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LES
DER URSPRUNG
DER
CULTURPFLANZEN
VON
ALPHONSE DE CANDOLLE,
CORRESPONDIRENDES MITGLIED DES INSTITUT DE FRANCE, DER KÖNIGL. GESELLSCHAFTEN ZU
LONDON, EDINBURG UND DUBLIN, DER AKADEMIEN ZU BERLIN, MÜNCHEN, AMSTERDAM, BRÜSSEL,
KOPENHAGEN, STOCKHOLM, ST. PETERSBURG, ROM, TURIN, MADRID, BOSTON ETC.
#
: UEBÉRSÉTZT-
VON
Dr. EDMUND GOEZE,
KÖNIGLICHER GARTENINSPECTOR IN GREIFSWALD.
AUTORISIRTE AUSGABE.
LEIPZIG:
F. A. BROCKHAUS.
1884.
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NEW YORK
BOTANICAL
GARDEN
VORWORT.
“Für Landwirthe und Botaniker, ja selbst für Ge-
schichtsforscher und Philosophen, welche dem Beginn
der Civilisation ihr Augenmerk zuwenden, ist die Frage
über den Ursprung der Culturpflanzen von einer gewissen
Wichtigkeit.
Schon vor Jahren habe ich sie in einem Kapitel mei-
ner „Geographie botanique raisonnée“ behandelt; dieses
Werk ist aber selten geworden, und überdies wurden
seit 1855 wichtige Thatsachen von Reisenden, Botanikern
und Archäologen entdeckt. Statt eine zweite Ausgabe
meiner Arbeit vorzubereiten, habe ich eine ändere, ganz
selbständige und ausgedehntere verfasst. Es handelt
dieselbe über den Ursprung einer fast doppelten Anzahl
von Arten der Tropenländer oder der gemässigten Re-
gionen. Hier haben wir es beinahe mit der Gesammtsumme
der Pflanzen zu thun, welche im Grossen für wirth-
schaftliche Zxecke oder auch häufig in den Frucht- und
Gemüsegärten angebaut werden.
Ganz besonders liess ich es mir angelegen sein, da-
nach zu forschen, wie jede Art beschaffen war, wo sie
spontan auftrat, ehe man sie der Cultur unterwarf.
Zu diesem Zwecke war es nöthig, diejenige unter den
VI Vorwort.
zahlreichen Abarten zu unterscheiden, welche man als
die älteste ansehen kann, und dann weiter zu sehen,
aus welcher Region des Erdkreises sie hervorgegangen
ist. Die Aufgabe ist schwieriger, als man glauben sollte.
Im verflossenen Jahrhundert und bis Mitte des jetzigen
beschäftigten sich die Schriftsteller überhaupt sehr wenig
damit, und die fleissigsten trugen zur Verbreitung falscher
Vorstellungen bei. So glaube ich in der That, dass drei
Viertel der Linné’schen Angaben über das Vaterland der
Culturpflanzen entweder unvollständig sind oder auf
Irrthümern beruhen. Seine Aussagen sind aber dann
wiederholt worden und finden sich noch immer, trotz
der von neuern Schriftstellern für mehrere Arten ge-
machten Berichtigungen, in Zeitschriften und popu-
lären Werken wiedergegeben. Zeit ist es, Irrthümer
zu beseitigen, welche bisweilen auf die Jahrhunderte der
Griechen und Römer zurückgehen. Der gegenwär-
tige Stand der Wissenschaft gestattet dies, sobald man
sich auf verschiedene Schriftstücke stützt, welche ent-
weder ganz neu oder selbst noch nicht im Druck ver-
öffentlicht sind, und sie in einer Weise prüft, wie es
bei historischen Forschungen zu geschehen pflegt. Das
ist einer der ziemlich seltenen Fälle, bei welchen die con-
creten Wissenschaften Zeugenbeweise zu Hülfe ziehen
müssen. Man wird sehen, dass sie zu guten Erfolgen
führen, da ich, sei es in ganz bestimmter Weise oder
mit einem Grad von befriedigender Wahrscheinlichkeit,
den Ursprung fast aller der Arten habe feststellen können.
Ich habe mich ausserdem bemüht, darzuthun, seit wie
vielen hundert oder tausend Jahren jede Art angebaut
worden ist, und wie sich die Cultur nach verschiedenen
Richtungen hin in aufeinander folgenden Zeitabschnitten
ausgebreitet hat.
Ei
Vorwort. VII
Bei einigen seit mehr als 2000 Jahren angebauten
Pflanzen und selbst bei andern tritt der Fall ein, dass
man gegenwärtig den spontanen, d. h. wildwachsenden
L
Zustand nicht kennt, oder auch selbigen nicht genügend
nachgewiesen hat. Derartige Fragen sind heikelig und
erheischen — wie die Unterscheidung der Arten — vieles
Nachforschen in Büchern und Herbarien. Ich sah mich
selbst genöthigt, meine Zuflucht zu Reisenden oder Bo-
tanikern zu nehmen, welche in allen Weltgegenden zer-
streut waren, um neue Aufschlüsse zu erlangen. Bei Be-
sprechung der einzelnen Arten werde ich diese Herren mit
dem Ausdruck meines herzlichsten Dankes anführen.
Trotz dieser Hülfe und ungeachtet aller meiner
Untersuchungen stossen wir noch auf mehrere Arten,
welche man im wilden Zustande nicht kennt. Wenn sie
aus Regionen hervorgegangen sind, die botanisch noch
wenig oder gar nicht erforscht wurden, oder wenn sie
zu Pflanzen-Sippen gehören, die noch wenig gründlich
bearbeitet worden sind, darf man allerdings hoffen, dass
ihr Indigenat noch entdeckt und hinreichend festgestellt
werden wird. Diese Hoffnung ist jedoch nicht begründet,
sobald es sich um gut bekannte Arten und Länder han-
delt. Dann bieten sich uns zwei Hypothesen: entweder
haben sich diese Pflanzen in der Natur wie in der Cul-
tur seit der historischen Zeit der Form nach so sehr
verändert, dass man sie nicht mehr als zu derselben Art
gehörig wiedererkennt, oder es sind ausgestorbene
Arten. Die Linse, die Kichererbse kommen wahrschein-
lich in der Natur nicht mehr vor und andere Arten, wie
der Weizen, die Sau- oder Pferdebohne, der Färber-
Saflor, die nur höchst selten wildwachsend gefunden wer-
den, scheinen im Aussterben zu sein. Wenn sich die
Zahl der Culturpflanzen, mit welchen ich mich be-
VIII Vorwort.
schäftigt habe, auf 247 beläuft, dürfte die Ziffer von 3,
4 oder 5 ausgestorbenen oder im Aussterben begriffenen
Arten schon ein beträchtliches Verhältniss ergeben, wel-
ches einem Tausend von Arten für die Gesammtsumme
der phanerogamen Gewächse entspräche. Diese Ab-
nahme an Formen würde in dem kurzen Zeitraum eini-
ger Jahrhunderte stattgefunden haben, und zwar auf
dem Festlande, wo sie sich ausbreiten konnten, und unter
Umständen, die man als beständig anzusehen pflegt. Man
sieht hier, in welcher Weise die Geschichte der Cultur-
pflanzen mit den wichtigsten Fragen über die allgemeine
Geschichte der organischen Wesen zusammenhängt.
GENF.
A. ve CANDOLLE.
Der Uebersetzer kann sich darauf beschränken, hier
dankend zu bemerken, dass der Herr Verfasser ihm im
Laufe der Arbeit eine Reihe höchst werthvoller Notizen zur
Verfügung gestellt hat, welche dieser deutschen Ausgabe
unter besonderer Bezeichnung an den betreffenden Stellen
mit beigefügt worden sind.
INHALT.
Seite
en ee a LES SRE
ERSTER THEIL.
Einleitende Bemerkungen und angewandte Methoden.
5 | ERSTES KAPITEL.
In welcher Weise und in welchen Epochen der Anbau
in verschiedenen Ländern angefangen hat , . . , . 1
ZWEITES KAPITEL.
Methoden, um den Ursprung der Arten zu entdecken
D een... . . . . . . .. SERGE
$ 1. Allgemeine Betrachtungen Dei GRO SVT sl
TE 9
$ 3. Archäologie und Paläontologie. "25 LAURENT FE
Berichte , , . . . 2020. 4.200002 PTIT
D cDiOrSehung . . à, 2... 22 2, 24
$ 6. Nothwendigkeit, die verschiedenen Methoden
Bergen de. at UE u
ZWEITER THEIL.
Studium der Arten in Bezug auf ihren Ursprung, die ersten
Zeiten ihres Anbaues und die wichtigsten Thatsachen ihrer
Verbreitung.
ERSTES KAPITEL.
Pflanzen, die ihrer unterirdischen Theile wegen, wie
Wurzeln, Zwiebeln oder Knollen, angebaut werden . 36
ZWEITES KAPITEL.
Ihrer Stengel oder Blätter wegen angebaute Pflanzen , 103
Bester Abschnitt. Gemüse, . . --. . , ..., 103
Zweiter Abschnitt. Futterpflanzen. ..... 127
x Inhalt.
Seite
Dritter Abschnitt. Verschiedene Gebrauchs-
anwendungen der Stengel oder der Blätter. . . 145
DRITTES KAPITEL.
Pflanzen, welche ihrer Blüten oder der dieselben ein-
hüllenden Organe wegen angebaut werden . . . . . 199
ei VIERTES KAPITEL.
Ihrer Früchte wegen angebaute Pflanzen... . RE ;;
FÜNFTES KAPITEL.
Ihrer Samen wegen angebaute Pflanzen . . . . . . . 393
Erster Abschnitt. Nahrhafte Samen . . . 393
Zweiter Abschnitt. In verschiedener Weise be-
Rutzie DAMEN: vo ZEN AH
DRITTER THEIL.
Rückblick und Schlussfolgerungen.
ERSTES KAPITEL.
Allgemeines Verzeichniss der Arten mit Angabe ihres
Ursprungs und der Zeitperiode ihres Culturanfangs . 553
ZWEITES KAPITEL.
Allgemeine Bemerkungen und Schluss . . . 566
Erster Abschnitt. Regionen, aus welchen die
Culturpflanzen hervorgegangen sind . . 566
Zweiter Abschnitt. Zahl und Beschaffenheit
der angebauten Arten seit verschiedenen Zeit-
perioden.. .. =... 4 2/4 474 0. SOON
Dritter Abschnitt. Culturpflanzen, die man
im wildwachsenden Zustande kennt oder nicht
kennt . . ER
Vierter Abschnitt. Culturpflanzen, welche im
Aussterben begriffen oder ausserhalb des Cultur-
= bereichs ausgestorben ad . 2% 580
Fünfter Abschnitt. Verschiedene Betrachtungen 581
Register. :., . 06 wa RER
ERSTER THEIL.
Einleitende Bemerkungen und angewandte Methoden.
ERSTES KAPITEL.
In welcher Weise und in welchen Epochen der Anbau in
verschiedenen Ländern angefangen hat.
Die von den Dichtern ausgeschmückten Ueberliefe-
rungen der alten Völker haben die Anfänge alles Acker-
baues und die Einführung von Nutzpflanzen gemeinig-
lich einer Gottheit oder wenigstens einem grossen Kaiser
oder Inka zugeschrieben. Bei einiger Ueberlegung stellt
sich aber eine solche Annahme als wenig wahrschein-
lich hin und es zeigt die Beobachtung der Ackerbau-
versuche bei den wilden Völkerschaften der Jetztzeit,
dass die Vorfälle einen ganz andern Verlauf nehmen.
Was die Fortschritte betrifft, welche die Civilisation
herbeiführen, so sind ıhre Anfänge im allgemeinen
schwach, dunkel und begrenzt. Gründe lassen sich an-
führen, warum es sich bei den Erstlingsversuchen im
Ackerbau oder der Gärtnerei ebenso verhält. Zwischen
dem Gebrauche, Früchte, Samen oder Wurzeln auf dem
Felde einzusammeln und jenem, die Gewächse, welche
diese Erzeugnisse liefern, regelmässig anzubauen, liegen
mehrere Stufen. Um ihre Wohnung herum kann eine
Familie Samen ausstreuen und sich mit demselben Pro-
DE CANDOLLE. | 1
D Erster Theil. Erstes Kapitel.
duct im nächsten Jahre aus dem Walde versorgen.
Gewisse Fruchtbäume können in der Nähe einer Nieder-
lassung auftreten, ohne dass man weiss, ob sie durch
Menschenhand gepflanzt sind oder ob die Hütte zum.
Zwecke ihrer Verwerthung in ihrer Nähe errichtet
wurde. Kriege und Jagden unterbrechen häufig die
Anbauversuche, auch Eifersucht und Mistrauen tragen
dazu bei, dass ein Volksstamm dem andern nur lang-
sam etwas nachahmt. Wenn irgendeine hohe Persön-
lichkeit den Befehl erlässt, eine Pflanze anzubauen, und
eine Feierlichkeit anordnet, um den Nutzen dieser Cul-
tur darzuthun, darf man annehmen, dass geringe und
unbekannte Leute schon früher davon gesprochen haben,
angestellte Versuche bereits von Erfolg gewesen sind.
Vor ähnlichen Kundgebungen, welche oi Aufmerksam-
keit grösserer Kr eise auf sich zu lenken geeignet waren,
muss "schon eine mehr oder minder lange Zeit mit ört-
lichen und rasch vergänglichen Versuch verstrichen
sein. Es bedurfte Snkscheidender Gründe, um diese
Versuche zu veranlassen, sie zu wiederholen und schliess-
lich gelingen zu lassen. Wir können dies leicht ver-
stehen.
Zunächst muss einem diese oder jene Pflanze zur
Verfügung stehen, die gewisse, von allen Menschen ge-
suchte Vorzüge darbietet. Die in der Gesittung am
meisten zurückgebliebenen Wilden kennen die Pflanzen
ihres Landes; bei den Australiern und Patagoniern
sehen wir aber, dass wenn sie solche nicht für ergiebig,
zum Anbau tauglich halten, sie auch gar nicht daran
denken, Culturversuche mit denselben anzustellen. An-
dere Bedingungen sind klar genug: ein nicht zu strenges
Klima; in den wärmern Ländern keine zu anhaltende
Dürre; ein bestimmter Grad von Sicherheit und Stetig-
keit; schliesslich ein dringendes Bedürfniss, bedingt
durch den Mangel an Hülfsquellen, wie Fischfang, Jagd
oder Ertrag einheimischer Gewächse mit sehr nahrhaften
Früchten, wie Kastanie, Dattelpalme, Banane oder Brot-
fruchtbaum. Wenn die Menschen leben können, ohne
Anfang der Culturen. 3
zu arbeiten, so ziehen sie solches Leben vor. Ausser-
dem ist das unsichere Treiben in Jagd und Fischfang
für die noch ungesitteten, ja selbst für manche gebil-
dete Menschen weit verführerischer als die schweren
und regelmässigen Arbeiten des Ackerbaues.
Ich komme auf die Arten zurück, welche. die wilden
Völkerschaften anzubauen geneigt sein können. Bis-
weilen finden sie dieselben im eigenen Lande, oft er-
halten sie solehe aber auch von den benachbarten Völ-
kern, die mehr als sie selbst durch natürliche Bedin-
gungen begünstigt sind oder schon einen gewissen Grad
von Gesittung angenommen haben. Wenn ein Volk
nicht auf einer Insel oder an einem schwer zugänglichen
Orte seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, empfängt es
rasch anderswo entdeckte Pflanzen, deren Vorzüge ins
Auge springen, und infolge dessen vernachlässigt es den
Anbau mittelmässiger Arten des eigenen Landes. Die
Geschichte zeigt uns, dass der Weizen, der Mais, die
Batate, mehrere Hirsearten, der Taback und andere, vor-
züglich einjährige Gewächse, sich vor der historischen
Zeit sehr schnell verbreitet haben. Diese guten Arten
haben die zaghaften Versuche bekämpft und aufgehalten,
welche man hier und da mit nicht so ergiebigen oder
weniger empfehlenswerthen Pflanzen hat anstellen kön-
nen. Sehen wir nicht noch heutzutage, wie in ver-
schiedenen Ländern der Weizen den Roggen verdrängt,
der Mais dem Buchweizen vorgezogen wird, und viele
Hirsearten, Gemüse oder andere für den Haushalt ver-
. werthbare Pflanzen geringer geschätzt werden, weil an-
dere, bisweilen weither gekommene Arten mehr Vor-
züge darbieten? Zwischen bereits angebauten und ver-
edelten Gewächsen ist jedoch die Ungleichheit im Werthe
keine so grosse, wie dies einst zwischen angebauten
und andern noch vollständig wilden Pflanzen der Fall
war. Die natürliche Züchtung — dieser grosse Factor,
dessen so glückliche Einführung in die Wissenschaft
Darwin’s Verdienst ist — spielt eine wichtige Rolle,
sobald einmal der Ackerbau begonnen hat; zu allen
1*
4 Erster Theil. Erstes Kapitel.
Zeiten jedoch und ganz vornehmlich bei den Cultur-
anfängen ist die Auswahl der Arten von grösse-
rer Wichtigkeit, als die natürliche Züchtung
der Abarten. |
Die verschiedenen Ursachen, welche die Erstlingsver-
suche im Ackerbau entweder begünstigen oder hemmen,
tragen wesentlich zur Erklärung bei, warum gewisse
Regionen seit Jahrtausenden von Feldbauern bevölkert,
andere von Nomaden bewohnt werden. Allem Anscheine
nach haben sich der Reis und mehrere Hülsenfrüchte
im südlichen Asien, die Gerste und der Weizen in Meso-
potamien und Aegypten, verschiedene Hirsearten in
Afrika, der Mais, die Kartoffel, die Batate und die
Cassavepflanze in Amerika infolge ihrer ins Auge sprin-
genden trefflichen Eigenschaften und der günstigen kli-
matischen Verhältnisse schnell und leicht anbauen lassen.
Auf diese Weise bildeten sich Centralpunkte, von wel-
chen aus die Verbreitung der nützlichsten Arten weiter
vor sich ging. Im Norden von Asien, Europa und
Amerika ist die Temperatur keine günstige, sind die
einheimischen Gewächse wenig ergiebig; da aber Jagd
und Fischfang natürliche Hülfsquellen darboten, musste
sich der Ackerbau erst spät dort einbürgern, konnte
man die guten Arten des Südens entbehren, ohne sehr
darunter zu leiden. Für Australien, Patagonien und
selbst für Südafrika trifft dies aber durchaus nicht
ein. Die Pflanzen der gemässigten Regionen unserer
Hemisphäre konnten der grossen Entfernung wegen
nach jenen Ländern nicht hingelangen, und die der
intertropischen Zone waren infolge grosser Trockenheit
oder auch durch den Mangel an hohen Temperatur-
graden von denselben ausgeschlossen. Dazu kommt,
dass die dort einheimischen Gewächse recht erbärmlich
sind. Es ist wahrlich nicht allein der Mangel an In-
telligenz oder einem gewissen Sicherheitsgefühl, welcher
die Bewohner davon abhielt, sie anzubauen. Ihre wenig
empfehlenswerthen Eigenschaften tragen derart dazu
bei, dass die Europäer in den hundert Jahren ihrer
Anfang der Culturen. 5
Niederlassung daselbst nur eine einzige Art, die Tetra-
gonia, ein überdies recht mittelmässiges Gemüse, der
Cultur unterworfen haben. Wohl weiss ich, dass Sir
Joseph Hooker! über 100 Arten von Australien ange-
führt hat, welche in dieser oder jener Weise verwerthet
werden können; in Wirklichkeit aber hat man sie nicht
angebaut, und auch jetzt, tretz der so vervollkomm-
neten Verfahrungsweisen der englischen Colonisten, denkt
noch keiner daran, dies zu thun. Hier haben wir den
Beweis für die ebenerwähnten Grundsätze, dass nämlich
die Wahl der Arten über die natürliche Züchtung den
Sieg davonträgt, dass eine wildwachsende Pflanze von
vornherein gute Eigenschaften besitzen muss, damit die
Menschen veranlasst werden, einen Anbauversuch mit
ihr zu machen.
Obgleich die Anfänge der Cultur in jeder Region in
Dunkel gehüllt sind, steht es dennoch fest, dass sie zu
gar verschiedenen Zeitpunkten eingetreten sind. Eins
der ältesten Beispiele von angebauten Pflanzen ist, und
zwar in Aegypten, eine Zeichnung in der Pyramide von
Gizeh, welche Feigen darstellt. Der Zeitpunkt, wann
dieses Monument errichtet wurde, ist ungewiss. Die Ge-
schichtschreiber schwanken zwischen 1500 und 4200 Jah-
ren vor Christi Geburt. Nimmt man etwa 2000 Jahre an,
so ergibt dies ein wirkliches Alter von 4000 Jahren.
Die Erbauung der Pyramiden hat aber nur von einem
zahlreichen, bis zu einem gewissen Grade wohlorgani-
sirten und gebildeten Volke ausgeführt werden können,
welches demnach eine schon begründete Ackerbauwirth-
schaft besass, die noch weiter, zum wenigsten um einige
Jahrhunderte zurückgehen musste. In China ordnete
2700 Jahre v. Chr. der Kaiser Chen-nung jene bekannte
Feierlichkeit an, bei welcher man fünf Arten von Nutz-
pflanzen, den Reis, die Sojabohne, den Weizen und
zwei Hirsearten aussäete.? Diese Pflanzen mussten schon
1 Hooker, Flora Tasmaniae, I, S. cx.
2 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 7.
Neu
fs Fée pr
6 Erster Theil. Erstes Kapitel.
seit einiger Zeit und im gewissen Gegenden angebaut
worden sein, um die Aufmerksamkeit des Kaisers der-
art auf sich gelenkt zu haben. In China scheint dem-
nach der Ackerbau ebenso alt zu sein wie in Aegypten.
Die fortwährenden Beziehungen, welche letzteres Land
mit Mesopotamien untärhielt, lassen eine fast gleich-
zeitige Cultur in den Bar des Euphrat und Nil
rutlimaasson. Warum könnte dieselbe in Indien und
dem Malaiischen Archipel nicht ebenso alt sein? Die
Geschichte der dravidischen und malaiischen Völker
geht nicht weit zurück und ist immer noch sehr dun-
kel, dessenungeachtet tritt nichts der Annahme ent-
gegen, dass die Cultur dort, besonders an den Fluss-
ufern, seit undenklichen Zeiten angefangen habe.
Die alten Aegypter und die Phönizier haben viele
Pflanzen in der Mittelmeerregion weiter ausgebreitet,
und die arischen Völker, deren Wanderungen nach Eu-
ropa 2500 oder spätestens 2000 Jahre v. Chr. anfingen,
haben desgleichen mehrere im westlichen Asien bereits
angebaute nen verbreitet. Wenn wir die Geschichte
einiger Arten weiter verfolgen, sehen wir, dass man
wahrscheinlich gewisse Pflanzen schon in Europa und
dem nördlichen Afrika anbaute. Wir können dies
schliessen aus den Namen einzelner Pflanzen, welche
aus Sprachen stammen, die älter sind als die arischen,
z. B. aus der finnischen, baskischen, berberischen oder
jener der Guanchen Di den Canarischen Inseln). In-
dessen haben die sogenannten Kjökkenmöddings,
Ueberbleibsel der ehemaligen Wohnplätze Dänemarks,
bis auf den heutigen Tag weder einen Beweis von An-
bau noch selbst ein Zeichen von dem Besitze eines Me-
talls geliefert.! Die Skandinavier dieser Epoche lebten
besonders vom Fischfang, der Jagd und vielleicht neben-
her von einheimischen Pflanzen, wie dem Kohl, welche
1 De Nadaillac, Les premiers hommes et les temps préhistoriques, I,
266, 268. Das Fehlen von Ackerbauspuren in diesen Ueberbleibseln wird
mir ausserdem von Heer und Cartailhac bestätigt, welche alle beide mit
den Entdeckungen in der Archäologie sehr vertraut sind.
Anfang der Culturen. 74
nicht derartig beschaffen sind, um im Dünger oder im
Schutt Spuren zurückzulassen, und deren Anbau man
überhaupt unterlassen konnte. Das Fehlen von Me-
tallen lässt in diesen Ländern des Nordens nicht auf
ein Alter schliessen, welches weiter zurückgeht als das
Jahrhundert des Perikles oder selbst die schönen Zeiten
der römischen Republik. Später, als die Bronze in
Schweden, einer von den damals civilisirten Ländern
sehr fern gelegenen Region, bekannt geworden, hatte
auch die Einführung des Ackerbaues glücklich stattge-
funden. Man hat in den Ueberresten dieser Epoche
die bildliche Darstellung eines Pfluges gefunden, der
mit zwei Ochsen bespannt ist und von einem Menschen
geleitet wird.!
Als die alten Bewohner der östlichen Schweiz stei-
nerne aber keine metallene Werkzeuge besassen, wur-
den schon mehrere Pflanzen und unter denselben einige
asiatische, von ihnen angebaut. In seiner vortrefflichen
Arbeit über die Pfahlbauten hat Heer? nachgewiesen,
dass sie mit den im Süden der Alpen gelegenen Län-
dern Verbindungen unterhielten. Auch von den Iberern,
welche Gallien vor den Kelten in Besitz hielten, konn-
ten sie angebaute Pflanzen erhalten haben. In dem
Zeitraume, in welchem die Bewohner der Pfahlbauten
der Schweiz und Savoyens die Bronze besassen, waren
auch ihre Culturen mannichfaltiger. Es scheint selbst,
als ob die Bewohner der italienischen Pfahlbauten zur
Bronzezeit weniger Arten anbauten als die der savoyi-
schen, was auf ein höheres Alter oder locale Umstände
hindeuten mag. Die Ueberbleibsel der Pfahlbauten von
Laibach oder des Mondsees in Oesterreich weisen auf
einen ebenso ursprünglichen Ackerbau hin: keine Spur
von Cerealien in Laibach und nur ein einziges Weizen-
1 M. Montelius, nach Cartailhac, Revue, 1875, S. 237.
2 Heer, Die Pflanzen der Pf:.ıulbauten (Zürich 1865). Vgl. den Ab-
schnitt über Flachs.
3 Perrin, Etude préhistorique de la Savoie (1870); Castelfranco, Notizie
intorno alla Stazione lacustre di Lagozza, und Sordelli, Sulle piante della
torbiera della Lagozza, in den Atti della Soc. ital. d. sc. nat., 1880.
8 Erster Theil. Erstes Kapitel.
korn im Mondsee.! Der in diesem östlichen Theile
Europas so wenig vorgeschrittene Stand des Ackerbaues
befindet sich im Widerspruch mit der auf einige Worte
alter Geschichtsforscher gebauten Hypothese, nach wel-
cher die Aryas zunächst in der Donauregion gewohnt
hätten und Thrazien vor Griechenland civilisirt worden
sei. Trotz dieses Beispiels scheint der Ackerbau in
den gemässigten Theilen Europas älter zu sein, als
man es den Aussagen der Griechen nach annehmen
dürfte, die, wie manche Völker der Neuzeit, nur zu sehr
geneigt waren, allen Fortschritt aus ihrer eigenen Nation
hervorgehen zu lassen.
In Amerika ist der Ackerbau vielleicht nicht ebenso
alt wie in Asien und in Aegypten, wenn man nach dem
Civilisationsgrade Mexicos und Perus schliessen will,
der nicht einmal auf die ersten Jahrhunderte der christ-
lichen Zeitrechnung zurückgeht. Die ungemein weite
Ausbreitung einiger Culturen, wie die des Mais, des
Tabacks und der Batate lässt jedoch einen alten Acker-
bau von 2000 Jahren oder annähernd so viel ver-
muthen. In diesem Falle lässt uns die Geschichte ım Stich,
und nur durch Entdeckungen in der Archäologie und
Geologie kann man weitere Aufklärungen erwarten.
. 1 Much, Mittheilungen d. anthropol. Ges. in Wien, Bd. VI; Sacken,
Sitzungsber. d. Akad. Wien, Bd. VI. Heer’s Brief über diese Arbeiten
und ihre Recension in Nadaillae, I, 247.
ZWEITES KAPITEL.
Methoden, um den Ursprung der Arten zu entdecken oder
| festzustellen.
$ 1. Allgemeine Betrachtungen.
Da die meisten der angebauten Pflanzen zu einer sehr
alten Epoche und oft in einer wenig bekannten Weise
der Cultur unterworfen wurden, muss man schon ver-
schiedene Mittel anwenden, um sich über ihren Ur-
sprung Gewissheit zu verschaffen. Das erheischt für
jede Art eine ähnliche Forschung, wie die Geschicht-
schreiber und Archäologen solche anstellen, eine For-
schung gar verschiedenartig, bei welcher man sich bald
dieses, bald jenes Verfahrens bedient, um diese schliess-
lich zusammenzufassen und ihrem bezüglichen Werthe
nach abzuschätzen. Der Naturforscher befindet sich hier
nicht mehr in seinem gewöhnlichen Bereich von Beob-
achtungen und Beschreibungen. Er muss sich auf
Zeugenbeweise stützen, von welchen in den Labora-
torien nie die Rede ist, und wenn botanische Thatsachen
hinzugezogen werden, handelt es sich nicht um Ana-
tomie, der man sich vorzugsweise heutzutage widmet,
sondern um Unterscheidung der Arten und ihre geo-
graphische Verbreitung.
Ich muss mich somit solcher Methoden bedienen,
welche einerseits den Naturforschern, andererseits den
mit historischen Wissenschaften vertrauten Männern
fremd sind. Zum Verständniss ihrer Anwendung und
ihres möglichen Werthes will ich über jede derselben
einige Worte sagen.
S 2. Botanik.
Eins der directesten Mittel, den geographischen Ur-
sprung einer angebauten Art kennen zu lernen, besteht
10 Erster Theil. Zweites Kapitel. F
in dem Forschen nach dem Lande, wo sie spontan, d. h.
im wilden Zustande, ohne Hülfe des Menschen vor-
kommt.
Beim ersten Blick erscheint die Sache einfach. Es
scheint in der That, dass man sie mit Zuratheziehung
der Floren, der Werke über die Gesammtmasse der
Arten oder der Herbarien in jedem besondern Falle leicht
lösen könne. Leider ist dies aber nicht der Fall, —
diese Frage erheischt im Gegentheil ganz speciell-bo-
tanische Kenntnisse, namentlich in der Pflanzengeogra-
phie, desgleichen eine durch lange Erfahrung begrün-
dete Würdigung von Botanikern und Pflanzensammlern.
Die Gelehrten, welche sich mit Geschichte oder Aus-
legung der alten Schriftsteller beschäftigen, laufen Ge-
fahr, in grosse Irrthümer zu verfallen, wenn sie sich
mit den ersten besten Belegen in einem botanischen
Werke begnügen. Die Reisenden andererseits, welche
Pflanzen für Herbarien sammeln, verwenden nicht immer
die genügende Aufmerksamkeit auf die Standorte und
besondern Umstände, unter welchen sie dıe Arten fin-
den. Häufig versäumen sie auch das niederzuschreiben,
was sie daraufhin beobachtet haben. Eine Pflanze kann,
wie man weiss, von in der Nachbarschaft angebauten
Individuen abstammen, die Vögel, die Winde u. s. w.
können ihre Samen nach grossen Entfernungen gebracht
haben, oder es können solche auch zuweilen im Ballast
der Schiffe oder mit Waaren vermischt anlangen. Derlei
Fälle zeigen sich bei den gemeinen Arten, um so viel
mehr noch bei den angebauten Pflanzen, welche in der
Nähe des Menschen im Ueberflusse vorhanden sind.
Ein Sammler oder Reisender muss mit einer scharfen
Beobachtungsgabe ausgerüstet sein, um einigermaassen
darüber sicher zu sein, bis zu welchem Punkte eine
Pflanze wildwachsenden Individuen entsprungen ist, die
zur Landesflora gehören, oder einen andern Ursprung
hat. Sobald eine Pflanze in der Nähe von Wohnplätzen,
auf Mauern, Schutthaufen, an Landstrassen u. s. w.
wächst, genügt dies schon, um auf der Hut zu sein.
Botanik. 11
Es kann ‘auch vorkommen, dass sich eine Art ausser-
halb des Culturbereichs, selbst fern von verdächtigen
Localitäten weiter ausbreitet und dennoch nicht von
Bestand ist, weil sie auf die Länge der Zeit hin weder
den klimatischen Bedingungen, noch dem Kampf mit
den einheimischen Pflanzen widersteht. Dies nennt man
in der Botanik eine zufällig auftretende Art. Sie er-
scheint und verschwindet — Beweis, dass sie ım Lande
nicht einheimisch ist. Solche Beispiele lassen sich in
jedem Florengebiet nachweisen, erregen Befremden, so-
bald sie in aussergewöhnlicher Menge vorkommen. So
hatten die im Jahre 1870 von Algerien nach Frankreich
in der Hast hinübergeschafften Truppen mit der Four-
rage und in anderer Weise eine Menge afrikanischer
oder mittelländischer Arten verbreitet, die als Fremd-
linge sehr auffielen, von denen aber nach zwei oder
drei Wintern keine Spur zurückgeblieben ist.
Manche Sammler und Autoren von Floren haben es
sich angelegen sein lassen, auf solche Thatsachen ganz
_ besonders hinzuweisen, und ich glaube, dank meinen
persönlichen Beziehungen, sowie dem fleissigen Zurathe-
ziehen von Herbarien und botanischen Büchern, die-
selben hinlänglich zu kennen. Bei zweifelhaften Fällen
werde ich mich daher gern auf dieselben berufen. Bei
einigen Ländern und Arten wandte ich mich direct an
diese achtungswerthen Naturforscher. Ihr Gedächtniss,
ihre Notizen, ihre Herbarıen machte ich mir zu Diensten
und wurde durch ihre Bereitwilligkeit in Stand gesetzt,
manche noch nicht im Druck erschienene Schriftstücke
denen hinzuzufügen, welche man bereits in verschiede-
nen Werken antrifft. Aufrichtigen Dank schulde ich
für derartige Nachweise den Herren C. B. Clarke über
die Pflanzen Indiens, Boissier über jene des Orients,
Sagot über die Arten des französischen Guiana, Cosson
über die von Algerien, Decaisne und Bretschneider über
die Pflanzen Chinas, Pancie über die Cerealien Ser-
biens, Bentham und Baker über die Herbarienexemplare
Kews, schliesslich Herrn Eduard André über amerika-
12 Erster Theil. Zweites Kapitel, Ri
nische Pflanzen. Dieser so eifrige Reisende hatte die
Freundlichkeit, mir sehr interessante Exemplare von in
Südamerika angebauten Pflanzen zu leihen, welche von
ihm mit allen Anzeichen einheimischer Gewächse ge-
sammelt waren.
Die Lösung einer andern Frage, welche man nicht
an Ort und Stelle vornehmen kann, ist noch schwie-
riger — ob nämlich eine wirklich wild wachsende Art,
die alle Anzeichen der einheimischen Arten darbietet,
seit einer sehr langen Zeit in dem Lande auftritt oder
sich zu einer mehr oder minder jüngern Zeitperiode
dort eingebürgert hat.
Es gibt in der That naturalisirte Arten, d. h. solche,
welche sich zwischen den alten Pflanzen der Flora ein-
führen und dort halten trotz ihrer fremden Abstam-
mung, sodass die einfache Beobachtung es nicht ermög-
licht, sie von jenen zu unterscheiden, und man hier zu
historischen Angaben, zu rein botanischen oder pflanzen-
geographischen Erwägungen seine Zuflucht nehmen muss.
In einem sehr allgemeinen Sinne kann man behaupten,
dass fast alle Arten, besonders in den ausser den Wende-
kreisen gelegenen Regionen einmal naturalisirt wurden,
d. h. von einer Region in eine andere vermöge geo-
graphischer und physikalischer Umstände übergegangen
sind. Als ich im Jahre 1855 mit der Ansicht hervor-
trat, dass unserer Epoche vorhergehende Bedingungen
die meisten der auf die gegenwärtige Pflanzenverbrei-
tung bezüglichen Thatsachen bestimmten, war dies
der Ausdruck mehrerer der Abschnitte, die Schlussfol-
gerung meiner zwei Bände über die Pflanzengeographie!
— man wunderte sich ein wenig. Die Paläontologie
führte freilich einen deutschen Gelehrten, Dr. Unger,
vermittelst allgemeiner Gesichtspunkte zu ähnlichen Vor-
stellungen ?, und vor ıhm hatte Edward Forbes für
einige Arten des Südens der britischen Inseln die Hypo-
1 Alph. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, Kap.X, S. 1055;
Kan. X1 XIX, XIVH,
2 Unger, Versuch einer Geschichte der Pflanzenwelt (1852).
Botanik. 13
these eines ursprünglichen Zusammenhangs mit Spanien
aufgestellt.! Als aber für die Gesammtmasse der gegen-
wärtigen Arten der Beweis geliefert wurde, dass es un-
möglich sei, ihre Standorte vermöge der seit einigen
Jahrtausenden vorhandenen Bedingungen zu erklären,
rief solcher mehr Eindruck hervor, weil er sich schon
mehr im Bereich der Botaniker befand und sich nicht
auf etliche Pflanzen eines einzigen Landes bezog. Die
von Forbes vorgeschlagene Hypothese, seitdem zu eine-
allgemeinen und gewissen Thatsache geworden, ist gegenr
wärtig einer der Gemeinplätze der Wissenschaft. Alles
was man über Pflanzen- oder Thiergeographie schreibt,
stützt sich auf diesen nicht mehr angefochtenen Boden.
Bei ihrer Anwendung auf jedes Land oder jede Art
treten einem freilich zahlreiche Schwierigkeiten ent-
gegen, denn wenn auch eine Ursache einmal erkannt
worden ist, so hält es nicht immer leicht, zu wissen,
wie sie in jedem besondern Falle thätig gewesen ist.
Bezüglich der angebauten Pflanzen machen es glück-
licherweise die sich darbietenden Fragen nicht nöthig,
auf sehr alte Zeiten zurückzugehen, ganz insbesondere
nicht auf Daten, die der Zahl der Jahre oder Jahr-
hunderte nach nicht genau festgestellt werden können.
Ohne Zweifel gehen die meisten der specifischen For-
men der Gegenwart auf eine Zeit zurück, die ung ferner
liest als die grosse Ausdehnung der Eisberge in der
nördlichen Hemisphäre, eine Erscheinung, die viele Jahr-
tausende gedauert haben muss, wenn man den unge-
heuern Umfang der von den Eismassen fortgerissenen
und mitgeführten Anhäufungen in Erwägung zieht; die
Culturen haben aber nach diesen Vorgängen begonnen,
in vielen Fällen sogar erst seit einer historischen Epoche.
Wir brauchen uns kaum mit dem zu befassen, was vor-
hergegangen ist. Die angebauten Arten können vor
1 Forbes, On the connexion between the distribution of the existing
fauna and flora of the British Isles with the geological changes which
have affected their area, in: Memoirs of the Geological Survey, Bd, I
(1846).
14 Erster Theil. Zweites Kapitel.
ihrer Cultur ein Land mit einem andern vertauscht oder
während einer noch längern Zeit in ihren Formen sich
verändert haben — dies fällt in das Gebiet der allge-
meinen Fragen über alle organischen Wesen zurück;
bei unserer Arbeit wird es nur nöthig, jede Art zu
untersuchen von dem Zeitpunkte ihres Anbaues an oder
in den ihrer Cultur unmittelbar vorhergehenden Zeiten.
Das ist eine grosse Vereinfachung.
In zweierlei Weise kann die somit begrenzte An-
ciennetätsfrage erörtert werden: mit Hülfe historischer
oder anderer Angaben, von welchen ich gleich sprechen
werde, oder vermittelst der pflanzengeographischen
Grundlehren.
Auf letztere will ich dem Hauptinhalte nach hin-
weisen, um zu zeigen, in welcher Weise sie zur Ent-
deckung des geographischen Ursprungs einer Pflanze
beitragen können.
Jede Art zeigt gemeiniglich einen zusammenhängen-
den Wohnsitz oder doch annähernd. Zuweilen ist sie
aber getrennt, d. h. die sie ausmachenden Individuen
finden sich in voneinander entfernten Regionen vertheilt.
Diese für die Geschichte des Gewächsreichs und der
Landoberflächen der Erdkugel sehr interessanten Fälle
bilden aber bei weitem nicht die Majorität. Wenn
demnach eine angebaute Art im wilden Zustande sehr
häufig in Europa auftritt und weniger häufig in den
Eigen Staaten, so liegt die Wahrscheinlichkeit
vor, sie sich n_ ihres scheinbaren Heimatrechts
in Amerika infolge einer zufälligen Ueberführung dort
naturalisirt habe.
Die wenn auch meistens aus mehrern Arten zusam-
mengesetzten Gattungen des Pflanzenreichs sind oft auf
diese oder jene Region beschränkt. Daraus folgt, dass,
je mehr Arten eine Gattung zählt, welche alle ein und
demselben Welttheile angehören, es um so viel wahr-
scheinlicher ist, dass eine dem Anscheine nach in einem
andern Welttheile einheimische Art dorthin verschleppt
wurde und sich daselbst naturalisirte, indem sie z. B.
Botanik. 15
den Culturen entsprang. Namentlich bei den Gattungen
bewahrheitet sich dies, welche die Tropenländer be-
wohnen, indem sie häufiger entweder auf die Alte oder
auf die Neue Welt beschränkt sind.
Die Pflanzengeographie lehrt uns, welche Florenge-
biete Gattungen und selbst Arten gemein haben, trotz
der dazwischen gelegenen Länder, und welche im Gegen-
theil ungeachtet der klimatischen Uebereinstimmungen
oder einer nur geringen Entfernung sehr verschieden
sind. Sie macht desgleichen auf die Arten, Gattungen
und Familien aufmerksam, die einen sehr weiten Wohn-
sitz haben, und welch andere dagegen eine durchschnitt-
lich beschränkte Ausbreitung zeigen. Diese Data tragen
wesentlich zur Bestimmung des wahrscheinlichen Ur-
sprungs einer Art bei. Die sich naturalisirenden Pflan-
zen verbreiten sich sehr rasch. Früher schon! habe
ich Beispiele aus den letzten zwei Jahrhunderten ange-
führt und ähnliche Vorgänge sind dann von Jahr zu
Jahr beobachtet worden. Man kennt die vor kurzem
mit reissender Geschwindigkeit erfolgte Invasion der
Anacharis Alsinastrum in den süssen Gewässern Eu-
ropas, desgleichen jene vieler europäischen Pflanzen
nach Neuseeland, Australien, Californien etc., auf
welche in mehreren Floren oder neueren Reiseberichten
hingewiesen wird.
Das überaus reichliche Vorkommen einer Art ist kein
Beweis von hohem Alter. Die trotz ihres amerikani-
schen Ursprungs in der Mittelmeerregion so gemeine
Agave americana und unsere Distel, welche gegenwärtig
ungeheuere Strecken der La-Plata-Staaten bedeckt, sind
hierfür beachtenswerthe Beispiele. Während die Invasion
einer Art fast immer sehr rasch vor sich geht, ist das
Aussterben im Gegentheil das Resultat eines Jahrhun-
derte anhaltenden Kampfes gegen ungünstige Verhält-
nisse.”
1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, Kap. VII und X.
2 Ebend., Kap. VIII, S. 804.
16 Erster Theil. Zweites Kapitel. ‘
Welche Bezeichnung für Arten oder, um mich wissen-
schaftlicher auszudrücken, für sich nahestehende Formen
die geeignetste sein dürfte, stellt sich uns häufig als
schwer zu lösende Aufgabe in der Naturgeschichte ent-
gegen, und zwar in der Klasse der angebauten Arten
noch mehr als bei den andern. Durch die Cultur ver-
ändern sich diese Pflanzen. Es bemächtigt sich der
Mensch neuer Formen, welche ihm zusagen, und ver-
mehrt sie alsdann auf künstliche Weise durch Steck-
linge, Pfropfen, Auswahl der Samen u. s. w. Um den
Ursprung einer dieser Arten kennen zu lernen, muss
man zunächst die dem Anscheine nach künstlichen For-
men möglichst beseitigen, sein Augenmerk den andern
zuwenden. Eine sehr einfache Erwägung dürfte bei
dieser Wahl als Führer dienen: dass nämlich eine culti-
virte Art Verschiedenheiten besonders in den Organen
aufweist, welche sie zum Anbau tauglich machen. Die
andern können unverändert bleiben oder unbedeutende
Abänderungen erleiden, auf welche der Züchter kein
weiteres Gewicht legt, weil sie für ihn keinen Nutzen
darbieten. Somit muss man darauf gefasst sein, dass
ein ursprünglicher und wilder Fruchtbaum kleine Früchte
von nur wenig angenehmem Geschmack trägt, eine Ge-
treideart kleine Körner hervorbringt, die wildwachsende
Kartoffel kleine Knollen, der einheimische Taback schmale.
Blätter u. s. w. u. s. w., man darf indessen nicht bis zu
der Vorstellung gelangen, dass eine Art durch den Ein-
fluss der Cultur sich Gb einer ungeheuern Ent-
wickelung unterzogen habe, denn sicherlich würde der
Mensch ihren Anbau gar nicht angefangen haben, wenn
sie nicht von Anbeginn an einige nützliche oder ange-
nehme Eigenschaften dargeboten hätte.
: Sobald einmal die angebaute Pflanze auf den Zustand
Bee tihat ist, welchen eine billige Vergleichung mit
Eichen spontanen Formen eh müssen wir uns
auch darüber vergewissern, welche "Gruppe von fast
gleichen Pflanzen man als eine Art ausmachend zu be-
zeichnen für geeignet hält. Hierüber ein Urtheil zu
Archäologie und Paläontologie. 17
fällen, sind allein die Botaniker befugt, weil sie die
Verschiedenheiten und Aehnlichkeiten abzuschätzen pfle-
gen, ihnen die Verwirrung gewisser Arbeiten hinsichtlich
der Nomenclatur nicht unbekannt ist. Es ıst hier nicht
der Ort, sich weiter darüber auszulassen, was man mit
Recht als Art bezeichnen kann. In einigen Artikeln
meiner Arbeiten wird man die Grundsätze niedergelegt
finden, welche mir hierfür die besten scheinen. Da ihre
Anwendung häufig Beobachtungen nöthig machen würde,
welche noch nicht gemacht worden sind, habe ich den
Weg eingeschlagen, beinahe specifische Formen zuweilen
in einer Gruppe zu unterscheiden, welche mir eine Art
auszumachen scheint, und habe ich dann nach dem geo-
graphischen Ursprung dieser Formen geforscht, als ob
sie wirklich specifisch wären.
Mit wenig Worten: die Botanik bietet sehr schätzens-
werthe Mittel, den Ursprung der angebauten Pflanzen
zu errathen oder festzustellen und Irrthümer dabei zu
vermeiden. Man muss sich übrigens überzeugt halten,
dass die Beobachtungen auf dem Terrain und im Stu-
dirzimmer Hand in Hand gehen müssen. Zuerst kommt
der Sammler, welcher die Pflanzen in einer Gegend oder
einer Region sieht und welcher vielleicht eine Flora
oder einen Artenkatalog verfasst, dann muss man die
geographische Verbreitung, sei solche bekannt oder ge-
muthmasst, nach Büchern und Herbarien prüfen, sich
ferner die Grundsätze der Pflanzengeographie, sowie die
Fragen bezüglich der Klassifikation vergegenwärtigen,
was weder beim Reisen noch Sammeln geschehen kann.
Andere Forschungen, auf welche ich jetzt zu sprechen
kommen werde, müssen mit den botanischen verbunden
werden, um befriedigende Schlüsse zu erzielen.
$ 3. Archäologie und Paläontologie.
Der möglichst directeste Beweis von dem frühen Auf-
treten einer Art in einem Lande besteht in dem Auf-
DE CANDoOLLE, 2
18 Erster Theil. Zweites Kapitel.
finden erkennbarer Fragmente in alten Gebäuden oder
alten Ablagerungen, deren Alter mehr oder minder ge-
wiss ist. |
Die Früchte, Samen und verschiedenen Pflanzenbruch-
stücke, welche den Gräbern des alten Aegypten ent-
stammen, die Zeichnungen, welche sie in den Pyramiden
einfassen, wurden die Veranlassung zu sehr wichtigen
Untersuchungen, auf welche ich oft hinweisen werde.
Hierbei liegt freilich eine Möglichkeit zum Irrthum vor:
die des betrügerischen Einschmuggelns von neuern Pflan-
zen in die Mumiensärge. Leicht hat man solche er-
kannt, sobald es sich beispielsweise um Maiskörner, eine
Pflanze amerikanischen Ursprungs, handelte, die von den
Arabern heimlich hineingelest waren; man kann aber
auch Arten beigefügt haben, die seit zwei- oder drei-
tausend Jahren in Aegypten angebaut waren und welche
dann ein zu hohes Alter zu haben scheinen. Die Tu-
muli oder Mounds von Nordamerika, die Denkmäler der
alten Mexicaner und Peruaner haben Belege über die
Pflanzen geliefert, welche man in jenem Welttheile an-
baute. Hier handelt es sich also um jüngere Zeit-
perioden als jene der ägyptischen Pyramiden.
Auch über die Fundstätten der schweizer Pfahlbauten
oder Palafitten wurden bedeutende Arbeiten veröffent-
licht, unter welchen die bereits erwähnte von Heer in
erster Reihe genannt zu werden verdient. Aehnliche
Abhandlungen sind über die Pflanzenüberreste geschrie-
ben worden, welche man in andern Seen oder Torf-
mooren der Schweiz, Savoyens, Deutschlands und Ita-
liens aufgefunden hat. Bei Besprechung mehrerer Arten
werde ich auf sie zurückkommen. Dr. Gros hatte. die
Gefälligkeit, mir Früchte und Samen mitzutheilen, welche
den Pfahlbauten des Neuenburgersees entnommen waren,
und mein College, Professor Heer, theilte mir freund-
lichst einige Angaben mit, die in Zürich nach der Ver-
öffentlichung seiner Arbeit gesammelt waren. Ich habe
schon erwähnt, dass die als Kjökkenmöddings bekannten
Geschichte. 19
Fundstätten in den skandinavischen Ländern keine Spur
von angebauten Pflanzen geliefert haben.
Die Tuffsteine des südlichen Frankreichs enthalten
Blätter und andere Pflanzenreste, welche von den Herren
Martins, Planchon, de Saporta und andern Gelehrten
bestimmt wurden. Vielleicht geht ihr Alter nicht immer
weiter zurück als das der ersten Fundstätten der Pfahl-
bauten und stimmt möglicherweise mit dem Alter ägyp-
tischer Denkmäler und alter chinesicher Bücher überein.
Schliesslich tragen die Erzschichten, welche ein beson-
deres Studium für die Geologen ausmachen, schon viel
zur Aufklärung über die Reihenfolge der Pfanzenfor-
men in verschiedenen Ländern bei; es handelt sich dann
aber um Zeitabschnitte, die dem Ackerbau weit vorher-
gingen, und es würde ein eigenthümlicher und sicher-
lich kostbarer Zufall sein, wenn man in der tertiären
Epoche Europas eine gegenwärtig angebaute Art ent-
deckte. Dies ist bisjetzt in einer über allen Zweifel
erhabenen Weise nicht eingetreten, wenn auch nicht an-
gebaute Arten in den Lagern erkannt wurden, die un-
serer Eisperiode auf der nördlichen Hemisphäre vorher-
gingen. Wenn man übrigens auch nicht dahin gelangt,
solche zu entdecken, werden die Folgerungen nicht
weniger verständlich sein, insofern man sagen könnte:
jene Pflanze ist später von einer andern Region ange-
langt, oder auch: sie hatte einst eine verschiedene Ge-
stalt, welche es nicht ermöglichte, sie in den Fossilien
wiederzuerkennen.
S 4. Geschichte.
Die historischen Documente sind für den Zeitpunkt
gewisser Culturen in jedem Lande von Wichtigkeit. Sie
liefern auch Angaben über den geographischen Ursprung
der Pflanzen, wenn solche durch Wanderungen alter
Völker, Reisen oder militärische Expeditionen fortge-
pflanzt wurden.
D +
ei
D, tnt
æ
20 Erster Theil. Zweites Kapitel.
[ Ohne Prüfung darf man indessen die Behauptungen
der Schriftsteller nicht annehmen.
Die meisten der alten Geschichtschreiber haben die
Thatsache von dem Anbau einer Art in einem Lande
mit derjenigen ihres frühern Wohnsitzes im wilden Zu-
stande verwechselt. Gemeiniglich hat man, selbst noch
zu unsern Tagen, von einer in Amerika oder in China
angebauten Art behauptet, dass sie Amerika oder China
bewohne. Ein ebenso häufiger Irrthum war derjenige,
eine Art in einem Lande für einheimisch anzusehen,
weil man sie von da und nicht von dem wirklichen
Heimatlande erhalten hatte. So nannten die Griechen
und Römer den Pfirsich persischen Apfel, weil sie ihn
in Persien angebaut gesehen hatten, woselbst er aber
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wild vorkam, da er
vielmehr in China ursprünglich zu Hause ist, wie ich dies
neuerdings nachgewiesen habe. Als Apfel von Kar-
thago (Malum.punicum) bezeichneten sie die Granate,
welche sich von Persien nach Mauritanien schrittweise
in den Gärten verbreitet hatte. Um so viel mehr haben
sich sehr alte Schriftsteller wie Berosus und Herodot
irren können, wenn sie äuch noch so sehr wünschten,
genaue Angaben zu machen.
Bei Besprechung des Mais werden wir Gelegenheit
haben zu sehen, dass historische Schriftstücke, die von
einem Ende bis zum andern gefälscht sind, über den.
Ursprung einer Art irreleiten können. Das ist seltsam,
denn wenn es sich um eine auf den Anbau bezügliche
Thatsache handelt, dürfte man annehmen, dass niemand
ein Interesse daran hat, die Unwahrheit zu sagen.
Glücklicherweise tragen die botanischen oder archäo-
logischen Merkmale dazu bei, derartige Irrthümer von
vornherein zu muthmassen.
Die Hauptschwierigkeit — diejenige, welche sich
meistens bei den alten Geschichtschreibern darbietet,
besteht in der genauen Uebersetzung der Pflanzen-
namen, welche in ihren Büchern meistens volksthüm-
liche sind. Bald werde ich auf den Werth dieser Na-
t
Geschichte. 91
men, auf die Hülfsquellen der Sprachforschung bei den
uns beschäftigenden Fragen zu sprechen kommen; zuvor
dürfte aber anzugeben sein, welche historischen Kennt-
nisse beim Studium der angebauten Pflanzen die nütz-
lichsten sind.
Der Ackerbau ist vor alters, zum mindesten was die
Hauptarten betrifft, aus drei grossen Regionen hervor-
gegangen, wo gewisse Pflanzen wuchsen und welche in
gar keiner Beziehung zueinander standen. Es sind:
China, der Südwesten von Asien (mit Aegypten ver- |
einigt) und das intertropische Amerika. Hiermit soll
nicht gesagt sein, dass in Europa, in Afrika oder an- |
derswo wilde Völker nicht schon zu einer sehr frühen |
Epoche einige Arten in beschränkter Weise als Zubehör
zur Jagd oder dem Fischfang anbauten; die grossen,
auf den Ackerbau sich stützenden Bildungsstufen aber
haben in den drei bezeichneten Regionen ihren Anfang
genommen. Höchst bemerkenswerth ist es, dass sich
in der Alten Welt die ackerbautreibenden Nationen be-
sonders an den Flussufern bildeten, während dies in
Amerika auf den Hochebenen von Mexico und Peru der
Fall war. Vielleicht muss man dies dem ursprüng-
lichen Standorte der zum Anbau geeigneten Pflanzen
zuschreiben, denn jedenfalls sind die Ufer des Mississippi,
des Orinoco und des Amazonas nicht ungesunder als
die der Flüsse der Alten Welt.
Hier einige Worte über jede dieser drei Regionen.
China besass schon seit Tausenden von Jahren einen
blühenden Acker- und selbst Gartenbau, als es durch
die Gesandtschaft des Chang-Kien unter der Regierung
des Kaisers Wu-ti im 2. Jahrhundert vor der christ-
lichen Zeitrechnung zum ersten mal mit dem westlichen
Asien in Verbindung trat. Aus den Pent-sao genannten
Sammlungen, welche zur Zeit uusers Mittelalters ge-
schrieben wurden, ersieht man, dass Chang-Kien die
Pferdebohne, die Gurke, die Luzerne, den Safran, den
Sesam, den Nussbaum, die Erbse, den Spinat, die
Wassermelone und andere, den Chinesen damals unbe-
Dr
22 Erster Theil. Zweites Kapitel.
kannte Pflanzen aus dem Westen! mit sich brachte.
Er war somit mehr als ein gewöhnlicher Gesandter,
denn auch die geographischen Kenntnisse, die wirth-
schaftlichen Zustände seiner Landsleute wurden durch
ihn wesentlich erweitert und verbessert. Freilich hatte
man ihn gezwungen, 10 Jahre im Westen zu verweilen,
und gehörte er einem bereits civilisirten Volke an, bei
an ein Kaiser 2700 Jahre v. Chr. den Anka ei-
niger Pflanzen mit grossartigen Feierlichkeiten umgeben
hatte. Die Mongolen waren zu ungesittet und kamen
aus einem zu kalten Lande, als dass sie viele Nutz-
pflanzen nach China hätten einführen können; beim
Forschen nach dem Ursprung des Pfirsich- und Apri-
kosenbaumes sehen wir aber, dass diese Bäume von
China aus nach dem westlichen Asien gebracht wurden,
und zwar wahrscheinlich durch vereinzelte Reisende,
Kaufleute oder andere, deren Weg im Norden des Hi-
malaja lag. Einige Arten haben sich in derselben Weise
von Westen nach China schon vor der Gesandtschaft
des Chang-Kien verbreiten können.
Die regelmässigen Verbindungen Chinas mit Indien
haben erst zu Lebzeiten dieses Gesandten angefangen
und zwar auf der abgelegenen Strasse von Baktrien?,
es können aber auch Uebertragungen von Ort zu Ort
von der Malaiischen Halbinsel oder Cochinchina aus
stattgefunden haben. Den Gelehrten, welche im Norden
Chinas thätig waren, haben solche um so viel mehr un-
bekannt Elena en weil die südlichen Provinzen
erst im 2. Jahrhundert v. Chr. dem Kaiserreich einver-
leibt wurden.? 3
Japans erste Beziehungen mit China fanden gegen
das Jahr 57 unserer Zeitrechnung durch die Mission
eines Gesandten statt, und die Chinesen besassen nicht
vor dem 3. Jahrhundert, zur Zeit der Einführung der
Bretschneider, a. a. O., S. 15.
Ebend.
Ebend., S. 23.
1) nm
“
Geschichte. 23
chinesischen Schreibkunst nach Japan, genaue Kennt-
niss von ihren östlichen Nachbarn.!
Die weite vom Ganges nach Armenien und dem Nil
sich ausdehnende Region hat früher nicht so abgeson-
dert dagelegen wie China. Ihre Völker haben ange-
baute Pflanzen nicht nur von Platz zu Platz mit grosser
Leichtigkeit ausgetauscht, sondern sie auch weiter ge-
bracht. Es genügt, daran zu erinnern, dass frühere
Wanderungen oder Eroberungen die turanischen, arischen
und semitischen Völker zwischen dem Kaspisee, Meso-
potamien und dem Nil ohne Unterlass vermischt haben.
Grosse Staaten bildeten sich ungefähr zu derselben Zeit
an den Ufern des Euphrat und in Aegypten; ihnen
gingen aber Volksstämme vorher, welche schon gewisse
Pflanzen anbauten. Der Ackerbau ist in dieser Region
ältern Datums als Babylon und die ersten ägyptischen
Dynastien, deren Alter auf über 4000 Jahre hinausgeht.
Die assyrischen und ägyptischen Kaiserreiche stritten
dann um die Oberherrschaft, und wurden bei ihren
Kämpfen Völkerschaften von einem Orte zum andern
geleitet, was nur dazu beitragen konnte, die angebauten
Pflanzen weiter auszubreiten. Andererseits haben sich
die arischen Völker, welche ursprünglich im Norden von
Mesopotamien ein für den Ackerbau wenig günstig ge-
legenes Land bewohnten, nach Westen und Süden weiter
ausgebreitet, indem sie die turanischen und dravidischen
Nationen zurückdrängten oder unterwarfen. Ihre Sprache
und ganz insbesondere die in Europa und Indien davon
abgeleiteten, liefern den Beweis, dass sie mehrere Arten
von Nutzpflanzen gekannt und weiter mit sich fortge-
führt haben.” Nach diesen sehr alten Vorgängen, deren
1 Atsuma-gusa. Recueil pour servir à la connaissance de l’extr&me
Orient, publié par Fr. Turretini, VI, 200, 293.
2 Ich möchte den Naturforschern, welche sich nicht speciell mit die-
sen Fragen beschäftigt haben, zwei ausgezeichnete Résumés über die
gegenwärtige Kenntniss des Orients und Aegyptens aufs wärmste an-
empfehlen, nämlich: „Manuel de l’histoire ancienne de l’Orient‘ von
François Lenormand, deutsch von Busch (3 Bde., Leipzig 1871—72) und
„LW’Histoire ancienne des peuples de l’Orient‘, von Maspero, deutsch von
Pietschmann (Leipzig 1877).
24 Erster Theil. Zweites Kapitel.
genauer Zeitpunkt meistens unermittelt bleibt, haben
die Seereisen der Phönizier, die Kriege zwischen den
Griechen und Persern, der Zug Alexander’s bis nach
Indien und schliesslich die römische Oberherrschaft die
Verbreitung der Culturen nach dem Innern des west-
lichen Asiens und selbst ihre Einführung nach Europa
und dem Norden von Afrika, überallhin wo das Klima
nicht hemmend entgegentrat, vollends bewerkstellist.
Später, zur Zeit der Kreuzzüge, konnte man nur noch
sehr wenige Nutzpflanzen aus dem Orient heimbringen.
Damals gelangten nach Europa einige Varietäten von
Fruchtbäumen, welche die Römer nicht besassen, sowie
verschiedene Zierpflanzen.
Mit der Entdeckung Amerikas ım Jahre 1492 schliessen
die wichtigen Vorgänge ab, welche die Verbreitung der
angebauten Pflanzen nach allen Ländern hin ermöglich-
ten. Zunächst sind es die amerikanischen Arten, wie
Kartoffel, Mais, indianischer Feigencactus, Taback u. s. w.,
welche nach Europa und Asien gebracht wurden. Dar-
auf wurde eine Menge von Arten der Alten Welt nach
Amerika eingeführt. Durch die Reise des Magelhaens
(1520—21) wurde die erste directe Verbindung zwischen
Südamerika und Asien herbeigeführt. In demselben
Jahrhundert vermehrte der Sklavenhandel die Beziehun-
gen zwischen Afrika und Amerika. Endlich haben die
Entdeckung der Südseeinseln im 18. Jahrhundert, die
zunehmende Leichtigkeit der Verkehrsmittel, verbunden
mit den allerseits hervortretenden Verbesserungsbestre-
bungen, die allgemeinere Verbreitung der Nutzpflanzen
herbeigeführt, wovon wir heutzutage Zeugen sind.
S 5. Sprachforschung.
Die volksthümlichen Namen der angebauten Pflanzen
sind meistens sehr bekannt und vermügen über die Ge-
schichte einer Art Auskunft zu geben, es kommen aber
auch Beispiele vor, wo dieselben ungereimt sind, auf
Irrthümern beruhen oder sich als nichtssagend und an-
Sprachforschung. 29
fechtbar hinstellen, sodass ihre Anwendung grosse Vor-
sicht erheischt.
Viele solcher abgeschmackten Namen, die allen
Sprachen. entlehnt sind, könnte ich hier anführen, es
möge aber genügen, auf folgende hinzuweisen:
Im Französischen nennt man den Mais blé de Turquie
(türkischer Weizen), obgleich er nichts mit Weizen ge-
mein hat und aus Amerika stammt.
In der englischen Sprache heisst der Erdapfel (He-
lianthus tuberosus) Jerusalem artichoke, trotzdem er nicht
von Jerusalem kommt, sondern von Nordamerika, und
keine Artischoke ist.
Im Deutschen wird der Bocksbart (Tragopogon) auch
Haferwurzel genannt.!
Eine Menge von Namen, welche die Europäer bei
ihrer Niederlassung in den Colonien den ihnen fremden
Pflanzen beilegten, bringen falsche oder nichtssagende
Aehnlichkeiten zum Ausdruck. So ähnelt der neusee-
ländische Flachs so wenig wie möglich dem Flachs, nur
dass aus seinen Blättern ein spinnbarer Stoff gewonnen
wird. Der pomme d’Acajou (im Deutschen sagt man
Acajoubaum) von den französischen Antillen ist nicht
die Frucht eines Apfelbaums, selbst nicht einmal einer
Pomacee und steht in keiner Beziehung zu dem echten
Acajou (Swietenia).
Zuweilen haben sich die volksthümlichen Namen beim
Uebergange von einer Sprache in die andere derartig
verändert, dass ihnen eine falsche oder lächerliche Be-
deutung anhaftet. So wurde der Baum von Judäa, den
die Franzosen Cercis Siliquastrum nennen, von den Eng-
ländern in Judas-tree umgetauft (wie er auch im Deut-
schen Judasbaum heisst). Die von den Mexicanern
Ahuaca genannte Frucht ist zum Avocat der franzö-
sischen Colonisten geworden.
1 „Nach dem, was Dr. Ascherson mir mittheilt, ist Hafer eine Ent-
artung des Wortes Haber (Bock), der Name war somit das Aequivalent
von Tragopogon; Haferwurzel ist aber immerhin eine lächerliche Be-
zeichnung, weil man im Deutschen Hafer für Avena gebraucht.“ (Vom
Verfasser dem Uebersetzer mitgetheilte Anmerkung.)
26 Erster Theil. Zweites Kapitel.
Häufig sind Pflanzennamen von demselben Volke in
aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten oder in verschie-
denen Provinzen bald als Gattungs- und bald als Arten-
namen benutzt worden. Beispielsweise kann -b/é (Wei-
zen) entweder mehrere Arten der Gattung Triticum, ja
selbst sehr verschiedenartige Nährpflanzen (Mais und
Weizen) bezeichnen oder auch eine ganz bestimmte
Weizenart.
Manche volksthümliche Namen sind durch Irrthümer
oder aus Unwissenheit von einer Pflanze auf die an-
dere übergeführt worden. Die von alten Reisenden
verursachte Verwirrung zwischen der Batate (Convol-
vulus Batatas) und der Kartoffel (Solanum tuberosum)
hat den Gebrauch nach sich gezogen, die Kartoffel im
Englischen Potatoe und im Spanischen Patatas zu
nennen.
Wenn der neuern Zeit angehörige civilisirte Völker,
denen es leicht gemacht wird, die Arten zu vergleichen,
ihren Ursprung kennen zu lernen, die Namen in den
Büchern zu prüfen, sich schon ähnlicher Irrthümer schul-
dig gemacht haben, so liegt die Wahrscheinlichkeit vor,
dass die Alten deren noch mehr machten, in noch grö-
bere verfielen. Die Gelehrten entfalten eine unendliche
Weisheit, um den sprachlichen Ursprung eines Namens
oder seine Abänderungen in den abgeleiteten Sprachen
zu erklären, für die Fehler aber oder die im Volke ge-
bräuchlichen Ungereimtheiten vermögen sie keine Er-
klärung zu bieten. Schon viel eher werden solche von
den Botanikern errathen oder erklärt. Beiläufig wollen
wir hier bemerken, dass die Doppelnamen oder die zu-
sammengesetzten die verdächtigsten sind. Sie können
zwei Irrthümer enthalten, den einen in der Wurzel oder
dem Hauptnamen, den andern in dem Zusatz oder Neben-
wort, welches fast immer dazu bestimmt ist, einen geo-
graphischen Ursprung, eine ins Auge fallende Eigen-
schaft, oder irgendwelche Vergleichung mit andern Arten
zum Ausdruck zu bringen. Je kürzer ein Name ist,
um so mehr verdient er bei der Frage nach dem Ur-
Sprachforschung. 97
sprung oder dem Alter berücksichtigt zu werden, denn
im Gefolge der Jahre, der Völkerwanderungen und des
Pflanzentransports stellen sich häufig innige Beinamen
ein. In den sinnbildlichen Schriften, wie jenen der
Chinesen und Aegypter, lassen die alleinstehenden und
einfachen Zeichen schon seit alters her bekannte Arten
vermuthen, die keinen fremden Ländern entstammen,
während dagegen die zusammengesetzten Zeichen ver-
dächtig sind oder einen fremden Ursprung andeuten.
Dabei darf man indess nicht ausser Acht lassen, dass
die Zeichen häufig Bilderräthsel waren, die sich auf
zufällige Aehnlichkeiten von Wörtern oder auch auf
abergläubische und überspannte Vorstellungen stützten.
Die Uebereinstimmung eines volksthümlichen Namens
für eine Art in mehreren Sprachen kann zwei gar ver-
schiedene Bedeutungen haben. Sie kann daraus ent-
stehen, dass eine Pflanze von einem Volke mitgeführt
wurde, welches sich getrennt und zerstreut hat. Sie
kann aber auch davon herrühren, dass eine Pflanze von
einem Volke einem andern mit dem Namen des Hei-
matlandes überliefert worden ist. Ersterer Fall tritt
beim Hanf ein, dessen Name, wenigstens in Bezug auf
seine Wurzel, in allen von den ursprünglichen Aryas
abgeleiteten Sprachen ein ähnlicher ist. Der zweite
Fall zeigt sich bei dem amerikanischen Namen des Ta-
backs und dem chinesischen des Thees, die sich in un-
zähligen Ländern weiter verbreitet haben, ohne dass
diese in irgendeinem linguistischen oder ethnographi-
schen Zusammenhange stehen. Dieser Fall hat sich
häufiger in der Neuzeit als im Alterthume dargeboten,
weil die Schnelligkeit der Verbindungen es heutzutage
ermöglicht, eine Pflanze und ihren Namen zu gleicher
Zeit selbst nach grossen Entfernungen hin einzu-
führen.
Die Verschiedenheit der Namen für ein und dieselbe
Art kann aus gar mannichfaltigen Ursachen entspringen.
Im allgemeinen weist sie auf ein sehr frühes Vorkom-
men in verschiedenen Ländern hin, sie kann aber auch
28 Erster Theil. Zweites Kapitel.
aus der Vermischung der Völker herrühren oder durch
Namen von Varietäten, welche sich den ursprünglichen
Namen anmaassen, herbeigeführt sein. So kann man in
England, je nach den Grafschaften, einen celtischen,
sächsischen, dänischen oder lateinischen Namen antreffen,
und in Deutschland finden wir für ein und dieselbe
Pflanze die Namen Flachs und Lein, welche augen-
scheinlich verschiedenen Ursprungs sind.
Will man sich der volksthümlichen Namen bedienen,
um denselben gewisse Wahrscheinlichkeiten über den
Ursprung der Arten zu entlehnen, so müssen Wörter-
bücher und philologische Abhandlungen zu Rathe ge-
zogen werden, dabei darf man aber die Möglichkeit
nicht ausser Augen lassen, dass diese Gelehrten, welche
weder Ackerbauer noch Botaniker waren, sich in der
Anwendung eines Namens für eine Art geirrt haben
können.
Die bedeutendste Zusammenstellung von volksthüm-
lichen Namen ist die von Nemnich!, welche 1793 ver-
öffentlicht wurde. Ich besitze eine andere, noch aus-
gedehntere im Manuscript, die in unserer Bibliothek
von meinem frühern Schüler Moritzi mit Hülfe von
Floren und mehrern botanischen Reisewerken redigirt
wurde. Ausserdem gibt es Wörterbücher, die sich mit
den Artennamen dieses oder jenes Landes oder einer
besondern Sprache befassen. Derartige Sammlungen
enthalten nicht oft Erklärungen über die Abstammung
der Wörter; ein mit guter allgemeiner Bildung ausge-
rüsteter Naturforscher aber, mag nun Hehn? sagen was
er will, vermag die Verwandtschaftsgrade oder die Grund-
verschiedenheiten gewisser Namen in den verschiedenen
Sprachen zu erkennen, ohne dabei die modernen Sprachen
mit den alten zu verwechseln. Hierzu braucht man
nicht mit den spitzfindigen Unterschieden der Suffixe
1 Nemnich, Allgemeines Polyglotten - Lexicon der Naturgeschichte
(2 Bde.).
2 Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien
(3. Aufl., 1877).
Sprachforschung. 29
und Affixe, der Lippen- und Zahnlaute vertraut zu sein.
Zweifelsohne vermag ein Philolog besser und weiter in
die Etymologien einzudringen, bei den Untersuchungen
über die angebauten Pflanzen ist dieses aber nur selten
erforderlich. Andere Kenntnisse, besonders die der
reinen Botanik, sind weit nützlicher, solche gehen den
Philologen mehr ab, als die Sprachforschung den Natur-
forschern, und zwar aus dem sehr klar liegenden Grunde,
dass man im Unterrichtswesen den Sprachen mehr Ge-
wicht beilegt als den Naturwissenschaften. Es scheint
mir auch, dass die Sprachforscher, namentlich solche,
welche sich mit dem Sanskrit beschäftigen, auf das
Suchen nach Etymologien bei jedem Namen zu viel
Werth legen. Sie denken nicht genug an den mensch-
lichen Unverstand, durch welchen zu allen Zeiten ab-
geschmackte, schwach begründete, aus irrigen oder aber-
gläubischen Vorstellungen hergeleitete Namen ins Leben
gerufen wurden.
Die Abstammung der neuern europäischen Sprachen
ist jedermann bekannt. Die der alten Sprachen ist seit
einem halben Jahrhundert Gegenstand wichtiger Arbeiten
geworden. An dieser Stelle weiter hierauf einzugehen,
ist mir nicht möglich. Genüge es, daran zu erinnern,
dass alle jetzigen europäischen Sprachen ihren Ursprung
von der Sprache der westlichen Arier ableiten, die aus
Asien kamen; Ausnahmen hiervon machen die baskische
(vom Iberischen abgeleitet), die finnische, türkische und
ungarische Sprache, in welche sich überdies viele Worte
arischen Ursprungs eingeführt haben. Andererseits stam-
men mehrere Sprachen, die gegenwärtig in Indien, auf
Ceylon und Java geredet werden, vom Sanskrit der
östlichen Arier, die später als die Arier des Westens
von Centralasien ausgingen. Mit ziemlicher Wahrschein-
lichkeit muthmaasst man, dass die ersten Westarier
2500 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Europa an-
kamen, und die Ostarier in Indien etwa tausend Jahre
später.
Das Baskische (oder Iberische), die Sprache der
30 Erster Theil. Zweites Kapitel.
Guanchen von den Canarischen Inseln, welche einige
Pflanzennamen enthält, und das Berberische, standen
wahrscheinlich mit de alten Sprachen des Nordens von
Afrika in Verbindung.
In vielen Fällen sich die Botaniker veranlasst,
volksthümliche Namen zu beanstanden, welche von Rei-
senden, Historikern und Philologen manchen Pflanzen
Réelest wurden. Das geschieht infolge der Zweifel,
welche sie selbst hegen bei Unterscheidung der Arten
und der ihnen wohlbekannten Schwierigkeit, sich des
volksthümlichen Namens einer Pflanze zu vergewissern.
Die Ungewissheit wird um so viel grösser, wenn es sich
um Arten handelt, die leichter miteinander zu verwech-
seln, weniger allgemein bekannt sind, oder auch um
Sprachen von wenig civilisirten Nationen. Von diesem
Gesichtspunkte aus gibt es gewissermassen Abstufungen
zwischen den Sprachen, und die Namen müssen mehr
oder weniger gemäss diesen Abstufungen angenommen
werden.
Was Gewissheit anbelangt, so stehen die Sprachen
obenan, welche botanische Werke besitzen. Thatsäch-
lich kann man eine Art mit Hülfe einer griechischen
Beschreibung von Dioscorides oder Theophrast und
selbst der weniger ausführlichen lateinischen Texte von
Cato, Columella oder Plinius wiedererkennen. Die chi-
nesischen Bücher geben auch Beschreibungen. Ihr Stu-
dium ist von Dr. Bretschneider, Arzt der ‚russischen
Gesandtschaft in Peking, eifrig betrieben und ich werde
auf die von ihm veröffentlichten Arbeiten häufig zurück-
kommen.!
Dann kommen die Sprachen, welche eine nur aus
Werken der Theologie, Poesie oder Chroniken über
Könige und Schlachten zusammengesetzte Literatur ent-
1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works
with notes on the history of plants and geographical botany from Chi-
nese sources (51 S. mit Abbildungen, Foochoo, ohne Jahreszahl, die
Vorrede ist aber datirt vom December 1870). — Notes on some botanical
questions (14 S., 1880).
he
ir
Sprachforschung. 31
halten. Solche Werke erwähnen hier und da Pflanzen,
welchen Beiwörter oder Bemerkungen über ihre Blüte-
zeit, Reife, Anwendung u. s. w. angefügt sind, wodurch
man befähigt wird, einen Namen richtig zu verstehen,
ihn auf die botanische Nomenclatur der Gegenwart zu-
rückzuführen. Hilft man sich ausserdem mit Kennt-
nissen über die Landesflora, mit volksthümlichen Namen
in den Sprachen, welche aus der alten abgeleitet sind,
so gelingt es einem in mehr oder minder befriedigender
Weise, den Sinn einiger Wörter festzustellen. Dies ist
bei dem Sanskrit!, dem Hebräischen? und Aramäischen?
geschehen.
Eine dritte Klasse der alten Sprachen vermag schliess-
lich gar keine Sicherheit darzubieten, sondern nur Ver-
muthungen oder ziemlich seltene hypothetische Angaben.
Das ist die der Sprachen, von welchen man kein Schrift-
werk kennt, wie das Celtische mit allen seinen Dia-
lekten, das Altslawische, das Pelasgische, das Iberische,
die Sprache der ursprünglichen Aryas, der Turanen
u. s. w. Durch zwei Verfahrungsweisen, denen aber
beiden nicht zu trauen ist, lassen sich gewisse Namen
oder ihre annähernde Form in diesen alten Sprachen
muthmassen.
. 1 Das Wörterbuch von Wilson enthält Pflanzennamen, die Botaniker
verlassen sich aber mehr auf die von Roxburgh in seiner Flora indica
(3 Bde., 1832) und in Piddington’s Specialwörterbuch: English Index to
the plants of India (Kalkutta 1832) angegebenen Namen. Die Gelehrten
behaupten freilich, in den Originalwerken eine grössere Anzahl von Na-
men zu entdecken, sie vermögen aber nicht die Bedeutung dieser Namen
hinreichend nachzuweisen. Im allgemeinen geht dem Sanskrit das ab,
was wir für das Hebräische, Griechische und Chinesische besitzen — das
in neuere Sprache übersetzte Citat — die auf jedes Wort sich beziehenden,
eigenthümlichen Ausdrucksweisen.
2 Das beste Werk über die Pflanzennamen des Alten Testaments ist
das von Rosenmüller: Handbuch der biblischen Alterthumskunde (Bd. 4,
Leipzig 1840). Ein gutes, kurzgefasstes Werk im Französischen ist: La
Due de la Bible, von Fred. Hamilton (Nizza 1571).
3 Reynier, ein schweizer Botaniker, welcher sich in Aegypten aufge-
halten, hat mit grossem Scharfsinn den Sinn vieler Pflanzennamen im
Talmud wiedergegeben. Siehe seine Werke: Économie publique et rurale
des Arabes et des Juifs (1820), und: Économie publique et rurale des Égyp-
tiens et des Carthaginois (Lausanne 1823), Die neuern Arbeiten von Du-
schak und von Löw stützen sich nicht auf die Kenntniss der Pflanzen
des Orients und sind für die Botaniker ihrer in syrischen und hebräischen
Buchstaben geschriebenen Namen wegen unlesbar.
32 Erster Theil. Zweites Kapitel.
Die erste und beste besteht in dem Zuratheziehen
der abgeleiteten Sprachen oder solcher, deren directe
Ableitung von den alten Sprachen gemuthmasst wird,
wie das Baskische aus dem Iberischen, das Albanesische
aus dem Pelasgischen, das Bretagnische, Irländische und
Gälische aus dem Celtischen. Hierbei läuft man Gefahr,
sich über die Abstammung der Sprachen zu täuschen,
ganz insbesondere auch an das hohe Alter eines Pflan-
zennamens zu glauben, welcher von einem andern Volke
herrühren kann. So finden sich in der baskischen
Sprache viele Namen, welche infolge der römischen Ober-
herrschaft dem Lateinischen entlehnt zu sein scheinen.
Das Berberische ist mit arabischen Namen angefüllt,
und das Persische mit allen möglichen Namen, welche
wahrscheinlich in der Zendsprache nicht vorkommen.
Das andere Verfahren besteht darin, eine alte Sprache
ohne Literatur vermittelst ihrer Ableitungen wieder auf-
zubauen, z. B. die Sprache der westlichen Aryas mit
Hülfe der Wörter, die mehreren europäischen, aus ihr
entsprungenen Sprachen gemein sind. Fick’s Wörter-
buch kann für die Wörter der alten arischen Sprachen
kaum benutzt werden, denn es enthält nur wenige Pflan-
zennamen, und seine Anordnung macht es für alle, die
das Sanskrit nicht kennen, unbrauchbar. Sehr viel
wichtiger für die Naturforscher ist das Werk von A.
Pictet, von welchem nach dem Tode des Verfassers eine
zweite vermehrte und vervollständigte Ausgabe erschie-
nen ist.! Die Pflanzennamen und die in der Land-
wirthschaft gebräuchlichen Ausdrücke sind darin in um
so befriedigender Weise erklärt und besprochen worden,
da ihr genaue botanische Kenntnisse zu Grunde liegen.
Lest der Verfasser auch vielleicht zu viel Gewicht auf
zweifelhafte Etymologien, so macht er es durch ander-
weitige Kenntnisse, durch viel Methode und Klarheit
wieder gut.
1 Adolphe Pictet, Les origines des peuples indo-européens (3 Bde.,
Paris 1878).
Vereinigung der Methoden. 93
._ Die Pflanzennamen in euscarischer oder baskischer
Sprache sind mit Rücksicht auf wahrscheinliche Ab-
stammungen vom Grafen Charencey erläutert worden.!
Ich werde Gelegenheit nehmen, auf diese Arbeit hinzu-
weisen, bei welcher die Schwierigkeiten infolge des
Mangels aller Literatur und abgeleiteter Sprachen recht
bedeutende waren.
8 6. Nothwendigkeit, die verschiedenen Methoden zu
vereinigen.
Die verschiedenen Verfahrungsweisen, von welchen ich
soeben gesprochen, haben nicht ein und denselben Werth.
Wenn einem über eine Art archäologische Belege, wie
solche der ägyptischen Denkmäler oder der schweizer
Pfahlbauten, zu Gebote stehen, so sind dies augenschein-
lich Thatsachen von ganz besonderer Genauigkeit. Hieran
reihen sich zunächst die botanischen Angaben, nament-
lich solche über das spontane Auftreten einer Art in
diesem oder jenem Lande. Unterwirft man sie einer
sorgfältigen Prüfung, so können sie von grosser Wich-
tigkeit sein. Die in den Büchern enthaltenen Aussagen,
welche von Geschichtsforschern oder selbst Naturfor-
schern zu einer Zeit gemacht wurden, wo die Wissen-
.schaft sich noch in der Kindheit befand, besitzen nicht
denselben Werth. Die volksthümlichen Namen schliess-
lich sind nur ein Hülfsmittel, besonders in den neuern
Sprachen, ein Mittel, dem man nicht trauen darf, wie
wir gesehen haben. — So viel lässt sich im allgemeinen
Sinne sagen, bei jedem besondern Falle aber wird diese
oder jene Methode zuweilen von grösserer Wichtigkeit.
Eine jede führt zu einer einfachen Wahrscheinlich-
keit, weil es sich um alte Thatsachen handelt, welche
sich directen und gegenwärtigen Beobachtungen ent-
ziehen. Geleiten drei oder vier verschiedene Wege zu
1 Charencey, in: Actes de la Société philologique (Bd. I, Nr. 1, 1869).
DE CANDOLLE. 3
34 Erster Theil. Zweites Kapitel.
derselben Wahrscheinlichkeit, so wird solche glücklicher-
weise schon zur ziemlichen Gewissheit.
Bei Untersuchungen über die Geschichte der Pflanzen
verhält es sich wie bei jenen über die Geschichte der
Völker. Ein guter Schriftsteller zieht die Geschicht-
schreiber zu Rathe, welche von gewissen Vorgängen be-
richtet haben, ferner die Archive, welche unveröffentlichte
Documente bergen, die Inschriften alter Denkmäler, die
Zeitschriften, Privatbriefe, schliesslich die Abhandlungen
und selbst mündliche Ueberlieferungen. Aus jeder
Quelle schöpft er Wahrscheinlichkeiten, vergleicht die-
selben dann untereinander, wägt sie ab und prüft sie,
‚ehe er sich entscheidet. Das ist eine Arbeit des Ver-
standes, welche Scharfsinn und Beurtheilungsvermögen
erheischt. Dieselbe unterscheidet sich wesentlich von
der Beobachtung, wie sie in der Naturgeschichte ge-
bräuchlich ist, desgleichen von der abstracten Schluss-
folgerung, welche den mathematischen Wissenschaften
eigen ist. Gelangt man, um es noch einmal zu wieder- :
holen, vermöge mehrerer Methoden zu ein und derselben
Wahrscheinlichkeit, so nähert sich diese immerhin der
Gewissheit. Man kann selbst sagen, dass sie die Ge-
wissheit gibt, auf welche man in den historischen Wissen-
schaften Anspruch erheben darf. |
Hierfür bot sich mir der Beweis, indem ich meine
jetzige Arbeit mit derjenigen verglich, welche ich nach
denselben Methoden im Jahre 1855 ausgeführt hatte.
Für die Arten, welche ich damals untersucht, standen
mir mehr Schriftstücke, besser festgestellte Thatsachen
zu Gebote, die Schlüsse aber über den Ursprung jeder
Art sind fast dieselben geblieben. Da sie sich schon
auf eine Vereinigung der Methoden stützten, sind die
wahrscheinlichen Vorgänge noch wahrscheinlicher oder
zur Gewissheit geworden und bin ich in keiner Weise
zu Resultaten geführt worden, die den vorhergehenden
ganz und gar entgegenstanden.
Die archäologischen, linguistischen und botanischen
Data werden immer zahlreicher. Mit ihrer Hülfe bildet
Vereinigung der Methoden. 35
sich die Geschichte der Pflanzen aus, während die Aus-
sagen der alten Autoren an Bedeutung verlieren, statt
daran zuzunehmen. Dank den Entdeckungen der Alter-
thumsforscher und Philologen kennen die Männer der
Neuzeit Chaldäa und das alte Aegypten besser als die
Griechen. Sie vermögen Irrthümer ım Herodot nach-
zuweisen. Die Botaniker ihrerseits berichtigen Theo-
phrast, Dioscorides und Plinius mit Hülfe der über
Griechenland und Italien veröffentlichten Floren, wäh-
rend das Studium der alten Classiker, dem sich die
Gelehrten seit drei Jahrhunderten so oft hingaben, eben
das geboten hat, was es bieten konnte. Eines Lächelns
kann ich mich nicht enthalten, wenn ich sehe, wie heut-
zutage Gelehrte wohlbekannte griechische oder latei-
nische Redensarten wiederholen, um daraus Schlüsse zu
ziehen, wie sie es nennen. Das ist dasselbe, als wenn
man einer Citrone Saft entziehen wollte, die schon wieder
und wieder ausgepresst wurde. Ganz ohne Scheu darf
man sagen, dass die Werke, welche die Autoren des
griechischen und römischen Alterthums wiedergeben und
auslegen, ohne dabei die botanischen und archäologischen
Thatsachen nicht zu allermeist zu berücksichtigen, sich
nicht mehr auf dem Höhepunkt der Wissenschaft be-
finden. Dessenungeachtet könnte ich solche anführen,
welchen in Deutschland die Ehren dreier Ausgaben zu-
theil geworden sind. Es hätte sich mehr der Mühe
verlohnt, die frühern Arbeiten von Fraas und Lenz, von
Targioni und Heldreich wieder drucken zu lassen, weil
dieselben die jetzigen Angaben der Botanik stets über
die unsichern Beschreibungen alter Schriftsteller stellten,
d. h. Thatsachen über Worte und Redensarten.
3%
ZWEITER THEIL.
Studium der Arten in Bezug auf ihren Ursprung, die |
ersten Zeiten ihres Anbaues und die wichtigsten
Thatsachen ihrer Verbreitung.!
ERSTES KAPITEL.
Pflanzen, die ihrer unterirdischen Theile wegen, wie Wurzeln,
Zwiebeln oder Knollen, angebaut werden.?
Raphanus sativus, Linne. — Radies (fr. Radis, Raifort).
Der Radies wird seiner sogenannten Wurzel wegen
angebaut, welche, um genau zu sprechen, der untere
Theil des Stengels mit der Pfahlwurzel ist.” Es ist
bekannt, bis zu welchem Grade die Grösse, Form und
Farbe dieser fleischig werdenden Organe sich je nach
dem Boden und den angebauten Rassen verändern
können.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Art in den
1 Eine gewisse Anzahl von Arten, deren Ursprung gut bekannt ist,
wie die Mohrrübe, der Sauerampfer u. s. w., finden sich nur in der sum-
marischen Uebersicht zu Anfang des letzten Theils erwähnt, dort wird
auf die wichtigsten, sie betreffenden Thatsachen hingewiesen.
2 Einige Arten werden bald ihrer Wurzeln, bald ihrer Blätter oder
Samen wegen angebaut. In andern Kapiteln finden sich solche Arten,
die man ihrer Blätter (Futter) oder ihrer Samen wegen u.s.w. anbaut,
Ich habe die Eintheilung nach der gebräuchlichsten Anwendung gemacht.
Ausserdem weist das alphabetische Verzeichniss auf den für jede Art ge-
wählten Platz hin.
3 Man sehe die Pflanze im jungen Zustande, wenn der unterhalb der
Samenblätter befindliche Theil des Stengels noch nicht fleischig ist. Tur-
pin hat davon eine Abbildung gegeben: Annales des sciences naturelles,
1."Berie, Bd: 21, Taf.5.
Radies. 37
gemässigten Regionen der Alten Welt ursprünglich zu
Hause ist; da sie sich aber in den Gärten seit den älte-
sten historischen Zeiten von China und Japan bis nach
Europa verbreitet hat und sie sich häufig vom Cultur-
lande aus weiter aussäet, hält es schwer, ihren Ausgangs-
punkt festzustellen.
Unlängst verwechselte man mit der Raphanus sativus
nahestehende Arten vom Mittelmeergebiet, denen man
gewisse griechische Namen beilegte; der Botaniker
J. Gay, welcher viel zur Beseitigung dieser analogen
Formen beitrug, betrachtete aber Raphanus sativus als
im Orient, vielleicht auch in China einheimisch.! Linne
muthmaasste auch einen chinesischen Ursprung, zum we-
nigsten von einer Varietät, welche man in China ihrer
ölhaltigen Samen wegen anbaut.?
Mehrere Floren Südeuropas führen die Art als sub-
spontan an oder auch als der Cultur entsprungen, da-
gegen nie als wirklich wildwachsend. Ledebour hatte
ein in der Nähe des Ararat gesammeltes Exemplar ge-
sehen. Von demselben hatte er die Samen ausgesäet
und dann die Art festgestellt.” DBoissier* jedoch be-
schränkt sich in seiner Flora des Orients vom Jahre
1867 auf die Worte: „Subspontan in den Culturen von
Anatolien, in der Nähe von Mersiwan (nach Wied), in
Palästina (nach ihm selbst), in Armenien (nach Lede-
-bour) und wahrscheinlich noch anderswo“, was dem in
europäischen Floren Gesagten gleichkommt. Buhse
führt eine Localität an, die Ssahendberge, im Süden
des Kaukasus, welche schon ziemlich weit ausserhalb
der Culturen liegen muss. Die neuern Floren von Bri-
tisch-Indien ©, Loureiro’s alte Flora von Cochinchina
führen die Art nur als angebaut auf. Maximowiez hat
1 In A: de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 826,
2 Linné, Spec. plant., S. 935.
3 Ledebour, F1. ross., I, 225.
4 Boissier, F1. orient., I, 400.
5 Buhse, Aufzählung Transcaucasien, S. 30.
6 Hooker, F1. Brit. India, I, 166.
38 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
sie in einem Garten des nordöstlichen China gesehen.!
Thunberg spricht von ihr als einer in Japan allgemein
angebauten Pflanze, die auch an den Landstrassen auf-
tritt?; letzteres ist aber von neuern, wahrscheinlich
besser unterrichteten Schriftstellern nicht wiederholt
worden.?
Herodot spricht von einem Radis, welchen er Sur-
mata nennt, von welchem eine Inschrift der Cheops-
Pyramide den Gebrauch seitens der Arbeiter erwähnte.
(Hist., 1. 2, c. 125). Unger* hat in dem Werke von
Lepsius zwei Abbildungen aus dem Tempel von Karnak
wiedergegeben, von welchen wenigstens die erste den
Radis darzustellen scheint.
Hieraus können wir folgern: 1) die Art verbreitet
sich leicht ausserhalb des Culturbereichs in der Region
des westlichen Asiens und südlichen Europa, was in den
Floren des östlichen Asiens nicht mit Gewissheit er-
wähnt wird; 2) die im Süden des Kaukasus ohne Cul-
turangabe gelegenen Localitäten lassen die Vermuthung
zu, dass die Pflanze dort wıldwachsend ist. Aus diesen
beiden Gründen scheint sie im westlichen Asien, zwischen
Palästina, Anatolien und dem Kaukasus, vielleicht auch
in Griechenland ursprünglich einheimisch zu sein; die
Cultur würde sie dann seit sehr frühen Zeiten nach
Westen und Osten verbreitet haben.
Die volksthümlichen Namen unterstützen diese Hypo-
thesen. In Europa bieten sie wenig Interesse, wenn
sie sich auf die Beschaffenheit der Wurzel oder auf
irgendeine Vergleichung mit der Rübe (franz. Rave,
ital. Ravanello, span. Rabica u. s. w.) beziehen; die
alten Griechen hatten aber den besondern Namen Ra-
phanos (welches leicht aufgeht) aufgestellt.
Das italienische Wort Ramoraccio stammt aus dem
griechischen Armoracia, welches den R. sativus oder
Maximowicz, ie florae Amurensis, S. 47.
Thunberg, Fl. jap., S. 263.
Franchet et Savatier, ‘Enumer. plant. Jap., I, 39.
Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 51, Fig. 24 und 29.
HR Co 19 M
Radies. 39
eine verwandte Art bezeichnete. Forscher der Neuzeit
haben es irrthümlicherweise zu Cochlearia Armoracia
oder Meerrettig (Kren) gebracht, von welchem weiter
unten die Rede sein wird. Die Semiten ! haben ganz
andere Namen (Fugla im Hebräischen, Fuil, fidgel, figl
u.s. w. im Arabischen). In Indien ist Mula oder Muli
nach Roxburgh? der volksthümliche Name einer Va-
rietät mit kolossaler Wurzel, die zuweilen die Dicke
von dem Beine eines Mannes erreicht; im Sanskrit Mu-
luka. Für Cochinchina, China und Japan endlich führen
die Schriftsteller mehrere untereinander sehr verschie-
dene Namen an. Nach dieser Verschiedenheit zu
schliessen, dürfte die Cultur von Griechenland bis nach
Japan eine sehr alte sein; weitere Folgerungen rück-
sichtlich des ursprünglichen Vaterlandes als wildwach-
sende Pflanze lassen sich aber daraus nicht entnehmen.
In Bezug hierauf ist eine vollständig verschiedene
Meinung vorhanden, welche wir auch zu prüfen haben.
Mehrere Botaniker? argwöhnen nämlich, dass Raphanus
sativus nur eine besondere Form mit dicker Wurzel
und nicht gegliederter Frucht von Raphanus Rapha-
nistrum sei, einer Pflanze, die auf angebautem Boden
des gemässigten Europa und Asiens sehr gemein ist,
und welche man ebenfalls im wilden Zustande am Mee-
resstrande und auf leichtem Sandboden antrifit, z. B.
bei San-Sebastian, in Dalmatien und in Trapezunt.*
Die gewöhnlichen Standorte auf den sich selbst über-
lassenen Feldern und viele volksthümliche Namen, welche
wilden Radies bezeichnen, weisen auf die Verwandtschaft
der zwei Pflanzen hin. Ich würde nicht darauf zurück-
kommen, wenn ihre muthmassliche Identität nur auf
Einbildung beruhte, sie stützt sich aber auf Unter-
1 Nach meinem handschriftlichen Wörterbuch sind dies volksthümliche
Namen, welche Floren entlehnt sind, die man vor 30 Jahren kannte.
2 Roxburgh, mind, IT 126.
3 rs Phytogr. Canar., 8. 83; Iter hisp., S. 71; Bentham, F1. Hong-
kong, S. 17; Hooker, Fl. Brit. Ind., I, 166.
4 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 748; Viviani, Fl. dalmat.,
III, 104; Boissier, Fl. orient., I, 401.
40 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
suchungen und Beobachtungen, deren Kenntnissnahme
von Wichtigkeit ist.®
Bei R. Raphanistrum ist die Schote gegliedert, d. h.
eng von Platz zu Platz, und sind die Samen in jedem
Gelenk enthalten. Bei R. sativus ist die Schote fort-
laufend und bildet eine einzige, innere Höhlung. Auf
diese Verschiedenheit hin hatten einige Botaniker ver-
schiedene Gattungen, Raphanistrum und Raphanus, auf-
gestellt. Drei sehr genaue Beobachter aber, die Herren
Webb, J. Gay und Spach, haben unter den Pflanzen
von Raphanus sativus, die denselben Samen entsprungen
waren, bald einfächerige und bald gegliederte Schoten,
welche dann zwei- oder mehrfächerig sind, nachgewiesen.!
Webb, der diese Untersuchungen später wiederholte, ist
zu keinen andern Resultaten gelangt, ausserdem ge-
langte er aber auch zu der keineswegs unwesentlichen
Gewissheit, dass der sich von selbst zufällig aussäende,
also nicht angebaute Radies Schoten von Raphanistrum
hervorbrachte.?
Eine andere Verschiedenheit zwischen den zwei Pflan-
zen ‚zeigt sich an den Wurzeln, die bei À, sativus
fleischig, bei À. Raphanistrum dünn sind; dies wechselt
aber je nach den Culturen, wie Carrière, Obergärtner
der Baumschulen im Pariser Pflanzengarten, nachgewiesen
hat.” Er kam auf den Gedanken, Samen von Rapha-
nistrum mit dünner Wurzel in schwerem und in leichtem‘
Boden auszusäen, und von der vierten Generation an
erntete er fleischige Wurzeln, die in Form und Farbe
wie jene unserer Gärten verschieden waren. Selbst Ab-
bildungen hat er davon gegeben, die recht eigenthüm-
lich und beweiskräftig sind. Der beissende Geschmack
des Radies fehlte auch nicht. Um diese Abänderungen
zu erzielen, machte Carriere im Monat September seine
Aussaat, um auf diese Weise die einjährige Pflanze zu
1 Webb, Phytographia canariensis, I, 83.
2 Webb, Iter hispaniense, S. 72 (1838).
3 Carrière, Origine des plantes domestiques démontrée par la culture
du Radis sauvage. (24 S., 1869.)
Radies. 41
einer fast zweijährigen zu machen. Dies hatte begreif-
licherweise die Verdickung der Wurzel zur Folge, denn
viele bisannuellen Pflanzen haben fleischige Wurzeln.
Nun bliebe der entgegengesetzte Versuch zu machen
noch übrig, nämlich cultivirte Radies auf einem schlechten
Boden auszusäen. Wahrscheinlich würden die Wurzeln
immer dürrer werden, wie die Schoten in ähnlichem
Falle immer gegliederter werden.
Stellen wir alle soeben besprochenen Untersuchungen
zusammen, so gelangen wir zu dem Schlusse, dass Ra-
phanus sativus recht gut eine Form von R. Raphanistrum
sein könnte und zwar eine wenig beständige Form, die
durch das Auftreten einiger Generationen auf einem
fruchtbaren Boden bedingt wird. Man kann nicht an-
nehmen, dass die alten, nicht civilisirten Völker ähn-
liche Versuche wie die des Herrn Carriere angestellt
haben, es ist aber immerhin möglich, dass ihnen Pflan-
zen von Raphinistrum aufgefallen sind, die aus einem
sehr stark gedüngten Boden kamen und demnach mehr
oder minder fleischige Wurzeln hatten; dann konnte
ihnen auch der Gedanke, sie anzubauen, nicht mehr
fern liegen.
Indessen will ich auf einen der Pflanzengeographie
entlehnten Einwand hinweisen. Raphanus Raphanistrum
ist eine europäische Pflanze, welche in Asien nicht vor-
kommt.! Demnach kann es auch nicht diese Art sein,
von welcher die Einwohner Indiens, Chinas und Japans
die Radies gewannen, welche sie seit Jahrhunderten an-
bauen. Andererseits fragt man sich, in welcher Weise
R. Raphanistrum, dessen Umwandlung in Europa statt-
gefunden haben soll, in diesen frühen Zeiten durch ganz
Asien fortgepflanzt wurde. Die Wanderungen von an-
gebauten Pflanzen sind gemeiniglich von Asien nach
Europa ausgegangen. Chang-kien hatte allerdings im
2. Jahrhundert v. Chr. Gemüse von Baktrien nach China
1 Ledebour. El. ross.; Boissier, Fl. orient.; die Werke über die Flora
des Amur-Gebiets.
42 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
gebracht, unter denselben wird aber der Radies nicht
genannt.
Cochlearia Armoracia, Linne. Meerrettig, Kren (fr.
Cran, Cranson, Raifort sauvage).
Man nannte diese Crucifere, deren ziemlich harte
Wurzel einen senfartigen Geschmack besitzt, - zuweilen
Cran oder Cranson de Bretagne. Das war ein Irrthum,
hervorgerufen durch einen alten botanischen Namen
Armoracia, welchen man mit Armorica (de Bretagne)
verwechselte. Armoracia findet sich schon im Plinius
und bezog sich auf eine pontische Crucifere, vielleicht
auf Raphanus sativus. Früher! schon habe ich auf
diese Verwirrung hingewiesen und mich über den ver-
kannten Ursprung der Art folgendermaassen ausge-
sprochen:
„Die Cochlearia Armoracia wächst in der Bretagne
nicht wild. Dies ist von den eifrigen Botanikern, welche
gegenwärtig das westliche Frankreich erforschen, fest-
gestellt worden. Der Abbe Delalande erwähnt es in
seinem Werkchen «Hoedic et Houat»?, welches in fes-
selnder Weise über die Gebräuche und Erzeugnisse
dieser zwei kleinen Inseln der Bretagne berichtet. Der
Verfasser beruft sich auf Le Gall, welcher in einer un-
veröffentlichten Flora von Morbihan die Pflanze als
einen Fremdling für die Bretagne hinstellt. Dieser Be-
weis ist übrigens weniger stichhaltig als die andern,
weil die nördliche Küste der bretonischen Halbinsel
den Botanikern noch nicht hinlänglich bekannt ist und
sich das alte Armorika über einen Theil der Normandie
ausbreitete, wo man die wildwachsende Cochlearia ? jetzt
bisweilen antrıfft. Dies veranlasst mich, von dem ur-
sprünglichen Vaterlande der Art zu sprechen.
„Die englischen Botaniker führen sie für Grossbritan-
1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 654,
2 Delalande, Hoedic et Houat (Nantes 1850), S. 109.
3 Hardouin, Renou et Leclerc, Catal. du Calvados, S.85; de Brebisson,
Fl. de Normandie, S. 25.
i4iiid LE dt
Meerrettig, Kren. 43
nien als wildwachsend auf, hegen aber gewisse Zweifel
bezüglich ihres Ursprungs. H. C. Watson! sieht sie als
eingeführt an. «Die Schwierigkeit», sagt er, «sie von
den Plätzen auszurotten, wo sie angebaut wird, ist
eine Gärtnern wohlbekannte Thatsache.» Man darf sich
daher nicht wundern, dass diese Pflanze von den sich
selbst überlassenen Feldern Besitz ergreift und sich
dort so festsetzt, um als ursprüngliche Pflanze zu er-
scheinen. Babington? führt nur eine Localität an, wo
die Art wirklich das Aussehen einer wildwachsenden
besitzt, Swansea nämlich, in der Grafschaft Wales. So.
müssen wir uns schon bemühen, das Problem mit an-
dern Argumenten zu lösen.
„Die Cochlearia Armoracia ist eine Pflanze des ge-
mässigten Europa, namentlich des Ostens. Sie ist von
Finland bis nach Astrachan und der Wüste am Kuma°
verbreitet. Grisebach führt sie auch für mehrere Locali-
täten der europäischen Türkei auf, z. B. in der Nähe
von Enos, wo sie am Meeresstrande häufig ist.*
„Je mehr man sich dem Westen Europas nähert, um
so weniger scheinen die Autoren von Floren über die
einheimische Eigenschaft sicher zu sein, um so zer-
streuter und verdächtiger werden die Standorte. In
Norwegen ist die Art seltener als in Schweden’, auf
den britischen Inseln mehr als ın Holland, wo man
keinen fremden Ursprung muthmaasst.®
„Die Namen der Art bestätigen einen ursprünglichen
Wohnsitz eher im Osten als im Westen Europas; so
findet sich der russische Name Chren in allen slawischen
Sprachen wieder 7: Krenai im Litauischen, Chren im
Ilyrischen.® Derselbe hat sich in einigen deutschen
1 Watson, Cybele, I, 159.
2 Babington, Manual of Brit. bot., 2. ed., S. 23.
3 Ledebour, F1. ross., I, 159.
4 Grisebach, Spicilegium F1. rumel., I, 265.
5 Fries, Summa, S. 30.
6 Miquel, Disquisitio pl. regn. Bat.
7 Moritzi, Dict. inéd. des noms vulgaires.
8 Ebendas.; Visiani, Fl. dalmat., III, 322.
44 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Dialekten, z. B. in der Nähe von Wien!, eingebürgert,
oder ist auch, trotz Einführung der deutschen Sprache,
dort verblieben. Auch das französische Wort Cran oder
Cranson wird davon abgeleitet. Das in Deutschland
gebräuchliche Wort Meerrettig und in Holland Meer-
radys, woraus der Dialekt der französischen Schweiz
das Wort Meridi oder Meredi abgeleitet hat, hat nichts
so Ursprüngliches wie das Wort Chren. Wahrschein-
lich entstand es daher, dass die Art in der Nähe des
Meeres gedeiht, eine Eigenschaft, welche sie mit vielen
Cruciferen theilt, und welche sich gerade für sie dar-
bieten muss, wo sie im östlichen Russland mit seinen
vielen salzigen Terrains spontan vorkommt. Der schwe-
dische Name Peppar-rot? lässt auch vermuthen, dass
die Art in Schweden neuern Datums ist als die Ein-
führung des Pfeffers in den Handel des nördlichen Eu-
ropa. Es wäre jedoch auch möglich, dass dieser Name
einen ältern, unbekannt gebliebenen verdrängt hätte.
Der englische Name Horse radish (Pferderadies) hat
nichts Ursprüngliches an sich, was zu der Annahme be-
rechtigen könnte, dass die Art vor der anglo-sächsischen
Herrschaft im Lande aufgetreten sei. Man will eben
nur die Stärke des Radies damit andeuten. Der walli-
sische Name Rhuddygl maurth? ist nur die Uebersetzung
des englischen, woraus man schliessen kann, dass die
Kelten von Grossbritannien keinen besondern Namen
hatten und die Art nicht kannten. Im westlichen Frank-
reich bedeutet der gebräuchlichste Name Rarfort ganz
einfach eine starke Wurzel. Früher pflegte man in
Frankreich Moutarde des Allemands, Moutarde des ca-
pucins zu sagen, was auf einen fremden und wenig alten
Ursprung hinweist. Dagegen bietet das Wort Ohren
aller slawischen Sprachen, welches in einige deutsche
und französische Dialekte als Kren und Cran oder
Cranson eingedrungen ist, etwas sehr Ursprüngliches,
1 Neilreich, Fl. Wien, S. 502.
2 Linné, Fl. suecica, Nr. 540.
3 H. Davies, Welsh Botanology, S. 63.
Rüben und Steckrüben. 45
beweist somit das hohe Alter der Art im gemässigten
Osteuropa. Jedenfalls ist es höchst wahrscheinlich, dass
die Pflanze seit ungefähr 1000 Jahren durch die Cultur
von Osten nach Westen fortgepflanzt und naturalisirt
wurde.“
Brassicae species et varietates radice incrassata. —
Rüben und Steckrüben mit fleischigen Wurzeln (fr.
raves, navets).
Es lassen sich die unter diesen und andern Namen
wie Kohlrabi, Rutabagas u. s. w. bekannten Varietäten
mit ihren Untervarietäten auf vier Linne’sche Arten
zurückführen: Brassica Napus, Br. oleracea, Br. Rapa
und Br. campestris, von welchen die beiden letzten
nach neuern Autoren eher in eine vereinigt werden
dürften. Andere Varietäten derselben Arten werden
ihrer Blätter wegen (Kohl), ihrer Blütenstände (Blumen-
kohl) oder auch ihres Oeles wegen, welches man aus
den Samen gewinnt (Raps, Kolza) angebaut. Wenn die
Wurzeln oder der unterirdische Theil des Stengels !
fleischig sind, treten die Samen spärlich auf und ver-
lohnt es sich nicht der Mühe, Oel daraus zu gewinnen;
wenn dagegen jene Organe dünn sind, ist die Samen-
production im Gegentheil die wichtigere, was eben über
die wirthschaftliche Verwendung von Entscheidung ist.
Mit andern Worten: die Aufspeicherungen der Nähr-
substanzen finden sich bald im untern, bald im obern
Theile der Pflanze niedergelegt, trotzdem die Organi-
sation der Blume und der Frucht dieselbe oder fast
gleiche bleibt.
Bezüglich des Ursprungs brauchen wir uns nicht mit
den botanischen Artenbegrenzungen oder der Klassifi-
kation der Rassen, Varietäten und Untervarietäten? zu
1 Bei den Rüben und Steckrüben besteht der fleischige Theil, wie bei
dem Radies, aus dem untern Theile des Stengels (unterhalb der Samen-
blätter) und einem mehr oder minder ausdauernden Theile der Wurzel
(vgl. Turpin, Annales d. sc. nat., 1. Serie, Bd. 21); bei dem Kohlrabi (Bras-
sica oleracea caulo-Rapa) ist es der Stengel.
2 Diese Klassifikation ist Gegenstand einer Abhandlung von Augustin
46 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
befassen, da alle Brassica in Europa und Sibirien ur-
sprünglich zu Hause sind und sich daselbst noch unter
irgendeiner Form im spontanen oder subspontanen Zu-
stande antreffen lassen.
Pflanzen, die in den Culturen so gemein sind und
deren Keimen ein so leichtes ist, breiten sich häufig
in der Nähe angebauter Ländereien weiter aus. Dar-
aus entsprang die Ungewissheit über die wildwachsende
Eigenschaft der vereinzelten Exemplare, welche man im
freien Felde antrifft. Von Linne werden indessen die
sandigen Gestade in Schweden (Gothland), Holland und
England für Prassica Napus angegeben, was von
Fries! für das südliche Schweden bestätigt wird. Der-
artigen Fragen widmete Fries stets besondere Aufmerk-
samkeit, und wird Brassica campestris L. (Typus von
Rapa mit dünnen Wurzeln) von ihm als wirklich spon-
tan für die ganze Skandinavische Halbinsel, Finland,
Dänemark aufgeführt. Ledebour? verzeichnet sie für
ganz Russland, Sibirien und für die Ufer des Kaspisees.
Die Floren des gemässigten und südlichen Asiens er-
wähnen die Rüben und Steckrüben als angebaute Pflan-
zen, nie als sich dem Bereiche der Culturen entziehend.?
Das ist schon ein Fingerzeig für ihren fremden Ur-
sprung. Die linguistischen Schriftstücke sind nicht
weniger deutlich.
Im Sanskrit findet sich kein Name für diese Pflanzen,
man kennt nur neuere hindostanische und bengalische
Namen, und auch die nur für Brassica Rapa und ole-
racea.* Kaempfer? weist für die Rübe auf japanische
Pyramus de Candolle gewesen, welche in der Londoner Gartenbaugesell-
schaft mit einem Preise gekrönt und in den Verhandlungen dieser Gesell-
schaft veröffentlicht wurde (Bd. V). In den Annales de l’agric. franc.
(Bd. XIX) und abgekürzt im Systema regni veget. (II, 582) ist diese Ab-
handlung ebenfalls erschienen.
1 Fries, Summa veget. Scand., I, 29.
2 Ledebour, Fl. ross., I, 216.
3 Boissier, Flora orientalis; Sir J. Hooker, Flora of British India;
Thunberg, Flora japonica; Franchet et Savatier, Enumeratio plant. japo-
nicarum.
4 Piddington, Index.
5 Kaempfer, Amoen., S. 822.
Rüben und Steckrüben. 47
Namen hin, wie Busei oder gewöhnlicher Aona, nichts
spricht jedoch für ein hohes Alter derselben. Dr. Bret-
schneider, welcher die chinesischen Schriftsteller auf-
merksam studirt hat, spricht von keiner Brassica.
Augenscheinlich finden sie sich in den alten Werken
über Botanik und Ackerbau nicht angegeben, wenn
man auch jetzt mehrere Varietäten davon in China
anbaut.
Versetzen wir uns jetzt nach Europa, wo ganz das
Entgegengesetzte eintritt. Die alten Sprachen besitzen
eine Menge von Namen, welche ursprünglich zu sein
scheinen. Die Brassica Rapa heisst im Keltischen der
Landschaft Wales Meipen oder Erfinen!; in mehreren
slawischen Sprachen”? Repa, Rippa, was dem lateinischen
Rapa entspricht und dem Neipa der Anglo-Sachsen
ziemlich nahe steht. Die Brassica Napus ist im kel-
tisch-wallisischen Bresych yr yd; ım irländischen Dia-
lekt Braisseagh buigh nach Threlkeld?, welcher in
Braisseagh den Ursprung von Brassica der Lateiner
erkennt. Auch ein polnischer Name Karpiele und ein
litauischer Jellazoji* kommen vor, ohne von einer
Menge anderer zu sprechen, die zuweilen in der ge-
. meinverständlichen Ausdrucksweise von einer Art auf
eine andere übertragen wurden. Später, bei der Be-
sprechung der Gemüse, werde ich auf die Namen von
Brassica oleracea hinweisen.
Die Hebräer besassen keine Namen für den Kohl,
die Rüben oder Steckrüben°; arabische Namen finden
sich aber: Selgam für Brassica Napus, und Subjum oder
Subjumi für Br. Rapa, welche sich im Persischen und
selbst Bengalischen wiederfinden, und vielleicht von
einer Art auf die andere übergeführt wurden. Die
Cultur dieser Pflanzen hat sich somit im südwestlichen
Asien seit dem hebräischen Alterthum verbreitet.
1 Davies, Welsh botanology, S. 65.
2 Moritzi, Diet. ms. tiré des flores publiées.
3 Threlkeld, Synopsis stirpium hibernicarum (1727).
4 Moritzi, Dict. ms.
5 Rosenmüller, Biblische Naturgeschichte (Bd. 1), führt keinen an.
—
48 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Alle diese Wege, botanische, historische und linguisti-
sche, führen endlich zu folgenden Schlüssen:
1) Die Brassica mit fleischigen Wurzeln sind ur-
sprünglich im gemässigten Europa heimisch.
2) In Europa hat sich ihre Cultur vor, in Indien
nach der Invasion der Arjas verbreitet.
3) Die ursprüngliche Form von Brassica Napus mit
dünner Wurzel, welche man Br. campestris nannte,
hatte wahrscheinlich einen ursprünglich weitern Wohn-
sitz, der sich von der Skandinavischen Halbinsel nach
Sibirien und dem Kaukasus ausdehnte. Ihre Cultur hat
sich vielleicht in China und Japan von Sibirien aus
verbreitet, und zwar zu einer Epoche, die nicht weiter
zurückzugehen scheint, als die griechisch-römische Ci-
vilisation.
4) Der Anbau der verschiedenen Brassicaformen oder
Arten hat sich im südwestlichen Asien seit den alten
Hebräern verbreitet.
Sium Sisarum, Linne. — Zuckerwurz (fr. Chervis).
Diese ausdauernde Umbellifere mit mehreren ausein-
andergehenden, der Mohrrübe ähnlichen Wurzeln, soll
aus dem östlichen Asien stammen. Linne! gibt China
mit Vorbehalt als Vaterland an, Loureiro? China und
Cochinchina, wo man sie, wie er sagt, anbaut. Andere
führen Japan und Korea an, es gibt aber in diesen
Ländern einige Arten, welche mit unserer Pflanze leicht
verwechselt werden können, namentlich Sium Ninsi und
Panaz Ginseng. Von Maximowiez *, welcher diese Pflan-
zen in China und Japan antraf, und dem die Peters-
burger Herbarien viele Aufschlüsse darboten, werden
nur das altaische Sibirien und das nördliche Persien
als Vaterland der wildwachsenden Sium Sisarum aner-
kannt. Ich selbst hege grosse Zweifel, dass man sie in
1 Linn, Species, S. 361.
2 Loureiro, Fl: cochinch., S. 225.
3 Maximowiez, Diagnoses plantarum Japoniae et Mandshuriae, in: Mé-
langes biologiques du Bulletin de l’Acad. St.-Petersbourg, Dec. 13, S. 18.
Zuckerwurz. 49
China oder dem Himalaja entdecken wird, da die neuern
Arbeiten über das Amurgebiet und Britisch-Indien sie
nicht anführen.
Zweifelhaft ist es, ob die alten Griechen und Römer
diese Pflanze gekannt haben. Man schreibt ihr den
Namen Sisaron von Dioscorides, Siser von Columella
und Plinius zu.! Allerdings spricht der italienische,
jetzt gebräuchliche Name Sisaro, Sisero zu Gunsten
dieser Annahme, wie könnten die Autoren es aber
übersehen haben, dass mehrere Wurzeln unten vom
Stengel absteigen, während alle andern in Europa an-
gebauten Doldengewächse nur eine Pfahlwurzel besitzen?
Strenggenommen war Siser von Columella eine ange-
baute Pflanze, vielleicht die Zuckerwurzel; was aber
Plinius von Siser? sagt, passt nicht darauf. Nach ihm
„war es eine officinelle Pflanze“ (inter medica dicendum).
Er berichtet, dass Tiberius jedes Jahr eine grosse
Menge davon aus Deutschland kommen liess, „was“,
fügt er hinzu, „darauf hinweist, dass sie die kalten
Länder liebte‘.
Hätten die Griechen die Pflanze direct aus Persien er-
halten, so dürfte Theophrast sie wahrscheinlich gekannt
haben. Vielleicht ist sie von Sibirien nach Russland
und von da nach Deutschland gekommen. In diesem
Falle könnte sich das Geschichtchen über Tiberius gern
auf die Zuckerwurzel beziehen. Freilich finde ich kei-
nen russischen Namen; die Deutschen besitzen aber ur-
sprüngliche Namen Krizel oder Grizel, Görlein oder
Gierlein, welche mehr als der jetzt gebräuchlichste
Name Zuckerwurzel auf eine alte Cultur hinweisen.?
Der dänische Name Sokerot, woraus die Engländer
Skirret gemacht haben, hat dieselbe Bedeutung wie der
deutsche. In Neugriechenland kennt man den Namen
Sisaron nicht, selbst im Mittelalter war er dort unbe-
1 Dioscorides, Mat. med., I, 2, c. 139; Columella, I, 11, c. 3, 18, 35;
Lenz, Bot. der Alten, S. 560.
2 Plinius, Hist. plant.. I. 19, c. 5.
3 Nemnich, Polygl. Lexicon, II, 1313.
DE CANDOLLE. 4
50 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
kannt, auch wird die Pflanze heutzutage in jenem Lande
nicht angebaut.!
Dies sind die Gründe, welche den eigentlichen Sinn
der Wörter Sisaron und Siser zweifelhaft erscheinen
lassen. Einige Botaniker des 16. Jahrhunderts haben
die Vermuthung laut werden lassen, dass Sisaron viel-
leicht die Pastinake sei, und Sprengel? befürwortet
dies.
Die französischen Namen Chervis und Girole? würden
vielleicht zur Aufklärung beitragen können, wenn man
ihren Ursprung kennte. Littr& leitet Chervis von dem
spanischen Chirivia ab, es ist jedoch wahrscheinlicher,
dass der spanische Name aus dem Französischen ent-
sprungen ist. Johannes Bauhin* gibt im Niederlatei-
nischen Servillum, Chervillum oder Servillam an, Wörter
die sich aber im Lexikon von Ducange nicht finden.
Wenn dies auch der Ursprung von Chervis sein könnte,
müsste man weiter fragen, woher Servillum oder Cher-
villum kämen. 6
Arracacha esculenta, de Candolle. — Arrakatscha
(fr. Arracacha oder Arracacia).
In Venezuela, Neugranada und Ecuador wird diese
Umbellifere meistens als Nährpflanze angebaut. In den
gemässigten Regionen dieser Länder kann sie der Kar-
toffel im Werthe gleichgestellt werden, und liefert selbst,
so wird versichert, ein feineres und wohlschmeckenderes
Mehl. Der untere Theil des Stengels hat eine zwiebel-
förmige Verdickung angenommen, auf welcher sich bei
kräftiger Vegetation und während mehrerer Monate im
Jahre seitliche Knollen oder Brutzwiebeln bilden, die
noch mehr geschätzt werden als die centrale Knolle,
und zu spätern Pflanzungen dienen.?
1 Lenz, a. a. O.; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands; Langkavel,
Botanik der spätern Griechen.
2 Sprengel, Dioscoridis, etc., II, 462.
3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 471.
4 Bauhin, Hist. plant., III, 154.
5 Die genauesten Culturangaben wurden von Bancroft an Sir William
Arrakatscha. 51
Wahrscheinlich ist die Art in der Region, in welcher
man sie anbaut, auch einheimisch, indessen finde ich
hierüber bei den Schriftstellern keine positiven Aus-
sagen. Die vorhandenen Beschreibungen sind nach an-
gebauten Pflanzen gemacht worden. Von Grisebach
hören wir freilich, dass er (muthmaasslich im Herbarium
zu Kew) Exemplare gesehen hat, die in Neugranada,
Peru und Trinidad! gesammelt waren; über die Spon-
taneität lässt er aber nichts verlauten. Die andern
Arten der Gattung, etwa zwölf an Zahl, wachsen in
denselben Ländern Amerikas, was den angedeuteten
Ursprung nur noch wahrscheinlicher macht.
Mehrere mal hat man die Einführung der Arrakatscha
nach Europa versucht, aber immer ohne Erfolg. Das
feuchte Klima Englands liess die Versuche von Sir W.
Hooker mislingen; die unserigen aber, zweimal wieder-
holt und unter sehr verschiedenen Bedingungen vorge-
nommen, können sich ebenso wenig eines Erfolgs rüh-
men. Die seitlichen Brutzwiebeln bildeten sich nicht
aus und die Hauptknolle ging in dem Gewächshause,
wo sie den Winter über aufbewahrt wurde, zu Grunde.
Die von uns an verschiedene botanische Gärten in Ita-
lien, Frankreich und anderswohin zur Vertheilung ge-
kommenen Knollen hatten dasselbe Schicksal. Wenn
die Pflanze in Amerika der Kartoffel im Ertrage und
Geschmack auch wirklich gleichkommt, so wird dies in
-Europa nie der Fall sein. Ihre Cultur hat sich in
Amerika nicht bis nach Chile und Mexico ausgebreitet,
wie dies bei der Kartoffel oder der Batate der Fall ist,
und die anderswo beobachteten Schwierigkeiten in der
Vermehrung finden hierin eine Bestätigung.
Hooker eingeschickt und finden sich im Botanical Magazine, Taf. 3092.
A.P.de Candolle veröffentlichte in dem fünften Bericht über die seltenen
Pflanzen des genfer botan. Gartens eine Abbildung, welche die Haupt-
knolle darstellt.
1 Grisebach, Flora of British W. India Islands.
4*
52 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Rubia tinctorum, Linne. — Färberröthe, Krapp (fr.
Garance). |
Der Krapp tritt zweifelsohne in Italien, Griechenland,
der Krim, Kleinasien, in Syrien, Persien, Armenien und
in der Nähe von Lenkoran ! wildwachsend auf. Schreitet
man in Südeuropa von Osten nach Westen vor, so wird
die Eigenschaft der wildwachsenden, ursprünglichen
Pflanze immer zweifelhafter. Schon in Frankreich hegt
man in Bezug hierauf gewisse Zweifel. Im Norden und Osten
scheint die Pflanze ‚in den Hecken, auf den Mauern ?
naturalisirt‘“‘ oder auch infolge früherer Culturen ,,sub-
spontan‘ zu sein.” In der Provence und Languedoc ist
sie spontaner oder, wie man sagt, „wildwachsend“, es ist
aber immerhin möglich, dass sie sich infolge ihres in
recht grossartigem Maassstabe vorgenommenen Anbaues
‘ weiter verbreitet hat. Für die spanische Halbinsel wird
sie als „subspontan“ angegeben.* Desgleichen für das
nördliche Afrika.® Augenscheinlich sind das gemässigte
Westasien und der Südosten Europas der frühere na-
türliche und unbestreitbare Wohnort. Man scheint die
Pflanze über den Kaspisee hinaus, in der einst von den
Indo-Europäern in Besitz gehaltenen Region, nicht an-
getroffen zu haben, jedoch ist diese Region noch wenig
bekannt. In Indien kommt die Art nur im Zustande
der angebauten Pflanze vor, und zwar ohne irgendeinen
Sanskritnamen.® |
Ebenso wenig kennt man einen hebräischen Namen
für sie, während die Griechen, Römer, die Slawen, Ger-
manen, Kelten verschiedene Namen besassen, welche von
einem Gelehrten vielleicht auf eine oder zwei Wurzeln
zurückgeführt werden könnten, welche aber immerhin
1 Bertoloni, Flora italica, II, 146; Decaisne, Recherches sur la Ga-
a S. 58; Boissier, Flora orientalis, III, 17; Ledebour, Flora rossica,
I, 405.
2 Cosson et Germain, Flore des environs de Paris, II, 365.
3 Kirschleger, Flore d’Alsace, I, 359.
4 Willkomm et Lange, Prodromus florae hispanicae, II, 307.
5 Ball, Spicilegium Florae maroccanae, S. 483; Munby, Catal. plant.
Alger., 2. Aufl., S. 17.
6 Piddington, Index.
Erdapfel. 55
durch ihre mannichfaltigen Biegungen auf ein hohes
Alter hinweisen. Wahrscheinlich hat man die wilden
Wurzeln auf freiem Felde geerntet, ehe man auf den
Gedanken verfiel, die Art anzubauen. Plinius betont,
dass man sie zu seiner Zeit in Italien anbaute!, und
es wäre möglich, dass dieser Gebrauch in Griechenland
und Kleinasien ältern Datums ist.
Die Krappcultur wird in den französischen Urkunden
des Mittelalters häufig erwähnt.” Darauf hatte man sie
vernachlässigt oder ganz aufgegeben, bis Althen sie
Mitte des 18. Jahrhunderts von neuem in der Graf-
schaft Avignon einführte. Vor zeiten blühte sie im El-
sass, in Deutschland, Holland und besonders in Griechen-
land, Kleinasien und Syrien, von wo eine bedeutende
Ausfuhr stattfand; die Entdeckung von aus anorgani-
schen Substanzen gewonnenen Farbstoffen hat aber diese
Cultur zum Schaden der Provinzen, welche grossen Ge-
winn daraus zogen, unterdrückt.
Helianthus tuberosus, Linne. — Erdapfel (fr. Topi-
| nambour).
Im Jahre 1616 haben die europäischen Botaniker zum
ersten mal von dieser Composite mit dicker Wurzel
gesprochen, welche sich besser zur Viehfütterung als zur
Nahrung für den Menschen eignet. Columna? hatte sie
in dem Garten des Cardinals Farnese gesehen und sie
Aster peruanus tuberosus benannt. Andere Schriftsteller
desselben Jahrhunderts haben Bezeichnungen beigefügt,
welche darauf hinweisen, dass man sie entweder in
Brasilien, Canada oder in Indien, was Amerika bedeuten
sollte, heimisch hielt. Auf Parkinson’s Meinung sich
stützend, hatte Linn@* den canadischen Ursprung an-
genommen, doch fehlte ihm aber jeglicher Beweis hierfür.
Plinius, XIX
2 Gasparin, ech “aan agriculture, IV, 253,
1
2
3 gr hrasis,
4 Linn, Hortus elilortishus, 3. 420.
54 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Von mir wurde früher die Bemerkung gemacht!, dass
es von der Gattung Helianthus keine brasilianische
Arten gibt, in Nordamerika dagegen zahlreiche Arten
vorkommen.
Nachdem Schlechtendal? es ausser allen Zweifel ge-
stellt, dass der Erdapfel von den strengen Wintern in
Mitteleuropa nicht zu leiden hat, bemerkt er hierzu,
dass dies zu Gunsten eines canadıschen Ursprungs
und gegen die Abstammung aus einer südlichen Region
spricht. Decaisne? hat bei der Synonymie von He-
lianthus tuberosus auf die Unrichtigkeit mehrerer Citate
hinweisen können, die auf einen südamerikanischen oder
mexicanischen Ursprung schliessen lassen. Von ihm wie
von den amerikanischen Botanikern wird das in Er-
innerung gebracht, was alte Reisende über gewisse Ge-
bräuche der Eingeborenen des Nordens der Vereinigten
Staaten und Canadas berichtet haben. So hatte Cham-
plain im Jahre 1603 „zwischen ihren Händen Wurzeln“
gesehen, ,,welche sie anbauen und welche den Geschmack
von Artischoken besitzen“. Auch Lescarbot* erwähnt
diese Wurzeln, welche den Geschmack der spanischen
Artischoke haben und sich stark vermehren; dieselben
wurden von ihm nach Frankreich gebracht, wo man sie
als Topinambaux zu verkaufen anfing. Die Wilden
nannten sie, sagt er, Chiquebi. Decaisne führt über-
dies zwei französische Gärtner des 17. Jahrhunderts
an, Colin und Sagard, die augenscheinlich vom Erd-
apfel sprechen und hinzufügen, dass er aus Canada
stamme. Dabei darf man nicht unberücksichtigt lassen,
dass der Name Canada zu jener Zeit einen sehr unbe-
stimmten Begriff hatte und einige Theile der jetzigen
Vereinigten Staaten umfasste. In den Schriften des
Amerikaners Gookin über die Sitten der Eingeborenen
1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 824.
2 Schlechtendal, Bot. Zeit., 1858, S. 113.
3 Decaisne, Recherches sur l’origine de quelques-unes de nos plantes
alimentaires, in: ,, Flore des serres et jardins‘, Bd.23, 1881.
4 Lescarbot, Histoire de la Nouvelle-France (3. Aufl., 1618), VI, 931.
Lauchblätteriger Bocksbart. 55
findet sich der Passus, dass dieselben Stücke des Erd-
apfels (Jerusalem artichoke) in ihre Suppen thaten.!
Wie man sieht, stimmen die botanischen Analogien
und die Aussagen der Zeitgenossen über den Ur-
sprung im nordöstlichen Amerika überein. Durch den
Umstand, dass man die wilde Pflanze nicht fand, ge-
langte Dr. Asa Gray zu der Vermuthung, dass man es
mit einer Form von H. doronicoides, Lamarck, zu thun
habe?, jetzt soll sie jedoch im Staate Indiana wild-
wachsend gefunden worden sein.’
Der Name Topinambour scheint von einem wirk-
lichen oder muthmaasslichen Namen der amerikanischen
Sprachen herzurühren. Der englische Name Jerusalem
artichoke ist eine Entartung des italienischen Girasole
(Tournesol), nebst einer Anspielung auf den Artischoken-
geschmack der Wurzel.
Tragopogon porrifolium, Linne. — Lauchblätteriger
Bocksbart (fr. Salsifis, früher Sercifi ®).
Vor einem oder zwei Jahrhunderten wurde diese
Bocksbartart häufiger angebaut als heutzutage. Es ist
eine zweijährige Composite, welche man in Griechenland,
Dalmatien, Italien und selbst in Algerien ° wildwachsend
antrifft. Im Westen Europas entschlüpft sie ziemlich
häufig den Gartenculturen und naturalisirt sich halb-
wegs.®
Die Commentatoren”? beziehen den Namen von Theophrast:
1 Pickering, Chronol. arrang., S. 749, 972.
2 „In einem gelehrten Artikel über diese meine Arbeit, welcher die
Herren Asa Gray und J. H. Trumbull zu Verfassern hat (American Jour-
nal of Science, 1883, S. 244), weist ersterer die muthmaassliche Identität
der Helianthus tuberosus und doronicoidesvon sich, er sagt aber nichts von der
Pflanze des Catalogue of Indian Plants, sodass, ihm zufolge, die spontane
Eigenschaft der Helianthus tuberosus in den Vereinigten Staaten noch nicht
nachgewiesen wäre.‘ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)
3 Catalogue of Indiana Plants, 1881, S. 15.
4 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 470. ne
5 Boissier, Flora orient., III, 745; Visiani, Fl. dalmat., II, 108; Berto-
loni, Fl. ital., VIII, 348; Gussone, Synopsis fl. siculae, II, 384; Munby,
Catal. Alger., 2. Aufl., S. 22.
6 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 671.
7 Fraas, Synopsis fl. class., S. 196; Lenz, Botanik der Alten, S. 485.
56 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Tragopogon (Bocksbart) bald auf diese Art und bald
auf Tragopogon crocifolium, welche ebenfalls in Griechen-
land wächst. Schwierig bleibt es, sich darüber Gewiss-
heit zu verschaffen, ob die Alten diesen Bocksbart an-
bauten oder als wildwachsende Pflanze einsammelten.
Im 16. Jahrhundert berichtet Olivier de Serres, dass
dies für sein Heimatsland, den Süden Frankreichs,
eine neue Cultur war. Das französische Wort Sal-
sifis kommt aus dem italienischen Sassefrica, zu deutsch
einer der Steine reibt, was aber keinen vernünftigen
Sinn darbietet.
Scorzonera hispanica, Linne. — Schwarzwurzel (fr.
Scorsonère d'Espagne).
Diese Pflanze wird im Französischen zuweilen Salsifis
d'Espagne genannt, weil sie dem Salsifis (Tragopogon
porrifolium) ähnlich ist; ihre Wurzel ist nach aussen
braun, was zu dem botanischen Namen und dem von
écorce noire (Schwarzrinde), wie er in einigen Provinzen
üblich ist, Veranlassung gab.
Sie ist in Europa wildwachsend, von Spanien, wo sie
‚vielfach vorkommt, dem südlichen Frankreich und
Deutschland bis nach der Region des Kaukasus und
vielleicht bis nach Sibirien hin, sie fehlt aber in Sicilien
und Griechenland.! In verschiedenen, Gegenden Deutsch-
lands hat sich die Art wahrscheinlich infolge der Cul-
turen naturalisirt.
Es hat nicht den Anschein, als ob man diese Pflanze
seit mehr als 100 oder 150 Jahren anbaute. Die Bo-
taniker des 16. Jahrhunderts sprechen von ihr nur als
von einer wildwachsenden Art, die zuweilen in den
botanischen Gärten cultivirt wurde. Olivier de Serres
erwähnt sie nicht.
Früher wurde behauptet, dass sie ein Gegengift für
1 Willkomm und Lange, Prodromus florae hispanicae, II, 223; de Can-
dolle, Flore francaise, IV, 59; Koch, Synopsis fl. germ., ed. 2, S. 488;
Ledebour, Flora rossica, II, 794; Boissier, Fl. orient., III, 767; Bertoloni,
Flora italica, VIII, 365.
Kartoffel. 57
Natternbiss sei, und man nannte die Pflanze zuweilen
Natterkraut. Was die Abstammung des Wortes Scorzo-
nera betrifft, so liegt diese so klar vor Augen, dass man
es nicht begreift, wie ältere Schriftsteller, selbst Tourne-
fort!, behaupten konnten, dass dasselbe von dem spa-
nischen oder catalonischen escorso (Natter) abgeleitet
würde. Natter heisst im Spanischen eher vibora.
- In Sieilien findet sich eine andere Art, die Scorzo-
nera deliciosa, Gussone, aus deren äusserst zuckerhal-
tiger Wurzel in Palermo Bonbons und Sorbets bereitet
werden.”e Warum hat man sie nicht anzubauen ver-
sucht? In Neapel setzte man mir Scorzonera-Eis vor,
welches ich abscheulich fand, vielleicht war es aber aus
der gewöhnlichen Art (Scorzonera hispanica) bereitet.
Solanum tuberosum, Linne. — Kartoffel (fr. Pomme
de terre).
Im Jahre 1855 wurde von mir alles, was man über
den Ursprung der Kartoffel und ihre Einführung nach
Europa wusste, weiter auseinandergesetzt und erörtert.?
Jetzt will ich das hinzufügen, was man seit einem Viertel-
jahrhundert darüber entdeckt hat. Man wird daraus
ersehen, dass die früher erlangten Angaben gewisser
geworden sind, und mehrere nebensächliche, etwas
zweifelhafte Fragen ganz so geblieben sind, wenn auch
mit dem Unterschiede, dass das, was mir früher schon
wahrscheinlich schien, es jetzt in noch höherm Grade
geworden ist.
Es ist zur Genüge bewiesen worden, dass die Cultur
der Kartoffel zur Zeit der Entdeckung Amerikas mit
allen Anzeichen eines alten Herkommens betrieben
wurde, und zwar in den gemässigten Regionen, welche
sich von Chile nach Neugranada erstrecken, und auf je
nach den Breitegraden verschiedenen Höhen. So viel
geht aus den Berichten von all den ersten Reisenden
1 Tournefort, Éléments de botanique, $. 379.
2 Gussone, Synopsis florae siculae.
3 A. de Candolle, Géogr. bot, raisonnée, S. 810—816.
58 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
hervor, unter welchen ich nur Acosta! für Peru und
Peter Cieca, auf welchen sich Clusius? bezieht, für
Quito namhaft machen will.
In allen gemässigten östlichen Theilen Südamerikas,
z. B. auf den Höhen von Guyana und Brasilien, war die
Kartoffel den Eingeborenen unbekannt, oder war es,
falls sie eine ähnliche Pflanze kannten, das Solanum
Commersonii, welches ebenfalls Knollen trägt und in
Montevideo und dem südlichen Brasilien wildwachsend
vorkommt. Die echte Kartoffel wird gegenwärtig in
letzterm Lande angebaut, sie ist aber dort noch so neu,
dass man sie englische Batate genannt hat.” Nach
Humboldt war sie in Mexico * unbekannt, ein Umstand,
der durch das Stillschweigen späterer Schriftsteller be-
stätigt, aber auch bis zu einem gewissen Punkte durch
eine andere historische Angabe widerlegt wird.
Es wird in der That erzählt, dass Walter Raleigh,
oder vielmehr sein Gefährte auf mehreren Reisen, Tho-
mas Herriott, im Jahre 1585 oder 1586 Kartoffelknollen
von Virginien® nach Irland gebracht hatte. Diese wur-
den dort Openawk genannt. Nach der Beschreibung
der Pflanze von Herriott, welche von Sir Joseph Banks®
wiedergegeben wird, unterliegt es keinem Zweifel, dass
es die Kartoffel war und nicht die Batate, welche da-
mals ab und zu mit ıhr verwechselt wurde. Ausserdem
erzählt uns Gerard’, von Virginien die Kartoffel er-
halten zu haben, welche er 1597 in seinem Garten an-
baute und von welcher er eine mit Solanum tuberosum
ganz und gar übereinstimmende Abbildung gibt. Er
war darauf so stolz, dass sein Bildniss, zu Anfang des
1 Acosta, S. 163.
2 De L’Ecluse (oder Clusius), Rariarum plantarum historia, 1601, II, 79,
mit Abbildung.
3 De Martius, Flora brasil., X, 12.
4 De Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 451; Essai sur la géo-
graphie des plantes, S. 29.
5 Zu jener Zeit unterschied man Virginien nicht von Carolina.
6 Banks, Transactions of the Horticult. Society, I, 3 (1805).
7 Gérard, Herbal, 1597, S. 781, mit Abbildung.
Kartoffel. 59
‚Buches, ihn darstellt, wie er einen blühenden Zweig
dieser Pflanze in der Hand hat.
Wie war es möglich, dass die Art in Virginien oder
in Carolina zu Raleigh’s Zeiten (1585) bekannt war,
wo doch die alten Mexicaner sie nicht besassen und
sich ihre Cultur bei den Eingeborenen im Norden
Mexicos in keiner Weise verbreitet hatte? Von Dr.
Roulin, welcher die über Nordamerika veröffentlichten
"Werke mit grosser Aufmerksamkeit durchforscht hat,
wurde mir schon früher die Annahme bestätigt, dass
man von der Kartoffel vor Ankunft der Europäer keine
Spur in den Vereinigten Staaten gefunden habe. Dr.
Asa Gray sagte mir dasselbe und fügte hinzu, dass
Harris, einer der in Kenntniss der Sprache und Ge-
bräuche der Volksstämme Nordamerikas am besten be-
wanderten Männer, derselben Meinung wäre. In neuern
Arbeiten habe ich nichts gefunden, was diesem wider-
spräche, und man darf nicht vergessen, dass eine so
leicht anzubauende Pflanze sich selbst bei den Wander-
völkern weiter ausgebreitet haben würde, hätten sie
solche überhaupt besessen. Die Wahrscheinlichkeit
scheint mir die zu sein, dass Bewohner Virginiens —
vielleicht auch englische Colonisten — Knollen erhielten
von spanischen oder andern Reisenden, welche sich in
den 90 Jahren seit der Entdeckung Amerikas mit Han-
del befassten oder auf Abenteuer ausgingen. Es liegt
auf der Hand, dass von der Eroberung Perus und Chiles
im Jahre 1535 an gerechnet bis 1585, viele Schiffe
Kartoffelknollen als Proviant mit sich führen konnten,
und kann W. Raleigh, der als Freibeuter die Spanier
bekriegte, oder auch ein anderer ein Schiff geplündert
haben, welches solche Vorräthe enthielt. Dies scheint
um so viel weniger unwahrscheinlich zu sein, als die
Spanier die Pflanze schon vor 1585 nach Europa ge-
bracht hatten.
Sir Joseph Banks! und Dunal? haben recht gehabt,
1 Banks, a. a. O.
2 Dunal, Histoire naturelle des Solanum.
60 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
diese Thatsache der ersten Einführung durch die Spa-
nier ganz besonders zu betonen, da man lange Zeit
besonders von Walter Raleigh sprach, welcher der zweite
Einführer war, und selbst von andern Engländern, welche
nicht die Kartoffel, sondern die mehr oder minder häufig
mit ihr verwechselte Batate nach Europa brachten.!
Von einem berühmten Botaniker, Clusius?, werden
gleichwol die Thatsachen in bemerkenswerther genauer
Weise angegeben. Er veröffentlichte die erste gute
Beschreibung von der Kartoffel unter dem Namen Papas
Peruanorum und fügt eine getreue Abbildung bei. Nach
ihm hat sich die Art durch die Wirkung einer fast
300jährigen Cultur nur sehr wenig verändert, denn sie
trug von Anfang an bis zu 50 Knollen von ungleicher
Grösse, die eine Länge von 1 bis 2 Zoll hatten, von
unregelmässig eiförmiger Gestalt und röthlicher Farbe
waren und die im November (in Wien)reiften. Nach aussen
war die mit fünf grünen Längsstreifen ausgestattete
Blume von einer rosa Färbung, nach innen blassrother,
was man auch heutzutage noch oft antrıfft. Zweifels-
ohne hat man zahlreiche Varietäten erzielt, die Urform
ist aber nicht verloren gegangen. Clusius vergleicht
den Geruch der Blumen mit jenem der Lindenblüte,
der einzige Unterschied mit unsern jetzigen Pflanzen.
Die von ihm ausgesäeten Samen lieferten eine Varietät
mit weissen Blumen, wie wir solche gegenwärtig zu-
weilen antreffen.
Die von Clusius beschriebenen Pflanzen waren ihm
1588 von Philippe de Sivry, Besitzer von Waldheim
und Gouverneur von Mons zugeschickt worden, und
dieser hatte sie von jemand aus dem Gefolge des päpst-
lichen Botschafters in Belgien erhalten. Clusius fügt
hinzu, dass man die Art in Italien von Spanien oder
1 Die von Sir Franeis Drake und Sir John Hawkins mitgebrachte
Pflanze war, sagt Sir J. Banks, augenscheinlich die Batate; hieraus geht
hervor, dass die von Humboldt erörterten Fragen über die von jenen
Reisenden besuchten Gegenden sich nicht auf die Kartoffel beziehen.
2 De L’Ecluse, a. a. O.
Fr
=.
2
Kartoffel. 61
von Amerika erhalten habe (certum est vel ex Hispa-
nüs, vel ex America habuisse), und er wundert sich dar-
über, dass die Gelehrten von der Schule zu Padua, wo
die Pflanze in Italien doch schon so gemein war, um
sie wie Rüben zur Speise zu benutzen, auch die
Schweine damit zu füttern, erst durch die Knollen, welche
er ihnen von. Deutschland schickte, mit ihr bekannt
wurden. Targioni! konnte den Nachweis nicht liefern,
dass die Kartoffel zu Ende des 16. Jahrhunderts in
Italien so häufig angebaut wurde, wie wir dies von
Clusius hören, er führt aber den Pater Magazzini von
Valombrosa an, dessen nach des Verfassers Tode im
Jahre 1623 herausgegebenes Werk die Art als eine
schon früher, ohne Angabe des Datums, von Spanien
oder Portugal durch die Barfüsser mitgebrachte erwähnt.
Gegen Ende des 16. oder zu Anfang des 17. Jahrhun-
derts musste sich somit die Cultur in Toscana weiter aus-
gebreitet haben. Ganz abgesehen davon, was Clusius und
der Agronom von Välombrosa über die Einführung durch
die spanische Halbinsel sagen, ist es keineswegs wahr-
scheinlich, dass die Italiener mit den Gefährten Raleigh’s
Verbindungen gehabt haben.
Niemand kann es in Zweifel stellen, dass die Kartoffel
von Amerika stammt; um aber genau zu wissen, aus
welchem Gebiete dieses ungeheuern Continents, muss
man in Erfahrung zu bringen suchen, ob und in welchen
Gegenden die Pflanze im wildwachsenden Zustande dort
vorkommt.
Zur bündigen Beantwortung dieser Frage sind zu-
nächst zwei Gründe zum Irrthum zu beseitigen: der
eine, dass man die Kartoffel mit verwandten Arten der
Gattung Solanum verwechselt hat; der andere, dass sich
die Reisenden über die wildwachsende Eigenschaft der
Pflanze haben irren können.
Die verwandten Arten sind: Solanum Commersonii,
1 Targioni-Tozzetti, Lezzioni, II, 10; Cenni storici sulla introduzione
di varie piante nell’ agricoltura di Toscana (Florenz 1553), S. 37. <
62 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Dunal, von welcher ich schon gesprochen habe, S. Mag-
lia, Molina, eine chilenische Art, S. immite, Dunal, welche
von Peru kommt, und $. verrucosum, Schlechtendal,
welche in Mexico wächst. Diese drei Solanumarten
haben kleinere Knollen als $. tuberosum, und unter-
scheiden sich überdies durch andere Charaktere, wie
sie sich in den Specialwerken über Botanik angegeben
finden. Vom theoretischen Standpunkte aus kann man
annehmen, dass alle diese und andere mehr in Amerika
wachsende Formen von einer einzigen Urform ihre Ab-
stammung herleiten; sie treten aber zu unserer geo-
logischen Epoche mit solchen Verschiedenheiten auf,
um specifische Unterscheidungen gerechtfertigt erschei-
nen zu lassen, und es sind keine Versuche gemacht wor-
den, welche den Beweis liefern könnten, dass man durch
die Befruchtung der einen mit der andern Erzeugnisse
erzielen würde, deren Samen (und nicht die Knollen)
den Stamm fortführen würden.! Wir wollen diese mehr
oder weniger zweifelhaften Fragen über die Arten bei-
seite lassen, dagegen zu erfahren suchen, ob die ge-
wöhnliche Form von Solanum tuberosum wild gefunden
worden ist, und dabei nur bemerken, dass das häufige
Vorkommen von knollentragenden Solanum in Amerika,
wo sie in den gemässigten Regionen von Chile oder
Buenos-Ayres bis nach Mexico wachsen, die Thatsache
eines amerikanischen Ursprungs bestätigt. Eine auf
grösserer Wahrscheinlichkeit beruhende Muthmaassung
über das ursprüngliche Vaterland kennt man nicht.
Der zweite Grund zum Irrthum wird in sehr bün-
diger Weise von dem Botaniker Weddell? erörtert,
welcher mit so grossem Eifer Bolivia und die benach-
barten Länder durchstreift hat. „Wenn man erwägt“,
sagt er, „dass in der dürren Cordillere die Indianer
1 Die Cultur von Solanum verrucosum, über dessen Einführung nach
Gex in der Nähe von Genf ich im Jahre 1855 Mittheilungen gemacht, ist
wieder aufgegeben worden, weil die Knollen zu klein waren, und die Art
nicht, wie man gehofft hatte, dem Oidium widerstand.
2 Chloris Andina, S. 103.
Kartoffel. 63
ihre kleinen Culturen oft auf Stellen begründen, welche
der grössern Mehrzahl unserer Landwirthe Europas fast
unzugänglich erscheinen würden, wird man es auch ver-
stehen, dass ein Reisender, welcher zufällig einen dieser
seit langer Zeit aufgegebenen Culturplätze besucht und
dort eine zufällig übriggebliebene Pflanze von Solanum
tuberosum antrifft, sie in der Ueberzeugung einsammelt,
dass sie dort wirklich spontan sei; aber wo ist der
Beweis hierfür zu finden?“
Wir wollen uns jetzt die Thatsachen näher betrachten.
Es gibt deren viele in Bezug auf die Spontaneität in
Chile.
Im Jahre 1822 wurden der Londoner Gartenbau-
gesellschaft vom englischen Consul Alexander Cald-
cleugh ! Kartoffelknollen zugestellt, welche er „in den
Schluchten um Valparaiso herum‘ gesammelt hatte, und
er berichtet, dass diese Knollen klein seien, eine bald
rothe, bald gelbliche Färbung zeigten und einen etwas
bittern Geschmack besässen.” „Ich glaube“, fügt er
hinzu, „dass diese Pflanze auf weiten Strecken des
Küstengebiets vorkommt, denn sie findet sich im süd-
lichen Chile, wo die Eingeborenen sie Maglia nennen.“
Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine Verwechse-
lung mit dem $. Maglia der Botaniker; die Knollen
von Valparaiso aber, welche in London gepflanzt wur-
den, lieferten die echte Kartoffel, was sofort ins Auge
springt, wenn man die von Sabine in den Abhandlungen
der Gartenbaugesellschaft gegebene colorirte Abbildung
betrachtet. Man setzte die Cultur dieser Pflanze einige
Zeit lang fort, und Lindley bestätigte von neuem im
Jahre 1847 ihre Identität mit der gewöhnlichen Kar-
toffel.”® Hier der Bericht eines Reisenden an Sir William
1 Sabine, Transactions of the Horticultural Society, V, 249.
2 Man muss weder auf diesen Geschmack, noch auf die wässerige
Eigenschaft gewisser Knollen Gewicht legen, da die Kartoffel in den war-
men Ländern, selbst im Süden Europas, oft recht mittelmässig ist. Eine
Lage nach dem Lichte hin färbt die Knollen grün, die ja unterirdische
Theile des Stengels sind, und macht sie bitter.
3 Journal of the Horticult. Society, III, 66,
64 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Hooker! über die Pflanze von Valparaiso: „Ich habe
die Kartoffel im Litorale bis zu 15 Stunden. nördlich
von dieser Stadt angetroffen, und auch südlich da-
von, ohne indessen diese Entfernung angeben zu kön-
nen. Sie hat ihren Standort auf den Klippen und
Hügeln in der Nähe des Meeres, und ich erinnere
mich nicht, sie weiter als 2 oder 3 Stunden von der
Küste gesehen zu haben. Wenn man sie auch in den
gebirgigen Gegenden, fern von Culturen findet, kommt
sie in der unmittelbaren Nachbarschaft der Felder und
Gärten, wo man sie pflanzt, nicht vor, es sei denn,
dass ein Bach diese Ländereien durchzieht und die
Knollen nach den nicht angebauten Plätzen mit fort-
führt.“ Die von diesen zwei Reisenden beschriebenen
Kartoffeln hatten weisse Blumen, wie wir dies bei
einigen in Europa angebauten Varietäten antreffen und
was auch bei der von Clusius durch Samen erzielten
Pflanze eintraf. Dies ist, darf man annehmen, die ur-
sprüngliche Farbe für die Art oder zum wenigsten eine
der häufigsten im wildwachsenden Zustande.
Auf seiner Reise an Bord des „Beagle“ fand Darwin
die wilde Kartoffel im Chonos-Archipel des südlichen
Chile auf den sandigen Gestaden, wo sie in grossen
Massen auftrat und eine selten kräftige Vegetation
zeigte, was man der Feuchtigkeit des Klimas zuschrei-
ben kann. Die grössten Exemplare hatten 4 Fuss
Höhe. Die Knollen waren klein, wenn auch eine der-
selben 2 Zoll im Durchmesser hatte. Sie waren wässe-
rig, geschmacklos, hatten aber nach dem Kochen keinen
schlechten Geschmack. „Die Pflanze ist unzweifelhaft
spontan“, sagt der Verfasser ?, und die specifische Iden-
tität ist dann von Henslow und später von Sir Joseph
Hooker in seiner „Flora antarctica“ ? bestätigt worden.
Ein Exemplar unsers Herbariums, welches von Claude
Gay gesammelt und von Dunal als Solanum tuberosum
1 Hooker, Botanical Miscell., 1831, II, 203.
2 Journal of the voyage, etc., 1852, S. 285.
3 Bd. I, Theil 2, S. 329.
Kartoffel. 65
bestimmt wurde, besitzt auf seiner Etikette folgende
Inschrift: „Im Centrum der Cordilleren von Talcague
und Cauquenes, an Orten, welche nur von Botanikern
und Geologen besucht werden.“ Derselbe Verfasser
betont in seiner „Flora chilena“ 1 das häufige Vorkom-
men der wilden Kartoffel in Chile bis zu den Arau-
caniern in den Gebirgen von Malvarco, wo die Soldaten
von Pincheira. den Pflanzen nachspürten, um sich mit
ihren Knollen zu nähren. Diese Aussagen bestätigen
zur Genüge das Indigenat für Chile, sodass ich weniger
überzeugende, wie die von Molina und von Meyen, deren
chilenische Exemplare nicht bestimmt wurden, hier un-
berücksichtigt lassen kann.
Das chilenische Küstenklima dehnt sich, der Anden-
kette folgend, nach den Höhen hin aus, und die Cultur
der Kartoffel ist in den gemässigten Regionen Perus
eine recht alte, die spontane Eigenschaft der Art ist
daselbst aber viel weniger gut nachgewiesen als ın
Chile. Pavon? behauptete, sie an der Küste bei Chan-
cai und in der Nähe von Lima gefunden zu haben.
Für eine Art, welche ein gemässigtes und selbst etwas
kaltes Klima beansprucht, erscheinen diese Gegenden
jedoch reichlich warm. Ausserdem gehört das von Pa-
von gesammelte, im Herbarium Boissier befindliche
Exemplar nach Dunal einer andern Art an, welche er
Solanum immite nannte.? Ich habe das in Frage stehende
Exemplar selbst gesehen und zweifle keinen Augenblick,
dass es eine von $. tuberosum verschiedene Art ist.
Sir W. Hooker* führt ein Exemplar an, welches Mac
Lean auf den Hügeln um Lima herum ohne weitere
Angabe über die Spontaneität gesammelt hatte. Die
Exemplare (mehr oder minder wilde?), welche Matthews
von Peru an Sir W. Hooker schickte, gehören nach Sir
Joseph? zu etwas verschiedenen Varietäten der echten
V, 74.
Ruiz et Pavon, Flora peruviana, II, 38.
Dunal, Prodromus, 13, Sect. 1, S. 32.
Hooker, Bot. miscell., Bd. 2.
Hooker, Flora antarctica, 1. c.
Cr HR C9 29 m
QU
DE CANDOLLE.
66 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Kartoffel. Hemsley!, welcher sie neuerdings im Her-
barium von Kew sah, betrachtet sie als „gut unterschie-
dene Formen, wenn auch in nicht höherm Grade als
gewisse Varietäten der Art“.
Weddell, dessen Vorsicht bezüglich dieser Frage
bekannt ist, drückt sich folgendermaassen aus?: „In
Peru habe ich Solanum tuberosum nie unter Um-
ständen gefunden, welche irgendwelche Zweifel über
die nicht einheimische Beschaffenheit der Pflanze zu-
liessen; ich erkläre sogar, dass ich ebenso wenig an die
Spontaneität anderer Individuen glaube, welche dann
und wann auf den ausser-chilenischen Anden gesammelt
und bisjetzt als wildwachsende angesehen wurden.“
Andererseits wurden von Ed. André? in zwei hoch-
gelegenen und wild aussehenden Localitäten von Üo-
lumbia und in einer andern bei Lima gelegenen, auf
dem Amancaesgebirge, Exemplare mit grosser Sorgfalt
gesammelt, welche er auf S. tuberosum zurückführen zu
dürfen glaubte. Herr André hatte die Gefälligkeit, sie
mir zu leihen. Ich habe sie sehr aufmerksam mit den
Typen der Dunal’schen Arten in meinem Herbarium und
dem des Herrn Boissier verglichen. Meiner Ansicht
nach gehört keins dieser Solanum zu $. Zuberosum,
wenn sich auch das in Columbia bei dem Flusse Cauca
gesammelte ihm mehr nähert als die andern. Keins
aber, und dies kann mit noch grösserer Gewissheit
gesagt werden, entspricht dem $. immite von Dunal.
Sie stehen dem S. Colombianum desselben Autors näher
als dem $. tuberosum oder $. immite. Das Exemplar
vom Berge Quindio weist einen recht eigenthümlichen
Charakter — eiförmige und zugespitzte Beeren? — auf.
Die in Mexico Knollen tragenden Solanum, welche auf
S. tuberosum, oder nach Hemsley? auf nahestehende
1 Journal of the Royal Hortic. Society, Neue Serie, Bd. 5.
2 Weddell, Chloris Andina, I. c.
3 Andre, in: Illustration horticole, 1877, S. 114.
4 Die Form der Beeren ist bei den $S. Colombianum und immite noch
nicht bekannt.
5 Hemsley, 1. c.
Batate, 67
Formen zurückzuführen sind, dürfen allem Anscheine
nach nicht als identisch mit der angebauten Pflanze
angesehen werden. Sie beziehen sich auf $. Fendleri,
welche Asa Gray zunächst als eine wirkliche Art an-
sah, später ! aber als eine Form von $. tuberosum oder
S. verrucosun.
Hieraus lässt sich nun folgern:
1. Die Kartoffel ist in Chile spontan, und zwar unter
einer Form, welche sich noch bei unsern angebauten
Pflanzen vorfindet.
2. Sehr zweifelhaft ist es, dass sich der natürliche
Standort bis nach Peru und Neugranada ausbreitet.
3. Die Cultur hat sich vor der Entdeckung Amerikas
von Chile nach Neugranada verbreitet.
4. Wahrscheinlich hat sie sich in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts in dem Theile der Vereinigten
Staaten eingebürgert, welcher jetzt Virginien und Nord-
carolina genannt wird.
5. Nach Europa wurde die Kartoffel in den Jahren
1580—85 gebracht, zunächst von den Spaniern und
dann von den Engländern während der Reisen Raleigh’s
in Virginien.?
Convolvulus Batatas, Linne. Batatas edulis, Choisy.
— Batate (fr. Batate oder Patate; engl. Sweet Potatoe).
Die zu Knollen sich verdickenden Wurzeln dieser
Pflanze sehen wie Kartoffeln aus, was eine gleichartige
Benennung dieser zwei sehr verschiedenen Arten seitens
der Seefahrer des 16. Jahrhunderts zur Folge hatte.
Die Batate gehört zur Familie der Convolvulaceen, die
Kartoffel zu jener der Solanaceen; die fleischigen Theile
ersterer sind Wurzeln, die der zweiten unterirdische
Zweige.?
1 Asa Gray, Synoptical flora of N. Amer., II, 227.
2 Ueber die allmähliche Einführung nach verschiedenen Ländern
Europas siehe: Clos, Quelques documents sur l’histoire de la pomme de
terre, 1874, in: Journal d’agric. prat. du midi de la France.
3 Turpin hat gute Abbildungen veröffentlicht, welche dies deutlich
zeigen. Siehe: Mémoires du Muséum, Bd. 19, Taf. 1, 2 und 5.
Li
68 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Die Batate ist zuckerhaltig und zu gleicher Zeit
mehlig. Man baut sie in allen intertropischen oder
den Wendekreisen nahegelegenen Ländern an, in der
Neuen Welt vielleicht noch mehr als in der Alten.!
Vielen Autoren zufolge ist ihr Ursprung zweifelhaft.
Humboldt?, Meyen®, Boissier* geben einen amerikani-
schen Ursprung an; Bojer*, Choisy® u.A. einen asiatischen.
Dieselbe Meinungsverschiedenheit macht sich in ältern
Werken geltend. Die Frage ist eine um so viel schwie-
rigere, da die Convolvulaceen seit sehr alten Epochen
oder auch vermöge neuerer Transportwege mit zu den
verbreitetsten Pflanzen auf der Erde gehören.
Zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs sprechen
wichtige Gründe. Die 15 bekannten Arten der Gat-
tung Batatas finden sich alle in Amerika, nämlich 11
urschliesklich in diesem Welttheile und 4 zu gleicher
Zeit in Amerika und der Alten Welt, bei welchen die
Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Wanderung
zu berücksichtigen ist. Die Cultur der gemeinen Ba-
tate ist in Amerika sehr verbreitet und geht auf eine
sehr entfernte Zeit zurück. Maregraff! führt sie für
Brasilien unter dem Namen Jetica an. Nach Humboldt
kommt der Name Camote von einem mexicanischen Worte.
Das Wort Batatas (woraus durch irrthümliche Umstel-
lung Potatoe, Kartoffel, entstand) wird als amerikanisch
hingestellt. Sloane und Hughes® sprechen von der
Batate als einer vielfach angebauten Pflanze, die auf
den Antillen in mehreren Varietäten vertreten ist. Sie
scheinen keinen fremden Ursprung zu muthmaassen.
Clusius, welcher einer der ersten war, die von der
1 Im Journal de la Société d’hortic. de France, 2. Serie, Bd. 5, S. 450
—458, hat Dr. Sagot sehr interessante Details über das Culturverfahren,
das Product u. s. w. gegeben.
2 Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 470.
3 Meyen, Grundriss der Pflanzengeogr., S. 373.
4 Boissier, Voyage botanique en Espagne.
5 Bojer, Hort. maurit., S. 225.
6 Choisy, im Prodromus, IX, 338.
7 Marcgraff, Bres., S. 16, mit Abbild.
8 Sloane, Hist. Jam., I, 150; Hughes, Barb., S. 228.
Batate. 69
Batate sprachen, erzählt uns, dass er sie in Spanien
gegessen habe, wo man sie von der Neuen Welt em-
pfangen zu haben behauptete! Er führt die Namen
Batatas, Camotes, Amotes, Ajes an?, welche den Sprachen
der Alten Welt fremd waren. Sein Buch datirt aus
dem Jahre 1601. Humboldt?, auf Gomara sich stützend,
erzählt, dass, als Christoph Columbus zum ersten mal
vor der Königin Isabella erschien, er ihr verschiedene
Producte der Neuen Welt darbot, und unter diesen die
Batate. „So war auch“, fügt er hinzu, „die Cultur
dieser Pflanze in Spanien zu Mitte des 16. Jahrhun-
derts ganz gemein.“ Oviedo*, dessen Schriften aus dem
Jahre 1526 datiren, hatte die Batate von den Einge-
borenen San-Domingos vielfach angebaut gesehen und
hatte sie selbst nach Avila in Spanien gebracht.
Rumphius ® berichtet in ganz positiver Weise, dass die
Bataten der allgemeinen Meinung gemäss von den Spa-
niern Amerikas nach Manilla und den Molukken ge-
bracht worden seien, von wo die Portugiesen sie nach
dem Indischen Archipel verbreiteten. Er führt volks-
thümliche Namen an, die keine malaiischen sind, und
welche auf eine Einführung durch die Castilier hin-
deuten. Schliesslich ist es sicher, dass die Batate den
Griechen, Römern und Arabern unbekannt war und in
Aegypten nicht angebaut wurde, selbst noch nicht vor
80 Jahren®, was sich kaum erklären liesse, wenn man
das ursprüngliche Vaterland nach der Alten Welt ver-
legte.
Andererseits gibt es aber auch Argumente zu Gunsten
eines asiatischen Ursprungs. Die chinesische Encyklo-
pädie über Ackerbau erwähnt die Batate und führt
1 Clusius, Hist., II, 77.
2 Ajes war ein Name für die Yamswurzel (Humboldt, Nouv.-Espagne,
2. Aufl., II, 467, 468).
3 Humboldt, Nouv.-Esp., 1. c.
4 Oviedo, Uebersetz. von Ramusio, Bd. 3, Thl. 3,
5 Rumphius, Amboin., V, 368,
6 Forskal, S. 54; Delile, Ill,
70 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
mehrere Varietäten an!; jedoch hat Dr. Bretschneider ?
nachgewiesen, dass die Art zum ersten mal in einem
Buche des 2. oder 3. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung
beschrieben ist. Nach Thunberg * wurde die Batate
von den Portugiesen nach Japan gebracht. Die auf
Tahiti, den benachbarten Inseln und Neuseeland unter
dem Namen Umara, Gumarra und Gumalla angebaute
Pflanze, welche Forster? als Convolvulus chrysorhizus
beschrieb, ist schliesslich nach Sir Joseph Hooker? die
Batate. Seemann ® macht darauf aufmerksam, dass diese
Namen dem quichuanischen Namen für die Batate in
Amerika, nämlich Cumar, ähnlich sind. In Indien war
die Cultur der Batate im 18. Jahrhundert ? verbreitet.
Man schreibt ihr mehrere volksthümliche Namen zu,
nach Piddington® selbst einen Sanskritnamen Ruktalı,
welcher durchaus keine Verwandtschaft mit einem mir
bekannten Namen hat und sich nicht in dem Sanskrit-
Wörterbuch von Wilson findet. Nach einer mir von
Adolphe Pictet zugegangenen Notiz scheint Ruktalu ein
zusammengesetzter bengalischer Name des Sanskritwortes
Alu (Rutka, plus älu, Name für Arum campanulatum)
zu sein. Dieser Name bezeichnet in den neuern-Dia-
lekten die Yamswurzel und die Kartoffel. Jedoch führt
Wallich? mehrere andere Namen an, welche Piddington
auslässt. Roxburgh!? gibt keinen Sanskritnamen an.
Rheede !! berichtet, dass die Pflanze in Malabar ange-
baut war, er führt indische volksthümliche Namen an.
Die Gründe, welche zu Gunsten des amerikanischen
Ursprungs sprechen, sind meiner Ansicht nach die ge-
wichtigern. Wenn man die Batate in Indien zur Zeit
D’Hervey Saint-Denys, Rech. sur l’agric. des Chinois, 1850, S. 109. _
Study and value of Chinese bot. works, S. 13.
Thunberg, Flora japon., S. 84.
Forster, Plantae escul., S. 56.
Hooker, Handb. New Zealand flora, S. 194.
Seemann, Journal of Botany, 1866, S. 328.
Roxburgh, edit. Wall., II, 69.
Piddington, Index.
9 Wallich, Flora Ind., 1. c.
10 Roxburgh, 1832, I, 433.
11 Rheede, Mal., VII, 9%.
1 O C1 PWDN MH
a
De N s
Batate. dl
der Sanskritsprache gekannt hätte, müsste sie sich in
der Alten Welt auch weiter ausgebreitet haben, da ja
ihre Cultur eine leichte und ihr Nutzen augenscheinlich
ist. Es scheint im Gegentheil, dass diese Cultur lange
Zeit hindurch auf den Sunda-Inseln, in Aegypten u. s. w.
unbekannt blieb.!
Vielleicht gelangen wir vermittelst sorgfältiger Prü-
fung zur -Ansicht von G. F. W. Meyer, welcher die
asiatische Pflanze von den amerikanischen Arten unter-
schied.? Gemeiniglich ist man jedoch diesem Autor
nicht gefolgt, und wenn es wirklich eine asiatisch-ver-
schiedene Art gibt, so ist es nicht, wie Meyer annahm,
die von Rumphius beschriebene, welche seiner Aussage
nach von Amerika dahin gebracht wurde, sondern die
indische Pflanze von Roxburgh.
In Afrika baut man Bataten an; ihre Cultur ist aber
eine seltene, oder es sind auch die Arten verschieden.
Robert Brown? berichtet, dass der Reisende Lockhardt
die Batate nicht gesehen hatte, welche von den portu-
giesischen Missionaren als angebaut erwähnt wird.
Thonning* führt sie nicht an. Vogel brachte eine an
der Westküste angebaute Art mit, die nach den Autoren
der Flora Nigritiana jedenfalls Batatas paniculata,
Choisy, ist. Das würde somit eine zur Zierde, oder da
die Wurzel abführend ist, als officinelle Art angebaute
Pflanze sein.® Man könnte fast glauben, dass in ge-
wissen Ländern der Alten oder der Neuen Welt die
Ipomoea tuberosa, L., mit der Batate verwechselt worden
1 „Nach Lesung dieses Artikels schreibt mir Dr. Bretschneider von
Peking, dass die in China angebaute Batate den chinesischen Autoren zu-
folge jedenfalls fremden Ursprungs ist. Das Handbuch über Ackerbau:
Nung chang tsüan shu, dessen Verfasser im Jahre 1633 starb, hebt dieses
ausdrücklich hervor. Es spricht auch von einer andern, in China wild-
wachsenden Batate, dieselbe heisst Chu, während die angebaute Batate
Kan chu, d. i. süsse Batate genannt wird. Dem Min shu zufolge, einem
im 16. Jahrhundert veröffentlichten Werke, hat die Einführung zwischen
den Jahren 1573 und 1620 stattgefunden.“ (Vom Verfasser mitgetheilte
Anmerkung.)
2 Meyer, Primitiae Fl. Esseq., S. 103.
3 R. Brown, Bot. Congo, 8. 55.
4 Thonning, Pl. Guin.
5 Wallich, in Roxburgh, Fl. Ind., II, 63.
Ar À en
P 2 .
.
72 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
wäre; von Sloane! hören wir aber, dass sich ihre kollos-
salen Wurzeln wenig zur Speise eignen.?
In der Ipomoea mammosa, Choisy (Convolvulus mam-
mosus, Loureiro, Batata mammosa, Rumphius, Amb.,
I, 9, Taf. 131) tritt uns eine Convolvulacee mit ess-
barer Wurzel entgegen, die ganz gut mit der Batate
verwechselt werden kann, wenn auch ihre botanischen
Charaktere verschieden sind. Diese Art tritt bei Am-
boina (Rumphius) wildwachsend auf, auch wird sie dort
angebaut. In Cochinchina wird sie geschätzt.
Was nun die Batate (Batatas edulis) anbetrifit, so
berichtet, meines Wissens nach, kein Botaniker, sie
wildwachsend angetroffen zu haben, sei es in Indien
oder auch in Amerika.? Nach Hörensagen bestätigt
Clusius*, dass sie in der Neuen Welt und den benach-
barten Inseln wildwachsend vorkommt.
Trotz der Wahrscheinlichkeit eines amerikanischen
Ursprungs bleibt noch manches unbekannt oder unge-
wiss über das ursprüngliche Vaterland, die Art und
Weise der Verbreitung dieser Art, welche in den war-
men Ländern eine so wichtige Rolle spielt. Wie kann
man es erklären, möge sie nun von der Neuen oder von
Alten Welt stammen, dass sie von Amerika nach China
zu Anfang unserer Zeitrechnung gebracht worden sei,
nach den Inseln des Stillen Oceans zu einer frühern
Epoche, oder von Asien und Australien nach Amerika
während einer fern genug liegenden Zeit, um sich mit
ihrem Anbau vor zeiten von den südlichen Vereinigten
Staaten bis nach Brasilien und Chile auszubreiten ?
Man muss prähistorische Verbindungen zwischen Asien
1 Sloane, Jam., I, 152,
2 Mehrere Convolvulaceen haben dickleibige Wurzeln (genauer Stöcke),
dann ist es aber der untere Theil des Stengels mit einem Theile der
Wurzel, welcher sich verdickt hat, und ist dieser Wurzelstock immer ab-
führend (Jalapa, Turpith u. s. w.), während sich bei der Batate ein an-
deres Organ — die seitenständigen Wurzeln — verdickt.
3 In Schomburgk’s Sammlung (Coll. 1) ist Nr. 701 in Guiana wild-
wachsend. Nach Choisy ist dies eine Varietät von Batatas edulis, nach
Bentham dagegen (Hook., Journ. Bot., V, 352) Batatas paniculata. Mein
ziemlich unvollständiges Exemplar scheint mir von beiden verschieden.
4 Clusius, Hist., II, 77.
Mangold, Runkelrübe, Rothe Rübe. 13
und Amerika annehmen, oder sich andern Hypothesen
hingeben, die im gegenwärtigen Falle durchaus nicht
unanwendbar sind. Die Convolvulaceen gehören zu den
seltenen Familien der Dicotyledonen, bei welchen ge-
wisse Arten einen sehr ausgedehnten, oder selbst zwi-
schen den entfernten Festländern getrennten geogra-
phischen Verbreitungsherd aufweisen.! Es kann eine
Art, welcher gegenwärtig das Klima von Virginien und
Japan zusagt, vor der Epoche der grossen Ausdehnung
der Eisberge auf unserer Hemisphäre mehr nach Norden
hin vorgekommen sein, und müssten die prähistorischen
Menschen sie in südlicher Richtung weiter gebracht
haben, sobald eine Aenderung des Klimas eintrat. Nach
diesen Hypothesen zu schliessen, würde die Cultur allein
die Art erhalten haben, es sei denn schon, dass man sie
schliesslich noch an irgendeinem Orte ihres frühern
Wohnortes, vielleicht z. B. in Mexico oder in Columbia,
wildwachsend anträfe.
Beta vulgaris und PB. maritima, Linne. Beta vul-
garis, Moquin. — Mangold, Runkelrübe, Rothe Rübe
(fr. Betterave, Bette, Poirée).
Sie wird bald ihrer fleischigen Wurzeln wegen ange-
baut (Runkelrübe), bald ihrer Blätter wegen als Gemüse
benutzt (Bete), und die Botaniker stimmen meistens darin
überein, keine zwei Arten zu unterscheiden. Aus an-
dern Beispielen weiss man, dass Pflanzen mit in der
Natur dünnen Wurzeln leicht fleischige Wurzeln durch
die Wirkung des Bodens oder der Cultur annehmen.
Die Form mit dünnen Wurzeln, welche man Bete
nennt, findet sich wild in den sandigen Terrains, be-
sonders an den Meeresgestaden, auf den Canarischen
Inseln und in der ganzen Mittelmeerregion bis nach
dem Kaspisee, Persien und Babylonien ?, selbst vielleicht
in Westindien, nach einem von Jaquemont mitgebrachten
1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 1041—1043 und S. 516, 518.
2 Moquin-Tandon, im Prodromus, Bd. 13, Thl. 2, S. 55; Boissier, Flora
orientalis, IV, 898; Ledebour, Fl, rossica, III, 692.
74 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Exemplar zu schliessen, ohne indessen die spontane
Eigenschaft sicher nachzuweisen. Die Flora Indiens
von Roxburgh und die neuere des Pendschab und Sindh
von Aitchison führen die Pflanze nur als angebaut an.
Sie hat keinen Sanskritnamen!, woraus man schliessen
kann, dass die Arier sie von dem gemässigten West-
asien, wo sie vorkommt, nicht mitgebracht hatten. Die
früher nach Europa ausgewanderten Völker ihres Stam-
mes bauten sie wahrscheinlich ebenfalls nicht an, denn
ich finde keinen Namen, der den indo-europäischen
Sprachen gemein ist. Die alten Griechen, welche die
Blätter und Wurzeln benutzten, nannten die Art Teut-
lion?, die Römer Beta. Heldreich®? führt einen andern
altgriechischen Namen an, Sevkle oder Sfekelie, welcher
dem arabischen Namen Selg, be: den Nabatäern S#g,
gleicht.* Der arabische Name ist in den portugiesischen
Selga übergegangen. Ein hebräischer Name ist nicht
bekannt. Alles weist auf eine Cultur hin, die nicht
über vier bis sechs Jahrhunderte vor der christlichen
Zeitrechnung hinausgeht.
Die Alten kannten schon die rothen und die weissen
Wurzeln, die Zahl der Varietäten hat aber später sehr
zugenommen, besonders seitdem die Runkelrübe im grossen,
sei es als Viehfutter oder zur Zuckergewinnung ange-
baut wird. Sie gehört zu den Pflanzen, welche durch
natürliche Züchtung sehr leicht zu veredeln sind, wie
dies die Versuche Vilmorin’s dargethan haben.’
Manihot utilissima, Pohl. Jatropha Manihot, Linne. —
Maniok- oder Cassavestrauch (fr. Manioe).
Dieser kleine Baum oder Strauch aus der Familie
1 Roxburgh, Flora indica, II, 59; Piddington, Index.
2 Theophrast und Dioscorides, von Lenz angeführt, Botanik der
Griechen und Römer, S. 446; Fraas, Synopsis fl. class., S. 233.
3 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 22.
4 Alawwäm, Agriculture nabathéenne (in den ersten Jahrhunderten
der christlichen Zeitrechnung?), nach E. Meyer, Geschichte der Botanik,
IT, 75.
5 Notices sur l’amélioration des plantes par le semis, S. 15.
Maniok- oder Cassavestrauch. 75
der Euphorbiaceen hat mehrere Wurzeln, welche sich
vom ersten Jahre an verdicken, eine unregelmässig
elliptische Form annehmen, und Stärkemehl (Tapioca)
sowie einen mehr oder minder giftigen Saft enthalten.
In den äquatorialen oder tropischen Regionen, be-
sonders in Amerika, von Brasilien nach den Antillen,
ist die Cultur sehr allgemein. In Afrika ist sie es
weniger und scheint jüngern Datums zu sein. In ge-
wissen asiatischen Colonien ist sie entschieden neuerer
Einführung. Stecklinge der Stengel werden zur Fort-
pflanzung benutzt.
Es gehen die Botaniker in ihrer Meinung auseinander,
ob es angemessen sei, die unzähligen Formen von Ma-
nioks als zu einer, zwei oder selbst zu mehreren Arten
gehörig anzusehen. Pohl! liess an der Seite seiner
Manihot utilissima mehrere zu, und Dr. J. Müller? führt
in seiner Monographie der Euphorbiaceen die Form
Aipi, welche mit den andern in Brasilien angebaut wird
und deren Wurzel keine giftige ist, auf eine verwandte
Art (M. palmata) zurück. Diese giftige Eigenschaft
tritt nicht so scharf hervor, als man nach gewissen
Werken und selbst nach den Aussagen der Eingeborenen
annehmen könnte. Dr. Sagot?, welcher etwa ein Dutzend
von in Cayenne angebauten Maniokvarietäten verglichen
hat, sagt ausdrücklich: „Es gibt Manioks, von welchen
die einen giftiger sind als die andern; ich bezweifle
-aber, dass eine schädlicher Grundstoffe ganz und gar
ledig sei.“
Von diesen seltsamen Eigenschaftsverschiedenheiten
zwischen sehr ähnlichen Pflanzen kann uns die Kar-
toffel als Beispiel dienen. Der Maniok und das
Solanum tuberosum gehören alle beide zu verdäch-
tigen Familien (Euphorbiaceen und Solanaceen). Meh-
rere ihrer Arten sind in bestimmten Organen giftig;
das Stärkemehl aber, wo es sich auch findet, kann nicht
1 Pohl, Plantarum Brasiliae icones et descriptiones, I.
2 J. Müller, im Prodromus, XV, Abthlg. 2, S. 1062, 1064.
3 Sagot, im Bull. de la Société botanique de France, 8. Dec. 1871.
16 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
schädlich sein, ebenso wenig das vollständig gereinigte,
in Cellulose verwandelte Zellengewebe. Nun verwendet
man bei der Bereitung des Cassavemehls grosse Sorgfalt
darauf, die äussere Rinde der Wurzel abzukratzen, dann
den fleischigen Theil zu zerstossen oder zu zerquetschen,
um den mehr oder weniger giftigen Saft herauszutreiben,
und schliesslich unterwirft man den Brei dem Processe
des Kochens, wodurch die flüchtigen Theile entfernt
werden.t Die Tapioca ist das reine Stärkemehl ohne
Beimischung von Geweben, welche noch in dem Cassave-
mehl vorkommen. Bei der Kartoffelknolle nimmt das
äussere Häutchen schädliche Eigenschaften an, sobald
es sich, dem Lichte ausgesetzt, grün färbt, und man
weiss zur Genüge, dass schlecht gereifte oder verdorbene
Knollen, welche bei vielem Saft zu wenig Stärkemehl
enthalten, zum Essen sich nicht eignen, und den Per-
sonen, welche grössere Mengen davon verzehren, ent-
schieden schaden würden. Alle Kartoffeln und so auch
wahrscheinlich alle Manioks, schliessen schädliche Be-
standtheile ein, welche man bei den durch das De-
stilliren gewonnenen Erzeugnissen wahrnimmt und die
aus mehreren Gründen verschiedenartig sind; das Stärke-
mehl ausgenommen, muss man gegen alle übrigen Stoffe
Mistrauen hegen.
Die Zweifel, wie viele Arten man bei den cultivirten
Manioks aufstellen darf, stehen uns bei der Frage über
den geographischen Ursprung keineswegs im Wege. Sie
bieten uns im Gegentheil, wie wir sehen werden, eine
wichtige Handhabe zum Nachweis des amerikanischen
Ursprungs.
Der Abbé Raynal hatte früher die irrige Meinung
verbreitet, dass der Maniokstrauch von Afrika nach
Amerika gebracht worden sei. Robert Brown bestritt
dies im Jahre 1818?, ohne sich dabei auf Gründe zu
1 Ich weise auf das Hauptsächlichste in der Zubereitung hin. Die
Details sind je nach den Ländern verschieden. Vergleiche hierfür: Aublet,
Guyane, II, 67; Descourtilz, Flore des Antilles, III, 113; Sagot, a. a. O., etc.
2 R. Brown, Botany of Congo, S. 50.
Maniok- oder Cassavestrauch. 77
stützen, und Humboldt!, Moreau de Jonnes?, Auguste
- de Saint-Hilaire? haben auf dem amerikanischen Ur-
sprung bestanden. Aus folgenden Gründen kann man
denselben kaum in Zweifel stellen:
1. Die Manioks wurden von den Eingeborenen Bra-
siliens, Guyanas und der wärmern Gegenden Mexicos
vor Ankunft der Europäer angebaut, wie dies alle ältern
Reisenden bezeugen. Nach Acosta* war diese Cultur
auf den Antillen im 16. Jahrhundert gemein genug, um
dort ebenfalls für sie ein ziemlich hohes Alter anzu-
nehmen. -
2. In Afrika ist sie weniger verbreitet, namentlich
in den von der Westküste entfernten Regionen. Be-
kanntlich wurde der Maniok nach der Insel Bourbon
durch den Gouverneur derselben, de.Labourdonnais *,
eingeführt. In den asiatischen Ländern, wo eine so
leichte Cultur sich wahrscheinlich weiter ausgebreitet
haben würde, wenn sie auf dem afrıkanischen Continent
schon lange bestanden hätte, spricht man hier und da
von ihr als einem fremdländischen Gegenstande der
Neugierde.
3. Die Eingeborenen Amerikas hatten mehrere alte
Namen für die Maniokvarietäten, besonders in Brasi-
lien’, was in Afrika, selbst an der Küste Guineas®
nicht der Fall gewesen zu sein scheint.
4. Die in Brasilien, Guyana und auf den Antillen
_angebauten Varietäten sind sehr zahlreich, woraus man
auf eine sehr alte Cultur schliessen darf. Ganz anders
verhält es sich mit Afrika.
1 De Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 398.
2 Histoire de l’Acad. des sciences, 1824.
3 Guillemin, Archives de botanique, I, 239.
4 Acosta, Hist. nat. des Indes, trad. franc., 1598, S. 163.
5 Thomas, Statistique de Bourbon, II, 18.
6 Im Katalog des Buitenzorger botan. Gartens, 1866, S. 222, wird aus-
drücklich bemerkt, dass die Manihot utilissima von Bourbon und von
Amerika komme.
7 Aypi, Mandioca, Manihot, Manioch, Yuca etc., in: Pohl, Icones et
deser. I, 30, 33. Martius, Beiträge z. Ethnographie etc. Brasiliens, II,
122, führt eine Menge von Namen an.
8 Thonning (in: Schumacher, Plant. guin.) gibt keinen volksthümlichen
Namen für den Maniok an.
78 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
5. Die 42 bekannten Arten der Gattung Manihot,
mit Ausschluss der M. utilissima, sind alle in Amerika
wildwachsend; die meisten in Brasilien, einige in Guyana,
Peru und Mexico; nicht eine einzige in der Alten Welt.!
Sehr unwahrscheinlich ist es, dass eine einzige Art, und
noch dazu die angebaute, zu gleicher Zeit in der Alten
und in der Neuen Welt einheimisch sei, um so viel
mehr, da in der Familie der Euphorbiaceen die Wohn-
orte der holzigen Arten meistens beschränkt sind und
eine Gemeinschaft zwischen Afrika und Amerika bei
den phanerogamen Gewächsen immer zu den Selten-
heiten gehört.
Indem der amerikanische Ursprung des Manioks so-
mit nachgewiesen ist, kann man die Frage aufstellen,
auf welche Weise ihre Einführung nach Guinea und an den
Congo vor sich ging. Sie ist wahrscheinlich eine Folge
der im 16. Jahrhundert häufigen Beziehungen zwischen
den portugiesischen Handelsleuten und den Negern.
Manihot utilissima und die verwandte Aipi genannte
Art oder Varietät, welche man ebenfalls anbaut, sind
nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden.
Humboldt und Bonpland haben freilich an den Ufern des
Magdalenenstroms ein Exemplar von Manihot utilissima
gesammelt, welches sie als fast spontan ausgeben;
Dr. Sagot versichert mir aber, dass man die Pflanze in
Guyana nirgendwo entdeckt habe, und die Botaniker,
welche die heisse Region Brasiliens durchforschten,
sind hierin nicht glücklicher gewesen. .Dies geht
aus den Aeusserungen Pohl’s hervor, welcher viele Zeit
auf das Studium dieser Pflanzen verwendet hat, die
Sammlungen von Martius kannte und den amerika-
nischen Ursprung nicht in Frage stellte. Hätte er eine
spontane, mit den angebauten identische Form bemerkt,
so würde er nicht die Hypothese aufgestellt haben, dass
der Maniok von seiner Manihot pusilla? aus der Provinz
1 J. Müller, im Prodromus, XV, Abthlg. 1, S. 1057,
2 Kunth, in: Humb. et B., Nova Genera, II, 108.
3 Pohl, Icones et descript., I, 36, Taf. 26.
Knoblauch. 19
Goyaz abstamme, deren Habitus ein sehr kleiner ist,
“und welche man als eine wirkliche Art oder auch als
eine Varietät von Manihot palmata! ansieht. Auf zahl-
reiche, nach seiner Reise ihm zugegangene Nachrichten
gestützt, erklärt Martius im Jahre 1867, dass man die
Pflanze im wilden Zustande nicht kenne.” Ein älterer,
gewöhnlich recht sorgfältiger Reisender, Piso 3, spricht
von einer wilden Mandihoca, von welcher die Tapuyerier,
Eingeborene der Küste im Norden von Rio de Janeiro,
die Wurzel ässen. Sie ist „der angebauten Pflanze sehr
ähnlich“, sagt er; die Abbildung aber, welche er davon
gibt, muss den Autoren, welche sich mit den Manioks
beschäftigt haben, sehr schlecht erschienen sein. Pohl
bringt sie zu seiner M. Aipi, Dr. Müller übergeht sie
mit Stillschweigen. Was mich selbst betrifft, so bin
ich geneigt, Piso Glauben zu schenken, und seine Ab-
bildung scheint mir gar nicht so schlecht zu sein. Sie
ist besser als die, welche Vellozo von einer wilden
Maniok gibt und welche man mit einem Fragezeichen
zu M. Aipi* bringt. Will man diesen Ursprung aus
dem intertropischen Ostbrasilien nicht annehmen, so
muss man zu zwei Hypothesen seine Zuflucht nehmen:
entweder stammen die angebauten Manioks von einer
der durch die Cultur veränderten wilden Arten ab, oder
es sind Formen, die nur der Thätigkeit des Menschen
ihr Fortbestehen verdanken, nachdem ihresgleichen aus
der gegenwärtig spontanen Pflanzenwelt verschwunden
sind.
Allium sativum, Linne. — Knoblauch (fr. Aÿ).
In seinen Species gibt Linne Sicilien als Vaterland
des gemeinen Knoblauchs an; im Hortus cliffortianus
dagegen, ein Werk, welches gemeiniglich auf grössere
Genauigkeit Anspruch erhebt, schweigt er über die Ab-
1 J. Müller, im Prodromus,
2 De Martius, Beiträge zur Ethnographie etc., I, 19, 136.
3 Piso, Historia naturalis Brasiliae, 1658, S. 55.
4 Jatropia sylvestris, Vell. Fl. flum., 16, t. 83. Siehe Müller, im Pro-
dromus, XV, 1063.
80 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
stammung. Thatsache ist es, dass nach den neuesten
und vollständigsten Floren von Sicilien, ganz Italien,
Griechenland, Frankreich, Spanien und Algerien der
Knoblauch in keinem dieser Länder als einheimisch an-
gesehen wird, wenn man auch hier und da Exemplare
gesammelt hat, welche den Schein, es zu sein, in höherm
oder geringerm Grade darboten. Eine so allgemein
angebaute und so leicht sich vermehrende Pflanze kann
sich dem Bereiche der Gärten entziehen und einige Zeit
fortbestehen, ohne deswegen einen spontanen Ursprung
zu haben. Auf welche Autorität hin Kunth die Art
für Aegypten anführt!, ist mir unbekannt. Nach den
genauern Darstellungen über die Pflanzen dieses Landes?
wird sie dort nur angebaut. Boissier, dessen Herbarium
an Pflanzen des Orients so reich ist, besitzt kein wild-
wachsendes Exemplar. Die Kirgisensteppe ist das ein-
zige Land, wo der Knoblauch in positiv-gewisser Weise
wild angetroffen wurde; dies lässt sich aus den von
dort mitgebrachten und dann in Dorpat? cultivirten
Zwiebeln, sowie aus den später von Regel* gesehenen
Exemplaren schliessen. Letzterer sagt auch, ein Exem-
plar gesehen zu haben, welches Wallich in Britisch-
Indien als wildwachsend gesammelt hatte; Baker? aber,
welchem. die reichen Herbarien zu Kew zur Verfügung
standen, erwähnt diese Thatsache nicht in seiner Ueber-
sicht der Alliumarten Indiens, Chinas und Japans.
Wir wollen sehen, ob die historischen und linguisti-
schen Documente einen ausschliesslichen Ursprung vom
südwestlichen Sibirien bestätigen.
In China wird der Knoblauch seit langer Zeit unter
dem Namen Swan angebaut. Im Chinesischen schreibt
man denselben mit einem einzigen Zeichen, was ge-
wöhnlich ein Fingerzeig dafür ist, dass eine Art seit
1 Kunth, Enum., IV, 381.
2 Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 294,
3 Ledebour, Flora altaica, II, 4; Flora rossica, IV, 162.
4 Regel, Allior. monogr., S. 44.
5 Baker, in: Journ. of Bot., 1874, S. 295.
2 Bl ne Sc nn
71
Knoblauch. s1
alters her bekannt und selbst wildwachsend ist.t Die
Floren Japans? sprechen nicht vom Knoblauch, woraus
ich schliesse, dass die Art in Ostsibirien und Daurien
nicht wildwachsend vorkam, sondern dass die Mongolen
dieselbe nach China gebracht haben.
Herodot zufolge (Hist., 1. II, c. 125) machten die
alten Aegypter einen starken Gebrauch vom Knoblauch.
Die Archäologen haben in den Denkmälern hierfür kei-
nen Beweis gefunden; dies kommt aber vielleicht daher,
dass die Pflanze von den Priestern? als unrein ange-
sehen wurde.
Es kommt ein Sanskritname vor, Mahuschouda*, wor-
aus das bengalische Wort Loshoun entstanden ist, und
welcher dem hebräischen Schoum, Schumin?’, woraus
Thum oder Tum der Araber hervorging, nicht fern
zu stehen scheint. Der baskische Name Baratchouria
ist vom Grafen Charencey ® mit arischen Namen in Ver-
bindung gebracht worden. Zur Bekräftigung seiner
Behauptung will ich sagen, dass der berberische Name
Tiskert ganz verschieden ist, und dass demnach die
Iberer die Pflanze und ihren Namen eher von den Ariern
als von ihren muthmaasslichen Vorfahren aus dem nörd-
lichen Afrika empfangen zu haben scheinen. Die Letten
sagen Kiplohks, die Esten Krunslauk, woraus wahr-
scheinlich das deutsche Wort Knoblauch. Scorodon
scheint der altgriechische Name gewesen zu sein, im
Neugriechischen heisst der Knoblauch Scordon. Die
Slawen Illyriens besitzen die Namen Bili, Cesan. Die
Bretagner sagen Quinen‘; die Bewohner von Wales
Craf, Cenhinen oder Gartleg, aus letzterm entstand das
englische Garlic. Das lateinische Alium ist in die
Sprachen lateinischen Ursprungs übergegangen.° Diese
1 Bretschneider, Study and value etc., S. 7, 15 und 47.
2 Thunberg, Fl. jap.; Franchet et Savatier, Enumeratio, 1376, Bd. II.
3 Unger, Pflanzen des Alten Aegyptens, S. 42.
4 Piddington, Index, nach der englischen Orthographie Mahooshouda.
.5 Hiller, Hierophyton; Rosenmüller, Bibl. Alterthum, Bd. IV.
- 6 De Charencey, Actes de la Société philologique, 1. März 1869.
7 Davies, Welsh Botanology.
8 Alle diese Namen finden sich in meinem von Moritzi nach den
DE CANDOLLE. 6
82 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
grosse Verschiedenheit der Namen lässt eine alte Be-
kanntschaft mit der Pflanze ee selbst eine alte Cultur
derselben im westlichen Asien und in Europa voraus-
setzen. Auch wenn die Art nur in der Kirgisensteppe
vorgekommen wäre, wo man sie gegenwärtig noch an-
trifft, würden die Arjas sie angebaut und nach Indien
und Europa gebracht haben können; dann fragt man
sich aber, warum so viele keltische, slawische, griechi-
sche, lateinische, vom Sanskrit verschiedene Ninon vor-
kommen. Um eine Erklärung für diese Mannichfaltig-
keit zu geben, müsste man eine Erweiterung des ur-
sprünglichen Vaterlandes nach Westen hin gegen den
jetzt bekannten Wohnort annehmen, eine Ausdehnung,
die vor den Wanderungen der Arjas stattgefunden
hätte.
Wenn man einmal die Gattung Allium in ihrer Ge-
sammtheit zum Gegenstand einer so gewissenhaften Ar-
beit machen würde, wie dies bei jener von J. Gay über
einige ihrer Arten der Fall war!, liessen sich vielleicht
gewisse in Europa spontane Formen, die jetzt von den
Autoren zu A. arenarium, L., oder A. arenarium, Sm.,
oder auch zu A. scorodoprasum, L. gebracht werden,
nur als Varietäten von A. sativum hinstellen. Dann
würde alles im Einklang stehen: die ältesten Völker
Europas und Westasiens würden die Art so angebaut
haben, wie sie dieselbe von der Tatarei bis nach Spa-
nien antrafen und ihr mehr oder minder verschiedene
Namen beilegten.
Allium Cepa, Linne. — Sommerzwiebel (fr. Oignon).
Ich will zunächst das sagen, was man im Jahre 1855
darüber wusste.” Daran werde ich neuere botanische
Floren zusammengestellten Wörterbuch. Ich hätte noch eine grössere
Anzahl anführen, auch mögliche Etymologien nach den Philologen er-
wähnen können, z. B. nach dem Werke von Hehn: Kulturpflanzen aus
Asien, S. 171 fg.; dies ist aber nicht erforderlich, um auf die Thatsache
eines vielfachen geographischen Ursprungs, sowie auf eine alte Cultur
in verschiedenen Ländern hinzuweisen.
1 Annales des sc. nat., 3. Serie, Bd. 8
2 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, II, S2S.
Sommerzwiebel. 83
Beobachtungen schliessen, welche die auf linguistische
Angaben gestützten Vermuthungen bestätigen.
Die Sommerzwiebel ist eine der am längsten ange-
bauten Arten. Ihr ursprünglicher Wohnort ist nach
Kunth unbekannt.! Vielleicht wäre es möglich, ihn zu
entdecken. Die Neugriechen nennen Allium Cepa, wel-
ches sie vielfach anbauen, Krommudi.? Das berechtigt
uns zu der Annahme, dass das Krommuon von Theo-
phrast? dieselbe Art ist, eine schon bei den Autoren
des 16. Jahrhunderts herrschende Meinung.* Plinius °
übersetzte dieses Wort mit Caepa. Die Alten kannten
mehrere Varietäten, welche sie nach den Ländernamen,
Cyprium, Cretense, Samothraciae u. s. w. unterschieden.
Eine davon wurde in Aegypten angebaut‘; sie war von
so ausgezeichneter Beschaffenheit, dass man ihr, einer
Gottheit gleich, zur grossen Belustigung der Römer ?,
Ehrenbezeigungen erwies. Die Aegypter der Neuzeit
‚bezeichnen Allium Cepa unter dem Namen Basal® oder
Bussul?, wodurch es wahrscheinlich wird, dass Betsalim
oder Bezalim der Hebräer eine und dieselbe Art ist,
wie es die Öommentatoren!? wahr haben wollen. Es gibt
_ ganz und gar verschiedene Sanskritnamen: Palandu,
Latarka, Sukandaka!!, auch eine Menge neuerer. in-
discher Namen. In Indien, Cochinchina, China!? und
selbst in Japan!? wird die Art allgemein angebaut.
Die alten Aegypter verbrauchten sie in grossen Massen.
Die Zeichnungen in ihren Denkmälern stellen diese Art
oft dar.!* Somit geht die Cultur im südlichen Asien
und in der östlichen Region des Mittelmeers auf eine
‚überall sehr fern liegende Epoche zurück. Ausserdem
haben die chinesischen, Sanskrit-, hebräischen, griechi-
1 Kunth, Enum., IV, 394. 2 Fraas, Syn. fl. class., S. 291.
3 Theophrast, Hist., lt, rc: # 4 J. Bauhin, Hist., II, 548.
5 Plinius, Hist., 1. 19, ae 6 Ebend. 7 Juvenalis, Sat. 15.
8 Forskal, S. 63. 9 Ainslies, Mat. med. Ind., I, 269.
10 Hiller, Hieroph., IT, 36; Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., 7V2 96.
11 Piddington, Index; "Ainslies, a. à. ©.
12 Roxburgh, F1. ind., 2; Loureiro, Fl. cochinch., S. 249,
13 Thunberg, Fl. jap., Be 132.
14 Unger, Pflanzen d. Alt. Aegypt., S, 42, Fig. 22, 23, 24.
6*
84 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
schen und lateinischen Namen keinen offenbaren Zu-
sammenhang. Aus dieser letzten Thatsache lässt sich
die Hypothese ableiten, dass man nach der Trennung
der indo-europäischen Völker auf den Anbau verfallen
sei, indem die Art zu gleicher Zeit in verschiedenen
Ländern zur Verfügung stand. Ganz anders verhält es
sich mit der Gegenwart, denn man findet kaum un-
deutliche Spuren von dem spontanen Auftreten von A.
Cepa. In den europäischen Floren oder jenen des
Kaukasus habe ich keine entdeckt; Hasselquist! hat
aber gesagt: „wächst in den dem Meere nahegelege-
nen Ebenen, in der Umgegend von Jericho“. Dr. Wallich
hat in seiner Liste indischer Pflanzen, Nr. 5072, Exem-
plare angeführt, welche er in den Gegenden von Ben-
galen gesehen hatte, ohne hinzuzufügen, dass es ange-
baute waren. Diese wenn auch wenig genügende An-
gabe, das hohe Alter der Sanskrit- und hebräischen
Namen, sowie auch die Verbindungen, welche bekannt-
lich zwischen den Völkern Indiens und den Aegyptern
obwalteten, bringen mich zu der Vermuthung, dass der
Wohnsitz im westlichen Asien ein sehr weiter war, sich
vielleicht von Palästina nach Indien ausbreitete. Ver-
wandte Arten, welche man zuweilen für A. Cepa hielt,
wachsen in Sibirien.?
Augenblicklich besitzt man bessere Kenntniss über
die von anglo-indischen Botanikern gesammelten Exem-
plare, auf welche Wallich zuerst hinwies. Stokes ent-
deckte Allium Cepa als in Beludschistan einheimisch.
Er sagt: „wild auf dem Chehil Tun“. Griffith brachte
es von Afghanistan und Thomson von Lahore, ohne von
andern Sammlern zu sprechen, welche sich über die
spontane oder angebaute Eigenschaft der Pflanze nicht
weiter ausgelassen haben.? Boissier besitzt ein wild-
wachsendes Exemplar, welches in den gebirgigen Re-
gionen von Khorasan gesammelt war, und bei dem-
1 Hasselquist, Voy. and trav., S. 279. 2 Ledebour, Fl. ross., IV, 169.
3 Aitchison, A Catalogue of the plants of Punjab and Sindh (1869),
S. 19; Baker, in: Journal of Bot., 1874, S. 295.
Fe RD i TP
Winterzwiebel. 8
selben sind die Dolden kleiner als bei der cultivirten
Pflanze, das ist aber auch der einzige Unterschied.
Dr. Regel jun. fand die Art südlich von Kuldscha,
Turkestan.! So sind meine Vermuthungen von ehe-
mals vollständig gerechtfertigt, und es ist nicht un-
wahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz, wie Hasselquist
es sagte, bis nach Palästina ausbreitet.
In China bezeichnet man die Sommerzwiebel durch
einen einzigen Buchstaben (richtig geschrieben Tsung),
was ein altes Vorkommen als einheimische Pflanze muth-
maassen lässt.” Mir ist es jedoch sehr zweifelhaft, dass
der Wohnsitz sich so weit nach Osten ausbreitet.
Humboldt? berichtet, dass die Amerikaner zu allen
Zeiten die Sommerzwiebeln, mexicanisch Xonacatl, kann-
ten. „Unter den Lebensmitteln, welche auf dem Markte
des alten Tenochtitlan verkauft wurden, führt Cortes“,
sagt er, „auch Sommerzwiebeln, Porre und Knoblauch
an.“ Ich kann mich nicht zu dem Glauben verstehen,
dass diese verschiedenen Namen sich auf unsere in Eu-
_ ropa angebauten Arten beziehen. Im 17. Jahrhundert
hatte Sloane nur ein einziges in Jamaica angebautes
Allıum (A. Cepa) gesehen, und zwar in einem Garten
mit andern europäischen Gemüsen.* Das Wort Xonacatl
findet sich nicht im Hernandez, und von J. Acosta°
wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Sommer-
zwiebeln und Knoblauch Perus aus Europa stammen.
In Amerika gibt: es nur wenige Arten der Gattung
Allium.
Allium fistulosum, Linné. — Winterzwiebel (fr. Ci-
boule commune).
Das Vaterland dieser Art wurde lange Zeit hindurch
in den Floren und den Gartenbaubüchern als unbekannt
hingestellt; die russischen Botaniker haben sie aber in
1 Ill. hortic., 1877, S.167. 2 Bretschneider, Study and value, S.7 u. 47.
3 De Humboldt, Nouv.-Esp., 2. Aufl., II, 476. 4 Sloane, Jam., I, 75.
5 Acosta, Hist. nat. des Indes, trad. franc., S. 165.
FRE
86 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Sibirien nach dem Altai hin am Baikalsee als wilde
Pflanze gefunden.!
Die Alten kannten sie nicht.” Im Mittelalter oder
etwas später muss sie von Russland aus nach Europa
gekommen sein. Ein Autor des 16. Jahrhunderts, Do-
doens?, gibt von ihr unter dem Namen Cepa oblonga
eine wenig kenntliche Abbildung.
Allium Ascalonicum, Linné. — Schalotte (fr. Echalote).
Plinius* zufolge glaubte man, dass die Pflanze nach
der Stadt Askalon in Judäa benannt sei; Dr. E. Four-
nier ist jedoch der Meinung, dass sich der lateinische
Autor über die Bedeutung des Wortes Askalönion von
Theophrast geirrt habe. Wie dem nun auch immer
sei, so hat sich dieser Name in den neuern Sprachen
als Echalote im Französischen, Chalote im Spanischen,
Scalogno ım Italienischen, Eschlauch, Schaloëte im
Deutschen u. s. w. fortgepflanzt.
Im Jahre 1855 sprach ich von dieser Art folgender-
maassen ®:
„Nach Roxburgh? wird Allium Ascalonicum in Indien
vielfach angebaut. Der Sanskritname Pulandu wird
darauf bezogen, ein fast identisches Wort mit Palandu,
welches sich auf Allium Cepa°® beziehen soll. Augen-
scheinlich ist die Unterscheidung zwischen diesen zwei
Arten in den indischen oder anglo-indischen Werken
keine deutliche.
„Loureiro berichtet, das Allium Ascalonicum in
Cochinchina? angebaut gesehen zu haben, China führt
er aber nicht an, und Thunberg erwähnt sie nicht für
Japan. Somit ist die Cultur nach der östlichen Region
Asiens keine zu allgemeine. Diese Thatsache, sowie
Ledebour, Flora rossica, IV, 169.
Lenz, Botanik der alten’ Griechen und Römer, S. 295.
Dodoens, Pemptades, S. 687. 4 Plinius, Hist., 19/00:
In seiner Schrift „Cibaria“ wird er darüber sprechen.
Geographie bot. raisonnee, S. 329.
Roxburgh, Fl. ind. (1332), II, 142. 8 Piddington, Index.
Loureiro, Fl. cochinch., S. 251.
© I OO O1 69 NO MH
)
Schalotte, | 87
der Zweifel über den Sanskritnamen veranlassen mich
“ zu dem Glauben, dass sie im südlichen Asien kein hohes
Alter aufweise. Trotz des Namens der Art glaube ich
ebenso wenig, dass sie im westlichen Asien vorkam.
Rauwolf, Forskal und Delile geben sie für Sibirien,
Arabien und Aegypten nicht an. Nach Linne! soll
Hasselquist die Art in Palästina gefunden haben. Es
fehlt ihm aber leider an Details über die Localität so-
wie über die spontane Beschaffenheit. In den ,, Voyages‘
von Hasselquist? finde ich eine Cepa montana, welche
auf dem Tabor und einem benachbarten Berge vor-
kommt; es liegt aber kein Beweis vor, dass diese Art
damit gemeint ist. In seiner Abhandlung über die
Sommerzwiebeln und Knoblaucharten der Hebräer (5.290)
erwähnt er nur Allium Cepa, sowie A. Porrum und
sativum. Von Sibthorp ward sie in Griechenland nicht
gefunden®, und Fraas spricht nicht von ihr als einer
gegenwärtig in jenem Lande angebauten Pflanze.* Nach
Koch hat sie sich in den Weinbergen bei Fiume natu-
ralisirt. Jedoch wird sie von Visiani® nicht als in
Dalmatien angebaut erwähnt.
„Stelle ich die Thatsachen zusammen, so gelange ich
zu der Ansicht, dass Allium Ascalonicum keine Art ist.
Um über das ursprüngliche Vorkommen Zweifel zu
hegen, genügt es: 1) Theophrast und die Alten im all-
gemeinen haben von ihr als einem Mittelding des Allium
. Cepa gesprochen, welches selbst von geringerer Wich-
tigkeit war als die in Griechenland, Thrazien und an-
derswo angebauten Varietäten; 2) der Beweis fehlt für
das Vorkommen im wilden Zustande; 3) in den Län-
dern, wo die Schalotte muthmaasslich ihre Geburtsstätte
hat, wie in Syrien, Aegypten, Griechenland, baut man
sie wenig oder gar nicht an; 4) gemeiniglich bringt sie
1 Linné, Species, S. 4-9.
2 Hasselquist, Voy. and trav., 1766, S. 231, 232.
3 Sibthorp, Prodr. 4 Fraas, Syn. fl. class., S. 291,
5 Koch, Synops. fl. Germ., 2. Aufl., S. 833.
6 Visiani, Flora dalmat., S. 138.
88 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
keine Blumen hervor, weshalb Bauhin sie Cepa sterilis
nannte, und steht die Menge der Zwiebelbrut mit dieser
Thatsache in ganz natürlichem Zusammenhange; 5) wenn
sie blüht, so gleichen die Blumenorgane jenen des A.
Cepa, wenigstens hat man bis dahin noch keine Unter-
schiede entdeckt, und besteht nach Koch! die einzige
Verschiedenheit in dem weniger angeschwollenen, wenn
auch röhrigen Schaft und Blättern.“
Dies war meine Meinung.” Meine Zweifel werden
durch die seit 1855 veröffentlichten Thatsachen nicht
beseitigt, sondern vielmehr bestärkt. Als Regel im
Jahre 1875 seine Allium - Monographie herausgab,
fügte er die Erklärung bei, dass er die Schalotte nur
im angebauten Zustande gesehen habe. Aucher Eloy
hat eine Pflanze Kleinasiens unter dem Namen A. As-
calonicum (Nr. 2012) vertheilt, nach meinem Exemplar
gehört sie aber sicherlich nicht zu dieser Art. Von
Boissier höre ich, dass er A. Ascalonicum im Orient
nie gesehen habe, und in seinem Herbarium keine Pflanze
davon besitze. Die Pflanze von Morea, welche in der
Flora von Bory und Chaubard diesen Namen trägt, ist
eine ganz verschiedene Art, welche er A. gomphrenoides
nannte. In seiner Uebersicht der Alliumarten Indiens,
Chinas und Japans führt Baker? nach den Exemplaren
von Griffith und Aitchison A. Ascalonicum für Gegenden
Bengalens und des Pendschab an, doch mit dem Zusatze:
„wahrscheinlich sind es angebaute Pflanzen“. Baker bringt
zu Ascalonicum noch Allium Sulvia, Ham., von Nepaul,
eine wenig bekannte Pflanze, deren wildwachsende Eigen-
schaft ungewiss ist. Die Schalotte bringt eine Menge
von Brutzwiebeln hervor, welche sich in der Nähe der
Culturen vermehren oder fortbestehen können und so
zu Irrthümern über den Ursprung Veranlassung geben.
Mit einem Worte, es ist diese Alliumform, trotz des
Fortschritts der botanischen Forschungen im Orient und
1 Koch, Synops. fl. Germ.
2 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 829,
3 Baker, im: Journal of Bot., 1874, S. 295.
Rocambollen-Lauch. 89
in Indien noch nicht mit Bestimmtheit im wilden Zu-
stande gefunden worden. Mehr als je erscheint sie mir
somit als eine Modification des A. Cepa, die ungefähr
zu Anfang der christlichen Zeitrechnung eingetreten ist,
eine Abänderung, die von geringerm Belang ist als
viele solcher, welche man bei andern angebauten Pflan-
zen, z. B. den Kohlarten nachgewiesen hat.
Allium Scorodoprasum, Linne. — Rocambollen-Lauch
(fr. Rocambole).
Wenn man in den botanischen Werken von Linné
an bis auf unsere Tage einen Blick auf die Beschrei-
bungen und die Synonymie des A. Scorodoprasum wirft,
so wird man bald gewahr werden, dass es einzig und
allein der volksthümliche Name Rocambolle ist, welcher
keine Meinungsverschiedenheit bei den Autoren zulässt.
Was die unterscheidenden Merkmale anbetrifft, so ver-
setzen selbige die Pflanze bald in die Nähe von Allium
sativum, bald lassen sie das Gegentheil eintreten. Mit
so verschiedenen Definitionen wird es schwer, zu wissen,
in welchem Lande die gut bekannte, als Rocambolle an-
gebaute Pflanze wild auftritt. Cosson und Germain zu-
folge wächst sie in der Umgegend von Paris.! Nach
Grenier und Godron? findet sich dieselbe Form im Osten
Frankreichs. Burnat berichtet, die gut spontane Art
im Departement der See-Alpen gefunden zu haben, und
wurden Herrn Boissier von ihm mehrere Exemplare
überwiesen. Willkomm und Lange sehen sie nicht als
in Spanien wildwachsend an°, wenn auch A% oder
Echalote d’Espagne einer der französischen Namen für
die angebaute Pflanze ist. In Rücksicht auf die Un-
sicherheit über die specifischen Charaktere scheinen mir
viele andere Localitäten in Europa zweifelhaft zu sein.
Ich bemerke jedoch, dass nach Ledebour* die Pflanze,
1 Cosson et Germain, Flore, II, 553.
2 Grenier et Godron, Flore de France, III, 197.
3 Willkomm et Lange, Prodrom. fl. hisp., I, 885.
4 Ledebour, Flora rossica, IV, 163.
90 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
welche er A. Scorodoprasum nennt, in Russland von
Finland bis nach der Krim sehr gemein ist. Boissier
erhielt ein ihm von dem Botaniker Sintenis zugeschicktes
Exemplar aus der Dobrudscha. Demnach würde der
natürliche Wohnsitz der Art an jenen von Allium sati-
vum stossen, oder es wird auch ein aufmerksames Stu-
dium aller der Formen den Beweis liefern, dass eine
einzige, mehrere Varietäten umfassende Art sich über
einen grossen Theil Europas und seine Grenzländer in
Asien ausbreitet.
Die Cultur des Rocambollen-Lauchs scheint von kei-
nem sehr hohen Alter zu sein. In den Werken über
Griechenland und Rom ist nicht die Rede davon, des-
gleichen nicht in der Aufzählung der Pflanzen, welche
von Karl dem Grossen seinem Gartenintendanten an-
empfohlen wurden. Auch Olivier de Serres schweigt
hierüber. Nur eine kleine Zahl volksthümlicher, ur-
sprünglicher Namen finden wir bei den alten Völkern.
Die charakteristischsten zeigen sich im Norden: Skovlög
in Dänemark, Keipe und Rackenboll in Schweden.?
Rockenbolle, woraus der französische Name entstand, ist
der deutsche. Er hat nicht die Bedeutung, welche
Littré ihm zuschreibt. Seine Etymologie ist Bolle,
Zwiebel und Rocken?®, zwischen den Felsen wachsend.
Allium Schoenoprasum, Linne. — Schnittlauch (fr.
Ciboulette, Civette).
Der Wohnsitz dieser Art ist auf der nördlichen He-
misphäre ein sehr ausgebreiteter, nämlich ganz Europa
von Corsica oder Griechenland bis nach dem südlichen
Schweden; in Sibirien bis nach Kamtschatka, und auch
in Nordamerika, da aber nur in der Nähe des obern
Huronensees und weiter nach Norden*, was im Ver-
gleich zu dem europäischen Wohnsitz als ein recht
eigenthümlicher Umstand angesehen werden kann. Die
1 Le Grand d’Aussy, Histoire de la vie des Francais, I, 122,
2 Nemnich, Polyglott. Lexicon, S. 187. 3 Ebendas.
4 Asa Gray, Botany of Northern States, 5. Aufl., S. 534,
Taro. 91
Form, welche in den Alpen vorkommt, steht der an-
gebauten am nächsten.!
Den Alten musste auf alle Fälle die Art bekannt
sein, weil sie in Italien und Griechenland wildwachsend
ist. Targioni ist der Meinung, dass dies das Scorodon
Schiston von Theophrast ist, es handelt sich hier aber
um Worte ohne Beschreibungen, und Autoren wie
Fraas und Lenz, welche sich mit Auslegung der grie-
chischen Texte speciell befassen, zeigen die Vorsicht,
nichts zu bestätigen. Wenn die alten Namen zweifel-
haft sind, so ist es die Thatsache der Cultur zu jener
Zeit noch viel mehr. Möglich ist es, dass man die
Pflanze auf freiem Felde einzusammeln pflegte.
Arum esculentum, Linne. Colocasia antiquorum,
Schott.” — Taro (fr. Colocase).
An feuchten Orten der meisten intertropischen Länder
wird diese Art angebaut. Es ist der untere Theil des
Stengels, welcher anschwillt und einen essbaren Wurzel-
stock bildet, der dem unterirdischen Organe der Schwert-
lilien zu vergleichen ist. Die Blattstiele und Blätter
werden ausserdem als Gemüse verwerthet.
Seitdem die verschiedenen Formen der Art gut klassi-
fieirt worden sind, und man genauere Documente über
die Floren des südlichen Asiens besitzt, waltet kein
Zweifel mehr darüber ob, dass diese Pflanze in Indien
spontan ist, wie dies schon früher Roxburgh? und
neuerdings Wight* und andere behaupteten; ebenso
in Ceylon®, Sumatra® und andern Inseln des Malaiischen
Archipels.?
Das erste chinesische Buch, welches dieses Gewächs
1 De Candolle, Flore francaise, IV, 227.
2 Arum Aegyptium, Columna, Ecphrasis, II, 1, Taf. 1; Rumphius, Am-
boin., Bd. 5, Taf. 109. — Arum Colocasia und A. esculentum, Linné. —
Colocasia antiquorum, Schott., Melet., I, 18; Engler, in: D. C. Monogr.
Phaner., II, 491.
3 Roxburgh, Fl. ind., III, 495. 4 Wight, Icones, t. 786.
5 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 335.
6 Miquel, Sumatra, S. 258. 7 Rumphius, Amboin., V, 318.
92 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
erwähnt, erschien im Jahre 100 unserer Zeitrechnung.!
Die ersten europäischen Seefahrer sahen sie in Japan
und bis im Norden von Neuseeland angebaut?; diese
Cultur ist wahrscheinlich frühern Einführungen zuzu-
schreiben, und man kann mit Sicherheit kein gleich-
zeitiges Bestehen wildwachsender Individuen nachweisen,
Hingeworfene Fragmente vom Stengel oder der Knolle
naturalisiren sich leicht am Ufer fliessender Gewässer.
Nach den von den Autoren angegebenen Localitäten ?
ist dieses vielleicht für die Fidschi-Inseln und Japan ein-
getreten. Hier und da wird der Taro auf den Antillen
und anderswo im tropischen Amerika angebaut, jeden-
falls aber bedeutend weniger als in Asien und Afrika,
und ohne dass irgendetwas einen amerikanischen Ur-
sprung andeutete.
Es gibt in den Ländern, wo die Art wild vorkommt,
volksthümliche, zuweilen sehr alte Namen, die unter
sich ganz und gar verschieden sind, was einen localen
Ursprung bestätigt. Der Sanskritname Kutschu findet
sich in den neuern indischen Sprachen, z. B. im Ben-
galischen.* Auf Ceylon heisst die wildwachsende Pflanze
Gahala, die angebaute Kandalla.° Die malaiischen
Namen sind Kelady®, Tallus, Tallas, Tales oder Ta-
loes’, davon abzuleiten ist vielleicht der so bekannte
Name Tallo oder Tarro® der Bewohner von Otahaiti
und Neuseeland’; auf den Fidschi-Inseln nennt man die
Pflanze Dalo.19 Die Japanesen haben einen ganz ver-
schiedenen Namen, Imo!!, der auf ein sehr hohes Alter
der Pflanze, sei es im wilden oder angebauten Zu-
stande, hinweist.
Die europäischen Botaniker kannten den Taro zu-
nächst von Aegypten aus, wo er seit einer vielleicht
1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works, S. 12.
2 Forster, Plantae escul. 8.58.
3 Franchet et Savatier, Enum., S. 8; Seemann, Flora Vitiensis, S. 284.
2 Roxburgh, a. a. O. 5 Thwaites, a. 2. O. 6 Rumphius, a. a. O
7 Miquel, Sumatra, S. 258; Hasskarl, N horti bogor. alter, S.55.
8 Forster, 2. 2.0. 9 Seemann, a. 0.
10 Franchet et Savatier, a. a. O. in Plinius, Hist., L 19, c. 5.
Be
Be.
Taro. 93
nicht sehr fern gelegenen Zeit angebaut wird. Die
Denkmäler der alten Aegypter liefern keinen Finger-
zeig; Plinius hat aber von dieser Pflanze unter dem
Namen Arum Aegyptium gesprochen. Prosper Alpini
sah sie im 16. Jahrhundert und spricht ausführlich von
ihr.t Er berichtet, dass man sie in Aegypten Culcas
nennt, welches Wort von Delile? @olkas und Koulkas
geschrieben wird. In diesem bei den Aegyptern gebräuch-
lichen arabischen Namen zeigt sich einige Analogie mit
dem Sanskrit Kutschu, wodurch die ziemlich wahr-
scheinliche Annahme einer Einführung von Indien oder
von Ceylon aus noch mehr Begründung findet. Clu-
sius® hatte die Pflanze in Portugal als von Afrika
kommend angebaut gesehen, und zwar unter dem Na-
men Alcoleaz, der augenscheinlich arabischen Ursprungs
ist. In einigen Gegenden des südlichen Italien, wo
sich die Art naturalisirt hat, nennt man sie, nach Par-
latore®, Aro di Egitto.
Der von den Griechen einer Pflanze beigelegte Name
Colocasia, deren Wurzel von den alten Aegyptern ver-
werthet wurde, kann augenscheinlich von Colcas ab-
stammen, wenn er auch auf eine andere Pflanze bezogen
wurde als auf den echten Colcas. In der That bezieht
Dioscorides ihn auf die Bohne des Pythagoras oder
Nelumbium?, eine Pflanze mit dicker Wurzel oder viel-
mehr Wurzelstock, der ziemlich faserig ist und sich
zum Essen wenig eignet. Die zwei Pflanzen sind, be-
sonders in der Blume, sehr voneinander verschieden.
Die eine gehört zur Familie der Araceen, die andere
zu jener der Nymphaeaceen, eine zur Klasse der Mono-
cotyledonen, die zweite zu der der Dicotyledonen. Das
ursprünglich indische Nelumbium findet sich nicht mehr
in Aegypten, während sich die Colocasia der neuern
1 Alpinus, Hist. Aegypt. naturalis, 2. Auf, I, 166; II, 192.
2 Delile, Flora Egypt. ill., S. 28. De la Colocase des anciens, 1346.
3 Clusius, Historia, II, 75. . 4 Parlatore, Fl. ital., II, 255.
5 Prosper Alpinus, a. a. O.; Columna; Delile, Ann. du Mus., I, 375, De
la Colocase des Anciens: Reynier, Économie des Égyptiens, S. 321.
94 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Botaniker dort erhalten hat. Wenn bei den griechischen
Schriftstellern eine wahrscheinlich erscheinende Verwir-
rung obgewaltet hat, so muss man sie durch die That-
sache zu erklären suchen, dass der Colcas wenigstens
in Aegypten selten zur Blüte gelangt. In Bezug auf
die botanische Nomenclatur kommt es wenig darauf an,
ob man sich einst über die Colocasia zu bezeichnenden
Pflanzen geirrt hat. Glücklicherweise stützen sich die
neuern wissenschaftlichen Namen nicht auf die zweifel-
haften Bestimmungen der Alten, und wenn man auf
Etymologien Werth legt, so genügt jetzt der Ausspruch,
dass Colocasie infolge eines Irrthums von Colcas ab-
stammt.
Alocasia macrorrhiza, Schott. Arum macrorrhizum,
Linne (Fl. Zeyl. 327). — Grosswurzelige Alocasie (fr.
Alocase à grande racine).
Diese von Schott bald zur Gattung Colocasia und
bald zu Alocasia gebrachte Aracee, deren Synonymie
eine verwickeltere ist, als es nach den oben angegebe-
nen Namen! erscheinen dürfte, wird weniger häufig als
die gemeine Colocasia angebaut, doch ist ihre Cultur
dieselbe und findet fast in denselben Ländern statt.
Ihre Wurzelstöcke erreichen die Länge eines Armes, sie
besitzen einen recht ausgeprägt scharfen Geschmack,
welcher durch den Process des Kochens beseitigt wer-
den muss.
Die Bewohner von Otahaiti nennen die Pflanze Ape,
jene der Freundschaftsinseln Kappe.” Auf Ceylon ist
ihr volksthümlicher Name nach Thwaites® Habara. Im
Indischen Archipel kommen noch andere Namen vor,
woraus man schliessen kann, dass sie schon vor den
jetzigen Völkern jener Regionen dort auftrat.
Die Pflanze scheint besonders auf der Insel Otahaitif
wildwachsend zu sein. Nach Thwaites, welcher während
1 Vgl. Engler in unsern Monographiae Phanerogarum, II, 502.
2 Forster, De plantis esculentis insularum Oceani australis, S. 58.
3 Thwaites, Enum. plant. Zeyl., 336.
4 Nadeaud, Enum. des plantes indigènes, S. 40,
Konjak. 19
‘einer langen Zeit auf Ceylon Pflanzen sammelte, soll sie
es auch dort sein. Ausserdem führt man sie für Indien
und selbst für Australien ! an, jedoch ohne dabei die
wildwachsende Eigenschaft zu bestätigen, was immer
bei einer Art schwer hält, die an Bächen angebaut
wird und sich durch Brutzwiebeln vermehrt. Ausser-
dem hat man diese Art zuweilen mit der Colocasia
indica, Kunth, verwechselt, deren Wachsthum dasselbe
ist und welche man hier und da in den Culturen an-
trifft, auch wildwachsend oder naturalisirt in den Gräben
oder an den Bächen des südlichen Asiens vorkommt,
ohne dass sich über ihre Geschichte etwas mit Be-
stimmtheit nachweisen lässt.
Amorphophallus Konjak, C. Koch. Amorphophallus Ri-
vieri, du Rieu, var. Konjak, Engler.” — Konjak (fr. Konjak).
Der von den Japanesen im grossen angebaute Kon-
jak, über dessen landwirthschaftliche Verwerthung Dr.
Vidal im „Bulletin de la Société d’acclimatation‘“ vom
Juli 1877 sehr ausführliche Details gegeben hat, ist
eine Knollenpflanze aus der Familie der Araceen. Engler
‘sieht sie als eine Varietät des in Cochinchina heimi-
schen Amorphophallus Rivieri an, wovon die Garten-
zeitungen seit einigen Jahren mehrfach Abbildungen ge-
geben haben.” Im Süden Europas kann man sie, ähn-
lich wie die Dahlien, aus Liebhaberei anbauen; will
. man aber den essbaren Werth der Knollen kennen ler-
nen, so muss man dieselben, wie dies die Japanesen
thun, einer Bereitung mit Kalkmilch unterwerfen und
sich des Gewinns an Stärkemehl auf einer gegebenen
Fläche Landes vergewissern.
Vidal hat keine Beweise dafür, dass die Pflanze Ja-
pans in dem Lande auch wildwachsend sei. Er ver-
muthet es nur nach dem Sinn des volksthümlichen
1 Bentham, Flora austral., VIII, 155.
2 Engler, in DC. Monogr. Phaner., II, 313.
3 Gardener’s Chronicle, 1873, S. 610; Flore des serres et jardins, Taf,
1358, 1959; Hooker, Bot. Mag., Taf. 6195.
96 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Namens, welcher, wie er sagt, Konniyaku oder Yama-
gonniyaku ist (Yama bedeutet Gebirge). Franchet
und Savatier! haben die Pflanze nur in den Gärten
angetroffen. Die cochinchinesische Form, von welcher
man annimmt, dass sie zur selben Art gehöre, stammt
aus den Gärten, und es fehlt die Bestätigung ihres
spontanen Auftretens im Lande.
Dioscorea sativa, D. Batatas, D. japonica und D.
alata. — Yamswurzeln (fr. Ignames).
Die Yamswurzeln, monocotyledonische Pflanzen aus
der Familie der Dioscoreaceen, machen die Gattung
Dioscorea aus, von welcher die Botaniker fast zweihundert
Arten beschrieben haben, die sich in allen intertropischen
oder subtropischen Ländern verbreitet finden. Gewöhn-
lich haben sie Wurzelstöcke, d. h. mehr oder minder
fleischige, unterirdische Stengel oder Verzweigungen von
Stengeln, welche sich dann zu verdicken anfangen, wenn
der der Luft ausgesetzte, einjährige Theil am Absterben
ist.” Wegen dieser mehligen Wurzelstöcke, welche ge-
kocht wie Kartoffeln gegessen werden, baut man meh-
rere Arten in verschiedenen Ländern an.
Die botanische Unterscheidung der Arten ist immer
mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, weil sich die
männlichen und weiblichen Blumen auf verschiedenen
Individuen befinden, und man die Charaktere, welche
in den Wurzelstöcken und dem untern Theile der über
der Erde wachsenden Stengel liegen, in den Herbarien
nicht antrifft. Die letzte zusammenfassende Beschreibuug
ist die von Kunth? aus dem Jahre 1850. Sie verlangt eine
Revision, da die Reisenden seit einigen Jahren zahlreiche
Exemplare mitgebracht haben. Glücklicherweise kön-
nen, sobald es sich um den Ursprung der angebauten
1 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, II, 7.
2 Sagot hat die Art und Weise des Wachsthums, sowie die Cultur der
Yamswurzeln nach seinen in Cayenne gemachten Beobachtungen sehr gut
beschrieben. Bull. de la Soc. bot. de France, 1871, S. 306.
3 Kunth, Enumeratio, Bd. V.
FL de
Yamswurzel. A
Arten handelt, gewisse historische und linguistische Er-
wägungen den Weg zeigen, und es ist hierbei nicht
durchaus erforderlich, die botanischen Charaktere jeder
Art zu kennen und abzuschätzen.
Roxburgh zählt mehrere in Indien angebaute Dios-
coreen ! auf, keine derselben fand er aber im wilden
Zustande, und weder er noch Piddington ? führen San-
skritnamen an. Dieser letzte Punkt lässt auf eine in In-
dien wenig alte oder ehemals wenig verbreitete Cultur
schliessen, die entweder von einheimischen, noch schlecht
definirten oder von ausländischen, ee, angebauten
Arten herrührte. Im cn und Hindustanischen
ist Alu der generische Name, dem ein besonderes Beiwort
für jede Varietät oder Art voransteht, z.B. Kam Alu
für Dioscorea alata. Auch das Fehlen von bestimmten
Namen in jeder Provinz lässt eine wenig alte Cultur
annehmen. Thwaites? gibt für Ceylon sechs spontane
Arten an, ausserdem werden Dioscorea alata L., D. sa-
tiva L. und D. purpurea Roxb. als in den Gärten an-
gebaut, aber nicht wildwachsend von ihm aufgeführt.
Die chinesische Yamswurzel, Dioscorea Batalas De-
caisne’s®, welche von den Chinesen als Sain-in im Grossen
angebaut wird und von Montigny in die Gärten Eu-
ropas eingeführt wurde, wo sie aber ein Luxusgemüse
bleibt, ıst bisjetzt nicht wildwachsend in China auf-
gefunden worden. Einige weniger bekannte Arten wer-
den desgleichen von den Chinesen angebaut, besonders
die Schu-yü, Tu-tschu, Schan-yü, welche sich in ihren
alten Werken über Ackerbau erwähnt findet, und die,
statt der spindelförmigen Wurzeln, wie bei D. Batatas,
kugelrunde Wurzelstöcke besitzt. Nach Stanislas Julien
bedeuten diese Namen so viel wie Arum vom Ge-
birge, woraus auf eine wirklich zur Landesflora ge-
1 Es sind D. globosa, alata, rubella, purpurea, fasciculata, von welchen
zwei bis drei nur Varietäten zu sein scheinen.
2 Piddington, Index. 3 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 326.
4 Decaisne, Histoire et culture de l’Igname de Chine, in: Revue hor-
ticole, 1, Juli und Dec, 1853; Flore des serres et jardins, X, Taf, 971,
DE CANDOLLE, 4
98 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
hörige Pflanze geschlossen werden kann. Dr. Bret-
schneider! führt drei in China angebaute Arten an
(Dioscorea Batatas, alata, sativa), und er fügt hinzu:
„Die Dioscorea ist in China einheimisch, denn sie wird
in dem ältesten medicinischen Werke, dem des Kaisers
Schen-nung, erwähnt.“
Die Dioscorea japonica, Thunberg, in Japan ange-
baut, ist ebenfalls in dem Buschholz verschiedener Ge-
genden angetroffen worden, ohne dass man mit irgend-
welcher Bestimmtheit wüsste, berichten die Herren
Franchet und Savatier?, bis zu welchem Grade sie dort
einheimisch ist, oder infolge der Cultur weiter verbreitet
wurde. Eine andere, noch häufiger in Japan angebaute
Art vermehrt sich, nach denselben Verfassern, hier und
da auf freiem Felde. Dieselben bringen sie zu der Dios-
corea sativa Linné’s, man weiss aber, dass der berühmte
Schwede mehrere asiatische und amerikanische Arten
unter diesem Namen vereinigt hatte; derselbe ist daher
ganz zu streichen oder auf eine der Arten vom Malai-
ischen Archipel zu beschränken. Geschieht letzteres, so
würde die echte D). sativa die auf Ceylon angebaute
Pflanze sein, welche Linn& bekannt war, und die Thwaites
in der That Dioscorea sativa, Linne, nennt. Verschie-
dene Autoren lassen die Identität der ceylonischen Pflanze
mit andern ın Malabar, Sumatra, Java, den Philippinen
u. s. w. angebauten gelten. Blume”? behauptet, dass
die D. sativa, L., auf welche er die Abbildung 51 von
Rheede (,„Malabar‘‘, Bd. 8) bezieht, in den feuchten Ge-
birgsgegenden von Java und Malabar wächst. Um die-
sen Versicherungen Glauben zu schenken, müsste zuvor
die Frage in Bezug auf die Art nach authentischen
Exemplaren sorgfältig geprüft werden.
Die auf den Südseeinseln unter dem Namen Ubi am
meisten angebaute Yamswurzel ist die Dioscorea alata
Linne’s. Sie soll nach den Autoren des 17. und 18. Jahr-
1 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 12,
2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, II, 47.
3 Blume, Enum, plant, Javae, S, 22,
Yamswurzel. 99
hunderts auf Otahaiti, in Neuguinea, auf den Molukken
u. s. w. sehr verbreitet sein.! Je nach der Form der
Wurzelstöcke unterscheidet man mehrere Varietäten von
ihr. Niemand will diese Art im wilden Zustande ge-
funden haben; die Flora der Inseln, wo sie wahr-
scheinlich einheimisch ist, besonders die von Celebes,
Neuguinea u. s. w., ist aber noch wenig bekannt.
Versetzen wir uns jetzt nach Amerika. Auch dort
kommen mehrere Arten der Gattung, besonders in Bra-
silien, Guyana u. s. w. wildwachsend vor, es scheint
aber, als ob die angebauten Formen eher einge-
führt wurden. So führen die Autoren in der That nur
wenige angebaute Varietäten oder Arten an (Plumier
eine, Sloane zwei), auch nur wenige volksthümliche Na-
men. Der verbreitetste ist Yam, Igname oder Inhame,
welcher nach Hughes afrikanischen Ursprungs ist, wie
auch die zu seiner Zeit auf der Insel Barbadoes ange-
baute Pflanze.?
Das Wort Yam bedeutet nach demselben Verfasser
in den Idiomen mehrerer Negerstämme von der Küste
Guineas soviel wie essen. Freilich haben zwei der
Entdeckung Amerikas der Zeit nach näher stehende, von
Humboldt? erwähnte Reisende das Wort Zgname auf
dem amerikanischen Festlande gehört, nämlich Vespucei
im Jahre 1497 an der Küste von Paria, Cabral drei
Jahre später in Brasilien. Nach letzterm bezöge sich
der Name auf eine Wurzel, aus welcher Brot gemacht
würde, was sich besser auf den Maniok beziehen liesse
und mich einen Irrthum befürchten lässt, um soviel
mehr, da eine von Humboldt? anderwärts angeführte
Stelle des Vespucci den Beweis liefert, dass derselbe den
Maniok mit der Yamswurzel verwechselte. Die D.
Cliffortiana Lam. wächst in Peru? und Brasilien® wild,
1 Forster, Plant. esculent., S. 56; Rumphius, Amboin., Bd. 5, Taf. 120,
121 etc.
2 Hughes, Hist. nat. Barb., S. 226 und 1750.
3 Humboldt, Nouv. Esp., 2. Aufl., II, 468. 4 Ebend., S. 403.
5 Haenke, in; Presl, Rel., S. 133. 6 Martius, Flora brasiliensis, V, 43,
Le À
{
100 Zweiter Theil. Erstes Kapitel,
es liegt mir aber kein Beweis vor, dass man sie an-
baut. Presl sagt ,vero similiter colitur“ und die „Flora
brasiliensis“ spricht von keiner Cultur.
Im französischen Guyana wird Dr. Sagot! zufolge
ganz insbesondere Dioscorea triloba Lam. angebaut, dort
indianische Yamswurzel genannt, welche auch in Bra-
sılien und auf den Antillen verbreitet ist. Der volks-
thümliche Name lässt darauf schliessen, dass sie im
Lande einheimisch ist, während eine andere Art, D.
Cayennensis Kunth, die ebenfalls in Guyana und zwar
unter dem Namen I/gname pays-negre angebaut wird,
wahrscheinlich von Afrika dorthin gelangte, eine Mei-
nung, die um so wahrscheinlicher ist, da Sir W. Hooker
die in Afrıka an den Ufern des Nun und der Quorra
angebaute Yamswurzel mit der D. Cayennensis vergleicht.?
Schliesslich ist die Zgname franche von Guyana nach
Sagot die Dioscorea alata, die vom Malaiischen Archipel
und Oceanien dorthin eingeführt wurde.
In Afrika gibt es weniger einheimische Dioscoreen
als in Asien und Amerika, und auch die Cultur der
Yamswurzeln ist dort eine nicht so allgemeine. An der
Westküste werden nach Thonning? nur eine oder zwei
Arten angebaut. Am Congo sah Lockhard nur eine
Art und zwar nur an einem Orte.f Bojer° zählt für
die Insel Mauritius vier angebaute Arten auf, die, wie
er sagt, von Asien kommen sollen, und eine, D. bulbi-
fera Lam., welche, wenn der Name der richtige ist,
indischen Ursprungs sein würde. Bojer behauptet, dass
sie von Madagascar kam und sich in den Wäldern,
ausserhalb des Culturbereichs ausgebreitet hat. In Mau-
ritius nennt man sie Cambare marron. Das Wort Cam-
bare steht aber dem indischen Kam ziemlich nahe, und
marron bezeichnet eine der Cultur entsprungene Pflanze.
Die alten Aegypter bauten keine Yamswurzeln an, was
eine in Indien weniger alte Cultur als die der Colocasia
Sagot, Bull. Soc. bot. France, 1871, S. 305. ;
Hooker, Flora nigrit., S. 53. % Thonning, Plantae guineenses, S. 447,
Brown, Congo, S. 49, 5 Bojer, Hortus mauritianus,
nV
Pfeilwurzel. 101
muthmaassen lässt. Forskal und Delile sprechen nicht
von in Aegypten zur Neuzeit angebauten Yamswurzeln.
Alles zusammengerechnet, wurden mehrere in Asien
wildwachsende Dioscoreen (besonders im asiatischen
Archipel) und andere, weniger zahlreiche in Amerika
und Afrika einheimische, in die Culturen als Nähr-
pflanzen eingeführt, dies geschah aber wahrscheinlich
zu weniger fern liegenden Zeiten als bei vielen andern
Pflanzenarten. Diese letzte Annahme stützt sich auf
das Fehlen eines Sanskritnamens, auf die geringe geo-
graphische Culturausbreitung und auf das dem Anscheine
nach nicht sehr hohe Alter der Bewohner der Südsee-
inseln.
Maranta arundinacea, Linne. — Pfeilwurzel (engl.
u. fr. Arrow-root).
Eine der Gattung Canna nahestehende Pflanze aus der
Familie der Scitamineen, deren unterirdische Wurzelschöss-
linge! das als Arrow-root bekannte ausgezeichnete Stärke-
mehl liefern. Sie wird auf den Antillen und mehreren an-
dern intertropischen Ländern des continentalen Amerika
angebaut. Auch nach der Alten Welt, z. B. nach der
Guineaküste, ist sie eingeführt worden.?
Jedenfalls ist die Maranta arundinacea amerikani-
schen Ursprungs. Nach den Angaben Sloane’s? wäre
sie von Dominica nach der Insel Barbadoes und von
da nach Jamaica gebracht worden, woraus sich schliessen
lässt, dass sie auf den Antillen nicht einheimisch ist.
Zuletzt wurde die Gattung Maranta von Körnicke* be-
arbeitet und derselbe spricht von mehreren in Guadeloupe,
St.-Thomas, Mexico und in Centralamerika gesammelten
Exemplaren; ob dieselben von spontanen, angebauten
oder naturalisirten Pflanzen herrührten, ist von ıhm
nicht weiter berücksichtigt worden. Die Sammler geben
solches nie an, und es mangelt für den amerikanischen
1 Siehe die Beschreibung von Tussac, Flore des Antilles, I, 183.
2 Hooker, Niger Flora, S. 531. 3 Sloane, Jamaica, 1707, I, 254.
4 Im Bull, Soc. des natur. de Moscou, 1862, I, 34.
102 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.
Continent, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, an
Localfloren, ganz insbesondere an solchen, die von Bo-
tanıkern verfasst wurden, welche sich im Lande selbst
aufgehalten haben. Nach den veröffentlichten Arbeiten
finde ich die Art als angebaut! angegeben, oder von
Pflanzungen herrührend ?, zuweilen auch ohne alle An-
gabe. Bei einer für Brasilien von Körnicke in der
wenig bewohnten Provinz von Matto grosso angeführten
Localität kann man das Fehlen von Culturen annehmen.
Seemann ? gibt die Art bei Panama an, und zwar in
recht sonnigen Gegenden.
Auf den Antillen cultivirt man auch eine andere Art,
Maranta indica, welche Tussac als von Ostindien ge-
bracht bezeichnet. Körnicke bringt die in Sillet ge-
fundene M. ramosissima Wallich’s zu derselben und hält
sie für eine Varietät der M. arundinacea. Von 36
mehr oder weniger bekannten Arten der Gattung Ma-
ranta sind wenigstens 30 amerikanisch. Somit ist es
ziemlich unwahrscheinlich, dass zwei oder drei andere
asiatisch sind. Die Lösung dieser Fragen über die
Arten der Scitamineen und ihre Heimatländer bleibt
bis zur Beendigung von Sir J. Hooker’s Flora von Bri-
tisch-Indien in Dunkel gehüllt. 2
Die Anglo-Indier gewinnen Arrow-root aus einer an-
dern Pflanze derselben Familie, welche in den Wäldern
von Dekkan und in Malabar anzutreffen ist. Dies ist
die Curcuma angustifolia Roxburgh{; ob man sie an-
baut, ist mır nicht bekannt.
1 Aublet, Guyane, I, 3. 2 Meyer, Flora Essequebo, S. 11.
3 Seemann, Botany of Herald, S. 213.
4 Roxburgh, Fl. indica, I, 31; Porter, The tropical Agriculturist, S. 241;
Ainslies, Materia medica, I, 19.
2
105
ZWEITES KAPITEL.
Ihrer Stengel oder Blätter wegen angebaute Pflanzen.
Erster Abschnitt. Gemüse.
Brassica oleracea, Linne. — Gartenkohl (fr. Chou
ordinaire).
Der gemeine Kohl, wie er sich in der „English Bo-
tany“, Taf. 637, der „Flora Danica‘“, Taf. 2056, und an-
derswo abgebildet findet, kommt auf den Felsen am Meeres-
gestade vor, und zwar 1) auf der dänischen Insel La-
land, auf Helgoland, im südlichen England und Irland,
in der Normandie, den Inseln Jersey und Guernsey und
dem Departement Charente-Inferieure !; 2) an der nörd-
lichen Küste des Mittelmeers in der Nähe von Nizza,
Genua und Lucca.” Ein Reisender des vorigen Jahr-
hunderts, Sibthorp, berichtet, die Kohlpflanze auf dem
Berge Athos gefunden zu haben, dies wird aber von
keinem Botaniker der Neuzeit bestätigt, und die Art
scheint in Griechenland und an den Ufern des Kaspisees
sowol, wie auch in Sibirien, wo Pallas sie einst ge-
funden haben will, und in Persien? fremd zu sein. Die
zahlreichen Reisenden, welche jene Länder durch-
forschten, haben sie dort nicht angetroffen, und die
Winter im östlichen Europa und Sibirien scheinen auch
für dieselbe zu kalt zu sein. Die Verbreitung auf recht
isolirten Punkten und in zwei verschiedenen Regionen
Europas bringt uns zu der Vermuthung, dass die an-
scheinend wildwachsenden Individuen entweder das Re-
1 Fries, Summa, S. 29; Nylander, Conspectus, S. 46; Bentham, Handb.
Brit. Flora, 4. Aufl., S.40; Mackay, Fl. hibern., S.28; Brebisson, Flore de
Normandie, 2. Aufl., S. 18; Babington, Primitiae fl. sarnicae, S. S; Cla-
vaud, Flore de la Gironde, I, 68.
2 Bertoloni, F1. ital., VII, 146; Nylander, a. a. O.
3 Ledebour, Fl. ross.; Grisebach, Spicilegium fl. rumel.; Boissier, Fl.
or., etc,
104 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
sultat einer durch Culturen! bedingten Samenausstreuung
sind, oder auch, dass die Art früher häufiger auftrat
und dem Aussterben entgegengeht. Das Vorkommen
auf den Inseln des westlichen Europas ist der letzten
Hypothese günstig, während das Fehlen auf jenen des
Mittelmeers ihr entgegensteht.?
Wir wollen jetzt sehen, ob historische und linguisti-
sche Angaben etwas zu den pflanzengeographischen That-
sachen hinzufügen können.
Zunächst müssen wir berücksichtigen, dass die zahl-
losen Kohlvarietäten in Europa ins Leben gerufen wur-
den ?, ganz insbesondere seit der Zeit der alten Griechen.
Theophrast unterschied 3, Plinius die doppelte Anzahl,
Tournefort etwa 20, de Candolle mehr als 30. Diese
Abänderungen stammten nicht vom Orient, und dies ist
ein neuer Fingerzeig für eine alte Cultur in Europa
und einen europäischen Ursprung.
Die volksthümlichen Namen sind desgleichen recht
zahlreich in den europäischen Sprachen, in den asia-
tischen dagegen selten und neuern Datums. Ohne auf
eine Menge früher* von mir schon erwähnter Namen
zurückzukommen, will ich hier nur bemerken, dass sich
dieselben auf vier oder fünf verschiedene und alte Wur-
zeln zurückführen lassen:
Kap oder Kab in mehreren keltischen und slawischen
Namen. Der französische Name Cabus wird davon
abgeleitet. Wegen des kopfförmigen Wachsthums des
Kohls ist der Ursprung augenscheinlich derselbe wie
bei Caput.
1 Watson, welcher derartigen Fragen eine besondere Aufmerksamkeit
widmete, stellt das Indigenat für England in Zweifel (Compendium of the
Cybele, S. 103), die meisten Autoren von Floren Grossbritanniens sind je-
doch entgegengesetzter Meinung.
2 Die Brassica balearica und Br. cretica sind ausdauernd, fast holzig,
nicht zweijährig. Man stimmt darüber ein, sie von Br. oleracea zu trennen. °
3 Aug. Pyr. de Candolle veröffentlichte über die Abtheilungen und
Unterabtheilungen der Zrassica oleracea eine besondere Arbeit (Trans-
actions cf the Horticult. Soc., Bd. 5, ins Deutsche übersetzt und franzö-
sisch in Bibl. univ. agricult., Bd. 8); häufig wird selbige gerade für der-
artige Aufgaben als Muster hingestellt.
* Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 839.
Gartenkohl. 105
Caul, Kohl, von mehreren lateinischen (Caulis gleich-
bedeutend mit Stengel und Kohl), germanischen (Choli
altdeutsch, Kohl neudeutsch, Kaal dänisch) und kelti-
schen Sprachen (Cal im Irischen, Kaol und Kol im
Bretonischen).!
Bresic, Bresych, Brassic der keltischen? und latei-
nischen Sprachen (Drassica), woraus wahrscheinlich
Berza und Verza der Spanier und Portugiesen, Varza
der Rumänen entstanden sind.”
Aza der Basken (Iberer), welcher Name von Cha-
rencey* als der euskarischen Sprache eigenthümlich an-
gesehen wird, sich aber von den vorhergehenden nur
wenig unterscheidet.
Krambai, Crambe der Griechen und Lateiner.
Die Verschiedenartigkeit der Namen in den keltischen
Sprachen stimmt mit dem Vorkommen der Art an den
Westküsten Europas überein. Wenn die arischen Kelten
die Pflanze von Asien gebracht hätten, würden sie wahr-
‚scheinlich nıcht Namen erfunden haben, die drei ver-
schiedenen Quellen entsprangen. Der Annahme scheint
sich jedoch nichts entgegenzustellen, dass die arischen
Völker, als sie den einheimischen und vielleicht schon
in Europa von den Iberern oder Liguriern verwertheten
Kohl sahen, entweder neue Namen aufstellten oder sich
solcher bedienten, wie sie bei den ältern Völkern in
dem Lande Brauch waren.
Die Philologen haben das Krambai der Griechen mit
dem persischen Namen Karamb, Karam, Kalam, dem
kurdischen Kalam, dem armenischen Gaghamb in Verbin-
dung gebracht’; andere wieder mit einer Wurzel der muth-
masslichen Muttersprache der Arier; in den Einzelheiten
stimmen sie aber nicht überein. Nach Fick ® bedeutet
1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 380.
2 Alph. de Candolle, a. a. O.; Ad. Pictet, a. a. O.
3 Brandza, Prodr. fl. romanae, S. 122.
4 De Charencey, Recherches sur les noms basques, in: Actes de la
Société philologique, 1. März 1869.
5 Ad. Pictet, a. a. O.
6 Fick, Wörterb. d. indo-germ, Sprachen, 8. 34.
106 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Karambha in der ursprünglich indo-germanischen Sprache
„Gemüsepflanze, Kohl, indem Karambha gleichbedeu-
tend ist mit caulis, Stengel.“ Er fügt hinzu, dass Ka-
rambha im Sanskrit der Name für zwei Gemüse ist.
Die anglo-indischen Autoren führen diesen angeblichen
Sanskritnamen nicht an, sondern nur einen neuern, in-
dischen Sprachen entlehnten Namen, Kopee.t Ad. Pictet
seinerseits spricht von dem Sanskritwort Kalamba,
„Gemüsestengel, auf Kohl angewendet“. Was mich selbst
betrifft, so muss ich gestehen, dass es mir schwer wird,
diese orientalischen Etymologien des griechisch -latei-
nıschen Wortes Crambe zuzulassen. Der Sinn des
Sanskritwortes (wenn es überhaupt existirt) ist sehr
zweifelhaft, und was das persische betrifft, so müsste
man wissen, ob dasselbe ein altes ist. Ich bezweifle
es, denn wenn der Kohl im alten Persien vorgekommen
wäre, würden die Hebräer ihn gekannt haben.”
Aus allen diesen Gründen scheint mir die Art euro-
päischen Ursprungs zu sein. Die Zeit ihres Anbaues
ist wahrscheinlich eine sehr alte, die vor den arischen
Invasionen datirt, doch hat man zweifelsohne damit an-
gefangen, die wildwachsende Pflanze einzusammeln, ehe
man daran dachte, sie anzubauen.
Lepidium sativum, Linne. — Gemeine Gartenkresse
(fr. Cresson alenois).
Diese kleine Crucifere, welche wir jetzt als Salat
verwerthen, war in alten Zeiten wegen gewisser Eigen-
schaften ihrer Samen sehr gesucht. Einige Autoren
sind der Meinung, dass sie dem Cardamon von Dios-
corides entspricht, während andere diesen Namen auf
Erucaria aleppica beziehen.” Beim Mangel einer ge-
nügenden Beschreibung scheint die erstere dieser zwei
Vermuthungen die wahrscheinlichere zu sein, da der
gegenwärtige volksthümliche Name Cardamon ist.*
1 Piddington, Index; Ainslies, Mat. med. ind.
2 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., führt keinen Namen an.
3 Vgl. Fraas, Syn. fl. class., S. 120, 124; Lenz, Bot. d. Alten, S. 617.
4 Sibthorp, Prodr. fl. graec., II, 6; Heldreich, Nutzpfl. Griechenl., S. 47.
Gemeine Gartenkresse. 107
Die Cultur der Art muss auf ein hohes Alter zurück-
gehen und sich sehr ausgebreitet haben, denn es be-
stehen sehr verschiedene Namen: im Arabischen Reschad,
im Persischen Turchtezuk!, im Albanesisenen, einer von
den Pelasgern herrührenden Sprache, Dieges #, ohne hier
von Namen zu sprechen, die aus der Uebereinstimmung
im Geschmack mit der Brunnen- oder Wasserkresse
(Nasturtium officinale) abgeleitet sind. Im Hindustanı
und Bengalischen gibt es sehr verschiedenartige Namen,
im Sanskrit kennt man aber keinen.?
Gegenwärtig wird die Pflanze in Europa, Nordafrika,
Westasien, Indien und anderswo angebaut; aber wo-
her sie ursprünglich gekommen, ist ziemlich unklar.
Ich besitze mehrere in Indien gesammelte Exemplare,
‚wo Sir Joseph Hooker* die Art nicht als einheimisch
ansieht. Kotschy brachte sie von der Insel Karek oder
Karrak im Persischen Meerbusen. Auf der beigefügten
Etikette wird nicht erwähnt, ob es eine angebaute
Pflanze war. Boissier® spricht von ihr, ohne irgend-
eine Bemerkung hinzuzufügen, und erwähnt ferner
Exemplare von Ispahan und von Aegypten, die auf
Culturland gesammelt waren. Man führt Olivier an,
der die Gartenkresse in Persien gesehen haben soll,
jedoch wird nicht gesagt, ob auch in wirklich spon-
tanem Zustande.® Die botanischen Bücher weisen wieder-
holt darauf hin, dass Sibthorp sie auf der Insel Cypern
gefunden hat; schlägt man in seinem Werke nach, so
zeigt es sich, dass offene Felder die Fundstätte waren.’
Von Poech wird sie für Cypern nicht erwähnt.® Unger
und Kotschy? führen sie auf dieser Insel als nicht
spontan an. Nach Ledebour!® fand Koch sie beim
Kloster auf dem Berge Ararat, Pallas in der Nähe von
1 Ainslies, Mat. med. ind., S. 95. 2 Heldreich, a. a. O.
> Piddington, Index; Ainslies, a. a. 0.
4 Hooker, Fl. Brit. India, I, 160. 5 Boissier, Fl. orient., Bd. I.
6 De Candolle, System. II, 535.
7 Sibthorp et Smith, Prodr. fl. graecae, II, 6.
8 Poech, Enum. plant. Cypri, 1842.
9 Unger und Kotschy, Insel Cypern, S. 331.
10 Ledebour, Fl. ross., I, 203.
108 "Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Sarepta, Falk am Oka-Ufer, einem Nebenflusse der
Wolga; H. Martius endlich hat sie in seiner Flora von
Moskau angeführt; Beweise für die Spontaneität in die-
sen verschiedenen Gegenden fehlen aber. Lindemann!
zählte im Jahre 1860 die Art nicht unter denen von
Russland auf, und für die Krim gibt er sie nur als
angebaut an.? Nach Nyman? hätte der Botaniker Schur
sie in Siebenbürgen wildwachsend gefunden, dagegen
findet sich die Art in den Floren von Oesterreich-Un-
garn nicht angegeben, oder dieselben erwähnen sie nur
als angebaut oder auf bebautem Terrain vorkommend.
Alle diese mehr oder weniger zweifelhaften Angaben
zusammengenommen, neige ich mich zu dem Glauben
hin, dass die Pflanze ursprünglich von Persien stammt,
von wo sie sich nach der Sanskritepoche in den Gärten
Indiens, Syriens, Griechenlands, Aegyptens und bis nach
Abessinien weiter ausbreiten konnte.*
Portulaca oleracea, Linné. — Gemeiner Portulak (fr.
Pourpier).
Seit sehr alten Zeiten ist der Portulak eins der ver-
breitetsten Suppenkräuter in der Alten Welt. Man hat
ihn nach Amerika’ gebracht, wo er sich, wie in Europa,
in den Gärten, auf Schutthaufen, an Landstrassen u. s. w.
ansiedelt. Es ist ein mehr oder weniger gebrauchtes
Gemüse, eine medicinische Pflanze und gleichfalls ein
ausgezeichnetes Schweinefutter.
Lindemann, Index pl. in Ross., Bull. Soc. nat. Mosc., 1860, Bd. 33.
Lindemann, Prodr. fl. Cherson., 8.21.
Nyman, Conspectus fl. europ., 1578, S. 69. :
Schweinfurth, Beitr. Fl. Aeth., S. 270.
„In den Vereinigten Staaten sah man den Portulak als fremden Ur-
sprungs an (A. Gray, Fl. of U. St., 5. Aufl.; Bot. of Calif., I, 74), in einer
neuern Arbeit dagegen (American Journ. of sc., 1583, 8. 253) führen die
Herren Asa Gray und Trumbull Gründe an, welche zu dem Glauben be-
rechtigen, dass der Portulak ebenso gut in Amerika wie in der Alten Welt
einheimisch sei. Christoph Columbus hatte ihn auf San-Salvador und
Cuba bemerkt; Oviedo erwähnt ihn für San-Domingo und J. de Lery für
Brasilien. Das sind keine Zeugenaussagen von Botanikern. Nuttall und
andere fanden ihn spontan in Obermissouri, Colorado und Texas, in An-
betracht des Datums kann er aber dorthin eingeführt worden sein.“ (Vom
Verfasser dem Uebersetzer mitgetheilte Anmerkung.)
Eu L9 M
|
Gemeiner Portulak. 109
Man kennt von ihm einen Sanskritnamen, Lonica oder
Lunia, welcher sich in den neuern Sprachen Indiens
wiederfindet.! Der griechische Name Andrachne und
der lateinische Portulaca sind ganz verschieden, des-
gleichen die Gruppe von Namen im Persischen Cholza,
im Hindustanı Khursa oder Kursa, im Arabischen
Kurfa Kara-or, aus welchen das polnische Kurza-noga
abgeleitet zu sein scheint, Kurj-noha im Böhmischen,
Kreusel im Deutschen, ohne von dem russischen Na-
men Schrucha und einigen andern des östlichen Asiens
zu sprechen.? Man braucht kein Sprachforscher zu
sein, um in diesen Namen gewisse Ableitungen aufzu-
finden, welche darthun, dass die asiatischen Völker auf
ihren Wanderungen ihre Namen für diese Pflanze mit
fortgeführt haben; das ist aber noch kein Beweis da-
für, dass sie die Pflanze selbst mit fortführten. Sie
können dieselbe in den Ländern, wo sie anlangten,
wiedererkannt haben. Andererseits berechtigt das Vor-
handensein von drei oder vier verschiedenen Wurzeln
zu der Annahme, dass europäische Völker, die den
Wanderungen der asiatischen vorhergingen, schon Na-
men für die Art besassen, und dass diese somit in Eu-
ropa wie in Asien ein hohes Alter aufweist.
Der angebaute, beim Culturlande naturalisirte oder
spontane Zustand ist bei einer so weit verbreiteten
Pflanze, welche sich vermittelst ihrer uuzähligen klei-
nen Samen leicht vermehrt, sehr schwer zu erkennen.
Im Osten des asiatischen Continents scheint sie nicht
so alt zu sein wie im Westen, und sie wird von den
Autoren nie als eine wildwachsende Pflanze angeführt. ?
Anders verhält es sich mit Indien. Sir J. Hooker * sagt:
„wächst inIndien bis zur Höhe von 5000 Fuss im Himalaja.“
Für den nordwestlichen Theil des Landes gibt er auch
1 Piddington, Index to Indian Plants.
2 Nemnich, Polygl.-Lexikon d. Naturgesch., II, 1047.
3 Loureiro, Fl. Cochinch., I, 359; Franchet et Savatier, Enum. plant,
Japon., I, 53; Bentham, Flora Hongkong., S. 127.
4 Hooker, Fl. Brit. Ind., I, 240.
110 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
die Varietät mit aufrecht stehendem Stengel an, welche
mit der gemeinen in Europa angebaut wird. Ueber
die Gegenden von Persien finde ich nichts Bestimmtes,
es werden aber so zahlreiche Localitäten angeführt,
und diese finden sich in so wenig angebauten Ländern,
an den Ufern des Kaspisees, um den Kaukasus herum
und selbst im südlichen Russland !, dass es schwierig
erscheint, das Indigenat für diese Centralregion, von
welcher aus die asiatischen Völker in Europa eindran-
gen, nicht zuzulassen. In Griechenland findet sich die
Pflanze im angebauten und wilden Zustande.” Weiter
nach Westen zu, in Italien u. s. w., werden die Felder,
Gärten, Schutthaufen und andere verdächtige Orte in
den Floren als einzige Fundorte angegeben.” Es stim-
men somit die linguistischen und botanischen Documente
darin überein, der Art die ganze Region, welche sich
vom westlichen Himalaja bis nach dem südlichen Russ-
land und Griechenland ausdehnt, als ursprüngliches
Vaterland zu überweisen.
Tetragonia expansa, Murray (fr. Tetragone étalée).
Die Engländer nennen diese Pflanze neuseelän-
dischen Spinat (auch der gebräuchliche Name in
Deutschland), weil sie bei der berühmt gewordenen
Reise des Kapitäns Cook von Neuseeland nach England
gebracht und von Sir Joseph Banks angebaut worden
war. In zweierlei Weise haben wir es hier mit einer
eigenthümlichen Pflanze zu thun. Zunächst ist es die
einzige angebaute Art, welche von Neuseeland stammt,
und dann gehört sie zu einer Familie von meist fleischi-
gen Pflanzen, den Ficoideen, von welchen keine andere
Art verwerthet wird. Die Gärtner empfehlen dieselben
als einjähriges Gemüse, welches im Geschmack an Spinat
1 Ledebour, Fl. ross., II, 145; Lindemann, Prodr. fl. Chers., S. 74, sagt:
In desertis et arenosis inter Cherson et Berislaw, circa Odessam.
2 Lenz, Bot. d. Alt., S. 632; Heldreich, F1. attisch. Ebene, S. 483. .
3 Bertol., Fl. it., V; Gussone, Fl. sic., I; Moris, Fl. sard., II; Will-
komm et Lange, Prodr. fl. hisp., III. 5
4 Botanical Magazine, t. 2362; Bon Jardinier, 1880, S. 567,
Gartensellerie. 111
erinnert; dasselbe leidet weniger von der Trockenheit,
und wird aus diesem Grunde eine Hülfsquelle, wenn
der Spinat auf dem Markte nicht mehr anzutreffen ist.
Seit Cook’s Reise hat man diese Pflanze ganz beson-
ders an den Meeresgestaden nicht nur in Neuseeland,
sondern auch in Tasmanien, im südlichen und westlichen
Australien, in Japan und in Südamerika wildwachsend
angetroffen. Es bleibt übrigens noch ungewiss, ob sie
sich in diesen letztgenannten Gegenden nicht naturali-
sirt hat, denn in Japan und Chile? findet sich ihr Stand-
ort in der Nähe von Städten.
Apium graveolens, Linne. — Gartensellerie (fr. Céleri
cultivé).
Wie viele andere, an feuchten Orten vorkommende
Umbelliferen, hat der wildwachsende Sellerie eine aus-
gedehnte Verbreitung. Von Schweden bis nach Algerien,
Aegypten, Abessinien kommt er vor, und in Asien findet
er sich vom Kaukasus bis nach Beludschistan und den
Gebirgen von Britisch-Indien.”
Schon in der Odyssee findet er unter dem Namen
Selinon Erwähnung, desgleichen im Theophrast; später
aber unterscheiden Dioscorides und Plinius* den wild-
wachsenden und den angebauten Sellerie. Bei letzterm
lässt man die Blätter bleichen, wodurch die Bitterkeit
sich sehr vermindert. In dem hohen Alter dieser
Cultur finden wir eine Erklärung für die zahlreichen
Gartenvarietäten. Eine der von der wildwachsenden
Pflanze am besten unterschiedene ist die rübenförmige,
deren fleischige Wurzel im gekochten Zustande ge-
gessen wird.
1 Sir J. Hooker, Handbook of New Zealand Flora, S. 84; Bentham,
Flora australiensis, III, 327; Franchet et Savatier, Enum. plant. Japo-
niae, I, 177.
2 Cl. Gay, Flora chilena, II, 468.
3 Fries, Summa veget. Scandinaviae; Munby, Catal. Alger., 8. 11;
Boissier, Flora orient., II, 856; Schweinfurth und Acherson, Aufzählung,
S. 272; Hooker, Flora of Brit. India, II, 679.
4 Dioscorides, Mat. med., 1. 3, c. 67, 68; Plinius, Hist., 1. 19, e. 7, 8;
Lenz, Bot, d. alten Griechen und Römer, S. 557,
ee a
112 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Scandix Cerefolium, Linne. — Anthriscus Cerefolium,
Hoffmann. — Gartenkörbel (fr. Cerfeuil).
Das Vaterland dieser kleinen, in unsern Gärten so
gemeinen Umbellifere war bis vor kurzem unbekannt.
Wie viele andere einjährige Arten, sah man sie auf
den Schutthaufen, an Hecken, auf wenig bebauten Ter-
rains auftreten, und wusste man nicht, ob sie als spon-
tan angesehen werden dürfe. Im westlichen und süd-
lichen Europa scheint sie zufällig aufzutreten, mehr
oder weniger naturalisirt zu sein; im südöstlichen
Russland und im gemässigten Westasien scheint sie
spontan. Steven! führt sie an „in den Wäldern der
Krim, hier und da“. Boissier? erhielt mehrere Exem-
plare aus den Provinzen im Süden des Kaukasus, von
Turkomanien und den Gebirgen des nördlichen Persien,
wahrscheinlich natürliche Fundstätten der Art. In den
Floren Indiens und des östlichen Asien fehlt sie.
Die griechischen Autoren erwähnen sie nicht. Bei
den Alten sprechen zuerst Columella und Plinius? von
ihr, dies war also zu Anfang der christlichen Zeitrech-
nung. Man baute sie an. Plinius nannte sie Cerefolium.
Wahrscheinlich hat sich die Art seit den Zeiten des
Theophrast in die griechisch-römischen Länder einge-
führt, d. h. in dem Zeitraume dreier Jahrhunderte,
welche der gegenwärtigen Zeitrechnung vorhergingen.
Petroselinum sativum, Moench. — Petersilie (fr. Persil).
Diese zweijährige Umbellifere ist im Süden Europas
eine wildwachsende Pflanze, und zwar von Spanien bis
nach Macedonien. Man hat sie auch bei Tlemeen in
Algerien und im Libanon gefunden.
Dioscorides und Plinius haben von ıhr unter dem
Namen Petroselinon und Petroselinum gesprochen, sie
erwähnen sie als eine wildwachsende und medicimische
1 Steven, Verzeichniss d. taurischen Halbinsel, S. 183.
2 Boissier, Flora orient., II, 913.
3 Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 572.
4 Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 22; Boissier, Flora orientalis, II, 857,
| à
Gemeines Myrrhenkraut. 113
Pflanze.! Es liegt kein Beweis vor, dass sie zu ihrer Zeit
angebaut wurde. Im Mittelalter zählte Karl der Grosse
sie zu den Pflanzen, welche er in seinen Gärten an-
bauen lies.” Im 16. Jahrhundert wurde sie von
Olivier de Serres angebaut. Die englischen Gärtner er-
hielten sie im Behr 1548.°
Obgleich die Cultur weder ein hohes Alter aufweisen
kann, noch von besonderer Wichtigkeit ist, so sind
doch schon zwei Rassen aus derselben hervorgegangen;
man würde dieselben Arten nennen, wenn man sie im
wildwachsenden Zustande anträfe: die Petersilie mit
krausen Blättern und die, deren fleischige Wurzel ge-
gessen wird.
Smyrnium Olus-atrum, Linne. — Gemeines Myrrhen-
kraut (fr. Ache oder Muceron).
Von allen Umbelliferen, die als Gemüse Verwendung
fanden, war diese in dem Zeitraume von etwa 15 Jahr-
hunderten eine der gemeinsten in den Gärten, jetzt hat
man aber ihren Anbau aufgegeben. Man kann ihre
ganze Laufbahn von Anfang bis zu Ende verfolgen.
.Theophrast sprach von ihr als einer medicinischen
Pflanze unter dem Namen Zpposelinon, drei Jahrhun-'
derte später sagt aber Dioscorides *, dass man die Wur-
zel oder die Blätter nach Belieben als Speise benutzte,
was auf einen Anbau schliessen lässt. Die Lateiner
nannten sie Olus-atrum, Karl der Grosse Olisatum, und
_ dieser befahl, sie auf seinen Höfen anzusäen.” Als Mace-
rone® fand sie bei den Italienern vielfache Verwendung.
Zu Ende des 18. Jahrhunderts kannte man in England
die Ueberlieferung, dass diese Pflanze einst angebart
1 Dioscorides, Mat. medica, 1. 3, c. 70; Plinius, Hist., 1. 20, c. 12.
2 Die Liste dieser Pflanzen findet sich in Meyer, Geschichte der Bo-
tanik, III, 401.
j "Phillips, Companion to ee Garden, II,
4 'Theophr., Elistarl00 9471:.2,22147,16; ee Mat, med..i1.3,e.71
5 E. Meyer, Geschichte der ae III, 401.
6 Targioni, Cenni storiei, S. 58.
DE CANDOLLE, 8
114 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
worden sei; später wird sie von den englischen und
französischen Gärtnern nicht mehr erwähnt.t
Das Smyrnium Olus-atrum ist im ganzen Süden von
Europa, in Algerien, in Syrien und Kleinasien wild-
wachsend.?
Valerianella olitoria, Linne. — Rapunzel (fr. Mache
oder Doucette).
Diese einjährige Valerianacee wird häufig als Salat-
pflanze angebaut; im wildwachsenden Zustande findet
sie sich im ganzen gemässigten Europa bis ungefähr
zum 60. Grade, in Südeuropa, auf den Canaren, Ma-
deira und den Azoren; in Nordafrika, Kleinasien und
den Kaukasusgegenden.?” Sie zeigt sich daselbst häufig
auf bebautem Lande, an den Zugängen von Dörfern
u. s. w., wodurch es recht schwierig wird, den Standort
vor ihrem Anbau festzustellen. Für Sardinien und
Sicilien wird sie indessen als auf Wiesen und Gebirgs-
triften angeführt.* Ich vermuthe, dass sie nur auf die-
sen Inseln ursprünglich zu Hause ist, und dass sie an-
derswo überall als zufällig auftretende oder naturali-
sirte Pflanze erscheint. Zu dieser Annahme werde ich
veranlasst, weil man bei den griechischen und lateinischen
Schriftstellern keinen Namen aufgefunden hat, welcher
sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf diese Pflanze
beziehen könnte. Mit einiger Gewissheit kann man
selbst keinen Botaniker des Mittelalters oder des
16. Jahrhunderts anführen, welcher von ihr gesprochen
habe. Nach dem ‚Jardinier francais“ von 1651 und dem
Werke von Laurenberg, „Horticultura‘“ (Frankfurt 1632)
wird der Rapunzel auch nicht unter den im 17. Jahr-
hundert in Frankreich gebräuchlichen Gemüsen aufge-
1 English Botany, Taf. 230; Phillips, Companion to the Kitchen Garden;
Le bon Jardinier.
2 Boissier, Flora orientalis, II, 927.
3 Krok, Monographie des Valerianella (Stockholm 1864), S. 88; Boissier,
Flora orient., III, 104.
4 Bertoloni, Flora ital., I, 185; Moris, Flora sardoa, II, 314; Gussone,
Synopsis fl, Siculae, 2. Aufl., I, 30,
Artischoke. 115
führt. Der Anbau und selbst die Verwendung als
Salatpflanze scheinen somit neuern Datums zu sein,
was bis dahin nicht vermerkt worden war.
Cynara Cardunculus, Linne. — Spanische Artischoke
(fr. Cardon).
Cynara Scolymus, Linne. — C. Cardunculus, var.
sativa, Moris. — Grosse oder wahre Artischoke (fr.
Artichaut).
Seit langer Zeit wurde von einigen Botanikern die
Behauptung aufgestellt, dass die echte Artischoke wahr-
scheinlich eine durch die Cultur erzielte Form der wilden
oder spanischen Artischoke sei.! Genaue Beobachtungen
haben heutzutage hierfür den Beweis geliefert. Bei-
spielsweise wird von Moris?, welcher im turiner Garten
die wildwachsende Pflanze Sardiniens an der Seite der
echten Artischoke anbaute, die Bestätigung gegeben,
dass gute Charaktere ihnen abgingen, um sie voneinander
zu unterscheiden. Die Herren Willkomm und Lange *,
welche in Spanien die wildwachsende Pflanze sowol,
wie die dort angebaute Artischoke zu beobachten Ge-
legenheit hatten, sind derselben Meinung. Ausserdem
ist die Artischoke nie ausserhalb des Bereichs der Gärten
gefunden worden, und da die Mittelmeerregion, das
Vaterland aller Cynaren, gründlich durchforscht worden
ist, kann man behaupten, dass sie nirgends wild vor-
kommt.
Die Kardunkel-Artischoke, zu welcher man die ©. horrida
Sibthorp’s zählen muss, ist in Madeira, auf den Canaren,
auf den Gebirgen von Marokko in der Nähe von Mo-
gador, im Süden und Osten der Iberischen Halbinsel,
im Süden Frankreichs, Italiens, Griechenlands und auf
den Inseln des Mittelmeers bis nach Üypern ein-
1 Dodoens, Hist. plant., S. 724; Linné, Species, S. 1159; de Candolie
Prodromus, VI, 620.
2 Moris, Flora sardoa, II, 61.
» Willkomm et Lange, Prodr, fl, hisp,, II, 150,
116 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
heimisch. Munby? lässt C. Cardunculus nicht als in
Algerien wildwachsend zu, wohl aber Cynara humilis,
Linne, welche von einigen Autoren als eine Varietät
angesehen wird.
Die angebaute Kardunkel-Artischoke varıırt sehr in
Bezug auf die Theilung der Blätter, die Anzahl der
Stacheln und den Wuchs, — Verschiedenheiten, welche eine
alte Cultur andeuten. Die Römer assen den Frucht-
boden, welcher die Blumen trägt, und die Italiener.
assen ihn ebenfalls als gérello. In der Neuzeit baut
man die spanische Artischoke wegen des fleischigen
Theils der Blätter an, ein Gebr welcher a in
Griechenland noch nicht eingebürgert hat.
Die echte Artischoke zeigt weniger Varietäten, wo-
durch die Meinung bekräftigt wird, dass sie von der
spanischen Artischoke ihren Ursprung ableitet. In einem
sehr gediegenen Aufsatze über diese Pflanze erzählt
Targioni!, dass die Artischoke 1466 von Neapel nach
Florenz. gebracht wurde, und er beweist, dass die Alten,
selbst Athenäus, die echte Artischoke nicht kannten,
sondern nur die wildwachsenden und angebauten Kar-
dunkel-Artischoken. Als Anzeichen eines hohen Alters
im Norden Afrikas muss man jedoch den Umstand an-
führen, dass die Berber zwei ganz und gar besondere
Namen für die zwei Pflanzen besitzen: Addad für die
spanische, Taga für die echte Artischoke.°
Man glaubt, dass die Namen der Griechen, Kactos,
Kinara und Scolimos, sowie das Carduus der römischen
Gärtner sich auf die Cynara Cardunculus® bezogen, ob-
gleich die ausführlichste Beschreibung, die von Theo-
phrast, ziemlich verwirrt ist. „Die Pflanze“, sagte er,
1 Webb, Phyt. Canar., III, Sect. 2, S. 384; Ball, Spicilegium fl. maroce.,
S. 524; Willkomm et Lange, a. 2.055 eo Fl. ital., Pe 86; Boissier,
Fl. orient. III, 357; Unger und Kotschy, Insel Cypern, S S .246.
2 Munby, Catal., 2. Aufl.
3 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 27.
Targioni, Cenni storici, S. 52.
Dictionnaire français-berbère, von der Regierung veröffentlicht.
6 Theophrastes, Hist., 1.6, c. 4; Plinius, Hist., 1. 19, c. 8; Lenz, Botanik
der alten Griechen und Römer, S. 480.
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r
>
Artischoke. 117
„wächst in Sıcilien“, was sich noch bewahrheitet, und
er fügt hinzu: „nicht in Griechenland“. Es wäre somit
möglich, dass die heutzutage in jenem Lande beobach-
teten Individuen das Ergebniss von durch Culturen be-
dingten Naturalisationen wären. Nach Athenäus! hatte
der ägyptische König Ptolemäus Euergetes, welcher
im 2. Jahrhundert v. Chr. lebte, in Libyen eine grosse
Menge von wilden Kinaras gefunden, welche seinen
Soldaten zur Nahrung dienten.
Trotz der Nähe des natürlichen Wohnsitzes der Art
hege ich doch starke Zweifel, dass die alten Aegypter
die spanische oder die echte Artischoke angebaut haben.
Pickering und Unger? glaubten sie in einigen Zeich-
nungen der Denkmäler wiederzuerkennen; jedoch er-
scheinen mir die zwei Abbildungen, welche Unger als
die zulässigsten ansieht, äusserst zweifelhaft. Ausser-
dem kennt man keinen hebräischen Namen, und würden
die Juden wahrscheinlich von diesem Gemüse gesprochen
haben, wenn sie dasselbe in Aegypten gesehen hätten.
Die Ausbreitung der Art muss in Asien ziemlich spät
vor sich gegangen: sein. Es gibt einen arabischen Na-
men Hirschuff oder Kerschuff, und einen persischen
Kunghir?, aber keinen Sanskritnamen, die Hindus nah-
men den persischen Kunmjir* an, was auf die späte Zeit
der Einführung hinweist. Die chinesischen Schriftsteller
haben von keiner Cynara gesprochen.” In England wurde
die Cultur der Artischoke nicht vor dem Jahre 1548 ein-
geführt.° Eine der seltsamsten Thatsachen in der Ge-
schichte der Cynara Cardunculus ist ihre in diesem
Jahrhundert stattgefundene Naturalisation auf einem
weiten Gebiete der Pampas von Buenos-Ayres, und
zwar in so hohem Grade, dass sie dem Verkehr hem-
1 Athenäus, Deipn., II, 84.
2 Pickering, Chronol. arrangement, S. 71; Unger, Pflanzen des alten
Aegyptens, S. 46, Fig. 27 und 28.
3 Ainslies, Mat. med. ind., I, 22. 4 Piddington, Index,
5 Bretschneider, Study etc., und Briefe von 1881.
6 Phillips, Companion to the Kitchen Garden, S. 22.
118 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
mend entgegentritt.! Auch in Chile verursacht sie Stö-
rungen.” Von der echten Artischoke wird nirgends be-
richtet, dass sie sich in ähnlicher Weise naturalisire,
was noch ein weiterer Fingerzeig für einen künstlichen
Ursprung ist.
Lactuca Scariola, var. sativa. — Gemeiner Garten-
lattich, Gartensalat (fr. Laitue).
Es stimmen die Botaniker darin überein, den Garten-
salat als eine Abänderung der wildwachsenden Art
Lactuca Scariola anzusehen.? Dieselbe wächst im ge-
mässigten und südlichen Europa, auf den Canaren und
Madeira®, in Algerien’, in Abessinien® und im ge-
mässigten Westasien. Boissier spricht von im Peträi-
schen Arabien bis nach Mesopotamien und dem Kau-
kasus gesammelten Exemplaren.” Er erwähnt eme
Varietät mit krausen Blättern, die demnach gewissen
Salatarten unserer Gärten ähnlich wäre, und welche der
Reisende Hausknecht ihm von einem Berge Kurdistans
mitgebracht hatte. Ich besitze ein in Sibirien, in der
Nähe des Flusses Irtysch gesammeltes Exemplar, und
man weiss jetzt in bestimmter Weise, dass die Art im
nördlichen Indien, von Kaschmir bis nach Nepal vor-
kommt.$ In allen diesen Ländern findet sie sich häufig
in der Nähe von Culturen oder auf Schutthaufen, ebenso
häufig aber auch als wirklich wildwachsende Pflanze
auf Felsen, in Buschholz oder auf Wiesen.
Der angebaute Gartensalat säet sich oft auf dem
Felde ausserhalb der Gärten aus. Meines Wissens nach
hat niemand ihn in diesem Falle während einiger Gene-
1 Aug. de St.-Hilaire, Plantes remarq. du Brésil, Introd., S. 58; Dar-
win, Animals and Plants under domestication, II, 34.
2 Cl. Gay, Flora chilena, IV, 317.
3 Bischoff in seinen „Beiträgen zur Flora Deutschlands und der
Schweiz“, S. 184, hat diese Frage mit möglichster Sorgfalt geprüft. Vgl.
auch Moris, Fl. sardoa, II, 530.
4 Webb, Phytogr. canar., III, 422; Lowe, Fl. of Madeira, S. 544.
5 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 22, unter dem Namen von Z. sylvestris.
6 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 285.
7 Boissier, Fl. orient., III, 809. 8 Clarke, Compos. indicae, S. 263.
Gemeiner Gartenlattich, Gartensalat. 119
rationen verfolgt oder den Versuch gemacht, die wild-
wachsende L. Scariola anzubauen, um daraus zu ersehen,
ob der Uebergang von der einen zur andern ein leichter
ist. Es wäre immerhin möglich, dass sich der ursprüng-
liche Wohnsitz der Art durch die Verbreitung der zur
wilden Form zurückkehrenden angebauten Lattiche aus-
gedehnt hätte. Es ist bekannt, dass die Zahl der an-
gebauten Varietäten seit ungefähr 2000 Jahren zuge-
nommen hat. Theophrast gab deren drei an!, „Le Bon
Jardinier“ von 1880 etwa 40 in Frankreich vorkommende.
Die alten Griechen und Römer bauten den Lattich
besonders als Salatpflanze an. Im Orient geht diese
Cultur vielleicht auf noch frühere Zeiten zurück. Nach
den ursprünglichen, volksthümlichen Namen, sei es in
Asıen oder in Europa, gewinnt es indessen nicht den
Anschein, als ob man diese Pflanze sehr allgemein und
seit sehr langer Zeit angebaut hätte. Weder ein San-
skrit-, noch hebräischer, noch ein aus der wieder auf-
gebauten Sprache der Arier herrührender Name wird
angeführt. Ein griechischer Name T’ridax, und ein
lateinischer Lactuca kommen vor; im Persischen und
Hindustani sagt man Kahu, und diesem ähnlich ist
das arabische Chuss oder Chass. Der lateinische Name
findet sich auch mit einer geringen Veränderung in
mehrern slawischen und germanischen Sprachen wieder?,
was sich dadurch erklären lässt, dass entweder die west-
lichen Arier ihn weiter ausgebreitet haben, oder dass
sich die Cultur später mit dem Namen vom Süden nach
dem Norden Europas weiter ausbreitete.
Dr. Bretschneider hat meine Vermuthung ? bestätigt,
dass der Lattich in China kein hohes Alter aufweist,
und dass er vom Westen dort eingeführt wurde. Nach
ihm datirt das erste Werk, in welchem der Lattich Er-
wähnung findet, aus den Jahren 600 bis 900 unserer
Zeitrechnung.?
1 Theophrastes, 1, 7, c. 4. 2 Nemnich, Polygl.-Lexicon.
3 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 843.
4 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 17.
120 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Cichorium Intybus, Linne. — Gemeine Cichorie (fr.
Chicorée sauvage).
Die gemeine, perennirende Cichorie, welche man als
Gemüse-, Salat- und Futterpflanze, dann auch ihrer
Wurzeln wegen, aus denen Kaffee bereitet wird, an-
baut, wächst in ganz Europa mit Ausnahme von Lapp-
land, in Marokko und Algerien, von Osteuropa nach
Afghanistan und Beludschistan?, im Pendschab und Kasch-
mir”, und von Russland zum Baikalsee in Siıbirien.* Gewiss
ist die Pflanze in den meisten dieser Länder wild-
wachsend; da sie aber häufig an Wegen und Feldern
auftritt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie vom Menschen
über die Grenzen ihres ursprünglichen Vaterlandes hin-
aus gebracht wurde. Dies kann sehr gut in Indien
der Fall sein, denn es wird kein Sanskritname angeführt.
Die Griechen und Römer verwertheten diese Art so-
wol im wildwachsenden wie im angebauten Zustande”,
was sie aber darüber sagen, ist zu kurz, um verständ-
lich zu sein. Nach Heldreich gebrauchen die Neu-
griechen unter dem allgemeinen Namen Lachana 17
verschiedene Cichoraceen, die er einzeln anführt®, als
(remüse- und Salatpflanzen. Gewöhnlich wird ıhm zu-
folge Cichorium divaricatum, Schousboe (C. pumilum,
Jacquin) angebaut, dies ist aber eine einjährige Art,
und die von Theophrast erwähnte Cichorie war peren-
nirend.
Cichorium Endivia, Linne. — Endivien (fr. Chicorce
Endive). -
Die Endivien unterscheiden sich von Cichorium
Intybus durch ihre Einjährigkeit und ihren weniger
bittern Geschmack. Ausserdem sind die Härchen ihrer
Federkrone oberhalb des Samens viermal so lang und
1 Ball, Spicilegium Fl. marocc., S. 534; Munby, Catal., 2. Aufl., S. 21.
2 Boissier, Fl. orient., III, 715. 3 Clarke, Compos. ind., S. 250.
4 Ledebour, Fl. ross., II, 774.
5 Dioscorides, II, Kap. 160; Plinius, XIX, Kap. 8; Palladius, XI,
Kap. 11. Lenz, Botanik d. Alten, S. 483, führt noch andere Autoren an.
6 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 28 u. 76.
Endivien. Rt
ungleich, statt gleich zu sein. Solange man diese
Pflanze mit C. Intybus verglich, war es schwer, nicht
zwei Arten zuzulassen. Den Ursprung von ©. Endivia
kannte man nicht. Als ich vor 40 Jahren Exemplare
eines von Hamilton C. Cosmia genannten indischen Cicho-
rıum erhalten hatte, schienen mir dieselben der En-
divie so nahe zu stehen, dass ich auf den Gedanken
kam, Indien als das Vaterland derselben anzusehen, wie
man dies bisweilen vermuthet hatte!; von den anglo-
indischen Botanikern wird jedoch gesagt und mehr und
mehr bestätigt, dass die indische Pflanze nur angebaut
ist.? Die Ungewissheit über den geographischen Ur-
sprung hielt somit an. Darauf kamen mehrere Bo-
tanıker? auf den Gedanken, die Endivie mit einer ein-
jährigen, in der Mittelmeerregion wildwachsenden Art,
dem Cichorium pumilum, Jacquin (C. divaricatum, Schous-
boe) zu vergleichen, und ergaben sich so geringe Ver-
schiedenheiten, dass die specifische Identität von den
einen gemuthmasst, von den andern bestätigt wurde.
Was mich selbst betrifft, so erhebe ich, nachdem ich
die wildwachsenden Exemplare von Sicilien gesehen und
die guten von Reichenbach (Icones, Bd. 19, Taf. 1357
u. 1358) veröffentlichten Abbildungen verglichen habe,
keinen Einwand, die angebauten Endivien für Varietäten
derselben Art als C. pumilum anzusehen. In diesem
Falle wäre ©. Endivia der älteste Name und muss, wie
Schultz es gethan hat, beibehalten werden. Ueberdies
erinnert er an einen mehreren Sprachen gemeinsam an-
gehörenden volksthümlichen Namen.
Die spontane Pflanze findet sich in der ganzen Re-
gion, von welcher das Mittelmeer das Centrum bildet,
von Madeira®, Marokko und Algerien® bis nach Pa-
1 Aug. Pyr. de Candolle, Prodr., VII, S4; Alph. de Candolle, Géogr.
bot. raisonnée, S. 845.
2 Clarke, Compos. ind., S. 250.
3 De Visiani, Fl. dalmat., II, 79; Schultz, in: Webb, Phyt. canar.,
Sect. II, S. 391; Boissier, Fl. orient., III, 716.
4 Lowe, Flora of Madeira, S. 521. 5 Ball, Spicileg., S. 534.
6 Munby, Cat., 2. Aufl., S. 21.
122 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
lästina!, dem Kaukasus und Turkestan.” Besonders
auf den Inseln des Mittelmeers und in Griechenland ist
sie sehr gemein. In westlicher Richtung, z. B. in Spa-
nien und auf Madeira, hat sie sich wahrscheinlich in-
folge der Culturen naturalisirt; dies lässt sich aus den
Standorten schliessen, welche sie auf den Feldern und
an den Landstrassen EN
In den alten Origimalwerken findet sich ke positiver
Beweis, dass die Förskchen und Römer? diese Pflanze
verweitheten, wahrscheinlieh bleibt es aber immer, dass
sie sich derselben wie mehrerer anderer Cichoraceen
bedienten. Die volksthümlichen Namen deuten nichts
an, weil sie sich eben auf zwei Cichorienarten beziehen
konnten. Sie sind wenig verschiedenartig* und lassen
auf eine aus der griechisch-römischen Mitte hervorge-
gangene Cultur schliessen. Man kennt einen Namen im
Hindustani, Kasni, und einen im Tamulischen, Koschi?
aber keinen Sanskritnamen, was auf eine späte Cultur-
ausbreitung nach Osten hinweist.
Spinacia oleracea, Linne. — Spinat (fr. Epinard).
Dieses Gemüse war den Griechen und Römern unbe-
kannt. Im 16. Jahrhundert ” war es in Europa neu,
und man hat sich darüber gestritten, ob es Spanachia,
als von Spanien kommend, oder Spinacia, wegen der
Dornen seiner Früchte °, heissen müsste. Die Folge hat
gelehrt, dass der Name aus dem arabischen Isfanadsch,
Esbanach oder Sebanach stammt.” Die Perser sagen
Ispany oder Ispanaj!®, und die Hindus, nach Piddington,
1 Boissier, a. a. O.
2 Bunge, Beiträge zur Flora Russlands und Centralasiens, S. 197.
3 Lenz, Botanik der Alten, S. 453, führt die Stellen ee "Autoren an.
Vgl. auch Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S.
Nemnich, Polygl. on beim Worte Cichorium Endiia.
Royle, Il. Himal., S. 247; Piddington, Index.
J. Bauhin, Hist., I, "964; Fraas, Syn. fl. class.; Lenz, Bot. d. Alten.
Brassavola, S. 176. 8 Mathioli, ed. Valgr., S. 343.
Ebn Baithar, übers. von Sondtheimer, I, 34; Forskal, Egypt., S. 77;
Delile, Ill. Aegypt., S. 29.
10 Roxburgh, F1. ind., 1832, III, 771, auf Spinacia tetrandra, welche
dieselbe Art zu sein scheint, bezogen.
DIOoOUR
Spinat. 125
Isfany oder Palak, oder auch, nach demselben Autor
und Roxburgh, Pinnis. Das Fehlen eines Sanskrit-
namens weist auf eine wenig alte Cultur in diesen Re-
gionen hin. Loureiro sah den Spinat in Canton, Maxi-
mowicz in der Mandschurei ! angebaut; wir hören aber
von Dr. Bretschneider, dass der chinesische Name Kraut
von Persien bedeutet, und dass die westlichen Ge-
müse meistens ein Jahrhundert vor der christlichen Zeit-
rechnung eingeführt wurden.” Es ist somit wahrschein-
lich, dass die Cultur seit der griechisch-römischen Civili-
sation in Persien ıhren Anfang genommen hat, oder
auch, dass dieselbe sich nicht rasch von ihrem persi-
schen Ausgangspunkte nach Osten oder Westen ver-
breitete. Einen hebräischen Namen kennt man nicht,
sodass die Araber die Pflanze und den Namen von den
Persern erhalten haben müssen. Nichts berechtigt zu
der Vermuthung, dass sie dieses Gemüse nach Spanien
brachten. Ebn Baithar, welcher ım Jahre 1235 lebte,
war in Malaga geboren; die arabischen Werke, welche
er anführt, erwähnen aber nicht, wo die Pflanze angebaut
wurde, nur eins macht eine Ausnahme davon, dasselbe
berichtet über ihren allgemeinen Anbau in Ninive und
Babylon. In dem Werke Herrera’s über die spanische
Ackerwirthschaft wird die Art nur in einem Supple-
ment neuern Datums angegeben, woraus man schliessen
darf, dass sie in der Ausgabe von 1513 nicht erwähnt
wird. Somit muss die Cultur nach Europa ungefähr im
15. Jahrhundert vom Orient gelangt sein.
In einigen populären Büchern wiederholt man
die Aussage, dass der Spinat ursprünglich vom
nördlichen Asien stamme, nichts lässt aber darauf
schliessen. Augenscheinlich kommt er aus dem alten
Reiche der Meder und Perser. Nach Bosc? hatte der
Reisende Olivier Samen davon aus dem Orient mitge-
bracht, welche von ihm auf freiem Felde gesammelt
1 Maximowiez, Primitiae florae Amurensis, S. 222.
2 Bretschneider, Study ctc., of Chinese bot. works, $S. 15 u. 17.
3 Dict. d’agric., V, 906.
124 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
waren. Dies würde ein bestimmter Beweis sein, wenn
die aus diesen Samen erzielten Pflanzen von einem Bo-
taniker behufs Sicherstellung der Art und Varietät ge-
prüft worden wären. Beim augenblicklichen Stand un-
sers Wissens muss man immerhin zugeben, dass der
Spinat im wildwachsenden Zustande noch nicht ange-
troffen wurde, es sei denn, dass er eine durch die
Cultur erzielte Abänderung der Spinacia tetrandra,
Steven, ist, welche im Süden des Kaukasus, in Turkestan,
Persien und Afghanistan wildwachsend auftritt, und auch
als Gemüse unter dem Namen Schamum ! Verwendung
findet.
Ohne mich hier auf eine rein bo Erörterung
einzulassen, will ich nur bemerken, dass wenn man
die von Boissier angeführten Beschreibiiägen liest, die
Abbildung Wight’s? von der in Indien angebauten Spi-
nacia tetr andre, Roxb., sowie einige Herbarienexemplare
betrachtet, man keinen: unterscheidenden Charakter
zwischen dieser Pflanze und dem angebauten Spinat
mit dornigen Früchten antrifft. Das Wort éetrandra
drückt den Gedanken aus, dass die eine der Pflanzen
fünf, die andere vier Staubgefässe besässe, die Zahl
variirt aber bei unsern angebauten Spinatsorten.*
Wenn, wie dies wahrscheinlich erscheint, die zwei
Pflanzen zwei Varietäten ausmachen, die eine angebaut,
die andere bald wildwachsend, bald angebaut, so müsste
der älteste Name S. oleracea beibehalten werden, und
zwar um so viel mehr, da sich die beiden Pflanzen in
den Culturen des Heimatlandes antreffen lassen.
Der holländische oder dicke Spinat, dessen Frucht
keine Dornen trägt, ist augenscheinlich ein Garten-
erzeugniss. Tragus oder Bock war der erste, welcher
denselben im 16. Jahrhundert erwähnt hat.?
1 Boissier, Fl. orient., VI, 234.
2 Wight, Icones, Taf. 818.
3 Nees, Gen. plant. fl. germ., Buch 7, Taf. 15.
4 Bauhin, Hist., III, 965.
Fe
Fuchsschwanz. 195
Amarantus gangeticus, Linné. — Fuchsschwanz vom
Ganges (fr. Brede de Malabar).
Mehrere einjährige Fuchsschwanzarten werden auf
den Inseln Mauritius, Bourbon und den Seychellen unter
dem Namen Brede de Malubar! als Gemüse angebaut.
Die erstgenannte scheint die wichtigste zu sein. In
Indien baut man sie vielfach an. Die anglo-indischen
Botaniker hielten sie einige Zeit lang für Amarantus
oleraceus, Linne, und Wight bildet sie unter diesem
Namen ab?; man ist jedoch zu der Einsicht gekommen,
dass sie von dieser abweicht und zu A. gangeticus zu
bringen ist. Ihre in Wuchs, Farbe u. s. w. sehr zahl-
reichen Varietäten tragen in der Telingasprache den
Namen Tota Kura, zuweilen mit Hinzufügung eines
Adjectivs für jede derselben. Im Bengalischen und
Hindustani gibt es andere Namen. Die jungen
Triebe ersetzen zuweilen den Spargel auf dem Tische
der Engländer.” Amarantus melancholicus, oft in den
europäischen Gärten als Zierpflanze angebaut, wird als
eine der Formen dieser Art angesehen.
Vielleicht ist Indien das Heimatland, indessen ersehe
ich nicht, dass man dort die Pflanze ım wildwachsenden
Zustande gesammelt habe, zum wenigsten wird dies
von den Autoren nicht bestätigt. Alle Arten der Gat-
tung Amarantus breiten sich auf bebauten Ländereien,
auf Schutthaufen, an Landstrassen aus und naturalisiren
. sich somit halbwegs in den warmen Ländern wie in
Europa. Dadurch wird es äusserst schwierig, die Arten
‘zu unterscheiden und besonders ihren Ursprung zu er-
rathen oder festzustellen. Die der A. gangeticus am
meisten verwandten Arten scheinen asiatische zu sein.
Amarantus gangeticus wird von sehr zuverlässigen
Autoren in Aegypten und Abessinien als wildwachsend
1 A. gangeticus, tristis und hybridus von Linne, nach Baker, Flora
of Mauritius, S. 266.
2 Wight, Icones, Taf. 715.
3 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 606.
126 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
angegeben!; es handelt sich hier aber vielleicht um
eine der von mir soeben besprochenen Naturalisationen.
Das Vorkommen zahlreicher Varietäten und verschie-
dener Namen macht den indischen Ursprung sehr wahr-
scheinlich.
Die Japanesen bauen die Amarantus caudatus, man-
gostanus und melancholicus (oder gangeticus) von Linne
an?, kein Beweis liegt aber vor, dass eine derselben
dort einheimisch sei. Auf Java wird der dort auf
Schutthaufen, an Landstrassen®? u. s. w. sehr gemeine
A. polystachyus, Blume, angebaut.
Später werde ich auf die ihrer Samen wegen ange-
bauten Arten zu sprechen kommen.
Allium Ampeloprasum, var. Porrum. — Gemeiner
Lauch, Porre (fr. Poireau oder Porreau).
Nach der sehr sorgfältigen Monographie von J. Gay*
würde der Porre in Uebereinstimmung mit dem von
alten Schriftstellern? ausgesprochenen Verdachte nur eine
angebaute Varietät von dem Allium Ampeloprasum Linne's
sein, welche Art im Orient und in der Mittelmeerregion,
besonders in Algerien so gemein ist, und welche sich
in Mitteleuropa in den Weinbergen und in der Nähe
alter Culturplätze zuweilen naturalisirt.e Gay scheint
den Angaben der Floren des südlichen Europas grosses
Mistrauen entgegengesetzt zu haben, denn im Gegensatz
zu dem, was er bei den andern Arten thut, von denen
er die ausserhalb Algeriens gelegenen Localitäten auf-
zählt, führt er in dem vorliegenden Falle nur die al-
gerischen Standorte an, wenn er auch die Synonymie
der Autoren für andere Länder zulässt.
Die Form des angebauten Porrum ist nicht im wilden
1 Boissier, Flora orientalis, IV, 990; Schweinfurth und Ascherson,
Aufzählung u. s. w., S. 289.
2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, I, 390.
3 Hasskarl, Plantae javan. rariores, S. 431.
4 Gay, Ann. des sc. nat., 5. Serie, Bd. 8.
5 Linné, Species; de Candolle, Fl. franc., III, 219.
6 Koch, Synopsis fl. germ.; Babington, Manual of Brit, Fl.; English
Botany, u. 8, w,
Br
Luzerne, Ewiger Klee. 127
Zustande gefunden worden. Sie wird nur in verdäch-
tigen Localitäten, wie Weinbergen, Gärten u. s. w. an-
gegeben. Ledebour! gibt für A. Ampeloprasum die
Grenzen der Krim und die Provinzen im Süden des
Kaukasus an. Wallich brachte von Kamaon in Indien?
ein Exemplar mit, über dessen spontane Eigenschaft
man indessen nicht sicher ist. Die Werke über Cochin-
china (Loureiro), China (Bretschneider), Japan (Franchet
und Savatier) sprechen nicht von dieser Pflanze.
Zweiter Abschnitt. Futterpflanzen.
Medicago sativa, Linné. — Luzerne, Ewiger Klee (fr.
Luzerne).
Den Griechen und Römern war die Luzerne bekannt.
Sie nannten sie im Griechischen Medikai, im Lateinischen
Medica oder Herba medica, weil man sie von Medien
gebracht hatte zur Zeit des Perserkrieges, um das
Jahr 470 vor der christlichen Zeitrechnung.” Die Römer
bauten sie häufig an, wenigstens seit Beginn des 1. oder
2. Jahrhunderts. Cato spricht nicht von ihr *, wohl aber
Varro, Columella, Virgil u. s. w. Von de Gasparin
wird hervorgehoben, dass Crescenzi im Jahre 1478
ihrer für Italien nicht Erwähnung thut, und dass Tull
im Jahre 1711 sie nicht jenseit der Alpen gesehen
‚hatte. Indessen berichtet Targioni, welcher sich in Bezug
hierauf kaum irren konnte, dass sich der Luzerneanbau
in Italien, besonders in Toscana seit alters her erhalten
habe.° In Neugriechenland ist er selten. ?
Die französischen Landwirthe haben auf Luzerne
häufig den Namen Esparsette (Sainfoin, früher Sain foin),
1 Ledebour, F1. ross., IV, 163. 2 Baker, Journal of bot., 1874, S. 295.
3 Strabo, XII, 560; Plinius, Buch 18, Kap. 16.
4 Hehn, Culturpflanzen u. s. w., S. 355.
5 Gasparin, Cours d’agricult., IV, S. 424.
6 Targioni, Cenni storici, S. 34.
7 Fraas, Synopsis florae classicae, S. 63; Heldreich, Die Nutzpflanzen
Griechenlands, S. 70,
128 Zweiter Theil. Zweites Kapitel,
welcher für Onobrychis sativa gebraucht wird, bezogen,
und diese Namensversetzung kommt beispielsweise noch
in der Umgegend von Genf vor. Man vermuthete, dass
der Name Luzerne von dem gleichnamigen Thale in
Piemont abstammte, es gibt aber einen wahrschein-
lichern Ursprung für denselben. Die Spanier hatten
einen alten, von J. Bauhin ! angeführten Namen, Eruye,
und die Catalonier sagen Userdus?, woraus vielleicht
der Patoisname Laouzerdo des südlichen Frankreichs
entstand, welcher wieder Luzerne nahe steht. In Spa-
nien war die Cultur so allgemein verbreitet, dass die
Pflanze von den Italienern zuweilen Herba spagna? ge-
nannt wurde. Ausser den schon angegebenen Namen
sagen die Spanier auch Mielga oder Melga, was
von Medica zu kommen scheint; vorzugsweise gebrauchen
sie aber die aus dem Arabischen abgeleiteten Namen
Alfafu, Alfasafat, Alfalfa. Im 13. Jahrhundert bediente
sich der berühmte Arzt Ebn Baithar, welcher in Malaga
als Schriftsteller wirkte, des arabischen Wortes Fisfisat,
welches er mit dem persischen Namen Isfist* in Ver-
bindung bringt. Man ersieht daraus, dass, wenn man
sich auf volksthümliche Namen verlassen wollte, das
Vaterland der Pflanze in Spanien oder in Piemont, oder
noch eher in Persien zu suchen wäre. Glücklicher-
weise können die Botaniker directe und sichere Beweise
über das Vaterland der Art liefern.
Mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze ist
sie in mehreren Provinzen Anatoliens, ım. Süden des
Kaukasus, in mehreren Gegenden Persiens, in Afghanistan,
in Beludschistan? und in Kaschmir‘ als wildwachsende
Art gesammelt worden. Andere von den Autoren ım
südlichen Russland angegebene Standorte sind vielleicht
das Ergebniss der Culturen, wie solches im südlichen
1 Bauhin, Hist. plant., II, 581. 2 Colmeiro, Catal.
3 Tozzetti, Dizion. bot.
4 Ebn Baithar, Heil- und Nahrungsmittel, aus dem Arabischen über-
setzt von Sontheimer, II, 257. >
5 Boissier, Fl. orient., II, 9. 6 Royle, Ill. Himal., S. 197,
Esparsette, gemeiner Süssklee. 129
Europa zu Tage tritt. Die Griechen können somit die
Pflanze ebenso gut von Kleinasien als von Medien er-
halten haben, unter welch letzterm Lande besonders
das nördliche Persien verstanden wurde.
Dieser gut constatirte Ursprung der Luzerne lässt
mich die eigenthümliche Wahrnehmung machen, dass
man keinen Sanskritnamen von ihr kennt.! Auch der
Klee und die Esparsette besassen keinen solchen, wes-
halb man muthmaassen kann, dass die Arier künstliche
Wiesen nicht kannten.
Hedysarum Onobrychis, Linné. Onobrychis sativa,
Lamarck. — Esparsette, gemeiner Süssklee (fr. Sain-
foin, Esparcette).
Der Gebrauch dieser Leguminose, deren Nützlichkeit
auf trockenen und kalkhaltigen Ländereien der ge-
mässigten Regionen unwiderlegbar ist, hat kein hohes
Alter aufzuweisen. Die Griechen bauten sie nicht an,
und heutzutage haben ihre Nachkommen sie noch nicht
in ihre Ackerwirthschaft eingeführt.” Die im Diosco-
rides und Plinius Onodbrychis genannte Pflanze ist die
Onobrychis Caput-Galli der neuern Botaniker, eine in
Griechenland und anderswo wildwachsende Art, welche
man nicht anbaut. Zu Lebzeiten von Olivier de Serres*,
d. h. im 16. Jahrhundert, war die Esparsette, die Lu-
pinella der Italiener, im Süden Frankreichs eine sehr
geschätzte Futterpflanze; in Italien aber hat sich ıhr
Anbau besonders im 18. Jahrhundert, namentlich in
Toscana weiter ausgebreitet.
Die Esparsette ist ein perennirendes Gewächs, welches
im gemässigten Europa, im Süden des Kaukasus, um
den Kaspisee herum® und selbst jenseits des Baikalsees’
1 Piddinston, Index.
2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 72.
3 Fraas, Synopsis fl. class., S. 58; Lenz, Botanik d. alten Griechen und
Römer, S. 731.
4 O. de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 242.
5 Targioni-Tozzetti, Cenni storici, S. 34.
6 Ledebour. Fl. ross., I, 708; Boissier, Fl. orient., S. 532.
7 Turezaninow, Flora baical. Dahur., I, 340.
DE CANDOLLE. 9
130 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
im wildwachsenden Zustande auftritt. Im südlichen
Europa findet sie sich nur auf den Hügeln. Gussone
zählt sie nicht zu den spontanen Arten Siciliens, Moris
nicht zu denen Sardiniens und Munby auch nicht zu
jenen von Algerien.
Weder Sanskrit-, persische noch arabische Namen
sind bekannt. Allem Anscheine nach hat die Cultur im
südlichen Frankreich ihren Ursprung genommen und
zwar möglicherweise erst im 15. Jahrhundert.
Hedysarum coronarium, Linné. — Kronen-Hahnen-
kopf (fr. Sulla oder Sainfoin d’Espagne).
Der Anbau dieser der Esparsette ähnlichen Legu-
minose, von welcher sich ın „Flore des serres et des
jardins“, Bd. 13, Taf. 1382, eine gute Abbildung findet,
hat sich neuerdings in Italien, Sıcilien, auf Malta und
den Balearen! weiter verbreitet. Der Marquis Gri-
maldı, welcher im Jahre 1766 die Landwirthe zuerst
auf diese Pflanze aufmerksam machte, hatte sie bei
Seminara in Hintercalabrien gesehen; de Gasparin? em-
pfiehlt sie für Algerien, und dürften die Landwirthe
klimatisch ähnlicher Länder, in Australien, am Cap und
in Südamerika oder Mexico immerhin einen Versuch
mit ihr machen. In der Umgegend von Orange ging
die Pflanze durch eine Kälte von 6° C. zu Grunde.
Das Hedysarum coronarium wächst in Italien, von
Genua an bis nach Sicilien und Sardinien?, im Süden
Spaniens* und in Algerien, wo sie als selten ® bezeich-
net wird. Es ist somit eine in ihrer geographischen
Ausbreitung ziemlich beschränkte Art.
Trifolium pratense, Linne. — Gemeiner Wiesenklee
(fr. Trèfle).
1 Targioni Tozzetti, Cenni storici, S.35; Mares et Vigineix, Catal. des
HR, S. 100.
2 De Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 472.
3 Bertoloni, Flora italica, VIII, 6.
£ Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 262.
5 Munby, Catal., 2. Aufl., 8.12.
ste:
Zu WE „7
m7 h
-
»
Die Cultur dieser Kleeart bestand nicht im Alterthum,
_ : wenn auch die Pflanze fast allen Völkern Europas und
des gemässigten Westasiens zweifelsohne bekannt war.
Die Pflanze wurde zuerst verwerthet in Flandern im
16. Jahrhundert, vielleicht auch noch früher, und
nach Schwerz brachten die von den Spaniern ver-
triebenen Protestanten dieselbe nach Deutschland, wo
sie sich unter dem Schutze des Kurfürsten von der
Pfalz niederliessen. Von Flandern aus erhielten auch
die Engländer diese Pflanze im Jahre 1633 und zwar
durch den Einfluss von Weston, Grafen von Portland,
dem damaligen Lordkanzler.!
Der gemeine Wiesenklee ist in allen Ländern Euro-
pas, in Algerien?, auf den Bergen von Anatolien, in
Armenien, Turkestan?, in Sibirien nach dem Altai* hin
und in Kaschmir und Garwall?® einheimisch.
In Asien trat die Art somit in der von den arischen
Völkern bewohnten Region auf, doch kennt man von
ihr keinen Sanskritnamen, woraus man schliessen kann,
dass sie nicht angebaut wurde.
Blutklee. 151
Trifolium incarnätum, Linne. — Blutklee (fr. Trefle
incarnat oder Farouch).
Eine einjährige Futterpflanze, deren Anbau, wie Vil-
morin sagt, lange Zeit auf emige südliche Departements
beschränkt, in Frankreich mit jedem Tage allgemeiner
wird.° Zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte de Can-
dolle sie in der That nur im Ariège angetroffen.’ Seit
ungefähr 60 Jahren kommt sie in der Umgegend von
Genf vor. Targioni glaubt, dass sie in Italien kein
hohes Alter aufweist°, und der sehr nichtssagende Name
Trafogliolo bekräftigt diese Annahme.
1 De Gasparin, Cours d’agrieult., IV,445, nach Schwerz und A. Young.
2 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 11. 3 Boissier, Flora orient., I, 115.
4 Ledebour, Flora rossica, I, 548.
5 Baker, in: Hooker, Flora of British India, II, 86.
6 Bon Jardinier, 1880, I, 618.
7 De Candolle, Flore franc., IV, 528.
8 Targioni, Cenni storici, S. 35.
9*
LT te D 1
132 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Die catalanischen Namen Fe, Fench! und diejenigen
des südfranzösischen Patois? Farradje (Roussillon ),
Furratage (Languedoc), Æéroutgé (Gascogne), woraus
der Name Farouch, machen im Gegentheil eine Ur-
sprünglichkeit geltend, welche auf eine alte Cultur im
Gebiete der Pyrenäen hinweist. Das bisweilen gebräuch-
liche Wort Trèfle du Roussillon beweist dies gleichfalls.
Spontan zeigt sich die Pflanze in Galizien, Biscaya
und Catalonien?, dagegen nicht auf den Balearen*; auch
in Sardinien® und in der Provinz Algerien® tritt sie
auf. Für mehrere Gegenden Frankreichs, Italiens, Dal-
matiens, der Donauregion und Macedoniens wird sie
angegeben, ohne dass man jedoch in vielen Fällen weiss,
ob dies nicht eine Folge benachbarter Culturen ist.
Eine besondere Localität, welche sich nach den Aus-
sagen englischer Schriftsteller als eine natürliche er-
gibt, ist die Küste von Cornwallis in der Nähe der Land-
spitze von Lizard. Hier handelt es sich, nach Bent-
ham, um die blassgelbe Varietät, welche auf dem Con-
tinent wirklich wild wächst, während die angebaute
Varietät mit rothen Blumen sich in England infolge
der Culturen nur naturalisirt hat.” Ich weiss nicht, bis
zu welchem Punkte Bentham’s Beobachtung über die
Spontaneität der einzigen Form mit gelblicher Farbe
(var. Molinerii, Seringe) für alle die Länder, wo die
Art vorkommt, bestätigt wird. Nur sie wird für Sar-
dinien von Moris, für Dalmatien von Visiani® ange-
geben, und zwar in Gegenden, die natürlich erscheinen
(in pascuis collinis, in montanis, in herbidis). Die Au-
toren des Bon Jardinier? bestätigen mit Bentham die
Spontaneität der Varietät Molinerii für den Norden
1 Costa, Introd. fl. di Catal., S. 60.
2 Moritzi, Dict. mss., redigirt nach den vor Mitte des jetzigen Jahr-
hunderts veröffentlichten Floren.
| Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 366.
Mares et Virgineix, Catal., 1880.
Moris, Flora sardoa, I, 467. 6 Muuby, Catal., 2. Aufl.
Bentham, Handbook of British Flora, 4. Aufl., S. 117.
Moris, Flora sardoa, I, 467; Visiani, Fl. dalmat., III, 2%.
Bon Jardinier, 1880, S. 619.
Ds Bad Bug Sr JS)
© +
Pr
Frankreichs, während die mit rothen Blumen vom
Süden eingeführt wurde, und indem sie das Fehlen
guter specifischer Unterscheidung zugeben, bemerken
sie, dass bei dem Anbau die Form Molinerii ein lang-
sames Wachsthum zeigt, und aus der einjährigen Pflanze
häufig eine zweijährige wird.
Aegyptischer Klee. Erve, Ervenwicke. 133
Trifolium alexandrinum, Linne. — Aegyptischer Klee
(ir. Trèfle d'Alexandrie).
In Aegypten wird diese einjährige Kleeart unter dem
arabischen Namen Bersym oder Berzun! häufig als
Futterpflanze angebaut. Nichts weist darauf hin, dass
dies seit alters her Brauch war. In den botanischen
Büchern der Hebräer und Aramäer findet sich der
Name nicht.
In Aegypten ist die Art nicht wildwachsend, sie ist
es aber entschieden in Syrien und Kleinasien.?
Ervum Ervilia, Linné. Vicia Ervilia, Willdenow. —
Erve, Ervenwicke (fr. Ers).
Bertoloni* erwähnt nicht weniger als zehn volks-
thümliche italienische Namen, Ervo, Lero, Zirlo u. s. w.
Das deutet auf eine allgemeine und alte Cultur hin.
Heldreich * erwähnt, dass die Neugriechen die Pflanze
massenhaft als Futter anbauen. Sie nennen sie Robar,
aus dem Altgriechischen Orobos, gleichwie Ervos von
- dem lateinischen Ervum kommt. Die Cultur der Art
wird von den Autoren des griechischen und lateinischen
Alterthums erwähnt.ÿ Die alten Griechen gebrauchten
die Samen, denn in den Trümmern von Troja hat man
solche aufgefunden.® In Spanien kennt man viele volks-
thümliche, selbst arabische Namen ‘; seit einigen Jahr-
1 Forskal, Flora aegypt., S. 71; Delile, Plant. cült. en Egypte, S. 10;
Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians, II, 398.
2 Boissier, Flora orient., II, 127. 3 Bertoloni, F1. ital., VII, 500.
4 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71.
5 Vgl. Lenz, Botanik der Alten, S. 727; Fraas, Fl. class., S. 54.
6 Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenburg, 19. Dec. 187%
7 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 308.
134 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
hunderten wird die Art dort aber weniger angebaut.!
In Frankreich wird sie es so wenig, dass manche neuere
landwirthschaftliche Bücher von ihr nicht sprechen. In
Britisch-Indien ist sie unbekannt.?
Die allgemeinen Werke geben Ervum Ervilia als im
südlichen Europa wachsend an, wenn man aber von
den zuverlässigsten Floren eine nach der andern in die
Hand nimmt, ersieht man, dass es sich um ähnliche
Localitäten wie Felder, Weinberge oder bebaute Län-
dereien handelt. Ganz dasselbe trifft für Westasien
zu, wo Boissier von in Syrien, Persien, Afghamistan
gesammelten Exemplaren spricht.” In den abgekürzten
Katalogen * wird der Standort zuweilen nicht angegeben,
nirgends stosse ich aber auf die Behauptung, dass die
Pflanze in von Culturflächen entfernten Gegenden spon-
tan angetroffen worden sei. Die Exemplare meines
Herbariums sind in dieser Beziehung nicht beweis-
kräftiger. |
Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Art einst in
Griechenland, Italien, vielleicht auch in Spanien und
Algerien wildwachsend, die Häufigkeit ihres Anbaues,
selbst auf den Stellen, wo sie vorkam, ist aber ein
Hinderniss für die Auffindung wildwachsender Individuen.
Vicia sativa, Linne. — Gemeine Wicke, Futterwicke
(fr. Vesce).
Die Vicia sativa ist eine einjährige Leguminose, welche
in ganz Europa mit Ausnahme von Lappland spontan
auftritt. Sie ist ebenfalls in Algerien? und im Süden
des Kaukasus bis zur Provinz Talysch® gemein. Rox-
burgh gibt sie für den Norden Indiens und in Bengalen
als einheimisch an, was von Sir Joseph Hooker nur
1 Herrera, Agricultura (1819), IV, 72.
2 Baker, in: Hooker, F]. Brit. India.
3 Boissier, Fl. orient., II, 595.
4 Z. B.: Munby, Catal. plant. Algeriae, 2. Aufl., S. 12. 5 Ebend.
_ 6 Ledebour, F1. ross., I, 666; Hohenacker, Enum. plant. Talych, S. 113;
C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 147.
für die Varietät amgustifolia! zugegeben wird. Man
| kennt keinen Sanskritnamen von ıhr, und in den neuern
Sprachen Indiens nur Hindinamen.? Targioni glaubt,
dass das Ketsach der Hebräer? sich auf diese Pflanze be-
zieht. Ich habe vom Cap und von Californien Exemplare
erhalten. Sicherlich ist die Art dort nicht einheimisch,
sondern ausserhalb des Culturbereichs naturalisirt.
Die Römer säeten schon zu Cato’st Zeiten diese Pflanze
zum Futter und ihrer Samen wegen aus. Beweise für
eine noch ältere Cultur habe ich nicht aufgefunden.
Der Name Vik, woraus Vicia, kam schon sehr früh-
zeitig in Europa vor, denn er findet sich mit geringen
Abweichungen im Albanesischen , welches man als die
Sprache der Pelasger ansieht, und bei den slawischen,
schwedischen und germanischen Völkern. Dies beweist
nicht, dass die Art angebaut wurde. Sie ist recht
charakteristisch und den Herbivoren so nützlich, dass
man ihr von altersher volksthümliche Namen bei-
legte.
Rothe Platterbse. 135
Lathyrus Cicera, Linne. — Rothe Platterbse, rothe
Kicher (fr. Jarosse, Garousse, Gessette).
Eine einjährige, als Futterpflanze geschätzte Legu-
minose, ihre Samen werden aber bis zu einem gewissen
Grade gefährlich, sobald man sie in grössern Mengen
als Nahrung benutzt.®
Unter dem Namen MochiT wird sie in Italien ange-
baut. Einige Schriftsteller hegen die Vermuthung, dass
es sich hier um die Cicera von Columella und die Er-
vilia von Varo handelt®, der volksthümliche italienische
1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, S. 323; Hooker, F1. Brit. Ind., II, 178.
2 Piddington, Index, führt vier an.
3 Targioni, Cenni storici, S. 30.
4 Cato, De re rustica (1535), Sd anne ls (en, 18
5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71. In der den Indo-
Europäern vorhergehenden Sprache hat Vik eine andere Bedeutung, die
von Weiler (Fick, Wörterb. indo-germ., S. 189).
6 Vilmorin, Bon jardinier, 1880, S. 603.
q Targioni, Cenni storiei, S. 31; Bertolini, Fl. ital., VII, 444, 447.
8 Lenz, Botanik der Alten, S. 730.
156 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Name ist aber von diesen sehr verschieden. In Griechen-
land baut man die Art nicht an.! Mehr oder weniger
geschieht dies in Frankreich und Spanien, ohne Angabe
freilich, ob der Anbau auf sehr alte Zeiten zurückzu-
führen sei. Wittmack? führte auf diese Art, wenn
auch mit einigem Bedenken, gewisse Samen zurück,
welche Virchow unter den Trümmern Trojas gefunden
hatte.
Den Floren folgend, tritt die Art in trockenen Ge-
genden, fern von angebauten Ländereien, in Spanien
und Italien augenscheinlich spontan auf.? Nach Schwein-
furth und Ascherson * ist sie es desgleichen in Nieder-
ägypten; für eine alte Cultur in jenem Lande oder bei
den Hebräern liegen aber keine Beweise vor. Nach
Osten zu wird die spontane Eigenschaft weniger sicher.
Von Boissier wird die Pflanze auf „bebauten Lände-
reien von der europäischen Türkei und Aegypten bis
nach dem Süden des Kaukasus und bis nach Babylon
angegeben“.? Für Indien wird sie weder als spontan
noch als angebaut erwähnt, auch hat sie keinen Namen
im Sanskrit.
Wahrscheinlich ist die Art in der zwischen Spanien
und Griechenland liegenden Region ursprünglich zu
Hause, vielleicht auch in Algerien 7, und eine nicht sehr
alte Cultur hat sie nach Westasien verbreitet.
Lathyrus sativus, Linne. — Essbare Platterbse, deutsche
Kicher (fr. Gesse). |
Eine einjährige Leguminose, welche im Süden Eu-
ropas seit sehr langer Zeit als Futterpflanze und neben-
bei auch ihrer Samen wegen angebaut wird. Die Griechen
nannten sie Zathyros$ und die Lateiner Cicercula.?
Fraas, Fl. class.; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands.
Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenburg, 19. Dec. 1879.
Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, S. 313; Bertoloni, a. a. ©.
Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., 8. 257.
Boissier, F1. orient., II, 605.
J. Baker, in: Hooker, Fl. of Brit. India. 7 Munby, Catal.
Theophrastes, Hist. plant., 1. 8, c. 2, 10.
Columella, De re rustica, 1. 2, c. 10; Plinius, 1. 18, c. 13, 32.
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Essbare Platterbse. Foi
Auch im gemässigten Westasien und selbst im nörd-
lichen Indien! baut man sie an, sie hat aber weder
einen hebräischen? noch Sanskritnamen”, woraus man
schliessen kann, dass die Cultur in diesen Regionen
keine sehr alte ist.
In der grössern Mehrzahl der Floren des südlichen
Europa und Algeriens finden wir die Pflanze als an-
gebaut und fast spontan angegeben, selten und nur für
einige Gegenden als spontan. Begreiflicherweise hält
es schwer, die Spontaneität zu erkennen, wenn es sich
um eine Art handelt, die oft mit dem Getreide ver-
mischt vorkommt, sich leicht behauptet oder infolge
der Culturen weiter ausbreitet. Heldreich gibt für
Griechenland das Indigenat nicht zu.* Die Muth-
maassung scheint ziemlich gerechtfertigt zu sein, dass
die Pflanze im übrigen Europa und in Algerien aus
den Culturen hervorgegangen sei.
Die Wahrscheinlichkeiten scheinen mir im entgegen-
gesetzten Sinne für das westliche Asien zu sprechen.
Die Autoren erwähnen in der That Gegenden, die einen
genügend wilden Anstrich darbieten und in denen der
Ackerbau eine weniger wichtige Stellung einnimmt als
in Europa. Ledebour ? sah Exemplare, die in der Wüste
nahe beim Kaspisee und in der Provinz Lenkoran ge-
sammelt waren. Für Lenkoran wird dies von C. A.
Meyer bestätigt. Nachdem Baker in der „Flora In-
diens“ die Art als hier und da in den nördlichen Pro-
vinzen verbreitet angegeben, fügt er hinzu: „oft
angebaut“, es lässt sich daraus entnehmen, dass er
dieselbe wenigstens für den Norden als einheimisch
betrachtet. Boissier? bestätigt nichts bezüglich der
persischen, in seiner „Flora des Orients“ erwähnten
Localitäten.
1 Roxburgh, Fl. ind., 3; Hooker, Fl. of Brit. India, II, 178.
2 Rosenmüller, Handb. der bibl. Alterthumskunde, Bd. I.
3 Piddington, Index.
4 Heldreich, Pflanzen d. attisch. Ebene, S. 476; Nutzpflanzen Griechen-
lands, S. 72.
5 Ledebour, Flora rossica, I, 681.
6 C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 148. 7 Boissier, Fl. orient., II, 606.
138 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Mit einem Worte, es erscheint mir wahrscheinlich,
dass die Art vor ihrem Anbau vom Süden des Kaukasus
oder des Kaspisees bis nach Nordindien auftrat, und
dass sie sich nach Europa hin infolge alter Culturen,
vielleicht auch mit Getreide vermischt, ausbreitete.
Pisum Ochrus, Linne. Lathyrus Ochrus, de Candolle.
— Ochererbse (fr. Gesse Ochrus).
Als einjährige Futterpflanze in Catalonien unter dem
Namen Tapisots angebaut!, desgleichen in Griechenland,
namentlich auf der Insel Kreta unter dem von Ochros?,
wird auch von Theophrast? erwähnt, ohne dass derselbe
eine Beschreibung beifügt. Die lateinischen Schrift-
steller sprechen nicht von ihr, sodass man eine locale
und im Alterthum seltene Cultur annehmen kann.
In Toscana ist die Art entschieden wildwachsend.*
Auch in Griechenland und Sardinien scheint sie es zu
sein, wo Hecken als Standorte angegeben werden,
ebenfalls in Spanien, wo sie auf unbebauten Strecken
wächst‘; was aber den Süden Frankreichs, Algerien und
Sicilien anbelangt, so schweigen die Autoren entweder
über den Standort oder geben gemeiniglich Felder und
bebaute Ländereien als solche an. Nach dem Orient
zu kennt man die Pflanze nicht weiter, als bis nach
Syrien‘, wo sie indessen aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht spontan ist.
Nach der von Sibthorp in der „Flora graeca‘, Taf. 689,
gegebenen schönen Abbildung zu schliessen, ‚möchte es
sich der Mühe lohnen, die Art häufiger anzubauen.
Trigonella Foenum-graecum, Linne. — Gemeiner Kuh-
hornklee, griechisches Heu (fr. Fenu grec).
1 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 312.
2 Lenz, Bot. d. Alten, S. 730; Heldreich, Nutzpfl. Griechenl., S. 72.
Lenz, a. 2. O.
4 Caruel, F1. tosc., S. 193; Gussone, Syn. fl. sic., 2. Aufl.
5 Boissier, F1. orient. II, 602; Moris, F1. sardoa, I, 582.
6 Willkomm et Lange, a. a.
7 Boissier, a. a. O
Gemeiner Kuhhornklee, griechisches Heu. 139
In Griechenland und in Italien bauten die Alten!
diese einjährige Leguminose, sei es als Frühjahrs-Futter-
pflanze oder auch ihrer medicinischen Samen wegen
häufig an. Fast in dem gesammten Europa, ganz ins-
besondere in Griechenland ? ist diese Cultur jetzt auf-
gegeben, dagegen setzt man sie im Orient und in In-
dien fort, wo sie wahrscheinlich auf eine sehr- alte
Epoche zurückgeht, desgleichen in der ganzen Nil-
region.*
Die Art ist im Pendschab und in Kaschmir, in den
Wüsten Mesopotamiens und Persiens®, sowie in Klein-
asien ? wildwachsend, in letzterm Lande erscheinen aber
die angegebenen Fundorte von den bebauten Lände-
reien nicht genügend unterschieden. Auch? für mehrere
Gegenden Südeuropas, wie den Hymettus und andere
Orte Griechenlands, die Hügel oberhalb Bologna und
Genua, einige unbebaute Plätze in Spanien, wird sie
angeführt; je weiter man aber nach Westen fortschrei-
tet, um so mehr erweisen sich die angeführten Stand-
orte als Feider, angebaute Ländereien u. s. w.; es haben
somit auch die aufmerksamen Autoren Sorge ge-
tragen, die Art als aus den Culturen hervorgegangen
anzugeben.” Ohne Bedenken möchte ich behaupten,
dass, wenn eine derartige Pflanze im südlichen Europa
einheimisch wäre, sie dort auch viel allgemeiner auf-
treten und beispielsweise den Inselfloren, wie jenen
von Sicilien, Ischia und den Balearen nicht abgehen
würde. 10
1 Theophrastes, Hist. plant., 1. S, c. 8; Columella, De re rustica, 1. 2,
c. 10; Plinius, Hist., 1. 18, c. 16.
2 Fraas, Syn. fl. class., S. 63; Lenz, Bot. d. Alterth., S. 719.
3 Baker, in: Hooker, F1. of Brit. India, II, 57.
4 Schweinfurth, Beitr. z. Fl. Aethiop., S. 258.
5 Baker, a. a. ©.
6 Boissier, F1. orient., II, 70. 7 Ebend.
8 Sibthorp, Fl. graeca, Taf. 766; Lenz, a. a. O.; Bertoloni, F1. ital.,
VIII, 250; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., III, 390.
9 Caruel, F1. tosc., S. 256; Willkomm et Lange, a. a. O.
10 Die Pflanzen, welche sich von dem einen Lande nach dem andern
verbreiten, gelangen viel schwerer nach den Inseln, wie dies aus den
Beobachtungen zu ersehen ist, welche ich früher darüber veröffentlicht
habe (Géogr. bot. raisonnée, S. 706).
140 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Das hohe Alter der Art und ihres Gebrauchs in Indien
wird durch das Vorkommen mehrerer je nach den Völ-
kern verschiedenartiger Namen, und ganz insbesondere
durch einen Sanskritnamen und einen neuern hindusta-
nischen, Methi!, bekräftigt. Es ist ein persischer Name,
Schemlit, und ein arabischer in Aegypten sehr gebräuch-
licher, Helbeh?, bekannt, ein hebräischer Name wird
aber nicht angegeben.? Einer der Namen für die Pflanze
im Altgriechischen, Tailis (Tux), dürfte vielleicht von
den Philologen als ein von dem Sanskritnamen abge-
leiteter angesehen werden, ich vermag dies nicht zu
beurtheilen. Es wäre möglich, dass die Arier die Art
eingeführt hätten und von dem ursprünglichen Namen
keine Spur in den Sprachen des Nordens zurückgeblie-
ben wäre, weil dieselbe nur im Süden Europas ihr
Fortkommen findet.
Ornithopus sativus, Brotero. ©, isthmocarpus, Cosson.
— Serradella (fr. Serradelle).
Die echte Serradella, sowol die in Portugal wild-
wachsende wie angebaute, wurde zum ersten mal im
Jahre 1804 von Brotero beschrieben, und Cosson hat
sie noch deutlicher von den verwandten Arten unter-
schieden.° Einige Autoren verwechselten sie mit Orni-
thopus roseus Dufour, und die Landwirthe legten ihr
bisweilen den Namen einer sehr verschiedenen Art, O.
perpusillus, bei, welche sich ihres sehr kleinen Wuchses
wegen zum Anbau nicht eignen würde. Ein ‚Blick auf
die Frucht oder Hülse von O. sativus genügt schon,
um in Bezug auf die Art keine Zweifel zu hegen, denn
bei der Reife ist dieselbe an den Gelenken beiderseits
zusammengezogen und stark bogenförmig. Wenn sich
1 Piddington, Index. 2 Ainslie, Mat. med. ind., I, 130.
3 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde.
* Wie gewöhnlich findet sich in Fick’s classischem Wörterbuch der
indo-europäischen Sprachen der Name dieser Pflanze, welcher von den
Engländern als Sanskritname hingestellt wird, nicht angegeben.
5 Brotero, Flora lusitanica, II, 160.
6 Cosson, Notes sur quelques plantes nouvelles ou critiques du midi
de l'Espagne, S. 36.
4
Gemeiner Ackerspark. 141
auf den Feldern Individuen von gleichem Ansehen fin-
den, deren Hülsen aber gerade und nicht zusammen-
gebogen sind, müssen dieselben aus einer Samenver-
mischung mit O. roseus abstammen, und wenn die Hülse
gebogen, aber nicht zusammengezogen erscheint, dürfte
es sich um OÖ. compressus handeln. Nach dem Aussehen
dieser Pflanzen dürften sie in ähnlicher Weise angebaut
worden sein und muthmaasslich dieselben Vorzüge
darbieten.
_ Nur für sandige und trockene Gegenden eignet sich
die Serradella. Es ist eine einjährige Pflanze, welche
in Portugal ein sehr zeitiges Frühlingsfutter liefert.
Ihre nach dem Kempenland in Belgien eingeführte Cul-
tur hat guten Erfolg gehabt.!
Die Ornithopus sativus scheint in mehreren Gegenden
Portugals und des südlichen Spaniens spontan zu sein.
Ich besitze ein Exemplar von Tanger (Salzmann), und
Cosson brachte sie von Algerien. Oft findet man sie
auf wüsten Feldern und selbst anderswo. Es kann
schwer halten, zu erfahren, ob die gesammelten Exem-
plare nicht von Pflanzen abstammen, die den Culturen
entsprungen sind, bei einigen angeführten Standorten,
z. B. ein Fichtenwald bei Chiclana im Süden Spaniens
(Willkomm), ist dies aber nicht wahrscheinlich.
Spergula arvensis, Linne. — Gemeiner Ackerspark
? (fr. Spergule oder Spargoule).
Diese unscheinbare einjährige Pflanze aus der Familie
der Caryophyllaceen (Tribus der Alsineen) wächst auf
den sandigen Feldern und ähnlichen Terrains in Eu-
ropa, Nordafrika, selbst in Abessinien?, in Westasien
bis nach Indien? und sogar in Java.* Schwer hält es,
zu wissen, in welcher Ausdehnung der Alten Welt sie
1 Bon Jardinier, 1880, S. 512. 2 Boissier, F1. orient., I, 731.
3 Hooker, F1. of Brit. India, I, 243, und mehrere Exemplare von den
Nilgherries und Ceylon in meinem Herbarium.
* Zollinger, Nr. 2556 in meinem Herbarium.
142 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
ursprünglich einheimisch war. Für viele Standorte
weiss man nicht, ob sie wirklich spontan ist, oder den
Culturen ihr Dasein verdankt. Zuweilen lässt sich eine
Einführung neuern Datums muthmaassen. Seit einigen
Jahren hat man beispielsweise in Indien zahlreiche
Exemplare gesammelt, Roxburgh hingegen, welcher dort
zu Ende des verflossenen und zu Anfang des jetzigen
Jahrhunderts so eifrig gesammelt hat, erwähnt sie nicht.
Weder ein Sanskrit- noch ein neuerer indischer Name!
sind von ihr bekannt, auch hat man sie nicht in den
zwischen Indien und der Türkei gelegenen Ländern an-
getroffen.
Einige Andeutungen über den Ursprung der Art und
ihre Cultur lassen sich in den volksthümlichen Namen
auffinden.
Man kennt weder einen griechischen Namen noch
einen solchen der lateinischen Autoren. Der Name Sper-
gula, im Italienischen Spergola, ist allem Anscheine nach
in Italien ein alter volksthümlicher. Ein anderer ita-
lienischer Name, Erba renaiola, weist nur auf das Vor-
kommen im Sande (rena) hin. Die französischen, spa-
nischen (Esparcillas), portugiesischen (Esparguta), deut-
schen Namen (Spark) haben dieselbe Wurzel. Für
den ganzen Süden Europas erscheint es, als ob die Art
von den Römern vor Theilung der lateinischen Sprachen
von Land zu Land gebracht worden sei. Für den
Norden verhält sich die Sache ganz anders. Es gibt
einen russischen Namen, Toritsa?, mehrere dänische,
Humb oder Hum, Girr oder Kirr*, und schwedische,
Knutt, Fryle, Nägde, Skorff.* Diese grosse Verschieden-
artigkeit liefert den Beweis, dass man sich seit langer
Zeit in jenen Ländern mit dieser Pflanze beschäftigt
hat, und dass demgemäss die Cultur dort eine alte ist.
Im 16. Jahrhundert wurde sie in der Umgegend von
1 Piddington, Index. 2 Sobolewski, Flora petropol., S. 109.
3 Rafn, Danmarks Flora, II, 799.
4 Wahlenberg, angeführt in: Moritzi, Diet. mss.; Svensk Botanik
Taf. 308.
N
;- TA,
;
Guineagras. 143
Montbéliard betrieben !, und wird nicht gesagt, dass
sie dort neu wäre. Wahrscheinlich hat dieser Anbau
in Südeuropa zur Zeit des römischen Kaiserreichs sei-
nen Anfang genommen und im Norden vielleicht früher.
Auf alle Fälle muss Europa das ursprüngliche Vater-
land gewesen sein.
Die Landwirthe unterscheiden eine höhere Form von
Spergula?, die Botaniker stimmen aber darin über-
ein, derselben keine genügenden Charaktere zuzuerken-
nen, um sie als Art zu trennen, mehrere von ihnen
machen nicht einmal eine Varietät daraus.
Panicum maximum, Jacquin.” — Guineagras (fr.
Herbe de Guinee).
Diese ausdauernde Grasart (Guinea grass der Eng-
länder) erfreut sich als nahrhafte Futterpflanze in den
intertropischen Ländern eines grossen Rufes und ist
leicht anzubauen. Mit einiger Sorgfalt kann eine dar-
aus zusammengesetzte Wiese 20 Jahre lang dauern.*
Die Cultur scheint auf den Antillen ihren Anfang
genommen zu haben. Mitte des verflossenen Jahrhun-
derts spricht P. Browne von ihr in seinem Werke über
Jamaica und nach ihm Swartz.
Der erste erwähnt das Guinea grass ohne irgend-
welche Bemerkung über den Ursprung der Art. Der
zweite sagt: „früher von den Küsten Afrikas nach den
Antillen gebracht“. Er hat sich wahrscheinlich mit der
durch den volksthümlichen Namen gegebenen Andeutung
zufrieden gegeben, wir wissen aber, bis zu welchem
Punkte die derartig angegebenen Ursprungsorte falsch
1 Bauhin, Hist. plant., III, 722.
2 Spergula maxima, Boehninghausen, abgebildet in: Reichenbach, Plan-
tae crit., VI, 513.
3 Panicun maximum Jacq., Coll. 1, S.71(im Jahre 1786); Jacq., Icones, I,
Taf. 13; Swartz, Fl. Indiae occ., VII, 170. P. polygamum Swartz, Prodr.,
S. 24 (1788). P. jumentorum Persoon, Ench., I, 83 (1805). P. altissimun
einiger Gärten und neuerer Autoren: Es ist Regel, dass der älteste Name
beibehalten wird.
4 Auf Domingo, nach Imray, in: Kew Report f. 1879, S. 16.
144 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
sein können, als Beispiel hierfür genügt der sogenannte
türkische Weizen, welcher aus Amerika stammt.
Swartz, ein tüchtiger Botaniker, sagt ferner, dass die
Pflanze „auf den angebauten trockenen Weideplätzen
Westindiens wächst, wo sie auch angebaut wird“, wor-
unter eine auf früher angebauten Ländereien naturali-
sirte Art verstanden werden kann. Mir ist es nicht
bekannt, dass man auf den Antillen einen wirklich
spontanen Zustand constatirt hätte. Nach den von
Martius gesammelten und von Nees! bearbeiteten Do-
cumenten, welche später von Doell? noch vermehrt und
weiter geprüft wurden, erhält man die Gewissheit, dass
Panicum maximum in den Lichtungen der benachbarten
Wälder des Amazonenstroms bei Santarem, sowie in den
Provinzen von Bahia, Ceara, Rio de Janeiro und St.-
Paulo wächst. Wenn auch die Pflanze in diesen Län-
dern häufig angebaut wird, so lassen doch die ange-
gebenen Localitäten ihrer Natur und ihrer grossen Zahl
nach auf das Indigenat schliessen. Doell hat ebenfalls
Exemplare vom französischen Guyana und von Neu-
granada gesehen.
Untersuchen wir weiter was Afrika betrifft.
Sir W. Hooker spricht von Exemplaren, die von
Sierra Leone, von Aguapim, von den Ufern des Quorra
und der Insel St.-Thomas in Westafrika herrührten.
Nees* führt die Art in mehreren Localitäten der Cap-
colonie an, selbst in Gebüschdickichten und gebirgigen
Strecken. A. Richard? erwähnt Plätze in Abessinien,
welche desgleichen ausserhalb der Culturen zu liegen
scheinen, doch gibt er zu, über die Art nicht ganz
sicher zu sein. Dagegen trägt Anderson kein Bedenken,
die Pflanze als P. maximum hinzustellen, welche der
Reisende Peters® von den Ufern des Zambesi und von
Mozambique heimbrachte.
Nees, in: Martius, Fl. brasil., II, 166.
Doell, in: Flora brasil., Bd. II, Theil 2.
Sir W. Hooker, Niger Flora, S. 560.
Nees, Florae Africae austr. Gramineae, S. 36.
A. Richard, Abyssinie, II, 373. 6 Peters, Reise, Botanik, S. 546.
CU He O9 19 m
Chinesischer Theestrauch. 145
Mit Bestimmtheit weiss man, dass die Art nach der
. Insel Mauritius von dem frühern Gouverneur derselben,
Labourdonnais!, eingeführt wurde, und dort wie auf
Rodriguez und den Seychellen? sich ausserhalb des
Culturbereichs weiter ausbreitete. Die Einführung nach
Asien kann keine alte sein, denn weder Roxburgh (Fl.
ind.) noch Miquel (Fl. ind.-bat.) führen die Art an.
Auf Ceylon wird sie nur angebaut.?
Der Angabe des volksthümlichen Namens und der all-
gemeinen, wenn auch wenig begründeten Meinung der
Autoren gemäss, scheint mir schliesslich manches zu
Gunsten des afrikanischen Ursprungs zu sprechen. Da
sich indess die Pflanze so leicht verbreitet, bleibt es
immerhin seltsam, dass sie nicht von Abessinien oder
Mozambique nach Aegypten gelangte, und dass man sie
ebenfalls erst so spät auf den ostafrikanischen Inseln
erhielt. Wenn vor Beginn der Culturen das gleich-
zeitige Auftreten ein und derselben Art in Afrika und
in Amerika nicht zu den grossen Seltenheiten gehörte,
könnte man solches muthmaassen; es ist jedoch bei
einer angebauten Pflanze, deren Verbreitung augen-
scheinlich eine sehr leichte ist, wenig wahrscheinlich.
Dritter Abschnitt. Verschiedene Febrauchsanwen-
dungen der Stengel oder der Blätter.
Thea sinensis, Linne. — Chinesischer Theestrauch
(fr. Thé).
Als gegen Mitte des 18. Jahrhunderts noch sehr wenig
über den Strauch bekannt war, welcher den Thee lie-
fert, nannte Linné ihn Thea sinensis. In der bald
darauf erscheinenden zweiten Ausgabe der „Species
plantarum“ hielt er es für besser, zwei Arten, Thea
Bohea und Thea viridis, zu unterscheiden, welche seiner
1 Bojer, Hortus mauritianus, S. 565.
2 Baker, Flora of Mauritius and Seychelles, S. 436.
3 Thwaites, Enum. plant. Ceylonae.
DE CANDOLLE. 10
146 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Meinung nach der kaufmännischen Unterscheidung von
schwarzem und grünem Thee entsprächen. Seitdem
liegen Beweise vor, dass es nur eine Art gibt, welche
mehrere Varietäten in sich begreift, und dass man
schwarzen und grünen Thee von allen Varietäten, je
nach den Zubereitungsmethoden, gewinnen kann. Diese
Frage war abgethan, als eine andere aufgeworfen wurde,
ob nämlich die Aufstellung der von Camellia mehr oder
minder verschiedenen Gattung Thea begründet sei.
Mehrere Autoren machen aus Thca eine Unterabtheilung
der alten Gattung Camellia; wenn man sich aber die
von Seemann! in sehr genauer Weise gegebenen Cha-
raktere vergegenwärtigt, so darf man, wie mir scheint,
die Gattung Thea mit der alten und bei der Haupt-
art gebräuchlichen Nomenclatur beibehalten.
Man weist häufig auf eine japanische von Kaempfer?
mitgetheilte Legende hin. Ein im Jahre 519 unserer
Zeitrechnung von Indien nach China gekommener Priester,
welcher vom Schlafe überwältigt wurde, hätte sich, als
er wachen und beten wollte, in einem Augenblick des
Unwillens beide Augenlider abgeschnitten und diese
hätten sich in einen Strauch, den Theestrauch, verwan-
delt, dessen Blätter die besondere Eigenschaft besitzen,
den Schlaf zu verscheuchen. Für diejenigen, welche
Legenden, sei es ganz oder theilweise, gern Glauben
schenken, tritt aber leider bei dieser der Umstand ein,
dass die Chinesen, trotzdem sie sich im- eigenen Lande
zugetragen hat, von ihr nichts wissen. Sie kannten
den Theestrauch sehr gut vor dem Jahre 519, und
wahrscheinlich war derselbe nicht von Indien dorthin
gelangt. Dies erfahren wir von Dr. Bretschneider in
seinem an botanischen und linguistischen Thatsachen
so reichen Buche.? ‚Der «Pent-sao»“, sagt er, „er-
wähnt den Theestrauch 2700 Jahre v. Chr., die «Rya»
1 Seemann, in: Transactions of theLinnaean Society, XXII,337, Taf.61,
2 Kämpfer, Amoen. Japon.
3 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works,
S. 13 u. 45. :
Chinesischer Theestrauch. 147
5 bis 600 Jahre v. Chr., und im 4. Jahrhundert un-
serer Zeitrechnung hat der Ausleger des letzten Werkes
Einzelheiten über die Pflanze und den Gebrauch ihrer
Blätter als Aufguss gegeben. Dies ist somit ein in
China sehr alter Brauch. Weniger ist er es vielleicht
in Japan, und wenn er seit langer Zeit in Cochinchina
vorkommt, was immerhin möglich ist, so liegen doch
keine Beweise vor, dass er sich einst nach Indien hin
ausgebreitet habe; die Autoren führen keinen Sanskrit-
namen an, selbst nicht einmal einen solchen aus den
neuern indischen Sprachen. Jedenfalls wird dies uns
seltsam erscheinen, wenn man das ın Betracht zieht,
was sich über den natürlichen Wohnsitz der Art
sagen lässt.
Die Samen des Theestrauchs verbreiten sich oft
ausserhalb der Culturen, und flössen den Botanikern
über die spontane Eigenschaft der Individuen, welche
man hier und da antrifft, gewisse, Zweifel ein. Thun-
berg hielt die Art für eine in Japan wildwachsende,
dies wird aber von Franchet und Savatier! ent-
schieden verneint. Fortune?, welcher die Theecultur
in China so sorgfältig geprüft hat, spricht nicht von
der wildwachsenden Pflanze. Fontanier? bestätigt, dass
der Theestrauch meistens wildwachsend in der Man-
dschurei auftritt. Wahrscheinlich ist es, dass er in den
Gebirgsdistrikten des südwestlichen China wächst, wo-
hin die Naturforscher bisjetzt noch nicht gedrungen sind.
Loureiro sagt: „in Cochinchina angebaut und nicht an-
gebaut“.* Sicherer ist es, dass die englischen Reisenden
ihn in Oberassam und der Provinz Cachar gesammelt
haben.$ Somit muss der Theestrauch in den Gebirgs-
1 Franchet et Savatier, Enumer. plant. Jap., I, 61.
2 Fortune, Three years wandering in China.
3 Fontanier, Bulletin de la Soc. d’acclimatation, 1870, S. 88.
4 Loureiro, Fl. cochinch., S. 144.
5 Griffith, Reports; Wallich, von Sir J. Hooker angeführt, Flora of
Brit. India, J, 293.
6 Anderson, angeführt von Sir J. Hooker.
10*
148 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
ländern, welche die Ebenen Indiens von jenen Chinas
scheiden, einheimisch sein.
Die Theecultur, welche jetzt nach mehreren Colonien
eingeführt ist, liefert in Assam vorzügliche Resultate.
Nicht nur ist der dort gewonnene Thee von einer bes-
sern Qualität als die mittlern Sorten Chinas, sondern
auch die Quantität nimmt rasch zu. Im Jahre 1870
erntete man in Britisch-Indien 13 Millionen Pfund Thee,
1878 37 Millionen und für 1880 hoffte man auf einen
Ertrag von 70 Millionen Pfund!! Frost kann der Thee-
strauch nicht ertragen’, und von der Trockenheit hat
er zu leiden. Wie ich früher einmal gesagt habe?,
stehen die Bedingungen, welche ihn begünstigen, den-
jenigen entgegen, welche für die Weinrebe die geeig-
netsten sind. Man hat mir entgegengehalten, dass der
Theestrauch auf den Azoren, wo guter Wein erzeugt
wird, gedeiht#; in Gärten und in kleinem Maassstabe
können aber viele Pflanzen angebaut werden, deren
Cultur im grossen nicht einträglich ist. Auch in China
gibt es Weinreben, der Weinverkauf spielt dort aber
eine ganz untergeordnete Rolle. Im Gegensatz hierzu
hat kein Weinland Thee zur Ausfuhr geliefert. Nach
China, Japan und Assam baut man auf Java, Ceylon
und ın Brasilien den meisten Thee an, und sicherlich
wird dort der Weinbau sehr wenig oder gar nicht be-
trieben, während die Weine trockener Regionen, wie
Australien, das Cap u. s. w., im Handel immer mehr
Verbreitung finden.
Linum usitatissimum, Linne. — Gemeiner Flachs oder
Lein (fr. Lin).
1 The Colonies and India, nach Gardener’s Chronicle, 1880, I, 659.
2 „Ich hätte eher sagen sollen: fürchtet die starken Fröste. Uebrigens
habe ich in den Werken über China nicht erfahren, welche Frostgrade
die Art vertragen kann. Was die Spontaneität in China anbelangt, so
nennt Griffith (Report on the Tea plant., S. 54) den Dr. Abel, welcher
den wildwachsenden Theestrauch in See-Chow gesehen hat.“ (Vom Ver-
fasser mitgetheilte Anmerkung.)
3 Rede, gehalten im Londoner botan. Congress von 1866.
4 Flora, 1868, S. 64.
Gemeiner Flachs oder Lein. 149
Die Frage über den Ursprung des Flachses oder
vielmehr der angebauten Flachssorten ist eine der-
jenigen, welche zu den interessantesten Untersuchungen
Veranlassung gegeben haben.
Um die Schwierigkeiten zu würdigen, welche sie dar-
bietet, muss man sich zunächst über sehr nahestehende
Formen Rechnung ablegen, welche die Autoren bald
als bestimmte Arten der Gattung Linum, bald als Va-
rietäten einer einzigen Art bezeichnen.
Die erste wichtige, hierauf bezügliche Arbeit wurde
von Herrn J. E. Planchon im Jahre 1848 veröffent-
licht.! Die Verschiedenheiten der Linum usitatissimum,
humile und angustifolium, welche recht wenig bekannt
waren, wurden von ihm offengelegt. Später hat O. Heer?
bei Gelegenheit seiner gründlichen Studien über die
einstigen Culturen die angegebenen Charaktere noch
einmal geprüft, und ist, indem er das Studium zweier
Mittelformen, die Vergleichung zahlreicher Exemplare
hinzufügte, endlich auf den Gedanken gekommen, eine
einzige, aus mehreren leicht verschiedenen Beständen
zusammengesetzte Art zuzulassen. Sein lateinisches Re-
sume der Charaktere will ich hier übertragen und da-
bei einen Namen für jede besondere Form hinzufügen,
wie solches in den botanischen Büchern Brauch ist.
Linum usitatissimum.
1. Annuum (einjährig). Einjährige Wurzel; Stengel nur einer, auf-
recht; Kapseln 7—8 mm lang, Samen 4—6 mm, in einen Schnabel aus-
laufend. «. Vulgare (gemeiner). Die 7 mm langen Kapseln öffnen sich
nur bei der Reife und zeigen nach innen glatte Wände. — Zu deutsch:
Schliesslein, Dreschlein. f. Humile (niedriger). Kapseln 8 mm.
lang, öffnen sich bei der Reife sehr rasch, nach innen gewimpert. — Li-
num humile, Miller. L. crepitans, Boeninghausen. Zu deutsch: Klang-
lein, Springlein.
2. Hyemale (winterlich). Wurzel ein- oder zweijährig, Stengel zahl-
reich, an der Basis weitschweifig, gekrümmt; Kapseln 7 mm lang, aus-
laufend in einen Schnabel. — Linum hyemale romanum. Zu deutsch:
Winterlein.
3. Ambiguum (zweideutig). Wurzel einjährig oder perennirend; Sten-
gel zahlreich, Blätter zugespitzt; Kapseln 7 mm lang, mit wenig gewim-
1 Planchon, in: Hooker, Journal of Botany, VII, 165.
2 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 35 (Zürich 1865); Ueber den
Flachs und die Flachscultur (Zürich 1872).
150 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
perten Wänden; Samen von 4 mm, in einen kurzen Schnabel auslaufend,
— Linum ambiguum, Jordan.
4. Angustifolium (schmalblätterig). Wurzel einjährig oder perennirend;
Stengel zahlreich, an der Basis weitschweifig, gekrümmt; Kapseln von
6 mm; mit gewimperten Wänden; Samen von 3 mm, an der Spitze kaum
hakenförmig. — Linum angustifolium, Hudson.
Man ersieht hieraus, wie viele Uebergänge zwischen
den Formen vorkommen. Die einjährige, zweijährige
oder perennirende Beschaffenheit, deren geringe Stetig-
keit Heer muthmaasste, ist ziemlich unbestimmt, beson-
ders bei L. angustifolium, denn Loret, welcher diese
Leinart in der Umgegend von Montpellier beobachtete,
drückt sich folgendermaassen aus!: „In den sehr war-
men Ländern ist dieselbe fast immer einjährig, was
nach der Aussage von Gussone in Sicilien der Fall ist;
bei uns ist sie je nach der physikalischen Beschaffenheit
des Bodens, in welchem sie wächst, einjährig, zweijährig
oder selbst perennirend; man kann sich hiervon am
Littorale, besonders bei Maguelone überzeugen. Dort
kann man sehen, dass sie an den häufig betretenen
Fusswegen von längerer Dauer ist als im Sande, wo
die Sonne ihre Wurzeln rasch austrocknet und wo die
Dürre des Bodens ihr nur ein Jahr zum Leben ge-
stattet.‘
Wenn physiologische Formen von einer in die andere
übergehen und sich je nach äussern Umständen durch ver-
änderliche Charaktere auszeichnen, so ist dies eine Ver-
anlassung, sie als eine einzige Art ausmachend anzu-
sehen, wenn auch immer diese Formen einen gewissen
Erblichkeitsgrad zeigen und vielleicht auf sehr alte
Zeiten zurückzuführen sind. Bei den Untersuchungen
über ihren Ursprung müssen wir sie indess getrennt
behandeln. Zuerst werde ich darauf hinweisen, in wel-
chen Ländern man jede Form im spontanen oder fast
spontanen Zustande angetroffen hat. Dann werde ich
auf die Culturen zu sprechen kommen, und wir werden
sehen, bis zu welchem Punkte die geographischen oder
1 Loret, Observations critiques sur plusieurs plantes montpelliéraines,
in: Revue des sc. nat., 1875.
Gemeiner Flachs oder Lein. 151
historischen Thatsachen die Meinung der specifischen
Einheit bestätigen.
Der gemeine einjährige Flachs ist noch nicht in einem
ausser allen Zweifel stehenden spontanen Zustande ge-
funden worden. Ich besitze mehrere Exemplare von
Indien, und Planchon hatte andere dieses Landes in den
Herbarien zu Kew gesehen, die anglo-indischen Bota-
niker wollen es jedoch nicht zugeben, dass die Pflanze
in ihrer Region einheimisch sei. Die neuere Flora von
Sir J. Hooker spricht von ihr als einer angebauten
Art, ganz insbesondere des aus den Samen gewonnenen
Oeles wegen, und der frühere Director des Kalkutta-
Gartens, C. B. Clarke, schreibt mir, dass die ge-
sammelten Exemplare von den Culturen herrühren müs-
sen, welche ım Norden Indiens während der Winter-
monate sehr häufig sind. Boissier! erwähnt ein L.
humile mit schmalen Blättern, welches Kotschy „bei
Schiras in Persien am Fusse des Berges Sabst Buchom“
gesammelt hatte. Hier handelt es sich vielleicht um
einen weit ausserhalb der Culturen gelegenen Standort,
genügende Auskunft vermag ich aber hierüber nicht zu
geben. Hohenacker fand das L. usitatissimum „sub-
spontan“ in der Provinz Talysch, im Süden des Kau-
kasus, nach dem Kaspisee zu.” Steven spricht sich für
das südliche Russland bestimmter aus.” Ihm zufolge
„findet sich das L. usitatissimum ziemlich häufig auf
. den unfruchtbaren Hügeln der südlichen Krim, zwischen
Jalta und Nikita, und Professor Nordmann hat dasselbe
an der Ostküste des Schwarzen Meeres gesammelt“.
Schreitet man nach Westen im südlichen Russland oder
der Mittelmeerregion fort, so findet sich die Art nur
selten, und zwar als eine den Culturen entsprungene
oder fast spontane, angegeben. Ungeachtet dieser
=
1 Boissier, Flora orient., I, 851. Dies ist das L. usitatissimum von
Kotschy, Nr. 164.
2 Boissier, ebend.; Hohenh., Enum. Talysch, S. 168.
3 Steven, Verzeichniss der auf der Taurischen Halbinsel wildwachsen-
den Pflanzen (Moskau 1857), S. 91.
152 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Zweifel und des Mangels an Schriftstücken halte ich
es für sehr möglich, dass der einjährige Flachs unter
der einen oder der andern seiner beiden Formen in der
Region spontan ist, welche sich vom südlichen Persien
nach der Krim hin ausbreitet, wenigstens in gewissen
Localitäten.
Der Winterlein ist nur als angebaute Pflanze in
einigen Provinzen Italiens bekannt.!
Das Linum ambiguum von Jordan wächst auf trocke-
nen Stellen an der Küste der Provence und von
Languedoc.?
Das Linum angustifolium schliesslich, von welchem
das vorhergehende sich kaum unterscheidet, hat einen
gut festgestellten und ziemlich weiten Wohnsitz. Wild-
wachsend findet es sich besonders auf den Hügeln in
der ganzen Ausdehnung der Region, von welcher das
Mittelmeer das Centrum bildet, nämlich auf den Cana-
rischen Inseln und Madeira, in Marokko°, in Algerien?
und bis nach Kyrenaika°’, im südlichen Europa bis nach
England‘, den Alpen und dem Balkan, und in Asien
endlich vom Süden des Kaukasus’ nach dem Libanon
und nach Palästina.° Für die Krim noch jenseit des
Kaspisees finde ich es nicht erwähnt.
Wir wollen uns jetzt der Cultur zuwenden, die am
häufigsten dazu bestimmt ist, ein spinnbares Erzeugniss
zu liefern, oft aber auch zur Oelgewinnung dient, und
bei einigen Völkern wegen der in den Samen enthal-
tenen nahrhaften Substanz betrieben wird. Im Jahre
1855 ° habe ich mich mit der Frage über den Ursprung
beschäftigt; damals trat sie uns in folgender Weise
entgegen:
1 Heer, Ueber den Flachs, S. 17 u. 22.
2 Jordan, in: Walpers, Annal., Bd. II, und in Heer, a. a. O., S. 22.
3 Ball, Spicilegium fl. marocc., S. 380.
4 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 7.
5 Rohlfs, nach Cosson, Bull. de la Soc. bot. de Fr., 1875, S. 46.
6 Planchon, a. a. O.; Bentham, Handbook of Brit. fl., 4. Aufl., S. 89.
7 Planchon, a. a. O. 8 Boissier, Fl. or., I, 861.
9 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 833.
Gemeiner Flachs oder Lein. 153
Genügende Gründe wurden für die Beweisführung
aufgestellt, dass sich die alten Aegypter und Hebräer
aus Flachs verfertigter Stoffe bedienten. Herodot be-
stätigte dies. Ausserdem findet man die Pflanze auf
den Zeichnungen des alten Aegypten abgebildet, und
die mikroskopische Untersuchung der Bändchen, mit
welchen die Mumien eingewickelt sind, lässt hierüber
keinen Zweifel aufkommen.! Nach historischen An-
gaben war die Cultur in Europa, z. B. bei den Kelten,
und in Indien eine alte. Auch sehr verschiedenartige
volksthümliche Namen deuten auf eine alte Cultur oder
alte Gebräuche in verschiedenen Ländern hin. Der
keltische Name Lin und der griechisch-lateinische Linon
oder Linum zeigt keine Uebereinstimmung mit dem
hebräischen Pischta? noch mit den Sanskritnamen Uma,
Atasi, Utasi.” Einige Botaniker sprachen von dem
Flachs als „fast spontan“ im südöstlichen Russland, im
Süden des Kaukasus und in Westsibirien, eine wirkliche
Spontaneität kannte man aber nicht. Die Wahrschein-
lichkeiten fasste ich dann folgendermaassen zusammen:
„Die vielfache Etymologie der Namen, das gleichzeitige
hohe Alter in Aegypten, Europa und Nordindien, der
Umstand, dass man in letzterm Lande den Flachs nur
zur Oelgewinnung anbaut, veranlassen mich zu dem
Glauben, dass man früher zwei oder drei Arten ver-
schiedenen Ursprungs, die von den meisten Autoren
- unter dem Namen von Linum usitatissimum verwech-
selt wurden, in verschiedenen Ländern anbaute, die
weder eins von dem andern etwas nachahmten, noch
untereinander in irgenwelcher Beziehung standen .....
Besonders hege ich Zweifel, dass die von den alten
1 Thomson, Annals of Philos., Juni 1834; Dutrochet, Larrey et Costaz,
Comptes rendus de l’Acad. des sc. (Paris 1837), Sem. I, S. 739; Unger,
Bot. Streifzüge, IV, 62.
2 Andere hebräische Worte hat man mit Flachs übersetzt, dies ist
aber das sicherste. Vgl. Hamilton, La botanique de la Bible (Nizza
1871), S. 58.
3 Piddington, Index Ind. Plants; Roxburgh, Fl. ind., 1832, II, 110.
Der von Piddington angeführte Name Matusee gehört nach Pictet, Ori-
gines indo-europ., 2. Aufl., I, 396, andern Pflanzen an.
154 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Aegyptern angebaute Art die in Russland und in Sibi-
rien einheimische Art war.“
Zehn Jahre später hat eine sehr interessante Ent-
deckung von Oswald Heer meine Vermuthungen be-
stätigt. Zu einer Epoche, wo die Bewohner der Pfahl-
bauten der östlichen Schweiz nur Werkzeuge aus Stein
besassen und den Hanf nicht kannten, wurde von ihnen
schon eine Flachsart angebaut und Gewebe daraus an-
gefertigt, welche nicht unser gemeiner, einjähriger Flachs
ist, sondern der Linum angustifolium genannte peren-
nirende Flachs, welcher im Süden der Alpen spontan
ist. Das geht aus der Prüfung der Kapseln, Samen
und besonders des untern Theils einer Pflanze hervor,
welche mit grosser Sorgfalt aus dem Schlamme von
Robenhausen! zu Tage gefördert war. Die von Heer
veröffentlichte Abbildung zeigt zur Genüge eine mit
zwei bis vier Stengeln bedeckte Wurzel, ganz nach Art
der perennirenden Pflanzen. Die Stengel waren abge-
schnitten worden, während man unsern gemeinen Flachs
ausreisst, was noch weiter die ausdauernde Eigenschaft
der Pflanze beweist. Mit den Ueberresten des Flachses
von Robenhausen finden sich Samen von Silene cretica,
eine in der Schweiz ebenfalls fremde Art, welche in
Italien auf den Flachsfeldern sehr gemein ist.? Daraus
hat Heer den Schluss gezogen, dass die Bewohner der
Schweizer Pfahlbauten Leinsamen von Italien kommen
liessen. Dies scheint ın der That nothwendig so sein
zu müssen, es sei denn schon, dass man der Schweiz
früher ein anderes Klıma als das unserer Epoche zu-
schriebe, denn der perennirende Flachs würde für ge-
wöhnlich die jetzigen Winter der östlichen Schweiz nicht
ertragen.? Heer’s Meinung wird durch die ganz uner-
1 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 35 (Zürich 1865); Ueber den
Flachs und die Flachscultur im Alterthum (Zürich 1872).
2 Bertoloni, Flora ital., IV, 612.
3 Wie wir gesehen haben, schreitet er gegen den Nordwesten Europas
zu, im Norden der Alpen fehlt er aber. Vielleicht war das ehemalige
Klima der Schweiz ein gleichmässigeres als heutzutage, waren grössere
Schneemassen vorhanden, um den perennirenden Gewächsen Schutz zu
gewähren.
Gemeiner Flachs oder Lein. 155
wartete Thatsache bekräftigt, dass der Flachs nicht in
den Ueberbleibseln der Pfahlbauten von Laibach und
am Mondsee in Oesterreich, welche Bronze einschliessen,
gefunden worden ist.! Die späte Epoche der Ankunft
des Flachses in jener Region lässt die Vermuthung
nicht zu, dass die Bewohner der Schweiz denselben von
Osteuropa erhielten, von welchem sie überdies durch
ungeheuere Wälder getrennt waren.
Seit den geistreichen Beobachtungen des züricher Ge-
lehrten hat man eine Flachsart entdeckt, die von den
Bewohnern der prähistorischen Torfmoore von Lagozza in
der Lombardei verwendet wurde; und Sordelli hat nach-
gewiesen, dass dies die von Robenhausen, nämlich das
L. angustifolium war.” Diese alten Bewohner kannten
weder den Hanf noch die Metalle, besassen aber die-
selben Cerealien wie die Bewohner der Pfahlbauten der
Schweiz in dem steinernen Zeitalter, und assen wie
jene die Eicheln der Wintereiche. Es gab somit schon
eine etwas entwickelte Civilisation diesseit und jenseit
der Alpen vor der Zeit, als die Metalle und selbst die
Bronze dort eine allgemeine Verwendung fanden, der
Hanf und das Haushuhn dort bekannt waren. Dies
wäre vor Ankunft der Arier nach Europa oder etwas
später eingetreten.{
Die volksthümlichen Namen des Flachses in den alten
Sprachen Europas können etwas Licht auf diese Frage
werfen.
Der Name Lin, Llin, Linu, Linon, Linum, Lein,
1 Mittheil. d. Anthropol. Gesellschaft zu Wien, VI, 122, 161; Abhandl.
d. Wiener Akad., 81, S. 488.
2 Sordelli, Sulle piante della torbiera e della stazione preistorica della
Lagozza, S. 37 u. 51, als Fortsetzung zu Castelfranco, Notizie all. sta-
zione lacustre della Lagozza, Atti della Soc. ital. sc. nat., 1380.
3 Das Huhn wurde von Asien nach Griechenland im 6. Jahrhundert
v. Chr. eingeführt; vgl. Heer, Ueber den Flachs, S. 25.
4 Diese Entdeckungen in den Torfmooren von Lagozza und andern Orten
in Italien liefern den Beweis, bis zu welchem Punkte sich V. Hehn (Cul-
turpfl., 3. Aufl., 1877, S. 524) geirrt hat, wenn er vermuthete, dass die
schweizer Pfahlbauten der Helvetier sich den Zeiten Cäsar’s nähern. Die
Menschen von derselben Civilisation wie sie selbst, im Süden der Alpen,
gingen augenscheinlich auf ältere Zeiten zurück als die römische Repu-
blik, übertrafen hierin vielleicht selbst die Ligurier.
156 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Lan findet sich in allen europäischen Sprachen arischen
Ursprungs, des mittlern und südlichen Europas, in den
keltischen, slawischen, griechischen oder lateinischen.
Dies ist kein Name, der mit den arischen Sprachen
Indiens Anknüpfungspunkte zeigt; „somit muss die
Flachscultur“, sagt Ad. Pictet! mit Recht, „seitens der
Westarier und vor ihrer Ankunft nach Europa ange-
fangen haben“. Ich habe jedoch eine Erwägung ge-
macht, welche mich zu einer neuen Untersuchung führte,
die freilich erfolglos geblieben ist. Da der Flachs,
sagte ich mir, von den Bewohnern der schweizer und
italienischen Pfahlbauten vor Ankunft der arischen Völ-
ker angebaut wurde, so war dies wahrscheinlich auch
bei den Iberern der Fall, welche damals Spanien und
Gallien bewohnten, und bei den Basken, den muth-
maasslichen Nachkommen der Iberer, ist vielleicht ein
besonderer Name dafür übriggeblieben. Nun sind auch
den Wörterbüchern? zufolge Liho, Lino oder Li, je nach
den Dialekten, gleichbedeutend mit Flachs, was mit dem
im ganzen südlichen Europa verbreiteten Namen über-
einstimmt. Die Basken scheinen somit den Flachs von
den Völkern arischen Ursprungs erhalten zu haben oder
sie haben vielleicht einen alten Namen verloren und
denselben durch den keltischen und römischen ersetzt.
Der Name Flachs oder Flax der germanischen Sprachen
kommt von dem altdeutschen Flahs.$ Es gibt auch
im nordwestlichen Europa besondere Namen für den
Flachs: Pellawa, Aiwina im Finnischen*; Hor, Hör,
Härr im Dänischen’, Hör und Tone im Altgothischen.®
Haar findet sich auch im Deutschen von Salzburg.‘
Ohne Zweifel kann man dieses Wort durch die im
Deutschen gewöhnliche Bedeutung von Faden, Haar er-
1 Ad. Pictet, Origines indo-europ., 2. Aufl., I, 396.
2 Van Eys, Dict. basque-francais, 1876; Gèze, Eléments de grammaire
basque suivis d’un vocabulaire (Bayonne 1873); Salaberry, Mots basques
navarrais (Bayonne 1856); Lécluse, Vocabul. français-basque, 1826.
Ad Piciet, a. 2.0:
4 Nemnich, Polygl. Lexicon d. Naturgesch., II, 420; Rafn, Danmark
Flora, II, 390.
5 Nemnich, a. a. O. 6 Nemnich, a. a. O. 7 Nemnich, a. a. O.
Gemeiner Flachs oder Lein. 157
klären, wie der Name von Li auf dieselbe Wurzel wie
- ligare, knüpfen, zurückgeführt werden kann, und wie
Hör, in der Mehrheit Hörvar, von den Gelehrten ! mit
Harva, deutsches Stammwort für Flachs, in Verbin-
dung gebracht wird; nichtsdestoweniger bleibt es aber
erwiesen, dass man sich in den skandinavischen Län-
dern und in Finland anderer Ausdrücke als im Süden
Europas bediente. Diese Verschiedenheit weist auf das
hohe Alter der Cultur hin und stimmt mit der That-
sache überein, dass die Bewohner der schweizer und
italienischen Pfahlbauten eine Flachsart vor den ersten
Invasionen der Arier anbauten. Es ist möglich, ich
möchte selbst sagen wahrscheinlich, dass dieselben eher
den Namen Li als die Pflanze oder ihren Anbau mit-
brachten; da aber keine Flachsart im Norden Europas
wildwachsend auftritt, so müsste ein altes Volk, die
Finländer, von turanischem Ursprunge, den Flachs nach
dem Norden vor den Ariern eingeführt haben. Dieser
Hypothese gemäss würden sie den einjährigen Flachs
angebaut haben, denn der perennirende Flachs könnte
das rauhe Klima der nördlichen Länder nicht ertragen,
während man weiss, bis zu welchem Punkte das Klima
des mittlern Russlands dem Anbau des gemeinen ein-
jährigen Flachses im Sommer günstig ist. Die erste
Einführung nach Gallien, der Schweiz und nach Italien
hat von Süden her durch die Iberer, und nach Finland
durch die Finnen stattfinden können; darauf hätten
die Arier die bei ihnen gebräuchlichsten Namen’, Lin
im Süden und fahs im Norden, weiter verbreitet.
Vielleicht hatten sie und die Finnen den einjäh-
rigen Flachs von Asien gebracht, und denselben an
die Stelle des perennirenden Flachses gesetzt, weil
dieser für kalte Länder weniger vortheilhaft und
nicht so geeignet ist. Mit Bestimmtheit weiss man
nicht, zu welcher Epoche die Cultur des einjährigen
1 Vgl. Fick, Wörterbuch d. indo-germ. Spr., 2.Ausg.,I,722. Derselbe leitet
den Namen Lina von dem lateinischen Linum ab, dieser Name geht aber
weiter zurück, da er mehreren arisch-europäischen Sprachen gemein ist.
158 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Flachses die des perennirenden Linum angustifolium in
Italien substituirt hat, dies muss aber vor der christlichen
Zeitrechnung geschehen sein, denn die Autoren sprechen
von einer gut begründeten Cultur, und Plinius be-
richtet, dass man den Flachs im Frühjahr aussäete
und im Sommer ausrisse.! Zu der Zeit fehlten keine
metallenen Werkzeuge, und man würde somit den Flachs
geschnitten haben, wenn derselbe perennirend gewesen
wäre. Ueberdies würde derselbe, im Frühjahre ausge-
säet, nicht vor dem Herbste zur Reife gelangt sein.
Aus denselben Gründen musste der bei den alten
Aegyptern angebaute Flachs einjährig sein. Bisjetzt hat
man in den Grabstätten keine ganzen Pflanzen noch
zahlreiche Samenkapseln gefunden, um auf diese Weise
directe und unwiderlegbare Beweise darzubieten. Es
war Unger? vorbehalten, eine Kapsel zu untersuchen,
die zwischen den Mauersteinen eines Denkmals gefunden
wurde, welches Lepsius dem 13. oder 14. Jahrhundert
v. Chr. zuschreibt, und er fand diese Kapsel denjenigen
von L. usitatissimum ähnlicher als von L. angustifolium.
Von drei Samen, welche Braun? im berliner Museum :
sah, und welche mit andern Sämereien verschiedener
Culturpflanzen vermischt waren, schien ihm einer zu
L. angustifolium, die beiden andern zu L. humile zu
gehören, jedoch wird man zugeben müssen, dass ein
einziges Samenkorn, ohne die Pflanze oder die Kapsel,
kein genügender Beweis ist. Es zeigen die Zeichnungen
des alten Aegypten, dass man den Flachs nicht wie
die Cerealien mit einer Sichel erntete. Man riss ibn
aus.* In Aegypten gehört der Flachs zu den Winter-
culturen, denn die Trockenheit des Sommers würde
einer ausdauernden Varietät ebenso schädlich sein wie
die Kälte in den nördlichen Ländern, wo man im Früh-
1 Plinius, I, 19, Kap. 1: Vere satum aestate vellitur.
2 Unger, Botanische Streifzüge, 1866, Nr. 7, S. 15.
3 A. Braun, Die Pflanzenreste des Aegyptischen Museums in Berlin,
(1877), S. 4.
4 Rosellini, Taf. 35 u. 36, citirt von Unger, Bct. Streifzüge, Nr. 4, S. 62,
Gemeiner Flachs oder Lein. 159
jahre säet, um im Sommer zu ernten. Wir können noch
- hinzufügen, dass der einjährige Flachs, welcher zu der
humile genannten Form gehört, der einzige heutzutage
in Abessinien angebaute ist, ebenso der einzige,
welchen neuere Sammler in Aegypten angebaut gesehen
haben.!
Von Heer wird die Vermuthung ausgesprochen, dass
die alten Aegypter das Linum angustifolium von der
Mittelmeerregion anbauten, indem sie dasselbe als eine
einjährige Pflanze behandelten.” Ich neige mich eher
dem Glauben hin, dass sie ihren Flachs von Asien mit-
genommen oder erhalten haben, und zwar unter der
Form des humile. Die Gebräuche, die Abbildungen
liefern den Beweis, dass ihre Flachscultur auf ein sehr
hohes Alterthum zurückzuführen ist. Jetzt weiss man
nun, dass die Aegypter der ersten Dynastien vor Cheops
zu einer proto-semitischen, vom Isthmus von Suez ge-
kommenen Rasse gehörten.” Man hat den Flachs in
einer Grabstätte des alten, Babylon vorhergehenden,
Chaldäa aufgefunden®, und sein Gebrauch in dieser Re-
gion verliert sich in dem Dunkel der Zeiten. So haben
die ersten Aegypter der weissen Rasse den angebauten
Flachs weiter fortbringen können, oder ihre unmittel-
baren Nachfolger konnten ihn auch von Asien erhalten
haben, und zwar vor der Zeit der phönizischen Colo-
nien in Griechenland und vor den directen Beziehungen
Griechenlands mit Aegypten unter der 14. Dynastie.°
Bei einer sehr alten Einführung von Asien nach
Aegypten ist aber immer die Annahme eines ununter-
brochenen Verkehrs von Osten nach Westen während
eines jüngern Zeitpunktes als die ersten ägyptischen
Dynastien zulässig. Somit konnten die Westarier und
1 W, ne, Ascherson, Boissier, Schweinfurth, citirt in Al. Braun,
2 401: 5.
2 Heer, Ver. d. Flachs, S. 26.
3 Maspero, Histoire ancienne des peuples de l’Orient (3. Aufl., Paris
1873; deutsch Leipzig 1877), S. 13 fg.
4 Journal of the Royal Asiatic Ses XV, 271, in Heer citirt, a. a. O., S. 6.
5 Maspero, S. 213 fg.
160 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
die Phönizier den Flachs oder eine dem Linum an-
gustifolium überlegene Flachsart während der Periode
von 2500 bis.1200 Jahre v. Chr. nach Europa ge-
bracht haben.
Die Ausbreitung seitens der Arier würde sich weiter
nach Norden erstreckt haben, als die seitens der Phö-
nizier. Zur Zeit des trojanischen Krieges bezog man
in Griechenland noch schöne Leinwand von Kolchis,
d. h. von der am Fusse des Kaukasus gelegenen Re-
gion, wo man gegenwärtig den einjährigen gemeinen
Flachs wildwachsend angetroffen hat. Es scheint nicht,
als ob die Griechen die Pflanze zu jener Epoche an-
gebaut hätten.! Die Arier hatten möglicherweise ihre
Cultur schon nach der benachbarten Donauregion ein-
geführt. Allerdings machte ich eben erst darauf auf-
merksam, dass die Ueberreste der Pfahlbauten von
Laibach und vom Mondsee keine Spur von Flachs er-
geben haben. In den letzten Jahrhunderten vor der
christlichen Zeitrechnung bezogen die Rönier sehr schö-
nen Flachs von Spanien; die Namen der Pflanze in
jenem Lande lassen jedoch die Vermuthung nicht auf-
kommen, dass die Einführung durch die Phönizier be-
werkstelligt worden sei. In Europa kommt kein orienta-
liıscher Name für Flachs vor, der aus dem Alterthum
oder dem Mittelalter stammt. Der arabische Name
Kattan, Kettane oder Kittane, welcher persischen Ur-
sprungs ist?, hat sich nach Westen hin nur bis zu den
Kabylen Algeriens ausgebreitet.’
Alle Thatsachen und Wahrscheinlichkeiten zusammen-
genommen, scheinen mir zu folgenden vier Behauptungen
zu führen, die bis zu spätern Entdeckungen annehmbar
sein dürften:
1. Das Linum angustifolium, meistentheils eine peren-
1 Die griechischen Texte werden besonders in Lenz, Botanik der alten
Griechen und Römer, S. 672, sowie in Hehn, Culturpflanzen und Haus-
thiere, 3. Aufl., S. 144, eitirt.
2 Ad. Pictet, a. a. O.
3 Dictionnaire francais-berbere, 1844.
Jute. 161
nirende, selten zwei- oder einjährige Pflanze, die von
den Canarischen Inseln bis nach Palästina und dem
Kaukasus wildwachsend auftritt, wurde in der Schweiz
und im Norden Italiens von ältern Völkerschaften als
die Eroberer arischer Rasse angebaut. Ihre Cultur
wurde von jener des einjährigen Flachses verdrängt.
2. Der einjährige Flachs (L. usitatissimum), welcher
wenigstens seit 4 oder 5000 Jahren in Mesopotamien,
Assyrien und Aegypten angebaut wird, war und ist
noch jetzt in den zwischen dem Persischen Golf, dem
Kaspisee und dem Schwarzen Meere gelegenen Län-
dern spontan. |
3. Dieser einjährige Flachs scheint von den Fin-
nen (turanischer Rasse) nach dem Norden Europas
eingeführt worden zu sein; darauf nach dem übrigen
Europa von den Westariern, und vielleicht hier und da
von den Phöniziern; endlich nach der Indischen Halb-
insel von den Ostariern, nachdem sich diese von den
Westariern getrennt hatten.
4. Diese zwei Hauptformen des Flachses finden sich
in den Culturen, und sind in ihren gegenwärtigen Stand-
orten wahrscheinlich seit wenigstens 5000 Jahren spon-
tan. Es ist nicht möglich, ihren frühern Zustand zu
errathen. Ihre Uebergänge und Abweichungen sind so
zahlreich, dass man sie als eine Art ansehen kann,
welche mit zwei oder drei Rassen oder erblichen Varie-
täten, die selbst wieder Untervarietäten besitzen, aus-
gerüstet ist.
Corchorus capsularis und Corchorus olitorius, Linné.
— Jute (fr. Jute).
Die Jutefasern, welche man seit einigen Jahren in
grossen Massen besonders in England einführt, wer-
den aus den Stengeln dieser zwei Corchorusarten, ein-
Jährige Pflanzen aus der Familie der Tiliaceen, gewon-
nen. Ihre Blätter dienen auch als Gemüse.
Die C. capsularis hat eine fast kugelrunde Frucht,
die an der Spitze eingedrückt ist und von Längsrippen
DE CANDOLLE. 4
162 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
eingefasst wird. Eine gute colorirte.Abbildung findet
sich in dem Werke von Jacquin fil., „Eclogae“, Taf. 119.
Die C. olitorius hat dagegen eine längliche Frucht, ähn-
lich wie die Schote einer Crucifere. Diese Art wird
im „Botanical Magazine‘, Taf. 2810, und in Lamarck,
„Illustr.“, Taf. 478, abgebildet.
Die Arten der Gattung sind ziemlich gleichmässig in
den warmen Regionen Asiens, Afrikas und Amerikas
vertheilt; demnach kann der Ursprung einer jeden nicht
gemuthmaasst werden. Man muss ihm in den Floren
und Herbarien nachspüren, und dabei historische oder
andere Angaben zur Hülfe nehmen.
Die Corchorus capsularis wird häufig auf den Sunda-
inseln, auf Ceylon, der Indischen Halbinsel, in Bengalen,
Südchina, auf den Philippinen angebaut!; im allge-
meinen also in Südasien. In seinem Werke über die
bei den Bewohnern der Südseeinseln gebräuchlichen
Pflanzen erwähnt Forster sie nicht, woraus man schliessen
kann, dass sich ihre Cultur zur Zeit von Cook’s Reise
vor einem Jahrhundert noch nicht nach jener Richtung hin
verbreitet hatte. Hiernach darf man selbst vermuthen,
dass dieselbe auf den Inseln des Indischen Archipels
nicht auf eine sehr fern liegende Zeit zurückgeht.
Blume sagt, dass Corchorus capsularis auf dem
sumpfigen Terrain von Java in der Nähe von Parang?
wächst, und ich besitze zwei Exemplare von Java, welche
nicht als angebaute bezeichnet sind.” Thwaites führt
die Art für Ceylon als „sehr gemein“ an.* Auf dem in-
dischen Festlande sprechen die Autoren vielmehr von ihr
als von einer in Bengalen und China angebauten Pflanze.
Wight, welcher eine gute Abbildung der Pflanze gibt,
erwähnt keine Geburtsstätte. Edgeworth°, welcher die
Flora des Districts von Banda durchforscht hat, gibt
1 Rumphius, Amboin., V, 212; Roxburgh, Fl. indica, II, 581; Lou-
reiro, Fl. cochinch., I, 408 u. s. w.
2 Blume, Bijdragen, I, 110. 3 Zollinger, Nr. 1698 und 2761.
4 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 31.
5 Edgeworth, Linnaean Soc. Journ., IX.
Jute. 163
als solche „die Felder“ an. In der Flora von Britisch-
Indien drückt sich Masters, welcher die Tiliaceen für
dieselbe nach den Herbarien von Kew bearbeitete, fol-
gendermaassen aus: „In den heissesten Gegenden In-
diens; angebaut in den meisten der Tropenländer.‘ 1
Ich besitze ein Exemplar von Bengalen, welches nicht
als angebaut bezeichnet ist. Loureiro sagt: „wildwach-
send und angebaut in der chinesischen Provinz Canton‘ ?,
womit er wahrscheinlich andeuten will, dass die Art in
Cochinchina wildwachsend und in der Provinz Canton
angebaut ist. In Japan wächst die Pflanze auf Cultur-
land.? Nehme ich alles zusammen, so glaube ich nicht,
dass die Art in wirklich spontanem Zustande nördlich
von Kalkutta auftritt. Sie hat sich vielleicht dort an
manchen Stellen infolge von Culturen ausgesäet.
C. capsularis ist nach verschiedenen intertropischen
Ländern Afrikas oder selbst Amerikas eingeführt worden,
sie wird aber dort nicht im grossen zur Gewinnung
der Jutefasern angebaut, wie dies im südlichen Asien,
besonders in Bengalen der Fall ist.
Corchorus olitorius wird mehr als Gemüse, weniger
ihrer Fasern wegen benutzt. Ausserhalb Asiens wird
sie ausschliesslich ihrer Blätter wegen verwerthet.
Sie gehört zu den gewöhnlichsten Küchengewächsen der
neuern Aegypter und Syrier, welche sie im Arabischen
Melokych nennen, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass
die Alten sie kannten, denn kein hebräischer Name
wird genannt.* Die jetzigen Bewohner Kretas bauen
sie unter dem Namen Mouchlia? an, welcher augen-
scheinlich dem Arabischen entlehnt ist; den Altgriechen
war sie unbekannt.
Den Autoren® zufolge ist diese Corchorusart in mehreren
1 Masters, in: Hooker, Fl. ind., I, 397.
2 Loureiro, F1. cochinch., I, 408.
3 Franchet et Savatier, Enum., I, 66.
4 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte.
5 Von Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 53.
6 Masters, in: Hooker, Fl. Brit. India, I, 397; Aitchison, Catal. Pun-
jab, S. 23; Roxburgh, Fl. ind., II, 581.
Lt?
164 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Provinzen von Britisch-Indien wildwachsend. Thwaites
sagt, dass sie in den heissen Theilen Ceylons gemein
ist, auf Java wird sie aber von Blume nur auf den
Schutthaufen angegeben (in ruderatis). In Cochinchina
und in Japan finde ich sie nicht erwähnt. Boissier
(„Fl. or.“) hat Exemplare von Mesopotamien, Afgha-
nistan, Syrien und Anatolien gesehen, als allgemeine
Angabe führt er aber nur an: „Culta et in ruderatis
subspontanea.“ Für die beiden angebauten Corchorus
kennt man keinen Sanskritnamen.!
Was das afrikanische Indigenat anbelangt, so drückt
sich Masters in Oliver’s „Flora of tropical Africa“
(I, 262) folgendermaassen aus: „Im ganzen tropischen
Afrika wildwachsend oder als Gemüse angebaut.“ Er
bringt zu derselben Art zwei Pflanzen von Guinea,
welche G. Don als verschiedenartig beschrieben hatte,
und über deren Spontaneität er wahrscheinlich nichts
wusste. Ich habe ein Exemplar von Kordofan, welches
Kotschy (Nr. 45) „am Saume von Hirsefeldern‘“ gesam-
melt hatte. Meines Wissens nach ist Peters der ein-
zige Autor, welcher die Spontaneität bestätigt. Er fand
C. olitorius „im den trockenen Gegenden, sowie auch
auf den Wiesen in der Umgegend von Sena und Tette‘“.
Für die ganze Nilregion gibt Schweinfurth die Pflanze
nur als angebaut an.” Ebenso verhält es sich mit
der Flora von Senegambien nach Guillemin, Perrotet
und Richard.
Nach allem scheint- ©. olitorius in den gemässigten
Regionen des westlichen Indiens, Kordofans und
wahrscheinlich einiger dazwischenliegender Länder spon-
tan zu sein. Die Art würde sich nach Timor hin
und bis nach Nordaustralien (Bentham, Fl. austr.),
in Afrika und nach Anatolien hin infolge einer Cultur
verbreitet haben, welche vielleicht, selbst von ihrem
1 Piddinston, Index.
2 Schweinfurth, Beiträge z. Fl. Aethiop., S. 264.
Gerber-Sumach, Essigbaum. 165
Ausgangspunkte, nicht weiter als die christliche Zeit-
rechnung zurückgeht.
Trotz der in vielen Büchern wiederholten Be-
hauptung wird die Cultur dieser Pflanze in Amerika
nur selten erwähnt. Ich bemerke jedoch, dass sie nach
Grisebach! auf Jamaica eine Naturalisation ausserhalb
der Gärten herbeigeführt hat, wie dies häufig bei ein-
jährigen angebauten Pflanzen eintritt.
Rhus Coriaria, Linne. — Gerber-Sumach, Essigbaum
(fr. Sumae).
Dieser Strauch wird in Spanien und Italien? ange-
baut, um aus den jungen, getrockneten Zweigen und
Blättern ein Pulver zu bereiten, welches die Gerber
kaufen. Unlängst sah ich eine Anpflanzung in Sicilien,
deren Erzeugnisse nach Amerika ausgeführt wurden.
Da die Eichenrinden immer seltener werden und Gerbe-
material sehr gesucht wird, liegt die Wahrscheinlichkeit
vor, dass sich diese Cultur ausbreiten wird und zwar
um so viel mehr, da sie für trockene und öde Strecken
geeignet ist. Nach Algerien, Australien, dem Cap, der
Argentinischen Republik dürfte vielleicht mit ihrer Ein-
führung ein Versuch gemacht werden.
Die Alten bedienten sich der Früchte als einer säuer-
lichen Zuthat zu ihren Speisen, und dieser Brauch hat
sich hier und da erhalten; ich finde aber keine Be-
lege, dass sie die Art angebaut hätten.
Im wilden Zustande wächst sie auf den Canaren,
auf Madeira, in der Mittelmeerregion und jener des
Schwarzen Meeres, vorzugsweise auf Felsen und im
ausgetrockneten Gegenden. In Asien dehnt sich ihr
Wohnsitz bis zum Süden des Kaukasus, dem Kaspisee
1 Grisebach, Flora of British W. Ind., S. 97.
2 Bose, Dietionnaire d’agriculture, beim Worte Sumac.
3 Die Bedingungen und das Culturverfahren des Gerber-Sumachs sind
Gegenstand einer wichtigen Abhandlung des Herrn Inzenga gewesen,
welche im Bulletin de la Société d’acclimatation (Febr. 1877) übersetzt
wurde. In den Transactions of the Bot. Soc. of Edinburgh, IX, 341, findet
sich der Auszug einer ersten Abhandlung des Verfassers über denselben
Gegenstand,
166 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
und nach Persien aus.! Die Art tritt so häufig auf,
dass man sie schon vor ihrer Cultur zu verwerthen
anfing.
Sumach ist der persische und tatarische Name?, Rous,
Rhus der alte Name bei den Griechen und Römern.’
Man sagt im Französischen Roux oder Roure des cor-
royeurs (Gerber), was als ein Beweis für die Dauer ge-
wisser volksthümlicher Namen dienen möge.
Catha edulis, Forskal. Celastrus edulis, Vahl. —
Katstrauch (fr. Cat).
Dieser Strauch aus der Familie der Celastraceen wird
in Abessinien unter dem Namen T'schut oder Tschat, und
ım Glücklichen Arabien als Cat oder Gat vielfach an-
gebaut. Man kaut die Blätter im frischen Zustande
wie die der Coca in Amerika, mit welcher sie dieselben
erregenden und stärkenden Eigenschaften theilen. Die
von nicht angebauten Pflanzen besitzen einen stärkern
Geschmack und wirken selbst berauschend. In Yemen
sah Botta ebenso wichtige Katculturen wie die des
Kaffees, und er berichtet, dass ein Scheikh, der darauf
angewiesen war, viele Besucher höflich bei sich aufzu-
nehmen, täglich für 100 Francs Blätter kaufte.* In
Abessinien gebraucht man die Blätter auch im Aufguss
wie eine Art Thee.® Trotz der Leidenschaft, mit wel-
cher man Erregungsmitteln nachspürt, hat sich diese
Art doch nicht in den benachbarten Ländern, wie Be-
ludschistan, das südliche Indien u. s. w., verbreitet.
Der Katstrauch wächst in Abessinien wild. In Ara-
bien hat man ihn noch nicht als wildwachsende Pflanze
angetroffen; freilich ist das Innere des Landes den Bo-
tanıkern fast unbekannt. Sind die nicht angebauten
1 Ledebour, Fl. ross., I, 509; Boissier, Fl. orient., II, 4.
2 Nemnich, Polygl. Lexicon, II, 1156; Ainslie, Mat. med. ind., I, 414.
3 Fraas, Syn. fl. class., S. 85.
4 Forskal, Flora aegypto-arab., S. 65; Richard, Tentamen fl. abyss.,
I, 134, Taf. 30; Botta, Archives du Museum, II, 73.
5 Hochstetter, in: Flora, 1841, S. 663.
6 Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 263; Oliver, Flora of
tropical Africa, I, 364.
Mate-Pflanze. Coca-Strauch. 167
Individuen, von welchen Botta spricht, spontan und im
Lande heimisch oder den Culturen entsprungen und
mehr oder weniger naturalisirt? Aus seinem Berichte
lässt sich dies nicht entnehmen. Vielleicht ist der
Katstrauch mit dem Kaffeebaum von Abessinien einge-
führt worden, denn letzterer ist ebenso wenig im spon-
tanen Zustande in Arabien angetroffen worden.
Ilex paraguariensis, St.-Hilaire. — Mate-Pflanze (fr.
Mate).
Seit undenklichen Zeiten gebrauchen die Bewohner
Brasiliens und Paraguays die Blätter dieses Strauchs
wie die Chinesen die des Theestrauchs. Sie sammeln
dieselben besonders in den feuchten Wäldern des Innern
zwischen dem 20. und 30° südl. Br., und diese werden
dann im getrockneten Zustande als Handelsartikel weit-
hin nach den meisten Ländern Südamerikas geschaft.
Diese aromatischen und taninhaltigen Blätter enthalten
einen dem Kaffee und Thee analogen Grundstoff, doch
finden sie in den Ländern, wo chinesischer Thee ge-
trunken wird, wenig Beifall. Die Mate-Anpflanzungen
sind noch nicht von einer solchen Bedeutung, wie die
Ausbeutung der wildwachsenden Sträucher, sie können
aber mit der Zunahme der Bevölkerung gleichen Schritt
halten. Ausserdem ist die Zubereitung eine leichtere
als die des Thees, weil man die Blätter nicht aufrollt.
Abbildungen und Beschreibungen der Art, mit zahl-
reichen Details über ihre Anwendung und Eigenschaften,
finden sich in den Werken von Saint-Hilaire, Sir W.
J. Hooker und von Martius.!
Erythroxylon Coca, Lamarck. — Coca-Strauch (fr. Coca).
Die Eingeborenen Perus und der benachbarten Pro-
1 Aug. de Saint-Hilaire, Mém. du Muséum, IX, 351, Ann. d. sec. nat.,
3. Serie, XIV, 52; Hooker, London Journal of Botany, I, 34; de Martius,
Flora brasiliensis, II, 119. — [J. Münter, Ueber Mate und die Mate-Pflan-
zen Südamerikas (Greifswald 1883). Nach dem Verfasser, welcher sich
hierbei besonders auf Bonpland stützt, ist Mate nur der Collectivbegriff
für mehrere südamerikanische Ilex-Arten, deren Blätter als Thee Verwen-
dung finden. Anmerk. d. Uebers.]
168 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
vinzen, zum wenigsten in den heissen und feuchten
Theilen, bauen diesen Strauch an, von welchem die
Blätter wie die des Betelpfeffers in Indien gekaut wer-
den. Dieser Brauch ist ein sehr alter. Er hat sich
selbst nach den höher gelegenen Regionen verbreitet,
wo die Art nicht mehr ihr Fortkommen findet. Seitdem
es gelungen ist, den Hauptbestandtheil der Coca auszu-
scheiden, und man ihre Vorzüge als tonisches Mittel erkannt.
hat, welches den Menschen befähigt, Strapazen leichter
zu ertragen, und welches die Uebelstände alkoholischer
Getränke nicht theilt, liegt die Wahrscheinlichkeit vor,
dass man versuchen wird, ihre Cultur, sei es in Amerika
oder anderswo, weiter auszubreiten. In Guyana, dem
Indischen Archipel, den Thälern von Sikkim und Assam,
in Indien, wo die nothwendigen Bedingungen von feuchter
Luft und Wärme vorhanden sind, könnte dies beispiels-
weise der Fall sein. Frost ist der Art ganz insbeson-
dere schädlich. Die besten Localitäten finden sich an
den Abhängen von Hügeln, wo das Wasser nicht stehen
bleibt. Ein in der Nähe von Lima gemachter Versuch
ist nicht geglückt, weil Regen selten war, und vielleicht
auch infolge ungenügender Wärme.!
Ich will hier das nicht wiederholen, was in mehreren
vortrefflichen Arbeiten über die Coca gesagt wird?; nur
will ich bemerken, dass das ursprüngliche Vaterland
der Art in Amerika noch nicht mit genügender Sicher-
heit nachgewiesen worden ist. Dr. Gosse hat festge-
stellt, dass ältere Autoren, wie Joseph de Jussieu, de
Lamarck und Cavanilles nur angebaute Exemplare ge-
sehen haben. Mathews sammelte die Pflanze in Peru
in der Schlucht (Quebrada) von Chinchao, was eine
ausser dem Culturbereich gelegene Localität zu sein
scheint. Auch die Exemplare von Cuchero, welche
1 Martinet, im Bull. de la Soc. d’acclimatation, 1874, S. 449.
2 Besonders in dem sehr gediegenen Resumé des Dr. Gosse: Mono-
graphie de ’Erythroxylon Coca, 1861 (Separatabdruck aus den Mémoires
de l’Acad. de Bruxelles, Bd. XII).
5 Hooker, Companion to the Bot. Mag., II, 25.
x RAR |
K]
j
_Pôppig mitbrachte, werden als wildwachsende genannt!,
doch war der Reisende selbst von ihrer spontanen Be-
schaffenheit nicht überzeugt.” D’Orbigny glaubt den
wildwachsenden Cocastrauch an einem Abhange im öst-
lichen Bolivia gesehen zu haben.? Schliesslich hatte
Herr Andre die Güte, mir die Erythroxylon seines Her-
bariums mitzutheilen, und ich habe die Coca in meh-
reren Exemplaren erkannt, welche vom Flussthale Cauca
in Neugranada stammten, und auf deren Etikette sich
die Bemerkung fand: „sehr häufig, spontan oder sub-
spontan“. Von Triana wird jedoch die Art für sein
Vaterland Neugranada nicht als spontan anerkannt.*
Vergleicht man die hohe Wichtigkeit der Pflanze in Peru
unter der Regierung der Inkas mit ihrem seltenen Ge-
brauche in Neugranada, so gelangt man zu dem Glau-
ben, dass die Localitäten des letztgenannten Landes in
der That Culturplätze sind, und dass die Art nur im
östlichen Theile Perus und Bolivias ursprünglich zu
Hause ist, wie dies mit den Angaben verschiedener
obengenannter Reisender übereinstimmt.
Indigo. 169
Indigofera tinctoria, Linne. — Gemeiner Färberindigo
(fr. Indigotier des teinturiers).
Diese Indigoart hat einen Sanskritnamen, Nil.’ Der
lateinische Name Indicum weist darauf hin, dass die
Römer den Indigo als eine von Indien kommende Sub-
stanz kannten. In Bezug auf die spontane Eigenschaft
der Pflanze sagt Roxburgh: „Geburtsstätte unbekannt,
denn wenn auch augenblicklich in den meisten der in-
dischen Provinzen wildwachsend, findet sie sich ge-
meiniglich nie von den Plätzen weit entfernt, wo man
sie gegenwärtig anbaut oder wo sie angebaut wurde.“
Wight und Royle, welche Abbildungen der Art ver-
öffentlicht haben, lassen hierüber nichts verlauten, und
1 Peyritsch, in: Flora brasil., Fasc. 81, S. 156.
2 Hooker, a. a. O. 3 Gosse, Monogr., S. 12.
4 Triana et Planchon, in: Annales des sc. nat., Ser. 4, XVIII, 338.
5 Roxburgh, Flora indica, III, 379.
170 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
neuere Floren Indiens geben die Pflanze nur als ange-
baut an.! Mehrere andere Indigofera-Arten sind in
Indien spontan.
Diese hat man in den sandigen Gegenden von Sene-
gal? gefunden, andere afrıkanische Fundstätten werden
nicht angegeben, und da sie in Senegal häufig angebaut
wird, schliesse ich auf eine Naturalisation. Durch das
Vorkommen eines Sanskritnamens wird der asiatische
Ursprung ziemlich wahrscheinlich.
Indigofera argentea, Linne. — Silberfarbiger Indigo
(fr. Indigotier argenté).
Diese Art ist entschieden in Abessinien, Nubien,
Kordofan und Sennaar? wildwachsend. In Aegypten
und Arabien baut man sie an. Danach sollte man
glauben, dass es die Art ist, aus welcher die alten
Aegypter eine blaue Farbe gewannen, sie liessen aber
vielleicht den Indigo von Indien kommen, denn die
Cultur in Aegypten geht wahrscheinlich nicht über das.
Mittelalter zurück.?
Eine etwas verschiedene Form, welche Roxburgh als
Art bezeichnete (Indigofera caerulea), die aber eher
eine Varietät zu sein scheint, wird in den Ebenen der
Indischen Halbinsel und Beludschistans wildwachsend
angetroffen.
Amerikanische Indigo-Arten.
Wahrscheinlich kommen eine oder zwei Indigofera-
Arten ursprünglich in Amerika vor, sie sind aber schlecht
bestimmt, in den Culturen oft mit den Arten der Alten
Welt vermischt und ausserhalb derselben naturalisirt.
Die Synonymie ist eine zu ungewisse, als dass ich es
1 Wight, Icones, Taf. 365; Royle, Ill. Himal., Taf. 195; Baker, in:
Flora of British India, II, 98; Brandis, Forest Flora, S. 136.
2 Guillemin, Perrottet et Richard, Florae Seneg. tentamen, S. 178.
3 Richard, Tentamen fl. abyss., I, 184; Oliver, Fl. of trop. Africa, II,
97; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256.
4 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 66; Pickering, Chronol.
arrang., S. 443. x
5 Reynier, Economie des Juifs, S. 439; des Egyptiens, S. 354.
Echte Alkanna, Hennastrauch. 271
wagen sollte, nach ihrem Vaterlande weiter zu forschen.
Einige Autoren glaubten, dass die I. Anil Linné’s eine
dieser Arten sei. Jedoch sagt Linné, dass seine Pflanze
von Indien stammt („Mantissa“, S. 273). Die blaue
Farbe der alten Mexicaner wurde, nach dem was Her-
nandez ! darüber erzählt, aus einem von den Indigofera
sehr verschiedenen Gewächs gewonnen.
Lawsonia alba, Lamarck (Lawsonia inermis und L.
spinosa verschiedener Autoren). — Echte Alkanna,
Hennastrauch (fr. Henne).
Die Sitte der Frauen des Orients, sich die Nägel
mit dem aus den Blättern des Hennastrauchs gewonne-
nen Safte roth zu färben, geht auf ein sehr hohes Alter-
thum zurück. In den alten Gemälden und den ägyp-
tischen Mumien findet sich hierfür der Beleg.
Schwer hält es, zu wissen, wann und in welchem
Lande man die Art anzubauen angefangen hat, um den
Ansprüchen einer ebenso lächerlichen wie bleibenden
Mode zu genügen, sie kann aber auf eine sehr frühe
Epoche zurückgehen, weil die Bewohner von Babylon,
Ninive und der Städte Aegyptens Gärten besassen. Die
Gelehrten werden es feststellen können, ob der Gebrauch,
die Nägel zu färben, in Aegypten unter dieser oder
jener Dynastie, vor oder nach gewissen Communicationen
mit den orientalischen Völkern angefangen hat, für un-
sere Zwecke genügt es, zu wissen, dass die Lawsonia,
ein Strauch aus der Familie der Lythraceen, mehr oder :
minder spontan in den heissen Regionen des westlichen
Asien und Afrikas, im Norden des Aequators auftritt.
Ich besitze Exemplare, die von Indien, Java, Timor,
selbst von China? und Nubien stammen, bei welchen
nicht gesagt ist, ob sie von angebauten Pflanzen ge-
nommen waren, und andere Exemplare von Guyana und
den Antillen, welche zweifelsohne von eingeführten In-
dividuen der Art abstammen. Stoks fand sie als ein-
1 Hernandez, Thes., S. 108. 2 Fortune, Nr. 32.
172 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
heimische Pflanze in Beludschistan!, Roxburgh des-
gleichen an der Küste von Koromandel?, und Thwaites?
erwähnt sie für Ceylon in einer Weise, welche
eine spontane Art muthmaassen lässt. Clarke* hat
sie „als in Indien sehr gemein und angebaut, im
östlichen Theile vielleicht wildwachsend“ ausgegeben.
Möglich ist es, dass sie sich in Indien von ihrem
ursprünglichen Vaterlande aus weiter verbreitet hat,
wie dies im 17. Jahrhundert zu Amboinaÿ und
später auf den Antillen® infolge der Culturen einge-
treten ist, denn die Pflanze wird auch des Wohlgeruchs
ihrer Blumen wegen geschätzt und vermehrt sich stark
durch Samen. Dieselben Zweifel stellen sich uns für
das Indigenat in Persien, Arabien, Aegypten (vorzugs-
weise Culturland), Nubien und bis in Guinea entgegen,
wo man Exemplare gesammelt hat.” Es ist nicht sehr
unwahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz der Art von
Indien nach Nubien erstreckte; indessen gehört eine
derartige geographische Verbreitung zu den ziemlich sel-
tenen Fällen. Vielleicht vermögen die volksthümlichen
Namen einige Aufklärung zu bieten.
Man schreibt der Art einen Sanskritnamen zu, Sa-
kachera°®; da derselbe aber in den verschiedenen Namen
der neuern Sprachen Indiens keine Spur zurückgelassen
hat, hege ich einige Zweifel über seine Echtheit. Der
persische Name Hanna hat sich mehr als alle andern
verbreitet und erhalten (Hina der Hindus, Henneh und
Alhenna der Araber, Kinna der Neugriechen). Der
von Cypros, welchen die Syrer zur Zeit von Dioscorides?
gebrauchten, hat sich nicht derselben Gunst zu erfreuen
gehabt. Dieser Umstand trägt zur Bekräftigung der
Ansicht bei, dass die Art ursprünglich an den Grenzen
= Aitchison, Catal. of Punjab ete., S. 60; Boissier, Fl. or., II, 744.
2 Roxburgh, Fl. ind., II, 258. 3’ Thwaites, Enum. Ceyl., S. 122.
Clarke, in: Hooker, Fl. Brit. India, II, 573.
Rumphius, Amb., ve 42. 6 Grisebach, Fl. Brit. W. Ind., I, 271.
Oliver, Fl. of trop. Africa, II, 483.
Piddington, Index to plants of India.
9 Dioscorides, I, Kap. 124; Lenz, Bot. d. Alterthumsk., S. 177.
ao op 19
1°".
1%
- LL
be
ee.
Taback. 143
Persiens und Indiens oder in Persien zu Hause war,
-und dass der Gebrauch wie die Cultur einst von Osten
nach Westen, von Asıen nach Afrika fortschritten.
Nieotiana Tabacum, Linne, und andere Arten der
Gattung. — Taback (fr. Tabac).
Zur Zeit der Entdeckung Amerikas war der Gebrauch
des Rauchens, Schnupfens oder Kauens im grössten
Theile dieses ungeheuern Continents verbreitet. Aus
den von dem berühmten Anatomen Tiedemann! sehr
vollständig gesammelten Berichten der ersten Reisenden
ersehen wir, dass man in Südamerika nicht rauchte,
sich aber des Schnupf- und Kautabacks bediente; nur
in der La-Plata-Region, in Uruguay und Paraguay wurde
der Taback in keinerlei Weise gebraucht. In Nord-
amerika-war der Gebrauch des Rauchens von der Land-
enge von Panama und den Antillen bis nach Canada
und Californien ein allgemeiner, und er war mit Um-
ständen verknüpft, welche auf ein hohes Alter hin-
weisen. So hat man Pfeifen in den Gräbern der Az-
teken Mexicos? und in den Grabhügeln (mounds) der
Vereinigten Staaten gefunden. Dieselben sind sehr zahl-
reich und von einer besondern Arbeit; einige stellen
Thiere dar, die Nordamerika fremd sind.?
Da die Tabacke einjährige Pflanzen sind, welche un-
geheuere Mengen von Samen liefern, war es leicht, sie
anzusäen, anzubauen oder sie auch mehr oder weniger
in der Nähe menschlicher Wohnplätze zu naturalisiren,
es darf aber nicht übersehen werden, dass man in den
verschiedenen Regionen Amerikas auch verschiedene
Arten der Gattung Nicotiana gebrauchte, was auf einen
verschiedenen Ursprung hinweist.
Die gemeiniglich angebaute Nicotiana Tabacum war die
1 Tiedemann, Geschichte des Tabacks, 1854; für Brasilien siehe Mar-
tius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachkunde Amerikas, I, 719.
2 Tiedemann, S. 17, Taf. 1.
3 Die Zeichnungen dieser Pfeifen werden dargestellt in dem neuern
Werke von de Nadaillac: Les premiers hommes et les temps préhisto-
riques, II, 45 u. 48,
174 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
verbreitetste Art und zuweilen die einzige, welche
man in Südamerika und auf den Antillen gebrauchte.
Die Spanier führten den Gebrauch des Tabacks nach
den La-Plata-Staaten, Uruguay und Paraguay ein!, und
man muss demnach den Ursprung der Pflanze mehr im
Norden suchen. Martius ıst nicht der Ansicht, dass die-
selbe in Brasilien einheimisch war?, und sagt ausser-
dem, dass die alten Brasilianer die Blätter einer in-
ländischen Art, welche die Botaniker Nicotiana Langs-
dorffii genannt haben, zum Rauchen verwertheten. Als
ich im Jahre 1855 die Frage über den Ursprung prüfte?,
standen mir nur die von Blanchet aus der Provinz
Bahia unter Nr. 3223 a geschickten, dem Anscheine
nach spontanen Exemplare von N. Tabacum zur Ver-
fügung. Weder vor noch nach dieser Zeit ist ein an-
derer Autor glücklicher gewesen, und ich ersehe, dass
die Herren Flückiger und Hanbury in ihrer vortreff-
lichen Arbeit über Pflanzen-Droguen * ausdrücklich be-
merken: „Der gemeine Taback ist amerikanischen Ur-
sprungs, indess hat man ihn heutzutage dort nicht
im wildwachsenden Zustande angetroffen“. Ich will es
wagen, dieser Behauptung zu widersprechen, wenn auch
die spontane Eigenschaft immer anfechtbar bleibt, so-
bald es sich um eine Art handelt, die sich so leicht
ausserhalb der Anpflanzungen ausbreitet.
In den Herbarien trifft man viele in Peru gesammelte
Exemplare an, bei welchen nicht bemerkt ist, ob sie
angebaut waren oder sich in der Nähe von Culturen
befanden. Boissier’s Herbarium enthält zwei von Pavon
gesammelte, die aus verschiedenen Localitäten kommen.?
Pavon sagt in seiner Flora (II, 16), dass die Art in
1 Tiedemann, S. 38, 39.
2 Martius, Syst. mat. med. bras., S. 120; Fl. bras., X, 191.
3 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 849.
4 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale, fran-
zösische Ausg., 1878, II, 150.
5 Das eine derselben wird als Nicotiana fruticosa aufgeführt, dies ist
meiner Ansicht nach dieselbe Art von hohem Wuchse, aber nicht holzig,
wie der Name vermuthen lässt. Die N. auriculata, Bertero, ist nach mei-
nen authentischen Exemplaren ebenfalls die N. Zabacum.
% its
7 -
Taback. 175
den feuchten und warmen Wäldern der peruanischen
Anden wächst, und dass sie angebaut wird. Von noch
grösserer Bedeutung sind die Exemplare, welche Eduard
ndré in der Republik Ecuador bei Saint-Nicolas am
westlichen Abhange des Vulkans Corazon in einem von
jeglicher Niederlassung weit entfernten Urwalde ge-
sammelt hat; er hatte die Güte, mir dieselben zu schicken,
und sie gehören augenscheinlich zu N. Tabacum von
hohem Wuchse (2—3 Meter), deren obere Blätter schmal
und lang zugespitzt sind, gerade so wie Hayne und
von Miller sie abgebildet haben.! Die untern Blätter
fehlen. Die Blume, welche die wirklichen Charaktere
der Art gibt, ist jedenfalls die von N. Tabacum, und
es ist bekannt, dass diese Pflanze in den Culturen rück-
sichtlich ihres Wuchses und der Grösse ihrer Blätter
sehr veränderlich ist.?
Breitete sich das ursprüngliche Vaterland im Norden
bis nach Mexico, im Süden nach Bolivia, im Osten nach
Venezuela hin aus? Dies ist sehr möglich.
Die Nicotiana rustica, Linné, eine von N. Tabacum?
sehr verschiedene Art mit gelblichen Blumen, welche
eine grobe Tabacksorte liefert, wurde bei den alten
Mexicanern und den Eingeborenen im Norden Mexicos
häufig angebaut. Ich besitze ein von Douglas aus
Californien im Jahre 1839 mitgebrachtes Exemplar; zu
der Zeit waren die Colonisten noch selten, jedoch er-
kennen die amerikanischen Autoren die Pflanze nicht
als spontan an, und Dr. Asa Gray bemerkt, dass sie
sich auf öden Strecken Landes aussäet.* Das ist viel-
leicht bei den Exemplaren des Herbariums von Boissier
eingetreten, welche Pavon in Peru gesammelt hatte, die
er aber in seiner peruanischen Flora nicht erwähnt.
1 Hayne, Arzneikunde d. Gewächse, Bd. XII, Taf. 41; Miller, Gar-
dener’s Dict., Taf. 186, Fig. 1.
2 In den Exemplaren des Herrn André ist die Samenkapsel auf ein
und derselben Pflanze bald kürzer, bald länger als der Kelch.
3 Siehe die Abbildungen von N. rustica in Plée: Types de familles
naturelles de France, Solanées; Bulliard, Herbier de France, Taf. 289.
4 Asa Gray, Synoptical Flora of N. A. (1378), S. 241.
do‘ = ii Fr
176 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Die Pflanze wächst massenhaft bei Cordova in der Ar-
gentinischen Republik!, der Zeitpunkt, seit wann dies der
Fall ist, ist aber nicht bekannt. Nach dem alten Ge-
brauche der Pflanze und dem Vaterlande der ihr am
nächsten stehenden Arten sprechen die Wahrscheinlich-
keiten zu Gunsten eines Ursprungs in Men; Texas
oder Californien.
Mehrere Botaniker, selbst amerikanische, glaubten,
dass die Art der Alten Welt angehöre. Dies ist sicher-
lich ein Irrthum, wenn sich auch die Pflanze hier und
da selbst in unsern Wäldern und zuweilen in grossen
Mengen ? im Gefolge der Culturen ausbreitet. Die Au-
toren des 16. Jahrhunderts haben von ıhr als einer
fremdländischen Pflanze gesprochen, die in den Gärten
eingeführt war und sich bisweilen dem Bereiche der-
selben entzog.” In einigen Herbarien trifft man sie an
unter den Namen von N. tatarica, turcica oder sibirica,
dann handelt es sich aber um in den Gärten angebaute
Exemplare, und kein Botaniker hat die Art in Asien
oder an den Grenzen dieses Welttheils mit den An-
zeichen einer spontanen Pflanze angetroffen.
Dies veranlasst mich, einen Irrthum zu widerlegen,
der trotz meiner im = 1855 gelieferten Beweise
allgemeiner verbreitet ist, und eine grössere Zähigkeit
zeigt, nämlich den, einige schlecht beschriebene Arten
nach angebauten Exemplaren als in der Alten Welt,
besonders in Asien einheimisch anzusehen. Die Beweise
für den amerikanischen Ursprung haben sich so ver-
mehrt, und sind so übereinstimmend, dass ich sie, ohne
mich auf viele Details einzulassen, folgendermaassen
zusammenfassen kann:
A. Von etwa 50 im wildwachsenden Zustande an-
getroffenen Arten der Gattung Nicotiana sind nur zwei
Amerika fremd, nämlich: 1) die N. suaveolens von Au-
stralien, zu welcher man jetzt auch die N. rotundifolia
1 Martin de Moussy, Descript. de la r&p. Argentine, I, 196.
2 Bulliard, a. a. O.
3 Caesalpinus, Buch VIII, Kap. 44; Bauhin, Hist., III, 630.
Taback. 171
desselben Landes rechnet, und die Ventenat irrthüm-
licherweise N. undulata genannt hatte; 2) die N. fra-
grans, Hooker (,,Bot. Mag.“, Taf. 4865) von der Nor-
folkinsel, in der Nähe von Neucaledonien, welche sich
nur wenig von der vorhergehenden unterscheidet.
B. Obgleich die asiatischen Völker grosse Taback-
liebhaber sind, und seit einer fern gelegenen Zeit dem
Rauchen einiger narkotischer Pflanzen zugethan waren,
hat doch keins derselben den Taback vor der Ent-
deckung Amerikas gebraucht. Von Tiedemann, welcher
die Schriften der Reisenden des Mittelalters sorgfältig
durchgesehen hatte, wurde dies sehr gut nachgewiesen. !
Selbst für eine weniger alte Epoche, die gleich auf die
' Entdeckung Amerikas folgte, nämlich die von 1540—
1603, citirt er mehrere Autoren, und unter ihnen Bo-
taniker wie Belon und Rauwolf, welche das türkische
Reich und Persien durchstreiften, die Gebräuche mit
grosser Aufmerksamkeit beobachteten, und nicht ein
einziges mal den Taback erwähnt haben. Augenschein-
lich wurde derselbe nach der Türkei zu Anfang des
17. Jahrhunderts eingeführt, und erhielten die Perser
ihn sehr schnell von den Türken. Thomas Herbert ist
der erste Europäer, welcher über das Rauchen in Per-
sien nach eigener Anschauung im Jahre 1626 berichtet.
Keiner der folgenden Reisenden hat den Gebrauch des
Nargileh als gut eingebürgert zu erwähnen vergessen.
Olearius beschreibt diesen Apparat, welchen er im
Jahre 1633 gesehen hatte. Für Indien wird der Taback
zuerst im Jahre 1605? erwähnt, und es ist wahrschein-
lich, dass seine Einführung durch die Europäer bewerk-
stelligt wurde. Nach dem Reisenden Methold® fing
sie 1619 in Arracan und Pegu an. Es haben sich
1 Tiedemann, Geschichte des Tabacks (1854), S. 208. Zwei Jahre früher
hatte Volz (Beiträge zur Culturgeschichte) schon eine grosse Anzahl von
Thatsachen über die Einführung des Tabacks nach verschiedenen Läu-
dern zusammengebracht.
2 Nach einem ungenannten indischen Schriftsteller, auf welchen Tiede-
mann hinweist, S. 229.
3 Tiedemann, S. 234.
DE CANDOLLE, 12
178 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
einige Zweifel in Bezug auf Java erhoben, weil Rumphius,
ein sehr genauer Beobachter, welcher in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts schrieb, gesagt hat!, dass
der Taback nach den Ueberlieferungen einiger Greise
vor Ankunft der Portugiesen im Jahre 1511 als Medi-
cament gebraucht wurde und der Gebrauch des Rauchens
erst durch die Europäer eingeführt wurde. Freilich
fügt Rumphius hinzu, dass der Name Tabaco oder
Tambuco, der in allen Gegenden verbreitet ist,
fremden Ursprungs ist. Sir Stamford Raffles? nennt
dagegen das Jahr 1601 als Datum der Einführung des
Tabacks auf Java, und stützt sich dabei auf zahlreiche
historische Untersuchungen über diese Insel. Die Portu-
giesen hatten freilich die Küsten Brasiliens in den Jah-
ren 1500—4 entdeckt; Vasco da Gama sowol wie auch
seine Nachfolger gingen aber nach Asien um das Cap
herum, oder durch das Rothe Meer, sodass sie schwerlich
häufige oder directe Communicationen zwischen Amerika
und Java eröffnen konnten. Nicot hatte die Pflanze
1560 in Portugal gesehen; demnach haben die Portu-
giesen sie wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts nach Asien gebracht. Es wird von
Thunberg bestätigt?, dass der Gebrauch des Tabacks
von den Portugiesen nach Japan eingeführt wurde, und
nach alten von Tiedemann genannten Reisenden geschah
dies zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Schliesslich
besitzen die Chinesen kein ursprüngliches und altes
Schriftzeichen für den Taback: ihre Porzellanmalereien,
welche sich in der dresdener Sammlung befinden, zeigen
häufig seit dem Jahre 1700, nie aber zuvor, verschie-
dene, sich auf den Taback beziehende Details*; endlich
stimmen die Sinologen in der Aussage überein, dass
die chinesischen Werke diese Pflanze nicht vor dem
1 Rumphius, Herb. Amboin., V, 225.
2 Raffles, Description of Java, S. S5.
3 Thunberg, Flora japonica, S. 91.
4 Klemm, angeführt in Tiedemann, S. 256.
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Taback. 179
Ende des 16. Jahrhunderts erwähnen.! Vergegenwärtigt
man sich die reissende Geschwindigkeit, mit welcher
sich der Tabacksgebrauch überall, wohin er eingeführt
wurde, verbreitet hat, so fallen diese Aufschlüsse über
Asien ganz besonders ins Gewicht.
C. Die volksthümlichen Namen des Tabacks bestä-
tigen einen amerikanischen Ursprung. Wenn es ein-
heimische Nicotiana-Arten in der Alten Welt gäbe, so
würde man auch eine Menge verschiedener Namen ken-
nen; im Gegentheil stammen aber die chinesischen, ja-
panesischen, javanesischen, indischen, persischen Namen
u. s. w. mit leichten Abänderungen von den amerika-
nischen Namen Petum oder Tabak, Tabok, Tamboc ab.
Freilich eitirt Piddington Sanskritnamen, Dhumrapatra
und Tamrakouta?, doch weiss ich von Adolphe Pictet,
dass der erste dieser Namen, welcher sich im Wörter-
buch von Wilson nicht findet, Blatt zum Rauchen be-
deutet, und von einer neuern Zusammensetzung zu sein
scheint, während der zweite wahrscheinlich nicht älter
ist und als irgendeine moderne Abänderung der ame-
rikanischen Namen - erscheint. Das arabische Wort
Docchan bedeutet einfach Rauch.°
Schliesslich müssen wir unsere Aufmerksamkeit noch
zwei Nicotiana-Arten zuwenden, die asiatisch sein sollen.
Die eine, welche Lehmann Nicotiana chinensis nannte,
kam von dem russischen Botaniker Fischer, welcher
“ China als Vaterland angab. Lehmann hatte sie in einem
Garten gesehen; nun weiss man aber, bis zu welchem
Punkte der Ursprung der angebauten Pflanzen von den
Gärtnern häufig als falsch angegeben wird, und es scheint
ausserdem nach der Beschreibung einfach die N. Taba-
cum gewesen zu sein, von welcher man die Samen viel-
leicht von China erhalten hatte.* Die zweite Art ist
1 Stanislas Julien, in: de Candolle, Géographie bot. rais., S. 851; Bret-
schneider, Study and value of Chinese botan. works, S. 17.
2 Piddington, Index. 3 Forskal, S. 63.
4 Lehmann, Historia Nicotianarum, S. 18. Die Bezeichnung sufruti-
cosa ist eine auf Taback bezügliche Uebertreibung, weil alle Arten ein-
jährig sind. Ich habe schon bemerkt, dass die N. suffruticosa einiger Au-
toren die N. Tabacum ist.
126
180 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
die N. persica von Lindley, im „Botanical Register“
(Taf. 1592) abgebildet, deren Samen von Ispahan an
die Londoner Gartenbau-Gesellschaft als die des besten
in Persien angebauten Tabacks, des Schiras, geschickt
worden waren. Es entging Lindley, dass seine Pflanze
ganz genau die N. alata war, welche Link und Otto!
drei Jahre früher nach einer Pflanze des berliner Bo-
tanischen Gartens abgebildet hatten. Dieselbe kam von
Samen aus dem südlichen Brasilien, welche Sello ein-
geschickt hatte. Hier haben wir es gewiss mit einer
brasilianischen Art zu thun, die eine weisse, sehr ver-
längerte Blumenkrone hat und der Nicotiana suaveolens
von Australien nahesteht. Somit ist die bisweilen mit
dem gemeinen Taback gleichzeitig in Persien angebaute
Tabackssorte, die sich durch feinern Wohlgeruch aus-
zeichnen soll, amerikanischen Ursprungs, wie ich dies
schon 1855 in meiner „Geographie botanique“ ver-
muthet hatte. Es fehlt mir eine Erklärung dafür, wie
diese Art nach Persien eingeführt wurde. Es muss
durch Samen geschehen sein, die aus einem Garten
stammten, oder zufällig von Amerika kamen, und es
ist nicht wahrscheinlich, dass ıhr Anbau in Persien
sewöhnlich war, denn Olivier und Bruguière, wie
auch andere Naturforscher, welche die Tabacksculturen
in jenem Lande gesehen haben, sprechen nicht davon.
Aus allen diesen Gründen gelangt man zu dem
Schlusse, dass keine Tabacksart ursprünglich in Asien
vorkommt. Alle sind amerikanisch, mit Ausnahme von
N. suavcolens von Australien und N. fragrans von der
Norfolkinsel im Süden Neu-Caledoniens.
Mehrere andere Nicotiana- Arten als Tabacum und
rustica sind hier und da von den Wilden oder auch
aus Wissbegier von den Europäern angebaut worden.
1 Link et Otto, Icones plant. rar. horti ber., S. 63, Taf. 32. Sendtner,
in: Flora brasil., X, 167, beschreibt dieselbe Pflanze von Sello, und zwar
wie es scheint, nach den von diesem Reisenden eingeschickten Exemplaren,
und Grisebach, Symbolae fl. argent., S. 243, erwähnt die N. alata für die
Provinz Entrerios in der Argentinischen Republik.
Zimmtlorber, echter Kaneel. 181
Eigenthümlich ist es, dass man solchen Anbauversuchen
nicht grössere Aufmerksamkeit widmet, denn ganz be-
sondere Tabackssorten könnten vielleicht auf diese Weise
gewonnen werden. Die Arten mit weissen Blumen
würden wahrscheinlich leichte und wohlriechende Sorten
geben, und da gewisse Raucher den stärksten Tabacken
zugethan sind, möchte ich ihnen die Nicotiana angusti-
folia von Chile empfehlen, welche die Eingeborenen
Tabaco del Diablo! nennen.
Cinnamomum zeylanicum, Breyn. — Zimmtlorber,
echter Kaneel (fr. Cannelier).
In grossen Mengen findet sich dieser kleine Baum
aus der Familie der Lauraceen in den Wäldern Ceylons,
und es ist die Rinde seiner jungen Zweige, welche den
Zimmt des Handels ausmacht. Gewisse Formen, welche
im continentalen Indien wildwachsend vorkommen, wur-
den früher als ebenso viele verschiedene Arten ange-
sehen; die anglo-indischen Botaniker stimmen aber
darin überein, dieselben mit der ceylonischen Art zu
vereinigen.?
Seit den ältesten Zeiten sind die Rinden des Zimmt-
lorbers und anderer nicht angebauter Cinnamomum-
arten, welche die Cassiarinde liefern, wichtige Handels-
artikel gewesen. Die Herren Flückiger und Hanbury?
haben diesen historischen Punkt mit einer so vollstän-
. digen Gelehrsamkeit behandelt, dass wir einfach auf
ihr Werk verweisen wollen. Für unsere Zwecke muss
die Angabe von Wichtigkeit sein, dass der Anbau des
Zimmtlorbers viel neuern Datums ist, als die Ausbeu-
tung der Art. Erst in den Jahren 1765—70 machte
ein vom Gouverneur Falck unterstützter Colonist, Na-
mens Koke, Anpflanzungen auf dieser Insel, welche den
1 Bertero, im Prodr., XII, Abth. I, 568. ;
R es Thwaites, Enum. Zeylaniae, S. 252; Brandis, Forest Flora of India,
, ESA
3 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale,
franzôs. Uebers., II, 224; Porter, The tropical Agriculturist, S. 268.
182 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
besten Erfolg hatten. Seit einigen Jahren haben die-
selben auf Ceylon abgenommen, man hat sie aber an-
derswo, in den Tropenländern der Alten und Neuen
Welt ausgeführt. Die Art naturalisirt sich leicht ausser-
halb der Culturen!, weil die Vögel den Früchten sehr
nachstellen und die Samen in den Wäldern aussäen.
Bochmeria nivea, Hooker et Arnott. — Chinesischer
Hanf. Chinagras der Engländer (fr. Ramié).
Seit etwa 30 Jahren ist die Cultur dieser werthvollen
Urticacee nach dem Süden der Vereinigten Staaten und
Frankreich eingeführt worden; aber schon vor dieser
Zeit wurde durch den Handel der ausserordentliche
Werth dieser Fasern bekannt gemacht, die zäher als
Hanf sind und in gewissen Fällen sogar biegsamer als
Seide. In mehreren Werken finden sich interessante
Details über die Art und Weise, die Pflanze anzu-
bauen, und über die Gewinnung ihrer Fasern.” Ich
will mich hier darauf beschränken, den geographischen
Ursprung so gut wie möglich anzugeben.
Zu diesem Zwecke darf man den oft recht nichts-
sagenden Worten der Autoren ebenso wenig Glauben
schenken, wie den Etiketten an den Herbarıum-Exem-
plaren, denn der Fall ist häufig eingetreten, dass man
die angebauten Individuen, solche, welche den Culturen
entsprungen sind, oder auch wirklich wildwachsende,
nicht voneinander unterschieden hat, dass man ferner
die Verschiedenheit der zwei Formen, der Boehmeria
nivea (Urtica nivea, Linne und Boehmeria tenacissima,
Gaudichaud, oder B. candicans, Hasskarl), welche wegen
ihrer von einigen Botanikern beobachteten Uebergänge
zwei Varietäten ein und derselben Art zu sein schei-
nen, unberücksichtigt gelassen hat. Es gibt selbst eine
1 Brandis, a. a. O. Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 179.
2 Comte de Malartic, Journal d’agric. pratique, 7. Dec. 1871, 1872,
Bd. II, Nr. 31; de la Roque, ebend., Nr. 29, Bull. Soc. d’acclimat., Juli
1872, S. 463; Vilmorin, Bon Jardinier, 1880, I, 700; Vetillart, Études sur
les fibres végét. textiles, S. 99, Taf. 2. j
Untervarietät, deren Blätter auf beiden Seiten grün
“sind, welche von den Amerikanern und von Herrn de
Malartic im Süden Frankreichs angebaut wird.
Die vor alters bekannte Form (Urtica nivea, Linne),
deren Blätter auf der untern Seite sehr weiss sind,
wird als in China und einigen Nachbarländern wachsend
angegeben. Linne sagt, dass sie sich auf den Mauern
in China findet, was sich auf eine Schuttpflanze, die
den Culturen ihr Dasein verdankt, bezöge; Loureiro !
sagt aber: Habitat, et abundanter colitur in Cochinchina
et China, und nach Bentham? hat der Sammler Cham-
pion sie massenhaft in den Schluchten der Insel Hong-
kong gefunden. Franchet und Savatier * zufolge zeigt
sie sich in Japan in den Gebüschdickichten und
Hecken (in fruticetis umbrosis et sepibus). Von
Blanco* wird sie für die Philippinen als sehr gemein
angegeben. Es liegen mir keine Beweise vor, dass sie
auf Java, Sumatra und andern Inseln des Indischen
Archipels spontan sei. Rumphius? kannte sie nur als
angebaute Pflanze. NRoxburgh ® glaubte sie auf Su-
_matra einheimisch, was von Miquel? nicht bestätigt wird.
Die andern Formen sind nirgends wild gefunden wor-
den, was die Annahme bekräftigt, dass es in den Cul-
turen aufgekommene Varietäten sind.
Hanf. 183
Cannabis sativa, Linne. — Gemeiner Hanf (fr. Chanvre).
Des Hanfes mit seinen beiden, zweihäusigen Formen,
der männlichen und weiblichen, wird in den ältesten
chinesischen Werken, ganz besonders in dem 500 Jahre
v. Chr. geschriebenen „Shu-king“, Erwähnung gethan.®
Man kennt von ihm Sanskritnamen, Banga und Gangika”,
Loureiro, Flora cochinch., II, 683.
Bentham, Flora Hongkong, S. 331.
3 Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, 439.
4 Blanco, Flora de Filip., 2. Aufl., S. 484.
5 Rumphius, Amboin., V, 214. 6 Roxburgh, Fl. ind., IIT, 590.
7 Miquel, Sumatra, deutsche Ausg., S. 170.
8 Bretschneider, Value of Chinese botanical works, S. 5, 10, 48.
9 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 772.
1
2
Ed: D 4
nach Piddington’s! Orthographie Bhanga und Gunjika.
Die Wurzel dieser Namen ang oder an findet sich in
allen neuern indo-europäischen und semitischen Sprachen
wieder: Bang im Hindustani und Persischen, Ganga
im Bengalischen?, Hanf im Deutschen, Hemp im Eng-
lıschen, Kanas im Keltischen und neuern Niederbre-
tonischen?, Cannabis im Griechischen und Lateinischen,
Cannab im Arabischen.
Nach Herodot (geb. im Jahre 484 v. Chr.) gebrauchten
die Skythen den Hanf, zu seiner Zeit war er aber den
Griechen kaum bekannt.5 Hiero IL, König von Syra-
kus, kaufte den Hanf für die Taue seiner Schiffe in
Gallien, und Lucilius ist der erste römische Schrift-
steller, bei dem wir die Pflanze erwähnt finden (100 Jahre
v. Chr.). In den hebräischen Büchern wird vom Hanf
nicht gesprochen.® Die alten Aegypter gebrauchten ihn
nicht, um ihre Mumien damit einzuwickeln. Selbst
segen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Hanf in
Aegypten nur zur Gewinnung des Haschisch, einer be-
rauschenden Substanz, angebaut.” Die als „Mischna“
bekannte Sammlung der judäischen Gesetze, welche unter
der römischen Oberherrschaft verfasst wurde, spricht
von den textilen Eigenschaften des Hanfs als einem
wenig bekannten Gegenstande.° Es ist ziemlich wahr-
scheinlich, dass die Skythen diese Pflanze auf ihren
Wanderungen, welche gegen das Jahr 1500 v. Chr.,
etwas vor dem Trojanischen Kriege, stattfanden, von
Centralasien und Russland nach dem Westen gebracht
hatten. Sie hätte sich auch durch die noch frühern
Invasionen der Arier m Thrazien und dem westlichen
Europa einbürgern können; dann würde man aber in
Italien schon eher von ihr gewusst haben. In den
184 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Piddington, Index. 2 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 772.
Reynier, Economie des Celtes, S.448; Legonidec, Dictionn. bas-breton.
J. Humbert, früher Professor der arabischen Sprache in Genf, nannte
mir, je nach den Localitäten, Kannab, Kon-nab, Hon-nab, Hen-nab, Kanedir.
Athenäus, eitirt von Hehn, Kulturpflanzen, S. 168.
Rosenmüller, Handb. d. bibl. Alterthumsk.
Forskal, Flora; Delile, Flore d’Egypte.
8 Reynier, Économie des Arabes, S. 434.
[Se
a ©!
Weisser Maulbeerbaum. 185
_Pfahlbauten der schweizer Seen! und des nördlichen
Italien? hat man den Hanf nicht aufgefunden.
Was man über den Wohnsitz des Cannabis sativa
hat feststellen können, stimmt mit den historischen und
linguistischen Angaben gut überein. In einer der Mono-
graphien des „Prodromus“ vom Jahre 1869? bot sich
mir Gelegenheit, mich speciell damit zu befassen.
Wildwachsend hat man die Art ganz gewiss im Süden
des Kaspisees*, in Sibirien am Irtysch, in der Kirgisen-
steppe, jenseit des Baikalsees, in Daurien (Gouverne-
+ ment Irkutsk) aufgefunden. Die Autoren geben sie für
das ganze südliche und mittlere Russland und im Süden
des Kaukasus an’, die spontane Eigenschaft ist dort
aber weniger sicher, da diese Länder bevölkert sind,
und sich die Hanfsamen mit Leichtigkeit von den Gärten
aus weiter verbreiten können. Das hohe Alter der
Cultur in China lässt mich annehmen, dass sich der
Wohnsitz ziemlich weit nach Osten hin ausbreitete,
wenn dies von den Botanikern auch noch nicht fest-
gestellt wurde.° Boissier gibt die Art für Persien als
„fast spontan“ an. Ich bezweifle es, dass sie dort ein-
heimisch ist, denn wenn sie es wäre, so würden die
Griechen und Römer sie früher gekannt haben.
Morus alba, Linne. — Weisser Maulbeerbaum (fr.
Mürier blane).
Der Maulbeerbaum, dessen man sich in Europa am
meisten zur Anzucht der Seidenwürmer bedient, ist die
Morus alba. Seringe”? hat ihre sehr zahlreichen Varie-
täten sorgfältig "beschrieben, und später ist dies von
Bureau® geschehen. Nach Brandis, dem General-In-
spector der Waldungen von Britisch-Indien, ist Morus
1 Heer, Ueber den Flachs, S. 25.
2 Sordelli, Notizie sull. staz. di Lagozza, 1580.
3 Vol. XVI, Sect.1,S.30. 4 De Bunge, Bull. Soc. bot. de Fr., 1860, S. 30.
5 Ledebour, Flora rossica, III, 634.
6 Bunge fand den Hanf im nördlichen China, aber auf Schutthaufen
(Enum., Nr. 338).
7 Seringe, Description et culture des Müriers.
8 Bureau, in: de Candolle, Prodromus, XVII, 238.
SR
186 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
indica, Linne (Morus alba. var. indica, Bureau), die
am meisten in Indien angebaute Art, im Pendschab und
Sikkim wıldwachsend.! Zwei andere Varietäten, serrata
und cuspidata, werden desgleichen als wildwachsend in
verschiedenen Provinzen des nördlichen Indien ange-
geben.” Abbe David fand in der Mongolei eine voll-
kommen spontane Varietät, welche von Bureau unter
dem Namen von Mongolica beschrieben wurde, und Dr.
Bretschneider ? führt für den wildwachsenden Maulbeer-
baum den alten chinesischen Namen Yen an. Er sagt
freilich nicht, ob sich dieser Name auf den weissen
Maulbeerbaum: Pe (weiss), Sang (Maulbeerbaum) der
chinesischen Culturen bezieht.* Das hohe Alter des
Anbaues in China? und Japan, sowie die Menge der
verschiedenen Formen, welche man dort erzielt hat,
lassen muthmaassen, dass sich das ursprüngliche Vater-
land von Osten bis nach Japan erstreckte, man kennt
aber die einheimische Flora des südlichen China noch
sehr wenig, und wird die spontane Eigenschaft von
den zuverlässigsten Autoren für japanesische Pflanzen
nicht bestätigt. Franchet und Savatier® sagen: „Seit
undenklichen Zeiten angebaut und hier und da ver-
wildert.“ Es ist noch zu bemerken, dass der weisse
Maulbeerbaum besonders bergige und gemässigte Länder
zu lieben scheint, woraus sich schliessen lässt, dass
man ihn ehemals vom nördlichen China nach den Ebe-
nen des Südens eingeführt hätte. Bekanntlich gehen
die Vögel seinen Früchten nach und tragen die Sa-
men weithin nach unbebauten Flächen, wodurch die
Feststellung der wirklich alten Wohnplätze erschwert
wird.
1 Brandis, The Forest Flora of North-West and Central India (1874),
S. 408. Diese Varietät hat schwarze Früchte, wie Morus nigra.
2 Bureau, a. a. O., nach den Exemplaren verschiedener Reisenden.
3 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 12.
4 Dieser Name findet sich, nach Ritter (Erdkunde, XVII, 489) im
Pent-sao.
5 Nach Platt (Zeitschrift d. Gesellsch. für Erdkunde, 1371, S. 162) geht
die Cultur auf 4000 Jahre v. Chr. zurück.
6 Franchet et Savatier, Enumeratio plantarum Japoniae, I, 435.
sf Là.
. Hire
Er
Weisser Maulbeerbaum. 187
Diese Leichtigkeit der Naturalisation bietet zweifels-
ohne eine Erklärung für das in aufeinanderfolgenden
Epochen sich geltend machende Auftreten des weissen
Maulbeerbaums im westlichen Asien und in Südeuropa.
Seitdem die Mönche im 6. Jahrhundert unter der Re-
gierung des Justinian die Seidenraupe nach Konstanti-
nopel gebracht hatten, und sich die Seidenzucht all-
mählich nach Westen hin ausbreitete, hat diese Natu-
ralisation besonders in Kraft treten müssen. Targioni
hat jedoch den Beweis geliefert, dass nur der schwarze
Maulbeerbaum, M. nigra, auf Sicilien und in Italien
bekannt war, als die Seidenindustrie ım Jahre 1148
nach Sicilien und zwei Jahrhunderte später nach Tos-
cana eingeführt wurde. Nach demselben Autor ist das
Jahr 1340 der früheste Zeitpunkt der Einführung des
weissen Maulbeerbaums nach Toscana. In gleicher
Weise kann die Seidenindustrie in China ihren Anfang
genommen haben, weil sich die Seidenraupe dort im
wilden Zustande fand; es ist aber sehr wahrscheinlich,
dass der Baum auch im nördlichen Indien vorkam, wo
er von vielen Reisenden wildwachsend angetroffen wurde.
In Persien, Armenien und Kleinasien halte ich ihn viel-
mehr seit einer alten Epoche für naturalisirt, und steht
diese Ansicht mit derjenigen von Grisebach im Wider-
spruch, welcher die Region des Kaspisees als ursprüng-
liches Vaterland hinstellt (,,Végét. du globe, trad. fran-
-çaise“, I, 424). Boissier führt ihn in diesen Ländern
nicht als spontan an.” Buhse? hat ihn in Persien bei
Eriwan und Baschnaruschin gefunden, und er be-
merkt: „Vielfach naturalisirt in den Provinzen Ghilan und
Masenderan“. In der „Flora Russlands‘ von Ledebour*
finden sich zahlreiche Localitäten um den Kaukasus
herum angegeben, ohne dass die Spontaneität betont
1 Ant. Targioni, Cenni storici sulla introd. di varie piante nell’ agri-
colt. toscana, S. 188.
2 Boissier, Flora orient., IV, 1153.
3 Buhse, "Aufzählung der transcauc. und persischen Pflanzen, S. 203.
4 Ledebour, F1. ross., III, 643.
188 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
wird, was auf eine naturalisirte Art hinweisen mag. In
der Krim, in Griechenland und Italien findet er sich
nur im Culturzustande.! Eine Varietät, tatarica, welche
häufig im südlichen Russland angebaut wird, hat sich
in der Nähe der Wolga naturalisirt.?
Wenn der weisse Maulbeerbaum nicht ursprünglich
in Persien und nach dem Kaspisee hin vorkam, so muss
er doch seit langer Zeit dahin vorgedrungen sein. Als
Beweis führe ich den Namen Tut, Tuth, Tuta an, welcher
zu gleicher Zeit persisch, arabisch, türkisch und tata-
risch ist. Es gibt einen Sanskritnamen, Tula?, welchen
man auf dieselbe Wurzel zurückführen kann als den
persischen Namen; man kennt aber keinen hebräischen
Namen, was zur Begründung der Ansicht von einer all-
mählichen Ausdehnung nach dem westlichen Asien
beiträgt.
Diejenigen meiner Leser, welchen ausführlichere Auf-
schlüsse über die Einführung der Maulbeerbäume und
der Seidenraupen erwünscht wären, finden solche ganz
insbesondere in den gelehrten Werken von Targioni
und Ritter, auf welche ich hingewiesen habe. Die
neuerdings von verschiedenen Botanikern gemachten
Entdeckungen ermöglichten es mir, genauere Angaben
als die von Ritter über den Ursprung hinzuzufügen,
und wenn unsere Meinungen über andere Punkte dem
Anscheine nach auseinander gehen, so findet dieses na-
mentlich darin seine Begründung, dass der berühmte
Geograph eine Menge von Varietäten als Arten ange-
sehen hat, welche die Botaniker nach sorgfältiger Prü-
fung enger begrenzt haben.
Morus nigra, Linne. — Schwarzer Maulbeerbaum
(fr. Märier noir).
1 Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinsel, S. 313; Heldreich,
Pflanzen der attischen Ebene, S. 508; Bertoloni, Fl. ital., X, 177; Caruel,
Fl. Toscana, S. 171.
2 Bureau, a. a. O.
3 Roxburgh, F1. ind.; Piddington, Index.
le en Ne + !
…\ééhimmestm dut. HS dés Se cmt u mn “it de tt ent à
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Bee.
1
Schwarzer Maulbeerbaum. 189
Derselbe wird mehr seiner Früchte als seiner Blätter
wegen geschätzt, und müsste ich ihn somit bei der
Classe der Fruchtbäume aufzählen. Indessen würde es
schwer halten, seine Geschichte von der des weissen
Maulbeerbaums zu trennen, und werden überdies die
Blätter in vielen Ländern zur Seidenzucht verwendet,
trotzdem die Seide von geringerer Qualität ist.
Der schwarze Maulbeerbaum unterscheidet sich von
dem weissen durch mehrere Charaktere, ganz abgesehen
von der schwarzen Farbe der Frucht, welche man auch
bei verschiedenen Varietäten von M. alba antrifit.!
Dann besitzt er auch eine viel geringere Zahl von For-
men, was auf eine weniger alte und lebhafte Cultur,
sowie auf ein weniger ausgedehntes ursprüngliches Vater-
land schliessen lässt.
Die griechischen und lateinischen Schriftsteller, selbst
die Dichter haben oft von dem Morus nigra gesprochen,
welchen sie mit dem Ficus Sycomorus verglichen, und
sogar in Bezug auf das Vaterland mit diesem ägyptischen
Baume verwechselten. Seit zwei Jahrhunderten wieder-
holen die Commentatoren eine Menge von Schriftstellen,
welche keinen Zweifel über diesen Punkt zulassen, sonst
aber wenig Interesse darbieten.? Ueber den Ursprung
der Art liefern sie keinen Beweis, und wird Persien
als muthmaassliches Vaterland hingestellt, wenn man
die Fabel von Pyramus und Thisbe, die sich nach Ovid
in Babylon abspielte, nicht als eine wirkliche Thatsache
ansehen will.
Von den Botanikern wird das Indigenat für Persien
nicht in positiver Weise nachgewiesen. Boissier, wel-
chem mehr Material über den Orient zu Gebote steht
als irgendeinem andern, begnügt sich damit, Hohen-
acker als denjenigen zu nennen, welcher M. nigra in
1 Reichenbach hat in seinen Icones florae germ., Taf. 657 u. 658, von
den beiden Arten gute Abbildungen gegeben.
2 Fraas, Synops. fl. class. S. 236; Lenz, Botanik d. alten Griechen und
Römer, S. 419; Ritter, Erdkunde, XVII, 482; Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl.,
S. 336, ohne von andern ältern Schriftstellern zu sprechen.
190 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
den Wäldern von Lenkoran an der Südküste des Kaspi-
sees antraf, und er fügt hinzu: „Wahrscheinlich spontan
im nördlichen Persien nach dem Kaspisee zu.“! Vor
ihm wies Ledebour in seiner „Flora Russlands“, hierbei
den Berichten verschiedener Reisenden folgend, auf die
Krim und die Provinzen im Süden des Kaukasus? hin,
Steven bestreitet es aber, dass die Art in der Krim
anders als im Culturzustande vorkommt.” Tchihatcheff
und C. Koch* fanden Pflanzen des schwarzen Maul-
beerbaums in hoch gelegenen und wilden Gegenden
Armeniens. Sehr wahrscheinlich ist es, dass Morus
nigra in der Region südlich vom Kaukasus und dem
Schwarzen Meer spontan ist, d. h. eher ursprünglich
als naturalisirt. Folgendes lässt mich dies annehmen:
1) weil derselbe, nicht einmal im angebauten Zustande,
weder in Indien noch in China oder Japan bekannt
ist; 2) weil er keinen Sanskritnamen hat; 3) weil er
sich frühzeitig in Griechenland, dessen Verbindungen
mit Armenien aus alter Zeit datiren, verbreitet hat.
Morus nigra hat sich im Süden Persiens so wenig
ausgebreitet, dass man davon mit Bestimmtheit kei-
nen hebräischen, selbst nicht einmal einen persischen
von dem von Morus alba verschiedenen Namen kennt.
In Italien wurde er vielfach angebaut, bis man die
Vorzüge des weissen Maulbeerbaums als Nahrung für
die Seidenraupen erkannte. In Griechenland ist die
Cultur des schwarzen Maulbeerbaumes noch die ge-
wöhnlichste.®° Hier und da hat er sich in diesen Län-
dern sowie in Spanien naturalisirt.®
Agave americana, Linne. — Agave (fr. Maguey).
Diese holzige Pflanze aus der Familie der Amarylli-
1 Boissier, Flora orient. (1879), IV, 1153.
2 Ledebour, Fl. ross., III, 641.
3 Steven, Verzeichniss d. Pflanzen d. taurischen Halbinsel, S. 313.
4 Tchihatcheff, Uebersetzung von Grisebach, Vegetation du globe,
I, 424.
5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 19.
6 Bertoloni, Flora ital., X, 179; Visiani, FL. dalmat., I, 220; Willkomm
et Lange, Prodr. fl. hisp., 1; 250.
Bee
4
4
Agave. Zuckerrohr. 191
. daceen wird seit undenklichen Zeiten unter dem Namen
Maguey oder Met! in Mexico angebaut, um zur Zeit
der Entwickelung des Blütenschafts den als Pulque be-
kannten Wein daraus zu gewinnen. Humboldt hat diese
Cultur genau beschrieben !, und wir erfahren ausserdem
von ihm?, dass die Art im ganzen südlichen Amerika
bis zu einer Höhe von über 3000 m auftritt. Sie wird
auch für Jamaica, Antigua, Domingo und Cuba ge-
nannt*; es ist aber dabei zu erwägen, dass sie sich
durch Wurzelschösslinge leicht vermehrt und man sie
gern von Wohnplätzen entfernt anpflanzt, um Hecken
zu bilden oder die als pite bekannte Faser daraus zu
gewinnen, wodurch es schwierig wird, zu erfahren, in
welchem Lande sie ursprünglich vorkam. Seit langer
Zeit nach der Mittelmeerregion verpflanzt, trifft man
sie dort mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze
an, wenn sich auch über ihre Abstammung keine Zweifel
erheben.* Nach den verschiedenen Anwendungen zu
schliessen, zu welchen man sich ihrer in Mexico vor
Ankunft der Europäer bediente, ist dieses Land wahr-
scheinlich ihr Ausgangspunkt gewesen.
Saccharum officinarum, Linne. — Zuckerrohr (fr.
Canne à sucre).
Ueber den Ursprung des Zuckerrohrs, den Anbau
desselben, sowie über die Zuckerfabrikation hat der
Geograph Karl Ritter? eine ganz vorzügliche Arbeit
veröffentlicht. In den nur den Anbau betreffenden und
den wirthschaftlichen Details brauche ich ıhm nicht zu
folgen; für den ursprünglichen Wohnsitz der Art, welcher
1 A. de Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., S. 487.
2 A. de Humboldt, in: Kunth, Nova Genera, I, 297.
3 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 582.
4 Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 739; H. Hoffmann, in
Regel’s Gartenflora, 1875, S. 70.
5 K. Ritter, Ueber die geographische Verbreitung des Zuckerrohrs,
1840 (nach Pritzel, Thes. lit. bot.); Die Cultur des Zuckerrohrs (Saccharum)
in Asien, geogr. Verbreitung u. s. w. (64 S., o. J.) Dies ist eine sehr
gelehrte und kritische Monographie.
192 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
unser besonderes Interesse erregt, ist er aber der beste
Führer, und die seit 40 Jahren beobachteten Thatsachen
sind ım allgemeinen eine Bekräftigung seiner Ansichten
oder bestätigen sie auch.
Gegenwärtig wird das Zuckerrohr in allen heissen
Regionen der Erde angebaut, eine Menge historischer
Beweise liegen aber vor, dass es zunächst im südlichen
Asıen verwerthet wurde, von wo es sıch nach Afrika
und später nach Amerika ausbreitete. Es handelt sich
somit darum, zu erfahren, in welchen Theilen des Fest-
landes oder der Inseln Südasiens die Pflanze vorkommt
oder vorkam, als man sie zu verwenden anfing.
Ritter hat gute Methoden befolgt, um zu einer Lö-
sung dieser Frage zu gelangen.
Er bemerkt zunächst, dass alle Arten, welche man
im wildwachsenden Zustande kennt, und die bestimmt
zur Gattung Saccharum gehören, in Indien sich antreffen
lassen, eine ausgenommen, welche Aegypten angehört.!
Seitdem hat man fünf Arten von den Inseln Java, Neu-
guinea, Timor oder den Philippinen beschrieben.” Die
Wahrscheinlichkeit spricht ganz zu Gunsten eines asia-
tischen Ursprungs, wenn man von pflanzengeographischen
Angaben ausgeht.
Unglücklicherweise wurde von keinem Botaniker weder
zu Ritter’s Zeiten noch später das Saccharum officina-
rum ın Indien, den angrenzenden Ländern oder auf
dem im Süden Asiens gelegenen Archipel wildwachsend
angetroffen. Alle anglo-ındischen Autoren, - Roxburgh,
Wallich, Royle u. s. w., und neuerdings Aitchison ?,
sprechen nur von der angebauten Pflanze. Roxburgh,
welcher so lange in Indien als Botaniker thätig war,
sagt ausdrücklich: „Where wild I do not know.“ In
der Flora von Sir J. Hooker ist die Familie der Gra-
1 Kunth, Enumeratio plantarum (1838), I, 474. Man kennt keine be-
schreibende Arbeit jüngern Datums über die Familie der Gramineen oder
die Gattung Saccharum.
2 Miquel, Flora Indiae batavae (1355), III, 511.
3 Aitchison, Catalogue of Punjab and Sindh Plants (1869), S. 173.
Zuckerrohr. 193
mineen noch nicht erschienen. Was die Insel Ceylon
anbetrifft, so hat Thwaites die wildwachsende Art so
wenig angetroffen, dass er sie nicht einmal als ange-
baute Pflanze namhaft macht.! Rumphius, welcher die
Cultur in den holländischen Besitzungen sorgfältig be-
schrieben hat, sagt nichts über das Vaterland der Art.
Miquel, Hasskarl, Blanco (,„Fl. Filip.“) sprechen von
keinem auf den Inseln Sumatra, Java oder den Philip-
pinen wildwachsenden Exemplar. Trotz aller Mühe ist
es Crawfurd nicht gelungen, solches zu entdecken.?
Auf der Reise von Cook fand Forster ? das Zuckerrohr
auf den kleinen Inseln der Südsee, und zwar nur im
Zustande einer angebauten Pflanze. Die Eingeborenen
Neucaledoniens bauen eine Menge von Varietäten des
Zuckerrohrs an, gebrauchen dasselbe böständig, indem
sie die zuckerhaltige Masse aussaugen; Vieillard * war
aber vorsichtig genug, zu sagen: „Aus dem häufigen
Vorkommen von vereinzelten Exemplaren des Saccha-
rum officinarum zwischen Gebüschdickichten und selbst
auf Bergen, würde man mit Unrecht den Schluss ziehen,
dass es sich um eine einheimische Pflanze handle, denn
ihre schwachen und kränklichen Individuen deuten ein-
fach auf frühere Anpflanzungen hin, oder stammen von
Bruchstücken des Zuckerrohrs ab, welche die Einge-
borenen, die selten ohne ein Stück Zuckerrohr in der
Hand ihren Marsch antreten, dort vergessen haben.“
Im Jahre 1861 drückte sich Bentham, dem die reichen
Herbarien zu Kew zur Verfügung standen, in seiner
Flora der Insel Hongkong folgendermaassen aus: „Wir
haben keinen authentischen und sichern Beweis von
einer Localität, wo das gemeine Zuckerrohr spontan
aufträte.“
Ich weiss freilich nicht, warum Ritter und alle übri-
gen eine Behauptung Loureiro’s in der „Flora von
1 Thwaites, Enum. Ceyloniae.
2 Crawfurd, Indian Archip., I, 475.
3 Forster, Plantae esculentae.
4 Vieillard, Ann. des sc. nat., 4. Serie, XVI, 32.
DE CANDOLLE, 13
194 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Cochinchina‘ ! unberücksichtigt gelassen haben: „Habi-
tat, et colitur abundantissime in omnibus provinciis regni
cochinchinensis: simul in aliquibus imperii sinensis, sed
minori copia.“ Das Wort habitat, von dem übrigen
Satze durch ein Komma getrennt, ist sehr entscheidend.
Loureiro hat sich über das Saccharum officinarum nicht
täuschen können, denn er sah dasselbe ringsumher ‘an-
gebaut, zählte seine Hauptvarietäten auf. Wildwach-
sende Individuen, wenigstens solche dem Anscheine nach,
müssen von ihm gesehen worden sein. Vielleicht stamm-
ten sie von einem benachbarten Culturlande, es. ist mir
aber nichts bekannt, wodurch die Spontaneität in die-
sem heissen und feuchten Theile des asiatischen Fest-
landes zur Unwahrscheinlichkeit würde.
Forskal? hat die Art als spontan in den Bergen des
Glücklichen Arabien unter einem seiner Ansicht nach
indischen Namen angeführt. Wenn sie von Arabien
käme, würde sie sich seit langer Zeit in Aegypten ver-
breitet haben, würden die Hebräer sie gekannt haben.
Roxburgh hatte 1796 eine Saccharumart im botani-
schen Garten von Kalkutta erhalten, die er in die Cul-
turen Bengalens einführte; er nannte dieselbe S. sinense,
und veröffentlichte von ihr eine Abbildung in seinem
grossen Werke: „Plantae Coromandelianae“ (Bd. HI,
Taf. 232). Vielleicht ist dies nur eine Form von 8.
officinarum, und da sie ausserdem nur im angebauten
Zustande bekannt ist, trägt sie nichts zur Kenntniss
dieser oder anderer ee bei.
Von einigen Botanikern wurde die Behauptung auf-
gestellt, dass das Zuckerrohr in Asien häufiger blüht
als in Amerika oder ın Afrıka, und dass dasselbe an
den Ufern des Ganges sogar Samen ansetzt, was nach
ihnen ein Beweis des Indigenats wäre. Macfadyen sagt
dies, ohne Beweise dafür zu liefern. Er stützt sich
1 Loureiro, Fl. Cochinch., 2. Aufl., I, 66.
2 Forskal, Fl. aegypto-arabica, S. 103.
3 Macfadyen, On the botanical characters of the sugar cane, in:
Hooker, Bot. Miscell., I, 101; Maycock, Fl. Barbad., S. 50.
Zuckerrohr. 195
einfach auf eine Aussage, die ein Reisender in Jamaica
ihm gemacht hatte; Sir W. Hooker hat aber Sorge ge-
tragen, folgende Anmerkung beizufügen: „Trotz seines
langen Aufenthalts an den Ufern des Ganges sind dem
Dr. Roxburgh nie Samen des Zuckerrohrs zu Gesicht
gekommen.“ Dasselbe blüht selten und setzt noch sel-
tener Frucht an, wie dies im allgemeinen bei den
Pflanzen der Fall ist, welche durch Stecklinge oder
Wurzelschösslinge vermehrt werden, und wenn eine
Varietät des Zuckerrohrs die Neigung zeigte, Samen
hervorzubringen, dürfte sie wahrscheinlich weniger
zuckerhaltig sein, und würde man sie als Culturpflanze
sehr rasch auf die Seite schieben. Rumphius, der ein
besserer Beobachter war als viele Botaniker der Neu-
zeit, und welcher von dem auf den holländischen In-
seln angebauten Zuckerrohr eine so gute Beschreibung
gegeben hat, macht eine interessante Bemerkung.! „Es
bringt nie Blüten oder Samen hervor, es sei denn,
dass man es während einiger Jahre auf einem steinigen
Terrain gelassen habe.“ Weder er, noch meines Wis-
sens nach irgendein anderer, hat von dem Samen eine
Beschreibung oder Abbildung gegeben. Dagegen hat
man die Blüten ‘oft abgebildet, und ich besitze ein
schönes Exemplar von Martinique? Schacht ist der
einzige, welcher von der Blume mit Einschluss des
Stengels eine gute Analyse entworfen hat; den reifen
Samen hat auch er nicht gesehen.” Tussac* verdankt
man eine recht mittelmässige Analyse, er spricht von
dem Samen, doch hat er ihn nur im jungen Zustande,
in dem des Eierstocks, gesehen.
In Ermangelung genauer Angaben über das Indigenat
dürften die Hülfsmittel, historische und linguistische,
um den asiatischen Ursprung darzulegen, von Interesse
sein. Sie werden sorgfältig von Ritter angegeben; ich
will mich damit begnügen, sie kurz zusammenzufassen.
1 Rumphius, Amboin., V, 186. 2 Hahn, N.. 480.
3 Schacht, Madeira und Teneriffa, Taf. 1.
4 de Tussac, Flore des Antilles, I, 153, Taf. 23.
13*
106 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
Im Sanskrit war der Name für Zuckerrohr Iksmı,
Ikshura oder Ikshava; der Zucker hiess aber Sarkara
oder Sakkara, und es lassen sich alle Namen für diese
Substanz in unsern europäischen Sprachen arischen Ur-
sprungs, von den alten wie der griechischen angefangen,
in deutlicher Weise hiervon ableiten. Dies ist ein
Fingerzeig für den asiatischen Ursprung und für das
hohe Alter des Zuckerrohrproducts in den südlichen
Regionen Asiens, mit welchen das Volk, welches das
alte Sanskrit redete, commerzielle Beziehungen gehabt
haben konnte. Die beiden Sanskritwörter sind im Ben-
galischen unter der Form von Ik und Akh zurückge-
blieben.! In den andern Sprachen aber jenseits des
Indus findet man eine besondere Verschiedenartigkeit
von Namen, zum wenigsten wenn solche nicht von jenen
der Arier abstammen, z. B.: Panchadara in der Telinga-
sprache, Kyam bei den Birmanen, Mia im Cochinchine-
sischen, Kan und Tche oder Tsche im Chinesischen, und
mehr nach Süden hin, bei den malaiischen Völkern,
Tubu oder Tabu für die Pflanze und Gula für das
Product. Diese Verschiedenartigkeit beweist ein sehr
hohes Alter des Anbaues in den asiatischen Regionen,
wo schon die botanischen Angaben den Ursprung der
Art vermuthen lassen.
Es stimmt die Zeit der Einführung der Cultur nach
verschiedenen Ländern mit der Ansicht eines Ursprungs
von Indien, Cochinchina oder dem Indischen Archipel
überein.
Die Chinesen kennen das Zuckerrohr seit einer nicht
sehr -fern liegenden Zeit, und sie erhielten es vom
Westen. Ritter widerspricht den Schriftstellern, welche
eine sehr alte Cultur zugegeben hatten, und dies wird
in der entschiedensten Weise bestätigt in dem mit
den ausführlichsten Quellen über die chinesische Lite-
ratur in Peking veröffentlichten Werke des Dr. Bret-
1 Piddington, Index.
Zuckerrohr. 197
schneider.! „Ich habe“, sagt dieser, „keinen Hin-
weis auf das Zuckerrohr in den ältesten chinesischen
Büchern (die fünf klassischen) entdecken können.“ Das-
selbe scheint zum ersten mal von den Autoren des
2. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt worden zu sein. Die
erste Beschreibung findet sich im „Nan-fang-tsao-mu-
tschuang“ im 4. Jahrhundert; es heisst da: „Das Che-
che, Kan-che (Kan, süss; ché, Bambusrohr) wächst in
Cochinchina (Kiaochi). Es misst mehrere Zoll im Um-
fange und gleicht dem Bambusrohr. Der in Stücke
zerbrochene Stengel ist essbar und sehr süss. Der
daraus gewonnene Saft wird in der Sonne getrocknet.
Nach einigen Tagen wird Zucker daraus (hier ein zu-
sammengesetztes chinesisches Schriftzeichen), welcher im
Munde schmilzt... Im Jahre 286 (der christlichen Zeit-
rechnung) schickte das Königreich Funan (in Indien,
jenseit des Ganges) Zucker als Tribut.“ Nach dem
„Pent-sao“ hatte ein Kaiser, welcher von 627—650
unserer Zeitrechnung regierte, jemand nach der indi-
schen Provinz Bahar geschickt, um die Art und Weise
der Zuckerbereitung kennen zu lernen.
In diesen Werken ist nicht die Rede von der Spon-
taneität in China, es findet sich dagegen der cochin-
chinesische Ursprung, auf welchen Loureiro hinwies, in un-
erwarteter Weise bekräftigt. Der wahrscheinlichste ur-
sprüngliche Wohnsitz scheint mir Cochinchina und weiter
bis nach Bengalen hin gewesen zu sein. Vielleicht er-
streckte er sich nach den Sundainseln und den Molukken,
die ein sehr ähnliches Klima besitzen; es gibt aber
ebenso viele Gründe, um eine alte von Cochinchina
oder der Malaiischen Halbinsel ausgehende Einführung
anzunehmen.
Die Fortpflanzung des Zuckerrohrs von Indien in west-
licher Richtung ist gut bekannt. Die griechisch-römische
Welt hatte eine annähernde Kenntniss des Rohrs (cala-
1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works etc.,
S. 45—47.
198 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.
mus), welches die Indier gern aussogen, und aus
welchem sie den Zucker gewannen.! Andererseits wird
in den hebräischen Büchern der Zucker nicht erwähnt,
woraus man schliessen kann, dass dıe Cultur des Zucker-
rohrs im Westen des Indus zur Zeit der Gefangenschaft
der Juden in Babylon noch nicht auftrat. Es sind die
Araber, welche diese Cultur im Mittelalter nach Aegypten,
Sicilien und dem Süden Spaniens eingeführt haben’,
wo sie blühte, bis der Ueberfluss an Zucker von den
Colonien ihr Aufgeben nothwendig machte. Don Hen-
rique brachte das Zuckerrohr von Sicilien nach Madeira,
von da gelangte es 1503 nach den Canarischen Inseln.*
Von diesem Punkte aus wurde es zu Anfang des
16. Jahrhunderts nach Brasilien eingeführt.®° Nach
San-Domingo brachte man es gegen das Jahr 1520,
und etwas später nach Mexico®; Guadeloupe erhielt
dasselbe im Jahre 1644, Martinique gegen das Jahr
1650, Bourbon seit Gründung der Colonie.” Die so-
genannte Otaheiti-Varietät, welche auf dieser Insel nicht
spontan ist, und welche man auch die von Bourbon
nennt, wurde zu Ende des verflossenen und zu Anfang
des jetzigen Jahrhunderts nach den französischen und
englischen Colonien eingeführt. ®
Die Verfahrungsweisen des Anbaues und der Zucker-
bereitung sind in zahlreichen Werken beschrieben wor-
den, unter denen zu empfehlen sind: de Tussac, ,, Flore
des Antilles“ (3 Bde., Paris 1808), I, 151—182, und
Macfadyen, in Hooker, „Botanical Miscellanies“ (1830),
I, 103—116.
1 Vgl. die Citate von Strabo, Dioscorides, Plinius u. s. w., in: Lenz,
Botanik der Griechen und Römer (1859), S. 267; Fingerhut, in: Flora
(1839), II, 529; und viele andere Autoren.
2 Rosenmüller, Handbuch der bibl. Alterthumskunde.
3 Calendrier rural de Harib, im 10. Jahrhundert für Spanien geschrie-
ben, übersetzt von Dureau de La Malle in seiner Climatologie de lItalie
et de l’Andalousie, S. 71.
4 Von Buch, Canar. Inseln. 5 Piso, Brésil, S. 49.
6 Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., III, 34.
7 Notices statistiques sur les colonies françaises, I, 29, 83, 207.
8 Macfadyen, in: Hooker, Miscell., I, 101; Maycock, Fl, Barbad., S. 50.
Gewürznelkenbaum. 199
DRITTES KAPITEL.
Pflanzen, welche ihrer Blüten oder der dieselben einhüllenden
Organe wegen angebaut werden.
Caryophyllus aromaticus, Linne. — Gewürznelken-
baum (fr. Giroflier).
Von dieser Myrtacee wird der von der Blütenknospe
überragte Kelch unter dem Namen Gewürznägelein
(elou de girofle) im Haushalte als Gewürz verwerthet.
Obgleich die Pflanze nach angebauten Exemplaren
oft beschrieben und sehr gut abgebildet worden ist,
weiss man über ihre Beschaffenheit im wildwachsenden
Zustande noch nichts Bestimmtes. In meiner ,,Géo-
graphie botanique raisonnée‘ vom Jahre 1855 habe ich
diese Frage erörtert, es scheint aber, als ob sie seit-
dem nicht weiter vorgeschritten ist, sodass ich mich
veranlasst sehe, das früher Gesagte hier zu wiederholen.
Der Gewürznelkenbaum muss, wie Rumphius! dies
gesagt hat, auf den Molukken zu Hause sein, denn es
beschränkte sich seine Cultur vor zwei Jahrhunderten
auf einige kleine Inseln dieses Archipels. Es liegt mir
jedoch kein Beweis vor, dass man den echten Gewürz-
nelkenbaum mit aromatischen Blütenstielen und Knospen
in einem wildwachsenden Zustande angetroffen habe.
Ganz als dieselbe Art sieht Rumphius? eine Pflanze
an, welche er als Caryophyllum sylvestre beschrieben
und abgebildet hat, und die auf allen Molukken spon-
tan auftritt. Von einem Eingeborenen hatte er gehört,
dass die angebauten Gewürznelkenbäume in diese Form
ausarten, und Rumphius hatte selbst einen dieser wilden
Gewürznelkenbäume in einer frühern Anpflanzung von
eultivirten Gewürznelkenbäumen angetroffen. Seine Ab-
bildung 3 unterscheidet sich indessen von Abbildung 1
des angebauten Gewürznelkenbaums durch die Form der
1 Bd. II, S. 3. 2 Bd. IT. Taf. 2.
’
u DEE
ii a
|
200 Zweiter Theil. Drittes Kapitel,
Blätter und der Kelchzähne. Von Abbildung 2 spreche
ich nicht, die eine Misbildung des angebauten Baumes
zu sein scheint. Rumphius sagt, dass der wildwach-
sende Gewürznelkenbaum keine aromatische Eigen-
schaft besitzt (S. 13); es ist aber bekannt, dass im
allgemeinen die wildwachsenden Individuen einer Art
die aromatischen Eigenschaften in stärkerm Maasse ent-
wickelt haben als die angebauten. Sonnerat! veröffent-
licht ebenfalls Abbildungen des echten Gewürznelken-
baumes und eines unechten von einer kleinen Neuguinea
benachbarten Insel. Man sieht sofort, dass sein un-
echter Gewürznelkenbaum sich durch die stumpfen Blätter
vollständig von dem echten, sowie von den zwei von
Rumphius erwähnten Gewürznelkenbäumen unterscheidet.
Ich kann mich nicht dazu entschliessen, diese verschie-
denartigen Pflanzen, wildwachsende und angebaute, zu
vereinigen, wie alle Autoren solches gethan haben.?
Ganz insbesondere muss man die im „Botanical Maga-
zine“ zugelassene Abbildung 120 von Sonnerat hiervon
ausschliessen. In diesem Werke, in dem ,, Dictionnaire
d'agriculture“ und in den naturgeschichtlichen Wörter-
büchern findet sich eine historische Darlegung der Cul-
tur des Gewürznelkenbaums, sowie seiner Uebertragung
nach verschiedenen Ländern.
Wenn es sich nach Roxburgh ? bewahrheitet, dass die
Sanskritsprache einen Namen Luvunga für die Gewürz-
nelke besass, so würde der Handel mit diesem Gewürz
aus einer sehr alten Epoche herrühren, selbst dann,
wenn man annimmt, dass dieser Name neuern Datums
wäre als das echte Sanskrit. Ich bezweifle das wirk-
liche Vorhandensein desselben, denn es müssten die
Römer von einem Gegenstande Kenntniss gehabt haben,
dessen Versendung eine so leichte war, und es scheint
1 Sonnerat, Voy. Nouv.-Guinée, Taf. 19 und 20.
2 Thunberg, Diss., II, 326; de Candolle, Prodr., III, 262; Hooker,
Bot. Mag., Taf. 2749; Hasskarl, Cat. h. Bogor. alt., S. 261.
3 Roxburgh, Flora indica, 1832, II, 494.
LÉ 4
Hopien.. 201
nicht, als ob dieses Gewürz vor der Entdeckung der
Molukken durch die Portugiesen nach Europa gelangte.
Humulus Lupulus, Linné. — Hopfen (fr. Houblon).
Der Hopfen ist in Europa von England und Schweden
bis zu den Gebirgen der Mittelmeerregion, und in Asien
bis nach Damascus, bis zum Süden des Kaspisees und
des östlichen Sibirien wildwachsend!, man hat ihn aber
weder in Indien, noch in Nordchina und der Amur-
region gefunden.?
Trotzdem alle Anzeichen für die vollständig wild-
wachsende Beschaffenheit des Hopfens in Europa und
zwar in von Culturen weit entfernten Localitäten vor-
handen sind, hat man sich dennoch bisweilen gefragt,
ob derselbe nicht ursprünglich von Asien stamme.? Ich
glaube nicht, dass man dies beweisen kann, halte es
nicht einmal für wahrscheinlich. Der Umstand, dass
die Griechen und Lateiner nicht von der Verwendung
des Hopfens zum Bier gesprochen haben, erklärt sich
leicht durch die Thatsache, dass sie dieses Getränk nur
oberflächlich kannten. Wenn die Griechen die Pflanze
nicht erwähnt haben, so findet dies seine Begründung
vielleicht darin, weil sie in ihrem Lande selten ist.
Nach dem italienischen Namen Lupulo muthmaasst man,
dass Plinius im Anschluss an andere Gemüse von ihm
unter dem Namen Lupus salictarius gesprochen hat.*
1 Alph. de Candolle, im Prodromus, XVI, 29; Boissier, Fl. orient.,
IV, 1152; Hohenacker, Enum. plant. Talysch, S. 30; Buhse, Aufzählung
Transcaucasiens, S. 202.
2 „Das Vaterland des Hopfens (Humulus Lupulus) muss in folgender
Weise vervollständigt werden: Nach einem Briefe des Herrn Maximowicz
vom 19. October 1882 ist die Art auf der Insel Yezo wildwachsend, des-
gleichen, amerikanischen Autoren zufolge, in den östlichen Vereinigten
Staaten. Durch eine recht ärgerliche Umstellung meiner Notizen wurde
ich früher veranlasst, im Prodromus zu sagen, dass die Art, Asa Gray
zufolge, dort nicht spontan sei, und ich habe diesen Irrthum in dem vor-
liegenden Werke wiederholt. Es ist somit der Humulus Lupulus den Arten
beizufügen (III. Theil, 2. Kapitel, 1. Artikel), welche der Alten und der
Neuen Welt gemeinsam angehören.“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerk.)
3 Hehn, Nutzpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien,
3. Aufl., S. 415.
4 Plinius, Hist., 1.21, c. 15. Er erwähnt an dieser Stelle den Spargel,
en weiss, dass die jungen Hopfentriebe in ähnlicher Weise gegessen
werden.
7 a Fr. + À a" À
202 Zweiter Theil. Drittes Kapitel.
Dass der Gebrauch des Brauens mit Hopfen sich erst
ım Mittelalter verbreitet hat, beweist nichts, oder auch
nur, dass man früher andere Pflanzen hierzu verwen-
dete, wie dies in gewissen Gegenden noch zu geschehen
pflegt. Die Kelten, die Germanen, andere Völker des
Nordens und selbst Völker des Südens, welche die
Weinrebe besassen, brauten Bier! aus Gerste oder an-
dern gegohrenen Körnern, und setzten in gewissen Fällen
verschiedene vegetabilische Stoffe, z. B. Eichenrinde,
Rinde von Tamarix oder Früchte von Myrica Gale
hinzu.” Es ist sehr möglich, dass sie die Vorzüge des
Hopfens nicht frühzeitig bemerkten, und dass sie, nach-
dem ihnen dieselben bekannt geworden waren, zunächst
den wildwachsenden Hopfen hierzu gebrauchten, ehe sie
daran dachten, denselben anzubauen. In einem Schen-
kungsacte seitens Pipin’s, Vater Karl’s des Grossen, vom
Jahre 768, findet sich die erste Erwähnung eines
Hopfengartens.” Schon im 14. Jahrhundert war dies eine
in Deutschland wichtige Cultur, in England hat sie erst
unter Heinrich VIII. angefangen.
Die volksthümlichen Namen für den Hopfen liefern
gewissermaassen nur negative Angaben über den Ur-
sprung. Es gibt keinen Sanskritnamen ÿ, was mit dem
Fehlen der Art in der Himalajaregion übereinstimmt,
und zur Annahme berechtigt, dass die arischen Völker
ihn nicht bemerkt und verwerthet hatten. Früher®
habe ich einige europäische Namen angeführt und auf
ihre Verschiedenartigkeit hingewiesen, obgleich es unter
ihnen welche gibt, die von ein und derselben Quelle
ihren Ursprung ableiten können. Hehn hat ihre Ety-
mologie als Philolog behandelt und nachgewiesen, wie
dunkel dieselbe ist; er hat aber nicht die von. Humle,
1 Tacitus, Germania, c.25; Plinius, 1.18, c. 7; Hehn, Kulturpflanzen
u. 8. w., 3. Aufl., S. 125—137.
2 Volz, Beiträge zur Culturgeschichte, S. 149.
3 Volz, ebend.
4 Beckmann, Erfindungen, von Volz citirt.
5 Piddington, Index; Fick, Wörterbuch d. indo-germ. Sprachen, I,
Ursprache.
6 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 857.
Färber-Saflor, Bastardsafran. 205
Hopf oder Hop und Chmeli weit entfernten Namen der
skandinavischen, gothischen und slawischen Sprachen
erwähnt, z. B. Apini im Lettischen, Apwynis im Li-
thauischen, Zap im Esthnischen, Blust im Illyrischen !,
die augenscheinlich auf andere Wurzeln zurückzuführen
sind. Diese Verschiedenartigkeit trägt zur Bekräfti-
gung der Ansicht bei, dass die Art vor Ankunft der
arischen Völker in Europa vorkam. Mehrere verschie-
dene Völkerschaften dürften die Pflanze nach und nach
unterschieden, benannt und verwerthet haben, was die
Ausdehnung in Europa und in Asien vor dem wirth-
schaftlichen Gebrauch bestätigt.
Carthamus tinctorius, Linné. — Färber-Saflor, Bastard-
safran (fr. Carthame).
Der Färber-Saflor, eine einjährige Composite, gehört
zu den ältesten angebauten Arten. Ihre Blumen dienen
zum Gelb- oder Rothfärben, und aus dem Samen ge-
winnt man Oel.
Die Bänder, welche die Mumien der alten Aegypter
umhüllen, sind mit dem Bastardsafran gefärbt?, und
ganz vor kurzem hat man in den bei Deir el Bahari?
entdeckten Grabdenkmälern Ueberreste der Pflanze auf-
gefunden. In Indien muss die Cultur ebenso alt sein,
weil zwei Sanskritnamen, Cusumbha und Kamalottara,
angegeben werden, von welchen der erste mehrere Ab-
kömmlinge in den der Jetztzeit angehörigen Sprachen
der Halbinsel zurückgelassen hat.* Die Chinesen er-
hielten den Färbersaflor erst im 2. Jahrhundert v. Chr.
Chang-kien war es, welcher ihnen denselben von Bak-
trien brachte.ÿ Die Griechen und Lateiner kannten ihn
wahrscheinlich nicht, denn es ist sehr zweifelhaft, dass
die Pflanze damit gemeint ist, welche sie als Cnikos
1 Dictionnaire manuscrit compilé d’après les flores, par Moritzi.
2 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 47.
3 Schweinfurth, in einem an Herrn Boissier gerichteten Briefe von 1332.
4 Piddington, Index.
5 Bretschneider, Study and value etc., S. 15.
ee 1
204 Zweiter Theil. Drittes Kapitel.
oder Cnicus bezeichneten.! Später trugen die Araber
sehr zur Verbreitung der Cultur des Färbersaflors bei;
sie nennen denselben Qorton, Kurtum, woraus Carthame,
oder Usfur, Ihridh oder Morabu?, und aus dieser Ver-
schiedenartigkeit kann man auf ein altes Vorkommen in
mehreren Ländern des westlichen Asiens oder Afrikas
schliessen. Die Fortschritte in der Chemie stehen dieser
Cultur wie vielen andern drohend entgegen; sie findet
sich aber noch in Südeuropa, im Orient, in Indien und
in der ganzen Nilregion.?
Von keinem Botaniker wurde der Färber-Saflor in
einem wirklich spontanen Zustande angetroffen. Die
Autoren führen ihn mit einem gewissen Zweifel für In-
dien oder Afrika, ganz besonders für Abessinien als
ursprünglich einheimisch an, doch haben sie ihn ent-
schieden nur im angebauten Zustande gesehen, oder als
eine dem Anscheine nach den Culturen entsprungene
Pflanze.* Herr Clarkeÿ, früher Director des Kalkutta-
Gartens, welcher vor kurzem die indischen Compositen
einer Revision unterworfen hat, lässt die Art nur als
angebaute zu. In der von Schweinfurth und Ascherson ®
veröffentlichten summarischen Uebersicht der gegen-
wärtigen Kenntnisse über die Pflanzen der Nilregion
mit Einschluss von Abessinien, findet sich die Art eben-
falls nur als angebaut verzeichnet, und die Pflanzen-
listen der unlängst von Rohlfs ausgeführten Reise er-
wähnen ebenso wenig den wildwachsenden Färber-Saflor. 7
Da die Art weder in Indien noch in Afrika wild-
wachsend angetroffen wurde, ihr Anbau jedoch seit
Jahrtausenden in diesen zwei Ländern betrieben wird,
so verfiel ich auf den Gedanken, ihren Ursprung in der
1 Vgl. Targioni, Cenni storici, S. 108.
2 Forskal, Flora Aegypt., S. 73; Ebn Baithar, deutsche Uebers., I, 18;
II, 196, 293.
3 Vgl. Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 217.
4 Boissier, Fl. orient., III, 710; Oliver, Flora of tropical Africa, III, 439.
5 Clarke, Compos. indicae (1876), S. 244.
6 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 283.
7 Rohlfs, Kufra, 1881.
|
Echter Safran. 205
dazwischen liegenden Region zu suchen. In andern
Fällen ist dieses Verfahren von Erfolg gewesen.
Unglücklicherweise ist das Innere von Arabien fast
unbekannt, und Forskal, welcher die Küsten Yemens
besucht hat, berichtet uns nichts über den Färber-
Saflor. Ganz ebenso verhält es sich mit den Arbeiten,
welche von Botta und Bové über die Pflanzen ver-
öffentlicht wurden. Ein Araber aber, Abu Anifa, auf
welchen Ebn Baithar, ein Schriftsteller des 13. Jahrhun-
derts, hinweist, hat sich folgendermaassen ausgedrückt!:
„Usfur. Diese Pflanze liefert Material zum Gerben.
Es gibt davon zwei Sorten, eine angebaute und eine
wildwachsende, welche alle beide in Arabien vor-
kommen, und deren Samen man Elkurthum nennt.“
Es ist immerhin möglich, dass Abu Anifa recht gehabt hat.
Crocus sativus, Linne. — Echter Safran (fr. Safran).
Die Cultur des Safrans ist im westlichen Asien eine
sehr alte. Die Römer lobten den Safran von Cilicien:
sie zogen ihn dem in Italien angebauten vor.” Klein-
asien, Persien und Kaschmir sind seit langer Zeit die
Länder, welche am meisten davon ausführen. Indien
erhält gegenwärtig seinen Safranbedarf von Kaschmir.’
Roxburgh und Wallich erwähnen die Pflanze nicht in
ihren Werken. Die zwei von Piddington * angeführten
Sanskritnamen bezogen sich wahrscheinlich auf die von
"Westen eingeführte Safransubstanz, denn der Name
Kasmira-jamma scheint das Heimatsland Kaschmir an-
zudeuten. Der andere Name ist Kunkuma. Gemeinig-
lich wird das hebräische Wort Karkom durch Safran
übersetzt, nach dem jetzigen Namen für den Färber-
Saflor im Arabischen dürfte es sich aber eher auf diese
Pflanze beziehen. Ausserdem wird der Safran weder
in Aegypten noch in Arabien angebaut.” Der griechische
1 Ebn Baithar, II, 196. 2 Plinius, 1. 21, c. 6.
3 Royle, Ill. Himal., S. 372. 4 Index, S. 25.
5 Nach Forskal, Delile, Reynier, Schweinfurth und Ascherson (Auf-
zählung).
206 Zweiter Theil. Drittes Kapitel.
Name ist Krokos.! Safran, welches sich in allen neuern
Sprachen Europas wiederfindet, stammt von dem ara-
bischen Sahafaran?, Zafran.” Die den Arabern am
nächsten stehenden Spanier sagen Azafran. Der ara-
bische Name selbst kommt von Assfar, gelb.
Zuverlässige Autoren haben den C. sativus in Griechen-
land #, in Italien und in den Abruzzen als spontan an-
gegeben. Maw, welcher eine auf lange Beobachtungen
in Gärten und Herbarien gestützte Monographie der
Gattung Crocus vorbereitet, bringt sechs in den Gebirgen
von Italien bis Kurdistan wildwachsende Formen zu
C. sativus. Nach ıhm® ist keine derselben mit der an-
gebauten Pflanze identisch; gewisse, unter andern Na-
men (C. Orsinii, C. Cartwrightianus, C. Thomasti) be-
schriebene Formen unterscheiden sich aber kaum davon.
Sie gehören Italien und Griechenland an.
Die Safrancultur, deren Bedingungen sich in dem
„Cours d’agrieulture“ von Gasparin und in dem „Bulle-
tin de la Société d’acclimatation“ vom Jahre 1870 dar-
gelegt finden, wird in Europa und Asien’ immer sel-
tener. Bisweilen wurde durch sie die Naturalisation
der Art bewirkt, wenigstens für einige Jahre, und
zwar in Gegenden, wo sie dem Anscheine nach wild-
wachsend ist.
1 Theophrast, Hist., 1, 6, c. 6.
2 J. Bauhin, Hist., II, 637.
3 Royle, a. a. O.
4 Sibthorp, Prodr.; Fraas, Syn. fl. class., S. 292.
5 J. Gay, angeführt von Babington, Man. Brit. fi.
6 Maw, in: Gardeners’ Chronicle, 1881, Bd. 16.
7 Jacquemont, Voy., III, 238.
Zuckerapfel, Zimmtapfel. | 207
VIERTES KAPITEL.
Ihrer Früchte! wegen angebaute Pflanzen.
Anona squamosa, Linne. — Zuckerapfel, Zimmtapfel
(engl. Sweet sop, Sugar apple?; fr. Pomme Canelle).
Das Vaterland dieser Art und anderer angebauter
Anonen hat Zweifel erweckt, welche ein interessantes
Problem bilden. Im Jahre 1855 habe ich mich be-
müht, dieselben zu lösen. Die damals von mir fest-
gehaltene Meinung findet sich durch die von Reisenden
seitdem gemachten Beobachtungen bestätigt, und da
es zweckmässig ist, darzuthun, bis zu welchem Punkte
auf gute Methoden basirte Wahrscheinlichkeiten zu wirk-
lichen Behauptungen führen, will ich das früher Ge-
sagte? hier zunächst wiederholen, um dann auf neuere
Entdeckungen hinzuweisen.
„Im Jahre 1818 stellte Robert Brown die Thatsache
fest, dass alle Arten der Gattung Anona, mit Ausnahme
der Anona senegalensis von Amerika kommen, und keine
von Asien. Aug. de Saint-Hilaire* sagt, dass «Vellozo
zufolge die A. squamosa in Brasilien eingeführt wurde,
wo man sie der Aehnlichkeit ihrer Früchte wegen mit
Tannenzapfen Pinha nennt, auch Ata, welch letzteres
Wort augenscheinlich den für dieselbe Pflanze in Asien
gebräuchlichen Namen Attoa und Atis entlehnt ist, und
welche orientalischen Sprachen angehören». «Somit»,
fährt Saint-Hilaire fort, «haben die Portugiesen die
A. squamosa von ihren indischen Colonien nach jenen
Amerikas gebracht u. s. w.» Als ich 1832 eine Be-
1 Das Wort Frucht wird hier im allgemeinen Sinne für jeden fleischi-
gen Theil, welcher sich nach der Blütezeit verdickt, gebraucht. Im streng
botanischen Sinne sind die Anonen, Erdbeeren, Acajou-Aepfel, Ananas,
die Frucht des Brotfruchtbaums, keine Früchte.
2 In Britisch-Indien Custard apple, dies ist aber in Amerika der Name
für Anona muricata. Die À. squamosa findet sich abgebildet in Descour-
tilz, Flore des Antilles, II, Taf. 83; Hooker, Botanical Magazine, Taf. 3095
und Tussac, Flore des Antilles, III, Taf. 4.
3 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 859.
4 Aug. de Saint-Hilaire, Plantes usuelles des Brésiliens, 6. Lfg., S. 5.
208 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
arbeitung der Familie der Anonaceen! veröffentlichte,
hob ich dabei hervor, wie sehr Brown’s botanische
Schlussfolgerung mehr und mehr an Bedeutung zunahm,
denn trotz des bedeutenden Zuwachses von beschrie-
benen Anonaceen, konnte man keine Anona, selbst nicht
einmal eine Anonacee mit verwachsenen Eierstöcken
namhaft machen, welche von Asien stammte. Ich liess
die Wahrscheinlichkeit zu?, dass die Art von den An-
tillen stammte, oder von dem naheliegenden Theile des
amerikanischen Continents; durch eine Unachtsamkeit
meinerseits schrieb ich Brown diese Ansicht zu, welcher
sich darauf beschränkt hatte, einen amerikanischen Ur-
sprung im allgemeinen zu beanspruchen. ?
„Seitdem haben verschiedenartige Thatsachen zur
Bekräftigung dieses Gesichtspunktes beigetragen.
„Die Anona squamosa ist mit dem Anscheine einer
vielmehr naturalisirten Pflanze in Asien wildwachsend
gefunden worden; in Afrika und namentlich in Amerika
dagegen mit den auf eine im Lande ursprünglich ein-
heimische Pflanze hinweisenden Bedingungen. Nach
Dr. Royle* ist diese Art in der That in mehreren
Gegenden Indiens naturalisirt worden; mit dem An-
scheine einer wildwachsenden Pflanze hat er sie nur an
den Abhängen des Gebirges, wo sich das Fort Adjee-
gurh im Bundlecund befindet, zwischen Tekbäumen an-
getroffen. Wenn ein so ansehnlicher Baum in einem
von Botanikern derartig‘ erforschten Lande nur in einer
einzigen ausserhalb der Culturen gelegenen Localität
bemerkt worden ist, liegt die grosse Wahrscheinlichkeit
vor, dass er dem Lande nicht ursprünglich angehört.
Sir Joseph Hooker hat ihn auf der Insel Santiago des
Grünen Vorgebirges gefunden, wo er auf den Hügeln
des Thales von Saint-Domingo grössere Bestände aus-
1 Alph. de Candolle, in: Mém. Soc. phys. et d’hist. nat. de Genève.
2 Ebendas.; Separatabdruck, S. 19.
3 Vgl. Botany of Congo und die deutsche mit alphabetischen Tabellen
ausgestattete Uebersetzung der Werke Brown’s.
4 Royle, Ill. Himal., S. 60.
PCT,
ns à ii 52 :
Zuckerapfel, Zimmtapfel. 209
macht.! Da die Anona squamosa sich nur im angebauten
Zustande auf dem benachbarten Continent antreffen
lässt?, dieselbe überdies weder in Guinea von Thon-
ning? angegeben wird, noch in Congo, Senegambien ?,
Abessinien oder in Aegypten vorkommt, was auf eine
Einführung jüngern Datums in Afrika hinweist, da
schliesslich die Cap-Verdischen Inseln einen grossen
Theil ihrer ursprünglichen Waldungen eingebüsst haben,
so glaube ich in diesem Falle an eine Naturalisation,
welche durch aus Gärten entsprungene Samen bewerk-
stelligt wurde. Die Autoren stimmen in der Aussage
überein, dass die Art auf Jamaica wildwachsend ist.
Früher hat man die von Sloane® und P. Brown? auf-
gestellte Behauptung unberücksichtigt lassen können,
dieselbe wird aber von Mac-Fadyen°® bestätigt. Von
Martius fand die Art in den Wäldern von Para”, eine
Localität, die sicherlich einen ursprünglichen Charakter
besitzt. Er sagt sogar: «Sylvescentem in nemoribus
paraensibus inveni», woraus man annehmen kann, dass
die Bäume für sich selbst einen Wald bildeten. Split-
gerber 1° stiess auf die Art in den Wäldern von Suri-
nam, doch sagt er an spontanea? Die Menge von
Localitäten in diesem Theile Amerikas ist recht be-
zeichnend. Es ist wol kaum nöthig, daran zu erinnern,
dass kein Baum sozusagen zu gleicher Zeit in dem
intertropischen Asien, Afrika und Amerika als wirklich
einheimisch angetroffen worden ist.!! Alle meine Unter-
suchungen lassen eine ähnliche Thatsache für höchst
wenig wahrscheinlich erscheinen, und falls ein Baum
kräftig genug wäre, um eine derartige Ausbreitung zu
zeigen, müsste er in allen den intertropischen Ländern
äusserst gemein sein.
1 Webb, in: Fl. Nigr., S. 97. 2 Ebend., S. 204.
3 Thonning, Plantae Guineenses, 4 Brown, Congo, S. 6.
5 Guillemin, Perrottet et Richard, Tentamen fl. Seneg.
6 Sloane, Jam., II, 168. 7 P. Brown, Jam., S. 257.
8 Mac-Fadyen, FI. Jam., S. 9.
9 De Martius, Fl. Bras., fasc., II, 15.
10 Splitgerber, Nederl. Kruidk. Arch., I, 230.
11 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, Kap. X.
DE CANDOLLE. 14
910 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
„Ausserdem haben sich die historischen und linguisti-
schen Beweisgründe zu Gunsten des amerikanischen
Ursprungs vermehrt. Die von Rumphius! gegebenen
Details weisen darauf hin, dass die Anona squamosa
auf den meisten der Inseln des Indischen Archipels eine
neuerdings angebaute Pflanze war. Von Forster wird
keine Anonacee auf den kleinen Inseln der Südsee als
angebaut angegeben.” Rheede? nennt die A. squa-
mosa einen Fremdling für Malabar; ıhm zufolge wurde
sie zunächst von den Chinesen und Arabern, dann von
den Portugiesen nach Indien gebracht. Gewiss ist es,
dass man sie in China und in Cochinchina*, sowie auf
den Philippinen anbaut; über den Zeitpunkt, seit wann
dies geschieht, wissen wir aber nichts. Zweifelhaft
ist es, ob die Araber sie anbauen.®° In Indien wurde
sie seit Roxburgh’s Zeiten angebaut’: derselbe hatte
die wildwachsende Art nicht gesehen und erwähnt auch
nur einen volksthümlichen Namen neuerer Sprache (des
Bengalischen), nämlich Afa, welcher sich schon bei
Rheede findet. Später glaubte man in Gunda-Gatra
einen Sanskritnamen zu erkennen°; als jedoch Dr. Royle?
den berühmten Wilson, Verfasser des Sanskritwörter-
buchs, in Bezug auf diesen Namen zu Rathe zog,
wies dieser darauf hin, dass derselbe von Sabda
chanrika, einer Zusammensetzung von verhältnissmässig
1 Rumphius, I, 139. 2 Forster, Plantae esculentae,
3 Rheede, Malab., III, 22.
4 Loureiro, Fl. coch., S. 427. 5 Blanco, Fl. Filip.
6 Das hängt von der Meinung ab, welche man sich über die A. glabra,
Forsk. (A. asiatica, B. Dun., Anon., S. 71; A. Forskalü, D.C., Syst., I,
472) bildet, die zuweilen in den Gärten Aegyptens unter dem Namen
Keschta, d. h. geronnene Milch, angebaut wurde, als Forskal dieses Land
besuchte. Die Seltenheit ihres Anbaues und das Stillschweigen der alten
Autoren deuten an, dass dies in Aegypten eine Einführung neuern Da-
tums war. Ebn Baithar (deutsche Uebers. von Sontheimer, 2 Bde., 1840),
ein arabischer Arzt des 13. Jahrhunderts, spricht von keiner Anonacee
und erwähnt den Namen Xeschta nicht. Ich sehe nicht, wie Forskal’s Be-
schreibung und Abbildung (Deser., S. 102, Ic. Taf. 15) von der À. squa-
nıosa abweichen. Das Exemplar von Coquebert, auf welches im „Systema“
hingewiesen wird, stimmt mit der Abbildung von Forskal ziemlich über-
ein; da sich dasselbe aber im Blühen befindet, die Abbildung dagegen die
Frucht darstellt, so kann die Identität nicht gut nachgewiesen werden.
7 Roxburgh, Fl. ind., 1832, II, 657. 8 Piddington, Index, S. 6.
9 Royle, Ill. Himal., S. 60.
|
Ente; “
a 2
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. -
‚Zuckerapfel, Zimmtapfel. | 211
4 neuerm Datum genommen sei. Die Namen Afa und
Ati finden sich bei Rheede und Rumphius.! Dies
diente wahrscheinlich Saint-Hilaire zur Grundlage seiner
Beweisführung; jedoch wird in Mexico ein sehr ver-
wandter Name für die Anona squamosa gebraucht, nämlich
Ate, Ahate de Panucho; derselbe findet sich bei Her-
nandez? mit zwei ziemlich gleichen und recht mittel-
mässigen Abbildungen, die man mit Dunal? entweder
auf die A. squamosa, oder mit Martius® auf die A.
Cherimolia beziehen kann. Oviedo gebraucht den Na-
men Anon.° Es ist immerhin sehr möglich, dass der
Name Ata nach Brasilien von Mexico und den Nach-
barländern gelangte. Ich gebe freilich zu, dass er auch
von den portugiesischen Colonien in Ostindien kommen
kann. Von Martius sagt allerdings, dass die Art von
den Antillen eingeführt wurde.° Es ist mir nicht be-
. kannt, ob er Beweise hierfür gehabt hat, oder ob er
seine Aussage auf das Werk von Oviedo stützt, welches
er anführt, das mir aber nicht zur Verfügung steht. Der
‚hierauf bezügliche, in Marcgraf’s Werk”? übertragene Ab-
schnitt von Oviedo’ gibt eine Beschreibung der Art,
ohne von ihrem Ursprunge zu sprechen.
„Alle Thatsachen zusammengenommen sprechen mehr
und mehr zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs.
Die Wälder von Para sind die Localität, wo die Art
am meisten den Charakter einer spontanen Pflanze an-
genommen hat. Ihre Cultur ist in Amerika eine alte,
indem Oviedo einer der ersten Autoren ist (1535),
welche über dieses Land berichtet haben. Zweifelsohne
ist ihre Cultur auch in Asien eine recht alte, wodurch
ein seltsames Problem entsteht. Es liegen mir jedoch
keine Beweise vor, dass diese asiatische Cultur vor der
Entdeckung Amerikas datirt, und scheint mir überdies,
1 Rheede und Rumphius, I, 139. 2 Hernandez, S. 348 und 454.
3 Dunal, M&m. Anon., S. 70. 4 De Martius, Fl. bras., fasc. 2, S 15.
5 Davon kommt der Gattungsname Anona, welchen Linné in Annon«
(Vorrath) umwechselte, weil er keinen Namen aus barbarischen Sprachen
zuliess und Wortspiele nicht fürchtete.
6 De Martius, a. a. O. 7 Marcgraf, Brasil., S. 94.
14*
ORNE EN
212 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
dass ein Baum mit so wohlschmeckenden Früchten sich
mehr in der Alten Welt verbreitet haben würde, wenn
er daselbst von Anfang an vorgekommen wäre. Bei
der Voraussetzung eines altweltlichen Ursprungs würde
man überdies sehr in Verlegenheit sein, für seinen An-
bau in Amerika zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine
Erklärung zu finden.“
So weit meine frühern Auseinandersetzungen; jetzt
lasse ich die von verschiedenen Autoren später ver-
öffentlichten Thatsachen folgen.
1. Die Schlussfolgerung, dass keine Art der Gattung
Anona asiatisch sei, ist von grösserer Bedeutung als je.
Die A. asiatica, Linné, beruhte auf Irrthümern (siehe
meine Anmerkung in „Geogr. bot.“, S. 862). Die A.
obtusifolia, Tussac (,Fl. des Antilles“, I, 191, Taf. 28),
welche früher in San-Domingo als eine Pflanze asiati-
schen Ursprungs angebaut wurde, begründet sich viel-
leicht auf einen Irrthum. Ich vermuthe, dass man die
Blume einer Art (A. muricata) und die Frucht einer
andern (A. squamosa) abgebildet hat. Anonen sind
keineswegs in Asien entdeckt worden, dagegen kennt
man gegenwärtig statt einer oder zwei! vier oder fünf
in Afrıka und eine beträchtlichere Anzahl als ehemals
in Amerika.
2. Die Autoren neuerer Floren von Asien tragen kein
Bedenken, die Anonen und besonders die A. squamosa,
welche man hier und da anscheinend spontan antrifft,
als eine in der Nähe von Culturen und europäischen
Niederlassungen naturalisirte Pflanze anzusehen.?
3. In den neuen, schon angeführten afrikanischen
Floren sind die A. sguamosa und die andern, von wel-
“
1 Vgl. Baker, Flora of Mauritius, S. 3. Die von Oliver, Flora of
trop. Africa, I, 16, zugelassene Identität von A. palustris von Amerika mit
derjenigen von Senegambien scheint mir sehr merkwürdig, obgleich es
sich um eine Art handelt, welche in den Sümpfen wächst, d.h. einen
weiten Wohnsitz darbietet.
2 Hooker, Flora of Brit. India, I, 78; Miquel, Flora Indo-Batava, I,
Thl. 2, S.33; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, I, 46; Stewart and Bran-
dis, Forest of India, S. 6.
Stacheliger Flaschenbaum. 215
chen ich gleich sprechen werde, immer als angebaute
Arten angegeben.
4. Der Gärtner Mac Nab hat die A. squamosa in
den trockenen Ebenen Jamaicas! gefunden, was als
eine Bestätigung der alten Autoren anzusehen ist.
Eggers? sagt, dass diese Art in den Dickichten der
Insel Sainte-Croix und der Jungferninseln gewöhnlich ist.
Mir ist es nicht bekannt, dass man sie auf Cuba wild-
wachsend gefunden habe.
5. Auf dem amerikanischen Continent führt man sie
als angebaut an.” Von Andre erhielt ich indessen ein
Exemplar von einer steinigen Localität des Magdalena-
thals, welche zu dieser Art zu gehören und spontane
Eigenschaften zu besitzen scheint. Durch das Fehlen
der Frucht wird die Bestimmung zweifelhaft. Es ist,
nach der Anmerkung auf dem Etikett, eine köstliche
Frucht, die mit der von A. squamosa übereinstimmt.
Warming * führt für Lagoa-Santa in Brasilien die Art
als angebaut an. Sie scheint somit in Para, Guyana
und in Neugranada infolge der Culturen eher angebaut
oder naturalisirt zu. sein.
Man kann schliesslich, will mir scheinen, kaum daran
zweifeln, dass sie nicht von Amerika und ganz beson-
ders von den Antillen stammt.
Anona muricata, Linne. — Stacheliger Flaschenbaum
(engl. Sour sop, fr. Corossol).
Dieser nach allen Colonien der Tropenländer ein-
geführte Fruchtbaum ist auf den Antillen wildwach-
send; wenigstens hat man sein Vorkommen auf den In-
seln Cuba, San-Domingo, Jamaica und mehreren der klei-
nern Inseln nachgewiesen.° Auf dem südamerikanischen
1 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 5.
2 Eggers, Flora of Sainte-Croix and Virgin-Islands, S-128:
3 Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granatensis, S.29; Sagot, Journ.
soc. d’hortic., 1872.
4 Warming, Symbolae ad fl. bras., XVI, 434.
5 Abgebildet in Descourtilz, F1. méd. des Antilles, II, Taf. 87, und
in Tussac, FI. des Antilles, II, Taf. 24.
6 Richard, Plantes vasculaires de Cuba, S. 29; Swartz, Obs., S. 221;
214 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Festlande findet man ihn zuweilen in der Nähe mensch-
licher Niederlassungen naturalisirt.! Ed. Andre sammelte
davon Exemplare in der Caucaregion und Neugranada;
er behauptet freilich nicht, dass dieselben von spon-
tanen Pflanzen kommen, und ich sehe, dass Triana
(Prodr. fl. granat.) den Baum nur als angebaut anführt.
Anona reticulata, Linné. — Netzförmiger Flaschen-
baum (im Engl. Custard apple [auf den Antillen], Bul-
lock’s Heart [in Indien]; fr. Cœur de bœuf).
Diese in Descourtilz, ,, Flore médicale des Antilles“,
2, Taf. 82, und im „Botanical Magazine“, Taf. 2912,
abgebildete Anona ist auf den Antillen spontan, z. B.
auf den Inseln Cuba, Jamaica, Saint-Vincent, Guadeloupe,
Santa-Cruz, der Insel Barbadoes’, ferner auf der Insel
Taboga in der Bai von Panama? und in der Provinz
Antioquia Neugranadas.* Wenn sie in diesen letztern
Localitäten ebenso wildwachsend auftritt wie auf den
Antillen, so erstreckt sich ihr Wohnsitz wahrscheinlich
nach mehreren Staaten Centralamerikas und Neu-
granadas.
Obgleich die Art ihrer Früchte wegen wenig geschätzt
wird, hat man sie doch nach den meisten der Colonien
tropischer Regionen eingeführt. Rheede und Rumphius
hatten sie schon in den Anpflanzungen Südasiens ange-
troffen. Nach Welwitsch naturalisirt sie sich ausserhalb
der Gärten Angolas im westlichen Afrika”, und das-
selbe ist in Britisch-Indien eingetreten.®
Anona Cherimolia, Lamarck. — Tschirimajabaum (fr.
Cherimolia).
P. Brown, Jamaïque, S. 255; Mac-Fadyen, Fl. Jamaiq., S. 7; Eggers, Fl.
of Sainte-Croix, S. 23; Grisebach, F1. Brit. W. India, S. 4.
1 Martius, Fl. Brasil., fasc. 2, S. 4; Splitgerber, Plant. de Surinam,
in: Nederl. Kruidk. Arch., I, 226.
2 Richard, a. a. O.; Mac-Fadyen, a. a. O.; Grisebach, a. a. O.; Eggers
a. à. O.; Swartz, Obs., S. 222; Maycock, Fl. Barbad., S. 233.
3 Seemann, Botany of Herald, S. 75.
4 Triana et Planchon, Prodr. Fl. Novo-Granatensis, S. 29,
5 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 15.
6 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, I, 78.
4
Tschirimajabaum. 215
Die Cherimolia oder Chirimoya wird trotz ihrer vor-
züglichen Frucht in den Colonien nicht so allgemein
angebaut wie die vorhergehenden Arten. Dies ist
wahrscheinlich der Grund, warum man von der Frucht
noch nicht einmal eine weniger schlechte Abbildung
als die von Feuillee (Obs. 3, Taf. 17) veröffentlicht
hat, während die Blume im ,,Botanical Magazine“,
Taf. 2011, unter dem Namen von A. tripetala gut ab-
gebildet ist.
Ich lasse das im Jahre 1855 von mir über den Ur-
sprung der Art Gesagte hier folgen!:
„Der Tschirimajabaum wird von Eamarck und Dunal
als in Peru wachsend angegeben; Feuillée aber, welcher
zuerst von ihm spricht”, erwähnt ihn nur als angebaut.
Mac-Fadyen®? sagt, dass dieser Baum auf den Bergen
von Port-Royal in Jamaica häufig ist; er fügt aber
hinzu, dass Peru das ursprüngliche Vaterland ist, und
die Einführung nach jener Insel schon seit langer Zeit
stattgefunden haben muss; danach gewinnt es den An-
schein, als ob die Art in den Plantagen der höher ge-
legenen Theile eher angebaut wird als spontan ist.
Sloane erwähnt diese Art nicht. Humboldt und Bon-
pland haben sie in Venezuela und Neugranada ange-
baut gesehen; Martius in Brasilien , wo man die Samen
von Peru erhalten hatte. Die Art wird auf den Cap-
Verdischen Inseln und an der Guineaküste angebaut’;
es scheint aber nicht, als ob man sie in Asien ver-
breitet habe. Ihr amerikanischer Ursprung steht ausser
allem Zweifel. Ich möchte indessen nicht weiter gehen
und behaupten, dass eher Peru als Neugranada, oder
selbst Mexico als ihr Vaterland anzusehen ist. Wahr-
scheinlich wird man sie in einer dieser Regionen wild-
wachsend antreffen. Meyen hat sie nicht von Peru
gebracht.‘ 5
1 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 863.
2 Feuillee, Obs., TIL, 23, Taf. 17. 3 Mac-Fadyen, Fl. Jam., S. 10.
4 De Martius, F1 bras., "fasc. 3,815: 5 Hooker, F1. Nigr., S. 205.
6 Nov. act. nat. CUT, REX, Suppl. 1°
216 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Dank einer freundlichen Mittheilung des Herrn André
sind meine Bedenken jetzt mehr geschwunden. Zunächst
will ich erwähnen, dass ich Exemplare von Mexico ge-
sehen habe, die von Botteri und von Bourgeau gesam-
melt waren, und dass die Autoren die Art oft für diese
Region, für die Antillen, Centralamerika und Neugranada
angeben. Sie sagen freilich nicht, dass sie dort wild-
wachsend auftritt, im Gegentheil bemerken sie, dass sie
angebaut wird, den Gärten entspringt und sich natura-
lisırt.! Von Grisebach wird die Bestätigung gegeben,
dass sie von Peru bis nach Mexico spontan ist, Be-
weise hierfür liefert er allerdings nicht. Andre hat in
einem Thale des Südwestens von Ecuador Exemplare
gesammelt, die gewiss dieser Art angehören, soweit sich
dies eben, ohne die Früchte zu sehen, behaupten
lässt. Er sagt nichts über die spontane Beschaffenheit,
doch da er in andern Fällen mit grosser Sorgfalt die
angebauten Pflanzen oder solche, welche sich vielleicht
den Culturen entzogen haben, angibt, so glaube ich,
dass er seine Exemplare auf wildwachsende Bäume zu-
rückführt. Claude Gay berichtet, dass die Art seit
undenklichen Zeiten in Chile angebaut wird.” Indess
schweigt Molina hierüber, der doch mehrere Frucht-
bäume der alten Culturen des Landes erwähnt hat.?
Alles zusammengerechnet, halte ich es für sehr wahr-
scheinlich, dass die Art in Ecuador zu Hause ist, und
vielleicht auch in dem Nachbarstaate, in Peru.
Citrus, Linne. — Orangen- und Citronenbäume (fr.
Orangers et citronniers).
Die verschiedenen in den Gärten angebauten Formen
von Citronen, Limonen, Orangen, Pompelmusen u. s. w.
haben einigen Gärtnern, unter welchen Gallesio und
1 Richard, Plant. vascul. de Cuba; Grisebach, Fl. Brit. W. Ind. Islands;
Hemsley, Biologia centrali-amer., S. 118; Kunth, in: Humb. et Bonpland.
Nova Gen., V, 57; Triana et Planchon, Prodrom. fl. Novo-Granat., S. 28.
2 Gay, Flora chil., I, 66.
3 Molina, französische Uebersetzung.
ET LL
é
Orangen- und Citronenbäume. >17
Risso ! in erster Reihe zu nennen sind, zu bemerkens-
werthen Arbeiten Veranlassung gegeben. Die Schwierig-
keiten waren sehr grosse, um so viele Formen zu be-
obachten und zu klassificiren. Recht gute Resultate
wurden erzielt, doch muss man zugeben, dass die an-
gewendete Methode auf falscher Basis ruhte, insofern
die beobachteten Gewächse ausschliesslich angebaute
waren, d. h. mehr oder minder der Kunst ihr Dasein
verdankten, und in gewissen Fällen vielleicht als Ba-
starde sich hinstellten. Die Botaniker sind jetzt glück-
licher. Dank den Entdeckungen der Reisenden in Bri-
tisch-Indien vermögen sie jetzt spontane, und somit
wirkliche, natürliche Arten zu unterscheiden. Nach
Sir Joseph Hooker?, welcher selbst in Indien botanisirt
hat, verdankt man Brandis? die beste Arbeit über die
Citrusarten dieser Region. Er folgt ihm in seiner Flora,
und in Ermangelung einer monographischen Arbeit über
die Gattung werde ich hier dasselbe thun, will da-
bei auch bemerken, dass eine Arbeit, in welcher die
seit zwei Jahrhunderten in Gärten beschriebenen und
abgebildeten Formen so gut wie, es eben geht auf
spontane Arten zurückgeführt werden, auszuführen noch
übrigbleibt.*
Dieselben Arten und vielleicht noch andere kommen
wahrscheinlich im wildwachsenden Zustande in Cochin-
china und China vor; dies ıst aber noch nicht an
Ort und Stelle, und ebenso wenig vermittelst solcher
Exemplare nachgewiesen worden, die von Botanikern
untersucht wurden. Vielleicht werden die wichtigen
Arbeiten des Herrn Pierre, deren Publication bereits
1 Gallesio, Traité du Citrus (Paris 1811); Risso et Poiteau, Histoire
naturelle des Orangers (1818), 109 Tafeln.
2 Hooker, Flora of British India, I, 515.
3 Stewart and Brandis, The forest of North-West and Central India, S.50.
4 Um eine derartige Arbeit zu erzielen, müssten zunächst gute Ab-
bildungen der wildwachsenden Arten veröffentlicht werden, und dabei
würde auf ihre Früchte, welche man in den Herbarien nicht antrifft, be-
sondere Aufmerksamkeit zu verwenden sein. Dann würde es uns ermög-
licht, zu sagen, welche in den Abbildungen von Risso, Duhamel und An-
dern sich am meisten den wildwachsenden Typen nähern.
a Lie 2
218 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
begonnen hat, uns darüber Kunde bringen, wie es sich
in Bezug auf Cochinchina verhält. Was China betrifft,
so will ich hier einen Ausspruch des Dr. Bretschneider!
als von besonderm Interesse wegen der eingehenden
Kenntnisse des Autors anführen: „Die Orangen, welche
sich in China in grosser Mannichfaltigkeit finden, wer-
den von den Chinesen unter die wildwachsenden Früchte
gebracht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die meisten‘
derselben einheimisch sind und seit altersher angebaut
werden. Dies findet darin seinen Beweis, dass jede Art
oder Varietät einen besondern Namen hat, ausserdem
in den meisten Fällen durch ein besonderes Schrift-
zeichen dargestellt wird und in dem Shu-king, Rh-ya
und andern alten Werken erwähnt ist.“
Die Samen der Aurantiaceen werden durch Menschen
und Vögel ausgestreut, und in dieser Thatsache finden
wir eine Erklärung für die Ausdehnung ihrer Wohn-
plätze, für ihre Naturalisation in den heissen Regionen
der Alten und Neuen Welt. In Amerika hat sich dies
seit dem 1. Jahrhundert nach der Eroberung”? gezeigt,
und heutzutage haben sich sogar im Süden der Ver-
einigten Staaten Orangenwälder gebildet.
Citrus decumana, Willdenow. — Pompelmus, Para-
diesapfel (engl. Shaddock; fr. Pompelmouse).
Ich will zunächst von dieser Art sprechen, weil sie
einen botanisch deutlichern Charakter darbietet als die
übrigen. Sie bildet sich zu einem grössern Baume
heran, und ist die einzige, deren junge Triebe und un-
tere Seite der Blätter mit Flaumhaaren bekleidet sind.
Die Frucht ist kugelförmig oder fast so, grösser als
eine Orange, zuweilen ebenso gross wie der Kopf eines
Menschen. Der Saft besitzt eine ziemliche Säure, die
Schale ist auffallend dick. Gute Abbildungen der Frucht
1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works,
S. 5.
>
t
Acosta, Hist. nat. des Indes, französische Uebersetzung, 1598, S. 187.
Pompelmus, Paradiesapfel. 219
finden sich im neuen Duhamel, VII, Fig. 42, und in
Tussac, „Flore des Antilles‘, II, Fig. 17, 18.
Die Menge der Varietäten im Archipel des Südens
von Asien weist auf eine alte Cultur hin. Bisjetzt
kennt man noch nicht in ganz bestimmter Weise das
ursprüngliche Vaterland, weil die anscheinend einheimi-
schen Individuen den infolge eines häufigen Anbaues
hervorgerufenen Naturalisationen ihr Dasein verdanken
können. Roxburgh berichtet, dass man in Kalkutta
die Art von Java erhalten hattel, und Rumphius ?
glaubte, dass sie im südlichen China zu Hause wäre.
Weder er noch neuere Botaniker haben sie ım wild-
wachsenden Zustande auf dem Indischen Archipel an-
getroffen.” In China hat die Art einen einfachen Na-
men, Ya; das charakteristische Schriftzeichen® erscheint
aber für eine wirklich einheimische Pflanze zu ver-
wickelt. In China und Cochinchina ist dieser Baum
nach Loureiro recht gewöhnlich, womit freilich nicht
gesagt sein soll, dass er dort spontan ist.” Die meisten
Anzeichen eines wildwachsenden Daseins findet man auf
den Inseln im Osten des Indischen Archipels. Schon
früher sagte Forster® von dieser Art: „sehr gemein
auf den Freundschaftsinseln“. Für die Fidschi-Inseln
ist Seemann’? noch bestimmter, indem er sagt: „äusserst
gemein und an den Flussufern sich hinziehend“.
Es wäre sehr seltsam, dass sich ein im ganzen süd-
lichen Asien so vielfach angebauter Baum bis zu diesem
Punkte auf gewissen Inseln der Südsee naturalisirt
hätte, während das anderswo kaum beobachtet worden
ist. Wahrseheinlich ist er dort einheimisch, was aller-
dings nicht ausschliesst, dass man ihn möglicherweise
1 Roxburgh, Flora indica (1832), III, 393.
2 Rümphius, Hortus amboinensis, II, 98.
3 Miquel, Flora indo-batava, Bd. I, Thl. 2, S. 526.
4 Bretschneider, a. a. O.
5 Loureiro, F1. Cochinch., II, 572. Für eine andere Art der Gattung
rg es wohl zu betonen, dass sie spontan und nicht angebaut ist,
6 Forster, De plantis esculentis oceani australis, S. 35.
7 Seemann, Flora Vitiensis, S. 33.
220 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
auch auf andern, Java näher gelegenen Inseln wild-
wachsend antreffen wird.
Der Name Pompelmus ist holländisch (Pompelmoes).
Die Benennung Shaddock erfolgt nach einem Kapitän
dieses Namens, welcher der erste war, der die Art
nach den Antillen brachte.!
Citrus medica, Linne. — Agrume, gemeiner Citronen-
oder Cedratbaum (fr. Cédratier, Citronnier, Limonier).
Dieser Baum, wie auch der gewöhnliche Orangen-
baum, ist in allen seinen Theilen unbehaart. Seine mehr
längliche als breite Frucht wird bei den meisten der
Varietäten von einer Art Warze überragt. Der Saft
ist mehr oder minder sauer. Die jungen Triebe und
die Blumenblätter nehmen häufig eine röthliche Färbung
an; die Fruchtschale ist oft voller Beulen und bei ge-
wissen Untervarietäten sehr dick.?
Brandis und Sir Joseph Hooker unterscheiden vier
angebaute Varietäten:
1. Citrus medica, die eigentliche Art (Cedratier der Franzosen; Citron
der Engländer; Cedro der Italiener); mit grosser, nicht sphärischer Frucht,
deren sehr aromatische Schale mit Beulen bedeckt ist, und deren spär-
licher Saft keine grosse Säure besitzt. Nach Brandis hiess sie im San-
skrit Vijapüra.
2. Citrus medica Limonum (Citronnier der Franzosen; Lemon der Eng-
länder); die nicht sphärische Frucht von mittlerer Grösse, Saft reichlich
und sauer.
3. Citrus medica acida (C. acida, Roxburgh); kleine Blume, Frucht
meistens klein, von veränderlicher Form, sehr sauerer Saft. Nach Brandis
hiess sie im Sanskrit Jambira.
4. Citrus medica Limetta (C. Limetta und ©. Lumia von Risso); Blumen
denen der vorhergehenden Varietat ähnlich, Frucht aber sphärisch und
süsser, nicht aromatischer Saft. In Indien nennt man sie Sweet Lime,
d.h. süsse Limone.
Es wird von dem Botaniker Wight bestätigt, dass die
letzte dieser Varietäten in der Indischen Halbinsel auf
den Nilgherries wildwachsend vorkommt. Andere For-
men, die sich mit geringerer oder grösserer Genauig-
keit zu den drei übrigen Varietäten bringen lassen,
wurden von mehreren anglo-indischen Botanikern* in
= Plukenet, Almagestes, S. 239; Sloane, Jamaique, I, 41.
2 Cédrat à gros fruit du nouveau Duhamel, NAT, 68. Taf. 22.
3 Royle, Ill. Himal., S. 129; Brandis, Forest Flora, S. 52; Hooker,
Flora of Brit. India, I, 514.
Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum. 221
den heissen Regionen am Fusse des Himalaja, jenen
von Garwal im Sikkim, im Südosten in Chittagong und
Birma, endlich im Südwesten auf den westlichen Ghats
und den Satpuragebirgen wildwachsend angetroffen.
Danach ist es nicht zweifelhaft, dass die Art in Indien
ursprünglich zu Hause ist und sogar unter verschie-
denen Formen, deren Alter sich im Dunkel der prä-
historischen Zeiten verliert.
Es scheint mir fraglich, ob sich ihr Vaterland nach
China zu oder den Inseln des Asiatischen Archipels er-
streckt. Loureiro führt die Citrus medica für Cochin-
china nur als angebaut an, und von Bretschneider hören
wir, dass die Limone chinesische Namen besitzt, welche
sich in den alten Werken nicht finden und überdies
zusammengesetzte Zeichen in der Schreibweise haben,
was vielmehr auf eine fremdländische Art hindeutet. Sie
mag, sagt er, eingeführt worden sein. In Japan wird
die Art nur angebaut.! Endlich zeigen mehrere Ab-
bildungen von Rumphius Varietäten, die auf den Sunda-
inseln angebaut sind, von denen der Verfasser aber
nicht eine einzige als wirklich wildwachsend und ein-
heimisch ansieht. Um die Localität anzugeben, bedient
er sich bisweilen des Ausdrucks in hortis sylvestribus,
was man mit Hainen übersetzen kann. Indem er von
seiner Lemon Sussu spricht (Bd. 2, Fig. 25), die eine
Citrus medica mit elliptischer Frucht von sauerm Ge-
schmack ist, erwähnt er, dass sie nach Amboina einge-
führt wurde, dort aber nicht so gewöhnlich ist wie ın
Java, woselbst „die Wälder ıhren Hauptstandort aus-
machen“. Dies kann die Folge einer zufälligen, durch
Culturen herbeigeführten Naturalisation sein. Miquel
trägt in seiner neuern Flora der holländischen Be-
sitzungen in Ostindien? kein Bedenken, zu sagen, dass
die ©. medica und Limonum im Archipel nur ange-
baut sind.
4
1 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, S. 129.
2 Miquel, Flora indo-bat., Bd. I, Thl. 2, S. 528.
rt
999 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Die Cultur der mehr oder minder sauern Varietäten
hat sich frühzeitig im westlichen Asien, wenigstens in
Mesopotamien und Medien, verbreitet. Man kann kaum
daran zweifeln, weil zwei Formen Sanskritnamen hatten,
und weil ausserdem die Griechen die Frucht durch die
Meder kennen lernten, woraus der Name Citrus medica
entstanden ist. Theophrast ! war der erste, welcher von
dieser Frucht als dem medischen und persischen
Apfel gesprochen hat, der betreffende Satz ist seit zwei
Jahrhunderten oft wiederholt und commentirt worden.”
Derselbe bezieht sich augenscheinlich auf Citrus medica;
doch wenn auch der Verfasser über die Art und Weise
der Aussaat in Töpfen, sowie über die spätere Verpflan-
zung der jungen Pflanzen Erklärungen gibt, so sagt er
nicht, ob dies in Griechenland geschah, oder ob er
ein Verfahren der Meder beschrieb. Wahrscheinlich
bauten die Griechen den Citronenbaum noch nicht an,
denn die Römer hatten ihn zu Anfang der christlichen
Zeitrechnung noch nicht in ihren Gärten. Dioscorides, in
Cilicien geboren und im 1. Jahrhundert als Schriftsteller
thätig, spricht? von diesem Baume fast in denselben
Ausdrücken wie Theophrast. Man nimmt an, dass
die Art nach vielfältigen Versuchen * im 3. oder 4. Jahr-
hundert in Italien angebaut wurde. Im 5. Jahrhundert
spricht Palladius von ihr als einer wohlbegründeten
Cultur.
Die Unwissenheit der Römer der classischen Epoche
in Bezug auf ihrem Lande fremde Pflanzen liess sie
unter dem Namen lignum citreum das Citrusholz mit
dem der Cedrus verwechseln, aus welchem man sehr
schöne Tische verfertigte, und welche eine Ceder oder
eine Thuja war, die beide zu der ganz verschiedenen
Familie der Coniferen gehören.
1 Theophrastes, 1. 4, c. 4.
2 Bodaeus, in Theophrastes (1644), S. 322, 343; Risso, Traité du Citrus,
S. 198; Targioni, Cenni storici, S. 196.
3 Dioscorides, I, 166.
4 Targioni, a. a. O.
Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum. 223
Die Hebräer müssen wegen ihrer häufigen Beziehungen
mit Persien, Medien und den Nachbarländern den Ci-
tronenbaum vor den hömern gekannt haben. Es ist
bei den Juden der Neuzeit Brauch, am Tage des Laub-
hüttenfestes mit einer Citrone in der Hand die Syna-
goge zu betreten, und diese Sitte hatte zu dem Glauben
geführt, dass das Wort Hadar im 3. Buch Mosis Citrone
oder Cedrat bedeutete; durch die Vergleichung der alten
Texte ist es Risso aber gelungen, zu zeigen, dass dieses
Wort eine schöne Frucht oder die Frucht eines schönen
Baumes bedeutet. Derselbe ist sogar der Ansicht, dass
die Hebräer den Citronen- oder Cedratbaum zu Anfang
unserer Zeitrechnung nicht kannten, weil die Septua-
ginta Hadar mit Frucht eines sehr schönen Baumes
übersetzt. Da die Griechen den Citronenbaum in Me-
dien und Persien zu Zeiten des Theophrast, drei Jahr-
hunderte v. Chr., gesehen hatten, würde es immerhin
sehr seltsam sein, wenn die Hebräer zur Zeit ihrer Ge-
fangenschaft in Babylon keine Kenntniss von ihm ge-
habt hätten. Ausserdem sagt der Historiker Josephus,
dass die Juden zu seiner Zeit bei ihrem Feste persische
Aepfel, malum persicum, in den Händen hielten, und
dies ist einer der bei den Griechen gebräuchlichen Na-
men für den Cedrat.
Die Varietäten mit sehr sauerer Frucht, wie Li-
monum und Acida, haben die Aufmerksamkeit viel-
- leicht nicht ebenso rasch auf sich gezogen wie der Ci-
tronenbaum, indessen scheint der stark aromatische Ge-
ruch, von welchem Theophrast und Dioscorides sprechen,
auf sie aufmerksam zu machen. Es sind die Araber,
welche die Cultur des Limonenbaums (Citronnier der
Franzosen) in Afrika und in Europa sehr verbreitet
haben. Nach Gallesio haben dieselben ihn im 10. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung von den Gärten Omans
nach Palästina und Aegypten gebracht. Jakob von
Vitry gibt im 13. Jahrhundert eine sehr gute Beschrei-
bung von der Limone, welche er in Palästina gesehen
hatte. Ein Autor Namens Falcando erwähnt im Jahre
294 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
1260 sehr sauere ,, Lumias“, welche man bei Palermo
anbaute, und Toscana besass sie zur selben Zeit.!
Citrus Aurantium, Linne (excl. var. y). (Citrus Au-
rantium, Risso. — Orangenbaum (fr. Oranger).
Die Orangenbäume unterscheiden sich von den Pom-
pelmusen (C. decumana) durch das gänzliche Fehlen
von Haaren auf den jungen Trieben und den Blättern,
durch eine weniger grosse Frucht, die immer eine sphä-
rische Form hat und deren Schale weniger dick ist;
von den Citronenbäumen (C. medica) durch die voll-
ständig weissen Blumen, durch eine nie längliche Frucht
ohne Warze an der Spitze, deren Schale wenig oder -
keine Beulen zeigt und mit dem saftigen Theile etwas
verwachsen ist.
Es ist weder Risso in seiner ausgezeichneten Arbeit
über Citrus, noch neuern Autoren wie Brandis und Sir
Joseph Hooker gelungen, einen andern Charakter als
den Geschmack anzugeben, um den Orangenbaum mit
mehr oder minder bittern Früchten, d. h. den Pome-
ranzenbaum von dem eigentlichen Orangenbaum mit
süsser Frucht zu unterscheiden. Als ich im Jahre 1855
die Frage über den Ursprung prüfte, schien mir diese
Verschiedenheit vom botanischen Standpunkte so gering
zu sein, dass ich mich mit Risso der Ansicht hinneigte,
beide Sorten von Orangenbäumen als einfache Varie-
täten anzusehen. Die jetzigen anglo-indischen Autoren
thun dasselbe. Sie fügen noch eine dritte Varietät,
welche sie Bergamia nennen, hinzu, das ist der Berga-
mottenbaum mit kleinerer Blume und deren sphärische
oder birnenförmige Frucht von aromatischem und leicht
säuerlichem Geschmack kleiner ist als die gemeine
Orange.
Man hat diese letzte Form im wildwachsenden Zu-
stande nicht angetroffen, und ich halte sie vielmehr für
ein Erzeugniss der Cultur.
1 Targioni, a. a. O., S. 217.
Orangenbaum. 225
Häufig wirft man die Frage auf, ob die Apfel-
sinen, wenn man sie aussäet, auch süsse Orangen
geben, und die Pomeranzen wieder bittere Orangen.
Das bleibt sich in Bezug auf Unterscheidung von Arten
oder Varietäten ziemlich gleich, denn bekanntlich sind
in beiden Reichen alle Charaktere mehr oder minder
erblich, sind gewisse Varietäten es so durchgängig, dass
man sie als Rassen hinstellen muss, und sich demnach
die Absonderung in Arten auf andere Erwägungen, wie
das Fehlen von Zwischenformen oder der Mangel einer
Kreuzung, deren Sprösslinge selbst wieder fruchtbar
sind, stützen muss. In dem vorliegenden Falle ist die
Frage jedoch nicht ohne Interesse, und ich will be-
merken, dass die Versuche zuweilen widersprechende
Resultate ergeben haben.
Gallesio, ein vortrefflicher Forscher, drückt sich
folgendermaassen aus: „Während einer langen Reihe
von Jahren habe ich Apfelsinenkerne ausgesäet, die
bald von durch Samen erzielten Bäumen, bald von
auf Pomeranzen- oder Citronenbäumen gepfropften
Orangenbäumen genommen waren. Diese Aussaat lie-
ferte immer Bäume mit süssen Früchten. Seit mehr als
60 Jahren ist dieses Resultat von allen Gärtnern in der
Gegend von Finale festgestellt worden. Es gibt kein Bei-
spiel von einem Pomeranzenbaum, der aus Samen der süssen
Orange hervorgegangen sei, noch von einem Orangen-
baum mit süsser Frucht, welcher einer Aussaat vom
Pomeranzenbaume sein Dasein verdanke...... Als im
Jahre 1709 der Frost die Orangenbäume von Finale
zerstört hatte, wurde es Brauch, Orangenbäume mit
süssen Früchten aus Samen zu erzielen; unter diesen
Sämlingen befand sich nicht ein einziger, welcher nicht
Früchte mit süssem Safte trug.“ I
Im Gegensatz hierzu sagt Mac-Fadyen in seiner „Flora
von Jamaica“: „Es ist eine begründete Thatsache, die
allen denen, welche einige Zeit auf dieser Insel zuge-
1 Gallesio, Traité du Citrus, S. 32, 67, 355, 357.
DE CANDOLLE. 15
2926 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
bracht haben, wohl bekannt ıst, dass man aus den
Samen der Apfelsinen sehr häufig Bäume mit bittern
Früchten gewinnt, und sind solche gut bewiesene Bei-
spiele zu meiner persönlichen Kenntniss gelangt. Ich
habe jedoch nie sagen hören, dass Samen der Pomeranze
je Bäume mit süssen Früchten gegeben hätten......
Der bittere Orangenbaum oder der Pomeranzenbaum
war somit“, fährt der Verfasser höchst verständig fort,
„der ursprüngliche Typus.“! Er behauptet, dass auf
kalkhaltigem Boden der Apfelsinenbaum durch Samen
constant bleibt, während er auf andern Bodenarten in
Jamaica Früchte erzeugt, die mehr oder minder sauer
oder bitter sind. Duchassaing sagt, dass auf Guade-
loupe die Samen süsser Orangen oft bittere Früchte
geben”, während sie nach Dr. Ernst in Caracas zu-
weilen saure Früchte, aber keine bittern hervorbringen.?
Diese Verschiedenheiten zeigen den veränderlichen Erb-
lichkeitsgrad und bestätigen die Ansicht, dass man in
den beiden Sorten von Orangenbäumen nicht zwei Arten,
sondern zwei Varietäten erkennen muss.
Ich bin indessen gezwungen, sie hier eine nach der
andern aufzuzählen, um ihren Ursprung sowie die Aus-
dehnung ihrer Cultur zu verschiedenen Zeitabschnitten
zu erklären.
1. Citrus vulgaris, Risso. C. Aurantium, var. Biga-
radia, Brandis und Hooker. — Pomeranzenbaum (ital.
Arancio forte, fr. Bigaradier).
Den Griechen und Römern war derselbe ebenso un-
bekannt wie der Apfelsinenbaum. Da sie mit Indien
und Ceylon Verbindungen gehabt hatten, so vermuthet
Gallesio, dass zu ihrer Zeit diese Bäume nicht im west-
lichen Theile Indiens angebaut wurden. Von diesem
Gesichtspunkte aus hat er die Berichte alter Reisenden
und Geographen, wie Diodorus von Sicilien, Nearchus,
Arianus durchforscht, bei keinem aber eine Erwähnung
1 Mac-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 129 u. 130.
2 Angeführt in: Grisebach, Veget. Karaiben, S. 34.
3 Ernst, in: Seemann, Journal of Bot., 1867, S. 272.
Pomeranzenbaum. 227
von Orangenbäumen gefunden. Das Sanskrit hatte in-
dessen einen Namen für die Orange, Nagarunga, Nagrunga.
Daraus ist selbst das Wort Orange entstanden, denn
die Hindus machten nach Royle Narungee, nach Pid-
dington Nerunga, die Araber nach Gallesio Narunj,
die Italiener Naranzi, Arangi daraus, und im Mittel-
alter sagte man. im Lateinischen Arancium, Aran-
gium, dann Aurantium.? Bezog sich aber der Sanskrit-
name auf die bittere Orange oder auf die süsse? Der
Philolog Adolphe Pictet hat mir seinerzeit eine selt-
same Auskunft über diesen Punkt gegeben. Er hatte
in den Sanskritwerken die bezeichnenden Namen ge-
sucht, welche der Orange oder dem Orangenbaume bei-
gelegt waren, und deren siebzehn gefunden, die alle auf
die Farbe, den Geruch, die saure Beschaffenheit (danta
catha, den Zähnen schädlich), den Ort des Wachsthums
u. 8. w., nie aber auf einen süssen oder angenehmen
Geschmack hindeuten. Diese Menge von mit den Bei-
wörtern übereinstimmenden Namen lässt uns eine von
alters her bekannte Frucht erkennen, die aber einen von
der süssen Orange oder Apfelsine ganz verschiedenen
Geschmack hatte. Ausserdem haben die Araber, welche
die Orangenbäume nach dem Occident brachten, zuerst
die bittere Orange oder die Pomeranze gekannt, haben
ihr den Namen Narunj? beigelest, und ihre Aerzte
haben vom 10. Jahrhundert an den bittern Saft der-
selben verschrieben.* Die eingehenden Untersuchungen
von Gallesio zeigen, dass die Art sich seit den Zeiten
der Römer von der Seite des Persischen Golfs verbreitet
hatte, zu Ende des 9. Jahrhunderts nach Arabien ge-
langte, und zwar nach Zeugenaussage des arabischen
Schriftstellers Masudi durch Oman, Bassora, Irak und
Syrien hindurch. Die Kreuzfahrer sahen den Pome-
1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), II, 392; Piddington, Index.
2 Gallesio, S. 122.
3 In den neuern Sprachen Indiens ist der Sanskritname, so berichtet
Brandis, durch eine der in der volksthümlichen Sprache so häufigen Um-
stellungen auf die süsse Orange oder Apfelsine angewendet worden.
4 Gallesio, S. 122, 247, 248.
197
228 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
ranzenbaum in Palästina. In Sicilien baute man ihn
seit dem Jahre 1002 an, wahrscheinlich infolge der
Einfälle seitens der Araber. Diese sind es, welche ihn
nach Spanien eingeführt haben und wahrscheinlich auch
nach Ostafrika. Die Portugiesen fanden ihn an dieser
Küste angepflanzt, als sie 1498 das Cap umsegelten.!
Nichts berechtigt zu der Vermuthung, dass der bittere
oder süsse Orangenbaum in Afrika vor dem Mittelalter
auftrat, denn die Fabel vom Garten der Hesperiden
kann sich auf irgendeine Aurantiacee beziehen, und
jeder kann ihr einen beliebigen Platz anweisen, da
die Einbildungskraft der Alten ganz besonders er-
giebig war.
Die ersten anglo-indischen Botaniker wie Roxburgh,
Royle, Griffith, Wight hatten den wildwachsenden Pome-
ranzenbaum nicht angetroffen; alle Wahrscheinlichkeiten
aber wiesen auf die östliche Region von Indien als sein
ursprüngliches Vaterland hin. Dr. Wallich hat die
Localität von Silhet erwähnt?, ohne die Spontaneität
zu bestätigen. Nach ihm hat Sir Joseph Hooker®? den
Pomeranzenbaum in mehreren Distrikten südlich vom
Himalaja, von Garwal und Sikkim nach den Khasiabergen
zu ganz gewiss spontan angetroffen. Seine Frucht war
sphärisch oder ein wenig zusammengedrückt, von zwei
Zoll im Durchmesser, sehr gefärbt, nicht essbar, und,
wenn ich mich recht erinnere, spricht der Verfasser von
einem widerlichen (mawkish) und bittern Geschmack.
Die Citrus fusca von Loureiro®, welche, wie er meint,
der Abbildung 23 von Rumphius ähnlich ist und in
Cochinchina und China spontan vorkommt, könnte sehr
wohl der Pomeranzenbaum sein, dessen Wohnsitz sich
somit nach Osten ausbreiten würde.
2. Citrus Aurantium sinense, Gallesio. — Apfelsine (ital.
Arancio dolce, fr. Oranger à fruit doux).
1 Gallesio, S. 240. Goeze, Beitrag zur Kenntniss der Orangengewächse,
(1874), S. 13, verweist bezüglich dieser Thatsache auf alte portugie-
sische Reisende.
2 Wallich, List, Nr. 6384. 3 Hooker, Fl. of Brit. India, I, 515.
4 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 571.
Apfelsinenbaum. 229
Nach Royle! kommt der wildwachsende Apfelsinen-
baum in Silhet und auf den Nilgherries vor; seine Aus-
sage ist aber nicht so eingehend, um ihr weitere Wich-
tigkeit beizumessen. Demselben Verfasser zufolge hatte
man auf Turner’s Zuge wildwachsende „köstliche“
Orangen in Buxedwar gepflückt, einem nordöstlich von
Rungpur in Bengalen gelegenen Ort. Dagegen er-
wähnen die Botaniker Brandis und Sir Joseph Hooker
den Apfelsinenbaum nicht als wildwachsend für Britisch-
Indien. Sie sprechen von ıhm nur als angebaut. In
seiner Forstflora von Britisch-Birma führt Kurz ihn gar
nicht an. Weiter nach Osten hat Loureiro? in Cochin-
china eine ©. Aurantium beschrieben, mit halb säuer-
lichem, halb süssem Fruchtfleisch (acido dulcis), dies
scheint der Apfelsinenbaum zu sein, welcher „im ange-
bauten und nicht angebauten Zustande Cochinchina und
China bewohnt“. Ich erinnere daran, dass die chine-
sischen Schriftsteller die Orangenbäume im allgemeinen
als Bäume ihres Landes ansehen; bezüglich des Indi-
genats fehlt es aber auch an genauern Nachrichten über
jede Art oder Varietät.
Nach der Gesammtmasse dieser Schriftstücke zu
schliessen, dürfte der Apfelsinenbaum im südlichen China
und Cochinchina ursprünglich zu Hause sein, und wäre
seine durch Samenausstreuung bewirkte Verbreitung
nach der indischen Region zweifelhaft und zufällig.
Wir wollen sehen, in welchem Lande seine Cultur
angefangen und in welcher Weise sie sich ausgebreitet
hat. Dies wird uns vielleicht über den Ursprung und
die Unterscheidung der eigentlichen Orangenbäume von
den Pomeranzenbäumen Aufklärung bieten.
Es ist kaum möglich, dass eine so grosse und im
Geschmack so angenehme Frucht wie die Apfelsine in
einer Region vorkommen konnte, ohne dass der Mensch
nicht den Versuch gemacht hätte, sie anzubauen. Die
1 Royle, Illustr. of Himalaja, S. 160. Er eitirt Turner, Voyage au
Thibet, $. 20 u. 387.
„2 Loureiro, Fl. cochinch., S. 569.
230 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Aussaaten sind leicht und liefern fast immer dieselbe
geschätzte Eigenschaft: Die alten Reisenden oder Hi-
storiker können ebenso wenig die Wichtigkeit eines so
bemerkenswerthen Fruchtbaumes unberücksichtigt ge-
lassen haben. In Bezug auf diesen historischen Punkt
haben die von Gallesio in den alten Werken gemachten
Studien äusserst interessante Resultate ergeben.
Er liefert zuerst den Beweis, dass die von Indien
durch die Araber nach Palästina, Aegypten, Südeuropa
und der Ostküste von Afrika gebrachten Orangenbäume
keine Apfelsinenbäume waren. Bis zum 15. Jahrhun-
dert sprechen die arabischen Werke und die Chroniken
nur von bittern oder sauern Orangen. Als jedoch die
Portugiesen auf den Inseln des südlichen Asien an-
kamen, fanden sie dort Apfelsinenbäume, die ihnen
aber, so scheint es, nicht mehr neu waren. Der Floren-
tiner, welcher Vasco de Gama begleitete und einen Be-
richt über die Reise veröffentlicht hat, sagt: ,, Sonvi
melarancie assai, ma tutte dolci“ (es gibt viele
Orangen, die aber alle süss sind). Weder dieser Rei-
sende noch die, welche folgten, drücken irgendwelches
Erstaunen aus, als sie eine so angenehme Frucht koste-
ten. Gallesio schliesst daraus, dass die Portugiesen
nicht die ersten gewesen sind, welche die Apfelsinen
von Indien brachten, wo sie 1498 anlangten, auch
nicht von China, wo ihre Einführung in das Jahr
1518 fällt. Ausserdem sprechen viele Schriftsteller
des 16. Jahrhunderts von der Apfelsine als einer be-
reits in Italien und Spanien angebauten Frucht. Für
die Jahre 1523 und 1525 gibt es mehrere Zeugenaus-
sagen. (rallesio beharrt bei der Ansicht, dass die Apfel-
sine zu Anfang des 15. Jahrhunderts nach Europa
eingeführt wurde!; Targioni macht aber, Valeriani zu-
folge, auf eine Verordnung von Fermo aus dem 14. Jahr-
hundert aufmerksam, in welcher von Cedraten, Apfel-
1 Gallesio, S. 321.
Apfelsinenbaum. 231
sinen u. s. w. die Rede ist!, und die neuerdings von
Goeze? nach alten Autoren gesammelten Nachweise über
die Einführung in Spanien und Portugal stimmen mit
diesem Zeitpunkte überein. Es scheint mir somit wahr-
scheinlich, dass die später von China durch die Portu-
giesen erhaltenen Orangen nur bessere waren als die,
welche man vorher in Europa kannte, und dass die
volksthümlichen Namen, wie Orangen von Portugal und
von Lissabon diesem Umstande ihr Entstehen ver-
dankten.
Wenn die Apfelsine seit sehr langer Zeit in Indien
angebaut worden wäre, würde sie auch einen besondern
Namen im Sanskrit gehabt haben, würden die Griechen
sie zur Zeit des Zuges von Alexander gekannt haben,
müssten die Hebräer sie frühzeitig von Mesopotamien
erhalten haben. Man würde jedenfalls diese Frucht im
römischen Kaiserreiche geschätzt, angebaut und ver-
mehrt haben, hätte sie der des Limonen-, Citronen- und
Pomeranzenbaums vorgezogen. Ihr Vorkommen in In-
dien muss somit jüngern Datums sein.
Im Indischen Archipel wurde der Apfelsinenbaum als
von China kommend angesehen.” Zur Zeit der Reise
von Cook war derselbe auf den Inseln der Südsee
wenig verbreitet.{
Auf allen diesen Wegen gelangen wir schliesslich zu
der Ansicht, dass die süsse Varietät des Orangenbaums
aus China und Cochinchina hervorgegangen ist, und
dass sie sich in Indien vielleicht zu Anfang der christ-
lichen Zeitrechnung verbreitet hat. Infolge der Cul-
turen hat sie sich in vielen Gegenden Indiens und in
allen Tropenländern naturalisiren können, wir haben
aber bereits gesehen, dass Samenpflanzen sich nicht
immer zu Apfelsinenbäumen heranbilden. Es dient
1 Auf Seite 205 der Cenni storici gibt Targioni als Datum dieser Ver-
ordnung das Jahr 1379 an, auf Seite 213 dagegen das von 1309.
2 Goeze, Ein Beitrag zur Kenntniss der Orangengewächse (Hamburg
1574), S. 26.
3 Rumphius, Amboin., II, Kap. 42.
4 Forster, Plantae esculentae, S. 35.
232 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
dieser Erblichkeitsmangel in gewissen Fällen zur Be-
gründung der Hypothese eines Uebergangs des Pome-
ranzenbaums in den Apfelsinenbaum, und zwar wäre dies
zu einer fern liegenden Epoche in China und Cochinchina
eingetreten, und man hätte diese Uebergangsform ihres
gärtnerischen Werthes wegen sorgfältig vermehrt.
Citrus nobilis, Loureiro. — Mandarine, Tangerine
(fr. Mandarines).
Diese Art wird jetzt in Europa sehr geschätzt, wie
sie es in China und Cochinchina seit den ältesten Zeiten
wurde. Ihre Frucht ist kleiner als die gewöhnliche Orange
und auf der Oberfläche voller Beulen, sphärisch, aber
nach oben zu platt und besitzt einen ganz besondern
Geschmack. Die Chinesen nennen sie Kan.! Rum-
phius, welcher die Art auf allen Sundainseln angebaut
gesehen hatte?, berichtet, dass sie von China stammte,
.in Indien hatte sie sich aber nicht verbreitet. Rox-
burgh und Sir Joseph Hooker erwähnen sie nicht, von
Clarke erfahre ich aber, dass ihre Cultur in dem Khasia-
District eine grosse Ausdehnung angenommen hat. In
den europäischen Gärten war sie zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts neu, als Andrews im „Botanist Repository
(Fig. 608) eine gute Abbildung von ihr gab.
Nach Loureiro® bewohnt dieser Baum mittlerer Grösse
Cochinchina, und auch, fügt er hinzu, China, obgleich
er ihn in Canton nicht gesehen habe. Dies ist freilich
in Bezug auf die spontane Beschaffenheit keine sehr
genaue Auskunft, doch lässt sich kein anderer Ursprung
voraussetzen. Nach Kurz* wird die Art in Britisch-
Birma nur angebaut. Bestätigt sich dies, so würde das
Vaterland auf Cochinchina und einige Provinzen Chinas
beschränkt sein.
1 Bretschneider, On the value of Chinese bot. works, S. 11.
2 Rumphius, Amboin., II, Taf. 34, 35, wo indessen die Form der Frucht
nicht die unserer Mandarine ist.
3 Loureiro, Fl. cochinch., S. 570.
4 Kurz, Forest Flora of British Burma.
mr
Be
Wohlriechende Mangostane. Aprikose von S.-Domingo. 233
Garcinia Mangostana, Linné. — Wohlriechende Man-
gostane (fr. Mangostan).
Im „Botanical Magazine“ findet sich eine gute Ab-
bildung (Fig. 4847) von diesem Baume aus der Familie
der Guttiferen, dessen Frucht als eine der besten be-
kannten Früchte angesehen wird. Er erheischt ein sehr
heisses Klima, denn Roxburgh konnte ihn in Indien
nicht über 23!/,° nördl. Breite erzielen!, und nach
Jamaica gebracht, hat er nur mittelmässige Früchte ge-
liefert.” Auf den Sunda-Inseln, der Malaiischen Halb-
insel und auf Ceylon wird er angebaut.
In den Wäldern der Sunda-Inseln® und der Malai-
ischen Halbinsel* ist die Art sicherlich spontan. Unter
den angebauten Pflanzen ist sie eine der örtlichsten,
sei es in Bezug auf den ursprünglichen Wohnsitz oder
bezüglich des Anbaues. Sie gehört freilich zu den
Familien, bei welchen die durchschnittliche Verbreitung
der Arten eine äusserst beschränkte ist.
Mammea americana, Jacquin. — Aprikose von San-
Domingo (fr. Abricotier d'Amérique).
Aus der Familie der Guttiferen, wie der Mangostan,
erheischt dieser Baum sehr viel Wärme. Die Eng-
länder nennen ihn Mamey oder Mammee. Obgleich auf
den Antillen und in den wärmsten Theilen Venezuelas
angebaut’, hat man ihn kaum nach Asien und Afrika
- verpflanzt, oder es haben auch die dortigen Anpflanzungs-
versuche keinen Erfolg gehabt, wie wir dies aus dem
Stillschweigen der meisten Schriftsteller schliessen können.
In den Wäldern der meisten der Antillen® ist dieser
Baum bestimmt einheimisch. Jacquin führt ihn auch
1 Royle, Ill. Himalaja, S. 133, und Roxburgh, Flora indica, II, 618.
2 Mac-Fadyen, Flora ir Jamaica, S. 134.
3 Rumphius, Amboin., I, 133; Miquel, Plantae Junghun., I, 290; Flora
indo-batava, Bd. I, Thl. 2, S. 506.
4 Hooker, F1. of Brit. India, I, 260.
5 Ernst, in: Seemann, Journal of Botany, 1867, S. 273; Triana et
Planchon, Prodr. fl. Novo- Granat., S. 285.
6 Sloane, Jamaica, I, 123; Jacquin, Amer., S. 268; Grisebach, Fl. of
Brit. W. India, CT
RN
254 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
für das nahe liegende Festland an, von neuern Au-
toren wird dies aber meines Wissens nach nicht be-
stätigt.
Die beste Abbildung findet sich in Tussac’s „Flore
des Antilles“, III, Fig. 7, und der Verfasser gibt dabei
viele Einzelheiten über die Verwendung der Frucht.
Hibiscus esculentus, Linne. — Okra oder Gombo.
Die noch jungen Früchte dieser einjährigen Malvacee
sind eins der zartesten Gemüse in den Tropenländern.
Die „Flore des Antilles“ von Tussac enthält eine gute
Abbildung der Art und gibt alle Einzelheiten, welche
ein Feinschmecker über die Zubereitungsweise des bei
den Creolen der französischen Inseln so beliebten calou-
lou nur wünschen kann.
Als ich vor Jahren! den Temäch machte, über das
Vaterland dieser in der Alten und Neuen Welt ange-
bauten Pflanze eine Erklärung abzugeben, veranlassten
mich das Fehlen irgendeines Sanskritnamens sowie die
Thatsache, dass die ersten Autoren der indischen
Flora sie wildwachsend nicht gesehen hatten, die Hypo-
these eines asiatischen Ursprungs ganz unberücksichtigt
zu lassen. Da indessen die neuere Flora von Britisch-
Indien? dieselbe als „wahrscheinlich einheimischen Ur-
sprungs‘“ angegeben hat, sah ich mich zu neuen Unter-
suchungen veranlasst.
Obgleich das südliche Asien seit 30 Jahren gut er-
forscht worden ist, wird keine Localität: angegeben,
wo der Gombo spontan oder fast spontan angetroffen
worden sei. Es gibt nicht einmal Fingerzeige für eine
alte Cultur in Asien. Somit kann man nur zwischen
Afrıka und Amerika schwanken.
Die Pflanze ist auf den Antillen von einem guten
Beobachter® spontan gesehen worden, ich finde aber
keine ähnliche Behauptung seitens eines andern Bota-
1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 768. ;
2 Flora of British India, I, 343. 3 Jacquin, Observationes, III, 11.
Okra oder Gombo. 235
nikers, sei es für die Inseln, sei es für das amerika-
nische Festland. Der älteste Autor, welcher über Ja-
maica geschrieben, ist Sloane!, und dieser hat die Art
nur im angebauten Zustande gesehen. Marcgraf? hatte
sie auf den Plantagen in Brasilien gesehen, und da er
einen Namen von Congo und von Angola erwähnt,
nämlich Quillobo, woraus die Portugiesen Quingombo
machten, so findet sich der afrikanische Ursprung schon
dadurch angedeutet.
Schweinfurth und Ascherson®? haben die wildwachsende
Pflanze in der Nilregion, in Nubien, Kordofan, Sennaar,
Abessinien gesehen und auch in Bahr-el-Abiad, woselbst
sie freilich angebaut ist. Es werden noch andere Rei-
sende für in Afrika gesammelte Exemplare erwähnt ®,
dabei wird aber nicht gesagt, ob die Pflanzen angebaut
oder spontan und entfernt von menschlichen Nieder-
lassungen waren. Wir würden noch immer im Zweifel
sein, hätten die Herren Flückiger und Hanburyÿ nicht
eine bibliographische Entdeckung gemacht, welche die
Frage entscheidet. Die Araber nennen den Gombo
Bamyah oder Bâmiat, und Abul-Abbas-Elnabati, welcher
Aegypten lange vor der Entdeckung Amerikas, im Jahre
1216, besucht hatte, hat den Gambo, welcher zu jener
Zeit von den Aegyptern angebaut wurde, sehr deutlich
beschrieben.
Trotz des jedenfalls afrikanischen Ursprungs hat es
nicht den Anschein, als ob man die Pflanze vor der
Epoche der arabischen Oberherrschaft in Niederägypten
angebaut hätte. In den alten Denkmälern hat man
keine Beweise gefunden, wenn auch Rosellini die Pflanze
in einer Abbildung wiederzuerkennen glaubte, die nach
Unger sehr verschieden davon ist.$ Nach Piddington
1 Sloane, Jamaica, I, 223.
2 Marcgraf, Hist. plant., S. 32, mit Abbildungen.
3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 265, unter dem Namen
Abelmoschus.
4 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 207.
5 Flückiger et Hanbury, Drogues, franz. Uebers., I, 132. Die Beschrei-
bung ist im Ebn Baithar (Uebers. von Sondtheimer), I, 118.
6 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 50.
236 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
kommt nur ein einziger Name in den neuern Sprachen
Indiens vor, und findet die Ansicht von einer Verbrei-
tung nach dem Orient seit der christlichen Zeitrechnung
hierin eine Bekräftigung.
Vitis vinifera, Linne. — Edle Weinrebe (fr. Vigne).
Im spontanen Zustande findet sich die Weinrebe im
gemässigten Westasien, in Südeuropa, Algerien und
Marokko.! Ganz insbesondere im Pontus, in Armenien,
im Süden des Kaukasus und des Kaspisees bietet sie
den Anblick einer wildwachsenden Liane, welche hohe
Bäume überzieht und ohne Schnitt oder irgendwelche
Cultur eine Menge von Früchten trägt. Im alten Bak-
trien, in Kabul, Kaschmir und selbst in Badakschan
nördlich vom Hindukusch wird auf ihr kräftiges Wachs-
thum hingewiesen.” Selbstverständlich wirft man sich
da wie anderswo die Frage auf, ob die Pflanzen nicht
von durch Vögel aus Anpflanzungen mitgeführten Samen
abstammen. Jedoch will ich gleich bemerken, dass die
zuverlässigsten Botaniker, welche die transkaukasischen
Provinzen Russlands am meisten durchstreift haben,
über die Spontaneität und das Indigenat der Art in
dieser Region keine Zweifel hegen. Schlägt man den
Weg nach Indien und Arabien, nach Europa und Nord-
afrika ein, so findet man in den betreffenden Arbeiten
über diese Florengebiete sehr häufig den Ausdruck, dass
die Weinrebe „subspontan“ ist, d. h. vielleicht wild-
wachsend oder verwildert.
Die Ausstreuung der Samen durch die Vögel hat sehr
frühzeitig anfangen müssen, sobald überhaupt die Beeren
der Art vorkamen, also vor der Cultur, vor der Wan-
derung der ältesten asiatischen Völker, vielleicht schon
vor dem Auftreten des Menschen in Europa und selbst
1 Grisebach, La végétation du globe, französ. Ausgabe von Tchi-
hatcheff, I, 162, 163, 442; Munby, Catal. Alger.; Ball, Fl. maroccanae spici-
legium, S. 392.
2 Adolphe Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 295, nennt
mehrere Reisende für diese Regionen, unter andern Wood, Journey to
the sources of the Oxus.
Edle Weinrebe. 231
in Asien. Indessen haben die Häufigkeit der Culturen,
die Menge der angebauten Traubensorten die Naturali-
sationen weiter ausdehnen gekonnt, um bei den wild-
wachsenden Weinreben jene durch die Cultur entstan-
dene Mannichfaltigkeit zu bedingen. Offen gestanden,
sind es die natürlichen Agenten, wie Vögel, Winde,
Strömungen gewesen, welche die Wohnplätze der Arten,
ohne dass der Mensch hierbei in Thätigkeit getreten
sei, immer vergrössert haben, und zwar bis zu den
Grenzen, welche in jedem Jahrhundert durch geogra-
phische und physische Bedingungen, sowie durch die
schädliche Einwirkung anderer Gewächse und Thiere
bedingt sind. Ein absolut ursprünglicher Wohnsitz ist
mehr oder minder eine Mythe; allmählich ausgedehnte
oder beschränkte Wohnsitze liegen aber in der Macht
der Ereignisse. Sie begründen mehr oder weniger alte
und wirkliche Heimatsländer, vorausgesetzt, dass sich
die Art, ohne das unaufhörliche Hinzuführen neuer
Samen, dort wildwachsend erhalten hat.
Was nun die Weinrebe betrifft, so liegen uns Beweise
vor von einem in Europa wie in Asien sehr hohen
Alter.
Weinrebensamen sind unter den Pfahlbauten von
Castione bei Parma, die aus der Bronzezeit datiren,
gefunden worden, desgleichen in einer prähistorischen
Station des Sees von Varese? und auch in der Pfahlbauten-
station von Wangen in der Schweiz, in letzterer aber
bei unbestimmter Tiefe. Ja noch mehr! Man hat
Weinrebenblätter in den Tuffsteinen von Montpellier
entdeckt, wo sie sich wahrscheinlich vor der historischen
Epoche abgelagert haben*, sowie auch in denen von
Meyrargue in der Provence, die jedenfalls prähistorisch
1 Sie finden sich abgebildet in: Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten,
S. 24, Fig. 11.
a x on, in: Rivista arch. della prov. di Como (1850), fasc. 17,
. 50 fe.
3 Heer, a. a. O.
4 Planchon, Étude sur les tufs de Montpellier (1864), 8. 63.
238 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
sind, wenn auch jüngern Datums als die Tertiärepoche
der Geologen.!
Ein russischer Botaniker, Kolenati?, hat im südlichen
Kaukasien, ein Land, welches man als Centralpunkt für
die Art hinstellen kann, wo sie vielleicht auch ihren
ältesten Sitz hatte, sehr interessante Beobachtungen
gemacht über die verschiedenen, sei es im spontanen,
sei es im angebauten Zustande auftretenden Formen
der Weinrebe. Seine Arbeit verdient meines Dafür-
haltens noch um so viel mehr Berücksichtigung, da sich
der Verfasser bemüht hat, die Varietäten je nach den
Charakteren der Behaarung und der Benervung der
Blätter einzutheilen; in der Cultur sind solche Charak-
tere ganz unwesentlich, stellen aber um so viel mehr
die in der Natur sich zeigenden Merkmale dar. Dem
Verfasser zufolge gruppiren sich die wildwachsenden
Weinreben, von welchen er ungeheuere Mengen zwischen
dem Schwarzen Meere und dem Kaspisee antraf, in zwei
Unterarten, dieselben sind von ıhm beschrieben, lassen
sich, seiner Aussage nach, leicht von weither erkennen,
und dürften alle angebauten Weinreben, wenigstens in
Armenien und den umliegenden Landschaften,- von ihnen
abstammen. Um den Ararat herum, in einer Zone also,
wo man die Weinrebe nicht anbaut, sie selbst nicht
anbauen könnte, hat er dieselben wieder angetroffen.
Andere Charaktere, beispielsweise die Form und die
Farbe der Beeren, variren in jeder der beiden Unter-
arten. Wir können uns hier bei den streng botanischen
Einzelheiten dieser Arbeit von Kolenati nicht weiter
aufhalten, auch denen einer neuern Arbeit von Regel
über die Gattung Vitis? keine weitere Berücksichtigung
1 De Saporta, La flore des tufs quaternaires de Provence (1867),
S. 15 u. 27. 2
2 Kolenati, in: Bulletin de la Société impériale des naturalistes de
Moscou, 1846, S. 279.
3 Regel, in: Acta horti imper. petrop. In dieser abgekürzten Ueber-
sicht der Gattung lässt Regel die Ansicht laut werden, dass die Fitis vini-
fera zwei wildwachsenden Arten, V. culpina und V. Labrusca, die durch
Hybridisation und Cultur mannichfache Abänderungen erlitten haben, ihr
Dasein verdanken; Beweise hierfür gibt er aber nicht an, und seine Cha-
a
J
ds u zug
we.
Edle Weinrebe. 239
schenken; der Nachweis ist hier aber am Platze, dass
eine seit sehr fern liegenden Zeiten angebaute Art,
deren in verschiedenen Werken beschriebene Formen
sich jetzt vielleicht auf 2000 belaufen, wenn sie in der
Region spontan auftritt, in welcher ihr Vorkommen ein
sehr altes ist, wenigstens zwei Hauptformen und an-
dere von geringerer Wichtigkeit aufweist, vor. allem
Culturanfang wahrscheinlich aufgewiesen hat. Wenn
man mit derselben Sorgfalt die wildwachsenden Wein-
reben Persiens und Kaschmirs, des Libanons und Grie-
chenlands beobachtete, so würden sich vielleicht andere
Unterarten von einem wahrscheinlich prähistorischen
Alter auffinden lassen.
Verschiedene Völker, ganz insbesondere solche des
westlichen Asiens, wo die Weinrebe massenhaft auftrat,
gutes Gedeihen zeigte, haben auf den Gedanken ver-
fallen können, den Traubensaft einzusammeln und aus
seiner Gärung Nutzen zu ziehen. In einer wissen-
schaftlichern Weise als zahlreiche Autoren vor ihm hat
Adolphe Pictet! die geschichtlichen, linguistischen und
selbst mythologischen Fragen in Bezug auf die Wein-
rebe bei den Völkern des Alterthums erörtert, und er
ist zu der Einsicht gelangt, dass die Semiten und die
Arier ebenfalls den Gebrauch des Weines gekannt ha-
ben, sodass sie denselben nach allen Ländern, wohin
sie auswanderten, bis nach Aegypten, Indien und Eu-
ropa, einführen konnten. Ihnen wurde dies um so
leichter, als sie die wildwachsende Pflanze in mehreren
dieser Länder antrafen.
Für Aegypten gehen die Documente über die Cultur
der Weinrebe und über die Kunst der Weinbereitung
auf 5- oder 6000 Jahre zurück.” Im Westen ist die
raktere für die beiden wildwachsenden Arten sind sehr wenig genügend.
Es wäre sehr zu wünschen, dass man bei den Weinreben Asiens und Eu-
ropas, einerlei, ob solche wildwachsend oder angebaut sind, eine Ver-
gleichung ihrer Samen vornähme, denn eben diese bieten, nach den Ar-
beiten Engelmann’s über die amerikanischen Weinreben, ausgezeichnete
Unterschiede dar.
1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 298—321.
2 Delchevalerie, in: Illustration horticole, 1881, S. 28. Er erwähnt
Er > We
240 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Ausbreitung der Cultur durch die Phönizier, Griechen
und Römer genügend bekannt; nach dem östlichen Asien
zu ist sie aber erst spät vor sich gegangen. Die Chi-
nesen, welche die Weinrebe heutzutage in ihren nörd-
lichen Provinzen anbauen, besassen sie nicht vor dem
Jahre 122 unserer Zeitrechnung.! Mehrere wildwach-
sende Weinreben kommen bekanntlich in Nerdchina
vor; ich kann Regel jedoch darin nicht beipflichten,
dass die unserer Weinrebe am nächsten stehende, die
Vitis Amurensis von Ruprecht, zu unserer Art gehöre.
Die in der „Gartenflora“, 1861, Taf. 33, abgebildeten
Samen davon weichen zu sehr ab. Wenn die Frucht
dieser Weinreben des östlichen Asiens irgendwelchen
Werth hätte, würden die Chinesen gewiss den Versuch
gemacht haben, sie zu verwerthen:
Zizyphus vulgaris, Lamarck. — Gemeiner Judendorn
(fr. Jujubier commun).
Nach Plinius? wurde der gemeine Judendorn von
dem Consul Sextus Papinius gegen Ende der Regierung
des Augustus von Syrien nach Rom gebracht. Die Bota-
niker weisen jedoch darauf hin, dass die Art in den
steinigen Gegenden Italiens gemein ıst?, und dass man
sie ausserdem — eine höchst eigenthümliche Thatsache —
wildwachsend in Syrien noch nicht angetroffen hat, ob-
gleich sie dort wie auch in der ganzen Region, welche
sich vom Mittelmeer nach China und Japan erstreckt#,
angebaut wird.
Die Forschung nach dem Ursprunge des gemeinen
Judendorns als wildwachsender Baum trägt trotz der
eben erwähnten Einwendungen zur Bekräftigung der
besonders das Grabdenkmal von Phtah-Hotep, welcher in Memphis 4000
Jahre v. Chr. lebte.
1 Bretschneider, On the value and study of Chinese botanical works,
S. 16.
2 Plinius, Hist., 1. 15, c. 14.
3 Bertoloni, Fl. ital., II, 665; Gussone, Synopsis F1. siculae, II, 276.
4 Willkomm et Lange, Prodr. F1. hispanicae, III, 4850; Desfontaines,
F1. Atlant., I, 200; Boissier, F1. orient., II, 12; J. Hooker, Fl. of Brit.
India, I, 633; Bunge, Enum. plant. Chin., S. 14; Franchet et Sayatier,
Enum. plant. Japon., I, 81. ;
Gemeiner Judendorn. 241
Aussage von Plinius bei. Pflanzensammler und Autoren
von Floren stimmen darin überein, dass die Art im
Osten ihres grossen gegenwärtigen Wohnsitzes spon-
taner und länger angebaut scheint als im Westen des-
selben. So sagt Bunge beispielsweise, dass sie für den
Norden Chinas „in den bergigen Districten sehr gemein
und (ihrer Stacheln wegen) sehr unbequem ist“. Die
stachelige Varietät hat er in den Gärten gesehen. Dr.
Bretschneider! erwähnt die Jujuben unter den in China
gesuchtesten Früchten, die Art führt dort ein einfaches
Schriftzeichen und heisst Tsao. Er führt auch die beiden
Formen an, die stachelige und die stachellose, erstere
als wildwachsend.? Im Süden Chinas und im eigent-
lichen Indien kommt die Art wegen des feuchtwarmen
Klimas nicht vor. Wildwachsend findet man sie ferner
im Pendschab, nordwestlich von Britisch-Indien, sowie
in Persien und Armenien.
Brandis® zählt sieben verschiedene Namen für den
gemeinen Judendorn (oder seiner Varietäten?) in den
neuern Sprachen Indiens auf, einen Sanskritnamen kennt
man aber nicht. Hiernach zu schliessen, ist die Art
vielleicht von China nach Indien zu einer nicht sehr
fern gelegenen Zeit eingeführt worden, alsdann wäre
sie den Culturen entsprungen und in den sehr trocke-
nen Provinzen des Westens als wildwachsende Pflanze
aufgetreten. Der persische Name ist Anob, bei den
Arabern heisst sie Unab. Ein hebräischer Name ist
nicht bekannt, was einen neuen Fingerzeig bieten mag,
dass die Art im westlichen Asien nicht sehr alt ist.
Die alten Griechen haben vom gemeinen Juden-
dorn nicht gesprochen, wol aber von einer andern
Art, Zizyphus Lotus. Dies ist wenigstens die Mei-
nung des Botanikers Lenz.* Der neugriechische
Name Pritzuphuia steht freilich in keiner Beziehung
1 Bretschneider, On the study etc., S. 11.
2 Der Zyzyphus chinensis mehrerer Autoren ist dieselbe Art.
3 Brandis, Forest Flora of Brit. India, S. 84.
4 Lenz, Botanik der Alten, S. 651.
DE CANDOLLE. 16
249 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
zu den Namen, welche von Theophrast oder Dioscorides
einst auf eine Zizyphus bezogen wurden, sondern nähert
sich dem lateinischen Namen Zizyphus (die Frucht Zizy-
phum) des Plinius, welcher sich bei noch ältern Au-
toren nicht findet und eher orientalischer als latei-
nischer Abstammung zu sein scheint. Heldreich! lässt
den wildwachsenden Judendorn für Griechenland nicht
zu, und andere stellen ıhn als ,,naturalisirt, sub-
spontan“ hin, was die Hypothese von einem jüngern
Auftreten bestätigt. Dieselben Gründe beziehen sich
auf Italien. Die Art kann sich somit seit der von
Plinius erwähnten Einführung in den Gärten dort na-
turalisirt haben.
In Algerien ist der Judendorn nur angebaut oder
„subspontan“.?” Dasselbe ist in Spanien der Fall. Für
Marokko wird er nicht aufgeführt, ebenfalls nicht für
die Canarischen Inseln, was ein wenig altes Auftreten
in der Mittelmeerregion vermuthen lässt.
Ich halte es somit für wahrscheinlich, dass die Art
in Nordchina ursprünglich zu Hause ist, dass sie nach
der Epoche der Sanskritsprache, vor etwa 2500 oder
3000 Jahren, im westlichen Asien eingeführt und natu-
ralisirt wurde, dass die Griechen und Römer sie zu
Anfang unserer Zeitrechnung erhielten, und dass letztere
sie nach der Berberei und nach Spanien brachten, wo
sie sich infolge der Culturen in einer oft zweifelhaften
Weise naturalisirt hat.
Zizyphus Lotus, Desfontaines. — Afrikanischer Brust-
beerenbaum (fr. Jujubier Lotus).
Nur vom historischen Standpunkte aus verdient die
Frucht dieser Art hier besprochen zu werden. Es wird
gesagt, dass dieselbe die Nahrung der Lothophagen
ausmachte, ein an der Küste Libyens wohnendes Volk,
von welchem Homer und Herodot? mehr oder minder
1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 57.
2 Munby, Catal., 2. Aufl., 8. 9.
3 Odyssee, I. 1, v. 9; Herodot, 1. 4, S. 177; übersetzt in: Lenz, Bota-
nik der Alten, S. 653.
Echter Jujubendorn. 243
genau berichtet haben. Man musste in jenem Lande
schon recht arm oder mässig sein, denn eine Beere von
der Grösse einer kleinen Kirsche, die einen schalen Ge-
schmack hat und nur wenig zuckerhaltig ist, würde
gewöhnliche Menschen nicht zufrieden stellen.
Es liegt kein Beweis vor, dass die Lotophagen die-
sen kleinen Baum oder Strauch anzubauen pflegten.
Zweifelsohne sammelten sie seine Früchte auf freiem
Felde ein, denn die Art ist in Nordafrika ziemlich ge-
wöhnlich. In einer Ausgabe von Theophrast findet sich
allerdings die Angabe, dass es Früchte dieser Art ohne
Kerne gab, was eine Cultur voraussetzt.! Man pflanzte
dieselben in den Gärten, wie dies noch heutzutage in
Aegypten geschieht?; es scheint aber nicht, als ob die-
ser Brauch selbst bei den Alten häufig gewesen sei.
Uebrigens sind sehr verschiedene Meinungen über
den Lotos der Lotophagen? zu Tage getreten, und
man darf einer so dunkeln Frage, bei welcher die
Einbildungskraft eines Dichters, die im Volke verbrei-
tete Unwissenheit eine grosse Rolle spielen konnten,
nicht allzu viel Gewicht beilegen.
Von Aegypten bis nach Marokko, in Südspanien, in
Terracina und bei Palermo wird dieser Baum gegen-
wärtig wildwachsend angetroffen.* In diesen isolirten
italienischen Localitäten ist es wahrscheinlich die Folge
von Culturen.
Zizyphus Jujuba, Lamarck. — Echter Jujubendorn
(fr. Jujubier de l'Inde‘, Ber der Hindus und Anglo-
Inder, Masson auf der Insel Mauritius).
Im Süden wird diese Jujubenart mehr angebaut als
1 Theophrastus, Hist., 1.4, c.4, Ausg. von 1644. Die Ausgabe von 1613
enthält nicht die hierauf bezüglichen Worte.
2 Schweinfurth und Ascherson, Beitr. zur Flora Aethiopiens, S. 263.
3 Vgl. den Artikel über den Johannisbrotbaum.
4 Desfontaines, F1 atlant., I, 200; Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 9;
Ball, Spicil. fl. Marocc., S. 301; Willkomm et Lange, Prodr. fl, hisp., III,
481; Bertoloni, Fl. ital., II, 664. !
5 Dieser wenig gebräuchliche Name findet sich schon bei Bauhin in
der Form von Jujuba indica.
16*
244 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
die gemeine. Die Frucht gleicht bald einer Kirsche
vor der Reife, bald einer Olive, wie dies aus der von
Bouton in Hooker’s „Journal of Botany“, I, Taf. 140,
veröffentlichten Abbildung hervorgeht. Die Anzahl der
bekannten Varietäten weist auf eine sehr alte Cultur
hin. Dieselbe erstreckt sich gegenwärtig vom südlichen
China, dem Indischen Archipel und Queensland durch
Arabien und Aegypten hindurch bis nach Marokko, und
selbst bis nach dem Senegal, nach Guinea und Angola.!
Man trifft sie ebenfalls auf der Insel Mauritius an, es
scheint aber nicht, dass man sie bisjetzt nach Amerika
eingeführt habe, es sei denn, nach einem Exemplar
meines Herbars zu schliessen, in Brasilien.? Nach den
Aussagen der Autoren ist diese Frucht der gewöhn-
en Jujube vorzuziehen.
Welches war der Wohnsitz der Art vor dem Beginn
aller Cultur? Dies zu ergründen hält nicht leicht,
weil die Kerne sich leicht aussäen und die Naturali-
sation der Pflanze ausserhalb der Gärten bewirken.?
Wenn wir uns durch die Häufigkeit im wildwachsen-
den Zustande leiten lassen, so scheint es, als ob Birma
und Britisch-Indien das alte Vaterland sein könnten.
In meinem Herbar besitze ich mehrere von Wallich im
Königreich Birma gesammelte Exemplare, und Kurz hat
die Art in den trockenen Waldungen dieses Landes bei
Ava und Prome häufig angetroffen.* Beddone lässt die
Art für die Wälder von Britisch-Indien als wildwachsend
zu, Brandis hat sie jedoch nur in solchen Localitäten
gefunden, wo Niederlassungen von Eingeborenen ge-
wesen waren.ÿ Früher als diese Autoren beschrieb
Rheede® im 17. Jahrhundert diesen Baum als in Mala-
1 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, I, 632; Brandis, Forest Flora
of India, I, 87; Bentham, F1. Austral., I, 412; Boissier, F1. orient., II, 13;
Oliver, Fl. of tropical Africa, I, 379.
2 Von Martius herrührend, Nr. 1070, vom Cabo frio.
3 Bouton, a. a. O.; Baker, Fl. of Mauritius, S. 61; Brandis, a. a. O.
4 Kurz, Forest Flora of Burma, I, 266.
5 Beddone, Forest Flora of India, I, Fig.149 (die wildwachsende Frucht
darstellend, welche kleiner ist als die angebaute); Brandis, a. a. O
6 Rheede, IV, Fig. 141.
Kaschu- oder Acajoubaum. 245
bar wildwachsend, und die Botaniker des 16. Jahrhun-
derts hatten ihn von Bengalen erhalten.
Das Vorkommen von drei Sanskritnamen und von elf
andern Namen in den neuern indischen Sprachen kann
als Stütze für den indischen Ursprung angesehen werden.!
Die Einführung nach Amboina, nach dem östlichen
Theile des Archipels war noch neu, als Rumphius
sich dort aufhielt?, und er gibt selbst die Art als in-
dische an. Vielleicht fand sie sich vor alters auf Su-
matra und andern der Malaiischen Halbinsel nahe ge-
legenen Inseln. Die alten Autoren Chinas erwähnen sie
nicht, wenigstens ist dem Dr. Bretschneider solches nicht
bekannt. Die im Süden und Osten des indischen Fest-
landes stattfindende Ausdehnuug und Naturalisation
scheinen somit nicht weit zurückzugehen.
In Arabien und Aegypten muss die Einführung noch
jüngern Datums sein. Dort war kein alter Name be-
kannt, und weder haben Forskal vor 100 Jahren noch
Delile zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts die
Art gesehen, welche Schweinfurth neuerdings als ange-
baut anführt. Von Asien muss sie sich nach Zanzibar
und so immer weiter von Ort zu Ort durch Afrika
hindurch, oder mit Hülfe der europäischen Schiffahrt
bis nach der Westküste ausgebreitet haben. Doch
dürfte dies erst ziemlich neuen Datums sein, denn
Robert Brown (,„Bot. of Congo“) und Thonning haben
von der Art in Guinea keine Kenntniss gehabt.’
Anacardium occidentale, Linné. — Kaschu- oder
Acajoubaum (engl. Cashew, fr. Pommier d’Acajou).
Man hat früher die falschesten Behauptungen über
den Ursprung dieses Baumes* aufgestellt, und finden
1 Piddinston, Index. 2 Rumphius, Amb., II, Taf. 36.
3 Zizyphus abyssinicus, Hochst., scheint eine verschiedene Art.
4 Tussac, Flore des Antilles, III, 55 (woselbst Taf. 13 eine sehr gute
Abbildung gegeben wird), sagt, dass diese Art von Ostindien stamme, wo-
durch der Irrthum von Linné, welcher Amerika und Asien als Vaterland
ansah, noch erschwert wird,
246 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
sich solche trotz meiner im Jahre 1855 erfolgten Aus-
emandersetzung ! noch hier und da wiederholt.
Der französische Name Pommier d’Acajou ist so
lächerlich wie möglich. Es handelt sich hier um einen
Baum aus der Familie der Terebinthaceen (oder Ana-
cardiaceen), der von jenen der Rosaceen und der Melia-
ceen, zu welchen die Apfelbäume und der Acajou (Maha-
gonibaum) gehören, sehr verschieden ist. Der essbare
Theil gleicht eher einer Birne als einem Apfel, und im
botanischen Sinne ist es keine Frucht, sondern der
Blütenstiel oder Fruchtträger, der mit einer grossen
Bohne Aehnlichkeit hat. Die beiden Namen, der fran-
zösische und der englische, stammen von einem Namen
der Eingeborenen Brasiliens ab, nämlich von Acaju,
Acajaiba, welchen alte Reisende anführen.?
In den Wäldern des intertropischen Amerika und
selbst in einer grossen Ausdehnung dieser Region, z. B.
in Brasilien, Guyana, am Isthmus von Panama und auf.
den Antillen, ist die Art sicherlich spontan.” Dr. Ernst?
hält sie nur in jenem Lande, welches dem Amazonen-
strome zunächst liegt, für ursprünglich einheimisch, ob-
gleich er sie auch von Cuba, Panama, Ecuador und
Neugranada kennt. Er stützt sich darauf, dass die
spanischen Schriftsteller zur Zeit der Eroberung von
ihr nicht gesprochen haben, doch ist dies ein nega-
tiver Beweis, welchen man für eine einfache Wahr-
scheinlichkeit nehmen muss.
Rheede und Rumphius hatten diesen Baum auch für
Südasien angegeben. Ersterer sagt, dass er in Malabar
gewöhnlich ist.° Das gleichzeitige Auftreten ein und
derselben tropischen Baumart in Asien und in Amerika
war so wenig wahrscheinlich, dass man zunächst eine
1 Géographie botanique raisonnée, S. 873.
2 Piso et Marcgraf, Historia rerum naturalium Brasiliae (1648), S. 57.
3 Vgl. Piso et Marcgraf, a. a. O.; Aublet, Guyane, S. 392; Seemann,
Botany of the Herald, S. 106; Jacquin, Amériq., S. 124; Mac-Fadyen, Pl.
Jamaic., S. 119; Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 176.
4 Ernst, in: Seemann’s Journal of Bot., 1867, S. 273.
5 Rheede, Malabar, III, Taf. 54.
sn.
Kaschu- oder Acajoubaum. 247
_specifische Unterscheidung oder wenigstens solche einer
Varietät muthmaasste; dies hat sich aber nicht be-
stätigt. Verschiedene Gründe, historische und linguisti-
sche, hatten mich auf einen Asien fremden Ursprung
hingewiesen. Ausserdem sprach der immer genaue
Rumphius von einer alten Einführung, welche von Ame-
rika nach dem Asiatischen Archipel durch die Portu-
giesen bewerkstelligt worden war. Der von ihm ci-
tirte malaiische Name Cadju ist amerikanisch; jener in
Amboina gebräuchliche bedeutete Frucht von Portugal,
und der von Macassar bezog sich auf eine Aehnlichkeit
mit der Frucht der Jambosa. „Die Art war“, sagt
Rumphius, „auf den Inseln nicht sehr verbreitet“; Garcia
ab Orto hatte sie 1550 in Goa nicht angetroffen, dann
hatte Acosta sie aber in Cochin gesehen, und sie war
von den Portugiesen in Indien und dem Indischen Ar-
chipel vermehrt worden. Auf Java wird die Art, nach
Blume und Miquel, nur angebaut. Freilich berichtet
Rheede, dass sie in Malabar sehr häufig ist (provenit
ubique), er führt aber nur einen Namen an, welcher
indisch scheint, Kapa-mava, während die andern von
dem amerikanischen Namen abstammen. Piddington
führt keinen Sanskritnamen an. Nachdem die anglo-
indischen Botaniker zu Anfang über den Ursprung
Zweifel gehegt, geben sie schliesslich eine Einführung
von Amerika während einer schon alten Epoche zu.
Sie fügen hinzu, dass sich die Art in den Wäldern
von Britisch-Indien naturalisirt habe.?
Das afrikanische Indigenat ist noch anfechtbarer, und
es wird nicht schwer, hierfür den Nachweis zu liefern.
Loureiro ? hatte die Art an der Ostküste dieses Conti-
nents gesehen, er vermuthete aber einen amerikanischen
Ursprung. Thonning hat sie in Guinea nicht gesehen,
und von Brown wurde sie im Congogebiet nicht ange-
1 Rumphius, Herb. Amboin., I, 177, 178.
LE done, Flora sylvatica, Taf. 163; Hooker, Flora of British India,
” 8 Loureiro, Fl. cochinch., 8. 304.
948 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
geben. Allerdings finden sich im Herbarium zu Kew
Exemplare, die von letzterm Lande und den Inseln
des Golfs von Guinea stammen, jedoch spricht Oliver
nur von der angebauten Art.? Da der Wohnsitz dieses
Baumes in Amerika ein ausgedehnter ist, und sich der-
selbe seit zwei Jahrhunderten in mehreren Regionen
Indiens naturalisirt hat, so würde er ebenfalls auf einem
weiten Gebiete des intertropischen Afrika vorkommen,
wenn er überhaupt in diesem Welttheile einheimisch
wäre.
Mangifera indica, Linne. — Mangobaum (fr. Manguier).
Aus derselben Familie wie der Acajoubaum, gibt
dieser Baum jedoch eine wirkliche Frucht, die in Form
und Farbe an eine Aprikose erinnert.?
Man kann über seinen südasiatischen Ursprung oder
einen solchen vom Indischen Archipel nicht zweifelhaft
sein, sobald man die grosse Anzahl der angebauten
Varietäten in diesen Ländern sieht, sich die Menge der
alten volksthümlichen Namen, besonders einen Sanskrit-
namen * vergegenwärtigt, und sein häufiges Vorkommen
in den Gärten von Bengalen, der Indischen Halbinsel
und Ceylon selbst zu Rheede’s Zeiten berücksichtigt.
Nach China hin war seine Cultur eine weniger verbreı-
tete, denn von Loureiro wird sie nur für Cochinchina
angeführt. Rumphius* zufolge hatte man sie seit Menschen-
gedenken auf gewissen Inseln des Asiatischen Archipels
eingeführt. Zur Zeit der Cook’schen Expedition wird
die Art von Forster in seiner Arbeit über die Früchte
der Südsee nicht erwähnt. Der volksthümliche Name
auf den Philippinen, Manga‘, weist auf einen fremden
Ursprung hin, denn es ist der malaiische und spanische
Name. In Ceylon heisst sie Ambe, was mit dem San-
skrit Amra übereinstimmt, aus welchem der persische
1 Brown, Congo, S. 12 u. 49.
2 Oliver, Flora of trop. Africa, I, 443.
3 Vgl. Taf. 4510 im Botanical Magazine.
4 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., II, 435; Piddington, Index.
5 Rumphius, Herb. Amboin., I, 95. 6 Blanco, Fl. Filip., S. 181.
Mangobaum. 249
und arabische Name Amb!, die neuern indischen Namen
und vielleicht die malaiischen Namen Mangka, Manga,
Manpelaan, welche von Rumphius angegeben werden,
entstanden sind. Es gibt indessen auch noch andere
auf den Sundainseln, den Molukken und in Cochinchina
gebräuchliche Namen. Die Verschiedenartigkeit dieser
Namen lässt, im Widerspruch mit der Meinung von
Rumphius, eine alte Einführung im Indischen Archipel
voraussetzen.
Die von diesem Autor auf Java im wildwachsenden
Zustande gesehenen Mangiferen, sowie auch die von
Roxburgh in Silhet entdeckte Mangifera sylvatica sind
andere Arten; der echte Mango wird aber von den
neuern Autoren in den Wäldern Ceylons, den Gegenden
am Fusse des Himalaja, besonders nach Osten zu, in
Arracan, Pegu und auf den Andamaneninseln als spontan
angegeben.” Miquel führt ihn auf keiner der Inseln
des Malaiischen Archipels als wildwachsend an. Trotz
des Wohnsitzes auf Ceylon und den freilich weniger be-
stätigenden Angaben des Sir J. Hooker in der Flora
von Britisch-Indien. ist die Art auf der Indischen Halb-
insel wahrscheinlich selten oder auch nur naturalisirt.
Die Grösse der Samen ist eine so bedeutende, dass die
Vögel sie nicht fortschaffen können, die Häufigkeit der
Cultur führt aber eine Ausstreuung durch den Menschen
herbei. Wenn der Mangobaum im Westen von Britisch-
Indien nur naturalisirt ist, so muss dies in Anbetracht
eines Sanskritnamens schon seit sehr langer Zeit der
Fall sein. Die Völker des westlichen Asiens müssen ihn
andererseits erst ziemlich spät kennen gelernt haben,
weil sie die Art nicht nach Aegypten oder anderswo
nach Westen hin gebracht haben.
Gegenwärtig baut man sie im intertropischen Afrika
an, auch selbst auf Mauritius und den Seychellen,
1 Rumphius, a. a. O.; Forskal, S. CVII.
2 Thwaites, Enum. plant. Ceylonae, S. 75; Stuart and Brandis, Forest
Flora, S. 126; Hooker, Flora of Brit. India, II, 13; Kurz, Forest Flora of
Brit. Burma, I, 304.
250 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
woselbst sie sich in den Wäldern etwas naturali-
sirt hat.!
Brasilien war das erste Land in Amerika, wohin die
Art eingeführt wurde, denn von dort liess man gegen
Mitte des verflossenen Jahrhunderts Mangosamen nach
Barbadoes kommen.” Ein französisches Schiff brachte
im Jahre 1782 Pflanzen dieses Baumes von Bourbon
nach San-Domingo, unterwegs wurde dasselbe von den
Engländern gekapert, und diese brachten die jungen
Mangobäume nach Jamaica, wo sie herrlich gediehen.
Zur Zeit der Freilassung der Negersklaven, als die
Kaffeeplantagen aufgegeben wurden, bildete der Mango-
baum, dessen Samen von den Schwarzen überall hin
ausgestreut wurden, auf dieser Insel Wälder, welche
ihrer schattengebenden Eigenschaften, der nahrhaften
Früchte wegen zu einer Quelle des Reichthums ge-
worden sind.” Zu Aublet’s Zeiten, Ende des 18. Jahr-
hunderts, war der Mangobaum in Cayenne noch nicht
angebaut, gegenwärtig gibt es in dieser Colonie ganz
vorzügliche Mangofrüchte. Die Bäume sind meisten-
theils gepfropft, weil man die Erfahrung gemacht hat,
dass solche bessere Früchte liefern als die unveredelten,
aus Samen erzielten.#
Spondias dulcis, Forster. — Süsse Monbinpflaume
(fr. Evi).
Dieser Baum aus der Familie der Anacardiaceen ist
auf den Gesellschafts-, Freundschafts- und Fidschi-
Inseln einheimisch.® Seine Früchte dienten den Ein-
geborenen zur Nahrung, als Kapitän Cook dort lan-
dete. Sie gleichen einer grossen gedörrten Pflaume,
sind von der Farbe eines Apfels und enthalten einen
1 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 442; Baker, Flora of Mauritius
and Seychelles, S. 63.
2 Hughes, Barbadoes, S. 177.
3 Mac-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 221; Sir J. Hooker, Discours à
l’'Institution royale, übers. in Ann. sc. nat., Serie 6, VI, 320.
4 Sagot, Journal de la Soc. centr. d’agric. de France (1872).
5 Forster, De plantis esculentis insularum oceani australis, S. 33;
Seemann, Flora Vitiensis, S. 31; Nadaud, Enum. des plantes de Taiti, S. 75.
ne ‘lé
. mit langen, hakenförmigen Spitzen bedeckten Kern.
Walderdbeere, 251
1
Nach den Aussagen der Reisenden ist der Geschmack
ein vorzüglicher. Dieser Baum gehört nicht zu den
in den Colonien verbreitetsten Fruchtbäumen; man baut
ihn jedoch auf den Inseln Mauritius und Bourbon unter
dem ursprünglich polynesischen Namen Evi oder Hewi?
desgleichen auf den Antillen. Im Jahre 1782 wurde
er nach Jamaica eingeführt und von da gelangte er
nach San-Domingo. Dass er in vielen der heissen Länder
Asiens und Afrikas fehlt, ist wahrscheinlich dem Um-
stande zuzuschreiben, dass er erst vor einem Jahrhun-
dert auf kleinen Inseln entdeckt wurde, die mit dem
Auslande in keinem Verkehr standen.
Fragaria vesca, Linne. — Walderdbeere (fr. Fraisier).
Unsere gemeine Walderdbeere gehört zu den auf der
Erde verbreitetsten Pflanzen, was zum Theil der Klein-
heit ihrer Samen zuzuschreiben ist, welche die Vögel,
angezogen durch den fleischigen Theil, auf welchem die-
selben eingebettet sind, nach weiten Entfernungen fort-
schaffen.
In Europa int die Pflanze von den Shetlands-
inseln und Lappland? bis nach den gebirgigen Gegenden
des Südens, in Madeira, Spanien, Sicilien und Griechen-
land * wildwachsend vor. Man findet sie auch in Asien,
und zwar vom nördlichen Syrien und Armenien bis
‘nach Daurien. Die Erdbeeren des Himalaja und Ja-
pans®, welche verschiedene Autoren zu dieser Art brin-
gen, gehören möglicherweise zu einer andern’, und ich
stelle demnach auch den von einem Missionar? für China
1 Vgl. die gut colorirte Abbildung von Tussac, Flore des Antilles,
III, Taf. 28.
2 Bojer, Hortus mauritianus, S. 81.
3 H. C. Watson, Compendium Cybele brit., I, 160; Fries, Summa veg.
Scand., S. 44.
4 Lowe, Manual fl. of Madeira, S. 246; Willkomm et Lange, Prodr.
fl. hisp., III, 324; Moris, Flora sardoa, II, 17.
5 Boissier, a. 2.0. 6 Ledebour, Flora rossica, II, 64.
7 Gay, ebend.; Hooker, Fl. Brit. India, II, 344; Franchet et Savatier,
Enum. pl. Japon., I, 129.
8 Perny, Propag. de la foi, citirt in: Decaisne, Jardin fruitier du Mus.,
S. 27; J. Gay, ebend., S. 27, gibt China nicht an.
252 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
angegebenen Standort in Frage. Auf Island! ist die
Walderdbeere spontan, desgleichen im Nordosten der
Vereinigten Staaten?, beim Fort Cumberland und an
der Nordwestküste ?, vielleicht auch in der Sierra Ne-
vada Californiens.* Der Wohnsitz erstreckt sich somit
um den Nordpol, mit Ausnahme von Ostsibirien und
der Amurregion, denn Maximowicz führt die Art in
seinen „Primitiae florae amurensis“ nicht an. In Ame-
rika dehnt sich der Wohnsitz bis nach den Höhen
Mexicos aus, denn die Fragaria mexicana, welche im
pariser Pflanzengarten cultivirt wird, ist nach J. Gay’s
Untersuchungen nichts anderes als F. vesca. Nach dem
in dieser Frage sehr competenten Botaniker kommt sie
auch in der Nähe von Quito vor.?
Von den Griechen und Römern wurde die Erdbeere
nicht angebaut. Wahrscheinlich führte man ihre Cultur
im 15. oder 16. Jahrhundert nach diesen Ländern ein.
Im 16. Jahrhundert sprach Champier von ihr als einer
Neuheit für den Norden Frankreichs®; im Süden und
auch in England? war sie damals schon bekannt.
Nach den Gärten der Colonien gebracht, hat sich die
Erdbeere in einigen feucht gelegenen Localitäten, fern
von menschlichen Wohnplätzen, naturalisirt. Das ist in
Jamaica®, auf der Insel Mauritius? und noch mehr auf
der Insel Bourbon eingetreten, wo Pflanzen von Com-
merson nach der hohen, sogenannten Kaffernebene ge-
bracht worden waren. Bory Saint-Vincent berichtet,
dass er 1801 daselbst Plätze angetroffen‘ hätte, die
ganz mit rothen Erdbeeren bedeckt waren, sodass die
Füsse beim Hindurchschreiten von einem wirklichen, mit
1 Babington, in: Journal of Linn. Soc., XI, 303; Gay, a. a. O.
2 A. Gray, Botany of the Northern Staates (1868), S. 156.
3 Sir W. Hooker, F1. bor. amer., I, 184.
4 A. Gray, Bot. of California, I, 176.
5 J. Gay, in: Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Fraisier, S. 30.
6 Le Grand d’Aussy, Histoire de la vie privée des Francais, I, 233, u. III,
7 Olivier de Serres, Théâtre d’agric., S. 511; Gerard, nach Phillips,
Pomarium britannicum, S. 334.
8 Purdie, in: Hooker, London Journal of Botany, 1844, S. 515.
9 Bojer, Hortus mauritianus, S. 127.
ai A ET DE u Aue Em
Erdbeeren. 253
vulkanischem Schlamme vermischten Brei gefärbt wur-
den.! Wahrscheinlich lassen sich in Tasmanien, Neu-
seeland und anderswo ähnliche Naturalisationen antreffen.
Die Gattung Fragaria ist mit mehr Sorgfalt als viele
andere Gattungen untersucht worden von Duchesne Sohn,
dem Grafen von Lambertye, Jacques Gay, und ganz ins-
besondere von Frau Elisa Vilmorin, deren Scharfsinn
im Beobachten des Namens so würdig war, welchen
sie trug. Eine kurze Uebersicht ihrer Arbeiten mit
ausgezeichneten colorirten Abbildungen findet sich in
Decaisne’s ,, Jardin fruitier du Museum“. Grosse
Schwierigkeiten wurden von diesen Autoren überwunden,
um die Varietäten und Bastarde, die in den Gärten
vervielfältigt werden, von den wirklichen Arten zu tren-
nen und um diese auf gute Charaktere zu begründen.
Einige Erdbeeren mit mittelmässigen Früchten hat man
nicht weiter berücksichtigt, und die jetzt als beste
Sorten anerkannten wurden durch Kreuzung der Arten
von Virginien und Chile, auf welche ich jetzt zu sprechen
komme, erzielt.
Fragaria virginiana, Ehrhart. — Virginische oder
Scharlacherdbeere (Fraisier de Virginie oder Fr. écarlate).
Diese in Canada und im Osten der Vereinigten Staaten
einheimische Art, von welcher sich eine Varietät nach
Westen hin bis zu den Felsengebirgen, vielleicht selbst
. bis nach dem Oregongebiet erstreckt?, wurde im Jahre
1629 in die englischen Gärten eingeführt.” Im ver-
flossenen Jahrhundert wurde sie vielfach in Frankreich
angebaut, jetzt werden ihre mit andern Arten erzielten
Hybriden mehr geschätzt.
Fragaria Chiloensis, Duchesne. — Chilenische oder
Riesenerdbeere (fr. Fraisier du Chili).
A rs Bory Saint-Vincent, Comptes-rendus de l’Acad. des sc., 1836, Sem. 2,
103%
2 Asa Gray, Manual of bot. of the North. States (1868), S. 155; Botany
of California, I, 177.
3 Phillips, Pomarium brit., S. 335.
254 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Eine im südlichen Chile — Concepcion, Valdivia
und Chiloee — gewöhnliche Art!, die hier häufig
angebaut wird. Frezier brachte sie 1715 nach Frank-
reich. Sie wurde alsdann im pariser Pflanzengarten
angebaut, und verbreitete sich bald nach England und
anderweit. Durch verschiedene Kreuzungen, nament-
lich mit der F. virginiana, hat man von dieser sehr
grossfrüchtigen, äusserst wohlschmeckenden Art Erd-
beersorten, wie Ananas, Victoria, Trollope, Rubis u. s. w.
erzielt, deren Werth allgemein anerkannt ist.
Prunus avium, Linne. — Süsskirschenbaum (fr. Ceri-
sier des oiseaux).
Ich bediene mich hier des Wortes Kirschbaum, weil
es das gebräuchliche ist und den angebauten Arten oder
Varietäten dabei nicht zu nahe getreten wird, jedoch
hat das Studium der nahe stehenden, nicht angebauten
Arten die Meinung Linne’s bestätigt, nach welcher die
Kirschbäume als Gattung von den Pflaumenbäumen
nicht getrennt werden können.
Alle Varietäten angebauter Kirschbäume lassen sich
auf zwei im wildwachsenden Zustande auftretende Arten
zurückführen, nämlich: 1) Prunus avium, Linne, von
hohem Wuchse, die aus den Wurzeln keine Schösslinge
macht, bei welcher die untere Seite der Blätter behaart
ist, und deren Frucht einen süssen Geschmack hat; 2)
Prunus Cerasus, Linne, von weniger hohem Wuchse,
Schösslinge aus den Wurzeln treibend, mit ganz kahlen
Blättern, und einer mehr oder minder sauern oder
bittern Frucht.
Die erste dieser beiden Arten, von welcher der spa-
nische gefleckte Herzkirschenbaum und der rothe Süss-
kirschenbaum abstammen sollen, findet sich wildwach-
send in Asien, nämlich ın den Wäldern von Ghilan
(Nordpersien), in den russischen Provinzen des süd-
lichen Kaukasien und Armenien?; in Europa: in Süd-
1 Cl. Gay, Hist. Chili, Botanica, II, 305.
2 Ledebour, Flora rossica, II, 6; Boissier, Fl. orient., II, 649.
Süsskirschenbaum. 255
russland, und gemeiniglich vom südlichen, Schweden
bis nach den gebirgigen Theilen Griechenlands, Italiens
und Spaniens. Selbst in Algerien kommt sie vor.?
Je mehr man sich von der im Süden des Kaspisees
und des Schwarzen Meeres gelegenen Region entfernt,
um so spärlicher scheint der Süsskirschenbaum auizu-
treten, sein Wohnsitz um so viel weniger ursprünglich
zu sein, dagegen vielleicht mehr durch Vögel bestimmt
zu werden, welche seinen Früchten gierig nachstellen
und die Kerne weiter fortschaffen.” Es unterliegt kei-
nem Zweifel, dass sich die Art auf diese Weise in-
folge der Culturen in Nordindien®, in vielen Ebenen
des südlichen Europa, auf Madeira? und hier und da
in den Vereinigten Staaten® naturalisirt hat; wahr-
scheinlich ist es jedoch, dass dies für den grössten
Theil Europas zu sehr alten, prähistorischen Zeiten
eingetreten ist, da die Vögel vor den ersten Völker-
wanderungen, selbst vor dem Auftreten des Menschen
in Europa, in dieser Weise thätig waren. Mit der Ab-
nahme der Eisberge hätte sich dann der Wohnsitz in
dieser Region weiter‘ ausgebreitet.
Die volksthümlichen Namen in den alten Sprachen
hat Adolphe Pictet einer gelehrten Erörterung unter-
zogen‘, in Bezug auf den Ursprung lässt sich aber
nichts daraus ableiten, und ausserdem hat man in der
populären Nomenclatur die verschiedenen Arten oder
"Varietäten häufig miteinander verwechselt. Von viel
grösserer Wichtigkeit ist es, zu erfahren, ob die Archäo-
logie uns über das Auftreten des Süsskirschenbaumes
in Europa zu prähistorischen Zeiten Kunde gibt.
1 Ledebour, a. a. O.; Fries, Summa Scandin., S. 46; Nyman, Conspec-
tus fl. europ., S. 213; Boissier, a. a. O.; Willkomm et Lange, Prodr. fl.
hisp., III, 245.
2 Munby, Catal. Alg., 2. Aufl., S. 8.
3 Da die Vögel nach der Reifezeit der Kirschen ihren Zug beginnen,
so streuen sie die Kerne besonders in der Nähe der Anpflanzungen aus.
4 Sir J. Hooker, F1. of Brit. India.
5 Lowe, Manual fl. of Madeira, S. 235.
6 Darlington, F1. cestrica, 3. Aufl., S. 73.
7 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2, Aufl., I, 281.
256 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Heer hat in seiner Arbeit über die Pfahlbauten der
westlichen Schweiz Kerne von Prunus avium abgebildet.!
Nach seinen mir gütigst gemachten Mittheilungen vom
14. April 1881 kamen diese Kerne aus einem oberhalb
alter Ablagerungen des Steinalters befindlichen Torf-
lager. In den Pfahlbauten des Sees von Bourget hat de
Mortillet? ähnliche Kerne nachgewiesen, und diese Pala-
fitten datiren aus einer nicht sehr fern gelegenen, dem
Steinalter folgenden Zeit. Von Dr. Gross erhielt ich solche
Kerne von der ebenfalls verhältnissmässig weniger alten
Corcelette-Fundstätte im Neuenburgersee, und die Herren
Strobel und Pigorini haben solche auch in der „Terramare“
von Parma? entdeckt. Es handelt sich hier immer um
Stationen, die dem Steinalter folgen und vielleicht aus
einer historischen Zeit stammen. Falls keine ältern
Kerne dieser Art in Europa entdeckt werden, liegt die
Wahrscheinlichkeit vor, dass die Naturalisation nicht
vor den Wanderungen der Arier erfolgte.
Prunus Cerasus, Linne. Cerasus vulgaris, Miller. —
Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum (engl. Sour
cherry, fr. Cerisier commun oder Griottier).
Die Kirschbäume von Montmorency, die Glaskirschen
oder Amarellen, die eigentlichen Weichseln und einige
andere gärtnerische Kategorien stammen von dieser
Art ab.
Hohenacker 5 hat Prunus Cerasus bei Lenkoran,
nicht weit vom Kaspisee gesehen, und C. Koch® in den
Wäldern Kleinasiens, d. h. nach dem von ihm durch-
streiften Gebiete zu urtheilen, im Nordosten jenes Lan-
des. ,,Aeltere Autoren fanden sie“, berichtet Ledebour’”,
1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 24, Fig. 17, 18, und S. 26.
2 In Perrin, Etudes préhistoriques sur 1a Savoie, S. 22.
3 Atti Soc. ital. sc. nat., Bd. VI.
4 Für die so zahlreichen Varietäten mit ihren je nach den Provinzen
verschiedenartigen volksthümlichen Namen vgl. man den Nouveau Du-
hamel, Bd. V, woselbst auch gute colorirte Abbildungen gegeben werden.
5 Hohenacker, Plantae Talysch, S. 128.
6 Koch, Dendrologie, I, 110.
7 Ledebour, F1. ross., II, 6.
Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum. 257
„bei Elisabethpol und Eriwan“. Grisebach! führt ihn
für den bithynischen Olymp an und fügt hinzu, dass
derselbe in den Ebenen Macedoniens fast spontan auf-
tritt. Der wahre und sehr alte Wohnsitz scheint sich
vom Kaspisee bis nach Konstantinopel hin auszudehnen;
doch selbst in diesem Ländergebiet stösst man häufiger
auf Prunus avium. So scheinen Boissier und de Tchi-
hatcheff Prunus Cerasus selbst nicht einmal im Pontus
gesehen zu haben, obgleich sie von dort mehrere Exem-
plare von Prumus avium erhalten oder mitgebracht
haben.?
In Nordindien findet sich Pr. Cerasus nur im ange-
bauten Zustande.” Die Chinesen scheinen unsere beiden
Kirschbäume nicht gekannt zu haben. Danach kann
man annehmen, dass die Einführung nach Indien keine
sehr alte ist, und man wird hierin durch das Fehlen
eines Sanskritnamens noch bestärkt.
Wir sahen, dass Pr. Cerasus nach Grisebach in Mace-
donien fast spontan ist. Man hatte den Baum auch für
die Krim als spontan ausgegeben, Steven* sah ihn
jedoch nur angebaut, und Rehmann° erwähnt für das
südliche Russland als wildwachsend nur die verwandte
Art Pr. chamaecerasus, Jacquin. Für jegliche im
Norden des Kaukasus gelegene Localität scheint mir
die spontane Beschaffenheit sehr zweifelhaft zu sein.
Selbst in Griechenland, wo Fraas den wildwachsenden
Baum gesehen zu haben berichtete, kennt von Heldreich
ihn nur im angebauten Zustande.° In Dalmatien? stösst
man auf eine wirklich wildwachsende, eigenthümliche
Varietät oder verwandte Art, Prunus Marasca, aus
deren Früchten der Maraschinoliqueur bereitet wird.
Prunus Cerasus wird in den gebirgigen Districten
1 Grisebach, Spicilegium fl. rumelicae, S. 86.
2 Boissier, Fl. orient., II, 649; Tchihatcheff, Asie Mineure, Bot., S. 193.
3 Sir J. Hooker, Fl. of Britisch India, II, 313.
4 Steven, Verzeichniss der taur. Halbinseln 8. ww 8, LE
5 Rehmann, Verhandl. d. Nat. Ver. zu Brünn, X, 1871.
6 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, = 69; "Pflanzen d. attischen
Ebene, S. 477.
7 Visiani, Fl. Dalmat., III, 258.
DE CANDOLLE. 17
258 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Italiens! und im mittleren Frankreich? wildwachsend
angetroffen; weiter aber im Westen, im Norden und in
Spanien wird die Art nur noch als angebaut angeführt,
welche sich hier und da, und zwar häufig als Strauch
naturalisirt. Augenscheinlich hat diese Art in Europa
— in höherem Grade als der Süsskirschenbaum — den
Anschein eines fremdländischen Baumes, der sich so
ziemlich eingebürgert hat.
Keine der in Theophrast, Plinius und andern alten
Schriftstellern oft genannten Stellen? scheint sich auf
Prunus Cerasus zu beziehen. Die bezeichnendste, jene
von Theophrast, passt auf Prunus avium, wegen der
Grösse des Baumes, weil sich dieser dadurch von Prunus
Cerasus unterscheidet.* Theophrast nannte den Süss-
kirschenbaum Kerasos, die Neugriechen geben ihm den
Namen Kerasaia, und hierin finde ich ein linguistisches
Kennzeichen für das hohe Alter von Prunus Cerasus:
es bezeichnen nämlich die Albanesen, welche von den
Pelasgern abstammen, denselben als Vyssine, ein alter
Name, welcher sich in dem deutschen Weichsel und
dem italienischen Visciolo° wiederfindet. Da nun die
Albanesen auch den Namen Kerasie besitzen, und zwar
für Pr. avium, so berechtigt dies zu der Annahme, dass
ihre Vorfahren die beiden Arten vor Alters, vielleicht
vor Ankunft der Hellenen in Griechenland, unterschie-
den und benannt haben.
Ein anderes Merkmal eines hohen Alters findet sich
bei Virgil, wenn er von einem Baume sagt:
Pullulat ab radice aliis densissima sylva
Ut cerasis ulmisque. (Georg., II, 17.)
Dies bezieht sich auf Pr. Cerasus, nicht auf Pr. avium.
1 Bertoloni, F1. ital., V, 131.
2 Lecoq et Lamotte, Catal. du plateau central de la France, S. 148.
3 Theophrastus, Hist. plant., 1. 3, c. 13; Plinius, 1.15, c. 25, und andere
eitirt in Lenz, Botanik der Alten, S. 710.
4 Ein Theil der sich bei Theophrast findenden Ausdrücke geht hervor
aus der Verwechselung mit andern Bäumen. Er betont, dass der Kern
weich sei.
5 Ad. Pictet nennt Formen desselben Namens im Persischen, Tür-
kischen, Russischen, und leitet davon den französischen Namen Guigne
ab, welcher Varietäten beigelegt wird.
Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum. 259
In Pompeji hat man zwei Bilder vom Kirschbaum
gefunden, es scheint aber nicht mit Bestimmtheit ange-
geben werden zu können, ob sie sich auf die eine oder
die andere der beiden Arten beziehen.! Comes gibt
sie unter dem Namen von Prunus Cerasus an.
Irgendeine archäologische Entdeckung würde beweis-
kräftiger sein. Die Kerne beider Arten zeigen eine
Verschiedenheit in der Furche, was dem Scharfsinn der
Herren Heer und Sordelli nicht entgangen ist. Un-
glücklicherweise hat man in den prähistorischen Fund-
stätten Italiens und der Schweiz nur einen Kern ent-
deckt, der auf Prunus Cerasus zu beziehen ist, und
überdies ist das Lager, dem man selbigen entnommen
hat, nicht genügend festgestellt worden. Dem Anscheine
nach war es keine archäologische Schicht.?
Fasse ich diese sich etwas widersprechenden und
ziemlich unbestimmten Angaben zusammen, so neige ich
mich dem Glauben zu, dass Prunus Cerasus schon zu
Anfang der griechischen Civilisation bekannt war und
sich naturalisirte, etwas später auch in Italien, doch
noch vor der Zeit, als Lucullus einen Kirschbaum von
Kleinasien heimbrachte.
Seiten liessen sich darüber schreiben, wenn man alle
die Schriftsteller, selbst neuere, anführen wollte, welche,
hierin Plinius folgend, die Einführung des Kirschbaums
in Italien diesem reichen Römer im Jahre 64 vor der
christlichen Zeitrechnung zuschreiben. Da dieser Irr-
thum durch seine beständige Wiederholung in den clas-
sischen Schulen fortbesteht, so will ich hier noch ein-
mal wiederholen, dass es Kirschenbäume, wenigstens
Süsskirschenbäume in Italien vor Lucullus’ Zeiten gab,
und dass der berühmte Feinschmecker gewiss nicht die
Art mit sauern oder bittern Früchten aufzufinden ge-
trachtet hat. Sehr wahrscheinlich erfreute er die Römer
mit einer guten, im Pontus angebauten Varietät, welche
1 Schouw, Die Erde, S. 44; Comes, Ill. delle piante etc., S. 56.
2 Sordelli, Piante della torbiera di Lagozza, S. 40.
40%
Sr: 2208
260 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
sich die Gärtner durch Pfropfen zu vermehren beeilten,
— hierauf beschränkt sich aber die Rolle des Lucullus.
Nach dem, was man jetzt über Cerasus und die alten
Namen der Kirschbäume weiss, möchte ich die zu der
allgemeinen Meinung im Widerspruch stehende Be-
hauptung aufstellen, dass es sich um eine Varietät des
Süsskirschenbaumes handelt, wie z. B. den spanischen
gefleckten Herzkirschenbaum oder den Merisier, deren
fleischige Frucht einen süssen Geschmack hat. Ich
stütze mich darauf, dass Kerasos im Theophrast der
Name für Prunus avium ist, und diese Art von den beiden
in Kleinasien die häufigste ist. Die Stadt Cerasus (Ke-
rasun) entlehnte davon ihren Namen, und das häufige
Auftreten von Prunus avium in den nahe liegenden Wal-
dungen war für die Bewohner wahrscheinlich die Ver-
anlassung, den Bäumen nachzuspüren, welche die besten
Früchte trugen, um sie alsdann in ihre Gärten zu ver-
pflanzen. Wenn Lucullus schöne Herzkirschen heim-
brachte, so waren seine Landsleute, die höchstens kleine,
wildwachsende Kirschen kannten, sicherlich zu dem Aus-
rufe berechtigt: „Dies ist eine Frucht, welche wir nicht
besassen!“ Weiteres hat auch Plinius nicht berichtet.
Ich möchte hier zum Schluss noch eine Hypothese
über die beiden Kirschbäume zum Ausdruck bringen. In
ihren Charakteren unterscheiden sie sich nur wenig,
und es gleichen sich, was sehr selten vorkommt,
die beiden alten am besten nachgewiesenen Vaterländer
(vom Kaspisee nach Westanatolien). Die beiden Arten
verbreiteten sich nach Westen hin, aber auf ungleiche
Weise. Diejenige, welche in dem Heimatlande die ge-
wöhnlichste und die kräftigste war (Pr. avium), hat
sich zu einer noch ältern Zeit weiter ausgebreitet und
besser naturalisirt. Prunus Cerasus ist somit vielleicht
ein während einer prähistorischen Zeit aufgetretener
Abkömmling der andern. Somit gelange ich, wenn auch
auf einem andern Wege, zu einer von Caruel! aufge-
1 Caruel, Flora toscana, S. 48.
Mc fins cé
Angebaute Pflaumenbäume. 261
stellten Ansicht; anstatt jedoch zu sagen, dass man viel-
leicht gut thun würde, die beiden Arten in eine zu
vereinigen, sehe ich sie gegenwärtig für verschieden-
artig an und begnüge mich, eine Descendenz zu muth-
maassen, welche nachzuweisen übrigens nicht leicht
fallen dürfte.
Angebaute Pflaumenbäume.
Plinius spricht von der ungeheuern Pflaumenmenge,
welche man zu seiner Zeit kannte. .‚Ingens turba pru-
norum.“1 Heutzutage zählen die Gärtner über 300 Sor-
ten. Einige Botaniker haben den Versuch gemacht, die-
selben auf wildwachsende, getrennte Arten zurück-
zuführen, sie stimmen aber nicht immer überein und
scheinen, nach den specifischen Namen zu urtheilen,
namentlich in Bezug auf Arten sehr verschiedene An-
sichten zu haben. Die Verschiedenheit dreht sich um
zwei Punkte, bald um die wahrscheinliche Descendenz
von dieser oder jener angebauten Form, und bald um
die Unterscheidung der spontanen Formen in Arten
oder Varietäten.
Ich erhebe nicht den Anspruch, die unzähligen ange-
bauten Formen zu classificiren, und halte eine solche
Arbeit bezüglich der Fragen nach dem geographischen
Ursprung für ziemlich nutzlos, denn es zeigen sich die
Verschiedenheiten besonders in der Form, der Grösse,
‘ der Farbe und dem Geschmack der Frucht, d. h. in
solehen Merkmalen, welche die Gärtner zu vervielfäl-
tigen wünschten, sobald sie sich zeigten, von welchen
sie immer neue zu erzielen möglichst bestrebt waren.
Empfehlenswerther ist es, sich an die Verschiedenheiten
der im wildwachsenden Zustande beobachteten Formen
zu halten, besonders an solche, aus welchen die Men-
schen keinen Gewinn ziehen, und welche wahrscheinlich
dieselben geblieben sind, welche sie waren bevor es
es noch Gärten gab.
1 Plinius, Hist., 1. 15, c. 13.
262 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Seit etwa 30 Jahren haben die Botaniker für die
drei Arten oder Rassen, welche in der Natur vorkom-
men, wirklich vergleichende Charaktere aufgestellt. Sie
lassen sich folgendermaassen zusammenfassen:
Prunus domestica, Linne; Baum oder hoher Strauch, nicht stachelig;
Aestchen kahl; Blüten zur selben Zeit als die Blätter hervorkommend,
Blütenstiele meistens flaumig; Früchte niederhängend, länglich, von
süssem Geschmack.
Prunus insititia, Linné; Baum oder hoher Strauch, nicht stachelig;
Aestchen sammtig; Blüten zur selben Zeit als die Blätter hervorkommend,
Blütenstiele sehr feinflaumig oder kahl; Früchte kugelig oder schwach
elliptisch, hängend, von süssem Geschmack.
Prunus spinosa, Linné; sehr stacheliger Strauch, Zweige rechtwinkelig
ausgebreitet; Aestchen flaumig; Blüten aufgeblüht vor der Entfaltung der
Blätter; Blütenstiele kahl; Früchte kugelig, aufrecht, von herbem Ge-
schmack.
Augenscheinlich entfernt sich diese dritte Form, welche
in unsern Hecken so gemein ist, von den beiden andern.
So scheint es mir auch unmöglich, wenn man nicht
vermittelst einer Hypothese das auszulegen versucht,
was vor irgendwelcher Beobachtung hat eintreten kön-
nen: die drei Formen als eine einzige Art aus-
machend anzusehen, oder man müsste schon Uebergänge
von der einen in die andere in den Organen nachweisen
können, welche durch die Cultur keine Abänderungen
erlitten haben, dies ist aber bisjetzt nicht geschehen.
Höchstens kann man die Verschmelzung der zwei ersten
Kategorien zugeben. Die beiden Formen mit von Natur
aus süssen Früchten traten in einigen Ländern auf.
Für den Züchter boten sie grössere Reize dar als
Prunus spinosa mit herber Frucht. Somit müssen wir
versuchen, die angebauten Pflaumenbäume auf sie zu-
rückzuführen.
Des bessern Verständnisses wegen will ich von ihnen
als von zwei Arten sprechen.?
Prunus domestica, Linne. — Zwetschenbaum (fr. Pru-
nier domestique).
1 Koch, Synopsis fl. germ., 2. Aufl., S. 228; Cosson et Germain, Flore
des environs de Paris, I, 165.
2 Hudson, Flora anglica (1778), S. 212, vereinigt sie unter dem Namen
von Prunus communis.
al Le rt
Zwetschenbaum. 263
Mehrere Botaniker! haben denselben in ganz Ana-
tolien, in der Region südlich vom Kaukasus und in
Nordpersien, z. B. um den Elbrus herum, wildwachsend
angetroffen.
Für die Localitäten in Kaschmir, der Kirgisensteppe
und China, von welchen in einigen Floren die Rede
ist, liegen mir keine Beweise vor. Oft ist die Art
zweifelhaft, und es handelt sich vielmehr um Prunus
énsititia; in andern Fällen ist es die Beschaffenheit einer
spontanen, alten Pflanze, welche ungewiss erscheint, denn
augenscheinlich sind die Keime vermöge der Culturen
weiter ausgestreut worden. Das Vaterland scheint sich
nicht bis zum Libanon zu erstrecken, wenn auch die
in Damascus angebauten Pflaumen schon seit Plinius’
Zeiten besonders geschätzt wurden. Es wird ange-
nommen, dass Dioscorides? diese Art als in Damascus
wachsend unter dem Namen Coccumelea von Syrien
bezeichnete. Karl Koch erzählt, dass Kaufleute an den
Grenzen Chinas ihm die Häufigkeit der Art in den
Wäldern des westlichen Theils des Kaiserreichs bestä-
tigt haben. Die Chinesen bauen freilich seit undenk-
lichen Zeiten verschiedene Pflaumenbäume an, doch
kennt man dieselben zu wenig, um sich ein Urtheil
über sie zu erlauben, auch weiss man nicht, ob sie dort
wirklich einheimisch sind. Da keiner unserer Pflaumen-
bäume in Japan oder der Amurregion wildwachsend
“angetroffen wurde, wird es ziemlich wahrscheinlich, dass
die in China gesehenen Arten von den unserigen ver-
schieden sind. Das scheint auch aus dem, was Bret-
schneider darüber sagt, hervorzugehen.?
Für Europa ist das Indigenat von Prunus domestica
sehr zweifelhaft. In den Ländern des Südens, wo der Baum
erwähnt wird, trifft man ıhn besonders in den Hecken
nahe bei Wohnplätzen an; er tritt mit den Anzeichen
1 Ledebour, Fl. ross., II, 5; Boissier, Fl. orient., II, 652; K. Koch,
Dendrologie, I, S. 94; Boissier und Buhse, Aufzähl. Transcaucas., S. 80.
2 Dioscorides, a. a. O., S. 174; Fraas, Syn. fl. class., S. 69.
3 Bretschneider, On the study etc., S. 10.
T RÄT, à EU
264 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
eines höchstens naturalisirten Baumes auf, der hier und
da dem unaufhörlichen Zuflusse von aus Anpflanzungen
stammenden Kernen sein Fortbestehen verdankt. Die
Autoren, welche die Art im Orient gesehen haben, tragen
kein Bedenken, sie als subspontan hinzustellen. Fraas!
versichert, dass sie in Griechenland nicht wildwachsend
vorkommt, was Heldreich ? für Attica bestätigt; Steven
bestätigt es ebenfalls für die Krim.? Wenn es sich so
in der Nähe von Kleinasien verhält, hat man jeden-
falls noch mehr Grund, dieselben Verhältnisse für die
übrigen Gebiete Europas anzunehmen.
Wenn auch die Römer einst eine grosse Menge von
Pflaumenbäumen anbauten, so findet sich doch auf den
in Pompeji entdeckten Gemälden keine Spur davon an-
gedeutet.*
Auch in den Ueberresten de Pfahlbauten Italiens,
der Schweiz und Savoyens, in welchen man auf Kerne
von Prunus insititia und spinosa stiess, hat man Prunus
domestica nicht aufgefunden.
Aus diesen Thatsachen, sowie aus der kleinen Anzahl
von Wörtern, die sich in den griechischen Autoren auf
die Art beziehen lassen, kann man den Schluss ziehen,
dass sie sich seit höchstens 2000 Jahren in Europa
halbwegs naturalisirt hat, mehr oder minder spontan
geworden ist.
Die Damascenerpflaumen, die Prunellen und andere
ähnliche Formen gehören hierher.
Prunus insititia, Linné.$ — Pflaumenbaum, Hafer-
schlehe (fr. Prunier proprement dit).
Im wildwachsenden Zustande kommt derselbe im Süden
Europas vor.° Auch in Cilicien, Armenien, im Süden
Fraas, Syn. fl. class., S. 69. 2 Heldreich, Pflanzen d. att. Ebene,
Steven, Verzeichniss d. Halbinseln, I, 472.
4 Comes, Ill. piante pompeiane.
5 Insititia bedeutet fremd. Das ist ein sonderbarer Name, da jede
Pflanze anderswo als in ihrem Vaterlande fremd ist.
6 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 244; Bertoloni, Fl. ital.
V, 135; Grisebach, Spieilegium fl. Rumel., S. 85; Heldreich, Nutzpflanzen
Griechenlands, S. 68.
1
3
Pflaumenbaum, Haferschlehe. 265
des Kaukasus und in der Provinz Talysch nach dem
Kaspisee hin! ist er angetroffen worden. Spontan scheint
er besonders in der europäischen Türkei und im Süden
des Kaukasus aufzutreten. In Italien und Spanien ist
er dies vielleicht in geringerm Grade, obgleich zu-
verlässige Autoren, welche den Baum an Ort und
Stelle gesehen haben, solches nicht in Zweifel stellen.
Was die europäischen Gebiete nördlich von den Alpen
bis nach Dänemark betrifft, so sind die angegebenen
Localitäten wahrscheinlich die Folge von Naturalisa-
tionen, welche wiederum durch Culturen bedingt wur-
den. Die Art findet sich gemeiniglich in den Hecken,
nicht weit von Wohnplätzen entfernt, und bietet nur ge-
ringe Anzeichen einer spontanen Pflanze dar.
Dies alles stimmt mit den historischen und archäo-
logischen Angaben recht gut überein.
Die alten Griechen unterschieden die Coccumeleen ihres
Landes von jenen Syriens?, woraus man geschlossen hat,
dass die ersten eben die Prunus insititia waren. Es
ist dies um so wahrscheinlicher, weil die Neugriechen
sie Coromeleia? nennen. Die Albanesen sagen Corom-
bile*, was einen alten, pelasgischen Ursprung vermuthen
lässt. Uebrigens darf man auf die volksthümlichen Na-
men der Pflaumenbäume nicht allzu viel Gewicht legen,
denn jedes Volk konnte die eine oder die andere der
Arten, vielleicht auch diese oder jene der angebauten
Varietäten ziemlich willkürlich bezeichnen. Im allge-
meinen scheinen sich die Namen, über welche in den
gelehrten Werken viel geschrieben worden ist, auf die
Beschaffenheit der Pflaume oder ihres Baumes zu be-
ziehen, ohne eine ganz bestimmte Bedeutung zu haben.
Kerne von Prunus insititia sind in den Terramare
Italiens noch nicht aufgefunden worden; Heer hat jedoch
1 Boissier, Flora orient., II, 651; Ledebour, F1. ross., II, 5; Hohen-
acker, Plantae Talysch, S. 128.
2 Dioscorides, LRO AS 1735, Erans; a. a 10;
3 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 68.
4 Ebend.
266 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
solche beschrieben und abgebildet, welche aus den
Pfahlbauten von Robenhausen stammen. Heutzutage
scheint die Art in jenem Theile der Schweiz nicht ein-
heimisch zu sein, wir dürfen aber nicht vergessen, dass
die Bewohner der Pfahlbauten im Canton Zürich, wie
dies aus der Geschichte des Flachses zu ersehen ist,
zur Steinzeit Verbindungen mit Italien unterhielten.
Diese alten Schweizer waren in der Wahl ihrer Lebens-
mittel leicht zu befriedigen, denn sie sammelten auch
die Früchte des Schlehendorns ein (Prunus spinosa),
welche uns ungeniessbar scheinen. Wahrscheinlich be-
reiteten sie durch Kochen ein Mus daraus.
Prunus Armeniaca, Linne. Armeniaca vulgaris, La-
marck. — Aprikosenbaum (fr. Abricotier).
Die Griechen und Römer erhielten den Aprikosen-
baum zu Anfang der christlichen Zeitrechnung. Unbe-
kannt zu Zeiten des Theophrast, erwähnt Dioscorides ?
denselben unter dem Namen von Mailon armeniacon.
„Die Lateiner‘‘, sagt er, „nannten ihn Praikokion“. Dies
ist in der That eine der von Plinius® unter dem Na-
men Praecocium (auf die Frühreife der Art Bezug neh-
mend“) erwähnten Früchte. Der armenische Ursprung
wurde durch den griechischen Namen angedeutet, viel-
leicht sollte dieser Name aber auch nur anzeigen, dass
die Art in Armenien angebaut wurde. Die neuern
Botaniker hatten während einer langen Zeit gewichtige
Gründe, dieselbe in jenem Lande als spontan anzusehen.
Pallas, Güldenstädt und Hohenacker berichteten, die
Art um den Kaukasus herum, sowol im Norden an den
Ufern des Terek, wie auch im Süden, zwischen dem
1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 27, Fig. 16, c.
2 Dioscorides, 1. 1, c. 165. 3 Plinius, 1. 2, c. 12.
4 Der lateinische Name ist in den neugriechischen (Prikokkia) über-
gegangen. Der spanische Name (Albaricoque), der französische (Abricot)
u. s. w. scheinen von arbor precox oder Pr&ecocium zu kommen, während
der altfranzösische Name Armegne, der italienische Armenilli von Mailon
armeniacon abstammen. In meiner ,, Géographie bot. raisonnée‘, S. 880,
finden sich weitere Details über die Namen der Art.
ah
Aprikosenbaum. 267
Kaspisee und dem Schwarzen Meer angetroffen zu haben.!
Boissier? lässt diese Localitäten zu, ohne sich über die
Spontaneität weiter auszusprechen. Er hat ein von Hohen-
acker bei Elisabethpol gesammeltes Exemplar gesehen.
Andererseits scheint Tchihatcheff?, der zu verschiedenen
malen Anatolien und Armenien durchstreift hat, den
wildwachsenden Aprikosenbaum nicht gesehen zu haben,
und, was noch bezeichnender ist, Karl Koch, welcher die
im Süden des Kaukasus gelegene Region mit der Ab-
sicht bereiste, derartige Thatsachen zu beobachten, drückt
sich folgendermaassen aus*: „Vaterland unbekannt. We-
nigstens habe ich während meines verlängerten Aufent-
halts in Armenien den wildwachsenden Aprikosenbaum
nirgendwo angetroffen, ihn auch nur selten angebaut
gesehen.“
Ein Reisender, W. J. Hamilton’, berichtete freilich,
ihn bei Orgu und Utsch-Hisar in Anatolien gefunden
zu haben; es ist diese Aussage aber von keinem Bo-
taniker bestätigt worden.
Der angeblich wildwachsende Aprikosenbaum der
Ruinen von Baalbek, welcher von Eusèbe de Salle be-
schrieben wurde®, ıst nach dem, was er über das Blatt
und die Frucht sagt, von dem gemeinen Aprikosenbaum
ganz und gar verschieden. Boissier und die verschie-
denen Sammler, welche ihm Pflanzen von Syrien und
dem Libanon zugeschickt haben, scheinen die Art nicht
gesehen zu haben. Spach” behauptet, dass sie in Per-
sien einheimisch sei, ohne aber Beweise dafür zu lie-
fern. In ihrer Aufzählung der Pflanzen Transkaukasiens
und Persiens erwähnen Boissier und Buhse® den Baum
nicht.
Es ist nutzlos, den Ursprung in Afrika zu suchen.
1 Ledebour, Fl. ross., II, 3. 2 Boissier, F1. orient., II, 652.
3 Tehihatcheff, Asie Mineure, Botanique, Bd. I.
4 K. Koch, Dendrologie, I, 87.
5 Nouv. annales des voyages, Febr. 1839, S. 176.
6 E. de Salle, Voyage, I, 140.
7 Spach, Hist. des vég. phanérog., I, 389.
8 Boissier und Buhse, Aufzählung der auf einer Reise u. s. w. (1860)
268 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Die Aprikosenbäume, welche Reynier! in Oberägypten
„fast wildwachsend“ angetroffen zu haben berichtet,
mussten von Kernen herrühren, die ausserhalb der An-
pflanzungen ausgestreut waren, wie man dies auch in
Algerien beobachten kann.? Schweinfurth und Ascherson?
führen in ihrem Verzeichniss der Pflanzen Aegyptens und
Abessiniens die Art nur als angebaut an. Wenn sie
vor Zeiten in Nordafrika aufgetreten wäre, würden über-
dies die Hebräer und Römer sie frühzeitig gekannt
haben. Nun gibt es aber keinen hebräischen Namen,
und Plinius sagt, dass die Einführung in Rom seit
30 Jahren datirte, als er an seinem Buche arbeitete.
Wir wollen uns jetzt mit unserm Forschen nach dem
Orient wenden.
Die anglo-indischen Botaniker? erklären einstimmig,
dass der im Norden Indiens und in Tibet allgemein
angebaute Aprikosenbaum dort nicht einheimisch ist;
sie fügen aber hinzu, dass er das Bestreben zeigt, sich
zu naturalisiren, oder dass man ihn an solchen Stellen
antrifft, wo früher Dörfer gestanden haben, Die Gebrüder
Schlagintweit haben mehrere Exemplare aus dem nord-
westlichen Indien und aus Tibet mitgebracht; dieselben
wurden von A. Wesmael? geprüft, doch schreibt mir der-
selbe, dass er die spontane Eigenschaft nicht bestätigen
könne, indem die Etikette der Sammler hierüber keinen
Nachweis gäbe.
Roxburgh6, welcher die Fragen nach dem Ursprung
nicht übersah, sagt, indem er vom Aprikosenbaume spricht:
„in China wie auch im Westen Asiens einheimisch“.
Nun lese ich in dem merkwürdigen Werkchen des Dr.
1 Reynier, Économie des Égyptiens, S. 371.
2 Munby, Catal., Fl. d'Algérie, 2. Aufl., S. 49.
3 Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens (1867),
«259.
4 Royle, Ill. of Himalaya, S.205; Aitchison, Catal. of Punjab and
Sindh, S. 56; Sir J. Hooker, F1. of Brit. India, II, 313; Brandis, Forest
Flora of N. W. and Centr. India, S. 191.
5 Wesmael, im Bull. Soc. bot. Belgiq., VIII, 219.
6 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., II, 501.
PT
Aprikosenbaum. 269
Bretschneider!, welches in Peking verfasst wurde, fol-
gende Stelle, welche die Frage zu Gunsten des chine-
sischen Ursprungs zu entscheiden scheint: „Sing ist,
wie man weiss, die Aprikose (Prunus Armeniaca). Das
Schriftzeichen (ein chinesisches gedrucktes Zeichen, S. 10)
kommt, als eine Frucht bezeichnend, weder im «Schu-
king» noch in den «Schi-king, Tschéu-li» u.s.w. vor; das
«Schan-hai-king» sagt aber, dass mehrere Sing auf den
Hügeln wachsen (hier ein chinesischer Buchstabe). Ausser-
dem wird der Name der Aprikose durch ein besonderes
Schriftzeichen dargestellt, was darauf hinweisen mag,
dass sie in China einheimisch ist.“ Das ,,Schan-hai-
king“ wird dem Kaiser Yü zugeschrieben, welcher
2905—2198 v. Chr. lebte. Decaisne?, welcher der erste
war, der den chinesischen Ursprung der Aprikose muth-
maasste, hatte neuerdings von Dr. Bretschneider Exem-
plare erhalten, die von folgender Anmerkung begleitet
waren: „Nr. 24, wildwachsender Aprikosenbaum von
den Bergen Pekings, woselbst er in grossen Mengen
vorkommt. Die Frucht ist klein (21}, cm Durchmesser).
Die Schale ist von gelber und rother Farbe; das Fleisch
gelbröthlich, von saurem Geschmack, aber essbar. —
Nr. 25, Kerne des in der Umgegend von Peking ange-
bauten Aprikosenbaums. Die Frucht ist zweimal so
gross als die wildwachsende.“ ? Decaisne fügte in einem
an mich gerichteten Briefe noch folgende Bemerkung
bei: „In der Form und der Aussenseite gleichen die
Kerne ganz und gar denen unserer kleinen Aprikosen;
sie sind glatt und nicht runzelig.“ Die mir von ihm
geschickten Blätter gehören zweifelsohne dem Aprikosen-
baume an.
1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works etc.,
D 10 u: 19;
2 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Bd. VIII, Artikel Abricotier.
3 Dr. Bretschneider bestätigt dies in seinem neuern Werkchen:
Notes on botanical questions, S. 3.
4 Prunus Armeniaca von Thunberg ist Pr. Mume von Siebold und
Zuccarini. Franchet und Savatier führen den Aprikosenbaum in ihrer
Enumeratio u. s. w. nicht auf.
270 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Weder in der Amurregion noch in Japan wird der
Aprikosenbaum angeführt.! Vielleicht®sst die Strenge
des Winters daselbst eine zu beträchtliche. Bedenkt man,
dass vor alters keine Verbindungen zwischen China
und Indien bestanden, sowie dass das Indigenat der
Art für beide Länder als sicher hingestellt wurde, so
neigt man sich zunächst der Ansicht hin, dass das alte
Vaterland sich vom nordwestlichen Indien nach China
erstreckte. Will man indessen dieser Hypothese folgen,
so muss man weiter zugeben, dass sich die Cultur des
Aprikosenbaums ziemlich spät nach Westen hin aus-
breitete. Man kennt von ihm in der That weder einen
Sanskritnamen noch einen hebräischen, sondern nur
einen Hindinamen, Zard-alu, und einen persischen,
Mischmisch; letzterer ist in das Arabische übergegangen.?
Wie kann man nur annehmen, dass eine so ausge-
zeichnete Frucht, die man so reichlich im westlichen
Asien antrifft, sich in solch langsamer Weise vom Nord-
westen Indiens nach der griechisch-römischen Welt aus-
gebreitet hätte. Die Chinesen kannten sie 2- oder
3000 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung. Schang-
kien war ein Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung bis
nach Baktrien gekommen, und er ist der erste, welcher
seine Landsleute mit dem Occident bekannt machte.?
Vielleicht ist dies der Zeitpunkt, dass der Aprikosen-
baum im westlichen Asien bekannt wurde, dass man
ihn anbauen und er sich hier und da im Nordwesten
Indiens und am Fusse des Kaukasus infolge der ausser-
halb der Anpflanzungen ausgestreuten Kerne naturali-
siren konnte.
1 „Herr Capus berichtet (Ann. sc. nat., Serie 6, XV, 206), dass er den
wildwachsenden Aprikosenbaum in Turkestan zwischen 4—7000 Fuss Höhe
angetroffen habe. Hieraus geht hervor, dass sich das alte Vaterland viel-
leicht vom nördlichen China nach Turkestan erstreckte, und dass sich
derselbe von da in die Gärten Armeniens ausbreitete.‘‘ (Vom Verfasser
mitgetheilte Anmerkung.)
2 Piddington, Index; Roxburgh, F1. ind., a. a. O.; Forskal, Fl. Egypt.;
Delile, Ill. Egypt.
3 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works,
ce u 2 ee
Gemeiner Mandelbaum. 27T
Amygdalus communis, Linne. Pruni species, Baillon.
Prunus Amygdalus, Hooker fil. — Gemeiner Mandel-
baum (fr. Amandier).
Der Mandelbaum tritt mit den Anzeichen einer ganz
und gar oder fast spontanen Pflanze in den warmen
und trockenen Gegenden der Mittelmeerregion und des
westlichen gemässigten Asiens auf. Da die aus den Cul-
turen hervorgegangenen Kerne die Art leicht naturali-
siren, muss man zu gar verschiedenen Angaben seine
Zuflucht nehmen, um das alte Vaterland zu errathen.
Wir wollen zunächst die Ansicht von einem ostasia-
tischen Ursprung beseitigen. In den Floren Japans
findet sich der Mandelbaum nicht angegeben. Der
Baum, welchen Bunge in Nordchina angebaut sah, war
Persica Davidiana.! Von Dr. Bretschneider? hören
wir in seinem classischen Werkchen, dass er den Man-
delbaum in China nie angebaut gesehen habe, und dass
die unter dem Namen Pent-sao im 10. oder 11. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung veröffentlichte Sammlung
ihn als einen Baum aus dem Lande der Mohammedaner,
womit das nordwestliche Indien oder Persien gemeint
ist, bezeichnet.
Die anglo-indischen Botaniker ? berichten, dass der
Mandelbaum in den kühlen Regionen Indiens angebaut
wird, einige fügen aber hinzu, dass er daselbst nicht
gedeiht und man viele Mandeln aus Persien kommen
lasse. Man kennt keinen Sanskritnamen, selbst nicht
einmal einen aus vom Sanskrit abgeleiteten Sprachen.
Es liest auf der Hand, dass das ursprüngliche Vater-
land der Art anderswo zu suchen ist als im Nordwesten
Indiens.
Dagegen fehlt es in Mesopotamien und Turkestan bis
nach Algerien nicht an Localitäten, in welchen sehr
zuverlässige Botaniker den Mandelbaum in ganz und
1 Bretschneider, Early European researches, S. 149.
* 2 Bretschneider, Study and value etc., S. 10, u. Early Europ. researches,
S. 149.
3 Brandis, Forest Flora; Sir J. Hooker, Fl. of Brit. India, III, 313.
4 Roxburgh, F1. ind., 2. Aufl., II, 500; Royle, Ill. Himal., S. 204.
272 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
gar wildwachsendem Zustande gefunden haben. Boissier!
sah Exemplare, die auf steinigem Terrain in Mesopo-
tamien, in Aderbeidschan, Turkestan, Kurdistan und in den
Wäldern des Antilibanon gesammelt worden waren. Karl
Koch? hat ihn ebenso wenig im Süden des Kaukasus
wildwachsend angetroffen, wie Tchihatcheff in Klein-
asien. Cosson®? stiess auf natürliche Holzungen von
Mandelbäumen in Algerien, nahe bei Saida. Auch an
den Küsten Siciliens und Griechenlands* wird er als
wildwachsend angesehen; dort aber und noch mehr in
den Localitäten, wo er sich in Italien, Frankreich und
Spanien zeigt, liegt die Wahrscheinlichkeit, ja fast die
Gewissheit vor, dass dies das Resultat von infolge
von Culturen zufällig ausgestreuten Kernen ist.
Einen Beweis für das hohe Alter des Vorkommens
im westlichen Asien finden wir in der Thatsache, dass
für die Mandeln? hebräische Namen wie Schaked, Luz
oder Zus (was noch der arabische Name Luz ist)
und Schekedim bekannt sind. Die Perser haben einen
andern Namen, Badam, von welchem ich den Altersgrad
nicht kenne. Theophrast und Dioscorides® erwähnen
den Mandelbaum unter einem ganz verschiedenen Na-
men, Amugdalai, welcher von den Lateinern in Amyg-
dalus übersetzt wurde. Daraus lässt sich schliessen,
dass die Griechen die Art nicht vom Innern Asiens er-
halten hatten, sondern sie in ihrem eigenen Lande oder
wenigstens in Kleinasien gefunden hatten. Der Mandel-
baum ist mehreremal auf den in Pompeji entdeckten
Gemälden abgebildet.” Plinius® bezweifelt es, dass die
Art zu Cato’s Zeiten in Italien bekannt war, weil sie
1 Boissier, F1. or., III, 641.
2 K. Koch, Dendrologie, I, 80; Tchihatcheff, Asie Mineure, Botanique,
I, 108.
3 Ann. des sc. nat., Serie 3, XIX, 108.
4 Gussone, Synopsis fl. siculae, I, 552; Heldreich, Nutzpflanzen Grie-
chenlands, S. 67.
5 Hiller, Hierophyton, I, 215; Rosenmüller, Handb. der bibl. Alter-
thumskunde, IV, 263.
6 Theophrastus, Hist., 1, 1, c. 11, 18 ete.; Dioscorides, 1. 1, c. 176.
7 Schouw, Die Erde etc.; Comes, Ill. piante nei dipinti pompeiani, S. 15.
8 Plinius, Hist., 1. 16, c. 22.
Hr
BET
ara
Pfirsichbaum. 213
als griechische Nuss bezeichnet war. Möglich ist es,
dass der Mandelbaum von den griechischen Inseln nach
Rom eingeführt worden war. Man hat keine Mandeln
in den ,,Terramare‘ von Parma, selbst nicht einmal in
den obern Schichten gefunden.
Ich gebe zu, dass das wenig beträchtliche Alter der
Art bei den Römern, sowie das Fehlen irgendwelcher
Naturalisation ausserhalb der Culturen in Sardinien und
Spanien! mir das Indigenat an der Nordküste Afrikas
und in Sicilien zweifelhaft erscheinen lassen. Es han-
delt sich hier, will mir scheinen, vielmehr um einige
Jahrhunderte zurückgehende Naturalisationen. Zur Be-
gründung dieser Hypothese führe ich den berberischen
Namen Talouzet? für die Mandel an, welcher augen-
scheinlich mit dem arabischen Louz in Verbindung steht,
d. h. mit der Sprache der Eroberer, die den Römern
folgten. Dagegen kann man das Indigenat im west-
lichen Asien, sogar an einigen Punkten Griechenlands
als prähistorisch ansehen; den Ausdruck ursprünglich
gebrauche ich nicht, weil allem etwas vorherging.
Zum Schluss will ich noch bemerken, dass die Griechen
und selbst die Hebräer schon den Unterschied zwischen
süssen und bittern Mandeln kannten.
Am ygdalus Persica, Linne. Persica vulgaris, Miller.
Prunus Persica, Bentham und Hooker. — Pfirsichbaum
(fr. Pécher).
Zunächst will ich hier den Abschnitt? anführen, in
welchem ich früher den Pfirsich als ursprünglich von
China stammend bezeichnet hatte, was mit der da-
mals herrschenden Meinung im Widerspruch stand, eine
Meinung, die auch jetzt noch von Leuten, welche mit
der Wissenschaft wenig vertraut sind, wiederholt wird.
1 Moris, Flora sardoa, II, 5; Willkomm et Lange, Prodr. Fl. hisp.
III, 243.
‘2 Dictionnaire français-berbère, 1844.
3 Alph. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 851.
DE CANDOLLE. 18
974 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Sodann werde ich auf die seit 1855 entdeckten That-
sachen zu sprechen kommen.
„Die Griechen und Römer haben den Pfirsichbaum
ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung er-
halten.“ Die Namen Persica, Malum persicum deuteten
schon an, von wo er zu ihnen gelangte. Es ist nicht
nöthig, auf diese wohlbekannten Thatsachen zurückzu-
kommen.!
„Gegenwärtig baut man im Norden Indiens? verschie-
dene Pfirsichbäume an, doch, seltsam genug, kennt man
von ihnen keinen Sanskritnamen?, woraus man auf ein
wenig altes Vorkommen, auf eine ebenso wenig alte
Cultur in diesen Regionen schliessen kann. Roxburgh,
der gemeiniglich in Bezug auf neuere indische Namen
so ausführlich ist, erwähnt nur arabische und chine-
sische. Auch Piddington spricht von keinem indischen
Namen und Royle weist nur auf persische Namen hin.
„Im nordöstlichen Indien gedeiht der Pfirsichbaum
nicht oder erheischt doch grosse Pflege zu seinem Fort-
kommen.* In China dagegen geht seine Cultur auf die
ältesten Zeiten zurück. In diesem Lande kommen eine
Menge abergläubischer Begriffe und Legenden über die
Eigenschaften verschiedener Varietäten von Pfirsichen
vor’; die Anzahl dieser Varietäten ist eine sehr be-
1 Theophrastus, Hist., 1. 4, c. 4; Dioscorides, 1. 1, c. 164; Plinius, Genfer
Ausgabe, 1. 15, c. 13.
2 Royle, Ill. Himal., S. 204. -
3 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., II, 500; Piddington, Index; Royle,
a. 4.10.
4 Sir J. Hooker, Journ. of Bot., 1550, S. 54.
5 Rose, Vorsteher des französischen Handels in Canton, hatte sie nach
chinesischen Manuscripten gesammelt, und Noisette (Jard. fruit., I, 76)
hat einen Theil dieser Arbeit wörtlich übertragen. Beispielsweise führe
ich einige derselben hier an: Die Chinesen betrachten die in eine Spitze
auslaufenden und auf einer Seite sehr roth gefärbten Pfirsiche als das
Sinnbild eines langen Lebens. Dieser uralten Ueberzeugung gemäss spie-
len diese Pfirsiche auf allen Verzierungen, sei es in der Malerei oder der
Bildhauerei und besonders bei Beglückwünschungsgeschenken u. s. w. eine
gewisse Rolle. Nach dem Buche von Schin-nong-king schützt der Pfirsich
Yu vor dem Tode; und wenn man ihn nicht zeitig genug hat essen kön-
nen, so bewahrt er wenigstens den Körper bis an das Ende der Welt vor
Verwesung. Der Pfirsich wird immer unter den Früchten der Unsterb-
lichkeit aufgeführt, mit welchen man den Hoffnungen von Tsinschi-Hoang,
Wuty, der Han und anderer Kaiser, welche auf Unsterblichkeit Anspruch
erhoben, schmeichelte, u. s. w.
a
Di
Barker ©
Pfirsichbaum. 219
trächtliche!; ganz insbesondere findet sich dort die
eigenthümliche Form des flachen Pfirsichs?, welche sich
mehr als irgendeine andere von dem natürlichen Zu-
stande der Art zu entfernen scheint; schliesslich legt
man dem gemeinen Pfirsisch einen nicht zusammenge-
setzten Namen, nämlich 70, beı.?
„Nehme ich diese Thatsachen zusammen, so neige ich
mich dem Glauben hin, dass der Pfirsichbaum eher von
China stammt als aus dem westlichen Asien. Wenn er von
jeher in Persien oder in Armenien vorgekommen wäre,
hätten sich die Kenntniss und die Cultur eines durch
seine Früchte so hervorragenden Baumes früher nach
Kleinasien und Griechenland verbreitet. Durch den
Zug Alexander’s lernte Theophrast ihn wahrscheinlich
kennen (322 v. Chr.), derselbe spricht von ihm als
einer persischen Frucht. Vielleicht geht diese unklare
Kenntniss der Griechen bis auf den Rückzug der Zehn-
tausend zurück (401 v. Chr.); doch wird der Pfirsich-
baum von Xenophon nicht genannt. In den hebräischen
Büchern wird desselben keine Erwähnung gethan. Einen
Sanskritnamen besitzt der Pfirsichbaum nicht, und den-
noch war das Volk, welches jene Sprache redete, von
Nordwesten nach Indien gekommen, somit von dem
Lande, welches gemeiniglich als die muthmaassliche
Heimat der Art hingestellt wird. Wie kann man es
aber erklären, falls dieses Vaterland anerkannt wird,
dass weder die Griechen seit Bestehen des Landes, noch
die Hebräer und ebenso wenig das sanskritredende Volk,
welche alle aus der obern Region des Euphrat hervor-
gingen oder mit derselben in Verbindung standen, den
Pfirsichbaum anbauten. Dagegen ist es sehr möglich,
dass Kerne eines seit undenklichen Zeiten in China
angebauten Fruchtbaums mitten durch die Gebirge hin-
durch von Centralasien nach Kaschmir, der Bucharei
und Persien gebracht wurden. Diese Strasse war von
1 Lindley, Trans. hort. soc., V, 121.
2 Trans. hort. soc. Lond., IV, 512, Taf. 19.
3 Roxburgh, a. a. O.
LA
CN
x
276 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
den Chinesen seit einer sehr langen Zeit entdeckt wor-
den. Die Einführung würde in der zwischen der Epoche
der Sanskritauswanderung und den Beziehungen der
Perser zu den Griechen gelegenen Zeit stattgefunden
haben. Einmal auf diesem Punkte begründet, würde
der Anbau des Pfirsichbaums leicht vorwärts geschritten
sein, und zwar einmal nach Westen hin, dann über
Kabul nach dem Norden Indiens, woselbst der Anbau
kein hohes Alter aufweist.
„Man kann zur Begründung der Hypothese eines
chinesischen Ursprungs noch hinzufügen, dass der Pfir-
sichbaum von China nach Cochinchina ! eingeführt wor-
den ist, und dass die Japanesen den Pfirsich mit dem
chinesischen Namen Tao? bezeichnen. Herr Stanislas
Julien hatte die Freundlichkeit, mir einige Stellen aus
der «Encyclopédie japonaise» (lv. LXXXVI, S. 7)
zu übersetzen, in denen der Pfirsichbaum als ein
Baum westlicher Länder hingestellt wird, womit im
Bezug auf die Ostküste die centralen Gebiete Chinas
verstanden werden sollen, weil die Stelle einem chine-
sischen Schriftsteller entlehnt worden ist. Der Tao
findet sich schon in den Büchern des Confucius, im
5. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, ja
selbst im «Rituel» des 10. Jahrhunderts v. Chr. In
der erwähnten Eueyklopädie wird auf die spon-
tane Beschaffenheit der Pflanze nicht besonders hinge-
wiesen; das kommt daher, weil die chinesischen Autoren
auf eine derartige Frage wenig Aufmerksamkeit ver-
wenden.“
Nachdem ich einige Einzelheiten über die volksthüm-
lichen Namen des Pfirsichs in verschiedenen Sprachen
gegeben, sagte ich: „Das Fehlen von Sanskrit- und.
hebräischen Namen bleibt als die wichtigste Thatsache
1 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 336.
2 Kaempfer, Amoen., S. 798; Thunberg, Fl. Jap., S. 199. Kämpfer und
Thunberg führen auch den Namen Momu an, dagegen bezieht Siebold
(Fl. Jap., I, 29) einen ziemlich ähnlichen Namen, Mume, auf einen Pflau-
menbaum, Prunus Mume, Sieb. et Z.
Pfirsichbaum. ATT
zurück, aus ihr kann man auf eine Einführung nach
dem westlichen Asien von weit her, d. h. von China
schliessen.
„In mehreren Gegenden Asiens ist der Pfirsichbaum
spontan angetroffen worden, man kann sich aber immerhin
fragen, ob er daselbst ursprünglich zu Hause war, oder
ob dieses spontane Auftreten durch Ausstreuung von
Kernen bedingt wurde, welche von angebauten Bäumen
stammten. Diese Frage erscheint um so nothwen-
diger, weil Pfirsichkerne leicht keimen, und mehrere
Abänderungen des Pfirsichbaums erblich sind. An-
scheinend wildwachsende Exemplare sind häufig in der
Nähe des Kaukasus gefunden worden. Pallas? hat
solche an den Ufern des Terek gesehen, wo die Ein-
wohner sie Scheptala® nennen, ein Name, der diesem
Autor zufolge persisch sein soll. Die Früchte davon
sind filzig, herbe (austeri), wenig fleischig, kaum grösser
als die des Nussbaums, der Baum selbst niedrig.
Pallas muthmaasst, dass dieser Strauch von den ange-
bauten Pfirsichbäumen abstammt. Er fügt hinzu, dass
man ihn in der Krim, im Süden des Kaukasus und in
Persien antrifft; aber weder Marschall von Bieberstein
noch C. A. Meyer oder Hohenacker geben den wild-
wachsenden Pfirsichbaum beim Kaukasus herum an.
Alte, von Ledebour genannte Reisende, Gmelin, Gülden-
städt und Georgi, haben darüber berichtet. ©. Koch?
ist der einzige Botaniker der Neuzeit, welcher den
Pfirsichbaum im Ueberfluss in den kaukasischen Pro-
vinzen gefunden haben will. Ledebour fügt jedoch
vorsichtigerweise hinzu: «Ist er wildwachsend?» Die
Kerne, welche Bruguiere und Olivier von Ispahan ge-
bracht hatten, und die, in Paris ausgesäet, eine gute
Pfirsich mit filziger Bekleidung hervorbrachten, stammten
2
+).
1 Noisette, Jard. fr., S. 77; Trans. Soc. hört. London, IV, S. 51
2 Pallas, Fl. ross., S. 13.
3 Schuft-alu ist nach Royle (Til. Him., S. 204) das persische Wort für
den glatten Pfirsich.
4 Ledebour, Fl. ross., I,3. Vgl. die S. 282 folgende Meinung von Koch,
278 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
nicht, wie Bosc! behauptet, von einem in Persien wild-
wachsenden Pfirsichbaume, sondern von einem Baume
aus den Gärten Ispahans.? Mir liegen keine Beweise
vor, dass man einen Pfirsichbaum in Persien wildwach-
send gefunden habe, und wenn solches von Reisenden
angegeben wird, muss man immer befürchten, dass es
sich um gesäete Bäume handelt. Dr. Royle? sagt, dass
der Pfirsichbaum in mehreren Gegenden des Südens
vom Himalaja, ganz insbesondere nahe bei . Mussuri
wild wächst, wir haben aber gesehen, dass die Cultur
des Baumes in diesen Regionen keine alte ist, und
weder Roxburgh noch die «Flora nepalensis» von Don
erwähnen den wildwachsenden Pfirsichbaum. Bunge *
hat in Nordchina nur angebaute Exemplare angetroffen.
Es ıst dieses Land kaum erforscht worden, und die
chinesischen Legenden scheinen zuweilen auf wildwach-
sende Pfirsichbäume hinzuweisen. So besagt der «Schu-
y-ki» nach dem obengenannten Autor: «Wer immer
Pfirsiche von dem Gebirge Kuoliu isst, erlangt ein
ewiges Leben.» In Bezug auf Japan sagt Thunberg°:
«Crescit ubique vulgaris, precipue juxta Nagasaki. In
ommi horto colitur ob. elegantiam florum.» Nach dieser
Stelle zu urtheilen, erscheint es, als ob die Art ausser-
halb der Gärten sowie in den Gärten wüchse; vielleicht
handelt es sich aber im erstern Falle nur um auf
freiem Felde angebaute Pfirsichbäume.
„Bisjetzt habe ich noch nicht von der Unterscheidung
gesprochen, welche zwischen den verschiedenen Varie-
täten oder Arten von Pfirsichbäumen aufzustellen ist.
Die meisten derselben werden in allen Ländern ange-
baut, wenigstens die unter sich scharf abgesonderten
Klassen, welche man als botanische Arten ansehen
könnte. - So findet sich die wichtige Unterscheidung der
filzigen Pfirsiche und der glatten Pfirsiche, auf welche
man zwei Arten zu gründen vorgeschlagen hat (Persica
1 Bosc, Dict. d’agrie., IX, 481. 2 Thouin, Ann. Mus., VIII, 433.
3 Royle, Ill. Himal., S. 204. 4 Bunge, Enum. plant. chin., S. 23.
5 Thunberg, F1. Jap., S. 199.
di
nu”
Pfirsichbaum. 279
vulgaris, Mill, und P. levis, DC.), in Japan! und in
Europa, wie auch in den meisten der dazwischenliegen-
den Länder.” Weniger Gewicht wird auf die Unter-
scheidungen gelegt, welche sich auf die Lösbarkeit und
die Unlösbarkeit der Oberhaut, auf die weisse, gelbe
oder rothe Farbe des Piöikehes und auf die allgemeine
Form der Frucht stützen. Die zwei grossen Klassen
von Pfirsichen, filzige und glatte, bieten zum grössten
Theil diese Abänderungen dar, und dies sowol in Eu-
ropa wie in Westasien und wahrscheinlich auch in China.
Gewiss ist es, dass in letzterm Lande die Form mehr
abwechselt als anderswo, denn man sieht dort wie in
Europa längliche Pfirsiche, und ausserdem solche, von
welchen ich bereits sprach, die vollständig flach von
oben her zusammengedrückt sind, bei welchen die Spitze
des Kerns nicht einmal von Fleisch bedeckt ist.” Auch
die Farbe ist dort grossen Abwechselungen unterworfen.*
In Europa waren die am besten unterschiedenen Varie-
täten, ganz besonders die glatten und die filzigen Pfir-
siche, mit lösbarem oder nicht lösbarem Kerne schon
vor drei Jahrhunderten bekannt, denn sie werden von
J. Bauhin mit grosser Genauigkeit aufgezählt’, und vor
ihm hatte auch Dalechamp im Jahre 1587 die haupt-
sächlichsten angegeben.° Die glatten Pfirsiche wurden
damals Nucipersica genannt, weil sie in Form, Grösse
und Farbe mit der Frucht des Nussbaums Aehnlichkeit
besassen. Dieselbe Bedeutung hat das bei den Ita-
lienern noch jetzt gebräuchliche Wort Pescanoce.
„vergebens habe ich nach einem Beweise dafür ge-
sucht, dass dieser glatte Pfirsich schon bei den alten
Römern vorkam. Plinius’, welcher in seiner Zusammen-
stellung der Pfirsich- und Pflaumenbäume auch den
à Thunberg, Fl. Jap., S. 199.
2 Die von mir zu Rathe gezogenen Berichte über China erwähnen des
en Pfirsich nicht; da derselbe aber in Japan vorkommt, ist es höchst
wahrscheinlich, dass er sich auch in China findet.
3 Noisette, a. AU NErAns Soc. hort., IV, 512, Taf,-19.
4 Lindley, Trans. hort. Soc., V, 122.
5 J. Bauhin, Hist., I, 162 und 163.
5 Dalechamp, Hist,, Y, 295. Pline sc 1% ur 19.
280 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Laurus Persea und vielleicht noch andere Bäume hin-
zuzieht, gebraucht keinen Ausdruck, welcher sich auf
eine ähnliche Frucht beziehen könnte. Man glaubte
ihn einigemal in den T'uberes, von welchen er spricht!,
wiederzuerkennen. Dies war ein Baum, der zu Zeiten
des Augustus von Syrien nach Italien gebracht worden
war. Es gab weisse und rothe Tuberes. Andere (Tu-
beres? oder Mala?) aus der Umgegend von Verona
waren filzig. Der Schluss des Kapitels scheint nur die
Mala zu betreffen. Hübsche, von Dalechamp”? ange-
führte Verse des Petronius liefern den deutlichen Be-
weis, dass unter den Tuberes der Römer zu Zeiten
Nero’s eine glatte Frucht verstanden war; das konnte
aber ebenso gut der Judendorn (Zizyphus), der Dios-
pyros oder eine Crataegusart wie der Pfirsichbaum mit
glatter Frucht sein. Jeder Schriftsteller der Renaissance-
zeit hatte seine hierauf bezügliche Meinung oder machte
es sich zur Aufgabe, die Aussage der andern zu kriti-
siren.” Vielleicht gab es, wie Plinius berichtet, Tuberes
von zwei oder drei Arten, und eine derselben, welche
auf Pflaumenbäumen * gepfropft wurde, war der glatte
Pfirsich. Ich bezweifle es, dass man jemals diese Frage
aufklären wird.?
„Selbst, wenn man zugibt, dass der Nucipersica erst
im Mittelalter nach Europa eingeführt wurde, lässt sich der
Thatsache nichts entgegenstellen, dass eine Vermischung
der den Pfirsichen anhaftenden wichtigsten Eigenschaften
in den europäischen Culturen seit mehreren Jahrhun-
derten, in Japan seit unbekannten Zeiten anzutreffen
war. Es hat den Anschein, als ob diese verschiedenen
Eigenschaften sich überall vermittelst einer ursprüng-
1 Plinius, De div. gen. malorum, 1. 2, ce. 14.
2 Dalechamp, Hist., I, 358.
3 Dalechamp, a. a. O.; Matthioli, S. 122; Caesalpinus, S. 107; J. Bau-
hin, S. 163, etc.
2PlınTuslaldsae10:
5 Für die glatte Frucht habe ich keinen italienischen oder andern
Namen entdecken können, welcher von fuber oder fuberes abstammt. Dies
ist höchst seltsam, denn im allgemeinen haben sich die alten Fruchtnamen
unter irgendeiner Form erhalten.
Te
Pfirsichbaum. 281
lichen Art — der filzigen Pfirsich — erzeugt hätten.
Wenn es ursprünglich zwei Arten gab, würden diese
entweder in verschiedenen Ländern aufgetreten sein,
und sich ihre Cultur für sich getrennt begründet, oder
sie würden sick in ein und demselben Lande befunden
haben, und in diesem Falle ist es wahrscheinlich, dass
die alten Verkehrsmittel hier eine, anderswo die an-
dere der Arten eingeführt hätten.“
Im Jahre 1855 betonte ich noch andere Erwägungen,
um die Ansicht zu begründen, dass der glatte Pfirsich
(Brugnon, im Englischen Nectarine) von dem gemeinen
Pfirsichbaum abstamme; Darwin hat eine so grosse
Menge von Fällen angeführt, bei welchen ein Necta-
rinenzweig plötzlich aus einem Pfirsichbaum mit fil-
ziger Frucht hervorsprosste, dass es unnöthig erscheint,
hier noch weiter darüber zu sprechen. Ich will nur
noch bemerken, dass der glatte oder Blutpfirsichbaum
ganz das Ansehen eines Baumes hat, welcher der Kunst
sein Dasein verdankt. Man hat ihn weder wildwach-
send angetroffen, noch naturalisirt er sich ausserhalb
der Gärten, und jedes Individuum zeigt ein kürzeres
Leben als die gemeinen Pfirsichbäume. Er ist eine
entkräftete Form.
„Die Leichtigkeit“, sagte ich, „mit welcher sich un-
sere Pfirsichbäume durch Aussaat in Amerika vermehrt,
und ohne weitere Veredelung fleischige, bisweilen sehr
schöne Früchte getragen haben, veranlasst mich zu dem
Glauben, dass sich die Art in einem natürlichen Zu-
stande befindet, der durch eine lange Cultur oder durch
Kreuzungen nur wenige Abänderungen erlitten hat. In
Virginien und den Nachbarstaaten hat man Pfirsiche,
die von Sämlingen, nicht von durch Pfropfen veredelten
Bäumen stammen, und sie finden sich in-so ungeheuern
Mengen, dass, um sie zu verwerthen, Branntwein dar-
aus gewonnen wird.! Auf einigen Bäumen sind die
Früchte von ganz vorzüglicher Qualität.” Auf Juan-
1 Braddick, Trans. hort. Soc. Lond., II, 205. 2 Ebend., Taf. 13.
289 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Fernandez ist», sagt Bertero!, «der Pfirsichbaum so
häufig, dass man sich von der Menge der eingesam-
melten Früchte gar keinen Begriff machen kann; wenn
auch die Bäume daselbst in den wildwachsenden Zu-
stand zurückgekehrt sind, so liefern sie im allgemeinen
doch recht gute Früchte» Nach diesen Beispielen
würde es durchaus nicht befremden, wenn die wild-
wachsenden, im westlichen Asien angetroffenen Pfirsich-
bäume mit mittelmässigen Früchten ganz einfach der
unter einem wenig günstigen Klima bedingten Naturali-
sation ıhr Dasein verdankten, und die Art in China,
wo die Cultur als die älteste erscheint, ursprünglich zu
Hause wäre.“
Dr. Bretschneider ?, welchem in Peking alle Quellen
der chinesischen Literatur offen standen, begnügte sich,
nach Lesung des Vorhergehenden, mit dem Ausspruche:
„Tao ist der Pfirsichbaum. De Candolle glaubt, dass
China das Heimatsland des Pfirsichs ıst; er kann recht
haben (he may be right).
Ueber das hohe Alter des Vorkommens der Art, so-
wie über ihre Spontaneität im westlichen Asien hegt
man jetzt noch mehr Zweifel als ım Jahre 1855.
Die anglo-indischen Botaniker sprechen vom Pfirsich-
baume als einem ausschliesslich angebauten® oder durch
die Cultur im nordwestlichen Indien naturalısirten, dem
Anscheine nach spontanen Baume.* Von Boissier? werden
Exemplare angeführt, die in Ghilan und im Süden des
Kaukasus gesammelt waren, aber nichts wird von ihm
in Bezug auf die spontane Eigenschaft bestätigt, und
nachdem Karl Koch® diese Region durchstreift hatte,
stellt er das Vaterland des Pfirsichbaums als unbekannt
hin, meint, dass Persien es sein könne. Boissier sah
1 Bertero, in: Ann. sc. nat., XXI, 350.
2 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works,
S. 10.
3 Sir J. Hooker, Fl. of Brit. India, II, 313.
4 Brandis, Forest Flora etc., S. 191
5 Boissier, Flora orientalis, II, 640.
6 K. Koch, Dendrologie, I, 33.
Pfirsichbaum. 283
Bäume, welche sich in den Schluchten des Berges Hy-
mettus bei Athen festgesetzt hatten.
Der Pfirsichbaum breitet sich mit Leichtigkeit in den
Ländern aus, wo man ıhn anbaut, sodass es nicht leicht
; hält, zu wissen, ob ein bestimmtes Individuum ursprüng-
lich im Lande heimisch ist, vor der allgemeinen Cultur,
oder ob es sich naturalisirt hat; in China hat man aber
sicherlich damit angefangen, den Pfirsichbaum anzu-
pflanzen; 2000 Jahre vor seiner Einführung in die
griechisch-römische Welt, ein Jahrtausend vielleicht vor
seinem Bekanntwerden in den Ländern der Sanskrit-
sprache, kannte man den angebauten Pfirsichbaum be-
reits im Reiche der Mitte.
Die Gruppe der Pfirsichbäume (Gattung oder Unter-
gattung) wird gegenwärtig aus fünf Formen zusammen-
gesetzt, welche Decaisne! als Arten betrachtete, die
aber von andern Botanikern meistens als Varietäten be-
zeichnet werden. Die eine ist der gemeine Pfirsich-
baum, die zweite der mit glatter Frucht, welcher, wie
wir gesehen haben, aus ersterm hervorgegangen ist, die
dritte ist der Pfirsichbaum mit flacher, d. h. von öben
her zusammengedrückter Frucht (P. platycarpa, De-
caisne), welcher in China angebaut wird, und die beiden
letzten sind in China einheimisch (P. Simonii, Decaisne,
und P. Davidii, Carrière); es ist somit der Hauptsache
nach eine aus China stammende Gruppe.
Nach dieser Zusammenstellung von Thatsachen dürfte
es schwer halten, für den gemeinen Pfirsichbaum China
nicht als ursprüngliches Heimatsland hinzustellen, wie
ich ‚dies bereits vor Jahren nach weniger zahlreichen
Documenten gemuthmaasst hatte. Seine Ankunft in
Italien zu Anfang der christlichen Zeitrechnung wird
heutzutage durch das Fehlen von Pfirsichkernen in den
Terramare oder Pfahlbauten von Parma und der Lom-
bardei, sowie auch durch Pfirsichbäume darstellende
1 Decaisne Jardin fruitier du Muséum, Pechers, S. 42.
a re
Gemälde ın den Häusern der Reichen von Pompeji
bestätigt. ! |
Zum Schluss muss ich noch auf eine Ansicht zu
sprechen kommen, die vor zeiten von A. Knight auf-
gestellt und von mehreren Gärtnern unterstützt wurde,
dass nämlich der Pfirsichbaum eine Abänderung des
Mandelbaums wäre. Darwin? hat alle Schriftstücke zur
Begründung dieser Meinung vereinigt, doch hat er es
auch nicht versäumt, eins anzuführen, welches, wie er
glaubt, dagegen spricht. Kurz zusammengefasst ergibt
sich daraus: 1) eine Kreuzung, die Knight ziemlich
zweifelhafte Resultate geliefert hat; 2) Zwischenformen
in Bezug auf die Fleischfülle und den Kern, welche
durch Aussaaten oder zufällig in den Culturen erzielt
waren, Formen, von welchen der seit langer Zeit be-
kannte Mandelpfirsich als Beispiel genannt werden kann.
Decaisne® fand in der Form und der Länge der Blätter,
ganz abgesehen von den Kernen, die zwischen dem
Mandel- und Pfirsichbaume obwaltenden Verschieden-
heiten. Knight’s Ansicht behandelt er als eine „selt-
same Hypothese‘.
Die Pflanzengeographie spricht gegen diese Hypo-
these, denn der Mandelbaum stammt aus dem west-
lichen Asıen, kam ehemals im Centrum des asiatischen
Continents nicht vor, und seine Einführung nach China
als angebauter Baum geht nicht über die christliche
Zeitrechnung hinaus. Die Chinesen besassen ihrerseits
seit Tausenden von Jahren verschiedene Formen des ge-
meinen Pfirsichbaums, und ausserdem die zwei spon-
tanen Formen, von welchen ich gesprochen habe. Der
Mandelbaum und der Pfirsichbaum waren von zwei sehr
voneinander entfernten Regionen ausgegangen, und schon
aus diesem Grunde kann man sie kaum als ein und
dieselbe Art betrachten. Der eine war auf China, der
andere auf Syrien und Anatolien angewiesen. Nachdem
284 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Comes, Illustr. piante nei dipinti Pompeiani, S. 14.
Darwin, On variations etc., I, 338.
Decaisne, a. a. O., S. 2.
C2 19 m
Gemeiner Birnbaum. 285
der Pfirsichbaum von China nach Centralasien, und etwas
vor der christlichen Zeitrechnung nach Westasien ge-
bracht worden war, kann er daselbst nicht der Stamm-
vater des Mandelbaums geworden sein, weil sich dieser
letztere bereits in dem Lande der Hebräer vor-
fand. Und wie wäre es möglich, falls der Mandelbaum
des westlichen Asiens den Pfirsichbaum erzeugt hätte,
dass dieser in China seit einer sehr fern liegenden Zeit
auftrat, während er doch der griechisch-römischen
Welt fehlte?
Pyrus communis, Linne. — Gemeiner Birnbaum (fr.
Poirier commun).
Der Birnbaum zeigt sich im wildwachsenden Zustande
im ganzen gemässigten Europa und in Westasien, vor-
nehmlich in Anatolien, im Süden des Kaukasus und im
Nordpersien!, vielleicht auch in Kaschmir, doch ist letzte-
res zweifelhaft.” Von einigen Autoren wird der Wohn-
sitz bis nach China ausgedehnt. Dies hat seinen Grund
darin, dass sie die Pyrus sinensis, Lindley, als derselben
Art zugehörig ansehen. Mich hat schon die einfache
Prüfung der Blätter, bei welchen die zahnartigen Ein-
schnitte in ein feines Seidenhärchen verlaufen, zu der
Ueberzeugung einer specifischen Verschiedenheit der
beiden Bäume gebracht.”
Unser wildwachsender Birnbaum unterscheidet sich
nur wenig von gewissen angebauten Varietäten. Seine
Frucht ist herbe, gesprenkelt, die Form derselben bald
unten abgeflacht oder fast kugelrund.* Bei vielen an-
dern angebauten Arten hält es schwer, die von einer
wildwachsenden Pflanze abstammenden Individuen von
1 Ledebour, F1. ross., II, 94; und besonders Boissier, Fl. orient., II,
653, der mehrere Exemplare untersucht hat.
2 Sir J. Hooker, Flora’ of British India, II, 374.
3 Der von Lindley beschriebene P. sinensis ist in Bezug auf die zahn-
förmigen Einschnitte der Blätter im Botanical Register schlecht abgebil-
det, im Jardin fruitier du Muséum von Decaisne dagegen sehr gut. Dies
ist dieselbe Art als der P. ussuriensis, Maximowiez, aus dem östlichen Asien.
4 Im Nouveau Duhamel, VI, Taf. 59, sowie in Decaisne’s Jardin fruitier
du Muséum, Taf. 1, Fig. B u.C, sehr gut abgebildet. Der P. Balanse, Taf. 6
desselben Werkes, scheint nach Boissier’s Beobachtungen gleichartig zu sein.
286 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
denen zu unterscheiden, welche eine zufällige Samen-
fortschaffung fern von menschlichen Niederlassungen ins
Leben gerufen hat. In dem uns vorliegenden Falle ist
dies nicht so schwierig. Die Birnbäume finden sich
häufig in den Wäldern und erreichen unter allen Frucht-
barkeitsbedingungen einer einheimischen Pflanze einen
hohen Wuchs. Wir wollen jedoch sehen, ob sich in
dem weiten von ihnen eingenommenen Ländergebiet in
gewissen Ländern ein weniger altes oder weniger gut
begründetes Vorkommen muthmaassen lässt als in andern.
Man kennt keinen Sanskritnamen für die Birne, wo-
durch man zu der Behauptung berechtigt wird, dass
die Cultur im nordwestlichen Indien kein hohes Alter
aufzuweisen hat, und dass die ausserdem zu ungenaue
Angabe von wildwachsenden Exemplaren in Kaschmir
von keiner Bedeutung ist. Auch gibt“es weder he-
bräische noch aramäische Namen?; dies wird aber durch
die Thatsache erklärt, dass der Birnbaum nicht in den
heissen Ländern gedeiht, wo diese Sprachen geredet
wurden.
Homer, Theophrast und Dioscorides erwähnen den
Birnbaum unter den Namen Ochnai, Apios oder Achras.
Die Lateiner nannten ihn Pirus oder Pyrus?, und we-
nigstens zu Plinius’ Zeiten wurde eine grosse Anzahl
Varietäten von ihnen angebaut. Die Wandgemälde von
Pompeji zeigen uns oft diesen Baum mit seiner Frucht.*
Die Bewohner der schweizer und italienischen Pfahl-
bauten sammelten die wildwachsenden Aepfel. in grossen
.
1 Dies ist beispielsweise nach den Beobachtungen Godron’s, De V’ori-
gine probable des Poiriers cultivés, 1873, S. 6, in den Wäldern Loth-
ringens der Fall.
2 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk.; Löw, Aramäische Pflanzennamen,
1581.
3 Die Schreibweise Pyrus, wie Linné sie angenommen hatte, findet sich
im Plinius, Historia (1631), S. 301. Einige Botaniker haben es besser
machen wollen, indem sie Pirus schreiben, die Folge davon war, dass
man beim Nachschlagen in einem Buche der Neuzeit das Inhaltsverzeich-
niss an zwei Stellen zu Rathe ziehen muss, oder Gefahr läuft, zu glauben,
dass die Birnbäume sich in dem Werke nicht verzeichnet finden. Auf
alle Fälle ist der Name der Alten ein volksthümlicher Name, der wirklich
botanische Name ist jener von Linné, dem Gründer der als gültig ange-
nommenen Nomenclatur, und Linné schrieb Pyrus.
4 Comes, Ill. piante dipinti Pompeiani, S. 59.
u Au
Gemeiner Birnbaum. 287
Massen ein, und unter diesen Vorräthen fanden sich,
wenn auch nur selten, Birnen. Heer hat eine abge-
bildet, die von den Pfahlbauten von Wangen und
Robenhausen stammt, und diese Abbildung lässt über
die Identität keine Zweifel zu. Es ist eine unten ab-
geflachte Frucht, die 28 mm lang und 19 breit ist; sie
ist der Länge nach durchgeschnitten, sodass auf diese
Weise um den knorpeligen centralen Theil ein Fleisch
von nur geringer Dicke sichtbar wird.! In den savoyischen
Pfahlbauten des Sees von Bourget hat man keine ge-
funden. In jenen der Lombardei hat der Professor
Ragazzoni? eine Birne entdeckt, die der Länge nach
durchgeschnitten war und bei 25 mm Länge eine
Breite von 16 mm zeigte. Sie fand sich in Bardello
im See von Varese. Die im „Nouveau Duhamel“ abge-
bildeten wildwachsenden Birnen haben 30—33 mm Länge
bei einer Breite von 30—32, und diejenigen von La-
ristan, welche im ,,Jardin fruitier du Muséum‘ unter
dem Namen von P. Balans@ abgebildet sind, und welche
mir als derselben Art zugehörig und wirklich spontanen
Ursprungs erscheinen, messen 26—27 mm in Länge bei
einer Breite von 24—25. Bei diesen wildwachsenden
Birnen der Gegenwart ist das Fleisch etwas dicker; die
alten Bewohner der Pfahlbauten liessen aber ihre Früchte
trocknen, nachdem sie dieselben der Länge nach zer-
schnitten hatten, wodurch die Dicke vermindert werden
. musste. In den genannten Pfahlbauten findet sich keine
Spur von Metallen noch vom Hanf, zieht man aber ihre
Entfernung von civilisirtern Gegenden der alten Zeiten
in Betracht, ganz insbesondere, sobald es sich um die
Schweiz handelt, so ist es immerhin möglich, dass die
entdeckten Ueberreste auf eine nicht ältere Zeit als
bis zum Trojanischen Krieg oder zur Gründung Roms
zurückgehen.
Ich führte drei Namen des alten Griechenlands und
1 Heer, Pfahlbauten, S. 24, 26, Fig. 7.
2 Sordelli, Notizie staz. lacustre di Lagozza, S. 37.
288 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 2
einen lateinischen Namen an, es gibt aber eine Menge
anderer: z. B. Pauta im Armenischen und Georgischen,
Vatzkor im Ungarischen; in den slawischen Sprachen
Gruscha (russisch), Hrusska (böhmisch), Kruska (illyrisch).
Dem lateinischen Pyrus analoge Namen finden sich in
den keltischen Sprachen: Peer (irländisch), Per (cym-
risch und armorikanisch).! Ich überlasse es den Sprach-
forschern, Vermuthungen über den mehr oder weniger
arischen Ursprung mehrerer dieser Namen und des deut-
schen Namens Birne aufzustellen, dagegen dient mir deren
Verschiedenartigkeit und Mannichfaltigkeit als Beweis
eines sehr alten Vorkommens vom Kaspisee an bis zu
dem Atlantischen Ocean. Die Arier haben sicherlich
auf ihren Wanderungen nach Westen hin keine Birnen
oder Birnenkerne mit sich geführt; wenn sie aber in
Europa auf eine Frucht stiessen, welche sie schon
kannten, so haben sie ihr den oder die bei ihnen ge-
bräuchlichen Namen beigelegt, während andere, frühere
Namen in einigen Ländern verbleiben konnten. Als
Beispiel dieses letztern Falles will ich zwei baskische
Namen für den Birnbaum anführen, Udarea und Ma-
daria?, welche mit den schon bekannten asiatischen
oder europäischen Namen keine Uebereinstimmung zeigen.
Die Basken waren wahrscheinlich von den Kelten -unter-
worfene und gegen die Pyrenäen hin zurückgedrängte
Iberer; das Alter ihrer Sprache ist ein sehr hohes, und
was die in Frage stehende Art betrifft, so haben sie
sicherlich die Namen weder von den Kelten noch von
den Römern erhalten.
Schliesslich kann man den gegenwärtigen Wohnsitz
des Birnbaums von Nordpersien nach der Westküste des
gemässigten Europa, namentlich in den gebirgigen Re-
gionen als prähistorisch und selbst als jeglicher Cultur
1 Nemnich, Polygl. Lexicon d. Naturgesch.; Ad. Pictet, Origines indo-
européennes, I, 277; und mein handschriftliches Wörterbuch von volks-
thümlichen Namen.
2 Nach einer Liste von Pflanzennamen, die von Herrn d’Abadie dem
Professor Clos in Toulouse mitgetheilt wurde.
Schneebirne. 289
vorhergehend ansehen. Man muss aber dessenungeachtet
hinzufügen, dass durch die Häufigkeit der Culturen in
Nordeuropa und auf den britischen Inseln die Ausbrei-
tung und Vervielfältigung der Naturalisationen während
einer verhältnissmässig neuern Epoche, deren charak-
teristische Merkmale jetzt kaum mehr anzugeben sind,
bedingt wurden.
Der von Godron aufgestellten Hypothese, dass die
zahlreichen angebauten Varietäten von einer unbekann-
ten asiatischen Art abstammen!, kann ich nicht bei-
treten. Es scheint als ob sich dieselben, wie dies von De-
eaisne betont wird, an P. communis oder an P. nivalis, auf
welche ich gleich zu sprechen komme, anlehnen können,
wenn man die Wirkungen zufälliger Kreuzungen, der Cultur
und einer langen natürlichen Züchtung zulässt. Ausser-
dem ist das westliche Asien zur Genüge erforscht wor-
den, um zu der Ansicht berechtist zu sein, dass sich
dort keine andern als die schon beschriebenen Arten
vorfinden.
Pyrus nivalis, Jacquin. — Schneebirne (fr. Poirier
Sauger).
In Oesterreich, ın Norditalien und in mehreren De-
partements des östlichen und mittlern Frankreichs wird
ein Birnbaum angebaut, welchen Jacquin Pyrus nivalis
genannt hat?, er stützte sich dabei auf den deutschen
Namen Schneebirne, welcher in dem Gebrauche der
österreichischen Bauern, die Früchte davon zu essen,
wenn die Berge von Schnee bedeckt sind, seine Be-
gründung findet. In Frankreich nennt man ıhn Poirier
Sauger, weil die untere Seite der Blätter mit einem
weissen Flaum bedeckt ist, wodurch sie der Sauge
(Salbei) ähnlich werden. Decaisne? hielt alle Varietäten
der Schneebirne für Abkömmlinge der Pyrus Kotschyana,
1 Godron, a. a. O., S. 28.
2 Jacquin, Flora austriaca, II, 4, Fig. 107.
3 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 21.
DE CANDOLLE. 19
290 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Boissier !, welche in Kleinasien wild wächst. Dieser
Name müsste dann dem von nivalis, als dem ältesten,
Platz machen.
Die in Frankreich zur Bereitung von Birnmost an-
gebauten Schneebirnen sind hier und da in den Wäldern
verwildert.? Sie bilden die Hauptmasse der sogenannten
Cider-Birnbäume, welche sich, ganz abgesehen von den
Charakteren des Blattes, durch die Herbigkeit der Frucht
unterscheiden.
Die Beschreibungen der Griechen und Römer sind zu
unvollkommen, um feststellen zu können, ob sie diese
Art besassen. Man kann dies jedoch als wahrschein-
lich annehmen, weil sie Obstwein bereiteten.?
Pyrus sinensis, Lindley.* — Chinesischer Birnbaum
(fr. Poirier de Chine).
Es wurde von mir schon auf diese Art hingewiesen,
welche dem gemeinen Birnbaum nahe steht, in der
Mongolei und Mandschurei®° wildwachsend vorkommt,
und in China sowol wie in Japan angebaut wird.
Ihre Frucht, die besser aussieht als sie schmeckt,
wird als Kochobst benutzt. Die Art ist in den euro-
päischen Gärten noch zu neu, um den Versuch gemacht
zu haben, sie mit unsern Arten zu kreuzen, dies wird
vielleicht eintreten, ohne dass es beabsichtigt wird.
Pyrus Mulus, Linné. — Gemeiner Apfelbaum (fr.
Pommier).
Im wildwachsenden Zustande zeigt sich der Apfel-
1 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 18, und Einlei-
tung, S. 30. Mehrere Varietäten von Schneebirnen, einige mit grossen
Früchten, sind in demselben Werke abgebildet.
2 Boreau, Flore du centre de la France, 3. Aufl., II, 236.
3 Palladius, De re rustica, 1. 3, c. 25. Hierzu gebrauchte man „Pira
sylvestria, vel asperi generis“.
4 Thouin hatte den chinesischen Quittenbaum Pyrus sinensis genannt.
Unglücklicherweise hat Lindley denselben Namen einer wirklichen Pyrus-
art gegeben.
5 Decaisne (Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 5) hat Exem-
plare gesehen, die von diesen beiden Ländern kamen. Franchet und Sa-
vatier führen sie für Japan nur als angebaut an.
tés LA ti
Gemeiner Apfelbaum. 291
baum in ganz Europa (mit Ausnahme des äussersten
Nordens), in Anatolien, dem Süden des Kaukasus und
der persischen Provinz Ghilan.! In der Nähe von
Trapezunt hat der Botaniker Bourgeau davon einen
ganzen kleinen Wald angetroffen.” Auf den Gebirgen
des nordwestlichen Indien ist er nach dem Ausspruche
des Sır J. Hooker in seiner Flora von Britisch-Indien
dem Anscheine nach wildwachsend (apparently wild).
Kein Autor erwähnt ihn in Sibirien, der Mongolei oder
Japan.”
In Deutschland findet man zwei spontane Formen, die
eine mit kahlen Blättern und ebensolchen Eierstöcken, die
andere mit wolligen Blättern nach unten, und Koch fügt
hinzu, dass diese Behaarung sehr abwechselnd ist.* In
Frankreich weisen sehr genaue Autoren ebenfalls auf
zwei spontane Varietäten hin, freilich mit Charakteren
ausgestattet, die mit denen der deutschen Flora nicht
ganz und gar übereinstimmen.” Es würde sich diese
Verschiedenheit erklären lassen, wenn die wildwachsen-
den Bäume in gewissen Provinzen von angebauten Va-
rietäten abstammen, deren Kerne ausgestreut worden
wären. Die sich uns darbietende Frage besteht somit
darin, zu erfahren, bis zu welchem Grade die Art im
verschiedenen Ländern wahrscheinlich eine alte und ur-
sprüngliche ist, und ob ein Vaterland nicht älter ist
als die andern, welches sich allmählich durch zufällige
Aussaaten von durch Kreuzungen und Cultur abge-
änderten Formen weiter ausgebreitet hätte.
Fragt man sich, in welchem Lande der Apfelbaum
mit den stärksten Anzeichen einer einheimischen Pflanze
angetroffen wurde, so muss die Region von Trapezunt
1 Nyman, Conspectus florae europeae, S. 240; Ledebour, Flora rossica,
II, 96; Boissier, Flora orient., II, 656; Decaisne, Nouvelles Arch. Mus.,
2. HET
2 Boissier, a. a. O.
3 Maximowiez, Primitiae ussur.; Regel, Opit flori etc., über die Pflanzen
von Ussuri von Maak; Schmidt, Reisen am Amur; Franchet et Savatier,
Enum. Jap., sprechen nicht davon. Bretschneider erwähnt einen chine-
sischen Namen, welcher sich, wie er sagt, auf andere Arten beziehen soll,
4 Koch, Synopsis fl. germ., I, 261.
5 Boreau, Flore du centre de la. France, 3. Aufl., II, 236.
19*
299 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
nach Ghilan genannt werden. Die Form, welche man
dort wildwachsend antrifft, besitzt Blätter, deren untere
Seite wollig ist, einen kurzen Blütenstiel und süsse
Früchte !, was dem von Boreau beschriebenen Malus
communis von Frankreich entspricht. Hier bietet sich
ein Fingerzeig für die Ausbreitung des prähistorischen
Vaterlandes vom Kaspisee bis nahe nach Europa.
Piddington führte in seinem Index einen Sanskrit-
namen für den Apfelbaum an, wir hören aber von
Adolphe Pictet?, dass dieser Name, Seba, Hindustani
ist und vom persischen Séb, Séf abgeleitet wird. Das
Fehlen eines ältern Namens in Indien lässt vermuthen,
dass die gegenwärtig in Kaschmir und Tibet häufige
Cultur und besonders jene in den Provinzen des nord-
westlichen und centralen Indien älter sind. Der Apfel-
baum war wahrscheinlich nur den westlichen Ariern
bekannt.
Diese hatten aller Wahrscheinlichkeit nach einen auf
Ab, Af, Av, Ob begründeten Namen, denn man be-
merkt diese Wurzel in mehreren europäischen Sprachen
arıschen Ursprungs. Ad. Pictet citirt: im Irischen
Aball, Ubhal, im Kymrischen Afal, im Armoricanischen
Aval, im Altdeutschen Aphal, im Angelsächsischen Appel,
im Skandinavischen Apli, im Litauischen Obolys, ım
Altslawischen Jabluko, im Russischen Jabloko. Danach
scheint es, als ob die westlichen Arıer, indem sie den
wildwachsenden oder schon naturalisirten Apfelbaum in
Nordeuropa antrafen, den Namen beibehalten haben,
unter welchem sie denselben kannten. Die Griechen
sagten Mailea oder Maila, die Lateiner Malus, Malum,
Worte, deren Ursprung, meint Ad. Pictet, ein sehr un-
gewisser ist. Die Albanesen, welche auf die Pelasger
zurückzuführen sind, sagen Molé.* Theophrast * spricht
von wildwachsenden und angebauten Maila. Schliess-
1 Boissier, a. a. 0.
2 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, I, 276.
3 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64.
4 Theophrastus, De causis, 1. 6, c. 24,
Gemeiner Apfelbaum. 293
lich will ich noch einen ganz besondern Namen der
Basken (alte Iberer?) hier anführen, Sagara, welcher
ein den arischen Invasionen vorhergehendes Vorkommen
muthmaassen lässt.
Die Bewohner der Terramare von Parma und der
Pfahlbauten der lombardischen, savoischen und schweizer
Seen machten von Aepfeln grossen Gebrauch. Sie zer-
schnitten sie immer der Länge nach und bewahrten sie
im getrockneten Zustande als Wintervorräthe. Die
Exemplare sind infolge von Bränden häufig verkohlt,
die innere Structur der Frucht lässt sich aber dann
um so besser erkennen. Heer!, welcher bei der
Beobachtung dieser Einzelheiten viel Scharfsinn ent-
wickelt hat, unterscheidet bei den Aepfeln der schweizer
Pfahlbauten, wo man noch keine Metalle besass, zwei
Varietäten bezüglich der Grösse. Der Längsdurchmesser
der kleinern zeigt 15—24 mm und etwa 3 mm mehr
der Querdurchschnitt (im getrockneten und verkohlten
Zustande); die grössern haben 29—32 mm Länge bei
einer Breite von 36 mm (im getrockneten, nicht ver-
kohlten Zustande). Die in der „English Botany‘“,
Taf. 179, abgebildeten wilden Aepfel Englands sınd
17 mm hoch und 22 breit. Es ist möglich, dass die
kleinen Aepfel der Pfahlbauten wilde waren; da sie
aber unter den Vorräthen so reichlich vertreten waren,
kann man dies bezweifeln. Von Dr. Gross erhielt
ich zwei Aepfel von den weniger alten Pfahlbauten des
Neuenburgersees, von welchen (im verkohlten Zustande)
der eine 17, der andere 22 mm im Längsdurchmesser
enthielt. Sordelli? führt für Lagozza in der Lombardei
einen Apfel an, der bei 17 mm in der Länge 19 in
der Breite mass, und bei einem andern stellte sich dieses
Verhältniss auf 19 zu 27. In einem prähistorischen
Fundort des Sees von Varese, in Bardello, fand Ragaz-
zoni unter den angehäuften Vorräthen einen Apfel, der
etwas grösser war als die andern.
1 Heer, Pfahlbauten, S. 24, Fig. 1—7.
2 Sordelli, Sulle piante della stazione della Lagozza, S. 35.
294 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Fasst man alle diese Thatsachen zusammen, so sehe
ich das Vorkommen des Apfelbaums in Europa sowol
ım wildwachsenden als angebauten Zustande als prä-
historisch an. Aus dem Fehlen der Beziehungen zu
Asien vor den arischen Invasionen lässt sich vermuthen,
dass der Baum ebenso einheimisch in Europa wie in
Anatolien, dem Süden des Kaukasus und Nordpersien
war, und dass seine Cultur überall frühzeitig begon-
nen hat.
Cydonia vulgaris, Persoon. — Quittenbaum (fr. Co-
gnassier).
In Nordpersien, in der Nähe des Kaspisees, in der
Region südlich vom Kaukasus und in Anatolien tritt
der Quittenbaum in Holzungen spontan auf.! Einige
Botaniker haben ihn auch in der Krim und ım Norden
Griechenlands mit allen Anzeichen der Spontaneität an-
getroffen?, es lassen sich aber schon in diesen östlichen
Theilen Europas alte Naturalisationen vermuthen, und je
mehr man sich Italien, besonders aber dem südwestlichen
Europa und Algerien nähert, um so wahrscheinlicher
wird es, dass die Art dort von alters her in der
Nähe von Dörfern, in Hecken u. s. w. naturali-
sirt ıst.
Man kennt keinen Sanskritnamen für den Quitten-
baum, und hieraus kann man den Schluss ziehen, dass
sich der Wohnsitz nicht nach dem Centrum von Asien
ausdehnte. Es gibt ebenfalls keinen hebräischen Namen,
obgleich die Art auf dem Taurus wildwachsend auf-
tritt.” Der persische Name ist Haivah*, ob derselbe
aber auf das Zend zurückgeht, weiss ich nicht. Der-
selbe Name findet sich im Russischen, Aiva, für den
angebauten Quittenbaum, während die wildwachsende
Pflanze Armud heisst, ein dem armenischen Armuda”
1 Boissier, Fl. orient. II, 656; Ledebour, F1. ross., II, 55.
2 Steven, Verzeichniss d. taur. Halbinsel, S. 150; Sibthorp, Prodr. fl.
gräecae, I, 344.
3 Boissier, a. a. O. + Nemnich, Polygl. Lexicon. 5 Ebend.
|
|
Quittenbaum. 295
entlehntes Wort. Die Griechen hatten auf einer ge-
meinen Varietät Strution, eine bessere Sorte, die von
Cydon auf der Insel Kreta stammte, gepfropft; daraus
ist der Name xuöwvıov (kudönion) entstanden, welcher
von den Lateinern mit Malum cotoneum übersetzt wurde:
Cydonia und alle europäischen Namen, wie Codogno im
Italienischen, Coudougner und später Coing im Fran-
zösischen, Quitte im Deutschen u. s. w. stammen da-
von ab. Es gibt polnische, Pigwa, slawische, Tunja !
und albanesische (pelasgische?) Namen, Ftua?, welche
von den andern ganz und gar verschieden sind. Diese
Verschiedenartigkeit von Namen lässt eine alte Kennt-
niss der Art im Westen ihres ursprünglichen Vater-
landes vermuthen, und der albanesische Name vermag
selbst ein den Hellenen vorhergehendes Auftreten anzu-
deuten. |
Was Griechenland betrifft, so ergibt sich das Alter auch
aus den von Plinius und Plutarch erwähnten abergläu-
bischen Gebräuchen, dass nämlich die Frucht des Quitten-
baums schlimme Einwirkungen fern hielt, und dass die-
selbe auch bei den von Solon vorgeschriebenen Heiraths-
ceremonien eine Rolle spielte. Einige Autoren sind so
weit gegangen, zu behaupten, dass der von Juno, Venus
und Minerva streitig gemachte Apfel eine Quitte war.
Diejenigen, welche sich für diese Fragen interessiren
sollten, finden genaue Angaben darüber in dem von
Comes über die auf den pompejanischen Gemälden ab-
gebildeten Gewächse veröffentlichten Memoire. Der
Quittenbaum wird auf denselben zweimal dargestellt.
Das darf nicht überraschen, weil dieser Baum schon zu
Cato’s Zeiten bekannt war. |
Wahrscheinlich handelt es sich, wie mir scheint, um
eine Naturalisation im östlichen Europa vor dem Troja-
nischen Kriege.
Die Quitte ist eine durch die Cultur wenig veränderte
1 Nemnich, a. a. O.
2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64.
3 Neapel 1879. ÆGato, De re rustiea, 1. 7, c. 2.
296 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Frucht. In frischem Zustande ist sie noch ebenso herb
und sauer wie zu Zeiten der alten Griechen.
Punica Granatum, Linné. — Granatbaum (fr. Gre-
nadier).
In den steinigen Gegenden Persiens, Kurdistans, Af-
ghanistans und Beludschistans! tritt der Granatbaum
wildwachsend auf. Burnes sah ganze Holzungen davon
in Mazanderan südlich vom Kaspisee.? Auch im Süden
des Kaukasus scheint er spontan zu sein.” Nach Westen
hin, d.h. in Kleinasien, Griechenland, überhaupt in der
Mittelmeerregion, in Nordafrika und auf Madeira hat
es mehr den Anschein, als ob sich die Art imfolge
der Culturen und der Samenausstreuung durch die
Vögel naturalisirt hätte. In vielen Floren Südeuropas
wird die Art als „subspontan‘‘ oder ,,naturalisirt‘ auf-
geführt. In seiner „Flora atlantica“ zählt Desfontaines
sie zu den spontanen Gewächsen Algeriens, spätere Au-
toren sehen sie daselbst aber eher als naturalisirt an.*
Ich bezweifle ihre spontane Beschaffenheit in Belu-
dschistan, wo der Reisende Stocks sie gesammelt hat?,
denn von den anglo-indischen Botanikern wird das
Indigenat im Osten des Indus nicht als sicher zuge-
lassen, und bemerke ich das Fehlen der Art in den
Sammlungen vom Libanon und Syrien, auf welche
Boissier immer sorgfältig hinweist.
In China findet sich der Granatbaum nur im ange-
bauten Zustande. Schang-kien führte ihn 11}, Jahr-
hundert vor der christlichen Zeitrechnung von Samar-
kand dorthin ein.®
In der Mittelmeerregion ist die Naturalisation so ge-
wöhnlich, dass man dieselbe als eine Ausdehnung des
alten Wohnsitzes bezeichnen kann. Wahrscheinlich
1 Boissier, F1. orient. II, 737; Sir Joseph Hooker, Flora of British
India, II, 581.
2 Nach Royle, Ill. Himal., S. 208. 3 Ledebour, F1. rossica, II, 104.
+ Munby, F1. d’Alger, S.49; Ball, Spicilegium florae maroccanae, S. 458.
5 Boissier, a. a. O. 6 Bretschneider, On study etc., S. 16. :
er
:
3
4
à
Granatbaum. 297
schreibt sie sich aus einer frühen Zeitperiode her, denn
die Cultur der Art im westlichen Asien geht auf eine
sehr alte Epoche zurück.
Wir wollen jetzt sehen, ob die historischen und lin-
guistischen Schriftstücke in dieser Beziehung uns einige
Aufklärung zu bieten vermögen.
Zuerst mache ich auf das Vorhandensein eines San-
skritnamens, Darimba, aufmerksam, von welchem meh-
rere neuere Namen Indiens abgeleitet werden.! Es
lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass die Art seit
langer Zeit in den Ländern bekannt war, durch welche
die Arier auf ihrem Zuge nach Indien geführt wurden.
Der Granatbaum wird mehrere mal im Alten Testa-
ment unter dem Namen Rimmon erwähnt?, aus welchem
der arabische Name Rummän oder Rumän entsprungen
ist. Er gehörte zu den Fruchtbäumen des verheissenen
Landes, und die Hebräer hatten ihn in den Gärten
Aegyptens schätzen lernen. Viele Localitäten Palä-
stinas hatten ihren Namen von diesem Strauche ent-
lehnt, in dem Urtext wird er aber immer nur als
angebaute Art erwähnt. Bei den religiösen Feierlich-
keiten der Phönizier spielten die Blüte und Frucht
des Granatbaums eine gewisse Rolle, und die Göttin
Aphrodite hatte ihn mit eigener Hand auf der Insel
Cypern gepflanzt?, was vermuthen lässt, dass er daselbst
noch nicht vorkam. Schon zu Homer’s Zeiten war die
Art den Griechen bekannt. Zweimal ist von ihr in der
Odyssee die Rede, als von einem Baume in den Gärten
der Könige von Phäakia und Phrygien. Sie nannten
sie Roia oder Roa, welcher Name, wie die Gelehrten
behaupten, von dem altsyrischen und hebräischen Namen*
abstammen soll, und auch Sidai?, ein anscheinend pe-
lasgisches Wort, denn der albanesische Name der Jetzt-
1 Piddington, Index.
2 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte, I, 273; Hamilton, La botanique
de la Bible (Nizza 1871), S. 48.
3 Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere aus Asien, 3. Aufl., S. 106.
4 Hehn, ebend.
5 Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 681.
ROC
LE)
zeit ist Sege.! Nichts berechtigt zu der Vermuthung,
dass die Art ın Griechenland spontan war, woselbst
Fraas und Heldreich sie jetzt ausschliesslich als natura-
lisirt angeben.?
Auch in den Legenden und bei den religiösen Feier-
lichkeiten der ältesten Römer war der Granatbaum ver-
treten.” Cato spricht von seinen wurmabtreibenden
Eigenschaften. Nach Plinius* kamen die besten Granat-
äpfel von Karthago. Daraus war der Name Malum
punicum entstanden; man hätte aber nicht, wie dies
vorgekommen ist, zu dem Glauben veranlasst werden
sollen, dass die Art ursprünglich von Nordafrika stammte.
Wahrscheinlich hatten die Phönizier sie nach Karthago
eingeführt, und zwar lange Zeit vor den Beziehungen
der Römer zu dieser Stadt, woselbst sie wie in Aegyp-
ten zweifelsohne angebaut wurde.
Wenn der Granatbaum vor zeiten in Nordafrıka und
Südeuropa spontan gewesen wäre, würden die Lateiner
ihm ursprünglichere Namen als Granatum (von granum
abstammend?) und Malum punicum beigelegt haben.
Man würde vielleicht einige locale, von alten westlichen
Sprachen abgeleitete Namen anzuführen haben, während
der semitische Name ARimmon im Griechischen sowol
wie im Arabischen die Oberhand behalten hat und sich
sogar, durch den Einfluss der Araber, bei den Berbern
vorfindet.ÿ Der afrikanische Ursprung gehört jeden-
falls, wie man wird zugeben müssen, zu den Irrthümern,
welche durch die schlechten volksthümlichen Bezeich-
nungen der Römer ins Leben gerufen wurden.
In dem pliocänen Terrain der Umgegend von Mexi-
mieux hat man Blätter und Blumen eines Granatbaums
gefunden, welche von G. de Saporta® als eine Va-
rietät der jetzigen Punica Granatum beschrieben wurden.
298 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64.
2 Fraas, Fl. class., S. 79; Heldreich, a. a. O.
3 Hehn, a. a. O. 4 Plinius, 1213, 1C- 10;
5 Dictionnaire français- berbère, von d. franz. Regierung veröffentlicht.
6 De Saporta, Bull. soc. géol. de France du 5 avril 1369, S. 767, 169.
le. fn st À de. der à
Rosenapfel. 239
Unter dieser Form hat die Art somit vor der gegen-
wärtigen Epoche mit andern Arten bestanden, von
welchen einige ausgestorben, andere sich noch in Süd-
europa vorfinden und noch andere schliesslich auf die
Canaren beschränkt sind; die Continuität des Bestehens
bis auf unsere Tage wird aber daraus noch immer nicht
nachgewiesen.
Schliesslich stimmen die botanischen, historischen und
linguistischen Argumente darin überein, Persien und
einige daranstossende Länder als ursprüngliche Heimat
dieser der Gegenwart angehörenden Art anzusehen.
Ihre Cultur hat in einer prähistorischen Zeit begonnen,
und ihre ım Alterthum stattfindende Ausbreitung zu-
nächst nach Westen, dann nach China hin hat Natura-
hsationen hervorgerufen, welche über den wirklichen
Ursprung irreführen können, da sie häufig auftreten,
von hohem Alter und langer Dauer sind.
Zu diesen Schlussfolgerungen war ich im Jahre 1855!
gelangt, dessenungeachtet findet sich die irrige Mei-
nung von einem afrikanischen Ursprunge in einigen
Werken wieder vorgeführt.
Eugenia Jambos, Linne. Jambosa vulgaris, de Can-
dolle. — Rosenapfel (fr. Pomme rose).
Ein kleiner Baum aus der Familie der Myrtaceen.
Gegenwärtig wird derselbe in den tropischen Regionen
der Alten und der Neuen Welt angebaut, vielleicht
ebenso sehr der Zierlichkeit seiner Belaubung als seiner
Frucht wegen, deren nach Rosen duftendes Fleisch
allzu dünn ist. Im ,,Botanical Magazine“, Taf. 3356,
findet sich eine vortreffliche Abbildung und gute Be-
schreibung des Rosenapfels. Der Same schliesst eine
giftige Substanz -ein.?
Da die Cultur dieser Art in Asien eine alte war, konnte
man an ihrem asiatischen Ursprung nicht zweifeln, man
1 Géographie bot. raisonnée, S. 391.
2 Descourtilz, Flore médicale des Antilles, V, Taf. 315.
300 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
wusste aber nicht recht, wo sie im wildwachsenden Zu-
stande zu finden sei. Die Aussage Loureiro’s, nach welcher
sie Cochinchina und mehrere Gegenden Indiens bewoh-
nen sollte, bedurfte der Bestätigung, und diese fand
sich in einigen Schriftstücken neuern Datums. Der
Jambos ist auf Sumatra und anderweitig auf den hollän-
dischen Inseln des Indischen Archipels wildwachsend.
Kurz traf ihn in den Wäldern von Britisch-Birma nicht
an; als aber Rheede diesen Baum in den Gärten von
Malabar sah, erfuhr er, dass man ihn Malacca-Schambu
nannte, was auf einen Ursprung von der Malaiischen
Halbinsel hinweist. Schliesslich führt Brandis ihn in
Sikkim, nördlich von Bengalen, als spontan an. Der
natürliche Wohnsitz breitet sich wahrscheinlich von den
Inseln des Indischen Archipels bis nach Cochinchina und
selbst nach dem Nordosten Indiens aus, wo er sich je-
doch möglicherweise infolge der Culturen und durch die
Thätigkeit der Vögel naturalisirt hat. Die Naturali-
sation hat in der That auch anderwärts stattgefunden,
z. B. in Hongkong, auf den Seychellen, Mauritius und
Rodriguez, sowie auf mehreren Inseln der Antillen.?
Eugenix malaccensis, Linné. Jambosa malaccensis,
de Candolle. — Jambusenbaum (fr. Jamalac oder Jam-
bosier de Malacca).
Eine der Eugenia Jambos verwandte Art; sie unter-
scheidet sich von derselben durch die Stellung der
Blüten und durch ihre verkehrt eirunde Frucht, d.h. statt
eirund zu sein, befindet sich ıhr engster Theil an dem
Anheftungspunkte, gerade wie ein Ei auf seiner kurzen
Spitze. Die Frucht ist fleischiger und duftet ebenfalls
nach Rosen; je nach den Ländern und Varietäten wird
dieselbe entweder sehr? oder nur wenig* geschätzt.
1 Miquel, Sumatra, S. 118; Flora Indiae Batavae, I, 425, Blume, Mu-
seum Lugd.-Bat., I, 9.
2 Hooker, Flora of Brit. India, II, 474; Baker, Flora of Mauritius etc.,
S. 115; Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 235.
3 Rumphius, Amboin., I, 121, Taf. 37.
4 Tussac, Flore des Antilles, III, 89, Taf. 25.
Guajavenbaum. z 301
Die zahlreichen Varietäten unterscheiden sich durch die
hell- oder dunkelrothe Färbung der Blüten, sowie durch
die Grösse, Form und Farbe der Früchte.
Die Vielfältigkeit der Abarten weist auf eine alte
Cultur im Indischen Archipel hin, wo die Art auch ihre
ursprüngliche Heimat hat. Um dies zu bestätigen,
erinnere ich daran, dass sie sich auf den Inseln der
Südsee, von Tahiti nach den Sandwichinseln festgesetzt
hatte, als Forster dieselben auf Cook’s Reise berührte.!
In den Wäldern des Asiatischen Archipels und der
Halbinsel von Malakka ist die Art spontan.?
Nach Tussac wurde sie im Jahre 1793 von Tahiti
nach Jamaica gebracht. Gegenwärtig hat sie sich auf
mehreren der Antillen, sowie auf Me und den
Seychellen weiter ausgebreitet und naturalisirt.?
Psidium Guayava, Raddi. — Guajavenbaum (fr.
Goyavier).
Von den alten Autoren, wie Linné und einigen Bota-
nikern nach ıhm, wurden zwei Arten bei diesem Frucht-
baume aus der Familie der Myrtaceen zugelassen, die
eine mit elliptischen oder sphärischen Früchten von
rothem Fruchtfleisch, Psidium pomiferum, die andere mit
birnenförmiger Frucht, deren Fleisch von weisser oder
rosarother Färbung ist und einen angenehmern Ge-
schmack besitzt — Psidium pyriferum. Aehnliche Ver-
schiedenheiten stimmen mit dem überein, was bei den
Birnen, Aepfeln und Pfirsichen zu Tage tritt; somit hat
man auch schon seit lange die Vermuthung ausge-
sprochen, dass es rathsamer sei, alle Psidiumarten als
zu einer einzigen Art gehörig anzusehen. Von Raddi
wurde sozusagen die Einheit festgestellt, als er in Bra-
silien birnenförmige Früchte und andere fast runde
2 Forster, Plantae esculentae, S. 36.
2 Blume, "Museum Lugd. Bat., I, 91; Miquel, Fl. Indiae Batavae, I, 411;
rn Fl. "Brit. India, Tr; 472:
$ 3 Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 235; Baker, Fl. of Mauritius,
115.
Be
302 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Früchte auf einem und demselben Baume antraf.! Heut-
zutage folgt die Mehrzahl der Botaniker, namentlich
diejenigen, welche die Guajaven in den Colonien beob-
achtet haben, der Ansicht Raddı’s?, welcher ich mich
schon im Jahre 1855 aus der geographischen Verbrei-
tung entlehnten Erwägungen zuneigte.?
Low“, welcher in seiner Flora von Madeira die Unter-
scheidung in zwei Arten wenn auch mit einigem Be-
denken aufrecht erhalten hat, versichert, dass sich beide
in ihren Charakteren durch Samen fortpflanzen. Es
sind somit Rassen wie bei unsern Hausthieren und
vielen angebauten Pflanzen. Jede dieser Rassen begreift
Varietäten in sich. |
Will man dem Ursprunge der Guajavenbäume weiter
nachforschen, so tritt uns bei ıhnen in hohem Grade
eine Schwierigkeit entgegen, wie solche sich bei vielen
ähnlich ausgestatteten Fruchtbäumen zeigt, ihre fleischi-
gen, mehr oder minder aromatischen Früchte werden
nämlich von den Omnivoren sehr gern gefressen, die
ihre Samen in den entlegensten Gegenden wieder ab-
geben. Die Samen der Guajaven keimen leicht und tragen
schon im dritten oder vierten Jahre Früchte. Das Vater-
land hat sich somit infolge von Naturalisationen weiter
ausgebreitet, breitet sich immer noch weiter aus, und
zwar ganz insbesondere in den tropischen Ländern, wo
Wärme und Feuchtigkeit nicht zu sehr obwalten.
Um die Untersuchung nach dem Ursprung zu verein-
fachen, will ich zunächst die Alte Welt unberücksichtigt
lassen, denn augenscheinlich kommen die Guajaven von
1 Raddi, Di alcune specie di.Pero Indiana (Bologna 1821), S. 1.
2 Martius, Syst. mat. medicae bras., S. 32; Blume, Museum Lugd.-Bat.,
I, 71; Hasskarl, in: Flora, 1844, S. 589; Sir J. Hooker, Flora of Brit.
India, II, 468.
3 Géogr. bot. raisonnée, S. 893.
+ Low, A manual flora of Madeira, S. 266.
5 Vgl. Blume, a. a. O.; Descourtilz, Flore médicale des Antilles, II,
20, wo eine Abbildung der birnenförmigen Guajave gegeben wird; Tussac,
Flore des Antilles, II, 92, welche uns die abgerundete Form in einer guten
Abbildung vorführt. Die beiden letztgenannten Werke enthalten inter-
essante Details über die Verwendungsweise der Guajavenfrüchte, über das
Wachsthum der Art u. s. w.
Guajavenbaum. 303
Amerika. Von etwa 60 Arten der Gattung Psidium
sind alle die, welche man hinlänglich darauf geprüft
hat, amerikanisch. Freilich haben die Botaniker vom
16. Jahrhundert an Pflanzen von Psidium Guayava (Va-
rietäten pomiferum und pyriferum) mehr oder minder
spontan auf den Inseln des Indischen Archipels und
im südlichen Asien angetroffen!, alles lässt aber darauf
schliessen, dass dies das Ergebniss von wenig alten
Naturalisationen war. Man liess für jede - Localität
einen fremden Ursprung zu, nur trug man Bedenken,
ob derselbe ein asiatischer oder amerikanischer sei.
Andere Erwägungen rechtfertigen diese Ansicht. Die
volksthümlichen malaiischen Namen stammen von dem
amerikanischen Worte Guiava ab. Von den alten chi-
nesischen Autoren werden die Guajaven nicht erwähnt,
wenn diese auch vor 1'!/, Jahrhunderten von Loureiro als
in Cochinchina wildwachsend angegeben werden. Auf
Cook’s Reise führt Forster sie nicht unter den auf den
Südseeinseln angebauten Pflanzen auf, was ziemlich be-
zeichnend ist, wenn man sich die Leichtigkeit, diese
Bäume anzubauen, sowie ihre unvermeidliche Samen-
ausstreuung vergegenwärtigt. Auf Mauritius und den
Seychellen wird ihre vor kurzem erfolgte Einführung
und Naturalisation von Keimen bezweifelt.?
Grössere Schwierigkeiten stellen sich uns entgegen,
diejenigen Gebiete Amerikas zu entdecken, von welchen
die Guajaven ausgegangen sind.
Im gegenwärtigen Jahrhundert sind sie gewiss ausser-
halb des Culturbereichs auf den Antillen, in Mexico, in
Centralamerika, in Venezuela, Peru, Guyana und Bra-
silien wildwachsend?, aber seit wann? Ist es, seitdem
die Europäer ihre Cultur weiter ausgebreitet haben?
Oder ist dies schon früher, infolge der weitern Fort-
schaffung durch die Eingeborenen und besonders durch
die Vögel eingetreten? Die Beantwortung dieser Fragen
Rumphius, Amboin., I, 141, 142; Rheede, Hortus malab., III, Taf. 34.
Bojer, Hortus mauritianus; Baker, Flora of Mauritius, S. 112.
Alle Floren, und Berg, in: Flora Brasiliensis, XIV, 196.
wur
aa
.
304 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
scheint seit dem Jahre 1855, wo ich mich mit ihnen
beschäftigte, keine weitern Fortschritte gemacht zu
haben.! Heute jedoch, wo ich etwas mehr Erfahrung
in derartigen zweifelhaften Fragen besitze, und die
specifische Einheit der beiden Guajaven ausserdem aner-
kannt worden ist, will ich den Versuch machen, das
anzudeuten, was mir das Wahrscheinlichste erscheint.
Einer der ersten Autoren über die Naturgeschichte
der Neuen Welt, J. Acosta?, spricht sich über die
apfelförmige Guajave folgendermaassen aus: „Es gibt auf
San-Domingo und andern Inseln Berge, die ganz mit
Guajaven bedeckt sind, und man sagt, dass solche Bäume
vor Ankunft der Spanier dort nicht vorkamen, sondern
dass sie dorthin von wer weiss woher gebracht waren.“
Die Art wäre sonach vielmehr ursprünglich vom
Festlande gekommen. Acosta hebt hervor, dass sie
auf dem Festlande wächst, und fügt hinzu, dass die
Guajaven Perus ein weisses Fleisch besitzen, welches dem
der rothen Früchte bei weitem vorzuziehen sei. Dies
lässt eine alte Cultur auf dem Festlande vermuthen.
Hernandez® hatte die beiden spontanen Formen in
Mexico gesehen und zwar in den heissen Strichen der
Ebenen und der Gebirge nahe bei Quauhnaci. Die Be-
schreibung und Abbildung, welche er von Ps. pomiferum
gibt, sind sehr deutlich. Piso und Marcgraf* hatten
ebenfalls die beiden wildwachsenden Guajavenbäume in
den brasilianischen Ebenen angetroffen; sie bemerken
aber, dass sich solche leicht ausbreiten. Marcgraf be-
richtet, dass man glaubte, sie seien in Peru einheimisch,
oder auch in Nordamerika, womit die Antillen. oder
Mexico gemeint sein können. Augenscheinlich war die
Art zur Zeit der Entdeckung Amerikas in einem grossen
Theile des Continents spontan. Wenn der Wohnsitz
1 Géogr. bot. raisonnée, S. 894 u. S95.
2 Acosta, Hist. nat. et morale des Indes orient. et occid., franz. Ueber-
cetzung (1598), S. 175.
3 Hernandez, Novae Hispaniae Thesaurus, S. 85.
4 Piso, Hist. Brasil, S. 74; Maregraf, ebend., S. 105.
a Zn ae
Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 305
einmal beschränkter gewesen ist, so ist dies wahrschein-
lich zu einer viel ältern Epoche der Fall gewesen.
Die volksthümlichen Namen wichen bei den einhei-
mischen Völkerschaften voneinander ab. In Mexico
sagte man Xalxocotl; in Brasilien hiess der Baum Araca-
Iba und die Frucht Araca-Guacu; der Name Guajaros
oder Guajava wird von Acosta und Hernandez bei Be-
sprechung der Guajavenbäume Perus und San-Domingos
erwähnt, ohne dass indessen der Ursprung genau an-
gegeben ist. Durch diese Namenverschiedenheit wird
die Hypothese eines sehr alten und ausgedehnten Wohn-
sitzes bestätigt.
Nach dem, was die ersten Reisenden von einem frem-
den Ursprunge auf San-Domingo und in Brasilien sagen
— eine Aussage, die man freilich auch bezweifeln darf
— vermuthe ich, dass sich der älteste Wohnsitz von
Mexico bis nach Columbien und Peru erstreckte, und
dass sich derselbe nach Brasilien hin vor der Ent-
deckung Amerikas, auf den Antillen nach jener Zeit
vergrôsserte. Die älteste Form der Art, welche auch
am meisten im wildwachsenden Zustande angetroffen
wird, würde die mit sphärischer, herber und stark ge-
färbter Frucht sein. Die andere Form ist vielleicht
durch die Cultur entstanden.
Lagenaria vulgaris, Seringe. Cucurbita lagenaria,
Linne. — Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse (fr.
Gourde!, Cougourde, Calebasse).
Die Frucht dieser Cucurbitacee zeigt in den Cul-
turen die verschiedenartigsten Formen, nach der Ge-
sammtmasse der übrigen Theile der Pflanze wird
aber von den Botanikern nur eine Art angenommen,
die in verschiedene Varietäten zerfällt.” Die bemer-
1 Im Englischen wird das Wort Gourd für den Riesenkürbis ((xcur-
bita mazima) gebraucht. Dies ist eins der Beispiele von der Verwirrung
der volksthümlichen Namen und von der wesentlich grössern Genauigkeit
der wissenschaftlichen Namen. .
2 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie 4, XII, 91; Cogniaux,
in unsern Monogr. Phaner., III, 417.
DE CANDOLLE, 20
0 A Re
306 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
kenswerthesten unter denselben sind die Gourde des
pèlerins, mit flaschenförmiger Frucht; die Cougourde,
bei welcher der Flaschenhals verlängert ist; die Gourde
massue oder trompette, und die Calebasse, meistens gross
und ein wenig zu eng. Ändere weniger verbreitete
Varietäten haben eine kreiselförmige oder zusammen-
gedrückte und sehr kleine Frucht, wie Gourde tabatière.
Die Art erkennt man immer an ihrer weissen Blume
und an der Härte des äussern Theils der Frucht, wes-
halb man sie als Gefäss, um Flüssigkeiten darin auf-
zubewahren oder auch als Luftreservoir, um die An-
fänger im Schwimmen über Wasser zu halten, gebrauchen
kann. Das innere Fruchtfleisch ist bald süss und ess-
bar, bald bitter und von abführender Wirkung.
Linne! sagte, dass die Art amerikanisch sei. De
Candolle? glaubte, dass sie wahrscheinlich indischen
Ursprungs sei, und die Folge hat letztere Meinung be-
stätigt.
Man hat die Lagenaria vulgaris im der That in Ma-
labar und den feuchten Wäldern von Deyra Doon *
wildwachsend gefunden. Auch Roxburgh* sah sie in
Indien wirklich als spontan an, obgleich die spätern
Floren sie nur als angebaut angegeben haben. Rum-
phius Ÿ endlich weist auf wildwachsende Exemplare hin,
die am Meeresgestade in einer Localität der Molukken
angetroffen wurden. Die Autoren erwähnen gemeinig-
lich, dass das Fruchtfleisch bei den wildwachsenden
Pflanzen bitter sei, dies tritt aber auch zuweilen bei
den angebauten Formen ein. Die Sanskritsprache unter-
schied bereits den gemeinen Flaschenkürbis, Ulavu,
und eine andere, bittere, Kutu-Tumbi, auf welche Ad.
Pictet auch den Namen Tiktaka oder Titkika bezieht.°
1 Linné, Species plantarum, S. 1434, unter Cucurbita.
2 A. P. de Candolle, Flore francaise (1805), III, 692.
3 Rheede, Malabar, 8, Taf. 1, 5; Royle, Ill. Himal., S. 218.
4 Roxburgh, Flora indica (1532), III, 719.
5 Rumphius, Amboin., V, 397, Taf. 144.
6 Piddington, Index, beim Worte Cxcurbita Lagenaria (indem man die
fehlerhafte englische Schreibart ändert); Ad. Pictet, Origines indo-europ.,
3. Aufl., I, 386.
Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 307
Seemann ! hat die Art auf den Fidschi-Inseln angebaut
und naturalisirt angetroffen. Von Thozet wurde sie an
der Küste von Queensland in Australien? gesammelt,
hier handelt es sich aber vielleicht um aus benachbarten
Culturen entsprungene Exemplare. Die Localitäten des
continentalen Indiens scheinen zuverlässiger und zahl-
reicher zu sein als jene von den Inseln Südasiens.
Von Dillon wurde die Art ebenfalls in Abessinien
wildwachsend im Hiehathale gefunden, Schimper fand
sie unter Büschen und Steinen einer andern Localität.”
Von diesen zwei Regionen der Alten Welt hat sie
sich in den Gärten aller Tropenländer und der ge-
mässigten Länder mit einer genügenden Sommerwärme
weiter ausgebreitet. Zuweilen hat sie sich, wie man
dies in Amerika beobachtet hat, ausserhalb der Cul-
turen naturalisirt.?
Das älteste chinesische Werk, welches den Flaschen-
kürbis erwähnt, ist jenes von Tschong-tschi-schu aus dem
1. Jahrhundert v. Chr.: nach Dr. Bretschneider wird
dasselbe in einem Werke des 5. oder 6. Jahrhunderts
genannt.” Es handelt sich in diesem Falle um ange-
baute Pflanzen. Die jetzigen Formen in den Gärten
von Peking sind die Herkuleskeule (Gourde massue),
welche gegessen wird, und der Flaschenkürbis (Gourde
bouteille).
Die griechischen Autoren haben von dieser Art nicht
gesprochen, dagegen wird sie bei den Römern von Be-
ginn des Kaiserreichs an erwähnt. In den oft ange-
führten Versen ® des zehnten Buchs von Columella wird
ziemlich deutlich auf sie hingewiesen. Nachdem er die
1 Seemann, Flora Vitiensis, S. 106.
2 Bentham, Flora Australiensis, III, 316.
3 Zuerst unter dem Namen von Lagenaria idolatrica beschrieben.
A. Richard, Tentamen fl. abyss., I, 293, und später Naudin und Cogniaux
haben die Uebereinstimmung mit ZL. vulgaris erkannt.
4 Torrey and Gray, Flora of North America, I, 543; Grisebach, Flora
of Brit. W. Indian Islands, S. 288.
5 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881.
6 Tragus, Stirp., S. 285; Ruellius, De natura stirpium, S. 498; Nau-
din, a. 2.0.
20*
308 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
verschiedenen Formen der Frucht beschrieben, fährt
er fort:
RE A CAPE dabit illa capacem,
Nariciæ pieis, aut Actæi mellis Hymetti,
Aut habilem lymphis hamulam, Bacchove lagenam,
Tum pueros eadem fluviis innare docebit.
Plinius! spricht von einer Cucurbitacee, aus welcher
man Gefässe und Behälter für den Wein verfertigte,
was sich nur auf diese Art beziehen kann.
Es hat nicht den Anschein, als ob die Araber sie
frühzeitig gekannt hätten, denn Ibn Alawäm und Ibn
Baithar haben nichts darüber gesagt.” Die Commentatoren
der hebräischen Bücher haben keinen Namen in be-
stimmter Weise auf diese Art beziehen können, und
doch war das Klima von Palästina so recht dazu an-
gethan, den Gebrauch der Flaschenkürbisse zu verall-
gemeinern, wenn man sie gekannt hätte. Danach
scheint es mir ziemlich zweifelhaft, dass die alten Aegyp-
ter diese Pflanze besessen haben, wenn auch eine ein-
zige Abbildung von Blättern, die man in einem Grabe
sah, bisweilen auf sie bezogen worden ist.? Alexander
Braun, Ascherson und Magnus verweisen in ihrer ge-
lehrten Arbeit über die ägyptischen Pflanzenreste des
berliner Museums* auf mehrere Cucurbitaceen, ohne
diese zu erwähnen. Die ersten Reisenden der Neuzeit,
wie Rauwolf? im Jahre 1574, haben sie in den Gärten
Syriens gesehen, und der sogenannte Pilgerkürbis, wel-
cher 1539 von Brunfels abgebildet wurde, war wahr-
scheinlich seit dem Mittelalter im Heiligen Lande be-
kannt.
Alle Botaniker des 16. Jahrhunderts haben Abbil-
dungen von dieser Art gegeben, die damals häufiger in
Europa angebaut wurde als es heutzutage der Fall ist.
\
1 Plinius, Hist. plant., 1. 19, e. 5.
2 Ibn Alawäm, nach E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 60; Ibn
Baithär, Uebersetzung von Sondtheimer.
3 Unger, Pflanzen d. alten Aegyptens, S. 59; Pickering, Chronolog.
arrangement, S. 137.
4 1977. Br
5 Rauwolf, Flora orient., S. 125.
|
Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 309
In diesen alten Werken war sie gewöhnlich unter dem
Namen Cameraria bekannt, und unterschied man drei
Formen von Früchten. Wegen der weissen Farbe der
Blume, die immer besonders erwähnt ist, kann man be-
züglich der. Art keine Zweifel haben. Ich mache noch
auf eine, wenn auch schlechte Abbildung aufmerksam,
wo die Blume fehlt, die Frucht aber ganz genau
dem Pilgerkürbis entspricht; diese Zeichnung ist von
hohem Interesse, weil sie vor der Entdeckung Amerikas
erschien. Dieselbe findet sich im „Herbarius Pataviae
impressus“ (1485), Taf. 46, einem seltenen Werke.
Trotz gewisser Synonyme der Autoren glaube ich
nicht, dass der Flaschenkürbis vor Ankunft der Euro-
päer in Amerika vorkam. Die T'aquera.von Piso! und
die Cucurbita lageneforma von Marcgraf? beziehen sich
vielleicht nach den Aussagen der Monographen? auf Lage-
naria vulgaris, und die brasilianischen Exemplare, auf
welche sie Bezug haben, können nicht beanstandet
werden; das beweist aber noch nicht, dass die Art in
dem Lande vor der Reise des Amerigo Vespucei im
Jahre 1504 bekannt war. Von da bis zu den Reisen
dieser beiden Botaniker in den Jahren 1637 und 1638
ist mehr als genügende Zeit verflossen, um die Ein-
führung und Ausbreitung einer einjährigen Art zu ver-
muthen, deren Form eine eigenthümliche war, die sich
leicht anbauen liess und deren Samen die Keimkraft
: lange Zeit bewahren. Sie kann sich selbst infolge der
Culturen naturalisirt haben, wie dies auch anderswo
beobachtet worden ist. Um so viel mehr kann die
Cucurbita Siceratia, Molina, die bald auf unsere Art,
bald auf Cucurbita maxima* bezogen wird, zwischen
den Jahren 1538, dem Zeitpunkt der Entdeckung
Chiles, und 1787, in welchem Jahre die italienische
1 Piso, Indiae utriusque etc. (1658), S. 264.
2 Marcgraf, Hist. nat. Brasiliae (1648), S. 44.
3 Naudin, a. a. O.; Cogniaux, in: Flora brasil., fasc., 78, S. 7, und
in: de Candolle, Monograph. Phaner., III, 418.
4 C1. Gay, Fl. Chilena, II, 403.
,
310 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Ausgabe von Molina erschien, nach diesem Lande ein-
geführt worden sein. Acosta! spricht auch von den Cale-
bassen, deren sich die Peruaner als Becher oder Vasen be-
dienten, die spanische Ausgabe seines Buches ist aber
vom Jahre 1591, also gegen 100 Jahre nach der Er-
oberung. Unter den Naturforschern, welche die Art als
dem Zeitpunkte der Entdeckung ‘Amerikas (1492) am
nächsten angegeben haben, befindet sich Oviedo?, welcher
das Festland besucht hatte und nach einem Aufent-
halte in Vera-Paz 1515 nach Europa zurückkehrte, dann
aber im Jahre 1539 wieder nach Nicaragua gegangen
war.? Nach Ramusio’s* Zusammenstellung hat er von
zucche gesprochen, die zur Zeit der Entdeckung Ame-
rikas auf den Antillen und in Nicaragua massenhaft
angebaut und als Flaschen gebraucht wurden. Die Au-
toren über die Floren Jamaicas im 17. Jahrhundert
haben die Art als auf dieser Insel angebaut erwähnt.
Indessen wird von P. Brown‘ auf einen grossen ange-
bauten Flaschenkürbis, und einen kleinen wildwachsen-
den hingewiesen, dessen bitteres Fleisch abführende
Eigenschaften besass.
Für die südlichen Vereinigten Staaten sprach sich
Elliott im Jahre 1824 folgendermaassen aus: „Die L.
vulgaris findet sich nur selten in den Holzungen und
ist sicherlich nicht einheimisch. Es scheint, als ob die
alten Bewohner unsers Landes sie von einem wärmern
Lande mitgebracht haben. Gegenwärtig ist die Art in
der Nähe menschlicher Niederlassungen spontan ge-
worden, ganz insbesondere auf den Inseln im Meere.“
Der Ausdruck „Bewohner unsers Landes“ scheint sich
eher auf die Colonisten als auf die Eingeborenen zu
beziehen. Zwischen der Entdeckung Virginiens durch
Cabot im Jahre 1497 oder den Reisen von W. Raleigh
im Jahre 1584 und den Floren neuerer Botaniker lagen
1 Jos. Acosta, französische Uebersetzung, S. 167.
Pickering, Chronol. arrang., S. 861. 3 Ebend.
Ramusio, III, 112. 5 P. Brown, Jamaica, 2. Aufl., S. 354.
Elliott, Sketch of the botany of S. Carolina and Georgia, II, 663.
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Riesenkürbis. 511
mehr als zwei Jahrhunderte, und würden die Einge-
borenen Zeit genug gehabt haben, die Cultur der Art
weiter auszubreiten, wenn sie dieselbe von den Euro-
päern erhalten hätten. Es ist aber die Thatsache an
und für sich zweifelhaft, dass die Indianer zur Zeit
der ersten Beziehungen mit den Europäern diese Cultur
auf eigenen Antrieb unternommen haben. Torrey und
Gray! hatten sie in ihrer in den Jahren 1830—40
veröffentlichen Flora als gewiss erwähnt, und von dem
zweiten dieser beiden fleissigen Botaniker? wird in
einem Aufsatze über die den Eingeborenen bekannten
Cucurbitaceen die Calabash oder Lagenaria nicht ge-
nannt. Dieselbe Unterlassung bemerke ich in einem
andern eingehenden, vor einigen Jahren über denselben
Gegenstand veröffentlichten Aufsatze.? ‚In ihrem Artikel
über dieses mein Buch führen die Herren A. Gray und
Trumbull (« American Journal of science», 1883, S. 370)
Gründe an, um die Vermuthung zu begründen, dass die
Art vor Ankunft der Europäer in der Neuen Welt be-
kannt und einheimisch war. Aus ihrer Beweisführung
geht hervor, dass die Bewohner von Peru und Brasilien
Flaschenkürbisse besassen (im Spanischen calabayas),
ich finde aber keinen Beweis dafür, dass dies die von
den Botanikern als Cucurbita Lagenaria bezeichnete
Art war. Der einzige von der veränderlichen Form
der Frucht unabhängige Charakter ist die weisse Farbe
der Blumen, doch wird derselbe nicht angegeben.“ (Vom
Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)
Cucurbita maxima, Duchesne. — Riesenkürbis (fr.
Potiron).
Indem ich die Aufzählung der Arten von der Gattung
Cucurbita beginne, muss ich zuvor bemerken, dass die
früher sehr schwierige Unterscheidung der Arten von
Naudin* auf wissenschaftlichem Wege vermittelst einer
1 Torrey and Gray, Flora of N. America, I, 544.
2 A. Gray, in: American Journal of science, 1857, XXIV, 442.
2 Trumbull, in: Bulletin of the Torrey Club of botany, 1876, VI, 69.
4 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie 4, VI, 5; XII, 81.
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312 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
sehr sorgfältig betriebenen Cultur der Varietäten und
fortgesetzter Untersuchungen über ihre Kreuzungen be-
gründet worden ist. Arten nennt derselbe die Formen-
gruppen, welche sich nicht gegenseitig befruchten lassen
oder deren Erzeugnisse nicht fruchtbar und constant
gewesen sind, und als Rassen oder Varietäten bezeich-
net ‘er die Formen, welche unter sich Befruchtungen
eingehen und fruchtbare und veränderliche Erzeugnisse
liefern. Die Fortsetzung dieser Untersuchungen! hat
ihn darauf hingewiesen, dass die Begründung der Arten
auf dieser Basis Ausnahmen zulässt, bei der Gattung
Cucurbita stimmen aber die physiologischen Thatsachen
mit den äussern Verschiedenheiten überein. Naudin
hat wirkliche unterscheidende Merkmale zwischen Cu-
curbita maxima und Cucurbita Pepo aufgestellt. Die
erste hat abgerundete Blattlappen, die Blütenstiele zeigen
bei ihr eine glatte Fläche, und die Lappen der Blumen-
krone sind nach aussen zurückgebogen; bei der zweiten
laufen die Lappen des Blattes spitz zu, die Blütenstiele
sind mit Rippen und Furchen markirt, die Blumen-
krone ist nach unten zu verengt und ihre Lappen sind
fast immer in die Höhe gerichtet.
Die Hauptformen von Cucurbita maxima sind der
Potiron jaune, welcher bisweilen ein sehr beträchtliches
Gewicht erlangt?, der Potiron turban oder Giraumon,
der Courgeron u. s. w.
Da die volksthümlichen Namen und alte Autoren
nicht mit den botanischen Bestimmungen übereinstim-
men, so darf man in die früher verbreiteten Aussagen
über den Ursprung und die Einführung der Cultur
dieses oder jenes Kürbisses zu einer gewissen Zeit-
periode nach gewissen Ländern nicht allzu viel Ver-
trauen setzen. Dies ıst einer der Gründe, weshalb
mir, als ich mich im Jahre 1855 mit diesem Gegen-
stande beschäftigte, das Vaterland dieser Pflanzen un-
1 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie4, XVIII, 160; XIX, 180.
2 Nach Le bon Jardinier, 1550, S. 150, bis zu 100 kilogr.
(ab
Riesenkürbis. al
bekannt oder sehr zweifelhaft geblieben war. Jetzt
kann man die Frage schon gründlicher untersuchen.
Sir Joseph Hooker! zufolge hat Barter die Cucur-
bita maxima „dem Anscheine nach einheimisch“ (appa-
rently indigenous) an den Ufern des Niger in Guinea
gefunden, und Welwitsch in Angola, ohne dass von
letzterm die spontane Beschaffenheit bestätigt wird.
Keine Angabe über die Spontaneität finde ich in den
Werken über Abessinien, Aegypten und andere afrıka-
nische Länder, in welchen die Art gemeiniglich ange-
baut wird. Die Abessinier bedienen sich des Wortes
Dubba, welches sich im Arabischen auf Kürbisse ganz
im allgemeinen bezieht.
Lange Zeit wurde ein indischer Ursprung vermuthet
und man stützte sich dabei auf ähnliche Namen wie
Indischer Kürbis (Courge d’Inde), welche von den Bo-
tanikern des 16. Jahrhunderts aufgestellt waren, und
ganz insbesondere auf die von Lobel? abgebildete Pepo
maximus indicus, welche entschieden zu unserer Art
gehört; diese Art von Beweisen steht aber immer auf
schwachen Füssen, denn die volksthümlichen Angaben
bezüglsch des Heimatlandes sind oft falsch. So viel
bleibt Thatsache, dass, wenn auch die Kürbisse im
südlichen Asien angebaut werden wie anderswo unter
den Tropen, die Pflanze nicht im wildwachsenden Zu-
stande angetroffen worden ist.? Keine ähnliche oder
dieser entsprechende Art findet sich in den alten chi-
nesischen Werken angegeben, und die neuern Namen
der gegenwärtig in China angebauten verschiedenartigen
Kürbisse (gemeiner und Riesenkürbis) weisen auf einen
fremden, südlichen Ursprung hin.* Unmöglich ist es,
zu wissen, auf welche Art sich der Sanskritname Kur-
karu bezog, welcher von Roxburgh der Cucurbita Pepo
1 Hooker, Flora of tropical Africa, II, 555.
2 Lobel, Icones, Taf. 641. Die Abbildung ist wiedergegeben in: Dale-
champ, Hist., I, 626.
3 Clarke, in: Hooker, Flora of Brit. India, II, 622.
4 Bretschneider, Brief vom 23. August 1851.
re Ca SI "1
314 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
zugeschrieben wird, und in Bezug auf die von den
Griechen und Römern angebauten Kürbisse und Melonen
ist die Ungewissheit eine ebenso grosse. Das Vorkommen
eines Riesenkürbis im alten Aegypten ist nicht nach-
gewiesen worden. Vielleicht wurde er in jenem Lande
und in der griechisch-römischen Welt angebaut? Die
Pepones, deren Cultur Karl der Grosse auf seinen Be-
sitzungen anordnete!, gehörten entweder zu dieser Art
oder zu Cucurbita Pepo; vor dem 16. Jahrhundert wurde
aber weder eine deutliche Abbildung noch Beschreibung
von diesen Pflanzen gegeben.
Alles dies könnte einen amerikanischen Ursprung ver-
muthen lassen. Dass sich die Art im spontanen Zu-
stande in Afrika findet, kann freilich als Einwurf gel-
ten, denn die Arten der Familie der Cucurbitaceen sind
auf sehr kleine Gebiete beschränkt; es gibt aber Be-
weise zu Gunsten Amerikas, und ich muss sie mit um so
grösserer Sorgfalt prüfen, da man mir in den Vereinigten
Staaten den Vorwurf gemacht hat, sie nicht genügend
berücksichtigt zu haben.
Zunächst sind von den zehn bekannten Arten der
Gattung Cucurbita mit Sicherheit sechs in. Amerika
spontan (in Mexico oder in Californien), dies sind aber
perennirende Arten, während die angebauten Kürbisse
zu den einjährigen Gewächsen gehören.
Die von den Brasilianern Jurumu genannte Pflanze,
welche von Piso und Marcgraf? abgebildet ist, wird
von den neuern Botanikern zu Cucurbita maxima ge-
stellt. Die Abbildung und die von den beiden Au-
toren gegebenen kurzen Erklärungen passen ganz gut,
es scheint aber, als ob es eine angebaute Pflanze war.
Sie kann von Afrika oder Europa durch die Europäer
dorthin gebracht worden sein, und zwar innerhalb der
Zeit, welche zwischen der Entdeckung Brasiliens im
1 Die Liste findet sich in E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 401.
Die Cucurbita, von welchen er ebenfalls spricht, mussten der Flaschen-
kürbis, Lagenaria, sein.
2 Piso, Brasil. (1658), S. 264; Marcgraf (1648), S. 44.
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Riesenkürbis. 315
Jahre 1504 und den in den Jahren 1637 und 1638
erfolgten Reisen der oben genannten Autoren liegt. Von
keinem wurde die wildwachsende Art weder ın Süd-
noch in Nordamerika gefunden. In den Werken über
Brasilien, Guyana, die Antillen finde ich keinen Hin-
weis auf alte Cultur oder spontanes Auftreten, weder
nach den Namen, noch nach den mehr oder minder ge-
nauen Ueberlieferungen oder Ansichten lässt sich ein
solcher beibringen. In den Vereinigten Staaten haben
die Gelehrten, welche am besten mit den Sprachen und
den Gebräuchen der Eingeborenen vertraut sind, wie
früher z. B. Dr. Harris und neuerdings Trumbull!, die
Behauptung aufrecht erhalten, dass die Cucurbitaceen,
welche von den Anglo- Amerikanern Squash genannt
werden und welchen alte Reisende in Virginien die
Namen Macock oder Cashaw, Cushaw beilegen, sich auf
Kürbisse beziehen. Trumbull hält Squash für ein in-
dianisches Wort. Seiner Versicherung will ich gern
Glauben beimessen, es haben aber weder die geschick-
testen Sprachforscher noch die Reisenden des 17. Jahr-
hunderts?, welche die in ihren Büchern als Citrouilles,
Courges, Pompions, Gourdes bezeichneten Früchte bei
den Eingeborenen antrafen, den Beweis liefern können,
dass es sich um diese oder jene von den Arten handle,
die von den Botanikern der Neuzeit als verschieden aner-
kannt werden. Wir erfahren daraus nur, dass die Ein-
geborenen ein Jahrhundert nach der Entdeckung Vir-
giniens, 24 Jahre nach der durch W. Raleigh bewerk-
stellisten Colonisation von gewissen Üucurbitaceen-
früchten Gebrauch machten. Die volksthümlichen Na-
men sind in den Vereinigten Staaten noch so verwirrt,
dass Dr. Gray im Jahre 1868 die Namen Pumpkin und
Squash auf Cucurbita-Arten bezogen haben wıll?, wäh-
rend Darlinston* den Namen Pumpkin auf den ge-
1 Harris, American Journal, 1857, XXIV, 441; Trumbull, Bull. of
Torrey’s Club, 1876, VI, 69.
2 Champlain, in 1604, Strachey, in 1610 u. s. w.
3 Asa Gray, Botany of the Northern States (1368), S. 156.
4 Darlington, Flora cestrica (1853), S. 94.
316 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
meinen Kürbis (Cucurbita Pepo), und den Namen Squash
auf die Varietäten derselben bezieht, welche in den
Formenkreis Melopepo der alten Botaniker eintreten.
Ein besonderer und bestimmter Name wird von ihnen
nicht auf den Riesenkürbis (Cucurbita maxima) bezogen.
Ohne schliesslich dem Indigenat an den Ufern des
Niger, welches sich auf die Aussagen eines einzigen
Reisenden stützt, unbedingten Glauben beizumessen,
beharre ich bei der Meinung, dass die Art von der
Alten Welt stammt und durch die Europäer nach Ame-
rika eingeführt wurde.
Cucurbita Pepo und C. Melopepo, Linne. — Gemeiner
Kürbis, Melonenkürbis (fr. Courge Pepon).
Die neuern Autoren begreifen unter Uucurbita Pepo
die meisten der von Linné unter diesem Namen be-
zeichneten Formen, und ausserdem diejenigen, welche
er C. Melopepo nannte. Diese Formen sind in Bezug
auf die Früchte ausserordentlich veränderlich, was auf
eine sehr alte Cultur hinweist. Aus ıhrer Zahl hebe
ich folgende hervor: die Courge oder Citrouille des
1 „Die Herren A. Gray und Trumbull haben die Zeugenaussagen alter
Reisender über das Vorkommen der Cucurbita mazxima in Amerika vor
Ankunft der Europäer von neuem zusammengefasst und mit grosser Sorg-
falt vervollständigt (American Journ. of sc., 1883, S. 872). Sie bestätigen,
was man schon wusste, dass die Eingeborenen Kürbisse (Cucurbita) unter
amerikanischen Namen anbauten, von welchen einige in der jetzigen
Sprache der Vereinigten Staaten zurückgeblieben sind. Von keinem der
alten Reisenden wurden die botanischen Charaktere festgestellt (s. S. 312),
auf welche Naudin die Unterscheidung von Cucurbita mazima und C. Pepo
begründete, demnach weiss man immer nicht, welche Arten sie gemeint
haben. Aus verschiedenen Gründen hatte ich schon den amerikanischen
Ursprung für Cucurbita Pepo zugelassen, in Bezug auf C. maxima beharre
ich aber bei meinen Zweifeln. Indem sie den Tragus und Matthiole mit
grösserer Aufmerksamkeit lasen als ich es gethan hatte, bemerken die
Herren Gray und Trumbull, dass sie unter /ndian das bezeichneten, was
aus Amerika käme. Wenn nun auch diese Botaniker West- und Ostindien
nieht miteinander verwechselten, so geschah dies von mehreren andern
und dem Publikum im allgemeinen, was über den Ursprung der Arten
Irrthümer hervorrief, welche von den Gelehrten wiederholt werden konn-
ten. Zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs von ©. maxima will ich
ein neues Merkmal anführen. Dr. Wittmack schrieb mir vor kurzem, dass
er Samen, die von Naudin als solche von (©. mazxima bestimmt wurden,
aus den Gräbern von Ancon gesehen habe. Dies würde sehr beweis-
kräftig sein, wenn das Alter solcher Gräber immer mit Sicherheit nachge-
wiesen werden könnte (s. weiter unten Artikel: Phaseolus eulgaris, Garten-
bohne).‘“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)
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PEN ENT
Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis. 317
Patagons, mit sehr grossen eylindrischen Früchten; den
sogenannten brasilianischen Zuckerschalenkür-
bis; den Markkürbis oder Vegelable marrow der
Engländer, mit kleinen länglichen Früchten; die Bar-
berines mit beuligen Früchten; den Patisson oder Bonnet
d’electeur (Kurfürstenmütze), mit konischer Frucht, die
flach gedrückt und eigenthümlich gelappt ist, u. s. w.
Bei dieser Bezeichnung von Varietäten darf man den
im Lande gebräuchlichen Namen keinerlei Werth bei-
messen, denn häufig drücken sie, wie wir gesehen haben,
ebenso viele Irrthümer wie Wahres aus. Die botani-
schen Namen, welche von Naudin und Cogniaux auf
diese Art bezogen werden, sind zahlreich, und zwar in-
folge der noch vor kurzem herrschenden Unsitte, ein-
fache Gartenformen als Arten zu beschreiben, ohne
dabei die überraschenden Wirkungen zu berücksichti-
gen, welche Cultur und natürliche Züchtung auf das
Organ einer Pflanze ausüben, welches sie eben zum An-
bau geeignet macht.
Die meisten der Varietäten finden sich in den Gärten
der heissen oder gemässigten Regionen der Alten und
der Neuen Welt. Der Ursprung der Art wird als
zweifelhaft hingestellt. Im Jahre 1855 ! schwankte ich
zwischen dem südlichen Asien und der Mittelmeerregion.
Naudin und Cogniaux ? lassen Südasien als wahrschein-
lıch zu, und von den Botanikern der Vereinigten Staaten
wurden andererseits Gründe angeführt, um an einen
amerikanischen Ursprung zu glauben. Es verlohnt sich
der Mühe, die Frage mit grosser Sorgfalt zu prüfen.
Zunächst wollen wir zu erfahren suchen, welche von
den Formen, die jetzt zu der Art gebracht werden,
irgendwo de im spontanen Zustande auftretend ange-
geben worden sind.
Die eiförmige Varietät, Cucurbita ovifera, Linne, ist
vor Zeiten von Lerche in der-Nähe von Astrachan ge-
1 Géogr. bot. raisonnée, S. 902.
2 Naudin, Ann. sc. nat., Serie 5, VI, 9; Cogniaux, in: de Candolle,
Monogr. Phaner, LIT, 546:
ae ii: db
318 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
sammelt worden; kein Botaniker unsers Jahrhunderts
hat aber diese Thatsache bestätigt, und es liegt die Wahr-
scheinlichkeit vor, dass es sich um eine angebaute Pflanze
handelte. Alle asiatischen und afrikanischen Floren
sind von mir zu Rathe gezogen worden, ohne dass ich
in denselben die geringste Angabe über eine wildwach-
sende Varietät gefunden hätte. Von Arabien oder selbst
von der Guineaküste bis nach Japan werden die Art oder
die auf sie bezogenen Formen immer nur als angebaut
angegeben. Für Indien hatte Roxburgh schon früher
darauf hingewiesen, und Clarke hat jedenfalls gute
Gründe gehabt, dass er in der neuern Flora von Bri-
tisch-Indien keine Localitäten ausserhalb des Cultur-
bereichs angibt.
In Amerika liegen die Thatsachen ganz anders.
Eine Varietät terana, Cucurbita terana, Asa Gray !,
die nach diesem Autor der ovata sehr nahe steht, und
welche man jetzt ohne Bedenken zu C. Pepo zieht, ist
von Lindheimer „mit allen Anzeichen einer einheimischen
Pflanze am Saume von Dickichten und in den feuchten
Holzungen an den Ufern des obern Guadalupe“ ge-
funden worden. Dr. Asa Gray fügt hinzu, dass dies
vielleicht eine Folge von Naturalisationen sei. Da in-
dessen mehrere Arten der Gattung Cucurbita in Mexico
und im Südwesten der Vereinigten Staaten wildwach-
send vorkommen, fühlt man sich veranlasst, der Aus-
sage des Sammlers vollen Glauben beizumessen. Von
andern Botanikern wurde diese Pflanze, wie es den
” Anschein hat, weder in Mexico noch in den Vereinigten
Staaten gefunden. Sie wird weder in der „Biologia
centrali-americana‘ von Hemsley erwähnt, noch in Dr.
Asa Gray’s neuerer Flora Californiens.
Einige Synonyme oder Exemplare Südamerikas, die
auf ©. Pepo bezogen werden, scheinen mir sehr zweifel-
haft. Es ist unmöglich, zu wissen, was Molina? unter
1 A. Gray, Plantae Lindheimerianae,.II, 193.
2 Molina, Hist. nat. du Chili, S. 377.
2
PETE,
Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis. 319
den Namen von C. Siceratia und C. mammeala ver-
standen hat, welche überdies angebaute Pflanzen ge-
wesen zu sein scheinen. Zwei in der Reise von Spix
und Martius (II, 536) kurz beschriebene und ebenfalls
auf ©. Pepo! bezogene Pflanzen werden bei dem Ka-
pitel über angebaute Pflanzen an den Ufern des Rio
Franeisco angegeben. Schliesslich handelte es sich bei
dem Exemplar von Spruce, 2716, von dem Rio Uaupes,
einem Nebenflusse des Rio Negro — welches gesehen zu
haben Cogniaux? nicht erwähnt, und das er zuerst
auf ©. Pepo, später auf ©. moschata bezogen hat — um
eine angebaute oder infolge irgendwelcher Fortschaffung
oder Cultur naturalisirte Pflanze, trotzdem dieses Land
nur von wenigen Menschen bewohnt wird.
Die botanischen Angaben sprechen somit zu Gunsten
eines mexicanischen oder texanischen Ursprungs. Wir
wollen sehen, ob die historischen Schriftstücke mit
dieser Ansicht übereinstimmen oder derselben wider-
sprechen.
Es gehört zur Unmöglichkeit, sich darüber Gewissheit
zu verschaffen, ob ein bestimmter Sanskrit-, griechischer
oder lateinischer Name von Kürbissen sich mehr auf die
eine oder auf eine andere der Arten bezieht. Die Form
der Frucht ist oft dieselbe, und die unterscheidenden
Merkmale werden von den Alten nie besonders erwähnt.
Kein Kürbis ist in dem ,,Herbarius Pataviae im-
* pressus‘“ vom Jahre 1485, also der Entdeckung Ame-
rikas vorhergehend, abgebildet, dagegen haben die Au-
toren des 16. Jahrhunderts Abbildungen veröffentlicht,
welche sich auf Kürbisse beziehen. Ich verweise hier
auf die drei Formen von Pepones, die S. 406 von Do-
doens, Ausgabe von 1557, abgebildet sind. Eine vierte,
Pepo rotundus mäjor, die der Ausgabe von 1616 bei-
gefügt ist, scheint mir zu C. maxima zu gehören. Bei
der Abbildung von Pepo oblongus in Lobel’s ,,Icones“,
* 1 Cogniaux, a. a. O., und Flora brasil., fasc. 78, S. 21.
2 Cogniaux, Fl. bras. und Monogr. Phan., III, 547.
320 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
641, ist der Charakter des Blütenstiels deutlich wieder-
gegeben. Die diesen Pflanzen beigelesten Namen weisen
auf einen fremden Ursprung hin; die Autoren konnten
aber hierauf bezüglich nichts Bestätigendes aussagen,
um so weniger als der Name Indien sich bald auf
Südasien, bald auf Amerika bezog.
Somit stehen die historischen Angaben der Ansicht
eines amerikanischen Ursprungs nicht entgegen, ohne
solchen indessen zu bestätigen.
Wenn sich der spontane Wohnsitz in Amerika be-
stätigt, wird man von jetzt an sagen können, dass die
von den Römern und im Mittelalter angebauten Kür-
bisse die Cucurbita maxima waren, und die der Ein-
geborenen Nordamerikas, welche im 17. Jahrhundert
von verschiedenen Reisenden gesehen wurden, die Cu-
curbita Pepo. 3
Cucurbita moschata, Duchesne. — Moschuskürbis (fr.
Courge musquée ou melonnée).
Im ,,Bon Jardinier‘“ werden als Hauptformen dieser
Art die Courges muscade de Provence, pleine de Naples
und de Barbarie angeführt. Ich brauche nicht erst zu
sagen, dass diese Namen in Bezug auf den Ursprung
nichts andeuten. Die Art ist durch ihre leichte und
weiche Behaarung, den fünfeckigen, nach der Spitze
hin glatten Fruchtstiel, durch die mit einem mehr oder
minder flaumartigen meergrünen Anflug bedeckte Frucht
mit reichlichem, in geringerm oder höherm Grade
nach Moschus schmeckenden Fleische leicht zu erkennen.
Die Kelchlappen sind oft durch einen blattartigen Saum
begrenzt.! In allen Tropenländern angebaut, geht sie
in den gemässigten Ländern nicht so weit vor als die
andern Kürbisarten.
Cogniaux? vermuthet, dass sie aus Südasien stammt,
ohne indessen den Beweis hierfür beizubringen. Ich
1 Vgl. die vorzügliche Abbildung von Wight in Icones, Taf. 507,
unter dem falschen Namen von Cucurbita mazxima.
2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 647.
Be,
Moschuskürbis. 321
habe die Floren der Alten und der Neuen Welt durch-
gesehen und bin nicht im Stande gewesen, irgendwo
den Hinweis auf einen wirklich spontanen Zustand zu
entdecken. Die Angaben, welche sich diesem am meisten
nähern, sind: 1) in Asien ein auf der Bangka-Insel ge-
sammeltes, von Cogniaux untersuchtes Exemplar und
welches nach Miquel! von einer nicht cultivirten Pflanze
herrührt; 2) in Afrika, von Welwitsch in Angola ge-
sammelte Exemplare, die demselben zufolge ganz und gar
spontan sind, aber „wahrscheinlich das Ergebniss einer
Einführung sind“?; 3) in Amerika, fünf Exemplare
von Brasilien, Guyana oder Nicaragua, die von Cogni-
aux erwähnt werden, ohne dass man weiss, ob sie an-
gebaut, naturalisirt oder spontan waren. Dies sind durch-
aus unbedeutende Merkmale, und in der Ansicht der
Autoren finden wir hierfür eine Bestätigung. So haben
Rumphius, Blume, Clarke (in „Flora of Brit. India “)
für Asien und Schweinfurth (in Baker, „Tropical Flora“)
für Afrika die Pflanze entschieden nur im angebauten
Zustande gesehen. In China ist die Cultur keine alte.?
In den amerikanischen Floren findet sich die Art sehr
selten angegeben.
Man kennt keinen Sanskritnamen, und die indischen,
malayischen und chinesischen Namen sind weder sehr
zahlreich noch besonders ursprünglich, wenn auch die
Cultur in Südasien eine verbreitetere zu sein scheint
als in den andern zwischen den Wendekreisen gelege-
nen Regionen. Nach dem „Hortus Malabaricus“, wo
wir eine gute Abbildung antreffen (Bd. VIII, Fig. 2),
war sie es schon im 17. Jahrhundert.
Es scheint nicht, als ob die Botaniker des 16. Jahr-
hunderts diese Art gekannt haben, denn die von Dale-
champ („Hist.“, I, 616) gegebene Abbildung, welche
Seringe auf sie bezieht, weist nicht die Charaktere von
1 Miquel, Sumatra, unter dem Namen von Gymnopetalum, S. 332.
2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 547.
3 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881.
DE CANDOLLE. 21
322 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
ihr auf, und ich kann keine andere Abbildung ent-
decken, welche ihr gleicht.
Cucurbita ficifolia, Bouché. Cucurbita melanosperma;
Braun. — Feigenblätteriger Kürbis (fr. Courge à feuilles
de figuier).
Seit etwa 30 Jahren hat man einen Kürbis mit
schwarzen oder zuweilen braunen Samen in die Gärten
eingeführt, welcher sich dadurch von den andern ange-
bauten Arten unterscheidet, dass er ausdauernd ist.
Er geht auch unter dem Namen von Melon de Siam.
Der „Bon Jardinier‘“ gibt China als Vaterland an. Dr.
Bretschneider hat ihn nicht erwähnt in dem an mich ge-
richteten Briefe vom Jahre 1881, in welchem er die von
den Chinesen angebauten Kürbisse -aufzählt.
Bisjetzt hat kein Botaniker ihn ım wildwachsenden
Zustande angetroffen. Mir ist es sehr zweifelhaft, dass
derselbe aus Asien stammt, denn alle bekannten peren-
nirenden Cucurbita-Arten kommen von Mexico oder
Californien.
Cucumis Melo, Linne. — Melone (fr. Melon).
Die Frage nach dem Ursprunge der Melone hat seit
den Arbeiten von Naudin eine gänzliche Umgestaltung
erfahren. Die Arbeit, welche er 1859 in den „Annales
des sciences naturelles“, Serie 4, Bd. XI, über die Gat-
tung Cucumis veröffentlicht hat, ist ebenso bemerkens-
werth wie jene über die Gattung Cucurbita. Wir finden
in dieser Arbeit seine während mehrerer Jahre fortge-
setzten Beobachtungen und Untersuchungen über die
Veränderlichkeit der Formen und die Kreuzungen, welche
bei einer Menge von aus allen Weltgegenden stammen-
den Arten, Rassen oder Varietäten gemacht wurden.
Ich habe bereits (S. 312) von dem physiologischen
Grundsatz gesprochen, nach welchem er die Formen-
gruppen, welche er Arten nennt, unterscheiden zu kön-
nen glaubt, obgleich gewisse Ausnahmen zu Tage ge-
treten sind, wodurch das unterscheidende Merkmal
Melone. >23
der Befruchtung an Wichtigkeit verliert. Trotz dieser
Ausnahmefälle liegt es auf der Hand, dass, wenn sich
nahverwandte Formen leicht kreuzen lassen ‘und frucht-
bare Nachkömmlinge hervorbringen, wie wir dies bei-
spielsweise beim Menschengeschlecht sehen, man solche
als eine einzige Art ausmachend ansehen muss.
In diesem Sinne wird durch Cucumis Melo, nach den
von Naudin an ungefähr 2000 lebenden Pflanzen ge-
machten Beobachtungen eine Art gebildet, welche
eine sehr grosse Menge von Varietäten und selbst
Rassen umfasst, die sich durch Samen in ihren Charak-
teren erhalten. Diese Varietäten oder Rassen können
unter sich Befruchtungen eingehen und verschieden-
artige und veränderliche Erzeugnisse hervorbringen. Sie
sind vom Verfasser in zehn Gruppen klassificirt, die-
selben heissen nach ihm Cantaloups, Melons brodes,
Sucrins, Melons d'hiver, serpents, forme de concombre,
Chito, Dudaim, rouges de Perse und sauvages, jede der-
selben enthält Varietäten oder unter sich verwandte
Rassen. Letztere sind auf 25—30 verschiedene Weisen
von den Botanikern benannt worden, welche, ohne die
Uebergangsformen, die Leichtigkeit der Bekreuzung oder
die geringe Stabilität beim Anbau weiter zu berück-
sichtigen, alles als Arten bezeichnet haben, was bei ge-
gebenen Zeit- und Ortsverhältnissen mehr oder minder
voneinander abweicht.
Als Resultat ergibt sich, dass mehrere Formen, die
man im wildwachsenden Zustande angetroffen hatte und
welche als Arten beschrieben wurden, die Typen oder
Stammväter der angebauten Formen sein müssen, und
Naudin bemerkt sehr richtig, dass diese wildwachsenden,
sich mehr oder minder voneinander unterscheidenden
Formen auch angebaute verschiedenartige Formen her-
vorbringen konnten. Dies ist um so wahrscheinlicher,
da sie zuweilen weit voneinander entfernte Länder be-
wohnen, wie Südasien und das tropische Afrika, sodass
die mit der Isolirung im Bunde stehenden klimatischen
21%
324 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Verschiedenheiten die Unterschiede hervorrufen und be-
festigen gekonnt haben.
Naudin zählt folgende Formen als wildwachsend auf:
1. Diejenigen von Indien, welche von Willdenow
Cucumis pubescens und von Roxburgh C. turbinatus oder
C. Maderaspatanus genannt wurden. Ihr natürlicher
Wohnsitz ist Britisch-Indien in seiner ganzen Ausdeh-
nung und Beludschistan. Die spontane Eigenschaft ist
selbst für nicht botanische Reisende ! augenscheinlich.
Die Früchte varliren von der Grösse einer Pflaume bis
zu der einer Citrone. Sie sind glatt, gestreift oder
buntscheckig nach aussen, wohlriechend oder geruchlos.
Ihr Fleisch ıst von zuckersüssem, schalem oder säuer-
lichem Geschmack, Unterschiede, welche mit denen der
angebauten Kantalupen grosse Aehnlichkeit haben.
Nach Roxburgh sammeln die Indier die Früchte der
turbinatus und der Maderaspatanus ein, sie bauen die-
selben nicht an, lieben aber ihren Geschmack.
Zieht man die neueste Flora von Britisch-Indien zu
Rathe, in welcher Clarke die Cucurbitaceen bearbeitet
hat (Bd. Il, S. 619), so gewinnt es den Anschein, als
ob dieser Autor nicht mit Naudin über die indischen
spontanen Formen übereinstimmte, trotzdem allen beiden
die zahlreichen Exemplare des Herbars zu Kew bei
ihren Untersuchungen zu Gebote gestanden haben. Die
Meinungsverschiedenheit, welche übrigens mehr dem
Scheine als der Wirklichkeit nach besteht, beruht darin,
dass der englische Autor die Formen, welche Naudin
zu Cucumis Melo bringt, auf eine verwandte, jedenfalls
wildwachsende Art, Cucumis trigonus, Roxburgh, bezieht.
Cogniaux?, welcher seitdem dieselben Exemplare ge-
sehen hat, bringt nur ©. turbinatus zu trigonus.
Die specifische Unterscheidung zwischen Cucumis Melo
und C. trigonus ist unglücklicherweise nach den von
den drei Autoren gegebenen Charakteren eine dunkle.
1 Gardener’s Chronicle, 1857, S. 153; 1858, S. 130, mit J. H. H. be-
zeichnete Aufsätze.
2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 485.
Melone. 325
Der Hauptunterschied liegt darin, dass die Melo ein-
jährig ist, die andere ausdauernd, diese Dauer scheint
aber nicht sehr constant zu sein. Clarke selbst sagt,
dass C. Melo aus dem Anbau von C. trigonus her-
vorgegangen ist, seiner Meinung nach also aus Formen,
die von Naudin auf C. Melo bezogen werden.
Die von Naudin! während drei aufeinanderfolgender
Jahre angestellten Untersuchungen mit den Nachkömm-
lingen der von Melo befruchteten Cucumis trigonus
scheinen die Ansicht von einer zulässigen specifischen
Verschiedenheit zu unterstützen, denn wenn die Be-
fruchtung stattgefunden hat, sind die Erzeugnisse in
der Form verschieden gewesen und häufig zu einem
der ursprünglichen Vorfahren zurückgekehrt.
2. Die afrikanischen Formen. Herrn Naudin standen
keine sehr guten Exemplare zu Gebote, die auch in
Bezug auf die Spontaneität keine genügende Sicherheit
boten, sodass er den Wohnsitz in Afrika nicht in po-
sitiver Weise bestätigen konnte. Nur mit einem ge-
wissen Bedenken lässt er denselben zu. Angebaute
Formen oder andere wildwachsende, von welchen er
keine Früchte gesehen hat, werden von ihm zu der Art
gebracht. Später hat Sir Joseph Hooker? beweiskräf-
tigere Exemplare gehabt. Ich will hier nicht von denen
aus der Nilregion sprechen, welche wahrscheinlich von
angebauten Individuen herrühren ?, sondern von Pflan-
zen, die Barter in Guinea an den sandigen Ufern des
Niger gesammelt hatte. Thonning* hatte bereits in den
sandigen Gegenden Guineas eine Cucumis gefunden,
welche von ihm als arenarius beschrieben wurde, und
Cogniaux? brachte dieselbe, nachdem er ein von diesem
Reisenden mitgebrachtes Exemplar gesehen hatte, zu
C. Melo, wie dies auch von Sir Joseph Hooker ange-
nommen wurde. Die Neger essen die Frucht der von
1 Naudin, in: Annales sc. nat., Serie 4, X VIII, 171.
2 Hooker, in: Flora of tropical Africa, II, 546.
3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 267.
4 Schumacher et Thonning, Guineiske planten, S. 426.
5 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 483.
TER 1
326 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Barter gesammelten Pflanze. Der Geruch ist der einer
unreifen, frischen Melone. Bei der Pflanze von Thon-
ning ist die Frucht eiförmig, von der Grösse einer
Pflaume. Somit hat die Art sowol in Afrika wie in
Indien ım wildwachsenden Zustande kleine Früchte,
was nicht überraschen darf. Unter den angebauten
Varietäten nähert sich ihr die Dudaim.
Die grössere Mehrzahl der Arten aus der Gattung
Cucumis findet sich in Afrika, eine schwache Minorität
in Asien oder in Amerika. Andere Arten von Cucur-
bitaceen sind zwischen Asıen und Afrika vertheilt, ob-
gleich die Wohnsitze bei dieser Familie gemeiniglich
fortlaufend und beschränkt sind. Die Cucumis Melo
ist vielleicht einmal ebenso wie die Koloquinthe (Citrullus
Colocynthis) aus derselben Familie, von der Westküste
Afrıkas bis nach Indien hin spontan gewesen.
Ich habe früher von der zweifelhaften Sponta-
neität der Melone im Süden des Kaukasus gesprochen;
alte Autoren lassen solche zu, von spätern Botanikern
ist sie nicht bestätigt worden. Hohenacker, welcher
die Art, wie man sagte, in der Nähe von Elisabethpol
gefunden hatte, führt sie in seiner Schrift über die
Pflanzen. der Provinz Talysch nicht an. In seiner „Flora
des Orients“ lässt Boissier die Cucumis Melo nicht zu,
sondern sagt nur, dass sie sich mit Leichtigkeit auf
Schutthaufen und sich selbst überlassenem Boden na-
turalisire. Ganz dasselbe ist auch anderswo beobachtet
worden, z. B. in den Sandgegenden- von Ussuri in Ost-
asien. Dies würde ein Grund sein, um die sandigen
Localitäten des Niger mit Mistrauen anzusehen, wenn
die Kleinheit der Früchte in diesen Gegenden nicht an
die wildwachsenden Formen Indiens erinnerte.
Die Cultur der Melone oder ihrer verschiedenen Va-
rietäten hat in Indien und in Afrika unabhängig von-
einander ihren Anfang nehmen können.
Ihre Einführung nach China scheint sich erst aus dem
8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung herzuschreiben,
wie man dies aus dem Zeitpunkt des ersten Buches,
.
Melone. 327
welches von ihr gesprochen hat, schliessen kann.! Da
die Beziehungen der Chinesen zu Baktrien und dem
nordwestlichen Indien durch die Gesandtschaft von
Schang-kien auf das 2. Jahrhundert v. Chr. zurück-
gehen, ist es immerhin möglich, dass die Cultur der Art
damals in Asien nicht sehr verbreitet war. Die Klein-
heit der wildwachsenden Frucht ermuthigte nicht zum
Anbau. Man kennt keinen Sanskrit-, dagegen einen
wahrscheinlich weniger alten Tamulnamen, Molam?, wel-
cher dem lateinischen Worte Melo ähnlich ist.
Es ist nicht bewiesen worden, dass die alten Aegypter
die Melone angebaut haben. Die von Lepsius * abge-
bildete Frucht lässt sich nicht erkennen. Wenn die
Cultur in jenem Lande eine gebräuchliche und alte ge-
wesen wäre, würden die Griechen und Römer sie früh-
zeitig gekannt haben. Nun ist es aber zweifelhaft, ob
die Sikua von Hippokrates und Theophrast, oder die
Pepon von Dioscorides, oder die Melopepo von Plinius
die Melone waren. Die Originaltexte sind kurz und
nichtssagend; Galenus* ist deutlicher, wenn er sagt, dass
man das Innere der Melopepones, Ses nicht der Pepones
esse. Ueber diese Namen ist vielfach gestritten wor-
den, man bedarf aber der Thatsschön eher als der
Worte. Den besten Beweis, welchen ich von dem Vor-
handensein der Melone bei den Römern habe entdecken
können, ist eine sehr genau abgebildete Frucht auf dem
schönen, Früchte darstellenden Mosaik im Museum des
Vaticans. Dr. Comes bestätigt ausserdem, dass die
Hälfte einer Melone auf einer Zeichnung Herculanums
dargestellt ist.© Die Art hat sich wahrscheinlich zur
Zeit des Kaiserreichs, zu Anfang der christlichen Zeit-
rechnung bei den Griechen und Römern eingeführt. Die
1 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881. 2 Piddington, Index.
3 Vgl. die Copie in Unger, „Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 25.
4 Galenus, De alimentis, 1. Gr:
5 Vgl. alle die Floren Virgibe und Naudin, Ann. sc. nat., Serie 4,
RIECHT.
6 Comes, Ill. piante nei dipinti pompeiani, S. 20, nach Museo nazion,,
Bd. III, Taf. 4.
3928 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Beschaffenheit der Frucht war vermuthlich eine mit-
telmässige, da die Autoren in einem Lande, wo es an
Feinschmeckern nicht fehlte, entweder ganz darüber
schweigen oder nur schwache Lobeserhebungen machen.
Seit der Renaissancezeit hat eine vervollkommnetere
Cultur und die Beziehungen mit dem Orient und Aegyp-
ten bessere Varietäten in die Gärten eingeführt. Wir
wissen übrigens, dass sie oft ausarten, einmal durch die
Unbilden des Wetters oder die schlechten Bodenver-
hältnisse, dann auch durch eine Kreuzung mit geringern
Varietäten der Art.
Citrullus vulgaris, Schrader. Cucurbita Oitrullus,
Linne. — Wassermelone (fr. Pasteque, Melon d’eau).
Lange Zeit war der Ursprung der Wassermelone nicht
richtig erkannt oder ganz unbekannt. Nach Linne war
es eine Pflanze des südlichen Italiens.! Diese Aussage
war Matthiole entlehnt, ohne darauf Rücksicht zu neh-
men, dass jener Autor die Art als angebaut angab.
Von Seringe? wurde im Jahre 1828 Afrika und Indien
als muthmaassliches Vaterland hingestellt, ohne dass er
Beweise dafür vorbrachte. Ich glaubte, dass sie vom
südlichen Asien stammte, weil ihre Cultur in jener Re-
gion sehr gewöhnlich ist. Im wildwachsenden Zustande
kannte man sie nicht. Schliesslich ist sie im inter-
tropischen Afrika, diesseit und jenseit des Aequators ®
als einheimische Pflanze gefunden worden, was die Frage
entscheidet. Livingstone* hat Ländereien gesehen, die
buchstäblich davon bedeckt wurden. Vom Menschen
sowol wie von mehreren Thierarten werden diese wild-
wachsenden Früchte sehr gern als Speise benutzt. Sie
sind bitter oder sind es auch nicht, was sich von aussen
nicht bestimmen lässt. Die Neger schlagen die Frucht
mit einem Beile an und kosten den Saft, um zu er-
1 Habitat in Apulia, Calabria, Sicilia. (Linne, Species, 1763, S. 1435.)
2 Seringe, in: Prodromus, III, 301.
3 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 101; Sir J. Hooker in: Oliver,
Fl. of tropieal Africa, II, 549.
4 Französische Ausgabe, S. 56.
D DO er
LA » »
Wassermelone. 329
fahren, ob derselbe gut oder schlecht ist. Diese Ver-
schiedenartigkeit bei wildwachsenden Pflanzen, die unter
demselben Klima und in demselben Boden wachsen, ist
ganz dazu angethan, den geringen Werth dieses Merk-
mals bei den angebauten Cucurbitaceen in Erwägung
zu ziehen. Uebrigens ist die häufige Bitterkeit der
Wassermelone durchaus nicht befremdlich, da die ihr
am nächsten stehende Art die Koloquinthe (Citrullus
Colocynthis) ist. Naudin hat fruchtbare Blendlinge von
einer Kreuzung zwischen einer bittern, am Cap wild-
wachsenden und einer angebauten Wassermelone erzielt,
was die specifische, durch die äussern Formen schon
angedeutete Einheit bestätigt.
In Asien hat man die wildwachsende Art nicht ge-
funden.
Die alten Aegypter bauten die Wassermelone an.
Auf ihren Zeichnungen findet sie sich wiedergegeben.!
Dies führt uns schon zu der Annahme, dass die
Israeliten die Art kannten und sie, wie berichtet wird,
Abbatitchim nannten; ausserdem ist aber das arabische
Wort Battich, Batteca, welches augenscheinlich von dem
hebräischen Namen abgeleitet wird, der jetzt gebräuch-
liche Name für die Wassermelone. Der französische
Name stammt durch den arabischen von dem hebräi-
schen ab. Einen Beweis des hohen Alters der Pflanze
in den Culturen Nordafrikas finden wir in dem berbe-
rischen Namen Tadellaät?, der von dem arabischen zu
verschieden ist, um nicht der Eroberung vorherzugehen.
Die spanischen Namen Zandria, Cindria und jener der
Insel Sardinien, Sindria?, welche ich keinem andern
nähern kann, lassen ebenfalls eine alte Cultur in der
westlichen Mittelmeerregion muthmaassen. In Asien hat
sich die Cultur frühzeitig ausgebreitet, denn man kennt
einen Sanskritnamen, Chaya-pula*, die Chinesen haben
1 Unger hat die Abbildungen des Werkes von Lepsius reproducirt in
seinem Werk: Die Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 30, 31, 32.
2 Dictionnaire français-berbère, unter Pastèque.
3 Moris, Flora Sardoa. 4 Piddington, Index.
330 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
aber die Pflanze nicht vor dem 10. Jahrhundert der
christlichen Zeitrechnung erhalten. Sie nennen sie Si-
kua, was Melone des Westens bedeutet.!
Die einjährige Wassermelone reift ausserhalb der
Tropen in den Ländern, wo die Sommerwärme eine ge-
nügende ist. Die Neugriechen bauen sie vielfach an
und nennen sie Carpusea oder Carpusia?; man findet
dieses Wort aber weder bei den Autoren des Alter-
thums noch selbst in dem Griechischen der Periode
des Verfalls der lateinischen Sprache und in dem des
Mittelalters? Das Karpus der Türken Konstanti-
nopels* ist dasselbe Wort, es findet sich auch im Russi-
schen unter der Form von Arbus und im Bengali
und Hindustani als Tarbuj, Turbouz.$ Ein anderer,
von Forskal angeführter Name aus Konstantinopel, Chi-
monico, findet sich im Albanesischen, Chimico.’ Das
Fehlen eines altgriechischen Namens, der mit Sicherheit
auf die Art zu beziehen wäre, lässt vermuthen, dass
sie ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung
bei den Griechen und Römern eingeführt wurde. Das
Gedicht Copa, welches Virgil und Plinius zugeschrieben
wird, hat, wie Naudin annımmt, vielleicht von dieser
Frucht gesprochen (Buch 10, Kap. 5), immerhin bleibt
dies aber zweifelhaft.
Durch die Europäer wurde die Wassermelone nach
Amerika gebracht, wo man sie jetzt von Chile bis nach
den Vereinigten Staaten anbaut. Die Jacé der Brasi-
lianer, welche von Piso und Marcgraf abgebildet wird,
wurde augenscheinlich eingeführt, denn der erste dieser
Autoren gibt die Pflanze als angebaut und fast natu-
ralisirt an.®
1 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 17.
2 Heldreich, Pflanzen d. attischen Ebene, S. 591; Nutzpflanzen Griechen-
lands, S. 50.
3 Langkavel, Botanik der spätern Griechen.
4 Forskal, Flora aegypto-arabica, I, 34.
5 Nemnich, Polygl.-Lexicon, I, 1309.
6 Piddington, Index; Pickering, Chronological arrangement, S. 72.
7 Heldreich, Nutzpflanzen, S. 50.
8 „Sativa planta et tractu temporis quasi nativa facta.“ Piso (1658),
S. 233.
Gemeine Gurke. 331
Cucumis sativus, Linne. — Gemeine Gurke (fr. Con-
combre).
Trotz der sehr deutlichen Verschiedenheit zwischen
der Melone und der Gurke, welche alle beide zur Gat-
tung Cucumis gehören, wird von den Züchtern die Ver-
muthung gehegt, dass Kreuzungen zwischen diesen Arten
stattfinden können, und bisweilen auf die Eigenschaften
der Melone schädlich einwirken. Naudin! hat sich
durch Untersuchungen vergewissert, dass eine solche
Befruchtung nicht möglich ist, und auf diese Weise den
Beweis geliefert, dass die Unterscheidung der zwei Arten
eine wohlbegründete ist.
Das Heimatsland der Cucumis sativus wurde von
Linne und Lamarck als unbekannt hingestellt. Im Jahre
1805 behauptete Willdenow?, dass dieselbe aus der
Tatarei und Indien stamme, ohne indessen Beweise da-
für vorzubringen. Von den ihm folgenden Botanikern
ist diese Angabe nicht bestätigt worden. Als ich im
Jahre 1855 der Frage näher trat, hatte man die wild-
wachsende Art noch nirgends angetroffen. Aus ver-
schiedenen Gründen, die sich auf ıhre alte Cultur in
Asien und in Europa, und ganz insbesondere auf das
Vorkommen eines Sanskritnamens Sukasa? stützten,
sprach ich mich folgendermaassen aus: „Das Vaterland
ist wahrscheinlich das nordwestliche Indien, z. B. Kabul
oder ein daran stossendes Land. Alles deutet darauf
hin, dass man dasselbe eines Tages in diesen noch
wenig bekannten Regionen entdecken wird.“
Dies ist in der That eingetreten, wenn man mit den
gegenwärtig am besten unterrichteten Autoren zugibt,
dass die Cucumis Hardwicki, Royle, in den Formen-
kreis der Cucumis sativus eintritt. In Royle’s Werk:
„Ilustrations of Himalayan plants“, S. 220, Taf. 47,
findet sich eine colorirte Abbildung dieser Gurke, die
am Fusse der Himalajaberge gesammelt wurde. Die
1 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XI, 31.
2 Willdenow, Species, IV, 615.
3 Piddington, Index.
332 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Stengel, Blätter und Blumen sind ganz und gar die
der ©. sativus. Die elliptische und glatte Frucht hat
einen bittern Geschmack; es gibt aber bei der ange-
bauten Gurke analoge Formen, und man weiss, dass
bei andern Arten der Familie, z. B. bei der Wasser-
melone, das Fruchtfleisch süss oder bitter ist. Sir Jo-
seph Hooker gibt eine Beschreibung von einer ausge-
zeichneten Varietät, der sogenannten Sikkimgurke!, und
fügt hinzu, dass die von Kumaon nach Sikkim spontane
Form Hardwickii, von welcher er Exemplare gesammelt
hat, sich nicht mehr von den angebauten Pflanzen unter-
scheidet, als gewisse Varietäten der letztern unter-
einander abweichen, und Cogniaux schliesst sich nach
einer Besichtigung der Pflanzen im Herbarium zu Kew
dieser Meinung an.? :
Die seit wenigstens 3000 Jahren in Indien angebaute
Gurke wurde erst im 2. Jahrhundert v. Chr., als Schang-
kien von seiner Gesandtschaft nach Baktrien zurück-
gekehrt war, in China eingeführt.” In westlicher Rich-
tung ist die Ausbreitung der Art rascher vorwärts ge-
schritten. Die alten Griechen bauten die Gurke unter
dem Namen Sikuos an, welcher sich im Neugriechischen
als Sikua erhalten hat. Die jetzigen Bewohner des
Landes sagen auch Agguria, ein auf eine alte Wurzel
der arischen Sprachen zurückzuführendes Wort, welches
zuweilen auf die Wassermelone bezogen wird, und sich
bezüglich der Gurke im Böhmischen Agurka, im Deut-
schen Gurke u. s. w. wiederfindet. Die - Albanesen
(Pelasger?) haben einen ganz andern Namen, Krat-
savets Ÿ, welcher im slawischen Krastavak wieder zum
Vorschein kommt. Die Lateiner nannten die Gurke
Cucumis. Diese verschiedenen Namen weisen auf das
hohe Alter der Art in Europa hin. Selbst einen est-
1 Botanical Magazine, Fig. 6206.
2 Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner., III, 499.
3 Bretschneider, Briefe vom 23. und 26. August 1881.
4 Theophrastus, Hist., 1. 7, c. 4; Lenz, Botanik der alten Griechen
und Römer, S. 492.
5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 50.
u Zah
Anguriagurke. 333
nischen Namen, Uggurits, Ukkurits, Urits, will ich hier
anführen.! Derselbe scheint nicht finnisch, sondern
vielmehr derselben arıschen Wurzel wie Agguria ent-
lehnt zu sem. Wenn die Gurke vor den Ariern nach
Europa gekommen wäre, würde man vielleicht irgend-
einen besondern Namen in der baskischen Sprache be-
sitzen, oder ihre Samen in den Pfahlbauten der Schweiz
und Savoyens gefunden haben, keins von beiden ist
aber der Fall. Die dem Kaukasus nahe wohnenden
Völker haben vom Griechischen ganz verschiedene Na-
men: im Tatarischen Kiar, im Kalmückischen Chaja,
im Armenischen Karan.? Der Name Chiar kommt auch
im Arabischen für einige Varietäten der Gurke vor.?
Dies würde somit ein dem Sanskrit vorhergehender tura-
nischer Name sein, demnach würde die Cultur im west-
lichen Asien ein Alter von mehr als 3000 Jahren aufweisen.
Gemeiniglich wird gesagt, dass die Gurke die Kisch-
schuim war, eine der Früchte Aegyptens, nach welchen
die Israeliten in der Wüste Verlangen trugen.* Ich
. finde indessen unter den drei von Forskal angeführten
Namen keinen arabischen, welcher mit diesem in irgend-
einer Beziehung stände, und bisjetzt hat man kein An-
zeichen von dem Vorhandensein der Gurke ım alten
Aegypten aufgefunden.
Cucumis Anguria, Linne. — Anguriagurke (fr. Con-
combre Anguria).
Diese kleine Gurkenart wird im „Bon Jardinier“
unter dem Namen Concombre Arada bezeichnet. Die
Frucht, von der Grösse eines Eies, ist sehr stachelig.
Man isst sie gekocht oder in Essig eingemacht. Da
die Pflanze sehr ergiebig ist, wird sie in den amerika-
nischen Colonien häufig angebaut. Descourtilz und Sir
J. Hooker haben von ihr gute, colorirte Abbildungen
1 Nemnich, Polygl.-Lexicon, = 1306. 2 Ebend.
3 Forskal, Flora aegypt., S. 3
4 Rosenmüller, Biblische then, I, 97; Hamilton, Bota-
nique de la Bible, S. 34.
C9
334 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
veröffentlicht, und Cogniaux desgleichen eine mit ein-
gehenden Analysen der Blume.!
Das Indigenat auf den Antillen wird von mehreren
Botanikern bestätigt. Im verflossenen Jahrhundert
nannte P. Browne? die Pflanze Petit Concombre sau-
vage (auf Jamaica). Descourtilz hat sich folgender
Ausdrücke bedient: „Die Gurke kommt überall wild-
wachsend vor und ganz insbesondere auf den trockenen
Savannen und in der Nähe von Flüssen, deren Ufer
eine reiche Vegetation darbieten.“ Die Einwoher nen-
nen sie Concombre marron. Grisebach? hat Exemplare
von mehreren andern Antilleninseln gesehen, und scheint
ihre spontane Eigenschaft zuzulassen. Andre fand die
Art am Meeresgestade auf dem Sande bei Porto-Ca-
bello, und Burchell auf ähnlichem Terrain in einer
nicht näher bezeichneten Localıtät Brasiliens, des-
gleichen Riedel nahe bei Rio de Janeiro.* Für eine
grosse Menge anderer im östlichen Amerika von Bra-
silien bis nach Florida gesammelter Exemplare weiss
man nicht, ob sie von wildwachsenden oder angebauten
Pflanzen abstammen.
Eine wildwachsende Pflanze Brasiliens, die von Piso?
sehr schlecht abgebildet wurde, wird als zu unserer
Art gehörend aufgeführt, mir scheint dies aber sehr
zweifelhaft.
Von Tournefort bis auf unsere Tage sind die Bota-
niker der Ansicht gewesen, dass die Anguria aus Ame-
rika stamme, ganz insbesondere von Jamaica. Naudin®
war der erste, der darauf hinwies, dass alle andern
Cucumis der Alten Welt angehören, namentlich Afrika.
Er hat sich die Frage gestellt, ob diese nicht von den
1 Descourtilz, Flore médicale des Antilles, 5, Taf. 329; Hovker, Bota-
nical Magazine, Fig. 5817; Cogniaux, in: Flora brasiliensis, fasc. 78, Fig. 2.
2 Browne, Jamaica, 2. Aufl., S. 353.
3 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 288.
4 Cogniaux, à. a. O. .
5 Guanerva-oba, in: Piso, Brasil (1658), S. 264; Marcgraf (1648), S. 44,
ohne Abbildung, spricht von ihr unter dem Namen Cucumis sylvestris
Brasiliae.
6 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XI, 12.
Bu zu > a ia m
LA
IF LA
Anguriagurke. 990
Negern nach Amerika eingeführt worden sei, wie dies
bei vielen andern Pflanzen, welche sich dort naturali-
sirt haben, der Fall ist. Es war ihm jedoch nicht
möglich, irgendeine dieser ähnliche afrikanische Pflanze
aufzufinden, und so ist er der Meinung der andern bei-
getreten. Dagegen neigt Sir Joseph Hooker sich der
Ansıcht hin, dass C. Anguria eine angebaute und von
irgendeiner afrikanischen mit ©. prophetarum und C.
Figarei nahe verwandten Art modificirte Form _ sei,
trotzdem dass diese ausdauernd sind. Zu Gunsten
dieser Hypothese will ich hinzufügen: 1) der auf
den französischen Antillen übliche Name Concombre
marron weist auf eine verwilderte Pflanze hin, wie man
unter negres marrons die entlaufenen flüchtigen Neger
versteht; 2) die grosse Ausdehnung in Amerika, von
Rrasilien bis nach den Antillen, und zwar immer an
der Küste, wo der Sklavenhandel am lebhaftesten war,
scheint auf einen fremden Ursprung hinzudeuten. Wenn
die Art Amerika schon vor der Entdeckung dieses Con-
tinents angehört und einen ähnlich ausgedehnten Wohn-
sitz eingenommen hätte, würde sie sich auch an der
Westküste Amerikas und im Innern gefunden haben,
was nicht der Fall ist.
Die Frage wird nur durch eine vollständigere Kennt-
niss der afrikanischen Cucumis, sowie durch Befruch-
tungsuntersuchungen gelöst werden, vorausgesetzt, dass
im letztern Falle jemand die nöthige Geduld und Ge-
schicklichkeit besitzt, um mit der Gattung Cucumis
ähnliche Versuche anzustellen, wie Naudin dies mit den
Cucurbita-Arten gethan hat.
Zum Schluss mache ich noch auf den in den Ver-
einigten Staaten volksthümlichen, verdrehten Namen für
die Anguria, Jerusalem Cucumber, aufmerksam.t Ein
hübsches Beispiel, wie sich die volksthümlichen Namen
oft beim Forschen nach dem Vaterlande verwerthen
lassen!
1 Darlington, Agricultural botany, S. 58.
336 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Benincasa hispida, Thunberg. Benincasa cerifera,
Savi. — Wachstragende Benincasa, Weisser Kürbis.
Diese Art, welche für sich allein die Gattung Benin-
casa ausmacht, gleicht den Kürbissen so sehr, dass alte
Autoren sie, trotz des wachsartigen Anfluges auf der
Oberfläche der Frucht, für die Courge Pepon! ange-
sehen hatten. In den Tropenländern wird sie allge-
mein angebaut. Vielleicht hat man Unrecht gehabt, sie
in Europa, nachdem Culturversuche mit ihr angestellt
waren, zu vernachlässigen, denn von Naudin und dem
„Bon Jardinier‘ wird sie einstimmig empfohlen.
Sie ist die Cumbalam von Rheede, die Camolenga
von Rumphius; beide Autoren hatten sie in Malabar
und auf den Sunda-Inseln nur angebaut gesehen*und
Abbildungen davon gegeben.
Nach mehreren, selbst neuern Arbeiten? könnte man
glauben, dass sie nie im spontanen Zustande gefunden
worden wäre; achtet man dagegen auf die verschiedenen
Namen, unter welchen sie beschrieben wurde, so ver-
hält es sich anders damit. So sind Cucurbita hispida,
Thunberg, und Lagenaria dasystemon, Miquel, nach
authentischen von Cogniaux?® gesehenen Exemplaren
Synonyma der Art und sind dies in Japan wildwach-
sende Pflanzen.* Unter Cucurbita littoralis, Hasskarl°,
welche in den Gebüschdickichten am Meeresgestade auf
Java gefunden wurde, und unter Gymnopetatum septem-
lobum, Miquel, ebenfalls auf Java, wird nach Cogniaux
die Benincasa verstanden. Desgleichen unter Cucurbita
vacua, Müller®, und Cucurbita pruriens, Forster, von
welchen er authentische Exemplare gesehen hat, die in
Rockingham in Australien und auf den Gesellschafts-
1 Dies ist die Cucurbita Pepo von Loureiro und Roxburgh.
2 Clarke, in: Flora of British India, II, 616.
3 Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner., III, 513.
a 4 Thunberg, FI. Jap., S. 322; Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap.,
‚173.
5 Hasskarl, Catal. horti bogor., alter., S. 190; Miquel, Flora indo-bat.
6 Müller, Fragm., VI, 186; Forster, Prodr. (ohne Beschreibung);
Seemann, Journal of Botany, II, 50.
gi
er
Beer 'r.
Cylinderförmiger Balsamapfel. 357
Inseln gefunden waren. Nadeaud! erwähnt letztere
nicht. Man kann auf den Inseln der Südsee und im
Queensland zeitweilige Naturalisationen‘ vermuthen, die
Localitäten von Java und Japan scheinen aber sehr
sicher zu sein. Ich glaube um so viel mehr an die
des letztern Landes, da die Cultur der Benincasa im
China auf ein hohes Alterthum zurückgeht.?
Momordica cylindrica, Linne. Luffa cylindrica, Rö-
mer. — Cylinderförmiger Balsamapfel (fr. Lufa cylin-
drique).
„Die Lufa cylindrica“, sagt Naudin®, „welche in
einigen unserer Colonien den indischen Namen Petole
beibehalten hat, stammt wahrscheinlich aus Südasıen,
vielleicht kommt sie aber auch von Afrika, Australien
und den oceanischen Inseln. Von den meisten der
Völker heisser Länder wird sie angebaut, und sie scheint
sich an vielen Orten naturalisirt zu haben, wo sie
zweifelsohne ursprünglich nicht vorkam.“ Cogniaux *
ist bestimmter, wenn er sagt: „Eine in allen tropischen
Regionen der Alten Welt einheimische Art; zwischen
den Wendekreisen in Amerika häufig angebaut und
subspontan.“
Zieht man die von diesen beiden Monographen ge-
nannten Werke, sowie die Herbarien zu Rathe, so De
det sich die wildwachsende Eigenschaft der Pflanze zu-
weilen in bestimmter Weise nachgewiesen.
Was Asien betrifft’, so hat Rheede sie auf sandigem
Terrain, in den Wäldern und an andern Orten von
Malabar gesehen; von Roxburgh wird sie in Hindostan,
von Kurz in den Wäldern von Birma und von Thwaites
endlich auf Ceylon als spontan angegeben. Ich besitze
1 Nadeaud, Plantes usuelles des Tahitiens; Enumération des plantes
indigènes à Taiti.
3 Bretschneider, Brief vom 26. August 1881.
3 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 121.
4 Cogniaux, in: Monogr. Phanerog., III, 458.
5 Rheede, Hort. Malabar., VIII, 15, Taf. 8; Roxburgh, Fl. ind., III,
714, 715, unter dem Namen Z. clevata; "Kurz, Contrib., 187° 100; Thwaites,
Enum.
DE CANDOLLE. 2
1
338 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Exemplare von Ceylon und von Khasia. Einen San-
skritnamen kennt man nicht, und Dr. Bretschneider er-
wähnt weder in seinem Werkchen: „On the study ete.“,
noch in seinen Briefen irgendeine in China angebaute
oder wildwachsende ZLufa. Ich nehme somit an, dass
die Cultur, selbst ın Indien, keine alte ist.
In Australien findet sich die Art an den Flussufern
von Queensland! spontan, und danach ist es wahr-
scheinlich, dass man sie im Asiatischen Archipel wild-
wachsend finden wird, wo Rumphius, Miquel u. A. von
ihr nur als von einer angebauten Pflanze sprechen.
In den Herbarien finden sich eine Menge von Exem-
plaren, die im tropischen Afrika, von Mozambique an
der Guineaküste und bis nach Angola gesammelt sind;
die Sammler scheinen aber nicht angegeben zu haben,
ob es wildwachsende oder angebaute Exemplare waren.
Im Herbarium Delessert hat Heudelot die fruchtbaren
Striche in der Umgegend von Galam als Fundstätte
angegeben. Sir Joseph Hooker? führt solche an, ohne
etwas zu bestätigen. Die Herren Schweinfurth und
Ascherson®, welche diesen Fragen immer besondere Auf-
merksamkeit zuwenden, führen die Art in der Nilregion
als ausschliesslich angebaut an. Dies ist seltsam ge-
nug, weil man, da die Pflanze im 17. Jahrhundert in
den Gärten Aegyptens unter dem arabischen Namen
Luff* gesehen worden war, die Gattung Lufa und die
Art Luffa aegyptiaca genannt hat. In den Denkmälern
des alten Aegyptens findet sich von ihr keine Spur.
Das Fehlen eines hebräischen Namens macht die An-
nahme noch wahrscheinlicher, dass sich ihre Cultur erst
im Mittelalter in Aegypten eingebürgert hat. Heutzu-
tage wird sie im Nildelta betrieben, nicht nur der
Früchte wegen, sondern auch zum Versand der Samen,
1 Mueller, Fragmenta, III, 107; Bentham, Flora Austral., III, 317,
unter Namen, welche der Z. cylindrica von Naudin und Cogniaux gleich-
bedeutend sind.
2 Hooker, in: Flora of tropical Africa, II, 530.
3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 268.
4 Forskal, F1. aegypt., S. 75.
i
Scharfeckige Netzgurke. 339
der sogenannten courgettes, welche als Absud die Haut
geschmeidig machen.
Die Art wird in Brasilien, Guyana, Mexico u. s. w.
angebaut, ich finde aber kein Anzeichen, dass sie in
Amerika einheimisch sei. Hier und da scheint sie sich
naturalisirt zu haben, nach einem Exemplar von Levy
beispielsweise in Nicaragua.
Alles zusammengenommen, ist der asiatische Ursprung
gewiss, der afrikanische sehr zweifelhaft, der amerika-
nische imaginär oder vielmehr die Wirkung einer Na-
turalisation.
Lufa acutangula, Roxburgh. — Scharfeckige Netz-
gurke (fr. Luffa anguleux, Papengay).
Der Ursprung dieser wie der vorhergehenden in allen
Tropenländern angebauten Art ist nach Naudin und
Cogniaux! nicht recht klar. Der erste bezeichnet Sene-
gal, der zweite Asien und mit Zweifel Afrika als Vater-
land. Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, dass Linné?
sich irrte, wenn er die Tatarei und China als solches
bezeichnete.
Clarke verlegt in der Flora von Sir J. Hooker ohne
Bedenken das Indigenat nach Britisch-Indien. Von
Rheede? war die Pflanze früher in den sandigen Strecken
Malabars angetroffen worden. Der natürliche Wohnsitz
scheint begrenzt zu sein, denn die Art wird von Thwaites
auf Ceylon, von Kurz in Britisch-Birma und von Lou-
reiro für Cochinchina und China* nur als angebaut oder
auf Schutthaufen in der Nähe von Gärten vorkommend,
angegeben. Rumphius® nennt sie eine Pflanze von
Bengalen. Einem Brief des Dr. Bretschneider zufolge
wird seit lange keine Lufa in China angebaut. Einen
1 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 122; Cogniaux, in: Monogr.
Phaner., III, 459.
2 Linné, Species, S. 1436, unter dem Namen von Cucumis acutangulus.
3 Rheede, Hort. malab., VIII, 13, Taf. 7.
4 Thwaites, Enum. Ceylan., S. 126; Kurz, Contrib., II, 101; Loureiro,
F1. cochinch., S. 727. >
5 Rumphius, Amboin., V, 408, Taf. 149.
22*
340 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Sanskritnamen kennt man nicht. Dies sind ebenso viele
Anzeichen einer seit nicht sehr langer Zeit in Asien
betriebenen Cultur.
Eine Varietät mit bitterer Frucht ist in Britisch-
Indien! eine gemeine wildwachsende Pflanze, die kein
Interesse für den Anbau darbietet. Sie kommt auch
auf den Sunda-Inseln vor. Dies ist die Lufa amara,
Roxburgh, und die L. sylvestris, Miquel. Die L. sub-
angulata ıst eine andere, auf Java wachsende Form,
welche Cogniaux nach Kenntnissnahme gewisser Exem-
plare damit vereinigt.
Naudin führt den Reisenden nicht an, dem zufolge
die Pflanze in Senegambien side u vorkäme; er
sagt aber, dass die Neger sie Papengaye nennen, und
da sie von den Colonisten auf Mauritius? so genannt
wird, ist es wahrscheinlich, dass es sich im Senegal um
eine angebaute, vielleicht in der Nähe von Wohnplätzen
naturalisirte Pflanze handelt. In der ‚Flora of tropical
Africa“ gibt Sir Joseph Hooker die Art in Afrika wild-
wachsend an, ohne indessen den Beweis dafür darzu-
bringen, und Cogniaux fasst sich noch kürzer. Schwein-
furth und Ascherson* zählen sie für Aegypten, Nubien
und Abessinien weder als spontan noch als angebaut
an. In Aegypten findet sich keine Spur einer alten
Cultur.
Von den Antillen, Neugranada, Brasilien und andern
Gegenden Amerikas hat man die Art oft erhalten: es
liegen aber keine Anzeichen vor, dass sie in jenen Län-
dern ein hohes Alter hat, nicht einmal dass sie sich
dort in einiger Entfernung von Gärten in einem wirk-
lich spontanen Zustande findet.
Wir sehen also, dass die Bedingungen oder Wahr-
scheinlichkeiten hinsichtlich des Ursprungs und Cultur-
alters für die beiden angebauten Luffa fast dieselben
sind. Zur Begründung der Hypothese, dass letztere
1 Clarke, in: Flora of British India, II, 614.
2 Bojer, "Hortus mauritianus.
5 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 268.
Schlangenfrüchtige Haarblume. 341
nicht von Afrika stammen, will ich nur bemerken, dass
die vier andern Arten der Gattung entweder asiatisch
oder amerikanisch sind, und ich füge als weitern Finger-
zeig hinzu, dass die Cultur der Lufa keine sehr alte
ist, dass die Form der Frucht viel geringern Abände-
rungen unterworfen gewesen ist, als bei den andern
angebauten Cucurbitaceen.
Trichosanthes anguina, Linne. — Schlangenfrüchtige
Haarblume (fr. Trichosanthes serpent).
Eine einjährige, kletternde Cucurbitacee, die durch
ihre gefranste Blumenkrone bemerkenswerth ist. Auf
der Insel Mauritius heisst sie nach einem auf Java ge-
bräuchlichen Namen Petole. Die nach Art einer fleischi-
gen Leguminosenschote verlängerte Frucht wird im tro-
pischen Asien sehr geschätzt und wie die Gurken im
gekochten Zustande gegessen.
Die Botaniker des 17. Jahrhunderts erhielten sie von
China, und glaubten, dass die Pflanze dort einheimisch
sei, wahrscheinlich war sie dort aber angebaut. Von
Dr. Bretschneider! hören wir, dass der chinesische Name
Mankua Gurke der Barbaren des Südens bedeutet.
Indien oder der Indische Archipel müssen das Vater-
land sein. Indessen bestätigt keiner der Autoren, sie
im wirklich spontanen Zustande gefunden zu haben.
So begnügt sich Clarke in der Flora von Britisch-
Indien (II, 610) einfach zu sagen: „Indien, angebaut“.
Vor ihm sagte Naudin?: „Bewohnt Ostindien, wo man
sie ihrer Früchte wegen vielfach anbaut. Selten zeigt
sie sich im wildwachsenden Zustande.“ Für Amboina
ist Rumphius? nicht bestimmter. In Bezug auf Cochin-
china und Birma haben Loureiro und Kurz, für die
Inseln im Süden Asiens Miquel und Blume nur die an-
gebaute Pflanze gesehen. Die 39 andern Arten der
Gattung gehören alle der Alten Welt an, sind zwischen
1 Bretschneider, On the study etc., S. 17.
2 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XVIII, 190.
3 Rumphius, Amboin., V, Taf. 148.
342 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
China, Japan, Ostindien und Australien vertheilt, treten
aber namentlich in Indien und dem Archipel auf. Ich
halte den indischen Ursprung für den wahrscheinlichsten.
Man hat die Art nach Mauritius gebracht, wo sie
sich in der Nähe von Culturen weiter aussäet. An-
derswo hat sie sich wenig verbreitet. Einen Sanskrit-
namen für sie kennt man nicht. ’
Sechium edule, Swartz. — Chochokürbis (fr. Chayote).
Man baut diese Cucurbitacee im intertropischen Ame-
rika ihrer Früchte wegen an, welche die Form einer
Birne und den Geschmack einer Gurke haben. Sie
enthalten nur einen Samen, sind also um so viel
fleischiger.
Die Art bildet für sich die Gattung Sechium. In
allen Herbarien finden sich Exemplare von ihr, doch
gewöhnlich wurde von den Sammlern nicht angegeben,
ob es angebaute, naturalisirte oder wirklich spontane
Pflanzen seien, die allem Anscheine nach dem Lande
ursprünglich angehören. Ohne von Werken zu sprechen,
in welchen behauptet wird, dass diese Pflanze von Ost-
indien stamme, was ganz und gar falsch ist, will ich
nur auf mehrere der anerkannt besten verweisen, welche
das Vaterland nach Jamaica verlegen.t Indessen sagte
P. Browne? zu Mitte des verflossenen Jahrhunderts in
ganz bestimmter Weise, dass sie sich dort im Cultur-
zustande befände, und vor ihm hat Sloane gar nicht
davon gesprochen. Jacquin ? berichtet, dass sie „Cuba
bewohne und man sie dort anbaue“, und Richard hat
diesen Satz in der Flora von R. de la Sagra wieder-
holt, ohne irgendeinen Beweis hinzuzufügen. Naudin*
sagte: „Pflanze von Mexico“, ohne Belege für seine Be-
hauptung hinzuzufügen. In seiner neuerdings erschie-
nenen Monographie verweist Cogniaux 5 auf eine Menge
1 Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 286.
2 Browne, Jamaica, S. 355.
3 Jacquin, Stirp. amer. hist., S. 259.
4 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XVIII, 205.
5 In: Monogr. Phaner., III, 902.
N
Indischer Feigencactus. 343
von Exemplaren, die von Brasilien bis nach den An-
tillen gesammelt waren, ohne jedoch zu sagen, dass er
eins unter denselben angetroffen habe, welches auf die
Bezeichnung spontan Anspruch erheben könnte. See-
mann! hat die Pflanze in Panama angebaut gesehen,
und er fügt eine, falls sie auf Genauigkeit beruht, wich-
tige Bemerkung hinzu, dass nämlich der im Isthmus ge-
bräuchliche Name Chayote eine Verstümmelung des az-
tekischen Namens Chayotl sei. Hier wäre ein Fingerzeig
eines alten Vorkommens in Mexico, doch finde ich
diesen Namen nicht bei Hernandez, dem classischen
Autor der mexicanischen, der Eroberung vorhergehenden
Pflanzen. Die Chayote wurde in Cayenne vor 10 Jahren
noch nicht angebaut.” Nichts lässt auf eine alte Cultur
in Brasilien schliessen. Von den alten Autoren, wie
Piso und Marcgraf, wird die Art nicht erwähnt, und
der Name Chuchu, der brasilianisch sein soll?, scheint
mir von dem auf Jamaica gebräuchlichen Worte Chocho
abzustammen, welcher wieder möglicherweise eine Ver-
stümmelung des mexicanischen Wortes ist.
Die Wahrscheinlichkeiten sprechen, kurz gefasst, 1)
für einen südmexicanischen und centralamerikanischen
Ursprung; 2) für eine Einführung nach den Antillen
und Brasilien etwa im 18. Jahrhundert.
Später hat man die Art in den Gärten der Insel
Mauritius und neuerdings nach Algerien eingeführt, wo
sie herrlich gedeiht.?
Opuntia Ficus indica, Miller. — Indischer Feigen-
cactus (fr. Opuntia Figue d’Inde).
Die saftige Pflanze aus der Familie der Cactaceen,
welche eine Frucht hervorbringt, die man im Süden
Europas indische Feige nennt, steht ebenso wenig
mit den Feigenbäumen in Beziehung wie die Frucht
mit der Feige. Sie stammt nicht von Indien, sondern
1 Seemann, Bot. of Herald, S. 128.
2 Sagot, Journal de la Soc. d’hortic. de France, 1872.
3 Cogniaux, Flora brasil., fasc. 78. 4 Sagot, a. a. O., 19.
344 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
von Amerika. In diesem volksthümlichen Namen ist
alles falsch und lächerlich. Da Linne indessen einen
lateinischen Namen daraus machte, Cactus Ficus indica,
welcher später zur Gattung Opuntia gebracht wurde,
so hat man den specifischen Namen beibehalten müssen,
um Abänderungen, die Verwirrung herbeiführen, zu ver-
meiden und auf die volksthümliche Bezeichnung hinzu-
weisen. Die stacheligen und mehr oder minder stachel-
losen Eormen sind von einigen Autoren als verschiedene
_ Arten hingestellt worden, eine genaue Prüfung vereinigt
sie aber zu einer.!
Die Art kam in Mexico vor Ankunft der Spanier
spontan und angebaut vor. Von Hernandez? werden
neun Varietäten beschrieben, was auf eine alte Cultur
-hinweist. Die eine fast stachellose scheint mehr als
die andern zur Nahrung für die Lackschildlaus oder
Cochenille gedient zu haben, welche man mit der Pflanze
nach den Canaren und anderswohin eingeführt hat.
Es lässt sich nicht bestimmen, bis zu welchem Punkte
sich der Wohnsitz ın Amerika erstreckte, bevor der
Mensch die Bruchstücke der Pflanze und ihre Früchte,
welche beide als leichte Verbreitungsmittel angesehen
werden können, weiter fortschaffte. Vielleicht waren
die auf Jamaica und andern Antilleninseln wildwach-
senden Individuen, von welchen Sloane im Jahre 1725
sprach, das Ergebniss einer Einführung durch die Spa-
nier. Sicherlich hat sich die Art in dieser Richtung
so weit naturalisirt, als das Klima es ihr gestattete,
z. B. bis nach dem südlichen Florida.
Sie gehört zu den ersten Pflanzen, welche die Spanier
nach der Alten Welt, sei es nach Europa, sei es nach
Asien brachten. Ihr eigenthümliches Aussehen erregte
um so mehr Aufsehen, als man noch keine Art aus
dieser Familie bis dahin gesehen hatte.” Alle Bota-
1 Webb et Berthelot, Phytographia canariensis, I, 208.
2 Hernandez, Thesaurus Novae Hispaniae, S. 78
3 Sloane, Jamaica, II, 150.
4 Chapman, Flora of the southern United States, S. 144.
5 Der Cactos der Griechen war etwas ganz Verschiedenes.
Stachelbeere. 345
niker des 16. Jahrhunderts haben von ihr gesprochen,
und die Art hat sich gleichzeitig in Südeuropa und in
Afrıka immer weiter naturalisirt, je mehr sie angebaut
wurde. In Spanien hat man die Opuntia zuerst unter
dem amerikanischen Namen Tuna gekannt, und wahr-
scheinlich brachten die Mauren sie nach der Berberei,
als sie von der Halbinsel vertrieben wurden. Sie nannten
dieselbe Christfeige.! Der Gebrauch, die Besitzungen
mit dem indischen Feigencactus als eine Art Einfrie-
digung zu umgeben und der Nährwerth der recht zucker-
haltigen Früchte haben die Ausbreitung um das Mittel-
meer herum und im allgemeinen in allen den Tropen
nahe liegenden Ländern herbeigeführt.
Die Cochenillezucht, welche der Fruchterzeugung
hinderlich war?, ist seit der Fabrikation der Farbstoffe
durch chemische Processe ganz in Verfall gerathen.
Ribes Grossularia und R. Uva-crispa, Linne. —
Stachelbeere (fr. Groseillier à maquereaux).
Die angebauten Formen zeigen gemeiniglich eine glatte
oder mit nur wenigen grossen steifen Haaren bedeckte
Frucht, während die Frucht der wildwachsenden Form
(R. Uva-crispa) weiche und weniger lange Haare hat;
es sind aber Zwischenformen nachgewiesen worden, und
man hat durch Versuche dargethan, dass durch die Aus-
saat der Samen von der angebauten Frucht Pflanzen
erzielt werden, deren Früchte bald behaart, bald glatt
sind.? Es gibt demnach nur eine Art, welche durch
die Cultur in Bezug auf die Grösse, die Farbe oder
den Geschmack der Frucht eine Hauptvarietät und meh-
rere Untervarietäten hervorgebracht hat.
Die Stachelbeere wächst im ganzen gemässigten Eu-
ropa wild, vom südlichen Schweden bis nach den ge-
birgigen Theilen Centralspaniens, Italiens und Griechen-
lands.* Sie wird auch für Nordafrika erwähnt; der zu-
1 Steinheil, in: Boissier, Voyage bot. en Espagne, I, 25.
2 Webb et Berthelot, Phytogr. canar.
3 Robson, in: English Botany, Taf. 2057.
4 Nyman, Conspectus fl. europeae, S. 266; Boissier, Fl. or., II, 815.
946 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
letzt über die Pflanzen Algeriens veröffentlichte Kata-
log! führt sie aber nur für die Gebirge von Aurès an,
und Ball hat von ıhr eine recht charakteristische Va-
rietät auf dem Atlasgebirge Maroccos gefunden.” Auch im
Kaukasus kommt sie vor?, desgleichen unter mehr oder
minder verschiedenen Formen im westlichen Himalaja.*
Die Griechen und Römer haben von dieser im Süden
seltenen Art nicht gesprochen, die da wo die Trauben
reifen, anzubauen auch kaum der Mühe verlohnt. Na-
mentlich baut man sie in Deutschland, Holland und
England seit dem 16. Jahrhundert? an, insbesondere zur
Würze, woraus die Namen @ooseberry ım Englischen und
Groseille à maquereaux im Französischen entstanden
sind. Man bereitet aus ihr auch eine Art Wein.
Die Häufigkeit der Cultur auf den britischen Inseln,
sowie die häufig in der Nähe von Gärten sich bemerk-
bar machenden Standorte wurden für mehrere englische
Botaniker die Veranlassung, anzunehmen, dass es sich
bei ihr um eine zufällige Naturalisation handle. Für
Irland ® ist dies ziemlich wahrscheinlich, da es sich
aber hier um eine wesentlich europäische Art handelt,
so sehe ich nicht ein, warum sie ın England, wo die
wildwachsende Pflanze sehr gemein ist, nicht seit Nieder-
lassung der meisten Arten der englischen Flora hätte
vorkommen können, d.h. seit dem Ende der Eisperiode,
vor der Trennung der Insel vom Festlande. Phillips
führt einen alten, ganz besondern englischen Namen an,
Feaberry oder Feabes, was auch zur Begründung eines
alten Auftretens beiträgt, desgleichen zwei welsche
Namen’, deren Originalität ich jedoch nicht bestätigen
kann.
Munby, Catal., 2. Aufl., S. 15.
Ball, Spicilegium fl. maroce., S. 449.
Ledebour, F1. ross., II, 194; Boissier, a. a. O.
Clarke, in: Hooker, Fl. of Brit. India, II, 410.
Phillips, Account of fruits, S. 174.
Moore and More, Contrib. to the Cybebe hibernica, S. 113.
Davies, Welsh Botanology, S. 24.
NO Où À © LD nm
RE u DE
Rothe Johannisbeere. 347
Ribes rubrum, Linné. — Rothe Johannisbeere (fr.
Groseillier rouge).
Im nördlichen und gemässigten Europa, in ganz Si-
birien! bis nach Kamtschatka hin, und in Amerika von
Canada und Vermont bis zur Mündung des Mackenzie-
flusses? tritt die gemeine rothe Johannisbeere wild-
wachsend auf.
Wie die vorhergehende war sie den Griechen und
Römern unbekannt, und ihre Cultur hat sich erst im
Mittelalter eingeführt. Die angebaute Pflanze unter-
scheidet sich kaum von der wildwachsenden. Der fremd-
ländische Ursprung für den Süden Europas wird durch
den ihr im 16. Jahrhundert in Frankreich? beigelegten
Namen Groseille d’outremer bestätigt. In Genf geht die
Johannisbeere noch unter dem volksthümlichen Namen
Raisin de mare, und im Canton Solothurn heisst sie
noch Meertrübli. Mir ist es unbekannt, warum man
sich vor drei Jahrhunderten der Einbildung hingab, dass
die Art eine überseeische sei. Vielleicht lässt sich dies
in dem Sinne erklären, dass die Dänen und Normannen
sie mitgebracht, oder dass diese nordischen Völker,
welche zu Wasser anlangten, ihre Cultur eingeführt
hätten. Ich bezweifle es jedoch, denn die Ribes rubrum
ist fast in ganz Grossbritannien* und in der Normandie?
spontan; die Engländer, welche mit den Dänen häufige
Verbindungen unterhielten, bauten sie im Jahre 1557
noch nicht an, wie dies aus einer zu jener Epoche von
Th. Tusser zusammengestellten und von Phillips ver-
öffentlichten Fruchtliste hervorgeht‘, und selbst zu Ge-
rard’s Zeiten, im Jahre 15977, war ihre Cultur selten
und die Pflanze hatte keinen besondern Namen; schliess-
lich gibt es französische und bretagnische Namen, welche
1 Ledebour, F1. ross., II, 199.
2 Torrey and Gray, Fl. N. Amer., I, 150.
3 Dodonaeus, S. 748. 4 Watson, Cybebe brit.
5 Brebisson, Flore de Normandie, S. 99.
6 Phillips, Account of fruits, S. 136. 7 Gerard, Herbal, S. 1143.
8 Der Name Currant ist später entstanden, infolge der Analogie mit
Korinthen (Phillips, a. a. O.).
548 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
eine den Normannen im westlichen Frankreich vorher-
gehende Cultur vermuthen lassen.
Die alten französischen Namen finden sich in dem
Wörterbuch von Ménage. Nach ihm nannte man die
rothen Johannisbeeren in Rouen Gardes, in Caen Grades,
in der untern Normandie Gradilles, und in seiner Heimat,
in Anjou, Castilles. Ménage leitet alle diese Namen
von rubius, rubicus u. s. w. ab, und zwar infolge imagi-
närer Verwandlungen des Wortes ruber, roth. Legonidec!
belehrt uns, dass die rothen Johannisbeeren in der
Bretagne auch Kastilez heissen, und er leitet diesen
Namen von Castille (Castilien) ab, als ob eine in Spanien
wenig bekannte und im Norden so verbreitete Frucht
von der Halbinsel kommen könnte. Diese gleichzeitig
in und ausserhalb der Bretagne verbreiteten Namen
scheinen mir keltischen Ursprungs zu sein, und um
dies zu bekräftigen, bemerke ich, dass in dem Wörter-
buch des Legonidec selbst gardiz im Bretonischen
herbe, scharf, prickelnd, sauer u. s. w. bedeutet, was die
Etymologie errathen lässt. Der Gattungsname Ribes
hat zu andern Irrthümern Veranlassung gegeben. Man
hatte eine von den Arabern so benannte Pflanze wieder-
zuerkennen geglaubt; dieses Wort stammt aber viel eher
von einem für die Johannisbeere im Norden sehr ver-
breiteten Namen ab, nämlich von Ribs im Dänischen‘,
Risp und Resp im Schwedischen.# Die slavischen Namen
sind alle ganz verschieden und ziemlich zahlreich.
Ribes nigrum, Linne. — Schwarze Johannisbeere (fr.
Cassis).
Die schwarze Johannisbeere findet sich wildwachsend
im nördlichen Europa, von Schottland und Lapland bis
nach Nordfrankreich und dem nördlichen Italien; ferner
in Bosnien, in Armenien, in ganz Sibirien, der Amur-
1 Legonidec, Diction. celto-breton.
2 Moritzi, Dict. inéd. des noms vulgaires.
® Linné, Flora suecica, n. 197.
4 Watson, Compend. Cybebe, I, 177; Fries, Summa veg. Scandinaviae,
S. 39; Nyman, Conspectus florae europeae, S. 266.
5 Boissier, Fl. or., II, 815.
Schwarze Johannisbeere. 349
region und im westlichen Himalaja.! Häufig naturalisirt
sie sich, z. B. im mittlern Frankreich.?
Die Griechen und Römer kannten diesen Strauch
nicht, welcher kältern Ländern angehört, als die ihrigen
es sind. Aus der Verschiedenartigkeit seiner Namen in
alten, selbst den Ariern vorhergehenden Sprachen des
nördlichen Europas lässt sich deutlich schliessen, dass
man den Früchten zu einer sehr alten Zeit nachging,
und dass man wahrscheinlich vor dem Mittelalter ange-
fangen hat ihn anzubauen. J. Bauhin? berichtet, dass der-
selbe in den Gärten Frankreichs und Italiens angepflanzt
wurde, die meisten der Autoren des 16. Jahrhunderts
schweigen aber darüber. In der 1782 erschienenen
„Histoire de la vie privee des Frangais“, von Le
Grand d’Aussy, findet sich (Bd. I, S. 232) folgender
recht interessanter Satz: ,, Die schwarze Johannisbeere
wird seit etlichen vierzig Jahren angebaut, und zwar
infolge einer Schrift, die den Titel führt: «Culture
du cassis», in welcher der Verfasser dem Strauche
alle nur denkbaren Tugenden zuschreibt.“ Weiter
(Bd. III, S. 80) kommt der Verfasser auf den häufigen
Gebrauch des schwarzen Johannisbeer- Branntweins seit
Veröffentlichung der in Frage stehenden Schrift zu-
rück. Bosc, der in seinen Artikeln des ,, Dictionnaire
d'agriculture‘ immer genau ist, spricht sich folgen-
dermaassen aus: „Seit sehr langer Zeit baut man die-
sen Strauch seiner Früchte wegen an, die einen eigen-
thümlichen, manchen angenehmen, andern unangeneh-
men Geruch besitzen, und welche als magenstärkendes
und diuretisches Mittel gelten.“ Bei der Fabrikation
der als Ratafıa und Cassis* bekannten Liqueure werden
sie verwendet.
1 Ledebour, Fl. ross., S. 200; Maximowiez, Primitiae fl. Amur., S. 119;
Clarke, in: Hooker, F1. of Brit. India, II, 411.
2 Boreau, Flore du centre de la France, 3. Aufl., S. 262.
3 Bauhin, Hist. plant., II, S. 99.
4 Der Name Cassis ist ziemlich eigenthümlich. Littré sagt in seinem
Wörterbuche, dass er erst spät in der Sprache aufgenommen zu sein scheint
und dass man seinen Ursprung nicht kennt. Ich habe ihn in den vor
Mitte des 13. Jahrhunderts erschienenen botanischen Büchern nicht ge-
350 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Olea europea, Linne. — Oelbaum (fr. Olivier).
Der wildwachsende Oelbaum, welcher in den bota-
nischen Büchern als Varietät sylvestris oder Oleaster
bezeichnet wird, unterscheidet sich von dem angebauten
Baume durch eine kleinere Frucht mit weniger dickem
Fleische. Durch die Auswahl der Samen, durch Steck-
linge oder durch Pfropfreiser guter Varietäten erzielt
man bessere Früchte.
Der Oleaster findet sich gegenwärtig in einer ausge-
dehnten Region im Osten und Westen Syriens, vom
Pendschab und Beludschistan ! bis nach Portugal und
selbst auf Madeira, auf den Canarischen Inseln und in
Marokko?; und in der Richtung von Süden nach Nor-
den, vom Atlas bis zum südlichen Frankreich, dem alten
Macedonien, der Krim und dem Kaukasus.? Vergleicht
man die Aussagen der Reisenden und der Autoren von
Floren, so ist es nicht schwer, zu sehen, dass man an
den Grenzen dieses Wohnsitzes in Bezug auf die spon-
tane und einheimische, d. h. sehr alte Beschaffenheit
der Art oft Zweifel hegt. Bald bildet er Gebüsch-
dickichte, die wenig oder gar nicht Früchte tragen,
und bald zeigen sich nur, wie beispielsweise in der
Krim, vereinzelte Stämme, als ob dieselben ausnahms-
weise vor den zerstörenden Wirkungen zu strenger
Winter, die eine feste Niederlassung nicht zulassen,
bewahrt geblieben wären. Was Algerien und Süd-
frankreich anbetrifft, so sind die Zweifel durch eine
Erörterung zu Tage getreten, welche zwischen sehr
funden. Meine Manuscriptsammlung von volksthümlichen Namen weist
unter mehr als 40 Namen für diese Art in verschiedenen Sprachen oder
Dialekten nicht einen einzigen analogen Namen auf. In seinem „Dietion-
naire des plantes‘ (1770), S. 289, nennt Buchoz die Pflanze cassis oder
cassetier des Poitevins. Der alte französische Name war poivrier oder gro-
seillier noir. Das Wörterbuch von Larousse sagt, dass man geschätzte
Liqueure in Cassis in der Provence anfertigte. Könnte dies der Ursprung
des Namens sein ?
1 Aitchison, Catalogue, S. 86.
2 Lowe, Manual flora of Madeira, II, 20; Webb et Berthelot, Hist.
nat. des Canaries, Géogr. bot., S. 48; Ball, Spicilegium florae marocea-
nae, S. 565.
3 Cosson, Bull. Soc. bot. France, IV, 107, und VII, 31; Grisebach,
Spicilegium florae rumelicae, II, 71; Steven, Verzeichniss der taurischen
Halbinseln, S. 248; Ledebour, Fl. ross., S. 38.
Oelbaum. 351
competenten Persönlichkeiten in einer Versammlung der
Pariser Botanischen Gesellschaft stattfand.! Dieselben
stützen sich auf die unwiderlegbare Thatsache, dass die
Olivenkerne von den Vögeln häufig nach unbebauten und
unfruchtbaren Gegenden gebracht werden, wo sich die
wildwachsende Form des Oleaster weiter fortpflanzt
und naturalisirt.
Man hat die Frage nicht richtig gestellt, wenn man
sich fragt, ob die Olivenbäume von dieser oder jener
Localität wirklich spontan sind. Bei einer holzigen Art,
welche ein sehr hohes Alter erreicht und von unten
wieder austreibt, wenn irgendein Zufall den Stamm zum
Fallen gebracht hat, ist es unmöglich, den Ursprung der
Individuen nachzuweisen, welchen wir unsere Aufmerk-
samkeit zuwenden. Durch Menschen oder Vögel können
sie zu einer sehr alten Epoche gesäet worden sein, denn
man kennt Oelbäume, die ein Alter von über 1000 Jahren
aufweisen. Die Folge dieser Aussaaten ist eine Natu-
ralisation, welche schliesslich mit einer Erweiterung des
Wohnsitzes gleichbedeutend ist. Es wäre somit die
Frage zu erörtern, welches das Vaterland der Art in
sehr alten prähistorischen Zeiten gewesen ist, und wie
sich dasselbe infolge aller möglichen Beförderungsweisen
mehr und mehr ausgedehnt hat. Nicht durch den An-
blick der jetzt bestehenden Oelbäume lässt sich diese
Frage lösen. Wir müssen zu erfahren suchen, in welchen
Ländern die Cultur angefangen hat und wie sie sich
weiter verbreitete. Je älter sie in einer Region ge-
wesen ist, um so wahrscheinlicher wird es, dass sich
die Art seit den geologischen, der Thätigkeit des prä-
historischen Menschen vorhergehenden Ereignissen, dort
im wildwachsenden Zustande vorfand.
Die ältesten hebräischen Bücher sprechen von dem
wildwachsenden und angebauten Oelbaum Sait oder Zeit.?
Er war einer der verheissenen Bäume des Landes Kanaan.
1 Bulletin, IV, 107.
2 Rosenmüller, Handbuch der biblischen Alterthumskunde, IV, 258,
und Hamilton, Botanique de la Bible, S. 80, wo die Stellen angegeben sind.
4
352 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Die älteste Erwähnung findet sich in der Genesis, wo
gesagt ist, dass Noah eine Taube fliegen liess, die ein
Oelblatt zurückbrachte. Will man auf diese Ueber-
lieferung, die von wunderbaren Nebenumständen be-
gleitet ist, weitere Rücksicht nehmen, so dürfte hinzu-
gefügt werden, dass sich der Berg Ararat der Bibel,
pach den Entdeckungen neuerer Gelehrten, im Osten
des jetzigen Ararat Armeniens, welcher früher Masis
genannt wurde, befinden musste. Beim Studium des
Textes der ‚Genesis‘ versetzt Francois Lenormand! den
in Frage stehenden Berg bis zum Hindukusch und
selbst bis an die Quellen des Indus. Dann befindet
er sich aber, seiner Meinung nach, in der Nähe des
Landes der Arier, und man kennt doch keinen Sanskrit-
namen für den Oelbaum, selbst nicht einmal von dem
Sanskrit, aus welchem die indischen Sprachen hervor-
gingen.” Wenn der Oelbaum im Pendschab vorgekom-
men wäre, wie es jetzt der Fall ist, würden die Ario-
Indier ihm auf ihren Wanderungen nach Süden wahr-
scheinlich einen Namen beigelegt haben, und wenn er
in Mazanderan, südlich vom Kaspisee, wie gegenwärtig
aufgetreten wäre, würden die westlichen Arier ihn viel-
leicht gekannt haben. Diesen negativen Anzeichen lässt
sich nur entgegenhalten, dass der wildwachsende Oel-
baum nicht sehr dazu angethan ist, die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken, und dass man vielleicht erst spät
in diesem Theile Asiens auf den Gedanken verfallen ist,
Oel aus seinen Früchten zu gewinnen.
Nach Herodot? brachte Babylonien keine Oelbäume
hervor, und bedienten sich seine Bewohner des Sesam-
öls. Sicherlich war ein solches Land, welches oft über-
schwemmt wurde, dem Oelbaume durchaus nicht günstig.
Die Kälte schloss denselben von den höhern Plateaux
und den Gebirgen Nordpersiens aus.
1 Fr. Lenormand, Manuel de l’histoire ancienne de l’Orient (1869),
2 Fick, Wörterbuch. Piddington, Index, erwähnt nur einen hindus-
tanischen Namen, Julpai.
3 Herodot, Hist., 1. 1, c. 19.
Oelbaum. 393
Es ist mir unbekannt, ob ein Zendname besteht, der
semitische Name Sait muss aber auf ein hohes Alter-
thum zurückgehen, denn er findet sich gleichzeitig im
neupersischen Seitun! und im arabischen Zeitun, Sjetun?;
auch im Türkischen und bei den Tataren der Krim findet
er sich als Seitun? wieder, was auf einen turanischen
Ursprung oder auf den sehr fern gelegenen Zeitpunkt
der Vermischung semitischer und turanischer- Völker
schliessen lassen könnte.
Die alten Aegypter bauten den Oelbaum an, welchen
sie Tat* nannten. Mehrere Botaniker haben das Vor-
handensein von Zweigen und Blättern des Oelbaums in
den Mumiensärgen nachgewiesen.” Nichts ist gewisseg
als das, obgleich Hehn neuerdings das Gegentheil be-
hauptete, ohne irgendeinen Beweis zur Begründung
seiner Meinung vorzubringen.® Interessant würde es
sein, zu erfahren, unter welcher Dynastie die ältesten
Särge, in welchen man Oelzweige gefunden hat, beige-
setzt wurden. Der von dem semitischen ganz verschie-
dene ägyptische Name deutet ein den ersten Dynastien
vorhergehendes Auftreten an. Ich werde sogleich auf
eine Thatsache verweisen, die dieses hohe Alterthum
weiter begründen kann.
Nach Theophrast” gab es in Kyrene viele Oelbäume,
man gewann dort viel Oel, doch sagt er nicht, ob die
Art daselbst wildwachsend war, und der Umstand einer
reichlichen Oelgewinnung lässt auf eine angebaute Va-
rietät schliessen. Das niedrige und sehr warme Land
zwischen Aegypten und dem Atlas dürfte kaum einer
ausserhalb der Anpflanzungen eintretenden Naturalisation
des Oelbaums günstig sein. Kralik, ein sehr sorgfäl-
1 Boissier, Flora or., IV, 36.
2 Ebn Baithar, deutsche Uebersetzung, S. 569; Forskal, Plantae
Egypt., S. 49.
3 Boissier, a. a. O.; Steven, a. a. O.
4 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 45.
5 De Candolle, Physiol. végét., S. 696; Al. Braun, à. a. O., S. 12;
Pleyte, von Braun und Ascherson genannt, Sitzungsber. d. Naturforsch.
Gesellsch. vom 15. Mai 1877.
6 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 88, Z. 9.
7 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 3, am Schluss.
DE CANDOLLE. 23
354 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
tiger Botaniker, hat ıhn auf seiner Reise in Tunis und
Aegypten nirgends wildwachsend angetroffen !, obgleich
er in den Oasen angebaut wird. Nach Schweinfurth
und Ascherson, in ihrer Uebersicht der Flora der Nil-
region?, zeigt sich der Oelbaum in Aegypten nur im
angebauten Zustande.
Das prähistorische Vaterland dehnte sich wahrschein-
lich von Syrien nach Griechenland aus, denn der wild-
wachsende Oelbaum ist an der Südküste Kleinasiens
sehr gemein. Er bildet daselbst wirkliche Wälder.’
Da und im Archipel haben die Griechen zweifelsohne
diesen Baum frühzeitig kennen gelernt; hätten sie ihn
im eigenen Lande nicht gesehen, sondern ihn von se-
mitischen Völkern erhalten, so würden sie ihm keinen
besondern Namen, Elaia, beigelegt haben, aus welchem
die Lateiner Olea machten. Die „Iliade“ und die
„Odyssee“ erwähnen die Härte des Holzes vom Oel-
baume, weisen auch auf den Gebrauch hin, sich den
Körper mit seinem Oel einzureiben. Letzteres wurde
allgemein zur Nahrung und Beleuchtung verwendet.
Die Mythologie schrieb der Minerva die Anpflanzung
des Oelbaums ın Attika zu, womit wahrscheinlich die
Einführung angebauter Varietäten und passender Ver-
fahrungsweisen zur Gewinnung des Oels gemeint ist.
Aristäus hatte das Verfahren des Fruchtpressens einge-
führt oder vervollkommnet.
Dieselbe mythologische Persönlichkeit hatte angeblich
den Oelbaum von Nordgriechenland nach Sicilien und
Sardinien gebracht. Die Phönizier haben dies wol auch
in ähnlicher Weise und sehr frühzeitig thun können, ich
möchte aber doch zu weiterer Begründung der Ansicht,
dass die Einführung der Art, oder doch einer ver-
besserten Varietät, durch die Griechen erfolgt sei, noch
bemerken, dass der semitische Name Zeit auf den Inseln
des Mittelmeers keine Spur zurückgelassen hat. Es ist
1 Kralik, in: Bull. Soc. bot. Fr., IV, 108.
2 Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens, S. 281.
3 Balansa, Bull. Soc. bot. de France, IV, 107.
Oelbaum. 355
der griechisch-lateinische Name, welcher dort wie in Ita-
lien vorkommt!, während es an der benachbarten Küste
Afrikas und in Spanien der ägyptische oder arabische
Name ist, wie ich dies gleich näher erklären werde.
Die Römer haben den Oelbaum später kennen lernen
als die Griechen. Nach Plinius? wäre dies erst zur
Zeit des Tarquinius Priscus im Jahre 627 v. Chr. ge-
schehen, wahrscheinlich kam aber die Art wie in Griechen-
land und auf Sicilien schon in Grossgriechenland vor.
Plinius wollte überdfes vielleicht von dem angebauten
Oelbaume sprechen.
Es ist eine sehr eigenthümliche Thatsache, welche die
Philologen weder bemerkt noch weiter erörtert haben,
dass der berberische Name für den Oelbaum und seine
Frucht, die Olive, in Uebereinstimmung mit dem Tat
der alten Aegypter, Taz oder Tas zur Wurzel hat.
Nach dem von der französischen Regierung veröffent-
lichten französisch - berberischen Wörterbuche nennen
die Kabylen von Algerien den wildwachsenden Oelbaum
Tazebboujt, Tesettha Ou’ Zebbouj, und den gepfropften
Oelbaum Tazemmourt, Tazettha Ou zemmour. Die Tua-
regs, ein anderer berberischer Volksstamm, sagen Ta-
mahinet.® Dies sind gute Anzeichen von dem hohen
Alter des Oelbaums in Afrika. Indem die Araber dieses
Land eroberten und die Berbern nach den Gebirgen und
der Wüste zurückdrängten, indem sie ebenfalls Spanien
mit Ausnahme des Baskenlandes unterwarfen, sind die
aus dem semitischen Zeit abgeleiteten Namen selbst
in Spanien die vorwiegenden geblieben. Die Araber
von Algerien sagen Zenboudje für den wildwachsenden,
Zitoun für den angebauten Oelbaum®, und Zit für das
Olivenöl. Die Andalusier nennen den wildwachsenden
Oelbaum Azebuche und den angebauten Aceytuno.° In
andern Provinzen werden gleichzeitig der Name latei-
1 Moris, Flora sardoa, III, 9; Bertoloni, Flora ital., I, 46,
2 Plinius, Hist., 1. 15, c. 1.
3 Duveyrier, Les Touaregs du nord (1864), S. 179.
4 Munby, Flore de l’Algérie, S. 2; Debeaux, Catal. Boghar, S. 6%
5 Boissier, Voyage bot. en Espagne, 1. Aufl., II, 407.
23*
356 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
nischen Ursprungs, Olivio, und die arabischen Namen
gebraucht.! Das Oel heisst im Spanischen aceyte,
was beinahe der echt hebräische Name ıst; das zur letzten
Oelung gebrauchte heisst aber oleos santos, weil es auf
Rom Bezug hat. Die Basken bedienen sich des latei-
nischen Wortes für den Oelbaum.
Alte Reisende auf den Canarıschen Inseln, z. B. Bon-
tier im Jahre 1403, erwähnen den Oelbaum auf diesem
Archipel, wo die Botaniker der Neuzeit ihn als ein-
heimisch ansehen.” Er kann von den Phöniziern ein-
geführt worden sein, wenn er nicht schon früher dort
vorkam. Man weiss nicht, ob dıe Guanchen Worte für
Oelbaum und Oel besassen. In ihrem gelehrten Kapitel
über die Sprache der Ureinwohner sprechen Webb und
Berthelot nicht davon.” Man kann sich somit verschie-
denen Vermuthungen hingeben. Es scheint mir, dass
das Oel eine wichtige Rolle bei den Guanchen gespielt
haben würde, wenn sie den Oelbaum besessen hätten,
und dass dann irgendwelche Spur davon in der jetzigen
volksthümlichen Sprache zurückgeblieben sein würde.
Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Naturalisation
auf den Canaren vielleicht nicht so alt als die Reisen
der Phönizier.
Kein Oelblatt ist bisjetzt in dem Tuffstein des süd-
lichen Frankreich, Toscanas und Siciliens gefunden
worden, wo man doch den Lorbeer, die Myrte und
andere noch jetzt dort vorhandene Sträucher nachgewiesen
hat. Bis der Gegenbeweis geliefert wird, ist dies ein
Anzeichen späterer Naturalisation.
Der Oelbaum gedeiht gut in trockenen Klimaten,
welche mit dem von Syrien oder Algerien übereinstim-
men. Er kann am Cap, in mehreren Regionen Amerikas,
in Australien fortkommen, und zweifelsohne wird er
dort spontan werden, wenn man ihn häufiger anpflanzen
wird. Die Langsamkeit seines Wachsthums, die Noth-
1 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., II, 672.
2 Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Géogr, bot., S. 47 u. 48.
3 Ebend., Ethnographie, S. 188,
Sternapfel. 357
wendigkeit, ihn zu pfropfen oder Ausläufer einer bessern
Varietät zu wählen, besonders aber die Concurrenz
anderer ölhaltiger Arten, haben bisjetzt seine Ausbrei-
tung verzögert, ein Baum aber, der selbst auf dem un-
dankbarsten Boden Erträgnisse liefert, kann nicht für
immer in dieser untergeordneten Stellung verharren.
Selbst in unserer Alten Welt, wo er seit Tausenden
von Jahren auftritt, wird man seinen Ertrag verdoppeln,
sobald man sich der Arbeit unterzieht, die wildwachsen-
den Bäume, nach Art der Franzosen in Algerien, durch
Pfropfen zu veredeln.
Chrysophyllum Cainito, Linne. — Sternapfel (fr.
Cainitier).
Der Cainitier oder Caömitier, Star apple der Eng-
länder, gehört zur Familie der Sapotaceen. Er bringt
eine im tropischen Amerika recht geschätzte Frucht
hervor; die Europäer legen ihr aber keinen grossen
Werth bei. Ich glaube nicht, dass man damit umge-
gangen ist, ihn nach den afrikanischen oder asiatischen
Colonien einzuführen. In seiner „Flore des Antilles“,
Bd. II, Taf. 9, hat Tussac eine gute Abbildung davon
gegeben.
Seemann! hat den Chrysophyllum Cainito in mehreren
Gegenden des Isthmus von Panama wildwachsend ge-
sehen. De Tussac, der sich auf San-Domingo ange-
siedelt hatte, betrachtete ıhn als wildwachsend in den
Wäldern der Antillen, und Grisebach? sagt, dass er
auf Jamaica, San-Domingo, Antigoa und Trinidad wild-
wachsend und angebaut vorkommt. Vor ihm sah Sloane
den Baum auf Jamaica als den Culturen entsprungen
an, und Jacquin bediente sich eines unbestimmten Aus-
drucks, indem er sagt: „Bewohnt Martinique und San-
Domingo.“ à
1 Seemann, Botany of Herald, S. 166.
2 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 398.
3 Sloane, Jamaïque, II, S. 170; Jacquin, Amer., S. 52.
358 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Lucuma Caimito, Alph. de Candolle.
Man darf diesen Caimito von Peru nicht mit dem
Chrysophyllum Cainito von den Antillen verwechseln.
Alle beide gehören zur Familie der Sapotaceen, aber
ihre Blumen und Samen sind verschieden. In Ruiz und
Pavon, „Flora peruviana“, Bd. III, Fig. 240, ist diese
Art abgebildet.
In Peru angebaut, hat man sie nach Ega am Ama-
zonenstrome verpflanzt, desgleichen nach Para, wo sie
gewöhnlich Ab? oder Abiu! genannt wird.
Nach Ruiz und Pavon kommt sie in den heissen
Theilen Perus, am Fusse der Anden, wildwachsend vor.
Lucuma mammosa, Gärtner (fr. Mammei oder Mam-
mei-Sapote). |
Dieser ebenfalls zur Familie der Sapotaceen gehörende
Fruchtbaum des tropischen Amerika hat in den bota-
nischen Werken zu mehreren Irrthümern Veranlassung
gegeben.” In vollständiger und befriedigender Weise
ist er noch nicht abgebildet worden, weil die Colo-
nisten und Reisenden ihn für zu bekannt halten, um
sorgfältig gewählte Exemplare davon nach Europa zu
schicken, welche man dann in den Herbarien beschreiben
könnte. Diese Art von Vernachlässigung kommt übrigens
ziemlich häufig vor, wenn es sich um angebaute Pflan-
zen handelt.
Der Mammei wird auf den Antillen und in einigen
der heissern Regionen des amerikanischen Festlandes
angebaut. Von Sagot hören wir, dass er es nicht in
Cayenne ist, wol aber in Venezuela.? Ich glaube nicht,
dass man ihn nach Afrika oder Asien, wenn nicht vielleicht
nach den Philippinen, verpflanzt hat*, und zwar wahr-
scheinlich wegen des schalen Geschmacks seiner Frucht.
Humboldt und Bonpland fanden ihn wildwachsend in
1 Flora brasil., V, 88.
2 Siehe die Synonymie in Flora brasiliensis, VII, 66.
3 Sagot, in: Journal Soc. d’hort. de France, 1872, S. 347.
4 Blanco, Fl. de Filipinas, unter dem Namen Achras Lucuma.
D - ARE
s in
À
P
Gemeiner Breiapfel. Essbarer Nachtschatten. 359
den Wäldern der Missionen am Orinoco.! Alle Au-
toren führen ihn auf den Antillen an, aber als ange-
baut oder ohne hervorzuheben, dass er dort wildwach-
send sei. In Brasilien findet man ihn ausschliesslich in
den Gärten.
Sapota Achras, Miller. — Sapotillbaum, gemeiner
Breiapfel (fr. Sapotillier).
Die Frucht des Sapotillbaums ist die geschätzteste
aus der Familie der Sapotaceen und eine der besten
der intertropischen Regionen. „Eine überreife Sapo-
tillenfrucht“, sagt ne in seiner „Flore des An-
tilles“, „zerschmilzt auf der Zunge und enthält die
süssen Düfte des Honigs, des Jasmins und der Mai-
blume.“ Im „Botanical Magazine“, Taf. 3111 u. 3112,
wird die Art sehr gut abgebildet, desgleichen in Tussac’s
„Flore des Antilles“, Bd. I, Taf. 5. Schon zur Zeit von
Rumphius und Rheede hat man sie in den Gärten der
Insel Mauritius, des Asiatischen Archipels und Indiens
eingeführt, ihr amerikanischer Ursprung wird aber von
_ niemand bezweifelt.
Mehrere Botaniker haben sie im spontanen Zustande
in den Wäldern der Landenge von Panama, der Cam-
pechebai?, Venezuelas®? und vielleicht Trinidads* ge-
sehen. Zu Sloane’s Zeit kam sie auf Jamaica nur in
den Gärten vor.’ Sehr zweifelhaft ist es, ob sie auf
den andern Antillen wildwachsend auftritt, wenn auch
hier- und dorthin ausgestreute Samen sie bis zu einem
gewissen Grade naturalisirt haben. Nach Tussac er-
fordern die jungen Bäumchen in den Anpflanzungen eine
besondere Pflege.
Solanum Melongena, Linne. Solanum esculentum,
Dunal. — Essbarer Nachtschatten, Eierpflanze (fr.
Aubergine).
1 Nova genera, III, 240.
2 Dampier et Lussan, in: Sloane, Jamaica, II, 172; Seemann, Bot. of
Herald, S. 166.
3 Jacquin, Amer., S. 59; Humboldt et Bonpland, Nova genera, III, 239.
4 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 399. -5 Sloane, a. a. O.
360 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Die Eierpflanze hat einen Sanskritnamen und mehrere
Namen, welche Piddington in seinem „Index“ gleich-
zeitig als sanskritische und bengalische ansieht, wie
Bong, Bartaku, Mahoti, Hingoli. In seiner Ausgabe
der indischen Flora von Roxburgh nennt Wallich Vartta,
Varttaku, Varttaka, Bunguna, woraus das hindosta-
nische Bungan entstanden ist.
Danach lässt sich nicht bezweifeln, dass die Art in
Indien seit einer sehr fern liegenden Zeit bekannt war.
Rumphius hatte sie in den Gärten der Sunda-Inseln
gesehen, und Loureiro in jenen Cochinchinas. Thunberg
führt sie für Japan nicht an, obgleich jetzt mehrere
Varietäten davon ın jenem Lande angebaut werden.
Die Griechen und Römer kannten sie nicht, und kein
Botaniker hat von ihr in Europa vor Anfang des
17. Jahrhunderts gesprochen!, nach Afrıka hat sich ihre
Cultur aber vor dem Mittelalter ausbreiten müssen.
Der arabische Arzt Ebn Baithar?, ein Schriftsteller des
13. Jahrhunderts, hat von ihr gesprochen, und er führt
Rhazes an, welcher im 9. Jahrhundert lebte. Rauwolf?
hatte die Pflanze gegen Ende des 16. Jahrhunderts in
den Gärten von Aleppo gesehen. Man nannte sie Me-
lanzana und Bedengiam. Dieser arabische Name, wel-.
cher von Forskal Badindjan geschrieben wird, ist mit
dem hindostanischen, von Piddington angeführten Bu-
danjan übereinstimmend. Ein Anzeichen von hohem
Alter in Nordafrika tritt uns in dem Namen Tabendjalts
bei den Berbern oder Kabylen der Provinz Algerien *
entgegen, und dieser Name entfernt sich ziemlich von
dem arabischen. Neuere Reisende haben die angebaute
Eierpflanze in der ganzen Nilregion und an der Guinea-
küste angetroffen.” Man hat sie nach Amerika ver-
pflanzt.
1 Dunal, Histoire des Solanum, S. 209.
2 Ebn Baithar, deutsche Uebersetzung, I, 116.
3 Rauwolf, Flora orient., Ausg. Gröningen, S. 26.
4 Dictionnaire français-berbère, von der französischen Regierung ver-
öffentlicht.
5 Thonning, unter dem Namen S. edule; Hooker, Niger Flora, S. 473.
Rs {
Spanischer oder Cayennepfeffer. 361
Die angebaute Form des Solanum Melongena ist bis-
jetzt noch nicht im wildwachsenden Zustande gefunden
worden, die Botaniker stimmen aber ziemlich darin
überein, Solanum insanum, Roxbureh, und S. inca-
num, Linne, als zur selben Art gehörend anzusehen.
Man fügt selbst, einem von Nees von Esenbeck nach
zahlreichen Exemplaren gemachten Studium zufolge,
noch andere Synonyma hinzu.! Nun scheint das Sola-
num insanum-ın der Provinz Madras und in Tong-Dong
bei den Birmanen wildwachsend gefunden worden zu
sein. Das demnächstige Erscheinen der Solanaceen in
der Flora von Britisch-Indien von Sir Joseph Hooker
wird wahrscheinlich hierüber genauere Einzelheiten
geben.
Capsicum. — Spanischer oder Cayennepfeffer (fr.
_Piments, Poivre de Cayenne).
In den besten botanischen Werken ist die Gattung
Capsicum von einer Menge angebauter Formen über-
laden, welche man im wildwachsenden Zustande nicht
kennt, und welche besonders durch die Dauer des Sten-
gels unter sich verschieden sind — ein recht veränder-
liches Merkmal — oder auch durch die Form der
Frucht, ein ziemlich werthloses Charakteristicum bei
den angebauten Pflanzen gerade bezüglich der Früchte.
Ich will hier von zwei Arten sprechen, die am meisten
angebaut werden, ich kann mich aber nicht enthalten,
die Meinung auszudrücken, dass kein Capsicum ur-
sprünglich der Alten Welt angehört. Ich halte sie
alle amerikanischen Ursprungs, ohne dies in vollstän-
diger Weise beweisen zu können. Hier meine Gründe.
Derartige ins Auge fallende Früchte, die so leicht in
den Gärten heranzuziehen sind und einen den Bewohnern
heisser Länder so angenehmen Geschmack besitzen,
würden sich sehr rasch in der Alten Welt verbreitet
1 Transactions of the Linnean Society, XVII, 48; Baker, Flora of
Mauritius, S. 215.
362 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
haben, wenn sie im südlichen Asien, wie bisweilen an-
genommen wird, vorgekommen wären. Sie würden Na-
men in mehreren der alten Sprachen haben. Indessen
waren sie weder den Römern, Griechen, noch selbst den
Hebräern bekannt. In den alten chinesischen Büchern
werden sie nicht erwähnt.! Zur Zeit von Cook’s Reise
bauten die Bewohner der Südseeinseln sie nicht an?,
trotzdem die Sunda-Inseln ihnen so nahe liegen, wo
Rumphius. auf ihren sehr gewöhnlichen Gebrauch hin-
weist. Der arabische Arzt Ebn Baithar, welcher ım
13. Jahrhundert alles gesammelt hat, was die Orientalen
über die medicinisch wichtigen Pflanzen gesagt hatten,
spricht nicht von ihnen.
Roxburgh kannte für Capsicum keinen Sanskrit-
namen. Später hat Piddington für Capsicum fru-
tescens einen Namen, Bran-maricha, angeführt, welcher
nach ihm dem Sanskrit angehören soll®?; ist aber
dieser Name, welcher auf einer Vergleichung mit dem
schwarzen Pfeffer beruht (Muricha, Murichung), im der
That ein alter? Wie käme es, dass er in den indischen,
vom Sanskrit abgeleiteten Sprachen keine Spur zurück-
gelassen hätte? 4
Die spontane, alte Eigenschaft der Capsicum bleibt
wegen der Häufigkeit der Culturen immer ungewiss; in
Asien scheint sie mir aber häufiger zweifelhaft zu sein
als in Südamerika. Die von den zuverlässigsten Au-
toren beschriebenen indischen Exemplare stammen fast
alle aus den Herbarien der Ostindischen Compagnie,
bei welchen man nie weiss, ob eine Pflanze wirk-
lich wildwachsend erschien, ob sie von menschlichen
Wohnplätzen entfernt auftrat, in den Wäldern ihren
Standort hatte u. s. w. Bezüglich der Localitäten im
Indischen Archipel geben die Autoren häufig Schutt-
haufen, Hecken und ähnliche Fundstätten an.
1 Bretschneider, On the study etc., S. 17.
2 Forster, De plantis esculentis insularum etc.
3 Piddington, Index.
4 Piddington, unter dem Worte Capsicum.
Spanischer Pfeffer, Guineapfeffer. 365
Wir wollen jetzt jede der gewöhnlich angebauten
Arten einer nähern Prüfung unterwerfen.
Capsicum annuum, Linne. — Spanischer, türkischer,
indischer Pfeffer, Schotenpfeffer, Beissbeere (fr. Piment
annuel).
Diese Art hat in unsern europäischen Sprachen eine
Menge verschiedener Namen erhalten!, welche alle auf
einen fremden Ursprung und auf die Geschmacksähn-
lichkeit mit dem Pfeffer hinweisen. In Frankreich
nennt man ihn oft Guineapfeffer oder auch brasilianischer,
indischer Pfeffer u. s. w., welchen Bezeichnungen man
unmöglich irgendwelchen Werth beilegen kann. Die
Cultur dieser Art hat sich in Europa seit dem 16. Jahr-
hundert verbreitet. Es ist eine der Pfeffersorten, welche
Piso und Marcgraf? in Brasilien unter dem Namen
- Quija oder Quiya angebaut gesehen hatten. Ueber die
Abstammung sagen sie nichts. Seit sehr langer Zeit
scheint die Art auf den Antillen angebaut worden zu sein,
wo man sie unter mehreren karaibischen Namen kennt.?
Die Botaniker, welche sich am meisten mit Cap-
sicum®* beschäftigt haben, scheinen in den Herbarien
nicht ein einziges Exemplar angetroffen zu haben, wel-
ches man als spontan ansehen könnte, und ich bin
hierin nicht glücklicher gewesen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Brasilien das ur-
sprüngliche Heimatland.
Das C. grossum, Willdenow, scheint eine Form der-
selben Art. Man baut es in Indien unter dem Namen
Kafree-murich und Kaffree-chilly an; Roxburgh glaubte
aber nicht an seinen indischen Ursprung.°
Capsicum frutescens, Willdenow. — Strauchartige
Beissbeere, Guinea- oder Vogelpfeffer (fr. Piment ar-
brisseau).
1 Nemnich, Lexicon, gibt 12 französische und 8 deutsche Namen an.
2 Piso, S. 107 ; Marcgraf, S. 39.
3 Descourtilz, ‘Flore médicale des Antilles, Bd. VI, Taf. 423.
4 Fingerhuth, CPE gen. Capsici, 8. 12; Sendtner, in: Flora
brasil., X, 147. 5 Roxburgh, Fl. ind., ed. Wall., FE 260; (1832), II, 574,
564 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Diese Art, welche höher und am Grunde holziger ist,
als ©. annuum, wird allgemein in den heissen Re-
gionen der Neuen und der Alten Welt angebaut. Aus
ihr wird die grösste Menge des Cayennepfeffers für
den Gebrauch der Engländer gewonnen, dieser Name
bezieht sich aber zuweilen auch auf die Erzeugnisse
anderer dieser Pflanzen.
Roxburgh, bekannt als der Autor, welcher dem Ur-
sprunge der indischen Pflanzen die meiste Aufmerksam-
keit zugewendet hat, führt diese Art für Indien durch-
aus nicht als spontan an. Nach Blume hat sie sich im
Indischen Archipel in den Hecken naturalisirt.!
Dagegen hat man sie in Amerika, wo sie seit alters
angebaut wird, mehrere mal mit den Anzeichen einer
einheimischen Pflanze angetroffen. Martius brachte sie
mit von den Ufern des Amazonenstroms, Pöppig aus der
Provinz Maynas des östlichen Peru, und Blanchet aus
der Provinz Bahia.” Somit dehnt sich das Vaterland
von Bahia bis zum östlichen Peru aus, was die Aus-
breitung in Südamerika im allgemeinen erklärt.
Lycopersicum esculentum, Miller. — Liebesapfel, Pa-
radiesapfel, Tomate (fr. Tomate).
Die Tomate oder der Liebesapfel gehört zu einer
Gattung von Solanaceen, deren Arten alle amerikanisch
sind.” Weder in den alten Sprachen Asiens, noch selbst
in den neuern indischen Sprachen findet sich ein Name
für dieselben angegeben.* Zu Zeiten Thunberg’s, d. h. vor
einem Jahrhundert, wurde sie in Japan noch nicht an-
gebaut, und aus dem Schweigen der alten Schriftsteller
über China geht hervor, dass ıhre Einführung nach
jenem Lande neuern Datums ist. Rumphius° hatte sie
in den Gärten des Asiatischen Archipels gesehen. Die
Malaien nannten sie Tomatte, dies ist aber ein ameri-
1 Blume, Bijdr., II, 704. 2 Sendtner, in: Flora bras., X, 143.
3 Alph. de Candolle, Prodr., XIII, ı, 26.
4 Roxburgh, Flora indica (1832), I, 565; Piddington, Index.
5 Rumphius, Amboin., V, 416.
Liebesapfel, Paradiesapfel, Tomate. 365
kanischer Name, denn C. Bauhin bezeichnet die Art als
Tumatle Americanorum. Nichts lässt darauf schliessen,
dass sie vor der Entdeckung Amerikas in Europa be-
kannt war.
Die ersten von den Botanikern im 16. Jahrhundert
ihr beigelegten Namen lassen vermuthen, dass man die
Pflanze von Peru erhalten hatte! Auf dem amerika-
nischen Festlande wurde sie früher angebaut als auf
den Antillen, denn Sloane führt sie für Jamaica nicht
an, und Hughes? berichtet, dass sie vor kaum mehr als
einem Jahrhundert von Portugal nach Barbadoes ge-
bracht wurde. Humboldt betrachtete die Cultur der
Tomaten in Mexico als alt.” Ich bemerke jedoch, dass
das erste Werk über die Pflanzen jenes Landes (Her-
nandez, „Historia“) die Pflanze nicht erwähnt. Die
ersten Autoren über Brasilien, Piso und Marcgraf,
sprechen ebenfalls nicht von ihr, obgleich die Art jetzt
im ganzen intertropischen Amerika angebaut ist. Wir
kommen somit durch Rückschluss zu der Ansicht eines
peruvianischen Ursprungs zurück, wenigstens hinsicht-
lich der Cultur.
Martius* hat die spontane Pflanze in der Umgegend
von Rio de Janeiro und Para gefunden, sie war aber
vielleicht den Gärten entsprungen. Mir ist kein Botaniker
bekannt, welcher sie wirklich wildwachsend in dem uns
bekannten Zustande mit ihren mehr oder minder grossen,
beuligen, an den Seiten ausgebauchten Früchten angetroffen
hätte; anders verhält es sich mit der sphärischen, klein-
früchtigen Form, die in einigen botanischen Werken L,
cerasiforme genannt wird, in andern dagegen, und wie mir
scheint mit Recht, als zu derselben Art gehörig angesehen
1 Mala peruviana, Pomi del Peru, in: Bauhin, Hist., III, 621.
2 Hughes, Barbadoes, S. 148.
3 Humboldt, Nouv.-Espagne, 2. Aufl., II, 472,
4 Flora brasil., X, 126.
5 Die Grössenverhältnisse des Kelches und der Blumenkrone sind die-
selben wie bei der angebauten Tomate, sie sind aber verschieden bei der
verwandten Art Z. Humboldti, deren Früchte nach Humboldt ebenfalls
een werden, und. welche er wildwachsend in Venezuela gefun-
en hat.
366 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
wird. Dieselbe ist im Küstengebiet Perus!, in Tarapaca,
ım östlichen Peru? und an den Grenzen Mexicos und der
Vereinigten Staaten nach Californien hin? wildwachsend.
Sie naturalisirt sich zuweilen auf den Abfällen in der
Nähe der Gärten.* Auf diese Weise hat sich ihr Wohn-
sitz in Peru wahrscheinlich nach Nord und Süd aus-
gebreitet.
Persea gratissima, Gärtner. — Aguacatebaum, Ad-
vogatobaum (fr. Avogatier).
Der Avocat, Alligator pear der Engländer ist eine
der geschätztesten Früchte der Tropenländer; er gehört
zur Familie der Lauraceen. Im Ansehen gleicht er
einer Birne mit einem grossen Kern, wie sich dies
aus den in Tussac, „Flore des Antilles“, III, Fig. 3,
und im „Botanical Magazine“, Taf. 4580, veröffent-
lichten Abbildungen ersehen lässt.
Nichts ist lächerlicher als seine volksthümlichen Na-
men. Alligator pear kommt wer weiss wo her. Avocat
ist die Verstümmelung eines mexicanischen Namens
Ahuaca oder Aguacate. Der botanische Name Persea
hat nichts gemein mit dem Persea der Griechen, welches
eine Cordia war.
Nach Clusius®, im Jahre 1601, war der Advogatobaum
ein amerikanischer Fruchtbaum, der nach Spanien in
einen Garten eingeführt worden war; da sich derselbe
aber in den Colonien der Alten Welt sehr verbreitet
hatte, und dort zuweilen fast spontan wurde®, so kann
man sich über seinen Ursprung täuschen. Zu Anfang
des 19. Jahrhunderts fand sich dieser Baum noch nicht
in den Gärten von Britisch-Indien. Man hatte ihn gegen
Mitte des 18. Jahrhunderts nach den Sunda-Inseln ge-
1 Ruiz et Pavon, Flora peruv., II, 37.
2 Spruce, Nr. 4143, im Herbarium Boissier.
3 Asa Gray, Bot. of California, I, 538.
4 Baker, Flora of Mauritius, S. 216.
5 Clusius, Historia, S. 2.
6 Z. B. auf Madeira, nach Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 280
auf den Inseln Mauritius, den Seychellen und Rodriguez, nach Baker,
Flora, S. 290.
Gemeiner Melonen- oder Papayabaum. 367
bracht!, und im Jahre 1750 nach Mauritius und
Bourbon.?
In Amerika ist der jetzige Wohnsitz der spontanen
Pflanze ganz besonders ausgedehnt. Man hat die Art
in den Wäldern, an Flussufern, im Küstengebiet von
Mexico und den Antillen bis nach der Amazonenregion
gefunden.* Nicht immer hat sie diese grosse Ausdeh-
nung gehabt. P. Browne sagt ganz bestimmt, dass der
Advogatobaum vom Festlande nach Jamaica eingeführt
wurde, und Jacquin glaubte dasselbe für die Antillen
im allgemeinen.* Piso und Marcgraf haben ihn für
Brasilien nicht erwähnt, und von Martius wird kein
brasilianischer Name angegeben.
Zur Zeit der Entdeckung Amerikas war der Advo-
gatobaum nach Hernandez in Mexico gewiss angebaut
und einheimisch. Nach Acostaÿ baute man ihn in Peru
unter dem Namen Palto an, was der Name eines
Volks ım östlichen Peru war, woselbst er massenhaft
vorkam.° Ich kann keinen Beweis vorbringen, dass er
auf dem peruanischen Küstengebiete spontan war.
Carica Papaya, Linne. Papaya vulgaris, de Can-
dolle. — Gemeiner Melonen- oder Papayabaum (fr.
Papayer).
Dies ist eher eine grosse perennirende Pflanze, als
ein wirklicher Baum. Der saftreiche Stamm läuft nach
Art des Baumkohls in einen Büschel Blätter aus,
und die melonenähnlichen Früchte hängen unterhalb
der Blätter herab.” Der Melonenbaum wird jetzt in
allen Tropenländern selbst bis zum 30.—32. Breitengrade
1 Findet sich nicht bei Rumphius. 2 Aublet, Guyane, I, 364.
3 Meissner, in: Prodromus, XV, 1, 52, und Flora brasil., Ÿ, 158. Für
Mexico: Hernandez, S. 89. Für Venezuela und Para: Nees, Laurineae,
S. 129. Für das östliche Peru: Pöppig, Exsicc., von Meissner gesehen.
4 P. Browne, Jamaica, S. 214; Jacquin, Obs., 351.38.
5 Acosta, Hist. nat. des Indes (1598), S. 176.
6 Laet, Hist. nouv. monde, I, 325, 341.
7 Vgl. die guten Abbildungen von Tussac, Flore des Antilles, III, 45,
Taf. 10 u. 11. Der Melonenbaum gehôrt zu der kleinen Familie der Pa-
payaceen, die von einigen Botanikern zu den Passifloraceen und von an-
dern zu den Bixaceen gebracht wurde.
368 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
angebaut. Ausserhalb der Anpflanzungen naturalisirt er
sich leicht. Dies ist einer der Gründe, weshalb man
ihn asiatischen oder afrikanischen Ursprungs hielt, und
bei dieser Meinung auch noch beharrt, trotzdem Robert
Brown und ich in den Jahren 1818 und 1855 seinen
amerikanischen Ursprung nachgewiesen haben.! Ich
will hier die Gründe gegen den angenommenen alt-
weltlichen Ursprung wiederholen.
Die Art hat keinen Sanskritnamen. In den neuern
Sprachen Indiens nennt man sie nach dem amerika-
nischen Namen Papaya, welcher vom karaibischen Na-
men Ababai abgeleitet wird.” Nach Rumphius* glaubten
die Eingeborenen des Indischen Archipels, dass sie aus-
ländischen Ursprungs und von den Portugiesen einge-
führt sei, sie legten ıhr Namen bei, die entweder die
Aehnlichkeit mit andern Pflanzen oder eine Einführung
vom Auslande andeuten sollten. Zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts führt Sloane* mehrere seiner Zeitgenossen an,
denen zufolge man sie von Westindien nach Asien und
Afrika gebracht hatte. , Forster hatte sie auf Cook’s
Reise nicht in den Anpflanzungen der Südseeinseln ge-
sehen. Loureiro® hatte sie zu Mitte des 18. Jahrhun-
derts unter den Culturen Chinas, Cochinchinas und
Zanzibars angetroffen. Eine so gewinnbringende und
so besonders aussehende Pflanze würde sich seit Tau-
senden von Jahren in der Alten Welt verbreitet haben,
wenn sie überhaupt dort vorgekommen wäre. Alles
trägt zu der Annahme bei, dass sie seit der Ent-
deckung Amerikas nach den West- und Ostküsten von
Afrika und Asien eingeführt wurde.
Alle Arten der Familie sind amerikanisch. Diese
muss von Brasilien bis zu den Antillen und bis nach
Mexico vor Ankunft der Europäer angebaut worden
1 R. Brown, Botany of Congo, S. 52; A. de Candolle, Géographie bot
raisonnée, S. 917.
2 Sagot, Journal de la Société centrale d’horticulture de France, 1872.
3 Rumphius, Amboin., I, 147.
4 Sloane, Jamaica, S. 165.
5 Loureiro, Flora Cochinch., S. 772.
Gemeiner Melonen- oder Papayabaum. 369
sein, weil die ersten Schriftsteller über die Erzeugnisse
der Neuen Welt von ihr gesprochen haben.!
Marcgraf hatte oft männliche Pflanzen (immer zahl-
reicher als die weiblichen) in den Wäldern Brasiliens
gesehen, während sich die weiblichen Exemplare in den
Gärten befanden. Ciusius war der erste, welcher eine
Abbildung von der Pflanze gab?; er berichtet, dass
diese Zeichnung „in der Bai von Todos Santos“ (Pro-
vinz Bahia) im Jahre 1607 gemacht worden sei. Ich
kenne keinen neuern Botaniker, welcher den Wohnsitz
in Brasilien bestätigt hätte. Martius erwähnt die Art
nicht in seinem Wörterbuche über die Fruchtnamen in
der Tupisprache.? Für Guyana und Columbia wird
sie nicht als spontan aufgeführt. Im Gegensatz hierzu
bestätigt P. Browne* die spontane Eigenschaft auf Ja-
maica, und vor ihm hatten Ximenes und Hernandez dies
für San-Domingo und Mexico gethan. Oviedo? scheint
den Melonenbaum in Centralamerika gesehen zu haben,
und er führt für Nicaragua den volksthümlichen Namen
‚Olocoton an. Indessen betrachen die Herren Correa de
Mello und Spruce, nachdem sie in der Amazonenregion,
in Peru und anderswo viele Pflanzen gesammelt hatten,
in ihrer wichtigen Arbeit über die Papayaceen die An-
tillen als ursprüngliches Vaterland des Melonenbaums
und halten dafür, dass derselbe nirgendwo auf dem
Festlande wildwachsend sei. Ich habe Exemplare ge-
-sehen®, die von den Mündungen des Flusses Manate in
Florida, von Puebla in Mexico und Columbia kamen;
auf den Etiketten findet sich aber keine Bemerkung
über die spontane Eigenschaft. Wie man sieht, sind
1 Marcgraf, Brasil., S. 103, und Piso, S. 159, für Brasilien; Ximenes,
in: Marcgraf et Hernandez, Thesaurus, S. 99, für Mexico; letzterer für
San-Domingo und Mexico.
2 Clusius, Curae posteriores, S. 79, 80,
3 Martius, Beiträge zur Ethnographie, II, 418.
4 P. Browne, Jamaica, 2. Aufl., S. 360. Die erste Ausgabe, welche ich
nicht gesehen habe, ist vom Jahre 1756.
5 Was Oviedo darüber sagt, ist von Correa de Mello und Spruce ins
Englische übersetzt worden im Journal of the Proceedings of the Linnean
Society, X, 1.
6 Prodromus, XV, 1, 414.
DE CANDOLLE. 94
370 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
die Anzeichen für die Gestade des Mexicanischen Golfs
und für die Antillen sehr zahlreich. Der sehr verein-
zelte Wohnsitz in Brasilien ist verdächtig.
Ficus Carica, Linne. — Feigenbaum (fr. Figuier).
Die Geschichte des Feigenbaums zeigt in Bezug auf
den Ursprung und die geographischen Grenzen viele
Uebereinstimmung mit jener des Oelbaums. Die Aus-
breitung seines Wohnsitzes hat infolge der Ausstreuung
der Samen mit der Ausbreitung der Cultur gleichen
Schritt halten können. Die Wahrscheinlichkeit hierfür
liegt vor, denn die Samen gehen unversehrt durch die
Verdauungsorgane der Menschen und der Thiere hin-
durch. Es lassen sich jedoch Länder anführen, in
welchen der Feigenbaum seit wenigstens 100 Jahren
angebaut wird, ohne sich auf diese Weise naturalisirt
zu haben. Ich will nicht von Europa im Norden der
Alpen sprechen, wo der Baum besondere Pflege er-
heischt und seine Früchte schlecht reifen, selbst die,
welche zuerst gepflückt werden, sondern z. B. von In-
dien, dem Süden der Vereinigten Staaten, der Insel
Mauritius und Chile, wo, nach dem Stillschweigen der
Autoren von Floren, die Thatsachen eines mehr oder
minder spontanen Auftretens selten zu sein scheinen.
Heutzutage ist der Feigenbaum in einer weiten Re-
gion spontan oder fast spontan, von welcher Region
Syrien ungefähr die Mitte bildet, nämlich vom östlichen
Persien oder selbst von Afghanistan durch die ganze
Mittelmeerregion hindurch bis nach den Canarischen
Inseln.! Von Süden nach Norden varlirt diese Zone je
nach den localen Umständen vom 25. bis zum 40.—42.
Breitengrade. Im allgemeinen bleibt der Feigenbaum
wie der Oelbaum am Fusse des Kaukasus und der Ge-
birge Europas, welche das Mittelmeerbecken begrenzen,
stehen, er zeigt sich aber in fast spontanem Zustande,
1 Boissier, Flora orientalis, IV, 1154; Brandis, Forest Flora of India,
S. 418; Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Botanique, III, 257.
Ber
Feigenbaum. Dt
dank der Milde der Winter, an der Südwestküste
Frankreichs.!
Wir wollen sehen, ob die historischen und linguisti-
schen Schriftstücke im Alterthum einen weniger ausge-
dehnten Wohnsitz vermuthen lassen.
Die alten Aegypter nannten die Feige Teb?, und die
ältesten Bücher der Hebräer sprechen von dem wild-
wachsenden oder angebauten Feigenbaume unter dem
Namen Teenah*, von welchem sich eine Spur in dem
arabischen Tnt wiederfindet. Der persische Name,
Unjir ist ganz verschieden; ich weiss aber nicht, ob
derselbe auf die Zendsprache zurückzuführen ist. Pid-
dington erwähnt in seinem „Index“ einen Sanskritnamen
Udumvara, welchen Roxburgh, der bei diesen Fragen
sehr sorgfältig verfährt, nicht anführt, und welcher,
nach den vier von diesen Autoren genannten Namen zu
urtheilen, keine Spur in den neuern Sprachen Indiens
zurückgelassen hätte. Das sehr alte Vorkommen im
Osten Persiens scheint mir ein wenig zweifelhaft, bis
der dem Sanskrit zugeschriebene Name weiter geprüft
worden sei. Die Chinesen haben den Feigenbaum von
Persien erhalten, aber erst ım 8. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung.” Herodot® berichtet, dass es den Persern
nicht an Feigen fehlte, und Reynier, welcher über die
Gebräuche dieses alten Volkes sehr gewissenhafte For-
schungen angestellt hat, erwähnt den Feigenbaum nicht.
Dies beweist nur, dass die Art nicht verwerthet und
1 Graf von Solms-Laubach hat in einer gelehrten Abhandlung (Her-
kunft, Domestication u. s. w. des Feigenbaums, 1882) derartige Thatsachen
an Ort und Stelle nachgewiesen, wie sie schon von verschiedenen Autoren
angegeben worden waren. Er hat keine mit Embryonen ausgestatteten
Samen gefunden (S. 64), was er der Abwesenheit des Insekts (Blastophaga)
zuschreibt, welches gewöhnlich auf dem wildwachsenden Feigenbaume
lebt und die Befruchtung von einer Blume zur andern im Innern der
Frucht begünstigt. Es wird jedoch behauptet, dass die Befruchtung zu-
weilen ohne Mitwirkung des Insekts vor sich geht.
2 Chabas, Mélanges égyptol., Serie 3 (1873 3), 1292
3 Rosenmüller, Bibl. Âlterthumskunde, I, 285; Reynier, Économie pu-
blique des Arabes” et des Juifs, S. 470 (für die Mischna).
4 Forskal, Fl. aegypt.-arab., S. 125. Herr de Lagarde (Revue crit.
d’hist., 27. Febr. 1882) sagt, dass dieser ee Name sehr alt ist.
5 Bretschneider, in: Solms, 22.0. 5.93% 6 Herodot, I, 71.
24*
312 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
angebaut wurde, vielleicht aber im wildwachsenden Zu-
stande dort vorkam.
Die Griechen nannten den wildwachsenden Feigenbaum
Erineos, und die Lateiner Caprificus. Homer erwähnt
in der „Iliade‘“ ein Exemplar dieses Baumes, welches
sich in der Nähe von Troja befand.! Hehn behauptet?,
dass der angebaute Feigenbaum nicht vom wildwachsen-
den Feigenbaume abstammen kann, alle Botaniker sind
aber entgegengesetzter Meinung’, und ohne von den
einzelnen Blütentheilen zu sprechen, auf welche sie sich
stützen, will ich nur sagen, dass Gussone ganz dieselben
Samen von Exemplaren der Caprificusform und der an-.
dern gewonnen hat.* Die von mehreren Gelehrten ge-
machte Bemerkung, dass in der „lliade‘“ nicht von der
angebauten Feige, Sukai, die Rede ist, beweist somit
nicht das Fehlen des Feigenbaums in Griechenland zur
Zeit des Trojanischen Krieges. In der „Odyssee“ da-
gegen wird die süsse Feige von Homer erwähnt, und
zwar noch in einer sehr unklaren Weise. Hesiod,
sagt Hehn, spricht nicht von ihr, und Archilochus
(700 Jahre v. Chr.) ist der erste, welcher die Cultur
bei den Griechen in Paros deutlich erwähnt hat. Da-
nach fand sich die Art vor Einführung der aus Asien
stammenden angebauten Varietäten wildwachsend in
Griechenland, wenigstens im Archipel. Theophrast und
Dioscorides sprechen von wildwachsenden und ange-
bauten Feigenbäumen.’
Romulus und Remus waren, der Sage nach, unter
1 Lenz, Botanik der Griechen, S. 421, eitirt vier Verse aus Homer, Vgl.
auch Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 34.
2 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 513. :
3 Man muss sich nicht an die übertriebenen Unterabtheilungen halten,
welche Gasparino bei Ficus Carica, Linne, aufstellte. Die Botaniker,
welche nach ihm den Feigenbaum zu ihrem Studium gemacht haben, lassen
nur eine Art gelten und zählen bei dem wildwachsenden Feigenbaume
mehrere Varietäten auf. Für die angebauten Formen sind diese un-
zählbar.
4 Gussone, Enum. plant. Inarimensium, S. 301.
5 Für die Gesammtgeschichte des Feigenbaums und des etwas zweifel-
haften Verfahrens, nämlich die mit Insekten behafteten Caprificus-
Stämme zwischen den angebauten zu verbreiten, siehe die Abhandlung
des Grafen Solms.
Feigenbaum. 31a
einem Ficusstamme, welchen man rwminalis, von rumen
(Brust, Zitze) nannte, gesäugt worden.! Der lateinische
Name Ficus, welchen Hehn mit Anstrengung grosser Ge-
lehrsamkeit vom griechischen Sukai ableitet?, lässt eben-
falls auf ein altes Vorkommen in Italien schliessen, und
die hierauf bezügliche Meinung des Plinius ist bestimmt.
Die guten angebauten Varietäten wurden später bei
den Römern eingeführt. Sie kamen von Griechenland,
Kleinasien und Syrien. Zu Tiberius’ Zeiten kamen, wie
noch heute, die besten Feigen vom Orient.
Wir haben in der Schule gelernt, wie Cato in einer
Senatsversammlung Feigen von Karthago, die noch frisch
waren, vorlegte, um damit auf die Nähe des Landes
hinzuweisen, welches er hasste. Durch die Phönizier
waren jedenfalls gute Varietäten nach der Küste Afrikas
und den andern Colonien des Mittelmeers, selbst bis
nach den Canarischen Inseln gelangt, der wildwachsende
Feigenbaum kann aber schon früher in diesen Ländern
aufgetreten sein.
In Bezug auf die Canaren bietet sich uns ein Beweis
hierfür in den Guanchenamen, Arahormaze und Achor-
maze für die frischen Feigen, T'aharemenen und Teha-
hunemen für die getrockneten. Den Gelehrten Webb
und Berthelot?, welche diese Namen angeführt haben,
und welche behauptet hatten, dass die Guanchen und
Berbern ein und desselben Ursprungs seien, würde es
eine Genugthuung gewesen sein, zu sehen, dass die
Tuaregs, ein berberischer Volksstamm, den Feigen-
baum als Tahart kannten*, gleichwie sich in dem
später veröffentlichten französisch-berberischen Wörter-
buche die Namen Tabeksist für die frische Feige und
Tagrourt für den Feigenbaum befinden. "Diese alten
Namen, die einen ältern und localern Ursprung haben
1 Plinius, Hist., 1. 15, c. 18.
2 Hehn, a. a. O., S. 512.
3 Webb et Berthelot, a. a. O.; Ethnographie, S. 186, 187; Phytogra-
phie, III, 257.
4 Nach Duveyrier, Les Touaregs du nord, S. 193.
374 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
als der arabische, sprechen zu Gunsten eines sehr alten
Wohnsitzes in Nordafrika bis nach den Canaren.
Durch unsere Untersuchungen gelangen wir somit
dahin, dem Feigenbaume die mittlere und südliche Re-
gion des Mittelmeers, von Syrien bis nach den Canaren
als prähistorischen Wohnsitz anzuweisen.
Ueber das hohe Alter der jetzt sich im südlichen
Frankreich befindenden Feigenbäume kann man Zweifel
hegen; es muss aber eine sehr seltsame Thatsache hier
erwähnt werden. Planchon fand nämlich in dem quater-
nären Tuffstein von Montpellier, und der Marquis de
Saporta! in jenem der Aygaladen nahe bei Montpellier,
sowie in dem quaternären Terrain von La Celle in
der Nähe von Paris Blätter und selbst Früchte des
wildwachsenden Ficus Carica mit Zähnen des Elephas
primigenius und Blättern von Gewächsen, von denen
einige nicht mehr vorkommen, während andere, wie Laurus
canariensis, sich noch auf den Canarischen Inseln finden.
Somit ist der Feigenbaum vielleicht unter seiner jetzigen
Form in einer so fern gelegenen Zeit vorgekommen. Es
ist möglich, dass er in Südfrankreich zu Grunde ge-
gangen ist, wie dies sicherlich bei Paris eingetreten ist;
später würde er dann nach den Gegenden des Südens
als wildwachsende Pflanze zurückgekehrt sein. Vielleicht
stammten die Feigenbäume, von welchen Webb und
Berthelot in den wildesten Localitäten der Canaren
Exemplare gesehen hatten, von jenen ab, welche zur
Diluvial- und Alluvialperiode vorkamen.
Artocarpus incisa, Linne. — Echter Brotbaum (fr.
arbre à Pain).
Der Brotbaum wurde auf allen dem Aequator nahe-
liegenden Inseln des Asiatischen Archipels und des
Grossen Oceans, von Sumatra bis nach den Marquesas
1 Planchon, Étude sur les tufs de Montpellier, 8. 63; de Saporta, La
flore des tufs quaternaires en Provence, in: Comptes rendus de la 33°ses-
sion du Congrès scientifique de France; "Separatausg., S. 27; und Bull.
Soc. géolog., 1873—74, S. 442. .
Echter Brotbaum. 319
angebaut, als die Europäer dieselben zu besuchen an-
fingen. Seine Frucht wird wie bei der Ananas durch
eine Vereinigung von blütenständigen Blättern und von
zu einer fleischigen, mehr oder minder sphärischen
Masse verwachsenen Früchten zusammengesetzt und bei
den angebauten, ergiebigsten Varietäten verkümmern
die Samen, wie dies ebenfalls bei der Ananas der Fall
ist. Scheiben einer solchen Frucht werden gekocht
und dann gegessen.
Sonnerat? hatte den Brotbaum nach der Insel Mau-
ritius gebracht, wo der Intendant Poivre sich seine Ver-
breitung angelegen sein liess. Kapitän Bligh erhielt
den Auftrag, ihn nach den englischen Antillen zu brin-
gen. Sein erster Versuch schlug bekanntlich fehl infolge
einer Meuterei seiner Bemannung, auf seiner zweiten
Reise war er aber glücklicher. Im Januar des Jahres
1793 landete er 150 Brotbäumchen auf der Insel Saint-
Vincent, und von dort hat man die Art nach mehreren
Gegenden des äquatorealen Amerika verbreitet.” Rum-
phiusf hatte die Art auf mehreren der Sunda-Inseln
im wildwachsenden Zustande gesehen. Die neuern Au-
toren, welche weniger aufmerksam, oder auch nur an-
gebaute Bäume beobachtet haben, sprechen sich hier-
über nicht aus. Für die Fidschi-Inseln sagt Seemann”:
„Angebaut und allem Anscheine nach in einigen Locali-
täten wildwachsend.“ Auf dem Festlande Südasiens
wird er nicht einmal angebaut, da das Klima nicht die
genügende Wärme besitzt.
Augenscheinlich stammt der Brotbaum von Java, Am-
boina und den benachbarten Inseln; durch das hohe
Alter seiner Cultur in der ganzen Inselregion, wofür
die Menge der Varietäten den Beweis liefert, und durch
die Leichtigkeit, mit welcher er sich durch Ausläufer
1 Gute Abbildungen finden sich in: Tussac, Flore des AntiHes, Bd. II,
Taf. 2 u. 3; und Hooker, Botanical Magazine, Taf. 2869—2871.
2 Voyage à la Nouvelle-Guinée, S. 100. 3 Hooker, a. a. O.
* Rumphius, Herb. Amboin., I, 112, Taf. 33.
5 Seemann, Flora Vitiensis, S. 255.
910 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
und Stecklinge vermehren lässt, wird es uns aber schwer
gemacht, seine Geschichte genau kennen zu lernen. Auf
den Inseln im äussersten Osten, wie Tahiti, lassen ge-
wisse Fabeln und Ueberlieferungen eine nicht sehr alte
Einführung muthmaassen, und dies wird durch das
Fehlen von Samen bestätigt.!
Artocarpus integrifolia, Linne. — Ganzblätteriger
Brotfruchtbaum (fr. Jacquier oder Jack).
Die Frucht dieses Baumes ist grösser als die des
echten Brotbaums, denn sie wiegt bis an 80 Pfund, und
hängt von den Zweigen eines 30—50 Fuss hohen Baumes
herab.” Wenn der gute La Fontaine sie gekannt hätte,
würde er seine Fabel von der Eichel und dem Kürbis
nicht geschrieben: haben.
Ve volksthümliche Name ist dem indischen Namen
Jaca oder Tsjaka entlehnt.
Der Jackbaum wird seit lange in Südasien, vom Pen-
dschab bis nach China, vom Himalaja nach den Molukken
angebaut. Nach den kleinen, mehr im Osten gelegenen
Inseln hat er sich nicht eingeführt, was eine weniger
alte Cultur auf dem Indischen Archipel als auf dem
asiatischen Festlande vermuthen lässt. Im nordwest-
lichen Indien hat die Cultur vielleicht ebenfalls kein
sehr hohes Alter aufzuweisen, denn über das Vorkommen
eines Sanskritnamens ist man nicht sicher. Roxburgh
führt einen an, Punusa, später lässt aber Piddington
denselben in seinem „Index“ nicht zu. Die Perser und
Araber scheinen die Art nicht gekannt zu haben. Ihre
ungeheuere Frucht würde sie jedoch in Erstaunen ge-
setzt haben, wenn die Art in der Nähe ihrer Grenzen
angebaut worden wäre. In seinem Werkchen über die
den alten Chinesen bekannten Früchte erwähnt Dr. Bret-
schneider die Artocarpus nicht, woraus man schliessen
1 Seemann, a. a. O.; Nadeaud, Enum. des plantes indigènes de Taiti,
S. 44; Id., Plantes usuelles des Tahitiens, S. 24.
2 Vgl. die Abbildungen in: Tussac, Flore des Antilles, Taf. 4; und
Hooker, Botanical Magazine, "Taf. 2833, 2834.
Ganzblätteriger Brotfruchtbaum. Dattelpalme. 377
kann, dass nach China hin wie in andern Richtungen
der Jackbaum kein seit einer sehr alten Epoche ver-
breiteter Baum war.
Die erste Kenntniss über sein Vorkommen im wild-
wachsenden Zustande wird uns durch Rheede in ziem-
lich zweifelhaften Ausdrücken geboten: „Dieser Baum
wächst überall in Malabar und in ganz Indien.“ Der
ehrwürdige Autor verwechselte vielleicht der gepflanzten
Baum mit dem wildwachsenden. Nach ihm hat jedoch
Wight die Art zu wiederholten malen auf der Indischen
Halbinsel, besonders in den westlichen Ghats mit allen
Anzeichen eines einheimischen, wildwachsenden Baumes
gefunden. Auf Ceylon pflanzt man ihn vielfach an;
Thwaites aber, als die beste Autorität für die Flora
dieser Insel, erkennt ıhn als wildwachsend nicht an.
Auf dem Archipel im Süden Indiens ist er es nach der
allgemeinen Meinung ebenso wenig. Schliesslich hat
Brandis Exemplare dieses Baumes in den Wäldern des
Districts von Attaran, dem Lande der Birmanen im
Osten Indiens, gefunden, er fügt aber hinzu, dass dies
immer in der Nähe verlassener Niederlassungen der
Fall war. Kurz hat die spontane Art in Britisch-Birma
nicht angetroffen.!
Somit stammt die Art vom Fusse der westlichen Ge-
birge der Indischen Halbinsel, und ihre Ausbreitung
nach den Nachbarländern im angebauten Zustande geht
“ wahrscheinlich nicht weiter als die christliche Zeitrech-
nung zurück. Der Admiral Rodney brachte sie im
Jahre 1782 nach Jamaica und von da gelangte sie nach
San-Domingo.? Man hat sie auch nach Brasilien, den In-
seln Mauritius, Rodriguez und den Seychellen eingeführt.
Phœnix dactylifera, Linné. — Dattelpalme (fr. Dattier).
Seit den prähistorischen Zeiten findet sich die Dattel-
palme in der trockenen und heissen Zone, welche sich
1 Rheede, Malabar, III, 18; Wight, Icones, II, Nr. 678; Brandis,
Forest Flora of India, S. 426; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, 432.
2 Tussac, a. a. ©. 3 Baker, Flora of Mauritius etc., S. 282.
378 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
vom Senegal nach dem Indusbecken, ganz insbesondere
zwischen dem 15. und 30. Breitengrade ausdehnt. Man
trifft sie hier und da mehr nach Norden zu an, dies
geschieht aber infolge ausserordentlicher Umstände und
des Zweckes ihres Anbaues. Es gibt in der That über
den Punkt hinaus, wo die Früchte jedes Jahr zur Reife
gelangen, eine Zone, in welcher dieselben schlecht oder
selten reifen, dann noch eine letzte Grenze, bis zu
welcher der Baum noch fortkommt, aber ohne Früchte
anzusetzen, selbst ohne zu blühen. Die Linie dieser
Grenzen ist von Martius, Karl Ritter und mir selbst
in sehr vollkommener Weise gegeben worden.! Hier
dürfte es unnöthig sein, dieselben wieder vorzuführen,
da dieses Buch es sich zur Aufgabe macht, nach dem
Ursprunge zu forschen.
Was die Dattelpalme betrifft, können wir uns kaum
auf das mehr oder minder sicher nachgewiesene Vor-
kommen von wirklich wildwachsenden Individuen stützen.
Die Datteln lassen sich leicht fortschaffen; ihre Kerne
keimen, sobald man sie auf feuchtem Terrain, in der
Nähe einer Quelle oder eines Flusses und selbst in den
Felsspalten aussäet. Die Bewohner der Oasen haben
Dattelpalmen in günstigen Localitäten, wo die Art viel-
leicht vor dem Menschen auftrat, gepflanzt oder gesäet,
und es wird dem Reisenden, welcher auf alleinstehende.
von Wohnplätzen entfernte Bäume stösst, schwer, zu
sagen, ob solche nicht von durch Karavanen ausge-
streute Samen abstamwen. Die Botaniker lassen frei-
lich eine Varietät sylvestris, d. h. wildwachsend, zu, die
kleine und herbe Beeren trägt; hier handelt es sich
aber vielleicht um die Wirkung einer wenig alten Na-
turalisation auf ungünstigem Boden. Die historischen
und linguistischen Thatsachen werden in dem vorliegen-
den Falle von grösserm Werthe sein, obgleich auch sie
in Anbetracht des hohen Alters der Culturen zweifels-
1 De Martius, Genera et species Palmarum, III, 257; K. Ritter, Erd-
kunde, XIII, 760; Alph. de Candolle, Géogr. botanique raisonnée, S. 343.
Dattelpalme. 379
ohne nur wahrscheinliche Angaben zu bieten ver-
mögen.
Nach den ägyptischen und assyrischen Alterthümern
zu schliessen, kam die Dattelpalme sehr häufig in der
Region vor, welche sich vom Euphrat nach dem Nil
erstreckt, was auch mit den Ueberlieferungen und den
ältesten Werken im Einklang steht. “Die ägyptischen
Denkmäler enthalten Früchte und Zeichnungen dieses
Baumes.! Zu einer weniger fern gelegenen Zeit (5. Jahr-
hundert v. Chr.) spricht Herodot von Palmenwaldungen,
die sich in Babylonien fanden; später hat Strabo sich
in ähnlicher Weise über die Dattelpalmen Arabiens aus-
gesprochen, und daraus scheint hervorzugehen, dass die
Art damals viel gemeiner war als jetzt, und mehr die
Bedingungen eines natürlichen Waldbaumes darbot.
Andererseits macht Karl Ritter die geistreiche Bemer-
kung, dass die ältesten hebräischen Bücher nicht davon
sprechen, dass die Dattelpalmen eine zur Nahrung der
Menschen gesuchte Frucht trügen. Gegen das Jahr
1000 v. Chr., etwa sieben Jahrhunderte nach Moses,
zählt der König David die Dattelpalme nicht unter den
Bäumen auf, welche er in seinen Gärten anpflanzen
möchte. Freilich gelangen die Datteln in Palästina,
Jericho ausgenommen, kaum zur Reife. Später sagt
Herodot von den Dattelpalmen Babyloniens, dass nur
die grössere Anzahl der Bäume gute Früchte erzeugte,
die zum Gebrauche dienten. Dies scheint den An-
fang einer vervollkommneten Cultur vermittelst der Aus-
wahl der Varietäten und der Hinschaffung männlicher
Blüten in die Mitte der Zweige weiblicher Exemplare
anzudeuten, vielleicht soll aber auch damit gesagt wer-
den, dass Herodot das Verhandensein männlicher Pflanzen
nicht kannte.
Im Westen von Aegypten existirte die Dattelpalme
wahrscheinlich seit Hunderten oder Tausenden von Jahren,
als Herodot von ihnen sprach. Er spricht von Libyen.
1 Unger, Pflanzen des alten Aesyptens, 8. 38.
380 | Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Ueber die Oasen der Sahara ist kein historisches Schrift-
stück bekannt, Plinius! aber erwähnt die Dattelpalmen
der Canarischen Inseln.
Die Namen der Art liefern den Beweis für ein hohes
Alter sowol in Asien wie in Afrika, insofern sie zahl-
reich und sehr verschieden sind. Die Hebräer nannten
die Dattelpalme T'amar und die alten Aegypter Begq.?
Die ausserordentliche Verschiedenheit dieser Worte eines
hohen Alterthums lässt vermuthen, dass die Völker die
einheimische Art gefunden und vielleicht schon im west-
lichen Asien und in Aegypten benannt hatten. Die
Menge der persischen, arabischen und berberischen Na-
men grenzt ans Unglaubliche.? Die einen stammen von
dem hebräischen Worte ab, die andern von unbekannten
Quellen. Sie beziehen sich häufig auf die verschiedene
Beschaftenheit der Frucht oder auf verschiedene ange-
baute Varietäten, was ebenfalls auf alte Culturen in
verschiedenen Ländern hinweist. Webb und Berthelot
haben in der Sprache der Guanchen keinen Namen für
die Dattelpalme aufgefunden, was sehr zu bedauern ist.
Der griechische Name Phoenix bezieht sich einfach auf
Phönizien und die Phönizier, Besitzer der Dattelpalme.*-
Die Namen Dactylus und Datte sind von Dachel in
einem hebräischen Dialekt abgeleitet.” Kein Sanskrit-
name wird genannt, weshalb man annehmen kann, dass
die Anpflanzungen von Dattelpalmen in Ostindien kein
sehr hohes Alter aufweisen. Das indische Klima ist
für die Art kein günstiges.f Der hindustanische Name
Khurma ıst dem Persischen entlehnt.
Mehr nach Osten hin ist die Dattelpalme lange Zeit
unbekannt gewesen. Die Chinesen haben sie im 3. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung und später zu wieder-
holten malen von Persien erhalten, heutzutage wird sie
dort nicht mehr angebaut.“ Im allgemeinen hat die
1 Plinius, Hist., 1. 6,.C. 37. 2 Unger, a 3.02
3 K. Ritter, a. a. O. 4 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 234.
5 K. Ritter, a. a. O., S. 828. 6 Nach Roxburgh, Royle u. s. w.
7 Bretschneider, On the study etc., S. 31.
Pisang, Banane. 381
Dattelpalme ausserhalb der trockenen Region, welche sich
vom Euphrat nach dem Süden des Atlasgebirges und den
Canaren erstreckt, unter analogen Breiten kein Gedeihen
gezeigt, oder hat wenigstens nicht in den Culturen eine
wichtige Stellung eingenommen. In Australien und am
Cap würde sie treffliche Bedingungen zu ihrem Fort-
kommen antreffen; die Europäer, welche diese Länder
colonisirt haben, begnügen sich aber nicht wie die
Araber mit Feigen und Datteln zu ihrer Nahrung.
Schliesslich glaube ich, dass ın den Zeiten, welche den
ersten ägyptischen Dynastien vorhergingen, die Dattel-
palme schon spontan oder hier und da von Nomaden-
stämmen angepflanzt, in der Zone vom Euphrat bis
nach den Canarischen Inseln vorkam, ‘und dass man sie
später bis nach dem nordwestlichen Indien einerseits,
und andererseits bis nach den Inseln des Grünen Vor-
gebirges! anzubauen anfıng, sodass ihr natürlicher Wohn-
sitz etwa 5000 Jahre hindurch ungefähr ein und der-
selbe geblieben ist. Was sie zu einer frühern Epoche
war, werden wir vielleicht eines Tages durch paläonto-
logische Entdeckungen erfahren.
Musa sapientum und M. paradisiaca, Linne. — Pi-
sang, Banane (fr. Bananier).
Im allgemeinen glaubte man, dass der Pisang oder
die Bananen aus Südasien stammten und von den Euro-
. päern nach Amerika gebracht worden seien, bis von A.
von Humboldt über den ausschliesslich asiatischen Ur-
sprung Zweifel erhoben wurden. In seinem Werke über
Neuspanien? hat er alte Autoren citirt, denen zufolge
man die Banane vor der Entdeckung in Amerika anbaute.
Es wird von ihm zugegeben, dass nach Oviedo? es
1 Nach Schmidt, Flora der Cap-Verd. Inseln, S. 163, ist die Dattel-
palme auf diesen Inseln selten und kommt dort sicherlich nicht wild-
wachsend vor. Dagegen bietet sie nach Webb et Berthelot, Hist. nat.
des Canaries, Botanique, III, 289, auf einigen der Canarischen Inseln alle
Anzeichen eines einheimischen Baumes dar.
2 A.von Humboldt, uns, II, 360,
3 Oviedo, Hist. nat. (1556), S. 112—114. Die erste Arbeit von Oviedo
ist aus dem Jahre 1526. Dies ist der älteste naturwissenschaftliche Rei-
sende, welcher von Dryander (Bibl. Banks.) für Amerika genannt wird.
382 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
der Pater Thomas de Berlangas war, welcher im Jahre
1516 die ersten Bananen von den Canarischen Inseln
nach San-Domingo brachte, von wo sie nach andern
Inseln und dem Festlande eingeführt wurden. Auch
wird von ihm eingeräumt, dass in den Berichten von
Columbus, Alonzo Negro, Pinzon, Vespuzzi und Cortez
von Bananen nie die Rede ist. Das Stillschweigen von
Hernandez, welcher 50 Jahre nach Oviedo lebte, be-
fremdet ıhn und scheint ıhm eine sonderbare Nach-
lässiekeit zu sein, „denn“, sagt er?, „in Mexico und
auf dem ganzen Festlande gilt es als eine feste Ueber-
lieferung, dass der Platano arton und der Dominico
lange Zeit vor Ankunft der Spanier angebaut wurden.“
Der Autor, welcher mit der grössten Sorgfalt die ver-
schiedenen Epochen vermerkt hat, in welchen der ame-
rikanische Ackerbau sich mit ausländischen Erzeug-
nissen bereichert hat, der Peruaner Garcilasso de la
Vega, sagt ausdrücklich, dass zur Zeit der Inkas der
Mais, die Quinoapflanze, die Kartoffel, und in den
heissen und gemässigten Regionen die Bananen den
Hauptbestandtheil der Nahrung für die Eingeborenen
ausmachten. Er beschreibt die Musa von dem Anden-
thale, er unterscheidet selbst die seltenere Art mit
kleiner zuckerhaltiger und aromatischer Frucht, die
Dominico von der gemeinen Banane oder Arton. Von
dem Pater Acosta® wird ebenfalls, wenn auch in weniger
bestimmter Weise, behauptet, dass die Musa von den
Amerikanern vor Ankunft der Spanier angebaut wurde.
Schliesslich fügt Humboldt nach seinen eigenen Erfah-
rungen noch hinzu: „An den Ufern des Orinoco, des
Cassiquiarı oder des Beni, zwischen den Gebirgen von
Esmeraldas und den Ufern des Flusses Caromi, inmitten
der dichtesten Wälder, wo man auf indianische Stämme
1 Ich habe diese Stelle gleichfalls in der von Ramusio ausgeführten
Uebersetzung von Oviedo gelesen, III, 115.
2 A. von Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., S. 385.
3 Garcilasso de la Vega, Commentarios reales, I, 282.
4 Acosta, Hist. nat. de Indias (1608), S. 250.
Pisang, Banane. 389
stösst, die mit den europäischen Niederlassungen in
keinerlei Beziehungen gestanden haben, findet man Ma-
niok- und Bananenanpflanzungen.“ Demnach hat Hum-
boldt die Hypothese aufgestellt, dass man mehrere
Musa-Arten oder constante Varietäten, von welchen
einige der Neuen Welt ursprünglich angehörten, unter-
einander. verwechselt habe.
Desvaux hat es sich angelegen sein lassen, die spe-
cifische Frage weiter zu prüfen, und in einer wirklich
vorzüglichen Arbeit, die im Jahre 1814 veröffentlicht
wurde!, hat er alle ihrer Früchte wegen angebauten
Bananen als eine einzige Art angesehen. Bei dieser
Art unterscheidet er 44 Varietäten, welche er ın zwei
Abtheilungen bringt, die Bananen mit grossen Früchten
(7—15 Zoll Länge), und die mit kleinen Früchten
(1—6 Zoll), gemeiniglich figues bananes (Feigen-Bana-
nen) genannt. Robert Brown in seiner 1818 erschie-
nenen Arbeit über die Pflanzen des Congo, S. 51, ver-
sichert ebenfalls, dass in dem Baue der in Asien und Ame-
rıka angebauten Bananen nichts der Ansicht entgegen-
träte, sie als zu einer einzigen Art gehörend anzusehen.
Er wählt den Namen Musa sapientum, welcher mir ın
der That dem von Musa paradisiaca, den Desvaux an-
genommen hatte, vorzuziehen zu sein scheint, weil die
Varietäten mit kleinen fruchtbaren Früchten, die zu
M. sapientum, L., gebracht werden, sich mehr dem Zu-
'stande der in Asien wildwachsend gefundenen Musa zu
nähern scheinen.
In Bezug auf die Ursprungsfrage bemerkt Brown,
dass alle andern Arten der Gattung Musa der Alten
Welt angehören; dass von niemand behauptet wird, in
Amerika Varietäten mit fruchtbaren Früchten im wild-
wachsenden Zustande gefunden zu haben, wie dies in
Asien vorgekommen ist; dass endlich Piso und Marc-
sraf die Banane als vom Congo nach Brasilien einge-
führt angesehen haben. Trotz dieser drei gewichtigen
1 Desvaux, Journ. bot., IV, 5.
|
384 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Belege hat Humboldt in der zweiten Ausgabe seines
Essai sur la Nouvelle-Espagne‘“ (Bd. II, S. 397) doch
noch nicht ganz seiner Meinung entsagt, Er sagt, dass
der Reisende Caldcleugh! bei den Puris die bestimmte
Ueberlieferung gefunden habe, dass man seit langer
Zeit vor den Beziehungen mit den Portugiesen an den
Ufern des Prato eine kleine Bananenart anbaute, und
er fügt hinzu, dass man in den amerikanischen Sprachen
Worte, die nicht eingeführt seien, anträfe, um die Frucht
der Musa zu unterscheiden, z. B. Paruru in der Tamanak-,
Arata in der Maypuresprache. Ich habe ebenfalls in der
Reise von Stevenson? gelesen, dass in den Huacas oder
peruanischen Gräbern, die aus der Periode vor der Erobe-
rung stammen, Lager von Blättern der zwei gewöhnlich in
Amerika angebauten Bananen gefunden worden seien; da
aber dieser Reisende in diesen Auacas auch Pferde-
bohnen gesehen haben will’, und die Pferde- oder Sau-
bohne auf alle Fälle aus der Alten Welt stammt, so
verdienen seine Aussagen kaum weitere Berücksichti-
gung. Boussingault* glaubte, dass wenigstens der Pla-
tano arton von Amerika stamme, Beweise hierfür hat er
aber nicht geliefert. Meyen, der auch in Amerika ge-
wesen war, fügt den vor ıhm bekannten Argumenten
keine weitern hinzu.” Ganz so verhält es sich mit dem
Geographen Ritter®, welcher für Amerika ganz einfach
die von Humboldt angeführten Thatsachen wiedergibt.
Andererseits sprechen die Botaniker, welche sich ın
neuerer Zeit in Amerika aufhielten, sich ohne Bedenken
für den asiatischen Ursprung aus. Ich nenne hier See-
mann für die Landenge von Panama, Ernst für Vene-
zuela und Sagot für Guyana.’ Die beiden erstern
heben hervor, dass Namen für die Banane ın den
1 Caldeleugh, Trav. in S. Amer. (1825), I, 25. i
2 Stevenson, Trav. in S. Amer., I, 328. 3 Ebend., I, 363.
4 Boussingault, in: Comptes rendus de l’Acad, se., Paris, 9. Mai 1836.
5 Meyen, Pflanzengeographie (1836), S. 383.
6 Ritter, Erdkunde, IV, 370 fg.
7 Seemann, Botany of Herald, S. 213; Ernst, in: Seemann, Journal
of Botany, 1867, S. 289; Sagot, in: Journal de la Société d’hortic. ce
France, 1372, S. 226.
Pisang, Banane. 385
peruanischen und mexicanischen Sprachen fehlen. Piso
kannte keinen brasilianischen Namen. Martius! hat
seitdem in der Tupisprache Brasiliens die Namen Pa-
coba oder Bacoba angeführt. Dieser selbe Name Ba-
cove wird nach Sagot von den Franzosen in Guyana
gebraucht. Vielleicht stammt er von dem Namen Bala
oder Palan in Malabar, und zwar infolge einer seit
Piso’s Reise durch die Portugiesen ins Werk gesetzten
Einführung.
Das hohe Alter und die Spontaneität der Banane in
Asien sind unbestreitbare Thatsachen. Man kennt von
ihr mehrere Sanskritnamen.? Die Griechen, die Lateiner
und darauf die Araber haben von ihr als von einem
ausgezeichneten Fruchtbaume Indiens gesprochen. Plı-
nius® spricht in deutlichen Ausdrücken von der Banane.
Er berichtet, dass die Griechen, welche den Zug Alexan-
der’s mitmachten, sie in Indien gesehen hatten, und er
führt den Namen Pala an, welcher noch ın Malabar
vorkommt. Die Weisen ruhten unter ihrem Schatten
und assen ıhre Früchte. Daraus entstand der Name
der Botaniker Musa sapientum. Musa ist dem ara-
bischen Mouz oder Mauwz entlehnt, welchen Namen
man schon im 13. Jahrhundert bei Ebn Baithar an-
trifft. Der specifische Name paradisiaca beruht auf
lächerlichen Voraussetzungen, welche der Banane in der
Geschichte Eva’s und des Paradieses eine Rolle an-
wiesen.
Es ist sehr eigenthümlich, dass die Hebräer und
alten Aegypter* diese indische Pflanze nicht gekannt
haben. Dies ist ein Fingerzeig dafür, dass dieselbe in
Indien seit einer sehr fern liegenden Zeit nicht auftrat,
sondern vielmehr von dem Indischen Archipel stammte.
Die Banane bietet in Südasien, sowol auf dem Fest-
lande wie auf den Inseln, eine ungeheuere Menge von
1 Martius, Ethnogr. Sprachenkunde Amerikas, S. 123.
2 Roxburgh et Wallich, F1. ind.. II, 485; Piddington, Index.
5 Plinius, Hist., 1. 12, e. 6.
« 4 Unger, a. a. O., und Wilkinson, II, 403, erwähnen sie nicht. Heut-
zutage wird die Banane in Aegypten angebaut.
DE CANDOLLE. 25
386 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Varietäten; die Cultur dieser Varietäten geht in Indien,
China, im Indischen Archipel auf eine Epoche zurück,
deren Alter festzustellen unmöglich ist; vor alters brei-
tete sie sich selbst nach den Inseln der Südsee! und
nach der Westküste Afrikas aus?; endlich wiesen die
Varietäten in den am weitesten voneinander entfernten
asiatischen Sprachen, wie dem Sanskrit, dem Chine-
sischen, dem Malanschen, verschiedene Namen auf. Alles
dies weist auf ein ausserordentlich hohes Culturalter hin,
somit auch auf ein ursprüngliches Vorkommen in Asien
und auf eine mit jener der Menschenrassen gleichzeitige
oder noch frühere Ausbreitung.
Die Banane soll in mehreren Gegenden spontan ge-
funden worden sein. Dies muss um so viel mehr be-
merkt werden, da die angebauten Varietäten nicht oft
Samen tragen und sich durch Theilung fortpflanzen,
somit die Art sich kaum durch Aussaaten ausserhalb
der Culturen naturalisiren kann. Roxburgh® hatte sie
unter der Form der Musa sapientum in den Wäldern
von Chittagong gesehen.* Rumphius beschreibt eine
auf den Philippinen wildwachsende Varietät mit kleinen
Früchten. Loureiro* spricht wahrscheinlich von der-
selben unter dem Namen M. seminifera agrestis, welche
er der M. seminifera domestica entgegenstellt, und
welche somit in Cochinchina spontan sein würde. Blanco
führt ebenfalls eine auf den Philippinen wildwachsende
Banane an®, seine Beschreibung ist aber ungenügend.
Finlayson ?” hat die wildwachsende Banane in grossen
Mengen auf der kleinen Insel Pulo Ubi, im äussersten
Süden des Königreichs Siam gefunden. Thwaites® sak
die Form der M. sapientum in den steinigen Wäldern
des Innern der Insel Ceylon, und trägt kein Bedenken,
1 Forster, Plant. esc., S. 28.
Clusius, Exot., S. 229; Brown, Bot. Congo, S. 51.
Roxburgh, Corom., Taf. 275; Flora indica, a. a. ©.
Rumphius, Amboin., V, 139. 5 Loureiro, Fl. coch., S. 791.
Blanco, Fl., 1. Aufl., S. 247.
Finlayson, Journ. to Siam, 1826, S. 86,
Thwaites, Enum. plant. Ceylan., S. 321.
> 12
So
nach Ritter, Erdk., IV, 875
D
Aa
Pisang, Banane. 387
zu sagen, dass aus derselben die angebauten Bananen
hervorgegangen seien. Sir J. Hooker und Thomson!
haben sie in Khasia wildwachsend angetroffen.
In Amerika stellen sich uns die Thatsachen ganz
anders entgegen. Man hat dort die wildwachsende Ba-
nane nie gesehen, nur auf Barbadoes? geschah dies,
dort ist es aber ein Baum, welcher seine Früchte nicht
reift, und demnach aller Wahrscheinlichkeit nach das
Ergebniss angebauter, an Samen armer Varietäten. Die
wild plantain von Sloane” scheint eine von den Musas
sehr verschiedene Pflanze zu sein. Es gibt nur zwei Va-
rietäten, von denen man behauptet, dass sie in Amerika
einheimisch seien, und im allgemeinen werden dort viel
weniger Varietäten angebaut als in Asien. Die Bananen-
cultur ist in einem grossen Theile Amerikas, kann man
sagen, neuern Datums, denn sie geht kaum auf mehr
als drei Jahrhunderte zurück. Piso* berichtet in posi-
tiver Weise, dass die Pflanze nach Brasilien eingeführt
wurde und keinen brasilianischen Namen hatte. Er sagt
‚nicht, von woher sie kam. Wir sahen, dass die Art,
Oviedo zufolge, von den Canaren nach San-Domingo
gebracht wurde. Dies, sowie das Stillschweigen von
Hernandez, welcher gewöhnlich in Bezug auf die Nutz-
pflanzen Mexicos, spontane oder angebaute, so genau
ist, bringen mich zu der Ueberzeugung, dass die Ba-
nane zur Zeit der Entdeckung Amerikas dem ganzen
östlichen Theile dieses Festlandes fehlte.
Kam sie in dem westlichen Theile, an den Gestaden
des Stillen Oceans vor? Dies erscheint sehr unwahr-
scheinlich, wenn man an die Verbindungswege denkt,
welche zwischen den beiden Küsten nach dem Isthmus von
Panama zu bestanden, und ferner daran, dass die Ein-
geborenen schon vor Ankunft der Europäer sehr darauf
bedacht waren, die Nutzpflanzen wie Maniok, Mais,
Kartoffel im ganzen Amerika weiter auszubreiten. Sicher-
1 Nach Aitchison, Catal. of Punjab, S. 147.
2 Hughes, Barb., S. 182; Maycock, Fl. Barb., S. 396.
3 Sloane, Jamaica, II, 148. 4 Piso, Hist. nat. (1648), S. 75.
257
338 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
lich hätte man die Banane, welche seit drei Jahrhun-
derten dort so hoch geschätzt wird, sich durch Ausläufer
so leicht vermehrt und auf den grossen Haufen durch
ihre äussere Erscheinung einen solchen Eindruck her-
vorruft, in einigen mitten in Wäldern gelegenen Dör-
fern oder im Küstengebiet nicht übersehen.
Ich gebe zu, dass die Meinung Garcilasso’s, eines
Nachkommen der Inkas, welcher ın den Jahren 1530
—68 lebte, eine gewisse Bedeutung hat, indem er
sagt, dass die Eingeborenen die Banane vor der Er-
oberung kannten. Hören wir indessen einen andern
sehr zuverlässigen Schriftsteller, Joseph Acosta, wel-
cher in Peru gewesen war, und auf welchen Humboldt
sich zur Begründung des Vorhergehenden beruft. Seine
Worte führen mich zu einer verschiedenen Meinung.!
Er spricht sich folgendermaassen aus?: „Der Grund,
weshalb die Spanier sie plane genannt haben (denn
die Eingeborenen hatten keinen solchen Namen), war
der, weil sie, wie bei den andern Bäumen, Aehnlich-
keiten zwischen den beiden gefunden haben.“ Er
zeigt, wie sehr die Platane (Platanus) der Alten ver-
schieden war. Von der Banane gibt er eine sehr
gute Beschreibung und fügt hinzu, dass dieser Baum
in Indien (hier ist Amerika gemeint) sehr gemein sei,
„obgleich sie (die Indier) sagen, dass er ursprünglich
von Aethiopien stamme..... Es gibt eine Art von klei-
nen weissen und sehr feinschmeckenden planes, welche
man im Spanischen ® Dominique nennt. Andere sind
stärker und grösser und von rother Farbe. Keineswegs
wächst er in Peru, sondern man bringt sie von Indien“,
1 Humboldt hat die spanische Ausgabe von 1608 angeführt. Die erste
Ausgabe ist vom Jahre 1591. Ich konnte nur die französische Ueber-
setzung von Regnault zu Rathe ziehen, welche vom Jahre 1598 ist, und
welche alle Merkmale der Genauigkeit darbietet, ganz abgesehen von dem
Vorzuge, dass sie in französischer Sprache geschrieben ist.
2 Acosta, 1. 4, c. 21. Nach der französischen Uebersetzung von 1598.
3 Das heisst wahrscheinlich auf Hispaniola oder San-Domingo, denn
wenn er hätte sagen wollen in spanischer Sprache, so würde man es durch
Castilianisch übersetzt haben, ohne grossen Anfangsbuchstaben. Siehe
weiter S. 168 des Werkes.
4 Wahrscheinlich beruht hier Zndes auf einem Druckfehler für Andes, denn
Pisang, Banane. 389
wie von Cuernavaca und den andern Thälern nach Me-
xico. Auf dem Festlande und auf einigen Inseln finden
sich grosse planares, welche mit sehr dichten Gebüsch-
gruppen zu vergleichen sind.“ Sicherlich würde sich
der Autor nicht in solcher Weise über einen Frucht-
baum amerikanischen Ursprungs ausgesprochen haben.
Er würde amerikanische Namen, amerikanische Gebräuche
angeführt haben. Besonders würde er auch nicht sagen,
dass die Eingeborenen sie fremden Ursprungs hielten.
Die Ausbreitung in den heissen Gebieten Mexicos kann
wol zwischen dem Zeitpunkte der Eroberung und jenem,
wo Acosta als Schriftsteller wirkte, vor sich gegangen
sein, weil Hernandez, dessen gewissenhafte Unter-
suchungen auf die ersten Zeiten der spanischen Ober-
herrschaft in Mexico zurückgehen (obgleich erst später
in Rom veröffentlicht), kein Wort über die Banane
sagt.! Der Geschichtsforscher Prescott hat alte Werke.
oder Handschriften gesehen, denen zufolge die Bewohner
von Tumbez Bananen zu Pizarro brachten, als er an
der Küste Perus landete, und er glaubt auch an die in
den Huacas gefundenen Blätter, seine ‚Beweise hierfür
führt er aber nicht an.?
Bezüglich des Arguments der von den Eingeborenen
zur Jetztzeit angestellten Culturen in Gegenden Ame-
rikas, die von den europäischen Niederlassungen sehr
weit entfernt liegen, wird es mir schwer zuzugeben,
dass Völkerschaften seit drei Jahrhunderten so voll-
ständig abgesondert geblieben seien und nicht einen so
nützlichen Baum durch Vermittelung der colonisirten
Länder erhalten hätten.
Indes hat an dieser Stelle keinen Sinn. Dasselbe Werk sagt S. 166, dass
in Peru keine Ananas vorkommen, sondern dass man sie von den Andes
dorthin bringt, und S. 173, dass der Cacaobaum von den Andes kommt,
Damit waren die heissen Regionen gemeint. Das Wort Andes ist später
infolge einer seltsamen und unglücklichen Umstellung auf die Gebirgs-
kette bezogen worden.
1 Ich habe das ganze Werk durchgesehen, um mich zu vergewissern.
2 Prescott, Geschichte der Eroberung von Peru, I, 106, 210. Der Autor
hat kostbare Quellen benutzt, unter anderm eine Handschrift von Monte-
sinos vom Jahre 1527, er weist aber nicht bei jeder Thatsache auf seine
Gewährsmänner hin, und begnügt sich mit unbestimmten Collectivangaben,
die bei weitem nicht genügen.
390 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
Nach allem erscheint mir eine durch die Spanier
und Portugiesen frühzeitig bewerkstelligte Einführung
nach San-Domingo und Brasilien am wahrscheinlichsten,
was freilich einen Irrthum seitens Garcilasso’s in Bezug
auf die Ueberlieferungen der Peruaner voraussetzt.
Wenn jedoch spätere Untersuchungen den Beweis lie-
fern sollten, dass die Banane in einigen Theilen Ame-
rikas vor der Entdeckung durch die Europäer vorkam,
so möchte ich eher an eine zufällige, nicht sehr alte
Einführung glauben, und zwar infolge eines unbe-
kannten Verkehrswegs mit den Inseln der Südsee oder
der Guineaküste, als an ein ursprüngliches und gleich-
zeitiges Auftreten der Banane in beiden Welten. Die
gesammte Pflanzengeographie macht diese letztere Hypo-
these unwahrscheinlich, ich möchte fast sagen, ihre An-
nahme unmöglich, besonders bei einer Gattung, die
den zwei Welten nicht gemeinsam angehört.
Schliesslich will ich noch darauf hinweisen, um das
zum Abschluss zu bringen, was ich über die Banane zu
sagen habe, wie sehr die Verbreitung der Varietäten zu
Gunsten der Ansicht von dem Vorhandensein einer ein-
zigen Art spricht, welche Meinung von Roxburgh, Desvaux
und R. Brown vom rein botanischen Gesichtspunkte aus
verfochten wurde. Wenn zwei oder drei Arten vor-
kämen, würde die eine wahrscheinlich durch die Varie-
täten vertreten sein, deren Ursprung von Amerika man
muthmaasste, würde eine zweite z. B. aus dem Indischen
Archipel oder China und die dritte aus Indien hervor-
gegangen sein. Es sind aber gerade im Gegentheil alle
die Varietäten geographisch vermischt. Ganz insbeson-
dere weichen die beiden in Amerika am meisten ver-
breiteten wesentlich voneinander ab, und jede von ihnen
vermischt sich mit den asiatischen Varietäten oder tritt
denselben sehr nahe.
Ananassa sativa, Lindley. Bromelia Ananas, Linne.
— Ananas.
Trotz der von einigen Autoren erhobenen Zweifel
Ananas. 391
muss die Ananas eine Pflanze Amerikas sein, dıe früh-
zeitig von den Europäern nach Asien und Afrika ein-
geführt wurde.
Nana war der brasilianische Name!, woraus die Por-
tugiesen Ananas gemacht haben. Die Spanier hatten
sich den Namen Pinas ausgesonnen, und zwar wegen der
Uebereinstimmung der Fruchtform mit dem Zapfen der
Pinie.? Alle Schriftsteller, die zuerst über Amerika
geschrieben haben, sprechen von ihr.” Hernandez sagt,
dass die Ananas die warmen Gegenden von Tahiti und
Mexico bewohne. Er führt einen mexicanischen Namen
an, Matzatli. Man hatte eine Ananasfrucht an Karl V.
gebracht, welcher der Sache mistraute und die Frucht
nicht kosten wollte.
Die Werke der Griechen, Römer und Araber deuten
ın keiner Weise auf diese Art hin, die augenscheinlich
nach der Entdeckung Amerikas nach der Alten Welt
eingeführt wurde. Im 17. Jahrhundert war Rheede*
davon überzeugt; dann hat aber Rumphiusÿ dies in
Abrede gestellt, weil, wie er sagte, die Ananas zu sei-
ner Zeit in allen Theilen Indiens angebaut wurde, und
man wildwachsende Pflanzen auf Celebes und anderswo
antraf. Das Fehlen eines asiatischen Namens wird je-
doch von ihm vermerkt. Derjenige, welcher von Rheede
für Malabar angegeben wird, ist augenscheinlich einer
Vergleichung mit der Frucht des Jackbaums (S. 376)
“entlehnt und zeigt nichts Ursprüngliches. Es ist ohne
Zweifel einem Irrthum zuzuschreiben, dass Piddington
der Ananas einen Sanskritnamen beilegt, denn der-
selbe Name, Anarush, scheint von Ananas abzustam-
men. Roxburgh kannte keinen solchen, und im Wörter-
buch von Wilson wird der Name Anarush nicht er-
wähnt. Royle® sagt, dass die Ananas im Jahre 1594
1 Marcgraf, Brasil., S. 33.
2 Oviedo, Uebers. von Ramusio, III, 113; Jos. Acosta, Hist. nat. des
Indes, franz. Uebers., S. 166.
3 Thevet, Pison, ete.; Hernandez, Thes., S. 341.
4 Rheede, Hort. malab., XI, 6. 5 Rumphius, Amboin., V, 228.
6 Royle, Ill., S. 376.
392 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
nach Bengalen eingeführt wurde. Nach Kircher! bauten
die Chinesen diese Frucht im 17. Jahrhundert an, man
glaubte aber, dass sie dieselbe von Peru erhalten hatten.
Clusius? hatte 1599 Ananasblätter gesehen, die von
der Guineaküste gebracht worden waren. Dies lässt
sich durch eine nach der Entdeckung Amerikas er-
folgte Einführung erklären. Robert Brown spricht von
der Ananas bei Gelegenheit der in Congo angebauten
Pflanzen, er sıeht aber die Art als amerikanisch an.
Obgleich die angebaute Ananas für gewöhnlich gar
keine oder wenige Samen enthält, naturalisirt sie sich
dessenungeachtet bisweilen in den heissen Ländern.
Derartige Beispiele werden auf den Inseln Mauritius?,
Rodriguez und den Seychellen, im Indischen Archipel,
in Indien und in einigen Theilen Amerikas, wo sie
nicht einheimisch war, z. B. auf den Antillen, angeführt.
Wildwachsend hat man sie in den heissen Gebieten
Mexicos (wenn man der Mittheilung von Hernandez
trauen kann), in der Provinz Veragua°, nahe bei Pa-
nama, dem Thale des obern Orinoco®, in Guyana’ und
in der Provinz Bahia® gefunden.
1 Kircher, Chine illustree, Uebersetzung von 1670, S. 253.
2 Clusius, Exotic., Kap. 44. 3 Baker, Flora of Mauritius.
4 Royle, a. a. 0. 5 Seemann, Bot. of Herald, S. 215.
6 Humboldt, Nouv.-Esp., 2. Aufl., II, 478.
7 Gardeners’ Chron., 1881, I, 657.
Martius, Brief an A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 927.
x
Wahrer Cacaobaum. 393
FÜNFTES KAPITEL.
Ahrer Samen wegen angebante Pflanzen.
Erster Abschnitt. Nahrhafte Samen.
Theobroma Cacao, Linne. — Wahrer Cacaobaum (fr.
Cacaoyer). :
Die Theobromen aus der Familie der den Malvaceen
nahestehenden Byttneriaceen machen eine Gattung von
15—18 Arten aus, welche alle aus dem intertropischen
Amerika, besonders aus den heissesten Gebieten Bra-
siliens, Guyanas und Centralamerikas stammen.
Der gemeine Cacaobaum, Theobroma Cacao, ist ein
kleiner Baum, der in den Wäldern des Amazonenstroms,
des Orinoco! und ihrer Nebenflüsse bis zu einer Er-
hebung von etwa 400 Meter spontan auftritt. Er wird
gleichfalls für die der Mündung des Orinoco nahege-
legene Insel Trinidad als wildwachsend angeführt.” Ich
finde keinen Beweis dafür, dass er in Guyana einhei-
misch sei, wenn auch die Wahrscheinlichkeit hierfür
vorliegt. Viele alte Autoren bezeichneten ihn zur Zeit der
Entdeckung Amerikas von Panama bis nach Guatemala
‚und der Campechebai als wildwachsend und ange-
baut; die zahlreichen, von Sloane? gesammelten Citate
lassen aber befürchten, dass die spontanen Bedingungen
nicht hinreichend geprüft worden sind. Die neuern
Botaniker drücken sich in dieser Beziehung undeutlich
aus, und sie erwähnen im allgemeinen den Cacaobaum
in dieser Region und auf den Antillen nur als ange-
baute Pflanze. G. Bernoulli*, welcher in Guatemala
1 Humboldt, Voy., II, 511; Kunth, in: Humboldt et Bonpland, Nova
genera, V, 316; Martius, Ueber den Cacao, in: Büchner, Repert. Pharm.
2 Schach, in: Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 91.
3 Sloane, Jamaica, II, 15.
4 G. Bernoulli, Uebersichten der Arten von Theobroma, S. 5.
394 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
gelebt hatte, begnügt sich mit den Worten: „Spontan
und angebaut im ganzen tropischen Amerika“, und Hems-
ley! führt in seiner Uebersicht der Pflanzen Mexicos
und Centralamerikas, vom Jahre 1879, wozu ihm das
Herbar zu Kew das reiche Material lieferte, keine
Localität an, wo die Art einheimisch sei. Vielleicht
ist sie von den Indianern vor der Entdeckung Amerikas
nach Centralamerika und den heissen Gebieten Mexicos
eingeführt worden. Die Cultur kann sie hier und da
naturalisirt haben, wie dies angeblich auf Jamaica
stattgefunden hat.” Zur Begründung dieser Hypothese
dürfen wir nicht übersehen, dass Triana? den Cacao-
baum in den heissen Theilen von Neugranada, dem
Lande, welches zwischen der Orinocoregion und Panama
liegt, nur als angebaut angibt.
Wie dem nun auch sei, die Art wurde zur Zeit der
Entdeckung Amerikas in Centralamerika und Yucatan
angebaut. Die Samen wurden nach den höhern Regionen
Mexicos versandt, und man bediente sich ihrer sogar
als Münzen, ein Beweis, wie hoch sie geschätzt wurden.
Der Gebrauch, Chocolade zu trinken, war ein allge-
meiner. Der Name dieses ausgezeichneten Getränkes
ist mexicanisch.
Die Spanier haben in den Jahren 1674 und 1680
den Cacaobaum von Acapulco nach den Philippinen
gebracht.* Er zeigt dort ein herrliches Gedeihen. Man
baut ıhn auch auf den Sunda-Inseln an. Ich vermuthe,
dass er an den Küsten von Zanzibar und-Guinea gut
fortkommen würde; er ist aber nicht dazu geeignet, in
den Ländern angebaut zu werden, welche weder sehr
heiss noch feucht sind.
Eine andere Art, Theobroma bicolor, Humboldt und
Bonpland, findet sich mit dem gemeinen Cacaobaum in
den amerikanischen Culturen vermischt. Ihre Samen
1 Hemsley, Biologia centrali-americana, II, 133.
2 Grisebach, a. a. O,
3 Triana et Planchon, Prodr. florae Novo-Granatensis, S. 208.
4 Blanco, Flora de Filipinas, 2. Aufl., S. 420.
Wohlschmeckende Zwillingspflaume. Longanbaum. 395
. werden weniger geschätzt. Andererseits erheischt sie
weniger Wärme und kann bis zu einer Erhebung von
950 Meter in dem Magdalenathale fortkommen. In
Neugranada tritt sie in grossen Mengen spontan auf.!
Bernoulli versichert, dass sie in Guatemala nur ange-
baut ist, obgleich die Einwohner sie Cacao de mon-
tagne nennen.
Nephelium Lit-chi, Cambessèdes. — Wohlschmeckende
Zwillingspflaume, Litschibaum (fr. Li-Tschi).
Der Same dieser Art und der beiden folgenden ist
mit einem fleischigen, sehr zuckerhaltigen und wohl-
riechenden Auswuchse (Samenmantel) überkleidet, wel-
chen man sehr gern beim Thee isst. Wie die Sapinda-
ceen im allgemeinen, bilden die Nephelien Bäume.
Diese Art wird in Südchina, Indien und dem Asiati-
schen Archipel seit einer nicht näher zu bestimmenden
Zeit angebaut. Die chinesischen Autoren, welche in
Peking lebten, lernten den Li-Tschi erst spät, im 3. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung, kennen.” Die Einführung
nach Bengalen datirt von dem Ende des 18. Jahrhunderts.
Allgemein wird angenommen, dass die Art Südchina
zum Vaterlande hat, und Blume* fügt noch Cochinchina
und die Philippinen hinzu; es scheint aber nicht, als
ob sie von irgendeinem Botaniker unter den Bedingun-
gen eines wirklich spontanen Baumes gefunden worden
sei. , Dies ist wahrscheinlich dem Umstande zuzuschrei-
ben, dass die südlichen Theile Chinas, nach Siam hin,
noch wenig besucht worden sind. In Cochinchina, Birma,
in Chittagong ist der Li-Tschi nur angebaut.°
Nephelium Longana, Cambessèdes. — Longanbaum
(fr. Longan).
Diese zweite, im südlichen Asien wie die Li-Tschi
1 Kunth, in: Humboldt und Bonpland, a. a. O.; Triana, a. a. O.
2 Bretschneider, Brief vom 23. August 1831.
3 Roxburgh, Fl. indica, II, 269. 4 Blume, Rumphia, III, 106.
5 Loureiro, Fl. Cochinchina, S. 233; Kurz, Forest Flora of British
Burma, S. 293.
+
396 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
sehr häufig angebaute Art ist in Britisch-Indien, von
Ceylon und Concan bis nach den Gebirgen im Osten
Bengalens und in Pegu! wildwachsend.
Durch die Chinesen wurde sie erst seit einigen Jahr-
hunderten nach dem Asiatischen Archipel gebracht.
Nephelium lappaceum, Linne. — Klettenartige Zwil-
lingspflaume, Rambutan (fr. Ramboutan).
Soll im Indischen Archipel wildwachsend sein, wo-
selbst diese Art, nach der bedeutenden Menge ihrer
Varietäten zu schliessen, seit langer Zeit angebaut. sein
muss. Ein malaiischer Name, den Blume anführt, be-
deutet wildwachsender Baum. Nach Loureiro soll sie
in Cochinchina und auf Java spontan sein. Ich finde
indessen in den neuern Werken für Cochinchina, selbst
nicht einmal für die Inseln eine Bestätigung hierfür.
Die neue Flora von Britisch-Indien? gibt die Art für
Singapore und Malacca an, ohne die einheimische Be-
schaffenheit zu bestätigen, über welche die Herbarien-
etiketten meistens nichts nachweisen. Sicherlich ist die
Art auf dem asıatischen Festlande nicht spontan, was
auch immer Blume und Miquel hierüber in ziemlich
unbestimmter Weise sagen’; wahrscheinlich ist es, dass
sie vom Malaiischen Archipel stammt.
Trotzdem die Li-Tschi- und Rambutanfrüchte sehr
geschätzt werden und sich zum Verschicken eignen,
scheint man diese Bäume nicht nach den tropischen
Colonien Afrikas oder Amerikas eingeführt zu haben,
es sei denn vielleicht nach einigen Gärten als Gegen-
stand der Neugierde.
Pistacia vera, Linne. — Echte Pistacie, Pimpernuss-
baum (fr. Pistachier).
Die echte Pistazie, ein Strauch aus der Familie der
Terebintaceen, findet sich wildwachsend in Syrien.
1 Roxburgh, Flora indica, II, 271; Thwaites, Enum. Zeylaniae, S. 58;
Hiern, in: Flora of British India, I, 688.
2 Hiern, in: Flora of British India, I, 687.
3 Blume, Rumphia, III, 103; Miquel, Flora indo-batava, I, S. 554.
Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 397
_ Boissier! hat sie nördlich von Damascus auf dem Anti-
libanon gefunden. Er hat Exemplare von Mesopota-
mien gesehen, ohne ihre spontane Eigenschaft bestä-
tigen zu können. Derselbe Zweifel besteht bei in
Arabien gesammelten Zweigen, welche von mehreren
Autoren erwähnt worden sind. Plinius und Galenus?
wussten bereits, dass die Pflanze von Syrien komme.
Von ersterm erfahren wir, dass sie von Vitellius gegen
Ende der Regierung des Tiberius nach Italien, und von
dort durch Flavius Pompejus nach Spanien eingeführt
wurde.
Es liegt kein Grund vor, zu glauben, dass die Pista-
ziencultur in dem Heimatlande dieses Strauches eine
sehr alte war, heutzutage wird sie aber im Orient, wie
auch auf Sicilien und in Tunis betrieben. In Südfrank-
reich und in Spanien ist sie von geringer Bedeutung.
Faba vulgaris, Mönch. Vicia Faba, Linne. — Boh-
nenwicke, Sau- oder Pferdebohne u. s. w. (fr. Fêve).
In seinem besten beschreibenden Werke, „Hortus
Cliffortianus“, wird von Linne zugegeben, dass der Ur-
sprung dieser Art, wie vieler seit alters her angebauter
Pflanzen, in Dunkel gehüllt ist. In seinen ,, Species“,
ein häufiger angeführtes Werk, hat er später gesagt,
ohne irgendwelchen Beweis dafür beizubringen, dass
die Pferdebohne „Aegypten bewohne“. Ein russischer
Reisender, Lerche, hat sie gegen Ende des verflossenen
Jahrhunderts in der Wüste Mungan von Mazanderan,
im Süden des Kaspisees wildwachsend gefunden.” Von
den Reisenden, welche in dieser Region gesammelt
1 Boissier, Flora orient., II, 5.
2 Plinius, Hist, nat., 1. 13, c. 15; 1. 15, c. 22; Galenus, De alimentis,
Je. AU:
3 Lerche, Nova acta Acad. Caesareo-Leopold, Bd. V, Anhang, S. 203,
veröffentlicht im Jahre 1773. Von Maximowicz (Brief vom 23. Febr. 1882)
erfahre ich, dass sich das Exemplar von Lerche im Herbar des kaiserl.
bot. Gartens von Petersburg befindet. Es ist in Blüte und gleicht ganz
und gar der angebauten Pferdebohne, nur dass seine Höhe ungefähr einen
halben Fuss beträgt. Das Etikett erwähnt die Localität und Spontaneität
ohne weitere Bemerkung.
398 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
haben, ıst sie bisweilen angetroffen worden!, in ihren
Werken erwähnen sie dieselbe aber nicht?, mit Ausnahme
von Ledebour, welcher in dem Citat, auf welches er
sich stützt, nicht genau ist.” Bosc* hat behauptet, dass
Olivier die wildwachsende Pferdebohne in Persien ge-
funden habe. In Olivier’s „Voyage“ finde ich nicht
die Bestätigung hierfür, und im allgemeinen scheint
Bose etwas leichtfertig angenommen zu haben, dass
dieser Reisende viele unserer angebauten Pflanzen ım
Innern von Persien gefunden habe. Er sagt dies vom
Buchweizen und dem Hafer, von denen Olivier gar
nicht gesprochen hat.
Die einzige Angabe, welche ich ausser jener von
Lerche in den Floren auffinde, betrifft eine ganz ver-
schiedene Localität. Munby° erwähnt die Pferdebohne
als wildwachsend in Algerien, in Oran. Er fügt hinzu,
dass sie daselbst selten sei. Kein Autor hat sie meines
Wissens nach in Nordafrika angeführt. Cosson, welcher
die Flora Algeriens besser kennt, als irgend sonst
jemand, hat mir versichert, kein Exemplar der wild-
wachsenden Pferdebohne von Nordafrika weder gesehen
noch erhalten zu haben. Ich habe mich vergewissert,
dass sich in Munby’s Herbar, das jetzt in Kew ist,
keins vorfindet. Da die Araber diese Bohnenart viel-
fach anbauen, ist es möglich, dass sie sich zufällig
ausserhalb des Culturbereichs antreffen lässt. Wir dür-
fen jedoch nicht übersehen, dass Plinius (1. 18, c. 12)
von einer in Mauritanien wildwachsenden Bohne spricht;
er fügt aber hinzu, dass sie hart ist und sich nicht
1 Es gibt in demselben Herbar transkaukasische Exemplare, die aber
grösser im Wuchse sind und von denen nicht gesagt wird, dass sie spon-
tan seien.
2 Marschall von Bieberstein, Flora Caucaso-Taurica; C. A. Meyer, Ver-
-zeichniss; Hohenacker, Enum. plant. Talysch; Boissier, F1. orient., S. 578;
Buhse et Boissier, Plantae Transcaucasiae.
3 Ledebour, Fl. ross., I, 664, führt de Candolle, Prodromus, II, 354,
an; der Artikel Faba im Prodromus, in welchem, wahrscheinlich nach
Lerche in Willdenow, der Süden des Kaspisees angegeben wird, ist von
Seringe bearbeitet worden.
4 Bosc, Diet. d’agricult., V, 512.
5 Munby, Catalogus plant. in Algeria sponte nascentium, 2. Aufl., S. 12:
RL
Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 309
kochen lässt, was Zweifel erweckt hinsichtlich der Art.
Die Botaniker, welche über Aegypten und Cyrenaica ge-
schrieben haben, besonders in neuester Zeit!, führen
die Pferdebohne als angebaut an.
Diese Pflanze bildet für sich allein die Gattung Faba.
Man kann sich somit auf keine botanische Analogie be-
rufen, um ihren Ursprung zu muthmaassen. Man muss
der Geschichte der Cultur, dem Namen der Art weiter
nachforschen, will man das Land errathen, wo sie seit
alters her heimisch war.
Wir wollen zunächst einen Irrthum beseitigen, welcher
infolge einer schlechten Auslegung der chinesischen
Werke ins Leben gerufen wurde. Stanislas Julien hatte
geglaubt, dass die Pferdebohne eine der fünf Pflanzen
ausmachte, welche der Kaiser Chin-Nong vor 4600 Jah-
ren unter grossen Feierlichkeiten jedes Jahr auszusäen
angeordnet hatte.? Nun ist aber nach Dr. Bretschnei-
der?, dem in Peking alle Hülfsquellen zur Erforschung
der Wahrheit zu Gebote stehen, der einer Pferdebohne
ähnliche Same, welchen die Kaiser bei der anbefohlenen
Ceremonie aussäen, derjenige der Soja (Dolicho Soja),
und wurde die Pferdebohne erst ein Jahrhundert vor
der christlichen Zeitrechnung, zur Zeit der Gesandt-
schaft von Schang-kien vom westlichen Asien nach China
eingeführt. So zerfällt eine Aussage in nichts, die man
schwer mit andern Thatsachen, z. B. dass die Pferde-
bohne nicht seit alters in Indien angebaut wurde und
man keinen Sanskritnamen oder auch nur einen solchen
einer neuern indischen Sprache von ihr kannte, in Ein-
klang bringen konnte.
Die alten Griechen kannten die Pferdebohne, welche
sie Kuamos und zuweilen Kuamos von Griechenland,
Kuamos ellenikos nannten, um sie von jener Aegyptens,
welche der Same eines sehr verschiedenen Wasserge-
wächses war, des Nelumbium, zu unterscheiden. Die
1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256; Rohlfs, Kufra.
2 Loiseleur-Deslongchamps, Considérations sur les céréales, S. 29.)
3 Bretschneider, On study and value of Chinese bot. works, S. 7 u. 15.
A400 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Iliade spricht schon von der Pferdebohne als einer
angebauten Pflanze!, und Virchow fand Samen davon
bei den in Troja gemachten Ausgrabungen.” Die La-
teiner nannten sie Faba. Nichts deutet in den Schrif-
ten des Theophrast, Dioscorides, Plinius u. s. w. darauf
hin, dass die Pflanze in Griechenland oder in Italien
einheimisch war. Sie war seit alters bekannt, weil
man bei dem alten Cultus der Römer an dem Tage
der Göttin Carna Pferdebohnen als eins der Opfer dar-
bringen musste, woraus der Name Fabariae calendae®
entstanden ist. Das Geschlecht der Fabier entlehnte
seinen Namen vielleicht von Faba, und im 12. Kapitel
des 18. Buches von Plinius wird in einer keinem Zweifel
unterworfenen Weise auf die alte und wichtige Rolle
dieser Bohnenart in Italien hingewiesen.
Das Wort Faba findet sich in mehreren der arischen
Sprachen Europas wieder und zwar mit Abänderungen,
die nur von den Philologen erkannt werden können.
Wir dürfen indessen die sehr richtige Bemerkung von
Adolphe Pictet* nicht übersehen, dass man für die
Samen von Cerealien und Leguminosen häufig Namen
von einer Art auf eine andere bezogen hat, oder dass
gewisse Namen bald für eine ganze Gattung, bald nur
für eine Art gebraucht wurden. Mehrere Samen von
übereinstimmender Form sind. von den Griechen Kuamos
genañnt worden; mehrere verschiedenartige Bohnen
(Phaseolus, Dolichos) haben denselben Namen im Sanskrit,
und Faba, im Altslawischen Bobu, im Altpreussischen
babo, Fao im Armoricanischen u. s. w. kann sehr gut
für Erbsen, Bohnen und andere derartige Samen ge-
braucht worden sein. Wird nicht heutzutage der Kaffee
ın der Handelssprache eine Bohne genannt? Indem
Plinius von Fabariae-Inseln sprach, wo sich Bohnen
massenhaft vorfanden, und diese Inseln im nordischen
1 Ilias, 13, V. 589.
2 Wittmack, Sitzungsber. des Vereins zu Brandenburg, 1879.
3 Novitius Dietionnarium, unter dem Worte Faba.
4 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 335.
Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 401
Ocean gelegen waren, hat man mit Recht geglaubt,
dass es sich hier um eine bestimmte wildwachsende
Erbse handelte, die man in der Botanik Pisum mari-
timum genannt hat.
Die alten Bewohner der Schweiz und Italiens in dem
Bronzezeitalter bauten eine kleinsamige Varietät der Faba
vulgaris an. Heer! bezeichnet sie unter dem Namen Cel-
tica nana, weil der Same 6—9 mm lang ist, wäh-
rend die Länge unserer jetzigen Feldbohne (Feverolle)
10—12 mm beträgt. Er hat die Exemplare von
Montelier am Murtnersee und von der Petersinsel
im Bielersee mit andern von Parma aus derselben
Periode verglichen. De Martillet hat in den gleich-
alterigen Pfahlbauten des Sees von Bourget dieselbe
kleine Pferdebohne gefunden, welche nach ihm einer
jetzt in Spanien angebauten Varietät sehr ähnlich
sein soll.?
Die Pferdebohne wurde bei den alten Aegyptern an-
gebaut.” Freilich hat man bisjetzt noch keine Samen
von ihr gefunden oder sie darstellende Abbildungen in
den Särgen oder Denkmälern angetroffen. Der Grund
hierfür liegt angeblich darin, dass sie als unrein galt.*
Herodot spricht sich folgendermaassen aus: Die Aegyp-
ter säen nie Pferdebohnen auf ıhren Ländereien aus,
und kommen solche dort vor, so werden sıe weder roh
noch gekocht gegessen. Die Priester können sich nicht
einmal dazu entschliessen, sie anzublicken, da sie sich
einbilden, dass dieses Gemüse unrein sei. Die Pferde-
bohne sd sich somit in Aegypten und wahrscheinlich
auf den angebauten Ländereien, denn der ihr zusagende
Boden befand sich meistens im Culturzustande. Viel-
leicht hatte die arme Bevölkerung und die gewisser
1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 22, Fig. oc 47.
2 Perrin, Étude préhistorique sur a Savoie, S.
3 Delile, Plant. cult. en Egypte, 12; Economie des Egyp-
tiens et Carthaginois, S. 340; Ünger, ennen d. alten Aegyptens, S. 64;
Wilkinson, Manners ‘and customs of Ancient Egyptians, II, 402.
4 Reynier, a. a. O., sucht hierfür die Gründe zu errathen.
DE CANDOLLE. 26
402 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Districte nicht dieselben Vorurtheile wie die Priester. :
Weiss man doch, dass die abergläubischen Gebräuche
je nach den Bezirken voneinander abwichen. Plutarch
und Diodorus von Sicilien haben von der Cultur der
Pferdebohne in Aegypten gesprochen, sie schrieben aber
500 Jahre nach Herodot.
Im Alten Testament! findet man zweimal das Wort
Pol, welches wegen der durch den Talmud erhaltenen
Ueberlieferungen und wegen des arabischen Namens
foul, fol oder ful, worunter die Pferdebohne verstanden
wird, mit Pferdebohne übersetzt worden ist. Der erste
dieser zwei Verse lässt die Kenntniss dieser Art bei
den Hebräern auf das Jahr 1000 v. Chr. zurückgehen.
Schliesslich will ich auf einen Beweis sehr alten Vor-
kommens der Pferdebohne in Nordafrika hinweisen.
Derselbe findet sich in dem berberischen Namen Ibiou,
in der Mehrzahl Zabouen, welcher bei den Kabylen der
Provinz Algerien in Gebrauch ist.” Er gleicht in keiner
Weise dem semitischen Namen und geht vielleicht auf
ein sehr hohes Alterthum zurück. Die Berbern bewohn-
ten einst Mauritanien, wo die Art nach Plinius wild-
wachsend war. Es ıst nicht bekannt, ob die Guanchen,
berberischer Volksstamm der Canaren, die Pferdebohne
kannten. Ich bezweifle, dass die Iberer sie besassen,
denn ihre muthmaasslichen Nachkommen, die Basken,
bedienen sich des Wortes Baba, welches dem Faba
der Römer entspricht.
Diesen Schriftstücken zufolge war die Cultur der
Pferdebohne in Europa, Aegypten und in Arabien prä-
historisch. Nach Europa wurde sie wahrscheinlich von
den Westariern zur Zeit ihrer ersten Wanderungen (Pe-
lasger, Kelten, Slawen) eingeführt. Erst später, ein
Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, gelangte
sie nach China, noch später nach Japan und ganz neuer-
dings nach Indien.
1 Samuel, II, Kap. 17, V. 28; Hesekiel, Kap. 4, V. 9.
2 Dictionnaire français-berbère, von d. franz. Regierung veröffentlicht.
3 Herrn Clos von Herrn d’Abadie mitgetheilt.
Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 403
In Bezug auf den spontanen Wohnsitz ist es immerhin
möglich, dass derselbe vor einigen Tausend Jahren ein
doppelter war, indem der eine sich im Süden des Kaspi-
sees, der andere in Nordafrika befand. Derartige Wohn-
sitze, welche ich getrennte genannt und mit welchen ich
mich früher viel beschäftigt habe!, sind bei den dicoty-
ledonischen Pflanzen selten; aber gerade in den Län-
dern, von welchen ich soeben gesprochen habe, kommen
solche Beispiele vor.” Es ist wahrscheinlich, dass sich
der Wohnsitz der Pferdebohne seit langer Zeit auf dem
Wege des Abnehmens und des Aussterbens befindet.
Die Natur der Pflanze unterstützt diese Hypothese,
denn ihre Samen sind nicht besonders für eine weitere
Verbreitung ausgestattet, und die Nage- sowie andere
Thiere können sich ihrer leicht bemächtigen. Der
Wohnsitz im westlichen Asien war einst vielleicht we-
niger begrenzt als jetzt, und jener in Afrika dehnte
sich vielleicht zu Plinius’ Zeiten mehr oder weniger aus.
Der Kampf ums Dasein, ungünstig für diese Pflanze
wie für den Mais, würde ıhn nach und nach auseinander-
gerissen, die Pflanzen haben verschwinden lassen, wenn
der Mensch ihr nicht beisprang, indem er sie anbaute.
Die der Pferdebohne ähnlichste Pflanze ist die Vicia .
narbonensis. Die Autoren, welche die Gattung Faba
nicht zulassen, deren Charaktere von jenen der Vicia
nur wenig abweichen, bringen diese beiden Arten in
-eine Abtheilung zusammen. Die Vicia narbonensis ist
aber in der Mittelmeerregion und im Orient bis nach
dem Kaukasus, Nordpersien und Mesopotamien wild-
wachsend.* Ihr Wohnsitz ist nicht getrennt, doch
macht sie nach Analogie die von mir erwähnte Hypo-
these wahrscheinlich.
1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, Kap. X.
2 Rhododendron ponticum findet sich nur noch in Kleinasien und im
Süden der Spanischen Halbinsel.
3 Boissier, Fl. orient., II, 577.
26°
404 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Ervum Lens, Linne. Lens esculenta, Mönch. — Ge-
meine Linse (fr. Lentille). |
Die Pflanzen, welche der Linse am ähnlichsten sind,
werden von den Autoren bald in die Gattung Ervum,
bald in eine besondere Gattung, Lens, und zuweilen in
die Gattung Cicer gebracht; die Arten dieser schlecht
begrenzten Gruppen finden sich aber alle in der Mittel-
meerregion oder im westlichen Asien. Dies kann als
Fingerzeig dienen für den Ursprung der angebauten
Pflanze. Unglücklicherweise findet sich die Linse nicht
mehr in einem spontanen Zustande, wenigstens kann
solcher nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden.
Die Floren von Südeuropa, Nordafrika, vom Orient und
von Indien erwähnen sie immer als angebaut oder auf
den Feldern nach oder zwischen andern Culturen vor-
kommend. Ein Botaniker! hat sie in den Provinzen
im Süden des Kaukasus „angebaut und hier und da in
der Nähe von Dörfern fast spontan‘ gesehen. Ein an-
derer”? führte sie in undeutlicher Weise für das südliche
Russland an, die neuesten Floren bestätigen . dies
aber nicht. RR
Vielleicht können wir durch die Geschichte und die
Namen dieser Pflanze zu grüsserer Klarheit über ihren
Ursprung gelangen. 4
Sie ist seit einer prähistorischen Zeit im Orient, der
Mittelmeerregion und selbst in der Schweiz angebaut.
Nach Herodot, Theophrast u. s. w. machten die alten
Aegypter einen grossen Gebrauch von ihr.. Wenn ihre
Denkmäler hierfür nicht den Beweis geliefert haben,
so liegt dies vielleicht daran, dass ihr Same wie die
Pferdebohne als gemein und schmuzig angesehen wurde.
Im Alten Testament wird sie dreimal unter dem Namen
Adaschum oder Adaschim erwähnt, derselbe muss sicher-
lich Linse bedeuten, denn der arabische Name ist Ads’
*
1 C. A. Meyer, Verzeichniss der kaukas. Pflanzen, S. 147.
Georgi, in: Ledebour, Flora rossica.
Forskal, Fl. Aegypt.; Delile, Plant. cult. en Egypte, S. 13.
2
o
o
'Gemeine Linse. 405
oder Adas.! Die rothe Farbe der berühmten Suppe
Esau’s ist von den meisten der Autoren nicht verstanden
worden. Reynier?, welcher sich in Aegypten aufge-
halten hatte, bestätigt die vom Geschichtschreiber Jo-
sephus vor Zeiten gegebene Erklärung: „Die Linsen
waren roth, weil sie ausgehülst waren.“ „Noch jetzt
pflegen die Aegypter“, sagt Reynier, „diesen Samen ihre
äussere Haut abzuziehen, und sie zeigen in diesem Falle
eine blassrothe Farbe.“ Die Berbern haben von den
Semiten den Namen Adès für die Linse erhalten.
Von den Griechen wurde die Linse, Fakos oder Fa-
kai, angebaut. Schon bei Aristophanes ist von ıhr als
einem Nahrungsmittel für die Armen die Rede.* Die
Lateiner nannten sie Lens, ein Wort unbekannten Ur-
sprungs, welches wahrscheinlich mit dem altslawischen
Namen Lesha, dem illyrischen Lechja, dem lttauischen
Lenszie? verknüpft ist. Die Verschiedenheit der grie-
chischen und lateinischen Namen weist darauf hin, dass
die Art vor ihrem Anbau vielleicht in Griechenland
und Italien vorkam. Ein anderer Beweis für das alte
Vorkommen in Europa ist der, dass man Linsen in
den Pfahlbauten der Petersinsel des Bielersees ge-
funden hat®, welche freilich aus der Bronzezeit sind.
Man kann die Art von Italien bezogen haben.
Theophrast zufolge? kannten die Bewohner Baktriens
(jetzige Bucharei) die Fakos der Griechen nicht. Adolphe
* Pictet führt einen persischen Namen Manyu oder Margu
an, welcher sich beispielsweise in dem Zend-Avesta fin-
det. Er lässt für die Linse mehrere Sanskrıtnamen zu,
Masura, Renuka, Mangalya u. s. w., während die anglo-
indischen Botaniker Roxburgh und Piddington keinen
—
1 Ebn Baithar, II, 134.
2 Reynier, Économie publique et rurale des Arabes et des Juifs (Genf
1820), S. 429.
3 Dictionnaire français-berbère, 1844.
4 Hehn, Kulturpflanzen u. s. w., 3. Aufl., III, 188.
5 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 364; Hehn,
a. à. O.
6 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 23, Fig. 49.
7 Theophrastus, Hist., 1. 4, ce. 5.
406 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
kannten." Da dieselben aber einen übereinstimmenden
hindustanischen und bengalischen Namen, Mussour, er-
wähnen, so darf man annehmen, dass mit Masura ent-
schieden die Linse gemeint ist, während das Mangu der
Perser an den andern Namen Mangalya erinnert. Da
Roxburgh und Piddington keinen Namen in den andern
indischen Sprachen angeben, kann man vermuthen, dass
die Linse in jenem Lande vor Ankunft des sanskrit-
sprechenden Volkes nicht bekannt war. In den alten
chinesischen Werken ist von der. Art nicht die Rede;
wenigstens spricht Dr. Bretschneider nicht von ihr,
weder in seiner Schrift vom Jahre 1870, noch in
den ausführlicheren, neuerdings an mich gerichteten
Briefen.
Nehmen wir alles zusammen, so scheint die Linse im
gemässigten Westasien, in Griechenland und Italien auf-
getreten zu sein, als die Menschen in einer sehr alten,
prähistorischen Zeit auf den Gedanken verfielen, sie an-
zubauen, und sie nach Aegypten brachten. Die Cultur
scheint sich zu einer weniger fernliegenden, aber kaum
‚historischen Zeit im Westen und Osten, d. h. in Europa
und Indien, weiter ausgebreitet zu haben.
Cicer arietinum, Linne. — Kichererbse (fr. Pois chiche).
Man kennt 15 Arten der Gattung Cicer, welche alle
mit Ausnahme einer, die von Abessinien stammt, dem
westlichen Asien oder Griechenland angehören. Die
Wahrscheinlichkeit ist somit eine sehr grosse, dass die
angebaute Art von den zwischen Griechenland und dem
Himalaja gelegenen Ländern kommt, die im weiten
Sinne als Orient bezeichnet werden.
Man hat sie unter den Bedingungen einer spontanen
Pflanze nicht mit Sicherheit angetroffen. Alle Floren
Südeuropas, Aegyptens und Westasiens bis nach dem
Kaspisee und Indien sprechen von ihr als von einer auf
Feldern und urbar gemachtem Lande angebauten Pflanze.
1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 324; Piddington, Index.
Kichererbse. 407
Man hat sie bisweilen! in der Krim, ım Norden und
besonders im Süden des Kaukasus als fast spontan an-
gegeben; von den gut unterrichteten Autoren der Neu-
zeit wird dies aber bezweifelt.” Dieser der Sponta-
neität sich nähernde Zustand kann nur zu der Ver-
muthung eines Ursprungs aus Armenien und den be-
nachbarten Ländern führen.
Die Cultur und die Namen der Art werden vielleicht
etwas Licht auf die Frage werfen.
Bei den Griechen wurde die Kichererbse schon zu
Homer’s Zeiten angebaut, man kannte sie als Erebin-
thos® und auch als Krios*, so genannt wegen der Aehn-
lichkeit des Samens mit dem Kopfe eines Widders. Die
Lateiner nannten sie Cicer, ein Wort, von welchem die
neuern Namen in Südeuropa ihren Ursprung ableiten.
Dieser Name findet sich auch bei den Albanesen, Nach-
kommen der Pelasger, unter der Form von Kikere.’
Das Vorkommen von so verschiedenen Namen lässt auf
eine seit alters her bekannte und im Südosten Europas
vielleicht einheimische Pflanze schliessen.
Die Kichererbse ıst in den Pfahlbauten der Schweiz,
Savoyens oder Italiens nicht gefunden worden. Was
die beiden ersten Länder betrifft, darf man sich hier-
über nicht wundern, da das Klima nicht warm genug ist.
Ein gemeinsamer Name findet sich bei den Völkern
im Süden des Kaukasus und des Kaspisees, nämlich
"Nachuda im Georgischen, Nachius, Nachunt im Tür-
kischen und Armenischen, Nochot im Persischen.° Die
Sprachforscher können sich darüber aussprechen, ob
dies ein sehr alter Name ist und ob er mit dem Sanskrit-
namen Chennuka in irgendwelcher Beziehung steht.
Die Kichererbse ist in Aegypten seit Beginn der
1 Ledebour, F1. ross., I, 660, nach Pallas, Falk und C. Koch.
2 Boissier, Fl. orient., II, 560; Steven, Verzeichniss der taurischen
Halbinseln, S. 134.
3 Iliade, 1. 13, v. 589; Theophrastus, Hist., 1. 8, c. 3.
4 Dioscorides, 1. 2, c. 126.
5 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71.
6 Nemnich, Polyglotten-Lexicon, I, 1037; Bunge, in: Göbel’s Reise,
LE Tes.
408 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
christlichen Zeitrechnung so häufig angebaut!, dass sie
muthmaasslich auch den alten Aegyptern bekannt ge-
wesen ist. In den Abbildungen oder den Samenfund-
stätten ihrer Denkmäler lassen sich hierfür keine Be-
weise auffinden, man kann aber annehmen, dass dieser
Same wie die Pferdebohne und Linse als gemein oder
unrein angesehen wurde. Reynier? glaubte, dass der
Ketsech, von Jesaias ım Alten Testament erwähnt, viel-
leicht die Kichererbse wäre; gewöhnlich wird dieser
Name aber auf Schwarzkümmel (Nigella sativa) oder
auf Vicia sativa bezogen, ohne dessen jedoch gewiss zu
sein.” Da die Araber die Kichererbse mit einem ganz
verschiedenen Namen bezeichnen, Omnos, Homos, wel-
cher sich bei den Kabylen als Hammez * wiederfindet,
ist es nicht wahrscheinlich, dass der Ketsech der Juden
dieselbe Pflanze war. Diese Einzelheiten führen mich
zu der Vermuthung, dass die Art den alten Aegyptern
und Israeliten unbekannt war. Sie hat sich vielleicht
von Griechenland oder Italien aus zu Anfang unserer
Zeitrechnung bei ihnen eingebürgert.
Die Einführung nach Indien ist eine ältere gewesen,
denn man kennt einen Sanskritnamen und mehrere über-
einstimmende oder verschiedene Namen in den neuern
Sprachen.® Bretschneider erwähnt für China die Art nicht.
Meines Wissens liegen keine Beweise vor von dem
hohen Alter der Cultur in Spanien; indessen kann der
castilianische Name Garbanzo, welcher von den Basken
in der Form von Garbantzua und im Französischen
als Garvance gebraucht wird, aber weder lateinischen
noch arabischen Ursprungs ist, auf eine ältere Zeit-
periode als die Eroberung des Landes durch die Römer
zurückgeführt werden.
1 Clemens von Alexandrien, Strom., 1. 1, nach Reynier, Économie des
Egyptiens et Carthaginois, S. 343.
2 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs, S. 430.
3 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., I, 100; Hamilton, Botanique de la
Bible, S. 180.
4 Rauwolf, Fl. orient., Nr. 220; Forskal, Fl. Aegypt., S S1; Diction-
naire français-berbère.
5 Roxburgh, Fl. ind., III, 324; Piddington, Index.
Weisse Feigbohne, Wolfsbohne, Lupine. 409
Es stimmen die botanischen, historischen und lin-
guistischen Angaben in der Annahme überein, dass die
Art vor ihrer Cultur die Länder im Süden des Kau-
kasus und im Norden Persiens bewohnte. Die West-
arier (Pelasger, Hellenen) haben die Pflanze vielleicht
nach Südeuropa eingeführt, wo sie indessen ziemlicher
Wahrscheinlichkeit nach auch einheimisch war. Die
Ostarier brachten sie nach Indien. Das Vaterland dehnte
sich vielleicht von Persien nach Griechenland aus, und
gegenwärtig findet sich die Art nur noch auf bebauten
Ländereien, wo es sich nicht nachweisen lässt, ob sie
von ursprünglich wildwachsenden oder angebauten In-
dividuen abstammt.
Lupinus albus, Linne. — Weisse Feigbohne, Wolfs-
bohne, Lupine (fr. Lupin).
Die alten Griechen und Römer bauten diese Legu-
minose an, theils um sie als Gründünger unterzugraben,
theils ihrer Samen wegen, die als Futter für das Rind-
vieh gut sind, aber auch dem Menschen zur Nahrung
dienen. Die von den -neuern Autoren citirten Ausdrücke
des Theophrast, Dioscorides, Cato, Varro, Plinius u. s. w.
beziehen sich auf die Cultur und die medicinischen
Eigenschaften der Samen, und weisen nicht darauf hin,
ob es sich um die Lupine mit weissen Blumen (Z. albus)
oder jene mit blauen Blumen (Z. hirsutus) handelte,
welch letztere in Südeuropa wildwachsend auftritt.
Nach Fraas! wird letztere gegenwärtig in Morea an-
gebaut; Heldreich? sagt aber, dass dies in Attika die
L. albus sei. Da man in Italien diese seit langer Zeit
anbaut, so ist es wahrscheinlich, dass sie die Lupine
der Alten ıst. Im 16. Jahrhundert wurde sie vielfach,
besonders in Italien, angebaut, und von Clusius wird
die Art festgestellt, indem er sie Lupinus sativus albo
1 Vgl. Fraas, Flora class., S. 51; Lenz, Botanik der Alten, 8. 73.
2 Heldreich, "Nutzpflanzen Griechenlands, S. 69.
3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture (1529), S. 88.
410 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
fore! nennt. Das hohe Alter der Cultur in Spanien
wird durch das Vorkommen von vier je nach den Pro-
vinzen verschiedenen volksthümlichen Namen nachge-
wiesen; die Pflanze zeigt sich dort aber nur im ange-
bauten oder auf den Feldern und in sandigen Gegenden
im halbwegs spontanen Zustande.?
In Italien ist die Art von Bertoloni auf den Hügeln
von Sarzane angeführt worden. Caruel glaubt jedoch
nicht, dass sie dort und ebenso wenig in andern Ge-
genden der Halbinsel spontan sei.” Gussone* ist für Si-
cilien sehr bestätigend. Er führt die Pflanze an „auf
den trockenen und sandigen Hügeln und auf den Angern
(in herbidis)“. Grisebach® endlich hat sie massenhaft
in der europäischen Türkei nahe bei Ruskoi angetroffen®,
und d’Urville desgleichen in den Wäldern nahe bei Kon-
stantinopel. Dies wird durch Castagne in einem mir
gehörenden Manuscriptkatalog bestätigt. Boissier führt
für den Orient keine Localıtät an; in Indien ist von
der Art nicht die Rede, die russischen Botaniker
haben sie aber im Süden des Kaukasus gesammelt, wenn
man auch nicht weiss, ob es sich hierbei um spontane
Exemplare handelte.” Vielleicht werden andere Locali-
täten zwischen Sicilien, Macedonien und dem Kaukasus
entdeckt werden.
Lupinus Termis, Forskal. — Aegyptische Wolfsbohne
(fr. Termis). |
In Aegypten und selbst auf der Insel Kreta wird
diese Lupinenart vielfach angebaut, sie steht der L. albus
so nahe, dass man bisweilen den Vorschlag gemacht
hat, beide Arten in eine zu vereinigen.” Die augen-
scheinlichste Verschiedenheit beruht darin, dass die
Clusius, Historia plant., II, 228.
Willkomm et.Lange, F1. hisp., III, 466.
Caruel, Fl. toscana, S. 136.
Gussone, Florae siculae synopsis, 2. Aufl., II, 266.
Grisebach, Spicilegium F1. rumelicae, S. 11.
D’Urville, Enum., S. 86. 7 Ledebour, F1. ross., I, 510.
Caruel, Fl. toscana, S. 136.
d@ © 1 À 5 9 m
ER ;
Aegyptische Wolfsbohne. Stockerbse. A171
Blume der Termis nach oben zu blau und auch ihr Sten-
gel höher ist wie bei der L. albus. Die Samen finden
wie jene der gemeinen Lupine Verwendung, nachdem
sie vorher, ihrer Bitterkeit wegen, eingeweicht worden
sind. 3
Die L. Termis ist im Sandboden und auf den Hügeln
Sieiliens, Sardiniens und Corsicas spontan!, nach Boissier?
auch in Syrien und Aegypten, doch würde sie Schwein-
furth und Ascherson zufolge in Aegypten nur angebaut
sein.? Hartmann hat sie in Oberägypten wildwachsend
gesehen.” Unger? führt sie unter den bei den alten
Aegyptern angebauten Pflanzen an, er bezieht sich aber
weder auf ein besonderes Exemplar noch auf eine Ab-
bildung. Wilkinson® begnügt sich mit der Erwähnung,
dass sie in den Gräbern gefunden wurde.
In Indien wird keine Lupine angebaut, auch kennt
man keinen Sanskritnamen; Lupinensamen werden in
den Bazars unter dem Namen Tourmus (Royle, „Il“,
S. 194) verkauft.
Der Name Termis oder Termus der Araber ist der-
selbe, welcher bei den Griechen für Lupine, Termos,
gebraucht wird. Muthmaasslich haben die Griechen sie
von den Aegyptern erhalten. Da die Art im alten
Aegypten: bekannt war, erscheint es seltsam, dass
kein hebräischer Name genannt wird.’ Vielleicht ist
sie nach Aegypten erst nach dem Auszuge der Juden
eingeführt worden.
Pisum arvense, Linne. — Stockerbse (fr. Pois des
champs, Pois gris, Bisaille).
Hier handelt es sich um die Erbse, welche man
ihrer Samen wegen und zuweilen auch als Viehfutter im
Gussone, F1. sic. syn., II, 267; Moris, Flora sardoa, I, S. 596.
Boissier, F]. orient., II, 29.
Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., S. 257.
Schweinfurth, Plantae nilot. a Hartmann coll., S. 6.
5 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 65.
6 Wilkinson, Manners and customs of Ancient Egyptians, II, 403.
7 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde.
R ©) 19 ha
412 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
(Grossen anbaut. Wenn sie sich auch durch ihr äusseres
Ansehen und ihre botanischen Charaktere von der ge-
meinen Gartenerbse leicht unterscheiden lässt, so wurde
sie doch von den griechischen und römischen Autoren
mit jener verwechselt oder dieselben drückten sich in
Bezug hierauf nicht deutlich genug aus. Aus ihren
Werken ersieht man nicht, ob sie zu ihrer Zeit an-
gebaut wurde. In den Pfahlbauten der Schweiz, Sa-
voyens und Italiens hat man sie nicht gefunden. Eine
Legende von Bobbio aus dem Jahre 930 erwähnt, dass
die italienischen Landleute einen Samen Herbilia nann-
ten, und daraus hat man geschlossen, dass dies die
jetzige Rubiglia oder das Pisum sativum der Botaniker
sei.! Die Art wird im Orient und bis nach Nordindien
hin angebaut.” In letzterm Lande ist die Cultur keine
alte, denn man kennt keinen Sanskritnamen, und
Piddington führt nur einen einzigen für die neuern
Sprachen an.
Wie es sich nun auch mit der Einführung der Cultur
verhalten möge, so ist die Art in wirklich wildwachsen-
dem Zustande in Italien nachgewiesen worden, und
zwar nicht nur in den Hecken und in der Nähe
des Culturlandes, sondern auch in den Wäldern und
an unbebauten Stellen der Gebirge” In den Floren
Spaniens, Algeriens, Griechenlands und des Orients finde
ich keine bestimmte, hiermit übereinstimmende Angabe.
Auch für Südrussland ıst dıe Pflanze als einheimisch
angegeben worden; bald ist aber die spontane Eigen-
schaft sehr zweifelhaft, und bald ist es die Art selbst,
die nicht gewiss ist, weil sie mit Pisum sativum oder
P. elatius verwechselt wird. Royle ist unter den anglo-
indischen Botanikern der einzige, welcher für Nordindien
das Indigenat zuliess.
1 Muratori, Antich. ital., I, 347; Diss., 24; nach Targioni, Cenni
storici, S. 31.
2 Boissier, Fl. orient., II, 623; Royle, Ill. Himal., S. 200.
3 Bertoloni, Fl. ital., VII, 419; Caruel, Fl. tosc., S. 184; Gussone, F].
siculae synopsis, II, 279; Moris, F1. sardoa, I, 577.
Gemeine Gartenerbse. 415
Pisum sativum, Linne. — Gemeine Gartenerbse (fr.
Pois des jardins, petit Pois).
Die Erbse unserer Gemüsegärten ist zarter als
die der Felder, die Stockerbse. Sie kann Frost und
Trockenheit nicht vertragen. Wahrscheinlich war ihr
natürlicher Wohnsitz vor dem Anbau mehr im Süden
und beschränkter.
Thatsache ist es, dass man sie im wildwachsenden
Zustande noch nicht gefunden hat, weder in Europa
noch in Westasien, von wo sie muthmaasslich gekom-
men ist. Die Angabe Bieberstein’s für die Krim ist
nach Steven, welcher dort gewohnt hat, nicht genau.!
Vielleicht haben die Botaniker ihren Wohnsitz dort
übersehen. Vielleicht ist die Pflanze von ihrem Ur-
sprungsorte verschwunden, oder vielleicht ist sie nur
eine durch die Culturen erzielte Modification von Pisum
arvense. Diese letzte Meinung war die von Alefeld?;
was er aber darüber veröffentlicht hat, ist so kurz,
dass sich nichts daraus schliessen lässt. Seine Aussage
läuft einfach darauf hinaus, dass er eine grosse Anzahl
von ihm angebauter ‘Formen der Stock- und Garten-
erbse als zu ein und derselben Art gehörend ansieht.
Darwin ® hatte durch eine Mittelsperson erfahren, dass
Knight die Stockerbse mit einer preussische Erbse
genannten Varietät der Gartenerbse gekreuzt hatte, und
dass die daraus erzielte Züchtung vollständig fruchtbar
erschienen war. Dies wäre ein guter Beweis für die
specifische Einheit, jedoch sind hierfür noch mehr Beob-
achtungen, weitere Versuche nöthig. Vorläufig bin ich
bei dieser Untersuchung nach dem geographischen Ur-
sprunge genöthigt, die beiden Formen getrennt zu be-
trachten, und will ich zu diesem Zwecke die Frage in
Bezug auf Pisum sativum prüfen.
Die Botaniker, welche viele Arten bei der Gattung
Steven, Verzeichniss, S. 134.
Alefeld, Botanische Zeitung, 1860, S. 204.
3 Darwin, Variations of animals and plants under domestication, S. 326.
1
2
414 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Pisum unterscheiden, lassen acht zu, die sämmtlich
Europa oder Asien angehören.
Das Pisum sativum wurde bei den Griechen zu Theo-
phrast’s Zeiten angebaut.! Sie nannten es Pisos oder
Pison. Die Albanesen, Nachkommen der Pelasger, nen-
nen es Pizelle?” Die Lateiner sagten Pisum.?” Diese
Einförmigkeit der Nomenclatur lässt vermuthen, dass
die Arier bei ihrer Ankunft in Griechenland und Italien
die Pflanze kannten und dieselbe vielleicht mit sich
geführt hatten. Die andern Sprachen arischen Ursprungs
enthalten mehrere Worte für Erbsen im generischen
Sinne; nach der gelehrten Abhandlung von Adolphe
Pictet* liegt es aber auf der Hand, dass man keinen
dieser Namen auf Pisum sativum insbesondere anzu-
wenden wissen würde. Selbst wenn eine der neuern
Sprachen, slawische oder bretonische, den Sinn auf die
Gartenerbse beschränkt hat, ist es immerhin sehr mög-
lich, dass einst, beim Ursprunge dieser Namen, dieses
Wort Stockerbse, Linse oder irgendeine andere Hülsen-
frucht bedeutete.
Man hat die Gartenerbse® in den Ueberresten der
Pfahlbauten der Bronzezeit ın der Schweiz und Savoyens
aufgefunden. Der Same ist sphärisch, wodurch sich die
Art von Pisum arvense unterscheidet, auch ıst er kleiner
als derjenige unserer jetzigen Gartenerbsen. Heer be-
richtet, denselben auch aus der Steinzeit in Moossee-
dorf gesehen zu haben; er ist aber weniger bestimmt
und gibt nur Abbildungen von der weniger alten Erbse
der Petersinsel. Wenn die Art in der Schweiz auf
das Steinalter zurückgeht, würde dies ein Grund
zu der Annahme sein, dass sie den arischen Völkern
vorherging.
1 Theophrastus, Hist.. 1. 8, c. 3, 5.
2 Heldreich, Nutzpflanzen” Griechenlands, S.
3 Plinius, Hist., 17182 c1.,327 HS handelt Br: gewiss um Pisum sa-
tivum, denn der Autor berichtet, dass es die Kälte schlecht vertrage.
4 Ad. Pictet, Les origines indo- PR 2. Aufl., I, 359.
5 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, 23, Fig. 48; Perrin, Études pré-
historiques” sur la Savoie, S. 22.
Sojabohne. 415
Es gibt keine Angabe über die Cultur von Pisum
sativum im alten Aegypten oder bei den Hebräern.
Dagegen ist diese Erbsenart seit langer Zeit in Nord-
indien angebaut, wenn sie, wie Piddington meint,
einen Sanskritnamen Harenso hatte und durch mehrere,
von diesem sehr verschiedene Namen in den jetzigen
indischen Sprachen bezeichnet wird.! Nach China hat
man sie von Westasien eingeführt. Der zu Ende des
16. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung veröffentlichte
„Pent-sao‘“ nennt sie mohammedanische Erbse.?
Kurz, die Art scheint im westlichen Asien, vielleicht
vom Süden des Kaukasus bis nach Persien vorgekom-
men zu sein, ehe sie angebaut wurde. Die arischen
Völker würden sie nach Europa eingeführt haben, viel-
leicht fand sie sich aber in Nordindien schon vor An-
kunft der Ostarier.
Vielleicht tritt sie im spontanen Zustande nicht mehr
auf, und wenn sie uns auf den Feldern im fast spon-
tanen Zustande entgegentritt, so sagt man nicht, dass
sie eine abgeänderte Form besitze, welche sich den an-
dern Arten nähert.
Dolichos Soja, Linne. Glycine Soja, Bentham. —
Sojabohne (fr. Soja).
Die Cultur dieses einjährigen Hülsengewächses geht
in China und Japan auf ein fernliegendes Alterthum
-zurück. Man konnte dies aus der vielfachen Verwen-
dung des Samens und der ungeheuern Anzahl der
Varietäten schliessen. Man glaubt aber überdies, dass
dies eine der Mehlsorten sei, welche in den chine-
sischen Werken aus der Zeit des Confucius Schu
genannt werden, obgleich der neuere Name für die
Pflanze Ta-tou ist.” Die Samen sind nahrhaft und
gleichzeitig sehr ölhaltig, weshalb in der japanischen
und chinesischen Küche aus ihnen ähnliche Substanzen
1 Piddington, Index. Roxburgh spricht von keinem Sanskritnamen.
2 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 16.
3 Ebend., S. 9.
416 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
wie Butter, Oel, Käse gewonnen werden. Die Soja-
bohne wird auch im Indischen Archipel angebaut, zu
Ende des 17. Jahrhunderts war sie aber auf Amboina
noch selten?, und Forster hatte sie auf Cook’s Reise
auf den Inseln der Südsee nicht angetroffen. In Indien
muss ihre Einführung neuern Datums sein, denn Rox-
burgh hatte die Pflanze nur im botanischen Garten von
Kalkutta gesehen, wohin sie von den Molukken gelangt
war. Indische volksthümliche Namen sind nicht be-
kannt.* Wenn überdies die Cultur in Indien eine alte
wäre, würde sie sich nach Westen hin, nach Syrien und
Aegypten, weiter verbreitet haben, und dies ist nicht
eingetreten.
Kämpfer ® hatte einst eine sehr gute Abbildung von
der Sojabohne veröffentlicht. Seit einem Jahrhundert
wurde sie in den botanischen Gärten Europas ange-
baut, als zahlreiche Nachrichten über China und Japan
einen ausserordentlichen Eifer wachriefen, sie in unsern
Ländern einzuführen. Es wurden besonders in Oester-
reich-Ungarn und in Frankreich Versuche im Grossen.
angestellt, und man hat solche in Werken zusammen-
gefasst, die über ihren Anbau vorzügliche Rathschläge
enthalten.° Wir wollen wünschen, dass der Erfolg die-
sen Anstrengungen entsprechen möge; um aber wieder
auf den Zweck unserer Untersuchungen zurückzukom-
men, wollen wir hier den wahrscheinlichen Ursprung
der Art näher ins Auge fassen.
Linne hat in seinen „Species“ gesagt: „Habitat en
India“; danach verweist er auf Kämpfer, welcher über
die Pflanzen Japans berichtet hat, und auf seine eigene
Flora von Ceylon, woraus man ersieht, dass die Pflanze
auf dieser Insel angebaut war. In der neuern Flora
1 Vgl. Pailleux, im: Bulletin de la Société d’acclimatation, September
und October 1880.
2 Rumphius, Amboin., V, 388.
3 Roxburgh, Flora indica, III, 514. 4 Piddington, Index.
5 Kämpfer, Amoen. exot., S. 837, Fig. 838.
6 Haberlandt, Die Sojabohne (Wien 1878), Auszug im Französischen
von Pailleux, a. a. O.
* Sojabohne. Catjang. 417
Ceylons von Thwaites wird dieselbe gar nicht erwähnt.
Augenscheinlich muss man mehr nach Ostasien vor-
gehen, um sowol den Ursprung der Cultur wie der Art
zu entdecken. Von Loureiro hören wir, dass sie Cochin-
china bewohnt und in China oft angebaut wird.! Mir
ist nichts bekannt, dass man sie im letztern Lande
wildwachsend angetroffen habe, vielleicht wird man sie
aber dort in Anbetracht des hohen Alters der Cultur
noch auffinden. Die russischen Botaniker? haben sie
in Nordchina und nach dem Amurflusse zu nur als an-
gebaute Pflanze gefunden. Sicherlich ist sie in Japan
spontan.” Schliesslich hat Junghuhn * sie in Java auf
dem Berge Gunung-Gamping gefunden, und eine Pflanze,
die Zollinger ebenfalls von Java eingeschickt hat, wird
auf dieselbe Art bezogen, ohne dass man indess weiss,
ob sie auch wirklich spontan war.” Ein malaiischer
Name, Kadelee®, der von den volksthümlichen japane-
sischen und chinesischen Namen ganz und gar abweicht,
trägt zur Begründung des Indigenats auf Java bei.
Schliesslich war die Sojabohne, den bekannten That-
sachen und den historischen und linguistischen Wahr-
scheinlichkeiten zufolge, von Cochinchina bis nach dem
südlichen Japan und auf Java spontan, als alte Bewohner
zu einer sehr fern liegenden Zeit sich daran machten,
sie anzubauen, sie in verschiedener Weise zu ihrer
Nahrung zu verwerthen, und von ihr Varietäten er-
. zielten, deren Zahl, besonders in Japan, eine be-
trächtliche ist.
Cajanus indicus, Sprengel. Cytisus Cajan, Linne. —
Catjang (fr. Cajan)..
Diese in den Tropenländern sehr häufig angebaute
1 Loureiro, Fl. coch., II, 538.
2 Bunge, Enum. plant. Chin., Nr. 118; Maximowicz, Primitiae Fl.
Amur., S. 37.
3 Miquel, Prolusio, in: Ann. Mus. Lugd.-Bat., III, 52; Franchet et
Savatier, Enum. plant. Jap., I, S. 108.
4 Junghuhn, Plantae Jungh., S. 255.
5 Die Soja angustifolia, Miquel; vgl. Hooker, Fl. Brit. India, II, 154.
6 Rumphius, a. a. O.
DE CANDOLLE. |
418 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Leguminose ist strauchartig, sie trägt aber vom ersten
Jahre an Früchte, und man zieht es in einigen Ländern
vor, sie als einjährige Pflanze zu behandeln. Ihre Sa-
men bilden einen wichtigen Bestandtheil der Nahrung
für die Neger oder die Eingeborenen, während sie von
den europäischen Colonisten viel weniger geschätzt
und von denselben höchstens vor der Reife nach Art
unserer Schoten als Gemüse benutzt werden.
Die Pflanze naturalisirt sich sehr leicht auf schlechtem
Boden ausserhalb der Culturen, selbst auf den Antillen,
wo sie entschieden nicht ursprünglich zu Hause ist.!
Auf der Insel Mauritius heisst sie Ambrevade; in
den englischen Colonien Doll, Pigeon-Pea, und auf den
französischen oder englischen Antillen Pois d’Angola,
Pois de Congo, Pois pigeon.
Für eine auf den drei Festländern so verbreitete Art
kennt man, seltsamerweise, nur wenige Varietäten. Es
werden zwei genannt, deren Unterscheidung ausschliess-
lich auf der gelben oder röthlichen Färbung der Blumen
beruht, und welche bisweilen als verschiedene Arten
angesehen, bei gründlicherm Studium aber, der Linne’-
schen Meinung gemäss, zu einer einzigen gebracht wur-
den.” Die geringe Anzahl der erzielten Varietäten,
selbst in Bezug auf den Theil, für welchen man die Art
anbaut, ist ein Fingerzeig, dass ihre Cultur keine alte
ist. Dieses müssen wir indessen weiter zu erforschen
suchen, denn der Wohnsitz, von dem die Cultur ihren
Anfang nahm, ist ungewiss. Die ausgezeichnetsten Bo-
taniker haben bald Indien, bald das intertropische Afrika
als solchen hingestellt. Bentham, welcher sich viel mit
den Leguminosen beschäftigte, glaubte 1861 an einen
afrikanischen Ursprung, und im Jahre 1865 neigte er
1 De Tussac, Flore des Antilles, IV, 94, Taf. 32; Grisebach, Flora of
Brit. W. India, I, 191.
2 In Bezug auf diese Frage vgl. Wight et Arnott, Prodr. Fl, penins.
ind., S. 256; Klotzsch, in: Peters, Reise nach Mozambique, I, 36. Die Va-
rretät mit gelber Blume ist abgebildet in Tussac, a. a. O., die mit röth-
licher Blume im Botanical Register, 1845, Taf. 31.
Catjang. 419
sich mehr dem asiatischen Indigenat zu.t Die Frage
ist somit eine recht interessante.
Zunächst kann hier von einem amerikanischen Ur-
sprung nicht die Rede sein. Der Catjanstrauch ist nach
den Antillen von der afrikanischen Küste durch den
Sklavenhandel eingeführt worden, wie dies die bereits
angeführten volksthümlichen Namen nachweisen? und
durch die übereinstimmende Meinung der Autoren von
amerikanischen Floren bestätigt wird. Man hat die Art
gleichfalls nach Brasilien, Guyana und den heissen Re-
gionen des amerikanischen Festlandes gebracht.
Die Leichtigkeit, mit welcher sich dieser Strauch
naturalisirt, würde für sich allein es nicht gestatten,
den Aussagen der Sammler, welche ihn in Asien oder
Afrika mehr oder minder spontan angetroffen haben, viel
Gewicht beizulegen, und ausserdem sind diese Angaben
nicht genau, sondern werden im allgemeinen von Zweifeln
begleitet. Die meisten der Autoren von Floren des
continentalen Indiens haben die Pflanze nur im ange-
bauten Zustande gesehen.” Keiner von ihnen bestätigt
meines Wissens die spontane Beschaffenheit. Hinsichtlich
der Insel Ceylon spricht Thwaites{ sich folgendermaassen
aus: „Es wird gesagt, dass sie nicht wirklich wild-
wachsend sei, und die Namen im Lande scheinen dies
zu bestätigen.“ In seiner Flora von Britisch-Indien
sagt Sir Joseph Hooker: „Wildwachsend? und im Hima-
.laja bis zu 6000 Fuss angebaut.“
Loureiro® führt sie als angebaut und nicht angebaut
„in Cochinchina und in China“ an. Die chinesischen
Schriftsteller scheinen von ihr nicht gesprochen zu
haben, denn Dr. Bretschneider erwähnt die Art nıcht
in seinem Werkchen „On study etc.“ Auf den Sunda-
Inseln wird sie als angebaut angeführt, war aber auf
1 Bentham, Flora Hongkongensis, S. 89
Bentham et Hooker, Genera, I, 541.
2 De Tussac, Flore des Antilles; Jacquin, Obs., S. 1.
3 Rheede, Roxburgh, Kurz, Burm. Flora etc.
4 Thwaites, Enum. plant. Ceylan.
5 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 565.
; Flora Brasil., XV, 199;
27*
420 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Amboina zu Ende des 17. Jahrhunderts Rumphius zu-
folge sogar noch ziemlich selten.! Forster hatte sie wäh-
rend Cook’s Reise auf den Südseeinseln nicht gesehen,
von Seemann erfahren wır aber, dass sie von den Mis-
sionaren seit kurzem in die Gärten der Fidschi-Inseln
eingeführt wurde.” Alles dies lässt eime wenig alte
Culturausdehnung im Osten und Süden des asiatischen
Continents voraussetzen. Ausser dem Citat von Lou-
reiro finde ich noch eine andere Fundstätte für die Art
auf dem Berge Magelang der Insel Java? angegeben;
setzt man aber eine wirkliche und alte Spontaneität in
diesen beiden Fällen voraus, so dürfte es immerhin be-
fremdend sein, dass man die Art nicht ebenfalls in
vielen andern asiatischen Localıtäten antraf.
Die vielen indischen und malaiischen Namen? weisen
auf eine ziemlich alte Cultur hin. Piddington nennt selbst
einen Sanskritnamen Arhuku, welcher Roxburgh nicht
bekannt war, ersterer gibt aber keinen Beweis zur Be-
gründung seiner Aussage. Nach den Namen Urwr und
Orol im Hindustani und Bengali zu schliessen, könnte
jener Name einfach auf einer Vermuthung beruhen.
Einen semitischen Namen kennt man nicht.
In Afrika wird der Catjanstrauch häufig angeführt von
Zanzibar nach der Guineaküste.” Die Autoren sprechen
von ihm als angebaut oder drücken sich hierüber nicht
weiter aus, was zuweilen spontane Exemplare anzu-
deuten scheint. In Aegypten ist die Cultur ganz neuen
Datums, erst aus dem 19. Jahrhundert.f
Nach allem bezweifle ich, dass die Art in Asien
wirklich spontan ist und sich dort seit mehr als
3000 Jahren findet. Wenn die alten Völker sie ge-
kannt hätten, würde sie den Arabern und Aegyptern
1 Rumphius, Amboin., Bd. V, Taf. 155.
Seemann, Flora Vitiensis, S. 74.
Junghuhn, Plantae Jungh., fasc., I, 241.
Piddington, Index; Rheede, Malabar, VI, 23 u. s. w.
5 Pickering, Chronol. arrangement of Plants, S. 442; Peters, Reise,
S. 36; R. Brown, Bot. of Congo, S. 53; Oliver, Flora of tropical Africa, -
II, 216.
6 Bulletin de la Soc. d’acclimatation, 1871, S. 663.
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Johannisbrotbaum, Karobenbaum. 421
vor unserer Epoche bekannt geworden sein. Dagegen
ist es möglich, dass sie wildwachsend oder angebaut
im äquatorealen Afrika seit einer sehr langen Zeit vor-
kommt, und dass sie nach Asıen durch alte Reisende
gelangte, welche den Grosshandel von Zanzibar nach
Indien und Ceylon in Händen hatten.
Die Gattung Cajanus hat nur eine Art, sodass man
sich auf keine Uebereinstimmung geographischer Ver-
breitung berufen kann, um ihr Vaterland eher nach
Asien als nach Afrika zu verlegen oder auch umgekehrt.
Ceratonia Siliqua, Linne. — Johannisbrotbaum, Ka-
robenbaum (fr. Caroubier ?).
Es ist bekannt, wie sehr die Früchte oder Hülsen
des Johannisbrotbaums in den warmen Gegenden der
Mittelmeerregion als Nahrung für die Thiere und selbst
für den Menschen gesucht werden. Gasparin? hat be-
merkenswerthe Einzelheiten über die Behandlungsweise,
die Verwendung und den Wohnsitz der Art gegeben,
indem er solche als angebauten Baum ansah. Er be-
merkt, dass sie in nördlicher Richtung die Grenze, wo
der Orangenbaum ohne Schutz fortkommt, nicht über-
schreitet. Dieser schöne Baum mit immergrüner Be-
laubung gedeiht ebenso wenig in den sehr heissen Län-
dern, namentlich wenn auch hohe Feuchtigkeitsgrade
vorwalten. Er liebt die Nähe des Meeres und steiniges
Terrain. Sein Vaterland ist, nach Gasparin, ,,wahr-
scheinlich Centralafrika. Denham und Clapperton haben
ihn“, sagt er, „in Bornu gefunden“. Dieser Beweis
scheint mir ungenügend, denn in der ganzen Nilregion
und in Abessinien ist der Johannisbrotbaum nicht wild-
wachsend, ist er selbst nicht einmal angebaut.” In
seinem Memoire über die Pflanzen der Reise von Denham
1 Hier aufgeführt, um ihn von andern nur ihrer Samen wegen ange-
bauten Leguminosen nicht zu trennen.
2 De Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 328.
3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 255; Richard, Tentamen
fl. abyssinicae.
499 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
und Clapperton spricht R. Brown nicht von ihm. Meh-
rere Reisende haben ihn in den Wäldern der Cyrenaika
zwischen dem Küstengebiet und dem Tafellande ge-
sehen, die emsigen Botaniker aber, welche ein Verzeich-
niss der Pflanzen dieses Landes angefertigt, haben Sorge
getragen, zu sagen!: „Vielleicht einheimisch.“ Die
meisten der Botaniker haben sich begnügt, die Art für
das Centrum und den Süden der Mittelmeerregion, von
Marokko und Spanien bis nach Syrien und Anatolien
anzuführen, ohne gründliche Studien darüber anzustellen,
ob sıe dort einheimisch oder angebaut sei, und ohne die
Frage nach dem wirklichen, der Cultur vorhergehenden
Vaterlande weiter zu erörtern. Gewöhnlich führen sie
den Johannisbrotbaum als „angebaut und subspontan
oder fast naturalisirt“ an. Indessen wird er von Held-
reich in Griechenland, von Gussone und Bianca in Si-
cilien, von Munby? in Algerien als spontan angesehen,
und dies sind alles Autoren, welche lange genug in
diesen verschiedenen Ländern gelebt haben, um sich
eine wirklich klare Ansicht zu bilden.
Bianca bemerkt jedoch, dass der Johannisbrotbaum
in den ziemlich beschränkten Localitäten, wo er auf
Sicilien vorkommt, auf den kleinen naheliegenden In-
seln und an der Küste Italiens nicht immer kräftig und
ergiebig ist. Er stützt sich ausserdem auf den ita-
henischen, dem arabischen sehr ähnlichen Namen Car-
rubo, um sich dahin zu äussern, dass eine alte Einfüh-
rung nach Südeuropa stattgefunden habe, die Art aber
vielmehr von Syrien oder Nordafrika stamme. Bei dieser
Gelegenheit vertheidigt er die Meinung von Hoefer und
Bonné* als wahrscheinlich, nach welcher der Lotos der
Lotophagen der Johannisbrotbaum war, dessen Blüte
1 Ascherson etc. in: Rohlfs, Kufra (1881), I, 519.
2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 73; Die Pflanzen der atti-
schen Ebene, S. 477; Gussone, Synopsis fl. siculae, S. 646; Bianca, Il Car-
rubo, in: Giornale d’agricoltura italiana, 1851; Munby, Catal. pl. in Alger.
spont., S. 13.
3 Hoefer, Histoire de la botanique, de la minéralogie et de la géologie,
5. 20; Bonné, Le Caroubier ou l’arbre des Lotophages (Algier 1869; ange-
führt nach Höfer). Vgl. den Abschnitt über den Judendorn, S. 241.
Johannisbrotbaum, Karobenbaum. 423
zuckerhaltig ist, und dessen Frucht einen honigartigen
Geschmack besitzt, wie dies mit den Ausdrücken Ho-
mer’s übereinstimmt. Da die Lotophagen Cyrenaika
bewohnten, musste der Johannisbrotbaum in ihrem
Lande massenhaft vorkommen. Um diese Hypothese
zuzulassen, müsste man glauben, dass Herodot und Ph-
nius die Pflanze Homer’s nicht kannten, denn der erste
hat den Lotos beschrieben als ob seine Frucht mit der
Beere vom Mastixbaume Aehnlichkeit hätte, und der
zweite als einen Baum, welcher seine Belaubung im
Winter verliere.!
Es ist kaum möglich, dass man sich bei einer Aus-
einandersetzung über naturgeschichtliche Thatsachen
einer Hypothese über eine zweifelhafte Pflanze, von
welcher ein Dichter vor Zeiten gesprochen hat, als
Stütze bedienen könnte. Nach alledem war der Lotos
Homer’s vielleicht ... in dem phantastischen Garten
der Hesperiden. Ich komme auf Belege ernsterer Art
zurück, welche Bianca kurz berührt hat.
Man kennt den Johannisbrotbaum in den mehr oder
minder alten Sprachen unter zwei Namen, von denen
der eine, Keraunia oder Kerateia?, griechisch, der andere,
Chirnub oder Charüb, arabisch ist. Der erste drückt
die Form der Hülse aus, die mit einem ziemlich zu-
rückgebogenen Horne Aehnlichkeit hat. Der zweite be-
zeichnet eine in die Länge gezogene Frucht (Hülse),
‘ denn aus dem Werke von Ebn Baithar®? ersieht man,
dass vier andere Hülsenfrüchte unter demselben Namen
mit einem Beiworte verstanden werden. Die Lateiner
hatten keinen besondern Namen für den Johannisbrot-
baum. Sie bedienten sich des griechischen Wortes oder
des Ausdrucks Siliqua, Siliqua graeca, d. h. Schote von
Griechenland.* Dieser grosse Mangel an Namen deutet
3Plıaaus, Hist., 1: 16, c: 30.
2 Theophrastus, Hist. plant., 1. 1, e. 11; Dioscorides, 1.1, c. 155; Fraas,
Syn. fl. class., S. 65.
3 Ebn Baithär, deutsche Uebers., I, 354; Forskal, Flora aegypt., S. 77.
4 Columna, angeführt in: Lenz, Botanik der alten Griechen und Rö-
mer, S. 733; Plinius, Hist., 1. 15, ce. 8.
- 424 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
einen früher beschränkten Wohnsitz an, desgleichen eine
wahrscheinlich nicht auf prähistorische Zeiten zurück-
gehende Cultur. Der griechische Name hat sich in
Griechenland erhalten. Der arabische Name findet sich
gegenwärtig bei den Kabylen, welche die Frucht Khar-
roub, den Baum Takharrout! benennen, wie die Spa-
nier Algarrobo sagen. Seltsam ist es, dass auch die
Italiener den arabischen Namen angenommen haben,
Currabo, Carubio, woraus der französische Name (a-
roubier entstanden ist. Es scheint, als ob eine Ein-
führung durch die Araber im Mittelalter stattgefunden
hätte, also nach der römischen Epoche, wo ein ver-
schiedener Name gebraucht wurde.
Diese Einzelheiten unterstützen die Ansicht Bianca’s,
dass es sich nämlich um ein südlicheres Vaterland als
Sieilien handelt. Plinius zufolge kam die Art von Sy-
rien, Knidos und Rhodus, er sagt aber nicht, ob sie
dort wildwachsend oder angebaut war.
Nach demselben Autor fand sich der Johannisbrotbaum
nicht in Aegypten. Man hat denselben jedoch in den
Denkmälern zu erkennen geglaubt, welche der Zeit des
Plinius weit vorhergingen, und die Aegyptologen haben
sogar zwei ägyptische Namen, Kontrates oder Jiri?, auf
ihn bezogen. Lepsius hat die Abbildung einer Schote
gegeben, welche wirklich eine Karube zu sein scheint,
und der Botaniker Kotschy, welcher einen Stock heim-
brachte, der aus einem der dortigen Särge genommen
war, hat sich vermittelst des Mikroskops vergewissert,
dass derselbe von dem Holze des Johannisbrotbaums
ist.” Man kennt keinen hebräischen Namen für diese
im Alten Testamente auch nicht erwähnte Art. Das
Neue Testament spricht von ihr mit dem griechi-
schen Namen in dem Gleichniss vom verlorenen Sohn.
1 Dictionnaire français-berbère, beim Worte Caroube.
2 Lexicon oxon., citirt in: Pickering, Chronological hist. of plants,
Ss. 141.
3 Die Zeichnung ist wiedergegeben in: Unger, Pflanzen des alten
Aegyptens, Fig. 22. Kotschy’s Beobachtung bedarf der Bestätigung eines
gewiegten Anatomen.
Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 425
. Die Ueberlieferung der Christen vom Orient besagt,
dass Johannes der Täufer sich in der Wüste mit Ka-
rubenfrüchten ernährt habe, hierauf. stützen sich die im
Mittelalter aufgekommenen Namen, wie Pain de Saint-
Jean und Johannisbrotbaum.
Augenscheinlich ist dieser Baum zu Anfang der christ-
lichen Zeitrechnung von einer gewissen Bedeutung ge-
worden, und es waren die Araber, welche ihn besonders
nach dem Occident hin verbreitet haben. Wenn er
früher in Algerien bei den Berbern und in Spanien
vorgekommen wäre, würden sich Namen aus einer ältern
Sprache als der arabischen erhalten haben, und die
Art würde wahrscheinlich nach den Canaren durch die
Phönizier eingeführt worden sein.
Ich fasse die gesammten Angaben folgendermaassen
kurz zusammen:
Der Johannisbrotbaum war im Osten des Mittelmeers,
wahrscheinlich an der Südküste Anatoliens und in Syrien,
vielleicht auch in der Cyrenaika, spontan. Seine Cultur
hat seit historischen Zeiten ihren Anfang genommen.
Die Griechen haben ihn in ihrem Lande und in Italien
weiter verbreitet, später aber haben sich die Araber
noch mehr damit befasst und haben ıhn bis nach Ma-
rokko und in Spanien verbreitet. In allen diesen Län-
dern hat sich die Art hier und da naturalisirt, und
zwar unter einer weniger ergiebigen Form, sodass man
gezwungen wird den Baum zu pfropfen, um bessere
Früchte zu gewinnen.
Bisjetzt hat man den fossilen Johannisbrotbaum noch
nicht in den Tuffsteinen und den quaternären Ablage-
rungen von Südeuropa gefunden. Er bildet die einzige
Art in der Gattung Ceratonia, was bei den Legumi-
nosen, besonders in Europa, ziemlich selten ist. Nichts lässt
vermuthen, dass er in den alten tertiären oder quater-
nären Floren des südwestlichen Europa vorgekommen sei.
Phaseolus vulgaris, Savı. — Gemeine Schminkbohne,
Schneide-, türkische Bohne (fr. Haricot commun).
426 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
5
Als ich mich im Jahre 1855! mit dem Vaterlande
der Phaseolus und Dolichos beschäftigen wollte, war
die Unterscheidung der Arten so wenig vorgeschritten,
kannte man noch so wenige Floren tropischer Länder,
dass ich mehrere Fragen hatte unberücksichtigt lassen
müssen. Dank den Arbeiten von Bentham und Georg
von Martens?, welche die frühern von Savi? vervoll-
ständigten, sind die Leguminosen der heissen Länder
jetzt besser bekannt, und schliesslich haben die den
peruarischen Gräbern von Ancon entnommenen Samen,
welche von Wittmack geprüft wurden, die Ursprungs-
frage vollständig modificirt.
Ich will mich zunächst mit der Schneidebohne be-
schäftigen und werde dann von andern Arten sprechen,
ohne alle die aufzuzählen, welche man anbaut, denn
mehrere unter ihnen sind noch schlecht begrenzt.
Lange Zeit glaubten die Botaniker, dass die Schneide-
bohne aus Indien stamme. Niemand hatte sie im wild-
wachsenden Zustande gefunden, und das ist auch jetzt
noch der Fall; man hatte sich eben einen indischen
Ursprung eingebildet, obgleich die Art auch in den ge-
mässigten oder heissen Regionen Afrikas und Amerikas,
wenigstens in denen die nicht feucht und übermässig
heiss sind, angebaut wurde. Ich machte darauf auf-
merksam, dass sie keinen Sanskritnamen besass, und
dass die Gärtner des 16. Jahrhunderts die Schneide-
bohne oft türkische Bohne nannten. Da ich ausser-
dem wie jedermann davon überzeugt war, dass die
Griechen diese Pflanze unter dem Namen Fasiolos und
Dolichos angebaut hatten, so behauptete ich, dass sie
von Westasien, nicht von Indien stammte; Georg von.
Martens machte diese Ansicht zu der seinigen.
Es fehlt jedoch viel daran, dass die Worte Dolichos
von Theophrast, Fasiolos von Dioscorides, Faseolus und
1 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 961.
2 Bentham, in: Ann. d. wiener Museums, Bd. II; Georg von Mar-
tens, Die Gartenbohnen (Stuttgart 1860); 2. Ausg. 1869. i
3 Savi, Osserv. sopra Phaseolus i Dolichos, 1, 2, 3.
Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 497
‚Phasiolus der Römer! in den Originalen genügend be-
stimmt seien, um sie mit Sicherheit auf Phaseolus vul-
garis beziehen zu können. Mehrere angebaute Legu-
minosen halten sich durch Ranken, von welchen die
Autoren sprechen, und zeigen Hülsen und Samen, die
sich untereinander gleichen. Der beste Beleg, um diese
Namen durch Phaseolus vulgaris zu übersetzen, ist der,
dass die jetzigen Griechen und Italiener von Fusiolos
abgeleitete Worte für unsere gewöhnliche Schneidebohne
besitzen. Die Neugriechen sagen Fasoulia, und die
Albanesen (Pelasger ?) Fasulé; die Italiener Fagiolo. Man
kann jedoch auch eine Namensversetzung einer Erbsen-,
Wicken-, Platterbsen- oder einer vor alters angebauten
Bohnenart für die gemeine Schneide- oder Schminkbohne
befürchten. Berücksichtigt man die Schwierigkeiten,
welche sich den Botanikern der Neuzeit bei Unter-
scheidung der Arten, auch wenn sie die Pflanzen selbst
vor Augen haben, darbieten, so muss man den Muth
bewundern, eine Phaseolusart nach einem oder zwei
Beiwörtern in einem alten Schriftsteller bestimmen zu
wollen. Man hat sich jedoch bestimmt dahin aus-
sprechen wollen, dass mit dem Dolichos von Theophrast
unsere Stangenbohne, mit dem Fasiolos die Zwergbohne
unserer Culturen gemeint seien, welche beide die jetzigen
zwei Hauptrassen der gemeinen Schminkbohne mit einer
ungeheueren Menge von Unterrassen in Bezug auf
Schoten und Samen ausmachen. Was mich selbst be-
trifft, so will ich einfach sagen, dass dies wahrschein-
lich ist.
Wenn die gemeine Schminkbohne vor Zeiten nach
Griechenland kam, gehörte sie jedenfalls nicht zu den
ersten Einführungen, denn zu Cato’s Zeiten war der
Faseolus in Rom noch unbekannt, und erst bei Beginn
des Kaiserreichs haben die lateinischen Schriftsteller
von dieser Pflanze gesprochen. Aus den bei Troja ge-
1 Theophrastus, Hist., 1.8, e.3; Dioscorides, 1.2, e. 130; Plinius, Hist.
1. 18, c. 7, 12, ausgelegt von Fraas, Synopsis fl. class., S. 52; Lenz, Bota-
nik der alten Griechen und Römer, S. 731; Martens, a. a. O., S. 1.
428 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
machten Ausgrabungen brachte Virchow mehrere Legu-
minosensamen mit, welche nach Wittmack! zu folgenden
Arten gehörten: Pferdebohne (Faba vulgaris), Garten-
erbse (Pisum sativun), Erve (Ervum ervilia), und viel-
leicht rothe Platterbse (Lathyrus Cicera), aber keine
Bohne (Phaseolus). Ebenso wenig hat man in den alten
Pfahlbauten der Schweiz, Savoyens, Oesterreichs und
Italiens die letztere aufgefunden.
Auch finden sich keine Beweise oder Anzeichen von
ihrem Vorkommen im alten Aegypten. Man kennt kei-
nen hebräischen Namen, welcher denen von Dolichos
oder Phaseolus der Botaniker entspräche. Ein weniger
alter, nämlich arabischer Name, Loubia, ist in Aegyp-
ten für Dolichos Lubia und im Hindustani unter der
Form Loba für Phaseolus vulgaris bekannt.” Für
letztere Art führt Piddington im den neuern Sprachen
Indiens nur zwei Namen, alle beide hindustanisch, an,
Loba und Bakla. Hieraus, sowie aus dem Fehlen eines
Sanskritnamens lässt sich entnehmen, dass die Einfüh-
rung in Südasien nicht so weit zurückliegend war. Die
chinesischen Schriftsteller sprechen nicht von der gemei-
nen Schminkbohne (Ph. vulgaris)?; dies ist ein neuer
Fingerzeig für eine spätere Einführung nach Indien und
auch nach Baktrien, von wo die Chinesen seit dem 2. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung Gemüse bezogen haben.
Alle diese Umstände lassen mich bezweifeln, dass die
Art in Asien vor der christlichen Zeitrechnung bekannt
war. Der Beleg der neugriechischen und italienischen,
dem Fasiolos entsprechenden Namen für die Schmink-
bohne muss noch in irgendeiner Weise begründet wer-
den. Zu seinen Gunsten lässt sich sagen, dass er im
Mittelalter wahrscheinlich für die gemeine Schminkbohne
gebraucht worden ist. In der Liste der Gemüse, welche
Karl der Grosse auf seinen Besitzungen auszusäen an-
Wittmack, Sitzungsber. d. Bot. Vereins zu Brandenb. v. 19. Dec. 1879.
Delile, Plantes cultivées en Egypte, S. 14; Piddington, Index.
3 Weder in seiner Schrift: On study eté., noch in seinen an mich
gerichteten Briefen spricht Dr. Bretschneider von ihr.
1
2
Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 429
ordnete, findet man Fasiolum! ohne weitere Erklä-
rung. Albertus Magnus beschreibt unter dem Namen
Faseolus ein Hülsengewächs, welches die jetzige Zwerg-
bohne zu sein scheint.” Dann bemerke ich aber auch,
dass die Autoren des 15. Jahrhunderts von keinem
Faseolus oder einem ähnlichen Namen sprechen. Dies
ist der Fall bei Pedro Crescenzio® und Macer Floridus.*
Dagegen geben nach der Entdeckung Amerikas vom
16. Jahrhundert an alle Autoren Abbildungen und Be-
schreibungen von Phaseolus vulgaris mit einer grossen
Menge von Varietäten. |
Ob ihre Cultur im tropischen Afrika ein sehr hohes
Alter aufweist, ist zweifelhaft, jedenfalls wird von ihr
weniger häufig gesprochen, als von jener anderer Arten
der Gattungen Dolichos und Phaseolus.
Niemand dachte daran, den Ursprung der gemeinen
Schminkbohne in Amerika zu suchen, als ganz vor
kurzem höchst sonderbare Entdeckungen von Früchten
und Samen in den peruanischen Gräbern von Ancon
nahe bei Lima gemacht wurden. Herr de Rochebrune’
hat eine Artenliste aus verschiedenen Familien nach
einer Sammlung von de Cessac und L. Savatier ver-
öffentlicht. Darunter befinden sich drei Bohnensorten,
von welchen keine, dem Autor zufolge, die Phaseolus
vulgaris ist; Wittmack® hingegen, welcher die durch
die Reisenden Reiss und Stübel von denselben Gräbern
mitgebrachten Leguminosen untersucht hat, behauptet
das Vorhandensein mehrerer Varietäten der gemeinen
Schminkbohne nachgewiesen zu haben, untermischt mit
1 E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 404.
2 „Faseolus est species leguminis et grani, quod est in quantitate pa-
rum minus quam Faba et in figura est columnare sicut faba, et herba ejus
minor est aliquantulum quam herba Fabae. Et sunt faseoli multorum
colorum, sed quodlibet granorum habet maculam nigram in loco cotyle-
donis.“ (Jessen, Alberti Magni, De vegetabilibus, ed. critica, S. 515.)
3 P. Crescens, französische Uebersetzung von 1539.
4 Macer Floridus (1485), und Erläuterung von Choulant (1332).
5 De Rochebrune, Actes de la Société linnéenne de Bordeaux, Bd. 53,
Januar 1850, von welcher ich ein Referat im Bot. Centralblatt, 1880, S. 1635,
gesehen habe.
6 Wittmack, Sitzungsbericht des bot. Vereins zu Brandenburg vom
19. Dee. 1579, und ein Privatbrief von demselben.
430 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
andern zu Phaseolus lunatus, Linne, gehörigen Samen.
Er hat sie identificirt mit den Varietäten von Ph. vul-
garis, welche von den Botanikern oblongus purpureus
(Martens), ellipticus praecox (Alefeld) und ellipticus atro-
Jfuscus (Alefeld) genannt wurden und in die Classe der
Zwergbohne gehören.
Es kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden,
dass die fraglichen Gräber alle aus einer der Ankunft
der Spanier vorhergehenden Zeit stammen. Das Werk
der Herren Reiss und Stübel, welches augenblicklich
im Drucke begriffen ist, wird vielleicht Aufklärungen
hierüber bieten; Wittmack ist aber, den Autoren hierin
folgend, der Ansicht, dass ein Theil dieser Gräber kein
hohes Alter aufzuweisen habe. Eine von diesem Herrn
unberücksichtigt gebliebene Thatsache ist mir jedoch
aufgefallen, dass nämlich die 50 in Rochebrune’s Liste
aufgezählten Arten alle amerikanisch sind. Ich finde
darunter nicht eine einzige, von welcher man einen
europäischen Ursprung muthmaassen könnte. Augen-
scheinlich sind entweder diese Pflanzen und Samen vor
der Eroberung niedergelegt worden, oder es haben auch
die Bewohner Sorge getragen, in gewisse Gräber, welche
vielleicht jüngern Datums sind, keine ausländischen Arten
hineinzulegen. Dies war ihren Ansichten zufolge ganz
natürlich, weil der Gebrauch solcher Pflanzenanhäufungen
nicht auf die katholische Religion zurückzuführen ist,
sondern mit den Sitten und Lehren der Eingeborenen
zu thun hat. Das Vorhandensein der gemeinen Schmink-
bohne unter diesen ausschliesslich amerikanischen Pflan-
zen scheint mir daher von einer grossen Bedeutung zu
sein, welches Alter diese Gräber auch immer haben mögen.
Man kann mir entgegenhalten, dass Samen nicht ge-
nügen, um die Art eines Phaseolus zu bestimmen, und
dass man in Südamerika vor Ankunft der Spanier meh-
rere Pflanzen dieser Gattung anbaute, welche noch nicht
hinreichend bekannt sind. Molina! spricht von 13 oder
1 Molina (Essai sur l'hist, nat. du Chili, franz. Uebersetzuzg, S. 101)
Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 431
14 Arten (oder Varietäten?), welche früher allein in
‘Chile angebaut wurden.
Wittmack besteht auf dem häufigen und alten Ge-
brauch der Bohnen in verschiedenen Ländern Südame-
rikas. Das beweist wenigstens, dass mehrere Arten
daselbst einheimisch waren und angebaut wurden. Er
beruft sich auf das Zeugniss von Joseph Acosta, einem
der ersten Schriftsteller nach der Eroberung, dem zu-
folge die Peruaner „Hülsenfrüchte anbauten, welche sie
Frisoles und Palares nannten, und in ähnlicher Weise
verwendeten wie die Spanier die Garbanzos (Kicher-
erbsen), Pferdebohnen und Linsen. Ich habe keines-
wegs erkannt“, fügt er hinzu, „dass diese oder andere
Hülsenfrüchte Europas sich dort vorfanden, bevor die
Spanier dort eindrangen.“ Frisole, Fajol, Fasoler sind
spanische Namen für die gemeine Schminkbohne und
durch Verstümmelung des lateinischen Faselus, Fasolus,
Fascolus entstanden. Paller ist amerikanisch.
An dieser Stelle will ich mir erlauben, den Ursprung
des französischen Namens Haricot nachzuweisen. Früher .
habe ich ihn gesucht!, ohne ihn zu finden, ich wies
aber auf die Thatsache hin, dass Tournefort (,,Instit.‘,
S. 415) der erste war, welcher sich desselben bediente.?
Ich erinnerte auch an das Wort Arachos (apaxoc) im
Theophrast, womit wahrscheinlich eine Vicia-Art gemeint
war, und an das Wort Harenso im Sanskrit für die gemeine
Erbse. Ich suchte auch die wenig wahrscheinliche An-
sicht zu bekämpfen, dass der Name einer Hülsenfrucht
von. einem Fleischgerichte, welches man haricot oder
laricot de mouton nannte, herrühren könne, wie dies
von einem englischen Schriftsteller behauptet worden
war. Ich kritisirte schliesslich Bescherelle, welcher
Haricot aus dem Keltischen ableitete, während die bre-
führt Phaseolus an, welche er Pallar und Asellus nennt, und die Flore
du Chili von Cl. Gay fügt mit nur wenigen erklärenden Worten Ph. Cu-
mingii, Bentham, hinzu.
1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 691.
2 Tournefort, Éléments (1694), I, 328; Instit., S. 415.
432 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
tonischen Namen der Pflanze ganz und gar verschieden
sind, und fève menue (fa-munud) kleine Pferdebohne
oder irgendeine Erbse (Pis-ram) bedeuten. Littre hat
in seinem Wörterbuch ebenfalls nach der Etymologie
dieses Namens gesucht. Ohne von meinem Aufsatz
Kenntniss zu besitzen, neigt er sich der Vermuthung
hin, dass haricot (Hülse) von ragoût abstamme, da die-
ses letztere das ältere in der Sprache sei und man eine
gewisse Aehnlichkeit zwischen dem Haricotsamen und
den Fleischstücken des Ragouts auffinden könne, oder
auch weil dieser Same sich zur Würze des Gerichts
eignete. Gewiss ist es, dass die Hülse bis gegen Ende
des 17. Jahrhunderts nach dem lateinischen Namen im
Französischen Fazeole oder Faséole genannt wurde; dem
Zufall aber verdanke ich es, -welcher mich auf den
wahren Ursprung des Wortes haricot hinleitete. Es ist
ein italienischer Name, Araco, der sich im Durante und
Matthioli findet, lateinisch Aracus niger! für ein Hül-
sengewächs, welches von den Autoren der Neuzeit auf
die Ochererbse (Lathyrus Ochrus) bezogen wird. Man
darf sich nicht darüber wundern, dass ein italienischer
Name aus dem 17. Jahrhundert von französischen Züch-
tern des folgenden Jahrhunderts auf ein anderes Hülsen-
gewächs bezogen worden sei, und dass man dabei ara
in art umgetauft habe. Derartige Irrthümer kommen
noch immer vor. Ausserdem ist Aracos oder Arachos
von den Commentatoren auf mehrere Hülsengewächse aus
den Gattungen Lathyrus, Vicia u. s w. bezogen worden.
Durante sagt, dass sein Araco mit dem asaxoc der
Griechen synonym sei, woraus man die Etymologie
gut erkennt. Pater Feuillée? schrieb im Französischen
Aricot. Vor ıhm gebrauchte Tournefort Haricot. Er
glaubte vielleicht, dass das & des griechischen Wortes
einen harten Accent hätte, was aber, wenigstens bei
den guten Autoren, nicht der Fall ist.
1 Durante, Herbario nuovo (1555), S. 39; Matthioli, ed. Valgris, S. 322;
Targioni, Dizionario bot. ital., I, 13.
2 Feuillée, Hist. des plantes médicinales du Pérou etc. (1725), S. 54.
Mondförmige Bohne. 455
Ich schliesse diesen Abschnitt, indem ich sage: 1)
® Phaseolus vulgaris wird noch nicht seit langer Zeit in
Indien, dem Südwesten Asiens und in Aegypten angebaut.
2) Man ist nicht ganz sicher darüber, ob vor der Ent-
deckung Amerikas diese Art in Europa bekannt war.
3) Gleich nach diesem weltgeschichtlichen Ereigniss hat
sich die Zahl der Varietäten in den Gärten Europas
plötzlich vermehrt, und alle Schriftsteller haben ange-
fangen davon zu sprechen. 4) Die grössere Mehrzahl der
Arten dieser Gattung findet sich in Südamerika. 5)
Samen, welche dieser Art anzugehören scheinen, sind
in peruanischen Gräbern, deren Alter etwas ungewiss
ist, mit vielen andern ausschliesslich amerikanischen
Arten vermischt aufgefunden worden.
Ich will die Frage nicht weiter prüfen, ob Phaseolus
vulgaris vor dem Beginn des Anbaues in der Alten und
gleichfalls in der Neuen Welt vorkam, weil derartige
Beispiele unter den phanerogamen Landpflanzen der
Tropenländer äusserst selten sind. Unter tausend kommt
vielleicht noch nicht einmal eine vor, und selbst dann
kann man noch oft eine durch den Menschen hervor-
gerufene Wanderung vermuthen.! Um diese Hypothese
in Bezug auf Ph. vulgaris zu erörtern, müsste man
wenigstens diese Pflanze dem Anscheine nach wild-
wachsend in der Alten und Neuen Welt gefunden haben,
was aber nicht der Fall gewesen ist. Wenn sie einen
so weiten Wohnsitz gehabt hätte, würde dies durch
wirklich spontane Individuen in sehr voneinander ent-
fernten Regionen ein und desselben Continents ange-
deutet sein. Bei der folgenden Art, Ph. lunatus, findet
dies in der That statt.
Phaseolus lunatus, Linne. — Mondförmige Bohne (fr:
Haricot courbe). — Phaseolus lunatus macrocarpus, Bent-
ham. Phas. inamænus, Linne (fr. Haricot de Lima).
1 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, Kapitel über die ge-
trennten Arten.
DE CANDOLLE. 28
434 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Diese Bohnenart, sowie die Varietät von Lima ist in
allen Tropenländern so verbreitet, dass man sie, ohne
es zu ahnen, unter mehreren Namen beschrieben hat.!
Alle ihre Formen lassen sich auf zwei Gruppen zurück-
führen, aus welchen Linné zwei Arten machte. Die jetzt
in den Gärten gewöhnlichste ist die, welche man seit
Anfang dieses Jahrhunderts als Haricot de Lima kennt.
Sie unterscheidet sich durch ihren hohen Wuchs und
durch die Grösse ihrer Hülsen und Samen. In den
Ländern, welche ihrem Gedeihen günstig sind, ist sie
mehrjährig.
Linne glaubte, dass seine Phaseolus lunatus aus Ben-
galen stamme und die andere Form aus Afrika, ohne
indessen Beweise hierfür zu geben. Während eines
Jahrhunderts wiederholte man das, was er gesagt hatte.
Jetzt sieht Bentham?, der diesen Fragen nach dem
Vaterlande grosse Aufmerksamkeit widmet, die Art und
ihre Varietät als zweifelsohne amerikanisch an; er lässt
nur über das Auftreten in Afrika und Asien als spon-
tane Pflanze Zweifel laut werden.
Irgendein Anzeichen vom hohen Alter des Vorkom-
mens in Asien ist mir unbekannt. Nicht nur ist die
Pflanze nie im wildwachsenden Zustande gefunden wor-
den, man kennt von ihr auch keine Namen in den neuern
Sprachen Indiens noch im Sanskrit.” In den chinesi-
schen Werken wird sie nicht erwähnt. Die Anglo-Indier
nennen sie, wie die gemeine Schminkbohne, French
bean*, ein Beweis, bis zu welchem Punkte die Cultur
neuern Datums ist. |
In Afrika wird sie fast überall zwischen den Wende-
kreisen angebaut. Schweinfurth und Ascherson? führen
sie indessen für Abessinien, Nubien oder Aegypten nicht
auf. Oliver® spricht von vielen Exemplaren aus Guinea
1 Phaseolus bipunctatus, Jacq., inamoenus, Linne, puberulus, Kunth,
saccharatus, Mac-Fadyen u. S. w.
2 Bentham, in: Flora brasil., XV, 181.
3 Roxburgh, Piddington u. s. w. 4 Royle, Ill. Himalaya, S. 190.
5 Aufzählung, S. 257. 6 Oliver, Flora of tropical Africa, S. 192.
dé :
Aconitblätterige Bohne. 435
und dem Innern Afrikas, ohne weiter anzugeben, ob
dieselben von spontanen oder angebauten Pflanzen stam-
men. Würde die Art ursprünglich aus Afrika stammen
oder hätte ihre Einführung dahin in sehr frühen Zeiten
stattgefunden, so wäre auch ihre Verbreitung nach Aegyp-
ten und Indien erfolgt.
Ganz anders treten uns die Thatsachen ın Südamerika
entgegen. Bentham führt spontane Exemplare von der
Region des Amazonenstroms und Centralbrasiliens an.
Sie beziehen sich besonders auf die grossfrüchtige Form
(macrocarpus). Dieselbe Varietät findet sich, nach
Wittmack, in den peruanischen Gräbern von Ancon.!
Hier haben wir es augenscheinlich mit einer brasilia-
nischen Art zu thun, welche die Cultur seit langer Zeit
im tropischen Amerika verbreitet und vielleicht hier
und da naturalisirt hat. Ich möchte mich gern der
Ansicht hinneigen, dass sie durch den Sklavenhandel
nach Guinea eingeführt wurde und von dieser Seite aus
das Innere des Landes und die Küste von Mozambique
erreichte. | |
Phaseolus aconitifotius, Willdenow. — Aconitblätterige
Bohne (fr. Haricot à feuille d’Aconit).
Eine einjährige, in Indien als Futterpflanze angebaute
Art; man kann ihre Samen auch essen, sie werden
aber wenig geschätzt. Der hindustanische Name ist Mout,
bei den Sikhs heisst sie Moth. Sie gleicht der Phaseolus
trilobus, welche der Samen wegen angebaut wird.
Phaseolus aconitifolius ist in Britisch-Indien, von Cey-
lon bis zum Himalaja spontan.?
Das Fehlen eines Sanskritnamens und verschiedener
Namen in den neuern Sprachen Indiens lässt eine wenig
alte Cultur vermuthen.
Phaseolus trilobus, Willdenow. — Dreiblätterige Bohne
(fr. Haricot trilobe).
1 Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenb. v. 19. Dec. 1879.
2 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 299; Aitchison, Catal. of Punjab,
S. 48; Sir J. Hocker, Flora of Brit. India, II, 202.
28*
436 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Eine der am meisten in Indien angebauten Bohnen!,
wenigstens seit einigen Jahren, denn Roxburgh ? hatte
sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur im spontanen
Zustande gesehen. Alle Autoren stimmen in der An-
gabe überein, dass sie am Fusse des Himalaja und bis
nach Ceylon hin wildwachsend auftritt. Sie kommt auch
in Nubien, in Abessinien und am Zambesi vor?, doch
wird nicht gesagt, ob sie dort angebaut oder spon-
tan ist.
Piddington führt einen Namen in Sanskrit und mehrere
in den neuern Sprachen Indiens an, was auf eine Cultur
oder eine Kenntniss der Art seit wenigstens drei Jahr-
tausenden schliessen lässt.
Phaseolus Mungo, Linne. — Mungobohne (fr. Mungo).
Eine in Indien und der Nilregion allgemein angebaute
Art. Die beträchtliche Zahl ihrer Varietäten und das
Vorkommen von drei verschiedenen Namen in den in-
dischen Sprachen der Jetztzeit lassen ein Culturalter
von wenigstens ein bis zweitausend Jahren vermuthen,
einen Sanskritnamen führt man aber nicht an.* In
Afrika ist sie wahrscheinlich von geringem Alter.
Die anglo-indischen Botaniker stimmen darin überein,
dass sie in Indien spontan sei.
Dolichos Lablab, Linne. — Lablab (fr. Lablab).
In Indien und dem tropischen Afrika baut man diese
Art vielfach an. Roxburgh zählt bis sieben Varietäten,
welche indische Namen haben. Piddington führt in seinem
„Index‘ einen Sanskritnamen an, Schimbi, welcher sich
in den neuern Sprachen wiederfindet. Die Cultur hat
somit vielleicht ein Alter von wenigstens 3000 Jahren.
Indessen hat sich die Art vor alters nicht in China und
in Westasien oder Aegypten ausgebreitet, wenigstens
> Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 201. s
2 Roxburgh, Flora indica, III, 299.
3 Schweinfurth, Beitr. z. Flora Aethiopiens, S. 15; Aufzählung, S. 257;
Oliver, Flora- of tropical Africa, 8. 194.
4 Vel. die bei P. trilobus genannten Autoren. - 1
Lablab. Lubia. 437
entdecke ich keine Spur davon. Die geringe Ausdeh-
nung mehrerer dieser essbaren Leguminosen ausserhalb
Indiens während längst vergangener Zeiten ist eine
ziemlich auffallende Thatsache. Es ist möglich, dass die
Cultur dieser Art nicht sehr weit zurückgeht.
Der Lablab ist unstreitig in Indien und selbst angeb-
lich auf Java spontan.! Er hat sich infolge der Cul-
turen auf den Seychellen naturalisirt.? Die Angaben
der Autoren gestatten es nicht, zu sagen, ob er in Afrika
spontan sei.’
Dolichos Lubia, Forskal. — Lubia‘ (fr. Lubia).
Diese nach Forskal und Delile?® unter dem Namen
1 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 209; Junghuhn, Plantae
Junghuhn., fasc. II, 240.
2 Baker, Fl. of Mauritius, S. 83.
3 Oliver, Fl. of tropical Africa, II, 210.
4 „Von Aegypten erhielt ich Samen der unter dem Namen ZLoubich
oder Zubia angebauten Art. Sir Joseph Hooker, dem ich dieselben zu-
schickte, antwortet mir, dass es sich hier um die Catiang (Dolichos Catiang,
L., Vigna Catiang, A. Richard) handle, welche in den tropischen,Regionen
der Alten Welt angebaut wurde, und die ich zu meinem Leidwesen un-
erwähnt gelassen habe. Von Dr. Schweinfurth, dem ich diese Samen
zeigte, wurde mir die angedeutete Identität bestätigt. Die Lubia ist somit
dieselbe Art wie Vigna Catiang, Dolichos sinensis, L., D. tranquebaricus,
Jacq., und andere. Welches ist nun der geographische Ursprung dieser Art?
Roxburgh und Piddington erwähnen keinen Sanskritnamen, sondern
nur zwei neuere hindustanische. Von Dr. Bretschneider wird die Catiang
nicht unter den Arten aufgeführt, auf welche die alten chinesischen Schrift-
steller hingewiesen haben. Einen hebräischen Namen kennt man nicht
von ihr, und die ägyptischen Alterthümer haben keine Spur von ihr auf-
gedeckt. Ihre Cultur scheint somit keine sehr alte zu sein. Roxburgh
"kannte die Art nur im angebauten Zustande. Baker (F1. Brit. Ind., II, 205)
stellt sie «in der tropischen Zone als einheimisch und angebaut» hin, wo-
durch aber ihre spontane Eigenschaft für Indien nicht genügend nachge-
wiesen wird. Die in Malabar einheimische Pflanze, von welcher Rheede
spricht (Bd. VIII), scheint einer andern Art anzugehören. Rumphius (Am-
boina, IX, 384, Taf. 141) gibt den Catiang in Fernate und auf den Mo-
lukken als spontan an. Nach Richard (Fl. d’Abys., I, 219) ist unsere
Pflanze eine Bewohnerin der Hecken und Gebüsche in Abessinien, sodass
man sie fast als wildwachsend ansehen kann. Die Herren Schweinfurth
und Ascherson gehen noch weiter, indem sie dieselbe zu den spontanen
Arten Abessiniens rechnen (Aufzähl., S. 259), nicht einmal hinzufügen,
dass man sie dort anbaue. Oliver endlich (F1. of trop. Africa, II, 204)
verweist auf eine ganze Reihe von im tropischen Afrika gesammelten
Exemplaren, ohne sich über die spontane Eigenschaft weiter auszulassen.
Die Gattung Vigna findet sich in Asien, Afrika und Amerika, Arten finden
sich von ihr aber weit mehr in Afrika als in Asien oder Amerika. So
weit unsere augenblicklichen Kenntnisse reichen, kann das tropische Afrika
als muthmaassliches Vaterland der Catiang hingestellt werden.“ (Vom
Verfasser eingesandte Anmerkung.) h
5 Forskal, Descript., S. 133; Delile, Plant. cult. en Egypte, S. 14.
438 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Lubia, Loubya, Loubye in Aegypten angebaute Art ist
den Botanikern wenig bekannt. Nach Delile findet
sie sich auch in Syrien, Persien und Indien; in den
neuern Werken über diese zwei Länder finde ich aber
nirgends die Bestätigung hierfür. Schweinfurth und
Ascherson! lassen sie freilich als besondere Art gelten,
die in der Nilresion angebaut wird. Niemand hat sie
bisjetzt spontan angetroffen.
Man kennt weder Dolichos noch Phaseolus in den
Denkmälern des alten Aegypten. Wir werden auf an-
dere, volksthümlichen Namen entlehnte Anzeichen stossen,
die ebenfalls zu der Ansicht führen, dass sich diese
Pflanzen nach der Pharaonenzeit in den ägyptischen
Ackerbau eingeführt haben.
Der Name Zubia wird von den Berbern ohne irgend-
welche Abänderung und in Spanien unter der Form
Alubia auf die gemeine Schminkbohne, Phaseolus vul-
garis, bezogen.?
Obgleich sich die beiden Gattungen Dolichos und
Phaseolus sehr gleichen, so kann dies doch als Bei-
spiel dienen, welch geringen Werth volksthümliche Na-
men bei Feststellung der Arten darbieten.
Ich erinnere hier daran, dass Loba einer der Namen
für Phaseolus vulgaris im Hindustani ist, und dass Lobia
in derselben Sprache Dolichos sinensis bedentet.?
Für die Orientalisten würde es sich empfehlen, danach
zu forschen, ob Lubia in den semitischen Sprachen ein
alter Name ıst. Es ıst mir nicht bekannt, dass man
einen ähnlichen Namen im Hebräischen anführt, und es
wäre möglich, dass die Aramäer oder Araber Lubia für
Lobos (koßo<) der Griechen angesehen hätten, was einen
vorspringenden Theil bedeutet, z. B. den Ohrlappen,
eine Frucht wie die der Hülsengewächse, und nach Ga-
1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256.
2 Dietionn. français-berbère, beim Worte haricot; Willkomm et Lange,
Prodr. fl. hisp., III, 324. Die gemeine Schminkbohne hat auf der Spani-
schen Halbinsel nicht weniger als fünf verschiedene Namen.
3 Piddington, Index.
Kriechender Erdbohrer. 439
lenus sich ganz insbesondere auf Phaseolus vulgaris be-
zieht. Lobion (hoftoy) ist bei Dioscorides, wenigstens
nach der Meinung der Commentatoren!, die Frucht von
Phaseolus vulgaris. Im Neugriechischen findet es sich mit
derselben Bedeutung in der Form von Loubion wieder.?
Glycine subterranea, Linne fil. Voandzeia subterranea,
du Petit-Thouars. — Kriechender Erdbohrer (fr. Voandzou).
Die Reisenden, welche zuerst Madagaskar erforschten,
hatten dieses einjährige Hülsengewächs angetroffen,
welches die dortigen Bewohner anbauen, um nach Art der
Erbsen, Bohnen u. s. w. die Frucht oder die Samen zu
essen. Es gleicht der Erdnuss, namentlich insofern, dass
sich der Blumenträger zurücklegt und die junge Frucht
oder Hülse in den Boden eindrückt. Die Cultur dieser
Pflanze ist besonders in den Gärten des tropischen Afrika
und weniger allgemein des südlichen Asien verbreitet.? In
Amerika scheint sie wenig betrieben zu werden“, höch-
stens in Brasilien, wo sie Mandubi d’Angola’ ge-
nannt wird.
Die alten Schriftsteller über Asien sprechen nicht
‚von ihr. Somit muss man ihren Ursprung in Afrika
suchen. Loureiro® hatte sie an der Ostküste dieses
Continents gesehen, du Petit-Thouars auf Madagaskar,
sie sagen aber nicht, ob sie dort spontan war. Die
Verfasser der Flora von Senegambien? haben sie als in
‘Galam angebaut und „wahrscheinlich spontan“ be-
schrieben: Schweinfurth und Ascherson® endlich haben
1 Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, S. 732.
2 Langkavel, Botanik der spätern Griechen, S. 4; Heldreich, Nutz-
pflanzen Griechenlands, S. 72.
3 Sir J. Hooker, Flora of British India, II, 205; Miquel, Flora indo-
batava, I, 175.
4 Linné fil., Decad., Bd. II, Taf. ‘19, scheint die Art mit Arachis ver-
wechselt zu haben, und aus diesem Grunde führt er die Voandzeia viel-
leicht als zu seiner "Zeit in Surinam angebaut an. Die jetzigen Autoren
über Amerika haben sie nicht gesehen oder es unterlassen, von ihr zu
sprechen.
5 Gardener’s Chronicle, 4. September 18380.
6 Loureiro, Flora Cochinchina, II, 523.
7 Guillemin, Perrottet, Richard, Florae Sene gambiae tentamen, S. 254.
8 Aufzählung, S. 259.
440 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
sie an den Ufern des Nils, von Chartum nach Gondo-
koro wildwachsend angetroffen. Trotzdem die Möglich-
keit einer Naturalisation infolge des Anbaues vorliegt,
ist es äusserst wahrscheinlich, dass die Pflanze im inter-
tropischen Afrika spontan sei.
Polygonum Fagopyrum, Linné. Fagopyrum esculen-
tum, Mönch. — Gemeiner Buchweizen, Heidekorn (fr.
Sarrasin ou blé noir).
Die Geschichte dieser Art ist seit einigen Jahren
sehr offen gelegt.
Sie wächst im natürlichen Zustande in der Man-
dschurei, an den Ufern des Amurstromes!, in Daurien
und in der Nähe des Baikalsees.? Sie wird auch in
China und auf den Gebirgen Nordindiens angegeben?,
es ist mir jedoch ungewiss, ob die wildwachsende Eigen-
schaft der Pflanze dort nachgewiesen sei. Roxburgh hatte
sie in Nordindien nur im angebauten Zustande gesehen,
und Dr. Bretschneider * sieht das Indigenat für China
als zweifelhaft an. Der Anbau daselbst ist nicht alt,
denn der erste Autor, welcher von ihr gesprochen hat,
schrieb in der zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert
der christlichen Zeitrechnung liegenden Periode.
Im Himalaja baut man den Buchweizen unter den
Namen Ogal oder Ogla und Kouton an. Da weder für
diese noch für die folgenden Arten Sanskritnamen be-
kannt sind, so ist mir das hohe Alter ihrer Cultur auf
den Gebirgen Centralasiens sehr zweifelhaft. Man weiss
bestimmt, dass die Griechen und Römer die Fagopyrum-
arten nicht kannten. Dieser griechische Name ist von
den Botanikern der Neuzeit zusammengesetzt worden,
weil die Form des Samens mit der Frucht der Buche
(Fagus) Aehnlichkeit zeigt, wie man aus demselben
1 Maximowicz, Primitiae fl. amur., S. 236.
2 Ledebour, Fl. ross., III, 517.
3 Meissner, in: Prodr., XIV, 143.
4 Bretschneider, On study etc., S. 9.
5 Madden, Transactions of Edinb. Bot. Soc., V, 118.
Gemeiner Buchweizen, Heidekorn. 441
‚Grunde im Deutschen Buchweizen! und im Italie-
nischen Faggina sagt.
Die europäischen Sprachen arischen Ursprungs haben
keinen Namen für diese Pflanze, der auf eine gemein-
schaftliche Wurzel hindeutet. Somit kannten die West-
arier die Art ebenso wenig wie die Ostarier der Sanskrit-
sprache, ein neuer Fingerzeig, dass sie ehemals in Cen-
tralasien nicht vorkam. Auch jetzt noch ist sie wahr-
scheinlich in Nordpersien und der Türkei unbekannt,
weil sie in den Floren nicht erwähnt wird.” Bosc hat
in dem landwirthschaftlichen Wörterbuch angeführt, dass
Olivier sie in Persien wildwachsend gesehen hätte, in
dem gedruckten Reisebericht dieses Naturforschers finde
ich aber hierfür keinen Beweis.
Die Art kam im Mittelalter von der Tatarei und
Russland nach Europa. Die erste Erwähnung ihres
Anbaues in Deutschland findet sich in einem mecklen-
burgischen Register vom Jahre 1436.% Im 16. Jahr-
hundert hat sie sich nach Mitteleuropa verbreitet und
hat dort auf armen Ländereien, wie jenen der Bretagne,
einen wichtigen Platz eingenommen. Reynier, der
meistens sehr genau ist, hatte sich vorgestellt, dass der
Name Sarrasin aus dem Keltischen käme*, Le Gall hat
mir aber vor kurzem geschrieben, dass die bretonischen
Namen einfach Korn von schwarzer Farbe (Ed-du) oder
schwarzen Weizen (Gwinis-du) bedeuten. Es gibt keinen
ursprünglichen Namen in den keltischen Sprachen, was
uns jetzt, wo wir den Ursprung der Art kennen, ganz
natürlich erscheint.?
Als sich die Pflanze nach Frankreich und Belgien ein-
führte und man sie selbst ın Italien kannte, d. h. im
16. Jahrhundert, ist der Name Blé sarrasin oder Sarrasin
1 Der englische Name Buckwheat und der französische einiger Gegen-
den Buscail stammen aus dem Deutschen.
2 Boissier, F1. orient.; Buhse und Boissier, Pflanzen Transcaucasiens.
3 Pritzel, Sitzungsber. der naturforschenden Freunde zu Berlin vom
15. Mai 1866. _
4 Reynier, Économie des Celtes, S. 425.
5 In der Géographie bot. raisonnée, S. 953, habe ich die volksthüm-
lichen Namen ausführlicher besprochen.
442 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
meistentheils angenommen worden. Die volksthümlichen
Namen sind bisweilen so lächerlich, in so oberflächlicher
Weise gegeben worden, dass man in dem vorliegenden
Falle nicht wissen kann, ob der Name von der Farbe
des Samens abstammt, welche die den Sarazenen zuge-
schriebene war, oder von der Einführung, die vielleicht
von den Arabern oder Mauren ausgegangen war. Man
wusste damals noch nicht, dass die Art ın den Ländern
südlich vom Mittelmeere, selbst nicht einmal in Syrien
und Persien, gar nicht bekannt ist. Möglich ist es, dass
man die Ansicht von einem südlichen Ursprunge wegen
des Namens Sarrasin, der durch die Farbe begründet
war, angenommen hat. Jedenfalls ist der südliche Ur-
sprung bis Ende des verflossenen Jahrhunderts und
selbst noch im gegenwärtigen nicht beanstandet worden.!
Reynier hat ihn vor mehr als 50 Jahren zuerst be-
kämpft.
Der Buchweizen entspringt zuweilen den Culturen
und wird fast spontan. Dies tritt uns um so häufiger
entgegen, je mehr man sich seinem Heimatlande nähert,
und die Folge davon ist, dass es an den Grenzen Eu-
ropas und Asiens, ım Himalaja oder in China schwer
fallen dürfte, seine Grenze als spontane Pflanze festzu-
stellen. In Japan sind diese Halbnaturalisationen nicht
selten.?
Polygonum tataricum, Linne. Fagopyrum tataricum,
Gärtner. — Tatarischer Buchweizen (fr. Sarrasin ou
ble noir de Tartarie).
Weniger empfindlich gegen Kälte als der gemeine
Buchweizen, aber ein mittelmässiges Korn liefernd, baut
man ihn zuweilen in Europa und Asien, z. B. im Hi-
malaja an.” Es ist eine wenig alte Cultur. Die Schrift-
steller des 16. und 17. Jahrhunderts haben die Pflanze
nicht erwähnt, Linné ist einer der ersten, welcher von
1 Nemnich, Polygl.-Lexicon, S. 1030; Bosc, Diet. d’agricult., XI, 379.
2 Franchet et ra Enum. plant. Japoniae, I, 403.
Royle, Ill. Himal., S. 317.
cs
Tatarischer und ausgerandeter Buchweizen. 443
ıhr als einer tatarischen Pflanze gesprochen hat. Zu
Anfang des jetzigen Jahrhunderts hatten Roxburgh- und
Hamilton sie in Nordindien nicht gesehen, und in China
und Japan finde ich sie auch nicht angegeben.
In der Tatarei und in Sibirien bis nach Daurien ist
ihre Spontaneität keinem Zweifel unterworfen!; mehr
nach Osten hin, z. B. in der Amurregion, haben die
russischen Botaniker die Art nicht gefunden.”
Da diese Pflanze von der Tatarei nach Osteuropa
gelangte, und zwar nach dem gewöhnlichen Buchweizen,
so heisst letzterer in mehreren slawischen Sprachen
Tatrika, Tatarka oder Tattar, welcher Name in Anbe-
tracht des Ursprungs besser auf den tatarischen Buch-
weizen passen würde.
Die arischen Völker mussten anscheinend diese Art
sekannt haben, indessen findet man in den indo-euro-
päischen Sprachen keinen Namen für sie. Bisjetzt ist
noch keine Spur von ihr in den Ueberresten der schweizer
oder savoyischen Pfahlbauten entdeckt worden.
Polygonum emarginatum, Roth. Fagopyrum emargi-
natum, Meissner. — Ausgerandeter Buchweizen (fr.
Sarrasin émarginé).
Diese dritte Art von Buchweizen wird in den hoch-
gelegenen und östlichen Theilen Nordindiens unter dem
Namen Phaphra oder Phaphar?, sowie in China* an-
gebaut.
Mir liegt kein bestimmter Beweis vor, dass man sie
wildwachsend gefunden habe. Roth sagt nur, dass sie
„China bewohne‘ und dass ihre Samen als Nahrung
Verwendung finden. Don?’ war der erste, welcher von
‚ihr gesprochen hat, und er berichtet, dass man sie kaum
als spontan ansähe. Sie wird weder in den Werken
1 Gmelin, Flora sibirica, III, 64; Ledebour, Flora rossica, III, 516.
2 Maximowicz, Primitiae; Regel, Opit flori etc.; Schmidt, Reisen im
Amur-Lande, sprechen nicht von ihr.
3 Royle, Ill. Himal., S. 317; Madden, Trans. Bot. Soc. Edinb., V, 118
4 Roth, Catalecta botanica, I, 48. 5 Don, Prodr. fl. nepal., S. 74.
444 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
über die Amurregion noch in Japan angegeben. Nach,
dem Lande, wo sie angebaut wird, zu schliessen, dürfte
es wahrscheinlich sein, dass sie im östlichen Himalaja
und dem nordwestlichen China wildwachsend auftritt.
Die Gattung Fagopyrum hat acht Arten, welche alle
dem gemässigten Asien angehören.
Chenopodium Quinoa, Willdenow. — Quinoa (fr. Quinoa).
In Neugranada, Peru und Chile bildete die Quinoapflanze
zur Zeit der Eroberung eine der Grundlagen der Er-
nährung für die Bewohner der hochgelegenen und ge-
mässigten Gegenden jener Länder. Aus Gewohnheit
und auch der Ergiebigkeit wegen hat man diese Cultur
dort fortgesetzt.
Zu allen Zeiten hat man die Quinoapflanze mit bunter
Belaubung und jene mit grünen Blättern und weissen Sa-
men unterschieden. Letztere wurde von Moquin? als
Varietät einer Art angesehen, die nicht gut bekannt und
wahrscheinlich asiatischen Ursprungs sei; ich glaube
aber deutlich genug nachgewiesen zu haben, dass die
beiden Quinoapflanzen Amerikas wahrscheinlich sehr alte
Rassen ein und derselben Art sind.” Man kann vermuthen,
dass die weniger gefärbte, welche zugleich die mehl-
haltigste ist, von der andern ihren Ursprung ableitet.
Nach den im „Botanical Magazine“ enthaltenen Be-
richten liefert die weisse Quinoapflanze einen in Lima
sehr geschätzten Samen; in demselben Werke findet sich
auch eine gute Abbildung von ihr (Taf. 3641). Die
Blätter geben ein dem Spinat ähnliches Gemüse.*?
Von keinem Botaniker wird die Quinoapflanze in
einem spontanen oder fast spontanen Zustande erwähnt.
Das neueste und vollständigste Werk über eines der
Länder, in welchen man die Art anbaut, die Flora
Chiles von Cl. Gay, spricht nur von ihr als einer an-
1 Molina, Hist. nat. du Chili, S. 101.
2 Moquin, in: Prodromus, XIII, 1, 67.
3 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 952.
4 Bon Jardinier, 1880, S. 562.
Quinoa. Mehlreicher Fuchsschwanz. 445
gebauten Pflanze. Der Pater Feuillee und Humboldt
haben sich in Bezug auf Peru und Neugranada in ähn-
licher Weise ausgesprochen. Vielleicht haben die Sammler,
weil das Aeussere der Pflanze wenig ins Auge fällt und
sie mit einem Gartenunkraut viele Aehnlichkeit besitzt,
es versäumt, wildwachsende Exemplare davon mitzu-
bringen. Indessen versichert mir Philippi (Brief vom
15. August 1882), „dass die Art in Chile, von Acon-
cagua bis nach Chiloe wildwachsend ist“.!
Amarantus frumentaceus, Roxburgh. — Mehlreicher
- Fuchsschwanz (fr. Kiery).
Eine einjährige Pflanze, deren kleine, mehlreiche Sa-
men, wegen welcher sie auf der Indischen Halbinsel ange-
baut wird, in einigen Gegenden die Hauptnahrung der
Einwohner ausmachen.” Die mit dieser Art bepflanzten
Felder bieten wegen der rothen oder goldigen Färbung
der Blätter eine schöne Zierde für die Landschaft.
Nach dem, was Roxburgh berichtet, hatte Dr. Bucha-
nan die Pflanze „auf den Hügeln von Mysore und Coim-
batore‘ entdeckt, was einen wildwachsenden Zustand
anzudeuten scheint.
Die in den Gärten angebaute und im „Botanical Ma-
gazine“, Taf. 2227, abgebildete Amarantus speciosus
scheint dieselbe Art zu sein. Hamilton fand sie in
Nepal.
- An den Abhängen des Himalaja wird eine Varietät
oder verwandte Art, Amarantus Anardana, Wallich *,
angebaut, die von den Botanikern bisjetzt schlecht be-
stimmt worden ist.
Andere Arten werden als Gemüse benutzt. Siehe
oben S. 125, Amarantus gangeticus.
1 Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.
2 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 609; Wight, Icones, Fig. 720;
Aitchison, Punjab, S. 130.
. 3 Madden, Trans. of the Edinb. Bot. Soc., V, 118.
4 Don, Prodr. fl. nepal., S. 76.
5 Wallich, List, Nr. 6903; Moquin, in: D.C. Prodr., XIII, 11, 256.
446 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Castanea vulgaris, Lamarck. — Echte Kastanie, Ma-
ronenbaum (fr. Chätaignier).
Die echte Kastanie aus der Familie der Cupuliferen
hat einen ziemlich ausgedehnten, aber getrennten na-
türlichen Wohnsitz. Sie bildet Wälder oder Holzungen
in den gebirgigen Ländern der gemässigten Zone, vom
Kaspisee bis nach Portugal. Man hat sie auch auf den
Gebirgen von Edough in Algerien und neuerdings an
den Grenzen von Tunis (Brief des Herrn Letourneux)
gefunden. Berücksichtigt man die Varietäten Japonica
und Americana, so findet sie sich auch in Japan und
in dem gemässigten Theile von Nordamerika. In meh-
rern Gegenden Süd- und Westeuropas hat man sie ge-
säet und gepflanzt, sodass es schwer hält, zu wissen,
ob sie dort spontan oder angebaut ist. Die Haupt-
cultur besteht indessen darin, gute Varietäten auf
Bäume geringerer Qualität zu pfropfen. Zu diesem
Zwecke sucht man besonders die Varietät, welche die
Maronen liefert, d. h. Früchte, die nur einen, ziemlich
grossen Samen enthalten und nicht zwei oder drei kleine,
durch Häute getrennte, wie dies bei der Art im wild-
wachsenden Zustande vorkommt.
Die Römer unterschieden zu Plinius’ Zeiten? ur
acht Varietäten, es lässt sich aber aus dem Original
dieses Autors nicht ersehen, ob sie den Maronenbaum
besassen. Die besten Kastanien kamen von Sardes (Klein-
asien) und dem neapolitanischen Gebiete. Olivier de
Serres® (im 16. Jahrhundert) lobt die Kastanien Sar-
donne und Tuscanes, welche die sogenannten Maronen
von Lyon gaben.* Er hält dafür, dass diese Varietäten
von Italien kommen, und von Targioni? erfahren wir,
1 Für weitere Einzelheiten vgl. meinen Aufsatz im Prodromus, XVI,
11, 114, und Boissier, Fl. orient., IV, 1175.
2 Plinius, Hist. nat., 1. 19, c. 23.
3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 114.
4 Jetzt kommen die lyoner Maronen besonders aus der Dauphiné und
dem Vivarais. Auch im Departement Var und bei Luc (Gasparin, Traité
d’agricult., IV, 744) werden welche geerntet.
5 Targioni, Cenni storici, S. 180.
Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 447
dass der Name marrone oder marone schon im Mittel-
alter (1170) in diesem Lande gebräuchlich war.
Weizen oder verwandte Formen und Arten.
Die unzähligen Rassen des eigentlichen Weizens,
dessen Samen sich bei der Reife von selbst aus ihrer
Umhüllung lösen, sind von Vilmorin! in vier Gruppen
eingetheilt worden, welche je nach den Autoren be-
stimmte Arten oder Abänderungen des gemeinen Wei-
zens ausmachen. Zum Studium ihrer Geschichte muss
ich sie hier unterscheiden, doch werden wir sehen, dass
gerade ihre Geschichte die Ansicht von einer einzigen
Art unterstützt.?
I. Triticum vulgare, Villars. Triticum hybernum und
Tr. aestivum, Linne. — Gemeiner Weizen, Winter- und
Sommerweizen (fr. Froment ordinaire).
Nach den von Abbe Rozier und später von Tessier
gemachten Versuchen ist die Unterscheidung von Winter-
und Sommerweizen von keiner Bedeutung. „Aller Wei-
zen“, sagt dieser letztere? der beiden landwirthschaft-
lichen Schriftsteller, ‚‚ist entweder Winter- oder Som-
mersorte. Mit der Zeit gehen sie alle, wie ich mich
vergewissert habe, in den Zustand des Winter- oder
Sommerweizens über. Es handelt sich nur darum, sie
nach und nach daran zu gewöhnen, indem man all-
mählich den Winterweizen (bles d’automne) später, den
Sommerweizen (blés de Mars) früher aussäet, als es
geschieht.“ Thatsache ist es, dass unter der unge-
heueren Anzahl von angebauten Weizenrassen einige
von der Winterkälte mehr zu leiden haben als andere,
und daraus ist der Brauch entstanden, sie ım Früh-
jahr auszusäen.* In Bezug auf die Frage nach dem
1 L. Vilmorin, Essai d’un catalogue méthodique et _synonymique des
froments (Paris 1850).
2 Die besten Abbildungen dieser Hauptformen vom Weizen finden
sich in: Metzger, Europäische Cerealien (Heidelberg 1824), und in: Host,
Gramineae, Bd. III.
3 Tessier, Diet. d’agricult., VI, 198.
4 Loiseleur-Deslongchamps, Considérations sur les céréales, 8 . 219.
448 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Vaterlande brauchen wir uns kaum mit diesen Unter-
scheidungen zu befassen, um so weniger als die meisten
der erzielten Rassen auf sehr fernliegende Zeiten zu-
rückgehen.
Die Weizencultur kann in der Alten Welt als prä-
historisch hingestellt werden. Sehr alte Denkmäler
Aegyptens, die aus einer frühern Zeit stammen als die
Invasion der Hyksos, sowie die hebräischen Bücher
weisen auf diese Cultur als eine schon begründete hin,
und wenn die Aegypter oder die Griechen von ihrem
Ursprunge gesprochen haben, so schrieben sie dieselbe
mythischen Personen wie Isis, Ceres und Triptolemos
zu.! In Europa bauten schon die Bewohner der ältesten
Pfahlbauten in der westlichen Schweiz eine kleinkörnige
Weizenart an, welche von Heer? als Triticum vulgare
antiquorum sehr sorgfältig beschrieben und abgebildet
worden ist. Nach einer Zusammenstellung verschiedener
Thatsachen waren die ersten Pfahlbauten von Roben-
hausen mehr oder minder mit dem Trojanischen Krieg
gleichalterig, vielleicht auch noch älter. Die Cultur
ihres Weizens hat sich nach den in Buchs gefundenen
Proben bis zur Eroberung durch die Römer in der
Schweiz erhalten. Regazzoni hat diese Weizenart eben-
falls in den Ueberresten der Pfahlbauten von Varese,
und Sordelli in jenen von Lagozza in der Lombardei
entdeckt.? Unger hat dieselbe Form in einem Ziegel-
stein der Pyramide von Dashur in Aegypten aufge-
funden, welche nach ihm aus dem Jahre 3359 v. Chr.
stammt (Unger, Bot. Streifzüge, VII; Ein Ziegel u. s. w.,
S. 9). Eine andere Varietät ( Tretieum vulgare - com-
pactum muticum, Heer) war zu Beginn des Steinalters
1 Diese gelehrten Gegenstände sind in einer sehr wissenschaftlichen
und sachgemässen Weise von vier Schriftstellern behandelt worden: Link,
Ueber die ältere Geschichte der Getreidearten, in: Abhandl, der berliner
Akademie, 1816, XVII, 122; 1826, S. 67, und in: Die Urwelt und das
Alterthum, 2. Aufl. (Berlin 1834), S. 399; Reynier, Economie des Celtes et
des Germains (1818), S. 417; Dureau de 1a Malle, Ann. des sc. nat., Bd. IX
(1826); und Loiseleur-Deslongchamps, Considérat. sur les céréales (1342),
1052: x
’"2 0. Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 13, Taf. I, Fig. 14-18.
3 Sordelli, Sulle piante della torbiera di Lagozza, 8. 31.
Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 449
in der Schweiz weniger gewöhnlich, man hat sie aber
häufiger in den nicht so alten Pfahlbauten der West-
schweiz und Italiens angetroffen. Schliesslich wurde
noch eine dritte, eine Zwischenvarietät in Agotelek in
Ungarn gefunden, die zur Zeit des Steinalters angebaut
wurde.” Keine von ihnen stimmt mit dem jetzt ange-
bauten Weizen überein. Man hat sie durch bessere
Formen ersetzt.
Für die Chinesen war der Weizen, den sie 2700 Jahre
vor unserer Zeitrechnung anbauten, eine Gabe des Him-
mels.” Bei der alljährlich wiederkehrenden, vom Kaiser
Schen-nung oder Schin-nong angeordneten Feierlichkeit,
fünf Samenarten auszusäen, bildet der Weizen eine
dieser Arten, die vier andern sind der Reis, die Hirse,
die Setaria italica und die Sojabohne.
Da verschiedene Namen für den Weizen in den älte-
sten Sprachen vorkommen, müssen wir ein sehr hohes
Alterthum für den Anbau annehmen. Es gibt Namen
im Chinesischen, Mai, Sanskrit, Sumana und Gödhitma,
Hebräischen, Chittah, Aegyptischen, Br, in der Sprache
der Guanchen, Yrichen, abgesehen von mehreren aus dem
ursprünglichen Sanskrit abgeleiteten Namen, oder von
einem baskischen Namen, Ogaia oder Okhaya, der viel-
leicht auf die Iberer zurückzuführen ist*, oder von meh-
reren finnischen, tatarischen, türkischen u. s. w.°, welche
wahrscheinlich von turanischen Namen abstammen. Diese
ausserordentliche Verschiedenheit würde sich durch
einen weiten Wohnsitz erklären lassen, wenn es sich
um eine sehr gemeine wildwachsende Pflanze handelte,
der Weizen befindet sich aber unter ganz entgegenge-
1 Heer, a. a. O.; Sordelli, a. a. O.
2 Nyary, von Sordelli angeführt, a. a. O.
3 Bretschneider, Study and value of Chinese bot. works, S. 7 u. 8.
4 Bretschneider, On study ete.; Ad. Pictet, Les origines indo-euro-
péennes, 2. Aufl., I, 328; Rosenmüller, Biblische Naturgeschichte, I, 77;
Pickering, Chronol. arrangement, S. 78; Webb et Berthelot, Canaries, part.
Ethnographie, S. 187; d’Abadie, Notes mss. sur les noms basques; de Cha-
rencey, Recherches sur les noms basques, in: Actes Soc. philolog.,
1. März 1869.
5 Nemnich, Polygl.-Lexicon, S. 1492.
DE CANDOLLE. 29
450 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
setzten Bedingungen. Nur mit Mühe lässt sich sem
Auftreten als wildwachsende Pflanze an einigen Punkten
von Westasien nachweisen, wie wir gleich sehen wer-
den. Wenn er, bevor man ıhn der Cultur unterwarf,
sehr verbreitet gewesen wäre, würden Abkömmlinge von
ihm hier und da in entfernten Ländern übriggeblieben
sen. Die vielfachen Namen ın den alten Sprachen
müssen somit eher aus dem äusserst hohen Cultur-
alter in den gemässigten Regionen Asiens, Europas
und Afrikas zu erklären sein, ein Alter, das weiter zu-
rückgeht als die Sprachen, welche als die ältesten an-
gesehen werden.
Welches war vor dem Beginn ihres Anbaues das
Vaterland der Art in der unermesslichen Zone, die
sich von China nach den Canaren erstreckt? - Man
kann diese Frage auf zwei Wegen beantworten: 1) in-
dem man die Meinung der Schriftsteller des Alterthums
hört, 2) indem man das mehr oder minder erwiesene
Vorkommen des Weizens im wildwachsenden Zustande
in diesem oder jenem Lande nachweist.
Nach dem ältesten aller Geschichtschreiber, Berosus,
einem chaldäischen Priester, von dem Herodot Bruch-
stücke erhalten hat, sah man in Mesopotamien zwischen
dem Euphrat und Tigris den wildwachsenden Weizen
(Frumentum agreste).‘ Die Bibelverse über den Reich-
thum an Weizen in dem Lande Kanaan, Aegypten u. s. w.
beweisen weiter nichts, als dass man den Weizen an-
baute und dieser sehr ergiebig war. Strabo?, geb. um 60
v. Chr., berichtet, dass Aristobulus zufolge in dem
Lande der Musicani (an den Ufern des Indus beim
25. Breitengrade) ein Korn im spontanen Zustande wüchse,
welches dem Weizen sehr ähnlich wäre. Er sagt auch’,
dass in Hirkanien (dem jetzigen Masanderan) der aus
den Aehren fallende Weizen sich von selbst aussäete.
Dies lässt sich heutzutage mehr oder weniger überall wahr-
1 G. Syncelli, Chronogr., 1652, S. 28.
2 Strabo (1707), II, 1017. 3 Ebend., I, 124, und II, 776.
is an
Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 451
‚nehmen, und der Verfasser vergisst den wichtigen Punkt
festzustellen, ob sich diese zufälligen Aussaaten an Ort
und Stelle von Generation zu Generation weiter fort-
pflanzten. Nach der Odyssee! wuchs der Weizen in
Sicilien ohne Hülfe des Menschen. Was kann das Wort
eines Dichters bedeuten und noch dazu eines solchen,
dessen Dasein bestritten worden ist? Diodorus von
Sicilien sagt zu Anfang der christlichen Zeitrechnung
dasselbe, und man kann ihm mehr Vertrauen schenken,
weil er ein geborener Sicilianer war. Er kann sich in-
dessen über die spontane Eigenschaft leicht geirrt haben,
da der Weizen damals in Sicilien ganz allgemein an-
gebaut war. Eine andere Stelle in Diodorus? erwähnt
die Ueberlieferung, dass Osiris von ungefähr auch unter
andern Pflanzen wachsenden Weizen und Gerste ın Nisa
antraf, und Dureau de La Malle hat nachgewiesen, dass
diese Stadt in Palästina lag. Von allen diesen Zeugen-
aussagen scheinen mir diejenigen von Berosus und Strabo
für Mesopotamien und Ostindien die einzigen zu sein,
welche einigen Werth besitzen.
Die fünf Samenarten der vom Kaiser Schin-nong ein-
gesetzten Feierlichkeit werden von den chinesischen Ge-
lehrten als in ihrem Lande einheimisch betrachtet?, und
Dr. Bretschneider fügt hinzu, dass die Beziehungen
Chinas mit -Westasien erst seit der Gesandtschaft von
Schang-kien im 2. Jahrhundert v. Chr. datiren. Es be-
darf jedoch einer bestimmtern Aussage, um den Weizen
in China für einheimisch zu halten, denn es ist immer-
hin möglich, dass eine Pflanze, welche in Westasien
2000 oder 3000 Jahre vor dem Kaiser Schin-nong an-
gebaut wurde, und deren Samen so leicht fortzuschaffen
sind, sich nach dem Norden Chinas durch vereinzelte
und unbekannte Reisende in derselben Weise einführen
liess, wie die Aprikosen- und Pfirsichkerne zu prä-
1 Odyssee, 1. 9, v. 109.
2 Diodor, französ. Uebersetzung von Terasson, II, 186, 190.
3 Bretschneider, a. a. O., S. 15.
29%
452 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
historischen Zeiten wahrscheinlich von China nach Per-
sien gelangt sind.
Es ist von den Botanikern nachgewiesen worden, dass
der wildwachsende Weizen gegenwärtig in Sieilien nicht
vorkommt.! Zuweilen entspringt er den Culturen, man
hat ihn aber nicht ins Unendliche fortdauern gesehen.?
Die Pflanze, welche von den Bewohnern wildwachsender
Weizen (Frumentu sarvaggiu) genannt wird, und die
unbebaute Strecken Landes überzieht, ist nach der Aus-
sage von Inzenga der Aegilops ovata.?
Ein eifriger Sammler, Balansa, glaubte den Weizen
auf dem Berge Sipylus in Kleinasien unter Umständen
gefunden zu haben, welche keinen Zweifel über seine
spontane Beschaffenheit zuliessen‘; die von ihm mitge-
brachte Pflanze ist aber nach einem sehr genauen Bo-
taniker, welcher sie untersucht hat’, ein Einkorn, das
Tritieum monococcum. Vor ıhm fand Olivier®, als er
sich am rechten Ufer des Euphrat, im Nordwesten von
Anah, einem für den Anbau ungeeigneten Lande be-
fand, „den Weizen, die Gerste und das Einkorn in
einer Art von Schlucht, und“, fügt er hinzu, „wir hatten
dieselben schon mehreremal in Mesopotamien gesehen“.
Linne zufolge’ hatte Heintzelmann den Weizen im
Lande der Baschkiren gefunden, doch hat niemand diese
Aussage bestätigt, und von keinem Botaniker der Neu-
zeit ist die Art wirklich spontan um den Kaukasus
herum oder in Nordpersien angetroffen worden. Bunge®,
dessen besondere Aufmerksamkeit auf diesen Punkt ge-
richtet war, erklärt, dass er kein Anzeichen gefunden
habe, welches zu dem Glauben berechtige, dass die
Cerealien in diesen Ländern einheimisch seien. Es
1 Parlatore, Fl. ital., I, 46 u. 508. Seine Aussage verdient um so mehr
Berücksichtigung, weil er Sicilianer war.
2 Strobl, in: Flora, 1830, S. 348.
3 Inzenga, Annal. agricult. sicil.
4 Bull. de la Soc. bot. de France, 1854, S. 108.
5 J. Gay, Bull. de la Soc. bot. de France, 1860, S. 50.
6 Olivier, Voy. dans l’Empire othoman (1307), III, 460.
7 Linné, Species plant., 2. Aufl., I, 127.
3 Bunge, Bull. de la Soc. bot. France, 1860, S. 29.
Englischer Weizen, Glockenweizen. 4553
scheint nicht einmal, als ob der Weizen eine Neigung
hätte, in diesen Regionen ausserhalb des Culturbereichs
zufällig aufzugehen. Für Nordindien, China oder die
Mongolei habe ich keine Erwähnung von Spontaneität
entdecken können.
Es bleibt schliesslich bemerkenswerth, dass zwei Aus-
sagen über das Indigenat in Mesopotamien in einem
Zwischenraume von 23 Jahrhunderten gemacht worden
sind, die eine vor alters von Berosus und die andere
in der Jetztzeit von Olivier. Die Region des Euphrat
befand sich ungefähr in der Mitte der Culturzone, welche
sich ehemals von China nach den Canarischen Inseln
erstreckte, und es wird somit äusserst wahrscheinlich,
dass sie der Hauptpunkt des Wohnsitzes in sehr alten
prähistorischen Zeiten gewesen ist. Vielleicht dehnte
sich dieser Wohnsitz in Anbetracht des ähnlichen Kli-
mas nach Syrien aus; aber im Osten und Westen von
Westasien ist der Weizen wahrscheinlich nie anders als
im angebauten Zustande gewesen, d. h. in einer jeglicher
bekannten Civilisation vorhergehenden Zeit.
I. Triticum turgidum et Tr. compositum, Linne. —
Englischer Weizen, Glockenweizen (fr. Gros blé, Peta-
nielle ou Poulard).
Unter den sehr zahlreichen volksthümlichen Namen
für die Formen dieser Gruppe bemerkt man den Namen .
:Aegyptischer Weizen, und es scheint, dass man ihn
augenblicklich viel in jenem Lande und in der ganzen
Nilregion anbaut. A. P. de Candolle! berichtet, diesen
Weizen unter den Sämereien erkannt zu haben, die
alten Mumiensärgen entnommen waren, doch hatte er
die Aehren nicht gesehen. Unger? ist der Meinung,
dass derselbe von den alten Aegyptern angebaut wurde,
gibt indessen hierfür keinen auf Zeichnungen oder auf
gefundenen Proben gegründeten Beweis. Es erscheint
1 De Candolle, Physiol. bot., II, S. 696.
2 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 31.
454 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
mir die Thatsache bezeichnend, dass man dieser Art
keinen hebräischen oder aramäischen Namen! hat zu-
schreiben können. Sie zeigt wenigstens, dass die so
erstaunlichen Formen mit verzweigten Aehren, gemeinig-
lich Wunderweizen (blé de miracle, blé d’abondance)
genannt, in den alten Zeiten noch nicht vorkamen, denn
sonst würden die Israeliten sie sicher gekannt haben.
Man kennt auch keinen Sanskritnamen, nicht einmal
neuere indische Namen, und einen persischen Namen
entdecke ich ebenso wenig. Die arabischen Namen,
welche Delile? auf die Art bezieht, müssen vielleicht
andern Weizenformen zugeschrieben werden. Ein ber-
berischer Name ist nicht vorhanden.? Aus allem scheint
mir schliesslich hervorzugehen, dass die unter dem Na-
men Triticum turgidum vereinigten Pflanzen, und be-
sonders ihre Varietäten mit verzweigten Aehren, weder
in Nordafrika noch in Westasien ein hohes Alter auf-
weisen.
In seiner so sorgfältigen Arbeit über die Pflanzen
der Pfahlbauten in der Schweiz während des Steinalters
schreibt Oswald Heer? zwei nicht verzweigte Aehren,
die eine bebartet, die andere fast bartlos, von welchen
er Abbildungen veröffentlicht hat, dem Tr. turgidum
zu. Später hat Messicommer bei einer Erforschung der
Palafitten von Robenhausen sie nicht gefunden, obgleich
eine Menge von Getreidekörnern angetroffen wurden.’
Ströbel und Pigorini berichten, „den Weizen «a grano
grosso duro“ (Tr. turgidum) in den Parmesanischen
Pfahlbauten gefunden zu haben. Uebrigens sieht Heer’
diese Form als eine Rasse des gemeinen Weizens an,
und Sordelli scheint sich derselben Ansicht zuzuneigen.
Fraas vermuthet, dass mit dem Krithanias des Theo-
1 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte; Löw, Aramäische Pflanzen-
namen (1881).
2 Delile, Plantes cult. en Egypte, S. 3; Florae Aegypt. illustr., S. 5.
Diet. français-berbère, publié par le gouvernement.
Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. 4; S. 52, Fig. 20.
Messicommer, in: Flora, 1869, S. 320.
Angeführt nach Sordelli, Notizie sull. Lagozza, S. 32.
Heer, a. a. 0%, S: 50.
1 © GR 0
intitulé
Bartweizen. 455
phrast das Triticum turgidum gemeint war, dies ist aber
völlig unsicher. Nach Heldreich! ist die Einführung
des Gros blé in Griechenland neuern Datums. Plinius?
hat kurz von einem Weizen mit verzweigten Aehren
gesprochen, die 100 Körner enthielten, und dies wird
wahrscheinlich unser Wunderweizen gewesen sein.
Somit stimmen die historischen und linguistischen
Schriftstücke darin überein, die Formen des Triticum
turgidum als in den Culturen erzielte Abänderungen
des gemeinen Weizens anzusehen. Die Form mit ver-
zweigten Aehren geht vielleicht nicht viel weiter zurück
als bis auf die Zeiten des Plinius.
Diese Schlussfolgerungen würden in nichts zerfallen,
wenn man Triticum turgidum im wildwachsenden Zu-
stande entdeckte, was aber bisjetzt noch nicht in einer
allem Zweifel überhobenen Weise der Fall gewesen ist.
Was auch immer C. Koch? behauptet, niemand wird
die Thatsache einräumen, dass Tr. turgidum bei Kon-
stantinopel und in Kleinasien ausserhalb des Cultur-
bereichs wachse. Das an Pflanzen des Orients so reiche
Herbar von Boissier. besitzt diese Pflanze nicht. Für
Aegypten wird sie von Schweinfurth und Ascherson als
spontan angegeben, dies geschah aber infolge eines
typographischen Irrthums.#
I. Triticum durum, Desfontaines. — Bartweizen
(fr. Blé dur).
Seit langer Zeit in der Berberei, in der Südschweiz
und zuweilen noch anderswo angebaut, ist diese Weizen-
art nie im wildwachsenden Zustande gefunden worden.
In den verschiedenen Provinzen Spaniens kennt man
nicht weniger als 15 Namen dafür’, keiner derselben
ist dem arabischen Namen Quemah entlehnt, welcher
1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 5.
25Plmins, Hist., 1: 18, c. 10.
3 Koch, Linnaea, XXI, 427.
4 Brief von Dr. Ascherson, 1831.
5 Handschriftliches Verzeichniss volksthümlicher Namen.
456 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
in Algerien! und in Aegypten? der gebräuchlichste ist.
Sehr befremdend ist das Fehlen von Namen in meh-
reren andern Ländern und besonders von ursprüng-
lichen Namen. Dies spricht ferner zu Gunsten einer
Abstammung von dem gemeinen Weizen, die zu einer
unbekannt gebliebenen Zeitperiode, vielleicht seit der
christlichen Zeitrechnung, in Spanien und Nordafrika
eintrat.
IV. Triticum polonicum, Linne. — Polnischer Weizen
(fr. Blé de Pologne).
Auch diese Art von Bartweizen mit noch längern
Körnern, welche besonders in Osteuropa angebaut wird,
ist nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden.
Im Deutschen gibt es einen Originalnamen, Ganer,
Gommer, Gümmer?, in andern Sprachen aber nur
solche Namen, welche sich auf Leute oder Länder be-
ziehen, von welchen man die Samen bezogen hatte.
Man kann nicht daran zweıfeln, dass wir es hier mit
einer Form zu thun haben, die ın den Culturen, wahr-
scheinlich in Osteuropa zu einer unbekannten, vielleicht
ziemlich neuern Zeit erzielt wurde.
Schlussfolgerungen über die specifische Ein-
heit dieser Hauptrassen.
Wir haben soeben darauf hingewiesen, dass die Ge-
schichte und die volksthümlichen Namen der grossen
Weizenrassen zu Gunsten einer mit dem Menschen gleich-
zeitigen, wahrscheinlich nicht sehr alten Abstammung
von der Form des gemeinen Weizens sprechen, vielleicht
des kleinkörnigen Weizens, welcher einst von den Aegyp-
tern und den Bewohnern der schweizer und italienischen
Pfahlbauten angebaut wurde. Alefeld? gelangte zu der
1 Debeaux, Catal. des plantes de Boghar, S. 110.
2 Nach Delile, a. a. O., heisst der Weizen QamAh, und ein horniger,
rother Weizen Qamh-ahmar.
3 Nemnich, Lexicon, S. 1488.
4 Alefeld, Botanische Zeitung, 1865, S. 9.
Ueber den angeblichen Mumienweizen. 457
Ansicht von der specifischen Einheit des Triticum vul-
gare, turgidum und durum vermittelst eines sorgfältigen
Studiums ihrer unter gleichen Bedingungen angebauten
Formen. Die Versuche von Henri Vilmorin! über die
künstlichen Befruchtungen dieser Weizenarten führen zu
demselben Ergebniss. Obgleich Vilmorin noch nicht
die Erzeugnisse von mehreren Generationen gesehen
hat, hat er sich doch vergewissert, dass die verschieden-
artigsten Hauptformen sich leicht kreuzen und keim-
fähige Samen erzeugen. Wenn die Befruchtung als
Maasstab des engen Verwandtschaftsgrades angesehen
wird, welcher die Zusammenstellung von Individuen in
eine einzige Art rechtfertigt, so darf man in diesem
vorliegenden Falle keine weitern Bedenken hegen, zu-
mal die historischen Erwägungen, von welchen ich ge-
sprochen habe, dies weiter begründen.
Ueber den angeblichen Mumienweizen.
Bevor ich diesen Abschnitt beendige, halte ich die
Bemerkung für passend, dass es noch nie gelungen
ist, irgendeinen aus einem Sarge des alten Aegyptens
entnommenen und von Gärtnern sorgfältig ausgesäeten
Samen zum Keimen zu bringen. Nicht als ob dies
zu den Unmöglichkeiten gehörte, denn die Samen halten
sich um so viel besser, je mehr sie gegen den Zutritt
von Luft und Temperatur- oder Feuchtigkeitsverände-
rungen geschützt sind, und es bieten die ägyptischen
Denkmäler sicherlich diese Bedingungen dar; Thatsache
aber bleibt es, dass diese Aussaatversuche von diesen
alten Samen nie Erfolg gehabt haben. Der Versuch,
von welchem man am meisten geredet hat, ist jener des
Grafen von Sternberg in Prag.” Derselbe hatte Weizen-
körner erhalten, welche nach den Aussagen eines glaub-
würdigen Reisenden aus einem Mumiensarge stammten.
Zwei dieser Körner keimten, sagte man, doch ich habe
1 H. Vilmorin, Bulletin de la Société botanique de France, 1881, S. 356.
2 Flora, 1835, S. 4.
458° - Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
die Gewissheit erlangt, dass die gut unterrichteten Per-
sonen in Deutschland irgendeine Betrügerei vermuthen,
die entweder durch die Araber ausgeführt wurde, welche
bisweilen neuere Samen (selbst vom Mais, einer ameri-
kanischen Pflanze!) in die Gräber hineinschmuggeln,
oder auch durch die Angestellten des ehrenwerthen Grafen
von Sternberg. Die im Handel unter dem Namen von
Mumienweizen verbreiteten Samen sind nie von irgend-
einem Beweise bezüglich ihres alten Ursprungs begleitet
gewesen.
Spelz, Dinkel und verwandte Formen oder Arten.!
Louis Vilmorin?, dem die ausgezeichnete Arbeit von
Seringe über die Cerealien? als Muster diente, hat die
Weizensorten in eine Gruppe vereinigt, deren Samen bei
der Reife in ihrer Umhüllung eng eingeschlossen sind,
sodass es einer besondern Vorkehrung bedarf, um sie aus
derselben zu lösen — eine Charakterisirung, welche mehr
für den Landwirth als für den Botaniker von Bedeutung
ist. Er zählt dann die Formen dieser mit einem Ueber-
zuge versehenen Weizensorten unter drei Namen auf,
die für die meisten der Botaniker mit ebenso vielen
Arten gleichbedeutend sind.
I. Triticum Spelta, Linne. — Spelz, Dinkel (fr. Epeautre,
Grande Epeautre).
Mit Ausnahme des südlichen Deutschlands und der
deutschen Schweiz wird die Cultur des Spelzes kaum
irgendwo mehr betrieben. Früher verhielt es sich an-
ders damit.
Die griechischen Autoren haben die Cerealien in so
kurzer und nichtssagender Weise beschrieben, dass man
immer über den Sinn der von ihnen gebrauchten Namen
Zweifel hegen kann. Nach den von ihnen bezeichneten
1 Vgl. die Abbildungen von Metzger und Host in den soeben ge-
nannten Werken.
2 Essai d’un catalogue méthodique des froments (Paris 1350).
3 Seringe, Monographie des céréales de la Suisse (Bern 1818).
Spelz, Dinkel. 459
Gebräuchen glauben die Gelehrten ! indessen, dass die
‚Griechen den Spelz zuerst Olyra, später Zeia genannt
haben, Namen, welche sich bei Herodot und Homer finden.
Dioscorides? unterscheidet zwei Sorten von Zeia, welche
dem Triticum Spelta und Tr. monococcum zu entsprechen
scheinen. Man glaubt, dass der Spelz der Semen (Korn
im allgemeinen) und der Far des Plinius war, wel-
cher den Lateinern, wie er berichtet, während 360 Jah-
ren als Nahrung diente, ehe sie die Brotbereitung kann-
ten.? Da der Spelz nicht in den Pfahlbauten der Schweiz
und Italiens gefunden worden ist, und die Bewohner
der erstern verwandte Formen, nämlich Tr. dicoccum
und monococcum anbauten*, ist es immerhin möglich,
dass der Far der Lateiner eine von diesen beiden
Arten war.
Das Vorkommen des echten Spelzes im alten Aegypten
und den benachbarten Ländern scheint mir noch zweifel-
hafter zu sein. Die Olyra der Aegypter, von welcher
Herodot spricht, war nicht die Olyra der Griechen.
Einige Autoren haben die Vermuthung ausgesprochen,
dass dies der Reis, Oryza°, war. Was den Spelz be-
trifft, so ist dies eine Pflanze, die in den so warmen
Ländern nicht angebaut wird. Die Forscher der Neu-
zeit, von Rauwolf an bis auf unsere Tage, haben sie in
den Culturen Aegyptens nicht gesehen. In den ägyp-
tischen Denkmälern ist sie nicht aufgefunden worden.
Dies brachte mich zu der Vermuthung’, dass das
hebräische Wort Kussemeth, welches dreimal in der
Bibel vorkommt °, sich nicht auf den Spelz beziehen
könnte, was freilich der Ansicht jener, die als Kundige
der hebräischen Sprache angesehen werden, entgegen-
1 Fraas, Synopsis fl. class., S. 307; Lenz, Botanik der Alten, S. 257.
2 Dioscorides, Mat. med., II, 111—115.
3 Plinius, Hist., 1. 18, e. 7; Targioni, Cenni storici, S. 6.
4 Heer, a. a. O., S. 6; Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 52.
5 Delile, Plantes cultivées en Egypte. S. 5.
6 Reynier, Econ. des Egyptiens, S. 337; Dureau de la Malle, Ann. sc.
nat., IX, 72; Schweinfurth und Ascherson, a. à. O. Das Tr. Spelta von
Forskal wird vomskeinem spätern Autor zugelassen.
7 Géogr. bot. raisonnée, S. 933.
8 2. Mosis IX, 32; Jesaias, XXVIII, 25; Hesekiel, IV, 9.
460 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
steht.! Ich hatte vermuthet, dass hiermit vielleicht die
verwandte Form Tr. monococcum gemeint sei, dieselbe
wird jedoch ebenso wenig in Aegypten angebaut.
Der Spelz hat keinen Namen im Sanskrit, nicht ein-
mal in den neuern Sprachen Indiens und im Persischen?,
also noch viel weniger im Chinesischen. Dagegen gibt
es sehr viele europäische Namen, die auf eine alte Cultur,
besonders in Osteuropa hinweisen, z. B. Spelta im Alt-
sächsischen, woraus Epeautre entstanden ist; Dinkel
im Neudeutschen, Orkisz im Polnischen, Pobla im Rus-
sischen ? sind dagegen Namen, welche ganz verschiedene
Wurzeln zu haben scheinen. In Südeuropa sind die
Namen seltener. Ein spanischer Name, Escandia*, der
Asturier muss jedoch genannt werden; baskische Namen
kenne ich nicht.
Die historischen und namentlich die linguistischen
Wahrscheinlichkeiten sprechen zu Gunsten eines Ur-
sprungs im gemässigten Osteuropa und einem Asien
benachbarten Gebiete. Wir wollen sehen, ob die Pflanze
im wildwachsenden Zustande entdeckt worden ist.
Wir haben bereits auf die Stelle verwiesen’, wo
Olivier berichtet, den Spelz mehreremal in Mesopota-
mien gefunden zu haben, und zwar ganz insbesondere
am rechten Euphratufer, im Norden von Anah an einem
für die Cultur ungeeigneten Orte. Ein anderer Bota-
niker, Andre Michaux, hatte denselben 1783 in der
Nähe von Hamadan, einer Stadt der gemässigten Region
Persiens, gesehen. Dureau de La Malle zufolge hatte
er Samen davon an Bosc geschickt, welcher aus dresen
in Paris ausgesäeten Samen den gemeinen Spelz ge-
wonnen hatte; dies erscheint mir aber zweifelhaft, denn
weder Lamarck im Jahre 1786°, noch Bose selbst im
1 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde, IV, S3; Second, französ. Ueber-
setzung des Alten Testaments, 1874.
2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 348.
3 Ebend.; Nemnich, Lexicon.
4 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., I, 107. |
5 Olivier, Voyage (1807), III, 460.
6 Lamarck, Diet. encycl., II, 560.
Emmer, Amelkorn. 461
dem 1809 veröffentlichten ,, Dictionnaire d’agrieulture‘,
"Abschnitt Epeautre, sagen ein Wort hierüber. Die Her-
barien des Pariser naturgeschichtlichen Museums ent-
halten kein Exemplar der Cerealien, von welchen Olivier
spricht.
Wie man sieht, ist der Ursprung der Art als spon-
tane Pflanze sehr ungewiss. Dies veranlasst mich, jener
Hypothese mehr Bedeutung beizulegen, nach welcher
der Spelz durch die Cultur vom gemeinen Weizen ab-
stamme, oder aus einer Zwischenform zu einer prä-
historischen nicht sehr alten Periode hervorgegangen
sel. Die Versuche von H. Vilmorin! tragen zur Be-
gründung derselben bei, denn die Kreuzungen des
Spelzes mit dem weissen zottigen Weizen und umge-
kehrt haben Sprösslinge hervorgebracht, die vollkommen
fruchtbar waren und in ihren Merkmalen ein Gemisch
von beiden Aeltern aufwiesen, wenn auch die des Spelzes
etwas vorwiegend waren.?
IL Triticum dicoccum, Schrank. Tritieum amyleum,
Seringe. — Emmer, Amelkorn (fr. Amidonier).
Diese besonders in der Schweiz des Stärkemehls wegen
angebaute Form hat von den strengen Wintern gar nicht
zu leiden. Sie enthält, wie der echte Spelz, zwei Samen
in jedem Aehrchen.
Von Heer? wird eine im den schweizer Pfahlbauten
von Wangen im schlechten Zustande gefundene Aehre auf
eine Varietät des Tr. dicoccum bezogen. Seitdem hat
Messicommer dasselbe in Robenhausen gefunden.
Man hat die Art nie im spontanen Zustande gesehen.
Die Seltenheit von volksthümlichen Namen ist auffallend.
Beides, ferner auch der geringe Werth der botanischen
Merkmale, um sie von Tr. Spelta zu unterscheiden,
veranlassen uns, sie als eine alte angebaute Rasse letz-
terer zu betrachten.
1 H. Vilmorin, Bull. de la Soc. bot. de France, 1881, S. 858,
2 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig..22, 23, und 8. 15.
3 Ebend.
462 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Ill. Triticum monococcum, Linne. — Einkorn, Spelzreis,
Schwabenkorn (fr. Locular, Engrain, Petit Epeautre).
Das Einkorn unterscheidet sich von den vorhergehen-
den dadurch, dass nur ein Same in dem Aehrchen
enthalten ist, und auch durch andere Charaktere, weshalb
die meisten Botaniker sie als eine wirklich verschie-
dene Art ansehen. Die Versuche von H. Vilmorin !
unterstützen bisjetzt diese Ansicht, denn es ist ihm
nicht gelungen, das Triticum monococcum mit den an-
dern Spelz- oder Weizenarten zu kreuzen. Das kann,
wie er selbst bemerkt, durch irgendeine Kleinigkeit bei
dem Kreuzungsverfahren hervorgerufen worden sein. Er
beabsichtigt, die Versuche zu wiederholen, und wird dann
vielleicht mehr Erfolg haben. Inzwischen wollen wir
sehen, ob diese Spelzform von alter Cultur ist und ob
man sie irgendwo in einem wildwachsenden Zustande
angetroffen hat.
Das Einkorn begnügt sich mit dem schlechtesten und
steinigsten Boden. Es ist wenig ergiebig, liefert aber
vorzüglich feines Mehl. Man säet es besonders in Ge-
birgsländern, in Spanien, Frankreich und Osteuropa, da-
gegen finde ich dasselbe in der Berberei, in Aegypten,
dem Orient oder in Indien und China nicht erwähnt.
Man glaubte es nach einigen Worten im Tiphai des
Theophrast? wiederzuerkennen. Mit weniger Mühe kann
man sich auf Dioscorides? beziehen, denn dieser unter-
scheidet zwei Sorten von Zeia, von welchen die eine
zwei, die andere einen Samen trägt. Letztere würde
das Einkorn sein. Nichts weist darauf hin, dass die
Griechen und Lateiner dasselbe für gewöhnlich anbauten.
1
1 ,,H. Vilmorin sagt (Bull. Soc. bot. France, 1883, S. 62), dass es ihm
im dritten und vierten Jahre nicht besser als im ersten geglückt sei, das
Triticum monococcum mit den andern Triticumarten zu kreuzen. Nun will
er die Kreuzung mit Triticum boeoticum, Boissier, aus Serbien versuchen,
von welcher Art ich durch die Güte des Herrn Pancié Samen erhalten
habe. Dies wird ein interessanter Versuch werden, weil man annimmt,
dass diese Art der Stammvater des angebauten 77. monococcun ist.“ (Vom
Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)
2 Fraas, Synopsis fl. class., S. 307.
3 Dioscorides, Mat. med., 3, ec. III, 155.
Einkorn, Spelzreis, Schwabenkorn. 463
Von ihren Nachkommen wird es auch gegenwärtig nicht
verwerthet.!
Dasselbe besitzt weder einen Sanskrit- noch persi-
schen oder arabischen Namen. Früher hatte ich die
Hypothese aufgestellt, dass mit dem Kussemeth der He-
bräer diese Pflanze gemeint sein könnte, jetzt dagegen
scheint es mir schwer, diese Behauptung aufrecht zu
erhalten.
Marschall Bieberstein? hatte das Triticum monococcum,
wenigstens eine besondere Form desselben, in der Krim
und dem östlichen Kaukasus als spontan angegeben,
dies ist aber von keinem Botaniker bestätigt worden.
Steven, welcher in der Krim lebte, erklärt die Art nie
anders als von den Tataren angebaut gesehen zu haben.
Andererseits ist die von Balansa auf dem Gebirge Si-
pylus in Armenien im spontanen Zustande gesammelte
Pflanze nach J. Gay“ das Tr. monococcum, und derselbe
bringt mit dieser Form auch das Triticum boeoticum,
Boissier, zusammen, welches in der Ebene von Büotien*
und in Serbien ® spontan ist.
Nach diesen Thatsachen würde das Triticum mono-
coccum aus Serbien, Griechenland und Kleinasien
stammen, und da es nicht geglückt ist, dasselbe mit
den andern Spelz- oder Weizenarten zu kreuzen, so
hat man Recht, daraus im Sinne Linné’s eine Art zu
machen.
- Was die Trennung der Weizensorten mit freien Samen
und der Spelzarten betrifft, so dürfte sie aus einer Zeit
1 Heldreich, Nutzpflanzen BE
2 Bieberstein, Flora tauro-caucas., I, 85.
3 Steven, Verzeichniss der en 4. taurischen Halbinsel, S. 354.
4 Bull. Soc. bot. de France, 1860, S. 30.
5 Boissier, Diagnoses, Serie 1; fasc. 13, ME :69:
6 Balansa (1854), Nr. 137, im Herbarium Boissier, woselbst man auch
ein auf den Feldern in Serbien gefundenes Exemplar, sowie eine auf den
Wiesen in Serbien wachsende, von Pancic eingeschickte Varietät mit brau-
nen Grannen antreffen kann. Derselbe Botaniker von Belgrad hat mir
spontane Exemplare aus Serbien geschickt, welche ich von Tr. monococcum
nicht unterscheiden konnte. Er bestätigt es mir, dass man letztere in Ser-
bien nicht anbaut. Bentham schreibt mir, dass Triticum boeoticum, von
welchem er mehrere Exemplare aus Kleinasien gesehen hat, seiner Mei-
nung nach das monococcum ist.
464 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
datiren, die den historischen Angaben, vielleicht den
ee alles Ackerbaues vorhergeht. Weizen würde
sich zuerst in Asien gezeigt haben, dann die Spelzarten
vielmehr in Osteuropa und Anatolien. Schliesslich würde
unter den Spelzen das Tr. monococcum die älteste Form
sein, von welcher sich die andern infolge einer seit
mehreren tausend Jahren bestehenden Cultur und einer
natürlichen Züchtung entfernt hätten.
Hordeum distichon, Linne. — Zweizeilige Gerste (fr.
Orge à deux rangs).
Die Gerstenarten gehören zu den ältesten angebauten
Pflanzen. Da die Bedingungen für ihr Wachsthum fast die-
selben sind und sie auch gleiche Verwendung finden, so
darf man bei den Schriftstellern des Alterthums und in den
volksthümlichen Sprachen nicht die Genauigkeit voraus-
setzen, welche es uns ermöglicht, die von den Botanikern
zugelassenen Arten zu erkennen. In vielen Fällen hat
man sich des Wortes Gerste in einem unbestimmten
oder generischen Sinne bedient. Dies ist eine Schwierig-
keit, welche wir nicht unberücksichtigt lassen dürfen.
Die Ausdrücke im Alten Testament, von Berosus, Moses
von Khorene, Pausanias, Marco Polo, und mehr in neuerer
Zeit von Olivier, welche ‚die spontane oder angebaute
Gerste“ in diesem oder jenem Lande angeben, beweisen
beispielsweise gar nichts, weil man nicht weiss, welche
Art gemeint ist. Für China gilt dasselbe Dunkel. Dr.
Bretschneider! sagt, dass die Chinesen, einem im Jahre
100 vor unserer Zeitrechnung veröffentlichten Werke
zufolge, eine „Gerste“ anbauten, doch erklärt dies nicht
welche. Im äussersten Westen der Alten Welt bauten
die Guanchen ebenfalls Gerste an, von welcher man den
Namen, aber nicht die Art kennt.
Die ee Gerste ist unter ihrer gewöhnlichen
Form, bei welcher die Körner bis zur Reife bedeckt
sind, wildwachsend in Westasien gefunden worden, näm-
1 Bretschneider, On the study etc., 8. 8.
Zweizeilige Gerste. 465
lich im Peträischen Arabien!, um den Berg Sinai? herum,
auf den Ruinen von Persepolis?, in der Nähe des
Kaspisees*, zwischen Lenkoran und Baku, in der Wüste
von Schirwan und Awhasie, ebenfalls im Süden des Kau-
kasus 5, und in Turkmanien.$ Von keinem Autor wird
sie für die Krim, Griechenland, Aegypten oder im Osten
Persiens angegeben. Willdenow ? führt sie in Samara,
im südöstlichen Russland an, was von den neuern Au-
toren nicht bestätigt wird. Das gegenwärtige Vater-
land ist somit vom Rothen Meer bis nach dem Kau-
kasus und dem Kaspisee.
Danach müsste die zweizeilige Gerste eine der von
den semitischen und turanischen Völkern angebauten
Formen sein. Indessen hat man sie in den ägyptischen
Denkmälern nicht gefunden. Es scheint, als ob die
Arier sie hätten kennen müssen, in den volksthümlichen
Namen oder der Geschichte finde ich aber keine Be-
weise hierfür.
Theophrast® spricht von der zweizeiligen Gerste. Die
Bewohner der Pfahlbauten in der Ostschweiz bauten
sie an, bevor sie Metalle besassen”, die sechszeilige
Gerste war bei ihnen aber gewöhnlicher.
Die Rasse, bei welcher der Same zur Reifezeit nackt
ist (H. distichon nudum, Linne), welche man im Fran-
zösischen unter allen möglichen abgeschmackten Namen
kennt, Orge à cafe, O. du Pérou ete., ist nie im wild-
eksehden Zustande gefunden worden.
Die Reisgerste (Hordeum Zeocriton, Linne, fr. l’Orge
en éventail) scheint mir eine cultivirte Form der zwei-
1 Herbarium Boissier, ein von Reuter gut bestimmtes Exemplar.
2 Figari et de Notaris, Agrostologiae aegypt. fragm., S. 18.
t 3 Sehr ärmliche, von Kotschy, Nr. 290, gesammelte Pflanze, von wel-
cher ich ein Exemplar besitze. Boissier hat sie bestimmt als 7. distichon,
varietas.
4 C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 26, nach den auch von Ledebour, Fl,
ross., IV, 327, gesehenen Exemplaren.
3 Ledebour, a. .3..0.
6 Regel, Descr. plant. nov. (1881), fasc. 8, S. 37.
7 Willdenow, Spec. plant., I, 473.
8 Theophrastus, Hist. plant. F5 0C:,4.
9 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 13; Messicommer, Flora, bot.
Zeitung, 1869, S. 320.
DE CANDOLLE,
C9
0
466 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
zeiligen Gerste zu sein. Man kennt sie nicht im spon-
tanen Zustande. Man hat sie weder in den ägyptischen
Denkmälern, noch in den Ueberresten der schweizer,
savoyischen und italienischen Pfahlbauten gefunden.
Hordeum vulgare, Linne. — Gemeine Gerste (fr. Orge
commune).
Die gemeine vierzeilige Gerste ist von Theophrast
erwähnt worden!, es scheint aber, als ob man sie im
Alterthum weniger anbaute als die zwei- und sechs-
zeilige Gerste.
Auch sie ist weder in den ägyptischen Denkmälern
noch in den Ueberresten der schweizer, savoyischen und
italienischen Pfahlbauten gefunden worden.
Willdenow? sagt, dass sie in Sicilien und im süd-
östlichen Russland, in Samara, wachse; die neuern Flo-
ren jener Länder bestätigen dies keineswegs. Auch
weiss man nicht, welche Gerstenart von Olivier in Meso-
potamien wildwachsend gesehen worden war; demnach
ist die gemeine Gerste noch nicht in sicherer Weise
wildwachsend gefunden worden.
Die Menge der ihr zugeschriebenen volksthümlichen
Namen ist von keinem Nutzen, um den Ursprung nach-
zuweisen, denn in den meisten Fällen ist es unmöglich,
zu wissen, ob dieses Namen für die Gerste im allge-
meinen sind, oder für eine besondere, in diesem oder
jenem Lande angebaute Art.
Hordeum hexastichon, Linne. — Sechszeilige Gerste
(fr. Orge à six rangs, Escourgeon).
Dies war die am meisten im Alterthum angebaute
Art. Nicht nur die Griechen haben von 1hr gesprochen,
sondern man hat sie auch in den ältesten Denkmälern
Aegyptens gefunden, sowie in den Ueberresten der
1 Theophrastus, Hist. plant., 1. 8, e. 4.
2 Willdenow, Species plant., I, 472.
3 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 33; Ein Ziegel der Dashur-
Pyramide, S. 109.
Sechszeilige Gerste. 467
schweizer (Steinalter), savoyischen und italienischen
(Bronzezeitalter) Pfahlbauten.! Heer hat selbst bei der
vor Zeiten in der Schweiz angebauten Art zwei Varie-
täten unterschieden. Die eine derselben stimmt mit der
sechszeiligen Gerste überein, welche 600 Jahre v. Chr.
auf den Medaillen von Metaponte, einer Stadt des
südlichen Italien, abgebildet wurde.
Nach Roxburgh? war dies die einzige zu Ende des
verflossenen Jahrhunderts in Indien angebaute Gerste.
Er bezieht den Sanskrıtnamen Yuwa auf sie, aus
welchem im Bengali Juba geworden ist. Adolphe
Pictet? hat die Sanskritnamen und jene der indo-euro-
päischen Sprachen, welche sich auf den Gattungsnamen
Gerste beziehen, sorgfältig geprüft, den jede Art be-
treffenden Einzelheiten hat er aber nicht folgen können.
Die sechszeilige Gerste ist nicht unter solchen Be-
dingungen einer spontanen ‚Pflanze gesehen worden,
dass ein Botaniker daraus die Art festgestellt haben
würde. In dem an Pflanzen des Orients so reichen
Herbar des Herrn Boissier habe ich sie nicht gefunden.
Möglich ist es, dass die wildwachsenden, von alten Au-
toren und von Olivier erwähnten Gerstensorten das
Hordeum hexastichon gewesen sind, Beweise hierfür
fehlen aber.
Ueber die Gerstensorten im allgemeinen.
Wir haben soeben gesehen, dass die einzige, heutzu-
tage wildwachsend angetroffene Form die einfachste, die
am wenigsten ergiebige ist, Hordeum distichon, deren
Cultur wie die von H. hexastichon prähistorisch ist.
Vielleicht ist die Cultur von H. vulgare eine weniger
alte als die der beiden andern.
1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. 2 u. 3; S. 13, Fig. 9;
Flora, bot. Zeitung, 1869, S. 320; de Mortillet, nach Perrin, Études pré-
historiques sur la Savoie, S. 23; Sordelli, Sulle piante della torbiera di
Lagozza, S. 33.
2 Roxburgh, Flora indica (1832), I, 358.
3 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 333.
30=
468 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Aus diesen Angaben lassen sich zwei Hypothesen auf-
stellen: 1) Eine Abstammung der vier- und sechszeiligen
Gerstensorten von den zweizeiligen, eine Abstammung,
welche auf prähistorische Culturen zurückzuführen wäre,
welche jenen der alten Aegypter, der Erbauer der Denk-
mäler, vorhergingen. 2) Die vier- und sechszeiligen
Gerstensorten wären einst spontane Arten gewesen, die
seit der historischen Epoche ausgestorben wären. In
diesem Falle würde es höchst eigenthümlich sein, dass
keine Spur von ihnen in den Floren der zwischen dem
Indus, dem Schwarzen Meer und Abessinien gelegenen
weiten Region übriggeblieben wäre, wo doch die Cultur
wenigstens der sechszeiligen Gerste mit ziemlicher Sicher-
heit nachgewiesen worden ist.
Secale cereale, Linne. — Roggen (fr. Seigle).
Die Cultur des Roggens ist keine sehr alte, es sei
denn vielleicht in Russland und Thrazien.
In den ägyptischen Monumenten ist er nicht gefunden
worden, und in den semitischen Sprachen, selbst den
neuern, finden sich keine Namen für ıhn. Ganz das-
selbe ist der Fall im Sanskrit und den indischen
Sprachen, welche vom Sanskrit abgeleitet werden. Diese
Thatsachen stimmen mit dem Umstande überein, dass der
Roggen in den nördlichen Ländern besser gedeiht als
in jenen des Südens, wo er in unserer Zeit meistens
nicht angebaut wird. Dr. Bretschneider ! glaubt, dass
derselbe den chinesischen Landwirthen unbekannt ist.
Er bezweifelt die entgegengesetzte Aussage eines Schrift-
stellers der Neuzeit und hebt hervor, dass eine in den
Denkschriften des Kaisers Kanghi erwähnte Getreideart,
welche man möglicherweise für diese Art halten kann,
ihrem Namen zufolge aus Russland gebrachter Weizen be-
deutet. Nun wird der Roggen, wie er sagt, in Sibirien
viel angebaut. In den japanischen Floren ist nicht die
Rede von ihm.
1 Bretschneider, On study etc., S. 18, 44.
SF.
ER ha ee
Roggen, 469
Die alten Griechen kannten ihn nicht. Der erste
Schriftsteller, welcher ihn zur Zeit des römischen Kaiser-
reichs erwähnt hat, ist Plinius!, welcher von dem in
Turin am Fusse der Alpen unter dem Namen Asia an-
gebauten Roggen spricht. Galenus?, im Jahre 131 un-
serer Zeitrechnung geboren, hatte ihn in Thrazien und
Macedonien unter dem Namen Briza angebaut gesehen.
Diese Culturen scheinen, wenigstens in Italien, von kei-
nem hohen Alter zu sein, denn man hat in den Ueber-
resten der Pfahlbauten Norditaliens, Savoyens und der
Schweiz, selbst jenen der Bronzezeit, keinen Roggen
gefunden. Jetteles hat solchen zugleich mit bronzenen
Werkzeugen in der Nähe von Olmütz aufgefunden, und
Heer*, welcher diese Proben gesehen hat, spricht noch
von andern in der Schweiz, die aus der Römerzeit
stammen.
In . Ermangelung archäologischer Beweise weisen die
europäischen Sprachen darauf hin, dass der Roggen seit
langer Zeit in den germanischen, keltischen und slawi-
schen Ländern bekannt war. Der Hauptname gehört,
Adolphe Pictet* zufolge, den Völkern Nordeuropas an:
angelsächsisch Ryge, Rig, skandinavisch Rägr, altdeutsch
Roggo, altslawisch Ruji, Roji, polnisch Rez, illyrisch
Raz u. s. w. Der Ursprung dieses Namens muss, sagt
er, auf eine der Trennung .der Germanen und Litauer
Slawen vorhergehende Epoche zurückzuführen sein. Das
lateinische Wort Secale findet sich unter einer fast
gleichen Form bei den Bretonen, Segal, und bei den
Basken, Cekela, Zekhalea; man weiss aber nicht, ob die
Lateiner dasselbe von den Galliern und Iberern ent-
lehnt haben, oder ob umgekehrt diese letztern den Na-
men von den Römern erhielten. Diese zweite Hypo-
these erscheint wahrscheinlich, weil die diesseit der
Alpen wohnenden Gallier zu Plinius’ Zeiten sich eines
us Kiste. 18,-er 16.
2 Galenus, De alimentis, I, 13, angeführt nach Lenz, Botanik d. Alten,
8. 259.
3 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 16.
4 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 344.
u A
470 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
ganz verschiedenen Namens bedienten. Ich finde auch
einen tatarischen, Aresch!, und einen ossetischen Namen,
Syl, Sil?, erwähnt, welche auf eine alte Cultur im Osten
Europas schliessen lassen.
Somit weisen die historischen und linguistischen An-
gaben auf einen wahrscheinlichen Ursprung in den
Ländern im Norden der Donau, sowie auf eine Cultur
hin, die für das römische Kaiserreich kaum über die
christliche Zeitrechnung hinausgeht, in Russland und
der Tatarei vielleicht aber älter ist.
Der Hinweis auf den wildwachsenden Roggen, wie er
von mehreren Autoren gegeben wird, darf fast nie als
Thatsache angenommen werden, denn es ist häufig vor-,
gekommen, dass man mit Secale cereale ausdauernde
Arten verwechselt hat oder auch solche, deren Aehre
leicht bricht, welche von den Botanikern der Neuzeit
mit Recht unterschieden wurden.® Viele Irrthümer,
welche daraus hervorgingen, sind durch die Unter-
suchung von Originalexemplaren beseitigt worden; an-
dere lassen sich muthmaassen. So weiss ich wirklich
nicht, was man von den Aussagen des Herrn L. Ross
denken soll, der da behauptete, den wildwachsenden
Roggen in mehreren Gegenden von Anatolien gefunden
zu haben, noch von jenen des russischen Reisenden
Ssaewerzoff, welcher ihn in Turkestan gefunden haben
will.’ Letztere Thatsache ist freilich ziemlich wahr-
scheinlich, doch wird nicht gesagt, dass ein Botaniker
die Pflanze als solche erkannt hätte. Kunth® hatte be-
reits „die Wüste zwischen dem Schwarzen Meer und
dem Kaspisee‘“ angegeben, ohne zu sagen nach welchem
Reisenden oder welchen Exemplaren. Das Herbar von
1 Nemnich, Lexicon der Naturgeschichte.
2 Pietet,,a. a. O.
3 Secale fragile, Bieberstein; S. anatolicum, Boissier; $. montanum,
Gussone; $. villosum, Linné. In der „Geographie botanique“, S. 936,
habe ich die Irrthümer erklärt, welche aus dieser Verwirrung hervorge-
gangen, als man den Roggen für Sicilien, Kreta und zuweilen für Russ-
land als spontan hinstellte.
4 Flora, bot. Zeitung, 1850, S. 520. 5 Ebend., 1369, S. 93.
6 Kunth, Enum., I, 149.
AN en Eh n
Gemeiner und türkischer Hafer. | 471
Boissier hat mir kein spontanes Secale cereale gezeigt,
es hat mir aber die Ueberzeugung gegeben, dass ein
Reisender eine andere Roggenart leicht für diese an-
sehen kann, und dass daher die Aussagen sorgfältig
geprüft werden müssen.
In Ermangelung genügender Beweise für wildwach-
sende Individuen liess ich früher in meiner „Geographie
botanique raisonnée‘ einen Beleg von einiger Bedeu-
tung gelten. Secale cereale säet sich ausserhalb der
Culturen von selbst aus und wird in den Ländern
des österreichischen Kaiserstaats! fast spontan, was sich
kaum anderswo wahrnehmen lässt.? So findet der Roggen
im östlichen Theile Europas. wo die Geschichte auf eine
alte Cultur hinweist, heutzutage die günstigsten Bedin-
gungen zu seinem Fortkommen ohne Hülfe des Menschen.
Nach dieser Gesammtmasse von Thatsachen kann man
kaum noch daran zweifeln, dass der Roggen in der Re-
gion zu Hause sei, welche sich zwischen den Alpen
Oesterreichs und dem Norden des Kaspisees erstreckt.
Dies ist um so wahrscheinlicher, da dıe fünf oder sechs
andern bekannten Arten der Gattung Secale das ge-
mässigte Westasien und den Südosten Europas be-
wohnen.
Falls dieser Ursprung zugelassen wird, würden die
arischen Völker die Art nicht gekannt haben, wie die
Sprachforschung dies schon nachgewiesen hat; bei ihren
"Wanderungen nach Westen hin haben sie denselben aber
unter verschiedenen Namen antreffen müssen, und würden
diese dann da und dorthin weitergeführt haben.
Avena sativa, Linne, und Avena orientalis, Schreber.
— Gemeiner und türkischer Hafer (fr. Avoine ordinaire
und Avoine d'Orient).
1 Sadler, F1. pesth., I, 80; Host, Fl. austr., I, 177; Baumgarten, Fl.
transyl., III, 225; Neilreich, Fl. Wien, S. 58; Visiani, Fl. dalmat., I, 97;
Farkas, Fl. croatica, S. 1288.
2 Strobl hat ihn indessen um den Aetna herum in den Holzungen ge-
sehen, und zwar infolge der Einführung seiner Cultur im 18. Jahrhundert.
(Oesterr. bot. Zeitung, 1881, S. 159.)
472 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Der Hafer wurde bei den alten Aegyptern und den
Hebräern nicht angebaut, jetzt wird er aber in Aegyp-
ten ausgesäet.! Weder im Sanskrit noch in den neuern
Sprachen Indiens kennt man einen Namen dafür. Die
Engländer säen ihn zuweilen in Indien aus, um
ihre Pferde damit zu füttern.” In China wird der
Hafer zuerst in einem historischen Werke über die
Jahre 626 bis 907 der christlichen Zeitrechnung erwähnt,
und es handelt sich hier um die Varietät, welche die
Botaniker Avena sativa nuda* nennen. Den alten Griechen
war die Gattung Hafer gut bekannt, welche sie Bromos*
nannten, wie sie von den Lateinern Avena genannt
wurde, diese Namen beziehen sich aber gemeiniglich auf
Arten, welche man nicht anbaut, und die zu den unter
den Cerealien vorkommenden Unkräutern gehören. Es
liegt kein Beweis vor, dass sie den gemeinen Hafer an-
gebaut haben. Die Bemerkung des Plinius”, dass die
Germanen sich von dem aus dieser Pflanze gewonnenen
Mehle nährten, lässt annehmen, dass die Römer sie
nicht anbauten.
Die Hafercultur wurde somit vor alters im Norden
von Italien und Griechenland betrieben. Später hat sie
sich theilweise auch im Süden des Römischen Kaiser-
reichs ausgebreitet. Möglich ist es, dass sie in Klein-
asien ältern Datums war, denn Galenus® berichtet, dass
der Hafer in Mysien, oberhalb Pergamum, in Fülle vor-
handen war, dass man die Pferde damit fütterte und
die Menschen sich in den Jahren der Noth davon nähr-
ten. Eine gallische Colonie war vor Zeiten in Klein-
asien gegründet worden.
Hafer ist in den Ueberresten der schweizer Pfahl-
bauten aus der Bronzezeit gefunden worden’, desgleichen
in Deutschland nahe bei Wittenberg in mehreren Grä-
Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens, S. 298
Royle, Ill., S. 419.
Bretschneider, On the study etc., S. 18, 44.
Fraas, Synopsis fl. class., S. 303; Lenz, Botanik der Alten, S. 243.
Plinius, Hist., 1. 18, c. 17. 6 Galenus, De alimentis, I, c. 12.
Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 6, Fig. 24.
IUPON m
i
lan dub. éd à
Gemeiner und türkischer Hafer. 473
bern aus den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeit-
‘rechnung oder aus einer etwas ältern Zeit.! Bisjetzt
haben die Pfahlbauten des nördlichen Italien noch kei-
nen aufgewiesen, wodurch die Annahme bestätigt wird,
dass die Art zur Zeit der Römischen Republik nicht
angebaut wurde.
Die Namen beweisen ferner ein altes Vorkommen im
Norden und Westen der Alpen und an den Grenzen
Europas nach dem Kaukasus und der Tatarei zu. Der
verbreitetste dieser Namen wird durch das lateinische
Avena bezeichnet, der altslawische Name ist Ovisu, Ovesu,
Ovsa, der russische Ovesu, der litauische Awiza, der
lettische Ausas, der ostjakische Abis.? Das englische Oats
stammt, nach Ad. Pictet, aus dem angelsächsischen Afa
oder Afe. Aus dem baskischen Namen Olba oder Oloa®
kann man auf eine sehr alte Cultur bei den Iberern
schliessen.
Die keltischen Namen sind von den andern verschie-
dent: Coörce, Cuirce, Corca, im Irischen, Kerch im Ar-
moricanischen. Der tatarische Name Sulu, der geor-
gische Kari, der ungarische Zab, der kroatische Zob,
der esthnische Kaer und andere mehr werden von
Nemnich® als auf das generische Wort Avena bezügliche
angegeben, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass der-
artig verschiedene Namen bestanden hätten, wenn es sich
nicht um eine angebaute Art gehandelt hätte. Als
‚etwas Eigenthümliches erinnere ich an einen berberischen
Namen Zekkoum®, obgleich nichts eine alte Cultur in
Afrika vermuthen lässt.
Alles Vorhergehende liefert den Beweis, wie falsch
jene Ansicht war, nach welcher der Hafer von der Insel
Juan Fernandez stammte, eine Meinung, die im ver-
flossenen Jahrhundert vorwaltete” und aus einer Be-
1 Lenz, Botanik der Alten, S. 245.
2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 350.
3 Von Clos mitgetheilte Anmerkungen. 4 Ad. Pictet, a. a. O.
5 Nemnich, Polyglotten-Lexicon für Naturgeschichte, S. 548.
6 Diet. français-berbère, veröffentlicht von der französ. Regierung.
7 Linné, Species, S. 118; Lamarck, Dict, encycl., I, 431.
474 _ Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
hauptung des Seefahrers Anson! hervorgegangen zu sein
scheint. Nicht in der südlichen Hemisphäre muss man
das Vaterland der Art suchen, sondern augenscheinlich
in den Ländern der nördlichen Hemisphäre, wo man sie
seit alters angebaut hat. Wir wollen nun sehen, ob sie
sich daselbst noch in einem spontanen Zustande an-
treffen lässt.
Der Hafer säet sich auf Schutthaufen, an Wegen und
in der Nähe angebauter Strecken leichter aus als die
andern Getreidearten und setzt sich dort bisweilen so
fest, dass er das Aussehen einer spontanen Pflanze ge-
winnt. Diese Beobachtung ist in sehr voneinander ent-
fernten Gegenden, wie Algerien und Japan, Paris und
Nordehina, gemacht worden.?
Derartige Thatsachen müssen uns gegen den Hafer,
welchen Bové in der Wüste des Berges Sinai gefunden
haben will, mit Mistrauen erfüllen. Es ist auch be-
hauptet worden, dass der Reisende Olivier den wild-
wachsenden Hafer in Persien gesehen hätte, in seinem
Werke spricht er aber nicht davon. Ausserdem ist es
leicht, dass ein Reisender durch mehrere einjährige, dem
gemeinen Hafer sehr ähnliche‘ Arten irregeleitet wird.
Weder in den Büchern, noch in den Herbarien kann
ich das Vorkommen von wirklich spontanen Individuen,
sei es in Asien, sei es in Europa, entdecken, und von
Bentham erhielt ich die Bestätigung, dass es solche in
den reichen Herbarien zu Kew nicht gibt; gewiss aber
zeigt sich bei dieser wie bei den Formen, auf welche
ich” gleich zu sprechen kommen werde, die fast spon-
tane oder fast naturalisirte Bedingung in den öster-
reichischen Staaten, von Dalmatien sch Siebenbürgen?
häufiger als irgendwo anders. Dies ist eine Angabe
: Phillips, Cult. veget., II, 4.
2 Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 36; Franchet et Savatier, Enum.
plant. Jap., II, 175; Cosson, Fl. Paris, I 637; Ei Enum. chin., DT
für die Varietät nvda.
3 Lamarck, Dict. encycl., I, 331.
4 Visiani, FL dalmat., T, 69; Host, Fl. austr., I, 133; Neilreich, Fl.
Wien, S. 85; Baumgarten, Enum. Transylv., III, 259; Farkas, Fl. croa-
tica, S. 1277.
Echte Hirse. 475
des Ursprungs, welche man den historischen und lin-
guistischen Wahrscheinlichkeiten zu Gunsten des ge-
mässigten Osteuropas hinzufügen muss.
Avena strigosa, Schreber, ist nach den Culturver-
suchen, auf welche Bentham hinweist, eine Form des
gemeinen Hafers, freilich bedürfen dieselben, fügt er
hinzu, noch der Bestätigung. In Host, „Icones Gra-
minum austriacorum“, Bd. II, Taf. 56, findet sich eine
gute Abbildung dieser Pflanze, und es ist interessant,
dieselbe mit der Taf. 59 von A. sativa zu vergleichen.
Uebrigens hat man Avena strögosa nicht im spon-
tanen Zustande gefunden. Sie zeigt sich in Europa
auf den sich selbst überlassenen Feldern, was die Hypo-
these von einer durch Cultureinflüsse abgestammten Form
unterstützt.
Avena orientalis, deren Aehrchen sich nur nach einer
Seite neigen, wird auch seit Ende des 18. Jahrhunderts
in Europa angebaut. Im spontanen Zustande kennt man
sie nicht. Oft mit dem gemeinen Hafer vermischt, unter-
scheidet sie sich beim ersten Anblick von demselben.
Die ihr in Deutschland beigelegten Namen türkischer
oder ungarischer Hafer, weisen auf eine neuere, von
Osten kommende Einführung hin. Sie ist von Host sehr
gut abgebildet worden (,,Gram. austr.“, Bd. I, Taf. 44).
Indem diese Haferarten angebaut waren, ohne dass man
weder die einen noch die andern in wirklich spontanem
Zustande entdeckt hätte, wird es sehr wahrscheinlich,
dass sie von einer einzigen, prähistorischen Form ab-
stammen, deren Vaterland das gemässigte Osteuropa und
die Tatarei war.
Panicum miliaceum, Linné. — Echte Hirse (fr. Mallet
commun).
In Südeuropa, Aegypten und Asien ist die Cultur
dieser Graminee eine prähistorische. Die Griechen kann-
1 Bentham, Handbook of British Flora, 4. Aufl., S. 544.
476 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
ten sie als Kegchros, die Lateiner als Milium.! Die
Bewohner der schweizer Pfahlbauten machten zur Stein-
zeit grossen Gebrauch von dieser Hirse.? Man hat sie
auch in den Ueberresten der Palafitten des Varesersees
in Italien gefunden.” Da anderswo solche Proben aus
diesen alten Zeiten nicht gefunden werden, ist es un-
möglich, zu wissen, welches das von den lateinischen
Autoren erwähnte Panicum oder Sorghum war, welches
den Bewohnern Galliens, Pannoniens und anderer Länder
zur Nahrung diente.
Unger zählt Panicum miliaceum zu den Arten des
alten Aegypten, es scheint aber nicht, als ob er hier-
für bestimmte Beweise besitzt, denn weder Denkmal
noch in den Gräbern gefundene Zeichnung oder Samen
werden von ihm angegeben. Ebenso wenig hat man
materielle Beweise von alter Cultur in Mesopotamien,
Indien und China. Für letzteres Land ist die Frage
aufgeworfen worden, ob der Schu, eine der fünf Ce-
realien, welche der Kaiser alljährlich unter grossen Feier-
lichkeiten aussäen liess, das Panicum miliaceum, eine
verwandte Art oder auch Sorghum sei; es scheint aber,
dass der Sinn des Wortes Schu sich verändert hat, und
dass man einst vielleicht Sorghum oder Durra? aussäete.
Die anglo-indischen Botaniker® schreiben der jetzigen
Art zwei Sanskritnamen zu, Unu und Vrihib-heda, ob-
gleich der neuere hindostanische und bengalische Name
China und der Telinganame Worga ganz verschieden
sind. Wenn die Sanskritnamen echt sind, so weisen sie
auf eine alte Cultur in Indien hin. Man kennt weder
einen hebräischen noch berberischen Namen’; dagegen
gibt es arabische Namen, Dokhn in Aegypten und Kos-
1 Die Stellen von Theophrast, Cato und andern sind in Lenz, Botanik
der Alten, S. 232, übersetzt.
2 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 17.
3 Regazzoni, Riv. arch. prov. di Como (1880), fase. 7.
Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 34.
Bretschneider, Study and value of Chinese bot. works, S. 7, S u. 45.
Roxburgh, Fl. ind. (1832), S. 310; Piddington, Index.
Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk.; Dictionn. francais-berb£re.
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bte u We ee
Echte Hirse. 477
jaejb in Arabien gebräuchlich.! Die europäischen Namen
sind verschiedenartig. Ausser den zwei griechischen
und lateinischen Namen gibt es einen altslawischen Proso?,
der in Russland und Polen beibehalten ist, einen alt-
deutschen Namen Hirsi und einen litauischen Sora.?
Das Fehlen von keltischen Namen ist auffallend. Es
scheint, als ob die Art ganz besonders in Osteuropa
angebaut worden wäre und sich zu Ende der gallischen
Oberherrschaft nach Westen zu verbreitet hätte. Wir
wollen sehen, ob sie sich irgendwo spontan findet.
Linne® sagte, dass sie Indien bewohne, und die meisten
Autoren wiederholen es; dagegen führen die anglo-in-
dischen Botaniker? sie immer als angebaut an. Sie fin-
det sich nicht in den Floren Japans. In Nordchina hat
Bunge sie nur angebaut gesehen®, Maximowiez in der
Nähe von Ussuri, an Wiesenrändern und an Localitäten,
die nahe bei chinesischen Wohnplätzen lagen.” Nach
Ledebour® ist sie im altaischen Sibirien und mittlern
Russland fast spontan, im Süden des Kaukasus und in
Talysch spontan. Für letzteres Land beruft er sich
auf Hohenacker. Dieser sagt jedoch: „fast spontan“.?
In der Krim, wo sie das Brot der Tataren ausmacht,
findet man sie hier und da fast spontan !’, was eben-
falls in Südfrankreich, Italien und Oesterreich!!! der
Fall ist. Sie ist in Griechenland nicht spontan!?, und
niemand hat sie in Persien oder Syrien gesehen. Forskal
und Delile haben sie für Aegypten angeführt; Ascherson
1 Delile, Fl. Aegypt., S. 3; Forskal, Arab., S. cıv.
2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 351.
3 Ebendas.
4 Linne, Species plant., I, 86.
5 Roxburgh, a. a. O.; Aitchison, Punjab, S. 159.
6 Bunge, Enumer., Nr. 400.
7 Maximowicz, Primitiae Amur., S. 330.
8 Ledebour, F]. ross., IV, 469.
9 Hohenacker, Plant. Talysch., S. 13.
10 Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinsel, S. 371.
11 Mutel, Fl. franç., IV, 20; Parlatore, Fl. ital., I, 122; Visiani, Fl.
dalmat., I, 60; Neilreich, F1. Nieder-Oesterr., S. 32.
12 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 3; Pflanzen der attischen
Ebene, S. 516.
478 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
lässt dies nicht zu!, und Forskal führt sie für Ara-
bien an.?
Die Art hätte sich in dieser Region seit der Zeit
der alten Aegypter infolge eines häufigen Anbaues na-
turalisiren können. Indessen ist die spontane Beschaffen-
heit anderswo so zweifelhaft, dass die Wahrscheinlich-
keit für einen ägypto-arabischen Ursprung spricht.
Panicum italicum, Linne. Setaria italica, Beauvois.
— Borstengras (fr. Panic d’Italie oder Millet à grappe).
Die Cultur dieser Art ist in der prähistorischen Epoche
eine der verbreitetsten in den gemässigten Theilen der
Alten Welt gewesen. Ihre Samen dienten dem Menschen
zur Nahrung, während sie jetzt besonders als Vogel-
futter benutzt werden.
In China gehört sie zu den fünf Pflanzen, welche der
Kaiser bei einer öffentlichen F eierlichkeit nach den
2700 Jahre v. Chr. gegebenen Befehlen von Schen-nung
alljährlich aussäen muss.” Der gewöhnliche Name ist
Siao-mi (kleines Korn), und der ältere Name war Ku,
doch scheint dieser auf eine ganz verschiedene Art an-
gewandt worden zu sein.* Pickering sagt, sie in zwei
Zeichnungen des alten Aegypten erkannt zu haben’,
und fügt hinzu, dass sie jetzt dort unter dem Namen
Dokn angebaut wird, dies ist aber der Name für Pani-
cum miliaceum. Es ist somit sehr zweifelhaft, dass die
alten Aegypter sie angebaut haben.
Man hat sie in den Ueberresten der schweizer Pfahl-
bauten aus der Steinzeit gefunden, natürlich um so
mehr auch in jenen Savoyens aus der darauf folgenden
Epoche.®
Die alten Griechen und Lateiner haben von ihr nicht
1 Ascherson benachrichtigte mich in einem Briefe, dass man in der
„Aufzählung“ das Wort cult. nach dem Panicum miliaceum aus Versehen
weggelassen habe.
= Forskal, F1. arab., S. cıv.
3 Bretschneider, On the study and value of er. bot. works, S.7, 8.
4 Ebend., S. 9. 5 Nach Unger, a. a. O., S.
6 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. mn 5. 17, Fig..28, 29. Per-
rin, Études préhistor. sur la Savoie, S. 22,
les.
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A nn
Pr
Borstengras. 479
gesprochen, oder man hat wenigstens die Art nach dem,
was sie über mehrere Panicum- oder Miliumarten sagen,
nicht bestimmen gekonnt. Heutzutage wird die Art nur
selten in Südeuropa angebaut, in Griechenland z. B.
ganz und gar nicht!, auch sehe ich sie nicht in Aegyp-
ten angegeben, dagegen ist sie in Südasien häufig.?
Dieser Graminee werden die Sanskritnamen Kungu
und Priyungu zugeschrieben; ersterer hat sich im
Bengali erhalten.” In seinem Index führt Piddington
mehrere andere Namen aus indischen Sprachen an. Ains-
lies? nennt einen persischen Namen, Arzun, und einen
arabischen; letzterer wird aber gewöhnlich auf Panicum
miliaceum bezogen. Einen hebräischen Namen gibt es
nicht, und die Pflanze wird in den botanischen Werken
über Aegypten und Arabien nicht angeführt. Die euro-
päischen Namen haben keinerlei historischen Werth;
sie haben nichts Ursprüngliches und beziehen sich
meistens auf die Fortpflanzung der Art nach andern
Ländern oder auf ihre Cultur in diesem oder jenem
Lande. Der specifische Name italicum ist hierfür ein
recht abgeschmacktes Beispiel, da die Pflanze in Italien
kaum angebaut, geschweige denn spontan war.
Rumphius nennt sie spontan auf den Sunda-Inseln,
ohne indessen sehr bestätigend zu sein.? Wahrschein-
lich ging Linné hiervon aus, um einen Irrthum zu über-
treiben und selbst weiter zu bringen, indem er sagt: „Be-
wohnt Indien.“ Sicherlich stammt sie nicht von Ost-
indien. Roxburgh versichert, sie in Indien nie wild-
wachsend gesehen zu haben. In der „Flora“ von Sir J.
Hooker sind die Gramineen noch nicht erschienen; aber
beispielsweise führt Aïtchison? die Art als ausschliess-
lich im nordwestlichen Indien angebaut an. Die Pflanze
Australiens, von welcher Robert Brown gesagt hatte,
1 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands.
2 Roxburgh, Fl. ind. (1832), I, 302; Rumphius, Amboyn., V, 202, Taf. 75.
3 Roxburgh, a. a. O. 4 Ainslies, Mat. med. ind., I, 226.
5 Obeurrit in Baleya etc. (Rumphius, V, 202).
6 Habitat in Indiis (Linné, Spec., I, 83).
7 Aitchison, Catal. of Punjab, S. 162.
480 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
dass sie diese Art sei, gehört einer andern an.t In
Japan scheint P. italicum spontan zu sein, wenigstens
unter der von einigen Autoren germanica genannten
Form?, und die Chinesen betrachten die fünf Cerealien
der jährlichen Feierlichkeit als ihrem Lande angehörig.
Indessen haben Bunge in Nordchina und Maximowicz
in der Amurregion die Art nur im Grossen angebaut
gesehen, und zwar immer in der Form der Varietät
germanica.® Für Persien*, die Kaukasusregion und
Europa finde ich in den Floren nur die Angabe als
angebaute Pflanze, die bisweilen den Culturen entspringt
und sich auf Schutthaufen, an Landstrassen, auf sandi- :
gen Strecken u. s. w. festsetzt.°
Nach Zusammenstellung der historischen, linguisti-
schen und botanischen Schriftstücke gelange ich zu der
Ansicht, dass die Art vor jeglicher ‘Cultur, d. h. vor
Tausenden von Jahren, in China, Japan und dem In-
dischen Archipel vorkam. Die Cultur muss sich seit
alters nach Westen verbreitet haben, weil Sanskrit-
namen bekannt sind; es scheint aber nicht, als ob sie
sich nach Arabien, Syrien und Griechenland hin ausge-
breitet habe, und wahrscheinlich gelangte sie frühzeitig
durch Russland und Oesterreich hindurch zu den Be-
wohnern der schweizer Pfahlbauten aus der Steinzeit.
Holcus Sorghum, Linne. Andropogon Sorghum, Bro-
tero. Sorghum vulgare, Persoon. — Kaffernhirse (fr.
Sorgho commun).
In Bezug auf die Unterscheidung mehrerer Sorghum-
arten und selbst bezüglich der Aufstellung von Gat-
tungen in dieser Gramineenabtheilung weichen die Mei-
nungen der Botaniker sehr voneinander ab. Eine gute
monographische Arbeit würde hier wie für die Paniceen.
1 Bentham, Flora austral., VII, 49.
2 Franchet et Savatier, Enum. Japon., II, 262.
3 Bunge, Enum., Nr. 399; Maximowicz, Primitiae Amur., S. 330.
4 Buhse, Aufzählung, S. 232.
5 Vgl. Parlatore, Fl. ital., I, 113; Mutel, Fl. franç., IV, 20 etc.
Kaffernhirse. 481
sehr erwünscht sein. Inzwischen will ich hier einige
Aufschlüsse über die Hauptarten geben, welche bei der
Ernährung des Menschen, zur Anzucht des Geflügels
und als Futter eine sehr wichtige Rolle spielen.
Als Typus der Art wollen wir das in Europa ange-
baute Sorghum nehmen, wie es sich von Host in seinen
„Gramineae austriacae“ (IV, Taf. 2) abgebildet findet.
Dies ist eine der am meisten von den Aegyptern der
Neuzeit unter dem Namen Durra, im äquatorealen Afrika,
Indien und China angebauten Pflanzen.! Sie ist in den
heissen Ländern so ergiebig, dass ungeheure Bevölke-
rungen der Alten Welt sich von ihr ernähren.
Linné und alle Autoren, selbst unsere Zeitgenossen,
sagen, dass sie von Indien kommt; in der ersten Aus-
gabe der Flora von Roxburgh, im Jahre 1820 ver-
öffentlicht, bestätigt dieser Gelehrte, den man wohlweis-
lieh hätte zu Rathe ziehen sollen, dass er sie nie an-
ders als angebaut gesehen habe. Dieselbe Bemerkung
macht er über die verwandten Formen (bicolor, saccha-
ratus etc.), welche man oft als einfache Varietäten an-
sieht. Auch Aitchison hat das Sorghum nur angebaut
gesehen. Das Fehlen eines Sanskritnamens macht den
indischen Ursprung gleichfalls sehr zweifelhaft. Bret-
schneider seinerseits bezeichnet Sorghum als ın China
einheimisch, obgleich die alten chinesischen Autoren,
ihm zufolge, nicht davon gesprochen haben. Freilich
führt er den in Peking volksthümlichen Namen Kao-
liang (hohe Hirse) an, welcher auch für Holcus saccha-
ratus gebraucht wird, für welchen er sich besser eignet.
Die Kaffernhirse ist nicht in den Ueberresten der
schweizer und italienischen Pfahlbauten gefunden wor-
den. Die Griechen haben nicht von ihr gesprochen.
Die Stelle im Plinius? über ein zu seiner Zeit von In-
dien nach Italien eingeführtes Mikum hat zu der Mei-
1 Delile, Plantes cultivées en Egypte, S. 7; Roxburgh, Fl. ind. (1832),
I, 269; Aitchison, Catal. Punjab, S. 175; Bretschneider, On study etc., S.9.
2 Plinius, Hist., 1. 18, c. 7.
DE CANDOLLE.- 31
482 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
nung geführt, dass es sich um die Kaffernhirse han-
delte, es war aber eine höhere Pflanze, vielleicht Hol-
cus saccharatus. In den Gräbern des alten Aegyptens
hat man das Vorkommen der Kaffernhirse nicht mit
Sicherheit nachgewiesen. Dr. Hannerd glaubte sie nach
einigen zerdrückten Samen zu erkennen, welche Rosel-
linı von Theben mitgebracht hatte!; von dem Conser-
vator der ägyptischen Alterthümer im Britischen Mu-
seum, Herrn Birch, wurde aber neuerdings die Er-
klärung abgegeben, dass man die Art in den alten
Gräbern nicht entdeckt habe.” Pickering will Blätter
von ıhr mit denen des Papyrus vermischt erkannt
haben. Er berichtet auch, Zeichnungen von ihr ge-
sehen zu haben, und Lepsius hat solche wiedergegeben,
die von ihm wie auch von Unger und Wilkinson für die
Durra der neuern Culturen angesehen werden.” Wuchs
und Form der Aehre sind in der That die der Kaffern-
hirse. Möglich ist es, dass mit dieser Art der Dochan
gemeint sei, welcher einmal im Alten Testament als
eine Getreideart, aus welcher man Brot bereitete, er-
wähnt wird. Indessen bezieht sich das jetzige arabische
Wort Dochn auf die Zuckerhirse.
Durch die volksthümlichen Namen habe ich nichts
erfahren, weil man oft einen und denselben Namen auf
verschiedene Panicum- und Sorghumarten angewandt
hat. In den alten Sprachen Indiens oder Westasiens ver-
mag ich keinen sichern Namen zu entdecken, was auf
eine nur wenige Jahrhunderte vor der christlichen Zeit-
rechnung stattgefundene Einführung schliessen lässt.
Von keinem Botaniker wird die Durra für Aegypten
pder Arabien als spontan angeführt. Eine übereinstim-
mende Form ist im äquatorealen Afrika wildwachsend,
R. Brown hat dieselbe aber nicht genau bestimmen ge-
1 Angeführt von Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 34.
2 S. Birch, in: Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians
(1878), II, 427.
3 Die Zeichnungen von Lepsius finden sich wiedergegeben in: Unger,
a. a. O., und in Wilkinson,.a. a. O, |
4 Hesekiel IV, 9.
Moorhirse, Durragras, chinesisches Zuckerrohr. 483
konnt!, und von der Flora des tropischen Afrika, welche
in Kew bearbeitet wird, ist der Abschnitt über die
Gramineen noch nicht erschienen. Somit bleibt einzig
und allein die Aussage des Dr. Bretschneider übrig,
dass das Sorghum von hohem Wuchs in China ein-
heimisch se. Wenn dieses wirklich unsere Art ist,
hätte sich dieselbe erst spät nach Westen verbreitet.
Die alten Aegypter besassen sie aber, und man muss sich
dann fragen, wie sie dieselbe von China erhalten haben
konnten, ohne dass die Völker der dazwischenliegenden
Länder Kenntniss von ihr genommen hätten. Leichter
wird das Verständniss für das Indigenat im äquatorealen
Afrıka mit einer prähistorischen Verpflanzung nach
Aegypten, Indien und schliesslich nach China, wo die
Cultur keine sehr alte scheint, denn das erste Werk,
welches davon spricht, datirt aus dem 4. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung.
Zur Begründung eines afrikanischen Ursprungs will
ich die Beobachtung von Schmidt? anführen, dass die
Art auf der Insel San-Antonio des Capverdischen Archi-
pels in steinigen Localitäten in Ueberfluss vorhanden
ist. Er hält sie für vollständig naturalisirt, was viel-
leicht einen wirklichen Ursprung verbirgt.
Holcus saccharatus, Linne. Andropogon Saccharatus,
Roxburgh. Sorghum Saccharatum, Persoon. — Moor-
. hirse, Durragras, chinesisches Zuckerrohr (fr. Sorgho
sucré).
Diese Art, welche höher wird als das gemeine Sorghum
und eine weitschweifige Rispe besitzt?, wird in den
Tropemländern ihrer Samen wegen angebaut, welche in-
dessen nicht so gut sind als jene der Kaffernhirse; in
den weniger heissen Regionen dient sie als Futterpflanze,
ja man gewinnt daraus auch Zucker, der sich in dem
Stengel in ziemlich beträchtlicher Menge angehäuft fin-
1 Brown, Bot. of Congo, S. 54.
2 Schmidt, Beiträge zur Flora der Capverdischen Inseln, S. 158.
3 Vgl. Host, Gramineae austriacae, Bd. IV, Taf. 4.
3:7
ASA Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
det. Die Chinesen bereiten Alkohol daraus, aber keinen
Zucker.
Die ziemlich allgemeine Meinung, welche von den
Botanikern getheilt wird, lässt sie von Indien kommen,
nach Roxburgh aber wird sie in jener Region nur an-
gebaut. Ganz dasselbe ist auf den Sunda-Inseln der
Fall, wo der Battari die vorliegende Art ist. Die Chi-
nesen kennen sie als Kao-liang (grosse Hirse). In China
soll sie nicht spontan sein. Von den der christlichen
Zeitrechnung vorhergehenden Schriftstellern wird sie
nicht erwähnt.! Will ich aus diesen verschiedenen
Zeugenaussagen, sowie aus dem Fehlen jeglichen Sanskrit-
namens einen Schluss ziehen, so scheint mir der asia-
tische Ursprung auf Täuschung zu beruhen.
In Aegypten baut man die Pflanze jetzt weniger an
als die Kaffernhirse, in Arabien kennt man sie als
Dochna oder Dochn. Von keinem Botaniker ist sie in
diesen Ländern spontan gesehen worden.” Kein Beweis
von ihrer Cultur bei den alten Aegyptern liest vor.
Herodot? hat von einer baumartigen Hirse in den Ebe-
nen Assyriens gesprochen. Dies könnte unsere Art
sein, aber wie es beweisen?
Die Griechen und Lateiner kannten sie nicht, wenig-
stens nicht vor der Zeit des Römischen Kaiserreichs,
möglich ist es aber, dass es die sieben Fuss hohe Hirse
war, von welcher Plinius berichtet*, dass sie zu seinen
Lebzeiten von Indien eingeführt worden war.
Wahrscheinlich muss man den Ursprung im inter-
tropischen Afrika suchen, wo die Art allgemein ange-
baut wird. Sir W. Hooker? führt Exemplare von den
Ufern des Flusses Nun an, welche vielleicht wildwach-
sende waren. Die bevorstehende Veröffentlichung der
1 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., I, 271; Rumphius, Amboin., V, 194,
Taf. 75, Fig. 1; Miquel, Fl. indo-batava, III, 503; Bretschneider, On the
study ete., S. 9 u. 46; Loureiro, Fl. cochinch., II, 792.
2 Forskal, Delile, Schweinfurth und Ascherson, a. a. O.
3 Herodot, 1. 1, ce. 19.
4 Plinius, Hist., 1. 18, c. 7. Dies könnte die bicolor genannte Varietät
oder Art sein.
5 W, Hooker, Niger Flora.
Krummährige Eleusine. 485
Gramineen in der Flora des tropischen Afrika wird
diese Frage wahrscheinlich aufklären.
Die Ausdehnung der Cultur vom Innern Afrikas nach
Aegypten seit den Pharaonen, nach Arabien, dem In-
dischen Archipel und, nach der Sanskritepoche, nach
Indien und schliesslich, zu Anfang unserer Zeitrechnung,
nach China, würde mit den historischen Angaben über-
einstimmen, und diese Annahme bietet keine weitern
Schwierigkeiten dar. Die entgegengesetzte Hypothese
einer Verpflanzung von Osten nach Westen lässt eine
Menge von Einwendungen zu.
Mehrere andere Sorghumformen werden in Asien und
Afrika angebaut, z. B. die cernuus mit geneigten Aeh-
ren, von welcher Roxburgh spricht und welche Prosper
Alpini in Aegypten gesehen hatte; die bicolor, welche
in ihrem Wuchse der saccharatus gleicht, und die niger
und rubens, welche noch mehr Culturvarietäten zu sein
scheinen. Keine von ihnen ist wildwachsend gefunden
worden, und es dürfte wahrscheinlich sein, dass sie von
einem Monographen als einfache abgestammte Formen
zu den oben genannten Arten gebracht werden.
Eleusine Coracana, Gärtner. — Krummährige Eleu-
sine (fr. Coracan).
Diese einjährige, den Hirsearten ähnliche Graminee
wird besonders in Indien und dem Indischen Archipel
angebaut. Sie wird es auch in Aegypten! und Abessi-
nien?, da aber viele Botaniker, welche von den Pflanzen
des innern oder westlichen Afrika gesprochen haben,
hierüber nichts verlauten lassen, darf man annehmen,
dass die Cultur auf diesem Continent eine wenig ver-
breitete ist. In Japan? entspringt sie bisweilen dem
Culturlande. Die Samen reifen in Südeuropa; ausge-
nommen als Futterpflanze hat sie aber keinen Werth.®
1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 299.
2 Bon Jardinier, 1880, S. 585.
3 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japon., II, 172.
4 Bon Jardinier, ebend.
486 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Kein Autor will sie im wildwachsenden Zustande in
Asien oder Afrika gefunden haben. Nachdem Roxburgh!,
welcher derartigen Fragen immer die grösste Aufmerk-
samkeit gewidmet, über ihre Cultur gesprochen hat,
fügt er hinzu: „Ich habe sie nie wildwachsend gesehen.“
Unter dem Namen Eleusine stricta unterscheidet er eine
in Indien noch häufiger angebaute Form, welche eine
einfache Varietät der Coracana zu sein scheint, und
welche er ebenso wenig ausserhalb der Culturen ange-
troffen hat.
Das Vaterland wird uns durch andere Mittel ange-
geben werden.
Zunächst sind die Arten der Gattung Eleusine
in Südasien zahlreicher als in den andern tropischen
Regionen.
Ausser der angebauten Pflanze erwähnt Royle? andere
Arten, deren Samen die arme Bevölkerung Indiens auf
freiem Felde einsammelt.
Nach dem Index von Piddington gibt es einen Sanskrit-
namen Rajika und mehrere andere Namen in den neuern
Sprachen Indiens. Coracana stammt von dem auf Ceylon
gebräuchlichen Namen Kourakhan* ab. In dem In-
dischen Archipel scheinen die Namen weniger zahlreich
und weniger ursprünglich zu sein.
In Aegypten kann die Cultur dieser Art keine alte
sein. Die Denkmäler des Alterthums weisen keine Spur
von ihr auf. Die griechisch-römischen Autoren, welche
das Land kannten, haben von ihr nicht gesprochen,
ebenso wenig später Prosper Alpini, Forskal, Delile,
Wir müssen erst zu einem ganz neuen Werke gelangen,
wie dem von Schweinfurth und Ascherson, um die Art
erwähnt zu finden, und auch einen arabischen Namen
kann ich nicht entdecken.*.
1 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., I, 345.
2 Royle, Ill. Himal. plants.
3 Thwaites, Enum. plant. Ceylan., S. 371. SE
4 Mehrere Synonyme und das arabische Wort in Linné, Delile u. 8. w.
beziehen sich auf Dactyloctenium aegyptiacum, Willdenow, oder Eleusine
aegyptiaca einiger Autoren, die nicht angebaut wird.
Reis. 487
Somit stimmen alle botanischen, historischen und
linguistischen Wahrscheinlichkeiten überein in dem Hin-
weis auf einen indischen Ursprung.
Aus der Flora von Britisch-Indien, in welcher die
Gramineen noch nicht erschienen sind, werden wir viel-
leicht erfahren, ob man die wildwachsende Pflanze auf
neuern Entdeckungsreisen gefunden hat.
In Abessinien wird eine nahverwandte Art, Eleu-
sine Tocussa, Fresenius!, angebaut, eine noch sehr wenig
bekannte Pflanze, die vielleicht von Afrika stammt.
Oryza sativa, Linné. — Reis (fr. Riz).
Bei der vom Kaiser Schin-Nong, 2800 Jahre v. Chr.
festgesetzten Feierlichkeit spielt der Reis die Haupt-
rolle. Es ist der regierende Kaiser selbst, welcher ihn
aussäen muss, während die vier andern Arten gewöhn-
lich von den Prinzen seines Hauses ausgesäet werden.?
Die fünf Arten werden von den Chinesen als einheimisch
angesehen, und man muss zugeben, dass dies für den
Reis sehr wahrscheinlich ist, da seine Verwendung eine
allgemeine und alte ist, und zwar in einem von Kanälen
und Flüssen durchzogenen Lande, Bedingungen, die den
Wasserpflanzen so günstig sind. Die Botaniker haben
China noch nicht hinlänglich durchforscht, um von ihnen
zu erfahren, bis zu welchem Punkte sich der Reis
ausserhalb der Culturen befindet, von Loureiro ? ist er
aber in den Sümpfen Cochinchinas gesehen worden.
Rumphius und die neuern Autoren über den Indischen
Archipel führen ihn nur als angebaut an. Aus der
Menge der’ Namen und Varietäten kann man auf eine
sehr alte Cultur schliessen. In Britisch-Indien stammt
sie wenigstens aus der Zeit der arischen Invasion, weil
der Reis Sanskritnamen hat, Vrihi, Arunya*, von welchen
1 Fresenius, Catal. sem. horti (Frankfurt 1834); Beiträge zur Flora
Abyssin., S. 141.
2 Stanislas Julien, in: Loiseleur, Consid. sur les céréales, I, 29; Bret-
schneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 8 u. 9.
3 Loureiro, Fl. cochinch., I, 267.
4 Piddington, Index; Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 47
488 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
mehrere Namen neuerer Sprachen Indiens, ebenso Oruza
oder Oruzon der alten Griechen, Rouz oder Arous der
Araber abstammen. Theophrast! hat von dem Reis als
einer in Indien angebauten Pflanze gesprochen. Die
Griechen hatten dieselbe durch den Zug Alexander’s ken-
nen gelernt. „Aristobulus zufolge“, sagt Strabo?, „wächst
der Reis in Baktrien, Babylonien, Susis und im untern
Syrien“. Später bemerkt er, dass die Indier sich davon
nähren und eine Art Wein bereiten. Diese Aussagen,
die für Baktrien vielleicht zweifelhaft sind, weisen auf
eine wenigstens seit Alexander’s Zeiten (400 Jahre v.
Chr.) in der Region des Euphrat, und seit Beginn un-
serer Zeitrechnung in den heissen und bewässerten Ge-
genden Syriens wohlbegründete Cultur hin. Im Alten
Testament ist vom Reis nicht die Rede; ein immer ge-
nauer und einsichtsvoller Schriftsteller, L. Reynier?, hat
aber in den Büchern des Talmud mehrere auf seine
Cultur bezügliche Stellen aufgedeckt. Durch diese That-
sachen wird man zu der Vermuthung veranlasst, dass
die Indier den Reis später als die Chinesen in Gebrauch
nahmen, und dass derselbe sich gegen den Euphrat hin
noch später verbreitete, was freilich immer noch früher
eintrat als die Invasion der Arier nach Indien. Seit
dem Auftreten dieser Cultur in Babylonien verflossen
mehr als 1000 Jahre, bis er nach Syrien gelangte,
und seine Einführung nach Aegypten folgte wahrschein-
lich zwei oder drei Jahrhunderte später. In der
That findet sich kein Anzeichen vom Reis in den Sä-
mereien oder den Gemälden des alten Aegyptens.*
Strabo, welcher sich in diesem Lande ebenso wie in
Syrien aufgehalten hatte, berichtet nicht, dass der Reis
1 Theophrastus, Hist., 1. 4, c. 4, 10.
2 Strabo, Geographie, 1. 15, c. 1. $
3 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs (1820), S. 450; Economie
publique et rurale des Egyptiens et des Carthaginois (1823), S. 324.
4 Von Unger wird keins genannt. M.S. Birch hat 1878 folgende An-
merkung gemacht in Wilkinson’s Manners and customs of the ancient
Egyptians, II, 402: Man besitzt keinen Beweis von der Cultur des Reis,
von welchem man keine Samen gefunden hat,
Reis. 489
zu seiner Zeit in Aegypten angebaut wurde, wol aber
dass die Garamantes! ihn anbauten, und soll dieses
Volk eine Oase im Süden von Karthago bewohnt haben.
Hatten sie ihn von Syrien erhalten? Dies ist immerhin
möglich. Auf alle Fälle konnte es nicht lange währen,
dass Aegypten eine Cultur besass, die seinen beson-
:dern Bewässerungsbedingungen so wohl zusagte. Durch
die Araber wurde die Art nach Spanien eingeführt, wie
dies der spanische Name Arroz andeutet. Die ersten
Reisculturen in Italien in der Nähe von Pisa datiren aus
dem Jahre 1468.? Die von Louisiana gehören der Neu-
zeit an.
Wenn ich eine in Indien weniger alte Cultur vermuthete
als in China, habe ich damit nicht gemeint, dass die
Pflanze dort nicht spontan wäre. Sie gehört zu einer
Familie, bei welcher die Wohnsitze der Arten ausge-
dehnt sind, und die Wasserpflanzen besitzen ausserdem
gemeiniglich weitere Wohnsitze als die andern. Der
Reis fand sich vielleicht vor jeglicher Cultur in Süd-
asien, von China bis nach Bengalen, worauf die Ver-
- schiedenheit der Namen in den einsilbigen Sprachen der
Völker zwischen Indien und China hindeutet.? Ausser-
halb des Culturbereichs hat man ihn in mehreren Gegen-
den Indiens gefunden, dies wird von Roxburgh* be-
stätigt. Er erzählt, dass der wildwachsende Reis, von
den Telinga Newaree genannt, in Ueberfluss an den
Ufern der Seen im Lande der Circars wächst. Der
Same wird von den reichen Hindus sehr geschätzt; man
säet ihn aber nicht aus, weil er wenig ergiebig ist.
Roxburgh bezweifelt nicht, dass dies die ursprüng-
liche Pflanze sei. Thomson hat die wildwachsende
Reispflanze bei Moradabad in der Provinz Delhi ge-
sammelt. Die historischen Gründe unterstützen die An-
sicht, dass diese Exemplare einheimische sind. Sonst
1 Reynier, a. a. OÖ. 2 Targioni, Cenni, S. 24.
3 Crawfurd, in: Journal of Botany, 1866, S. 324.
4 Roxburgh, Fl. ind. (1832), II, 200.
5 Nach Aitchison, Catal. Punjab, S. 157. -
490 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
könnte man glauben, dass dieselben von der gebräuch-
lichen Cultur der Art herrührten, und zwar um so
mehr, weil es hinlänglich bekannt ist, dass sich der
Reis in den heissen und feuchten Ländern mit Leichtig-
keit von selbst aussäet und naturalisirt.! Gleichwol
geht die Zusammenstellung der historischen Anzeichen
und der botanischen Wahrscheinlichkeiten darauf hin-
aus, für Indien ein Vorkommen vor der Cultur zuzu-
lassen.?
Zea Mays, Linne. — Mais, Welschkorn, Türkischer
Weizen (fr. Maïs).
„Der Mais stammt von Amerika und wurde nach der
Alten Welt erst seit der Entdeckung der Neuen einge-
führt. Ich sehe diese beiden Behauptungen trotz der
entgegengesetzten Meinung einiger Autoren, trotz des
seitens des berühmten Agronomen Bonafous (dem wir
die vollständigste Abhandlung über den Mais verdanken)
laut gewordenen Zweifels, als gewiss an.“# In dieser
Weise sprach ich mich im Jahre 1855 aus, nachdem
ich bereits die Meinung von Bonafous beim Erscheinen
seines Werkes bekämpft hatte.* Die Beweise zu Gunsten
des amerikanischen Ursprungs haben sich seitdem ver-
stärkt. Indessen sind Versuche im entgegengesetzten
Sinne gemacht worden, und da der Name Türkischer
Weizen einen Irrthum einschliesst, dürfte es ange-
rathen sein, die Auseinandersetzung mit neuen Schrift-
stücken in der Hand wieder aufzunehmen.
Niemand bestreitet es, dass der Mais in Europa zu
Zeiten des Römischen Kaiserreichs unbekannt war, es
1 Nees, in: Martius, Flora brasil., II, 518; Baker, Flora of Mauritius,
S. 458.
2 „Baron Ferdinand von Müller schreibt mir, dass der Oryza im tro-
pischen Australien sicherlich spontan ist. Ob derselbe sich dort aber
nicht zufällig ausgesäet und naturalisirt hat, ist eine zweite Frage.“ [Vom
Verfasser mitgetheilte Anmerkung.] è
3 Bonafous, Hist. nat. agric. et économique du Maïs (Paris und Turin
1556).
4 A. de Candolle, Bibliothèque universelle de Genève (1836); Géogr.
bot. raisonnée, S. 942.
Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 491
ist aber behauptet worden, dass man ihn im Mittelalter
vom Orient gebracht hätte. Der Hauptbeweisgrund
stützte sich auf eine von Molinari! veröffentlichte Ur-
kunde aus dem 13. Jahrhundert, nach welcher zwei
Kreuzfahrer, Waffengefährten von Bonifazius IIL, Mar-
quis von Montferrat, im Jahre 1204 der Stadt Incisa
ein Stück des echten Kreuzes..... ferner einen Beutel
gegeben hätten, welcher goldgelbe und zum Theil weisse
Samenkörner enthielt, die ım Lande unbekannt waren
und welche sie von Anatolien gebracht hatten, wo man
dieselben Meliga nannte u. s. w. Der Geschichtschreiber
der Kreuzzüge, Michaux, und später Daru und de Sis-
mondi, haben diese Urkunde mehrfach erwähnt; der
Botaniker Delile, ferner Targioni-Tozzetti und sogar
Bonafous selbst waren aber der Meinung, dass es sich
hierbei um eine Sorghumart und nicht um den Mais
handelte. Diese alten Erörterungen sind lächerlich ge-
worden, denn vom Grafen Riant? wurde nachgewiesen,
dass die Urkunde von Incisa nichts anderes war als das
Machwerk eines Betrügers dieses Jahrhunderts! Ich
führe dieses Beispiel an, um darzuthun, wie leicht sich
die Gelehrten, welche nicht Naturforscher sind, bei Aus-
legung von Pflanzennamen irren können, wie bedenklich
es ferner ist, sich bei historischen Fragen auf einen
vereinzelt dastehenden Beweis zu stützen.
Der Name Türkischer Weizen, welcher dem Mais
in fast allen neuern Sprachen Europas beigelegt wor-
den ist, weist nicht besser als die Urkunde von In-
cisa auf einen Ursprung aus dem Orient hin. Diese
Namen sind’ ebenso falsch wie derjenige des Truthahns,
Indians oder Kalkuttischen Hahns (franz. Coq d’Inde,
engl. Turkey), womit ein aus Amerika stammender Vogel
bezeichnet wurde. Man nannte den Mais in Lothringen
und in den Vogesen Blé de Rome, in Toscana Sicili-
scher Weizen, in Sicilien Indischer Weizen, in den
1 Molinari, Storia d’Ineisa (Asti 1310).
2 Riant, La charte d’Incisa (1377), ee aus der Revue des
questions historiques.
492 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Pyrenäen Blé d’Espagne, in der Provence Blé de Barbarie
oder de Guinée. Die Türken kennen ihn als Aegypti-
schen Weizen und die Aegypter als Syrisches Durra.
In letzterm Falle beweist dies wenigstens, dass er weder
aus Aegypten noch aus Syrien stammt. Der so ver-
breitete Name Türkischer Weizen datirt aus dem 16. Jahr-
hundert. Er entstand aus einem Irrthum über den Ur-
sprung der Pflanze, der vielleicht durch die Haarkronen,
welche sich an der Spitze der Maiskolben befinden und
die man mit dem Barte der Türken verglichen hatte,
oder infolge des kräftigen Aussehens der Pflanze, wel-
ches einen ähnlichen Ausdruck wie „stark wie ein Türke“
rechtfertigte, unterhalten wurde. Der erste Botaniker,
bei welchem .man den Namen Türkischer Weizen
findet, ist Ruelliust im Jahre 1536. Nachdem Bock
oder Tragus?, welcher eine Abbildung der Art gegeben
hatte, die er Frumentum turcicum (Welschkorn) nannte,
im Jahre 1552 von Kaufleuten in Erfahrung gebracht
hatte, dass dieselbe von Indien käme, verfiel er auf die
unglückliche Vermuthung, dass sie eine gewisse Typha
von Baktrien sei, von welcher die Alten in unbestimmter
Weise gesprochen hatten. Diese Irrthümer wurden 1583
von Dodoens, 1588 von Camerarius und auch von
Matthiole * berichtigt, und dieselben bestätigen in ganz
bestimmter Weise den amerikanischen Ursprung. Sie
nahmen den Namen Mais an, indem sie wussten, dass
derselbe amerikanisch sei.
Wir haben gesehen (S. 458), dass mit dem Zea der
Griechen der Spelz oder Dinkel gemeint war. Sicherlich
haben die Alten den Mais nicht gekannt. Die Reisen-
den“, welche zuerst die Erzeugnisse der Neuen Welt
beschrieben, waren, als sie denselben sahen, sehr er-
1 Ruellius, De natura stirpium, S. 428: „Hanc quoniam nostrorum
aetate e Graecia vel Asia venerit Turcicum frumentaceum nominant.“
Fuchsius, S. 824, wiederholt diese Stelle im Jahre 1543.
2 Tragus, Stirpium etc. (1552), S. 650.
3 Dodoens, Pemptades, S. 509; Camerarius, Hort., S. 9; Matthiole
(1570), S. 305.
4 P. Martyr, Ercilla, Jean de Lery etc., von 1516—78.
Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 493
staunt; dies ist ein augenscheinlicher Beweis, dass sie
ihn in Europa nicht gekannt hatten. Hernandez!, wel-
cher nach den einen im Jahre 1571, nach den andern?
im Jahre 1593 Europa verlassen hatte, wusste nicht,
dass man in Sevilla vom Jahre 1500 an viele Maissamen
erhalten hatte, um diese Pflanze anzubauen. Diese That-
sache, welche von Fée, der die Register der städtischen
Behörde® durchgesehen hatte, beglaubigt wurde, beweist
hinlänglich den amerikanischen Ursprung, weswegen
Hernandez den Namen Türkischer Weizen für sehr un-
' passend hielt.
Man wird vielleicht sagen, dass der Mais, welcher für Eu-
ropa im 16. Jahrhundert noch neu war, irgendwo in Asien
oder Afrika vor der Entdeckung Amerikas sich vorgefun-
den hat. Wir wollen sehen, was man davon zu halten hat.
Der berühmte Orientalist d’Herbelot? hatte mehrere Irr-
thümer zusammengestellt, die von Bonafous und mir selbst
aufgedeckt wurden und welche sich auf eine Stelle des per-
sischen Geschichtsschreibers Mirchond aus dem 15. Jahr-
hundert bezogen. Dieselbe lautet dahin, dass Rous,
Japhet’s Sohn, an den Gestaden des Kaspisees eine Ge-
treideart ausgesäet hatte, welche mit dem Türkischen
Weizen der neuern Autoren identisch sein sollte. Es
verlohnt sich nicht der Mühe, länger bei den Aussagen
eines Gelehrten zu verweilen, dem es nicht eingefallen
war, die Werke der Botaniker seiner oder früherer Zeit
zu Rathe zu ziehen. Weit mehr fällt es ins Gewicht,
dass die Reisenden, welche Asıen und Afrika vor der
Entdeckung Amerikas besucht haben, kein Wort über
den Mais veflauten lassen, dass man ferner keinen he-
bräischen oder Sanskritnamen für diese Pflanze kennt,
und dass sich schliesslich keine Probe oder Zeichnung
davon in den Denkmälern des alten Aegyptens gefunden
hat. Rifaud hat freilich einmal einen Maiskolben in
1 Hernandez, Thes. mexic., S. 242.
2 Lasègue, Musée Delessert, S. 467.
3 Fée, Souvenirs de la guerre d’Espagne, S. 128.
4 Bibliotheque orientale (Paris 1697) unter dem Worte Rous.
5 Kunth, Ann. sc. nat., Serie 1, VIII, 418; Raspail, ebend.; Unger,
5
b
x>
494 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
einem Sarge von Theben gefunden, doch glaubt man,
dass hierbei irgendeine Betrügerei seitens eines Arabers
im Spiele war. Wenn der Mais im alten Aegypten vor-
gekommen wäre, würde man ihn in allen Denkmälern
antreffen, würde er mit den religiösen Vorstellungen wie
die andern bemerkenswerthen Pflanzen verflochten ge-
wesen sein. Eine so leicht anzubauende Art würde
sich nach den Nachbarländern verbreitet haben. Man
würde die Cultur nicht aufgegeben haben; statt dessen
sehen wir, dass Prosper Alpini, welcher Aegypten im
Jahre 1592 bereiste, nicht hiervon gesprochen hat, und
dass Forskal! zu Ende des 18. Jahrhunderts den Mais
als eine in Aegypten noch wenig angebaute Pflanze er-
wähnte, woselbst er keinen von den Sorghumarten ver-
schiedenen Namen erhalten hatte. Ebn Baithar, ara-
bischer Arzt des 13. Jahrhunderts, welcher die zwischen
Spanien und Persien gelegenen Länder durchstreift
hatte, führt keine Pflanze an, unter welcher man irgend-
wie den Mais vermuthen könnte.
Nachdem J. Crawfurd? den Mais im Indischen Archipel
unter einem seiner Ansıcht nach einheimischen Namen,
Jarung, allgemein angebaut gesehen hatte, glaubte er,
dass die Art von diesen Inseln abstamme. Wie käme
es dann aber, dass Rumphius denselben mit keiner Silbe
erwähnt hätte? Das Stillschweigen eines solchen Schrift-
stellers lässt eine Einführung seit dem 17. Jahrhundert
voraussetzen. Auf dem indischen Festlande war der
Mais im verflossenen Jahrhundert so wenig verbreitet,
dass Roxburgh® in seiner Flora, die erst lange Zeit
nachdem sie fertig gestellt, veröffentlicht wurde, Fol-
gendes sagen konnte: „Angebaut in verschiedenen Gegen-
den Indiens, aber nur als Luxusartikel in den Gärten,
doch nirgendwo auf dem indischen Festlande im grossen
Pflanzen des alten Aegyptens; A. Braun, Pflanzenreste d. ägypt. Mus. in
Berlin; Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians.
1 Forskal, S. LIII.
2 Crawfurd, History of the Indian Archipelago (Edinburgh 1820); Jour-
nal of Bot., 1866, S. 326.
3 Roxburgh, Flora indica (1832), III, 568.
Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 495
Maassstabe.“ Wir haben bereits gesehen, dass es für
den Mais keinen Sanskritnamen gibt.
In China wird der Mais gegenwärtig häufig ange-
baut, seit mehreren Generationen besonders um Peking
herum !, obgleich die meisten Reisenden des letzten
Jahrhunderts nichts davon erwähnt haben. In seiner
Schrift aus dem Jahre 1870 trug Dr. Bretschneider
kein Bedenken zu behaupten, dass der Mais nicht aus
China stamme; einige Worte in seinem Briefe aus dem
Jahre 1881 lassen mich aber annehmen, dass er jetzt
einem alten chinesischen Autor Bedeutung beilegt, von
welchem Bonafous und nach ihm Hance und Mayers viel-
fach gesprochen haben. Es handelt sich um das Werk
von Li-schi-tschin, „Phen-thsao-Kang-Mu“ oder „Pen-
tsao-kung-mu“ betitelt, eine Art von Abhandlung über
Naturgeschichte, welche nach Bretschneider ? gegen Ende
des 16. Jahrhunderts erschien. Bonafous ist genauer,
ihm zufolge wurde dasselbe 1578 beendigt. Es ent-
hält die Abbildung des Mais mit dem chinesischen
Schriftzeichen. ose Abbildung findet sich in dem
Werke von Bonafous zu Anfang des Kapitels über das
Vaterland des Mais wiedergegeben. Augenscheinlich
stellt sie die Pflanze dar. Dr. Hance® scheint sich auf
die Untersuchungen von Mayers gestützt zu haben,
denen zufolge alte chinesische Schriftsteller behaupten,
dass der Mais in unbekannt gebliebener Zeit lange
vor Ende des 15. Jahrhunderts von Sifan (untere
Mongolei, im Westen Chinas) gebracht worden sei. Die
Abhandlung enthält eine Copie von der Abbildung des
„Pen-tsao-kung-mu‘“, welches nach ihm aus dem Jahre
1597 datirt.
Die Einfuhr durch die Mongolei ist in so hohem
Grade unwahrscheinlich, dass es sich nicht der Mühe
verlohnt, weiter darüber zu sprechen, und bezüglich .
1 D dite, On study and value etc., S. 7, 18.
2 Ebend., S.
3 Der se findet sich im Pharmaceutical Journal von 1870. Ich
kenne ihn nur durch einen kurzen Auszug in: Seemann, Journal of Bo-
tany, 1871, S. 62.
496 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
der Hauptaussage des chinesischen Schriftstellers muss
man die ungewissen oder später angegebenen Daten
nicht ausser Acht lassen. Das Werk wurde nach Bona-
fous im Jahre 1578 beendigt, und nach Mayers ım Jahre
1597. Wenn sich dies so verhält, besonders wenn
letztere Jahreszahl sicher ist, so lässt sich an-
nehmen, dass der Mais seit der Entdeckung Amerikas
nach China gebracht wurde. Die Portugiesen gelangten
nach Java im Jahre 14961, d. h. vier Jahre nach der
Entdeckung Amerikas, und nach China seit dem Jahre
1516.2 Magellan’s Reise von Südamerika nach den
Philippinen fand im Jahre 1520 statt. Während der
58 oder 77 Jahre, welche zwischen 1516 und jenen
den Ausgaben des chinesischen Werkes zugeschriebenen
Daten liegen, konnten Maiskörner von Reisenden, die
aus Amerika oder Europa kamen, nach China gebracht
worden sein. Dr. Bretschneider schrieb mir vor kur-
zem, dass die Chinesen keinerlei Kenntniss von der
Neuen Welt vor den Europäern besassen, und dass
unter den Ländern, welche im Osten ihres Landes lie-
gen, von denen zuweilen in ihren alten Werken die
Rede ist, Japan gemeint war. Er hatte bereits die
Meinung eines chinesischen Gelehrten angeführt, nach
welcher die Einführung des Mais in der Nähe von Pe-
king aus den letzten Zeiten der Dynastie Ming datirt,
welche im Jahre 1644 zu Ende ging. Dies ist eine
Jahreszahl, welche mit den andern Wahrscheinlichkeiten
übereinstimmt.
Die Einführung nach Japan ist wahrscheinlich aus
späterer Zeit, da die Art von Kämpfer nicht erwähnt
wurde.
Aus dieser Zusammenstellung von Thatsachen geht
hervor, dass der Mais der Alten Welt nicht angehörte.
Er hat sich daselbst nach der Entdeckung Amerikas
1 Rumphius, Amboin., V, 225.
2 Malte-Brun, Géographie, I, 493.
3 Eine auf einer alten Waffe eingravirte Pflanze, welche Siebold für
den Mais angesehen hatte, ist nach Rein ein Sorghum; vgl. Wittmack,
Ueber antiken Mais.
Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 497
sehr rasch verbreitet, und diese Geschwindigkeit selbst
trägt zum Beweise bei, dass wenn derselbe irgendwo
in Asien oder in Afrika vorgekommen wäre, er seit
Tausenden von Jahren eine sehr wichtige Rolle gespielt
haben würde.
In Amerika werden wir auf Thatsachen stossen, welche
mit diesen in Widerspruch stehen.
Zur Zeit der Entdeckung des neuen Continents bil-
dete der Mais eine der Grundlagen seines Ackerbaues
und zwar von der La Plata-Region bis nach den Ver-
einigten Staaten. Er hatte Namen in allen Sprachen.!
Die Eingeborenen säeten ihn um ihre zeitweiligen Woh-
nungen herum aus, so lange sie keine zusammen-
gedrängte Bevölkerung bildeten. Die sogenannten
Mounds, Grabstätten der Eingeborenen Nordamerikas,
welche denen unserer Zeit vorhergehen, die Gräber der
Inkas, die Katakomben Perus schliessen Maiskolben oder
Samen ein, geradeso wie die Denkmäler des alten
Aegyptens Gersten-, Weizen- oder Hirsekörner. In
Mexico war eine Göttin, welche einen von dem Mais
* abgeleiteten Namen trug (Cinteutl, de Cintli), der Ceres
der Griechen zu vergleichen, denn sie empfing die Erst-
linge der Maisernte, wie die griechische Göttin die un- _
serer Cerealien. In Cuzco bereiteten die Sonnenjung-
frauen Maisbrot für die Opfer. Nichts beweist besser
das hohe Alterthum und die Allgemeinheit der Cultur
einer Pflanze als diese innige Verschmelzung mit den
religiösen Gebräuchen alter Bewohner. Man darf in-
dessen diesen Angaben in Amerika nicht dieselbe Be-
deutung beilegen wie in unserer alten Welt. Die Civili-
sation der Peruaner unter den Inkas und die der Tol-
teken und Azteken in Mexico gehen nicht auf ein so
hohes Alterthum der Civilisationen Chinas, Chaldäas
und Aegyptens zurück. Sie schreibt sich höchstens aus
den Anfängen der christlichen Zeitrechnung her, der
Anbau des Mais ist aber älter als die Denkmäler, dies
1 Vgl. Martius, Beiträge zur Ethnographie Amerikas, S. 127.
DE CANDOLLE, 32
498 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
kann man aus den vielen dort vorhandenen Varietäten
der Art, sowie aus ihrer Verbreitung in sehr weit von-
einander entfernten Regionen schliessen.
Darwin hat einen noch bemerkenswerthern Beweis
von hohem Alter entdeckt. Dieser berühmte Gelehrte
hat Maiskolben und 18 Arten von Muscheln aus der
Jetztzeit im Boden eines peruanischen Küstenstrichs
eingebetttet gefunden, welcher jetzt wenigstens 85 Fuss
über dem Meeresniveau liegt.! Es war dieser Mais
vielleicht nicht angebaut, doch würde er dann als
Zeichen für den Ursprung der Art von noch grösserm
Interesse sein.
Trotzdem Amerika von einer grossen Anzahl Bota-
niker erforscht worden ist, hat keiner derselben den
Mais unter Bedingungen einer wildwachsenden Pflanze
angetroffen.
Auguste de Saint-Hilaire? glaubte den spontanen Ty-
pus in einer besondern Form wiederzuerkennen, bei
welcher jedes Samenkorn im Innern seines Deckblattes
verborgen ist. Man kennt dieselbe in Buenos-Ayres
unter dem Namen Pinsigallo. Dies ist Zea Mays tunicata
von Saint-Hilaire, welche Bonafous auf seiner Taf. 5bis
unter dem Namen Zea cryptosperma abgebildet hat.
Lindley # hat von derselben ebenfalls eine Beschreibung
und Abbildung gegeben, wobei er sich auf Samen
stützte, die von den Felsengebirgen gekommen sein
sollten, ein Ursprung, welcher den neuerdings über Cali-
fornien veröffentlichten Floren zufolge nicht bestätigt wor-
den ist. Ein junger Guarani, welcher in Paraguay oder
an den Grenzen dieses Landes geboren war, hatte die-
sen Mais wiedererkannt und sagte zu Saint-Hilaire, dass
derselbe in den feuchten Wäldern seines Landes wüchse.
Als Indigenatsbeweis ist dies nicht genügend. Mei-
nes Wissens ist diese Pflanze in Paraguay oder in
Brasilien von keinem Reisenden gesehen worden. Man
Darwin, Variations of animals and plants under domestication, I, 320.
A. de Saint-Hilaire, Ann. sc. nat., XVI, 143.
Lindley, Journal of the Hortic. Society, I, 114.
Du
[in
eh
Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 499
hat sie aber in Europa angebaut und hat den Nach-
weis geliefert, dass sie häufig in die Form des gemei-
nen Mais übergeht. Lindley hat dies schon nach
einer Cultur von zwei oder drei Jahren beobachtet, und
Professor von Radit hat von einer einzigen Aussaat
225 Kolben der Form #funicata und 105 der gewöhn-
lichen Form mit nackten Samen erzielt.! Augenschein-
lich ist diese Form, welche man für eine wirkliche Art
halten könnte, deren Vaterland jedoch zweifelhaft war,
kaum als eine Rasse hinzustellen. Sie gehört zu den
unzähligen, mehr oder minder erblichen Varietäten, aus
welchen die angesehensten Botaniker wegen ihrer ge-
ringen Beständigkeit und der bei ihnen häufig sich
zeigenden Uebergänge nur eine einzige Art machen.
Ueber die Beschaffenheit der Zea Mays und ihren
Wohnsitz in Amerika, bevor der Mensch anfing sie anzu-
bauen, kann man sich nur Vermuthungen hingeben, Ich
werde dieselben von meinem Gesichtspunkte aus hier
vorführen, weil sie immerhin gewisse wahrscheinliche
Hinweise zu bieten vermögen.
Ich mache zunächst darauf aufmerksam, dass der
Mais eine Pflanze ist, welcher in auffallender Weise
die Mittel zur Verbreitung und zum Schutze abgehen.
Die Samen lösen sich schwer aus dem Kolben und dieser
selbst ist mit einer Umhüllung ausgestattet. Sie be-
sitzen keine Federkrone oder Flügel, deren sich der
. Wind bemächtigen kann. Wenn schliesslich der Mensch
die Kolben nicht einsammelt, so fallen sie, eingebettet
in ihre Achse, ab und die Samen müssen dann von Nage-
und andern Thieren massenhaft zerstört werden, um so
mehr, da sie nicht hart genug sind, um unversehrt durch
die Verdauungskanäle hindurchzugehen. Wahrscheinlich
wurde eine so wenig günstig angepasste Art in einer be-
grenzten Region immer seltener, ging dem Aussterben ent-
‚gegen, als ein wandernder Stamm von Wilden auf ihre
1 Ich führe diese Thatsachen an nach Wittmack, Ueber antiken Mais
aus Nord- und Südamerika, S. 87, in: Sitzungsber. d. berliner anthropolog.
Gesellschaft vom 10. Nov. 1879.
3
500 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. | ;
nahrhaften Eigenschaften aufmerksam wurde und sie
durch den Anbau vor dem Untergange bewahrte. Ich
glaube um so mehr an einen natürlichen beschränkten
Wohnsitz, da die Art für sich allein dasteht, mit andern
Worten eine sogenannte monotypische Gattung aus-
macht. Augenscheinlich haben die Gattungen mit we-
nigen Arten und besonders die monotypischen, durch-
schnittlich einen engern Wohnsitz als die andern. Durch
die Paläontologen werden wir vielleicht eines Tages er-
fahren, ob in Amerika mehrere Zea oder ähnliche Gra-
mineen vorkamen, von welchen unser Mais die letzte
sein würde. Gegenwärtig ist die Gattung Zea nicht
nur monotypisch, sondern sie steht auch in ihrer Fa-
milie ziemlich vereinzelt da. Ihr zur Seite kann man
eine einzige Gattung stellen, Euchlaena von Schrader,
welche eine Art in Mexico, eine andere in Guatemala
besitzt, es ist dies aber eine ganz besondere Gattung,
die keine Uebergänge zu Zea aufweist.
Wittmack hat merkwürdige Untersuchungen ange-
stellt, um zu erfahren, welche Maisvarietät mit einer
gewissen Wahrscheinlichkeit die Form einer den Cul-
turen vorhergehenden Epoche aufweist. Zu diesem
Zweck hat er Kolben und Körner verglichen, welche
aus den Mounds Nordamerikas und den Gräbern Perus
genommen waren. Wenn diese Denkmäler eine einzige
Maisform aufgewiesen hätten, würde das Ergebniss be-
zeichnend gewesen sein; es sind aber sowol in den
Mounds wie in Peru mehrere verschiedene Varietäten
aufgefunden worden. Man darf sich hierüber nicht
wundern. Diese Denkmäler sind nicht sehr alt. Der
Kirchhof von Ancon ın Peru, aus welchem Wittmack
die besten Proben gewonnen hat, ist ungefähr gleich-
alterig mit der Entdeckung Amerikas.! Nun war schon zu
jener Zeit, den Autoren zufolge, die Anzahl der Varie-
1 Rochebrune, Recherches ethnographiques sur les sépultures péru-
viennes d’Ancon, nach einem Auszuge von Wittmack, in: Uhlworm, Bot.
Centralblatt, 1880, S. 1633, woraus man ersieht, dass der Kirchhof vor und
nach der Entdeckung Amerikas als Begräbnissstätte diente,
At:
Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 501
täten eine beträchtliche, was auf eine viel ältere Cultur
hinweist.
Versuche, bei welchen man in mehreren aufeinander-
folgenden Jahren Maisvarietäten auf unbebauten Län-
dereien zur Aussaat brächte, würden vielleicht eine Rück-
kehr zu einer gemeinsamen Form ergeben, welche man
dann als den Stammhalter ansehen könnte. Derartiges
ist noch nieht unternommen worden. Man hat nur die
Beobachtung gemacht, dass die Varietäten trotz ihrer
grossen Verschiedenheit wenig beständig sind.
Was nun den Wohnsitz der ursprünglichen, unbe-
kannt gebliebenen Form betrifft, so will ich hier einige
Beweisgründe anführen, welche dieselbe bis zu einem
gewissen Grade errathen lassen.
Die dichten Bevölkerungen konnten sich nur in den
Ländern bilden, wo sich naturgemäss nahrhafte, leicht
anzubauende Arten finden. Die Kartoffel, die Batate
und der Mais haben zweifelsohne diese Rolle in Amerika
gespielt, und da sich die grossen Bevölkerungen dieses
_ Welttheils zunächst in höher gelegenen Regionen, von
Chile nach Mexico zeigten, so ist es wahrscheinlich, dass
dort der wildwachsende Mais auftrat. In den niedrigen
Regionen, wie Paraguay, die Ufer des Amazonenstroms,
oder die heissen Länder Guyanas, Panamas und Mexicos,
darf man nicht danach suchen, weil ihre Bewohner vor
Zeiten weniger zahlreich waren. Ausserdem sind die-
. Wälder den einjährigen Pflanzen keineswegs günstig,
und es gedeiht der Mais in den heissen und feuchten
Ländern, wo, die Maniokpflanze angebaut wird, nur
mittelmässig. !
Andererseits wird seine Verpflanzung von Ort zu Ort
leichter begreiflich, wenn der Ausgangspunkt als im Cen-
trum liegend vermuthet wird, als wenn man denselben
nach einer der äussersten Spitzen des Flächenraums
verlegt, auf welchem die Art zur Zeit der Inkas und
1 Sagot, Culture des céréales de la Guyane française (Journal de la
Soc. centr. d’hort. de France, 1872, S. 94.
502 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Tolteken, oder vielmehr der Mayas, Nahuas und Chib-
chas, welche ihnen vorhergingen, angebaut wurde. Die
Völkerwanderungen sind nicht in regelmässiger Weise
von Norden nach Süden oder von Süden nach Norden
erfolgt. Man weiss, dass solche in je nach den Zeit-
perioden und Ländern verschiedenen Richtungen statt-
gefunden haben.! Die alten Peruaner hatten von den
Mexicanern kaum Kenntniss und umgekehrt, wie dies
aus ihren Glaubenslehren und den äusserst verschiedenen
Gebräuchen hervorgeht. Sollen sie alle beide früh-
zeitig den Mais angebaut haben, so muss man ver-
muthen, dass der Ausgangspunkt zwischen diesen zwei
Ländern oder doch in deren Nähe lag. Ich nehme an, dass
Neugranada diesen Bedingungen recht gut entspricht.
Das Chibcha genannte Volk, welches das Tafelland Bo-
gota zur Zeit der Eroberung durch die Spanier inne-
hielt und sich als Ureinwohner betrachtete, war ein
ackerbautreibendes. Es genoss einen gewissen Bildungs-
grad, was durch die Denkmäler, welche man zu er-
forschen anfängt, dargelegt wird. Vielleicht war es
dieses Volk, welches den Mais besass und seinen Anbau
angefangen hatte. Von der einen Seite grenzte es an
die noch wenig civilisirten Peruaner, und von der an-
dern an die Mayas, welche Centralamerika und Yucatan
innehielten. Diese hatten oft Streitigkeiten mit den
nordwärts lebenden Nahuas, den Vorgängern der Tol-
teken und Azteken in Mexico. In einer Ueberlieferung
heisst es, dass Nahualt, das Oberhaupt der Nahuas, die
Maiscultur lehrte.?
Ich wage mich nicht der Hoffnung hinzugeben, dass
man wildwachsenden Mais entdecken wird, obgleich sein
der Cultur vorhergehender Wohnsitz wahrscheinlich so
klein war, dass die Botaniker vielleicht noch nicht auf
1 In seinem Werke: Les premiers hommes et les temps préhistoriques,
gibt de Nadaillac einen Auszug von dem Wenigen, was man gegenwärtig
über diese Wanderungen und im allgemeinen über die alten _ Völker Ame-
rikas weiss. Vgl. besonders den 2. Bd., Kap. 9.
2 De Nadaillac, II, 69, welcher das classische Werk von Bancroft an-
führt: The Native Races of the Pacific States.
Gartenmohn. | 503
denselben gestossen sind. Die Art ist derartig von
allen den andern verschieden und so ins Auge fallend,
dass die Eingeborenen oder wenig unterrichtete Colo-
nisten sie bemerkt und von ihr gesprochen haben wür-
den. Die Gewissheit über den Ursprung wird vielmehr
durch archäologische Entdeckungen kommen. Wenn
man eine grössere Anzahl alter Denkmäler in allen
Theilen Amerikas erforscht hat, wenn man dahin gelangt,
die hieroglyphischen Inschriften einiger derselben zu
entziffern, und wenn es gelingt, die Jahreszahlen der
Wanderungen und der wirthschaftlichen Begebenheiten
kennen zu lernen, wird unsere Hypothese gerechtfertigt,
abgeändert oder umgestossen sein.
Zweiter Abschnitt. In verschiedener Weise
benutzte Samen. |
Papaver somniferum, Linné. — Gartenmohn (fr. Pavot).
Man baut den Gartenmohn gemeiniglich des Mohnöls
(huile d’oeillette) wegen an, welches aus den Samen
gewonnen wird, und zuweilen, namentlich in Asien,
des Saftes wegen, welchen man durch Einschnitte
in die Samenkapseln gewinnt und welcher das Opium
liefert.
Die seit Jahrhunderten angebaute Form entspringt
leicht dem. Culturbereiche oder naturalisirt sich mehr
oder weniger in gewissen Gegenden des südlichen Eu-
ropa.! Man kann nicht behaupten, dass sie im wirklich
wildwachsenden Zustande vorkommt, die Botaniker stim-
men aber darin überein, sie als eine Abänderung des
Papaver setigerum genannten Mohns anzusehen, welcher
in der Mittelmeerregion, besonders in Spanien, Algerien,
auf Corsica, Sicilien, in Griechenland und auf der Insel
Cypern spontan auftritt. In Ostasien? hat man ihn
1 Willkomm et Lange, Prodr. fi, flisp., III, 372.
2 Boissier, Fl. orient.; Tchihatcheff, Asie Mineure; Ledebour, EI.
rossica, u. à.
504 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
nicht angetroffen, wenn demnach die angebaute Form
von ihm ihren Ursprung ableitet, so muss die Cultur
in Europa oder Nordafrika ihren Anfang genommen
haben.
Um diese Erwägung weiter zu begründen, weise ich
darauf hin, dass die Bewohner der schweizer Pfahl-
bauten zur Steinzeit einen Mohn anbauten, welcher sich
dem P. setigerum mehr nähert als dem somniferum.
Heer! hat seine Blätter nicht entdecken können, die
Samenkapsel wird aber wie bei dem setigerum von acht
Narben überragt und nicht von zehn bis zwölf wie bei
dem angebauten Mohn. Diese letzte, in der Natur un-
bekannte Form scheint sich somit später, in historischen
Zeiten gezeigt zu haben.
In Nordfrankreich baut man Papaver setigerum gleich-
zeitig mit somniferum zur Gewinnung des huile d’oeil-
lette an.? |
Die Griechen kannten den angebauten Mohn sehr gut.
Homer, Theophrast und Dioscorides haben von ihm ge-
sprochen. Die schlafeinflössenden Eigenschaften des
Saftes waren ihnen nicht unbekannt, und die Varietät
mit weissen Samen wurde von Dioscorides? schon er-
wähnt. Die Römer bauten den Mohn vor der Zeit der
Republik an, wie sich dies aus der Anekdote über Tar-
quinius ersehen lässt. Die Samen wurden von ihnen
mit dem Mehl zur Brotbereitung vermischt.
Zu Zeiten des Plinius* bedienten sich die Aegypter
des Mohnsafts als Arzneimittel, es liegen aber keinerlei
Beweise vor, dass diese Pflanze schon früher in Aegypten
angebaut wurde.® Im Mittelalter® war dies eine der
Hauptculturen dieses Landes, ganz insbesondere zur
Gewinnung des Opiums, und ist es auch gegenwärtig
1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 32, Fig. 65, 66.
2 De Lanessan, in der französ. Uebers. von Flückiger und Hanbury,
Histoire des drogues d’origine végétale, I, 129.
3 Dioscorides, Hist. plant., 1. 4, c. 65.
4 Plinius, Hist. plant., 1. 20, c. 18.
5 Unger, Die Pflanze als Erregungs- und Betäubungsmittel, S. 47;
Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 50.
6 Ebn Baithar, deutsche Uebers., I, 64.
Gartenmohn. 505
geblieben. In den hebräischen Büchern wird die Art
nicht erwähnt. Andererseits kommen ein oder zwei
Sanskritnamen vor. Piddington gibt als solchen Chosa
und A. Pictet Khaskhasa an, welch letzterer nach ihm
sich im persischen Chashchâsh, im armenischen Chash-
chash und im Arabischen wiederfindet.! Ein anderer
persischer Name ist Kouknar.? Diese und andere Na-
men, welche ich anführen könnte, die von dem Maikön
(Mnxwv) der Griechen sehr verschieden sind, sind ein
Fingerzeig für das hohe Alter einer in Europa und
Westasien verbreiteten Cultur. Wenn die Art zu einer
prähistorischen Zeit angebaut wurde und zwar zunächst
in Griechenland, wie dies wahrscheinlich scheint, hat
sie sich nach Osten hin vor der Invasion der Arier in
Indien verbreiten gekonnt; seltsam bleibt es aber, dass
man für ihre Ausdehnung nach Palästina und Aegypten
vor der römischen Epoche keine Beweise beibringen
kann. Möglich ist es noch, dass man in Europa zu-
nächst die als Papaver setigerum bekannte wildwach-
sende Form, welche die Bewohner der schweizer Pfahl-
_ bauten verwertheten, angebaut habe, und dass die Form
der jetzigen Culturen aus Kleinasien gekommen sei, wo
die Art seit wenigstens 3000. Jahren angebaut wurde.
Was zu dieser Vermuthung führen kann, ist das Vor-
handensein des griechischen Namens Maikön, im Dori-
schen Makon, der in mehreren slawischen und südkau-
_ kasischen Sprachen als Mack wieder auftaucht.?
Die Mohncultur hat gegenwärtig in Indien wegen der
Opiumausfuhr nach China zugenommen, doch werden
die Chinesen bald aufhören die Engländer zu betrüben,
indem sie ihnen dieses Gift abkaufen, denn sie haben
sich selbst mit Eifer ans Werk gemacht, dasselbe zu
gewinnen. Auf mehr als der Hälfte ihres Territoriums
baut man jetzt den Mohn an. Die Art ist keineswegs
1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 3. Aufl., I, 366.
2 Ainslies, Mat. med. indica, I, 326.
3 Nemnich, Polyglotten-Lexicon, S. 848.
4 Martin, in: Bull. Soc. d’acclimatation, 1872, S. 200.
506 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
in den östlichen Regionen Asiens spontau, und was |
China betrifft, ıst selbst diese Cultur keine alte.!
Der Name Opium, welcher für das aus der Samenkapsel
gewonnene Arzneimittel gebraucht wurde, geht auf grie-
chische und lateinische Schriftsteller zurück. Dioscorides
schrieb Opos (Orog). Die Araber machten daraus Afiun?
und haben ihn im Orient bis nach China verbreitet.
Flückiger und Hanbury* haben sehr ausführliche und
interessante Einzelheiten über die Gewinnung, den Han-
del und die Verwendung des Opiums in allen Ländern,
besonders in China gegeben. Indessen nehme ich an,
dass man folgende Auszüge aus den von Peking 23. Au-
gust 1881, 28. Januar und 18. Juni 1882 datirten
Briefen des. Dr. Bretschneider mit Vergnügen lesen
wird. Sie enthalten die sichersten Aufschlüsse, welche
die chinesischen Bücher bei richtiger Interpretirung
darbieten können:
„Der Verfasser des « Pent-sao-kang-mu», welcher in
den Jahren 1552 und 1578 schrieb, gibt einige Einzel-
heiten in Bezug auf den a-fu-yong (d.h. Afiun, Opium),
eine ausländische, aus einer Art Ying su mit rothen Blumen
in dem Lande Tien fang (Arabien) erzeugte und neuer-
dings als Arzneimittel in China gebrauchte Drogue. Zur
Zeit der vorhergehenden Dynastie (der mongolischen, 1280
—1368) hatte man von den a-fu-yong noch nicht viel
sprechen hören. Der chinesische Schriftsteller gibt einige
Einzelheiten über die Gewinnung des Opiums in seinem
Vaterlande, aber er sagt nicht, dass er auch in China
gewonnen werde. Er spricht auch nicht von dem
Gebrauche, denselben zu rauchen. — In Crawfurd’s
«Descriptive Dictionary of the Indian Islands», S. 312,
finde ich folgenden Passus: «The earliest account we
have of the use of Opium, not only from the Archi-
pelago, but also for India and China, is by the faith-
u té
1 Sir J. Hooker, Flora of British India, I, 117; pretsoke is ‘He
and value etc., S. 47.
2 Ebn Baithar, T, 64.
3 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine en franz.
Uebersetzung, 2 Bde., 1378, I, 97—130.
Gartenmohn. 507
ful and intelligent Barbosa.! He writes the word am-
. fiam, and in his account of Malacca, enumerates it
among the articles brought by the Moorish and gentile
merchants of Western India, to exchange for the car-
gos of Chinese junks.»
„Es hält schwer, den Zeitpunkt näher zu bestimmen,
wann die Chinesen anfingen, Opium zu rauchen und den
Mohn anzubauen, aus welchem man Opium bereitete. Es
herrscht, wie ich schon gesagt habe, eine grosse Verwirrung
bezüglich dieser Frage, und der Name Ying su wird nicht
nur von den europäischen Schriftstellern, sondern auch
von den jetzigen Chinesen ebenso auf P. somniferum
wie auf P. Rhoeas bezogen. P. somniferum wird
gegenwärtig im grossen Maassstabe in allen Provinzen
des chinesischen Kaiserreichs, ferner in der Mandschurei
und in der Mongolei angebaut. Williamson (Journeys
in North China, Manchuria, Mongolia, 1868, II, 65)
hat ihn überall in der Mandschurei angebaut gesehen.
Man erzählte ihm, dass die Mohncultur zweimal soviel
einbrächte als die der Cerealien. Der russische Rei-
sende Potanin, welcher im Jahre 1876 die nördliche
Mongolei bereiste, hat ungeheuere Mohnanpflanzungen
in dem Kiranthale (zwischen dem 47. und 48. Breiten-
grade) gesehen. Dies flösst der chinesischen Regierung
keinen geringen Schrecken ein, noch mehr aber den
Engländern, welche eine Concurrenz des «native opium »
befürchten.
„Es wird Ihnen wahrscheinlich nicht unbekannt sein,
dass man in Indien und Persien das Opium isst, aber
nicht raucht. ‘Der Gebrauch, diese Drogue zu rauchen,
dürfte als eine chinesische Erfindung angesehen werden,
ist aber kein alter. Nichts weist darauf hin, dass die
Chinesen das Opium vor Mitte des verflossenen Jahr-
hunderts rauchten. Die im 17. und 18. Jahrhundert
in China sich aufhaltenden Jesuitenmissionare sprechen
nicht davon. Nur der Pater d’Incarville berichtet im
1 Barbosa veröffentlichte sein Werk im Jahre 1516.
508 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Jahre 1750, dass der Opiumverkauf verboten sei, weil
man diese Drogue häufig dazu verwendete, um sich
zu vergiften.
„Zwei obrigkeitliche Verordnungen, das Rauchen des
Opiums verbietend, datiren von vor 1730, und eine
andere aus dem Jahre 1796 bezieht sich auf das Ueber-
handnehmen dieses in Frage stehenden Lasters. Don
Sinibaldo de Mas, welcher 1858 ein sehr gutes Buch
über China veröffentlichte, in welchem Lande er sich
viele Jahre als spanischer Gesandter aufgehalten hatte,
behauptet, dass die Chinesen diese Gewohnheit von dem
Volke Assams angenommen haben, in welchem Lande
seit langen Zeiten Opium geraucht wurde.“
Eine so verderbliche Sitte ist ganz dazu angethan, sich
wie der Genuss von Absinth und Taback weiter zu ver-
breiten. Nach und nach führt sie sich in den Ländern
ein, welche mit China häufige Beziehungen haben. Wir
können nur wünschen, dass sie nicht in eben demselben
Maassstabe um sich greift, wie beispielsweise bei den
Bewohnern von Amoy, wo die Opiumraucher die Ziffer
von 15—20 Procent der erwachsenen Bevölkerung aus-
machen.
Bixa Orellana, Linné. — Gemeiner Orleansbaum,
Rucubaum (fr. Rocou).
Der im Französischen als ÆRocou, im Englischen als
Arnotto bekannte Farbstoff wird aus dem Brei der
äussern Samenhülle gewonnen.
Zur Zeit der Entdeckung Amerikas bedienten sich :
die Einwohner der Antillen, der Landenge von Darien
und Brasiliens desselben, ihre Körper roth zu färben,
und die Mexicaner gebrauchten ihn zu verschiedenen
Malereien.? :
Die Bixa, ein kleiner Baum aus der Familie der
Bixaceen, findet sich wildwachsend auf den Antillen ?
1 Hughes, Trade Report, in Flückiger und Hanbury angeführt.
2 Sloane, Jamaica, II, 53.
3 Sloane, ebend.; Clos, Ann. sc. nat., Serie 4, VIII, 260; Grisebach,
Fl. of Brit. W. India Islands, S. 20. > :
Gemeiner Orleansbaum. — Baumwollstaude. 509
und einem grossen zwischen den Wendekreisen liegenden
Gebiete des amerikanischen Festlandes. In den Herba-
rien und Floren sind die Localitäten massenhaft ver-
zeichnet, gewöhnlich sagt man aber nicht, ob die Art
angebaut, spontan oder naturalisirt war. Dagegen finde
ich die Versicherung des Indigenats bei Seemann für die
nordwestliche Küste Mexicos und Panama, bei Triana
für Neugranada, bei M. Meyer für das holländische
Guyana und bei Piso und Claussen für Brasilien.! Bei
einem so ausgedehnten Wohnsitz ist es nicht zu ver-
wundern, dass es in den amerikanischen Sprachen sehr
zahlreiche Namen für die Art gab. Aus dem brasilia-
nischen Urucu stammt das französische Rocou.
Zur Gewinnung des Products war es nicht durchaus
geboten, diesen Baum anzupflanzen, doch berichtet Piso,
dass sich die Brasilianer im 16. Jahrhundert nicht an
den wildwachsenden Individuen genügen liessen, und im
17. Jahrhundert waren die Rucu -Änpflanzungen auf
Jamaica gewöhnlich. Dies ist eine der ersten Arten,
welche von Amerika nach Südasien und Afrika gebracht
wurden. Sie hat sich zuweilen derartig naturalisirt,
dass sie von Roxburgh? als in Indien einheimisch ange-
sehen wurde.
Gross ypium herbaceum, Linné. — Baumwollstaude
(fr. Cotonnier herbacé).
Als ich im Jahre 1855 nach dem Vaterlande der an-
gebauten Baumwollstauden forschte *, herrschte eine
grosse Ungewissheit in Bezug auf die Unterscheidung
der Arten. Seit dieser Zeit sind in Italien zwei aus-
gezeichnete Arbeiten erschienen, auf welche man sich
stützen kann, die eine von Parlatore*, ehemaligem Di-
rector des botanischen Gartens von Florenz, die andere
1 Seemann, Bot. of Herald, S. 79, 268; Triana et Planchon, Prodr. fl.
novo-granat., S. 94; Meyer, Essequebo, S. 202; Piso, Hist. nat. Brasil.
(1648), S. 65; Claussen, in: Clos, 2:
2 Roxburgh, Fl. ind., ET, 581; Oliver, Flora of tropical Africa, I, 114.
3 Geographie botanique raisonnée, SIE
4 Parlatore, Le specie dei cotoni (Firenze 1866).
510 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
von dem Senator Todaro! in Palermo. Beide Werke sind
mit vorzüglichen colorirten Abbildungen versehen und für
das Studium der angebauten Baumwollstauden kann man
nichts Besseres wünschen. Andererseits hat die Kenntniss
der wirklichen Arten, nämlich jener, welche in der Natur,
im spontanen Zustande vorkommen, nicht die erhofften
Fortschritte gemacht. In den Arbeiten des Dr. Masters?
ist jedoch die Bestimmung der Arten eine ziemlich genaue,
und ich werde mich vorzugsweise nach derselben richten.
Der Autor nähert sich den Ansichten Parlatore’s, wel-
cher sieben gut bekannte und zwei zweifelhafte Arten
zuliess, während Todaro deren 54 aufzählt, von welchen
nur zwei zweifelhaft sind, indem er also alle durch
irgendein Merkmal verschiedene, aber in den Culturen
entstandene und fortgepflanzte Formen als Arten hinstellt.
Die volksthümlichen Namen der Baumwollsorten kön-
nen von keinem Nutzen sein. Man läuft durch sie selbst
Gefahr, sich über den Ursprung vollständig zu täuschen.
So heisst eine Sorte Siambaumwolle, die zuweilen von Ame-
rika kommt, eine andere je nach der Laune oder irrigen
Ansicht der Züchter brasilianische oder Avabaumwolle.
Wir wollen hier zunächst von Gossypium herbaceum
sprechen, eine alte Art der asiatischen Culturen, die
jetzt auch in Europa und den Vereinigten Staaten am
meisten verbreitet ist. In den heissen Ländern, wo sie
zu Hause ist, hält ihr Stengel einige Jahre aus, ausser-
halb der Wendekreise wird sie aber durch die Ein-
wirkung der Winterkälte einjährig. Ihre Blume ist
meistens gelb mit einem rothen Grunde. Die von ihr
gewonnene Baumwolle hat je nach den Varietäten eine
gelbe oder weisse Farbe.
Parlatore hat mehrere spontane Herbarienexemplare
untersucht und andere, die von auf der Indischen Halb-
1 Todaro, Relazione della coltura dei cotoni in Italia seguita da una
monografia del genere Gossypium (Rom und Palermo 1877—78); diesem
Werke gingen mehrere andere, weniger ausgedehnte voran, von welchen
Parlatore Kenntniss gehabt hatte.
2 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, S. 210; und in Sir J.
Hooker, Flora of British India, I, 346.
Baumwollstaude. 511
insel wildwachsenden Exemplaren abstammten, angebaut.
Er räumt ausserdem das Indigenat für Birma und den
Indischen Archipel ein, wobei er sich auf Exemplare
von Sammlern stützt, welche vielleicht die wıldwachsende
Eigenschaft der Pflanze nicht genügend geprüft haben.
Mit Sicherheit sieht Masters eine von ihm Gossypium
Stocksii benannte Form in Sindh als spontan an, welche
ihm zufolge wahrscheinlich die wildwachsende Form von
Gossypium herbaceum und anderer seit lange in Indien
angebauten Baumwollarten ist. Todaro, welcher sich wenig
geneigt zeigt, viele Formen unter einer einzigen Art
zusammenzufassen, lässt jedoch die Identität jener mit
dem gemeinen G. herbaceum zu. Die gelbe Farbe der
Baumwolle würde somit der natürliche Zustand der Art
sein. Der Same zeigt nicht den kurzen Flaum, welcher
zwischen den länglichen Haaren bei LES angöhduten
G. herbaceum vorkommt.
Die Cultur hat wahrscheinlich den Wohnsitz der Art
ausserhalb des ursprünglichen Landes ausgedehnt. Dies
ist muthmaasslich für die Sunda-Inseln und die Malaiische
Halbinsel der Fall, wo gewisse Individuen mehr oder
minder spontan scheinen. In seiner Flora von Birma
erwähnt Kurz! das @. herbaceum mit gelber oder weisser
Baumwolle als angebaut und zu gleicher Zeit als in
wüsten Gegenden und vernachlässigten Ländereien wild-
wachsend.
Die krautige Baumwollpflanze heisst Kapase im
Bengali, Kapas im Hindustani, ein Beweis, dass das
Sanskritwort Karpasoi sich auf die Art bezieht.” Ihr
Anbau hatte-sich frühzeitig in Baktrien verbreitet, wo
die Griechen sie bei dem Zuge Alexander’s bemerkt
hatten. Theophrast® spricht von ihr in einer Weise,
welche hierüber keinen Zweifel zulässt. Die baumartige
Baumwollpflanze von der Insel Tylos im Persischen
Meerbusen, von welcher er in einem andern Kapitel
1 Kurz, Forest flora of British Burma, I, 129. 2 Piddington, Index,
8 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 5. |
512 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
spricht!, war wahrscheinlich ebenfalls das Gossypium
herbaceum, denn Tylos ist von Indien nicht weit ent-
fernt, und unter einem so heissen Klima wird aus der
krautartigen Baumwollpflanze ein Strauch.
Die Einführung irgendeiner Baumwollpflanze nach
China hat erst im 9. oder 10. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung stattgefunden?, was auf einen vor Zeiten wenig
ausgedehnten Wohnsitz des @. herbaceum im Süden und
Osten Indiens schliessen lässt.
Die Kenntniss und vielleicht die Cultur der asiati-
schen Baumwollpflanze hatte sich in der griechisch-
römischen Welt nach dem Zuge Alexander’s, aber vor
den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung
weiter ausgebreitet. Wenn mit dem Byssos der Griechen
die Baumwollpflanze gemeint war, wie dies die meisten
der Gelehrten annehmen, so baute man sie nach Pau-
sanias und Plinius ? in der griechischen Landschaft Elis
an; Curtius und C. Ritter* sehen aber das Wort Byssos
als einen Gesammtausdruck für Garn überhaupt an, und
ihnen zufolge handelte es sich in diesem Falle um sehr
feine Leinwand. Augenscheinlich war die Baumwoll-
cultur bei den Alten gar nicht vertreten oder wenigstens
nicht gewöhnlich. Nun würde sie aber in Anbetracht
ihrer Nützlichkeit sehr um sich gegriffen haben, wenn
sie beispielsweise nach einer einzigen Gegend von
Griechenland eingeführt worden wäre. Die Araber
waren es, welche sie später um das Mittelmeerbecken
verbreitet haben, wie der Name Qutn oder Kutn° dies
andeutet, der in die neuern Sprachen Südeuropas als
Cotone, Coton, Algodon übergegangen ist. Ebn el Awan
von Sevilla, der im 12. Jahrhundert lebte, beschreibt
1 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 9.
2 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 7.
3 Pausanias, 1. 5, c. 5; 1. 6, c. 26; Plinius, 1. 19, c. 1. Vgl. Brandes,
Baumwolle, S. 96.
4 C. Ritter, Die geographische Verbreitung der Baumwolle, S. 25.
5 Es ist unmöglich, die Aehnlichkeit dieses Namens mit jenem des
arabischen Kattan oder Kittan für Flachs zu übersehen; dies ist ein Bei-
spiel der bei den Namen eintretenden Verwirrung, sobald Uebereinstim-
mungen zwischen den Producten stattfinden. >
Baumartige Baumwollpflanze. 513
die Cultur, wie sie zu seiner Zeit auf Sicilien, in Spa-
nien und im Orient betrieben wurde.!
Gossypium herbaceum ist die in den Vereinigten
Staaten am meisten angebaute Art.” Sie wurde wahr-
scheinlich von Europa dahin gebracht. Dies war vor
100 Jahren eine neue Cultur, denn man confiscirte 1774
in Liverpool einen von Nordamerika kommenden Baum-
wollballen aus dem Grunde, weil die Baumwoll-
pflanze dort, wie man sagte, nicht wüchse.” Die lang-
haarige Baumwolle (Sea island) ıst die einer andern
amerikanischen Art, auf welche ich gleich zu sprechen
kommen werde.
Gossypium arboreum, Linné. — Baumartige Baum-
wollpflanze (fr. Cotonnier arborescent).
Dieselbe ist höher im Wuchse und von längerer Dauer
als die krautartige, die Blattlappen sind enger und die
Deckblätter weniger geschlitzt oder ungetheilt. Die
Blüte zeigt meistens eine rosa Färbung mit einem
rothen Grunde. Die Baumwolle ist immer weiss.
Nach den anglo-indischen Botanikern findet sich diese
Art nicht in Indien, wie man geglaubt hatte, und wird
dort selbst nur selten angebaut. Ihr Vaterland ist das
intertropische Afrika. Man hat sie in Oberguinea, Abes-
sinien, Sennaar und Oberägypten spontan gesehen.# Sie
ist aus diesen Ländern von einer so grossen Anzahl von
Sammlern heimgebracht worden, dass man kaum noch
daran zweifeln kann; die Cultur hat aber diese Art
dermaassen verbreitet und mit den andern vermischt,
dass man sie unter mehreren Namen in den Werken über
Südasien beschrieben hat.
Parlatore hatte auf @. arboreum asiatische Exemplare
1 De Lasteyrie, Du Cotonnier, S. 290.
2 Torrey and Asa Gray, Flora of North America, I, 230; Darlington,
Agricultural Botany, S. 16.
3 Schouw, Naturschilderungen, S. 152.
4 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, S. 211; Hooker, Flora
of Brit. India, I, 347; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 265
(unter dem Namen Gossypium nigrum); Parlatore, Specie dei Cotoni, S. 25
x €
DE CANDOLLE. 33
514 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
von @. herbaceum und eine sehr wenig bekannte Pflanze,
welche Forskal in Arabien angetroffen hatte, bezogen.
Danach vermuthete er, dass die Alten G. arboreum
ebenso gut kannten als @. herbaceum. Gegenwärtig, wo
man diese beiden Arten besser unterscheidet, den Ur-
sprung der einen sowol wie der andern kennt, ist dies
nicht wahrscheinlich. Die krautartige Baumwollpflanze
lernten sie von Indien und Persien aus kennen, während
die baumartige nur durch Aegypten zu ihnen gelangen
konnte. Parlatore selbst hat einen höchst interessanten
Beweis hierfür geliefert. Bis zu seiner Arbeit vom Jahre
1866 wusste man nicht, zu welcher Art die Samen der
Baumwollpflanze gehörten, welche Rosellini in einer
Vase aus den Denkmälern des alten Theben gefunden
hat.! Diese Samen sind im Museum von Florenz auf-
bewahrt. Sie wurden von Parlatore sorgfältig unter-
sucht und gehören nach ihm zu Gossypium arboreum.?
Rosellini behauptet, dass er nicht das Opfer einer Be-
trügerei hat sein können, da er der erste war, der das
Grab und die Vase öffnete. Nach ıhm hat kein Archäo-
loge Anzeichen von Baumwollpflanzen in den alten
Zeiten der ägyptischen Civilisation weder gesehen noch
von ihnen gelesen. Wie hätte es kommen können,
dass eine so ins Auge fallende Pflanze, durch ihre Blu-
men und Samen gleich bemerkenswerth, weder abgebil-
det, beschrieben noch dem Gebrauche gemäss in den
Gräbern aufbewahrt worden wäre, wenn man sie ange-
baut hätte? Weshalb hätten Herodot, Theophrast und
Dioscorides bei dem Abschnitt über Aegypten in ihren
Werken nicht von ihr gesprochen? Die Streifen, mit
welchen alle Mumien eingewickelt sind, die, wie früher
angenommen wurde, von Baumwolle waren, bestehen
nach Thomson und vielen mit dem Mikroskop bewan-
derten Beobachtern ausschliesslich aus Leinwand. Ich
schliesse daraus, dass wenn die von Rosellini gefundenen
1 Rosellini, Monum. della Egizia, S. 2; Mon. civ., I, 60.
2 Parlatore, Specie dei Cotoni, S. 16.
Baumartige Baumwollpflanze. 515
Samen wirklich uralt waren, sie eine Seltenheit sein
mussten, eine Ausnahme von den Gebräuchen, vielleicht
das Erzeugniss eines in einem Garten angebauten Baumes,
oder sie konnten auch von Oberägypten gekommen sein,
dem Lande, wo, wie wir gesehen haben, die baumartige
Baumwollpflanze wildwachsend auftritt. Plinius! hat
nicht berichtet, dass die Baumwollpflanze in Unter-
ägypten angebaut wurde; ich will hier aber die Ueber-
setzung dieser sehr bemerkenswerthen so oft angeführten
Stelle seines Werkes folgen lassen: „Der obere Theil
von Aegypten, gegen Arabien zu, zeuget einen Strauch,
welchen einige Baumwolle, Gossipion, andere das Woll-
holz, Xylon, nennen, das daraus gemachte Garn heisst
daher Baumwollenzeug, æylina. Er ist klein, trägt eine
Frucht einer Bartnuss gleich, aus deren Hülse die Wolle
gesponnen wird. Keine Art ist dieser an Weisse und
Weiche vorzuziehen.“
Plinius fügt hinzu: „Die daraus gemachten Kleider
lieben die ägyptischen Priester besonders.“ Viel-
leicht wurde die für diesen Gebrauch bestimmte
Baumwolle von Oberägypten geschickt, oder es hat
sich der Autor, welcher die Zubereitung nicht ge-
sehen hatte und nicht im Besitz unserer Mikro-
skope war, über die Beschaffenheit der priesterlichen
Gewänder geirrt, wie dies bei unsern Zeitgenossen der
Fall war, die Hunderte von Mumienumhüllungen in
Händen gehabt, ehe sie darüber aufgeklärt wurden, dass
‘solche nicht von Baumwolle waren. Bei den Juden
mussten die Gewänder der Priester, dem Gesetze nach,
von Leinwand sein, und es ist nicht wahrscheinlich,
dass sie sich in diesem Brauche von den Aegyptern
unterschieden.
Pollux?, der ein Jahrhundert nach Plinius und in
Aegypten geboren wurde, drückt sich deutlich über die
1 Plinius, Hist. plant., 1. 19, e. 1.
2 Pollux, Onomasticon, Mu in: C. Ritter, a. a. 23 + 26.
99
516 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Baumwollpflanze aus, deren Fasern von seinen Lands-
leuten verwerthet wurden; er sagt aber nicht, von wo
der Strauch stammte und es lässt sich nicht bestimmen,
ob dies Gossypium arboreum oder herbaceum war. Man
ersieht selbst nicht einmal, ob die Pflanze in Unter-
ägypten angebaut wurde, oder ob man die Baumwolle
aus den südlichen Regionen erhielt. Trotz dieser
Zweifel kann man sich der Vermuthung hingeben, dass
sich eine Baumwollpflanze, wahrscheinlich die von Ober-
ägypten, vor kurzem nach dem Nildelta eingeführt hatte.
Die Art, welche Prosper Alpini im 16. Jahrhundert in
Aegypten angebaut gesehen hatte, war die baumartige
Baumwollpflanze. Die Araber und später die Europäer
haben die krautartige Baumwollpflanze nach verschie-
denen Ländern verpflanzt, indem sie dieselbe der baum-
artigen vorzogen, welche ein weniger gutes Erzeugniss
liefert und mehr Wärme beansprucht.
In Vorstehendem habe ich mich bezüglich der zwei
Baumwollpflanzen der Alten Welt so wenig wie möglich
solcher Belege bedient, welche griechischen Namen wie
Buscos, owwöov, Evhov, OSuv etc., oder Sanskrit- und vom
Sanskrit abgeleiteten Namen, wie Carbasa, Carpas, oder
hebräischen Namen, wie Schesch, Buz, die man mit Zweifel
auf Baumwolle bezieht, entlehnt sind. Dies ist ein Gegen-
stand, der zu sehr vielen Erörterungen Veranlassung
gegeben hat!; durch die genauere Unterscheidung der
Arten, die Entdeckung ihres Vaterlandes, haben diese
Fragen aber sehr an Bedeutung verloren, wenigstens
für die Naturforscher, denen Thatsachen lieber sind als
Worte. Ausserdem sind Reynier und nach ihm Karl
Ritter bei ihren Forschungen zu einer Schlussfolgerung
gelangt, welche man sich in Erinnerung bringen muss,
dass nämlich dieselben Namen bei den Alten oft auf
verschiedene Pflanzen oder Gewebe bezogen worden
1 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs, S. 363; Bertoloni, Nov.
act. Acad. bonon., II, 213, und Miscell. bot., VI; Viviani, in Bibl. ital.,
LXXXI, 94; Ritter, Geogr. Verbreitung der Baumwolle; Targioni, Cenni
storici, S. 93; Brandis, Die Baumwolle im Alterthum (1866).
Baumwollpflanze von Barbadoes. 517
sind, z. B. auf die Leinwand und Baumwolle. In die-
sem Falle wie in vielen andern gibt die Botanik der
Neuzeit eine Erklärung für die alten Worte, während
die Worte und Commentare der Sprachforscher irre-
leiten können.
Gossypium barbadense, Linne, — Baumwollpflanze
von Barbadoes (fr. Cotonnier de Barbade).
Zur Zeit der Entdeckung Amerikas fanden die Spa-
nier die Cultur und die Anwendung der Baumwolle von
den Antillen nach Peru und von Mexico nach Brasilien
allgemein begründet. Dies ist eine von allen Geschicht-
schreibern jener: Epoche festgestellte Thatsache. Von
welchen Arten rührte aber diese amerikanische Baum-
wolle her und in welchen Ländern waren jene ein-
heimisch? Es hält noch sehr schwer, dies in Erfahrung
zu bringen. Die Unterscheidung der amerikanischen
Arten oder Varietäten befindet sich in einem entsetz-
lichen Wirrwarr. Selbst die Autoren, welche grosse
Sammlungen von lebenden Baumwollpflanzen gesehen
haben, stimmen in Bezug auf ihre besondern Merkmale
nicht En Sie fühlen sich auch durch die Schwie-
rigkeit behindert, zu wissen, welche specifischen Namen
von Linn& beibehalten werden müssen, denn die ur-
sprünglichen Begrenzungen sind nicht genügend. Die
Einführung von amerikanischen Samen in die Culturen
. Afrikas und Asiens hat diese Fragen noch mehr ver-
wirrt, da die Botaniker von Java, Kalkutta, Bourbon
ete. oft amerikanische Formen als Arten unter verschie-
denen Namen beschrieben haben. Todaro lässt etwa
zehn amerikanische Arten zu, Parlatore reduzirt solche
auf drei, welche ihm zufolge dem Gossypium hirsutum,
G. barbadense, G. religiosum von Linné entsprechen;
schliesslich vereinigt Dr. Masters alle amerikanischen
Formen unter einer einzigen, welche er @. barbadense
nennt; als Hauptcharakteristicum für dieselbe führt er an,
dass der Same ausschliesslich von langen Haaren um-
- geben ist, während die Arten der Alten Welt einen kurzen
518 . Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Flaum unterhalb der verlängerten Haare besitzen.! Die
Blume ist gelb mit rothem Grunde. Die Baumwolle
ist weiss oder gelb. Parlatore hat sich bemüht, 50
oder 60 der angebauten Formen nach Sicht der in den
Gärten oder Herbarien vorhandenen Pflanzen in die drei
von ihm zugelassenen Arten zu bringen. Von Dr. Masters
werden wenige Synonyme erwähnt, und es ist möglich,
dass sich gewisse Formen, welche ihm unbekannt wa-
ren, nicht in die Begrenzung seiner einzigen Art hinein-
‚bringen lassen.
Bei einer derartigen Verwirrung würde es für die
Botaniker am gerathensten sein, nach den in Amerika
spontanen Gossypiumpflanzen zu forschen, die Arten
oder die Art ausschliesslich auf sie zu begründen und
den angebauten Formen ihre barocken, häufig abge-
schmackten Namen, welche über den Ursprung nur irre-
leiten, zu lassen. Ich trete mit dieser Ansicht hervor,
weil ich bei keiner andern Gattung von angebauten
Pflanzen so sehr davon durchdrungen bin, dass die
Naturgeschichte sich auf natürliche Thatsachen und
nicht auf künstliche Producte der Cultur stützen muss.
Will man von diesem Gesichtspunkte ausgehen, wel-
cher das Verdienst besitzt, eine wirklich wissenschaft-
liche Methode zu sein, so muss man leider feststellen,
dass die Kenntnisse über die in Amerika einheimischen
Baumwollpflanzen noch sehr wenig fortgeschritten sind.
Höchstens lassen sich zwei Sammler namhaft machen,
welche wirklich spontane Gossypiumpflanzen gefunden
haben, die dieser oder jener angebauten Form ähnlich
sind oder mit ihr sehr übereinstimmen.
Selten nur kann man. sich auf alte Botaniker und
Reisende in Bezug auf die spontane Eigenschaft einer
Pflanze verlassen. Die Baumwollpflanzen gehen zu-
weilen in der Nachbarschaft der Anpflanzungen auf und
naturalisiren sich in geringerm oder hôüherm Grade,
1 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, I, 322, und in Hooker,
Flora of Brit. India, I, 347.
i Baumwollpflanze von Barbadoes. 519;
indem der Flaum ihrer Samen die zufälligen Wande-
rungen erleichtert. Der gewöhnliche Ausdruck der alten
Autoren: die Baumwollpflanze von dem und dem Namen
wächst in jenem Lande, bezieht sich häufig auf eine an-
gebaute Pflanze. Linné selbst, mitten im 18. Jahrhundert,
sagt häufig von einer angebauten Art: „Habitat“, ja er
gebraucht es bisweilen in etwas leichter Weise.! Unter
den Autoren des 16. Jahrhunderts wird Hernandez
als einer der genauesten genannt, ein in Mexico wild-
wachsendes Gossypium beschrieben und abgebildet zu
haben; das Original ruft aber bezüglich der spontanen?
Bedingung dieser Pflanze einige Zweifel hervor, von
Parlatore wird dieselbe zu @. hörsutum, Linne, gebracht.
In seinem Pflanzenkatalog Mexicos begnügt sich Hems- -
ley*, von einem Gossypium, welches er barbadense nennt,
zu sagen: „angebaut und wildwachsend“. Für letztere
Bedingung liefert er keinerlei Beweise. Mac-Fadyen*
spricht von drei auf Jamaica wildwachsenden und an-
gebauten Formen. Er legt ihnen specifische Namen
bei und fügt hinzu, dass sie vielleicht zu @. hirsutum,
Linné, gehören. Von Grisebach® wird die Spontaneität
einer Art, G. barbadense, auf den Antillen zugelassen.
In Bezug auf specifische Unterscheidungen erklärt er,
sie nicht mit Sicherheit feststellen zu können.
Für Neugranada beschreibt Triana® ein Gossypium,
welches er G. barbadense, Linne, nennt; er sagt von
demselben: „angebaut und subspontan längs des Rio
Seco, Provinz Bogota, und in dem Caucathale, bei Cali“,
und fügt eine Varietät hörsutum hinzu, welche am Rio
Seco entlang wächst (ob spontan, wird nicht gesagt).
Für Peru, Guyana und Brasilien ” kann ich keine
1 So hat er beispielsweise von Gossypium herbaceum, welches den vor
ihm bekannten Thatsachen zufolge sicherlich der Alten Welt angehört,
gesagt: Habitat in America.
2 Nascitur in calidis, humidisque, cultis praecipue, locis (Hernandez,
Novae Hispaniae thesaurus, S. 308).
3 Hemsley, Biologia centrali-americana, I, 123.
4 Mat-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 72.
5 Grisebach, Flora of Brit. W. India Islands, S. 86.
6 Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granatensis, S. 170.
7 Die Malvaceen sind in der Flora brasiliensis noch nicht erschienen,
520 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
übereinstimmende Aussage entdecken; in der von Cl.
Gay! veröffentlichten Flora Chiles wird aber ein Gossy-
pium „als fast spontan in der Provinz Copiapo“ er-
wähnt, welches der Autor auf die Form des @. peru-
vianum, Cavanilles, bezieht. Cavanilles stellt diese
Pflanze aber nicht als spontan hin, und Parlatore classi-
ficirt sie mit @. religiosum, Linne.
Eine für die Cultur wichtige Form ist die der lang-
haarigen Baumwolle, von den Anglo-Amerikanern Sea
island oder Long staple cotton genannt, die Parlatore
zu G. barbadense, Linné, bringt. Sie soll amerikani-
schen Ursprungs sein, niemand hat sie aber wildwach-
send gesehen.
Kurz, wenn die historischen Schriftstücke zuverlässig
sind in Bezug auf die Verwendung der Baumwolle in
Amerika seit den der Ankunft der Europäer weit vor-
hergehenden Zeiten, so ist der spontane Wohnsitz der
Pflanze oder der Pflanzen, welche diesen Stoff lieferten,
noch sehr wenig bekannt. Bei dieser Gelegenheit wird
uns das Fehlen ähnlicher Werke für das tropische Ame-
rika wie über die englischen und holländischen Colo-
nien Afrikas und Asiens recht fühlbar.
Arachis hypogaea, Linne. — Erdnuss (fr. Arachide,
Pistache de terre).
Nichts ist seltsamer, als die Befruchtungsweise dieser
einjährigen Leguminose, welche in allen heissen Län-
dern, sei es ihrer essbaren Samen wegen, sei es zur
Gewinnung des in den Keimblättern enthaltenen Oels,
angebaut wird.” In der „Flora brasiliensis“, Bd. XV,
Taf. 23, hat Bentham hierüber sehr interessante Einzel-
heiten gegeben, aus welchen man ersieht, wie das Blüten-
stielchen sich nach der Blüte krümmt und die Hülse
in der Erde vergräbt.
1 C1. Gay, Flora Chilena, I, 312.
2 Gardeners’ Chronicle vom 4. Septbr. 1880 gibt Einzelheiten über die
Cultur dieser Pflanze, über die Verwerthung ihrer Samen und über die
ungeheuere Ausfuhr, die gegenwärtig von der Westküste Afrikas, von
Brasilien, Indien u. s. w. nach Europa stattfindet.
Erdnuss. 521
Ueber den Ursprung der Erdnuss wurde während eines
Jahrhunderts gestritten, selbst von Botanikern, die gute
Methoden anwandten, um ihn zu entdecken. Es dürfte
von Nutzen sein, zu sehen, wie man zur Wahrheit ge-
langt ist; dies kann als Wegweiser für ähnliche Fälle
dienen. Ich will somit zunächst das wiederholen, was
ich im Jahre 1855! gesagt habe, und werde damit
schliessen, neue Beweise anzuführen, in deren Gefolge
keine Zweifel mehr aufkommen können.
„Linne? hatte von der Erdnuss gesagt: «Sie bewohnt
Surinam, Brasilien und Peru.» Seiner Gewohnheit ge-
mäss liess er sich nicht weiter darüber aus, ob die Art
an diesen Ländern spontan war oder angebaut wurde.
R. Brown® sprach sich 1818 wie folgt aus: «Wahr-
scheinlich ist sie von China nach dem indischen Fest-
lande, nach Ceylon und dem Malaiischen Archipel ein-
geführt worden, wo man sie, trotz ihrer jetzt allge-
meinen Cultur, nicht für einheimisch halten kann, und
zwar insbesondere der Namen wegen, welche man ıhr
beilest. Ich sehe es als nicht sehr unwahrscheinlich
an, dass man sie von Afrika nach verschiedenen äqui-
noctialen Regionen -Amerikas gebracht haben würde,
obgleich sie bereits in einigen der zuerst über dieses
Festland, namentlich über Peru und Brasilien erschie-
nenen Schriften erwähnt wird. Sprengel zufolge hätte
Theophrast von ihr als in Aegypten angebaut ge-
sprochen; es ist aber durchaus nicht ersichtlich, dass die
‘ Erdnuss diejenige Pflanze war, auf welche sich Theophrast
bezog. Wenn man sie ehemals in Aegypten angebaut
hätte, würde sie sich wahrscheinlich noch in jenem
Lande finden; nun wird sie aber weder in dem Kata-
log von Forskal, noch in der ausführlichern Flora von
Delile angeführt. Es liegt nichts sehr Unwahrschein-
liches in der Hypothese», fährt Brown fort, «dass die
Erdnuss in Afrika und selbst in Amerika einheimisch
1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 962.
2 Linné, Species plantarum, S. 1040.
3 R. Brown, Botany of Congo, S. 53.
Da Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
sei; will man sie aber als nur in einem dieser Conti-
nente einheimisch ansehen, so ist es wahrscheinlicher,
dass sie von China auf dem Wege durch Indien nach
Afrika gebracht sei, als dass sie ihren Weg im ent-
gegengesetzten Sinne gemacht hätte.» Mein Vater kam
1825 im «Prodromus» (II, 474) auf die Meinung
Linne’s zurück. Ohne Zaudern gab er den amerika-
nischen Ursprung zu. Wir wollen, sagte ich 1855, die
Frage mit den Angaben, welche die Wissenschaft jetzt
zu bieten vermag, wieder aufnehmen.
„Arachis hypogaea war zu Brown’s Zeiten die
einzige bekannte Art dieser eigenthümlichen Gattung.
Seitdem hat man sechs andere Arten entdeckt, die alle
brasilianisch sind.! Wenn wir somit die Wahrschein-
lichkeitsregel anwenden, aus welcher Brown zuerst einen
so grossen Vortheil gezogen hat, so neigen wir uns
‘von vornherein der Ansicht eines amerikanischen Ur-
sprungs zu. Wir wollen auch nicht vergessen, dass
Marcgraf? und Piso? die Pflanze als in Brasilien vor-
kommend beschreiben und abbilden unter dem Namen
Mandubi, welcher einheimisch zu sein scheint. Sie führen
Monardes, einen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts an,
der sie in Peru mit einem verschiedenen Namen, Anchic,
erwähnt hat. Joseph Acosta* spricht nur von dem
einen jener in Amerika gebräuchlichen Namen, Mani,
und zwar bei Besprechung der Arten, die nicht fremden
Ursprungs in Amerika sind. In Guyana, auf den An-
tillen und in Mexico war die Erdnuss nicht seit alters
her bekannt. Aublet? führt sie als angebaute Pflanze
nicht in Guyana, aber auf der Insel Mauritius an. Her-
nandez lässt sie unerwähnt. Sloane® hatte sie nur in
einem Garten aus Samen von Guinea gezogen ange-
troffen. Er berichtet, dass die Sklavenhändler ihre
1 Bentham, in: Trans. Linn. Soc., XVIII, 159; Walpers, Reperto-
rium, I, 727.
2 Marcgraf et Piso, Brasil. (1648), S. 37. 3 Ebend. (1658), S. 256.
4 Acosta, Hist. nat. Ind., trad. france. (1598), S. 165.
5 Aublet, Pl. Guyan., S. 765. 6 Sloane, Jamaica, S. 184.
Erdnuss. 523
Schiffe damit beluden, um die Sklaven während der
Ueberfahrt zu ernähren, was auf eine damals in Afrıka
sehr verbreitete Cultur hinweist. In der zweiten Aus-
gabe (1658, S. 256), in jener von 1648 nicht, bildet
Piso eine sehr ähnliche Frucht ab, die von Afrika nach
Brasilien unter dem Namen Mandobi gebracht war, der
dem für die Arachis gebräuchlichen Mundubi sehr nahe-
steht. Nach den drei Blättchen der Pflanze zu schliessen,
würde dies die in Afrika so häufig angebaute Voandzeia
sein; die Frucht scheint mir aber länglicher, als man
sie für diese Gattung angibt, und sie enthält zwei oder
drei Samen statt eines oder zweier. Wie dem auch
immer sein möge, die von Piso begründete Unterschei-
dung zwischen diesen beiden Samen, von denen der
eine brasilianisch, der andere afrikanisch ist, läuft auf
die Vermuthung hinaus, dass die Erdnuss von Brasi-
lien stammt.
„Das hohe Alter und die Allgemeinheit ihrer Cultur
in Afrika ist indessen ein Beleg von einigem Gewicht,
welcher bis zu einem gewissen Grade dem hohen Alter
in Brasilien und dem Auftreten von sechs andern Arachis-
arten allein in diesem Lande das Gleichgewicht hält. Ich
würde demselben eine grosse Bedeutung beimessen, wenn
die Arachis von den alten Aegyptern und den Arabern
gekannt worden wäre; durch das Stillschweigen der
griechischen, lateinischen und arabischen Autoren, wie
durch das Fehlen der Art zu Forskal’s Zeiten, gelange
ich zu der Vermuthung, dass ihre Cultur in Guinea,
am Senegal! und an der Ostküste Afrikas? nicht auf
eine sehr alte Zeit zurückgeht. Ebenso wenig sind ıhr
Merkmale von einem sehr hohen Alter in Asien eigen.
Man kennt in der That keinen Sanskrit-°, sondern nur
einen Hindustani-Namen für sie. Rumphius* zufolge
wäre sie von Japan nach mehreren Inseln des In-
dischen Archipels eingeführt worden. Sie hätte damals
1 Guillemin et Perrottet, Flora seneg. 2 Loureiro, Fl. cochinch.
3 Roxburgh, Fl. ind., III, 280; Piddington, Index.
4 Rumphius, Herb. amboin., V, 426 u. 427.
524 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
‚nur fremde Namen gehabt, wie z. B. den chinesischen,
welcher einfach Erdbohne bedeutet. Zu Ende des ver-
flossenen Jahrhunderts war sie in China und Cochin-
china allgemein angebaut. Nun stellt sich aber der
Ansicht des Rumphius von einer Einführung nach den
Inseln von Japan oder China aus die Thatsache ent-
gegen, dass Thunberg sie in seiner „Flora japonica“
nicht erwähnt. Japan hat aber seit 16 Jahrhunderten
Beziehungen zu China gehabt, und die angebauten ein-
heimischen Pflanzen des einen dieser beiden Länder sind
gewöhnlich frühzeitig in das andere übergegangen.
Sie wird auch nicht von Forster unter den auf den
kleinen Inseln der Südsee gebräuchlichen Pflanzen an-
gegeben. Die Gesammtmasse dieser Thatsachen lässt
den amerikanischen, ich will sogar sagen brasilianischen
Ursprung vermuthen.
„Keiner der von mir zu Rathe gezogenen Autoren
berichtet, die spontane Pflanze, sei es in der Alten, sei
es in der Neuen Welt, gesehen zu haben. Diejenigen,
welche über Afrika oder Asien sprechen, haben sich
bestrebt, zu bemerken, dass die Pflanze dort angebaut
wurde. Für Brasilien sagt Marcgraf dies nicht; Piso
gibt die Art als ausgesäet an.“
Samen der Erdnuss sind in den peruanischen Gräbern
von Ancon! gefunden worden, was auf ein altes Vor-
kommen in Amerika schliessen lässt und meine Meinung
von 1855 unterstützt.
Das Studium der chinesischen Bücher durch Dr. Bret-
schneider? wirft die Hypothese von Brown um. Die
Erdnuss wird in den alten Werken dieses Landes nicht
erwähnt, selbst nicht einmal in dem ım 16. Jahrhundert
veröffentlichten ‚Pent-sao“. Bretschneider fügt hinzu,
dass die Einführung seinem Dafürhalten nach erst im
verflossenen Jahrhundert stattfand.
Alle neuern Floren Asiens und Afrikas erwähnen die
1 Rochebrune, nach dem im Botanischen Centralblatt, 1880, S. 1634,
enthaltenen Auszuge. Für das Datum vgl. S. 429.
2 Bretschneider, On the study and value of Chinese bot. works, S. 18.
|
Kaffeebaum. 525
Art als angebaut, und die meisten Autoren glauben für
.sie an einen amerikanischen Ursprung. Nachdem Bent-
ham festgestellt hatte, dass man sie weder in Amerika
noch anderswo wildwachsend angetroffen habe, lässt er
die Meinung laut werden, dass sie vielleicht eine von
den sechs andern in Brasilien spontanen Arten der Gat-
tung abgeleitete Form sei, doch sagt er nicht von
welcher. Dies ist ziemlich wahrscheinlich, denn eine in
so besonderer und wirksamer Weise zum Keimen aus-
gestattete Pflanze scheint nicht zum Aussterben ver-
anlagt zu sein. Man würde sie in Brasilien in dem-
selben Zustande wie die angebaute Pflanze gefunden
haben, wenn letztere nicht ein Erzeugniss der Cultur
wäre. Die Werke über Guyana und andere amerika-
nische Regionen führen die Art als angebaut an. Von
Grisebach ! hören wir ausserdem, däss sie sich auf meh-
reren der Antillen ausserhalb des Culturbereichs natu-
ralisirt.
Es ist kaum anzunehmen, dass eine Gattung, von
welcher alle ihre gut bekannten Arten so in einer
einzigen Region Amerikas vereinigt sind, eine Art ent-
halte, die der Neuen und Alten Welt gemeinschaftlich
angehöre. Dies würde eine allzu grosse Ausnahme von
den für gewöhnlich bestehenden Grundlehren der Pflan-
zengeographie sein. Dann fragt man sich aber, auf
welche Weise die Art (oder angebaute Form) ihren
Uebergang vom amerikanischen Continent nach der Alten
Welt bewerkstelligt habe. Die Ansicht scheint mir
nicht zu fernliegend zu sein, dass eine Verpflanzung
von Brasilien nach Guinea durch die ersten Sklaven-
händler ins Werk gesetzt worden sei, an welche sich
weitere Transporte von Brasilien nach den Inseln im
Süden Asiens durch die Portugiesen seit Ende des
15. Jahrhunderts anschlossen.
Coffea arabica, Linne. — Kaffeebaum (fr. Cafeier).
Dieser kleine Baum aus der Familie der Rubiaceen
1 Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 189.
526 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
ist in Abessinien!; im Sudan? und an den beiden ent-
gegengesetzten Küsten von Guinea und Mozambique?
wildwachsend. Vielleicht hat er sich in letztern vom
Centralpunkt entfernten Localitäten infolge der Culturen
naturalisirt. Niemand hat ihn bisjetzt in Arabien ge-
funden, dies mag aber von der Schwierigkeit herrühren,
in das Innere des Landes einzudringen. Sollte man
ihn dort entdecken, so wird es nicht leicht sein, die
spontane Beschaffenheit festzustellen, denn die Samen,
welche ihre Keimkraft rasch verlieren, gehen häufig in
der Nähe von Culturen auf und naturalisiren die Art.
Das hat man in Brasilien und auf den Antillen ge-
sehen, wo man mit Gewissheit weiss, dass der Kaffee-
baum nie einheimisch gewesen ist.
Der Gebrauch des Kaffees scheint in Abessinien alt
zu sein. Shehabeddin Ben, Verfasser einer arabischen
Handschrift aus dem 15. Jahrhundert (Nr. 944 der pariser
Bibliothek), welchen John Ellis’ in seiner ausgezeich-
neten Abhandlung anführt, berichtet, dass man den
Kaffee seit undenklichen Zeiten in Abessinien gebrauchte.
Es hatte sich dieser Gebrauch, selbst als Arzneimittel,
nicht nach den benachbarten Ländern verbreitet, denn
die Kreuzfahrer wussten nichts davon, und der be-
rühmte, in Malaga geborene Arzt Ebn Baithar, welcher
zu Anfang des 13. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung
Nordafrika und Syrien durchwandert hatte, sagt kein
Wort vom Kaffee.5 Im Jahre 1596 schickte Bellus an
Clusius Samen, aus welchem die Aegypter das Getränk
Cave bereiteten.” Ungefähr zur selben Zeit hatte Prosper
Alpini in Aegypten selbst Kenntniss davon erlangt. Er
bezeichnet den Strauch unter dem Namen „arbor Bon,
1 Richard, Tentamen fl. abyss.; I, 349; Oliver, Flora of tropical Africa,
III, 180.
*2 Ritter, angeführt in: Flora, 1846, S. 704.
3 Meyen, Pflanzengeographie, englische Uebersetzung, S. 384; Grise-
bach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 338.
4 H. Welter, Essai sur l’histoire du café (Paris 1868).
5 Ellis, An historical account of Coffee (1774).
6 Ebn Baithar, übers. von Sondtheimer, Bd. II (1842).
7 Bellus, Epist. ad Clus., S. 309.
2
Kaffeebaum. 527
cum fructu suo Buna“. Der Name Bon findet sich auch
bei den ersten Autoren unter der Form von Bunnu,
Buncho, Bunca! wieder. Die Namen von Cahue, Cahua,
Chaube?, Cave? bezogen sich in Aegypten und Syrien
vielmehr auf das zubereitete Getränk und sind der Ur-
sprung des Wortes Kaffee geworden. Der Name
Bunnu oder ein diesem ähnlicher ist so gewiss der
ursprüngliche Name der Pflanze, dass die Abessinier
sie noch heutzutage Bun nennen.*
Wenn der Gebrauch des Kaffees in Abessinien älter
ist als anderswo, so beweist’ dies noch nicht, dass die
Cultur daselbst eine sehr alte ist. Sehr möglich ist
es, dass man während Jahrhunderten die Bohnen in
den Wäldern eingesammelt hat, wo sie zweifelsohne
sehr gemein waren. Dem oben citirten arabischen
Schriftsteller zufolge hätte ein mit ihm fast zu gleicher
Zeit lebender Mufti von Aden Namens Gemaleddin,
nachdem er Kaffee in Persien hatte. trinken sehen, diese
Sitte nach Aden eingeführt, und von da würde sie sich
nach Mokka, Aegypten u. s. w. weiter verbreitet haben.
Derselbe Schriftsteller berichtet auch, dass der Kaffee-
baum in Arabien wüchse.® Andere Erzählungen oder
Ueberlieferungen kommen vor, denen zufolge es immer
arabische Mönche oder Priester sein würden, welche das
Kaffeegetränk erfunden hätten®, sie lassen uns aber
ebenfalls in Ungewissheit über die erste Zeit der Cultur.
Wie dem auch immer sei, indem sich der Gebrauch des
Kaffees ım Morgenlande, dann im Abendlande trotz
vieler Verbote und wunderlicher Streitigkeiten? verbrei-
tete, ist auch die Production für die Colonien ein Gegen-
stand von Bedeutung geworden. DBoerhaave erzählt,
dass der Bürgermeister von Amsterdam, Nikolas Witsen,
Director der holländischen Handelscompagnie, den Gou-
1 Rauwolf, Clusius. 2 Rauwolf; Bauhin, Hist., I, 422.
3 Bellus, a. a. O. 4 Richard, Tentamen fl. abyss., S. 350.
5 Ein Auszug desselben Verfassers in: Playfair, Hist. of Arabia Felix
(Bombay 1859), erwähnt diese Aussage nicht.
6 Nouv. Dict. d’hist. nat., IV, 552.
7 Ellis, a. a. O.; Nouy. Dict., a. a. O.
598 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
verneur von Batavia, Van Hoorn, dringend aufforderte,
Kaffeesamen von Arabien nach Batavia kommen zu
lassen; dies geschah, und ermöglichte es Van Hoorn,
lebende Pflänzchen davon im Jahre 1690 an Witsen zu
schicken. Dieselben wurden in dem von Witsen ge-
gründeten botanischen Garten in Amsterdam gepflegt
und trugen daselbst Früchte. Im Jahre 1714 schickte
die Behörde dieser Stadt eine kräftige und mit Früchten
bedeckte Pflanze davon an Ludwig XIV., welcher sie
in seinem Garten zu Marly unterbrachte. Man zog
den Kaffeebaum auch in den Gewächshäusern des König-
lichen Gartens in Paris. Einer der Professoren die-
dieses Instituts, Antoine de Jussieu, hatte bereits 1713
in den „Memoires de l’Académie des sciences“ eine
interessante Beschreibung der Pflanze veröffentlicht, und
zwar nach einem lebenden Exemplar, welches ihm von
Pancras, dem Director des amsterdamer Gartens, zu-
geschickt worden war.
Die ersten in Amerika angepflanzten Kaffeebäume
wurden von den Holländern im Jahre 1718 nach Suri-
nam eingeführt. De La Motte-Aigron, Gouverneur von
Cayenne, erhielt bei seinem Aufenthalte in Surinam
unter der Hand einige Pflanzen und vermehrte dieselben
1725. Nach Martinique wurde der Kaffeebaum durch
einen Marineoffizier Namens de Clieu? eingeführt, dies
soll nach Deleuze im Jahre 1720, nach den , Notices
statistiques sur les colonies françaises“ * im Jahre 1723
1 Diese Darstellung ist entlehnt aus: Ellis, Diss. Caf., S. 16. Die
Notices statistiques sur les colonies françaises, II, 46, sagen: „Gegen das .
Jahr 1716 oder 1721 wurden frische Kaffeesamen, trotz der Ueberwachung
der Holländer, heimlich von Surinam gebracht, und setzte sich die Cultur
dieser Colonialwaare in Cayenne fest.‘
2 Der Name dieses Seemanns ist je nach den Werken verschieden-
artig geschrieben worden: Declieux, Duclieux, Desclieux. Nach Erkundi-
gungen, die ich im Kriegsministerium eingezogen habe, war de Clieux
ein mit dem Grafen von Maurepas verwandter Edelmann. In der Nor-
mandie geboren, war er 1702 in die Marine eingetreten und hatte nach
einer sehr ehrenwerthen Carrière im Jahre 1760 seinen Abschied genom-
men. Seine Dienstzeugnisse habe ich in einer Anmerkung meiner Géo-
graphie botanique, S. 971, angeführt. Er starb 1775. Die officiellen Be-
richte haben es nicht unterlassen, die wichtige Thatsache anzuführen,
dass er den Kaffeebaum nach den französischen Colonien eingeführt hatte.
3 Deleuze, Hist. du Muséum, I, 20.
4 Notices statist. sur les colonies francaises, I, 30.
Ber
if
6
Kaffeebaum. 529
stattgefunden haben. Von dort führte man ihn nach
den andern französischen Inseln ein, z. B. 1730 nach
Guadeloupe. Sir Nicolas Lawes baute ihn zuerst auf
Jamaica an.” Vom Jahre 1718 an hatte die französische
Handelscompagnie Mokka-Kaffeepflanzen nach der Insel
Bourbon geschickt*, nach andern®* geschah es schon
1717, dass ein gewisser Dufougerais-Grenier von Mokka
Kaffeepflanzen nach dieser Insel kommen liess. Bekannt
ist es, wie sich die Cultur dieses Strauchs auf Java,
Ceylon, den Antillen und in Brasilien verbreitet hat.
Nichts hält sie davon ab, sich in den meisten
intertropischen Ländern weiter auszudehnen, um so
mehr, als der Kaffeebaum auf abfälligem und ziemlich
dürrem Terrain fortkommt, wo andere Erzeugnisse nicht
gedeihen können. In der tropischen Landwirthschaft
ist er ein Ersatz für die Weinrebe in Europa, den
Theestrauch in China.
Weitere Details finden sich in dem von H. Welter’
veröffentlichten Bande über die wirthschaftliche und
commerzielle Geschichte des Kaffees. Der Verfasser hat
selbst ein interessantes Kapitel über die verschiedenen
Surrogate hinzugefügt, mit welchen man bald in ziem-
lich befriedigender, bald in sehr ungenügender Weise
einen Samen zu ersetzen sucht, der in seinem Natur-
zustande gar nicht hoch genug geschätzt werden kann.
Coffea liberica, Hiern.° — Liberischer Kaffeebaum (fr.
' Cafeier de Liberie).
Pflanzen dieser Art, welche in Liberien, Angola, Go-
lungo alto? und wahrscheinlich in mehreren andern
Gegenden des tropischen Westafrika wildwachsend auf-
1 Notices statist. sur les colonies francaises, I, 209.
2 Martin, Statist. colon. Brit. Emp.
3 Nouv. Dict. d’hist. nat., IV, 135.
4 Notices statist. sur les colonies françaises, II, 84.
5 H. Welter, Essai sur l’histoire du café (Paris 1868).
6 Hiern, Transactions of the Linnean Society, Serie 2, I, 171,
Taf. 24. Diese Abbildung findet sich in dem Bericht über den Königlichen
Garten zu Kew vom Jahre 1376.
7 Oliver, Flora of tropical Africa, III, 181.
DE CANDOLLE. 34
530 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
treten, sind seit einigen Jahren vom Königlichen Garten
in Kew nach den englischen Colonien geschickt worden.
Das Wachsthum ist ein kräftigeres als jenes des ge-
meinen Kaffeebaums, und die grössern Samen ergeben
eine ausgezeichnete Waare. Die officiellen Berichte
des Gartens zu Kew, veröffentlicht von seinem gelehrten
Director, Sir Joseph Hooker, machen uns mit den Fort-
schritten dieser Einführung bekannt, welche besonders
auf Domingo in hohem Ansehen steht.
Madia sativa, Molina. — Madia.
Vor der Entdeckung Amerikas bauten die Bewohner
von Chile diese einjährige Compositenart wegen ihres
in den Samen enthaltenen Oels an. Seitdem viele Oel-
bäume gepflanzt wurden, wird die Madia von den Chi-
lenen gering geachtet, welche sich nur über die Pflanze
als ein in ihren Gärten unbequemes Unkraut beschweren.!
Dann haben sich die Europäer daran gemacht, sie an-
zubauen, freilich nur mit einem mittelmässigen Erfolge,
da ihre Blütenköpfchen einen schlechten Geruch be-
sitzen. |
Die Madia ist in Chile und ebenso in Californien ?
einheimisch. Man kennt noch andere Beispiele von
solcher Theilung des Wohnsitzes zwischen den beiden
Ländern.®
Myristica fragrans, Houttuyn. — Muskatnussbaum
(fr. Muscadier).
Dieser kleine Baum aus der Familie der Myristica-
ceen ist auf den Molukken spontan, besonders auf den
Banda-Inseln.* Nach der beträchtlichen Anzahl seiner
Varietäten zu. schliessen, wird er dort seit einer sehr
langen Zeit angebaut.
Die Europäer erhielten die Muskatnuss seit dem
1 Cl. Gay, Flora Chilena, IV, 268.
2 Asa Gray, Botany of California, I, 359.
3 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 1047.
4 Rumphius, Amboin., II, 17; Blume, Rumphia, I, 180.
Muskatnussbaum. Sesam. 531
Mittelalter durch den Handel Asiens; es haben sich
aber seit lange die Holländer das Monopol seiner Cultur
gesichert. Als die Engländer zu Ende des verflossenen
Jahrhunderts die Molukken in Besitz hielten, haben
sie lebende Muskatnussbäume nach andern Inseln ge-
bracht.! Dieser Baum hat sich dann auf Bourbon,
Mauritius, Madagascar und in einigen Üolonien des
tropischen Amerika weiter ausgebreitet, vom commer-
ziellen Gesichtspunkte aus jedoch nur mit einem mit-
telmässigen Erfolge.
Sesamum indicum, de Candolle. $. indicum und 8.
orientale, Linne. — Sesam.
Der Sesam wird seit sehr langer Zeit in den warmen
Regionen der Alten Welt seines aus den Samen >
wonnenen Oeles wegen angebaut.
Die Familie der Sosameent zu welcher diese ein-
jäbrige Pflanze gehört, wird aus mehreren Gattungen
zusammengesetzt, die in den tropischen Regionen Asiens,
Afrikas und Amerikas verbreitet sind. Die Gattung
Sesamum, im weitesten Sinne genommen?, hat etwa zehn
Arten, die alle afrikanısch sind, mit Ausnahme vielleicht
der angebauten Art, nach deren Ursprung wir suchen
wollen. Diese bildet für sich allein die echte Gattung
Sesamum, welche ın dem Werke von Bentham und
Hooker eine Unterabtheilung ausmacht. Die botanische
Analogie dürfte auf einen afrikanischen Ursprung hin-
“ weisen, man weiss aber, dass es viele Pflanzen gibt,
deren Wohnsitz sich von Südasien nach Afrika erstreckt.
Die Sesampflanze zeigt zwei Rassen, die eine mit
schwarzen, die andere mit weissen Samen, und mehrere
Varietäten in Bezug auf die Form der Blätter. Die
Farbenverschiedenheit der Samen geht auf ein hohes
Alterthum zurück, wie solches sich auch bei der Mohn-
pflanze zeigt.
1 Roxburgh, Flora indica, III, 845.
2 Bentham et Hooker, Genera plantarum, II, 1059.
34*
532 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Die Samen verbreiten sich häufig ausserhalb der Cul-
turen und naturalisiren die Art mehr oder weniger.
Man hat sie in sehr weit voneinander entfernten Re-
gionen angetroffen, z. B. in Indien, auf den Sunda-In-
seln, in Aegypten und selbst auf den Antillen, wo die
Cultur sicherlich neuerer Einführung ist.! Dies ist
vielleicht der Grund, weshalb kein Autor die Pflanze
im wildwachsenden Zustande angetroffen haben will.
Blume?, ein sehr zuverlässiger Beobachter, macht hiervon
eine Ausnahme, er erwähnt eine Varietät mit röthern
Blumen als gewöhnlich, die in den Bergen Javas wächst.
Dies ist ohne Zweifel ein Fingerzeig für den Ursprung,
zum wirklichen Beweise bedarf es solcher aber mehr.
Ich werde sie in der Geschichte des Anbaues suchen.
Das Land, wo derselbe angefangen hat, muss der alte
Wohnsitz der Art sein oder mit diesem alten Wohnsitz
in Beziehung gestanden haben.
Dass die Cultur in Asien auf eine sehr fern gelegene
Epoche zurückgeht, unterliegt nach der Verschiedenheit
der Namen keinem Zweifel. Der Sesam heisst im San-
skrit Tia, im Malaiischen Widjin, im Chinesischen Moa
(nach Rumphius) oder Chi-ma (nach Bretschneider), im
Japanischen Koba.* Der Name Sesam ist, einige unbe-
deutende Buchstabenabänderungen ausgenommen, im
Griechischen, Lateinischen und Arabischen derselbe. Dar-
aus könnte man schliessen, dass der Wohnsitz ein sehr
ausgedehnter war und dass man die Pflanze in mehreren
Ländern für sich anzubauen angefangen hatte. Man
darf aber einem derartigen Belege nicht zu viel Be-
deutung zuschreiben. Die chinesischen Werke lassen
schliessen, dass der Sesam nach China nicht vor der
christlichen Zeitrechnung eingeführt worden ist. Die
erste, ziemlich sichere Notiz findet sich in einem Buche
1 Pickering, Chronol. History of Plants, S. 223; Rumphius, Herb.
amboinense, V, 204; Miquel, Flora indo-batava, II, 760; Schweinfurth und
Ascherson, Aufzählung, S. 273; Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 458.
2 Blume, Bijdragen, S. 778.
3 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 100; Piddington, Index.
4 Thunberg, Flora japon., S. 254.
Sesam. 533
aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, welches den Titel
„Isi min yao schu“! führt. Vordem herrschte einige
Namensverwirrung mit dem Lein, dessen Samen eben-
falls Oel liefert und welcher in China nicht seit langer
Zeit vorkommt.?
Theophrast und Dioscorides berichten, dass die Aegyp-
ter eine Sesam genannte Pflanze anbauten, um Oel
daraus zu gewinnen, und Plinius fügt hinzu, dass die-
selbe aus Indien stamme.® Er spricht auch von einem
in Aegypten wildwachsenden Sesam, aus welchem Oel ge-
wonnen würde, dies war aber wahrscheinlich die Ricinus-
pflanze.* Der Beweis ist nicht geliefert worden, dass
die alten Aegypter vor der Zeit des Theophrast den
Sesam angebaut haben. Man hat in den Denkmälern
weder eine Abbildung noch Samen von ihm gefunden.
Eine Zeichnung der Grabstätte von Rhamses Ill. führt den
Brauch vor, kleine Samen mit dem Mehl für feineres
Backwerk zu vermischen, und heutzutage geschieht dies
noch in Aegypten mit dem Sesamsamen; man bedient
sich aber auch anderer Samen (Kümmel, Schwarzküm-
mel), und es ist unmöglich, auf der Zeichnung den Se-
sam besonders zu érkennen.5 Wenn die Aegypter die
Art zur Zeit des Auszugs der Juden aus ihrem Lande
(1100 Jahre vor Theophrast) gekannt hätten, würden
die hebräischen Bücher sie wahrscheinlich wegen der
verschiedenartigen Gebrauchsanwendungen des Samens
und besonders des Oels erwähnt haben. Indessen ist von
den Commentatoren keine Spur davon im Alten Testa-
ment aufgefunden worden. Der Name Semsem oder Sim-
sim ist ein gut semitischer, freilich wird er nur aus der
weniger weit zürückreichenden Zeit des Talmud® und
1 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881.
2 Bretschneider, On the study etc., S. 16.
3 Theophrastus, 1. 8, c. 1, 5; Dioscorides, 1. 2, c. 121; Plinius', Hist.,
1. 18, c. 10.
4 Plinius, Hist., 1. 15, c. 7.
5 Wilkinson, Manners and customs ete., Bd. II; Unger, Pflanzen des
alten Aegyptens, S. 45.
6 Reynier, Économie publique des Arabes et des Juifs, S. 431; Löw,
Aramäische Pflanzennamen, S. 376.
534 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
der aus der christlichen Zeitrechnung stammenden Ab-
handlung über Landwirthschaft von Alawwam! herge-
schrieben. Vielleicht sind es die Semiten, welche die
Pflanze und den Namen Semsem (woraus das griechische
Sesam) seit der Epoche der grossen Denkmäler und
des Auszugs nach Aegypten gebracht haben. Sie haben
dieselbe mit dem babylonischen Namen empfangen kön-
nen, wo man, Herodot zufolge, den Sesam anbaute.?
Eine alte Cultur in der Euphratregion steht mit dem
Vorhandensein eines Sanskritnamens, Tila, des Tilu der
Brahmanen (Rheede, ‚„Malabar“, I, 9, S. 105, 107) im
Einklang, ein Wort, von welchem sich Ueberreste in
mehreren neuern Sprachen Indiens, ganz insbesondere
auf Ceylon vorfinden.? Somit werden wir in Ueber-
einstimmung mit dem Ursprunge, von welchem Plinius
sprach, nach Indien zurückgeführt, es ist aber immer-
‘hin möglich, dass Indien selbst die Art von den Sunda-
Inseln vor Ankunft der arischen Eroberer erhalten hat.
Rumphius gibt für diese Inseln drei Sesamnamen an,
die unter sich sehr verschieden sind und von dem
Sanskritnamen völlig abweichen; dies unterstützt die
Annahme, dass die Art auf dem Archipel ein älteres
Vorkommen zeigt als auf dem Continent.
Nach der Spontaneität auf Java und den historischen
und linguistischen Belegen zu urtheilen, scheint schliess-
lich der Sesam ursprünglich von den Sunda-Inseln ab-
zustammen. Seit 2000 oder 3000 Jahren ist er nach
Indien und der Euphratregion eingeführt worden, und
nach Aegypten in einer weniger weit zurückreichenden
Epoche, 1000—500 v. Chr.
Man ist im Ungewissen darüber, seit welcher Zeit
er im übrigen Afrika angebaut wird, aber die Portu-
giesen haben ihn von der Guineaküste nach Brasilien
gebracht.{
1 E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 75.
2 Herodot, 1. 1, c. 193. 3 Thwaites, Enum., S. 209.
4 Piso, Brasil. (1658), S. 211.
Ricinuspflanze. 535
Ricinus communis, Linné. — Rieinuspflanze (fr. Ricin).
Die neuesten und anerkannt besten Werke verlegen
das Heimatland dieser Euphorbiacee nach Südasien; zu-
weilen führen sie gewisse Varietäten in Asien, andere
in Afrika oder in Amerika an, ohne die angebauten
Pflanzen von den wildwachsenden zu unterscheiden.
Ich habe Grund zu glauben, dass sich das wirkliche
Vaterland im intertropischen Afrika befindet, was mit
der von Ball ausgesprochenen Meinung übereinstimmt.!
Die Schwierigkeiten, welche diese Frage umgeben,
sind dem hohen Culturalter in verschiedenen Ländern
zuzuschreiben, ferner der Leichtigkeit, mit welcher sich
die Ricinuspflanze von selbst aussäet und sich auf
Schutthaufen und sogar auf unbebauten Ländereien na-
turalisirt, schliesslich der Verschiedenartigkeit ihrer
Formen, welche man häufig als Arten beschrieben hat.
Der letzte dieser drei Punkte darf uns nicht weiter
aufhalten, denn die sorgfältige Monographie von Dr.
J. Müller? stellt das Vorkommen von 16 kaum erb-
lichen Varietäten fest, welche sich durch zahlreiche
Uebergänge miteinander vermischen und demnach in
ihrer Gesammtheit eine einzige Art ausmachen.
Die Zahl dieser Varietäten ist ein Fingerzeig für
eine sehr alte Cultur. Sie unterscheiden sich mehr oder
minder durch die Samenkapseln, die Samen, den Blüten-
stand u. s. w. Ausserdem sind es kleine Bäume in den
heissen Ländern, ertragen aber nicht leicht den Frost
‘und werden nördlich von den Alpen und in ähnlichen
Regionen einjährige Pflanzen. Man säet sie alsdann
zum Schmuck der Gärten, während dies in den tropi-
schen Regionen und selbst in Italien des Oeles wegen
geschieht, welches in dem Samen enthalten ist. Dieses
mehr oder minder abführende Oel dient in Bengalen
und auch anderwärts zur Beleuchtung.
In keiner Region ist die Ricinuspflanze in einer so
1 Ball, Florae maroccanae spicilegium, S. 664.
2 Müller, Argov., in: De Candolle, Prodromus, XV, 11, 1017.
536 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
gewissen Weise wildwachsend nachgewiesen worden als
in Abessinien, ın Sennaar und Kordofan. Die Mittheilun-
gen der Autoren und Sammler lauten ganz bestimmt.
Die Ricinuspflanze ist in den steinigen Gegenden des
Chirethales bei Goumalo gemein, sagt Quartin Dillon;
sie ist spontan in den Gegenden von Obersennaar,
welche während der Regenzeit überschwemmt sind,
berichtet Hartmann.! Ich besitze ein Exemplar von
Kotschy, Nr. 243, welches am Nordabhange des Berges
Kohn in Kordofan gesammelt wurde. Die Angaben der
Reisenden in Mozambique und an der gegenüberliegen-
den Küste von Guinea sind nicht ganz so deutlich, es
ist aber sehr möglich, dass sich der spontane Wohnsitz
über einen grossen Theil des tropischen Afrika erstreckt.
Da es sich um eine nützliche, sehr ins Auge fallende
und leicht zu vermehrende Art handelt, haben die Neger
sie seit langer Zeit verbreiten müssen. Sobald man
sich jedoch dem Mittelmeer nähert, ist vom Indigenat
nicht mehr die Rede. Schon für Aegypten geben
Schweinfurth und Ascherson? die Art nur als angebaut
und naturalisirt an. Wahrscheinlich hat sie sich in Al-
gerien, Sardinien, Marokko und selbst auf den Cana-
rischen Inseln, wo man sie besonders am sandigen
Meeresgestade antrifft, seit Jahrhunderten naturalisirt.
Dasselbe lässt sich von den Exemplaren sagen, welche
Schimper von Dschedda in Arabien mitbrachte, und die
in der Nähe einer Cisterne gesammelt waren. Indessen
hat Forskal® die Ricinuspflanze auf den Gebirgen des
Glücklichen Arabien gesammelt, was eine spontane
Fundstätte andeuten mag. Boissier* führt sie für Be-
ludschistan und Südpersien an, aber als „subspantan“,
desgleichen für Syrien, Anatolien und Griechenland.
Rheedeÿ spricht von der Ricinuspflanze als in Malabar
1 Richard, Tentamen florae abyssinicae, II, 250; Schweinfurth, Plantae
niloticae a Hartmann etc., S. 13.
Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 262.
Forskal, Fl. arab., S. 71. 4 Boissier, F1. orient., IV, 1143.
Rheede, Malabar, II, 57, Taf. 32.
€) t9
ot
L =
Ricinuspflanze. pat
angebaut und im Sande wachsend, von den neuern anglo-
indischen Botanikern wird aber in keiner Weise die Spon-
taneität zugegeben. Mehrere schweigen ganz über die Art.
Einige heben die Leichtigkeit hervor, mit welcher sie sich
ausserhalb des Culturbereichs naturalisirt. Loureiro hatte
unsere Pflanze in Cochinchina und China „angebaut und
nicht angebaut“ gesehen, was vielleicht den Culturen ent-
sprungen bedeuten soll. Für die Sunda-Inseln ist Rum-
phius! wie immer eine der interessantesten Quellen. „Die
Rieinuspflanze“, sagt er, „wächst besonders auf Java, wo
sie ungeheuere Felder bedeckt und eine grosse Menge Oel
liefert. In Amboina pflanzt man sie mehr als Arzneipflanze
hier und da in der Nähe der Wohnplätze und auf den Fel-
dern. Die wildwachsende Pflanze findet sich in Gärten,
die sich selbst überlassen sind (in desertis hortis); sie
stammt zweifelsohne von der angebauten Pflanze ab
(sine dubio degeneratio domesticae). In Japan findet
sich die Ricinuspflanze unter Sträuchern und an den
Abhängen des Berges Wunzen, aber Franchet und Sava-
tier? fügen hinzu: „wahrscheinlich eingeführt“. Schliess-
lich erwähnt Dr. Bretschneider die Art weder in seiner
Schrift vom Jahre 1870 noch in den später an mich
gerichteten Briefen, was mich eine wenig alte Einfüh-
rung in China vermuthen lässt.?
Im intertropischen Amerika baut man die Ricinus-
pflanze an. Sie naturalisirt sich dort leicht in den
Gebüschdickichten, auf Schutthaufen u. s. w.; aber kein
Botaniker hat sie dort unter den Bedingungen einer
wirklich einheimischen Pflanze angetroffen. Die Ein-
führung muss auf die ersten Zeiten der Entdeckung von
Amerika zurückgehen, denn auf den Antillen führt man
einen volksthümlichen Namen, Lamourou, an, und Piso
weist auf einen andern in Brasilien hin, Nhambu-Guacu,
1 Rumphius, Herb. Amboin., IV, 93.
2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, I, 424.
3 „Dr. Bretschneider spricht von der Ricinuspflanze in einer Anmer-
kung seiner «Study» etc., S. 70, welche ich übersehen hatte, was er aber
darüber sagt, auch in einem Briefe vom Jahre 1881, weist nicht auf eine
alte Cultur in China hin.“ [Vom Verfasser zugeschickte Anmerkung.]
538 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Figuero inferno der Portugiesen. Von Bahia habe ich
die meisten Proben erhalten, doch ist für keine davon
der Nachweis des wirklichen Indigenats bestimmt be-
hauptet worden.
In Aegypten und Westasien datirt die Cultur der
Ricinuspflanze aus so fernliegenden Zeiten, dass sie
über den Ursprung irregeführt haben. Herodot, Pli-
nius, Diodor u. s. w. fee) betrieben sie die alten
Aegypter in grossem Maassstabe. In Bezug auf die
Art waltet kein Zweifel ob, denn man hat in den Grä-
bern Samen davon gefunden.! Der ägyptische Name
war Kiki; derselbe wird von Theophrast und Dios-
corides erwähnt und ist von den Neugriechen beibe-
halten worden?, während die Araber einen ganz ver-
schiedenen Namen haben, Kerua, Kerroa, Charua.?
Roxburgh und Piddington citiren einen Sanskrit-
namen, Eranda, Erunda, von welchem andere in den
neuern Sprachen Indiens abgeleitet werden. Auf welche
Epoche des Sanskrit geht dieser Name zurück? Das
erfahren wir nicht von den Botanikern. Da es sich
um eine Pflanze warmer Länder handelt, haben die
Arier vor ihrer Ankunft in Indien von ihr keine Kennt-
niss besitzen können, das war also zu einer Epoche,
die weniger alt ist als die ägyptischen Denkmäler.
In de ausserordentlichen Schnelligkeit des Wachs-
thums der Ricinuspflanze finden verschiedene Namen in
den asiatischen Sprachen, wie auch der des Wunder-
baums im Deutschen, ihre Begründung. Aus demselben
Grunde und aus der Uebereinstimmung mit dem ägypti-
schen Namen Kiki hat man vermuthet, dass der Kikajon
des Alten Testaments*, welcher, wie man sagte, in einer
Nacht aufgewachsen war, die Ricinuspflanze sei.
Ich will hier eine Menge volksthümlicher, mehr oder
1 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 61.
2 Theophrastus, Erste 1a e19; Dioscorides, 1. 4, c. 171; Fraas,
Synopsis fl. class., 5.9.
3 Nemnich, Polyg lotten-Lexicon; Forskal, Flora aegypt., S. 75.
4 Jonas, IV, 6; Pickering, Chronol. hist. of plants, S. 225, schreibt
Kykwın.
Gemeiner Walnussbaum. 539
minder abgeschmackter Namen, wie Palma Christi, Gi-
rasole einiger Italiener u. s. w. übergehen, es ist aber
angebracht, auf den Ursprung des Namens Castor und
Castor-oil der Engländer hinzuweisen, da er als Beweis
dienen kann, wie sie Namen ohne Prüfung annehmen
und dieselben zuweilen entstellen. Es scheint, als ob
man im verflossenen Jahrhundert auf Jamaica, wo die
Ricinuspflanze vielfach angebaut wurde, dieselbe mit
einem ganz und gar verschiedenen Strauche, dem Vitex
Agnus castus, welchen die Portugiesen und Spanier
Agno casto nennen, verwechselt hatte. Aus Casto haben
die englischen Pflanzer und der londoner Handel Castor
gemacht.!
Juglans regia, Linné. — Gemeiner Walnussbaum
(fr. No; yer).
Vor einigen Jahren kannte man den Walnussbaum
wildwachsend in Armenien, in der Region im Süden
des Kaukasus und des Kaspisees, in den Gebirgen von
Nord- und Nordostindien und in Birma.” Das Indigenat
im Süden des Kaukasus und in Armenien, welches C.
Koch? bestreitet, wird von mehreren Reisenden nach-
gewiesen.* Man hat seitdem das spontane Vorkommen
in Japan festgestellt, wodurch es ziemlich wahrschein-
lich wird, dass die Art sich auch in Nordchina findet,
wie Loureiro und Bunge es gesagt hatten’, ohne die
spontane Beschaffenheit genügend zu erörtern. Held-
‘ reich® hat es ausser allen Zweifel gestellt, dass der
Nussbaum auf den Gebirgen Griechenlands wildwachsend
im Ueberfluss auftritt, was mit den bis dahin über-
sehenen Stellen im Theophrast? übereinstimmt. Endlich
1 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues, franz. Uebers., II, 320.
2 C. de Candolle, Prodr., XVI, 11, 136; Tchihatcheff, Asie Mineure, a 125
Ledebour, Fl. ross., I, 507; Roxburgh, Fl, ind., III, 630; Boissier, FL
orient., IV, 1160; Brandis, Forest flora of India, S. 498); Kurz, Forest flora
of British Burma, S. 390.
3 C. Koch, Dendrologie, I, 584.
4 Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, 453.
5 Loureiro, F1. Cochinch., S. 702; Bunge, 'Enum., 62.
6 Heldreich, Verhandl. d. "bot. Vereins für ee 1879,08: 147.
7 Theophrastus, Hist. plant., 1.3, c. 3,6. Diese und andere Stellen der
540 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
hat Heuffel ihn ebenfalls wildwachsend auf den Gebirgen
des Banats gesehen.!
Der augenblickliche Wohnsitz, mit Ausschluss des
Culturlandes, breitet sich somit vom gemässigten Ost-
europa bis nach Japan hin aus.
Es gab eine Zeit, wo sich derselbe mehr in west-
licher Richtung befand, denn Blätter unsers Walnuss-
baums sind in den quaternären Tuffsteinen der Provence
'gefunden worden.” In den sogenannten tertiären und
quaternären Perioden kamen viele Juglansarten auf un-
serer Hemisphäre vor; jetzt sind solche auf höchstens
zehn beschränkt, die über Nordamerika und das ge-
mässigte Asien verbreitet sind.
Die Verwerthung der Früchte des Walnussbaumes
und die Anpflanzung desselben haben in verschiedenen
Ländern, wo sich die Art fand, ihren Anfang nehmen
können, und der Ackerbau hat seinen künstlichen Wohn-
sitz nach und nach, aber in unbedeutender Weise aus-
gedehnt. Der Walnussbaum gehört nicht zu den Bäu-
men, welche sich leicht aussäen und naturalisiren. Die
Beschaffenheit seiner Samen setzt sich dem vielleicht
entgegen, und ausserdem erheischt er Klimate, die sich
durch geringe Kälte und eine gemässigte Wärme aus-
zeichnen. Er überschreitet kaum die nördliche Grenze
der Weinrebe und geht nach Süden viel weniger weit vor.
Die Griechen, an das Olivenöl gewöhnt, haben mehr
oder weniger den Walnussbaum vernachlässigt, bis sie
von Persien eine bessere Varietät, die sogenannte Königs-
nuss (Karuon basilikon? oder Persikon)*, erhielten. Die
Römer bauten den Walnussbaum seit der Zeit ihrer Kö-
nige an; sie hielten ihn persischen Ursprungs.ÿ Man
kennt ihren alten Gebrauch des Werfens von Nüssen
bei den Hochzeitsfeierlichkeiten.
Alten werden von Heldreich angeführt und besser gedeutet als von Hehn
und andern Gelehrten.
Heuffel, Abhandl. d. zool.-bot. Gesellschaft in Wien, 1853, S. 194.
De Saporta, 33e session du Congrès scientifique de France,
Dioscorides, 1. 1, c. 176.
Plinius, Hist. plant., 1. 15, c. 22. 5 Ebend.
C2 +9 mi
we
Gemeiner Walnussbaum. 541
Die Archäologie hat diese Einzelheiten bestätigt. Die
einzigen Nüsse, welche man bisjetzt unter den Pfahl-
bauten der Schweiz, Savoyens oder Italiens gefunden
hat, beschränken sich auf eine Localität aus der Um-
gegend von Parma Namens Fontinellato, sie stammen
aus einer Schicht der Eisenzeit.! Das zur Zeit des
Trojanischen Krieges noch sehr seltene Eisen wurde
wahrscheinlich von der Ackerbau treibenden Bevölke-
rung Italiens nicht vor dem 5. oder 6. Jahrhundert v.
Chr. gebraucht, ein Zeitpunkt, zu welchem man jenseit
der Alpen vielleicht nicht einmal die Bronze kannte.
In den Pfahlbauten von Lagozza sind die Früchte des
Walnussbaums in einer ganz und gar obern und keines-
wegs alten Bodenschicht gefunden worden.” Augen-
scheinlich stammen die Walnussbäume Italiens, der
Schweiz und Frankreichs nicht von den bereits er-
wähnten fossilen Individuen des quaternären Tuff-
steins ab.
Es ist unmöglich, zu wissen, in welcher Epoche
man den Nussbaum in Indien anzubauen angefangen
hat. Dies muss seit alters geschehen sein, denn man
kennt einen Sanskritnamen Akschöda, Akhöda oder
Akhöta. Die chinesischen Schriftsteller berichten, dass
der Walnussbaum unter der Dynastie Han, gegen das
Jahr 140—150 v. Chr. durch Schang-kien von Tibet
aus bei ihnen eingeführt wurde. Es handelte sich viel-
leicht um eine vervollkommnete Varietät. Ausserdem
ist es, den jetzigen Schriftstücken der Botaniker zu-
folge, wahrscheinlich, dass der spontane Walnussbaum
im Norden Chinas selten ist und vielleicht im östlichen
Theile ganz fehlt. Der Zeitpunkt, wann die Cultur in
Japan anfing, ist unbekannt.
Der Baum und die Nüsse haben bei den alten Völ-
kern eine ungeheuere Menge von Namen erhalten, mit
1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 31.
2 Sordelli, Sulle piante della torbiera etc, I. 89.
3 Bretschneider, On the study and value ete. ; ©. 16, und Brief vom
23. August 1881.
542 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
welchen sich die Wissenschaft und die Einbildungskraft
der Sprachforscher befasst haben!; der Ursprung der
Art ıst aber zu deutlich, als dass wir uns weiter damit
zu beschäftigen bräuchten.
Areca Catechu, Linne. — Areca- oder Betelnusspalme
(fr. Arec).
In dem Lande, wo der Gebrauch des Betelkauens
verbreitet ist, d. h. im ganzen Südasien, wird diese
Palme vielfach angebaut. Die Nuss oder vielmehr die
Mandel, welche den Hauptbestandtheil des in der Frucht
enthaltenen Samens ausmacht, ist das, worum es sich
des aromatischen Geschmackes wegen handelt. In Stücke
zerschnitten, mit Kalk vermischt und in ein Blatt des
Betelpfeffers eingewickelt, geben diese Nüsse ein ange-
nehmes Erregungsmittel ab, welches Speichel erregend
ist und die Zähne zur Befriedigung der Eingeborenen
schwarz färbt.
Der Verfasser des wichtigsten Werkes über die Fa-
milie der Palmen, von Martius?, spricht sich über den
Ursprung der Art wie folgt aus: „Das Vaterland ist
nicht sicher (non constat); wahrscheinlich sind es die
Sunda-Inseln.“ Indem wir besonders neuere Autoren
zu Rathe ziehen, wollen wir sehen, ob es möglich ist,
irgendetwas darauf hin zu bestätigen.
Auf dem Festlande von Britisch-Indien, auf Ceylon
und in Cochinchina wird die Art immer als angebaut
angeführt.? Dasselbe ist für die Sunda-Inseln, die Mo-
lukken u. s. w. im Süden Asiens der Fall. In seinem
schönen Werke „Rumphia‘‘ sagt Blume®, dass die Halb-
insel von Malakka, Sıam und die Nachbarinseln das
1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 289; Hehn,
Kulturpflanzen und Hausthiere, 3. Aufl., S. 341.
2 Martius, Hist. nat. Palmarum, III, 170 (ohne Angabe der Jahreszahl,
aber vor 1851 veröffentlicht).
3 Roxburgh, Fl. ind., III, 616; Brandis, Forest flora of India, S. 551;
Kurz, Forest flora of British Burma, S. 537; Thwaites, Enum. Zeylan.,
S. 327, Loureiro, Fl. eochinch., S. 695.
4 Blume, Rumphia, II, 67; Miquel, Fl. indo-batava, III, 9; Suppl. de
Sumatra, S. 253.
u A ee. 2 ee ee Me ne
Betelnuss- und Oelpalme. 545
Vaterland seien. Er scheint indessen die einheimischen
Exemplare, von welchen er spricht, nicht gesehen zu
haben. Dr. Bretschneider! ist der Ansicht, dass die
Art auf dem Malaiischen Archipel, besonders auf Su-
matra, ursprünglich zu Hause sei, denn diese Inseln und
die Philippinen sind, so sagt er, die einzigen Locali-
täten, wo man sie wildwachsend antrifft. Die erste
dieser Thatsachen wird von Miquel nicht bestätigt, auch
die zweite von Blanco? nicht, welcher auf den Philip-
pinen lebte. Die Meinung von Blume scheint die wahr-
scheinlichste zu sein, man kann aber immer noch mit
Martius sagen: das Vaterland ist nicht bestimmt nach-
gewiesen worden.
Das Vorkommen einer Menge malaiischer Namen,
Pinang, Jambe ete., und eines Sanskritnamens, Guvaka,
sowie die sehr zahlreichen Varietäten deuten auf das
hohe Alter der Cultur hin. Die Chinesen haben sie
unter dem malaiischen, Pin-lang geschriebenen Namen
von den südlichen Ländern im Jahre 111 v. Chr. er-
halten. Der Telinganame Arck ist der Ursprung des
botanischen Namens Areca.
Elaeis guineensis, Jacquin. — Afrikanische Oelpalme
(fr. Elaeis de Guinée).
Schon die Reisenden, welche die Küste von Guinea
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts? berührten,
wurden aufmerksam auf diese Palme, aus welcher die
Neger durch Auspressung des fleischigen Theils der
Frucht Oel gewannen. Dies ist ein an der ganzen
Küste einheimischer Baum.* Er wird auch angepflanzt,
und die Ausfuhr des sogenannten Palmöls ist für den
Handel von grosser Bedeutung.
Da diese Palme sich ebenfalls wildwachsend in Bra-
silien zeigt und vielleicht auch in Guyana’, so hat sich
1 Bretschneider, Study and value etc., S. 28.
2 Blanco, Flora de Filipinas, 2. Aufl.
3 Da Mosto, in: Ramusio, I, 104, von R. Brown angeführt,
4 R. Brown, Botany of Congo, S. 55.
5 Martius, Hist. nat. Palmarum, II, 62; Drude, in: Fl. brasil., fasc. 85,
544 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
”
ein Zweifel über den wirklichen Ursprung erhoben.
Man konnte denselben um so mehr für amerika-
nisch halten, da die einzige Art, welche mit dieser
die Gattung Elaeis ausmacht, Neugranada bewohnt.!
Indessen erklären R. Brown und die Autoren, welche
sich am meisten mit der Familie der Palmen beschäf-
tigt haben, einstimmig, dass man Klaeis guineensis
als in Amerika durch die Neger und die Sklavenschiffe
bei ihrer Ueberfahrt von der Guineaküste nach der
gegenüberliegenden amerikanischen eingeführt betrachten
müsse. Viele Thatsachen unterstützen diese Meinung.
Die ersten Botaniker, welche Brasilien bereist haben,
wie Piso und Marcgraf, haben nicht von der Elaeis
gesprochen. Sie findet sich nur im Küstengebiet, von
Rio de Janeiro bis zur Mündung des Amazonenstroms,
nie im Innern. Sie wird häufig angebaut oder hat das
Aussehen einer den Anpflanzungen entsprungenen Art.
Sloane?, welcher Jamaica im 17. Jahrhundert erforscht
und in Europa Früchte, die von Afrika kamen, gesehen
hatte, berichtet, dass dieser Baum zu seiner Zeit von
Guinea nach einer von ihm näher bezeichneten Plantage
gebracht worden sei. Seitdem hat er sich in einigen
Localitäten der Antillen naturalisirt.®
Cocos nucifera, Linne. — Kokospalme (fr. Cocotier).
Von allen Bäumen der intertropischen Länder ist die
Kokospalme vielleicht derjenige, welcher die verschieden-
artigsten Erzeugnisse darbietet. Ihr Holz und ihre
Fasern finden mehrfache Verwendung. Der aus dem
untern Theile des Blütenstandes gewonnene Saft gibt
ein alkoholhaltiges sehr beliebtes Getränk. Die Schale
der Frucht dient als Gefäss, die Milch des Samens
S. 457. Ich finde keinen Autor, der die spontane Beschaffenheit in Guyana
bestätigt, wie Martius dies für Brasilien gethan hat.
1 Elaeis melanocarpa, Gärtner. Die Frucht enthält ebenfalls Oel, es
scheint aber nicht, als ob man die Art anbaue, da die Zahl der ölhaltigen
Pflanzen in allen Ländern eine beträchtliche ist.
2 Sloane, Natural history of Jamaica, II, 115.
3 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 522.
Kokospalme. 545
macht vor der Reife ein angenehmes Getränk aus, schliess-
lich enthält der mandelähnliche Kern eine grosse Menge
Oel. Es ist daher nicht zu verwundern, dass man einen
so kostbaren Baum auf alle mögliche Weise auszusäen
und zu verpflanzen bestrebt gewesen ist. Ausserdem
wird seine Ausbreitung durch natürliche Ursachen be-
günstigt. Dank ihrer faserigen Umhüllung können die
Kokosnüsse im Salzwasser schwimmen, ohne dass der
lebende Theil des Samens davon berührt wird. Daraus
ergibt sich eine Möglichkeit des Transports nach grossen
Entfernungen durch die Strömungen und eine Naturali-
sation an den Küsten, sobald die klimatischen Verhält-
nisse günstige sind. Unglücklicherweise erheischt dieser
Baum ein heisses und feuchtes Klima, wie man es nur
zwischen den Wendekreisen oder in den klimatisch be-
sonders begünstigten daranstossenden Gegenden antrifft.
Ausserdem gedeiht er nur in der Nähe des Meeres.
Die Kokospalme findet sich im Küstengebiet der
heissen Regionen Asiens, von den Inseln bis zum Süden
dieses Festlandes, sowie auch in den entsprechenden
Ländern Afrikas und Amerikas im Ueberfluss vertreten,
es lässt sich aber der Nachweis liefern, dass ihre Ein-
führung nach Brasilien, den Antillen und der. West-
küste Afrikas auf weniger als 300 Jahre zurückgeht.
Für Brasilien scheinen Piso und Marcgraf! einen
fremden Ursprung zuzulassen, ohne dass sie es aus-
_drücklich betonen. Martius, welcher ein sehr bedeu-
tendes Werk über die Palmen veröffentlicht hat?, und
die Provinzen Bahia, Pernambuco und andere, wo die
Kokospalme sehr häufig vorkommt, bereiste, erwähnt
nicht, dass sie dort spontan sei. Durch Missionare
wurde sie nach Guyana eingeführt.” Sloane* sagt, dass
sie auf: den Antillen fremden Ursprungs sei. Ein von
ihm genannter alter Schriftsteller des 16. Jahrhunderts,
1 Piso, Brasil., S. 65; Marcgraf, S. 138.
2 Martius, Historia natur. Palmarum, II, 125.
3 Aublet, Guyane, Suppl., S. 102.
4 Sloane, Jamaica, II, 9.
DE CANDOLLE, 35
546 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Martyr Anghiera, spricht von dieser Einführung. Wahr-
scheinlich fand sie wenige Jahre nach der Entdeckung
Amerikas statt, denn Joseph Acosta! hatte die Kokos-
palme im 16. Jahrhundert in Portorico gesehen. Nach
Martius waren es die Portugiesen, welche sie nach der
Küste von Guinea brachten. Viele Reisende haben sie in
dieser Region, wo sie augenscheinlich von untergeord-
neter Bedeutung ist, nicht einmal erwähnt. An der Ost-
küste und auf Madagascar häufiger, wird sie indessen
mehreren Werken über die Pflanzen von Zanzibar, den
Seychellen, Mauritius u. s. w. nicht genannt, vielleicht
weil man sie in dieser Region für angebaut hielt.
Augenscheinlich kann die Kokospalme weder von
Afrıka, noch von dem östlichen Theile des intertropi-
schen Amerika ursprünglich herrühren. Wenn wir von
diesen Ländern absehen, bleiben die Westküste des
tropischen Amerika, die Inseln der Südsee, der Indische
Archipel und der Süden des Asiatischen Archipels übrig,
woselbst der Baum mit allen Anzeichen einer mehr oder
minder grossen Spontaneität und einer sehr alten Cultur
in grossen Mengen auftritt.
Die Seefahrer Dampier und Vancouver? haben sie zu
Anfang des 17. Jahrhunderts auf den Inseln nahe bei
Panama, nicht auf dem Festlande und auf der in der
Südsee liegenden, 300 engl. Meilen vom Festlande ent-
fernten Kokosinsel, ganze Wälder bildend, gefunden. Zu
jener Zeit waren diese Inseln nicht bewohnt. Später hat
man die Kokospalme an der Westküste, von Mexico bis
Peru, angetroffen, im allgemeinen bestätigen die Autoren
aber nicht, dass sie dort spontan war; eine Ausnahme
hiervon macht Seemann?, welcher die Kokospalme sowol
wildwachsend wie angebaut auf der Landenge von Pa-
nama gesehen hat. Nach Hernandez*, im 12. Jahrhun-
1 J. Acosta, Hist. nat. des Indes, französ. Uebers. (1598), S. 178.
2 Vafer, Voyage de Dampier (1705), S. 186; Vancouver, französ. Ausg.,
. 325, eitirt von Martius, Hist. nat. Palmarum, I, 188.
3 Seemann, Botany of Herald, S. 204.
4 Hernandez, Thesaurus mexic., S. 71. Er bezieht denselben Namen,
5
Kokospalme. 547
dert, nannten die Mexicaner sie Coyolli, ein Wort,
welches nicht den Anschein eines einheimischen Na-
mens hat.
Oviedo 1, welcher 1526, von den ersten Zeiten der
Eroberung Mexicos an, als Schriftsteller thätig war,
berichtet, dass die Kokospalme an der Küste der Süd-
see, in der Provinz des Kaziken Chiman, häufig war,
und er beschreibt die Art in deutlicher Weise. Das
ist aber noch kein Beweis für die spontane Eigenschaft
des Baumes.
In Südasien, besonders auf den Inseln, zeigt sich die
Kokospalme im wildwachsenden Zustande oder angebaut.
Je kleiner und niedriger diese Inseln sind, je mehr sie
dem Einfluss der Seeatmosphäre unterworfen sind, um
so mehr herrschen die Kokospalmen vor und ziehen die
Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich. Einige dieser
Inseln haben ıhren Namen von dieser Palme entlehnt,
unter anderm zwei in der Nähe der Andamanen und
eine nahe bei Sumatra.
Da die Kokospalme sich mit allen Anzeichen eines
alten spontanen Zustandes in Asien und im westlichen
Amerika findet, so ist die Frage über den Ursprung eine
dunkele. Ausgezeichnete Autoren haben sie in ver-
schiedener Weise gelöst. Martius sieht es für wahr-
scheinlich an, dass eine Wanderung durch die Strö-
mungen von den im Westen Centralamerikas liegenden
Inseln nach jenen des Asiatischen Archipels bewirkt
worden sei. Früher? neigte ich mich derselben Hypo-
these zu, die seitdem von Grisebach ohne weitere Er-
örterung angenommen wurde; die Botaniker des
17. Jahrhunderts sahen die Art aber häufig als asiatisch
an, und nach sorgfältiger Prüfung bleibt Seemann * un-
schlüssig. Ich will hier das anführen, was für und
wider diese Hypothesen spricht.
1 Oviedo, Uebersetzung von Ramusio, III, 53.
2 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 976.
3 Grisebach, Vegetation der Erde, S, 11, 323.
4 Seemann, Flora Vitiensis, S. 275.
©9
ot
x
548 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
Zu Gunsten eines amerikanischen Ursprungs kann
man anführen:
1. Die 11 andern Arten der Gattung Cocos gehören
Amerika an und sogar alle die, welche Martius gut
kannte, stammen aus Brasilien.! Drude?, welcher sich
viel mit Palmen beschäftigt, hat eine Arbeit veröffent-
licht, in welcher er die Ansicht vertheidigt, dass jede
Gattung dieser Familie entweder der Alten oder der
Neuen Welt eigenthümlich sei, die Gattung Elaeis aus-
genommen, und auch da vermuthet er eine Wanderung
der E. guineensis von Amerika nach Afrika, was durch-
aus nicht wahrscheinlich ist (s. weiter oben S. 543).
Die Kraft dieses Arguments wird durch den Umstand
etwas abgeschwächt, dass Cocos nucifera ein Baum des
Küstengebiets und feuchter Gegenden ist, während die
andern Arten unter verschiedenen Bedingungen, häufig
entfernt vom Meer oder Flüssen, vorkommen. Die in der
Nähe des Meeres wachsenden Pflanzen, solche von
Sümpfen oder feuchten Orten haben gewöhnlich einen
ausgedehntern Wohnsitz als ihre Gattungsgenossen.
2. Die Passatwinde der Südsee, welche im Süden und
noch mehr im Norden des Aequators auftreten, treiben
die im Gegensatz zu der Richtung der Hauptströmungen
im Wasser schwimmenden Körper von Amerika nach
Asien.? Man weiss ausserdem, vergegenwärtigt man sich
die Fälle, wo Flaschen, die Nachrichten enthielten, ganz
unerwartet an verschiedenen Küsten landeten, dass der
Zufall bei diesen Beförderungsweisen eine grosse Rolle
spielt.
Die Argumente zu Gunsten des asiatischen Ur-
sprungs, oder die gegen den amerikanischen sprechen,
sind folgende:
1. Eine unter dem 3. bis 5. Grad nördl. Br. sich
1 Die Kokos der Malediven gehört zur Gattung Lodoicea. Die Cocos
mamillaris, Blanco, von den Philippinen, ist eine Varietät der angebauten
Cocos nucifera.
2 Drude, in: Bot. Zeitung, 1876, S. 801, und Flora brasiliensis, fasc. 85,
5. 405.
3 Stieler’s Handatlas, 1867, 3. Karte.
Kokospalme. 549
befindende Strömung geht direct von den Inseln des
Indischen Archipels nach Panama.! Es gibt freilich im
Norden und im Süden andere Strömungen im entgegen-
gesetzten Sinne, sie kommen aber aus für die Kokos-
palme zu kalten Regionen und berühren nicht Central-
Amerika, wo sie seit alten Zeiten einheimisch sein soll.
2. Die Bewohner der asiatischen Inseln sind viel
kühnere Seefahrer gewesen als die Indianer Amerikas.
Es ist sehr möglich, dass die Piroguen, welche Kokos-
nüsse als Proviant mit sich führten, durch Stürme oder
verkehrte Führung von den Inselmeeren Asiens nach
den Inseln oder der Westküste Amerikas geworfen wur-
den. Das Gegentheil ist im hohen Grade unwahr-
scheinlich.
3. Seit drei Jahrhunderten ist der Wohnsitz in Asien
ein viel ausgedehnterer als in Amerika, vor diesem Zeit-
punkte war der Unterschied ein noch grösserer, denn
man weiss, dass die Kokospalme im Osten des tropi-
schen Amerika nicht alt war.
4. Die Völker des insularen Asien besitzen eine grosse
Anzahl von Varietäten dieses Baumes, was eine sehr alte
Cultur vermuthen lässt. In seiner „Rumphia“ zählt
Blume 18 Varietäten für Java und die benachbarten
Inseln und 39 für die Philippinen auf. Für Amerika
ist nichts Aehnliches nachgewiesen worden.
5. Die Verwendung der Kokospalme ist in Asien
auch verschiedenartiger und gebräuchlicher. Kaum
dass die Eingeborenen Amerikas sie anders als ihrer
Milch und Kerne wegen verwertheten, ohne Oel daraus
zu gewinnen.
6. Die volksthümlichen Namen, welche, wie wir weiter
unten sehen werden, in Asien sehr zahlreich und ur-
sprünglich sind, sind in Amerika selten und oft euro-
päischen Ursprungs.
7. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die alten Mexi-
caner und die Bewohner von Centralamerika es sich
1 Stieler’s Handatlas, 1867, 9. Karte.
550 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
nicht hätten angelegen sein lassen, die Kokospalme
nach verschiedenen Richtungen hin zu verbreiten, wenn
sie seit einer sehr fern gelegenen Zeit auf ihrem Con-
tinent vorgekommen wäre. Die geringe Breite der
Landenge von Panama würde die Beförderung von einer
Küste nach der andern erleichtert haben und die Art
hätte sich auf den Antillen, in Guyana u. s. w. rasch
ausgebreitet, wie sie sich auf Jamaica, Antigua! und
anderswo seit der Entdeckung Amerikas naturalisirt hat.
8. Wenn die Kokospalme in Amerika auf geologische
Perioden zurückginge, welche älter sind als die plio-
cänen oder selbst eocänen Formationen in Europa, so
würde man sie wahrscheinlich an allen Küsten und den
östlichen und westlichen Inseln ziemlich gleichmässig
angetroffen haben.
9. Wir können keine alte Jahreszahl über das Vor-
kommen der Kokospalme in Amerika besitzen; ihr Auf-
treten in Asien vor 3000 oder 4000 Jahren wird aber
durch mehrere Sanskritnamen festgestellt. In seinem
„Index“ führt Piddington nur einen an, Narikela. Dies
ist der sicherste, denn er findet sich in den neuern
Sprachen Indiens wieder. Von den Gelehrten werden
etwa zehn aufgezählt, welche sich nach ihrer Bedeutung
entweder auf die Art oder auf ihre Frucht zu beziehen
scheinen.” Narikela ist mit einigen Abänderungen in
das Arabische und Persische übergegangen.” Man fin-
det ihn selbst auf Tahiti unter der Form von Ari oder
Haari* mit einem malaiischen Namen übereinstimmend.
10. Die Malaien haben einen im Archipel sehr ver-
breiteten Namen, Kaläpa, Kläpa, Klöpo. Auf Sumatra
und Nikobar findet man den Namen Njior, Nieor, auf
den Philippinen Niog, in Bali Nöuh, Njo, auf Tahiti
1 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 522.
2 Eugène Fournier wies mich beispielsweise auf folgende hin: Drda-
pala (mit harter Frucht), Palakecara (mit behaarter Frucht), Jalakajka
(Wasserbehälter) u. s. w.
3 Blume, Rumphia, III, S2.
4 Forster, De plantis esculentis, S. 48; Nadeaud, Enum. des plantes
de Tahiti, S. 41.
see dt >
dhes a
Kokospalme. 551
Niuh und auf andern Inseln Nu, Nidju, Ni, selbst auf
Madagascar Wua-niu.! Die Chinesen sagen Ye oder
Ye-tsu (Baum Ye). Mit dem Haupt-Sanskritnamen bil-
det dies vier verschiedene Wurzeln, welche ein altes
Vorkommen in Asien vermuthen lassen. Indessen wird :
durch die Gleichförmigkeit der Nomenclatur im Archipel
bis nach Tahiti und Madagascar auf eine durch Menschen
bewirkte Verpflanzung seit dem Vorkommen der be-
kannten Sprachen hingewiesen.
Der chinesische Name bedeutet: Kopf des Königs
von Yue. Er geht auf eine lächerliche Legende zurück,
welche von Bretschneider erwähnt wird.” Die erste Er-
wähnung der Kokospalme findet sich, diesem Gelehrten
zufolge, in einem Gedicht des 2. Jahrhunderts v. Chr.;
deutlichere Beschreibungen finden sich aber in den Wer-
ken aus dem 9. Jahrhundert der christlichen Zeitrech-
nung. Freilich kannten die alten Schriftsteller kaum
den Süden von China, das einzige Gebiet des Kaiser-
reichs, wo die Kokospalme fortkommen kann.
Trotz der Sanskritnamen datirt das Vorkommen der
Kokospalme auf der Insel Ceylon, wo sie sich im Küsten-
gebiet gut festgesetzt hat, aus einer ungefähr histo-
rischen Zeit. Bei Point de Galle, so berichtet uns
Seemann, sieht man auf einem Felsen die Figur eines
eingeborenen Prinzen Namens Kottah Raya eingegraben,
dem man die Entdeckung der Anwendungen der vor
ihm unbekannten Kokospalme zuschreibt, und die älteste
Chronik von Ceylon, die „Marawansa‘“, spricht nicht
von diesem Baume, obgleich sie die von verschiedenen
Prinzen eingeführten Früchte sehr genau angibt. Wir
müssen auch bemerken, dass die alten Griechen und
Aegypter trotz ihrer Beziehungen zu Indien und Ceylon
von der Kokosnuss erst spät, als von einer indischen
Seltenheit, Kenntniss erhielten. Apollonius von Tyana
1 Blume, Rumphia, III, 32.
2 Bretschneider, Study and ue ‚etc., S. 24.
3 Seemann, Flora Vitiensis, S.
552 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
hatte sie zu Anfang der christlichen Zeitrechnung in
Hindustan gesehen.!
Nach diesen Thatsachen würde sich der älteste Wohn-
sitz in Asien eher auf dem Archipel als auf dem Fest-
lande oder Ceylon befunden haben, und in Amerika
auf den Inseln im Westen von Panama.
Was muss man von diesen verschiedenartigen und
sich widersprechenden Angaben halten? Einst glaubte
ich, dass die Beweisgründe zu Gunsten des westlichen
Amerika die stärkern seien. Jetzt dagegen, wo ich
mehr Nachweise und mehr Erfahrung in derartigen
Fragen besitze, neige ich mich der Ansicht von einem
Ursprung auf dem Indischen Archipel zu.
Die Ausbreitung nach China, Ceylon und dem conti-
nentalen Indien geht nicht auf weiter als 3000 oder
4000 Jahre zurück, die durch das Meer an den Küsten
Amerikas und Afrikas bewirkten Wanderungen datiren
aber vielleicht aus ältern Zeiten, wenn auch immer den
Epochen folgend, in welchen geographische und physi-
kalische Bedingungen von denen der Jetztzeit verschie-
den waren.
1 Pickering, Chronological arrangement, S. 428.
DRITTER THEIL.
Rückblick und Schlussfolgerungen.
ERSTES KAPITEL.
Allgemeines Verzeichniss der Arten mit Angabe ihres Ursprungs
und der Zeitperiode ihres Culturanfangs.!
Nachfolgendes Verzeichniss schliesst einige Arten ein,
über welche in dem Vorhergehenden nichts Näheres ge-
sagt worden ist, und zwar aus dem Grunde, weil ihr
Ursprung gut bekannt, ihre Verwerthung von unter-
geordneter Bedeutung ist.
Einheimische Arten in der Alten Welt.
Angebaut wegen ihrer unterirdischen Theile.
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Raphanus sativus, Radis.? © B Gemässigtes Westasien.
Cochlearia Armoracia, Gem. C Gemässigtes Osteuropa.
Meerrettich. Æ
1 Die angewendeten Zeichen sind: (©) einjährige Pflanze, ©) zweijährige
Pflanze, 2] ausdauernd oder perennirend, @ kleiner Strauch, & Strauch,
h kleiner Baum, 5 grosser Baum.
Die Buchstaben geben den gewissen oder wahrscheinlichen Zeitpunkt
an, wann die Cultur der Art begann, nämlich:
Für die Arten der Alten Welt: A, eine seit mehr als 4000 Jahren
angebaute Art (den alten Geschichtschreibern, den Denkmälern des
alten Aegypten, den chinesischen Werken und den botanischen oder lin-
guistischen Angaben zufolge). — B, angebaut seit mehr als 2000 Jahren
(angegeben im T'heophrast, oder aufgefunden in den Ueberresten der Pfahl-
bauten, oder aus einer bekannten Zeitangabe der Alten, oder verschiedene
Merkmale aufweisend, wie hebräische oder Sanskritnamen). — C, angebaut
seit weniger als 2000 Jahren (angeführt von Dioscorides, nicht von Theo-
phrast, in den Zeichnungen Pompejis gesehen, eingeführt zu einer be-
kannten Zeit u. s. w.).
Für die amerikanischen Arten: D, sehr alte Cultur in Amerika (nach
ihrer grossen Ausdehnung und der Menge der Varietäten zu schliessen). —
E, vor der Entdeckung Amerikas angebaute Art, ohne Anzeichen eines
sehr hohen Culturalters darzubieten. — F, Art, deren Cultur seit der Ent-
deckung Amerikas begann.
2 Nach dem Texte S. 36—42 dürfte das Vaterland eher das gemässigte
Asien als das gemässigte Westasien sein. Dr. Bretschneider schreibt mir
von Peking (22. December 1882), dass die Art bereits in der „Rya‘, einem
1100 Jahre v. Chr. erschienenen Werke, erwähnt ist. Es hält in der That
schwer, zu sagen, ob sie von China stammt oder vom westlichen Asien.
DD =. Dritter Theil. Erstes Kapitel.
er
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Brassica Rapa, Rüben- A Europa, Westsibirien (?).
kohl. &
Brassica Napus, Reps- A Europa, Westsibirien (?).
kohl. &
Daucus Carota, Mohr-
rübe. ©
Pastinaca sativa, Gem.
Pastinak. ©
B Europa, gemässigtes West-
C
Chaerophyllum bulbosum, C Mitteleuropa, Kaukasus.
C
B
asien (?).
Mittel- und Südeuropa.
Knollenkörbel. &
Sium Sisarum, Zucker-
wurz. U
Rubia tinctorum, Krapp. U
Altaisches Sibirien, Nord-
persien.
Gemässigtes Westasien, süd-
östliches Europa.
Tragopogon porrifolium, C(?) Südosteuropa, Algerien.
Lauchbl. Bocksbart. ©)
Scorzonera hispanica, C Südwesteuropa, Süden des
Schwarzwurzel. Kaukasus.
Campanula Rapunculus, C Gemässigtes und südliches
Rapunzel. (: Europa.
Beta vulgaris, Mangold.@©% B Canarische Inseln, Mittel-
Runkelrübe. meerregion,Gem.W. Asien.
Der Cultur entstammend.
Alliumsativum,Knoblauch.Y B Kirgisensteppe, im gemäss,
Westasien.
Allium Cepa, Sommerzwie- A Persien, Afghanistan, Belu-
bel. ©) dschistan, Palästina (?).
Allium fistulosum, Winter- C Sibirien (Land der Kirgisen
zwiebel. 4 am Baikal).
Allium ascalonicum, Scha- C Abänderung der Cepa (?).
lotte. 4 Spontan unbekannt.
Allium Scorodoprasum, Ro- C Gemässigtes Europa.
kambollen-Lauch. 4
Allium Schoenoprasum, C(?) Gemäss. und Nordeuropa,
Schnittlauch. 4 Sibirien, Kamtschatka.
Nordamerika (Huron-See).
Colocasia antiquorum, Colo- B Indien, Indischer Archipel,
casie. 2} Polynesien.
Alocasia macrorhiza, Alo- (?) Ceylon, Indischer Archipel,
casie. U Polynesien.
Amorphophallus Konjak, (?) Japan (?).
Konjak. 4
Dioscorea sativa, Yams- B(?)Südasien, bes. Malabar (?),
wurzel. 4 Ceylon (?), Java (?).
Allgemeines Verzeichniss der Arten. 55
5
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Dioscorea Batatas, Yams- B(?)China (?).
wurzel. 4
Dioscorea japonica, Yams- (?) Japan (?).
wurzel. 4
Dioscorea alata, Yamswur- (?) Asiatischer Archipel im
zel. 4 Osten.
Angebaut wegen ihrer Stengel oder Blätter.
1. Gemüse.
Brassica oleracea, Garten- A Europa.
kohl. © OB.
Brassica chinensis, Chines. (?) China (?), Japan (?).
Kohl. &
Nasturtium officinale, Brun- (?) Europa, Nordasien.
nenkresse. 4
Lepidium sativum, Garten- B Persien (?).
kresse. ©
Crambe maritima, Gemeiner C Gemässigtes Westeuropa.
Meerkohl. 4
Portulaca oleracea, Portu- A Vom westl. Himalaja nach
lak. © Südrussland u. Griechen].
Tetragonia expansa, Neu- C Neuseeland und Australien.
seeländischer Spinat. ©
Apium graveolens, Garten- B Gemäss. und südl. Europa,
sellerie. © Nordafrika, Westasien.
Anthriscus cerefolium, Gar- C Südöstl. Russland, gemäss.
tenkörbel. © Westasien.
Petroselinum sativum, Peter- C Südeuropa, Algerien, Liba-
silie. © non. Zu
Smyrnium Olus-atruuı, Ge- C Südeuropa, Algerien, gem.
meines Myrrhenkraut. © Westasien.
Valerianella olitoria, Ge- C Sardinien, Sicilien.
meiner Baldrian. ©
Cynara Cardunculus. Y C Südeuropa, Nordafrika, Ca-
Kardunkel-Artischoke. narische Inseln, Madeira.
Echte Artischoke. Ursprung von ersterer abgel.
Lactuca Scariola, Wilder B Südeuropa, Nordafrika, West-
Lattich. © asien.
Cichorium Intybus, Gemeine C Europa, Nordafrika, gemäss.
Cichorie. A Westasien.
Cichorium ÆEndivia, En- C Mittelmeerregion, Kaukasus,
divie. © Turkestan.
556
Name und Dauer.
Spinacia oleracea, Gemeiner
Spinat. ©
Atriplex hortensis, Garten-
melde. ©
Amarantus gangeticus,
Fuchsschwanzv. Malabar.©
Rumex acetosa, Gemeiner
Sauerampfer. U
Rumex Patientia, Gemüse-
ampfer. 4
Asparagus officinalis, Spar-
gel.
Allium ampeloprasum, Som-
merlauch. 4
Dritter Theil.
Erstes Kapitel.
Zeit.
C
C
()
(?)
()
B
B
Ursprung.
Persien (?).
Nordeuropa und Sibirien.
Afrıka
Tropisches —:In-
dien (?).
Europa, Nordasien, Gebirge
von Indien.
Europäische Türkei, Persien.
Europa, gemässigtes West-
asien.
Mittelmeerregion.
2. Futterkräuter.
Medicago sativa, Luzerne. U
"Onobrychis sativa, Espar-
sette. 2
Hedysarum coronarium,
Kronen-Hahnenkopf. 4
Trifolium pratense, (Gem.
Wiesenklee. 4
Trifolium hybridum, Weisser
Wiesenklee. ©
Trifolium incarnatum, Blut-
klee. ©
Trifolium alexandrinuin,
Aegyptischer Klee. ©
Ervum Ervilia, Erve ©
Vicia sativa, Futterwicke. ©)
Lathyrus Cicera, Rothe
Kicher. ©
Lathyrus sativus, Essbare
Platterbse. ©
Lathyrus Ochrus, Ocher-
erbse. ©
Trigonella foenum-graecum,
Griechisches Heu. ©
Ornithopus sativus, Serra-
della. ©
Medicago lupulina, Hopfen-
luzerne © ©)
B
C
C
C
C
C
C
B
B
B
B
B
B
B(?)Portugal,
Gemässigtes Westasien.
Gemässigtes Europa, Süden
des Kaukasus.
Centrale und westl. Mittel-
meerregion.
Europa, Algerien, BE
Westasien.
Gemässigtes Europa.
Südeuropa.
Syrien, „Anatolien.
Mittelmeerregion (?).
Europa, Algerien, Süden d.
Kaukasus.
Von Spanien und Algerien
nach Griechenland.
Süden des Kaukasus (?).
Italien. Spanien.
Nordöstliches Indien und ge-
mässigtes Westasien.
Südspanien, Al-
gerien.
C Europa, Nordafrika (?), Ge-
mässigtes Asien.
Allgemeines Verzeichniss der Arten, 557
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Spergula arvensis, Gemeiner B(?)Europa.
Ackerspark. ©
Panicum maximum, Guinea- C(?)Intertropisches Afrika.
gras. 4
3. Verschiedene Anwendungen.
Theasinensis,Theestrauch.5 A Assam, China, Mandschurei.
Linum angustifolium, Vor A Mittelmeerregion.
alters angeb. Flachs. 4A9&
Linum usitatissimum, in der A(?)Westasien(?). Von dem vor-
Jetztzeit angeb. Flachs. © hergehenden abstamm. (?),
Corchorus capsularis, Jute.& C(?)Java, Ceylon.
— olitorius, Jute. © C(?)Nordwestindien, Ceylon.
Rhus Coriaria, Gelber Su- C Mittelmeerregion, gemässig-
mach. D | tes Westasien.
Celastrus edulis, Kat- (?) Abessinien — Arabien (?).
strauch. 5
Indigofera tinctoria, Gem. B Indien (?).
Färber-Indigo. 5
Indigofera argentea, Aegyp- (?) Abessinien, Nubien, Kordo-
tischer Indigo. 5 fan, Sennaar — Indien (?),
Lawsonia alba, Henna- A Tropisches Westasien,. Nu-
. strauch. 5 bien (?).
Eucalyptus globulus, Blau- C Australien.
gummibaum. D
Cinnamomum zeylanicum, C
Zimmt. D
Boehmeria nivea (China- (?) China, Japan.
grass), Ramie. 45 :
Cannabis sativa, Hanf. © A Daurien, Sibirien.
Morus alba, Weisser Maul- A(?)Indien, Mongolei.
beerbaum. D
Morus nigra, Schwarzer B(?)Armenien, Nordpersien,
Maulbeerbaum. 5
Saccharum officinarum , B Cochinchina (?), südwest-
Zuckerrohr. 4 liches China.
Ceylon, Indien.
Angebaut wegen ihrer Blumen oder ihrer Hüllen.
Caryophyllus aromaticus, (?) Molukken.
Gewürznelke. E
Humulus Lupulus,Hopfen.Y C Europa, gemässigtes West-
asien, Sibirien.
558 Dritter Theil.
Erstes Kapitel.
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Carthamus tinctorius, Fär-
ber-Saflor. ©
Crocus sativus, Safran. U
A Arabien (?).
A Süditalien, Griechenland,
Kleinasien (?).
Angebaut wegen ihrer Früchte.
Citrus decumana, Pompel-
mus. D
Citrus medica, Citrone. 5
— Aurantium Bigara-
dia, Pomeranze. D
Citrus Aurantium sinense,
Apfelsine. 5
Citrus nobilis, Mandarine. 5
Garcinia Mangostana, Man-
gustan. D
Hibiscus esculentus, Okra. ©
Vitis vinifera, Weinrebe. 5
Zizyphus vulgaris, Gemeiner
Judendorn. 5
Zizyphus Lotus, Afrikani-
scher Brustbeerenbaum. D
Zizyphus Jujuba, Echter
Judendorn. D
Mangifera indica, Mango. 5
Spondias dulcis, Süsse Mom-
binpflaume. D
Rubus idaeus, Himbeere. 5
Fragaria vesca, Walderd-
beere. 4
Prunus avium,Süsskirsche.D
Prunus Cerasus, Sauer-
kirsche. D
Prunus domestica,
Zwetsche. D
Prunus insititia, Pflaume. 5
Prunus Armeniaca, Apri-
kose. D
Amygdalus communis, Man-
del. D
B Südseeinseln östlich von |
Java.
B Indien.
B Osten von Indien.
C China und Cochinchina.
?) China und Cochinchina.
?) Sunda-Inseln, Malaiische
Halbinsel.
C Tropisches Afrika.
A Gemässigtes Westasien, Mit-
telmeerregion.
B China.
(?) Von Aegyptennach Marokko.
A(?)Birma, Indien. |
A(?)Indien.
(?) Gesellschafts-, Freund-
schafts-, Fidschi-Inseln.
Europa und gemäss. Asien.
Europa u. gemäss. Westasien,
Nordamerika im Osten.
Gemäss. Westasien, gemäss.
Europa.
Vom Kaspisee nach West-
anatolien.
Anatolien, Süden des Kau-
kasus, Nordpersien.
(?) Südeuropa, Armenien, Süden
des Kaukasus, Talysch.
A China.
ee ee res
A Mittelmeerregion, gemässig-
tes Westasien.
Ai ae un
ent ee + dot té bee dun > ie aA ee ee ds à |
“ii an dé le Gb. de...
Allgemeines Verzeichniss der Arten. + 1009
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Amygdalus Persica, Pfir- A China.
sich. D
Pyrus communis, Birn- A Gemässigtes Europa und
baum. D Asien.
Pyrus sinensis, Chinesischer (?) Mongolei, Mandschurei.
Birnbaum. 5
-Pyrus Malus, Apfelbaum. 5 A Europa, Anatolien, Süden
des Kaukasus.
Cydonia vulgaris, Quitte. D A Nordpersien, Süden des Kau-
kasus, Anatolien.
Eriobotrya japonica, Japa- (?) Japan.
nische Mispel. 5
Punica granatum, Gra- A Persien, Afghanistan, Be-
nate. D ludschistan.
Jambosa vulgaris, Rosen- B Indischer Archipel, Cochin-
apfel. D china, Birma, nordöst-
liches Indien.
Jambosa malaccensis, B Indischer Archipel, Malakka.
Grosser Rosenapfel. 5
Cucurbita Lagenaria, Ge- C Indien, Molukken — Abes-
meiner Flaschenkürbis. © sinien.
Cucurbita maxima, Riesen- C(?)Guinea.
kürbis. ©
Cucumis Melo, Melone. © C Indien — Beludschistan —
Guinea.
Citrullus vulgaris, Wasser- A Intertropisches Afrika.
melone. ©
Cucumis sativus, Gurke. © A Indien.
— Anguria, Angurien- C(?)Intertropisches Afrika.
gurke. ©
Benincasa hispida, Weisser (?) Japan, Java.
| Kürbis. ©
Lufa cylindrica, Cylindr. C Indien.
Netzgurke. ©
Lufa acutangula, Scharf- C Indien, Indischer Pen
eckige Netzgurke. ©
Trichosanthes “anguina, C Indien (?).
Schlangenfrüchtige Haar-
blume. ©
Telfairia oder Joliffia. Y__C(?)Zanzibar.
Ribes Grossularia, Stachel- C Gemäss. Europa, Nordafrika,
beere. © Kaukasus, westl. Himalaja.
Ribes rubrum, Rothe Jo- C Nord- und gemäss. Europa,
' hannisbeere. © Sibirien, Kaukasus, Hima- _
laja— NO. d. Ver. Staaten.
560 Dritter Theil. Erstes Kapitel.
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Ribes nigrum, Schwarze Jo- C Nord- und Mitteleuropa, Ar-
hannisbeere. © menien, Sibirien, Man-
dschurei, westl. Himalaja.
Diospyros Kaki, Kaki- (?) Japan, Nordchina (?).
pflaume. D
Diospyros Lotus, Italieni- (?) China, Indien, Afghanistan,
sche Dattelpflaume. 5 Persien, Armenien, Ana-
tolien.
Olea europaea, Oelbaum. 5 A Syrien, Südanatolien und be-
nachbarte Inseln.
Solanum Melongena, Eier- A Indien.
pflanze. ©
Ficus Carica, Feigenbaum.b A Mittlere u. südl. Mittelmeer-
region (von Syrien nach
den Canaren).
Artocarpus incisa, Echter (?) Sunda-Inseln.
Brotbaum. D
Artocarpus integrifolia, B(?)Indien.
Jackfrucht. 5
Phoenix dactylifera, Dattel- A Westasien u.Westafrika(vom
palme. 5 Euphrat nach d. Canaren).
Musa sapientum, Banane. ’b A Südasien.
Elaeis guineensis, Afrika- (?) Guinea.
nische Oelpalme. 5
Angebaut wegen ihrer Samen.
1. Nahrhafte.
Nephelium Lit-chi, Litschi- (?) Südchina, Cochinchina.
baum. D
Nephelium Longana, Lon- (?) Indien, Pegu.
ganbaum. 5
Nephelium lappaceum, Ram- (?) Indien, Pegu.
butan. D
Pistacia vera, Echte Pi- C Syrien.
stazie. Ö
Faba vulgaris, Pferde- A Süden des Kaspisees.
bohne. ©
Ervum Lens, Gem. Linse. Q A Gemäss. Westasien, Griechen-
land, Italien.
Cicer arietinum, Kicher- A Süden des Kaukasus und des
erbse. © Kaspisees.
Lupinus albus, Weisse Feig- B Sicilien, Macedonien, Süden
bohne. © des Kaukasus.
Ai VE MT nn.
Allgemeines Verzeichniss der Arten. 561
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Lupinus Termis, Aegypti- A Von Corsica nach Syrien.
sche Wolfsbohne. ©
Pisum arvense, Stockerbse.© C(?) Italien.
Pisum sativum, Gemeine B Vom Südend. Kaukasus nach
Erbse. © Persien (?), Nordindien (?).
Dolichos Soja, Sojabohne. © A Cochinchina, Japan, Java.
Cajanus indicus, Indischer C Aequatorialafrika.
Bohnenbaum. 5
Ceratonia Siliqua, Johannis- A(?)Südküste von Anatolien, Sy-
brotbaum. D rien, Cyrenaika.
Phaseolus aconitifolius, C Indien.
Aconitblätterige Bohne. ©
Phaseolus trilobus, Simbi- B Indien, tropisches Afrika.
bohne. ©
Phaseolus Mungo, Mungo- B(?)Indien.
bohne. ©
Phaseolus Lablab, Lablab- B Indien.
bohne 4 ©
Phaseolus Lubia, Lubia- C Westasien (?).
bohne. ©
Voandzeia subterranea, (?) Intertropisches Afrika.
Kriechende Erdbohne. ©
Fagopyrum esculentum, C Mandschurei, Central - Sibi-
Gemeiner Buchweizen. © rien.
Fagopyrum tataricum, Ta- C Tatarei, Sibirien bis nach
tarischer Buchweizen. ©) Daurien.
Fagopyrum emarginatum, (?) Westchina, Osthimalaja.
Ausgerandeter Buchwei-
zen. ©
Amarantus frumentaceus, (?) Indien.
Mehlr. Fuchsschwanz. ©
Castanea vulgaris, Echte (?) Von Portugal nach d. Kaspi-
Kastanie. D see, östl. Algerien. — Varie-
täten: Japan, Nordamerika.
Triticum vulgare und Varie- A Euphratregion.
täten, Gemeiner Weizen.)
Triticum Spelta, Spelz, Din- A Vom Vorhergehenden ab-
kel. © stammend.
Triticum monococcum, Ein- (?) Serbien,Griechenland, Anato-
korn. © lien (wenn man die Identität
mit Tr. baeoticum zulässt).
Hordeum distichon, Zwei- A Gemässigtes Westasien.
zeilige Gerste. ©
Hordeum vulgare, Gemeine (?) Vom Vorhergehenden ab-
Gerste. © stammend (?).
DE CANDOLLE. 36
562 Dritter Theil. Erstes Kapitel.
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Hordeum hexastichon, Sechs- A Vom Vorhergehenden ab-
zeilige Gerste. © stammend.
Secale cereale, Roggen. © B Gemässigtes Osteuropa (?).
Avena sativa, Hafer. © B Gemässigtes Osteuropa (?).
Avena orientalis, Oriental. C(?)Westasien (?).
Hafer. © |
Panicum miliaceum, Echte A Aegypten, Arabien.
Hirse. ©
Panicum italicum, Borsten- A China, Japan, Indischer
gras. © Archipel.
Holcus Sorghum, Kaffern- A Tropisches Afrika (?).
hirse. ©
Holcus saccharatus, Moor- (?) Tropisches Afrika (?).
hirse. ©
Eleusine Coracana, Cora- B Indien.
can. :
Oryza sativa, Reis. © A Indien, Südchina (?).
2. Verschiedene Gebrauchsanwendungen.
Papaver somniferum, Mohn- B Stammt ab von dem in der
pflanze. © Mittelmeerregion einhei-
mischen P. setiferum.
Sinapis alba, Weisser B Gemäss. u. Südeuropa, Nord-
Senf. © afrıka, gemäss. Westasien.
Sinapis nigra, Schwarzer B Dieselben Regionen.
Senf. © l
Camelina sativa, Flachs- B(?)Gemäss. Europa und Kau-
dotter. © kasus, Sibirien.
Gossypium herbaceum, B Indien.
Baumwollstaude. © ©
Gossypium arboreum, Baum- (?) Oberägypten.
artige Baumwollpflanze. 5
Coffea arabica, Kaffee-
baum. 5
Coffea liberica, Liberischer
Kaffeebaum. D
C Tropisches Afrika (Mozam-
C
Sesamum indicum, Sesam.© A Sunda-Inseln.
B
A
bique, Abessinien, Guinea).
Guinea, Angola.
Myristica fragrans, Muskat- Molukken.
nussbaum. 5
Ricinus communis, Ricinus- Abessinien, Sennaar, Kor-
pflanze. 5 _ dofan.
Juglans Regia, Walnuss- (?) Gemässigtes Osteuropa, ge-
baum. D mässigtes Asien. .
ul 1 ee ch in ae Dad ar à:
Allgemeines Verzeichniss der Arten.
Name und Dauer.
Piper nigrum, Schwarzer
Pfeffer. 5
Piper longum,
Pfeffer. 5
Piper officinarum,
neller Pfeffer. 5
Piper Betle, Betelpfeffer. 5
Areca Catechu, Betelnuss-
palme. D
Cocos nucifera,
palme. D
Langer
Offici-
Kokos-
Zeit.
B
B
B
B
B
(?)
563
Ursprung.
Indien.
Indien.
Indischer Archipel.
Indischer Archipel.
Indischer Archipel.
Indischer Archipel (?), Poly-
nesien (?).
Ursprünglich amerikanische Arten.
Angebaut wegen ihrer unterirdischen Theile.
Arracacha esculenta, Arra- E Neugranada (?).
cacha. 4 ©
Helianthus tuberosus, Erd-
apfel. 4
Solanum tuberosum, Kar-
toffel.
Convolvulus Batatas, Süsse
Batate. 4
Manihot utilissima, Man-
diokstrauch. 5
Maranta arundinacea , Ar-
rowroot. U
E(?)Nordamerika (Indiana).
E
D
E
(?)
Chile, Peru (?).
Tropisches Amerika (wo ?).
Intertropisches Ostbrasilien,
Tropisches Amerika (conti-
nentales ?).
Angebaut wegen ihrer Stengel und Blätter.
Jlex paraguariensis, Maté. 5
Erythroæylon Coca, Coca. 5
Cinchona Calisaya, Gelbe
Kônigsrinde. D
Cinchona officinalis, Braune
Königsrinde. E
Cinchona succirubra, Rothe
Fieberrinde. 5
Nicotiana Tabacum,
back. ©
Nicotiana rustica, Taback.©O
Ta-
Agave americana, Amerika-
nische Agave. D
D
D
F
F
F
D
E
E
Paraguay und Westbrasilien,
Ostperu, Ostbolivia.
Bolivia, Südperu.
Ecuador (Provinz Loxa).
Ecuador (Provinz Cuenca).
Ecuador und anstossende
Länder (?).
Mexico (?), Texas (?), Califor-
nien (?).
Mexico (?).
36*
564 Dritter Theil. Erstes Kapitel.
Angebaut wegen ihrer Früchte.
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Anona squamosa, Zimmt- (?) Antillen.
apfel. D
Anona muricata, Stacheliger (?) Antillen.
Flaschenbaum. D
a Me , Rahm- (?) Antillen, Neugranada.
apfel.
Anl Cherimolia, Tschiri- E Ecuador, Peru (?).
majabaum. D
Mammea americana, Mam- (?) Antillen.
mey-Apfel. 5
Amacardium occidentale, (?) Intertropisches Amerika.
Caju. D
Fragaria virginica, Schar- F Gemässigtes Nordamerika.
lacherdbeere. 4 E
Fragaria chiloensis, Riesen- F Chile.
erdbeere. 4
Psidium Guayava, Guaya- E Tropisch-continentales Ame-
ven. D rika.
Cucurbita Pepo et Melopepo, E Gemässigtes Nordamerika.
Gem. u. Melonenkürbis. ©
Opuntia Ficus-indica, E Mexico.
Feigencactus. D
Sechium edule, Chayota. © E Mexico (?), Centralamerika.
Chrysophyllum Cainito, E Antillen, Panama.
Sternapfel. 5
Lucuma Caimito, Caimito. 5 E Peru.
Lucuma mammosa, Zitzen- E Orinocoregion.
artige Lucume. D
Sapota Achras, Sapotill- E Kampechebai, Isthmus von
baum. D Panama, Venezuela.
Diospyros virginica, Persi- F Oestliche Vereinigte Staaten.
monpflaume.
Capsicum annuum, Cayenne- E Brasilien (?).
pfeffer. ©
Capsicum frutescens, Ca- E Von Ostperu nach Bahia.
yennepfeffer. 5
Lycopersicum esculentum, E Peru.
Liebesapfel. ©
-Persea gratissima, Advo- E Mexico.
gatobirne. D
Papaya vulgaris, Melonen- E Antillen, Centralamerika.
baum. D
u ee
| : vise fées
|
u
a
|
a nr en ni it dt #
‘ Allgemeines Verzeichniss der Arten. 565
Name und Dauer. Zeit. Ursprung.
Ananassa sativa, Ananas. Y E Mexico, Centralamerika, Pa-
nama, Neugranada, Gu-
yana (?), Bahia (?).
Angebaut wegen ihrer Samen.
1. Nahrhafte Samen.
Theobroma Cacao, Kakao- D Region d. Amazonas, d. Ori-
baum. D noco,Panama(?),Yucatan(?).
Phaseolus lunatas, Ge- E Brasilien.
krümmte Bohne. 4
Chenopodium Quinoa, Qui- E Neugranada (?), Peru (?),
noapflanze. © Chile.
Zea Mays, Mais. © D Neugranada (?).
2. Von verschiedenen Gebrauchsanwendungen.
Bixa Orellana, Rucubaum. b D Intertropisches Amerika.
Gossypium barbadense, Neugranada (?), Mexico (?),
Baumwollpflanze von Bar- (?) Antillen (?).
badoes. 5
Arachis hypogaea, Erd- E Brasilien (?).
nuss. ©
Madia sativa, Madia. © E Chile — Californien.
Kryptogame, der ganzen Pflanze wegen angebaut.
Agaricus campestris, Gem. C Nördliche Hemisphäre.
essbarer Champignon. U
Arten, deren Ursprung völlig unbekannt oder
ungewiss ist.
Phaseolus vulgaris, Gemeine Schminkbohne. ©
Cucurbita moschata, Moschuskürbis. ©
Cucurbita ficifolia, Feigenblätteriger Kürbis. 4
566 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
ZWEITES KAPITEL.
Allgemeine Bemerkungen und Schluss.
Erster Abschnitt. Regionen, aus welchen die
Culturpflanzen hervorgegangen sind.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war der Ursprung
der meisten angebauten Pflanzen noch unbekannt. Linne
hatte sich durchaus nicht bemüht, denselben zu ent-
decken, und von den spätern Autoren waren nur die
unbestimmten oder irrigen Ausdrücke wiedergegeben,
deren er’ sich zur Angabe ihrer Wohnplätze bedient
hatte. Alexander von Humboldt brachte somit im Jahre
1807 den wirklichen Stand der Wissenschaft zum Aus-
druck, wenn er sagte: „Der Ursprung, das erste Vater-
land der dem Menschen nützlichsten Gewächse, welche
ihm seit den fernsten Zeiten folgen, ist ein ebenso
undurchdringliches Geheimniss wie die Heimat aller
Hausthiere..... Wir wissen nicht, welche Region den
Weizen, die Gerste, den Hafer und den Roggen spon-
tan hervorgebracht hat. Die Pflanzen, welche die na-
türlichen Reichthumsquellen aller Tropenbewohner aus-
machen, die Banane, der Melonenbaum, der Maniok-
strauch und der Mais, sind nie im wildwachsenden Zu-
stande gefunden worden. Bei der Kartoffel stossen wir
auf dieselbe Erscheinung.“ ! |
Wenn gegenwärtig einige der angebauten Arten noch
nicht in einem spontanen Zustande angetroffen worden
sind, so ist dies doch bei der weit überwiegenden
Mehrzahl derselben geschehen. In den meisten Fällen
wissen wir wenigstens, in welchen Ländern sie ursprüng-
lich zu Hause sind. Dies ging schon aus meiner Arbeit
vom Jahre 1855 hervor und findet durch die gegen-
wärtigen noch ausgedehntern Forschungen fast immer
1 Essai sur la géographie des plantes, S. 28.
Lo Smet + de fi Dés. a
Allgemeine Bemerkungen. 567
seine Bestätigung. Dieselben haben 247 Arten um-
fasst!, die entweder von den Landwirthen im grossen,
oder auch in den Gemüse- und Obstgärten angebaut
werden. Ich hätte noch einige hinzufügen können, die
selten angebaut werden, schlecht bekannt sind, oder
deren Cultur wieder aufgegeben wurde; die statistischen
Ergebnisse würden aber wesentlich dieselben gewesen sein.
Von den 247 Arten, mit denen ich mich beschäftigt
habe, hat die Alte Welt 199, Amerika 45. geliefert und
über drei walten in dieser Beziehung noch Zweifel.
Keine Art gehörte, bevor ihre Cultur begann, den
tropischen oder südlichen Theilen der beiden Welten
gemeinschaftlich an. Das Allium Schoenoprasum, die
Walderdbeere (Fragaria vesca), die rothe Johannisbeere
(Ribes rubrum), die echte Kastanie (Castanea vulgaris),
der Hopfen (Humulus Lupulus)? und der gemeine ess-
bare Champignon (Agaricus campestris) waren den nörd-
lichen Regionen der Alten und Neuen Welt gemeinsam.
Ich habe sie als der Alten Welt angehörend aufge-
zählt, weil sie dort ihren Hauptwohnsitz haben, dort
ihre bee begann.
Eine sehr grosse Zahl von Arten sind gleichzeitig
in Europa und Westasien, in Europa und Sibirien, in
der Mittelmeerregion und Westasien, in Indien und
dem Asiatischen Archipel, auf den Antillen und in
Mexico, in diesen beiden Regionen und Columbia, in
Peru und Brasilien, oder in Peru und Columbia u. s. w.
einheimisch. Man kann sie in dem Verzeichniss auf-
finden. Dies dient als ein Beweis, wie unmöglich es
ist, die Erdtheile in Unterabtheilungen zu bringen und
die Inseln nach natürlichen, genauer bestimmten Regionen
einzutheilen. Welcher Art die Eintheilung auch immer
sein möge, wir werden immer auf Arten stossen, die
zwei, drei oder vier Regionen gemeinsam angehören,
und auf andere, deren Wohnsitz nicht.über einen klei-
1 Indem man zwei oder drei Formen mitrechnet, welche eher als sehr
verschiedene Rassen anzusehen sind.
2 Vgl. S. 201, Anmerkung.
568 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
nen Theil eines einzigen Landes hinausgeht. Dieselben
Thatsachen zeigen sich bei den nicht angebauten Arten.
Eins muss hier noch besonders bemerkt werden, näm-
lich das gänzliche Fehlen oder die ausserordentliche
Seltenheit von aus gewissen Ländern abstammenden,
angebauten Pflanzen. Keine ist beispielsweise aus den
arktischen oder antarktischen Regionen gekommen, deren
Floren freilich nur aus einer kleinen Anzahl von Arten
zusammengesetzt werden. Trotz ihres ausgedehnten
Territoriums, welches bald Hunderten von Millionen
von Menschen ein Obdach gewähren wird, boten die
Vereinigten Staaten von Nährpflanzen, deren Anbau
sich der Mühe verlohnte, thatsächlich nur den Erdapfel
(Helianthus tuberosus) und einige Kürbisse dar. Die Zi-
zania aquatica, welche von den Eingeborenen im wild-
wachsenden Zustande eingesammelt wurde, ist eine hinter
unsern Cerealien und dem Reis zu weit zurückstehende
Graminee, als dass es sich der Mühe verlohnte, sie aus-
zusäen. Man fand daselbst auch einige essbare Zwie-
beln und Beeren, doch wurde kein Anbauversuch mit
ıhnen gemacht, weil der Mais, der so unendlich viel
mehr werth ist, frühzeitig dahin gelangte.
Patagonien und das Cap der Guten Hoffnung haben
nicht eine einzige Art geliefert. Australien und Neu-
seeland haben einen Baum, Eucalyptus globulus, und
ein wenig nahrhaftes Gemüse, die Tetragonia, darge-
boten. Es mangelte ihren Floren besonders an Gra-
mineen, die mit unsern Cerealien übereinstimmten, an
Leguminosen mit essbaren Samen, und an Cruciferen
mit fleischigen Wurzeln.! In dem tropischen und
feuchten Gebiete Australiens hat man den Reis und
die Alocasia macrorhiza wildwachsend oder vielleicht
naturalisirt angetroffen; der bei weitem grösste Theil
des Landes leidet aber zu sehr von der Trockenheit, als
dass sich diese Arten dort hätten verbreiten können.
1 Vgl. die Liste der Nutzpflanzen Australiens in: Sir J. Hooker, Flora
Tasmaniae, S. CX, und Bentham, Flora australiensis, VII, 150, 156.
Allgemeine Bemerkungen. 569
Im allgemeinen hatten die südlichen Regionen sehr
° wenig einjährige Pflanzen, und unter ihrer so beschränk-
ten Zahl bot keine augenscheinliche Vorzüge dar. Nun
lassen sich aber gerade die einjährigen Arten am leich-
testen anbauen. In den alten Culturen der andern
Länder haben sie eine wichtige Rolle gespielt.
Schliesslich war die ursprüngliche Vertheilung der
angebauten Arten eine äusserst ungleiche. Sie stand
in keinem Verhältniss weder zu den Bedürfnissen des
Menschen, noch zu der Ausdehnung der Ländergebiete.
Zweiter Abschnitt. Zahl und Beschaffenheit der
angebauten Arten seit verschiedenen Zeitperioden.
Diejenigen Arten, welche in dem Verzeichniss auf
S. 553 mit A vermerkt werden, sind von einer sehr
alten Cultur; ihre Zahl beträgt 44. Einige der mit B
bezeichneten Arten sind wahrscheinlich ebenso alt, ohne
dass dies festgestellt werden konnte. Schliesslich sind
die fünf amerikanischen, mit D bezeichneten Arten
wahrscheinlich von einem fast ebenso hohen Culturalter
als die der Kategorie A oder als die ältesten der Kate-
gorie B.
Wie sich voraussehen liess, sind die Arten A beson-
ders solche Pflanzen, die mit zur Nahrung des Menschen
sich eignenden Wurzeln, Früchten oder Samen ausge-
stattet sind. Dann kommen einige Arten, welche wohl-
schmeckende Früchte oder solche von textilen, farbe-
und ölhältigen Eigenschaften hervorbringen, oder aus
denen man durch Aufguss oder Gärung erregende Ge-
tränke bereitet. Sie weisen nur zwei grüne Gemüse
auf und enthalten nicht eine einzige Futterpflanze. Die
Cruciferen, Leguminosen und Gramineen sind die Fami-
lien, welche vorherrschen.
Die Zahl der einjährigen Arten ist 22 : 44, d. 1.
50 Procent. Unter den fünf amerikanischen mit D be-
zeichneten Arten gibt es zwei einjährige. In der Ka-
570 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
tegorie A finden sich drei zweijährige Arten, während
die Kategorie D keine hat. In der Gesammtmasse der
Phanerogamen gehen die einjährigen Arten nicht über
15 Procent hinaus, erreichen die zweijährigen kaum die
Ziffer von 1 oder höchstens 2 Procent. Es ist leicht be-
greiflich, dass bei Beginn der Civilisation diejenigen Pflan-
zen die gesuchtesten waren, deren Erzeugnisse nicht auf
sich ‚warten liessen. Sie bieten ausserdem den Vorzug,
dass man ihre Cultur verbreiten und vervielfältigen
kann, entweder wegen des Ueberflusses an Samen oder
auch weil sich dieselbe Art den Sommer über im Nor-
den, während des Winters oder das ganze Jahr hin-
durch in den Tropenländern anbauen lässt.
Die ausdauernden oder perennirenden Pflanzen sind
in den Kategorien A und D sehr selten, sie belaufen
sich auf nicht mehr als zwei Arten oder 4 Procent, wenn
man nicht Brassica oleracea und die gewöhnlich aus-
dauernde Form des Flachses ( Linum angustifolium), welche
die Bewohner der schweizer Pfahlbauten anbauten, hin-
zufügen will. In der Natur machen die ausdauernden
Arten ungefähr 40 Procent der Phanerogamen aus.!
A und D schliessen unter 49 Arten 20 holzige ein,
oder ungefähr 41 Procent. In die Gesammtmasse der
Phanerogamen treten diese mit 43 Procent ein.
Somit wurden von den ersten Anbauern besonders
einjährige oder zweijährige Arten verwerthet, etwas
weniger schon holzige Pflanzen und viel weniger noch
ausdauernde oder perennirende Arten. Diese Verschie-
denheiten müssen ihren Grund haben in der dem Ver-
hältniss von wirklich nützlichen Arten aus jeder der
Abtheilungen entsprechenden Leichtigkeit der (Cul-
turen.
Die mit B bezeichneten Arten der Alten Welt werden
seit mehr als 2000 Jahren angebaut, einige gehören
1 Die Verhältnisse, welche ich für die Gesammtmasse der Phanero-
gamen angebe, stützen sich auf eine annähernde Berechnung, welche ver-
mittelst der ersten 200 Seiten des Nomenclator von Steudel angestellt
wurde. Ihre Richtigkeit erweist sich durch den Vergleich einiger Floren.
Allgemeine Bemerkungen. 511
aber vielleicht, ohne dass man es weiss, zur Kategorie
A. Die amerikanischen, mit E bezeichneten wurden vor
Christoph Columbus, vielleicht seit mehr als 2000 Jah-
ren angebaut. Viele andere in den Tabellen mit (?)
vermerkten Arten datiren wahrscheinlich auch aus
einer alten Epoche; da sie aber meistens in Län-
dern vorkommen, die keine Literatur besitzen, keine
archäologischen Documente aufweisen, so bleibt ihre
Geschichte unbekannt. Es hat weiter keinen Nutzen,
bei so zweifelhaften Kategorien länger zu verweilen;
‚dagegen verdienen die Pflanzen, von denen man weiss,
dass sie in der Alten Welt seit weniger als 2000 Jah-
ren, oder in Amerika seit der Zeit der Entdeckung
angebaut wurden, mit denen, welche man seit uralten
Zeiten anbaute, verglichen zu werden.
Diese Arten der Culturen der Neuzeit belaufen sich
auf 61 von der Alten Welt, mit C bezeichnet, und auf
6 von Amerika, mit F bezeichnet; im ganzen also
auf 67.
Nach ihrer Dauerzeit eingetheilt, zählen sie 37 Pro-
cent einjähriger, 7—8 Procent zweijähriger, 33 Procent
ausdauernder und 22—23 Procent holziger.
Das Verhältniss der einjährigen oder zweijährigen ist
auch hier noch stärker als bei der Gesammtzahl der
Gewächse, es ist aber geringer als bei den Arten einer
sehr alten Cultur. Die Verhältnisse der ausdauernden
oder holzigen sind geringer als im gesammten Pflanzen-
reich, sie sind aber höher als bei den Arten A von
sehr alter Cultur.
Die seit weniger als 2000 Jahren angebauten Ge-
wächse machen besonders künstliche Futterpflanzen aus,
welche die Alten kaum kannten; dann kommen einige
Zwiebeln, Gemüse, medicinische Pflanzen (Cinchonas),
Pflanzen mit essbaren Früchten, nahrhaften (Buchweizen)
oder aromatischen (Kaffeebaum) Samen u. s. w. Seit
2000 Jahren haben die Menschen nicht eine einzige Art
entdeckt und angebaut, welche mit dem Mais, dem Reis,
der süssen Batate, der Kartoffel, dem Brotbaum, der
D? Dritter Theil. Zweites Kapitel.
Dattelpalme, den Cerealien, der Hirse, dem Sorghum,
der Banane, der Sojabohne’ einen Wettstreit eingehen
könnte. Die Cultur dieser geht auf 3000, 4000 oder
5000 Jahre, in gewissen Fällen vielleicht selbst auf
6000 Jahre zurück. Während der Dauer der griechisch-
römischen Civilisation und in den dann folgenden Zeiten
entsprechen die der Cultur unterzogenen Arten der
grössern Mehrzahl nach verschiedenartigern und aus-
gesuchteren Bedürfnissen. Viel Arbeit hat man auch dar-
auf verwandt, die alten Arten eines Landes nach einem
andern zu verbreiten, und man richtete gleichzeitig sein
Augenmerk auf die natürliche Züchtung von bei jeder
Art eintretenden bessern Varietäten.
Die Einführungen seit 2000 Jahren haben in einer
sehr unregelmässigen und wechselnden Weise statt-
gefunden. Ich könnte nicht eine einzige Art namhaft
machen, die seit jener Zeit von den Chinesen, diesen
grossen Landbauern der alten Zeiten, der Cultur unter-
worfen wurde. Die Völker des südlichen oder west-
lichen Asien haben bis zu einem gewissen Grade Neue-
rungen eingeführt, indem sie die Buchweizen, mehrere
Cucurbitaceen, einige Alliumarten u. s. w. anbauten. In
Europa haben die Römer und weiter im Mittelalter ver-
schiedene Völker die Cultur von gewissen Gemüsen oder
Früchten, sowie die mehrerer Futterpflanzen eingeführt.
In Afrika hat dann eine kleine Anzahl von Culturen
vereinzelt ihren Anfang genommen. Die Folge der von
Vasco de Gama und Christoph Columbus unternommenen
Reisen war eine rasche Ausbreitung der bereits in der
einen oder andern Hemisphäre angebauten Arten. Diese
Beförderungsweisen sind während drei Jahrhunderten
fortgesetzt worden, ohne dass man sich ernstlich mit
neuen Culturen beschäftigt hätte. In den 200 oder
300 Jahren, welche der Entdeckung Amerikas vorher-
gingen, und den 200, welche dann folgten, ist die An-
zahl der angebauten Arten fast vollständig auf dem-
selben Punkte stehen geblieben. Die Erdbeeren Ame-
rikas, die Persimonpflaume, der Meerkohl (Crambe
Allgemeine Bemerkungen. 573
maritima) und die Tetragonia expansa, welche im
18. Jahrhundert eingeführt wurden, sind kaum von irgend-
welcher Bedeutung gewesen. Man muss bis zur Mitte
des jetzigen Jahrhunderts vorschreiten, um neue Culturen
von einiger Wichtigkeit in Bezug auf Nützlichkeit nach-
weisen zu können. Ich erinnere an Eucalyptus glo-
bulus, den Blaugummibaum Australiens, und die Cin-
chonen oder Chinabäume Südamerikas.
Die Einführungsweise dieser letzten Arten zeigt den
ungeheueren Wechsel, welcher sich in Bezug auf die
Beförderungswege eingestellt hat. Vor zeiten fing die
Cultur einer Pflanze in dem Lande an, wo sie ursprüng-
lich vorkam, während der australische Eucalyptus zu-
erst in Algerien gepflanzt und ausgesäet wurde, und
die Cinchonen Amerikas in Südasien. Bis zur gegen-
wärtigen Epoche hatten die botanischen Gärten oder
Liebhaber schon anderswo angebaute Pflanzen verbreitet.
Jetzt werden durch sie ganz und gar neue Culturen
eingeführt. Hierin steht der königl. botanische Garten
zu Kew obenan, und von andern botanischen Gärten
und Acclimatisationsgesellschaften in England und an-
derwärts werden ähnliche Versuche gemacht. Wahrschein-
lich werden die tropischen Länder innerhalb eines Jahr-
hunderts grossen Nutzen daraus ziehen. Auch die andern
werden ihren Vortheil dabei finden infolge der sich
immer steigernden Erleichterung der Beförderung von
Materialwaaren.
Wenn eine Art einmal in den Culturen Verbreitung
gefunden hat, so geschieht es selten — man kann vielleicht
kaum ein Beispiel hierfür nennen —, dass man sie gänzlich
wieder aufgibt. Man fährt vielmehr hier und da fort
mit ihrem Anbau in den Ländern, die etwas zurück-
geblieben sind oder deren Klima ihr besonders zusagt.
Bei meinen Untersuchungen habe ich einige dieser fast
aufgegebenen Arten, wie den Färberwaid (Isatis tinc-
toria), die Waldmalve (Malva sylvestris), ein bei den
Römern gebräuchliches Gemüse, einige früher sehr viel
gebrauchte medicinische Pflanzen, wie den Fenchel, den
574 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
Kümmel, den Schwarzkümmel u. s. w. unberücksichtigt
gelassen, theilweise baut man sie aber gewiss noch an.
Der Wettstreit der Arten bewirkt, dass die Cultur
einer jeden zu- oder abnimmt. Ausserdem werden die
Färbe- und medicinischen Pflanzen durch neuere Ent-
deckungen in der Chemie bedroht. Der Färberwaid,
der Krapp, der Indigo, die Minze und mehrere ein-
fache Heilmittel müssen vor der Invasion chemischer
Producte zurückweichen. Es ist immerhin möglich, dass
man noch dahin gelangen wird, Oel, Zucker, Stärke-
mehl anzufertigen, wie man bereits ohne Hinzuziehung
von organischen Stoffen Honig, Butter und Gelees
gewonnen hat. Nichts würde die Ackerbauverhältnisse
der Welt mehr verändern, als beispielsweise die Fabri-
kation des Stärkemehls vermittelst seiner bekannten und
anorganischen Bestandtheile.
Bei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaften gibt
es noch Producte, welche man vermuthlich immer mehr
und mehr dem Pflanzenreiche abzugewinnen versuchen
wird, dies sind die textilen, die Gerbmaterialien, der
Kautschuk, Guttapercha und gewisse Gewürze. Je mehr
die dieselben liefernden Wälder zerstört werden und die
Nachfrage nach diesen Substanzen gleichzeitig zunehmen
wird, um so viel mehr wird man sich versucht fühlen,
die Cultur gewisser Arten zu betreiben.
Meistens gehören sie den Floren tropischer Länder
an. In diesen Regionen, besonders in Südamerika, wird
man auch auf den Gedanken verfallen, gewisse Frucht-
bäume, z. B. aus der Familie der Anonaceen, anzu-
bauen, deren Vorzüge den Eingeborenen und den Bo-
tanikern bereits bekannt sind. Wahrscheinlich wird
man die Futterpflanzen und die Waldbäume vermehren,
welche in den heissen und trockenen Ländern ihr Fort-
kommen finden. In den gemässigten und ganz insbe-
sondere in den kalten Regionen wird diese Zunahme
keine beträchtliche sein.
Nach solchen Anschauungen und Betrachtungen scheint
es wahrscheinlich, dass der Mensch gegen Ende des
ru PURE ER Pe
Allgemeine Bemerkungen. 570
19. Jahrhunderts etwa 300 Arten im grossen und zu
einem Nutzen anbauen wird. Dies ist ein geringes
Verhältniss zu den 120000 oder 140000 Arten des
Pflanzenreichs; in dem andern Reiche ist aber das Ver-
hältniss der dem Menschen nützlich gemachten Wesen
ein bedeutend schwächeres. Es gibt vielleicht nicht
mehr als 200 Arten von Hausthieren oder solchen, die
einfach für unsern Nutzen aufgezogen werden, und doch
zählt das Thierreich Millionen von Arten. Aus der
grossen Klasse der Mollusken zieht man die Auster, und
aus jener der Gliederthiere, welche zehnmal so viele
Arten enthält wie das gesammte Pflanzenreich, kann
man die Biene anführen und noch zwei oder drei Insekten,
welche Seide liefern. Zweifelsohne ist die Zahl der Thier-
und Pflanzenarten, welche man zu seinem Vergnügen oder
auch aus Wissbegier heranziehen, cultiviren kann, eine
ausserordentlich grosse, wie dies die Menagerien, die
zoologischen und botanischen Gärten zur Genüge be-
weisen; ich spreche hier aber nur von solchen nütz-
lichen Pflanzen und Thieren, die eine weite und allge-
mein gebräuchliche Verwendung finden.
Dritter Abschnitt. (ulturpflanzen, die man im
wildwachsenden Zustande kennt oder nicht kennt.
Der Wissenschaft ist es gelungen, den geographischen
Ursprung fast aller angebauten Arten festzustellen;
weniger Fortschritte hat sie aber gemacht in der Kennt-
niss dieser Arten im spontanen Zustande, d. h. als
wildwachsende, von Culturen und Wohnplätzen ent-
fernte Pflanzen. Es gibt Arten, welche in diesem Zu-
stande überhaupt nicht angetroffen worden sind, an-
dere, bei denen die Bedingungen specifischer Ueber-
einstimmung oder wirklicher Spontaneität zweifelhaft
sind.
In der nachfolgenden Aufzählung habe ich die Arten
in Kategorien eingetheilt, und zwar nach dem Grade der
576 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
Gewissheit über die spontane Beschaffenheit und die
Natur der etwa vorhandenen Zweifel.!
I.
IL.
TIL
IV.
Spontane, d. h. wildwachsende Arten, welche von meh-
reren Botanikern fern von Wohnplätzen und Culturen,
mit allen Anzeichen einheimischer Pflanzen und unter
einer mit einer der angebauten Varietäten übereinstim-
menden Form gesehen wurden. Das sind die Arten,
welche hier unten nicht aufgezählt sind. Ihre Zahl
BOWapE =. ur on re a EE Lite SH T
Unter diesen 169 Arten gehören 31 zu don ni me oder D bezeich-
neten Kategorien, sind also von einer sehr alten Cultur;
56 werden seit weniger als 2000 Jahren angebaut (C) und die
andern sind von einem mittlern oder unbekannten Zeitalter.
Unter denselben Bedingungen gesehen und gesammelt,
aber nur von einem einzigen Botaniker und in einer
einzigen Localität .S . ..:”. ... 2 2 ae a
Cucurbita maxima, Faba vulgaris, Nicotiana Tabacum.
Unter denselben Bedingungen gesehen und erwähnt von
einem oder zwei mehr oder weniger alten Autoren, die
keine Botaniker waren und sich geirrt haben können.
Ihre Zahl’ beläuft sich auf: 7. > SEE
Carthamus tinctorius, Triticum vulgare.
Von Botanikern in mehreren Localitäten als wildwach-
sende gesammelt, aber unter einer etwas verschiedenen
Form von denen, welche man anbaut, die aber die
meisten Botaniker ohne Bedenken der Art zuzählen. 4
Olea europaea, Oryza sativa, Solanum tuberosum, Vüitis vinifera.
Wildwachsende, in mehreren Localitäten von Botanikern
gesammelt unter Formen, die einigen Autoren zufolge
verschiedene Arten ausmachen müssen, während sie von
andern als Varietäten angesehen werden . . . . . 16
Allium Ampeloprasum Porrum, Chenopodium Quinoa, Cichorium
Endivia var.*, Crocus sativus var., Cucumis Melo*, Cucurbita
Pepo, Helianthus tuberosus, Lactuca Scariola sativa, Zinum usi-
tatissimum annuum, Lycopersicum esculentum, Papaver somni-
ferum, Pyrus nivalis var., Ribes Grossularia*, "Solanum Melon-
gena, Spinacia oleracea var.*, Triticum monococeum.
Subspontane, d. h. fast wildwach einer der an-
gebauten Formen ähnliche, aber möglicherweise je
nach localen Umständen den Culturen entsprungene
Arten 'n.. „2 MEL Sn 2 ee DE RE
1 Die Arten in Cursivschrift sind von einer sehr alten Cultur (A
oder D); die mit * bezeichneten werden seit weniger als 2000 Jahren an-
gebaut (C oder F).
di dinde ti. er
POS SE TS TS DS ET TA
Vo.
vo.
IX.
/
Allgemeine Bemerkungen. 577
Agave americana, Amarantus gangeticus, Amygdalus Persica,
Areca Catechu, Avena orientalis*, Avena sativa, Cajanus in-
dicus*, Cicer arietinum, Citrus decumana, Cucurbita moschata,
Dioscorea japonica, Ervum Ervilia, Areum Lens, Fagopyrum
emarginatum, Gossypium barbadense, Holcus saccharatus, Hol-
cus Sorghum, Indigofera tinctoria, Lepidium sativum, Maranta
arundinacea, Nicotiana rustica, Panicum miliaceum, Raphanus
sativus, Spergula arvensis.
Subspontane, wie die vorhergehenden, die aber eine
‘von den angebauten Varietäten genügend verschiedene
Form aufweisen, um von der Mehrzahl der Autoren
als verschiedene Arten angesehen zu werden... 3
Allium ascalonicum* (Form von A. Cepa?), Allium Scorodo-
prasum* (Form von A. sativum?), Secale cereale (Form einer
der ausdauernden Secale-Arten?).
Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- ‘
spontanen Zustande entdeckt, vielleicht seit Beginn
der Culturen aus angebauten Arten hervorgegangen,
aber zu verschieden, um nicht gemeiniglich Arten ge-
nannt zu werden D RN 3
Hordeum hexastichon (ihren Ursprung ableitend von H. distichon 2),
Hordeum vulgare (ihren Ursprung ableitend von M. distichon ?),
Triticum Spelta (ihren Ursprung ableitend von 7. vulgare?).
Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub-
spontanen Zustande entdeckt, aber aus Ländern stam-
mend, welche noch nicht genügend erforscht worden
sind, und die später vermuthlich mit wildwachsen-
den noch schlecht bekannten Arten dieser Länder
vereinigt sein müssen . . N D SENTE
Arachis hypogaea, Caryophyllus aromaticus, Convolvulus Batatas,
Dolichos Lubia*, Manihot utilissima, Phaseolus vulgaris.
Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub-
spontanen Zustande entdeckt, aber aus Ländern stam-
mend, welche noch nicht genügend erforscht worden
sind, oder aus ebensolchen Ländern, die man nicht
genauer feststellen kann, verschiedenartiger als die
vorhergehenden der bekannten Arten . . . . . . 17
Amorphophallus Konjak, Arracacha esculenta, Brassica chinen-
sis, Capsicum annuum, Citrus nobilis, Cucurbita ficifolia, Dios-
corea alata, Dioscorea Batatas, Dioscorea sativa, Eleusine
Coracana, Lucuma mammosa, Nephelium Litchi, Pisum sati-
vum*, Saecharum offieinarum, Sechium edule, Trichosanthes
anguina*, Zea Mans.
In Summa.. 247.
Diesen Ziffern zufolge gibt es 194 Arten, die als
wildwachsende erkannt wurden, 27 zweifelhafte oder
subspontane, und 26, die wildwachsend nicht gefunden
wurden.
D& CASDOLLE, 37
J
578 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
Es ist anzunehmen, dass man früher oder später
diese letztern entdecken wird, wenn auch nicht unter
einer der angebauten Formen, so doch wenigstens unter
einer: verwandten Form, die je nach der Ansicht der
Autoren bald Art, bald Varietät genannt wird. Um
dahin zu Selanpen, müssen die tropischen Länder besser
erforscht werden, müssen die Sammler mehr Aufmerk-
samkeit auf die Standorte verwenden, müssen viele
Floren über die Länder veröffentlicht werden, die gegen-
wärtig noch schlecht bekannt sind, muss man auch gute
Monographien von gewissen Gattungen besitzen und
sich dabei auf die Charaktere stützen, welche‘ in der
Cultur am wenigsten varlıren.
Einige aus ziemlich gut erforschten Ländern stammende
Arten, welche mit andern nicht - verwechselt werden
können, weil sie Gattungen für sich ausmachen, sind im
wildwachsenden Zustande nicht gefunden worden, oder
nur ein einziges mal, was zu der Vermuthung führen
kann, dass sie in der Natur ausgestorben oder im
Aussterben begriffen sind. Ich meine den Mais und
die Pferdebohne (vgl. S. 490 und 397). In dem Ab-
schnitt 4 verweise ich auch auf andere Pflanzen, : welche
seit einigen Tausend Jahren auf dem Wege des Aus-
sterbens zu sein scheinen. Diese letztern gehören zu
artenreichen Gattungen, was die Hypothese weniger
wahrscheinlich macht!; andererseits zeigen sie sich aber
von Culturen selten weit entfernt und man sieht sie
sich selten naturalisiren, d. h. verwildern, was eine
gewisse Schwäche nr oder auch eine zu grosse
Leichtigkeit. Thieren und Schmarotzern zur. Beute zu
fallen.
Die 67, seit wenigstens 2000 Jahren (C, p der Cul-
tur unterworfenen Arten finden sich alle im wildwach-
senden Zustande, mit Ausnahme von 11, die mit *
bezeichnet sind, und welche man nicht angetroffen
1 Aus Gründen, auf welche ich hier nicht näher eingehen kann, sind
die monotypischen "Gattungen meistens im Aussterben begriffen. -
x
1A
Allgemeine’ Bemerkungen. 579
hat, oder über welche man Zweifel hegt. Dies ist ein
‘Verhältniss von 83 Procent.
Auffallender ist es, dass die grössere Mehrzahl der
‘seit mehr als 4000 Jahren (A), oder in Amerika seit
3000 oder 4000 Jahren (D) angebauten Arten noch
wildwaéhsend vorkommen, und zwar in einem mit einer
‘der angebauten Formen übereinstimmenden Zustande.
Ihre Zahl beläuft sich auf 31 von 49, d.h. 63 Procent.
Fügt man die der Kategorien Il, III, IV und V hinzu,
so ergibt dies ein Verhältniss von 81—82 Procent.
In den Kategorien IX und X findet man nicht mehr
als 2 dieser sehr alten angebauten Arten, oder 4 Pro-
cent, und dies sind 2 Arten, welche als wildwachsende
Pflanzen vielleicht nicht mehr vorkommen.
Von vornherein glaubte ich, dass eine viel grössere
Anzahl der seit mehr als 4000 Jahren angebauten Arten
‚sich in einem solchen Grade von ihrem ehemaligen Zu-
stande entfernt haben würde, dass man sie unter den
‚spontanen Pflanzen nicht mehr erkennen konnte. Es
scheint aber im Gegentheil, als ob die der Cultur vor-
‘hergehenden Formen sich gewöhnlich an der Seite von
denen, welche die Züchter erzielten und von Jahrhun-
dert zu Jahrhundert vermehrten, erhalten haben. Dies
lässt sich durch zwei Gründe erklären: 1) Die Periode
von 4000 Jahren ist im Verhältniss zu der Dauer der
meisten specifischen Formen unter den phanerogamischen
Pflanzen eine kurze. 2) Die angebauten Arten er-
halten ausserhalb der Culturen beständig Verstärkung
durch die Samen, welche durch den Menschen, die Vögel,
und verschiedene natürliche Agentien in vielerlei Weise
'ausgestreut und weitergeführt werden können. Die
auf diese Weise erzielten Naturalisationen vermengen
‘häufig aus wildwachsenden Pflanzen hervorgegangene
Individuen mit solchen, die angebauten Pflanzen ihr
Dasein verdanken; es geschieht dies um so leichter,
weil sie sich gegenseitig befruchten, indem sie zu ein
und derselben Art. gehören. Diese Thatsache ist deut-
lich nachgewiesen N sobald es. sich uni eine in
ae
580 Dritter "Theil. Zweites Kapitel.
Amerika in den Gärten angebaute Art der Alten Welt
handelt, und welche sich später massenhaft auf den
Feldern oder im den Wäldern niederlässt, wie z. B.
die Kardunkel-Artischoke in Buenos-Ayres und die
Orangenbäume in mehreren amerikanischen Ländern.
Die Cultur breitet die Wohnsitze aus; sie bietet Ersatz
für den Ausfall, welchen die natürliche Reproduction
der Arten. zuweilen aufweist. Einige Arten machen
hiervon eine Ausnahme, und es verlohnt sich der Mühe,
sie in einem besondern Abschnitt zu behandeln. =
E
|
Vierter Abschnitt. Culturpflanzen, welche im
Aussterben begriffen oder ausserhalb des Culturbereichs
ausgestorben sind. \
da Lui. à D: 7: 4,
Die Arten, auf welche ich soeben hingewiesen habe,
bieten drei bemerkenswerthe Merkmale dar:
1) Sie sind nicht im wildwachsenden Zustande ent-
deckt worden, oder dies ist nur ein- oder zweimal,
oft sogar in zweifelhafter Weise geschehen, obgleich
die Regionen, aus welchen sie hervorgegangen sind. von
mehreren Botanikern bereist wurden.
2) Ihnen ist nicht die Fähigkeit verliehen worden,
ausserhalb der angebauten Ländereien sich auszusäen
und ins Unendliche zu vermehren. Mit andern Worten,
man kann von ihnen sagen, dass sie in einem ähn-
lichen Falle die Bedingung von zufällig auftretenden
Arten nicht überschreiten. |
3) Es lässt sich nicht annehmen, dass sie seit der h
historischen Epoche aus gewissen verwandten Arten |
hervorgegangen sind. |
Diese drei Merkmale finden sich in den folgenden
Arten vereinigt:
Pferdebohne (Faba vulgaris). Taback (Nicotiana Tabacum).
Kichererbse(Cicer arietinum). Weizen (Triticum vulgare).
Erve (Ervum Ervila). Mais (Zea Mays).
Linse (Ervum Lens).
Allgemeine Bemerkungen. 581
Hinzuzufügen wären noch die süsse Batate (Convol-
vulus Batatas), wenn die verwandten Arten besser
als verschieden bekannt wären, und der Färber-Saflor,
wenn das Innere Arabiens erforscht worden wäre und
man diese Pflanze nicht dort als eine vor Zeiten von
einem arabischen Schriftsteller angegebene gefunden hätte.
Alle diese Arten, wahrscheinlich auch noch andere
von wenig bekannten Ländern, scheinen im Aussterben
begriffen zu sein oder sind es bereits. Sie würden ver-
schwinden, vorausgesetzt, dass es mit der Cultur auf
der Erde ein Ende nähme, während die meisten der
andern angebauten Pflanzen sich irgendwo naturalisirt
haben würden uhd im wildwachsenden Zustande ver-
harren würden.
Die vorerwähnten sieben Arten haben mit Aus-
nahme des Tabacks stärkemehlhaltige Samen, die von
den Vögeln, den Nagethieren und verschiedenen In-
sekten gesucht werden, aber nicht unversehrt durch
ihre Verdauungsorgane hindurchgehen können. Dies ist
wahrscheinlich die einzige oder wichtigste Ursache ihres
Zurückstehens in.dem Kampf ums Dasein.
Somit liefern meine Untersuchungen über die ange-
bauten Arten den Beweis, dass sich gewisse Pflanzen-
arten seit der historischen Epoche auf dem Wege des
Aussterbens befanden oder ausgestorben sind, und dies
hat nicht auf kleinen Inseln, sondern auf grossen
Continenten stattgefunden, ohne dass man Abänderungen
im Klima nachgewiesen hätte. Dies ist ein wichtiges
Ergebniss für die Geschichte der organischen Reiche
zu allen Epochen.
Fünfter Abschnitt. Verschiedene Betrachtungen.
Ich will hier auf Folgendes kurzgefasst hinweisen:
1) Die der Cultur unterworfenen Arten gehören nicht
zu einer besondern Kategorie, denn sie klassificiren sich
in 51 verschiedene Familien. Mit Ausnahme des ge-
582 Dritter Theil. Zweites Kapitel. +
meinen essbaren Champignons (Agaricus campestris) ge-
hören sie indessen alle zu den Phanerogamen. |
2) Die Charaktere, auf welche die Cultur am meisten
einwirkt, welche sie am wirksamsten umgestaltet, sind:
a. die Er ‚Gestalt und Farbe der fleischigen Theile
der Pflanze, gleichviel welcher Stellung. immer (Wurzel,
Zwiebel, Knolle, Frucht oder Same), der mehr oder
minder reiche Stärkemehl- oder Zuckergehalt, oder auch
anderer Substanzen, welche sich in diesen Theilen ab-
lagern; db. der Ueberfluss an Samen, welcher oft um-
gekehrt proportionell ist der Entfaltung der fleischigen
Pflanzentheile; c. die Form, Grösse, Behaarung der
persistenten Blütentheile um die Früchte oder Samen;
d. Raschheit der verschiedenen Phasen des Wachsthums,
durch welche die holzige oder krautige, ausdauernde,
bisannuelle oder annuelle Beschaffenheit einer Pflanze oft
bedingt wird.
Die ‚Stengel, Blätter und Blumen verändern sich
wenig in den dieser Theile wegen angebauten Pflanzen.
Es sind die letzten Bildungen jedes einjährigen oder
zweijährigen Triebes, welche am meisten variiren, mit
andern Worten, die, Ergebnisse der Vegetation sind
grössern Veränderungen unterworfen, als die dieselben
hervorrufenden Organe.
3) Ich habe in keiner Weise eines dass die Cul-
tur einen Einfluss auf Anpassung an die Kälte ausübt.
Wenn der Anbau einer Art nach Norden zu vorrückt
(Mais, Flachs, Taback u. s. w.), so erklärt sich das
durch die Erzeugung frühzeitiger Varietäten, welche
vor der kalten Jahreszeit zur Reife gelangen können,
oder durch das Verfahren, im Norden während des
Sommers Arten anzubauen, welche im Süden zur Win-
terszeit ausgesäet werden. Das Studium der- für die
spontanen Arten nördlichen Grenzen hatte mich einst
zu demselben Resultat geführt, denn seit den histori-
schen Zeiten sind dieselben keinen Veränderungen unter-
Arten gewesen,. wenn. auch die. Samen rn ja be-
‚Allgemeine Bemerkungen. 583
Für eine derartige Veränderung, welche höhere Kälte-
grade zu ertragen im Stande wäre, oder sich auf Form
und Dauer bezöge, bedürfte es dem Anscheine nach
viel längerer Perioden als eines Zeitraums von 4000
oder 5000 Jahren. '
4) Die Klassifikationen von Varietäten, welche durch
Landwirthe und Gärtner erzielt wurden, stützen sich .
gemeiniglich auf Charaktere, welche sich am meisten
verändern (Form, Grösse, Farbe, Geschmack der fleischi-
gen Theile, Grannen der Aehren u. s. w.). Die Bota-
niker irren sich, wenn sie diesem Wege folgen. Sie
müssten die Charaktere zu Rathe ziehen, die unver-
änderlicher sind, diejenigen Organe, wegen deren man
die Arten nicht anbaut.
. 5) Indem eine nicht angebaute Art eine Gruppe von
mehr oder minder analogen Formen ausmacht, bei wel-
chen sich häufig Untergruppen (Rassen, Varietäten,
Untervarietäten) unterscheiden lassen, hat es vorkommen
können, dass zwei oder mehrere dieser etwas verschie
denen Formen dem Anbau unterworfen wurden. Dies
hat besonders dann eintreten müssen, wenn der Wohn-
sitz einer Art ein weiter ist, und noch mehr, sobald der-
selbe ein getrennter ist. Der erste Fall ist wahrscheinlich
der des Kohls (Brassica), des Flachses, der Süsskirsche
(Prunus avium), des gemeinen Birnbaums u. s. w.; der
zweite Fall hat sich wahrscheinlich bei dem Flaschen-
kürbis, der Melone, der dreiblätterigen Bohne gezeigt,
welche vor dem Beginn der Cultur zu gleicher Zeit in
Indien und in Afrika vorkamen.
6) Die unterscheidenden Merkmale zwischen solchen
Pflanzen, welche seit Generationen verwildert sind und
von cultivirten Individuen abstammen, und solchen der-
selben Art, die seit alters wild wachsen, kennt man
noch nicht. Bei der Rückbildung einer. cultivirten in
eine wilde Pflanze sind die besondern Eigenschaften,
welche sich in den Culturen durch Pfropfen fortpflanzen,
bei der Aussaat von keinem Bestand. Beispielsweise
befindet sich der verwilderte Oelbaum im Zustande des
584 Dritter Theil. Zweites Kapitel.
Oleaster, hat der Birnbaum weniger grosse Früchte,
gibt der Maronenbaum eine ganz gemeine Frucht.
Uebrigens sind die naturalisirten Formen von ange-
bauten Arten noch nicht genügend von Generation auf
Generation beobachtet worden. Sagot! hat dies bei
der Weinrebe gethan. Es dürfte von Interesse sein,
in derselben Weise die Citrusarten, die Persica und
die in Amerika naturalisirte Kardunkel-Artischoke mit
ihren angebauten Formen, fern von ihrem Heimatlande
zu vergleichen, desgleichen die in Amerika wildwach-
senden Arten der Agave und des Feigencactus mit
ihren in der Alten Welt naturalisirten Varietäten. Da-
durch liesse sich genau in Erfahrung bringen, was
nach einem zeitweiligen Culturzustande von Dauer ist.
7) Eine Art kann, bevor man sie dem Joche der
Cultur unterwarf, auf eine dem Raume nach sehr be-
schränkte Zone angewiesen gewesen sein, und dann
als angebaute und zuweilen naturalisirte Pflanze einen
ungeheueren Flächenraum einnehmen.
8) In der Geschichte der Culturpflanzen spricht
nichts dafür, dass zwischen den Völkern der Alten
und jenen der Neuen Welt vor der Entdeckung des
Columbus ein Verkehr stattgefunden hätte. Die Skan-
dinavier, welche bis in die nördlichen Vereinigten Staa-
ten vorgedrungen waren, und die Basken des Mittel-
alters, welche auf der Walfischjagd vielleicht bis Amerika
gelangten, scheinen keine einzige Culturpflanze ver-
breitet zu haben. Auch der Golfstrom hat im dieser
Hinsicht gar keine Wirkung gehabt. Zwischen Amerika
und Asien hat vielleicht ein Austausch von zwei nütz-
lichen Gewächsen stattgefunden, dies sind die Batate,
welche durch den Menschen,‘ die Kokosnuss, welche
ebenfalls durch den Menschen oder durch Meeresströ-
mungen fortgeführt wurden.
1 Sagot, Sur une vigne sauvage croissant en abondance dans les bois
autour de Belley.
Register.
Acajoubaum 245. 564.
Ackerspark, gemeiner 141. 557.
Advogatobaum 366. 564.
Agaricus campestris 565.
Agave americana 1%. 563.
Agrume 220.
Aguacatebaum 366.
Alkanna, echte 171.
Allium Ampeloprasum, Porrum 126.
556.
Allium Ascalonicum 86. 554.
— Cepa 82. 554.
— /fistulosum 85. 554.
— sativum 79. 554. L
— Schoenoprasum 9%. 554.
— Scorodoprasum 89. 554.
Alocasia macrorrhiza 94. 554.
Amarantus frumentaceus 445. 561.
— gangeticus 125. 556.
Amelkorn 461.
Amorphophallus Konjak 95. 554.
— Rivieri 9.
Amygdalus communis 271. 558.
— Persica 273. 559.
Anacardium occidentale 245. 564.
Ananassa sativa, Ananas 390. 565.
Andropogon saccharatus 483.
— Sorghum 480.
Anguriagurke 333. 559.
Anona Cherimolia 214. 564.
— muricata 213. 564.
— reticulata 214. 564.
— squamosa 207. 564.
Anthriscus Cerefolium 112. 553.
Apfelbaum, gemeiner 290. 559.
Apfelsinenbaum 228. 558.
Apium graveolens 111. 555.
Aprikose von San-Domingo 233.
Aprikosenbaum 266. 558.
Arachis hypogaea 520. 565.
Areca Catechu 542. 563.
Armeniaca vulgaris 266.
Arracacha Arracatscha
50. 563.
Arrowroot 101. 563.
Artischoke, grosse 115. 555.
— spanische 115. 555.
Artocarpus incisa 374. 560.
— integrifolia 376. 560.
Arum esculentum 91.
— macrorrhizum 94.
Asparagus oficinalis 556.
Atriplex hortensis 556.
Avena orientalis 471. 562.
— sativa 471. 562.
esculent« ,
WBaldrian, gemeiner 555.
Balsamapfel, cylinderförmiger 337.
Banane 381. 560.
Bastardsafran 203.
Batatas edulis, Batate 67. 563.
Baumwollpflanze, baumart. 513. 562,
— von Barbadoes 517. 665.
Baumwollstaude 509. 562.
Beissbeere 363.
Benincasa hispida 336. 559.
Beta maritima 73.
— vulgaris 73. 554.
Betelnusspalme 542. 563.
Betelpfeffer 563.
Birnbaum, chinesischer 290. 559.
— gemeiner 285. 599.
Bixa Orellana 508.
Blaugummibaum 557.
Blutklee 131. 556.
Bocksbart 55. 554.
Boehmeria nivea 182. 557.
Bohne, aconitblätterige 435. 561.
— dreiblätterige 435.
— gekrümmte 565.
— mondförmige 433.
— türkische 425.
586 Register.
Bohnenbaum, indischer 561.
Bohnenwicke 397.
Borstengras 478. 562.
Brassica campestris 45.
— chinensis 555.
— Napus 45. 554.
— oleracea 45. 105. 155.
— Rapa 45. 554.
Breiapfel, gemeiner 359.
Bromelia Ananas 3%.
Brotbaum, echter 374. 560.
— ganzblätteriger 376. 560.
Brunnenkresse 555.
Brustbeerenbaum, afrikan. 242. 558.
Buchweizen, ausgerandeter 443. 561.
— gemeiner 440. 561.
— tatarischer 442. 561.
Cacaobaum 393. 565.
Caimito 564.
LCojanus indicus, Cajanstrauch 417.
561.
Caju 564.
Calebasse 305.
Camelina sativa 562.
Campanula Rapunculus, Rapunzel
554. s
Cannabis sativa 185. 531.
Capsicum annuum 363. 564.
— frutescens 363. 564.
Carica Papaya 561.
Carthamus tinctorius 203. 558.
Caryophyllus aromaticus 199. 557.
Cassavestrauch 74.
Castanea vulgaris 446. 561.
Catha edulis 166.
Cayennepfefter 361. 564.
Cedratbaum 220.
Celastrus edulis 166. 531.
Cerasus vulgaris 256. .
Ceratonia Siliqua 421. 561.
Chaerophyllum bulbosum 554.
Champignon, gemeiner 565.
Chayota 564.
Chenopodium Quinoa 444. 565.
Chinagras 182.
Chochokürbis 342.
Chrysophyllum Cainito 357. 564.
Cicer arietinum 406. 560.
Cichorie, gemeine 120. 555:
Cichorium Endivia 120. 555,
— Intybus 120. 555.
Cinchona Calisaya 563.
— officinalis 565.
— succirubra 563.
Cinnamomum zeylanicum 181. 557.
Citrone 220. 558.
Citrullus vulgaris 328. 559.
Citrus Aurantium 224. 558.
— decumana 218. 558.
— medica 220. 558.
— nobilis 232. 558.
Cocastrauch 167. 563.
Cochlearia Armoracia 42. 553.
Cocos nucifera 544. 563.
Cofea arabica 525. 562.
— liberica 529. 562.
Colocasia antiquorum 91. 554.
Convolvulus Batatas 67. 565.
Coracan 562.
Corchorus capsularis 161. 557.
— olitorius 161. 557.
Crambe maritima 559.
Crocus sativus 205. 558.
Cucumis Anguria 333. 559.
— Melo 322. 559.
— sativus 331. 559.
Cucurbita Citrullus 328.
— ficifolia 322. 565.
— Lagenaria 305. 559.
— maxima 311. 559.
— melanosperma 322.
— Melopepo 316. 564.
— moschata 320: 569. :
— Pepo 316. 564. .
Cydonia vulgaris 294. 559.
Cynara Cardunculus 115. 555.
— Scolymus 115.:
Cytisus Cajan AUT.
Dattelpalme 377. 560.
Dattelpflaume, italienische 560.
Daucus Carota 554.
Dinkel 458. 561.
Dioscorea alata 96. 555.
— Batatas 96. 555.
— japonica 96. 559.
— sativa 96. 554.
Diospyros Kaki 560.
— Lotus 560.
— virginica 564.
Dolichos Lablab 456.
— Lubia 437.
— Soja 415.; 561.
Durragras 493.
Eierpflanze 359. 560.
Einkorn 462. 561. -
Elaeis guineensis 543. 560.
Eleusine Coracana 485. 562.
Emmer 461. :
Endivien 120. 155.
Erbse, gemeine 561.
Erdapfel 53. 563.
Erdbeere, chilenische 253.
— Riesen- 255.
— Scharlach- 255.
— virginische 253.. :
— Wald- 251.
Erdbohrer, kriechender 439. 561.
Erdnuss 520. 565.
Ei
ze à. à
Register. 587
Eriobotrya japonica 559, ur Guineagras 143. 557.
Erve 133. 556. Guineapfeffer 363.
Ervenwicke 133. Gurke, gemeine 331. 559.
Ervum Ereilia 133. 556.
— Lens 404. 560.
Erythroxylon Coca 167. 563. : äarblumie. schlan ren eu Line
Esparsette 129. 556. er as s POHANERn EM ENS
Essigbaum 165. 2 Hafer, gemeiner 471. 562
Eucalyptus globulus. 557. — türkischer 471. 569,
Eugenia Jambos 299. Haferschlehe 265.
— malaccensis 300. Hanf, chinesischer 182,
— gemeiner 183. 557,
Hedysarum coronarium 130. 556.
— Onobrychis 129.
Kaba vulgaris 397. 560. Heidekorn 440.
Fagopyrum emarginatum 443. 561. Helianthus tuberosus 53. 563.
— esculentum 440. 561. Hennastrauch 171. 557.
— tataricum 442. 561. Heu, griechisches 138. 556.
Färberindigo, gemeiner 169. 557. Hibiscus esculentus 234. 558.
Färberröthe 52. j Himbeere 558.
Färbersaflor 203. Hirse, echte 475. 562.
Feigbohne 409. 560. Holcus Sorghum 480. 562.
Feigenbaum 370. 560. — saccharatus 483. 562.
Feigencactus, indianischer 348. 564, Hopfen 201. 557.
Ficus Carica 370. 560. | Hopfenluzerne 556.
Fieberrinde, rothe 563. Hordeum distichon 464. 561.
Flachs, gemeiner 148. 557. — hexastichon 466. 562.
Flachsdotter, 562. — vulgare 466. 561.
Flaschenbaum. netzförmiger 214. Humulus Forge 201. 557
— stacheliger 213. 564.
Flaschenkürbis, gemeiner 305. 559.
Fragaria Chiloensis 253. 564.
ms Pesca 351. 558. Br [lex paraguariensis 167.563.
— virginica 253. 564. Indigo-Arten, amerikanische 170.
Fuchsschwanz vom Ganges 125. 556. Indigofera argentea 170. 557.
— mehlreicher 445. 561. - — tinctoria 169. 557.
Futterwicke 134. 556.
Jackfrucht 560.
Jambosa malaccensis 300, 559.
@arcinia Mangostana 233. 558. — vulgaris 299. 559.
Gartenerbse: 413. Jatropha Manihot 74,
Gartenkohl 103. 558. ; Johannisbeere, rothe 559
Gartenkörbel 112. 553. : — schwarze 560.
Gartenkresse, gemeine 106. 555. Johannisbrotbaum 421. 561.
Gartenlattich, gemeiner 118. Joliffia 559.
Gartenmelde 556. Judendorn, echter 243. 558,
Gartenmohn 503. — gemeiner 240. 558. SE
Gartensellerie 111. 555. Juglans regia 539. 562.
Gemüseampfer 556. ; Jute 557.
Gerber-Sumach 163. :
Gerste, gemeine 466. 561.
— sechszeilige 466. 561. MKaffeebaum 525. 529. 562.
— zweizeilige 464. 561. Kaffernhirse 480. 562,
Gewürznelkenbaum 199. 557. Kakipflaume 560.
Glycine .Sôja 415. . Karobenbaum 421.
— subterranea 439. : Kartoffel 57. 563. Se
Gombo 234. Kaschubaum 245. - Gi
Gossypium arboreum 513. 562. Kastanie, echte 446. 561.
— barbadense 517. 565. | Katstrauch 166. 557.
— herbaceum 509. 562. Kicher, deutsche 136.
Granatbaum 296. 559. — rothe 135. 556
Guajavenbaum 301. 564. Kichererbse 406. 560.
538° Register.
Klee, ägyptischer 155. 556. Medicago lupulina 556.
— ewiger 127. — sativa 127. 556.
Knoblauch 79. 554. Meerkohl, gemeiner 555.
Knollenkörbel 554. Meerrettig 42. 553.
Kohl, chinesischer 555. Melone 322. 559.
Kokospalme 544. Melonenbaum, gemeiner 367. 564.
Königsrinde, braune 565. Melonenkürbis 316. 564.
— gelbe 565. Mispel, japanische 559.
Konjak 95. 554. Mohnpflanze 562.
Krapp 52. 554. Mohrrübe 554.
Kronen-Hahnenkopf 130. 556. Momordica eylindriea 331.
Kuhhornklee, gemeiner 158. Mombinpflaume, süsse 250. 558.
Kürbis, feigenblätteriger 322. 562. Moorhirse 483. 562.
— gemeiner 516. 564. Morus alba 185. 557.
— weisser 559. \ — nigra 188. 557.
Moschuskürbis 520. 565.
Mungobohne 456. 561.
Lablabbohne 561. u
Lactuca Scariola var. 118. 555 PO
PS ed oliane Alle ; Muskatnussbaum 530. 562.
Lo : er d 135. 536 Myristica fragrans 530. 562.
ii D C 9), 90, = - “ =
— Ochrus 138. 556. Myrrhenkraut, gemeines 113. 555.
— satirus 136. 556.
Lattich, wilder 553.
à Eu Nachtschatten, essbarer 359.
ns rn Ber 126. Nasturtium offieinale 555.
as, Re Nephelium Lit-chi 395. 560.
Lens esculenta 404. > en
Lepidium sativum 106. 555. Kets Er: 339 559 ;
Liebesapfel 364. 564. N; L Re us 175. 176. 1
Linse, gemeine 4U4. 560. 1 er er 20. 175. 176. 177.
= - . = zu. — rustı 209.
Linum angustifohum 154. 557, =: ERS Er
— usitatissimum 148. 557. Tata eu
Litschibaum 39. 560.
Lubiabohne 561.
are DR 38. 556
Lucuma Caimito 558. 564. er 36
--,mammosa 358. 564. Oelpalme, afrikanische 543. 560.
Luffa acutangula 539. 559. Okra 231, 558
— cylindrica 337. 559. Re
4 : Ber Olea europaea 350. 560.
L 1 5 $ de ed ), É . ae
A ep 2 en 409. 56 Onobruchis sativa 129. 556.
re 127 Ber? : 4 Opuntia Ficus indica 343.
4 . +) .
Lucopersicum esculentum 364. 564. Orangenbaum Zi
Orleansbaum 508.
Ornithopus ren 140.
— satirus 140. 556.
Media sativa 550, 565. Oryza sativa 487. 562.
Mais 490. 565.
Mammea americana 254. 564.
Mammeyapfel 564. Ponicum itaticum 478. 562.
Mandarine 252. 558. — maximum 143. 557. 562.
Mandelbaum, gemeiner 271. 558. — miliaceum 475.
Mangifera indica 248. 558. Papaver somniferum 503. 562.
Mangobaum 248. 558. Papaya vulgaris 361. 564.
Mangold 75. 554. Paradiesapfel 218. 364. $
Mangostane 253. 558. Pastinaca sativa, Pastinak 554.
Manihot utilissima 74. 563. Persea gratissima 366. 564.
Maniokstrauch 74. 569. Persica vulgaris 273.
Maranta arundinacea 101. 565. Persimonpflaume 564.
Maronenbaum 446. Petersilie 112. 555.
Mate-Pflanze 167. 563. Petroselinum sativum 112. 553.
Maulbeerbaum, schwarzer 188. 557. Pfeffer, indischer 263.
— weisser 135. 557. — langer 552.
Pfoffer, officineller 565
— spanischer 361.
— schwarzer 565.
— türkischer 563.
Pfeilwurzel 101.
Pferdebohne 397. 560.
Pfirsichbaum 273. 559.
Pflaumenbaum, angebauter 260.
Phaseolus aconitifolius 435. 561.
— Lablab 561.
— Lubia 561.
— lunatus 455. 565.
— Mungo 436. 561.
— trilobus 455. 561.
— vulgaris 425. 565.
Phoenix dactylifera 5717. 560.
Pimpernussbaum 3%.
Piper Betle 563.
— longum 563.
— nigrum 563.
— officinarum 563.
Pisang 381.
Pistacia vera, Pistacie 596. 560.
Pisum arvense A411. 561.
— Ochrus 138.
— sativum 415. 561.
Platterbse, essbare 136. 556.
— rothe 155.
Polygonum emarginatum 445.
— Fagopyrum 440.
— tataricum 442.
Pomeranzenbaum 226. 558.
Pompelmus 218. 558.
Porré 126.
Portulaca oleracea, Portulak
Dh ;
Prunus Anıygdalus 271.
— armeniaca 260. 558.
— avium 254. 558.
— Cerasus 256. 558.
— domestica 262. 558
— insititia 264. 558.
— Persica 275.
Pardrum Guayava 301. 564.
Punica Granatum 296. 559.
Purus communis 285. 559.
— Malus 290. 559.
— nivalis 239.
— sinensis 290. 359.
@uinoapflanze 565.
Quittenbaum 294. 559
MRadies 56. 553.
Rahmapfel 564.
Rambutan 560.
Ramie 557.
Raphanus Raphanistrum A1.
— sativus 36. 553.
Rapunzel 114. 554.
Reis 487. 562.
A
LE |
Register.
Reisgerste 465.
Repskohl 554.
Rhus Coriaria 165. 551.
Ribes Grossularia 545. 559.
— nigrum 348. 560.
— rubrum 347. 559
— Uva crispa 545.
Ricinus communis 535. 562.
Riesenerdbeere 504.
Riesenkürbis 311. 559. -
Rokambollen-Lauch 39: 554.
Roggen 468. 562.
Rosenapfel 299. 559.
Rubia tinctorum 52. 554.
Rubus Idaeus 558.
Rüben 45.
Rübe, rothe 73.
Rübenkoht 554.
Rucubaum 508.
Rumex acetosa 5:
— Patientia 556.
Runkelrübe 73. 554.
Saccharum oficinarum 191. 557.
Safran, echter 205. 558.
Sapota Achras 359. 564.
Sapotillbaum 559. 564.
Saubohne 397.
Sauerampfer 556.
Sauerkirschenbaum 256. 558.
Scandix Cerefolium 112.
Schalotte 86. 554.
Scharlacherdbeere 255. 564.
Schminkbohne, gemeine 425. 565
Schneebirne 289.
Schneidebohne 425. 565
Schnittlauch 90. 554.
Schotenpfeffer 563.
Schwabenkorn 462.
Schwarzwurzel 56. 554.
Scorzonera hispanica 56. 554.
Secale cereale 468. 562.
Sechium edule 542, 564.
Serradella 140. 556.
Senf, schwarzer 562.
— weisser 562.
Sesamum indicum 531. 562.
Setaria italica ATS.
Simbibohne 561.
Sinapis alba 562.
— nigra 562.
Sium Sisarum 48. 554.
Smyrnium Olus-atrum 113. 555.
Sojabohne 415. 561.
Solanum esculentum 359.
— Melongena 359. 560.
— Spec. div. 62.
— tuberosum 57. 563.
Sommerlauch 556.
Sommerzwiebel 82. 554.
Sorghum vulgare 480.
5%
Sorghum saccharatum 483.
Spargel 556.
Spelz 458. 561.
Spelzreis 462.
Spergula arvensis 141. 557.
Spinacia oleracea, Spinat 122. 556.
Spinat, neuseeländischer 555.
Spondias dulcis 250. 558.
Stachelbeere 539,
Steckrüben 45.
Sternapfel 357. 564.
Stockerbse 411. 561.
Sumach, gelber 557.
Süsskirschenbaum 254. 558,
Süssklee, gemeiner 129.
Taback 173. 563.
Tangerine 232.
Taro 91.
Telfairia 559.
Tetragonia expansa 110. 555.
Thea sinensis 145. 557.
Theestrauch, chinesischer 145. 557.
Theobroma Cacao 393.
Tomate 364.
Tragopogon porrifolium 55. 554,
Trichosanthes anguina 341. 559.
Trifolium alexandrinum.133. 556.
— hybridum 556.
— incarnatum 131. 556.
— pratense 130. 556.
Trigonella Foenum graecum 138. 566.
Triticum compositum 453.
— dicoccum 460.
— durum 455.
— monococcum 462. 561.
— polonicum 456.
— Spelta 458. 561.
— turgidum 453.
— vulgare 447. 561.
Tschirimajabaum 214. 564.
Walerianella olitoria 114. 555.
Vicia Ervilia 133.
Register.
Vicia Faba 397.
— satica 134. 556.
Vitis einifera 236. 558.
Voandzeia subterranea 439. 561.
Vogelpfeffer 363.
Walderdbeere 251. 558.
Walnussbaum, gemeiner 539. 562.
Wassermelone 328. 559.
Weichselkirschenbaum 256.
Weinrebe 236. 558.
Weizen, Bart- 455.
— englischer 453.
— gemeiner 447. 561.
— Glocken- 453.
— polnischer 456.
— Sommer- 447.
— türkischer 490.
— Winter- 447.
Weischkorn 490.
Wicke, gemeine 134.
Wiesenklee, gemeiner 130. 556.
— weisser 556.
Winterzwiebel $5. 554.
Wolfsbohne 409.
— ägyptische 410, 561.
Wamswurzeln 9,6. 554.
Zea Mays 490. 565.
Zimmtapfel 207. 564.
Zimmtlorbeer 181. 557.
Zizyphus Jujuba 243. 558,
— Lotus 242. 558.
— vulgaris 240. 558,
Zuckerapfel 207.
Zuckerrohr 191. 557.
— chinesisches 483,
Zuckerwurz 48. 554.
Zwetschenbaum 262. 558.
Zwillingspflaume 395. 396.
Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.
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