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DER TOTENTANZ
Vierzig Holzschnitte von Hans Holbein dem
Jüngeren. Faksimile- Nachbildungen der ersten
Ausgabe mit einer Einleitung von
Hans Oanz
Holbein-Verlag, München
Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig.
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Verzeichnis der Tafeln.
/. Die Schöpfung der
20. Der Ritter.
• 2. Der Sündenfall.
21. Der Edelmann.
22. Der Ratsherr.
: 3. Die Vertreibung aus
23. Der reiche Mann.
dem Paradies.
24. Der Kaufmann.
4. Adam bebaut die
25. Der Krämer.
Erde.
26. Der Schiffer.
5. Der Papst.
27. Der Ackersmann.
6. Der Kardinal.
28. Der alte Mann.
7. Der Bischoff.
29. Die Kaiserin.
8. Der Domherr.
30. Die Königin.
9. Der Abt
31. Die Herzogin.
10. Der Pfarrer.
32. Die Gräfin.
11. Der Prediger.
33. Die Edelfrau.
c 12. Der Mönch.
34. Die Äbtissin.
£ 13. Der Arzt.
35. Die Nonne.
* 14. Der Kaiser.
36. Das alte Weib.
3 15. Der König.
37. Das junge Kind.
% 16. Der Herzog.
38. Das Beinhaus.
* 17. Der Richter.
39. Das jüngste Gericht.
^ 18. Der Fürsprech.
40. Das Wappen des
19. Der Graf.
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Todes.
5963
19
Begleitwort
Vvo die Menschen bedrückt oder gequält werden, da antworten
sie mit Hilferufen oder mit Taten. Die Totentänze, welche im
Mittelalter an Friedhofsmauern und Kreuzgängen im Deut-
schen Reiche gemalt standen, waren die Hiljerufe eines ge-
knechteten Volkes, dessen weltliche Klassen unter dem harten
Drucke Roms an Geld und Geist erpreßt wurden. Oft schon
hatte der Papst den Bann gegen den Kaiser geschleudert, wo-
rauf die Gotteshäuser verstummten, der Segen der Sakramente
aufhörte und jede Seelsorge dahinfiel. Aber auch Krieg, Erd-
beben, Hungersnot und Seuche durchkreuzten das Land. Die
Kirche selbst, welche die so erschütterten Menschen hätte auf-
richten und festigen sollen, war innerlich zerfallen durch die
allgemeine Sittenverderbnis der Geistlichkeit. In solch dumpfer
Lebensluft, welche dem erfrischenden Gewitter der Reformation
voranging, konnte kein seelischer Halt gedeihen und die Ge-
danlien schienen sich im Anblick der Vergänglichkeit alles
Irdischen zu sonnen und zu beruhigen, wenn dies die Furcht
vor dem letzten Gerichte zuließ. Denn der Tod bedeutete für
die Guten ein Ender und Erlöser elender Zustände, für die
moralisch versinkenden aber eine fürchterliche Ungewißheit, die
man durch Wohlleben zu betäuben suchte.
Verschiedene Niederschriften bürgen dafür, daß dem gemalten
Todesreigen zeitlich die Schauspiele vorausgegangen sind. In
Deutschland und Frankreich entstehend, drang die Dichtung
nach Spanien, England und Italien ein und wurde unter der
Regie der Prediger aufgeführt, welche die lebendigste Dar-
stellungskunst dazu benutzten, das „Memento mori" jedermann
eindringlich vor Augen zu halten und so die schwächeren
Naturen zu beherrschen. Allmählich aber verschwinden diese
Spiele, und im XV.fahrhundert üben an ihrer Statt die Toten-
tanzbilder ihre Wirkungen aus. Berühmt waren die Todesreigen
von Paris (Danse macabre), von La Chaise-Dieu, von Lübeck,
von Berlin und weithin bekannt auch diejenigen von Basel,
welche die Mauern des Klosters Klingental und des Prediger-
stiftes schmückten. Nikolaus Manuel aber hatte als Erster in
Bern einen Todesreigen geschaffen, in welchem stadtbekannte
Bürger ihr eigenes Antlitz erkannten.
Nicht genug tun konnten sich die Künstler in ihren Ver-
gänglichkeitsgefühlen, und ihre Phantasie, meist mit herber
Ironie durchsetzt, entzündete sich unaufhörlich am Dunkel der
Zukunft nach dem Tode. Ein Schrei nach Erschaffung neuen
Lebens, ein zitterndes Bangen nach dem undenkbaren Jenseits
strömte in der Volksseele, und den Künstlern, welche zu allen
Zeiten die berufenen Träger des Gefühls sind, war es vorbe-
halten, dieser psychischen Massenexpansion durch ihre Werlie
Raum und Luft zu schenken.
Allgemein trägt die Erscheinung des Todes die Kraft in sich,
die menschlichen Triebe aufs Tiefste zu erwecken, weshalb wir
die Kultur eines Volkes darnach messen dürfen, wie es sich in
Religion, Wissenschaft und Kunst zum Problem der Vergäng-
lichkeit gestellt hat. Ebenso ist für einen Künstler die Auf-
fassung des Todes gleic/isam der Spiegel seines eigenen Wertes,
seiner schöpferischen Kraft, welche sich aus dem Kampf des
täglichen Lebens, aus dem Streben und Werden der Umgebung,
zu den ewigen Gedanken Bahn bricht, bis er von diesen ge-
tragen die gerechte Gelegenheit zu höheren Meisterwerken er-
rungen hat.
In dieser Kraft entstanden die Schöpfungen Hans Holbeins.
Dreimal hat er den Totentanz gezeichnet; einmal als Entwurf
zu einer Dolchscheide, dann als xylo graphisches Alphabet, und
zuletzt schuf er die vorliegende Folge von Holzschnitten, welche
man oft als den großen Totentanz bezeichnet. Wohl hatten
auch Meister wie Albrecht Dürer, Hans Baidung, Burckmair
und Scheuffelin die Nähe des Todes dargestellt, doch meist so,
daß dieser seine Opfer unter den Sündern und Verworfenen
suchte, während Holbein in umfassender Weise den Reigen an
die Stätten führte, wo der Bürger seinem Berufe oder alltäg-
lichen Neigungen nachging. Wie bei Manuel finden sich auch
hier bekannte Gesichter vor, so trägt der Kaiser die Züge Maxi-
milians, der König das Antlitz Franz I. von Frankreich, und
zu Seiten des Todes wappens stehen der Künstler und sein Weib.
Die erste datierte Ausgabe der Todesbildung kam bei den
Brüdern Trechsel im Jahre 1538 zu Lyon heraus und trug den
Titel „Simulachres de la mort" oder „Imagines mortis". Die
Entstehungszeit dieser Folge aber fällt in die Jahre 1524-25,
wo Holbein in Basel weilte. Probedrucke der Originalstöcke
befinden sich im dortigen Museum. Hans Lützelburger, welcher
schon 1526 starb, hatte das Schneiden in Holz besorgt.
Dem nüchternen Sinn, mit welcher er die Natur zu betrachten
gewohnt war, und seiner reichen Gestaltungskraft hatte Hans
Holbein zu danken, daß er sich aus der zeitlichen Tendenz und
ihren wechselnden Affekten zur Schöpfung eines freien Kunst-
werkes durchringen konnte, das in vollendeter Zucht die Tragö-
die der menschlichen Vergänglichkeit schildert und daher ein
Beweis dafür bleiben wird, daß der gesunde Geist den Tod
lebendig überwindet.
Hans Ganz,
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