  Wochen  nach  der  Öffnung  der 
Berliner  Mauer  im  November  kamen  mehrere  tausend 
Tschechen  und  Slowaken  nach  Wien.  Es  wurden 
außerhalb  der  Stadt  spezielle  Parkplätze  bereitgestellt, 
die  die  Hunderte  von  Bussen  aufnehmen  sollten,  die  da 
aus  der  Tschechoslowakei  kamen.  In  der  ganzen  Stadt 
herrschte  Feststimmung.  In  vielen  Läden  erschienen 
Schilder  in  ungarischer  und  in  tschechischer  Sprache. 

Während  all  diese  Ereignisse  stattfanden,  hatten  die 
Menschen  in  ganz  Osteuropa  immer  mehr  Möglichkeiten, 
fernzusehen  und  Zeitungen  und  Zeitschriften  zu  lesen, 
ganz  zu  schweigen  vom  persönlichen  Kontakt  mit  westli' 
chen  Geschäftsleuten  und  anderen.  Die  Hoffnung,  die 
diese  Kontakte  mit  sich  brachten,  schuf  eine  Zuversicht 
und  Ruhelosigkeit,  die  sich  nicht  mehr  eindämmen  ließen. 
Die  politische  Teilung  zwischen  Ost  und  West  erfuhr 
grundlegende  Veränderungen. 

Moskau  selbst  trug  ganz  wesentlich  zu  diesen 
Veränderungen  bei.  1987  rief  Michail  Gorbatschow 
seine  Prinzipien  Glasnost'  (Offenheit)  und  Perestrojka 
(Umstrukturierung)  ins  Leben.  Sie  spiegeln  einen 
Wandel  in  der  Einstellung  wider,  der  seit  Jahren  in  den 
Völkern  Osteuropas  gewachsen  war.  Interessanterweise 
fand  diese  gewandelte  Einstellung  ihren  Ausdruck  bei 
Regierungsvertretern,  die  sich  dem  Wunsch  des  Volkes 
nach  mehr  persönlicher  Freiheit,  auch  nach  Freiheit  des 
religiösen  Ausdrucks,  immer  weniger  verschlossen. 

EINE  ZEIT  DER  VORBEREITUNG  FÜR  DIE  KIRCHE 

So  wie  die  politischen  Ereignisse  des  Jahres  1989 


nicht  ohne  lange  Jahre  der  Vorbereitung  stattfanden, 
war  dies  auch  bei  der  Einführung  des  Evangeliums 
der  Fall.  Die  Kirche  war  diesem  Teil  der  Welt 
nicht  fremd.  Schon  in  früheren  Jahren  und  unter 
anderen  politischen  Systemen  hatten  Missionare  in 
Osteuropa  erfolgreich  gedient,  und  Generalautoritäten, 
Geschäftsleute  und  Akademiker  hatten  häufige 
Kontakte  mit  den  dortigen  Führern.  Trotzdem  wirkte 
es  sich  natürlich  aus,  daß  die  Kirche  nicht  offiziell 
vertreten  war.  Bis  1975  gab  es,  mit  der  bemerkens- 
werten Ausnahme  der  DDR;  in  Osteuropa  nur  wenig 
kirchliche  Aktivität. 

Eine  Handvoll  treuer  Mitglieder  der  Kirche  blieb  in  der 
Tschechoslowakei.1  Im  heutigen  Polen  und  in  der  früheren 
Sowjetunion  waren  viele  Missionare  früher  erfolgreich 
tätig  gewesen,  wenn  auch  fast  nur  bei  der  deutschspra- 
chigen Bevölkerung.  Aber  bis  Mitte  der  siebziger  Jahre 
waren  die  meisten  Mitglieder  entweder  gestorben  oder  in 
die  Bundesrepublik  übersiedelt.  Von  der  früheren  missio- 
narischen Aktivität  im  östlichen  Ungarn  und  westlichen 
Rumänien  war  kaum  etwas  übriggeblieben. 

Stellvertretend  für  die  Mitglieder,  die  sich  durch  diese 
schwere  Zeit  hindurchkämpften,  steht  die  Polin 
Marianna  Glownia.  Während  des  Zweiten  Weltkriegs 
waren  sie  und  ihr  Mann  im  Untergrund  aktiv  und 
kämpften  gegen  die  Nazibesetzer  und  wurden  gefangen- 
genommen. Sowohl  ihr  Mann  als  auch  ihr  Kind  wurden 
getötet.  Sie  überlebte,  aber  durch  die  grausamen  Verhöre 
blieb  sie  mit  gebrochenen  Hand-  und  Fußgelenken 
zurück.  Sie  hatte  keinerlei  ärztliche  Hilfe,  und  so  heilten 
die  Gelenke  in  diesem  Zustand,  wodurch  sie  verkrüppelt 
blieb.  Sie  konnte  kaum  laufen  und  war  auf  die  Hilfe  ihrer 
Nachbarn  angewiesen. 

Nachdem  sie  sich  1958  der  Kirche  Jesu  Christi  der 
Heiligen  der  Letzten  Tage  angeschlossen  hatte,  erklärten 


DER      STERN 

40 


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Von  links:  die  Weihung  des  Freiberg-Tempels  im 
Juni  1 985;  im  Oktober  1 988  erhielten  Führer  der 
Kirche  (darunter  Präsident  Thomas  S.  Monson 
und  Eider  Russell  M.  Nelson)  die  Genehmigung, 
Missionare  in  die  DDR  zu  entsenden;  ein  Jahr 
und  einen  Monat  später  wurde  die  Berliner 
Mauer  geöffnet;  Mitglieder  aus  Armenien 
kommen  zum  Freiberg-Tempel.  Hintergrund:  Die 
Berliner  Mauer. 

ihr  Mitglieder  einer  anderen  Kirche,  sie  würden  ihr 
Leben  lang  für  sie  sorgen,  wenn  sie  ihre  Mitgliedschaft 
aufgab.  Als  ich  sie  1981  besuchte,  sah  sie  mich  und 
meinen  Reisebegleiter,  Matthew  Cziembronowicz,  an 
und  sagte:  „Brüder,  ich  möchte,  daß  Sie  wissen,  daß  ich 
meinen  Glauben  nie  verleugnet  habe."  Aufgrund  der 
schwierigen  Umstände  hatte  sie  zwar  den  Kontakt  mit 
der  Kirche,  nicht  aber  mit  dem  Herrn  verloren. 

Und  weder  der  Herr  noch  seine  Kirche  hatten  sie  und 
die  anderen  mit  einem  ähnlichen  Schicksal  vergessen.  Still 
und  geduldig  arbeiteten  beide  daran,  den  Weg  für  die  Zeit 
zu  bereiten,  da  die  Kirche  mit  ihrem  vollen  Programm 
nach  Osteuropa  zurückgebracht  werden  konnte. 

FREUNDSCHAFTEN  SCHLIESSEN 

Einer  der  besten  Botschafter  für  den  Herrn  war  die 
Mikroverfilmungsarbeit  der  Kirche.  1957  wandte  Ungarn 
sich  an  die  Genealogische  Abteilung  und  bat  um  Hilfe 


ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  LDS  CHURCH  ARCHIVES 


bei  der  Konservierung  der  Unterlagen  des  Landes.2 
Innerhalb  weniger  Jahre  zog  Polen  nach,  wobei  Eider 
Alvin  R.  Dyer,  der  Europäische  Missionspräsident,  1962 
mit  den  Verhandlungen  begann.3  Bis  1968  hatte  man 
einen  Vertrag  geschlossen,  und  die  Verfilmung  begann 
kurz  danach.  Diese  Mikroverfilmung  brachte  der  Kirche 
eine  Anzahl  einflußreicher  Freunde  ein,  die  genau  dann, 
wenn  die  Kirche  ihre  Hilfe  brauchte,  wertvolle 
Fürsprecher  waren. 

Diese  Arbeit  war  deshalb  so  effektiv,  weil  sie  die 
Gelegenheit  mit  sich  brachte,  daß  Mitglieder  der  Kirche 
und  aufgeschlossene  Menschen  hinter  dem  eisernen 
Vorhang  Freundschaft  schlössen.  1975  besuchte  ich 
Kiew  in  der  Ukraine,  und  zwar  als  Teilnehmer  von 
Gesprächsrunden  zu  Archivangelegenheiten.  Nach  einer 
geselligen  Veranstaltung,  die  außerhalb  der  Stadt  statt- 
fand, bestiegen  die  Teilnehmer  einen  Bus,  um  die  lange 
Rückfahrt  nach  Kiew  anzutreten.  Einer  der 
Konferenzdolmetscher  saß  neben  mir.  Da  es  schon  so 
spät  war,  schliefen  fast  alle  anderen  bald.  In  dem 
Augenblick  sprach  er  mich  an  und  fragte,  ob  ich 
Mormone  sei. 

Seine  Frage  überraschte  mich.  Wer  wußte  1975  in 
Osteuropa  schon  etwas  über  die  Kirche  und  hatte  den 
Mut,  überhaupt  zu  fragen?  Ich  fragte,  warum  er  das 
wissen  wolle.  Er  sagte,  er  habe  einmal  bei  einer 
Konferenz  ein  Mitglied  der  Kirche  kennengelernt.  Was  er 
an  mir  beobachtete,  erinnerte  ihn  an  seinen  früheren 
Bekannten.  Wir  verbrachten  mehrere  Abende  mit 
fruchtbaren  Gesprächen. 

Ich  weiß  nicht,  wer  jenes  Mitglied  der  Kirche  war, 
aber  sein  Beispiel  hat  diesen  Mann  nachhaltig  beein- 
druckt. Einzelne  Mitglieder  der  Kirche  machen  die 
Menschen  durch  ihr  Beispiel  mit  dem  Evangelium 
bekannt,  lange  ehe  die  Kirche  offiziell  vertreten  ist. 


OKTOBER 
4/ 


19  9  8 


Weitere  persönliche  Kontakte  wurden  mit  Menschen 
geknüpft,  die  professionelle  Hilfe  anboten.  Zu  den  wich- 
tigsten dieser  Kontakte  gehörte  die  Rechtsberatung 
seitens  der  Kirche.  Die  tiefgreifenden  politischen 
Veränderungen  in  Osteuropa  brachten  im  juristischen 
Bereich  eine  tiefe  Krise  mit  sich.  Die  Regierungen 
brauchten  Hilfe  bei  der  Auslegung  der  bestehenden 

Gesetze  und  beim  Verfassen  neuer. 
Der      Wert      des      juristischen 
Beistands  durch  die  Kirche  in 
diesen   Entwicklungsjahren 
ist  kaum  zu  überschätzen. 

Von  unschätzbarem  Wert 

war  auch  die   Arbeit  der 

Missionarsehepaare,     die 

zum  Dienst  in  Osteuropa 

berufen    wurden.    Der 


Dienst,  den  sie  leisteten,  war  ebenso  vielfältig  wie 
effektiv.  Von  humanitärer  Hilfe  in  entlegenen 
Gefängnissen  in  Rußland  zu  medizinischer  Schulung  in 
Rumänien,  vom  Aufbau  der  Programme  des 
Bildungswesens  der  Kirche  bis  zur  Übersetzung  von 
Unterlagen  der  Kirche  -  die  große  Arbeit  der  Kirche  in 
Osteuropa  hätte  ohne  die  Arbeit  der  Missionarsehepaare 
nicht  bewältigt  werden  können.  Sie  fanden  Freunde  und 
machten  Erfahrungen,  die  in  späteren  Jahren  von 
unschätzbarem  Wert  waren. 

Diesen  Pionieren  kann  man  keinen  größeren  Tribut 
zollen  als  mit  der  Anerkennung  ihres  Beispiels  und  der 
Beständigkeit  ihres  Glaubens  auch  in  schwierigen 
Umständen.  In  der  Mitte  der  siebziger  Jahre  und  zu 
Beginn  der  achtziger  Jahre  war  es  gefährlich,  sich  in 
Osteuropa  mit  religiösen  Belangen  zu  befassen,  und  die 
Missionare  wurden  manchmal  durchsucht  und  ander- 
weitig belästigt.  Viele  sprachen  die  Landessprache  nicht, 
und  sie  wußten,  wie  es  war,  wenn  man  wenig  zu  essen 
hatte  und  keinen  elektrischen  Strom,  keine  Heizung  und 

Die  Gruppe  Lamanite  Generation  von  der  Brigham 
Young  University,  links  und  unten,  besuchte  1991 
Bulgarien,  die  Tschechoslowakei,  Deutschland  und 
Jugoslawien.  Wie  andere  Gruppen  der  Kirche  fanden 
auch  diese  Künstler  viele  Freunde. 


STERN 

42 


Im  September  1995  führte  die  Kirche  in  Petrosawodsk 
ein  Schulungsseminar  für  russische  Mikrofilmkamera- 
bediener  durch.  Während  des  Seminars  wurde  diese 
Kirche  auf  der  nahegelegenen  Insel  Kishi  besucht. 
Die  Mikroverfilmung  hat  der  Kirche  in  Osteuropa  viele 
Türen  geöffnet. 

kein  fließendes  Wasser.  Aber  sie  gaben  denen,  die  noch 
größere  Not  litten,  großzügig  von  ihrem  Überfluß  ab. 

Die  Ehepaare  waren  Lehrer,  und  wo  sie  konnten, 
vermittelten  sie  auch  die  Grundsätze  des  Evangeliums. 
Noch  häufiger  vermittelten  sie  den  unerfahrenen  neuen 
Führern  und  Mitgliedern  der  Kirche,  was  es  heißt,  in 
der  Kirche  Führungsaufgaben  wahrzunehmen.  Am  wich- 
tigsten war  das,  was  sie  durch  ihr  Beispiel  lehrten.  Ihr 
Vertrauen  in  die  Zukunft  war  ansteckend,  und  ihre  Liebe 
zueinander  war  immer  ein  Beispiel,  dem  die  Mitglieder 
der  Kirche  nacheifern  konnten.  Es  wird  noch  die  Zeit 
kommen,  da  die  ganze  Frucht  ihres  Beispiels  im  Leben 
der  osteuropäischen  Heiligen  der  Letzten  Tage,  die  durch 
ihr  Engagement  dieses  Vermächtnis  an  andere  weiter- 
geben, zu  sehen  ist. 

Manche  der  besten  Botschafter  für  die  Kirche  waren 
diejenigen,  die  die  Menschen  mit  ihren  Auftritten  begei- 
sterten. Ich  kann  mich  daran  erinnern,  wie  die  Gruppe 
Lamanite  Generation  von  der  Brigham  Young  University 
(heute  Living  Legends  genannt)  1991  nach  Sofia  kam. 
Diese  Sänger  und  Tänzer  traten  in  einem  großen 
Kulturzentrum  vor  rund  5000  Menschen  auf  -  unter 
denen  sich  auch  viele  Kinder  befanden.  Es  waren  viele 
einflußreiche  Menschen  dort;  der  Gesundheitsminister 
saß  direkt  neben  mir. 

Nach  den  traditionellen  Nummern  der  Gruppe 
eilten  die  Kinder  in  einem  spontanen  Ausdruck  der 
Liebe  zu  den  Künstlern  auf  die  Bühne  -  der 
Gesundheitsminister  mitten  unter  ihnen.  Er  war  aufge- 
sprungen und  auf  die  Bühne  geeilt,  ehe  ich  überhaupt 
aufstehen  konnte. 


Als  die  Kinder  auf  die  Künstler  zugingen,  begann  die 
Gruppe  Lamanite  Generation,  das  Lied  „Ich  bin  ein  Kind 
von  Gott"  zu  singen.  Die  Bulgaren  hatten  dieses  Lied 
noch  nie  gehört,  aber  es  hatte  eine  solche  Wirkung,  daß 
alle  stehenblieben  und  sich  andächtig  setzten  und  die 
Bühne  füllten. 

Dieses  und  andere,  ähnliche  Erlebnisse  haben  mich 
davon  überzeugt,  daß  der  Geist  keine  Grenzen  kennt.  Er 
braucht  kein  Visum,  um  die  Grenzen  zu  überschreiten 
und  zu  den  Herzen  zu  sprechen.  Der  Herr  war  am  Werk, 
und  zwar  lange  ehe  die  Kirche  wieder  Missionare  in  die 
Länder  Osteuropas  schicken  konnte. 

„MEISTER  DES  UNWAHRSCHEINLICHEN" 

Die  Missionsarbeit  wurde  in  diesen  Ländern  im 
wesentlichen  1972  wieder  eingeführt,  als  die  Kirche  die 
Internationale  Mission  gründete,  um  den  Mitgliedern  zu 
dienen,  die  in  Teilen  der  Welt  lebten,  wo  es  keine  orga- 
nisierten Pfähle  oder  Missionen  gab.  Eine  der  Aufgaben 
der  Mission  bestand  darin,  zu  erkunden,  ob  es  möglich 
war,  in  diesen  Gebieten  das  Evangelium  zu  verkünden. 
Zu  denen,  die  in  dieser  Forschungsarbeit  in  Osteuropa 
treu  dienten,  gehörten  Gustav  Salik,  Glen  Warner  und 
seine  Frau  Renee,  Edwin  Morrell,  Spencer  J.  Condie 
(jetzt  von  den  Siebzigern)  und  Johann  Wondra,  die 
hauptsächlich  von  Osterreich  aus  tätig  waren. 

Bis  Mitte  der  achtziger  Jahre  traten  Eider  Russell  M. 
Nelson  vom  Kollegium  der  Zwölf  Apostel  und  Eider 
Hans  B.  Ringger  von  den  Siebzigern  häufig  mit  den 
Regierungen  in  Osteuropa  in  Kontakt,  und  zwar  viermal 
im  Anschluß  an  einleitende  Bemühungen.  Präsident 
Thomas  S.  Monson  begann  als  Mitglied  des  Kollegiums 
der  Zwölf  Apostel  in  den  sechziger  Jahren  damit.  Als 
Ergebnis  dieser  Kontakte  ging  die  Missionsarbeit  in 
mehreren  osteuropäischen  Ländern  rascher  voran. 

Im  Juli  1987  kam  ich  in  Wien  an,  um  dort  über  die 
neugeschaffene  Österreich-Mission  Wien  Ost  zu  präsi- 
dieren. Die  Mission  begann  mit  34  Missionaren  -  22  in 
Osteuropa,  darunter  8  Ehepaaren  und  6  Eiders. 
Angesichts  der  politischen  Veränderungen,  die  in  ganz 
Osteuropa  stattfanden,  und  der  Auswirkungen  mehrerer 
Besuche  von  Aposteln  schien  es  möglich,  daß  viel  zu 
erreichen  war.  Aber  als  neuer  Missionspräsident  war  ich 


OKTOBER 

43 


19  9  8 


unsicher,  wie  wir  die  Missionstätigkeit  angehen  sollten 
und  ob  wir  es  überhaupt  tun  sollten. 

Als  Eider  Russell  M.  Nelson  uns  kurz  nach  meiner 
Ankunft  besuchte,  fragte  ich  ihn,  was  die  Führer 
der  Kirche  erwarteten.  Sollten  wir  versuchen, 
Missionsarbeit  zu  tun,  so  unwahrscheinlich  das  damals 
auch  schien? 

Eider  Nelson  legte  mir  die  Hände  auf  die  Schultern  und 
sagte:  „Der  Herr  ist  der  Meister  des  Unwahrscheinlichen, 
und  er  erwartet  das  Unmögliche." 

Da  hatte  ich  das  Gefühl,  wir  könnten  einigen 
Fortschritt  machen.  Als  wir  diese  Anstrengung  unter- 
nahmen, stellten  wir  fest,  daß  das  Evangelium  für  einen 
Osteuropäer  etwas  Strahlendes  und  Wundervolles  an  sich 
hat.  Die  Lehre  vom  Tempel  und  von  den  Beziehungen  in 
der  Familie,  die  Hoffnung,  die  das  Evangelium  schenkt, 
das  Aufwärtsstreben,  die  Vorstellung,  daß  man  über  sich 
hinauswachsen  kann,  die  Einsicht,  daß  das  Leben  mehr 
ist  als  nur  die  zeitlichen  Belange  -  alle  diese  Aspekte  des 
Evangeliums  haben  große  Anziehungskraft.  Vor  allem  die 
jungen  Menschen,  die  nur  in  einer  materialistischen 
Gesellschaft  gelebt  haben,  verstehen  wohl  intuitiv,  daß 
der  Materialismus  nicht  glücklich  macht.  Sie  sehnen  sich 
nach  geistiger  Nahrung. 

An  einem  kalten  Januartag  habe  ich  eine 
Zweigversammlung  in  einem  Kindergarten  mit  einem 
einzigen  Raum  in  Bulgarien  besucht.  Die  Versammlung 
hatte  bereits  begonnen,  und  als  wir  auf  das  Haus  zukamen, 
fanden  wir  die  Männer  draußen  vor.  Sie  standen  im  Kreis 
im  Schnee.  Wir  fragten:  „Was  machen  Sie  hier  draußen?" 

Sie  sagten:  „Die  Schwestern  müssen  mit  den 
Kindern  drinnen  sein.  Deshalb  halten  wir  die 
Priestertumsversammlung  hier  draußen  ab." 


Missionare  und  neue  Mitglieder,  im  Uhrzeigersinn,  von 
links:  Matild  und  Lajos  Sebesten  aus  Pecs,  Ungarn; 
Missionspräsident  Richard  Winder  und  seine  Frau 
Barbara  in  Prag,  Tschechoslowakei,  1990,  mit  zwei 
Missionaren;  die  erste  Gruppe  von  Vollzeitmissionaren, 
die  in  die  DDR  entsandt  wurden,  kurz  nach  ihrer 
Ankunft  in  Ostberlin  am  30.  März  1989,  mit  dem 
Präsidenten  der  Deutschland-Mission  Dresden, 
Wolfgang  Paul  (hintere  Reihe,  links),  dem  Präsidenten 
der  Deutschland-Mission  Leipzig,  Manfred  Schütze 
(hintere  Reihe,  rechts)  und  Schwester  und  Bruder  Schult, 
Gemeinde  Ost-Berlin  (vordere  Reihe,  links);  Anton 
Skripko  (links),  der  erste  Russe,  der  eine  Mission 
erfüllte,  und  sein  Heimlehrpartner  besuchen  Jurij 
Terebenin  (rechts),  eins  der  ersten  russischen  Mitglieder 
der  Kirche.  Hintergrund:  Eine  Taufe  in  Lettland. 

Die  Menschen,  die  sich  in  Osteuropa  der  Kirche 
anschließen,  sind  geistig  einfühlsame  Menschen.  Sie 
lieben  das  Evangelium,  und  sie  lieben  das  Gefühl  der 
Gemeinschaft,  das  die  Kirche  ihnen  schenkt.  Sie  lieben 
einander. 

Von  großer  Bedeutung  für  die  wachsenden  missionari- 
schen Anstrengungen  der  Kirche  in  Osteuropa  war  die 
Gründung  einer  Mission  in  der  DDR.  Im  Oktober  1988 
kamen  Präsident  Monson,  Eider  Nelson,  Eider  Ringger  und 
mehrere  örtliche  Priestertumsführer  mit  dem  Vorsitzenden 
Erich  Honecker  zusammen,  um  die  Genehmigung  dafür  zu 
erbitten,  daß  in  der  DDR  Missionare  tätig  wurden  -  ebenso 
dafür,  daß  Missionare  aus  der  DDR  zum  Dienst  in  anderen 
Ländern  berufen  werden  konnten. 

Zu  Beginn  der  Gespräche  sagte  der  Vorsitzende 
Honecker:  „Wir  wissen,  daß  die  Mitglieder  Ihrer  Kirche 


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FOTO  VON  BRIAN  K.  KELLY 


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ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  LDS  CHURCH  ARCHIVES 


gern  arbeiten;  Sie  haben  das  bewiesen.  Wir  wissen,  daß  Sie 
an  die  Familie  glauben;  das  haben  Sie  gezeigt.  Wir  wissen, 
daß  Sie  gute  Bürger  sind,  in  welchem  Land  Sie  auch  behei- 
matet sind;  wir  haben  das  beobachtet.  Sie  können  sich 
jetzt  äußern.  Teilen  Sie  uns  Ihre  Wünsche  mit." 

Präsident  Monson  sprach  einfach  und  direkt  und  sehr 
wirkungsvoll.  Die  Genehmigung  wurde  erteilt,  und  am 
30.  März  1989  kamen  nach  50  Jahren  wieder  die  ersten 
Missionare  ins  Land  und  begannen  das  Evangelium  zu 


verkünden.  Zwei  Monate  später  wurden  die  ersten 
Missionare  aus  der  DDR  zum  Dienst  außerhalb  ihres 
Landes  berufen.5 

Bis  im  November  1989  die  Berliner  Mauer  geöffnet 
wurde,  hatte  die  Kirche  in  Osteuropa  bereits  eine  feste 
Grundlage  geschaffen.  Vierundfünfzig  Missionare  waren 
dort  und  in  Griechenland  tätig.  Bis  zu  dem  Zeitpunkt 
war  die  Kirche  auch  in  Polen  (Mai  1977)',"  Jugoslawien 
(Oktober  1985)   und  in  Ungarn  (Juni   1988)   offiziell 


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ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  LDS  CHURCH 
ARCHIVES 


FOTO  VON  MARVIN  K.  GARDNER 


FOTO  VON  MARVIN  K.  GARDNER 


Links:  Matthew  Cziembronowicz;  Präsident  Spencer  W. 
Kimball  und  seine  Frau  Camilla;  Marion 
Cziembronowicz  und  Fryderyk  Czerwisnki  stehen  im 
Sächsischen  Garten  in  Warschau  in  der  Nähe  der 
Stelle,  wo  Präsident  Kimball  am  24.  August  1977 
Polen  für  die  Verkündigung  des  Evangeliums  geweiht 
hat.  Matthew  und  Marion  haben  von  1977  bis  1979 
als  Missionarsehepaar  in  Polen  gedient.  Fryderyk  hat 
im  Mai  1 977  die  staatlichen  Dokumente  unterzeichnet, 
kraft  derer  die  Kirche  in  Polen  offiziell  anerkannt 
wurde.  Mitte:  Schwester  Evgenia,  ein  treues  Mitglied 
in  Kiew.  Rechts:  Abschlußfeier  für  die  Seminar-  und 
Institutsteilnehmer  in  der  Ukraine,  1 996. 

anerkannt.  In  Warschau  hatte  der  erste  Spatenstich  für 
ein  Gemeindehaus  stattgefunden,  und  in  Budapest  war 
ein  Gebäude  erworben  und  geweiht  worden. 

Im  Oktober  1989  wurde  die  Verantwortung  für  die  sich 
entwickelnde  Kirche  in  Nordrußland  und  den  Baltischen 
Staaten  von  der  Österreich-Mission  Wien  Ost  an  die 
Finnland-Mission  Helsinki  übertragen.  Dieser  historische 
Schritt  lenkte  erhöhte  Aufmerksamkeit  auf  Rußland,  die 
Ukraine,  Bulgarien  und  Rumänien.  Bis  zum  Ende  des 
Jahres  dienten  in  jedem  dieser  Länder  Missionare. 

Andere  osteuropäische  Länder  zogen  bald  nach.  Am 
1.  März  1990  erkannte  die  Tschechoslowakei  die  Kirche 
an,  und  am  2.  Mai  kamen  wieder  Missionare  ins  Land, 
die  von  den  Mitgliedern  der  Kirche,  die  seit  über  40 
Jahren  für  ihre  Rückkehr  gebetet  hatten,  herzlich  will- 
kommen geheißen  wurden. 

Im  Juli  1990  wurden  fünf  neue  Missionen  gegründet: 
Polen-Warschau,  Tschechoslowakei-Prag,  Ungarn- 
Budapest  und  Griechenland-Athen.  Moskau,  das  zur 
Österrreich-Mission  Wien  Ost  gehört  hatte,  und 
Leningrad,  das  von  Helsinki  aus  verwaltet  worden  war, 


bildeten  die  fünfte  Mission  -  die  Helsinki-Mission  Ost. 
Bis  zum  Juli  1991  waren  auch  in  Bulgarien,  der  Ukraine 
und  Rußland  Missionen  gegründet  worden. 

EINE  STRAHLENDE  ZUKUNFT 

Der  wichtigste  Schritt  nach  vorn  für  die  Kirche  in 
Osteuropa  während  dieser  Jahre  war  die  Weihung  des 
Tempels  in  der  DDR.  1978  hatte  die  Regierung  der  DDR 
beschlossen,  den  Heiligen  der  Letzten  Tage,  die  den 
Tempel  in  der  Schweiz  besuchen  wollten,  keine  Visa  mehr 
auszustellen.  Die  Kirche  versuchte  alles  mögliche, 
erreichte  aber  nichts.  Die  Mitglieder  begannen,  um  gött- 
liche Hilfe  zu  beten  und  zu  fasten. 

Dann,  als  Eider  Thomas  S.  Monson  vom  Kollegium 
der  Zwölf  Apostel  eines  Tages  mit  Regierungsvertretern 
zusammentraf,  schlugen  sie  eine  einfache  Lösung  vor: 
Man  konnte  doch  in  der  DDR  einen  Tempel  bauen.  In 
Freiberg  wurde  ein  Grundstück  gekauft,  und  1983  wurde 
mit  dem  Bau  begonnen.  Der  Tempel  wurde  zwei  Jahre 
später,  am  29.  Juni  1985,  geweiht.6 

Gewiß  durchdrang  der  Einfluß  des  Tempels  die  DDR; 
er  erweichte  die  Herzen  und  half  mit,  die  gewaltigen 
Veränderungen  vorzubereiten,  die  Ende  der  achtziger 
Jahre  überall  in  Osteuropa  stattfanden.  Der  Einfluß  der 
Tempel  der  Kirche  auf  alle  diese  Länder  ist  tiefgreifend. 

Ich  sehe  für  die  Länder  Osteuropas  eine  strahlende 
Zukunft  vorher.  Fast  alle  machen  sie  schwierige 
Augenblicke  durch.  Aber  es  gibt  auch  eine  sehr  positive 
Bewegung.  Inmitten  dieser  Veränderungen  nehmen  die 
Kirche  und  ihre  Mitglieder  an  Bedeutung,  Zuversicht 
und  Hoffnung  zu. 

1996,  kurz  bevor  ich  in  die  Vereinigten  Staaten 
zurückkehrte,  fuhr  ich  nach  Moskau,  um  mich  von  den 
Menschen,  mit  denen  ich  dort  zusammengearbeitet  hatte, 
zu  verabschieden.  Es  war  eine  Zeit  großer  Ungewißheit, 


DER 


STERN 
46 


ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  RICHARD  UND 
BARBARA  WINDER 


ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER 
GENEHMIGUNG  VON  LDS  CHURCH  ARCHIVES 


ABDRUCK  DES  FOTOS  MIT  FREUNDLICHER  GENEHMIGUNG  VON  MORRIS  UND 
ANNETTA  MOWER 


was  die  politische  Lage  in  Rußland  betraf.  Zu  denen,  mit 
denen  ich  zusammentraf,  gehörte  auch  eine  Schwester, 
die  fragte:  „Was  wird  aus  unserem  Land  werden?" 

Ich  erklärte  ihr,  ich  könne  nicht  als  Politiker  sprechen, 
wohl  aber  als  Generalautorität  der  Kirche. 

„Was  würden  Sie  uns  denn  als  Generalautorität 
sagen?"  erwiderte  sie.  „Was  wird  aus  uns  werden?" 

Ich  sagte:  „Der  Herr  beschützt  die  Länder  entspre- 
chend der  Glaubenstreue  der  wenigen  und  läßt  es  ihnen 
dementsprechend  gut  gehen.  Der  Herr  wird  nicht 
zulassen,  daß  die  Kirche  ins  Wanken  gerät  oder  daß  das 
Land  untergeht,  solange  die  Heiligen  der  Letzten  Tage 
nach  ihrer  Religion  leben." 

Das  mag  manchen  egoistisch  vorkommen,  aber  ich 
glaube,  es  ist  wahr.  Wenn  die  Heiligen  der  Letzten  Tage 
in  Rußland,  der  Ukraine  oder  anderswo  wollen,  daß  es 


Eine  Gruppe  tschechoslowakischer  Mitglieder, 
links,  mit  Führern,  die  zu  Besuch  gekommen 
waren  (in  der  zweiten  Reihe,  von  links):  Schwester 
LeAnn  Neuenschwander,  Schwester  Krejci, 
Schwester  Colleen  Asay,  Eider  Carlos  E.  Asay  und 
Jiri  Snederfler.  Mine:  Charone  Smith  in  einem 
albanischen  Waisenhaus  mit  einem  Baby  auf  dem 
Arm.  Sie  und  ihr  Mann  Thaies  und  ein  anderes 
Missionarsehepaar  waren  die  ersten  Missionare 
der  Kirche,  die  nach  Albanien  kamen.  Rechts: 
(von  links)  Eider  Dennis  B.  Neuenschwander,  Eider 
Dallin  H.  Oaks  und  Eider  Hans  B.  Ringger  mit 
Morris  und  Annetta  Mower,  den  ersten 
Missionaren  in  Bulgarien. 

ihrem  Land  gut  geht,  besteht  die  beste  Garantie  darin, 
daß  sie  ihrem  Glauben  treu  sind. 

Das  wird  durch  ein  Erlebnis  veranschaulicht,  das 
Eider  Thomas  S.  Monson  1968  in  der  DDR  hatte. 
|£s  war  sein  erster  Besuch,  und  es  bestanden  noch 
keine  diplomatischen  Beziehungen.  Niemand  in 
der  Regierung  kannte  sich  mit  der  Mission  der 
irche  aus  oder  vertraute  ihrer  Redlichkeit. 

Eider  Monson  reiste  nach  Görlitz,  um  mit 

den  dortigen  Heiligen  zusammenzukommen. 

Er  kam  schweren  Herzens,  da  er  wußte,  daß 

1991  mietete  die  Kirche  das 
Erdgeschoß  in  diesem  kommunalen 
Kulturzentrum  in  Sofia  an;  es  war  das 
erste  Gebäude  in  Bulgarien,  das  für 
Versammlungen  der  Kirche  genutzt 
wurde.  Von  links:  Eider  Bryon  Meyer, 
Schwester  Laura  Karren  und  Eider 
Chris  Elggren. 


die  Mitglieder  nicht  die  Segnungen  hatten,  die  mit 
einem  Pfahl  verbunden  sind  -  sie  hatten  keinen 
Patriarchen,  keine  Gemeinden  mit  dem  vollständigen 
Programm  der  Kirche  und  keinen  Zugang  zum  Tempel. 
Aber  sie  erfüllten  die  Halle  mit  ihrem  Glauben  an  den 
Herrn.  Als  Eider  Monson  aufstand,  um  zu  der 
Versammlung  zu  sprechen,  gab  der  Geist  ihm  ein,  die 
folgende  Verheißung  auszusprechen:  „Wenn  Sie  den 
Geboten  Gottes  treu  bleiben,  wird  Ihnen  jeder  Segen 
zuteil  werden,  den  die  Mitglieder  der  Kirche  in  anderen 
Ländern  haben." 

An  jenem  Abend  wurde  ihm  in  seinem  Hotelzimmer 
bewußt,  was  das  wirklich  bedeutete.  Er  kniete  nieder 
und  flehte  den  Herrn  an,  die  Verheißung,  die  er  ihm 
eingegeben  hatte,  wahr  zu  machen.  Während  er  betete, 
kamen  ihm  diese  Worte  des  Psalmisten  in  den  Sinn: 
„Laßt  ab  und  erkennt,  daß  ich  Gott  bin."  (Psalm  46:  ll.)7 

Heute,  nur  30  Jahre  später,  ist  Deutschland  unter  einer 
demokratischen  Regierung  vereint,  das  Land  hat  zwei 
Tempel,  und  die  Heiligen  sind  in  14  Pfählen  organisiert. 


Wenn  uns  die  heutigen  Ungewißheiten  zu  schaffen 
machen,  können  wir  sicher  sein,  daß  der  Herr  die 
Ereignisse  letztlich  für  die  rechtschaffenen  Heiligen  zum 
Guten  lenken  und  daß  er  die  Länder,  in  denen  sie  leben, 
segnen  wird.  D 


FUSSNOTEN 

1.  Siehe  Kahlile  Mehr,  „Die  Mitglieder  in  Tschechien:  ein 
hellerer  Tag",  und  Marvin  K.  Gardner,  „Jifi  und  Olga  Snederfler: 
zwei  tschechische  Pioniere",  Der  Stem,  September  1997,  10-24- 

2.  Siehe  James  B.  Allen,  Jessie  L.  Embry  und  Kahlile  B.  Mehr, 
Hearts  Tumed  to  the  Fathers:  A  History  of  the  Genealogical  Society 
ofUtah,  1894-1994  (1995),  255. 

3.  Siehe  Alvin  R.  Dyer,  The  Challenge  (1962),  119f. 

4.  Siehe  Russell  M.  Nelson,  „Spannende  Ereignisse  auf  der 
europäischen  Bühne",  Der  Stem,  Mai  1992,  8-23. 

5.  Siehe  Thomas  S.  Monson,  „Gott  sei  gedankt",  Der  Stern,  Juli 
1992,  55-57;  Thomas  S.  Monson,  Faith  Rewarded  (1996),  132-35. 

6.  Siehe  „Gott  sei  gedankt",  55;  Faith  Rewarded,  53,  88, 
104-106. 

7.  Siehe  „Gott  sei  gedankt",  55f.;  Faith  Rewarded,  2-7. 


Symbole  der  Heilung,  links:  Im  Gemeindehaus  der 
Kirche  in  Györ,  Ungarn.  Unten:  Hinter  Günter  Schulze 
aus  Dresden  entstehen  in  der  Stadt,  die  durch 
den  Krieg  und  die  jahrelange 

Vernachlässigung  fast  zerstört  war,  neue 
Häuser.  Anders  als  die  meisten  Städte  in 
Osteuropa  gibt  es  in  Dresden  seit  1 855 
kontinuierlich  eine  Einheit  der  Kirche. 


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„Durch  die 
Zeitschriften  der  Kirche 
können  die  Worte  der 
lebenden  Propheten  und 
Apostel  regelmäßig  zu 
uns  nach  Hause 
gelangen  und  uns 
und  unsere  Familie 
anleiten  und  inspiri- 
eren. Wir  fordern  alle 
Mitglieder  in  der 
ganzen  Welt  auf 
abonnieren  Sie  die 
Zeitschriften  der  Kirche, 
und  lesen  Sie  sie.  ■' 
-  Die  Erste 
Präsidentschaft 
Siehe  „Eine  Zeitschrift 
für  die  ganze  Welt, " 
Seite  32. 


GERMAN 


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