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Full text of "Der Ursprung der Culturpflanzen"

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LES 


DER URSPRUNG 


DER 


CULTURPFLANZEN 


VON 


ALPHONSE DE CANDOLLE, 


CORRESPONDIRENDES MITGLIED DES INSTITUT DE FRANCE, DER KÖNIGL. GESELLSCHAFTEN ZU 
LONDON, EDINBURG UND DUBLIN, DER AKADEMIEN ZU BERLIN, MÜNCHEN, AMSTERDAM, BRÜSSEL, 


KOPENHAGEN, STOCKHOLM, ST. PETERSBURG, ROM, TURIN, MADRID, BOSTON ETC. 
# 


: UEBÉRSÉTZT- 


VON 


Dr. EDMUND GOEZE, 


KÖNIGLICHER GARTENINSPECTOR IN GREIFSWALD. 


AUTORISIRTE AUSGABE. 


LEIPZIG: 
F. A. BROCKHAUS. 


1884. 


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© Das Recht der Vebersetzung ist ı 


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BOTANICAL 
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VORWORT. 


“Für Landwirthe und Botaniker, ja selbst für Ge- 


schichtsforscher und Philosophen, welche dem Beginn 


der Civilisation ihr Augenmerk zuwenden, ist die Frage 
über den Ursprung der Culturpflanzen von einer gewissen 
Wichtigkeit. 

Schon vor Jahren habe ich sie in einem Kapitel mei- 
ner „Geographie botanique raisonnée“ behandelt; dieses 
Werk ist aber selten geworden, und überdies wurden 
seit 1855 wichtige Thatsachen von Reisenden, Botanikern 
und Archäologen entdeckt. Statt eine zweite Ausgabe 
meiner Arbeit vorzubereiten, habe ich eine ändere, ganz 
selbständige und ausgedehntere verfasst. Es handelt 
dieselbe über den Ursprung einer fast doppelten Anzahl 
von Arten der Tropenländer oder der gemässigten Re- 
gionen. Hier haben wir es beinahe mit der Gesammtsumme 
der Pflanzen zu thun, welche im Grossen für wirth- 
schaftliche Zxecke oder auch häufig in den Frucht- und 
Gemüsegärten angebaut werden. 

Ganz besonders liess ich es mir angelegen sein, da- 
nach zu forschen, wie jede Art beschaffen war, wo sie 
spontan auftrat, ehe man sie der Cultur unterwarf. 
Zu diesem Zwecke war es nöthig, diejenige unter den 


VI Vorwort. 


zahlreichen Abarten zu unterscheiden, welche man als 
die älteste ansehen kann, und dann weiter zu sehen, 
aus welcher Region des Erdkreises sie hervorgegangen 
ist. Die Aufgabe ist schwieriger, als man glauben sollte. 
Im verflossenen Jahrhundert und bis Mitte des jetzigen 
beschäftigten sich die Schriftsteller überhaupt sehr wenig 
damit, und die fleissigsten trugen zur Verbreitung falscher 
Vorstellungen bei. So glaube ich in der That, dass drei 
Viertel der Linné’schen Angaben über das Vaterland der 
Culturpflanzen entweder unvollständig sind oder auf 
Irrthümern beruhen. Seine Aussagen sind aber dann 
wiederholt worden und finden sich noch immer, trotz 
der von neuern Schriftstellern für mehrere Arten ge- 
machten Berichtigungen, in Zeitschriften und popu- 
lären Werken wiedergegeben. Zeit ist es, Irrthümer 
zu beseitigen, welche bisweilen auf die Jahrhunderte der 
Griechen und Römer zurückgehen. Der gegenwär- 
tige Stand der Wissenschaft gestattet dies, sobald man 
sich auf verschiedene Schriftstücke stützt, welche ent- 
weder ganz neu oder selbst noch nicht im Druck ver- 
öffentlicht sind, und sie in einer Weise prüft, wie es 
bei historischen Forschungen zu geschehen pflegt. Das 
ist einer der ziemlich seltenen Fälle, bei welchen die con- 
creten Wissenschaften Zeugenbeweise zu Hülfe ziehen 
müssen. Man wird sehen, dass sie zu guten Erfolgen 
führen, da ich, sei es in ganz bestimmter Weise oder 
mit einem Grad von befriedigender Wahrscheinlichkeit, 
den Ursprung fast aller der Arten habe feststellen können. 

Ich habe mich ausserdem bemüht, darzuthun, seit wie 
vielen hundert oder tausend Jahren jede Art angebaut 
worden ist, und wie sich die Cultur nach verschiedenen 
Richtungen hin in aufeinander folgenden Zeitabschnitten 
ausgebreitet hat. 


Ei 


Vorwort. VII 


Bei einigen seit mehr als 2000 Jahren angebauten 
Pflanzen und selbst bei andern tritt der Fall ein, dass 


man gegenwärtig den spontanen, d. h. wildwachsenden 


L 


Zustand nicht kennt, oder auch selbigen nicht genügend 
nachgewiesen hat. Derartige Fragen sind heikelig und 
erheischen — wie die Unterscheidung der Arten — vieles 
Nachforschen in Büchern und Herbarien. Ich sah mich 
selbst genöthigt, meine Zuflucht zu Reisenden oder Bo- 
tanikern zu nehmen, welche in allen Weltgegenden zer- 
streut waren, um neue Aufschlüsse zu erlangen. Bei Be- 
sprechung der einzelnen Arten werde ich diese Herren mit 
dem Ausdruck meines herzlichsten Dankes anführen. 
Trotz dieser Hülfe und ungeachtet aller meiner 
Untersuchungen stossen wir noch auf mehrere Arten, 
welche man im wilden Zustande nicht kennt. Wenn sie 
aus Regionen hervorgegangen sind, die botanisch noch 
wenig oder gar nicht erforscht wurden, oder wenn sie 
zu Pflanzen-Sippen gehören, die noch wenig gründlich 
bearbeitet worden sind, darf man allerdings hoffen, dass 
ihr Indigenat noch entdeckt und hinreichend festgestellt 
werden wird. Diese Hoffnung ist jedoch nicht begründet, 
sobald es sich um gut bekannte Arten und Länder han- 
delt. Dann bieten sich uns zwei Hypothesen: entweder 
haben sich diese Pflanzen in der Natur wie in der Cul- 
tur seit der historischen Zeit der Form nach so sehr 
verändert, dass man sie nicht mehr als zu derselben Art 
gehörig wiedererkennt, oder es sind ausgestorbene 
Arten. Die Linse, die Kichererbse kommen wahrschein- 
lich in der Natur nicht mehr vor und andere Arten, wie 
der Weizen, die Sau- oder Pferdebohne, der Färber- 
Saflor, die nur höchst selten wildwachsend gefunden wer- 
den, scheinen im Aussterben zu sein. Wenn sich die 
Zahl der Culturpflanzen, mit welchen ich mich be- 


VIII Vorwort. 


schäftigt habe, auf 247 beläuft, dürfte die Ziffer von 3, 
4 oder 5 ausgestorbenen oder im Aussterben begriffenen 
Arten schon ein beträchtliches Verhältniss ergeben, wel- 
ches einem Tausend von Arten für die Gesammtsumme 
der phanerogamen Gewächse entspräche. Diese Ab- 
nahme an Formen würde in dem kurzen Zeitraum eini- 
ger Jahrhunderte stattgefunden haben, und zwar auf 
dem Festlande, wo sie sich ausbreiten konnten, und unter 
Umständen, die man als beständig anzusehen pflegt. Man 
sieht hier, in welcher Weise die Geschichte der Cultur- 
pflanzen mit den wichtigsten Fragen über die allgemeine 
Geschichte der organischen Wesen zusammenhängt. 


GENF. 
A. ve CANDOLLE. 


Der Uebersetzer kann sich darauf beschränken, hier 
dankend zu bemerken, dass der Herr Verfasser ihm im 
Laufe der Arbeit eine Reihe höchst werthvoller Notizen zur 
Verfügung gestellt hat, welche dieser deutschen Ausgabe 
unter besonderer Bezeichnung an den betreffenden Stellen 
mit beigefügt worden sind. 


INHALT. 


Seite 
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ERSTER THEIL. 

Einleitende Bemerkungen und angewandte Methoden. 
5 | ERSTES KAPITEL. 
In welcher Weise und in welchen Epochen der Anbau 
in verschiedenen Ländern angefangen hat , . . , . 1 
ZWEITES KAPITEL. 
Methoden, um den Ursprung der Arten zu entdecken 
D een... . . . . . . .. SERGE 
$ 1. Allgemeine Betrachtungen Dei GRO SVT sl 
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$ 3. Archäologie und Paläontologie. "25 LAURENT FE 
Berichte , , . . . 2020. 4.200002 PTIT 
D cDiOrSehung . . à, 2... 22 2, 24 
$ 6. Nothwendigkeit, die verschiedenen Methoden 
Bergen de. at UE u 


ZWEITER THEIL. 


Studium der Arten in Bezug auf ihren Ursprung, die ersten 
Zeiten ihres Anbaues und die wichtigsten Thatsachen ihrer 
Verbreitung. 


ERSTES KAPITEL. 
Pflanzen, die ihrer unterirdischen Theile wegen, wie 
Wurzeln, Zwiebeln oder Knollen, angebaut werden . 36 
ZWEITES KAPITEL. 


Ihrer Stengel oder Blätter wegen angebaute Pflanzen , 103 
Bester Abschnitt. Gemüse, . . --. . , ..., 103 
Zweiter Abschnitt. Futterpflanzen. ..... 127 


x Inhalt. 
Seite 
Dritter Abschnitt. Verschiedene Gebrauchs- 
anwendungen der Stengel oder der Blätter. . . 145 
DRITTES KAPITEL. 
Pflanzen, welche ihrer Blüten oder der dieselben ein- 
hüllenden Organe wegen angebaut werden . . . . . 199 


ei VIERTES KAPITEL. 
Ihrer Früchte wegen angebaute Pflanzen... . RE ;; 


FÜNFTES KAPITEL. 


Ihrer Samen wegen angebaute Pflanzen . . . . . . . 393 
Erster Abschnitt. Nahrhafte Samen . . . 393 
Zweiter Abschnitt. In verschiedener Weise be- 

Rutzie DAMEN: vo ZEN AH 


DRITTER THEIL. 
Rückblick und Schlussfolgerungen. 
ERSTES KAPITEL. 
Allgemeines Verzeichniss der Arten mit Angabe ihres 
Ursprungs und der Zeitperiode ihres Culturanfangs . 553 


ZWEITES KAPITEL. 


Allgemeine Bemerkungen und Schluss . . . 566 
Erster Abschnitt. Regionen, aus welchen die 
Culturpflanzen hervorgegangen sind . . 566 


Zweiter Abschnitt. Zahl und Beschaffenheit 
der angebauten Arten seit verschiedenen Zeit- 
perioden.. .. =... 4 2/4 474 0. SOON 

Dritter Abschnitt. Culturpflanzen, die man 
im wildwachsenden Zustande kennt oder nicht 
kennt . . ER 

Vierter Abschnitt. Culturpflanzen, welche im 
Aussterben begriffen oder ausserhalb des Cultur- 

= bereichs ausgestorben ad . 2% 580 

Fünfter Abschnitt. Verschiedene Betrachtungen 581 


Register. :., . 06 wa RER 


ERSTER THEIL. 


Einleitende Bemerkungen und angewandte Methoden. 


ERSTES KAPITEL. 


In welcher Weise und in welchen Epochen der Anbau in 
verschiedenen Ländern angefangen hat. 


Die von den Dichtern ausgeschmückten Ueberliefe- 
rungen der alten Völker haben die Anfänge alles Acker- 
baues und die Einführung von Nutzpflanzen gemeinig- 
lich einer Gottheit oder wenigstens einem grossen Kaiser 
oder Inka zugeschrieben. Bei einiger Ueberlegung stellt 
sich aber eine solche Annahme als wenig wahrschein- 
lich hin und es zeigt die Beobachtung der Ackerbau- 
versuche bei den wilden Völkerschaften der Jetztzeit, 
dass die Vorfälle einen ganz andern Verlauf nehmen. 

Was die Fortschritte betrifft, welche die Civilisation 
herbeiführen, so sind ıhre Anfänge im allgemeinen 
schwach, dunkel und begrenzt. Gründe lassen sich an- 
führen, warum es sich bei den Erstlingsversuchen im 
Ackerbau oder der Gärtnerei ebenso verhält. Zwischen 
dem Gebrauche, Früchte, Samen oder Wurzeln auf dem 
Felde einzusammeln und jenem, die Gewächse, welche 
diese Erzeugnisse liefern, regelmässig anzubauen, liegen 
mehrere Stufen. Um ihre Wohnung herum kann eine 
Familie Samen ausstreuen und sich mit demselben Pro- 


DE CANDOLLE. | 1 


D Erster Theil. Erstes Kapitel. 


duct im nächsten Jahre aus dem Walde versorgen. 
Gewisse Fruchtbäume können in der Nähe einer Nieder- 
lassung auftreten, ohne dass man weiss, ob sie durch 
Menschenhand gepflanzt sind oder ob die Hütte zum. 
Zwecke ihrer Verwerthung in ihrer Nähe errichtet 
wurde. Kriege und Jagden unterbrechen häufig die 
Anbauversuche, auch Eifersucht und Mistrauen tragen 
dazu bei, dass ein Volksstamm dem andern nur lang- 
sam etwas nachahmt. Wenn irgendeine hohe Persön- 
lichkeit den Befehl erlässt, eine Pflanze anzubauen, und 
eine Feierlichkeit anordnet, um den Nutzen dieser Cul- 
tur darzuthun, darf man annehmen, dass geringe und 
unbekannte Leute schon früher davon gesprochen haben, 
angestellte Versuche bereits von Erfolg gewesen sind. 
Vor ähnlichen Kundgebungen, welche oi Aufmerksam- 
keit grösserer Kr eise auf sich zu lenken geeignet waren, 
muss "schon eine mehr oder minder lange Zeit mit ört- 
lichen und rasch vergänglichen Versuch verstrichen 
sein. Es bedurfte Snkscheidender Gründe, um diese 
Versuche zu veranlassen, sie zu wiederholen und schliess- 
lich gelingen zu lassen. Wir können dies leicht ver- 
stehen. 

Zunächst muss einem diese oder jene Pflanze zur 
Verfügung stehen, die gewisse, von allen Menschen ge- 
suchte Vorzüge darbietet. Die in der Gesittung am 
meisten zurückgebliebenen Wilden kennen die Pflanzen 
ihres Landes; bei den Australiern und Patagoniern 
sehen wir aber, dass wenn sie solche nicht für ergiebig, 
zum Anbau tauglich halten, sie auch gar nicht daran 
denken, Culturversuche mit denselben anzustellen. An- 
dere Bedingungen sind klar genug: ein nicht zu strenges 
Klima; in den wärmern Ländern keine zu anhaltende 
Dürre; ein bestimmter Grad von Sicherheit und Stetig- 
keit; schliesslich ein dringendes Bedürfniss, bedingt 
durch den Mangel an Hülfsquellen, wie Fischfang, Jagd 
oder Ertrag einheimischer Gewächse mit sehr nahrhaften 
Früchten, wie Kastanie, Dattelpalme, Banane oder Brot- 
fruchtbaum. Wenn die Menschen leben können, ohne 


Anfang der Culturen. 3 


zu arbeiten, so ziehen sie solches Leben vor. Ausser- 
dem ist das unsichere Treiben in Jagd und Fischfang 
für die noch ungesitteten, ja selbst für manche gebil- 
dete Menschen weit verführerischer als die schweren 
und regelmässigen Arbeiten des Ackerbaues. 

Ich komme auf die Arten zurück, welche. die wilden 
Völkerschaften anzubauen geneigt sein können. Bis- 
weilen finden sie dieselben im eigenen Lande, oft er- 
halten sie solehe aber auch von den benachbarten Völ- 
kern, die mehr als sie selbst durch natürliche Bedin- 
gungen begünstigt sind oder schon einen gewissen Grad 
von Gesittung angenommen haben. Wenn ein Volk 
nicht auf einer Insel oder an einem schwer zugänglichen 
Orte seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, empfängt es 
rasch anderswo entdeckte Pflanzen, deren Vorzüge ins 
Auge springen, und infolge dessen vernachlässigt es den 
Anbau mittelmässiger Arten des eigenen Landes. Die 
Geschichte zeigt uns, dass der Weizen, der Mais, die 
Batate, mehrere Hirsearten, der Taback und andere, vor- 
 züglich einjährige Gewächse, sich vor der historischen 
Zeit sehr schnell verbreitet haben. Diese guten Arten 
haben die zaghaften Versuche bekämpft und aufgehalten, 
welche man hier und da mit nicht so ergiebigen oder 
weniger empfehlenswerthen Pflanzen hat anstellen kön- 
nen. Sehen wir nicht noch heutzutage, wie in ver- 
schiedenen Ländern der Weizen den Roggen verdrängt, 
der Mais dem Buchweizen vorgezogen wird, und viele 
Hirsearten, Gemüse oder andere für den Haushalt ver- 
. werthbare Pflanzen geringer geschätzt werden, weil an- 
dere, bisweilen weither gekommene Arten mehr Vor- 
züge darbieten? Zwischen bereits angebauten und ver- 
edelten Gewächsen ist jedoch die Ungleichheit im Werthe 
keine so grosse, wie dies einst zwischen angebauten 
und andern noch vollständig wilden Pflanzen der Fall 
war. Die natürliche Züchtung — dieser grosse Factor, 
dessen so glückliche Einführung in die Wissenschaft 
Darwin’s Verdienst ist — spielt eine wichtige Rolle, 
sobald einmal der Ackerbau begonnen hat; zu allen 


1* 


4 Erster Theil. Erstes Kapitel. 


Zeiten jedoch und ganz vornehmlich bei den Cultur- 
anfängen ist die Auswahl der Arten von grösse- 
rer Wichtigkeit, als die natürliche Züchtung 
der Abarten. | 

Die verschiedenen Ursachen, welche die Erstlingsver- 
suche im Ackerbau entweder begünstigen oder hemmen, 
tragen wesentlich zur Erklärung bei, warum gewisse 
Regionen seit Jahrtausenden von Feldbauern bevölkert, 
andere von Nomaden bewohnt werden. Allem Anscheine 
nach haben sich der Reis und mehrere Hülsenfrüchte 
im südlichen Asien, die Gerste und der Weizen in Meso- 
potamien und Aegypten, verschiedene Hirsearten in 
Afrika, der Mais, die Kartoffel, die Batate und die 
Cassavepflanze in Amerika infolge ihrer ins Auge sprin- 
genden trefflichen Eigenschaften und der günstigen kli- 
matischen Verhältnisse schnell und leicht anbauen lassen. 
Auf diese Weise bildeten sich Centralpunkte, von wel- 
chen aus die Verbreitung der nützlichsten Arten weiter 
vor sich ging. Im Norden von Asien, Europa und 
Amerika ist die Temperatur keine günstige, sind die 
einheimischen Gewächse wenig ergiebig; da aber Jagd 
und Fischfang natürliche Hülfsquellen darboten, musste 
sich der Ackerbau erst spät dort einbürgern, konnte 
man die guten Arten des Südens entbehren, ohne sehr 
darunter zu leiden. Für Australien, Patagonien und 
selbst für Südafrika trifft dies aber durchaus nicht 
ein. Die Pflanzen der gemässigten Regionen unserer 
Hemisphäre konnten der grossen Entfernung wegen 
nach jenen Ländern nicht hingelangen, und die der 
intertropischen Zone waren infolge grosser Trockenheit 
oder auch durch den Mangel an hohen Temperatur- 
graden von denselben ausgeschlossen. Dazu kommt, 
dass die dort einheimischen Gewächse recht erbärmlich 
sind. Es ist wahrlich nicht allein der Mangel an In- 
telligenz oder einem gewissen Sicherheitsgefühl, welcher 
die Bewohner davon abhielt, sie anzubauen. Ihre wenig 
empfehlenswerthen Eigenschaften tragen derart dazu 
bei, dass die Europäer in den hundert Jahren ihrer 


Anfang der Culturen. 5 


Niederlassung daselbst nur eine einzige Art, die Tetra- 
gonia, ein überdies recht mittelmässiges Gemüse, der 
Cultur unterworfen haben. Wohl weiss ich, dass Sir 
Joseph Hooker! über 100 Arten von Australien ange- 
führt hat, welche in dieser oder jener Weise verwerthet 
werden können; in Wirklichkeit aber hat man sie nicht 
angebaut, und auch jetzt, tretz der so vervollkomm- 
neten Verfahrungsweisen der englischen Colonisten, denkt 
noch keiner daran, dies zu thun. Hier haben wir den 
Beweis für die ebenerwähnten Grundsätze, dass nämlich 
die Wahl der Arten über die natürliche Züchtung den 
Sieg davonträgt, dass eine wildwachsende Pflanze von 
vornherein gute Eigenschaften besitzen muss, damit die 
Menschen veranlasst werden, einen Anbauversuch mit 
ihr zu machen. 

Obgleich die Anfänge der Cultur in jeder Region in 
Dunkel gehüllt sind, steht es dennoch fest, dass sie zu 
gar verschiedenen Zeitpunkten eingetreten sind. Eins 
der ältesten Beispiele von angebauten Pflanzen ist, und 
zwar in Aegypten, eine Zeichnung in der Pyramide von 
Gizeh, welche Feigen darstellt. Der Zeitpunkt, wann 
dieses Monument errichtet wurde, ist ungewiss. Die Ge- 


schichtschreiber schwanken zwischen 1500 und 4200 Jah- 


ren vor Christi Geburt. Nimmt man etwa 2000 Jahre an, 
so ergibt dies ein wirkliches Alter von 4000 Jahren. 
Die Erbauung der Pyramiden hat aber nur von einem 
zahlreichen, bis zu einem gewissen Grade wohlorgani- 
sirten und gebildeten Volke ausgeführt werden können, 
welches demnach eine schon begründete Ackerbauwirth- 
schaft besass, die noch weiter, zum wenigsten um einige 
Jahrhunderte zurückgehen musste. In China ordnete 
2700 Jahre v. Chr. der Kaiser Chen-nung jene bekannte 
Feierlichkeit an, bei welcher man fünf Arten von Nutz- 
pflanzen, den Reis, die Sojabohne, den Weizen und 
zwei Hirsearten aussäete.? Diese Pflanzen mussten schon 


1 Hooker, Flora Tasmaniae, I, S. cx. 
2 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 7. 


Neu 


fs Fée pr 


6 Erster Theil. Erstes Kapitel. 


seit einiger Zeit und im gewissen Gegenden angebaut 
worden sein, um die Aufmerksamkeit des Kaisers der- 
art auf sich gelenkt zu haben. In China scheint dem- 
nach der Ackerbau ebenso alt zu sein wie in Aegypten. 
Die fortwährenden Beziehungen, welche letzteres Land 
mit Mesopotamien untärhielt, lassen eine fast gleich- 
zeitige Cultur in den Bar des Euphrat und Nil 
rutlimaasson. Warum könnte dieselbe in Indien und 
dem Malaiischen Archipel nicht ebenso alt sein? Die 
Geschichte der dravidischen und malaiischen Völker 
geht nicht weit zurück und ist immer noch sehr dun- 
kel, dessenungeachtet tritt nichts der Annahme ent- 
gegen, dass die Cultur dort, besonders an den Fluss- 
ufern, seit undenklichen Zeiten angefangen habe. 

Die alten Aegypter und die Phönizier haben viele 
Pflanzen in der Mittelmeerregion weiter ausgebreitet, 
und die arischen Völker, deren Wanderungen nach Eu- 
ropa 2500 oder spätestens 2000 Jahre v. Chr. anfingen, 
haben desgleichen mehrere im westlichen Asien bereits 
angebaute nen verbreitet. Wenn wir die Geschichte 
einiger Arten weiter verfolgen, sehen wir, dass man 
wahrscheinlich gewisse Pflanzen schon in Europa und 
dem nördlichen Afrika anbaute. Wir können dies 
schliessen aus den Namen einzelner Pflanzen, welche 
aus Sprachen stammen, die älter sind als die arischen, 
z. B. aus der finnischen, baskischen, berberischen oder 
jener der Guanchen Di den Canarischen Inseln). In- 
dessen haben die sogenannten Kjökkenmöddings, 
Ueberbleibsel der ehemaligen Wohnplätze Dänemarks, 
bis auf den heutigen Tag weder einen Beweis von An- 
bau noch selbst ein Zeichen von dem Besitze eines Me- 
talls geliefert.! Die Skandinavier dieser Epoche lebten 
besonders vom Fischfang, der Jagd und vielleicht neben- 
her von einheimischen Pflanzen, wie dem Kohl, welche 


1 De Nadaillac, Les premiers hommes et les temps préhistoriques, I, 
266, 268. Das Fehlen von Ackerbauspuren in diesen Ueberbleibseln wird 
mir ausserdem von Heer und Cartailhac bestätigt, welche alle beide mit 
den Entdeckungen in der Archäologie sehr vertraut sind. 


Anfang der Culturen. 74 


nicht derartig beschaffen sind, um im Dünger oder im 
Schutt Spuren zurückzulassen, und deren Anbau man 
überhaupt unterlassen konnte. Das Fehlen von Me- 
tallen lässt in diesen Ländern des Nordens nicht auf 
ein Alter schliessen, welches weiter zurückgeht als das 
Jahrhundert des Perikles oder selbst die schönen Zeiten 
der römischen Republik. Später, als die Bronze in 
Schweden, einer von den damals civilisirten Ländern 
sehr fern gelegenen Region, bekannt geworden, hatte 
auch die Einführung des Ackerbaues glücklich stattge- 
funden. Man hat in den Ueberresten dieser Epoche 
die bildliche Darstellung eines Pfluges gefunden, der 
mit zwei Ochsen bespannt ist und von einem Menschen 
geleitet wird.! 

Als die alten Bewohner der östlichen Schweiz stei- 
nerne aber keine metallene Werkzeuge besassen, wur- 
den schon mehrere Pflanzen und unter denselben einige 
asiatische, von ihnen angebaut. In seiner vortrefflichen 
Arbeit über die Pfahlbauten hat Heer? nachgewiesen, 
dass sie mit den im Süden der Alpen gelegenen Län- 
dern Verbindungen unterhielten. Auch von den Iberern, 
welche Gallien vor den Kelten in Besitz hielten, konn- 
ten sie angebaute Pflanzen erhalten haben. In dem 
Zeitraume, in welchem die Bewohner der Pfahlbauten 
der Schweiz und Savoyens die Bronze besassen, waren 
auch ihre Culturen mannichfaltiger. Es scheint selbst, 
als ob die Bewohner der italienischen Pfahlbauten zur 
Bronzezeit weniger Arten anbauten als die der savoyi- 
schen, was auf ein höheres Alter oder locale Umstände 
hindeuten mag. Die Ueberbleibsel der Pfahlbauten von 
Laibach oder des Mondsees in Oesterreich weisen auf 
einen ebenso ursprünglichen Ackerbau hin: keine Spur 
von Cerealien in Laibach und nur ein einziges Weizen- 


1 M. Montelius, nach Cartailhac, Revue, 1875, S. 237. 

2 Heer, Die Pflanzen der Pf:.ıulbauten (Zürich 1865). Vgl. den Ab- 
schnitt über Flachs. 

3 Perrin, Etude préhistorique de la Savoie (1870); Castelfranco, Notizie 
intorno alla Stazione lacustre di Lagozza, und Sordelli, Sulle piante della 
torbiera della Lagozza, in den Atti della Soc. ital. d. sc. nat., 1880. 


8 Erster Theil. Erstes Kapitel. 


korn im Mondsee.! Der in diesem östlichen Theile 
Europas so wenig vorgeschrittene Stand des Ackerbaues 
befindet sich im Widerspruch mit der auf einige Worte 
alter Geschichtsforscher gebauten Hypothese, nach wel- 
cher die Aryas zunächst in der Donauregion gewohnt 
hätten und Thrazien vor Griechenland civilisirt worden 
sei. Trotz dieses Beispiels scheint der Ackerbau in 
den gemässigten Theilen Europas älter zu sein, als 
man es den Aussagen der Griechen nach annehmen 
dürfte, die, wie manche Völker der Neuzeit, nur zu sehr 
geneigt waren, allen Fortschritt aus ihrer eigenen Nation 
hervorgehen zu lassen. 

In Amerika ist der Ackerbau vielleicht nicht ebenso 
alt wie in Asien und in Aegypten, wenn man nach dem 
Civilisationsgrade Mexicos und Perus schliessen will, 
der nicht einmal auf die ersten Jahrhunderte der christ- 
lichen Zeitrechnung zurückgeht. Die ungemein weite 
Ausbreitung einiger Culturen, wie die des Mais, des 
Tabacks und der Batate lässt jedoch einen alten Acker- 
bau von 2000 Jahren oder annähernd so viel ver- 
muthen. In diesem Falle lässt uns die Geschichte ım Stich, 
und nur durch Entdeckungen in der Archäologie und 
Geologie kann man weitere Aufklärungen erwarten. 


. 1 Much, Mittheilungen d. anthropol. Ges. in Wien, Bd. VI; Sacken, 
Sitzungsber. d. Akad. Wien, Bd. VI. Heer’s Brief über diese Arbeiten 
und ihre Recension in Nadaillae, I, 247. 


ZWEITES KAPITEL. 


Methoden, um den Ursprung der Arten zu entdecken oder 
| festzustellen. 


$ 1. Allgemeine Betrachtungen. 


Da die meisten der angebauten Pflanzen zu einer sehr 
alten Epoche und oft in einer wenig bekannten Weise 
der Cultur unterworfen wurden, muss man schon ver- 
schiedene Mittel anwenden, um sich über ihren Ur- 
sprung Gewissheit zu verschaffen. Das erheischt für 
jede Art eine ähnliche Forschung, wie die Geschicht- 
schreiber und Archäologen solche anstellen, eine For- 
schung gar verschiedenartig, bei welcher man sich bald 
dieses, bald jenes Verfahrens bedient, um diese schliess- 
lich zusammenzufassen und ihrem bezüglichen Werthe 
nach abzuschätzen. Der Naturforscher befindet sich hier 
nicht mehr in seinem gewöhnlichen Bereich von Beob- 
achtungen und Beschreibungen. Er muss sich auf 
Zeugenbeweise stützen, von welchen in den Labora- 
torien nie die Rede ist, und wenn botanische Thatsachen 
hinzugezogen werden, handelt es sich nicht um Ana- 
tomie, der man sich vorzugsweise heutzutage widmet, 
sondern um Unterscheidung der Arten und ihre geo- 
graphische Verbreitung. 

Ich muss mich somit solcher Methoden bedienen, 
welche einerseits den Naturforschern, andererseits den 
mit historischen Wissenschaften vertrauten Männern 
fremd sind. Zum Verständniss ihrer Anwendung und 
ihres möglichen Werthes will ich über jede derselben 
einige Worte sagen. 


S 2. Botanik. 


Eins der directesten Mittel, den geographischen Ur- 
sprung einer angebauten Art kennen zu lernen, besteht 


10 Erster Theil. Zweites Kapitel. F 
in dem Forschen nach dem Lande, wo sie spontan, d. h. 
im wilden Zustande, ohne Hülfe des Menschen vor- 
kommt. 

Beim ersten Blick erscheint die Sache einfach. Es 
scheint in der That, dass man sie mit Zuratheziehung 
der Floren, der Werke über die Gesammtmasse der 
Arten oder der Herbarien in jedem besondern Falle leicht 
lösen könne. Leider ist dies aber nicht der Fall, — 
diese Frage erheischt im Gegentheil ganz speciell-bo- 
tanische Kenntnisse, namentlich in der Pflanzengeogra- 
phie, desgleichen eine durch lange Erfahrung begrün- 
dete Würdigung von Botanikern und Pflanzensammlern. 
Die Gelehrten, welche sich mit Geschichte oder Aus- 
legung der alten Schriftsteller beschäftigen, laufen Ge- 
fahr, in grosse Irrthümer zu verfallen, wenn sie sich 
mit den ersten besten Belegen in einem botanischen 
Werke begnügen. Die Reisenden andererseits, welche 
Pflanzen für Herbarien sammeln, verwenden nicht immer 
die genügende Aufmerksamkeit auf die Standorte und 
besondern Umstände, unter welchen sie dıe Arten fin- 
den. Häufig versäumen sie auch das niederzuschreiben, 
was sie daraufhin beobachtet haben. Eine Pflanze kann, 
wie man weiss, von in der Nachbarschaft angebauten 
Individuen abstammen, die Vögel, die Winde u. s. w. 
können ihre Samen nach grossen Entfernungen gebracht 
haben, oder es können solche auch zuweilen im Ballast 
der Schiffe oder mit Waaren vermischt anlangen. Derlei 
Fälle zeigen sich bei den gemeinen Arten, um so viel 
mehr noch bei den angebauten Pflanzen, welche in der 
Nähe des Menschen im Ueberflusse vorhanden sind. 
Ein Sammler oder Reisender muss mit einer scharfen 
Beobachtungsgabe ausgerüstet sein, um einigermaassen 
darüber sicher zu sein, bis zu welchem Punkte eine 
Pflanze wildwachsenden Individuen entsprungen ist, die 
zur Landesflora gehören, oder einen andern Ursprung 
hat. Sobald eine Pflanze in der Nähe von Wohnplätzen, 
auf Mauern, Schutthaufen, an Landstrassen u. s. w. 
wächst, genügt dies schon, um auf der Hut zu sein. 


Botanik. 11 


Es kann ‘auch vorkommen, dass sich eine Art ausser- 
halb des Culturbereichs, selbst fern von verdächtigen 
Localitäten weiter ausbreitet und dennoch nicht von 
Bestand ist, weil sie auf die Länge der Zeit hin weder 
den klimatischen Bedingungen, noch dem Kampf mit 
den einheimischen Pflanzen widersteht. Dies nennt man 
in der Botanik eine zufällig auftretende Art. Sie er- 
scheint und verschwindet — Beweis, dass sie ım Lande 
nicht einheimisch ist. Solche Beispiele lassen sich in 
jedem Florengebiet nachweisen, erregen Befremden, so- 
bald sie in aussergewöhnlicher Menge vorkommen. So 
hatten die im Jahre 1870 von Algerien nach Frankreich 
in der Hast hinübergeschafften Truppen mit der Four- 
rage und in anderer Weise eine Menge afrikanischer 
oder mittelländischer Arten verbreitet, die als Fremd- 
linge sehr auffielen, von denen aber nach zwei oder 
drei Wintern keine Spur zurückgeblieben ist. 

Manche Sammler und Autoren von Floren haben es 
sich angelegen sein lassen, auf solche Thatsachen ganz 
_ besonders hinzuweisen, und ich glaube, dank meinen 
persönlichen Beziehungen, sowie dem fleissigen Zurathe- 
ziehen von Herbarien und botanischen Büchern, die- 
selben hinlänglich zu kennen. Bei zweifelhaften Fällen 
werde ich mich daher gern auf dieselben berufen. Bei 
einigen Ländern und Arten wandte ich mich direct an 
diese achtungswerthen Naturforscher. Ihr Gedächtniss, 
ihre Notizen, ihre Herbarıen machte ich mir zu Diensten 
und wurde durch ihre Bereitwilligkeit in Stand gesetzt, 
manche noch nicht im Druck erschienene Schriftstücke 
denen hinzuzufügen, welche man bereits in verschiede- 
nen Werken antrifft. Aufrichtigen Dank schulde ich 
für derartige Nachweise den Herren C. B. Clarke über 
die Pflanzen Indiens, Boissier über jene des Orients, 
Sagot über die Arten des französischen Guiana, Cosson 
über die von Algerien, Decaisne und Bretschneider über 
die Pflanzen Chinas, Pancie über die Cerealien Ser- 
biens, Bentham und Baker über die Herbarienexemplare 
Kews, schliesslich Herrn Eduard André über amerika- 


12 Erster Theil. Zweites Kapitel, Ri 


nische Pflanzen. Dieser so eifrige Reisende hatte die 
Freundlichkeit, mir sehr interessante Exemplare von in 
Südamerika angebauten Pflanzen zu leihen, welche von 
ihm mit allen Anzeichen einheimischer Gewächse ge- 
sammelt waren. 

Die Lösung einer andern Frage, welche man nicht 
an Ort und Stelle vornehmen kann, ist noch schwie- 
riger — ob nämlich eine wirklich wild wachsende Art, 
die alle Anzeichen der einheimischen Arten darbietet, 
seit einer sehr langen Zeit in dem Lande auftritt oder 
sich zu einer mehr oder minder jüngern Zeitperiode 
dort eingebürgert hat. 

Es gibt in der That naturalisirte Arten, d. h. solche, 
welche sich zwischen den alten Pflanzen der Flora ein- 
führen und dort halten trotz ihrer fremden Abstam- 
mung, sodass die einfache Beobachtung es nicht ermög- 
licht, sie von jenen zu unterscheiden, und man hier zu 
historischen Angaben, zu rein botanischen oder pflanzen- 
geographischen Erwägungen seine Zuflucht nehmen muss. 
In einem sehr allgemeinen Sinne kann man behaupten, 
dass fast alle Arten, besonders in den ausser den Wende- 
kreisen gelegenen Regionen einmal naturalisirt wurden, 
d. h. von einer Region in eine andere vermöge geo- 
graphischer und physikalischer Umstände übergegangen 
sind. Als ich im Jahre 1855 mit der Ansicht hervor- 
trat, dass unserer Epoche vorhergehende Bedingungen 
die meisten der auf die gegenwärtige Pflanzenverbrei- 
tung bezüglichen Thatsachen bestimmten, war dies 
der Ausdruck mehrerer der Abschnitte, die Schlussfol- 
gerung meiner zwei Bände über die Pflanzengeographie! 
— man wunderte sich ein wenig. Die Paläontologie 
führte freilich einen deutschen Gelehrten, Dr. Unger, 
vermittelst allgemeiner Gesichtspunkte zu ähnlichen Vor- 
stellungen ?, und vor ıhm hatte Edward Forbes für 
einige Arten des Südens der britischen Inseln die Hypo- 


1 Alph. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, Kap.X, S. 1055; 
Kan. X1 XIX, XIVH, 
2 Unger, Versuch einer Geschichte der Pflanzenwelt (1852). 


Botanik. 13 


these eines ursprünglichen Zusammenhangs mit Spanien 
aufgestellt.! Als aber für die Gesammtmasse der gegen- 
wärtigen Arten der Beweis geliefert wurde, dass es un- 
möglich sei, ihre Standorte vermöge der seit einigen 
Jahrtausenden vorhandenen Bedingungen zu erklären, 
rief solcher mehr Eindruck hervor, weil er sich schon 
mehr im Bereich der Botaniker befand und sich nicht 
auf etliche Pflanzen eines einzigen Landes bezog. Die 
von Forbes vorgeschlagene Hypothese, seitdem zu eine- 
allgemeinen und gewissen Thatsache geworden, ist gegenr 
wärtig einer der Gemeinplätze der Wissenschaft. Alles 
was man über Pflanzen- oder Thiergeographie schreibt, 
stützt sich auf diesen nicht mehr angefochtenen Boden. 

Bei ihrer Anwendung auf jedes Land oder jede Art 
treten einem freilich zahlreiche Schwierigkeiten ent- 
gegen, denn wenn auch eine Ursache einmal erkannt 
worden ist, so hält es nicht immer leicht, zu wissen, 
wie sie in jedem besondern Falle thätig gewesen ist. 
Bezüglich der angebauten Pflanzen machen es glück- 
 licherweise die sich darbietenden Fragen nicht nöthig, 
auf sehr alte Zeiten zurückzugehen, ganz insbesondere 
nicht auf Daten, die der Zahl der Jahre oder Jahr- 
hunderte nach nicht genau festgestellt werden können. 
Ohne Zweifel gehen die meisten der specifischen For- 
men der Gegenwart auf eine Zeit zurück, die ung ferner 
liest als die grosse Ausdehnung der Eisberge in der 
nördlichen Hemisphäre, eine Erscheinung, die viele Jahr- 
tausende gedauert haben muss, wenn man den unge- 
heuern Umfang der von den Eismassen fortgerissenen 
und mitgeführten Anhäufungen in Erwägung zieht; die 
Culturen haben aber nach diesen Vorgängen begonnen, 
in vielen Fällen sogar erst seit einer historischen Epoche. 
Wir brauchen uns kaum mit dem zu befassen, was vor- 
hergegangen ist. Die angebauten Arten können vor 


1 Forbes, On the connexion between the distribution of the existing 
fauna and flora of the British Isles with the geological changes which 
have affected their area, in: Memoirs of the Geological Survey, Bd, I 
(1846). 


14 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


ihrer Cultur ein Land mit einem andern vertauscht oder 
während einer noch längern Zeit in ihren Formen sich 
verändert haben — dies fällt in das Gebiet der allge- 
meinen Fragen über alle organischen Wesen zurück; 
bei unserer Arbeit wird es nur nöthig, jede Art zu 
untersuchen von dem Zeitpunkte ihres Anbaues an oder 
in den ihrer Cultur unmittelbar vorhergehenden Zeiten. 
Das ist eine grosse Vereinfachung. 

In zweierlei Weise kann die somit begrenzte An- 
ciennetätsfrage erörtert werden: mit Hülfe historischer 
oder anderer Angaben, von welchen ich gleich sprechen 
werde, oder vermittelst der pflanzengeographischen 
Grundlehren. 

Auf letztere will ich dem Hauptinhalte nach hin- 
weisen, um zu zeigen, in welcher Weise sie zur Ent- 
deckung des geographischen Ursprungs einer Pflanze 
beitragen können. 

Jede Art zeigt gemeiniglich einen zusammenhängen- 
den Wohnsitz oder doch annähernd. Zuweilen ist sie 
aber getrennt, d. h. die sie ausmachenden Individuen 
finden sich in voneinander entfernten Regionen vertheilt. 
Diese für die Geschichte des Gewächsreichs und der 
Landoberflächen der Erdkugel sehr interessanten Fälle 
bilden aber bei weitem nicht die Majorität. Wenn 
demnach eine angebaute Art im wilden Zustande sehr 
häufig in Europa auftritt und weniger häufig in den 
Eigen Staaten, so liegt die Wahrscheinlichkeit 
vor, sie sich n_ ihres scheinbaren Heimatrechts 
in Amerika infolge einer zufälligen Ueberführung dort 
naturalisirt habe. 

Die wenn auch meistens aus mehrern Arten zusam- 
mengesetzten Gattungen des Pflanzenreichs sind oft auf 
diese oder jene Region beschränkt. Daraus folgt, dass, 
je mehr Arten eine Gattung zählt, welche alle ein und 
demselben Welttheile angehören, es um so viel wahr- 
scheinlicher ist, dass eine dem Anscheine nach in einem 
andern Welttheile einheimische Art dorthin verschleppt 
wurde und sich daselbst naturalisirte, indem sie z. B. 


Botanik. 15 


den Culturen entsprang. Namentlich bei den Gattungen 
bewahrheitet sich dies, welche die Tropenländer be- 
wohnen, indem sie häufiger entweder auf die Alte oder 
auf die Neue Welt beschränkt sind. 

Die Pflanzengeographie lehrt uns, welche Florenge- 
biete Gattungen und selbst Arten gemein haben, trotz 
der dazwischen gelegenen Länder, und welche im Gegen- 
theil ungeachtet der klimatischen Uebereinstimmungen 
oder einer nur geringen Entfernung sehr verschieden 
sind. Sie macht desgleichen auf die Arten, Gattungen 
und Familien aufmerksam, die einen sehr weiten Wohn- 
sitz haben, und welch andere dagegen eine durchschnitt- 
lich beschränkte Ausbreitung zeigen. Diese Data tragen 
wesentlich zur Bestimmung des wahrscheinlichen Ur- 
sprungs einer Art bei. Die sich naturalisirenden Pflan- 
zen verbreiten sich sehr rasch. Früher schon! habe 
ich Beispiele aus den letzten zwei Jahrhunderten ange- 
führt und ähnliche Vorgänge sind dann von Jahr zu 
Jahr beobachtet worden. Man kennt die vor kurzem 
mit reissender Geschwindigkeit erfolgte Invasion der 
Anacharis Alsinastrum in den süssen Gewässern Eu- 
ropas, desgleichen jene vieler europäischen Pflanzen 
nach Neuseeland, Australien, Californien etc., auf 
welche in mehreren Floren oder neueren Reiseberichten 
hingewiesen wird. 

Das überaus reichliche Vorkommen einer Art ist kein 
Beweis von hohem Alter. Die trotz ihres amerikani- 
schen Ursprungs in der Mittelmeerregion so gemeine 
Agave americana und unsere Distel, welche gegenwärtig 
ungeheuere Strecken der La-Plata-Staaten bedeckt, sind 
hierfür beachtenswerthe Beispiele. Während die Invasion 
einer Art fast immer sehr rasch vor sich geht, ist das 
Aussterben im Gegentheil das Resultat eines Jahrhun- 
derte anhaltenden Kampfes gegen ungünstige Verhält- 
nisse.” 


1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, Kap. VII und X. 
2 Ebend., Kap. VIII, S. 804. 


16 Erster Theil. Zweites Kapitel. ‘ 


Welche Bezeichnung für Arten oder, um mich wissen- 
schaftlicher auszudrücken, für sich nahestehende Formen 
die geeignetste sein dürfte, stellt sich uns häufig als 
schwer zu lösende Aufgabe in der Naturgeschichte ent- 
gegen, und zwar in der Klasse der angebauten Arten 
noch mehr als bei den andern. Durch die Cultur ver- 
ändern sich diese Pflanzen. Es bemächtigt sich der 
Mensch neuer Formen, welche ihm zusagen, und ver- 
mehrt sie alsdann auf künstliche Weise durch Steck- 
linge, Pfropfen, Auswahl der Samen u. s. w. Um den 
Ursprung einer dieser Arten kennen zu lernen, muss 
man zunächst die dem Anscheine nach künstlichen For- 
men möglichst beseitigen, sein Augenmerk den andern 
zuwenden. Eine sehr einfache Erwägung dürfte bei 
dieser Wahl als Führer dienen: dass nämlich eine culti- 
virte Art Verschiedenheiten besonders in den Organen 
aufweist, welche sie zum Anbau tauglich machen. Die 
andern können unverändert bleiben oder unbedeutende 
Abänderungen erleiden, auf welche der Züchter kein 
weiteres Gewicht legt, weil sie für ihn keinen Nutzen 
darbieten. Somit muss man darauf gefasst sein, dass 
ein ursprünglicher und wilder Fruchtbaum kleine Früchte 
von nur wenig angenehmem Geschmack trägt, eine Ge- 
treideart kleine Körner hervorbringt, die wildwachsende 
Kartoffel kleine Knollen, der einheimische Taback schmale. 
Blätter u. s. w. u. s. w., man darf indessen nicht bis zu 
der Vorstellung gelangen, dass eine Art durch den Ein- 
fluss der Cultur sich Gb einer ungeheuern Ent- 
wickelung unterzogen habe, denn sicherlich würde der 
Mensch ihren Anbau gar nicht angefangen haben, wenn 
sie nicht von Anbeginn an einige nützliche oder ange- 
nehme Eigenschaften dargeboten hätte. 

: Sobald einmal die angebaute Pflanze auf den Zustand 
Bee tihat ist, welchen eine billige Vergleichung mit 
Eichen spontanen Formen eh müssen wir uns 
auch darüber vergewissern, welche "Gruppe von fast 
gleichen Pflanzen man als eine Art ausmachend zu be- 
zeichnen für geeignet hält. Hierüber ein Urtheil zu 


Archäologie und Paläontologie. 17 


fällen, sind allein die Botaniker befugt, weil sie die 
Verschiedenheiten und Aehnlichkeiten abzuschätzen pfle- 
gen, ihnen die Verwirrung gewisser Arbeiten hinsichtlich 
der Nomenclatur nicht unbekannt ist. Es ıst hier nicht 
der Ort, sich weiter darüber auszulassen, was man mit 
Recht als Art bezeichnen kann. In einigen Artikeln 
meiner Arbeiten wird man die Grundsätze niedergelegt 
finden, welche mir hierfür die besten scheinen. Da ihre 
Anwendung häufig Beobachtungen nöthig machen würde, 
welche noch nicht gemacht worden sind, habe ich den 
Weg eingeschlagen, beinahe specifische Formen zuweilen 
in einer Gruppe zu unterscheiden, welche mir eine Art 
auszumachen scheint, und habe ich dann nach dem geo- 
graphischen Ursprung dieser Formen geforscht, als ob 
sie wirklich specifisch wären. 

Mit wenig Worten: die Botanik bietet sehr schätzens- 
werthe Mittel, den Ursprung der angebauten Pflanzen 
zu errathen oder festzustellen und Irrthümer dabei zu 
vermeiden. Man muss sich übrigens überzeugt halten, 
dass die Beobachtungen auf dem Terrain und im Stu- 
dirzimmer Hand in Hand gehen müssen. Zuerst kommt 
der Sammler, welcher die Pflanzen in einer Gegend oder 
einer Region sieht und welcher vielleicht eine Flora 
oder einen Artenkatalog verfasst, dann muss man die 
geographische Verbreitung, sei solche bekannt oder ge- 
muthmasst, nach Büchern und Herbarien prüfen, sich 
ferner die Grundsätze der Pflanzengeographie, sowie die 
Fragen bezüglich der Klassifikation vergegenwärtigen, 
was weder beim Reisen noch Sammeln geschehen kann. 
Andere Forschungen, auf welche ich jetzt zu sprechen 
kommen werde, müssen mit den botanischen verbunden 
werden, um befriedigende Schlüsse zu erzielen. 


$ 3. Archäologie und Paläontologie. 
Der möglichst directeste Beweis von dem frühen Auf- 


treten einer Art in einem Lande besteht in dem Auf- 


DE CANDoOLLE, 2 


18 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


finden erkennbarer Fragmente in alten Gebäuden oder 
alten Ablagerungen, deren Alter mehr oder minder ge- 
wiss ist. | 

Die Früchte, Samen und verschiedenen Pflanzenbruch- 
stücke, welche den Gräbern des alten Aegypten ent- 
stammen, die Zeichnungen, welche sie in den Pyramiden 
einfassen, wurden die Veranlassung zu sehr wichtigen 
Untersuchungen, auf welche ich oft hinweisen werde. 
Hierbei liegt freilich eine Möglichkeit zum Irrthum vor: 
die des betrügerischen Einschmuggelns von neuern Pflan- 
zen in die Mumiensärge. Leicht hat man solche er- 
kannt, sobald es sich beispielsweise um Maiskörner, eine 
Pflanze amerikanischen Ursprungs, handelte, die von den 
Arabern heimlich hineingelest waren; man kann aber 
auch Arten beigefügt haben, die seit zwei- oder drei- 
tausend Jahren in Aegypten angebaut waren und welche 
dann ein zu hohes Alter zu haben scheinen. Die Tu- 
muli oder Mounds von Nordamerika, die Denkmäler der 
alten Mexicaner und Peruaner haben Belege über die 
Pflanzen geliefert, welche man in jenem Welttheile an- 
baute. Hier handelt es sich also um jüngere Zeit- 
perioden als jene der ägyptischen Pyramiden. 

Auch über die Fundstätten der schweizer Pfahlbauten 
oder Palafitten wurden bedeutende Arbeiten veröffent- 
licht, unter welchen die bereits erwähnte von Heer in 
erster Reihe genannt zu werden verdient. Aehnliche 
Abhandlungen sind über die Pflanzenüberreste geschrie- 
ben worden, welche man in andern Seen oder Torf- 
mooren der Schweiz, Savoyens, Deutschlands und Ita- 
liens aufgefunden hat. Bei Besprechung mehrerer Arten 
werde ich auf sie zurückkommen. Dr. Gros hatte. die 
Gefälligkeit, mir Früchte und Samen mitzutheilen, welche 
den Pfahlbauten des Neuenburgersees entnommen waren, 
und mein College, Professor Heer, theilte mir freund- 
lichst einige Angaben mit, die in Zürich nach der Ver- 
öffentlichung seiner Arbeit gesammelt waren. Ich habe 
schon erwähnt, dass die als Kjökkenmöddings bekannten 


Geschichte. 19 


Fundstätten in den skandinavischen Ländern keine Spur 
von angebauten Pflanzen geliefert haben. 

Die Tuffsteine des südlichen Frankreichs enthalten 
Blätter und andere Pflanzenreste, welche von den Herren 
Martins, Planchon, de Saporta und andern Gelehrten 
bestimmt wurden. Vielleicht geht ihr Alter nicht immer 
weiter zurück als das der ersten Fundstätten der Pfahl- 
bauten und stimmt möglicherweise mit dem Alter ägyp- 
tischer Denkmäler und alter chinesicher Bücher überein. 
Schliesslich tragen die Erzschichten, welche ein beson- 
deres Studium für die Geologen ausmachen, schon viel 
zur Aufklärung über die Reihenfolge der Pfanzenfor- 
men in verschiedenen Ländern bei; es handelt sich dann 
aber um Zeitabschnitte, die dem Ackerbau weit vorher- 
gingen, und es würde ein eigenthümlicher und sicher- 
lich kostbarer Zufall sein, wenn man in der tertiären 
Epoche Europas eine gegenwärtig angebaute Art ent- 
deckte. Dies ist bisjetzt in einer über allen Zweifel 
erhabenen Weise nicht eingetreten, wenn auch nicht an- 
gebaute Arten in den Lagern erkannt wurden, die un- 
serer Eisperiode auf der nördlichen Hemisphäre vorher- 
gingen. Wenn man übrigens auch nicht dahin gelangt, 
solche zu entdecken, werden die Folgerungen nicht 
weniger verständlich sein, insofern man sagen könnte: 
jene Pflanze ist später von einer andern Region ange- 
langt, oder auch: sie hatte einst eine verschiedene Ge- 
stalt, welche es nicht ermöglichte, sie in den Fossilien 
wiederzuerkennen. 


S 4. Geschichte. 


Die historischen Documente sind für den Zeitpunkt 
gewisser Culturen in jedem Lande von Wichtigkeit. Sie 
liefern auch Angaben über den geographischen Ursprung 
der Pflanzen, wenn solche durch Wanderungen alter 
Völker, Reisen oder militärische Expeditionen fortge- 
pflanzt wurden. 


D + 


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D, tnt 


æ 


20 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


[ Ohne Prüfung darf man indessen die Behauptungen 
der Schriftsteller nicht annehmen. 

Die meisten der alten Geschichtschreiber haben die 
Thatsache von dem Anbau einer Art in einem Lande 
mit derjenigen ihres frühern Wohnsitzes im wilden Zu- 
stande verwechselt. Gemeiniglich hat man, selbst noch 
zu unsern Tagen, von einer in Amerika oder in China 
angebauten Art behauptet, dass sie Amerika oder China 
bewohne. Ein ebenso häufiger Irrthum war derjenige, 
eine Art in einem Lande für einheimisch anzusehen, 
weil man sie von da und nicht von dem wirklichen 
Heimatlande erhalten hatte. So nannten die Griechen 
und Römer den Pfirsich persischen Apfel, weil sie ihn 
in Persien angebaut gesehen hatten, woselbst er aber 
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wild vorkam, da er 
vielmehr in China ursprünglich zu Hause ist, wie ich dies 
neuerdings nachgewiesen habe. Als Apfel von Kar- 
thago (Malum.punicum) bezeichneten sie die Granate, 
welche sich von Persien nach Mauritanien schrittweise 
in den Gärten verbreitet hatte. Um so viel mehr haben 
sich sehr alte Schriftsteller wie Berosus und Herodot 
irren können, wenn sie äuch noch so sehr wünschten, 
genaue Angaben zu machen. 

Bei Besprechung des Mais werden wir Gelegenheit 
haben zu sehen, dass historische Schriftstücke, die von 
einem Ende bis zum andern gefälscht sind, über den. 
Ursprung einer Art irreleiten können. Das ist seltsam, 
denn wenn es sich um eine auf den Anbau bezügliche 
Thatsache handelt, dürfte man annehmen, dass niemand 
ein Interesse daran hat, die Unwahrheit zu sagen. 
Glücklicherweise tragen die botanischen oder archäo- 
logischen Merkmale dazu bei, derartige Irrthümer von 
vornherein zu muthmassen. 

Die Hauptschwierigkeit — diejenige, welche sich 
meistens bei den alten Geschichtschreibern darbietet, 
besteht in der genauen Uebersetzung der Pflanzen- 
namen, welche in ihren Büchern meistens volksthüm- 
liche sind. Bald werde ich auf den Werth dieser Na- 


t 


Geschichte. 91 


men, auf die Hülfsquellen der Sprachforschung bei den 
uns beschäftigenden Fragen zu sprechen kommen; zuvor 
dürfte aber anzugeben sein, welche historischen Kennt- 
nisse beim Studium der angebauten Pflanzen die nütz- 
lichsten sind. 

Der Ackerbau ist vor alters, zum mindesten was die 
Hauptarten betrifft, aus drei grossen Regionen hervor- 
gegangen, wo gewisse Pflanzen wuchsen und welche in 
gar keiner Beziehung zueinander standen. Es sind: 


China, der Südwesten von Asien (mit Aegypten ver- | 


einigt) und das intertropische Amerika. Hiermit soll 


nicht gesagt sein, dass in Europa, in Afrika oder an- | 
derswo wilde Völker nicht schon zu einer sehr frühen | 


Epoche einige Arten in beschränkter Weise als Zubehör 
zur Jagd oder dem Fischfang anbauten; die grossen, 
auf den Ackerbau sich stützenden Bildungsstufen aber 
haben in den drei bezeichneten Regionen ihren Anfang 
genommen. Höchst bemerkenswerth ist es, dass sich 
in der Alten Welt die ackerbautreibenden Nationen be- 
sonders an den Flussufern bildeten, während dies in 
Amerika auf den Hochebenen von Mexico und Peru der 
Fall war. Vielleicht muss man dies dem ursprüng- 
lichen Standorte der zum Anbau geeigneten Pflanzen 
zuschreiben, denn jedenfalls sind die Ufer des Mississippi, 
des Orinoco und des Amazonas nicht ungesunder als 
die der Flüsse der Alten Welt. 

Hier einige Worte über jede dieser drei Regionen. 

China besass schon seit Tausenden von Jahren einen 
blühenden Acker- und selbst Gartenbau, als es durch 
die Gesandtschaft des Chang-Kien unter der Regierung 
des Kaisers Wu-ti im 2. Jahrhundert vor der christ- 
lichen Zeitrechnung zum ersten mal mit dem westlichen 
Asien in Verbindung trat. Aus den Pent-sao genannten 
Sammlungen, welche zur Zeit uusers Mittelalters ge- 
schrieben wurden, ersieht man, dass Chang-Kien die 
Pferdebohne, die Gurke, die Luzerne, den Safran, den 
Sesam, den Nussbaum, die Erbse, den Spinat, die 
Wassermelone und andere, den Chinesen damals unbe- 


Dr 


22 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


kannte Pflanzen aus dem Westen! mit sich brachte. 
Er war somit mehr als ein gewöhnlicher Gesandter, 
denn auch die geographischen Kenntnisse, die wirth- 
schaftlichen Zustände seiner Landsleute wurden durch 
ihn wesentlich erweitert und verbessert. Freilich hatte 
man ihn gezwungen, 10 Jahre im Westen zu verweilen, 
und gehörte er einem bereits civilisirten Volke an, bei 
an ein Kaiser 2700 Jahre v. Chr. den Anka ei- 
niger Pflanzen mit grossartigen Feierlichkeiten umgeben 
hatte. Die Mongolen waren zu ungesittet und kamen 
aus einem zu kalten Lande, als dass sie viele Nutz- 
pflanzen nach China hätten einführen können; beim 
Forschen nach dem Ursprung des Pfirsich- und Apri- 
kosenbaumes sehen wir aber, dass diese Bäume von 
China aus nach dem westlichen Asien gebracht wurden, 
und zwar wahrscheinlich durch vereinzelte Reisende, 
Kaufleute oder andere, deren Weg im Norden des Hi- 
malaja lag. Einige Arten haben sich in derselben Weise 
von Westen nach China schon vor der Gesandtschaft 
des Chang-Kien verbreiten können. 

Die regelmässigen Verbindungen Chinas mit Indien 
haben erst zu Lebzeiten dieses Gesandten angefangen 
und zwar auf der abgelegenen Strasse von Baktrien?, 
es können aber auch Uebertragungen von Ort zu Ort 
von der Malaiischen Halbinsel oder Cochinchina aus 
stattgefunden haben. Den Gelehrten, welche im Norden 
Chinas thätig waren, haben solche um so viel mehr un- 
bekannt Elena en weil die südlichen Provinzen 
erst im 2. Jahrhundert v. Chr. dem Kaiserreich einver- 
leibt wurden.? 3 

Japans erste Beziehungen mit China fanden gegen 
das Jahr 57 unserer Zeitrechnung durch die Mission 
eines Gesandten statt, und die Chinesen besassen nicht 
vor dem 3. Jahrhundert, zur Zeit der Einführung der 


Bretschneider, a. a. O., S. 15. 
Ebend. 
Ebend., S. 23. 


1) nm 


“ 


Geschichte. 23 


chinesischen Schreibkunst nach Japan, genaue Kennt- 
niss von ihren östlichen Nachbarn.! 

Die weite vom Ganges nach Armenien und dem Nil 
sich ausdehnende Region hat früher nicht so abgeson- 
dert dagelegen wie China. Ihre Völker haben ange- 
baute Pflanzen nicht nur von Platz zu Platz mit grosser 
Leichtigkeit ausgetauscht, sondern sie auch weiter ge- 
bracht. Es genügt, daran zu erinnern, dass frühere 
Wanderungen oder Eroberungen die turanischen, arischen 
und semitischen Völker zwischen dem Kaspisee, Meso- 
potamien und dem Nil ohne Unterlass vermischt haben. 
Grosse Staaten bildeten sich ungefähr zu derselben Zeit 
an den Ufern des Euphrat und in Aegypten; ihnen 
gingen aber Volksstämme vorher, welche schon gewisse 
Pflanzen anbauten. Der Ackerbau ist in dieser Region 
ältern Datums als Babylon und die ersten ägyptischen 
Dynastien, deren Alter auf über 4000 Jahre hinausgeht. 
Die assyrischen und ägyptischen Kaiserreiche stritten 
dann um die Oberherrschaft, und wurden bei ihren 
Kämpfen Völkerschaften von einem Orte zum andern 
geleitet, was nur dazu beitragen konnte, die angebauten 
Pflanzen weiter auszubreiten. Andererseits haben sich 
die arischen Völker, welche ursprünglich im Norden von 
Mesopotamien ein für den Ackerbau wenig günstig ge- 
legenes Land bewohnten, nach Westen und Süden weiter 
ausgebreitet, indem sie die turanischen und dravidischen 
Nationen zurückdrängten oder unterwarfen. Ihre Sprache 
und ganz insbesondere die in Europa und Indien davon 
abgeleiteten, liefern den Beweis, dass sie mehrere Arten 
von Nutzpflanzen gekannt und weiter mit sich fortge- 
führt haben.” Nach diesen sehr alten Vorgängen, deren 


1 Atsuma-gusa. Recueil pour servir à la connaissance de l’extr&me 
Orient, publié par Fr. Turretini, VI, 200, 293. 

2 Ich möchte den Naturforschern, welche sich nicht speciell mit die- 
sen Fragen beschäftigt haben, zwei ausgezeichnete Résumés über die 
gegenwärtige Kenntniss des Orients und Aegyptens aufs wärmste an- 
empfehlen, nämlich: „Manuel de l’histoire ancienne de l’Orient‘ von 
François Lenormand, deutsch von Busch (3 Bde., Leipzig 1871—72) und 
„LW’Histoire ancienne des peuples de l’Orient‘, von Maspero, deutsch von 
Pietschmann (Leipzig 1877). 


24 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


genauer Zeitpunkt meistens unermittelt bleibt, haben 
die Seereisen der Phönizier, die Kriege zwischen den 
Griechen und Persern, der Zug Alexander’s bis nach 
Indien und schliesslich die römische Oberherrschaft die 
Verbreitung der Culturen nach dem Innern des west- 
lichen Asiens und selbst ihre Einführung nach Europa 
und dem Norden von Afrika, überallhin wo das Klima 
nicht hemmend entgegentrat, vollends bewerkstellist. 
Später, zur Zeit der Kreuzzüge, konnte man nur noch 
sehr wenige Nutzpflanzen aus dem Orient heimbringen. 
Damals gelangten nach Europa einige Varietäten von 
Fruchtbäumen, welche die Römer nicht besassen, sowie 
verschiedene Zierpflanzen. 

Mit der Entdeckung Amerikas ım Jahre 1492 schliessen 
die wichtigen Vorgänge ab, welche die Verbreitung der 
angebauten Pflanzen nach allen Ländern hin ermöglich- 
ten. Zunächst sind es die amerikanischen Arten, wie 
Kartoffel, Mais, indianischer Feigencactus, Taback u. s. w., 
welche nach Europa und Asien gebracht wurden. Dar- 
auf wurde eine Menge von Arten der Alten Welt nach 
Amerika eingeführt. Durch die Reise des Magelhaens 
(1520—21) wurde die erste directe Verbindung zwischen 
Südamerika und Asien herbeigeführt. In demselben 
Jahrhundert vermehrte der Sklavenhandel die Beziehun- 
gen zwischen Afrika und Amerika. Endlich haben die 
Entdeckung der Südseeinseln im 18. Jahrhundert, die 
zunehmende Leichtigkeit der Verkehrsmittel, verbunden 
mit den allerseits hervortretenden Verbesserungsbestre- 
bungen, die allgemeinere Verbreitung der Nutzpflanzen 
herbeigeführt, wovon wir heutzutage Zeugen sind. 


S 5. Sprachforschung. 


Die volksthümlichen Namen der angebauten Pflanzen 
sind meistens sehr bekannt und vermügen über die Ge- 
schichte einer Art Auskunft zu geben, es kommen aber 
auch Beispiele vor, wo dieselben ungereimt sind, auf 
Irrthümern beruhen oder sich als nichtssagend und an- 


Sprachforschung. 29 


fechtbar hinstellen, sodass ihre Anwendung grosse Vor- 
sicht erheischt. 

Viele solcher abgeschmackten Namen, die allen 
Sprachen. entlehnt sind, könnte ich hier anführen, es 
möge aber genügen, auf folgende hinzuweisen: 

Im Französischen nennt man den Mais blé de Turquie 
(türkischer Weizen), obgleich er nichts mit Weizen ge- 
mein hat und aus Amerika stammt. 

In der englischen Sprache heisst der Erdapfel (He- 
lianthus tuberosus) Jerusalem artichoke, trotzdem er nicht 
von Jerusalem kommt, sondern von Nordamerika, und 
keine Artischoke ist. 

Im Deutschen wird der Bocksbart (Tragopogon) auch 
Haferwurzel genannt.! 

Eine Menge von Namen, welche die Europäer bei 
ihrer Niederlassung in den Colonien den ihnen fremden 
Pflanzen beilegten, bringen falsche oder nichtssagende 
Aehnlichkeiten zum Ausdruck. So ähnelt der neusee- 
ländische Flachs so wenig wie möglich dem Flachs, nur 
dass aus seinen Blättern ein spinnbarer Stoff gewonnen 
wird. Der pomme d’Acajou (im Deutschen sagt man 
Acajoubaum) von den französischen Antillen ist nicht 
die Frucht eines Apfelbaums, selbst nicht einmal einer 
Pomacee und steht in keiner Beziehung zu dem echten 
Acajou (Swietenia). 

Zuweilen haben sich die volksthümlichen Namen beim 
Uebergange von einer Sprache in die andere derartig 
verändert, dass ihnen eine falsche oder lächerliche Be- 
deutung anhaftet. So wurde der Baum von Judäa, den 
die Franzosen Cercis Siliquastrum nennen, von den Eng- 
ländern in Judas-tree umgetauft (wie er auch im Deut- 
schen Judasbaum heisst). Die von den Mexicanern 
Ahuaca genannte Frucht ist zum Avocat der franzö- 
sischen Colonisten geworden. 


1 „Nach dem, was Dr. Ascherson mir mittheilt, ist Hafer eine Ent- 
artung des Wortes Haber (Bock), der Name war somit das Aequivalent 
von Tragopogon; Haferwurzel ist aber immerhin eine lächerliche Be- 
zeichnung, weil man im Deutschen Hafer für Avena gebraucht.“ (Vom 
Verfasser dem Uebersetzer mitgetheilte Anmerkung.) 


26 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


Häufig sind Pflanzennamen von demselben Volke in 
aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten oder in verschie- 
denen Provinzen bald als Gattungs- und bald als Arten- 
namen benutzt worden. Beispielsweise kann -b/é (Wei- 
zen) entweder mehrere Arten der Gattung Triticum, ja 
selbst sehr verschiedenartige Nährpflanzen (Mais und 
Weizen) bezeichnen oder auch eine ganz bestimmte 
Weizenart. 

Manche volksthümliche Namen sind durch Irrthümer 
oder aus Unwissenheit von einer Pflanze auf die an- 
dere übergeführt worden. Die von alten Reisenden 
verursachte Verwirrung zwischen der Batate (Convol- 
vulus Batatas) und der Kartoffel (Solanum tuberosum) 
hat den Gebrauch nach sich gezogen, die Kartoffel im 
Englischen Potatoe und im Spanischen Patatas zu 
nennen. 

Wenn der neuern Zeit angehörige civilisirte Völker, 
denen es leicht gemacht wird, die Arten zu vergleichen, 
ihren Ursprung kennen zu lernen, die Namen in den 
Büchern zu prüfen, sich schon ähnlicher Irrthümer schul- 
dig gemacht haben, so liegt die Wahrscheinlichkeit vor, 
dass die Alten deren noch mehr machten, in noch grö- 
bere verfielen. Die Gelehrten entfalten eine unendliche 
Weisheit, um den sprachlichen Ursprung eines Namens 
oder seine Abänderungen in den abgeleiteten Sprachen 
zu erklären, für die Fehler aber oder die im Volke ge- 
bräuchlichen Ungereimtheiten vermögen sie keine Er- 
klärung zu bieten. Schon viel eher werden solche von 
den Botanikern errathen oder erklärt. Beiläufig wollen 
wir hier bemerken, dass die Doppelnamen oder die zu- 
sammengesetzten die verdächtigsten sind. Sie können 
zwei Irrthümer enthalten, den einen in der Wurzel oder 
dem Hauptnamen, den andern in dem Zusatz oder Neben- 
wort, welches fast immer dazu bestimmt ist, einen geo- 
graphischen Ursprung, eine ins Auge fallende Eigen- 
schaft, oder irgendwelche Vergleichung mit andern Arten 
zum Ausdruck zu bringen. Je kürzer ein Name ist, 
um so mehr verdient er bei der Frage nach dem Ur- 


Sprachforschung. 97 


sprung oder dem Alter berücksichtigt zu werden, denn 
im Gefolge der Jahre, der Völkerwanderungen und des 
Pflanzentransports stellen sich häufig innige Beinamen 
ein. In den sinnbildlichen Schriften, wie jenen der 
Chinesen und Aegypter, lassen die alleinstehenden und 
einfachen Zeichen schon seit alters her bekannte Arten 
vermuthen, die keinen fremden Ländern entstammen, 
während dagegen die zusammengesetzten Zeichen ver- 
dächtig sind oder einen fremden Ursprung andeuten. 
Dabei darf man indess nicht ausser Acht lassen, dass 
die Zeichen häufig Bilderräthsel waren, die sich auf 
zufällige Aehnlichkeiten von Wörtern oder auch auf 
abergläubische und überspannte Vorstellungen stützten. 

Die Uebereinstimmung eines volksthümlichen Namens 
für eine Art in mehreren Sprachen kann zwei gar ver- 
schiedene Bedeutungen haben. Sie kann daraus ent- 
stehen, dass eine Pflanze von einem Volke mitgeführt 
wurde, welches sich getrennt und zerstreut hat. Sie 
kann aber auch davon herrühren, dass eine Pflanze von 
einem Volke einem andern mit dem Namen des Hei- 
matlandes überliefert worden ist. Ersterer Fall tritt 
beim Hanf ein, dessen Name, wenigstens in Bezug auf 
seine Wurzel, in allen von den ursprünglichen Aryas 
abgeleiteten Sprachen ein ähnlicher ist. Der zweite 
Fall zeigt sich bei dem amerikanischen Namen des Ta- 
backs und dem chinesischen des Thees, die sich in un- 
zähligen Ländern weiter verbreitet haben, ohne dass 
diese in irgendeinem linguistischen oder ethnographi- 
schen Zusammenhange stehen. Dieser Fall hat sich 
häufiger in der Neuzeit als im Alterthume dargeboten, 
weil die Schnelligkeit der Verbindungen es heutzutage 
ermöglicht, eine Pflanze und ihren Namen zu gleicher 
Zeit selbst nach grossen Entfernungen hin einzu- 
führen. 

Die Verschiedenheit der Namen für ein und dieselbe 
Art kann aus gar mannichfaltigen Ursachen entspringen. 
Im allgemeinen weist sie auf ein sehr frühes Vorkom- 
men in verschiedenen Ländern hin, sie kann aber auch 


28 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


aus der Vermischung der Völker herrühren oder durch 
Namen von Varietäten, welche sich den ursprünglichen 
Namen anmaassen, herbeigeführt sein. So kann man in 
England, je nach den Grafschaften, einen celtischen, 
sächsischen, dänischen oder lateinischen Namen antreffen, 
und in Deutschland finden wir für ein und dieselbe 
Pflanze die Namen Flachs und Lein, welche augen- 
scheinlich verschiedenen Ursprungs sind. 

Will man sich der volksthümlichen Namen bedienen, 
um denselben gewisse Wahrscheinlichkeiten über den 
Ursprung der Arten zu entlehnen, so müssen Wörter- 
bücher und philologische Abhandlungen zu Rathe ge- 
zogen werden, dabei darf man aber die Möglichkeit 
nicht ausser Augen lassen, dass diese Gelehrten, welche 
weder Ackerbauer noch Botaniker waren, sich in der 
Anwendung eines Namens für eine Art geirrt haben 
können. 

Die bedeutendste Zusammenstellung von volksthüm- 
lichen Namen ist die von Nemnich!, welche 1793 ver- 
öffentlicht wurde. Ich besitze eine andere, noch aus- 
gedehntere im Manuscript, die in unserer Bibliothek 
von meinem frühern Schüler Moritzi mit Hülfe von 
Floren und mehrern botanischen Reisewerken redigirt 
wurde. Ausserdem gibt es Wörterbücher, die sich mit 
den Artennamen dieses oder jenes Landes oder einer 
besondern Sprache befassen. Derartige Sammlungen 
enthalten nicht oft Erklärungen über die Abstammung 
der Wörter; ein mit guter allgemeiner Bildung ausge- 
rüsteter Naturforscher aber, mag nun Hehn? sagen was 
er will, vermag die Verwandtschaftsgrade oder die Grund- 
verschiedenheiten gewisser Namen in den verschiedenen 
Sprachen zu erkennen, ohne dabei die modernen Sprachen 
mit den alten zu verwechseln. Hierzu braucht man 
nicht mit den spitzfindigen Unterschieden der Suffixe 


1 Nemnich, Allgemeines Polyglotten - Lexicon der Naturgeschichte 
(2 Bde.). 

2 Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien 
(3. Aufl., 1877). 


Sprachforschung. 29 


und Affixe, der Lippen- und Zahnlaute vertraut zu sein. 
Zweifelsohne vermag ein Philolog besser und weiter in 
die Etymologien einzudringen, bei den Untersuchungen 
über die angebauten Pflanzen ist dieses aber nur selten 
erforderlich. Andere Kenntnisse, besonders die der 
reinen Botanik, sind weit nützlicher, solche gehen den 
Philologen mehr ab, als die Sprachforschung den Natur- 
forschern, und zwar aus dem sehr klar liegenden Grunde, 
dass man im Unterrichtswesen den Sprachen mehr Ge- 
wicht beilegt als den Naturwissenschaften. Es scheint 
mir auch, dass die Sprachforscher, namentlich solche, 
welche sich mit dem Sanskrit beschäftigen, auf das 
Suchen nach Etymologien bei jedem Namen zu viel 
Werth legen. Sie denken nicht genug an den mensch- 
lichen Unverstand, durch welchen zu allen Zeiten ab- 
geschmackte, schwach begründete, aus irrigen oder aber- 
gläubischen Vorstellungen hergeleitete Namen ins Leben 
gerufen wurden. 

Die Abstammung der neuern europäischen Sprachen 
ist jedermann bekannt. Die der alten Sprachen ist seit 
einem halben Jahrhundert Gegenstand wichtiger Arbeiten 
geworden. An dieser Stelle weiter hierauf einzugehen, 
ist mir nicht möglich. Genüge es, daran zu erinnern, 
dass alle jetzigen europäischen Sprachen ihren Ursprung 
von der Sprache der westlichen Arier ableiten, die aus 
Asien kamen; Ausnahmen hiervon machen die baskische 
(vom Iberischen abgeleitet), die finnische, türkische und 
ungarische Sprache, in welche sich überdies viele Worte 
arischen Ursprungs eingeführt haben. Andererseits stam- 
men mehrere Sprachen, die gegenwärtig in Indien, auf 
Ceylon und Java geredet werden, vom Sanskrit der 
östlichen Arier, die später als die Arier des Westens 
von Centralasien ausgingen. Mit ziemlicher Wahrschein- 
lichkeit muthmaasst man, dass die ersten Westarier 
2500 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Europa an- 
kamen, und die Ostarier in Indien etwa tausend Jahre 
später. 

Das Baskische (oder Iberische), die Sprache der 


30 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


Guanchen von den Canarischen Inseln, welche einige 
Pflanzennamen enthält, und das Berberische, standen 
wahrscheinlich mit de alten Sprachen des Nordens von 
Afrika in Verbindung. 

In vielen Fällen sich die Botaniker veranlasst, 
volksthümliche Namen zu beanstanden, welche von Rei- 
senden, Historikern und Philologen manchen Pflanzen 
Réelest wurden. Das geschieht infolge der Zweifel, 
welche sie selbst hegen bei Unterscheidung der Arten 
und der ihnen wohlbekannten Schwierigkeit, sich des 
volksthümlichen Namens einer Pflanze zu vergewissern. 
Die Ungewissheit wird um so viel grösser, wenn es sich 
um Arten handelt, die leichter miteinander zu verwech- 
seln, weniger allgemein bekannt sind, oder auch um 
Sprachen von wenig civilisirten Nationen. Von diesem 
Gesichtspunkte aus gibt es gewissermassen Abstufungen 
zwischen den Sprachen, und die Namen müssen mehr 
oder weniger gemäss diesen Abstufungen angenommen 
werden. 

Was Gewissheit anbelangt, so stehen die Sprachen 
obenan, welche botanische Werke besitzen. Thatsäch- 
lich kann man eine Art mit Hülfe einer griechischen 
Beschreibung von Dioscorides oder Theophrast und 
selbst der weniger ausführlichen lateinischen Texte von 
Cato, Columella oder Plinius wiedererkennen. Die chi- 
nesischen Bücher geben auch Beschreibungen. Ihr Stu- 
dium ist von Dr. Bretschneider, Arzt der ‚russischen 
Gesandtschaft in Peking, eifrig betrieben und ich werde 
auf die von ihm veröffentlichten Arbeiten häufig zurück- 
kommen.! 

Dann kommen die Sprachen, welche eine nur aus 
Werken der Theologie, Poesie oder Chroniken über 
Könige und Schlachten zusammengesetzte Literatur ent- 


1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works 
with notes on the history of plants and geographical botany from Chi- 
nese sources (51 S. mit Abbildungen, Foochoo, ohne Jahreszahl, die 
Vorrede ist aber datirt vom December 1870). — Notes on some botanical 
questions (14 S., 1880). 


he 
ir 


Sprachforschung. 31 


halten. Solche Werke erwähnen hier und da Pflanzen, 
welchen Beiwörter oder Bemerkungen über ihre Blüte- 
zeit, Reife, Anwendung u. s. w. angefügt sind, wodurch 
man befähigt wird, einen Namen richtig zu verstehen, 
ihn auf die botanische Nomenclatur der Gegenwart zu- 
rückzuführen. Hilft man sich ausserdem mit Kennt- 
nissen über die Landesflora, mit volksthümlichen Namen 
in den Sprachen, welche aus der alten abgeleitet sind, 
so gelingt es einem in mehr oder minder befriedigender 
Weise, den Sinn einiger Wörter festzustellen. Dies ist 
bei dem Sanskrit!, dem Hebräischen? und Aramäischen? 
geschehen. 

Eine dritte Klasse der alten Sprachen vermag schliess- 
lich gar keine Sicherheit darzubieten, sondern nur Ver- 
muthungen oder ziemlich seltene hypothetische Angaben. 
Das ist die der Sprachen, von welchen man kein Schrift- 
werk kennt, wie das Celtische mit allen seinen Dia- 
lekten, das Altslawische, das Pelasgische, das Iberische, 
die Sprache der ursprünglichen Aryas, der Turanen 
u. s. w. Durch zwei Verfahrungsweisen, denen aber 
beiden nicht zu trauen ist, lassen sich gewisse Namen 
oder ihre annähernde Form in diesen alten Sprachen 
muthmassen. 


. 1 Das Wörterbuch von Wilson enthält Pflanzennamen, die Botaniker 
verlassen sich aber mehr auf die von Roxburgh in seiner Flora indica 
(3 Bde., 1832) und in Piddington’s Specialwörterbuch: English Index to 
the plants of India (Kalkutta 1832) angegebenen Namen. Die Gelehrten 
behaupten freilich, in den Originalwerken eine grössere Anzahl von Na- 
men zu entdecken, sie vermögen aber nicht die Bedeutung dieser Namen 
hinreichend nachzuweisen. Im allgemeinen geht dem Sanskrit das ab, 
was wir für das Hebräische, Griechische und Chinesische besitzen — das 
in neuere Sprache übersetzte Citat — die auf jedes Wort sich beziehenden, 
eigenthümlichen Ausdrucksweisen. 

2 Das beste Werk über die Pflanzennamen des Alten Testaments ist 
das von Rosenmüller: Handbuch der biblischen Alterthumskunde (Bd. 4, 
Leipzig 1840). Ein gutes, kurzgefasstes Werk im Französischen ist: La 
Due de la Bible, von Fred. Hamilton (Nizza 1571). 

3 Reynier, ein schweizer Botaniker, welcher sich in Aegypten aufge- 
halten, hat mit grossem Scharfsinn den Sinn vieler Pflanzennamen im 
Talmud wiedergegeben. Siehe seine Werke: Économie publique et rurale 
des Arabes et des Juifs (1820), und: Économie publique et rurale des Égyp- 
tiens et des Carthaginois (Lausanne 1823), Die neuern Arbeiten von Du- 
schak und von Löw stützen sich nicht auf die Kenntniss der Pflanzen 
des Orients und sind für die Botaniker ihrer in syrischen und hebräischen 
Buchstaben geschriebenen Namen wegen unlesbar. 


32 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


Die erste und beste besteht in dem Zuratheziehen 
der abgeleiteten Sprachen oder solcher, deren directe 
Ableitung von den alten Sprachen gemuthmasst wird, 
wie das Baskische aus dem Iberischen, das Albanesische 
aus dem Pelasgischen, das Bretagnische, Irländische und 
Gälische aus dem Celtischen. Hierbei läuft man Gefahr, 
sich über die Abstammung der Sprachen zu täuschen, 
ganz insbesondere auch an das hohe Alter eines Pflan- 
zennamens zu glauben, welcher von einem andern Volke 
herrühren kann. So finden sich in der baskischen 
Sprache viele Namen, welche infolge der römischen Ober- 
herrschaft dem Lateinischen entlehnt zu sein scheinen. 
Das Berberische ist mit arabischen Namen angefüllt, 
und das Persische mit allen möglichen Namen, welche 
wahrscheinlich in der Zendsprache nicht vorkommen. 

Das andere Verfahren besteht darin, eine alte Sprache 
ohne Literatur vermittelst ihrer Ableitungen wieder auf- 
zubauen, z. B. die Sprache der westlichen Aryas mit 
Hülfe der Wörter, die mehreren europäischen, aus ihr 
entsprungenen Sprachen gemein sind. Fick’s Wörter- 
buch kann für die Wörter der alten arischen Sprachen 
kaum benutzt werden, denn es enthält nur wenige Pflan- 
zennamen, und seine Anordnung macht es für alle, die 
das Sanskrit nicht kennen, unbrauchbar. Sehr viel 
wichtiger für die Naturforscher ist das Werk von A. 
Pictet, von welchem nach dem Tode des Verfassers eine 
zweite vermehrte und vervollständigte Ausgabe erschie- 
nen ist.! Die Pflanzennamen und die in der Land- 
wirthschaft gebräuchlichen Ausdrücke sind darin in um 
so befriedigender Weise erklärt und besprochen worden, 
da ihr genaue botanische Kenntnisse zu Grunde liegen. 
Lest der Verfasser auch vielleicht zu viel Gewicht auf 
zweifelhafte Etymologien, so macht er es durch ander- 
weitige Kenntnisse, durch viel Methode und Klarheit 
wieder gut. 


1 Adolphe Pictet, Les origines des peuples indo-européens (3 Bde., 
Paris 1878). 


Vereinigung der Methoden. 93 


._ Die Pflanzennamen in euscarischer oder baskischer 
Sprache sind mit Rücksicht auf wahrscheinliche Ab- 
stammungen vom Grafen Charencey erläutert worden.! 
Ich werde Gelegenheit nehmen, auf diese Arbeit hinzu- 
weisen, bei welcher die Schwierigkeiten infolge des 
Mangels aller Literatur und abgeleiteter Sprachen recht 
bedeutende waren. 


8 6. Nothwendigkeit, die verschiedenen Methoden zu 
vereinigen. 


Die verschiedenen Verfahrungsweisen, von welchen ich 
soeben gesprochen, haben nicht ein und denselben Werth. 
Wenn einem über eine Art archäologische Belege, wie 
solche der ägyptischen Denkmäler oder der schweizer 
Pfahlbauten, zu Gebote stehen, so sind dies augenschein- 
lich Thatsachen von ganz besonderer Genauigkeit. Hieran 
reihen sich zunächst die botanischen Angaben, nament- 
lich solche über das spontane Auftreten einer Art in 
diesem oder jenem Lande. Unterwirft man sie einer 
sorgfältigen Prüfung, so können sie von grosser Wich- 
tigkeit sein. Die in den Büchern enthaltenen Aussagen, 
welche von Geschichtsforschern oder selbst Naturfor- 
schern zu einer Zeit gemacht wurden, wo die Wissen- 
.schaft sich noch in der Kindheit befand, besitzen nicht 
denselben Werth. Die volksthümlichen Namen schliess- 
lich sind nur ein Hülfsmittel, besonders in den neuern 
Sprachen, ein Mittel, dem man nicht trauen darf, wie 
wir gesehen haben. — So viel lässt sich im allgemeinen 
Sinne sagen, bei jedem besondern Falle aber wird diese 
oder jene Methode zuweilen von grösserer Wichtigkeit. 

Eine jede führt zu einer einfachen Wahrscheinlich- 
keit, weil es sich um alte Thatsachen handelt, welche 
sich directen und gegenwärtigen Beobachtungen ent- 
ziehen. Geleiten drei oder vier verschiedene Wege zu 


1 Charencey, in: Actes de la Société philologique (Bd. I, Nr. 1, 1869). 
DE CANDOLLE. 3 


34 Erster Theil. Zweites Kapitel. 


derselben Wahrscheinlichkeit, so wird solche glücklicher- 
weise schon zur ziemlichen Gewissheit. 

Bei Untersuchungen über die Geschichte der Pflanzen 
verhält es sich wie bei jenen über die Geschichte der 
Völker. Ein guter Schriftsteller zieht die Geschicht- 
schreiber zu Rathe, welche von gewissen Vorgängen be- 
richtet haben, ferner die Archive, welche unveröffentlichte 
Documente bergen, die Inschriften alter Denkmäler, die 
Zeitschriften, Privatbriefe, schliesslich die Abhandlungen 
und selbst mündliche Ueberlieferungen. Aus jeder 
Quelle schöpft er Wahrscheinlichkeiten, vergleicht die- 
selben dann untereinander, wägt sie ab und prüft sie, 
‚ehe er sich entscheidet. Das ist eine Arbeit des Ver- 
standes, welche Scharfsinn und Beurtheilungsvermögen 
erheischt. Dieselbe unterscheidet sich wesentlich von 
der Beobachtung, wie sie in der Naturgeschichte ge- 
bräuchlich ist, desgleichen von der abstracten Schluss- 
folgerung, welche den mathematischen Wissenschaften 
eigen ist. Gelangt man, um es noch einmal zu wieder- : 
holen, vermöge mehrerer Methoden zu ein und derselben 
Wahrscheinlichkeit, so nähert sich diese immerhin der 
Gewissheit. Man kann selbst sagen, dass sie die Ge- 
wissheit gibt, auf welche man in den historischen Wissen- 
schaften Anspruch erheben darf. | 

Hierfür bot sich mir der Beweis, indem ich meine 
jetzige Arbeit mit derjenigen verglich, welche ich nach 
denselben Methoden im Jahre 1855 ausgeführt hatte. 
Für die Arten, welche ich damals untersucht, standen 
mir mehr Schriftstücke, besser festgestellte Thatsachen 
zu Gebote, die Schlüsse aber über den Ursprung jeder 
Art sind fast dieselben geblieben. Da sie sich schon 
auf eine Vereinigung der Methoden stützten, sind die 
wahrscheinlichen Vorgänge noch wahrscheinlicher oder 
zur Gewissheit geworden und bin ich in keiner Weise 
zu Resultaten geführt worden, die den vorhergehenden 
ganz und gar entgegenstanden. 

Die archäologischen, linguistischen und botanischen 
Data werden immer zahlreicher. Mit ihrer Hülfe bildet 


Vereinigung der Methoden. 35 


sich die Geschichte der Pflanzen aus, während die Aus- 
sagen der alten Autoren an Bedeutung verlieren, statt 
daran zuzunehmen. Dank den Entdeckungen der Alter- 
thumsforscher und Philologen kennen die Männer der 
Neuzeit Chaldäa und das alte Aegypten besser als die 
Griechen. Sie vermögen Irrthümer ım Herodot nach- 
zuweisen. Die Botaniker ihrerseits berichtigen Theo- 
phrast, Dioscorides und Plinius mit Hülfe der über 
Griechenland und Italien veröffentlichten Floren, wäh- 
rend das Studium der alten Classiker, dem sich die 
Gelehrten seit drei Jahrhunderten so oft hingaben, eben 
das geboten hat, was es bieten konnte. Eines Lächelns 
kann ich mich nicht enthalten, wenn ich sehe, wie heut- 
zutage Gelehrte wohlbekannte griechische oder latei- 
nische Redensarten wiederholen, um daraus Schlüsse zu 
ziehen, wie sie es nennen. Das ist dasselbe, als wenn 
man einer Citrone Saft entziehen wollte, die schon wieder 
und wieder ausgepresst wurde. Ganz ohne Scheu darf 
man sagen, dass die Werke, welche die Autoren des 
griechischen und römischen Alterthums wiedergeben und 
auslegen, ohne dabei die botanischen und archäologischen 
Thatsachen nicht zu allermeist zu berücksichtigen, sich 
nicht mehr auf dem Höhepunkt der Wissenschaft be- 
finden. Dessenungeachtet könnte ich solche anführen, 
welchen in Deutschland die Ehren dreier Ausgaben zu- 
theil geworden sind. Es hätte sich mehr der Mühe 
verlohnt, die frühern Arbeiten von Fraas und Lenz, von 
Targioni und Heldreich wieder drucken zu lassen, weil 
dieselben die jetzigen Angaben der Botanik stets über 
die unsichern Beschreibungen alter Schriftsteller stellten, 
d. h. Thatsachen über Worte und Redensarten. 


3% 


ZWEITER THEIL. 


Studium der Arten in Bezug auf ihren Ursprung, die | 
ersten Zeiten ihres Anbaues und die wichtigsten 
Thatsachen ihrer Verbreitung.! 


ERSTES KAPITEL. 


Pflanzen, die ihrer unterirdischen Theile wegen, wie Wurzeln, 
Zwiebeln oder Knollen, angebaut werden.? 


Raphanus sativus, Linne. — Radies (fr. Radis, Raifort). 
Der Radies wird seiner sogenannten Wurzel wegen 
angebaut, welche, um genau zu sprechen, der untere 
Theil des Stengels mit der Pfahlwurzel ist.” Es ist 
bekannt, bis zu welchem Grade die Grösse, Form und 
Farbe dieser fleischig werdenden Organe sich je nach 
dem Boden und den angebauten Rassen verändern 
können. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Art in den 


1 Eine gewisse Anzahl von Arten, deren Ursprung gut bekannt ist, 
wie die Mohrrübe, der Sauerampfer u. s. w., finden sich nur in der sum- 
marischen Uebersicht zu Anfang des letzten Theils erwähnt, dort wird 
auf die wichtigsten, sie betreffenden Thatsachen hingewiesen. 

2 Einige Arten werden bald ihrer Wurzeln, bald ihrer Blätter oder 
Samen wegen angebaut. In andern Kapiteln finden sich solche Arten, 
die man ihrer Blätter (Futter) oder ihrer Samen wegen u.s.w. anbaut, 
Ich habe die Eintheilung nach der gebräuchlichsten Anwendung gemacht. 
Ausserdem weist das alphabetische Verzeichniss auf den für jede Art ge- 
wählten Platz hin. 

3 Man sehe die Pflanze im jungen Zustande, wenn der unterhalb der 
Samenblätter befindliche Theil des Stengels noch nicht fleischig ist. Tur- 
pin hat davon eine Abbildung gegeben: Annales des sciences naturelles, 
1."Berie, Bd: 21, Taf.5. 


Radies. 37 


gemässigten Regionen der Alten Welt ursprünglich zu 
Hause ist; da sie sich aber in den Gärten seit den älte- 
sten historischen Zeiten von China und Japan bis nach 
Europa verbreitet hat und sie sich häufig vom Cultur- 
lande aus weiter aussäet, hält es schwer, ihren Ausgangs- 
punkt festzustellen. 

Unlängst verwechselte man mit der Raphanus sativus 
nahestehende Arten vom Mittelmeergebiet, denen man 
gewisse griechische Namen beilegte; der Botaniker 
J. Gay, welcher viel zur Beseitigung dieser analogen 
Formen beitrug, betrachtete aber Raphanus sativus als 
im Orient, vielleicht auch in China einheimisch.! Linne 
muthmaasste auch einen chinesischen Ursprung, zum we- 
nigsten von einer Varietät, welche man in China ihrer 
ölhaltigen Samen wegen anbaut.? 

Mehrere Floren Südeuropas führen die Art als sub- 
spontan an oder auch als der Cultur entsprungen, da- 
gegen nie als wirklich wildwachsend. Ledebour hatte 
ein in der Nähe des Ararat gesammeltes Exemplar ge- 
sehen. Von demselben hatte er die Samen ausgesäet 
und dann die Art festgestellt.” DBoissier* jedoch be- 
schränkt sich in seiner Flora des Orients vom Jahre 
1867 auf die Worte: „Subspontan in den Culturen von 
Anatolien, in der Nähe von Mersiwan (nach Wied), in 
Palästina (nach ihm selbst), in Armenien (nach Lede- 
-bour) und wahrscheinlich noch anderswo“, was dem in 
europäischen Floren Gesagten gleichkommt. Buhse 
führt eine Localität an, die Ssahendberge, im Süden 
des Kaukasus, welche schon ziemlich weit ausserhalb 
der Culturen liegen muss. Die neuern Floren von Bri- 
tisch-Indien ©, Loureiro’s alte Flora von Cochinchina 
führen die Art nur als angebaut auf. Maximowiez hat 


1 In A: de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 826, 
2 Linné, Spec. plant., S. 935. 

3 Ledebour, F1. ross., I, 225. 

4 Boissier, F1. orient., I, 400. 

5 Buhse, Aufzählung Transcaucasien, S. 30. 

6 Hooker, F1. Brit. India, I, 166. 


38 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


sie in einem Garten des nordöstlichen China gesehen.! 
Thunberg spricht von ihr als einer in Japan allgemein 
angebauten Pflanze, die auch an den Landstrassen auf- 
tritt?; letzteres ist aber von neuern, wahrscheinlich 
besser unterrichteten Schriftstellern nicht wiederholt 
worden.? 

Herodot spricht von einem Radis, welchen er Sur- 
mata nennt, von welchem eine Inschrift der Cheops- 
Pyramide den Gebrauch seitens der Arbeiter erwähnte. 
(Hist., 1. 2, c. 125). Unger* hat in dem Werke von 
Lepsius zwei Abbildungen aus dem Tempel von Karnak 
wiedergegeben, von welchen wenigstens die erste den 
Radis darzustellen scheint. 

Hieraus können wir folgern: 1) die Art verbreitet 
sich leicht ausserhalb des Culturbereichs in der Region 
des westlichen Asiens und südlichen Europa, was in den 
Floren des östlichen Asiens nicht mit Gewissheit er- 
wähnt wird; 2) die im Süden des Kaukasus ohne Cul- 
turangabe gelegenen Localitäten lassen die Vermuthung 
zu, dass die Pflanze dort wıldwachsend ist. Aus diesen 
beiden Gründen scheint sie im westlichen Asien, zwischen 
Palästina, Anatolien und dem Kaukasus, vielleicht auch 
in Griechenland ursprünglich einheimisch zu sein; die 
Cultur würde sie dann seit sehr frühen Zeiten nach 
Westen und Osten verbreitet haben. 

Die volksthümlichen Namen unterstützen diese Hypo- 
thesen. In Europa bieten sie wenig Interesse, wenn 
sie sich auf die Beschaffenheit der Wurzel oder auf 
irgendeine Vergleichung mit der Rübe (franz. Rave, 
ital. Ravanello, span. Rabica u. s. w.) beziehen; die 
alten Griechen hatten aber den besondern Namen Ra- 
phanos (welches leicht aufgeht) aufgestellt. 

Das italienische Wort Ramoraccio stammt aus dem 
griechischen Armoracia, welches den R. sativus oder 


Maximowicz, ie florae Amurensis, S. 47. 

Thunberg, Fl. jap., S. 263. 

Franchet et Savatier, ‘Enumer. plant. Jap., I, 39. 

Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 51, Fig. 24 und 29. 


HR Co 19 M 


Radies. 39 


eine verwandte Art bezeichnete. Forscher der Neuzeit 
haben es irrthümlicherweise zu Cochlearia Armoracia 
oder Meerrettig (Kren) gebracht, von welchem weiter 
unten die Rede sein wird. Die Semiten ! haben ganz 
andere Namen (Fugla im Hebräischen, Fuil, fidgel, figl 
u.s. w. im Arabischen). In Indien ist Mula oder Muli 
nach Roxburgh? der volksthümliche Name einer Va- 
rietät mit kolossaler Wurzel, die zuweilen die Dicke 
von dem Beine eines Mannes erreicht; im Sanskrit Mu- 
luka. Für Cochinchina, China und Japan endlich führen 
die Schriftsteller mehrere untereinander sehr verschie- 
dene Namen an. Nach dieser Verschiedenheit zu 
schliessen, dürfte die Cultur von Griechenland bis nach 
Japan eine sehr alte sein; weitere Folgerungen rück- 
sichtlich des ursprünglichen Vaterlandes als wildwach- 
sende Pflanze lassen sich aber daraus nicht entnehmen. 

In Bezug hierauf ist eine vollständig verschiedene 
Meinung vorhanden, welche wir auch zu prüfen haben. 
Mehrere Botaniker? argwöhnen nämlich, dass Raphanus 
sativus nur eine besondere Form mit dicker Wurzel 
und nicht gegliederter Frucht von Raphanus Rapha- 
nistrum sei, einer Pflanze, die auf angebautem Boden 
des gemässigten Europa und Asiens sehr gemein ist, 
und welche man ebenfalls im wilden Zustande am Mee- 
resstrande und auf leichtem Sandboden antrifit, z. B. 
bei San-Sebastian, in Dalmatien und in Trapezunt.* 
Die gewöhnlichen Standorte auf den sich selbst über- 
lassenen Feldern und viele volksthümliche Namen, welche 
wilden Radies bezeichnen, weisen auf die Verwandtschaft 
der zwei Pflanzen hin. Ich würde nicht darauf zurück- 
kommen, wenn ihre muthmassliche Identität nur auf 
Einbildung beruhte, sie stützt sich aber auf Unter- 


1 Nach meinem handschriftlichen Wörterbuch sind dies volksthümliche 
Namen, welche Floren entlehnt sind, die man vor 30 Jahren kannte. 

2 Roxburgh, mind, IT 126. 

3 rs Phytogr. Canar., 8. 83; Iter hisp., S. 71; Bentham, F1. Hong- 
kong, S. 17; Hooker, Fl. Brit. Ind., I, 166. 

4 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 748; Viviani, Fl. dalmat., 
III, 104; Boissier, Fl. orient., I, 401. 


40 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


suchungen und Beobachtungen, deren Kenntnissnahme 
von Wichtigkeit ist.® 

Bei R. Raphanistrum ist die Schote gegliedert, d. h. 
eng von Platz zu Platz, und sind die Samen in jedem 
Gelenk enthalten. Bei R. sativus ist die Schote fort- 
laufend und bildet eine einzige, innere Höhlung. Auf 
diese Verschiedenheit hin hatten einige Botaniker ver- 
schiedene Gattungen, Raphanistrum und Raphanus, auf- 
gestellt. Drei sehr genaue Beobachter aber, die Herren 
Webb, J. Gay und Spach, haben unter den Pflanzen 
von Raphanus sativus, die denselben Samen entsprungen 
waren, bald einfächerige und bald gegliederte Schoten, 
welche dann zwei- oder mehrfächerig sind, nachgewiesen.! 
Webb, der diese Untersuchungen später wiederholte, ist 
zu keinen andern Resultaten gelangt, ausserdem ge- 
langte er aber auch zu der keineswegs unwesentlichen 
Gewissheit, dass der sich von selbst zufällig aussäende, 
also nicht angebaute Radies Schoten von Raphanistrum 
hervorbrachte.? 

Eine andere Verschiedenheit zwischen den zwei Pflan- 
zen ‚zeigt sich an den Wurzeln, die bei À, sativus 
fleischig, bei À. Raphanistrum dünn sind; dies wechselt 
aber je nach den Culturen, wie Carrière, Obergärtner 
der Baumschulen im Pariser Pflanzengarten, nachgewiesen 
hat.” Er kam auf den Gedanken, Samen von Rapha- 
nistrum mit dünner Wurzel in schwerem und in leichtem‘ 
Boden auszusäen, und von der vierten Generation an 
erntete er fleischige Wurzeln, die in Form und Farbe 
wie jene unserer Gärten verschieden waren. Selbst Ab- 
bildungen hat er davon gegeben, die recht eigenthüm- 
lich und beweiskräftig sind. Der beissende Geschmack 
des Radies fehlte auch nicht. Um diese Abänderungen 
zu erzielen, machte Carriere im Monat September seine 
Aussaat, um auf diese Weise die einjährige Pflanze zu 


1 Webb, Phytographia canariensis, I, 83. 

2 Webb, Iter hispaniense, S. 72 (1838). 

3 Carrière, Origine des plantes domestiques démontrée par la culture 
du Radis sauvage. (24 S., 1869.) 


Radies. 41 


einer fast zweijährigen zu machen. Dies hatte begreif- 
licherweise die Verdickung der Wurzel zur Folge, denn 
viele bisannuellen Pflanzen haben fleischige Wurzeln. 

Nun bliebe der entgegengesetzte Versuch zu machen 
noch übrig, nämlich cultivirte Radies auf einem schlechten 
Boden auszusäen. Wahrscheinlich würden die Wurzeln 
immer dürrer werden, wie die Schoten in ähnlichem 
Falle immer gegliederter werden. 

Stellen wir alle soeben besprochenen Untersuchungen 
zusammen, so gelangen wir zu dem Schlusse, dass Ra- 
phanus sativus recht gut eine Form von R. Raphanistrum 
sein könnte und zwar eine wenig beständige Form, die 
durch das Auftreten einiger Generationen auf einem 
fruchtbaren Boden bedingt wird. Man kann nicht an- 
nehmen, dass die alten, nicht civilisirten Völker ähn- 
liche Versuche wie die des Herrn Carriere angestellt 
haben, es ist aber immerhin möglich, dass ihnen Pflan- 
zen von Raphinistrum aufgefallen sind, die aus einem 
sehr stark gedüngten Boden kamen und demnach mehr 
oder minder fleischige Wurzeln hatten; dann konnte 
ihnen auch der Gedanke, sie anzubauen, nicht mehr 
fern liegen. 

Indessen will ich auf einen der Pflanzengeographie 
entlehnten Einwand hinweisen. Raphanus Raphanistrum 
ist eine europäische Pflanze, welche in Asien nicht vor- 
kommt.! Demnach kann es auch nicht diese Art sein, 
von welcher die Einwohner Indiens, Chinas und Japans 
die Radies gewannen, welche sie seit Jahrhunderten an- 
bauen. Andererseits fragt man sich, in welcher Weise 
R. Raphanistrum, dessen Umwandlung in Europa statt- 
gefunden haben soll, in diesen frühen Zeiten durch ganz 
Asien fortgepflanzt wurde. Die Wanderungen von an- 
gebauten Pflanzen sind gemeiniglich von Asien nach 
Europa ausgegangen. Chang-kien hatte allerdings im 
2. Jahrhundert v. Chr. Gemüse von Baktrien nach China 


1 Ledebour. El. ross.; Boissier, Fl. orient.; die Werke über die Flora 
des Amur-Gebiets. 


42 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


gebracht, unter denselben wird aber der Radies nicht 
genannt. 


Cochlearia Armoracia, Linne. Meerrettig, Kren (fr. 
Cran, Cranson, Raifort sauvage). 

Man nannte diese Crucifere, deren ziemlich harte 
Wurzel einen senfartigen Geschmack besitzt, - zuweilen 
Cran oder Cranson de Bretagne. Das war ein Irrthum, 
hervorgerufen durch einen alten botanischen Namen 
Armoracia, welchen man mit Armorica (de Bretagne) 
verwechselte. Armoracia findet sich schon im Plinius 
und bezog sich auf eine pontische Crucifere, vielleicht 
auf Raphanus sativus. Früher! schon habe ich auf 
diese Verwirrung hingewiesen und mich über den ver- 
kannten Ursprung der Art folgendermaassen ausge- 
sprochen: 

„Die Cochlearia Armoracia wächst in der Bretagne 
nicht wild. Dies ist von den eifrigen Botanikern, welche 
gegenwärtig das westliche Frankreich erforschen, fest- 
gestellt worden. Der Abbe Delalande erwähnt es in 
seinem Werkchen «Hoedic et Houat»?, welches in fes- 
selnder Weise über die Gebräuche und Erzeugnisse 
dieser zwei kleinen Inseln der Bretagne berichtet. Der 
Verfasser beruft sich auf Le Gall, welcher in einer un- 
veröffentlichten Flora von Morbihan die Pflanze als 
einen Fremdling für die Bretagne hinstellt. Dieser Be- 
weis ist übrigens weniger stichhaltig als die andern, 
weil die nördliche Küste der bretonischen Halbinsel 
den Botanikern noch nicht hinlänglich bekannt ist und 
sich das alte Armorika über einen Theil der Normandie 
ausbreitete, wo man die wildwachsende Cochlearia ? jetzt 
bisweilen antrıfft. Dies veranlasst mich, von dem ur- 
sprünglichen Vaterlande der Art zu sprechen. 

„Die englischen Botaniker führen sie für Grossbritan- 


1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 654, 

2 Delalande, Hoedic et Houat (Nantes 1850), S. 109. 

3 Hardouin, Renou et Leclerc, Catal. du Calvados, S.85; de Brebisson, 
Fl. de Normandie, S. 25. 


i4iiid LE dt 


Meerrettig, Kren. 43 


nien als wildwachsend auf, hegen aber gewisse Zweifel 
bezüglich ihres Ursprungs. H. C. Watson! sieht sie als 
eingeführt an. «Die Schwierigkeit», sagt er, «sie von 
den Plätzen auszurotten, wo sie angebaut wird, ist 
eine Gärtnern wohlbekannte Thatsache.» Man darf sich 
daher nicht wundern, dass diese Pflanze von den sich 
selbst überlassenen Feldern Besitz ergreift und sich 
dort so festsetzt, um als ursprüngliche Pflanze zu er- 
scheinen. Babington? führt nur eine Localität an, wo 
die Art wirklich das Aussehen einer wildwachsenden 
besitzt, Swansea nämlich, in der Grafschaft Wales. So. 
müssen wir uns schon bemühen, das Problem mit an- 
dern Argumenten zu lösen. 

„Die Cochlearia Armoracia ist eine Pflanze des ge- 
mässigten Europa, namentlich des Ostens. Sie ist von 
Finland bis nach Astrachan und der Wüste am Kuma° 
verbreitet. Grisebach führt sie auch für mehrere Locali- 
täten der europäischen Türkei auf, z. B. in der Nähe 
von Enos, wo sie am Meeresstrande häufig ist.* 

„Je mehr man sich dem Westen Europas nähert, um 


so weniger scheinen die Autoren von Floren über die 


einheimische Eigenschaft sicher zu sein, um so zer- 
streuter und verdächtiger werden die Standorte. In 
Norwegen ist die Art seltener als in Schweden’, auf 
den britischen Inseln mehr als ın Holland, wo man 
keinen fremden Ursprung muthmaasst.® 

„Die Namen der Art bestätigen einen ursprünglichen 
Wohnsitz eher im Osten als im Westen Europas; so 
findet sich der russische Name Chren in allen slawischen 
Sprachen wieder 7: Krenai im Litauischen, Chren im 
Ilyrischen.® Derselbe hat sich in einigen deutschen 


1 Watson, Cybele, I, 159. 

2 Babington, Manual of Brit. bot., 2. ed., S. 23. 
3 Ledebour, F1. ross., I, 159. 

4 Grisebach, Spicilegium F1. rumel., I, 265. 

5 Fries, Summa, S. 30. 

6 Miquel, Disquisitio pl. regn. Bat. 

7 Moritzi, Dict. inéd. des noms vulgaires. 

8 Ebendas.; Visiani, Fl. dalmat., III, 322. 


44 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Dialekten, z. B. in der Nähe von Wien!, eingebürgert, 
oder ist auch, trotz Einführung der deutschen Sprache, 
dort verblieben. Auch das französische Wort Cran oder 
Cranson wird davon abgeleitet. Das in Deutschland 
gebräuchliche Wort Meerrettig und in Holland Meer- 
radys, woraus der Dialekt der französischen Schweiz 
das Wort Meridi oder Meredi abgeleitet hat, hat nichts 
so Ursprüngliches wie das Wort Chren. Wahrschein- 
lich entstand es daher, dass die Art in der Nähe des 
Meeres gedeiht, eine Eigenschaft, welche sie mit vielen 
Cruciferen theilt, und welche sich gerade für sie dar- 
bieten muss, wo sie im östlichen Russland mit seinen 
vielen salzigen Terrains spontan vorkommt. Der schwe- 
dische Name Peppar-rot? lässt auch vermuthen, dass 
die Art in Schweden neuern Datums ist als die Ein- 
führung des Pfeffers in den Handel des nördlichen Eu- 
ropa. Es wäre jedoch auch möglich, dass dieser Name 
einen ältern, unbekannt gebliebenen verdrängt hätte. 
Der englische Name Horse radish (Pferderadies) hat 
nichts Ursprüngliches an sich, was zu der Annahme be- 
rechtigen könnte, dass die Art vor der anglo-sächsischen 
Herrschaft im Lande aufgetreten sei. Man will eben 
nur die Stärke des Radies damit andeuten. Der walli- 
sische Name Rhuddygl maurth? ist nur die Uebersetzung 
des englischen, woraus man schliessen kann, dass die 
Kelten von Grossbritannien keinen besondern Namen 
hatten und die Art nicht kannten. Im westlichen Frank- 
reich bedeutet der gebräuchlichste Name Rarfort ganz 
einfach eine starke Wurzel. Früher pflegte man in 
Frankreich Moutarde des Allemands, Moutarde des ca- 
pucins zu sagen, was auf einen fremden und wenig alten 
Ursprung hinweist. Dagegen bietet das Wort Ohren 
aller slawischen Sprachen, welches in einige deutsche 
und französische Dialekte als Kren und Cran oder 
Cranson eingedrungen ist, etwas sehr Ursprüngliches, 


1 Neilreich, Fl. Wien, S. 502. 
2 Linné, Fl. suecica, Nr. 540. 
3 H. Davies, Welsh Botanology, S. 63. 


Rüben und Steckrüben. 45 


beweist somit das hohe Alter der Art im gemässigten 
Osteuropa. Jedenfalls ist es höchst wahrscheinlich, dass 
die Pflanze seit ungefähr 1000 Jahren durch die Cultur 
von Osten nach Westen fortgepflanzt und naturalisirt 
wurde.“ 


Brassicae species et varietates radice incrassata. — 
Rüben und Steckrüben mit fleischigen Wurzeln (fr. 
raves, navets). 

Es lassen sich die unter diesen und andern Namen 
wie Kohlrabi, Rutabagas u. s. w. bekannten Varietäten 
mit ihren Untervarietäten auf vier Linne’sche Arten 
zurückführen: Brassica Napus, Br. oleracea, Br. Rapa 
und Br. campestris, von welchen die beiden letzten 
nach neuern Autoren eher in eine vereinigt werden 
dürften. Andere Varietäten derselben Arten werden 
ihrer Blätter wegen (Kohl), ihrer Blütenstände (Blumen- 
kohl) oder auch ihres Oeles wegen, welches man aus 
den Samen gewinnt (Raps, Kolza) angebaut. Wenn die 
Wurzeln oder der unterirdische Theil des Stengels ! 
fleischig sind, treten die Samen spärlich auf und ver- 
lohnt es sich nicht der Mühe, Oel daraus zu gewinnen; 
wenn dagegen jene Organe dünn sind, ist die Samen- 
production im Gegentheil die wichtigere, was eben über 
die wirthschaftliche Verwendung von Entscheidung ist. 
Mit andern Worten: die Aufspeicherungen der Nähr- 
substanzen finden sich bald im untern, bald im obern 
Theile der Pflanze niedergelegt, trotzdem die Organi- 
sation der Blume und der Frucht dieselbe oder fast 
gleiche bleibt. 

Bezüglich des Ursprungs brauchen wir uns nicht mit 
den botanischen Artenbegrenzungen oder der Klassifi- 
kation der Rassen, Varietäten und Untervarietäten? zu 


1 Bei den Rüben und Steckrüben besteht der fleischige Theil, wie bei 
dem Radies, aus dem untern Theile des Stengels (unterhalb der Samen- 
blätter) und einem mehr oder minder ausdauernden Theile der Wurzel 
(vgl. Turpin, Annales d. sc. nat., 1. Serie, Bd. 21); bei dem Kohlrabi (Bras- 
sica oleracea caulo-Rapa) ist es der Stengel. 

2 Diese Klassifikation ist Gegenstand einer Abhandlung von Augustin 


46 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


befassen, da alle Brassica in Europa und Sibirien ur- 
sprünglich zu Hause sind und sich daselbst noch unter 
irgendeiner Form im spontanen oder subspontanen Zu- 
stande antreffen lassen. 

Pflanzen, die in den Culturen so gemein sind und 
deren Keimen ein so leichtes ist, breiten sich häufig 
in der Nähe angebauter Ländereien weiter aus. Dar- 
aus entsprang die Ungewissheit über die wildwachsende 
Eigenschaft der vereinzelten Exemplare, welche man im 
freien Felde antrifft. Von Linne werden indessen die 
sandigen Gestade in Schweden (Gothland), Holland und 
England für Prassica Napus angegeben, was von 
Fries! für das südliche Schweden bestätigt wird. Der- 
artigen Fragen widmete Fries stets besondere Aufmerk- 
samkeit, und wird Brassica campestris L. (Typus von 
Rapa mit dünnen Wurzeln) von ihm als wirklich spon- 
tan für die ganze Skandinavische Halbinsel, Finland, 
Dänemark aufgeführt. Ledebour? verzeichnet sie für 
ganz Russland, Sibirien und für die Ufer des Kaspisees. 

Die Floren des gemässigten und südlichen Asiens er- 
wähnen die Rüben und Steckrüben als angebaute Pflan- 
zen, nie als sich dem Bereiche der Culturen entziehend.? 
Das ist schon ein Fingerzeig für ihren fremden Ur- 
sprung. Die linguistischen Schriftstücke sind nicht 
weniger deutlich. 

Im Sanskrit findet sich kein Name für diese Pflanzen, 
man kennt nur neuere hindostanische und bengalische 
Namen, und auch die nur für Brassica Rapa und ole- 
racea.* Kaempfer? weist für die Rübe auf japanische 


Pyramus de Candolle gewesen, welche in der Londoner Gartenbaugesell- 
schaft mit einem Preise gekrönt und in den Verhandlungen dieser Gesell- 
schaft veröffentlicht wurde (Bd. V). In den Annales de l’agric. franc. 
(Bd. XIX) und abgekürzt im Systema regni veget. (II, 582) ist diese Ab- 
handlung ebenfalls erschienen. 

1 Fries, Summa veget. Scand., I, 29. 

2 Ledebour, Fl. ross., I, 216. 

3 Boissier, Flora orientalis; Sir J. Hooker, Flora of British India; 
Thunberg, Flora japonica; Franchet et Savatier, Enumeratio plant. japo- 
nicarum. 

4 Piddington, Index. 

5 Kaempfer, Amoen., S. 822. 


Rüben und Steckrüben. 47 


Namen hin, wie Busei oder gewöhnlicher Aona, nichts 
spricht jedoch für ein hohes Alter derselben. Dr. Bret- 
schneider, welcher die chinesischen Schriftsteller auf- 
merksam studirt hat, spricht von keiner Brassica. 
Augenscheinlich finden sie sich in den alten Werken 
über Botanik und Ackerbau nicht angegeben, wenn 
man auch jetzt mehrere Varietäten davon in China 
anbaut. 

Versetzen wir uns jetzt nach Europa, wo ganz das 
Entgegengesetzte eintritt. Die alten Sprachen besitzen 
eine Menge von Namen, welche ursprünglich zu sein 
scheinen. Die Brassica Rapa heisst im Keltischen der 
Landschaft Wales Meipen oder Erfinen!; in mehreren 
slawischen Sprachen”? Repa, Rippa, was dem lateinischen 
Rapa entspricht und dem Neipa der Anglo-Sachsen 
ziemlich nahe steht. Die Brassica Napus ist im kel- 
tisch-wallisischen Bresych yr yd; ım irländischen Dia- 
lekt Braisseagh buigh nach Threlkeld?, welcher in 
Braisseagh den Ursprung von Brassica der Lateiner 
erkennt. Auch ein polnischer Name Karpiele und ein 
litauischer Jellazoji* kommen vor, ohne von einer 
Menge anderer zu sprechen, die zuweilen in der ge- 
. meinverständlichen Ausdrucksweise von einer Art auf 
eine andere übertragen wurden. Später, bei der Be- 
sprechung der Gemüse, werde ich auf die Namen von 
Brassica oleracea hinweisen. 

Die Hebräer besassen keine Namen für den Kohl, 
die Rüben oder Steckrüben°; arabische Namen finden 
sich aber: Selgam für Brassica Napus, und Subjum oder 
Subjumi für Br. Rapa, welche sich im Persischen und 
selbst Bengalischen wiederfinden, und vielleicht von 
einer Art auf die andere übergeführt wurden. Die 
Cultur dieser Pflanzen hat sich somit im südwestlichen 
Asien seit dem hebräischen Alterthum verbreitet. 


1 Davies, Welsh botanology, S. 65. 

2 Moritzi, Diet. ms. tiré des flores publiées. 

3 Threlkeld, Synopsis stirpium hibernicarum (1727). 

4 Moritzi, Dict. ms. 

5 Rosenmüller, Biblische Naturgeschichte (Bd. 1), führt keinen an. 


— 


48 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Alle diese Wege, botanische, historische und linguisti- 
sche, führen endlich zu folgenden Schlüssen: 

1) Die Brassica mit fleischigen Wurzeln sind ur- 
sprünglich im gemässigten Europa heimisch. 

2) In Europa hat sich ihre Cultur vor, in Indien 
nach der Invasion der Arjas verbreitet. 

3) Die ursprüngliche Form von Brassica Napus mit 
dünner Wurzel, welche man Br. campestris nannte, 
hatte wahrscheinlich einen ursprünglich weitern Wohn- 
sitz, der sich von der Skandinavischen Halbinsel nach 
Sibirien und dem Kaukasus ausdehnte. Ihre Cultur hat 
sich vielleicht in China und Japan von Sibirien aus 
verbreitet, und zwar zu einer Epoche, die nicht weiter 
zurückzugehen scheint, als die griechisch-römische Ci- 
vilisation. 

4) Der Anbau der verschiedenen Brassicaformen oder 
Arten hat sich im südwestlichen Asien seit den alten 
Hebräern verbreitet. 


Sium Sisarum, Linne. — Zuckerwurz (fr. Chervis). 

Diese ausdauernde Umbellifere mit mehreren ausein- 
andergehenden, der Mohrrübe ähnlichen Wurzeln, soll 
aus dem östlichen Asien stammen. Linne! gibt China 
mit Vorbehalt als Vaterland an, Loureiro? China und 
Cochinchina, wo man sie, wie er sagt, anbaut. Andere 
führen Japan und Korea an, es gibt aber in diesen 
Ländern einige Arten, welche mit unserer Pflanze leicht 
verwechselt werden können, namentlich Sium Ninsi und 
Panaz Ginseng. Von Maximowiez *, welcher diese Pflan- 
zen in China und Japan antraf, und dem die Peters- 
burger Herbarien viele Aufschlüsse darboten, werden 
nur das altaische Sibirien und das nördliche Persien 
als Vaterland der wildwachsenden Sium Sisarum aner- 
kannt. Ich selbst hege grosse Zweifel, dass man sie in 


1 Linn, Species, S. 361. 

2 Loureiro, Fl: cochinch., S. 225. 

3 Maximowiez, Diagnoses plantarum Japoniae et Mandshuriae, in: Mé- 
langes biologiques du Bulletin de l’Acad. St.-Petersbourg, Dec. 13, S. 18. 


Zuckerwurz. 49 


China oder dem Himalaja entdecken wird, da die neuern 
Arbeiten über das Amurgebiet und Britisch-Indien sie 
nicht anführen. 

Zweifelhaft ist es, ob die alten Griechen und Römer 
diese Pflanze gekannt haben. Man schreibt ihr den 
Namen Sisaron von Dioscorides, Siser von Columella 
und Plinius zu.! Allerdings spricht der italienische, 
jetzt gebräuchliche Name Sisaro, Sisero zu Gunsten 
dieser Annahme, wie könnten die Autoren es aber 
übersehen haben, dass mehrere Wurzeln unten vom 
Stengel absteigen, während alle andern in Europa an- 
gebauten Doldengewächse nur eine Pfahlwurzel besitzen? 
Strenggenommen war Siser von Columella eine ange- 
baute Pflanze, vielleicht die Zuckerwurzel; was aber 
Plinius von Siser? sagt, passt nicht darauf. Nach ihm 
„war es eine officinelle Pflanze“ (inter medica dicendum). 
Er berichtet, dass Tiberius jedes Jahr eine grosse 
Menge davon aus Deutschland kommen liess, „was“, 
fügt er hinzu, „darauf hinweist, dass sie die kalten 
Länder liebte‘. 

Hätten die Griechen die Pflanze direct aus Persien er- 
halten, so dürfte Theophrast sie wahrscheinlich gekannt 
haben. Vielleicht ist sie von Sibirien nach Russland 
und von da nach Deutschland gekommen. In diesem 
Falle könnte sich das Geschichtchen über Tiberius gern 
auf die Zuckerwurzel beziehen. Freilich finde ich kei- 
nen russischen Namen; die Deutschen besitzen aber ur- 
sprüngliche Namen Krizel oder Grizel, Görlein oder 
Gierlein, welche mehr als der jetzt gebräuchlichste 
Name Zuckerwurzel auf eine alte Cultur hinweisen.? 
Der dänische Name Sokerot, woraus die Engländer 
Skirret gemacht haben, hat dieselbe Bedeutung wie der 
deutsche. In Neugriechenland kennt man den Namen 
Sisaron nicht, selbst im Mittelalter war er dort unbe- 


1 Dioscorides, Mat. med., I, 2, c. 139; Columella, I, 11, c. 3, 18, 35; 
Lenz, Bot. der Alten, S. 560. 

2 Plinius, Hist. plant.. I. 19, c. 5. 

3 Nemnich, Polygl. Lexicon, II, 1313. 


DE CANDOLLE. 4 


50 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


kannt, auch wird die Pflanze heutzutage in jenem Lande 
nicht angebaut.! 

Dies sind die Gründe, welche den eigentlichen Sinn 
der Wörter Sisaron und Siser zweifelhaft erscheinen 
lassen. Einige Botaniker des 16. Jahrhunderts haben 
die Vermuthung laut werden lassen, dass Sisaron viel- 
leicht die Pastinake sei, und Sprengel? befürwortet 
dies. 

Die französischen Namen Chervis und Girole? würden 
vielleicht zur Aufklärung beitragen können, wenn man 
ihren Ursprung kennte. Littr& leitet Chervis von dem 
spanischen Chirivia ab, es ist jedoch wahrscheinlicher, 
dass der spanische Name aus dem Französischen ent- 
sprungen ist. Johannes Bauhin* gibt im Niederlatei- 
nischen Servillum, Chervillum oder Servillam an, Wörter 
die sich aber im Lexikon von Ducange nicht finden. 
Wenn dies auch der Ursprung von Chervis sein könnte, 
müsste man weiter fragen, woher Servillum oder Cher- 
villum kämen. 6 


Arracacha esculenta, de Candolle. — Arrakatscha 
(fr. Arracacha oder Arracacia). 

In Venezuela, Neugranada und Ecuador wird diese 
Umbellifere meistens als Nährpflanze angebaut. In den 
gemässigten Regionen dieser Länder kann sie der Kar- 
toffel im Werthe gleichgestellt werden, und liefert selbst, 
so wird versichert, ein feineres und wohlschmeckenderes 
Mehl. Der untere Theil des Stengels hat eine zwiebel- 
förmige Verdickung angenommen, auf welcher sich bei 
kräftiger Vegetation und während mehrerer Monate im 
Jahre seitliche Knollen oder Brutzwiebeln bilden, die 
noch mehr geschätzt werden als die centrale Knolle, 
und zu spätern Pflanzungen dienen.? 


1 Lenz, a. a. O.; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands; Langkavel, 
Botanik der spätern Griechen. 

2 Sprengel, Dioscoridis, etc., II, 462. 

3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 471. 

4 Bauhin, Hist. plant., III, 154. 

5 Die genauesten Culturangaben wurden von Bancroft an Sir William 


Arrakatscha. 51 


Wahrscheinlich ist die Art in der Region, in welcher 
man sie anbaut, auch einheimisch, indessen finde ich 
hierüber bei den Schriftstellern keine positiven Aus- 
sagen. Die vorhandenen Beschreibungen sind nach an- 
gebauten Pflanzen gemacht worden. Von Grisebach 
hören wir freilich, dass er (muthmaasslich im Herbarium 
zu Kew) Exemplare gesehen hat, die in Neugranada, 
Peru und Trinidad! gesammelt waren; über die Spon- 
taneität lässt er aber nichts verlauten. Die andern 
Arten der Gattung, etwa zwölf an Zahl, wachsen in 
denselben Ländern Amerikas, was den angedeuteten 
Ursprung nur noch wahrscheinlicher macht. 

Mehrere mal hat man die Einführung der Arrakatscha 
nach Europa versucht, aber immer ohne Erfolg. Das 
feuchte Klima Englands liess die Versuche von Sir W. 
Hooker mislingen; die unserigen aber, zweimal wieder- 
holt und unter sehr verschiedenen Bedingungen vorge- 
nommen, können sich ebenso wenig eines Erfolgs rüh- 
men. Die seitlichen Brutzwiebeln bildeten sich nicht 
aus und die Hauptknolle ging in dem Gewächshause, 
wo sie den Winter über aufbewahrt wurde, zu Grunde. 
Die von uns an verschiedene botanische Gärten in Ita- 
lien, Frankreich und anderswohin zur Vertheilung ge- 
kommenen Knollen hatten dasselbe Schicksal. Wenn 
die Pflanze in Amerika der Kartoffel im Ertrage und 
Geschmack auch wirklich gleichkommt, so wird dies in 
-Europa nie der Fall sein. Ihre Cultur hat sich in 
Amerika nicht bis nach Chile und Mexico ausgebreitet, 
wie dies bei der Kartoffel oder der Batate der Fall ist, 
und die anderswo beobachteten Schwierigkeiten in der 
Vermehrung finden hierin eine Bestätigung. 


Hooker eingeschickt und finden sich im Botanical Magazine, Taf. 3092. 
A.P.de Candolle veröffentlichte in dem fünften Bericht über die seltenen 
Pflanzen des genfer botan. Gartens eine Abbildung, welche die Haupt- 
knolle darstellt. 

1 Grisebach, Flora of British W. India Islands. 


4* 


52 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Rubia tinctorum, Linne. — Färberröthe, Krapp (fr. 
Garance). | 

Der Krapp tritt zweifelsohne in Italien, Griechenland, 
der Krim, Kleinasien, in Syrien, Persien, Armenien und 
in der Nähe von Lenkoran ! wildwachsend auf. Schreitet 
man in Südeuropa von Osten nach Westen vor, so wird 
die Eigenschaft der wildwachsenden, ursprünglichen 
Pflanze immer zweifelhafter. Schon in Frankreich hegt 
man in Bezug hierauf gewisse Zweifel. Im Norden und Osten 
scheint die Pflanze ‚in den Hecken, auf den Mauern ? 
naturalisirt‘“‘ oder auch infolge früherer Culturen ,,sub- 
spontan‘ zu sein.” In der Provence und Languedoc ist 
sie spontaner oder, wie man sagt, „wildwachsend“, es ist 
aber immerhin möglich, dass sie sich infolge ihres in 
recht grossartigem Maassstabe vorgenommenen Anbaues 
‘ weiter verbreitet hat. Für die spanische Halbinsel wird 
sie als „subspontan“ angegeben.* Desgleichen für das 
nördliche Afrika.® Augenscheinlich sind das gemässigte 
Westasien und der Südosten Europas der frühere na- 
türliche und unbestreitbare Wohnort. Man scheint die 
Pflanze über den Kaspisee hinaus, in der einst von den 
Indo-Europäern in Besitz gehaltenen Region, nicht an- 
getroffen zu haben, jedoch ist diese Region noch wenig 
bekannt. In Indien kommt die Art nur im Zustande 
der angebauten Pflanze vor, und zwar ohne irgendeinen 
Sanskritnamen.® | 

Ebenso wenig kennt man einen hebräischen Namen 
für sie, während die Griechen, Römer, die Slawen, Ger- 
manen, Kelten verschiedene Namen besassen, welche von 
einem Gelehrten vielleicht auf eine oder zwei Wurzeln 
zurückgeführt werden könnten, welche aber immerhin 


1 Bertoloni, Flora italica, II, 146; Decaisne, Recherches sur la Ga- 

a S. 58; Boissier, Flora orientalis, III, 17; Ledebour, Flora rossica, 
I, 405. 

2 Cosson et Germain, Flore des environs de Paris, II, 365. 

3 Kirschleger, Flore d’Alsace, I, 359. 

4 Willkomm et Lange, Prodromus florae hispanicae, II, 307. 

5 Ball, Spicilegium Florae maroccanae, S. 483; Munby, Catal. plant. 
Alger., 2. Aufl., S. 17. 

6 Piddington, Index. 


Erdapfel. 55 


durch ihre mannichfaltigen Biegungen auf ein hohes 
Alter hinweisen. Wahrscheinlich hat man die wilden 
Wurzeln auf freiem Felde geerntet, ehe man auf den 
Gedanken verfiel, die Art anzubauen. Plinius betont, 
dass man sie zu seiner Zeit in Italien anbaute!, und 
es wäre möglich, dass dieser Gebrauch in Griechenland 


und Kleinasien ältern Datums ist. 
Die Krappcultur wird in den französischen Urkunden 


des Mittelalters häufig erwähnt.” Darauf hatte man sie 
vernachlässigt oder ganz aufgegeben, bis Althen sie 
Mitte des 18. Jahrhunderts von neuem in der Graf- 
schaft Avignon einführte. Vor zeiten blühte sie im El- 
sass, in Deutschland, Holland und besonders in Griechen- 
land, Kleinasien und Syrien, von wo eine bedeutende 
Ausfuhr stattfand; die Entdeckung von aus anorgani- 
schen Substanzen gewonnenen Farbstoffen hat aber diese 
Cultur zum Schaden der Provinzen, welche grossen Ge- 
winn daraus zogen, unterdrückt. 


Helianthus tuberosus, Linne. — Erdapfel (fr. Topi- 


| nambour). 


Im Jahre 1616 haben die europäischen Botaniker zum 
ersten mal von dieser Composite mit dicker Wurzel 
gesprochen, welche sich besser zur Viehfütterung als zur 
Nahrung für den Menschen eignet. Columna? hatte sie 
in dem Garten des Cardinals Farnese gesehen und sie 
Aster peruanus tuberosus benannt. Andere Schriftsteller 
desselben Jahrhunderts haben Bezeichnungen beigefügt, 
welche darauf hinweisen, dass man sie entweder in 
Brasilien, Canada oder in Indien, was Amerika bedeuten 
sollte, heimisch hielt. Auf Parkinson’s Meinung sich 
stützend, hatte Linn@* den canadischen Ursprung an- 
genommen, doch fehlte ihm aber jeglicher Beweis hierfür. 


Plinius, XIX 
2 Gasparin, ech “aan agriculture, IV, 253, 


1 
2 
3 gr hrasis, 

4 Linn, Hortus elilortishus, 3. 420. 


54 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Von mir wurde früher die Bemerkung gemacht!, dass 
es von der Gattung Helianthus keine brasilianische 
Arten gibt, in Nordamerika dagegen zahlreiche Arten 
vorkommen. 

Nachdem Schlechtendal? es ausser allen Zweifel ge- 
stellt, dass der Erdapfel von den strengen Wintern in 
Mitteleuropa nicht zu leiden hat, bemerkt er hierzu, 
dass dies zu Gunsten eines canadıschen Ursprungs 
und gegen die Abstammung aus einer südlichen Region 
spricht. Decaisne? hat bei der Synonymie von He- 
lianthus tuberosus auf die Unrichtigkeit mehrerer Citate 
hinweisen können, die auf einen südamerikanischen oder 
mexicanischen Ursprung schliessen lassen. Von ihm wie 
von den amerikanischen Botanikern wird das in Er- 
innerung gebracht, was alte Reisende über gewisse Ge- 
bräuche der Eingeborenen des Nordens der Vereinigten 
Staaten und Canadas berichtet haben. So hatte Cham- 
plain im Jahre 1603 „zwischen ihren Händen Wurzeln“ 
gesehen, ,,welche sie anbauen und welche den Geschmack 
von Artischoken besitzen“. Auch Lescarbot* erwähnt 
diese Wurzeln, welche den Geschmack der spanischen 
Artischoke haben und sich stark vermehren; dieselben 
wurden von ihm nach Frankreich gebracht, wo man sie 
als Topinambaux zu verkaufen anfing. Die Wilden 
nannten sie, sagt er, Chiquebi. Decaisne führt über- 
dies zwei französische Gärtner des 17. Jahrhunderts 
an, Colin und Sagard, die augenscheinlich vom Erd- 
apfel sprechen und hinzufügen, dass er aus Canada 
stamme. Dabei darf man nicht unberücksichtigt lassen, 
dass der Name Canada zu jener Zeit einen sehr unbe- 
stimmten Begriff hatte und einige Theile der jetzigen 
Vereinigten Staaten umfasste. In den Schriften des 
Amerikaners Gookin über die Sitten der Eingeborenen 


1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 824. 

2 Schlechtendal, Bot. Zeit., 1858, S. 113. 

3 Decaisne, Recherches sur l’origine de quelques-unes de nos plantes 
alimentaires, in: ,, Flore des serres et jardins‘, Bd.23, 1881. 

4 Lescarbot, Histoire de la Nouvelle-France (3. Aufl., 1618), VI, 931. 


Lauchblätteriger Bocksbart. 55 


findet sich der Passus, dass dieselben Stücke des Erd- 
apfels (Jerusalem artichoke) in ihre Suppen thaten.! 

Wie man sieht, stimmen die botanischen Analogien 
und die Aussagen der Zeitgenossen über den Ur- 
sprung im nordöstlichen Amerika überein. Durch den 
Umstand, dass man die wilde Pflanze nicht fand, ge- 
langte Dr. Asa Gray zu der Vermuthung, dass man es 
mit einer Form von H. doronicoides, Lamarck, zu thun 
habe?, jetzt soll sie jedoch im Staate Indiana wild- 
wachsend gefunden worden sein.’ 

Der Name Topinambour scheint von einem wirk- 
lichen oder muthmaasslichen Namen der amerikanischen 
Sprachen herzurühren. Der englische Name Jerusalem 
artichoke ist eine Entartung des italienischen Girasole 
(Tournesol), nebst einer Anspielung auf den Artischoken- 
geschmack der Wurzel. 


Tragopogon porrifolium, Linne. — Lauchblätteriger 
Bocksbart (fr. Salsifis, früher Sercifi ®). 

Vor einem oder zwei Jahrhunderten wurde diese 
Bocksbartart häufiger angebaut als heutzutage. Es ist 
eine zweijährige Composite, welche man in Griechenland, 
Dalmatien, Italien und selbst in Algerien ° wildwachsend 
antrifft. Im Westen Europas entschlüpft sie ziemlich 
häufig den Gartenculturen und naturalisirt sich halb- 
wegs.® 

Die Commentatoren”? beziehen den Namen von Theophrast: 


1 Pickering, Chronol. arrang., S. 749, 972. 

2 „In einem gelehrten Artikel über diese meine Arbeit, welcher die 
Herren Asa Gray und J. H. Trumbull zu Verfassern hat (American Jour- 
nal of Science, 1883, S. 244), weist ersterer die muthmaassliche Identität 
der Helianthus tuberosus und doronicoidesvon sich, er sagt aber nichts von der 
Pflanze des Catalogue of Indian Plants, sodass, ihm zufolge, die spontane 
Eigenschaft der Helianthus tuberosus in den Vereinigten Staaten noch nicht 
nachgewiesen wäre.‘ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.) 

3 Catalogue of Indiana Plants, 1881, S. 15. 

4 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 470. ne 

5 Boissier, Flora orient., III, 745; Visiani, Fl. dalmat., II, 108; Berto- 
loni, Fl. ital., VIII, 348; Gussone, Synopsis fl. siculae, II, 384; Munby, 
Catal. Alger., 2. Aufl., S. 22. 

6 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 671. 

7 Fraas, Synopsis fl. class., S. 196; Lenz, Botanik der Alten, S. 485. 


56 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Tragopogon (Bocksbart) bald auf diese Art und bald 
auf Tragopogon crocifolium, welche ebenfalls in Griechen- 
land wächst. Schwierig bleibt es, sich darüber Gewiss- 
heit zu verschaffen, ob die Alten diesen Bocksbart an- 
bauten oder als wildwachsende Pflanze einsammelten. 
Im 16. Jahrhundert berichtet Olivier de Serres, dass 
dies für sein Heimatsland, den Süden Frankreichs, 
eine neue Cultur war. Das französische Wort Sal- 
sifis kommt aus dem italienischen Sassefrica, zu deutsch 
einer der Steine reibt, was aber keinen vernünftigen 
Sinn darbietet. 


Scorzonera hispanica, Linne. — Schwarzwurzel (fr. 
Scorsonère d'Espagne). 

Diese Pflanze wird im Französischen zuweilen Salsifis 
d'Espagne genannt, weil sie dem Salsifis (Tragopogon 
porrifolium) ähnlich ist; ihre Wurzel ist nach aussen 
braun, was zu dem botanischen Namen und dem von 
écorce noire (Schwarzrinde), wie er in einigen Provinzen 
üblich ist, Veranlassung gab. 

Sie ist in Europa wildwachsend, von Spanien, wo sie 
‚vielfach vorkommt, dem südlichen Frankreich und 
Deutschland bis nach der Region des Kaukasus und 
vielleicht bis nach Sibirien hin, sie fehlt aber in Sicilien 
und Griechenland.! In verschiedenen, Gegenden Deutsch- 
lands hat sich die Art wahrscheinlich infolge der Cul- 
turen naturalisirt. 

Es hat nicht den Anschein, als ob man diese Pflanze 
seit mehr als 100 oder 150 Jahren anbaute. Die Bo- 
taniker des 16. Jahrhunderts sprechen von ihr nur als 
von einer wildwachsenden Art, die zuweilen in den 
botanischen Gärten cultivirt wurde. Olivier de Serres 
erwähnt sie nicht. 

Früher wurde behauptet, dass sie ein Gegengift für 


1 Willkomm und Lange, Prodromus florae hispanicae, II, 223; de Can- 
dolle, Flore francaise, IV, 59; Koch, Synopsis fl. germ., ed. 2, S. 488; 
Ledebour, Flora rossica, II, 794; Boissier, Fl. orient., III, 767; Bertoloni, 
Flora italica, VIII, 365. 


Kartoffel. 57 


Natternbiss sei, und man nannte die Pflanze zuweilen 
Natterkraut. Was die Abstammung des Wortes Scorzo- 
nera betrifft, so liegt diese so klar vor Augen, dass man 
es nicht begreift, wie ältere Schriftsteller, selbst Tourne- 
fort!, behaupten konnten, dass dasselbe von dem spa- 
nischen oder catalonischen escorso (Natter) abgeleitet 
würde. Natter heisst im Spanischen eher vibora. 

- In Sieilien findet sich eine andere Art, die Scorzo- 
nera deliciosa, Gussone, aus deren äusserst zuckerhal- 
tiger Wurzel in Palermo Bonbons und Sorbets bereitet 
werden.”e Warum hat man sie nicht anzubauen ver- 
sucht? In Neapel setzte man mir Scorzonera-Eis vor, 
welches ich abscheulich fand, vielleicht war es aber aus 
der gewöhnlichen Art (Scorzonera hispanica) bereitet. 


Solanum tuberosum, Linne. — Kartoffel (fr. Pomme 
de terre). 

Im Jahre 1855 wurde von mir alles, was man über 
den Ursprung der Kartoffel und ihre Einführung nach 
Europa wusste, weiter auseinandergesetzt und erörtert.? 
Jetzt will ich das hinzufügen, was man seit einem Viertel- 
jahrhundert darüber entdeckt hat. Man wird daraus 
ersehen, dass die früher erlangten Angaben gewisser 
geworden sind, und mehrere nebensächliche, etwas 
zweifelhafte Fragen ganz so geblieben sind, wenn auch 
mit dem Unterschiede, dass das, was mir früher schon 
wahrscheinlich schien, es jetzt in noch höherm Grade 
geworden ist. 

Es ist zur Genüge bewiesen worden, dass die Cultur 
der Kartoffel zur Zeit der Entdeckung Amerikas mit 
allen Anzeichen eines alten Herkommens betrieben 
wurde, und zwar in den gemässigten Regionen, welche 
sich von Chile nach Neugranada erstrecken, und auf je 
nach den Breitegraden verschiedenen Höhen. So viel 
geht aus den Berichten von all den ersten Reisenden 


1 Tournefort, Éléments de botanique, $. 379. 
2 Gussone, Synopsis florae siculae. 
3 A. de Candolle, Géogr. bot, raisonnée, S. 810—816. 


58 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


hervor, unter welchen ich nur Acosta! für Peru und 
Peter Cieca, auf welchen sich Clusius? bezieht, für 
Quito namhaft machen will. 

In allen gemässigten östlichen Theilen Südamerikas, 
z. B. auf den Höhen von Guyana und Brasilien, war die 
Kartoffel den Eingeborenen unbekannt, oder war es, 
falls sie eine ähnliche Pflanze kannten, das Solanum 
Commersonii, welches ebenfalls Knollen trägt und in 
Montevideo und dem südlichen Brasilien wildwachsend 
vorkommt. Die echte Kartoffel wird gegenwärtig in 
letzterm Lande angebaut, sie ist aber dort noch so neu, 
dass man sie englische Batate genannt hat.” Nach 
Humboldt war sie in Mexico * unbekannt, ein Umstand, 
der durch das Stillschweigen späterer Schriftsteller be- 
stätigt, aber auch bis zu einem gewissen Punkte durch 
eine andere historische Angabe widerlegt wird. 

Es wird in der That erzählt, dass Walter Raleigh, 
oder vielmehr sein Gefährte auf mehreren Reisen, Tho- 
mas Herriott, im Jahre 1585 oder 1586 Kartoffelknollen 
von Virginien® nach Irland gebracht hatte. Diese wur- 
den dort Openawk genannt. Nach der Beschreibung 
der Pflanze von Herriott, welche von Sir Joseph Banks® 
wiedergegeben wird, unterliegt es keinem Zweifel, dass 
es die Kartoffel war und nicht die Batate, welche da- 
mals ab und zu mit ıhr verwechselt wurde. Ausserdem 
erzählt uns Gerard’, von Virginien die Kartoffel er- 
halten zu haben, welche er 1597 in seinem Garten an- 
baute und von welcher er eine mit Solanum tuberosum 
ganz und gar übereinstimmende Abbildung gibt. Er 
war darauf so stolz, dass sein Bildniss, zu Anfang des 


1 Acosta, S. 163. 

2 De L’Ecluse (oder Clusius), Rariarum plantarum historia, 1601, II, 79, 
mit Abbildung. 

3 De Martius, Flora brasil., X, 12. 

4 De Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 451; Essai sur la géo- 
graphie des plantes, S. 29. 

5 Zu jener Zeit unterschied man Virginien nicht von Carolina. 

6 Banks, Transactions of the Horticult. Society, I, 3 (1805). 

7 Gérard, Herbal, 1597, S. 781, mit Abbildung. 


Kartoffel. 59 


‚Buches, ihn darstellt, wie er einen blühenden Zweig 
dieser Pflanze in der Hand hat. 

Wie war es möglich, dass die Art in Virginien oder 
in Carolina zu Raleigh’s Zeiten (1585) bekannt war, 
wo doch die alten Mexicaner sie nicht besassen und 
sich ihre Cultur bei den Eingeborenen im Norden 
Mexicos in keiner Weise verbreitet hatte? Von Dr. 
Roulin, welcher die über Nordamerika veröffentlichten 
"Werke mit grosser Aufmerksamkeit durchforscht hat, 
wurde mir schon früher die Annahme bestätigt, dass 
man von der Kartoffel vor Ankunft der Europäer keine 
Spur in den Vereinigten Staaten gefunden habe. Dr. 
Asa Gray sagte mir dasselbe und fügte hinzu, dass 
Harris, einer der in Kenntniss der Sprache und Ge- 
bräuche der Volksstämme Nordamerikas am besten be- 
wanderten Männer, derselben Meinung wäre. In neuern 
Arbeiten habe ich nichts gefunden, was diesem wider- 
spräche, und man darf nicht vergessen, dass eine so 
leicht anzubauende Pflanze sich selbst bei den Wander- 
völkern weiter ausgebreitet haben würde, hätten sie 
solche überhaupt besessen. Die Wahrscheinlichkeit 
scheint mir die zu sein, dass Bewohner Virginiens — 
vielleicht auch englische Colonisten — Knollen erhielten 
von spanischen oder andern Reisenden, welche sich in 
den 90 Jahren seit der Entdeckung Amerikas mit Han- 
del befassten oder auf Abenteuer ausgingen. Es liegt 
auf der Hand, dass von der Eroberung Perus und Chiles 
im Jahre 1535 an gerechnet bis 1585, viele Schiffe 
Kartoffelknollen als Proviant mit sich führen konnten, 
und kann W. Raleigh, der als Freibeuter die Spanier 
bekriegte, oder auch ein anderer ein Schiff geplündert 
haben, welches solche Vorräthe enthielt. Dies scheint 
um so viel weniger unwahrscheinlich zu sein, als die 
Spanier die Pflanze schon vor 1585 nach Europa ge- 
bracht hatten. 

Sir Joseph Banks! und Dunal? haben recht gehabt, 


1 Banks, a. a. O. 
2 Dunal, Histoire naturelle des Solanum. 


60 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


diese Thatsache der ersten Einführung durch die Spa- 
nier ganz besonders zu betonen, da man lange Zeit 
besonders von Walter Raleigh sprach, welcher der zweite 
Einführer war, und selbst von andern Engländern, welche 
nicht die Kartoffel, sondern die mehr oder minder häufig 
mit ihr verwechselte Batate nach Europa brachten.! 
Von einem berühmten Botaniker, Clusius?, werden 
gleichwol die Thatsachen in bemerkenswerther genauer 
Weise angegeben. Er veröffentlichte die erste gute 
Beschreibung von der Kartoffel unter dem Namen Papas 
Peruanorum und fügt eine getreue Abbildung bei. Nach 
ihm hat sich die Art durch die Wirkung einer fast 
300jährigen Cultur nur sehr wenig verändert, denn sie 
trug von Anfang an bis zu 50 Knollen von ungleicher 
Grösse, die eine Länge von 1 bis 2 Zoll hatten, von 
unregelmässig eiförmiger Gestalt und röthlicher Farbe 
waren und die im November (in Wien)reiften. Nach aussen 
war die mit fünf grünen Längsstreifen ausgestattete 
Blume von einer rosa Färbung, nach innen blassrother, 
was man auch heutzutage noch oft antrıfft. Zweifels- 
ohne hat man zahlreiche Varietäten erzielt, die Urform 
ist aber nicht verloren gegangen. Clusius vergleicht 
den Geruch der Blumen mit jenem der Lindenblüte, 
der einzige Unterschied mit unsern jetzigen Pflanzen. 
Die von ihm ausgesäeten Samen lieferten eine Varietät 
mit weissen Blumen, wie wir solche gegenwärtig zu- 
weilen antreffen. 

Die von Clusius beschriebenen Pflanzen waren ihm 
1588 von Philippe de Sivry, Besitzer von Waldheim 
und Gouverneur von Mons zugeschickt worden, und 
dieser hatte sie von jemand aus dem Gefolge des päpst- 
lichen Botschafters in Belgien erhalten. Clusius fügt 
hinzu, dass man die Art in Italien von Spanien oder 


1 Die von Sir Franeis Drake und Sir John Hawkins mitgebrachte 
Pflanze war, sagt Sir J. Banks, augenscheinlich die Batate; hieraus geht 
hervor, dass die von Humboldt erörterten Fragen über die von jenen 
Reisenden besuchten Gegenden sich nicht auf die Kartoffel beziehen. 

2 De L’Ecluse, a. a. O. 


Fr 
=. 


2 


Kartoffel. 61 


von Amerika erhalten habe (certum est vel ex Hispa- 
nüs, vel ex America habuisse), und er wundert sich dar- 
über, dass die Gelehrten von der Schule zu Padua, wo 
die Pflanze in Italien doch schon so gemein war, um 
sie wie Rüben zur Speise zu benutzen, auch die 
Schweine damit zu füttern, erst durch die Knollen, welche 
er ihnen von. Deutschland schickte, mit ihr bekannt 
wurden. Targioni! konnte den Nachweis nicht liefern, 
dass die Kartoffel zu Ende des 16. Jahrhunderts in 
Italien so häufig angebaut wurde, wie wir dies von 
Clusius hören, er führt aber den Pater Magazzini von 
Valombrosa an, dessen nach des Verfassers Tode im 
Jahre 1623 herausgegebenes Werk die Art als eine 
schon früher, ohne Angabe des Datums, von Spanien 
oder Portugal durch die Barfüsser mitgebrachte erwähnt. 
Gegen Ende des 16. oder zu Anfang des 17. Jahrhun- 
derts musste sich somit die Cultur in Toscana weiter aus- 
gebreitet haben. Ganz abgesehen davon, was Clusius und 
der Agronom von Välombrosa über die Einführung durch 
die spanische Halbinsel sagen, ist es keineswegs wahr- 
scheinlich, dass die Italiener mit den Gefährten Raleigh’s 
Verbindungen gehabt haben. 

Niemand kann es in Zweifel stellen, dass die Kartoffel 
von Amerika stammt; um aber genau zu wissen, aus 
welchem Gebiete dieses ungeheuern Continents, muss 
man in Erfahrung zu bringen suchen, ob und in welchen 
Gegenden die Pflanze im wildwachsenden Zustande dort 
vorkommt. 

Zur bündigen Beantwortung dieser Frage sind zu- 
nächst zwei Gründe zum Irrthum zu beseitigen: der 
eine, dass man die Kartoffel mit verwandten Arten der 
Gattung Solanum verwechselt hat; der andere, dass sich 
die Reisenden über die wildwachsende Eigenschaft der 
Pflanze haben irren können. 

Die verwandten Arten sind: Solanum Commersonii, 


1 Targioni-Tozzetti, Lezzioni, II, 10; Cenni storici sulla introduzione 
di varie piante nell’ agricoltura di Toscana (Florenz 1553), S. 37. < 


62 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Dunal, von welcher ich schon gesprochen habe, S. Mag- 
lia, Molina, eine chilenische Art, S. immite, Dunal, welche 
von Peru kommt, und $. verrucosum, Schlechtendal, 
welche in Mexico wächst. Diese drei Solanumarten 
haben kleinere Knollen als $. tuberosum, und unter- 
scheiden sich überdies durch andere Charaktere, wie 
sie sich in den Specialwerken über Botanik angegeben 
finden. Vom theoretischen Standpunkte aus kann man 
annehmen, dass alle diese und andere mehr in Amerika 
wachsende Formen von einer einzigen Urform ihre Ab- 
stammung herleiten; sie treten aber zu unserer geo- 
logischen Epoche mit solchen Verschiedenheiten auf, 
um specifische Unterscheidungen gerechtfertigt erschei- 
nen zu lassen, und es sind keine Versuche gemacht wor- 
den, welche den Beweis liefern könnten, dass man durch 
die Befruchtung der einen mit der andern Erzeugnisse 
erzielen würde, deren Samen (und nicht die Knollen) 
den Stamm fortführen würden.! Wir wollen diese mehr 
oder weniger zweifelhaften Fragen über die Arten bei- 
seite lassen, dagegen zu erfahren suchen, ob die ge- 
wöhnliche Form von Solanum tuberosum wild gefunden 
worden ist, und dabei nur bemerken, dass das häufige 
Vorkommen von knollentragenden Solanum in Amerika, 
wo sie in den gemässigten Regionen von Chile oder 
Buenos-Ayres bis nach Mexico wachsen, die Thatsache 
eines amerikanischen Ursprungs bestätigt. Eine auf 
grösserer Wahrscheinlichkeit beruhende Muthmaassung 
über das ursprüngliche Vaterland kennt man nicht. 
Der zweite Grund zum Irrthum wird in sehr bün- 
diger Weise von dem Botaniker Weddell? erörtert, 
welcher mit so grossem Eifer Bolivia und die benach- 
barten Länder durchstreift hat. „Wenn man erwägt“, 
sagt er, „dass in der dürren Cordillere die Indianer 


1 Die Cultur von Solanum verrucosum, über dessen Einführung nach 
Gex in der Nähe von Genf ich im Jahre 1855 Mittheilungen gemacht, ist 
wieder aufgegeben worden, weil die Knollen zu klein waren, und die Art 
nicht, wie man gehofft hatte, dem Oidium widerstand. 

2 Chloris Andina, S. 103. 


Kartoffel. 63 


ihre kleinen Culturen oft auf Stellen begründen, welche 
der grössern Mehrzahl unserer Landwirthe Europas fast 
unzugänglich erscheinen würden, wird man es auch ver- 
stehen, dass ein Reisender, welcher zufällig einen dieser 
seit langer Zeit aufgegebenen Culturplätze besucht und 
dort eine zufällig übriggebliebene Pflanze von Solanum 
tuberosum antrifft, sie in der Ueberzeugung einsammelt, 
dass sie dort wirklich spontan sei; aber wo ist der 
Beweis hierfür zu finden?“ 

Wir wollen uns jetzt die Thatsachen näher betrachten. 
Es gibt deren viele in Bezug auf die Spontaneität in 
Chile. 

Im Jahre 1822 wurden der Londoner Gartenbau- 
gesellschaft vom englischen Consul Alexander Cald- 
cleugh ! Kartoffelknollen zugestellt, welche er „in den 
Schluchten um Valparaiso herum‘ gesammelt hatte, und 
er berichtet, dass diese Knollen klein seien, eine bald 
rothe, bald gelbliche Färbung zeigten und einen etwas 
bittern Geschmack besässen.” „Ich glaube“, fügt er 
hinzu, „dass diese Pflanze auf weiten Strecken des 
Küstengebiets vorkommt, denn sie findet sich im süd- 
lichen Chile, wo die Eingeborenen sie Maglia nennen.“ 
Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine Verwechse- 
lung mit dem $. Maglia der Botaniker; die Knollen 
von Valparaiso aber, welche in London gepflanzt wur- 
den, lieferten die echte Kartoffel, was sofort ins Auge 
springt, wenn man die von Sabine in den Abhandlungen 

der Gartenbaugesellschaft gegebene colorirte Abbildung 
betrachtet. Man setzte die Cultur dieser Pflanze einige 
Zeit lang fort, und Lindley bestätigte von neuem im 
Jahre 1847 ihre Identität mit der gewöhnlichen Kar- 
toffel.”® Hier der Bericht eines Reisenden an Sir William 


1 Sabine, Transactions of the Horticultural Society, V, 249. 

2 Man muss weder auf diesen Geschmack, noch auf die wässerige 
Eigenschaft gewisser Knollen Gewicht legen, da die Kartoffel in den war- 
men Ländern, selbst im Süden Europas, oft recht mittelmässig ist. Eine 
Lage nach dem Lichte hin färbt die Knollen grün, die ja unterirdische 
Theile des Stengels sind, und macht sie bitter. 

3 Journal of the Horticult. Society, III, 66, 


64 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Hooker! über die Pflanze von Valparaiso: „Ich habe 
die Kartoffel im Litorale bis zu 15 Stunden. nördlich 
von dieser Stadt angetroffen, und auch südlich da- 
von, ohne indessen diese Entfernung angeben zu kön- 
nen. Sie hat ihren Standort auf den Klippen und 
Hügeln in der Nähe des Meeres, und ich erinnere 
mich nicht, sie weiter als 2 oder 3 Stunden von der 
Küste gesehen zu haben. Wenn man sie auch in den 
gebirgigen Gegenden, fern von Culturen findet, kommt 
sie in der unmittelbaren Nachbarschaft der Felder und 
Gärten, wo man sie pflanzt, nicht vor, es sei denn, 
dass ein Bach diese Ländereien durchzieht und die 
Knollen nach den nicht angebauten Plätzen mit fort- 
führt.“ Die von diesen zwei Reisenden beschriebenen 
Kartoffeln hatten weisse Blumen, wie wir dies bei 
einigen in Europa angebauten Varietäten antreffen und 
was auch bei der von Clusius durch Samen erzielten 
Pflanze eintraf. Dies ist, darf man annehmen, die ur- 
sprüngliche Farbe für die Art oder zum wenigsten eine 
der häufigsten im wildwachsenden Zustande. 

Auf seiner Reise an Bord des „Beagle“ fand Darwin 
die wilde Kartoffel im Chonos-Archipel des südlichen 
Chile auf den sandigen Gestaden, wo sie in grossen 
Massen auftrat und eine selten kräftige Vegetation 
zeigte, was man der Feuchtigkeit des Klimas zuschrei- 
ben kann. Die grössten Exemplare hatten 4 Fuss 
Höhe. Die Knollen waren klein, wenn auch eine der- 
selben 2 Zoll im Durchmesser hatte. Sie waren wässe- 
rig, geschmacklos, hatten aber nach dem Kochen keinen 
schlechten Geschmack. „Die Pflanze ist unzweifelhaft 
spontan“, sagt der Verfasser ?, und die specifische Iden- 
tität ist dann von Henslow und später von Sir Joseph 
Hooker in seiner „Flora antarctica“ ? bestätigt worden. 

Ein Exemplar unsers Herbariums, welches von Claude 
Gay gesammelt und von Dunal als Solanum tuberosum 


1 Hooker, Botanical Miscell., 1831, II, 203. 
2 Journal of the voyage, etc., 1852, S. 285. 
3 Bd. I, Theil 2, S. 329. 


Kartoffel. 65 


bestimmt wurde, besitzt auf seiner Etikette folgende 
Inschrift: „Im Centrum der Cordilleren von Talcague 
und Cauquenes, an Orten, welche nur von Botanikern 
und Geologen besucht werden.“ Derselbe Verfasser 
betont in seiner „Flora chilena“ 1 das häufige Vorkom- 
men der wilden Kartoffel in Chile bis zu den Arau- 
caniern in den Gebirgen von Malvarco, wo die Soldaten 
von Pincheira. den Pflanzen nachspürten, um sich mit 
ihren Knollen zu nähren. Diese Aussagen bestätigen 
zur Genüge das Indigenat für Chile, sodass ich weniger 
überzeugende, wie die von Molina und von Meyen, deren 
chilenische Exemplare nicht bestimmt wurden, hier un- 
berücksichtigt lassen kann. 

Das chilenische Küstenklima dehnt sich, der Anden- 
kette folgend, nach den Höhen hin aus, und die Cultur 
der Kartoffel ist in den gemässigten Regionen Perus 
eine recht alte, die spontane Eigenschaft der Art ist 
daselbst aber viel weniger gut nachgewiesen als ın 
Chile. Pavon? behauptete, sie an der Küste bei Chan- 
cai und in der Nähe von Lima gefunden zu haben. 
Für eine Art, welche ein gemässigtes und selbst etwas 
kaltes Klima beansprucht, erscheinen diese Gegenden 
jedoch reichlich warm. Ausserdem gehört das von Pa- 
von gesammelte, im Herbarium Boissier befindliche 
Exemplar nach Dunal einer andern Art an, welche er 
Solanum immite nannte.? Ich habe das in Frage stehende 
Exemplar selbst gesehen und zweifle keinen Augenblick, 
dass es eine von $. tuberosum verschiedene Art ist. 
Sir W. Hooker* führt ein Exemplar an, welches Mac 
Lean auf den Hügeln um Lima herum ohne weitere 
Angabe über die Spontaneität gesammelt hatte. Die 
Exemplare (mehr oder minder wilde?), welche Matthews 
von Peru an Sir W. Hooker schickte, gehören nach Sir 
Joseph? zu etwas verschiedenen Varietäten der echten 


V, 74. 

Ruiz et Pavon, Flora peruviana, II, 38. 
Dunal, Prodromus, 13, Sect. 1, S. 32. 
Hooker, Bot. miscell., Bd. 2. 

Hooker, Flora antarctica, 1. c. 


Cr HR C9 29 m 


QU 


DE CANDOLLE. 


66 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 

Kartoffel. Hemsley!, welcher sie neuerdings im Her- 
barium von Kew sah, betrachtet sie als „gut unterschie- 
dene Formen, wenn auch in nicht höherm Grade als 
gewisse Varietäten der Art“. 

Weddell, dessen Vorsicht bezüglich dieser Frage 
bekannt ist, drückt sich folgendermaassen aus?: „In 
Peru habe ich Solanum tuberosum nie unter Um- 
ständen gefunden, welche irgendwelche Zweifel über 
die nicht einheimische Beschaffenheit der Pflanze zu- 
liessen; ich erkläre sogar, dass ich ebenso wenig an die 
Spontaneität anderer Individuen glaube, welche dann 
und wann auf den ausser-chilenischen Anden gesammelt 
und bisjetzt als wildwachsende angesehen wurden.“ 

Andererseits wurden von Ed. André? in zwei hoch- 
gelegenen und wild aussehenden Localitäten von Üo- 
lumbia und in einer andern bei Lima gelegenen, auf 
dem Amancaesgebirge, Exemplare mit grosser Sorgfalt 
gesammelt, welche er auf S. tuberosum zurückführen zu 
dürfen glaubte. Herr André hatte die Gefälligkeit, sie 
mir zu leihen. Ich habe sie sehr aufmerksam mit den 
Typen der Dunal’schen Arten in meinem Herbarium und 
dem des Herrn Boissier verglichen. Meiner Ansicht 
nach gehört keins dieser Solanum zu $. Zuberosum, 
wenn sich auch das in Columbia bei dem Flusse Cauca 
gesammelte ihm mehr nähert als die andern. Keins 
aber, und dies kann mit noch grösserer Gewissheit 
gesagt werden, entspricht dem $. immite von Dunal. 
Sie stehen dem S. Colombianum desselben Autors näher 
als dem $. tuberosum oder $. immite. Das Exemplar 
vom Berge Quindio weist einen recht eigenthümlichen 
Charakter — eiförmige und zugespitzte Beeren? — auf. 

Die in Mexico Knollen tragenden Solanum, welche auf 
S. tuberosum, oder nach Hemsley? auf nahestehende 


1 Journal of the Royal Hortic. Society, Neue Serie, Bd. 5. 

2 Weddell, Chloris Andina, I. c. 

3 Andre, in: Illustration horticole, 1877, S. 114. 

4 Die Form der Beeren ist bei den $S. Colombianum und immite noch 
nicht bekannt. 

5 Hemsley, 1. c. 


Batate, 67 


Formen zurückzuführen sind, dürfen allem Anscheine 
nach nicht als identisch mit der angebauten Pflanze 
angesehen werden. Sie beziehen sich auf $. Fendleri, 
welche Asa Gray zunächst als eine wirkliche Art an- 
sah, später ! aber als eine Form von $. tuberosum oder 
S. verrucosun. 

Hieraus lässt sich nun folgern: 

1. Die Kartoffel ist in Chile spontan, und zwar unter 
einer Form, welche sich noch bei unsern angebauten 
Pflanzen vorfindet. 

2. Sehr zweifelhaft ist es, dass sich der natürliche 
Standort bis nach Peru und Neugranada ausbreitet. 

3. Die Cultur hat sich vor der Entdeckung Amerikas 
von Chile nach Neugranada verbreitet. 

4. Wahrscheinlich hat sie sich in der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrhunderts in dem Theile der Vereinigten 
Staaten eingebürgert, welcher jetzt Virginien und Nord- 
carolina genannt wird. 

5. Nach Europa wurde die Kartoffel in den Jahren 
1580—85 gebracht, zunächst von den Spaniern und 
dann von den Engländern während der Reisen Raleigh’s 
in Virginien.? 


Convolvulus Batatas, Linne. Batatas edulis, Choisy. 
— Batate (fr. Batate oder Patate; engl. Sweet Potatoe). 

Die zu Knollen sich verdickenden Wurzeln dieser 
Pflanze sehen wie Kartoffeln aus, was eine gleichartige 
Benennung dieser zwei sehr verschiedenen Arten seitens 
der Seefahrer des 16. Jahrhunderts zur Folge hatte. 
Die Batate gehört zur Familie der Convolvulaceen, die 
Kartoffel zu jener der Solanaceen; die fleischigen Theile 
ersterer sind Wurzeln, die der zweiten unterirdische 
Zweige.? 


1 Asa Gray, Synoptical flora of N. Amer., II, 227. 

2 Ueber die allmähliche Einführung nach verschiedenen Ländern 
Europas siehe: Clos, Quelques documents sur l’histoire de la pomme de 
terre, 1874, in: Journal d’agric. prat. du midi de la France. 

3 Turpin hat gute Abbildungen veröffentlicht, welche dies deutlich 
zeigen. Siehe: Mémoires du Muséum, Bd. 19, Taf. 1, 2 und 5. 


Li 


68 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Die Batate ist zuckerhaltig und zu gleicher Zeit 
mehlig. Man baut sie in allen intertropischen oder 
den Wendekreisen nahegelegenen Ländern an, in der 
Neuen Welt vielleicht noch mehr als in der Alten.! 

Vielen Autoren zufolge ist ihr Ursprung zweifelhaft. 
Humboldt?, Meyen®, Boissier* geben einen amerikani- 
schen Ursprung an; Bojer*, Choisy® u.A. einen asiatischen. 
Dieselbe Meinungsverschiedenheit macht sich in ältern 
Werken geltend. Die Frage ist eine um so viel schwie- 
rigere, da die Convolvulaceen seit sehr alten Epochen 
oder auch vermöge neuerer Transportwege mit zu den 
verbreitetsten Pflanzen auf der Erde gehören. 

Zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs sprechen 
wichtige Gründe. Die 15 bekannten Arten der Gat- 
tung Batatas finden sich alle in Amerika, nämlich 11 
urschliesklich in diesem Welttheile und 4 zu gleicher 
Zeit in Amerika und der Alten Welt, bei welchen die 
Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Wanderung 
zu berücksichtigen ist. Die Cultur der gemeinen Ba- 
tate ist in Amerika sehr verbreitet und geht auf eine 
sehr entfernte Zeit zurück. Maregraff! führt sie für 
Brasilien unter dem Namen Jetica an. Nach Humboldt 
kommt der Name Camote von einem mexicanischen Worte. 
Das Wort Batatas (woraus durch irrthümliche Umstel- 
lung Potatoe, Kartoffel, entstand) wird als amerikanisch 
hingestellt. Sloane und Hughes® sprechen von der 
Batate als einer vielfach angebauten Pflanze, die auf 
den Antillen in mehreren Varietäten vertreten ist. Sie 
scheinen keinen fremden Ursprung zu muthmaassen. 
Clusius, welcher einer der ersten war, die von der 


1 Im Journal de la Société d’hortic. de France, 2. Serie, Bd. 5, S. 450 
—458, hat Dr. Sagot sehr interessante Details über das Culturverfahren, 
das Product u. s. w. gegeben. 

2 Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 470. 

3 Meyen, Grundriss der Pflanzengeogr., S. 373. 

4 Boissier, Voyage botanique en Espagne. 

5 Bojer, Hort. maurit., S. 225. 

6 Choisy, im Prodromus, IX, 338. 

7 Marcgraff, Bres., S. 16, mit Abbild. 

8 Sloane, Hist. Jam., I, 150; Hughes, Barb., S. 228. 


Batate. 69 


Batate sprachen, erzählt uns, dass er sie in Spanien 
gegessen habe, wo man sie von der Neuen Welt em- 
pfangen zu haben behauptete! Er führt die Namen 
Batatas, Camotes, Amotes, Ajes an?, welche den Sprachen 
der Alten Welt fremd waren. Sein Buch datirt aus 
dem Jahre 1601. Humboldt?, auf Gomara sich stützend, 
erzählt, dass, als Christoph Columbus zum ersten mal 
vor der Königin Isabella erschien, er ihr verschiedene 
Producte der Neuen Welt darbot, und unter diesen die 
Batate. „So war auch“, fügt er hinzu, „die Cultur 
dieser Pflanze in Spanien zu Mitte des 16. Jahrhun- 
derts ganz gemein.“ Oviedo*, dessen Schriften aus dem 
Jahre 1526 datiren, hatte die Batate von den Einge- 
borenen San-Domingos vielfach angebaut gesehen und 
hatte sie selbst nach Avila in Spanien gebracht. 
Rumphius ® berichtet in ganz positiver Weise, dass die 
Bataten der allgemeinen Meinung gemäss von den Spa- 
niern Amerikas nach Manilla und den Molukken ge- 
bracht worden seien, von wo die Portugiesen sie nach 
dem Indischen Archipel verbreiteten. Er führt volks- 
thümliche Namen an, die keine malaiischen sind, und 
welche auf eine Einführung durch die Castilier hin- 
deuten. Schliesslich ist es sicher, dass die Batate den 
Griechen, Römern und Arabern unbekannt war und in 
Aegypten nicht angebaut wurde, selbst noch nicht vor 
80 Jahren®, was sich kaum erklären liesse, wenn man 
das ursprüngliche Vaterland nach der Alten Welt ver- 
legte. 
Andererseits gibt es aber auch Argumente zu Gunsten 
eines asiatischen Ursprungs. Die chinesische Encyklo- 
pädie über Ackerbau erwähnt die Batate und führt 


1 Clusius, Hist., II, 77. 

2 Ajes war ein Name für die Yamswurzel (Humboldt, Nouv.-Espagne, 
2. Aufl., II, 467, 468). 

3 Humboldt, Nouv.-Esp., 1. c. 

4 Oviedo, Uebersetz. von Ramusio, Bd. 3, Thl. 3, 

5 Rumphius, Amboin., V, 368, 

6 Forskal, S. 54; Delile, Ill, 


70 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


mehrere Varietäten an!; jedoch hat Dr. Bretschneider ? 
nachgewiesen, dass die Art zum ersten mal in einem 
Buche des 2. oder 3. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung 
beschrieben ist. Nach Thunberg * wurde die Batate 
von den Portugiesen nach Japan gebracht. Die auf 
Tahiti, den benachbarten Inseln und Neuseeland unter 
dem Namen Umara, Gumarra und Gumalla angebaute 
Pflanze, welche Forster? als Convolvulus chrysorhizus 
beschrieb, ist schliesslich nach Sir Joseph Hooker? die 
Batate. Seemann ® macht darauf aufmerksam, dass diese 
Namen dem quichuanischen Namen für die Batate in 
Amerika, nämlich Cumar, ähnlich sind. In Indien war 
die Cultur der Batate im 18. Jahrhundert ? verbreitet. 
Man schreibt ihr mehrere volksthümliche Namen zu, 
nach Piddington® selbst einen Sanskritnamen Ruktalı, 
welcher durchaus keine Verwandtschaft mit einem mir 
bekannten Namen hat und sich nicht in dem Sanskrit- 
Wörterbuch von Wilson findet. Nach einer mir von 
Adolphe Pictet zugegangenen Notiz scheint Ruktalu ein 
zusammengesetzter bengalischer Name des Sanskritwortes 
Alu (Rutka, plus älu, Name für Arum campanulatum) 
zu sein. Dieser Name bezeichnet in den neuern-Dia- 
lekten die Yamswurzel und die Kartoffel. Jedoch führt 
Wallich? mehrere andere Namen an, welche Piddington 
auslässt. Roxburgh!? gibt keinen Sanskritnamen an. 
Rheede !! berichtet, dass die Pflanze in Malabar ange- 
baut war, er führt indische volksthümliche Namen an. 

Die Gründe, welche zu Gunsten des amerikanischen 
Ursprungs sprechen, sind meiner Ansicht nach die ge- 
wichtigern. Wenn man die Batate in Indien zur Zeit 


D’Hervey Saint-Denys, Rech. sur l’agric. des Chinois, 1850, S. 109. _ 
Study and value of Chinese bot. works, S. 13. 
Thunberg, Flora japon., S. 84. 

Forster, Plantae escul., S. 56. 

Hooker, Handb. New Zealand flora, S. 194. 
Seemann, Journal of Botany, 1866, S. 328. 
Roxburgh, edit. Wall., II, 69. 

Piddington, Index. 

9 Wallich, Flora Ind., 1. c. 

10 Roxburgh, 1832, I, 433. 

11 Rheede, Mal., VII, 9%. 


1 O C1 PWDN MH 


a 


De N s 


Batate. dl 


der Sanskritsprache gekannt hätte, müsste sie sich in 
der Alten Welt auch weiter ausgebreitet haben, da ja 
ihre Cultur eine leichte und ihr Nutzen augenscheinlich 
ist. Es scheint im Gegentheil, dass diese Cultur lange 
Zeit hindurch auf den Sunda-Inseln, in Aegypten u. s. w. 
unbekannt blieb.! 

Vielleicht gelangen wir vermittelst sorgfältiger Prü- 
fung zur -Ansicht von G. F. W. Meyer, welcher die 
asiatische Pflanze von den amerikanischen Arten unter- 
schied.? Gemeiniglich ist man jedoch diesem Autor 
nicht gefolgt, und wenn es wirklich eine asiatisch-ver- 
schiedene Art gibt, so ist es nicht, wie Meyer annahm, 
die von Rumphius beschriebene, welche seiner Aussage 
nach von Amerika dahin gebracht wurde, sondern die 
indische Pflanze von Roxburgh. 

In Afrika baut man Bataten an; ihre Cultur ist aber 
eine seltene, oder es sind auch die Arten verschieden. 
Robert Brown? berichtet, dass der Reisende Lockhardt 
die Batate nicht gesehen hatte, welche von den portu- 
giesischen Missionaren als angebaut erwähnt wird. 
Thonning* führt sie nicht an. Vogel brachte eine an 
der Westküste angebaute Art mit, die nach den Autoren 
der Flora Nigritiana jedenfalls Batatas paniculata, 
Choisy, ist. Das würde somit eine zur Zierde, oder da 
die Wurzel abführend ist, als officinelle Art angebaute 
Pflanze sein.® Man könnte fast glauben, dass in ge- 
wissen Ländern der Alten oder der Neuen Welt die 
Ipomoea tuberosa, L., mit der Batate verwechselt worden 


1 „Nach Lesung dieses Artikels schreibt mir Dr. Bretschneider von 
Peking, dass die in China angebaute Batate den chinesischen Autoren zu- 
folge jedenfalls fremden Ursprungs ist. Das Handbuch über Ackerbau: 
Nung chang tsüan shu, dessen Verfasser im Jahre 1633 starb, hebt dieses 
ausdrücklich hervor. Es spricht auch von einer andern, in China wild- 
wachsenden Batate, dieselbe heisst Chu, während die angebaute Batate 
Kan chu, d. i. süsse Batate genannt wird. Dem Min shu zufolge, einem 
im 16. Jahrhundert veröffentlichten Werke, hat die Einführung zwischen 
den Jahren 1573 und 1620 stattgefunden.“ (Vom Verfasser mitgetheilte 
Anmerkung.) 

2 Meyer, Primitiae Fl. Esseq., S. 103. 

3 R. Brown, Bot. Congo, 8. 55. 

4 Thonning, Pl. Guin. 

5 Wallich, in Roxburgh, Fl. Ind., II, 63. 


Ar À en 
P 2 . 
. 


72 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


wäre; von Sloane! hören wir aber, dass sich ihre kollos- 
salen Wurzeln wenig zur Speise eignen.? 

In der Ipomoea mammosa, Choisy (Convolvulus mam- 
mosus, Loureiro, Batata mammosa, Rumphius, Amb., 
I, 9, Taf. 131) tritt uns eine Convolvulacee mit ess- 
barer Wurzel entgegen, die ganz gut mit der Batate 
verwechselt werden kann, wenn auch ihre botanischen 
Charaktere verschieden sind. Diese Art tritt bei Am- 
boina (Rumphius) wildwachsend auf, auch wird sie dort 
angebaut. In Cochinchina wird sie geschätzt. 

Was nun die Batate (Batatas edulis) anbetrifit, so 
berichtet, meines Wissens nach, kein Botaniker, sie 
wildwachsend angetroffen zu haben, sei es in Indien 
oder auch in Amerika.? Nach Hörensagen bestätigt 
Clusius*, dass sie in der Neuen Welt und den benach- 
barten Inseln wildwachsend vorkommt. 

Trotz der Wahrscheinlichkeit eines amerikanischen 
Ursprungs bleibt noch manches unbekannt oder unge- 
wiss über das ursprüngliche Vaterland, die Art und 
Weise der Verbreitung dieser Art, welche in den war- 
men Ländern eine so wichtige Rolle spielt. Wie kann 
man es erklären, möge sie nun von der Neuen oder von 
Alten Welt stammen, dass sie von Amerika nach China 
zu Anfang unserer Zeitrechnung gebracht worden sei, 
nach den Inseln des Stillen Oceans zu einer frühern 
Epoche, oder von Asien und Australien nach Amerika 
während einer fern genug liegenden Zeit, um sich mit 
ihrem Anbau vor zeiten von den südlichen Vereinigten 
Staaten bis nach Brasilien und Chile auszubreiten ? 
Man muss prähistorische Verbindungen zwischen Asien 


1 Sloane, Jam., I, 152, 

2 Mehrere Convolvulaceen haben dickleibige Wurzeln (genauer Stöcke), 
dann ist es aber der untere Theil des Stengels mit einem Theile der 
Wurzel, welcher sich verdickt hat, und ist dieser Wurzelstock immer ab- 
führend (Jalapa, Turpith u. s. w.), während sich bei der Batate ein an- 
deres Organ — die seitenständigen Wurzeln — verdickt. 

3 In Schomburgk’s Sammlung (Coll. 1) ist Nr. 701 in Guiana wild- 
wachsend. Nach Choisy ist dies eine Varietät von Batatas edulis, nach 
Bentham dagegen (Hook., Journ. Bot., V, 352) Batatas paniculata. Mein 
ziemlich unvollständiges Exemplar scheint mir von beiden verschieden. 

4 Clusius, Hist., II, 77. 


Mangold, Runkelrübe, Rothe Rübe. 13 


und Amerika annehmen, oder sich andern Hypothesen 
hingeben, die im gegenwärtigen Falle durchaus nicht 
unanwendbar sind. Die Convolvulaceen gehören zu den 
seltenen Familien der Dicotyledonen, bei welchen ge- 
wisse Arten einen sehr ausgedehnten, oder selbst zwi- 
schen den entfernten Festländern getrennten geogra- 
phischen Verbreitungsherd aufweisen.! Es kann eine 
Art, welcher gegenwärtig das Klima von Virginien und 
Japan zusagt, vor der Epoche der grossen Ausdehnung 
der Eisberge auf unserer Hemisphäre mehr nach Norden 
hin vorgekommen sein, und müssten die prähistorischen 
Menschen sie in südlicher Richtung weiter gebracht 
haben, sobald eine Aenderung des Klimas eintrat. Nach 
diesen Hypothesen zu schliessen, würde die Cultur allein 
die Art erhalten haben, es sei denn schon, dass man sie 
schliesslich noch an irgendeinem Orte ihres frühern 
Wohnortes, vielleicht z. B. in Mexico oder in Columbia, 
wildwachsend anträfe. 


Beta vulgaris und PB. maritima, Linne. Beta vul- 
garis, Moquin. — Mangold, Runkelrübe, Rothe Rübe 
(fr. Betterave, Bette, Poirée). 

Sie wird bald ihrer fleischigen Wurzeln wegen ange- 
baut (Runkelrübe), bald ihrer Blätter wegen als Gemüse 
benutzt (Bete), und die Botaniker stimmen meistens darin 
überein, keine zwei Arten zu unterscheiden. Aus an- 
dern Beispielen weiss man, dass Pflanzen mit in der 
Natur dünnen Wurzeln leicht fleischige Wurzeln durch 
die Wirkung des Bodens oder der Cultur annehmen. 

Die Form mit dünnen Wurzeln, welche man Bete 
nennt, findet sich wild in den sandigen Terrains, be- 
sonders an den Meeresgestaden, auf den Canarischen 
Inseln und in der ganzen Mittelmeerregion bis nach 
dem Kaspisee, Persien und Babylonien ?, selbst vielleicht 
in Westindien, nach einem von Jaquemont mitgebrachten 


1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 1041—1043 und S. 516, 518. 
2 Moquin-Tandon, im Prodromus, Bd. 13, Thl. 2, S. 55; Boissier, Flora 
orientalis, IV, 898; Ledebour, Fl, rossica, III, 692. 


74 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Exemplar zu schliessen, ohne indessen die spontane 
Eigenschaft sicher nachzuweisen. Die Flora Indiens 
von Roxburgh und die neuere des Pendschab und Sindh 
von Aitchison führen die Pflanze nur als angebaut an. 

Sie hat keinen Sanskritnamen!, woraus man schliessen 
kann, dass die Arier sie von dem gemässigten West- 
asien, wo sie vorkommt, nicht mitgebracht hatten. Die 
früher nach Europa ausgewanderten Völker ihres Stam- 
mes bauten sie wahrscheinlich ebenfalls nicht an, denn 
ich finde keinen Namen, der den indo-europäischen 
Sprachen gemein ist. Die alten Griechen, welche die 
Blätter und Wurzeln benutzten, nannten die Art Teut- 
lion?, die Römer Beta. Heldreich®? führt einen andern 
altgriechischen Namen an, Sevkle oder Sfekelie, welcher 
dem arabischen Namen Selg, be: den Nabatäern S#g, 
gleicht.* Der arabische Name ist in den portugiesischen 
Selga übergegangen. Ein hebräischer Name ist nicht 
bekannt. Alles weist auf eine Cultur hin, die nicht 
über vier bis sechs Jahrhunderte vor der christlichen 
Zeitrechnung hinausgeht. 

Die Alten kannten schon die rothen und die weissen 
Wurzeln, die Zahl der Varietäten hat aber später sehr 
zugenommen, besonders seitdem die Runkelrübe im grossen, 
sei es als Viehfutter oder zur Zuckergewinnung ange- 
baut wird. Sie gehört zu den Pflanzen, welche durch 
natürliche Züchtung sehr leicht zu veredeln sind, wie 
dies die Versuche Vilmorin’s dargethan haben.’ 


Manihot utilissima, Pohl. Jatropha Manihot, Linne. — 
Maniok- oder Cassavestrauch (fr. Manioe). 
Dieser kleine Baum oder Strauch aus der Familie 


1 Roxburgh, Flora indica, II, 59; Piddington, Index. 

2 Theophrast und Dioscorides, von Lenz angeführt, Botanik der 
Griechen und Römer, S. 446; Fraas, Synopsis fl. class., S. 233. 

3 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 22. 

4 Alawwäm, Agriculture nabathéenne (in den ersten Jahrhunderten 
der christlichen Zeitrechnung?), nach E. Meyer, Geschichte der Botanik, 
IT, 75. 

5 Notices sur l’amélioration des plantes par le semis, S. 15. 


Maniok- oder Cassavestrauch. 75 


der Euphorbiaceen hat mehrere Wurzeln, welche sich 
vom ersten Jahre an verdicken, eine unregelmässig 
elliptische Form annehmen, und Stärkemehl (Tapioca) 
sowie einen mehr oder minder giftigen Saft enthalten. 

In den äquatorialen oder tropischen Regionen, be- 
sonders in Amerika, von Brasilien nach den Antillen, 
ist die Cultur sehr allgemein. In Afrika ist sie es 
weniger und scheint jüngern Datums zu sein. In ge- 
wissen asiatischen Colonien ist sie entschieden neuerer 
Einführung. Stecklinge der Stengel werden zur Fort- 
pflanzung benutzt. 

Es gehen die Botaniker in ihrer Meinung auseinander, 
ob es angemessen sei, die unzähligen Formen von Ma- 
nioks als zu einer, zwei oder selbst zu mehreren Arten 
gehörig anzusehen. Pohl! liess an der Seite seiner 
Manihot utilissima mehrere zu, und Dr. J. Müller? führt 
in seiner Monographie der Euphorbiaceen die Form 
Aipi, welche mit den andern in Brasilien angebaut wird 
und deren Wurzel keine giftige ist, auf eine verwandte 
Art (M. palmata) zurück. Diese giftige Eigenschaft 
tritt nicht so scharf hervor, als man nach gewissen 
Werken und selbst nach den Aussagen der Eingeborenen 
annehmen könnte. Dr. Sagot?, welcher etwa ein Dutzend 
von in Cayenne angebauten Maniokvarietäten verglichen 
hat, sagt ausdrücklich: „Es gibt Manioks, von welchen 
die einen giftiger sind als die andern; ich bezweifle 
-aber, dass eine schädlicher Grundstoffe ganz und gar 
ledig sei.“ 

Von diesen seltsamen Eigenschaftsverschiedenheiten 
zwischen sehr ähnlichen Pflanzen kann uns die Kar- 
toffel als Beispiel dienen. Der Maniok und das 
Solanum tuberosum gehören alle beide zu verdäch- 
tigen Familien (Euphorbiaceen und Solanaceen). Meh- 
rere ihrer Arten sind in bestimmten Organen giftig; 
das Stärkemehl aber, wo es sich auch findet, kann nicht 


1 Pohl, Plantarum Brasiliae icones et descriptiones, I. 
2 J. Müller, im Prodromus, XV, Abthlg. 2, S. 1062, 1064. 
3 Sagot, im Bull. de la Société botanique de France, 8. Dec. 1871. 


16 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


schädlich sein, ebenso wenig das vollständig gereinigte, 
in Cellulose verwandelte Zellengewebe. Nun verwendet 
man bei der Bereitung des Cassavemehls grosse Sorgfalt 
darauf, die äussere Rinde der Wurzel abzukratzen, dann 
den fleischigen Theil zu zerstossen oder zu zerquetschen, 
um den mehr oder weniger giftigen Saft herauszutreiben, 
und schliesslich unterwirft man den Brei dem Processe 
des Kochens, wodurch die flüchtigen Theile entfernt 
werden.t Die Tapioca ist das reine Stärkemehl ohne 
Beimischung von Geweben, welche noch in dem Cassave- 
mehl vorkommen. Bei der Kartoffelknolle nimmt das 
äussere Häutchen schädliche Eigenschaften an, sobald 
es sich, dem Lichte ausgesetzt, grün färbt, und man 
weiss zur Genüge, dass schlecht gereifte oder verdorbene 
Knollen, welche bei vielem Saft zu wenig Stärkemehl 
enthalten, zum Essen sich nicht eignen, und den Per- 
sonen, welche grössere Mengen davon verzehren, ent- 
schieden schaden würden. Alle Kartoffeln und so auch 
wahrscheinlich alle Manioks, schliessen schädliche Be- 
standtheile ein, welche man bei den durch das De- 
stilliren gewonnenen Erzeugnissen wahrnimmt und die 
aus mehreren Gründen verschiedenartig sind; das Stärke- 
mehl ausgenommen, muss man gegen alle übrigen Stoffe 
Mistrauen hegen. 

Die Zweifel, wie viele Arten man bei den cultivirten 
Manioks aufstellen darf, stehen uns bei der Frage über 
den geographischen Ursprung keineswegs im Wege. Sie 
bieten uns im Gegentheil, wie wir sehen werden, eine 
wichtige Handhabe zum Nachweis des amerikanischen 
Ursprungs. 

Der Abbé Raynal hatte früher die irrige Meinung 
verbreitet, dass der Maniokstrauch von Afrika nach 
Amerika gebracht worden sei. Robert Brown bestritt 
dies im Jahre 1818?, ohne sich dabei auf Gründe zu 


1 Ich weise auf das Hauptsächlichste in der Zubereitung hin. Die 
Details sind je nach den Ländern verschieden. Vergleiche hierfür: Aublet, 
Guyane, II, 67; Descourtilz, Flore des Antilles, III, 113; Sagot, a. a. O., etc. 

2 R. Brown, Botany of Congo, S. 50. 


Maniok- oder Cassavestrauch. 77 


stützen, und Humboldt!, Moreau de Jonnes?, Auguste 


- de Saint-Hilaire? haben auf dem amerikanischen Ur- 


sprung bestanden. Aus folgenden Gründen kann man 
denselben kaum in Zweifel stellen: 

1. Die Manioks wurden von den Eingeborenen Bra- 
siliens, Guyanas und der wärmern Gegenden Mexicos 
vor Ankunft der Europäer angebaut, wie dies alle ältern 
Reisenden bezeugen. Nach Acosta* war diese Cultur 
auf den Antillen im 16. Jahrhundert gemein genug, um 
dort ebenfalls für sie ein ziemlich hohes Alter anzu- 
nehmen. - 

2. In Afrika ist sie weniger verbreitet, namentlich 
in den von der Westküste entfernten Regionen. Be- 
kanntlich wurde der Maniok nach der Insel Bourbon 
durch den Gouverneur derselben, de.Labourdonnais *, 
eingeführt. In den asiatischen Ländern, wo eine so 
leichte Cultur sich wahrscheinlich weiter ausgebreitet 
haben würde, wenn sie auf dem afrıkanischen Continent 
schon lange bestanden hätte, spricht man hier und da 
von ihr als einem fremdländischen Gegenstande der 


Neugierde. 


3. Die Eingeborenen Amerikas hatten mehrere alte 
Namen für die Maniokvarietäten, besonders in Brasi- 
lien’, was in Afrika, selbst an der Küste Guineas® 
nicht der Fall gewesen zu sein scheint. 

4. Die in Brasilien, Guyana und auf den Antillen 


_angebauten Varietäten sind sehr zahlreich, woraus man 


auf eine sehr alte Cultur schliessen darf. Ganz anders 
verhält es sich mit Afrika. 


1 De Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 398. 

2 Histoire de l’Acad. des sciences, 1824. 

3 Guillemin, Archives de botanique, I, 239. 

4 Acosta, Hist. nat. des Indes, trad. franc., 1598, S. 163. 

5 Thomas, Statistique de Bourbon, II, 18. 

6 Im Katalog des Buitenzorger botan. Gartens, 1866, S. 222, wird aus- 
drücklich bemerkt, dass die Manihot utilissima von Bourbon und von 
Amerika komme. 

7 Aypi, Mandioca, Manihot, Manioch, Yuca etc., in: Pohl, Icones et 
deser. I, 30, 33. Martius, Beiträge z. Ethnographie etc. Brasiliens, II, 
122, führt eine Menge von Namen an. 

8 Thonning (in: Schumacher, Plant. guin.) gibt keinen volksthümlichen 
Namen für den Maniok an. 


78 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


5. Die 42 bekannten Arten der Gattung Manihot, 
mit Ausschluss der M. utilissima, sind alle in Amerika 
wildwachsend; die meisten in Brasilien, einige in Guyana, 
Peru und Mexico; nicht eine einzige in der Alten Welt.! 
Sehr unwahrscheinlich ist es, dass eine einzige Art, und 
noch dazu die angebaute, zu gleicher Zeit in der Alten 
und in der Neuen Welt einheimisch sei, um so viel 
mehr, da in der Familie der Euphorbiaceen die Wohn- 
orte der holzigen Arten meistens beschränkt sind und 
eine Gemeinschaft zwischen Afrika und Amerika bei 
den phanerogamen Gewächsen immer zu den Selten- 
heiten gehört. 

Indem der amerikanische Ursprung des Manioks so- 
mit nachgewiesen ist, kann man die Frage aufstellen, 
auf welche Weise ihre Einführung nach Guinea und an den 
Congo vor sich ging. Sie ist wahrscheinlich eine Folge 
der im 16. Jahrhundert häufigen Beziehungen zwischen 
den portugiesischen Handelsleuten und den Negern. 

Manihot utilissima und die verwandte Aipi genannte 
Art oder Varietät, welche man ebenfalls anbaut, sind 
nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden. 
Humboldt und Bonpland haben freilich an den Ufern des 
Magdalenenstroms ein Exemplar von Manihot utilissima 
gesammelt, welches sie als fast spontan ausgeben; 
Dr. Sagot versichert mir aber, dass man die Pflanze in 
Guyana nirgendwo entdeckt habe, und die Botaniker, 
welche die heisse Region Brasiliens durchforschten, 
sind hierin nicht glücklicher gewesen. .Dies geht 
aus den Aeusserungen Pohl’s hervor, welcher viele Zeit 
auf das Studium dieser Pflanzen verwendet hat, die 
Sammlungen von Martius kannte und den amerika- 
nischen Ursprung nicht in Frage stellte. Hätte er eine 
spontane, mit den angebauten identische Form bemerkt, 
so würde er nicht die Hypothese aufgestellt haben, dass 
der Maniok von seiner Manihot pusilla? aus der Provinz 


1 J. Müller, im Prodromus, XV, Abthlg. 1, S. 1057, 
2 Kunth, in: Humb. et B., Nova Genera, II, 108. 
3 Pohl, Icones et descript., I, 36, Taf. 26. 


Knoblauch. 19 


Goyaz abstamme, deren Habitus ein sehr kleiner ist, 


“und welche man als eine wirkliche Art oder auch als 


eine Varietät von Manihot palmata! ansieht. Auf zahl- 
reiche, nach seiner Reise ihm zugegangene Nachrichten 
gestützt, erklärt Martius im Jahre 1867, dass man die 
Pflanze im wilden Zustande nicht kenne.” Ein älterer, 
gewöhnlich recht sorgfältiger Reisender, Piso 3, spricht 
von einer wilden Mandihoca, von welcher die Tapuyerier, 
Eingeborene der Küste im Norden von Rio de Janeiro, 
die Wurzel ässen. Sie ist „der angebauten Pflanze sehr 
ähnlich“, sagt er; die Abbildung aber, welche er davon 
gibt, muss den Autoren, welche sich mit den Manioks 
beschäftigt haben, sehr schlecht erschienen sein. Pohl 
bringt sie zu seiner M. Aipi, Dr. Müller übergeht sie 
mit Stillschweigen. Was mich selbst betrifft, so bin 
ich geneigt, Piso Glauben zu schenken, und seine Ab- 
bildung scheint mir gar nicht so schlecht zu sein. Sie 
ist besser als die, welche Vellozo von einer wilden 
Maniok gibt und welche man mit einem Fragezeichen 
zu M. Aipi* bringt. Will man diesen Ursprung aus 
dem intertropischen Ostbrasilien nicht annehmen, so 
muss man zu zwei Hypothesen seine Zuflucht nehmen: 
entweder stammen die angebauten Manioks von einer 
der durch die Cultur veränderten wilden Arten ab, oder 
es sind Formen, die nur der Thätigkeit des Menschen 
ihr Fortbestehen verdanken, nachdem ihresgleichen aus 


der gegenwärtig spontanen Pflanzenwelt verschwunden 


sind. 


Allium sativum, Linne. — Knoblauch (fr. Aÿ). 

In seinen Species gibt Linne Sicilien als Vaterland 
des gemeinen Knoblauchs an; im Hortus cliffortianus 
dagegen, ein Werk, welches gemeiniglich auf grössere 
Genauigkeit Anspruch erhebt, schweigt er über die Ab- 


1 J. Müller, im Prodromus, 

2 De Martius, Beiträge zur Ethnographie etc., I, 19, 136. 

3 Piso, Historia naturalis Brasiliae, 1658, S. 55. 

4 Jatropia sylvestris, Vell. Fl. flum., 16, t. 83. Siehe Müller, im Pro- 
dromus, XV, 1063. 


80 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


stammung. Thatsache ist es, dass nach den neuesten 
und vollständigsten Floren von Sicilien, ganz Italien, 
Griechenland, Frankreich, Spanien und Algerien der 
Knoblauch in keinem dieser Länder als einheimisch an- 
gesehen wird, wenn man auch hier und da Exemplare 
gesammelt hat, welche den Schein, es zu sein, in höherm 
oder geringerm Grade darboten. Eine so allgemein 
angebaute und so leicht sich vermehrende Pflanze kann 
sich dem Bereiche der Gärten entziehen und einige Zeit 
fortbestehen, ohne deswegen einen spontanen Ursprung 
zu haben. Auf welche Autorität hin Kunth die Art 
für Aegypten anführt!, ist mir unbekannt. Nach den 
genauern Darstellungen über die Pflanzen dieses Landes? 
wird sie dort nur angebaut. Boissier, dessen Herbarium 
an Pflanzen des Orients so reich ist, besitzt kein wild- 
wachsendes Exemplar. Die Kirgisensteppe ist das ein- 
zige Land, wo der Knoblauch in positiv-gewisser Weise 
wild angetroffen wurde; dies lässt sich aus den von 
dort mitgebrachten und dann in Dorpat? cultivirten 
Zwiebeln, sowie aus den später von Regel* gesehenen 
Exemplaren schliessen. Letzterer sagt auch, ein Exem- 
plar gesehen zu haben, welches Wallich in Britisch- 
Indien als wildwachsend gesammelt hatte; Baker? aber, 
welchem. die reichen Herbarien zu Kew zur Verfügung 
standen, erwähnt diese Thatsache nicht in seiner Ueber- 
sicht der Alliumarten Indiens, Chinas und Japans. 

Wir wollen sehen, ob die historischen und linguisti- 
schen Documente einen ausschliesslichen Ursprung vom 
südwestlichen Sibirien bestätigen. 

In China wird der Knoblauch seit langer Zeit unter 
dem Namen Swan angebaut. Im Chinesischen schreibt 
man denselben mit einem einzigen Zeichen, was ge- 
wöhnlich ein Fingerzeig dafür ist, dass eine Art seit 


1 Kunth, Enum., IV, 381. 

2 Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 294, 

3 Ledebour, Flora altaica, II, 4; Flora rossica, IV, 162. 
4 Regel, Allior. monogr., S. 44. 

5 Baker, in: Journ. of Bot., 1874, S. 295. 


2 Bl ne Sc nn 
71 


Knoblauch. s1 


alters her bekannt und selbst wildwachsend ist.t Die 
Floren Japans? sprechen nicht vom Knoblauch, woraus 


ich schliesse, dass die Art in Ostsibirien und Daurien 


nicht wildwachsend vorkam, sondern dass die Mongolen 
dieselbe nach China gebracht haben. 

Herodot zufolge (Hist., 1. II, c. 125) machten die 
alten Aegypter einen starken Gebrauch vom Knoblauch. 


Die Archäologen haben in den Denkmälern hierfür kei- 


nen Beweis gefunden; dies kommt aber vielleicht daher, 
dass die Pflanze von den Priestern? als unrein ange- 
sehen wurde. 

Es kommt ein Sanskritname vor, Mahuschouda*, wor- 
aus das bengalische Wort Loshoun entstanden ist, und 
welcher dem hebräischen Schoum, Schumin?’, woraus 
Thum oder Tum der Araber hervorging, nicht fern 
zu stehen scheint. Der baskische Name Baratchouria 
ist vom Grafen Charencey ® mit arischen Namen in Ver- 
bindung gebracht worden. Zur Bekräftigung seiner 
Behauptung will ich sagen, dass der berberische Name 
Tiskert ganz verschieden ist, und dass demnach die 
Iberer die Pflanze und ihren Namen eher von den Ariern 
als von ihren muthmaasslichen Vorfahren aus dem nörd- 
lichen Afrika empfangen zu haben scheinen. Die Letten 
sagen Kiplohks, die Esten Krunslauk, woraus wahr- 
scheinlich das deutsche Wort Knoblauch. Scorodon 
scheint der altgriechische Name gewesen zu sein, im 
Neugriechischen heisst der Knoblauch Scordon. Die 
Slawen Illyriens besitzen die Namen Bili, Cesan. Die 
Bretagner sagen Quinen‘; die Bewohner von Wales 
Craf, Cenhinen oder Gartleg, aus letzterm entstand das 
englische Garlic. Das lateinische Alium ist in die 
Sprachen lateinischen Ursprungs übergegangen.° Diese 


1 Bretschneider, Study and value etc., S. 7, 15 und 47. 
2 Thunberg, Fl. jap.; Franchet et Savatier, Enumeratio, 1376, Bd. II. 
3 Unger, Pflanzen des Alten Aegyptens, S. 42. 
4 Piddington, Index, nach der englischen Orthographie Mahooshouda. 
.5 Hiller, Hierophyton; Rosenmüller, Bibl. Alterthum, Bd. IV. 
- 6 De Charencey, Actes de la Société philologique, 1. März 1869. 
7 Davies, Welsh Botanology. 
8 Alle diese Namen finden sich in meinem von Moritzi nach den 


DE CANDOLLE. 6 


82 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


grosse Verschiedenheit der Namen lässt eine alte Be- 
kanntschaft mit der Pflanze ee selbst eine alte Cultur 
derselben im westlichen Asien und in Europa voraus- 
setzen. Auch wenn die Art nur in der Kirgisensteppe 
vorgekommen wäre, wo man sie gegenwärtig noch an- 
trifft, würden die Arjas sie angebaut und nach Indien 
und Europa gebracht haben können; dann fragt man 
sich aber, warum so viele keltische, slawische, griechi- 
sche, lateinische, vom Sanskrit verschiedene Ninon vor- 
kommen. Um eine Erklärung für diese Mannichfaltig- 
keit zu geben, müsste man eine Erweiterung des ur- 
sprünglichen Vaterlandes nach Westen hin gegen den 
jetzt bekannten Wohnort annehmen, eine Ausdehnung, 
die vor den Wanderungen der Arjas stattgefunden 
hätte. 

Wenn man einmal die Gattung Allium in ihrer Ge- 
sammtheit zum Gegenstand einer so gewissenhaften Ar- 
beit machen würde, wie dies bei jener von J. Gay über 
einige ihrer Arten der Fall war!, liessen sich vielleicht 
gewisse in Europa spontane Formen, die jetzt von den 
Autoren zu A. arenarium, L., oder A. arenarium, Sm., 
oder auch zu A. scorodoprasum, L. gebracht werden, 
nur als Varietäten von A. sativum hinstellen. Dann 
würde alles im Einklang stehen: die ältesten Völker 
Europas und Westasiens würden die Art so angebaut 
haben, wie sie dieselbe von der Tatarei bis nach Spa- 
nien antrafen und ihr mehr oder minder verschiedene 
Namen beilegten. 


Allium Cepa, Linne. — Sommerzwiebel (fr. Oignon). 
Ich will zunächst das sagen, was man im Jahre 1855 
darüber wusste.” Daran werde ich neuere botanische 


Floren zusammengestellten Wörterbuch. Ich hätte noch eine grössere 
Anzahl anführen, auch mögliche Etymologien nach den Philologen er- 
wähnen können, z. B. nach dem Werke von Hehn: Kulturpflanzen aus 
Asien, S. 171 fg.; dies ist aber nicht erforderlich, um auf die Thatsache 
eines vielfachen geographischen Ursprungs, sowie auf eine alte Cultur 
in verschiedenen Ländern hinzuweisen. 

1 Annales des sc. nat., 3. Serie, Bd. 8 

2 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, II, S2S. 


Sommerzwiebel. 83 


Beobachtungen schliessen, welche die auf linguistische 
Angaben gestützten Vermuthungen bestätigen. 

Die Sommerzwiebel ist eine der am längsten ange- 
bauten Arten. Ihr ursprünglicher Wohnort ist nach 
Kunth unbekannt.! Vielleicht wäre es möglich, ihn zu 
entdecken. Die Neugriechen nennen Allium Cepa, wel- 
ches sie vielfach anbauen, Krommudi.? Das berechtigt 
uns zu der Annahme, dass das Krommuon von Theo- 
phrast? dieselbe Art ist, eine schon bei den Autoren 
des 16. Jahrhunderts herrschende Meinung.* Plinius ° 
übersetzte dieses Wort mit Caepa. Die Alten kannten 
mehrere Varietäten, welche sie nach den Ländernamen, 


Cyprium, Cretense, Samothraciae u. s. w. unterschieden. 


Eine davon wurde in Aegypten angebaut‘; sie war von 
so ausgezeichneter Beschaffenheit, dass man ihr, einer 
Gottheit gleich, zur grossen Belustigung der Römer ?, 
Ehrenbezeigungen erwies. Die Aegypter der Neuzeit 


‚bezeichnen Allium Cepa unter dem Namen Basal® oder 


Bussul?, wodurch es wahrscheinlich wird, dass Betsalim 
oder Bezalim der Hebräer eine und dieselbe Art ist, 
wie es die Öommentatoren!? wahr haben wollen. Es gibt 


_ ganz und gar verschiedene Sanskritnamen: Palandu, 


Latarka, Sukandaka!!, auch eine Menge neuerer. in- 
discher Namen. In Indien, Cochinchina, China!? und 
selbst in Japan!? wird die Art allgemein angebaut. 
Die alten Aegypter verbrauchten sie in grossen Massen. 
Die Zeichnungen in ihren Denkmälern stellen diese Art 
oft dar.!* Somit geht die Cultur im südlichen Asien 
und in der östlichen Region des Mittelmeers auf eine 


‚überall sehr fern liegende Epoche zurück. Ausserdem 


haben die chinesischen, Sanskrit-, hebräischen, griechi- 


1 Kunth, Enum., IV, 394. 2 Fraas, Syn. fl. class., S. 291. 

3 Theophrast, Hist., lt, rc: # 4 J. Bauhin, Hist., II, 548. 

5 Plinius, Hist., 1. 19, ae 6 Ebend. 7 Juvenalis, Sat. 15. 

8 Forskal, S. 63. 9 Ainslies, Mat. med. Ind., I, 269. 

10 Hiller, Hieroph., IT, 36; Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., 7V2 96. 
11 Piddington, Index; "Ainslies, a. à. ©. 

12 Roxburgh, F1. ind., 2; Loureiro, Fl. cochinch., S. 249, 

13 Thunberg, Fl. jap., Be 132. 

14 Unger, Pflanzen d. Alt. Aegypt., S, 42, Fig. 22, 23, 24. 


6* 


84 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


schen und lateinischen Namen keinen offenbaren Zu- 
sammenhang. Aus dieser letzten Thatsache lässt sich 
die Hypothese ableiten, dass man nach der Trennung 
der indo-europäischen Völker auf den Anbau verfallen 
sei, indem die Art zu gleicher Zeit in verschiedenen 
Ländern zur Verfügung stand. Ganz anders verhält es 
sich mit der Gegenwart, denn man findet kaum un- 
deutliche Spuren von dem spontanen Auftreten von A. 
Cepa. In den europäischen Floren oder jenen des 
Kaukasus habe ich keine entdeckt; Hasselquist! hat 
aber gesagt: „wächst in den dem Meere nahegelege- 
nen Ebenen, in der Umgegend von Jericho“. Dr. Wallich 
hat in seiner Liste indischer Pflanzen, Nr. 5072, Exem- 
plare angeführt, welche er in den Gegenden von Ben- 
galen gesehen hatte, ohne hinzuzufügen, dass es ange- 
baute waren. Diese wenn auch wenig genügende An- 
gabe, das hohe Alter der Sanskrit- und hebräischen 
Namen, sowie auch die Verbindungen, welche bekannt- 
lich zwischen den Völkern Indiens und den Aegyptern 
obwalteten, bringen mich zu der Vermuthung, dass der 
Wohnsitz im westlichen Asien ein sehr weiter war, sich 
vielleicht von Palästina nach Indien ausbreitete. Ver- 
wandte Arten, welche man zuweilen für A. Cepa hielt, 
wachsen in Sibirien.? 

Augenblicklich besitzt man bessere Kenntniss über 
die von anglo-indischen Botanikern gesammelten Exem- 
plare, auf welche Wallich zuerst hinwies. Stokes ent- 
deckte Allium Cepa als in Beludschistan einheimisch. 
Er sagt: „wild auf dem Chehil Tun“. Griffith brachte 
es von Afghanistan und Thomson von Lahore, ohne von 
andern Sammlern zu sprechen, welche sich über die 
spontane oder angebaute Eigenschaft der Pflanze nicht 
weiter ausgelassen haben.? Boissier besitzt ein wild- 
wachsendes Exemplar, welches in den gebirgigen Re- 
gionen von Khorasan gesammelt war, und bei dem- 


1 Hasselquist, Voy. and trav., S. 279. 2 Ledebour, Fl. ross., IV, 169. 
3 Aitchison, A Catalogue of the plants of Punjab and Sindh (1869), 
S. 19; Baker, in: Journal of Bot., 1874, S. 295. 


Fe RD i TP 


Winterzwiebel. 8 


selben sind die Dolden kleiner als bei der cultivirten 
Pflanze, das ist aber auch der einzige Unterschied. 
Dr. Regel jun. fand die Art südlich von Kuldscha, 
Turkestan.! So sind meine Vermuthungen von ehe- 
mals vollständig gerechtfertigt, und es ist nicht un- 
wahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz, wie Hasselquist 
es sagte, bis nach Palästina ausbreitet. 

In China bezeichnet man die Sommerzwiebel durch 
einen einzigen Buchstaben (richtig geschrieben Tsung), 
was ein altes Vorkommen als einheimische Pflanze muth- 
maassen lässt.” Mir ist es jedoch sehr zweifelhaft, dass 
der Wohnsitz sich so weit nach Osten ausbreitet. 

Humboldt? berichtet, dass die Amerikaner zu allen 
Zeiten die Sommerzwiebeln, mexicanisch Xonacatl, kann- 
ten. „Unter den Lebensmitteln, welche auf dem Markte 
des alten Tenochtitlan verkauft wurden, führt Cortes“, 
sagt er, „auch Sommerzwiebeln, Porre und Knoblauch 
an.“ Ich kann mich nicht zu dem Glauben verstehen, 
dass diese verschiedenen Namen sich auf unsere in Eu- 


_ ropa angebauten Arten beziehen. Im 17. Jahrhundert 


hatte Sloane nur ein einziges in Jamaica angebautes 
Allıum (A. Cepa) gesehen, und zwar in einem Garten 
mit andern europäischen Gemüsen.* Das Wort Xonacatl 
findet sich nicht im Hernandez, und von J. Acosta° 
wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Sommer- 
zwiebeln und Knoblauch Perus aus Europa stammen. 
In Amerika gibt: es nur wenige Arten der Gattung 


Allium. 


Allium fistulosum, Linné. — Winterzwiebel (fr. Ci- 
boule commune). 

Das Vaterland dieser Art wurde lange Zeit hindurch 
in den Floren und den Gartenbaubüchern als unbekannt 
hingestellt; die russischen Botaniker haben sie aber in 


1 Ill. hortic., 1877, S.167. 2 Bretschneider, Study and value, S.7 u. 47. 
3 De Humboldt, Nouv.-Esp., 2. Aufl., II, 476. 4 Sloane, Jam., I, 75. 
5 Acosta, Hist. nat. des Indes, trad. franc., S. 165. 


FRE 


86 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Sibirien nach dem Altai hin am Baikalsee als wilde 
Pflanze gefunden.! 

Die Alten kannten sie nicht.” Im Mittelalter oder 
etwas später muss sie von Russland aus nach Europa 
gekommen sein. Ein Autor des 16. Jahrhunderts, Do- 
doens?, gibt von ihr unter dem Namen Cepa oblonga 
eine wenig kenntliche Abbildung. 


Allium Ascalonicum, Linné. — Schalotte (fr. Echalote). 

Plinius* zufolge glaubte man, dass die Pflanze nach 
der Stadt Askalon in Judäa benannt sei; Dr. E. Four- 
nier ist jedoch der Meinung, dass sich der lateinische 
Autor über die Bedeutung des Wortes Askalönion von 
Theophrast geirrt habe. Wie dem nun auch immer 
sei, so hat sich dieser Name in den neuern Sprachen 
als Echalote im Französischen, Chalote im Spanischen, 
Scalogno ım Italienischen, Eschlauch, Schaloëte im 
Deutschen u. s. w. fortgepflanzt. 

Im Jahre 1855 sprach ich von dieser Art folgender- 
maassen ®: 

„Nach Roxburgh? wird Allium Ascalonicum in Indien 
vielfach angebaut. Der Sanskritname Pulandu wird 
darauf bezogen, ein fast identisches Wort mit Palandu, 
welches sich auf Allium Cepa°® beziehen soll. Augen- 
scheinlich ist die Unterscheidung zwischen diesen zwei 
Arten in den indischen oder anglo-indischen Werken 
keine deutliche. 

„Loureiro berichtet, das Allium Ascalonicum in 
Cochinchina? angebaut gesehen zu haben, China führt 
er aber nicht an, und Thunberg erwähnt sie nicht für 
Japan. Somit ist die Cultur nach der östlichen Region 
Asiens keine zu allgemeine. Diese Thatsache, sowie 


Ledebour, Flora rossica, IV, 169. 

Lenz, Botanik der alten’ Griechen und Römer, S. 295. 
Dodoens, Pemptades, S. 687. 4 Plinius, Hist., 19/00: 
In seiner Schrift „Cibaria“ wird er darüber sprechen. 
Geographie bot. raisonnee, S. 329. 

Roxburgh, Fl. ind. (1332), II, 142. 8 Piddington, Index. 
Loureiro, Fl. cochinch., S. 251. 


© I OO O1 69 NO MH 


) 


Schalotte, | 87 


der Zweifel über den Sanskritnamen veranlassen mich 
“ zu dem Glauben, dass sie im südlichen Asien kein hohes 
Alter aufweise. Trotz des Namens der Art glaube ich 
ebenso wenig, dass sie im westlichen Asien vorkam. 
Rauwolf, Forskal und Delile geben sie für Sibirien, 
Arabien und Aegypten nicht an. Nach Linne! soll 
Hasselquist die Art in Palästina gefunden haben. Es 
fehlt ihm aber leider an Details über die Localität so- 
wie über die spontane Beschaffenheit. In den ,, Voyages‘ 
von Hasselquist? finde ich eine Cepa montana, welche 
auf dem Tabor und einem benachbarten Berge vor- 
kommt; es liegt aber kein Beweis vor, dass diese Art 
damit gemeint ist. In seiner Abhandlung über die 
Sommerzwiebeln und Knoblaucharten der Hebräer (5.290) 
erwähnt er nur Allium Cepa, sowie A. Porrum und 
sativum. Von Sibthorp ward sie in Griechenland nicht 
gefunden®, und Fraas spricht nicht von ihr als einer 
gegenwärtig in jenem Lande angebauten Pflanze.* Nach 
Koch hat sie sich in den Weinbergen bei Fiume natu- 
ralisirt. Jedoch wird sie von Visiani® nicht als in 
Dalmatien angebaut erwähnt. 

„Stelle ich die Thatsachen zusammen, so gelange ich 
zu der Ansicht, dass Allium Ascalonicum keine Art ist. 
Um über das ursprüngliche Vorkommen Zweifel zu 
hegen, genügt es: 1) Theophrast und die Alten im all- 
gemeinen haben von ihr als einem Mittelding des Allium 
. Cepa gesprochen, welches selbst von geringerer Wich- 
tigkeit war als die in Griechenland, Thrazien und an- 
derswo angebauten Varietäten; 2) der Beweis fehlt für 
das Vorkommen im wilden Zustande; 3) in den Län- 
dern, wo die Schalotte muthmaasslich ihre Geburtsstätte 
hat, wie in Syrien, Aegypten, Griechenland, baut man 
sie wenig oder gar nicht an; 4) gemeiniglich bringt sie 


1 Linné, Species, S. 4-9. 

2 Hasselquist, Voy. and trav., 1766, S. 231, 232. 

3 Sibthorp, Prodr. 4 Fraas, Syn. fl. class., S. 291, 
5 Koch, Synops. fl. Germ., 2. Aufl., S. 833. 

6 Visiani, Flora dalmat., S. 138. 


88 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


keine Blumen hervor, weshalb Bauhin sie Cepa sterilis 
nannte, und steht die Menge der Zwiebelbrut mit dieser 
Thatsache in ganz natürlichem Zusammenhange; 5) wenn 
sie blüht, so gleichen die Blumenorgane jenen des A. 
Cepa, wenigstens hat man bis dahin noch keine Unter- 
schiede entdeckt, und besteht nach Koch! die einzige 
Verschiedenheit in dem weniger angeschwollenen, wenn 
auch röhrigen Schaft und Blättern.“ 

Dies war meine Meinung.” Meine Zweifel werden 
durch die seit 1855 veröffentlichten Thatsachen nicht 
beseitigt, sondern vielmehr bestärkt. Als Regel im 
Jahre 1875 seine Allium - Monographie herausgab, 
fügte er die Erklärung bei, dass er die Schalotte nur 
im angebauten Zustande gesehen habe. Aucher Eloy 
hat eine Pflanze Kleinasiens unter dem Namen A. As- 
calonicum (Nr. 2012) vertheilt, nach meinem Exemplar 
gehört sie aber sicherlich nicht zu dieser Art. Von 
Boissier höre ich, dass er A. Ascalonicum im Orient 
nie gesehen habe, und in seinem Herbarium keine Pflanze 
davon besitze. Die Pflanze von Morea, welche in der 
Flora von Bory und Chaubard diesen Namen trägt, ist 
eine ganz verschiedene Art, welche er A. gomphrenoides 
nannte. In seiner Uebersicht der Alliumarten Indiens, 
Chinas und Japans führt Baker? nach den Exemplaren 
von Griffith und Aitchison A. Ascalonicum für Gegenden 
Bengalens und des Pendschab an, doch mit dem Zusatze: 
„wahrscheinlich sind es angebaute Pflanzen“. Baker bringt 
zu Ascalonicum noch Allium Sulvia, Ham., von Nepaul, 
eine wenig bekannte Pflanze, deren wildwachsende Eigen- 
schaft ungewiss ist. Die Schalotte bringt eine Menge 
von Brutzwiebeln hervor, welche sich in der Nähe der 
Culturen vermehren oder fortbestehen können und so 
zu Irrthümern über den Ursprung Veranlassung geben. 

Mit einem Worte, es ist diese Alliumform, trotz des 
Fortschritts der botanischen Forschungen im Orient und 


1 Koch, Synops. fl. Germ. 
2 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 829, 
3 Baker, im: Journal of Bot., 1874, S. 295. 


Rocambollen-Lauch. 89 


in Indien noch nicht mit Bestimmtheit im wilden Zu- 
stande gefunden worden. Mehr als je erscheint sie mir 
somit als eine Modification des A. Cepa, die ungefähr 
zu Anfang der christlichen Zeitrechnung eingetreten ist, 
eine Abänderung, die von geringerm Belang ist als 
viele solcher, welche man bei andern angebauten Pflan- 
zen, z. B. den Kohlarten nachgewiesen hat. 


Allium Scorodoprasum, Linne. — Rocambollen-Lauch 
(fr. Rocambole). 

Wenn man in den botanischen Werken von Linné 
an bis auf unsere Tage einen Blick auf die Beschrei- 
bungen und die Synonymie des A. Scorodoprasum wirft, 
so wird man bald gewahr werden, dass es einzig und 
allein der volksthümliche Name Rocambolle ist, welcher 
keine Meinungsverschiedenheit bei den Autoren zulässt. 
Was die unterscheidenden Merkmale anbetrifft, so ver- 
setzen selbige die Pflanze bald in die Nähe von Allium 
sativum, bald lassen sie das Gegentheil eintreten. Mit 
so verschiedenen Definitionen wird es schwer, zu wissen, 
in welchem Lande die gut bekannte, als Rocambolle an- 
gebaute Pflanze wild auftritt. Cosson und Germain zu- 
folge wächst sie in der Umgegend von Paris.! Nach 
Grenier und Godron? findet sich dieselbe Form im Osten 
Frankreichs. Burnat berichtet, die gut spontane Art 
im Departement der See-Alpen gefunden zu haben, und 
wurden Herrn Boissier von ihm mehrere Exemplare 
überwiesen. Willkomm und Lange sehen sie nicht als 
in Spanien wildwachsend an°, wenn auch A% oder 
Echalote d’Espagne einer der französischen Namen für 
die angebaute Pflanze ist. In Rücksicht auf die Un- 
sicherheit über die specifischen Charaktere scheinen mir 
viele andere Localitäten in Europa zweifelhaft zu sein. 
Ich bemerke jedoch, dass nach Ledebour* die Pflanze, 


1 Cosson et Germain, Flore, II, 553. 

2 Grenier et Godron, Flore de France, III, 197. 
3 Willkomm et Lange, Prodrom. fl. hisp., I, 885. 
4 Ledebour, Flora rossica, IV, 163. 


90 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


welche er A. Scorodoprasum nennt, in Russland von 
Finland bis nach der Krim sehr gemein ist. Boissier 
erhielt ein ihm von dem Botaniker Sintenis zugeschicktes 
Exemplar aus der Dobrudscha. Demnach würde der 
natürliche Wohnsitz der Art an jenen von Allium sati- 
vum stossen, oder es wird auch ein aufmerksames Stu- 
dium aller der Formen den Beweis liefern, dass eine 
einzige, mehrere Varietäten umfassende Art sich über 
einen grossen Theil Europas und seine Grenzländer in 
Asien ausbreitet. 

Die Cultur des Rocambollen-Lauchs scheint von kei- 
nem sehr hohen Alter zu sein. In den Werken über 
Griechenland und Rom ist nicht die Rede davon, des- 
gleichen nicht in der Aufzählung der Pflanzen, welche 
von Karl dem Grossen seinem Gartenintendanten an- 
empfohlen wurden. Auch Olivier de Serres schweigt 
hierüber. Nur eine kleine Zahl volksthümlicher, ur- 
sprünglicher Namen finden wir bei den alten Völkern. 
Die charakteristischsten zeigen sich im Norden: Skovlög 
in Dänemark, Keipe und Rackenboll in Schweden.? 
Rockenbolle, woraus der französische Name entstand, ist 
der deutsche. Er hat nicht die Bedeutung, welche 
Littré ihm zuschreibt. Seine Etymologie ist Bolle, 
Zwiebel und Rocken?®, zwischen den Felsen wachsend. 


Allium Schoenoprasum, Linne. — Schnittlauch (fr. 
Ciboulette, Civette). 

Der Wohnsitz dieser Art ist auf der nördlichen He- 
misphäre ein sehr ausgebreiteter, nämlich ganz Europa 
von Corsica oder Griechenland bis nach dem südlichen 
Schweden; in Sibirien bis nach Kamtschatka, und auch 
in Nordamerika, da aber nur in der Nähe des obern 
Huronensees und weiter nach Norden*, was im Ver- 
gleich zu dem europäischen Wohnsitz als ein recht 
eigenthümlicher Umstand angesehen werden kann. Die 


1 Le Grand d’Aussy, Histoire de la vie des Francais, I, 122, 
2 Nemnich, Polyglott. Lexicon, S. 187. 3 Ebendas. 
4 Asa Gray, Botany of Northern States, 5. Aufl., S. 534, 


Taro. 91 


Form, welche in den Alpen vorkommt, steht der an- 
gebauten am nächsten.! 

Den Alten musste auf alle Fälle die Art bekannt 
sein, weil sie in Italien und Griechenland wildwachsend 
ist. Targioni ist der Meinung, dass dies das Scorodon 
Schiston von Theophrast ist, es handelt sich hier aber 
um Worte ohne Beschreibungen, und Autoren wie 
Fraas und Lenz, welche sich mit Auslegung der grie- 
chischen Texte speciell befassen, zeigen die Vorsicht, 
nichts zu bestätigen. Wenn die alten Namen zweifel- 
haft sind, so ist es die Thatsache der Cultur zu jener 
Zeit noch viel mehr. Möglich ist es, dass man die 
Pflanze auf freiem Felde einzusammeln pflegte. 


Arum esculentum, Linne.  Colocasia antiquorum, 
Schott.” — Taro (fr. Colocase). 

An feuchten Orten der meisten intertropischen Länder 
wird diese Art angebaut. Es ist der untere Theil des 
Stengels, welcher anschwillt und einen essbaren Wurzel- 
stock bildet, der dem unterirdischen Organe der Schwert- 
lilien zu vergleichen ist. Die Blattstiele und Blätter 
werden ausserdem als Gemüse verwerthet. 

Seitdem die verschiedenen Formen der Art gut klassi- 
fieirt worden sind, und man genauere Documente über 
die Floren des südlichen Asiens besitzt, waltet kein 
Zweifel mehr darüber ob, dass diese Pflanze in Indien 
spontan ist, wie dies schon früher Roxburgh? und 
neuerdings Wight* und andere behaupteten; ebenso 
in Ceylon®, Sumatra® und andern Inseln des Malaiischen 
Archipels.? 

Das erste chinesische Buch, welches dieses Gewächs 


1 De Candolle, Flore francaise, IV, 227. 

2 Arum Aegyptium, Columna, Ecphrasis, II, 1, Taf. 1; Rumphius, Am- 
boin., Bd. 5, Taf. 109. — Arum Colocasia und A. esculentum, Linné. — 
Colocasia antiquorum, Schott., Melet., I, 18; Engler, in: D. C. Monogr. 
Phaner., II, 491. 

3 Roxburgh, Fl. ind., III, 495. 4 Wight, Icones, t. 786. 

5 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 335. 

6 Miquel, Sumatra, S. 258. 7 Rumphius, Amboin., V, 318. 


92 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


erwähnt, erschien im Jahre 100 unserer Zeitrechnung.! 
Die ersten europäischen Seefahrer sahen sie in Japan 
und bis im Norden von Neuseeland angebaut?; diese 
Cultur ist wahrscheinlich frühern Einführungen zuzu- 
schreiben, und man kann mit Sicherheit kein gleich- 
zeitiges Bestehen wildwachsender Individuen nachweisen, 
Hingeworfene Fragmente vom Stengel oder der Knolle 
naturalisiren sich leicht am Ufer fliessender Gewässer. 
Nach den von den Autoren angegebenen Localitäten ? 
ist dieses vielleicht für die Fidschi-Inseln und Japan ein- 
getreten. Hier und da wird der Taro auf den Antillen 
und anderswo im tropischen Amerika angebaut, jeden- 
falls aber bedeutend weniger als in Asien und Afrika, 
und ohne dass irgendetwas einen amerikanischen Ur- 
sprung andeutete. 

Es gibt in den Ländern, wo die Art wild vorkommt, 
volksthümliche, zuweilen sehr alte Namen, die unter 
sich ganz und gar verschieden sind, was einen localen 
Ursprung bestätigt. Der Sanskritname Kutschu findet 
sich in den neuern indischen Sprachen, z. B. im Ben- 
galischen.* Auf Ceylon heisst die wildwachsende Pflanze 
Gahala, die angebaute Kandalla.° Die malaiischen 
Namen sind Kelady®, Tallus, Tallas, Tales oder Ta- 
loes’, davon abzuleiten ist vielleicht der so bekannte 
Name Tallo oder Tarro® der Bewohner von Otahaiti 
und Neuseeland’; auf den Fidschi-Inseln nennt man die 
Pflanze Dalo.19 Die Japanesen haben einen ganz ver- 
schiedenen Namen, Imo!!, der auf ein sehr hohes Alter 
der Pflanze, sei es im wilden oder angebauten Zu- 
stande, hinweist. 

Die europäischen Botaniker kannten den Taro zu- 
nächst von Aegypten aus, wo er seit einer vielleicht 


1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works, S. 12. 
2 Forster, Plantae escul. 8.58. 

3 Franchet et Savatier, Enum., S. 8; Seemann, Flora Vitiensis, S. 284. 
2 Roxburgh, a. a. O. 5 Thwaites, a. 2. O. 6 Rumphius, a. a. O 
7 Miquel, Sumatra, S. 258; Hasskarl, N horti bogor. alter, S.55. 

8 Forster, 2. 2.0. 9 Seemann, a. 0. 
10 Franchet et Savatier, a. a. O. in Plinius, Hist., L 19, c. 5. 


Be 
Be. 


Taro. 93 


nicht sehr fern gelegenen Zeit angebaut wird. Die 
Denkmäler der alten Aegypter liefern keinen Finger- 
zeig; Plinius hat aber von dieser Pflanze unter dem 
Namen Arum Aegyptium gesprochen. Prosper Alpini 
sah sie im 16. Jahrhundert und spricht ausführlich von 
ihr.t Er berichtet, dass man sie in Aegypten Culcas 
nennt, welches Wort von Delile? @olkas und Koulkas 
geschrieben wird. In diesem bei den Aegyptern gebräuch- 
lichen arabischen Namen zeigt sich einige Analogie mit 
dem Sanskrit Kutschu, wodurch die ziemlich wahr- 
scheinliche Annahme einer Einführung von Indien oder 
von Ceylon aus noch mehr Begründung findet. Clu- 
sius® hatte die Pflanze in Portugal als von Afrika 
kommend angebaut gesehen, und zwar unter dem Na- 
men Alcoleaz, der augenscheinlich arabischen Ursprungs 
ist. In einigen Gegenden des südlichen Italien, wo 
sich die Art naturalisirt hat, nennt man sie, nach Par- 
latore®, Aro di Egitto. 

Der von den Griechen einer Pflanze beigelegte Name 
Colocasia, deren Wurzel von den alten Aegyptern ver- 
werthet wurde, kann augenscheinlich von Colcas ab- 
stammen, wenn er auch auf eine andere Pflanze bezogen 
wurde als auf den echten Colcas. In der That bezieht 
Dioscorides ihn auf die Bohne des Pythagoras oder 
Nelumbium?, eine Pflanze mit dicker Wurzel oder viel- 
mehr Wurzelstock, der ziemlich faserig ist und sich 
zum Essen wenig eignet. Die zwei Pflanzen sind, be- 
sonders in der Blume, sehr voneinander verschieden. 
Die eine gehört zur Familie der Araceen, die andere 
zu jener der Nymphaeaceen, eine zur Klasse der Mono- 
cotyledonen, die zweite zu der der Dicotyledonen. Das 
ursprünglich indische Nelumbium findet sich nicht mehr 
in Aegypten, während sich die Colocasia der neuern 


1 Alpinus, Hist. Aegypt. naturalis, 2. Auf, I, 166; II, 192. 

2 Delile, Flora Egypt. ill., S. 28. De la Colocase des anciens, 1346. 

3 Clusius, Historia, II, 75. . 4 Parlatore, Fl. ital., II, 255. 

5 Prosper Alpinus, a. a. O.; Columna; Delile, Ann. du Mus., I, 375, De 
la Colocase des Anciens: Reynier, Économie des Égyptiens, S. 321. 


94 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Botaniker dort erhalten hat. Wenn bei den griechischen 
Schriftstellern eine wahrscheinlich erscheinende Verwir- 
rung obgewaltet hat, so muss man sie durch die That- 
sache zu erklären suchen, dass der Colcas wenigstens 
in Aegypten selten zur Blüte gelangt. In Bezug auf 
die botanische Nomenclatur kommt es wenig darauf an, 
ob man sich einst über die Colocasia zu bezeichnenden 
Pflanzen geirrt hat. Glücklicherweise stützen sich die 
neuern wissenschaftlichen Namen nicht auf die zweifel- 
haften Bestimmungen der Alten, und wenn man auf 
Etymologien Werth legt, so genügt jetzt der Ausspruch, 
dass Colocasie infolge eines Irrthums von Colcas ab- 
stammt. 


Alocasia macrorrhiza, Schott. Arum macrorrhizum, 
Linne (Fl. Zeyl. 327). — Grosswurzelige Alocasie (fr. 
Alocase à grande racine). 

Diese von Schott bald zur Gattung Colocasia und 
bald zu Alocasia gebrachte Aracee, deren Synonymie 
eine verwickeltere ist, als es nach den oben angegebe- 
nen Namen! erscheinen dürfte, wird weniger häufig als 
die gemeine Colocasia angebaut, doch ist ihre Cultur 
dieselbe und findet fast in denselben Ländern statt. 
Ihre Wurzelstöcke erreichen die Länge eines Armes, sie 
besitzen einen recht ausgeprägt scharfen Geschmack, 
welcher durch den Process des Kochens beseitigt wer- 
den muss. 

Die Bewohner von Otahaiti nennen die Pflanze Ape, 
jene der Freundschaftsinseln Kappe.” Auf Ceylon ist 
ihr volksthümlicher Name nach Thwaites® Habara. Im 
Indischen Archipel kommen noch andere Namen vor, 
woraus man schliessen kann, dass sie schon vor den 
jetzigen Völkern jener Regionen dort auftrat. 

Die Pflanze scheint besonders auf der Insel Otahaitif 
wildwachsend zu sein. Nach Thwaites, welcher während 


1 Vgl. Engler in unsern Monographiae Phanerogarum, II, 502. 

2 Forster, De plantis esculentis insularum Oceani australis, S. 58. 
3 Thwaites, Enum. plant. Zeyl., 336. 

4 Nadeaud, Enum. des plantes indigènes, S. 40, 


Konjak. 19 


‘einer langen Zeit auf Ceylon Pflanzen sammelte, soll sie 
es auch dort sein. Ausserdem führt man sie für Indien 
und selbst für Australien ! an, jedoch ohne dabei die 
wildwachsende Eigenschaft zu bestätigen, was immer 
bei einer Art schwer hält, die an Bächen angebaut 
wird und sich durch Brutzwiebeln vermehrt. Ausser- 
dem hat man diese Art zuweilen mit der Colocasia 
indica, Kunth, verwechselt, deren Wachsthum dasselbe 
ist und welche man hier und da in den Culturen an- 
trifft, auch wildwachsend oder naturalisirt in den Gräben 
oder an den Bächen des südlichen Asiens vorkommt, 
ohne dass sich über ihre Geschichte etwas mit Be- 
stimmtheit nachweisen lässt. 


Amorphophallus Konjak, C. Koch. Amorphophallus Ri- 
vieri, du Rieu, var. Konjak, Engler.” — Konjak (fr. Konjak). 
Der von den Japanesen im grossen angebaute Kon- 
jak, über dessen landwirthschaftliche Verwerthung Dr. 
Vidal im „Bulletin de la Société d’acclimatation‘“ vom 


Juli 1877 sehr ausführliche Details gegeben hat, ist 


eine Knollenpflanze aus der Familie der Araceen. Engler 


‘sieht sie als eine Varietät des in Cochinchina heimi- 


schen Amorphophallus Rivieri an, wovon die Garten- 
zeitungen seit einigen Jahren mehrfach Abbildungen ge- 
geben haben.” Im Süden Europas kann man sie, ähn- 
lich wie die Dahlien, aus Liebhaberei anbauen; will 


. man aber den essbaren Werth der Knollen kennen ler- 


nen, so muss man dieselben, wie dies die Japanesen 
thun, einer Bereitung mit Kalkmilch unterwerfen und 
sich des Gewinns an Stärkemehl auf einer gegebenen 
Fläche Landes vergewissern. 

Vidal hat keine Beweise dafür, dass die Pflanze Ja- 
pans in dem Lande auch wildwachsend sei. Er ver- 
muthet es nur nach dem Sinn des volksthümlichen 


1 Bentham, Flora austral., VIII, 155. 

2 Engler, in DC. Monogr. Phaner., II, 313. 

3 Gardener’s Chronicle, 1873, S. 610; Flore des serres et jardins, Taf, 
1358, 1959; Hooker, Bot. Mag., Taf. 6195. 


96 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Namens, welcher, wie er sagt, Konniyaku oder Yama- 
gonniyaku ist (Yama bedeutet Gebirge). Franchet 
und Savatier! haben die Pflanze nur in den Gärten 
angetroffen. Die cochinchinesische Form, von welcher 
man annimmt, dass sie zur selben Art gehöre, stammt 
aus den Gärten, und es fehlt die Bestätigung ihres 
spontanen Auftretens im Lande. 


Dioscorea sativa, D. Batatas, D. japonica und D. 
alata. — Yamswurzeln (fr. Ignames). 

Die Yamswurzeln, monocotyledonische Pflanzen aus 
der Familie der Dioscoreaceen, machen die Gattung 
Dioscorea aus, von welcher die Botaniker fast zweihundert 
Arten beschrieben haben, die sich in allen intertropischen 
oder subtropischen Ländern verbreitet finden. Gewöhn- 
lich haben sie Wurzelstöcke, d. h. mehr oder minder 
fleischige, unterirdische Stengel oder Verzweigungen von 
Stengeln, welche sich dann zu verdicken anfangen, wenn 
der der Luft ausgesetzte, einjährige Theil am Absterben 
ist.” Wegen dieser mehligen Wurzelstöcke, welche ge- 
kocht wie Kartoffeln gegessen werden, baut man meh- 
rere Arten in verschiedenen Ländern an. 

Die botanische Unterscheidung der Arten ist immer 
mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, weil sich die 
männlichen und weiblichen Blumen auf verschiedenen 
Individuen befinden, und man die Charaktere, welche 
in den Wurzelstöcken und dem untern Theile der über 
der Erde wachsenden Stengel liegen, in den Herbarien 
nicht antrifft. Die letzte zusammenfassende Beschreibuug 
ist die von Kunth? aus dem Jahre 1850. Sie verlangt eine 
Revision, da die Reisenden seit einigen Jahren zahlreiche 
Exemplare mitgebracht haben. Glücklicherweise kön- 
nen, sobald es sich um den Ursprung der angebauten 


1 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, II, 7. 

2 Sagot hat die Art und Weise des Wachsthums, sowie die Cultur der 
Yamswurzeln nach seinen in Cayenne gemachten Beobachtungen sehr gut 
beschrieben. Bull. de la Soc. bot. de France, 1871, S. 306. 

3 Kunth, Enumeratio, Bd. V. 


FL de 


Yamswurzel. A 


Arten handelt, gewisse historische und linguistische Er- 
wägungen den Weg zeigen, und es ist hierbei nicht 
durchaus erforderlich, die botanischen Charaktere jeder 
Art zu kennen und abzuschätzen. 

Roxburgh zählt mehrere in Indien angebaute Dios- 
coreen ! auf, keine derselben fand er aber im wilden 
Zustande, und weder er noch Piddington ? führen San- 
skritnamen an. Dieser letzte Punkt lässt auf eine in In- 
dien wenig alte oder ehemals wenig verbreitete Cultur 
schliessen, die entweder von einheimischen, noch schlecht 
definirten oder von ausländischen, ee, angebauten 
Arten herrührte. Im cn und Hindustanischen 
ist Alu der generische Name, dem ein besonderes Beiwort 
für jede Varietät oder Art voransteht, z.B. Kam Alu 
für Dioscorea alata. Auch das Fehlen von bestimmten 
Namen in jeder Provinz lässt eine wenig alte Cultur 
annehmen. Thwaites? gibt für Ceylon sechs spontane 
Arten an, ausserdem werden Dioscorea alata L., D. sa- 
tiva L. und D. purpurea Roxb. als in den Gärten an- 


gebaut, aber nicht wildwachsend von ihm aufgeführt. 


Die chinesische Yamswurzel, Dioscorea Batalas De- 
caisne’s®, welche von den Chinesen als Sain-in im Grossen 
angebaut wird und von Montigny in die Gärten Eu- 
ropas eingeführt wurde, wo sie aber ein Luxusgemüse 
bleibt, ıst bisjetzt nicht wildwachsend in China auf- 
gefunden worden. Einige weniger bekannte Arten wer- 
den desgleichen von den Chinesen angebaut, besonders 
die Schu-yü, Tu-tschu, Schan-yü, welche sich in ihren 
alten Werken über Ackerbau erwähnt findet, und die, 
statt der spindelförmigen Wurzeln, wie bei D. Batatas, 
kugelrunde Wurzelstöcke besitzt. Nach Stanislas Julien 
bedeuten diese Namen so viel wie Arum vom Ge- 
birge, woraus auf eine wirklich zur Landesflora ge- 


1 Es sind D. globosa, alata, rubella, purpurea, fasciculata, von welchen 
zwei bis drei nur Varietäten zu sein scheinen. 

2 Piddington, Index. 3 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 326. 

4 Decaisne, Histoire et culture de l’Igname de Chine, in: Revue hor- 
ticole, 1, Juli und Dec, 1853; Flore des serres et jardins, X, Taf, 971, 


DE CANDOLLE, 4 


98 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


hörige Pflanze geschlossen werden kann. Dr. Bret- 
schneider! führt drei in China angebaute Arten an 
(Dioscorea Batatas, alata, sativa), und er fügt hinzu: 
„Die Dioscorea ist in China einheimisch, denn sie wird 
in dem ältesten medicinischen Werke, dem des Kaisers 
Schen-nung, erwähnt.“ 

Die Dioscorea japonica, Thunberg, in Japan ange- 
baut, ist ebenfalls in dem Buschholz verschiedener Ge- 
genden angetroffen worden, ohne dass man mit irgend- 
welcher Bestimmtheit wüsste, berichten die Herren 
Franchet und Savatier?, bis zu welchem Grade sie dort 
einheimisch ist, oder infolge der Cultur weiter verbreitet 
wurde. Eine andere, noch häufiger in Japan angebaute 
Art vermehrt sich, nach denselben Verfassern, hier und 
da auf freiem Felde. Dieselben bringen sie zu der Dios- 
corea sativa Linné’s, man weiss aber, dass der berühmte 
Schwede mehrere asiatische und amerikanische Arten 
unter diesem Namen vereinigt hatte; derselbe ist daher 
ganz zu streichen oder auf eine der Arten vom Malai- 
ischen Archipel zu beschränken. Geschieht letzteres, so 
würde die echte D). sativa die auf Ceylon angebaute 
Pflanze sein, welche Linn& bekannt war, und die Thwaites 
in der That Dioscorea sativa, Linne, nennt. Verschie- 
dene Autoren lassen die Identität der ceylonischen Pflanze 
mit andern ın Malabar, Sumatra, Java, den Philippinen 
u. s. w. angebauten gelten. Blume”? behauptet, dass 
die D. sativa, L., auf welche er die Abbildung 51 von 
Rheede (,„Malabar‘‘, Bd. 8) bezieht, in den feuchten Ge- 
birgsgegenden von Java und Malabar wächst. Um die- 
sen Versicherungen Glauben zu schenken, müsste zuvor 
die Frage in Bezug auf die Art nach authentischen 
Exemplaren sorgfältig geprüft werden. 

Die auf den Südseeinseln unter dem Namen Ubi am 
meisten angebaute Yamswurzel ist die Dioscorea alata 
Linne’s. Sie soll nach den Autoren des 17. und 18. Jahr- 


1 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 12, 
2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, II, 47. 
3 Blume, Enum, plant, Javae, S, 22, 


Yamswurzel. 99 


hunderts auf Otahaiti, in Neuguinea, auf den Molukken 
u. s. w. sehr verbreitet sein.! Je nach der Form der 
Wurzelstöcke unterscheidet man mehrere Varietäten von 
ihr. Niemand will diese Art im wilden Zustande ge- 
funden haben; die Flora der Inseln, wo sie wahr- 
scheinlich einheimisch ist, besonders die von Celebes, 
Neuguinea u. s. w., ist aber noch wenig bekannt. 

Versetzen wir uns jetzt nach Amerika. Auch dort 
kommen mehrere Arten der Gattung, besonders in Bra- 
silien, Guyana u. s. w. wildwachsend vor, es scheint 
aber, als ob die angebauten Formen eher einge- 
führt wurden. So führen die Autoren in der That nur 
wenige angebaute Varietäten oder Arten an (Plumier 
eine, Sloane zwei), auch nur wenige volksthümliche Na- 
men. Der verbreitetste ist Yam, Igname oder Inhame, 
welcher nach Hughes afrikanischen Ursprungs ist, wie 
auch die zu seiner Zeit auf der Insel Barbadoes ange- 
baute Pflanze.? 

Das Wort Yam bedeutet nach demselben Verfasser 
in den Idiomen mehrerer Negerstämme von der Küste 
Guineas soviel wie essen. Freilich haben zwei der 
Entdeckung Amerikas der Zeit nach näher stehende, von 
Humboldt? erwähnte Reisende das Wort Zgname auf 
dem amerikanischen Festlande gehört, nämlich Vespucei 
im Jahre 1497 an der Küste von Paria, Cabral drei 
Jahre später in Brasilien. Nach letzterm bezöge sich 
der Name auf eine Wurzel, aus welcher Brot gemacht 
würde, was sich besser auf den Maniok beziehen liesse 
und mich einen Irrthum befürchten lässt, um soviel 
mehr, da eine von Humboldt? anderwärts angeführte 
Stelle des Vespucci den Beweis liefert, dass derselbe den 
Maniok mit der Yamswurzel verwechselte. Die D. 
Cliffortiana Lam. wächst in Peru? und Brasilien® wild, 


1 Forster, Plant. esculent., S. 56; Rumphius, Amboin., Bd. 5, Taf. 120, 
121 etc. 

2 Hughes, Hist. nat. Barb., S. 226 und 1750. 

3 Humboldt, Nouv. Esp., 2. Aufl., II, 468. 4 Ebend., S. 403. 

5 Haenke, in; Presl, Rel., S. 133. 6 Martius, Flora brasiliensis, V, 43, 


Le À 


{ 


100 Zweiter Theil. Erstes Kapitel, 


es liegt mir aber kein Beweis vor, dass man sie an- 
baut. Presl sagt ,vero similiter colitur“ und die „Flora 
brasiliensis“ spricht von keiner Cultur. 

Im französischen Guyana wird Dr. Sagot! zufolge 
ganz insbesondere Dioscorea triloba Lam. angebaut, dort 
indianische Yamswurzel genannt, welche auch in Bra- 
sılien und auf den Antillen verbreitet ist. Der volks- 
thümliche Name lässt darauf schliessen, dass sie im 
Lande einheimisch ist, während eine andere Art, D. 
Cayennensis Kunth, die ebenfalls in Guyana und zwar 
unter dem Namen I/gname pays-negre angebaut wird, 
wahrscheinlich von Afrika dorthin gelangte, eine Mei- 
nung, die um so wahrscheinlicher ist, da Sir W. Hooker 
die in Afrıka an den Ufern des Nun und der Quorra 
angebaute Yamswurzel mit der D. Cayennensis vergleicht.? 
Schliesslich ist die Zgname franche von Guyana nach 
Sagot die Dioscorea alata, die vom Malaiischen Archipel 
und Oceanien dorthin eingeführt wurde. 

In Afrika gibt es weniger einheimische Dioscoreen 
als in Asien und Amerika, und auch die Cultur der 
Yamswurzeln ist dort eine nicht so allgemeine. An der 
Westküste werden nach Thonning? nur eine oder zwei 
Arten angebaut. Am Congo sah Lockhard nur eine 
Art und zwar nur an einem Orte.f Bojer° zählt für 
die Insel Mauritius vier angebaute Arten auf, die, wie 
er sagt, von Asien kommen sollen, und eine, D. bulbi- 
fera Lam., welche, wenn der Name der richtige ist, 
indischen Ursprungs sein würde. Bojer behauptet, dass 
sie von Madagascar kam und sich in den Wäldern, 
ausserhalb des Culturbereichs ausgebreitet hat. In Mau- 
ritius nennt man sie Cambare marron. Das Wort Cam- 
bare steht aber dem indischen Kam ziemlich nahe, und 
marron bezeichnet eine der Cultur entsprungene Pflanze. 
Die alten Aegypter bauten keine Yamswurzeln an, was 
eine in Indien weniger alte Cultur als die der Colocasia 


Sagot, Bull. Soc. bot. France, 1871, S. 305. ; 
Hooker, Flora nigrit., S. 53. % Thonning, Plantae guineenses, S. 447, 


Brown, Congo, S. 49, 5 Bojer, Hortus mauritianus, 


nV 


Pfeilwurzel. 101 


muthmaassen lässt. Forskal und Delile sprechen nicht 
von in Aegypten zur Neuzeit angebauten Yamswurzeln. 

Alles zusammengerechnet, wurden mehrere in Asien 
wildwachsende Dioscoreen (besonders im asiatischen 
Archipel) und andere, weniger zahlreiche in Amerika 
und Afrika einheimische, in die Culturen als Nähr- 
pflanzen eingeführt, dies geschah aber wahrscheinlich 
zu weniger fern liegenden Zeiten als bei vielen andern 
Pflanzenarten. Diese letzte Annahme stützt sich auf 
das Fehlen eines Sanskritnamens, auf die geringe geo- 
graphische Culturausbreitung und auf das dem Anscheine 
nach nicht sehr hohe Alter der Bewohner der Südsee- 
inseln. 


Maranta arundinacea, Linne. — Pfeilwurzel (engl. 
u. fr. Arrow-root). 

Eine der Gattung Canna nahestehende Pflanze aus der 
Familie der Scitamineen, deren unterirdische Wurzelschöss- 
linge! das als Arrow-root bekannte ausgezeichnete Stärke- 
mehl liefern. Sie wird auf den Antillen und mehreren an- 
dern intertropischen Ländern des continentalen Amerika 
angebaut. Auch nach der Alten Welt, z. B. nach der 
Guineaküste, ist sie eingeführt worden.? 

Jedenfalls ist die Maranta arundinacea amerikani- 
schen Ursprungs. Nach den Angaben Sloane’s? wäre 
sie von Dominica nach der Insel Barbadoes und von 
da nach Jamaica gebracht worden, woraus sich schliessen 
lässt, dass sie auf den Antillen nicht einheimisch ist. 
Zuletzt wurde die Gattung Maranta von Körnicke* be- 
arbeitet und derselbe spricht von mehreren in Guadeloupe, 
St.-Thomas, Mexico und in Centralamerika gesammelten 
Exemplaren; ob dieselben von spontanen, angebauten 
oder naturalisirten Pflanzen herrührten, ist von ıhm 
nicht weiter berücksichtigt worden. Die Sammler geben 
solches nie an, und es mangelt für den amerikanischen 


1 Siehe die Beschreibung von Tussac, Flore des Antilles, I, 183. 
2 Hooker, Niger Flora, S. 531. 3 Sloane, Jamaica, 1707, I, 254. 
4 Im Bull, Soc. des natur. de Moscou, 1862, I, 34. 


102 Zweiter Theil. Erstes Kapitel. 


Continent, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, an 
Localfloren, ganz insbesondere an solchen, die von Bo- 
tanıkern verfasst wurden, welche sich im Lande selbst 
aufgehalten haben. Nach den veröffentlichten Arbeiten 
finde ich die Art als angebaut! angegeben, oder von 
Pflanzungen herrührend ?, zuweilen auch ohne alle An- 
gabe. Bei einer für Brasilien von Körnicke in der 
wenig bewohnten Provinz von Matto grosso angeführten 
Localität kann man das Fehlen von Culturen annehmen. 
Seemann ? gibt die Art bei Panama an, und zwar in 
recht sonnigen Gegenden. 

Auf den Antillen cultivirt man auch eine andere Art, 
Maranta indica, welche Tussac als von Ostindien ge- 
bracht bezeichnet. Körnicke bringt die in Sillet ge- 
fundene M. ramosissima Wallich’s zu derselben und hält 
sie für eine Varietät der M. arundinacea. Von 36 
mehr oder weniger bekannten Arten der Gattung Ma- 
ranta sind wenigstens 30 amerikanisch. Somit ist es 
ziemlich unwahrscheinlich, dass zwei oder drei andere 
asiatisch sind. Die Lösung dieser Fragen über die 
Arten der Scitamineen und ihre Heimatländer bleibt 
bis zur Beendigung von Sir J. Hooker’s Flora von Bri- 
tisch-Indien in Dunkel gehüllt. 2 

Die Anglo-Indier gewinnen Arrow-root aus einer an- 
dern Pflanze derselben Familie, welche in den Wäldern 
von Dekkan und in Malabar anzutreffen ist. Dies ist 
die Curcuma angustifolia Roxburgh{; ob man sie an- 
baut, ist mır nicht bekannt. 


1 Aublet, Guyane, I, 3. 2 Meyer, Flora Essequebo, S. 11. 

3 Seemann, Botany of Herald, S. 213. 

4 Roxburgh, Fl. indica, I, 31; Porter, The tropical Agriculturist, S. 241; 
Ainslies, Materia medica, I, 19. 


2 


105 


ZWEITES KAPITEL. 


Ihrer Stengel oder Blätter wegen angebaute Pflanzen. 


Erster Abschnitt. Gemüse. 


Brassica oleracea, Linne. — Gartenkohl (fr. Chou 
ordinaire). 

Der gemeine Kohl, wie er sich in der „English Bo- 
tany“, Taf. 637, der „Flora Danica‘“, Taf. 2056, und an- 
derswo abgebildet findet, kommt auf den Felsen am Meeres- 
gestade vor, und zwar 1) auf der dänischen Insel La- 
land, auf Helgoland, im südlichen England und Irland, 
in der Normandie, den Inseln Jersey und Guernsey und 
dem Departement Charente-Inferieure !; 2) an der nörd- 
lichen Küste des Mittelmeers in der Nähe von Nizza, 
Genua und Lucca.” Ein Reisender des vorigen Jahr- 
hunderts, Sibthorp, berichtet, die Kohlpflanze auf dem 
Berge Athos gefunden zu haben, dies wird aber von 
keinem Botaniker der Neuzeit bestätigt, und die Art 
scheint in Griechenland und an den Ufern des Kaspisees 
sowol, wie auch in Sibirien, wo Pallas sie einst ge- 
funden haben will, und in Persien? fremd zu sein. Die 
zahlreichen Reisenden, welche jene Länder durch- 
forschten, haben sie dort nicht angetroffen, und die 
Winter im östlichen Europa und Sibirien scheinen auch 
für dieselbe zu kalt zu sein. Die Verbreitung auf recht 
isolirten Punkten und in zwei verschiedenen Regionen 
Europas bringt uns zu der Vermuthung, dass die an- 
scheinend wildwachsenden Individuen entweder das Re- 


1 Fries, Summa, S. 29; Nylander, Conspectus, S. 46; Bentham, Handb. 
Brit. Flora, 4. Aufl., S.40; Mackay, Fl. hibern., S.28; Brebisson, Flore de 
Normandie, 2. Aufl., S. 18; Babington, Primitiae fl. sarnicae, S. S; Cla- 
vaud, Flore de la Gironde, I, 68. 

2 Bertoloni, F1. ital., VII, 146; Nylander, a. a. O. 

3 Ledebour, Fl. ross.; Grisebach, Spicilegium fl. rumel.; Boissier, Fl. 
or., etc, 


104 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


sultat einer durch Culturen! bedingten Samenausstreuung 
sind, oder auch, dass die Art früher häufiger auftrat 
und dem Aussterben entgegengeht. Das Vorkommen 
auf den Inseln des westlichen Europas ist der letzten 
Hypothese günstig, während das Fehlen auf jenen des 
Mittelmeers ihr entgegensteht.? 

Wir wollen jetzt sehen, ob historische und linguisti- 
sche Angaben etwas zu den pflanzengeographischen That- 
sachen hinzufügen können. 

Zunächst müssen wir berücksichtigen, dass die zahl- 
losen Kohlvarietäten in Europa ins Leben gerufen wur- 
den ?, ganz insbesondere seit der Zeit der alten Griechen. 
Theophrast unterschied 3, Plinius die doppelte Anzahl, 
Tournefort etwa 20, de Candolle mehr als 30. Diese 
Abänderungen stammten nicht vom Orient, und dies ist 
ein neuer Fingerzeig für eine alte Cultur in Europa 
und einen europäischen Ursprung. 

Die volksthümlichen Namen sind desgleichen recht 
zahlreich in den europäischen Sprachen, in den asia- 
tischen dagegen selten und neuern Datums. Ohne auf 
eine Menge früher* von mir schon erwähnter Namen 
zurückzukommen, will ich hier nur bemerken, dass sich 
dieselben auf vier oder fünf verschiedene und alte Wur- 
zeln zurückführen lassen: 

Kap oder Kab in mehreren keltischen und slawischen 
Namen. Der französische Name Cabus wird davon 
abgeleitet. Wegen des kopfförmigen Wachsthums des 
Kohls ist der Ursprung augenscheinlich derselbe wie 
bei Caput. 


1 Watson, welcher derartigen Fragen eine besondere Aufmerksamkeit 
widmete, stellt das Indigenat für England in Zweifel (Compendium of the 
Cybele, S. 103), die meisten Autoren von Floren Grossbritanniens sind je- 
doch entgegengesetzter Meinung. 

2 Die Brassica balearica und Br. cretica sind ausdauernd, fast holzig, 
nicht zweijährig. Man stimmt darüber ein, sie von Br. oleracea zu trennen. ° 

3 Aug. Pyr. de Candolle veröffentlichte über die Abtheilungen und 
Unterabtheilungen der Zrassica oleracea eine besondere Arbeit (Trans- 
actions cf the Horticult. Soc., Bd. 5, ins Deutsche übersetzt und franzö- 
sisch in Bibl. univ. agricult., Bd. 8); häufig wird selbige gerade für der- 
artige Aufgaben als Muster hingestellt. 

* Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 839. 


Gartenkohl. 105 


Caul, Kohl, von mehreren lateinischen (Caulis gleich- 
bedeutend mit Stengel und Kohl), germanischen (Choli 
altdeutsch, Kohl neudeutsch, Kaal dänisch) und kelti- 
schen Sprachen (Cal im Irischen, Kaol und Kol im 
Bretonischen).! 

Bresic, Bresych, Brassic der keltischen? und latei- 
nischen Sprachen (Drassica), woraus wahrscheinlich 
Berza und Verza der Spanier und Portugiesen, Varza 
der Rumänen entstanden sind.” 

Aza der Basken (Iberer), welcher Name von Cha- 
rencey* als der euskarischen Sprache eigenthümlich an- 
gesehen wird, sich aber von den vorhergehenden nur 
wenig unterscheidet. 

Krambai, Crambe der Griechen und Lateiner. 

Die Verschiedenartigkeit der Namen in den keltischen 
Sprachen stimmt mit dem Vorkommen der Art an den 
Westküsten Europas überein. Wenn die arischen Kelten 
die Pflanze von Asien gebracht hätten, würden sie wahr- 


‚scheinlich nıcht Namen erfunden haben, die drei ver- 


schiedenen Quellen entsprangen. Der Annahme scheint 


sich jedoch nichts entgegenzustellen, dass die arischen 


Völker, als sie den einheimischen und vielleicht schon 
in Europa von den Iberern oder Liguriern verwertheten 
Kohl sahen, entweder neue Namen aufstellten oder sich 
solcher bedienten, wie sie bei den ältern Völkern in 
dem Lande Brauch waren. 

Die Philologen haben das Krambai der Griechen mit 
dem persischen Namen Karamb, Karam, Kalam, dem 
kurdischen Kalam, dem armenischen Gaghamb in Verbin- 
dung gebracht’; andere wieder mit einer Wurzel der muth- 
masslichen Muttersprache der Arier; in den Einzelheiten 
stimmen sie aber nicht überein. Nach Fick ® bedeutet 


1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 380. 

2 Alph. de Candolle, a. a. O.; Ad. Pictet, a. a. O. 

3 Brandza, Prodr. fl. romanae, S. 122. 

4 De Charencey, Recherches sur les noms basques, in: Actes de la 
Société philologique, 1. März 1869. 

5 Ad. Pictet, a. a. O. 

6 Fick, Wörterb. d. indo-germ, Sprachen, 8. 34. 


106 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Karambha in der ursprünglich indo-germanischen Sprache 
„Gemüsepflanze, Kohl, indem Karambha gleichbedeu- 
tend ist mit caulis, Stengel.“ Er fügt hinzu, dass Ka- 
rambha im Sanskrit der Name für zwei Gemüse ist. 
Die anglo-indischen Autoren führen diesen angeblichen 
Sanskritnamen nicht an, sondern nur einen neuern, in- 
dischen Sprachen entlehnten Namen, Kopee.t Ad. Pictet 
seinerseits spricht von dem Sanskritwort Kalamba, 
„Gemüsestengel, auf Kohl angewendet“. Was mich selbst 
betrifft, so muss ich gestehen, dass es mir schwer wird, 
diese orientalischen Etymologien des griechisch -latei- 
nıschen Wortes Crambe zuzulassen. Der Sinn des 
Sanskritwortes (wenn es überhaupt existirt) ist sehr 
zweifelhaft, und was das persische betrifft, so müsste 
man wissen, ob dasselbe ein altes ist. Ich bezweifle 
es, denn wenn der Kohl im alten Persien vorgekommen 
wäre, würden die Hebräer ihn gekannt haben.” 

Aus allen diesen Gründen scheint mir die Art euro- 
päischen Ursprungs zu sein. Die Zeit ihres Anbaues 
ist wahrscheinlich eine sehr alte, die vor den arischen 
Invasionen datirt, doch hat man zweifelsohne damit an- 
gefangen, die wildwachsende Pflanze einzusammeln, ehe 
man daran dachte, sie anzubauen. 


Lepidium sativum, Linne. — Gemeine Gartenkresse 
(fr. Cresson alenois). 

Diese kleine Crucifere, welche wir jetzt als Salat 
verwerthen, war in alten Zeiten wegen gewisser Eigen- 
schaften ihrer Samen sehr gesucht. Einige Autoren 
sind der Meinung, dass sie dem Cardamon von Dios- 
corides entspricht, während andere diesen Namen auf 
Erucaria aleppica beziehen.” Beim Mangel einer ge- 
nügenden Beschreibung scheint die erstere dieser zwei 
Vermuthungen die wahrscheinlichere zu sein, da der 
gegenwärtige volksthümliche Name Cardamon ist.* 


1 Piddington, Index; Ainslies, Mat. med. ind. 

2 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., führt keinen Namen an. 

3 Vgl. Fraas, Syn. fl. class., S. 120, 124; Lenz, Bot. d. Alten, S. 617. 
4 Sibthorp, Prodr. fl. graec., II, 6; Heldreich, Nutzpfl. Griechenl., S. 47. 


Gemeine Gartenkresse. 107 


Die Cultur der Art muss auf ein hohes Alter zurück- 


gehen und sich sehr ausgebreitet haben, denn es be- 


stehen sehr verschiedene Namen: im Arabischen Reschad, 
im Persischen Turchtezuk!, im Albanesisenen, einer von 
den Pelasgern herrührenden Sprache, Dieges #, ohne hier 
von Namen zu sprechen, die aus der Uebereinstimmung 
im Geschmack mit der Brunnen- oder Wasserkresse 
(Nasturtium officinale) abgeleitet sind. Im Hindustanı 
und Bengalischen gibt es sehr verschiedenartige Namen, 
im Sanskrit kennt man aber keinen.? 

Gegenwärtig wird die Pflanze in Europa, Nordafrika, 
Westasien, Indien und anderswo angebaut; aber wo- 
her sie ursprünglich gekommen, ist ziemlich unklar. 

Ich besitze mehrere in Indien gesammelte Exemplare, 


‚wo Sir Joseph Hooker* die Art nicht als einheimisch 


ansieht. Kotschy brachte sie von der Insel Karek oder 
Karrak im Persischen Meerbusen. Auf der beigefügten 
Etikette wird nicht erwähnt, ob es eine angebaute 
Pflanze war. Boissier® spricht von ihr, ohne irgend- 


eine Bemerkung hinzuzufügen, und erwähnt ferner 


Exemplare von Ispahan und von Aegypten, die auf 
Culturland gesammelt waren. Man führt Olivier an, 
der die Gartenkresse in Persien gesehen haben soll, 
jedoch wird nicht gesagt, ob auch in wirklich spon- 
tanem Zustande.® Die botanischen Bücher weisen wieder- 
holt darauf hin, dass Sibthorp sie auf der Insel Cypern 
gefunden hat; schlägt man in seinem Werke nach, so 
zeigt es sich, dass offene Felder die Fundstätte waren.’ 
Von Poech wird sie für Cypern nicht erwähnt.® Unger 
und Kotschy? führen sie auf dieser Insel als nicht 
spontan an. Nach Ledebour!® fand Koch sie beim 
Kloster auf dem Berge Ararat, Pallas in der Nähe von 


1 Ainslies, Mat. med. ind., S. 95. 2 Heldreich, a. a. O. 

> Piddington, Index; Ainslies, a. a. 0. 

4 Hooker, Fl. Brit. India, I, 160. 5 Boissier, Fl. orient., Bd. I. 
6 De Candolle, System. II, 535. 

7 Sibthorp et Smith, Prodr. fl. graecae, II, 6. 

8 Poech, Enum. plant. Cypri, 1842. 

9 Unger und Kotschy, Insel Cypern, S. 331. 

10 Ledebour, Fl. ross., I, 203. 


108 "Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Sarepta, Falk am Oka-Ufer, einem Nebenflusse der 
Wolga; H. Martius endlich hat sie in seiner Flora von 
Moskau angeführt; Beweise für die Spontaneität in die- 
sen verschiedenen Gegenden fehlen aber. Lindemann! 
zählte im Jahre 1860 die Art nicht unter denen von 
Russland auf, und für die Krim gibt er sie nur als 
angebaut an.? Nach Nyman? hätte der Botaniker Schur 
sie in Siebenbürgen wildwachsend gefunden, dagegen 
findet sich die Art in den Floren von Oesterreich-Un- 
garn nicht angegeben, oder dieselben erwähnen sie nur 
als angebaut oder auf bebautem Terrain vorkommend. 

Alle diese mehr oder weniger zweifelhaften Angaben 
zusammengenommen, neige ich mich zu dem Glauben 
hin, dass die Pflanze ursprünglich von Persien stammt, 
von wo sie sich nach der Sanskritepoche in den Gärten 
Indiens, Syriens, Griechenlands, Aegyptens und bis nach 
Abessinien weiter ausbreiten konnte.* 


Portulaca oleracea, Linné. — Gemeiner Portulak (fr. 
Pourpier). 

Seit sehr alten Zeiten ist der Portulak eins der ver- 
breitetsten Suppenkräuter in der Alten Welt. Man hat 
ihn nach Amerika’ gebracht, wo er sich, wie in Europa, 
in den Gärten, auf Schutthaufen, an Landstrassen u. s. w. 
ansiedelt. Es ist ein mehr oder weniger gebrauchtes 
Gemüse, eine medicinische Pflanze und gleichfalls ein 
ausgezeichnetes Schweinefutter. 


Lindemann, Index pl. in Ross., Bull. Soc. nat. Mosc., 1860, Bd. 33. 
Lindemann, Prodr. fl. Cherson., 8.21. 

Nyman, Conspectus fl. europ., 1578, S. 69. : 

Schweinfurth, Beitr. Fl. Aeth., S. 270. 

„In den Vereinigten Staaten sah man den Portulak als fremden Ur- 
sprungs an (A. Gray, Fl. of U. St., 5. Aufl.; Bot. of Calif., I, 74), in einer 
neuern Arbeit dagegen (American Journ. of sc., 1583, 8. 253) führen die 
Herren Asa Gray und Trumbull Gründe an, welche zu dem Glauben be- 
rechtigen, dass der Portulak ebenso gut in Amerika wie in der Alten Welt 
einheimisch sei. Christoph Columbus hatte ihn auf San-Salvador und 
Cuba bemerkt; Oviedo erwähnt ihn für San-Domingo und J. de Lery für 
Brasilien. Das sind keine Zeugenaussagen von Botanikern. Nuttall und 
andere fanden ihn spontan in Obermissouri, Colorado und Texas, in An- 
betracht des Datums kann er aber dorthin eingeführt worden sein.“ (Vom 
Verfasser dem Uebersetzer mitgetheilte Anmerkung.) 


Eu L9 M 


| 


Gemeiner Portulak. 109 


Man kennt von ihm einen Sanskritnamen, Lonica oder 
Lunia, welcher sich in den neuern Sprachen Indiens 
wiederfindet.! Der griechische Name Andrachne und 
der lateinische Portulaca sind ganz verschieden, des- 
gleichen die Gruppe von Namen im Persischen Cholza, 
im Hindustanı Khursa oder Kursa, im Arabischen 
Kurfa Kara-or, aus welchen das polnische Kurza-noga 
abgeleitet zu sein scheint, Kurj-noha im Böhmischen, 
Kreusel im Deutschen, ohne von dem russischen Na- 
men Schrucha und einigen andern des östlichen Asiens 
zu sprechen.? Man braucht kein Sprachforscher zu 
sein, um in diesen Namen gewisse Ableitungen aufzu- 
finden, welche darthun, dass die asiatischen Völker auf 
ihren Wanderungen ihre Namen für diese Pflanze mit 
fortgeführt haben; das ist aber noch kein Beweis da- 
für, dass sie die Pflanze selbst mit fortführten. Sie 
können dieselbe in den Ländern, wo sie anlangten, 
wiedererkannt haben. Andererseits berechtigt das Vor- 
handensein von drei oder vier verschiedenen Wurzeln 
zu der Annahme, dass europäische Völker, die den 
Wanderungen der asiatischen vorhergingen, schon Na- 
men für die Art besassen, und dass diese somit in Eu- 
ropa wie in Asien ein hohes Alter aufweist. 

Der angebaute, beim Culturlande naturalisirte oder 
spontane Zustand ist bei einer so weit verbreiteten 
Pflanze, welche sich vermittelst ihrer uuzähligen klei- 
nen Samen leicht vermehrt, sehr schwer zu erkennen. 

Im Osten des asiatischen Continents scheint sie nicht 
so alt zu sein wie im Westen, und sie wird von den 
Autoren nie als eine wildwachsende Pflanze angeführt. ? 
Anders verhält es sich mit Indien. Sir J. Hooker * sagt: 
„wächst inIndien bis zur Höhe von 5000 Fuss im Himalaja.“ 
Für den nordwestlichen Theil des Landes gibt er auch 


1 Piddington, Index to Indian Plants. 

2 Nemnich, Polygl.-Lexikon d. Naturgesch., II, 1047. 

3 Loureiro, Fl. Cochinch., I, 359; Franchet et Savatier, Enum. plant, 
Japon., I, 53; Bentham, Flora Hongkong., S. 127. 

4 Hooker, Fl. Brit. Ind., I, 240. 


110 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


die Varietät mit aufrecht stehendem Stengel an, welche 
mit der gemeinen in Europa angebaut wird. Ueber 
die Gegenden von Persien finde ich nichts Bestimmtes, 
es werden aber so zahlreiche Localitäten angeführt, 
und diese finden sich in so wenig angebauten Ländern, 
an den Ufern des Kaspisees, um den Kaukasus herum 
und selbst im südlichen Russland !, dass es schwierig 
erscheint, das Indigenat für diese Centralregion, von 
welcher aus die asiatischen Völker in Europa eindran- 
gen, nicht zuzulassen. In Griechenland findet sich die 
Pflanze im angebauten und wilden Zustande.” Weiter 
nach Westen zu, in Italien u. s. w., werden die Felder, 
Gärten, Schutthaufen und andere verdächtige Orte in 
den Floren als einzige Fundorte angegeben.” Es stim- 
men somit die linguistischen und botanischen Documente 
darin überein, der Art die ganze Region, welche sich 
vom westlichen Himalaja bis nach dem südlichen Russ- 
land und Griechenland ausdehnt, als ursprüngliches 
Vaterland zu überweisen. 


Tetragonia expansa, Murray (fr. Tetragone étalée). 

Die Engländer nennen diese Pflanze neuseelän- 
dischen Spinat (auch der gebräuchliche Name in 
Deutschland), weil sie bei der berühmt gewordenen 
Reise des Kapitäns Cook von Neuseeland nach England 
gebracht und von Sir Joseph Banks angebaut worden 
war. In zweierlei Weise haben wir es hier mit einer 
eigenthümlichen Pflanze zu thun. Zunächst ist es die 
einzige angebaute Art, welche von Neuseeland stammt, 
und dann gehört sie zu einer Familie von meist fleischi- 
gen Pflanzen, den Ficoideen, von welchen keine andere 
Art verwerthet wird. Die Gärtner empfehlen dieselben 
als einjähriges Gemüse, welches im Geschmack an Spinat 


1 Ledebour, Fl. ross., II, 145; Lindemann, Prodr. fl. Chers., S. 74, sagt: 
In desertis et arenosis inter Cherson et Berislaw, circa Odessam. 

2 Lenz, Bot. d. Alt., S. 632; Heldreich, F1. attisch. Ebene, S. 483. . 

3 Bertol., Fl. it., V; Gussone, Fl. sic., I; Moris, Fl. sard., II; Will- 
komm et Lange, Prodr. fl. hisp., III. 5 

4 Botanical Magazine, t. 2362; Bon Jardinier, 1880, S. 567, 


Gartensellerie. 111 


erinnert; dasselbe leidet weniger von der Trockenheit, 
und wird aus diesem Grunde eine Hülfsquelle, wenn 
der Spinat auf dem Markte nicht mehr anzutreffen ist. 

Seit Cook’s Reise hat man diese Pflanze ganz beson- 
ders an den Meeresgestaden nicht nur in Neuseeland, 
sondern auch in Tasmanien, im südlichen und westlichen 
Australien, in Japan und in Südamerika wildwachsend 
angetroffen. Es bleibt übrigens noch ungewiss, ob sie 
sich in diesen letztgenannten Gegenden nicht naturali- 
sirt hat, denn in Japan und Chile? findet sich ihr Stand- 
ort in der Nähe von Städten. 


Apium graveolens, Linne. — Gartensellerie (fr. Céleri 
cultivé). 

Wie viele andere, an feuchten Orten vorkommende 
Umbelliferen, hat der wildwachsende Sellerie eine aus- 
gedehnte Verbreitung. Von Schweden bis nach Algerien, 
Aegypten, Abessinien kommt er vor, und in Asien findet 
er sich vom Kaukasus bis nach Beludschistan und den 
 Gebirgen von Britisch-Indien.” 

Schon in der Odyssee findet er unter dem Namen 
Selinon Erwähnung, desgleichen im Theophrast; später 
aber unterscheiden Dioscorides und Plinius* den wild- 
wachsenden und den angebauten Sellerie. Bei letzterm 
lässt man die Blätter bleichen, wodurch die Bitterkeit 
sich sehr vermindert. In dem hohen Alter dieser 
Cultur finden wir eine Erklärung für die zahlreichen 
Gartenvarietäten. Eine der von der wildwachsenden 
Pflanze am besten unterschiedene ist die rübenförmige, 
deren fleischige Wurzel im gekochten Zustande ge- 
gessen wird. 


1 Sir J. Hooker, Handbook of New Zealand Flora, S. 84; Bentham, 
Flora australiensis, III, 327; Franchet et Savatier, Enum. plant. Japo- 
niae, I, 177. 

2 Cl. Gay, Flora chilena, II, 468. 

3 Fries, Summa veget. Scandinaviae; Munby, Catal. Alger., 8. 11; 
Boissier, Flora orient., II, 856; Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, 
S. 272; Hooker, Flora of Brit. India, II, 679. 

4 Dioscorides, Mat. med., 1. 3, c. 67, 68; Plinius, Hist., 1. 19, e. 7, 8; 
Lenz, Bot, d. alten Griechen und Römer, S. 557, 


ee a 


112 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Scandix Cerefolium, Linne. — Anthriscus Cerefolium, 
Hoffmann. — Gartenkörbel (fr. Cerfeuil). 

Das Vaterland dieser kleinen, in unsern Gärten so 
gemeinen Umbellifere war bis vor kurzem unbekannt. 
Wie viele andere einjährige Arten, sah man sie auf 
den Schutthaufen, an Hecken, auf wenig bebauten Ter- 
rains auftreten, und wusste man nicht, ob sie als spon- 
tan angesehen werden dürfe. Im westlichen und süd- 
lichen Europa scheint sie zufällig aufzutreten, mehr 
oder weniger naturalisirt zu sein; im südöstlichen 
Russland und im gemässigten Westasien scheint sie 
spontan. Steven! führt sie an „in den Wäldern der 
Krim, hier und da“. Boissier? erhielt mehrere Exem- 
plare aus den Provinzen im Süden des Kaukasus, von 
Turkomanien und den Gebirgen des nördlichen Persien, 
wahrscheinlich natürliche Fundstätten der Art. In den 
Floren Indiens und des östlichen Asien fehlt sie. 

Die griechischen Autoren erwähnen sie nicht. Bei 
den Alten sprechen zuerst Columella und Plinius? von 
ihr, dies war also zu Anfang der christlichen Zeitrech- 
nung. Man baute sie an. Plinius nannte sie Cerefolium. 
Wahrscheinlich hat sich die Art seit den Zeiten des 
Theophrast in die griechisch-römischen Länder einge- 
führt, d. h. in dem Zeitraume dreier Jahrhunderte, 
welche der gegenwärtigen Zeitrechnung vorhergingen. 


Petroselinum sativum, Moench. — Petersilie (fr. Persil). 

Diese zweijährige Umbellifere ist im Süden Europas 
eine wildwachsende Pflanze, und zwar von Spanien bis 
nach Macedonien. Man hat sie auch bei Tlemeen in 
Algerien und im Libanon gefunden. 

Dioscorides und Plinius haben von ıhr unter dem 
Namen Petroselinon und Petroselinum gesprochen, sie 
erwähnen sie als eine wildwachsende und medicimische 


1 Steven, Verzeichniss d. taurischen Halbinsel, S. 183. 

2 Boissier, Flora orient., II, 913. 

3 Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 572. 

4 Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 22; Boissier, Flora orientalis, II, 857, 


| à 


Gemeines Myrrhenkraut. 113 


Pflanze.! Es liegt kein Beweis vor, dass sie zu ihrer Zeit 
angebaut wurde. Im Mittelalter zählte Karl der Grosse 
sie zu den Pflanzen, welche er in seinen Gärten an- 
bauen lies.” Im 16. Jahrhundert wurde sie von 
Olivier de Serres angebaut. Die englischen Gärtner er- 
hielten sie im Behr 1548.° 

Obgleich die Cultur weder ein hohes Alter aufweisen 
kann, noch von besonderer Wichtigkeit ist, so sind 
doch schon zwei Rassen aus derselben hervorgegangen; 
man würde dieselben Arten nennen, wenn man sie im 
wildwachsenden Zustande anträfe: die Petersilie mit 
krausen Blättern und die, deren fleischige Wurzel ge- 
gessen wird. 


Smyrnium Olus-atrum, Linne. — Gemeines Myrrhen- 
kraut (fr. Ache oder Muceron). 

Von allen Umbelliferen, die als Gemüse Verwendung 
fanden, war diese in dem Zeitraume von etwa 15 Jahr- 
hunderten eine der gemeinsten in den Gärten, jetzt hat 
man aber ihren Anbau aufgegeben. Man kann ihre 
ganze Laufbahn von Anfang bis zu Ende verfolgen. 


.Theophrast sprach von ihr als einer medicinischen 


Pflanze unter dem Namen Zpposelinon, drei Jahrhun-' 
derte später sagt aber Dioscorides *, dass man die Wur- 
zel oder die Blätter nach Belieben als Speise benutzte, 
was auf einen Anbau schliessen lässt. Die Lateiner 
nannten sie Olus-atrum, Karl der Grosse Olisatum, und 


_ dieser befahl, sie auf seinen Höfen anzusäen.” Als Mace- 


rone® fand sie bei den Italienern vielfache Verwendung. 
Zu Ende des 18. Jahrhunderts kannte man in England 
die Ueberlieferung, dass diese Pflanze einst angebart 


1 Dioscorides, Mat. medica, 1. 3, c. 70; Plinius, Hist., 1. 20, c. 12. 
2 Die Liste dieser Pflanzen findet sich in Meyer, Geschichte der Bo- 
tanik, III, 401. 
j "Phillips, Companion to ee Garden, II, 
4 'Theophr., Elistarl00 9471:.2,22147,16; ee Mat, med..i1.3,e.71 
5 E. Meyer, Geschichte der ae III, 401. 
6 Targioni, Cenni storiei, S. 58. 


DE CANDOLLE, 8 


114 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


worden sei; später wird sie von den englischen und 
französischen Gärtnern nicht mehr erwähnt.t 

Das Smyrnium Olus-atrum ist im ganzen Süden von 
Europa, in Algerien, in Syrien und Kleinasien wild- 
wachsend.? 


Valerianella olitoria, Linne. — Rapunzel (fr. Mache 
oder Doucette). 

Diese einjährige Valerianacee wird häufig als Salat- 
pflanze angebaut; im wildwachsenden Zustande findet 
sie sich im ganzen gemässigten Europa bis ungefähr 
zum 60. Grade, in Südeuropa, auf den Canaren, Ma- 
deira und den Azoren; in Nordafrika, Kleinasien und 
den Kaukasusgegenden.?” Sie zeigt sich daselbst häufig 
auf bebautem Lande, an den Zugängen von Dörfern 
u. s. w., wodurch es recht schwierig wird, den Standort 
vor ihrem Anbau festzustellen. Für Sardinien und 
Sicilien wird sie indessen als auf Wiesen und Gebirgs- 
triften angeführt.* Ich vermuthe, dass sie nur auf die- 
sen Inseln ursprünglich zu Hause ist, und dass sie an- 
derswo überall als zufällig auftretende oder naturali- 
sirte Pflanze erscheint. Zu dieser Annahme werde ich 
veranlasst, weil man bei den griechischen und lateinischen 
Schriftstellern keinen Namen aufgefunden hat, welcher 
sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf diese Pflanze 
beziehen könnte. Mit einiger Gewissheit kann man 
selbst keinen Botaniker des Mittelalters oder des 
16. Jahrhunderts anführen, welcher von ihr gesprochen 
habe. Nach dem ‚Jardinier francais“ von 1651 und dem 
Werke von Laurenberg, „Horticultura‘“ (Frankfurt 1632) 
wird der Rapunzel auch nicht unter den im 17. Jahr- 
hundert in Frankreich gebräuchlichen Gemüsen aufge- 


1 English Botany, Taf. 230; Phillips, Companion to the Kitchen Garden; 
Le bon Jardinier. 

2 Boissier, Flora orientalis, II, 927. 

3 Krok, Monographie des Valerianella (Stockholm 1864), S. 88; Boissier, 
Flora orient., III, 104. 

4 Bertoloni, Flora ital., I, 185; Moris, Flora sardoa, II, 314; Gussone, 
Synopsis fl, Siculae, 2. Aufl., I, 30, 


Artischoke. 115 


führt. Der Anbau und selbst die Verwendung als 
Salatpflanze scheinen somit neuern Datums zu sein, 
was bis dahin nicht vermerkt worden war. 


Cynara Cardunculus, Linne. — Spanische Artischoke 
(fr. Cardon). 


Cynara Scolymus, Linne. — C. Cardunculus, var. 
sativa, Moris. — Grosse oder wahre Artischoke (fr. 
Artichaut). 


Seit langer Zeit wurde von einigen Botanikern die 
Behauptung aufgestellt, dass die echte Artischoke wahr- 
scheinlich eine durch die Cultur erzielte Form der wilden 
oder spanischen Artischoke sei.! Genaue Beobachtungen 
haben heutzutage hierfür den Beweis geliefert. Bei- 
spielsweise wird von Moris?, welcher im turiner Garten 
die wildwachsende Pflanze Sardiniens an der Seite der 
echten Artischoke anbaute, die Bestätigung gegeben, 
dass gute Charaktere ihnen abgingen, um sie voneinander 
zu unterscheiden. Die Herren Willkomm und Lange *, 
welche in Spanien die wildwachsende Pflanze sowol, 
wie die dort angebaute Artischoke zu beobachten Ge- 


legenheit hatten, sind derselben Meinung. Ausserdem 


ist die Artischoke nie ausserhalb des Bereichs der Gärten 
gefunden worden, und da die Mittelmeerregion, das 
Vaterland aller Cynaren, gründlich durchforscht worden 
ist, kann man behaupten, dass sie nirgends wild vor- 
kommt. 

Die Kardunkel-Artischoke, zu welcher man die ©. horrida 
Sibthorp’s zählen muss, ist in Madeira, auf den Canaren, 
auf den Gebirgen von Marokko in der Nähe von Mo- 
gador, im Süden und Osten der Iberischen Halbinsel, 
im Süden Frankreichs, Italiens, Griechenlands und auf 
den Inseln des Mittelmeers bis nach Üypern ein- 


1 Dodoens, Hist. plant., S. 724; Linné, Species, S. 1159; de Candolie 
Prodromus, VI, 620. 

2 Moris, Flora sardoa, II, 61. 

» Willkomm et Lange, Prodr, fl, hisp,, II, 150, 


116 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


heimisch. Munby? lässt C. Cardunculus nicht als in 
Algerien wildwachsend zu, wohl aber Cynara humilis, 
Linne, welche von einigen Autoren als eine Varietät 
angesehen wird. 

Die angebaute Kardunkel-Artischoke varıırt sehr in 
Bezug auf die Theilung der Blätter, die Anzahl der 
Stacheln und den Wuchs, — Verschiedenheiten, welche eine 
alte Cultur andeuten. Die Römer assen den Frucht- 
boden, welcher die Blumen trägt, und die Italiener. 
assen ihn ebenfalls als gérello. In der Neuzeit baut 
man die spanische Artischoke wegen des fleischigen 
Theils der Blätter an, ein Gebr welcher a in 
Griechenland noch nicht eingebürgert hat. 

Die echte Artischoke zeigt weniger Varietäten, wo- 
durch die Meinung bekräftigt wird, dass sie von der 
spanischen Artischoke ihren Ursprung ableitet. In einem 
sehr gediegenen Aufsatze über diese Pflanze erzählt 
Targioni!, dass die Artischoke 1466 von Neapel nach 
Florenz. gebracht wurde, und er beweist, dass die Alten, 
selbst Athenäus, die echte Artischoke nicht kannten, 
sondern nur die wildwachsenden und angebauten Kar- 
dunkel-Artischoken. Als Anzeichen eines hohen Alters 
im Norden Afrikas muss man jedoch den Umstand an- 
führen, dass die Berber zwei ganz und gar besondere 
Namen für die zwei Pflanzen besitzen: Addad für die 
spanische, Taga für die echte Artischoke.° 

Man glaubt, dass die Namen der Griechen, Kactos, 
Kinara und Scolimos, sowie das Carduus der römischen 
Gärtner sich auf die Cynara Cardunculus® bezogen, ob- 
gleich die ausführlichste Beschreibung, die von Theo- 
phrast, ziemlich verwirrt ist. „Die Pflanze“, sagte er, 


1 Webb, Phyt. Canar., III, Sect. 2, S. 384; Ball, Spicilegium fl. maroce., 
S. 524; Willkomm et Lange, a. 2.055 eo Fl. ital., Pe 86; Boissier, 
Fl. orient. III, 357; Unger und Kotschy, Insel Cypern, S S .246. 

2 Munby, Catal., 2. Aufl. 

3 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 27. 
Targioni, Cenni storici, S. 52. 
Dictionnaire français-berbère, von der Regierung veröffentlicht. 

6 Theophrastes, Hist., 1.6, c. 4; Plinius, Hist., 1. 19, c. 8; Lenz, Botanik 
der alten Griechen und Römer, S. 480. 


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Artischoke. 117 


„wächst in Sıcilien“, was sich noch bewahrheitet, und 
er fügt hinzu: „nicht in Griechenland“. Es wäre somit 
möglich, dass die heutzutage in jenem Lande beobach- 
teten Individuen das Ergebniss von durch Culturen be- 
dingten Naturalisationen wären. Nach Athenäus! hatte 
der ägyptische König Ptolemäus Euergetes, welcher 
im 2. Jahrhundert v. Chr. lebte, in Libyen eine grosse 
Menge von wilden Kinaras gefunden, welche seinen 
Soldaten zur Nahrung dienten. 

Trotz der Nähe des natürlichen Wohnsitzes der Art 
hege ich doch starke Zweifel, dass die alten Aegypter 
die spanische oder die echte Artischoke angebaut haben. 
Pickering und Unger? glaubten sie in einigen Zeich- 
nungen der Denkmäler wiederzuerkennen; jedoch er- 
scheinen mir die zwei Abbildungen, welche Unger als 
die zulässigsten ansieht, äusserst zweifelhaft. Ausser- 
dem kennt man keinen hebräischen Namen, und würden 
die Juden wahrscheinlich von diesem Gemüse gesprochen 
haben, wenn sie dasselbe in Aegypten gesehen hätten. 
Die Ausbreitung der Art muss in Asien ziemlich spät 
vor sich gegangen: sein. Es gibt einen arabischen Na- 
men Hirschuff oder Kerschuff, und einen persischen 
Kunghir?, aber keinen Sanskritnamen, die Hindus nah- 
men den persischen Kunmjir* an, was auf die späte Zeit 
der Einführung hinweist. Die chinesischen Schriftsteller 
haben von keiner Cynara gesprochen.” In England wurde 
die Cultur der Artischoke nicht vor dem Jahre 1548 ein- 
geführt.° Eine der seltsamsten Thatsachen in der Ge- 
schichte der Cynara Cardunculus ist ihre in diesem 
Jahrhundert stattgefundene Naturalisation auf einem 
weiten Gebiete der Pampas von Buenos-Ayres, und 
zwar in so hohem Grade, dass sie dem Verkehr hem- 


1 Athenäus, Deipn., II, 84. 

2 Pickering, Chronol. arrangement, S. 71; Unger, Pflanzen des alten 
Aegyptens, S. 46, Fig. 27 und 28. 

3 Ainslies, Mat. med. ind., I, 22. 4 Piddington, Index, 

5 Bretschneider, Study etc., und Briefe von 1881. 

6 Phillips, Companion to the Kitchen Garden, S. 22. 


118 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


mend entgegentritt.! Auch in Chile verursacht sie Stö- 
rungen.” Von der echten Artischoke wird nirgends be- 
richtet, dass sie sich in ähnlicher Weise naturalisire, 
was noch ein weiterer Fingerzeig für einen künstlichen 
Ursprung ist. 


Lactuca Scariola, var. sativa. — Gemeiner Garten- 
lattich, Gartensalat (fr. Laitue). 

Es stimmen die Botaniker darin überein, den Garten- 
salat als eine Abänderung der wildwachsenden Art 
Lactuca Scariola anzusehen.? Dieselbe wächst im ge- 
mässigten und südlichen Europa, auf den Canaren und 
Madeira®, in Algerien’, in Abessinien® und im ge- 
mässigten Westasien. Boissier spricht von im Peträi- 
schen Arabien bis nach Mesopotamien und dem Kau- 
kasus gesammelten Exemplaren.” Er erwähnt eme 
Varietät mit krausen Blättern, die demnach gewissen 
Salatarten unserer Gärten ähnlich wäre, und welche der 
Reisende Hausknecht ihm von einem Berge Kurdistans 
mitgebracht hatte. Ich besitze ein in Sibirien, in der 
Nähe des Flusses Irtysch gesammeltes Exemplar, und 
man weiss jetzt in bestimmter Weise, dass die Art im 
nördlichen Indien, von Kaschmir bis nach Nepal vor- 
kommt.$ In allen diesen Ländern findet sie sich häufig 
in der Nähe von Culturen oder auf Schutthaufen, ebenso 
häufig aber auch als wirklich wildwachsende Pflanze 
auf Felsen, in Buschholz oder auf Wiesen. 

Der angebaute Gartensalat säet sich oft auf dem 
Felde ausserhalb der Gärten aus. Meines Wissens nach 
hat niemand ihn in diesem Falle während einiger Gene- 


1 Aug. de St.-Hilaire, Plantes remarq. du Brésil, Introd., S. 58; Dar- 
win, Animals and Plants under domestication, II, 34. 

2 Cl. Gay, Flora chilena, IV, 317. 

3 Bischoff in seinen „Beiträgen zur Flora Deutschlands und der 
Schweiz“, S. 184, hat diese Frage mit möglichster Sorgfalt geprüft. Vgl. 
auch Moris, Fl. sardoa, II, 530. 

4 Webb, Phytogr. canar., III, 422; Lowe, Fl. of Madeira, S. 544. 

5 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 22, unter dem Namen von Z. sylvestris. 

6 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 285. 

7 Boissier, Fl. orient., III, 809. 8 Clarke, Compos. indicae, S. 263. 


Gemeiner Gartenlattich, Gartensalat. 119 


rationen verfolgt oder den Versuch gemacht, die wild- 
wachsende L. Scariola anzubauen, um daraus zu ersehen, 
ob der Uebergang von der einen zur andern ein leichter 
ist. Es wäre immerhin möglich, dass sich der ursprüng- 
liche Wohnsitz der Art durch die Verbreitung der zur 
wilden Form zurückkehrenden angebauten Lattiche aus- 
gedehnt hätte. Es ist bekannt, dass die Zahl der an- 
gebauten Varietäten seit ungefähr 2000 Jahren zuge- 
nommen hat. Theophrast gab deren drei an!, „Le Bon 
Jardinier“ von 1880 etwa 40 in Frankreich vorkommende. 

Die alten Griechen und Römer bauten den Lattich 
besonders als Salatpflanze an. Im Orient geht diese 
Cultur vielleicht auf noch frühere Zeiten zurück. Nach 
den ursprünglichen, volksthümlichen Namen, sei es in 
Asıen oder in Europa, gewinnt es indessen nicht den 
Anschein, als ob man diese Pflanze sehr allgemein und 
seit sehr langer Zeit angebaut hätte. Weder ein San- 
skrit-, noch hebräischer, noch ein aus der wieder auf- 
gebauten Sprache der Arier herrührender Name wird 
angeführt. Ein griechischer Name T’ridax, und ein 
lateinischer Lactuca kommen vor; im Persischen und 
Hindustani sagt man Kahu, und diesem ähnlich ist 
das arabische Chuss oder Chass. Der lateinische Name 
findet sich auch mit einer geringen Veränderung in 
mehrern slawischen und germanischen Sprachen wieder?, 
was sich dadurch erklären lässt, dass entweder die west- 
lichen Arier ihn weiter ausgebreitet haben, oder dass 
sich die Cultur später mit dem Namen vom Süden nach 
dem Norden Europas weiter ausbreitete. 

Dr. Bretschneider hat meine Vermuthung ? bestätigt, 
dass der Lattich in China kein hohes Alter aufweist, 
und dass er vom Westen dort eingeführt wurde. Nach 
ihm datirt das erste Werk, in welchem der Lattich Er- 
wähnung findet, aus den Jahren 600 bis 900 unserer 
Zeitrechnung.? 


1 Theophrastes, 1, 7, c. 4. 2 Nemnich, Polygl.-Lexicon. 
3 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 843. 
4 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 17. 


120 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Cichorium Intybus, Linne. — Gemeine Cichorie (fr. 
Chicorée sauvage). 

Die gemeine, perennirende Cichorie, welche man als 
Gemüse-, Salat- und Futterpflanze, dann auch ihrer 
Wurzeln wegen, aus denen Kaffee bereitet wird, an- 
baut, wächst in ganz Europa mit Ausnahme von Lapp- 
land, in Marokko und Algerien, von Osteuropa nach 
Afghanistan und Beludschistan?, im Pendschab und Kasch- 
mir”, und von Russland zum Baikalsee in Siıbirien.* Gewiss 
ist die Pflanze in den meisten dieser Länder wild- 
wachsend; da sie aber häufig an Wegen und Feldern 
auftritt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie vom Menschen 
über die Grenzen ihres ursprünglichen Vaterlandes hin- 
aus gebracht wurde. Dies kann sehr gut in Indien 
der Fall sein, denn es wird kein Sanskritname angeführt. 

Die Griechen und Römer verwertheten diese Art so- 
wol im wildwachsenden wie im angebauten Zustande”, 
was sie aber darüber sagen, ist zu kurz, um verständ- 
lich zu sein. Nach Heldreich gebrauchen die Neu- 
griechen unter dem allgemeinen Namen Lachana 17 
verschiedene Cichoraceen, die er einzeln anführt®, als 
(remüse- und Salatpflanzen. Gewöhnlich wird ıhm zu- 
folge Cichorium divaricatum, Schousboe (C. pumilum, 
Jacquin) angebaut, dies ist aber eine einjährige Art, 
und die von Theophrast erwähnte Cichorie war peren- 
nirend. 


Cichorium Endivia, Linne. — Endivien (fr. Chicorce 
Endive). - 

Die Endivien unterscheiden sich von Cichorium 
Intybus durch ihre Einjährigkeit und ihren weniger 
bittern Geschmack. Ausserdem sind die Härchen ihrer 
Federkrone oberhalb des Samens viermal so lang und 


1 Ball, Spicilegium Fl. marocc., S. 534; Munby, Catal., 2. Aufl., S. 21. 

2 Boissier, Fl. orient., III, 715. 3 Clarke, Compos. ind., S. 250. 

4 Ledebour, Fl. ross., II, 774. 

5 Dioscorides, II, Kap. 160; Plinius, XIX, Kap. 8; Palladius, XI, 
Kap. 11. Lenz, Botanik d. Alten, S. 483, führt noch andere Autoren an. 

6 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 28 u. 76. 


Endivien. Rt 


ungleich, statt gleich zu sein. Solange man diese 
Pflanze mit C. Intybus verglich, war es schwer, nicht 
zwei Arten zuzulassen. Den Ursprung von ©. Endivia 
kannte man nicht. Als ich vor 40 Jahren Exemplare 
eines von Hamilton C. Cosmia genannten indischen Cicho- 
rıum erhalten hatte, schienen mir dieselben der En- 
divie so nahe zu stehen, dass ich auf den Gedanken 
kam, Indien als das Vaterland derselben anzusehen, wie 
man dies bisweilen vermuthet hatte!; von den anglo- 
indischen Botanikern wird jedoch gesagt und mehr und 
mehr bestätigt, dass die indische Pflanze nur angebaut 
ist.? Die Ungewissheit über den geographischen Ur- 
sprung hielt somit an. Darauf kamen mehrere Bo- 
tanıker? auf den Gedanken, die Endivie mit einer ein- 
jährigen, in der Mittelmeerregion wildwachsenden Art, 
dem Cichorium pumilum, Jacquin (C. divaricatum, Schous- 
boe) zu vergleichen, und ergaben sich so geringe Ver- 
schiedenheiten, dass die specifische Identität von den 
einen gemuthmasst, von den andern bestätigt wurde. 


Was mich selbst betrifft, so erhebe ich, nachdem ich 


die wildwachsenden Exemplare von Sicilien gesehen und 
die guten von Reichenbach (Icones, Bd. 19, Taf. 1357 
u. 1358) veröffentlichten Abbildungen verglichen habe, 
keinen Einwand, die angebauten Endivien für Varietäten 
derselben Art als C. pumilum anzusehen. In diesem 
Falle wäre ©. Endivia der älteste Name und muss, wie 
Schultz es gethan hat, beibehalten werden. Ueberdies 
erinnert er an einen mehreren Sprachen gemeinsam an- 
gehörenden volksthümlichen Namen. 

Die spontane Pflanze findet sich in der ganzen Re- 
gion, von welcher das Mittelmeer das Centrum bildet, 
von Madeira®, Marokko und Algerien® bis nach Pa- 


1 Aug. Pyr. de Candolle, Prodr., VII, S4; Alph. de Candolle, Géogr. 
bot. raisonnée, S. 845. 

2 Clarke, Compos. ind., S. 250. 

3 De Visiani, Fl. dalmat., II, 79; Schultz, in: Webb, Phyt. canar., 
Sect. II, S. 391; Boissier, Fl. orient., III, 716. 

4 Lowe, Flora of Madeira, S. 521. 5 Ball, Spicileg., S. 534. 

6 Munby, Cat., 2. Aufl., S. 21. 


122 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


lästina!, dem Kaukasus und Turkestan.” Besonders 
auf den Inseln des Mittelmeers und in Griechenland ist 
sie sehr gemein. In westlicher Richtung, z. B. in Spa- 
nien und auf Madeira, hat sie sich wahrscheinlich in- 
folge der Culturen naturalisirt; dies lässt sich aus den 
Standorten schliessen, welche sie auf den Feldern und 
an den Landstrassen EN 

In den alten Origimalwerken findet sich ke positiver 
Beweis, dass die Förskchen und Römer? diese Pflanze 
verweitheten, wahrscheinlieh bleibt es aber immer, dass 
sie sich derselben wie mehrerer anderer Cichoraceen 
bedienten. Die volksthümlichen Namen deuten nichts 
an, weil sie sich eben auf zwei Cichorienarten beziehen 
konnten. Sie sind wenig verschiedenartig* und lassen 
auf eine aus der griechisch-römischen Mitte hervorge- 
gangene Cultur schliessen. Man kennt einen Namen im 
Hindustani, Kasni, und einen im Tamulischen, Koschi? 
aber keinen Sanskritnamen, was auf eine späte Cultur- 
ausbreitung nach Osten hinweist. 


Spinacia oleracea, Linne. — Spinat (fr. Epinard). 

Dieses Gemüse war den Griechen und Römern unbe- 
kannt. Im 16. Jahrhundert ” war es in Europa neu, 
und man hat sich darüber gestritten, ob es Spanachia, 
als von Spanien kommend, oder Spinacia, wegen der 
Dornen seiner Früchte °, heissen müsste. Die Folge hat 
gelehrt, dass der Name aus dem arabischen Isfanadsch, 
Esbanach oder Sebanach stammt.” Die Perser sagen 
Ispany oder Ispanaj!®, und die Hindus, nach Piddington, 


1 Boissier, a. a. O. 

2 Bunge, Beiträge zur Flora Russlands und Centralasiens, S. 197. 

3 Lenz, Botanik der Alten, S. 453, führt die Stellen ee "Autoren an. 
Vgl. auch Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 
Nemnich, Polygl. on beim Worte Cichorium Endiia. 
Royle, Il. Himal., S. 247; Piddington, Index. 
J. Bauhin, Hist., I, "964; Fraas, Syn. fl. class.; Lenz, Bot. d. Alten. 
Brassavola, S. 176. 8 Mathioli, ed. Valgr., S. 343. 
Ebn Baithar, übers. von Sondtheimer, I, 34; Forskal, Egypt., S. 77; 
Delile, Ill. Aegypt., S. 29. 

10 Roxburgh, F1. ind., 1832, III, 771, auf Spinacia tetrandra, welche 
dieselbe Art zu sein scheint, bezogen. 


DIOoOUR 


Spinat. 125 


Isfany oder Palak, oder auch, nach demselben Autor 
und Roxburgh, Pinnis. Das Fehlen eines Sanskrit- 
namens weist auf eine wenig alte Cultur in diesen Re- 
gionen hin. Loureiro sah den Spinat in Canton, Maxi- 
mowicz in der Mandschurei ! angebaut; wir hören aber 
von Dr. Bretschneider, dass der chinesische Name Kraut 
von Persien bedeutet, und dass die westlichen Ge- 
müse meistens ein Jahrhundert vor der christlichen Zeit- 
rechnung eingeführt wurden.” Es ist somit wahrschein- 
lich, dass die Cultur seit der griechisch-römischen Civili- 
sation in Persien ıhren Anfang genommen hat, oder 
auch, dass dieselbe sich nicht rasch von ihrem persi- 
schen Ausgangspunkte nach Osten oder Westen ver- 
breitete. Einen hebräischen Namen kennt man nicht, 
sodass die Araber die Pflanze und den Namen von den 
Persern erhalten haben müssen. Nichts berechtigt zu 
der Vermuthung, dass sie dieses Gemüse nach Spanien 
brachten. Ebn Baithar, welcher ım Jahre 1235 lebte, 
war in Malaga geboren; die arabischen Werke, welche 
er anführt, erwähnen aber nicht, wo die Pflanze angebaut 
wurde, nur eins macht eine Ausnahme davon, dasselbe 
berichtet über ihren allgemeinen Anbau in Ninive und 
Babylon. In dem Werke Herrera’s über die spanische 
Ackerwirthschaft wird die Art nur in einem Supple- 
ment neuern Datums angegeben, woraus man schliessen 
darf, dass sie in der Ausgabe von 1513 nicht erwähnt 
wird. Somit muss die Cultur nach Europa ungefähr im 
15. Jahrhundert vom Orient gelangt sein. 

In einigen populären Büchern wiederholt man 
die Aussage, dass der Spinat ursprünglich vom 
nördlichen Asien stamme, nichts lässt aber darauf 
schliessen. Augenscheinlich kommt er aus dem alten 
Reiche der Meder und Perser. Nach Bosc? hatte der 
Reisende Olivier Samen davon aus dem Orient mitge- 
bracht, welche von ihm auf freiem Felde gesammelt 


1 Maximowiez, Primitiae florae Amurensis, S. 222. 
2 Bretschneider, Study ctc., of Chinese bot. works, $S. 15 u. 17. 
3 Dict. d’agric., V, 906. 


124 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


waren. Dies würde ein bestimmter Beweis sein, wenn 
die aus diesen Samen erzielten Pflanzen von einem Bo- 
taniker behufs Sicherstellung der Art und Varietät ge- 
prüft worden wären. Beim augenblicklichen Stand un- 
sers Wissens muss man immerhin zugeben, dass der 
Spinat im wildwachsenden Zustande noch nicht ange- 
troffen wurde, es sei denn, dass er eine durch die 
Cultur erzielte Abänderung der Spinacia tetrandra, 
Steven, ist, welche im Süden des Kaukasus, in Turkestan, 
Persien und Afghanistan wildwachsend auftritt, und auch 
als Gemüse unter dem Namen Schamum ! Verwendung 
findet. 

Ohne mich hier auf eine rein bo Erörterung 
einzulassen, will ich nur bemerken, dass wenn man 
die von Boissier angeführten Beschreibiiägen liest, die 
Abbildung Wight’s? von der in Indien angebauten Spi- 
nacia tetr andre, Roxb., sowie einige Herbarienexemplare 
betrachtet, man keinen: unterscheidenden Charakter 
zwischen dieser Pflanze und dem angebauten Spinat 
mit dornigen Früchten antrifft. Das Wort éetrandra 
drückt den Gedanken aus, dass die eine der Pflanzen 
fünf, die andere vier Staubgefässe besässe, die Zahl 
variirt aber bei unsern angebauten Spinatsorten.* 

Wenn, wie dies wahrscheinlich erscheint, die zwei 
Pflanzen zwei Varietäten ausmachen, die eine angebaut, 
die andere bald wildwachsend, bald angebaut, so müsste 
der älteste Name S. oleracea beibehalten werden, und 
zwar um so viel mehr, da sich die beiden Pflanzen in 
den Culturen des Heimatlandes antreffen lassen. 

Der holländische oder dicke Spinat, dessen Frucht 
keine Dornen trägt, ist augenscheinlich ein Garten- 
erzeugniss. Tragus oder Bock war der erste, welcher 
denselben im 16. Jahrhundert erwähnt hat.? 


1 Boissier, Fl. orient., VI, 234. 

2 Wight, Icones, Taf. 818. 

3 Nees, Gen. plant. fl. germ., Buch 7, Taf. 15. 
4 Bauhin, Hist., III, 965. 


Fe 
Fuchsschwanz. 195 


Amarantus gangeticus, Linné. — Fuchsschwanz vom 
Ganges (fr. Brede de Malabar). 

Mehrere einjährige Fuchsschwanzarten werden auf 
den Inseln Mauritius, Bourbon und den Seychellen unter 
dem Namen Brede de Malubar! als Gemüse angebaut. 
Die erstgenannte scheint die wichtigste zu sein. In 
Indien baut man sie vielfach an. Die anglo-indischen 
Botaniker hielten sie einige Zeit lang für Amarantus 
oleraceus, Linne, und Wight bildet sie unter diesem 
Namen ab?; man ist jedoch zu der Einsicht gekommen, 
dass sie von dieser abweicht und zu A. gangeticus zu 
bringen ist. Ihre in Wuchs, Farbe u. s. w. sehr zahl- 
reichen Varietäten tragen in der Telingasprache den 
Namen Tota Kura, zuweilen mit Hinzufügung eines 
Adjectivs für jede derselben. Im Bengalischen und 
Hindustani gibt es andere Namen. Die jungen 
Triebe ersetzen zuweilen den Spargel auf dem Tische 
der Engländer.” Amarantus melancholicus, oft in den 
europäischen Gärten als Zierpflanze angebaut, wird als 
eine der Formen dieser Art angesehen. 

Vielleicht ist Indien das Heimatland, indessen ersehe 
ich nicht, dass man dort die Pflanze ım wildwachsenden 
Zustande gesammelt habe, zum wenigsten wird dies 
von den Autoren nicht bestätigt. Alle Arten der Gat- 
tung Amarantus breiten sich auf bebauten Ländereien, 
auf Schutthaufen, an Landstrassen aus und naturalisiren 
. sich somit halbwegs in den warmen Ländern wie in 
Europa. Dadurch wird es äusserst schwierig, die Arten 
‘zu unterscheiden und besonders ihren Ursprung zu er- 
rathen oder festzustellen. Die der A. gangeticus am 
meisten verwandten Arten scheinen asiatische zu sein. 

Amarantus gangeticus wird von sehr zuverlässigen 
Autoren in Aegypten und Abessinien als wildwachsend 


1 A. gangeticus, tristis und hybridus von Linne, nach Baker, Flora 
of Mauritius, S. 266. 

2 Wight, Icones, Taf. 715. 

3 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 606. 


126 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


angegeben!; es handelt sich hier aber vielleicht um 
eine der von mir soeben besprochenen Naturalisationen. 
Das Vorkommen zahlreicher Varietäten und verschie- 
dener Namen macht den indischen Ursprung sehr wahr- 
scheinlich. 

Die Japanesen bauen die Amarantus caudatus, man- 
gostanus und melancholicus (oder gangeticus) von Linne 
an?, kein Beweis liegt aber vor, dass eine derselben 
dort einheimisch sei. Auf Java wird der dort auf 
Schutthaufen, an Landstrassen®? u. s. w. sehr gemeine 
A. polystachyus, Blume, angebaut. 

Später werde ich auf die ihrer Samen wegen ange- 
bauten Arten zu sprechen kommen. 


Allium Ampeloprasum, var. Porrum. — Gemeiner 
Lauch, Porre (fr. Poireau oder Porreau). 

Nach der sehr sorgfältigen Monographie von J. Gay* 
würde der Porre in Uebereinstimmung mit dem von 
alten Schriftstellern? ausgesprochenen Verdachte nur eine 
angebaute Varietät von dem Allium Ampeloprasum Linne's 
sein, welche Art im Orient und in der Mittelmeerregion, 
besonders in Algerien so gemein ist, und welche sich 
in Mitteleuropa in den Weinbergen und in der Nähe 
alter Culturplätze zuweilen naturalisirt.e Gay scheint 
den Angaben der Floren des südlichen Europas grosses 
Mistrauen entgegengesetzt zu haben, denn im Gegensatz 
zu dem, was er bei den andern Arten thut, von denen 
er die ausserhalb Algeriens gelegenen Localitäten auf- 
zählt, führt er in dem vorliegenden Falle nur die al- 
gerischen Standorte an, wenn er auch die Synonymie 
der Autoren für andere Länder zulässt. 

Die Form des angebauten Porrum ist nicht im wilden 


1 Boissier, Flora orientalis, IV, 990; Schweinfurth und Ascherson, 
Aufzählung u. s. w., S. 289. 

2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, I, 390. 

3 Hasskarl, Plantae javan. rariores, S. 431. 

4 Gay, Ann. des sc. nat., 5. Serie, Bd. 8. 

5 Linné, Species; de Candolle, Fl. franc., III, 219. 

6 Koch, Synopsis fl. germ.; Babington, Manual of Brit, Fl.; English 
Botany, u. 8, w, 


Br 
Luzerne, Ewiger Klee. 127 


Zustande gefunden worden. Sie wird nur in verdäch- 
tigen Localitäten, wie Weinbergen, Gärten u. s. w. an- 
gegeben. Ledebour! gibt für A. Ampeloprasum die 
Grenzen der Krim und die Provinzen im Süden des 
Kaukasus an. Wallich brachte von Kamaon in Indien? 
ein Exemplar mit, über dessen spontane Eigenschaft 
man indessen nicht sicher ist. Die Werke über Cochin- 
china (Loureiro), China (Bretschneider), Japan (Franchet 
und Savatier) sprechen nicht von dieser Pflanze. 


Zweiter Abschnitt. Futterpflanzen. 


Medicago sativa, Linné. — Luzerne, Ewiger Klee (fr. 
Luzerne). 

Den Griechen und Römern war die Luzerne bekannt. 
Sie nannten sie im Griechischen Medikai, im Lateinischen 
Medica oder Herba medica, weil man sie von Medien 
gebracht hatte zur Zeit des Perserkrieges, um das 
Jahr 470 vor der christlichen Zeitrechnung.” Die Römer 
bauten sie häufig an, wenigstens seit Beginn des 1. oder 
2. Jahrhunderts. Cato spricht nicht von ihr *, wohl aber 
Varro, Columella, Virgil u. s. w. Von de Gasparin 
wird hervorgehoben, dass Crescenzi im Jahre 1478 
ihrer für Italien nicht Erwähnung thut, und dass Tull 
im Jahre 1711 sie nicht jenseit der Alpen gesehen 
‚hatte. Indessen berichtet Targioni, welcher sich in Bezug 
hierauf kaum irren konnte, dass sich der Luzerneanbau 
in Italien, besonders in Toscana seit alters her erhalten 
habe.° In Neugriechenland ist er selten. ? 

Die französischen Landwirthe haben auf Luzerne 
häufig den Namen Esparsette (Sainfoin, früher Sain foin), 


1 Ledebour, F1. ross., IV, 163. 2 Baker, Journal of bot., 1874, S. 295. 

3 Strabo, XII, 560; Plinius, Buch 18, Kap. 16. 

4 Hehn, Culturpflanzen u. s. w., S. 355. 

5 Gasparin, Cours d’agricult., IV, S. 424. 

6 Targioni, Cenni storici, S. 34. 

7 Fraas, Synopsis florae classicae, S. 63; Heldreich, Die Nutzpflanzen 
Griechenlands, S. 70, 


128 Zweiter Theil. Zweites Kapitel, 


welcher für Onobrychis sativa gebraucht wird, bezogen, 
und diese Namensversetzung kommt beispielsweise noch 
in der Umgegend von Genf vor. Man vermuthete, dass 
der Name Luzerne von dem gleichnamigen Thale in 
Piemont abstammte, es gibt aber einen wahrschein- 
lichern Ursprung für denselben. Die Spanier hatten 
einen alten, von J. Bauhin ! angeführten Namen, Eruye, 
und die Catalonier sagen Userdus?, woraus vielleicht 
der Patoisname Laouzerdo des südlichen Frankreichs 
entstand, welcher wieder Luzerne nahe steht. In Spa- 
nien war die Cultur so allgemein verbreitet, dass die 
Pflanze von den Italienern zuweilen Herba spagna? ge- 
nannt wurde. Ausser den schon angegebenen Namen 
sagen die Spanier auch Mielga oder Melga, was 
von Medica zu kommen scheint; vorzugsweise gebrauchen 
sie aber die aus dem Arabischen abgeleiteten Namen 
Alfafu, Alfasafat, Alfalfa. Im 13. Jahrhundert bediente 
sich der berühmte Arzt Ebn Baithar, welcher in Malaga 
als Schriftsteller wirkte, des arabischen Wortes Fisfisat, 
welches er mit dem persischen Namen Isfist* in Ver- 
bindung bringt. Man ersieht daraus, dass, wenn man 
sich auf volksthümliche Namen verlassen wollte, das 
Vaterland der Pflanze in Spanien oder in Piemont, oder 
noch eher in Persien zu suchen wäre. Glücklicher- 
weise können die Botaniker directe und sichere Beweise 
über das Vaterland der Art liefern. 

Mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze ist 
sie in mehreren Provinzen Anatoliens, ım. Süden des 
Kaukasus, in mehreren Gegenden Persiens, in Afghanistan, 
in Beludschistan? und in Kaschmir‘ als wildwachsende 
Art gesammelt worden. Andere von den Autoren ım 
südlichen Russland angegebene Standorte sind vielleicht 
das Ergebniss der Culturen, wie solches im südlichen 


1 Bauhin, Hist. plant., II, 581. 2 Colmeiro, Catal. 

3 Tozzetti, Dizion. bot. 

4 Ebn Baithar, Heil- und Nahrungsmittel, aus dem Arabischen über- 
setzt von Sontheimer, II, 257. > 

5 Boissier, Fl. orient., II, 9. 6 Royle, Ill. Himal., S. 197, 


Esparsette, gemeiner Süssklee. 129 


Europa zu Tage tritt. Die Griechen können somit die 
Pflanze ebenso gut von Kleinasien als von Medien er- 
halten haben, unter welch letzterm Lande besonders 
das nördliche Persien verstanden wurde. 

Dieser gut constatirte Ursprung der Luzerne lässt 
mich die eigenthümliche Wahrnehmung machen, dass 
man keinen Sanskritnamen von ihr kennt.! Auch der 
Klee und die Esparsette besassen keinen solchen, wes- 


halb man muthmaassen kann, dass die Arier künstliche 


Wiesen nicht kannten. 


Hedysarum Onobrychis, Linné. Onobrychis sativa, 
Lamarck. — Esparsette, gemeiner Süssklee (fr. Sain- 
foin, Esparcette). 

Der Gebrauch dieser Leguminose, deren Nützlichkeit 
auf trockenen und kalkhaltigen Ländereien der ge- 
mässigten Regionen unwiderlegbar ist, hat kein hohes 
Alter aufzuweisen. Die Griechen bauten sie nicht an, 
und heutzutage haben ihre Nachkommen sie noch nicht 
in ihre Ackerwirthschaft eingeführt.” Die im Diosco- 


rides und Plinius Onodbrychis genannte Pflanze ist die 


Onobrychis Caput-Galli der neuern Botaniker, eine in 
Griechenland und anderswo wildwachsende Art, welche 
man nicht anbaut. Zu Lebzeiten von Olivier de Serres*, 
d. h. im 16. Jahrhundert, war die Esparsette, die Lu- 
pinella der Italiener, im Süden Frankreichs eine sehr 
geschätzte Futterpflanze; in Italien aber hat sich ıhr 


Anbau besonders im 18. Jahrhundert, namentlich in 


Toscana weiter ausgebreitet. 

Die Esparsette ist ein perennirendes Gewächs, welches 
im gemässigten Europa, im Süden des Kaukasus, um 
den Kaspisee herum® und selbst jenseits des Baikalsees’ 


1 Piddinston, Index. 

2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 72. 

3 Fraas, Synopsis fl. class., S. 58; Lenz, Botanik d. alten Griechen und 
Römer, S. 731. 

4 O. de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 242. 

5 Targioni-Tozzetti, Cenni storici, S. 34. 

6 Ledebour. Fl. ross., I, 708; Boissier, Fl. orient., S. 532. 

7 Turezaninow, Flora baical. Dahur., I, 340. 


DE CANDOLLE. 9 


130 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


im wildwachsenden Zustande auftritt. Im südlichen 
Europa findet sie sich nur auf den Hügeln. Gussone 
zählt sie nicht zu den spontanen Arten Siciliens, Moris 
nicht zu denen Sardiniens und Munby auch nicht zu 
jenen von Algerien. 

Weder Sanskrit-, persische noch arabische Namen 
sind bekannt. Allem Anscheine nach hat die Cultur im 
südlichen Frankreich ihren Ursprung genommen und 
zwar möglicherweise erst im 15. Jahrhundert. 


Hedysarum coronarium, Linné. — Kronen-Hahnen- 
kopf (fr. Sulla oder Sainfoin d’Espagne). 

Der Anbau dieser der Esparsette ähnlichen Legu- 
minose, von welcher sich ın „Flore des serres et des 
jardins“, Bd. 13, Taf. 1382, eine gute Abbildung findet, 
hat sich neuerdings in Italien, Sıcilien, auf Malta und 
den Balearen! weiter verbreitet. Der Marquis Gri- 
maldı, welcher im Jahre 1766 die Landwirthe zuerst 
auf diese Pflanze aufmerksam machte, hatte sie bei 
Seminara in Hintercalabrien gesehen; de Gasparin? em- 
pfiehlt sie für Algerien, und dürften die Landwirthe 
klimatisch ähnlicher Länder, in Australien, am Cap und 
in Südamerika oder Mexico immerhin einen Versuch 
mit ihr machen. In der Umgegend von Orange ging 
die Pflanze durch eine Kälte von 6° C. zu Grunde. 

Das Hedysarum coronarium wächst in Italien, von 
Genua an bis nach Sicilien und Sardinien?, im Süden 
Spaniens* und in Algerien, wo sie als selten ® bezeich- 
net wird. Es ist somit eine in ihrer geographischen 
Ausbreitung ziemlich beschränkte Art. 


Trifolium pratense, Linne. — Gemeiner Wiesenklee 
(fr. Trèfle). 


1 Targioni Tozzetti, Cenni storici, S.35; Mares et Vigineix, Catal. des 
HR, S. 100. 
2 De Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 472. 
3 Bertoloni, Flora italica, VIII, 6. 
£ Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 262. 
5 Munby, Catal., 2. Aufl., 8.12. 


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Die Cultur dieser Kleeart bestand nicht im Alterthum, 

_ : wenn auch die Pflanze fast allen Völkern Europas und 
des gemässigten Westasiens zweifelsohne bekannt war. 
Die Pflanze wurde zuerst verwerthet in Flandern im 
16. Jahrhundert, vielleicht auch noch früher, und 
nach Schwerz brachten die von den Spaniern ver- 
triebenen Protestanten dieselbe nach Deutschland, wo 
sie sich unter dem Schutze des Kurfürsten von der 
Pfalz niederliessen. Von Flandern aus erhielten auch 
die Engländer diese Pflanze im Jahre 1633 und zwar 
durch den Einfluss von Weston, Grafen von Portland, 

dem damaligen Lordkanzler.! 

Der gemeine Wiesenklee ist in allen Ländern Euro- 
pas, in Algerien?, auf den Bergen von Anatolien, in 
Armenien, Turkestan?, in Sibirien nach dem Altai* hin 
und in Kaschmir und Garwall?® einheimisch. 

In Asien trat die Art somit in der von den arischen 
Völkern bewohnten Region auf, doch kennt man von 
ihr keinen Sanskritnamen, woraus man schliessen kann, 
dass sie nicht angebaut wurde. 


Blutklee. 151 


Trifolium incarnätum, Linne. — Blutklee (fr. Trefle 
incarnat oder Farouch). 

Eine einjährige Futterpflanze, deren Anbau, wie Vil- 
morin sagt, lange Zeit auf emige südliche Departements 
beschränkt, in Frankreich mit jedem Tage allgemeiner 
wird.° Zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte de Can- 
dolle sie in der That nur im Ariège angetroffen.’ Seit 
ungefähr 60 Jahren kommt sie in der Umgegend von 
Genf vor. Targioni glaubt, dass sie in Italien kein 
hohes Alter aufweist°, und der sehr nichtssagende Name 
Trafogliolo bekräftigt diese Annahme. 


1 De Gasparin, Cours d’agrieult., IV,445, nach Schwerz und A. Young. 
2 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 11. 3 Boissier, Flora orient., I, 115. 

4 Ledebour, Flora rossica, I, 548. 

5 Baker, in: Hooker, Flora of British India, II, 86. 

6 Bon Jardinier, 1880, I, 618. 

7 De Candolle, Flore franc., IV, 528. 

8 Targioni, Cenni storici, S. 35. 


9* 


LT te D 1 
132 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Die catalanischen Namen Fe, Fench! und diejenigen 
des südfranzösischen Patois? Farradje (Roussillon ), 
Furratage (Languedoc), Æéroutgé (Gascogne), woraus 
der Name Farouch, machen im Gegentheil eine Ur- 
sprünglichkeit geltend, welche auf eine alte Cultur im 
Gebiete der Pyrenäen hinweist. Das bisweilen gebräuch- 
liche Wort Trèfle du Roussillon beweist dies gleichfalls. 

Spontan zeigt sich die Pflanze in Galizien, Biscaya 
und Catalonien?, dagegen nicht auf den Balearen*; auch 
in Sardinien® und in der Provinz Algerien® tritt sie 
auf. Für mehrere Gegenden Frankreichs, Italiens, Dal- 
matiens, der Donauregion und Macedoniens wird sie 
angegeben, ohne dass man jedoch in vielen Fällen weiss, 
ob dies nicht eine Folge benachbarter Culturen ist. 
Eine besondere Localität, welche sich nach den Aus- 
sagen englischer Schriftsteller als eine natürliche er- 
gibt, ist die Küste von Cornwallis in der Nähe der Land- 
spitze von Lizard. Hier handelt es sich, nach Bent- 
ham, um die blassgelbe Varietät, welche auf dem Con- 
tinent wirklich wild wächst, während die angebaute 
Varietät mit rothen Blumen sich in England infolge 
der Culturen nur naturalisirt hat.” Ich weiss nicht, bis 
zu welchem Punkte Bentham’s Beobachtung über die 
Spontaneität der einzigen Form mit gelblicher Farbe 
(var. Molinerii, Seringe) für alle die Länder, wo die 
Art vorkommt, bestätigt wird. Nur sie wird für Sar- 
dinien von Moris, für Dalmatien von Visiani® ange- 
geben, und zwar in Gegenden, die natürlich erscheinen 
(in pascuis collinis, in montanis, in herbidis). Die Au- 
toren des Bon Jardinier? bestätigen mit Bentham die 
Spontaneität der Varietät Molinerii für den Norden 


1 Costa, Introd. fl. di Catal., S. 60. 
2 Moritzi, Dict. mss., redigirt nach den vor Mitte des jetzigen Jahr- 
hunderts veröffentlichten Floren. 
| Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 366. 
Mares et Virgineix, Catal., 1880. 
Moris, Flora sardoa, I, 467. 6 Muuby, Catal., 2. Aufl. 
Bentham, Handbook of British Flora, 4. Aufl., S. 117. 
Moris, Flora sardoa, I, 467; Visiani, Fl. dalmat., III, 2%. 
Bon Jardinier, 1880, S. 619. 


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Frankreichs, während die mit rothen Blumen vom 
Süden eingeführt wurde, und indem sie das Fehlen 
guter specifischer Unterscheidung zugeben, bemerken 
sie, dass bei dem Anbau die Form Molinerii ein lang- 
sames Wachsthum zeigt, und aus der einjährigen Pflanze 
häufig eine zweijährige wird. 


Aegyptischer Klee. Erve, Ervenwicke. 133 


Trifolium alexandrinum, Linne. — Aegyptischer Klee 
(ir. Trèfle d'Alexandrie). 

In Aegypten wird diese einjährige Kleeart unter dem 
arabischen Namen Bersym oder Berzun! häufig als 
Futterpflanze angebaut. Nichts weist darauf hin, dass 
dies seit alters her Brauch war. In den botanischen 
Büchern der Hebräer und Aramäer findet sich der 
Name nicht. 

In Aegypten ist die Art nicht wildwachsend, sie ist 
es aber entschieden in Syrien und Kleinasien.? 


Ervum Ervilia, Linné. Vicia Ervilia, Willdenow. — 
Erve, Ervenwicke (fr. Ers). 

Bertoloni* erwähnt nicht weniger als zehn volks- 
thümliche italienische Namen, Ervo, Lero, Zirlo u. s. w. 
Das deutet auf eine allgemeine und alte Cultur hin. 
Heldreich * erwähnt, dass die Neugriechen die Pflanze 
massenhaft als Futter anbauen. Sie nennen sie Robar, 
aus dem Altgriechischen Orobos, gleichwie Ervos von 
- dem lateinischen Ervum kommt. Die Cultur der Art 
wird von den Autoren des griechischen und lateinischen 
Alterthums erwähnt.ÿ Die alten Griechen gebrauchten 
die Samen, denn in den Trümmern von Troja hat man 
solche aufgefunden.® In Spanien kennt man viele volks- 
thümliche, selbst arabische Namen ‘; seit einigen Jahr- 


1 Forskal, Flora aegypt., S. 71; Delile, Plant. cült. en Egypte, S. 10; 
Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians, II, 398. 

2 Boissier, Flora orient., II, 127. 3 Bertoloni, F1. ital., VII, 500. 

4 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71. 

5 Vgl. Lenz, Botanik der Alten, S. 727; Fraas, Fl. class., S. 54. 

6 Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenburg, 19. Dec. 187% 

7 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 308. 


134 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


hunderten wird die Art dort aber weniger angebaut.! 
In Frankreich wird sie es so wenig, dass manche neuere 
landwirthschaftliche Bücher von ihr nicht sprechen. In 
Britisch-Indien ist sie unbekannt.? 

Die allgemeinen Werke geben Ervum Ervilia als im 
südlichen Europa wachsend an, wenn man aber von 
den zuverlässigsten Floren eine nach der andern in die 
Hand nimmt, ersieht man, dass es sich um ähnliche 
Localitäten wie Felder, Weinberge oder bebaute Län- 
dereien handelt. Ganz dasselbe trifft für Westasien 
zu, wo Boissier von in Syrien, Persien, Afghamistan 
gesammelten Exemplaren spricht.” In den abgekürzten 
Katalogen * wird der Standort zuweilen nicht angegeben, 
nirgends stosse ich aber auf die Behauptung, dass die 
Pflanze in von Culturflächen entfernten Gegenden spon- 
tan angetroffen worden sei. Die Exemplare meines 
Herbariums sind in dieser Beziehung nicht beweis- 
kräftiger. | 

Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Art einst in 
Griechenland, Italien, vielleicht auch in Spanien und 
Algerien wildwachsend, die Häufigkeit ihres Anbaues, 
selbst auf den Stellen, wo sie vorkam, ist aber ein 
Hinderniss für die Auffindung wildwachsender Individuen. 


Vicia sativa, Linne. — Gemeine Wicke, Futterwicke 
(fr. Vesce). 

Die Vicia sativa ist eine einjährige Leguminose, welche 
in ganz Europa mit Ausnahme von Lappland spontan 
auftritt. Sie ist ebenfalls in Algerien? und im Süden 
des Kaukasus bis zur Provinz Talysch® gemein. Rox- 
burgh gibt sie für den Norden Indiens und in Bengalen 
als einheimisch an, was von Sir Joseph Hooker nur 


1 Herrera, Agricultura (1819), IV, 72. 

2 Baker, in: Hooker, F]. Brit. India. 

3 Boissier, Fl. orient., II, 595. 

4 Z. B.: Munby, Catal. plant. Algeriae, 2. Aufl., S. 12. 5 Ebend. 
_ 6 Ledebour, F1. ross., I, 666; Hohenacker, Enum. plant. Talych, S. 113; 
C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 147. 


für die Varietät amgustifolia! zugegeben wird. Man 
| kennt keinen Sanskritnamen von ıhr, und in den neuern 
Sprachen Indiens nur Hindinamen.? Targioni glaubt, 
dass das Ketsach der Hebräer? sich auf diese Pflanze be- 
zieht. Ich habe vom Cap und von Californien Exemplare 
erhalten. Sicherlich ist die Art dort nicht einheimisch, 
sondern ausserhalb des Culturbereichs naturalisirt. 

Die Römer säeten schon zu Cato’st Zeiten diese Pflanze 
zum Futter und ihrer Samen wegen aus. Beweise für 
eine noch ältere Cultur habe ich nicht aufgefunden. 
Der Name Vik, woraus Vicia, kam schon sehr früh- 
zeitig in Europa vor, denn er findet sich mit geringen 
Abweichungen im Albanesischen , welches man als die 
Sprache der Pelasger ansieht, und bei den slawischen, 
schwedischen und germanischen Völkern. Dies beweist 
nicht, dass die Art angebaut wurde. Sie ist recht 
charakteristisch und den Herbivoren so nützlich, dass 
man ihr von altersher volksthümliche Namen bei- 
legte. 


Rothe Platterbse. 135 


Lathyrus Cicera, Linne. — Rothe Platterbse, rothe 
Kicher (fr. Jarosse, Garousse, Gessette). 

Eine einjährige, als Futterpflanze geschätzte Legu- 
minose, ihre Samen werden aber bis zu einem gewissen 
Grade gefährlich, sobald man sie in grössern Mengen 
als Nahrung benutzt.® 

Unter dem Namen MochiT wird sie in Italien ange- 
baut. Einige Schriftsteller hegen die Vermuthung, dass 
es sich hier um die Cicera von Columella und die Er- 
vilia von Varo handelt®, der volksthümliche italienische 


1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, S. 323; Hooker, F1. Brit. Ind., II, 178. 

2 Piddington, Index, führt vier an. 

3 Targioni, Cenni storici, S. 30. 

4 Cato, De re rustica (1535), Sd anne ls (en, 18 

5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71. In der den Indo- 
Europäern vorhergehenden Sprache hat Vik eine andere Bedeutung, die 
von Weiler (Fick, Wörterb. indo-germ., S. 189). 

6 Vilmorin, Bon jardinier, 1880, S. 603. 

q Targioni, Cenni storiei, S. 31; Bertolini, Fl. ital., VII, 444, 447. 

8 Lenz, Botanik der Alten, S. 730. 


156 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Name ist aber von diesen sehr verschieden. In Griechen- 
land baut man die Art nicht an.! Mehr oder weniger 
geschieht dies in Frankreich und Spanien, ohne Angabe 
freilich, ob der Anbau auf sehr alte Zeiten zurückzu- 
führen sei. Wittmack? führte auf diese Art, wenn 
auch mit einigem Bedenken, gewisse Samen zurück, 
welche Virchow unter den Trümmern Trojas gefunden 
hatte. 


Den Floren folgend, tritt die Art in trockenen Ge- 


genden, fern von angebauten Ländereien, in Spanien 
und Italien augenscheinlich spontan auf.? Nach Schwein- 
furth und Ascherson * ist sie es desgleichen in Nieder- 
ägypten; für eine alte Cultur in jenem Lande oder bei 
den Hebräern liegen aber keine Beweise vor. Nach 
Osten zu wird die spontane Eigenschaft weniger sicher. 
Von Boissier wird die Pflanze auf „bebauten Lände- 
reien von der europäischen Türkei und Aegypten bis 
nach dem Süden des Kaukasus und bis nach Babylon 
angegeben“.? Für Indien wird sie weder als spontan 
noch als angebaut erwähnt, auch hat sie keinen Namen 
im Sanskrit. 

Wahrscheinlich ist die Art in der zwischen Spanien 
und Griechenland liegenden Region ursprünglich zu 
Hause, vielleicht auch in Algerien 7, und eine nicht sehr 
alte Cultur hat sie nach Westasien verbreitet. 


Lathyrus sativus, Linne. — Essbare Platterbse, deutsche 
Kicher (fr. Gesse). | 

Eine einjährige Leguminose, welche im Süden Eu- 
ropas seit sehr langer Zeit als Futterpflanze und neben- 
bei auch ihrer Samen wegen angebaut wird. Die Griechen 
nannten sie Zathyros$ und die Lateiner Cicercula.? 


Fraas, Fl. class.; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands. 
Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenburg, 19. Dec. 1879. 
Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, S. 313; Bertoloni, a. a. ©. 
Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., 8. 257. 

Boissier, F1. orient., II, 605. 

J. Baker, in: Hooker, Fl. of Brit. India. 7 Munby, Catal. 
Theophrastes, Hist. plant., 1. 8, c. 2, 10. 

Columella, De re rustica, 1. 2, c. 10; Plinius, 1. 18, c. 13, 32. 


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Essbare Platterbse. Foi 


Auch im gemässigten Westasien und selbst im nörd- 
lichen Indien! baut man sie an, sie hat aber weder 
einen hebräischen? noch Sanskritnamen”, woraus man 
schliessen kann, dass die Cultur in diesen Regionen 
keine sehr alte ist. 

In der grössern Mehrzahl der Floren des südlichen 
Europa und Algeriens finden wir die Pflanze als an- 
gebaut und fast spontan angegeben, selten und nur für 
einige Gegenden als spontan. Begreiflicherweise hält 
es schwer, die Spontaneität zu erkennen, wenn es sich 
um eine Art handelt, die oft mit dem Getreide ver- 
mischt vorkommt, sich leicht behauptet oder infolge 
der Culturen weiter ausbreitet. Heldreich gibt für 
Griechenland das Indigenat nicht zu.* Die Muth- 
maassung scheint ziemlich gerechtfertigt zu sein, dass 
die Pflanze im übrigen Europa und in Algerien aus 
den Culturen hervorgegangen sei. 

Die Wahrscheinlichkeiten scheinen mir im entgegen- 
gesetzten Sinne für das westliche Asien zu sprechen. 


Die Autoren erwähnen in der That Gegenden, die einen 


genügend wilden Anstrich darbieten und in denen der 
Ackerbau eine weniger wichtige Stellung einnimmt als 
in Europa. Ledebour ? sah Exemplare, die in der Wüste 
nahe beim Kaspisee und in der Provinz Lenkoran ge- 
sammelt waren. Für Lenkoran wird dies von C. A. 
Meyer bestätigt. Nachdem Baker in der „Flora In- 
diens“ die Art als hier und da in den nördlichen Pro- 
vinzen verbreitet angegeben, fügt er hinzu: „oft 
angebaut“, es lässt sich daraus entnehmen, dass er 
dieselbe wenigstens für den Norden als einheimisch 
betrachtet.  Boissier? bestätigt nichts bezüglich der 
persischen, in seiner „Flora des Orients“ erwähnten 
Localitäten. 


1 Roxburgh, Fl. ind., 3; Hooker, Fl. of Brit. India, II, 178. 

2 Rosenmüller, Handb. der bibl. Alterthumskunde, Bd. I. 

3 Piddington, Index. 

4 Heldreich, Pflanzen d. attisch. Ebene, S. 476; Nutzpflanzen Griechen- 
lands, S. 72. 

5 Ledebour, Flora rossica, I, 681. 

6 C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 148. 7 Boissier, Fl. orient., II, 606. 


138 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Mit einem Worte, es erscheint mir wahrscheinlich, 
dass die Art vor ihrem Anbau vom Süden des Kaukasus 
oder des Kaspisees bis nach Nordindien auftrat, und 
dass sie sich nach Europa hin infolge alter Culturen, 
vielleicht auch mit Getreide vermischt, ausbreitete. 


Pisum Ochrus, Linne. Lathyrus Ochrus, de Candolle. 
— Ochererbse (fr. Gesse Ochrus). 

Als einjährige Futterpflanze in Catalonien unter dem 
Namen Tapisots angebaut!, desgleichen in Griechenland, 
namentlich auf der Insel Kreta unter dem von Ochros?, 
wird auch von Theophrast? erwähnt, ohne dass derselbe 
eine Beschreibung beifügt. Die lateinischen Schrift- 
steller sprechen nicht von ihr, sodass man eine locale 
und im Alterthum seltene Cultur annehmen kann. 

In Toscana ist die Art entschieden wildwachsend.* 
Auch in Griechenland und Sardinien scheint sie es zu 
sein, wo Hecken als Standorte angegeben werden, 
ebenfalls in Spanien, wo sie auf unbebauten Strecken 
wächst‘; was aber den Süden Frankreichs, Algerien und 
Sicilien anbelangt, so schweigen die Autoren entweder 
über den Standort oder geben gemeiniglich Felder und 
bebaute Ländereien als solche an. Nach dem Orient 
zu kennt man die Pflanze nicht weiter, als bis nach 
Syrien‘, wo sie indessen aller Wahrscheinlichkeit nach 
nicht spontan ist. 

Nach der von Sibthorp in der „Flora graeca‘, Taf. 689, 
gegebenen schönen Abbildung zu schliessen, ‚möchte es 
sich der Mühe lohnen, die Art häufiger anzubauen. 


Trigonella Foenum-graecum, Linne. — Gemeiner Kuh- 
hornklee, griechisches Heu (fr. Fenu grec). 


1 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 312. 

2 Lenz, Bot. d. Alten, S. 730; Heldreich, Nutzpfl. Griechenl., S. 72. 
Lenz, a. 2. O. 

4 Caruel, F1. tosc., S. 193; Gussone, Syn. fl. sic., 2. Aufl. 

5 Boissier, F1. orient. II, 602; Moris, F1. sardoa, I, 582. 

6 Willkomm et Lange, a. a. 

7 Boissier, a. a. O 


Gemeiner Kuhhornklee, griechisches Heu. 139 


In Griechenland und in Italien bauten die Alten! 
diese einjährige Leguminose, sei es als Frühjahrs-Futter- 
pflanze oder auch ihrer medicinischen Samen wegen 
häufig an. Fast in dem gesammten Europa, ganz ins- 
besondere in Griechenland ? ist diese Cultur jetzt auf- 
gegeben, dagegen setzt man sie im Orient und in In- 
dien fort, wo sie wahrscheinlich auf eine sehr- alte 
Epoche zurückgeht, desgleichen in der ganzen Nil- 
region.* 

Die Art ist im Pendschab und in Kaschmir, in den 
Wüsten Mesopotamiens und Persiens®, sowie in Klein- 
asien ? wildwachsend, in letzterm Lande erscheinen aber 
die angegebenen Fundorte von den bebauten Lände- 
reien nicht genügend unterschieden. Auch? für mehrere 
Gegenden Südeuropas, wie den Hymettus und andere 
Orte Griechenlands, die Hügel oberhalb Bologna und 
Genua, einige unbebaute Plätze in Spanien, wird sie 
angeführt; je weiter man aber nach Westen fortschrei- 
tet, um so mehr erweisen sich die angeführten Stand- 
orte als Feider, angebaute Ländereien u. s. w.; es haben 
somit auch die aufmerksamen Autoren Sorge ge- 
tragen, die Art als aus den Culturen hervorgegangen 
anzugeben.” Ohne Bedenken möchte ich behaupten, 
dass, wenn eine derartige Pflanze im südlichen Europa 
einheimisch wäre, sie dort auch viel allgemeiner auf- 
treten und beispielsweise den Inselfloren, wie jenen 
von Sicilien, Ischia und den Balearen nicht abgehen 
würde. 10 


1 Theophrastes, Hist. plant., 1. S, c. 8; Columella, De re rustica, 1. 2, 
c. 10; Plinius, Hist., 1. 18, c. 16. 

2 Fraas, Syn. fl. class., S. 63; Lenz, Bot. d. Alterth., S. 719. 

3 Baker, in: Hooker, F1. of Brit. India, II, 57. 

4 Schweinfurth, Beitr. z. Fl. Aethiop., S. 258. 

5 Baker, a. a. ©. 

6 Boissier, F1. orient., II, 70. 7 Ebend. 

8 Sibthorp, Fl. graeca, Taf. 766; Lenz, a. a. O.; Bertoloni, F1. ital., 
VIII, 250; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., III, 390. 

9 Caruel, F1. tosc., S. 256; Willkomm et Lange, a. a. O. 

10 Die Pflanzen, welche sich von dem einen Lande nach dem andern 
verbreiten, gelangen viel schwerer nach den Inseln, wie dies aus den 
Beobachtungen zu ersehen ist, welche ich früher darüber veröffentlicht 
habe (Géogr. bot. raisonnée, S. 706). 


140 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Das hohe Alter der Art und ihres Gebrauchs in Indien 
wird durch das Vorkommen mehrerer je nach den Völ- 
kern verschiedenartiger Namen, und ganz insbesondere 
durch einen Sanskritnamen und einen neuern hindusta- 
nischen, Methi!, bekräftigt. Es ist ein persischer Name, 
Schemlit, und ein arabischer in Aegypten sehr gebräuch- 
licher, Helbeh?, bekannt, ein hebräischer Name wird 
aber nicht angegeben.? Einer der Namen für die Pflanze 
im Altgriechischen, Tailis (Tux), dürfte vielleicht von 
den Philologen als ein von dem Sanskritnamen abge- 
leiteter angesehen werden, ich vermag dies nicht zu 
beurtheilen. Es wäre möglich, dass die Arier die Art 
eingeführt hätten und von dem ursprünglichen Namen 
keine Spur in den Sprachen des Nordens zurückgeblie- 
ben wäre, weil dieselbe nur im Süden Europas ihr 
Fortkommen findet. 


Ornithopus sativus, Brotero. ©, isthmocarpus, Cosson. 
— Serradella (fr. Serradelle). 

Die echte Serradella, sowol die in Portugal wild- 
wachsende wie angebaute, wurde zum ersten mal im 
Jahre 1804 von Brotero beschrieben, und Cosson hat 
sie noch deutlicher von den verwandten Arten unter- 
schieden.° Einige Autoren verwechselten sie mit Orni- 
thopus roseus Dufour, und die Landwirthe legten ihr 
bisweilen den Namen einer sehr verschiedenen Art, O. 
perpusillus, bei, welche sich ihres sehr kleinen Wuchses 
wegen zum Anbau nicht eignen würde. Ein ‚Blick auf 
die Frucht oder Hülse von O. sativus genügt schon, 
um in Bezug auf die Art keine Zweifel zu hegen, denn 
bei der Reife ist dieselbe an den Gelenken beiderseits 
zusammengezogen und stark bogenförmig. Wenn sich 


1 Piddington, Index. 2 Ainslie, Mat. med. ind., I, 130. 

3 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde. 

* Wie gewöhnlich findet sich in Fick’s classischem Wörterbuch der 
indo-europäischen Sprachen der Name dieser Pflanze, welcher von den 
Engländern als Sanskritname hingestellt wird, nicht angegeben. 

5 Brotero, Flora lusitanica, II, 160. 

6 Cosson, Notes sur quelques plantes nouvelles ou critiques du midi 
de l'Espagne, S. 36. 


4 


Gemeiner Ackerspark. 141 


auf den Feldern Individuen von gleichem Ansehen fin- 
den, deren Hülsen aber gerade und nicht zusammen- 
gebogen sind, müssen dieselben aus einer Samenver- 
mischung mit O. roseus abstammen, und wenn die Hülse 
gebogen, aber nicht zusammengezogen erscheint, dürfte 
es sich um OÖ. compressus handeln. Nach dem Aussehen 
dieser Pflanzen dürften sie in ähnlicher Weise angebaut 
worden sein und muthmaasslich dieselben Vorzüge 
darbieten. 
_ Nur für sandige und trockene Gegenden eignet sich 
die Serradella. Es ist eine einjährige Pflanze, welche 
in Portugal ein sehr zeitiges Frühlingsfutter liefert. 
Ihre nach dem Kempenland in Belgien eingeführte Cul- 
tur hat guten Erfolg gehabt.! 

Die Ornithopus sativus scheint in mehreren Gegenden 
Portugals und des südlichen Spaniens spontan zu sein. 
Ich besitze ein Exemplar von Tanger (Salzmann), und 
Cosson brachte sie von Algerien. Oft findet man sie 
auf wüsten Feldern und selbst anderswo. Es kann 
schwer halten, zu erfahren, ob die gesammelten Exem- 


plare nicht von Pflanzen abstammen, die den Culturen 


entsprungen sind, bei einigen angeführten Standorten, 
z. B. ein Fichtenwald bei Chiclana im Süden Spaniens 
(Willkomm), ist dies aber nicht wahrscheinlich. 


Spergula arvensis, Linne. — Gemeiner Ackerspark 


? (fr. Spergule oder Spargoule). 


Diese unscheinbare einjährige Pflanze aus der Familie 
der Caryophyllaceen (Tribus der Alsineen) wächst auf 
den sandigen Feldern und ähnlichen Terrains in Eu- 
ropa, Nordafrika, selbst in Abessinien?, in Westasien 
bis nach Indien? und sogar in Java.* Schwer hält es, 
zu wissen, in welcher Ausdehnung der Alten Welt sie 


1 Bon Jardinier, 1880, S. 512. 2 Boissier, F1. orient., I, 731. 

3 Hooker, F1. of Brit. India, I, 243, und mehrere Exemplare von den 
Nilgherries und Ceylon in meinem Herbarium. 

* Zollinger, Nr. 2556 in meinem Herbarium. 


142 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


ursprünglich einheimisch war. Für viele Standorte 
weiss man nicht, ob sie wirklich spontan ist, oder den 
Culturen ihr Dasein verdankt. Zuweilen lässt sich eine 
Einführung neuern Datums muthmaassen. Seit einigen 
Jahren hat man beispielsweise in Indien zahlreiche 
Exemplare gesammelt, Roxburgh hingegen, welcher dort 
zu Ende des verflossenen und zu Anfang des jetzigen 
Jahrhunderts so eifrig gesammelt hat, erwähnt sie nicht. 
Weder ein Sanskrit- noch ein neuerer indischer Name! 
sind von ihr bekannt, auch hat man sie nicht in den 
zwischen Indien und der Türkei gelegenen Ländern an- 
getroffen. 

Einige Andeutungen über den Ursprung der Art und 
ihre Cultur lassen sich in den volksthümlichen Namen 
auffinden. 

Man kennt weder einen griechischen Namen noch 
einen solchen der lateinischen Autoren. Der Name Sper- 
gula, im Italienischen Spergola, ist allem Anscheine nach 
in Italien ein alter volksthümlicher. Ein anderer ita- 
lienischer Name, Erba renaiola, weist nur auf das Vor- 
kommen im Sande (rena) hin. Die französischen, spa- 
nischen (Esparcillas), portugiesischen (Esparguta), deut- 
schen Namen (Spark) haben dieselbe Wurzel. Für 
den ganzen Süden Europas erscheint es, als ob die Art 
von den Römern vor Theilung der lateinischen Sprachen 
von Land zu Land gebracht worden sei. Für den 
Norden verhält sich die Sache ganz anders. Es gibt 
einen russischen Namen, Toritsa?, mehrere dänische, 
Humb oder Hum, Girr oder Kirr*, und schwedische, 
Knutt, Fryle, Nägde, Skorff.* Diese grosse Verschieden- 
artigkeit liefert den Beweis, dass man sich seit langer 
Zeit in jenen Ländern mit dieser Pflanze beschäftigt 
hat, und dass demgemäss die Cultur dort eine alte ist. 
Im 16. Jahrhundert wurde sie in der Umgegend von 


1 Piddington, Index. 2 Sobolewski, Flora petropol., S. 109. 
3 Rafn, Danmarks Flora, II, 799. 


4 Wahlenberg, angeführt in: Moritzi, Diet. mss.; Svensk Botanik 
Taf. 308. 


N 
;- TA, 
; 


Guineagras. 143 


Montbéliard betrieben !, und wird nicht gesagt, dass 
sie dort neu wäre. Wahrscheinlich hat dieser Anbau 
in Südeuropa zur Zeit des römischen Kaiserreichs sei- 
nen Anfang genommen und im Norden vielleicht früher. 
Auf alle Fälle muss Europa das ursprüngliche Vater- 
land gewesen sein. 

Die Landwirthe unterscheiden eine höhere Form von 
Spergula?, die Botaniker stimmen aber darin über- 
ein, derselben keine genügenden Charaktere zuzuerken- 
nen, um sie als Art zu trennen, mehrere von ihnen 
machen nicht einmal eine Varietät daraus. 


Panicum maximum, Jacquin.” — Guineagras (fr. 
Herbe de Guinee). 

Diese ausdauernde Grasart (Guinea grass der Eng- 
länder) erfreut sich als nahrhafte Futterpflanze in den 
intertropischen Ländern eines grossen Rufes und ist 
leicht anzubauen. Mit einiger Sorgfalt kann eine dar- 
aus zusammengesetzte Wiese 20 Jahre lang dauern.* 

Die Cultur scheint auf den Antillen ihren Anfang 
genommen zu haben. Mitte des verflossenen Jahrhun- 
derts spricht P. Browne von ihr in seinem Werke über 
Jamaica und nach ihm Swartz. 

Der erste erwähnt das Guinea grass ohne irgend- 
welche Bemerkung über den Ursprung der Art. Der 
zweite sagt: „früher von den Küsten Afrikas nach den 
Antillen gebracht“. Er hat sich wahrscheinlich mit der 
durch den volksthümlichen Namen gegebenen Andeutung 
zufrieden gegeben, wir wissen aber, bis zu welchem 
Punkte die derartig angegebenen Ursprungsorte falsch 


1 Bauhin, Hist. plant., III, 722. 

2 Spergula maxima, Boehninghausen, abgebildet in: Reichenbach, Plan- 
tae crit., VI, 513. 

3 Panicun maximum Jacq., Coll. 1, S.71(im Jahre 1786); Jacq., Icones, I, 
Taf. 13; Swartz, Fl. Indiae occ., VII, 170. P. polygamum Swartz, Prodr., 
S. 24 (1788). P. jumentorum Persoon, Ench., I, 83 (1805). P. altissimun 
einiger Gärten und neuerer Autoren: Es ist Regel, dass der älteste Name 
beibehalten wird. 

4 Auf Domingo, nach Imray, in: Kew Report f. 1879, S. 16. 


144 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


sein können, als Beispiel hierfür genügt der sogenannte 
türkische Weizen, welcher aus Amerika stammt. 

Swartz, ein tüchtiger Botaniker, sagt ferner, dass die 
Pflanze „auf den angebauten trockenen Weideplätzen 
Westindiens wächst, wo sie auch angebaut wird“, wor- 
unter eine auf früher angebauten Ländereien naturali- 
sirte Art verstanden werden kann. Mir ist es nicht 
bekannt, dass man auf den Antillen einen wirklich 
spontanen Zustand constatirt hätte. Nach den von 
Martius gesammelten und von Nees! bearbeiteten Do- 
cumenten, welche später von Doell? noch vermehrt und 
weiter geprüft wurden, erhält man die Gewissheit, dass 
Panicum maximum in den Lichtungen der benachbarten 
Wälder des Amazonenstroms bei Santarem, sowie in den 
Provinzen von Bahia, Ceara, Rio de Janeiro und St.- 
Paulo wächst. Wenn auch die Pflanze in diesen Län- 
dern häufig angebaut wird, so lassen doch die ange- 
gebenen Localitäten ihrer Natur und ihrer grossen Zahl 
nach auf das Indigenat schliessen. Doell hat ebenfalls 
Exemplare vom französischen Guyana und von Neu- 
granada gesehen. 

Untersuchen wir weiter was Afrika betrifft. 

Sir W. Hooker spricht von Exemplaren, die von 
Sierra Leone, von Aguapim, von den Ufern des Quorra 
und der Insel St.-Thomas in Westafrika herrührten. 
Nees* führt die Art in mehreren Localitäten der Cap- 
colonie an, selbst in Gebüschdickichten und gebirgigen 
Strecken. A. Richard? erwähnt Plätze in Abessinien, 
welche desgleichen ausserhalb der Culturen zu liegen 
scheinen, doch gibt er zu, über die Art nicht ganz 
sicher zu sein. Dagegen trägt Anderson kein Bedenken, 
die Pflanze als P. maximum hinzustellen, welche der 
Reisende Peters® von den Ufern des Zambesi und von 
Mozambique heimbrachte. 


Nees, in: Martius, Fl. brasil., II, 166. 

Doell, in: Flora brasil., Bd. II, Theil 2. 

Sir W. Hooker, Niger Flora, S. 560. 

Nees, Florae Africae austr. Gramineae, S. 36. 

A. Richard, Abyssinie, II, 373. 6 Peters, Reise, Botanik, S. 546. 


CU He O9 19 m 


Chinesischer Theestrauch. 145 


Mit Bestimmtheit weiss man, dass die Art nach der 


. Insel Mauritius von dem frühern Gouverneur derselben, 


Labourdonnais!, eingeführt wurde, und dort wie auf 
Rodriguez und den Seychellen? sich ausserhalb des 
Culturbereichs weiter ausbreitete. Die Einführung nach 
Asien kann keine alte sein, denn weder Roxburgh (Fl. 
ind.) noch Miquel (Fl. ind.-bat.) führen die Art an. 
Auf Ceylon wird sie nur angebaut.? 

Der Angabe des volksthümlichen Namens und der all- 
gemeinen, wenn auch wenig begründeten Meinung der 
Autoren gemäss, scheint mir schliesslich manches zu 
Gunsten des afrikanischen Ursprungs zu sprechen. Da 
sich indess die Pflanze so leicht verbreitet, bleibt es 
immerhin seltsam, dass sie nicht von Abessinien oder 
Mozambique nach Aegypten gelangte, und dass man sie 
ebenfalls erst so spät auf den ostafrikanischen Inseln 
erhielt. Wenn vor Beginn der Culturen das gleich- 
zeitige Auftreten ein und derselben Art in Afrika und 
in Amerika nicht zu den grossen Seltenheiten gehörte, 
könnte man solches muthmaassen; es ist jedoch bei 


einer angebauten Pflanze, deren Verbreitung augen- 


scheinlich eine sehr leichte ist, wenig wahrscheinlich. 


Dritter Abschnitt. Verschiedene Febrauchsanwen- 
dungen der Stengel oder der Blätter. 


Thea sinensis, Linne. — Chinesischer Theestrauch 


(fr. Thé). 


Als gegen Mitte des 18. Jahrhunderts noch sehr wenig 
über den Strauch bekannt war, welcher den Thee lie- 
fert, nannte Linné ihn Thea sinensis. In der bald 
darauf erscheinenden zweiten Ausgabe der „Species 
plantarum“ hielt er es für besser, zwei Arten, Thea 
Bohea und Thea viridis, zu unterscheiden, welche seiner 


1 Bojer, Hortus mauritianus, S. 565. 
2 Baker, Flora of Mauritius and Seychelles, S. 436. 
3 Thwaites, Enum. plant. Ceylonae. 


DE CANDOLLE. 10 


146 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Meinung nach der kaufmännischen Unterscheidung von 
schwarzem und grünem Thee entsprächen. Seitdem 
liegen Beweise vor, dass es nur eine Art gibt, welche 
mehrere Varietäten in sich begreift, und dass man 
schwarzen und grünen Thee von allen Varietäten, je 
nach den Zubereitungsmethoden, gewinnen kann. Diese 
Frage war abgethan, als eine andere aufgeworfen wurde, 
ob nämlich die Aufstellung der von Camellia mehr oder 
minder verschiedenen Gattung Thea begründet sei. 
Mehrere Autoren machen aus Thca eine Unterabtheilung 
der alten Gattung Camellia; wenn man sich aber die 
von Seemann! in sehr genauer Weise gegebenen Cha- 
raktere vergegenwärtigt, so darf man, wie mir scheint, 
die Gattung Thea mit der alten und bei der Haupt- 
art gebräuchlichen Nomenclatur beibehalten. 

Man weist häufig auf eine japanische von Kaempfer? 
mitgetheilte Legende hin. Ein im Jahre 519 unserer 
Zeitrechnung von Indien nach China gekommener Priester, 
welcher vom Schlafe überwältigt wurde, hätte sich, als 
er wachen und beten wollte, in einem Augenblick des 
Unwillens beide Augenlider abgeschnitten und diese 
hätten sich in einen Strauch, den Theestrauch, verwan- 
delt, dessen Blätter die besondere Eigenschaft besitzen, 
den Schlaf zu verscheuchen. Für diejenigen, welche 
Legenden, sei es ganz oder theilweise, gern Glauben 
schenken, tritt aber leider bei dieser der Umstand ein, 
dass die Chinesen, trotzdem sie sich im- eigenen Lande 
zugetragen hat, von ihr nichts wissen. Sie kannten 
den Theestrauch sehr gut vor dem Jahre 519, und 
wahrscheinlich war derselbe nicht von Indien dorthin 
gelangt. Dies erfahren wir von Dr. Bretschneider in 
seinem an botanischen und linguistischen Thatsachen 
so reichen Buche.? ‚Der «Pent-sao»“, sagt er, „er- 


wähnt den Theestrauch 2700 Jahre v. Chr., die «Rya» 


1 Seemann, in: Transactions of theLinnaean Society, XXII,337, Taf.61, 

2 Kämpfer, Amoen. Japon. 

3 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, 
S. 13 u. 45. : 


Chinesischer Theestrauch. 147 


5 bis 600 Jahre v. Chr., und im 4. Jahrhundert un- 
serer Zeitrechnung hat der Ausleger des letzten Werkes 
Einzelheiten über die Pflanze und den Gebrauch ihrer 
Blätter als Aufguss gegeben. Dies ist somit ein in 
China sehr alter Brauch. Weniger ist er es vielleicht 
in Japan, und wenn er seit langer Zeit in Cochinchina 
vorkommt, was immerhin möglich ist, so liegen doch 
keine Beweise vor, dass er sich einst nach Indien hin 
ausgebreitet habe; die Autoren führen keinen Sanskrit- 
namen an, selbst nicht einmal einen solchen aus den 
neuern indischen Sprachen. Jedenfalls wird dies uns 
seltsam erscheinen, wenn man das ın Betracht zieht, 
was sich über den natürlichen Wohnsitz der Art 
sagen lässt. 

Die Samen des Theestrauchs verbreiten sich oft 
ausserhalb der Culturen, und flössen den Botanikern 
über die spontane Eigenschaft der Individuen, welche 
man hier und da antrifft, gewisse, Zweifel ein. Thun- 
berg hielt die Art für eine in Japan wildwachsende, 
dies wird aber von Franchet und Savatier! ent- 
schieden verneint. Fortune?, welcher die Theecultur 
in China so sorgfältig geprüft hat, spricht nicht von 
der wildwachsenden Pflanze. Fontanier? bestätigt, dass 
der Theestrauch meistens wildwachsend in der Man- 
dschurei auftritt. Wahrscheinlich ist es, dass er in den 
Gebirgsdistrikten des südwestlichen China wächst, wo- 
hin die Naturforscher bisjetzt noch nicht gedrungen sind. 
Loureiro sagt: „in Cochinchina angebaut und nicht an- 
gebaut“.* Sicherer ist es, dass die englischen Reisenden 
ihn in Oberassam und der Provinz Cachar gesammelt 
haben.$ Somit muss der Theestrauch in den Gebirgs- 


1 Franchet et Savatier, Enumer. plant. Jap., I, 61. 

2 Fortune, Three years wandering in China. 

3 Fontanier, Bulletin de la Soc. d’acclimatation, 1870, S. 88. 
4 Loureiro, Fl. cochinch., S. 144. 


5 Griffith, Reports; Wallich, von Sir J. Hooker angeführt, Flora of 
Brit. India, J, 293. 


6 Anderson, angeführt von Sir J. Hooker. 


10* 


148 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


ländern, welche die Ebenen Indiens von jenen Chinas 
scheiden, einheimisch sein. 

Die Theecultur, welche jetzt nach mehreren Colonien 
eingeführt ist, liefert in Assam vorzügliche Resultate. 
Nicht nur ist der dort gewonnene Thee von einer bes- 
sern Qualität als die mittlern Sorten Chinas, sondern 
auch die Quantität nimmt rasch zu. Im Jahre 1870 
erntete man in Britisch-Indien 13 Millionen Pfund Thee, 
1878 37 Millionen und für 1880 hoffte man auf einen 
Ertrag von 70 Millionen Pfund!! Frost kann der Thee- 
strauch nicht ertragen’, und von der Trockenheit hat 
er zu leiden. Wie ich früher einmal gesagt habe?, 
stehen die Bedingungen, welche ihn begünstigen, den- 
jenigen entgegen, welche für die Weinrebe die geeig- 
netsten sind. Man hat mir entgegengehalten, dass der 
Theestrauch auf den Azoren, wo guter Wein erzeugt 
wird, gedeiht#; in Gärten und in kleinem Maassstabe 
können aber viele Pflanzen angebaut werden, deren 
Cultur im grossen nicht einträglich ist. Auch in China 
gibt es Weinreben, der Weinverkauf spielt dort aber 
eine ganz untergeordnete Rolle. Im Gegensatz hierzu 
hat kein Weinland Thee zur Ausfuhr geliefert. Nach 
China, Japan und Assam baut man auf Java, Ceylon 
und ın Brasilien den meisten Thee an, und sicherlich 
wird dort der Weinbau sehr wenig oder gar nicht be- 
trieben, während die Weine trockener Regionen, wie 
Australien, das Cap u. s. w., im Handel immer mehr 
Verbreitung finden. 


Linum usitatissimum, Linne. — Gemeiner Flachs oder 
Lein (fr. Lin). 


1 The Colonies and India, nach Gardener’s Chronicle, 1880, I, 659. 

2 „Ich hätte eher sagen sollen: fürchtet die starken Fröste. Uebrigens 
habe ich in den Werken über China nicht erfahren, welche Frostgrade 
die Art vertragen kann. Was die Spontaneität in China anbelangt, so 
nennt Griffith (Report on the Tea plant., S. 54) den Dr. Abel, welcher 
den wildwachsenden Theestrauch in See-Chow gesehen hat.“ (Vom Ver- 
fasser mitgetheilte Anmerkung.) 

3 Rede, gehalten im Londoner botan. Congress von 1866. 

4 Flora, 1868, S. 64. 


Gemeiner Flachs oder Lein. 149 


Die Frage über den Ursprung des Flachses oder 
vielmehr der angebauten Flachssorten ist eine der- 
jenigen, welche zu den interessantesten Untersuchungen 
Veranlassung gegeben haben. 

Um die Schwierigkeiten zu würdigen, welche sie dar- 
bietet, muss man sich zunächst über sehr nahestehende 
Formen Rechnung ablegen, welche die Autoren bald 
als bestimmte Arten der Gattung Linum, bald als Va- 
rietäten einer einzigen Art bezeichnen. 

Die erste wichtige, hierauf bezügliche Arbeit wurde 
von Herrn J. E. Planchon im Jahre 1848 veröffent- 
licht.! Die Verschiedenheiten der Linum usitatissimum, 
humile und angustifolium, welche recht wenig bekannt 
waren, wurden von ihm offengelegt. Später hat O. Heer? 
bei Gelegenheit seiner gründlichen Studien über die 
einstigen Culturen die angegebenen Charaktere noch 
einmal geprüft, und ist, indem er das Studium zweier 
Mittelformen, die Vergleichung zahlreicher Exemplare 
hinzufügte, endlich auf den Gedanken gekommen, eine 
einzige, aus mehreren leicht verschiedenen Beständen 
zusammengesetzte Art zuzulassen. Sein lateinisches Re- 
sume der Charaktere will ich hier übertragen und da- 
bei einen Namen für jede besondere Form hinzufügen, 
wie solches in den botanischen Büchern Brauch ist. 


Linum usitatissimum. 


1. Annuum (einjährig). Einjährige Wurzel; Stengel nur einer, auf- 
recht; Kapseln 7—8 mm lang, Samen 4—6 mm, in einen Schnabel aus- 
laufend. «. Vulgare (gemeiner). Die 7 mm langen Kapseln öffnen sich 
nur bei der Reife und zeigen nach innen glatte Wände. — Zu deutsch: 
Schliesslein, Dreschlein. f. Humile (niedriger). Kapseln 8 mm. 
lang, öffnen sich bei der Reife sehr rasch, nach innen gewimpert. — Li- 
num humile, Miller. L. crepitans, Boeninghausen. Zu deutsch: Klang- 
lein, Springlein. 

2. Hyemale (winterlich). Wurzel ein- oder zweijährig, Stengel zahl- 
reich, an der Basis weitschweifig, gekrümmt; Kapseln 7 mm lang, aus- 
laufend in einen Schnabel. — Linum hyemale romanum. Zu deutsch: 
Winterlein. 

3. Ambiguum (zweideutig). Wurzel einjährig oder perennirend; Sten- 
gel zahlreich, Blätter zugespitzt; Kapseln 7 mm lang, mit wenig gewim- 


1 Planchon, in: Hooker, Journal of Botany, VII, 165. 
2 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 35 (Zürich 1865); Ueber den 
Flachs und die Flachscultur (Zürich 1872). 


150 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


perten Wänden; Samen von 4 mm, in einen kurzen Schnabel auslaufend, 
— Linum ambiguum, Jordan. 

4. Angustifolium (schmalblätterig). Wurzel einjährig oder perennirend; 
Stengel zahlreich, an der Basis weitschweifig, gekrümmt; Kapseln von 
6 mm; mit gewimperten Wänden; Samen von 3 mm, an der Spitze kaum 
hakenförmig. — Linum angustifolium, Hudson. 

Man ersieht hieraus, wie viele Uebergänge zwischen 
den Formen vorkommen. Die einjährige, zweijährige 
oder perennirende Beschaffenheit, deren geringe Stetig- 
keit Heer muthmaasste, ist ziemlich unbestimmt, beson- 
ders bei L. angustifolium, denn Loret, welcher diese 
Leinart in der Umgegend von Montpellier beobachtete, 
drückt sich folgendermaassen aus!: „In den sehr war- 
men Ländern ist dieselbe fast immer einjährig, was 
nach der Aussage von Gussone in Sicilien der Fall ist; 
bei uns ist sie je nach der physikalischen Beschaffenheit 
des Bodens, in welchem sie wächst, einjährig, zweijährig 
oder selbst perennirend; man kann sich hiervon am 
Littorale, besonders bei Maguelone überzeugen. Dort 
kann man sehen, dass sie an den häufig betretenen 
Fusswegen von längerer Dauer ist als im Sande, wo 
die Sonne ihre Wurzeln rasch austrocknet und wo die 
Dürre des Bodens ihr nur ein Jahr zum Leben ge- 
stattet.‘ 

Wenn physiologische Formen von einer in die andere 
übergehen und sich je nach äussern Umständen durch ver- 
änderliche Charaktere auszeichnen, so ist dies eine Ver- 
anlassung, sie als eine einzige Art ausmachend anzu- 
sehen, wenn auch immer diese Formen einen gewissen 
Erblichkeitsgrad zeigen und vielleicht auf sehr alte 
Zeiten zurückzuführen sind. Bei den Untersuchungen 
über ihren Ursprung müssen wir sie indess getrennt 
behandeln. Zuerst werde ich darauf hinweisen, in wel- 
chen Ländern man jede Form im spontanen oder fast 
spontanen Zustande angetroffen hat. Dann werde ich 
auf die Culturen zu sprechen kommen, und wir werden 
sehen, bis zu welchem Punkte die geographischen oder 


1 Loret, Observations critiques sur plusieurs plantes montpelliéraines, 
in: Revue des sc. nat., 1875. 


Gemeiner Flachs oder Lein. 151 


historischen Thatsachen die Meinung der specifischen 
Einheit bestätigen. 

Der gemeine einjährige Flachs ist noch nicht in einem 
ausser allen Zweifel stehenden spontanen Zustande ge- 
funden worden. Ich besitze mehrere Exemplare von 
Indien, und Planchon hatte andere dieses Landes in den 
Herbarien zu Kew gesehen, die anglo-indischen Bota- 
niker wollen es jedoch nicht zugeben, dass die Pflanze 
in ihrer Region einheimisch sei. Die neuere Flora von 
Sir J. Hooker spricht von ihr als einer angebauten 
Art, ganz insbesondere des aus den Samen gewonnenen 
Oeles wegen, und der frühere Director des Kalkutta- 
Gartens, C. B. Clarke, schreibt mir, dass die ge- 
sammelten Exemplare von den Culturen herrühren müs- 
sen, welche ım Norden Indiens während der Winter- 
monate sehr häufig sind. Boissier! erwähnt ein L. 
humile mit schmalen Blättern, welches Kotschy „bei 
Schiras in Persien am Fusse des Berges Sabst Buchom“ 
gesammelt hatte. Hier handelt es sich vielleicht um 
einen weit ausserhalb der Culturen gelegenen Standort, 


 genügende Auskunft vermag ich aber hierüber nicht zu 


geben. Hohenacker fand das L. usitatissimum „sub- 
spontan“ in der Provinz Talysch, im Süden des Kau- 
kasus, nach dem Kaspisee zu.” Steven spricht sich für 
das südliche Russland bestimmter aus.” Ihm zufolge 
„findet sich das L. usitatissimum ziemlich häufig auf 


. den unfruchtbaren Hügeln der südlichen Krim, zwischen 


Jalta und Nikita, und Professor Nordmann hat dasselbe 
an der Ostküste des Schwarzen Meeres gesammelt“. 
Schreitet man nach Westen im südlichen Russland oder 
der Mittelmeerregion fort, so findet sich die Art nur 
selten, und zwar als eine den Culturen entsprungene 
oder fast spontane, angegeben. Ungeachtet dieser 


= 


1 Boissier, Flora orient., I, 851. Dies ist das L. usitatissimum von 
Kotschy, Nr. 164. 

2 Boissier, ebend.; Hohenh., Enum. Talysch, S. 168. 

3 Steven, Verzeichniss der auf der Taurischen Halbinsel wildwachsen- 
den Pflanzen (Moskau 1857), S. 91. 


152 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Zweifel und des Mangels an Schriftstücken halte ich 
es für sehr möglich, dass der einjährige Flachs unter 
der einen oder der andern seiner beiden Formen in der 
Region spontan ist, welche sich vom südlichen Persien 
nach der Krim hin ausbreitet, wenigstens in gewissen 
Localitäten. 

Der Winterlein ist nur als angebaute Pflanze in 
einigen Provinzen Italiens bekannt.! 

Das Linum ambiguum von Jordan wächst auf trocke- 
nen Stellen an der Küste der Provence und von 
Languedoc.? 

Das Linum angustifolium schliesslich, von welchem 
das vorhergehende sich kaum unterscheidet, hat einen 
gut festgestellten und ziemlich weiten Wohnsitz. Wild- 
wachsend findet es sich besonders auf den Hügeln in 
der ganzen Ausdehnung der Region, von welcher das 
Mittelmeer das Centrum bildet, nämlich auf den Cana- 
rischen Inseln und Madeira, in Marokko°, in Algerien? 
und bis nach Kyrenaika°’, im südlichen Europa bis nach 
England‘, den Alpen und dem Balkan, und in Asien 
endlich vom Süden des Kaukasus’ nach dem Libanon 
und nach Palästina.° Für die Krim noch jenseit des 
Kaspisees finde ich es nicht erwähnt. 

Wir wollen uns jetzt der Cultur zuwenden, die am 
häufigsten dazu bestimmt ist, ein spinnbares Erzeugniss 
zu liefern, oft aber auch zur Oelgewinnung dient, und 
bei einigen Völkern wegen der in den Samen enthal- 
tenen nahrhaften Substanz betrieben wird. Im Jahre 
1855 ° habe ich mich mit der Frage über den Ursprung 
beschäftigt; damals trat sie uns in folgender Weise 
entgegen: 


1 Heer, Ueber den Flachs, S. 17 u. 22. 

2 Jordan, in: Walpers, Annal., Bd. II, und in Heer, a. a. O., S. 22. 
3 Ball, Spicilegium fl. marocc., S. 380. 

4 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 7. 

5 Rohlfs, nach Cosson, Bull. de la Soc. bot. de Fr., 1875, S. 46. 

6 Planchon, a. a. O.; Bentham, Handbook of Brit. fl., 4. Aufl., S. 89. 
7 Planchon, a. a. O. 8 Boissier, Fl. or., I, 861. 

9 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 833. 


Gemeiner Flachs oder Lein. 153 


Genügende Gründe wurden für die Beweisführung 
aufgestellt, dass sich die alten Aegypter und Hebräer 
aus Flachs verfertigter Stoffe bedienten. Herodot be- 
stätigte dies. Ausserdem findet man die Pflanze auf 
den Zeichnungen des alten Aegypten abgebildet, und 
die mikroskopische Untersuchung der Bändchen, mit 
welchen die Mumien eingewickelt sind, lässt hierüber 
keinen Zweifel aufkommen.! Nach historischen An- 
gaben war die Cultur in Europa, z. B. bei den Kelten, 
und in Indien eine alte. Auch sehr verschiedenartige 
volksthümliche Namen deuten auf eine alte Cultur oder 
alte Gebräuche in verschiedenen Ländern hin. Der 
keltische Name Lin und der griechisch-lateinische Linon 
oder Linum zeigt keine Uebereinstimmung mit dem 
hebräischen Pischta? noch mit den Sanskritnamen Uma, 
Atasi, Utasi.” Einige Botaniker sprachen von dem 
Flachs als „fast spontan“ im südöstlichen Russland, im 
Süden des Kaukasus und in Westsibirien, eine wirkliche 
Spontaneität kannte man aber nicht. Die Wahrschein- 
lichkeiten fasste ich dann folgendermaassen zusammen: 
„Die vielfache Etymologie der Namen, das gleichzeitige 
hohe Alter in Aegypten, Europa und Nordindien, der 
Umstand, dass man in letzterm Lande den Flachs nur 
zur Oelgewinnung anbaut, veranlassen mich zu dem 
Glauben, dass man früher zwei oder drei Arten ver- 
schiedenen Ursprungs, die von den meisten Autoren 
- unter dem Namen von Linum usitatissimum verwech- 
selt wurden, in verschiedenen Ländern anbaute, die 
weder eins von dem andern etwas nachahmten, noch 
untereinander in irgenwelcher Beziehung standen ..... 
Besonders hege ich Zweifel, dass die von den alten 


1 Thomson, Annals of Philos., Juni 1834; Dutrochet, Larrey et Costaz, 
Comptes rendus de l’Acad. des sc. (Paris 1837), Sem. I, S. 739; Unger, 
Bot. Streifzüge, IV, 62. 

2 Andere hebräische Worte hat man mit Flachs übersetzt, dies ist 
aber das sicherste. Vgl. Hamilton, La botanique de la Bible (Nizza 
1871), S. 58. 

3 Piddington, Index Ind. Plants; Roxburgh, Fl. ind., 1832, II, 110. 
Der von Piddington angeführte Name Matusee gehört nach Pictet, Ori- 
gines indo-europ., 2. Aufl., I, 396, andern Pflanzen an. 


154 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Aegyptern angebaute Art die in Russland und in Sibi- 
rien einheimische Art war.“ 

Zehn Jahre später hat eine sehr interessante Ent- 
deckung von Oswald Heer meine Vermuthungen be- 
stätigt. Zu einer Epoche, wo die Bewohner der Pfahl- 
bauten der östlichen Schweiz nur Werkzeuge aus Stein 
besassen und den Hanf nicht kannten, wurde von ihnen 
schon eine Flachsart angebaut und Gewebe daraus an- 
gefertigt, welche nicht unser gemeiner, einjähriger Flachs 
ist, sondern der Linum angustifolium genannte peren- 
nirende Flachs, welcher im Süden der Alpen spontan 
ist. Das geht aus der Prüfung der Kapseln, Samen 
und besonders des untern Theils einer Pflanze hervor, 
welche mit grosser Sorgfalt aus dem Schlamme von 
Robenhausen! zu Tage gefördert war. Die von Heer 
veröffentlichte Abbildung zeigt zur Genüge eine mit 
zwei bis vier Stengeln bedeckte Wurzel, ganz nach Art 
der perennirenden Pflanzen. Die Stengel waren abge- 
schnitten worden, während man unsern gemeinen Flachs 
ausreisst, was noch weiter die ausdauernde Eigenschaft 
der Pflanze beweist. Mit den Ueberresten des Flachses 
von Robenhausen finden sich Samen von Silene cretica, 
eine in der Schweiz ebenfalls fremde Art, welche in 
Italien auf den Flachsfeldern sehr gemein ist.? Daraus 
hat Heer den Schluss gezogen, dass die Bewohner der 
Schweizer Pfahlbauten Leinsamen von Italien kommen 
liessen. Dies scheint ın der That nothwendig so sein 
zu müssen, es sei denn schon, dass man der Schweiz 
früher ein anderes Klıma als das unserer Epoche zu- 
schriebe, denn der perennirende Flachs würde für ge- 
wöhnlich die jetzigen Winter der östlichen Schweiz nicht 
ertragen.? Heer’s Meinung wird durch die ganz uner- 


1 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 35 (Zürich 1865); Ueber den 
Flachs und die Flachscultur im Alterthum (Zürich 1872). 

2 Bertoloni, Flora ital., IV, 612. 

3 Wie wir gesehen haben, schreitet er gegen den Nordwesten Europas 
zu, im Norden der Alpen fehlt er aber. Vielleicht war das ehemalige 
Klima der Schweiz ein gleichmässigeres als heutzutage, waren grössere 
Schneemassen vorhanden, um den perennirenden Gewächsen Schutz zu 
gewähren. 


Gemeiner Flachs oder Lein. 155 


wartete Thatsache bekräftigt, dass der Flachs nicht in 
den Ueberbleibseln der Pfahlbauten von Laibach und 
am Mondsee in Oesterreich, welche Bronze einschliessen, 
gefunden worden ist.! Die späte Epoche der Ankunft 
des Flachses in jener Region lässt die Vermuthung 
nicht zu, dass die Bewohner der Schweiz denselben von 
Osteuropa erhielten, von welchem sie überdies durch 
ungeheuere Wälder getrennt waren. 

Seit den geistreichen Beobachtungen des züricher Ge- 
lehrten hat man eine Flachsart entdeckt, die von den 
Bewohnern der prähistorischen Torfmoore von Lagozza in 
der Lombardei verwendet wurde; und Sordelli hat nach- 
gewiesen, dass dies die von Robenhausen, nämlich das 
L. angustifolium war.” Diese alten Bewohner kannten 
weder den Hanf noch die Metalle, besassen aber die- 
selben Cerealien wie die Bewohner der Pfahlbauten der 
Schweiz in dem steinernen Zeitalter, und assen wie 
jene die Eicheln der Wintereiche. Es gab somit schon 
eine etwas entwickelte Civilisation diesseit und jenseit 
der Alpen vor der Zeit, als die Metalle und selbst die 


Bronze dort eine allgemeine Verwendung fanden, der 


Hanf und das Haushuhn dort bekannt waren. Dies 
wäre vor Ankunft der Arier nach Europa oder etwas 
später eingetreten.{ 

Die volksthümlichen Namen des Flachses in den alten 
Sprachen Europas können etwas Licht auf diese Frage 
werfen. 

Der Name Lin, Llin, Linu, Linon, Linum, Lein, 


1 Mittheil. d. Anthropol. Gesellschaft zu Wien, VI, 122, 161; Abhandl. 
d. Wiener Akad., 81, S. 488. 

2 Sordelli, Sulle piante della torbiera e della stazione preistorica della 
Lagozza, S. 37 u. 51, als Fortsetzung zu Castelfranco, Notizie all. sta- 
zione lacustre della Lagozza, Atti della Soc. ital. sc. nat., 1380. 

3 Das Huhn wurde von Asien nach Griechenland im 6. Jahrhundert 
v. Chr. eingeführt; vgl. Heer, Ueber den Flachs, S. 25. 

4 Diese Entdeckungen in den Torfmooren von Lagozza und andern Orten 
in Italien liefern den Beweis, bis zu welchem Punkte sich V. Hehn (Cul- 
turpfl., 3. Aufl., 1877, S. 524) geirrt hat, wenn er vermuthete, dass die 
schweizer Pfahlbauten der Helvetier sich den Zeiten Cäsar’s nähern. Die 
Menschen von derselben Civilisation wie sie selbst, im Süden der Alpen, 
gingen augenscheinlich auf ältere Zeiten zurück als die römische Repu- 
blik, übertrafen hierin vielleicht selbst die Ligurier. 


156 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Lan findet sich in allen europäischen Sprachen arischen 
Ursprungs, des mittlern und südlichen Europas, in den 
keltischen, slawischen, griechischen oder lateinischen. 
Dies ist kein Name, der mit den arischen Sprachen 
Indiens Anknüpfungspunkte zeigt; „somit muss die 
Flachscultur“, sagt Ad. Pictet! mit Recht, „seitens der 
Westarier und vor ihrer Ankunft nach Europa ange- 
fangen haben“. Ich habe jedoch eine Erwägung ge- 
macht, welche mich zu einer neuen Untersuchung führte, 
die freilich erfolglos geblieben ist. Da der Flachs, 
sagte ich mir, von den Bewohnern der schweizer und 
italienischen Pfahlbauten vor Ankunft der arischen Völ- 
ker angebaut wurde, so war dies wahrscheinlich auch 
bei den Iberern der Fall, welche damals Spanien und 
Gallien bewohnten, und bei den Basken, den muth- 
maasslichen Nachkommen der Iberer, ist vielleicht ein 
besonderer Name dafür übriggeblieben. Nun sind auch 
den Wörterbüchern? zufolge Liho, Lino oder Li, je nach 
den Dialekten, gleichbedeutend mit Flachs, was mit dem 
im ganzen südlichen Europa verbreiteten Namen über- 
einstimmt. Die Basken scheinen somit den Flachs von 
den Völkern arischen Ursprungs erhalten zu haben oder 
sie haben vielleicht einen alten Namen verloren und 
denselben durch den keltischen und römischen ersetzt. 
Der Name Flachs oder Flax der germanischen Sprachen 
kommt von dem altdeutschen Flahs.$ Es gibt auch 
im nordwestlichen Europa besondere Namen für den 
Flachs: Pellawa, Aiwina im Finnischen*; Hor, Hör, 
Härr im Dänischen’, Hör und Tone im Altgothischen.® 
Haar findet sich auch im Deutschen von Salzburg.‘ 
Ohne Zweifel kann man dieses Wort durch die im 
Deutschen gewöhnliche Bedeutung von Faden, Haar er- 


1 Ad. Pictet, Origines indo-europ., 2. Aufl., I, 396. 

2 Van Eys, Dict. basque-francais, 1876; Gèze, Eléments de grammaire 
basque suivis d’un vocabulaire (Bayonne 1873); Salaberry, Mots basques 
navarrais (Bayonne 1856); Lécluse, Vocabul. français-basque, 1826. 

Ad Piciet, a. 2.0: 

4 Nemnich, Polygl. Lexicon d. Naturgesch., II, 420; Rafn, Danmark 
Flora, II, 390. 

5 Nemnich, a. a. O. 6 Nemnich, a. a. O. 7 Nemnich, a. a. O. 


Gemeiner Flachs oder Lein. 157 


klären, wie der Name von Li auf dieselbe Wurzel wie 


- ligare, knüpfen, zurückgeführt werden kann, und wie 


Hör, in der Mehrheit Hörvar, von den Gelehrten ! mit 
Harva, deutsches Stammwort für Flachs, in Verbin- 
dung gebracht wird; nichtsdestoweniger bleibt es aber 
erwiesen, dass man sich in den skandinavischen Län- 
dern und in Finland anderer Ausdrücke als im Süden 
Europas bediente. Diese Verschiedenheit weist auf das 
hohe Alter der Cultur hin und stimmt mit der That- 
sache überein, dass die Bewohner der schweizer und 
italienischen Pfahlbauten eine Flachsart vor den ersten 
Invasionen der Arier anbauten. Es ist möglich, ich 
möchte selbst sagen wahrscheinlich, dass dieselben eher 
den Namen Li als die Pflanze oder ihren Anbau mit- 
brachten; da aber keine Flachsart im Norden Europas 
wildwachsend auftritt, so müsste ein altes Volk, die 
Finländer, von turanischem Ursprunge, den Flachs nach 
dem Norden vor den Ariern eingeführt haben. Dieser 
Hypothese gemäss würden sie den einjährigen Flachs 
angebaut haben, denn der perennirende Flachs könnte 
das rauhe Klima der nördlichen Länder nicht ertragen, 
während man weiss, bis zu welchem Punkte das Klima 
des mittlern Russlands dem Anbau des gemeinen ein- 
jährigen Flachses im Sommer günstig ist. Die erste 
Einführung nach Gallien, der Schweiz und nach Italien 
hat von Süden her durch die Iberer, und nach Finland 
durch die Finnen stattfinden können; darauf hätten 


die Arier die bei ihnen gebräuchlichsten Namen’, Lin 


im Süden und fahs im Norden, weiter verbreitet. 
Vielleicht hatten sie und die Finnen den einjäh- 
rigen Flachs von Asien gebracht, und denselben an 
die Stelle des perennirenden Flachses gesetzt, weil 
dieser für kalte Länder weniger vortheilhaft und 
nicht so geeignet ist. Mit Bestimmtheit weiss man 
nicht, zu welcher Epoche die Cultur des einjährigen 


1 Vgl. Fick, Wörterbuch d. indo-germ. Spr., 2.Ausg.,I,722. Derselbe leitet 
den Namen Lina von dem lateinischen Linum ab, dieser Name geht aber 
weiter zurück, da er mehreren arisch-europäischen Sprachen gemein ist. 


158 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Flachses die des perennirenden Linum angustifolium in 
Italien substituirt hat, dies muss aber vor der christlichen 
Zeitrechnung geschehen sein, denn die Autoren sprechen 
von einer gut begründeten Cultur, und Plinius be- 
richtet, dass man den Flachs im Frühjahr aussäete 
und im Sommer ausrisse.! Zu der Zeit fehlten keine 
metallenen Werkzeuge, und man würde somit den Flachs 
geschnitten haben, wenn derselbe perennirend gewesen 
wäre. Ueberdies würde derselbe, im Frühjahre ausge- 
säet, nicht vor dem Herbste zur Reife gelangt sein. 
Aus denselben Gründen musste der bei den alten 
Aegyptern angebaute Flachs einjährig sein. Bisjetzt hat 
man in den Grabstätten keine ganzen Pflanzen noch 
zahlreiche Samenkapseln gefunden, um auf diese Weise 
directe und unwiderlegbare Beweise darzubieten. Es 
war Unger? vorbehalten, eine Kapsel zu untersuchen, 
die zwischen den Mauersteinen eines Denkmals gefunden 
wurde, welches Lepsius dem 13. oder 14. Jahrhundert 
v. Chr. zuschreibt, und er fand diese Kapsel denjenigen 
von L. usitatissimum ähnlicher als von L. angustifolium. 
Von drei Samen, welche Braun? im berliner Museum : 
sah, und welche mit andern Sämereien verschiedener 
Culturpflanzen vermischt waren, schien ihm einer zu 
L. angustifolium, die beiden andern zu L. humile zu 
gehören, jedoch wird man zugeben müssen, dass ein 
einziges Samenkorn, ohne die Pflanze oder die Kapsel, 
kein genügender Beweis ist. Es zeigen die Zeichnungen 
des alten Aegypten, dass man den Flachs nicht wie 
die Cerealien mit einer Sichel erntete. Man riss ibn 
aus.* In Aegypten gehört der Flachs zu den Winter- 
culturen, denn die Trockenheit des Sommers würde 
einer ausdauernden Varietät ebenso schädlich sein wie 
die Kälte in den nördlichen Ländern, wo man im Früh- 


1 Plinius, I, 19, Kap. 1: Vere satum aestate vellitur. 

2 Unger, Botanische Streifzüge, 1866, Nr. 7, S. 15. 

3 A. Braun, Die Pflanzenreste des Aegyptischen Museums in Berlin, 
(1877), S. 4. 


4 Rosellini, Taf. 35 u. 36, citirt von Unger, Bct. Streifzüge, Nr. 4, S. 62, 


Gemeiner Flachs oder Lein. 159 


jahre säet, um im Sommer zu ernten. Wir können noch 
- hinzufügen, dass der einjährige Flachs, welcher zu der 
humile genannten Form gehört, der einzige heutzutage 
in Abessinien angebaute ist, ebenso der einzige, 
welchen neuere Sammler in Aegypten angebaut gesehen 
haben.! 

Von Heer wird die Vermuthung ausgesprochen, dass 
die alten Aegypter das Linum angustifolium von der 
Mittelmeerregion anbauten, indem sie dasselbe als eine 
einjährige Pflanze behandelten.” Ich neige mich eher 
dem Glauben hin, dass sie ihren Flachs von Asien mit- 
genommen oder erhalten haben, und zwar unter der 
Form des humile. Die Gebräuche, die Abbildungen 
liefern den Beweis, dass ihre Flachscultur auf ein sehr 
hohes Alterthum zurückzuführen ist. Jetzt weiss man 
nun, dass die Aegypter der ersten Dynastien vor Cheops 
zu einer proto-semitischen, vom Isthmus von Suez ge- 
kommenen Rasse gehörten.” Man hat den Flachs in 
einer Grabstätte des alten, Babylon vorhergehenden, 
Chaldäa aufgefunden®, und sein Gebrauch in dieser Re- 
gion verliert sich in dem Dunkel der Zeiten. So haben 
die ersten Aegypter der weissen Rasse den angebauten 
Flachs weiter fortbringen können, oder ihre unmittel- 
baren Nachfolger konnten ihn auch von Asien erhalten 
haben, und zwar vor der Zeit der phönizischen Colo- 
nien in Griechenland und vor den directen Beziehungen 
Griechenlands mit Aegypten unter der 14. Dynastie.° 

Bei einer sehr alten Einführung von Asien nach 
Aegypten ist aber immer die Annahme eines ununter- 
brochenen Verkehrs von Osten nach Westen während 
eines jüngern Zeitpunktes als die ersten ägyptischen 
Dynastien zulässig. Somit konnten die Westarier und 


1 W, ne, Ascherson, Boissier, Schweinfurth, citirt in Al. Braun, 
2 401: 5. 

2 Heer, Ver. d. Flachs, S. 26. 

3 Maspero, Histoire ancienne des peuples de l’Orient (3. Aufl., Paris 
1873; deutsch Leipzig 1877), S. 13 fg. 

4 Journal of the Royal Asiatic Ses XV, 271, in Heer citirt, a. a. O., S. 6. 

5 Maspero, S. 213 fg. 


160 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


die Phönizier den Flachs oder eine dem Linum an- 
gustifolium überlegene Flachsart während der Periode 
von 2500 bis.1200 Jahre v. Chr. nach Europa ge- 
bracht haben. 

Die Ausbreitung seitens der Arier würde sich weiter 
nach Norden erstreckt haben, als die seitens der Phö- 
nizier. Zur Zeit des trojanischen Krieges bezog man 
in Griechenland noch schöne Leinwand von Kolchis, 
d. h. von der am Fusse des Kaukasus gelegenen Re- 
gion, wo man gegenwärtig den einjährigen gemeinen 
Flachs wildwachsend angetroffen hat. Es scheint nicht, 
als ob die Griechen die Pflanze zu jener Epoche an- 
gebaut hätten.! Die Arier hatten möglicherweise ihre 
Cultur schon nach der benachbarten Donauregion ein- 
geführt. Allerdings machte ich eben erst darauf auf- 
merksam, dass die Ueberreste der Pfahlbauten von 
Laibach und vom Mondsee keine Spur von Flachs er- 
geben haben. In den letzten Jahrhunderten vor der 
christlichen Zeitrechnung bezogen die Rönier sehr schö- 
nen Flachs von Spanien; die Namen der Pflanze in 
jenem Lande lassen jedoch die Vermuthung nicht auf- 
kommen, dass die Einführung durch die Phönizier be- 
werkstelligt worden sei. In Europa kommt kein orienta- 
liıscher Name für Flachs vor, der aus dem Alterthum 
oder dem Mittelalter stammt. Der arabische Name 
Kattan, Kettane oder Kittane, welcher persischen Ur- 
sprungs ist?, hat sich nach Westen hin nur bis zu den 
Kabylen Algeriens ausgebreitet.’ 

Alle Thatsachen und Wahrscheinlichkeiten zusammen- 
genommen, scheinen mir zu folgenden vier Behauptungen 
zu führen, die bis zu spätern Entdeckungen annehmbar 
sein dürften: 

1. Das Linum angustifolium, meistentheils eine peren- 


1 Die griechischen Texte werden besonders in Lenz, Botanik der alten 
Griechen und Römer, S. 672, sowie in Hehn, Culturpflanzen und Haus- 
thiere, 3. Aufl., S. 144, eitirt. 

2 Ad. Pictet, a. a. O. 

3 Dictionnaire francais-berbere, 1844. 


Jute. 161 


nirende, selten zwei- oder einjährige Pflanze, die von 
den Canarischen Inseln bis nach Palästina und dem 
Kaukasus wildwachsend auftritt, wurde in der Schweiz 
und im Norden Italiens von ältern Völkerschaften als 
die Eroberer arischer Rasse angebaut. Ihre Cultur 
wurde von jener des einjährigen Flachses verdrängt. 

2. Der einjährige Flachs (L. usitatissimum), welcher 
wenigstens seit 4 oder 5000 Jahren in Mesopotamien, 
Assyrien und Aegypten angebaut wird, war und ist 
noch jetzt in den zwischen dem Persischen Golf, dem 
Kaspisee und dem Schwarzen Meere gelegenen Län- 
dern spontan. | 

3. Dieser einjährige Flachs scheint von den Fin- 
nen (turanischer Rasse) nach dem Norden Europas 
eingeführt worden zu sein; darauf nach dem übrigen 
Europa von den Westariern, und vielleicht hier und da 
von den Phöniziern; endlich nach der Indischen Halb- 
insel von den Ostariern, nachdem sich diese von den 
Westariern getrennt hatten. 

4. Diese zwei Hauptformen des Flachses finden sich 
in den Culturen, und sind in ihren gegenwärtigen Stand- 
orten wahrscheinlich seit wenigstens 5000 Jahren spon- 
tan. Es ist nicht möglich, ihren frühern Zustand zu 
errathen. Ihre Uebergänge und Abweichungen sind so 
zahlreich, dass man sie als eine Art ansehen kann, 
welche mit zwei oder drei Rassen oder erblichen Varie- 
täten, die selbst wieder Untervarietäten besitzen, aus- 
gerüstet ist. 


Corchorus capsularis und Corchorus olitorius, Linné. 
— Jute (fr. Jute). 

Die Jutefasern, welche man seit einigen Jahren in 
grossen Massen besonders in England einführt, wer- 
den aus den Stengeln dieser zwei Corchorusarten, ein- 
Jährige Pflanzen aus der Familie der Tiliaceen, gewon- 
nen. Ihre Blätter dienen auch als Gemüse. 

Die C. capsularis hat eine fast kugelrunde Frucht, 
die an der Spitze eingedrückt ist und von Längsrippen 


DE CANDOLLE. 4 


162 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


eingefasst wird. Eine gute colorirte.Abbildung findet 
sich in dem Werke von Jacquin fil., „Eclogae“, Taf. 119. 
Die C. olitorius hat dagegen eine längliche Frucht, ähn- 
lich wie die Schote einer Crucifere. Diese Art wird 
im „Botanical Magazine‘, Taf. 2810, und in Lamarck, 
„Illustr.“, Taf. 478, abgebildet. 

Die Arten der Gattung sind ziemlich gleichmässig in 
den warmen Regionen Asiens, Afrikas und Amerikas 
vertheilt; demnach kann der Ursprung einer jeden nicht 
gemuthmaasst werden. Man muss ihm in den Floren 
und Herbarien nachspüren, und dabei historische oder 
andere Angaben zur Hülfe nehmen. 

Die Corchorus capsularis wird häufig auf den Sunda- 
inseln, auf Ceylon, der Indischen Halbinsel, in Bengalen, 
Südchina, auf den Philippinen angebaut!; im allge- 
meinen also in Südasien. In seinem Werke über die 
bei den Bewohnern der Südseeinseln gebräuchlichen 
Pflanzen erwähnt Forster sie nicht, woraus man schliessen 
kann, dass sich ihre Cultur zur Zeit von Cook’s Reise 
vor einem Jahrhundert noch nicht nach jener Richtung hin 
verbreitet hatte. Hiernach darf man selbst vermuthen, 
dass dieselbe auf den Inseln des Indischen Archipels 
nicht auf eine sehr fern liegende Zeit zurückgeht. 

Blume sagt, dass Corchorus capsularis auf dem 
sumpfigen Terrain von Java in der Nähe von Parang? 
wächst, und ich besitze zwei Exemplare von Java, welche 
nicht als angebaute bezeichnet sind.” Thwaites führt 
die Art für Ceylon als „sehr gemein“ an.* Auf dem in- 
dischen Festlande sprechen die Autoren vielmehr von ihr 
als von einer in Bengalen und China angebauten Pflanze. 
Wight, welcher eine gute Abbildung der Pflanze gibt, 
erwähnt keine Geburtsstätte. Edgeworth°, welcher die 
Flora des Districts von Banda durchforscht hat, gibt 


1 Rumphius, Amboin., V, 212; Roxburgh, Fl. indica, II, 581; Lou- 
reiro, Fl. cochinch., I, 408 u. s. w. 

2 Blume, Bijdragen, I, 110. 3 Zollinger, Nr. 1698 und 2761. 

4 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 31. 

5 Edgeworth, Linnaean Soc. Journ., IX. 


Jute. 163 


als solche „die Felder“ an. In der Flora von Britisch- 
Indien drückt sich Masters, welcher die Tiliaceen für 
dieselbe nach den Herbarien von Kew bearbeitete, fol- 
gendermaassen aus: „In den heissesten Gegenden In- 
diens; angebaut in den meisten der Tropenländer.‘ 1 
Ich besitze ein Exemplar von Bengalen, welches nicht 
als angebaut bezeichnet ist. Loureiro sagt: „wildwach- 
send und angebaut in der chinesischen Provinz Canton‘ ?, 
womit er wahrscheinlich andeuten will, dass die Art in 
Cochinchina wildwachsend und in der Provinz Canton 
angebaut ist. In Japan wächst die Pflanze auf Cultur- 
land.? Nehme ich alles zusammen, so glaube ich nicht, 
dass die Art in wirklich spontanem Zustande nördlich 
von Kalkutta auftritt. Sie hat sich vielleicht dort an 
manchen Stellen infolge von Culturen ausgesäet. 

C. capsularis ist nach verschiedenen intertropischen 
Ländern Afrikas oder selbst Amerikas eingeführt worden, 
sie wird aber dort nicht im grossen zur Gewinnung 
der Jutefasern angebaut, wie dies im südlichen Asien, 
besonders in Bengalen der Fall ist. 

Corchorus olitorius wird mehr als Gemüse, weniger 
ihrer Fasern wegen benutzt. Ausserhalb Asiens wird 
sie ausschliesslich ihrer Blätter wegen verwerthet. 
Sie gehört zu den gewöhnlichsten Küchengewächsen der 
neuern Aegypter und Syrier, welche sie im Arabischen 
Melokych nennen, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass 
die Alten sie kannten, denn kein hebräischer Name 
wird genannt.* Die jetzigen Bewohner Kretas bauen 
sie unter dem Namen Mouchlia? an, welcher augen- 
scheinlich dem Arabischen entlehnt ist; den Altgriechen 
war sie unbekannt. 

Den Autoren® zufolge ist diese Corchorusart in mehreren 


1 Masters, in: Hooker, Fl. ind., I, 397. 

2 Loureiro, F1. cochinch., I, 408. 

3 Franchet et Savatier, Enum., I, 66. 

4 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte. 

5 Von Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 53. 

6 Masters, in: Hooker, Fl. Brit. India, I, 397; Aitchison, Catal. Pun- 
jab, S. 23; Roxburgh, Fl. ind., II, 581. 


Lt? 


164 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Provinzen von Britisch-Indien wildwachsend. Thwaites 
sagt, dass sie in den heissen Theilen Ceylons gemein 
ist, auf Java wird sie aber von Blume nur auf den 
Schutthaufen angegeben (in ruderatis). In Cochinchina 
und in Japan finde ich sie nicht erwähnt. Boissier 
(„Fl. or.“) hat Exemplare von Mesopotamien, Afgha- 
nistan, Syrien und Anatolien gesehen, als allgemeine 
Angabe führt er aber nur an: „Culta et in ruderatis 
subspontanea.“ Für die beiden angebauten Corchorus 
kennt man keinen Sanskritnamen.! 

Was das afrikanische Indigenat anbelangt, so drückt 
sich Masters in Oliver’s „Flora of tropical Africa“ 
(I, 262) folgendermaassen aus: „Im ganzen tropischen 
Afrika wildwachsend oder als Gemüse angebaut.“ Er 
bringt zu derselben Art zwei Pflanzen von Guinea, 
welche G. Don als verschiedenartig beschrieben hatte, 
und über deren Spontaneität er wahrscheinlich nichts 
wusste. Ich habe ein Exemplar von Kordofan, welches 
Kotschy (Nr. 45) „am Saume von Hirsefeldern‘“ gesam- 
melt hatte. Meines Wissens nach ist Peters der ein- 
zige Autor, welcher die Spontaneität bestätigt. Er fand 
C. olitorius „im den trockenen Gegenden, sowie auch 
auf den Wiesen in der Umgegend von Sena und Tette‘“. 
Für die ganze Nilregion gibt Schweinfurth die Pflanze 
nur als angebaut an.” Ebenso verhält es sich mit 
der Flora von Senegambien nach Guillemin, Perrotet 
und Richard. 

Nach allem scheint- ©. olitorius in den gemässigten 
Regionen des westlichen Indiens, Kordofans und 
wahrscheinlich einiger dazwischenliegender Länder spon- 
tan zu sein. Die Art würde sich nach Timor hin 
und bis nach Nordaustralien (Bentham, Fl. austr.), 
in Afrika und nach Anatolien hin infolge einer Cultur 
verbreitet haben, welche vielleicht, selbst von ihrem 


1 Piddinston, Index. 
2 Schweinfurth, Beiträge z. Fl. Aethiop., S. 264. 


Gerber-Sumach, Essigbaum. 165 


Ausgangspunkte, nicht weiter als die christliche Zeit- 
rechnung zurückgeht. 

Trotz der in vielen Büchern wiederholten Be- 
hauptung wird die Cultur dieser Pflanze in Amerika 
nur selten erwähnt. Ich bemerke jedoch, dass sie nach 
Grisebach! auf Jamaica eine Naturalisation ausserhalb 
der Gärten herbeigeführt hat, wie dies häufig bei ein- 
jährigen angebauten Pflanzen eintritt. 


Rhus Coriaria, Linne. — Gerber-Sumach, Essigbaum 
(fr. Sumae). 

Dieser Strauch wird in Spanien und Italien? ange- 

baut, um aus den jungen, getrockneten Zweigen und 
Blättern ein Pulver zu bereiten, welches die Gerber 
kaufen. Unlängst sah ich eine Anpflanzung in Sicilien, 
deren Erzeugnisse nach Amerika ausgeführt wurden. 
Da die Eichenrinden immer seltener werden und Gerbe- 
material sehr gesucht wird, liegt die Wahrscheinlichkeit 
vor, dass sich diese Cultur ausbreiten wird und zwar 
um so viel mehr, da sie für trockene und öde Strecken 
geeignet ist. Nach Algerien, Australien, dem Cap, der 
Argentinischen Republik dürfte vielleicht mit ihrer Ein- 
führung ein Versuch gemacht werden. 
Die Alten bedienten sich der Früchte als einer säuer- 
lichen Zuthat zu ihren Speisen, und dieser Brauch hat 
sich hier und da erhalten; ich finde aber keine Be- 
lege, dass sie die Art angebaut hätten. 

Im wilden Zustande wächst sie auf den Canaren, 
auf Madeira, in der Mittelmeerregion und jener des 
Schwarzen Meeres, vorzugsweise auf Felsen und im 
ausgetrockneten Gegenden. In Asien dehnt sich ihr 
Wohnsitz bis zum Süden des Kaukasus, dem Kaspisee 


1 Grisebach, Flora of British W. Ind., S. 97. 

2 Bose, Dietionnaire d’agriculture, beim Worte Sumac. 

3 Die Bedingungen und das Culturverfahren des Gerber-Sumachs sind 
Gegenstand einer wichtigen Abhandlung des Herrn Inzenga gewesen, 
welche im Bulletin de la Société d’acclimatation (Febr. 1877) übersetzt 
wurde. In den Transactions of the Bot. Soc. of Edinburgh, IX, 341, findet 
sich der Auszug einer ersten Abhandlung des Verfassers über denselben 
Gegenstand, 


166 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


und nach Persien aus.! Die Art tritt so häufig auf, 
dass man sie schon vor ihrer Cultur zu verwerthen 
anfing. 

Sumach ist der persische und tatarische Name?, Rous, 
Rhus der alte Name bei den Griechen und Römern.’ 
Man sagt im Französischen Roux oder Roure des cor- 
royeurs (Gerber), was als ein Beweis für die Dauer ge- 
wisser volksthümlicher Namen dienen möge. 


Catha edulis, Forskal. Celastrus edulis, Vahl. — 
Katstrauch (fr. Cat). 

Dieser Strauch aus der Familie der Celastraceen wird 
in Abessinien unter dem Namen T'schut oder Tschat, und 
ım Glücklichen Arabien als Cat oder Gat vielfach an- 
gebaut. Man kaut die Blätter im frischen Zustande 
wie die der Coca in Amerika, mit welcher sie dieselben 
erregenden und stärkenden Eigenschaften theilen. Die 
von nicht angebauten Pflanzen besitzen einen stärkern 
Geschmack und wirken selbst berauschend. In Yemen 
sah Botta ebenso wichtige Katculturen wie die des 
Kaffees, und er berichtet, dass ein Scheikh, der darauf 
angewiesen war, viele Besucher höflich bei sich aufzu- 
nehmen, täglich für 100 Francs Blätter kaufte.* In 
Abessinien gebraucht man die Blätter auch im Aufguss 
wie eine Art Thee.® Trotz der Leidenschaft, mit wel- 
cher man Erregungsmitteln nachspürt, hat sich diese 
Art doch nicht in den benachbarten Ländern, wie Be- 
ludschistan, das südliche Indien u. s. w., verbreitet. 

Der Katstrauch wächst in Abessinien wild. In Ara- 
bien hat man ihn noch nicht als wildwachsende Pflanze 
angetroffen; freilich ist das Innere des Landes den Bo- 
tanıkern fast unbekannt. Sind die nicht angebauten 


1 Ledebour, Fl. ross., I, 509; Boissier, Fl. orient., II, 4. 

2 Nemnich, Polygl. Lexicon, II, 1156; Ainslie, Mat. med. ind., I, 414. 

3 Fraas, Syn. fl. class., S. 85. 

4 Forskal, Flora aegypto-arab., S. 65; Richard, Tentamen fl. abyss., 
I, 134, Taf. 30; Botta, Archives du Museum, II, 73. 

5 Hochstetter, in: Flora, 1841, S. 663. 

6 Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 263; Oliver, Flora of 
tropical Africa, I, 364. 


Mate-Pflanze. Coca-Strauch. 167 


Individuen, von welchen Botta spricht, spontan und im 
Lande heimisch oder den Culturen entsprungen und 
mehr oder weniger naturalisirt? Aus seinem Berichte 
lässt sich dies nicht entnehmen. Vielleicht ist der 
Katstrauch mit dem Kaffeebaum von Abessinien einge- 
führt worden, denn letzterer ist ebenso wenig im spon- 
tanen Zustande in Arabien angetroffen worden. 


Ilex paraguariensis, St.-Hilaire. — Mate-Pflanze (fr. 
Mate). 

Seit undenklichen Zeiten gebrauchen die Bewohner 
Brasiliens und Paraguays die Blätter dieses Strauchs 
wie die Chinesen die des Theestrauchs. Sie sammeln 
dieselben besonders in den feuchten Wäldern des Innern 
zwischen dem 20. und 30° südl. Br., und diese werden 
dann im getrockneten Zustande als Handelsartikel weit- 
hin nach den meisten Ländern Südamerikas geschaft. 
Diese aromatischen und taninhaltigen Blätter enthalten 
einen dem Kaffee und Thee analogen Grundstoff, doch 
finden sie in den Ländern, wo chinesischer Thee ge- 
trunken wird, wenig Beifall. Die Mate-Anpflanzungen 
sind noch nicht von einer solchen Bedeutung, wie die 
Ausbeutung der wildwachsenden Sträucher, sie können 
aber mit der Zunahme der Bevölkerung gleichen Schritt 
halten. Ausserdem ist die Zubereitung eine leichtere 
als die des Thees, weil man die Blätter nicht aufrollt. 
Abbildungen und Beschreibungen der Art, mit zahl- 
reichen Details über ihre Anwendung und Eigenschaften, 
finden sich in den Werken von Saint-Hilaire, Sir W. 


J. Hooker und von Martius.! 


Erythroxylon Coca, Lamarck. — Coca-Strauch (fr. Coca). 
Die Eingeborenen Perus und der benachbarten Pro- 


1 Aug. de Saint-Hilaire, Mém. du Muséum, IX, 351, Ann. d. sec. nat., 
3. Serie, XIV, 52; Hooker, London Journal of Botany, I, 34; de Martius, 
Flora brasiliensis, II, 119. — [J. Münter, Ueber Mate und die Mate-Pflan- 
zen Südamerikas (Greifswald 1883). Nach dem Verfasser, welcher sich 
hierbei besonders auf Bonpland stützt, ist Mate nur der Collectivbegriff 
für mehrere südamerikanische Ilex-Arten, deren Blätter als Thee Verwen- 
dung finden. Anmerk. d. Uebers.] 


168 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


vinzen, zum wenigsten in den heissen und feuchten 
Theilen, bauen diesen Strauch an, von welchem die 
Blätter wie die des Betelpfeffers in Indien gekaut wer- 
den. Dieser Brauch ist ein sehr alter. Er hat sich 
selbst nach den höher gelegenen Regionen verbreitet, 
wo die Art nicht mehr ihr Fortkommen findet. Seitdem 
es gelungen ist, den Hauptbestandtheil der Coca auszu- 
scheiden, und man ihre Vorzüge als tonisches Mittel erkannt. 
hat, welches den Menschen befähigt, Strapazen leichter 
zu ertragen, und welches die Uebelstände alkoholischer 
Getränke nicht theilt, liegt die Wahrscheinlichkeit vor, 
dass man versuchen wird, ihre Cultur, sei es in Amerika 
oder anderswo, weiter auszubreiten. In Guyana, dem 
Indischen Archipel, den Thälern von Sikkim und Assam, 
in Indien, wo die nothwendigen Bedingungen von feuchter 
Luft und Wärme vorhanden sind, könnte dies beispiels- 
weise der Fall sein. Frost ist der Art ganz insbeson- 
dere schädlich. Die besten Localitäten finden sich an 
den Abhängen von Hügeln, wo das Wasser nicht stehen 
bleibt. Ein in der Nähe von Lima gemachter Versuch 
ist nicht geglückt, weil Regen selten war, und vielleicht 
auch infolge ungenügender Wärme.! 

Ich will hier das nicht wiederholen, was in mehreren 
vortrefflichen Arbeiten über die Coca gesagt wird?; nur 
will ich bemerken, dass das ursprüngliche Vaterland 
der Art in Amerika noch nicht mit genügender Sicher- 
heit nachgewiesen worden ist. Dr. Gosse hat festge- 
stellt, dass ältere Autoren, wie Joseph de Jussieu, de 
Lamarck und Cavanilles nur angebaute Exemplare ge- 
sehen haben. Mathews sammelte die Pflanze in Peru 
in der Schlucht (Quebrada) von Chinchao, was eine 
ausser dem Culturbereich gelegene Localität zu sein 
scheint. Auch die Exemplare von Cuchero, welche 


1 Martinet, im Bull. de la Soc. d’acclimatation, 1874, S. 449. 

2 Besonders in dem sehr gediegenen Resumé des Dr. Gosse: Mono- 
graphie de ’Erythroxylon Coca, 1861 (Separatabdruck aus den Mémoires 
de l’Acad. de Bruxelles, Bd. XII). 

5 Hooker, Companion to the Bot. Mag., II, 25. 


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_Pôppig mitbrachte, werden als wildwachsende genannt!, 

doch war der Reisende selbst von ihrer spontanen Be- 
schaffenheit nicht überzeugt.” D’Orbigny glaubt den 
wildwachsenden Cocastrauch an einem Abhange im öst- 
lichen Bolivia gesehen zu haben.? Schliesslich hatte 
Herr Andre die Güte, mir die Erythroxylon seines Her- 
bariums mitzutheilen, und ich habe die Coca in meh- 
reren Exemplaren erkannt, welche vom Flussthale Cauca 
in Neugranada stammten, und auf deren Etikette sich 
die Bemerkung fand: „sehr häufig, spontan oder sub- 
spontan“. Von Triana wird jedoch die Art für sein 
Vaterland Neugranada nicht als spontan anerkannt.* 
Vergleicht man die hohe Wichtigkeit der Pflanze in Peru 
unter der Regierung der Inkas mit ihrem seltenen Ge- 
brauche in Neugranada, so gelangt man zu dem Glau- 
ben, dass die Localitäten des letztgenannten Landes in 
der That Culturplätze sind, und dass die Art nur im 
östlichen Theile Perus und Bolivias ursprünglich zu 
Hause ist, wie dies mit den Angaben verschiedener 
obengenannter Reisender übereinstimmt. 


Indigo. 169 


Indigofera tinctoria, Linne. — Gemeiner Färberindigo 
(fr. Indigotier des teinturiers). 

Diese Indigoart hat einen Sanskritnamen, Nil.’ Der 
lateinische Name Indicum weist darauf hin, dass die 
Römer den Indigo als eine von Indien kommende Sub- 
stanz kannten. In Bezug auf die spontane Eigenschaft 
der Pflanze sagt Roxburgh: „Geburtsstätte unbekannt, 
denn wenn auch augenblicklich in den meisten der in- 
dischen Provinzen wildwachsend, findet sie sich ge- 
meiniglich nie von den Plätzen weit entfernt, wo man 
sie gegenwärtig anbaut oder wo sie angebaut wurde.“ 
Wight und Royle, welche Abbildungen der Art ver- 
öffentlicht haben, lassen hierüber nichts verlauten, und 


1 Peyritsch, in: Flora brasil., Fasc. 81, S. 156. 

2 Hooker, a. a. O. 3 Gosse, Monogr., S. 12. 

4 Triana et Planchon, in: Annales des sc. nat., Ser. 4, XVIII, 338. 
5 Roxburgh, Flora indica, III, 379. 


170 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


neuere Floren Indiens geben die Pflanze nur als ange- 
baut an.! Mehrere andere Indigofera-Arten sind in 
Indien spontan. 

Diese hat man in den sandigen Gegenden von Sene- 
gal? gefunden, andere afrıkanische Fundstätten werden 
nicht angegeben, und da sie in Senegal häufig angebaut 
wird, schliesse ich auf eine Naturalisation. Durch das 
Vorkommen eines Sanskritnamens wird der asiatische 
Ursprung ziemlich wahrscheinlich. 


Indigofera argentea, Linne. — Silberfarbiger Indigo 
(fr. Indigotier argenté). 

Diese Art ist entschieden in Abessinien, Nubien, 
Kordofan und Sennaar? wildwachsend. In Aegypten 
und Arabien baut man sie an. Danach sollte man 
glauben, dass es die Art ist, aus welcher die alten 
Aegypter eine blaue Farbe gewannen, sie liessen aber 
vielleicht den Indigo von Indien kommen, denn die 
Cultur in Aegypten geht wahrscheinlich nicht über das. 
Mittelalter zurück.? 

Eine etwas verschiedene Form, welche Roxburgh als 
Art bezeichnete (Indigofera caerulea), die aber eher 
eine Varietät zu sein scheint, wird in den Ebenen der 
Indischen Halbinsel und Beludschistans wildwachsend 
angetroffen. 


Amerikanische Indigo-Arten. 

Wahrscheinlich kommen eine oder zwei Indigofera- 
Arten ursprünglich in Amerika vor, sie sind aber schlecht 
bestimmt, in den Culturen oft mit den Arten der Alten 
Welt vermischt und ausserhalb derselben naturalisirt. 
Die Synonymie ist eine zu ungewisse, als dass ich es 


1 Wight, Icones, Taf. 365; Royle, Ill. Himal., Taf. 195; Baker, in: 
Flora of British India, II, 98; Brandis, Forest Flora, S. 136. 

2 Guillemin, Perrottet et Richard, Florae Seneg. tentamen, S. 178. 

3 Richard, Tentamen fl. abyss., I, 184; Oliver, Fl. of trop. Africa, II, 
97; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256. 

4 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 66; Pickering, Chronol. 
arrang., S. 443. x 

5 Reynier, Economie des Juifs, S. 439; des Egyptiens, S. 354. 


Echte Alkanna, Hennastrauch. 271 


wagen sollte, nach ihrem Vaterlande weiter zu forschen. 
Einige Autoren glaubten, dass die I. Anil Linné’s eine 
dieser Arten sei. Jedoch sagt Linné, dass seine Pflanze 
von Indien stammt („Mantissa“, S. 273). Die blaue 
Farbe der alten Mexicaner wurde, nach dem was Her- 
nandez ! darüber erzählt, aus einem von den Indigofera 
sehr verschiedenen Gewächs gewonnen. 


Lawsonia alba, Lamarck (Lawsonia inermis und L. 
spinosa verschiedener Autoren). — Echte Alkanna, 
Hennastrauch (fr. Henne). 

Die Sitte der Frauen des Orients, sich die Nägel 
mit dem aus den Blättern des Hennastrauchs gewonne- 
nen Safte roth zu färben, geht auf ein sehr hohes Alter- 
thum zurück. In den alten Gemälden und den ägyp- 
tischen Mumien findet sich hierfür der Beleg. 

Schwer hält es, zu wissen, wann und in welchem 
Lande man die Art anzubauen angefangen hat, um den 
Ansprüchen einer ebenso lächerlichen wie bleibenden 
Mode zu genügen, sie kann aber auf eine sehr frühe 
Epoche zurückgehen, weil die Bewohner von Babylon, 
Ninive und der Städte Aegyptens Gärten besassen. Die 
Gelehrten werden es feststellen können, ob der Gebrauch, 
die Nägel zu färben, in Aegypten unter dieser oder 
jener Dynastie, vor oder nach gewissen Communicationen 
mit den orientalischen Völkern angefangen hat, für un- 
sere Zwecke genügt es, zu wissen, dass die Lawsonia, 
ein Strauch aus der Familie der Lythraceen, mehr oder : 
minder spontan in den heissen Regionen des westlichen 
Asien und Afrikas, im Norden des Aequators auftritt. 

Ich besitze Exemplare, die von Indien, Java, Timor, 
selbst von China? und Nubien stammen, bei welchen 
nicht gesagt ist, ob sie von angebauten Pflanzen ge- 
nommen waren, und andere Exemplare von Guyana und 
den Antillen, welche zweifelsohne von eingeführten In- 
dividuen der Art abstammen. Stoks fand sie als ein- 


1 Hernandez, Thes., S. 108. 2 Fortune, Nr. 32. 


172 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


heimische Pflanze in Beludschistan!, Roxburgh des- 
gleichen an der Küste von Koromandel?, und Thwaites? 
erwähnt sie für Ceylon in einer Weise, welche 
eine spontane Art muthmaassen lässt. Clarke* hat 
sie „als in Indien sehr gemein und angebaut, im 
östlichen Theile vielleicht wildwachsend“ ausgegeben. 
Möglich ist es, dass sie sich in Indien von ihrem 
ursprünglichen Vaterlande aus weiter verbreitet hat, 
wie dies im 17. Jahrhundert zu Amboinaÿ und 
später auf den Antillen® infolge der Culturen einge- 
treten ist, denn die Pflanze wird auch des Wohlgeruchs 
ihrer Blumen wegen geschätzt und vermehrt sich stark 
durch Samen. Dieselben Zweifel stellen sich uns für 
das Indigenat in Persien, Arabien, Aegypten (vorzugs- 
weise Culturland), Nubien und bis in Guinea entgegen, 
wo man Exemplare gesammelt hat.” Es ist nicht sehr 
unwahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz der Art von 
Indien nach Nubien erstreckte; indessen gehört eine 
derartige geographische Verbreitung zu den ziemlich sel- 
tenen Fällen. Vielleicht vermögen die volksthümlichen 
Namen einige Aufklärung zu bieten. 

Man schreibt der Art einen Sanskritnamen zu, Sa- 
kachera°®; da derselbe aber in den verschiedenen Namen 
der neuern Sprachen Indiens keine Spur zurückgelassen 
hat, hege ich einige Zweifel über seine Echtheit. Der 
persische Name Hanna hat sich mehr als alle andern 
verbreitet und erhalten (Hina der Hindus, Henneh und 
Alhenna der Araber, Kinna der Neugriechen). Der 
von Cypros, welchen die Syrer zur Zeit von Dioscorides? 
gebrauchten, hat sich nicht derselben Gunst zu erfreuen 
gehabt. Dieser Umstand trägt zur Bekräftigung der 
Ansicht bei, dass die Art ursprünglich an den Grenzen 


= Aitchison, Catal. of Punjab ete., S. 60; Boissier, Fl. or., II, 744. 

2 Roxburgh, Fl. ind., II, 258. 3’ Thwaites, Enum. Ceyl., S. 122. 
Clarke, in: Hooker, Fl. Brit. India, II, 573. 

Rumphius, Amb., ve 42. 6 Grisebach, Fl. Brit. W. Ind., I, 271. 
Oliver, Fl. of trop. Africa, II, 483. 

Piddington, Index to plants of India. 

9 Dioscorides, I, Kap. 124; Lenz, Bot. d. Alterthumsk., S. 177. 


ao op 19 


1°". 
1% 


- LL 
be 
ee. 


Taback. 143 


Persiens und Indiens oder in Persien zu Hause war, 
-und dass der Gebrauch wie die Cultur einst von Osten 
nach Westen, von Asıen nach Afrika fortschritten. 


Nieotiana Tabacum, Linne, und andere Arten der 
Gattung. — Taback (fr. Tabac). 

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas war der Gebrauch 
des Rauchens, Schnupfens oder Kauens im grössten 
Theile dieses ungeheuern Continents verbreitet. Aus 
den von dem berühmten Anatomen Tiedemann! sehr 
vollständig gesammelten Berichten der ersten Reisenden 
ersehen wir, dass man in Südamerika nicht rauchte, 
sich aber des Schnupf- und Kautabacks bediente; nur 
in der La-Plata-Region, in Uruguay und Paraguay wurde 
der Taback in keinerlei Weise gebraucht. In Nord- 
amerika-war der Gebrauch des Rauchens von der Land- 
enge von Panama und den Antillen bis nach Canada 
und Californien ein allgemeiner, und er war mit Um- 
ständen verknüpft, welche auf ein hohes Alter hin- 
weisen. So hat man Pfeifen in den Gräbern der Az- 
teken Mexicos? und in den Grabhügeln (mounds) der 
Vereinigten Staaten gefunden. Dieselben sind sehr zahl- 
reich und von einer besondern Arbeit; einige stellen 
Thiere dar, die Nordamerika fremd sind.? 

Da die Tabacke einjährige Pflanzen sind, welche un- 
geheuere Mengen von Samen liefern, war es leicht, sie 
anzusäen, anzubauen oder sie auch mehr oder weniger 
in der Nähe menschlicher Wohnplätze zu naturalisiren, 
es darf aber nicht übersehen werden, dass man in den 
verschiedenen Regionen Amerikas auch verschiedene 
Arten der Gattung Nicotiana gebrauchte, was auf einen 
verschiedenen Ursprung hinweist. 

Die gemeiniglich angebaute Nicotiana Tabacum war die 


1 Tiedemann, Geschichte des Tabacks, 1854; für Brasilien siehe Mar- 
tius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachkunde Amerikas, I, 719. 

2 Tiedemann, S. 17, Taf. 1. 

3 Die Zeichnungen dieser Pfeifen werden dargestellt in dem neuern 
Werke von de Nadaillac: Les premiers hommes et les temps préhisto- 
riques, II, 45 u. 48, 


174 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


verbreitetste Art und zuweilen die einzige, welche 
man in Südamerika und auf den Antillen gebrauchte. 
Die Spanier führten den Gebrauch des Tabacks nach 
den La-Plata-Staaten, Uruguay und Paraguay ein!, und 
man muss demnach den Ursprung der Pflanze mehr im 
Norden suchen. Martius ıst nicht der Ansicht, dass die- 
selbe in Brasilien einheimisch war?, und sagt ausser- 
dem, dass die alten Brasilianer die Blätter einer in- 
ländischen Art, welche die Botaniker Nicotiana Langs- 
dorffii genannt haben, zum Rauchen verwertheten. Als 
ich im Jahre 1855 die Frage über den Ursprung prüfte?, 
standen mir nur die von Blanchet aus der Provinz 
Bahia unter Nr. 3223 a geschickten, dem Anscheine 
nach spontanen Exemplare von N. Tabacum zur Ver- 
fügung. Weder vor noch nach dieser Zeit ist ein an- 
derer Autor glücklicher gewesen, und ich ersehe, dass 
die Herren Flückiger und Hanbury in ihrer vortreff- 
lichen Arbeit über Pflanzen-Droguen * ausdrücklich be- 
merken: „Der gemeine Taback ist amerikanischen Ur- 
sprungs, indess hat man ihn heutzutage dort nicht 
im wildwachsenden Zustande angetroffen“. Ich will es 
wagen, dieser Behauptung zu widersprechen, wenn auch 
die spontane Eigenschaft immer anfechtbar bleibt, so- 
bald es sich um eine Art handelt, die sich so leicht 
ausserhalb der Anpflanzungen ausbreitet. 

In den Herbarien trifft man viele in Peru gesammelte 
Exemplare an, bei welchen nicht bemerkt ist, ob sie 
angebaut waren oder sich in der Nähe von Culturen 
befanden. Boissier’s Herbarium enthält zwei von Pavon 
gesammelte, die aus verschiedenen Localitäten kommen.? 
Pavon sagt in seiner Flora (II, 16), dass die Art in 


1 Tiedemann, S. 38, 39. 

2 Martius, Syst. mat. med. bras., S. 120; Fl. bras., X, 191. 

3 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 849. 

4 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale, fran- 
zösische Ausg., 1878, II, 150. 

5 Das eine derselben wird als Nicotiana fruticosa aufgeführt, dies ist 
meiner Ansicht nach dieselbe Art von hohem Wuchse, aber nicht holzig, 
wie der Name vermuthen lässt. Die N. auriculata, Bertero, ist nach mei- 
nen authentischen Exemplaren ebenfalls die N. Zabacum. 


% its 


7 - 


Taback. 175 


den feuchten und warmen Wäldern der peruanischen 
Anden wächst, und dass sie angebaut wird. Von noch 
grösserer Bedeutung sind die Exemplare, welche Eduard 

ndré in der Republik Ecuador bei Saint-Nicolas am 
westlichen Abhange des Vulkans Corazon in einem von 
jeglicher Niederlassung weit entfernten Urwalde ge- 
sammelt hat; er hatte die Güte, mir dieselben zu schicken, 
und sie gehören augenscheinlich zu N. Tabacum von 
hohem Wuchse (2—3 Meter), deren obere Blätter schmal 
und lang zugespitzt sind, gerade so wie Hayne und 
von Miller sie abgebildet haben.! Die untern Blätter 
fehlen. Die Blume, welche die wirklichen Charaktere 
der Art gibt, ist jedenfalls die von N. Tabacum, und 
es ist bekannt, dass diese Pflanze in den Culturen rück- 
sichtlich ihres Wuchses und der Grösse ihrer Blätter 
sehr veränderlich ist.? 

Breitete sich das ursprüngliche Vaterland im Norden 
bis nach Mexico, im Süden nach Bolivia, im Osten nach 
Venezuela hin aus? Dies ist sehr möglich. 

Die Nicotiana rustica, Linné, eine von N. Tabacum? 
sehr verschiedene Art mit gelblichen Blumen, welche 
eine grobe Tabacksorte liefert, wurde bei den alten 
Mexicanern und den Eingeborenen im Norden Mexicos 
häufig angebaut. Ich besitze ein von Douglas aus 
Californien im Jahre 1839 mitgebrachtes Exemplar; zu 
der Zeit waren die Colonisten noch selten, jedoch er- 
kennen die amerikanischen Autoren die Pflanze nicht 
als spontan an, und Dr. Asa Gray bemerkt, dass sie 
sich auf öden Strecken Landes aussäet.* Das ist viel- 
leicht bei den Exemplaren des Herbariums von Boissier 
eingetreten, welche Pavon in Peru gesammelt hatte, die 
er aber in seiner peruanischen Flora nicht erwähnt. 


1 Hayne, Arzneikunde d. Gewächse, Bd. XII, Taf. 41; Miller, Gar- 
dener’s Dict., Taf. 186, Fig. 1. 

2 In den Exemplaren des Herrn André ist die Samenkapsel auf ein 
und derselben Pflanze bald kürzer, bald länger als der Kelch. 

3 Siehe die Abbildungen von N. rustica in Plée: Types de familles 
naturelles de France, Solanées; Bulliard, Herbier de France, Taf. 289. 

4 Asa Gray, Synoptical Flora of N. A. (1378), S. 241. 


do‘ = ii Fr 


176 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Die Pflanze wächst massenhaft bei Cordova in der Ar- 
gentinischen Republik!, der Zeitpunkt, seit wann dies der 
Fall ist, ist aber nicht bekannt. Nach dem alten Ge- 
brauche der Pflanze und dem Vaterlande der ihr am 
nächsten stehenden Arten sprechen die Wahrscheinlich- 
keiten zu Gunsten eines Ursprungs in Men; Texas 
oder Californien. 

Mehrere Botaniker, selbst amerikanische, glaubten, 
dass die Art der Alten Welt angehöre. Dies ist sicher- 
lich ein Irrthum, wenn sich auch die Pflanze hier und 
da selbst in unsern Wäldern und zuweilen in grossen 
Mengen ? im Gefolge der Culturen ausbreitet. Die Au- 
toren des 16. Jahrhunderts haben von ıhr als einer 
fremdländischen Pflanze gesprochen, die in den Gärten 
eingeführt war und sich bisweilen dem Bereiche der- 
selben entzog.” In einigen Herbarien trifft man sie an 
unter den Namen von N. tatarica, turcica oder sibirica, 
dann handelt es sich aber um in den Gärten angebaute 
Exemplare, und kein Botaniker hat die Art in Asien 
oder an den Grenzen dieses Welttheils mit den An- 
zeichen einer spontanen Pflanze angetroffen. 

Dies veranlasst mich, einen Irrthum zu widerlegen, 
der trotz meiner im = 1855 gelieferten Beweise 
allgemeiner verbreitet ist, und eine grössere Zähigkeit 
zeigt, nämlich den, einige schlecht beschriebene Arten 
nach angebauten Exemplaren als in der Alten Welt, 
besonders in Asien einheimisch anzusehen. Die Beweise 
für den amerikanischen Ursprung haben sich so ver- 
mehrt, und sind so übereinstimmend, dass ich sie, ohne 
mich auf viele Details einzulassen, folgendermaassen 
zusammenfassen kann: 

A. Von etwa 50 im wildwachsenden Zustande an- 
getroffenen Arten der Gattung Nicotiana sind nur zwei 
Amerika fremd, nämlich: 1) die N. suaveolens von Au- 
stralien, zu welcher man jetzt auch die N. rotundifolia 


1 Martin de Moussy, Descript. de la r&p. Argentine, I, 196. 
2 Bulliard, a. a. O. 
3 Caesalpinus, Buch VIII, Kap. 44; Bauhin, Hist., III, 630. 


Taback. 171 


desselben Landes rechnet, und die Ventenat irrthüm- 
licherweise N. undulata genannt hatte; 2) die N. fra- 
grans, Hooker (,,Bot. Mag.“, Taf. 4865) von der Nor- 
folkinsel, in der Nähe von Neucaledonien, welche sich 
nur wenig von der vorhergehenden unterscheidet. 

B. Obgleich die asiatischen Völker grosse Taback- 
liebhaber sind, und seit einer fern gelegenen Zeit dem 
Rauchen einiger narkotischer Pflanzen zugethan waren, 
hat doch keins derselben den Taback vor der Ent- 
deckung Amerikas gebraucht. Von Tiedemann, welcher 
die Schriften der Reisenden des Mittelalters sorgfältig 


 durchgesehen hatte, wurde dies sehr gut nachgewiesen. ! 


Selbst für eine weniger alte Epoche, die gleich auf die 


' Entdeckung Amerikas folgte, nämlich die von 1540— 


1603, citirt er mehrere Autoren, und unter ihnen Bo- 
taniker wie Belon und Rauwolf, welche das türkische 
Reich und Persien durchstreiften, die Gebräuche mit 
grosser Aufmerksamkeit beobachteten, und nicht ein 
einziges mal den Taback erwähnt haben. Augenschein- 
lich wurde derselbe nach der Türkei zu Anfang des 
17. Jahrhunderts eingeführt, und erhielten die Perser 
ihn sehr schnell von den Türken. Thomas Herbert ist 
der erste Europäer, welcher über das Rauchen in Per- 
sien nach eigener Anschauung im Jahre 1626 berichtet. 
Keiner der folgenden Reisenden hat den Gebrauch des 
Nargileh als gut eingebürgert zu erwähnen vergessen. 


 Olearius beschreibt diesen Apparat, welchen er im 


Jahre 1633 gesehen hatte. Für Indien wird der Taback 
zuerst im Jahre 1605? erwähnt, und es ist wahrschein- 
lich, dass seine Einführung durch die Europäer bewerk- 
stelligt wurde. Nach dem Reisenden Methold® fing 
sie 1619 in Arracan und Pegu an. Es haben sich 


1 Tiedemann, Geschichte des Tabacks (1854), S. 208. Zwei Jahre früher 
hatte Volz (Beiträge zur Culturgeschichte) schon eine grosse Anzahl von 
Thatsachen über die Einführung des Tabacks nach verschiedenen Läu- 
dern zusammengebracht. 

2 Nach einem ungenannten indischen Schriftsteller, auf welchen Tiede- 
mann hinweist, S. 229. 

3 Tiedemann, S. 234. 


DE CANDOLLE, 12 


178 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


einige Zweifel in Bezug auf Java erhoben, weil Rumphius, 
ein sehr genauer Beobachter, welcher in der zweiten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts schrieb, gesagt hat!, dass 
der Taback nach den Ueberlieferungen einiger Greise 
vor Ankunft der Portugiesen im Jahre 1511 als Medi- 
cament gebraucht wurde und der Gebrauch des Rauchens 
erst durch die Europäer eingeführt wurde. Freilich 
fügt Rumphius hinzu, dass der Name Tabaco oder 
Tambuco, der in allen Gegenden verbreitet ist, 
fremden Ursprungs ist. Sir Stamford Raffles? nennt 
dagegen das Jahr 1601 als Datum der Einführung des 
Tabacks auf Java, und stützt sich dabei auf zahlreiche 
historische Untersuchungen über diese Insel. Die Portu- 
giesen hatten freilich die Küsten Brasiliens in den Jah- 
ren 1500—4 entdeckt; Vasco da Gama sowol wie auch 
seine Nachfolger gingen aber nach Asien um das Cap 
herum, oder durch das Rothe Meer, sodass sie schwerlich 
häufige oder directe Communicationen zwischen Amerika 
und Java eröffnen konnten. Nicot hatte die Pflanze 
1560 in Portugal gesehen; demnach haben die Portu- 
giesen sie wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 
16. Jahrhunderts nach Asien gebracht. Es wird von 
Thunberg bestätigt?, dass der Gebrauch des Tabacks 
von den Portugiesen nach Japan eingeführt wurde, und 
nach alten von Tiedemann genannten Reisenden geschah 
dies zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Schliesslich 
besitzen die Chinesen kein ursprüngliches und altes 
Schriftzeichen für den Taback: ihre Porzellanmalereien, 
welche sich in der dresdener Sammlung befinden, zeigen 
häufig seit dem Jahre 1700, nie aber zuvor, verschie- 
dene, sich auf den Taback beziehende Details*; endlich 
stimmen die Sinologen in der Aussage überein, dass 
die chinesischen Werke diese Pflanze nicht vor dem 


1 Rumphius, Herb. Amboin., V, 225. 

2 Raffles, Description of Java, S. S5. 

3 Thunberg, Flora japonica, S. 91. 

4 Klemm, angeführt in Tiedemann, S. 256. 


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Taback. 179 


Ende des 16. Jahrhunderts erwähnen.! Vergegenwärtigt 
man sich die reissende Geschwindigkeit, mit welcher 
sich der Tabacksgebrauch überall, wohin er eingeführt 
wurde, verbreitet hat, so fallen diese Aufschlüsse über 
Asien ganz besonders ins Gewicht. 

C. Die volksthümlichen Namen des Tabacks bestä- 
tigen einen amerikanischen Ursprung. Wenn es ein- 
heimische Nicotiana-Arten in der Alten Welt gäbe, so 
würde man auch eine Menge verschiedener Namen ken- 
nen; im Gegentheil stammen aber die chinesischen, ja- 
panesischen, javanesischen, indischen, persischen Namen 
u. s. w. mit leichten Abänderungen von den amerika- 
nischen Namen Petum oder Tabak, Tabok, Tamboc ab. 
Freilich eitirt Piddington Sanskritnamen, Dhumrapatra 
und Tamrakouta?, doch weiss ich von Adolphe Pictet, 
dass der erste dieser Namen, welcher sich im Wörter- 
buch von Wilson nicht findet, Blatt zum Rauchen be- 
deutet, und von einer neuern Zusammensetzung zu sein 
scheint, während der zweite wahrscheinlich nicht älter 
ist und als irgendeine moderne Abänderung der ame- 
rikanischen Namen - erscheint. Das arabische Wort 
Docchan bedeutet einfach Rauch.° 

Schliesslich müssen wir unsere Aufmerksamkeit noch 
zwei Nicotiana-Arten zuwenden, die asiatisch sein sollen. 
Die eine, welche Lehmann Nicotiana chinensis nannte, 
kam von dem russischen Botaniker Fischer, welcher 

“ China als Vaterland angab. Lehmann hatte sie in einem 
Garten gesehen; nun weiss man aber, bis zu welchem 
Punkte der Ursprung der angebauten Pflanzen von den 
Gärtnern häufig als falsch angegeben wird, und es scheint 
ausserdem nach der Beschreibung einfach die N. Taba- 
cum gewesen zu sein, von welcher man die Samen viel- 
leicht von China erhalten hatte.* Die zweite Art ist 


1 Stanislas Julien, in: de Candolle, Géographie bot. rais., S. 851; Bret- 
schneider, Study and value of Chinese botan. works, S. 17. 

2 Piddington, Index. 3 Forskal, S. 63. 

4 Lehmann, Historia Nicotianarum, S. 18. Die Bezeichnung sufruti- 
cosa ist eine auf Taback bezügliche Uebertreibung, weil alle Arten ein- 
jährig sind. Ich habe schon bemerkt, dass die N. suffruticosa einiger Au- 
toren die N. Tabacum ist. 


126 


180 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


die N. persica von Lindley, im „Botanical Register“ 
(Taf. 1592) abgebildet, deren Samen von Ispahan an 
die Londoner Gartenbau-Gesellschaft als die des besten 
in Persien angebauten Tabacks, des Schiras, geschickt 
worden waren. Es entging Lindley, dass seine Pflanze 
ganz genau die N. alata war, welche Link und Otto! 
drei Jahre früher nach einer Pflanze des berliner Bo- 
tanischen Gartens abgebildet hatten. Dieselbe kam von 
Samen aus dem südlichen Brasilien, welche Sello ein- 
geschickt hatte. Hier haben wir es gewiss mit einer 
brasilianischen Art zu thun, die eine weisse, sehr ver- 
längerte Blumenkrone hat und der Nicotiana suaveolens 
von Australien nahesteht. Somit ist die bisweilen mit 
dem gemeinen Taback gleichzeitig in Persien angebaute 
Tabackssorte, die sich durch feinern Wohlgeruch aus- 
zeichnen soll, amerikanischen Ursprungs, wie ich dies 
schon 1855 in meiner „Geographie botanique“ ver- 
muthet hatte. Es fehlt mir eine Erklärung dafür, wie 
diese Art nach Persien eingeführt wurde. Es muss 
durch Samen geschehen sein, die aus einem Garten 
stammten, oder zufällig von Amerika kamen, und es 
ist nicht wahrscheinlich, dass ıhr Anbau in Persien 
sewöhnlich war, denn Olivier und Bruguière, wie 
auch andere Naturforscher, welche die Tabacksculturen 
in jenem Lande gesehen haben, sprechen nicht davon. 

Aus allen diesen Gründen gelangt man zu dem 
Schlusse, dass keine Tabacksart ursprünglich in Asien 
vorkommt. Alle sind amerikanisch, mit Ausnahme von 
N. suavcolens von Australien und N. fragrans von der 
Norfolkinsel im Süden Neu-Caledoniens. 


Mehrere andere Nicotiana- Arten als Tabacum und 


rustica sind hier und da von den Wilden oder auch 
aus Wissbegier von den Europäern angebaut worden. 


1 Link et Otto, Icones plant. rar. horti ber., S. 63, Taf. 32. Sendtner, 
in: Flora brasil., X, 167, beschreibt dieselbe Pflanze von Sello, und zwar 
wie es scheint, nach den von diesem Reisenden eingeschickten Exemplaren, 
und Grisebach, Symbolae fl. argent., S. 243, erwähnt die N. alata für die 
Provinz Entrerios in der Argentinischen Republik. 


Zimmtlorber, echter Kaneel. 181 


Eigenthümlich ist es, dass man solchen Anbauversuchen 

nicht grössere Aufmerksamkeit widmet, denn ganz be- 
sondere Tabackssorten könnten vielleicht auf diese Weise 
gewonnen werden. Die Arten mit weissen Blumen 
würden wahrscheinlich leichte und wohlriechende Sorten 
geben, und da gewisse Raucher den stärksten Tabacken 
zugethan sind, möchte ich ihnen die Nicotiana angusti- 
folia von Chile empfehlen, welche die Eingeborenen 
Tabaco del Diablo! nennen. 


Cinnamomum zeylanicum, Breyn. — Zimmtlorber, 
echter Kaneel (fr. Cannelier). 

In grossen Mengen findet sich dieser kleine Baum 
aus der Familie der Lauraceen in den Wäldern Ceylons, 
und es ist die Rinde seiner jungen Zweige, welche den 
Zimmt des Handels ausmacht. Gewisse Formen, welche 
im continentalen Indien wildwachsend vorkommen, wur- 
den früher als ebenso viele verschiedene Arten ange- 
sehen; die anglo-indischen Botaniker stimmen aber 
darin überein, dieselben mit der ceylonischen Art zu 
vereinigen.? 

Seit den ältesten Zeiten sind die Rinden des Zimmt- 
lorbers und anderer nicht angebauter Cinnamomum- 
arten, welche die Cassiarinde liefern, wichtige Handels- 
artikel gewesen. Die Herren Flückiger und Hanbury? 
haben diesen historischen Punkt mit einer so vollstän- 

. digen Gelehrsamkeit behandelt, dass wir einfach auf 
ihr Werk verweisen wollen. Für unsere Zwecke muss 
die Angabe von Wichtigkeit sein, dass der Anbau des 
Zimmtlorbers viel neuern Datums ist, als die Ausbeu- 
tung der Art. Erst in den Jahren 1765—70 machte 
ein vom Gouverneur Falck unterstützter Colonist, Na- 
mens Koke, Anpflanzungen auf dieser Insel, welche den 


1 Bertero, im Prodr., XII, Abth. I, 568. ; 
R es Thwaites, Enum. Zeylaniae, S. 252; Brandis, Forest Flora of India, 
, ESA 
3 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale, 
franzôs. Uebers., II, 224; Porter, The tropical Agriculturist, S. 268. 


182 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


besten Erfolg hatten. Seit einigen Jahren haben die- 
selben auf Ceylon abgenommen, man hat sie aber an- 
derswo, in den Tropenländern der Alten und Neuen 
Welt ausgeführt. Die Art naturalisirt sich leicht ausser- 
halb der Culturen!, weil die Vögel den Früchten sehr 
nachstellen und die Samen in den Wäldern aussäen. 


Bochmeria nivea, Hooker et Arnott. — Chinesischer 
Hanf. Chinagras der Engländer (fr. Ramié). 

Seit etwa 30 Jahren ist die Cultur dieser werthvollen 
Urticacee nach dem Süden der Vereinigten Staaten und 
Frankreich eingeführt worden; aber schon vor dieser 
Zeit wurde durch den Handel der ausserordentliche 
Werth dieser Fasern bekannt gemacht, die zäher als 
Hanf sind und in gewissen Fällen sogar biegsamer als 
Seide. In mehreren Werken finden sich interessante 
Details über die Art und Weise, die Pflanze anzu- 
bauen, und über die Gewinnung ihrer Fasern.” Ich 
will mich hier darauf beschränken, den geographischen 
Ursprung so gut wie möglich anzugeben. 

Zu diesem Zwecke darf man den oft recht nichts- 
sagenden Worten der Autoren ebenso wenig Glauben 
schenken, wie den Etiketten an den Herbarıum-Exem- 
plaren, denn der Fall ist häufig eingetreten, dass man 
die angebauten Individuen, solche, welche den Culturen 
entsprungen sind, oder auch wirklich wildwachsende, 
nicht voneinander unterschieden hat, dass man ferner 
die Verschiedenheit der zwei Formen, der Boehmeria 
nivea (Urtica nivea, Linne und Boehmeria tenacissima, 
Gaudichaud, oder B. candicans, Hasskarl), welche wegen 
ihrer von einigen Botanikern beobachteten Uebergänge 
zwei Varietäten ein und derselben Art zu sein schei- 
nen, unberücksichtigt gelassen hat. Es gibt selbst eine 


1 Brandis, a. a. O. Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 179. 

2 Comte de Malartic, Journal d’agric. pratique, 7. Dec. 1871, 1872, 
Bd. II, Nr. 31; de la Roque, ebend., Nr. 29, Bull. Soc. d’acclimat., Juli 
1872, S. 463; Vilmorin, Bon Jardinier, 1880, I, 700; Vetillart, Études sur 
les fibres végét. textiles, S. 99, Taf. 2. j 


Untervarietät, deren Blätter auf beiden Seiten grün 
“sind, welche von den Amerikanern und von Herrn de 
Malartic im Süden Frankreichs angebaut wird. 

Die vor alters bekannte Form (Urtica nivea, Linne), 
deren Blätter auf der untern Seite sehr weiss sind, 
wird als in China und einigen Nachbarländern wachsend 
angegeben. Linne sagt, dass sie sich auf den Mauern 
in China findet, was sich auf eine Schuttpflanze, die 
den Culturen ihr Dasein verdankt, bezöge; Loureiro ! 
sagt aber: Habitat, et abundanter colitur in Cochinchina 
et China, und nach Bentham? hat der Sammler Cham- 
pion sie massenhaft in den Schluchten der Insel Hong- 
kong gefunden. Franchet und Savatier * zufolge zeigt 
sie sich in Japan in den Gebüschdickichten und 
Hecken (in fruticetis umbrosis et sepibus). Von 
Blanco* wird sie für die Philippinen als sehr gemein 
angegeben. Es liegen mir keine Beweise vor, dass sie 
auf Java, Sumatra und andern Inseln des Indischen 
Archipels spontan sei. Rumphius? kannte sie nur als 
angebaute Pflanze. NRoxburgh ® glaubte sie auf Su- 
_matra einheimisch, was von Miquel? nicht bestätigt wird. 

Die andern Formen sind nirgends wild gefunden wor- 
den, was die Annahme bekräftigt, dass es in den Cul- 
turen aufgekommene Varietäten sind. 


Hanf. 183 


Cannabis sativa, Linne. — Gemeiner Hanf (fr. Chanvre). 
Des Hanfes mit seinen beiden, zweihäusigen Formen, 
der männlichen und weiblichen, wird in den ältesten 
chinesischen Werken, ganz besonders in dem 500 Jahre 
v. Chr. geschriebenen „Shu-king“, Erwähnung gethan.® 
Man kennt von ihm Sanskritnamen, Banga und Gangika”, 


Loureiro, Flora cochinch., II, 683. 

Bentham, Flora Hongkong, S. 331. 

3 Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, 439. 

4 Blanco, Flora de Filip., 2. Aufl., S. 484. 

5 Rumphius, Amboin., V, 214. 6 Roxburgh, Fl. ind., IIT, 590. 
7 Miquel, Sumatra, deutsche Ausg., S. 170. 

8 Bretschneider, Value of Chinese botanical works, S. 5, 10, 48. 
9 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 772. 


1 
2 


Ed: D 4 


nach Piddington’s! Orthographie Bhanga und Gunjika. 
Die Wurzel dieser Namen ang oder an findet sich in 
allen neuern indo-europäischen und semitischen Sprachen 
wieder: Bang im Hindustani und Persischen, Ganga 
im Bengalischen?, Hanf im Deutschen, Hemp im Eng- 
lıschen, Kanas im Keltischen und neuern Niederbre- 
tonischen?, Cannabis im Griechischen und Lateinischen, 
Cannab im Arabischen. 

Nach Herodot (geb. im Jahre 484 v. Chr.) gebrauchten 
die Skythen den Hanf, zu seiner Zeit war er aber den 
Griechen kaum bekannt.5 Hiero IL, König von Syra- 
kus, kaufte den Hanf für die Taue seiner Schiffe in 
Gallien, und Lucilius ist der erste römische Schrift- 
steller, bei dem wir die Pflanze erwähnt finden (100 Jahre 
v. Chr.). In den hebräischen Büchern wird vom Hanf 
nicht gesprochen.® Die alten Aegypter gebrauchten ihn 
nicht, um ihre Mumien damit einzuwickeln. Selbst 
segen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Hanf in 
Aegypten nur zur Gewinnung des Haschisch, einer be- 
rauschenden Substanz, angebaut.” Die als „Mischna“ 
bekannte Sammlung der judäischen Gesetze, welche unter 
der römischen Oberherrschaft verfasst wurde, spricht 
von den textilen Eigenschaften des Hanfs als einem 
wenig bekannten Gegenstande.° Es ist ziemlich wahr- 
scheinlich, dass die Skythen diese Pflanze auf ihren 
Wanderungen, welche gegen das Jahr 1500 v. Chr., 
etwas vor dem Trojanischen Kriege, stattfanden, von 
Centralasien und Russland nach dem Westen gebracht 
hatten. Sie hätte sich auch durch die noch frühern 
Invasionen der Arier m Thrazien und dem westlichen 
Europa einbürgern können; dann würde man aber in 
Italien schon eher von ihr gewusst haben. In den 


184 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Piddington, Index. 2 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 772. 
Reynier, Economie des Celtes, S.448; Legonidec, Dictionn. bas-breton. 
J. Humbert, früher Professor der arabischen Sprache in Genf, nannte 
mir, je nach den Localitäten, Kannab, Kon-nab, Hon-nab, Hen-nab, Kanedir. 
Athenäus, eitirt von Hehn, Kulturpflanzen, S. 168. 

Rosenmüller, Handb. d. bibl. Alterthumsk. 

Forskal, Flora; Delile, Flore d’Egypte. 

8 Reynier, Économie des Arabes, S. 434. 


[Se 


a ©! 


Weisser Maulbeerbaum. 185 


_Pfahlbauten der schweizer Seen! und des nördlichen 
Italien? hat man den Hanf nicht aufgefunden. 

Was man über den Wohnsitz des Cannabis sativa 
hat feststellen können, stimmt mit den historischen und 
linguistischen Angaben gut überein. In einer der Mono- 
graphien des „Prodromus“ vom Jahre 1869? bot sich 
mir Gelegenheit, mich speciell damit zu befassen. 

Wildwachsend hat man die Art ganz gewiss im Süden 
des Kaspisees*, in Sibirien am Irtysch, in der Kirgisen- 
steppe, jenseit des Baikalsees, in Daurien (Gouverne- 

+ ment Irkutsk) aufgefunden. Die Autoren geben sie für 
das ganze südliche und mittlere Russland und im Süden 
des Kaukasus an’, die spontane Eigenschaft ist dort 
aber weniger sicher, da diese Länder bevölkert sind, 
und sich die Hanfsamen mit Leichtigkeit von den Gärten 
aus weiter verbreiten können. Das hohe Alter der 
Cultur in China lässt mich annehmen, dass sich der 
Wohnsitz ziemlich weit nach Osten hin ausbreitete, 
wenn dies von den Botanikern auch noch nicht fest- 
gestellt wurde.° Boissier gibt die Art für Persien als 
„fast spontan“ an. Ich bezweifle es, dass sie dort ein- 
heimisch ist, denn wenn sie es wäre, so würden die 
Griechen und Römer sie früher gekannt haben. 


Morus alba, Linne. — Weisser Maulbeerbaum (fr. 
Mürier blane). 

Der Maulbeerbaum, dessen man sich in Europa am 
meisten zur Anzucht der Seidenwürmer bedient, ist die 
Morus alba. Seringe”? hat ihre sehr zahlreichen Varie- 
täten sorgfältig "beschrieben, und später ist dies von 
Bureau® geschehen. Nach Brandis, dem General-In- 
spector der Waldungen von Britisch-Indien, ist Morus 


1 Heer, Ueber den Flachs, S. 25. 

2 Sordelli, Notizie sull. staz. di Lagozza, 1580. 

3 Vol. XVI, Sect.1,S.30. 4 De Bunge, Bull. Soc. bot. de Fr., 1860, S. 30. 

5 Ledebour, Flora rossica, III, 634. 

6 Bunge fand den Hanf im nördlichen China, aber auf Schutthaufen 
(Enum., Nr. 338). 

7 Seringe, Description et culture des Müriers. 

8 Bureau, in: de Candolle, Prodromus, XVII, 238. 


SR 


186 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


indica, Linne (Morus alba. var. indica, Bureau), die 
am meisten in Indien angebaute Art, im Pendschab und 
Sikkim wıldwachsend.! Zwei andere Varietäten, serrata 
und cuspidata, werden desgleichen als wildwachsend in 
verschiedenen Provinzen des nördlichen Indien ange- 
geben.” Abbe David fand in der Mongolei eine voll- 
kommen spontane Varietät, welche von Bureau unter 
dem Namen von Mongolica beschrieben wurde, und Dr. 
Bretschneider ? führt für den wildwachsenden Maulbeer- 
baum den alten chinesischen Namen Yen an. Er sagt 
freilich nicht, ob sich dieser Name auf den weissen 
Maulbeerbaum: Pe (weiss), Sang (Maulbeerbaum) der 
chinesischen Culturen bezieht.* Das hohe Alter des 
Anbaues in China? und Japan, sowie die Menge der 
verschiedenen Formen, welche man dort erzielt hat, 
lassen muthmaassen, dass sich das ursprüngliche Vater- 
land von Osten bis nach Japan erstreckte, man kennt 
aber die einheimische Flora des südlichen China noch 
sehr wenig, und wird die spontane Eigenschaft von 
den zuverlässigsten Autoren für japanesische Pflanzen 
nicht bestätigt. Franchet und Savatier® sagen: „Seit 
undenklichen Zeiten angebaut und hier und da ver- 
wildert.“ Es ist noch zu bemerken, dass der weisse 
Maulbeerbaum besonders bergige und gemässigte Länder 
zu lieben scheint, woraus sich schliessen lässt, dass 
man ihn ehemals vom nördlichen China nach den Ebe- 
nen des Südens eingeführt hätte. Bekanntlich gehen 
die Vögel seinen Früchten nach und tragen die Sa- 
men weithin nach unbebauten Flächen, wodurch die 
Feststellung der wirklich alten Wohnplätze erschwert 
wird. 


1 Brandis, The Forest Flora of North-West and Central India (1874), 
S. 408. Diese Varietät hat schwarze Früchte, wie Morus nigra. 

2 Bureau, a. a. O., nach den Exemplaren verschiedener Reisenden. 

3 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 12. 

4 Dieser Name findet sich, nach Ritter (Erdkunde, XVII, 489) im 
Pent-sao. 

5 Nach Platt (Zeitschrift d. Gesellsch. für Erdkunde, 1371, S. 162) geht 
die Cultur auf 4000 Jahre v. Chr. zurück. 

6 Franchet et Savatier, Enumeratio plantarum Japoniae, I, 435. 


sf Là. 


. Hire 


Er 


Weisser Maulbeerbaum. 187 


Diese Leichtigkeit der Naturalisation bietet zweifels- 


ohne eine Erklärung für das in aufeinanderfolgenden 


Epochen sich geltend machende Auftreten des weissen 
Maulbeerbaums im westlichen Asien und in Südeuropa. 
Seitdem die Mönche im 6. Jahrhundert unter der Re- 
gierung des Justinian die Seidenraupe nach Konstanti- 
nopel gebracht hatten, und sich die Seidenzucht all- 
mählich nach Westen hin ausbreitete, hat diese Natu- 
ralisation besonders in Kraft treten müssen. Targioni 
hat jedoch den Beweis geliefert, dass nur der schwarze 
Maulbeerbaum, M. nigra, auf Sicilien und in Italien 
bekannt war, als die Seidenindustrie ım Jahre 1148 
nach Sicilien und zwei Jahrhunderte später nach Tos- 
cana eingeführt wurde. Nach demselben Autor ist das 
Jahr 1340 der früheste Zeitpunkt der Einführung des 
weissen Maulbeerbaums nach Toscana. In gleicher 
Weise kann die Seidenindustrie in China ihren Anfang 
genommen haben, weil sich die Seidenraupe dort im 
wilden Zustande fand; es ist aber sehr wahrscheinlich, 
dass der Baum auch im nördlichen Indien vorkam, wo 
er von vielen Reisenden wildwachsend angetroffen wurde. 
In Persien, Armenien und Kleinasien halte ich ihn viel- 
mehr seit einer alten Epoche für naturalisirt, und steht 
diese Ansicht mit derjenigen von Grisebach im Wider- 
spruch, welcher die Region des Kaspisees als ursprüng- 
liches Vaterland hinstellt (,,Végét. du globe, trad. fran- 


-çaise“, I, 424). Boissier führt ihn in diesen Ländern 


nicht als spontan an.” Buhse? hat ihn in Persien bei 
Eriwan und Baschnaruschin gefunden, und er be- 
merkt: „Vielfach naturalisirt in den Provinzen Ghilan und 
Masenderan“. In der „Flora Russlands‘ von Ledebour* 
finden sich zahlreiche Localitäten um den Kaukasus 
herum angegeben, ohne dass die Spontaneität betont 


1 Ant. Targioni, Cenni storici sulla introd. di varie piante nell’ agri- 
colt. toscana, S. 188. 

2 Boissier, Flora orient., IV, 1153. 

3 Buhse, "Aufzählung der transcauc. und persischen Pflanzen, S. 203. 

4 Ledebour, F1. ross., III, 643. 


188 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


wird, was auf eine naturalisirte Art hinweisen mag. In 
der Krim, in Griechenland und Italien findet er sich 
nur im Culturzustande.! Eine Varietät, tatarica, welche 
häufig im südlichen Russland angebaut wird, hat sich 
in der Nähe der Wolga naturalisirt.? 

Wenn der weisse Maulbeerbaum nicht ursprünglich 
in Persien und nach dem Kaspisee hin vorkam, so muss 
er doch seit langer Zeit dahin vorgedrungen sein. Als 
Beweis führe ich den Namen Tut, Tuth, Tuta an, welcher 
zu gleicher Zeit persisch, arabisch, türkisch und tata- 
risch ist. Es gibt einen Sanskritnamen, Tula?, welchen 
man auf dieselbe Wurzel zurückführen kann als den 
persischen Namen; man kennt aber keinen hebräischen 
Namen, was zur Begründung der Ansicht von einer all- 
mählichen Ausdehnung nach dem westlichen Asien 
beiträgt. 

Diejenigen meiner Leser, welchen ausführlichere Auf- 
schlüsse über die Einführung der Maulbeerbäume und 
der Seidenraupen erwünscht wären, finden solche ganz 
insbesondere in den gelehrten Werken von Targioni 
und Ritter, auf welche ich hingewiesen habe. Die 
neuerdings von verschiedenen Botanikern gemachten 
Entdeckungen ermöglichten es mir, genauere Angaben 
als die von Ritter über den Ursprung hinzuzufügen, 
und wenn unsere Meinungen über andere Punkte dem 
Anscheine nach auseinander gehen, so findet dieses na- 
mentlich darin seine Begründung, dass der berühmte 
Geograph eine Menge von Varietäten als Arten ange- 
sehen hat, welche die Botaniker nach sorgfältiger Prü- 
fung enger begrenzt haben. 


Morus nigra, Linne. — Schwarzer Maulbeerbaum 
(fr. Märier noir). 


1 Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinsel, S. 313; Heldreich, 
Pflanzen der attischen Ebene, S. 508; Bertoloni, Fl. ital., X, 177; Caruel, 
Fl. Toscana, S. 171. 

2 Bureau, a. a. O. 

3 Roxburgh, F1. ind.; Piddington, Index. 


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Schwarzer Maulbeerbaum. 189 


Derselbe wird mehr seiner Früchte als seiner Blätter 
wegen geschätzt, und müsste ich ihn somit bei der 
Classe der Fruchtbäume aufzählen. Indessen würde es 
schwer halten, seine Geschichte von der des weissen 
Maulbeerbaums zu trennen, und werden überdies die 
Blätter in vielen Ländern zur Seidenzucht verwendet, 
trotzdem die Seide von geringerer Qualität ist. 

Der schwarze Maulbeerbaum unterscheidet sich von 
dem weissen durch mehrere Charaktere, ganz abgesehen 
von der schwarzen Farbe der Frucht, welche man auch 
bei verschiedenen Varietäten von M. alba antrifit.! 
Dann besitzt er auch eine viel geringere Zahl von For- 
men, was auf eine weniger alte und lebhafte Cultur, 
sowie auf ein weniger ausgedehntes ursprüngliches Vater- 
land schliessen lässt. 

Die griechischen und lateinischen Schriftsteller, selbst 
die Dichter haben oft von dem Morus nigra gesprochen, 
welchen sie mit dem Ficus Sycomorus verglichen, und 
sogar in Bezug auf das Vaterland mit diesem ägyptischen 
Baume verwechselten. Seit zwei Jahrhunderten wieder- 
holen die Commentatoren eine Menge von Schriftstellen, 
welche keinen Zweifel über diesen Punkt zulassen, sonst 
aber wenig Interesse darbieten.? Ueber den Ursprung 
der Art liefern sie keinen Beweis, und wird Persien 
als muthmaassliches Vaterland hingestellt, wenn man 
die Fabel von Pyramus und Thisbe, die sich nach Ovid 
in Babylon abspielte, nicht als eine wirkliche Thatsache 
ansehen will. 

Von den Botanikern wird das Indigenat für Persien 
nicht in positiver Weise nachgewiesen. Boissier, wel- 
chem mehr Material über den Orient zu Gebote steht 
als irgendeinem andern, begnügt sich damit, Hohen- 
acker als denjenigen zu nennen, welcher M. nigra in 


1 Reichenbach hat in seinen Icones florae germ., Taf. 657 u. 658, von 
den beiden Arten gute Abbildungen gegeben. 

2 Fraas, Synops. fl. class. S. 236; Lenz, Botanik d. alten Griechen und 
Römer, S. 419; Ritter, Erdkunde, XVII, 482; Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., 
S. 336, ohne von andern ältern Schriftstellern zu sprechen. 


190 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


den Wäldern von Lenkoran an der Südküste des Kaspi- 
sees antraf, und er fügt hinzu: „Wahrscheinlich spontan 
im nördlichen Persien nach dem Kaspisee zu.“! Vor 
ihm wies Ledebour in seiner „Flora Russlands“, hierbei 
den Berichten verschiedener Reisenden folgend, auf die 
Krim und die Provinzen im Süden des Kaukasus? hin, 
Steven bestreitet es aber, dass die Art in der Krim 
anders als im Culturzustande vorkommt.” Tchihatcheff 
und C. Koch* fanden Pflanzen des schwarzen Maul- 
beerbaums in hoch gelegenen und wilden Gegenden 
Armeniens. Sehr wahrscheinlich ist es, dass Morus 
nigra in der Region südlich vom Kaukasus und dem 
Schwarzen Meer spontan ist, d. h. eher ursprünglich 
als naturalisirt. Folgendes lässt mich dies annehmen: 
1) weil derselbe, nicht einmal im angebauten Zustande, 
weder in Indien noch in China oder Japan bekannt 
ist; 2) weil er keinen Sanskritnamen hat; 3) weil er 
sich frühzeitig in Griechenland, dessen Verbindungen 
mit Armenien aus alter Zeit datiren, verbreitet hat. 

Morus nigra hat sich im Süden Persiens so wenig 
ausgebreitet, dass man davon mit Bestimmtheit kei- 
nen hebräischen, selbst nicht einmal einen persischen 
von dem von Morus alba verschiedenen Namen kennt. 
In Italien wurde er vielfach angebaut, bis man die 
Vorzüge des weissen Maulbeerbaums als Nahrung für 
die Seidenraupen erkannte. In Griechenland ist die 
Cultur des schwarzen Maulbeerbaumes noch die ge- 
wöhnlichste.®° Hier und da hat er sich in diesen Län- 
dern sowie in Spanien naturalisirt.® 


Agave americana, Linne. — Agave (fr. Maguey). 
Diese holzige Pflanze aus der Familie der Amarylli- 


1 Boissier, Flora orient. (1879), IV, 1153. 

2 Ledebour, Fl. ross., III, 641. 

3 Steven, Verzeichniss d. Pflanzen d. taurischen Halbinsel, S. 313. 

4 Tchihatcheff, Uebersetzung von Grisebach, Vegetation du globe, 
I, 424. 


5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 19. 
6 Bertoloni, Flora ital., X, 179; Visiani, FL. dalmat., I, 220; Willkomm 
et Lange, Prodr. fl. hisp., 1; 250. 


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4 
4 


Agave. Zuckerrohr. 191 


. daceen wird seit undenklichen Zeiten unter dem Namen 
Maguey oder Met! in Mexico angebaut, um zur Zeit 
der Entwickelung des Blütenschafts den als Pulque be- 
kannten Wein daraus zu gewinnen. Humboldt hat diese 
Cultur genau beschrieben !, und wir erfahren ausserdem 
von ihm?, dass die Art im ganzen südlichen Amerika 

bis zu einer Höhe von über 3000 m auftritt. Sie wird 
auch für Jamaica, Antigua, Domingo und Cuba ge- 
nannt*; es ist aber dabei zu erwägen, dass sie sich 
durch Wurzelschösslinge leicht vermehrt und man sie 
gern von Wohnplätzen entfernt anpflanzt, um Hecken 
zu bilden oder die als pite bekannte Faser daraus zu 
gewinnen, wodurch es schwierig wird, zu erfahren, in 
welchem Lande sie ursprünglich vorkam. Seit langer 
Zeit nach der Mittelmeerregion verpflanzt, trifft man 
sie dort mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze 
an, wenn sich auch über ihre Abstammung keine Zweifel 
erheben.* Nach den verschiedenen Anwendungen zu 
schliessen, zu welchen man sich ihrer in Mexico vor 
Ankunft der Europäer bediente, ist dieses Land wahr- 
scheinlich ihr Ausgangspunkt gewesen. 


Saccharum officinarum, Linne. — Zuckerrohr (fr. 
Canne à sucre). 

Ueber den Ursprung des Zuckerrohrs, den Anbau 
desselben, sowie über die Zuckerfabrikation hat der 
Geograph Karl Ritter? eine ganz vorzügliche Arbeit 
veröffentlicht. In den nur den Anbau betreffenden und 
den wirthschaftlichen Details brauche ich ıhm nicht zu 
folgen; für den ursprünglichen Wohnsitz der Art, welcher 


1 A. de Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., S. 487. 

2 A. de Humboldt, in: Kunth, Nova Genera, I, 297. 

3 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 582. 

4 Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 739; H. Hoffmann, in 
Regel’s Gartenflora, 1875, S. 70. 

5 K. Ritter, Ueber die geographische Verbreitung des Zuckerrohrs, 
1840 (nach Pritzel, Thes. lit. bot.); Die Cultur des Zuckerrohrs (Saccharum) 
in Asien, geogr. Verbreitung u. s. w. (64 S., o. J.) Dies ist eine sehr 
gelehrte und kritische Monographie. 


192 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


unser besonderes Interesse erregt, ist er aber der beste 
Führer, und die seit 40 Jahren beobachteten Thatsachen 
sind ım allgemeinen eine Bekräftigung seiner Ansichten 
oder bestätigen sie auch. 

Gegenwärtig wird das Zuckerrohr in allen heissen 
Regionen der Erde angebaut, eine Menge historischer 
Beweise liegen aber vor, dass es zunächst im südlichen 
Asıen verwerthet wurde, von wo es sıch nach Afrika 
und später nach Amerika ausbreitete. Es handelt sich 
somit darum, zu erfahren, in welchen Theilen des Fest- 
landes oder der Inseln Südasiens die Pflanze vorkommt 
oder vorkam, als man sie zu verwenden anfing. 

Ritter hat gute Methoden befolgt, um zu einer Lö- 
sung dieser Frage zu gelangen. 

Er bemerkt zunächst, dass alle Arten, welche man 
im wildwachsenden Zustande kennt, und die bestimmt 
zur Gattung Saccharum gehören, in Indien sich antreffen 
lassen, eine ausgenommen, welche Aegypten angehört.! 
Seitdem hat man fünf Arten von den Inseln Java, Neu- 
guinea, Timor oder den Philippinen beschrieben.” Die 
Wahrscheinlichkeit spricht ganz zu Gunsten eines asia- 
tischen Ursprungs, wenn man von pflanzengeographischen 
Angaben ausgeht. 

Unglücklicherweise wurde von keinem Botaniker weder 
zu Ritter’s Zeiten noch später das Saccharum officina- 
rum ın Indien, den angrenzenden Ländern oder auf 
dem im Süden Asiens gelegenen Archipel wildwachsend 
angetroffen. Alle anglo-ındischen Autoren, - Roxburgh, 
Wallich, Royle u. s. w., und neuerdings Aitchison ?, 
sprechen nur von der angebauten Pflanze. Roxburgh, 
welcher so lange in Indien als Botaniker thätig war, 
sagt ausdrücklich: „Where wild I do not know.“ In 
der Flora von Sir J. Hooker ist die Familie der Gra- 


1 Kunth, Enumeratio plantarum (1838), I, 474. Man kennt keine be- 
schreibende Arbeit jüngern Datums über die Familie der Gramineen oder 
die Gattung Saccharum. 

2 Miquel, Flora Indiae batavae (1355), III, 511. 

3 Aitchison, Catalogue of Punjab and Sindh Plants (1869), S. 173. 


Zuckerrohr. 193 


mineen noch nicht erschienen. Was die Insel Ceylon 
anbetrifft, so hat Thwaites die wildwachsende Art so 
wenig angetroffen, dass er sie nicht einmal als ange- 
baute Pflanze namhaft macht.! Rumphius, welcher die 
Cultur in den holländischen Besitzungen sorgfältig be- 
schrieben hat, sagt nichts über das Vaterland der Art. 
Miquel, Hasskarl, Blanco (,„Fl. Filip.“) sprechen von 
keinem auf den Inseln Sumatra, Java oder den Philip- 
pinen wildwachsenden Exemplar. Trotz aller Mühe ist 
es Crawfurd nicht gelungen, solches zu entdecken.? 
Auf der Reise von Cook fand Forster ? das Zuckerrohr 
auf den kleinen Inseln der Südsee, und zwar nur im 
Zustande einer angebauten Pflanze. Die Eingeborenen 
Neucaledoniens bauen eine Menge von Varietäten des 
Zuckerrohrs an, gebrauchen dasselbe böständig, indem 
sie die zuckerhaltige Masse aussaugen; Vieillard * war 
aber vorsichtig genug, zu sagen: „Aus dem häufigen 
Vorkommen von vereinzelten Exemplaren des Saccha- 
rum officinarum zwischen Gebüschdickichten und selbst 
auf Bergen, würde man mit Unrecht den Schluss ziehen, 


dass es sich um eine einheimische Pflanze handle, denn 


ihre schwachen und kränklichen Individuen deuten ein- 
fach auf frühere Anpflanzungen hin, oder stammen von 
Bruchstücken des Zuckerrohrs ab, welche die Einge- 
borenen, die selten ohne ein Stück Zuckerrohr in der 
Hand ihren Marsch antreten, dort vergessen haben.“ 
Im Jahre 1861 drückte sich Bentham, dem die reichen 
Herbarien zu Kew zur Verfügung standen, in seiner 
Flora der Insel Hongkong folgendermaassen aus: „Wir 
haben keinen authentischen und sichern Beweis von 
einer Localität, wo das gemeine Zuckerrohr spontan 
aufträte.“ 

Ich weiss freilich nicht, warum Ritter und alle übri- 
gen eine Behauptung Loureiro’s in der „Flora von 


1 Thwaites, Enum. Ceyloniae. 

2 Crawfurd, Indian Archip., I, 475. 

3 Forster, Plantae esculentae. 

4 Vieillard, Ann. des sc. nat., 4. Serie, XVI, 32. 


DE CANDOLLE, 13 


194 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Cochinchina‘ ! unberücksichtigt gelassen haben: „Habi- 
tat, et colitur abundantissime in omnibus provinciis regni 
cochinchinensis: simul in aliquibus imperii sinensis, sed 
minori copia.“ Das Wort habitat, von dem übrigen 
Satze durch ein Komma getrennt, ist sehr entscheidend. 
Loureiro hat sich über das Saccharum officinarum nicht 
täuschen können, denn er sah dasselbe ringsumher ‘an- 
gebaut, zählte seine Hauptvarietäten auf. Wildwach- 
sende Individuen, wenigstens solche dem Anscheine nach, 
müssen von ihm gesehen worden sein. Vielleicht stamm- 
ten sie von einem benachbarten Culturlande, es. ist mir 
aber nichts bekannt, wodurch die Spontaneität in die- 
sem heissen und feuchten Theile des asiatischen Fest- 
landes zur Unwahrscheinlichkeit würde. 

Forskal? hat die Art als spontan in den Bergen des 
Glücklichen Arabien unter einem seiner Ansicht nach 
indischen Namen angeführt. Wenn sie von Arabien 
käme, würde sie sich seit langer Zeit in Aegypten ver- 
breitet haben, würden die Hebräer sie gekannt haben. 

Roxburgh hatte 1796 eine Saccharumart im botani- 
schen Garten von Kalkutta erhalten, die er in die Cul- 
turen Bengalens einführte; er nannte dieselbe S. sinense, 
und veröffentlichte von ihr eine Abbildung in seinem 
grossen Werke: „Plantae Coromandelianae“ (Bd. HI, 
Taf. 232). Vielleicht ist dies nur eine Form von 8. 
officinarum, und da sie ausserdem nur im angebauten 
Zustande bekannt ist, trägt sie nichts zur Kenntniss 
dieser oder anderer ee bei. 

Von einigen Botanikern wurde die Behauptung auf- 
gestellt, dass das Zuckerrohr in Asien häufiger blüht 
als in Amerika oder ın Afrıka, und dass dasselbe an 
den Ufern des Ganges sogar Samen ansetzt, was nach 
ihnen ein Beweis des Indigenats wäre. Macfadyen sagt 
dies, ohne Beweise dafür zu liefern. Er stützt sich 


1 Loureiro, Fl. Cochinch., 2. Aufl., I, 66. 

2 Forskal, Fl. aegypto-arabica, S. 103. 

3 Macfadyen, On the botanical characters of the sugar cane, in: 
Hooker, Bot. Miscell., I, 101; Maycock, Fl. Barbad., S. 50. 


Zuckerrohr. 195 


einfach auf eine Aussage, die ein Reisender in Jamaica 
ihm gemacht hatte; Sir W. Hooker hat aber Sorge ge- 
tragen, folgende Anmerkung beizufügen: „Trotz seines 
langen Aufenthalts an den Ufern des Ganges sind dem 
Dr. Roxburgh nie Samen des Zuckerrohrs zu Gesicht 
gekommen.“ Dasselbe blüht selten und setzt noch sel- 
tener Frucht an, wie dies im allgemeinen bei den 
Pflanzen der Fall ist, welche durch Stecklinge oder 
Wurzelschösslinge vermehrt werden, und wenn eine 
Varietät des Zuckerrohrs die Neigung zeigte, Samen 
hervorzubringen, dürfte sie wahrscheinlich weniger 
zuckerhaltig sein, und würde man sie als Culturpflanze 
sehr rasch auf die Seite schieben. Rumphius, der ein 
besserer Beobachter war als viele Botaniker der Neu- 
zeit, und welcher von dem auf den holländischen In- 
seln angebauten Zuckerrohr eine so gute Beschreibung 
gegeben hat, macht eine interessante Bemerkung.! „Es 
bringt nie Blüten oder Samen hervor, es sei denn, 
dass man es während einiger Jahre auf einem steinigen 
Terrain gelassen habe.“ Weder er, noch meines Wis- 
sens nach irgendein anderer, hat von dem Samen eine 
Beschreibung oder Abbildung gegeben. Dagegen hat 
man die Blüten ‘oft abgebildet, und ich besitze ein 
schönes Exemplar von Martinique? Schacht ist der 
einzige, welcher von der Blume mit Einschluss des 
Stengels eine gute Analyse entworfen hat; den reifen 
Samen hat auch er nicht gesehen.” Tussac* verdankt 
man eine recht mittelmässige Analyse, er spricht von 
dem Samen, doch hat er ihn nur im jungen Zustande, 
in dem des Eierstocks, gesehen. 

In Ermangelung genauer Angaben über das Indigenat 
dürften die Hülfsmittel, historische und linguistische, 
um den asiatischen Ursprung darzulegen, von Interesse 
sein. Sie werden sorgfältig von Ritter angegeben; ich 
will mich damit begnügen, sie kurz zusammenzufassen. 


1 Rumphius, Amboin., V, 186. 2 Hahn, N.. 480. 
3 Schacht, Madeira und Teneriffa, Taf. 1. 
4 de Tussac, Flore des Antilles, I, 153, Taf. 23. 


13* 


106 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


Im Sanskrit war der Name für Zuckerrohr Iksmı, 
Ikshura oder Ikshava; der Zucker hiess aber Sarkara 
oder Sakkara, und es lassen sich alle Namen für diese 
Substanz in unsern europäischen Sprachen arischen Ur- 
sprungs, von den alten wie der griechischen angefangen, 
in deutlicher Weise hiervon ableiten. Dies ist ein 
Fingerzeig für den asiatischen Ursprung und für das 
hohe Alter des Zuckerrohrproducts in den südlichen 
Regionen Asiens, mit welchen das Volk, welches das 
alte Sanskrit redete, commerzielle Beziehungen gehabt 
haben konnte. Die beiden Sanskritwörter sind im Ben- 
galischen unter der Form von Ik und Akh zurückge- 
blieben.! In den andern Sprachen aber jenseits des 
Indus findet man eine besondere Verschiedenartigkeit 
von Namen, zum wenigsten wenn solche nicht von jenen 
der Arier abstammen, z. B.: Panchadara in der Telinga- 
sprache, Kyam bei den Birmanen, Mia im Cochinchine- 
sischen, Kan und Tche oder Tsche im Chinesischen, und 
mehr nach Süden hin, bei den malaiischen Völkern, 
Tubu oder Tabu für die Pflanze und Gula für das 
Product. Diese Verschiedenartigkeit beweist ein sehr 
hohes Alter des Anbaues in den asiatischen Regionen, 
wo schon die botanischen Angaben den Ursprung der 
Art vermuthen lassen. 

Es stimmt die Zeit der Einführung der Cultur nach 
verschiedenen Ländern mit der Ansicht eines Ursprungs 
von Indien, Cochinchina oder dem Indischen Archipel 
überein. 

Die Chinesen kennen das Zuckerrohr seit einer nicht 
sehr -fern liegenden Zeit, und sie erhielten es vom 
Westen. Ritter widerspricht den Schriftstellern, welche 
eine sehr alte Cultur zugegeben hatten, und dies wird 
in der entschiedensten Weise bestätigt in dem mit 
den ausführlichsten Quellen über die chinesische Lite- 
ratur in Peking veröffentlichten Werke des Dr. Bret- 


1 Piddington, Index. 


Zuckerrohr. 197 


schneider.! „Ich habe“, sagt dieser, „keinen Hin- 
weis auf das Zuckerrohr in den ältesten chinesischen 
Büchern (die fünf klassischen) entdecken können.“ Das- 
selbe scheint zum ersten mal von den Autoren des 
2. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt worden zu sein. Die 
erste Beschreibung findet sich im „Nan-fang-tsao-mu- 
tschuang“ im 4. Jahrhundert; es heisst da: „Das Che- 
che, Kan-che (Kan, süss; ché, Bambusrohr) wächst in 
Cochinchina (Kiaochi). Es misst mehrere Zoll im Um- 
fange und gleicht dem Bambusrohr. Der in Stücke 
zerbrochene Stengel ist essbar und sehr süss. Der 
daraus gewonnene Saft wird in der Sonne getrocknet. 
Nach einigen Tagen wird Zucker daraus (hier ein zu- 
sammengesetztes chinesisches Schriftzeichen), welcher im 
Munde schmilzt... Im Jahre 286 (der christlichen Zeit- 
rechnung) schickte das Königreich Funan (in Indien, 
jenseit des Ganges) Zucker als Tribut.“ Nach dem 
„Pent-sao“ hatte ein Kaiser, welcher von 627—650 
unserer Zeitrechnung regierte, jemand nach der indi- 
schen Provinz Bahar geschickt, um die Art und Weise 
der Zuckerbereitung kennen zu lernen. 

In diesen Werken ist nicht die Rede von der Spon- 
taneität in China, es findet sich dagegen der cochin- 
chinesische Ursprung, auf welchen Loureiro hinwies, in un- 
erwarteter Weise bekräftigt. Der wahrscheinlichste ur- 
sprüngliche Wohnsitz scheint mir Cochinchina und weiter 
bis nach Bengalen hin gewesen zu sein. Vielleicht er- 
streckte er sich nach den Sundainseln und den Molukken, 
die ein sehr ähnliches Klima besitzen; es gibt aber 
ebenso viele Gründe, um eine alte von Cochinchina 
oder der Malaiischen Halbinsel ausgehende Einführung 
anzunehmen. 

Die Fortpflanzung des Zuckerrohrs von Indien in west- 
licher Richtung ist gut bekannt. Die griechisch-römische 
Welt hatte eine annähernde Kenntniss des Rohrs (cala- 


1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works etc., 
S. 45—47. 


198 Zweiter Theil. Zweites Kapitel. 


mus), welches die Indier gern aussogen, und aus 
welchem sie den Zucker gewannen.! Andererseits wird 
in den hebräischen Büchern der Zucker nicht erwähnt, 
woraus man schliessen kann, dass dıe Cultur des Zucker- 
rohrs im Westen des Indus zur Zeit der Gefangenschaft 
der Juden in Babylon noch nicht auftrat. Es sind die 
Araber, welche diese Cultur im Mittelalter nach Aegypten, 
Sicilien und dem Süden Spaniens eingeführt haben’, 
wo sie blühte, bis der Ueberfluss an Zucker von den 
Colonien ihr Aufgeben nothwendig machte. Don Hen- 
rique brachte das Zuckerrohr von Sicilien nach Madeira, 
von da gelangte es 1503 nach den Canarischen Inseln.* 
Von diesem Punkte aus wurde es zu Anfang des 
16. Jahrhunderts nach Brasilien eingeführt.®° Nach 
San-Domingo brachte man es gegen das Jahr 1520, 
und etwas später nach Mexico®; Guadeloupe erhielt 
dasselbe im Jahre 1644, Martinique gegen das Jahr 
1650, Bourbon seit Gründung der Colonie.” Die so- 
genannte Otaheiti-Varietät, welche auf dieser Insel nicht 
spontan ist, und welche man auch die von Bourbon 
nennt, wurde zu Ende des verflossenen und zu Anfang 
des jetzigen Jahrhunderts nach den französischen und 
englischen Colonien eingeführt. ® 

Die Verfahrungsweisen des Anbaues und der Zucker- 
bereitung sind in zahlreichen Werken beschrieben wor- 
den, unter denen zu empfehlen sind: de Tussac, ,, Flore 
des Antilles“ (3 Bde., Paris 1808), I, 151—182, und 
Macfadyen, in Hooker, „Botanical Miscellanies“ (1830), 
I, 103—116. 


1 Vgl. die Citate von Strabo, Dioscorides, Plinius u. s. w., in: Lenz, 
Botanik der Griechen und Römer (1859), S. 267; Fingerhut, in: Flora 
(1839), II, 529; und viele andere Autoren. 

2 Rosenmüller, Handbuch der bibl. Alterthumskunde. 

3 Calendrier rural de Harib, im 10. Jahrhundert für Spanien geschrie- 
ben, übersetzt von Dureau de La Malle in seiner Climatologie de lItalie 
et de l’Andalousie, S. 71. 

4 Von Buch, Canar. Inseln. 5 Piso, Brésil, S. 49. 

6 Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., III, 34. 

7 Notices statistiques sur les colonies françaises, I, 29, 83, 207. 

8 Macfadyen, in: Hooker, Miscell., I, 101; Maycock, Fl, Barbad., S. 50. 


Gewürznelkenbaum. 199 


DRITTES KAPITEL. 


Pflanzen, welche ihrer Blüten oder der dieselben einhüllenden 
Organe wegen angebaut werden. 


Caryophyllus aromaticus, Linne. — Gewürznelken- 
baum (fr. Giroflier). 

Von dieser Myrtacee wird der von der Blütenknospe 
überragte Kelch unter dem Namen Gewürznägelein 
(elou de girofle) im Haushalte als Gewürz verwerthet. 

Obgleich die Pflanze nach angebauten Exemplaren 
oft beschrieben und sehr gut abgebildet worden ist, 
weiss man über ihre Beschaffenheit im wildwachsenden 
Zustande noch nichts Bestimmtes. In meiner ,,Géo- 
graphie botanique raisonnée‘ vom Jahre 1855 habe ich 
diese Frage erörtert, es scheint aber, als ob sie seit- 
dem nicht weiter vorgeschritten ist, sodass ich mich 
veranlasst sehe, das früher Gesagte hier zu wiederholen. 

Der Gewürznelkenbaum muss, wie Rumphius! dies 
gesagt hat, auf den Molukken zu Hause sein, denn es 
beschränkte sich seine Cultur vor zwei Jahrhunderten 
auf einige kleine Inseln dieses Archipels. Es liegt mir 
jedoch kein Beweis vor, dass man den echten Gewürz- 
nelkenbaum mit aromatischen Blütenstielen und Knospen 
in einem wildwachsenden Zustande angetroffen habe. 
Ganz als dieselbe Art sieht Rumphius? eine Pflanze 
an, welche er als Caryophyllum sylvestre beschrieben 
und abgebildet hat, und die auf allen Molukken spon- 
tan auftritt. Von einem Eingeborenen hatte er gehört, 
dass die angebauten Gewürznelkenbäume in diese Form 
ausarten, und Rumphius hatte selbst einen dieser wilden 
Gewürznelkenbäume in einer frühern Anpflanzung von 
eultivirten Gewürznelkenbäumen angetroffen. Seine Ab- 
bildung 3 unterscheidet sich indessen von Abbildung 1 
des angebauten Gewürznelkenbaums durch die Form der 


1 Bd. II, S. 3. 2 Bd. IT. Taf. 2. 
’ 


u DEE 
ii a 
| 
200 Zweiter Theil. Drittes Kapitel, 


Blätter und der Kelchzähne. Von Abbildung 2 spreche 
ich nicht, die eine Misbildung des angebauten Baumes 
zu sein scheint. Rumphius sagt, dass der wildwach- 
sende Gewürznelkenbaum keine aromatische Eigen- 
schaft besitzt (S. 13); es ist aber bekannt, dass im 
allgemeinen die wildwachsenden Individuen einer Art 
die aromatischen Eigenschaften in stärkerm Maasse ent- 
wickelt haben als die angebauten. Sonnerat! veröffent- 
licht ebenfalls Abbildungen des echten Gewürznelken- 
baumes und eines unechten von einer kleinen Neuguinea 
benachbarten Insel. Man sieht sofort, dass sein un- 
echter Gewürznelkenbaum sich durch die stumpfen Blätter 
vollständig von dem echten, sowie von den zwei von 
Rumphius erwähnten Gewürznelkenbäumen unterscheidet. 
Ich kann mich nicht dazu entschliessen, diese verschie- 
denartigen Pflanzen, wildwachsende und angebaute, zu 
vereinigen, wie alle Autoren solches gethan haben.? 
Ganz insbesondere muss man die im „Botanical Maga- 
zine“ zugelassene Abbildung 120 von Sonnerat hiervon 
ausschliessen. In diesem Werke, in dem ,, Dictionnaire 
d'agriculture“ und in den naturgeschichtlichen Wörter- 
büchern findet sich eine historische Darlegung der Cul- 
tur des Gewürznelkenbaums, sowie seiner Uebertragung 
nach verschiedenen Ländern. 

Wenn es sich nach Roxburgh ? bewahrheitet, dass die 
Sanskritsprache einen Namen Luvunga für die Gewürz- 
nelke besass, so würde der Handel mit diesem Gewürz 
aus einer sehr alten Epoche herrühren, selbst dann, 
wenn man annimmt, dass dieser Name neuern Datums 
wäre als das echte Sanskrit. Ich bezweifle das wirk- 
liche Vorhandensein desselben, denn es müssten die 
Römer von einem Gegenstande Kenntniss gehabt haben, 
dessen Versendung eine so leichte war, und es scheint 


1 Sonnerat, Voy. Nouv.-Guinée, Taf. 19 und 20. 

2 Thunberg, Diss., II, 326; de Candolle, Prodr., III, 262; Hooker, 
Bot. Mag., Taf. 2749; Hasskarl, Cat. h. Bogor. alt., S. 261. 

3 Roxburgh, Flora indica, 1832, II, 494. 


LÉ 4 


Hopien.. 201 


nicht, als ob dieses Gewürz vor der Entdeckung der 
Molukken durch die Portugiesen nach Europa gelangte. 


Humulus Lupulus, Linné. — Hopfen (fr. Houblon). 

Der Hopfen ist in Europa von England und Schweden 
bis zu den Gebirgen der Mittelmeerregion, und in Asien 
bis nach Damascus, bis zum Süden des Kaspisees und 
des östlichen Sibirien wildwachsend!, man hat ihn aber 
weder in Indien, noch in Nordchina und der Amur- 
region gefunden.? 

Trotzdem alle Anzeichen für die vollständig wild- 
wachsende Beschaffenheit des Hopfens in Europa und 
zwar in von Culturen weit entfernten Localitäten vor- 
handen sind, hat man sich dennoch bisweilen gefragt, 
ob derselbe nicht ursprünglich von Asien stamme.? Ich 
glaube nicht, dass man dies beweisen kann, halte es 
nicht einmal für wahrscheinlich. Der Umstand, dass 
die Griechen und Lateiner nicht von der Verwendung 
des Hopfens zum Bier gesprochen haben, erklärt sich 
leicht durch die Thatsache, dass sie dieses Getränk nur 
oberflächlich kannten. Wenn die Griechen die Pflanze 
nicht erwähnt haben, so findet dies seine Begründung 
vielleicht darin, weil sie in ihrem Lande selten ist. 
Nach dem italienischen Namen Lupulo muthmaasst man, 
dass Plinius im Anschluss an andere Gemüse von ihm 
unter dem Namen Lupus salictarius gesprochen hat.* 


1 Alph. de Candolle, im Prodromus, XVI, 29; Boissier, Fl. orient., 
IV, 1152; Hohenacker, Enum. plant. Talysch, S. 30; Buhse, Aufzählung 
Transcaucasiens, S. 202. 

2 „Das Vaterland des Hopfens (Humulus Lupulus) muss in folgender 
Weise vervollständigt werden: Nach einem Briefe des Herrn Maximowicz 
vom 19. October 1882 ist die Art auf der Insel Yezo wildwachsend, des- 
gleichen, amerikanischen Autoren zufolge, in den östlichen Vereinigten 
Staaten. Durch eine recht ärgerliche Umstellung meiner Notizen wurde 
ich früher veranlasst, im Prodromus zu sagen, dass die Art, Asa Gray 
zufolge, dort nicht spontan sei, und ich habe diesen Irrthum in dem vor- 
liegenden Werke wiederholt. Es ist somit der Humulus Lupulus den Arten 
beizufügen (III. Theil, 2. Kapitel, 1. Artikel), welche der Alten und der 
Neuen Welt gemeinsam angehören.“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerk.) 

3 Hehn, Nutzpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien, 
3. Aufl., S. 415. 

4 Plinius, Hist., 1.21, c. 15. Er erwähnt an dieser Stelle den Spargel, 
en weiss, dass die jungen Hopfentriebe in ähnlicher Weise gegessen 
werden. 


7 a Fr. + À a" À 


202 Zweiter Theil. Drittes Kapitel. 


Dass der Gebrauch des Brauens mit Hopfen sich erst 
ım Mittelalter verbreitet hat, beweist nichts, oder auch 
nur, dass man früher andere Pflanzen hierzu verwen- 
dete, wie dies in gewissen Gegenden noch zu geschehen 
pflegt. Die Kelten, die Germanen, andere Völker des 
Nordens und selbst Völker des Südens, welche die 
Weinrebe besassen, brauten Bier! aus Gerste oder an- 
dern gegohrenen Körnern, und setzten in gewissen Fällen 
verschiedene vegetabilische Stoffe, z. B. Eichenrinde, 
Rinde von Tamarix oder Früchte von Myrica Gale 
hinzu.” Es ist sehr möglich, dass sie die Vorzüge des 
Hopfens nicht frühzeitig bemerkten, und dass sie, nach- 
dem ihnen dieselben bekannt geworden waren, zunächst 
den wildwachsenden Hopfen hierzu gebrauchten, ehe sie 
daran dachten, denselben anzubauen. In einem Schen- 
kungsacte seitens Pipin’s, Vater Karl’s des Grossen, vom 
Jahre 768, findet sich die erste Erwähnung eines 
Hopfengartens.” Schon im 14. Jahrhundert war dies eine 
in Deutschland wichtige Cultur, in England hat sie erst 
unter Heinrich VIII. angefangen. 

Die volksthümlichen Namen für den Hopfen liefern 
gewissermaassen nur negative Angaben über den Ur- 
sprung. Es gibt keinen Sanskritnamen ÿ, was mit dem 
Fehlen der Art in der Himalajaregion übereinstimmt, 
und zur Annahme berechtigt, dass die arischen Völker 
ihn nicht bemerkt und verwerthet hatten. Früher® 
habe ich einige europäische Namen angeführt und auf 
ihre Verschiedenartigkeit hingewiesen, obgleich es unter 
ihnen welche gibt, die von ein und derselben Quelle 
ihren Ursprung ableiten können. Hehn hat ihre Ety- 
mologie als Philolog behandelt und nachgewiesen, wie 
dunkel dieselbe ist; er hat aber nicht die von. Humle, 


1 Tacitus, Germania, c.25; Plinius, 1.18, c. 7; Hehn, Kulturpflanzen 
u. 8. w., 3. Aufl., S. 125—137. 

2 Volz, Beiträge zur Culturgeschichte, S. 149. 

3 Volz, ebend. 

4 Beckmann, Erfindungen, von Volz citirt. 

5 Piddington, Index; Fick, Wörterbuch d. indo-germ. Sprachen, I, 
Ursprache. 

6 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 857. 


Färber-Saflor, Bastardsafran. 205 


Hopf oder Hop und Chmeli weit entfernten Namen der 
skandinavischen, gothischen und slawischen Sprachen 
erwähnt, z. B. Apini im Lettischen, Apwynis im Li- 
thauischen, Zap im Esthnischen, Blust im Illyrischen !, 
die augenscheinlich auf andere Wurzeln zurückzuführen 
sind. Diese Verschiedenartigkeit trägt zur Bekräfti- 
gung der Ansicht bei, dass die Art vor Ankunft der 
arischen Völker in Europa vorkam. Mehrere verschie- 
dene Völkerschaften dürften die Pflanze nach und nach 
unterschieden, benannt und verwerthet haben, was die 
Ausdehnung in Europa und in Asien vor dem wirth- 
schaftlichen Gebrauch bestätigt. 


Carthamus tinctorius, Linné. — Färber-Saflor, Bastard- 
safran (fr. Carthame). 

Der Färber-Saflor, eine einjährige Composite, gehört 
zu den ältesten angebauten Arten. Ihre Blumen dienen 
zum Gelb- oder Rothfärben, und aus dem Samen ge- 
winnt man Oel. 

Die Bänder, welche die Mumien der alten Aegypter 
umhüllen, sind mit dem Bastardsafran gefärbt?, und 
ganz vor kurzem hat man in den bei Deir el Bahari? 
entdeckten Grabdenkmälern Ueberreste der Pflanze auf- 
gefunden. In Indien muss die Cultur ebenso alt sein, 
weil zwei Sanskritnamen, Cusumbha und Kamalottara, 
angegeben werden, von welchen der erste mehrere Ab- 
kömmlinge in den der Jetztzeit angehörigen Sprachen 
der Halbinsel zurückgelassen hat.* Die Chinesen er- 
hielten den Färbersaflor erst im 2. Jahrhundert v. Chr. 
Chang-kien war es, welcher ihnen denselben von Bak- 
trien brachte.ÿ Die Griechen und Lateiner kannten ihn 
wahrscheinlich nicht, denn es ist sehr zweifelhaft, dass 
die Pflanze damit gemeint ist, welche sie als Cnikos 


1 Dictionnaire manuscrit compilé d’après les flores, par Moritzi. 

2 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 47. 

3 Schweinfurth, in einem an Herrn Boissier gerichteten Briefe von 1332. 
4 Piddington, Index. 

5 Bretschneider, Study and value etc., S. 15. 


ee 1 


204 Zweiter Theil. Drittes Kapitel. 


oder Cnicus bezeichneten.! Später trugen die Araber 
sehr zur Verbreitung der Cultur des Färbersaflors bei; 
sie nennen denselben Qorton, Kurtum, woraus Carthame, 
oder Usfur, Ihridh oder Morabu?, und aus dieser Ver- 
schiedenartigkeit kann man auf ein altes Vorkommen in 
mehreren Ländern des westlichen Asiens oder Afrikas 
schliessen. Die Fortschritte in der Chemie stehen dieser 
Cultur wie vielen andern drohend entgegen; sie findet 
sich aber noch in Südeuropa, im Orient, in Indien und 
in der ganzen Nilregion.? 

Von keinem Botaniker wurde der Färber-Saflor in 
einem wirklich spontanen Zustande angetroffen. Die 
Autoren führen ihn mit einem gewissen Zweifel für In- 
dien oder Afrika, ganz besonders für Abessinien als 
ursprünglich einheimisch an, doch haben sie ihn ent- 
schieden nur im angebauten Zustande gesehen, oder als 
eine dem Anscheine nach den Culturen entsprungene 
Pflanze.* Herr Clarkeÿ, früher Director des Kalkutta- 
Gartens, welcher vor kurzem die indischen Compositen 
einer Revision unterworfen hat, lässt die Art nur als 
angebaute zu. In der von Schweinfurth und Ascherson ® 
veröffentlichten summarischen Uebersicht der gegen- 
wärtigen Kenntnisse über die Pflanzen der Nilregion 
mit Einschluss von Abessinien, findet sich die Art eben- 
falls nur als angebaut verzeichnet, und die Pflanzen- 
listen der unlängst von Rohlfs ausgeführten Reise er- 
wähnen ebenso wenig den wildwachsenden Färber-Saflor. 7 

Da die Art weder in Indien noch in Afrika wild- 
wachsend angetroffen wurde, ihr Anbau jedoch seit 
Jahrtausenden in diesen zwei Ländern betrieben wird, 
so verfiel ich auf den Gedanken, ihren Ursprung in der 


1 Vgl. Targioni, Cenni storici, S. 108. 

2 Forskal, Flora Aegypt., S. 73; Ebn Baithar, deutsche Uebers., I, 18; 
II, 196, 293. 

3 Vgl. Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 217. 

4 Boissier, Fl. orient., III, 710; Oliver, Flora of tropical Africa, III, 439. 

5 Clarke, Compos. indicae (1876), S. 244. 

6 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 283. 

7 Rohlfs, Kufra, 1881. 


| 


Echter Safran. 205 


dazwischen liegenden Region zu suchen. In andern 
Fällen ist dieses Verfahren von Erfolg gewesen. 
Unglücklicherweise ist das Innere von Arabien fast 
unbekannt, und Forskal, welcher die Küsten Yemens 
besucht hat, berichtet uns nichts über den Färber- 
Saflor. Ganz ebenso verhält es sich mit den Arbeiten, 
welche von Botta und Bové über die Pflanzen ver- 
öffentlicht wurden. Ein Araber aber, Abu Anifa, auf 
welchen Ebn Baithar, ein Schriftsteller des 13. Jahrhun- 
derts, hinweist, hat sich folgendermaassen ausgedrückt!: 
„Usfur. Diese Pflanze liefert Material zum Gerben. 
Es gibt davon zwei Sorten, eine angebaute und eine 
wildwachsende, welche alle beide in Arabien vor- 
kommen, und deren Samen man Elkurthum nennt.“ 
Es ist immerhin möglich, dass Abu Anifa recht gehabt hat. 


Crocus sativus, Linne. — Echter Safran (fr. Safran). 

Die Cultur des Safrans ist im westlichen Asien eine 
sehr alte. Die Römer lobten den Safran von Cilicien: 
sie zogen ihn dem in Italien angebauten vor.” Klein- 
asien, Persien und Kaschmir sind seit langer Zeit die 
Länder, welche am meisten davon ausführen. Indien 
erhält gegenwärtig seinen Safranbedarf von Kaschmir.’ 
Roxburgh und Wallich erwähnen die Pflanze nicht in 
ihren Werken. Die zwei von Piddington * angeführten 
Sanskritnamen bezogen sich wahrscheinlich auf die von 


"Westen eingeführte Safransubstanz, denn der Name 


Kasmira-jamma scheint das Heimatsland Kaschmir an- 
zudeuten. Der andere Name ist Kunkuma. Gemeinig- 
lich wird das hebräische Wort Karkom durch Safran 
übersetzt, nach dem jetzigen Namen für den Färber- 
Saflor im Arabischen dürfte es sich aber eher auf diese 
Pflanze beziehen. Ausserdem wird der Safran weder 
in Aegypten noch in Arabien angebaut.” Der griechische 


1 Ebn Baithar, II, 196. 2 Plinius, 1. 21, c. 6. 

3 Royle, Ill. Himal., S. 372. 4 Index, S. 25. 

5 Nach Forskal, Delile, Reynier, Schweinfurth und Ascherson (Auf- 
zählung). 


206 Zweiter Theil. Drittes Kapitel. 


Name ist Krokos.! Safran, welches sich in allen neuern 
Sprachen Europas wiederfindet, stammt von dem ara- 
bischen Sahafaran?, Zafran.” Die den Arabern am 
nächsten stehenden Spanier sagen Azafran. Der ara- 
bische Name selbst kommt von Assfar, gelb. 

Zuverlässige Autoren haben den C. sativus in Griechen- 
land #, in Italien und in den Abruzzen als spontan an- 
gegeben. Maw, welcher eine auf lange Beobachtungen 
in Gärten und Herbarien gestützte Monographie der 
Gattung Crocus vorbereitet, bringt sechs in den Gebirgen 
von Italien bis Kurdistan wildwachsende Formen zu 
C. sativus. Nach ıhm® ist keine derselben mit der an- 
gebauten Pflanze identisch; gewisse, unter andern Na- 
men (C. Orsinii, C. Cartwrightianus, C. Thomasti) be- 
schriebene Formen unterscheiden sich aber kaum davon. 
Sie gehören Italien und Griechenland an. 

Die Safrancultur, deren Bedingungen sich in dem 
„Cours d’agrieulture“ von Gasparin und in dem „Bulle- 
tin de la Société d’acclimatation“ vom Jahre 1870 dar- 
gelegt finden, wird in Europa und Asien’ immer sel- 
tener. Bisweilen wurde durch sie die Naturalisation 
der Art bewirkt, wenigstens für einige Jahre, und 
zwar in Gegenden, wo sie dem Anscheine nach wild- 
wachsend ist. 


1 Theophrast, Hist., 1, 6, c. 6. 

2 J. Bauhin, Hist., II, 637. 

3 Royle, a. a. O. 

4 Sibthorp, Prodr.; Fraas, Syn. fl. class., S. 292. 
5 J. Gay, angeführt von Babington, Man. Brit. fi. 
6 Maw, in: Gardeners’ Chronicle, 1881, Bd. 16. 

7 Jacquemont, Voy., III, 238. 


Zuckerapfel, Zimmtapfel. | 207 


VIERTES KAPITEL. 


Ihrer Früchte! wegen angebaute Pflanzen. 


Anona squamosa, Linne. — Zuckerapfel, Zimmtapfel 
(engl. Sweet sop, Sugar apple?; fr. Pomme Canelle). 

Das Vaterland dieser Art und anderer angebauter 
Anonen hat Zweifel erweckt, welche ein interessantes 
Problem bilden. Im Jahre 1855 habe ich mich be- 
müht, dieselben zu lösen. Die damals von mir fest- 
gehaltene Meinung findet sich durch die von Reisenden 
seitdem gemachten Beobachtungen bestätigt, und da 
es zweckmässig ist, darzuthun, bis zu welchem Punkte 
auf gute Methoden basirte Wahrscheinlichkeiten zu wirk- 
lichen Behauptungen führen, will ich das früher Ge- 
sagte? hier zunächst wiederholen, um dann auf neuere 
Entdeckungen hinzuweisen. 

„Im Jahre 1818 stellte Robert Brown die Thatsache 
fest, dass alle Arten der Gattung Anona, mit Ausnahme 
der Anona senegalensis von Amerika kommen, und keine 
von Asien. Aug. de Saint-Hilaire* sagt, dass «Vellozo 
zufolge die A. squamosa in Brasilien eingeführt wurde, 
wo man sie der Aehnlichkeit ihrer Früchte wegen mit 
Tannenzapfen Pinha nennt, auch Ata, welch letzteres 
Wort augenscheinlich den für dieselbe Pflanze in Asien 
gebräuchlichen Namen Attoa und Atis entlehnt ist, und 
welche orientalischen Sprachen angehören». «Somit», 
fährt Saint-Hilaire fort, «haben die Portugiesen die 
A. squamosa von ihren indischen Colonien nach jenen 
Amerikas gebracht u. s. w.» Als ich 1832 eine Be- 


1 Das Wort Frucht wird hier im allgemeinen Sinne für jeden fleischi- 
gen Theil, welcher sich nach der Blütezeit verdickt, gebraucht. Im streng 
botanischen Sinne sind die Anonen, Erdbeeren, Acajou-Aepfel, Ananas, 
die Frucht des Brotfruchtbaums, keine Früchte. 

2 In Britisch-Indien Custard apple, dies ist aber in Amerika der Name 
für Anona muricata. Die À. squamosa findet sich abgebildet in Descour- 
tilz, Flore des Antilles, II, Taf. 83; Hooker, Botanical Magazine, Taf. 3095 
und Tussac, Flore des Antilles, III, Taf. 4. 

3 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 859. 

4 Aug. de Saint-Hilaire, Plantes usuelles des Brésiliens, 6. Lfg., S. 5. 


208 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


arbeitung der Familie der Anonaceen! veröffentlichte, 
hob ich dabei hervor, wie sehr Brown’s botanische 
Schlussfolgerung mehr und mehr an Bedeutung zunahm, 
denn trotz des bedeutenden Zuwachses von beschrie- 
benen Anonaceen, konnte man keine Anona, selbst nicht 
einmal eine Anonacee mit verwachsenen Eierstöcken 
namhaft machen, welche von Asien stammte. Ich liess 
die Wahrscheinlichkeit zu?, dass die Art von den An- 
tillen stammte, oder von dem naheliegenden Theile des 
amerikanischen Continents; durch eine Unachtsamkeit 
meinerseits schrieb ich Brown diese Ansicht zu, welcher 
sich darauf beschränkt hatte, einen amerikanischen Ur- 
sprung im allgemeinen zu beanspruchen. ? 

„Seitdem haben verschiedenartige Thatsachen zur 
Bekräftigung dieses Gesichtspunktes beigetragen. 

„Die Anona squamosa ist mit dem Anscheine einer 
vielmehr naturalisirten Pflanze in Asien wildwachsend 
gefunden worden; in Afrika und namentlich in Amerika 
dagegen mit den auf eine im Lande ursprünglich ein- 
heimische Pflanze hinweisenden Bedingungen. Nach 
Dr. Royle* ist diese Art in der That in mehreren 
Gegenden Indiens naturalisirt worden; mit dem An- 
scheine einer wildwachsenden Pflanze hat er sie nur an 
den Abhängen des Gebirges, wo sich das Fort Adjee- 
gurh im Bundlecund befindet, zwischen Tekbäumen an- 
getroffen. Wenn ein so ansehnlicher Baum in einem 
von Botanikern derartig‘ erforschten Lande nur in einer 
einzigen ausserhalb der Culturen gelegenen Localität 
bemerkt worden ist, liegt die grosse Wahrscheinlichkeit 
vor, dass er dem Lande nicht ursprünglich angehört. 
Sir Joseph Hooker hat ihn auf der Insel Santiago des 
Grünen Vorgebirges gefunden, wo er auf den Hügeln 
des Thales von Saint-Domingo grössere Bestände aus- 


1 Alph. de Candolle, in: Mém. Soc. phys. et d’hist. nat. de Genève. 

2 Ebendas.; Separatabdruck, S. 19. 

3 Vgl. Botany of Congo und die deutsche mit alphabetischen Tabellen 
ausgestattete Uebersetzung der Werke Brown’s. 

4 Royle, Ill. Himal., S. 60. 


PCT, 


ns à ii 52 : 


Zuckerapfel, Zimmtapfel. 209 


macht.! Da die Anona squamosa sich nur im angebauten 
Zustande auf dem benachbarten Continent antreffen 
lässt?, dieselbe überdies weder in Guinea von Thon- 
ning? angegeben wird, noch in Congo, Senegambien ?, 
Abessinien oder in Aegypten vorkommt, was auf eine 
Einführung jüngern Datums in Afrika hinweist, da 
schliesslich die Cap-Verdischen Inseln einen grossen 
Theil ihrer ursprünglichen Waldungen eingebüsst haben, 
so glaube ich in diesem Falle an eine Naturalisation, 
welche durch aus Gärten entsprungene Samen bewerk- 
stelligt wurde. Die Autoren stimmen in der Aussage 
überein, dass die Art auf Jamaica wildwachsend ist. 
Früher hat man die von Sloane® und P. Brown? auf- 
gestellte Behauptung unberücksichtigt lassen können, 
dieselbe wird aber von Mac-Fadyen°® bestätigt. Von 
Martius fand die Art in den Wäldern von Para”, eine 
Localität, die sicherlich einen ursprünglichen Charakter 
besitzt. Er sagt sogar: «Sylvescentem in nemoribus 
paraensibus inveni», woraus man annehmen kann, dass 
die Bäume für sich selbst einen Wald bildeten. Split- 
gerber 1° stiess auf die Art in den Wäldern von Suri- 
nam, doch sagt er an spontanea? Die Menge von 
Localitäten in diesem Theile Amerikas ist recht be- 
zeichnend. Es ist wol kaum nöthig, daran zu erinnern, 
dass kein Baum sozusagen zu gleicher Zeit in dem 
intertropischen Asien, Afrika und Amerika als wirklich 
einheimisch angetroffen worden ist.!! Alle meine Unter- 
suchungen lassen eine ähnliche Thatsache für höchst 
wenig wahrscheinlich erscheinen, und falls ein Baum 
kräftig genug wäre, um eine derartige Ausbreitung zu 
zeigen, müsste er in allen den intertropischen Ländern 
äusserst gemein sein. 


1 Webb, in: Fl. Nigr., S. 97. 2 Ebend., S. 204. 

3 Thonning, Plantae Guineenses, 4 Brown, Congo, S. 6. 
5 Guillemin, Perrottet et Richard, Tentamen fl. Seneg. 

6 Sloane, Jam., II, 168. 7 P. Brown, Jam., S. 257. 

8 Mac-Fadyen, FI. Jam., S. 9. 

9 De Martius, Fl. Bras., fasc., II, 15. 

10 Splitgerber, Nederl. Kruidk. Arch., I, 230. 

11 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, Kap. X. 


DE CANDOLLE. 14 


910 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


„Ausserdem haben sich die historischen und linguisti- 
schen Beweisgründe zu Gunsten des amerikanischen 
Ursprungs vermehrt. Die von Rumphius! gegebenen 
Details weisen darauf hin, dass die Anona squamosa 
auf den meisten der Inseln des Indischen Archipels eine 
neuerdings angebaute Pflanze war. Von Forster wird 
keine Anonacee auf den kleinen Inseln der Südsee als 
angebaut angegeben.” Rheede? nennt die A. squa- 
mosa einen Fremdling für Malabar; ıhm zufolge wurde 
sie zunächst von den Chinesen und Arabern, dann von 
den Portugiesen nach Indien gebracht. Gewiss ist es, 
dass man sie in China und in Cochinchina*, sowie auf 
den Philippinen anbaut; über den Zeitpunkt, seit wann 
dies geschieht, wissen wir aber nichts. Zweifelhaft 
ist es, ob die Araber sie anbauen.®° In Indien wurde 
sie seit Roxburgh’s Zeiten angebaut’: derselbe hatte 
die wildwachsende Art nicht gesehen und erwähnt auch 
nur einen volksthümlichen Namen neuerer Sprache (des 
Bengalischen), nämlich Afa, welcher sich schon bei 
Rheede findet. Später glaubte man in Gunda-Gatra 
einen Sanskritnamen zu erkennen°; als jedoch Dr. Royle? 
den berühmten Wilson, Verfasser des Sanskritwörter- 
buchs, in Bezug auf diesen Namen zu Rathe zog, 
wies dieser darauf hin, dass derselbe von Sabda 
chanrika, einer Zusammensetzung von verhältnissmässig 


1 Rumphius, I, 139. 2 Forster, Plantae esculentae, 

3 Rheede, Malab., III, 22. 

4 Loureiro, Fl. coch., S. 427. 5 Blanco, Fl. Filip. 

6 Das hängt von der Meinung ab, welche man sich über die A. glabra, 
Forsk. (A. asiatica, B. Dun., Anon., S. 71; A. Forskalü, D.C., Syst., I, 
472) bildet, die zuweilen in den Gärten Aegyptens unter dem Namen 
Keschta, d. h. geronnene Milch, angebaut wurde, als Forskal dieses Land 
besuchte. Die Seltenheit ihres Anbaues und das Stillschweigen der alten 
Autoren deuten an, dass dies in Aegypten eine Einführung neuern Da- 
tums war. Ebn Baithar (deutsche Uebers. von Sontheimer, 2 Bde., 1840), 
ein arabischer Arzt des 13. Jahrhunderts, spricht von keiner Anonacee 
und erwähnt den Namen Xeschta nicht. Ich sehe nicht, wie Forskal’s Be- 
schreibung und Abbildung (Deser., S. 102, Ic. Taf. 15) von der À. squa- 
nıosa abweichen. Das Exemplar von Coquebert, auf welches im „Systema“ 
hingewiesen wird, stimmt mit der Abbildung von Forskal ziemlich über- 
ein; da sich dasselbe aber im Blühen befindet, die Abbildung dagegen die 
Frucht darstellt, so kann die Identität nicht gut nachgewiesen werden. 

7 Roxburgh, Fl. ind., 1832, II, 657. 8 Piddington, Index, S. 6. 

9 Royle, Ill. Himal., S. 60. 


| 


Ente; “ 
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. - 


‚Zuckerapfel, Zimmtapfel. | 211 


4 neuerm Datum genommen sei. Die Namen Afa und 
Ati finden sich bei Rheede und Rumphius.! Dies 
diente wahrscheinlich Saint-Hilaire zur Grundlage seiner 
Beweisführung; jedoch wird in Mexico ein sehr ver- 
wandter Name für die Anona squamosa gebraucht, nämlich 
Ate, Ahate de Panucho; derselbe findet sich bei Her- 
nandez? mit zwei ziemlich gleichen und recht mittel- 
mässigen Abbildungen, die man mit Dunal? entweder 
auf die A. squamosa, oder mit Martius® auf die A. 
Cherimolia beziehen kann. Oviedo gebraucht den Na- 
men Anon.° Es ist immerhin sehr möglich, dass der 
Name Ata nach Brasilien von Mexico und den Nach- 
barländern gelangte. Ich gebe freilich zu, dass er auch 
von den portugiesischen Colonien in Ostindien kommen 
kann. Von Martius sagt allerdings, dass die Art von 
den Antillen eingeführt wurde.° Es ist mir nicht be- 

. kannt, ob er Beweise hierfür gehabt hat, oder ob er 
seine Aussage auf das Werk von Oviedo stützt, welches 
er anführt, das mir aber nicht zur Verfügung steht. Der 
‚hierauf bezügliche, in Marcgraf’s Werk”? übertragene Ab- 
schnitt von Oviedo’ gibt eine Beschreibung der Art, 
ohne von ihrem Ursprunge zu sprechen. 

„Alle Thatsachen zusammengenommen sprechen mehr 
und mehr zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs. 
Die Wälder von Para sind die Localität, wo die Art 
am meisten den Charakter einer spontanen Pflanze an- 
genommen hat. Ihre Cultur ist in Amerika eine alte, 
indem Oviedo einer der ersten Autoren ist (1535), 
welche über dieses Land berichtet haben. Zweifelsohne 
ist ihre Cultur auch in Asien eine recht alte, wodurch 
ein seltsames Problem entsteht. Es liegen mir jedoch 
keine Beweise vor, dass diese asiatische Cultur vor der 
Entdeckung Amerikas datirt, und scheint mir überdies, 


1 Rheede und Rumphius, I, 139. 2 Hernandez, S. 348 und 454. 

3 Dunal, M&m. Anon., S. 70. 4 De Martius, Fl. bras., fasc. 2, S 15. 

5 Davon kommt der Gattungsname Anona, welchen Linné in Annon« 
(Vorrath) umwechselte, weil er keinen Namen aus barbarischen Sprachen 
zuliess und Wortspiele nicht fürchtete. 

6 De Martius, a. a. O. 7 Marcgraf, Brasil., S. 94. 


14* 


ORNE EN 


212 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


dass ein Baum mit so wohlschmeckenden Früchten sich 
mehr in der Alten Welt verbreitet haben würde, wenn 
er daselbst von Anfang an vorgekommen wäre. Bei 
der Voraussetzung eines altweltlichen Ursprungs würde 
man überdies sehr in Verlegenheit sein, für seinen An- 
bau in Amerika zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine 
Erklärung zu finden.“ 

So weit meine frühern Auseinandersetzungen; jetzt 
lasse ich die von verschiedenen Autoren später ver- 
öffentlichten Thatsachen folgen. 

1. Die Schlussfolgerung, dass keine Art der Gattung 
Anona asiatisch sei, ist von grösserer Bedeutung als je. 
Die A. asiatica, Linné, beruhte auf Irrthümern (siehe 
meine Anmerkung in „Geogr. bot.“, S. 862). Die A. 
obtusifolia, Tussac (,Fl. des Antilles“, I, 191, Taf. 28), 
welche früher in San-Domingo als eine Pflanze asiati- 
schen Ursprungs angebaut wurde, begründet sich viel- 
leicht auf einen Irrthum. Ich vermuthe, dass man die 
Blume einer Art (A. muricata) und die Frucht einer 
andern (A. squamosa) abgebildet hat. Anonen sind 
keineswegs in Asien entdeckt worden, dagegen kennt 
man gegenwärtig statt einer oder zwei! vier oder fünf 
in Afrıka und eine beträchtlichere Anzahl als ehemals 
in Amerika. 

2. Die Autoren neuerer Floren von Asien tragen kein 
Bedenken, die Anonen und besonders die A. squamosa, 
welche man hier und da anscheinend spontan antrifft, 
als eine in der Nähe von Culturen und europäischen 
Niederlassungen naturalisirte Pflanze anzusehen.? 

3. In den neuen, schon angeführten afrikanischen 
Floren sind die A. sguamosa und die andern, von wel- 


“ 


1 Vgl. Baker, Flora of Mauritius, S. 3. Die von Oliver, Flora of 
trop. Africa, I, 16, zugelassene Identität von A. palustris von Amerika mit 
derjenigen von Senegambien scheint mir sehr merkwürdig, obgleich es 
sich um eine Art handelt, welche in den Sümpfen wächst, d.h. einen 
weiten Wohnsitz darbietet. 

2 Hooker, Flora of Brit. India, I, 78; Miquel, Flora Indo-Batava, I, 
Thl. 2, S.33; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, I, 46; Stewart and Bran- 
dis, Forest of India, S. 6. 


Stacheliger Flaschenbaum. 215 


chen ich gleich sprechen werde, immer als angebaute 
Arten angegeben. 

4. Der Gärtner Mac Nab hat die A. squamosa in 
den trockenen Ebenen Jamaicas! gefunden, was als 
eine Bestätigung der alten Autoren anzusehen ist. 
Eggers? sagt, dass diese Art in den Dickichten der 
Insel Sainte-Croix und der Jungferninseln gewöhnlich ist. 
Mir ist es nicht bekannt, dass man sie auf Cuba wild- 
wachsend gefunden habe. 

5. Auf dem amerikanischen Continent führt man sie 
als angebaut an.” Von Andre erhielt ich indessen ein 
Exemplar von einer steinigen Localität des Magdalena- 
thals, welche zu dieser Art zu gehören und spontane 
Eigenschaften zu besitzen scheint. Durch das Fehlen 
der Frucht wird die Bestimmung zweifelhaft. Es ist, 
nach der Anmerkung auf dem Etikett, eine köstliche 
Frucht, die mit der von A. squamosa übereinstimmt. 
Warming * führt für Lagoa-Santa in Brasilien die Art 
als angebaut an. Sie scheint somit in Para, Guyana 
und in Neugranada infolge der Culturen eher angebaut 
oder naturalisirt zu. sein. 

Man kann schliesslich, will mir scheinen, kaum daran 
zweifeln, dass sie nicht von Amerika und ganz beson- 
ders von den Antillen stammt. 


Anona muricata, Linne. — Stacheliger Flaschenbaum 
(engl. Sour sop, fr. Corossol). 

Dieser nach allen Colonien der Tropenländer ein- 
geführte Fruchtbaum ist auf den Antillen wildwach- 
send; wenigstens hat man sein Vorkommen auf den In- 
seln Cuba, San-Domingo, Jamaica und mehreren der klei- 
nern Inseln nachgewiesen.° Auf dem südamerikanischen 


1 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 5. 

2 Eggers, Flora of Sainte-Croix and Virgin-Islands, S-128: 

3 Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granatensis, S.29; Sagot, Journ. 
soc. d’hortic., 1872. 

4 Warming, Symbolae ad fl. bras., XVI, 434. 

5 Abgebildet in Descourtilz, F1. méd. des Antilles, II, Taf. 87, und 
in Tussac, FI. des Antilles, II, Taf. 24. 

6 Richard, Plantes vasculaires de Cuba, S. 29; Swartz, Obs., S. 221; 


214 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Festlande findet man ihn zuweilen in der Nähe mensch- 
licher Niederlassungen naturalisirt.! Ed. Andre sammelte 
davon Exemplare in der Caucaregion und Neugranada; 
er behauptet freilich nicht, dass dieselben von spon- 
tanen Pflanzen kommen, und ich sehe, dass Triana 
(Prodr. fl. granat.) den Baum nur als angebaut anführt. 


Anona reticulata, Linné. — Netzförmiger Flaschen- 
baum (im Engl. Custard apple [auf den Antillen], Bul- 
lock’s Heart [in Indien]; fr. Cœur de bœuf). 

Diese in Descourtilz, ,, Flore médicale des Antilles“, 
2, Taf. 82, und im „Botanical Magazine“, Taf. 2912, 
abgebildete Anona ist auf den Antillen spontan, z. B. 
auf den Inseln Cuba, Jamaica, Saint-Vincent, Guadeloupe, 
Santa-Cruz, der Insel Barbadoes’, ferner auf der Insel 
Taboga in der Bai von Panama? und in der Provinz 
Antioquia Neugranadas.* Wenn sie in diesen letztern 
Localitäten ebenso wildwachsend auftritt wie auf den 
Antillen, so erstreckt sich ihr Wohnsitz wahrscheinlich 
nach mehreren Staaten Centralamerikas und Neu- 
granadas. 

Obgleich die Art ihrer Früchte wegen wenig geschätzt 
wird, hat man sie doch nach den meisten der Colonien 
tropischer Regionen eingeführt. Rheede und Rumphius 
hatten sie schon in den Anpflanzungen Südasiens ange- 
troffen. Nach Welwitsch naturalisirt sie sich ausserhalb 
der Gärten Angolas im westlichen Afrika”, und das- 
selbe ist in Britisch-Indien eingetreten.® 


Anona Cherimolia, Lamarck. — Tschirimajabaum (fr. 
Cherimolia). 


P. Brown, Jamaïque, S. 255; Mac-Fadyen, Fl. Jamaiq., S. 7; Eggers, Fl. 
of Sainte-Croix, S. 23; Grisebach, F1. Brit. W. India, S. 4. 

1 Martius, Fl. Brasil., fasc. 2, S. 4; Splitgerber, Plant. de Surinam, 
in: Nederl. Kruidk. Arch., I, 226. 

2 Richard, a. a. O.; Mac-Fadyen, a. a. O.; Grisebach, a. a. O.; Eggers 
a. à. O.; Swartz, Obs., S. 222; Maycock, Fl. Barbad., S. 233. 

3 Seemann, Botany of Herald, S. 75. 

4 Triana et Planchon, Prodr. Fl. Novo-Granatensis, S. 29, 

5 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 15. 

6 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, I, 78. 


4 


Tschirimajabaum. 215 


Die Cherimolia oder Chirimoya wird trotz ihrer vor- 
züglichen Frucht in den Colonien nicht so allgemein 
angebaut wie die vorhergehenden Arten. Dies ist 
wahrscheinlich der Grund, warum man von der Frucht 
noch nicht einmal eine weniger schlechte Abbildung 
als die von Feuillee (Obs. 3, Taf. 17) veröffentlicht 
hat, während die Blume im ,,Botanical Magazine“, 
Taf. 2011, unter dem Namen von A. tripetala gut ab- 
gebildet ist. 

Ich lasse das im Jahre 1855 von mir über den Ur- 
sprung der Art Gesagte hier folgen!: 

„Der Tschirimajabaum wird von Eamarck und Dunal 
als in Peru wachsend angegeben; Feuillée aber, welcher 
zuerst von ihm spricht”, erwähnt ihn nur als angebaut. 
Mac-Fadyen®? sagt, dass dieser Baum auf den Bergen 
von Port-Royal in Jamaica häufig ist; er fügt aber 
hinzu, dass Peru das ursprüngliche Vaterland ist, und 
die Einführung nach jener Insel schon seit langer Zeit 
stattgefunden haben muss; danach gewinnt es den An- 
schein, als ob die Art in den Plantagen der höher ge- 
legenen Theile eher angebaut wird als spontan ist. 
Sloane erwähnt diese Art nicht. Humboldt und Bon- 
pland haben sie in Venezuela und Neugranada ange- 
baut gesehen; Martius in Brasilien , wo man die Samen 
von Peru erhalten hatte. Die Art wird auf den Cap- 
Verdischen Inseln und an der Guineaküste angebaut’; 


es scheint aber nicht, als ob man sie in Asien ver- 


breitet habe. Ihr amerikanischer Ursprung steht ausser 
allem Zweifel. Ich möchte indessen nicht weiter gehen 
und behaupten, dass eher Peru als Neugranada, oder 
selbst Mexico als ihr Vaterland anzusehen ist. Wahr- 
scheinlich wird man sie in einer dieser Regionen wild- 
wachsend antreffen. Meyen hat sie nicht von Peru 
gebracht.‘ 5 


1 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 863. 

2 Feuillee, Obs., TIL, 23, Taf. 17. 3 Mac-Fadyen, Fl. Jam., S. 10. 
4 De Martius, F1 bras., "fasc. 3,815: 5 Hooker, F1. Nigr., S. 205. 
6 Nov. act. nat. CUT, REX, Suppl. 1° 


216 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Dank einer freundlichen Mittheilung des Herrn André 
sind meine Bedenken jetzt mehr geschwunden. Zunächst 
will ich erwähnen, dass ich Exemplare von Mexico ge- 
sehen habe, die von Botteri und von Bourgeau gesam- 
melt waren, und dass die Autoren die Art oft für diese 
Region, für die Antillen, Centralamerika und Neugranada 
angeben. Sie sagen freilich nicht, dass sie dort wild- 
wachsend auftritt, im Gegentheil bemerken sie, dass sie 
angebaut wird, den Gärten entspringt und sich natura- 
lisırt.! Von Grisebach wird die Bestätigung gegeben, 
dass sie von Peru bis nach Mexico spontan ist, Be- 
weise hierfür liefert er allerdings nicht. Andre hat in 
einem Thale des Südwestens von Ecuador Exemplare 
gesammelt, die gewiss dieser Art angehören, soweit sich 
dies eben, ohne die Früchte zu sehen, behaupten 
lässt. Er sagt nichts über die spontane Beschaffenheit, 
doch da er in andern Fällen mit grosser Sorgfalt die 
angebauten Pflanzen oder solche, welche sich vielleicht 
den Culturen entzogen haben, angibt, so glaube ich, 
dass er seine Exemplare auf wildwachsende Bäume zu- 
rückführt. Claude Gay berichtet, dass die Art seit 
undenklichen Zeiten in Chile angebaut wird.” Indess 
schweigt Molina hierüber, der doch mehrere Frucht- 
bäume der alten Culturen des Landes erwähnt hat.? 

Alles zusammengerechnet, halte ich es für sehr wahr- 
scheinlich, dass die Art in Ecuador zu Hause ist, und 
vielleicht auch in dem Nachbarstaate, in Peru. 


Citrus, Linne. — Orangen- und Citronenbäume (fr. 
Orangers et citronniers). 

Die verschiedenen in den Gärten angebauten Formen 
von Citronen, Limonen, Orangen, Pompelmusen u. s. w. 
haben einigen Gärtnern, unter welchen Gallesio und 


1 Richard, Plant. vascul. de Cuba; Grisebach, Fl. Brit. W. Ind. Islands; 
Hemsley, Biologia centrali-amer., S. 118; Kunth, in: Humb. et Bonpland. 
Nova Gen., V, 57; Triana et Planchon, Prodrom. fl. Novo-Granat., S. 28. 

2 Gay, Flora chil., I, 66. 

3 Molina, französische Uebersetzung. 


ET LL 


é 
Orangen- und Citronenbäume. >17 


Risso ! in erster Reihe zu nennen sind, zu bemerkens- 
werthen Arbeiten Veranlassung gegeben. Die Schwierig- 
keiten waren sehr grosse, um so viele Formen zu be- 
obachten und zu klassificiren. Recht gute Resultate 
wurden erzielt, doch muss man zugeben, dass die an- 
gewendete Methode auf falscher Basis ruhte, insofern 
die beobachteten Gewächse ausschliesslich angebaute 
waren, d. h. mehr oder minder der Kunst ihr Dasein 
verdankten, und in gewissen Fällen vielleicht als Ba- 
starde sich hinstellten. Die Botaniker sind jetzt glück- 
licher. Dank den Entdeckungen der Reisenden in Bri- 
tisch-Indien vermögen sie jetzt spontane, und somit 
wirkliche, natürliche Arten zu unterscheiden. Nach 
Sir Joseph Hooker?, welcher selbst in Indien botanisirt 
hat, verdankt man Brandis? die beste Arbeit über die 
Citrusarten dieser Region. Er folgt ihm in seiner Flora, 
und in Ermangelung einer monographischen Arbeit über 
die Gattung werde ich hier dasselbe thun, will da- 
bei auch bemerken, dass eine Arbeit, in welcher die 
seit zwei Jahrhunderten in Gärten beschriebenen und 
abgebildeten Formen so gut wie, es eben geht auf 
spontane Arten zurückgeführt werden, auszuführen noch 
übrigbleibt.* 

Dieselben Arten und vielleicht noch andere kommen 
wahrscheinlich im wildwachsenden Zustande in Cochin- 
china und China vor; dies ıst aber noch nicht an 
Ort und Stelle, und ebenso wenig vermittelst solcher 
Exemplare nachgewiesen worden, die von Botanikern 
untersucht wurden. Vielleicht werden die wichtigen 
Arbeiten des Herrn Pierre, deren Publication bereits 


1 Gallesio, Traité du Citrus (Paris 1811); Risso et Poiteau, Histoire 
naturelle des Orangers (1818), 109 Tafeln. 

2 Hooker, Flora of British India, I, 515. 

3 Stewart and Brandis, The forest of North-West and Central India, S.50. 

4 Um eine derartige Arbeit zu erzielen, müssten zunächst gute Ab- 
bildungen der wildwachsenden Arten veröffentlicht werden, und dabei 
würde auf ihre Früchte, welche man in den Herbarien nicht antrifft, be- 
sondere Aufmerksamkeit zu verwenden sein. Dann würde es uns ermög- 
licht, zu sagen, welche in den Abbildungen von Risso, Duhamel und An- 
dern sich am meisten den wildwachsenden Typen nähern. 


a Lie 2 


218 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


begonnen hat, uns darüber Kunde bringen, wie es sich 
in Bezug auf Cochinchina verhält. Was China betrifft, 
so will ich hier einen Ausspruch des Dr. Bretschneider! 
als von besonderm Interesse wegen der eingehenden 
Kenntnisse des Autors anführen: „Die Orangen, welche 
sich in China in grosser Mannichfaltigkeit finden, wer- 
den von den Chinesen unter die wildwachsenden Früchte 
gebracht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die meisten‘ 
derselben einheimisch sind und seit altersher angebaut 
werden. Dies findet darin seinen Beweis, dass jede Art 
oder Varietät einen besondern Namen hat, ausserdem 
in den meisten Fällen durch ein besonderes Schrift- 
zeichen dargestellt wird und in dem Shu-king, Rh-ya 
und andern alten Werken erwähnt ist.“ 

Die Samen der Aurantiaceen werden durch Menschen 
und Vögel ausgestreut, und in dieser Thatsache finden 
wir eine Erklärung für die Ausdehnung ihrer Wohn- 
plätze, für ihre Naturalisation in den heissen Regionen 
der Alten und Neuen Welt. In Amerika hat sich dies 
seit dem 1. Jahrhundert nach der Eroberung”? gezeigt, 
und heutzutage haben sich sogar im Süden der Ver- 
einigten Staaten Orangenwälder gebildet. 


Citrus decumana, Willdenow. — Pompelmus, Para- 
diesapfel (engl. Shaddock; fr. Pompelmouse). 

Ich will zunächst von dieser Art sprechen, weil sie 
einen botanisch deutlichern Charakter darbietet als die 
übrigen. Sie bildet sich zu einem grössern Baume 
heran, und ist die einzige, deren junge Triebe und un- 
tere Seite der Blätter mit Flaumhaaren bekleidet sind. 
Die Frucht ist kugelförmig oder fast so, grösser als 
eine Orange, zuweilen ebenso gross wie der Kopf eines 
Menschen. Der Saft besitzt eine ziemliche Säure, die 
Schale ist auffallend dick. Gute Abbildungen der Frucht 


1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, 
S. 5. 
> 


t 


Acosta, Hist. nat. des Indes, französische Uebersetzung, 1598, S. 187. 


Pompelmus, Paradiesapfel. 219 


finden sich im neuen Duhamel, VII, Fig. 42, und in 
Tussac, „Flore des Antilles‘, II, Fig. 17, 18. 

Die Menge der Varietäten im Archipel des Südens 
von Asien weist auf eine alte Cultur hin. Bisjetzt 
kennt man noch nicht in ganz bestimmter Weise das 
ursprüngliche Vaterland, weil die anscheinend einheimi- 
schen Individuen den infolge eines häufigen Anbaues 
hervorgerufenen Naturalisationen ihr Dasein verdanken 
können. Roxburgh berichtet, dass man in Kalkutta 
die Art von Java erhalten hattel, und Rumphius ? 
glaubte, dass sie im südlichen China zu Hause wäre. 
Weder er noch neuere Botaniker haben sie ım wild- 
wachsenden Zustande auf dem Indischen Archipel an- 
getroffen.” In China hat die Art einen einfachen Na- 
men, Ya; das charakteristische Schriftzeichen® erscheint 
aber für eine wirklich einheimische Pflanze zu ver- 
wickelt. In China und Cochinchina ist dieser Baum 
nach Loureiro recht gewöhnlich, womit freilich nicht 
gesagt sein soll, dass er dort spontan ist.” Die meisten 
Anzeichen eines wildwachsenden Daseins findet man auf 
den Inseln im Osten des Indischen Archipels. Schon 
früher sagte Forster® von dieser Art: „sehr gemein 
auf den Freundschaftsinseln“. Für die Fidschi-Inseln 
ist Seemann’? noch bestimmter, indem er sagt: „äusserst 
gemein und an den Flussufern sich hinziehend“. 

Es wäre sehr seltsam, dass sich ein im ganzen süd- 
lichen Asien so vielfach angebauter Baum bis zu diesem 
Punkte auf gewissen Inseln der Südsee naturalisirt 
hätte, während das anderswo kaum beobachtet worden 
ist. Wahrseheinlich ist er dort einheimisch, was aller- 
dings nicht ausschliesst, dass man ihn möglicherweise 


1 Roxburgh, Flora indica (1832), III, 393. 

2 Rümphius, Hortus amboinensis, II, 98. 

3 Miquel, Flora indo-batava, Bd. I, Thl. 2, S. 526. 

4 Bretschneider, a. a. O. 

5 Loureiro, F1. Cochinch., II, 572. Für eine andere Art der Gattung 
rg es wohl zu betonen, dass sie spontan und nicht angebaut ist, 

6 Forster, De plantis esculentis oceani australis, S. 35. 

7 Seemann, Flora Vitiensis, S. 33. 


220 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


auch auf andern, Java näher gelegenen Inseln wild- 
wachsend antreffen wird. 

Der Name Pompelmus ist holländisch (Pompelmoes). 
Die Benennung Shaddock erfolgt nach einem Kapitän 
dieses Namens, welcher der erste war, der die Art 
nach den Antillen brachte.! 


Citrus medica, Linne. — Agrume, gemeiner Citronen- 
oder Cedratbaum (fr. Cédratier, Citronnier, Limonier). 

Dieser Baum, wie auch der gewöhnliche Orangen- 
baum, ist in allen seinen Theilen unbehaart. Seine mehr 
längliche als breite Frucht wird bei den meisten der 
Varietäten von einer Art Warze überragt. Der Saft 
ist mehr oder minder sauer. Die jungen Triebe und 
die Blumenblätter nehmen häufig eine röthliche Färbung 
an; die Fruchtschale ist oft voller Beulen und bei ge- 
wissen Untervarietäten sehr dick.? 

Brandis und Sir Joseph Hooker unterscheiden vier 
angebaute Varietäten: 


1. Citrus medica, die eigentliche Art (Cedratier der Franzosen; Citron 
der Engländer; Cedro der Italiener); mit grosser, nicht sphärischer Frucht, 
deren sehr aromatische Schale mit Beulen bedeckt ist, und deren spär- 
licher Saft keine grosse Säure besitzt. Nach Brandis hiess sie im San- 
skrit Vijapüra. 

2. Citrus medica Limonum (Citronnier der Franzosen; Lemon der Eng- 
länder); die nicht sphärische Frucht von mittlerer Grösse, Saft reichlich 
und sauer. 

3. Citrus medica acida (C. acida, Roxburgh); kleine Blume, Frucht 
meistens klein, von veränderlicher Form, sehr sauerer Saft. Nach Brandis 
hiess sie im Sanskrit Jambira. 

4. Citrus medica Limetta (C. Limetta und ©. Lumia von Risso); Blumen 
denen der vorhergehenden Varietat ähnlich, Frucht aber sphärisch und 
süsser, nicht aromatischer Saft. In Indien nennt man sie Sweet Lime, 
d.h. süsse Limone. 


Es wird von dem Botaniker Wight bestätigt, dass die 
letzte dieser Varietäten in der Indischen Halbinsel auf 
den Nilgherries wildwachsend vorkommt. Andere For- 
men, die sich mit geringerer oder grösserer Genauig- 
keit zu den drei übrigen Varietäten bringen lassen, 
wurden von mehreren anglo-indischen Botanikern* in 


= Plukenet, Almagestes, S. 239; Sloane, Jamaique, I, 41. 
2 Cédrat à gros fruit du nouveau Duhamel, NAT, 68. Taf. 22. 
3 Royle, Ill. Himal., S. 129; Brandis, Forest Flora, S. 52; Hooker, 
Flora of Brit. India, I, 514. 


Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum. 221 


den heissen Regionen am Fusse des Himalaja, jenen 
von Garwal im Sikkim, im Südosten in Chittagong und 
Birma, endlich im Südwesten auf den westlichen Ghats 
und den Satpuragebirgen wildwachsend angetroffen. 
Danach ist es nicht zweifelhaft, dass die Art in Indien 
ursprünglich zu Hause ist und sogar unter verschie- 
denen Formen, deren Alter sich im Dunkel der prä- 
historischen Zeiten verliert. 

Es scheint mir fraglich, ob sich ihr Vaterland nach 
China zu oder den Inseln des Asiatischen Archipels er- 
streckt. Loureiro führt die Citrus medica für Cochin- 
china nur als angebaut an, und von Bretschneider hören 
wir, dass die Limone chinesische Namen besitzt, welche 
sich in den alten Werken nicht finden und überdies 
zusammengesetzte Zeichen in der Schreibweise haben, 
was vielmehr auf eine fremdländische Art hindeutet. Sie 
mag, sagt er, eingeführt worden sein. In Japan wird 
die Art nur angebaut.! Endlich zeigen mehrere Ab- 
bildungen von Rumphius Varietäten, die auf den Sunda- 
inseln angebaut sind, von denen der Verfasser aber 
nicht eine einzige als wirklich wildwachsend und ein- 
heimisch ansieht. Um die Localität anzugeben, bedient 
er sich bisweilen des Ausdrucks in hortis sylvestribus, 
was man mit Hainen übersetzen kann. Indem er von 
seiner Lemon Sussu spricht (Bd. 2, Fig. 25), die eine 
Citrus medica mit elliptischer Frucht von sauerm Ge- 
schmack ist, erwähnt er, dass sie nach Amboina einge- 
führt wurde, dort aber nicht so gewöhnlich ist wie ın 
Java, woselbst „die Wälder ıhren Hauptstandort aus- 
machen“. Dies kann die Folge einer zufälligen, durch 
Culturen herbeigeführten Naturalisation sein. Miquel 
trägt in seiner neuern Flora der holländischen Be- 
sitzungen in Ostindien? kein Bedenken, zu sagen, dass 
die ©. medica und Limonum im Archipel nur ange- 
baut sind. 


4 


1 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, S. 129. 
2 Miquel, Flora indo-bat., Bd. I, Thl. 2, S. 528. 


rt 


999 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Die Cultur der mehr oder minder sauern Varietäten 
hat sich frühzeitig im westlichen Asien, wenigstens in 
Mesopotamien und Medien, verbreitet. Man kann kaum 
daran zweifeln, weil zwei Formen Sanskritnamen hatten, 
und weil ausserdem die Griechen die Frucht durch die 
Meder kennen lernten, woraus der Name Citrus medica 
entstanden ist. Theophrast ! war der erste, welcher von 
dieser Frucht als dem medischen und persischen 
Apfel gesprochen hat, der betreffende Satz ist seit zwei 
Jahrhunderten oft wiederholt und commentirt worden.” 
Derselbe bezieht sich augenscheinlich auf Citrus medica; 
doch wenn auch der Verfasser über die Art und Weise 
der Aussaat in Töpfen, sowie über die spätere Verpflan- 
zung der jungen Pflanzen Erklärungen gibt, so sagt er 
nicht, ob dies in Griechenland geschah, oder ob er 
ein Verfahren der Meder beschrieb. Wahrscheinlich 
bauten die Griechen den Citronenbaum noch nicht an, 
denn die Römer hatten ihn zu Anfang der christlichen 
Zeitrechnung noch nicht in ihren Gärten. Dioscorides, in 
Cilicien geboren und im 1. Jahrhundert als Schriftsteller 
thätig, spricht? von diesem Baume fast in denselben 
Ausdrücken wie Theophrast. Man nimmt an, dass 
die Art nach vielfältigen Versuchen * im 3. oder 4. Jahr- 
hundert in Italien angebaut wurde. Im 5. Jahrhundert 
spricht Palladius von ihr als einer wohlbegründeten 
Cultur. 

Die Unwissenheit der Römer der classischen Epoche 
in Bezug auf ihrem Lande fremde Pflanzen liess sie 
unter dem Namen lignum citreum das Citrusholz mit 
dem der Cedrus verwechseln, aus welchem man sehr 
schöne Tische verfertigte, und welche eine Ceder oder 
eine Thuja war, die beide zu der ganz verschiedenen 
Familie der Coniferen gehören. 


1 Theophrastes, 1. 4, c. 4. 

2 Bodaeus, in Theophrastes (1644), S. 322, 343; Risso, Traité du Citrus, 
S. 198; Targioni, Cenni storici, S. 196. 

3 Dioscorides, I, 166. 

4 Targioni, a. a. O. 


Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum. 223 


Die Hebräer müssen wegen ihrer häufigen Beziehungen 
mit Persien, Medien und den Nachbarländern den Ci- 
tronenbaum vor den hömern gekannt haben. Es ist 
bei den Juden der Neuzeit Brauch, am Tage des Laub- 
hüttenfestes mit einer Citrone in der Hand die Syna- 
goge zu betreten, und diese Sitte hatte zu dem Glauben 
geführt, dass das Wort Hadar im 3. Buch Mosis Citrone 
oder Cedrat bedeutete; durch die Vergleichung der alten 
Texte ist es Risso aber gelungen, zu zeigen, dass dieses 
Wort eine schöne Frucht oder die Frucht eines schönen 
Baumes bedeutet. Derselbe ist sogar der Ansicht, dass 
die Hebräer den Citronen- oder Cedratbaum zu Anfang 
unserer Zeitrechnung nicht kannten, weil die Septua- 
ginta Hadar mit Frucht eines sehr schönen Baumes 
übersetzt. Da die Griechen den Citronenbaum in Me- 
dien und Persien zu Zeiten des Theophrast, drei Jahr- 
hunderte v. Chr., gesehen hatten, würde es immerhin 
sehr seltsam sein, wenn die Hebräer zur Zeit ihrer Ge- 
fangenschaft in Babylon keine Kenntniss von ihm ge- 


habt hätten. Ausserdem sagt der Historiker Josephus, 


dass die Juden zu seiner Zeit bei ihrem Feste persische 
Aepfel, malum persicum, in den Händen hielten, und 
dies ist einer der bei den Griechen gebräuchlichen Na- 
men für den Cedrat. 

Die Varietäten mit sehr sauerer Frucht, wie Li- 
monum und Acida, haben die Aufmerksamkeit viel- 


- leicht nicht ebenso rasch auf sich gezogen wie der Ci- 


tronenbaum, indessen scheint der stark aromatische Ge- 
ruch, von welchem Theophrast und Dioscorides sprechen, 
auf sie aufmerksam zu machen. Es sind die Araber, 
welche die Cultur des Limonenbaums (Citronnier der 
Franzosen) in Afrika und in Europa sehr verbreitet 
haben. Nach Gallesio haben dieselben ihn im 10. Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung von den Gärten Omans 
nach Palästina und Aegypten gebracht. Jakob von 
Vitry gibt im 13. Jahrhundert eine sehr gute Beschrei- 
bung von der Limone, welche er in Palästina gesehen 
hatte. Ein Autor Namens Falcando erwähnt im Jahre 


294 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


1260 sehr sauere ,, Lumias“, welche man bei Palermo 
anbaute, und Toscana besass sie zur selben Zeit.! 


Citrus Aurantium, Linne (excl. var. y). (Citrus Au- 
rantium, Risso. — Orangenbaum (fr. Oranger). 

Die Orangenbäume unterscheiden sich von den Pom- 
pelmusen (C. decumana) durch das gänzliche Fehlen 
von Haaren auf den jungen Trieben und den Blättern, 
durch eine weniger grosse Frucht, die immer eine sphä- 
rische Form hat und deren Schale weniger dick ist; 
von den Citronenbäumen (C. medica) durch die voll- 
ständig weissen Blumen, durch eine nie längliche Frucht 
ohne Warze an der Spitze, deren Schale wenig oder - 
keine Beulen zeigt und mit dem saftigen Theile etwas 
verwachsen ist. 

Es ist weder Risso in seiner ausgezeichneten Arbeit 
über Citrus, noch neuern Autoren wie Brandis und Sir 
Joseph Hooker gelungen, einen andern Charakter als 
den Geschmack anzugeben, um den Orangenbaum mit 
mehr oder minder bittern Früchten, d. h. den Pome- 
ranzenbaum von dem eigentlichen Orangenbaum mit 
süsser Frucht zu unterscheiden. Als ich im Jahre 1855 
die Frage über den Ursprung prüfte, schien mir diese 
Verschiedenheit vom botanischen Standpunkte so gering 
zu sein, dass ich mich mit Risso der Ansicht hinneigte, 
beide Sorten von Orangenbäumen als einfache Varie- 
täten anzusehen. Die jetzigen anglo-indischen Autoren 
thun dasselbe. Sie fügen noch eine dritte Varietät, 
welche sie Bergamia nennen, hinzu, das ist der Berga- 
mottenbaum mit kleinerer Blume und deren sphärische 
oder birnenförmige Frucht von aromatischem und leicht 
säuerlichem Geschmack kleiner ist als die gemeine 
Orange. 

Man hat diese letzte Form im wildwachsenden Zu- 
stande nicht angetroffen, und ich halte sie vielmehr für 
ein Erzeugniss der Cultur. 


1 Targioni, a. a. O., S. 217. 


Orangenbaum. 225 


Häufig wirft man die Frage auf, ob die Apfel- 
sinen, wenn man sie aussäet, auch süsse Orangen 
geben, und die Pomeranzen wieder bittere Orangen. 
Das bleibt sich in Bezug auf Unterscheidung von Arten 
oder Varietäten ziemlich gleich, denn bekanntlich sind 
in beiden Reichen alle Charaktere mehr oder minder 
erblich, sind gewisse Varietäten es so durchgängig, dass 
man sie als Rassen hinstellen muss, und sich demnach 
die Absonderung in Arten auf andere Erwägungen, wie 
das Fehlen von Zwischenformen oder der Mangel einer 
Kreuzung, deren Sprösslinge selbst wieder fruchtbar 
sind, stützen muss. In dem vorliegenden Falle ist die 
Frage jedoch nicht ohne Interesse, und ich will be- 
merken, dass die Versuche zuweilen widersprechende 
Resultate ergeben haben. 

Gallesio, ein vortrefflicher Forscher, drückt sich 
folgendermaassen aus: „Während einer langen Reihe 
von Jahren habe ich Apfelsinenkerne ausgesäet, die 
bald von durch Samen erzielten Bäumen, bald von 
auf Pomeranzen- oder Citronenbäumen gepfropften 
Orangenbäumen genommen waren. Diese Aussaat lie- 
ferte immer Bäume mit süssen Früchten. Seit mehr als 
60 Jahren ist dieses Resultat von allen Gärtnern in der 
Gegend von Finale festgestellt worden. Es gibt kein Bei- 
spiel von einem Pomeranzenbaum, der aus Samen der süssen 
Orange hervorgegangen sei, noch von einem Orangen- 
baum mit süsser Frucht, welcher einer Aussaat vom 
Pomeranzenbaume sein Dasein verdanke...... Als im 
Jahre 1709 der Frost die Orangenbäume von Finale 
zerstört hatte, wurde es Brauch, Orangenbäume mit 
süssen Früchten aus Samen zu erzielen; unter diesen 
Sämlingen befand sich nicht ein einziger, welcher nicht 
Früchte mit süssem Safte trug.“ I 

Im Gegensatz hierzu sagt Mac-Fadyen in seiner „Flora 
von Jamaica“: „Es ist eine begründete Thatsache, die 
allen denen, welche einige Zeit auf dieser Insel zuge- 


1 Gallesio, Traité du Citrus, S. 32, 67, 355, 357. 
DE CANDOLLE. 15 


2926 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


bracht haben, wohl bekannt ıst, dass man aus den 
Samen der Apfelsinen sehr häufig Bäume mit bittern 
Früchten gewinnt, und sind solche gut bewiesene Bei- 
spiele zu meiner persönlichen Kenntniss gelangt. Ich 
habe jedoch nie sagen hören, dass Samen der Pomeranze 
je Bäume mit süssen Früchten gegeben hätten...... 
Der bittere Orangenbaum oder der Pomeranzenbaum 
war somit“, fährt der Verfasser höchst verständig fort, 
„der ursprüngliche Typus.“! Er behauptet, dass auf 
kalkhaltigem Boden der Apfelsinenbaum durch Samen 
constant bleibt, während er auf andern Bodenarten in 
Jamaica Früchte erzeugt, die mehr oder minder sauer 
oder bitter sind. Duchassaing sagt, dass auf Guade- 
loupe die Samen süsser Orangen oft bittere Früchte 
geben”, während sie nach Dr. Ernst in Caracas zu- 
weilen saure Früchte, aber keine bittern hervorbringen.? 
Diese Verschiedenheiten zeigen den veränderlichen Erb- 
lichkeitsgrad und bestätigen die Ansicht, dass man in 
den beiden Sorten von Orangenbäumen nicht zwei Arten, 
sondern zwei Varietäten erkennen muss. 

Ich bin indessen gezwungen, sie hier eine nach der 
andern aufzuzählen, um ihren Ursprung sowie die Aus- 
dehnung ihrer Cultur zu verschiedenen Zeitabschnitten 
zu erklären. 

1. Citrus vulgaris, Risso. C. Aurantium, var. Biga- 
radia, Brandis und Hooker. — Pomeranzenbaum (ital. 
Arancio forte, fr. Bigaradier). 

Den Griechen und Römern war derselbe ebenso un- 
bekannt wie der Apfelsinenbaum. Da sie mit Indien 
und Ceylon Verbindungen gehabt hatten, so vermuthet 
Gallesio, dass zu ihrer Zeit diese Bäume nicht im west- 
lichen Theile Indiens angebaut wurden. Von diesem 
Gesichtspunkte aus hat er die Berichte alter Reisenden 
und Geographen, wie Diodorus von Sicilien, Nearchus, 
Arianus durchforscht, bei keinem aber eine Erwähnung 


1 Mac-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 129 u. 130. 
2 Angeführt in: Grisebach, Veget. Karaiben, S. 34. 
3 Ernst, in: Seemann, Journal of Bot., 1867, S. 272. 


Pomeranzenbaum. 227 


von Orangenbäumen gefunden. Das Sanskrit hatte in- 
dessen einen Namen für die Orange, Nagarunga, Nagrunga. 
Daraus ist selbst das Wort Orange entstanden, denn 
die Hindus machten nach Royle Narungee, nach Pid- 
dington Nerunga, die Araber nach Gallesio Narunj, 
die Italiener Naranzi, Arangi daraus, und im Mittel- 
alter sagte man. im Lateinischen Arancium, Aran- 
gium, dann Aurantium.? Bezog sich aber der Sanskrit- 
name auf die bittere Orange oder auf die süsse? Der 
Philolog Adolphe Pictet hat mir seinerzeit eine selt- 
same Auskunft über diesen Punkt gegeben. Er hatte 
in den Sanskritwerken die bezeichnenden Namen ge- 
sucht, welche der Orange oder dem Orangenbaume bei- 
gelegt waren, und deren siebzehn gefunden, die alle auf 
die Farbe, den Geruch, die saure Beschaffenheit (danta 
catha, den Zähnen schädlich), den Ort des Wachsthums 
u. 8. w., nie aber auf einen süssen oder angenehmen 
Geschmack hindeuten. Diese Menge von mit den Bei- 
wörtern übereinstimmenden Namen lässt uns eine von 
alters her bekannte Frucht erkennen, die aber einen von 
der süssen Orange oder Apfelsine ganz verschiedenen 
Geschmack hatte. Ausserdem haben die Araber, welche 
die Orangenbäume nach dem Occident brachten, zuerst 
die bittere Orange oder die Pomeranze gekannt, haben 
ihr den Namen Narunj? beigelest, und ihre Aerzte 
haben vom 10. Jahrhundert an den bittern Saft der- 
selben verschrieben.* Die eingehenden Untersuchungen 
von Gallesio zeigen, dass die Art sich seit den Zeiten 
der Römer von der Seite des Persischen Golfs verbreitet 
hatte, zu Ende des 9. Jahrhunderts nach Arabien ge- 
langte, und zwar nach Zeugenaussage des arabischen 
Schriftstellers Masudi durch Oman, Bassora, Irak und 
Syrien hindurch. Die Kreuzfahrer sahen den Pome- 


1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), II, 392; Piddington, Index. 

2 Gallesio, S. 122. 

3 In den neuern Sprachen Indiens ist der Sanskritname, so berichtet 
Brandis, durch eine der in der volksthümlichen Sprache so häufigen Um- 
stellungen auf die süsse Orange oder Apfelsine angewendet worden. 

4 Gallesio, S. 122, 247, 248. 


197 


228 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


ranzenbaum in Palästina. In Sicilien baute man ihn 
seit dem Jahre 1002 an, wahrscheinlich infolge der 
Einfälle seitens der Araber. Diese sind es, welche ihn 
nach Spanien eingeführt haben und wahrscheinlich auch 
nach Ostafrika. Die Portugiesen fanden ihn an dieser 
Küste angepflanzt, als sie 1498 das Cap umsegelten.! 

Nichts berechtigt zu der Vermuthung, dass der bittere 
oder süsse Orangenbaum in Afrika vor dem Mittelalter 
auftrat, denn die Fabel vom Garten der Hesperiden 
kann sich auf irgendeine Aurantiacee beziehen, und 
jeder kann ihr einen beliebigen Platz anweisen, da 
die Einbildungskraft der Alten ganz besonders er- 
giebig war. 

Die ersten anglo-indischen Botaniker wie Roxburgh, 
Royle, Griffith, Wight hatten den wildwachsenden Pome- 
ranzenbaum nicht angetroffen; alle Wahrscheinlichkeiten 
aber wiesen auf die östliche Region von Indien als sein 
ursprüngliches Vaterland hin. Dr. Wallich hat die 
Localität von Silhet erwähnt?, ohne die Spontaneität 
zu bestätigen. Nach ihm hat Sir Joseph Hooker®? den 
Pomeranzenbaum in mehreren Distrikten südlich vom 
Himalaja, von Garwal und Sikkim nach den Khasiabergen 
zu ganz gewiss spontan angetroffen. Seine Frucht war 
sphärisch oder ein wenig zusammengedrückt, von zwei 
Zoll im Durchmesser, sehr gefärbt, nicht essbar, und, 
wenn ich mich recht erinnere, spricht der Verfasser von 
einem widerlichen (mawkish) und bittern Geschmack. 
Die Citrus fusca von Loureiro®, welche, wie er meint, 
der Abbildung 23 von Rumphius ähnlich ist und in 
Cochinchina und China spontan vorkommt, könnte sehr 
wohl der Pomeranzenbaum sein, dessen Wohnsitz sich 
somit nach Osten ausbreiten würde. 

2. Citrus Aurantium sinense, Gallesio. — Apfelsine (ital. 
Arancio dolce, fr. Oranger à fruit doux). 


1 Gallesio, S. 240. Goeze, Beitrag zur Kenntniss der Orangengewächse, 
(1874), S. 13, verweist bezüglich dieser Thatsache auf alte portugie- 
sische Reisende. 

2 Wallich, List, Nr. 6384. 3 Hooker, Fl. of Brit. India, I, 515. 

4 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 571. 


Apfelsinenbaum. 229 


Nach Royle! kommt der wildwachsende Apfelsinen- 
baum in Silhet und auf den Nilgherries vor; seine Aus- 
sage ist aber nicht so eingehend, um ihr weitere Wich- 
tigkeit beizumessen. Demselben Verfasser zufolge hatte 
man auf Turner’s Zuge wildwachsende „köstliche“ 
Orangen in Buxedwar gepflückt, einem nordöstlich von 
Rungpur in Bengalen gelegenen Ort. Dagegen er- 
wähnen die Botaniker Brandis und Sir Joseph Hooker 
den Apfelsinenbaum nicht als wildwachsend für Britisch- 
Indien. Sie sprechen von ıhm nur als angebaut. In 
seiner Forstflora von Britisch-Birma führt Kurz ihn gar 
nicht an. Weiter nach Osten hat Loureiro? in Cochin- 
china eine ©. Aurantium beschrieben, mit halb säuer- 
lichem, halb süssem Fruchtfleisch (acido dulcis), dies 
scheint der Apfelsinenbaum zu sein, welcher „im ange- 
bauten und nicht angebauten Zustande Cochinchina und 
China bewohnt“. Ich erinnere daran, dass die chine- 
sischen Schriftsteller die Orangenbäume im allgemeinen 
als Bäume ihres Landes ansehen; bezüglich des Indi- 
genats fehlt es aber auch an genauern Nachrichten über 
jede Art oder Varietät. 

Nach der Gesammtmasse dieser Schriftstücke zu 
schliessen, dürfte der Apfelsinenbaum im südlichen China 
und Cochinchina ursprünglich zu Hause sein, und wäre 
seine durch Samenausstreuung bewirkte Verbreitung 
nach der indischen Region zweifelhaft und zufällig. 

Wir wollen sehen, in welchem Lande seine Cultur 
angefangen und in welcher Weise sie sich ausgebreitet 
hat. Dies wird uns vielleicht über den Ursprung und 
die Unterscheidung der eigentlichen Orangenbäume von 
den Pomeranzenbäumen Aufklärung bieten. 

Es ist kaum möglich, dass eine so grosse und im 
Geschmack so angenehme Frucht wie die Apfelsine in 
einer Region vorkommen konnte, ohne dass der Mensch 
nicht den Versuch gemacht hätte, sie anzubauen. Die 


1 Royle, Illustr. of Himalaja, S. 160. Er eitirt Turner, Voyage au 
Thibet, $. 20 u. 387. 
„2 Loureiro, Fl. cochinch., S. 569. 


230 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Aussaaten sind leicht und liefern fast immer dieselbe 
geschätzte Eigenschaft: Die alten Reisenden oder Hi- 
storiker können ebenso wenig die Wichtigkeit eines so 
bemerkenswerthen Fruchtbaumes unberücksichtigt ge- 
lassen haben. In Bezug auf diesen historischen Punkt 
haben die von Gallesio in den alten Werken gemachten 
Studien äusserst interessante Resultate ergeben. 

Er liefert zuerst den Beweis, dass die von Indien 
durch die Araber nach Palästina, Aegypten, Südeuropa 
und der Ostküste von Afrika gebrachten Orangenbäume 
keine Apfelsinenbäume waren. Bis zum 15. Jahrhun- 
dert sprechen die arabischen Werke und die Chroniken 
nur von bittern oder sauern Orangen. Als jedoch die 
Portugiesen auf den Inseln des südlichen Asien an- 
kamen, fanden sie dort Apfelsinenbäume, die ihnen 
aber, so scheint es, nicht mehr neu waren. Der Floren- 
tiner, welcher Vasco de Gama begleitete und einen Be- 
richt über die Reise veröffentlicht hat, sagt: ,, Sonvi 
melarancie assai, ma tutte dolci“ (es gibt viele 
Orangen, die aber alle süss sind). Weder dieser Rei- 
sende noch die, welche folgten, drücken irgendwelches 
Erstaunen aus, als sie eine so angenehme Frucht koste- 
ten. Gallesio schliesst daraus, dass die Portugiesen 
nicht die ersten gewesen sind, welche die Apfelsinen 
von Indien brachten, wo sie 1498 anlangten, auch 
nicht von China, wo ihre Einführung in das Jahr 
1518 fällt. Ausserdem sprechen viele Schriftsteller 
des 16. Jahrhunderts von der Apfelsine als einer be- 
reits in Italien und Spanien angebauten Frucht. Für 
die Jahre 1523 und 1525 gibt es mehrere Zeugenaus- 
sagen. (rallesio beharrt bei der Ansicht, dass die Apfel- 
sine zu Anfang des 15. Jahrhunderts nach Europa 
eingeführt wurde!; Targioni macht aber, Valeriani zu- 
folge, auf eine Verordnung von Fermo aus dem 14. Jahr- 
hundert aufmerksam, in welcher von Cedraten, Apfel- 


1 Gallesio, S. 321. 


Apfelsinenbaum. 231 


sinen u. s. w. die Rede ist!, und die neuerdings von 
Goeze? nach alten Autoren gesammelten Nachweise über 
die Einführung in Spanien und Portugal stimmen mit 
diesem Zeitpunkte überein. Es scheint mir somit wahr- 
scheinlich, dass die später von China durch die Portu- 
giesen erhaltenen Orangen nur bessere waren als die, 
welche man vorher in Europa kannte, und dass die 
volksthümlichen Namen, wie Orangen von Portugal und 
von Lissabon diesem Umstande ihr Entstehen ver- 
dankten. 

Wenn die Apfelsine seit sehr langer Zeit in Indien 
angebaut worden wäre, würde sie auch einen besondern 
Namen im Sanskrit gehabt haben, würden die Griechen 
sie zur Zeit des Zuges von Alexander gekannt haben, 
müssten die Hebräer sie frühzeitig von Mesopotamien 
erhalten haben. Man würde jedenfalls diese Frucht im 
römischen Kaiserreiche geschätzt, angebaut und ver- 
mehrt haben, hätte sie der des Limonen-, Citronen- und 
Pomeranzenbaums vorgezogen. Ihr Vorkommen in In- 
dien muss somit jüngern Datums sein. 

Im Indischen Archipel wurde der Apfelsinenbaum als 
von China kommend angesehen.” Zur Zeit der Reise 
von Cook war derselbe auf den Inseln der Südsee 
wenig verbreitet.{ 

Auf allen diesen Wegen gelangen wir schliesslich zu 
der Ansicht, dass die süsse Varietät des Orangenbaums 
aus China und Cochinchina hervorgegangen ist, und 
dass sie sich in Indien vielleicht zu Anfang der christ- 
lichen Zeitrechnung verbreitet hat. Infolge der Cul- 
turen hat sie sich in vielen Gegenden Indiens und in 
allen Tropenländern naturalisiren können, wir haben 
aber bereits gesehen, dass Samenpflanzen sich nicht 
immer zu Apfelsinenbäumen heranbilden. Es dient 


1 Auf Seite 205 der Cenni storici gibt Targioni als Datum dieser Ver- 
ordnung das Jahr 1379 an, auf Seite 213 dagegen das von 1309. 

2 Goeze, Ein Beitrag zur Kenntniss der Orangengewächse (Hamburg 
1574), S. 26. 

3 Rumphius, Amboin., II, Kap. 42. 

4 Forster, Plantae esculentae, S. 35. 


232 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


dieser Erblichkeitsmangel in gewissen Fällen zur Be- 
gründung der Hypothese eines Uebergangs des Pome- 
ranzenbaums in den Apfelsinenbaum, und zwar wäre dies 
zu einer fern liegenden Epoche in China und Cochinchina 
eingetreten, und man hätte diese Uebergangsform ihres 
gärtnerischen Werthes wegen sorgfältig vermehrt. 


Citrus nobilis, Loureiro. — Mandarine, Tangerine 
(fr. Mandarines). 

Diese Art wird jetzt in Europa sehr geschätzt, wie 
sie es in China und Cochinchina seit den ältesten Zeiten 
wurde. Ihre Frucht ist kleiner als die gewöhnliche Orange 
und auf der Oberfläche voller Beulen, sphärisch, aber 
nach oben zu platt und besitzt einen ganz besondern 
Geschmack. Die Chinesen nennen sie Kan.! Rum- 
phius, welcher die Art auf allen Sundainseln angebaut 
gesehen hatte?, berichtet, dass sie von China stammte, 
.in Indien hatte sie sich aber nicht verbreitet. Rox- 
burgh und Sir Joseph Hooker erwähnen sie nicht, von 
Clarke erfahre ich aber, dass ihre Cultur in dem Khasia- 
District eine grosse Ausdehnung angenommen hat. In 
den europäischen Gärten war sie zu Anfang des 19. Jahr- 
hunderts neu, als Andrews im „Botanist Repository 
(Fig. 608) eine gute Abbildung von ihr gab. 

Nach Loureiro® bewohnt dieser Baum mittlerer Grösse 
Cochinchina, und auch, fügt er hinzu, China, obgleich 
er ihn in Canton nicht gesehen habe. Dies ist freilich 
in Bezug auf die spontane Beschaffenheit keine sehr 
genaue Auskunft, doch lässt sich kein anderer Ursprung 
voraussetzen. Nach Kurz* wird die Art in Britisch- 
Birma nur angebaut. Bestätigt sich dies, so würde das 
Vaterland auf Cochinchina und einige Provinzen Chinas 
beschränkt sein. 


1 Bretschneider, On the value of Chinese bot. works, S. 11. 

2 Rumphius, Amboin., II, Taf. 34, 35, wo indessen die Form der Frucht 
nicht die unserer Mandarine ist. 

3 Loureiro, Fl. cochinch., S. 570. 

4 Kurz, Forest Flora of British Burma. 


mr 


Be 


Wohlriechende Mangostane. Aprikose von S.-Domingo. 233 


Garcinia Mangostana, Linné. — Wohlriechende Man- 
gostane (fr. Mangostan). 

Im „Botanical Magazine“ findet sich eine gute Ab- 
bildung (Fig. 4847) von diesem Baume aus der Familie 
der Guttiferen, dessen Frucht als eine der besten be- 
kannten Früchte angesehen wird. Er erheischt ein sehr 
heisses Klima, denn Roxburgh konnte ihn in Indien 
nicht über 23!/,° nördl. Breite erzielen!, und nach 
Jamaica gebracht, hat er nur mittelmässige Früchte ge- 
liefert.” Auf den Sunda-Inseln, der Malaiischen Halb- 
insel und auf Ceylon wird er angebaut. 

In den Wäldern der Sunda-Inseln® und der Malai- 
ischen Halbinsel* ist die Art sicherlich spontan. Unter 
den angebauten Pflanzen ist sie eine der örtlichsten, 
sei es in Bezug auf den ursprünglichen Wohnsitz oder 
bezüglich des Anbaues. Sie gehört freilich zu den 
Familien, bei welchen die durchschnittliche Verbreitung 
der Arten eine äusserst beschränkte ist. 


Mammea americana, Jacquin. — Aprikose von San- 


Domingo (fr. Abricotier d'Amérique). 


Aus der Familie der Guttiferen, wie der Mangostan, 
erheischt dieser Baum sehr viel Wärme. Die Eng- 
länder nennen ihn Mamey oder Mammee. Obgleich auf 
den Antillen und in den wärmsten Theilen Venezuelas 
angebaut’, hat man ihn kaum nach Asien und Afrika 


- verpflanzt, oder es haben auch die dortigen Anpflanzungs- 


versuche keinen Erfolg gehabt, wie wir dies aus dem 
Stillschweigen der meisten Schriftsteller schliessen können. 

In den Wäldern der meisten der Antillen® ist dieser 
Baum bestimmt einheimisch. Jacquin führt ihn auch 


1 Royle, Ill. Himalaja, S. 133, und Roxburgh, Flora indica, II, 618. 

2 Mac-Fadyen, Flora ir Jamaica, S. 134. 

3 Rumphius, Amboin., I, 133; Miquel, Plantae Junghun., I, 290; Flora 
indo-batava, Bd. I, Thl. 2, S. 506. 

4 Hooker, F1. of Brit. India, I, 260. 

5 Ernst, in: Seemann, Journal of Botany, 1867, S. 273; Triana et 
Planchon, Prodr. fl. Novo- Granat., S. 285. 

6 Sloane, Jamaica, I, 123; Jacquin, Amer., S. 268; Grisebach, Fl. of 
Brit. W. India, CT 


RN 
254 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


für das nahe liegende Festland an, von neuern Au- 
toren wird dies aber meines Wissens nach nicht be- 
stätigt. 

Die beste Abbildung findet sich in Tussac’s „Flore 
des Antilles“, III, Fig. 7, und der Verfasser gibt dabei 
viele Einzelheiten über die Verwendung der Frucht. 


Hibiscus esculentus, Linne. — Okra oder Gombo. 

Die noch jungen Früchte dieser einjährigen Malvacee 
sind eins der zartesten Gemüse in den Tropenländern. 
Die „Flore des Antilles“ von Tussac enthält eine gute 
Abbildung der Art und gibt alle Einzelheiten, welche 
ein Feinschmecker über die Zubereitungsweise des bei 
den Creolen der französischen Inseln so beliebten calou- 
lou nur wünschen kann. 

Als ich vor Jahren! den Temäch machte, über das 
Vaterland dieser in der Alten und Neuen Welt ange- 
bauten Pflanze eine Erklärung abzugeben, veranlassten 
mich das Fehlen irgendeines Sanskritnamens sowie die 
Thatsache, dass die ersten Autoren der indischen 
Flora sie wildwachsend nicht gesehen hatten, die Hypo- 
these eines asiatischen Ursprungs ganz unberücksichtigt 
zu lassen. Da indessen die neuere Flora von Britisch- 
Indien? dieselbe als „wahrscheinlich einheimischen Ur- 
sprungs‘“ angegeben hat, sah ich mich zu neuen Unter- 
suchungen veranlasst. 

Obgleich das südliche Asien seit 30 Jahren gut er- 
forscht worden ist, wird keine Localität: angegeben, 
wo der Gombo spontan oder fast spontan angetroffen 
worden sei. Es gibt nicht einmal Fingerzeige für eine 
alte Cultur in Asien. Somit kann man nur zwischen 
Afrıka und Amerika schwanken. 

Die Pflanze ist auf den Antillen von einem guten 
Beobachter® spontan gesehen worden, ich finde aber 
keine ähnliche Behauptung seitens eines andern Bota- 


1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 768. ; 
2 Flora of British India, I, 343. 3 Jacquin, Observationes, III, 11. 


Okra oder Gombo. 235 


nikers, sei es für die Inseln, sei es für das amerika- 
nische Festland. Der älteste Autor, welcher über Ja- 
maica geschrieben, ist Sloane!, und dieser hat die Art 
nur im angebauten Zustande gesehen. Marcgraf? hatte 
sie auf den Plantagen in Brasilien gesehen, und da er 
einen Namen von Congo und von Angola erwähnt, 
nämlich Quillobo, woraus die Portugiesen Quingombo 
machten, so findet sich der afrikanische Ursprung schon 
dadurch angedeutet. 

Schweinfurth und Ascherson®? haben die wildwachsende 
Pflanze in der Nilregion, in Nubien, Kordofan, Sennaar, 
Abessinien gesehen und auch in Bahr-el-Abiad, woselbst 
sie freilich angebaut ist. Es werden noch andere Rei- 
sende für in Afrika gesammelte Exemplare erwähnt ®, 
dabei wird aber nicht gesagt, ob die Pflanzen angebaut 
oder spontan und entfernt von menschlichen Nieder- 
lassungen waren. Wir würden noch immer im Zweifel 
sein, hätten die Herren Flückiger und Hanburyÿ nicht 
eine bibliographische Entdeckung gemacht, welche die 
Frage entscheidet. Die Araber nennen den Gombo 
Bamyah oder Bâmiat, und Abul-Abbas-Elnabati, welcher 
Aegypten lange vor der Entdeckung Amerikas, im Jahre 
1216, besucht hatte, hat den Gambo, welcher zu jener 
Zeit von den Aegyptern angebaut wurde, sehr deutlich 
beschrieben. 

Trotz des jedenfalls afrikanischen Ursprungs hat es 
nicht den Anschein, als ob man die Pflanze vor der 
Epoche der arabischen Oberherrschaft in Niederägypten 
angebaut hätte. In den alten Denkmälern hat man 
keine Beweise gefunden, wenn auch Rosellini die Pflanze 
in einer Abbildung wiederzuerkennen glaubte, die nach 
Unger sehr verschieden davon ist.$ Nach Piddington 


1 Sloane, Jamaica, I, 223. 

2 Marcgraf, Hist. plant., S. 32, mit Abbildungen. 

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 265, unter dem Namen 
Abelmoschus. 

4 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 207. 

5 Flückiger et Hanbury, Drogues, franz. Uebers., I, 132. Die Beschrei- 
bung ist im Ebn Baithar (Uebers. von Sondtheimer), I, 118. 

6 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 50. 


236 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


kommt nur ein einziger Name in den neuern Sprachen 
Indiens vor, und findet die Ansicht von einer Verbrei- 
tung nach dem Orient seit der christlichen Zeitrechnung 
hierin eine Bekräftigung. 


Vitis vinifera, Linne. — Edle Weinrebe (fr. Vigne). 

Im spontanen Zustande findet sich die Weinrebe im 
gemässigten Westasien, in Südeuropa, Algerien und 
Marokko.! Ganz insbesondere im Pontus, in Armenien, 
im Süden des Kaukasus und des Kaspisees bietet sie 
den Anblick einer wildwachsenden Liane, welche hohe 
Bäume überzieht und ohne Schnitt oder irgendwelche 
Cultur eine Menge von Früchten trägt. Im alten Bak- 
trien, in Kabul, Kaschmir und selbst in Badakschan 
nördlich vom Hindukusch wird auf ihr kräftiges Wachs- 
thum hingewiesen.” Selbstverständlich wirft man sich 
da wie anderswo die Frage auf, ob die Pflanzen nicht 
von durch Vögel aus Anpflanzungen mitgeführten Samen 
abstammen. Jedoch will ich gleich bemerken, dass die 
zuverlässigsten Botaniker, welche die transkaukasischen 
Provinzen Russlands am meisten durchstreift haben, 
über die Spontaneität und das Indigenat der Art in 
dieser Region keine Zweifel hegen. Schlägt man den 
Weg nach Indien und Arabien, nach Europa und Nord- 
afrika ein, so findet man in den betreffenden Arbeiten 
über diese Florengebiete sehr häufig den Ausdruck, dass 
die Weinrebe „subspontan“ ist, d. h. vielleicht wild- 
wachsend oder verwildert. 

Die Ausstreuung der Samen durch die Vögel hat sehr 
frühzeitig anfangen müssen, sobald überhaupt die Beeren 
der Art vorkamen, also vor der Cultur, vor der Wan- 
derung der ältesten asiatischen Völker, vielleicht schon 
vor dem Auftreten des Menschen in Europa und selbst 


1 Grisebach, La végétation du globe, französ. Ausgabe von Tchi- 
hatcheff, I, 162, 163, 442; Munby, Catal. Alger.; Ball, Fl. maroccanae spici- 
legium, S. 392. 

2 Adolphe Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 295, nennt 
mehrere Reisende für diese Regionen, unter andern Wood, Journey to 
the sources of the Oxus. 


Edle Weinrebe. 231 


in Asien. Indessen haben die Häufigkeit der Culturen, 
die Menge der angebauten Traubensorten die Naturali- 
sationen weiter ausdehnen gekonnt, um bei den wild- 
wachsenden Weinreben jene durch die Cultur entstan- 
dene Mannichfaltigkeit zu bedingen. Offen gestanden, 
sind es die natürlichen Agenten, wie Vögel, Winde, 
Strömungen gewesen, welche die Wohnplätze der Arten, 
ohne dass der Mensch hierbei in Thätigkeit getreten 
sei, immer vergrössert haben, und zwar bis zu den 
Grenzen, welche in jedem Jahrhundert durch geogra- 
phische und physische Bedingungen, sowie durch die 
schädliche Einwirkung anderer Gewächse und Thiere 
bedingt sind. Ein absolut ursprünglicher Wohnsitz ist 
mehr oder minder eine Mythe; allmählich ausgedehnte 
oder beschränkte Wohnsitze liegen aber in der Macht 
der Ereignisse. Sie begründen mehr oder weniger alte 
und wirkliche Heimatsländer, vorausgesetzt, dass sich 
die Art, ohne das unaufhörliche Hinzuführen neuer 
Samen, dort wildwachsend erhalten hat. 

Was nun die Weinrebe betrifft, so liegen uns Beweise 
vor von einem in Europa wie in Asien sehr hohen 
Alter. 

Weinrebensamen sind unter den Pfahlbauten von 
Castione bei Parma, die aus der Bronzezeit datiren, 
gefunden worden, desgleichen in einer prähistorischen 
Station des Sees von Varese? und auch in der Pfahlbauten- 
station von Wangen in der Schweiz, in letzterer aber 
bei unbestimmter Tiefe. Ja noch mehr! Man hat 
Weinrebenblätter in den Tuffsteinen von Montpellier 
entdeckt, wo sie sich wahrscheinlich vor der historischen 
Epoche abgelagert haben*, sowie auch in denen von 
Meyrargue in der Provence, die jedenfalls prähistorisch 


1 Sie finden sich abgebildet in: Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, 
S. 24, Fig. 11. 
a x on, in: Rivista arch. della prov. di Como (1850), fasc. 17, 
. 50 fe. 
3 Heer, a. a. O. 
4 Planchon, Étude sur les tufs de Montpellier (1864), 8. 63. 


238 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


sind, wenn auch jüngern Datums als die Tertiärepoche 
der Geologen.! 

Ein russischer Botaniker, Kolenati?, hat im südlichen 
Kaukasien, ein Land, welches man als Centralpunkt für 
die Art hinstellen kann, wo sie vielleicht auch ihren 
ältesten Sitz hatte, sehr interessante Beobachtungen 
gemacht über die verschiedenen, sei es im spontanen, 
sei es im angebauten Zustande auftretenden Formen 
der Weinrebe. Seine Arbeit verdient meines Dafür- 
haltens noch um so viel mehr Berücksichtigung, da sich 
der Verfasser bemüht hat, die Varietäten je nach den 
Charakteren der Behaarung und der Benervung der 
Blätter einzutheilen; in der Cultur sind solche Charak- 
tere ganz unwesentlich, stellen aber um so viel mehr 
die in der Natur sich zeigenden Merkmale dar. Dem 
Verfasser zufolge gruppiren sich die wildwachsenden 
Weinreben, von welchen er ungeheuere Mengen zwischen 
dem Schwarzen Meere und dem Kaspisee antraf, in zwei 
Unterarten, dieselben sind von ıhm beschrieben, lassen 
sich, seiner Aussage nach, leicht von weither erkennen, 
und dürften alle angebauten Weinreben, wenigstens in 
Armenien und den umliegenden Landschaften,- von ihnen 
abstammen. Um den Ararat herum, in einer Zone also, 
wo man die Weinrebe nicht anbaut, sie selbst nicht 
anbauen könnte, hat er dieselben wieder angetroffen. 
Andere Charaktere, beispielsweise die Form und die 
Farbe der Beeren, variren in jeder der beiden Unter- 
arten. Wir können uns hier bei den streng botanischen 
Einzelheiten dieser Arbeit von Kolenati nicht weiter 
aufhalten, auch denen einer neuern Arbeit von Regel 
über die Gattung Vitis? keine weitere Berücksichtigung 


1 De Saporta, La flore des tufs quaternaires de Provence (1867), 
S. 15 u. 27. 2 

2 Kolenati, in: Bulletin de la Société impériale des naturalistes de 
Moscou, 1846, S. 279. 

3 Regel, in: Acta horti imper. petrop. In dieser abgekürzten Ueber- 
sicht der Gattung lässt Regel die Ansicht laut werden, dass die Fitis vini- 
fera zwei wildwachsenden Arten, V. culpina und V. Labrusca, die durch 
Hybridisation und Cultur mannichfache Abänderungen erlitten haben, ihr 
Dasein verdanken; Beweise hierfür gibt er aber nicht an, und seine Cha- 


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Edle Weinrebe. 239 


schenken; der Nachweis ist hier aber am Platze, dass 
eine seit sehr fern liegenden Zeiten angebaute Art, 
deren in verschiedenen Werken beschriebene Formen 
sich jetzt vielleicht auf 2000 belaufen, wenn sie in der 
Region spontan auftritt, in welcher ihr Vorkommen ein 
sehr altes ist, wenigstens zwei Hauptformen und an- 
dere von geringerer Wichtigkeit aufweist, vor. allem 
Culturanfang wahrscheinlich aufgewiesen hat. Wenn 
man mit derselben Sorgfalt die wildwachsenden Wein- 
reben Persiens und Kaschmirs, des Libanons und Grie- 
chenlands beobachtete, so würden sich vielleicht andere 
Unterarten von einem wahrscheinlich prähistorischen 
Alter auffinden lassen. 

Verschiedene Völker, ganz insbesondere solche des 
westlichen Asiens, wo die Weinrebe massenhaft auftrat, 
gutes Gedeihen zeigte, haben auf den Gedanken ver- 
fallen können, den Traubensaft einzusammeln und aus 
seiner Gärung Nutzen zu ziehen. In einer wissen- 
schaftlichern Weise als zahlreiche Autoren vor ihm hat 
Adolphe Pictet! die geschichtlichen, linguistischen und 
selbst mythologischen Fragen in Bezug auf die Wein- 
rebe bei den Völkern des Alterthums erörtert, und er 
ist zu der Einsicht gelangt, dass die Semiten und die 
Arier ebenfalls den Gebrauch des Weines gekannt ha- 
ben, sodass sie denselben nach allen Ländern, wohin 
sie auswanderten, bis nach Aegypten, Indien und Eu- 
ropa, einführen konnten. Ihnen wurde dies um so 
leichter, als sie die wildwachsende Pflanze in mehreren 
dieser Länder antrafen. 

Für Aegypten gehen die Documente über die Cultur 
der Weinrebe und über die Kunst der Weinbereitung 
auf 5- oder 6000 Jahre zurück.” Im Westen ist die 


raktere für die beiden wildwachsenden Arten sind sehr wenig genügend. 
Es wäre sehr zu wünschen, dass man bei den Weinreben Asiens und Eu- 
ropas, einerlei, ob solche wildwachsend oder angebaut sind, eine Ver- 
gleichung ihrer Samen vornähme, denn eben diese bieten, nach den Ar- 
beiten Engelmann’s über die amerikanischen Weinreben, ausgezeichnete 
Unterschiede dar. 

1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 298—321. 

2 Delchevalerie, in: Illustration horticole, 1881, S. 28. Er erwähnt 


Er > We 


240 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Ausbreitung der Cultur durch die Phönizier, Griechen 
und Römer genügend bekannt; nach dem östlichen Asien 
zu ist sie aber erst spät vor sich gegangen. Die Chi- 
nesen, welche die Weinrebe heutzutage in ihren nörd- 
lichen Provinzen anbauen, besassen sie nicht vor dem 
Jahre 122 unserer Zeitrechnung.! Mehrere wildwach- 
sende Weinreben kommen bekanntlich in Nerdchina 
vor; ich kann Regel jedoch darin nicht beipflichten, 
dass die unserer Weinrebe am nächsten stehende, die 
Vitis Amurensis von Ruprecht, zu unserer Art gehöre. 
Die in der „Gartenflora“, 1861, Taf. 33, abgebildeten 
Samen davon weichen zu sehr ab. Wenn die Frucht 
dieser Weinreben des östlichen Asiens irgendwelchen 
Werth hätte, würden die Chinesen gewiss den Versuch 
gemacht haben, sie zu verwerthen: 


Zizyphus vulgaris, Lamarck. — Gemeiner Judendorn 
(fr. Jujubier commun). 

Nach Plinius? wurde der gemeine Judendorn von 
dem Consul Sextus Papinius gegen Ende der Regierung 
des Augustus von Syrien nach Rom gebracht. Die Bota- 
niker weisen jedoch darauf hin, dass die Art in den 
steinigen Gegenden Italiens gemein ıst?, und dass man 
sie ausserdem — eine höchst eigenthümliche Thatsache — 
wildwachsend in Syrien noch nicht angetroffen hat, ob- 
gleich sie dort wie auch in der ganzen Region, welche 
sich vom Mittelmeer nach China und Japan erstreckt#, 
angebaut wird. 

Die Forschung nach dem Ursprunge des gemeinen 
Judendorns als wildwachsender Baum trägt trotz der 
eben erwähnten Einwendungen zur Bekräftigung der 


besonders das Grabdenkmal von Phtah-Hotep, welcher in Memphis 4000 
Jahre v. Chr. lebte. 

1 Bretschneider, On the value and study of Chinese botanical works, 
S. 16. 

2 Plinius, Hist., 1. 15, c. 14. 

3 Bertoloni, Fl. ital., II, 665; Gussone, Synopsis F1. siculae, II, 276. 

4 Willkomm et Lange, Prodr. F1. hispanicae, III, 4850; Desfontaines, 
F1. Atlant., I, 200; Boissier, F1. orient., II, 12; J. Hooker, Fl. of Brit. 
India, I, 633; Bunge, Enum. plant. Chin., S. 14; Franchet et Sayatier, 
Enum. plant. Japon., I, 81. ; 


Gemeiner Judendorn. 241 


Aussage von Plinius bei. Pflanzensammler und Autoren 
von Floren stimmen darin überein, dass die Art im 
Osten ihres grossen gegenwärtigen Wohnsitzes spon- 
taner und länger angebaut scheint als im Westen des- 
selben. So sagt Bunge beispielsweise, dass sie für den 
Norden Chinas „in den bergigen Districten sehr gemein 
und (ihrer Stacheln wegen) sehr unbequem ist“. Die 
stachelige Varietät hat er in den Gärten gesehen. Dr. 
Bretschneider! erwähnt die Jujuben unter den in China 
gesuchtesten Früchten, die Art führt dort ein einfaches 
Schriftzeichen und heisst Tsao. Er führt auch die beiden 
Formen an, die stachelige und die stachellose, erstere 
als wildwachsend.? Im Süden Chinas und im eigent- 
lichen Indien kommt die Art wegen des feuchtwarmen 
Klimas nicht vor. Wildwachsend findet man sie ferner 
im Pendschab, nordwestlich von Britisch-Indien, sowie 
in Persien und Armenien. 

Brandis® zählt sieben verschiedene Namen für den 
gemeinen Judendorn (oder seiner Varietäten?) in den 
neuern Sprachen Indiens auf, einen Sanskritnamen kennt 
man aber nicht. Hiernach zu schliessen, ist die Art 
vielleicht von China nach Indien zu einer nicht sehr 
fern gelegenen Zeit eingeführt worden, alsdann wäre 
sie den Culturen entsprungen und in den sehr trocke- 
nen Provinzen des Westens als wildwachsende Pflanze 
aufgetreten. Der persische Name ist Anob, bei den 
Arabern heisst sie Unab. Ein hebräischer Name ist 
nicht bekannt, was einen neuen Fingerzeig bieten mag, 
dass die Art im westlichen Asien nicht sehr alt ist. 

Die alten Griechen haben vom gemeinen Juden- 
dorn nicht gesprochen, wol aber von einer andern 
Art, Zizyphus Lotus. Dies ist wenigstens die Mei- 
nung des Botanikers Lenz.* Der neugriechische 
Name Pritzuphuia steht freilich in keiner Beziehung 


1 Bretschneider, On the study etc., S. 11. 

2 Der Zyzyphus chinensis mehrerer Autoren ist dieselbe Art. 
3 Brandis, Forest Flora of Brit. India, S. 84. 

4 Lenz, Botanik der Alten, S. 651. 


DE CANDOLLE. 16 


249 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


zu den Namen, welche von Theophrast oder Dioscorides 
einst auf eine Zizyphus bezogen wurden, sondern nähert 
sich dem lateinischen Namen Zizyphus (die Frucht Zizy- 
phum) des Plinius, welcher sich bei noch ältern Au- 
toren nicht findet und eher orientalischer als latei- 
nischer Abstammung zu sein scheint. Heldreich! lässt 
den wildwachsenden Judendorn für Griechenland nicht 
zu, und andere stellen ıhn als ,,naturalisirt, sub- 
spontan“ hin, was die Hypothese von einem jüngern 
Auftreten bestätigt. Dieselben Gründe beziehen sich 
auf Italien. Die Art kann sich somit seit der von 
Plinius erwähnten Einführung in den Gärten dort na- 
turalisirt haben. 

In Algerien ist der Judendorn nur angebaut oder 
„subspontan“.?” Dasselbe ist in Spanien der Fall. Für 
Marokko wird er nicht aufgeführt, ebenfalls nicht für 
die Canarischen Inseln, was ein wenig altes Auftreten 
in der Mittelmeerregion vermuthen lässt. 

Ich halte es somit für wahrscheinlich, dass die Art 
in Nordchina ursprünglich zu Hause ist, dass sie nach 
der Epoche der Sanskritsprache, vor etwa 2500 oder 
3000 Jahren, im westlichen Asien eingeführt und natu- 
ralisirt wurde, dass die Griechen und Römer sie zu 
Anfang unserer Zeitrechnung erhielten, und dass letztere 
sie nach der Berberei und nach Spanien brachten, wo 
sie sich infolge der Culturen in einer oft zweifelhaften 
Weise naturalisirt hat. 


Zizyphus Lotus, Desfontaines. — Afrikanischer Brust- 
beerenbaum (fr. Jujubier Lotus). 

Nur vom historischen Standpunkte aus verdient die 
Frucht dieser Art hier besprochen zu werden. Es wird 
gesagt, dass dieselbe die Nahrung der Lothophagen 
ausmachte, ein an der Küste Libyens wohnendes Volk, 
von welchem Homer und Herodot? mehr oder minder 


1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 57. 

2 Munby, Catal., 2. Aufl., 8. 9. 

3 Odyssee, I. 1, v. 9; Herodot, 1. 4, S. 177; übersetzt in: Lenz, Bota- 
nik der Alten, S. 653. 


Echter Jujubendorn. 243 


genau berichtet haben. Man musste in jenem Lande 
schon recht arm oder mässig sein, denn eine Beere von 
der Grösse einer kleinen Kirsche, die einen schalen Ge- 
schmack hat und nur wenig zuckerhaltig ist, würde 
gewöhnliche Menschen nicht zufrieden stellen. 

Es liegt kein Beweis vor, dass die Lotophagen die- 
sen kleinen Baum oder Strauch anzubauen pflegten. 
Zweifelsohne sammelten sie seine Früchte auf freiem 
Felde ein, denn die Art ist in Nordafrika ziemlich ge- 
wöhnlich. In einer Ausgabe von Theophrast findet sich 
allerdings die Angabe, dass es Früchte dieser Art ohne 
Kerne gab, was eine Cultur voraussetzt.! Man pflanzte 
dieselben in den Gärten, wie dies noch heutzutage in 
Aegypten geschieht?; es scheint aber nicht, als ob die- 
ser Brauch selbst bei den Alten häufig gewesen sei. 

Uebrigens sind sehr verschiedene Meinungen über 
den Lotos der Lotophagen? zu Tage getreten, und 
man darf einer so dunkeln Frage, bei welcher die 
Einbildungskraft eines Dichters, die im Volke verbrei- 
tete Unwissenheit eine grosse Rolle spielen konnten, 
nicht allzu viel Gewicht beilegen. 

Von Aegypten bis nach Marokko, in Südspanien, in 
Terracina und bei Palermo wird dieser Baum gegen- 
wärtig wildwachsend angetroffen.* In diesen isolirten 
italienischen Localitäten ist es wahrscheinlich die Folge 
von Culturen. 


Zizyphus Jujuba, Lamarck. — Echter Jujubendorn 
(fr. Jujubier de l'Inde‘, Ber der Hindus und Anglo- 
Inder, Masson auf der Insel Mauritius). 

Im Süden wird diese Jujubenart mehr angebaut als 


1 Theophrastus, Hist., 1.4, c.4, Ausg. von 1644. Die Ausgabe von 1613 
enthält nicht die hierauf bezüglichen Worte. 

2 Schweinfurth und Ascherson, Beitr. zur Flora Aethiopiens, S. 263. 

3 Vgl. den Artikel über den Johannisbrotbaum. 

4 Desfontaines, F1 atlant., I, 200; Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 9; 
Ball, Spicil. fl. Marocc., S. 301; Willkomm et Lange, Prodr. fl, hisp., III, 
481; Bertoloni, Fl. ital., II, 664. ! 

5 Dieser wenig gebräuchliche Name findet sich schon bei Bauhin in 
der Form von Jujuba indica. 


16* 


244 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


die gemeine. Die Frucht gleicht bald einer Kirsche 
vor der Reife, bald einer Olive, wie dies aus der von 
Bouton in Hooker’s „Journal of Botany“, I, Taf. 140, 
veröffentlichten Abbildung hervorgeht. Die Anzahl der 
bekannten Varietäten weist auf eine sehr alte Cultur 
hin. Dieselbe erstreckt sich gegenwärtig vom südlichen 
China, dem Indischen Archipel und Queensland durch 
Arabien und Aegypten hindurch bis nach Marokko, und 
selbst bis nach dem Senegal, nach Guinea und Angola.! 
Man trifft sie ebenfalls auf der Insel Mauritius an, es 
scheint aber nicht, dass man sie bisjetzt nach Amerika 
eingeführt habe, es sei denn, nach einem Exemplar 
meines Herbars zu schliessen, in Brasilien.? Nach den 
Aussagen der Autoren ist diese Frucht der gewöhn- 
en Jujube vorzuziehen. 

Welches war der Wohnsitz der Art vor dem Beginn 
aller Cultur? Dies zu ergründen hält nicht leicht, 
weil die Kerne sich leicht aussäen und die Naturali- 
sation der Pflanze ausserhalb der Gärten bewirken.? 

Wenn wir uns durch die Häufigkeit im wildwachsen- 
den Zustande leiten lassen, so scheint es, als ob Birma 
und Britisch-Indien das alte Vaterland sein könnten. 
In meinem Herbar besitze ich mehrere von Wallich im 
Königreich Birma gesammelte Exemplare, und Kurz hat 
die Art in den trockenen Waldungen dieses Landes bei 
Ava und Prome häufig angetroffen.* Beddone lässt die 
Art für die Wälder von Britisch-Indien als wildwachsend 
zu, Brandis hat sie jedoch nur in solchen Localitäten 
gefunden, wo Niederlassungen von Eingeborenen ge- 
wesen waren.ÿ Früher als diese Autoren beschrieb 
Rheede® im 17. Jahrhundert diesen Baum als in Mala- 


1 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, I, 632; Brandis, Forest Flora 
of India, I, 87; Bentham, F1. Austral., I, 412; Boissier, F1. orient., II, 13; 
Oliver, Fl. of tropical Africa, I, 379. 

2 Von Martius herrührend, Nr. 1070, vom Cabo frio. 

3 Bouton, a. a. O.; Baker, Fl. of Mauritius, S. 61; Brandis, a. a. O. 

4 Kurz, Forest Flora of Burma, I, 266. 

5 Beddone, Forest Flora of India, I, Fig.149 (die wildwachsende Frucht 
darstellend, welche kleiner ist als die angebaute); Brandis, a. a. O 

6 Rheede, IV, Fig. 141. 


Kaschu- oder Acajoubaum. 245 


bar wildwachsend, und die Botaniker des 16. Jahrhun- 
derts hatten ihn von Bengalen erhalten. 

Das Vorkommen von drei Sanskritnamen und von elf 
andern Namen in den neuern indischen Sprachen kann 
als Stütze für den indischen Ursprung angesehen werden.! 

Die Einführung nach Amboina, nach dem östlichen 
Theile des Archipels war noch neu, als Rumphius 
sich dort aufhielt?, und er gibt selbst die Art als in- 
dische an. Vielleicht fand sie sich vor alters auf Su- 
matra und andern der Malaiischen Halbinsel nahe ge- 
legenen Inseln. Die alten Autoren Chinas erwähnen sie 
nicht, wenigstens ist dem Dr. Bretschneider solches nicht 
bekannt. Die im Süden und Osten des indischen Fest- 
landes stattfindende Ausdehnuug und Naturalisation 
scheinen somit nicht weit zurückzugehen. 

In Arabien und Aegypten muss die Einführung noch 
jüngern Datums sein. Dort war kein alter Name be- 
kannt, und weder haben Forskal vor 100 Jahren noch 
Delile zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts die 
Art gesehen, welche Schweinfurth neuerdings als ange- 
baut anführt. Von Asien muss sie sich nach Zanzibar 
und so immer weiter von Ort zu Ort durch Afrika 
hindurch, oder mit Hülfe der europäischen Schiffahrt 
bis nach der Westküste ausgebreitet haben. Doch 
dürfte dies erst ziemlich neuen Datums sein, denn 
Robert Brown (,„Bot. of Congo“) und Thonning haben 
von der Art in Guinea keine Kenntniss gehabt.’ 


Anacardium occidentale, Linné. — Kaschu- oder 
Acajoubaum (engl. Cashew, fr. Pommier d’Acajou). 

Man hat früher die falschesten Behauptungen über 
den Ursprung dieses Baumes* aufgestellt, und finden 


1 Piddinston, Index. 2 Rumphius, Amb., II, Taf. 36. 

3 Zizyphus abyssinicus, Hochst., scheint eine verschiedene Art. 

4 Tussac, Flore des Antilles, III, 55 (woselbst Taf. 13 eine sehr gute 
Abbildung gegeben wird), sagt, dass diese Art von Ostindien stamme, wo- 
durch der Irrthum von Linné, welcher Amerika und Asien als Vaterland 
ansah, noch erschwert wird, 


246 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


sich solche trotz meiner im Jahre 1855 erfolgten Aus- 
emandersetzung ! noch hier und da wiederholt. 

Der französische Name Pommier d’Acajou ist so 
lächerlich wie möglich. Es handelt sich hier um einen 
Baum aus der Familie der Terebinthaceen (oder Ana- 
cardiaceen), der von jenen der Rosaceen und der Melia- 
ceen, zu welchen die Apfelbäume und der Acajou (Maha- 
gonibaum) gehören, sehr verschieden ist. Der essbare 
Theil gleicht eher einer Birne als einem Apfel, und im 
botanischen Sinne ist es keine Frucht, sondern der 
Blütenstiel oder Fruchtträger, der mit einer grossen 
Bohne Aehnlichkeit hat. Die beiden Namen, der fran- 
zösische und der englische, stammen von einem Namen 
der Eingeborenen Brasiliens ab, nämlich von Acaju, 
Acajaiba, welchen alte Reisende anführen.? 

In den Wäldern des intertropischen Amerika und 
selbst in einer grossen Ausdehnung dieser Region, z. B. 


in Brasilien, Guyana, am Isthmus von Panama und auf. 


den Antillen, ist die Art sicherlich spontan.” Dr. Ernst? 
hält sie nur in jenem Lande, welches dem Amazonen- 
strome zunächst liegt, für ursprünglich einheimisch, ob- 
gleich er sie auch von Cuba, Panama, Ecuador und 
Neugranada kennt. Er stützt sich darauf, dass die 
spanischen Schriftsteller zur Zeit der Eroberung von 
ihr nicht gesprochen haben, doch ist dies ein nega- 
tiver Beweis, welchen man für eine einfache Wahr- 
scheinlichkeit nehmen muss. 

Rheede und Rumphius hatten diesen Baum auch für 
Südasien angegeben. Ersterer sagt, dass er in Malabar 
gewöhnlich ist.° Das gleichzeitige Auftreten ein und 
derselben tropischen Baumart in Asien und in Amerika 
war so wenig wahrscheinlich, dass man zunächst eine 


1 Géographie botanique raisonnée, S. 873. 

2 Piso et Marcgraf, Historia rerum naturalium Brasiliae (1648), S. 57. 

3 Vgl. Piso et Marcgraf, a. a. O.; Aublet, Guyane, S. 392; Seemann, 
Botany of the Herald, S. 106; Jacquin, Amériq., S. 124; Mac-Fadyen, Pl. 
Jamaic., S. 119; Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 176. 

4 Ernst, in: Seemann’s Journal of Bot., 1867, S. 273. 

5 Rheede, Malabar, III, Taf. 54. 


sn. 


Kaschu- oder Acajoubaum. 247 


_specifische Unterscheidung oder wenigstens solche einer 
Varietät muthmaasste; dies hat sich aber nicht be- 
stätigt. Verschiedene Gründe, historische und linguisti- 
sche, hatten mich auf einen Asien fremden Ursprung 
hingewiesen. Ausserdem sprach der immer genaue 
Rumphius von einer alten Einführung, welche von Ame- 
rika nach dem Asiatischen Archipel durch die Portu- 
giesen bewerkstelligt worden war. Der von ihm ci- 
tirte malaiische Name Cadju ist amerikanisch; jener in 
Amboina gebräuchliche bedeutete Frucht von Portugal, 
und der von Macassar bezog sich auf eine Aehnlichkeit 
mit der Frucht der Jambosa. „Die Art war“, sagt 
Rumphius, „auf den Inseln nicht sehr verbreitet“; Garcia 
ab Orto hatte sie 1550 in Goa nicht angetroffen, dann 
hatte Acosta sie aber in Cochin gesehen, und sie war 
von den Portugiesen in Indien und dem Indischen Ar- 
chipel vermehrt worden. Auf Java wird die Art, nach 
Blume und Miquel, nur angebaut. Freilich berichtet 
Rheede, dass sie in Malabar sehr häufig ist (provenit 
ubique), er führt aber nur einen Namen an, welcher 
indisch scheint, Kapa-mava, während die andern von 
dem amerikanischen Namen abstammen. Piddington 
führt keinen Sanskritnamen an. Nachdem die anglo- 
indischen Botaniker zu Anfang über den Ursprung 
Zweifel gehegt, geben sie schliesslich eine Einführung 
von Amerika während einer schon alten Epoche zu. 
Sie fügen hinzu, dass sich die Art in den Wäldern 
von Britisch-Indien naturalisirt habe.? 

Das afrikanische Indigenat ist noch anfechtbarer, und 
es wird nicht schwer, hierfür den Nachweis zu liefern. 
Loureiro ? hatte die Art an der Ostküste dieses Conti- 
nents gesehen, er vermuthete aber einen amerikanischen 
Ursprung. Thonning hat sie in Guinea nicht gesehen, 
und von Brown wurde sie im Congogebiet nicht ange- 


1 Rumphius, Herb. Amboin., I, 177, 178. 
LE done, Flora sylvatica, Taf. 163; Hooker, Flora of British India, 
” 8 Loureiro, Fl. cochinch., 8. 304. 


948 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


geben. Allerdings finden sich im Herbarium zu Kew 
Exemplare, die von letzterm Lande und den Inseln 
des Golfs von Guinea stammen, jedoch spricht Oliver 
nur von der angebauten Art.? Da der Wohnsitz dieses 
Baumes in Amerika ein ausgedehnter ist, und sich der- 
selbe seit zwei Jahrhunderten in mehreren Regionen 
Indiens naturalisirt hat, so würde er ebenfalls auf einem 
weiten Gebiete des intertropischen Afrika vorkommen, 
wenn er überhaupt in diesem Welttheile einheimisch 
wäre. 


Mangifera indica, Linne. — Mangobaum (fr. Manguier). 

Aus derselben Familie wie der Acajoubaum, gibt 
dieser Baum jedoch eine wirkliche Frucht, die in Form 
und Farbe an eine Aprikose erinnert.? 

Man kann über seinen südasiatischen Ursprung oder 
einen solchen vom Indischen Archipel nicht zweifelhaft 
sein, sobald man die grosse Anzahl der angebauten 
Varietäten in diesen Ländern sieht, sich die Menge der 
alten volksthümlichen Namen, besonders einen Sanskrit- 
namen * vergegenwärtigt, und sein häufiges Vorkommen 
in den Gärten von Bengalen, der Indischen Halbinsel 
und Ceylon selbst zu Rheede’s Zeiten berücksichtigt. 
Nach China hin war seine Cultur eine weniger verbreı- 
tete, denn von Loureiro wird sie nur für Cochinchina 
angeführt. Rumphius* zufolge hatte man sie seit Menschen- 
gedenken auf gewissen Inseln des Asiatischen Archipels 
eingeführt. Zur Zeit der Cook’schen Expedition wird 
die Art von Forster in seiner Arbeit über die Früchte 
der Südsee nicht erwähnt. Der volksthümliche Name 
auf den Philippinen, Manga‘, weist auf einen fremden 
Ursprung hin, denn es ist der malaiische und spanische 
Name. In Ceylon heisst sie Ambe, was mit dem San- 
skrit Amra übereinstimmt, aus welchem der persische 


1 Brown, Congo, S. 12 u. 49. 

2 Oliver, Flora of trop. Africa, I, 443. 

3 Vgl. Taf. 4510 im Botanical Magazine. 

4 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., II, 435; Piddington, Index. 

5 Rumphius, Herb. Amboin., I, 95. 6 Blanco, Fl. Filip., S. 181. 


Mangobaum. 249 


und arabische Name Amb!, die neuern indischen Namen 
und vielleicht die malaiischen Namen Mangka, Manga, 
Manpelaan, welche von Rumphius angegeben werden, 
entstanden sind. Es gibt indessen auch noch andere 
auf den Sundainseln, den Molukken und in Cochinchina 
gebräuchliche Namen. Die Verschiedenartigkeit dieser 
Namen lässt, im Widerspruch mit der Meinung von 
Rumphius, eine alte Einführung im Indischen Archipel 
voraussetzen. 

Die von diesem Autor auf Java im wildwachsenden 
Zustande gesehenen Mangiferen, sowie auch die von 
Roxburgh in Silhet entdeckte Mangifera sylvatica sind 
andere Arten; der echte Mango wird aber von den 
neuern Autoren in den Wäldern Ceylons, den Gegenden 
am Fusse des Himalaja, besonders nach Osten zu, in 
Arracan, Pegu und auf den Andamaneninseln als spontan 
angegeben.” Miquel führt ihn auf keiner der Inseln 
des Malaiischen Archipels als wildwachsend an. Trotz 
des Wohnsitzes auf Ceylon und den freilich weniger be- 
 stätigenden Angaben des Sir J. Hooker in der Flora 

von Britisch-Indien. ist die Art auf der Indischen Halb- 
insel wahrscheinlich selten oder auch nur naturalisirt. 
Die Grösse der Samen ist eine so bedeutende, dass die 
Vögel sie nicht fortschaffen können, die Häufigkeit der 
Cultur führt aber eine Ausstreuung durch den Menschen 
herbei. Wenn der Mangobaum im Westen von Britisch- 
Indien nur naturalisirt ist, so muss dies in Anbetracht 
eines Sanskritnamens schon seit sehr langer Zeit der 
Fall sein. Die Völker des westlichen Asiens müssen ihn 
andererseits erst ziemlich spät kennen gelernt haben, 
weil sie die Art nicht nach Aegypten oder anderswo 
nach Westen hin gebracht haben. 

Gegenwärtig baut man sie im intertropischen Afrika 
an, auch selbst auf Mauritius und den Seychellen, 


1 Rumphius, a. a. O.; Forskal, S. CVII. 

2 Thwaites, Enum. plant. Ceylonae, S. 75; Stuart and Brandis, Forest 
Flora, S. 126; Hooker, Flora of Brit. India, II, 13; Kurz, Forest Flora of 
Brit. Burma, I, 304. 


250 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


woselbst sie sich in den Wäldern etwas naturali- 
sirt hat.! 

Brasilien war das erste Land in Amerika, wohin die 
Art eingeführt wurde, denn von dort liess man gegen 
Mitte des verflossenen Jahrhunderts Mangosamen nach 
Barbadoes kommen.” Ein französisches Schiff brachte 
im Jahre 1782 Pflanzen dieses Baumes von Bourbon 
nach San-Domingo, unterwegs wurde dasselbe von den 
Engländern gekapert, und diese brachten die jungen 
Mangobäume nach Jamaica, wo sie herrlich gediehen. 
Zur Zeit der Freilassung der Negersklaven, als die 
Kaffeeplantagen aufgegeben wurden, bildete der Mango- 
baum, dessen Samen von den Schwarzen überall hin 
ausgestreut wurden, auf dieser Insel Wälder, welche 
ihrer schattengebenden Eigenschaften, der nahrhaften 
Früchte wegen zu einer Quelle des Reichthums ge- 
worden sind.” Zu Aublet’s Zeiten, Ende des 18. Jahr- 
hunderts, war der Mangobaum in Cayenne noch nicht 
angebaut, gegenwärtig gibt es in dieser Colonie ganz 
vorzügliche Mangofrüchte. Die Bäume sind meisten- 
theils gepfropft, weil man die Erfahrung gemacht hat, 
dass solche bessere Früchte liefern als die unveredelten, 
aus Samen erzielten.# 


Spondias dulcis, Forster. — Süsse Monbinpflaume 
(fr. Evi). 

Dieser Baum aus der Familie der Anacardiaceen ist 
auf den Gesellschafts-, Freundschafts- und Fidschi- 
Inseln einheimisch.® Seine Früchte dienten den Ein- 
geborenen zur Nahrung, als Kapitän Cook dort lan- 
dete. Sie gleichen einer grossen gedörrten Pflaume, 
sind von der Farbe eines Apfels und enthalten einen 


1 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 442; Baker, Flora of Mauritius 
and Seychelles, S. 63. 

2 Hughes, Barbadoes, S. 177. 

3 Mac-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 221; Sir J. Hooker, Discours à 
l’'Institution royale, übers. in Ann. sc. nat., Serie 6, VI, 320. 

4 Sagot, Journal de la Soc. centr. d’agric. de France (1872). 

5 Forster, De plantis esculentis insularum oceani australis, S. 33; 
Seemann, Flora Vitiensis, S. 31; Nadaud, Enum. des plantes de Taiti, S. 75. 


ne ‘lé 


. mit langen, hakenförmigen Spitzen bedeckten Kern. 


Walderdbeere, 251 


1 


Nach den Aussagen der Reisenden ist der Geschmack 
ein vorzüglicher. Dieser Baum gehört nicht zu den 
in den Colonien verbreitetsten Fruchtbäumen; man baut 
ihn jedoch auf den Inseln Mauritius und Bourbon unter 
dem ursprünglich polynesischen Namen Evi oder Hewi? 

desgleichen auf den Antillen. Im Jahre 1782 wurde 
er nach Jamaica eingeführt und von da gelangte er 
nach San-Domingo. Dass er in vielen der heissen Länder 
Asiens und Afrikas fehlt, ist wahrscheinlich dem Um- 
stande zuzuschreiben, dass er erst vor einem Jahrhun- 
dert auf kleinen Inseln entdeckt wurde, die mit dem 
Auslande in keinem Verkehr standen. 


Fragaria vesca, Linne. — Walderdbeere (fr. Fraisier). 

Unsere gemeine Walderdbeere gehört zu den auf der 
Erde verbreitetsten Pflanzen, was zum Theil der Klein- 
heit ihrer Samen zuzuschreiben ist, welche die Vögel, 
angezogen durch den fleischigen Theil, auf welchem die- 
selben eingebettet sind, nach weiten Entfernungen fort- 
schaffen. 

In Europa int die Pflanze von den Shetlands- 
inseln und Lappland? bis nach den gebirgigen Gegenden 
des Südens, in Madeira, Spanien, Sicilien und Griechen- 
land * wildwachsend vor. Man findet sie auch in Asien, 
und zwar vom nördlichen Syrien und Armenien bis 


‘nach Daurien. Die Erdbeeren des Himalaja und Ja- 


pans®, welche verschiedene Autoren zu dieser Art brin- 
gen, gehören möglicherweise zu einer andern’, und ich 
stelle demnach auch den von einem Missionar? für China 


1 Vgl. die gut colorirte Abbildung von Tussac, Flore des Antilles, 
III, Taf. 28. 

2 Bojer, Hortus mauritianus, S. 81. 

3 H. C. Watson, Compendium Cybele brit., I, 160; Fries, Summa veg. 
Scand., S. 44. 

4 Lowe, Manual fl. of Madeira, S. 246; Willkomm et Lange, Prodr. 
fl. hisp., III, 324; Moris, Flora sardoa, II, 17. 

5 Boissier, a. 2.0. 6 Ledebour, Flora rossica, II, 64. 

7 Gay, ebend.; Hooker, Fl. Brit. India, II, 344; Franchet et Savatier, 
Enum. pl. Japon., I, 129. 

8 Perny, Propag. de la foi, citirt in: Decaisne, Jardin fruitier du Mus., 
S. 27; J. Gay, ebend., S. 27, gibt China nicht an. 


252 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


angegebenen Standort in Frage. Auf Island! ist die 
Walderdbeere spontan, desgleichen im Nordosten der 
Vereinigten Staaten?, beim Fort Cumberland und an 
der Nordwestküste ?, vielleicht auch in der Sierra Ne- 
vada Californiens.* Der Wohnsitz erstreckt sich somit 
um den Nordpol, mit Ausnahme von Ostsibirien und 
der Amurregion, denn Maximowicz führt die Art in 
seinen „Primitiae florae amurensis“ nicht an. In Ame- 
rika dehnt sich der Wohnsitz bis nach den Höhen 
Mexicos aus, denn die Fragaria mexicana, welche im 
pariser Pflanzengarten cultivirt wird, ist nach J. Gay’s 
Untersuchungen nichts anderes als F. vesca. Nach dem 
in dieser Frage sehr competenten Botaniker kommt sie 
auch in der Nähe von Quito vor.? 

Von den Griechen und Römern wurde die Erdbeere 
nicht angebaut. Wahrscheinlich führte man ihre Cultur 
im 15. oder 16. Jahrhundert nach diesen Ländern ein. 
Im 16. Jahrhundert sprach Champier von ihr als einer 
Neuheit für den Norden Frankreichs®; im Süden und 
auch in England? war sie damals schon bekannt. 

Nach den Gärten der Colonien gebracht, hat sich die 
Erdbeere in einigen feucht gelegenen Localitäten, fern 
von menschlichen Wohnplätzen, naturalisirt. Das ist in 
Jamaica®, auf der Insel Mauritius? und noch mehr auf 
der Insel Bourbon eingetreten, wo Pflanzen von Com- 
merson nach der hohen, sogenannten Kaffernebene ge- 
bracht worden waren. Bory Saint-Vincent berichtet, 
dass er 1801 daselbst Plätze angetroffen‘ hätte, die 
ganz mit rothen Erdbeeren bedeckt waren, sodass die 
Füsse beim Hindurchschreiten von einem wirklichen, mit 


1 Babington, in: Journal of Linn. Soc., XI, 303; Gay, a. a. O. 

2 A. Gray, Botany of the Northern Staates (1868), S. 156. 

3 Sir W. Hooker, F1. bor. amer., I, 184. 

4 A. Gray, Bot. of California, I, 176. 

5 J. Gay, in: Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Fraisier, S. 30. 

6 Le Grand d’Aussy, Histoire de la vie privée des Francais, I, 233, u. III, 

7 Olivier de Serres, Théâtre d’agric., S. 511; Gerard, nach Phillips, 
Pomarium britannicum, S. 334. 

8 Purdie, in: Hooker, London Journal of Botany, 1844, S. 515. 

9 Bojer, Hortus mauritianus, S. 127. 


ai A ET DE u Aue Em 


Erdbeeren. 253 


vulkanischem Schlamme vermischten Brei gefärbt wur- 
den.! Wahrscheinlich lassen sich in Tasmanien, Neu- 
seeland und anderswo ähnliche Naturalisationen antreffen. 

Die Gattung Fragaria ist mit mehr Sorgfalt als viele 
andere Gattungen untersucht worden von Duchesne Sohn, 
dem Grafen von Lambertye, Jacques Gay, und ganz ins- 
besondere von Frau Elisa Vilmorin, deren Scharfsinn 
im Beobachten des Namens so würdig war, welchen 
sie trug. Eine kurze Uebersicht ihrer Arbeiten mit 
ausgezeichneten colorirten Abbildungen findet sich in 
Decaisne’s ,, Jardin fruitier du Museum“. Grosse 
Schwierigkeiten wurden von diesen Autoren überwunden, 
um die Varietäten und Bastarde, die in den Gärten 
vervielfältigt werden, von den wirklichen Arten zu tren- 
nen und um diese auf gute Charaktere zu begründen. 
Einige Erdbeeren mit mittelmässigen Früchten hat man 
nicht weiter berücksichtigt, und die jetzt als beste 
Sorten anerkannten wurden durch Kreuzung der Arten 
von Virginien und Chile, auf welche ich jetzt zu sprechen 


komme, erzielt. 


Fragaria virginiana, Ehrhart. — Virginische oder 
Scharlacherdbeere (Fraisier de Virginie oder Fr. écarlate). 
Diese in Canada und im Osten der Vereinigten Staaten 
einheimische Art, von welcher sich eine Varietät nach 
Westen hin bis zu den Felsengebirgen, vielleicht selbst 


. bis nach dem Oregongebiet erstreckt?, wurde im Jahre 


1629 in die englischen Gärten eingeführt.” Im ver- 
flossenen Jahrhundert wurde sie vielfach in Frankreich 
angebaut, jetzt werden ihre mit andern Arten erzielten 
Hybriden mehr geschätzt. 


Fragaria Chiloensis, Duchesne. — Chilenische oder 
Riesenerdbeere (fr. Fraisier du Chili). 


A rs Bory Saint-Vincent, Comptes-rendus de l’Acad. des sc., 1836, Sem. 2, 
103% 

2 Asa Gray, Manual of bot. of the North. States (1868), S. 155; Botany 
of California, I, 177. 

3 Phillips, Pomarium brit., S. 335. 


254 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Eine im südlichen Chile — Concepcion, Valdivia 
und Chiloee — gewöhnliche Art!, die hier häufig 
angebaut wird. Frezier brachte sie 1715 nach Frank- 
reich. Sie wurde alsdann im pariser Pflanzengarten 
angebaut, und verbreitete sich bald nach England und 
anderweit. Durch verschiedene Kreuzungen, nament- 
lich mit der F. virginiana, hat man von dieser sehr 
grossfrüchtigen, äusserst wohlschmeckenden Art Erd- 
beersorten, wie Ananas, Victoria, Trollope, Rubis u. s. w. 
erzielt, deren Werth allgemein anerkannt ist. 


Prunus avium, Linne. — Süsskirschenbaum (fr. Ceri- 
sier des oiseaux). 

Ich bediene mich hier des Wortes Kirschbaum, weil 
es das gebräuchliche ist und den angebauten Arten oder 
Varietäten dabei nicht zu nahe getreten wird, jedoch 
hat das Studium der nahe stehenden, nicht angebauten 
Arten die Meinung Linne’s bestätigt, nach welcher die 
Kirschbäume als Gattung von den Pflaumenbäumen 
nicht getrennt werden können. 

Alle Varietäten angebauter Kirschbäume lassen sich 
auf zwei im wildwachsenden Zustande auftretende Arten 
zurückführen, nämlich: 1) Prunus avium, Linne, von 
hohem Wuchse, die aus den Wurzeln keine Schösslinge 
macht, bei welcher die untere Seite der Blätter behaart 
ist, und deren Frucht einen süssen Geschmack hat; 2) 
Prunus Cerasus, Linne, von weniger hohem Wuchse, 
Schösslinge aus den Wurzeln treibend, mit ganz kahlen 
Blättern, und einer mehr oder minder sauern oder 
bittern Frucht. 

Die erste dieser beiden Arten, von welcher der spa- 
nische gefleckte Herzkirschenbaum und der rothe Süss- 
kirschenbaum abstammen sollen, findet sich wildwach- 
send in Asien, nämlich ın den Wäldern von Ghilan 
(Nordpersien), in den russischen Provinzen des süd- 
lichen Kaukasien und Armenien?; in Europa: in Süd- 


1 Cl. Gay, Hist. Chili, Botanica, II, 305. 
2 Ledebour, Flora rossica, II, 6; Boissier, Fl. orient., II, 649. 


Süsskirschenbaum. 255 


russland, und gemeiniglich vom südlichen, Schweden 
bis nach den gebirgigen Theilen Griechenlands, Italiens 
und Spaniens. Selbst in Algerien kommt sie vor.? 

Je mehr man sich von der im Süden des Kaspisees 
und des Schwarzen Meeres gelegenen Region entfernt, 
um so spärlicher scheint der Süsskirschenbaum auizu- 
treten, sein Wohnsitz um so viel weniger ursprünglich 
zu sein, dagegen vielleicht mehr durch Vögel bestimmt 
zu werden, welche seinen Früchten gierig nachstellen 
und die Kerne weiter fortschaffen.” Es unterliegt kei- 
nem Zweifel, dass sich die Art auf diese Weise in- 
folge der Culturen in Nordindien®, in vielen Ebenen 
des südlichen Europa, auf Madeira? und hier und da 
in den Vereinigten Staaten® naturalisirt hat; wahr- 
scheinlich ist es jedoch, dass dies für den grössten 
Theil Europas zu sehr alten, prähistorischen Zeiten 
eingetreten ist, da die Vögel vor den ersten Völker- 
wanderungen, selbst vor dem Auftreten des Menschen 
in Europa, in dieser Weise thätig waren. Mit der Ab- 
nahme der Eisberge hätte sich dann der Wohnsitz in 
dieser Region weiter‘ ausgebreitet. 

Die volksthümlichen Namen in den alten Sprachen 
hat Adolphe Pictet einer gelehrten Erörterung unter- 
zogen‘, in Bezug auf den Ursprung lässt sich aber 
nichts daraus ableiten, und ausserdem hat man in der 
populären Nomenclatur die verschiedenen Arten oder 
"Varietäten häufig miteinander verwechselt. Von viel 
grösserer Wichtigkeit ist es, zu erfahren, ob die Archäo- 
logie uns über das Auftreten des Süsskirschenbaumes 
in Europa zu prähistorischen Zeiten Kunde gibt. 


1 Ledebour, a. a. O.; Fries, Summa Scandin., S. 46; Nyman, Conspec- 
tus fl. europ., S. 213; Boissier, a. a. O.; Willkomm et Lange, Prodr. fl. 
hisp., III, 245. 

2 Munby, Catal. Alg., 2. Aufl., S. 8. 

3 Da die Vögel nach der Reifezeit der Kirschen ihren Zug beginnen, 
so streuen sie die Kerne besonders in der Nähe der Anpflanzungen aus. 

4 Sir J. Hooker, F1. of Brit. India. 

5 Lowe, Manual fl. of Madeira, S. 235. 

6 Darlington, F1. cestrica, 3. Aufl., S. 73. 

7 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2, Aufl., I, 281. 


256 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Heer hat in seiner Arbeit über die Pfahlbauten der 
westlichen Schweiz Kerne von Prunus avium abgebildet.! 
Nach seinen mir gütigst gemachten Mittheilungen vom 
14. April 1881 kamen diese Kerne aus einem oberhalb 
alter Ablagerungen des Steinalters befindlichen Torf- 
lager. In den Pfahlbauten des Sees von Bourget hat de 
Mortillet? ähnliche Kerne nachgewiesen, und diese Pala- 
fitten datiren aus einer nicht sehr fern gelegenen, dem 
Steinalter folgenden Zeit. Von Dr. Gross erhielt ich solche 
Kerne von der ebenfalls verhältnissmässig weniger alten 
Corcelette-Fundstätte im Neuenburgersee, und die Herren 
Strobel und Pigorini haben solche auch in der „Terramare“ 
von Parma? entdeckt. Es handelt sich hier immer um 
Stationen, die dem Steinalter folgen und vielleicht aus 
einer historischen Zeit stammen. Falls keine ältern 
Kerne dieser Art in Europa entdeckt werden, liegt die 
Wahrscheinlichkeit vor, dass die Naturalisation nicht 
vor den Wanderungen der Arier erfolgte. 


Prunus Cerasus, Linne. Cerasus vulgaris, Miller. — 
Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum (engl. Sour 
cherry, fr. Cerisier commun oder Griottier). 

Die Kirschbäume von Montmorency, die Glaskirschen 
oder Amarellen, die eigentlichen Weichseln und einige 
andere gärtnerische Kategorien stammen von dieser 
Art ab. 

Hohenacker 5 hat Prunus Cerasus bei Lenkoran, 
nicht weit vom Kaspisee gesehen, und C. Koch® in den 
Wäldern Kleinasiens, d. h. nach dem von ihm durch- 
streiften Gebiete zu urtheilen, im Nordosten jenes Lan- 
des. ,,Aeltere Autoren fanden sie“, berichtet Ledebour’”, 


1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 24, Fig. 17, 18, und S. 26. 

2 In Perrin, Etudes préhistoriques sur 1a Savoie, S. 22. 

3 Atti Soc. ital. sc. nat., Bd. VI. 

4 Für die so zahlreichen Varietäten mit ihren je nach den Provinzen 
verschiedenartigen volksthümlichen Namen vgl. man den Nouveau Du- 
hamel, Bd. V, woselbst auch gute colorirte Abbildungen gegeben werden. 

5 Hohenacker, Plantae Talysch, S. 128. 

6 Koch, Dendrologie, I, 110. 

7 Ledebour, F1. ross., II, 6. 


Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum. 257 


„bei Elisabethpol und Eriwan“. Grisebach! führt ihn 
für den bithynischen Olymp an und fügt hinzu, dass 
derselbe in den Ebenen Macedoniens fast spontan auf- 
tritt. Der wahre und sehr alte Wohnsitz scheint sich 
vom Kaspisee bis nach Konstantinopel hin auszudehnen; 
doch selbst in diesem Ländergebiet stösst man häufiger 
auf Prunus avium. So scheinen Boissier und de Tchi- 
hatcheff Prunus Cerasus selbst nicht einmal im Pontus 
gesehen zu haben, obgleich sie von dort mehrere Exem- 
plare von Prumus avium erhalten oder mitgebracht 
haben.? 

In Nordindien findet sich Pr. Cerasus nur im ange- 
bauten Zustande.” Die Chinesen scheinen unsere beiden 
Kirschbäume nicht gekannt zu haben. Danach kann 
man annehmen, dass die Einführung nach Indien keine 
sehr alte ist, und man wird hierin durch das Fehlen 
eines Sanskritnamens noch bestärkt. 

Wir sahen, dass Pr. Cerasus nach Grisebach in Mace- 
donien fast spontan ist. Man hatte den Baum auch für 
die Krim als spontan ausgegeben, Steven* sah ihn 
jedoch nur angebaut, und Rehmann° erwähnt für das 
südliche Russland als wildwachsend nur die verwandte 
Art Pr. chamaecerasus, Jacquin. Für jegliche im 
Norden des Kaukasus gelegene Localität scheint mir 
die spontane Beschaffenheit sehr zweifelhaft zu sein. 
Selbst in Griechenland, wo Fraas den wildwachsenden 
Baum gesehen zu haben berichtete, kennt von Heldreich 
ihn nur im angebauten Zustande.° In Dalmatien? stösst 
man auf eine wirklich wildwachsende, eigenthümliche 
Varietät oder verwandte Art, Prunus Marasca, aus 
deren Früchten der Maraschinoliqueur bereitet wird. 
Prunus Cerasus wird in den gebirgigen Districten 


1 Grisebach, Spicilegium fl. rumelicae, S. 86. 

2 Boissier, Fl. orient., II, 649; Tchihatcheff, Asie Mineure, Bot., S. 193. 
3 Sir J. Hooker, Fl. of Britisch India, II, 313. 

4 Steven, Verzeichniss der taur. Halbinseln 8. ww 8, LE 

5 Rehmann, Verhandl. d. Nat. Ver. zu Brünn, X, 1871. 


6 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, = 69; "Pflanzen d. attischen 
Ebene, S. 477. 


7 Visiani, Fl. Dalmat., III, 258. 
DE CANDOLLE. 17 


258 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Italiens! und im mittleren Frankreich? wildwachsend 
angetroffen; weiter aber im Westen, im Norden und in 
Spanien wird die Art nur noch als angebaut angeführt, 
welche sich hier und da, und zwar häufig als Strauch 
naturalisirt. Augenscheinlich hat diese Art in Europa 
— in höherem Grade als der Süsskirschenbaum — den 
Anschein eines fremdländischen Baumes, der sich so 
ziemlich eingebürgert hat. 

Keine der in Theophrast, Plinius und andern alten 
Schriftstellern oft genannten Stellen? scheint sich auf 
Prunus Cerasus zu beziehen. Die bezeichnendste, jene 
von Theophrast, passt auf Prunus avium, wegen der 
Grösse des Baumes, weil sich dieser dadurch von Prunus 
Cerasus unterscheidet.* Theophrast nannte den Süss- 
kirschenbaum Kerasos, die Neugriechen geben ihm den 
Namen Kerasaia, und hierin finde ich ein linguistisches 
Kennzeichen für das hohe Alter von Prunus Cerasus: 
es bezeichnen nämlich die Albanesen, welche von den 
Pelasgern abstammen, denselben als Vyssine, ein alter 
Name, welcher sich in dem deutschen Weichsel und 
dem italienischen Visciolo° wiederfindet. Da nun die 
Albanesen auch den Namen Kerasie besitzen, und zwar 
für Pr. avium, so berechtigt dies zu der Annahme, dass 
ihre Vorfahren die beiden Arten vor Alters, vielleicht 
vor Ankunft der Hellenen in Griechenland, unterschie- 
den und benannt haben. 

Ein anderes Merkmal eines hohen Alters findet sich 
bei Virgil, wenn er von einem Baume sagt: 


Pullulat ab radice aliis densissima sylva 
Ut cerasis ulmisque. (Georg., II, 17.) 


Dies bezieht sich auf Pr. Cerasus, nicht auf Pr. avium. 


1 Bertoloni, F1. ital., V, 131. 

2 Lecoq et Lamotte, Catal. du plateau central de la France, S. 148. 

3 Theophrastus, Hist. plant., 1. 3, c. 13; Plinius, 1.15, c. 25, und andere 
eitirt in Lenz, Botanik der Alten, S. 710. 
4 Ein Theil der sich bei Theophrast findenden Ausdrücke geht hervor 
aus der Verwechselung mit andern Bäumen. Er betont, dass der Kern 
weich sei. 

5 Ad. Pictet nennt Formen desselben Namens im Persischen, Tür- 
kischen, Russischen, und leitet davon den französischen Namen Guigne 
ab, welcher Varietäten beigelegt wird. 


Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum. 259 


In Pompeji hat man zwei Bilder vom Kirschbaum 
gefunden, es scheint aber nicht mit Bestimmtheit ange- 
geben werden zu können, ob sie sich auf die eine oder 
die andere der beiden Arten beziehen.! Comes gibt 
sie unter dem Namen von Prunus Cerasus an. 

Irgendeine archäologische Entdeckung würde beweis- 
kräftiger sein. Die Kerne beider Arten zeigen eine 
Verschiedenheit in der Furche, was dem Scharfsinn der 
Herren Heer und Sordelli nicht entgangen ist. Un- 
glücklicherweise hat man in den prähistorischen Fund- 
stätten Italiens und der Schweiz nur einen Kern ent- 
deckt, der auf Prunus Cerasus zu beziehen ist, und 
überdies ist das Lager, dem man selbigen entnommen 
hat, nicht genügend festgestellt worden. Dem Anscheine 
nach war es keine archäologische Schicht.? 

Fasse ich diese sich etwas widersprechenden und 
ziemlich unbestimmten Angaben zusammen, so neige ich 
mich dem Glauben zu, dass Prunus Cerasus schon zu 
Anfang der griechischen Civilisation bekannt war und 
sich naturalisirte, etwas später auch in Italien, doch 
noch vor der Zeit, als Lucullus einen Kirschbaum von 
Kleinasien heimbrachte. 

Seiten liessen sich darüber schreiben, wenn man alle 
die Schriftsteller, selbst neuere, anführen wollte, welche, 
hierin Plinius folgend, die Einführung des Kirschbaums 
in Italien diesem reichen Römer im Jahre 64 vor der 
christlichen Zeitrechnung zuschreiben. Da dieser Irr- 
thum durch seine beständige Wiederholung in den clas- 
sischen Schulen fortbesteht, so will ich hier noch ein- 
mal wiederholen, dass es Kirschenbäume, wenigstens 
Süsskirschenbäume in Italien vor Lucullus’ Zeiten gab, 
und dass der berühmte Feinschmecker gewiss nicht die 
Art mit sauern oder bittern Früchten aufzufinden ge- 
trachtet hat. Sehr wahrscheinlich erfreute er die Römer 
mit einer guten, im Pontus angebauten Varietät, welche 


1 Schouw, Die Erde, S. 44; Comes, Ill. delle piante etc., S. 56. 
2 Sordelli, Piante della torbiera di Lagozza, S. 40. 


40% 


Sr: 2208 


260 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


sich die Gärtner durch Pfropfen zu vermehren beeilten, 
— hierauf beschränkt sich aber die Rolle des Lucullus. 

Nach dem, was man jetzt über Cerasus und die alten 
Namen der Kirschbäume weiss, möchte ich die zu der 
allgemeinen Meinung im Widerspruch stehende Be- 
hauptung aufstellen, dass es sich um eine Varietät des 
Süsskirschenbaumes handelt, wie z. B. den spanischen 
gefleckten Herzkirschenbaum oder den Merisier, deren 
fleischige Frucht einen süssen Geschmack hat. Ich 
stütze mich darauf, dass Kerasos im Theophrast der 
Name für Prunus avium ist, und diese Art von den beiden 
in Kleinasien die häufigste ist. Die Stadt Cerasus (Ke- 
rasun) entlehnte davon ihren Namen, und das häufige 
Auftreten von Prunus avium in den nahe liegenden Wal- 
dungen war für die Bewohner wahrscheinlich die Ver- 
anlassung, den Bäumen nachzuspüren, welche die besten 
Früchte trugen, um sie alsdann in ihre Gärten zu ver- 
pflanzen. Wenn Lucullus schöne Herzkirschen heim- 
brachte, so waren seine Landsleute, die höchstens kleine, 
wildwachsende Kirschen kannten, sicherlich zu dem Aus- 
rufe berechtigt: „Dies ist eine Frucht, welche wir nicht 
besassen!“ Weiteres hat auch Plinius nicht berichtet. 

Ich möchte hier zum Schluss noch eine Hypothese 
über die beiden Kirschbäume zum Ausdruck bringen. In 
ihren Charakteren unterscheiden sie sich nur wenig, 
und es gleichen sich, was sehr selten vorkommt, 
die beiden alten am besten nachgewiesenen Vaterländer 
(vom Kaspisee nach Westanatolien). Die beiden Arten 
verbreiteten sich nach Westen hin, aber auf ungleiche 
Weise. Diejenige, welche in dem Heimatlande die ge- 
wöhnlichste und die kräftigste war (Pr. avium), hat 
sich zu einer noch ältern Zeit weiter ausgebreitet und 
besser naturalisirt. Prunus Cerasus ist somit vielleicht 
ein während einer prähistorischen Zeit aufgetretener 
Abkömmling der andern. Somit gelange ich, wenn auch 
auf einem andern Wege, zu einer von Caruel! aufge- 


1 Caruel, Flora toscana, S. 48. 


Mc fins cé 


Angebaute Pflaumenbäume. 261 


stellten Ansicht; anstatt jedoch zu sagen, dass man viel- 
leicht gut thun würde, die beiden Arten in eine zu 
vereinigen, sehe ich sie gegenwärtig für verschieden- 
artig an und begnüge mich, eine Descendenz zu muth- 
maassen, welche nachzuweisen übrigens nicht leicht 
fallen dürfte. 

Angebaute Pflaumenbäume. 

Plinius spricht von der ungeheuern Pflaumenmenge, 
welche man zu seiner Zeit kannte. .‚Ingens turba pru- 
norum.“1 Heutzutage zählen die Gärtner über 300 Sor- 
ten. Einige Botaniker haben den Versuch gemacht, die- 
selben auf wildwachsende, getrennte Arten zurück- 
zuführen, sie stimmen aber nicht immer überein und 
scheinen, nach den specifischen Namen zu urtheilen, 
namentlich in Bezug auf Arten sehr verschiedene An- 
sichten zu haben. Die Verschiedenheit dreht sich um 
zwei Punkte, bald um die wahrscheinliche Descendenz 
von dieser oder jener angebauten Form, und bald um 


die Unterscheidung der spontanen Formen in Arten 


oder Varietäten. 

Ich erhebe nicht den Anspruch, die unzähligen ange- 
bauten Formen zu classificiren, und halte eine solche 
Arbeit bezüglich der Fragen nach dem geographischen 
Ursprung für ziemlich nutzlos, denn es zeigen sich die 
Verschiedenheiten besonders in der Form, der Grösse, 


‘ der Farbe und dem Geschmack der Frucht, d. h. in 


solehen Merkmalen, welche die Gärtner zu vervielfäl- 
tigen wünschten, sobald sie sich zeigten, von welchen 
sie immer neue zu erzielen möglichst bestrebt waren. 
Empfehlenswerther ist es, sich an die Verschiedenheiten 
der im wildwachsenden Zustande beobachteten Formen 
zu halten, besonders an solche, aus welchen die Men- 
schen keinen Gewinn ziehen, und welche wahrscheinlich 
dieselben geblieben sind, welche sie waren bevor es 
es noch Gärten gab. 


1 Plinius, Hist., 1. 15, c. 13. 


262 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Seit etwa 30 Jahren haben die Botaniker für die 
drei Arten oder Rassen, welche in der Natur vorkom- 
men, wirklich vergleichende Charaktere aufgestellt. Sie 
lassen sich folgendermaassen zusammenfassen: 


Prunus domestica, Linne; Baum oder hoher Strauch, nicht stachelig; 
Aestchen kahl; Blüten zur selben Zeit als die Blätter hervorkommend, 
Blütenstiele meistens flaumig; Früchte niederhängend, länglich, von 
süssem Geschmack. 

Prunus insititia, Linné; Baum oder hoher Strauch, nicht stachelig; 
Aestchen sammtig; Blüten zur selben Zeit als die Blätter hervorkommend, 
Blütenstiele sehr feinflaumig oder kahl; Früchte kugelig oder schwach 
elliptisch, hängend, von süssem Geschmack. 

Prunus spinosa, Linné; sehr stacheliger Strauch, Zweige rechtwinkelig 
ausgebreitet; Aestchen flaumig; Blüten aufgeblüht vor der Entfaltung der 
Blätter; Blütenstiele kahl; Früchte kugelig, aufrecht, von herbem Ge- 
schmack. 

Augenscheinlich entfernt sich diese dritte Form, welche 
in unsern Hecken so gemein ist, von den beiden andern. 
So scheint es mir auch unmöglich, wenn man nicht 
vermittelst einer Hypothese das auszulegen versucht, 
was vor irgendwelcher Beobachtung hat eintreten kön- 
nen: die drei Formen als eine einzige Art aus- 
machend anzusehen, oder man müsste schon Uebergänge 
von der einen in die andere in den Organen nachweisen 
können, welche durch die Cultur keine Abänderungen 
erlitten haben, dies ist aber bisjetzt nicht geschehen. 
Höchstens kann man die Verschmelzung der zwei ersten 
Kategorien zugeben. Die beiden Formen mit von Natur 
aus süssen Früchten traten in einigen Ländern auf. 
Für den Züchter boten sie grössere Reize dar als 
Prunus spinosa mit herber Frucht. Somit müssen wir 
versuchen, die angebauten Pflaumenbäume auf sie zu- 
rückzuführen. 

Des bessern Verständnisses wegen will ich von ihnen 


als von zwei Arten sprechen.? 


Prunus domestica, Linne. — Zwetschenbaum (fr. Pru- 
nier domestique). 


1 Koch, Synopsis fl. germ., 2. Aufl., S. 228; Cosson et Germain, Flore 
des environs de Paris, I, 165. 

2 Hudson, Flora anglica (1778), S. 212, vereinigt sie unter dem Namen 
von Prunus communis. 


al Le rt 


Zwetschenbaum. 263 


Mehrere Botaniker! haben denselben in ganz Ana- 
tolien, in der Region südlich vom Kaukasus und in 
Nordpersien, z. B. um den Elbrus herum, wildwachsend 
angetroffen. 

Für die Localitäten in Kaschmir, der Kirgisensteppe 
und China, von welchen in einigen Floren die Rede 
ist, liegen mir keine Beweise vor. Oft ist die Art 
zweifelhaft, und es handelt sich vielmehr um Prunus 
énsititia; in andern Fällen ist es die Beschaffenheit einer 
spontanen, alten Pflanze, welche ungewiss erscheint, denn 
augenscheinlich sind die Keime vermöge der Culturen 
weiter ausgestreut worden. Das Vaterland scheint sich 
nicht bis zum Libanon zu erstrecken, wenn auch die 
in Damascus angebauten Pflaumen schon seit Plinius’ 
Zeiten besonders geschätzt wurden. Es wird ange- 
nommen, dass Dioscorides? diese Art als in Damascus 
wachsend unter dem Namen Coccumelea von Syrien 
bezeichnete. Karl Koch erzählt, dass Kaufleute an den 
Grenzen Chinas ihm die Häufigkeit der Art in den 


Wäldern des westlichen Theils des Kaiserreichs bestä- 


tigt haben. Die Chinesen bauen freilich seit undenk- 
lichen Zeiten verschiedene Pflaumenbäume an, doch 
kennt man dieselben zu wenig, um sich ein Urtheil 
über sie zu erlauben, auch weiss man nicht, ob sie dort 
wirklich einheimisch sind. Da keiner unserer Pflaumen- 
bäume in Japan oder der Amurregion wildwachsend 


“angetroffen wurde, wird es ziemlich wahrscheinlich, dass 


die in China gesehenen Arten von den unserigen ver- 
schieden sind. Das scheint auch aus dem, was Bret- 
schneider darüber sagt, hervorzugehen.? 

Für Europa ist das Indigenat von Prunus domestica 
sehr zweifelhaft. In den Ländern des Südens, wo der Baum 
erwähnt wird, trifft man ıhn besonders in den Hecken 
nahe bei Wohnplätzen an; er tritt mit den Anzeichen 


1 Ledebour, Fl. ross., II, 5; Boissier, Fl. orient., II, 652; K. Koch, 
Dendrologie, I, S. 94; Boissier und Buhse, Aufzähl. Transcaucas., S. 80. 

2 Dioscorides, a. a. O., S. 174; Fraas, Syn. fl. class., S. 69. 

3 Bretschneider, On the study etc., S. 10. 


T RÄT, à EU 


264 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


eines höchstens naturalisirten Baumes auf, der hier und 
da dem unaufhörlichen Zuflusse von aus Anpflanzungen 
stammenden Kernen sein Fortbestehen verdankt. Die 
Autoren, welche die Art im Orient gesehen haben, tragen 
kein Bedenken, sie als subspontan hinzustellen. Fraas! 
versichert, dass sie in Griechenland nicht wildwachsend 
vorkommt, was Heldreich ? für Attica bestätigt; Steven 
bestätigt es ebenfalls für die Krim.? Wenn es sich so 
in der Nähe von Kleinasien verhält, hat man jeden- 
falls noch mehr Grund, dieselben Verhältnisse für die 
übrigen Gebiete Europas anzunehmen. 

Wenn auch die Römer einst eine grosse Menge von 
Pflaumenbäumen anbauten, so findet sich doch auf den 
in Pompeji entdeckten Gemälden keine Spur davon an- 
gedeutet.* 

Auch in den Ueberresten de Pfahlbauten Italiens, 
der Schweiz und Savoyens, in welchen man auf Kerne 
von Prunus insititia und spinosa stiess, hat man Prunus 
domestica nicht aufgefunden. 

Aus diesen Thatsachen, sowie aus der kleinen Anzahl 
von Wörtern, die sich in den griechischen Autoren auf 
die Art beziehen lassen, kann man den Schluss ziehen, 
dass sie sich seit höchstens 2000 Jahren in Europa 
halbwegs naturalisirt hat, mehr oder minder spontan 
geworden ist. 

Die Damascenerpflaumen, die Prunellen und andere 
ähnliche Formen gehören hierher. 


Prunus insititia, Linné.$ — Pflaumenbaum, Hafer- 
schlehe (fr. Prunier proprement dit). 

Im wildwachsenden Zustande kommt derselbe im Süden 
Europas vor.° Auch in Cilicien, Armenien, im Süden 


Fraas, Syn. fl. class., S. 69. 2 Heldreich, Pflanzen d. att. Ebene, 
Steven, Verzeichniss d. Halbinseln, I, 472. 

4 Comes, Ill. piante pompeiane. 

5 Insititia bedeutet fremd. Das ist ein sonderbarer Name, da jede 
Pflanze anderswo als in ihrem Vaterlande fremd ist. 

6 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 244; Bertoloni, Fl. ital. 
V, 135; Grisebach, Spieilegium fl. Rumel., S. 85; Heldreich, Nutzpflanzen 
Griechenlands, S. 68. 


1 
3 


Pflaumenbaum, Haferschlehe. 265 


des Kaukasus und in der Provinz Talysch nach dem 
Kaspisee hin! ist er angetroffen worden. Spontan scheint 
er besonders in der europäischen Türkei und im Süden 
des Kaukasus aufzutreten. In Italien und Spanien ist 
er dies vielleicht in geringerm Grade, obgleich zu- 
verlässige Autoren, welche den Baum an Ort und 
Stelle gesehen haben, solches nicht in Zweifel stellen. 
Was die europäischen Gebiete nördlich von den Alpen 
bis nach Dänemark betrifft, so sind die angegebenen 
Localitäten wahrscheinlich die Folge von Naturalisa- 
tionen, welche wiederum durch Culturen bedingt wur- 
den. Die Art findet sich gemeiniglich in den Hecken, 
nicht weit von Wohnplätzen entfernt, und bietet nur ge- 
ringe Anzeichen einer spontanen Pflanze dar. 

Dies alles stimmt mit den historischen und archäo- 
logischen Angaben recht gut überein. 

Die alten Griechen unterschieden die Coccumeleen ihres 
Landes von jenen Syriens?, woraus man geschlossen hat, 
dass die ersten eben die Prunus insititia waren. Es 
ist dies um so wahrscheinlicher, weil die Neugriechen 
sie Coromeleia? nennen. Die Albanesen sagen Corom- 
bile*, was einen alten, pelasgischen Ursprung vermuthen 
lässt. Uebrigens darf man auf die volksthümlichen Na- 
men der Pflaumenbäume nicht allzu viel Gewicht legen, 
denn jedes Volk konnte die eine oder die andere der 
Arten, vielleicht auch diese oder jene der angebauten 
Varietäten ziemlich willkürlich bezeichnen. Im allge- 
meinen scheinen sich die Namen, über welche in den 
gelehrten Werken viel geschrieben worden ist, auf die 
Beschaffenheit der Pflaume oder ihres Baumes zu be- 
ziehen, ohne eine ganz bestimmte Bedeutung zu haben. 

Kerne von Prunus insititia sind in den Terramare 
Italiens noch nicht aufgefunden worden; Heer hat jedoch 


1 Boissier, Flora orient., II, 651; Ledebour, F1. ross., II, 5; Hohen- 
acker, Plantae Talysch, S. 128. 

2 Dioscorides, LRO AS 1735, Erans; a. a 10; 

3 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 68. 

4 Ebend. 


266 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


solche beschrieben und abgebildet, welche aus den 
Pfahlbauten von Robenhausen stammen. Heutzutage 
scheint die Art in jenem Theile der Schweiz nicht ein- 
heimisch zu sein, wir dürfen aber nicht vergessen, dass 
die Bewohner der Pfahlbauten im Canton Zürich, wie 
dies aus der Geschichte des Flachses zu ersehen ist, 
zur Steinzeit Verbindungen mit Italien unterhielten. 
Diese alten Schweizer waren in der Wahl ihrer Lebens- 
mittel leicht zu befriedigen, denn sie sammelten auch 
die Früchte des Schlehendorns ein (Prunus spinosa), 
welche uns ungeniessbar scheinen. Wahrscheinlich be- 
reiteten sie durch Kochen ein Mus daraus. 


Prunus Armeniaca, Linne. Armeniaca vulgaris, La- 
marck. — Aprikosenbaum (fr. Abricotier). 

Die Griechen und Römer erhielten den Aprikosen- 
baum zu Anfang der christlichen Zeitrechnung. Unbe- 
kannt zu Zeiten des Theophrast, erwähnt Dioscorides ? 
denselben unter dem Namen von Mailon armeniacon. 
„Die Lateiner‘‘, sagt er, „nannten ihn Praikokion“. Dies 
ist in der That eine der von Plinius® unter dem Na- 
men Praecocium (auf die Frühreife der Art Bezug neh- 
mend“) erwähnten Früchte. Der armenische Ursprung 
wurde durch den griechischen Namen angedeutet, viel- 
leicht sollte dieser Name aber auch nur anzeigen, dass 
die Art in Armenien angebaut wurde. Die neuern 
Botaniker hatten während einer langen Zeit gewichtige 
Gründe, dieselbe in jenem Lande als spontan anzusehen. 
Pallas, Güldenstädt und Hohenacker berichteten, die 
Art um den Kaukasus herum, sowol im Norden an den 
Ufern des Terek, wie auch im Süden, zwischen dem 


1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 27, Fig. 16, c. 

2 Dioscorides, 1. 1, c. 165. 3 Plinius, 1. 2, c. 12. 

4 Der lateinische Name ist in den neugriechischen (Prikokkia) über- 
gegangen. Der spanische Name (Albaricoque), der französische (Abricot) 
u. s. w. scheinen von arbor precox oder Pr&ecocium zu kommen, während 
der altfranzösische Name Armegne, der italienische Armenilli von Mailon 
armeniacon abstammen. In meiner ,, Géographie bot. raisonnée‘, S. 880, 
finden sich weitere Details über die Namen der Art. 


ah 


Aprikosenbaum. 267 


Kaspisee und dem Schwarzen Meer angetroffen zu haben.! 
Boissier? lässt diese Localitäten zu, ohne sich über die 
Spontaneität weiter auszusprechen. Er hat ein von Hohen- 
acker bei Elisabethpol gesammeltes Exemplar gesehen. 
Andererseits scheint Tchihatcheff?, der zu verschiedenen 
malen Anatolien und Armenien durchstreift hat, den 
wildwachsenden Aprikosenbaum nicht gesehen zu haben, 
und, was noch bezeichnender ist, Karl Koch, welcher die 
im Süden des Kaukasus gelegene Region mit der Ab- 
sicht bereiste, derartige Thatsachen zu beobachten, drückt 
sich folgendermaassen aus*: „Vaterland unbekannt. We- 
nigstens habe ich während meines verlängerten Aufent- 
halts in Armenien den wildwachsenden Aprikosenbaum 
nirgendwo angetroffen, ihn auch nur selten angebaut 
gesehen.“ 

Ein Reisender, W. J. Hamilton’, berichtete freilich, 
ihn bei Orgu und Utsch-Hisar in Anatolien gefunden 
zu haben; es ist diese Aussage aber von keinem Bo- 
taniker bestätigt worden. 

Der angeblich wildwachsende Aprikosenbaum der 
Ruinen von Baalbek, welcher von Eusèbe de Salle be- 
schrieben wurde®, ıst nach dem, was er über das Blatt 
und die Frucht sagt, von dem gemeinen Aprikosenbaum 
ganz und gar verschieden. Boissier und die verschie- 
denen Sammler, welche ihm Pflanzen von Syrien und 
dem Libanon zugeschickt haben, scheinen die Art nicht 
gesehen zu haben. Spach” behauptet, dass sie in Per- 
sien einheimisch sei, ohne aber Beweise dafür zu lie- 
fern. In ihrer Aufzählung der Pflanzen Transkaukasiens 
und Persiens erwähnen Boissier und Buhse® den Baum 
nicht. 

Es ist nutzlos, den Ursprung in Afrika zu suchen. 


1 Ledebour, Fl. ross., II, 3. 2 Boissier, F1. orient., II, 652. 

3 Tehihatcheff, Asie Mineure, Botanique, Bd. I. 

4 K. Koch, Dendrologie, I, 87. 

5 Nouv. annales des voyages, Febr. 1839, S. 176. 

6 E. de Salle, Voyage, I, 140. 

7 Spach, Hist. des vég. phanérog., I, 389. 

8 Boissier und Buhse, Aufzählung der auf einer Reise u. s. w. (1860) 


268 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Die Aprikosenbäume, welche Reynier! in Oberägypten 
„fast wildwachsend“ angetroffen zu haben berichtet, 
mussten von Kernen herrühren, die ausserhalb der An- 
pflanzungen ausgestreut waren, wie man dies auch in 
Algerien beobachten kann.? Schweinfurth und Ascherson? 
führen in ihrem Verzeichniss der Pflanzen Aegyptens und 
Abessiniens die Art nur als angebaut an. Wenn sie 
vor Zeiten in Nordafrika aufgetreten wäre, würden über- 
dies die Hebräer und Römer sie frühzeitig gekannt 
haben. Nun gibt es aber keinen hebräischen Namen, 
und Plinius sagt, dass die Einführung in Rom seit 
30 Jahren datirte, als er an seinem Buche arbeitete. 

Wir wollen uns jetzt mit unserm Forschen nach dem 
Orient wenden. 

Die anglo-indischen Botaniker? erklären einstimmig, 
dass der im Norden Indiens und in Tibet allgemein 
angebaute Aprikosenbaum dort nicht einheimisch ist; 
sie fügen aber hinzu, dass er das Bestreben zeigt, sich 
zu naturalisiren, oder dass man ihn an solchen Stellen 
antrifft, wo früher Dörfer gestanden haben, Die Gebrüder 
Schlagintweit haben mehrere Exemplare aus dem nord- 
westlichen Indien und aus Tibet mitgebracht; dieselben 
wurden von A. Wesmael? geprüft, doch schreibt mir der- 
selbe, dass er die spontane Eigenschaft nicht bestätigen 
könne, indem die Etikette der Sammler hierüber keinen 
Nachweis gäbe. 

Roxburgh6, welcher die Fragen nach dem Ursprung 
nicht übersah, sagt, indem er vom Aprikosenbaume spricht: 
„in China wie auch im Westen Asiens einheimisch“. 
Nun lese ich in dem merkwürdigen Werkchen des Dr. 


1 Reynier, Économie des Égyptiens, S. 371. 

2 Munby, Catal., Fl. d'Algérie, 2. Aufl., S. 49. 

3 Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens (1867), 

«259. 

4 Royle, Ill. of Himalaya, S.205; Aitchison, Catal. of Punjab and 
Sindh, S. 56; Sir J. Hooker, F1. of Brit. India, II, 313; Brandis, Forest 
Flora of N. W. and Centr. India, S. 191. 

5 Wesmael, im Bull. Soc. bot. Belgiq., VIII, 219. 

6 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., II, 501. 


PT 


Aprikosenbaum. 269 


Bretschneider!, welches in Peking verfasst wurde, fol- 
gende Stelle, welche die Frage zu Gunsten des chine- 
sischen Ursprungs zu entscheiden scheint: „Sing ist, 
wie man weiss, die Aprikose (Prunus Armeniaca). Das 
Schriftzeichen (ein chinesisches gedrucktes Zeichen, S. 10) 
kommt, als eine Frucht bezeichnend, weder im «Schu- 
king» noch in den «Schi-king, Tschéu-li» u.s.w. vor; das 
«Schan-hai-king» sagt aber, dass mehrere Sing auf den 
Hügeln wachsen (hier ein chinesischer Buchstabe). Ausser- 
dem wird der Name der Aprikose durch ein besonderes 
Schriftzeichen dargestellt, was darauf hinweisen mag, 
dass sie in China einheimisch ist.“ Das ,,Schan-hai- 
king“ wird dem Kaiser Yü zugeschrieben, welcher 
2905—2198 v. Chr. lebte. Decaisne?, welcher der erste 
war, der den chinesischen Ursprung der Aprikose muth- 
maasste, hatte neuerdings von Dr. Bretschneider Exem- 
plare erhalten, die von folgender Anmerkung begleitet 
waren: „Nr. 24, wildwachsender Aprikosenbaum von 
den Bergen Pekings, woselbst er in grossen Mengen 
vorkommt. Die Frucht ist klein (21}, cm Durchmesser). 
Die Schale ist von gelber und rother Farbe; das Fleisch 
gelbröthlich, von saurem Geschmack, aber essbar. — 
Nr. 25, Kerne des in der Umgegend von Peking ange- 
bauten Aprikosenbaums. Die Frucht ist zweimal so 
gross als die wildwachsende.“ ? Decaisne fügte in einem 
an mich gerichteten Briefe noch folgende Bemerkung 
bei: „In der Form und der Aussenseite gleichen die 
Kerne ganz und gar denen unserer kleinen Aprikosen; 
sie sind glatt und nicht runzelig.“ Die mir von ihm 
geschickten Blätter gehören zweifelsohne dem Aprikosen- 
baume an. 


1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works etc., 
D 10 u: 19; 

2 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Bd. VIII, Artikel Abricotier. 

3 Dr. Bretschneider bestätigt dies in seinem neuern Werkchen: 
Notes on botanical questions, S. 3. 

4 Prunus Armeniaca von Thunberg ist Pr. Mume von Siebold und 
Zuccarini. Franchet und Savatier führen den Aprikosenbaum in ihrer 
Enumeratio u. s. w. nicht auf. 


270 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Weder in der Amurregion noch in Japan wird der 
Aprikosenbaum angeführt.! Vielleicht®sst die Strenge 
des Winters daselbst eine zu beträchtliche. Bedenkt man, 
dass vor alters keine Verbindungen zwischen China 
und Indien bestanden, sowie dass das Indigenat der 
Art für beide Länder als sicher hingestellt wurde, so 
neigt man sich zunächst der Ansicht hin, dass das alte 
Vaterland sich vom nordwestlichen Indien nach China 
erstreckte. Will man indessen dieser Hypothese folgen, 
so muss man weiter zugeben, dass sich die Cultur des 
Aprikosenbaums ziemlich spät nach Westen hin aus- 
breitete. Man kennt von ihm in der That weder einen 
Sanskritnamen noch einen hebräischen, sondern nur 
einen Hindinamen, Zard-alu, und einen persischen, 
Mischmisch; letzterer ist in das Arabische übergegangen.? 
Wie kann man nur annehmen, dass eine so ausge- 
zeichnete Frucht, die man so reichlich im westlichen 
Asien antrifft, sich in solch langsamer Weise vom Nord- 
westen Indiens nach der griechisch-römischen Welt aus- 
gebreitet hätte. Die Chinesen kannten sie 2- oder 
3000 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung. Schang- 
kien war ein Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung bis 
nach Baktrien gekommen, und er ist der erste, welcher 
seine Landsleute mit dem Occident bekannt machte.? 
Vielleicht ist dies der Zeitpunkt, dass der Aprikosen- 
baum im westlichen Asien bekannt wurde, dass man 
ihn anbauen und er sich hier und da im Nordwesten 
Indiens und am Fusse des Kaukasus infolge der ausser- 
halb der Anpflanzungen ausgestreuten Kerne naturali- 
siren konnte. 


1 „Herr Capus berichtet (Ann. sc. nat., Serie 6, XV, 206), dass er den 
wildwachsenden Aprikosenbaum in Turkestan zwischen 4—7000 Fuss Höhe 
angetroffen habe. Hieraus geht hervor, dass sich das alte Vaterland viel- 
leicht vom nördlichen China nach Turkestan erstreckte, und dass sich 
derselbe von da in die Gärten Armeniens ausbreitete.‘‘ (Vom Verfasser 
mitgetheilte Anmerkung.) 

2 Piddington, Index; Roxburgh, F1. ind., a. a. O.; Forskal, Fl. Egypt.; 
Delile, Ill. Egypt. 

3 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, 


ce u 2 ee 


Gemeiner Mandelbaum. 27T 


Amygdalus communis, Linne. Pruni species, Baillon. 
Prunus Amygdalus, Hooker fil. — Gemeiner Mandel- 
baum (fr. Amandier). 

Der Mandelbaum tritt mit den Anzeichen einer ganz 
und gar oder fast spontanen Pflanze in den warmen 
und trockenen Gegenden der Mittelmeerregion und des 
westlichen gemässigten Asiens auf. Da die aus den Cul- 
turen hervorgegangenen Kerne die Art leicht naturali- 
siren, muss man zu gar verschiedenen Angaben seine 
Zuflucht nehmen, um das alte Vaterland zu errathen. 

Wir wollen zunächst die Ansicht von einem ostasia- 
tischen Ursprung beseitigen. In den Floren Japans 
findet sich der Mandelbaum nicht angegeben. Der 
Baum, welchen Bunge in Nordchina angebaut sah, war 
Persica Davidiana.! Von Dr. Bretschneider? hören 
wir in seinem classischen Werkchen, dass er den Man- 
delbaum in China nie angebaut gesehen habe, und dass 
die unter dem Namen Pent-sao im 10. oder 11. Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung veröffentlichte Sammlung 
ihn als einen Baum aus dem Lande der Mohammedaner, 
womit das nordwestliche Indien oder Persien gemeint 
ist, bezeichnet. 

Die anglo-indischen Botaniker ? berichten, dass der 
Mandelbaum in den kühlen Regionen Indiens angebaut 
wird, einige fügen aber hinzu, dass er daselbst nicht 
gedeiht und man viele Mandeln aus Persien kommen 
lasse. Man kennt keinen Sanskritnamen, selbst nicht 
einmal einen aus vom Sanskrit abgeleiteten Sprachen. 
Es liest auf der Hand, dass das ursprüngliche Vater- 
land der Art anderswo zu suchen ist als im Nordwesten 
Indiens. 

Dagegen fehlt es in Mesopotamien und Turkestan bis 
nach Algerien nicht an Localitäten, in welchen sehr 
zuverlässige Botaniker den Mandelbaum in ganz und 


1 Bretschneider, Early European researches, S. 149. 
* 2 Bretschneider, Study and value etc., S. 10, u. Early Europ. researches, 
S. 149. 
3 Brandis, Forest Flora; Sir J. Hooker, Fl. of Brit. India, III, 313. 
4 Roxburgh, F1. ind., 2. Aufl., II, 500; Royle, Ill. Himal., S. 204. 


272 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


gar wildwachsendem Zustande gefunden haben. Boissier! 
sah Exemplare, die auf steinigem Terrain in Mesopo- 
tamien, in Aderbeidschan, Turkestan, Kurdistan und in den 
Wäldern des Antilibanon gesammelt worden waren. Karl 
Koch? hat ihn ebenso wenig im Süden des Kaukasus 
wildwachsend angetroffen, wie Tchihatcheff in Klein- 
asien. Cosson®? stiess auf natürliche Holzungen von 
Mandelbäumen in Algerien, nahe bei Saida. Auch an 
den Küsten Siciliens und Griechenlands* wird er als 
wildwachsend angesehen; dort aber und noch mehr in 
den Localitäten, wo er sich in Italien, Frankreich und 
Spanien zeigt, liegt die Wahrscheinlichkeit, ja fast die 
Gewissheit vor, dass dies das Resultat von infolge 
von Culturen zufällig ausgestreuten Kernen ist. 

Einen Beweis für das hohe Alter des Vorkommens 
im westlichen Asien finden wir in der Thatsache, dass 
für die Mandeln? hebräische Namen wie Schaked, Luz 
oder Zus (was noch der arabische Name Luz ist) 
und Schekedim bekannt sind. Die Perser haben einen 
andern Namen, Badam, von welchem ich den Altersgrad 
nicht kenne. Theophrast und Dioscorides® erwähnen 
den Mandelbaum unter einem ganz verschiedenen Na- 
men, Amugdalai, welcher von den Lateinern in Amyg- 
dalus übersetzt wurde. Daraus lässt sich schliessen, 
dass die Griechen die Art nicht vom Innern Asiens er- 
halten hatten, sondern sie in ihrem eigenen Lande oder 
wenigstens in Kleinasien gefunden hatten. Der Mandel- 
baum ist mehreremal auf den in Pompeji entdeckten 
Gemälden abgebildet.” Plinius® bezweifelt es, dass die 
Art zu Cato’s Zeiten in Italien bekannt war, weil sie 


1 Boissier, F1. or., III, 641. 

2 K. Koch, Dendrologie, I, 80; Tchihatcheff, Asie Mineure, Botanique, 
I, 108. 

3 Ann. des sc. nat., Serie 3, XIX, 108. 

4 Gussone, Synopsis fl. siculae, I, 552; Heldreich, Nutzpflanzen Grie- 
chenlands, S. 67. 

5 Hiller, Hierophyton, I, 215; Rosenmüller, Handb. der bibl. Alter- 
thumskunde, IV, 263. 

6 Theophrastus, Hist., 1, 1, c. 11, 18 ete.; Dioscorides, 1. 1, c. 176. 

7 Schouw, Die Erde etc.; Comes, Ill. piante nei dipinti pompeiani, S. 15. 

8 Plinius, Hist., 1. 16, c. 22. 


Hr 


BET 


ara 


Pfirsichbaum. 213 


als griechische Nuss bezeichnet war. Möglich ist es, 
dass der Mandelbaum von den griechischen Inseln nach 
Rom eingeführt worden war. Man hat keine Mandeln 
in den ,,Terramare‘ von Parma, selbst nicht einmal in 
den obern Schichten gefunden. 

Ich gebe zu, dass das wenig beträchtliche Alter der 
Art bei den Römern, sowie das Fehlen irgendwelcher 
Naturalisation ausserhalb der Culturen in Sardinien und 
Spanien! mir das Indigenat an der Nordküste Afrikas 
und in Sicilien zweifelhaft erscheinen lassen. Es han- 
delt sich hier, will mir scheinen, vielmehr um einige 
Jahrhunderte zurückgehende Naturalisationen. Zur Be- 
gründung dieser Hypothese führe ich den berberischen 
Namen Talouzet? für die Mandel an, welcher augen- 
scheinlich mit dem arabischen Louz in Verbindung steht, 
d. h. mit der Sprache der Eroberer, die den Römern 
folgten. Dagegen kann man das Indigenat im west- 
lichen Asien, sogar an einigen Punkten Griechenlands 
als prähistorisch ansehen; den Ausdruck ursprünglich 


gebrauche ich nicht, weil allem etwas vorherging. 


Zum Schluss will ich noch bemerken, dass die Griechen 
und selbst die Hebräer schon den Unterschied zwischen 
süssen und bittern Mandeln kannten. 


Am ygdalus Persica, Linne. Persica vulgaris, Miller. 
Prunus Persica, Bentham und Hooker. — Pfirsichbaum 
(fr. Pécher). 

Zunächst will ich hier den Abschnitt? anführen, in 
welchem ich früher den Pfirsich als ursprünglich von 
China stammend bezeichnet hatte, was mit der da- 
mals herrschenden Meinung im Widerspruch stand, eine 
Meinung, die auch jetzt noch von Leuten, welche mit 
der Wissenschaft wenig vertraut sind, wiederholt wird. 


1 Moris, Flora sardoa, II, 5; Willkomm et Lange, Prodr. Fl. hisp. 
III, 243. 

‘2 Dictionnaire français-berbère, 1844. 

3 Alph. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 851. 


DE CANDOLLE. 18 


974 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Sodann werde ich auf die seit 1855 entdeckten That- 
sachen zu sprechen kommen. 

„Die Griechen und Römer haben den Pfirsichbaum 
ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung er- 
halten.“ Die Namen Persica, Malum persicum deuteten 
schon an, von wo er zu ihnen gelangte. Es ist nicht 
nöthig, auf diese wohlbekannten Thatsachen zurückzu- 
kommen.! 

„Gegenwärtig baut man im Norden Indiens? verschie- 
dene Pfirsichbäume an, doch, seltsam genug, kennt man 
von ihnen keinen Sanskritnamen?, woraus man auf ein 
wenig altes Vorkommen, auf eine ebenso wenig alte 
Cultur in diesen Regionen schliessen kann. Roxburgh, 
der gemeiniglich in Bezug auf neuere indische Namen 
so ausführlich ist, erwähnt nur arabische und chine- 
sische. Auch Piddington spricht von keinem indischen 
Namen und Royle weist nur auf persische Namen hin. 

„Im nordöstlichen Indien gedeiht der Pfirsichbaum 
nicht oder erheischt doch grosse Pflege zu seinem Fort- 
kommen.* In China dagegen geht seine Cultur auf die 
ältesten Zeiten zurück. In diesem Lande kommen eine 
Menge abergläubischer Begriffe und Legenden über die 
Eigenschaften verschiedener Varietäten von Pfirsichen 
vor’; die Anzahl dieser Varietäten ist eine sehr be- 


1 Theophrastus, Hist., 1. 4, c. 4; Dioscorides, 1. 1, c. 164; Plinius, Genfer 
Ausgabe, 1. 15, c. 13. 

2 Royle, Ill. Himal., S. 204. - 

3 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., II, 500; Piddington, Index; Royle, 
a. 4.10. 

4 Sir J. Hooker, Journ. of Bot., 1550, S. 54. 

5 Rose, Vorsteher des französischen Handels in Canton, hatte sie nach 
chinesischen Manuscripten gesammelt, und Noisette (Jard. fruit., I, 76) 
hat einen Theil dieser Arbeit wörtlich übertragen. Beispielsweise führe 
ich einige derselben hier an: Die Chinesen betrachten die in eine Spitze 
auslaufenden und auf einer Seite sehr roth gefärbten Pfirsiche als das 
Sinnbild eines langen Lebens. Dieser uralten Ueberzeugung gemäss spie- 
len diese Pfirsiche auf allen Verzierungen, sei es in der Malerei oder der 
Bildhauerei und besonders bei Beglückwünschungsgeschenken u. s. w. eine 
gewisse Rolle. Nach dem Buche von Schin-nong-king schützt der Pfirsich 
Yu vor dem Tode; und wenn man ihn nicht zeitig genug hat essen kön- 
nen, so bewahrt er wenigstens den Körper bis an das Ende der Welt vor 
Verwesung. Der Pfirsich wird immer unter den Früchten der Unsterb- 
lichkeit aufgeführt, mit welchen man den Hoffnungen von Tsinschi-Hoang, 
Wuty, der Han und anderer Kaiser, welche auf Unsterblichkeit Anspruch 
erhoben, schmeichelte, u. s. w. 


a 


Di 


Barker © 


Pfirsichbaum. 219 


trächtliche!; ganz insbesondere findet sich dort die 
eigenthümliche Form des flachen Pfirsichs?, welche sich 
mehr als irgendeine andere von dem natürlichen Zu- 
stande der Art zu entfernen scheint; schliesslich legt 
man dem gemeinen Pfirsisch einen nicht zusammenge- 
setzten Namen, nämlich 70, beı.? 

„Nehme ich diese Thatsachen zusammen, so neige ich 
mich dem Glauben hin, dass der Pfirsichbaum eher von 
China stammt als aus dem westlichen Asien. Wenn er von 
jeher in Persien oder in Armenien vorgekommen wäre, 
hätten sich die Kenntniss und die Cultur eines durch 
seine Früchte so hervorragenden Baumes früher nach 
Kleinasien und Griechenland verbreitet. Durch den 
Zug Alexander’s lernte Theophrast ihn wahrscheinlich 
kennen (322 v. Chr.), derselbe spricht von ihm als 
einer persischen Frucht. Vielleicht geht diese unklare 
Kenntniss der Griechen bis auf den Rückzug der Zehn- 
tausend zurück (401 v. Chr.); doch wird der Pfirsich- 
baum von Xenophon nicht genannt. In den hebräischen 
Büchern wird desselben keine Erwähnung gethan. Einen 


Sanskritnamen besitzt der Pfirsichbaum nicht, und den- 


noch war das Volk, welches jene Sprache redete, von 
Nordwesten nach Indien gekommen, somit von dem 
Lande, welches gemeiniglich als die muthmaassliche 
Heimat der Art hingestellt wird. Wie kann man es 
aber erklären, falls dieses Vaterland anerkannt wird, 
dass weder die Griechen seit Bestehen des Landes, noch 
die Hebräer und ebenso wenig das sanskritredende Volk, 
welche alle aus der obern Region des Euphrat hervor- 
gingen oder mit derselben in Verbindung standen, den 
Pfirsichbaum anbauten. Dagegen ist es sehr möglich, 
dass Kerne eines seit undenklichen Zeiten in China 
angebauten Fruchtbaums mitten durch die Gebirge hin- 
durch von Centralasien nach Kaschmir, der Bucharei 
und Persien gebracht wurden. Diese Strasse war von 


1 Lindley, Trans. hort. soc., V, 121. 
2 Trans. hort. soc. Lond., IV, 512, Taf. 19. 
3 Roxburgh, a. a. O. 


LA 
CN 
x 


276 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


den Chinesen seit einer sehr langen Zeit entdeckt wor- 
den. Die Einführung würde in der zwischen der Epoche 
der Sanskritauswanderung und den Beziehungen der 
Perser zu den Griechen gelegenen Zeit stattgefunden 
haben. Einmal auf diesem Punkte begründet, würde 
der Anbau des Pfirsichbaums leicht vorwärts geschritten 
sein, und zwar einmal nach Westen hin, dann über 
Kabul nach dem Norden Indiens, woselbst der Anbau 
kein hohes Alter aufweist. 

„Man kann zur Begründung der Hypothese eines 
chinesischen Ursprungs noch hinzufügen, dass der Pfir- 
sichbaum von China nach Cochinchina ! eingeführt wor- 
den ist, und dass die Japanesen den Pfirsich mit dem 
chinesischen Namen Tao? bezeichnen. Herr Stanislas 
Julien hatte die Freundlichkeit, mir einige Stellen aus 
der «Encyclopédie japonaise» (lv. LXXXVI, S. 7) 
zu übersetzen, in denen der Pfirsichbaum als ein 
Baum westlicher Länder hingestellt wird, womit im 
Bezug auf die Ostküste die centralen Gebiete Chinas 
verstanden werden sollen, weil die Stelle einem chine- 
sischen Schriftsteller entlehnt worden ist. Der Tao 
findet sich schon in den Büchern des Confucius, im 
5. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, ja 
selbst im «Rituel» des 10. Jahrhunderts v. Chr. In 
der erwähnten Eueyklopädie wird auf die spon- 
tane Beschaffenheit der Pflanze nicht besonders hinge- 
wiesen; das kommt daher, weil die chinesischen Autoren 
auf eine derartige Frage wenig Aufmerksamkeit ver- 
wenden.“ 

Nachdem ich einige Einzelheiten über die volksthüm- 
lichen Namen des Pfirsichs in verschiedenen Sprachen 
gegeben, sagte ich: „Das Fehlen von Sanskrit- und. 
hebräischen Namen bleibt als die wichtigste Thatsache 


1 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 336. 

2 Kaempfer, Amoen., S. 798; Thunberg, Fl. Jap., S. 199. Kämpfer und 
Thunberg führen auch den Namen Momu an, dagegen bezieht Siebold 
(Fl. Jap., I, 29) einen ziemlich ähnlichen Namen, Mume, auf einen Pflau- 
menbaum, Prunus Mume, Sieb. et Z. 


Pfirsichbaum. ATT 


zurück, aus ihr kann man auf eine Einführung nach 
dem westlichen Asien von weit her, d. h. von China 
schliessen. 

„In mehreren Gegenden Asiens ist der Pfirsichbaum 
spontan angetroffen worden, man kann sich aber immerhin 
fragen, ob er daselbst ursprünglich zu Hause war, oder 
ob dieses spontane Auftreten durch Ausstreuung von 
Kernen bedingt wurde, welche von angebauten Bäumen 
stammten. Diese Frage erscheint um so nothwen- 
diger, weil Pfirsichkerne leicht keimen, und mehrere 
Abänderungen des Pfirsichbaums erblich sind. An- 
scheinend wildwachsende Exemplare sind häufig in der 
Nähe des Kaukasus gefunden worden. Pallas? hat 
solche an den Ufern des Terek gesehen, wo die Ein- 
wohner sie Scheptala® nennen, ein Name, der diesem 
Autor zufolge persisch sein soll. Die Früchte davon 
sind filzig, herbe (austeri), wenig fleischig, kaum grösser 
als die des Nussbaums, der Baum selbst niedrig. 
Pallas muthmaasst, dass dieser Strauch von den ange- 
bauten Pfirsichbäumen abstammt. Er fügt hinzu, dass 
man ihn in der Krim, im Süden des Kaukasus und in 
Persien antrifft; aber weder Marschall von Bieberstein 
noch C. A. Meyer oder Hohenacker geben den wild- 
wachsenden Pfirsichbaum beim Kaukasus herum an. 
Alte, von Ledebour genannte Reisende, Gmelin, Gülden- 
städt und Georgi, haben darüber berichtet. ©. Koch? 
ist der einzige Botaniker der Neuzeit, welcher den 
Pfirsichbaum im Ueberfluss in den kaukasischen Pro- 
vinzen gefunden haben will. Ledebour fügt jedoch 
vorsichtigerweise hinzu: «Ist er wildwachsend?» Die 
Kerne, welche Bruguiere und Olivier von Ispahan ge- 
bracht hatten, und die, in Paris ausgesäet, eine gute 
Pfirsich mit filziger Bekleidung hervorbrachten, stammten 


2 
+). 


1 Noisette, Jard. fr., S. 77; Trans. Soc. hört. London, IV, S. 51 

2 Pallas, Fl. ross., S. 13. 

3 Schuft-alu ist nach Royle (Til. Him., S. 204) das persische Wort für 
den glatten Pfirsich. 

4 Ledebour, Fl. ross., I,3. Vgl. die S. 282 folgende Meinung von Koch, 


278 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


nicht, wie Bosc! behauptet, von einem in Persien wild- 
wachsenden Pfirsichbaume, sondern von einem Baume 
aus den Gärten Ispahans.? Mir liegen keine Beweise 
vor, dass man einen Pfirsichbaum in Persien wildwach- 
send gefunden habe, und wenn solches von Reisenden 
angegeben wird, muss man immer befürchten, dass es 
sich um gesäete Bäume handelt. Dr. Royle? sagt, dass 
der Pfirsichbaum in mehreren Gegenden des Südens 
vom Himalaja, ganz insbesondere nahe bei . Mussuri 
wild wächst, wir haben aber gesehen, dass die Cultur 
des Baumes in diesen Regionen keine alte ist, und 
weder Roxburgh noch die «Flora nepalensis» von Don 
erwähnen den wildwachsenden Pfirsichbaum. Bunge * 
hat in Nordchina nur angebaute Exemplare angetroffen. 
Es ıst dieses Land kaum erforscht worden, und die 
chinesischen Legenden scheinen zuweilen auf wildwach- 
sende Pfirsichbäume hinzuweisen. So besagt der «Schu- 
y-ki» nach dem obengenannten Autor: «Wer immer 
Pfirsiche von dem Gebirge Kuoliu isst, erlangt ein 
ewiges Leben.» In Bezug auf Japan sagt Thunberg°: 
«Crescit ubique vulgaris, precipue juxta Nagasaki. In 
ommi horto colitur ob. elegantiam florum.» Nach dieser 
Stelle zu urtheilen, erscheint es, als ob die Art ausser- 
halb der Gärten sowie in den Gärten wüchse; vielleicht 
handelt es sich aber im erstern Falle nur um auf 
freiem Felde angebaute Pfirsichbäume. 

„Bisjetzt habe ich noch nicht von der Unterscheidung 
gesprochen, welche zwischen den verschiedenen Varie- 
täten oder Arten von Pfirsichbäumen aufzustellen ist. 
Die meisten derselben werden in allen Ländern ange- 
baut, wenigstens die unter sich scharf abgesonderten 
Klassen, welche man als botanische Arten ansehen 
könnte. - So findet sich die wichtige Unterscheidung der 
filzigen Pfirsiche und der glatten Pfirsiche, auf welche 
man zwei Arten zu gründen vorgeschlagen hat (Persica 


1 Bosc, Dict. d’agrie., IX, 481. 2 Thouin, Ann. Mus., VIII, 433. 
3 Royle, Ill. Himal., S. 204. 4 Bunge, Enum. plant. chin., S. 23. 
5 Thunberg, F1. Jap., S. 199. 


di 


nu” 


Pfirsichbaum. 279 


vulgaris, Mill, und P. levis, DC.), in Japan! und in 
Europa, wie auch in den meisten der dazwischenliegen- 
den Länder.” Weniger Gewicht wird auf die Unter- 
scheidungen gelegt, welche sich auf die Lösbarkeit und 
die Unlösbarkeit der Oberhaut, auf die weisse, gelbe 
oder rothe Farbe des Piöikehes und auf die allgemeine 
Form der Frucht stützen. Die zwei grossen Klassen 
von Pfirsichen, filzige und glatte, bieten zum grössten 
Theil diese Abänderungen dar, und dies sowol in Eu- 
ropa wie in Westasien und wahrscheinlich auch in China. 
Gewiss ist es, dass in letzterm Lande die Form mehr 
abwechselt als anderswo, denn man sieht dort wie in 
Europa längliche Pfirsiche, und ausserdem solche, von 
welchen ich bereits sprach, die vollständig flach von 
oben her zusammengedrückt sind, bei welchen die Spitze 
des Kerns nicht einmal von Fleisch bedeckt ist.” Auch 
die Farbe ist dort grossen Abwechselungen unterworfen.* 
In Europa waren die am besten unterschiedenen Varie- 
täten, ganz besonders die glatten und die filzigen Pfir- 
siche, mit lösbarem oder nicht lösbarem Kerne schon 
vor drei Jahrhunderten bekannt, denn sie werden von 
J. Bauhin mit grosser Genauigkeit aufgezählt’, und vor 
ihm hatte auch Dalechamp im Jahre 1587 die haupt- 
sächlichsten angegeben.° Die glatten Pfirsiche wurden 
damals Nucipersica genannt, weil sie in Form, Grösse 
und Farbe mit der Frucht des Nussbaums Aehnlichkeit 
besassen. Dieselbe Bedeutung hat das bei den Ita- 
lienern noch jetzt gebräuchliche Wort Pescanoce. 
„vergebens habe ich nach einem Beweise dafür ge- 
sucht, dass dieser glatte Pfirsich schon bei den alten 
Römern vorkam. Plinius’, welcher in seiner Zusammen- 
stellung der Pfirsich- und Pflaumenbäume auch den 


à Thunberg, Fl. Jap., S. 199. 

2 Die von mir zu Rathe gezogenen Berichte über China erwähnen des 
en Pfirsich nicht; da derselbe aber in Japan vorkommt, ist es höchst 
wahrscheinlich, dass er sich auch in China findet. 

3 Noisette, a. AU NErAns Soc. hort., IV, 512, Taf,-19. 
4 Lindley, Trans. hort. Soc., V, 122. 

5 J. Bauhin, Hist., I, 162 und 163. 

5 Dalechamp, Hist,, Y, 295. Pline sc 1% ur 19. 


280 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Laurus Persea und vielleicht noch andere Bäume hin- 
zuzieht, gebraucht keinen Ausdruck, welcher sich auf 
eine ähnliche Frucht beziehen könnte. Man glaubte 
ihn einigemal in den T'uberes, von welchen er spricht!, 
wiederzuerkennen. Dies war ein Baum, der zu Zeiten 
des Augustus von Syrien nach Italien gebracht worden 
war. Es gab weisse und rothe Tuberes. Andere (Tu- 
beres? oder Mala?) aus der Umgegend von Verona 
waren filzig. Der Schluss des Kapitels scheint nur die 
Mala zu betreffen. Hübsche, von Dalechamp”? ange- 
führte Verse des Petronius liefern den deutlichen Be- 
weis, dass unter den Tuberes der Römer zu Zeiten 
Nero’s eine glatte Frucht verstanden war; das konnte 
aber ebenso gut der Judendorn (Zizyphus), der Dios- 
pyros oder eine Crataegusart wie der Pfirsichbaum mit 
glatter Frucht sein. Jeder Schriftsteller der Renaissance- 
zeit hatte seine hierauf bezügliche Meinung oder machte 
es sich zur Aufgabe, die Aussage der andern zu kriti- 
siren.” Vielleicht gab es, wie Plinius berichtet, Tuberes 
von zwei oder drei Arten, und eine derselben, welche 
auf Pflaumenbäumen * gepfropft wurde, war der glatte 
Pfirsich. Ich bezweifle es, dass man jemals diese Frage 
aufklären wird.? 

„Selbst, wenn man zugibt, dass der Nucipersica erst 
im Mittelalter nach Europa eingeführt wurde, lässt sich der 
Thatsache nichts entgegenstellen, dass eine Vermischung 
der den Pfirsichen anhaftenden wichtigsten Eigenschaften 
in den europäischen Culturen seit mehreren Jahrhun- 
derten, in Japan seit unbekannten Zeiten anzutreffen 
war. Es hat den Anschein, als ob diese verschiedenen 
Eigenschaften sich überall vermittelst einer ursprüng- 


1 Plinius, De div. gen. malorum, 1. 2, ce. 14. 

2 Dalechamp, Hist., I, 358. 

3 Dalechamp, a. a. O.; Matthioli, S. 122; Caesalpinus, S. 107; J. Bau- 
hin, S. 163, etc. 

2PlınTuslaldsae10: 

5 Für die glatte Frucht habe ich keinen italienischen oder andern 
Namen entdecken können, welcher von fuber oder fuberes abstammt. Dies 
ist höchst seltsam, denn im allgemeinen haben sich die alten Fruchtnamen 
unter irgendeiner Form erhalten. 


Te 


Pfirsichbaum. 281 


lichen Art — der filzigen Pfirsich — erzeugt hätten. 
Wenn es ursprünglich zwei Arten gab, würden diese 
entweder in verschiedenen Ländern aufgetreten sein, 
und sich ihre Cultur für sich getrennt begründet, oder 
sie würden sick in ein und demselben Lande befunden 
haben, und in diesem Falle ist es wahrscheinlich, dass 
die alten Verkehrsmittel hier eine, anderswo die an- 
dere der Arten eingeführt hätten.“ 

Im Jahre 1855 betonte ich noch andere Erwägungen, 
um die Ansicht zu begründen, dass der glatte Pfirsich 
(Brugnon, im Englischen Nectarine) von dem gemeinen 
Pfirsichbaum abstamme; Darwin hat eine so grosse 
Menge von Fällen angeführt, bei welchen ein Necta- 
rinenzweig plötzlich aus einem Pfirsichbaum mit fil- 
ziger Frucht hervorsprosste, dass es unnöthig erscheint, 
hier noch weiter darüber zu sprechen. Ich will nur 
noch bemerken, dass der glatte oder Blutpfirsichbaum 
ganz das Ansehen eines Baumes hat, welcher der Kunst 
sein Dasein verdankt. Man hat ihn weder wildwach- 
send angetroffen, noch naturalisirt er sich ausserhalb 
der Gärten, und jedes Individuum zeigt ein kürzeres 
Leben als die gemeinen Pfirsichbäume. Er ist eine 
entkräftete Form. 

„Die Leichtigkeit“, sagte ich, „mit welcher sich un- 
sere Pfirsichbäume durch Aussaat in Amerika vermehrt, 
und ohne weitere Veredelung fleischige, bisweilen sehr 
schöne Früchte getragen haben, veranlasst mich zu dem 
Glauben, dass sich die Art in einem natürlichen Zu- 
stande befindet, der durch eine lange Cultur oder durch 
Kreuzungen nur wenige Abänderungen erlitten hat. In 
Virginien und den Nachbarstaaten hat man Pfirsiche, 
die von Sämlingen, nicht von durch Pfropfen veredelten 
Bäumen stammen, und sie finden sich in-so ungeheuern 
Mengen, dass, um sie zu verwerthen, Branntwein dar- 
aus gewonnen wird.! Auf einigen Bäumen sind die 
Früchte von ganz vorzüglicher Qualität.” Auf Juan- 


1 Braddick, Trans. hort. Soc. Lond., II, 205. 2 Ebend., Taf. 13. 


289 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Fernandez ist», sagt Bertero!, «der Pfirsichbaum so 
häufig, dass man sich von der Menge der eingesam- 
melten Früchte gar keinen Begriff machen kann; wenn 
auch die Bäume daselbst in den wildwachsenden Zu- 
stand zurückgekehrt sind, so liefern sie im allgemeinen 
doch recht gute Früchte» Nach diesen Beispielen 
würde es durchaus nicht befremden, wenn die wild- 
wachsenden, im westlichen Asien angetroffenen Pfirsich- 
bäume mit mittelmässigen Früchten ganz einfach der 
unter einem wenig günstigen Klima bedingten Naturali- 
sation ıhr Dasein verdankten, und die Art in China, 
wo die Cultur als die älteste erscheint, ursprünglich zu 
Hause wäre.“ 

Dr. Bretschneider ?, welchem in Peking alle Quellen 
der chinesischen Literatur offen standen, begnügte sich, 
nach Lesung des Vorhergehenden, mit dem Ausspruche: 
„Tao ist der Pfirsichbaum. De Candolle glaubt, dass 
China das Heimatsland des Pfirsichs ıst; er kann recht 
haben (he may be right). 

Ueber das hohe Alter des Vorkommens der Art, so- 
wie über ihre Spontaneität im westlichen Asien hegt 
man jetzt noch mehr Zweifel als ım Jahre 1855. 
Die anglo-indischen Botaniker sprechen vom Pfirsich- 
baume als einem ausschliesslich angebauten® oder durch 
die Cultur im nordwestlichen Indien naturalısirten, dem 
Anscheine nach spontanen Baume.* Von Boissier? werden 
Exemplare angeführt, die in Ghilan und im Süden des 
Kaukasus gesammelt waren, aber nichts wird von ihm 
in Bezug auf die spontane Eigenschaft bestätigt, und 
nachdem Karl Koch® diese Region durchstreift hatte, 
stellt er das Vaterland des Pfirsichbaums als unbekannt 
hin, meint, dass Persien es sein könne. Boissier sah 


1 Bertero, in: Ann. sc. nat., XXI, 350. 

2 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, 
S. 10. 

3 Sir J. Hooker, Fl. of Brit. India, II, 313. 

4 Brandis, Forest Flora etc., S. 191 

5 Boissier, Flora orientalis, II, 640. 

6 K. Koch, Dendrologie, I, 33. 


Pfirsichbaum. 283 


Bäume, welche sich in den Schluchten des Berges Hy- 
mettus bei Athen festgesetzt hatten. 

Der Pfirsichbaum breitet sich mit Leichtigkeit in den 
Ländern aus, wo man ıhn anbaut, sodass es nicht leicht 
; hält, zu wissen, ob ein bestimmtes Individuum ursprüng- 
lich im Lande heimisch ist, vor der allgemeinen Cultur, 
oder ob es sich naturalisirt hat; in China hat man aber 
sicherlich damit angefangen, den Pfirsichbaum anzu- 
pflanzen; 2000 Jahre vor seiner Einführung in die 
griechisch-römische Welt, ein Jahrtausend vielleicht vor 
seinem Bekanntwerden in den Ländern der Sanskrit- 
sprache, kannte man den angebauten Pfirsichbaum be- 
reits im Reiche der Mitte. 

Die Gruppe der Pfirsichbäume (Gattung oder Unter- 
gattung) wird gegenwärtig aus fünf Formen zusammen- 
gesetzt, welche Decaisne! als Arten betrachtete, die 
aber von andern Botanikern meistens als Varietäten be- 
zeichnet werden. Die eine ist der gemeine Pfirsich- 
baum, die zweite der mit glatter Frucht, welcher, wie 
wir gesehen haben, aus ersterm hervorgegangen ist, die 
dritte ist der Pfirsichbaum mit flacher, d. h. von öben 
her zusammengedrückter Frucht (P. platycarpa, De- 
caisne), welcher in China angebaut wird, und die beiden 
letzten sind in China einheimisch (P. Simonii, Decaisne, 
und P. Davidii, Carrière); es ist somit der Hauptsache 
nach eine aus China stammende Gruppe. 

Nach dieser Zusammenstellung von Thatsachen dürfte 
es schwer halten, für den gemeinen Pfirsichbaum China 
nicht als ursprüngliches Heimatsland hinzustellen, wie 
ich ‚dies bereits vor Jahren nach weniger zahlreichen 
Documenten gemuthmaasst hatte. Seine Ankunft in 
Italien zu Anfang der christlichen Zeitrechnung wird 
heutzutage durch das Fehlen von Pfirsichkernen in den 
Terramare oder Pfahlbauten von Parma und der Lom- 
bardei, sowie auch durch Pfirsichbäume darstellende 


1 Decaisne Jardin fruitier du Muséum, Pechers, S. 42. 


a re 


Gemälde ın den Häusern der Reichen von Pompeji 
bestätigt. ! | 

Zum Schluss muss ich noch auf eine Ansicht zu 
sprechen kommen, die vor zeiten von A. Knight auf- 
gestellt und von mehreren Gärtnern unterstützt wurde, 
dass nämlich der Pfirsichbaum eine Abänderung des 
Mandelbaums wäre. Darwin? hat alle Schriftstücke zur 
Begründung dieser Meinung vereinigt, doch hat er es 
auch nicht versäumt, eins anzuführen, welches, wie er 
glaubt, dagegen spricht. Kurz zusammengefasst ergibt 
sich daraus: 1) eine Kreuzung, die Knight ziemlich 
zweifelhafte Resultate geliefert hat; 2) Zwischenformen 
in Bezug auf die Fleischfülle und den Kern, welche 
durch Aussaaten oder zufällig in den Culturen erzielt 
waren, Formen, von welchen der seit langer Zeit be- 
kannte Mandelpfirsich als Beispiel genannt werden kann. 
Decaisne® fand in der Form und der Länge der Blätter, 
ganz abgesehen von den Kernen, die zwischen dem 
Mandel- und Pfirsichbaume obwaltenden Verschieden- 
heiten. Knight’s Ansicht behandelt er als eine „selt- 
same Hypothese‘. 

Die Pflanzengeographie spricht gegen diese Hypo- 
these, denn der Mandelbaum stammt aus dem west- 
lichen Asıen, kam ehemals im Centrum des asiatischen 
Continents nicht vor, und seine Einführung nach China 
als angebauter Baum geht nicht über die christliche 
Zeitrechnung hinaus. Die Chinesen besassen ihrerseits 
seit Tausenden von Jahren verschiedene Formen des ge- 
meinen Pfirsichbaums, und ausserdem die zwei spon- 
tanen Formen, von welchen ich gesprochen habe. Der 
Mandelbaum und der Pfirsichbaum waren von zwei sehr 
voneinander entfernten Regionen ausgegangen, und schon 
aus diesem Grunde kann man sie kaum als ein und 
dieselbe Art betrachten. Der eine war auf China, der 
andere auf Syrien und Anatolien angewiesen. Nachdem 


284 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Comes, Illustr. piante nei dipinti Pompeiani, S. 14. 
Darwin, On variations etc., I, 338. 
Decaisne, a. a. O., S. 2. 


C2 19 m 


Gemeiner Birnbaum. 285 


der Pfirsichbaum von China nach Centralasien, und etwas 
vor der christlichen Zeitrechnung nach Westasien ge- 
bracht worden war, kann er daselbst nicht der Stamm- 
vater des Mandelbaums geworden sein, weil sich dieser 
letztere bereits in dem Lande der Hebräer vor- 
fand. Und wie wäre es möglich, falls der Mandelbaum 
des westlichen Asiens den Pfirsichbaum erzeugt hätte, 
dass dieser in China seit einer sehr fern liegenden Zeit 


auftrat, während er doch der griechisch-römischen 
Welt fehlte? 


Pyrus communis, Linne. — Gemeiner Birnbaum (fr. 
Poirier commun). 

Der Birnbaum zeigt sich im wildwachsenden Zustande 
im ganzen gemässigten Europa und in Westasien, vor- 
nehmlich in Anatolien, im Süden des Kaukasus und im 
Nordpersien!, vielleicht auch in Kaschmir, doch ist letzte- 
res zweifelhaft.” Von einigen Autoren wird der Wohn- 
sitz bis nach China ausgedehnt. Dies hat seinen Grund 
darin, dass sie die Pyrus sinensis, Lindley, als derselben 
Art zugehörig ansehen. Mich hat schon die einfache 
Prüfung der Blätter, bei welchen die zahnartigen Ein- 
schnitte in ein feines Seidenhärchen verlaufen, zu der 
Ueberzeugung einer specifischen Verschiedenheit der 
beiden Bäume gebracht.” 

Unser wildwachsender Birnbaum unterscheidet sich 
nur wenig von gewissen angebauten Varietäten. Seine 
Frucht ist herbe, gesprenkelt, die Form derselben bald 


unten abgeflacht oder fast kugelrund.* Bei vielen an- 


dern angebauten Arten hält es schwer, die von einer 
wildwachsenden Pflanze abstammenden Individuen von 


1 Ledebour, F1. ross., II, 94; und besonders Boissier, Fl. orient., II, 
653, der mehrere Exemplare untersucht hat. 

2 Sir J. Hooker, Flora’ of British India, II, 374. 

3 Der von Lindley beschriebene P. sinensis ist in Bezug auf die zahn- 
förmigen Einschnitte der Blätter im Botanical Register schlecht abgebil- 
det, im Jardin fruitier du Muséum von Decaisne dagegen sehr gut. Dies 
ist dieselbe Art als der P. ussuriensis, Maximowiez, aus dem östlichen Asien. 

4 Im Nouveau Duhamel, VI, Taf. 59, sowie in Decaisne’s Jardin fruitier 
du Muséum, Taf. 1, Fig. B u.C, sehr gut abgebildet. Der P. Balanse, Taf. 6 
desselben Werkes, scheint nach Boissier’s Beobachtungen gleichartig zu sein. 


286 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


denen zu unterscheiden, welche eine zufällige Samen- 
fortschaffung fern von menschlichen Niederlassungen ins 
Leben gerufen hat. In dem uns vorliegenden Falle ist 
dies nicht so schwierig. Die Birnbäume finden sich 
häufig in den Wäldern und erreichen unter allen Frucht- 
barkeitsbedingungen einer einheimischen Pflanze einen 
hohen Wuchs. Wir wollen jedoch sehen, ob sich in 
dem weiten von ihnen eingenommenen Ländergebiet in 
gewissen Ländern ein weniger altes oder weniger gut 
begründetes Vorkommen muthmaassen lässt als in andern. 

Man kennt keinen Sanskritnamen für die Birne, wo- 
durch man zu der Behauptung berechtigt wird, dass 
die Cultur im nordwestlichen Indien kein hohes Alter 
aufzuweisen hat, und dass die ausserdem zu ungenaue 
Angabe von wildwachsenden Exemplaren in Kaschmir 
von keiner Bedeutung ist. Auch gibt“es weder he- 
bräische noch aramäische Namen?; dies wird aber durch 
die Thatsache erklärt, dass der Birnbaum nicht in den 
heissen Ländern gedeiht, wo diese Sprachen geredet 
wurden. 

Homer, Theophrast und Dioscorides erwähnen den 
Birnbaum unter den Namen Ochnai, Apios oder Achras. 
Die Lateiner nannten ihn Pirus oder Pyrus?, und we- 
nigstens zu Plinius’ Zeiten wurde eine grosse Anzahl 
Varietäten von ihnen angebaut. Die Wandgemälde von 
Pompeji zeigen uns oft diesen Baum mit seiner Frucht.* 

Die Bewohner der schweizer und italienischen Pfahl- 
bauten sammelten die wildwachsenden Aepfel. in grossen 


. 


1 Dies ist beispielsweise nach den Beobachtungen Godron’s, De V’ori- 
gine probable des Poiriers cultivés, 1873, S. 6, in den Wäldern Loth- 
ringens der Fall. 

2 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk.; Löw, Aramäische Pflanzennamen, 
1581. 

3 Die Schreibweise Pyrus, wie Linné sie angenommen hatte, findet sich 
im Plinius, Historia (1631), S. 301. Einige Botaniker haben es besser 
machen wollen, indem sie Pirus schreiben, die Folge davon war, dass 
man beim Nachschlagen in einem Buche der Neuzeit das Inhaltsverzeich- 
niss an zwei Stellen zu Rathe ziehen muss, oder Gefahr läuft, zu glauben, 
dass die Birnbäume sich in dem Werke nicht verzeichnet finden. Auf 
alle Fälle ist der Name der Alten ein volksthümlicher Name, der wirklich 
botanische Name ist jener von Linné, dem Gründer der als gültig ange- 
nommenen Nomenclatur, und Linné schrieb Pyrus. 

4 Comes, Ill. piante dipinti Pompeiani, S. 59. 


u Au 


Gemeiner Birnbaum. 287 


Massen ein, und unter diesen Vorräthen fanden sich, 
wenn auch nur selten, Birnen. Heer hat eine abge- 
bildet, die von den Pfahlbauten von Wangen und 
Robenhausen stammt, und diese Abbildung lässt über 
die Identität keine Zweifel zu. Es ist eine unten ab- 
geflachte Frucht, die 28 mm lang und 19 breit ist; sie 
ist der Länge nach durchgeschnitten, sodass auf diese 
Weise um den knorpeligen centralen Theil ein Fleisch 
von nur geringer Dicke sichtbar wird.! In den savoyischen 
Pfahlbauten des Sees von Bourget hat man keine ge- 
funden. In jenen der Lombardei hat der Professor 
Ragazzoni? eine Birne entdeckt, die der Länge nach 
durchgeschnitten war und bei 25 mm Länge eine 
Breite von 16 mm zeigte. Sie fand sich in Bardello 
im See von Varese. Die im „Nouveau Duhamel“ abge- 
bildeten wildwachsenden Birnen haben 30—33 mm Länge 
bei einer Breite von 30—32, und diejenigen von La- 
ristan, welche im ,,Jardin fruitier du Muséum‘ unter 
dem Namen von P. Balans@ abgebildet sind, und welche 
mir als derselben Art zugehörig und wirklich spontanen 


Ursprungs erscheinen, messen 26—27 mm in Länge bei 


einer Breite von 24—25. Bei diesen wildwachsenden 
Birnen der Gegenwart ist das Fleisch etwas dicker; die 
alten Bewohner der Pfahlbauten liessen aber ihre Früchte 
trocknen, nachdem sie dieselben der Länge nach zer- 
schnitten hatten, wodurch die Dicke vermindert werden 


. musste. In den genannten Pfahlbauten findet sich keine 


Spur von Metallen noch vom Hanf, zieht man aber ihre 
Entfernung von civilisirtern Gegenden der alten Zeiten 
in Betracht, ganz insbesondere, sobald es sich um die 
Schweiz handelt, so ist es immerhin möglich, dass die 
entdeckten Ueberreste auf eine nicht ältere Zeit als 
bis zum Trojanischen Krieg oder zur Gründung Roms 
zurückgehen. 

Ich führte drei Namen des alten Griechenlands und 


1 Heer, Pfahlbauten, S. 24, 26, Fig. 7. 
2 Sordelli, Notizie staz. lacustre di Lagozza, S. 37. 


288 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 2 


einen lateinischen Namen an, es gibt aber eine Menge 
anderer: z. B. Pauta im Armenischen und Georgischen, 
Vatzkor im Ungarischen; in den slawischen Sprachen 
Gruscha (russisch), Hrusska (böhmisch), Kruska (illyrisch). 
Dem lateinischen Pyrus analoge Namen finden sich in 
den keltischen Sprachen: Peer (irländisch), Per (cym- 
risch und armorikanisch).! Ich überlasse es den Sprach- 
forschern, Vermuthungen über den mehr oder weniger 
arischen Ursprung mehrerer dieser Namen und des deut- 
schen Namens Birne aufzustellen, dagegen dient mir deren 
Verschiedenartigkeit und Mannichfaltigkeit als Beweis 
eines sehr alten Vorkommens vom Kaspisee an bis zu 
dem Atlantischen Ocean. Die Arier haben sicherlich 
auf ihren Wanderungen nach Westen hin keine Birnen 
oder Birnenkerne mit sich geführt; wenn sie aber in 
Europa auf eine Frucht stiessen, welche sie schon 
kannten, so haben sie ihr den oder die bei ihnen ge- 
bräuchlichen Namen beigelegt, während andere, frühere 
Namen in einigen Ländern verbleiben konnten. Als 
Beispiel dieses letztern Falles will ich zwei baskische 
Namen für den Birnbaum anführen, Udarea und Ma- 
daria?, welche mit den schon bekannten asiatischen 
oder europäischen Namen keine Uebereinstimmung zeigen. 
Die Basken waren wahrscheinlich von den Kelten -unter- 
worfene und gegen die Pyrenäen hin zurückgedrängte 
Iberer; das Alter ihrer Sprache ist ein sehr hohes, und 
was die in Frage stehende Art betrifft, so haben sie 
sicherlich die Namen weder von den Kelten noch von 
den Römern erhalten. 

Schliesslich kann man den gegenwärtigen Wohnsitz 
des Birnbaums von Nordpersien nach der Westküste des 
gemässigten Europa, namentlich in den gebirgigen Re- 
gionen als prähistorisch und selbst als jeglicher Cultur 


1 Nemnich, Polygl. Lexicon d. Naturgesch.; Ad. Pictet, Origines indo- 
européennes, I, 277; und mein handschriftliches Wörterbuch von volks- 
thümlichen Namen. 

2 Nach einer Liste von Pflanzennamen, die von Herrn d’Abadie dem 
Professor Clos in Toulouse mitgetheilt wurde. 


Schneebirne. 289 


vorhergehend ansehen. Man muss aber dessenungeachtet 
hinzufügen, dass durch die Häufigkeit der Culturen in 
Nordeuropa und auf den britischen Inseln die Ausbrei- 
tung und Vervielfältigung der Naturalisationen während 
einer verhältnissmässig neuern Epoche, deren charak- 
teristische Merkmale jetzt kaum mehr anzugeben sind, 
bedingt wurden. 

Der von Godron aufgestellten Hypothese, dass die 
zahlreichen angebauten Varietäten von einer unbekann- 
ten asiatischen Art abstammen!, kann ich nicht bei- 
treten. Es scheint als ob sich dieselben, wie dies von De- 
eaisne betont wird, an P. communis oder an P. nivalis, auf 
welche ich gleich zu sprechen komme, anlehnen können, 
wenn man die Wirkungen zufälliger Kreuzungen, der Cultur 
und einer langen natürlichen Züchtung zulässt. Ausser- 
dem ist das westliche Asien zur Genüge erforscht wor- 
den, um zu der Ansicht berechtist zu sein, dass sich 
dort keine andern als die schon beschriebenen Arten 
vorfinden. 


Pyrus nivalis, Jacquin. — Schneebirne (fr. Poirier 
Sauger). 

In Oesterreich, ın Norditalien und in mehreren De- 
partements des östlichen und mittlern Frankreichs wird 
ein Birnbaum angebaut, welchen Jacquin Pyrus nivalis 
genannt hat?, er stützte sich dabei auf den deutschen 
Namen Schneebirne, welcher in dem Gebrauche der 
österreichischen Bauern, die Früchte davon zu essen, 
wenn die Berge von Schnee bedeckt sind, seine Be- 
gründung findet. In Frankreich nennt man ıhn Poirier 
Sauger, weil die untere Seite der Blätter mit einem 
weissen Flaum bedeckt ist, wodurch sie der Sauge 
(Salbei) ähnlich werden. Decaisne? hielt alle Varietäten 
der Schneebirne für Abkömmlinge der Pyrus Kotschyana, 


1 Godron, a. a. O., S. 28. 
2 Jacquin, Flora austriaca, II, 4, Fig. 107. 
3 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 21. 


DE CANDOLLE. 19 


290 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Boissier !, welche in Kleinasien wild wächst. Dieser 
Name müsste dann dem von nivalis, als dem ältesten, 
Platz machen. 

Die in Frankreich zur Bereitung von Birnmost an- 
gebauten Schneebirnen sind hier und da in den Wäldern 
verwildert.? Sie bilden die Hauptmasse der sogenannten 
Cider-Birnbäume, welche sich, ganz abgesehen von den 
Charakteren des Blattes, durch die Herbigkeit der Frucht 
unterscheiden. 

Die Beschreibungen der Griechen und Römer sind zu 
unvollkommen, um feststellen zu können, ob sie diese 
Art besassen. Man kann dies jedoch als wahrschein- 
lich annehmen, weil sie Obstwein bereiteten.? 


Pyrus sinensis, Lindley.* — Chinesischer Birnbaum 
(fr. Poirier de Chine). 

Es wurde von mir schon auf diese Art hingewiesen, 
welche dem gemeinen Birnbaum nahe steht, in der 
Mongolei und Mandschurei®° wildwachsend vorkommt, 
und in China sowol wie in Japan angebaut wird. 

Ihre Frucht, die besser aussieht als sie schmeckt, 
wird als Kochobst benutzt. Die Art ist in den euro- 
päischen Gärten noch zu neu, um den Versuch gemacht 
zu haben, sie mit unsern Arten zu kreuzen, dies wird 
vielleicht eintreten, ohne dass es beabsichtigt wird. 


Pyrus Mulus, Linné. — Gemeiner Apfelbaum (fr. 
Pommier). 
Im wildwachsenden Zustande zeigt sich der Apfel- 


1 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 18, und Einlei- 
tung, S. 30. Mehrere Varietäten von Schneebirnen, einige mit grossen 
Früchten, sind in demselben Werke abgebildet. 

2 Boreau, Flore du centre de la France, 3. Aufl., II, 236. 

3 Palladius, De re rustica, 1. 3, c. 25. Hierzu gebrauchte man „Pira 
sylvestria, vel asperi generis“. 

4 Thouin hatte den chinesischen Quittenbaum Pyrus sinensis genannt. 
Unglücklicherweise hat Lindley denselben Namen einer wirklichen Pyrus- 
art gegeben. 

5 Decaisne (Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 5) hat Exem- 
plare gesehen, die von diesen beiden Ländern kamen. Franchet und Sa- 
vatier führen sie für Japan nur als angebaut an. 


tés LA ti 


Gemeiner Apfelbaum. 291 


baum in ganz Europa (mit Ausnahme des äussersten 
Nordens), in Anatolien, dem Süden des Kaukasus und 
der persischen Provinz Ghilan.! In der Nähe von 
Trapezunt hat der Botaniker Bourgeau davon einen 
ganzen kleinen Wald angetroffen.” Auf den Gebirgen 
des nordwestlichen Indien ist er nach dem Ausspruche 
des Sır J. Hooker in seiner Flora von Britisch-Indien 
dem Anscheine nach wildwachsend (apparently wild). 
Kein Autor erwähnt ihn in Sibirien, der Mongolei oder 
Japan.” 

In Deutschland findet man zwei spontane Formen, die 
eine mit kahlen Blättern und ebensolchen Eierstöcken, die 
andere mit wolligen Blättern nach unten, und Koch fügt 
hinzu, dass diese Behaarung sehr abwechselnd ist.* In 
Frankreich weisen sehr genaue Autoren ebenfalls auf 
zwei spontane Varietäten hin, freilich mit Charakteren 
ausgestattet, die mit denen der deutschen Flora nicht 
ganz und gar übereinstimmen.” Es würde sich diese 
Verschiedenheit erklären lassen, wenn die wildwachsen- 
den Bäume in gewissen Provinzen von angebauten Va- 
rietäten abstammen, deren Kerne ausgestreut worden 
wären. Die sich uns darbietende Frage besteht somit 
darin, zu erfahren, bis zu welchem Grade die Art im 
verschiedenen Ländern wahrscheinlich eine alte und ur- 
sprüngliche ist, und ob ein Vaterland nicht älter ist 
als die andern, welches sich allmählich durch zufällige 
Aussaaten von durch Kreuzungen und Cultur abge- 
änderten Formen weiter ausgebreitet hätte. 

Fragt man sich, in welchem Lande der Apfelbaum 
mit den stärksten Anzeichen einer einheimischen Pflanze 
angetroffen wurde, so muss die Region von Trapezunt 


1 Nyman, Conspectus florae europeae, S. 240; Ledebour, Flora rossica, 
II, 96; Boissier, Flora orient., II, 656; Decaisne, Nouvelles Arch. Mus., 
2. HET 

2 Boissier, a. a. O. 

3 Maximowiez, Primitiae ussur.; Regel, Opit flori etc., über die Pflanzen 
von Ussuri von Maak; Schmidt, Reisen am Amur; Franchet et Savatier, 
Enum. Jap., sprechen nicht davon. Bretschneider erwähnt einen chine- 
sischen Namen, welcher sich, wie er sagt, auf andere Arten beziehen soll, 

4 Koch, Synopsis fl. germ., I, 261. 

5 Boreau, Flore du centre de la. France, 3. Aufl., II, 236. 


19* 


299 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


nach Ghilan genannt werden. Die Form, welche man 
dort wildwachsend antrifft, besitzt Blätter, deren untere 
Seite wollig ist, einen kurzen Blütenstiel und süsse 
Früchte !, was dem von Boreau beschriebenen Malus 
communis von Frankreich entspricht. Hier bietet sich 
ein Fingerzeig für die Ausbreitung des prähistorischen 
Vaterlandes vom Kaspisee bis nahe nach Europa. 

Piddington führte in seinem Index einen Sanskrit- 
namen für den Apfelbaum an, wir hören aber von 
Adolphe Pictet?, dass dieser Name, Seba, Hindustani 
ist und vom persischen Séb, Séf abgeleitet wird. Das 
Fehlen eines ältern Namens in Indien lässt vermuthen, 
dass die gegenwärtig in Kaschmir und Tibet häufige 
Cultur und besonders jene in den Provinzen des nord- 
westlichen und centralen Indien älter sind. Der Apfel- 
baum war wahrscheinlich nur den westlichen Ariern 
bekannt. 

Diese hatten aller Wahrscheinlichkeit nach einen auf 
Ab, Af, Av, Ob begründeten Namen, denn man be- 
merkt diese Wurzel in mehreren europäischen Sprachen 
arıschen Ursprungs. Ad. Pictet citirt: im Irischen 
Aball, Ubhal, im Kymrischen Afal, im Armoricanischen 
Aval, im Altdeutschen Aphal, im Angelsächsischen Appel, 
im Skandinavischen Apli, im Litauischen Obolys, ım 
Altslawischen Jabluko, im Russischen Jabloko. Danach 
scheint es, als ob die westlichen Arıer, indem sie den 
wildwachsenden oder schon naturalisirten Apfelbaum in 
Nordeuropa antrafen, den Namen beibehalten haben, 
unter welchem sie denselben kannten. Die Griechen 
sagten Mailea oder Maila, die Lateiner Malus, Malum, 
Worte, deren Ursprung, meint Ad. Pictet, ein sehr un- 
gewisser ist. Die Albanesen, welche auf die Pelasger 
zurückzuführen sind, sagen Molé.* Theophrast * spricht 
von wildwachsenden und angebauten Maila. Schliess- 


1 Boissier, a. a. 0. 

2 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, I, 276. 
3 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64. 
4 Theophrastus, De causis, 1. 6, c. 24, 


Gemeiner Apfelbaum. 293 


lich will ich noch einen ganz besondern Namen der 
Basken (alte Iberer?) hier anführen, Sagara, welcher 
ein den arischen Invasionen vorhergehendes Vorkommen 
muthmaassen lässt. 

Die Bewohner der Terramare von Parma und der 
Pfahlbauten der lombardischen, savoischen und schweizer 
Seen machten von Aepfeln grossen Gebrauch. Sie zer- 
schnitten sie immer der Länge nach und bewahrten sie 
im getrockneten Zustande als Wintervorräthe. Die 
Exemplare sind infolge von Bränden häufig verkohlt, 
die innere Structur der Frucht lässt sich aber dann 
um so besser erkennen. Heer!, welcher bei der 
Beobachtung dieser Einzelheiten viel Scharfsinn ent- 
wickelt hat, unterscheidet bei den Aepfeln der schweizer 
Pfahlbauten, wo man noch keine Metalle besass, zwei 
Varietäten bezüglich der Grösse. Der Längsdurchmesser 
der kleinern zeigt 15—24 mm und etwa 3 mm mehr 
der Querdurchschnitt (im getrockneten und verkohlten 
Zustande); die grössern haben 29—32 mm Länge bei 
einer Breite von 36 mm (im getrockneten, nicht ver- 
kohlten Zustande). Die in der „English Botany‘“, 
Taf. 179, abgebildeten wilden Aepfel Englands sınd 
17 mm hoch und 22 breit. Es ist möglich, dass die 
kleinen Aepfel der Pfahlbauten wilde waren; da sie 
aber unter den Vorräthen so reichlich vertreten waren, 
kann man dies bezweifeln. Von Dr. Gross erhielt 
ich zwei Aepfel von den weniger alten Pfahlbauten des 
Neuenburgersees, von welchen (im verkohlten Zustande) 
der eine 17, der andere 22 mm im Längsdurchmesser 
enthielt. Sordelli? führt für Lagozza in der Lombardei 
einen Apfel an, der bei 17 mm in der Länge 19 in 
der Breite mass, und bei einem andern stellte sich dieses 
Verhältniss auf 19 zu 27. In einem prähistorischen 
Fundort des Sees von Varese, in Bardello, fand Ragaz- 
zoni unter den angehäuften Vorräthen einen Apfel, der 
etwas grösser war als die andern. 


1 Heer, Pfahlbauten, S. 24, Fig. 1—7. 
2 Sordelli, Sulle piante della stazione della Lagozza, S. 35. 


294 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Fasst man alle diese Thatsachen zusammen, so sehe 
ich das Vorkommen des Apfelbaums in Europa sowol 
ım wildwachsenden als angebauten Zustande als prä- 
historisch an. Aus dem Fehlen der Beziehungen zu 
Asien vor den arischen Invasionen lässt sich vermuthen, 
dass der Baum ebenso einheimisch in Europa wie in 
Anatolien, dem Süden des Kaukasus und Nordpersien 
war, und dass seine Cultur überall frühzeitig begon- 
nen hat. 


Cydonia vulgaris, Persoon. — Quittenbaum (fr. Co- 
gnassier). 

In Nordpersien, in der Nähe des Kaspisees, in der 
Region südlich vom Kaukasus und in Anatolien tritt 
der Quittenbaum in Holzungen spontan auf.! Einige 
Botaniker haben ihn auch in der Krim und ım Norden 
Griechenlands mit allen Anzeichen der Spontaneität an- 
getroffen?, es lassen sich aber schon in diesen östlichen 
Theilen Europas alte Naturalisationen vermuthen, und je 
mehr man sich Italien, besonders aber dem südwestlichen 
Europa und Algerien nähert, um so wahrscheinlicher 
wird es, dass die Art dort von alters her in der 
Nähe von Dörfern, in Hecken u. s. w. naturali- 
sirt ıst. 

Man kennt keinen Sanskritnamen für den Quitten- 
baum, und hieraus kann man den Schluss ziehen, dass 
sich der Wohnsitz nicht nach dem Centrum von Asien 
ausdehnte. Es gibt ebenfalls keinen hebräischen Namen, 
obgleich die Art auf dem Taurus wildwachsend auf- 
tritt.” Der persische Name ist Haivah*, ob derselbe 
aber auf das Zend zurückgeht, weiss ich nicht. Der- 
selbe Name findet sich im Russischen, Aiva, für den 
angebauten Quittenbaum, während die wildwachsende 
Pflanze Armud heisst, ein dem armenischen Armuda” 


1 Boissier, Fl. orient. II, 656; Ledebour, F1. ross., II, 55. 

2 Steven, Verzeichniss d. taur. Halbinsel, S. 150; Sibthorp, Prodr. fl. 
gräecae, I, 344. 

3 Boissier, a. a. O. + Nemnich, Polygl. Lexicon. 5 Ebend. 


| 
| 


Quittenbaum. 295 


entlehntes Wort. Die Griechen hatten auf einer ge- 
meinen Varietät Strution, eine bessere Sorte, die von 
Cydon auf der Insel Kreta stammte, gepfropft; daraus 
ist der Name xuöwvıov (kudönion) entstanden, welcher 
von den Lateinern mit Malum cotoneum übersetzt wurde: 
Cydonia und alle europäischen Namen, wie Codogno im 
Italienischen, Coudougner und später Coing im Fran- 
zösischen, Quitte im Deutschen u. s. w. stammen da- 
von ab. Es gibt polnische, Pigwa, slawische, Tunja ! 
und albanesische (pelasgische?) Namen, Ftua?, welche 
von den andern ganz und gar verschieden sind. Diese 
Verschiedenartigkeit von Namen lässt eine alte Kennt- 
niss der Art im Westen ihres ursprünglichen Vater- 
landes vermuthen, und der albanesische Name vermag 
selbst ein den Hellenen vorhergehendes Auftreten anzu- 
deuten. | 

Was Griechenland betrifft, so ergibt sich das Alter auch 
aus den von Plinius und Plutarch erwähnten abergläu- 
bischen Gebräuchen, dass nämlich die Frucht des Quitten- 
baums schlimme Einwirkungen fern hielt, und dass die- 
selbe auch bei den von Solon vorgeschriebenen Heiraths- 
ceremonien eine Rolle spielte. Einige Autoren sind so 
weit gegangen, zu behaupten, dass der von Juno, Venus 
und Minerva streitig gemachte Apfel eine Quitte war. 
Diejenigen, welche sich für diese Fragen interessiren 
sollten, finden genaue Angaben darüber in dem von 
Comes über die auf den pompejanischen Gemälden ab- 
gebildeten Gewächse veröffentlichten Memoire. Der 
Quittenbaum wird auf denselben zweimal dargestellt. 
Das darf nicht überraschen, weil dieser Baum schon zu 
Cato’s Zeiten bekannt war. | 

Wahrscheinlich handelt es sich, wie mir scheint, um 
eine Naturalisation im östlichen Europa vor dem Troja- 
nischen Kriege. 

Die Quitte ist eine durch die Cultur wenig veränderte 


1 Nemnich, a. a. O. 
2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64. 
3 Neapel 1879. ÆGato, De re rustiea, 1. 7, c. 2. 


296 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Frucht. In frischem Zustande ist sie noch ebenso herb 
und sauer wie zu Zeiten der alten Griechen. 


Punica Granatum, Linné. — Granatbaum (fr. Gre- 
nadier). 

In den steinigen Gegenden Persiens, Kurdistans, Af- 
ghanistans und Beludschistans! tritt der Granatbaum 
wildwachsend auf. Burnes sah ganze Holzungen davon 
in Mazanderan südlich vom Kaspisee.? Auch im Süden 
des Kaukasus scheint er spontan zu sein.” Nach Westen 
hin, d.h. in Kleinasien, Griechenland, überhaupt in der 
Mittelmeerregion, in Nordafrika und auf Madeira hat 
es mehr den Anschein, als ob sich die Art imfolge 
der Culturen und der Samenausstreuung durch die 
Vögel naturalisirt hätte. In vielen Floren Südeuropas 
wird die Art als „subspontan‘‘ oder ,,naturalisirt‘ auf- 
geführt. In seiner „Flora atlantica“ zählt Desfontaines 
sie zu den spontanen Gewächsen Algeriens, spätere Au- 
toren sehen sie daselbst aber eher als naturalisirt an.* 
Ich bezweifle ihre spontane Beschaffenheit in Belu- 
dschistan, wo der Reisende Stocks sie gesammelt hat?, 
denn von den anglo-indischen Botanikern wird das 
Indigenat im Osten des Indus nicht als sicher zuge- 
lassen, und bemerke ich das Fehlen der Art in den 
Sammlungen vom Libanon und Syrien, auf welche 
Boissier immer sorgfältig hinweist. 

In China findet sich der Granatbaum nur im ange- 
bauten Zustande. Schang-kien führte ihn 11}, Jahr- 
hundert vor der christlichen Zeitrechnung von Samar- 
kand dorthin ein.® 

In der Mittelmeerregion ist die Naturalisation so ge- 
wöhnlich, dass man dieselbe als eine Ausdehnung des 
alten Wohnsitzes bezeichnen kann. Wahrscheinlich 


1 Boissier, F1. orient. II, 737; Sir Joseph Hooker, Flora of British 
India, II, 581. 

2 Nach Royle, Ill. Himal., S. 208. 3 Ledebour, F1. rossica, II, 104. 

+ Munby, F1. d’Alger, S.49; Ball, Spicilegium florae maroccanae, S. 458. 

5 Boissier, a. a. O. 6 Bretschneider, On study etc., S. 16. : 


er 


: 
3 


4 
à 


Granatbaum. 297 


schreibt sie sich aus einer frühen Zeitperiode her, denn 
die Cultur der Art im westlichen Asien geht auf eine 
sehr alte Epoche zurück. 

Wir wollen jetzt sehen, ob die historischen und lin- 
guistischen Schriftstücke in dieser Beziehung uns einige 
Aufklärung zu bieten vermögen. 

Zuerst mache ich auf das Vorhandensein eines San- 
skritnamens, Darimba, aufmerksam, von welchem meh- 
rere neuere Namen Indiens abgeleitet werden.! Es 
lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass die Art seit 
langer Zeit in den Ländern bekannt war, durch welche 
die Arier auf ihrem Zuge nach Indien geführt wurden. 

Der Granatbaum wird mehrere mal im Alten Testa- 
ment unter dem Namen Rimmon erwähnt?, aus welchem 
der arabische Name Rummän oder Rumän entsprungen 
ist. Er gehörte zu den Fruchtbäumen des verheissenen 
Landes, und die Hebräer hatten ihn in den Gärten 
Aegyptens schätzen lernen. Viele Localitäten Palä- 
stinas hatten ihren Namen von diesem Strauche ent- 


lehnt, in dem Urtext wird er aber immer nur als 


angebaute Art erwähnt. Bei den religiösen Feierlich- 
keiten der Phönizier spielten die Blüte und Frucht 
des Granatbaums eine gewisse Rolle, und die Göttin 
Aphrodite hatte ihn mit eigener Hand auf der Insel 
Cypern gepflanzt?, was vermuthen lässt, dass er daselbst 
noch nicht vorkam. Schon zu Homer’s Zeiten war die 
Art den Griechen bekannt. Zweimal ist von ihr in der 
Odyssee die Rede, als von einem Baume in den Gärten 
der Könige von Phäakia und Phrygien. Sie nannten 
sie Roia oder Roa, welcher Name, wie die Gelehrten 
behaupten, von dem altsyrischen und hebräischen Namen* 
abstammen soll, und auch Sidai?, ein anscheinend pe- 
lasgisches Wort, denn der albanesische Name der Jetzt- 


1 Piddington, Index. 

2 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte, I, 273; Hamilton, La botanique 
de la Bible (Nizza 1871), S. 48. 

3 Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere aus Asien, 3. Aufl., S. 106. 

4 Hehn, ebend. 

5 Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 681. 


ROC 
LE) 


zeit ist Sege.! Nichts berechtigt zu der Vermuthung, 
dass die Art ın Griechenland spontan war, woselbst 
Fraas und Heldreich sie jetzt ausschliesslich als natura- 
lisirt angeben.? 

Auch in den Legenden und bei den religiösen Feier- 
lichkeiten der ältesten Römer war der Granatbaum ver- 
treten.” Cato spricht von seinen wurmabtreibenden 
Eigenschaften. Nach Plinius* kamen die besten Granat- 
äpfel von Karthago. Daraus war der Name Malum 
punicum entstanden; man hätte aber nicht, wie dies 
vorgekommen ist, zu dem Glauben veranlasst werden 
sollen, dass die Art ursprünglich von Nordafrika stammte. 
Wahrscheinlich hatten die Phönizier sie nach Karthago 
eingeführt, und zwar lange Zeit vor den Beziehungen 
der Römer zu dieser Stadt, woselbst sie wie in Aegyp- 
ten zweifelsohne angebaut wurde. 

Wenn der Granatbaum vor zeiten in Nordafrıka und 
Südeuropa spontan gewesen wäre, würden die Lateiner 
ihm ursprünglichere Namen als Granatum (von granum 
abstammend?) und Malum punicum beigelegt haben. 
Man würde vielleicht einige locale, von alten westlichen 
Sprachen abgeleitete Namen anzuführen haben, während 
der semitische Name ARimmon im Griechischen sowol 
wie im Arabischen die Oberhand behalten hat und sich 
sogar, durch den Einfluss der Araber, bei den Berbern 
vorfindet.ÿ Der afrikanische Ursprung gehört jeden- 
falls, wie man wird zugeben müssen, zu den Irrthümern, 
welche durch die schlechten volksthümlichen Bezeich- 
nungen der Römer ins Leben gerufen wurden. 

In dem pliocänen Terrain der Umgegend von Mexi- 
mieux hat man Blätter und Blumen eines Granatbaums 
gefunden, welche von G. de Saporta® als eine Va- 
rietät der jetzigen Punica Granatum beschrieben wurden. 


298 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64. 
2 Fraas, Fl. class., S. 79; Heldreich, a. a. O. 
3 Hehn, a. a. O. 4 Plinius, 1213, 1C- 10; 

5 Dictionnaire français- berbère, von d. franz. Regierung veröffentlicht. 
6 De Saporta, Bull. soc. géol. de France du 5 avril 1369, S. 767, 169. 


le. fn st À de. der à 


Rosenapfel. 239 


Unter dieser Form hat die Art somit vor der gegen- 
wärtigen Epoche mit andern Arten bestanden, von 
welchen einige ausgestorben, andere sich noch in Süd- 
europa vorfinden und noch andere schliesslich auf die 
Canaren beschränkt sind; die Continuität des Bestehens 
bis auf unsere Tage wird aber daraus noch immer nicht 
nachgewiesen. 

Schliesslich stimmen die botanischen, historischen und 
linguistischen Argumente darin überein, Persien und 
einige daranstossende Länder als ursprüngliche Heimat 
dieser der Gegenwart angehörenden Art anzusehen. 
Ihre Cultur hat in einer prähistorischen Zeit begonnen, 
und ihre ım Alterthum stattfindende Ausbreitung zu- 
nächst nach Westen, dann nach China hin hat Natura- 
hsationen hervorgerufen, welche über den wirklichen 
Ursprung irreführen können, da sie häufig auftreten, 
von hohem Alter und langer Dauer sind. 

Zu diesen Schlussfolgerungen war ich im Jahre 1855! 
gelangt, dessenungeachtet findet sich die irrige Mei- 
nung von einem afrikanischen Ursprunge in einigen 
Werken wieder vorgeführt. 


Eugenia Jambos, Linne. Jambosa vulgaris, de Can- 
dolle. — Rosenapfel (fr. Pomme rose). 

Ein kleiner Baum aus der Familie der Myrtaceen. 
Gegenwärtig wird derselbe in den tropischen Regionen 
der Alten und der Neuen Welt angebaut, vielleicht 
ebenso sehr der Zierlichkeit seiner Belaubung als seiner 


Frucht wegen, deren nach Rosen duftendes Fleisch 


allzu dünn ist. Im ,,Botanical Magazine“, Taf. 3356, 
findet sich eine vortreffliche Abbildung und gute Be- 
schreibung des Rosenapfels. Der Same schliesst eine 
giftige Substanz -ein.? 

Da die Cultur dieser Art in Asien eine alte war, konnte 
man an ihrem asiatischen Ursprung nicht zweifeln, man 


1 Géographie bot. raisonnée, S. 391. 
2 Descourtilz, Flore médicale des Antilles, V, Taf. 315. 


300 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


wusste aber nicht recht, wo sie im wildwachsenden Zu- 
stande zu finden sei. Die Aussage Loureiro’s, nach welcher 
sie Cochinchina und mehrere Gegenden Indiens bewoh- 
nen sollte, bedurfte der Bestätigung, und diese fand 
sich in einigen Schriftstücken neuern Datums. Der 
Jambos ist auf Sumatra und anderweitig auf den hollän- 
dischen Inseln des Indischen Archipels wildwachsend. 
Kurz traf ihn in den Wäldern von Britisch-Birma nicht 
an; als aber Rheede diesen Baum in den Gärten von 
Malabar sah, erfuhr er, dass man ihn Malacca-Schambu 
nannte, was auf einen Ursprung von der Malaiischen 
Halbinsel hinweist. Schliesslich führt Brandis ihn in 
Sikkim, nördlich von Bengalen, als spontan an. Der 
natürliche Wohnsitz breitet sich wahrscheinlich von den 
Inseln des Indischen Archipels bis nach Cochinchina und 
selbst nach dem Nordosten Indiens aus, wo er sich je- 
doch möglicherweise infolge der Culturen und durch die 
Thätigkeit der Vögel naturalisirt hat. Die Naturali- 
sation hat in der That auch anderwärts stattgefunden, 
z. B. in Hongkong, auf den Seychellen, Mauritius und 
Rodriguez, sowie auf mehreren Inseln der Antillen.? 


Eugenix malaccensis, Linné. Jambosa malaccensis, 
de Candolle. — Jambusenbaum (fr. Jamalac oder Jam- 
bosier de Malacca). 

Eine der Eugenia Jambos verwandte Art; sie unter- 
scheidet sich von derselben durch die Stellung der 
Blüten und durch ihre verkehrt eirunde Frucht, d.h. statt 
eirund zu sein, befindet sich ıhr engster Theil an dem 
Anheftungspunkte, gerade wie ein Ei auf seiner kurzen 
Spitze. Die Frucht ist fleischiger und duftet ebenfalls 
nach Rosen; je nach den Ländern und Varietäten wird 
dieselbe entweder sehr? oder nur wenig* geschätzt. 


1 Miquel, Sumatra, S. 118; Flora Indiae Batavae, I, 425, Blume, Mu- 
seum Lugd.-Bat., I, 9. 

2 Hooker, Flora of Brit. India, II, 474; Baker, Flora of Mauritius etc., 
S. 115; Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 235. 

3 Rumphius, Amboin., I, 121, Taf. 37. 

4 Tussac, Flore des Antilles, III, 89, Taf. 25. 


Guajavenbaum. z 301 


Die zahlreichen Varietäten unterscheiden sich durch die 
hell- oder dunkelrothe Färbung der Blüten, sowie durch 
die Grösse, Form und Farbe der Früchte. 

Die Vielfältigkeit der Abarten weist auf eine alte 
Cultur im Indischen Archipel hin, wo die Art auch ihre 
ursprüngliche Heimat hat. Um dies zu bestätigen, 
erinnere ich daran, dass sie sich auf den Inseln der 
Südsee, von Tahiti nach den Sandwichinseln festgesetzt 
hatte, als Forster dieselben auf Cook’s Reise berührte.! 

In den Wäldern des Asiatischen Archipels und der 
Halbinsel von Malakka ist die Art spontan.? 

Nach Tussac wurde sie im Jahre 1793 von Tahiti 
nach Jamaica gebracht. Gegenwärtig hat sie sich auf 
mehreren der Antillen, sowie auf Me und den 
Seychellen weiter ausgebreitet und naturalisirt.? 


Psidium Guayava, Raddi. — Guajavenbaum (fr. 
Goyavier). 

Von den alten Autoren, wie Linné und einigen Bota- 
nikern nach ıhm, wurden zwei Arten bei diesem Frucht- 
baume aus der Familie der Myrtaceen zugelassen, die 
eine mit elliptischen oder sphärischen Früchten von 
rothem Fruchtfleisch, Psidium pomiferum, die andere mit 
birnenförmiger Frucht, deren Fleisch von weisser oder 
rosarother Färbung ist und einen angenehmern Ge- 
schmack besitzt — Psidium pyriferum. Aehnliche Ver- 
schiedenheiten stimmen mit dem überein, was bei den 
Birnen, Aepfeln und Pfirsichen zu Tage tritt; somit hat 
man auch schon seit lange die Vermuthung ausge- 
sprochen, dass es rathsamer sei, alle Psidiumarten als 
zu einer einzigen Art gehörig anzusehen. Von Raddi 
wurde sozusagen die Einheit festgestellt, als er in Bra- 
silien birnenförmige Früchte und andere fast runde 


2 Forster, Plantae esculentae, S. 36. 
2 Blume, "Museum Lugd. Bat., I, 91; Miquel, Fl. Indiae Batavae, I, 411; 
rn Fl. "Brit. India, Tr; 472: 
$ 3 Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 235; Baker, Fl. of Mauritius, 
115. 


Be 


302 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Früchte auf einem und demselben Baume antraf.! Heut- 
zutage folgt die Mehrzahl der Botaniker, namentlich 
diejenigen, welche die Guajaven in den Colonien beob- 
achtet haben, der Ansicht Raddı’s?, welcher ich mich 
schon im Jahre 1855 aus der geographischen Verbrei- 
tung entlehnten Erwägungen zuneigte.? 

Low“, welcher in seiner Flora von Madeira die Unter- 
scheidung in zwei Arten wenn auch mit einigem Be- 
denken aufrecht erhalten hat, versichert, dass sich beide 
in ihren Charakteren durch Samen fortpflanzen. Es 
sind somit Rassen wie bei unsern Hausthieren und 
vielen angebauten Pflanzen. Jede dieser Rassen begreift 
Varietäten in sich. | 

Will man dem Ursprunge der Guajavenbäume weiter 
nachforschen, so tritt uns bei ıhnen in hohem Grade 
eine Schwierigkeit entgegen, wie solche sich bei vielen 
ähnlich ausgestatteten Fruchtbäumen zeigt, ihre fleischi- 
gen, mehr oder minder aromatischen Früchte werden 
nämlich von den Omnivoren sehr gern gefressen, die 
ihre Samen in den entlegensten Gegenden wieder ab- 
geben. Die Samen der Guajaven keimen leicht und tragen 
schon im dritten oder vierten Jahre Früchte. Das Vater- 
land hat sich somit infolge von Naturalisationen weiter 
ausgebreitet, breitet sich immer noch weiter aus, und 
zwar ganz insbesondere in den tropischen Ländern, wo 
Wärme und Feuchtigkeit nicht zu sehr obwalten. 

Um die Untersuchung nach dem Ursprung zu verein- 
fachen, will ich zunächst die Alte Welt unberücksichtigt 
lassen, denn augenscheinlich kommen die Guajaven von 


1 Raddi, Di alcune specie di.Pero Indiana (Bologna 1821), S. 1. 

2 Martius, Syst. mat. medicae bras., S. 32; Blume, Museum Lugd.-Bat., 
I, 71; Hasskarl, in: Flora, 1844, S. 589; Sir J. Hooker, Flora of Brit. 
India, II, 468. 

3 Géogr. bot. raisonnée, S. 893. 

+ Low, A manual flora of Madeira, S. 266. 

5 Vgl. Blume, a. a. O.; Descourtilz, Flore médicale des Antilles, II, 
20, wo eine Abbildung der birnenförmigen Guajave gegeben wird; Tussac, 
Flore des Antilles, II, 92, welche uns die abgerundete Form in einer guten 
Abbildung vorführt. Die beiden letztgenannten Werke enthalten inter- 
essante Details über die Verwendungsweise der Guajavenfrüchte, über das 
Wachsthum der Art u. s. w. 


Guajavenbaum. 303 


Amerika. Von etwa 60 Arten der Gattung Psidium 
sind alle die, welche man hinlänglich darauf geprüft 
hat, amerikanisch. Freilich haben die Botaniker vom 
16. Jahrhundert an Pflanzen von Psidium Guayava (Va- 
rietäten pomiferum und pyriferum) mehr oder minder 
spontan auf den Inseln des Indischen Archipels und 
im südlichen Asien angetroffen!, alles lässt aber darauf 
schliessen, dass dies das Ergebniss von wenig alten 
Naturalisationen war. Man liess für jede - Localität 
einen fremden Ursprung zu, nur trug man Bedenken, 
ob derselbe ein asiatischer oder amerikanischer sei. 
Andere Erwägungen rechtfertigen diese Ansicht. Die 


 volksthümlichen malaiischen Namen stammen von dem 


amerikanischen Worte Guiava ab. Von den alten chi- 
nesischen Autoren werden die Guajaven nicht erwähnt, 
wenn diese auch vor 1'!/, Jahrhunderten von Loureiro als 
in Cochinchina wildwachsend angegeben werden. Auf 
Cook’s Reise führt Forster sie nicht unter den auf den 
Südseeinseln angebauten Pflanzen auf, was ziemlich be- 
zeichnend ist, wenn man sich die Leichtigkeit, diese 
Bäume anzubauen, sowie ihre unvermeidliche Samen- 
ausstreuung vergegenwärtigt. Auf Mauritius und den 
Seychellen wird ihre vor kurzem erfolgte Einführung 
und Naturalisation von Keimen bezweifelt.? 

Grössere Schwierigkeiten stellen sich uns entgegen, 
diejenigen Gebiete Amerikas zu entdecken, von welchen 


die Guajaven ausgegangen sind. 


Im gegenwärtigen Jahrhundert sind sie gewiss ausser- 
halb des Culturbereichs auf den Antillen, in Mexico, in 
Centralamerika, in Venezuela, Peru, Guyana und Bra- 
silien wildwachsend?, aber seit wann? Ist es, seitdem 
die Europäer ihre Cultur weiter ausgebreitet haben? 
Oder ist dies schon früher, infolge der weitern Fort- 
schaffung durch die Eingeborenen und besonders durch 
die Vögel eingetreten? Die Beantwortung dieser Fragen 


Rumphius, Amboin., I, 141, 142; Rheede, Hortus malab., III, Taf. 34. 
Bojer, Hortus mauritianus; Baker, Flora of Mauritius, S. 112. 
Alle Floren, und Berg, in: Flora Brasiliensis, XIV, 196. 


wur 


aa 


. 


304 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


scheint seit dem Jahre 1855, wo ich mich mit ihnen 
beschäftigte, keine weitern Fortschritte gemacht zu 
haben.! Heute jedoch, wo ich etwas mehr Erfahrung 
in derartigen zweifelhaften Fragen besitze, und die 
specifische Einheit der beiden Guajaven ausserdem aner- 
kannt worden ist, will ich den Versuch machen, das 
 anzudeuten, was mir das Wahrscheinlichste erscheint. 
Einer der ersten Autoren über die Naturgeschichte 
der Neuen Welt, J. Acosta?, spricht sich über die 
apfelförmige Guajave folgendermaassen aus: „Es gibt auf 
San-Domingo und andern Inseln Berge, die ganz mit 
Guajaven bedeckt sind, und man sagt, dass solche Bäume 
vor Ankunft der Spanier dort nicht vorkamen, sondern 
dass sie dorthin von wer weiss woher gebracht waren.“ 
Die Art wäre sonach vielmehr ursprünglich vom 
Festlande gekommen. Acosta hebt hervor, dass sie 
auf dem Festlande wächst, und fügt hinzu, dass die 
Guajaven Perus ein weisses Fleisch besitzen, welches dem 
der rothen Früchte bei weitem vorzuziehen sei. Dies 
lässt eine alte Cultur auf dem Festlande vermuthen. 
Hernandez® hatte die beiden spontanen Formen in 
Mexico gesehen und zwar in den heissen Strichen der 
Ebenen und der Gebirge nahe bei Quauhnaci. Die Be- 
schreibung und Abbildung, welche er von Ps. pomiferum 
gibt, sind sehr deutlich. Piso und Marcgraf* hatten 
ebenfalls die beiden wildwachsenden Guajavenbäume in 
den brasilianischen Ebenen angetroffen; sie bemerken 
aber, dass sich solche leicht ausbreiten. Marcgraf be- 
richtet, dass man glaubte, sie seien in Peru einheimisch, 
oder auch in Nordamerika, womit die Antillen. oder 
Mexico gemeint sein können. Augenscheinlich war die 
Art zur Zeit der Entdeckung Amerikas in einem grossen 
Theile des Continents spontan. Wenn der Wohnsitz 


1 Géogr. bot. raisonnée, S. 894 u. S95. 

2 Acosta, Hist. nat. et morale des Indes orient. et occid., franz. Ueber- 
cetzung (1598), S. 175. 

3 Hernandez, Novae Hispaniae Thesaurus, S. 85. 

4 Piso, Hist. Brasil, S. 74; Maregraf, ebend., S. 105. 


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Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 305 


einmal beschränkter gewesen ist, so ist dies wahrschein- 
lich zu einer viel ältern Epoche der Fall gewesen. 

Die volksthümlichen Namen wichen bei den einhei- 
mischen Völkerschaften voneinander ab. In Mexico 
sagte man Xalxocotl; in Brasilien hiess der Baum Araca- 
Iba und die Frucht Araca-Guacu; der Name Guajaros 
oder Guajava wird von Acosta und Hernandez bei Be- 
sprechung der Guajavenbäume Perus und San-Domingos 
erwähnt, ohne dass indessen der Ursprung genau an- 
gegeben ist. Durch diese Namenverschiedenheit wird 
die Hypothese eines sehr alten und ausgedehnten Wohn- 
sitzes bestätigt. 

Nach dem, was die ersten Reisenden von einem frem- 
den Ursprunge auf San-Domingo und in Brasilien sagen 
— eine Aussage, die man freilich auch bezweifeln darf 
— vermuthe ich, dass sich der älteste Wohnsitz von 
Mexico bis nach Columbien und Peru erstreckte, und 
dass sich derselbe nach Brasilien hin vor der Ent- 
deckung Amerikas, auf den Antillen nach jener Zeit 


 vergrôsserte. Die älteste Form der Art, welche auch 


am meisten im wildwachsenden Zustande angetroffen 
wird, würde die mit sphärischer, herber und stark ge- 
färbter Frucht sein. Die andere Form ist vielleicht 
durch die Cultur entstanden. 


Lagenaria vulgaris, Seringe. Cucurbita lagenaria, 
Linne. — Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse (fr. 
Gourde!, Cougourde, Calebasse). 

Die Frucht dieser Cucurbitacee zeigt in den Cul- 
turen die verschiedenartigsten Formen, nach der Ge- 
sammtmasse der übrigen Theile der Pflanze wird 
aber von den Botanikern nur eine Art angenommen, 
die in verschiedene Varietäten zerfällt.” Die bemer- 


1 Im Englischen wird das Wort Gourd für den Riesenkürbis ((xcur- 
bita mazima) gebraucht. Dies ist eins der Beispiele von der Verwirrung 
der volksthümlichen Namen und von der wesentlich grössern Genauigkeit 
der wissenschaftlichen Namen. . 

2 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie 4, XII, 91; Cogniaux, 
in unsern Monogr. Phaner., III, 417. 


DE CANDOLLE, 20 


0 A Re 


306 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


kenswerthesten unter denselben sind die Gourde des 
pèlerins, mit flaschenförmiger Frucht; die Cougourde, 
bei welcher der Flaschenhals verlängert ist; die Gourde 
massue oder trompette, und die Calebasse, meistens gross 
und ein wenig zu eng. Ändere weniger verbreitete 
Varietäten haben eine kreiselförmige oder zusammen- 
gedrückte und sehr kleine Frucht, wie Gourde tabatière. 
Die Art erkennt man immer an ihrer weissen Blume 
und an der Härte des äussern Theils der Frucht, wes- 
halb man sie als Gefäss, um Flüssigkeiten darin auf- 
zubewahren oder auch als Luftreservoir, um die An- 
fänger im Schwimmen über Wasser zu halten, gebrauchen 
kann. Das innere Fruchtfleisch ist bald süss und ess- 
bar, bald bitter und von abführender Wirkung. 

Linne! sagte, dass die Art amerikanisch sei. De 
Candolle? glaubte, dass sie wahrscheinlich indischen 
Ursprungs sei, und die Folge hat letztere Meinung be- 
stätigt. 

Man hat die Lagenaria vulgaris im der That in Ma- 
labar und den feuchten Wäldern von Deyra Doon * 
wildwachsend gefunden. Auch Roxburgh* sah sie in 
Indien wirklich als spontan an, obgleich die spätern 
Floren sie nur als angebaut angegeben haben. Rum- 
phius Ÿ endlich weist auf wildwachsende Exemplare hin, 
die am Meeresgestade in einer Localität der Molukken 
angetroffen wurden. Die Autoren erwähnen gemeinig- 
lich, dass das Fruchtfleisch bei den wildwachsenden 
Pflanzen bitter sei, dies tritt aber auch zuweilen bei 
den angebauten Formen ein. Die Sanskritsprache unter- 
schied bereits den gemeinen Flaschenkürbis, Ulavu, 
und eine andere, bittere, Kutu-Tumbi, auf welche Ad. 
Pictet auch den Namen Tiktaka oder Titkika bezieht.° 


1 Linné, Species plantarum, S. 1434, unter Cucurbita. 

2 A. P. de Candolle, Flore francaise (1805), III, 692. 

3 Rheede, Malabar, 8, Taf. 1, 5; Royle, Ill. Himal., S. 218. 

4 Roxburgh, Flora indica (1532), III, 719. 

5 Rumphius, Amboin., V, 397, Taf. 144. 

6 Piddington, Index, beim Worte Cxcurbita Lagenaria (indem man die 
fehlerhafte englische Schreibart ändert); Ad. Pictet, Origines indo-europ., 
3. Aufl., I, 386. 


Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 307 


Seemann ! hat die Art auf den Fidschi-Inseln angebaut 
und naturalisirt angetroffen. Von Thozet wurde sie an 
der Küste von Queensland in Australien? gesammelt, 
hier handelt es sich aber vielleicht um aus benachbarten 
Culturen entsprungene Exemplare. Die Localitäten des 
continentalen Indiens scheinen zuverlässiger und zahl- 
reicher zu sein als jene von den Inseln Südasiens. 

Von Dillon wurde die Art ebenfalls in Abessinien 
wildwachsend im Hiehathale gefunden, Schimper fand 
sie unter Büschen und Steinen einer andern Localität.” 

Von diesen zwei Regionen der Alten Welt hat sie 
sich in den Gärten aller Tropenländer und der ge- 
mässigten Länder mit einer genügenden Sommerwärme 
weiter ausgebreitet. Zuweilen hat sie sich, wie man 
dies in Amerika beobachtet hat, ausserhalb der Cul- 
turen naturalisirt.? 

Das älteste chinesische Werk, welches den Flaschen- 
kürbis erwähnt, ist jenes von Tschong-tschi-schu aus dem 
1. Jahrhundert v. Chr.: nach Dr. Bretschneider wird 
dasselbe in einem Werke des 5. oder 6. Jahrhunderts 
genannt.” Es handelt sich in diesem Falle um ange- 
baute Pflanzen. Die jetzigen Formen in den Gärten 
von Peking sind die Herkuleskeule (Gourde massue), 
welche gegessen wird, und der Flaschenkürbis (Gourde 
bouteille). 

Die griechischen Autoren haben von dieser Art nicht 
gesprochen, dagegen wird sie bei den Römern von Be- 
ginn des Kaiserreichs an erwähnt. In den oft ange- 
führten Versen ® des zehnten Buchs von Columella wird 
ziemlich deutlich auf sie hingewiesen. Nachdem er die 


1 Seemann, Flora Vitiensis, S. 106. 

2 Bentham, Flora Australiensis, III, 316. 

3 Zuerst unter dem Namen von Lagenaria idolatrica beschrieben. 
A. Richard, Tentamen fl. abyss., I, 293, und später Naudin und Cogniaux 
haben die Uebereinstimmung mit ZL. vulgaris erkannt. 

4 Torrey and Gray, Flora of North America, I, 543; Grisebach, Flora 
of Brit. W. Indian Islands, S. 288. 

5 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881. 

6 Tragus, Stirp., S. 285; Ruellius, De natura stirpium, S. 498; Nau- 
din, a. 2.0. 

20* 


308 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


verschiedenen Formen der Frucht beschrieben, fährt 
er fort: 

RE A CAPE dabit illa capacem, 

Nariciæ pieis, aut Actæi mellis Hymetti, 

Aut habilem lymphis hamulam, Bacchove lagenam, 

Tum pueros eadem fluviis innare docebit. 

Plinius! spricht von einer Cucurbitacee, aus welcher 
man Gefässe und Behälter für den Wein verfertigte, 
was sich nur auf diese Art beziehen kann. 

Es hat nicht den Anschein, als ob die Araber sie 
frühzeitig gekannt hätten, denn Ibn Alawäm und Ibn 
Baithar haben nichts darüber gesagt.” Die Commentatoren 
der hebräischen Bücher haben keinen Namen in be- 
stimmter Weise auf diese Art beziehen können, und 
doch war das Klima von Palästina so recht dazu an- 
gethan, den Gebrauch der Flaschenkürbisse zu verall- 
gemeinern, wenn man sie gekannt hätte. Danach 
scheint es mir ziemlich zweifelhaft, dass die alten Aegyp- 
ter diese Pflanze besessen haben, wenn auch eine ein- 
zige Abbildung von Blättern, die man in einem Grabe 
sah, bisweilen auf sie bezogen worden ist.? Alexander 
Braun, Ascherson und Magnus verweisen in ihrer ge- 
lehrten Arbeit über die ägyptischen Pflanzenreste des 
berliner Museums* auf mehrere Cucurbitaceen, ohne 
diese zu erwähnen. Die ersten Reisenden der Neuzeit, 
wie Rauwolf? im Jahre 1574, haben sie in den Gärten 
Syriens gesehen, und der sogenannte Pilgerkürbis, wel- 
cher 1539 von Brunfels abgebildet wurde, war wahr- 
scheinlich seit dem Mittelalter im Heiligen Lande be- 
kannt. 

Alle Botaniker des 16. Jahrhunderts haben Abbil- 
dungen von dieser Art gegeben, die damals häufiger in 
Europa angebaut wurde als es heutzutage der Fall ist. 


\ 


1 Plinius, Hist. plant., 1. 19, e. 5. 

2 Ibn Alawäm, nach E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 60; Ibn 
Baithär, Uebersetzung von Sondtheimer. 

3 Unger, Pflanzen d. alten Aegyptens, S. 59; Pickering, Chronolog. 
arrangement, S. 137. 

4 1977. Br 

5 Rauwolf, Flora orient., S. 125. 


| 


Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 309 


In diesen alten Werken war sie gewöhnlich unter dem 
Namen Cameraria bekannt, und unterschied man drei 
Formen von Früchten. Wegen der weissen Farbe der 
Blume, die immer besonders erwähnt ist, kann man be- 
züglich der. Art keine Zweifel haben. Ich mache noch 
auf eine, wenn auch schlechte Abbildung aufmerksam, 
wo die Blume fehlt, die Frucht aber ganz genau 
dem Pilgerkürbis entspricht; diese Zeichnung ist von 
hohem Interesse, weil sie vor der Entdeckung Amerikas 
erschien. Dieselbe findet sich im „Herbarius Pataviae 
impressus“ (1485), Taf. 46, einem seltenen Werke. 
Trotz gewisser Synonyme der Autoren glaube ich 
nicht, dass der Flaschenkürbis vor Ankunft der Euro- 
päer in Amerika vorkam. Die T'aquera.von Piso! und 
die Cucurbita lageneforma von Marcgraf? beziehen sich 
vielleicht nach den Aussagen der Monographen? auf Lage- 
naria vulgaris, und die brasilianischen Exemplare, auf 
welche sie Bezug haben, können nicht beanstandet 
werden; das beweist aber noch nicht, dass die Art in 


dem Lande vor der Reise des Amerigo Vespucei im 


Jahre 1504 bekannt war. Von da bis zu den Reisen 
dieser beiden Botaniker in den Jahren 1637 und 1638 
ist mehr als genügende Zeit verflossen, um die Ein- 
führung und Ausbreitung einer einjährigen Art zu ver- 
muthen, deren Form eine eigenthümliche war, die sich 
leicht anbauen liess und deren Samen die Keimkraft 


: lange Zeit bewahren. Sie kann sich selbst infolge der 


Culturen naturalisirt haben, wie dies auch anderswo 
beobachtet worden ist. Um so viel mehr kann die 
Cucurbita Siceratia, Molina, die bald auf unsere Art, 
bald auf Cucurbita maxima* bezogen wird, zwischen 
den Jahren 1538, dem Zeitpunkt der Entdeckung 
Chiles, und 1787, in welchem Jahre die italienische 


1 Piso, Indiae utriusque etc. (1658), S. 264. 

2 Marcgraf, Hist. nat. Brasiliae (1648), S. 44. 

3 Naudin, a. a. O.; Cogniaux, in: Flora brasil., fasc., 78, S. 7, und 
in: de Candolle, Monograph. Phaner., III, 418. 

4 C1. Gay, Fl. Chilena, II, 403. 


, 


310 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 

Ausgabe von Molina erschien, nach diesem Lande ein- 
geführt worden sein. Acosta! spricht auch von den Cale- 
bassen, deren sich die Peruaner als Becher oder Vasen be- 
dienten, die spanische Ausgabe seines Buches ist aber 
vom Jahre 1591, also gegen 100 Jahre nach der Er- 
oberung. Unter den Naturforschern, welche die Art als 
dem Zeitpunkte der Entdeckung ‘Amerikas (1492) am 
nächsten angegeben haben, befindet sich Oviedo?, welcher 
das Festland besucht hatte und nach einem Aufent- 
halte in Vera-Paz 1515 nach Europa zurückkehrte, dann 
aber im Jahre 1539 wieder nach Nicaragua gegangen 
war.? Nach Ramusio’s* Zusammenstellung hat er von 
zucche gesprochen, die zur Zeit der Entdeckung Ame- 
rikas auf den Antillen und in Nicaragua massenhaft 
angebaut und als Flaschen gebraucht wurden. Die Au- 
toren über die Floren Jamaicas im 17. Jahrhundert 
haben die Art als auf dieser Insel angebaut erwähnt. 
Indessen wird von P. Brown‘ auf einen grossen ange- 
bauten Flaschenkürbis, und einen kleinen wildwachsen- 
den hingewiesen, dessen bitteres Fleisch abführende 
Eigenschaften besass. 

Für die südlichen Vereinigten Staaten sprach sich 
Elliott im Jahre 1824 folgendermaassen aus: „Die L. 
vulgaris findet sich nur selten in den Holzungen und 
ist sicherlich nicht einheimisch. Es scheint, als ob die 
alten Bewohner unsers Landes sie von einem wärmern 
Lande mitgebracht haben. Gegenwärtig ist die Art in 
der Nähe menschlicher Niederlassungen spontan ge- 
worden, ganz insbesondere auf den Inseln im Meere.“ 
Der Ausdruck „Bewohner unsers Landes“ scheint sich 
eher auf die Colonisten als auf die Eingeborenen zu 
beziehen. Zwischen der Entdeckung Virginiens durch 
Cabot im Jahre 1497 oder den Reisen von W. Raleigh 
im Jahre 1584 und den Floren neuerer Botaniker lagen 


1 Jos. Acosta, französische Uebersetzung, S. 167. 

Pickering, Chronol. arrang., S. 861. 3 Ebend. 

Ramusio, III, 112. 5 P. Brown, Jamaica, 2. Aufl., S. 354. 
Elliott, Sketch of the botany of S. Carolina and Georgia, II, 663. 


© H 


Riesenkürbis. 511 


mehr als zwei Jahrhunderte, und würden die Einge- 
borenen Zeit genug gehabt haben, die Cultur der Art 
weiter auszubreiten, wenn sie dieselbe von den Euro- 
päern erhalten hätten. Es ist aber die Thatsache an 
und für sich zweifelhaft, dass die Indianer zur Zeit 
der ersten Beziehungen mit den Europäern diese Cultur 
auf eigenen Antrieb unternommen haben. Torrey und 
Gray! hatten sie in ihrer in den Jahren 1830—40 
veröffentlichen Flora als gewiss erwähnt, und von dem 
zweiten dieser beiden fleissigen Botaniker? wird in 
einem Aufsatze über die den Eingeborenen bekannten 
Cucurbitaceen die Calabash oder Lagenaria nicht ge- 
nannt. Dieselbe Unterlassung bemerke ich in einem 
andern eingehenden, vor einigen Jahren über denselben 
Gegenstand veröffentlichten Aufsatze.? ‚In ihrem Artikel 
über dieses mein Buch führen die Herren A. Gray und 
Trumbull (« American Journal of science», 1883, S. 370) 
Gründe an, um die Vermuthung zu begründen, dass die 
Art vor Ankunft der Europäer in der Neuen Welt be- 
kannt und einheimisch war. Aus ihrer Beweisführung 
geht hervor, dass die Bewohner von Peru und Brasilien 
Flaschenkürbisse besassen (im Spanischen calabayas), 
ich finde aber keinen Beweis dafür, dass dies die von 
den Botanikern als Cucurbita Lagenaria bezeichnete 
Art war. Der einzige von der veränderlichen Form 
der Frucht unabhängige Charakter ist die weisse Farbe 
der Blumen, doch wird derselbe nicht angegeben.“ (Vom 
Verfasser mitgetheilte Anmerkung.) 


Cucurbita maxima, Duchesne. — Riesenkürbis (fr. 
Potiron). 

Indem ich die Aufzählung der Arten von der Gattung 
Cucurbita beginne, muss ich zuvor bemerken, dass die 
früher sehr schwierige Unterscheidung der Arten von 
Naudin* auf wissenschaftlichem Wege vermittelst einer 


1 Torrey and Gray, Flora of N. America, I, 544. 

2 A. Gray, in: American Journal of science, 1857, XXIV, 442. 

2 Trumbull, in: Bulletin of the Torrey Club of botany, 1876, VI, 69. 
4 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie 4, VI, 5; XII, 81. 


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312 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


sehr sorgfältig betriebenen Cultur der Varietäten und 
fortgesetzter Untersuchungen über ihre Kreuzungen be- 
gründet worden ist. Arten nennt derselbe die Formen- 
gruppen, welche sich nicht gegenseitig befruchten lassen 
oder deren Erzeugnisse nicht fruchtbar und constant 
gewesen sind, und als Rassen oder Varietäten bezeich- 
net ‘er die Formen, welche unter sich Befruchtungen 
eingehen und fruchtbare und veränderliche Erzeugnisse 
liefern. Die Fortsetzung dieser Untersuchungen! hat 
ihn darauf hingewiesen, dass die Begründung der Arten 
auf dieser Basis Ausnahmen zulässt, bei der Gattung 
Cucurbita stimmen aber die physiologischen Thatsachen 
mit den äussern Verschiedenheiten überein. Naudin 
hat wirkliche unterscheidende Merkmale zwischen Cu- 
curbita maxima und Cucurbita Pepo aufgestellt. Die 
erste hat abgerundete Blattlappen, die Blütenstiele zeigen 
bei ihr eine glatte Fläche, und die Lappen der Blumen- 
krone sind nach aussen zurückgebogen; bei der zweiten 
laufen die Lappen des Blattes spitz zu, die Blütenstiele 
sind mit Rippen und Furchen markirt, die Blumen- 
krone ist nach unten zu verengt und ihre Lappen sind 
fast immer in die Höhe gerichtet. 

Die Hauptformen von Cucurbita maxima sind der 
Potiron jaune, welcher bisweilen ein sehr beträchtliches 
Gewicht erlangt?, der Potiron turban oder Giraumon, 
der Courgeron u. s. w. 

Da die volksthümlichen Namen und alte Autoren 
nicht mit den botanischen Bestimmungen übereinstim- 
men, so darf man in die früher verbreiteten Aussagen 
über den Ursprung und die Einführung der Cultur 
dieses oder jenes Kürbisses zu einer gewissen Zeit- 
periode nach gewissen Ländern nicht allzu viel Ver- 
trauen setzen. Dies ıst einer der Gründe, weshalb 
mir, als ich mich im Jahre 1855 mit diesem Gegen- 
stande beschäftigte, das Vaterland dieser Pflanzen un- 


1 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie4, XVIII, 160; XIX, 180. 
2 Nach Le bon Jardinier, 1550, S. 150, bis zu 100 kilogr. 


(ab 


Riesenkürbis. al 


bekannt oder sehr zweifelhaft geblieben war. Jetzt 
kann man die Frage schon gründlicher untersuchen. 

Sir Joseph Hooker! zufolge hat Barter die Cucur- 
bita maxima „dem Anscheine nach einheimisch“ (appa- 
rently indigenous) an den Ufern des Niger in Guinea 
gefunden, und Welwitsch in Angola, ohne dass von 
letzterm die spontane Beschaffenheit bestätigt wird. 
Keine Angabe über die Spontaneität finde ich in den 
Werken über Abessinien, Aegypten und andere afrıka- 
nische Länder, in welchen die Art gemeiniglich ange- 
baut wird. Die Abessinier bedienen sich des Wortes 
Dubba, welches sich im Arabischen auf Kürbisse ganz 
im allgemeinen bezieht. 

Lange Zeit wurde ein indischer Ursprung vermuthet 
und man stützte sich dabei auf ähnliche Namen wie 
Indischer Kürbis (Courge d’Inde), welche von den Bo- 
tanikern des 16. Jahrhunderts aufgestellt waren, und 
ganz insbesondere auf die von Lobel? abgebildete Pepo 
maximus indicus, welche entschieden zu unserer Art 
gehört; diese Art von Beweisen steht aber immer auf 
schwachen Füssen, denn die volksthümlichen Angaben 
bezüglsch des Heimatlandes sind oft falsch. So viel 
bleibt Thatsache, dass, wenn auch die Kürbisse im 
südlichen Asien angebaut werden wie anderswo unter 
den Tropen, die Pflanze nicht im wildwachsenden Zu- 
stande angetroffen worden ist.? Keine ähnliche oder 
dieser entsprechende Art findet sich in den alten chi- 
nesischen Werken angegeben, und die neuern Namen 
der gegenwärtig in China angebauten verschiedenartigen 
Kürbisse (gemeiner und Riesenkürbis) weisen auf einen 
fremden, südlichen Ursprung hin.* Unmöglich ist es, 
zu wissen, auf welche Art sich der Sanskritname Kur- 
karu bezog, welcher von Roxburgh der Cucurbita Pepo 


1 Hooker, Flora of tropical Africa, II, 555. 

2 Lobel, Icones, Taf. 641. Die Abbildung ist wiedergegeben in: Dale- 
champ, Hist., I, 626. 

3 Clarke, in: Hooker, Flora of Brit. India, II, 622. 

4 Bretschneider, Brief vom 23. August 1851. 


re Ca SI "1 


314 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


zugeschrieben wird, und in Bezug auf die von den 
Griechen und Römern angebauten Kürbisse und Melonen 
ist die Ungewissheit eine ebenso grosse. Das Vorkommen 
eines Riesenkürbis im alten Aegypten ist nicht nach- 
gewiesen worden. Vielleicht wurde er in jenem Lande 
und in der griechisch-römischen Welt angebaut? Die 
Pepones, deren Cultur Karl der Grosse auf seinen Be- 
sitzungen anordnete!, gehörten entweder zu dieser Art 
oder zu Cucurbita Pepo; vor dem 16. Jahrhundert wurde 
aber weder eine deutliche Abbildung noch Beschreibung 
von diesen Pflanzen gegeben. 

Alles dies könnte einen amerikanischen Ursprung ver- 
muthen lassen. Dass sich die Art im spontanen Zu- 
stande in Afrika findet, kann freilich als Einwurf gel- 
ten, denn die Arten der Familie der Cucurbitaceen sind 
auf sehr kleine Gebiete beschränkt; es gibt aber Be- 
weise zu Gunsten Amerikas, und ich muss sie mit um so 
grösserer Sorgfalt prüfen, da man mir in den Vereinigten 
Staaten den Vorwurf gemacht hat, sie nicht genügend 
berücksichtigt zu haben. 

Zunächst sind von den zehn bekannten Arten der 
Gattung Cucurbita mit Sicherheit sechs in. Amerika 
spontan (in Mexico oder in Californien), dies sind aber 
perennirende Arten, während die angebauten Kürbisse 
zu den einjährigen Gewächsen gehören. 

Die von den Brasilianern Jurumu genannte Pflanze, 
welche von Piso und Marcgraf? abgebildet ist, wird 
von den neuern Botanikern zu Cucurbita maxima ge- 
stellt. Die Abbildung und die von den beiden Au- 
toren gegebenen kurzen Erklärungen passen ganz gut, 
es scheint aber, als ob es eine angebaute Pflanze war. 
Sie kann von Afrika oder Europa durch die Europäer 
dorthin gebracht worden sein, und zwar innerhalb der 
Zeit, welche zwischen der Entdeckung Brasiliens im 


1 Die Liste findet sich in E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 401. 
Die Cucurbita, von welchen er ebenfalls spricht, mussten der Flaschen- 
kürbis, Lagenaria, sein. 

2 Piso, Brasil. (1658), S. 264; Marcgraf (1648), S. 44. 


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Riesenkürbis. 315 


Jahre 1504 und den in den Jahren 1637 und 1638 
erfolgten Reisen der oben genannten Autoren liegt. Von 
keinem wurde die wildwachsende Art weder ın Süd- 
noch in Nordamerika gefunden. In den Werken über 
Brasilien, Guyana, die Antillen finde ich keinen Hin- 
weis auf alte Cultur oder spontanes Auftreten, weder 
nach den Namen, noch nach den mehr oder minder ge- 
nauen Ueberlieferungen oder Ansichten lässt sich ein 
solcher beibringen. In den Vereinigten Staaten haben 
die Gelehrten, welche am besten mit den Sprachen und 
den Gebräuchen der Eingeborenen vertraut sind, wie 
früher z. B. Dr. Harris und neuerdings Trumbull!, die 
Behauptung aufrecht erhalten, dass die Cucurbitaceen, 
welche von den Anglo- Amerikanern Squash genannt 
werden und welchen alte Reisende in Virginien die 
Namen Macock oder Cashaw, Cushaw beilegen, sich auf 
Kürbisse beziehen. Trumbull hält Squash für ein in- 
dianisches Wort. Seiner Versicherung will ich gern 
Glauben beimessen, es haben aber weder die geschick- 
testen Sprachforscher noch die Reisenden des 17. Jahr- 
hunderts?, welche die in ihren Büchern als Citrouilles, 
Courges, Pompions, Gourdes bezeichneten Früchte bei 
den Eingeborenen antrafen, den Beweis liefern können, 
dass es sich um diese oder jene von den Arten handle, 
die von den Botanikern der Neuzeit als verschieden aner- 
kannt werden. Wir erfahren daraus nur, dass die Ein- 
geborenen ein Jahrhundert nach der Entdeckung Vir- 
giniens, 24 Jahre nach der durch W. Raleigh bewerk- 
stellisten Colonisation von gewissen Üucurbitaceen- 
früchten Gebrauch machten. Die volksthümlichen Na- 
men sind in den Vereinigten Staaten noch so verwirrt, 
dass Dr. Gray im Jahre 1868 die Namen Pumpkin und 
Squash auf Cucurbita-Arten bezogen haben wıll?, wäh- 
rend Darlinston* den Namen Pumpkin auf den ge- 


1 Harris, American Journal, 1857, XXIV, 441; Trumbull, Bull. of 
Torrey’s Club, 1876, VI, 69. 

2 Champlain, in 1604, Strachey, in 1610 u. s. w. 

3 Asa Gray, Botany of the Northern States (1368), S. 156. 

4 Darlington, Flora cestrica (1853), S. 94. 


316 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


meinen Kürbis (Cucurbita Pepo), und den Namen Squash 
auf die Varietäten derselben bezieht, welche in den 
Formenkreis Melopepo der alten Botaniker eintreten. 
Ein besonderer und bestimmter Name wird von ihnen 
nicht auf den Riesenkürbis (Cucurbita maxima) bezogen. 

Ohne schliesslich dem Indigenat an den Ufern des 
Niger, welches sich auf die Aussagen eines einzigen 
Reisenden stützt, unbedingten Glauben beizumessen, 
beharre ich bei der Meinung, dass die Art von der 
Alten Welt stammt und durch die Europäer nach Ame- 
rika eingeführt wurde. 


Cucurbita Pepo und C. Melopepo, Linne. — Gemeiner 
Kürbis, Melonenkürbis (fr. Courge Pepon). 

Die neuern Autoren begreifen unter Uucurbita Pepo 
die meisten der von Linné unter diesem Namen be- 
zeichneten Formen, und ausserdem diejenigen, welche 
er C. Melopepo nannte. Diese Formen sind in Bezug 
auf die Früchte ausserordentlich veränderlich, was auf 
eine sehr alte Cultur hinweist. Aus ıhrer Zahl hebe 
ich folgende hervor: die Courge oder Citrouille des 


1 „Die Herren A. Gray und Trumbull haben die Zeugenaussagen alter 
Reisender über das Vorkommen der Cucurbita mazxima in Amerika vor 
Ankunft der Europäer von neuem zusammengefasst und mit grosser Sorg- 
falt vervollständigt (American Journ. of sc., 1883, S. 872). Sie bestätigen, 
was man schon wusste, dass die Eingeborenen Kürbisse (Cucurbita) unter 
amerikanischen Namen anbauten, von welchen einige in der jetzigen 
Sprache der Vereinigten Staaten zurückgeblieben sind. Von keinem der 
alten Reisenden wurden die botanischen Charaktere festgestellt (s. S. 312), 
auf welche Naudin die Unterscheidung von Cucurbita mazima und C. Pepo 
begründete, demnach weiss man immer nicht, welche Arten sie gemeint 
haben. Aus verschiedenen Gründen hatte ich schon den amerikanischen 
Ursprung für Cucurbita Pepo zugelassen, in Bezug auf C. maxima beharre 
ich aber bei meinen Zweifeln. Indem sie den Tragus und Matthiole mit 
grösserer Aufmerksamkeit lasen als ich es gethan hatte, bemerken die 
Herren Gray und Trumbull, dass sie unter /ndian das bezeichneten, was 
aus Amerika käme. Wenn nun auch diese Botaniker West- und Ostindien 
nieht miteinander verwechselten, so geschah dies von mehreren andern 
und dem Publikum im allgemeinen, was über den Ursprung der Arten 
Irrthümer hervorrief, welche von den Gelehrten wiederholt werden konn- 
ten. Zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs von ©. maxima will ich 
ein neues Merkmal anführen. Dr. Wittmack schrieb mir vor kurzem, dass 
er Samen, die von Naudin als solche von (©. mazxima bestimmt wurden, 
aus den Gräbern von Ancon gesehen habe. Dies würde sehr beweis- 
kräftig sein, wenn das Alter solcher Gräber immer mit Sicherheit nachge- 
wiesen werden könnte (s. weiter unten Artikel: Phaseolus eulgaris, Garten- 
bohne).‘“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.) 


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PEN ENT 


Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis. 317 


Patagons, mit sehr grossen eylindrischen Früchten; den 
sogenannten brasilianischen Zuckerschalenkür- 
bis; den Markkürbis oder Vegelable marrow der 
Engländer, mit kleinen länglichen Früchten; die Bar- 
berines mit beuligen Früchten; den Patisson oder Bonnet 
d’electeur (Kurfürstenmütze), mit konischer Frucht, die 
flach gedrückt und eigenthümlich gelappt ist, u. s. w. 
Bei dieser Bezeichnung von Varietäten darf man den 
im Lande gebräuchlichen Namen keinerlei Werth bei- 
messen, denn häufig drücken sie, wie wir gesehen haben, 
ebenso viele Irrthümer wie Wahres aus. Die botani- 
schen Namen, welche von Naudin und Cogniaux auf 
diese Art bezogen werden, sind zahlreich, und zwar in- 
folge der noch vor kurzem herrschenden Unsitte, ein- 
fache Gartenformen als Arten zu beschreiben, ohne 
dabei die überraschenden Wirkungen zu berücksichti- 
gen, welche Cultur und natürliche Züchtung auf das 
Organ einer Pflanze ausüben, welches sie eben zum An- 
bau geeignet macht. 

Die meisten der Varietäten finden sich in den Gärten 
der heissen oder gemässigten Regionen der Alten und 
der Neuen Welt. Der Ursprung der Art wird als 
zweifelhaft hingestellt. Im Jahre 1855 ! schwankte ich 
zwischen dem südlichen Asien und der Mittelmeerregion. 
Naudin und Cogniaux ? lassen Südasien als wahrschein- 
lıch zu, und von den Botanikern der Vereinigten Staaten 
wurden andererseits Gründe angeführt, um an einen 
amerikanischen Ursprung zu glauben. Es verlohnt sich 
der Mühe, die Frage mit grosser Sorgfalt zu prüfen. 

Zunächst wollen wir zu erfahren suchen, welche von 
den Formen, die jetzt zu der Art gebracht werden, 
irgendwo de im spontanen Zustande auftretend ange- 
geben worden sind. 

Die eiförmige Varietät, Cucurbita ovifera, Linne, ist 
vor Zeiten von Lerche in der-Nähe von Astrachan ge- 


1 Géogr. bot. raisonnée, S. 902. 
2 Naudin, Ann. sc. nat., Serie 5, VI, 9; Cogniaux, in: de Candolle, 
Monogr. Phaner, LIT, 546: 


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318 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


sammelt worden; kein Botaniker unsers Jahrhunderts 
hat aber diese Thatsache bestätigt, und es liegt die Wahr- 
scheinlichkeit vor, dass es sich um eine angebaute Pflanze 
handelte. Alle asiatischen und afrikanischen Floren 
sind von mir zu Rathe gezogen worden, ohne dass ich 
in denselben die geringste Angabe über eine wildwach- 
sende Varietät gefunden hätte. Von Arabien oder selbst 
von der Guineaküste bis nach Japan werden die Art oder 
die auf sie bezogenen Formen immer nur als angebaut 
angegeben. Für Indien hatte Roxburgh schon früher 
darauf hingewiesen, und Clarke hat jedenfalls gute 
Gründe gehabt, dass er in der neuern Flora von Bri- 
tisch-Indien keine Localitäten ausserhalb des Cultur- 
bereichs angibt. 

In Amerika liegen die Thatsachen ganz anders. 

Eine Varietät terana, Cucurbita terana, Asa Gray !, 
die nach diesem Autor der ovata sehr nahe steht, und 
welche man jetzt ohne Bedenken zu C. Pepo zieht, ist 
von Lindheimer „mit allen Anzeichen einer einheimischen 
Pflanze am Saume von Dickichten und in den feuchten 
Holzungen an den Ufern des obern Guadalupe“ ge- 
funden worden. Dr. Asa Gray fügt hinzu, dass dies 
vielleicht eine Folge von Naturalisationen sei. Da in- 
dessen mehrere Arten der Gattung Cucurbita in Mexico 
und im Südwesten der Vereinigten Staaten wildwach- 
send vorkommen, fühlt man sich veranlasst, der Aus- 
sage des Sammlers vollen Glauben beizumessen. Von 
andern Botanikern wurde diese Pflanze, wie es den 
” Anschein hat, weder in Mexico noch in den Vereinigten 
Staaten gefunden. Sie wird weder in der „Biologia 
centrali-americana‘ von Hemsley erwähnt, noch in Dr. 
Asa Gray’s neuerer Flora Californiens. 

Einige Synonyme oder Exemplare Südamerikas, die 
auf ©. Pepo bezogen werden, scheinen mir sehr zweifel- 
haft. Es ist unmöglich, zu wissen, was Molina? unter 


1 A. Gray, Plantae Lindheimerianae,.II, 193. 
2 Molina, Hist. nat. du Chili, S. 377. 


2 


PETE, 


Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis. 319 


den Namen von C. Siceratia und C. mammeala ver- 
standen hat, welche überdies angebaute Pflanzen ge- 
wesen zu sein scheinen. Zwei in der Reise von Spix 
und Martius (II, 536) kurz beschriebene und ebenfalls 
auf ©. Pepo! bezogene Pflanzen werden bei dem Ka- 
pitel über angebaute Pflanzen an den Ufern des Rio 
Franeisco angegeben. Schliesslich handelte es sich bei 
dem Exemplar von Spruce, 2716, von dem Rio Uaupes, 
einem Nebenflusse des Rio Negro — welches gesehen zu 
haben Cogniaux? nicht erwähnt, und das er zuerst 
auf ©. Pepo, später auf ©. moschata bezogen hat — um 
eine angebaute oder infolge irgendwelcher Fortschaffung 
oder Cultur naturalisirte Pflanze, trotzdem dieses Land 
nur von wenigen Menschen bewohnt wird. 

Die botanischen Angaben sprechen somit zu Gunsten 
eines mexicanischen oder texanischen Ursprungs. Wir 
wollen sehen, ob die historischen Schriftstücke mit 
dieser Ansicht übereinstimmen oder derselben wider- 
sprechen. 

Es gehört zur Unmöglichkeit, sich darüber Gewissheit 
zu verschaffen, ob ein bestimmter Sanskrit-, griechischer 
oder lateinischer Name von Kürbissen sich mehr auf die 
eine oder auf eine andere der Arten bezieht. Die Form 
der Frucht ist oft dieselbe, und die unterscheidenden 
Merkmale werden von den Alten nie besonders erwähnt. 

Kein Kürbis ist in dem ,,Herbarius Pataviae im- 


* pressus‘“ vom Jahre 1485, also der Entdeckung Ame- 


rikas vorhergehend, abgebildet, dagegen haben die Au- 
toren des 16. Jahrhunderts Abbildungen veröffentlicht, 
welche sich auf Kürbisse beziehen. Ich verweise hier 
auf die drei Formen von Pepones, die S. 406 von Do- 
doens, Ausgabe von 1557, abgebildet sind. Eine vierte, 
Pepo rotundus mäjor, die der Ausgabe von 1616 bei- 
gefügt ist, scheint mir zu C. maxima zu gehören. Bei 
der Abbildung von Pepo oblongus in Lobel’s ,,Icones“, 


* 1 Cogniaux, a. a. O., und Flora brasil., fasc. 78, S. 21. 
2 Cogniaux, Fl. bras. und Monogr. Phan., III, 547. 


320 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


641, ist der Charakter des Blütenstiels deutlich wieder- 
gegeben. Die diesen Pflanzen beigelesten Namen weisen 
auf einen fremden Ursprung hin; die Autoren konnten 
aber hierauf bezüglich nichts Bestätigendes aussagen, 
um so weniger als der Name Indien sich bald auf 
Südasien, bald auf Amerika bezog. 

Somit stehen die historischen Angaben der Ansicht 
eines amerikanischen Ursprungs nicht entgegen, ohne 
solchen indessen zu bestätigen. 

Wenn sich der spontane Wohnsitz in Amerika be- 
stätigt, wird man von jetzt an sagen können, dass die 
von den Römern und im Mittelalter angebauten Kür- 
bisse die Cucurbita maxima waren, und die der Ein- 
geborenen Nordamerikas, welche im 17. Jahrhundert 
von verschiedenen Reisenden gesehen wurden, die Cu- 
curbita Pepo. 3 


Cucurbita moschata, Duchesne. — Moschuskürbis (fr. 
Courge musquée ou melonnée). 

Im ,,Bon Jardinier‘“ werden als Hauptformen dieser 
Art die Courges muscade de Provence, pleine de Naples 
und de Barbarie angeführt. Ich brauche nicht erst zu 
sagen, dass diese Namen in Bezug auf den Ursprung 
nichts andeuten. Die Art ist durch ihre leichte und 
weiche Behaarung, den fünfeckigen, nach der Spitze 
hin glatten Fruchtstiel, durch die mit einem mehr oder 
minder flaumartigen meergrünen Anflug bedeckte Frucht 
mit reichlichem, in geringerm oder höherm Grade 
nach Moschus schmeckenden Fleische leicht zu erkennen. 
Die Kelchlappen sind oft durch einen blattartigen Saum 
begrenzt.! In allen Tropenländern angebaut, geht sie 
in den gemässigten Ländern nicht so weit vor als die 
andern Kürbisarten. 

Cogniaux? vermuthet, dass sie aus Südasien stammt, 
ohne indessen den Beweis hierfür beizubringen. Ich 


1 Vgl. die vorzügliche Abbildung von Wight in Icones, Taf. 507, 
unter dem falschen Namen von Cucurbita mazxima. 
2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 647. 


Be, 


Moschuskürbis. 321 


habe die Floren der Alten und der Neuen Welt durch- 
gesehen und bin nicht im Stande gewesen, irgendwo 
den Hinweis auf einen wirklich spontanen Zustand zu 
entdecken. Die Angaben, welche sich diesem am meisten 
nähern, sind: 1) in Asien ein auf der Bangka-Insel ge- 
sammeltes, von Cogniaux untersuchtes Exemplar und 
welches nach Miquel! von einer nicht cultivirten Pflanze 
herrührt; 2) in Afrika, von Welwitsch in Angola ge- 
sammelte Exemplare, die demselben zufolge ganz und gar 
spontan sind, aber „wahrscheinlich das Ergebniss einer 
Einführung sind“?; 3) in Amerika, fünf Exemplare 
von Brasilien, Guyana oder Nicaragua, die von Cogni- 
aux erwähnt werden, ohne dass man weiss, ob sie an- 
gebaut, naturalisirt oder spontan waren. Dies sind durch- 
aus unbedeutende Merkmale, und in der Ansicht der 
Autoren finden wir hierfür eine Bestätigung. So haben 
Rumphius, Blume, Clarke (in „Flora of Brit. India “) 
für Asien und Schweinfurth (in Baker, „Tropical Flora“) 
für Afrika die Pflanze entschieden nur im angebauten 
Zustande gesehen. In China ist die Cultur keine alte.? 
In den amerikanischen Floren findet sich die Art sehr 
selten angegeben. 

Man kennt keinen Sanskritnamen, und die indischen, 
malayischen und chinesischen Namen sind weder sehr 
zahlreich noch besonders ursprünglich, wenn auch die 
Cultur in Südasien eine verbreitetere zu sein scheint 
als in den andern zwischen den Wendekreisen gelege- 
nen Regionen. Nach dem „Hortus Malabaricus“, wo 
wir eine gute Abbildung antreffen (Bd. VIII, Fig. 2), 
war sie es schon im 17. Jahrhundert. 

Es scheint nicht, als ob die Botaniker des 16. Jahr- 
hunderts diese Art gekannt haben, denn die von Dale- 
champ („Hist.“, I, 616) gegebene Abbildung, welche 
Seringe auf sie bezieht, weist nicht die Charaktere von 


1 Miquel, Sumatra, unter dem Namen von Gymnopetalum, S. 332. 
2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 547. 
3 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881. 


DE CANDOLLE. 21 


322 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 
ihr auf, und ich kann keine andere Abbildung ent- 
decken, welche ihr gleicht. 


Cucurbita ficifolia, Bouché. Cucurbita melanosperma; 
Braun. — Feigenblätteriger Kürbis (fr. Courge à feuilles 
de figuier). 

Seit etwa 30 Jahren hat man einen Kürbis mit 
schwarzen oder zuweilen braunen Samen in die Gärten 
eingeführt, welcher sich dadurch von den andern ange- 
bauten Arten unterscheidet, dass er ausdauernd ist. 
Er geht auch unter dem Namen von Melon de Siam. 
Der „Bon Jardinier‘“ gibt China als Vaterland an. Dr. 
Bretschneider hat ihn nicht erwähnt in dem an mich ge- 
richteten Briefe vom Jahre 1881, in welchem er die von 
den Chinesen angebauten Kürbisse -aufzählt. 

Bisjetzt hat kein Botaniker ihn ım wildwachsenden 
Zustande angetroffen. Mir ist es sehr zweifelhaft, dass 
derselbe aus Asien stammt, denn alle bekannten peren- 
nirenden Cucurbita-Arten kommen von Mexico oder 
Californien. 


Cucumis Melo, Linne. — Melone (fr. Melon). 

Die Frage nach dem Ursprunge der Melone hat seit 
den Arbeiten von Naudin eine gänzliche Umgestaltung 
erfahren. Die Arbeit, welche er 1859 in den „Annales 
des sciences naturelles“, Serie 4, Bd. XI, über die Gat- 
tung Cucumis veröffentlicht hat, ist ebenso bemerkens- 
werth wie jene über die Gattung Cucurbita. Wir finden 
in dieser Arbeit seine während mehrerer Jahre fortge- 
setzten Beobachtungen und Untersuchungen über die 
Veränderlichkeit der Formen und die Kreuzungen, welche 
bei einer Menge von aus allen Weltgegenden stammen- 
den Arten, Rassen oder Varietäten gemacht wurden. 
Ich habe bereits (S. 312) von dem physiologischen 
Grundsatz gesprochen, nach welchem er die Formen- 
gruppen, welche er Arten nennt, unterscheiden zu kön- 
nen glaubt, obgleich gewisse Ausnahmen zu Tage ge- 
treten sind, wodurch das unterscheidende Merkmal 


Melone. >23 


der Befruchtung an Wichtigkeit verliert. Trotz dieser 
Ausnahmefälle liegt es auf der Hand, dass, wenn sich 
nahverwandte Formen leicht kreuzen lassen ‘und frucht- 
bare Nachkömmlinge hervorbringen, wie wir dies bei- 
spielsweise beim Menschengeschlecht sehen, man solche 
als eine einzige Art ausmachend ansehen muss. 

In diesem Sinne wird durch Cucumis Melo, nach den 
von Naudin an ungefähr 2000 lebenden Pflanzen ge- 
machten Beobachtungen eine Art gebildet, welche 
eine sehr grosse Menge von Varietäten und selbst 
Rassen umfasst, die sich durch Samen in ihren Charak- 
teren erhalten. Diese Varietäten oder Rassen können 
unter sich Befruchtungen eingehen und verschieden- 
artige und veränderliche Erzeugnisse hervorbringen. Sie 
sind vom Verfasser in zehn Gruppen klassificirt, die- 
selben heissen nach ihm Cantaloups, Melons brodes, 
Sucrins, Melons d'hiver, serpents, forme de concombre, 
Chito, Dudaim, rouges de Perse und sauvages, jede der- 
selben enthält Varietäten oder unter sich verwandte 
Rassen. Letztere sind auf 25—30 verschiedene Weisen 
von den Botanikern benannt worden, welche, ohne die 
Uebergangsformen, die Leichtigkeit der Bekreuzung oder 
die geringe Stabilität beim Anbau weiter zu berück- 
sichtigen, alles als Arten bezeichnet haben, was bei ge- 
gebenen Zeit- und Ortsverhältnissen mehr oder minder 
voneinander abweicht. 

Als Resultat ergibt sich, dass mehrere Formen, die 
man im wildwachsenden Zustande angetroffen hatte und 
welche als Arten beschrieben wurden, die Typen oder 
Stammväter der angebauten Formen sein müssen, und 
Naudin bemerkt sehr richtig, dass diese wildwachsenden, 
sich mehr oder minder voneinander unterscheidenden 
Formen auch angebaute verschiedenartige Formen her- 
vorbringen konnten. Dies ist um so wahrscheinlicher, 
da sie zuweilen weit voneinander entfernte Länder be- 
wohnen, wie Südasien und das tropische Afrika, sodass 
die mit der Isolirung im Bunde stehenden klimatischen 


21% 


324 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Verschiedenheiten die Unterschiede hervorrufen und be- 
festigen gekonnt haben. 

Naudin zählt folgende Formen als wildwachsend auf: 

1. Diejenigen von Indien, welche von Willdenow 
Cucumis pubescens und von Roxburgh C. turbinatus oder 
C. Maderaspatanus genannt wurden. Ihr natürlicher 
Wohnsitz ist Britisch-Indien in seiner ganzen Ausdeh- 
nung und Beludschistan. Die spontane Eigenschaft ist 
selbst für nicht botanische Reisende ! augenscheinlich. 
Die Früchte varliren von der Grösse einer Pflaume bis 
zu der einer Citrone. Sie sind glatt, gestreift oder 
buntscheckig nach aussen, wohlriechend oder geruchlos. 
Ihr Fleisch ıst von zuckersüssem, schalem oder säuer- 
lichem Geschmack, Unterschiede, welche mit denen der 
angebauten Kantalupen grosse Aehnlichkeit haben. 
Nach Roxburgh sammeln die Indier die Früchte der 
turbinatus und der Maderaspatanus ein, sie bauen die- 
selben nicht an, lieben aber ihren Geschmack. 

Zieht man die neueste Flora von Britisch-Indien zu 
Rathe, in welcher Clarke die Cucurbitaceen bearbeitet 
hat (Bd. Il, S. 619), so gewinnt es den Anschein, als 
ob dieser Autor nicht mit Naudin über die indischen 
spontanen Formen übereinstimmte, trotzdem allen beiden 
die zahlreichen Exemplare des Herbars zu Kew bei 
ihren Untersuchungen zu Gebote gestanden haben. Die 
Meinungsverschiedenheit, welche übrigens mehr dem 
Scheine als der Wirklichkeit nach besteht, beruht darin, 
dass der englische Autor die Formen, welche Naudin 
zu Cucumis Melo bringt, auf eine verwandte, jedenfalls 
wildwachsende Art, Cucumis trigonus, Roxburgh, bezieht. 
Cogniaux?, welcher seitdem dieselben Exemplare ge- 
sehen hat, bringt nur ©. turbinatus zu trigonus. 
Die specifische Unterscheidung zwischen Cucumis Melo 
und C. trigonus ist unglücklicherweise nach den von 
den drei Autoren gegebenen Charakteren eine dunkle. 


1 Gardener’s Chronicle, 1857, S. 153; 1858, S. 130, mit J. H. H. be- 
zeichnete Aufsätze. 
2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 485. 


Melone. 325 


Der Hauptunterschied liegt darin, dass die Melo ein- 
jährig ist, die andere ausdauernd, diese Dauer scheint 
aber nicht sehr constant zu sein. Clarke selbst sagt, 
dass C. Melo aus dem Anbau von C. trigonus her- 
vorgegangen ist, seiner Meinung nach also aus Formen, 
die von Naudin auf C. Melo bezogen werden. 

Die von Naudin! während drei aufeinanderfolgender 
Jahre angestellten Untersuchungen mit den Nachkömm- 
lingen der von Melo befruchteten Cucumis trigonus 
scheinen die Ansicht von einer zulässigen specifischen 
Verschiedenheit zu unterstützen, denn wenn die Be- 
fruchtung stattgefunden hat, sind die Erzeugnisse in 
der Form verschieden gewesen und häufig zu einem 
der ursprünglichen Vorfahren zurückgekehrt. 

2. Die afrikanischen Formen. Herrn Naudin standen 
keine sehr guten Exemplare zu Gebote, die auch in 
Bezug auf die Spontaneität keine genügende Sicherheit 
boten, sodass er den Wohnsitz in Afrika nicht in po- 
sitiver Weise bestätigen konnte. Nur mit einem ge- 
wissen Bedenken lässt er denselben zu. Angebaute 
Formen oder andere wildwachsende, von welchen er 
keine Früchte gesehen hat, werden von ihm zu der Art 
gebracht. Später hat Sir Joseph Hooker? beweiskräf- 
tigere Exemplare gehabt. Ich will hier nicht von denen 
aus der Nilregion sprechen, welche wahrscheinlich von 
angebauten Individuen herrühren ?, sondern von Pflan- 
zen, die Barter in Guinea an den sandigen Ufern des 
Niger gesammelt hatte. Thonning* hatte bereits in den 
sandigen Gegenden Guineas eine Cucumis gefunden, 
welche von ihm als arenarius beschrieben wurde, und 
Cogniaux? brachte dieselbe, nachdem er ein von diesem 
Reisenden mitgebrachtes Exemplar gesehen hatte, zu 
C. Melo, wie dies auch von Sir Joseph Hooker ange- 
nommen wurde. Die Neger essen die Frucht der von 


1 Naudin, in: Annales sc. nat., Serie 4, X VIII, 171. 

2 Hooker, in: Flora of tropical Africa, II, 546. 

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 267. 

4 Schumacher et Thonning, Guineiske planten, S. 426. 
5 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 483. 


TER 1 


326 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Barter gesammelten Pflanze. Der Geruch ist der einer 
unreifen, frischen Melone. Bei der Pflanze von Thon- 
ning ist die Frucht eiförmig, von der Grösse einer 
Pflaume. Somit hat die Art sowol in Afrika wie in 
Indien ım wildwachsenden Zustande kleine Früchte, 
was nicht überraschen darf. Unter den angebauten 
Varietäten nähert sich ihr die Dudaim. 

Die grössere Mehrzahl der Arten aus der Gattung 
Cucumis findet sich in Afrika, eine schwache Minorität 
in Asien oder in Amerika. Andere Arten von Cucur- 
bitaceen sind zwischen Asıen und Afrika vertheilt, ob- 
gleich die Wohnsitze bei dieser Familie gemeiniglich 
fortlaufend und beschränkt sind. Die Cucumis Melo 
ist vielleicht einmal ebenso wie die Koloquinthe (Citrullus 
Colocynthis) aus derselben Familie, von der Westküste 
Afrıkas bis nach Indien hin spontan gewesen. 

Ich habe früher von der zweifelhaften Sponta- 
neität der Melone im Süden des Kaukasus gesprochen; 
alte Autoren lassen solche zu, von spätern Botanikern 
ist sie nicht bestätigt worden. Hohenacker, welcher 
die Art, wie man sagte, in der Nähe von Elisabethpol 
gefunden hatte, führt sie in seiner Schrift über die 
Pflanzen. der Provinz Talysch nicht an. In seiner „Flora 
des Orients“ lässt Boissier die Cucumis Melo nicht zu, 
sondern sagt nur, dass sie sich mit Leichtigkeit auf 
Schutthaufen und sich selbst überlassenem Boden na- 
turalisire. Ganz dasselbe ist auch anderswo beobachtet 
worden, z. B. in den Sandgegenden- von Ussuri in Ost- 
asien. Dies würde ein Grund sein, um die sandigen 
Localitäten des Niger mit Mistrauen anzusehen, wenn 
die Kleinheit der Früchte in diesen Gegenden nicht an 
die wildwachsenden Formen Indiens erinnerte. 

Die Cultur der Melone oder ihrer verschiedenen Va- 
rietäten hat in Indien und in Afrika unabhängig von- 
einander ihren Anfang nehmen können. 

Ihre Einführung nach China scheint sich erst aus dem 
8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung herzuschreiben, 
wie man dies aus dem Zeitpunkt des ersten Buches, 


. 


Melone. 327 


welches von ihr gesprochen hat, schliessen kann.! Da 
die Beziehungen der Chinesen zu Baktrien und dem 
nordwestlichen Indien durch die Gesandtschaft von 
Schang-kien auf das 2. Jahrhundert v. Chr. zurück- 
gehen, ist es immerhin möglich, dass die Cultur der Art 
damals in Asien nicht sehr verbreitet war. Die Klein- 
heit der wildwachsenden Frucht ermuthigte nicht zum 
Anbau. Man kennt keinen Sanskrit-, dagegen einen 
wahrscheinlich weniger alten Tamulnamen, Molam?, wel- 
cher dem lateinischen Worte Melo ähnlich ist. 

Es ist nicht bewiesen worden, dass die alten Aegypter 
die Melone angebaut haben. Die von Lepsius * abge- 
bildete Frucht lässt sich nicht erkennen. Wenn die 
Cultur in jenem Lande eine gebräuchliche und alte ge- 
wesen wäre, würden die Griechen und Römer sie früh- 
zeitig gekannt haben. Nun ist es aber zweifelhaft, ob 
die Sikua von Hippokrates und Theophrast, oder die 
Pepon von Dioscorides, oder die Melopepo von Plinius 
die Melone waren. Die Originaltexte sind kurz und 
nichtssagend; Galenus* ist deutlicher, wenn er sagt, dass 
man das Innere der Melopepones, Ses nicht der Pepones 
esse. Ueber diese Namen ist vielfach gestritten wor- 
den, man bedarf aber der Thatsschön eher als der 
Worte. Den besten Beweis, welchen ich von dem Vor- 
handensein der Melone bei den Römern habe entdecken 
können, ist eine sehr genau abgebildete Frucht auf dem 
schönen, Früchte darstellenden Mosaik im Museum des 
Vaticans. Dr. Comes bestätigt ausserdem, dass die 
Hälfte einer Melone auf einer Zeichnung Herculanums 
dargestellt ist.© Die Art hat sich wahrscheinlich zur 
Zeit des Kaiserreichs, zu Anfang der christlichen Zeit- 
rechnung bei den Griechen und Römern eingeführt. Die 


1 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881. 2 Piddington, Index. 
3 Vgl. die Copie in Unger, „Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 25. 
4 Galenus, De alimentis, 1. Gr: 


5 Vgl. alle die Floren Virgibe und Naudin, Ann. sc. nat., Serie 4, 
RIECHT. 

6 Comes, Ill. piante nei dipinti pompeiani, S. 20, nach Museo nazion,, 
Bd. III, Taf. 4. 


3928 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Beschaffenheit der Frucht war vermuthlich eine mit- 
telmässige, da die Autoren in einem Lande, wo es an 
Feinschmeckern nicht fehlte, entweder ganz darüber 
schweigen oder nur schwache Lobeserhebungen machen. 
Seit der Renaissancezeit hat eine vervollkommnetere 
Cultur und die Beziehungen mit dem Orient und Aegyp- 
ten bessere Varietäten in die Gärten eingeführt. Wir 
wissen übrigens, dass sie oft ausarten, einmal durch die 
Unbilden des Wetters oder die schlechten Bodenver- 
hältnisse, dann auch durch eine Kreuzung mit geringern 
Varietäten der Art. 


Citrullus vulgaris, Schrader.  Cucurbita Oitrullus, 
Linne. — Wassermelone (fr. Pasteque, Melon d’eau). 

Lange Zeit war der Ursprung der Wassermelone nicht 
richtig erkannt oder ganz unbekannt. Nach Linne war 
es eine Pflanze des südlichen Italiens.! Diese Aussage 
war Matthiole entlehnt, ohne darauf Rücksicht zu neh- 
men, dass jener Autor die Art als angebaut angab. 
Von Seringe? wurde im Jahre 1828 Afrika und Indien 
als muthmaassliches Vaterland hingestellt, ohne dass er 
Beweise dafür vorbrachte. Ich glaubte, dass sie vom 
südlichen Asien stammte, weil ihre Cultur in jener Re- 
gion sehr gewöhnlich ist. Im wildwachsenden Zustande 
kannte man sie nicht. Schliesslich ist sie im inter- 
tropischen Afrika, diesseit und jenseit des Aequators ® 
als einheimische Pflanze gefunden worden, was die Frage 
entscheidet. Livingstone* hat Ländereien gesehen, die 
buchstäblich davon bedeckt wurden. Vom Menschen 
sowol wie von mehreren Thierarten werden diese wild- 
wachsenden Früchte sehr gern als Speise benutzt. Sie 
sind bitter oder sind es auch nicht, was sich von aussen 
nicht bestimmen lässt. Die Neger schlagen die Frucht 
mit einem Beile an und kosten den Saft, um zu er- 


1 Habitat in Apulia, Calabria, Sicilia. (Linne, Species, 1763, S. 1435.) 

2 Seringe, in: Prodromus, III, 301. 

3 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 101; Sir J. Hooker in: Oliver, 
Fl. of tropieal Africa, II, 549. 

4 Französische Ausgabe, S. 56. 


D DO er 
LA » » 


Wassermelone. 329 


fahren, ob derselbe gut oder schlecht ist. Diese Ver- 
schiedenartigkeit bei wildwachsenden Pflanzen, die unter 
demselben Klima und in demselben Boden wachsen, ist 
ganz dazu angethan, den geringen Werth dieses Merk- 
mals bei den angebauten Cucurbitaceen in Erwägung 
zu ziehen. Uebrigens ist die häufige Bitterkeit der 
Wassermelone durchaus nicht befremdlich, da die ihr 
am nächsten stehende Art die Koloquinthe (Citrullus 
Colocynthis) ist. Naudin hat fruchtbare Blendlinge von 
einer Kreuzung zwischen einer bittern, am Cap wild- 
wachsenden und einer angebauten Wassermelone erzielt, 
was die specifische, durch die äussern Formen schon 
angedeutete Einheit bestätigt. 

In Asien hat man die wildwachsende Art nicht ge- 
funden. 

Die alten Aegypter bauten die Wassermelone an. 
Auf ihren Zeichnungen findet sie sich wiedergegeben.! 
Dies führt uns schon zu der Annahme, dass die 
Israeliten die Art kannten und sie, wie berichtet wird, 
Abbatitchim nannten; ausserdem ist aber das arabische 
Wort Battich, Batteca, welches augenscheinlich von dem 
hebräischen Namen abgeleitet wird, der jetzt gebräuch- 
liche Name für die Wassermelone. Der französische 
Name stammt durch den arabischen von dem hebräi- 
schen ab. Einen Beweis des hohen Alters der Pflanze 
in den Culturen Nordafrikas finden wir in dem berbe- 
rischen Namen Tadellaät?, der von dem arabischen zu 
verschieden ist, um nicht der Eroberung vorherzugehen. 
Die spanischen Namen Zandria, Cindria und jener der 
Insel Sardinien, Sindria?, welche ich keinem andern 
nähern kann, lassen ebenfalls eine alte Cultur in der 
westlichen Mittelmeerregion muthmaassen. In Asien hat 
sich die Cultur frühzeitig ausgebreitet, denn man kennt 
einen Sanskritnamen, Chaya-pula*, die Chinesen haben 


1 Unger hat die Abbildungen des Werkes von Lepsius reproducirt in 
seinem Werk: Die Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 30, 31, 32. 

2 Dictionnaire français-berbère, unter Pastèque. 

3 Moris, Flora Sardoa. 4 Piddington, Index. 


330 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


aber die Pflanze nicht vor dem 10. Jahrhundert der 
christlichen Zeitrechnung erhalten. Sie nennen sie Si- 
kua, was Melone des Westens bedeutet.! 

Die einjährige Wassermelone reift ausserhalb der 
Tropen in den Ländern, wo die Sommerwärme eine ge- 
nügende ist. Die Neugriechen bauen sie vielfach an 
und nennen sie Carpusea oder Carpusia?; man findet 
dieses Wort aber weder bei den Autoren des Alter- 
thums noch selbst in dem Griechischen der Periode 
des Verfalls der lateinischen Sprache und in dem des 
Mittelalters? Das Karpus der Türken Konstanti- 
nopels* ist dasselbe Wort, es findet sich auch im Russi- 
schen unter der Form von Arbus und im Bengali 
und Hindustani als Tarbuj, Turbouz.$ Ein anderer, 
von Forskal angeführter Name aus Konstantinopel, Chi- 
monico, findet sich im Albanesischen, Chimico.’ Das 
Fehlen eines altgriechischen Namens, der mit Sicherheit 
auf die Art zu beziehen wäre, lässt vermuthen, dass 
sie ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung 
bei den Griechen und Römern eingeführt wurde. Das 
Gedicht Copa, welches Virgil und Plinius zugeschrieben 
wird, hat, wie Naudin annımmt, vielleicht von dieser 
Frucht gesprochen (Buch 10, Kap. 5), immerhin bleibt 
dies aber zweifelhaft. 

Durch die Europäer wurde die Wassermelone nach 
Amerika gebracht, wo man sie jetzt von Chile bis nach 
den Vereinigten Staaten anbaut. Die Jacé der Brasi- 
lianer, welche von Piso und Marcgraf abgebildet wird, 
wurde augenscheinlich eingeführt, denn der erste dieser 
Autoren gibt die Pflanze als angebaut und fast natu- 
ralisirt an.® 


1 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 17. 

2 Heldreich, Pflanzen d. attischen Ebene, S. 591; Nutzpflanzen Griechen- 
lands, S. 50. 

3 Langkavel, Botanik der spätern Griechen. 

4 Forskal, Flora aegypto-arabica, I, 34. 

5 Nemnich, Polygl.-Lexicon, I, 1309. 

6 Piddington, Index; Pickering, Chronological arrangement, S. 72. 

7 Heldreich, Nutzpflanzen, S. 50. 

8 „Sativa planta et tractu temporis quasi nativa facta.“ Piso (1658), 
S. 233. 


Gemeine Gurke. 331 


Cucumis sativus, Linne. — Gemeine Gurke (fr. Con- 
combre). 

Trotz der sehr deutlichen Verschiedenheit zwischen 
der Melone und der Gurke, welche alle beide zur Gat- 
tung Cucumis gehören, wird von den Züchtern die Ver- 
muthung gehegt, dass Kreuzungen zwischen diesen Arten 
stattfinden können, und bisweilen auf die Eigenschaften 
der Melone schädlich einwirken. Naudin! hat sich 
durch Untersuchungen vergewissert, dass eine solche 
Befruchtung nicht möglich ist, und auf diese Weise den 
Beweis geliefert, dass die Unterscheidung der zwei Arten 
eine wohlbegründete ist. 

Das Heimatsland der Cucumis sativus wurde von 
Linne und Lamarck als unbekannt hingestellt. Im Jahre 
1805 behauptete Willdenow?, dass dieselbe aus der 
Tatarei und Indien stamme, ohne indessen Beweise da- 
für vorzubringen. Von den ihm folgenden Botanikern 
ist diese Angabe nicht bestätigt worden. Als ich im 
Jahre 1855 der Frage näher trat, hatte man die wild- 
wachsende Art noch nirgends angetroffen. Aus ver- 
schiedenen Gründen, die sich auf ıhre alte Cultur in 
Asien und in Europa, und ganz insbesondere auf das 
Vorkommen eines Sanskritnamens Sukasa? stützten, 
sprach ich mich folgendermaassen aus: „Das Vaterland 
ist wahrscheinlich das nordwestliche Indien, z. B. Kabul 
oder ein daran stossendes Land. Alles deutet darauf 
hin, dass man dasselbe eines Tages in diesen noch 
wenig bekannten Regionen entdecken wird.“ 

Dies ist in der That eingetreten, wenn man mit den 
gegenwärtig am besten unterrichteten Autoren zugibt, 
dass die Cucumis Hardwicki, Royle, in den Formen- 
kreis der Cucumis sativus eintritt. In Royle’s Werk: 
„Ilustrations of Himalayan plants“, S. 220, Taf. 47, 
findet sich eine colorirte Abbildung dieser Gurke, die 
am Fusse der Himalajaberge gesammelt wurde. Die 


1 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XI, 31. 
2 Willdenow, Species, IV, 615. 
3 Piddington, Index. 


332 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Stengel, Blätter und Blumen sind ganz und gar die 
der ©. sativus. Die elliptische und glatte Frucht hat 
einen bittern Geschmack; es gibt aber bei der ange- 
bauten Gurke analoge Formen, und man weiss, dass 
bei andern Arten der Familie, z. B. bei der Wasser- 
melone, das Fruchtfleisch süss oder bitter ist. Sir Jo- 
seph Hooker gibt eine Beschreibung von einer ausge- 
zeichneten Varietät, der sogenannten Sikkimgurke!, und 
fügt hinzu, dass die von Kumaon nach Sikkim spontane 
Form Hardwickii, von welcher er Exemplare gesammelt 
hat, sich nicht mehr von den angebauten Pflanzen unter- 
scheidet, als gewisse Varietäten der letztern unter- 
einander abweichen, und Cogniaux schliesst sich nach 
einer Besichtigung der Pflanzen im Herbarium zu Kew 
dieser Meinung an.? : 

Die seit wenigstens 3000 Jahren in Indien angebaute 
Gurke wurde erst im 2. Jahrhundert v. Chr., als Schang- 
kien von seiner Gesandtschaft nach Baktrien zurück- 
gekehrt war, in China eingeführt.” In westlicher Rich- 
tung ist die Ausbreitung der Art rascher vorwärts ge- 
schritten. Die alten Griechen bauten die Gurke unter 
dem Namen Sikuos an, welcher sich im Neugriechischen 
als Sikua erhalten hat. Die jetzigen Bewohner des 
Landes sagen auch Agguria, ein auf eine alte Wurzel 
der arischen Sprachen zurückzuführendes Wort, welches 
zuweilen auf die Wassermelone bezogen wird, und sich 
bezüglich der Gurke im Böhmischen Agurka, im Deut- 
schen Gurke u. s. w. wiederfindet. Die - Albanesen 
(Pelasger?) haben einen ganz andern Namen, Krat- 
savets Ÿ, welcher im slawischen Krastavak wieder zum 
Vorschein kommt. Die Lateiner nannten die Gurke 
Cucumis. Diese verschiedenen Namen weisen auf das 
hohe Alter der Art in Europa hin. Selbst einen est- 


1 Botanical Magazine, Fig. 6206. 

2 Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner., III, 499. 

3 Bretschneider, Briefe vom 23. und 26. August 1881. 

4 Theophrastus, Hist., 1. 7, c. 4; Lenz, Botanik der alten Griechen 
und Römer, S. 492. 

5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 50. 


u Zah 


Anguriagurke. 333 


nischen Namen, Uggurits, Ukkurits, Urits, will ich hier 
anführen.! Derselbe scheint nicht finnisch, sondern 
vielmehr derselben arıschen Wurzel wie Agguria ent- 
lehnt zu sem. Wenn die Gurke vor den Ariern nach 
Europa gekommen wäre, würde man vielleicht irgend- 
einen besondern Namen in der baskischen Sprache be- 
sitzen, oder ihre Samen in den Pfahlbauten der Schweiz 
und Savoyens gefunden haben, keins von beiden ist 
aber der Fall. Die dem Kaukasus nahe wohnenden 
Völker haben vom Griechischen ganz verschiedene Na- 
men: im Tatarischen Kiar, im Kalmückischen Chaja, 
im Armenischen Karan.? Der Name Chiar kommt auch 
im Arabischen für einige Varietäten der Gurke vor.? 
Dies würde somit ein dem Sanskrit vorhergehender tura- 
nischer Name sein, demnach würde die Cultur im west- 
lichen Asien ein Alter von mehr als 3000 Jahren aufweisen. 

Gemeiniglich wird gesagt, dass die Gurke die Kisch- 
schuim war, eine der Früchte Aegyptens, nach welchen 
die Israeliten in der Wüste Verlangen trugen.* Ich 


. finde indessen unter den drei von Forskal angeführten 


Namen keinen arabischen, welcher mit diesem in irgend- 
einer Beziehung stände, und bisjetzt hat man kein An- 
zeichen von dem Vorhandensein der Gurke ım alten 
Aegypten aufgefunden. 


Cucumis Anguria, Linne. — Anguriagurke (fr. Con- 
combre Anguria). 

Diese kleine Gurkenart wird im „Bon Jardinier“ 
unter dem Namen Concombre Arada bezeichnet. Die 
Frucht, von der Grösse eines Eies, ist sehr stachelig. 
Man isst sie gekocht oder in Essig eingemacht. Da 
die Pflanze sehr ergiebig ist, wird sie in den amerika- 
nischen Colonien häufig angebaut. Descourtilz und Sir 
J. Hooker haben von ihr gute, colorirte Abbildungen 


1 Nemnich, Polygl.-Lexicon, = 1306. 2 Ebend. 

3 Forskal, Flora aegypt., S. 3 

4 Rosenmüller, Biblische then, I, 97; Hamilton, Bota- 
nique de la Bible, S. 34. 


C9 


334 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


veröffentlicht, und Cogniaux desgleichen eine mit ein- 
gehenden Analysen der Blume.! 

Das Indigenat auf den Antillen wird von mehreren 
Botanikern bestätigt. Im verflossenen Jahrhundert 
nannte P. Browne? die Pflanze Petit Concombre sau- 
vage (auf Jamaica). Descourtilz hat sich folgender 
Ausdrücke bedient: „Die Gurke kommt überall wild- 
wachsend vor und ganz insbesondere auf den trockenen 
Savannen und in der Nähe von Flüssen, deren Ufer 
eine reiche Vegetation darbieten.“ Die Einwoher nen- 
nen sie Concombre marron. Grisebach? hat Exemplare 
von mehreren andern Antilleninseln gesehen, und scheint 
ihre spontane Eigenschaft zuzulassen. Andre fand die 
Art am Meeresgestade auf dem Sande bei Porto-Ca- 
bello, und Burchell auf ähnlichem Terrain in einer 
nicht näher bezeichneten Localıtät Brasiliens, des- 
gleichen Riedel nahe bei Rio de Janeiro.* Für eine 
grosse Menge anderer im östlichen Amerika von Bra- 
silien bis nach Florida gesammelter Exemplare weiss 
man nicht, ob sie von wildwachsenden oder angebauten 
Pflanzen abstammen. 

Eine wildwachsende Pflanze Brasiliens, die von Piso? 
sehr schlecht abgebildet wurde, wird als zu unserer 
Art gehörend aufgeführt, mir scheint dies aber sehr 
zweifelhaft. 

Von Tournefort bis auf unsere Tage sind die Bota- 
niker der Ansicht gewesen, dass die Anguria aus Ame- 
rika stamme, ganz insbesondere von Jamaica. Naudin® 
war der erste, der darauf hinwies, dass alle andern 
Cucumis der Alten Welt angehören, namentlich Afrika. 
Er hat sich die Frage gestellt, ob diese nicht von den 


1 Descourtilz, Flore médicale des Antilles, 5, Taf. 329; Hovker, Bota- 
nical Magazine, Fig. 5817; Cogniaux, in: Flora brasiliensis, fasc. 78, Fig. 2. 

2 Browne, Jamaica, 2. Aufl., S. 353. 

3 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 288. 

4 Cogniaux, à. a. O. . 

5 Guanerva-oba, in: Piso, Brasil (1658), S. 264; Marcgraf (1648), S. 44, 
ohne Abbildung, spricht von ihr unter dem Namen Cucumis sylvestris 
Brasiliae. 

6 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XI, 12. 


Bu zu > a ia m 


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Anguriagurke. 990 


Negern nach Amerika eingeführt worden sei, wie dies 
bei vielen andern Pflanzen, welche sich dort naturali- 
sirt haben, der Fall ist. Es war ihm jedoch nicht 
möglich, irgendeine dieser ähnliche afrikanische Pflanze 
aufzufinden, und so ist er der Meinung der andern bei- 
getreten. Dagegen neigt Sir Joseph Hooker sich der 
Ansıcht hin, dass C. Anguria eine angebaute und von 
irgendeiner afrikanischen mit ©. prophetarum und C. 
Figarei nahe verwandten Art modificirte Form _ sei, 
trotzdem dass diese ausdauernd sind. Zu Gunsten 
dieser Hypothese will ich hinzufügen: 1) der auf 
den französischen Antillen übliche Name Concombre 
marron weist auf eine verwilderte Pflanze hin, wie man 
unter negres marrons die entlaufenen flüchtigen Neger 
versteht; 2) die grosse Ausdehnung in Amerika, von 
Rrasilien bis nach den Antillen, und zwar immer an 
der Küste, wo der Sklavenhandel am lebhaftesten war, 
scheint auf einen fremden Ursprung hinzudeuten. Wenn 
die Art Amerika schon vor der Entdeckung dieses Con- 
tinents angehört und einen ähnlich ausgedehnten Wohn- 
sitz eingenommen hätte, würde sie sich auch an der 
Westküste Amerikas und im Innern gefunden haben, 
was nicht der Fall ist. 

Die Frage wird nur durch eine vollständigere Kennt- 
niss der afrikanischen Cucumis, sowie durch Befruch- 
tungsuntersuchungen gelöst werden, vorausgesetzt, dass 
im letztern Falle jemand die nöthige Geduld und Ge- 
schicklichkeit besitzt, um mit der Gattung Cucumis 
ähnliche Versuche anzustellen, wie Naudin dies mit den 
Cucurbita-Arten gethan hat. 

Zum Schluss mache ich noch auf den in den Ver- 
einigten Staaten volksthümlichen, verdrehten Namen für 
die Anguria, Jerusalem Cucumber, aufmerksam.t Ein 
hübsches Beispiel, wie sich die volksthümlichen Namen 
oft beim Forschen nach dem Vaterlande verwerthen 
lassen! 


1 Darlington, Agricultural botany, S. 58. 


336 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Benincasa hispida, Thunberg. Benincasa cerifera, 
Savi. — Wachstragende Benincasa, Weisser Kürbis. 

Diese Art, welche für sich allein die Gattung Benin- 
casa ausmacht, gleicht den Kürbissen so sehr, dass alte 
Autoren sie, trotz des wachsartigen Anfluges auf der 
Oberfläche der Frucht, für die Courge Pepon! ange- 
sehen hatten. In den Tropenländern wird sie allge- 
mein angebaut. Vielleicht hat man Unrecht gehabt, sie 
in Europa, nachdem Culturversuche mit ihr angestellt 
waren, zu vernachlässigen, denn von Naudin und dem 
„Bon Jardinier‘ wird sie einstimmig empfohlen. 

Sie ist die Cumbalam von Rheede, die Camolenga 
von Rumphius; beide Autoren hatten sie in Malabar 
und auf den Sunda-Inseln nur angebaut gesehen*und 
Abbildungen davon gegeben. 

Nach mehreren, selbst neuern Arbeiten? könnte man 
glauben, dass sie nie im spontanen Zustande gefunden 
worden wäre; achtet man dagegen auf die verschiedenen 
Namen, unter welchen sie beschrieben wurde, so ver- 
hält es sich anders damit. So sind Cucurbita hispida, 
Thunberg, und Lagenaria dasystemon, Miquel, nach 
authentischen von Cogniaux?® gesehenen Exemplaren 
Synonyma der Art und sind dies in Japan wildwach- 
sende Pflanzen.* Unter Cucurbita littoralis, Hasskarl°, 
welche in den Gebüschdickichten am Meeresgestade auf 
Java gefunden wurde, und unter Gymnopetatum septem- 
lobum, Miquel, ebenfalls auf Java, wird nach Cogniaux 
die Benincasa verstanden. Desgleichen unter Cucurbita 
vacua, Müller®, und Cucurbita pruriens, Forster, von 
welchen er authentische Exemplare gesehen hat, die in 
Rockingham in Australien und auf den Gesellschafts- 


1 Dies ist die Cucurbita Pepo von Loureiro und Roxburgh. 

2 Clarke, in: Flora of British India, II, 616. 

3 Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner., III, 513. 
a 4 Thunberg, FI. Jap., S. 322; Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., 
‚173. 

5 Hasskarl, Catal. horti bogor., alter., S. 190; Miquel, Flora indo-bat. 

6 Müller, Fragm., VI, 186; Forster, Prodr. (ohne Beschreibung); 
Seemann, Journal of Botany, II, 50. 


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er 


Beer 'r. 


Cylinderförmiger Balsamapfel. 357 


Inseln gefunden waren. Nadeaud! erwähnt letztere 
nicht. Man kann auf den Inseln der Südsee und im 
Queensland zeitweilige Naturalisationen‘ vermuthen, die 
Localitäten von Java und Japan scheinen aber sehr 
sicher zu sein. Ich glaube um so viel mehr an die 
des letztern Landes, da die Cultur der Benincasa im 
China auf ein hohes Alterthum zurückgeht.? 


Momordica cylindrica, Linne. Luffa cylindrica, Rö- 
mer. — Cylinderförmiger Balsamapfel (fr. Lufa cylin- 
drique). 

„Die Lufa cylindrica“, sagt Naudin®, „welche in 
einigen unserer Colonien den indischen Namen Petole 
beibehalten hat, stammt wahrscheinlich aus Südasıen, 
vielleicht kommt sie aber auch von Afrika, Australien 
und den oceanischen Inseln. Von den meisten der 
Völker heisser Länder wird sie angebaut, und sie scheint 
sich an vielen Orten naturalisirt zu haben, wo sie 
zweifelsohne ursprünglich nicht vorkam.“  Cogniaux * 
ist bestimmter, wenn er sagt: „Eine in allen tropischen 
Regionen der Alten Welt einheimische Art; zwischen 
den Wendekreisen in Amerika häufig angebaut und 
subspontan.“ 

Zieht man die von diesen beiden Monographen ge- 
nannten Werke, sowie die Herbarien zu Rathe, so De 
det sich die wildwachsende Eigenschaft der Pflanze zu- 
weilen in bestimmter Weise nachgewiesen. 

Was Asien betrifft’, so hat Rheede sie auf sandigem 
Terrain, in den Wäldern und an andern Orten von 
Malabar gesehen; von Roxburgh wird sie in Hindostan, 
von Kurz in den Wäldern von Birma und von Thwaites 
endlich auf Ceylon als spontan angegeben. Ich besitze 


1 Nadeaud, Plantes usuelles des Tahitiens; Enumération des plantes 
indigènes à Taiti. 

3 Bretschneider, Brief vom 26. August 1881. 

3 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 121. 

4 Cogniaux, in: Monogr. Phanerog., III, 458. 

5 Rheede, Hort. Malabar., VIII, 15, Taf. 8; Roxburgh, Fl. ind., III, 
714, 715, unter dem Namen Z. clevata; "Kurz, Contrib., 187° 100; Thwaites, 
Enum. 

DE CANDOLLE. 2 


1 


338 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Exemplare von Ceylon und von Khasia. Einen San- 
skritnamen kennt man nicht, und Dr. Bretschneider er- 
wähnt weder in seinem Werkchen: „On the study ete.“, 
noch in seinen Briefen irgendeine in China angebaute 
oder wildwachsende ZLufa. Ich nehme somit an, dass 
die Cultur, selbst ın Indien, keine alte ist. 

In Australien findet sich die Art an den Flussufern 
von Queensland! spontan, und danach ist es wahr- 
scheinlich, dass man sie im Asiatischen Archipel wild- 
wachsend finden wird, wo Rumphius, Miquel u. A. von 
ihr nur als von einer angebauten Pflanze sprechen. 

In den Herbarien finden sich eine Menge von Exem- 
plaren, die im tropischen Afrika, von Mozambique an 
der Guineaküste und bis nach Angola gesammelt sind; 
die Sammler scheinen aber nicht angegeben zu haben, 
ob es wildwachsende oder angebaute Exemplare waren. 
Im Herbarium Delessert hat Heudelot die fruchtbaren 
Striche in der Umgegend von Galam als Fundstätte 
angegeben. Sir Joseph Hooker? führt solche an, ohne 
etwas zu bestätigen. Die Herren Schweinfurth und 
Ascherson®, welche diesen Fragen immer besondere Auf- 
merksamkeit zuwenden, führen die Art in der Nilregion 
als ausschliesslich angebaut an. Dies ist seltsam ge- 
nug, weil man, da die Pflanze im 17. Jahrhundert in 
den Gärten Aegyptens unter dem arabischen Namen 
Luff* gesehen worden war, die Gattung Lufa und die 
Art Luffa aegyptiaca genannt hat. In den Denkmälern 
des alten Aegyptens findet sich von ihr keine Spur. 
Das Fehlen eines hebräischen Namens macht die An- 
nahme noch wahrscheinlicher, dass sich ihre Cultur erst 
im Mittelalter in Aegypten eingebürgert hat. Heutzu- 
tage wird sie im Nildelta betrieben, nicht nur der 
Früchte wegen, sondern auch zum Versand der Samen, 


1 Mueller, Fragmenta, III, 107; Bentham, Flora Austral., III, 317, 
unter Namen, welche der Z. cylindrica von Naudin und Cogniaux gleich- 
bedeutend sind. 

2 Hooker, in: Flora of tropical Africa, II, 530. 

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 268. 

4 Forskal, F1. aegypt., S. 75. 


i 


Scharfeckige Netzgurke. 339 


der sogenannten courgettes, welche als Absud die Haut 
geschmeidig machen. 

Die Art wird in Brasilien, Guyana, Mexico u. s. w. 
angebaut, ich finde aber kein Anzeichen, dass sie in 
Amerika einheimisch sei. Hier und da scheint sie sich 
naturalisirt zu haben, nach einem Exemplar von Levy 
beispielsweise in Nicaragua. 

Alles zusammengenommen, ist der asiatische Ursprung 
gewiss, der afrikanische sehr zweifelhaft, der amerika- 
nische imaginär oder vielmehr die Wirkung einer Na- 
turalisation. 


Lufa acutangula, Roxburgh. — Scharfeckige Netz- 
gurke (fr. Luffa anguleux, Papengay). 

Der Ursprung dieser wie der vorhergehenden in allen 
Tropenländern angebauten Art ist nach Naudin und 
Cogniaux! nicht recht klar. Der erste bezeichnet Sene- 
gal, der zweite Asien und mit Zweifel Afrika als Vater- 
land. Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, dass Linné? 
sich irrte, wenn er die Tatarei und China als solches 
bezeichnete. 

Clarke verlegt in der Flora von Sir J. Hooker ohne 
Bedenken das Indigenat nach Britisch-Indien. Von 
Rheede? war die Pflanze früher in den sandigen Strecken 
Malabars angetroffen worden. Der natürliche Wohnsitz 
scheint begrenzt zu sein, denn die Art wird von Thwaites 
auf Ceylon, von Kurz in Britisch-Birma und von Lou- 
reiro für Cochinchina und China* nur als angebaut oder 
auf Schutthaufen in der Nähe von Gärten vorkommend, 
angegeben. Rumphius® nennt sie eine Pflanze von 
Bengalen. Einem Brief des Dr. Bretschneider zufolge 
wird seit lange keine Lufa in China angebaut. Einen 


1 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 122; Cogniaux, in: Monogr. 
Phaner., III, 459. 

2 Linné, Species, S. 1436, unter dem Namen von Cucumis acutangulus. 

3 Rheede, Hort. malab., VIII, 13, Taf. 7. 

4 Thwaites, Enum. Ceylan., S. 126; Kurz, Contrib., II, 101; Loureiro, 
F1. cochinch., S. 727. > 

5 Rumphius, Amboin., V, 408, Taf. 149. 


22* 


340 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Sanskritnamen kennt man nicht. Dies sind ebenso viele 
Anzeichen einer seit nicht sehr langer Zeit in Asien 
betriebenen Cultur. 

Eine Varietät mit bitterer Frucht ist in Britisch- 
Indien! eine gemeine wildwachsende Pflanze, die kein 
Interesse für den Anbau darbietet. Sie kommt auch 
auf den Sunda-Inseln vor. Dies ist die Lufa amara, 
Roxburgh, und die L. sylvestris, Miquel. Die L. sub- 
angulata ıst eine andere, auf Java wachsende Form, 
welche Cogniaux nach Kenntnissnahme gewisser Exem- 
plare damit vereinigt. 

Naudin führt den Reisenden nicht an, dem zufolge 
die Pflanze in Senegambien side u vorkäme; er 
sagt aber, dass die Neger sie Papengaye nennen, und 
da sie von den Colonisten auf Mauritius? so genannt 
wird, ist es wahrscheinlich, dass es sich im Senegal um 
eine angebaute, vielleicht in der Nähe von Wohnplätzen 
naturalisirte Pflanze handelt. In der ‚Flora of tropical 
Africa“ gibt Sir Joseph Hooker die Art in Afrika wild- 
wachsend an, ohne indessen den Beweis dafür darzu- 
bringen, und Cogniaux fasst sich noch kürzer. Schwein- 
furth und Ascherson* zählen sie für Aegypten, Nubien 
und Abessinien weder als spontan noch als angebaut 
an. In Aegypten findet sich keine Spur einer alten 
Cultur. 

Von den Antillen, Neugranada, Brasilien und andern 
Gegenden Amerikas hat man die Art oft erhalten: es 
liegen aber keine Anzeichen vor, dass sie in jenen Län- 
dern ein hohes Alter hat, nicht einmal dass sie sich 
dort in einiger Entfernung von Gärten in einem wirk- 
lich spontanen Zustande findet. 

Wir sehen also, dass die Bedingungen oder Wahr- 
scheinlichkeiten hinsichtlich des Ursprungs und Cultur- 
alters für die beiden angebauten Luffa fast dieselben 
sind. Zur Begründung der Hypothese, dass letztere 


1 Clarke, in: Flora of British India, II, 614. 
2 Bojer, "Hortus mauritianus. 
5 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 268. 


Schlangenfrüchtige Haarblume. 341 


nicht von Afrika stammen, will ich nur bemerken, dass 
die vier andern Arten der Gattung entweder asiatisch 
oder amerikanisch sind, und ich füge als weitern Finger- 
zeig hinzu, dass die Cultur der Lufa keine sehr alte 
ist, dass die Form der Frucht viel geringern Abände- 
rungen unterworfen gewesen ist, als bei den andern 
angebauten Cucurbitaceen. 


Trichosanthes anguina, Linne. — Schlangenfrüchtige 
Haarblume (fr. Trichosanthes serpent). 

Eine einjährige, kletternde Cucurbitacee, die durch 
ihre gefranste Blumenkrone bemerkenswerth ist. Auf 
der Insel Mauritius heisst sie nach einem auf Java ge- 
bräuchlichen Namen Petole. Die nach Art einer fleischi- 
gen Leguminosenschote verlängerte Frucht wird im tro- 
pischen Asien sehr geschätzt und wie die Gurken im 
gekochten Zustande gegessen. 

Die Botaniker des 17. Jahrhunderts erhielten sie von 
China, und glaubten, dass die Pflanze dort einheimisch 
sei, wahrscheinlich war sie dort aber angebaut. Von 
Dr. Bretschneider! hören wir, dass der chinesische Name 
Mankua Gurke der Barbaren des Südens bedeutet. 
Indien oder der Indische Archipel müssen das Vater- 
land sein. Indessen bestätigt keiner der Autoren, sie 
im wirklich spontanen Zustande gefunden zu haben. 
So begnügt sich Clarke in der Flora von Britisch- 
Indien (II, 610) einfach zu sagen: „Indien, angebaut“. 
Vor ihm sagte Naudin?: „Bewohnt Ostindien, wo man 
sie ihrer Früchte wegen vielfach anbaut. Selten zeigt 
sie sich im wildwachsenden Zustande.“ Für Amboina 
ist Rumphius? nicht bestimmter. In Bezug auf Cochin- 
china und Birma haben Loureiro und Kurz, für die 
Inseln im Süden Asiens Miquel und Blume nur die an- 
gebaute Pflanze gesehen. Die 39 andern Arten der 
Gattung gehören alle der Alten Welt an, sind zwischen 


1 Bretschneider, On the study etc., S. 17. 
2 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XVIII, 190. 
3 Rumphius, Amboin., V, Taf. 148. 


342 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


China, Japan, Ostindien und Australien vertheilt, treten 
aber namentlich in Indien und dem Archipel auf. Ich 
halte den indischen Ursprung für den wahrscheinlichsten. 

Man hat die Art nach Mauritius gebracht, wo sie 
sich in der Nähe von Culturen weiter aussäet. An- 
derswo hat sie sich wenig verbreitet. Einen Sanskrit- 
namen für sie kennt man nicht. ’ 


Sechium edule, Swartz. — Chochokürbis (fr. Chayote). 

Man baut diese Cucurbitacee im intertropischen Ame- 
rika ihrer Früchte wegen an, welche die Form einer 
Birne und den Geschmack einer Gurke haben. Sie 
enthalten nur einen Samen, sind also um so viel 
fleischiger. 

Die Art bildet für sich die Gattung Sechium. In 
allen Herbarien finden sich Exemplare von ihr, doch 
gewöhnlich wurde von den Sammlern nicht angegeben, 
ob es angebaute, naturalisirte oder wirklich spontane 
Pflanzen seien, die allem Anscheine nach dem Lande 
ursprünglich angehören. Ohne von Werken zu sprechen, 
in welchen behauptet wird, dass diese Pflanze von Ost- 
indien stamme, was ganz und gar falsch ist, will ich 
nur auf mehrere der anerkannt besten verweisen, welche 
das Vaterland nach Jamaica verlegen.t Indessen sagte 
P. Browne? zu Mitte des verflossenen Jahrhunderts in 
ganz bestimmter Weise, dass sie sich dort im Cultur- 
zustande befände, und vor ihm hat Sloane gar nicht 
davon gesprochen. Jacquin ? berichtet, dass sie „Cuba 
bewohne und man sie dort anbaue“, und Richard hat 
diesen Satz in der Flora von R. de la Sagra wieder- 
holt, ohne irgendeinen Beweis hinzuzufügen. Naudin* 
sagte: „Pflanze von Mexico“, ohne Belege für seine Be- 
hauptung hinzuzufügen. In seiner neuerdings erschie- 
nenen Monographie verweist Cogniaux 5 auf eine Menge 


1 Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 286. 
2 Browne, Jamaica, S. 355. 

3 Jacquin, Stirp. amer. hist., S. 259. 

4 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XVIII, 205. 

5 In: Monogr. Phaner., III, 902. 


N 


Indischer Feigencactus. 343 


von Exemplaren, die von Brasilien bis nach den An- 
tillen gesammelt waren, ohne jedoch zu sagen, dass er 
eins unter denselben angetroffen habe, welches auf die 
Bezeichnung spontan Anspruch erheben könnte. See- 
mann! hat die Pflanze in Panama angebaut gesehen, 
und er fügt eine, falls sie auf Genauigkeit beruht, wich- 
tige Bemerkung hinzu, dass nämlich der im Isthmus ge- 
bräuchliche Name Chayote eine Verstümmelung des az- 
tekischen Namens Chayotl sei. Hier wäre ein Fingerzeig 
eines alten Vorkommens in Mexico, doch finde ich 
diesen Namen nicht bei Hernandez, dem classischen 
Autor der mexicanischen, der Eroberung vorhergehenden 
Pflanzen. Die Chayote wurde in Cayenne vor 10 Jahren 
noch nicht angebaut.” Nichts lässt auf eine alte Cultur 
in Brasilien schliessen. Von den alten Autoren, wie 
Piso und Marcgraf, wird die Art nicht erwähnt, und 
der Name Chuchu, der brasilianisch sein soll?, scheint 
mir von dem auf Jamaica gebräuchlichen Worte Chocho 
abzustammen, welcher wieder möglicherweise eine Ver- 
stümmelung des mexicanischen Wortes ist. 

Die Wahrscheinlichkeiten sprechen, kurz gefasst, 1) 
für einen südmexicanischen und centralamerikanischen 
Ursprung; 2) für eine Einführung nach den Antillen 
und Brasilien etwa im 18. Jahrhundert. 

Später hat man die Art in den Gärten der Insel 
Mauritius und neuerdings nach Algerien eingeführt, wo 
sie herrlich gedeiht.? 


Opuntia Ficus indica, Miller. — Indischer Feigen- 
cactus (fr. Opuntia Figue d’Inde). 

Die saftige Pflanze aus der Familie der Cactaceen, 
welche eine Frucht hervorbringt, die man im Süden 
Europas indische Feige nennt, steht ebenso wenig 
mit den Feigenbäumen in Beziehung wie die Frucht 
mit der Feige. Sie stammt nicht von Indien, sondern 


1 Seemann, Bot. of Herald, S. 128. 
2 Sagot, Journal de la Soc. d’hortic. de France, 1872. 
3 Cogniaux, Flora brasil., fasc. 78. 4 Sagot, a. a. O., 19. 


344 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


von Amerika. In diesem volksthümlichen Namen ist 
alles falsch und lächerlich. Da Linne indessen einen 
lateinischen Namen daraus machte, Cactus Ficus indica, 
welcher später zur Gattung Opuntia gebracht wurde, 
so hat man den specifischen Namen beibehalten müssen, 
um Abänderungen, die Verwirrung herbeiführen, zu ver- 
meiden und auf die volksthümliche Bezeichnung hinzu- 
weisen. Die stacheligen und mehr oder minder stachel- 

losen Eormen sind von einigen Autoren als verschiedene 
_ Arten hingestellt worden, eine genaue Prüfung vereinigt 
sie aber zu einer.! 

Die Art kam in Mexico vor Ankunft der Spanier 
spontan und angebaut vor. Von Hernandez? werden 
neun Varietäten beschrieben, was auf eine alte Cultur 
-hinweist. Die eine fast stachellose scheint mehr als 
die andern zur Nahrung für die Lackschildlaus oder 
Cochenille gedient zu haben, welche man mit der Pflanze 
nach den Canaren und anderswohin eingeführt hat. 
Es lässt sich nicht bestimmen, bis zu welchem Punkte 
sich der Wohnsitz ın Amerika erstreckte, bevor der 
Mensch die Bruchstücke der Pflanze und ihre Früchte, 
welche beide als leichte Verbreitungsmittel angesehen 
werden können, weiter fortschaffte. Vielleicht waren 
die auf Jamaica und andern Antilleninseln wildwach- 
senden Individuen, von welchen Sloane im Jahre 1725 
sprach, das Ergebniss einer Einführung durch die Spa- 
nier. Sicherlich hat sich die Art in dieser Richtung 
so weit naturalisirt, als das Klima es ihr gestattete, 
z. B. bis nach dem südlichen Florida. 

Sie gehört zu den ersten Pflanzen, welche die Spanier 
nach der Alten Welt, sei es nach Europa, sei es nach 
Asien brachten. Ihr eigenthümliches Aussehen erregte 
um so mehr Aufsehen, als man noch keine Art aus 
dieser Familie bis dahin gesehen hatte.” Alle Bota- 


1 Webb et Berthelot, Phytographia canariensis, I, 208. 

2 Hernandez, Thesaurus Novae Hispaniae, S. 78 

3 Sloane, Jamaica, II, 150. 

4 Chapman, Flora of the southern United States, S. 144. 
5 Der Cactos der Griechen war etwas ganz Verschiedenes. 


Stachelbeere. 345 


niker des 16. Jahrhunderts haben von ihr gesprochen, 
und die Art hat sich gleichzeitig in Südeuropa und in 
Afrıka immer weiter naturalisirt, je mehr sie angebaut 
wurde. In Spanien hat man die Opuntia zuerst unter 
dem amerikanischen Namen Tuna gekannt, und wahr- 
scheinlich brachten die Mauren sie nach der Berberei, 
als sie von der Halbinsel vertrieben wurden. Sie nannten 
dieselbe Christfeige.! Der Gebrauch, die Besitzungen 
mit dem indischen Feigencactus als eine Art Einfrie- 
digung zu umgeben und der Nährwerth der recht zucker- 
haltigen Früchte haben die Ausbreitung um das Mittel- 
meer herum und im allgemeinen in allen den Tropen 
nahe liegenden Ländern herbeigeführt. 

Die Cochenillezucht, welche der Fruchterzeugung 
hinderlich war?, ist seit der Fabrikation der Farbstoffe 
durch chemische Processe ganz in Verfall gerathen. 


Ribes Grossularia und R. Uva-crispa, Linne. — 
Stachelbeere (fr. Groseillier à maquereaux). 

Die angebauten Formen zeigen gemeiniglich eine glatte 
oder mit nur wenigen grossen steifen Haaren bedeckte 
Frucht, während die Frucht der wildwachsenden Form 
(R. Uva-crispa) weiche und weniger lange Haare hat; 
es sind aber Zwischenformen nachgewiesen worden, und 
man hat durch Versuche dargethan, dass durch die Aus- 
saat der Samen von der angebauten Frucht Pflanzen 


erzielt werden, deren Früchte bald behaart, bald glatt 


sind.? Es gibt demnach nur eine Art, welche durch 
die Cultur in Bezug auf die Grösse, die Farbe oder 
den Geschmack der Frucht eine Hauptvarietät und meh- 
rere Untervarietäten hervorgebracht hat. 

Die Stachelbeere wächst im ganzen gemässigten Eu- 
ropa wild, vom südlichen Schweden bis nach den ge- 
birgigen Theilen Centralspaniens, Italiens und Griechen- 
lands.* Sie wird auch für Nordafrika erwähnt; der zu- 

1 Steinheil, in: Boissier, Voyage bot. en Espagne, I, 25. 

2 Webb et Berthelot, Phytogr. canar. 


3 Robson, in: English Botany, Taf. 2057. 
4 Nyman, Conspectus fl. europeae, S. 266; Boissier, Fl. or., II, 815. 


946 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


letzt über die Pflanzen Algeriens veröffentlichte Kata- 
log! führt sie aber nur für die Gebirge von Aurès an, 
und Ball hat von ıhr eine recht charakteristische Va- 
rietät auf dem Atlasgebirge Maroccos gefunden.” Auch im 
Kaukasus kommt sie vor?, desgleichen unter mehr oder 
minder verschiedenen Formen im westlichen Himalaja.* 

Die Griechen und Römer haben von dieser im Süden 
seltenen Art nicht gesprochen, die da wo die Trauben 
reifen, anzubauen auch kaum der Mühe verlohnt. Na- 
mentlich baut man sie in Deutschland, Holland und 
England seit dem 16. Jahrhundert? an, insbesondere zur 
Würze, woraus die Namen @ooseberry ım Englischen und 
Groseille à maquereaux im Französischen entstanden 
sind. Man bereitet aus ihr auch eine Art Wein. 

Die Häufigkeit der Cultur auf den britischen Inseln, 
sowie die häufig in der Nähe von Gärten sich bemerk- 
bar machenden Standorte wurden für mehrere englische 
Botaniker die Veranlassung, anzunehmen, dass es sich 
bei ihr um eine zufällige Naturalisation handle. Für 
Irland ® ist dies ziemlich wahrscheinlich, da es sich 
aber hier um eine wesentlich europäische Art handelt, 
so sehe ich nicht ein, warum sie ın England, wo die 
wildwachsende Pflanze sehr gemein ist, nicht seit Nieder- 
lassung der meisten Arten der englischen Flora hätte 
vorkommen können, d.h. seit dem Ende der Eisperiode, 
vor der Trennung der Insel vom Festlande. Phillips 
führt einen alten, ganz besondern englischen Namen an, 
Feaberry oder Feabes, was auch zur Begründung eines 
alten Auftretens beiträgt, desgleichen zwei welsche 
Namen’, deren Originalität ich jedoch nicht bestätigen 
kann. 


Munby, Catal., 2. Aufl., S. 15. 

Ball, Spicilegium fl. maroce., S. 449. 

Ledebour, F1. ross., II, 194; Boissier, a. a. O. 

Clarke, in: Hooker, Fl. of Brit. India, II, 410. 

Phillips, Account of fruits, S. 174. 

Moore and More, Contrib. to the Cybebe hibernica, S. 113. 
Davies, Welsh Botanology, S. 24. 


NO Où À © LD nm 


RE u DE 


Rothe Johannisbeere. 347 


Ribes rubrum, Linné. — Rothe Johannisbeere (fr. 
Groseillier rouge). 

Im nördlichen und gemässigten Europa, in ganz Si- 
birien! bis nach Kamtschatka hin, und in Amerika von 
Canada und Vermont bis zur Mündung des Mackenzie- 
flusses? tritt die gemeine rothe Johannisbeere wild- 
wachsend auf. 

Wie die vorhergehende war sie den Griechen und 
Römern unbekannt, und ihre Cultur hat sich erst im 
Mittelalter eingeführt. Die angebaute Pflanze unter- 
scheidet sich kaum von der wildwachsenden. Der fremd- 
ländische Ursprung für den Süden Europas wird durch 
den ihr im 16. Jahrhundert in Frankreich? beigelegten 
Namen Groseille d’outremer bestätigt. In Genf geht die 
Johannisbeere noch unter dem volksthümlichen Namen 
Raisin de mare, und im Canton Solothurn heisst sie 
noch Meertrübli. Mir ist es unbekannt, warum man 
sich vor drei Jahrhunderten der Einbildung hingab, dass 
die Art eine überseeische sei. Vielleicht lässt sich dies 
in dem Sinne erklären, dass die Dänen und Normannen 
sie mitgebracht, oder dass diese nordischen Völker, 
welche zu Wasser anlangten, ihre Cultur eingeführt 


hätten. Ich bezweifle es jedoch, denn die Ribes rubrum 


ist fast in ganz Grossbritannien* und in der Normandie? 
spontan; die Engländer, welche mit den Dänen häufige 
Verbindungen unterhielten, bauten sie im Jahre 1557 
noch nicht an, wie dies aus einer zu jener Epoche von 
Th. Tusser zusammengestellten und von Phillips ver- 
öffentlichten Fruchtliste hervorgeht‘, und selbst zu Ge- 
rard’s Zeiten, im Jahre 15977, war ihre Cultur selten 
und die Pflanze hatte keinen besondern Namen; schliess- 
lich gibt es französische und bretagnische Namen, welche 


1 Ledebour, F1. ross., II, 199. 

2 Torrey and Gray, Fl. N. Amer., I, 150. 

3 Dodonaeus, S. 748. 4 Watson, Cybebe brit. 

5 Brebisson, Flore de Normandie, S. 99. 

6 Phillips, Account of fruits, S. 136. 7 Gerard, Herbal, S. 1143. 

8 Der Name Currant ist später entstanden, infolge der Analogie mit 
Korinthen (Phillips, a. a. O.). 


548 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


eine den Normannen im westlichen Frankreich vorher- 
gehende Cultur vermuthen lassen. 

Die alten französischen Namen finden sich in dem 
Wörterbuch von Ménage. Nach ihm nannte man die 
rothen Johannisbeeren in Rouen Gardes, in Caen Grades, 
in der untern Normandie Gradilles, und in seiner Heimat, 
in Anjou, Castilles. Ménage leitet alle diese Namen 
von rubius, rubicus u. s. w. ab, und zwar infolge imagi- 
närer Verwandlungen des Wortes ruber, roth. Legonidec! 
belehrt uns, dass die rothen Johannisbeeren in der 
Bretagne auch Kastilez heissen, und er leitet diesen 
Namen von Castille (Castilien) ab, als ob eine in Spanien 
wenig bekannte und im Norden so verbreitete Frucht 
von der Halbinsel kommen könnte. Diese gleichzeitig 
in und ausserhalb der Bretagne verbreiteten Namen 
scheinen mir keltischen Ursprungs zu sein, und um 
dies zu bekräftigen, bemerke ich, dass in dem Wörter- 
buch des Legonidec selbst gardiz im Bretonischen 
herbe, scharf, prickelnd, sauer u. s. w. bedeutet, was die 
Etymologie errathen lässt. Der Gattungsname Ribes 
hat zu andern Irrthümern Veranlassung gegeben. Man 
hatte eine von den Arabern so benannte Pflanze wieder- 
zuerkennen geglaubt; dieses Wort stammt aber viel eher 
von einem für die Johannisbeere im Norden sehr ver- 
breiteten Namen ab, nämlich von Ribs im Dänischen‘, 
Risp und Resp im Schwedischen.# Die slavischen Namen 
sind alle ganz verschieden und ziemlich zahlreich. 


Ribes nigrum, Linne. — Schwarze Johannisbeere (fr. 
Cassis). 

Die schwarze Johannisbeere findet sich wildwachsend 
im nördlichen Europa, von Schottland und Lapland bis 
nach Nordfrankreich und dem nördlichen Italien; ferner 
in Bosnien, in Armenien, in ganz Sibirien, der Amur- 


1 Legonidec, Diction. celto-breton. 

2 Moritzi, Dict. inéd. des noms vulgaires. 

® Linné, Flora suecica, n. 197. 

4 Watson, Compend. Cybebe, I, 177; Fries, Summa veg. Scandinaviae, 
S. 39; Nyman, Conspectus florae europeae, S. 266. 

5 Boissier, Fl. or., II, 815. 


Schwarze Johannisbeere. 349 


region und im westlichen Himalaja.! Häufig naturalisirt 
sie sich, z. B. im mittlern Frankreich.? 

Die Griechen und Römer kannten diesen Strauch 
nicht, welcher kältern Ländern angehört, als die ihrigen 
es sind. Aus der Verschiedenartigkeit seiner Namen in 
alten, selbst den Ariern vorhergehenden Sprachen des 
nördlichen Europas lässt sich deutlich schliessen, dass 
man den Früchten zu einer sehr alten Zeit nachging, 
und dass man wahrscheinlich vor dem Mittelalter ange- 
fangen hat ihn anzubauen. J. Bauhin? berichtet, dass der- 
selbe in den Gärten Frankreichs und Italiens angepflanzt 
wurde, die meisten der Autoren des 16. Jahrhunderts 
schweigen aber darüber. In der 1782 erschienenen 
„Histoire de la vie privee des Frangais“, von Le 
Grand d’Aussy, findet sich (Bd. I, S. 232) folgender 
recht interessanter Satz: ,, Die schwarze Johannisbeere 
wird seit etlichen vierzig Jahren angebaut, und zwar 
infolge einer Schrift, die den Titel führt: «Culture 
du cassis», in welcher der Verfasser dem Strauche 
alle nur denkbaren Tugenden zuschreibt.“ Weiter 
(Bd. III, S. 80) kommt der Verfasser auf den häufigen 
Gebrauch des schwarzen Johannisbeer- Branntweins seit 
Veröffentlichung der in Frage stehenden Schrift zu- 
rück. Bosc, der in seinen Artikeln des ,, Dictionnaire 
d'agriculture‘ immer genau ist, spricht sich folgen- 
dermaassen aus: „Seit sehr langer Zeit baut man die- 
sen Strauch seiner Früchte wegen an, die einen eigen- 
thümlichen, manchen angenehmen, andern unangeneh- 
men Geruch besitzen, und welche als magenstärkendes 
und diuretisches Mittel gelten.“ Bei der Fabrikation 
der als Ratafıa und Cassis* bekannten Liqueure werden 
sie verwendet. 


1 Ledebour, Fl. ross., S. 200; Maximowiez, Primitiae fl. Amur., S. 119; 
Clarke, in: Hooker, F1. of Brit. India, II, 411. 

2 Boreau, Flore du centre de la France, 3. Aufl., S. 262. 

3 Bauhin, Hist. plant., II, S. 99. 

4 Der Name Cassis ist ziemlich eigenthümlich. Littré sagt in seinem 
Wörterbuche, dass er erst spät in der Sprache aufgenommen zu sein scheint 
und dass man seinen Ursprung nicht kennt. Ich habe ihn in den vor 
Mitte des 13. Jahrhunderts erschienenen botanischen Büchern nicht ge- 


350 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Olea europea, Linne. — Oelbaum (fr. Olivier). 

Der wildwachsende Oelbaum, welcher in den bota- 
nischen Büchern als Varietät sylvestris oder Oleaster 
bezeichnet wird, unterscheidet sich von dem angebauten 
Baume durch eine kleinere Frucht mit weniger dickem 
Fleische. Durch die Auswahl der Samen, durch Steck- 
linge oder durch Pfropfreiser guter Varietäten erzielt 
man bessere Früchte. 

Der Oleaster findet sich gegenwärtig in einer ausge- 
dehnten Region im Osten und Westen Syriens, vom 
Pendschab und Beludschistan ! bis nach Portugal und 
selbst auf Madeira, auf den Canarischen Inseln und in 
Marokko?; und in der Richtung von Süden nach Nor- 
den, vom Atlas bis zum südlichen Frankreich, dem alten 
Macedonien, der Krim und dem Kaukasus.? Vergleicht 
man die Aussagen der Reisenden und der Autoren von 
Floren, so ist es nicht schwer, zu sehen, dass man an 
den Grenzen dieses Wohnsitzes in Bezug auf die spon- 
tane und einheimische, d. h. sehr alte Beschaffenheit 
der Art oft Zweifel hegt. Bald bildet er Gebüsch- 
dickichte, die wenig oder gar nicht Früchte tragen, 
und bald zeigen sich nur, wie beispielsweise in der 
Krim, vereinzelte Stämme, als ob dieselben ausnahms- 
weise vor den zerstörenden Wirkungen zu strenger 
Winter, die eine feste Niederlassung nicht zulassen, 
bewahrt geblieben wären. Was Algerien und Süd- 
frankreich anbetrifft, so sind die Zweifel durch eine 
Erörterung zu Tage getreten, welche zwischen sehr 


funden. Meine Manuscriptsammlung von volksthümlichen Namen weist 
unter mehr als 40 Namen für diese Art in verschiedenen Sprachen oder 
Dialekten nicht einen einzigen analogen Namen auf. In seinem „Dietion- 
naire des plantes‘ (1770), S. 289, nennt Buchoz die Pflanze cassis oder 
cassetier des Poitevins. Der alte französische Name war poivrier oder gro- 
seillier noir. Das Wörterbuch von Larousse sagt, dass man geschätzte 
Liqueure in Cassis in der Provence anfertigte. Könnte dies der Ursprung 
des Namens sein ? 

1 Aitchison, Catalogue, S. 86. 

2 Lowe, Manual flora of Madeira, II, 20; Webb et Berthelot, Hist. 
nat. des Canaries, Géogr. bot., S. 48; Ball, Spicilegium florae marocea- 
nae, S. 565. 

3 Cosson, Bull. Soc. bot. France, IV, 107, und VII, 31; Grisebach, 
Spicilegium florae rumelicae, II, 71; Steven, Verzeichniss der taurischen 
Halbinseln, S. 248; Ledebour, Fl. ross., S. 38. 


Oelbaum. 351 


competenten Persönlichkeiten in einer Versammlung der 
Pariser Botanischen Gesellschaft stattfand.! Dieselben 
stützen sich auf die unwiderlegbare Thatsache, dass die 
Olivenkerne von den Vögeln häufig nach unbebauten und 
unfruchtbaren Gegenden gebracht werden, wo sich die 
wildwachsende Form des Oleaster weiter fortpflanzt 
und naturalisirt. 

Man hat die Frage nicht richtig gestellt, wenn man 
sich fragt, ob die Olivenbäume von dieser oder jener 
Localität wirklich spontan sind. Bei einer holzigen Art, 
welche ein sehr hohes Alter erreicht und von unten 
wieder austreibt, wenn irgendein Zufall den Stamm zum 
Fallen gebracht hat, ist es unmöglich, den Ursprung der 
Individuen nachzuweisen, welchen wir unsere Aufmerk- 
samkeit zuwenden. Durch Menschen oder Vögel können 
sie zu einer sehr alten Epoche gesäet worden sein, denn 
man kennt Oelbäume, die ein Alter von über 1000 Jahren 
aufweisen. Die Folge dieser Aussaaten ist eine Natu- 
ralisation, welche schliesslich mit einer Erweiterung des 
Wohnsitzes gleichbedeutend ist. Es wäre somit die 
Frage zu erörtern, welches das Vaterland der Art in 
sehr alten prähistorischen Zeiten gewesen ist, und wie 
sich dasselbe infolge aller möglichen Beförderungsweisen 
mehr und mehr ausgedehnt hat. Nicht durch den An- 
blick der jetzt bestehenden Oelbäume lässt sich diese 
Frage lösen. Wir müssen zu erfahren suchen, in welchen 
Ländern die Cultur angefangen hat und wie sie sich 
weiter verbreitete. Je älter sie in einer Region ge- 
wesen ist, um so wahrscheinlicher wird es, dass sich 
die Art seit den geologischen, der Thätigkeit des prä- 
historischen Menschen vorhergehenden Ereignissen, dort 
im wildwachsenden Zustande vorfand. 

Die ältesten hebräischen Bücher sprechen von dem 
wildwachsenden und angebauten Oelbaum Sait oder Zeit.? 
Er war einer der verheissenen Bäume des Landes Kanaan. 


1 Bulletin, IV, 107. 
2 Rosenmüller, Handbuch der biblischen Alterthumskunde, IV, 258, 
und Hamilton, Botanique de la Bible, S. 80, wo die Stellen angegeben sind. 


4 


352 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Die älteste Erwähnung findet sich in der Genesis, wo 
gesagt ist, dass Noah eine Taube fliegen liess, die ein 
Oelblatt zurückbrachte. Will man auf diese Ueber- 
lieferung, die von wunderbaren Nebenumständen be- 
gleitet ist, weitere Rücksicht nehmen, so dürfte hinzu- 
gefügt werden, dass sich der Berg Ararat der Bibel, 
pach den Entdeckungen neuerer Gelehrten, im Osten 
des jetzigen Ararat Armeniens, welcher früher Masis 
genannt wurde, befinden musste. Beim Studium des 
Textes der ‚Genesis‘ versetzt Francois Lenormand! den 
in Frage stehenden Berg bis zum Hindukusch und 
selbst bis an die Quellen des Indus. Dann befindet 
er sich aber, seiner Meinung nach, in der Nähe des 
Landes der Arier, und man kennt doch keinen Sanskrit- 
namen für den Oelbaum, selbst nicht einmal von dem 
Sanskrit, aus welchem die indischen Sprachen hervor- 
gingen.” Wenn der Oelbaum im Pendschab vorgekom- 
men wäre, wie es jetzt der Fall ist, würden die Ario- 
Indier ihm auf ihren Wanderungen nach Süden wahr- 
scheinlich einen Namen beigelegt haben, und wenn er 
in Mazanderan, südlich vom Kaspisee, wie gegenwärtig 
aufgetreten wäre, würden die westlichen Arier ihn viel- 
leicht gekannt haben. Diesen negativen Anzeichen lässt 
sich nur entgegenhalten, dass der wildwachsende Oel- 
baum nicht sehr dazu angethan ist, die Aufmerksamkeit 
auf sich zu lenken, und dass man vielleicht erst spät 
in diesem Theile Asiens auf den Gedanken verfallen ist, 
Oel aus seinen Früchten zu gewinnen. 

Nach Herodot? brachte Babylonien keine Oelbäume 
hervor, und bedienten sich seine Bewohner des Sesam- 
öls. Sicherlich war ein solches Land, welches oft über- 
schwemmt wurde, dem Oelbaume durchaus nicht günstig. 
Die Kälte schloss denselben von den höhern Plateaux 
und den Gebirgen Nordpersiens aus. 


1 Fr. Lenormand, Manuel de l’histoire ancienne de l’Orient (1869), 


2 Fick, Wörterbuch. Piddington, Index, erwähnt nur einen hindus- 
tanischen Namen, Julpai. 
3 Herodot, Hist., 1. 1, c. 19. 


Oelbaum. 393 


Es ist mir unbekannt, ob ein Zendname besteht, der 
semitische Name Sait muss aber auf ein hohes Alter- 
thum zurückgehen, denn er findet sich gleichzeitig im 
neupersischen Seitun! und im arabischen Zeitun, Sjetun?; 
auch im Türkischen und bei den Tataren der Krim findet 
er sich als Seitun? wieder, was auf einen turanischen 
Ursprung oder auf den sehr fern gelegenen Zeitpunkt 
der Vermischung semitischer und turanischer- Völker 
schliessen lassen könnte. 

Die alten Aegypter bauten den Oelbaum an, welchen 
sie Tat* nannten. Mehrere Botaniker haben das Vor- 
handensein von Zweigen und Blättern des Oelbaums in 
den Mumiensärgen nachgewiesen.” Nichts ist gewisseg 
als das, obgleich Hehn neuerdings das Gegentheil be- 
hauptete, ohne irgendeinen Beweis zur Begründung 
seiner Meinung vorzubringen.® Interessant würde es 
sein, zu erfahren, unter welcher Dynastie die ältesten 
Särge, in welchen man Oelzweige gefunden hat, beige- 
setzt wurden. Der von dem semitischen ganz verschie- 


dene ägyptische Name deutet ein den ersten Dynastien 


vorhergehendes Auftreten an. Ich werde sogleich auf 
eine Thatsache verweisen, die dieses hohe Alterthum 
weiter begründen kann. 

Nach Theophrast” gab es in Kyrene viele Oelbäume, 
man gewann dort viel Oel, doch sagt er nicht, ob die 
Art daselbst wildwachsend war, und der Umstand einer 


reichlichen Oelgewinnung lässt auf eine angebaute Va- 


rietät schliessen. Das niedrige und sehr warme Land 
zwischen Aegypten und dem Atlas dürfte kaum einer 
ausserhalb der Anpflanzungen eintretenden Naturalisation 
des Oelbaums günstig sein. Kralik, ein sehr sorgfäl- 


1 Boissier, Flora or., IV, 36. 

2 Ebn Baithar, deutsche Uebersetzung, S. 569; Forskal, Plantae 
Egypt., S. 49. 

3 Boissier, a. a. O.; Steven, a. a. O. 

4 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 45. 

5 De Candolle, Physiol. végét., S. 696; Al. Braun, à. a. O., S. 12; 
Pleyte, von Braun und Ascherson genannt, Sitzungsber. d. Naturforsch. 
Gesellsch. vom 15. Mai 1877. 

6 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 88, Z. 9. 

7 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 3, am Schluss. 


DE CANDOLLE. 23 


354 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


tiger Botaniker, hat ıhn auf seiner Reise in Tunis und 
Aegypten nirgends wildwachsend angetroffen !, obgleich 
er in den Oasen angebaut wird. Nach Schweinfurth 
und Ascherson, in ihrer Uebersicht der Flora der Nil- 
region?, zeigt sich der Oelbaum in Aegypten nur im 
angebauten Zustande. 

Das prähistorische Vaterland dehnte sich wahrschein- 
lich von Syrien nach Griechenland aus, denn der wild- 
wachsende Oelbaum ist an der Südküste Kleinasiens 
sehr gemein. Er bildet daselbst wirkliche Wälder.’ 
Da und im Archipel haben die Griechen zweifelsohne 
diesen Baum frühzeitig kennen gelernt; hätten sie ihn 
im eigenen Lande nicht gesehen, sondern ihn von se- 
mitischen Völkern erhalten, so würden sie ihm keinen 
besondern Namen, Elaia, beigelegt haben, aus welchem 
die Lateiner Olea machten. Die „Iliade“ und die 
„Odyssee“ erwähnen die Härte des Holzes vom Oel- 
baume, weisen auch auf den Gebrauch hin, sich den 
Körper mit seinem Oel einzureiben. Letzteres wurde 
allgemein zur Nahrung und Beleuchtung verwendet. 
Die Mythologie schrieb der Minerva die Anpflanzung 
des Oelbaums ın Attika zu, womit wahrscheinlich die 
Einführung angebauter Varietäten und passender Ver- 
fahrungsweisen zur Gewinnung des Oels gemeint ist. 
Aristäus hatte das Verfahren des Fruchtpressens einge- 
führt oder vervollkommnet. 

Dieselbe mythologische Persönlichkeit hatte angeblich 
den Oelbaum von Nordgriechenland nach Sicilien und 
Sardinien gebracht. Die Phönizier haben dies wol auch 
in ähnlicher Weise und sehr frühzeitig thun können, ich 
möchte aber doch zu weiterer Begründung der Ansicht, 
dass die Einführung der Art, oder doch einer ver- 
besserten Varietät, durch die Griechen erfolgt sei, noch 
bemerken, dass der semitische Name Zeit auf den Inseln 
des Mittelmeers keine Spur zurückgelassen hat. Es ist 


1 Kralik, in: Bull. Soc. bot. Fr., IV, 108. 
2 Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens, S. 281. 
3 Balansa, Bull. Soc. bot. de France, IV, 107. 


Oelbaum. 355 


der griechisch-lateinische Name, welcher dort wie in Ita- 
lien vorkommt!, während es an der benachbarten Küste 
Afrikas und in Spanien der ägyptische oder arabische 
Name ist, wie ich dies gleich näher erklären werde. 

Die Römer haben den Oelbaum später kennen lernen 
als die Griechen. Nach Plinius? wäre dies erst zur 
Zeit des Tarquinius Priscus im Jahre 627 v. Chr. ge- 
schehen, wahrscheinlich kam aber die Art wie in Griechen- 
land und auf Sicilien schon in Grossgriechenland vor. 
Plinius wollte überdfes vielleicht von dem angebauten 
Oelbaume sprechen. 

Es ist eine sehr eigenthümliche Thatsache, welche die 
Philologen weder bemerkt noch weiter erörtert haben, 
dass der berberische Name für den Oelbaum und seine 
Frucht, die Olive, in Uebereinstimmung mit dem Tat 
der alten Aegypter, Taz oder Tas zur Wurzel hat. 
Nach dem von der französischen Regierung veröffent- 
lichten französisch - berberischen Wörterbuche nennen 
die Kabylen von Algerien den wildwachsenden Oelbaum 
 Tazebboujt, Tesettha Ou’ Zebbouj, und den gepfropften 
Oelbaum Tazemmourt, Tazettha Ou zemmour. Die Tua- 
regs, ein anderer berberischer Volksstamm, sagen Ta- 
mahinet.® Dies sind gute Anzeichen von dem hohen 
Alter des Oelbaums in Afrika. Indem die Araber dieses 
Land eroberten und die Berbern nach den Gebirgen und 
der Wüste zurückdrängten, indem sie ebenfalls Spanien 
mit Ausnahme des Baskenlandes unterwarfen, sind die 
aus dem semitischen Zeit abgeleiteten Namen selbst 
in Spanien die vorwiegenden geblieben. Die Araber 
von Algerien sagen Zenboudje für den wildwachsenden, 
Zitoun für den angebauten Oelbaum®, und Zit für das 
Olivenöl. Die Andalusier nennen den wildwachsenden 
Oelbaum Azebuche und den angebauten Aceytuno.° In 
andern Provinzen werden gleichzeitig der Name latei- 


1 Moris, Flora sardoa, III, 9; Bertoloni, Flora ital., I, 46, 

2 Plinius, Hist., 1. 15, c. 1. 

3 Duveyrier, Les Touaregs du nord (1864), S. 179. 

4 Munby, Flore de l’Algérie, S. 2; Debeaux, Catal. Boghar, S. 6% 
5 Boissier, Voyage bot. en Espagne, 1. Aufl., II, 407. 


23* 


356 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


nischen Ursprungs, Olivio, und die arabischen Namen 
gebraucht.! Das Oel heisst im Spanischen aceyte, 
was beinahe der echt hebräische Name ıst; das zur letzten 
Oelung gebrauchte heisst aber oleos santos, weil es auf 
Rom Bezug hat. Die Basken bedienen sich des latei- 
nischen Wortes für den Oelbaum. 

Alte Reisende auf den Canarıschen Inseln, z. B. Bon- 
tier im Jahre 1403, erwähnen den Oelbaum auf diesem 
Archipel, wo die Botaniker der Neuzeit ihn als ein- 
heimisch ansehen.” Er kann von den Phöniziern ein- 
geführt worden sein, wenn er nicht schon früher dort 
vorkam. Man weiss nicht, ob dıe Guanchen Worte für 
Oelbaum und Oel besassen. In ihrem gelehrten Kapitel 
über die Sprache der Ureinwohner sprechen Webb und 
Berthelot nicht davon.” Man kann sich somit verschie- 
denen Vermuthungen hingeben. Es scheint mir, dass 
das Oel eine wichtige Rolle bei den Guanchen gespielt 
haben würde, wenn sie den Oelbaum besessen hätten, 
und dass dann irgendwelche Spur davon in der jetzigen 
volksthümlichen Sprache zurückgeblieben sein würde. 
Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Naturalisation 
auf den Canaren vielleicht nicht so alt als die Reisen 
der Phönizier. 

Kein Oelblatt ist bisjetzt in dem Tuffstein des süd- 
lichen Frankreich, Toscanas und Siciliens gefunden 
worden, wo man doch den Lorbeer, die Myrte und 
andere noch jetzt dort vorhandene Sträucher nachgewiesen 
hat. Bis der Gegenbeweis geliefert wird, ist dies ein 
Anzeichen späterer Naturalisation. 

Der Oelbaum gedeiht gut in trockenen Klimaten, 
welche mit dem von Syrien oder Algerien übereinstim- 
men. Er kann am Cap, in mehreren Regionen Amerikas, 
in Australien fortkommen, und zweifelsohne wird er 
dort spontan werden, wenn man ihn häufiger anpflanzen 
wird. Die Langsamkeit seines Wachsthums, die Noth- 


1 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., II, 672. 
2 Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Géogr, bot., S. 47 u. 48. 
3 Ebend., Ethnographie, S. 188, 


Sternapfel. 357 


wendigkeit, ihn zu pfropfen oder Ausläufer einer bessern 
Varietät zu wählen, besonders aber die Concurrenz 
anderer ölhaltiger Arten, haben bisjetzt seine Ausbrei- 
tung verzögert, ein Baum aber, der selbst auf dem un- 
dankbarsten Boden Erträgnisse liefert, kann nicht für 
immer in dieser untergeordneten Stellung verharren. 
Selbst in unserer Alten Welt, wo er seit Tausenden 
von Jahren auftritt, wird man seinen Ertrag verdoppeln, 
sobald man sich der Arbeit unterzieht, die wildwachsen- 
den Bäume, nach Art der Franzosen in Algerien, durch 
Pfropfen zu veredeln. 


Chrysophyllum Cainito, Linne. — Sternapfel (fr. 
Cainitier). 

Der Cainitier oder Caömitier, Star apple der Eng- 
länder, gehört zur Familie der Sapotaceen. Er bringt 
eine im tropischen Amerika recht geschätzte Frucht 
hervor; die Europäer legen ihr aber keinen grossen 
Werth bei. Ich glaube nicht, dass man damit umge- 
gangen ist, ihn nach den afrikanischen oder asiatischen 
Colonien einzuführen. In seiner „Flore des Antilles“, 
Bd. II, Taf. 9, hat Tussac eine gute Abbildung davon 
gegeben. 

Seemann! hat den Chrysophyllum Cainito in mehreren 
Gegenden des Isthmus von Panama wildwachsend ge- 
sehen. De Tussac, der sich auf San-Domingo ange- 
 siedelt hatte, betrachtete ıhn als wildwachsend in den 
Wäldern der Antillen, und Grisebach? sagt, dass er 
auf Jamaica, San-Domingo, Antigoa und Trinidad wild- 
wachsend und angebaut vorkommt. Vor ihm sah Sloane 
den Baum auf Jamaica als den Culturen entsprungen 
an, und Jacquin bediente sich eines unbestimmten Aus- 
drucks, indem er sagt: „Bewohnt Martinique und San- 
Domingo.“ à 


1 Seemann, Botany of Herald, S. 166. 
2 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 398. 
3 Sloane, Jamaïque, II, S. 170; Jacquin, Amer., S. 52. 


358 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Lucuma Caimito, Alph. de Candolle. 

Man darf diesen Caimito von Peru nicht mit dem 
Chrysophyllum Cainito von den Antillen verwechseln. 
Alle beide gehören zur Familie der Sapotaceen, aber 
ihre Blumen und Samen sind verschieden. In Ruiz und 
Pavon, „Flora peruviana“, Bd. III, Fig. 240, ist diese 
Art abgebildet. 

In Peru angebaut, hat man sie nach Ega am Ama- 
zonenstrome verpflanzt, desgleichen nach Para, wo sie 
gewöhnlich Ab? oder Abiu! genannt wird. 

Nach Ruiz und Pavon kommt sie in den heissen 
Theilen Perus, am Fusse der Anden, wildwachsend vor. 


Lucuma mammosa, Gärtner (fr. Mammei oder Mam- 
mei-Sapote). | 

Dieser ebenfalls zur Familie der Sapotaceen gehörende 
Fruchtbaum des tropischen Amerika hat in den bota- 
nischen Werken zu mehreren Irrthümern Veranlassung 
gegeben.” In vollständiger und befriedigender Weise 
ist er noch nicht abgebildet worden, weil die Colo- 
nisten und Reisenden ihn für zu bekannt halten, um 
sorgfältig gewählte Exemplare davon nach Europa zu 
schicken, welche man dann in den Herbarien beschreiben 
könnte. Diese Art von Vernachlässigung kommt übrigens 
ziemlich häufig vor, wenn es sich um angebaute Pflan- 
zen handelt. 

Der Mammei wird auf den Antillen und in einigen 
der heissern Regionen des amerikanischen Festlandes 
angebaut. Von Sagot hören wir, dass er es nicht in 
Cayenne ist, wol aber in Venezuela.? Ich glaube nicht, 
dass man ihn nach Afrika oder Asien, wenn nicht vielleicht 
nach den Philippinen, verpflanzt hat*, und zwar wahr- 
scheinlich wegen des schalen Geschmacks seiner Frucht. 

Humboldt und Bonpland fanden ihn wildwachsend in 


1 Flora brasil., V, 88. 

2 Siehe die Synonymie in Flora brasiliensis, VII, 66. 

3 Sagot, in: Journal Soc. d’hort. de France, 1872, S. 347. 

4 Blanco, Fl. de Filipinas, unter dem Namen Achras Lucuma. 


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Gemeiner Breiapfel. Essbarer Nachtschatten. 359 


den Wäldern der Missionen am Orinoco.! Alle Au- 
toren führen ihn auf den Antillen an, aber als ange- 
baut oder ohne hervorzuheben, dass er dort wildwach- 
send sei. In Brasilien findet man ihn ausschliesslich in 
den Gärten. 


Sapota Achras, Miller. — Sapotillbaum, gemeiner 
Breiapfel (fr. Sapotillier). 

Die Frucht des Sapotillbaums ist die geschätzteste 
aus der Familie der Sapotaceen und eine der besten 
der intertropischen Regionen. „Eine überreife Sapo- 
tillenfrucht“, sagt ne in seiner „Flore des An- 


 tilles“, „zerschmilzt auf der Zunge und enthält die 


süssen Düfte des Honigs, des Jasmins und der Mai- 
blume.“ Im „Botanical Magazine“, Taf. 3111 u. 3112, 
wird die Art sehr gut abgebildet, desgleichen in Tussac’s 
„Flore des Antilles“, Bd. I, Taf. 5. Schon zur Zeit von 
Rumphius und Rheede hat man sie in den Gärten der 
Insel Mauritius, des Asiatischen Archipels und Indiens 
eingeführt, ihr amerikanischer Ursprung wird aber von 


_ niemand bezweifelt. 


Mehrere Botaniker haben sie im spontanen Zustande 
in den Wäldern der Landenge von Panama, der Cam- 
pechebai?, Venezuelas®? und vielleicht Trinidads* ge- 
sehen. Zu Sloane’s Zeit kam sie auf Jamaica nur in 
den Gärten vor.’ Sehr zweifelhaft ist es, ob sie auf 
den andern Antillen wildwachsend auftritt, wenn auch 


hier- und dorthin ausgestreute Samen sie bis zu einem 


gewissen Grade naturalisirt haben. Nach Tussac er- 
fordern die jungen Bäumchen in den Anpflanzungen eine 


besondere Pflege. 


Solanum Melongena, Linne. Solanum esculentum, 
Dunal. — Essbarer Nachtschatten, Eierpflanze (fr. 
Aubergine). 


1 Nova genera, III, 240. 

2 Dampier et Lussan, in: Sloane, Jamaica, II, 172; Seemann, Bot. of 
Herald, S. 166. 

3 Jacquin, Amer., S. 59; Humboldt et Bonpland, Nova genera, III, 239. 

4 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 399. -5 Sloane, a. a. O. 


360 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Die Eierpflanze hat einen Sanskritnamen und mehrere 
Namen, welche Piddington in seinem „Index“ gleich- 
zeitig als sanskritische und bengalische ansieht, wie 
Bong, Bartaku, Mahoti, Hingoli. In seiner Ausgabe 
der indischen Flora von Roxburgh nennt Wallich Vartta, 
Varttaku, Varttaka, Bunguna, woraus das hindosta- 
nische Bungan entstanden ist. 

Danach lässt sich nicht bezweifeln, dass die Art in 
Indien seit einer sehr fern liegenden Zeit bekannt war. 
Rumphius hatte sie in den Gärten der Sunda-Inseln 
gesehen, und Loureiro in jenen Cochinchinas. Thunberg 
führt sie für Japan nicht an, obgleich jetzt mehrere 
Varietäten davon ın jenem Lande angebaut werden. 
Die Griechen und Römer kannten sie nicht, und kein 
Botaniker hat von ihr in Europa vor Anfang des 
17. Jahrhunderts gesprochen!, nach Afrıka hat sich ihre 
Cultur aber vor dem Mittelalter ausbreiten müssen. 
Der arabische Arzt Ebn Baithar?, ein Schriftsteller des 
13. Jahrhunderts, hat von ihr gesprochen, und er führt 
Rhazes an, welcher im 9. Jahrhundert lebte. Rauwolf? 
hatte die Pflanze gegen Ende des 16. Jahrhunderts in 
den Gärten von Aleppo gesehen. Man nannte sie Me- 
lanzana und Bedengiam. Dieser arabische Name, wel-. 
cher von Forskal Badindjan geschrieben wird, ist mit 
dem hindostanischen, von Piddington angeführten Bu- 
danjan übereinstimmend. Ein Anzeichen von hohem 
Alter in Nordafrika tritt uns in dem Namen Tabendjalts 
bei den Berbern oder Kabylen der Provinz Algerien * 
entgegen, und dieser Name entfernt sich ziemlich von 
dem arabischen. Neuere Reisende haben die angebaute 
Eierpflanze in der ganzen Nilregion und an der Guinea- 
küste angetroffen.” Man hat sie nach Amerika ver- 
pflanzt. 


1 Dunal, Histoire des Solanum, S. 209. 

2 Ebn Baithar, deutsche Uebersetzung, I, 116. 

3 Rauwolf, Flora orient., Ausg. Gröningen, S. 26. 

4 Dictionnaire français-berbère, von der französischen Regierung ver- 
öffentlicht. 

5 Thonning, unter dem Namen S. edule; Hooker, Niger Flora, S. 473. 


Rs { 


Spanischer oder Cayennepfeffer. 361 


Die angebaute Form des Solanum Melongena ist bis- 
jetzt noch nicht im wildwachsenden Zustande gefunden 
worden, die Botaniker stimmen aber ziemlich darin 
überein, Solanum insanum, Roxbureh, und S. inca- 
num, Linne, als zur selben Art gehörend anzusehen. 
Man fügt selbst, einem von Nees von Esenbeck nach 
zahlreichen Exemplaren gemachten Studium zufolge, 
noch andere Synonyma hinzu.! Nun scheint das Sola- 
num insanum-ın der Provinz Madras und in Tong-Dong 
bei den Birmanen wildwachsend gefunden worden zu 
sein. Das demnächstige Erscheinen der Solanaceen in 
der Flora von Britisch-Indien von Sir Joseph Hooker 
wird wahrscheinlich hierüber genauere Einzelheiten 
geben. 


Capsicum. — Spanischer oder Cayennepfeffer (fr. 


_Piments, Poivre de Cayenne). 


In den besten botanischen Werken ist die Gattung 
Capsicum von einer Menge angebauter Formen über- 
laden, welche man im wildwachsenden Zustande nicht 
kennt, und welche besonders durch die Dauer des Sten- 
gels unter sich verschieden sind — ein recht veränder- 


liches Merkmal — oder auch durch die Form der 


Frucht, ein ziemlich werthloses Charakteristicum bei 
den angebauten Pflanzen gerade bezüglich der Früchte. 
Ich will hier von zwei Arten sprechen, die am meisten 
angebaut werden, ich kann mich aber nicht enthalten, 
die Meinung auszudrücken, dass kein Capsicum ur- 
sprünglich der Alten Welt angehört. Ich halte sie 
alle amerikanischen Ursprungs, ohne dies in vollstän- 
diger Weise beweisen zu können. Hier meine Gründe. 
Derartige ins Auge fallende Früchte, die so leicht in 
den Gärten heranzuziehen sind und einen den Bewohnern 
heisser Länder so angenehmen Geschmack besitzen, 
würden sich sehr rasch in der Alten Welt verbreitet 


1 Transactions of the Linnean Society, XVII, 48; Baker, Flora of 
Mauritius, S. 215. 


362 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


haben, wenn sie im südlichen Asien, wie bisweilen an- 
genommen wird, vorgekommen wären. Sie würden Na- 
men in mehreren der alten Sprachen haben. Indessen 
waren sie weder den Römern, Griechen, noch selbst den 
Hebräern bekannt. In den alten chinesischen Büchern 
werden sie nicht erwähnt.! Zur Zeit von Cook’s Reise 
bauten die Bewohner der Südseeinseln sie nicht an?, 
trotzdem die Sunda-Inseln ihnen so nahe liegen, wo 
Rumphius. auf ihren sehr gewöhnlichen Gebrauch hin- 
weist. Der arabische Arzt Ebn Baithar, welcher ım 
13. Jahrhundert alles gesammelt hat, was die Orientalen 
über die medicinisch wichtigen Pflanzen gesagt hatten, 
spricht nicht von ihnen. 

Roxburgh kannte für Capsicum keinen Sanskrit- 
namen. Später hat Piddington für Capsicum fru- 
tescens einen Namen, Bran-maricha, angeführt, welcher 
nach ihm dem Sanskrit angehören soll®?; ist aber 
dieser Name, welcher auf einer Vergleichung mit dem 
schwarzen Pfeffer beruht (Muricha, Murichung), im der 
That ein alter? Wie käme es, dass er in den indischen, 
vom Sanskrit abgeleiteten Sprachen keine Spur zurück- 
gelassen hätte? 4 

Die spontane, alte Eigenschaft der Capsicum bleibt 
wegen der Häufigkeit der Culturen immer ungewiss; in 
Asien scheint sie mir aber häufiger zweifelhaft zu sein 
als in Südamerika. Die von den zuverlässigsten Au- 
toren beschriebenen indischen Exemplare stammen fast 
alle aus den Herbarien der Ostindischen Compagnie, 
bei welchen man nie weiss, ob eine Pflanze wirk- 
lich wildwachsend erschien, ob sie von menschlichen 
Wohnplätzen entfernt auftrat, in den Wäldern ihren 
Standort hatte u. s. w. Bezüglich der Localitäten im 
Indischen Archipel geben die Autoren häufig Schutt- 
haufen, Hecken und ähnliche Fundstätten an. 


1 Bretschneider, On the study etc., S. 17. 

2 Forster, De plantis esculentis insularum etc. 
3 Piddington, Index. 

4 Piddington, unter dem Worte Capsicum. 


Spanischer Pfeffer, Guineapfeffer. 365 


Wir wollen jetzt jede der gewöhnlich angebauten 
Arten einer nähern Prüfung unterwerfen. 


Capsicum annuum, Linne. — Spanischer, türkischer, 
indischer Pfeffer, Schotenpfeffer, Beissbeere (fr. Piment 
annuel). 


Diese Art hat in unsern europäischen Sprachen eine 
Menge verschiedener Namen erhalten!, welche alle auf 
einen fremden Ursprung und auf die Geschmacksähn- 
lichkeit mit dem Pfeffer hinweisen. In Frankreich 
nennt man ihn oft Guineapfeffer oder auch brasilianischer, 
indischer Pfeffer u. s. w., welchen Bezeichnungen man 
unmöglich irgendwelchen Werth beilegen kann. Die 
Cultur dieser Art hat sich in Europa seit dem 16. Jahr- 
hundert verbreitet. Es ist eine der Pfeffersorten, welche 
Piso und Marcgraf? in Brasilien unter dem Namen 


- Quija oder Quiya angebaut gesehen hatten. Ueber die 


Abstammung sagen sie nichts. Seit sehr langer Zeit 
scheint die Art auf den Antillen angebaut worden zu sein, 
wo man sie unter mehreren karaibischen Namen kennt.? 

Die Botaniker, welche sich am meisten mit Cap- 
sicum®* beschäftigt haben, scheinen in den Herbarien 
nicht ein einziges Exemplar angetroffen zu haben, wel- 
ches man als spontan ansehen könnte, und ich bin 
hierin nicht glücklicher gewesen. 

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Brasilien das ur- 
sprüngliche Heimatland. 

Das C. grossum, Willdenow, scheint eine Form der- 
selben Art. Man baut es in Indien unter dem Namen 
Kafree-murich und Kaffree-chilly an; Roxburgh glaubte 
aber nicht an seinen indischen Ursprung.° 


Capsicum frutescens, Willdenow. — Strauchartige 
Beissbeere, Guinea- oder Vogelpfeffer (fr. Piment ar- 
brisseau). 


1 Nemnich, Lexicon, gibt 12 französische und 8 deutsche Namen an. 

2 Piso, S. 107 ; Marcgraf, S. 39. 

3 Descourtilz, ‘Flore médicale des Antilles, Bd. VI, Taf. 423. 

4 Fingerhuth, CPE gen. Capsici, 8. 12; Sendtner, in: Flora 
brasil., X, 147. 5 Roxburgh, Fl. ind., ed. Wall., FE 260; (1832), II, 574, 


564 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Diese Art, welche höher und am Grunde holziger ist, 
als ©. annuum, wird allgemein in den heissen Re- 
gionen der Neuen und der Alten Welt angebaut. Aus 
ihr wird die grösste Menge des Cayennepfeffers für 
den Gebrauch der Engländer gewonnen, dieser Name 
bezieht sich aber zuweilen auch auf die Erzeugnisse 
anderer dieser Pflanzen. 

Roxburgh, bekannt als der Autor, welcher dem Ur- 
sprunge der indischen Pflanzen die meiste Aufmerksam- 
keit zugewendet hat, führt diese Art für Indien durch- 
aus nicht als spontan an. Nach Blume hat sie sich im 
Indischen Archipel in den Hecken naturalisirt.! 

Dagegen hat man sie in Amerika, wo sie seit alters 
angebaut wird, mehrere mal mit den Anzeichen einer 
einheimischen Pflanze angetroffen. Martius brachte sie 
mit von den Ufern des Amazonenstroms, Pöppig aus der 
Provinz Maynas des östlichen Peru, und Blanchet aus 
der Provinz Bahia.” Somit dehnt sich das Vaterland 
von Bahia bis zum östlichen Peru aus, was die Aus- 
breitung in Südamerika im allgemeinen erklärt. 


Lycopersicum esculentum, Miller. — Liebesapfel, Pa- 
radiesapfel, Tomate (fr. Tomate). 

Die Tomate oder der Liebesapfel gehört zu einer 
Gattung von Solanaceen, deren Arten alle amerikanisch 
sind.” Weder in den alten Sprachen Asiens, noch selbst 
in den neuern indischen Sprachen findet sich ein Name 
für dieselben angegeben.* Zu Zeiten Thunberg’s, d. h. vor 
einem Jahrhundert, wurde sie in Japan noch nicht an- 
gebaut, und aus dem Schweigen der alten Schriftsteller 
über China geht hervor, dass ıhre Einführung nach 
jenem Lande neuern Datums ist. Rumphius° hatte sie 
in den Gärten des Asiatischen Archipels gesehen. Die 
Malaien nannten sie Tomatte, dies ist aber ein ameri- 


1 Blume, Bijdr., II, 704. 2 Sendtner, in: Flora bras., X, 143. 
3 Alph. de Candolle, Prodr., XIII, ı, 26. 

4 Roxburgh, Flora indica (1832), I, 565; Piddington, Index. 

5 Rumphius, Amboin., V, 416. 


Liebesapfel, Paradiesapfel, Tomate. 365 


kanischer Name, denn C. Bauhin bezeichnet die Art als 
Tumatle Americanorum. Nichts lässt darauf schliessen, 
dass sie vor der Entdeckung Amerikas in Europa be- 
kannt war. 

Die ersten von den Botanikern im 16. Jahrhundert 
ihr beigelegten Namen lassen vermuthen, dass man die 
Pflanze von Peru erhalten hatte! Auf dem amerika- 
nischen Festlande wurde sie früher angebaut als auf 
den Antillen, denn Sloane führt sie für Jamaica nicht 
an, und Hughes? berichtet, dass sie vor kaum mehr als 
einem Jahrhundert von Portugal nach Barbadoes ge- 
bracht wurde. Humboldt betrachtete die Cultur der 
Tomaten in Mexico als alt.” Ich bemerke jedoch, dass 
das erste Werk über die Pflanzen jenes Landes (Her- 
nandez, „Historia“) die Pflanze nicht erwähnt. Die 
ersten Autoren über Brasilien, Piso und Marcgraf, 
sprechen ebenfalls nicht von ihr, obgleich die Art jetzt 
im ganzen intertropischen Amerika angebaut ist. Wir 
kommen somit durch Rückschluss zu der Ansicht eines 
peruvianischen Ursprungs zurück, wenigstens hinsicht- 
lich der Cultur. 

Martius* hat die spontane Pflanze in der Umgegend 
von Rio de Janeiro und Para gefunden, sie war aber 
vielleicht den Gärten entsprungen. Mir ist kein Botaniker 
bekannt, welcher sie wirklich wildwachsend in dem uns 
bekannten Zustande mit ihren mehr oder minder grossen, 
beuligen, an den Seiten ausgebauchten Früchten angetroffen 
hätte; anders verhält es sich mit der sphärischen, klein- 
früchtigen Form, die in einigen botanischen Werken L, 
cerasiforme genannt wird, in andern dagegen, und wie mir 
scheint mit Recht, als zu derselben Art gehörig angesehen 


1 Mala peruviana, Pomi del Peru, in: Bauhin, Hist., III, 621. 

2 Hughes, Barbadoes, S. 148. 

3 Humboldt, Nouv.-Espagne, 2. Aufl., II, 472, 

4 Flora brasil., X, 126. 

5 Die Grössenverhältnisse des Kelches und der Blumenkrone sind die- 
selben wie bei der angebauten Tomate, sie sind aber verschieden bei der 
verwandten Art Z. Humboldti, deren Früchte nach Humboldt ebenfalls 
een werden, und. welche er wildwachsend in Venezuela gefun- 

en hat. 


366 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


wird. Dieselbe ist im Küstengebiet Perus!, in Tarapaca, 
ım östlichen Peru? und an den Grenzen Mexicos und der 
Vereinigten Staaten nach Californien hin? wildwachsend. 
Sie naturalisirt sich zuweilen auf den Abfällen in der 
Nähe der Gärten.* Auf diese Weise hat sich ihr Wohn- 
sitz in Peru wahrscheinlich nach Nord und Süd aus- 
gebreitet. 


Persea gratissima, Gärtner. — Aguacatebaum, Ad- 
vogatobaum (fr. Avogatier). 

Der Avocat, Alligator pear der Engländer ist eine 
der geschätztesten Früchte der Tropenländer; er gehört 
zur Familie der Lauraceen. Im Ansehen gleicht er 
einer Birne mit einem grossen Kern, wie sich dies 
aus den in Tussac, „Flore des Antilles“, III, Fig. 3, 
und im „Botanical Magazine“, Taf. 4580, veröffent- 
lichten Abbildungen ersehen lässt. 

Nichts ist lächerlicher als seine volksthümlichen Na- 
men. Alligator pear kommt wer weiss wo her. Avocat 
ist die Verstümmelung eines mexicanischen Namens 
Ahuaca oder Aguacate. Der botanische Name Persea 
hat nichts gemein mit dem Persea der Griechen, welches 
eine Cordia war. 

Nach Clusius®, im Jahre 1601, war der Advogatobaum 
ein amerikanischer Fruchtbaum, der nach Spanien in 
einen Garten eingeführt worden war; da sich derselbe 
aber in den Colonien der Alten Welt sehr verbreitet 
hatte, und dort zuweilen fast spontan wurde®, so kann 
man sich über seinen Ursprung täuschen. Zu Anfang 
des 19. Jahrhunderts fand sich dieser Baum noch nicht 
in den Gärten von Britisch-Indien. Man hatte ihn gegen 
Mitte des 18. Jahrhunderts nach den Sunda-Inseln ge- 


1 Ruiz et Pavon, Flora peruv., II, 37. 

2 Spruce, Nr. 4143, im Herbarium Boissier. 

3 Asa Gray, Bot. of California, I, 538. 

4 Baker, Flora of Mauritius, S. 216. 

5 Clusius, Historia, S. 2. 

6 Z. B. auf Madeira, nach Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 280 
auf den Inseln Mauritius, den Seychellen und Rodriguez, nach Baker, 
Flora, S. 290. 


Gemeiner Melonen- oder Papayabaum. 367 


bracht!, und im Jahre 1750 nach Mauritius und 
Bourbon.? 

In Amerika ist der jetzige Wohnsitz der spontanen 
Pflanze ganz besonders ausgedehnt. Man hat die Art 
in den Wäldern, an Flussufern, im Küstengebiet von 
Mexico und den Antillen bis nach der Amazonenregion 
gefunden.* Nicht immer hat sie diese grosse Ausdeh- 
nung gehabt. P. Browne sagt ganz bestimmt, dass der 
Advogatobaum vom Festlande nach Jamaica eingeführt 
wurde, und Jacquin glaubte dasselbe für die Antillen 
im allgemeinen.* Piso und Marcgraf haben ihn für 
Brasilien nicht erwähnt, und von Martius wird kein 
brasilianischer Name angegeben. 

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas war der Advo- 
gatobaum nach Hernandez in Mexico gewiss angebaut 
und einheimisch. Nach Acostaÿ baute man ihn in Peru 
unter dem Namen Palto an, was der Name eines 
Volks ım östlichen Peru war, woselbst er massenhaft 
vorkam.° Ich kann keinen Beweis vorbringen, dass er 
auf dem peruanischen Küstengebiete spontan war. 


Carica Papaya, Linne. Papaya vulgaris, de Can- 
dolle. — Gemeiner Melonen- oder Papayabaum (fr. 
Papayer). 

Dies ist eher eine grosse perennirende Pflanze, als 
ein wirklicher Baum. Der saftreiche Stamm läuft nach 
Art des Baumkohls in einen Büschel Blätter aus, 
und die melonenähnlichen Früchte hängen unterhalb 
der Blätter herab.” Der Melonenbaum wird jetzt in 
allen Tropenländern selbst bis zum 30.—32. Breitengrade 


1 Findet sich nicht bei Rumphius. 2 Aublet, Guyane, I, 364. 

3 Meissner, in: Prodromus, XV, 1, 52, und Flora brasil., Ÿ, 158. Für 
Mexico: Hernandez, S. 89. Für Venezuela und Para: Nees, Laurineae, 
S. 129. Für das östliche Peru: Pöppig, Exsicc., von Meissner gesehen. 

4 P. Browne, Jamaica, S. 214; Jacquin, Obs., 351.38. 

5 Acosta, Hist. nat. des Indes (1598), S. 176. 

6 Laet, Hist. nouv. monde, I, 325, 341. 

7 Vgl. die guten Abbildungen von Tussac, Flore des Antilles, III, 45, 
Taf. 10 u. 11. Der Melonenbaum gehôrt zu der kleinen Familie der Pa- 
payaceen, die von einigen Botanikern zu den Passifloraceen und von an- 
dern zu den Bixaceen gebracht wurde. 


368 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


angebaut. Ausserhalb der Anpflanzungen naturalisirt er 
sich leicht. Dies ist einer der Gründe, weshalb man 
ihn asiatischen oder afrikanischen Ursprungs hielt, und 
bei dieser Meinung auch noch beharrt, trotzdem Robert 
Brown und ich in den Jahren 1818 und 1855 seinen 
amerikanischen Ursprung nachgewiesen haben.! Ich 
will hier die Gründe gegen den angenommenen alt- 
weltlichen Ursprung wiederholen. 

Die Art hat keinen Sanskritnamen. In den neuern 
Sprachen Indiens nennt man sie nach dem amerika- 
nischen Namen Papaya, welcher vom karaibischen Na- 
men Ababai abgeleitet wird.” Nach Rumphius* glaubten 
die Eingeborenen des Indischen Archipels, dass sie aus- 
ländischen Ursprungs und von den Portugiesen einge- 
führt sei, sie legten ıhr Namen bei, die entweder die 
Aehnlichkeit mit andern Pflanzen oder eine Einführung 
vom Auslande andeuten sollten. Zu Anfang des 18. Jahr- 
hunderts führt Sloane* mehrere seiner Zeitgenossen an, 
denen zufolge man sie von Westindien nach Asien und 
Afrika gebracht hatte. , Forster hatte sie auf Cook’s 
Reise nicht in den Anpflanzungen der Südseeinseln ge- 
sehen. Loureiro® hatte sie zu Mitte des 18. Jahrhun- 
derts unter den Culturen Chinas, Cochinchinas und 
Zanzibars angetroffen. Eine so gewinnbringende und 
so besonders aussehende Pflanze würde sich seit Tau- 
senden von Jahren in der Alten Welt verbreitet haben, 
wenn sie überhaupt dort vorgekommen wäre. Alles 
trägt zu der Annahme bei, dass sie seit der Ent- 
deckung Amerikas nach den West- und Ostküsten von 
Afrika und Asien eingeführt wurde. 

Alle Arten der Familie sind amerikanisch. Diese 
muss von Brasilien bis zu den Antillen und bis nach 
Mexico vor Ankunft der Europäer angebaut worden 


1 R. Brown, Botany of Congo, S. 52; A. de Candolle, Géographie bot 
raisonnée, S. 917. 

2 Sagot, Journal de la Société centrale d’horticulture de France, 1872. 

3 Rumphius, Amboin., I, 147. 

4 Sloane, Jamaica, S. 165. 

5 Loureiro, Flora Cochinch., S. 772. 


Gemeiner Melonen- oder Papayabaum. 369 


sein, weil die ersten Schriftsteller über die Erzeugnisse 
der Neuen Welt von ihr gesprochen haben.! 

Marcgraf hatte oft männliche Pflanzen (immer zahl- 
reicher als die weiblichen) in den Wäldern Brasiliens 
gesehen, während sich die weiblichen Exemplare in den 
Gärten befanden. Ciusius war der erste, welcher eine 
Abbildung von der Pflanze gab?; er berichtet, dass 
diese Zeichnung „in der Bai von Todos Santos“ (Pro- 
vinz Bahia) im Jahre 1607 gemacht worden sei. Ich 
kenne keinen neuern Botaniker, welcher den Wohnsitz 
in Brasilien bestätigt hätte. Martius erwähnt die Art 
nicht in seinem Wörterbuche über die Fruchtnamen in 
der Tupisprache.? Für Guyana und Columbia wird 
sie nicht als spontan aufgeführt. Im Gegensatz hierzu 
bestätigt P. Browne* die spontane Eigenschaft auf Ja- 
maica, und vor ihm hatten Ximenes und Hernandez dies 
für San-Domingo und Mexico gethan. Oviedo? scheint 
den Melonenbaum in Centralamerika gesehen zu haben, 
und er führt für Nicaragua den volksthümlichen Namen 
‚Olocoton an. Indessen betrachen die Herren Correa de 
Mello und Spruce, nachdem sie in der Amazonenregion, 
in Peru und anderswo viele Pflanzen gesammelt hatten, 
in ihrer wichtigen Arbeit über die Papayaceen die An- 
tillen als ursprüngliches Vaterland des Melonenbaums 
und halten dafür, dass derselbe nirgendwo auf dem 
Festlande wildwachsend sei. Ich habe Exemplare ge- 
-sehen®, die von den Mündungen des Flusses Manate in 
Florida, von Puebla in Mexico und Columbia kamen; 
auf den Etiketten findet sich aber keine Bemerkung 
über die spontane Eigenschaft. Wie man sieht, sind 


1 Marcgraf, Brasil., S. 103, und Piso, S. 159, für Brasilien; Ximenes, 
in: Marcgraf et Hernandez, Thesaurus, S. 99, für Mexico; letzterer für 
San-Domingo und Mexico. 

2 Clusius, Curae posteriores, S. 79, 80, 

3 Martius, Beiträge zur Ethnographie, II, 418. 

4 P. Browne, Jamaica, 2. Aufl., S. 360. Die erste Ausgabe, welche ich 
nicht gesehen habe, ist vom Jahre 1756. 

5 Was Oviedo darüber sagt, ist von Correa de Mello und Spruce ins 
Englische übersetzt worden im Journal of the Proceedings of the Linnean 
Society, X, 1. 

6 Prodromus, XV, 1, 414. 


DE CANDOLLE. 94 


370 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


die Anzeichen für die Gestade des Mexicanischen Golfs 
und für die Antillen sehr zahlreich. Der sehr verein- 
zelte Wohnsitz in Brasilien ist verdächtig. 


Ficus Carica, Linne. — Feigenbaum (fr. Figuier). 

Die Geschichte des Feigenbaums zeigt in Bezug auf 
den Ursprung und die geographischen Grenzen viele 
Uebereinstimmung mit jener des Oelbaums. Die Aus- 
breitung seines Wohnsitzes hat infolge der Ausstreuung 
der Samen mit der Ausbreitung der Cultur gleichen 
Schritt halten können. Die Wahrscheinlichkeit hierfür 
liegt vor, denn die Samen gehen unversehrt durch die 
Verdauungsorgane der Menschen und der Thiere hin- 
durch. Es lassen sich jedoch Länder anführen, in 
welchen der Feigenbaum seit wenigstens 100 Jahren 
angebaut wird, ohne sich auf diese Weise naturalisirt 
zu haben. Ich will nicht von Europa im Norden der 
Alpen sprechen, wo der Baum besondere Pflege er- 
heischt und seine Früchte schlecht reifen, selbst die, 
welche zuerst gepflückt werden, sondern z. B. von In- 
dien, dem Süden der Vereinigten Staaten, der Insel 
Mauritius und Chile, wo, nach dem Stillschweigen der 
Autoren von Floren, die Thatsachen eines mehr oder 
minder spontanen Auftretens selten zu sein scheinen. 

Heutzutage ist der Feigenbaum in einer weiten Re- 
gion spontan oder fast spontan, von welcher Region 
Syrien ungefähr die Mitte bildet, nämlich vom östlichen 
Persien oder selbst von Afghanistan durch die ganze 
Mittelmeerregion hindurch bis nach den Canarischen 
Inseln.! Von Süden nach Norden varlirt diese Zone je 
nach den localen Umständen vom 25. bis zum 40.—42. 
Breitengrade. Im allgemeinen bleibt der Feigenbaum 
wie der Oelbaum am Fusse des Kaukasus und der Ge- 
birge Europas, welche das Mittelmeerbecken begrenzen, 
stehen, er zeigt sich aber in fast spontanem Zustande, 


1 Boissier, Flora orientalis, IV, 1154; Brandis, Forest Flora of India, 
S. 418; Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Botanique, III, 257. 


Ber 


Feigenbaum. Dt 


dank der Milde der Winter, an der Südwestküste 
Frankreichs.! 

Wir wollen sehen, ob die historischen und linguisti- 
schen Schriftstücke im Alterthum einen weniger ausge- 
dehnten Wohnsitz vermuthen lassen. 

Die alten Aegypter nannten die Feige Teb?, und die 
ältesten Bücher der Hebräer sprechen von dem wild- 
wachsenden oder angebauten Feigenbaume unter dem 
Namen Teenah*, von welchem sich eine Spur in dem 
arabischen Tnt wiederfindet. Der persische Name, 
Unjir ist ganz verschieden; ich weiss aber nicht, ob 
derselbe auf die Zendsprache zurückzuführen ist. Pid- 
dington erwähnt in seinem „Index“ einen Sanskritnamen 
Udumvara, welchen Roxburgh, der bei diesen Fragen 
sehr sorgfältig verfährt, nicht anführt, und welcher, 
nach den vier von diesen Autoren genannten Namen zu 
urtheilen, keine Spur in den neuern Sprachen Indiens 
zurückgelassen hätte. Das sehr alte Vorkommen im 
Osten Persiens scheint mir ein wenig zweifelhaft, bis 
der dem Sanskrit zugeschriebene Name weiter geprüft 
worden sei. Die Chinesen haben den Feigenbaum von 
Persien erhalten, aber erst ım 8. Jahrhundert unserer 
Zeitrechnung.” Herodot® berichtet, dass es den Persern 
nicht an Feigen fehlte, und Reynier, welcher über die 
Gebräuche dieses alten Volkes sehr gewissenhafte For- 
schungen angestellt hat, erwähnt den Feigenbaum nicht. 
Dies beweist nur, dass die Art nicht verwerthet und 


1 Graf von Solms-Laubach hat in einer gelehrten Abhandlung (Her- 
kunft, Domestication u. s. w. des Feigenbaums, 1882) derartige Thatsachen 
an Ort und Stelle nachgewiesen, wie sie schon von verschiedenen Autoren 
angegeben worden waren. Er hat keine mit Embryonen ausgestatteten 
Samen gefunden (S. 64), was er der Abwesenheit des Insekts (Blastophaga) 
zuschreibt, welches gewöhnlich auf dem wildwachsenden Feigenbaume 
lebt und die Befruchtung von einer Blume zur andern im Innern der 
Frucht begünstigt. Es wird jedoch behauptet, dass die Befruchtung zu- 
weilen ohne Mitwirkung des Insekts vor sich geht. 

2 Chabas, Mélanges égyptol., Serie 3 (1873 3), 1292 

3 Rosenmüller, Bibl. Âlterthumskunde, I, 285; Reynier, Économie pu- 
blique des Arabes” et des Juifs, S. 470 (für die Mischna). 

4 Forskal, Fl. aegypt.-arab., S. 125. Herr de Lagarde (Revue crit. 
d’hist., 27. Febr. 1882) sagt, dass dieser ee Name sehr alt ist. 

5 Bretschneider, in: Solms, 22.0. 5.93% 6 Herodot, I, 71. 


24* 


312 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


angebaut wurde, vielleicht aber im wildwachsenden Zu- 
stande dort vorkam. 

Die Griechen nannten den wildwachsenden Feigenbaum 
Erineos, und die Lateiner Caprificus. Homer erwähnt 
in der „Iliade‘“ ein Exemplar dieses Baumes, welches 
sich in der Nähe von Troja befand.! Hehn behauptet?, 
dass der angebaute Feigenbaum nicht vom wildwachsen- 
den Feigenbaume abstammen kann, alle Botaniker sind 
aber entgegengesetzter Meinung’, und ohne von den 
einzelnen Blütentheilen zu sprechen, auf welche sie sich 
stützen, will ich nur sagen, dass Gussone ganz dieselben 
Samen von Exemplaren der Caprificusform und der an-. 
dern gewonnen hat.* Die von mehreren Gelehrten ge- 
machte Bemerkung, dass in der „lliade‘“ nicht von der 
angebauten Feige, Sukai, die Rede ist, beweist somit 
nicht das Fehlen des Feigenbaums in Griechenland zur 
Zeit des Trojanischen Krieges. In der „Odyssee“ da- 
gegen wird die süsse Feige von Homer erwähnt, und 
zwar noch in einer sehr unklaren Weise. Hesiod, 
sagt Hehn, spricht nicht von ihr, und Archilochus 
(700 Jahre v. Chr.) ist der erste, welcher die Cultur 
bei den Griechen in Paros deutlich erwähnt hat. Da- 
nach fand sich die Art vor Einführung der aus Asien 
stammenden angebauten Varietäten wildwachsend in 
Griechenland, wenigstens im Archipel. Theophrast und 
Dioscorides sprechen von wildwachsenden und ange- 
bauten Feigenbäumen.’ 

Romulus und Remus waren, der Sage nach, unter 


1 Lenz, Botanik der Griechen, S. 421, eitirt vier Verse aus Homer, Vgl. 
auch Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 34. 

2 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 513. : 

3 Man muss sich nicht an die übertriebenen Unterabtheilungen halten, 
welche Gasparino bei Ficus Carica, Linne, aufstellte. Die Botaniker, 
welche nach ihm den Feigenbaum zu ihrem Studium gemacht haben, lassen 
nur eine Art gelten und zählen bei dem wildwachsenden Feigenbaume 
mehrere Varietäten auf. Für die angebauten Formen sind diese un- 
zählbar. 

4 Gussone, Enum. plant. Inarimensium, S. 301. 

5 Für die Gesammtgeschichte des Feigenbaums und des etwas zweifel- 
haften Verfahrens, nämlich die mit Insekten behafteten Caprificus- 
Stämme zwischen den angebauten zu verbreiten, siehe die Abhandlung 
des Grafen Solms. 


Feigenbaum. 31a 


einem Ficusstamme, welchen man rwminalis, von rumen 
(Brust, Zitze) nannte, gesäugt worden.! Der lateinische 
Name Ficus, welchen Hehn mit Anstrengung grosser Ge- 
lehrsamkeit vom griechischen Sukai ableitet?, lässt eben- 
falls auf ein altes Vorkommen in Italien schliessen, und 
die hierauf bezügliche Meinung des Plinius ist bestimmt. 
Die guten angebauten Varietäten wurden später bei 
den Römern eingeführt. Sie kamen von Griechenland, 
Kleinasien und Syrien. Zu Tiberius’ Zeiten kamen, wie 
noch heute, die besten Feigen vom Orient. 

Wir haben in der Schule gelernt, wie Cato in einer 
Senatsversammlung Feigen von Karthago, die noch frisch 
waren, vorlegte, um damit auf die Nähe des Landes 
hinzuweisen, welches er hasste. Durch die Phönizier 
waren jedenfalls gute Varietäten nach der Küste Afrikas 
und den andern Colonien des Mittelmeers, selbst bis 
nach den Canarischen Inseln gelangt, der wildwachsende 
Feigenbaum kann aber schon früher in diesen Ländern 
aufgetreten sein. 

In Bezug auf die Canaren bietet sich uns ein Beweis 
hierfür in den Guanchenamen, Arahormaze und Achor- 
maze für die frischen Feigen, T'aharemenen und Teha- 
hunemen für die getrockneten. Den Gelehrten Webb 
und Berthelot?, welche diese Namen angeführt haben, 
und welche behauptet hatten, dass die Guanchen und 
Berbern ein und desselben Ursprungs seien, würde es 
eine Genugthuung gewesen sein, zu sehen, dass die 
Tuaregs, ein berberischer Volksstamm, den Feigen- 
baum als Tahart kannten*, gleichwie sich in dem 
später veröffentlichten französisch-berberischen Wörter- 
buche die Namen Tabeksist für die frische Feige und 
Tagrourt für den Feigenbaum befinden. "Diese alten 
Namen, die einen ältern und localern Ursprung haben 


1 Plinius, Hist., 1. 15, c. 18. 

2 Hehn, a. a. O., S. 512. 

3 Webb et Berthelot, a. a. O.; Ethnographie, S. 186, 187; Phytogra- 
phie, III, 257. 

4 Nach Duveyrier, Les Touaregs du nord, S. 193. 


374 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


als der arabische, sprechen zu Gunsten eines sehr alten 
Wohnsitzes in Nordafrika bis nach den Canaren. 

Durch unsere Untersuchungen gelangen wir somit 
dahin, dem Feigenbaume die mittlere und südliche Re- 
gion des Mittelmeers, von Syrien bis nach den Canaren 
als prähistorischen Wohnsitz anzuweisen. 

Ueber das hohe Alter der jetzt sich im südlichen 
Frankreich befindenden Feigenbäume kann man Zweifel 
hegen; es muss aber eine sehr seltsame Thatsache hier 
erwähnt werden. Planchon fand nämlich in dem quater- 
nären Tuffstein von Montpellier, und der Marquis de 
Saporta! in jenem der Aygaladen nahe bei Montpellier, 
sowie in dem quaternären Terrain von La Celle in 
der Nähe von Paris Blätter und selbst Früchte des 
wildwachsenden Ficus Carica mit Zähnen des Elephas 
primigenius und Blättern von Gewächsen, von denen 
einige nicht mehr vorkommen, während andere, wie Laurus 
canariensis, sich noch auf den Canarischen Inseln finden. 
Somit ist der Feigenbaum vielleicht unter seiner jetzigen 
Form in einer so fern gelegenen Zeit vorgekommen. Es 
ist möglich, dass er in Südfrankreich zu Grunde ge- 
gangen ist, wie dies sicherlich bei Paris eingetreten ist; 
später würde er dann nach den Gegenden des Südens 
als wildwachsende Pflanze zurückgekehrt sein. Vielleicht 
stammten die Feigenbäume, von welchen Webb und 
Berthelot in den wildesten Localitäten der Canaren 
Exemplare gesehen hatten, von jenen ab, welche zur 
Diluvial- und Alluvialperiode vorkamen. 


Artocarpus incisa, Linne. — Echter Brotbaum (fr. 
arbre à Pain). 

Der Brotbaum wurde auf allen dem Aequator nahe- 
liegenden Inseln des Asiatischen Archipels und des 
Grossen Oceans, von Sumatra bis nach den Marquesas 


1 Planchon, Étude sur les tufs de Montpellier, 8. 63; de Saporta, La 
flore des tufs quaternaires en Provence, in: Comptes rendus de la 33°ses- 
sion du Congrès scientifique de France; "Separatausg., S. 27; und Bull. 
Soc. géolog., 1873—74, S. 442. . 


Echter Brotbaum. 319 


angebaut, als die Europäer dieselben zu besuchen an- 
fingen. Seine Frucht wird wie bei der Ananas durch 
eine Vereinigung von blütenständigen Blättern und von 
zu einer fleischigen, mehr oder minder sphärischen 
Masse verwachsenen Früchten zusammengesetzt und bei 
den angebauten, ergiebigsten Varietäten verkümmern 
die Samen, wie dies ebenfalls bei der Ananas der Fall 
ist. Scheiben einer solchen Frucht werden gekocht 
und dann gegessen. 

Sonnerat? hatte den Brotbaum nach der Insel Mau- 
ritius gebracht, wo der Intendant Poivre sich seine Ver- 
breitung angelegen sein liess. Kapitän Bligh erhielt 
den Auftrag, ihn nach den englischen Antillen zu brin- 
gen. Sein erster Versuch schlug bekanntlich fehl infolge 
einer Meuterei seiner Bemannung, auf seiner zweiten 
Reise war er aber glücklicher. Im Januar des Jahres 
1793 landete er 150 Brotbäumchen auf der Insel Saint- 
Vincent, und von dort hat man die Art nach mehreren 
Gegenden des äquatorealen Amerika verbreitet.” Rum- 


 phiusf hatte die Art auf mehreren der Sunda-Inseln 


im wildwachsenden Zustande gesehen. Die neuern Au- 
toren, welche weniger aufmerksam, oder auch nur an- 
gebaute Bäume beobachtet haben, sprechen sich hier- 
über nicht aus. Für die Fidschi-Inseln sagt Seemann”: 
„Angebaut und allem Anscheine nach in einigen Locali- 
täten wildwachsend.“ Auf dem Festlande Südasiens 


wird er nicht einmal angebaut, da das Klima nicht die 


genügende Wärme besitzt. 

Augenscheinlich stammt der Brotbaum von Java, Am- 
boina und den benachbarten Inseln; durch das hohe 
Alter seiner Cultur in der ganzen Inselregion, wofür 
die Menge der Varietäten den Beweis liefert, und durch 
die Leichtigkeit, mit welcher er sich durch Ausläufer 


1 Gute Abbildungen finden sich in: Tussac, Flore des AntiHes, Bd. II, 
Taf. 2 u. 3; und Hooker, Botanical Magazine, Taf. 2869—2871. 

2 Voyage à la Nouvelle-Guinée, S. 100. 3 Hooker, a. a. O. 

* Rumphius, Herb. Amboin., I, 112, Taf. 33. 

5 Seemann, Flora Vitiensis, S. 255. 


910 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


und Stecklinge vermehren lässt, wird es uns aber schwer 
gemacht, seine Geschichte genau kennen zu lernen. Auf 
den Inseln im äussersten Osten, wie Tahiti, lassen ge- 
wisse Fabeln und Ueberlieferungen eine nicht sehr alte 
Einführung muthmaassen, und dies wird durch das 
Fehlen von Samen bestätigt.! 


Artocarpus integrifolia, Linne. — Ganzblätteriger 
Brotfruchtbaum (fr. Jacquier oder Jack). 

Die Frucht dieses Baumes ist grösser als die des 
echten Brotbaums, denn sie wiegt bis an 80 Pfund, und 
hängt von den Zweigen eines 30—50 Fuss hohen Baumes 
herab.” Wenn der gute La Fontaine sie gekannt hätte, 
würde er seine Fabel von der Eichel und dem Kürbis 
nicht geschrieben: haben. 

Ve volksthümliche Name ist dem indischen Namen 
Jaca oder Tsjaka entlehnt. 

Der Jackbaum wird seit lange in Südasien, vom Pen- 
dschab bis nach China, vom Himalaja nach den Molukken 
angebaut. Nach den kleinen, mehr im Osten gelegenen 
Inseln hat er sich nicht eingeführt, was eine weniger 
alte Cultur auf dem Indischen Archipel als auf dem 
asiatischen Festlande vermuthen lässt. Im nordwest- 
lichen Indien hat die Cultur vielleicht ebenfalls kein 
sehr hohes Alter aufzuweisen, denn über das Vorkommen 
eines Sanskritnamens ist man nicht sicher. Roxburgh 
führt einen an, Punusa, später lässt aber Piddington 
denselben in seinem „Index“ nicht zu. Die Perser und 
Araber scheinen die Art nicht gekannt zu haben. Ihre 
ungeheuere Frucht würde sie jedoch in Erstaunen ge- 
setzt haben, wenn die Art in der Nähe ihrer Grenzen 
angebaut worden wäre. In seinem Werkchen über die 
den alten Chinesen bekannten Früchte erwähnt Dr. Bret- 
schneider die Artocarpus nicht, woraus man schliessen 


1 Seemann, a. a. O.; Nadeaud, Enum. des plantes indigènes de Taiti, 
S. 44; Id., Plantes usuelles des Tahitiens, S. 24. 

2 Vgl. die Abbildungen in: Tussac, Flore des Antilles, Taf. 4; und 
Hooker, Botanical Magazine, "Taf. 2833, 2834. 


Ganzblätteriger Brotfruchtbaum. Dattelpalme. 377 


kann, dass nach China hin wie in andern Richtungen 
der Jackbaum kein seit einer sehr alten Epoche ver- 
breiteter Baum war. 

Die erste Kenntniss über sein Vorkommen im wild- 
wachsenden Zustande wird uns durch Rheede in ziem- 
lich zweifelhaften Ausdrücken geboten: „Dieser Baum 
wächst überall in Malabar und in ganz Indien.“ Der 
ehrwürdige Autor verwechselte vielleicht der gepflanzten 
Baum mit dem wildwachsenden. Nach ihm hat jedoch 
Wight die Art zu wiederholten malen auf der Indischen 
Halbinsel, besonders in den westlichen Ghats mit allen 
Anzeichen eines einheimischen, wildwachsenden Baumes 
gefunden. Auf Ceylon pflanzt man ihn vielfach an; 
Thwaites aber, als die beste Autorität für die Flora 
dieser Insel, erkennt ıhn als wildwachsend nicht an. 
Auf dem Archipel im Süden Indiens ist er es nach der 
allgemeinen Meinung ebenso wenig. Schliesslich hat 
Brandis Exemplare dieses Baumes in den Wäldern des 
Districts von Attaran, dem Lande der Birmanen im 
Osten Indiens, gefunden, er fügt aber hinzu, dass dies 
immer in der Nähe verlassener Niederlassungen der 
Fall war. Kurz hat die spontane Art in Britisch-Birma 
nicht angetroffen.! 

Somit stammt die Art vom Fusse der westlichen Ge- 
birge der Indischen Halbinsel, und ihre Ausbreitung 
nach den Nachbarländern im angebauten Zustande geht 
“ wahrscheinlich nicht weiter als die christliche Zeitrech- 
nung zurück. Der Admiral Rodney brachte sie im 
Jahre 1782 nach Jamaica und von da gelangte sie nach 
San-Domingo.? Man hat sie auch nach Brasilien, den In- 
seln Mauritius, Rodriguez und den Seychellen eingeführt. 


Phœnix dactylifera, Linné. — Dattelpalme (fr. Dattier). 
Seit den prähistorischen Zeiten findet sich die Dattel- 
palme in der trockenen und heissen Zone, welche sich 


1 Rheede, Malabar, III, 18; Wight, Icones, II, Nr. 678; Brandis, 
Forest Flora of India, S. 426; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, 432. 
2 Tussac, a. a. ©. 3 Baker, Flora of Mauritius etc., S. 282. 


378 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


vom Senegal nach dem Indusbecken, ganz insbesondere 
zwischen dem 15. und 30. Breitengrade ausdehnt. Man 
trifft sie hier und da mehr nach Norden zu an, dies 
geschieht aber infolge ausserordentlicher Umstände und 
des Zweckes ihres Anbaues. Es gibt in der That über 
den Punkt hinaus, wo die Früchte jedes Jahr zur Reife 
gelangen, eine Zone, in welcher dieselben schlecht oder 
selten reifen, dann noch eine letzte Grenze, bis zu 
welcher der Baum noch fortkommt, aber ohne Früchte 
anzusetzen, selbst ohne zu blühen. Die Linie dieser 
Grenzen ist von Martius, Karl Ritter und mir selbst 
in sehr vollkommener Weise gegeben worden.! Hier 
dürfte es unnöthig sein, dieselben wieder vorzuführen, 
da dieses Buch es sich zur Aufgabe macht, nach dem 
Ursprunge zu forschen. 

Was die Dattelpalme betrifft, können wir uns kaum 
auf das mehr oder minder sicher nachgewiesene Vor- 
kommen von wirklich wildwachsenden Individuen stützen. 
Die Datteln lassen sich leicht fortschaffen; ihre Kerne 
keimen, sobald man sie auf feuchtem Terrain, in der 
Nähe einer Quelle oder eines Flusses und selbst in den 
Felsspalten aussäet. Die Bewohner der Oasen haben 
Dattelpalmen in günstigen Localitäten, wo die Art viel- 
leicht vor dem Menschen auftrat, gepflanzt oder gesäet, 
und es wird dem Reisenden, welcher auf alleinstehende. 
von Wohnplätzen entfernte Bäume stösst, schwer, zu 
sagen, ob solche nicht von durch Karavanen ausge- 
streute Samen abstamwen. Die Botaniker lassen frei- 
lich eine Varietät sylvestris, d. h. wildwachsend, zu, die 
kleine und herbe Beeren trägt; hier handelt es sich 
aber vielleicht um die Wirkung einer wenig alten Na- 
turalisation auf ungünstigem Boden. Die historischen 
und linguistischen Thatsachen werden in dem vorliegen- 
den Falle von grösserm Werthe sein, obgleich auch sie 
in Anbetracht des hohen Alters der Culturen zweifels- 


1 De Martius, Genera et species Palmarum, III, 257; K. Ritter, Erd- 
kunde, XIII, 760; Alph. de Candolle, Géogr. botanique raisonnée, S. 343. 


Dattelpalme. 379 


ohne nur wahrscheinliche Angaben zu bieten ver- 
mögen. 

Nach den ägyptischen und assyrischen Alterthümern 
zu schliessen, kam die Dattelpalme sehr häufig in der 
Region vor, welche sich vom Euphrat nach dem Nil 
erstreckt, was auch mit den Ueberlieferungen und den 
ältesten Werken im Einklang steht. “Die ägyptischen 
Denkmäler enthalten Früchte und Zeichnungen dieses 
Baumes.! Zu einer weniger fern gelegenen Zeit (5. Jahr- 
hundert v. Chr.) spricht Herodot von Palmenwaldungen, 
die sich in Babylonien fanden; später hat Strabo sich 
in ähnlicher Weise über die Dattelpalmen Arabiens aus- 
gesprochen, und daraus scheint hervorzugehen, dass die 
Art damals viel gemeiner war als jetzt, und mehr die 
Bedingungen eines natürlichen Waldbaumes darbot. 
Andererseits macht Karl Ritter die geistreiche Bemer- 
kung, dass die ältesten hebräischen Bücher nicht davon 
sprechen, dass die Dattelpalmen eine zur Nahrung der 
Menschen gesuchte Frucht trügen. Gegen das Jahr 
1000 v. Chr., etwa sieben Jahrhunderte nach Moses, 
zählt der König David die Dattelpalme nicht unter den 
Bäumen auf, welche er in seinen Gärten anpflanzen 
möchte. Freilich gelangen die Datteln in Palästina, 
Jericho ausgenommen, kaum zur Reife. Später sagt 
Herodot von den Dattelpalmen Babyloniens, dass nur 
die grössere Anzahl der Bäume gute Früchte erzeugte, 
die zum Gebrauche dienten. Dies scheint den An- 
fang einer vervollkommneten Cultur vermittelst der Aus- 
wahl der Varietäten und der Hinschaffung männlicher 
Blüten in die Mitte der Zweige weiblicher Exemplare 
anzudeuten, vielleicht soll aber auch damit gesagt wer- 
den, dass Herodot das Verhandensein männlicher Pflanzen 
nicht kannte. 

Im Westen von Aegypten existirte die Dattelpalme 
wahrscheinlich seit Hunderten oder Tausenden von Jahren, 
als Herodot von ihnen sprach. Er spricht von Libyen. 


1 Unger, Pflanzen des alten Aesyptens, 8. 38. 


380 | Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Ueber die Oasen der Sahara ist kein historisches Schrift- 
stück bekannt, Plinius! aber erwähnt die Dattelpalmen 
der Canarischen Inseln. 

Die Namen der Art liefern den Beweis für ein hohes 
Alter sowol in Asien wie in Afrika, insofern sie zahl- 
reich und sehr verschieden sind. Die Hebräer nannten 
die Dattelpalme T'amar und die alten Aegypter Begq.? 
Die ausserordentliche Verschiedenheit dieser Worte eines 
hohen Alterthums lässt vermuthen, dass die Völker die 
einheimische Art gefunden und vielleicht schon im west- 
lichen Asien und in Aegypten benannt hatten. Die 
Menge der persischen, arabischen und berberischen Na- 
men grenzt ans Unglaubliche.? Die einen stammen von 
dem hebräischen Worte ab, die andern von unbekannten 
Quellen. Sie beziehen sich häufig auf die verschiedene 
Beschaftenheit der Frucht oder auf verschiedene ange- 
baute Varietäten, was ebenfalls auf alte Culturen in 
verschiedenen Ländern hinweist. Webb und Berthelot 
haben in der Sprache der Guanchen keinen Namen für 
die Dattelpalme aufgefunden, was sehr zu bedauern ist. 
Der griechische Name Phoenix bezieht sich einfach auf 
Phönizien und die Phönizier, Besitzer der Dattelpalme.*- 
Die Namen Dactylus und Datte sind von Dachel in 
einem hebräischen Dialekt abgeleitet.” Kein Sanskrit- 
name wird genannt, weshalb man annehmen kann, dass 
die Anpflanzungen von Dattelpalmen in Ostindien kein 
sehr hohes Alter aufweisen. Das indische Klima ist 
für die Art kein günstiges.f Der hindustanische Name 
Khurma ıst dem Persischen entlehnt. 

Mehr nach Osten hin ist die Dattelpalme lange Zeit 
unbekannt gewesen. Die Chinesen haben sie im 3. Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung und später zu wieder- 
holten malen von Persien erhalten, heutzutage wird sie 
dort nicht mehr angebaut.“ Im allgemeinen hat die 


1 Plinius, Hist., 1. 6,.C. 37. 2 Unger, a 3.02 

3 K. Ritter, a. a. O. 4 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 234. 
5 K. Ritter, a. a. O., S. 828. 6 Nach Roxburgh, Royle u. s. w. 
7 Bretschneider, On the study etc., S. 31. 


Pisang, Banane. 381 


Dattelpalme ausserhalb der trockenen Region, welche sich 
vom Euphrat nach dem Süden des Atlasgebirges und den 
Canaren erstreckt, unter analogen Breiten kein Gedeihen 
gezeigt, oder hat wenigstens nicht in den Culturen eine 
wichtige Stellung eingenommen. In Australien und am 
Cap würde sie treffliche Bedingungen zu ihrem Fort- 
kommen antreffen; die Europäer, welche diese Länder 
colonisirt haben, begnügen sich aber nicht wie die 
Araber mit Feigen und Datteln zu ihrer Nahrung. 
Schliesslich glaube ich, dass ın den Zeiten, welche den 
ersten ägyptischen Dynastien vorhergingen, die Dattel- 
palme schon spontan oder hier und da von Nomaden- 
stämmen angepflanzt, in der Zone vom Euphrat bis 
nach den Canarischen Inseln vorkam, ‘und dass man sie 
später bis nach dem nordwestlichen Indien einerseits, 
und andererseits bis nach den Inseln des Grünen Vor- 
gebirges! anzubauen anfıng, sodass ihr natürlicher Wohn- 
sitz etwa 5000 Jahre hindurch ungefähr ein und der- 
selbe geblieben ist. Was sie zu einer frühern Epoche 


war, werden wir vielleicht eines Tages durch paläonto- 


logische Entdeckungen erfahren. 


Musa sapientum und M. paradisiaca, Linne. — Pi- 
sang, Banane (fr. Bananier). 

Im allgemeinen glaubte man, dass der Pisang oder 
die Bananen aus Südasien stammten und von den Euro- 


. päern nach Amerika gebracht worden seien, bis von A. 


von Humboldt über den ausschliesslich asiatischen Ur- 
sprung Zweifel erhoben wurden. In seinem Werke über 
Neuspanien? hat er alte Autoren citirt, denen zufolge 
man die Banane vor der Entdeckung in Amerika anbaute. 

Es wird von ihm zugegeben, dass nach Oviedo? es 


1 Nach Schmidt, Flora der Cap-Verd. Inseln, S. 163, ist die Dattel- 
palme auf diesen Inseln selten und kommt dort sicherlich nicht wild- 
wachsend vor. Dagegen bietet sie nach Webb et Berthelot, Hist. nat. 
des Canaries, Botanique, III, 289, auf einigen der Canarischen Inseln alle 
Anzeichen eines einheimischen Baumes dar. 

2 A.von Humboldt, uns, II, 360, 

3 Oviedo, Hist. nat. (1556), S. 112—114. Die erste Arbeit von Oviedo 
ist aus dem Jahre 1526. Dies ist der älteste naturwissenschaftliche Rei- 
sende, welcher von Dryander (Bibl. Banks.) für Amerika genannt wird. 


382 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


der Pater Thomas de Berlangas war, welcher im Jahre 
1516 die ersten Bananen von den Canarischen Inseln 
nach San-Domingo brachte, von wo sie nach andern 
Inseln und dem Festlande eingeführt wurden. Auch 
wird von ihm eingeräumt, dass in den Berichten von 
Columbus, Alonzo Negro, Pinzon, Vespuzzi und Cortez 
von Bananen nie die Rede ist. Das Stillschweigen von 
Hernandez, welcher 50 Jahre nach Oviedo lebte, be- 
fremdet ıhn und scheint ıhm eine sonderbare Nach- 
lässiekeit zu sein, „denn“, sagt er?, „in Mexico und 
auf dem ganzen Festlande gilt es als eine feste Ueber- 
lieferung, dass der Platano arton und der Dominico 
lange Zeit vor Ankunft der Spanier angebaut wurden.“ 
Der Autor, welcher mit der grössten Sorgfalt die ver- 
schiedenen Epochen vermerkt hat, in welchen der ame- 
rikanische Ackerbau sich mit ausländischen Erzeug- 
nissen bereichert hat, der Peruaner Garcilasso de la 
Vega, sagt ausdrücklich, dass zur Zeit der Inkas der 
Mais, die Quinoapflanze, die Kartoffel, und in den 
heissen und gemässigten Regionen die Bananen den 
Hauptbestandtheil der Nahrung für die Eingeborenen 
ausmachten. Er beschreibt die Musa von dem Anden- 
thale, er unterscheidet selbst die seltenere Art mit 
kleiner zuckerhaltiger und aromatischer Frucht, die 
Dominico von der gemeinen Banane oder Arton. Von 
dem Pater Acosta® wird ebenfalls, wenn auch in weniger 
bestimmter Weise, behauptet, dass die Musa von den 
Amerikanern vor Ankunft der Spanier angebaut wurde. 
Schliesslich fügt Humboldt nach seinen eigenen Erfah- 
rungen noch hinzu: „An den Ufern des Orinoco, des 
Cassiquiarı oder des Beni, zwischen den Gebirgen von 
Esmeraldas und den Ufern des Flusses Caromi, inmitten 
der dichtesten Wälder, wo man auf indianische Stämme 


1 Ich habe diese Stelle gleichfalls in der von Ramusio ausgeführten 
Uebersetzung von Oviedo gelesen, III, 115. 

2 A. von Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., S. 385. 

3 Garcilasso de la Vega, Commentarios reales, I, 282. 

4 Acosta, Hist. nat. de Indias (1608), S. 250. 


Pisang, Banane. 389 


stösst, die mit den europäischen Niederlassungen in 
keinerlei Beziehungen gestanden haben, findet man Ma- 
niok- und Bananenanpflanzungen.“ Demnach hat Hum- 
boldt die Hypothese aufgestellt, dass man mehrere 
Musa-Arten oder constante Varietäten, von welchen 
einige der Neuen Welt ursprünglich angehörten, unter- 
einander. verwechselt habe. 

Desvaux hat es sich angelegen sein lassen, die spe- 
cifische Frage weiter zu prüfen, und in einer wirklich 
vorzüglichen Arbeit, die im Jahre 1814 veröffentlicht 
wurde!, hat er alle ihrer Früchte wegen angebauten 
Bananen als eine einzige Art angesehen. Bei dieser 
Art unterscheidet er 44 Varietäten, welche er ın zwei 
Abtheilungen bringt, die Bananen mit grossen Früchten 
(7—15 Zoll Länge), und die mit kleinen Früchten 
(1—6 Zoll), gemeiniglich figues bananes (Feigen-Bana- 
nen) genannt. Robert Brown in seiner 1818 erschie- 
nenen Arbeit über die Pflanzen des Congo, S. 51, ver- 
sichert ebenfalls, dass in dem Baue der in Asien und Ame- 
rıka angebauten Bananen nichts der Ansicht entgegen- 
träte, sie als zu einer einzigen Art gehörend anzusehen. 
Er wählt den Namen Musa sapientum, welcher mir ın 
der That dem von Musa paradisiaca, den Desvaux an- 
genommen hatte, vorzuziehen zu sein scheint, weil die 
Varietäten mit kleinen fruchtbaren Früchten, die zu 
M. sapientum, L., gebracht werden, sich mehr dem Zu- 
'stande der in Asien wildwachsend gefundenen Musa zu 
nähern scheinen. 

In Bezug auf die Ursprungsfrage bemerkt Brown, 
dass alle andern Arten der Gattung Musa der Alten 
Welt angehören; dass von niemand behauptet wird, in 
Amerika Varietäten mit fruchtbaren Früchten im wild- 
wachsenden Zustande gefunden zu haben, wie dies in 
Asien vorgekommen ist; dass endlich Piso und Marc- 
sraf die Banane als vom Congo nach Brasilien einge- 
führt angesehen haben. Trotz dieser drei gewichtigen 


1 Desvaux, Journ. bot., IV, 5. 


| 


384 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Belege hat Humboldt in der zweiten Ausgabe seines 
Essai sur la Nouvelle-Espagne‘“ (Bd. II, S. 397) doch 
noch nicht ganz seiner Meinung entsagt, Er sagt, dass 
der Reisende Caldcleugh! bei den Puris die bestimmte 
Ueberlieferung gefunden habe, dass man seit langer 
Zeit vor den Beziehungen mit den Portugiesen an den 
Ufern des Prato eine kleine Bananenart anbaute, und 
er fügt hinzu, dass man in den amerikanischen Sprachen 
Worte, die nicht eingeführt seien, anträfe, um die Frucht 
der Musa zu unterscheiden, z. B. Paruru in der Tamanak-, 
Arata in der Maypuresprache. Ich habe ebenfalls in der 
Reise von Stevenson? gelesen, dass in den Huacas oder 
peruanischen Gräbern, die aus der Periode vor der Erobe- 
rung stammen, Lager von Blättern der zwei gewöhnlich in 
Amerika angebauten Bananen gefunden worden seien; da 
aber dieser Reisende in diesen Auacas auch Pferde- 
bohnen gesehen haben will’, und die Pferde- oder Sau- 
bohne auf alle Fälle aus der Alten Welt stammt, so 
verdienen seine Aussagen kaum weitere Berücksichti- 
gung. Boussingault* glaubte, dass wenigstens der Pla- 
tano arton von Amerika stamme, Beweise hierfür hat er 
aber nicht geliefert. Meyen, der auch in Amerika ge- 
wesen war, fügt den vor ıhm bekannten Argumenten 
keine weitern hinzu.” Ganz so verhält es sich mit dem 
Geographen Ritter®, welcher für Amerika ganz einfach 
die von Humboldt angeführten Thatsachen wiedergibt. 

Andererseits sprechen die Botaniker, welche sich ın 
neuerer Zeit in Amerika aufhielten, sich ohne Bedenken 
für den asiatischen Ursprung aus. Ich nenne hier See- 
mann für die Landenge von Panama, Ernst für Vene- 
zuela und Sagot für Guyana.’ Die beiden erstern 
heben hervor, dass Namen für die Banane ın den 


1 Caldeleugh, Trav. in S. Amer. (1825), I, 25. i 

2 Stevenson, Trav. in S. Amer., I, 328. 3 Ebend., I, 363. 

4 Boussingault, in: Comptes rendus de l’Acad, se., Paris, 9. Mai 1836. 

5 Meyen, Pflanzengeographie (1836), S. 383. 

6 Ritter, Erdkunde, IV, 370 fg. 

7 Seemann, Botany of Herald, S. 213; Ernst, in: Seemann, Journal 
of Botany, 1867, S. 289; Sagot, in: Journal de la Société d’hortic. ce 
France, 1372, S. 226. 


Pisang, Banane. 385 


peruanischen und mexicanischen Sprachen fehlen. Piso 
kannte keinen brasilianischen Namen. Martius! hat 
seitdem in der Tupisprache Brasiliens die Namen Pa- 
coba oder Bacoba angeführt. Dieser selbe Name Ba- 
cove wird nach Sagot von den Franzosen in Guyana 
gebraucht. Vielleicht stammt er von dem Namen Bala 
oder Palan in Malabar, und zwar infolge einer seit 
Piso’s Reise durch die Portugiesen ins Werk gesetzten 
Einführung. 

Das hohe Alter und die Spontaneität der Banane in 
Asien sind unbestreitbare Thatsachen. Man kennt von 
ihr mehrere Sanskritnamen.? Die Griechen, die Lateiner 
und darauf die Araber haben von ihr als von einem 
ausgezeichneten Fruchtbaume Indiens gesprochen. Plı- 
nius® spricht in deutlichen Ausdrücken von der Banane. 
Er berichtet, dass die Griechen, welche den Zug Alexan- 
der’s mitmachten, sie in Indien gesehen hatten, und er 
führt den Namen Pala an, welcher noch ın Malabar 
vorkommt. Die Weisen ruhten unter ihrem Schatten 
und assen ıhre Früchte. Daraus entstand der Name 
der Botaniker Musa sapientum. Musa ist dem ara- 
bischen Mouz oder Mauwz entlehnt, welchen Namen 
man schon im 13. Jahrhundert bei Ebn Baithar an- 
trifft. Der specifische Name paradisiaca beruht auf 
lächerlichen Voraussetzungen, welche der Banane in der 
Geschichte Eva’s und des Paradieses eine Rolle an- 
wiesen. 

Es ist sehr eigenthümlich, dass die Hebräer und 
alten Aegypter* diese indische Pflanze nicht gekannt 
haben. Dies ist ein Fingerzeig dafür, dass dieselbe in 
Indien seit einer sehr fern liegenden Zeit nicht auftrat, 
sondern vielmehr von dem Indischen Archipel stammte. 

Die Banane bietet in Südasien, sowol auf dem Fest- 
lande wie auf den Inseln, eine ungeheuere Menge von 


1 Martius, Ethnogr. Sprachenkunde Amerikas, S. 123. 

2 Roxburgh et Wallich, F1. ind.. II, 485; Piddington, Index. 

5 Plinius, Hist., 1. 12, e. 6. 
« 4 Unger, a. a. O., und Wilkinson, II, 403, erwähnen sie nicht. Heut- 
zutage wird die Banane in Aegypten angebaut. 


DE CANDOLLE. 25 


386 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Varietäten; die Cultur dieser Varietäten geht in Indien, 
China, im Indischen Archipel auf eine Epoche zurück, 
deren Alter festzustellen unmöglich ist; vor alters brei- 
tete sie sich selbst nach den Inseln der Südsee! und 
nach der Westküste Afrikas aus?; endlich wiesen die 
Varietäten in den am weitesten voneinander entfernten 
asiatischen Sprachen, wie dem Sanskrit, dem Chine- 
sischen, dem Malanschen, verschiedene Namen auf. Alles 
dies weist auf ein ausserordentlich hohes Culturalter hin, 
somit auch auf ein ursprüngliches Vorkommen in Asien 
und auf eine mit jener der Menschenrassen gleichzeitige 
oder noch frühere Ausbreitung. 

Die Banane soll in mehreren Gegenden spontan ge- 
funden worden sein. Dies muss um so viel mehr be- 
merkt werden, da die angebauten Varietäten nicht oft 
Samen tragen und sich durch Theilung fortpflanzen, 
somit die Art sich kaum durch Aussaaten ausserhalb 
der Culturen naturalisiren kann. Roxburgh® hatte sie 
unter der Form der Musa sapientum in den Wäldern 
von Chittagong gesehen.* Rumphius beschreibt eine 
auf den Philippinen wildwachsende Varietät mit kleinen 
Früchten. Loureiro* spricht wahrscheinlich von der- 
selben unter dem Namen M. seminifera agrestis, welche 
er der M. seminifera domestica entgegenstellt, und 
welche somit in Cochinchina spontan sein würde. Blanco 
führt ebenfalls eine auf den Philippinen wildwachsende 
Banane an®, seine Beschreibung ist aber ungenügend. 
Finlayson ?” hat die wildwachsende Banane in grossen 
Mengen auf der kleinen Insel Pulo Ubi, im äussersten 
Süden des Königreichs Siam gefunden. Thwaites® sak 
die Form der M. sapientum in den steinigen Wäldern 
des Innern der Insel Ceylon, und trägt kein Bedenken, 


1 Forster, Plant. esc., S. 28. 
Clusius, Exot., S. 229; Brown, Bot. Congo, S. 51. 

Roxburgh, Corom., Taf. 275; Flora indica, a. a. ©. 
Rumphius, Amboin., V, 139. 5 Loureiro, Fl. coch., S. 791. 
Blanco, Fl., 1. Aufl., S. 247. 
Finlayson, Journ. to Siam, 1826, S. 86, 
Thwaites, Enum. plant. Ceylan., S. 321. 


> 12 


So 


nach Ritter, Erdk., IV, 875 


D 


Aa 


Pisang, Banane. 387 


zu sagen, dass aus derselben die angebauten Bananen 
hervorgegangen seien. Sir J. Hooker und Thomson! 
haben sie in Khasia wildwachsend angetroffen. 

In Amerika stellen sich uns die Thatsachen ganz 
anders entgegen. Man hat dort die wildwachsende Ba- 
nane nie gesehen, nur auf Barbadoes? geschah dies, 
dort ist es aber ein Baum, welcher seine Früchte nicht 
reift, und demnach aller Wahrscheinlichkeit nach das 
Ergebniss angebauter, an Samen armer Varietäten. Die 
wild plantain von Sloane” scheint eine von den Musas 
sehr verschiedene Pflanze zu sein. Es gibt nur zwei Va- 
rietäten, von denen man behauptet, dass sie in Amerika 
einheimisch seien, und im allgemeinen werden dort viel 
weniger Varietäten angebaut als in Asien. Die Bananen- 
cultur ist in einem grossen Theile Amerikas, kann man 
sagen, neuern Datums, denn sie geht kaum auf mehr 
als drei Jahrhunderte zurück. Piso* berichtet in posi- 
tiver Weise, dass die Pflanze nach Brasilien eingeführt 
wurde und keinen brasilianischen Namen hatte. Er sagt 

‚nicht, von woher sie kam. Wir sahen, dass die Art, 

Oviedo zufolge, von den Canaren nach San-Domingo 
gebracht wurde. Dies, sowie das Stillschweigen von 
Hernandez, welcher gewöhnlich in Bezug auf die Nutz- 
pflanzen Mexicos, spontane oder angebaute, so genau 
ist, bringen mich zu der Ueberzeugung, dass die Ba- 
nane zur Zeit der Entdeckung Amerikas dem ganzen 
östlichen Theile dieses Festlandes fehlte. 

Kam sie in dem westlichen Theile, an den Gestaden 
des Stillen Oceans vor? Dies erscheint sehr unwahr- 
scheinlich, wenn man an die Verbindungswege denkt, 
welche zwischen den beiden Küsten nach dem Isthmus von 
Panama zu bestanden, und ferner daran, dass die Ein- 
geborenen schon vor Ankunft der Europäer sehr darauf 
bedacht waren, die Nutzpflanzen wie Maniok, Mais, 
Kartoffel im ganzen Amerika weiter auszubreiten. Sicher- 


1 Nach Aitchison, Catal. of Punjab, S. 147. 
2 Hughes, Barb., S. 182; Maycock, Fl. Barb., S. 396. 
3 Sloane, Jamaica, II, 148. 4 Piso, Hist. nat. (1648), S. 75. 


257 


338 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


lich hätte man die Banane, welche seit drei Jahrhun- 
derten dort so hoch geschätzt wird, sich durch Ausläufer 
so leicht vermehrt und auf den grossen Haufen durch 
ihre äussere Erscheinung einen solchen Eindruck her- 
vorruft, in einigen mitten in Wäldern gelegenen Dör- 
fern oder im Küstengebiet nicht übersehen. 

Ich gebe zu, dass die Meinung Garcilasso’s, eines 
Nachkommen der Inkas, welcher ın den Jahren 1530 
—68 lebte, eine gewisse Bedeutung hat, indem er 
sagt, dass die Eingeborenen die Banane vor der Er- 
oberung kannten. Hören wir indessen einen andern 
sehr zuverlässigen Schriftsteller, Joseph Acosta, wel- 
cher in Peru gewesen war, und auf welchen Humboldt 
sich zur Begründung des Vorhergehenden beruft. Seine 
Worte führen mich zu einer verschiedenen Meinung.! 
Er spricht sich folgendermaassen aus?: „Der Grund, 
weshalb die Spanier sie plane genannt haben (denn 
die Eingeborenen hatten keinen solchen Namen), war 
der, weil sie, wie bei den andern Bäumen, Aehnlich- 
keiten zwischen den beiden gefunden haben.“ Er 
zeigt, wie sehr die Platane (Platanus) der Alten ver- 
schieden war. Von der Banane gibt er eine sehr 
gute Beschreibung und fügt hinzu, dass dieser Baum 
in Indien (hier ist Amerika gemeint) sehr gemein sei, 
„obgleich sie (die Indier) sagen, dass er ursprünglich 
von Aethiopien stamme..... Es gibt eine Art von klei- 
nen weissen und sehr feinschmeckenden planes, welche 
man im Spanischen ® Dominique nennt. Andere sind 
stärker und grösser und von rother Farbe. Keineswegs 
wächst er in Peru, sondern man bringt sie von Indien“, 


1 Humboldt hat die spanische Ausgabe von 1608 angeführt. Die erste 
Ausgabe ist vom Jahre 1591. Ich konnte nur die französische Ueber- 
setzung von Regnault zu Rathe ziehen, welche vom Jahre 1598 ist, und 
welche alle Merkmale der Genauigkeit darbietet, ganz abgesehen von dem 
Vorzuge, dass sie in französischer Sprache geschrieben ist. 

2 Acosta, 1. 4, c. 21. Nach der französischen Uebersetzung von 1598. 

3 Das heisst wahrscheinlich auf Hispaniola oder San-Domingo, denn 
wenn er hätte sagen wollen in spanischer Sprache, so würde man es durch 
Castilianisch übersetzt haben, ohne grossen Anfangsbuchstaben. Siehe 
weiter S. 168 des Werkes. 

4 Wahrscheinlich beruht hier Zndes auf einem Druckfehler für Andes, denn 


Pisang, Banane. 389 


wie von Cuernavaca und den andern Thälern nach Me- 
xico. Auf dem Festlande und auf einigen Inseln finden 
sich grosse planares, welche mit sehr dichten Gebüsch- 
gruppen zu vergleichen sind.“ Sicherlich würde sich 
der Autor nicht in solcher Weise über einen Frucht- 
baum amerikanischen Ursprungs ausgesprochen haben. 
Er würde amerikanische Namen, amerikanische Gebräuche 
angeführt haben. Besonders würde er auch nicht sagen, 
dass die Eingeborenen sie fremden Ursprungs hielten. 
Die Ausbreitung in den heissen Gebieten Mexicos kann 
wol zwischen dem Zeitpunkte der Eroberung und jenem, 
wo Acosta als Schriftsteller wirkte, vor sich gegangen 
sein, weil Hernandez, dessen gewissenhafte Unter- 
suchungen auf die ersten Zeiten der spanischen Ober- 
herrschaft in Mexico zurückgehen (obgleich erst später 
in Rom veröffentlicht), kein Wort über die Banane 
sagt.! Der Geschichtsforscher Prescott hat alte Werke. 
oder Handschriften gesehen, denen zufolge die Bewohner 
von Tumbez Bananen zu Pizarro brachten, als er an 
der Küste Perus landete, und er glaubt auch an die in 
den Huacas gefundenen Blätter, seine ‚Beweise hierfür 
führt er aber nicht an.? 

Bezüglich des Arguments der von den Eingeborenen 
zur Jetztzeit angestellten Culturen in Gegenden Ame- 
rikas, die von den europäischen Niederlassungen sehr 
weit entfernt liegen, wird es mir schwer zuzugeben, 
dass Völkerschaften seit drei Jahrhunderten so voll- 
ständig abgesondert geblieben seien und nicht einen so 
nützlichen Baum durch Vermittelung der colonisirten 
Länder erhalten hätten. 


Indes hat an dieser Stelle keinen Sinn. Dasselbe Werk sagt S. 166, dass 
in Peru keine Ananas vorkommen, sondern dass man sie von den Andes 
dorthin bringt, und S. 173, dass der Cacaobaum von den Andes kommt, 
Damit waren die heissen Regionen gemeint. Das Wort Andes ist später 
infolge einer seltsamen und unglücklichen Umstellung auf die Gebirgs- 
kette bezogen worden. 

1 Ich habe das ganze Werk durchgesehen, um mich zu vergewissern. 

2 Prescott, Geschichte der Eroberung von Peru, I, 106, 210. Der Autor 
hat kostbare Quellen benutzt, unter anderm eine Handschrift von Monte- 
sinos vom Jahre 1527, er weist aber nicht bei jeder Thatsache auf seine 
Gewährsmänner hin, und begnügt sich mit unbestimmten Collectivangaben, 
die bei weitem nicht genügen. 


390 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


Nach allem erscheint mir eine durch die Spanier 
und Portugiesen frühzeitig bewerkstelligte Einführung 
nach San-Domingo und Brasilien am wahrscheinlichsten, 
was freilich einen Irrthum seitens Garcilasso’s in Bezug 
auf die Ueberlieferungen der Peruaner voraussetzt. 
Wenn jedoch spätere Untersuchungen den Beweis lie- 
fern sollten, dass die Banane in einigen Theilen Ame- 
rikas vor der Entdeckung durch die Europäer vorkam, 
so möchte ich eher an eine zufällige, nicht sehr alte 
Einführung glauben, und zwar infolge eines unbe- 
kannten Verkehrswegs mit den Inseln der Südsee oder 
der Guineaküste, als an ein ursprüngliches und gleich- 
zeitiges Auftreten der Banane in beiden Welten. Die 
gesammte Pflanzengeographie macht diese letztere Hypo- 
these unwahrscheinlich, ich möchte fast sagen, ihre An- 
nahme unmöglich, besonders bei einer Gattung, die 
den zwei Welten nicht gemeinsam angehört. 

Schliesslich will ich noch darauf hinweisen, um das 
zum Abschluss zu bringen, was ich über die Banane zu 
sagen habe, wie sehr die Verbreitung der Varietäten zu 
Gunsten der Ansicht von dem Vorhandensein einer ein- 
zigen Art spricht, welche Meinung von Roxburgh, Desvaux 
und R. Brown vom rein botanischen Gesichtspunkte aus 
verfochten wurde. Wenn zwei oder drei Arten vor- 
kämen, würde die eine wahrscheinlich durch die Varie- 
täten vertreten sein, deren Ursprung von Amerika man 
muthmaasste, würde eine zweite z. B. aus dem Indischen 
Archipel oder China und die dritte aus Indien hervor- 
gegangen sein. Es sind aber gerade im Gegentheil alle 
die Varietäten geographisch vermischt. Ganz insbeson- 
dere weichen die beiden in Amerika am meisten ver- 
breiteten wesentlich voneinander ab, und jede von ihnen 
vermischt sich mit den asiatischen Varietäten oder tritt 
denselben sehr nahe. 


Ananassa sativa, Lindley. Bromelia Ananas, Linne. 
— Ananas. 
Trotz der von einigen Autoren erhobenen Zweifel 


Ananas. 391 


muss die Ananas eine Pflanze Amerikas sein, dıe früh- 
zeitig von den Europäern nach Asien und Afrika ein- 
geführt wurde. 

Nana war der brasilianische Name!, woraus die Por- 
tugiesen Ananas gemacht haben. Die Spanier hatten 
sich den Namen Pinas ausgesonnen, und zwar wegen der 
Uebereinstimmung der Fruchtform mit dem Zapfen der 
Pinie.? Alle Schriftsteller, die zuerst über Amerika 
geschrieben haben, sprechen von ihr.” Hernandez sagt, 
dass die Ananas die warmen Gegenden von Tahiti und 
Mexico bewohne. Er führt einen mexicanischen Namen 
an, Matzatli. Man hatte eine Ananasfrucht an Karl V. 
gebracht, welcher der Sache mistraute und die Frucht 
nicht kosten wollte. 

Die Werke der Griechen, Römer und Araber deuten 


ın keiner Weise auf diese Art hin, die augenscheinlich 


nach der Entdeckung Amerikas nach der Alten Welt 
eingeführt wurde. Im 17. Jahrhundert war Rheede* 
davon überzeugt; dann hat aber Rumphiusÿ dies in 


Abrede gestellt, weil, wie er sagte, die Ananas zu sei- 


ner Zeit in allen Theilen Indiens angebaut wurde, und 
man wildwachsende Pflanzen auf Celebes und anderswo 
antraf. Das Fehlen eines asiatischen Namens wird je- 
doch von ihm vermerkt. Derjenige, welcher von Rheede 
für Malabar angegeben wird, ist augenscheinlich einer 
Vergleichung mit der Frucht des Jackbaums (S. 376) 


“entlehnt und zeigt nichts Ursprüngliches. Es ist ohne 


Zweifel einem Irrthum zuzuschreiben, dass Piddington 
der Ananas einen Sanskritnamen beilegt, denn der- 
selbe Name, Anarush, scheint von Ananas abzustam- 
men. Roxburgh kannte keinen solchen, und im Wörter- 
buch von Wilson wird der Name Anarush nicht er- 
wähnt. Royle® sagt, dass die Ananas im Jahre 1594 


1 Marcgraf, Brasil., S. 33. 

2 Oviedo, Uebers. von Ramusio, III, 113; Jos. Acosta, Hist. nat. des 
Indes, franz. Uebers., S. 166. 

3 Thevet, Pison, ete.; Hernandez, Thes., S. 341. 

4 Rheede, Hort. malab., XI, 6. 5 Rumphius, Amboin., V, 228. 

6 Royle, Ill., S. 376. 


392 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 


nach Bengalen eingeführt wurde. Nach Kircher! bauten 
die Chinesen diese Frucht im 17. Jahrhundert an, man 
glaubte aber, dass sie dieselbe von Peru erhalten hatten. 

Clusius? hatte 1599 Ananasblätter gesehen, die von 
der Guineaküste gebracht worden waren. Dies lässt 
sich durch eine nach der Entdeckung Amerikas er- 
folgte Einführung erklären. Robert Brown spricht von 
der Ananas bei Gelegenheit der in Congo angebauten 
Pflanzen, er sıeht aber die Art als amerikanisch an. 

Obgleich die angebaute Ananas für gewöhnlich gar 
keine oder wenige Samen enthält, naturalisirt sie sich 
dessenungeachtet bisweilen in den heissen Ländern. 
Derartige Beispiele werden auf den Inseln Mauritius?, 
Rodriguez und den Seychellen, im Indischen Archipel, 
in Indien und in einigen Theilen Amerikas, wo sie 
nicht einheimisch war, z. B. auf den Antillen, angeführt. 

Wildwachsend hat man sie in den heissen Gebieten 
Mexicos (wenn man der Mittheilung von Hernandez 
trauen kann), in der Provinz Veragua°, nahe bei Pa- 
nama, dem Thale des obern Orinoco®, in Guyana’ und 
in der Provinz Bahia® gefunden. 


1 Kircher, Chine illustree, Uebersetzung von 1670, S. 253. 

2 Clusius, Exotic., Kap. 44. 3 Baker, Flora of Mauritius. 
4 Royle, a. a. 0. 5 Seemann, Bot. of Herald, S. 215. 

6 Humboldt, Nouv.-Esp., 2. Aufl., II, 478. 

7 Gardeners’ Chron., 1881, I, 657. 

Martius, Brief an A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 927. 


x 


Wahrer Cacaobaum. 393 


FÜNFTES KAPITEL. 


Ahrer Samen wegen angebante Pflanzen. 


Erster Abschnitt. Nahrhafte Samen. 


Theobroma Cacao, Linne. — Wahrer Cacaobaum (fr. 
Cacaoyer). : 

Die Theobromen aus der Familie der den Malvaceen 
nahestehenden Byttneriaceen machen eine Gattung von 
15—18 Arten aus, welche alle aus dem intertropischen 
Amerika, besonders aus den heissesten Gebieten Bra- 
siliens, Guyanas und Centralamerikas stammen. 

Der gemeine Cacaobaum, Theobroma Cacao, ist ein 
kleiner Baum, der in den Wäldern des Amazonenstroms, 
des Orinoco! und ihrer Nebenflüsse bis zu einer Er- 
hebung von etwa 400 Meter spontan auftritt. Er wird 
gleichfalls für die der Mündung des Orinoco nahege- 
legene Insel Trinidad als wildwachsend angeführt.” Ich 
finde keinen Beweis dafür, dass er in Guyana einhei- 
misch sei, wenn auch die Wahrscheinlichkeit hierfür 
vorliegt. Viele alte Autoren bezeichneten ihn zur Zeit der 
Entdeckung Amerikas von Panama bis nach Guatemala 
‚und der Campechebai als wildwachsend und ange- 
baut; die zahlreichen, von Sloane? gesammelten Citate 
lassen aber befürchten, dass die spontanen Bedingungen 
nicht hinreichend geprüft worden sind. Die neuern 
Botaniker drücken sich in dieser Beziehung undeutlich 
aus, und sie erwähnen im allgemeinen den Cacaobaum 
in dieser Region und auf den Antillen nur als ange- 
baute Pflanze. G. Bernoulli*, welcher in Guatemala 


1 Humboldt, Voy., II, 511; Kunth, in: Humboldt et Bonpland, Nova 
genera, V, 316; Martius, Ueber den Cacao, in: Büchner, Repert. Pharm. 
2 Schach, in: Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 91. 

3 Sloane, Jamaica, II, 15. 
4 G. Bernoulli, Uebersichten der Arten von Theobroma, S. 5. 


394 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


gelebt hatte, begnügt sich mit den Worten: „Spontan 
und angebaut im ganzen tropischen Amerika“, und Hems- 
ley! führt in seiner Uebersicht der Pflanzen Mexicos 
und Centralamerikas, vom Jahre 1879, wozu ihm das 
Herbar zu Kew das reiche Material lieferte, keine 
Localität an, wo die Art einheimisch sei. Vielleicht 
ist sie von den Indianern vor der Entdeckung Amerikas 
nach Centralamerika und den heissen Gebieten Mexicos 
eingeführt worden. Die Cultur kann sie hier und da 
naturalisirt haben, wie dies angeblich auf Jamaica 
stattgefunden hat.” Zur Begründung dieser Hypothese 
dürfen wir nicht übersehen, dass Triana? den Cacao- 
baum in den heissen Theilen von Neugranada, dem 
Lande, welches zwischen der Orinocoregion und Panama 
liegt, nur als angebaut angibt. 

Wie dem nun auch sei, die Art wurde zur Zeit der 
Entdeckung Amerikas in Centralamerika und Yucatan 
angebaut. Die Samen wurden nach den höhern Regionen 
Mexicos versandt, und man bediente sich ihrer sogar 
als Münzen, ein Beweis, wie hoch sie geschätzt wurden. 
Der Gebrauch, Chocolade zu trinken, war ein allge- 
meiner. Der Name dieses ausgezeichneten Getränkes 
ist mexicanisch. 

Die Spanier haben in den Jahren 1674 und 1680 
den Cacaobaum von Acapulco nach den Philippinen 
gebracht.* Er zeigt dort ein herrliches Gedeihen. Man 
baut ıhn auch auf den Sunda-Inseln an. Ich vermuthe, 
dass er an den Küsten von Zanzibar und-Guinea gut 
fortkommen würde; er ist aber nicht dazu geeignet, in 
den Ländern angebaut zu werden, welche weder sehr 
heiss noch feucht sind. 

Eine andere Art, Theobroma bicolor, Humboldt und 
Bonpland, findet sich mit dem gemeinen Cacaobaum in 
den amerikanischen Culturen vermischt. Ihre Samen 


1 Hemsley, Biologia centrali-americana, II, 133. 

2 Grisebach, a. a. O, 

3 Triana et Planchon, Prodr. florae Novo-Granatensis, S. 208. 
4 Blanco, Flora de Filipinas, 2. Aufl., S. 420. 


Wohlschmeckende Zwillingspflaume. Longanbaum. 395 


. werden weniger geschätzt. Andererseits erheischt sie 
weniger Wärme und kann bis zu einer Erhebung von 
950 Meter in dem Magdalenathale fortkommen. In 
Neugranada tritt sie in grossen Mengen spontan auf.! 
Bernoulli versichert, dass sie in Guatemala nur ange- 
baut ist, obgleich die Einwohner sie Cacao de mon- 
tagne nennen. 


Nephelium Lit-chi, Cambessèdes. — Wohlschmeckende 
Zwillingspflaume, Litschibaum (fr. Li-Tschi). 

Der Same dieser Art und der beiden folgenden ist 
mit einem fleischigen, sehr zuckerhaltigen und wohl- 
riechenden Auswuchse (Samenmantel) überkleidet, wel- 
chen man sehr gern beim Thee isst. Wie die Sapinda- 
ceen im allgemeinen, bilden die Nephelien Bäume. 
Diese Art wird in Südchina, Indien und dem Asiati- 
schen Archipel seit einer nicht näher zu bestimmenden 
Zeit angebaut. Die chinesischen Autoren, welche in 
Peking lebten, lernten den Li-Tschi erst spät, im 3. Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung, kennen.” Die Einführung 
nach Bengalen datirt von dem Ende des 18. Jahrhunderts. 

Allgemein wird angenommen, dass die Art Südchina 
zum Vaterlande hat, und Blume* fügt noch Cochinchina 
und die Philippinen hinzu; es scheint aber nicht, als 
ob sie von irgendeinem Botaniker unter den Bedingun- 
gen eines wirklich spontanen Baumes gefunden worden 
sei. , Dies ist wahrscheinlich dem Umstande zuzuschrei- 
ben, dass die südlichen Theile Chinas, nach Siam hin, 
noch wenig besucht worden sind. In Cochinchina, Birma, 
in Chittagong ist der Li-Tschi nur angebaut.° 


Nephelium Longana, Cambessèdes. — Longanbaum 
(fr. Longan). 
Diese zweite, im südlichen Asien wie die Li-Tschi 


1 Kunth, in: Humboldt und Bonpland, a. a. O.; Triana, a. a. O. 

2 Bretschneider, Brief vom 23. August 1831. 

3 Roxburgh, Fl. indica, II, 269. 4 Blume, Rumphia, III, 106. 

5 Loureiro, Fl. Cochinchina, S. 233; Kurz, Forest Flora of British 
Burma, S. 293. 


+ 


396 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


sehr häufig angebaute Art ist in Britisch-Indien, von 
Ceylon und Concan bis nach den Gebirgen im Osten 
Bengalens und in Pegu! wildwachsend. 
Durch die Chinesen wurde sie erst seit einigen Jahr- 
hunderten nach dem Asiatischen Archipel gebracht. 


Nephelium lappaceum, Linne. — Klettenartige Zwil- 
lingspflaume, Rambutan (fr. Ramboutan). 

Soll im Indischen Archipel wildwachsend sein, wo- 
selbst diese Art, nach der bedeutenden Menge ihrer 
Varietäten zu schliessen, seit langer Zeit angebaut. sein 
muss. Ein malaiischer Name, den Blume anführt, be- 
deutet wildwachsender Baum. Nach Loureiro soll sie 
in Cochinchina und auf Java spontan sein. Ich finde 
indessen in den neuern Werken für Cochinchina, selbst 
nicht einmal für die Inseln eine Bestätigung hierfür. 
Die neue Flora von Britisch-Indien? gibt die Art für 
Singapore und Malacca an, ohne die einheimische Be- 
schaffenheit zu bestätigen, über welche die Herbarien- 
etiketten meistens nichts nachweisen. Sicherlich ist die 
Art auf dem asıatischen Festlande nicht spontan, was 
auch immer Blume und Miquel hierüber in ziemlich 
unbestimmter Weise sagen’; wahrscheinlich ist es, dass 
sie vom Malaiischen Archipel stammt. 

Trotzdem die Li-Tschi- und Rambutanfrüchte sehr 
geschätzt werden und sich zum Verschicken eignen, 
scheint man diese Bäume nicht nach den tropischen 
Colonien Afrikas oder Amerikas eingeführt zu haben, 
es sei denn vielleicht nach einigen Gärten als Gegen- 
stand der Neugierde. 


Pistacia vera, Linne. — Echte Pistacie, Pimpernuss- 
baum (fr. Pistachier). 

Die echte Pistazie, ein Strauch aus der Familie der 
Terebintaceen, findet sich wildwachsend in Syrien. 


1 Roxburgh, Flora indica, II, 271; Thwaites, Enum. Zeylaniae, S. 58; 
Hiern, in: Flora of British India, I, 688. 

2 Hiern, in: Flora of British India, I, 687. 

3 Blume, Rumphia, III, 103; Miquel, Flora indo-batava, I, S. 554. 


Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 397 


_ Boissier! hat sie nördlich von Damascus auf dem Anti- 
libanon gefunden. Er hat Exemplare von Mesopota- 
mien gesehen, ohne ihre spontane Eigenschaft bestä- 
tigen zu können. Derselbe Zweifel besteht bei in 
Arabien gesammelten Zweigen, welche von mehreren 
Autoren erwähnt worden sind. Plinius und Galenus? 
wussten bereits, dass die Pflanze von Syrien komme. 
Von ersterm erfahren wir, dass sie von Vitellius gegen 
Ende der Regierung des Tiberius nach Italien, und von 
dort durch Flavius Pompejus nach Spanien eingeführt 
wurde. 

Es liegt kein Grund vor, zu glauben, dass die Pista- 
ziencultur in dem Heimatlande dieses Strauches eine 
sehr alte war, heutzutage wird sie aber im Orient, wie 
auch auf Sicilien und in Tunis betrieben. In Südfrank- 
reich und in Spanien ist sie von geringer Bedeutung. 


Faba vulgaris, Mönch. Vicia Faba, Linne. — Boh- 
nenwicke, Sau- oder Pferdebohne u. s. w. (fr. Fêve). 

In seinem besten beschreibenden Werke, „Hortus 
Cliffortianus“, wird von Linne zugegeben, dass der Ur- 
sprung dieser Art, wie vieler seit alters her angebauter 
Pflanzen, in Dunkel gehüllt ist. In seinen ,, Species“, 
ein häufiger angeführtes Werk, hat er später gesagt, 
ohne irgendwelchen Beweis dafür beizubringen, dass 
die Pferdebohne „Aegypten bewohne“. Ein russischer 
Reisender, Lerche, hat sie gegen Ende des verflossenen 
Jahrhunderts in der Wüste Mungan von Mazanderan, 
im Süden des Kaspisees wildwachsend gefunden.” Von 
den Reisenden, welche in dieser Region gesammelt 


1 Boissier, Flora orient., II, 5. 

2 Plinius, Hist, nat., 1. 13, c. 15; 1. 15, c. 22; Galenus, De alimentis, 
Je. AU: 

3 Lerche, Nova acta Acad. Caesareo-Leopold, Bd. V, Anhang, S. 203, 
veröffentlicht im Jahre 1773. Von Maximowicz (Brief vom 23. Febr. 1882) 
erfahre ich, dass sich das Exemplar von Lerche im Herbar des kaiserl. 
bot. Gartens von Petersburg befindet. Es ist in Blüte und gleicht ganz 
und gar der angebauten Pferdebohne, nur dass seine Höhe ungefähr einen 
halben Fuss beträgt. Das Etikett erwähnt die Localität und Spontaneität 
ohne weitere Bemerkung. 


398 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


haben, ıst sie bisweilen angetroffen worden!, in ihren 
Werken erwähnen sie dieselbe aber nicht?, mit Ausnahme 
von Ledebour, welcher in dem Citat, auf welches er 
sich stützt, nicht genau ist.” Bosc* hat behauptet, dass 
Olivier die wildwachsende Pferdebohne in Persien ge- 
funden habe. In Olivier’s „Voyage“ finde ich nicht 
die Bestätigung hierfür, und im allgemeinen scheint 
Bose etwas leichtfertig angenommen zu haben, dass 
dieser Reisende viele unserer angebauten Pflanzen ım 
Innern von Persien gefunden habe. Er sagt dies vom 
Buchweizen und dem Hafer, von denen Olivier gar 
nicht gesprochen hat. 

Die einzige Angabe, welche ich ausser jener von 
Lerche in den Floren auffinde, betrifft eine ganz ver- 
schiedene Localität. Munby° erwähnt die Pferdebohne 
als wildwachsend in Algerien, in Oran. Er fügt hinzu, 
dass sie daselbst selten sei. Kein Autor hat sie meines 
Wissens nach in Nordafrika angeführt. Cosson, welcher 
die Flora Algeriens besser kennt, als irgend sonst 
jemand, hat mir versichert, kein Exemplar der wild- 
wachsenden Pferdebohne von Nordafrika weder gesehen 
noch erhalten zu haben. Ich habe mich vergewissert, 
dass sich in Munby’s Herbar, das jetzt in Kew ist, 
keins vorfindet. Da die Araber diese Bohnenart viel- 
fach anbauen, ist es möglich, dass sie sich zufällig 
ausserhalb des Culturbereichs antreffen lässt. Wir dür- 
fen jedoch nicht übersehen, dass Plinius (1. 18, c. 12) 
von einer in Mauritanien wildwachsenden Bohne spricht; 
er fügt aber hinzu, dass sie hart ist und sich nicht 


1 Es gibt in demselben Herbar transkaukasische Exemplare, die aber 
grösser im Wuchse sind und von denen nicht gesagt wird, dass sie spon- 
tan seien. 

2 Marschall von Bieberstein, Flora Caucaso-Taurica; C. A. Meyer, Ver- 
-zeichniss; Hohenacker, Enum. plant. Talysch; Boissier, F1. orient., S. 578; 
Buhse et Boissier, Plantae Transcaucasiae. 

3 Ledebour, Fl. ross., I, 664, führt de Candolle, Prodromus, II, 354, 
an; der Artikel Faba im Prodromus, in welchem, wahrscheinlich nach 
Lerche in Willdenow, der Süden des Kaspisees angegeben wird, ist von 
Seringe bearbeitet worden. 

4 Bosc, Diet. d’agricult., V, 512. 
5 Munby, Catalogus plant. in Algeria sponte nascentium, 2. Aufl., S. 12: 


RL 


Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 309 


kochen lässt, was Zweifel erweckt hinsichtlich der Art. 
Die Botaniker, welche über Aegypten und Cyrenaica ge- 
schrieben haben, besonders in neuester Zeit!, führen 
die Pferdebohne als angebaut an. 

Diese Pflanze bildet für sich allein die Gattung Faba. 


Man kann sich somit auf keine botanische Analogie be- 


rufen, um ihren Ursprung zu muthmaassen. Man muss 
der Geschichte der Cultur, dem Namen der Art weiter 
nachforschen, will man das Land errathen, wo sie seit 
alters her heimisch war. 

Wir wollen zunächst einen Irrthum beseitigen, welcher 
infolge einer schlechten Auslegung der chinesischen 
Werke ins Leben gerufen wurde. Stanislas Julien hatte 
geglaubt, dass die Pferdebohne eine der fünf Pflanzen 
ausmachte, welche der Kaiser Chin-Nong vor 4600 Jah- 
ren unter grossen Feierlichkeiten jedes Jahr auszusäen 
angeordnet hatte.? Nun ist aber nach Dr. Bretschnei- 
der?, dem in Peking alle Hülfsquellen zur Erforschung 
der Wahrheit zu Gebote stehen, der einer Pferdebohne 
ähnliche Same, welchen die Kaiser bei der anbefohlenen 
Ceremonie aussäen, derjenige der Soja (Dolicho Soja), 
und wurde die Pferdebohne erst ein Jahrhundert vor 
der christlichen Zeitrechnung, zur Zeit der Gesandt- 
schaft von Schang-kien vom westlichen Asien nach China 
eingeführt. So zerfällt eine Aussage in nichts, die man 
schwer mit andern Thatsachen, z. B. dass die Pferde- 


bohne nicht seit alters in Indien angebaut wurde und 


man keinen Sanskritnamen oder auch nur einen solchen 
einer neuern indischen Sprache von ihr kannte, in Ein- 
klang bringen konnte. 

Die alten Griechen kannten die Pferdebohne, welche 
sie Kuamos und zuweilen Kuamos von Griechenland, 
Kuamos ellenikos nannten, um sie von jener Aegyptens, 
welche der Same eines sehr verschiedenen Wasserge- 
wächses war, des Nelumbium, zu unterscheiden. Die 


1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256; Rohlfs, Kufra. 
2 Loiseleur-Deslongchamps, Considérations sur les céréales, S. 29.) 
3 Bretschneider, On study and value of Chinese bot. works, S. 7 u. 15. 


A400 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Iliade spricht schon von der Pferdebohne als einer 
angebauten Pflanze!, und Virchow fand Samen davon 
bei den in Troja gemachten Ausgrabungen.” Die La- 
teiner nannten sie Faba. Nichts deutet in den Schrif- 
ten des Theophrast, Dioscorides, Plinius u. s. w. darauf 
hin, dass die Pflanze in Griechenland oder in Italien 
einheimisch war. Sie war seit alters bekannt, weil 
man bei dem alten Cultus der Römer an dem Tage 
der Göttin Carna Pferdebohnen als eins der Opfer dar- 
bringen musste, woraus der Name Fabariae calendae® 
entstanden ist. Das Geschlecht der Fabier entlehnte 
seinen Namen vielleicht von Faba, und im 12. Kapitel 
des 18. Buches von Plinius wird in einer keinem Zweifel 
unterworfenen Weise auf die alte und wichtige Rolle 
dieser Bohnenart in Italien hingewiesen. 

Das Wort Faba findet sich in mehreren der arischen 
Sprachen Europas wieder und zwar mit Abänderungen, 
die nur von den Philologen erkannt werden können. 
Wir dürfen indessen die sehr richtige Bemerkung von 
Adolphe Pictet* nicht übersehen, dass man für die 
Samen von Cerealien und Leguminosen häufig Namen 
von einer Art auf eine andere bezogen hat, oder dass 
gewisse Namen bald für eine ganze Gattung, bald nur 
für eine Art gebraucht wurden. Mehrere Samen von 
übereinstimmender Form sind. von den Griechen Kuamos 
genañnt worden; mehrere verschiedenartige Bohnen 
(Phaseolus, Dolichos) haben denselben Namen im Sanskrit, 
und Faba, im Altslawischen Bobu, im Altpreussischen 
babo, Fao im Armoricanischen u. s. w. kann sehr gut 
für Erbsen, Bohnen und andere derartige Samen ge- 
braucht worden sein. Wird nicht heutzutage der Kaffee 
ın der Handelssprache eine Bohne genannt? Indem 
Plinius von Fabariae-Inseln sprach, wo sich Bohnen 
massenhaft vorfanden, und diese Inseln im nordischen 


1 Ilias, 13, V. 589. 

2 Wittmack, Sitzungsber. des Vereins zu Brandenburg, 1879. 
3 Novitius Dietionnarium, unter dem Worte Faba. 

4 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 335. 


Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 401 


Ocean gelegen waren, hat man mit Recht geglaubt, 
dass es sich hier um eine bestimmte wildwachsende 
Erbse handelte, die man in der Botanik Pisum mari- 
timum genannt hat. 

Die alten Bewohner der Schweiz und Italiens in dem 
Bronzezeitalter bauten eine kleinsamige Varietät der Faba 
vulgaris an. Heer! bezeichnet sie unter dem Namen Cel- 
tica nana, weil der Same 6—9 mm lang ist, wäh- 
rend die Länge unserer jetzigen Feldbohne (Feverolle) 
10—12 mm beträgt. Er hat die Exemplare von 
Montelier am Murtnersee und von der Petersinsel 
im Bielersee mit andern von Parma aus derselben 
Periode verglichen. De Martillet hat in den gleich- 
alterigen Pfahlbauten des Sees von Bourget dieselbe 
kleine Pferdebohne gefunden, welche nach ihm einer 
jetzt in Spanien angebauten Varietät sehr ähnlich 
sein soll.? 

Die Pferdebohne wurde bei den alten Aegyptern an- 
gebaut.” Freilich hat man bisjetzt noch keine Samen 
von ihr gefunden oder sie darstellende Abbildungen in 
den Särgen oder Denkmälern angetroffen. Der Grund 
hierfür liegt angeblich darin, dass sie als unrein galt.* 
Herodot spricht sich folgendermaassen aus: Die Aegyp- 
ter säen nie Pferdebohnen auf ıhren Ländereien aus, 
und kommen solche dort vor, so werden sıe weder roh 
noch gekocht gegessen. Die Priester können sich nicht 
einmal dazu entschliessen, sie anzublicken, da sie sich 
einbilden, dass dieses Gemüse unrein sei. Die Pferde- 
bohne sd sich somit in Aegypten und wahrscheinlich 
auf den angebauten Ländereien, denn der ihr zusagende 
Boden befand sich meistens im Culturzustande. Viel- 
leicht hatte die arme Bevölkerung und die gewisser 


1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 22, Fig. oc 47. 

2 Perrin, Étude préhistorique sur a Savoie, S. 

3 Delile, Plant. cult. en Egypte, 12; Economie des Egyp- 
tiens et Carthaginois, S. 340; Ünger, ennen d. alten Aegyptens, S. 64; 
Wilkinson, Manners ‘and customs of Ancient Egyptians, II, 402. 

4 Reynier, a. a. O., sucht hierfür die Gründe zu errathen. 


DE CANDOLLE. 26 


402 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Districte nicht dieselben Vorurtheile wie die Priester. : 
Weiss man doch, dass die abergläubischen Gebräuche 
je nach den Bezirken voneinander abwichen. Plutarch 
und Diodorus von Sicilien haben von der Cultur der 
Pferdebohne in Aegypten gesprochen, sie schrieben aber 
500 Jahre nach Herodot. 

Im Alten Testament! findet man zweimal das Wort 
Pol, welches wegen der durch den Talmud erhaltenen 
Ueberlieferungen und wegen des arabischen Namens 
foul, fol oder ful, worunter die Pferdebohne verstanden 
wird, mit Pferdebohne übersetzt worden ist. Der erste 
dieser zwei Verse lässt die Kenntniss dieser Art bei 
den Hebräern auf das Jahr 1000 v. Chr. zurückgehen. 

Schliesslich will ich auf einen Beweis sehr alten Vor- 
kommens der Pferdebohne in Nordafrika hinweisen. 
Derselbe findet sich in dem berberischen Namen Ibiou, 
in der Mehrzahl Zabouen, welcher bei den Kabylen der 
Provinz Algerien in Gebrauch ist.” Er gleicht in keiner 
Weise dem semitischen Namen und geht vielleicht auf 
ein sehr hohes Alterthum zurück. Die Berbern bewohn- 
ten einst Mauritanien, wo die Art nach Plinius wild- 
wachsend war. Es ıst nicht bekannt, ob die Guanchen, 
berberischer Volksstamm der Canaren, die Pferdebohne 
kannten. Ich bezweifle, dass die Iberer sie besassen, 
denn ihre muthmaasslichen Nachkommen, die Basken, 
bedienen sich des Wortes Baba, welches dem Faba 
der Römer entspricht. 

Diesen Schriftstücken zufolge war die Cultur der 
Pferdebohne in Europa, Aegypten und in Arabien prä- 
historisch. Nach Europa wurde sie wahrscheinlich von 
den Westariern zur Zeit ihrer ersten Wanderungen (Pe- 
lasger, Kelten, Slawen) eingeführt. Erst später, ein 
Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, gelangte 
sie nach China, noch später nach Japan und ganz neuer- 
dings nach Indien. 


1 Samuel, II, Kap. 17, V. 28; Hesekiel, Kap. 4, V. 9. 
2 Dictionnaire français-berbère, von d. franz. Regierung veröffentlicht. 
3 Herrn Clos von Herrn d’Abadie mitgetheilt. 


Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 403 


In Bezug auf den spontanen Wohnsitz ist es immerhin 
möglich, dass derselbe vor einigen Tausend Jahren ein 
doppelter war, indem der eine sich im Süden des Kaspi- 
sees, der andere in Nordafrika befand. Derartige Wohn- 
sitze, welche ich getrennte genannt und mit welchen ich 
mich früher viel beschäftigt habe!, sind bei den dicoty- 
ledonischen Pflanzen selten; aber gerade in den Län- 
dern, von welchen ich soeben gesprochen habe, kommen 
solche Beispiele vor.” Es ist wahrscheinlich, dass sich 
der Wohnsitz der Pferdebohne seit langer Zeit auf dem 
Wege des Abnehmens und des Aussterbens befindet. 
Die Natur der Pflanze unterstützt diese Hypothese, 
denn ihre Samen sind nicht besonders für eine weitere 
Verbreitung ausgestattet, und die Nage- sowie andere 
Thiere können sich ihrer leicht bemächtigen. Der 
Wohnsitz im westlichen Asien war einst vielleicht we- 
niger begrenzt als jetzt, und jener in Afrika dehnte 
sich vielleicht zu Plinius’ Zeiten mehr oder weniger aus. 
Der Kampf ums Dasein, ungünstig für diese Pflanze 
wie für den Mais, würde ıhn nach und nach auseinander- 
gerissen, die Pflanzen haben verschwinden lassen, wenn 
der Mensch ihr nicht beisprang, indem er sie anbaute. 

Die der Pferdebohne ähnlichste Pflanze ist die Vicia . 
narbonensis. Die Autoren, welche die Gattung Faba 
nicht zulassen, deren Charaktere von jenen der Vicia 
nur wenig abweichen, bringen diese beiden Arten in 
-eine Abtheilung zusammen. Die Vicia narbonensis ist 
aber in der Mittelmeerregion und im Orient bis nach 
dem Kaukasus, Nordpersien und Mesopotamien wild- 
wachsend.* Ihr Wohnsitz ist nicht getrennt, doch 
macht sie nach Analogie die von mir erwähnte Hypo- 
these wahrscheinlich. 


1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, Kap. X. 

2 Rhododendron ponticum findet sich nur noch in Kleinasien und im 
Süden der Spanischen Halbinsel. 

3 Boissier, Fl. orient., II, 577. 


26° 


404 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Ervum Lens, Linne. Lens esculenta, Mönch. — Ge- 
meine Linse (fr. Lentille). | 

Die Pflanzen, welche der Linse am ähnlichsten sind, 
werden von den Autoren bald in die Gattung Ervum, 
bald in eine besondere Gattung, Lens, und zuweilen in 
die Gattung Cicer gebracht; die Arten dieser schlecht 
begrenzten Gruppen finden sich aber alle in der Mittel- 
meerregion oder im westlichen Asien. Dies kann als 
Fingerzeig dienen für den Ursprung der angebauten 
Pflanze. Unglücklicherweise findet sich die Linse nicht 
mehr in einem spontanen Zustande, wenigstens kann 
solcher nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden. 
Die Floren von Südeuropa, Nordafrika, vom Orient und 
von Indien erwähnen sie immer als angebaut oder auf 
den Feldern nach oder zwischen andern Culturen vor- 
kommend. Ein Botaniker! hat sie in den Provinzen 
im Süden des Kaukasus „angebaut und hier und da in 
der Nähe von Dörfern fast spontan‘ gesehen. Ein an- 
derer”? führte sie in undeutlicher Weise für das südliche 
Russland an, die neuesten Floren bestätigen . dies 
aber nicht. RR 

Vielleicht können wir durch die Geschichte und die 
Namen dieser Pflanze zu grüsserer Klarheit über ihren 
Ursprung gelangen. 4 

Sie ist seit einer prähistorischen Zeit im Orient, der 
Mittelmeerregion und selbst in der Schweiz angebaut. 
Nach Herodot, Theophrast u. s. w. machten die alten 
Aegypter einen grossen Gebrauch von ihr.. Wenn ihre 
Denkmäler hierfür nicht den Beweis geliefert haben, 
so liegt dies vielleicht daran, dass ihr Same wie die 
Pferdebohne als gemein und schmuzig angesehen wurde. 
Im Alten Testament wird sie dreimal unter dem Namen 
Adaschum oder Adaschim erwähnt, derselbe muss sicher- 
lich Linse bedeuten, denn der arabische Name ist Ads’ 


* 


1 C. A. Meyer, Verzeichniss der kaukas. Pflanzen, S. 147. 
Georgi, in: Ledebour, Flora rossica. 
Forskal, Fl. Aegypt.; Delile, Plant. cult. en Egypte, S. 13. 


2 
o 
o 


'Gemeine Linse. 405 


oder Adas.! Die rothe Farbe der berühmten Suppe 
Esau’s ist von den meisten der Autoren nicht verstanden 
worden. Reynier?, welcher sich in Aegypten aufge- 
halten hatte, bestätigt die vom Geschichtschreiber Jo- 
sephus vor Zeiten gegebene Erklärung: „Die Linsen 
waren roth, weil sie ausgehülst waren.“ „Noch jetzt 
pflegen die Aegypter“, sagt Reynier, „diesen Samen ihre 
äussere Haut abzuziehen, und sie zeigen in diesem Falle 
eine blassrothe Farbe.“ Die Berbern haben von den 
Semiten den Namen Adès für die Linse erhalten. 
Von den Griechen wurde die Linse, Fakos oder Fa- 
kai, angebaut. Schon bei Aristophanes ist von ıhr als 
einem Nahrungsmittel für die Armen die Rede.* Die 
Lateiner nannten sie Lens, ein Wort unbekannten Ur- 
sprungs, welches wahrscheinlich mit dem altslawischen 
Namen Lesha, dem illyrischen Lechja, dem lttauischen 
Lenszie? verknüpft ist. Die Verschiedenheit der grie- 
chischen und lateinischen Namen weist darauf hin, dass 
die Art vor ihrem Anbau vielleicht in Griechenland 
und Italien vorkam. Ein anderer Beweis für das alte 
Vorkommen in Europa ist der, dass man Linsen in 
den Pfahlbauten der Petersinsel des Bielersees ge- 
funden hat®, welche freilich aus der Bronzezeit sind. 
Man kann die Art von Italien bezogen haben. 
Theophrast zufolge? kannten die Bewohner Baktriens 
(jetzige Bucharei) die Fakos der Griechen nicht. Adolphe 
* Pictet führt einen persischen Namen Manyu oder Margu 
an, welcher sich beispielsweise in dem Zend-Avesta fin- 
det. Er lässt für die Linse mehrere Sanskrıtnamen zu, 
Masura, Renuka, Mangalya u. s. w., während die anglo- 
indischen Botaniker Roxburgh und Piddington keinen 


— 


1 Ebn Baithar, II, 134. 
2 Reynier, Économie publique et rurale des Arabes et des Juifs (Genf 
1820), S. 429. 
3 Dictionnaire français-berbère, 1844. 
4 Hehn, Kulturpflanzen u. s. w., 3. Aufl., III, 188. 
5 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 364; Hehn, 
a. à. O. 
6 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 23, Fig. 49. 


7 Theophrastus, Hist., 1. 4, ce. 5. 


406 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


kannten." Da dieselben aber einen übereinstimmenden 
hindustanischen und bengalischen Namen, Mussour, er- 
wähnen, so darf man annehmen, dass mit Masura ent- 
schieden die Linse gemeint ist, während das Mangu der 
Perser an den andern Namen Mangalya erinnert. Da 
Roxburgh und Piddington keinen Namen in den andern 
indischen Sprachen angeben, kann man vermuthen, dass 
die Linse in jenem Lande vor Ankunft des sanskrit- 
sprechenden Volkes nicht bekannt war. In den alten 
chinesischen Werken ist von der. Art nicht die Rede; 
wenigstens spricht Dr. Bretschneider nicht von ihr, 
weder in seiner Schrift vom Jahre 1870, noch in 
den ausführlicheren, neuerdings an mich gerichteten 
Briefen. 

Nehmen wir alles zusammen, so scheint die Linse im 
gemässigten Westasien, in Griechenland und Italien auf- 
getreten zu sein, als die Menschen in einer sehr alten, 
prähistorischen Zeit auf den Gedanken verfielen, sie an- 
zubauen, und sie nach Aegypten brachten. Die Cultur 
scheint sich zu einer weniger fernliegenden, aber kaum 
‚historischen Zeit im Westen und Osten, d. h. in Europa 
und Indien, weiter ausgebreitet zu haben. 


Cicer arietinum, Linne. — Kichererbse (fr. Pois chiche). 

Man kennt 15 Arten der Gattung Cicer, welche alle 
mit Ausnahme einer, die von Abessinien stammt, dem 
westlichen Asien oder Griechenland angehören. Die 
Wahrscheinlichkeit ist somit eine sehr grosse, dass die 
angebaute Art von den zwischen Griechenland und dem 
Himalaja gelegenen Ländern kommt, die im weiten 
Sinne als Orient bezeichnet werden. 

Man hat sie unter den Bedingungen einer spontanen 
Pflanze nicht mit Sicherheit angetroffen. Alle Floren 
Südeuropas, Aegyptens und Westasiens bis nach dem 
Kaspisee und Indien sprechen von ihr als von einer auf 
Feldern und urbar gemachtem Lande angebauten Pflanze. 


1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 324; Piddington, Index. 


Kichererbse. 407 


Man hat sie bisweilen! in der Krim, ım Norden und 
besonders im Süden des Kaukasus als fast spontan an- 
gegeben; von den gut unterrichteten Autoren der Neu- 
zeit wird dies aber bezweifelt.” Dieser der Sponta- 
neität sich nähernde Zustand kann nur zu der Ver- 
muthung eines Ursprungs aus Armenien und den be- 
nachbarten Ländern führen. 

Die Cultur und die Namen der Art werden vielleicht 
etwas Licht auf die Frage werfen. 

Bei den Griechen wurde die Kichererbse schon zu 
Homer’s Zeiten angebaut, man kannte sie als Erebin- 
thos® und auch als Krios*, so genannt wegen der Aehn- 
lichkeit des Samens mit dem Kopfe eines Widders. Die 
Lateiner nannten sie Cicer, ein Wort, von welchem die 
neuern Namen in Südeuropa ihren Ursprung ableiten. 
Dieser Name findet sich auch bei den Albanesen, Nach- 
kommen der Pelasger, unter der Form von Kikere.’ 
Das Vorkommen von so verschiedenen Namen lässt auf 
eine seit alters her bekannte und im Südosten Europas 
vielleicht einheimische Pflanze schliessen. 

Die Kichererbse ıst in den Pfahlbauten der Schweiz, 
Savoyens oder Italiens nicht gefunden worden. Was 
die beiden ersten Länder betrifft, darf man sich hier- 
über nicht wundern, da das Klima nicht warm genug ist. 

Ein gemeinsamer Name findet sich bei den Völkern 
im Süden des Kaukasus und des Kaspisees, nämlich 


"Nachuda im Georgischen, Nachius, Nachunt im Tür- 


kischen und Armenischen, Nochot im Persischen.° Die 
Sprachforscher können sich darüber aussprechen, ob 
dies ein sehr alter Name ist und ob er mit dem Sanskrit- 
namen Chennuka in irgendwelcher Beziehung steht. 
Die Kichererbse ist in Aegypten seit Beginn der 


1 Ledebour, F1. ross., I, 660, nach Pallas, Falk und C. Koch. 

2 Boissier, Fl. orient., II, 560; Steven, Verzeichniss der taurischen 
Halbinseln, S. 134. 

3 Iliade, 1. 13, v. 589; Theophrastus, Hist., 1. 8, c. 3. 

4 Dioscorides, 1. 2, c. 126. 

5 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71. 

6 Nemnich, Polyglotten-Lexicon, I, 1037; Bunge, in: Göbel’s Reise, 
LE Tes. 


408 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


christlichen Zeitrechnung so häufig angebaut!, dass sie 
muthmaasslich auch den alten Aegyptern bekannt ge- 
wesen ist. In den Abbildungen oder den Samenfund- 
stätten ihrer Denkmäler lassen sich hierfür keine Be- 
weise auffinden, man kann aber annehmen, dass dieser 
Same wie die Pferdebohne und Linse als gemein oder 
unrein angesehen wurde. Reynier? glaubte, dass der 
Ketsech, von Jesaias ım Alten Testament erwähnt, viel- 
leicht die Kichererbse wäre; gewöhnlich wird dieser 
Name aber auf Schwarzkümmel (Nigella sativa) oder 
auf Vicia sativa bezogen, ohne dessen jedoch gewiss zu 
sein.” Da die Araber die Kichererbse mit einem ganz 
verschiedenen Namen bezeichnen, Omnos, Homos, wel- 
cher sich bei den Kabylen als Hammez * wiederfindet, 
ist es nicht wahrscheinlich, dass der Ketsech der Juden 
dieselbe Pflanze war. Diese Einzelheiten führen mich 
zu der Vermuthung, dass die Art den alten Aegyptern 
und Israeliten unbekannt war. Sie hat sich vielleicht 
von Griechenland oder Italien aus zu Anfang unserer 
Zeitrechnung bei ihnen eingebürgert. 

Die Einführung nach Indien ist eine ältere gewesen, 
denn man kennt einen Sanskritnamen und mehrere über- 
einstimmende oder verschiedene Namen in den neuern 
Sprachen.® Bretschneider erwähnt für China die Art nicht. 

Meines Wissens liegen keine Beweise vor von dem 
hohen Alter der Cultur in Spanien; indessen kann der 
castilianische Name Garbanzo, welcher von den Basken 
in der Form von Garbantzua und im Französischen 
als Garvance gebraucht wird, aber weder lateinischen 
noch arabischen Ursprungs ist, auf eine ältere Zeit- 
periode als die Eroberung des Landes durch die Römer 
zurückgeführt werden. 


1 Clemens von Alexandrien, Strom., 1. 1, nach Reynier, Économie des 
Egyptiens et Carthaginois, S. 343. 

2 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs, S. 430. 

3 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., I, 100; Hamilton, Botanique de la 
Bible, S. 180. 

4 Rauwolf, Fl. orient., Nr. 220; Forskal, Fl. Aegypt., S S1; Diction- 
naire français-berbère. 

5 Roxburgh, Fl. ind., III, 324; Piddington, Index. 


Weisse Feigbohne, Wolfsbohne, Lupine. 409 


Es stimmen die botanischen, historischen und lin- 
guistischen Angaben in der Annahme überein, dass die 
Art vor ihrer Cultur die Länder im Süden des Kau- 
kasus und im Norden Persiens bewohnte. Die West- 
arier (Pelasger, Hellenen) haben die Pflanze vielleicht 
nach Südeuropa eingeführt, wo sie indessen ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit nach auch einheimisch war. Die 
Ostarier brachten sie nach Indien. Das Vaterland dehnte 
sich vielleicht von Persien nach Griechenland aus, und 
gegenwärtig findet sich die Art nur noch auf bebauten 
Ländereien, wo es sich nicht nachweisen lässt, ob sie 
von ursprünglich wildwachsenden oder angebauten In- 
dividuen abstammt. 


Lupinus albus, Linne. — Weisse Feigbohne, Wolfs- 
bohne, Lupine (fr. Lupin). 

Die alten Griechen und Römer bauten diese Legu- 
minose an, theils um sie als Gründünger unterzugraben, 
theils ihrer Samen wegen, die als Futter für das Rind- 
vieh gut sind, aber auch dem Menschen zur Nahrung 
dienen. Die von den -neuern Autoren citirten Ausdrücke 
des Theophrast, Dioscorides, Cato, Varro, Plinius u. s. w. 
beziehen sich auf die Cultur und die medicinischen 
Eigenschaften der Samen, und weisen nicht darauf hin, 
ob es sich um die Lupine mit weissen Blumen (Z. albus) 
oder jene mit blauen Blumen (Z. hirsutus) handelte, 
welch letztere in Südeuropa wildwachsend auftritt. 
Nach Fraas! wird letztere gegenwärtig in Morea an- 
gebaut; Heldreich? sagt aber, dass dies in Attika die 
L. albus sei. Da man in Italien diese seit langer Zeit 
anbaut, so ist es wahrscheinlich, dass sie die Lupine 
der Alten ıst. Im 16. Jahrhundert wurde sie vielfach, 
besonders in Italien, angebaut, und von Clusius wird 
die Art festgestellt, indem er sie Lupinus sativus albo 


1 Vgl. Fraas, Flora class., S. 51; Lenz, Botanik der Alten, 8. 73. 
2 Heldreich, "Nutzpflanzen Griechenlands, S. 69. 
3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture (1529), S. 88. 


410 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


fore! nennt. Das hohe Alter der Cultur in Spanien 
wird durch das Vorkommen von vier je nach den Pro- 
vinzen verschiedenen volksthümlichen Namen nachge- 
wiesen; die Pflanze zeigt sich dort aber nur im ange- 
bauten oder auf den Feldern und in sandigen Gegenden 
im halbwegs spontanen Zustande.? 

In Italien ist die Art von Bertoloni auf den Hügeln 
von Sarzane angeführt worden. Caruel glaubt jedoch 
nicht, dass sie dort und ebenso wenig in andern Ge- 
genden der Halbinsel spontan sei.” Gussone* ist für Si- 
cilien sehr bestätigend. Er führt die Pflanze an „auf 
den trockenen und sandigen Hügeln und auf den Angern 
(in herbidis)“. Grisebach® endlich hat sie massenhaft 
in der europäischen Türkei nahe bei Ruskoi angetroffen®, 
und d’Urville desgleichen in den Wäldern nahe bei Kon- 
stantinopel. Dies wird durch Castagne in einem mir 
gehörenden Manuscriptkatalog bestätigt. Boissier führt 
für den Orient keine Localıtät an; in Indien ist von 
der Art nicht die Rede, die russischen Botaniker 
haben sie aber im Süden des Kaukasus gesammelt, wenn 
man auch nicht weiss, ob es sich hierbei um spontane 
Exemplare handelte.” Vielleicht werden andere Locali- 
täten zwischen Sicilien, Macedonien und dem Kaukasus 
entdeckt werden. 


Lupinus Termis, Forskal. — Aegyptische Wolfsbohne 
(fr. Termis). | 

In Aegypten und selbst auf der Insel Kreta wird 
diese Lupinenart vielfach angebaut, sie steht der L. albus 
so nahe, dass man bisweilen den Vorschlag gemacht 
hat, beide Arten in eine zu vereinigen.” Die augen- 
scheinlichste Verschiedenheit beruht darin, dass die 


Clusius, Historia plant., II, 228. 

Willkomm et.Lange, F1. hisp., III, 466. 

Caruel, Fl. toscana, S. 136. 

Gussone, Florae siculae synopsis, 2. Aufl., II, 266. 
Grisebach, Spicilegium F1. rumelicae, S. 11. 

D’Urville, Enum., S. 86. 7 Ledebour, F1. ross., I, 510. 
Caruel, Fl. toscana, S. 136. 


d@ © 1 À 5 9 m 


ER ; 
Aegyptische Wolfsbohne. Stockerbse. A171 


Blume der Termis nach oben zu blau und auch ihr Sten- 

gel höher ist wie bei der L. albus. Die Samen finden 
wie jene der gemeinen Lupine Verwendung, nachdem 
sie vorher, ihrer Bitterkeit wegen, eingeweicht worden 
sind. 3 

Die L. Termis ist im Sandboden und auf den Hügeln 
Sieiliens, Sardiniens und Corsicas spontan!, nach Boissier? 
auch in Syrien und Aegypten, doch würde sie Schwein- 
furth und Ascherson zufolge in Aegypten nur angebaut 
sein.? Hartmann hat sie in Oberägypten wildwachsend 
gesehen.” Unger? führt sie unter den bei den alten 
Aegyptern angebauten Pflanzen an, er bezieht sich aber 
weder auf ein besonderes Exemplar noch auf eine Ab- 
bildung. Wilkinson® begnügt sich mit der Erwähnung, 
dass sie in den Gräbern gefunden wurde. 

In Indien wird keine Lupine angebaut, auch kennt 

man keinen Sanskritnamen; Lupinensamen werden in 
den Bazars unter dem Namen Tourmus (Royle, „Il“, 
S. 194) verkauft. 
Der Name Termis oder Termus der Araber ist der- 
selbe, welcher bei den Griechen für Lupine, Termos, 
gebraucht wird. Muthmaasslich haben die Griechen sie 
von den Aegyptern erhalten. Da die Art im alten 
Aegypten: bekannt war, erscheint es seltsam, dass 
kein hebräischer Name genannt wird.’ Vielleicht ist 
sie nach Aegypten erst nach dem Auszuge der Juden 
eingeführt worden. 


Pisum arvense, Linne. — Stockerbse (fr. Pois des 
champs, Pois gris, Bisaille). 

Hier handelt es sich um die Erbse, welche man 
ihrer Samen wegen und zuweilen auch als Viehfutter im 


Gussone, F1. sic. syn., II, 267; Moris, Flora sardoa, I, S. 596. 
Boissier, F]. orient., II, 29. 

Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., S. 257. 
Schweinfurth, Plantae nilot. a Hartmann coll., S. 6. 

5 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 65. 

6 Wilkinson, Manners and customs of Ancient Egyptians, II, 403. 
7 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde. 


R ©) 19 ha 


412 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


(Grossen anbaut. Wenn sie sich auch durch ihr äusseres 
Ansehen und ihre botanischen Charaktere von der ge- 
meinen Gartenerbse leicht unterscheiden lässt, so wurde 
sie doch von den griechischen und römischen Autoren 
mit jener verwechselt oder dieselben drückten sich in 
Bezug hierauf nicht deutlich genug aus. Aus ihren 
Werken ersieht man nicht, ob sie zu ihrer Zeit an- 
gebaut wurde. In den Pfahlbauten der Schweiz, Sa- 
voyens und Italiens hat man sie nicht gefunden. Eine 
Legende von Bobbio aus dem Jahre 930 erwähnt, dass 
die italienischen Landleute einen Samen Herbilia nann- 
ten, und daraus hat man geschlossen, dass dies die 
jetzige Rubiglia oder das Pisum sativum der Botaniker 
sei.! Die Art wird im Orient und bis nach Nordindien 
hin angebaut.” In letzterm Lande ist die Cultur keine 
alte, denn man kennt keinen Sanskritnamen, und 
Piddington führt nur einen einzigen für die neuern 
Sprachen an. 

Wie es sich nun auch mit der Einführung der Cultur 
verhalten möge, so ist die Art in wirklich wildwachsen- 
dem Zustande in Italien nachgewiesen worden, und 
zwar nicht nur in den Hecken und in der Nähe 
des Culturlandes, sondern auch in den Wäldern und 
an unbebauten Stellen der Gebirge” In den Floren 
Spaniens, Algeriens, Griechenlands und des Orients finde 
ich keine bestimmte, hiermit übereinstimmende Angabe. 
Auch für Südrussland ıst dıe Pflanze als einheimisch 
angegeben worden; bald ist aber die spontane Eigen- 
schaft sehr zweifelhaft, und bald ist es die Art selbst, 
die nicht gewiss ist, weil sie mit Pisum sativum oder 
P. elatius verwechselt wird. Royle ist unter den anglo- 
indischen Botanikern der einzige, welcher für Nordindien 
das Indigenat zuliess. 


1 Muratori, Antich. ital., I, 347; Diss., 24; nach Targioni, Cenni 
storici, S. 31. 

2 Boissier, Fl. orient., II, 623; Royle, Ill. Himal., S. 200. 

3 Bertoloni, Fl. ital., VII, 419; Caruel, Fl. tosc., S. 184; Gussone, F]. 
siculae synopsis, II, 279; Moris, F1. sardoa, I, 577. 


Gemeine Gartenerbse. 415 


Pisum sativum, Linne. — Gemeine Gartenerbse (fr. 
Pois des jardins, petit Pois). 

Die Erbse unserer Gemüsegärten ist zarter als 
die der Felder, die Stockerbse. Sie kann Frost und 
Trockenheit nicht vertragen. Wahrscheinlich war ihr 
natürlicher Wohnsitz vor dem Anbau mehr im Süden 
und beschränkter. 

Thatsache ist es, dass man sie im wildwachsenden 
Zustande noch nicht gefunden hat, weder in Europa 
noch in Westasien, von wo sie muthmaasslich gekom- 
men ist. Die Angabe Bieberstein’s für die Krim ist 
nach Steven, welcher dort gewohnt hat, nicht genau.! 
Vielleicht haben die Botaniker ihren Wohnsitz dort 
übersehen. Vielleicht ist die Pflanze von ihrem Ur- 
sprungsorte verschwunden, oder vielleicht ist sie nur 
eine durch die Culturen erzielte Modification von Pisum 
arvense. Diese letzte Meinung war die von Alefeld?; 
was er aber darüber veröffentlicht hat, ist so kurz, 
dass sich nichts daraus schliessen lässt. Seine Aussage 
läuft einfach darauf hinaus, dass er eine grosse Anzahl 
von ihm angebauter ‘Formen der Stock- und Garten- 
erbse als zu ein und derselben Art gehörend ansieht. 
Darwin ® hatte durch eine Mittelsperson erfahren, dass 
Knight die Stockerbse mit einer preussische Erbse 
genannten Varietät der Gartenerbse gekreuzt hatte, und 
dass die daraus erzielte Züchtung vollständig fruchtbar 
erschienen war. Dies wäre ein guter Beweis für die 
specifische Einheit, jedoch sind hierfür noch mehr Beob- 
achtungen, weitere Versuche nöthig. Vorläufig bin ich 
bei dieser Untersuchung nach dem geographischen Ur- 
sprunge genöthigt, die beiden Formen getrennt zu be- 
trachten, und will ich zu diesem Zwecke die Frage in 
Bezug auf Pisum sativum prüfen. 

Die Botaniker, welche viele Arten bei der Gattung 


Steven, Verzeichniss, S. 134. 
Alefeld, Botanische Zeitung, 1860, S. 204. 
3 Darwin, Variations of animals and plants under domestication, S. 326. 


1 
2 


414 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Pisum unterscheiden, lassen acht zu, die sämmtlich 
Europa oder Asien angehören. 

Das Pisum sativum wurde bei den Griechen zu Theo- 
phrast’s Zeiten angebaut.! Sie nannten es Pisos oder 
Pison. Die Albanesen, Nachkommen der Pelasger, nen- 
nen es Pizelle?” Die Lateiner sagten Pisum.?” Diese 
Einförmigkeit der Nomenclatur lässt vermuthen, dass 
die Arier bei ihrer Ankunft in Griechenland und Italien 
die Pflanze kannten und dieselbe vielleicht mit sich 
geführt hatten. Die andern Sprachen arischen Ursprungs 
enthalten mehrere Worte für Erbsen im generischen 
Sinne; nach der gelehrten Abhandlung von Adolphe 
Pictet* liegt es aber auf der Hand, dass man keinen 
dieser Namen auf Pisum sativum insbesondere anzu- 
wenden wissen würde. Selbst wenn eine der neuern 
Sprachen, slawische oder bretonische, den Sinn auf die 
Gartenerbse beschränkt hat, ist es immerhin sehr mög- 
lich, dass einst, beim Ursprunge dieser Namen, dieses 
Wort Stockerbse, Linse oder irgendeine andere Hülsen- 
frucht bedeutete. 

Man hat die Gartenerbse® in den Ueberresten der 
Pfahlbauten der Bronzezeit ın der Schweiz und Savoyens 
aufgefunden. Der Same ist sphärisch, wodurch sich die 
Art von Pisum arvense unterscheidet, auch ıst er kleiner 
als derjenige unserer jetzigen Gartenerbsen. Heer be- 
richtet, denselben auch aus der Steinzeit in Moossee- 
dorf gesehen zu haben; er ist aber weniger bestimmt 
und gibt nur Abbildungen von der weniger alten Erbse 
der Petersinsel. Wenn die Art in der Schweiz auf 
das Steinalter zurückgeht, würde dies ein Grund 
zu der Annahme sein, dass sie den arischen Völkern 
vorherging. 


1 Theophrastus, Hist.. 1. 8, c. 3, 5. 

2 Heldreich, Nutzpflanzen” Griechenlands, S. 

3 Plinius, Hist., 17182 c1.,327 HS handelt Br: gewiss um Pisum sa- 
tivum, denn der Autor berichtet, dass es die Kälte schlecht vertrage. 

4 Ad. Pictet, Les origines indo- PR 2. Aufl., I, 359. 

5 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, 23, Fig. 48; Perrin, Études pré- 
historiques” sur la Savoie, S. 22. 


Sojabohne. 415 


Es gibt keine Angabe über die Cultur von Pisum 
sativum im alten Aegypten oder bei den Hebräern. 
Dagegen ist diese Erbsenart seit langer Zeit in Nord- 
indien angebaut, wenn sie, wie Piddington meint, 
einen Sanskritnamen Harenso hatte und durch mehrere, 
von diesem sehr verschiedene Namen in den jetzigen 
indischen Sprachen bezeichnet wird.! Nach China hat 
man sie von Westasien eingeführt. Der zu Ende des 
16. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung veröffentlichte 
„Pent-sao‘“ nennt sie mohammedanische Erbse.? 

Kurz, die Art scheint im westlichen Asien, vielleicht 
vom Süden des Kaukasus bis nach Persien vorgekom- 
men zu sein, ehe sie angebaut wurde. Die arischen 
Völker würden sie nach Europa eingeführt haben, viel- 
leicht fand sie sich aber in Nordindien schon vor An- 
kunft der Ostarier. 

Vielleicht tritt sie im spontanen Zustande nicht mehr 
auf, und wenn sie uns auf den Feldern im fast spon- 
tanen Zustande entgegentritt, so sagt man nicht, dass 
sie eine abgeänderte Form besitze, welche sich den an- 
dern Arten nähert. 


Dolichos Soja, Linne. Glycine Soja, Bentham. — 
Sojabohne (fr. Soja). 

Die Cultur dieses einjährigen Hülsengewächses geht 
in China und Japan auf ein fernliegendes Alterthum 
-zurück. Man konnte dies aus der vielfachen Verwen- 
dung des Samens und der ungeheuern Anzahl der 
Varietäten schliessen. Man glaubt aber überdies, dass 
dies eine der Mehlsorten sei, welche in den chine- 
sischen Werken aus der Zeit des Confucius Schu 
genannt werden, obgleich der neuere Name für die 
Pflanze Ta-tou ist.” Die Samen sind nahrhaft und 
gleichzeitig sehr ölhaltig, weshalb in der japanischen 
und chinesischen Küche aus ihnen ähnliche Substanzen 


1 Piddington, Index. Roxburgh spricht von keinem Sanskritnamen. 
2 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 16. 
3 Ebend., S. 9. 


416 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


wie Butter, Oel, Käse gewonnen werden. Die Soja- 
bohne wird auch im Indischen Archipel angebaut, zu 
Ende des 17. Jahrhunderts war sie aber auf Amboina 
noch selten?, und Forster hatte sie auf Cook’s Reise 
auf den Inseln der Südsee nicht angetroffen. In Indien 
muss ihre Einführung neuern Datums sein, denn Rox- 
burgh hatte die Pflanze nur im botanischen Garten von 
Kalkutta gesehen, wohin sie von den Molukken gelangt 
war. Indische volksthümliche Namen sind nicht be- 
kannt.* Wenn überdies die Cultur in Indien eine alte 
wäre, würde sie sich nach Westen hin, nach Syrien und 
Aegypten, weiter verbreitet haben, und dies ist nicht 
eingetreten. 

Kämpfer ® hatte einst eine sehr gute Abbildung von 
der Sojabohne veröffentlicht. Seit einem Jahrhundert 
wurde sie in den botanischen Gärten Europas ange- 
baut, als zahlreiche Nachrichten über China und Japan 
einen ausserordentlichen Eifer wachriefen, sie in unsern 
Ländern einzuführen. Es wurden besonders in Oester- 
reich-Ungarn und in Frankreich Versuche im Grossen. 
angestellt, und man hat solche in Werken zusammen- 
gefasst, die über ihren Anbau vorzügliche Rathschläge 
enthalten.° Wir wollen wünschen, dass der Erfolg die- 
sen Anstrengungen entsprechen möge; um aber wieder 
auf den Zweck unserer Untersuchungen zurückzukom- 
men, wollen wir hier den wahrscheinlichen Ursprung 
der Art näher ins Auge fassen. 

Linne hat in seinen „Species“ gesagt: „Habitat en 
India“; danach verweist er auf Kämpfer, welcher über 
die Pflanzen Japans berichtet hat, und auf seine eigene 
Flora von Ceylon, woraus man ersieht, dass die Pflanze 
auf dieser Insel angebaut war. In der neuern Flora 


1 Vgl. Pailleux, im: Bulletin de la Société d’acclimatation, September 
und October 1880. 

2 Rumphius, Amboin., V, 388. 

3 Roxburgh, Flora indica, III, 514. 4 Piddington, Index. 

5 Kämpfer, Amoen. exot., S. 837, Fig. 838. 

6 Haberlandt, Die Sojabohne (Wien 1878), Auszug im Französischen 
von Pailleux, a. a. O. 


* Sojabohne. Catjang. 417 
Ceylons von Thwaites wird dieselbe gar nicht erwähnt. 
Augenscheinlich muss man mehr nach Ostasien vor- 
gehen, um sowol den Ursprung der Cultur wie der Art 
zu entdecken. Von Loureiro hören wir, dass sie Cochin- 
china bewohnt und in China oft angebaut wird.! Mir 
ist nichts bekannt, dass man sie im letztern Lande 
wildwachsend angetroffen habe, vielleicht wird man sie 
aber dort in Anbetracht des hohen Alters der Cultur 
noch auffinden. Die russischen Botaniker? haben sie 
in Nordchina und nach dem Amurflusse zu nur als an- 
gebaute Pflanze gefunden. Sicherlich ist sie in Japan 
spontan.” Schliesslich hat Junghuhn * sie in Java auf 
dem Berge Gunung-Gamping gefunden, und eine Pflanze, 
die Zollinger ebenfalls von Java eingeschickt hat, wird 
auf dieselbe Art bezogen, ohne dass man indess weiss, 
ob sie auch wirklich spontan war.” Ein malaiischer 
Name, Kadelee®, der von den volksthümlichen japane- 
sischen und chinesischen Namen ganz und gar abweicht, 
trägt zur Begründung des Indigenats auf Java bei. 

Schliesslich war die Sojabohne, den bekannten That- 
sachen und den historischen und linguistischen Wahr- 
scheinlichkeiten zufolge, von Cochinchina bis nach dem 
südlichen Japan und auf Java spontan, als alte Bewohner 
zu einer sehr fern liegenden Zeit sich daran machten, 
sie anzubauen, sie in verschiedener Weise zu ihrer 
Nahrung zu verwerthen, und von ihr Varietäten er- 
. zielten, deren Zahl, besonders in Japan, eine be- 
trächtliche ist. 


Cajanus indicus, Sprengel. Cytisus Cajan, Linne. — 
Catjang (fr. Cajan).. 


Diese in den Tropenländern sehr häufig angebaute 


1 Loureiro, Fl. coch., II, 538. 

2 Bunge, Enum. plant. Chin., Nr. 118; Maximowicz, Primitiae Fl. 
Amur., S. 37. 

3 Miquel, Prolusio, in: Ann. Mus. Lugd.-Bat., III, 52; Franchet et 
Savatier, Enum. plant. Jap., I, S. 108. 

4 Junghuhn, Plantae Jungh., S. 255. 

5 Die Soja angustifolia, Miquel; vgl. Hooker, Fl. Brit. India, II, 154. 

6 Rumphius, a. a. O. 


DE CANDOLLE. | 


418 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Leguminose ist strauchartig, sie trägt aber vom ersten 
Jahre an Früchte, und man zieht es in einigen Ländern 
vor, sie als einjährige Pflanze zu behandeln. Ihre Sa- 
men bilden einen wichtigen Bestandtheil der Nahrung 
für die Neger oder die Eingeborenen, während sie von 
den europäischen Colonisten viel weniger geschätzt 
und von denselben höchstens vor der Reife nach Art 
unserer Schoten als Gemüse benutzt werden. 

Die Pflanze naturalisirt sich sehr leicht auf schlechtem 
Boden ausserhalb der Culturen, selbst auf den Antillen, 
wo sie entschieden nicht ursprünglich zu Hause ist.! 

Auf der Insel Mauritius heisst sie Ambrevade; in 
den englischen Colonien Doll, Pigeon-Pea, und auf den 
französischen oder englischen Antillen Pois d’Angola, 
Pois de Congo, Pois pigeon. 

Für eine auf den drei Festländern so verbreitete Art 
kennt man, seltsamerweise, nur wenige Varietäten. Es 
werden zwei genannt, deren Unterscheidung ausschliess- 
lich auf der gelben oder röthlichen Färbung der Blumen 
beruht, und welche bisweilen als verschiedene Arten 
angesehen, bei gründlicherm Studium aber, der Linne’- 
schen Meinung gemäss, zu einer einzigen gebracht wur- 
den.” Die geringe Anzahl der erzielten Varietäten, 
selbst in Bezug auf den Theil, für welchen man die Art 
anbaut, ist ein Fingerzeig, dass ihre Cultur keine alte 
ist. Dieses müssen wir indessen weiter zu erforschen 
suchen, denn der Wohnsitz, von dem die Cultur ihren 
Anfang nahm, ist ungewiss. Die ausgezeichnetsten Bo- 
taniker haben bald Indien, bald das intertropische Afrika 
als solchen hingestellt. Bentham, welcher sich viel mit 
den Leguminosen beschäftigte, glaubte 1861 an einen 
afrikanischen Ursprung, und im Jahre 1865 neigte er 


1 De Tussac, Flore des Antilles, IV, 94, Taf. 32; Grisebach, Flora of 
Brit. W. India, I, 191. 

2 In Bezug auf diese Frage vgl. Wight et Arnott, Prodr. Fl, penins. 
ind., S. 256; Klotzsch, in: Peters, Reise nach Mozambique, I, 36. Die Va- 
rretät mit gelber Blume ist abgebildet in Tussac, a. a. O., die mit röth- 
licher Blume im Botanical Register, 1845, Taf. 31. 


Catjang. 419 


sich mehr dem asiatischen Indigenat zu.t Die Frage 
ist somit eine recht interessante. 

Zunächst kann hier von einem amerikanischen Ur- 
sprung nicht die Rede sein. Der Catjanstrauch ist nach 
den Antillen von der afrikanischen Küste durch den 
Sklavenhandel eingeführt worden, wie dies die bereits 
angeführten volksthümlichen Namen nachweisen? und 
durch die übereinstimmende Meinung der Autoren von 
amerikanischen Floren bestätigt wird. Man hat die Art 
gleichfalls nach Brasilien, Guyana und den heissen Re- 
gionen des amerikanischen Festlandes gebracht. 

Die Leichtigkeit, mit welcher sich dieser Strauch 
naturalisirt, würde für sich allein es nicht gestatten, 
den Aussagen der Sammler, welche ihn in Asien oder 
Afrika mehr oder minder spontan angetroffen haben, viel 
Gewicht beizulegen, und ausserdem sind diese Angaben 
nicht genau, sondern werden im allgemeinen von Zweifeln 
begleitet. Die meisten der Autoren von Floren des 
continentalen Indiens haben die Pflanze nur im ange- 
bauten Zustande gesehen.” Keiner von ihnen bestätigt 
meines Wissens die spontane Beschaffenheit. Hinsichtlich 
der Insel Ceylon spricht Thwaites{ sich folgendermaassen 
aus: „Es wird gesagt, dass sie nicht wirklich wild- 
wachsend sei, und die Namen im Lande scheinen dies 
zu bestätigen.“ In seiner Flora von Britisch-Indien 
sagt Sir Joseph Hooker: „Wildwachsend? und im Hima- 
.laja bis zu 6000 Fuss angebaut.“ 

Loureiro® führt sie als angebaut und nicht angebaut 
„in Cochinchina und in China“ an. Die chinesischen 
Schriftsteller scheinen von ihr nicht gesprochen zu 
haben, denn Dr. Bretschneider erwähnt die Art nıcht 
in seinem Werkchen „On study etc.“ Auf den Sunda- 
Inseln wird sie als angebaut angeführt, war aber auf 


1 Bentham, Flora Hongkongensis, S. 89 
Bentham et Hooker, Genera, I, 541. 

2 De Tussac, Flore des Antilles; Jacquin, Obs., S. 1. 

3 Rheede, Roxburgh, Kurz, Burm. Flora etc. 

4 Thwaites, Enum. plant. Ceylan. 

5 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 565. 


; Flora Brasil., XV, 199; 


27* 


420 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Amboina zu Ende des 17. Jahrhunderts Rumphius zu- 
folge sogar noch ziemlich selten.! Forster hatte sie wäh- 
rend Cook’s Reise auf den Südseeinseln nicht gesehen, 
von Seemann erfahren wır aber, dass sie von den Mis- 
sionaren seit kurzem in die Gärten der Fidschi-Inseln 
eingeführt wurde.” Alles dies lässt eime wenig alte 
Culturausdehnung im Osten und Süden des asiatischen 
Continents voraussetzen. Ausser dem Citat von Lou- 
reiro finde ich noch eine andere Fundstätte für die Art 
auf dem Berge Magelang der Insel Java? angegeben; 
setzt man aber eine wirkliche und alte Spontaneität in 
diesen beiden Fällen voraus, so dürfte es immerhin be- 
fremdend sein, dass man die Art nicht ebenfalls in 
vielen andern asiatischen Localıtäten antraf. 

Die vielen indischen und malaiischen Namen? weisen 
auf eine ziemlich alte Cultur hin. Piddington nennt selbst 
einen Sanskritnamen Arhuku, welcher Roxburgh nicht 
bekannt war, ersterer gibt aber keinen Beweis zur Be- 
gründung seiner Aussage. Nach den Namen Urwr und 
Orol im Hindustani und Bengali zu schliessen, könnte 
jener Name einfach auf einer Vermuthung beruhen. 
Einen semitischen Namen kennt man nicht. 

In Afrika wird der Catjanstrauch häufig angeführt von 
Zanzibar nach der Guineaküste.” Die Autoren sprechen 
von ihm als angebaut oder drücken sich hierüber nicht 
weiter aus, was zuweilen spontane Exemplare anzu- 
deuten scheint. In Aegypten ist die Cultur ganz neuen 
Datums, erst aus dem 19. Jahrhundert.f 

Nach allem bezweifle ich, dass die Art in Asien 
wirklich spontan ist und sich dort seit mehr als 
3000 Jahren findet. Wenn die alten Völker sie ge- 
kannt hätten, würde sie den Arabern und Aegyptern 


1 Rumphius, Amboin., Bd. V, Taf. 155. 
Seemann, Flora Vitiensis, S. 74. 
Junghuhn, Plantae Jungh., fasc., I, 241. 
Piddington, Index; Rheede, Malabar, VI, 23 u. s. w. 
5 Pickering, Chronol. arrangement of Plants, S. 442; Peters, Reise, 
S. 36; R. Brown, Bot. of Congo, S. 53; Oliver, Flora of tropical Africa, - 
II, 216. 
6 Bulletin de la Soc. d’acclimatation, 1871, S. 663. 


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Johannisbrotbaum, Karobenbaum. 421 


vor unserer Epoche bekannt geworden sein. Dagegen 
ist es möglich, dass sie wildwachsend oder angebaut 
im äquatorealen Afrika seit einer sehr langen Zeit vor- 
kommt, und dass sie nach Asıen durch alte Reisende 
gelangte, welche den Grosshandel von Zanzibar nach 
Indien und Ceylon in Händen hatten. 

Die Gattung Cajanus hat nur eine Art, sodass man 
sich auf keine Uebereinstimmung geographischer Ver- 
breitung berufen kann, um ihr Vaterland eher nach 
Asien als nach Afrika zu verlegen oder auch umgekehrt. 


Ceratonia Siliqua, Linne. — Johannisbrotbaum, Ka- 
robenbaum (fr. Caroubier ?). 

Es ist bekannt, wie sehr die Früchte oder Hülsen 
des Johannisbrotbaums in den warmen Gegenden der 
Mittelmeerregion als Nahrung für die Thiere und selbst 
für den Menschen gesucht werden. Gasparin? hat be- 
merkenswerthe Einzelheiten über die Behandlungsweise, 
die Verwendung und den Wohnsitz der Art gegeben, 
indem er solche als angebauten Baum ansah. Er be- 
merkt, dass sie in nördlicher Richtung die Grenze, wo 
der Orangenbaum ohne Schutz fortkommt, nicht über- 
schreitet. Dieser schöne Baum mit immergrüner Be- 
laubung gedeiht ebenso wenig in den sehr heissen Län- 
dern, namentlich wenn auch hohe Feuchtigkeitsgrade 
vorwalten. Er liebt die Nähe des Meeres und steiniges 
Terrain. Sein Vaterland ist, nach Gasparin, ,,wahr- 
scheinlich Centralafrika. Denham und Clapperton haben 
ihn“, sagt er, „in Bornu gefunden“. Dieser Beweis 
scheint mir ungenügend, denn in der ganzen Nilregion 
und in Abessinien ist der Johannisbrotbaum nicht wild- 
wachsend, ist er selbst nicht einmal angebaut.” In 
seinem Memoire über die Pflanzen der Reise von Denham 


1 Hier aufgeführt, um ihn von andern nur ihrer Samen wegen ange- 
bauten Leguminosen nicht zu trennen. 

2 De Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 328. 

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 255; Richard, Tentamen 
fl. abyssinicae. 


499 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


und Clapperton spricht R. Brown nicht von ihm. Meh- 
rere Reisende haben ihn in den Wäldern der Cyrenaika 
zwischen dem Küstengebiet und dem Tafellande ge- 
sehen, die emsigen Botaniker aber, welche ein Verzeich- 
niss der Pflanzen dieses Landes angefertigt, haben Sorge 
getragen, zu sagen!: „Vielleicht einheimisch.“ Die 
meisten der Botaniker haben sich begnügt, die Art für 
das Centrum und den Süden der Mittelmeerregion, von 
Marokko und Spanien bis nach Syrien und Anatolien 
anzuführen, ohne gründliche Studien darüber anzustellen, 
ob sıe dort einheimisch oder angebaut sei, und ohne die 
Frage nach dem wirklichen, der Cultur vorhergehenden 
Vaterlande weiter zu erörtern. Gewöhnlich führen sie 
den Johannisbrotbaum als „angebaut und subspontan 
oder fast naturalisirt“ an. Indessen wird er von Held- 
reich in Griechenland, von Gussone und Bianca in Si- 
cilien, von Munby? in Algerien als spontan angesehen, 
und dies sind alles Autoren, welche lange genug in 
diesen verschiedenen Ländern gelebt haben, um sich 
eine wirklich klare Ansicht zu bilden. 

Bianca bemerkt jedoch, dass der Johannisbrotbaum 
in den ziemlich beschränkten Localitäten, wo er auf 
Sicilien vorkommt, auf den kleinen naheliegenden In- 
seln und an der Küste Italiens nicht immer kräftig und 
ergiebig ist. Er stützt sich ausserdem auf den ita- 
henischen, dem arabischen sehr ähnlichen Namen Car- 
rubo, um sich dahin zu äussern, dass eine alte Einfüh- 
rung nach Südeuropa stattgefunden habe, die Art aber 
vielmehr von Syrien oder Nordafrika stamme. Bei dieser 
Gelegenheit vertheidigt er die Meinung von Hoefer und 
Bonné* als wahrscheinlich, nach welcher der Lotos der 
Lotophagen der Johannisbrotbaum war, dessen Blüte 


1 Ascherson etc. in: Rohlfs, Kufra (1881), I, 519. 

2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 73; Die Pflanzen der atti- 
schen Ebene, S. 477; Gussone, Synopsis fl. siculae, S. 646; Bianca, Il Car- 
rubo, in: Giornale d’agricoltura italiana, 1851; Munby, Catal. pl. in Alger. 
spont., S. 13. 

3 Hoefer, Histoire de la botanique, de la minéralogie et de la géologie, 
5. 20; Bonné, Le Caroubier ou l’arbre des Lotophages (Algier 1869; ange- 
führt nach Höfer). Vgl. den Abschnitt über den Judendorn, S. 241. 


Johannisbrotbaum, Karobenbaum. 423 


zuckerhaltig ist, und dessen Frucht einen honigartigen 
Geschmack besitzt, wie dies mit den Ausdrücken Ho- 
mer’s übereinstimmt. Da die Lotophagen Cyrenaika 
bewohnten, musste der Johannisbrotbaum in ihrem 
Lande massenhaft vorkommen. Um diese Hypothese 
zuzulassen, müsste man glauben, dass Herodot und Ph- 
nius die Pflanze Homer’s nicht kannten, denn der erste 
hat den Lotos beschrieben als ob seine Frucht mit der 
Beere vom Mastixbaume Aehnlichkeit hätte, und der 
zweite als einen Baum, welcher seine Belaubung im 
Winter verliere.! 

Es ist kaum möglich, dass man sich bei einer Aus- 
einandersetzung über naturgeschichtliche Thatsachen 
einer Hypothese über eine zweifelhafte Pflanze, von 
welcher ein Dichter vor Zeiten gesprochen hat, als 
Stütze bedienen könnte. Nach alledem war der Lotos 
Homer’s vielleicht ... in dem phantastischen Garten 
der Hesperiden. Ich komme auf Belege ernsterer Art 
zurück, welche Bianca kurz berührt hat. 

Man kennt den Johannisbrotbaum in den mehr oder 
minder alten Sprachen unter zwei Namen, von denen 
der eine, Keraunia oder Kerateia?, griechisch, der andere, 
Chirnub oder Charüb, arabisch ist. Der erste drückt 
die Form der Hülse aus, die mit einem ziemlich zu- 
rückgebogenen Horne Aehnlichkeit hat. Der zweite be- 
zeichnet eine in die Länge gezogene Frucht (Hülse), 
‘ denn aus dem Werke von Ebn Baithar®? ersieht man, 
dass vier andere Hülsenfrüchte unter demselben Namen 
mit einem Beiworte verstanden werden. Die Lateiner 
hatten keinen besondern Namen für den Johannisbrot- 
baum. Sie bedienten sich des griechischen Wortes oder 
des Ausdrucks Siliqua, Siliqua graeca, d. h. Schote von 
Griechenland.* Dieser grosse Mangel an Namen deutet 


3Plıaaus, Hist., 1: 16, c: 30. 

2 Theophrastus, Hist. plant., 1. 1, e. 11; Dioscorides, 1.1, c. 155; Fraas, 
Syn. fl. class., S. 65. 

3 Ebn Baithär, deutsche Uebers., I, 354; Forskal, Flora aegypt., S. 77. 

4 Columna, angeführt in: Lenz, Botanik der alten Griechen und Rö- 
mer, S. 733; Plinius, Hist., 1. 15, ce. 8. 


- 424 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


einen früher beschränkten Wohnsitz an, desgleichen eine 
wahrscheinlich nicht auf prähistorische Zeiten zurück- 
gehende Cultur. Der griechische Name hat sich in 
Griechenland erhalten. Der arabische Name findet sich 
gegenwärtig bei den Kabylen, welche die Frucht Khar- 
roub, den Baum Takharrout! benennen, wie die Spa- 
nier Algarrobo sagen. Seltsam ist es, dass auch die 
Italiener den arabischen Namen angenommen haben, 
Currabo, Carubio, woraus der französische Name (a- 
roubier entstanden ist. Es scheint, als ob eine Ein- 
führung durch die Araber im Mittelalter stattgefunden 
hätte, also nach der römischen Epoche, wo ein ver- 
schiedener Name gebraucht wurde. 

Diese Einzelheiten unterstützen die Ansicht Bianca’s, 
dass es sich nämlich um ein südlicheres Vaterland als 
Sieilien handelt. Plinius zufolge kam die Art von Sy- 
rien, Knidos und Rhodus, er sagt aber nicht, ob sie 
dort wildwachsend oder angebaut war. 

Nach demselben Autor fand sich der Johannisbrotbaum 
nicht in Aegypten. Man hat denselben jedoch in den 
Denkmälern zu erkennen geglaubt, welche der Zeit des 
Plinius weit vorhergingen, und die Aegyptologen haben 
sogar zwei ägyptische Namen, Kontrates oder Jiri?, auf 
ihn bezogen. Lepsius hat die Abbildung einer Schote 
gegeben, welche wirklich eine Karube zu sein scheint, 
und der Botaniker Kotschy, welcher einen Stock heim- 
brachte, der aus einem der dortigen Särge genommen 
war, hat sich vermittelst des Mikroskops vergewissert, 
dass derselbe von dem Holze des Johannisbrotbaums 
ist.” Man kennt keinen hebräischen Namen für diese 
im Alten Testamente auch nicht erwähnte Art. Das 
Neue Testament spricht von ihr mit dem griechi- 
schen Namen in dem Gleichniss vom verlorenen Sohn. 


1 Dictionnaire français-berbère, beim Worte Caroube. 

2 Lexicon oxon., citirt in: Pickering, Chronological hist. of plants, 
Ss. 141. 

3 Die Zeichnung ist wiedergegeben in: Unger, Pflanzen des alten 
Aegyptens, Fig. 22. Kotschy’s Beobachtung bedarf der Bestätigung eines 
gewiegten Anatomen. 


Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 425 


. Die Ueberlieferung der Christen vom Orient besagt, 
dass Johannes der Täufer sich in der Wüste mit Ka- 
rubenfrüchten ernährt habe, hierauf. stützen sich die im 
Mittelalter aufgekommenen Namen, wie Pain de Saint- 
Jean und Johannisbrotbaum. 

Augenscheinlich ist dieser Baum zu Anfang der christ- 
lichen Zeitrechnung von einer gewissen Bedeutung ge- 
worden, und es waren die Araber, welche ihn besonders 
nach dem Occident hin verbreitet haben. Wenn er 
früher in Algerien bei den Berbern und in Spanien 
vorgekommen wäre, würden sich Namen aus einer ältern 
Sprache als der arabischen erhalten haben, und die 
Art würde wahrscheinlich nach den Canaren durch die 
Phönizier eingeführt worden sein. 

Ich fasse die gesammten Angaben folgendermaassen 
kurz zusammen: 

Der Johannisbrotbaum war im Osten des Mittelmeers, 
wahrscheinlich an der Südküste Anatoliens und in Syrien, 
vielleicht auch in der Cyrenaika, spontan. Seine Cultur 
hat seit historischen Zeiten ihren Anfang genommen. 
Die Griechen haben ihn in ihrem Lande und in Italien 
weiter verbreitet, später aber haben sich die Araber 
noch mehr damit befasst und haben ıhn bis nach Ma- 
rokko und in Spanien verbreitet. In allen diesen Län- 
dern hat sich die Art hier und da naturalisirt, und 
zwar unter einer weniger ergiebigen Form, sodass man 
gezwungen wird den Baum zu pfropfen, um bessere 
Früchte zu gewinnen. 

Bisjetzt hat man den fossilen Johannisbrotbaum noch 
nicht in den Tuffsteinen und den quaternären Ablage- 
rungen von Südeuropa gefunden. Er bildet die einzige 
Art in der Gattung Ceratonia, was bei den Legumi- 
nosen, besonders in Europa, ziemlich selten ist. Nichts lässt 
vermuthen, dass er in den alten tertiären oder quater- 
nären Floren des südwestlichen Europa vorgekommen sei. 


Phaseolus vulgaris, Savı. — Gemeine Schminkbohne, 
Schneide-, türkische Bohne (fr. Haricot commun). 


426 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


5 


Als ich mich im Jahre 1855! mit dem Vaterlande 
der Phaseolus und Dolichos beschäftigen wollte, war 
die Unterscheidung der Arten so wenig vorgeschritten, 
kannte man noch so wenige Floren tropischer Länder, 
dass ich mehrere Fragen hatte unberücksichtigt lassen 
müssen. Dank den Arbeiten von Bentham und Georg 
von Martens?, welche die frühern von Savi? vervoll- 
ständigten, sind die Leguminosen der heissen Länder 
jetzt besser bekannt, und schliesslich haben die den 
peruarischen Gräbern von Ancon entnommenen Samen, 
welche von Wittmack geprüft wurden, die Ursprungs- 
frage vollständig modificirt. 

Ich will mich zunächst mit der Schneidebohne be- 
schäftigen und werde dann von andern Arten sprechen, 
ohne alle die aufzuzählen, welche man anbaut, denn 
mehrere unter ihnen sind noch schlecht begrenzt. 

Lange Zeit glaubten die Botaniker, dass die Schneide- 
bohne aus Indien stamme. Niemand hatte sie im wild- 
wachsenden Zustande gefunden, und das ist auch jetzt 
noch der Fall; man hatte sich eben einen indischen 
Ursprung eingebildet, obgleich die Art auch in den ge- 
mässigten oder heissen Regionen Afrikas und Amerikas, 
wenigstens in denen die nicht feucht und übermässig 
heiss sind, angebaut wurde. Ich machte darauf auf- 
merksam, dass sie keinen Sanskritnamen besass, und 
dass die Gärtner des 16. Jahrhunderts die Schneide- 
bohne oft türkische Bohne nannten. Da ich ausser- 
dem wie jedermann davon überzeugt war, dass die 
Griechen diese Pflanze unter dem Namen Fasiolos und 
Dolichos angebaut hatten, so behauptete ich, dass sie 
von Westasien, nicht von Indien stammte; Georg von. 
Martens machte diese Ansicht zu der seinigen. 

Es fehlt jedoch viel daran, dass die Worte Dolichos 
von Theophrast, Fasiolos von Dioscorides, Faseolus und 


1 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 961. 

2 Bentham, in: Ann. d. wiener Museums, Bd. II; Georg von Mar- 
tens, Die Gartenbohnen (Stuttgart 1860); 2. Ausg. 1869. i 

3 Savi, Osserv. sopra Phaseolus i Dolichos, 1, 2, 3. 


Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 497 


‚Phasiolus der Römer! in den Originalen genügend be- 
stimmt seien, um sie mit Sicherheit auf Phaseolus vul- 
garis beziehen zu können. Mehrere angebaute Legu- 
minosen halten sich durch Ranken, von welchen die 
Autoren sprechen, und zeigen Hülsen und Samen, die 
sich untereinander gleichen. Der beste Beleg, um diese 
Namen durch Phaseolus vulgaris zu übersetzen, ist der, 
dass die jetzigen Griechen und Italiener von Fusiolos 
abgeleitete Worte für unsere gewöhnliche Schneidebohne 
besitzen. Die Neugriechen sagen Fasoulia, und die 
Albanesen (Pelasger ?) Fasulé; die Italiener Fagiolo. Man 
kann jedoch auch eine Namensversetzung einer Erbsen-, 
Wicken-, Platterbsen- oder einer vor alters angebauten 
Bohnenart für die gemeine Schneide- oder Schminkbohne 
befürchten. Berücksichtigt man die Schwierigkeiten, 
welche sich den Botanikern der Neuzeit bei Unter- 
scheidung der Arten, auch wenn sie die Pflanzen selbst 
vor Augen haben, darbieten, so muss man den Muth 
bewundern, eine Phaseolusart nach einem oder zwei 
Beiwörtern in einem alten Schriftsteller bestimmen zu 
wollen. Man hat sich jedoch bestimmt dahin aus- 
sprechen wollen, dass mit dem Dolichos von Theophrast 
unsere Stangenbohne, mit dem Fasiolos die Zwergbohne 
unserer Culturen gemeint seien, welche beide die jetzigen 
zwei Hauptrassen der gemeinen Schminkbohne mit einer 
ungeheueren Menge von Unterrassen in Bezug auf 
Schoten und Samen ausmachen. Was mich selbst be- 
trifft, so will ich einfach sagen, dass dies wahrschein- 
lich ist. 

Wenn die gemeine Schminkbohne vor Zeiten nach 
Griechenland kam, gehörte sie jedenfalls nicht zu den 
ersten Einführungen, denn zu Cato’s Zeiten war der 
Faseolus in Rom noch unbekannt, und erst bei Beginn 
des Kaiserreichs haben die lateinischen Schriftsteller 
von dieser Pflanze gesprochen. Aus den bei Troja ge- 


1 Theophrastus, Hist., 1.8, e.3; Dioscorides, 1.2, e. 130; Plinius, Hist. 
1. 18, c. 7, 12, ausgelegt von Fraas, Synopsis fl. class., S. 52; Lenz, Bota- 
nik der alten Griechen und Römer, S. 731; Martens, a. a. O., S. 1. 


428 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


machten Ausgrabungen brachte Virchow mehrere Legu- 
minosensamen mit, welche nach Wittmack! zu folgenden 
Arten gehörten: Pferdebohne (Faba vulgaris), Garten- 
erbse (Pisum sativun), Erve (Ervum ervilia), und viel- 
leicht rothe Platterbse (Lathyrus Cicera), aber keine 
Bohne (Phaseolus). Ebenso wenig hat man in den alten 
Pfahlbauten der Schweiz, Savoyens, Oesterreichs und 
Italiens die letztere aufgefunden. 

Auch finden sich keine Beweise oder Anzeichen von 
ihrem Vorkommen im alten Aegypten. Man kennt kei- 
nen hebräischen Namen, welcher denen von Dolichos 
oder Phaseolus der Botaniker entspräche. Ein weniger 
alter, nämlich arabischer Name, Loubia, ist in Aegyp- 
ten für Dolichos Lubia und im Hindustani unter der 
Form Loba für Phaseolus vulgaris bekannt.” Für 
letztere Art führt Piddington im den neuern Sprachen 
Indiens nur zwei Namen, alle beide hindustanisch, an, 
Loba und Bakla. Hieraus, sowie aus dem Fehlen eines 
Sanskritnamens lässt sich entnehmen, dass die Einfüh- 
rung in Südasien nicht so weit zurückliegend war. Die 
chinesischen Schriftsteller sprechen nicht von der gemei- 
nen Schminkbohne (Ph. vulgaris)?; dies ist ein neuer 
Fingerzeig für eine spätere Einführung nach Indien und 
auch nach Baktrien, von wo die Chinesen seit dem 2. Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung Gemüse bezogen haben. 

Alle diese Umstände lassen mich bezweifeln, dass die 
Art in Asien vor der christlichen Zeitrechnung bekannt 
war. Der Beleg der neugriechischen und italienischen, 
dem Fasiolos entsprechenden Namen für die Schmink- 
bohne muss noch in irgendeiner Weise begründet wer- 
den. Zu seinen Gunsten lässt sich sagen, dass er im 
Mittelalter wahrscheinlich für die gemeine Schminkbohne 
gebraucht worden ist. In der Liste der Gemüse, welche 
Karl der Grosse auf seinen Besitzungen auszusäen an- 


Wittmack, Sitzungsber. d. Bot. Vereins zu Brandenb. v. 19. Dec. 1879. 
Delile, Plantes cultivées en Egypte, S. 14; Piddington, Index. 

3 Weder in seiner Schrift: On study eté., noch in seinen an mich 
gerichteten Briefen spricht Dr. Bretschneider von ihr. 


1 
2 


Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 429 


ordnete, findet man Fasiolum! ohne weitere Erklä- 
rung. Albertus Magnus beschreibt unter dem Namen 
Faseolus ein Hülsengewächs, welches die jetzige Zwerg- 
bohne zu sein scheint.” Dann bemerke ich aber auch, 
dass die Autoren des 15. Jahrhunderts von keinem 
Faseolus oder einem ähnlichen Namen sprechen. Dies 
ist der Fall bei Pedro Crescenzio® und Macer Floridus.* 
Dagegen geben nach der Entdeckung Amerikas vom 
16. Jahrhundert an alle Autoren Abbildungen und Be- 
schreibungen von Phaseolus vulgaris mit einer grossen 
Menge von Varietäten. | 

Ob ihre Cultur im tropischen Afrika ein sehr hohes 
Alter aufweist, ist zweifelhaft, jedenfalls wird von ihr 
weniger häufig gesprochen, als von jener anderer Arten 
der Gattungen Dolichos und Phaseolus. 

Niemand dachte daran, den Ursprung der gemeinen 
Schminkbohne in Amerika zu suchen, als ganz vor 
kurzem höchst sonderbare Entdeckungen von Früchten 
und Samen in den peruanischen Gräbern von Ancon 
nahe bei Lima gemacht wurden. Herr de Rochebrune’ 
hat eine Artenliste aus verschiedenen Familien nach 
einer Sammlung von de Cessac und L. Savatier ver- 
öffentlicht. Darunter befinden sich drei Bohnensorten, 
von welchen keine, dem Autor zufolge, die Phaseolus 
vulgaris ist; Wittmack® hingegen, welcher die durch 
die Reisenden Reiss und Stübel von denselben Gräbern 
mitgebrachten Leguminosen untersucht hat, behauptet 
das Vorhandensein mehrerer Varietäten der gemeinen 
Schminkbohne nachgewiesen zu haben, untermischt mit 


1 E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 404. 

2 „Faseolus est species leguminis et grani, quod est in quantitate pa- 
rum minus quam Faba et in figura est columnare sicut faba, et herba ejus 
minor est aliquantulum quam herba Fabae. Et sunt faseoli multorum 
colorum, sed quodlibet granorum habet maculam nigram in loco cotyle- 
donis.“ (Jessen, Alberti Magni, De vegetabilibus, ed. critica, S. 515.) 

3 P. Crescens, französische Uebersetzung von 1539. 

4 Macer Floridus (1485), und Erläuterung von Choulant (1332). 

5 De Rochebrune, Actes de la Société linnéenne de Bordeaux, Bd. 53, 
Januar 1850, von welcher ich ein Referat im Bot. Centralblatt, 1880, S. 1635, 
gesehen habe. 

6 Wittmack, Sitzungsbericht des bot. Vereins zu Brandenburg vom 
19. Dee. 1579, und ein Privatbrief von demselben. 


430 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


andern zu Phaseolus lunatus, Linne, gehörigen Samen. 
Er hat sie identificirt mit den Varietäten von Ph. vul- 
garis, welche von den Botanikern oblongus purpureus 
(Martens), ellipticus praecox (Alefeld) und ellipticus atro- 
Jfuscus (Alefeld) genannt wurden und in die Classe der 
Zwergbohne gehören. 

Es kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, 
dass die fraglichen Gräber alle aus einer der Ankunft 
der Spanier vorhergehenden Zeit stammen. Das Werk 
der Herren Reiss und Stübel, welches augenblicklich 
im Drucke begriffen ist, wird vielleicht Aufklärungen 
hierüber bieten; Wittmack ist aber, den Autoren hierin 
folgend, der Ansicht, dass ein Theil dieser Gräber kein 
hohes Alter aufzuweisen habe. Eine von diesem Herrn 
unberücksichtigt gebliebene Thatsache ist mir jedoch 
aufgefallen, dass nämlich die 50 in Rochebrune’s Liste 
aufgezählten Arten alle amerikanisch sind. Ich finde 
darunter nicht eine einzige, von welcher man einen 
europäischen Ursprung muthmaassen könnte. Augen- 
scheinlich sind entweder diese Pflanzen und Samen vor 
der Eroberung niedergelegt worden, oder es haben auch 
die Bewohner Sorge getragen, in gewisse Gräber, welche 
vielleicht jüngern Datums sind, keine ausländischen Arten 
hineinzulegen. Dies war ihren Ansichten zufolge ganz 
natürlich, weil der Gebrauch solcher Pflanzenanhäufungen 
nicht auf die katholische Religion zurückzuführen ist, 
sondern mit den Sitten und Lehren der Eingeborenen 
zu thun hat. Das Vorhandensein der gemeinen Schmink- 
bohne unter diesen ausschliesslich amerikanischen Pflan- 
zen scheint mir daher von einer grossen Bedeutung zu 
sein, welches Alter diese Gräber auch immer haben mögen. 

Man kann mir entgegenhalten, dass Samen nicht ge- 
nügen, um die Art eines Phaseolus zu bestimmen, und 
dass man in Südamerika vor Ankunft der Spanier meh- 
rere Pflanzen dieser Gattung anbaute, welche noch nicht 
hinreichend bekannt sind. Molina! spricht von 13 oder 


1 Molina (Essai sur l'hist, nat. du Chili, franz. Uebersetzuzg, S. 101) 


Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 431 


14 Arten (oder Varietäten?), welche früher allein in 
‘Chile angebaut wurden. 

Wittmack besteht auf dem häufigen und alten Ge- 
brauch der Bohnen in verschiedenen Ländern Südame- 
rikas. Das beweist wenigstens, dass mehrere Arten 
daselbst einheimisch waren und angebaut wurden. Er 
beruft sich auf das Zeugniss von Joseph Acosta, einem 
der ersten Schriftsteller nach der Eroberung, dem zu- 
folge die Peruaner „Hülsenfrüchte anbauten, welche sie 
Frisoles und Palares nannten, und in ähnlicher Weise 
verwendeten wie die Spanier die Garbanzos (Kicher- 
erbsen), Pferdebohnen und Linsen. Ich habe keines- 
wegs erkannt“, fügt er hinzu, „dass diese oder andere 
Hülsenfrüchte Europas sich dort vorfanden, bevor die 
Spanier dort eindrangen.“ Frisole, Fajol, Fasoler sind 
spanische Namen für die gemeine Schminkbohne und 
durch Verstümmelung des lateinischen Faselus, Fasolus, 
Fascolus entstanden. Paller ist amerikanisch. 

An dieser Stelle will ich mir erlauben, den Ursprung 
des französischen Namens Haricot nachzuweisen. Früher . 
habe ich ihn gesucht!, ohne ihn zu finden, ich wies 
aber auf die Thatsache hin, dass Tournefort (,,Instit.‘, 
S. 415) der erste war, welcher sich desselben bediente.? 
Ich erinnerte auch an das Wort Arachos (apaxoc) im 
Theophrast, womit wahrscheinlich eine Vicia-Art gemeint 
war, und an das Wort Harenso im Sanskrit für die gemeine 
Erbse. Ich suchte auch die wenig wahrscheinliche An- 
sicht zu bekämpfen, dass der Name einer Hülsenfrucht 
von. einem Fleischgerichte, welches man haricot oder 
laricot de mouton nannte, herrühren könne, wie dies 
von einem englischen Schriftsteller behauptet worden 
war. Ich kritisirte schliesslich Bescherelle, welcher 
Haricot aus dem Keltischen ableitete, während die bre- 


führt Phaseolus an, welche er Pallar und Asellus nennt, und die Flore 
du Chili von Cl. Gay fügt mit nur wenigen erklärenden Worten Ph. Cu- 
mingii, Bentham, hinzu. 

1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 691. 

2 Tournefort, Éléments (1694), I, 328; Instit., S. 415. 


432 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


tonischen Namen der Pflanze ganz und gar verschieden 
sind, und fève menue (fa-munud) kleine Pferdebohne 
oder irgendeine Erbse (Pis-ram) bedeuten. Littre hat 
in seinem Wörterbuch ebenfalls nach der Etymologie 
dieses Namens gesucht. Ohne von meinem Aufsatz 
Kenntniss zu besitzen, neigt er sich der Vermuthung 
hin, dass haricot (Hülse) von ragoût abstamme, da die- 
ses letztere das ältere in der Sprache sei und man eine 
gewisse Aehnlichkeit zwischen dem Haricotsamen und 
den Fleischstücken des Ragouts auffinden könne, oder 
auch weil dieser Same sich zur Würze des Gerichts 
eignete. Gewiss ist es, dass die Hülse bis gegen Ende 
des 17. Jahrhunderts nach dem lateinischen Namen im 
Französischen Fazeole oder Faséole genannt wurde; dem 
Zufall aber verdanke ich es, -welcher mich auf den 
wahren Ursprung des Wortes haricot hinleitete. Es ist 
ein italienischer Name, Araco, der sich im Durante und 
Matthioli findet, lateinisch Aracus niger! für ein Hül- 
sengewächs, welches von den Autoren der Neuzeit auf 
die Ochererbse (Lathyrus Ochrus) bezogen wird. Man 
darf sich nicht darüber wundern, dass ein italienischer 
Name aus dem 17. Jahrhundert von französischen Züch- 
tern des folgenden Jahrhunderts auf ein anderes Hülsen- 
gewächs bezogen worden sei, und dass man dabei ara 
in art umgetauft habe. Derartige Irrthümer kommen 
noch immer vor. Ausserdem ist Aracos oder Arachos 
von den Commentatoren auf mehrere Hülsengewächse aus 
den Gattungen Lathyrus, Vicia u. s w. bezogen worden. 
Durante sagt, dass sein Araco mit dem asaxoc der 
Griechen synonym sei, woraus man die Etymologie 
gut erkennt. Pater Feuillée? schrieb im Französischen 
Aricot. Vor ıhm gebrauchte Tournefort Haricot. Er 
glaubte vielleicht, dass das & des griechischen Wortes 
einen harten Accent hätte, was aber, wenigstens bei 
den guten Autoren, nicht der Fall ist. 


1 Durante, Herbario nuovo (1555), S. 39; Matthioli, ed. Valgris, S. 322; 
Targioni, Dizionario bot. ital., I, 13. 
2 Feuillée, Hist. des plantes médicinales du Pérou etc. (1725), S. 54. 


Mondförmige Bohne. 455 


Ich schliesse diesen Abschnitt, indem ich sage: 1) 
® Phaseolus vulgaris wird noch nicht seit langer Zeit in 
Indien, dem Südwesten Asiens und in Aegypten angebaut. 
2) Man ist nicht ganz sicher darüber, ob vor der Ent- 
deckung Amerikas diese Art in Europa bekannt war. 
3) Gleich nach diesem weltgeschichtlichen Ereigniss hat 
sich die Zahl der Varietäten in den Gärten Europas 
plötzlich vermehrt, und alle Schriftsteller haben ange- 
fangen davon zu sprechen. 4) Die grössere Mehrzahl der 
Arten dieser Gattung findet sich in Südamerika. 5) 
Samen, welche dieser Art anzugehören scheinen, sind 
in peruanischen Gräbern, deren Alter etwas ungewiss 
ist, mit vielen andern ausschliesslich amerikanischen 
Arten vermischt aufgefunden worden. 

Ich will die Frage nicht weiter prüfen, ob Phaseolus 
vulgaris vor dem Beginn des Anbaues in der Alten und 
gleichfalls in der Neuen Welt vorkam, weil derartige 
Beispiele unter den phanerogamen Landpflanzen der 
Tropenländer äusserst selten sind. Unter tausend kommt 
vielleicht noch nicht einmal eine vor, und selbst dann 
kann man noch oft eine durch den Menschen hervor- 
gerufene Wanderung vermuthen.! Um diese Hypothese 
in Bezug auf Ph. vulgaris zu erörtern, müsste man 
wenigstens diese Pflanze dem Anscheine nach wild- 
wachsend in der Alten und Neuen Welt gefunden haben, 
was aber nicht der Fall gewesen ist. Wenn sie einen 
so weiten Wohnsitz gehabt hätte, würde dies durch 
wirklich spontane Individuen in sehr voneinander ent- 
fernten Regionen ein und desselben Continents ange- 
deutet sein. Bei der folgenden Art, Ph. lunatus, findet 
dies in der That statt. 


Phaseolus lunatus, Linne. — Mondförmige Bohne (fr: 
Haricot courbe). — Phaseolus lunatus macrocarpus, Bent- 
ham. Phas. inamænus, Linne (fr. Haricot de Lima). 


1 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, Kapitel über die ge- 
trennten Arten. 


DE CANDOLLE. 28 


434 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Diese Bohnenart, sowie die Varietät von Lima ist in 
allen Tropenländern so verbreitet, dass man sie, ohne 
es zu ahnen, unter mehreren Namen beschrieben hat.! 
Alle ihre Formen lassen sich auf zwei Gruppen zurück- 
führen, aus welchen Linné zwei Arten machte. Die jetzt 
in den Gärten gewöhnlichste ist die, welche man seit 
Anfang dieses Jahrhunderts als Haricot de Lima kennt. 
Sie unterscheidet sich durch ihren hohen Wuchs und 
durch die Grösse ihrer Hülsen und Samen. In den 
Ländern, welche ihrem Gedeihen günstig sind, ist sie 
mehrjährig. 

Linne glaubte, dass seine Phaseolus lunatus aus Ben- 
galen stamme und die andere Form aus Afrika, ohne 
indessen Beweise hierfür zu geben. Während eines 
Jahrhunderts wiederholte man das, was er gesagt hatte. 
Jetzt sieht Bentham?, der diesen Fragen nach dem 
Vaterlande grosse Aufmerksamkeit widmet, die Art und 
ihre Varietät als zweifelsohne amerikanisch an; er lässt 
nur über das Auftreten in Afrika und Asien als spon- 
tane Pflanze Zweifel laut werden. 

Irgendein Anzeichen vom hohen Alter des Vorkom- 
mens in Asien ist mir unbekannt. Nicht nur ist die 
Pflanze nie im wildwachsenden Zustande gefunden wor- 
den, man kennt von ihr auch keine Namen in den neuern 
Sprachen Indiens noch im Sanskrit.” In den chinesi- 
schen Werken wird sie nicht erwähnt. Die Anglo-Indier 
nennen sie, wie die gemeine Schminkbohne, French 
bean*, ein Beweis, bis zu welchem Punkte die Cultur 
neuern Datums ist. | 

In Afrika wird sie fast überall zwischen den Wende- 
kreisen angebaut. Schweinfurth und Ascherson? führen 
sie indessen für Abessinien, Nubien oder Aegypten nicht 
auf. Oliver® spricht von vielen Exemplaren aus Guinea 


1 Phaseolus bipunctatus, Jacq., inamoenus, Linne, puberulus, Kunth, 
saccharatus, Mac-Fadyen u. S. w. 

2 Bentham, in: Flora brasil., XV, 181. 

3 Roxburgh, Piddington u. s. w. 4 Royle, Ill. Himalaya, S. 190. 

5 Aufzählung, S. 257. 6 Oliver, Flora of tropical Africa, S. 192. 


dé : 


Aconitblätterige Bohne. 435 


und dem Innern Afrikas, ohne weiter anzugeben, ob 
dieselben von spontanen oder angebauten Pflanzen stam- 
men. Würde die Art ursprünglich aus Afrika stammen 
oder hätte ihre Einführung dahin in sehr frühen Zeiten 
stattgefunden, so wäre auch ihre Verbreitung nach Aegyp- 
ten und Indien erfolgt. 

Ganz anders treten uns die Thatsachen ın Südamerika 
entgegen. Bentham führt spontane Exemplare von der 
Region des Amazonenstroms und Centralbrasiliens an. 
Sie beziehen sich besonders auf die grossfrüchtige Form 
(macrocarpus). Dieselbe Varietät findet sich, nach 
Wittmack, in den peruanischen Gräbern von Ancon.! 
Hier haben wir es augenscheinlich mit einer brasilia- 
nischen Art zu thun, welche die Cultur seit langer Zeit 
im tropischen Amerika verbreitet und vielleicht hier 
und da naturalisirt hat. Ich möchte mich gern der 
Ansicht hinneigen, dass sie durch den Sklavenhandel 
nach Guinea eingeführt wurde und von dieser Seite aus 
das Innere des Landes und die Küste von Mozambique 
erreichte. | | 


Phaseolus aconitifotius, Willdenow. — Aconitblätterige 
Bohne (fr. Haricot à feuille d’Aconit). 

Eine einjährige, in Indien als Futterpflanze angebaute 
Art; man kann ihre Samen auch essen, sie werden 
aber wenig geschätzt. Der hindustanische Name ist Mout, 
bei den Sikhs heisst sie Moth. Sie gleicht der Phaseolus 
trilobus, welche der Samen wegen angebaut wird. 

Phaseolus aconitifolius ist in Britisch-Indien, von Cey- 
lon bis zum Himalaja spontan.? 

Das Fehlen eines Sanskritnamens und verschiedener 
Namen in den neuern Sprachen Indiens lässt eine wenig 
alte Cultur vermuthen. 


Phaseolus trilobus, Willdenow. — Dreiblätterige Bohne 
(fr. Haricot trilobe). 


1 Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenb. v. 19. Dec. 1879. 
2 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 299; Aitchison, Catal. of Punjab, 
S. 48; Sir J. Hocker, Flora of Brit. India, II, 202. 


28* 


436 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Eine der am meisten in Indien angebauten Bohnen!, 
wenigstens seit einigen Jahren, denn Roxburgh ? hatte 
sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur im spontanen 
Zustande gesehen. Alle Autoren stimmen in der An- 
gabe überein, dass sie am Fusse des Himalaja und bis 
nach Ceylon hin wildwachsend auftritt. Sie kommt auch 
in Nubien, in Abessinien und am Zambesi vor?, doch 
wird nicht gesagt, ob sie dort angebaut oder spon- 
tan ist. 

Piddington führt einen Namen in Sanskrit und mehrere 
in den neuern Sprachen Indiens an, was auf eine Cultur 
oder eine Kenntniss der Art seit wenigstens drei Jahr- 
tausenden schliessen lässt. 


Phaseolus Mungo, Linne. — Mungobohne (fr. Mungo). 

Eine in Indien und der Nilregion allgemein angebaute 
Art. Die beträchtliche Zahl ihrer Varietäten und das 
Vorkommen von drei verschiedenen Namen in den in- 
dischen Sprachen der Jetztzeit lassen ein Culturalter 
von wenigstens ein bis zweitausend Jahren vermuthen, 
einen Sanskritnamen führt man aber nicht an.* In 
Afrika ist sie wahrscheinlich von geringem Alter. 

Die anglo-indischen Botaniker stimmen darin überein, 
dass sie in Indien spontan sei. 


Dolichos Lablab, Linne. — Lablab (fr. Lablab). 

In Indien und dem tropischen Afrika baut man diese 
Art vielfach an. Roxburgh zählt bis sieben Varietäten, 
welche indische Namen haben. Piddington führt in seinem 
„Index‘ einen Sanskritnamen an, Schimbi, welcher sich 
in den neuern Sprachen wiederfindet. Die Cultur hat 
somit vielleicht ein Alter von wenigstens 3000 Jahren. 
Indessen hat sich die Art vor alters nicht in China und 
in Westasien oder Aegypten ausgebreitet, wenigstens 


> Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 201. s 
2 Roxburgh, Flora indica, III, 299. 
3 Schweinfurth, Beitr. z. Flora Aethiopiens, S. 15; Aufzählung, S. 257; 
Oliver, Flora- of tropical Africa, 8. 194. 
4 Vel. die bei P. trilobus genannten Autoren. - 1 


Lablab. Lubia. 437 


entdecke ich keine Spur davon. Die geringe Ausdeh- 
nung mehrerer dieser essbaren Leguminosen ausserhalb 
Indiens während längst vergangener Zeiten ist eine 
ziemlich auffallende Thatsache. Es ist möglich, dass die 
Cultur dieser Art nicht sehr weit zurückgeht. 

Der Lablab ist unstreitig in Indien und selbst angeb- 
lich auf Java spontan.! Er hat sich infolge der Cul- 
turen auf den Seychellen naturalisirt.? Die Angaben 
der Autoren gestatten es nicht, zu sagen, ob er in Afrika 
spontan sei.’ 


Dolichos Lubia, Forskal. — Lubia‘ (fr. Lubia). 
Diese nach Forskal und Delile?® unter dem Namen 


1 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 209; Junghuhn, Plantae 
Junghuhn., fasc. II, 240. 

2 Baker, Fl. of Mauritius, S. 83. 

3 Oliver, Fl. of tropical Africa, II, 210. 

4 „Von Aegypten erhielt ich Samen der unter dem Namen ZLoubich 
oder Zubia angebauten Art. Sir Joseph Hooker, dem ich dieselben zu- 
schickte, antwortet mir, dass es sich hier um die Catiang (Dolichos Catiang, 
L., Vigna Catiang, A. Richard) handle, welche in den tropischen,Regionen 
der Alten Welt angebaut wurde, und die ich zu meinem Leidwesen un- 
erwähnt gelassen habe. Von Dr. Schweinfurth, dem ich diese Samen 
zeigte, wurde mir die angedeutete Identität bestätigt. Die Lubia ist somit 
dieselbe Art wie Vigna Catiang, Dolichos sinensis, L., D. tranquebaricus, 
Jacq., und andere. Welches ist nun der geographische Ursprung dieser Art? 

Roxburgh und Piddington erwähnen keinen Sanskritnamen, sondern 
nur zwei neuere hindustanische. Von Dr. Bretschneider wird die Catiang 
nicht unter den Arten aufgeführt, auf welche die alten chinesischen Schrift- 
steller hingewiesen haben. Einen hebräischen Namen kennt man nicht 
von ihr, und die ägyptischen Alterthümer haben keine Spur von ihr auf- 
gedeckt. Ihre Cultur scheint somit keine sehr alte zu sein. Roxburgh 

"kannte die Art nur im angebauten Zustande. Baker (F1. Brit. Ind., II, 205) 

stellt sie «in der tropischen Zone als einheimisch und angebaut» hin, wo- 
durch aber ihre spontane Eigenschaft für Indien nicht genügend nachge- 
wiesen wird. Die in Malabar einheimische Pflanze, von welcher Rheede 
spricht (Bd. VIII), scheint einer andern Art anzugehören. Rumphius (Am- 
boina, IX, 384, Taf. 141) gibt den Catiang in Fernate und auf den Mo- 
lukken als spontan an. Nach Richard (Fl. d’Abys., I, 219) ist unsere 
Pflanze eine Bewohnerin der Hecken und Gebüsche in Abessinien, sodass 
man sie fast als wildwachsend ansehen kann. Die Herren Schweinfurth 
und Ascherson gehen noch weiter, indem sie dieselbe zu den spontanen 
Arten Abessiniens rechnen (Aufzähl., S. 259), nicht einmal hinzufügen, 
dass man sie dort anbaue. Oliver endlich (F1. of trop. Africa, II, 204) 
verweist auf eine ganze Reihe von im tropischen Afrika gesammelten 
Exemplaren, ohne sich über die spontane Eigenschaft weiter auszulassen. 
Die Gattung Vigna findet sich in Asien, Afrika und Amerika, Arten finden 
sich von ihr aber weit mehr in Afrika als in Asien oder Amerika. So 
weit unsere augenblicklichen Kenntnisse reichen, kann das tropische Afrika 
als muthmaassliches Vaterland der Catiang hingestellt werden.“ (Vom 
Verfasser eingesandte Anmerkung.) h 

5 Forskal, Descript., S. 133; Delile, Plant. cult. en Egypte, S. 14. 


438 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Lubia, Loubya, Loubye in Aegypten angebaute Art ist 
den Botanikern wenig bekannt. Nach Delile findet 
sie sich auch in Syrien, Persien und Indien; in den 
neuern Werken über diese zwei Länder finde ich aber 
nirgends die Bestätigung hierfür. Schweinfurth und 
Ascherson! lassen sie freilich als besondere Art gelten, 
die in der Nilresion angebaut wird. Niemand hat sie 
bisjetzt spontan angetroffen. 

Man kennt weder Dolichos noch Phaseolus in den 
Denkmälern des alten Aegypten. Wir werden auf an- 
dere, volksthümlichen Namen entlehnte Anzeichen stossen, 
die ebenfalls zu der Ansicht führen, dass sich diese 
Pflanzen nach der Pharaonenzeit in den ägyptischen 
Ackerbau eingeführt haben. 

Der Name Zubia wird von den Berbern ohne irgend- 
welche Abänderung und in Spanien unter der Form 
Alubia auf die gemeine Schminkbohne, Phaseolus vul- 
garis, bezogen.? 

Obgleich sich die beiden Gattungen Dolichos und 
Phaseolus sehr gleichen, so kann dies doch als Bei- 
spiel dienen, welch geringen Werth volksthümliche Na- 
men bei Feststellung der Arten darbieten. 

Ich erinnere hier daran, dass Loba einer der Namen 
für Phaseolus vulgaris im Hindustani ist, und dass Lobia 
in derselben Sprache Dolichos sinensis bedentet.? 

Für die Orientalisten würde es sich empfehlen, danach 
zu forschen, ob Lubia in den semitischen Sprachen ein 
alter Name ıst. Es ıst mir nicht bekannt, dass man 
einen ähnlichen Namen im Hebräischen anführt, und es 
wäre möglich, dass die Aramäer oder Araber Lubia für 
Lobos (koßo<) der Griechen angesehen hätten, was einen 
vorspringenden Theil bedeutet, z. B. den Ohrlappen, 
eine Frucht wie die der Hülsengewächse, und nach Ga- 


1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256. 

2 Dietionn. français-berbère, beim Worte haricot; Willkomm et Lange, 
Prodr. fl. hisp., III, 324. Die gemeine Schminkbohne hat auf der Spani- 
schen Halbinsel nicht weniger als fünf verschiedene Namen. 

3 Piddington, Index. 


Kriechender Erdbohrer. 439 


lenus sich ganz insbesondere auf Phaseolus vulgaris be- 
zieht. Lobion (hoftoy) ist bei Dioscorides, wenigstens 
nach der Meinung der Commentatoren!, die Frucht von 
Phaseolus vulgaris. Im Neugriechischen findet es sich mit 
derselben Bedeutung in der Form von Loubion wieder.? 


Glycine subterranea, Linne fil. Voandzeia subterranea, 
du Petit-Thouars. — Kriechender Erdbohrer (fr. Voandzou). 

Die Reisenden, welche zuerst Madagaskar erforschten, 
hatten dieses einjährige Hülsengewächs angetroffen, 
welches die dortigen Bewohner anbauen, um nach Art der 
Erbsen, Bohnen u. s. w. die Frucht oder die Samen zu 
essen. Es gleicht der Erdnuss, namentlich insofern, dass 
sich der Blumenträger zurücklegt und die junge Frucht 
oder Hülse in den Boden eindrückt. Die Cultur dieser 
Pflanze ist besonders in den Gärten des tropischen Afrika 
und weniger allgemein des südlichen Asien verbreitet.? In 
Amerika scheint sie wenig betrieben zu werden“, höch- 
stens in Brasilien, wo sie Mandubi d’Angola’ ge- 
nannt wird. 

Die alten Schriftsteller über Asien sprechen nicht 
‚von ihr. Somit muss man ihren Ursprung in Afrika 
suchen. Loureiro® hatte sie an der Ostküste dieses 
Continents gesehen, du Petit-Thouars auf Madagaskar, 
sie sagen aber nicht, ob sie dort spontan war. Die 
Verfasser der Flora von Senegambien? haben sie als in 
‘Galam angebaut und „wahrscheinlich spontan“ be- 
schrieben: Schweinfurth und Ascherson® endlich haben 


1 Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, S. 732. 

2 Langkavel, Botanik der spätern Griechen, S. 4; Heldreich, Nutz- 
pflanzen Griechenlands, S. 72. 

3 Sir J. Hooker, Flora of British India, II, 205; Miquel, Flora indo- 
batava, I, 175. 

4 Linné fil., Decad., Bd. II, Taf. ‘19, scheint die Art mit Arachis ver- 
wechselt zu haben, und aus diesem Grunde führt er die Voandzeia viel- 
leicht als zu seiner "Zeit in Surinam angebaut an. Die jetzigen Autoren 
über Amerika haben sie nicht gesehen oder es unterlassen, von ihr zu 
sprechen. 

5 Gardener’s Chronicle, 4. September 18380. 

6 Loureiro, Flora Cochinchina, II, 523. 

7 Guillemin, Perrottet, Richard, Florae Sene gambiae tentamen, S. 254. 

8 Aufzählung, S. 259. 


440 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


sie an den Ufern des Nils, von Chartum nach Gondo- 
koro wildwachsend angetroffen. Trotzdem die Möglich- 
keit einer Naturalisation infolge des Anbaues vorliegt, 
ist es äusserst wahrscheinlich, dass die Pflanze im inter- 
tropischen Afrika spontan sei. 


Polygonum Fagopyrum, Linné. Fagopyrum esculen- 
tum, Mönch. — Gemeiner Buchweizen, Heidekorn (fr. 
Sarrasin ou blé noir). 

Die Geschichte dieser Art ist seit einigen Jahren 
sehr offen gelegt. 

Sie wächst im natürlichen Zustande in der Man- 
dschurei, an den Ufern des Amurstromes!, in Daurien 
und in der Nähe des Baikalsees.? Sie wird auch in 
China und auf den Gebirgen Nordindiens angegeben?, 
es ist mir jedoch ungewiss, ob die wildwachsende Eigen- 
schaft der Pflanze dort nachgewiesen sei. Roxburgh hatte 
sie in Nordindien nur im angebauten Zustande gesehen, 
und Dr. Bretschneider * sieht das Indigenat für China 
als zweifelhaft an. Der Anbau daselbst ist nicht alt, 
denn der erste Autor, welcher von ihr gesprochen hat, 
schrieb in der zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert 
der christlichen Zeitrechnung liegenden Periode. 

Im Himalaja baut man den Buchweizen unter den 
Namen Ogal oder Ogla und Kouton an. Da weder für 
diese noch für die folgenden Arten Sanskritnamen be- 
kannt sind, so ist mir das hohe Alter ihrer Cultur auf 
den Gebirgen Centralasiens sehr zweifelhaft. Man weiss 
bestimmt, dass die Griechen und Römer die Fagopyrum- 
arten nicht kannten. Dieser griechische Name ist von 
den Botanikern der Neuzeit zusammengesetzt worden, 
weil die Form des Samens mit der Frucht der Buche 
(Fagus) Aehnlichkeit zeigt, wie man aus demselben 


1 Maximowicz, Primitiae fl. amur., S. 236. 

2 Ledebour, Fl. ross., III, 517. 

3 Meissner, in: Prodr., XIV, 143. 

4 Bretschneider, On study etc., S. 9. 

5 Madden, Transactions of Edinb. Bot. Soc., V, 118. 


Gemeiner Buchweizen, Heidekorn. 441 


‚Grunde im Deutschen Buchweizen! und im Italie- 
nischen Faggina sagt. 

Die europäischen Sprachen arischen Ursprungs haben 
keinen Namen für diese Pflanze, der auf eine gemein- 
schaftliche Wurzel hindeutet. Somit kannten die West- 
arier die Art ebenso wenig wie die Ostarier der Sanskrit- 
sprache, ein neuer Fingerzeig, dass sie ehemals in Cen- 
tralasien nicht vorkam. Auch jetzt noch ist sie wahr- 
scheinlich in Nordpersien und der Türkei unbekannt, 
weil sie in den Floren nicht erwähnt wird.” Bosc hat 
in dem landwirthschaftlichen Wörterbuch angeführt, dass 
Olivier sie in Persien wildwachsend gesehen hätte, in 
dem gedruckten Reisebericht dieses Naturforschers finde 
ich aber hierfür keinen Beweis. 

Die Art kam im Mittelalter von der Tatarei und 
Russland nach Europa. Die erste Erwähnung ihres 
Anbaues in Deutschland findet sich in einem mecklen- 
burgischen Register vom Jahre 1436.% Im 16. Jahr- 
hundert hat sie sich nach Mitteleuropa verbreitet und 
hat dort auf armen Ländereien, wie jenen der Bretagne, 
einen wichtigen Platz eingenommen. Reynier, der 
meistens sehr genau ist, hatte sich vorgestellt, dass der 
Name Sarrasin aus dem Keltischen käme*, Le Gall hat 
mir aber vor kurzem geschrieben, dass die bretonischen 
Namen einfach Korn von schwarzer Farbe (Ed-du) oder 
schwarzen Weizen (Gwinis-du) bedeuten. Es gibt keinen 
ursprünglichen Namen in den keltischen Sprachen, was 
uns jetzt, wo wir den Ursprung der Art kennen, ganz 
natürlich erscheint.? 

Als sich die Pflanze nach Frankreich und Belgien ein- 
führte und man sie selbst ın Italien kannte, d. h. im 
16. Jahrhundert, ist der Name Blé sarrasin oder Sarrasin 


1 Der englische Name Buckwheat und der französische einiger Gegen- 
den Buscail stammen aus dem Deutschen. 

2 Boissier, F1. orient.; Buhse und Boissier, Pflanzen Transcaucasiens. 

3 Pritzel, Sitzungsber. der naturforschenden Freunde zu Berlin vom 
15. Mai 1866. _ 

4 Reynier, Économie des Celtes, S. 425. 

5 In der Géographie bot. raisonnée, S. 953, habe ich die volksthüm- 
lichen Namen ausführlicher besprochen. 


442 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


meistentheils angenommen worden. Die volksthümlichen 
Namen sind bisweilen so lächerlich, in so oberflächlicher 
Weise gegeben worden, dass man in dem vorliegenden 
Falle nicht wissen kann, ob der Name von der Farbe 
des Samens abstammt, welche die den Sarazenen zuge- 
schriebene war, oder von der Einführung, die vielleicht 
von den Arabern oder Mauren ausgegangen war. Man 
wusste damals noch nicht, dass die Art ın den Ländern 
südlich vom Mittelmeere, selbst nicht einmal in Syrien 
und Persien, gar nicht bekannt ist. Möglich ist es, dass 
man die Ansicht von einem südlichen Ursprunge wegen 
des Namens Sarrasin, der durch die Farbe begründet 
war, angenommen hat. Jedenfalls ist der südliche Ur- 
sprung bis Ende des verflossenen Jahrhunderts und 
selbst noch im gegenwärtigen nicht beanstandet worden.! 
Reynier hat ihn vor mehr als 50 Jahren zuerst be- 
kämpft. 

Der Buchweizen entspringt zuweilen den Culturen 
und wird fast spontan. Dies tritt uns um so häufiger 
entgegen, je mehr man sich seinem Heimatlande nähert, 
und die Folge davon ist, dass es an den Grenzen Eu- 
ropas und Asiens, ım Himalaja oder in China schwer 
fallen dürfte, seine Grenze als spontane Pflanze festzu- 
stellen. In Japan sind diese Halbnaturalisationen nicht 
selten.? 


Polygonum tataricum, Linne. Fagopyrum tataricum, 
Gärtner. — Tatarischer Buchweizen (fr. Sarrasin ou 
ble noir de Tartarie). 

Weniger empfindlich gegen Kälte als der gemeine 
Buchweizen, aber ein mittelmässiges Korn liefernd, baut 
man ihn zuweilen in Europa und Asien, z. B. im Hi- 
malaja an.” Es ist eine wenig alte Cultur. Die Schrift- 
steller des 16. und 17. Jahrhunderts haben die Pflanze 
nicht erwähnt, Linné ist einer der ersten, welcher von 


1 Nemnich, Polygl.-Lexicon, S. 1030; Bosc, Diet. d’agricult., XI, 379. 
2 Franchet et ra Enum. plant. Japoniae, I, 403. 
Royle, Ill. Himal., S. 317. 


cs 


Tatarischer und ausgerandeter Buchweizen. 443 


ıhr als einer tatarischen Pflanze gesprochen hat. Zu 
Anfang des jetzigen Jahrhunderts hatten Roxburgh- und 
Hamilton sie in Nordindien nicht gesehen, und in China 
und Japan finde ich sie auch nicht angegeben. 

In der Tatarei und in Sibirien bis nach Daurien ist 
ihre Spontaneität keinem Zweifel unterworfen!; mehr 
nach Osten hin, z. B. in der Amurregion, haben die 
russischen Botaniker die Art nicht gefunden.” 

Da diese Pflanze von der Tatarei nach Osteuropa 
gelangte, und zwar nach dem gewöhnlichen Buchweizen, 
so heisst letzterer in mehreren slawischen Sprachen 
Tatrika, Tatarka oder Tattar, welcher Name in Anbe- 
tracht des Ursprungs besser auf den tatarischen Buch- 
weizen passen würde. 

Die arischen Völker mussten anscheinend diese Art 
sekannt haben, indessen findet man in den indo-euro- 
päischen Sprachen keinen Namen für sie. Bisjetzt ist 
noch keine Spur von ihr in den Ueberresten der schweizer 
oder savoyischen Pfahlbauten entdeckt worden. 


Polygonum emarginatum, Roth. Fagopyrum emargi- 
natum, Meissner. — Ausgerandeter Buchweizen (fr. 
Sarrasin émarginé). 

Diese dritte Art von Buchweizen wird in den hoch- 
gelegenen und östlichen Theilen Nordindiens unter dem 
Namen Phaphra oder Phaphar?, sowie in China* an- 
gebaut. 

Mir liegt kein bestimmter Beweis vor, dass man sie 
wildwachsend gefunden habe. Roth sagt nur, dass sie 
„China bewohne‘ und dass ihre Samen als Nahrung 
Verwendung finden. Don?’ war der erste, welcher von 
‚ihr gesprochen hat, und er berichtet, dass man sie kaum 
als spontan ansähe. Sie wird weder in den Werken 


1 Gmelin, Flora sibirica, III, 64; Ledebour, Flora rossica, III, 516. 

2 Maximowicz, Primitiae; Regel, Opit flori etc.; Schmidt, Reisen im 
Amur-Lande, sprechen nicht von ihr. 

3 Royle, Ill. Himal., S. 317; Madden, Trans. Bot. Soc. Edinb., V, 118 

4 Roth, Catalecta botanica, I, 48. 5 Don, Prodr. fl. nepal., S. 74. 


444 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


über die Amurregion noch in Japan angegeben. Nach, 
dem Lande, wo sie angebaut wird, zu schliessen, dürfte 
es wahrscheinlich sein, dass sie im östlichen Himalaja 
und dem nordwestlichen China wildwachsend auftritt. 

Die Gattung Fagopyrum hat acht Arten, welche alle 
dem gemässigten Asien angehören. 


Chenopodium Quinoa, Willdenow. — Quinoa (fr. Quinoa). 

In Neugranada, Peru und Chile bildete die Quinoapflanze 
zur Zeit der Eroberung eine der Grundlagen der Er- 
nährung für die Bewohner der hochgelegenen und ge- 
mässigten Gegenden jener Länder. Aus Gewohnheit 
und auch der Ergiebigkeit wegen hat man diese Cultur 
dort fortgesetzt. 

Zu allen Zeiten hat man die Quinoapflanze mit bunter 
Belaubung und jene mit grünen Blättern und weissen Sa- 
men unterschieden. Letztere wurde von Moquin? als 
Varietät einer Art angesehen, die nicht gut bekannt und 
wahrscheinlich asiatischen Ursprungs sei; ich glaube 
aber deutlich genug nachgewiesen zu haben, dass die 
beiden Quinoapflanzen Amerikas wahrscheinlich sehr alte 
Rassen ein und derselben Art sind.” Man kann vermuthen, 
dass die weniger gefärbte, welche zugleich die mehl- 
haltigste ist, von der andern ihren Ursprung ableitet. 

Nach den im „Botanical Magazine“ enthaltenen Be- 
richten liefert die weisse Quinoapflanze einen in Lima 
sehr geschätzten Samen; in demselben Werke findet sich 
auch eine gute Abbildung von ihr (Taf. 3641). Die 
Blätter geben ein dem Spinat ähnliches Gemüse.*? 

Von keinem Botaniker wird die Quinoapflanze in 
einem spontanen oder fast spontanen Zustande erwähnt. 
Das neueste und vollständigste Werk über eines der 
Länder, in welchen man die Art anbaut, die Flora 
Chiles von Cl. Gay, spricht nur von ihr als einer an- 


1 Molina, Hist. nat. du Chili, S. 101. 

2 Moquin, in: Prodromus, XIII, 1, 67. 

3 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 952. 
4 Bon Jardinier, 1880, S. 562. 


Quinoa. Mehlreicher Fuchsschwanz. 445 


gebauten Pflanze. Der Pater Feuillee und Humboldt 
haben sich in Bezug auf Peru und Neugranada in ähn- 
licher Weise ausgesprochen. Vielleicht haben die Sammler, 
weil das Aeussere der Pflanze wenig ins Auge fällt und 
sie mit einem Gartenunkraut viele Aehnlichkeit besitzt, 
es versäumt, wildwachsende Exemplare davon mitzu- 
bringen. Indessen versichert mir Philippi (Brief vom 
15. August 1882), „dass die Art in Chile, von Acon- 
cagua bis nach Chiloe wildwachsend ist“.! 


Amarantus frumentaceus, Roxburgh. — Mehlreicher 
- Fuchsschwanz (fr. Kiery). 

Eine einjährige Pflanze, deren kleine, mehlreiche Sa- 
men, wegen welcher sie auf der Indischen Halbinsel ange- 
baut wird, in einigen Gegenden die Hauptnahrung der 
Einwohner ausmachen.” Die mit dieser Art bepflanzten 
Felder bieten wegen der rothen oder goldigen Färbung 
der Blätter eine schöne Zierde für die Landschaft. 

Nach dem, was Roxburgh berichtet, hatte Dr. Bucha- 
nan die Pflanze „auf den Hügeln von Mysore und Coim- 
batore‘ entdeckt, was einen wildwachsenden Zustand 
anzudeuten scheint. 

Die in den Gärten angebaute und im „Botanical Ma- 

gazine“, Taf. 2227, abgebildete Amarantus speciosus 
scheint dieselbe Art zu sein. Hamilton fand sie in 
Nepal. 
- An den Abhängen des Himalaja wird eine Varietät 
oder verwandte Art, Amarantus Anardana, Wallich *, 
angebaut, die von den Botanikern bisjetzt schlecht be- 
stimmt worden ist. 

Andere Arten werden als Gemüse benutzt. Siehe 
oben S. 125, Amarantus gangeticus. 


1 Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung. 

2 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 609; Wight, Icones, Fig. 720; 
Aitchison, Punjab, S. 130. 
. 3 Madden, Trans. of the Edinb. Bot. Soc., V, 118. 

4 Don, Prodr. fl. nepal., S. 76. 

5 Wallich, List, Nr. 6903; Moquin, in: D.C. Prodr., XIII, 11, 256. 


446 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Castanea vulgaris, Lamarck. — Echte Kastanie, Ma- 
ronenbaum (fr. Chätaignier). 

Die echte Kastanie aus der Familie der Cupuliferen 
hat einen ziemlich ausgedehnten, aber getrennten na- 
türlichen Wohnsitz. Sie bildet Wälder oder Holzungen 
in den gebirgigen Ländern der gemässigten Zone, vom 
Kaspisee bis nach Portugal. Man hat sie auch auf den 
Gebirgen von Edough in Algerien und neuerdings an 
den Grenzen von Tunis (Brief des Herrn Letourneux) 
gefunden. Berücksichtigt man die Varietäten Japonica 
und Americana, so findet sie sich auch in Japan und 
in dem gemässigten Theile von Nordamerika. In meh- 
rern Gegenden Süd- und Westeuropas hat man sie ge- 
säet und gepflanzt, sodass es schwer hält, zu wissen, 
ob sie dort spontan oder angebaut ist. Die Haupt- 
cultur besteht indessen darin, gute Varietäten auf 
Bäume geringerer Qualität zu pfropfen. Zu diesem 
Zwecke sucht man besonders die Varietät, welche die 
Maronen liefert, d. h. Früchte, die nur einen, ziemlich 
grossen Samen enthalten und nicht zwei oder drei kleine, 
durch Häute getrennte, wie dies bei der Art im wild- 
wachsenden Zustande vorkommt. 

Die Römer unterschieden zu Plinius’ Zeiten? ur 
acht Varietäten, es lässt sich aber aus dem Original 
dieses Autors nicht ersehen, ob sie den Maronenbaum 
besassen. Die besten Kastanien kamen von Sardes (Klein- 
asien) und dem neapolitanischen Gebiete. Olivier de 
Serres® (im 16. Jahrhundert) lobt die Kastanien Sar- 
donne und Tuscanes, welche die sogenannten Maronen 
von Lyon gaben.* Er hält dafür, dass diese Varietäten 
von Italien kommen, und von Targioni? erfahren wir, 


1 Für weitere Einzelheiten vgl. meinen Aufsatz im Prodromus, XVI, 
11, 114, und Boissier, Fl. orient., IV, 1175. 

2 Plinius, Hist. nat., 1. 19, c. 23. 

3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 114. 

4 Jetzt kommen die lyoner Maronen besonders aus der Dauphiné und 
dem Vivarais. Auch im Departement Var und bei Luc (Gasparin, Traité 
d’agricult., IV, 744) werden welche geerntet. 

5 Targioni, Cenni storici, S. 180. 


Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 447 


dass der Name marrone oder marone schon im Mittel- 
alter (1170) in diesem Lande gebräuchlich war. 


Weizen oder verwandte Formen und Arten. 

Die unzähligen Rassen des eigentlichen Weizens, 
dessen Samen sich bei der Reife von selbst aus ihrer 
Umhüllung lösen, sind von Vilmorin! in vier Gruppen 
eingetheilt worden, welche je nach den Autoren be- 
stimmte Arten oder Abänderungen des gemeinen Wei- 
zens ausmachen. Zum Studium ihrer Geschichte muss 
ich sie hier unterscheiden, doch werden wir sehen, dass 
gerade ihre Geschichte die Ansicht von einer einzigen 
Art unterstützt.? 


I. Triticum vulgare, Villars. Triticum hybernum und 
Tr. aestivum, Linne. — Gemeiner Weizen, Winter- und 
Sommerweizen (fr. Froment ordinaire). 

Nach den von Abbe Rozier und später von Tessier 
gemachten Versuchen ist die Unterscheidung von Winter- 
und Sommerweizen von keiner Bedeutung. „Aller Wei- 
zen“, sagt dieser letztere? der beiden landwirthschaft- 
lichen Schriftsteller, ‚‚ist entweder Winter- oder Som- 
mersorte. Mit der Zeit gehen sie alle, wie ich mich 
vergewissert habe, in den Zustand des Winter- oder 
Sommerweizens über. Es handelt sich nur darum, sie 
nach und nach daran zu gewöhnen, indem man all- 
mählich den Winterweizen (bles d’automne) später, den 
Sommerweizen (blés de Mars) früher aussäet, als es 
geschieht.“ Thatsache ist es, dass unter der unge- 
heueren Anzahl von angebauten Weizenrassen einige 
von der Winterkälte mehr zu leiden haben als andere, 
und daraus ist der Brauch entstanden, sie ım Früh- 
jahr auszusäen.* In Bezug auf die Frage nach dem 


1 L. Vilmorin, Essai d’un catalogue méthodique et _synonymique des 
froments (Paris 1850). 

2 Die besten Abbildungen dieser Hauptformen vom Weizen finden 
sich in: Metzger, Europäische Cerealien (Heidelberg 1824), und in: Host, 
Gramineae, Bd. III. 

3 Tessier, Diet. d’agricult., VI, 198. 

4 Loiseleur-Deslongchamps, Considérations sur les céréales, 8 . 219. 


448 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Vaterlande brauchen wir uns kaum mit diesen Unter- 
scheidungen zu befassen, um so weniger als die meisten 
der erzielten Rassen auf sehr fernliegende Zeiten zu- 
rückgehen. 

Die Weizencultur kann in der Alten Welt als prä- 
historisch hingestellt werden. Sehr alte Denkmäler 
Aegyptens, die aus einer frühern Zeit stammen als die 
Invasion der Hyksos, sowie die hebräischen Bücher 
weisen auf diese Cultur als eine schon begründete hin, 
und wenn die Aegypter oder die Griechen von ihrem 
Ursprunge gesprochen haben, so schrieben sie dieselbe 
mythischen Personen wie Isis, Ceres und Triptolemos 
zu.! In Europa bauten schon die Bewohner der ältesten 
Pfahlbauten in der westlichen Schweiz eine kleinkörnige 
Weizenart an, welche von Heer? als Triticum vulgare 
antiquorum sehr sorgfältig beschrieben und abgebildet 
worden ist. Nach einer Zusammenstellung verschiedener 
Thatsachen waren die ersten Pfahlbauten von Roben- 
hausen mehr oder minder mit dem Trojanischen Krieg 
gleichalterig, vielleicht auch noch älter. Die Cultur 
ihres Weizens hat sich nach den in Buchs gefundenen 
Proben bis zur Eroberung durch die Römer in der 
Schweiz erhalten. Regazzoni hat diese Weizenart eben- 
falls in den Ueberresten der Pfahlbauten von Varese, 
und Sordelli in jenen von Lagozza in der Lombardei 
entdeckt.? Unger hat dieselbe Form in einem Ziegel- 
stein der Pyramide von Dashur in Aegypten aufge- 
funden, welche nach ihm aus dem Jahre 3359 v. Chr. 
stammt (Unger, Bot. Streifzüge, VII; Ein Ziegel u. s. w., 
S. 9). Eine andere Varietät ( Tretieum vulgare - com- 
pactum muticum, Heer) war zu Beginn des Steinalters 


1 Diese gelehrten Gegenstände sind in einer sehr wissenschaftlichen 
und sachgemässen Weise von vier Schriftstellern behandelt worden: Link, 
Ueber die ältere Geschichte der Getreidearten, in: Abhandl, der berliner 
Akademie, 1816, XVII, 122; 1826, S. 67, und in: Die Urwelt und das 
Alterthum, 2. Aufl. (Berlin 1834), S. 399; Reynier, Economie des Celtes et 
des Germains (1818), S. 417; Dureau de 1a Malle, Ann. des sc. nat., Bd. IX 
(1826); und Loiseleur-Deslongchamps, Considérat. sur les céréales (1342), 
1052: x 
’"2 0. Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 13, Taf. I, Fig. 14-18. 
3 Sordelli, Sulle piante della torbiera di Lagozza, 8. 31. 


Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 449 


in der Schweiz weniger gewöhnlich, man hat sie aber 
häufiger in den nicht so alten Pfahlbauten der West- 
schweiz und Italiens angetroffen. Schliesslich wurde 
noch eine dritte, eine Zwischenvarietät in Agotelek in 
Ungarn gefunden, die zur Zeit des Steinalters angebaut 
wurde.” Keine von ihnen stimmt mit dem jetzt ange- 
bauten Weizen überein. Man hat sie durch bessere 
Formen ersetzt. 

Für die Chinesen war der Weizen, den sie 2700 Jahre 
vor unserer Zeitrechnung anbauten, eine Gabe des Him- 
mels.” Bei der alljährlich wiederkehrenden, vom Kaiser 
Schen-nung oder Schin-nong angeordneten Feierlichkeit, 
fünf Samenarten auszusäen, bildet der Weizen eine 
dieser Arten, die vier andern sind der Reis, die Hirse, 
die Setaria italica und die Sojabohne. 

Da verschiedene Namen für den Weizen in den älte- 
sten Sprachen vorkommen, müssen wir ein sehr hohes 
Alterthum für den Anbau annehmen. Es gibt Namen 
im Chinesischen, Mai, Sanskrit, Sumana und Gödhitma, 
Hebräischen, Chittah, Aegyptischen, Br, in der Sprache 
der Guanchen, Yrichen, abgesehen von mehreren aus dem 
ursprünglichen Sanskrit abgeleiteten Namen, oder von 
einem baskischen Namen, Ogaia oder Okhaya, der viel- 
leicht auf die Iberer zurückzuführen ist*, oder von meh- 
reren finnischen, tatarischen, türkischen u. s. w.°, welche 
wahrscheinlich von turanischen Namen abstammen. Diese 
ausserordentliche Verschiedenheit würde sich durch 
einen weiten Wohnsitz erklären lassen, wenn es sich 
um eine sehr gemeine wildwachsende Pflanze handelte, 
der Weizen befindet sich aber unter ganz entgegenge- 


1 Heer, a. a. O.; Sordelli, a. a. O. 

2 Nyary, von Sordelli angeführt, a. a. O. 

3 Bretschneider, Study and value of Chinese bot. works, S. 7 u. 8. 

4 Bretschneider, On study ete.; Ad. Pictet, Les origines indo-euro- 
péennes, 2. Aufl., I, 328; Rosenmüller, Biblische Naturgeschichte, I, 77; 
Pickering, Chronol. arrangement, S. 78; Webb et Berthelot, Canaries, part. 
Ethnographie, S. 187; d’Abadie, Notes mss. sur les noms basques; de Cha- 
rencey, Recherches sur les noms basques, in: Actes Soc. philolog., 
1. März 1869. 

5 Nemnich, Polygl.-Lexicon, S. 1492. 


DE CANDOLLE. 29 


450 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


setzten Bedingungen. Nur mit Mühe lässt sich sem 
Auftreten als wildwachsende Pflanze an einigen Punkten 
von Westasien nachweisen, wie wir gleich sehen wer- 
den. Wenn er, bevor man ıhn der Cultur unterwarf, 
sehr verbreitet gewesen wäre, würden Abkömmlinge von 
ihm hier und da in entfernten Ländern übriggeblieben 
sen. Die vielfachen Namen ın den alten Sprachen 
müssen somit eher aus dem äusserst hohen Cultur- 
alter in den gemässigten Regionen Asiens, Europas 
und Afrikas zu erklären sein, ein Alter, das weiter zu- 
rückgeht als die Sprachen, welche als die ältesten an- 
gesehen werden. 

Welches war vor dem Beginn ihres Anbaues das 
Vaterland der Art in der unermesslichen Zone, die 
sich von China nach den Canaren erstreckt? - Man 
kann diese Frage auf zwei Wegen beantworten: 1) in- 
dem man die Meinung der Schriftsteller des Alterthums 
hört, 2) indem man das mehr oder minder erwiesene 
Vorkommen des Weizens im wildwachsenden Zustande 
in diesem oder jenem Lande nachweist. 

Nach dem ältesten aller Geschichtschreiber, Berosus, 
einem chaldäischen Priester, von dem Herodot Bruch- 
stücke erhalten hat, sah man in Mesopotamien zwischen 
dem Euphrat und Tigris den wildwachsenden Weizen 
(Frumentum agreste).‘ Die Bibelverse über den Reich- 
thum an Weizen in dem Lande Kanaan, Aegypten u. s. w. 
beweisen weiter nichts, als dass man den Weizen an- 
baute und dieser sehr ergiebig war. Strabo?, geb. um 60 
v. Chr., berichtet, dass Aristobulus zufolge in dem 
Lande der Musicani (an den Ufern des Indus beim 
25. Breitengrade) ein Korn im spontanen Zustande wüchse, 
welches dem Weizen sehr ähnlich wäre. Er sagt auch’, 
dass in Hirkanien (dem jetzigen Masanderan) der aus 
den Aehren fallende Weizen sich von selbst aussäete. 
Dies lässt sich heutzutage mehr oder weniger überall wahr- 


1 G. Syncelli, Chronogr., 1652, S. 28. 
2 Strabo (1707), II, 1017. 3 Ebend., I, 124, und II, 776. 


is an 


Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 451 


‚nehmen, und der Verfasser vergisst den wichtigen Punkt 
festzustellen, ob sich diese zufälligen Aussaaten an Ort 
und Stelle von Generation zu Generation weiter fort- 
pflanzten. Nach der Odyssee! wuchs der Weizen in 
Sicilien ohne Hülfe des Menschen. Was kann das Wort 
eines Dichters bedeuten und noch dazu eines solchen, 
dessen Dasein bestritten worden ist? Diodorus von 
Sicilien sagt zu Anfang der christlichen Zeitrechnung 
dasselbe, und man kann ihm mehr Vertrauen schenken, 
weil er ein geborener Sicilianer war. Er kann sich in- 
dessen über die spontane Eigenschaft leicht geirrt haben, 
da der Weizen damals in Sicilien ganz allgemein an- 
gebaut war. Eine andere Stelle in Diodorus? erwähnt 
die Ueberlieferung, dass Osiris von ungefähr auch unter 
andern Pflanzen wachsenden Weizen und Gerste ın Nisa 
antraf, und Dureau de La Malle hat nachgewiesen, dass 
diese Stadt in Palästina lag. Von allen diesen Zeugen- 
aussagen scheinen mir diejenigen von Berosus und Strabo 
für Mesopotamien und Ostindien die einzigen zu sein, 
welche einigen Werth besitzen. 

Die fünf Samenarten der vom Kaiser Schin-nong ein- 
gesetzten Feierlichkeit werden von den chinesischen Ge- 
lehrten als in ihrem Lande einheimisch betrachtet?, und 
Dr. Bretschneider fügt hinzu, dass die Beziehungen 
Chinas mit -Westasien erst seit der Gesandtschaft von 
Schang-kien im 2. Jahrhundert v. Chr. datiren. Es be- 
darf jedoch einer bestimmtern Aussage, um den Weizen 
in China für einheimisch zu halten, denn es ist immer- 
hin möglich, dass eine Pflanze, welche in Westasien 
2000 oder 3000 Jahre vor dem Kaiser Schin-nong an- 
gebaut wurde, und deren Samen so leicht fortzuschaffen 
sind, sich nach dem Norden Chinas durch vereinzelte 
und unbekannte Reisende in derselben Weise einführen 
liess, wie die Aprikosen- und Pfirsichkerne zu prä- 


1 Odyssee, 1. 9, v. 109. 
2 Diodor, französ. Uebersetzung von Terasson, II, 186, 190. 
3 Bretschneider, a. a. O., S. 15. 


29% 


452 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


historischen Zeiten wahrscheinlich von China nach Per- 
sien gelangt sind. 

Es ist von den Botanikern nachgewiesen worden, dass 
der wildwachsende Weizen gegenwärtig in Sieilien nicht 
vorkommt.! Zuweilen entspringt er den Culturen, man 
hat ihn aber nicht ins Unendliche fortdauern gesehen.? 
Die Pflanze, welche von den Bewohnern wildwachsender 
Weizen (Frumentu sarvaggiu) genannt wird, und die 
unbebaute Strecken Landes überzieht, ist nach der Aus- 
sage von Inzenga der Aegilops ovata.? 

Ein eifriger Sammler, Balansa, glaubte den Weizen 
auf dem Berge Sipylus in Kleinasien unter Umständen 
gefunden zu haben, welche keinen Zweifel über seine 
spontane Beschaffenheit zuliessen‘; die von ihm mitge- 
brachte Pflanze ist aber nach einem sehr genauen Bo- 
taniker, welcher sie untersucht hat’, ein Einkorn, das 
Tritieum monococcum. Vor ıhm fand Olivier®, als er 
sich am rechten Ufer des Euphrat, im Nordwesten von 
Anah, einem für den Anbau ungeeigneten Lande be- 
fand, „den Weizen, die Gerste und das Einkorn in 
einer Art von Schlucht, und“, fügt er hinzu, „wir hatten 
dieselben schon mehreremal in Mesopotamien gesehen“. 

Linne zufolge’ hatte Heintzelmann den Weizen im 
Lande der Baschkiren gefunden, doch hat niemand diese 
Aussage bestätigt, und von keinem Botaniker der Neu- 
zeit ist die Art wirklich spontan um den Kaukasus 
herum oder in Nordpersien angetroffen worden. Bunge®, 
dessen besondere Aufmerksamkeit auf diesen Punkt ge- 
richtet war, erklärt, dass er kein Anzeichen gefunden 
habe, welches zu dem Glauben berechtige, dass die 
Cerealien in diesen Ländern einheimisch seien. Es 


1 Parlatore, Fl. ital., I, 46 u. 508. Seine Aussage verdient um so mehr 
Berücksichtigung, weil er Sicilianer war. 

2 Strobl, in: Flora, 1830, S. 348. 

3 Inzenga, Annal. agricult. sicil. 

4 Bull. de la Soc. bot. de France, 1854, S. 108. 

5 J. Gay, Bull. de la Soc. bot. de France, 1860, S. 50. 

6 Olivier, Voy. dans l’Empire othoman (1307), III, 460. 

7 Linné, Species plant., 2. Aufl., I, 127. 

3 Bunge, Bull. de la Soc. bot. France, 1860, S. 29. 


Englischer Weizen, Glockenweizen. 4553 


scheint nicht einmal, als ob der Weizen eine Neigung 
hätte, in diesen Regionen ausserhalb des Culturbereichs 
zufällig aufzugehen. Für Nordindien, China oder die 
Mongolei habe ich keine Erwähnung von Spontaneität 
entdecken können. 

Es bleibt schliesslich bemerkenswerth, dass zwei Aus- 
sagen über das Indigenat in Mesopotamien in einem 
Zwischenraume von 23 Jahrhunderten gemacht worden 
sind, die eine vor alters von Berosus und die andere 
in der Jetztzeit von Olivier. Die Region des Euphrat 
befand sich ungefähr in der Mitte der Culturzone, welche 
sich ehemals von China nach den Canarischen Inseln 
erstreckte, und es wird somit äusserst wahrscheinlich, 
dass sie der Hauptpunkt des Wohnsitzes in sehr alten 
prähistorischen Zeiten gewesen ist. Vielleicht dehnte 
sich dieser Wohnsitz in Anbetracht des ähnlichen Kli- 
mas nach Syrien aus; aber im Osten und Westen von 
Westasien ist der Weizen wahrscheinlich nie anders als 
im angebauten Zustande gewesen, d. h. in einer jeglicher 
bekannten Civilisation vorhergehenden Zeit. 


I. Triticum turgidum et Tr. compositum, Linne. — 
Englischer Weizen, Glockenweizen (fr. Gros blé, Peta- 
nielle ou Poulard). 

Unter den sehr zahlreichen volksthümlichen Namen 
für die Formen dieser Gruppe bemerkt man den Namen . 
:Aegyptischer Weizen, und es scheint, dass man ihn 
augenblicklich viel in jenem Lande und in der ganzen 
Nilregion anbaut. A. P. de Candolle! berichtet, diesen 
Weizen unter den Sämereien erkannt zu haben, die 
alten Mumiensärgen entnommen waren, doch hatte er 
die Aehren nicht gesehen. Unger? ist der Meinung, 
dass derselbe von den alten Aegyptern angebaut wurde, 
gibt indessen hierfür keinen auf Zeichnungen oder auf 
gefundenen Proben gegründeten Beweis. Es erscheint 


1 De Candolle, Physiol. bot., II, S. 696. 
2 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 31. 


454 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


mir die Thatsache bezeichnend, dass man dieser Art 
keinen hebräischen oder aramäischen Namen! hat zu- 
schreiben können. Sie zeigt wenigstens, dass die so 
erstaunlichen Formen mit verzweigten Aehren, gemeinig- 
lich Wunderweizen (blé de miracle, blé d’abondance) 
genannt, in den alten Zeiten noch nicht vorkamen, denn 
sonst würden die Israeliten sie sicher gekannt haben. 
Man kennt auch keinen Sanskritnamen, nicht einmal 
neuere indische Namen, und einen persischen Namen 
entdecke ich ebenso wenig. Die arabischen Namen, 
welche Delile? auf die Art bezieht, müssen vielleicht 
andern Weizenformen zugeschrieben werden. Ein ber- 
berischer Name ist nicht vorhanden.? Aus allem scheint 
mir schliesslich hervorzugehen, dass die unter dem Na- 
men Triticum turgidum vereinigten Pflanzen, und be- 
sonders ihre Varietäten mit verzweigten Aehren, weder 
in Nordafrika noch in Westasien ein hohes Alter auf- 
weisen. 

In seiner so sorgfältigen Arbeit über die Pflanzen 
der Pfahlbauten in der Schweiz während des Steinalters 
schreibt Oswald Heer? zwei nicht verzweigte Aehren, 
die eine bebartet, die andere fast bartlos, von welchen 
er Abbildungen veröffentlicht hat, dem Tr. turgidum 
zu. Später hat Messicommer bei einer Erforschung der 
Palafitten von Robenhausen sie nicht gefunden, obgleich 
eine Menge von Getreidekörnern angetroffen wurden.’ 
Ströbel und Pigorini berichten, „den Weizen «a grano 
grosso duro“ (Tr. turgidum) in den Parmesanischen 
Pfahlbauten gefunden zu haben. Uebrigens sieht Heer’ 
diese Form als eine Rasse des gemeinen Weizens an, 
und Sordelli scheint sich derselben Ansicht zuzuneigen. 

Fraas vermuthet, dass mit dem Krithanias des Theo- 


1 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte; Löw, Aramäische Pflanzen- 
namen (1881). 

2 Delile, Plantes cult. en Egypte, S. 3; Florae Aegypt. illustr., S. 5. 
Diet. français-berbère, publié par le gouvernement. 
Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. 4; S. 52, Fig. 20. 
Messicommer, in: Flora, 1869, S. 320. 
Angeführt nach Sordelli, Notizie sull. Lagozza, S. 32. 
Heer, a. a. 0%, S: 50. 


1 © GR 0 


intitulé 


Bartweizen. 455 


phrast das Triticum turgidum gemeint war, dies ist aber 
völlig unsicher. Nach Heldreich! ist die Einführung 
des Gros blé in Griechenland neuern Datums. Plinius? 
hat kurz von einem Weizen mit verzweigten Aehren 
gesprochen, die 100 Körner enthielten, und dies wird 
wahrscheinlich unser Wunderweizen gewesen sein. 

Somit stimmen die historischen und linguistischen 
Schriftstücke darin überein, die Formen des Triticum 
turgidum als in den Culturen erzielte Abänderungen 
des gemeinen Weizens anzusehen. Die Form mit ver- 
zweigten Aehren geht vielleicht nicht viel weiter zurück 
als bis auf die Zeiten des Plinius. 

Diese Schlussfolgerungen würden in nichts zerfallen, 
wenn man Triticum turgidum im wildwachsenden Zu- 
stande entdeckte, was aber bisjetzt noch nicht in einer 
allem Zweifel überhobenen Weise der Fall gewesen ist. 
Was auch immer C. Koch? behauptet, niemand wird 
die Thatsache einräumen, dass Tr. turgidum bei Kon- 
stantinopel und in Kleinasien ausserhalb des Cultur- 
bereichs wachse. Das an Pflanzen des Orients so reiche 
Herbar von Boissier. besitzt diese Pflanze nicht. Für 
Aegypten wird sie von Schweinfurth und Ascherson als 
spontan angegeben, dies geschah aber infolge eines 
typographischen Irrthums.# 


I. Triticum durum, Desfontaines. — Bartweizen 
(fr. Blé dur). 

Seit langer Zeit in der Berberei, in der Südschweiz 
und zuweilen noch anderswo angebaut, ist diese Weizen- 
art nie im wildwachsenden Zustande gefunden worden. 

In den verschiedenen Provinzen Spaniens kennt man 
nicht weniger als 15 Namen dafür’, keiner derselben 
ist dem arabischen Namen Quemah entlehnt, welcher 


1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 5. 
25Plmins, Hist., 1: 18, c. 10. 

3 Koch, Linnaea, XXI, 427. 

4 Brief von Dr. Ascherson, 1831. 

5 Handschriftliches Verzeichniss volksthümlicher Namen. 


456 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


in Algerien! und in Aegypten? der gebräuchlichste ist. 
Sehr befremdend ist das Fehlen von Namen in meh- 
reren andern Ländern und besonders von ursprüng- 
lichen Namen. Dies spricht ferner zu Gunsten einer 
Abstammung von dem gemeinen Weizen, die zu einer 
unbekannt gebliebenen Zeitperiode, vielleicht seit der 
christlichen Zeitrechnung, in Spanien und Nordafrika 
eintrat. 


IV. Triticum polonicum, Linne. — Polnischer Weizen 
(fr. Blé de Pologne). 

Auch diese Art von Bartweizen mit noch längern 
Körnern, welche besonders in Osteuropa angebaut wird, 
ist nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden. 

Im Deutschen gibt es einen Originalnamen, Ganer, 
Gommer, Gümmer?, in andern Sprachen aber nur 
solche Namen, welche sich auf Leute oder Länder be- 
ziehen, von welchen man die Samen bezogen hatte. 
Man kann nicht daran zweıfeln, dass wir es hier mit 
einer Form zu thun haben, die ın den Culturen, wahr- 
scheinlich in Osteuropa zu einer unbekannten, vielleicht 
ziemlich neuern Zeit erzielt wurde. 


Schlussfolgerungen über die specifische Ein- 
heit dieser Hauptrassen. 


Wir haben soeben darauf hingewiesen, dass die Ge- 
schichte und die volksthümlichen Namen der grossen 
Weizenrassen zu Gunsten einer mit dem Menschen gleich- 
zeitigen, wahrscheinlich nicht sehr alten Abstammung 
von der Form des gemeinen Weizens sprechen, vielleicht 
des kleinkörnigen Weizens, welcher einst von den Aegyp- 
tern und den Bewohnern der schweizer und italienischen 
Pfahlbauten angebaut wurde. Alefeld? gelangte zu der 


1 Debeaux, Catal. des plantes de Boghar, S. 110. 

2 Nach Delile, a. a. O., heisst der Weizen QamAh, und ein horniger, 
rother Weizen Qamh-ahmar. 

3 Nemnich, Lexicon, S. 1488. 

4 Alefeld, Botanische Zeitung, 1865, S. 9. 


Ueber den angeblichen Mumienweizen. 457 


Ansicht von der specifischen Einheit des Triticum vul- 
gare, turgidum und durum vermittelst eines sorgfältigen 
Studiums ihrer unter gleichen Bedingungen angebauten 
Formen. Die Versuche von Henri Vilmorin! über die 
künstlichen Befruchtungen dieser Weizenarten führen zu 
demselben Ergebniss. Obgleich Vilmorin noch nicht 
die Erzeugnisse von mehreren Generationen gesehen 
hat, hat er sich doch vergewissert, dass die verschieden- 
artigsten Hauptformen sich leicht kreuzen und keim- 
fähige Samen erzeugen. Wenn die Befruchtung als 
Maasstab des engen Verwandtschaftsgrades angesehen 
wird, welcher die Zusammenstellung von Individuen in 
eine einzige Art rechtfertigt, so darf man in diesem 
vorliegenden Falle keine weitern Bedenken hegen, zu- 
mal die historischen Erwägungen, von welchen ich ge- 
sprochen habe, dies weiter begründen. 


Ueber den angeblichen Mumienweizen. 


Bevor ich diesen Abschnitt beendige, halte ich die 
Bemerkung für passend, dass es noch nie gelungen 
ist, irgendeinen aus einem Sarge des alten Aegyptens 
entnommenen und von Gärtnern sorgfältig ausgesäeten 
Samen zum Keimen zu bringen. Nicht als ob dies 
zu den Unmöglichkeiten gehörte, denn die Samen halten 
sich um so viel besser, je mehr sie gegen den Zutritt 
von Luft und Temperatur- oder Feuchtigkeitsverände- 
rungen geschützt sind, und es bieten die ägyptischen 
Denkmäler sicherlich diese Bedingungen dar; Thatsache 
aber bleibt es, dass diese Aussaatversuche von diesen 
alten Samen nie Erfolg gehabt haben. Der Versuch, 
von welchem man am meisten geredet hat, ist jener des 
Grafen von Sternberg in Prag.” Derselbe hatte Weizen- 
körner erhalten, welche nach den Aussagen eines glaub- 
würdigen Reisenden aus einem Mumiensarge stammten. 
Zwei dieser Körner keimten, sagte man, doch ich habe 


1 H. Vilmorin, Bulletin de la Société botanique de France, 1881, S. 356. 
2 Flora, 1835, S. 4. 


458° - Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


die Gewissheit erlangt, dass die gut unterrichteten Per- 
sonen in Deutschland irgendeine Betrügerei vermuthen, 
die entweder durch die Araber ausgeführt wurde, welche 
bisweilen neuere Samen (selbst vom Mais, einer ameri- 
kanischen Pflanze!) in die Gräber hineinschmuggeln, 
oder auch durch die Angestellten des ehrenwerthen Grafen 
von Sternberg. Die im Handel unter dem Namen von 
Mumienweizen verbreiteten Samen sind nie von irgend- 
einem Beweise bezüglich ihres alten Ursprungs begleitet 
gewesen. 


Spelz, Dinkel und verwandte Formen oder Arten.! 

Louis Vilmorin?, dem die ausgezeichnete Arbeit von 
Seringe über die Cerealien? als Muster diente, hat die 
Weizensorten in eine Gruppe vereinigt, deren Samen bei 
der Reife in ihrer Umhüllung eng eingeschlossen sind, 
sodass es einer besondern Vorkehrung bedarf, um sie aus 
derselben zu lösen — eine Charakterisirung, welche mehr 
für den Landwirth als für den Botaniker von Bedeutung 
ist. Er zählt dann die Formen dieser mit einem Ueber- 
zuge versehenen Weizensorten unter drei Namen auf, 
die für die meisten der Botaniker mit ebenso vielen 
Arten gleichbedeutend sind. 


I. Triticum Spelta, Linne. — Spelz, Dinkel (fr. Epeautre, 
Grande Epeautre). 

Mit Ausnahme des südlichen Deutschlands und der 
deutschen Schweiz wird die Cultur des Spelzes kaum 
irgendwo mehr betrieben. Früher verhielt es sich an- 
ders damit. 

Die griechischen Autoren haben die Cerealien in so 
kurzer und nichtssagender Weise beschrieben, dass man 
immer über den Sinn der von ihnen gebrauchten Namen 
Zweifel hegen kann. Nach den von ihnen bezeichneten 


1 Vgl. die Abbildungen von Metzger und Host in den soeben ge- 
nannten Werken. 

2 Essai d’un catalogue méthodique des froments (Paris 1350). 

3 Seringe, Monographie des céréales de la Suisse (Bern 1818). 


Spelz, Dinkel. 459 


Gebräuchen glauben die Gelehrten ! indessen, dass die 
‚Griechen den Spelz zuerst Olyra, später Zeia genannt 
haben, Namen, welche sich bei Herodot und Homer finden. 
Dioscorides? unterscheidet zwei Sorten von Zeia, welche 
dem Triticum Spelta und Tr. monococcum zu entsprechen 
scheinen. Man glaubt, dass der Spelz der Semen (Korn 
im allgemeinen) und der Far des Plinius war, wel- 
cher den Lateinern, wie er berichtet, während 360 Jah- 
ren als Nahrung diente, ehe sie die Brotbereitung kann- 
ten.? Da der Spelz nicht in den Pfahlbauten der Schweiz 
und Italiens gefunden worden ist, und die Bewohner 
der erstern verwandte Formen, nämlich Tr. dicoccum 
und monococcum anbauten*, ist es immerhin möglich, 
dass der Far der Lateiner eine von diesen beiden 
Arten war. 

Das Vorkommen des echten Spelzes im alten Aegypten 
und den benachbarten Ländern scheint mir noch zweifel- 
hafter zu sein. Die Olyra der Aegypter, von welcher 
Herodot spricht, war nicht die Olyra der Griechen. 
Einige Autoren haben die Vermuthung ausgesprochen, 
dass dies der Reis, Oryza°, war. Was den Spelz be- 
trifft, so ist dies eine Pflanze, die in den so warmen 
Ländern nicht angebaut wird. Die Forscher der Neu- 
zeit, von Rauwolf an bis auf unsere Tage, haben sie in 
den Culturen Aegyptens nicht gesehen. In den ägyp- 
tischen Denkmälern ist sie nicht aufgefunden worden. 
Dies brachte mich zu der Vermuthung’, dass das 
hebräische Wort Kussemeth, welches dreimal in der 
Bibel vorkommt °, sich nicht auf den Spelz beziehen 
könnte, was freilich der Ansicht jener, die als Kundige 
der hebräischen Sprache angesehen werden, entgegen- 


1 Fraas, Synopsis fl. class., S. 307; Lenz, Botanik der Alten, S. 257. 

2 Dioscorides, Mat. med., II, 111—115. 

3 Plinius, Hist., 1. 18, e. 7; Targioni, Cenni storici, S. 6. 

4 Heer, a. a. O., S. 6; Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 52. 

5 Delile, Plantes cultivées en Egypte. S. 5. 

6 Reynier, Econ. des Egyptiens, S. 337; Dureau de la Malle, Ann. sc. 
nat., IX, 72; Schweinfurth und Ascherson, a. à. O. Das Tr. Spelta von 
Forskal wird vomskeinem spätern Autor zugelassen. 

7 Géogr. bot. raisonnée, S. 933. 

8 2. Mosis IX, 32; Jesaias, XXVIII, 25; Hesekiel, IV, 9. 


460 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


steht.! Ich hatte vermuthet, dass hiermit vielleicht die 
verwandte Form Tr. monococcum gemeint sei, dieselbe 
wird jedoch ebenso wenig in Aegypten angebaut. 

Der Spelz hat keinen Namen im Sanskrit, nicht ein- 
mal in den neuern Sprachen Indiens und im Persischen?, 
also noch viel weniger im Chinesischen. Dagegen gibt 
es sehr viele europäische Namen, die auf eine alte Cultur, 
besonders in Osteuropa hinweisen, z. B. Spelta im Alt- 
sächsischen, woraus Epeautre entstanden ist; Dinkel 
im Neudeutschen, Orkisz im Polnischen, Pobla im Rus- 
sischen ? sind dagegen Namen, welche ganz verschiedene 
Wurzeln zu haben scheinen. In Südeuropa sind die 
Namen seltener. Ein spanischer Name, Escandia*, der 
Asturier muss jedoch genannt werden; baskische Namen 
kenne ich nicht. 

Die historischen und namentlich die linguistischen 
Wahrscheinlichkeiten sprechen zu Gunsten eines Ur- 
sprungs im gemässigten Osteuropa und einem Asien 
benachbarten Gebiete. Wir wollen sehen, ob die Pflanze 
im wildwachsenden Zustande entdeckt worden ist. 

Wir haben bereits auf die Stelle verwiesen’, wo 
Olivier berichtet, den Spelz mehreremal in Mesopota- 
mien gefunden zu haben, und zwar ganz insbesondere 
am rechten Euphratufer, im Norden von Anah an einem 
für die Cultur ungeeigneten Orte. Ein anderer Bota- 
niker, Andre Michaux, hatte denselben 1783 in der 
Nähe von Hamadan, einer Stadt der gemässigten Region 
Persiens, gesehen. Dureau de La Malle zufolge hatte 
er Samen davon an Bosc geschickt, welcher aus dresen 
in Paris ausgesäeten Samen den gemeinen Spelz ge- 
wonnen hatte; dies erscheint mir aber zweifelhaft, denn 
weder Lamarck im Jahre 1786°, noch Bose selbst im 


1 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde, IV, S3; Second, französ. Ueber- 
setzung des Alten Testaments, 1874. 

2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 348. 

3 Ebend.; Nemnich, Lexicon. 

4 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., I, 107. | 

5 Olivier, Voyage (1807), III, 460. 

6 Lamarck, Diet. encycl., II, 560. 


Emmer, Amelkorn. 461 


dem 1809 veröffentlichten ,, Dictionnaire d’agrieulture‘, 
"Abschnitt Epeautre, sagen ein Wort hierüber. Die Her- 
barien des Pariser naturgeschichtlichen Museums ent- 
halten kein Exemplar der Cerealien, von welchen Olivier 
spricht. 

Wie man sieht, ist der Ursprung der Art als spon- 
tane Pflanze sehr ungewiss. Dies veranlasst mich, jener 
Hypothese mehr Bedeutung beizulegen, nach welcher 
der Spelz durch die Cultur vom gemeinen Weizen ab- 
stamme, oder aus einer Zwischenform zu einer prä- 
historischen nicht sehr alten Periode hervorgegangen 
sel. Die Versuche von H. Vilmorin! tragen zur Be- 
gründung derselben bei, denn die Kreuzungen des 
Spelzes mit dem weissen zottigen Weizen und umge- 
kehrt haben Sprösslinge hervorgebracht, die vollkommen 
fruchtbar waren und in ihren Merkmalen ein Gemisch 
von beiden Aeltern aufwiesen, wenn auch die des Spelzes 
etwas vorwiegend waren.? 


IL Triticum dicoccum, Schrank. Tritieum amyleum, 
Seringe. — Emmer, Amelkorn (fr. Amidonier). 

Diese besonders in der Schweiz des Stärkemehls wegen 
angebaute Form hat von den strengen Wintern gar nicht 
zu leiden. Sie enthält, wie der echte Spelz, zwei Samen 
in jedem Aehrchen. 

Von Heer? wird eine im den schweizer Pfahlbauten 
von Wangen im schlechten Zustande gefundene Aehre auf 
eine Varietät des Tr. dicoccum bezogen. Seitdem hat 
Messicommer dasselbe in Robenhausen gefunden. 

Man hat die Art nie im spontanen Zustande gesehen. 
Die Seltenheit von volksthümlichen Namen ist auffallend. 
Beides, ferner auch der geringe Werth der botanischen 
Merkmale, um sie von Tr. Spelta zu unterscheiden, 
veranlassen uns, sie als eine alte angebaute Rasse letz- 
terer zu betrachten. 


1 H. Vilmorin, Bull. de la Soc. bot. de France, 1881, S. 858, 
2 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig..22, 23, und 8. 15. 
3 Ebend. 


462 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Ill. Triticum monococcum, Linne. — Einkorn, Spelzreis, 
Schwabenkorn (fr. Locular, Engrain, Petit Epeautre). 

Das Einkorn unterscheidet sich von den vorhergehen- 
den dadurch, dass nur ein Same in dem Aehrchen 
enthalten ist, und auch durch andere Charaktere, weshalb 
die meisten Botaniker sie als eine wirklich verschie- 
dene Art ansehen. Die Versuche von H. Vilmorin ! 
unterstützen bisjetzt diese Ansicht, denn es ist ihm 
nicht gelungen, das Triticum monococcum mit den an- 
dern Spelz- oder Weizenarten zu kreuzen. Das kann, 
wie er selbst bemerkt, durch irgendeine Kleinigkeit bei 
dem Kreuzungsverfahren hervorgerufen worden sein. Er 
beabsichtigt, die Versuche zu wiederholen, und wird dann 
vielleicht mehr Erfolg haben. Inzwischen wollen wir 
sehen, ob diese Spelzform von alter Cultur ist und ob 
man sie irgendwo in einem wildwachsenden Zustande 
angetroffen hat. 

Das Einkorn begnügt sich mit dem schlechtesten und 
steinigsten Boden. Es ist wenig ergiebig, liefert aber 
vorzüglich feines Mehl. Man säet es besonders in Ge- 
birgsländern, in Spanien, Frankreich und Osteuropa, da- 
gegen finde ich dasselbe in der Berberei, in Aegypten, 
dem Orient oder in Indien und China nicht erwähnt. 

Man glaubte es nach einigen Worten im Tiphai des 
Theophrast? wiederzuerkennen. Mit weniger Mühe kann 
man sich auf Dioscorides? beziehen, denn dieser unter- 
scheidet zwei Sorten von Zeia, von welchen die eine 
zwei, die andere einen Samen trägt. Letztere würde 
das Einkorn sein. Nichts weist darauf hin, dass die 
Griechen und Lateiner dasselbe für gewöhnlich anbauten. 


1 


1 ,,H. Vilmorin sagt (Bull. Soc. bot. France, 1883, S. 62), dass es ihm 

im dritten und vierten Jahre nicht besser als im ersten geglückt sei, das 
Triticum monococcum mit den andern Triticumarten zu kreuzen. Nun will 
er die Kreuzung mit Triticum boeoticum, Boissier, aus Serbien versuchen, 
von welcher Art ich durch die Güte des Herrn Pancié Samen erhalten 
habe. Dies wird ein interessanter Versuch werden, weil man annimmt, 
dass diese Art der Stammvater des angebauten 77. monococcun ist.“ (Vom 
Verfasser mitgetheilte Anmerkung.) 

2 Fraas, Synopsis fl. class., S. 307. 

3 Dioscorides, Mat. med., 3, ec. III, 155. 


Einkorn, Spelzreis, Schwabenkorn. 463 


Von ihren Nachkommen wird es auch gegenwärtig nicht 
verwerthet.! 

Dasselbe besitzt weder einen Sanskrit- noch persi- 
schen oder arabischen Namen. Früher hatte ich die 
Hypothese aufgestellt, dass mit dem Kussemeth der He- 
bräer diese Pflanze gemeint sein könnte, jetzt dagegen 
scheint es mir schwer, diese Behauptung aufrecht zu 
erhalten. 

Marschall Bieberstein? hatte das Triticum monococcum, 
wenigstens eine besondere Form desselben, in der Krim 
und dem östlichen Kaukasus als spontan angegeben, 
dies ist aber von keinem Botaniker bestätigt worden. 
Steven, welcher in der Krim lebte, erklärt die Art nie 
anders als von den Tataren angebaut gesehen zu haben. 
Andererseits ist die von Balansa auf dem Gebirge Si- 
pylus in Armenien im spontanen Zustande gesammelte 
Pflanze nach J. Gay“ das Tr. monococcum, und derselbe 
bringt mit dieser Form auch das Triticum boeoticum, 
Boissier, zusammen, welches in der Ebene von Büotien* 
und in Serbien ® spontan ist. 

Nach diesen Thatsachen würde das Triticum mono- 
coccum aus Serbien, Griechenland und Kleinasien 
stammen, und da es nicht geglückt ist, dasselbe mit 
den andern Spelz- oder Weizenarten zu kreuzen, so 
hat man Recht, daraus im Sinne Linné’s eine Art zu 
machen. 

- Was die Trennung der Weizensorten mit freien Samen 
und der Spelzarten betrifft, so dürfte sie aus einer Zeit 


1 Heldreich, Nutzpflanzen BE 

2 Bieberstein, Flora tauro-caucas., I, 85. 

3 Steven, Verzeichniss der en 4. taurischen Halbinsel, S. 354. 

4 Bull. Soc. bot. de France, 1860, S. 30. 

5 Boissier, Diagnoses, Serie 1; fasc. 13, ME :69: 

6 Balansa (1854), Nr. 137, im Herbarium Boissier, woselbst man auch 
ein auf den Feldern in Serbien gefundenes Exemplar, sowie eine auf den 
Wiesen in Serbien wachsende, von Pancic eingeschickte Varietät mit brau- 
nen Grannen antreffen kann. Derselbe Botaniker von Belgrad hat mir 
spontane Exemplare aus Serbien geschickt, welche ich von Tr. monococcum 
nicht unterscheiden konnte. Er bestätigt es mir, dass man letztere in Ser- 
bien nicht anbaut. Bentham schreibt mir, dass Triticum boeoticum, von 
welchem er mehrere Exemplare aus Kleinasien gesehen hat, seiner Mei- 
nung nach das monococcum ist. 


464 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


datiren, die den historischen Angaben, vielleicht den 
ee alles Ackerbaues vorhergeht. Weizen würde 
sich zuerst in Asien gezeigt haben, dann die Spelzarten 
vielmehr in Osteuropa und Anatolien. Schliesslich würde 
unter den Spelzen das Tr. monococcum die älteste Form 
sein, von welcher sich die andern infolge einer seit 
mehreren tausend Jahren bestehenden Cultur und einer 
natürlichen Züchtung entfernt hätten. 


Hordeum distichon, Linne. — Zweizeilige Gerste (fr. 
Orge à deux rangs). 

Die Gerstenarten gehören zu den ältesten angebauten 
Pflanzen. Da die Bedingungen für ihr Wachsthum fast die- 
selben sind und sie auch gleiche Verwendung finden, so 
darf man bei den Schriftstellern des Alterthums und in den 
volksthümlichen Sprachen nicht die Genauigkeit voraus- 
setzen, welche es uns ermöglicht, die von den Botanikern 
zugelassenen Arten zu erkennen. In vielen Fällen hat 
man sich des Wortes Gerste in einem unbestimmten 
oder generischen Sinne bedient. Dies ist eine Schwierig- 
keit, welche wir nicht unberücksichtigt lassen dürfen. 
Die Ausdrücke im Alten Testament, von Berosus, Moses 
von Khorene, Pausanias, Marco Polo, und mehr in neuerer 
Zeit von Olivier, welche ‚die spontane oder angebaute 
Gerste“ in diesem oder jenem Lande angeben, beweisen 
beispielsweise gar nichts, weil man nicht weiss, welche 
Art gemeint ist. Für China gilt dasselbe Dunkel. Dr. 
Bretschneider! sagt, dass die Chinesen, einem im Jahre 
100 vor unserer Zeitrechnung veröffentlichten Werke 
zufolge, eine „Gerste“ anbauten, doch erklärt dies nicht 
welche. Im äussersten Westen der Alten Welt bauten 
die Guanchen ebenfalls Gerste an, von welcher man den 
Namen, aber nicht die Art kennt. 

Die ee Gerste ist unter ihrer gewöhnlichen 
Form, bei welcher die Körner bis zur Reife bedeckt 
sind, wildwachsend in Westasien gefunden worden, näm- 


1 Bretschneider, On the study etc., 8. 8. 


Zweizeilige Gerste. 465 


lich im Peträischen Arabien!, um den Berg Sinai? herum, 
auf den Ruinen von Persepolis?, in der Nähe des 
Kaspisees*, zwischen Lenkoran und Baku, in der Wüste 
von Schirwan und Awhasie, ebenfalls im Süden des Kau- 
kasus 5, und in Turkmanien.$ Von keinem Autor wird 
sie für die Krim, Griechenland, Aegypten oder im Osten 
Persiens angegeben. Willdenow ? führt sie in Samara, 
im südöstlichen Russland an, was von den neuern Au- 
toren nicht bestätigt wird. Das gegenwärtige Vater- 
land ist somit vom Rothen Meer bis nach dem Kau- 
kasus und dem Kaspisee. 

Danach müsste die zweizeilige Gerste eine der von 
den semitischen und turanischen Völkern angebauten 
Formen sein. Indessen hat man sie in den ägyptischen 
Denkmälern nicht gefunden. Es scheint, als ob die 
Arier sie hätten kennen müssen, in den volksthümlichen 
Namen oder der Geschichte finde ich aber keine Be- 
weise hierfür. 

Theophrast® spricht von der zweizeiligen Gerste. Die 
Bewohner der Pfahlbauten in der Ostschweiz bauten 
sie an, bevor sie Metalle besassen”, die sechszeilige 
Gerste war bei ihnen aber gewöhnlicher. 

Die Rasse, bei welcher der Same zur Reifezeit nackt 
ist (H. distichon nudum, Linne), welche man im Fran- 
zösischen unter allen möglichen abgeschmackten Namen 
kennt, Orge à cafe, O. du Pérou ete., ist nie im wild- 
eksehden Zustande gefunden worden. 

Die Reisgerste (Hordeum Zeocriton, Linne, fr. l’Orge 
en éventail) scheint mir eine cultivirte Form der zwei- 


1 Herbarium Boissier, ein von Reuter gut bestimmtes Exemplar. 
2 Figari et de Notaris, Agrostologiae aegypt. fragm., S. 18. 

t 3 Sehr ärmliche, von Kotschy, Nr. 290, gesammelte Pflanze, von wel- 
cher ich ein Exemplar besitze. Boissier hat sie bestimmt als 7. distichon, 
varietas. 

4 C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 26, nach den auch von Ledebour, Fl, 
ross., IV, 327, gesehenen Exemplaren. 

3 Ledebour, a. .3..0. 

6 Regel, Descr. plant. nov. (1881), fasc. 8, S. 37. 

7 Willdenow, Spec. plant., I, 473. 

8 Theophrastus, Hist. plant. F5 0C:,4. 

9 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 13; Messicommer, Flora, bot. 

Zeitung, 1869, S. 320. 


DE CANDOLLE, 


C9 


0 


466 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


zeiligen Gerste zu sein. Man kennt sie nicht im spon- 
tanen Zustande. Man hat sie weder in den ägyptischen 
Denkmälern, noch in den Ueberresten der schweizer, 
savoyischen und italienischen Pfahlbauten gefunden. 


Hordeum vulgare, Linne. — Gemeine Gerste (fr. Orge 
commune). 

Die gemeine vierzeilige Gerste ist von Theophrast 
erwähnt worden!, es scheint aber, als ob man sie im 
Alterthum weniger anbaute als die zwei- und sechs- 
zeilige Gerste. 

Auch sie ist weder in den ägyptischen Denkmälern 
noch in den Ueberresten der schweizer, savoyischen und 
italienischen Pfahlbauten gefunden worden. 

Willdenow? sagt, dass sie in Sicilien und im süd- 
östlichen Russland, in Samara, wachse; die neuern Flo- 
ren jener Länder bestätigen dies keineswegs. Auch 
weiss man nicht, welche Gerstenart von Olivier in Meso- 
potamien wildwachsend gesehen worden war; demnach 
ist die gemeine Gerste noch nicht in sicherer Weise 
wildwachsend gefunden worden. 

Die Menge der ihr zugeschriebenen volksthümlichen 
Namen ist von keinem Nutzen, um den Ursprung nach- 
zuweisen, denn in den meisten Fällen ist es unmöglich, 
zu wissen, ob dieses Namen für die Gerste im allge- 
meinen sind, oder für eine besondere, in diesem oder 
jenem Lande angebaute Art. 


Hordeum hexastichon, Linne. — Sechszeilige Gerste 
(fr. Orge à six rangs, Escourgeon). 

Dies war die am meisten im Alterthum angebaute 
Art. Nicht nur die Griechen haben von 1hr gesprochen, 
sondern man hat sie auch in den ältesten Denkmälern 
Aegyptens gefunden, sowie in den Ueberresten der 


1 Theophrastus, Hist. plant., 1. 8, e. 4. 

2 Willdenow, Species plant., I, 472. 

3 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 33; Ein Ziegel der Dashur- 
Pyramide, S. 109. 


Sechszeilige Gerste. 467 


schweizer (Steinalter), savoyischen und italienischen 
(Bronzezeitalter) Pfahlbauten.! Heer hat selbst bei der 
vor Zeiten in der Schweiz angebauten Art zwei Varie- 
täten unterschieden. Die eine derselben stimmt mit der 
sechszeiligen Gerste überein, welche 600 Jahre v. Chr. 
auf den Medaillen von Metaponte, einer Stadt des 
südlichen Italien, abgebildet wurde. 

Nach Roxburgh? war dies die einzige zu Ende des 
verflossenen Jahrhunderts in Indien angebaute Gerste. 
Er bezieht den Sanskrıtnamen Yuwa auf sie, aus 
welchem im Bengali Juba geworden ist. Adolphe 
Pictet? hat die Sanskritnamen und jene der indo-euro- 
päischen Sprachen, welche sich auf den Gattungsnamen 
Gerste beziehen, sorgfältig geprüft, den jede Art be- 
treffenden Einzelheiten hat er aber nicht folgen können. 

Die sechszeilige Gerste ist nicht unter solchen Be- 
dingungen einer spontanen ‚Pflanze gesehen worden, 
dass ein Botaniker daraus die Art festgestellt haben 
würde. In dem an Pflanzen des Orients so reichen 


 Herbar des Herrn Boissier habe ich sie nicht gefunden. 


Möglich ist es, dass die wildwachsenden, von alten Au- 
toren und von Olivier erwähnten Gerstensorten das 
Hordeum hexastichon gewesen sind, Beweise hierfür 
fehlen aber. 


Ueber die Gerstensorten im allgemeinen. 


Wir haben soeben gesehen, dass die einzige, heutzu- 
tage wildwachsend angetroffene Form die einfachste, die 
am wenigsten ergiebige ist, Hordeum distichon, deren 
Cultur wie die von H. hexastichon prähistorisch ist. 
Vielleicht ist die Cultur von H. vulgare eine weniger 
alte als die der beiden andern. 


1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. 2 u. 3; S. 13, Fig. 9; 
Flora, bot. Zeitung, 1869, S. 320; de Mortillet, nach Perrin, Études pré- 
historiques sur la Savoie, S. 23; Sordelli, Sulle piante della torbiera di 
Lagozza, S. 33. 

2 Roxburgh, Flora indica (1832), I, 358. 

3 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 333. 


30= 


468 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Aus diesen Angaben lassen sich zwei Hypothesen auf- 
stellen: 1) Eine Abstammung der vier- und sechszeiligen 
Gerstensorten von den zweizeiligen, eine Abstammung, 
welche auf prähistorische Culturen zurückzuführen wäre, 
welche jenen der alten Aegypter, der Erbauer der Denk- 
mäler, vorhergingen. 2) Die vier- und sechszeiligen 
Gerstensorten wären einst spontane Arten gewesen, die 
seit der historischen Epoche ausgestorben wären. In 
diesem Falle würde es höchst eigenthümlich sein, dass 
keine Spur von ihnen in den Floren der zwischen dem 
Indus, dem Schwarzen Meer und Abessinien gelegenen 
weiten Region übriggeblieben wäre, wo doch die Cultur 
wenigstens der sechszeiligen Gerste mit ziemlicher Sicher- 
heit nachgewiesen worden ist. 


Secale cereale, Linne. — Roggen (fr. Seigle). 

Die Cultur des Roggens ist keine sehr alte, es sei 
denn vielleicht in Russland und Thrazien. 

In den ägyptischen Monumenten ist er nicht gefunden 
worden, und in den semitischen Sprachen, selbst den 
neuern, finden sich keine Namen für ıhn. Ganz das- 
selbe ist der Fall im Sanskrit und den indischen 
Sprachen, welche vom Sanskrit abgeleitet werden. Diese 
Thatsachen stimmen mit dem Umstande überein, dass der 
Roggen in den nördlichen Ländern besser gedeiht als 
in jenen des Südens, wo er in unserer Zeit meistens 
nicht angebaut wird. Dr. Bretschneider ! glaubt, dass 
derselbe den chinesischen Landwirthen unbekannt ist. 
Er bezweifelt die entgegengesetzte Aussage eines Schrift- 
stellers der Neuzeit und hebt hervor, dass eine in den 
Denkschriften des Kaisers Kanghi erwähnte Getreideart, 
welche man möglicherweise für diese Art halten kann, 
ihrem Namen zufolge aus Russland gebrachter Weizen be- 
deutet. Nun wird der Roggen, wie er sagt, in Sibirien 
viel angebaut. In den japanischen Floren ist nicht die 
Rede von ihm. 


1 Bretschneider, On study etc., S. 18, 44. 


SF. 


ER ha ee 


Roggen, 469 


Die alten Griechen kannten ihn nicht. Der erste 
Schriftsteller, welcher ihn zur Zeit des römischen Kaiser- 
reichs erwähnt hat, ist Plinius!, welcher von dem in 
Turin am Fusse der Alpen unter dem Namen Asia an- 
gebauten Roggen spricht. Galenus?, im Jahre 131 un- 
serer Zeitrechnung geboren, hatte ihn in Thrazien und 
Macedonien unter dem Namen Briza angebaut gesehen. 
Diese Culturen scheinen, wenigstens in Italien, von kei- 
nem hohen Alter zu sein, denn man hat in den Ueber- 
resten der Pfahlbauten Norditaliens, Savoyens und der 
Schweiz, selbst jenen der Bronzezeit, keinen Roggen 
gefunden. Jetteles hat solchen zugleich mit bronzenen 
Werkzeugen in der Nähe von Olmütz aufgefunden, und 
Heer*, welcher diese Proben gesehen hat, spricht noch 
von andern in der Schweiz, die aus der Römerzeit 
stammen. 

In . Ermangelung archäologischer Beweise weisen die 
europäischen Sprachen darauf hin, dass der Roggen seit 
langer Zeit in den germanischen, keltischen und slawi- 
schen Ländern bekannt war. Der Hauptname gehört, 
Adolphe Pictet* zufolge, den Völkern Nordeuropas an: 
angelsächsisch Ryge, Rig, skandinavisch Rägr, altdeutsch 
Roggo, altslawisch Ruji, Roji, polnisch Rez, illyrisch 
Raz u. s. w. Der Ursprung dieses Namens muss, sagt 
er, auf eine der Trennung .der Germanen und Litauer 
Slawen vorhergehende Epoche zurückzuführen sein. Das 
lateinische Wort Secale findet sich unter einer fast 
gleichen Form bei den Bretonen, Segal, und bei den 
Basken, Cekela, Zekhalea; man weiss aber nicht, ob die 
Lateiner dasselbe von den Galliern und Iberern ent- 
lehnt haben, oder ob umgekehrt diese letztern den Na- 
men von den Römern erhielten. Diese zweite Hypo- 
these erscheint wahrscheinlich, weil die diesseit der 
Alpen wohnenden Gallier zu Plinius’ Zeiten sich eines 


us Kiste. 18,-er 16. 
2 Galenus, De alimentis, I, 13, angeführt nach Lenz, Botanik d. Alten, 
8. 259. 
3 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 16. 
4 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 344. 


u A 


470 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


ganz verschiedenen Namens bedienten. Ich finde auch 
einen tatarischen, Aresch!, und einen ossetischen Namen, 
Syl, Sil?, erwähnt, welche auf eine alte Cultur im Osten 
Europas schliessen lassen. 

Somit weisen die historischen und linguistischen An- 
gaben auf einen wahrscheinlichen Ursprung in den 
Ländern im Norden der Donau, sowie auf eine Cultur 
hin, die für das römische Kaiserreich kaum über die 
christliche Zeitrechnung hinausgeht, in Russland und 
der Tatarei vielleicht aber älter ist. 

Der Hinweis auf den wildwachsenden Roggen, wie er 
von mehreren Autoren gegeben wird, darf fast nie als 
Thatsache angenommen werden, denn es ist häufig vor-, 
gekommen, dass man mit Secale cereale ausdauernde 
Arten verwechselt hat oder auch solche, deren Aehre 
leicht bricht, welche von den Botanikern der Neuzeit 
mit Recht unterschieden wurden.® Viele Irrthümer, 
welche daraus hervorgingen, sind durch die Unter- 
suchung von Originalexemplaren beseitigt worden; an- 
dere lassen sich muthmaassen. So weiss ich wirklich 
nicht, was man von den Aussagen des Herrn L. Ross 
denken soll, der da behauptete, den wildwachsenden 
Roggen in mehreren Gegenden von Anatolien gefunden 
zu haben, noch von jenen des russischen Reisenden 
Ssaewerzoff, welcher ihn in Turkestan gefunden haben 
will.’ Letztere Thatsache ist freilich ziemlich wahr- 
scheinlich, doch wird nicht gesagt, dass ein Botaniker 
die Pflanze als solche erkannt hätte. Kunth® hatte be- 
reits „die Wüste zwischen dem Schwarzen Meer und 
dem Kaspisee‘“ angegeben, ohne zu sagen nach welchem 
Reisenden oder welchen Exemplaren. Das Herbar von 


1 Nemnich, Lexicon der Naturgeschichte. 

2 Pietet,,a. a. O. 

3 Secale fragile, Bieberstein; S. anatolicum, Boissier; $. montanum, 
Gussone; $. villosum, Linné. In der „Geographie botanique“, S. 936, 
habe ich die Irrthümer erklärt, welche aus dieser Verwirrung hervorge- 
gangen, als man den Roggen für Sicilien, Kreta und zuweilen für Russ- 
land als spontan hinstellte. 

4 Flora, bot. Zeitung, 1850, S. 520. 5 Ebend., 1369, S. 93. 

6 Kunth, Enum., I, 149. 


AN en Eh n 


Gemeiner und türkischer Hafer. | 471 


Boissier hat mir kein spontanes Secale cereale gezeigt, 
es hat mir aber die Ueberzeugung gegeben, dass ein 
Reisender eine andere Roggenart leicht für diese an- 
sehen kann, und dass daher die Aussagen sorgfältig 
geprüft werden müssen. 

In Ermangelung genügender Beweise für wildwach- 
sende Individuen liess ich früher in meiner „Geographie 
botanique raisonnée‘ einen Beleg von einiger Bedeu- 
tung gelten. Secale cereale säet sich ausserhalb der 
Culturen von selbst aus und wird in den Ländern 
des österreichischen Kaiserstaats! fast spontan, was sich 
kaum anderswo wahrnehmen lässt.? So findet der Roggen 
im östlichen Theile Europas. wo die Geschichte auf eine 
alte Cultur hinweist, heutzutage die günstigsten Bedin- 
gungen zu seinem Fortkommen ohne Hülfe des Menschen. 

Nach dieser Gesammtmasse von Thatsachen kann man 
kaum noch daran zweifeln, dass der Roggen in der Re- 
gion zu Hause sei, welche sich zwischen den Alpen 
Oesterreichs und dem Norden des Kaspisees erstreckt. 
Dies ist um so wahrscheinlicher, da dıe fünf oder sechs 
andern bekannten Arten der Gattung Secale das ge- 
mässigte Westasien und den Südosten Europas be- 
wohnen. 

Falls dieser Ursprung zugelassen wird, würden die 
arischen Völker die Art nicht gekannt haben, wie die 
Sprachforschung dies schon nachgewiesen hat; bei ihren 
"Wanderungen nach Westen hin haben sie denselben aber 
unter verschiedenen Namen antreffen müssen, und würden 
diese dann da und dorthin weitergeführt haben. 


Avena sativa, Linne, und Avena orientalis, Schreber. 
— Gemeiner und türkischer Hafer (fr. Avoine ordinaire 
und Avoine d'Orient). 


1 Sadler, F1. pesth., I, 80; Host, Fl. austr., I, 177; Baumgarten, Fl. 
transyl., III, 225; Neilreich, Fl. Wien, S. 58; Visiani, Fl. dalmat., I, 97; 
Farkas, Fl. croatica, S. 1288. 

2 Strobl hat ihn indessen um den Aetna herum in den Holzungen ge- 
sehen, und zwar infolge der Einführung seiner Cultur im 18. Jahrhundert. 
(Oesterr. bot. Zeitung, 1881, S. 159.) 


472 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Der Hafer wurde bei den alten Aegyptern und den 
Hebräern nicht angebaut, jetzt wird er aber in Aegyp- 
ten ausgesäet.! Weder im Sanskrit noch in den neuern 
Sprachen Indiens kennt man einen Namen dafür. Die 
Engländer säen ihn zuweilen in Indien aus, um 
ihre Pferde damit zu füttern.” In China wird der 
Hafer zuerst in einem historischen Werke über die 
Jahre 626 bis 907 der christlichen Zeitrechnung erwähnt, 
und es handelt sich hier um die Varietät, welche die 
Botaniker Avena sativa nuda* nennen. Den alten Griechen 
war die Gattung Hafer gut bekannt, welche sie Bromos* 
nannten, wie sie von den Lateinern Avena genannt 
wurde, diese Namen beziehen sich aber gemeiniglich auf 
Arten, welche man nicht anbaut, und die zu den unter 
den Cerealien vorkommenden Unkräutern gehören. Es 
liegt kein Beweis vor, dass sie den gemeinen Hafer an- 
gebaut haben. Die Bemerkung des Plinius”, dass die 
Germanen sich von dem aus dieser Pflanze gewonnenen 
Mehle nährten, lässt annehmen, dass die Römer sie 
nicht anbauten. 

Die Hafercultur wurde somit vor alters im Norden 
von Italien und Griechenland betrieben. Später hat sie 
sich theilweise auch im Süden des Römischen Kaiser- 
reichs ausgebreitet. Möglich ist es, dass sie in Klein- 
asien ältern Datums war, denn Galenus® berichtet, dass 
der Hafer in Mysien, oberhalb Pergamum, in Fülle vor- 
handen war, dass man die Pferde damit fütterte und 
die Menschen sich in den Jahren der Noth davon nähr- 
ten. Eine gallische Colonie war vor Zeiten in Klein- 
asien gegründet worden. 

Hafer ist in den Ueberresten der schweizer Pfahl- 
bauten aus der Bronzezeit gefunden worden’, desgleichen 
in Deutschland nahe bei Wittenberg in mehreren Grä- 


Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens, S. 298 
Royle, Ill., S. 419. 

Bretschneider, On the study etc., S. 18, 44. 

Fraas, Synopsis fl. class., S. 303; Lenz, Botanik der Alten, S. 243. 
Plinius, Hist., 1. 18, c. 17. 6 Galenus, De alimentis, I, c. 12. 
Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 6, Fig. 24. 


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lan dub. éd à 


Gemeiner und türkischer Hafer. 473 


bern aus den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeit- 
‘rechnung oder aus einer etwas ältern Zeit.! Bisjetzt 
haben die Pfahlbauten des nördlichen Italien noch kei- 
nen aufgewiesen, wodurch die Annahme bestätigt wird, 
dass die Art zur Zeit der Römischen Republik nicht 
angebaut wurde. 

Die Namen beweisen ferner ein altes Vorkommen im 
Norden und Westen der Alpen und an den Grenzen 
Europas nach dem Kaukasus und der Tatarei zu. Der 
verbreitetste dieser Namen wird durch das lateinische 
Avena bezeichnet, der altslawische Name ist Ovisu, Ovesu, 
Ovsa, der russische Ovesu, der litauische Awiza, der 
lettische Ausas, der ostjakische Abis.? Das englische Oats 
stammt, nach Ad. Pictet, aus dem angelsächsischen Afa 
oder Afe. Aus dem baskischen Namen Olba oder Oloa® 
kann man auf eine sehr alte Cultur bei den Iberern 
schliessen. 

Die keltischen Namen sind von den andern verschie- 
dent: Coörce, Cuirce, Corca, im Irischen, Kerch im Ar- 
moricanischen. Der tatarische Name Sulu, der geor- 
gische Kari, der ungarische Zab, der kroatische Zob, 
der esthnische Kaer und andere mehr werden von 
Nemnich® als auf das generische Wort Avena bezügliche 
angegeben, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass der- 
artig verschiedene Namen bestanden hätten, wenn es sich 
nicht um eine angebaute Art gehandelt hätte. Als 
‚etwas Eigenthümliches erinnere ich an einen berberischen 
Namen Zekkoum®, obgleich nichts eine alte Cultur in 
Afrika vermuthen lässt. 

Alles Vorhergehende liefert den Beweis, wie falsch 
jene Ansicht war, nach welcher der Hafer von der Insel 
Juan Fernandez stammte, eine Meinung, die im ver- 
flossenen Jahrhundert vorwaltete” und aus einer Be- 


1 Lenz, Botanik der Alten, S. 245. 

2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 350. 

3 Von Clos mitgetheilte Anmerkungen. 4 Ad. Pictet, a. a. O. 

5 Nemnich, Polyglotten-Lexicon für Naturgeschichte, S. 548. 

6 Diet. français-berbère, veröffentlicht von der französ. Regierung. 
7 Linné, Species, S. 118; Lamarck, Dict, encycl., I, 431. 


474 _ Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


hauptung des Seefahrers Anson! hervorgegangen zu sein 
scheint. Nicht in der südlichen Hemisphäre muss man 
das Vaterland der Art suchen, sondern augenscheinlich 
in den Ländern der nördlichen Hemisphäre, wo man sie 
seit alters angebaut hat. Wir wollen nun sehen, ob sie 
sich daselbst noch in einem spontanen Zustande an- 
treffen lässt. 

Der Hafer säet sich auf Schutthaufen, an Wegen und 
in der Nähe angebauter Strecken leichter aus als die 
andern Getreidearten und setzt sich dort bisweilen so 
fest, dass er das Aussehen einer spontanen Pflanze ge- 
winnt. Diese Beobachtung ist in sehr voneinander ent- 
fernten Gegenden, wie Algerien und Japan, Paris und 
Nordehina, gemacht worden.? 

Derartige Thatsachen müssen uns gegen den Hafer, 
welchen Bové in der Wüste des Berges Sinai gefunden 
haben will, mit Mistrauen erfüllen. Es ist auch be- 
hauptet worden, dass der Reisende Olivier den wild- 
wachsenden Hafer in Persien gesehen hätte, in seinem 
Werke spricht er aber nicht davon. Ausserdem ist es 
leicht, dass ein Reisender durch mehrere einjährige, dem 
gemeinen Hafer sehr ähnliche‘ Arten irregeleitet wird. 
Weder in den Büchern, noch in den Herbarien kann 
ich das Vorkommen von wirklich spontanen Individuen, 
sei es in Asien, sei es in Europa, entdecken, und von 
Bentham erhielt ich die Bestätigung, dass es solche in 
den reichen Herbarien zu Kew nicht gibt; gewiss aber 
zeigt sich bei dieser wie bei den Formen, auf welche 
ich” gleich zu sprechen kommen werde, die fast spon- 
tane oder fast naturalisirte Bedingung in den öster- 
reichischen Staaten, von Dalmatien sch Siebenbürgen? 
häufiger als irgendwo anders. Dies ist eine Angabe 


: Phillips, Cult. veget., II, 4. 

2 Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 36; Franchet et Savatier, Enum. 
plant. Jap., II, 175; Cosson, Fl. Paris, I 637; Ei Enum. chin., DT 
für die Varietät nvda. 

3 Lamarck, Dict. encycl., I, 331. 

4 Visiani, FL dalmat., T, 69; Host, Fl. austr., I, 133; Neilreich, Fl. 
Wien, S. 85; Baumgarten, Enum. Transylv., III, 259; Farkas, Fl. croa- 
tica, S. 1277. 


Echte Hirse. 475 


des Ursprungs, welche man den historischen und lin- 
guistischen Wahrscheinlichkeiten zu Gunsten des ge- 
mässigten Osteuropas hinzufügen muss. 

Avena strigosa, Schreber, ist nach den Culturver- 
suchen, auf welche Bentham hinweist, eine Form des 
gemeinen Hafers, freilich bedürfen dieselben, fügt er 
hinzu, noch der Bestätigung. In Host, „Icones Gra- 
minum austriacorum“, Bd. II, Taf. 56, findet sich eine 
gute Abbildung dieser Pflanze, und es ist interessant, 
dieselbe mit der Taf. 59 von A. sativa zu vergleichen. 
Uebrigens hat man Avena strögosa nicht im spon- 
tanen Zustande gefunden. Sie zeigt sich in Europa 
auf den sich selbst überlassenen Feldern, was die Hypo- 
these von einer durch Cultureinflüsse abgestammten Form 
unterstützt. 

Avena orientalis, deren Aehrchen sich nur nach einer 
Seite neigen, wird auch seit Ende des 18. Jahrhunderts 
in Europa angebaut. Im spontanen Zustande kennt man 
sie nicht. Oft mit dem gemeinen Hafer vermischt, unter- 
scheidet sie sich beim ersten Anblick von demselben. 
Die ihr in Deutschland beigelegten Namen türkischer 
oder ungarischer Hafer, weisen auf eine neuere, von 
Osten kommende Einführung hin. Sie ist von Host sehr 
gut abgebildet worden (,,Gram. austr.“, Bd. I, Taf. 44). 

Indem diese Haferarten angebaut waren, ohne dass man 
weder die einen noch die andern in wirklich spontanem 
Zustande entdeckt hätte, wird es sehr wahrscheinlich, 
dass sie von einer einzigen, prähistorischen Form ab- 
stammen, deren Vaterland das gemässigte Osteuropa und 
die Tatarei war. 


Panicum miliaceum, Linné. — Echte Hirse (fr. Mallet 
commun). 

In Südeuropa, Aegypten und Asien ist die Cultur 
dieser Graminee eine prähistorische. Die Griechen kann- 


1 Bentham, Handbook of British Flora, 4. Aufl., S. 544. 


476 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


ten sie als Kegchros, die Lateiner als Milium.! Die 
Bewohner der schweizer Pfahlbauten machten zur Stein- 
zeit grossen Gebrauch von dieser Hirse.? Man hat sie 
auch in den Ueberresten der Palafitten des Varesersees 
in Italien gefunden.” Da anderswo solche Proben aus 
diesen alten Zeiten nicht gefunden werden, ist es un- 
möglich, zu wissen, welches das von den lateinischen 
Autoren erwähnte Panicum oder Sorghum war, welches 
den Bewohnern Galliens, Pannoniens und anderer Länder 
zur Nahrung diente. 

Unger zählt Panicum miliaceum zu den Arten des 
alten Aegypten, es scheint aber nicht, als ob er hier- 
für bestimmte Beweise besitzt, denn weder Denkmal 
noch in den Gräbern gefundene Zeichnung oder Samen 
werden von ihm angegeben. Ebenso wenig hat man 
materielle Beweise von alter Cultur in Mesopotamien, 
Indien und China. Für letzteres Land ist die Frage 
aufgeworfen worden, ob der Schu, eine der fünf Ce- 
realien, welche der Kaiser alljährlich unter grossen Feier- 
lichkeiten aussäen liess, das Panicum miliaceum, eine 
verwandte Art oder auch Sorghum sei; es scheint aber, 
dass der Sinn des Wortes Schu sich verändert hat, und 
dass man einst vielleicht Sorghum oder Durra? aussäete. 

Die anglo-indischen Botaniker® schreiben der jetzigen 
Art zwei Sanskritnamen zu, Unu und Vrihib-heda, ob- 
gleich der neuere hindostanische und bengalische Name 
China und der Telinganame Worga ganz verschieden 
sind. Wenn die Sanskritnamen echt sind, so weisen sie 
auf eine alte Cultur in Indien hin. Man kennt weder 
einen hebräischen noch berberischen Namen’; dagegen 
gibt es arabische Namen, Dokhn in Aegypten und Kos- 


1 Die Stellen von Theophrast, Cato und andern sind in Lenz, Botanik 
der Alten, S. 232, übersetzt. 

2 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 17. 

3 Regazzoni, Riv. arch. prov. di Como (1880), fase. 7. 
Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 34. 
Bretschneider, Study and value of Chinese bot. works, S. 7, S u. 45. 
Roxburgh, Fl. ind. (1832), S. 310; Piddington, Index. 
Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk.; Dictionn. francais-berb£re. 


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bte u We ee 


Echte Hirse. 477 


jaejb in Arabien gebräuchlich.! Die europäischen Namen 
sind verschiedenartig. Ausser den zwei griechischen 
und lateinischen Namen gibt es einen altslawischen Proso?, 
der in Russland und Polen beibehalten ist, einen alt- 
deutschen Namen Hirsi und einen litauischen Sora.? 
Das Fehlen von keltischen Namen ist auffallend. Es 
scheint, als ob die Art ganz besonders in Osteuropa 
angebaut worden wäre und sich zu Ende der gallischen 
Oberherrschaft nach Westen zu verbreitet hätte. Wir 
wollen sehen, ob sie sich irgendwo spontan findet. 
Linne® sagte, dass sie Indien bewohne, und die meisten 
Autoren wiederholen es; dagegen führen die anglo-in- 
dischen Botaniker? sie immer als angebaut an. Sie fin- 
det sich nicht in den Floren Japans. In Nordchina hat 
Bunge sie nur angebaut gesehen®, Maximowiez in der 
Nähe von Ussuri, an Wiesenrändern und an Localitäten, 
die nahe bei chinesischen Wohnplätzen lagen.” Nach 
Ledebour® ist sie im altaischen Sibirien und mittlern 
Russland fast spontan, im Süden des Kaukasus und in 
Talysch spontan. Für letzteres Land beruft er sich 
auf Hohenacker. Dieser sagt jedoch: „fast spontan“.? 
In der Krim, wo sie das Brot der Tataren ausmacht, 
findet man sie hier und da fast spontan !’, was eben- 
falls in Südfrankreich, Italien und Oesterreich!!! der 
Fall ist. Sie ist in Griechenland nicht spontan!?, und 
niemand hat sie in Persien oder Syrien gesehen. Forskal 
und Delile haben sie für Aegypten angeführt; Ascherson 


1 Delile, Fl. Aegypt., S. 3; Forskal, Arab., S. cıv. 

2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 351. 

3 Ebendas. 

4 Linne, Species plant., I, 86. 

5 Roxburgh, a. a. O.; Aitchison, Punjab, S. 159. 

6 Bunge, Enumer., Nr. 400. 

7 Maximowicz, Primitiae Amur., S. 330. 

8 Ledebour, F]. ross., IV, 469. 

9 Hohenacker, Plant. Talysch., S. 13. 

10 Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinsel, S. 371. 

11 Mutel, Fl. franç., IV, 20; Parlatore, Fl. ital., I, 122; Visiani, Fl. 
dalmat., I, 60; Neilreich, F1. Nieder-Oesterr., S. 32. 

12 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 3; Pflanzen der attischen 
Ebene, S. 516. 


478 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


lässt dies nicht zu!, und Forskal führt sie für Ara- 
bien an.? 

Die Art hätte sich in dieser Region seit der Zeit 
der alten Aegypter infolge eines häufigen Anbaues na- 
turalisiren können. Indessen ist die spontane Beschaffen- 
heit anderswo so zweifelhaft, dass die Wahrscheinlich- 
keit für einen ägypto-arabischen Ursprung spricht. 


Panicum italicum, Linne. Setaria italica, Beauvois. 
— Borstengras (fr. Panic d’Italie oder Millet à grappe). 

Die Cultur dieser Art ist in der prähistorischen Epoche 
eine der verbreitetsten in den gemässigten Theilen der 
Alten Welt gewesen. Ihre Samen dienten dem Menschen 
zur Nahrung, während sie jetzt besonders als Vogel- 
futter benutzt werden. 

In China gehört sie zu den fünf Pflanzen, welche der 
Kaiser bei einer öffentlichen F eierlichkeit nach den 
2700 Jahre v. Chr. gegebenen Befehlen von Schen-nung 
alljährlich aussäen muss.” Der gewöhnliche Name ist 
Siao-mi (kleines Korn), und der ältere Name war Ku, 
doch scheint dieser auf eine ganz verschiedene Art an- 
gewandt worden zu sein.* Pickering sagt, sie in zwei 
Zeichnungen des alten Aegypten erkannt zu haben’, 
und fügt hinzu, dass sie jetzt dort unter dem Namen 
Dokn angebaut wird, dies ist aber der Name für Pani- 


cum miliaceum. Es ist somit sehr zweifelhaft, dass die 


alten Aegypter sie angebaut haben. 

Man hat sie in den Ueberresten der schweizer Pfahl- 
bauten aus der Steinzeit gefunden, natürlich um so 
mehr auch in jenen Savoyens aus der darauf folgenden 
Epoche.® 

Die alten Griechen und Lateiner haben von ihr nicht 


1 Ascherson benachrichtigte mich in einem Briefe, dass man in der 
„Aufzählung“ das Wort cult. nach dem Panicum miliaceum aus Versehen 
weggelassen habe. 

= Forskal, F1. arab., S. cıv. 

3 Bretschneider, On the study and value of er. bot. works, S.7, 8. 

4 Ebend., S. 9. 5 Nach Unger, a. a. O., S. 

6 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. mn 5. 17, Fig..28, 29. Per- 
rin, Études préhistor. sur la Savoie, S. 22, 


les. 


Ai 


A nn 


Pr 


Borstengras. 479 


gesprochen, oder man hat wenigstens die Art nach dem, 
was sie über mehrere Panicum- oder Miliumarten sagen, 
nicht bestimmen gekonnt. Heutzutage wird die Art nur 
selten in Südeuropa angebaut, in Griechenland z. B. 
ganz und gar nicht!, auch sehe ich sie nicht in Aegyp- 
ten angegeben, dagegen ist sie in Südasien häufig.? 
Dieser Graminee werden die Sanskritnamen Kungu 
und Priyungu zugeschrieben; ersterer hat sich im 
Bengali erhalten.” In seinem Index führt Piddington 
mehrere andere Namen aus indischen Sprachen an. Ains- 
lies? nennt einen persischen Namen, Arzun, und einen 
arabischen; letzterer wird aber gewöhnlich auf Panicum 
miliaceum bezogen. Einen hebräischen Namen gibt es 
nicht, und die Pflanze wird in den botanischen Werken 
über Aegypten und Arabien nicht angeführt. Die euro- 
päischen Namen haben keinerlei historischen Werth; 
sie haben nichts Ursprüngliches und beziehen sich 
meistens auf die Fortpflanzung der Art nach andern 
Ländern oder auf ihre Cultur in diesem oder jenem 
Lande. Der specifische Name italicum ist hierfür ein 
recht abgeschmacktes Beispiel, da die Pflanze in Italien 
kaum angebaut, geschweige denn spontan war. 
Rumphius nennt sie spontan auf den Sunda-Inseln, 
ohne indessen sehr bestätigend zu sein.? Wahrschein- 
lich ging Linné hiervon aus, um einen Irrthum zu über- 
treiben und selbst weiter zu bringen, indem er sagt: „Be- 
wohnt Indien.“ Sicherlich stammt sie nicht von Ost- 
indien. Roxburgh versichert, sie in Indien nie wild- 
wachsend gesehen zu haben. In der „Flora“ von Sir J. 
Hooker sind die Gramineen noch nicht erschienen; aber 
beispielsweise führt Aïtchison? die Art als ausschliess- 
lich im nordwestlichen Indien angebaut an. Die Pflanze 
Australiens, von welcher Robert Brown gesagt hatte, 


1 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands. 

2 Roxburgh, Fl. ind. (1832), I, 302; Rumphius, Amboyn., V, 202, Taf. 75. 
3 Roxburgh, a. a. O. 4 Ainslies, Mat. med. ind., I, 226. 

5 Obeurrit in Baleya etc. (Rumphius, V, 202). 

6 Habitat in Indiis (Linné, Spec., I, 83). 

7 Aitchison, Catal. of Punjab, S. 162. 


480 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


dass sie diese Art sei, gehört einer andern an.t In 
Japan scheint P. italicum spontan zu sein, wenigstens 
unter der von einigen Autoren germanica genannten 
Form?, und die Chinesen betrachten die fünf Cerealien 
der jährlichen Feierlichkeit als ihrem Lande angehörig. 
Indessen haben Bunge in Nordchina und Maximowicz 
in der Amurregion die Art nur im Grossen angebaut 
gesehen, und zwar immer in der Form der Varietät 
germanica.® Für Persien*, die Kaukasusregion und 
Europa finde ich in den Floren nur die Angabe als 
angebaute Pflanze, die bisweilen den Culturen entspringt 
und sich auf Schutthaufen, an Landstrassen, auf sandi- : 
gen Strecken u. s. w. festsetzt.° 

Nach Zusammenstellung der historischen, linguisti- 
schen und botanischen Schriftstücke gelange ich zu der 
Ansicht, dass die Art vor jeglicher ‘Cultur, d. h. vor 
Tausenden von Jahren, in China, Japan und dem In- 
dischen Archipel vorkam. Die Cultur muss sich seit 
alters nach Westen verbreitet haben, weil Sanskrit- 
namen bekannt sind; es scheint aber nicht, als ob sie 
sich nach Arabien, Syrien und Griechenland hin ausge- 
breitet habe, und wahrscheinlich gelangte sie frühzeitig 
durch Russland und Oesterreich hindurch zu den Be- 
wohnern der schweizer Pfahlbauten aus der Steinzeit. 


Holcus Sorghum, Linne. Andropogon Sorghum, Bro- 
tero. Sorghum vulgare, Persoon. — Kaffernhirse (fr. 
Sorgho commun). 

In Bezug auf die Unterscheidung mehrerer Sorghum- 
arten und selbst bezüglich der Aufstellung von Gat- 
tungen in dieser Gramineenabtheilung weichen die Mei- 
nungen der Botaniker sehr voneinander ab. Eine gute 
monographische Arbeit würde hier wie für die Paniceen. 


1 Bentham, Flora austral., VII, 49. 

2 Franchet et Savatier, Enum. Japon., II, 262. 

3 Bunge, Enum., Nr. 399; Maximowicz, Primitiae Amur., S. 330. 
4 Buhse, Aufzählung, S. 232. 

5 Vgl. Parlatore, Fl. ital., I, 113; Mutel, Fl. franç., IV, 20 etc. 


Kaffernhirse. 481 


sehr erwünscht sein. Inzwischen will ich hier einige 
Aufschlüsse über die Hauptarten geben, welche bei der 
Ernährung des Menschen, zur Anzucht des Geflügels 
und als Futter eine sehr wichtige Rolle spielen. 

Als Typus der Art wollen wir das in Europa ange- 
baute Sorghum nehmen, wie es sich von Host in seinen 
„Gramineae austriacae“ (IV, Taf. 2) abgebildet findet. 
Dies ist eine der am meisten von den Aegyptern der 
Neuzeit unter dem Namen Durra, im äquatorealen Afrika, 
Indien und China angebauten Pflanzen.! Sie ist in den 
heissen Ländern so ergiebig, dass ungeheure Bevölke- 
rungen der Alten Welt sich von ihr ernähren. 

Linné und alle Autoren, selbst unsere Zeitgenossen, 
sagen, dass sie von Indien kommt; in der ersten Aus- 
gabe der Flora von Roxburgh, im Jahre 1820 ver- 
öffentlicht, bestätigt dieser Gelehrte, den man wohlweis- 
lieh hätte zu Rathe ziehen sollen, dass er sie nie an- 
ders als angebaut gesehen habe. Dieselbe Bemerkung 
macht er über die verwandten Formen (bicolor, saccha- 
ratus etc.), welche man oft als einfache Varietäten an- 
sieht. Auch Aitchison hat das Sorghum nur angebaut 
gesehen. Das Fehlen eines Sanskritnamens macht den 
indischen Ursprung gleichfalls sehr zweifelhaft. Bret- 
schneider seinerseits bezeichnet Sorghum als ın China 
einheimisch, obgleich die alten chinesischen Autoren, 
ihm zufolge, nicht davon gesprochen haben. Freilich 
führt er den in Peking volksthümlichen Namen Kao- 
liang (hohe Hirse) an, welcher auch für Holcus saccha- 
ratus gebraucht wird, für welchen er sich besser eignet. 

Die Kaffernhirse ist nicht in den Ueberresten der 
schweizer und italienischen Pfahlbauten gefunden wor- 
den. Die Griechen haben nicht von ihr gesprochen. 
Die Stelle im Plinius? über ein zu seiner Zeit von In- 
dien nach Italien eingeführtes Mikum hat zu der Mei- 


1 Delile, Plantes cultivées en Egypte, S. 7; Roxburgh, Fl. ind. (1832), 
I, 269; Aitchison, Catal. Punjab, S. 175; Bretschneider, On study etc., S.9. 
2 Plinius, Hist., 1. 18, c. 7. 


DE CANDOLLE.- 31 


482 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


nung geführt, dass es sich um die Kaffernhirse han- 
delte, es war aber eine höhere Pflanze, vielleicht Hol- 
cus saccharatus. In den Gräbern des alten Aegyptens 
hat man das Vorkommen der Kaffernhirse nicht mit 
Sicherheit nachgewiesen. Dr. Hannerd glaubte sie nach 
einigen zerdrückten Samen zu erkennen, welche Rosel- 
linı von Theben mitgebracht hatte!; von dem Conser- 
vator der ägyptischen Alterthümer im Britischen Mu- 
seum, Herrn Birch, wurde aber neuerdings die Er- 
klärung abgegeben, dass man die Art in den alten 
Gräbern nicht entdeckt habe.” Pickering will Blätter 
von ıhr mit denen des Papyrus vermischt erkannt 
haben. Er berichtet auch, Zeichnungen von ihr ge- 
sehen zu haben, und Lepsius hat solche wiedergegeben, 
die von ihm wie auch von Unger und Wilkinson für die 
Durra der neuern Culturen angesehen werden.” Wuchs 
und Form der Aehre sind in der That die der Kaffern- 
hirse. Möglich ist es, dass mit dieser Art der Dochan 
gemeint sei, welcher einmal im Alten Testament als 
eine Getreideart, aus welcher man Brot bereitete, er- 
wähnt wird. Indessen bezieht sich das jetzige arabische 
Wort Dochn auf die Zuckerhirse. 

Durch die volksthümlichen Namen habe ich nichts 
erfahren, weil man oft einen und denselben Namen auf 
verschiedene Panicum- und Sorghumarten angewandt 
hat. In den alten Sprachen Indiens oder Westasiens ver- 
mag ich keinen sichern Namen zu entdecken, was auf 
eine nur wenige Jahrhunderte vor der christlichen Zeit- 
rechnung stattgefundene Einführung schliessen lässt. 

Von keinem Botaniker wird die Durra für Aegypten 
pder Arabien als spontan angeführt. Eine übereinstim- 
mende Form ist im äquatorealen Afrika wildwachsend, 
R. Brown hat dieselbe aber nicht genau bestimmen ge- 


1 Angeführt von Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 34. 

2 S. Birch, in: Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians 
(1878), II, 427. 

3 Die Zeichnungen von Lepsius finden sich wiedergegeben in: Unger, 
a. a. O., und in Wilkinson,.a. a. O, | 

4 Hesekiel IV, 9. 


Moorhirse, Durragras, chinesisches Zuckerrohr. 483 


konnt!, und von der Flora des tropischen Afrika, welche 
in Kew bearbeitet wird, ist der Abschnitt über die 
Gramineen noch nicht erschienen. Somit bleibt einzig 
und allein die Aussage des Dr. Bretschneider übrig, 
dass das Sorghum von hohem Wuchs in China ein- 
heimisch se. Wenn dieses wirklich unsere Art ist, 
hätte sich dieselbe erst spät nach Westen verbreitet. 
Die alten Aegypter besassen sie aber, und man muss sich 
dann fragen, wie sie dieselbe von China erhalten haben 
konnten, ohne dass die Völker der dazwischenliegenden 
Länder Kenntniss von ihr genommen hätten. Leichter 
wird das Verständniss für das Indigenat im äquatorealen 
Afrıka mit einer prähistorischen Verpflanzung nach 
Aegypten, Indien und schliesslich nach China, wo die 
Cultur keine sehr alte scheint, denn das erste Werk, 
welches davon spricht, datirt aus dem 4. Jahrhundert 
unserer Zeitrechnung. 

Zur Begründung eines afrikanischen Ursprungs will 
ich die Beobachtung von Schmidt? anführen, dass die 
Art auf der Insel San-Antonio des Capverdischen Archi- 
pels in steinigen Localitäten in Ueberfluss vorhanden 
ist. Er hält sie für vollständig naturalisirt, was viel- 
leicht einen wirklichen Ursprung verbirgt. 


Holcus saccharatus, Linne. Andropogon Saccharatus, 


Roxburgh. Sorghum Saccharatum, Persoon. — Moor- 
. hirse, Durragras, chinesisches Zuckerrohr (fr. Sorgho 
sucré). 


Diese Art, welche höher wird als das gemeine Sorghum 
und eine weitschweifige Rispe besitzt?, wird in den 
Tropemländern ihrer Samen wegen angebaut, welche in- 
dessen nicht so gut sind als jene der Kaffernhirse; in 
den weniger heissen Regionen dient sie als Futterpflanze, 
ja man gewinnt daraus auch Zucker, der sich in dem 
Stengel in ziemlich beträchtlicher Menge angehäuft fin- 


1 Brown, Bot. of Congo, S. 54. 
2 Schmidt, Beiträge zur Flora der Capverdischen Inseln, S. 158. 
3 Vgl. Host, Gramineae austriacae, Bd. IV, Taf. 4. 


3:7 


ASA Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


det. Die Chinesen bereiten Alkohol daraus, aber keinen 
Zucker. 

Die ziemlich allgemeine Meinung, welche von den 
Botanikern getheilt wird, lässt sie von Indien kommen, 
nach Roxburgh aber wird sie in jener Region nur an- 
gebaut. Ganz dasselbe ist auf den Sunda-Inseln der 
Fall, wo der Battari die vorliegende Art ist. Die Chi- 
nesen kennen sie als Kao-liang (grosse Hirse). In China 
soll sie nicht spontan sein. Von den der christlichen 
Zeitrechnung vorhergehenden Schriftstellern wird sie 
nicht erwähnt.! Will ich aus diesen verschiedenen 
Zeugenaussagen, sowie aus dem Fehlen jeglichen Sanskrit- 
namens einen Schluss ziehen, so scheint mir der asia- 
tische Ursprung auf Täuschung zu beruhen. 

In Aegypten baut man die Pflanze jetzt weniger an 
als die Kaffernhirse, in Arabien kennt man sie als 
Dochna oder Dochn. Von keinem Botaniker ist sie in 
diesen Ländern spontan gesehen worden.” Kein Beweis 
von ihrer Cultur bei den alten Aegyptern liest vor. 
Herodot? hat von einer baumartigen Hirse in den Ebe- 
nen Assyriens gesprochen. Dies könnte unsere Art 
sein, aber wie es beweisen? 

Die Griechen und Lateiner kannten sie nicht, wenig- 
stens nicht vor der Zeit des Römischen Kaiserreichs, 
möglich ist es aber, dass es die sieben Fuss hohe Hirse 
war, von welcher Plinius berichtet*, dass sie zu seinen 
Lebzeiten von Indien eingeführt worden war. 

Wahrscheinlich muss man den Ursprung im inter- 
tropischen Afrika suchen, wo die Art allgemein ange- 
baut wird. Sir W. Hooker? führt Exemplare von den 
Ufern des Flusses Nun an, welche vielleicht wildwach- 
sende waren. Die bevorstehende Veröffentlichung der 


1 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., I, 271; Rumphius, Amboin., V, 194, 
Taf. 75, Fig. 1; Miquel, Fl. indo-batava, III, 503; Bretschneider, On the 
study ete., S. 9 u. 46; Loureiro, Fl. cochinch., II, 792. 

2 Forskal, Delile, Schweinfurth und Ascherson, a. a. O. 

3 Herodot, 1. 1, ce. 19. 

4 Plinius, Hist., 1. 18, c. 7. Dies könnte die bicolor genannte Varietät 
oder Art sein. 

5 W, Hooker, Niger Flora. 


Krummährige Eleusine. 485 


Gramineen in der Flora des tropischen Afrika wird 
diese Frage wahrscheinlich aufklären. 

Die Ausdehnung der Cultur vom Innern Afrikas nach 
Aegypten seit den Pharaonen, nach Arabien, dem In- 
dischen Archipel und, nach der Sanskritepoche, nach 
Indien und schliesslich, zu Anfang unserer Zeitrechnung, 
nach China, würde mit den historischen Angaben über- 
einstimmen, und diese Annahme bietet keine weitern 
Schwierigkeiten dar. Die entgegengesetzte Hypothese 
einer Verpflanzung von Osten nach Westen lässt eine 
Menge von Einwendungen zu. 

Mehrere andere Sorghumformen werden in Asien und 
Afrika angebaut, z. B. die cernuus mit geneigten Aeh- 
ren, von welcher Roxburgh spricht und welche Prosper 
Alpini in Aegypten gesehen hatte; die bicolor, welche 
in ihrem Wuchse der saccharatus gleicht, und die niger 
und rubens, welche noch mehr Culturvarietäten zu sein 
scheinen. Keine von ihnen ist wildwachsend gefunden 
worden, und es dürfte wahrscheinlich sein, dass sie von 
einem Monographen als einfache abgestammte Formen 
zu den oben genannten Arten gebracht werden. 


Eleusine Coracana, Gärtner. — Krummährige Eleu- 
sine (fr. Coracan). 

Diese einjährige, den Hirsearten ähnliche Graminee 
wird besonders in Indien und dem Indischen Archipel 
angebaut. Sie wird es auch in Aegypten! und Abessi- 
nien?, da aber viele Botaniker, welche von den Pflanzen 
des innern oder westlichen Afrika gesprochen haben, 
hierüber nichts verlauten lassen, darf man annehmen, 
dass die Cultur auf diesem Continent eine wenig ver- 
breitete ist. In Japan? entspringt sie bisweilen dem 
Culturlande. Die Samen reifen in Südeuropa; ausge- 
nommen als Futterpflanze hat sie aber keinen Werth.® 


1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 299. 
2 Bon Jardinier, 1880, S. 585. 

3 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japon., II, 172. 
4 Bon Jardinier, ebend. 


486 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Kein Autor will sie im wildwachsenden Zustande in 
Asien oder Afrika gefunden haben. Nachdem Roxburgh!, 
welcher derartigen Fragen immer die grösste Aufmerk- 
samkeit gewidmet, über ihre Cultur gesprochen hat, 
fügt er hinzu: „Ich habe sie nie wildwachsend gesehen.“ 
Unter dem Namen Eleusine stricta unterscheidet er eine 
in Indien noch häufiger angebaute Form, welche eine 
einfache Varietät der Coracana zu sein scheint, und 
welche er ebenso wenig ausserhalb der Culturen ange- 
troffen hat. 

Das Vaterland wird uns durch andere Mittel ange- 
geben werden. 

Zunächst sind die Arten der Gattung Eleusine 
in Südasien zahlreicher als in den andern tropischen 
Regionen. 

Ausser der angebauten Pflanze erwähnt Royle? andere 
Arten, deren Samen die arme Bevölkerung Indiens auf 
freiem Felde einsammelt. 

Nach dem Index von Piddington gibt es einen Sanskrit- 
namen Rajika und mehrere andere Namen in den neuern 
Sprachen Indiens. Coracana stammt von dem auf Ceylon 
gebräuchlichen Namen Kourakhan* ab. In dem In- 
dischen Archipel scheinen die Namen weniger zahlreich 
und weniger ursprünglich zu sein. 

In Aegypten kann die Cultur dieser Art keine alte 
sein. Die Denkmäler des Alterthums weisen keine Spur 
von ihr auf. Die griechisch-römischen Autoren, welche 
das Land kannten, haben von ihr nicht gesprochen, 
ebenso wenig später Prosper Alpini, Forskal, Delile, 
Wir müssen erst zu einem ganz neuen Werke gelangen, 
wie dem von Schweinfurth und Ascherson, um die Art 
erwähnt zu finden, und auch einen arabischen Namen 
kann ich nicht entdecken.*. 


1 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., I, 345. 

2 Royle, Ill. Himal. plants. 

3 Thwaites, Enum. plant. Ceylan., S. 371. SE 

4 Mehrere Synonyme und das arabische Wort in Linné, Delile u. 8. w. 
beziehen sich auf Dactyloctenium aegyptiacum, Willdenow, oder Eleusine 
aegyptiaca einiger Autoren, die nicht angebaut wird. 


Reis. 487 


Somit stimmen alle botanischen, historischen und 
linguistischen Wahrscheinlichkeiten überein in dem Hin- 
weis auf einen indischen Ursprung. 

Aus der Flora von Britisch-Indien, in welcher die 
Gramineen noch nicht erschienen sind, werden wir viel- 
leicht erfahren, ob man die wildwachsende Pflanze auf 
neuern Entdeckungsreisen gefunden hat. 

In Abessinien wird eine nahverwandte Art, Eleu- 
sine Tocussa, Fresenius!, angebaut, eine noch sehr wenig 
bekannte Pflanze, die vielleicht von Afrika stammt. 


Oryza sativa, Linné. — Reis (fr. Riz). 

Bei der vom Kaiser Schin-Nong, 2800 Jahre v. Chr. 
festgesetzten Feierlichkeit spielt der Reis die Haupt- 
rolle. Es ist der regierende Kaiser selbst, welcher ihn 
aussäen muss, während die vier andern Arten gewöhn- 
lich von den Prinzen seines Hauses ausgesäet werden.? 
Die fünf Arten werden von den Chinesen als einheimisch 
angesehen, und man muss zugeben, dass dies für den 
Reis sehr wahrscheinlich ist, da seine Verwendung eine 
allgemeine und alte ist, und zwar in einem von Kanälen 
und Flüssen durchzogenen Lande, Bedingungen, die den 
Wasserpflanzen so günstig sind. Die Botaniker haben 
China noch nicht hinlänglich durchforscht, um von ihnen 
zu erfahren, bis zu welchem Punkte sich der Reis 
ausserhalb der Culturen befindet, von Loureiro ? ist er 
aber in den Sümpfen Cochinchinas gesehen worden. 

Rumphius und die neuern Autoren über den Indischen 
Archipel führen ihn nur als angebaut an. Aus der 
Menge der’ Namen und Varietäten kann man auf eine 
sehr alte Cultur schliessen. In Britisch-Indien stammt 
sie wenigstens aus der Zeit der arischen Invasion, weil 
der Reis Sanskritnamen hat, Vrihi, Arunya*, von welchen 


1 Fresenius, Catal. sem. horti (Frankfurt 1834); Beiträge zur Flora 
Abyssin., S. 141. 

2 Stanislas Julien, in: Loiseleur, Consid. sur les céréales, I, 29; Bret- 
schneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 8 u. 9. 

3 Loureiro, Fl. cochinch., I, 267. 

4 Piddington, Index; Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 47 


488 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


mehrere Namen neuerer Sprachen Indiens, ebenso Oruza 
oder Oruzon der alten Griechen, Rouz oder Arous der 
Araber abstammen. Theophrast! hat von dem Reis als 
einer in Indien angebauten Pflanze gesprochen. Die 
Griechen hatten dieselbe durch den Zug Alexander’s ken- 
nen gelernt. „Aristobulus zufolge“, sagt Strabo?, „wächst 
der Reis in Baktrien, Babylonien, Susis und im untern 
Syrien“. Später bemerkt er, dass die Indier sich davon 
nähren und eine Art Wein bereiten. Diese Aussagen, 
die für Baktrien vielleicht zweifelhaft sind, weisen auf 
eine wenigstens seit Alexander’s Zeiten (400 Jahre v. 
Chr.) in der Region des Euphrat, und seit Beginn un- 
serer Zeitrechnung in den heissen und bewässerten Ge- 
genden Syriens wohlbegründete Cultur hin. Im Alten 
Testament ist vom Reis nicht die Rede; ein immer ge- 
nauer und einsichtsvoller Schriftsteller, L. Reynier?, hat 
aber in den Büchern des Talmud mehrere auf seine 
Cultur bezügliche Stellen aufgedeckt. Durch diese That- 
sachen wird man zu der Vermuthung veranlasst, dass 
die Indier den Reis später als die Chinesen in Gebrauch 
nahmen, und dass derselbe sich gegen den Euphrat hin 
noch später verbreitete, was freilich immer noch früher 
eintrat als die Invasion der Arier nach Indien. Seit 
dem Auftreten dieser Cultur in Babylonien verflossen 
mehr als 1000 Jahre, bis er nach Syrien gelangte, 
und seine Einführung nach Aegypten folgte wahrschein- 
lich zwei oder drei Jahrhunderte später. In der 
That findet sich kein Anzeichen vom Reis in den Sä- 
mereien oder den Gemälden des alten Aegyptens.* 
Strabo, welcher sich in diesem Lande ebenso wie in 
Syrien aufgehalten hatte, berichtet nicht, dass der Reis 


1 Theophrastus, Hist., 1. 4, c. 4, 10. 

2 Strabo, Geographie, 1. 15, c. 1. $ 

3 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs (1820), S. 450; Economie 
publique et rurale des Egyptiens et des Carthaginois (1823), S. 324. 

4 Von Unger wird keins genannt. M.S. Birch hat 1878 folgende An- 
merkung gemacht in Wilkinson’s Manners and customs of the ancient 
Egyptians, II, 402: Man besitzt keinen Beweis von der Cultur des Reis, 
von welchem man keine Samen gefunden hat, 


Reis. 489 


zu seiner Zeit in Aegypten angebaut wurde, wol aber 
dass die Garamantes! ihn anbauten, und soll dieses 
Volk eine Oase im Süden von Karthago bewohnt haben. 
Hatten sie ihn von Syrien erhalten? Dies ist immerhin 
möglich. Auf alle Fälle konnte es nicht lange währen, 
dass Aegypten eine Cultur besass, die seinen beson- 
:dern Bewässerungsbedingungen so wohl zusagte. Durch 
die Araber wurde die Art nach Spanien eingeführt, wie 
dies der spanische Name Arroz andeutet. Die ersten 
Reisculturen in Italien in der Nähe von Pisa datiren aus 
dem Jahre 1468.? Die von Louisiana gehören der Neu- 
zeit an. 

Wenn ich eine in Indien weniger alte Cultur vermuthete 
als in China, habe ich damit nicht gemeint, dass die 
Pflanze dort nicht spontan wäre. Sie gehört zu einer 
Familie, bei welcher die Wohnsitze der Arten ausge- 
dehnt sind, und die Wasserpflanzen besitzen ausserdem 
gemeiniglich weitere Wohnsitze als die andern. Der 
Reis fand sich vielleicht vor jeglicher Cultur in Süd- 
asien, von China bis nach Bengalen, worauf die Ver- 
- schiedenheit der Namen in den einsilbigen Sprachen der 
Völker zwischen Indien und China hindeutet.? Ausser- 
halb des Culturbereichs hat man ihn in mehreren Gegen- 
den Indiens gefunden, dies wird von Roxburgh* be- 
stätigt. Er erzählt, dass der wildwachsende Reis, von 
den Telinga Newaree genannt, in Ueberfluss an den 
Ufern der Seen im Lande der Circars wächst. Der 
Same wird von den reichen Hindus sehr geschätzt; man 
säet ihn aber nicht aus, weil er wenig ergiebig ist. 
Roxburgh bezweifelt nicht, dass dies die ursprüng- 
liche Pflanze sei. Thomson hat die wildwachsende 
Reispflanze bei Moradabad in der Provinz Delhi ge- 
sammelt. Die historischen Gründe unterstützen die An- 
sicht, dass diese Exemplare einheimische sind. Sonst 


1 Reynier, a. a. OÖ. 2 Targioni, Cenni, S. 24. 
3 Crawfurd, in: Journal of Botany, 1866, S. 324. 
4 Roxburgh, Fl. ind. (1832), II, 200. 

5 Nach Aitchison, Catal. Punjab, S. 157. - 


490 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


könnte man glauben, dass dieselben von der gebräuch- 
lichen Cultur der Art herrührten, und zwar um so 
mehr, weil es hinlänglich bekannt ist, dass sich der 
Reis in den heissen und feuchten Ländern mit Leichtig- 
keit von selbst aussäet und naturalisirt.! Gleichwol 
geht die Zusammenstellung der historischen Anzeichen 
und der botanischen Wahrscheinlichkeiten darauf hin- 
aus, für Indien ein Vorkommen vor der Cultur zuzu- 
lassen.? 


Zea Mays, Linne. — Mais, Welschkorn, Türkischer 
Weizen (fr. Maïs). 

„Der Mais stammt von Amerika und wurde nach der 
Alten Welt erst seit der Entdeckung der Neuen einge- 
führt. Ich sehe diese beiden Behauptungen trotz der 
entgegengesetzten Meinung einiger Autoren, trotz des 
seitens des berühmten Agronomen Bonafous (dem wir 
die vollständigste Abhandlung über den Mais verdanken) 
laut gewordenen Zweifels, als gewiss an.“# In dieser 
Weise sprach ich mich im Jahre 1855 aus, nachdem 
ich bereits die Meinung von Bonafous beim Erscheinen 
seines Werkes bekämpft hatte.* Die Beweise zu Gunsten 
des amerikanischen Ursprungs haben sich seitdem ver- 
stärkt. Indessen sind Versuche im entgegengesetzten 
Sinne gemacht worden, und da der Name Türkischer 
Weizen einen Irrthum einschliesst, dürfte es ange- 
rathen sein, die Auseinandersetzung mit neuen Schrift- 
stücken in der Hand wieder aufzunehmen. 

Niemand bestreitet es, dass der Mais in Europa zu 
Zeiten des Römischen Kaiserreichs unbekannt war, es 


1 Nees, in: Martius, Flora brasil., II, 518; Baker, Flora of Mauritius, 
S. 458. 

2 „Baron Ferdinand von Müller schreibt mir, dass der Oryza im tro- 
pischen Australien sicherlich spontan ist. Ob derselbe sich dort aber 
nicht zufällig ausgesäet und naturalisirt hat, ist eine zweite Frage.“ [Vom 
Verfasser mitgetheilte Anmerkung.] è 

3 Bonafous, Hist. nat. agric. et économique du Maïs (Paris und Turin 
1556). 

4 A. de Candolle, Bibliothèque universelle de Genève (1836); Géogr. 
bot. raisonnée, S. 942. 


Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 491 


ist aber behauptet worden, dass man ihn im Mittelalter 
vom Orient gebracht hätte. Der Hauptbeweisgrund 
stützte sich auf eine von Molinari! veröffentlichte Ur- 
kunde aus dem 13. Jahrhundert, nach welcher zwei 
Kreuzfahrer, Waffengefährten von Bonifazius IIL, Mar- 
quis von Montferrat, im Jahre 1204 der Stadt Incisa 
ein Stück des echten Kreuzes..... ferner einen Beutel 
gegeben hätten, welcher goldgelbe und zum Theil weisse 
Samenkörner enthielt, die ım Lande unbekannt waren 
und welche sie von Anatolien gebracht hatten, wo man 
dieselben Meliga nannte u. s. w. Der Geschichtschreiber 
der Kreuzzüge, Michaux, und später Daru und de Sis- 
mondi, haben diese Urkunde mehrfach erwähnt; der 
Botaniker Delile, ferner Targioni-Tozzetti und sogar 
Bonafous selbst waren aber der Meinung, dass es sich 
hierbei um eine Sorghumart und nicht um den Mais 
handelte. Diese alten Erörterungen sind lächerlich ge- 
worden, denn vom Grafen Riant? wurde nachgewiesen, 
dass die Urkunde von Incisa nichts anderes war als das 
Machwerk eines Betrügers dieses Jahrhunderts! Ich 
führe dieses Beispiel an, um darzuthun, wie leicht sich 
die Gelehrten, welche nicht Naturforscher sind, bei Aus- 
legung von Pflanzennamen irren können, wie bedenklich 
es ferner ist, sich bei historischen Fragen auf einen 
vereinzelt dastehenden Beweis zu stützen. 

Der Name Türkischer Weizen, welcher dem Mais 
in fast allen neuern Sprachen Europas beigelegt wor- 
den ist, weist nicht besser als die Urkunde von In- 
cisa auf einen Ursprung aus dem Orient hin. Diese 
Namen sind’ ebenso falsch wie derjenige des Truthahns, 
Indians oder Kalkuttischen Hahns (franz. Coq d’Inde, 
engl. Turkey), womit ein aus Amerika stammender Vogel 
bezeichnet wurde. Man nannte den Mais in Lothringen 
und in den Vogesen Blé de Rome, in Toscana Sicili- 
scher Weizen, in Sicilien Indischer Weizen, in den 


1 Molinari, Storia d’Ineisa (Asti 1310). 
2 Riant, La charte d’Incisa (1377), ee aus der Revue des 
questions historiques. 


492 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Pyrenäen Blé d’Espagne, in der Provence Blé de Barbarie 
oder de Guinée. Die Türken kennen ihn als Aegypti- 
schen Weizen und die Aegypter als Syrisches Durra. 
In letzterm Falle beweist dies wenigstens, dass er weder 
aus Aegypten noch aus Syrien stammt. Der so ver- 
breitete Name Türkischer Weizen datirt aus dem 16. Jahr- 
hundert. Er entstand aus einem Irrthum über den Ur- 
sprung der Pflanze, der vielleicht durch die Haarkronen, 
welche sich an der Spitze der Maiskolben befinden und 
die man mit dem Barte der Türken verglichen hatte, 
oder infolge des kräftigen Aussehens der Pflanze, wel- 
ches einen ähnlichen Ausdruck wie „stark wie ein Türke“ 
rechtfertigte, unterhalten wurde. Der erste Botaniker, 
bei welchem .man den Namen Türkischer Weizen 
findet, ist Ruelliust im Jahre 1536. Nachdem Bock 
oder Tragus?, welcher eine Abbildung der Art gegeben 
hatte, die er Frumentum turcicum (Welschkorn) nannte, 
im Jahre 1552 von Kaufleuten in Erfahrung gebracht 
hatte, dass dieselbe von Indien käme, verfiel er auf die 
unglückliche Vermuthung, dass sie eine gewisse Typha 
von Baktrien sei, von welcher die Alten in unbestimmter 
Weise gesprochen hatten. Diese Irrthümer wurden 1583 
von Dodoens, 1588 von Camerarius und auch von 
Matthiole * berichtigt, und dieselben bestätigen in ganz 
bestimmter Weise den amerikanischen Ursprung. Sie 
nahmen den Namen Mais an, indem sie wussten, dass 
derselbe amerikanisch sei. 

Wir haben gesehen (S. 458), dass mit dem Zea der 
Griechen der Spelz oder Dinkel gemeint war. Sicherlich 
haben die Alten den Mais nicht gekannt. Die Reisen- 
den“, welche zuerst die Erzeugnisse der Neuen Welt 
beschrieben, waren, als sie denselben sahen, sehr er- 


1 Ruellius, De natura stirpium, S. 428: „Hanc quoniam nostrorum 
aetate e Graecia vel Asia venerit Turcicum frumentaceum nominant.“ 
Fuchsius, S. 824, wiederholt diese Stelle im Jahre 1543. 

2 Tragus, Stirpium etc. (1552), S. 650. 

3 Dodoens, Pemptades, S. 509; Camerarius, Hort., S. 9; Matthiole 
(1570), S. 305. 

4 P. Martyr, Ercilla, Jean de Lery etc., von 1516—78. 


Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 493 


staunt; dies ist ein augenscheinlicher Beweis, dass sie 
ihn in Europa nicht gekannt hatten. Hernandez!, wel- 
cher nach den einen im Jahre 1571, nach den andern? 
im Jahre 1593 Europa verlassen hatte, wusste nicht, 
dass man in Sevilla vom Jahre 1500 an viele Maissamen 
erhalten hatte, um diese Pflanze anzubauen. Diese That- 
sache, welche von Fée, der die Register der städtischen 
Behörde® durchgesehen hatte, beglaubigt wurde, beweist 
hinlänglich den amerikanischen Ursprung, weswegen 
Hernandez den Namen Türkischer Weizen für sehr un- 
' passend hielt. 

Man wird vielleicht sagen, dass der Mais, welcher für Eu- 
ropa im 16. Jahrhundert noch neu war, irgendwo in Asien 
oder Afrika vor der Entdeckung Amerikas sich vorgefun- 
den hat. Wir wollen sehen, was man davon zu halten hat. 

Der berühmte Orientalist d’Herbelot? hatte mehrere Irr- 
thümer zusammengestellt, die von Bonafous und mir selbst 
aufgedeckt wurden und welche sich auf eine Stelle des per- 
sischen Geschichtsschreibers Mirchond aus dem 15. Jahr- 
hundert bezogen. Dieselbe lautet dahin, dass Rous, 
Japhet’s Sohn, an den Gestaden des Kaspisees eine Ge- 
treideart ausgesäet hatte, welche mit dem Türkischen 
Weizen der neuern Autoren identisch sein sollte. Es 
verlohnt sich nicht der Mühe, länger bei den Aussagen 
eines Gelehrten zu verweilen, dem es nicht eingefallen 
war, die Werke der Botaniker seiner oder früherer Zeit 
zu Rathe zu ziehen. Weit mehr fällt es ins Gewicht, 
dass die Reisenden, welche Asıen und Afrika vor der 
Entdeckung Amerikas besucht haben, kein Wort über 
den Mais veflauten lassen, dass man ferner keinen he- 
bräischen oder Sanskritnamen für diese Pflanze kennt, 
und dass sich schliesslich keine Probe oder Zeichnung 
davon in den Denkmälern des alten Aegyptens gefunden 
hat. Rifaud hat freilich einmal einen Maiskolben in 


1 Hernandez, Thes. mexic., S. 242. 

2 Lasègue, Musée Delessert, S. 467. 

3 Fée, Souvenirs de la guerre d’Espagne, S. 128. 

4 Bibliotheque orientale (Paris 1697) unter dem Worte Rous. 

5 Kunth, Ann. sc. nat., Serie 1, VIII, 418; Raspail, ebend.; Unger, 


5 


b 


x> 


494 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


einem Sarge von Theben gefunden, doch glaubt man, 
dass hierbei irgendeine Betrügerei seitens eines Arabers 
im Spiele war. Wenn der Mais im alten Aegypten vor- 
gekommen wäre, würde man ihn in allen Denkmälern 
antreffen, würde er mit den religiösen Vorstellungen wie 
die andern bemerkenswerthen Pflanzen verflochten ge- 
wesen sein. Eine so leicht anzubauende Art würde 
sich nach den Nachbarländern verbreitet haben. Man 
würde die Cultur nicht aufgegeben haben; statt dessen 
sehen wir, dass Prosper Alpini, welcher Aegypten im 
Jahre 1592 bereiste, nicht hiervon gesprochen hat, und 
dass Forskal! zu Ende des 18. Jahrhunderts den Mais 
als eine in Aegypten noch wenig angebaute Pflanze er- 
wähnte, woselbst er keinen von den Sorghumarten ver- 
schiedenen Namen erhalten hatte. Ebn Baithar, ara- 
bischer Arzt des 13. Jahrhunderts, welcher die zwischen 
Spanien und Persien gelegenen Länder durchstreift 
hatte, führt keine Pflanze an, unter welcher man irgend- 
wie den Mais vermuthen könnte. 

Nachdem J. Crawfurd? den Mais im Indischen Archipel 
unter einem seiner Ansıcht nach einheimischen Namen, 
Jarung, allgemein angebaut gesehen hatte, glaubte er, 
dass die Art von diesen Inseln abstamme. Wie käme 
es dann aber, dass Rumphius denselben mit keiner Silbe 
erwähnt hätte? Das Stillschweigen eines solchen Schrift- 
stellers lässt eine Einführung seit dem 17. Jahrhundert 
voraussetzen. Auf dem indischen Festlande war der 
Mais im verflossenen Jahrhundert so wenig verbreitet, 
dass Roxburgh® in seiner Flora, die erst lange Zeit 
nachdem sie fertig gestellt, veröffentlicht wurde, Fol- 
gendes sagen konnte: „Angebaut in verschiedenen Gegen- 
den Indiens, aber nur als Luxusartikel in den Gärten, 
doch nirgendwo auf dem indischen Festlande im grossen 


Pflanzen des alten Aegyptens; A. Braun, Pflanzenreste d. ägypt. Mus. in 
Berlin; Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians. 

1 Forskal, S. LIII. 

2 Crawfurd, History of the Indian Archipelago (Edinburgh 1820); Jour- 
nal of Bot., 1866, S. 326. 

3 Roxburgh, Flora indica (1832), III, 568. 


Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 495 


Maassstabe.“ Wir haben bereits gesehen, dass es für 
den Mais keinen Sanskritnamen gibt. 
In China wird der Mais gegenwärtig häufig ange- 
baut, seit mehreren Generationen besonders um Peking 
herum !, obgleich die meisten Reisenden des letzten 
Jahrhunderts nichts davon erwähnt haben. In seiner 
Schrift aus dem Jahre 1870 trug Dr. Bretschneider 
kein Bedenken zu behaupten, dass der Mais nicht aus 
China stamme; einige Worte in seinem Briefe aus dem 
Jahre 1881 lassen mich aber annehmen, dass er jetzt 
einem alten chinesischen Autor Bedeutung beilegt, von 
welchem Bonafous und nach ihm Hance und Mayers viel- 
fach gesprochen haben. Es handelt sich um das Werk 
von Li-schi-tschin, „Phen-thsao-Kang-Mu“ oder „Pen- 
tsao-kung-mu“ betitelt, eine Art von Abhandlung über 
Naturgeschichte, welche nach Bretschneider ? gegen Ende 
des 16. Jahrhunderts erschien. Bonafous ist genauer, 
ihm zufolge wurde dasselbe 1578 beendigt. Es ent- 
hält die Abbildung des Mais mit dem chinesischen 
Schriftzeichen. ose Abbildung findet sich in dem 
Werke von Bonafous zu Anfang des Kapitels über das 
Vaterland des Mais wiedergegeben. Augenscheinlich 
stellt sie die Pflanze dar. Dr. Hance® scheint sich auf 
die Untersuchungen von Mayers gestützt zu haben, 
denen zufolge alte chinesische Schriftsteller behaupten, 
dass der Mais in unbekannt gebliebener Zeit lange 
vor Ende des 15. Jahrhunderts von Sifan (untere 
Mongolei, im Westen Chinas) gebracht worden sei. Die 
Abhandlung enthält eine Copie von der Abbildung des 
„Pen-tsao-kung-mu‘“, welches nach ihm aus dem Jahre 
1597 datirt. 

Die Einfuhr durch die Mongolei ist in so hohem 
Grade unwahrscheinlich, dass es sich nicht der Mühe 
verlohnt, weiter darüber zu sprechen, und bezüglich . 


1 D dite, On study and value etc., S. 7, 18. 

2 Ebend., S. 

3 Der se findet sich im Pharmaceutical Journal von 1870. Ich 
kenne ihn nur durch einen kurzen Auszug in: Seemann, Journal of Bo- 
tany, 1871, S. 62. 


496 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


der Hauptaussage des chinesischen Schriftstellers muss 
man die ungewissen oder später angegebenen Daten 
nicht ausser Acht lassen. Das Werk wurde nach Bona- 
fous im Jahre 1578 beendigt, und nach Mayers ım Jahre 
1597. Wenn sich dies so verhält, besonders wenn 
letztere Jahreszahl sicher ist, so lässt sich an- 
nehmen, dass der Mais seit der Entdeckung Amerikas 
nach China gebracht wurde. Die Portugiesen gelangten 
nach Java im Jahre 14961, d. h. vier Jahre nach der 
Entdeckung Amerikas, und nach China seit dem Jahre 
1516.2 Magellan’s Reise von Südamerika nach den 
Philippinen fand im Jahre 1520 statt. Während der 
58 oder 77 Jahre, welche zwischen 1516 und jenen 
den Ausgaben des chinesischen Werkes zugeschriebenen 
Daten liegen, konnten Maiskörner von Reisenden, die 
aus Amerika oder Europa kamen, nach China gebracht 
worden sein. Dr. Bretschneider schrieb mir vor kur- 
zem, dass die Chinesen keinerlei Kenntniss von der 
Neuen Welt vor den Europäern besassen, und dass 
unter den Ländern, welche im Osten ihres Landes lie- 
gen, von denen zuweilen in ihren alten Werken die 
Rede ist, Japan gemeint war. Er hatte bereits die 
Meinung eines chinesischen Gelehrten angeführt, nach 
welcher die Einführung des Mais in der Nähe von Pe- 
king aus den letzten Zeiten der Dynastie Ming datirt, 
welche im Jahre 1644 zu Ende ging. Dies ist eine 
Jahreszahl, welche mit den andern Wahrscheinlichkeiten 
übereinstimmt. 

Die Einführung nach Japan ist wahrscheinlich aus 
späterer Zeit, da die Art von Kämpfer nicht erwähnt 
wurde. 

Aus dieser Zusammenstellung von Thatsachen geht 
hervor, dass der Mais der Alten Welt nicht angehörte. 
Er hat sich daselbst nach der Entdeckung Amerikas 


1 Rumphius, Amboin., V, 225. 

2 Malte-Brun, Géographie, I, 493. 

3 Eine auf einer alten Waffe eingravirte Pflanze, welche Siebold für 
den Mais angesehen hatte, ist nach Rein ein Sorghum; vgl. Wittmack, 
Ueber antiken Mais. 


Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 497 


sehr rasch verbreitet, und diese Geschwindigkeit selbst 
trägt zum Beweise bei, dass wenn derselbe irgendwo 
in Asien oder in Afrika vorgekommen wäre, er seit 
Tausenden von Jahren eine sehr wichtige Rolle gespielt 
haben würde. 

In Amerika werden wir auf Thatsachen stossen, welche 
mit diesen in Widerspruch stehen. 

Zur Zeit der Entdeckung des neuen Continents bil- 
dete der Mais eine der Grundlagen seines Ackerbaues 
und zwar von der La Plata-Region bis nach den Ver- 
einigten Staaten. Er hatte Namen in allen Sprachen.! 
Die Eingeborenen säeten ihn um ihre zeitweiligen Woh- 
nungen herum aus, so lange sie keine zusammen- 
gedrängte Bevölkerung bildeten. Die sogenannten 
Mounds, Grabstätten der Eingeborenen Nordamerikas, 
welche denen unserer Zeit vorhergehen, die Gräber der 
Inkas, die Katakomben Perus schliessen Maiskolben oder 
Samen ein, geradeso wie die Denkmäler des alten 
Aegyptens Gersten-, Weizen- oder Hirsekörner. In 
Mexico war eine Göttin, welche einen von dem Mais 
* abgeleiteten Namen trug (Cinteutl, de Cintli), der Ceres 
der Griechen zu vergleichen, denn sie empfing die Erst- 
linge der Maisernte, wie die griechische Göttin die un- _ 
serer Cerealien. In Cuzco bereiteten die Sonnenjung- 
frauen Maisbrot für die Opfer. Nichts beweist besser 
das hohe Alterthum und die Allgemeinheit der Cultur 
einer Pflanze als diese innige Verschmelzung mit den 
religiösen Gebräuchen alter Bewohner. Man darf in- 
dessen diesen Angaben in Amerika nicht dieselbe Be- 
deutung beilegen wie in unserer alten Welt. Die Civili- 
sation der Peruaner unter den Inkas und die der Tol- 
teken und Azteken in Mexico gehen nicht auf ein so 
hohes Alterthum der Civilisationen Chinas, Chaldäas 
und Aegyptens zurück. Sie schreibt sich höchstens aus 
den Anfängen der christlichen Zeitrechnung her, der 
Anbau des Mais ist aber älter als die Denkmäler, dies 


1 Vgl. Martius, Beiträge zur Ethnographie Amerikas, S. 127. 


DE CANDOLLE, 32 


498 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


kann man aus den vielen dort vorhandenen Varietäten 
der Art, sowie aus ihrer Verbreitung in sehr weit von- 
einander entfernten Regionen schliessen. 

Darwin hat einen noch bemerkenswerthern Beweis 
von hohem Alter entdeckt. Dieser berühmte Gelehrte 
hat Maiskolben und 18 Arten von Muscheln aus der 
Jetztzeit im Boden eines peruanischen Küstenstrichs 
eingebetttet gefunden, welcher jetzt wenigstens 85 Fuss 
über dem Meeresniveau liegt.! Es war dieser Mais 
vielleicht nicht angebaut, doch würde er dann als 
Zeichen für den Ursprung der Art von noch grösserm 
Interesse sein. 

Trotzdem Amerika von einer grossen Anzahl Bota- 
niker erforscht worden ist, hat keiner derselben den 
Mais unter Bedingungen einer wildwachsenden Pflanze 
angetroffen. 

Auguste de Saint-Hilaire? glaubte den spontanen Ty- 
pus in einer besondern Form wiederzuerkennen, bei 
welcher jedes Samenkorn im Innern seines Deckblattes 
verborgen ist. Man kennt dieselbe in Buenos-Ayres 
unter dem Namen Pinsigallo. Dies ist Zea Mays tunicata 
von Saint-Hilaire, welche Bonafous auf seiner Taf. 5bis 
unter dem Namen Zea cryptosperma abgebildet hat. 
Lindley # hat von derselben ebenfalls eine Beschreibung 
und Abbildung gegeben, wobei er sich auf Samen 
stützte, die von den Felsengebirgen gekommen sein 
sollten, ein Ursprung, welcher den neuerdings über Cali- 
fornien veröffentlichten Floren zufolge nicht bestätigt wor- 
den ist. Ein junger Guarani, welcher in Paraguay oder 
an den Grenzen dieses Landes geboren war, hatte die- 
sen Mais wiedererkannt und sagte zu Saint-Hilaire, dass 
derselbe in den feuchten Wäldern seines Landes wüchse. 
Als Indigenatsbeweis ist dies nicht genügend. Mei- 
nes Wissens ist diese Pflanze in Paraguay oder in 
Brasilien von keinem Reisenden gesehen worden. Man 


Darwin, Variations of animals and plants under domestication, I, 320. 
A. de Saint-Hilaire, Ann. sc. nat., XVI, 143. 
Lindley, Journal of the Hortic. Society, I, 114. 


Du 


[in 


eh 


Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 499 


hat sie aber in Europa angebaut und hat den Nach- 
weis geliefert, dass sie häufig in die Form des gemei- 
nen Mais übergeht. Lindley hat dies schon nach 
einer Cultur von zwei oder drei Jahren beobachtet, und 
Professor von Radit hat von einer einzigen Aussaat 
225 Kolben der Form #funicata und 105 der gewöhn- 
lichen Form mit nackten Samen erzielt.! Augenschein- 
lich ist diese Form, welche man für eine wirkliche Art 
halten könnte, deren Vaterland jedoch zweifelhaft war, 
kaum als eine Rasse hinzustellen. Sie gehört zu den 
unzähligen, mehr oder minder erblichen Varietäten, aus 
welchen die angesehensten Botaniker wegen ihrer ge- 
ringen Beständigkeit und der bei ihnen häufig sich 
zeigenden Uebergänge nur eine einzige Art machen. 

Ueber die Beschaffenheit der Zea Mays und ihren 
Wohnsitz in Amerika, bevor der Mensch anfing sie anzu- 
bauen, kann man sich nur Vermuthungen hingeben, Ich 
werde dieselben von meinem Gesichtspunkte aus hier 
vorführen, weil sie immerhin gewisse wahrscheinliche 
Hinweise zu bieten vermögen. 

Ich mache zunächst darauf aufmerksam, dass der 
Mais eine Pflanze ist, welcher in auffallender Weise 
die Mittel zur Verbreitung und zum Schutze abgehen. 
Die Samen lösen sich schwer aus dem Kolben und dieser 
selbst ist mit einer Umhüllung ausgestattet. Sie be- 
sitzen keine Federkrone oder Flügel, deren sich der 
. Wind bemächtigen kann. Wenn schliesslich der Mensch 
die Kolben nicht einsammelt, so fallen sie, eingebettet 
in ihre Achse, ab und die Samen müssen dann von Nage- 
und andern Thieren massenhaft zerstört werden, um so 
mehr, da sie nicht hart genug sind, um unversehrt durch 
die Verdauungskanäle hindurchzugehen. Wahrscheinlich 
wurde eine so wenig günstig angepasste Art in einer be- 
grenzten Region immer seltener, ging dem Aussterben ent- 
‚gegen, als ein wandernder Stamm von Wilden auf ihre 


1 Ich führe diese Thatsachen an nach Wittmack, Ueber antiken Mais 
aus Nord- und Südamerika, S. 87, in: Sitzungsber. d. berliner anthropolog. 
Gesellschaft vom 10. Nov. 1879. 

3 


500 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. | ; 


nahrhaften Eigenschaften aufmerksam wurde und sie 
durch den Anbau vor dem Untergange bewahrte. Ich 
glaube um so mehr an einen natürlichen beschränkten 
Wohnsitz, da die Art für sich allein dasteht, mit andern 
Worten eine sogenannte monotypische Gattung aus- 
macht. Augenscheinlich haben die Gattungen mit we- 
nigen Arten und besonders die monotypischen, durch- 
schnittlich einen engern Wohnsitz als die andern. Durch 
die Paläontologen werden wir vielleicht eines Tages er- 
fahren, ob in Amerika mehrere Zea oder ähnliche Gra- 
mineen vorkamen, von welchen unser Mais die letzte 
sein würde. Gegenwärtig ist die Gattung Zea nicht 
nur monotypisch, sondern sie steht auch in ihrer Fa- 
milie ziemlich vereinzelt da. Ihr zur Seite kann man 
eine einzige Gattung stellen, Euchlaena von Schrader, 
welche eine Art in Mexico, eine andere in Guatemala 
besitzt, es ist dies aber eine ganz besondere Gattung, 
die keine Uebergänge zu Zea aufweist. 

Wittmack hat merkwürdige Untersuchungen ange- 
stellt, um zu erfahren, welche Maisvarietät mit einer 
gewissen Wahrscheinlichkeit die Form einer den Cul- 
turen vorhergehenden Epoche aufweist. Zu diesem 
Zweck hat er Kolben und Körner verglichen, welche 
aus den Mounds Nordamerikas und den Gräbern Perus 
genommen waren. Wenn diese Denkmäler eine einzige 
Maisform aufgewiesen hätten, würde das Ergebniss be- 
zeichnend gewesen sein; es sind aber sowol in den 
Mounds wie in Peru mehrere verschiedene Varietäten 
aufgefunden worden. Man darf sich hierüber nicht 
wundern. Diese Denkmäler sind nicht sehr alt. Der 
Kirchhof von Ancon ın Peru, aus welchem Wittmack 
die besten Proben gewonnen hat, ist ungefähr gleich- 
alterig mit der Entdeckung Amerikas.! Nun war schon zu 
jener Zeit, den Autoren zufolge, die Anzahl der Varie- 


1 Rochebrune, Recherches ethnographiques sur les sépultures péru- 
viennes d’Ancon, nach einem Auszuge von Wittmack, in: Uhlworm, Bot. 
Centralblatt, 1880, S. 1633, woraus man ersieht, dass der Kirchhof vor und 
nach der Entdeckung Amerikas als Begräbnissstätte diente, 


At: 


Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 501 


täten eine beträchtliche, was auf eine viel ältere Cultur 
hinweist. 

Versuche, bei welchen man in mehreren aufeinander- 
folgenden Jahren Maisvarietäten auf unbebauten Län- 
dereien zur Aussaat brächte, würden vielleicht eine Rück- 
kehr zu einer gemeinsamen Form ergeben, welche man 
dann als den Stammhalter ansehen könnte. Derartiges 
ist noch nieht unternommen worden. Man hat nur die 
Beobachtung gemacht, dass die Varietäten trotz ihrer 
grossen Verschiedenheit wenig beständig sind. 

Was nun den Wohnsitz der ursprünglichen, unbe- 
kannt gebliebenen Form betrifft, so will ich hier einige 
Beweisgründe anführen, welche dieselbe bis zu einem 
gewissen Grade errathen lassen. 

Die dichten Bevölkerungen konnten sich nur in den 
Ländern bilden, wo sich naturgemäss nahrhafte, leicht 
anzubauende Arten finden. Die Kartoffel, die Batate 
und der Mais haben zweifelsohne diese Rolle in Amerika 
gespielt, und da sich die grossen Bevölkerungen dieses 
_ Welttheils zunächst in höher gelegenen Regionen, von 
Chile nach Mexico zeigten, so ist es wahrscheinlich, dass 
dort der wildwachsende Mais auftrat. In den niedrigen 
Regionen, wie Paraguay, die Ufer des Amazonenstroms, 
oder die heissen Länder Guyanas, Panamas und Mexicos, 
darf man nicht danach suchen, weil ihre Bewohner vor 
Zeiten weniger zahlreich waren. Ausserdem sind die- 
. Wälder den einjährigen Pflanzen keineswegs günstig, 
und es gedeiht der Mais in den heissen und feuchten 
Ländern, wo, die Maniokpflanze angebaut wird, nur 
mittelmässig. ! 

Andererseits wird seine Verpflanzung von Ort zu Ort 
leichter begreiflich, wenn der Ausgangspunkt als im Cen- 
trum liegend vermuthet wird, als wenn man denselben 
nach einer der äussersten Spitzen des Flächenraums 
verlegt, auf welchem die Art zur Zeit der Inkas und 


1 Sagot, Culture des céréales de la Guyane française (Journal de la 
Soc. centr. d’hort. de France, 1872, S. 94. 


502 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Tolteken, oder vielmehr der Mayas, Nahuas und Chib- 
chas, welche ihnen vorhergingen, angebaut wurde. Die 
Völkerwanderungen sind nicht in regelmässiger Weise 
von Norden nach Süden oder von Süden nach Norden 
erfolgt. Man weiss, dass solche in je nach den Zeit- 
perioden und Ländern verschiedenen Richtungen statt- 
gefunden haben.! Die alten Peruaner hatten von den 
Mexicanern kaum Kenntniss und umgekehrt, wie dies 
aus ihren Glaubenslehren und den äusserst verschiedenen 
Gebräuchen hervorgeht. Sollen sie alle beide früh- 
zeitig den Mais angebaut haben, so muss man ver- 
muthen, dass der Ausgangspunkt zwischen diesen zwei 
Ländern oder doch in deren Nähe lag. Ich nehme an, dass 
Neugranada diesen Bedingungen recht gut entspricht. 
Das Chibcha genannte Volk, welches das Tafelland Bo- 
gota zur Zeit der Eroberung durch die Spanier inne- 
hielt und sich als Ureinwohner betrachtete, war ein 
ackerbautreibendes. Es genoss einen gewissen Bildungs- 
grad, was durch die Denkmäler, welche man zu er- 
forschen anfängt, dargelegt wird. Vielleicht war es 
dieses Volk, welches den Mais besass und seinen Anbau 
angefangen hatte. Von der einen Seite grenzte es an 
die noch wenig civilisirten Peruaner, und von der an- 
dern an die Mayas, welche Centralamerika und Yucatan 
innehielten. Diese hatten oft Streitigkeiten mit den 
nordwärts lebenden Nahuas, den Vorgängern der Tol- 
teken und Azteken in Mexico. In einer Ueberlieferung 
heisst es, dass Nahualt, das Oberhaupt der Nahuas, die 
Maiscultur lehrte.? 

Ich wage mich nicht der Hoffnung hinzugeben, dass 
man wildwachsenden Mais entdecken wird, obgleich sein 
der Cultur vorhergehender Wohnsitz wahrscheinlich so 
klein war, dass die Botaniker vielleicht noch nicht auf 


1 In seinem Werke: Les premiers hommes et les temps préhistoriques, 
gibt de Nadaillac einen Auszug von dem Wenigen, was man gegenwärtig 
über diese Wanderungen und im allgemeinen über die alten _ Völker Ame- 
rikas weiss. Vgl. besonders den 2. Bd., Kap. 9. 

2 De Nadaillac, II, 69, welcher das classische Werk von Bancroft an- 
führt: The Native Races of the Pacific States. 


Gartenmohn. | 503 


denselben gestossen sind. Die Art ist derartig von 
allen den andern verschieden und so ins Auge fallend, 
dass die Eingeborenen oder wenig unterrichtete Colo- 
nisten sie bemerkt und von ihr gesprochen haben wür- 
den. Die Gewissheit über den Ursprung wird vielmehr 
durch archäologische Entdeckungen kommen. Wenn 
man eine grössere Anzahl alter Denkmäler in allen 
Theilen Amerikas erforscht hat, wenn man dahin gelangt, 
die hieroglyphischen Inschriften einiger derselben zu 
entziffern, und wenn es gelingt, die Jahreszahlen der 
Wanderungen und der wirthschaftlichen Begebenheiten 
kennen zu lernen, wird unsere Hypothese gerechtfertigt, 
abgeändert oder umgestossen sein. 


Zweiter Abschnitt. In verschiedener Weise 
benutzte Samen. | 


Papaver somniferum, Linné. — Gartenmohn (fr. Pavot). 

Man baut den Gartenmohn gemeiniglich des Mohnöls 
(huile d’oeillette) wegen an, welches aus den Samen 
gewonnen wird, und zuweilen, namentlich in Asien, 
des Saftes wegen, welchen man durch Einschnitte 
in die Samenkapseln gewinnt und welcher das Opium 
liefert. 

Die seit Jahrhunderten angebaute Form entspringt 
leicht dem. Culturbereiche oder naturalisirt sich mehr 
oder weniger in gewissen Gegenden des südlichen Eu- 
ropa.! Man kann nicht behaupten, dass sie im wirklich 
wildwachsenden Zustande vorkommt, die Botaniker stim- 
men aber darin überein, sie als eine Abänderung des 
Papaver setigerum genannten Mohns anzusehen, welcher 
in der Mittelmeerregion, besonders in Spanien, Algerien, 
auf Corsica, Sicilien, in Griechenland und auf der Insel 
Cypern spontan auftritt. In Ostasien? hat man ihn 


1 Willkomm et Lange, Prodr. fi, flisp., III, 372. 
2 Boissier, Fl. orient.; Tchihatcheff, Asie Mineure; Ledebour, EI. 
rossica, u. à. 


504 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


nicht angetroffen, wenn demnach die angebaute Form 
von ihm ihren Ursprung ableitet, so muss die Cultur 
in Europa oder Nordafrika ihren Anfang genommen 
haben. 

Um diese Erwägung weiter zu begründen, weise ich 
darauf hin, dass die Bewohner der schweizer Pfahl- 
bauten zur Steinzeit einen Mohn anbauten, welcher sich 
dem P. setigerum mehr nähert als dem somniferum. 
Heer! hat seine Blätter nicht entdecken können, die 
Samenkapsel wird aber wie bei dem setigerum von acht 
Narben überragt und nicht von zehn bis zwölf wie bei 
dem angebauten Mohn. Diese letzte, in der Natur un- 
bekannte Form scheint sich somit später, in historischen 
Zeiten gezeigt zu haben. 

In Nordfrankreich baut man Papaver setigerum gleich- 
zeitig mit somniferum zur Gewinnung des huile d’oeil- 
lette an.? | 

Die Griechen kannten den angebauten Mohn sehr gut. 
Homer, Theophrast und Dioscorides haben von ihm ge- 
sprochen. Die schlafeinflössenden Eigenschaften des 
Saftes waren ihnen nicht unbekannt, und die Varietät 
mit weissen Samen wurde von Dioscorides? schon er- 
wähnt. Die Römer bauten den Mohn vor der Zeit der 
Republik an, wie sich dies aus der Anekdote über Tar- 
quinius ersehen lässt. Die Samen wurden von ihnen 
mit dem Mehl zur Brotbereitung vermischt. 

Zu Zeiten des Plinius* bedienten sich die Aegypter 
des Mohnsafts als Arzneimittel, es liegen aber keinerlei 
Beweise vor, dass diese Pflanze schon früher in Aegypten 
angebaut wurde.® Im Mittelalter® war dies eine der 
Hauptculturen dieses Landes, ganz insbesondere zur 
Gewinnung des Opiums, und ist es auch gegenwärtig 


1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 32, Fig. 65, 66. 

2 De Lanessan, in der französ. Uebers. von Flückiger und Hanbury, 
Histoire des drogues d’origine végétale, I, 129. 

3 Dioscorides, Hist. plant., 1. 4, c. 65. 

4 Plinius, Hist. plant., 1. 20, c. 18. 

5 Unger, Die Pflanze als Erregungs- und Betäubungsmittel, S. 47; 
Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 50. 

6 Ebn Baithar, deutsche Uebers., I, 64. 


Gartenmohn. 505 


geblieben. In den hebräischen Büchern wird die Art 
nicht erwähnt. Andererseits kommen ein oder zwei 
 Sanskritnamen vor. Piddington gibt als solchen Chosa 
und A. Pictet Khaskhasa an, welch letzterer nach ihm 
sich im persischen Chashchâsh, im armenischen Chash- 
chash und im Arabischen wiederfindet.! Ein anderer 
persischer Name ist Kouknar.? Diese und andere Na- 
men, welche ich anführen könnte, die von dem Maikön 
(Mnxwv) der Griechen sehr verschieden sind, sind ein 
Fingerzeig für das hohe Alter einer in Europa und 
Westasien verbreiteten Cultur. Wenn die Art zu einer 
prähistorischen Zeit angebaut wurde und zwar zunächst 
in Griechenland, wie dies wahrscheinlich scheint, hat 
sie sich nach Osten hin vor der Invasion der Arier in 
Indien verbreiten gekonnt; seltsam bleibt es aber, dass 
man für ihre Ausdehnung nach Palästina und Aegypten 
vor der römischen Epoche keine Beweise beibringen 
kann. Möglich ist es noch, dass man in Europa zu- 
nächst die als Papaver setigerum bekannte wildwach- 
sende Form, welche die Bewohner der schweizer Pfahl- 
_ bauten verwertheten, angebaut habe, und dass die Form 
der jetzigen Culturen aus Kleinasien gekommen sei, wo 
die Art seit wenigstens 3000. Jahren angebaut wurde. 
Was zu dieser Vermuthung führen kann, ist das Vor- 
handensein des griechischen Namens Maikön, im Dori- 
schen Makon, der in mehreren slawischen und südkau- 
_ kasischen Sprachen als Mack wieder auftaucht.? 

Die Mohncultur hat gegenwärtig in Indien wegen der 
Opiumausfuhr nach China zugenommen, doch werden 
die Chinesen bald aufhören die Engländer zu betrüben, 
indem sie ihnen dieses Gift abkaufen, denn sie haben 
sich selbst mit Eifer ans Werk gemacht, dasselbe zu 
gewinnen. Auf mehr als der Hälfte ihres Territoriums 
baut man jetzt den Mohn an. Die Art ist keineswegs 


1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 3. Aufl., I, 366. 
2 Ainslies, Mat. med. indica, I, 326. 

3 Nemnich, Polyglotten-Lexicon, S. 848. 

4 Martin, in: Bull. Soc. d’acclimatation, 1872, S. 200. 


506 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


in den östlichen Regionen Asiens spontau, und was | 
China betrifft, ıst selbst diese Cultur keine alte.! 

Der Name Opium, welcher für das aus der Samenkapsel 
gewonnene Arzneimittel gebraucht wurde, geht auf grie- 
chische und lateinische Schriftsteller zurück. Dioscorides 
schrieb Opos (Orog). Die Araber machten daraus Afiun? 
und haben ihn im Orient bis nach China verbreitet. 

Flückiger und Hanbury* haben sehr ausführliche und 
interessante Einzelheiten über die Gewinnung, den Han- 
del und die Verwendung des Opiums in allen Ländern, 
besonders in China gegeben. Indessen nehme ich an, 
dass man folgende Auszüge aus den von Peking 23. Au- 
gust 1881, 28. Januar und 18. Juni 1882 datirten 
Briefen des. Dr. Bretschneider mit Vergnügen lesen 
wird. Sie enthalten die sichersten Aufschlüsse, welche 
die chinesischen Bücher bei richtiger Interpretirung 
darbieten können: 

„Der Verfasser des « Pent-sao-kang-mu», welcher in 
den Jahren 1552 und 1578 schrieb, gibt einige Einzel- 
heiten in Bezug auf den a-fu-yong (d.h. Afiun, Opium), 
eine ausländische, aus einer Art Ying su mit rothen Blumen 
in dem Lande Tien fang (Arabien) erzeugte und neuer- 
dings als Arzneimittel in China gebrauchte Drogue. Zur 
Zeit der vorhergehenden Dynastie (der mongolischen, 1280 
—1368) hatte man von den a-fu-yong noch nicht viel 
sprechen hören. Der chinesische Schriftsteller gibt einige 
Einzelheiten über die Gewinnung des Opiums in seinem 
Vaterlande, aber er sagt nicht, dass er auch in China 
gewonnen werde. Er spricht auch nicht von dem 
Gebrauche, denselben zu rauchen. — In Crawfurd’s 
«Descriptive Dictionary of the Indian Islands», S. 312, 
finde ich folgenden Passus: «The earliest account we 
have of the use of Opium, not only from the Archi- 
pelago, but also for India and China, is by the faith- 


u té 


1 Sir J. Hooker, Flora of British India, I, 117; pretsoke is ‘He 
and value etc., S. 47. 

2 Ebn Baithar, T, 64. 

3 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine en franz. 
Uebersetzung, 2 Bde., 1378, I, 97—130. 


Gartenmohn. 507 


ful and intelligent Barbosa.! He writes the word am- 
. fiam, and in his account of Malacca, enumerates it 
among the articles brought by the Moorish and gentile 
merchants of Western India, to exchange for the car- 
gos of Chinese junks.» 

„Es hält schwer, den Zeitpunkt näher zu bestimmen, 
wann die Chinesen anfingen, Opium zu rauchen und den 
Mohn anzubauen, aus welchem man Opium bereitete. Es 
herrscht, wie ich schon gesagt habe, eine grosse Verwirrung 
bezüglich dieser Frage, und der Name Ying su wird nicht 
nur von den europäischen Schriftstellern, sondern auch 
von den jetzigen Chinesen ebenso auf P. somniferum 
wie auf P. Rhoeas bezogen. P. somniferum wird 
gegenwärtig im grossen Maassstabe in allen Provinzen 
des chinesischen Kaiserreichs, ferner in der Mandschurei 
und in der Mongolei angebaut. Williamson (Journeys 
in North China, Manchuria, Mongolia, 1868, II, 65) 
hat ihn überall in der Mandschurei angebaut gesehen. 
Man erzählte ihm, dass die Mohncultur zweimal soviel 
einbrächte als die der Cerealien. Der russische Rei- 
sende Potanin, welcher im Jahre 1876 die nördliche 
Mongolei bereiste, hat ungeheuere Mohnanpflanzungen 
in dem Kiranthale (zwischen dem 47. und 48. Breiten- 
grade) gesehen. Dies flösst der chinesischen Regierung 
keinen geringen Schrecken ein, noch mehr aber den 
Engländern, welche eine Concurrenz des «native opium » 

befürchten. 
„Es wird Ihnen wahrscheinlich nicht unbekannt sein, 
dass man in Indien und Persien das Opium isst, aber 
nicht raucht. ‘Der Gebrauch, diese Drogue zu rauchen, 
dürfte als eine chinesische Erfindung angesehen werden, 
ist aber kein alter. Nichts weist darauf hin, dass die 
Chinesen das Opium vor Mitte des verflossenen Jahr- 
hunderts rauchten. Die im 17. und 18. Jahrhundert 
in China sich aufhaltenden Jesuitenmissionare sprechen 
nicht davon. Nur der Pater d’Incarville berichtet im 


1 Barbosa veröffentlichte sein Werk im Jahre 1516. 


508 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Jahre 1750, dass der Opiumverkauf verboten sei, weil 
man diese Drogue häufig dazu verwendete, um sich 
zu vergiften. 

„Zwei obrigkeitliche Verordnungen, das Rauchen des 
Opiums verbietend, datiren von vor 1730, und eine 
andere aus dem Jahre 1796 bezieht sich auf das Ueber- 
handnehmen dieses in Frage stehenden Lasters. Don 
Sinibaldo de Mas, welcher 1858 ein sehr gutes Buch 
über China veröffentlichte, in welchem Lande er sich 
viele Jahre als spanischer Gesandter aufgehalten hatte, 
behauptet, dass die Chinesen diese Gewohnheit von dem 
Volke Assams angenommen haben, in welchem Lande 
seit langen Zeiten Opium geraucht wurde.“ 

Eine so verderbliche Sitte ist ganz dazu angethan, sich 
wie der Genuss von Absinth und Taback weiter zu ver- 
breiten. Nach und nach führt sie sich in den Ländern 
ein, welche mit China häufige Beziehungen haben. Wir 
können nur wünschen, dass sie nicht in eben demselben 
Maassstabe um sich greift, wie beispielsweise bei den 
Bewohnern von Amoy, wo die Opiumraucher die Ziffer 
von 15—20 Procent der erwachsenen Bevölkerung aus- 
machen. 


Bixa Orellana, Linné. — Gemeiner Orleansbaum, 
Rucubaum (fr. Rocou). 

Der im Französischen als ÆRocou, im Englischen als 
Arnotto bekannte Farbstoff wird aus dem Brei der 
äussern Samenhülle gewonnen. 

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas bedienten sich : 
die Einwohner der Antillen, der Landenge von Darien 
und Brasiliens desselben, ihre Körper roth zu färben, 
und die Mexicaner gebrauchten ihn zu verschiedenen 
Malereien.? : 

Die Bixa, ein kleiner Baum aus der Familie der 
Bixaceen, findet sich wildwachsend auf den Antillen ? 


1 Hughes, Trade Report, in Flückiger und Hanbury angeführt. 

2 Sloane, Jamaica, II, 53. 

3 Sloane, ebend.; Clos, Ann. sc. nat., Serie 4, VIII, 260; Grisebach, 
Fl. of Brit. W. India Islands, S. 20. > : 


Gemeiner Orleansbaum. — Baumwollstaude. 509 


und einem grossen zwischen den Wendekreisen liegenden 
Gebiete des amerikanischen Festlandes. In den Herba- 
rien und Floren sind die Localitäten massenhaft ver- 
zeichnet, gewöhnlich sagt man aber nicht, ob die Art 
angebaut, spontan oder naturalisirt war. Dagegen finde 
ich die Versicherung des Indigenats bei Seemann für die 
nordwestliche Küste Mexicos und Panama, bei Triana 
für Neugranada, bei M. Meyer für das holländische 
Guyana und bei Piso und Claussen für Brasilien.! Bei 
einem so ausgedehnten Wohnsitz ist es nicht zu ver- 
wundern, dass es in den amerikanischen Sprachen sehr 
zahlreiche Namen für die Art gab. Aus dem brasilia- 
nischen Urucu stammt das französische Rocou. 

Zur Gewinnung des Products war es nicht durchaus 
geboten, diesen Baum anzupflanzen, doch berichtet Piso, 
dass sich die Brasilianer im 16. Jahrhundert nicht an 
den wildwachsenden Individuen genügen liessen, und im 
17. Jahrhundert waren die Rucu -Änpflanzungen auf 
Jamaica gewöhnlich. Dies ist eine der ersten Arten, 
welche von Amerika nach Südasien und Afrika gebracht 
wurden. Sie hat sich zuweilen derartig naturalisirt, 
dass sie von Roxburgh? als in Indien einheimisch ange- 
sehen wurde. 


Gross ypium herbaceum, Linné. — Baumwollstaude 
(fr. Cotonnier herbacé). 

Als ich im Jahre 1855 nach dem Vaterlande der an- 
gebauten Baumwollstauden forschte *, herrschte eine 
grosse Ungewissheit in Bezug auf die Unterscheidung 
der Arten. Seit dieser Zeit sind in Italien zwei aus- 
gezeichnete Arbeiten erschienen, auf welche man sich 
stützen kann, die eine von Parlatore*, ehemaligem Di- 
rector des botanischen Gartens von Florenz, die andere 


1 Seemann, Bot. of Herald, S. 79, 268; Triana et Planchon, Prodr. fl. 
novo-granat., S. 94; Meyer, Essequebo, S. 202; Piso, Hist. nat. Brasil. 
(1648), S. 65; Claussen, in: Clos, 2: 

2 Roxburgh, Fl. ind., ET, 581; Oliver, Flora of tropical Africa, I, 114. 

3 Geographie botanique raisonnée, SIE 

4 Parlatore, Le specie dei cotoni (Firenze 1866). 


510 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


von dem Senator Todaro! in Palermo. Beide Werke sind 
mit vorzüglichen colorirten Abbildungen versehen und für 
das Studium der angebauten Baumwollstauden kann man 
nichts Besseres wünschen. Andererseits hat die Kenntniss 
der wirklichen Arten, nämlich jener, welche in der Natur, 
im spontanen Zustande vorkommen, nicht die erhofften 
Fortschritte gemacht. In den Arbeiten des Dr. Masters? 
ist jedoch die Bestimmung der Arten eine ziemlich genaue, 
und ich werde mich vorzugsweise nach derselben richten. 
Der Autor nähert sich den Ansichten Parlatore’s, wel- 
cher sieben gut bekannte und zwei zweifelhafte Arten 
zuliess, während Todaro deren 54 aufzählt, von welchen 
nur zwei zweifelhaft sind, indem er also alle durch 
irgendein Merkmal verschiedene, aber in den Culturen 
entstandene und fortgepflanzte Formen als Arten hinstellt. 

Die volksthümlichen Namen der Baumwollsorten kön- 
nen von keinem Nutzen sein. Man läuft durch sie selbst 
Gefahr, sich über den Ursprung vollständig zu täuschen. 
So heisst eine Sorte Siambaumwolle, die zuweilen von Ame- 
rika kommt, eine andere je nach der Laune oder irrigen 
Ansicht der Züchter brasilianische oder Avabaumwolle. 

Wir wollen hier zunächst von Gossypium herbaceum 
sprechen, eine alte Art der asiatischen Culturen, die 
jetzt auch in Europa und den Vereinigten Staaten am 
meisten verbreitet ist. In den heissen Ländern, wo sie 
zu Hause ist, hält ihr Stengel einige Jahre aus, ausser- 
halb der Wendekreise wird sie aber durch die Ein- 
wirkung der Winterkälte einjährig. Ihre Blume ist 
meistens gelb mit einem rothen Grunde. Die von ihr 
gewonnene Baumwolle hat je nach den Varietäten eine 
gelbe oder weisse Farbe. 

Parlatore hat mehrere spontane Herbarienexemplare 
untersucht und andere, die von auf der Indischen Halb- 


1 Todaro, Relazione della coltura dei cotoni in Italia seguita da una 
monografia del genere Gossypium (Rom und Palermo 1877—78); diesem 
Werke gingen mehrere andere, weniger ausgedehnte voran, von welchen 
Parlatore Kenntniss gehabt hatte. 

2 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, S. 210; und in Sir J. 
Hooker, Flora of British India, I, 346. 


Baumwollstaude. 511 


insel wildwachsenden Exemplaren abstammten, angebaut. 
Er räumt ausserdem das Indigenat für Birma und den 
Indischen Archipel ein, wobei er sich auf Exemplare 
von Sammlern stützt, welche vielleicht die wıldwachsende 
Eigenschaft der Pflanze nicht genügend geprüft haben. 

Mit Sicherheit sieht Masters eine von ihm Gossypium 
Stocksii benannte Form in Sindh als spontan an, welche 
ihm zufolge wahrscheinlich die wildwachsende Form von 
Gossypium herbaceum und anderer seit lange in Indien 
angebauten Baumwollarten ist. Todaro, welcher sich wenig 
geneigt zeigt, viele Formen unter einer einzigen Art 
zusammenzufassen, lässt jedoch die Identität jener mit 
dem gemeinen G. herbaceum zu. Die gelbe Farbe der 
Baumwolle würde somit der natürliche Zustand der Art 
sein. Der Same zeigt nicht den kurzen Flaum, welcher 
zwischen den länglichen Haaren bei LES angöhduten 
G. herbaceum vorkommt. 

Die Cultur hat wahrscheinlich den Wohnsitz der Art 
ausserhalb des ursprünglichen Landes ausgedehnt. Dies 
ist muthmaasslich für die Sunda-Inseln und die Malaiische 
Halbinsel der Fall, wo gewisse Individuen mehr oder 
minder spontan scheinen. In seiner Flora von Birma 
erwähnt Kurz! das @. herbaceum mit gelber oder weisser 
Baumwolle als angebaut und zu gleicher Zeit als in 
wüsten Gegenden und vernachlässigten Ländereien wild- 
wachsend. 

Die krautige Baumwollpflanze heisst Kapase im 
Bengali, Kapas im Hindustani, ein Beweis, dass das 
Sanskritwort Karpasoi sich auf die Art bezieht.” Ihr 
Anbau hatte-sich frühzeitig in Baktrien verbreitet, wo 
die Griechen sie bei dem Zuge Alexander’s bemerkt 
hatten. Theophrast® spricht von ihr in einer Weise, 
welche hierüber keinen Zweifel zulässt. Die baumartige 
Baumwollpflanze von der Insel Tylos im Persischen 
Meerbusen, von welcher er in einem andern Kapitel 


1 Kurz, Forest flora of British Burma, I, 129. 2 Piddington, Index, 
8 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 5. | 


512 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


spricht!, war wahrscheinlich ebenfalls das Gossypium 
herbaceum, denn Tylos ist von Indien nicht weit ent- 
fernt, und unter einem so heissen Klima wird aus der 
krautartigen Baumwollpflanze ein Strauch. 

Die Einführung irgendeiner  Baumwollpflanze nach 
China hat erst im 9. oder 10. Jahrhundert unserer Zeit- 
rechnung stattgefunden?, was auf einen vor Zeiten wenig 
ausgedehnten Wohnsitz des @. herbaceum im Süden und 
Osten Indiens schliessen lässt. 

Die Kenntniss und vielleicht die Cultur der asiati- 
schen Baumwollpflanze hatte sich in der griechisch- 
römischen Welt nach dem Zuge Alexander’s, aber vor 
den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung 
weiter ausgebreitet. Wenn mit dem Byssos der Griechen 
die Baumwollpflanze gemeint war, wie dies die meisten 
der Gelehrten annehmen, so baute man sie nach Pau- 
sanias und Plinius ? in der griechischen Landschaft Elis 
an; Curtius und C. Ritter* sehen aber das Wort Byssos 
als einen Gesammtausdruck für Garn überhaupt an, und 
ihnen zufolge handelte es sich in diesem Falle um sehr 
feine Leinwand. Augenscheinlich war die Baumwoll- 
cultur bei den Alten gar nicht vertreten oder wenigstens 
nicht gewöhnlich. Nun würde sie aber in Anbetracht 
ihrer Nützlichkeit sehr um sich gegriffen haben, wenn 
sie beispielsweise nach einer einzigen Gegend von 
Griechenland eingeführt worden wäre. Die Araber 
waren es, welche sie später um das Mittelmeerbecken 
verbreitet haben, wie der Name Qutn oder Kutn° dies 
andeutet, der in die neuern Sprachen Südeuropas als 
Cotone, Coton, Algodon übergegangen ist. Ebn el Awan 
von Sevilla, der im 12. Jahrhundert lebte, beschreibt 


1 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 9. 

2 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 7. 

3 Pausanias, 1. 5, c. 5; 1. 6, c. 26; Plinius, 1. 19, c. 1. Vgl. Brandes, 
Baumwolle, S. 96. 

4 C. Ritter, Die geographische Verbreitung der Baumwolle, S. 25. 

5 Es ist unmöglich, die Aehnlichkeit dieses Namens mit jenem des 
arabischen Kattan oder Kittan für Flachs zu übersehen; dies ist ein Bei- 
spiel der bei den Namen eintretenden Verwirrung, sobald Uebereinstim- 
mungen zwischen den Producten stattfinden. > 


Baumartige Baumwollpflanze. 513 


die Cultur, wie sie zu seiner Zeit auf Sicilien, in Spa- 
nien und im Orient betrieben wurde.! 

Gossypium herbaceum ist die in den Vereinigten 
Staaten am meisten angebaute Art.” Sie wurde wahr- 
scheinlich von Europa dahin gebracht. Dies war vor 
100 Jahren eine neue Cultur, denn man confiscirte 1774 
in Liverpool einen von Nordamerika kommenden Baum- 
wollballen aus dem Grunde, weil die Baumwoll- 
pflanze dort, wie man sagte, nicht wüchse.” Die lang- 
haarige Baumwolle (Sea island) ıst die einer andern 
amerikanischen Art, auf welche ich gleich zu sprechen 
kommen werde. 


Gossypium arboreum, Linné. — Baumartige Baum- 
wollpflanze (fr. Cotonnier arborescent). 

Dieselbe ist höher im Wuchse und von längerer Dauer 
als die krautartige, die Blattlappen sind enger und die 
Deckblätter weniger geschlitzt oder ungetheilt. Die 
Blüte zeigt meistens eine rosa Färbung mit einem 
rothen Grunde. Die Baumwolle ist immer weiss. 

Nach den anglo-indischen Botanikern findet sich diese 
Art nicht in Indien, wie man geglaubt hatte, und wird 
dort selbst nur selten angebaut. Ihr Vaterland ist das 
intertropische Afrika. Man hat sie in Oberguinea, Abes- 
sinien, Sennaar und Oberägypten spontan gesehen.# Sie 
ist aus diesen Ländern von einer so grossen Anzahl von 
Sammlern heimgebracht worden, dass man kaum noch 
daran zweifeln kann; die Cultur hat aber diese Art 
dermaassen verbreitet und mit den andern vermischt, 
dass man sie unter mehreren Namen in den Werken über 
Südasien beschrieben hat. 

Parlatore hatte auf @. arboreum asiatische Exemplare 


1 De Lasteyrie, Du Cotonnier, S. 290. 

2 Torrey and Asa Gray, Flora of North America, I, 230; Darlington, 
Agricultural Botany, S. 16. 

3 Schouw, Naturschilderungen, S. 152. 

4 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, S. 211; Hooker, Flora 
of Brit. India, I, 347; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 265 
(unter dem Namen Gossypium nigrum); Parlatore, Specie dei Cotoni, S. 25 


x € 
DE CANDOLLE. 33 


514 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


von @. herbaceum und eine sehr wenig bekannte Pflanze, 
welche Forskal in Arabien angetroffen hatte, bezogen. 
Danach vermuthete er, dass die Alten G. arboreum 
ebenso gut kannten als @. herbaceum. Gegenwärtig, wo 
man diese beiden Arten besser unterscheidet, den Ur- 
sprung der einen sowol wie der andern kennt, ist dies 
nicht wahrscheinlich. Die krautartige Baumwollpflanze 
lernten sie von Indien und Persien aus kennen, während 
die baumartige nur durch Aegypten zu ihnen gelangen 
konnte. Parlatore selbst hat einen höchst interessanten 
Beweis hierfür geliefert. Bis zu seiner Arbeit vom Jahre 
1866 wusste man nicht, zu welcher Art die Samen der 
Baumwollpflanze gehörten, welche Rosellini in einer 
Vase aus den Denkmälern des alten Theben gefunden 
hat.! Diese Samen sind im Museum von Florenz auf- 
bewahrt. Sie wurden von Parlatore sorgfältig unter- 
sucht und gehören nach ihm zu Gossypium arboreum.? 
Rosellini behauptet, dass er nicht das Opfer einer Be- 
trügerei hat sein können, da er der erste war, der das 
Grab und die Vase öffnete. Nach ıhm hat kein Archäo- 
loge Anzeichen von Baumwollpflanzen in den alten 
Zeiten der ägyptischen Civilisation weder gesehen noch 
von ihnen gelesen. Wie hätte es kommen können, 
dass eine so ins Auge fallende Pflanze, durch ihre Blu- 
men und Samen gleich bemerkenswerth, weder abgebil- 
det, beschrieben noch dem Gebrauche gemäss in den 
Gräbern aufbewahrt worden wäre, wenn man sie ange- 
baut hätte? Weshalb hätten Herodot, Theophrast und 
Dioscorides bei dem Abschnitt über Aegypten in ihren 
Werken nicht von ihr gesprochen? Die Streifen, mit 
welchen alle Mumien eingewickelt sind, die, wie früher 
angenommen wurde, von Baumwolle waren, bestehen 
nach Thomson und vielen mit dem Mikroskop bewan- 
derten Beobachtern ausschliesslich aus Leinwand. Ich 
schliesse daraus, dass wenn die von Rosellini gefundenen 


1 Rosellini, Monum. della Egizia, S. 2; Mon. civ., I, 60. 
2 Parlatore, Specie dei Cotoni, S. 16. 


Baumartige Baumwollpflanze. 515 


Samen wirklich uralt waren, sie eine Seltenheit sein 
mussten, eine Ausnahme von den Gebräuchen, vielleicht 
das Erzeugniss eines in einem Garten angebauten Baumes, 
oder sie konnten auch von Oberägypten gekommen sein, 
dem Lande, wo, wie wir gesehen haben, die baumartige 
Baumwollpflanze wildwachsend auftritt. Plinius! hat 
nicht berichtet, dass die Baumwollpflanze in Unter- 
ägypten angebaut wurde; ich will hier aber die Ueber- 
setzung dieser sehr bemerkenswerthen so oft angeführten 
Stelle seines Werkes folgen lassen: „Der obere Theil 
von Aegypten, gegen Arabien zu, zeuget einen Strauch, 
welchen einige Baumwolle, Gossipion, andere das Woll- 
holz, Xylon, nennen, das daraus gemachte Garn heisst 
daher Baumwollenzeug, æylina. Er ist klein, trägt eine 
Frucht einer Bartnuss gleich, aus deren Hülse die Wolle 
gesponnen wird. Keine Art ist dieser an Weisse und 
Weiche vorzuziehen.“ 

Plinius fügt hinzu: „Die daraus gemachten Kleider 
lieben die ägyptischen Priester besonders.“ Viel- 
leicht wurde die für diesen Gebrauch bestimmte 
Baumwolle von Oberägypten geschickt, oder es hat 
sich der Autor, welcher die Zubereitung nicht ge- 
sehen hatte und nicht im Besitz unserer Mikro- 
skope war, über die Beschaffenheit der priesterlichen 
Gewänder geirrt, wie dies bei unsern Zeitgenossen der 
Fall war, die Hunderte von Mumienumhüllungen in 
Händen gehabt, ehe sie darüber aufgeklärt wurden, dass 
‘solche nicht von Baumwolle waren. Bei den Juden 
mussten die Gewänder der Priester, dem Gesetze nach, 
von Leinwand sein, und es ist nicht wahrscheinlich, 
dass sie sich in diesem Brauche von den Aegyptern 
unterschieden. 

Pollux?, der ein Jahrhundert nach Plinius und in 
Aegypten geboren wurde, drückt sich deutlich über die 


1 Plinius, Hist. plant., 1. 19, e. 1. 
2 Pollux, Onomasticon, Mu in: C. Ritter, a. a. 23 + 26. 


99 


516 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Baumwollpflanze aus, deren Fasern von seinen Lands- 
leuten verwerthet wurden; er sagt aber nicht, von wo 
der Strauch stammte und es lässt sich nicht bestimmen, 
ob dies Gossypium arboreum oder herbaceum war. Man 
ersieht selbst nicht einmal, ob die Pflanze in Unter- 
ägypten angebaut wurde, oder ob man die Baumwolle 
aus den südlichen Regionen erhielt. Trotz dieser 
Zweifel kann man sich der Vermuthung hingeben, dass 
sich eine Baumwollpflanze, wahrscheinlich die von Ober- 
ägypten, vor kurzem nach dem Nildelta eingeführt hatte. 
Die Art, welche Prosper Alpini im 16. Jahrhundert in 
Aegypten angebaut gesehen hatte, war die baumartige 
Baumwollpflanze. Die Araber und später die Europäer 
haben die krautartige Baumwollpflanze nach verschie- 
denen Ländern verpflanzt, indem sie dieselbe der baum- 
artigen vorzogen, welche ein weniger gutes Erzeugniss 
liefert und mehr Wärme beansprucht. 

In Vorstehendem habe ich mich bezüglich der zwei 
Baumwollpflanzen der Alten Welt so wenig wie möglich 
solcher Belege bedient, welche griechischen Namen wie 
Buscos, owwöov, Evhov, OSuv etc., oder Sanskrit- und vom 
Sanskrit abgeleiteten Namen, wie Carbasa, Carpas, oder 
hebräischen Namen, wie Schesch, Buz, die man mit Zweifel 
auf Baumwolle bezieht, entlehnt sind. Dies ist ein Gegen- 
stand, der zu sehr vielen Erörterungen Veranlassung 
gegeben hat!; durch die genauere Unterscheidung der 
Arten, die Entdeckung ihres Vaterlandes, haben diese 
Fragen aber sehr an Bedeutung verloren, wenigstens 
für die Naturforscher, denen Thatsachen lieber sind als 
Worte. Ausserdem sind Reynier und nach ihm Karl 
Ritter bei ihren Forschungen zu einer Schlussfolgerung 
gelangt, welche man sich in Erinnerung bringen muss, 
dass nämlich dieselben Namen bei den Alten oft auf 
verschiedene Pflanzen oder Gewebe bezogen worden 


1 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs, S. 363; Bertoloni, Nov. 
act. Acad. bonon., II, 213, und Miscell. bot., VI; Viviani, in Bibl. ital., 
LXXXI, 94; Ritter, Geogr. Verbreitung der Baumwolle; Targioni, Cenni 
storici, S. 93; Brandis, Die Baumwolle im Alterthum (1866). 


Baumwollpflanze von Barbadoes. 517 


sind, z. B. auf die Leinwand und Baumwolle. In die- 
sem Falle wie in vielen andern gibt die Botanik der 
Neuzeit eine Erklärung für die alten Worte, während 
die Worte und Commentare der Sprachforscher irre- 
leiten können. 


Gossypium  barbadense, Linne, — Baumwollpflanze 
von Barbadoes (fr. Cotonnier de Barbade). 

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas fanden die Spa- 
nier die Cultur und die Anwendung der Baumwolle von 
den Antillen nach Peru und von Mexico nach Brasilien 
allgemein begründet. Dies ist eine von allen Geschicht- 
schreibern jener: Epoche festgestellte Thatsache. Von 
welchen Arten rührte aber diese amerikanische Baum- 
wolle her und in welchen Ländern waren jene ein- 
heimisch? Es hält noch sehr schwer, dies in Erfahrung 
zu bringen. Die Unterscheidung der amerikanischen 
Arten oder Varietäten befindet sich in einem entsetz- 
lichen Wirrwarr. Selbst die Autoren, welche grosse 
Sammlungen von lebenden Baumwollpflanzen gesehen 
haben, stimmen in Bezug auf ihre besondern Merkmale 
nicht En Sie fühlen sich auch durch die Schwie- 
rigkeit behindert, zu wissen, welche specifischen Namen 
von Linn& beibehalten werden müssen, denn die ur- 
sprünglichen Begrenzungen sind nicht genügend. Die 
Einführung von amerikanischen Samen in die Culturen 
. Afrikas und Asiens hat diese Fragen noch mehr ver- 
wirrt, da die Botaniker von Java, Kalkutta, Bourbon 
ete. oft amerikanische Formen als Arten unter verschie- 
denen Namen beschrieben haben. Todaro lässt etwa 
zehn amerikanische Arten zu, Parlatore reduzirt solche 
auf drei, welche ihm zufolge dem Gossypium hirsutum, 
G. barbadense, G. religiosum von Linné entsprechen; 
schliesslich vereinigt Dr. Masters alle amerikanischen 
Formen unter einer einzigen, welche er @. barbadense 
nennt; als Hauptcharakteristicum für dieselbe führt er an, 
dass der Same ausschliesslich von langen Haaren um- 
- geben ist, während die Arten der Alten Welt einen kurzen 


518 . Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Flaum unterhalb der verlängerten Haare besitzen.! Die 
Blume ist gelb mit rothem Grunde. Die Baumwolle 
ist weiss oder gelb. Parlatore hat sich bemüht, 50 
oder 60 der angebauten Formen nach Sicht der in den 
Gärten oder Herbarien vorhandenen Pflanzen in die drei 
von ihm zugelassenen Arten zu bringen. Von Dr. Masters 
werden wenige Synonyme erwähnt, und es ist möglich, 
dass sich gewisse Formen, welche ihm unbekannt wa- 
ren, nicht in die Begrenzung seiner einzigen Art hinein- 
‚bringen lassen. 

Bei einer derartigen Verwirrung würde es für die 
Botaniker am gerathensten sein, nach den in Amerika 
spontanen Gossypiumpflanzen zu forschen, die Arten 
oder die Art ausschliesslich auf sie zu begründen und 
den angebauten Formen ihre barocken, häufig abge- 
schmackten Namen, welche über den Ursprung nur irre- 
leiten, zu lassen. Ich trete mit dieser Ansicht hervor, 
weil ich bei keiner andern Gattung von angebauten 
Pflanzen so sehr davon durchdrungen bin, dass die 
Naturgeschichte sich auf natürliche Thatsachen und 
nicht auf künstliche Producte der Cultur stützen muss. 

Will man von diesem Gesichtspunkte ausgehen, wel- 
cher das Verdienst besitzt, eine wirklich wissenschaft- 
liche Methode zu sein, so muss man leider feststellen, 
dass die Kenntnisse über die in Amerika einheimischen 
Baumwollpflanzen noch sehr wenig fortgeschritten sind. 
Höchstens lassen sich zwei Sammler namhaft machen, 
welche wirklich spontane Gossypiumpflanzen gefunden 
haben, die dieser oder jener angebauten Form ähnlich 
sind oder mit ihr sehr übereinstimmen. 

Selten nur kann man. sich auf alte Botaniker und 
Reisende in Bezug auf die spontane Eigenschaft einer 
Pflanze verlassen. Die Baumwollpflanzen gehen zu- 
weilen in der Nachbarschaft der Anpflanzungen auf und 
naturalisiren sich in geringerm oder hôüherm Grade, 


1 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, I, 322, und in Hooker, 
Flora of Brit. India, I, 347. 


i Baumwollpflanze von Barbadoes. 519; 


indem der Flaum ihrer Samen die zufälligen Wande- 
rungen erleichtert. Der gewöhnliche Ausdruck der alten 
Autoren: die Baumwollpflanze von dem und dem Namen 
wächst in jenem Lande, bezieht sich häufig auf eine an- 
gebaute Pflanze. Linné selbst, mitten im 18. Jahrhundert, 
sagt häufig von einer angebauten Art: „Habitat“, ja er 
gebraucht es bisweilen in etwas leichter Weise.! Unter 
den Autoren des 16. Jahrhunderts wird Hernandez 
als einer der genauesten genannt, ein in Mexico wild- 
wachsendes Gossypium beschrieben und abgebildet zu 
haben; das Original ruft aber bezüglich der spontanen? 
Bedingung dieser Pflanze einige Zweifel hervor, von 
Parlatore wird dieselbe zu @. hörsutum, Linne, gebracht. 
In seinem Pflanzenkatalog Mexicos begnügt sich Hems- - 
ley*, von einem Gossypium, welches er barbadense nennt, 
zu sagen: „angebaut und wildwachsend“. Für letztere 
Bedingung liefert er keinerlei Beweise. Mac-Fadyen* 
spricht von drei auf Jamaica wildwachsenden und an- 
gebauten Formen. Er legt ihnen specifische Namen 
bei und fügt hinzu, dass sie vielleicht zu @. hirsutum, 
 Linné, gehören. Von Grisebach® wird die Spontaneität 
einer Art, G. barbadense, auf den Antillen zugelassen. 
In Bezug auf specifische Unterscheidungen erklärt er, 
sie nicht mit Sicherheit feststellen zu können. 

Für Neugranada beschreibt Triana® ein Gossypium, 
welches er G. barbadense, Linne, nennt; er sagt von 
demselben: „angebaut und subspontan längs des Rio 
Seco, Provinz Bogota, und in dem Caucathale, bei Cali“, 
und fügt eine Varietät hörsutum hinzu, welche am Rio 
Seco entlang wächst (ob spontan, wird nicht gesagt). 

Für Peru, Guyana und Brasilien ” kann ich keine 


1 So hat er beispielsweise von Gossypium herbaceum, welches den vor 
ihm bekannten Thatsachen zufolge sicherlich der Alten Welt angehört, 
gesagt: Habitat in America. 

2 Nascitur in calidis, humidisque, cultis praecipue, locis (Hernandez, 
Novae Hispaniae thesaurus, S. 308). 

3 Hemsley, Biologia centrali-americana, I, 123. 

4 Mat-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 72. 

5 Grisebach, Flora of Brit. W. India Islands, S. 86. 

6 Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granatensis, S. 170. 

7 Die Malvaceen sind in der Flora brasiliensis noch nicht erschienen, 


520 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


übereinstimmende Aussage entdecken; in der von Cl. 
Gay! veröffentlichten Flora Chiles wird aber ein Gossy- 
pium „als fast spontan in der Provinz Copiapo“ er- 
wähnt, welches der Autor auf die Form des @. peru- 
vianum, Cavanilles, bezieht. Cavanilles stellt diese 
Pflanze aber nicht als spontan hin, und Parlatore classi- 
ficirt sie mit @. religiosum, Linne. 

Eine für die Cultur wichtige Form ist die der lang- 
haarigen Baumwolle, von den Anglo-Amerikanern Sea 
island oder Long staple cotton genannt, die Parlatore 
zu G. barbadense, Linné, bringt. Sie soll amerikani- 
schen Ursprungs sein, niemand hat sie aber wildwach- 
send gesehen. 

Kurz, wenn die historischen Schriftstücke zuverlässig 
sind in Bezug auf die Verwendung der Baumwolle in 
Amerika seit den der Ankunft der Europäer weit vor- 
hergehenden Zeiten, so ist der spontane Wohnsitz der 
Pflanze oder der Pflanzen, welche diesen Stoff lieferten, 
noch sehr wenig bekannt. Bei dieser Gelegenheit wird 
uns das Fehlen ähnlicher Werke für das tropische Ame- 
rika wie über die englischen und holländischen Colo- 
nien Afrikas und Asiens recht fühlbar. 


Arachis hypogaea, Linne. — Erdnuss (fr. Arachide, 
Pistache de terre). 

Nichts ist seltsamer, als die Befruchtungsweise dieser 
einjährigen Leguminose, welche in allen heissen Län- 
dern, sei es ihrer essbaren Samen wegen, sei es zur 
Gewinnung des in den Keimblättern enthaltenen Oels, 
angebaut wird.” In der „Flora brasiliensis“, Bd. XV, 
Taf. 23, hat Bentham hierüber sehr interessante Einzel- 
heiten gegeben, aus welchen man ersieht, wie das Blüten- 
stielchen sich nach der Blüte krümmt und die Hülse 
in der Erde vergräbt. 


1 C1. Gay, Flora Chilena, I, 312. 

2 Gardeners’ Chronicle vom 4. Septbr. 1880 gibt Einzelheiten über die 
Cultur dieser Pflanze, über die Verwerthung ihrer Samen und über die 
ungeheuere Ausfuhr, die gegenwärtig von der Westküste Afrikas, von 
Brasilien, Indien u. s. w. nach Europa stattfindet. 


Erdnuss. 521 


Ueber den Ursprung der Erdnuss wurde während eines 
Jahrhunderts gestritten, selbst von Botanikern, die gute 
Methoden anwandten, um ihn zu entdecken. Es dürfte 
von Nutzen sein, zu sehen, wie man zur Wahrheit ge- 
langt ist; dies kann als Wegweiser für ähnliche Fälle 
dienen. Ich will somit zunächst das wiederholen, was 
ich im Jahre 1855! gesagt habe, und werde damit 
schliessen, neue Beweise anzuführen, in deren Gefolge 
keine Zweifel mehr aufkommen können. 

„Linne? hatte von der Erdnuss gesagt: «Sie bewohnt 
Surinam, Brasilien und Peru.» Seiner Gewohnheit ge- 
mäss liess er sich nicht weiter darüber aus, ob die Art 
an diesen Ländern spontan war oder angebaut wurde. 
R. Brown® sprach sich 1818 wie folgt aus: «Wahr- 
scheinlich ist sie von China nach dem indischen Fest- 
lande, nach Ceylon und dem Malaiischen Archipel ein- 
geführt worden, wo man sie, trotz ihrer jetzt allge- 
meinen Cultur, nicht für einheimisch halten kann, und 
zwar insbesondere der Namen wegen, welche man ıhr 
beilest. Ich sehe es als nicht sehr unwahrscheinlich 
an, dass man sie von Afrika nach verschiedenen äqui- 
noctialen Regionen -Amerikas gebracht haben würde, 
obgleich sie bereits in einigen der zuerst über dieses 
Festland, namentlich über Peru und Brasilien erschie- 
nenen Schriften erwähnt wird. Sprengel zufolge hätte 
Theophrast von ihr als in Aegypten angebaut ge- 
sprochen; es ist aber durchaus nicht ersichtlich, dass die 
‘ Erdnuss diejenige Pflanze war, auf welche sich Theophrast 
bezog. Wenn man sie ehemals in Aegypten angebaut 
hätte, würde sie sich wahrscheinlich noch in jenem 
Lande finden; nun wird sie aber weder in dem Kata- 
log von Forskal, noch in der ausführlichern Flora von 
Delile angeführt. Es liegt nichts sehr Unwahrschein- 
liches in der Hypothese», fährt Brown fort, «dass die 
Erdnuss in Afrika und selbst in Amerika einheimisch 


1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 962. 
2 Linné, Species plantarum, S. 1040. 
3 R. Brown, Botany of Congo, S. 53. 


Da Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


sei; will man sie aber als nur in einem dieser Conti- 
nente einheimisch ansehen, so ist es wahrscheinlicher, 
dass sie von China auf dem Wege durch Indien nach 
Afrika gebracht sei, als dass sie ihren Weg im ent- 
gegengesetzten Sinne gemacht hätte.» Mein Vater kam 
1825 im «Prodromus» (II, 474) auf die Meinung 
Linne’s zurück. Ohne Zaudern gab er den amerika- 
nischen Ursprung zu. Wir wollen, sagte ich 1855, die 
Frage mit den Angaben, welche die Wissenschaft jetzt 
zu bieten vermag, wieder aufnehmen. 

„Arachis hypogaea war zu Brown’s Zeiten die 
einzige bekannte Art dieser eigenthümlichen Gattung. 
Seitdem hat man sechs andere Arten entdeckt, die alle 
brasilianisch sind.! Wenn wir somit die Wahrschein- 
lichkeitsregel anwenden, aus welcher Brown zuerst einen 
so grossen Vortheil gezogen hat, so neigen wir uns 
‘von vornherein der Ansicht eines amerikanischen Ur- 
sprungs zu. Wir wollen auch nicht vergessen, dass 
Marcgraf? und Piso? die Pflanze als in Brasilien vor- 
kommend beschreiben und abbilden unter dem Namen 
Mandubi, welcher einheimisch zu sein scheint. Sie führen 
Monardes, einen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts an, 
der sie in Peru mit einem verschiedenen Namen, Anchic, 
erwähnt hat. Joseph Acosta* spricht nur von dem 
einen jener in Amerika gebräuchlichen Namen, Mani, 
und zwar bei Besprechung der Arten, die nicht fremden 
Ursprungs in Amerika sind. In Guyana, auf den An- 
tillen und in Mexico war die Erdnuss nicht seit alters 
her bekannt. Aublet? führt sie als angebaute Pflanze 
nicht in Guyana, aber auf der Insel Mauritius an. Her- 
nandez lässt sie unerwähnt. Sloane® hatte sie nur in 
einem Garten aus Samen von Guinea gezogen ange- 
troffen. Er berichtet, dass die Sklavenhändler ihre 


1 Bentham, in: Trans. Linn. Soc., XVIII, 159; Walpers, Reperto- 
rium, I, 727. 

2 Marcgraf et Piso, Brasil. (1648), S. 37. 3 Ebend. (1658), S. 256. 

4 Acosta, Hist. nat. Ind., trad. france. (1598), S. 165. 

5 Aublet, Pl. Guyan., S. 765. 6 Sloane, Jamaica, S. 184. 


Erdnuss. 523 


Schiffe damit beluden, um die Sklaven während der 
Ueberfahrt zu ernähren, was auf eine damals in Afrıka 
sehr verbreitete Cultur hinweist. In der zweiten Aus- 
gabe (1658, S. 256), in jener von 1648 nicht, bildet 
Piso eine sehr ähnliche Frucht ab, die von Afrika nach 
Brasilien unter dem Namen Mandobi gebracht war, der 
dem für die Arachis gebräuchlichen Mundubi sehr nahe- 
steht. Nach den drei Blättchen der Pflanze zu schliessen, 
würde dies die in Afrika so häufig angebaute Voandzeia 
sein; die Frucht scheint mir aber länglicher, als man 
sie für diese Gattung angibt, und sie enthält zwei oder 
drei Samen statt eines oder zweier. Wie dem auch 
immer sein möge, die von Piso begründete Unterschei- 
dung zwischen diesen beiden Samen, von denen der 
eine brasilianisch, der andere afrikanisch ist, läuft auf 
die Vermuthung hinaus, dass die Erdnuss von Brasi- 
lien stammt. 

„Das hohe Alter und die Allgemeinheit ihrer Cultur 
in Afrika ist indessen ein Beleg von einigem Gewicht, 
welcher bis zu einem gewissen Grade dem hohen Alter 
in Brasilien und dem Auftreten von sechs andern Arachis- 
arten allein in diesem Lande das Gleichgewicht hält. Ich 
würde demselben eine grosse Bedeutung beimessen, wenn 
die Arachis von den alten Aegyptern und den Arabern 
gekannt worden wäre; durch das Stillschweigen der 
griechischen, lateinischen und arabischen Autoren, wie 
durch das Fehlen der Art zu Forskal’s Zeiten, gelange 
ich zu der Vermuthung, dass ihre Cultur in Guinea, 
am Senegal! und an der Ostküste Afrikas? nicht auf 
eine sehr alte Zeit zurückgeht. Ebenso wenig sind ıhr 
Merkmale von einem sehr hohen Alter in Asien eigen. 
Man kennt in der That keinen Sanskrit-°, sondern nur 
einen Hindustani-Namen für sie. Rumphius* zufolge 
wäre sie von Japan nach mehreren Inseln des In- 
dischen Archipels eingeführt worden. Sie hätte damals 


1 Guillemin et Perrottet, Flora seneg. 2 Loureiro, Fl. cochinch. 
3 Roxburgh, Fl. ind., III, 280; Piddington, Index. 
4 Rumphius, Herb. amboin., V, 426 u. 427. 


524 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


‚nur fremde Namen gehabt, wie z. B. den chinesischen, 
welcher einfach Erdbohne bedeutet. Zu Ende des ver- 
flossenen Jahrhunderts war sie in China und Cochin- 
china allgemein angebaut. Nun stellt sich aber der 
Ansicht des Rumphius von einer Einführung nach den 
Inseln von Japan oder China aus die Thatsache ent- 
gegen, dass Thunberg sie in seiner „Flora japonica“ 
nicht erwähnt. Japan hat aber seit 16 Jahrhunderten 
Beziehungen zu China gehabt, und die angebauten ein- 
heimischen Pflanzen des einen dieser beiden Länder sind 
gewöhnlich frühzeitig in das andere übergegangen. 
Sie wird auch nicht von Forster unter den auf den 
kleinen Inseln der Südsee gebräuchlichen Pflanzen an- 
gegeben. Die Gesammtmasse dieser Thatsachen lässt 
den amerikanischen, ich will sogar sagen brasilianischen 
Ursprung vermuthen. 

„Keiner der von mir zu Rathe gezogenen Autoren 
berichtet, die spontane Pflanze, sei es in der Alten, sei 
es in der Neuen Welt, gesehen zu haben. Diejenigen, 
welche über Afrika oder Asien sprechen, haben sich 
bestrebt, zu bemerken, dass die Pflanze dort angebaut 
wurde. Für Brasilien sagt Marcgraf dies nicht; Piso 
gibt die Art als ausgesäet an.“ 

Samen der Erdnuss sind in den peruanischen Gräbern 
von Ancon! gefunden worden, was auf ein altes Vor- 
kommen in Amerika schliessen lässt und meine Meinung 
von 1855 unterstützt. 

Das Studium der chinesischen Bücher durch Dr. Bret- 
schneider? wirft die Hypothese von Brown um. Die 
Erdnuss wird in den alten Werken dieses Landes nicht 
erwähnt, selbst nicht einmal in dem ım 16. Jahrhundert 
veröffentlichten ‚Pent-sao“. Bretschneider fügt hinzu, 
dass die Einführung seinem Dafürhalten nach erst im 
verflossenen Jahrhundert stattfand. 

Alle neuern Floren Asiens und Afrikas erwähnen die 


1 Rochebrune, nach dem im Botanischen Centralblatt, 1880, S. 1634, 
enthaltenen Auszuge. Für das Datum vgl. S. 429. 
2 Bretschneider, On the study and value of Chinese bot. works, S. 18. 


| 


Kaffeebaum. 525 


Art als angebaut, und die meisten Autoren glauben für 


.sie an einen amerikanischen Ursprung. Nachdem Bent- 


ham festgestellt hatte, dass man sie weder in Amerika 
noch anderswo wildwachsend angetroffen habe, lässt er 
die Meinung laut werden, dass sie vielleicht eine von 
den sechs andern in Brasilien spontanen Arten der Gat- 
tung abgeleitete Form sei, doch sagt er nicht von 
welcher. Dies ist ziemlich wahrscheinlich, denn eine in 
so besonderer und wirksamer Weise zum Keimen aus- 
gestattete Pflanze scheint nicht zum Aussterben ver- 
anlagt zu sein. Man würde sie in Brasilien in dem- 
selben Zustande wie die angebaute Pflanze gefunden 
haben, wenn letztere nicht ein Erzeugniss der Cultur 
wäre. Die Werke über Guyana und andere amerika- 
nische Regionen führen die Art als angebaut an. Von 
Grisebach ! hören wir ausserdem, däss sie sich auf meh- 
reren der Antillen ausserhalb des Culturbereichs natu- 
ralisirt. 

Es ist kaum anzunehmen, dass eine Gattung, von 
welcher alle ihre gut bekannten Arten so in einer 
einzigen Region Amerikas vereinigt sind, eine Art ent- 
halte, die der Neuen und Alten Welt gemeinschaftlich 
angehöre. Dies würde eine allzu grosse Ausnahme von 
den für gewöhnlich bestehenden Grundlehren der Pflan- 
zengeographie sein. Dann fragt man sich aber, auf 
welche Weise die Art (oder angebaute Form) ihren 
Uebergang vom amerikanischen Continent nach der Alten 
Welt bewerkstelligt habe. Die Ansicht scheint mir 
nicht zu fernliegend zu sein, dass eine Verpflanzung 
von Brasilien nach Guinea durch die ersten Sklaven- 
händler ins Werk gesetzt worden sei, an welche sich 
weitere Transporte von Brasilien nach den Inseln im 
Süden Asiens durch die Portugiesen seit Ende des 
15. Jahrhunderts anschlossen. 


Coffea arabica, Linne. — Kaffeebaum (fr. Cafeier). 
Dieser kleine Baum aus der Familie der Rubiaceen 


1 Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 189. 


526 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


ist in Abessinien!; im Sudan? und an den beiden ent- 
gegengesetzten Küsten von Guinea und Mozambique? 
wildwachsend. Vielleicht hat er sich in letztern vom 
Centralpunkt entfernten Localitäten infolge der Culturen 
naturalisirt. Niemand hat ihn bisjetzt in Arabien ge- 
funden, dies mag aber von der Schwierigkeit herrühren, 
in das Innere des Landes einzudringen. Sollte man 
ihn dort entdecken, so wird es nicht leicht sein, die 
spontane Beschaffenheit festzustellen, denn die Samen, 
welche ihre Keimkraft rasch verlieren, gehen häufig in 
der Nähe von Culturen auf und naturalisiren die Art. 
Das hat man in Brasilien und auf den Antillen ge- 
sehen, wo man mit Gewissheit weiss, dass der Kaffee- 
baum nie einheimisch gewesen ist. 

Der Gebrauch des Kaffees scheint in Abessinien alt 
zu sein. Shehabeddin Ben, Verfasser einer arabischen 
Handschrift aus dem 15. Jahrhundert (Nr. 944 der pariser 
Bibliothek), welchen John Ellis’ in seiner ausgezeich- 
neten Abhandlung anführt, berichtet, dass man den 
Kaffee seit undenklichen Zeiten in Abessinien gebrauchte. 
Es hatte sich dieser Gebrauch, selbst als Arzneimittel, 
nicht nach den benachbarten Ländern verbreitet, denn 
die Kreuzfahrer wussten nichts davon, und der be- 
rühmte, in Malaga geborene Arzt Ebn Baithar, welcher 
zu Anfang des 13. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung 
Nordafrika und Syrien durchwandert hatte, sagt kein 
Wort vom Kaffee.5 Im Jahre 1596 schickte Bellus an 
Clusius Samen, aus welchem die Aegypter das Getränk 
Cave bereiteten.” Ungefähr zur selben Zeit hatte Prosper 
Alpini in Aegypten selbst Kenntniss davon erlangt. Er 
bezeichnet den Strauch unter dem Namen „arbor Bon, 


1 Richard, Tentamen fl. abyss.; I, 349; Oliver, Flora of tropical Africa, 

III, 180. 
*2 Ritter, angeführt in: Flora, 1846, S. 704. 

3 Meyen, Pflanzengeographie, englische Uebersetzung, S. 384; Grise- 
bach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 338. 

4 H. Welter, Essai sur l’histoire du café (Paris 1868). 

5 Ellis, An historical account of Coffee (1774). 

6 Ebn Baithar, übers. von Sondtheimer, Bd. II (1842). 

7 Bellus, Epist. ad Clus., S. 309. 


2 


Kaffeebaum. 527 


cum fructu suo Buna“. Der Name Bon findet sich auch 


bei den ersten Autoren unter der Form von Bunnu, 


Buncho, Bunca! wieder. Die Namen von Cahue, Cahua, 
Chaube?, Cave? bezogen sich in Aegypten und Syrien 
vielmehr auf das zubereitete Getränk und sind der Ur- 
sprung des Wortes Kaffee geworden. Der Name 
Bunnu oder ein diesem ähnlicher ist so gewiss der 
ursprüngliche Name der Pflanze, dass die Abessinier 
sie noch heutzutage Bun nennen.* 

Wenn der Gebrauch des Kaffees in Abessinien älter 
ist als anderswo, so beweist’ dies noch nicht, dass die 
Cultur daselbst eine sehr alte ist. Sehr möglich ist 
es, dass man während Jahrhunderten die Bohnen in 
den Wäldern eingesammelt hat, wo sie zweifelsohne 
sehr gemein waren. Dem oben citirten arabischen 
Schriftsteller zufolge hätte ein mit ihm fast zu gleicher 
Zeit lebender Mufti von Aden Namens Gemaleddin, 
nachdem er Kaffee in Persien hatte. trinken sehen, diese 
Sitte nach Aden eingeführt, und von da würde sie sich 
nach Mokka, Aegypten u. s. w. weiter verbreitet haben. 
Derselbe Schriftsteller berichtet auch, dass der Kaffee- 
baum in Arabien wüchse.® Andere Erzählungen oder 
Ueberlieferungen kommen vor, denen zufolge es immer 
arabische Mönche oder Priester sein würden, welche das 
Kaffeegetränk erfunden hätten®, sie lassen uns aber 
ebenfalls in Ungewissheit über die erste Zeit der Cultur. 
Wie dem auch immer sei, indem sich der Gebrauch des 


Kaffees ım Morgenlande, dann im Abendlande trotz 


vieler Verbote und wunderlicher Streitigkeiten? verbrei- 
tete, ist auch die Production für die Colonien ein Gegen- 
stand von Bedeutung geworden. DBoerhaave erzählt, 
dass der Bürgermeister von Amsterdam, Nikolas Witsen, 
Director der holländischen Handelscompagnie, den Gou- 


1 Rauwolf, Clusius. 2 Rauwolf; Bauhin, Hist., I, 422. 

3 Bellus, a. a. O. 4 Richard, Tentamen fl. abyss., S. 350. 

5 Ein Auszug desselben Verfassers in: Playfair, Hist. of Arabia Felix 
(Bombay 1859), erwähnt diese Aussage nicht. 

6 Nouv. Dict. d’hist. nat., IV, 552. 

7 Ellis, a. a. O.; Nouy. Dict., a. a. O. 


598 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


verneur von Batavia, Van Hoorn, dringend aufforderte, 
Kaffeesamen von Arabien nach Batavia kommen zu 
lassen; dies geschah, und ermöglichte es Van Hoorn, 
lebende Pflänzchen davon im Jahre 1690 an Witsen zu 
schicken. Dieselben wurden in dem von Witsen ge- 
gründeten botanischen Garten in Amsterdam gepflegt 
und trugen daselbst Früchte. Im Jahre 1714 schickte 
die Behörde dieser Stadt eine kräftige und mit Früchten 
bedeckte Pflanze davon an Ludwig XIV., welcher sie 
in seinem Garten zu Marly unterbrachte. Man zog 
den Kaffeebaum auch in den Gewächshäusern des König- 
lichen Gartens in Paris. Einer der Professoren die- 
dieses Instituts, Antoine de Jussieu, hatte bereits 1713 
in den „Memoires de l’Académie des sciences“ eine 
interessante Beschreibung der Pflanze veröffentlicht, und 
zwar nach einem lebenden Exemplar, welches ihm von 
Pancras, dem Director des amsterdamer Gartens, zu- 
geschickt worden war. 

Die ersten in Amerika angepflanzten Kaffeebäume 
wurden von den Holländern im Jahre 1718 nach Suri- 
nam eingeführt. De La Motte-Aigron, Gouverneur von 
Cayenne, erhielt bei seinem Aufenthalte in Surinam 
unter der Hand einige Pflanzen und vermehrte dieselben 
1725. Nach Martinique wurde der Kaffeebaum durch 
einen Marineoffizier Namens de Clieu? eingeführt, dies 
soll nach Deleuze im Jahre 1720, nach den , Notices 
statistiques sur les colonies françaises“ * im Jahre 1723 


1 Diese Darstellung ist entlehnt aus: Ellis, Diss. Caf., S. 16. Die 


Notices statistiques sur les colonies françaises, II, 46, sagen: „Gegen das . 


Jahr 1716 oder 1721 wurden frische Kaffeesamen, trotz der Ueberwachung 
der Holländer, heimlich von Surinam gebracht, und setzte sich die Cultur 
dieser Colonialwaare in Cayenne fest.‘ 

2 Der Name dieses Seemanns ist je nach den Werken verschieden- 
artig geschrieben worden: Declieux, Duclieux, Desclieux. Nach Erkundi- 
gungen, die ich im Kriegsministerium eingezogen habe, war de Clieux 
ein mit dem Grafen von Maurepas verwandter Edelmann. In der Nor- 
mandie geboren, war er 1702 in die Marine eingetreten und hatte nach 
einer sehr ehrenwerthen Carrière im Jahre 1760 seinen Abschied genom- 
men. Seine Dienstzeugnisse habe ich in einer Anmerkung meiner Géo- 
graphie botanique, S. 971, angeführt. Er starb 1775. Die officiellen Be- 
richte haben es nicht unterlassen, die wichtige Thatsache anzuführen, 
dass er den Kaffeebaum nach den französischen Colonien eingeführt hatte. 

3 Deleuze, Hist. du Muséum, I, 20. 

4 Notices statist. sur les colonies francaises, I, 30. 


Ber 


if 


6 


Kaffeebaum. 529 


stattgefunden haben. Von dort führte man ihn nach 
den andern französischen Inseln ein, z. B. 1730 nach 
Guadeloupe. Sir Nicolas Lawes baute ihn zuerst auf 
Jamaica an.” Vom Jahre 1718 an hatte die französische 
Handelscompagnie Mokka-Kaffeepflanzen nach der Insel 
Bourbon geschickt*, nach andern®* geschah es schon 
1717, dass ein gewisser Dufougerais-Grenier von Mokka 
Kaffeepflanzen nach dieser Insel kommen liess. Bekannt 
ist es, wie sich die Cultur dieses Strauchs auf Java, 
Ceylon, den Antillen und in Brasilien verbreitet hat. 
Nichts hält sie davon ab, sich in den meisten 


intertropischen Ländern weiter auszudehnen, um so 


mehr, als der Kaffeebaum auf abfälligem und ziemlich 
dürrem Terrain fortkommt, wo andere Erzeugnisse nicht 
gedeihen können. In der tropischen Landwirthschaft 
ist er ein Ersatz für die Weinrebe in Europa, den 
Theestrauch in China. 

Weitere Details finden sich in dem von H. Welter’ 
veröffentlichten Bande über die wirthschaftliche und 
commerzielle Geschichte des Kaffees. Der Verfasser hat 
selbst ein interessantes Kapitel über die verschiedenen 
Surrogate hinzugefügt, mit welchen man bald in ziem- 
lich befriedigender, bald in sehr ungenügender Weise 
einen Samen zu ersetzen sucht, der in seinem Natur- 
zustande gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. 


Coffea liberica, Hiern.° — Liberischer Kaffeebaum (fr. 


' Cafeier de Liberie). 


Pflanzen dieser Art, welche in Liberien, Angola, Go- 
lungo alto? und wahrscheinlich in mehreren andern 
Gegenden des tropischen Westafrika wildwachsend auf- 


1 Notices statist. sur les colonies francaises, I, 209. 

2 Martin, Statist. colon. Brit. Emp. 

3 Nouv. Dict. d’hist. nat., IV, 135. 

4 Notices statist. sur les colonies françaises, II, 84. 

5 H. Welter, Essai sur l’histoire du café (Paris 1868). 

6 Hiern, Transactions of the Linnean Society, Serie 2, I, 171, 
Taf. 24. Diese Abbildung findet sich in dem Bericht über den Königlichen 
Garten zu Kew vom Jahre 1376. 

7 Oliver, Flora of tropical Africa, III, 181. 


DE CANDOLLE. 34 


530 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


treten, sind seit einigen Jahren vom Königlichen Garten 
in Kew nach den englischen Colonien geschickt worden. 

Das Wachsthum ist ein kräftigeres als jenes des ge- 
meinen Kaffeebaums, und die grössern Samen ergeben 
eine ausgezeichnete Waare. Die officiellen Berichte 
des Gartens zu Kew, veröffentlicht von seinem gelehrten 
Director, Sir Joseph Hooker, machen uns mit den Fort- 
schritten dieser Einführung bekannt, welche besonders 
auf Domingo in hohem Ansehen steht. 


Madia sativa, Molina. — Madia. 

Vor der Entdeckung Amerikas bauten die Bewohner 
von Chile diese einjährige Compositenart wegen ihres 
in den Samen enthaltenen Oels an. Seitdem viele Oel- 
bäume gepflanzt wurden, wird die Madia von den Chi- 
lenen gering geachtet, welche sich nur über die Pflanze 
als ein in ihren Gärten unbequemes Unkraut beschweren.! 
Dann haben sich die Europäer daran gemacht, sie an- 
zubauen, freilich nur mit einem mittelmässigen Erfolge, 
da ihre Blütenköpfchen einen schlechten Geruch be- 
sitzen. | 

Die Madia ist in Chile und ebenso in Californien ? 
einheimisch. Man kennt noch andere Beispiele von 
solcher Theilung des Wohnsitzes zwischen den beiden 
Ländern.® 


Myristica fragrans, Houttuyn. — Muskatnussbaum 
(fr. Muscadier). 

Dieser kleine Baum aus der Familie der Myristica- 
ceen ist auf den Molukken spontan, besonders auf den 
Banda-Inseln.* Nach der beträchtlichen Anzahl seiner 
Varietäten zu. schliessen, wird er dort seit einer sehr 
langen Zeit angebaut. 

Die Europäer erhielten die Muskatnuss seit dem 


1 Cl. Gay, Flora Chilena, IV, 268. 

2 Asa Gray, Botany of California, I, 359. 

3 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 1047. 
4 Rumphius, Amboin., II, 17; Blume, Rumphia, I, 180. 


Muskatnussbaum. Sesam. 531 


Mittelalter durch den Handel Asiens; es haben sich 
aber seit lange die Holländer das Monopol seiner Cultur 
gesichert. Als die Engländer zu Ende des verflossenen 
Jahrhunderts die Molukken in Besitz hielten, haben 
sie lebende Muskatnussbäume nach andern Inseln ge- 
bracht.! Dieser Baum hat sich dann auf Bourbon, 
Mauritius, Madagascar und in einigen Üolonien des 
tropischen Amerika weiter ausgebreitet, vom commer- 
ziellen Gesichtspunkte aus jedoch nur mit einem mit- 
telmässigen Erfolge. 


Sesamum indicum, de Candolle. $. indicum und 8. 
orientale, Linne. — Sesam. 

Der Sesam wird seit sehr langer Zeit in den warmen 
Regionen der Alten Welt seines aus den Samen > 
wonnenen Oeles wegen angebaut. 

Die Familie der Sosameent zu welcher diese ein- 
jäbrige Pflanze gehört, wird aus mehreren Gattungen 
zusammengesetzt, die in den tropischen Regionen Asiens, 
Afrikas und Amerikas verbreitet sind. Die Gattung 
 Sesamum, im weitesten Sinne genommen?, hat etwa zehn 
Arten, die alle afrikanısch sind, mit Ausnahme vielleicht 
der angebauten Art, nach deren Ursprung wir suchen 
wollen. Diese bildet für sich allein die echte Gattung 
Sesamum, welche ın dem Werke von Bentham und 
Hooker eine Unterabtheilung ausmacht. Die botanische 
Analogie dürfte auf einen afrikanischen Ursprung hin- 
“ weisen, man weiss aber, dass es viele Pflanzen gibt, 
deren Wohnsitz sich von Südasien nach Afrika erstreckt. 

Die Sesampflanze zeigt zwei Rassen, die eine mit 
schwarzen, die andere mit weissen Samen, und mehrere 
Varietäten in Bezug auf die Form der Blätter. Die 
Farbenverschiedenheit der Samen geht auf ein hohes 
Alterthum zurück, wie solches sich auch bei der Mohn- 
pflanze zeigt. 


1 Roxburgh, Flora indica, III, 845. 
2 Bentham et Hooker, Genera plantarum, II, 1059. 


34* 


532 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Die Samen verbreiten sich häufig ausserhalb der Cul- 
turen und naturalisiren die Art mehr oder weniger. 
Man hat sie in sehr weit voneinander entfernten Re- 
gionen angetroffen, z. B. in Indien, auf den Sunda-In- 
seln, in Aegypten und selbst auf den Antillen, wo die 
Cultur sicherlich neuerer Einführung ist.! Dies ist 
vielleicht der Grund, weshalb kein Autor die Pflanze 
im wildwachsenden Zustande angetroffen haben will. 
Blume?, ein sehr zuverlässiger Beobachter, macht hiervon 
eine Ausnahme, er erwähnt eine Varietät mit röthern 
Blumen als gewöhnlich, die in den Bergen Javas wächst. 
Dies ist ohne Zweifel ein Fingerzeig für den Ursprung, 
zum wirklichen Beweise bedarf es solcher aber mehr. 
Ich werde sie in der Geschichte des Anbaues suchen. 
Das Land, wo derselbe angefangen hat, muss der alte 
Wohnsitz der Art sein oder mit diesem alten Wohnsitz 
in Beziehung gestanden haben. 

Dass die Cultur in Asien auf eine sehr fern gelegene 
Epoche zurückgeht, unterliegt nach der Verschiedenheit 
der Namen keinem Zweifel. Der Sesam heisst im San- 
skrit Tia, im Malaiischen Widjin, im Chinesischen Moa 
(nach Rumphius) oder Chi-ma (nach Bretschneider), im 
Japanischen Koba.* Der Name Sesam ist, einige unbe- 
deutende Buchstabenabänderungen ausgenommen, im 
Griechischen, Lateinischen und Arabischen derselbe. Dar- 
aus könnte man schliessen, dass der Wohnsitz ein sehr 
ausgedehnter war und dass man die Pflanze in mehreren 
Ländern für sich anzubauen angefangen hatte. Man 
darf aber einem derartigen Belege nicht zu viel Be- 
deutung zuschreiben. Die chinesischen Werke lassen 
schliessen, dass der Sesam nach China nicht vor der 
christlichen Zeitrechnung eingeführt worden ist. Die 
erste, ziemlich sichere Notiz findet sich in einem Buche 


1 Pickering, Chronol. History of Plants, S. 223; Rumphius, Herb. 
amboinense, V, 204; Miquel, Flora indo-batava, II, 760; Schweinfurth und 
Ascherson, Aufzählung, S. 273; Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 458. 

2 Blume, Bijdragen, S. 778. 

3 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 100; Piddington, Index. 

4 Thunberg, Flora japon., S. 254. 


Sesam. 533 


aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, welches den Titel 
„Isi min yao schu“! führt. Vordem herrschte einige 
Namensverwirrung mit dem Lein, dessen Samen eben- 
falls Oel liefert und welcher in China nicht seit langer 
Zeit vorkommt.? 

Theophrast und Dioscorides berichten, dass die Aegyp- 
ter eine Sesam genannte Pflanze anbauten, um Oel 
daraus zu gewinnen, und Plinius fügt hinzu, dass die- 
selbe aus Indien stamme.® Er spricht auch von einem 
in Aegypten wildwachsenden Sesam, aus welchem Oel ge- 
wonnen würde, dies war aber wahrscheinlich die Ricinus- 
pflanze.* Der Beweis ist nicht geliefert worden, dass 
die alten Aegypter vor der Zeit des Theophrast den 
Sesam angebaut haben. Man hat in den Denkmälern 
weder eine Abbildung noch Samen von ihm gefunden. 
Eine Zeichnung der Grabstätte von Rhamses Ill. führt den 
Brauch vor, kleine Samen mit dem Mehl für feineres 
Backwerk zu vermischen, und heutzutage geschieht dies 
noch in Aegypten mit dem Sesamsamen; man bedient 
sich aber auch anderer Samen (Kümmel, Schwarzküm- 
mel), und es ist unmöglich, auf der Zeichnung den Se- 
sam besonders zu érkennen.5 Wenn die Aegypter die 
Art zur Zeit des Auszugs der Juden aus ihrem Lande 
(1100 Jahre vor Theophrast) gekannt hätten, würden 
die hebräischen Bücher sie wahrscheinlich wegen der 
verschiedenartigen Gebrauchsanwendungen des Samens 
und besonders des Oels erwähnt haben. Indessen ist von 
den Commentatoren keine Spur davon im Alten Testa- 
ment aufgefunden worden. Der Name Semsem oder Sim- 
sim ist ein gut semitischer, freilich wird er nur aus der 
weniger weit zürückreichenden Zeit des Talmud® und 


1 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881. 

2 Bretschneider, On the study etc., S. 16. 

3 Theophrastus, 1. 8, c. 1, 5; Dioscorides, 1. 2, c. 121; Plinius', Hist., 
1. 18, c. 10. 

4 Plinius, Hist., 1. 15, c. 7. 

5 Wilkinson, Manners and customs ete., Bd. II; Unger, Pflanzen des 
alten Aegyptens, S. 45. 

6 Reynier, Économie publique des Arabes et des Juifs, S. 431; Löw, 
Aramäische Pflanzennamen, S. 376. 


534 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


der aus der christlichen Zeitrechnung stammenden Ab- 
handlung über Landwirthschaft von Alawwam! herge- 
schrieben. Vielleicht sind es die Semiten, welche die 
Pflanze und den Namen Semsem (woraus das griechische 
Sesam) seit der Epoche der grossen Denkmäler und 
des Auszugs nach Aegypten gebracht haben. Sie haben 
dieselbe mit dem babylonischen Namen empfangen kön- 
nen, wo man, Herodot zufolge, den Sesam anbaute.? 

Eine alte Cultur in der Euphratregion steht mit dem 
Vorhandensein eines Sanskritnamens, Tila, des Tilu der 
Brahmanen (Rheede, ‚„Malabar“, I, 9, S. 105, 107) im 
Einklang, ein Wort, von welchem sich Ueberreste in 
mehreren neuern Sprachen Indiens, ganz insbesondere 
auf Ceylon vorfinden.? Somit werden wir in Ueber- 
einstimmung mit dem Ursprunge, von welchem Plinius 
sprach, nach Indien zurückgeführt, es ist aber immer- 
‘hin möglich, dass Indien selbst die Art von den Sunda- 
Inseln vor Ankunft der arischen Eroberer erhalten hat. 
Rumphius gibt für diese Inseln drei Sesamnamen an, 
die unter sich sehr verschieden sind und von dem 
Sanskritnamen völlig abweichen; dies unterstützt die 
Annahme, dass die Art auf dem Archipel ein älteres 
Vorkommen zeigt als auf dem Continent. 

Nach der Spontaneität auf Java und den historischen 
und linguistischen Belegen zu urtheilen, scheint schliess- 
lich der Sesam ursprünglich von den Sunda-Inseln ab- 
zustammen. Seit 2000 oder 3000 Jahren ist er nach 
Indien und der Euphratregion eingeführt worden, und 
nach Aegypten in einer weniger weit zurückreichenden 
Epoche, 1000—500 v. Chr. 

Man ist im Ungewissen darüber, seit welcher Zeit 
er im übrigen Afrika angebaut wird, aber die Portu- 
giesen haben ihn von der Guineaküste nach Brasilien 
gebracht.{ 


1 E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 75. 
2 Herodot, 1. 1, c. 193. 3 Thwaites, Enum., S. 209. 
4 Piso, Brasil. (1658), S. 211. 


Ricinuspflanze. 535 


Ricinus communis, Linné. — Rieinuspflanze (fr. Ricin). 

Die neuesten und anerkannt besten Werke verlegen 
das Heimatland dieser Euphorbiacee nach Südasien; zu- 
weilen führen sie gewisse Varietäten in Asien, andere 
in Afrika oder in Amerika an, ohne die angebauten 
Pflanzen von den wildwachsenden zu unterscheiden. 
Ich habe Grund zu glauben, dass sich das wirkliche 
Vaterland im intertropischen Afrika befindet, was mit 
der von Ball ausgesprochenen Meinung übereinstimmt.! 

Die Schwierigkeiten, welche diese Frage umgeben, 
sind dem hohen Culturalter in verschiedenen Ländern 
zuzuschreiben, ferner der Leichtigkeit, mit welcher sich 
die Ricinuspflanze von selbst aussäet und sich auf 
Schutthaufen und sogar auf unbebauten Ländereien na- 
turalisirt, schliesslich der Verschiedenartigkeit ihrer 
Formen, welche man häufig als Arten beschrieben hat. 
Der letzte dieser drei Punkte darf uns nicht weiter 
aufhalten, denn die sorgfältige Monographie von Dr. 
J. Müller? stellt das Vorkommen von 16 kaum erb- 
lichen Varietäten fest, welche sich durch zahlreiche 
Uebergänge miteinander vermischen und demnach in 
ihrer Gesammtheit eine einzige Art ausmachen. 

Die Zahl dieser Varietäten ist ein Fingerzeig für 
eine sehr alte Cultur. Sie unterscheiden sich mehr oder 
minder durch die Samenkapseln, die Samen, den Blüten- 
stand u. s. w. Ausserdem sind es kleine Bäume in den 
heissen Ländern, ertragen aber nicht leicht den Frost 
‘und werden nördlich von den Alpen und in ähnlichen 
Regionen einjährige Pflanzen. Man säet sie alsdann 
zum Schmuck der Gärten, während dies in den tropi- 
schen Regionen und selbst in Italien des Oeles wegen 
geschieht, welches in dem Samen enthalten ist. Dieses 
mehr oder minder abführende Oel dient in Bengalen 
und auch anderwärts zur Beleuchtung. 

In keiner Region ist die Ricinuspflanze in einer so 


1 Ball, Florae maroccanae spicilegium, S. 664. 
2 Müller, Argov., in: De Candolle, Prodromus, XV, 11, 1017. 


536  Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


gewissen Weise wildwachsend nachgewiesen worden als 
in Abessinien, ın Sennaar und Kordofan. Die Mittheilun- 
gen der Autoren und Sammler lauten ganz bestimmt. 
Die Ricinuspflanze ist in den steinigen Gegenden des 
Chirethales bei Goumalo gemein, sagt Quartin Dillon; 
sie ist spontan in den Gegenden von Obersennaar, 
welche während der Regenzeit überschwemmt sind, 
berichtet Hartmann.! Ich besitze ein Exemplar von 
Kotschy, Nr. 243, welches am Nordabhange des Berges 
Kohn in Kordofan gesammelt wurde. Die Angaben der 
Reisenden in Mozambique und an der gegenüberliegen- 
den Küste von Guinea sind nicht ganz so deutlich, es 
ist aber sehr möglich, dass sich der spontane Wohnsitz 
über einen grossen Theil des tropischen Afrika erstreckt. 
Da es sich um eine nützliche, sehr ins Auge fallende 
und leicht zu vermehrende Art handelt, haben die Neger 
sie seit langer Zeit verbreiten müssen. Sobald man 
sich jedoch dem Mittelmeer nähert, ist vom Indigenat 
nicht mehr die Rede. Schon für Aegypten geben 
Schweinfurth und Ascherson? die Art nur als angebaut 
und naturalisirt an. Wahrscheinlich hat sie sich in Al- 
gerien, Sardinien, Marokko und selbst auf den Cana- 
rischen Inseln, wo man sie besonders am sandigen 
Meeresgestade antrifft, seit Jahrhunderten naturalisirt. 
Dasselbe lässt sich von den Exemplaren sagen, welche 
Schimper von Dschedda in Arabien mitbrachte, und die 
in der Nähe einer Cisterne gesammelt waren. Indessen 
hat Forskal® die Ricinuspflanze auf den Gebirgen des 
Glücklichen Arabien gesammelt, was eine spontane 
Fundstätte andeuten mag. Boissier* führt sie für Be- 
ludschistan und Südpersien an, aber als „subspantan“, 
desgleichen für Syrien, Anatolien und Griechenland. 
Rheedeÿ spricht von der Ricinuspflanze als in Malabar 


1 Richard, Tentamen florae abyssinicae, II, 250; Schweinfurth, Plantae 
niloticae a Hartmann etc., S. 13. 
Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 262. 
Forskal, Fl. arab., S. 71. 4 Boissier, F1. orient., IV, 1143. 


Rheede, Malabar, II, 57, Taf. 32. 


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Ricinuspflanze. pat 


angebaut und im Sande wachsend, von den neuern anglo- 
indischen Botanikern wird aber in keiner Weise die Spon- 
taneität zugegeben. Mehrere schweigen ganz über die Art. 
Einige heben die Leichtigkeit hervor, mit welcher sie sich 
ausserhalb des Culturbereichs naturalisirt. Loureiro hatte 
unsere Pflanze in Cochinchina und China „angebaut und 
nicht angebaut“ gesehen, was vielleicht den Culturen ent- 
sprungen bedeuten soll. Für die Sunda-Inseln ist Rum- 
phius! wie immer eine der interessantesten Quellen. „Die 
Rieinuspflanze“, sagt er, „wächst besonders auf Java, wo 
sie ungeheuere Felder bedeckt und eine grosse Menge Oel 
liefert. In Amboina pflanzt man sie mehr als Arzneipflanze 
hier und da in der Nähe der Wohnplätze und auf den Fel- 
dern. Die wildwachsende Pflanze findet sich in Gärten, 
die sich selbst überlassen sind (in desertis hortis); sie 
stammt zweifelsohne von der angebauten Pflanze ab 
(sine dubio degeneratio domesticae). In Japan findet 
sich die Ricinuspflanze unter Sträuchern und an den 
Abhängen des Berges Wunzen, aber Franchet und Sava- 
tier? fügen hinzu: „wahrscheinlich eingeführt“. Schliess- 
lich erwähnt Dr. Bretschneider die Art weder in seiner 
Schrift vom Jahre 1870 noch in den später an mich 
gerichteten Briefen, was mich eine wenig alte Einfüh- 
rung in China vermuthen lässt.? 

Im intertropischen Amerika baut man die Ricinus- 
pflanze an. Sie naturalisirt sich dort leicht in den 
Gebüschdickichten, auf Schutthaufen u. s. w.; aber kein 
Botaniker hat sie dort unter den Bedingungen einer 
wirklich einheimischen Pflanze angetroffen. Die Ein- 
führung muss auf die ersten Zeiten der Entdeckung von 
Amerika zurückgehen, denn auf den Antillen führt man 
einen volksthümlichen Namen, Lamourou, an, und Piso 
weist auf einen andern in Brasilien hin, Nhambu-Guacu, 


1 Rumphius, Herb. Amboin., IV, 93. 

2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, I, 424. 

3 „Dr. Bretschneider spricht von der Ricinuspflanze in einer Anmer- 
kung seiner «Study» etc., S. 70, welche ich übersehen hatte, was er aber 
darüber sagt, auch in einem Briefe vom Jahre 1881, weist nicht auf eine 
alte Cultur in China hin.“ [Vom Verfasser zugeschickte Anmerkung.] 


538 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Figuero inferno der Portugiesen. Von Bahia habe ich 
die meisten Proben erhalten, doch ist für keine davon 
der Nachweis des wirklichen Indigenats bestimmt be- 
hauptet worden. 

In Aegypten und Westasien datirt die Cultur der 
Ricinuspflanze aus so fernliegenden Zeiten, dass sie 
über den Ursprung irregeführt haben. Herodot, Pli- 
nius, Diodor u. s. w. fee) betrieben sie die alten 
Aegypter in grossem Maassstabe. In Bezug auf die 
Art waltet kein Zweifel ob, denn man hat in den Grä- 
bern Samen davon gefunden.! Der ägyptische Name 
war Kiki; derselbe wird von Theophrast und Dios- 
corides erwähnt und ist von den Neugriechen beibe- 
halten worden?, während die Araber einen ganz ver- 
schiedenen Namen haben, Kerua, Kerroa, Charua.? 

Roxburgh und Piddington citiren einen Sanskrit- 
namen, Eranda, Erunda, von welchem andere in den 
neuern Sprachen Indiens abgeleitet werden. Auf welche 
Epoche des Sanskrit geht dieser Name zurück? Das 
erfahren wir nicht von den Botanikern. Da es sich 
um eine Pflanze warmer Länder handelt, haben die 
Arier vor ihrer Ankunft in Indien von ihr keine Kennt- 
niss besitzen können, das war also zu einer Epoche, 
die weniger alt ist als die ägyptischen Denkmäler. 

In de ausserordentlichen Schnelligkeit des Wachs- 
thums der Ricinuspflanze finden verschiedene Namen in 
den asiatischen Sprachen, wie auch der des Wunder- 
baums im Deutschen, ihre Begründung. Aus demselben 
Grunde und aus der Uebereinstimmung mit dem ägypti- 
schen Namen Kiki hat man vermuthet, dass der Kikajon 
des Alten Testaments*, welcher, wie man sagte, in einer 
Nacht aufgewachsen war, die Ricinuspflanze sei. 

Ich will hier eine Menge volksthümlicher, mehr oder 


1 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 61. 

2 Theophrastus, Erste 1a e19; Dioscorides, 1. 4, c. 171; Fraas, 
Synopsis fl. class., 5.9. 

3 Nemnich, Polyg lotten-Lexicon; Forskal, Flora aegypt., S. 75. 

4 Jonas, IV, 6; Pickering, Chronol. hist. of plants, S. 225, schreibt 
Kykwın. 


Gemeiner Walnussbaum. 539 


minder abgeschmackter Namen, wie Palma Christi, Gi- 
rasole einiger Italiener u. s. w. übergehen, es ist aber 
angebracht, auf den Ursprung des Namens Castor und 
Castor-oil der Engländer hinzuweisen, da er als Beweis 
dienen kann, wie sie Namen ohne Prüfung annehmen 
und dieselben zuweilen entstellen. Es scheint, als ob 
man im verflossenen Jahrhundert auf Jamaica, wo die 
Ricinuspflanze vielfach angebaut wurde, dieselbe mit 
einem ganz und gar verschiedenen Strauche, dem Vitex 
Agnus castus, welchen die Portugiesen und Spanier 
Agno casto nennen, verwechselt hatte. Aus Casto haben 
die englischen Pflanzer und der londoner Handel Castor 
gemacht.! 


Juglans regia, Linné. — Gemeiner Walnussbaum 
(fr. No; yer). 

Vor einigen Jahren kannte man den Walnussbaum 
wildwachsend in Armenien, in der Region im Süden 
des Kaukasus und des Kaspisees, in den Gebirgen von 
Nord- und Nordostindien und in Birma.” Das Indigenat 
im Süden des Kaukasus und in Armenien, welches C. 
Koch? bestreitet, wird von mehreren Reisenden nach- 
gewiesen.* Man hat seitdem das spontane Vorkommen 
in Japan festgestellt, wodurch es ziemlich wahrschein- 
lich wird, dass die Art sich auch in Nordchina findet, 
wie Loureiro und Bunge es gesagt hatten’, ohne die 
spontane Beschaffenheit genügend zu erörtern. Held- 
‘ reich® hat es ausser allen Zweifel gestellt, dass der 
Nussbaum auf den Gebirgen Griechenlands wildwachsend 
im Ueberfluss auftritt, was mit den bis dahin über- 
sehenen Stellen im Theophrast? übereinstimmt. Endlich 


1 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues, franz. Uebers., II, 320. 

2 C. de Candolle, Prodr., XVI, 11, 136; Tchihatcheff, Asie Mineure, a 125 
Ledebour, Fl. ross., I, 507; Roxburgh, Fl, ind., III, 630; Boissier, FL 
orient., IV, 1160; Brandis, Forest flora of India, S. 498); Kurz, Forest flora 
of British Burma, S. 390. 

3 C. Koch, Dendrologie, I, 584. 

4 Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, 453. 

5 Loureiro, F1. Cochinch., S. 702; Bunge, 'Enum., 62. 

6 Heldreich, Verhandl. d. "bot. Vereins für ee 1879,08: 147. 

7 Theophrastus, Hist. plant., 1.3, c. 3,6. Diese und andere Stellen der 


540 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


hat Heuffel ihn ebenfalls wildwachsend auf den Gebirgen 
des Banats gesehen.! 

Der augenblickliche Wohnsitz, mit Ausschluss des 
Culturlandes, breitet sich somit vom gemässigten Ost- 
europa bis nach Japan hin aus. 

Es gab eine Zeit, wo sich derselbe mehr in west- 
licher Richtung befand, denn Blätter unsers Walnuss- 
baums sind in den quaternären Tuffsteinen der Provence 
'gefunden worden.” In den sogenannten tertiären und 
quaternären Perioden kamen viele Juglansarten auf un- 
serer Hemisphäre vor; jetzt sind solche auf höchstens 
zehn beschränkt, die über Nordamerika und das ge- 
mässigte Asien verbreitet sind. 

Die Verwerthung der Früchte des Walnussbaumes 
und die Anpflanzung desselben haben in verschiedenen 
Ländern, wo sich die Art fand, ihren Anfang nehmen 
können, und der Ackerbau hat seinen künstlichen Wohn- 
sitz nach und nach, aber in unbedeutender Weise aus- 
gedehnt. Der Walnussbaum gehört nicht zu den Bäu- 
men, welche sich leicht aussäen und naturalisiren. Die 
Beschaffenheit seiner Samen setzt sich dem vielleicht 
entgegen, und ausserdem erheischt er Klimate, die sich 
durch geringe Kälte und eine gemässigte Wärme aus- 
zeichnen. Er überschreitet kaum die nördliche Grenze 
der Weinrebe und geht nach Süden viel weniger weit vor. 

Die Griechen, an das Olivenöl gewöhnt, haben mehr 
oder weniger den Walnussbaum vernachlässigt, bis sie 
von Persien eine bessere Varietät, die sogenannte Königs- 
nuss (Karuon basilikon? oder Persikon)*, erhielten. Die 
Römer bauten den Walnussbaum seit der Zeit ihrer Kö- 
nige an; sie hielten ihn persischen Ursprungs.ÿ Man 
kennt ihren alten Gebrauch des Werfens von Nüssen 
bei den Hochzeitsfeierlichkeiten. 


Alten werden von Heldreich angeführt und besser gedeutet als von Hehn 
und andern Gelehrten. 

Heuffel, Abhandl. d. zool.-bot. Gesellschaft in Wien, 1853, S. 194. 
De Saporta, 33e session du Congrès scientifique de France, 
Dioscorides, 1. 1, c. 176. 

Plinius, Hist. plant., 1. 15, c. 22. 5 Ebend. 


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Gemeiner Walnussbaum. 541 


Die Archäologie hat diese Einzelheiten bestätigt. Die 
einzigen Nüsse, welche man bisjetzt unter den Pfahl- 
bauten der Schweiz, Savoyens oder Italiens gefunden 
hat, beschränken sich auf eine Localität aus der Um- 
gegend von Parma Namens Fontinellato, sie stammen 
aus einer Schicht der Eisenzeit.! Das zur Zeit des 
Trojanischen Krieges noch sehr seltene Eisen wurde 
wahrscheinlich von der Ackerbau treibenden Bevölke- 
rung Italiens nicht vor dem 5. oder 6. Jahrhundert v. 
Chr. gebraucht, ein Zeitpunkt, zu welchem man jenseit 
der Alpen vielleicht nicht einmal die Bronze kannte. 
In den Pfahlbauten von Lagozza sind die Früchte des 
Walnussbaums in einer ganz und gar obern und keines- 
wegs alten Bodenschicht gefunden worden.” Augen- 
scheinlich stammen die Walnussbäume Italiens, der 
Schweiz und Frankreichs nicht von den bereits er- 
wähnten fossilen Individuen des quaternären Tuff- 
steins ab. 

Es ist unmöglich, zu wissen, in welcher Epoche 
man den Nussbaum in Indien anzubauen angefangen 
hat. Dies muss seit alters geschehen sein, denn man 
kennt einen Sanskritnamen Akschöda, Akhöda oder 
Akhöta. Die chinesischen Schriftsteller berichten, dass 
der Walnussbaum unter der Dynastie Han, gegen das 
Jahr 140—150 v. Chr. durch Schang-kien von Tibet 
aus bei ihnen eingeführt wurde. Es handelte sich viel- 
leicht um eine vervollkommnete Varietät. Ausserdem 
ist es, den jetzigen Schriftstücken der Botaniker zu- 
folge, wahrscheinlich, dass der spontane Walnussbaum 
im Norden Chinas selten ist und vielleicht im östlichen 
Theile ganz fehlt. Der Zeitpunkt, wann die Cultur in 
Japan anfing, ist unbekannt. 

Der Baum und die Nüsse haben bei den alten Völ- 
kern eine ungeheuere Menge von Namen erhalten, mit 


1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 31. 

2 Sordelli, Sulle piante della torbiera etc, I. 89. 

3 Bretschneider, On the study and value ete. ; ©. 16, und Brief vom 
23. August 1881. 


542 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


welchen sich die Wissenschaft und die Einbildungskraft 
der Sprachforscher befasst haben!; der Ursprung der 
Art ıst aber zu deutlich, als dass wir uns weiter damit 
zu beschäftigen bräuchten. 


Areca Catechu, Linne. — Areca- oder Betelnusspalme 
(fr. Arec). 

In dem Lande, wo der Gebrauch des Betelkauens 
verbreitet ist, d. h. im ganzen Südasien, wird diese 
Palme vielfach angebaut. Die Nuss oder vielmehr die 
Mandel, welche den Hauptbestandtheil des in der Frucht 
enthaltenen Samens ausmacht, ist das, worum es sich 
des aromatischen Geschmackes wegen handelt. In Stücke 
zerschnitten, mit Kalk vermischt und in ein Blatt des 
Betelpfeffers eingewickelt, geben diese Nüsse ein ange- 
nehmes Erregungsmittel ab, welches Speichel erregend 
ist und die Zähne zur Befriedigung der Eingeborenen 
schwarz färbt. 

Der Verfasser des wichtigsten Werkes über die Fa- 
milie der Palmen, von Martius?, spricht sich über den 
Ursprung der Art wie folgt aus: „Das Vaterland ist 
nicht sicher (non constat); wahrscheinlich sind es die 
Sunda-Inseln.“ Indem wir besonders neuere Autoren 
zu Rathe ziehen, wollen wir sehen, ob es möglich ist, 
irgendetwas darauf hin zu bestätigen. 

Auf dem Festlande von Britisch-Indien, auf Ceylon 
und in Cochinchina wird die Art immer als angebaut 
angeführt.? Dasselbe ist für die Sunda-Inseln, die Mo- 
lukken u. s. w. im Süden Asiens der Fall. In seinem 
schönen Werke „Rumphia‘‘ sagt Blume®, dass die Halb- 
insel von Malakka, Sıam und die Nachbarinseln das 


1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 289; Hehn, 
Kulturpflanzen und Hausthiere, 3. Aufl., S. 341. 

2 Martius, Hist. nat. Palmarum, III, 170 (ohne Angabe der Jahreszahl, 
aber vor 1851 veröffentlicht). 

3 Roxburgh, Fl. ind., III, 616; Brandis, Forest flora of India, S. 551; 
Kurz, Forest flora of British Burma, S. 537; Thwaites, Enum. Zeylan., 
S. 327, Loureiro, Fl. eochinch., S. 695. 

4 Blume, Rumphia, II, 67; Miquel, Fl. indo-batava, III, 9; Suppl. de 
Sumatra, S. 253. 


u A ee. 2 ee ee Me ne 


Betelnuss- und Oelpalme. 545 


Vaterland seien. Er scheint indessen die einheimischen 
Exemplare, von welchen er spricht, nicht gesehen zu 
haben. Dr. Bretschneider! ist der Ansicht, dass die 
Art auf dem Malaiischen Archipel, besonders auf Su- 
matra, ursprünglich zu Hause sei, denn diese Inseln und 
die Philippinen sind, so sagt er, die einzigen Locali- 
täten, wo man sie wildwachsend antrifft. Die erste 
dieser Thatsachen wird von Miquel nicht bestätigt, auch 
die zweite von Blanco? nicht, welcher auf den Philip- 
pinen lebte. Die Meinung von Blume scheint die wahr- 
scheinlichste zu sein, man kann aber immer noch mit 
Martius sagen: das Vaterland ist nicht bestimmt nach- 
gewiesen worden. 

Das Vorkommen einer Menge malaiischer Namen, 
Pinang, Jambe ete., und eines Sanskritnamens, Guvaka, 
sowie die sehr zahlreichen Varietäten deuten auf das 
hohe Alter der Cultur hin. Die Chinesen haben sie 
unter dem malaiischen, Pin-lang geschriebenen Namen 
von den südlichen Ländern im Jahre 111 v. Chr. er- 
halten. Der Telinganame Arck ist der Ursprung des 


botanischen Namens Areca. 


Elaeis guineensis, Jacquin. — Afrikanische Oelpalme 
(fr. Elaeis de Guinée). 

Schon die Reisenden, welche die Küste von Guinea 
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts? berührten, 
wurden aufmerksam auf diese Palme, aus welcher die 


Neger durch Auspressung des fleischigen Theils der 


Frucht Oel gewannen. Dies ist ein an der ganzen 
Küste einheimischer Baum.* Er wird auch angepflanzt, 
und die Ausfuhr des sogenannten Palmöls ist für den 
Handel von grosser Bedeutung. 

Da diese Palme sich ebenfalls wildwachsend in Bra- 


silien zeigt und vielleicht auch in Guyana’, so hat sich 


1 Bretschneider, Study and value etc., S. 28. 

2 Blanco, Flora de Filipinas, 2. Aufl. 

3 Da Mosto, in: Ramusio, I, 104, von R. Brown angeführt, 

4 R. Brown, Botany of Congo, S. 55. 

5 Martius, Hist. nat. Palmarum, II, 62; Drude, in: Fl. brasil., fasc. 85, 


544 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


” 


ein Zweifel über den wirklichen Ursprung erhoben. 
Man konnte denselben um so mehr für amerika- 
nisch halten, da die einzige Art, welche mit dieser 
die Gattung Elaeis ausmacht, Neugranada bewohnt.! 
Indessen erklären R. Brown und die Autoren, welche 
sich am meisten mit der Familie der Palmen beschäf- 
tigt haben, einstimmig, dass man Klaeis guineensis 
als in Amerika durch die Neger und die Sklavenschiffe 
bei ihrer Ueberfahrt von der Guineaküste nach der 
gegenüberliegenden amerikanischen eingeführt betrachten 
müsse. Viele Thatsachen unterstützen diese Meinung. 
Die ersten Botaniker, welche Brasilien bereist haben, 
wie Piso und Marcgraf, haben nicht von der Elaeis 
gesprochen. Sie findet sich nur im Küstengebiet, von 
Rio de Janeiro bis zur Mündung des Amazonenstroms, 
nie im Innern. Sie wird häufig angebaut oder hat das 
Aussehen einer den Anpflanzungen entsprungenen Art. 
Sloane?, welcher Jamaica im 17. Jahrhundert erforscht 
und in Europa Früchte, die von Afrika kamen, gesehen 
hatte, berichtet, dass dieser Baum zu seiner Zeit von 
Guinea nach einer von ihm näher bezeichneten Plantage 
gebracht worden sei. Seitdem hat er sich in einigen 
Localitäten der Antillen naturalisirt.® 


Cocos nucifera, Linne. — Kokospalme (fr. Cocotier). 

Von allen Bäumen der intertropischen Länder ist die 
Kokospalme vielleicht derjenige, welcher die verschieden- 
artigsten Erzeugnisse darbietet. Ihr Holz und ihre 
Fasern finden mehrfache Verwendung. Der aus dem 
untern Theile des Blütenstandes gewonnene Saft gibt 
ein alkoholhaltiges sehr beliebtes Getränk. Die Schale 
der Frucht dient als Gefäss, die Milch des Samens 


S. 457. Ich finde keinen Autor, der die spontane Beschaffenheit in Guyana 
bestätigt, wie Martius dies für Brasilien gethan hat. 

1 Elaeis melanocarpa, Gärtner. Die Frucht enthält ebenfalls Oel, es 
scheint aber nicht, als ob man die Art anbaue, da die Zahl der ölhaltigen 
Pflanzen in allen Ländern eine beträchtliche ist. 

2 Sloane, Natural history of Jamaica, II, 115. 

3 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 522. 


Kokospalme. 545 


macht vor der Reife ein angenehmes Getränk aus, schliess- 
lich enthält der mandelähnliche Kern eine grosse Menge 
Oel. Es ist daher nicht zu verwundern, dass man einen 
so kostbaren Baum auf alle mögliche Weise auszusäen 
und zu verpflanzen bestrebt gewesen ist. Ausserdem 
wird seine Ausbreitung durch natürliche Ursachen be- 
günstigt. Dank ihrer faserigen Umhüllung können die 
Kokosnüsse im Salzwasser schwimmen, ohne dass der 
lebende Theil des Samens davon berührt wird. Daraus 
ergibt sich eine Möglichkeit des Transports nach grossen 
Entfernungen durch die Strömungen und eine Naturali- 
sation an den Küsten, sobald die klimatischen Verhält- 
nisse günstige sind. Unglücklicherweise erheischt dieser 
Baum ein heisses und feuchtes Klima, wie man es nur 
zwischen den Wendekreisen oder in den klimatisch be- 
sonders begünstigten daranstossenden Gegenden antrifft. 
Ausserdem gedeiht er nur in der Nähe des Meeres. 
Die Kokospalme findet sich im Küstengebiet der 
heissen Regionen Asiens, von den Inseln bis zum Süden 
dieses Festlandes, sowie auch in den entsprechenden 
Ländern Afrikas und Amerikas im Ueberfluss vertreten, 
es lässt sich aber der Nachweis liefern, dass ihre Ein- 
führung nach Brasilien, den Antillen und der. West- 
küste Afrikas auf weniger als 300 Jahre zurückgeht. 
Für Brasilien scheinen Piso und Marcgraf! einen 
fremden Ursprung zuzulassen, ohne dass sie es aus- 
_drücklich betonen. Martius, welcher ein sehr bedeu- 
tendes Werk über die Palmen veröffentlicht hat?, und 
die Provinzen Bahia, Pernambuco und andere, wo die 
Kokospalme sehr häufig vorkommt, bereiste, erwähnt 
nicht, dass sie dort spontan sei. Durch Missionare 
wurde sie nach Guyana eingeführt.” Sloane* sagt, dass 
sie auf: den Antillen fremden Ursprungs sei. Ein von 
ihm genannter alter Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, 


1 Piso, Brasil., S. 65; Marcgraf, S. 138. 

2 Martius, Historia natur. Palmarum, II, 125. 
3 Aublet, Guyane, Suppl., S. 102. 

4 Sloane, Jamaica, II, 9. 


DE CANDOLLE, 35 


546 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Martyr Anghiera, spricht von dieser Einführung. Wahr- 
scheinlich fand sie wenige Jahre nach der Entdeckung 
Amerikas statt, denn Joseph Acosta! hatte die Kokos- 
palme im 16. Jahrhundert in Portorico gesehen. Nach 
Martius waren es die Portugiesen, welche sie nach der 
Küste von Guinea brachten. Viele Reisende haben sie in 
dieser Region, wo sie augenscheinlich von untergeord- 
neter Bedeutung ist, nicht einmal erwähnt. An der Ost- 
küste und auf Madagascar häufiger, wird sie indessen 
mehreren Werken über die Pflanzen von Zanzibar, den 
Seychellen, Mauritius u. s. w. nicht genannt, vielleicht 
weil man sie in dieser Region für angebaut hielt. 

Augenscheinlich kann die Kokospalme weder von 
Afrıka, noch von dem östlichen Theile des intertropi- 
schen Amerika ursprünglich herrühren. Wenn wir von 
diesen Ländern absehen, bleiben die Westküste des 
tropischen Amerika, die Inseln der Südsee, der Indische 
Archipel und der Süden des Asiatischen Archipels übrig, 
woselbst der Baum mit allen Anzeichen einer mehr oder 
minder grossen Spontaneität und einer sehr alten Cultur 
in grossen Mengen auftritt. 

Die Seefahrer Dampier und Vancouver? haben sie zu 
Anfang des 17. Jahrhunderts auf den Inseln nahe bei 
Panama, nicht auf dem Festlande und auf der in der 
Südsee liegenden, 300 engl. Meilen vom Festlande ent- 
fernten Kokosinsel, ganze Wälder bildend, gefunden. Zu 
jener Zeit waren diese Inseln nicht bewohnt. Später hat 
man die Kokospalme an der Westküste, von Mexico bis 
Peru, angetroffen, im allgemeinen bestätigen die Autoren 
aber nicht, dass sie dort spontan war; eine Ausnahme 
hiervon macht Seemann?, welcher die Kokospalme sowol 
wildwachsend wie angebaut auf der Landenge von Pa- 
nama gesehen hat. Nach Hernandez*, im 12. Jahrhun- 


1 J. Acosta, Hist. nat. des Indes, französ. Uebers. (1598), S. 178. 

2 Vafer, Voyage de Dampier (1705), S. 186; Vancouver, französ. Ausg., 
. 325, eitirt von Martius, Hist. nat. Palmarum, I, 188. 
3 Seemann, Botany of Herald, S. 204. 
4 Hernandez, Thesaurus mexic., S. 71. Er bezieht denselben Namen, 
5 


Kokospalme. 547 


dert, nannten die Mexicaner sie Coyolli, ein Wort, 
welches nicht den Anschein eines einheimischen Na- 
mens hat. 

Oviedo 1, welcher 1526, von den ersten Zeiten der 
Eroberung Mexicos an, als Schriftsteller thätig war, 
berichtet, dass die Kokospalme an der Küste der Süd- 
see, in der Provinz des Kaziken Chiman, häufig war, 
und er beschreibt die Art in deutlicher Weise. Das 
ist aber noch kein Beweis für die spontane Eigenschaft 
des Baumes. 

In Südasien, besonders auf den Inseln, zeigt sich die 
 Kokospalme im wildwachsenden Zustande oder angebaut. 
Je kleiner und niedriger diese Inseln sind, je mehr sie 
dem Einfluss der Seeatmosphäre unterworfen sind, um 
so mehr herrschen die Kokospalmen vor und ziehen die 
Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich. Einige dieser 
Inseln haben ıhren Namen von dieser Palme entlehnt, 
unter anderm zwei in der Nähe der Andamanen und 
eine nahe bei Sumatra. 

Da die Kokospalme sich mit allen Anzeichen eines 
alten spontanen Zustandes in Asien und im westlichen 
Amerika findet, so ist die Frage über den Ursprung eine 
dunkele. Ausgezeichnete Autoren haben sie in ver- 
schiedener Weise gelöst. Martius sieht es für wahr- 
scheinlich an, dass eine Wanderung durch die Strö- 
mungen von den im Westen Centralamerikas liegenden 
Inseln nach jenen des Asiatischen Archipels bewirkt 
worden sei. Früher? neigte ich mich derselben Hypo- 
these zu, die seitdem von Grisebach ohne weitere Er- 
örterung angenommen wurde; die Botaniker des 
17. Jahrhunderts sahen die Art aber häufig als asiatisch 
an, und nach sorgfältiger Prüfung bleibt Seemann * un- 
schlüssig. Ich will hier das anführen, was für und 
wider diese Hypothesen spricht. 


1 Oviedo, Uebersetzung von Ramusio, III, 53. 
2 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 976. 

3 Grisebach, Vegetation der Erde, S, 11, 323. 
4 Seemann, Flora Vitiensis, S. 275. 


©9 
ot 
x 


548 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


Zu Gunsten eines amerikanischen Ursprungs kann 
man anführen: 

1. Die 11 andern Arten der Gattung Cocos gehören 
Amerika an und sogar alle die, welche Martius gut 
kannte, stammen aus Brasilien.! Drude?, welcher sich 
viel mit Palmen beschäftigt, hat eine Arbeit veröffent- 
licht, in welcher er die Ansicht vertheidigt, dass jede 
Gattung dieser Familie entweder der Alten oder der 
Neuen Welt eigenthümlich sei, die Gattung Elaeis aus- 
genommen, und auch da vermuthet er eine Wanderung 
der E. guineensis von Amerika nach Afrika, was durch- 
aus nicht wahrscheinlich ist (s. weiter oben S. 543). 


Die Kraft dieses Arguments wird durch den Umstand 


etwas abgeschwächt, dass Cocos nucifera ein Baum des 
Küstengebiets und feuchter Gegenden ist, während die 
andern Arten unter verschiedenen Bedingungen, häufig 
entfernt vom Meer oder Flüssen, vorkommen. Die in der 
Nähe des Meeres wachsenden Pflanzen, solche von 
Sümpfen oder feuchten Orten haben gewöhnlich einen 
ausgedehntern Wohnsitz als ihre Gattungsgenossen. 

2. Die Passatwinde der Südsee, welche im Süden und 
noch mehr im Norden des Aequators auftreten, treiben 
die im Gegensatz zu der Richtung der Hauptströmungen 
im Wasser schwimmenden Körper von Amerika nach 
Asien.? Man weiss ausserdem, vergegenwärtigt man sich 
die Fälle, wo Flaschen, die Nachrichten enthielten, ganz 
unerwartet an verschiedenen Küsten landeten, dass der 
Zufall bei diesen Beförderungsweisen eine grosse Rolle 
spielt. 

Die Argumente zu Gunsten des asiatischen Ur- 
sprungs, oder die gegen den amerikanischen sprechen, 
sind folgende: 

1. Eine unter dem 3. bis 5. Grad nördl. Br. sich 


1 Die Kokos der Malediven gehört zur Gattung Lodoicea. Die Cocos 
mamillaris, Blanco, von den Philippinen, ist eine Varietät der angebauten 
Cocos nucifera. 

2 Drude, in: Bot. Zeitung, 1876, S. 801, und Flora brasiliensis, fasc. 85, 
5. 405. 

3 Stieler’s Handatlas, 1867, 3. Karte. 


Kokospalme. 549 


befindende Strömung geht direct von den Inseln des 
Indischen Archipels nach Panama.! Es gibt freilich im 
Norden und im Süden andere Strömungen im entgegen- 
gesetzten Sinne, sie kommen aber aus für die Kokos- 
palme zu kalten Regionen und berühren nicht Central- 
Amerika, wo sie seit alten Zeiten einheimisch sein soll. 

2. Die Bewohner der asiatischen Inseln sind viel 
kühnere Seefahrer gewesen als die Indianer Amerikas. 
Es ist sehr möglich, dass die Piroguen, welche Kokos- 
nüsse als Proviant mit sich führten, durch Stürme oder 
verkehrte Führung von den Inselmeeren Asiens nach 
den Inseln oder der Westküste Amerikas geworfen wur- 
den. Das Gegentheil ist im hohen Grade unwahr- 
scheinlich. 

3. Seit drei Jahrhunderten ist der Wohnsitz in Asien 
ein viel ausgedehnterer als in Amerika, vor diesem Zeit- 
punkte war der Unterschied ein noch grösserer, denn 
man weiss, dass die Kokospalme im Osten des tropi- 
schen Amerika nicht alt war. 

4. Die Völker des insularen Asien besitzen eine grosse 
Anzahl von Varietäten dieses Baumes, was eine sehr alte 
Cultur vermuthen lässt. In seiner „Rumphia“ zählt 
Blume 18 Varietäten für Java und die benachbarten 
Inseln und 39 für die Philippinen auf. Für Amerika 
ist nichts Aehnliches nachgewiesen worden. 

5. Die Verwendung der Kokospalme ist in Asien 
auch verschiedenartiger und gebräuchlicher. Kaum 
dass die Eingeborenen Amerikas sie anders als ihrer 
Milch und Kerne wegen verwertheten, ohne Oel daraus 
zu gewinnen. 

6. Die volksthümlichen Namen, welche, wie wir weiter 
unten sehen werden, in Asien sehr zahlreich und ur- 
sprünglich sind, sind in Amerika selten und oft euro- 
päischen Ursprungs. 

7. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die alten Mexi- 
caner und die Bewohner von Centralamerika es sich 


1 Stieler’s Handatlas, 1867, 9. Karte. 


550 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


nicht hätten angelegen sein lassen, die Kokospalme 
nach verschiedenen Richtungen hin zu verbreiten, wenn 
sie seit einer sehr fern gelegenen Zeit auf ihrem Con- 
tinent vorgekommen wäre. Die geringe Breite der 
Landenge von Panama würde die Beförderung von einer 
Küste nach der andern erleichtert haben und die Art 
hätte sich auf den Antillen, in Guyana u. s. w. rasch 
ausgebreitet, wie sie sich auf Jamaica, Antigua! und 
anderswo seit der Entdeckung Amerikas naturalisirt hat. 

8. Wenn die Kokospalme in Amerika auf geologische 
Perioden zurückginge, welche älter sind als die plio- 
cänen oder selbst eocänen Formationen in Europa, so 
würde man sie wahrscheinlich an allen Küsten und den 
östlichen und westlichen Inseln ziemlich gleichmässig 
angetroffen haben. 

9. Wir können keine alte Jahreszahl über das Vor- 
kommen der Kokospalme in Amerika besitzen; ihr Auf- 
treten in Asien vor 3000 oder 4000 Jahren wird aber 
durch mehrere Sanskritnamen festgestellt. In seinem 
„Index“ führt Piddington nur einen an, Narikela. Dies 
ist der sicherste, denn er findet sich in den neuern 
Sprachen Indiens wieder. Von den Gelehrten werden 
etwa zehn aufgezählt, welche sich nach ihrer Bedeutung 
entweder auf die Art oder auf ihre Frucht zu beziehen 
scheinen.” Narikela ist mit einigen Abänderungen in 
das Arabische und Persische übergegangen.” Man fin- 
det ihn selbst auf Tahiti unter der Form von Ari oder 
Haari* mit einem malaiischen Namen übereinstimmend. 

10. Die Malaien haben einen im Archipel sehr ver- 
breiteten Namen, Kaläpa, Kläpa, Klöpo. Auf Sumatra 
und Nikobar findet man den Namen Njior, Nieor, auf 
den Philippinen Niog, in Bali Nöuh, Njo, auf Tahiti 


1 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 522. 

2 Eugène Fournier wies mich beispielsweise auf folgende hin: Drda- 
pala (mit harter Frucht), Palakecara (mit behaarter Frucht), Jalakajka 
(Wasserbehälter) u. s. w. 

3 Blume, Rumphia, III, S2. 

4 Forster, De plantis esculentis, S. 48; Nadeaud, Enum. des plantes 
de Tahiti, S. 41. 


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dhes a 


Kokospalme. 551 


Niuh und auf andern Inseln Nu, Nidju, Ni, selbst auf 
Madagascar Wua-niu.! Die Chinesen sagen Ye oder 
Ye-tsu (Baum Ye). Mit dem Haupt-Sanskritnamen bil- 
det dies vier verschiedene Wurzeln, welche ein altes 
Vorkommen in Asien vermuthen lassen. Indessen wird : 
durch die Gleichförmigkeit der Nomenclatur im Archipel 
bis nach Tahiti und Madagascar auf eine durch Menschen 
bewirkte Verpflanzung seit dem Vorkommen der be- 
kannten Sprachen hingewiesen. 

Der chinesische Name bedeutet: Kopf des Königs 
von Yue. Er geht auf eine lächerliche Legende zurück, 
welche von Bretschneider erwähnt wird.” Die erste Er- 
wähnung der Kokospalme findet sich, diesem Gelehrten 
zufolge, in einem Gedicht des 2. Jahrhunderts v. Chr.; 
deutlichere Beschreibungen finden sich aber in den Wer- 
ken aus dem 9. Jahrhundert der christlichen Zeitrech- 
nung. Freilich kannten die alten Schriftsteller kaum 
den Süden von China, das einzige Gebiet des Kaiser- 
reichs, wo die Kokospalme fortkommen kann. 

Trotz der Sanskritnamen datirt das Vorkommen der 
Kokospalme auf der Insel Ceylon, wo sie sich im Küsten- 
gebiet gut festgesetzt hat, aus einer ungefähr histo- 
rischen Zeit. Bei Point de Galle, so berichtet uns 
Seemann, sieht man auf einem Felsen die Figur eines 
eingeborenen Prinzen Namens Kottah Raya eingegraben, 
dem man die Entdeckung der Anwendungen der vor 
ihm unbekannten Kokospalme zuschreibt, und die älteste 
Chronik von Ceylon, die „Marawansa‘“, spricht nicht 
von diesem Baume, obgleich sie die von verschiedenen 
Prinzen eingeführten Früchte sehr genau angibt. Wir 
müssen auch bemerken, dass die alten Griechen und 
Aegypter trotz ihrer Beziehungen zu Indien und Ceylon 
von der Kokosnuss erst spät, als von einer indischen 
Seltenheit, Kenntniss erhielten. Apollonius von Tyana 


1 Blume, Rumphia, III, 32. 
2 Bretschneider, Study and ue ‚etc., S. 24. 
3 Seemann, Flora Vitiensis, S. 


552 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. 


hatte sie zu Anfang der christlichen Zeitrechnung in 
Hindustan gesehen.! 

Nach diesen Thatsachen würde sich der älteste Wohn- 
sitz in Asien eher auf dem Archipel als auf dem Fest- 
lande oder Ceylon befunden haben, und in Amerika 
auf den Inseln im Westen von Panama. 

Was muss man von diesen verschiedenartigen und 
sich widersprechenden Angaben halten? Einst glaubte 
ich, dass die Beweisgründe zu Gunsten des westlichen 
Amerika die stärkern seien. Jetzt dagegen, wo ich 
mehr Nachweise und mehr Erfahrung in derartigen 
Fragen besitze, neige ich mich der Ansicht von einem 
Ursprung auf dem Indischen Archipel zu. 

Die Ausbreitung nach China, Ceylon und dem conti- 
nentalen Indien geht nicht auf weiter als 3000 oder 
4000 Jahre zurück, die durch das Meer an den Küsten 
Amerikas und Afrikas bewirkten Wanderungen datiren 
aber vielleicht aus ältern Zeiten, wenn auch immer den 
Epochen folgend, in welchen geographische und physi- 
kalische Bedingungen von denen der Jetztzeit verschie- 
den waren. 


1 Pickering, Chronological arrangement, S. 428. 


DRITTER THEIL. 
Rückblick und Schlussfolgerungen. 


ERSTES KAPITEL. 


Allgemeines Verzeichniss der Arten mit Angabe ihres Ursprungs 
und der Zeitperiode ihres Culturanfangs.! 


Nachfolgendes Verzeichniss schliesst einige Arten ein, 
über welche in dem Vorhergehenden nichts Näheres ge- 
sagt worden ist, und zwar aus dem Grunde, weil ihr 
Ursprung gut bekannt, ihre Verwerthung von unter- 
geordneter Bedeutung ist. 


Einheimische Arten in der Alten Welt. 
Angebaut wegen ihrer unterirdischen Theile. 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Raphanus sativus, Radis.? © B Gemässigtes Westasien. 
Cochlearia Armoracia, Gem. C Gemässigtes Osteuropa. 

Meerrettich. Æ 


1 Die angewendeten Zeichen sind: (©) einjährige Pflanze, ©) zweijährige 
Pflanze, 2] ausdauernd oder perennirend, @ kleiner Strauch, & Strauch, 
h kleiner Baum, 5 grosser Baum. 

Die Buchstaben geben den gewissen oder wahrscheinlichen Zeitpunkt 
an, wann die Cultur der Art begann, nämlich: 

Für die Arten der Alten Welt: A, eine seit mehr als 4000 Jahren 
angebaute Art (den alten Geschichtschreibern, den Denkmälern des 
alten Aegypten, den chinesischen Werken und den botanischen oder lin- 
guistischen Angaben zufolge). — B, angebaut seit mehr als 2000 Jahren 
(angegeben im T'heophrast, oder aufgefunden in den Ueberresten der Pfahl- 
bauten, oder aus einer bekannten Zeitangabe der Alten, oder verschiedene 
Merkmale aufweisend, wie hebräische oder Sanskritnamen). — C, angebaut 
seit weniger als 2000 Jahren (angeführt von Dioscorides, nicht von Theo- 
phrast, in den Zeichnungen Pompejis gesehen, eingeführt zu einer be- 
kannten Zeit u. s. w.). 

Für die amerikanischen Arten: D, sehr alte Cultur in Amerika (nach 
ihrer grossen Ausdehnung und der Menge der Varietäten zu schliessen). — 
E, vor der Entdeckung Amerikas angebaute Art, ohne Anzeichen eines 
sehr hohen Culturalters darzubieten. — F, Art, deren Cultur seit der Ent- 
deckung Amerikas begann. 

2 Nach dem Texte S. 36—42 dürfte das Vaterland eher das gemässigte 
Asien als das gemässigte Westasien sein. Dr. Bretschneider schreibt mir 
von Peking (22. December 1882), dass die Art bereits in der „Rya‘, einem 
1100 Jahre v. Chr. erschienenen Werke, erwähnt ist. Es hält in der That 
schwer, zu sagen, ob sie von China stammt oder vom westlichen Asien. 


DD =. Dritter Theil. Erstes Kapitel. 


er 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 

Brassica Rapa, Rüben- A Europa, Westsibirien (?). 
kohl. & 

Brassica Napus, Reps- A Europa, Westsibirien (?). 
kohl. & 

Daucus Carota, Mohr- 
rübe. © 

Pastinaca sativa, Gem. 
Pastinak. © 


B Europa, gemässigtes West- 
C 
Chaerophyllum bulbosum, C Mitteleuropa, Kaukasus. 
C 
B 


asien (?). 
Mittel- und Südeuropa. 


Knollenkörbel. & 

Sium Sisarum, Zucker- 
wurz. U 

Rubia tinctorum, Krapp. U 


Altaisches Sibirien, Nord- 
persien. 

Gemässigtes Westasien, süd- 
östliches Europa. 

Tragopogon porrifolium,  C(?) Südosteuropa, Algerien. 
Lauchbl. Bocksbart. ©) 


Scorzonera hispanica, C Südwesteuropa, Süden des 
Schwarzwurzel. Kaukasus. 

Campanula Rapunculus, C Gemässigtes und südliches 
Rapunzel. (: Europa. 

Beta vulgaris, Mangold.@©% B Canarische Inseln, Mittel- 
Runkelrübe. meerregion,Gem.W. Asien. 


Der Cultur entstammend. 
Alliumsativum,Knoblauch.Y B Kirgisensteppe, im gemäss, 


Westasien. 

Allium Cepa, Sommerzwie- A Persien, Afghanistan, Belu- 
bel. ©) dschistan, Palästina (?). 
Allium fistulosum, Winter- C Sibirien (Land der Kirgisen 

zwiebel. 4 am Baikal). 
Allium ascalonicum, Scha- C Abänderung der Cepa (?). 
lotte. 4 Spontan unbekannt. 


Allium Scorodoprasum, Ro- C Gemässigtes Europa. 
kambollen-Lauch. 4 
Allium Schoenoprasum, C(?) Gemäss. und Nordeuropa, 
Schnittlauch. 4 Sibirien, Kamtschatka. 
Nordamerika (Huron-See). 
Colocasia antiquorum, Colo- B Indien, Indischer Archipel, 


casie. 2} Polynesien. 
Alocasia macrorhiza, Alo- (?) Ceylon, Indischer Archipel, 
casie. U Polynesien. 


Amorphophallus Konjak,  (?) Japan (?). 
Konjak. 4 

Dioscorea sativa, Yams- B(?)Südasien, bes. Malabar (?), 
wurzel. 4 Ceylon (?), Java (?). 


Allgemeines Verzeichniss der Arten. 55 


5 
Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 

Dioscorea Batatas, Yams- B(?)China (?). 

wurzel. 4 
Dioscorea japonica, Yams- (?) Japan (?). 

wurzel. 4 
Dioscorea alata, Yamswur- (?) Asiatischer Archipel im 

zel. 4 Osten. 


Angebaut wegen ihrer Stengel oder Blätter. 
1. Gemüse. 


Brassica oleracea, Garten- A Europa. 


kohl. © OB. 

Brassica chinensis, Chines. (?) China (?), Japan (?). 
Kohl. & 

Nasturtium officinale, Brun- (?) Europa, Nordasien. 
nenkresse. 4 

Lepidium sativum, Garten- B Persien (?). 
kresse. © 

Crambe maritima, Gemeiner C Gemässigtes Westeuropa. 
Meerkohl. 4 

Portulaca oleracea, Portu- A Vom westl. Himalaja nach 
lak. © Südrussland u. Griechen]. 

Tetragonia expansa, Neu- C Neuseeland und Australien. 
seeländischer Spinat. © 

Apium graveolens, Garten- B Gemäss. und südl. Europa, 
sellerie. © Nordafrika, Westasien. 

Anthriscus cerefolium, Gar- C Südöstl. Russland, gemäss. 
tenkörbel. © Westasien. 

Petroselinum sativum, Peter- C Südeuropa, Algerien, Liba- 
silie. © non. Zu 

Smyrnium Olus-atruuı, Ge- C Südeuropa, Algerien, gem. 
meines Myrrhenkraut. © Westasien. 

Valerianella olitoria, Ge- C Sardinien, Sicilien. 
meiner Baldrian. © 

Cynara Cardunculus. Y C Südeuropa, Nordafrika, Ca- 
Kardunkel-Artischoke. narische Inseln, Madeira. 
Echte Artischoke. Ursprung von ersterer abgel. 

Lactuca Scariola, Wilder B Südeuropa, Nordafrika, West- 
Lattich. © asien. 

Cichorium Intybus, Gemeine C Europa, Nordafrika, gemäss. 
Cichorie. A Westasien. 


Cichorium ÆEndivia, En- C Mittelmeerregion, Kaukasus, 
divie. © Turkestan. 


556 


Name und Dauer. 
Spinacia oleracea, Gemeiner 
Spinat. © 
Atriplex hortensis, Garten- 
melde. © 
Amarantus gangeticus, 
Fuchsschwanzv. Malabar.© 
Rumex acetosa, Gemeiner 
Sauerampfer. U 
Rumex Patientia, Gemüse- 


ampfer. 4 
Asparagus officinalis, Spar- 
gel. 


Allium ampeloprasum, Som- 
merlauch. 4 


Dritter Theil. 


Erstes Kapitel. 


Zeit. 


C 
C 
() 
(?) 
() 
B 
B 


Ursprung. 
Persien (?). 


Nordeuropa und Sibirien. 


Afrıka 


Tropisches —:In- 
dien (?). 

Europa, Nordasien, Gebirge 
von Indien. 


Europäische Türkei, Persien. 


Europa, gemässigtes West- 
asien. 
Mittelmeerregion. 


2. Futterkräuter. 


Medicago sativa, Luzerne. U 

"Onobrychis sativa, Espar- 
sette. 2 

Hedysarum coronarium, 
Kronen-Hahnenkopf. 4 

Trifolium pratense, (Gem. 
Wiesenklee. 4 


Trifolium hybridum, Weisser 


Wiesenklee. © 
Trifolium incarnatum, Blut- 
klee. © 
Trifolium alexandrinuin, 
Aegyptischer Klee. © 
Ervum Ervilia, Erve © 
Vicia sativa, Futterwicke. ©) 


Lathyrus  Cicera, Rothe 
Kicher. © 

Lathyrus sativus, Essbare 
Platterbse. © 

Lathyrus Ochrus, Ocher- 
erbse. © 


Trigonella foenum-graecum, 
Griechisches Heu. © 

Ornithopus sativus, Serra- 
della. © 

Medicago lupulina, Hopfen- 
luzerne © ©) 


B 


C 
C 
C 
C 
C 
C 
B 
B 
B 
B 
B 
B 


B(?)Portugal, 


Gemässigtes Westasien. 

Gemässigtes Europa, Süden 
des Kaukasus. 

Centrale und westl. Mittel- 
meerregion. 

Europa, Algerien, BE 
Westasien. 

Gemässigtes Europa. 


Südeuropa. 
Syrien, „Anatolien. 


Mittelmeerregion (?). 
Europa, Algerien, Süden d. 
Kaukasus. 
Von Spanien und Algerien 
nach Griechenland. 
Süden des Kaukasus (?). 
Italien. Spanien. 
Nordöstliches Indien und ge- 
mässigtes Westasien. 
Südspanien, Al- 
gerien. 


C Europa, Nordafrika (?), Ge- 


mässigtes Asien. 


Allgemeines Verzeichniss der Arten, 557 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Spergula arvensis, Gemeiner B(?)Europa. 
Ackerspark. © 
Panicum maximum, Guinea- C(?)Intertropisches Afrika. 


gras. 4 
3. Verschiedene Anwendungen. 


Theasinensis,Theestrauch.5 A Assam, China, Mandschurei. 
Linum angustifolium, Vor A Mittelmeerregion. 

alters angeb. Flachs. 4A9& 
Linum usitatissimum, in der A(?)Westasien(?). Von dem vor- 

Jetztzeit angeb. Flachs. © hergehenden abstamm. (?), 
Corchorus capsularis, Jute.& C(?)Java, Ceylon. 

— olitorius, Jute. © C(?)Nordwestindien, Ceylon. 

Rhus Coriaria, Gelber Su- C Mittelmeerregion, gemässig- 


mach. D | tes Westasien. 
Celastrus edulis, Kat- (?) Abessinien — Arabien (?). 
strauch. 5 


Indigofera tinctoria, Gem. B Indien (?). 
Färber-Indigo. 5 

Indigofera argentea, Aegyp- (?) Abessinien, Nubien, Kordo- 
tischer Indigo. 5 fan, Sennaar — Indien (?), 

Lawsonia alba, Henna- A Tropisches Westasien,. Nu- 

. strauch. 5 bien (?). 

Eucalyptus globulus, Blau- C Australien. 
gummibaum. D 

Cinnamomum zeylanicum,  C 
Zimmt. D 

Boehmeria nivea (China- (?) China, Japan. 
grass), Ramie. 45 : 

Cannabis sativa, Hanf. © A Daurien, Sibirien. 

Morus alba, Weisser Maul- A(?)Indien, Mongolei. 
beerbaum. D 

Morus nigra, Schwarzer B(?)Armenien, Nordpersien, 
Maulbeerbaum. 5 

Saccharum officinarum , B Cochinchina (?), südwest- 
Zuckerrohr. 4 liches China. 


Ceylon, Indien. 


Angebaut wegen ihrer Blumen oder ihrer Hüllen. 


Caryophyllus aromaticus, (?) Molukken. 
Gewürznelke. E 
Humulus Lupulus,Hopfen.Y C Europa, gemässigtes West- 
asien, Sibirien. 


558 Dritter Theil. 


Erstes Kapitel. 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 


Carthamus tinctorius, Fär- 
ber-Saflor. © 
Crocus sativus, Safran. U 


A Arabien (?). 


A Süditalien, Griechenland, 
Kleinasien (?). 


Angebaut wegen ihrer Früchte. 


Citrus decumana, Pompel- 
mus. D 

Citrus medica, Citrone. 5 
—  Aurantium Bigara- 
dia, Pomeranze. D 

Citrus Aurantium sinense, 
Apfelsine. 5 

Citrus nobilis, Mandarine. 5 

Garcinia Mangostana, Man- 
gustan. D 

Hibiscus esculentus, Okra. © 

Vitis vinifera, Weinrebe. 5 


Zizyphus vulgaris, Gemeiner 
Judendorn. 5 

Zizyphus Lotus, Afrikani- 
scher Brustbeerenbaum. D 

Zizyphus Jujuba, Echter 
Judendorn. D 

Mangifera indica, Mango. 5 

Spondias dulcis, Süsse Mom- 
binpflaume. D 

Rubus idaeus, Himbeere. 5 

Fragaria vesca, Walderd- 
beere. 4 

Prunus avium,Süsskirsche.D 


Prunus  Cerasus,  Sauer- 
kirsche. D 

Prunus domestica, 
Zwetsche. D 

Prunus insititia, Pflaume. 5 


Prunus Armeniaca, Apri- 
kose. D 

Amygdalus communis, Man- 
del. D 


B Südseeinseln östlich von | 


Java. 
B Indien. 
B Osten von Indien. 


C China und Cochinchina. 


?) China und Cochinchina. 

?) Sunda-Inseln, Malaiische 
Halbinsel. 

C Tropisches Afrika. 

A Gemässigtes Westasien, Mit- 
telmeerregion. 

B China. 


(?) Von Aegyptennach Marokko. 
A(?)Birma, Indien. | 


A(?)Indien. 
(?) Gesellschafts-, Freund- 
schafts-, Fidschi-Inseln. 
Europa und gemäss. Asien. 
Europa u. gemäss. Westasien, 
Nordamerika im Osten. 
Gemäss. Westasien, gemäss. 
Europa. 

Vom Kaspisee nach West- 
anatolien. 

Anatolien, Süden des Kau- 
kasus, Nordpersien. 

(?) Südeuropa, Armenien, Süden 

des Kaukasus, Talysch. 
A China. 


ee ee res 


A Mittelmeerregion, gemässig- 
tes Westasien. 


Ai ae un 


ent ee + dot té bee dun > ie aA ee ee ds à | 


“ii an dé le Gb. de... 


Allgemeines Verzeichniss der Arten. + 1009 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Amygdalus Persica, Pfir- A China. 
sich. D 
Pyrus communis,  Birn- A Gemässigtes Europa und 
baum. D Asien. 


Pyrus sinensis, Chinesischer (?) Mongolei, Mandschurei. 
Birnbaum. 5 
-Pyrus Malus, Apfelbaum. 5 A Europa, Anatolien, Süden 
des Kaukasus. 
Cydonia vulgaris, Quitte. D A Nordpersien, Süden des Kau- 
kasus, Anatolien. 
Eriobotrya japonica, Japa- (?) Japan. 
nische Mispel. 5 
Punica granatum,  Gra- A Persien, Afghanistan, Be- 


nate. D ludschistan. 
Jambosa vulgaris, Rosen- B Indischer Archipel, Cochin- 
apfel. D china, Birma, nordöst- 
liches Indien. 
Jambosa malaccensis, B Indischer Archipel, Malakka. 


Grosser Rosenapfel. 5 
Cucurbita Lagenaria, Ge- C Indien, Molukken — Abes- 


meiner Flaschenkürbis. © sinien. 
Cucurbita maxima, Riesen- C(?)Guinea. 
kürbis. © 
Cucumis Melo, Melone. © C Indien — Beludschistan — 
Guinea. 
Citrullus vulgaris, Wasser- A Intertropisches Afrika. 
melone. © 


Cucumis sativus, Gurke. © A Indien. 
—  Anguria, Angurien- C(?)Intertropisches Afrika. 
gurke. © 
Benincasa hispida, Weisser (?) Japan, Java. 
| Kürbis. © 
Lufa cylindrica, Cylindr. C Indien. 
Netzgurke. © 
Lufa acutangula, Scharf- C Indien, Indischer Pen 
eckige Netzgurke. © 
Trichosanthes “anguina, C Indien (?). 
Schlangenfrüchtige Haar- 
blume. © 
Telfairia oder Joliffia. Y__C(?)Zanzibar. 
Ribes Grossularia, Stachel- C Gemäss. Europa, Nordafrika, 


beere. © Kaukasus, westl. Himalaja. 
Ribes rubrum, Rothe Jo- C Nord- und gemäss. Europa, 
' hannisbeere. © Sibirien, Kaukasus, Hima- _ 


laja— NO. d. Ver. Staaten. 


560 Dritter Theil. Erstes Kapitel. 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Ribes nigrum, Schwarze Jo- C Nord- und Mitteleuropa, Ar- 
hannisbeere. © menien, Sibirien, Man- 


dschurei, westl. Himalaja. 
Diospyros Kaki, Kaki- (?) Japan, Nordchina (?). 
pflaume. D 
Diospyros Lotus, Italieni- (?) China, Indien, Afghanistan, 
sche Dattelpflaume. 5 Persien, Armenien, Ana- 
tolien. 
Olea europaea, Oelbaum. 5 A Syrien, Südanatolien und be- 
nachbarte Inseln. 
Solanum Melongena, Eier- A Indien. 
pflanze. © 
Ficus Carica, Feigenbaum.b A Mittlere u. südl. Mittelmeer- 
region (von Syrien nach 
den Canaren). 
Artocarpus incisa, Echter (?) Sunda-Inseln. 
Brotbaum. D 
Artocarpus integrifolia, B(?)Indien. 
Jackfrucht. 5 
Phoenix dactylifera, Dattel- A Westasien u.Westafrika(vom 


palme. 5 Euphrat nach d. Canaren). 


Musa sapientum, Banane. ’b A Südasien. 
Elaeis guineensis, Afrika- (?) Guinea. 
nische Oelpalme. 5 


Angebaut wegen ihrer Samen. 


1. Nahrhafte. 


Nephelium Lit-chi, Litschi- (?) Südchina, Cochinchina. 
baum. D 

Nephelium Longana, Lon- (?) Indien, Pegu. 
ganbaum. 5 

Nephelium lappaceum, Ram- (?) Indien, Pegu. 
butan. D 

Pistacia vera, Echte Pi- C Syrien. 
stazie. Ö 

Faba vulgaris,  Pferde- A Süden des Kaspisees. 
bohne. © 

Ervum Lens, Gem. Linse. Q A Gemäss. Westasien, Griechen- 

land, Italien. 

Cicer arietinum, Kicher- A Süden des Kaukasus und des 
erbse. © Kaspisees. 

Lupinus albus, Weisse Feig- B Sicilien, Macedonien, Süden 
bohne. © des Kaukasus. 


Ai VE MT nn. 


Allgemeines Verzeichniss der Arten. 561 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Lupinus Termis, Aegypti- A Von Corsica nach Syrien. 
sche Wolfsbohne. © 
Pisum arvense, Stockerbse.© C(?) Italien. 
Pisum sativum, Gemeine B Vom Südend. Kaukasus nach 
Erbse. © Persien (?), Nordindien (?). 
Dolichos Soja, Sojabohne. © A Cochinchina, Japan, Java. 
 Cajanus indicus, Indischer C Aequatorialafrika. 
Bohnenbaum. 5 
Ceratonia Siliqua, Johannis- A(?)Südküste von Anatolien, Sy- 
brotbaum. D rien, Cyrenaika. 
Phaseolus aconitifolius, C Indien. 
Aconitblätterige Bohne. © 
Phaseolus trilobus, Simbi- B Indien, tropisches Afrika. 
bohne. © 
Phaseolus Mungo, Mungo- B(?)Indien. 
bohne. © 
Phaseolus Lablab, Lablab- B Indien. 
bohne 4 © 
Phaseolus Lubia, Lubia- C Westasien (?). 
bohne. © 


Voandzeia subterranea, (?) Intertropisches Afrika. 
Kriechende Erdbohne. © 

Fagopyrum esculentum, C Mandschurei, Central - Sibi- 
Gemeiner Buchweizen. © rien. 

Fagopyrum tataricum, Ta- C Tatarei, Sibirien bis nach 
tarischer Buchweizen. ©) Daurien. 


Fagopyrum emarginatum,  (?) Westchina, Osthimalaja. 
Ausgerandeter Buchwei- 
zen. © 
Amarantus frumentaceus, (?) Indien. 
Mehlr. Fuchsschwanz. © 
Castanea vulgaris, Echte (?) Von Portugal nach d. Kaspi- 
Kastanie. D see, östl. Algerien. — Varie- 
täten: Japan, Nordamerika. 
Triticum vulgare und Varie- A Euphratregion. 
täten, Gemeiner Weizen.) 
Triticum Spelta, Spelz, Din- A Vom Vorhergehenden ab- 


kel. © stammend. 
Triticum monococcum, Ein- (?) Serbien,Griechenland, Anato- 
korn. © lien (wenn man die Identität 


mit Tr. baeoticum zulässt). 
Hordeum distichon, Zwei- A Gemässigtes Westasien. 
zeilige Gerste. © 
Hordeum vulgare, Gemeine (?) Vom Vorhergehenden ab- 
Gerste. © stammend (?). 


DE CANDOLLE. 36 


562 Dritter Theil. Erstes Kapitel. 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Hordeum hexastichon, Sechs- A Vom Vorhergehenden ab- 
zeilige Gerste. © stammend. 
Secale cereale, Roggen. © B Gemässigtes Osteuropa (?). 
Avena sativa, Hafer. © B Gemässigtes Osteuropa (?). 


Avena orientalis, Oriental. C(?)Westasien (?). 
Hafer. © | 
Panicum miliaceum, Echte A Aegypten, Arabien. 
Hirse. © 
Panicum italicum, Borsten- A China, Japan, Indischer 
gras. © Archipel. 
Holcus Sorghum, Kaffern- A Tropisches Afrika (?). 
hirse. © 
Holcus saccharatus, Moor- (?) Tropisches Afrika (?). 


hirse. © 
Eleusine Coracana, Cora- B Indien. 
can. : 
Oryza sativa, Reis. © A Indien, Südchina (?). 


2. Verschiedene Gebrauchsanwendungen. 


Papaver somniferum, Mohn- B Stammt ab von dem in der 


pflanze. © Mittelmeerregion einhei- 
mischen P. setiferum. 

Sinapis alba, Weisser B Gemäss. u. Südeuropa, Nord- 

Senf. © afrıka, gemäss. Westasien. 


Sinapis nigra, Schwarzer B Dieselben Regionen. 
Senf. © l 
Camelina sativa, Flachs- B(?)Gemäss. Europa und Kau- 


dotter. © kasus, Sibirien. 
Gossypium herbaceum, B Indien. 


Baumwollstaude. © © 

Gossypium arboreum, Baum- (?) Oberägypten. 
artige Baumwollpflanze. 5 

Coffea  arabica,  Kaffee- 
baum. 5 

Coffea liberica, Liberischer 
Kaffeebaum. D 


C Tropisches Afrika (Mozam- 
C 
Sesamum indicum, Sesam.© A Sunda-Inseln. 
B 
A 


bique, Abessinien, Guinea). 
Guinea, Angola. 


Myristica fragrans, Muskat- Molukken. 
nussbaum. 5 


Ricinus communis, Ricinus- Abessinien, Sennaar, Kor- 


pflanze. 5 _ dofan. 
Juglans Regia, Walnuss- (?) Gemässigtes Osteuropa, ge- 
baum. D mässigtes Asien. . 


ul 1 ee ch in ae Dad ar à: 


Allgemeines Verzeichniss der Arten. 


Name und Dauer. 
Piper nigrum, Schwarzer 
Pfeffer. 5 
Piper longum, 
Pfeffer. 5 
Piper officinarum, 
neller Pfeffer. 5 
Piper Betle, Betelpfeffer. 5 
Areca Catechu, Betelnuss- 
palme. D 
Cocos nucifera, 
palme. D 


Langer 
Offici- 


Kokos- 


Zeit. 


B 
B 


B 
B 
B 


(?) 


563 
Ursprung. 
Indien. 


Indien. 
Indischer Archipel. 


Indischer Archipel. 
Indischer Archipel. 


Indischer Archipel (?), Poly- 
nesien (?). 


Ursprünglich amerikanische Arten. 


Angebaut wegen ihrer unterirdischen Theile. 


Arracacha esculenta, Arra- E Neugranada (?). 


cacha. 4 © 

Helianthus tuberosus, Erd- 
apfel. 4 

Solanum tuberosum, Kar- 
toffel. 

Convolvulus Batatas, Süsse 
Batate. 4 

Manihot utilissima, Man- 


diokstrauch. 5 
Maranta arundinacea , Ar- 
rowroot. U 


E(?)Nordamerika (Indiana). 


E 
D 
E 


(?) 


Chile, Peru (?). 
Tropisches Amerika (wo ?). 
Intertropisches Ostbrasilien, 


Tropisches Amerika (conti- 
nentales ?). 


Angebaut wegen ihrer Stengel und Blätter. 


Jlex paraguariensis, Maté. 5 

Erythroæylon Coca, Coca. 5 

Cinchona Calisaya, Gelbe 
Kônigsrinde. D 

Cinchona officinalis, Braune 
Königsrinde. E 

Cinchona succirubra, Rothe 
Fieberrinde. 5 

Nicotiana Tabacum, 
back. © 

Nicotiana rustica, Taback.©O 


Ta- 


Agave americana, Amerika- 
nische Agave. D 


D 
D 
F 
F 
F 
D 
E 


E 


Paraguay und Westbrasilien, 
Ostperu, Ostbolivia. 
Bolivia, Südperu. 


Ecuador (Provinz Loxa). 
Ecuador (Provinz Cuenca). 
Ecuador und anstossende 
Länder (?). 
Mexico (?), Texas (?), Califor- 


nien (?). 
Mexico (?). 


36* 


564 Dritter Theil. Erstes Kapitel. 


Angebaut wegen ihrer Früchte. 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Anona squamosa, Zimmt- (?) Antillen. 
apfel. D 


Anona muricata, Stacheliger (?) Antillen. 
Flaschenbaum. D 

a Me , Rahm- (?) Antillen, Neugranada. 
apfel. 

Anl Cherimolia, Tschiri- E Ecuador, Peru (?). 
majabaum. D 

Mammea americana, Mam- (?) Antillen. 


mey-Apfel. 5 

Amacardium occidentale, (?) Intertropisches Amerika. 
Caju. D 

Fragaria virginica, Schar- F Gemässigtes Nordamerika. 
lacherdbeere. 4 E 

Fragaria chiloensis, Riesen- F Chile. 
erdbeere. 4 

Psidium Guayava, Guaya- E Tropisch-continentales Ame- 
ven. D rika. 

Cucurbita Pepo et Melopepo, E Gemässigtes Nordamerika. 
Gem. u. Melonenkürbis. © 

Opuntia Ficus-indica, E Mexico. 
Feigencactus. D 

Sechium edule, Chayota. © E Mexico (?), Centralamerika. 

Chrysophyllum Cainito, E Antillen, Panama. 
Sternapfel. 5 

Lucuma Caimito, Caimito. 5 E Peru. 

Lucuma mammosa, Zitzen- E Orinocoregion. 
artige Lucume. D 

Sapota Achras, Sapotill- E Kampechebai, Isthmus von 
baum. D Panama, Venezuela. 

Diospyros virginica, Persi- F Oestliche Vereinigte Staaten. 
monpflaume. 

Capsicum annuum, Cayenne- E Brasilien (?). 
pfeffer. © 


Capsicum frutescens, Ca- E Von Ostperu nach Bahia. 
yennepfeffer. 5 

Lycopersicum esculentum, E Peru. 
Liebesapfel. © 

-Persea gratissima, Advo- E Mexico. 
gatobirne. D 

Papaya vulgaris, Melonen- E Antillen, Centralamerika. 
baum. D 


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| : vise fées 


| 
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‘ Allgemeines Verzeichniss der Arten. 565 


Name und Dauer. Zeit. Ursprung. 
Ananassa sativa, Ananas. Y E Mexico, Centralamerika, Pa- 
nama, Neugranada, Gu- 
yana (?), Bahia (?). 


Angebaut wegen ihrer Samen. 
1. Nahrhafte Samen. 


Theobroma Cacao, Kakao- D Region d. Amazonas, d. Ori- 
baum. D noco,Panama(?),Yucatan(?). 

Phaseolus lunatas, Ge- E Brasilien. 
krümmte Bohne. 4 

Chenopodium Quinoa, Qui- E Neugranada (?), Peru (?), 
noapflanze. © Chile. 

Zea Mays, Mais. © D Neugranada (?). 


2. Von verschiedenen Gebrauchsanwendungen. 


Bixa Orellana, Rucubaum. b D Intertropisches Amerika. 
Gossypium barbadense, Neugranada (?), Mexico (?), 
Baumwollpflanze von Bar- (?) Antillen (?). 
badoes. 5 
Arachis hypogaea, Erd- E Brasilien (?). 
nuss. © 
Madia sativa, Madia. © E Chile — Californien. 


Kryptogame, der ganzen Pflanze wegen angebaut. 


Agaricus campestris, Gem. C Nördliche Hemisphäre. 
essbarer Champignon. U 


Arten, deren Ursprung völlig unbekannt oder 
ungewiss ist. 


Phaseolus vulgaris, Gemeine Schminkbohne. © 
Cucurbita moschata, Moschuskürbis. © 
Cucurbita ficifolia, Feigenblätteriger Kürbis. 4 


566 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


ZWEITES KAPITEL. 


Allgemeine Bemerkungen und Schluss. 


Erster Abschnitt. Regionen, aus welchen die 
Culturpflanzen hervorgegangen sind. 


Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war der Ursprung 
der meisten angebauten Pflanzen noch unbekannt. Linne 
hatte sich durchaus nicht bemüht, denselben zu ent- 
decken, und von den spätern Autoren waren nur die 
unbestimmten oder irrigen Ausdrücke wiedergegeben, 
deren er’ sich zur Angabe ihrer Wohnplätze bedient 
hatte. Alexander von Humboldt brachte somit im Jahre 
1807 den wirklichen Stand der Wissenschaft zum Aus- 
druck, wenn er sagte: „Der Ursprung, das erste Vater- 
land der dem Menschen nützlichsten Gewächse, welche 
ihm seit den fernsten Zeiten folgen, ist ein ebenso 
undurchdringliches Geheimniss wie die Heimat aller 
Hausthiere..... Wir wissen nicht, welche Region den 
Weizen, die Gerste, den Hafer und den Roggen spon- 
tan hervorgebracht hat. Die Pflanzen, welche die na- 
türlichen Reichthumsquellen aller Tropenbewohner aus- 
machen, die Banane, der Melonenbaum, der Maniok- 
strauch und der Mais, sind nie im wildwachsenden Zu- 
stande gefunden worden. Bei der Kartoffel stossen wir 
auf dieselbe Erscheinung.“ ! | 

Wenn gegenwärtig einige der angebauten Arten noch 
nicht in einem spontanen Zustande angetroffen worden 
sind, so ist dies doch bei der weit überwiegenden 
Mehrzahl derselben geschehen. In den meisten Fällen 
wissen wir wenigstens, in welchen Ländern sie ursprüng- 
lich zu Hause sind. Dies ging schon aus meiner Arbeit 
vom Jahre 1855 hervor und findet durch die gegen- 
wärtigen noch ausgedehntern Forschungen fast immer 


1 Essai sur la géographie des plantes, S. 28. 


Lo Smet + de fi Dés. a 


Allgemeine Bemerkungen. 567 


seine Bestätigung. Dieselben haben 247 Arten um- 
fasst!, die entweder von den Landwirthen im grossen, 
oder auch in den Gemüse- und Obstgärten angebaut 
werden. Ich hätte noch einige hinzufügen können, die 
selten angebaut werden, schlecht bekannt sind, oder 
deren Cultur wieder aufgegeben wurde; die statistischen 
Ergebnisse würden aber wesentlich dieselben gewesen sein. 

Von den 247 Arten, mit denen ich mich beschäftigt 
habe, hat die Alte Welt 199, Amerika 45. geliefert und 
über drei walten in dieser Beziehung noch Zweifel. 

Keine Art gehörte, bevor ihre Cultur begann, den 
tropischen oder südlichen Theilen der beiden Welten 
gemeinschaftlich an. Das Allium Schoenoprasum, die 
Walderdbeere (Fragaria vesca), die rothe Johannisbeere 
(Ribes rubrum), die echte Kastanie (Castanea vulgaris), 
der Hopfen (Humulus Lupulus)? und der gemeine ess- 
bare Champignon (Agaricus campestris) waren den nörd- 
lichen Regionen der Alten und Neuen Welt gemeinsam. 
Ich habe sie als der Alten Welt angehörend aufge- 
zählt, weil sie dort ihren Hauptwohnsitz haben, dort 
ihre bee begann. 

Eine sehr grosse Zahl von Arten sind gleichzeitig 
in Europa und Westasien, in Europa und Sibirien, in 
der Mittelmeerregion und Westasien, in Indien und 
dem Asiatischen Archipel, auf den Antillen und in 
Mexico, in diesen beiden Regionen und Columbia, in 
Peru und Brasilien, oder in Peru und Columbia u. s. w. 
einheimisch. Man kann sie in dem Verzeichniss auf- 
finden. Dies dient als ein Beweis, wie unmöglich es 
ist, die Erdtheile in Unterabtheilungen zu bringen und 
die Inseln nach natürlichen, genauer bestimmten Regionen 
einzutheilen. Welcher Art die Eintheilung auch immer 
sein möge, wir werden immer auf Arten stossen, die 
zwei, drei oder vier Regionen gemeinsam angehören, 
und auf andere, deren Wohnsitz nicht.über einen klei- 


1 Indem man zwei oder drei Formen mitrechnet, welche eher als sehr 
verschiedene Rassen anzusehen sind. 
2 Vgl. S. 201, Anmerkung. 


568 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


nen Theil eines einzigen Landes hinausgeht. Dieselben 
Thatsachen zeigen sich bei den nicht angebauten Arten. 

Eins muss hier noch besonders bemerkt werden, näm- 
lich das gänzliche Fehlen oder die ausserordentliche 
Seltenheit von aus gewissen Ländern abstammenden, 
angebauten Pflanzen. Keine ist beispielsweise aus den 
arktischen oder antarktischen Regionen gekommen, deren 
Floren freilich nur aus einer kleinen Anzahl von Arten 
zusammengesetzt werden. Trotz ihres ausgedehnten 
Territoriums, welches bald Hunderten von Millionen 
von Menschen ein Obdach gewähren wird, boten die 
Vereinigten Staaten von Nährpflanzen, deren Anbau 
sich der Mühe verlohnte, thatsächlich nur den Erdapfel 
(Helianthus tuberosus) und einige Kürbisse dar. Die Zi- 
zania aquatica, welche von den Eingeborenen im wild- 
wachsenden Zustande eingesammelt wurde, ist eine hinter 
unsern Cerealien und dem Reis zu weit zurückstehende 
Graminee, als dass es sich der Mühe verlohnte, sie aus- 
zusäen. Man fand daselbst auch einige essbare Zwie- 
beln und Beeren, doch wurde kein Anbauversuch mit 
ıhnen gemacht, weil der Mais, der so unendlich viel 
mehr werth ist, frühzeitig dahin gelangte. 

Patagonien und das Cap der Guten Hoffnung haben 
nicht eine einzige Art geliefert. Australien und Neu- 
seeland haben einen Baum, Eucalyptus globulus, und 
ein wenig nahrhaftes Gemüse, die Tetragonia, darge- 
boten. Es mangelte ihren Floren besonders an Gra- 
mineen, die mit unsern Cerealien übereinstimmten, an 
Leguminosen mit essbaren Samen, und an Cruciferen 
mit fleischigen Wurzeln.! In dem tropischen und 
feuchten Gebiete Australiens hat man den Reis und 
die Alocasia macrorhiza wildwachsend oder vielleicht 
naturalisirt angetroffen; der bei weitem grösste Theil 
des Landes leidet aber zu sehr von der Trockenheit, als 
dass sich diese Arten dort hätten verbreiten können. 


1 Vgl. die Liste der Nutzpflanzen Australiens in: Sir J. Hooker, Flora 
Tasmaniae, S. CX, und Bentham, Flora australiensis, VII, 150, 156. 


Allgemeine Bemerkungen. 569 


Im allgemeinen hatten die südlichen Regionen sehr 
° wenig einjährige Pflanzen, und unter ihrer so beschränk- 
ten Zahl bot keine augenscheinliche Vorzüge dar. Nun 
lassen sich aber gerade die einjährigen Arten am leich- 
testen anbauen. In den alten Culturen der andern 
Länder haben sie eine wichtige Rolle gespielt. 
Schliesslich war die ursprüngliche Vertheilung der 
angebauten Arten eine äusserst ungleiche. Sie stand 
in keinem Verhältniss weder zu den Bedürfnissen des 
Menschen, noch zu der Ausdehnung der Ländergebiete. 


Zweiter Abschnitt. Zahl und Beschaffenheit der 
angebauten Arten seit verschiedenen Zeitperioden. 


Diejenigen Arten, welche in dem Verzeichniss auf 
S. 553 mit A vermerkt werden, sind von einer sehr 
alten Cultur; ihre Zahl beträgt 44. Einige der mit B 
bezeichneten Arten sind wahrscheinlich ebenso alt, ohne 
dass dies festgestellt werden konnte. Schliesslich sind 
die fünf amerikanischen, mit D bezeichneten Arten 
wahrscheinlich von einem fast ebenso hohen Culturalter 
als die der Kategorie A oder als die ältesten der Kate- 
gorie B. 

Wie sich voraussehen liess, sind die Arten A beson- 
ders solche Pflanzen, die mit zur Nahrung des Menschen 
sich eignenden Wurzeln, Früchten oder Samen ausge- 
stattet sind. Dann kommen einige Arten, welche wohl- 
schmeckende Früchte oder solche von textilen, farbe- 
und ölhältigen Eigenschaften hervorbringen, oder aus 
denen man durch Aufguss oder Gärung erregende Ge- 
tränke bereitet. Sie weisen nur zwei grüne Gemüse 
auf und enthalten nicht eine einzige Futterpflanze. Die 
Cruciferen, Leguminosen und Gramineen sind die Fami- 
lien, welche vorherrschen. 

Die Zahl der einjährigen Arten ist 22 : 44, d. 1. 
50 Procent. Unter den fünf amerikanischen mit D be- 
zeichneten Arten gibt es zwei einjährige. In der Ka- 


570 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


tegorie A finden sich drei zweijährige Arten, während 
die Kategorie D keine hat. In der Gesammtmasse der 
Phanerogamen gehen die einjährigen Arten nicht über 
15 Procent hinaus, erreichen die zweijährigen kaum die 
Ziffer von 1 oder höchstens 2 Procent. Es ist leicht be- 
greiflich, dass bei Beginn der Civilisation diejenigen Pflan- 
zen die gesuchtesten waren, deren Erzeugnisse nicht auf 
sich ‚warten liessen. Sie bieten ausserdem den Vorzug, 
dass man ihre Cultur verbreiten und vervielfältigen 
kann, entweder wegen des Ueberflusses an Samen oder 
auch weil sich dieselbe Art den Sommer über im Nor- 
den, während des Winters oder das ganze Jahr hin- 
durch in den Tropenländern anbauen lässt. 

Die ausdauernden oder perennirenden Pflanzen sind 
in den Kategorien A und D sehr selten, sie belaufen 
sich auf nicht mehr als zwei Arten oder 4 Procent, wenn 
man nicht Brassica oleracea und die gewöhnlich aus- 
dauernde Form des Flachses ( Linum angustifolium), welche 
die Bewohner der schweizer Pfahlbauten anbauten, hin- 
zufügen will. In der Natur machen die ausdauernden 
Arten ungefähr 40 Procent der Phanerogamen aus.! 

A und D schliessen unter 49 Arten 20 holzige ein, 
oder ungefähr 41 Procent. In die Gesammtmasse der 
Phanerogamen treten diese mit 43 Procent ein. 

Somit wurden von den ersten Anbauern besonders 
einjährige oder zweijährige Arten verwerthet, etwas 
weniger schon holzige Pflanzen und viel weniger noch 
ausdauernde oder perennirende Arten. Diese Verschie- 
denheiten müssen ihren Grund haben in der dem Ver- 
hältniss von wirklich nützlichen Arten aus jeder der 
Abtheilungen entsprechenden Leichtigkeit der (Cul- 
turen. 

Die mit B bezeichneten Arten der Alten Welt werden 
seit mehr als 2000 Jahren angebaut, einige gehören 


1 Die Verhältnisse, welche ich für die Gesammtmasse der Phanero- 
gamen angebe, stützen sich auf eine annähernde Berechnung, welche ver- 
mittelst der ersten 200 Seiten des Nomenclator von Steudel angestellt 
wurde. Ihre Richtigkeit erweist sich durch den Vergleich einiger Floren. 


Allgemeine Bemerkungen. 511 


aber vielleicht, ohne dass man es weiss, zur Kategorie 
A. Die amerikanischen, mit E bezeichneten wurden vor 
Christoph Columbus, vielleicht seit mehr als 2000 Jah- 
ren angebaut. Viele andere in den Tabellen mit (?) 
vermerkten Arten datiren wahrscheinlich auch aus 
einer alten Epoche; da sie aber meistens in Län- 
dern vorkommen, die keine Literatur besitzen, keine 
archäologischen Documente aufweisen, so bleibt ihre 
Geschichte unbekannt. Es hat weiter keinen Nutzen, 
bei so zweifelhaften Kategorien länger zu verweilen; 
‚dagegen verdienen die Pflanzen, von denen man weiss, 
dass sie in der Alten Welt seit weniger als 2000 Jah- 
ren, oder in Amerika seit der Zeit der Entdeckung 
angebaut wurden, mit denen, welche man seit uralten 
Zeiten anbaute, verglichen zu werden. 

Diese Arten der Culturen der Neuzeit belaufen sich 
auf 61 von der Alten Welt, mit C bezeichnet, und auf 
6 von Amerika, mit F bezeichnet; im ganzen also 
auf 67. 

Nach ihrer Dauerzeit eingetheilt, zählen sie 37 Pro- 
cent einjähriger, 7—8 Procent zweijähriger, 33 Procent 
ausdauernder und 22—23 Procent holziger. 

Das Verhältniss der einjährigen oder zweijährigen ist 
auch hier noch stärker als bei der Gesammtzahl der 
Gewächse, es ist aber geringer als bei den Arten einer 
sehr alten Cultur. Die Verhältnisse der ausdauernden 
oder holzigen sind geringer als im gesammten Pflanzen- 
reich, sie sind aber höher als bei den Arten A von 
sehr alter Cultur. 

Die seit weniger als 2000 Jahren angebauten Ge- 
wächse machen besonders künstliche Futterpflanzen aus, 
welche die Alten kaum kannten; dann kommen einige 
Zwiebeln, Gemüse, medicinische Pflanzen (Cinchonas), 
Pflanzen mit essbaren Früchten, nahrhaften (Buchweizen) 
oder aromatischen (Kaffeebaum) Samen u. s. w. Seit 
2000 Jahren haben die Menschen nicht eine einzige Art 
entdeckt und angebaut, welche mit dem Mais, dem Reis, 
der süssen Batate, der Kartoffel, dem Brotbaum, der 


D? Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


Dattelpalme, den Cerealien, der Hirse, dem Sorghum, 
der Banane, der Sojabohne’ einen Wettstreit eingehen 
könnte. Die Cultur dieser geht auf 3000, 4000 oder 
5000 Jahre, in gewissen Fällen vielleicht selbst auf 
6000 Jahre zurück. Während der Dauer der griechisch- 
römischen Civilisation und in den dann folgenden Zeiten 
entsprechen die der Cultur unterzogenen Arten der 
grössern Mehrzahl nach verschiedenartigern und aus- 
gesuchteren Bedürfnissen. Viel Arbeit hat man auch dar- 
auf verwandt, die alten Arten eines Landes nach einem 
andern zu verbreiten, und man richtete gleichzeitig sein 
Augenmerk auf die natürliche Züchtung von bei jeder 
Art eintretenden bessern Varietäten. 

Die Einführungen seit 2000 Jahren haben in einer 
sehr unregelmässigen und wechselnden Weise statt- 
gefunden. Ich könnte nicht eine einzige Art namhaft 
machen, die seit jener Zeit von den Chinesen, diesen 
grossen Landbauern der alten Zeiten, der Cultur unter- 
worfen wurde. Die Völker des südlichen oder west- 
lichen Asien haben bis zu einem gewissen Grade Neue- 
rungen eingeführt, indem sie die Buchweizen, mehrere 
Cucurbitaceen, einige Alliumarten u. s. w. anbauten. In 
Europa haben die Römer und weiter im Mittelalter ver- 
schiedene Völker die Cultur von gewissen Gemüsen oder 
Früchten, sowie die mehrerer Futterpflanzen eingeführt. 
In Afrika hat dann eine kleine Anzahl von Culturen 
vereinzelt ihren Anfang genommen. Die Folge der von 
Vasco de Gama und Christoph Columbus unternommenen 
Reisen war eine rasche Ausbreitung der bereits in der 
einen oder andern Hemisphäre angebauten Arten. Diese 
Beförderungsweisen sind während drei Jahrhunderten 
fortgesetzt worden, ohne dass man sich ernstlich mit 
neuen Culturen beschäftigt hätte. In den 200 oder 
300 Jahren, welche der Entdeckung Amerikas vorher- 
gingen, und den 200, welche dann folgten, ist die An- 
zahl der angebauten Arten fast vollständig auf dem- 
selben Punkte stehen geblieben. Die Erdbeeren Ame- 
rikas, die Persimonpflaume, der Meerkohl (Crambe 


Allgemeine Bemerkungen. 573 


maritima) und die Tetragonia expansa, welche im 
18. Jahrhundert eingeführt wurden, sind kaum von irgend- 
welcher Bedeutung gewesen. Man muss bis zur Mitte 
des jetzigen Jahrhunderts vorschreiten, um neue Culturen 
von einiger Wichtigkeit in Bezug auf Nützlichkeit nach- 
weisen zu können. Ich erinnere an Eucalyptus glo- 
bulus, den Blaugummibaum Australiens, und die Cin- 
chonen oder Chinabäume Südamerikas. 

Die Einführungsweise dieser letzten Arten zeigt den 
ungeheueren Wechsel, welcher sich in Bezug auf die 
Beförderungswege eingestellt hat. Vor zeiten fing die 
Cultur einer Pflanze in dem Lande an, wo sie ursprüng- 
lich vorkam, während der australische Eucalyptus zu- 
erst in Algerien gepflanzt und ausgesäet wurde, und 
die Cinchonen Amerikas in Südasien. Bis zur gegen- 
wärtigen Epoche hatten die botanischen Gärten oder 
Liebhaber schon anderswo angebaute Pflanzen verbreitet. 
Jetzt werden durch sie ganz und gar neue Culturen 
eingeführt. Hierin steht der königl. botanische Garten 
zu Kew obenan, und von andern botanischen Gärten 
und Acclimatisationsgesellschaften in England und an- 
derwärts werden ähnliche Versuche gemacht. Wahrschein- 
lich werden die tropischen Länder innerhalb eines Jahr- 
hunderts grossen Nutzen daraus ziehen. Auch die andern 
werden ihren Vortheil dabei finden infolge der sich 
immer steigernden Erleichterung der Beförderung von 
Materialwaaren. 

Wenn eine Art einmal in den Culturen Verbreitung 
gefunden hat, so geschieht es selten — man kann vielleicht 
kaum ein Beispiel hierfür nennen —, dass man sie gänzlich 
wieder aufgibt. Man fährt vielmehr hier und da fort 
mit ihrem Anbau in den Ländern, die etwas zurück- 
geblieben sind oder deren Klima ihr besonders zusagt. 
Bei meinen Untersuchungen habe ich einige dieser fast 
aufgegebenen Arten, wie den Färberwaid (Isatis tinc- 
toria), die Waldmalve (Malva sylvestris), ein bei den 
Römern gebräuchliches Gemüse, einige früher sehr viel 
gebrauchte medicinische Pflanzen, wie den Fenchel, den 


574 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


Kümmel, den Schwarzkümmel u. s. w. unberücksichtigt 
gelassen, theilweise baut man sie aber gewiss noch an. 

Der Wettstreit der Arten bewirkt, dass die Cultur 
einer jeden zu- oder abnimmt. Ausserdem werden die 
Färbe- und medicinischen Pflanzen durch neuere Ent- 
deckungen in der Chemie bedroht. Der Färberwaid, 
der Krapp, der Indigo, die Minze und mehrere ein- 
fache Heilmittel müssen vor der Invasion chemischer 
Producte zurückweichen. Es ist immerhin möglich, dass 
man noch dahin gelangen wird, Oel, Zucker, Stärke- 
mehl anzufertigen, wie man bereits ohne Hinzuziehung 
von organischen Stoffen Honig, Butter und Gelees 
gewonnen hat. Nichts würde die Ackerbauverhältnisse 
der Welt mehr verändern, als beispielsweise die Fabri- 
kation des Stärkemehls vermittelst seiner bekannten und 
anorganischen Bestandtheile. 

Bei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaften gibt 
es noch Producte, welche man vermuthlich immer mehr 
und mehr dem Pflanzenreiche abzugewinnen versuchen 
wird, dies sind die textilen, die Gerbmaterialien, der 
Kautschuk, Guttapercha und gewisse Gewürze. Je mehr 
die dieselben liefernden Wälder zerstört werden und die 


Nachfrage nach diesen Substanzen gleichzeitig zunehmen 


wird, um so viel mehr wird man sich versucht fühlen, 
die Cultur gewisser Arten zu betreiben. 

Meistens gehören sie den Floren tropischer Länder 
an. In diesen Regionen, besonders in Südamerika, wird 
man auch auf den Gedanken verfallen, gewisse Frucht- 
bäume, z. B. aus der Familie der Anonaceen, anzu- 
bauen, deren Vorzüge den Eingeborenen und den Bo- 
tanikern bereits bekannt sind. Wahrscheinlich wird 
man die Futterpflanzen und die Waldbäume vermehren, 
welche in den heissen und trockenen Ländern ihr Fort- 
kommen finden. In den gemässigten und ganz insbe- 
sondere in den kalten Regionen wird diese Zunahme 
keine beträchtliche sein. 

Nach solchen Anschauungen und Betrachtungen scheint 
es wahrscheinlich, dass der Mensch gegen Ende des 


ru PURE ER Pe 


Allgemeine Bemerkungen. 570 


19. Jahrhunderts etwa 300 Arten im grossen und zu 
einem Nutzen anbauen wird. Dies ist ein geringes 
Verhältniss zu den 120000 oder 140000 Arten des 
Pflanzenreichs; in dem andern Reiche ist aber das Ver- 
hältniss der dem Menschen nützlich gemachten Wesen 
ein bedeutend schwächeres. Es gibt vielleicht nicht 
mehr als 200 Arten von Hausthieren oder solchen, die 
einfach für unsern Nutzen aufgezogen werden, und doch 
zählt das Thierreich Millionen von Arten. Aus der 
grossen Klasse der Mollusken zieht man die Auster, und 
aus jener der Gliederthiere, welche zehnmal so viele 
Arten enthält wie das gesammte Pflanzenreich, kann 
man die Biene anführen und noch zwei oder drei Insekten, 
welche Seide liefern. Zweifelsohne ist die Zahl der Thier- 
und Pflanzenarten, welche man zu seinem Vergnügen oder 
auch aus Wissbegier heranziehen, cultiviren kann, eine 
ausserordentlich grosse, wie dies die Menagerien, die 
zoologischen und botanischen Gärten zur Genüge be- 
weisen; ich spreche hier aber nur von solchen nütz- 
lichen Pflanzen und Thieren, die eine weite und allge- 
mein gebräuchliche Verwendung finden. 


Dritter Abschnitt. (ulturpflanzen, die man im 
wildwachsenden Zustande kennt oder nicht kennt. 


Der Wissenschaft ist es gelungen, den geographischen 
Ursprung fast aller angebauten Arten festzustellen; 
weniger Fortschritte hat sie aber gemacht in der Kennt- 
niss dieser Arten im spontanen Zustande, d. h. als 
wildwachsende, von Culturen und Wohnplätzen ent- 
fernte Pflanzen. Es gibt Arten, welche in diesem Zu- 
stande überhaupt nicht angetroffen worden sind, an- 
dere, bei denen die Bedingungen specifischer Ueber- 
einstimmung oder wirklicher Spontaneität zweifelhaft 
sind. 

In der nachfolgenden Aufzählung habe ich die Arten 
in Kategorien eingetheilt, und zwar nach dem Grade der 


576 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


Gewissheit über die spontane Beschaffenheit und die 
Natur der etwa vorhandenen Zweifel.! 


I. 


IL. 


TIL 


IV. 


Spontane, d. h. wildwachsende Arten, welche von meh- 
reren Botanikern fern von Wohnplätzen und Culturen, 
mit allen Anzeichen einheimischer Pflanzen und unter 
einer mit einer der angebauten Varietäten übereinstim- 
menden Form gesehen wurden. Das sind die Arten, 
welche hier unten nicht aufgezählt sind. Ihre Zahl 
BOWapE =. ur on re a EE Lite SH T 


Unter diesen 169 Arten gehören 31 zu don ni me oder D bezeich- 
neten Kategorien, sind also von einer sehr alten Cultur; 
56 werden seit weniger als 2000 Jahren angebaut (C) und die 
andern sind von einem mittlern oder unbekannten Zeitalter. 
Unter denselben Bedingungen gesehen und gesammelt, 
aber nur von einem einzigen Botaniker und in einer 
einzigen Localität .S . ..:”. ... 2 2 ae a 
Cucurbita maxima, Faba vulgaris, Nicotiana Tabacum. 


Unter denselben Bedingungen gesehen und erwähnt von 
einem oder zwei mehr oder weniger alten Autoren, die 
keine Botaniker waren und sich geirrt haben können. 
Ihre Zahl’ beläuft sich auf: 7. > SEE 


Carthamus tinctorius, Triticum vulgare. 


Von Botanikern in mehreren Localitäten als wildwach- 
sende gesammelt, aber unter einer etwas verschiedenen 
Form von denen, welche man anbaut, die aber die 
meisten Botaniker ohne Bedenken der Art zuzählen. 4 
Olea europaea, Oryza sativa, Solanum tuberosum, Vüitis vinifera. 


Wildwachsende, in mehreren Localitäten von Botanikern 
gesammelt unter Formen, die einigen Autoren zufolge 
verschiedene Arten ausmachen müssen, während sie von 
andern als Varietäten angesehen werden . . . . . 16 


Allium Ampeloprasum Porrum, Chenopodium Quinoa, Cichorium 
Endivia var.*, Crocus sativus var., Cucumis Melo*, Cucurbita 
Pepo, Helianthus tuberosus, Lactuca Scariola sativa, Zinum usi- 
tatissimum annuum, Lycopersicum esculentum, Papaver somni- 
ferum, Pyrus nivalis var., Ribes Grossularia*, "Solanum Melon- 
gena, Spinacia oleracea var.*, Triticum monococeum. 


Subspontane, d. h. fast wildwach einer der an- 
gebauten Formen ähnliche, aber möglicherweise je 
nach localen Umständen den Culturen entsprungene 
Arten 'n.. „2 MEL Sn 2 ee DE RE 


1 Die Arten in Cursivschrift sind von einer sehr alten Cultur (A 


oder D); die mit * bezeichneten werden seit weniger als 2000 Jahren an- 
gebaut (C oder F). 


di dinde ti. er 


POS SE TS TS DS ET TA 


Vo. 


vo. 


IX. 


/ 


Allgemeine Bemerkungen. 577 


Agave americana, Amarantus gangeticus, Amygdalus Persica, 
Areca Catechu, Avena orientalis*, Avena sativa, Cajanus in- 
dicus*, Cicer arietinum, Citrus decumana, Cucurbita moschata, 
Dioscorea japonica, Ervum Ervilia, Areum Lens, Fagopyrum 
emarginatum, Gossypium barbadense, Holcus saccharatus, Hol- 
cus Sorghum, Indigofera tinctoria, Lepidium sativum, Maranta 
arundinacea, Nicotiana rustica, Panicum miliaceum, Raphanus 
sativus, Spergula arvensis. 

Subspontane, wie die vorhergehenden, die aber eine 
‘von den angebauten Varietäten genügend verschiedene 
Form aufweisen, um von der Mehrzahl der Autoren 
als verschiedene Arten angesehen zu werden... 3 


Allium ascalonicum* (Form von A. Cepa?), Allium Scorodo- 
prasum* (Form von A. sativum?), Secale cereale (Form einer 
der ausdauernden Secale-Arten?). 

Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- ‘ 
spontanen Zustande entdeckt, vielleicht seit Beginn 
der Culturen aus angebauten Arten hervorgegangen, 
aber zu verschieden, um nicht gemeiniglich Arten ge- 
nannt zu werden D RN 3 

Hordeum hexastichon (ihren Ursprung ableitend von H. distichon 2), 
Hordeum vulgare (ihren Ursprung ableitend von M. distichon ?), 
Triticum Spelta (ihren Ursprung ableitend von 7. vulgare?). 

Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- 
spontanen Zustande entdeckt, aber aus Ländern stam- 
mend, welche noch nicht genügend erforscht worden 
sind, und die später vermuthlich mit wildwachsen- 
den noch schlecht bekannten Arten dieser Länder 
vereinigt sein müssen . . N D SENTE 

Arachis hypogaea, Caryophyllus aromaticus, Convolvulus Batatas, 

Dolichos Lubia*, Manihot utilissima, Phaseolus vulgaris. 
Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- 
spontanen Zustande entdeckt, aber aus Ländern stam- 
mend, welche noch nicht genügend erforscht worden 
sind, oder aus ebensolchen Ländern, die man nicht 
genauer feststellen kann, verschiedenartiger als die 
vorhergehenden der bekannten Arten . . . . . . 17 


Amorphophallus Konjak, Arracacha esculenta, Brassica chinen- 
sis, Capsicum annuum, Citrus nobilis, Cucurbita ficifolia, Dios- 
corea alata, Dioscorea Batatas, Dioscorea sativa, Eleusine 
Coracana, Lucuma mammosa, Nephelium Litchi, Pisum sati- 
vum*, Saecharum offieinarum, Sechium edule, Trichosanthes 
anguina*, Zea Mans. 


In Summa.. 247. 


Diesen Ziffern zufolge gibt es 194 Arten, die als 
wildwachsende erkannt wurden, 27 zweifelhafte oder 
subspontane, und 26, die wildwachsend nicht gefunden 
wurden. 


D& CASDOLLE, 37 


J 


578 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


Es ist anzunehmen, dass man früher oder später 
diese letztern entdecken wird, wenn auch nicht unter 
einer der angebauten Formen, so doch wenigstens unter 
einer: verwandten Form, die je nach der Ansicht der 
Autoren bald Art, bald Varietät genannt wird. Um 
dahin zu Selanpen, müssen die tropischen Länder besser 
erforscht werden, müssen die Sammler mehr Aufmerk- 
samkeit auf die Standorte verwenden, müssen viele 
Floren über die Länder veröffentlicht werden, die gegen- 
wärtig noch schlecht bekannt sind, muss man auch gute 
Monographien von gewissen Gattungen besitzen und 
sich dabei auf die Charaktere stützen, welche‘ in der 
Cultur am wenigsten varlıren. 

Einige aus ziemlich gut erforschten Ländern stammende 
Arten, welche mit andern nicht - verwechselt werden 
können, weil sie Gattungen für sich ausmachen, sind im 
wildwachsenden Zustande nicht gefunden worden, oder 
nur ein einziges mal, was zu der Vermuthung führen 
kann, dass sie in der Natur ausgestorben oder im 
Aussterben begriffen sind. Ich meine den Mais und 
die Pferdebohne (vgl. S. 490 und 397). In dem Ab- 
schnitt 4 verweise ich auch auf andere Pflanzen, : welche 
seit einigen Tausend Jahren auf dem Wege des Aus- 
sterbens zu sein scheinen. Diese letztern gehören zu 
artenreichen Gattungen, was die Hypothese weniger 
wahrscheinlich macht!; andererseits zeigen sie sich aber 
von Culturen selten weit entfernt und man sieht sie 
sich selten naturalisiren, d. h. verwildern, was eine 
gewisse Schwäche nr oder auch eine zu grosse 
Leichtigkeit. Thieren und Schmarotzern zur. Beute zu 
fallen. 

Die 67, seit wenigstens 2000 Jahren (C, p der Cul- 
tur unterworfenen Arten finden sich alle im wildwach- 
senden Zustande, mit Ausnahme von 11, die mit * 
bezeichnet sind, und welche man nicht angetroffen 


1 Aus Gründen, auf welche ich hier nicht näher eingehen kann, sind 
die monotypischen "Gattungen meistens im Aussterben begriffen. - 


x 


1A 


Allgemeine’ Bemerkungen. 579 


hat, oder über welche man Zweifel hegt. Dies ist ein 
‘Verhältniss von 83 Procent. 

Auffallender ist es, dass die grössere Mehrzahl der 
‘seit mehr als 4000 Jahren (A), oder in Amerika seit 
3000 oder 4000 Jahren (D) angebauten Arten noch 
wildwaéhsend vorkommen, und zwar in einem mit einer 
‘der angebauten Formen übereinstimmenden Zustande. 
Ihre Zahl beläuft sich auf 31 von 49, d.h. 63 Procent. 
Fügt man die der Kategorien Il, III, IV und V hinzu, 
so ergibt dies ein Verhältniss von 81—82 Procent. 
In den Kategorien IX und X findet man nicht mehr 
als 2 dieser sehr alten angebauten Arten, oder 4 Pro- 
cent, und dies sind 2 Arten, welche als wildwachsende 
Pflanzen vielleicht nicht mehr vorkommen. 

Von vornherein glaubte ich, dass eine viel grössere 
Anzahl der seit mehr als 4000 Jahren angebauten Arten 
‚sich in einem solchen Grade von ihrem ehemaligen Zu- 
stande entfernt haben würde, dass man sie unter den 
‚spontanen Pflanzen nicht mehr erkennen konnte. Es 
scheint aber im Gegentheil, als ob die der Cultur vor- 
‘hergehenden Formen sich gewöhnlich an der Seite von 
denen, welche die Züchter erzielten und von Jahrhun- 
dert zu Jahrhundert vermehrten, erhalten haben. Dies 
lässt sich durch zwei Gründe erklären: 1) Die Periode 
von 4000 Jahren ist im Verhältniss zu der Dauer der 
meisten specifischen Formen unter den phanerogamischen 
Pflanzen eine kurze. 2) Die angebauten Arten er- 
halten ausserhalb der Culturen beständig Verstärkung 
durch die Samen, welche durch den Menschen, die Vögel, 
und verschiedene natürliche Agentien in vielerlei Weise 
'ausgestreut und weitergeführt werden können. Die 
auf diese Weise erzielten Naturalisationen vermengen 
‘häufig aus wildwachsenden Pflanzen hervorgegangene 
Individuen mit solchen, die angebauten Pflanzen ihr 
Dasein verdanken; es geschieht dies um so leichter, 
weil sie sich gegenseitig befruchten, indem sie zu ein 
und derselben Art. gehören. Diese Thatsache ist deut- 
lich nachgewiesen N sobald es. sich uni eine in 


ae 


580 Dritter "Theil. Zweites Kapitel. 


Amerika in den Gärten angebaute Art der Alten Welt 
handelt, und welche sich später massenhaft auf den 
Feldern oder im den Wäldern niederlässt, wie z. B. 
die Kardunkel-Artischoke in Buenos-Ayres und die 
Orangenbäume in mehreren amerikanischen Ländern. 
Die Cultur breitet die Wohnsitze aus; sie bietet Ersatz 
für den Ausfall, welchen die natürliche Reproduction 
der Arten. zuweilen aufweist. Einige Arten machen 
hiervon eine Ausnahme, und es verlohnt sich der Mühe, 
sie in einem besondern Abschnitt zu behandeln. = 


E 
| 


Vierter Abschnitt. Culturpflanzen, welche im 
Aussterben begriffen oder ausserhalb des Culturbereichs 


ausgestorben sind. \ 


da Lui. à D: 7: 4, 


Die Arten, auf welche ich soeben hingewiesen habe, 
bieten drei bemerkenswerthe Merkmale dar: 

1) Sie sind nicht im wildwachsenden Zustande ent- 
deckt worden, oder dies ist nur ein- oder zweimal, 
oft sogar in zweifelhafter Weise geschehen, obgleich 
die Regionen, aus welchen sie hervorgegangen sind. von 
mehreren Botanikern bereist wurden. 

2) Ihnen ist nicht die Fähigkeit verliehen worden, 
ausserhalb der angebauten Ländereien sich auszusäen 
und ins Unendliche zu vermehren. Mit andern Worten, 
man kann von ihnen sagen, dass sie in einem ähn- 
lichen Falle die Bedingung von zufällig auftretenden 
Arten nicht überschreiten. | 

3) Es lässt sich nicht annehmen, dass sie seit der h 
historischen Epoche aus gewissen verwandten Arten | 
hervorgegangen sind. | 

Diese drei Merkmale finden sich in den folgenden 
Arten vereinigt: 


Pferdebohne (Faba vulgaris). Taback (Nicotiana Tabacum). 
Kichererbse(Cicer arietinum). Weizen (Triticum vulgare). 
Erve (Ervum Ervila). Mais (Zea Mays). 

Linse (Ervum Lens). 


Allgemeine Bemerkungen. 581 


Hinzuzufügen wären noch die süsse Batate (Convol- 
vulus Batatas), wenn die verwandten Arten besser 
als verschieden bekannt wären, und der Färber-Saflor, 
wenn das Innere Arabiens erforscht worden wäre und 
man diese Pflanze nicht dort als eine vor Zeiten von 
einem arabischen Schriftsteller angegebene gefunden hätte. 

Alle diese Arten, wahrscheinlich auch noch andere 
von wenig bekannten Ländern, scheinen im Aussterben 
begriffen zu sein oder sind es bereits. Sie würden ver- 
schwinden, vorausgesetzt, dass es mit der Cultur auf 
der Erde ein Ende nähme, während die meisten der 
andern angebauten Pflanzen sich irgendwo naturalisirt 
haben würden uhd im wildwachsenden Zustande ver- 
harren würden. 

Die vorerwähnten sieben Arten haben mit Aus- 
nahme des Tabacks stärkemehlhaltige Samen, die von 
den Vögeln, den Nagethieren und verschiedenen In- 
sekten gesucht werden, aber nicht unversehrt durch 
ihre Verdauungsorgane hindurchgehen können. Dies ist 
wahrscheinlich die einzige oder wichtigste Ursache ihres 
Zurückstehens in.dem Kampf ums Dasein. 

Somit liefern meine Untersuchungen über die ange- 
bauten Arten den Beweis, dass sich gewisse Pflanzen- 
arten seit der historischen Epoche auf dem Wege des 
Aussterbens befanden oder ausgestorben sind, und dies 
hat nicht auf kleinen Inseln, sondern auf grossen 
Continenten stattgefunden, ohne dass man Abänderungen 
im Klima nachgewiesen hätte. Dies ist ein wichtiges 
Ergebniss für die Geschichte der organischen Reiche 
zu allen Epochen. 


Fünfter Abschnitt. Verschiedene Betrachtungen. 


Ich will hier auf Folgendes kurzgefasst hinweisen: 

1) Die der Cultur unterworfenen Arten gehören nicht 
zu einer besondern Kategorie, denn sie klassificiren sich 
in 51 verschiedene Familien. Mit Ausnahme des ge- 


582 Dritter Theil. Zweites Kapitel. + 


meinen essbaren Champignons (Agaricus campestris) ge- 
hören sie indessen alle zu den Phanerogamen. | 

2) Die Charaktere, auf welche die Cultur am meisten 
einwirkt, welche sie am wirksamsten umgestaltet, sind: 
a. die Er ‚Gestalt und Farbe der fleischigen Theile 
der Pflanze, gleichviel welcher Stellung. immer (Wurzel, 
Zwiebel, Knolle, Frucht oder Same), der mehr oder 
minder reiche Stärkemehl- oder Zuckergehalt, oder auch 
anderer Substanzen, welche sich in diesen Theilen ab- 
lagern; db. der Ueberfluss an Samen, welcher oft um- 
gekehrt proportionell ist der Entfaltung der fleischigen 
Pflanzentheile; c. die Form, Grösse, Behaarung der 
persistenten Blütentheile um die Früchte oder Samen; 
d. Raschheit der verschiedenen Phasen des Wachsthums, 
durch welche die holzige oder krautige, ausdauernde, 
bisannuelle oder annuelle Beschaffenheit einer Pflanze oft 
bedingt wird. 

Die ‚Stengel, Blätter und Blumen verändern sich 
wenig in den dieser Theile wegen angebauten Pflanzen. 
Es sind die letzten Bildungen jedes einjährigen oder 
zweijährigen Triebes, welche am meisten variiren, mit 
andern Worten, die, Ergebnisse der Vegetation sind 
grössern Veränderungen unterworfen, als die dieselben 
hervorrufenden Organe. 

3) Ich habe in keiner Weise eines dass die Cul- 
tur einen Einfluss auf Anpassung an die Kälte ausübt. 
Wenn der Anbau einer Art nach Norden zu vorrückt 
(Mais, Flachs, Taback u. s. w.), so erklärt sich das 
durch die Erzeugung frühzeitiger Varietäten, welche 
vor der kalten Jahreszeit zur Reife gelangen können, 
oder durch das Verfahren, im Norden während des 
Sommers Arten anzubauen, welche im Süden zur Win- 
terszeit ausgesäet werden. Das Studium der- für die 
spontanen Arten nördlichen Grenzen hatte mich einst 
zu demselben Resultat geführt, denn seit den histori- 
schen Zeiten sind dieselben keinen Veränderungen unter- 
Arten gewesen,. wenn. auch die. Samen rn ja be- 


‚Allgemeine Bemerkungen. 583 


Für eine derartige Veränderung, welche höhere Kälte- 
grade zu ertragen im Stande wäre, oder sich auf Form 
und Dauer bezöge, bedürfte es dem Anscheine nach 
viel längerer Perioden als eines Zeitraums von 4000 
oder 5000 Jahren. ' 

4) Die Klassifikationen von Varietäten, welche durch 
Landwirthe und Gärtner erzielt wurden, stützen sich . 
gemeiniglich auf Charaktere, welche sich am meisten 
verändern (Form, Grösse, Farbe, Geschmack der fleischi- 
gen Theile, Grannen der Aehren u. s. w.). Die Bota- 
niker irren sich, wenn sie diesem Wege folgen. Sie 
müssten die Charaktere zu Rathe ziehen, die unver- 
änderlicher sind, diejenigen Organe, wegen deren man 
die Arten nicht anbaut. 

. 5) Indem eine nicht angebaute Art eine Gruppe von 
mehr oder minder analogen Formen ausmacht, bei wel- 
chen sich häufig Untergruppen (Rassen, Varietäten, 
Untervarietäten) unterscheiden lassen, hat es vorkommen 
können, dass zwei oder mehrere dieser etwas verschie 
denen Formen dem Anbau unterworfen wurden. Dies 
hat besonders dann eintreten müssen, wenn der Wohn- 
sitz einer Art ein weiter ist, und noch mehr, sobald der- 
selbe ein getrennter ist. Der erste Fall ist wahrscheinlich 
der des Kohls (Brassica), des Flachses, der Süsskirsche 
(Prunus avium), des gemeinen Birnbaums u. s. w.; der 
zweite Fall hat sich wahrscheinlich bei dem Flaschen- 
kürbis, der Melone, der dreiblätterigen Bohne gezeigt, 
welche vor dem Beginn der Cultur zu gleicher Zeit in 
Indien und in Afrika vorkamen. 

6) Die unterscheidenden Merkmale zwischen solchen 
Pflanzen, welche seit Generationen verwildert sind und 
von cultivirten Individuen abstammen, und solchen der- 
selben Art, die seit alters wild wachsen, kennt man 
noch nicht. Bei der Rückbildung einer. cultivirten in 
eine wilde Pflanze sind die besondern Eigenschaften, 
welche sich in den Culturen durch Pfropfen fortpflanzen, 
bei der Aussaat von keinem Bestand. Beispielsweise 
befindet sich der verwilderte Oelbaum im Zustande des 


584 Dritter Theil. Zweites Kapitel. 


Oleaster, hat der Birnbaum weniger grosse Früchte, 
gibt der Maronenbaum eine ganz gemeine Frucht. 
Uebrigens sind die naturalisirten Formen von ange- 
bauten Arten noch nicht genügend von Generation auf 
Generation beobachtet worden. Sagot! hat dies bei 
der Weinrebe gethan. Es dürfte von Interesse sein, 
in derselben Weise die Citrusarten, die Persica und 
die in Amerika naturalisirte Kardunkel-Artischoke mit 
ihren angebauten Formen, fern von ihrem Heimatlande 
zu vergleichen, desgleichen die in Amerika wildwach- 
senden Arten der Agave und des Feigencactus mit 
ihren in der Alten Welt naturalisirten Varietäten. Da- 
durch liesse sich genau in Erfahrung bringen, was 
nach einem zeitweiligen Culturzustande von Dauer ist. 

7) Eine Art kann, bevor man sie dem Joche der 
Cultur unterwarf, auf eine dem Raume nach sehr be- 
schränkte Zone angewiesen gewesen sein, und dann 
als angebaute und zuweilen naturalisirte Pflanze einen 
ungeheueren Flächenraum einnehmen. 

8) In der Geschichte der Culturpflanzen spricht 
nichts dafür, dass zwischen den Völkern der Alten 
und jenen der Neuen Welt vor der Entdeckung des 
Columbus ein Verkehr stattgefunden hätte. Die Skan- 
dinavier, welche bis in die nördlichen Vereinigten Staa- 
ten vorgedrungen waren, und die Basken des Mittel- 
alters, welche auf der Walfischjagd vielleicht bis Amerika 
gelangten, scheinen keine einzige Culturpflanze ver- 
breitet zu haben. Auch der Golfstrom hat im dieser 
Hinsicht gar keine Wirkung gehabt. Zwischen Amerika 
und Asien hat vielleicht ein Austausch von zwei nütz- 
lichen Gewächsen stattgefunden, dies sind die Batate, 
welche durch den Menschen,‘ die Kokosnuss, welche 
ebenfalls durch den Menschen oder durch Meeresströ- 
mungen fortgeführt wurden. 


1 Sagot, Sur une vigne sauvage croissant en abondance dans les bois 
autour de Belley. 


Register. 


Acajoubaum 245. 564. 

Ackerspark, gemeiner 141. 557. 

Advogatobaum 366. 564. 

Agaricus campestris 565. 

Agave americana 1%. 563. 

Agrume 220. 

Aguacatebaum 366. 

Alkanna, echte 171. 

Allium Ampeloprasum, Porrum 126. 
556. 

Allium Ascalonicum 86. 554. 

— Cepa 82. 554. 

— /fistulosum 85. 554. 

— sativum 79. 554. L 

— Schoenoprasum 9%. 554. 

— Scorodoprasum 89. 554. 

Alocasia macrorrhiza 94. 554. 

Amarantus frumentaceus 445. 561. 

— gangeticus 125. 556. 

Amelkorn 461. 

Amorphophallus Konjak 95. 554. 

— Rivieri 9. 

Amygdalus communis 271. 558. 

— Persica 273. 559. 

Anacardium occidentale 245. 564. 

Ananassa sativa, Ananas 390. 565. 

Andropogon saccharatus 483. 

— Sorghum 480. 

Anguriagurke 333. 559. 

Anona Cherimolia 214. 564. 

— muricata 213. 564. 

— reticulata 214. 564. 

— squamosa 207. 564. 

Anthriscus Cerefolium 112. 553. 

Apfelbaum, gemeiner 290. 559. 

Apfelsinenbaum 228. 558. 

Apium graveolens 111. 555. 

Aprikose von San-Domingo 233. 

Aprikosenbaum 266. 558. 

Arachis hypogaea 520. 565. 

Areca Catechu 542. 563. 

Armeniaca vulgaris 266. 


Arracacha Arracatscha 
50. 563. 
Arrowroot 101. 563. 
Artischoke, grosse 115. 555. 
— spanische 115. 555. 
Artocarpus incisa 374. 560. 
— integrifolia 376. 560. 
Arum esculentum 91. 
— macrorrhizum 94. 
Asparagus oficinalis 556. 
Atriplex hortensis 556. 
Avena orientalis 471. 562. 
— sativa 471. 562. 


esculent« , 


WBaldrian, gemeiner 555. 


Balsamapfel, cylinderförmiger 337. 
Banane 381. 560. 

Bastardsafran 203. 

Batatas edulis, Batate 67. 563. 
Baumwollpflanze, baumart. 513. 562, 
— von Barbadoes 517. 665. 
Baumwollstaude 509. 562. 
Beissbeere 363. 

Benincasa hispida 336. 559. 

Beta maritima 73. 

— vulgaris 73. 554. 
Betelnusspalme 542. 563. 
Betelpfeffer 563. 

Birnbaum, chinesischer 290. 559. 
— gemeiner 285. 599. 

Bixa Orellana 508. 
Blaugummibaum 557. 

Blutklee 131. 556. 

Bocksbart 55. 554. 

Boehmeria nivea 182. 557. 
Bohne, aconitblätterige 435. 561. 
— dreiblätterige 435. 

— gekrümmte 565. 

— mondförmige 433. 

— türkische 425. 


586 Register. 


Bohnenbaum, indischer 561. 
Bohnenwicke 397. 

Borstengras 478. 562. 

Brassica campestris 45. 

— chinensis 555. 

— Napus 45. 554. 

— oleracea 45. 105. 155. 

— Rapa 45. 554. 

Breiapfel, gemeiner 359. 

Bromelia Ananas 3%. 

Brotbaum, echter 374. 560. 

— ganzblätteriger 376. 560. 
Brunnenkresse 555. 
Brustbeerenbaum, afrikan. 242. 558. 
Buchweizen, ausgerandeter 443. 561. 
— gemeiner 440. 561. 

— tatarischer 442. 561. 


Cacaobaum 393. 565. 

Caimito 564. 

LCojanus indicus, Cajanstrauch 417. 
561. 

Caju 564. 

Calebasse 305. 

Camelina sativa 562. 

Campanula Rapunculus, Rapunzel 
554. s 

Cannabis sativa 185. 531. 

Capsicum annuum 363. 564. 

— frutescens 363. 564. 

Carica Papaya 561. 

Carthamus tinctorius 203. 558. 

Caryophyllus aromaticus 199. 557. 

Cassavestrauch 74. 

Castanea vulgaris 446. 561. 

Catha edulis 166. 

Cayennepfefter 361. 564. 

Cedratbaum 220. 

Celastrus edulis 166. 531. 

Cerasus vulgaris 256. . 

Ceratonia Siliqua 421. 561. 

Chaerophyllum bulbosum 554. 

Champignon, gemeiner 565. 

Chayota 564. 

Chenopodium Quinoa 444. 565. 

Chinagras 182. 

Chochokürbis 342. 

Chrysophyllum Cainito 357. 564. 

Cicer arietinum 406. 560. 

Cichorie, gemeine 120. 555: 

Cichorium Endivia 120. 555, 

— Intybus 120. 555. 

Cinchona Calisaya 563. 

— officinalis 565. 

— succirubra 563. 

Cinnamomum zeylanicum 181. 557. 

Citrone 220. 558. 

Citrullus vulgaris 328. 559. 

Citrus Aurantium 224. 558. 

— decumana 218. 558. 

— medica 220. 558. 

— nobilis 232. 558. 


Cocastrauch 167. 563. 
Cochlearia Armoracia 42. 553. 
Cocos nucifera 544. 563. 
Cofea arabica 525. 562. 

— liberica 529. 562. 

Colocasia antiquorum 91. 554. 
Convolvulus Batatas 67. 565. 
Coracan 562. 

Corchorus capsularis 161. 557. 
— olitorius 161. 557. 

Crambe maritima 559. 

Crocus sativus 205. 558. 
Cucumis Anguria 333. 559. 
— Melo 322. 559. 

— sativus 331. 559. 

Cucurbita Citrullus 328. 

— ficifolia 322. 565. 

— Lagenaria 305. 559. 

— maxima 311. 559. 

— melanosperma 322. 

— Melopepo 316. 564. 

— moschata 320: 569. : 

— Pepo 316. 564. . 
Cydonia vulgaris 294. 559. 
Cynara Cardunculus 115. 555. 
— Scolymus 115.: 
Cytisus Cajan AUT. 


Dattelpalme 377. 560. 
Dattelpflaume, italienische 560. 
Daucus Carota 554. 
Dinkel 458. 561. 

Dioscorea alata 96. 555. 

— Batatas 96. 555. 

— japonica 96. 559. 

— sativa 96. 554. 

Diospyros Kaki 560. 

— Lotus 560. 

— virginica 564. 

Dolichos Lablab 456. 

— Lubia 437. 

— Soja 415.; 561. 

Durragras 493. 


Eierpflanze 359. 560. 
Einkorn 462. 561. - 
Elaeis guineensis 543. 560. 
Eleusine Coracana 485. 562. 
Emmer 461. : 

Endivien 120. 155. 

Erbse, gemeine 561. 
Erdapfel 53. 563. 
Erdbeere, chilenische 253. 
— Riesen- 255. 

— Scharlach- 255. 

— virginische 253.. : 

— Wald- 251. 


Erdbohrer, kriechender 439. 561. 


Erdnuss 520. 565. 


Ei 


ze à. à 


Register. 587 


Eriobotrya japonica 559, ur Guineagras 143. 557. 
Erve 133. 556. Guineapfeffer 363. 
Ervenwicke 133. Gurke, gemeine 331. 559. 


Ervum Ereilia 133. 556. 
— Lens 404. 560. 


Erythroxylon Coca 167. 563. : äarblumie. schlan ren eu Line 
Esparsette 129. 556. er as s POHANERn EM ENS 
Essigbaum 165. 2 Hafer, gemeiner 471. 562 
Eucalyptus globulus. 557. — türkischer 471. 569, 

Eugenia Jambos 299. Haferschlehe 265. 

— malaccensis 300. Hanf, chinesischer 182, 


— gemeiner 183. 557, 
Hedysarum coronarium 130. 556. 
— Onobrychis 129. 


Kaba vulgaris 397. 560. Heidekorn 440. 

Fagopyrum emarginatum 443. 561. Helianthus tuberosus 53. 563. 
— esculentum 440. 561. Hennastrauch 171. 557. 

— tataricum 442. 561. Heu, griechisches 138. 556. 
Färberindigo, gemeiner 169. 557. Hibiscus esculentus 234. 558. 
Färberröthe 52. j Himbeere 558. 

Färbersaflor 203. Hirse, echte 475. 562. 
Feigbohne 409. 560. Holcus Sorghum 480. 562. 
Feigenbaum 370. 560. — saccharatus 483. 562. 
Feigencactus, indianischer 348. 564, Hopfen 201. 557. 

Ficus Carica 370. 560. | Hopfenluzerne 556. 
Fieberrinde, rothe 563. Hordeum distichon 464. 561. 
Flachs, gemeiner 148. 557. — hexastichon 466. 562. 
Flachsdotter, 562. — vulgare 466. 561. 
Flaschenbaum. netzförmiger 214. Humulus Forge 201. 557 


— stacheliger 213. 564. 

Flaschenkürbis, gemeiner 305. 559. 

Fragaria Chiloensis 253. 564. 

ms Pesca 351. 558. Br [lex paraguariensis 167.563. 

— virginica 253. 564. Indigo-Arten, amerikanische 170. 
Fuchsschwanz vom Ganges 125. 556. Indigofera argentea 170. 557. 
— mehlreicher 445. 561. - — tinctoria 169. 557. 
Futterwicke 134. 556. 


Jackfrucht 560. 
Jambosa malaccensis 300, 559. 


@arcinia Mangostana 233. 558. — vulgaris 299. 559. 
Gartenerbse: 413. Jatropha Manihot 74, 
Gartenkohl 103. 558. ; Johannisbeere, rothe 559 
Gartenkörbel 112. 553. : — schwarze 560. 
Gartenkresse, gemeine 106. 555. Johannisbrotbaum 421. 561. 
Gartenlattich, gemeiner 118. Joliffia 559. 

Gartenmelde 556. Judendorn, echter 243. 558, 
Gartenmohn 503. — gemeiner 240. 558. SE 
Gartensellerie 111. 555. Juglans regia 539. 562. 
Gemüseampfer 556. ; Jute 557. 


Gerber-Sumach 163. : 
Gerste, gemeine 466. 561. 


— sechszeilige 466. 561. MKaffeebaum 525. 529. 562. 

— zweizeilige 464. 561. Kaffernhirse 480. 562, 
Gewürznelkenbaum 199. 557. Kakipflaume 560. 

Glycine .Sôja 415. . Karobenbaum 421. 

— subterranea 439. : Kartoffel 57. 563. Se 
Gombo 234. Kaschubaum 245. - Gi 
Gossypium arboreum 513. 562. Kastanie, echte 446. 561. 
— barbadense 517. 565. | Katstrauch 166. 557. 

— herbaceum 509. 562. Kicher, deutsche 136. 

Granatbaum 296. 559. — rothe 135. 556 


Guajavenbaum 301. 564. Kichererbse 406. 560. 


538° Register. 


Klee, ägyptischer 155. 556. Medicago lupulina 556. 

— ewiger 127. — sativa 127. 556. 

Knoblauch 79. 554. Meerkohl, gemeiner 555. 
Knollenkörbel 554. Meerrettig 42. 553. 

Kohl, chinesischer 555. Melone 322. 559. 

Kokospalme 544. Melonenbaum, gemeiner 367. 564. 
Königsrinde, braune 565. Melonenkürbis 316. 564. 

— gelbe 565. Mispel, japanische 559. 
Konjak 95. 554. Mohnpflanze 562. 

Krapp 52. 554. Mohrrübe 554. 
Kronen-Hahnenkopf 130. 556. Momordica eylindriea 331. 
Kuhhornklee, gemeiner 158. Mombinpflaume, süsse 250. 558. 
Kürbis, feigenblätteriger 322. 562. Moorhirse 483. 562. 

— gemeiner 516. 564. Morus alba 185. 557. 

— weisser 559. \ — nigra 188. 557. 


Moschuskürbis 520. 565. 
Mungobohne 456. 561. 


Lablabbohne 561. u 

Lactuca Scariola var. 118. 555 PO 

PS ed oliane Alle ; Muskatnussbaum 530. 562. 
Lo : er d 135. 536 Myristica fragrans 530. 562. 

ii D C 9), 90, = - “ = 
— Ochrus 138. 556. Myrrhenkraut, gemeines 113. 555. 


— satirus 136. 556. 
Lattich, wilder 553. 


à Eu Nachtschatten, essbarer 359. 
ns rn Ber 126. Nasturtium offieinale 555. 
as, Re Nephelium Lit-chi 395. 560. 

Lens esculenta 404. > en 

Lepidium sativum 106. 555. Kets Er: 339 559 ; 

Liebesapfel 364. 564. N; L Re us 175. 176. 1 

Linse, gemeine 4U4. 560. 1 er er 20. 175. 176. 177. 
= - . = zu. — rustı 209. 

Linum angustifohum 154. 557, =: ERS Er 

— usitatissimum 148. 557. Tata eu 


Litschibaum 39. 560. 
Lubiabohne 561. 


are DR 38. 556 
Lucuma Caimito 558. 564. er 36 
--,mammosa 358. 564. Oelpalme, afrikanische 543. 560. 
Luffa acutangula 539. 559. Okra 231, 558 
— cylindrica 337. 559. Re 

4 : Ber Olea europaea 350. 560. 

L 1 5 $ de ed ), É . ae 
A ep 2 en 409. 56 Onobruchis sativa 129. 556. 
re 127 Ber? : 4 Opuntia Ficus indica 343. 
4 . +) . 
Lucopersicum esculentum 364. 564. Orangenbaum Zi 


Orleansbaum 508. 
Ornithopus ren 140. 
— satirus 140. 556. 
Media sativa 550, 565. Oryza sativa 487. 562. 
Mais 490. 565. 
Mammea americana 254. 564. 


Mammeyapfel 564. Ponicum itaticum 478. 562. 
Mandarine 252. 558. — maximum 143. 557. 562. 
Mandelbaum, gemeiner 271. 558. — miliaceum 475. 

Mangifera indica 248. 558. Papaver somniferum 503. 562. 
Mangobaum 248. 558. Papaya vulgaris 361. 564. 
Mangold 75. 554. Paradiesapfel 218. 364. $ 
Mangostane 253. 558. Pastinaca sativa, Pastinak 554. 
Manihot utilissima 74. 563. Persea gratissima 366. 564. 
Maniokstrauch 74. 569. Persica vulgaris 273. 

Maranta arundinacea 101. 565. Persimonpflaume 564. 
Maronenbaum 446. Petersilie 112. 555. 
Mate-Pflanze 167. 563. Petroselinum sativum 112. 553. 


Maulbeerbaum, schwarzer 188. 557. Pfeffer, indischer 263. 
— weisser 135. 557. — langer 552. 


Pfoffer, officineller 565 
— spanischer 361. 

— schwarzer 565. 

— türkischer 563. 
Pfeilwurzel 101. 
Pferdebohne 397. 560. 
Pfirsichbaum 273. 559. 


Pflaumenbaum, angebauter 260. 
Phaseolus aconitifolius 435. 561. 


— Lablab 561. 

— Lubia 561. 

— lunatus 455. 565. 
— Mungo 436. 561. 
— trilobus 455. 561. 
— vulgaris 425. 565. 
Phoenix dactylifera 5717. 560. 
Pimpernussbaum 3%. 
Piper Betle 563. 

— longum 563. 

— nigrum 563. 

— officinarum 563. 
Pisang 381. 


Pistacia vera, Pistacie 596. 560. 


Pisum arvense A411. 561. 
— Ochrus 138. 
— sativum 415. 561. 
Platterbse, essbare 136. 556. 
— rothe 155. 
Polygonum emarginatum 445. 
— Fagopyrum 440. 
— tataricum 442. 
Pomeranzenbaum 226. 558. 
Pompelmus 218. 558. 
Porré 126. 
Portulaca oleracea, Portulak 

Dh ; 
Prunus Anıygdalus 271. 
— armeniaca 260. 558. 
— avium 254. 558. 
— Cerasus 256. 558. 
— domestica 262. 558 
— insititia 264. 558. 

— Persica 275. 
Pardrum Guayava 301. 564. 
Punica Granatum 296. 559. 
Purus communis 285. 559. 
— Malus 290. 559. 
— nivalis 239. 
— sinensis 290. 359. 


@uinoapflanze 565. 
Quittenbaum 294. 559 


MRadies 56. 553. 

Rahmapfel 564. 

Rambutan 560. 

Ramie 557. 

Raphanus Raphanistrum A1. 
— sativus 36. 553. 

Rapunzel 114. 554. 

Reis 487. 562. 


A 


LE | 


Register. 


Reisgerste 465. 

Repskohl 554. 

Rhus Coriaria 165. 551. 
Ribes Grossularia 545. 559. 
— nigrum 348. 560. 

— rubrum 347. 559 

— Uva crispa 545. 

Ricinus communis 535. 562. 
Riesenerdbeere 504. 
Riesenkürbis 311. 559. - 
Rokambollen-Lauch 39: 554. 
Roggen 468. 562. 

Rosenapfel 299. 559. 

Rubia tinctorum 52. 554. 
Rubus Idaeus 558. 

Rüben 45. 
Rübe, rothe 73. 
Rübenkoht 554. 
Rucubaum 508. 
Rumex acetosa 5: 
— Patientia 556. 
Runkelrübe 73. 554. 


Saccharum oficinarum 191. 557. 
Safran, echter 205. 558. 
Sapota Achras 359. 564. 
Sapotillbaum 559. 564. 
Saubohne 397. 

Sauerampfer 556. 
Sauerkirschenbaum 256. 558. 
Scandix Cerefolium 112. 
Schalotte 86. 554. 
Scharlacherdbeere 255. 564. 
Schminkbohne, gemeine 425. 565 
Schneebirne 289. 
Schneidebohne 425. 565 
Schnittlauch 90. 554. 
Schotenpfeffer 563. 
Schwabenkorn 462. 
Schwarzwurzel 56. 554. 
Scorzonera hispanica 56. 554. 
Secale cereale 468. 562. 
Sechium edule 542, 564. 
Serradella 140. 556. 

Senf, schwarzer 562. 

— weisser 562. 

Sesamum indicum 531. 562. 
Setaria italica ATS. 
Simbibohne 561. 

Sinapis alba 562. 

— nigra 562. 

Sium Sisarum 48. 554. 
Smyrnium Olus-atrum 113. 555. 
Sojabohne 415. 561. 

Solanum esculentum 359. 

— Melongena 359. 560. 

— Spec. div. 62. 

— tuberosum 57. 563. 
Sommerlauch 556. 
Sommerzwiebel 82. 554. 
Sorghum vulgare 480. 


5% 


Sorghum saccharatum 483. 
Spargel 556. 

Spelz 458. 561. 

Spelzreis 462. 

Spergula arvensis 141. 557. 
Spinacia oleracea, Spinat 122. 556. 
Spinat, neuseeländischer 555. 
Spondias dulcis 250. 558. 
Stachelbeere 539, 

Steckrüben 45. 

Sternapfel 357. 564. 
Stockerbse 411. 561. 

Sumach, gelber 557. 
Süsskirschenbaum 254. 558, 
Süssklee, gemeiner 129. 


Taback 173. 563. 

Tangerine 232. 

Taro 91. 

Telfairia 559. 

Tetragonia expansa 110. 555. 
Thea sinensis 145. 557. 


Theestrauch, chinesischer 145. 557. 


Theobroma Cacao 393. 

Tomate 364. 

Tragopogon porrifolium 55. 554, 
Trichosanthes anguina 341. 559. 
Trifolium alexandrinum.133. 556. 
— hybridum 556. 

— incarnatum 131. 556. 

— pratense 130. 556. 


Trigonella Foenum graecum 138. 566. 


Triticum compositum 453. 
— dicoccum 460. 

— durum 455. 

— monococcum 462. 561. 
— polonicum 456. 

— Spelta 458. 561. 

— turgidum 453. 

— vulgare 447. 561. 
Tschirimajabaum 214. 564. 


Walerianella olitoria 114. 555. 
Vicia Ervilia 133. 


Register. 


Vicia Faba 397. 

— satica 134. 556. 

Vitis einifera 236. 558. 
Voandzeia subterranea 439. 561. 
Vogelpfeffer 363. 


Walderdbeere 251. 558. 
Walnussbaum, gemeiner 539. 562. 
Wassermelone 328. 559. 
Weichselkirschenbaum 256. 
Weinrebe 236. 558. 

Weizen, Bart- 455. 

— englischer 453. 

— gemeiner 447. 561. 

— Glocken- 453. 

— polnischer 456. 

— Sommer- 447. 

— türkischer 490. 

— Winter- 447. 

Weischkorn 490. 

Wicke, gemeine 134. 
Wiesenklee, gemeiner 130. 556. 
— weisser 556. 

Winterzwiebel $5. 554. 
Wolfsbohne 409. 

— ägyptische 410, 561. 


Wamswurzeln 9,6. 554. 


Zea Mays 490. 565. 
Zimmtapfel 207. 564. 
Zimmtlorbeer 181. 557. 
Zizyphus Jujuba 243. 558, 
— Lotus 242. 558. 

— vulgaris 240. 558, 
Zuckerapfel 207. 
Zuckerrohr 191. 557. 

— chinesisches 483, 
Zuckerwurz 48. 554. 
Zwetschenbaum 262. 558. 
Zwillingspflaume 395. 396. 


Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


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