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Qö5>> OKTOBER 199
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AUF DEM UMSCHLAG:
Wundervolle Hilfsmittel - darunter auch die Zeitschriften der
Kirche - "helfen uns, an unseren Wert festzuhalten und dem
Herrn gehorsam zu sein". Siehe „Eine Zeitschrift für die ganze
Welt", Seite 32. (Fotos von Craig Dimond und Jerry Garns.)
UMSCHLAGBILD KINDERSTERN:
Der zehnjährige Arietana lebt in dem Land Kiribati auf einer
Insel im Pazifik. Er geht gern zur PV und zur Schule, er fischt
und beteiligt sich an den traditionellen Tänzen. Siehe
„Arietana aus Kiribati", Seite 14. (Foto von Joyce Findlay.)
MAGAZIN
2 BOTSCHAFT VON DER ERSTEN PRÄSIDENTSCHAFT: GEIST UND SEELE NÄHREN
PRÄSIDENT GORDON B. HINCKLEY
1 2 DIE FAMILIE ELDER HENRY B. EYRING
24 DIE FAMILIE - EINE PROKLAMATION AN DIE WELT
DIE ERSTE PRÄSIDENTSCHAFT UND DER RAT DER ZWÖLF APOSTEL
25 BESUCHSLEHRBOTSCHAFT: DIE CELESTIALE EHE
26 „DU SOLLST NICHT STEHLEN" RICHARD D. DRAPER
32 EINE ZEITSCHRIFT FÜR DIE GANZE WELT MARVIN K. GARDNER
38 GEDANKEN DAZU, WIE DAS EVANGELIUM IN OSTEUROPA FUSS FASST
ELDER DENNIS B. NEUENSCHWANDER
SIEHE SEITE 12
FÜR JUNGE LEUTE
8 SASCHA STRACHOWA MARVIN K. GARDNER
36 GOLDENE FRAGEN PAT MEYERS
KINDERSTERN l
2 VON FREUND ZU FREUND: SUSAN L. WARNER
4 LIED: SCHÖNSTER HERR JESUS
6 DAS MITEINANDER: ICH KANN JETZT EIN MISSIONAR SEIN
SYDNEY REYNOLDS
8 ERZÄHLUNG: DER GEHEIMNISVOLLE BALL ALMA J. YATES
1 3 DAS MACHT SPASS: KRABBELSACK MIT GESCHICHTEN AUS
DEM ALTEN TESTAMENT
VIVIAN PAULSEN UND CORLISS CLAYTON
1 4 FREUNDE IN ALLER WELT: ARIETANA AUS KIRIBATI JOYCE FINDLAY
SIEHE KINDERSTERN,
SEITE 14
SIEHE SEITE 38
Oktober 1998 124. Jahrgang Nummer 10
DER STERN 98990 150
Offizielle deutschsprachige Veröffentlichung der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
Die Erste Präsidentschaft:
Gordon B. Hinckley, Thomas S. Monson, James E. Faust
Das Kollegium der Zwölf:
Boyd K. Packer, L. Tom Perry, David B. Haight,
Neal A. Maxwell, Russell M. Nelson, Dahin H. Oaks,
M. Russell Ballard, Joseph B. Wirthlin, Richard G. Scott,
Robert D. Hcles, Jeffrey R. Holland, Henry B. Eyring
Chefredakteur: Marlin K. Jensen
Redaktionsleitung: Jay E. Jensen, John M. Madsen
Abteilung Lehrplan:
Geschäftsführender Direktor: Ronald L. Knighton
Direktor Planung und Redaktion: Richard M. Romney
Direktor Künstlerische Gestaltung: Allan R. Loyborg
Redaktion:
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Assist. Geschäftsführender Redakteur: R. Val Johnson
Co-Redakfeure: David Mitchell
Redakfionsassistenf/n: Jenifer Greenwood
Terminplanung: Beth Dayley
Assistentin Veröffentlichungen: Konnie Shakespear
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Manager Graphische Gestaltung: M. M. Kawasaki
Direktor Künsterische Gestaltung: Scott Van Kampen
Layout: Sharri Cook
Designer: Tadd R. Peterson
Manager Produktion: Jane Ann Peters
Produktion: Reginald J. Christensen, Denise Kirby,
Jason L. Mumford
Digitale Prepress: Jeff Martin
Abonnements:
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Deutsches Übersetzungsbüro
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Deutschland-Leserservice
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DEM 21,00; ATS 147,00; CHF 21,00
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CH Schweizerischer Bankverein, Birsfelden,
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Adressenänderung bitte einen Monat im voraus melden
Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt der „KINDER-
STERN April 1998" bei.
Manuskripte und Anfragen: International Magazines,
50 East North Temple, Floor 25, Salt Lake City, UT
84150-3223, USA; or e-mail to CUR-Liahona-
IMag@ldschurch.org
Die Internationale Zeitschrift der Kirche, deutsch „DER
STERN", erscheint monatlich auf chinesisch, dänisch,
deutsch, englisch, finnisch, französisch, holländisch, italie-
nisch, japanisch, koreanisch, norwegisch, portugiesisch,
samoanisch, schwedisch, spanisch und tongaisch; zwei-
monatlich wird sie auf indonesisch und thai veröffentlicht,
vierteljährlich auf bulgarisch, cebuano, fidschi, gilberte-
sisch, isländisch, polnisch, rumänisch, russisch, tagalog,
tschechisch, ukrainisch, ungarisch und vietnamesisch.
(New quarterly magazines may begin with one, two, or
three issues a year.)
© 1 998 by Intellectual Reserve, Inc. All rights reserved.
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by permission. Printed in the United States of America.
For Readers in the United States and Canada:
October 1998 vol. 124 no. 10. DER STERN (ISSN 1044-
338X) is pubiished monthly by The Church of Jesus Christ
of Latter-day Saints, 50 East North Temple, Salt Lake City,
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LESERBRIEFE
„DIE FAMILIE - EINE PROKLAMATION AN
DIE WELT"
Im Sommer 1996 waren zwei Musiker
aus einer russischen Volkstanzgruppe bei
uns zu Gast. Ich hatte meinem Mann kurz
zuvor ein Abonnement des Liahona
(russisch) geschenkt, und eines Morgens
blätterte einer unserer Gäste in der
Ausgabe vom Juni 1996. Er zog seine Brille
hervor und sah sich eine bestimmte Seite
sehr gründlich an. Dann zeigte er sie
unserem anderen russischen Gast. Ich
erfuhr später, daß die Seite in der
Zeitschrift, die sein Interesse so sehr
geweckt hatte, die Proklamation zur
Familie war, die die Erste Präsidentschaft
und der Rat der Zwölf Apostel herausge-
geben haben.
Als unsere Gäste am Ende der Woche
wieder abreisten, baten sie nur um ein
einziges Souvenir - die Zeitschrift mit
der Proklamation zur Familie. Wir haben
sie ihnen gern geschenkt - hoffentlich
zusammen mit guten Erfahrungen mit
unserer Familie.
Victoria Morris,
Gemeinde Bountiful 41,
Pfahl Bountiful Utah Heights
Anmerkung der Herausgeber: „Die Familie -
Eine Proklamation an die Welt" ist auf Seite
24 dieser Ausgabe noch einmal abgedruckt.
HILFE FÜR DIE MITGLIEDER,
DIE MISSIONARE SEIN WOLLEN
Ich lese gern den Seito no Michi (japa-
nisch). Es steht soviel Gutes darin, und
jede Ausgabe hilft mir. Ich kopiere häufig
Seiten aus der Zeitschrift und schenke sie
Freunden und Untersuchern.
Kazuko Oikawa,
Zweig Kitakami,
Pfahl Morioka, Japan
BEISPIELE AUS DEM LEBEN UNSERER
PROPHETEN
Der Liahona (spanisch) ist mir und
meiner Familie ein Segen. Die Artikel, vor
allem die Botschaft von der Ersten
Präsidentschaft, festigen meinen Glauben.
Der Liahona hat mir geholfen, ein Zeugnis
davon zu bekommen, daß der Herr
Propheten erweckt, die von ihm Zeugnis
geben und seine Lehren an uns weiter-
geben - so wie die Propheten in alter Zeit
gelehrt und von ihm Zeugnis gegeben
haben. Ihr Beispiel weckt in mir das
Verlangen, nach den Lehren des Herrn zu
leben. Wie viele andere Jugendliche in der
Kirche bereite ich mich jetzt auf eine
Vollzeitmission vor.
Lehi Spencer Santiago Lastra,
Gemeinde Los Jardines,
Pfahl Huanuco Amarilis, Peru
ARTIKEL, DIE ZU HERZEN GEHEN
Die Artikel im Liahona (spanisch) gehen
mir zu Herzen. Meine Lieblingsrubriken
sind die Artikel für die Jugendlichen und die
Leserbriefe. Ich übermittle Ihnen meinen
Dank. Leisten Sie auch weiterhin so gute
Arbeit.
Dairo Cogollo de Avila,
Zweig El Socorro,
Distrikt Cartagena El Bosque, Kolumbien
OKTOBER
1
19 9 8
BOTSCHAFT VON DER ERSTEN PRÄSIDENTSCHAFT
Geist und
Seele nähren
Präsident Gordon B. Hinckley
mos prophezeite in alter Zeit: „Seht, es kommen Tage -
Spruch Gottes, des Herrn - , da schicke ich den Hunger ins
Land, nicht den Hunger nach Brot, nicht Durst nach
Wasser, sondern nach einem Wort des Herrn.
Dann wanken die Menschen von Meer zu Meer, sie ziehen von Norden
nach Osten, um das Wort des Herrn zu suchen; doch sie finden es nicht."
(Arnos 8:11,12.)
Es herrscht ein Hunger im Land und ein aufrichtiger Geist - ein großer
Hunger nach dem Wort des Herrn und ein ungestillter Durst nach den Dingen
des Geistes. Ich bin davon überzeugt, daß die Welt nach geistiger Nahrung
hungert. Wir haben die Verpflichtung und die Möglichkeit, die Seele zu nähren.
BEMÜHEN SIE SICH DARUM, SICH VOM GEIST LEITEN ZU LASSEN
Vor über hundert Jahren hat Präsident Brigham Young in einem Gebet um
einen Segen für das Priestertum gefleht und „für alle, die in der Kirche,
deinem Reich, Vollmacht haben, damit der Heilige Geist über sie ausgegossen
werde und sie dazu befähige, alle ihre Aufgaben wahrzunehmen".
Dieses Gebet sprach er am Rednerpult des Tabernakels. Es war das
Anfangsgebet in der ersten Konferenz, die die Kirche dort jemals abhielt.
OKTOBER 1998
Ich verheiße Ihnen,
ohne zu zögern: wenn
Sie Ihre Familie im Geist
der Worte in Lehre und
Bündnisse 121 führen, die
ja vom Herrn stammen,
werden Sie Ursache haben,
sich zu freuen, genauso
wie diejenigen, für die Sie
verantwortlich sind.
I
Das war am 6. Oktober 1867. Über 130 Jahre später
ist seine flehentliche Bitte an den Herrn noch genauso
angebracht wie damals, als sie ausgesprochen wurde.
Wir brauchen den Heiligen Geist in unseren leitenden
Aufgaben. Wir brauchen ihn, wenn wir in unseren Klassen
und in der Welt das Evangelium lehren. Wir brauchen ihn,
um unsere Familie anzuleiten und zu unterweisen.
Wenn wir unter dem Einfluß dieses Geistes anleiten
und belehren, bringen wir eine geistige Gesinnung ins
Leben derer, für die wir verantwort-
lich sind.
DIE KIRCHE IST WELTWEIT VERTRETEN
Die Kirche wächst gewaltig, und
es wird uns immer mehr bewußt, wie
umfangreich die Angelegenheiten
des Reiches des Herrn sind. Wir
haben ein umfassendes Programm für
die Unterweisung der Familie. Wir
haben Organisationen für die Kinder,
die Jugendlichen, für die Mütter und
die Väter. Wir haben ein riesiges
Missionssystem, einen gewaltigen
Wohlfahrtsplan und wahrscheinlich
das umfassendste genealogische
Programm in der ganzen Welt. Wir
müssen Gotteshäuser bauen - zu Hunderten und
Tausenden. Wir müssen Schulen, Seminare, Institute
betreiben. Was wir tun, wirkt sich auf die ganze Welt aus.
All das ist Aufgabe der Kirche. Aber sie ist mehr als eine
Organisation mit inspirierten Unternehmungen. Sie ist
mehr als eine soziale Körperschaft. All dies ist nur Mittel
dazu, den wahren Zweck der Kirche zu erfüllen.
Dieser Zweck besteht darin, daß wir dem Vater im
Himmel helfen, sein Werk und seine Herrlichkeit
zustande zu bringen, nämlich die Unsterblichkeit und
das ewige Leben des Menschen (siehe Mose 1:39).
Die Kräfte, gegen die wir im Einsatz sind, sind
gewaltig. Wir brauchen mehr als unsere eigene Kraft, um
damit fertig zu werden.
Ich richte eine inständige Bitte an jedes
Familienoberhaupt, an alle, die ein Führungsamt
innehaben, an unsere vielen, vielen Lehrer und
Missionare: Nähren sie bei allem, was Sie tun, den Geist
und die Seele. „Der Buchstabe tötet, der Geist aber
macht lebendig." (2 Korinther 3:6.)
ch richte eine flehentliche Bitte an
jedes Familienoberhaupt, an alle,
die ein Führungsamt innehaben, an
unsere vielen, vielen Lehrer und
Missionare: Nähren sie bei allem,
was Sie tun, den Geist und die Seele
Diejenigen, die verwalten, die Führer der Kirche in
unseren Tausenden von Pfählen, Missionen, Distrikten,
Gemeinden und Zweigen, diejenigen, die die vielen
verschiedenen Versammlungen gestalten und leiten - und
da schließe ich mich selbst mit ein - bitte ich flehentlich:
bemühen wir uns unablässig um Inspiration vom Herrn
und darum, daß sein Heiliger Geist mit uns sein möge,
damit er uns in dem Bemühen, auf einer hohen geistigen
Ebene zu bleiben, segne. Solche Gebete bleiben nicht
ungehört, denn durch Offenbarung
ist uns diese Verheißung gegeben
worden: „Gott wird euch durch
seinen Heiligen Geist, ja, durch die
unaussprechliche Gabe des Heiligen
Geistes, Erkenntnis geben, die von
Anfang der Welt bis heute nicht
offenbart worden ist." (LuB 121:26.)
Dazu, wie wir unsere Versamm-
lungen leiten sollen, hat der Herr
gesagt, daß diejenigen, die die
Versammlung leiten, das so tun
sollen, „wie sie vom Heiligen Geist
geführt werden, gemäß den Geboten
und Offenbarungen Gottes" (LuB
20:45) . Und, so „ist es den Ältesten
meiner Kirche von Anfang an immer
gegeben gewesen - und es wird immer so sein - , daß sie
alle Versammlungen so leiten, wie sie vom Heiligen Geist
angewiesen und geführt werden" (LuB 46:2).
Sinnen wir doch außer über diesen Grundsatz noch
über eine weitere Aussage nach, die vor langer Zeit
gemacht wurde. Moroni schrieb bezüglich der neuen
Mitglieder, die zur Kirche gekommen waren: „Und
nachdem sie für die Taufe angenommen worden waren
und nachdem durch die Macht des Heiligen Geistes auf
sie eingewirkt worden war und sie gesäubert worden
waren, wurden sie dem Volk der Kirche Christi zuge-
zählt; und ihr Name wurde aufgenommen, damit ihrer
gedacht würde und sie durch das gute Wort Gottes
genährt würden, um sie auf dem rechten Weg zu halten,
um sie beständig wachsam zu halten im Beten."
(Moroni 6:4.)
Brüder und Schwestern, leiten wir doch alle unsere
Versammlungen so, daß wir immer darauf bedacht sind,
die Herde Gottes mit dem Brot zu nähren, das nicht
verdirbt.
DER
STERN
4
LEHREN SIE MIT DEM GEIST
Allen Eltern, allen, die das Evangelium lehren, auch
den Missionaren, einem jeden von Ihnen möchte ich
eine Frage stellen, die der Herr selbst gestellt hat:
„Darum stelle ich, der Herr, euch diese Frage: Wozu seid
ihr ordiniert worden?"
Er gibt selbst die Antwort: „Daß ihr das Evangelium
durch den Geist predigt."
Und dann spricht der Herr über das Bemerkenswerte,
das geschieht, wenn wir durch den Geist predigen:
„Darum können der, der predigt,
und der, der empfängt, einander
verstehen, und sie werden beide
erbaut und freuen sich miteinander."
(LuB 50:13,14,22.)
Ist das nicht das Ziel all unserer
Anstrengungen, daß sowohl wir, die
wir lehren, als auch diejenigen,
die unterwiesen werden, einander
verstehen und beide erbaut werden
und sich miteinander freuen?
GESCHICHTE VON EINEM
MILITÄRGEISTLICHEN
Ich denke in diesem Zusammen-
hang an einen unserer Militärgeistli-
chen, einen Mann mit großem Glauben, voller
Engagement und Mut. Er war über ein Jahr im zentralen
Hochland von Vietnam, als dort vor rund 30 Jahren der
Krieg tobte. Er befand sich dort, wo erbittert gekämpft
wurde und die Verluste tragisch waren - wie an so vielen
Orten in Vietnam. Er wurde zweimal verwundet. Er sah
mit an, wie entsetzlich viele aus seiner Brigade verwundet
wurden oder in der Schlacht fielen. Die Männer in seiner
Einheit liebten und achteten ihn. Seine vorgesetzten
Offiziere ehrten ihn.
Er war nicht immer Mitglied dieser Kirche gewesen.
Er war in den Südstaaten der USA in einer religiösen
Familie aufgewachsen, wo man in der Bibel las und wo
die Familie regelmäßig in die kleine Kirche am Ort ging.
Er wünschte sich die Gabe des Heiligen Geistes, da er in
der Bibel davon gelesen hatte, aber man sagte ihm, es
gebe sie nicht. Das Verlangen danach verließ ihn nie. Er
wuchs heran und diente in der US -Armee. Er suchte
nach dem, was er sich am meisten wünschte, fand es aber
nie. Zwischendurch war er Gefängniswärter. Während er
Ist das nicht das Ziel all unserer
Anstrengungen, daß sowohl wir,
die wir lehren, als auch diejenigen,
die unterwiesen werden, einander
verstehen und beide erbaut werden
und sich miteinander freuen?
in Kalifornien im Wachturm des Gefängnisses saß, sann
er über seine Schwächen nach und betete zum Herrn, er
möge den Heiligen Geist empfangen und den Hunger
stillen, den er in der Seele spürte. Die Predigten, die er
gehört hatte, hatten diesen Hunger nicht zu stillen
vermocht.
Eines Tages klopften zwei junge Männer an seine Tür.
Seine Frau bat sie, wiederzukommen, wenn ihr Mann zu
Hause war. Die beiden jungen Männer unterwiesen die
Familie durch den Heiligen Geist. Nach zweieinhalb
Wochen ließ die Familie sich taufen.
Ich habe gehört, wie dieser Mann
davon Zeugnis gab, wie es war, durch
die Macht des Heiligen Geistes
unterwiesen zu werden, daß er erbaut
wurde und sich mit denen freute, die
ihn unterwiesen. Aber diese wunder-
volle Erfahrung mit dem Heiligen
Geist war erst der Anfang. Es
ergossen sich Licht und Wahrheit
über ihn, und den Sterbenden wurde
Frieden geschenkt, die Trauernden
wurden getröstet, die Verwundeten
wurden gesegnet, die Ängstlichen
faßten Mut, die Spötter fanden zum
Glauben. Die Frucht der Unterweisung
mit der Inspiration des Heiligen Geistes ist süß. Geist
und Seele werden dabei genährt.
DER HEILIGE GEIST FÜR ELTERN
Ich möchte den Eltern, die ja Oberhaupt ihrer Familie
sind, einen besonderen Rat geben: Wir brauchen für
unsere heikle und gewaltige Aufgabe, die geistige
Gesinnung in unserer Familie stark zu machen, die
Weisung des Heiligen Geistes.
Es gibt in der ganzen Welt zahllose entsetzliche
Tragödien, die daher rühren, daß in den Familien Streit
herrscht.
Vor vielen Jahren klingelte einmal das Telefon in
meinem Büro. Der junge Mann am anderen Ende der
Leitung erklärte mir ungestüm, er müsse mich unbedingt
sehen. Ich erklärte ihm, ich hätte den ganzen Tag noch
einen Termin nach dem anderen. Ich fragte ihn, ob er
nicht am nächsten Tag kommen könne. Er erwiderte, er
müsse mich sofort sehen. Ich sagte ihm, er solle kommen,
und bat meine Sekretärin, alle übrigen Termine zu
DER
STERN
6
ändern. Nach wenigen Minuten kam er herein, er sah
gehetzt und verwirrt aus. Seine Haare waren lang, und er
sah sehr elendaus. Ich bat ihn, sich zu setzen und ganz
offen zu sprechen. Ich versicherte ihm, ich sei an seinem
Problem interessiert und wolle ihm helfen.
Er begann, mir eine herzzerreißende Geschichte zu
erzählen. Er steckte in ernsten Schwierigkeiten. Er hatte
das Gesetz übertreten, er war unrein gewesen, sein Leben
war völlig durcheinander. Jetzt, in seiner äußersten Not,
war ihm bewußt geworden, in welch entsetzlicher Lage er
steckte. Er brauchte Hilfe, weil er allein nicht weiter
wußte, und er flehte mich an, ihm zu helfen. Ich fragte
ihn, ob sein Vater von seinen Schwierigkeiten wisse.
Darauf erwiderte er, mit seinem Vater könne er nicht
reden, sein Vater hasse ihn.
Zufällig kannte ich seinen Vater, und ich wußte, daß
sein Vater ihn nicht haßte. Er liebte ihn und war seinet-
wegen zutiefst bekümmert, aber der Vater hatte seinen
Jähzorn nicht im Griff. Immer wenn er seine Kinder
bestrafte, verlor er die Beherrschung und ruinierte damit
seine Kinder und sich selbst.
Ich blickte den zitternden, gebrochenen jungen
Mann, der seinen Vater als seinen Feind betrachtete,
über den Schreibtisch hinweg an. Ich dachte an die erha-
benen Worte offenbarter Weisheit, die durch den
Propheten Joseph Smith gegeben wurden. Sie geben den
Wesenskern dessen wieder, von welchem Geist das
Priestertum sich leiten lassen soll, und ich glaube, sie
gelten auch dafür, wie wir unsere Familie führen sollen.
IN „UNGEHEUCHELTER LIEBE" STECKT MACHT
Es „kann und soll keine Macht und kein Einfluß
anders geltend gemacht werden als nur mit überzeu-
gender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und
mit ungeheuchelter Liebe,
mit Wohlwollen und mit reiner Erkenntnis, wodurch
sich die Seele sehr erweitert - ohne Heuchelei und ohne
Falschheit." (LuB 121:41,42.)
Ich glaube, diese wundervollen und schlichten Worte
legen dar, von welchem Geist wir Eltern uns leiten lassen
sollen. Bedenken sie, daß wir angemessen, aber
einfühlsam strafen sollen, daß wir weise tadeln sollen.
Bedenken Sie, wie die Schriftstelle weitergeht:
„Alsbald mit aller Deutlichkeit zurechtweisend
[Wann? Wenn man zornig ist und die Beherrschung
verlieren könnte? Nein.], wenn dich der Heilige Geist
dazu bewegt [ist der Heilige Geist zugegen, wenn man im
Streit zurechtweist? Nein.], wirst du danach aber demje-
nigen, den du zurechtgewiesen hast, vermehrte Liebe
erweisen, damit er nicht meint, du seiest sein Feind,
damit er weiß, daß deine Treue stärker ist als die
Fesseln des Todes." (LuB 121:43,44.)
DER HEILIGE GEIST, DER SCHLÜSSEL DAZU, WIE WIR
UNSERE FAMILIE FÜHREN SOLLEN
Dies, meine Brüder und Schwestern, die Sie das
Oberhaupt Ihrer Familie sind, ist der Schlüssel dazu, wie
Sie, vom Heiligen Geist geleitet, Ihre Familie fuhren sollen.
Ich lege diese Worte jedem Vater und jeder Mutter ans
Herz und verheiße Ihnen, ohne zu zögern: wenn Sie Ihre
Familie im Geist dieser Worte führen, die ja vom Herrn
stammen, werden Sie Ursache haben, sich zu freuen,
genauso wie diejenigen, für die Sie verantwortlich sind.
Diese inspirierten Worte sind der geistige Lebensnerv
des Evangeliums; sie werden zum Rückgrat unseres
Glaubens. Möge Gott uns helfen, uns bei allem, was wir
in der Kirche und in unserer Familie tun, daran auszu-
richten.
Ich kehre noch einmal zu dem Gebet zurück, das
Präsident Young vor über hundert Jahren gesprochen hat:
Unser ewiger Vater, wir bitten dich um deinen Segen für
„das Priestertum [und] für alle, die in der Kirche, deinem
Reich, Vollmacht haben, damit der Heilige Geist über sie
ausgegossen werde und sie dazu befähige, alle ihre
Aufgaben wahrzunehmen" - in der Familie, in ihren
Berufungen, im Beruf, in der Nachbarschaft und bei allem,
was sie tun, und im Umgang mit allen Menschen. D
FÜR DIE HEIMLEHRER
1. Die Welt hungert nach geistiger Nahrung.
2. Wir brauchen den Heiligen Geist, um unsere
Familie anzuleiten und zu unterweisen. Wir brauchen
ihn in unseren leitenden Aufgaben in der Kirche. Wir
brauchen ihn, wenn wir in unseren Klassen und in der
Welt das Evangelium lehren.
3. Wir brauchen den Geist, damit alle Beteiligten
einander erbauen und sich miteinander freuen (siehe
LuB 50:22).
4. Unsere rechtschaffenen Gebete darum, der Heilige
Geist möge unser Begleiter sein, werden nicht ungehört
bleiben.
OKTOBER
7
19 9 8
EINE JUNGE RUSSIN ENTDECKT EIN NEUES LEBEN - UND NIMMT ES AN,
Sascha Strachowa
Als Sascha Strachowa 13 Jahre
alt war, spürte sie in sich das
Verlangen, Gott zu erkennen.
Monatelang betete sie: „Himmlischer
Vater, ich möchte dich besser
kennenlernen."
Der Herr erhörte ihr Beten. Eines
Tages wurden zwei Missionare einge-
laden, zu den Schülern in ihrer Klasse
an einer Schule in St. Petersburg zu
sprechen. Etwas, das sie sagten, über-
raschte sie und weckte ihre
Aufmerksamkeit: „Menschen sind,
damit sie Freude haben können." (2
Nephi 2:25.) Welch ungewöhnlicher
Gedanke! „Aber ich glaubte ihnen",
sagt Sascha. „Ich hatte das Gefühl,
daß sie wußten, wie wir Freude haben
können."
Voller Begeisterung lief sie nach
Hause, um ihrer Mutter von ihrer
Entdeckung zu berichten. Aber ihre
Mutter, die erst vor kurzem
geschieden worden war und sich vom
Leben überwältigt fühlte, wollte von
ihrer Begeisterung nichts wissen.
Sascha flehte sie an, ihr zu erlauben,
die Sonntagsversammlungen im
Zweig der Kirche zu besuchen,
obwohl es dorthin ein weiter Weg
Marvin K. Gardner
war. „Mama sagte: ,Warum mußt du
so weit fahren?' Aber ich habe
gesagt: ,Mama, ich werde in diese
Kirche gehen.'"
Am nächsten Sonntag fuhr
Sascha allein mit dem Bus und der
U-Bahn zur Kirche. „Ich habe die
Liebe dort gespürt", sagt sie. „Ich
habe das Leben in den Menschen
gespürt. Ich habe ja erst angefangen,
Gott kennenzulernen, und ich wollte
so gern fühlen, was sie fühlten."
Bald fragte sie ihre Mutter, ob die
Missionare zu ihnen nach Hause
kommen konnten. „Meine Mutter
sagte: ,Nein, wir brauchen keine
Missionare.' Aber ich sagte ihr:
,Mama, ich werde jeden Tag den
Fußboden wischen. Bitte laß sie
kommen.'" Nachdem Sascha einen
Monat lang den Fußboden gewischt
hatte, überredete sie ihre Mutter, die
Missionare doch kommen zu lassen.
Als sie kamen, stellten sie zu ihrer
Überraschung fest, daß die Wohnung
voller Dreizehnjähriger war. Sascha
hatte ihre gesamte Schulklasse einge-
laden! Drei Monate später ließen sie
und zwei ihrer Freundinnen sich
taufen.
DER STERN
8
„SIE WOLLEN ETWAS ÜBER GOTT
ERFAHREN!"
Sascha wollte so gern, daß auch
ihre Mutter an den Segnungen des
Evangeliums teilhatte. „Ich habe für
sie gefastet und gebetet", sagt sie.
„Jeden Abend habe ich ihr einen
Zettel aufs Bett gelegt. Ich habe
geschrieben: ,Liebe Mama, Gott liebt
dich so sehr. Bitte bete zu ihm. Er
wird dich heute sicher segnen.'"
Sascha hält mit ihrer Mutter den
Familienabend und hofft noch
immer, daß sie sich einmal taufen
lassen wird.
Als Sascha 14 war, sah sie
eines Tages einen Handzettel einer
protestantischen Kirche, auf dem
die Menschen, die mehr über
Gott erfahren wollten, zu einer
Sascha findet in St. Petersburg,
einer Stadt, die reich ist an Kultur,
Freude und Lebenssinn. Oben
links: Der Triumphbogen am
Palastplatz. Oben rechts: Die
Auferstehungskirche.
Gegenüberliegende Seite: An einer
Brücke über einen der vielen
Kanäle in der Stadt.
y s*
-v
I ß/i
Sascha und eine Freundin, links, leiten auf einer Jugendtagung einen Workshop. Als Zweig-FHV-Leiterin, rechfs,
besucht Sascha gern die Schwestern und ihre Familie.
Versammlung eingeladen wurden.
Sascha dachte sich: „Sie wollen etwas
über Gott erfahren!" Sie meinte, das
wäre eine wundervolle Gelegenheit,
ernsthaften Wahrheitssuchern etwas
vom Evangelium zu erzählen, und
ging ganz allein zu der Versammlung.
In der Versammlung stellte sie sich
mutig vor den Raum voller Menschen
und gab Zeugnis vom Erretter und
von der Wiederherstellung. „Ich habe
ihnen erklärt, daß ich von ganzem
Herzen weiß, daß das wahr ist", sagt
sie. „Und ich habe sie alle zur Kirche
eingeladen." Seit jenem Tag im Jahre
1992 hat Sascha mitgeholfen,
mehrere Freunde zur Kirche zu
bringen.
VERLOCKUNGEN DER WELT
Es gab in Saschas Leben allerdings
auch eine Zeit, wo die Verlockungen
der Welt sie fast überwältigten. Sie
tanzt für ihr Leben gern und hat seit
ihrer frühen Kindheit darauf hingear-
beitet, eine professionelle Tänzerin zu
werden. Mehrere Monate nach ihrer
Taufe wurde sie Mitglied einer profes-
sionellen Modern- Dance -Gruppe in
St. Petersburg. Die meisten übrigen
Tänzer in der Gruppe waren
Erwachsene. Niemand von ihnen war
Mitglied der Kirche, und keiner lebte
nach den Grundsätzen der Kirche.
Als Sascha 15 war, begann die
Tanzgruppe, sich auf eine Tournee in
die Schweiz vorzubereiten. Das war
die Chance ihres Lebens. „Ich habe
jeden Tag ungefähr acht Stunden
getanzt", sagt sie. „Ich habe mich von
ganzem Herzen auf die Reise vorbe-
reitet." Nach ein paar Monaten, in
denen sie sich nur auf das Tanzen
konzentriert hatte, hatte sie sich
gefährlich weit von ihrer Mutter,
ihren schulischen Aufgaben und der
Kirche entfernt.
Zum Glück hatte sie noch Anja,
eine Freundin aus der Kirche. Eines
Tages sagte Anjas Mutter, die auch
Mitglied der Kirche ist: „Sascha, hör
auf! Meinst du, du kannst in einer
solchen Umgebung rein bleiben?
Diese Menschen halten sich nicht
an das Wort der Weisheit und auch
nicht an das Gesetz der Keuschheit.
Meinst du, der Heilige Geist kann
mit dir bleiben?"
„Diese Worte sind mir ins Herz
gedrungen", sagt sie. „Mir wurde
plötzlich klar, daß ich von geistiger
Finsternis umgeben war, und ich
bekam Angst. Anja und ich fielen
auf die Knie und fingen an zu beten.
Nachdem wir gebetet hatten, schien
um uns herum ein Licht zu leuchten.
Ich wußte, daß ich die Tanzgruppe
verlassen mußte."
Aber wie konnte sie tatsächlich
aufhören? Wie konnte sie die
anderen Tänzer enttäuschen? Sascha
bat um einen Priestertumssegen.
Dann nahm sie Anja mit, um der
Leiterin der Tanzgruppe die
Nachricht zu übermitteln. „Als wir in
die Halle kamen, sah ich, wie meine
Leiterin dort saß und rauchte. Sie
sagte, ich sollte mich beeilen und
mich für die Probe umziehen",
erzählt Sascha. „Ich erklärte ihr, ich
würde nicht mehr dort arbeiten -
aber sie hörte mir gar nicht zu. ,Wie
kannst du so etwas wagen?' fragte sie.
,Warum verrätst du uns?' Sie hielt
mich fest und brachte mich zu der
Gruppe. Ich versuchte mit ihr zu
reden, aber ich hatte keine Kraft
mehr; ich konnte nichts sagen."
Zum Glück war Anja noch bei ihr
- sie sagte nichts, aber im stillen
betete sie für ihre Freundin. „Plötzlich
hatte ich das Gefühl, daß ich die Kraft
hatte, zu der Gruppe zu sprechen",
sagt Sascha. Sie erklärte, warum sie
aufhören wollte. „Es war schwierig,
weil es ja meine Freunde waren."
Als der Leiterin klar wurde, daß
Sascha ihre Meinung nicht änderte,
suchte sie sich eine Ersatztänzerin
und bat Sascha, ihr alles beizu-
bringen. „Ich fing an zu tanzen", sagt
Sascha, „und dabei habe ich geweint,
DER
STERN
10
weil ich wußte, daß ich diese Tänze
zum letzten Mal tanzte."
Als sie nach Hause kam, war sie
erschöpft. „Aber ich wußte, daß ich
gewonnen hatte! Ich betete an dem
Abend und an jedem Abend, der
seitdem vergangen ist. Mir war klar,
daß wir für den Herrn manchmal
das opfern müssen, was wir am
meisten lieben. Eigentlich begann
in dem Augenblick mein neues
Leben."
Sascha versöhnte sich mit ihrer
Mutter, machte den Oberschulab-
schluß und suchte sich eine neue
Möglichkeit zu tanzen. Sie hat vor
kurzem an einer Fachschule für
Kultur und Kunst in St. Petersburg
eine Tanzausbildung absolviert.
Noch wichtiger ist ihr aber, daß sie
ihr Herz wieder ganz auf den Herrn
ausgerichtet hat.
„ICH WUSSTE, DASS WIR EINE
FAMILIE SEIN MUSSTEN"
Mit 16 Jahren wurde Sascha als
Erste Ratgeberin in der Zweig- JD-
Leitung berufen. Ihre Freundin Anja
war die Leiterin. Die beiden waren
die einzigen aktiven JD in ihrem
Zweig. Eines Tages sagte einer der
Führer zu ihnen: „Ihr habt viele
Jungen Damen in eurem Zweig, aber
nur ihr beiden kommt. Gott hat
euch zur Arbeit berufen!"
Also machten Sascha und Anja
sich an die Arbeit. Innerhalb eines
Monats waren fast 15 Mädchen in
dem Zweig aktiv. Ein paar Monate
später wurde Sascha als Zweig-JD-
Leiterin berufen. Und mit 17 wurde
sie Erste Ratgeberin in der Distrikts-
JD-Leitung. „Wie ich waren viele
dieser Mädchen das einzige Mitglied
der Kirche in ihrer Familie, und ich
wußte, daß wir alle eine Familie sein
mußten. Ich wünschte mir, daß wir
alle wahre Freundinnen sein
konnten. Dann konnten wir alle dem
Herrn treu sein."
Die Mädchen kamen im Lauf der
Woche oft zusammen, um zusammen
zu sein, Aktivitäten durchzuführen
und zu dienen. Sie wechselten sich
mit dem Unterricht ab. Sie nahmen
in ihrem Zweig am Seminar teil. Sie
gingen spazieren und unternahmen
einiges gemeinsam. „Die meisten
dieser Mädchen sind immer noch in
der Kirche aktiv", sagt Sascha. „Sie
haben ein starkes Zeugnis und dienen
jetzt selbst in einer Berufung. Wir sind
immer noch gute Freundinnen."
„ES WIRD SO LEICHT SEIN"
Mit 18 wurde Sascha als Zweig-
FHV-Leiterin berufen. „Zuerst dachte
ich: ,Ich habe reichlich Energie. Ich
kann alles allein schaffen, es wird so
leicht sein.' Aber dann wurde mir
klar, daß wir in unserem Zweig über
90 Schwestern hatten - wobei die
meisten älter waren als ich - und daß
ich gar nicht alles allein schaffen
konnte!"
Sie demütigte sich und bat den
Herrn um Hilfe. Ihr Zweigpräsident
ermutigte sie, die Schwestern in
Freundschaft zu einen. „Wir hatten
das Gefühl, daß das Besuchslehren
unsere wichtigste Arbeit war."
DER GEIST DER WEIHNACHT
Jahrzehntelang war das Weih-
nachtsfest in Rußland nicht mehr
gefeiert worden. Aber nach vielem
Beten hatte Sascha das Gefühl,
es sei wichtig, an diesem Tag die
Geburt des Erretters zu feiern.
„Ich wollte, daß jede Schwester den
Geist der Weihnacht spürte", sagt
sie. In der Arbeitsstunde lernten
sie, Stofftiere anzufertigen. Dann
besuchten kleine Gruppen von
Schwestern alle anderen im Zweig -
über 50 Familien - sie übermittelten
Weihnachtsgrüße und brachten den
Kindern Spielzeug mit.
Sascha war so sehr mit den Vorbe-
reitungen und Besuchen beschäftigt
gewesen, daß sie nicht einmal daran
gedacht hatte, ob sie selbst besucht
wurde. „Aber am 23. Dezember, dem
kältesten Abend des Winters, klin-
gelte es an meiner Tür, und vier
meiner Schwestern kamen in meine
Wohnung", erzählt sie. „Eine von
ihnen war seit anderthalb Jahren
nicht mehr in der Kirche aktiv
gewesen. Sie hatten an dem Abend
bereits mehrere Schwestern besucht,
aber jetzt hatten sie beschlossen, auch
mich noch zu besuchen! Es war so
kalt - sie froren sehr. Aber sie
zündeten Kerzen an und sangen mit
mir ,Stille Nacht'. Sie sagten mir viele
freundliche Worte und gaben mir
eine der Weihnachtskarten, die wir in
der Arbeitsstunde angefertigt hatten!
Ich fühlte mich von ihnen und vom
himmlischen Vater sehr geliebt."
Später erzählten viele der Frauen
Sascha, wieviel Freude es ihnen
bereitet hatte, ihre Weihnachtsbe-
suche zu machen und besucht zu
werden. „Als sie mir von ihren
Erfahrungen berichteten, waren sie
voller Gefühle, voller Licht und
Feuer. Ich spürte die Wärme, die sie
ausstrahlten, obwohl es die kälteste
Zeit des Winters war!"
Heute, mit 20, dient Sascha als
Ratgeberin in der Distrikts-FHV-
Leitung. „Ich lerne immer etwas",
sagt sie, „und ich habe Angst davor,
die eiserne Stange loszulassen [siehe
1 Nephi 11:25]. Ich lese jeden Tag
im Buch Mormon; es ist meine
Stütze. Die Liebe unseres himmli-
schen Vaters und Jesu Christi ist das
Größte auf der Welt. Nur sie können
uns ewiges Glück schenken. Ich
kann mir mein Leben ohne sie nicht
mehr vorstellen!" D
OKTOBER
11
19 9 8
Die Familie ist nicht nur die Grundlage unserer Gesellschaft und der Kirche,
sondern auch unserer Hoffnung auf ewiges Leben.
Eider Henry B. Eyring
vom Kollegium der Zwölf Apostel
Seit der Wiederherstellung des Evangeliums
Jesu Christi durch den Propheten Joseph
Smith hat die Kirche Jesu Christi der Heiligen
?der Letzten Tage nur viermal eine
Proklamation herausgegeben.1 Seit der
vorhergehenden, die den Fortschritt, den die Kirche in
ihrer 150jährigen Geschichte gemacht hatte, schilderte,
waren über 15 Jahre vergangen. Wir können also sehen,
wie wichtig dem himmlischen Vater die Familie ist, die ja
das Thema der fünften und jüngsten Proklamation ist,
die am 23. September 1995 herausgegeben wurde.2
Da unser Vater seine Kinder liebt, läßt er uns nicht
im Ungewissen über das, was in diesem Leben am wich-
tigsten ist und wo unsere Aufmerksamkeit uns glücklich
und Gleichgültigkeit uns traurig machen kann.
Manchmal sagt er jemandem etwas direkt, durch
Inspiration. Aber außerdem teilt er uns diese wichtigen
Dinge durch seine Diener mit. Um es mit den Worten
des Propheten Arnos zu sagen, die vor langer Zeit
niedergeschrieben wurden: „Nichts tut Gott, der Herr,
ohne daß er seinen Knechten, den Propheten, zuvor
seinen Ratschluß offenbart hat." (Arnos 3:7.) Er tut dies
so, daß selbst diejenigen, die keine Inspiration spüren,
wissen können, falls sie überhaupt zuhören, daß ihnen
die Wahrheit gesagt worden ist und daß sie gewarnt
worden sind.
Der Titel der Proklamation zur Familie lautet „Die
Familie - eine Proklamation an die Welt - Die Erste
Präsidentschaft und der Rat der Zwölf Apostel der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage."3
Dreierlei an diesem Titel ist es wert, daß wir gründlich
darüber nachdenken. Erstens das Thema, die Familie.
Zweitens die Adressaten, die ganze Welt. Und drittens
diejenigen, die die Proklamation herausgegeben haben
und die wir als Propheten, Seher und Offenbarer
bestätigen. All dies bedeutet, daß die Familie für uns von
größer Wichtigkeit ist und daß alles, was in der
Proklamation steht, jedem in der Welt helfen kann und
daß die Proklamation der Verheißung entspricht, in der
der Herr sagt: „Sei es durch meine eigene Stimme oder
durch die Stimme meiner Knechte, das ist dasselbe."
(LuB 1:38.)
Ehe wir nun den Text der Proklamation näher
betrachten, wollen wir anmerken, daß der Titel der
Proklamation uns etwas darüber sagt, wie wir uns auf
die darauffolgenden Worte einstimmen sollen. Wir
können damit rechnen, daß Gott uns nicht einfach
etwas Interessantes zum Thema Familie sagt; er sagt uns
hier, was eine Familie sein soll und warum. Außerdem
wissen wir, daß unser himmlischer Vater und sein Sohn,
Jesus Christus, wollen, daß wir so werden wie sie, damit
wir für immer in einer Familie bei ihnen leben können.
DER
STERN
12
„Im vorirdischen Dasein kannten und verehrten die
Geistsöhne und -töchter ihren ewigen Vater und
nahmen seinen Plan an; nach diesem Plan konnten
sie einen physischen Körper erhalten und die
Erfahrungen des irdischen Lebens machen, um sich
auf die Vollkommenheit hin weiterzuentwickeln und
letztlich als Erben ewigen Lebens ihre göttliche
Bestimmung zu verwirklichen/1
ELEKTRONISCHE ILLUSTRATIONEN VON SCOTT WELTY; FOTOS VON CRAIG DIMOND, WO NICHTS
ANDERES ANGEGEBEN IST. SEITE 13: FOTO DER FAMILIE VON MICHAEL MCRAE; GEMÄLDE VON
ROBERT T. BARRETT
#»
OKTOBER
13
19 9 8
Wir wissen, daß dies wahr ist, weil wir diese schlichte
Aussage zu ihren Absichten haben: „Es ist mein Werk und
meine Herrlichkeit, die Unsterblichkeit und das ewige
Leben des Menschen zustande zu bringen." (Mose 1:39.)
EWIGES LEBEN: EIN ERREICHBARES ZIEL
Ewiges Leben bedeutet, so wie der Vater zu werden
und glücklich und in Freude für immer in einer Familie
zu leben; also wissen wir, daß wir Hilfe brauchen, wenn
wir das, was er sich für uns wünscht, erreichen wollen.
Und wenn wir uns unzulänglich fühlen, mag es uns
leichter fallen, umzukehren und bereit zu sein, uns auf
die Hilfe des Herrn zu verlassen. Daß die Proklamation
für die ganze Welt gültig ist, für jeden Menschen und
jede Regierung darin, schenkt uns die Gewißheit, daß wir
uns von unserem Gefühl der Unzulänglichkeit nicht über-
wältigen lassen müssen. Wer wir auch sind, wie schwierig
unsere Umstände auch sein mögen, wir können wissen,
daß das, was unser Vater von uns verlangt, wenn wir für
die Segnungen ewigen Lebens würdig sein wollen, unsere
Fähigkeiten nicht übersteigt. Was ein Junge vor langer
Zeit einmal gesagt hat, als er vor einer scheinbar unmög-
lichen Aufgabe stand, ist wahr: „Ich weiß, der Herr gibt
den Menschenkindern keine Gebote, ohne ihnen einen
Weg zu bereiten, wie sie das vollbringen können, was er
ihnen geboten hat." (1 Nephi 3:7.)
Wir müssen vielleicht voll Glauben beten, um zu
erkennen, was wir tun sollen, und wenn wir es dann
wissen, müssen wir mit dem festen Vorsatz beten,
gehorsam zu sein. Aber wir können wissen, was wir tun
Die heiligen
Handlungen und
Bündnisse, die im
W heiligen Tempel voll-
If zogen werden können,
ermöglichen es dem
einzelnen, in die
Gegenwart Gottes
zurückzukehren, und
der Familie, auf ewig
vereint zu sein."
sollen, und sicher sein, daß der Herr uns den Weg bereitet.
Wenn wir lesen, was die Proklamation uns zum Thema
Familie sagt, können wir erwarten - ja, müssen wir
erwarten - daß wir Eingebungen zu dem erhalten, was wir
tun sollen. Und wir können zuversichtlich sein, daß es uns
möglich ist, diesen Eingebungen entsprechend zu handeln.
Die Proklamation beginnt folgendermaßen: „Wir, die
Erste Präsidentschaft und der Rat der Zwölf Apostel der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage,
verkünden feierlich, daß die Ehe zwischen Mann und
Frau von Gott verordnet ist und daß im Plan des
Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die
Familie im Mittelpunkt steht."
Stellen wir uns doch vor, wir wären kleine Kinder, die
diese Worte zum ersten Mal hören und glauben, daß sie
wahr sind. Das kann eine nützliche Einstellung sein,
wann immer wir das Wort Gottes lesen oder hören, denn
er hat uns gesagt: „Amen, das sage ich euch: Wer das
Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird
nicht hineinkommen." (Lukas 18:17.)
Ein kleines Kind fühlt sich geborgen, wenn es hört,
daß „die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott
verordnet ist". Das Kind weiß dann, daß die Sehnsucht
danach, sowohl vom Vater als auch von der Mutter
geliebt zu werden, die zwei Personen sind, einander aber
vollkommen ergänzen, deshalb besteht, weil diese
Sehnsucht Teil des ewigen Plans, des Plans des
Glücklichseins, ist. Das Kind fühlt sich auch deshalb
geborgen, weil es weiß, daß Gott dem Vater und der
Mutter hilft, Meinungsverschiedenheiten beizu-
legen und einander zu lieben, wenn sie bloß
um seine Hilfe bitten und sich bemühen. Die Gebete der
Kinder auf der ganzen Erde steigen so zu Gott auf und
flehen um seine Hilfe für die Eltern und die Familien.
Lesen Sie jetzt genauso, als ob wir kleine Kinder
wären, die nächsten Worte der Proklamation:
„Alle Menschen - Mann und Frau - sind als Abbild
Gottes erschaffen. Jeder Mensch ist ein geliebter
Geistsohn beziehungsweise eine geliebte Geisttochter
himmlischer Eltern und hat dadurch ein göttliches Wesen
und eine göttliche Bestimmung. Das Geschlecht ist ein
wesentliches Merkmal der individuellen vorirdischen,
irdischen und ewigen Identität und Lebensbestimmung.
Im vorirdischen Dasein kannten und verehrten die
Geistsöhne und -töchter ihren ewigen Vater und nahmen
seinen Plan an; nach diesem Plan konnten sie einen
physischen Körper erhalten und die Erfahrungen des
irdischen Lebens machen, um sich auf die
Vollkommenheit hin weiterzuentwickeln und letztlich als
Erben ewigen Lebens ihre göttliche Bestimmung zu
verwirklichen. Der göttliche Plan des Glücklichseins
macht es möglich, daß die Famililenbeziehungen über
das Grab hinaus Bestand haben. Die heiligen
Handlungen und Bündnisse, die im heiligen Tempel voll-
zogen werden können, ermöglichen es dem einzelnen, in
die Gegenwart Gottes zurückzukehren, und der Familie,
auf ewig vereint zu sein."
Wenn wir diese Wahrheiten kennen, sollte es uns
leichter fallen, uns wie ein kleines Kind zu fühlen, nicht
nur dann, wenn wir die Proklamation lesen, sondern
unser Leben lang, weil wir ja Kinder sind - aber in
was für einer Familie und mit welchen Eltern!
FOTO VON WELDEN ANDERSEN
OKTOBER 1998
15
Wir können uns ausmalen, wie es damals mit uns war, als
wir viel länger, als wir es uns heute vorstellen können,
Söhne und Töchter waren und in unserer himmlischen
Heimat mit Eltern zusammen waren, die uns kannten
und liebten. Außerdem wissen wir, daß wir in der vorir-
dischen Welt aufgrund unseres Geschlechts Männer und
Frauen mit einzigartigen Gaben waren und daß die
Möglichkeit, zu heiraten und eins zu werden, nötig war,
damit wir in Ewigkeit glücklich sein können. Aber jetzt,
da wir hier sind, können wir uns ausmalen, wie es sein
wird, wenn wir nach dem Tod wieder zu unseren
himmlischen Eltern an jenen wundervollen Ort heim-
kehren, und zwar nicht mehr nur als Söhne und
Töchter, sondern als Ehemann und Ehefrau, Vater und
Mutter, Großvater und Großmutter, Enkelsohn und
Enkeltochter, die einander für immer in einer liebenden
Familie verbunden sind.
Mit diesem Bild vor Augen können wir nie wieder in
Versuchung geraten, zu denken: Vielleicht würde mir das
ewige Leben gar nicht gefallen. Vielleicht wäre ich im
Leben nach dem Tod an einem anderen Ort genauso glück-
lich, schließlich habe ich gehört, daß selbst das niedrigste
Reich schöner ist als alles, was wir hier auf der Erde haben."
Um einer solchen Einstellung entgegenzuwirken,
müssen wir das Ziel ewiges Leben nicht nur im Sinn,
sondern auch im Herzen haben. Wir wünschen uns
ewiges Leben in einer Familie. Wir wünschen es uns
nicht nur für den Fall, daß es sich zufällig einrichten läßt,
und wir wünschen uns auch nichts, das fast so ist wie
ewiges Leben. Wir wünschen uns ewiges Leben, was
immer das an Anstrengung, Schmerz und Opfern kostet.
Wenn wir also versucht sind, auf ewiges Leben nur zu
hoffen, statt fest dazu entschlossen zu sein, könnten wir
an ein Haus denken, das ich vor kurzem gesehen habe.
Ich war in Boston in Massachusetts. Aus nostalgischen
Gründen kehrte ich zu der Pension zurück, in der ich
wohnte, als ich Kathleen kennenlernte, die jetzt meine
Frau ist. Das war lange her, deshalb erwartete ich, das
Haus in etwas verfallenem Zustand vorzufinden. Aber zu
meiner Überraschung war es frisch gestrichen und
umfangreich renoviert. Ich dachte daran zurück, wie
wundervoll die Eigentümer damals ihre Mieter, alles
Studenten, bei sich aufgenommen hatten. Ich hatte ein
großes Zimmer und ein eigenes Badezimmer, Möbel und
Bettwäsche, Zimmerservice, sechsmal in der Woche ein
opulentes Frühstück und fünfmal in der Woche ein herr-
liches Abendessen, und das alles zu einem recht geringen
Preis pro Woche. Außerdem waren die Mahlzeiten immer
reichlich und so liebevoll zubereitet, daß wir unsere
Vermieterin „Ma Soper" nannten. Heute weiß ich, daß
ich Frau Soper sicher nicht oft genug gedankt habe, auch
DER
nicht Herrn Soper und den Töchtern, denn es war sicher
nicht einfach, an jedem Abend in der Woche 12 allein-
stehende Männer zum Abendessen da zu haben.
Diese alte Pension hätte die größten Zimmer, den
besten Service und die nettesten Mieter haben können,
aber wir hätten dort trotzdem immer nur vorüberge-
hend bleiben wollen. Es hätte schöner sein können, als
wir uns je vorstellen könnten, und trotzdem hätten wir
nicht für immer als Alleinstehende dort wohnen
wollen, wenn wir auch nur eine schwache Erinnerung
oder Vorstellung von einer Familie mit geliebten Eltern
und Kindern haben - so wie die Familie, die wir
verlassen haben, als wir zur Erde kamen, und die
Familie, die wir schaffen und in der wir für immer leben
sollen. Es gibt im Himmel nur einen Ort, wo Familien
sein werden - den höchsten Grad im celestialen Reich.
Dort werden wir sein wollen.
Ein Kind, das die Worte der Proklamation dazu, daß
eine Familie in Ewigkeit vereint sein kann, hört und
glaubt, beginnt wohl eine lebenslange Suche nach einem
heiligen Tempel, wo heilige Handlungen und Bündnisse
zu finden sind, die die Familie über das Grab hinaus
bestehen lassen. Das Kind beginnt dann wohl auch, sich
darum zu bemühen, würdig zu werden und sich auf
sonstige Weise darauf vorzubereiten, einen potentiellen
Partner zu finden, der sich seinerseits für solche heiligen
Handlungen würdig gemacht hat. Die Worte der
Proklamation machen es deutlich, daß jemand, der diese
Segnungen erlangen will, gewisse Erfahrungen durch-
laufen muß, die der Vervollkommnung dienen. Ein Kind
spürt das vielleicht nicht von Anfang an, aber es lernt
wohl bald, daß es einen der Vollkommenheit kaum näher
bringt, wenn man nur gute Vorsätze faßt und sich mehr
bemüht. Vielmehr braucht man zusätzliche Hilfe.
Mit dem Alter kommt auch die Versuchung, manches
zu tun, das Schuldgefühle auslöst. Jedes Kind verspürt
irgendwann diese Gewissensbisse, so wie wir alle, Und wer
diese kostbaren Schuldgefühle hat und sich nicht davon
befreien kann, verzweifelt vielleicht, weil er das Gefühl
hat, daß das ewige Leben eine Vervollkommnung voraus-
setzt, die ihm unerreichbar vorkommt. Deshalb müssen
wir alle uns vornehmen, mit Menschen, die noch nicht
wissen, wie man solchen Fortschritt macht, zu sprechen
und ihnen zu erklären, was wir wissen. Wir tun das, weil
wir wissen, daß sie sich eines Tages das wünschen werden,
was wir uns wünschen, und daß sie dann wissen werden,
daß wir ihr Bruder beziehungsweise ihre Schwester waren
und daß wir den Weg zum ewigen Leben kannten. Es ist
nicht schwer, ein Missionar zu sein, wenn man an diesen
Augenblick in der Zukunft denkt, in dem sie und wir die
Dinge so sehen werden, wie sie wirklich sind.
STERN
16
DIE HEILIGKEIT DES MENSCHENLEBENS
Andere Worte in der Proklamation sind aufgrund
dessen, was wir über das ewige Leben wissen für uns von
besonderer Bedeutung. Sie stehen in den beiden näch-
sten Absätzen:
„Das erste Gebot, das Gott Adam und Eva gab, bezog
sich darauf, daß sie als Ehemann und Ehefrau Eltern
werden konnten. Wir verkünden, daß Gottes Gebot für
seine Kinder, sich zu vermehren und die Erde zu bevöl-
kern, noch immer in Kraft ist. Weiterhin verkünden wir,
daß Gott geboten hat, daß die heilige Fortpflanzungskraft
nur zwischen einem Mann und einer Frau angewandt
werden darf, die rechtmäßig miteinander verheiratet sind.
Wir verkünden, daß die Art und Weise, wie sterbli-
ches Leben erschaffen werden soll, von Gott so festgelegt
ist. Wir bekräftigen, daß das Leben heilig und in Gottes
ewigem Plan von wesentlicher Bedeutung ist."
Ein Kind, das diese Worte glaubt, könnte leicht sehen,
welche Fehler manche Erwachsene in ihrer Argumentation
machen. Beispielsweise machen scheinbar kluge und
mächtige Menschen Armut und Hunger als Ursache dafür
aus, daß es in manchen Teilen der Erde oder auf der Erde
überhaupt zu viele Menschen gibt. Sie setzen sich leiden-
schaftlich dafür ein, die Zahl der Geburten zu beschränken,
als ob das die Menschen glücklich machen würde. Ein
Kind, das die Proklamation glaubt, weiß, daß das nicht so
sein kann, auch ehe es diese Worte hört, die der Herr durch
seinen Propheten Joseph Smith hat sprechen lassen:
„Denn die Erde ist voll, und es ist genug vorhanden, ja, daß
noch übrigbleibt; ja, ich habe alles bereitet, und ich
gewähre den Menschenkindern, daß sie selbständig
handeln." (LuB 104:17.)
Ein Kind könnte sehen, daß der himmlische Vater den
Menschen nicht gebieten würde, zu heiraten und sich zu
vermehren und die Erde zu bevölkern, wenn die Kinder,
die sie in die Sterblichkeit einladen, die Erde völlig
„Das erste Gebot, das Gott Adam und Eva gab, bezog
sich darauf, daß sie als Ehemann und Ehefrau Eltern
werden konnten."
FOTO VON CRAIG DIMOND
(
ausbeuten würden. Da aber genug vorhanden ist, so daß
sogar noch etwas übrigbleibt, ist der Feind menschlichen
Glücks und die Ursache von Armut und Hunger nicht
die Geburt von Kindern. Vielmehr ist er darin zu sehen,
daß die Menschen mit der Erde nicht so umgehen, wie
Gott sie lehren könnte, wenn sie bloß fragen und gehor-
chen würden, da sie ja selbständig handeln können.
Wir würden auch sehen, daß das Gebot, keusch zu
sein und die Fortpflanzungskraft nur in der Ehe zu
gebrauchen, uns nicht einschränkt, sondern uns viel-
mehr bereichert und erhöht. Kinder sind eine Gabe des
Herrn an uns - sowohl in diesem Leben als auch in
Ewigkeit. Ewiges Leben bedeutet nicht nur, daß unsere
Nachkommen aus diesem Leben uns für immer gehören.
Es bedeutet auch ewige Vermehrung. So wird uns das,
was uns erwartet, wenn wir durch einen Diener Gottes,
der die Vollmacht hat, an uns die heilige Siegelung zu
vollziehen, im Tempel als Mann und Frau gesiegelt
worden sind, geschildert. Hier die Worte des Herrn:
„Dann wird ihnen alles geschehen, was mein Knecht
ihnen zugebilligt hat - in der Zeit und in aller Ewigkeit;
und ihr Bund wird voll in Kraft sein, wenn sie außer der
Welt sind, und sie werden an den Engeln und den
Göttern, die dort hingestellt sind, vorbeigehen zu ihrer
Erhöhung und Herrlichkeit in allem, wie es auf sie gesie-
gelt worden ist, und diese Herrlichkeit wird eine Fülle
sowie ein Weiterbestand der Nachkommen sein, für
immer und immer.
Dann werden sie Götter sein, weil sie kein Ende
haben; darum werden sie von Unendlichkeit zu
Unendlichkeit sein." (LuB 132: 19,20.)
Jetzt können Sie sehen, warum unser Vater den
Gebrauch unserer Fortpflanzungskraft, deren Fortbestand
der Wesenskern ewigen Lebens ist, mit so hohen
Maßstäben verknüpft. Der Herr Jesus Christus hat uns
erklärt, was ewiges Leben wert ist: „Wenn du meine
Gebote hältst und bis ans Ende ausharrst, sollst du ewiges
„Weiterhin verkünden wir, daß Gott geboten hat, daß
die heilige Fortpflanzungskraft nur zwischen einem
Mann und einer Frau angewandt werden darf, die
rechtmäßig miteinander verheiratet sind."
Leben haben, und diese Gabe ist die größte von allen
Gaben Gottes." (LuB 14:7.)
Wir können verstehen, warum unser himmlischer
Vater uns gebietet, große Achtung vor dem Leben zu
haben und die Kraft, die Leben erschafft, als heilig zu
erachten. Wenn wir in diesem Leben keine solchen
ehrfürchtigen Gefühle haben, wie kann unser Vater sie
uns dann in der Ewigkeit überlassen? Das Familienleben
hier ist das Klassenzimmer, in dem wir uns auf das
Familienleben dort vorbereiten. Und damit wir die
Möglichkeit haben, dort in einer Familie zu leben, hat
die Schöpfung stattgefunden. Deshalb wurde das
Kommen Elijas folgendermaßen geschildert: „Und er wird
den Kindern die den Vätern gegebenen Verheißungen ins
Herz pflanzen, und das Herz der Kinder wird sich ihren
Vätern zuwenden. Wenn es nicht so wäre, würde die
ganze Erde bei seinem Kommen völlig verwüstet werden."
Qoseph Smith - Lebensgeschichte 1:39.)
Für manche von uns besteht die Prüfung im
Klassenzimmer der Sterblichkeit darin, daß sie sich eine
Ehe und Kinder in diesem Leben von ganzem Herzen
wünschen, daß dies aber erst später kommt oder ihnen
ganz verwehrt bleibt. Selbst solchen Kummer können der
gerechte und liebende Vater und sein Sohn, Jesus
Christus, in Segen verwandeln. Niemandem, der voll
Glauben und mit ganzem Herzen nach den Segnungen
ewigen Lebens trachtet, bleiben sie verwehrt. Und wie
groß wird doch die Freude sein und wieviel tiefgehender
die Wertschätzung - nachdem man jetzt in Geduld und
Glauben ausgeharrt hat.
IN DER FAMILIE GLÜCKLICH WERDEN
Die Proklamation legt dar, wie wir hier für das
Familienleben geschult werden:
„Mann und Frau tragen die feierliche Verantwortung,
einander und ihre Kinder zu lieben und zu umsorgen.
,Kinder sind eine Gabe des Herrn.' (Psalm 127:3.) Die
Eltern haben die heilige Pflicht, ihre Kinder in Liebe
und Rechtschaffenheit zu erziehen,
für ihre physischen und geistigen
Bedürfnisse zu sorgen, sie zu lehren,
daß sie einander lieben und
einander dienen, die Gebote
Gottes befolgen und gesetzes-
treue Bürger sein sollen, wo
immer sie leben. Mann und
Frau - Vater und Mutter -
werden vor Gott darüber
Rechenschaft ablegen müssen, wie
sie diesen Verpflichtungen nachge-
kommen sind.
Die Familie ist von Gott eingerichtet. Die Ehe zwischen
Mann und Frau ist wesentlich für seinen ewigen Plan. Das
Kind hat ein Recht darauf, im Bund der Ehe geboren zu
werden und in der Obhut eines Vaters und einer Mutter
aufzuwachsen, die den Ehebund in völliger Treue
einhalten. Ein glückliches Familienleben kann am ehesten
erreicht werden, wenn die Lehren des Herrn Jesus Christus
seine Grundlage sind. Erfolgreiche Ehen und Familien
gründen und sichern ihren Bestand auf den Prinzipien
Glaube, Gebet, Umkehr, Vergebungsbereitschaft, gegensei-
tige Achtung, Liebe, Mitgefühl, Arbeit und sinnvolle
Freizeitgestaltung. Gott hat es so vorgesehen, daß der Vater
in Liebe und Rechtschaffenheit über die Familie präsidiert
und daß er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, daß die Familie
alles hat, was sie zum Leben und für ihren Schutz braucht.
Die Mutter ist in erster Linie für das Umsorgen und die
Erziehung der Kinder zuständig. Vater und Mutter müssen
einander in diesen heiligen Aufgaben als gleichwertige
Partner zur Seite stehen. Behinderung, Tod und sonstige
Umstände mögen eine individuelle Anpassung erforderlich
machen. Bei Bedarf leisten die übrigen Verwandten Hilfe."
Diese beiden Absätze sind voller praktischer Bezüge.
Es gibt manches, womit wir jetzt beginnen können und
das damit zu tun hat, daß wir für die geistigen und mate-
riellen Bedürfnisse einer Familie sorgen. Es gibt manches,
was wir jetzt tun können, um uns vorzubereiten, lange
ehe der Bedarf besteht, damit wir in dem Bewußtsein,
daß wir alles getan haben, was wir können, inneren
Frieden haben können.
Zunächst können wir beschließen, unseren Erfolg
und nicht unser Versagen zu planen. Jeden Tag werden
uns Statistiken vorgehalten, die uns weismachen
wollen, eine Familie, die aus einem liebenden Vater und
einer liebenden Mutter und
Kindern besteht, die so
geliebt, unterwiesen und umsorgt werden, wie die
Proklamation es rät, gehe angeblich den Weg der
Dinosaurier und sei im Aussterben begriffen. Sie haben
in Ihrer Familie genügend Beweise, um zu wissen, daß
rechtschaffenen Menschen manchmal die Familie durch
Umstände, auf die sie keinen Einfluß haben, auseinan-
dergerissen wird. Man braucht Mut und Glauben, um für
das zu planen, was Gott einem als Ideal vor Augen führt,
statt für das, was uns die Umstände aufzwingen mögen.
Umgekehrt gibt es wichtige Möglichkeiten, bei denen
ein Versagen wahrscheinlicher und das Ideal weniger wahr-
scheinlich ist, wenn man das Versagen einplant.
Betrachten Sie beispielsweise diese beiden, zusammen-
gehörigen Gebote: Der Vater hat die Pflicht, „dafür zu
sorgen, daß die Familie alles hat, was sie zum Leben . . .
braucht." Ebenso: „Die Mutter ist in erster Linie für das
Umsorgen und die Erziehung der Kinder zuständig." In
dem Bewußtsein, wie schwer das sein kann, entscheidet
sich ein junger Mann vielleicht für eine berufliche
Laufbahn auf der Basis dessen, wieviel Geld sie ihm
einbringt, selbst wenn das bedeutet, daß er dann vielleicht
nicht genug zu Hause wäre, um ein gleichwertiger Partner
zu sein. Dadurch hat er bereits beschlossen, daß er nicht
darauf hoffen kann, das zu tun, was am besten ist. Eine
junge Frau bereitet sich vielleicht auf eine berufliche
Laufbahn vor, die mit ihrer Hauptaufgabe, ihre Kinder zu
umsorgen, nicht vereinbar ist, weil es ja möglich ist, daß sie
nicht heiratet, daß sie keine Kinder bekommt oder daß sie
allein für die Kinder sorgen muß. Oder sie könnte es unter-
lassen, ihre Ausbildung auf das Evangelium und auf die
nützlichen Erkenntnisse in der Welt auszurichten, die die
Sorge für eine Familie verlangt, da ihr nicht klar ist, daß sie
ihre Talente und ihre Ausbildung zum höchsten und besten
Nutzen anwendet, indem sie sie in der Familie nutzt. Wenn
also ein junger Mann und eine junge Frau auf diese Weise
planen, ist es vielleicht weniger wahrscheinlich, daß sie das
erlangen, was für eine Familie am besten ist.
Gewiß verhalten sie sich beide klug, wenn sie sich über
die materiellen Bedürfnisse ihrer zukünftigen Familie
Gedanken machen. Die Kosten für den Kaufeines Hauses
steigen im Vergleich zum Durchschnittseinkommen, und
es ist schwieriger geworden, einen Arbeitsplatz zu
behalten. Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten für
den jungen Mann und die junge Frau, sich auf das
Umsorgen ihrer zukünftigen Familie vorzubereiten. Das
Einkommen ist nur ein Teil davon. Ist Ihnen aufgefallen,
daß ein Mann und eine Frau, die unter Geldmangel
leiden, sich für Lösungen entscheiden, die das
Einkommen der Familie steigen lassen, wobei sie dann
bald feststellen, daß es ihnen immer an Geld mangelt,
egal wie hoch das Einkommen ist? Es gibt eine alte
Formel, die ungefähr so lautet: Einkommen fünf Dollar
und Ausgaben sechs Dollar: Elend. Einkommen vier
Dollar und Ausgaben drei Dollar: Glück.
Ob der junge Mann für seine Familie sorgen und nach
der Arbeit zu einer vernünftigen Uhrzeit zu seiner
Familie zurückkehren kann und ob die junge Frau da sein
und ihre Kinder umsorgen kann, kann genauso sehr
davon abhängen, wie sie ihr Geld ausgeben lernen, wie
davon, ob sie lernen, es zu verdienen. Präsident Young
hat das folgendermaßen ausgedrückt, wobei er genauso
sehr zu uns gesprochen hat wie zu den Menschen seiner
Zeit: „Wenn ihr reich werden wollt, dann spart, was ihr
bekommt. Ein Narr kann Geld verdienen, aber man muß
weise sein, um es zu sparen und es zu seinem Vorteil zu
nutzen. Dann macht euch an die Arbeit und fertigt eure
Hüte und eure Kleidung selbst an."3
In der heutigen Welt würde Präsident Young den
jungen Ehepaaren vielleicht nicht raten, ihre Hüte selbst
FOTO VON JED CLARK
„Die Eltern haben die heilige
Pflicht, ihre Kinder in Liebe
und Rechtschaffen heit zu
erziehen, für ihre physischen
und geistigen Bedürfnisse zu
sorgen, sie zu lehren, daß
sie einander lieben und
einander dienen, die Gebote
Gottes befolgen . . . sollen/'
DER
STERN
20
anzufertigen, sondern ihnen eher ans Herz legen, gründ-
lich darüber nachzudenken, was sie wirklich an Autos,
Kleidung, Freizeitgestaltung, Häusern, Urlaub und sonst
so brauchen, um für ihre Kinder zu sorgen. Und er
könnte darauf hinweisen, daß die Differenz in den
Kosten zwischen dem, was die Welt für nötig hält, und
dem, was die Kinder wirklich brauchen, die Zeitspanne
einbringt, die Vater und Mutter mit ihren Kindern
verbringen müssen, um sie zu ihrem himmlischen Vater
nach Hause zu bringen.
Selbst das sparsamste Vorgehen beim Geldausgeben
und die sorgfältigste Planung für die Berufstätigkeit
mögen nicht ausreichen, um den Erfolg zu sichern, aber
sie können ausreichen, um uns den inneren Frieden zu
sichern, der damit einhergeht, daß wir wissen, wir haben
das Beste getan, um vorzusorgen und zu umsorgen.
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, wie wir unseren
Erfolg planen können - trotz der Schwierigkeiten, die
vielleicht vor uns liegen. Die Proklamation gibt uns einen
hohen Maßstab vor, wo sie von unserer Verpflichtung
spricht, unsere Kinder zu unterweisen. Wir sollen sie
irgendwie so unterweisen, daß sie einander lieben und
einander dienen, daß sie die Gebote halten und daß sie
gesetzestreue Bürger sind. Wenn wir an gute Familien
denken, die diese Prüfung nicht bestanden haben, und es
gibt nur wenige, die ihn bestehen, ohne in ein, zwei
Generationen auch gewisse Fehler zu machen, könnten
wir den Mut verlieren.
Wir können nicht darüber bestimmen, wie andere
sich entscheiden, und wir können unsere Kinder nicht in
den Himmel zwingen, aber wir können beschließen, was
wir tun wollen, und wir können beschließen, daß wir
alles tun, was wir können, um die Himmelskräfte in die
Familie zu bringen, für die wir uns so sehr wünschen, daß
sie für immer besteht.
Einen Schlüssel dazu finden wir in der Proklamation:
„Ein glückliches Familienleben kann am ehesten erreicht
werden, wenn die Lehren des Herrn Jesus Christus seine
Grundlage sind."
Wann wäre die Wahrscheinlichkeit größer, daß die
Menschen in einer Familie einander dienen, daß sie die
Gebote Gottes befolgen und das Gesetz achten? Es
bedeutet nicht bloß, daß man das Evangelium lehrt. Es
bedeutet, daß sie das Wort Gottes hören und es dann im
Glauben auf die Probe stellen. Dann ändert ihr Wesen
sich dergestalt, daß sie das Glück finden, das sie suchen.
Die folgenden Worte Mormons schildern genau, inwie-
fern diese Wandlung die natürliche Frucht des Lebens
nach dem Evangelium Jesu Christi ist:
„Und die erste Frucht der Umkehr ist die Taufe; und
die Taufe kommt aus dem Glauben, wodurch man die
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Gebote erfüllt; und die Erfüllung der Gebote bringt
Sündenvergebung;
und die Sündenvergebung bringt Sanftmut und
Herzensdemut; und auf Sanftmut und Herzensdemut hin
kommt der Besuch des Heiligen Geistes, und dieser
Tröster erfüllt mit Hoffnung und vollkommener Liebe,
und die Liebe harrt durch Eifer im Gebet aus, bis das
Ende kommt, da alle Heiligen mit Gott wohnen werden."
(Moroni 8:25,26.)
Wenn wir unsere Kinder auf die Taufe vorbereiten
und wenn wir das gut machen, bereiten wir sie auf den
Prozeß vor, der die Auswirkungen des Sühnopfers in ihr
Leben bringt und die Himmelskräfte in unsere Familie.
Denken Sie an die innere Wandlung, die wir alle brau-
chen. Wir brauchen den Heiligen Geist, der uns mit
Hoffnung und vollkommener Liebe erfüllt, so daß wir
durch Eifer im Gebet ausharren. Und dann können wir
für immer in einer Familie bei Gott leben. Wie kann
der Heilige Geist kommen? Durch die schlichte
Verheißung, die Mormon seinem Sohn Moroni gegeben
hat. Der Glaube an Jesus Christus, der zur Umkehr
bewegt, und dann die Taufe durch jemanden, der die
nötige Vollmacht hat, führen zur Sündenvergebung.
Das bringt Sanftmut und Herzensdemut. Und das
wiederum erlaubt es uns, den Heiligen Geist zum
Begleiter zu haben, der uns mit Hoffnung und vollkom-
mener Liebe erfüllt.
Was diese ersehnte Liebe und das ersehnte Glück
betrifft, ist die Proklamation in dem, was sie verheißt,
sehr vorsichtig: „Ein glückliches Familienleben kann
am ehesten erreicht werden, wenn die Lehren des
Herrn Jesus Christus seine Grundlage sind." Mir tut
das Herz ein wenig weh, weil ich weiß, daß viele, die
diese Worte lesen, von Menschen umgeben sind, die
die Lehren Jesu Christi nicht kennen oder sie leugnen.
Sie können nur ihr Bestes tun. Aber sie können dies
wissen: Der himmlische Vater weiß, in welcher Familie
sie leben, so groß die Herausforderungen auch sein
mögen. Sie können wissen, daß für sie ein Weg
bereitet ist, so daß sie alles tun können, was von ihnen
verlangt wird, damit sie für das ewige Leben würdig
sind. Sie können vielleicht nicht sehen, wie Gott
ihnen diese Gabe verleiht oder mit wem sie sie teilen
werden. Aber die Verheißung des Evangeliums Jesu
Christi ist gewiß:
„Sondern lernt, daß derjenige, der die Werke der
Rechtschaffenheit tut, seinen Lohn empfangen wird,
nämlich Frieden in dieser Welt und ewiges Leben in der
zukünftigen Welt.
Ich, der Herr, habe es gesagt, und der Geist gibt
Zeugnis. Amen." (LuB 59:23,24.)
STERN
22
Dieser Friede entspringt der Gewißheit, daß das
Sühnopfer in unserem Leben wirksam geworden ist, und
der Hoffnung auf ewiges Leben, die mit dieser Gewißheit
einhergeht.
Die Proklamation spricht warnend davon, daß auf
diejenigen, die sich ihrer Wahrheit verschließen, schlim-
mere Folgen warten als bloß die, daß sie in diesem Leben
keinen Frieden haben und nicht glücklich sind. Hier die
prophetische Warnung und der Aufruf zum Handeln, mit
dem die Proklamation endet:
„Wir weisen warnend daraufhin, daß jemand, der die
Bündnisse der Keuschheit verletzt, der seinen
Ehepartner oder seine Kinder mißhandelt oder seinen
familiären Verpflichtungen nicht nachkommt, eines
Tages vor Gott Rechenschaft ablegen muß. Weiter
warnen wir davor, daß der Zerfall der Familie Unheil über
die einzelnen Menschen, die Gemeinwesen und die
Nationen bringen wird, wie es in alter und neuer Zeit
von den Propheten vorhergesagt worden ist.
Wir rufen die verantwortungsbewußten Bürger und
Regierungsvertreter in aller Welt auf, solche
Maßnahmen zu fördern, die darauf ausgerichtet sind, die
Familie als Grundeinheit der Gesellschaft zu bewahren
und zu stärken."
Die Familieneinheit ist nicht nur die Grundlage der
Gesellschaft und der Kirche, sondern auch unserer
Hoffnung auf ewiges Leben. Wir beginnen mit dem Üben
in der Familie, der kleineren Einheit, aber das dehnt sich
dann auf die Kirche und auf die Gesellschaft, in der wir in
dieser Welt leben, aus, und dann üben wir es in Familien,
die einander durch Bündnisse und durch Treue für immer
verbunden sind. Wir können jetzt anfangen, „solche
Maßnahmen zu fördern, die darauf ausge-
richtet sind, die Familie ... zu bewahren und
zu stärken". Ich bete, daß wir das tun. Ich
bete, daß Sie fragen: ,Yater, wie kann ich
mich vorbereiten?" Erzählen Sie ihm,
wie sehr Sie sich das, was er Ihnen
schenken möchte, wünschen. Sie
werden Eingebungen erhalten,
und wenn Sie sich daran halten,
werden die Himmelskräfte
Ihnen helfen, das verheiße
ich Ihnen.
Ich bezeuge, daß unser
himmlischer Vater lebt,
daß wir als Geist bei
ihm gelebt haben und
daß
Welt irgendwo anders als bei ihm leben würden. Ich
bezeuge, daß Jesus Christus unser Erretter ist, daß er,
indem er für die Sünden aller gelitten hat, den
Wandel in uns, der uns ewiges Leben verschaffen kann,
möglich gemacht hat. Ich bezeuge, daß der Heilige
Geist uns mit Hoffnung und mit vollkommener
Liebe erfüllen kann. Und ich bezeuge, daß die
Siegelungsvollmacht, die Joseph Smith übertragen
wurde und die Präsident Gordon B. Hinckley jetzt
innehat, uns in einer Familie verbinden und uns ewiges
Leben schenken kann, wenn wir im Glauben alles tun,
was wir können. D
FUSSNOTEN
1. Diese Proklamationen sind in Daniel H. Ludlow,
Herausgeber, Enyclopedia of Mormonism, 5 Bde. (1992),
3:1151-57) abgedruckt.
2. Siehe Der Stern, Oktober 1998, 24.
3. In Journal of Discourses, 11:301.
„Ein glückliches Familienleben kann am ehesten
erreicht werden, wenn die Lehren des Herrn Jesus
Christus seine Grundlage sind."
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DIE FAMILIE
EINE PROKLAMATION AN DIE WELT
Die Erste Präsidentschaft und der Rat der Zwölf Apostel
der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
Wir, die Erste Präsidentschaft und der Rat der Zwölf
Apostel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage, verkünden feierlich, daß die Ehe zwischen
Mann und Frau von Gott verordnet ist und daß im Plan
des Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die
Familie im Mittelpunkt steht.
Alle Menschen - Mann und Frau - sind als Abbild
Gottes erschaffen. Jeder Mensch ist ein geliebter Geistsohn
beziehungsweise eine geliebte Geisttochter himmlischer
Eltern und hat dadurch ein göttliches Wesen und eine gött-
liche Bestimmung. Das Geschlecht ist ein wesentliches
Merkmal der individuellen vorirdischen, irdischen und
ewigen Identität und Lebensbestimmung.
Im vorirdischen Dasein kannten und verehrten die
Geistsöhne und -töchter ihren ewigen Vater und nahmen
seinen Plan an; nach diesem Plan konnten sie einen physi-
schen Körper erhalten und die Erfahrungen des irdischen
Lebens machen, um sich auf die Vollkommenheit hin
weiterzuentwickeln und letztlich als Erben ewigen Lebens
ihre göttliche Bestimmung zu verwirklichen. Der göttliche
Plan des Glücklichseins macht es möglich, daß die
Famililenbeziehungen über das Grab hinaus Bestand
haben. Die heiligen Handlungen und Bündnisse, die im
heiligen Tempel vollzogen werden können, ermöglichen es
dem einzelnen, in die Gegenwart Gottes zurückzukehren,
und der Familie, auf ewig vereint zu sein.
Das erste Gebot, das Gott Adam und Eva gab, bezog sich
darauf, daß sie als Ehemann und Ehefrau Eltern werden
konnten. Wir verkünden, daß Gottes Gebot für seine
Kinder, sich zu vermehren und die Erde zu bevölkern, noch
immer in Kraft ist. Weiterhin verkünden wir, daß Gott
geboten hat, daß die heilige Fortpflanzungskraft nur
zwischen einem Mann und einer Frau angewandt werden
darf, die rechtmäßig miteinander verheiratet sind.
Wir verkünden, daß die Art und Weise, wie sterbliches
Leben erschaffen werden soll, von Gott so festgelegt ist.
Wir bekräftigen, daß das Leben heilig und in Gottes
ewigem Plan von wesentlicher Bedeutung ist.
Mann und Frau tragen die feierliche Verantwortung,
einander und ihre Kinder zu lieben und zu umsorgen.
„Kinder sind eine Gabe des Herrn." (Psalm 127:3.) Die
Eltern haben die heilige Pflicht, ihre Kinder in Liebe und
Rechtschaffenheit zu erziehen, für ihre physischen und
geistigen Bedürfnisse zu sorgen, sie zu lehren, daß sie
einander lieben und einander dienen, die Gebote Gottes
befolgen und gesetzestreue Bürger sein sollen, wo immer
sie leben. Mann und Frau - Vater und Mutter - werden
vor Gott darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie sie
diesen Verpflichtungen nachgekommen sind.
Die Familie ist von Gott eingerichtet. Die Ehe zwischen
Mann und Frau ist wesentlich für seinen ewigen Plan. Das
Kind hat ein Recht darauf, im Bund der Ehe geboren zu
werden und in der Obhut eines Vaters und einer Mutter
aufzuwachsen, die den Ehebund in völliger Treue
einhalten. Ein glückliches Familienleben kann am ehesten
erreicht werden, wenn die Lehren des Herrn Jesus Christus
seine Grundlage sind. Erfolgreiche Ehen und Familien
gründen und sichern ihren Bestand auf den Prinzipien
Glaube, Gebet, Umkehr, Vergebungsbereitschaft, gegensei-
tige Achtung, Liebe, Mitgefühl, Arbeit und sinnvolle
Freizeitgestaltung. Gott hat es so vorgesehen, daß der
Vater in Liebe und Rechtschaffenheit über die Familie
präsidiert und daß er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, daß
die Familie alles hat, was sie zum Leben und für ihren
Schutz braucht. Die Mutter ist in erster Linie für das
Umsorgen und die Erziehung der Kinder zuständig. Vater
und Mutter müssen einander in diesen heiligen Aufgaben
als gleichwertige Partner zur Seite stehen. Behinderung,
Tod und sonstige Umstände mögen eine individuelle
Anpassung erforderlich machen. Bei Bedarf leisten die
übrigen Verwandten Hilfe.
Wir weisen warnend darauf hin, daß jemand, der die
Bündnisse der Keuschheit verletzt, der seinen Ehepartner
oder seine Kinder mißhandelt oder seinen familiären
Verpflichtungen nicht nachkommt, eines Tages vor Gott
Rechenschaft ablegen muß. Weiter warnen wir davor,
daß der Zerfall der Familie Unheil über die einzelnen
Menschen, die Gemeinwesen und die Nationen bringen
wird, wie es in alter und neuer Zeit von den Propheten
vorhergesagt worden ist.
Wir rufen die verantwortungsbewußten Bürger und
Regierungsvertreter in aller Welt auf, solche Maßnahmen
zu fördern, die darauf ausgerichtet sind, die Familie als
Grundeinheit der Gesellschaft zu bewahren und zu
stärken. D
Diese Proklamation wurde von Präsident Gordon B. Hinckley als Teil seiner
Ansprache in der Allgemeinen Versammlung der Frauenhilfsvereinigung
verlesen, die am 23. September 1995 in Salt Lake City stattgefunden hat.
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VON FREUND ZU FREUND
Susan L. Warner
Zweite Ratgeberin in der PV- Präsidentschaft
Nach einem Interview mit Rebecca Todd
In meiner Kindheit und Jugend lebte meine Familie
in Kalifornien. 1947 fuhren wir zur Hundertjahrfeier
für die Pioniere nach Salt Lake City. Wir gingen zur
Weihung des Denkmals „Dies ist der Ort", und ich
kann mich noch daran erinnern, mit welch besonderem
Gefühl ich die große Statue von Brigham Young sah
und die Geschichten der Pioniere hörte, die nach Utah
gekommen waren.
Mein Urgroßvater Benjamin Lillywhite war als ganz
kleiner Junge mit seien Eltern aus England gekommen,
nachdem sie sich der Kirche angeschlossen hatten. Als
sie in St. Louis ankamen, starben sein Vater und seine
kleine Schwester an der Cholera. Seine Mutter hatte
nicht genug Geld, um für die Weiterreise ins Salt Lake
Valley einen Wagen zu kaufen, aber sie wollte, daß ihr
Sohn so bald wie möglich dorthin kam, wo die Heiligen
sich sammelten. Deshalb schickte sie den sechsjährigen
Benjamin mit einer anderen Familie mit, und unter ihrer
Obhut gelangte er zu Fuß dorthin. Ich habe gehört, daß
er sich Lumpen um die Füße wickelte, als seine
Schuhe unterwegs völlig abgenutzt waren. Aber
trotz der Mühen schaffte er den Weg.
Als Kind habe ich diese Geschichte immer
und immer wieder gehört. Ich habe von
der Opferbereitschaft meiner Vorfahren gehört und
wollte so sein wie sie. Ich wußte, daß der himmlische
Vater jetzt darauf angewiesen war, daß ich so mutig und
glaubenstreu war wie sie.
Wo wir in Kalifornien wohnten, waren mein Bruder,
ein weiterer Junge und ich an unserer Grundschule die
einzigen Mitglieder der Kirche. Wir waren als
Mitglieder der Kirche anders als alle anderen. Statt am
Samstag vormittag die Cartoons im Kino anzusehen,
gingen wir zur PV, die damals in unserer Gemeinde am
Samstag stattfand. Wenn meine Freundinnen am
In ihrer Jugend, von links: Schwester Warner als Baby;
als Vierjährige; auf dem Auto der Familie sitzend, von
ihrem Vater festgehalten; auf einem Pferd, eine ihrer
Lieblingsbeschäftigungen.
Sonntag zum Strand fuhren, ging unsere Familie zur
Kirche.
Schon von klein auf an wußte ich, daß ich ein
Vorbild sein mußte, weil die meisten meiner Freunde
und Nachbarn keine Mitglieder der Kirche waren. Eine
meiner Lieblingsschriftstellen ist 1 Timotheus 4:12:
„Niemand soll dich wegen deiner Jugend gering-
schätzen. Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen
Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im
Glauben, in der Lauterkeit." Die Menschen beobach-
teten meine Familie ständig, weil sie wußten, daß wir
Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage waren. Ich wußte, daß der himmlische
Vater darauf angewiesen war, daß ich durch mein
Beispiel eine Missionarin war. Das gilt für alle PV-
Kinder. Ihr könnt eurer Familie, euren Freunden und
allen Menschen, die euch beobachten, ein Vorbild sein.
Als ich neun Jahre alt war, habe ich etwas Wichtiges
über den himmlischen Vater und das Beten gelernt. Ich
liebte Pferde. Manchmal ließen meine Freunde mich
ihre Pferde reiten, und wir ritten zusammen ohne Sattel
durch die Orangenhaine. Aber ich wünschte mir so
sehr ein eigenes Pferd.
In jenem Jahr wurde in einer Nachbarstadt ein
neues Geschäft eröffnet. Als Teil der
Eröffnungsfeierlichkeiten wurde ein
Pony verlost. Ich machte mit und
betete jeden Tag, ich möge gewinnen. Der himmlische
Vater hatte mein Beten immer erhört, und ich war
sicher, daß er mich auch diesmal erhörte. Ich traf
schon Absprachen dafür, daß das Pferd auf der Weide
einer Freundin stehen konnte. Ich schrieb sogar
meinen Großeltern und erzählte ihnen von dem Pony,
das mir bald gehören sollte.
Als die Ziehung stattfand und der Gewinner
bekanntgegeben wurde, war ich es nicht. Ich war sehr
enttäuscht und traurig. Liebevoll sagte meine Mutter:
„Es ist nicht so, daß der himmlische Vater dein Beten
nicht gehört und erhört hat. Denk daran, wenn du
betest, erhört der himmlische Vater dein Beten so, wie
es für dich am besten ist." Der himmlische Vater weiß
wirklich, was für uns am besten ist. Er liebt einen jeden
von uns, und er hört und erhört unser Beten.
In der PV singen wir von den Pionieren. Meine
lieben Freunde, ihr könnt ein Pionier sein, indem ihr
vorangeht und anderen ein Beispiel gebt. Ihr bringt der
Welt Licht und Glück, wenn wir euch mutig für das
Rechte entscheidet. Eurer Führer lieben euch und
beten für euch. Der himmlische Vater und Jesus
Christus lieben euch, und sie zählen auf euch. Ihr seid
die Pioniere, für die eure Kinder dankbar sein werden
und deren Beispiel sie nacheifern werden. D
Das Denkmal „Dies ist der Ort", Mitte. Von
links: mit 1 0 Jahren; Susan (rechts) mit
ihrer Schwester (Mitte) und einer Freundin;
mit ihrem Mann Terry und ihren 1 0
Kindern, 1985.
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Vers 1 gemeinsam singen. Vers 2 kann als Duett gesungen werden.
Text: Münster 1677
Musik: Schlesische Weise, arr. von Darwin Wolford, geb. 1936. Arr. © 1989 HLT
Dieses Lied darf für den gelegentlichen, nichtkommerziellen Gebrauch in der
Kirche und zu Hause vervielfältigt werden.
Lehre und Bündnisse 43:34
Lehre und Bündnisse 110:2—4
DAS MITEINANDER
Ich kann jetzt ein Missionar sein
Sydney Reynolds
„Ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine
Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt, zuerst den
Juden, aber ebenso den Griechen." (Römer 1:16.)
Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht,
ob ihr gern ein Missionar sein wollt? Wußtet
ihr, daß ihr schon jetzt ein Missionar sein
könnt? Ein Missionar liebt den Herrn und seine
Mitmenschen. Wenn wir unsere Mitmenschen lieben,
wollen wir ihnen gern vom Evangelium Jesu Christi
erzählen.
Im Buch Mormon erfahren wir, wie Ammon ein
großartiger Missionar wurde (siehe Alma 17-20). Er
und seine Brüder waren die Söhne von König Mosia,
und die Nephiten erwarteten, daß einer der Brüder
nach Mosia König wurde. Aber jeder von ihnen sagte,
er wolle lieber ein Missionar sein als ein König.
Ammon reiste in das Land von König Lamoni, einem
Lamaniten, und erklärte sich bereit, der Knecht des
Königs zu sein. Weil er treu die Herden des Königs
hütete und gegen die Feinde des Königs kämpfte, wurde
er gebeten, dem König und dessen Volk das Evangelium
zu verkünden. Als der König und die Königin erfuhren,
daß Jesus Christus kommen und sie von ihren Sünden
erlösen sollte, waren sie von Freude überwältigt.
Ammon erfuhr,d aß der Herr jeden willkommen heißt,
der umkehrt und an ihn glaubt.
Der Apostel Petrus wußte, daß das Evangelium den
Sündern helfen kann, aber er war Jude und meinte, es
wäre falsch, mit jemandem zusammen zu sein, der kein
Jude war. Kornelius war ein römischer Offizier; die
Römer hatten das Land der Juden besetzt. Aber
Kornelius war ein guter Mensch, der das Rechte tun
wollte. Ein Engel sagte Kornelius, er solle nach Petrus
schicken, damit Petrus ihm erklärte, was Gott von ihm
erwartete. Während Petrus auf dem Dach des Hauses
von Simon, einem Gerber, betete, gab Gott ihm eine
Vision, um ihm klarzumachen, daß er das Evangelium
den Menschen aller Länder verkünden sollte.
Dreimal sah Petrus diese Vision, ehe er bereit war,
Kornelius von Jesus Christus zu erzählen. Als Petrus
dann Kornelius unterwies, glaubte der Römer ihm.
Petrus erfuhr, daß der Herr alle Menschen liebt und sie
akzeptiert (siehe Apostelgeschichte 10).
Du kannst wie Ammon und Petrus sein. Du kannst
schon jetzt ein Missionar sein, indem du nach dem
Evangelium lebst und allen Kindern des himmlischen
Vaters Liebe erweist.
ANLEITUNG
Nimm die Seite 7 aus der Zeitschrift heraus und kleb
sie auf dünne Pappe. Schneide die Hintergrundszenen
aus, und falte sie entlang der gestrichelten Linien.
Schneide die Figuren aus, und klebe einen etwa 10
Zentimeter langen Stock hinten auf jede Figur (siehe
das Beispiel) . Benutz die Szenen und die Figuren, um
beim Familienabend die Geschichte von Petrus und
Kornelius zu erzählen (siehe Apostelgeschichte 10).
ANREGUNGEN FÜR DAS MITEINANDER
1 . Schreiben Sie verschiedene Situationen auf mehrere
Blätter Papier, und bitten Sie die Kinder, nachzuspielen, wie
ein guter Missionar sich verhalten würde. So können die
Kinder Römer 1:16 besser auf sich beziehen. Mögliche
Situationen: ein guter Nachbar sein, jemanden, der neu ist,
mitspielen lassen und ihn in den Freundeskreis aufnehmen,
einem kleineren Kind in einer gefährlichen Situation helfen,
im Geschäft und in der Schule ehrlich sein, andere ermu-
tigen, Substanzen, die unserem Körper und Sinn schaden
können, zu meiden, einen Freund zu einer Aktivität in der
Kirche oder der PV einladen.
2. Zeigen Sie Bilder von Missionaren, Namensschilder,
Landkarten und Sprachlernbücher. Bitten Sie mehrere
Kinder im voraus, von Missionarserlebnissen zu erzählen,
zum Beispiel aus einem Brief eines großen Bruders oder
einer großen Schwester, die auf Mission sind, die
Bekehrungsgeschichte eines Vorfahren oder die Begegnung
ihrer Familie mit den Missionaren. Erinnern Sie sie daran,
daß wir alle aufgrund irgendeines Missionars Mitglieder der
Kirche sind. Singen Sie ein Lieblingslied, das mit
Missionsarbeit zu tun hat, zum Beipsiel „Ich möchte einmal
auf Mission gehn". D
KINDERSTERN
6
Das Evangelium ist für alle Länder da
Apostelgeschichte 10
Was machst du da mit meinem Ball?"
schrie Rodney Sims mich an. Ich
stand unter dem großen Baum im
Park und bewunderte den neuen Football, den
ich im Gras gefunden hatte. Er kam mit hoch-
rotem Kopf auf mich zugerannt; man sah ihm an,
daß er in der Sonne Ball gespielt hatte.
Ich nickte meinem Freund Frank zu. „Wir sind
hier bloß gerade mit dem Fahrrad hergekommen
und haben den Ball gesehen. Ich hatte
gedacht, jemand hätte ihn verloren."
„Ich hatte ihn hier liegen lassen", sagte
Rodney unfreundlich und riß mir den Ball
aus der Hand und steckte ihn unter den
Arm. „Es hat ihn niemand verloren,
und ich will auch nicht, daß jemand
ihn stiehlt."
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ERZAHLUNG
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V
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Der
geheimnisvo
Ball
Alma J. Yates
ILLUSTRIERT VON MARK ROBISON
„Ich habe nicht versucht, ihn zu stehlen", sagte ich
und stieg wieder auf mein Fahrrad. „Aber es ist ein
toller Ball. Ich würde meinen Namen draufschreiben,
damit ich ihn nicht verliere."
■ „He, willst du den Ball kaufen?" Rodneys Stimme
klang auf einmal ganz freundlich. Überrascht drehte ich
mich um. „Ich hab noch einen." Er nickte den Jungen
zu, die noch Football spielten. „Wenn
du diesen haben willst, verkaufe
ich ihn dir."
Ich legte das Fahrrad wieder
hin und nahm den Ball - er
paßte genau in meine Hand.
Ich hatte in dem
Sportgeschäft bei uns in der
Nachbarschaft einen
solchen Ball gesehen. Ich
hatte mir einen solchen Ball gewünscht, aber er kostete
10 Dollar.
„Er gefällt mir", sagte ich, nahm den Ball fest in die
Hand, beugte den Arm und tat so, als wollte ich einen
Paß werfen. Dann gab ich Rodney den Ball zurück und
sagte: „Aber ich habe keine 10 Dollar."
Rodney rollte den Ball in der Hand und studierte ihn
dabei. „Ich verkauf ihn dir für 5 Dollar."
„Fünf Dollar?"
„Ich hab ja noch einen Ball, deshalb brauche ich
diesen sowieso nicht."
Mir schössen viele Gedanken durch den Kopf. Ich
hatte zu Hause in meiner Schublade 4 Dollar, und
einen Dollar konnte ich von meiner kleinen Schwester
Stephanie borgen. Ich fuhr mir mit der Zunge über die
Lippen und griff wieder nach dem Ball und suchte nach
Mängeln, aber ich fand keine.
„Ich müßte das Geld von zu Hause holen", sagte ich
und griff nach meinem Fahrrad. „Das dauert 15 bis 20
Minuten."
„Ich bin ja noch hier. Aber er kostet 5 Dollar. Es gibt
kein Geld zurück, und ich nehme den Ball auch nicht
zurück."
Ich fuhr so schnell nach Hause, daß Frank kaum
mitkam. Stephanie erklärte sich bereit, mir den einen
Dollar zu leihen, und ich griff nach den 4 Dollar in
meiner Schublade.
„Überleg dir das gut", sagte Frank warnend, als ich
aus der Haustür gerannt kam und nach meinem
Fahrrad griff. Er stand noch mit seinem Fahrrad in der
Einfahrt.
„Was meinst du mit Überlegen? So ein Geschäft
mache ich nie wieder! Fünf Dollar, Frank, und der Ball
ist 10 wert! Soviel müßte ich im Sportgeschäft dafür
bezahlen. Das kann ich mir nicht entgehen lassen."
„Irgendetwas ist da faul, Joshua", warnte er mich
noch einmal. „War Rodney jemals nett zu dir?" Ich
dachte kurz nach und schüttelte den Kopf. „Weshalb tut
er dir dann plötzlich einen so großen Gefallen?"
„Er hat ja noch einen Football, und diesen braucht er
nicht. Ich helfe ihm doch bloß", erwiderte ich störrisch.
„Mit dem Ball ist irgend etwas faul. Vielleicht ist ein
winziges Loch drin. Hast du daran schon gedacht?"
„Ich hab mir den Ball genau angesehen, Frank. Er ist
brandneu. Mit dem ist alles in Ordnung."
„An deiner Stelle würde ich ihn nicht kaufen,
Joshua."
Ich starrte meinen Freund an. „Du bist doch bloß
neidisch, weil er ihn nicht dir verkauft. Ich hole mir
den Ball, ehe Rodney seine Meinung ändert."
Rodney wartete im Park mit einem seiner Freunde
unter dem Baum auf mich. Die anderen waren
gegangen. Er hatte den neuen Ball und noch einen, der
abgegriffen aussah. Ich hielt ihm das Geld hin, und er
griff eilig danach. Sobald er sicher war, daß es alles da
war, gab er mir den Football. „Du hast dir gerade einen
Ball gekauft", sagt er. Er lachte und schlug seinem
Freund auf die Schulter. „Komm, wir hauen ab."
Ich hielt den Ball in der Hand und sah zu, wie die
beiden wegrannten. Sie grinsten sich gegenseitig an, als
sie noch einmal über die Schulter zu mir zurück-
blickten. Ich wurde etwas unsicher. Franks Warnung fiel
mir ein. Vielleicht war mit dem Ball wirklich etwas
nicht in Ordnung. Ich warf ihn ein bißchen in die Luft.
Er fühlte sich gut an. Ich drückte ihn, um zu sehen, ob
er Luft verlor. Er schien fest genug. Auch wenn mit dem
Ball etwas nicht in Ordnung war, wußte ich jedenfalls
nicht, was.
In den nächsten beiden Tagen spielten meine
Freunde und ich mit dem neuen Ball. Es wurde unser
Lieblingsball. Er verlor nicht das kleinste bißchen Luft.
Er war brandneu, so wie er aussah. Ich lachte Frank
aus, weil er mich gewarnt hatte, und fragte ihn, ob er
sich wünschte, er hätte 5 Dollar gehabt. Er schüttelte
den Kopf, aber ich hatte das Gefühl, daß er immer noch
neidisch war.
Als ich an einem Nachmittag auf unserer
Vordertreppe saß und meinen Ball in die Luft warf und
wieder fing, kam er mit dem Fahrrad vorgefahren. Er
sah ernst aus. „Ich habe etwas über deinen Ball
erfahren", sagte er.
Ich grinste. „Machst du dir immer noch Gedanken
wegen dem Ball, Frank?"
Frank lächelte nicht. „Mein Bruder Derek kennt
einen von Rodneys Freunden. Er sagt, Rodney hätte
den Ball gestohlen."
„Was meinst du mit gestohlen?"
„Rodney hat ihn im Sportgeschäft gestohlen. Ein
paar seiner Freunde haben für ihn Schmiere gestanden,
aber er hat ihn aus dem Laden mitgenommen. Deshalb
wollte er ihn verkaufen."
Ich hatte das Gefühl, Frank hätte mir in den Magen
geboxt. Ich sah den Football an. „Vielleicht ist es nicht
derselbe Ball", erwiderte ich und spürte, wie ich wütend
wurde.
„Rodney hat an dem Nachmittag, an dem du den
Ball gekauft hast, genau so einen Ball gestohlen. Es ist
schon derselbe."
„Jedenfalls habe ich ihn nicht gestohlen", stieß ich
aus. „Ich habe ihn bezahlt, also ist es nicht mein
Problem. Und ich habe nicht gewußt, daß er gestohlen
war, als ich ihn Rodney abgekauft habe. Er ist der Dieb,
nicht ich."
Frank zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.
„Ich wollte dir bloß Bescheid sagen."
Ich war wütend auf ihn, weil er mir von Rodneys
Diebstahl erzählt hatte, schließlich mochte ich den Ball
KINDERSTERN
10
und wollte ihn behalten. „Willst du es jemandem
sagen?" schrie ich hinter ihm her. Er drehte sich um
und starrte mich an. Langsam schüttelte er den Kopf.
Nachdem er gegangen war, legte ich den Ball weg.
Als Stephanie mich fragte, ob ich mit ihr
Zuwerfen spielen wollte, sagte ich nein.
Ich sagte mir immer und immer
wieder, daß der Ball mir gehörte, mit
vollem Recht, und daß ich nichts
Falsches getan hatte. Aber ich hatte
kein gutes Gefühl dabei. Ich wollte
nicht einmal mehr mit dem Ball
spielen. Und ich sagte auch meinen
Eltern nichts von dem, was Frank mir
erzählt hatte. Sie hatten es nicht so gut gefunden, daß
ich mir von Stephanie den einen Dollar geliehen hatte,
aber sie hatten es mir überlassen.
Am nächsten Tag suchte ich nach Rodney. Er fuhr
gerade mit dem Fahrrad mit einigen seiner Freunde über
den Parkplatz an der Schule, als ich ihn fand. Ich ging
auf ihn zu und hielt ihm den Football hin. „Ich will
meine 5 Dollar zurück!"
Er sah den Ball an und dann mich. „Ich habe dir
doch gesagt, es gibt nichts zurück. Außerdem habe
ich das meiste Geld schon ausgegeben. Außerdem",
und er zeigte auf den Ball, „sieht er ja nicht mal
mehr neu aus."
„Du hast den Ball gestohlen", zischte ich.
Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. Er
sprang vom Fahrrad und ließ es zu Boden fallen, dann
hielt er mich am Hemd fest und zog mich auf sich zu.
„Wer hat dir das gesagt?"
„Das wissen einige", sagte ich keuchend. „Ich will
keinen gestohlenen Ball."
„Lauf hier bloß nicht rum und plapper was davon, ich
hätte den Ball gestohlen, sonst kriegst du Schwierigkeiten.
Niemand kann beweisen, daß ich ihn gestohlen habe.
Außerdem ist es dein Ball. Du hast ihn bezahlt."
„Ich will ihn nicht mehr."
„Das ist dein Problem. Wenn du ihn nicht willst, wirf
ihn doch weg." Er stieß mich noch einmal fest, stieg auf
sein Fahrrad und fuhr mit seinen Freunden weg.
Langsam verließ ich den Parkplatz. Ich hatte den
Football, der mir so wichtig gewesen war, in der Hand.
Jetzt erinnerte er mich eiskalt an eine unehrliche
Handlung. Ich sah den Müllcontainer in der Ecke des
Parkplatzes und überlegte, ob ich den Ball wegwerfen
sollte. Aber das konnte ich nicht. Ich hatte 5 Dollar
dafür bezahlt, und außerdem schuldete ich Stephanie
immer noch einen Dollar. Ich konnte ihn nicht einfach
wegwerfen.
Ich versuchte mir einzureden, ich hätte ja gar nichts
Falsches getan. Als ich den Ball gekauft hatte, hatte ich
gar nicht gewußt, daß er gestohlen war. Ich hatte ihn ja
auch gar nicht geklaut. Ich hatte sogar versucht, ihn
Rodney zurückzugeben. Was sollte ich sonst tun? Sollte
ich meine 5 Dollar verlieren, bloß weil Rodney etwas
Falsches getan hatte?
Ich schüttelte den Kopfe. Alle meine Ausreden
nahmen mir nicht die Übelkeit und die Schuldgefühle.
Ich dachte an das Sportgeschäft. Ich war immer gern
hingegangen und hatte mich dort umgesehen. Jetzt
dachte ich jedes Mal, wenn ich vorbeikam, an den
gestohlenen Football. Und selbst wenn ich den Ball
nicht gestohlen hatte, fehlte dem Laden immer noch
ein Ball. Und ich hatte ihn. Ich wußte, was meine
Eltern sagen würden, und ich wußte, ich würde mich
erst wieder besser fühlen, wenn ich es tat.
Ich ging nach Hause, stieg auf mein Fahrrad und
fuhr in die Stadt. Es war hart, in den Laden zu gehen.
Ich fragte nach dem Manager, Mr. Turley. Einer der
Verkäufer sagte, er sei hinten in seinem Büro.
„Hallo, Joshua", begrüßte Mr. Turley mich, als ich in
sein Büro kam. „Was kann ich für dich tun?"
Ich legte den Football mitten auf seinen Schreibtisch
und starrte ihn an. „Dieser Ball ist aus Ihrem Laden
gestohlen worden", sagte ich leise. „Ich habe ihn aber
nicht gestohlen", fügte ich rasch hinzu. Dann erzählte
ich ihm die ganze Geschichte.
„Es ist also nicht mein Ball", schloß ich. „Sie wollen
ihn ja vielleicht auch nicht zurückhaben, weil er
gebraucht ist und ich außerdem mit einem schwarzen
Marker meinen Namen draufgeschrieben habe."
Mr. Turley lehnte sich in seinem Stuhl zurück und
legte die Hände hinter den Kopf. Er dachte lange nach,
ohne etwas zu sagen. Schließlich lehnte er sich wieder
nach vorn und nahm den Ball vom Schreibtisch und
rollte ihn in der Hand hin und her. „Joshua, als erstes
will ich dir dies sagen: Ich freue mich, daß du den Mut
hattest, herzukommen. Das war sicher nicht einfach."
Ich schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. „Es ist
nicht immer einfach, völlig ehrlich zu sein. In diesem
Fall hat es dich 5 Dollar gekostet. Und du hattest den
Ball nicht einmal gestohlen. Aber Ehrlichkeit ist wich-
tiger als dieser Football oder das Geld, das du dafür
ausgegeben hast."
Mr. Turley lächelte mich an. „Ich will versuchen, es
dir diesmal etwas leichter zu machen, ehrlich zu sein.
Ich habe hier Arbeit für dich, mit der du den Ball abbe-
zahlen könntest."
„Sie meinen, ich kann ihn behalten?"
Mr. Turley lächelte. „Komm morgen früh her."
Grinsend drehte ich mich um und ging zur Tür. Die
schrecklichen Schuldgefühle waren verschwunden.
„He, Joshua", rief Mr. Turley mir noch zu. Ich drehte
mich wieder um. Er lachte und warf mir den Ball zu.
„Nimm ihn lieber mit, ehe jemand anders damit
verschwindet!" D
KINDERSTERN
12
DAS MACHT SPASS
Krabbelsack mit
Geschichten aus dem
Alten Testament
Vivian Paulsen und Corliss Clayton
Um dieses Spiel mit Geschichten aus der Bibel
spielen zu können, mußt du diese Seite aus dem
Kinderstern heraustrennen. Kleb die Bilderkarten auf
dünne Pappe, schneide sie aus, und leg sie in eine
kleine, feste Tüte. Der erste Spieler zieht eine Karte
aus der Tüte und erzählt die Geschichte aus dem
Alten Testament, an den die Karte ihn erinnert. Es
gibt keine falschen Antworten, aber der Spieler muß
die Geschichte erzählen, an die die Karte ihn erinnert.
Eine Karte vom Meer kann einen Mitspieler beispiels-
weise an die Teilung des Roten Meeres, an Noach und
die Arche oder an die Schöpfung erinnern. Wenn dem
Mitspieler nichts einfällt, können die anderen ihm
helfen. Spielt so lange, bis zu jeder Karte wenigstens
eine Geschichte erzählt worden ist. D
ö ö 4 d
REGENBOGEN
OKTOBER
13
9 9 8
FREUNDE IN ALLER WELT
Arietana aus
Kiribati
Joyce Findlay
FOTOS VON DER AUTORIN
Das Leben kann sehr einfach
sein, wenn man auf einer
winzigen Insel mitten im
Pazifischen Ozean lebt. Der zehnjährige
Arietana lebt auf der Insel Buota in
dem Staat Kiribati (ausgesprochen:
Kiribas) in einem Haus, das aus
Kokospalmen gebaut ist. Arietana liebt
seine Inselheimat; er kann zu Fuß zur
Kirche und zur Schule gehen, und er
kennt jeden in dem kleinen Dorf.
Er und seine Freunde basteln sich gern ihr Spielzeug
selbst. Arietana und sein Bruder, der neunjährige
Ienratu, machen sich aus Dosen und Holzstücken
Autos und Boote. Sie machen sich aus den Blättern der
Kokospalme Spielzeug, das Geräusche macht und pfeift.
Manchmal bastelt Arietana für seine vierjährige
Schwester Tiareni Windmühlen, mit denen sie umher-
laufen und spielen kann.
Arietanas Vater, Beniera, ist es sehr wichtig, daß
seine Kinder das Evangelium lernen, damit sie starke
Mitglieder der Kirche sein können. Sie haben jeden
Morgen und jeden Abend bei sich zu Hause eine kurze
Familienandacht. Außerdem freuen sie sich, wenn sie
sonntags zur Kirche gehen können. Sie sind Mitglieder
des Zweigs Rawannawi und kommen häufig als erste
KIND
zur Kirche. Arietanas Mutter,
Katangiman, ist die FHV-Leiterin,
deshalb paßt Arietana oft auf seine
Schwestern Tiareni und Nei Mwa auf, während sie
ihren Aufgaben nachgeht.
Arietana erzählt gern von dem besonderen
Gemeindehaus des Zweiges. „Unser Gemeindehaus ist
ein maneaba - es ist aus Kokospalmen gebaut. An den
Seiten ist es offen, und es hat ein strohgedecktes Dach.
Jeder sitzt auf geflochtenen Matten auf dem Fußboden",
erklärt er. Nach der Abendmahls Versammlung treffen
sich die Kinder in einer kleinen Hütte neben dem
maneaba.
„Ich gehe gern in die PV", sagt Arietana. „Wir
singen, und wir lernen Geschichten aus den heiligen
Schriften." Seine Lieblingsperson im Buch Mormon ist
Nephi. Er mag die Geschichte davon, wie Nephis Bogen
kaputtging und er sich einen neuen machen mußte,
ERSTERN
14
damit seine Familie etwas zu essen hatte. Er und die
übrigen Kinder in der PV lernen das Lied „Ich bin ein
Kind von Gott" auf englisch.
Kiribati ist ein Land mit vielen kleinen Inseln und viel
Meer. Buota ist Teil des Tarawa- Atolls. Der Pazifische
Ozean befindet sich auf der einen Seite der Insel, und
auf der anderen Seite ist eine große Lagune. Ein Atoll ist
eine Kette kleiner Inseln, die so nah beieinander liegen,
daß sie einen Kreis oder Halbkreis bilden. In dem Kreis
liegt eine Lagune; außerhalb des Kreises befindet sich der
Ozean. Die meisten Inseln in dem Atoll sind lang und
schmal, deshalb kann man auf der Insel stehen und
sowohl den Ozean als auch die Lagune sehen. Da die
Inseln so nah beieinander liegen, gibt es zwischen ihnen
manchmal Brücken oder Deiche. Die Insel Buota hat an
einem Ende eine Brücke, die sie mit der Insel im Süden
verbindet, aber zur nächsten Insel im Norden muß man
durch das Wasser waten oder mit dem Kanu fahren.
Arietana lebt nah am Äquator, deshalb ist es jeden
Tag heiß, und der Ozean ist sehr warm. Die Kinder
verbringen viel Zeit im Wasser; sie schwimmen und
fischen, oder sie spielen einfach. Arietana fischt gern,
und er gräbt gern im Sand nach Muscheln. „Einmal
habe ich genug Fische für unser Abendessen gefangen",
erzählt er. „Mein Vater war sehr überrascht, daß ich so
viele gefangen hatte. Wenn ich fischen gehen will,
suche ich mir einen kleinen Einsiedlerkrebs als Köder;
dann werfe ich von der Brücke die Angel aus und
warte, bis die Fische anbeißen."
Arietana gehört zu einer Tanzgruppe, die die tradi-
tionellen Volkstänze von Kiribati lernt. Die Jungen und
Mädchen in seinem Land sind noch sehr jung, wenn sie
anfangen, die wunderschönen Sitz- und Stehtänze zu
lernen, die zu ihrem Leben gehören. In vielen der
Tänze bewegen sie die Arme anmutig auf eine Weise,
die an fliegende Vögel erinnert. Wenn Arietanas
Tanzgruppe auftritt, tanzen einige der Kinder, während
die anderen singen oder auf einer großen Holzkiste den
Rhythmus trommeln.
Unten: Arietana und seine
Familie vor ihrem Haus, das aus
einheimischen Kokospalmen
gebaut ist. Mitte: Arietana fischt
gern. Rechts: Arietana am Kanu
seiner Familie, das für
Transportzwecke und zum
Fischen benutzt wird.
Die Matte, die Arietana und die anderen Jungen
beim Tanzen als Kostüm tragen, heißt Te Burebure.
Arietanas Mutter hat seine Tanzmatte und seinen
Armschmuck selbst gemacht. Er tanzt gern, vor allem
wenn seine Gruppe vor den Eltern auftritt oder wenn
sie zu besonderen Anlässen wie einer Geburtstagsfeier
oder einem Feiertag das Dorf vertritt.
Arietanas Mutter sagt, er könne gut arbeiten und
helfe bereitwillig im Haushalt mit. Sie erklärt: „Jeden
Morgen fegt er die Blätter im Hof zusammen, und
abends holt er die Moskitonetze herunter und legt die
Schlafmatten zurecht." Arietana fügt hinzu, daß er auch
gerne kocht. „Ich helfe gern beim Zubereiten der
Mahlzeiten mit; manchmal läßt meine Mutter mich
unser Trinkwasser abkochen oder den Reis für das
Abendessen kochen." Er erklärt weiter: „Am liebsten
mag ich Fisch, Brotfrucht und Reis."
Jeden Morgen machen Arietana und Ienratu vor
der Schule Lauftraining. Arietana läuft gern; er
möchte wie sein Vater ringen lernen, der Vater war
schon zweimal Landesmeister im Ringen. Manchmal
macht die Familie einen Ausflug zum Flughafen, wo
Arietanas Vater als Sicherheitsbeamter tätig ist.
Wie bei vielen Familien in Kiribati wohnen
Arietanas Verwandte nah beieinander; seine Tanten
und Onkel und seine Großmutter wohnen ganz in
der Nähe. Aufgrund dieser Nähe haben Arietana und
die übrigen Kinder viele Vettern und Kusinen, mit
denen sie spielen können. Die Verwandten können
einander auch leicht helfen. Die Menschen in
Kiribati finden es sehr wichtig, allen Verwandten zu
helfen.
Eins der aufregendsten Erlebnisse in Arietanas
Leben war der Besuch von Eider L. Tom Perry. Er
weihte Kiribati für die Missionsarbeit und gründete
dort den ersten Pfahl. Arietanas ganze Familie fuhr
nach Eita, um dabei zu sein. Sie waren begeistert, weil
sie einen Apostel des Herrn sehen und hören
konnten. Sogar der Präsident von Kiribati kam, um
Eider Perry sprechen zu hören!
Arietana spricht eine Sprache, die l-Kiribati genannt
wird, und wie alle übrigen Bewohner seiner Insel hat er
nur einen Namen. Wenn er für offizielle Zwecke einen
zweiten braucht, hängt er seinem Namen den Namen
seines Vaters an. Arietanas Vater heißt Beniera, also
würde sein vollständiger Name Arietana Beniera
lauten. Aber sein Großvater heißt Koneteti, deshalb
heißt sein Vater Beniera Koneteti.
Arietana wurde von seinem Vater im Ozean getauft.
Er sagt, er sei sehr glücklich, ein Mitglied der Kirche zu
sein. Auf die Frage, was er machen will, wenn er groß
ist, antwortet er: „Ich möchte auf Mission gehen wie
mein Vater und Fischer sein."
Wenn sein Zeugnis weiterhin wächst, werden seine
Netze sicher immer voll sein. D
sA
VN
Man muß schon rennen, um
mit Tiareni, Ienratu und
Arietana Schritt zu halten.
Ihre Begeisterung für das
Leben ist so groß wie ihre
Liebe zum Evangelium.
KINDERSTERN
16
BESUCHSLEHRBOTSCHAFT
DIE CELESTIALE EHE
r
Präsident Brigham Young hat
über die celestiale Ehe gesagt:
„Sie bildet die Grundlage für
die Welten, . . . dafür, daß die intelli-
genten Wesen mit Herrlichkeit, mit
Unsterblichkeit und mit ewigen
Leben gekrönt werden. Tatsächlich ist
sie der Faden, der sich von Anfang bis
Ende durch das heilige Evangelium
von der Errettung . . . hindurchzieht."
(Lehren der Präsidenten der Kirche:
Brigham Young [1997], 163.) Das ist
deshalb so, weil es uns darauf vorbe-
reitet, den höchsten Grad der
Herrlichkeit im celestialen Reich zu
erlangen, wenn wir den neuen und
immerwährenden Bund der Ehe
annehmen und einhalten (siehe
LuB 131:1-3).
SO LEBEN, DASS WIR EINER EWIGEN
EHE WÜRDIG SIND
Eine celestiale Ehe beginnt damit,
daß man im Tempel heiratet. Leider
kann nicht jeder, der sich eine
Tempelehe wünscht, diese Segnung
sofort erhalten. Präsident Gordon B.
Hinckley hat allerdings einmal gesagt:
„Ich bin sicher, daß gemäß dem Plan
unseres liebenden Vaters und des
göttlichen Erlösers niemandem eine
Segnung, derer er würdig ist, für
immer verwehrt bleiben wird." (Der
Stern, Januar 1992, 92.)
Der Herr weiß um unsere
Würdigkeit und um die Wünsche
unseres Herzens, und er segnet uns
für unsere Glaubenstreue.
Andererseits müssen diejenigen,
die die Möglichkeit haben, im Tempel
zu heiraten, ihre Tempelbündnisse
einhalten, um das, was ihnen dort
verheißen wurde, auch zu erlangen.
Eider Bruce R. McConkie vom
Kollegium der Zwölf Apostel hat
erklärt: „Die celestiale oder ewige Ehe
ist das Tor zur Erhöhung. Um . . .
ewiges Leben zu erlangen, müssen
ein Mann [und eine Frau] in
diese Ordnung der Ehe eintreten und
alle Bündnisse und Verpflichtungen,
die damit einhergehen, einhalten."
(Doctrinal New Testament Commentary,
3 Bände [1966-73], 1:547.)
EIN EWIGER BUND MIT ZEITLICHEN
SEGNUNGEN
Die Tempelehe ist zwar mit
Verheißungen für die Ewigkeit
verbunden, aber Mann und Frau
brauchen nicht auf die Ewigkeit zu
warten, um die Segnungen einer
celestialen Ehe zu erlangen. Es sind
auch viele zeitliche Segnungen damit
verbunden, wenn man sich auf die
Eheschließung im Tempel vorbereitet
und sie vollzieht. Vor etwa acht
Jahren verlor Lee Hing Chung aus
Hongkong bei einem Arbeitsunfall
einen Arm. Dadurch verlor er auch
seine Arbeit; er wurde krank und war
deprimiert. Aber heute ist sein Herz
von Glauben erfüllt, wenn er daran
denkt, wie er im Tempel an seine
Frau Kumviengkumpoonsup und ihre
Kinder gesiegelt wurde.
„Ehe wir uns der Kirche ange-
schlossen haben, war mein
Hauptanliegen, Geld zu verdienen",
erzählt er. „Heute habe ich andere
Prioritäten. . . . Wenn ich am Sonntag
mit meiner Familie zur Kirche gehe,
bin ich so dankbar dafür, daß wir
zusammen sind und für immer
Zusammensein können. . . .
Der Tempel erinnert mich
daran, gut zu sein, diszi-
pliniert zu sein, würdig
zu sein." (Zitiert in Kellene Ricks
Adams, „Hongkong: Ein Traum wurde
wahr", Der Stern, März 1997, 38.)
Gewiß ist eine starke Ehe auch
möglich, ohne daß die Bündnisse
des Tempels den Mann und die
Frau in ihrer Verpflichtung fürein-
ander zusammenhalten. Aber die
Tempelehe eröffnet den Blick auf
die Ewigkeit und mehr göttlichen
Beistand als eine standesamtlich
geschlossene Ehe. Eider Bruce C.
Hafen von den Siebzigern nennt die
Tempelehe einen Ehebund und sagt:
„Wenn die Partner eines Ehebundes
in Schwierigkeiten geraten, arbeiten
sie gemeinsam daran. Sie heiraten,
um zu geben und zu wachsen, sie
sind durch einen Bund miteinander,
mit dem Gemeinwesen und mit Gott
verbunden." („Die Ehe als Bund",
Der Stem, Januar 1997, 25.)
• Was müssen wir tun, um des höch-
sten Grades der celestialen Herrlichkeit
würdig zu sein?
• Inwiefern schützt der Ehebund uns
in der heutigen Welt? D
\\#r' "-'•
V
DU SOLLST
NICHT STEHLEN
(.(.
Richard D. Draper
Das achte Gebot verbietet
alle Formen des Diebstahls.
Das Gesetz des Herrn lehrt
uns die positive Seite dieses
Gebots: Achtung vor den
Rechten, dem Eigentum und
den Bedürfnissen anderer.
Als mein Kollege das zerbrochene Fenster
seines Autos sah, wurde ihm übel. Das Gefühl
rührte nicht bloß daher, daß er wußte, daß er
eine neue Fensterscheibe brauchte, sondern
eher daher, daß das Ergebnis jahrelanger Arbeit vielleicht
verloren war. Einen Augenblick später hatte seine
Befürchtung sich bewahrheitet; jemand hatte seinen
Aktenkoffer gestohlen.
Er war Professor und sollte in einer großen Stadt einen
Vortrag halten. Er war später als erwartet dort ange-
kommen und hatte in einer kleinen Seitenstraße in
einiger Entfernung von dem Vorlesungsgebäude geparkt.
Um seinen vollgestopften Aktenkoffer nicht mitnehmen
zu müssen, hatte er nur die Vorlesungsnotizen mitge-
nommen und den schäbigen Aktenkoffer auf dem
Autositz zurückgelassen. Er sah so abgenutzt aus und
enthielt nichts, was materiellen Wert hatte, deshalb
hatte der Professor sich sicher gefühlt. Leider hatte er
sich geirrt.
Gott gewährte seinen Kindern die Freiheit, die Frucht
ihrer Arbeit zu schaffen und zu genießen. Adam
lernte, „sein Brot im Schweiße seiner Stirn zu essen",
nicht im Schweiße eines anderen, „und auch Eva,
seine Frau, arbeitete mit ihm".
Es ging mir zu Herzen, als er mir
später von seiner Enttäuschung und
seinem Kummer angesichts des Verlusts
erzählte. Der alte Aktenkoffer hatte die
Ergebnisse von Hunderten von zurück-
gelegten Kilometern, der Arbeit von
mehreren tausend Dollar an Stipendien,
das Ergebnis von monatelanger Forschungsarbeit,
Analyse, Nachsinnen und Schreiben enthalten. Das
Papier in dem Aktenkoffer hatte für niemanden sonst
irgendeinen materiellen Wert gehabt. Aber was der Dieb
wahrscheinlich empört weggeworfen hatte, war ein
wertvoller Teil des Lebens eines anderen Menschen
gewesen.
Das ist bei einem Diebstahl häufig so - es wird mehr
gestohlen als materielle Güter. Wenn jemand das achte
Gebot übertritt, verlieren die Opfer nicht nur ihren
inneren Frieden, sondern auch etwas an Eigentum, das
einen Teil ihres Lebens darstellt.
DIE BEDEUTUNG DES ACHTEN GEBOTS
Der Auftrag Gottes an Israel in diesem Gebot ist im
Hebräischen direkt und eindrucksvoll: lo tignov, „du sollst
nicht stehlen". Tignov stammt aus der Wurzel ganav, was
soviel wie „ein Dieb sein" oder „stehlen" bedeutet. Dieses
Wort impliziert auch Betrug und Heimlichkeit. Im grie-
chischen Text des Alten Testaments ist das Hebräische
mit dem Wort klepto wiedergegeben. Klepto bedeutet, wie
das hebräische ganav, daß jemand heimlich und gerissen
etwas an sich nimmt, das von Rechts wegen einem
anderen gehört. Veruntreuung und widerrechtliche
Aneignung sind gute Beispiele für diese Form von
Diebstahl. Begriffe wie täuschen und betrügen gehören zur
Vorgehensweise eines Diebs.
OKTOBER
27
19 9 8
Aber was ist, wenn jemand etwas mit Gewalt an
sich nimmt? Eng verwandt mit dem hebräischen ganav
ist das Wort gasal, „rauben". Es trägt die Bedeutung
Konfrontation, Gewalt oder Androhung von Schaden in
sich. Gott hat geboten: „Du sollst deinen Nächsten nicht
ausbeuten und ihn nicht um das Seine bringen."
(Levitikus 19:13.) Für den Herrn schließt Stehlen das
Ausbeuten, Plündern, Berauben und andere Formen der
widerrechtlichen Aneignung ein.
Die Bibel legt Nachdruck darauf, daß das Stehlen zur
selben Art von Sünde gehört wie Mord, Ehebruch und
Meineid. Alle diese stehen in direktem Zusammenhang,
und der Diebstahl ist etwas, was sie alle miteinander
gemein haben; wer mordet, nimmt einem anderen auf
unrechtmäßige Weise das Leben, Ehebruch nimmt dem
anderen die Tugend, und ein Meineid nimmt ihm den
guten Ruf oder etwas von seinem Besitz.
Der Satz „du sollst nicht stehlen" (Exodus 20:15)
schließt keinen bestimmten Gegenstand ein. Das Verbot
ist umfassend und bedingungslos: Du sollst überhaupt
nichts stehlen. In einer Zeit, in der die Sklavenhaltung
allgemein üblich war, legte der Herr mit diesem Gesetz
nicht nur den Schutz des Eigentums fest, sondern er
schützte auch die Menschen davor, unrechtmäßig festge-
halten zu werden (siehe Exodus 2L16).1
Da das Gebot so umfassend ist, bedeutet es auch, daß
man einen anderen nicht fahrlässig berauben darf. In der
Tat lehrt die Bibel, daß man sich auch durch
Fahrlässigkeit an einem Verbrechen mitschuldig macht.
Der wahre Jünger Christi muß selbst einem Fremden ein
guter Mitmensch sein (siehe Deuteronomium 22:1-4)
und muß einem Mitmenschen, der in Not ist, auch dann
helfen, wenn dies schwierig ist (siehe Sprichwörter
24:10-12). Ein Gelehrter, der diese drei Verse in den
Sprichwörtern besprach, meinte: „Der bezahlte Knecht,
nicht der wahre Hirt, macht schlechte Bedingungen
[Vers 10], hoffnungslose Aufgaben [Vers 11] und
verzeihliche Unwissenheit [Vers 12] geltend; die Liebe
läßt sich nicht so leicht mundtot machen - auch der
Gott der Liebe nicht."2 In einer Erörterung dessen, was
Unterlassungssünden sind, meinte Eider Spencer W.
Kimball, der damals noch dem Kollegium der Zwölf
Apostel angehörte: „Nicht nur sollen wir nicht stehlen,
sondern wir sollen das Eigentum des anderen
schützen."3
DREI WICHTIGE GRUNDSÄTZE
Die genaue Betrachtung des achten Gebots führt uns
zu drei Grundsätzen, die uns klarmachen, warum das
Stehlen sowohl eine Sünde als auch ein Verbrechen ist.
Erstens legt das Gebot das Recht auf Privatbesitz fest,
womit es eine nötige Lebensverantwortung schützt.
Präsident Ezra Taft Benson hat erklärt: „Es kann keine
Freiheit geben, solange man nicht in seinem Recht auf
Besitz gesetzlich geschützt ist und das Gesetz einen vor
dem Verlust oder die Vernichtung des Eigentums schützt.
Wenn man dieses Recht wegnimmt, ist der Mensch zum
Sklaven degradiert. Der frühere Richter am obersten
Gericht der USA, George Sutherland, hat das
folgendermaßen zum Ausdruck gebracht: ,Wenn man
jemandem die Freiheit schenkt, ihm aber sein Eigentum
nimmt, das die Frucht und das äußere Zeichen seiner
Freiheit ist, bleibt er immer noch ein Sklave.'"4
Gott hat seine Kinder auf einen Thron gesetzt, als er
ihnen durch Adam die Herrschaft über die Erde über-
trug. Dabei gewährte er ihnen die Freiheit, die Frucht
Zu Noachs Zeit erfüllten geheime Verbindungen -
mittels derer diejenigen, die im Finstern wirkten,
durch Mord und Diebstahl Gewinn erlangen wollten -
die Erde mit Gewalttätigkeit. Deshalb sandte der Herr
die Flut und tilgte die Schlechten aus.
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ihrer Arbeit zu schaffen und zu genießen.
Adam lernte, „sein Brot im Schweiße seiner
Stirn zu essen", nicht im Schweiße eines
anderen, „und auch Eva, seine Frau, arbei-
tete mit ihm" (Mose 5:1; Hervorhebung
hinzugefügt) .
Zweitens zeigt uns das achte Gebot,
daß Gott - und nicht die Menschen oder
der Staat - die Quelle des Rechts auf
Privatbesitz ist. Alle Gebote haben in ihm
ihren Ursprung. Er legt, als der souveräne Herr, der
Schöpfer des Himmels und der Erde, die Gesetze fest, die
sein Reich regieren (siehe LuB 88:34-42). Die Erde
gehört ihm, und er hat beschlossen, daß die Menschen
daran Anteil haben. Allerdings muß jeder sich dabei an
seine göttlichen Gesetze halten.
Drittens handelt jeder, der stiehlt, gegen Gott. Da
alles göttliche Gesetz in ihm seinen Ursprung hat, ist eine
Übertretung dieses Gesetzes gegen ihn gerichtet. Wenn
man also irgendwelche irdischen Gesetze übertritt, die
auf seinen Geboten beruhen - Gesetze, in denen es um
den einzelnen und die Familie, um Eigentum, Kapital,
Arbeit, Staat oder Kirche geht - wendet man sich gegen
unseren Vater. König David war dies bewußt, und er
sagte, unter Bezug darauf, daß er die Frau eines anderen
gestohlen und diesen anderen hatte umkommen lassen:
„Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan,
was dir mißfällt." (Psalm 51:6.)5
Das Stehlen ist eine Sünde gegen unseren himmli-
schen Vater, auch wenn es der Not und der Armut
entspringt. Die Tat entehrt Gott (siehe Sprichwörter
30:9). Im Gegensatz dazu beweist ein ehrlicher Mensch,
der sich auch unter sehr schwierigen Bedingungen
dafür entscheidet, nicht zu stehlen, daß er Gott
vertraut. Er ist sich seines Bundes mit dem Herrn
bewußt und hält sich daran.
Ein Student hat mir einmal etwas erzählt, das diesen
Punkt bezüglich der Ehrlichkeit untermauert. In seiner
Jugend war sein Vater mit seinem Geschäft bankrott
gegangen. Der Vater arbeitete hart und eröffnete ein
neues Geschäft, das verheißungsvoll aussah, der Familie
aber zunächst nur ein mageres Einkommen bescherte.
Die Mutter des Studenten war auch arbeiten gegangen.
Das bekümmerte die Familie, vor allem den Vater, aber er
versprach, daß es nur für kurze Zeit sein sollte. Innerhalb
eines Jahres hatte sich die Geschäftslage
so gebessert, daß die Mutter aufhören
konnte, zu arbeiten. Später ging es der
Familie recht gut.
Als nun mein Student, der im
Hauptfach Betriebswirtschaft studierte,
anfing, für seinen Vater zu arbeiten,
erfuhr er, daß seine Eltern alle
Schulden aus dem früheren Konkurs
bezahlt hatten, obwohl sie dem Gesetz
gemäß erlassen worden waren. Sein Vater hatte ange-
fangen, sie abzuzahlen, sobald er das neue Geschäft in
Angriff genommen hatte. Das war auch mit der Grund
dafür gewesen, daß seine Mutter arbeiten gegangen war.
Als mein junger Freund in Frage stellte, ob es klug war,
Schulden abzuzahlen, die von Rechts wegen erlassen
worden waren, erklärte sein Vater ihm, es sei ihm zwar
klar, daß viele ehrliche Menschen ihre Schulden,
die ihnen von Rechts wegen erlassen wurden, nicht
bezahlen können, daß er aber der Meinung war, daß er
seine Schulden über einen langen Zeitraum hinweg
bezahlen konnte. Seine Sorge über seine unerledigten
Verpflichtungen zwang ihn und seine Frau, ihre
Verpflichtung gegenüber dem Herrn und den
Bündnissen, die sie mit ihm eingegangen waren, erneut
zu überdenken. Sie hatten das Gefühl, daß sie moralisch
verpflichtet waren, die Schulden zu bezahlen, und daß
alles andere für sie dem Diebstahl gleichkam. Deshalb
hatten sein Vater und seine Mutter zusammengearbeitet,
um das zu bezahlen, was sie ihrer Meinung nach schuldig
waren, und sie und ihre Kinder waren gesegnet worden.
STEHLEN UND GEHEIME VERBINDUNGEN
Das Stehlen verletzt ein grundlegendes Gesetz des
Himmels, das die Menschen anweist, sich die Erde
Untertan zu machen und über die Tiere zu herrschen, und
zwar unter Gott - das heißt, entsprechend dem, was der
himmlische Vater vorgibt. Fast seit Anbeginn der
Geschichte trachten rebellische Geister danach, ihren
eigenen Regeln entsprechend zu herrschen - kurz, zu
stehlen. Sie wollen die Herrschaft über die Erde und ihre
Bewohner - sie wollen die Menschen bestehlen, das
Tierreich ausrauben und die Erde plündern - ohne die
einschränkende Hand ihres Schöpfers und Gesetzgebers.
Das Töten hing seitdem mit dem zusammen, was Kain als
OKTOBER
29
19 9 8
sein „großes Geheimnis" bezeichnete, damit er morden
und Gewinn erlangen konnte (siehe Mose 5:31).
Die geheimen Verbindungen und diejenigen, die im
Finstern wirken, waren zu Noachs Zeit fast erfolgreich.
Die Folge war, daß die Erde „von Gewalttätigkeit erfüllt"
war (siehe Mose 8:28). „Gott sah sich die Erde an: Sie
war verdorben; denn alle Wesen aus Fleisch auf der Erde
lebten verdorben." (Genesis 6:12.) Deshalb sandte der
Herr die Flut und tilgte die Schlechten vom Erdboden
(siehe Genesis 7:4; Mose 8:30).
Nach der Flut dauerte es nicht lange, bis die
Menschen wieder verderbt waren. Sie ließen sich vom
Satan beeinflussen und erfanden Systeme, die ihnen
halfen, widerrechtlich in den Bereich Gottes einzu-
dringen. Durch die Macht des Teufels nahmen die bösen
Führer, die „nach Macht strebten" und darauf aus waren,
„Macht zu gewinnen und zu morden und zu plündern",
dem Volk Eide ab, womit sie es in Schlechtigkeit an sich
banden (siehe Ether 8:16). Diese Geheimnisse wurden
von einer Generation an die nächste weitergegeben. Im
Buch Mormon steht Gadianton für diesen Vorgang. Er
war „in vielen Worten überaus gewandt . . . ebenso in
seiner Hinterlist, um das geheime Werk des Mordens und
des Raubens auszuführen" (Helaman 2:4). Dieses System
wurde allmählich zur beherrschenden Kraft bei den
Nephiten und trug direkt dazu bei, daß dieses Volk
unterging (siehe Helaman 2:13).
In diesen, den Letzten Tagen leidet die Welt unter den
gleichen Problemen, und das wird auch weiterhin so sein.
Zu den traurigen Geschehnissen unserer Zeit gehört es, daß
die Menschen sich auf erschreckende Weise selbst
vernichten und daß sie von „Mord und Zauberei, von
Unzucht und Diebstahl" nicht ablassen (siehe Offenbarung
9:21).
In der gesamten Geschichte der Menschheit hat der
Herr sich immer wieder bemüht, die Menschen zu
lehren, den Reichtum der Erde auf gute Weise zu nutzen.
Beispielsweise berief er Mose dazu, bei den Israeliten die
Gesetze einer rechtschaffenen Gesellschaft zu etablieren.
Der Herr wollte, daß sein System dazu beitrug, daß jeder
Mensch sich entfalten konnte; dieses System sichert
jedem Menschen die materiellen Güter, die der Lohn der
Arbeit sind. Aber allzu häufig können die Menschen das
Verlangen, die materiellen Güter, die andere haben, zu
besitzen oder zu beherrschen, nicht überwinden.
DER
Der Prophet Arnos sagte beispielsweise über sein Volk:
„Weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und den
Armen für ein Paar Sandalen. . . ." Ihre Gier war so groß,
daß sie „die Kleinen in den Staub" traten (siehe Arnos
2:6,7). Und über diejenigen, die dem Vater, der ihnen
doch alles gegeben hat, ihre Opfergaben vorenthielten,
sagte Maleachi deutlich: „Darf der Mensch Gott
betrügen?" (Maleachi 3:8.)
Wir sind heute leider nur allzu sehr mit denen
vertraut, die so gierig sind, daß sie sich nicht nur weigern,
mit anderen zu teilen, sondern daß sie sogar nur zu bereit
sind, anderen alles abzunehmen, koste es, was es wolle.
Wenn wir klug sind, lieben wir die Menschen und
nutzen die Dinge so, wie unser Vater es vorgesehen hat.
Unmoral herrscht dort, wo wir Dinge lieben und
Menschen benutzen. Der schreckliche Gedanke, den der
Satan Kain beibrachte, bestand darin, Menschenleben in
Besitz zu nehmen und aus einem Kind Gottes bewegliche
Habe zu machen.
DAS HÖHERE GESETZ DES ERRETTERS
Als der Erretter kam, etablierte er wieder das höhere
Gesetz seines Reiches:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem
Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.
Das ist das wichtigste und erste Gebot.
Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst.
An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz
samt den Propheten." (Matthäus 22:37-40.)
Das Neue Testament fordert die umkehrwillligen
Jünger Christi auf, nach seinem Gesetz der Liebe als
neuer Mensch zu leben (siehe Römer 6:4; Hebräer
10:19-24). Dieses Gesetz sollte die Art, wie wir unsere
Pflicht gegenüber unseren Menschen und unsere
Fähigkeit, ihnen und dem Herrn zu dienen, sehen, ganz
beherrschen. So sagt Paulus: „Der Dieb soll nicht mehr
stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen
etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon
geben kann." (Epheser 4:28.)
Außerdem sollen das Ablassen von den Sünden der
Vergangenheit und das Verlangen danach, dem Beispiel
des Herrn nachzufolgen, uns bewußt machen, daß wir in
unseren täglichen Verpflichtungen die höchsten sittlichen
Grundsätze brauchen. Präsident Spencer W Kimball hat
STERN
30
Sg|ro2V*4
In der gesamten
Geschichte der Menschheit
hat der Herr sich immer
wieder bemüht, die
Menschen zu lehren, den
Reichtum der Erde auf
gute Weise zu nutzen,
wozu auch gehört, daß
jeder sich die materiellen
Güter sichern kann, die
der Lohn der Arbeit sind.
auf folgendes hingewiesen: „Ehrlichkeit kann gelehrt aber
nicht legalisiert werden. ,Es müßte ein Gesetz geben',
sagen viele, wenn die Korruption ihr häßliches Haupt
erhebt, und unsere Antwort lautet, daß es Gesetze gibt -
zahllose Gesetze, die nicht durchgesetzt werden; aber
unsere Antwort lautet außerdem, daß man Gutsein und
Ehre und Ehrlichkeit nicht legalisieren kann. Es muß eine
Rückkehr hin zum Bewußtsein dieser Werte geben."6
Wenn die Menschen diese Werte praktizieren, können die
Macht des Geistes und die Kraft der Liebe etwas bewirken,
was das Gesetz nicht vermag - sie können die Gier und
Begehrlichkeit, die zum Stehlen führen, überwinden.
DIE WAHREN KOSTEN
An einem Frühjahrsmorgen vor einigen Jahren
pflanzten meine Frau und ich in einer sonnigen Ecke
unseres Grundstücks einen kleinen Kirschbaum. Wir
freuten uns schon auf die reiche Ernte, die uns irgend-
wann bevorstand. Aber am nächsten Morgen ging meine
Frau kurz nach draußen und kam mit einem erstaunten
Gesichtsausdruck zurück: „Jemand hat unseren Baum
gestohlen!" So war es, ein Dieb hatte ihn ausgegraben
und uns nur das Loch zurückgelassen.
Wir verloren zwar nicht viel an materiellem Wert,
aber wir verloren all die Zeit, die wir damit zugebracht
hatten, die Pflanzstelle vorzubereiten und den Baum zu
kaufen und einzupflanzen. Trotzdem ging es uns im
Vergleich zu anderen, die viel schlimmere Verluste
erlitten haben, noch gut. Ich habe mich schon gefragt, ob
derjenige, der den Baum mitgenommen hat, jemals
darüber nachgedacht hat, welchen geistigen Preis er
dafür wohl gezahlt hat.
Am Ende wird kein Dieb jemals ungestraft davon-
kommen; ein Dieb riskiert, seine Seele zu verlieren. Er hat
ein Gebot Gottes übertreten und dabei sich selbst mehr
geschadet als irgendeinem anderen. Unser Vater hat uns
durch seinen Sohn geboten: „Ihr sollt also vollkommen
sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist." (Matthäus
5:48.) Das griechische Wort, das hier als „vollkommen"
wiedergegeben ist, schließt unversehrt und vollständig
mit ein. Gewiß gehört auch Redlichkeit dazu.
Der Vater im Himmel ist ganz; er ist voll Redlichkeit.
Wir, seine Kinder, haben die Möglichkeit in uns, so zu
werden, wie er ist. Aber alles, was wir tun, was nicht das
göttliche Wesen in uns bildet, verletzt das, was wir sind,
unser wahres Ich und die ewige Verwandtschaft mit dem
himmlischen Vater. Stehlen hält uns, wie jede bewußte
Übertretung eines seiner Gebote, davon ab, darauf
hinzuarbeiten, daß wir ganz oder „vollkommen" werden.
Ein Dieb wertet sein göttliches Potential ab, genauso
wie die Segnungen, die dem Gehorsamen gelten, und
gibt sie für materiellen Gewinn auf. Wenn er nicht
umkehrt, beraubt er sich des ewigen Lebens. D
FUSSNOTEN
1. Dale Patrick, Old Testament Law (1985), 55f.
2. Derek Kidner, in Rousas John Rushdoony, The Institutes of
Biblical Law (1973), 465; siehe auch 464f.
3. The Miracle of Forgiveness (1969), 99.
4. The Teachings ofEzra Taft Benson (1988), 608.
5. Siehe The Institutes of Biblical Law, 10-13.
6. The Teachings of Spencer W. Kimball, Hg. Edward L. Kimball
(1982), 193.
OKTOBER
31
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Bulgarisch (Liahona)
Indonesisch
(Liahona)
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Schwedisch
(Nordstern)
Chinesisch (Die
Srim??ie der Heiligen)
Tschechisch
(Liahona)
Dänisch (Stern)
Italienisch
(Der Stern)
Japanisch (Der
Weg der Heiligen)
1:Kiribati (Liahona)
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Holländisch
(Der Stern)
Koreanisch (Der
Freund der Heiligen)
*Tagalog (Liahona)
Thai (Liahona)
Tonga (Die Fackel)
Ukrainisch
(Liahona)
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Englisch (Liahona)
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Norwegisch (Licht
über Norwegen)
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'"'Vietnamesisch
(Liahona)
Einige Fakten über den Stern
Eine Zeitschrift für
die ganze Welt
Marvin K. Gardner, geschäftsführender Herausgeber
,Wir sehen eine wundervolle
Zukunft für die Kirche vorher, auch
wenn wir in einer sehr unsicheren
Welt leben. Wenn wir an unseren
Wertvorstellungen festhalten, wenn
wir auf dem Vermächtnis, das uns
hinterlassen worden ist, aufbauen,
wenn wir in Gehorsam vor dem
Herrn leben, wenn wir einfach nach
dem Evangelium leben, werden wir
FOTO VON PRÄSIDENT HINCKLEY VON CRAIG DIMOND
auf großartige und wundervolle Weise
gesegnet.
Als Mitglieder der Kirche haben
wir wundervolle Hilfsmittel, die uns
helfen, an unseren Wertvorstellungen
DER
STERN
32
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"Fidschi (Liahona) Finnish (Das Licht)
Französisch
(Do- Stern)
Deutsch (Der Stern) Ungarisch (Liahona) Isländisch
(Stern der Hoffnung)
"Polnisch (Liahona)
Portugiesisch
(Liahona)
"Rumänisch
(Liahona)
Russisch (Liahona)
Samoanisch
(Liahona)
Spanisch (Liahona)
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Der Stern wird in 31 Sprachen herausgegeben. Die jüngste Ausgabe - Cebuano
(links), eine philippinische Sprache - beginnt mit der aktuellen Nummer. Das
Sternchen gibt an, daß die betreffende Ausgabe seit 1 998 besteht.
"Cebuano (Liahona)
festzuhalten und in Gehorsam vor
dem Herrn zu leben. Dazu gehören
auch die Zeitschriften, die die Kirche
herausgibt. Durch die Zeitschriften der
Kirche können die Worte der lebenden
Propheten und Apostel regelmäßig zu
uns nach Hause gelangen und uns
und unsere Familie anleiten und
inspirieren.
Wir fordern alle Mitglieder in der
ganzen Welt auf, abonnieren Sie die
Zeitschriften der Kirche, und lesen Sie
sie. Wir spornen die Priestertumsführer
an: achten Sie darauf, daß jede Familie
in der Kirche diese Möglichkeit hat."
(Die Erste Präsidentschaft - Gordon
B. Hinckley, Thomas S. Monson,
James E. Faust, l. April 1998.)
EINE WELTWEITE ZEITSCHRIFT
Wir im Büro des Herausgebers am
Hauptsitz der Kirche in Salt Lake
City erhalten häufig Fragen zur
Veröffentlichung des Stern. Es folgen
einige Antworten und zusätzliche
Informationen.
■ In wie vielen Sprachen wird
der Stern veröffentlicht? Wir veröf-
fentlichen die Zeitschrift zur Zeit
in 3 1 Sprachen. In Zukunft werden
noch weitere Sprachen hinzu-
kommen.
■ Ist der Inhalt der Zeitschrift in
allen Sprachen gleich? Jede Seite, bis
auf den Nachrichtenteil in der Mitte,
ist in allen Sprachen genau gleich -
dieselben Artikel, Bilder, Illustra-
tionen und Fotos. Die meisten
Nachrichtenteile enthalten Artikel
über Mitglieder der Kirche und
Ereignisse aus dem jeweiligen Gebiet.
■ Hat die Ausgabe in jeder
Sprache den gleichen Titel? Nein,
auch wenn der Inhalt der gleiche
ist. Achtzehn Ausgaben tragen den
Titel Liahona - ein Begriff aus dem
Buch Mormon, der Kompaß oder
Wegweiser bedeutet. Zehn Ausgaben
OKTOBER
33
19 9 8
haben die Worte Stern oder Licht
oder Fackel im Titel. Andere sind den
Heiligen als die „Stimme" oder der
„Weg" oder der „Freund" der Heiligen
bekannt. Bei uns in Salt Lake City
heißt der Stern einfach.
■ Ist Der Stern einfach eine Über-
setzung des Ensign? Nein. Der Stern
enthält nicht alle Artikel aus dem
Ensign, der New Era und dem Friend
(Zeitschriften der Kirche, die auf
englisch herausgegeben werden) .
Allerdings drucken wir im Stern
einige Artikel aus diesen Zeitschriften
ab - und manche erscheinen auch
im selben Monat. Andere Artikel
kommen zuerst im Stern heraus und
später vielleicht in den übrigen
Zeitschriften.
WEITERE FAKTEN
Die erste Zeitschrift der Heiligen
der Letzten Tage, die The Evening
and the Morning Star hieß, wurde
1832 in Independence, Missouri,
herausgegeben - zwei Jahre nach
der Gründung der Kirche.
Die erste nichtenglischspra-
chige Zeitschrift der Kirche wurde
1846 (walisisch) herausgegeben.
Weitere frühe nichtenglischspra-
chige Zeitschriften der Kirche
erschienen 1851 (dänisch, franzö-
sisch und deutsch). Im Laufe der
Jahre kamen weitere Sprachen dazu.
1967 wurden alle nichtenglischspra-
chigen Zeitschriften der Kirche in
einer einzigen Veröffentlichung
zusammengefaßt, die jetzt in den
verschiedenen Sprachen herausge-
geben wird.
Die Kirche begann 1977, eine
englische Ausgabe des Stern heraus-
zugeben. Der englische Liahona, diese
Zeitschrift, wird hauptsächlich in
den englischsprachigen Gebieten
außerhalb der USA, Kanadas,
Großbritanniens, Australiens und
Neuseelands gelesen. Er ist überall
erhältlich.
Manche fremdsprachigen Aus-
gaben erscheinen monatlich, andere
zweimonatlich oder vierteljährlich.
Die Häufigkeit der Veröffentlichung
wird von den Kirchenräten in Salt
Lake City festgelegt. Die Entschei-
dungen basieren auf den Empfeh-
lungen der Gebietspräsidentschaften,
der Zahl der bekannten Haushalte
mit Mitgliedern der Kirche, die
die jeweilige Sprache sprechen, der
Zahl der Abonnements und der
Verfügbarkeit der Übersetzungs- und
Produktionsmöglichkeiten.
Die Botschaft von der Ersten
Präsidentschaft und die Besuch'
slehrbotschaft sind jeden Monat in
63 Sprachen erhältlich. Die
Mitglieder, die die Zeitschrift nur alle
zwei Monate oder einmal im
Vierteljahr erhalten, können in den
Monaten, in denen die Zeitschrift
nicht erscheint, diese Veröffentli-
chungen bei ihren Priestertumsfüh-
rern anfordern.
Diese Botschaften sind also nicht
nur in den 31 Sprachen erhältlich,
in denen die Zeitschrift erscheint,
sondern auch in weiteren 32
Sprachen (siehe den Kasten auf der
gegenüberliegenden Seite) .
DIE BESTELLUNG DES STERN
Abonnieren Sie den Stern -
oder behalten Sie Ihr laufendes
Abonnement. Sie können den Stern
in jeder der verfügbaren Sprachen
erhalten, wo Sie auch wohnen.
Bestellen Sie die Zeitschrift als
Geschenkabonnement für irgend
jemanden auf der ganzen Welt. Sie
können Abonnements für Freunde,
Verwandte, neugetaufte Mitglieder
und jeden anderen bestellen, den Sie
kennen - ob es sich um Mitglieder
der Kirche handelt oder nicht. Die
Zeitschriften der Kirche sind wunder-
volle Geschenke zur Hochzeit, zu
einem Jubiläum, zum Geburtstag, zu
Weihnachten, zum Studienabschluß
und zu anderen Anlässen. Spenden
Sie Abonnements für Bibliotheken,
Schulen, Krankenhäuser, Arzt-
und Zahnarztpraxen und andere
Einrichtungen vor Ort.
So bestellen Sie die Zeitschrift:
Halten Sie sich an die Bestellinforma-
tionen vorn auf der ersten Seite jeder
Ausgabe - oder auf der letzten Seite
Ihres Nachrichtenteils. Oder fragen
Sie Ihren Zeitschriftenvertreter in
Zweig und Gemeinde, Ihren
Führungssekretär, Gemeindesekretär,
Bischof oder Zweigpräsidenten. Oder
wenden Sie sich an den Versand der
Kirche. An manchen Orten ist es
nicht möglich, eine Zeitschrift an die
Adresse einer Einzelperson zu
schicken. In solchen Fällen werden
die Zeitschriften an die Gemeinde
beziehungsweise den Zweig geschickt
und an die einzelnen Mitglieder und
Familien weitergegeben.
SO KÖNNEN SIE SICH BETEILIGEN
Schicken Sie uns Leserbriefe
und Anregungen, Ihr Zeugnis und
Artikel. Wir können nicht alles
abdrucken, was wir bekommen,
aber viele unserer Artikel stammen
von Lesern in der ganzen Welt.
Schreiben Sie uns in Ihrer Sprache,
DER STERN
34
und geben Sie Ihren vollständigen
Namen, Ihre Adresse, Ihre
Gemeinde beziehungsweise Ihren
Zweig und Ihren Pfahl beziehungs-
weise Distrikt an. Unsere Adresse,
die immer auf der ersten Seite der
Zeitschrift steht, lautet: International
Magazines, 50 East North Temple,
Floor 25, Salt Lake City, UT
84150-3223, USA.
Schreiben Sie Artikel für Ihren
Nachrichtenteil. Schicken Sie
Nachrichtenartikel an die örtliche
Adresse, die auf der ersten Seite in
Ihrer Zeitschrift - oder auf der letzten
Seite im Nachrichtenteil - steht.
WIE SIE DIE ZEITSCHRIFT NUTZEN
KÖNNEN
Jede Ausgabe ist eine hervorra-
gende Quelle für Ihr persönliches
Evangeliumsstudium und für den
Evangeliumsunterricht in der
Familie.
Jede Ausgabe enthält Artikel
und Aktivitäten für Kinder und
Jugendliche.
Jede Ausgabe kann Ihnen in
Ihren kirchlichen Berufungen helfen
- als Quellenmaterial für Heimlehren,
Besuchslehren, Miteinander, „Lehren
für unsere Zeit" und andere Lektionen
und Ansprachen.
Jede Ausgabe kann Ihnen einen
aktuellen Überblick über örtliche
und kirchenweite Neuigkeiten
vermitteln. Sie können Artikel
von lokalem Interesse lesen. Sie
können auch etwas über interes-
sante aktuelle Ereignisse lesen - zum
Beispiel über die Ratschläge, Reisen
und Aktivitäten von Präsident
Gordon B. Hinckley und anderen
Kirchenführern.
Jede Ausgabe bietet Ihnen die
Möglichkeit, den Menschen vom
Evangelium zu erzählen und weniger
aktiven Mitgliedern zu helfen, ihr
Zeugnis wiederzuentdecken. Wir
erhalten viele Briefe und Zeugnisse
aus der ganzen Welt, aus denen
hervorgeht, wie der Geist des Herrn
durch die Zeitschriften der Kirche zu
den Menschen spricht. D
Die Botschaft von der Ersten
Präsidentschaft und die
Besuchslehrbotschaft werden
nicht nur in den 31
verschiedenen Ausgaben des
Stern veröffentlicht, sondern
auch in 32 weiteren Sprachen,
dort aber nicht in
Zeitschriftform:
Albanisch
Arabisch
Armenisch (Ost)
Bislama
Braille (Englisch)
Kambodschanisch
Kroatisch
Estnisch
Griechisch
Haitianisch
Hiligaynon
Hmong
Ilokano
Kosraeanisch
Laotisch
Lettisch
Litauisch
Maltesisch
Marschallesisch
Mongolisch
Motu
Neomelanesisch
Niueanisch
Pohnpeianisch
Rarotonga
Serbisch
Slowakisch
Slowenisch
Tahitisch
Trukesisch
Türkisch
Waray
OKTOBER 1998
35
Goldene Fragen
Pat Meyers
ILLUSTRIERT VON DILLEEN MARSH
ch gehörte nicht zu den beliebtesten Schülern an
meiner Highschool, deshalb war mein Freundeskreis
eher klein. Ich war so schüchtern, daß ich die meiste
Zeit für mich blieb. Ich war so entsetzlich schüchtern,
daß es schon schmerzte.
Als ich einmal zum Geschichtsunterricht kam und
mich an meinen Platz setzte, setzte sich ein anderes
schüchternes Mädchen neben mich. Wir hatten uns
sicher vorher schon mal unterhalten, aber ich kannte sie
eigentlich nicht.
Als sie ihre Bücher auf den Tisch legte, fiel ein
Ringbuch neben mir auf den Boden. Ich drehte mich um,
um es aufzuheben, und da fielen mir die Worte Seminar -
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf dem Titel
auf. Ich griff nach unten und hob das Ringbuch auf. Ich gab
es ihr und fragte ängstlich. „Ach, geht ihr samstags zur
Kirche?"
Sie sah verwirrt aus. „Nein", antwortete sie. „Warum?"
Ich zeigte auf das Ringbuch. „Da steht Kirche Jesu
Christi der Heiligen der Letzten Tage. Bedeutet das nicht,
daß ihr am letzten Tag der Woche zur Kirche geht?"
Sie lächelte und kicherte ein bißchen. Dann
DER STERN
36
atmete sie tief ein und fragte: „Was weißt du über die
Mormonenkirche ? "
Ich antwortete ehrlich: „Nicht gerade viel."
Sie atmete noch einmal tief ein und fragte: „Möchtest
du vielleicht mehr wissen?"
„Ja", antwortete ich ohne zu zögern.
In dem Augenblick muß ihr Unterkiefer den Boden
berührt haben. Ihre Augen funkelten, und sie sah sicht-
lich erleichtert aus. Ich erfuhr, daß sie Yvonne Anderson
hieß, und wir wurden Freundinnen. Bald hatten wir auch
einen Termin mit den Missionaren, die mit mir die
erste Lektion durchnahmen. Und bei meiner Taufe war
Yvonne auch da.
Ich weiß, daß das Ringbuch nicht zufällig hingefallen
ist. So albern meine erste Frage auch geklungen haben
mag, sie war goldrichtig: sie ermöglichte es einem schüch-
ternen Mädchen, ein anderes schüchternes Mädchen zu
fragen: „Möchtest du vielleicht mehr wissen?"
An jenem Tag im Geschichtsunterricht war plötzlich
eine Freundschaft da. Durch zwei goldene Fragen
wurden zwei schüchterne Mädchen Freundinnen für die
Ewigkeit. D
OKTOBER
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19 9 8
GEDANKEN
DAZU
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TEURO
Eider Dennis B. Neuenschwander von den Siebzigern
FOTO VON CRAIG DIMOND; FOTO VON DER STATUE DES ENGELS MORONI VON RICHARD M. ROMNEY.
Die Verkündigung des Evangeliums in aller Welt
dient einer göttlichen Bestimmung. Die Propheten
erklären seit langem, daß das Wort des Herrn jedes
Land durchdringen und daß es jedem Stamm, jeder
Sprache und jedem Volk verkündet werden wird.
Abraham erhielt die Verheißung: „Segnen sollen sich
mit deinen Nachkommen alle Völker der Erde."
(Genesis 22:18; Hervorhebung hinzugefügt.) Nephi
„sah die Kirche des Lammes . . . über die ganze Erde
verbreitet". (1 Nephi 14:12.) Und der Herr selbst hat
verkündet: „[Meine] Stimme . . . ergeht an alle
Menschen, und es gibt keinen, der ihr entrinnt; und es
gibt kein Auge, das nicht sehen wird, auch kein Ohr,
das nicht hören wird, und auch kein Herz, das nicht
durchdrungen werden wird." (LuB 1:2.)
Die Etablierung des Evangeliums in den
Ländern Osteuropas in den letzten
zwanzig Jahren ist ein deutliches
Zeugnis dafür, wie diese und
ähnliche Prophezeiungen in
Erfüllung gehen. Aber
diese Erfüllung fand
nicht ohne jahrelange Vorbereitung und erhebliche
Veränderungen in der politischen Atmosphäre
Osteuropas statt. Auch nicht ohne ähnliche Jahre der
Vorbereitung in der Kirche selbst. Ich möchte hier
persönliche Beobachtungen zu einigen wenigen
Ereignissen wiedergeben, die mit dieser Vorbereitung
und Veränderung zu tun hatten. Zwischen 1975 und
1991 habe ich mehrere Jahre mit meiner Familie in
Europa gelebt, wo ich zunächst im Bereich
Mikroverfilmung für die genealogische Arbeit der
Kirche, dann als Missionspräsident und schließlich als
Generalautorität tätig war.
WANDEL IN EUROPA
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wünschten
viele Menschen sich die Freiheit, ihre persönlichen,
politischen und religiösen Vorlieben zum Ausdruck
bringen zu können. Aber die Herrschaft einer einzigen
politischen Partei machte dies schwierig und führte
zu gefährlicher politischer Konrontation. Die
Menschen in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn
und Jugoslawien standen bei
diesen Auseinandersetzungen
IUI
Ä'v"t fjtHMiiiiiii..
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an vorderster Front. Ihren denkwürdigsten Ausdruck
fanden die Bekundungen des Unwillens in dem
Aufstand in Ungarn von 1956 und in Prag von 1968.
* Die Arbeiteraufstände in Polen von 1956, 1970 und
1976 führten letztlich dazu, daß im Dezember 1980
die freie Gewerkschaft Solidarnosc gegründet
wurde.
Diese Bekundungen politischen Unwillens stei-
gerten sich in Ungarn im Jahre 1989 immer mehr.
Am 1. Mai 1989 begann Ungarn, den Zaun entlang
der östereichichen Grenze abzubauen. Es gestat-
tete Menschen aus der DDR, über
% diese Grenze nach Österreich zu
gelangen. Bis zum 10. September
waren über 100000 Bürger der
DDR nach Westeuropa gelangt.
Ich wohnte damals mit
meiner Familie in Wien.
Jeden Abend gab es im
Fernsehen Berichte über das
lautstarke Willkommen, mit
dem die DDR-Bürger beim
Grenzübertritt in Öster-
reich begrüßt wurden. Mit
ihnen kamen Ungarn. Die Straßen, die nach Wien
führten, waren voller Ungarn, die sich jetzt frei
bewegen konnten. Viele kamen zum ersten Mal in
ihrem Leben nach Österreich und kehrten dann nach
Hause zurück. Andere entschieden sich dafür, zu
bleiben und die liberale Asylgesetzgebung in
Anspruch zu nehmen. Wieder andere kamen, um
Geräte zu kaufen, die es bei ihnen nicht gab. Häufig
sah man Waschmaschinen, Kühlschränke und andere
Geräte, die oben auf den Autos festgebunden waren
und nach Ungarn transportiert wurden.
Das sichtbarste Ergebnis dieses Wegfalls der Grenzen
war der Einsturz der Berliner Mauer. Sie zog sich
zwar nur um den sowjetischen Sektor Berlins, aber
sie war das Symbol eines geschlossenen politischen
Unten: Der Mormonentabernakelchor während seiner
Tournee im Juni 1 991 auf dem Roten Platz in Moskau;
dies war ein Sinnbild für die wachsende Bedeutung
der Kirche in Osteuropa. Gegenüberliegende Seite,
oben: Eine Statue, die den Engel Moroni darstellt, von
Valerij Velitschko aus der Ukraine; sie scheint den
Einzug des Evangeliums in solche Länder anzukündigen,
denen Religionsfreiheit früher verwehrt war.
ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON LDS CHURCH ARCHIVES
ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON LDS CHURCH ARCHIVES
und wirtschaftlichen Systems in ganz Osteuropa. Die
Öffnung der Mauer in der Nacht vom 9. auf den 10.
November 1989 stellte die symbolische Öffnung
Osteuropas dar.
Auch andernorts in Osteuropa dämmerte ein neuer
Morgen. Nur zwei Wochen nach der Öffnung der
Berliner Mauer im November kamen mehrere tausend
Tschechen und Slowaken nach Wien. Es wurden
außerhalb der Stadt spezielle Parkplätze bereitgestellt,
die die Hunderte von Bussen aufnehmen sollten, die da
aus der Tschechoslowakei kamen. In der ganzen Stadt
herrschte Feststimmung. In vielen Läden erschienen
Schilder in ungarischer und in tschechischer Sprache.
Während all diese Ereignisse stattfanden, hatten die
Menschen in ganz Osteuropa immer mehr Möglichkeiten,
fernzusehen und Zeitungen und Zeitschriften zu lesen,
ganz zu schweigen vom persönlichen Kontakt mit westli'
chen Geschäftsleuten und anderen. Die Hoffnung, die
diese Kontakte mit sich brachten, schuf eine Zuversicht
und Ruhelosigkeit, die sich nicht mehr eindämmen ließen.
Die politische Teilung zwischen Ost und West erfuhr
grundlegende Veränderungen.
Moskau selbst trug ganz wesentlich zu diesen
Veränderungen bei. 1987 rief Michail Gorbatschow
seine Prinzipien Glasnost' (Offenheit) und Perestrojka
(Umstrukturierung) ins Leben. Sie spiegeln einen
Wandel in der Einstellung wider, der seit Jahren in den
Völkern Osteuropas gewachsen war. Interessanterweise
fand diese gewandelte Einstellung ihren Ausdruck bei
Regierungsvertretern, die sich dem Wunsch des Volkes
nach mehr persönlicher Freiheit, auch nach Freiheit des
religiösen Ausdrucks, immer weniger verschlossen.
EINE ZEIT DER VORBEREITUNG FÜR DIE KIRCHE
So wie die politischen Ereignisse des Jahres 1989
nicht ohne lange Jahre der Vorbereitung stattfanden,
war dies auch bei der Einführung des Evangeliums
der Fall. Die Kirche war diesem Teil der Welt
nicht fremd. Schon in früheren Jahren und unter
anderen politischen Systemen hatten Missionare in
Osteuropa erfolgreich gedient, und Generalautoritäten,
Geschäftsleute und Akademiker hatten häufige
Kontakte mit den dortigen Führern. Trotzdem wirkte
es sich natürlich aus, daß die Kirche nicht offiziell
vertreten war. Bis 1975 gab es, mit der bemerkens-
werten Ausnahme der DDR; in Osteuropa nur wenig
kirchliche Aktivität.
Eine Handvoll treuer Mitglieder der Kirche blieb in der
Tschechoslowakei.1 Im heutigen Polen und in der früheren
Sowjetunion waren viele Missionare früher erfolgreich
tätig gewesen, wenn auch fast nur bei der deutschspra-
chigen Bevölkerung. Aber bis Mitte der siebziger Jahre
waren die meisten Mitglieder entweder gestorben oder in
die Bundesrepublik übersiedelt. Von der früheren missio-
narischen Aktivität im östlichen Ungarn und westlichen
Rumänien war kaum etwas übriggeblieben.
Stellvertretend für die Mitglieder, die sich durch diese
schwere Zeit hindurchkämpften, steht die Polin
Marianna Glownia. Während des Zweiten Weltkriegs
waren sie und ihr Mann im Untergrund aktiv und
kämpften gegen die Nazibesetzer und wurden gefangen-
genommen. Sowohl ihr Mann als auch ihr Kind wurden
getötet. Sie überlebte, aber durch die grausamen Verhöre
blieb sie mit gebrochenen Hand- und Fußgelenken
zurück. Sie hatte keinerlei ärztliche Hilfe, und so heilten
die Gelenke in diesem Zustand, wodurch sie verkrüppelt
blieb. Sie konnte kaum laufen und war auf die Hilfe ihrer
Nachbarn angewiesen.
Nachdem sie sich 1958 der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage angeschlossen hatte, erklärten
DER STERN
40
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Von links: die Weihung des Freiberg-Tempels im
Juni 1 985; im Oktober 1 988 erhielten Führer der
Kirche (darunter Präsident Thomas S. Monson
und Eider Russell M. Nelson) die Genehmigung,
Missionare in die DDR zu entsenden; ein Jahr
und einen Monat später wurde die Berliner
Mauer geöffnet; Mitglieder aus Armenien
kommen zum Freiberg-Tempel. Hintergrund: Die
Berliner Mauer.
ihr Mitglieder einer anderen Kirche, sie würden ihr
Leben lang für sie sorgen, wenn sie ihre Mitgliedschaft
aufgab. Als ich sie 1981 besuchte, sah sie mich und
meinen Reisebegleiter, Matthew Cziembronowicz, an
und sagte: „Brüder, ich möchte, daß Sie wissen, daß ich
meinen Glauben nie verleugnet habe." Aufgrund der
schwierigen Umstände hatte sie zwar den Kontakt mit
der Kirche, nicht aber mit dem Herrn verloren.
Und weder der Herr noch seine Kirche hatten sie und
die anderen mit einem ähnlichen Schicksal vergessen. Still
und geduldig arbeiteten beide daran, den Weg für die Zeit
zu bereiten, da die Kirche mit ihrem vollen Programm
nach Osteuropa zurückgebracht werden konnte.
FREUNDSCHAFTEN SCHLIESSEN
Einer der besten Botschafter für den Herrn war die
Mikroverfilmungsarbeit der Kirche. 1957 wandte Ungarn
sich an die Genealogische Abteilung und bat um Hilfe
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bei der Konservierung der Unterlagen des Landes.2
Innerhalb weniger Jahre zog Polen nach, wobei Eider
Alvin R. Dyer, der Europäische Missionspräsident, 1962
mit den Verhandlungen begann.3 Bis 1968 hatte man
einen Vertrag geschlossen, und die Verfilmung begann
kurz danach. Diese Mikroverfilmung brachte der Kirche
eine Anzahl einflußreicher Freunde ein, die genau dann,
wenn die Kirche ihre Hilfe brauchte, wertvolle
Fürsprecher waren.
Diese Arbeit war deshalb so effektiv, weil sie die
Gelegenheit mit sich brachte, daß Mitglieder der Kirche
und aufgeschlossene Menschen hinter dem eisernen
Vorhang Freundschaft schlössen. 1975 besuchte ich
Kiew in der Ukraine, und zwar als Teilnehmer von
Gesprächsrunden zu Archivangelegenheiten. Nach einer
geselligen Veranstaltung, die außerhalb der Stadt statt-
fand, bestiegen die Teilnehmer einen Bus, um die lange
Rückfahrt nach Kiew anzutreten. Einer der
Konferenzdolmetscher saß neben mir. Da es schon so
spät war, schliefen fast alle anderen bald. In dem
Augenblick sprach er mich an und fragte, ob ich
Mormone sei.
Seine Frage überraschte mich. Wer wußte 1975 in
Osteuropa schon etwas über die Kirche und hatte den
Mut, überhaupt zu fragen? Ich fragte, warum er das
wissen wolle. Er sagte, er habe einmal bei einer
Konferenz ein Mitglied der Kirche kennengelernt. Was er
an mir beobachtete, erinnerte ihn an seinen früheren
Bekannten. Wir verbrachten mehrere Abende mit
fruchtbaren Gesprächen.
Ich weiß nicht, wer jenes Mitglied der Kirche war,
aber sein Beispiel hat diesen Mann nachhaltig beein-
druckt. Einzelne Mitglieder der Kirche machen die
Menschen durch ihr Beispiel mit dem Evangelium
bekannt, lange ehe die Kirche offiziell vertreten ist.
OKTOBER
4/
19 9 8
Weitere persönliche Kontakte wurden mit Menschen
geknüpft, die professionelle Hilfe anboten. Zu den wich-
tigsten dieser Kontakte gehörte die Rechtsberatung
seitens der Kirche. Die tiefgreifenden politischen
Veränderungen in Osteuropa brachten im juristischen
Bereich eine tiefe Krise mit sich. Die Regierungen
brauchten Hilfe bei der Auslegung der bestehenden
Gesetze und beim Verfassen neuer.
Der Wert des juristischen
Beistands durch die Kirche in
diesen Entwicklungsjahren
ist kaum zu überschätzen.
Von unschätzbarem Wert
war auch die Arbeit der
Missionarsehepaare, die
zum Dienst in Osteuropa
berufen wurden. Der
Dienst, den sie leisteten, war ebenso vielfältig wie
effektiv. Von humanitärer Hilfe in entlegenen
Gefängnissen in Rußland zu medizinischer Schulung in
Rumänien, vom Aufbau der Programme des
Bildungswesens der Kirche bis zur Übersetzung von
Unterlagen der Kirche - die große Arbeit der Kirche in
Osteuropa hätte ohne die Arbeit der Missionarsehepaare
nicht bewältigt werden können. Sie fanden Freunde und
machten Erfahrungen, die in späteren Jahren von
unschätzbarem Wert waren.
Diesen Pionieren kann man keinen größeren Tribut
zollen als mit der Anerkennung ihres Beispiels und der
Beständigkeit ihres Glaubens auch in schwierigen
Umständen. In der Mitte der siebziger Jahre und zu
Beginn der achtziger Jahre war es gefährlich, sich in
Osteuropa mit religiösen Belangen zu befassen, und die
Missionare wurden manchmal durchsucht und ander-
weitig belästigt. Viele sprachen die Landessprache nicht,
und sie wußten, wie es war, wenn man wenig zu essen
hatte und keinen elektrischen Strom, keine Heizung und
Die Gruppe Lamanite Generation von der Brigham
Young University, links und unten, besuchte 1991
Bulgarien, die Tschechoslowakei, Deutschland und
Jugoslawien. Wie andere Gruppen der Kirche fanden
auch diese Künstler viele Freunde.
STERN
42
Im September 1995 führte die Kirche in Petrosawodsk
ein Schulungsseminar für russische Mikrofilmkamera-
bediener durch. Während des Seminars wurde diese
Kirche auf der nahegelegenen Insel Kishi besucht.
Die Mikroverfilmung hat der Kirche in Osteuropa viele
Türen geöffnet.
kein fließendes Wasser. Aber sie gaben denen, die noch
größere Not litten, großzügig von ihrem Überfluß ab.
Die Ehepaare waren Lehrer, und wo sie konnten,
vermittelten sie auch die Grundsätze des Evangeliums.
Noch häufiger vermittelten sie den unerfahrenen neuen
Führern und Mitgliedern der Kirche, was es heißt, in
der Kirche Führungsaufgaben wahrzunehmen. Am wich-
tigsten war das, was sie durch ihr Beispiel lehrten. Ihr
Vertrauen in die Zukunft war ansteckend, und ihre Liebe
zueinander war immer ein Beispiel, dem die Mitglieder
der Kirche nacheifern konnten. Es wird noch die Zeit
kommen, da die ganze Frucht ihres Beispiels im Leben
der osteuropäischen Heiligen der Letzten Tage, die durch
ihr Engagement dieses Vermächtnis an andere weiter-
geben, zu sehen ist.
Manche der besten Botschafter für die Kirche waren
diejenigen, die die Menschen mit ihren Auftritten begei-
sterten. Ich kann mich daran erinnern, wie die Gruppe
Lamanite Generation von der Brigham Young University
(heute Living Legends genannt) 1991 nach Sofia kam.
Diese Sänger und Tänzer traten in einem großen
Kulturzentrum vor rund 5000 Menschen auf - unter
denen sich auch viele Kinder befanden. Es waren viele
einflußreiche Menschen dort; der Gesundheitsminister
saß direkt neben mir.
Nach den traditionellen Nummern der Gruppe
eilten die Kinder in einem spontanen Ausdruck der
Liebe zu den Künstlern auf die Bühne - der
Gesundheitsminister mitten unter ihnen. Er war aufge-
sprungen und auf die Bühne geeilt, ehe ich überhaupt
aufstehen konnte.
Als die Kinder auf die Künstler zugingen, begann die
Gruppe Lamanite Generation, das Lied „Ich bin ein Kind
von Gott" zu singen. Die Bulgaren hatten dieses Lied
noch nie gehört, aber es hatte eine solche Wirkung, daß
alle stehenblieben und sich andächtig setzten und die
Bühne füllten.
Dieses und andere, ähnliche Erlebnisse haben mich
davon überzeugt, daß der Geist keine Grenzen kennt. Er
braucht kein Visum, um die Grenzen zu überschreiten
und zu den Herzen zu sprechen. Der Herr war am Werk,
und zwar lange ehe die Kirche wieder Missionare in die
Länder Osteuropas schicken konnte.
„MEISTER DES UNWAHRSCHEINLICHEN"
Die Missionsarbeit wurde in diesen Ländern im
wesentlichen 1972 wieder eingeführt, als die Kirche die
Internationale Mission gründete, um den Mitgliedern zu
dienen, die in Teilen der Welt lebten, wo es keine orga-
nisierten Pfähle oder Missionen gab. Eine der Aufgaben
der Mission bestand darin, zu erkunden, ob es möglich
war, in diesen Gebieten das Evangelium zu verkünden.
Zu denen, die in dieser Forschungsarbeit in Osteuropa
treu dienten, gehörten Gustav Salik, Glen Warner und
seine Frau Renee, Edwin Morrell, Spencer J. Condie
(jetzt von den Siebzigern) und Johann Wondra, die
hauptsächlich von Osterreich aus tätig waren.
Bis Mitte der achtziger Jahre traten Eider Russell M.
Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel und Eider
Hans B. Ringger von den Siebzigern häufig mit den
Regierungen in Osteuropa in Kontakt, und zwar viermal
im Anschluß an einleitende Bemühungen. Präsident
Thomas S. Monson begann als Mitglied des Kollegiums
der Zwölf Apostel in den sechziger Jahren damit. Als
Ergebnis dieser Kontakte ging die Missionsarbeit in
mehreren osteuropäischen Ländern rascher voran.
Im Juli 1987 kam ich in Wien an, um dort über die
neugeschaffene Österreich-Mission Wien Ost zu präsi-
dieren. Die Mission begann mit 34 Missionaren - 22 in
Osteuropa, darunter 8 Ehepaaren und 6 Eiders.
Angesichts der politischen Veränderungen, die in ganz
Osteuropa stattfanden, und der Auswirkungen mehrerer
Besuche von Aposteln schien es möglich, daß viel zu
erreichen war. Aber als neuer Missionspräsident war ich
OKTOBER
43
19 9 8
unsicher, wie wir die Missionstätigkeit angehen sollten
und ob wir es überhaupt tun sollten.
Als Eider Russell M. Nelson uns kurz nach meiner
Ankunft besuchte, fragte ich ihn, was die Führer
der Kirche erwarteten. Sollten wir versuchen,
Missionsarbeit zu tun, so unwahrscheinlich das damals
auch schien?
Eider Nelson legte mir die Hände auf die Schultern und
sagte: „Der Herr ist der Meister des Unwahrscheinlichen,
und er erwartet das Unmögliche."
Da hatte ich das Gefühl, wir könnten einigen
Fortschritt machen. Als wir diese Anstrengung unter-
nahmen, stellten wir fest, daß das Evangelium für einen
Osteuropäer etwas Strahlendes und Wundervolles an sich
hat. Die Lehre vom Tempel und von den Beziehungen in
der Familie, die Hoffnung, die das Evangelium schenkt,
das Aufwärtsstreben, die Vorstellung, daß man über sich
hinauswachsen kann, die Einsicht, daß das Leben mehr
ist als nur die zeitlichen Belange - alle diese Aspekte des
Evangeliums haben große Anziehungskraft. Vor allem die
jungen Menschen, die nur in einer materialistischen
Gesellschaft gelebt haben, verstehen wohl intuitiv, daß
der Materialismus nicht glücklich macht. Sie sehnen sich
nach geistiger Nahrung.
An einem kalten Januartag habe ich eine
Zweigversammlung in einem Kindergarten mit einem
einzigen Raum in Bulgarien besucht. Die Versammlung
hatte bereits begonnen, und als wir auf das Haus zukamen,
fanden wir die Männer draußen vor. Sie standen im Kreis
im Schnee. Wir fragten: „Was machen Sie hier draußen?"
Sie sagten: „Die Schwestern müssen mit den
Kindern drinnen sein. Deshalb halten wir die
Priestertumsversammlung hier draußen ab."
Missionare und neue Mitglieder, im Uhrzeigersinn, von
links: Matild und Lajos Sebesten aus Pecs, Ungarn;
Missionspräsident Richard Winder und seine Frau
Barbara in Prag, Tschechoslowakei, 1990, mit zwei
Missionaren; die erste Gruppe von Vollzeitmissionaren,
die in die DDR entsandt wurden, kurz nach ihrer
Ankunft in Ostberlin am 30. März 1989, mit dem
Präsidenten der Deutschland-Mission Dresden,
Wolfgang Paul (hintere Reihe, links), dem Präsidenten
der Deutschland-Mission Leipzig, Manfred Schütze
(hintere Reihe, rechts) und Schwester und Bruder Schult,
Gemeinde Ost-Berlin (vordere Reihe, links); Anton
Skripko (links), der erste Russe, der eine Mission
erfüllte, und sein Heimlehrpartner besuchen Jurij
Terebenin (rechts), eins der ersten russischen Mitglieder
der Kirche. Hintergrund: Eine Taufe in Lettland.
Die Menschen, die sich in Osteuropa der Kirche
anschließen, sind geistig einfühlsame Menschen. Sie
lieben das Evangelium, und sie lieben das Gefühl der
Gemeinschaft, das die Kirche ihnen schenkt. Sie lieben
einander.
Von großer Bedeutung für die wachsenden missionari-
schen Anstrengungen der Kirche in Osteuropa war die
Gründung einer Mission in der DDR. Im Oktober 1988
kamen Präsident Monson, Eider Nelson, Eider Ringger und
mehrere örtliche Priestertumsführer mit dem Vorsitzenden
Erich Honecker zusammen, um die Genehmigung dafür zu
erbitten, daß in der DDR Missionare tätig wurden - ebenso
dafür, daß Missionare aus der DDR zum Dienst in anderen
Ländern berufen werden konnten.
Zu Beginn der Gespräche sagte der Vorsitzende
Honecker: „Wir wissen, daß die Mitglieder Ihrer Kirche
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ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON LDS CHURCH ARCHIVES
gern arbeiten; Sie haben das bewiesen. Wir wissen, daß Sie
an die Familie glauben; das haben Sie gezeigt. Wir wissen,
daß Sie gute Bürger sind, in welchem Land Sie auch behei-
matet sind; wir haben das beobachtet. Sie können sich
jetzt äußern. Teilen Sie uns Ihre Wünsche mit."
Präsident Monson sprach einfach und direkt und sehr
wirkungsvoll. Die Genehmigung wurde erteilt, und am
30. März 1989 kamen nach 50 Jahren wieder die ersten
Missionare ins Land und begannen das Evangelium zu
verkünden. Zwei Monate später wurden die ersten
Missionare aus der DDR zum Dienst außerhalb ihres
Landes berufen.5
Bis im November 1989 die Berliner Mauer geöffnet
wurde, hatte die Kirche in Osteuropa bereits eine feste
Grundlage geschaffen. Vierundfünfzig Missionare waren
dort und in Griechenland tätig. Bis zu dem Zeitpunkt
war die Kirche auch in Polen (Mai 1977)'," Jugoslawien
(Oktober 1985) und in Ungarn (Juni 1988) offiziell
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ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON LDS CHURCH
ARCHIVES
FOTO VON MARVIN K. GARDNER
FOTO VON MARVIN K. GARDNER
Links: Matthew Cziembronowicz; Präsident Spencer W.
Kimball und seine Frau Camilla; Marion
Cziembronowicz und Fryderyk Czerwisnki stehen im
Sächsischen Garten in Warschau in der Nähe der
Stelle, wo Präsident Kimball am 24. August 1977
Polen für die Verkündigung des Evangeliums geweiht
hat. Matthew und Marion haben von 1977 bis 1979
als Missionarsehepaar in Polen gedient. Fryderyk hat
im Mai 1 977 die staatlichen Dokumente unterzeichnet,
kraft derer die Kirche in Polen offiziell anerkannt
wurde. Mitte: Schwester Evgenia, ein treues Mitglied
in Kiew. Rechts: Abschlußfeier für die Seminar- und
Institutsteilnehmer in der Ukraine, 1 996.
anerkannt. In Warschau hatte der erste Spatenstich für
ein Gemeindehaus stattgefunden, und in Budapest war
ein Gebäude erworben und geweiht worden.
Im Oktober 1989 wurde die Verantwortung für die sich
entwickelnde Kirche in Nordrußland und den Baltischen
Staaten von der Österreich-Mission Wien Ost an die
Finnland-Mission Helsinki übertragen. Dieser historische
Schritt lenkte erhöhte Aufmerksamkeit auf Rußland, die
Ukraine, Bulgarien und Rumänien. Bis zum Ende des
Jahres dienten in jedem dieser Länder Missionare.
Andere osteuropäische Länder zogen bald nach. Am
1. März 1990 erkannte die Tschechoslowakei die Kirche
an, und am 2. Mai kamen wieder Missionare ins Land,
die von den Mitgliedern der Kirche, die seit über 40
Jahren für ihre Rückkehr gebetet hatten, herzlich will-
kommen geheißen wurden.
Im Juli 1990 wurden fünf neue Missionen gegründet:
Polen-Warschau, Tschechoslowakei-Prag, Ungarn-
Budapest und Griechenland-Athen. Moskau, das zur
Österrreich-Mission Wien Ost gehört hatte, und
Leningrad, das von Helsinki aus verwaltet worden war,
bildeten die fünfte Mission - die Helsinki-Mission Ost.
Bis zum Juli 1991 waren auch in Bulgarien, der Ukraine
und Rußland Missionen gegründet worden.
EINE STRAHLENDE ZUKUNFT
Der wichtigste Schritt nach vorn für die Kirche in
Osteuropa während dieser Jahre war die Weihung des
Tempels in der DDR. 1978 hatte die Regierung der DDR
beschlossen, den Heiligen der Letzten Tage, die den
Tempel in der Schweiz besuchen wollten, keine Visa mehr
auszustellen. Die Kirche versuchte alles mögliche,
erreichte aber nichts. Die Mitglieder begannen, um gött-
liche Hilfe zu beten und zu fasten.
Dann, als Eider Thomas S. Monson vom Kollegium
der Zwölf Apostel eines Tages mit Regierungsvertretern
zusammentraf, schlugen sie eine einfache Lösung vor:
Man konnte doch in der DDR einen Tempel bauen. In
Freiberg wurde ein Grundstück gekauft, und 1983 wurde
mit dem Bau begonnen. Der Tempel wurde zwei Jahre
später, am 29. Juni 1985, geweiht.6
Gewiß durchdrang der Einfluß des Tempels die DDR;
er erweichte die Herzen und half mit, die gewaltigen
Veränderungen vorzubereiten, die Ende der achtziger
Jahre überall in Osteuropa stattfanden. Der Einfluß der
Tempel der Kirche auf alle diese Länder ist tiefgreifend.
Ich sehe für die Länder Osteuropas eine strahlende
Zukunft vorher. Fast alle machen sie schwierige
Augenblicke durch. Aber es gibt auch eine sehr positive
Bewegung. Inmitten dieser Veränderungen nehmen die
Kirche und ihre Mitglieder an Bedeutung, Zuversicht
und Hoffnung zu.
1996, kurz bevor ich in die Vereinigten Staaten
zurückkehrte, fuhr ich nach Moskau, um mich von den
Menschen, mit denen ich dort zusammengearbeitet hatte,
zu verabschieden. Es war eine Zeit großer Ungewißheit,
DER
STERN
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ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON RICHARD UND
BARBARA WINDER
ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER
GENEHMIGUNG VON LDS CHURCH ARCHIVES
ABDRUCK DES FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON MORRIS UND
ANNETTA MOWER
was die politische Lage in Rußland betraf. Zu denen, mit
denen ich zusammentraf, gehörte auch eine Schwester,
die fragte: „Was wird aus unserem Land werden?"
Ich erklärte ihr, ich könne nicht als Politiker sprechen,
wohl aber als Generalautorität der Kirche.
„Was würden Sie uns denn als Generalautorität
sagen?" erwiderte sie. „Was wird aus uns werden?"
Ich sagte: „Der Herr beschützt die Länder entspre-
chend der Glaubenstreue der wenigen und läßt es ihnen
dementsprechend gut gehen. Der Herr wird nicht
zulassen, daß die Kirche ins Wanken gerät oder daß das
Land untergeht, solange die Heiligen der Letzten Tage
nach ihrer Religion leben."
Das mag manchen egoistisch vorkommen, aber ich
glaube, es ist wahr. Wenn die Heiligen der Letzten Tage
in Rußland, der Ukraine oder anderswo wollen, daß es
Eine Gruppe tschechoslowakischer Mitglieder,
links, mit Führern, die zu Besuch gekommen
waren (in der zweiten Reihe, von links): Schwester
LeAnn Neuenschwander, Schwester Krejci,
Schwester Colleen Asay, Eider Carlos E. Asay und
Jiri Snederfler. Mine: Charone Smith in einem
albanischen Waisenhaus mit einem Baby auf dem
Arm. Sie und ihr Mann Thaies und ein anderes
Missionarsehepaar waren die ersten Missionare
der Kirche, die nach Albanien kamen. Rechts:
(von links) Eider Dennis B. Neuenschwander, Eider
Dallin H. Oaks und Eider Hans B. Ringger mit
Morris und Annetta Mower, den ersten
Missionaren in Bulgarien.
ihrem Land gut geht, besteht die beste Garantie darin,
daß sie ihrem Glauben treu sind.
Das wird durch ein Erlebnis veranschaulicht, das
Eider Thomas S. Monson 1968 in der DDR hatte.
|£s war sein erster Besuch, und es bestanden noch
keine diplomatischen Beziehungen. Niemand in
der Regierung kannte sich mit der Mission der
irche aus oder vertraute ihrer Redlichkeit.
Eider Monson reiste nach Görlitz, um mit
den dortigen Heiligen zusammenzukommen.
Er kam schweren Herzens, da er wußte, daß
1991 mietete die Kirche das
Erdgeschoß in diesem kommunalen
Kulturzentrum in Sofia an; es war das
erste Gebäude in Bulgarien, das für
Versammlungen der Kirche genutzt
wurde. Von links: Eider Bryon Meyer,
Schwester Laura Karren und Eider
Chris Elggren.
die Mitglieder nicht die Segnungen hatten, die mit
einem Pfahl verbunden sind - sie hatten keinen
Patriarchen, keine Gemeinden mit dem vollständigen
Programm der Kirche und keinen Zugang zum Tempel.
Aber sie erfüllten die Halle mit ihrem Glauben an den
Herrn. Als Eider Monson aufstand, um zu der
Versammlung zu sprechen, gab der Geist ihm ein, die
folgende Verheißung auszusprechen: „Wenn Sie den
Geboten Gottes treu bleiben, wird Ihnen jeder Segen
zuteil werden, den die Mitglieder der Kirche in anderen
Ländern haben."
An jenem Abend wurde ihm in seinem Hotelzimmer
bewußt, was das wirklich bedeutete. Er kniete nieder
und flehte den Herrn an, die Verheißung, die er ihm
eingegeben hatte, wahr zu machen. Während er betete,
kamen ihm diese Worte des Psalmisten in den Sinn:
„Laßt ab und erkennt, daß ich Gott bin." (Psalm 46: ll.)7
Heute, nur 30 Jahre später, ist Deutschland unter einer
demokratischen Regierung vereint, das Land hat zwei
Tempel, und die Heiligen sind in 14 Pfählen organisiert.
Wenn uns die heutigen Ungewißheiten zu schaffen
machen, können wir sicher sein, daß der Herr die
Ereignisse letztlich für die rechtschaffenen Heiligen zum
Guten lenken und daß er die Länder, in denen sie leben,
segnen wird. D
FUSSNOTEN
1. Siehe Kahlile Mehr, „Die Mitglieder in Tschechien: ein
hellerer Tag", und Marvin K. Gardner, „Jifi und Olga Snederfler:
zwei tschechische Pioniere", Der Stem, September 1997, 10-24-
2. Siehe James B. Allen, Jessie L. Embry und Kahlile B. Mehr,
Hearts Tumed to the Fathers: A History of the Genealogical Society
ofUtah, 1894-1994 (1995), 255.
3. Siehe Alvin R. Dyer, The Challenge (1962), 119f.
4. Siehe Russell M. Nelson, „Spannende Ereignisse auf der
europäischen Bühne", Der Stem, Mai 1992, 8-23.
5. Siehe Thomas S. Monson, „Gott sei gedankt", Der Stern, Juli
1992, 55-57; Thomas S. Monson, Faith Rewarded (1996), 132-35.
6. Siehe „Gott sei gedankt", 55; Faith Rewarded, 53, 88,
104-106.
7. Siehe „Gott sei gedankt", 55f.; Faith Rewarded, 2-7.
Symbole der Heilung, links: Im Gemeindehaus der
Kirche in Györ, Ungarn. Unten: Hinter Günter Schulze
aus Dresden entstehen in der Stadt, die durch
den Krieg und die jahrelange
Vernachlässigung fast zerstört war, neue
Häuser. Anders als die meisten Städte in
Osteuropa gibt es in Dresden seit 1 855
kontinuierlich eine Einheit der Kirche.
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„Durch die
Zeitschriften der Kirche
können die Worte der
lebenden Propheten und
Apostel regelmäßig zu
uns nach Hause
gelangen und uns
und unsere Familie
anleiten und inspiri-
eren. Wir fordern alle
Mitglieder in der
ganzen Welt auf
abonnieren Sie die
Zeitschriften der Kirche,
und lesen Sie sie. ■'
- Die Erste
Präsidentschaft
Siehe „Eine Zeitschrift
für die ganze Welt, "
Seite 32.
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1501" 5
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