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Full text of "Der Ursprung der Syphilis: Eine medizinische und kulturgeschichtliche ..."

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Der 

Ursprung der Syphilis 

Eine medizinische und l<ulfurgeschichtliche 
Unfersuciiung. 

Von 

Dr. med. IWAN BLOCH 

in Berlin. 
Erste Abteilung. 



Hier ist kein luftiges Reich vergäng- 
licher Vermutungen, die Thatsachen 
reden selbst in tausend Erinnerungen, 
J. F. C. Hecker. 



-^ -^ 



Jena. 

Verlag von Gustav Fischer 



Mjlcl n ä-^.öj^s 0) 




Alle Rechte vorbehalten. 






Seinem Lehrer 



Herrn Geheimen Hedizinalrat 

Professor Dr. Rudolf Virchow 

zur Vollendung des achtzigsten Lebensjahres (13, Oktober 1901) 



in Ehrerbietung und Dankbarkeit 



dargebracht vom Verfasser. 






Vor^wovt. 



Das vorliegende Werk, von dem ich zunächst die erste Abteilung 
vorlegen kann, ist die erweiterte Bearbeitung eines Vortrages über 
das gleiche Thema, den ich am 19. September 1899 auf der 71. Ver- 
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in München (Sektion 
für Geschichte der Medizin und medizinische Geographie, unter Vor- 
sitz von Herrn Prof Friedrich Moritz) gehalten habe. Dieser 
Vortrag konnte nur in grossen Zügen die Ergebnisse meiner im 
Jahre 1896 begonnenen Untersuchungen über den Ursprung der Sy- 
philis skizzieren, und der Verlauf der durch ihn hervorgerufenen Dis- 
kussion belehrte mich, dass die Kritik der bisherigen Anschauungen 
über jene merkwürdige Frage, die Prüfung so vieler angeblich 
feststehenden „Thatsachen" , die Verwertung zahlreicher neuerer 
Forschungen auf diesem Gebiete eine bei weitem ausführlichere Dar- 
stellung erfordere als sie im Rahmen eines Vortrages möglich war- 

Es waren einige auffallende Widersprüche in den Berichten 
mehrerer alter Syphilographen , die mich, den ursprünglichen An- 
hänger der Lehren eines Fuchs, Haeser, Hirsch und Proksch 
über die Existenz der Syphilis im Altertum, stutzig machten und zu 
näherer Prüfung veranlassten, die meine Zweifel an der Richtigkeit 
jener Theorie vermehrte und mich einige Thatsachen entdecken liess, 
durch welche jene seit bald einem Jahrhundert sich allgemeinster An- 
erkennung erfreuende Lehre bedenklich erschüttert wurde. Dies trieb 
mich an, die Sache weiter zu verfolgen, und ich wünschte wie G Ir- 
tan n er „über einen Gegenstand, welcher die Menschheit so nahe an- 
geht, Gewissheit zu haben, und übernahm daher das weder leichte, 
noch angenehme Geschäft, genaue Untersuchungen darüber noch 



VI Vorwort 

einmal anzustellen^*^). Das Resultat ist die vorliegende Unter- 
suchung, die mir jene ersehnte Gewissheit verschaffte, nämlich die: 
dass die Syphilis für die alte Welt eine neue Krankheit ist, 
dass die gegenwärtig nur von wenigen Forschern vertre- 
tene Anschauung vom neuzeitlichen Ursprung der Lust- 
seuche die einzig richtige und die ihr entgegengesetzte 
Lehre von der sogenannten Altertumssyphilis einer der 
grössten Irrtümer ist, die sich jemals in der Geschichte der 
Heilkunde breitgemacht haben. 

Seit Voltaire im „Candide" den ebenso gelehrten wie genialen 
Astruc als den Schöpfer einer „etrange genealogie" der Syphilis 
verspottete*^), haben diejenigen Schriftsteller, welche wie Astruc 
den neuzeitlichen Ursprung der Syphilis behauptet haben, sich die 
abfälligsten Urteile gefallen lassen müssen. Finckenstein spricht 
von dem „Unsinn", den Girtanner niedergeschrieben habe^), Haeser 
von den „kenntnislosen Nachbetern früherer Angaben'**), Proksch 
von „einigen Dilettanten**, die diese Ansicht immer wieder verkün- 
digten s). Diese schroffen und in ihrer Allgemeinheit gewiss unrich- 
tigen Beurteilungen der früheren Vertreter jener Anschauung, eines 
Girtanner, A. Geigel, Liebermeister, Binz (vielleicht auch P. G. 
Unna) u. A., sind nur aus dem Umstände zu erklären, dass seit 
Astrucs Werke ^ kein Anhänger desselben eine auf die neueren Fort- 
schritte der Medizin und der Geschichtswissenschaft sich stützende, 
ebenso umfassende Bearbeitung des Themas unternommen hat, wie 
sie Astruc selbst vor beinahe zwei Jahrhunderten lieferte. Gir tan- 
ners Schrift bietet im wesentlichen nur eine Wiederholung der Astruc- 
schen Angaben, wobei oft die Kritiklosigkeit des Verfassers in un- 
liebsamer Weise hervortritt, die ihn zu manchen leichtfertigen Be- 



i) Christoph Girtanner, „Abhandlung über die Venerische Krankheit", Göttingen 
1788, Bd. I, S. 8. 

2) Siehe „Romans de Voltaire**, Paris 1836, Bd. I, S. 17 — 18, wo im Gespräch 
zwischen Pangloss und Candide Astruc's Werk zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, 
aber doch vorschwebt 

3) R. Finckenstein, „Zur Geschichte der Syphilis", Breslau 1870, S. 32 — 33. 

4) H. Haeser, „Lehrbuch der Geschichte der Medizin", 3. Aufl., Jena 1882, 
Bd. III, S. 318. 

5) J. K. Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten", Bonn 1895, Bd. II, 
S. 396. 

6) J. Astruc, „De morbis venereis libri novem", Paris 1740, 2 Bände. 



Vorwort VII 

hauptungen veranlasst hat. Alle späteren Verfechter des neuzeit- 
lichen Ursprungs der Syphilis haben nur in kleineren Abhandlungen, 
gelegentlichen Exkursen und Aeusserungen ihre Anschauungen nieder- 
gelegt So Geigel^), Liebermeister^), C. Binz^), P. G. Unna^), 
E. Seler^). Auf Anregung von Binz hat Th. Melsheimer die 
älteste Geschichte der Syphilis in einer kleinen Doktordissertation be- 
handelt, die gleichfalls den neuzeitlichen Ursprung der Syphilis zu 
erweisen sucht ^). Er giebt darin eine Uebersicht über einige (durch- 
aus nicht alle) Stellen in den Schriften der Alten, die man auf Syphi- 
lis bezogen hat, und eine kurze Darstellung des ersten Auftretens 
der Syphilis in Eviropa. Alle diese Arbeiten, die, soweit sie Neues 
enthalten, im ersten oder zweiten Bande dieses Werkes gewissenhaft 
benutzt und angeführt worden sind, konnten das vorliegende Problem 
zu keiner endgültigen Lösung bringen, da diese eine ganz andere 
Forschungsmethode und eine weit umfassendere und tiefer ein- 
dringende Untersuchung erfordert als bisher geleistet worden ist. 

Wenn Astruc an einer Stelle seines Werkes bemerkt: „Viel- 
leicht werden unsere Nachkommen eines Tages das wissen, was wir 
heute noch nicht wissen" ^), so hat er nicht nur geahnt, dass wir 
heutzutage zahlreiche neue, ihm noch unbekannte Thatsachen über 
die Urgeschichte der Syphilis kennen, sondern er wollte gewiss auch 
damit ausdrücken, dass unsere Art, ein solches Problem anzugreifen, 
unsere Methode der wissenschaftlichen Untersuchung eine andere ge- 
worden ist, als sie zu seiner Zeit bekannt war. 

Ich will an dieser Stelle weder über den Wert der Ge- 
schichte der Medizin^), noch über die Methodik historisch- 

i) A. Geigel, „Geschichte, Pathologie und Therapie der Syphilis", Würzburg 1867. 

2) C. V. Liebermeister, „Vorlesungen über spezielle Pathologie und Therapie" 
Leipzig 1894, Bd. I, S. 254 — 255 u. ö. 

3) C. Binz, „Die Einschleppung der Syphilis in Europa" in: Deutsche med. 
Wochenschr. 1893, S. 1057— 106 1. 

4) In seiner Recension des Prok seh 'sehen Werkes in: Monatshefte f. prakt. Der- 
matolc^e 1895, Bd. XX, Nr. 8, S. 441—444; Bd. XXII, S. 426. 

5) E. Sei er, „Ueber den Ursprung der Syphilis*' in: Verhandl. der Berliner Ge- 
sellschaft f. Anthropologie" 1895, S. 449 — 454. 

6) Th. Melsheimer, „Die Sjrphilis und ihre Heilmittel vom Jahre 1492 bis zur 
Mitte des 16. Jahrhunderts", Geschichtlich -medizinische Doktordissertation, Bonn 1892, 
8<>, 56 Seiten. 

7) J. Astruc, „Trait^ des maladies v6n6riennes", Paris 1740, Bd. I, S. 208. 

8) Ich verweise einstweilen auf die neuesten, sehr beherzigenswerten Darlegungen 
von J. K. Proksch, „Die Notwendigkeit des Geschichtsstudiums in der Medizin," Bonn 



Vm Vorwort 

medizinischer Arbeit im allgemeinen mich auslassen, was ich 
in einer besonderen Schrift zu thun gedenke, sondern nur kurz auf 
jene erwähnte Methode hinweisen, nach welcher man meiner Ansicht 
nach die Geschichte der Krankheiten bearbeiten muss, und welche 
daher in dem vorliegenden Werke angewendet und auch auf dem 
Titel zum Ausdrucke gekommen ist. Eine exakte und zuverlässige 
geschichtliche Darstellung der grossen Volkskrankheiten bedarf einer 
breiten kulturgeschichtlichen Grundlage, ohne welche selbst 
zahlreiche rein medizinische Verhältnisse und Beziehungen früherer 
Zeiten sich nicht verstehen und erklären lassen. Der Begründer 
dieser modernen Auffassung der historischen Pathologie ist Justus 
•Friedrich Karl Hecker, der,, wie sein Biograph A. Hirsch be- 
merkt, „seinen Blick über die engen Grenzen dessen, was man bis 
dahin Geschichte der Krankheiten genannt, erhoben, der aus den bis- 
herigen Untersuchungen, welche sich in dem beschränkten Kreise des 
pathologischen Geschehens und Werdens bewegten, herausgetreten, 
der die Beziehungen dieser einen — pathologischen — Seite des 
Lebens zu dem ganzen Leben der Menschheit und zu der ihn um- 
gebenden Natur ins Auge gefasst und der somit die Volkskrank- 
heiten als das Produkt einer zahlreichen Reihe von Faktoren aufzu- 
fassen gelehrt hat, welche ebenso in den wechselnden physischen und 
psychischen Stimmungen des Menschen selbst, wie in den wechseln- 
den Gestaltungen des politischen und sozialen Lebens, in dem Ein- 
flüsse atmosphärischer und tellurischer Bewegungen gegeben sind"^). 



1901 (8®, 34 Seiten), und E. Braatz, „Der Unterricht in der Geschichte der Medizin 
und der neue Entwurf zur ärztlichen Examensprüfung'* in: Deutsche med. Wochenschr. 1901, 
Nr. 4 (S.-A., 8 S.). — „Tausend Aerzte", sagt Rhazes, „haben vielleicht seit tausend 
Jahren an der Ausbesserung der Arzneikunst gearbeitet: wer also ihre Schriften mit Fleiss 
und Nachdenken liest, entdeckt in einem kurzen Leben mehr, als wenn er wirklich tausend 
Jahre zu Kranken liefe. Denn es ist unmöglich, dass ein Mensch, wenn er auch noch so 
lange lebte, durch eigene Beobachtungen sich sollte die Kenntnis des grössten Teils der 
medizinischen Wahrheiten erwerben können, wenn er nicht mit den Erfahrungen seiner 
Vorgänger bekannt ist" (Cit. nach K. Sprengel, „Versuch einer pragmat. Geschichte 
der Arzneykunde", 3. Aufl., Halle 1823, Bd. II, S. 407.) 

i) Allgemeine deutsche Biographie, Bd. XI. S. 212. — Aehnlich fasst Lammert 
die Beziehungen zwischen Krankheiten und Kultur auf: „Die Annalen der Leiden eines 
Volkes sind mit denen seiner Kulturgeschichte innig verwoben; was uns in jenen berichtet 
wird, das hängt eng zusammen mit den wechselnden Gestaltungen des politischen und 
sozialen Lebens. Mit der Geschiclite der Volkskrankheiten finden wir einen gar inhalt- 
schweren, interessanten Band der grossen allgemeinen Weltgeschichte aufgeschlagen, dessen 



— ^ 



Vorwort IX 

Hiernach hat derjenige, welcher eine wissenschaftliche Untersuchung 
über die Geschichte einer Krankheit anzustellen unternimmt, vor 
allem jene kulturellen Einflüsse in Betracht zu ziehen, welche in einer 
bestimmten Epoche die Auffassung der betreffenden Krankheit, Theorie 
und Therapie derselben, ihr Verhältnis zu anderen Krankheiten, kurz 
die ganze Geschichte derselben bestimmt haben. Es handelt sich 
dabei nicht nur um rein materielle äussere Verhältnisse wie Hungers- 
not, Krieg, Witterung, Wohnungen, öffentliches Gesundheitswesen, 
geschlechtliche Beziehungen u. dgl. m., Dinge, auf welche gerade 
Hecker besonderen Wert legte, sondern auch um jene Elemente des 
Zeitgeistes, welche von sichtlichem Einflüsse auf die Anschauungen 
über irgend eine Krankheit waren. Gerade diese psychologischen 
Faktoren habe ich auf das genaueste zu analysieren versucht, wo- 
durch höchst wertvolle Aufklärungen über die älteste Geschichte der 
Syphilis in Europa gewonnen wurden. Als Beispiele führe ich die 
Paragraphen i und 3 über die theologische und astrologische Theorie 
des Ursprunges der I.ustseuche an, sowie das, was ich über die Anti- 
kisier ungssucht der Renaissance und deren Einfluss auf die ältesten 
Syphilographen gesagt habe. Auch die Ausführungen über die 
Epistolographie der Renaissance, über die auf den mittelalterlichen 
Weltkarten vorkommenden Namen u. a» m. gehören hierher. Dass 
die äusseren politischen und kulturellen Verhältnisse überall sehr aus- 
führlich gewürdigt wurden, versteht sich von selbst. Ebenso habe 
ich längere Exkurse nicht gescheut, wo sie zur Aufklärung von 
Dunkelheiten und zur Berichtigung von Irrtümern beitragen konnten, 
wie die Biographien von Delicado und Scyllatius, der Abschnitt 
über die Krankheits- Heiligen und der Abriss der mexikanischen 
Medizin (der erste in deutscher Sprache) beweisen. 

Was nun den allgemeinen Plan des Werkes betrifft, so habe 
ich in dieser ersten Abteilung die Frage des Ursprunges der Syphilis 
behandelt und sie zum Abschlüsse gebracht. Ich bitte den geehrten 
Leser und Kritiker, das Werk von Anfang an bis zu Ende zu lesen, 
da der Gang der Untersuchung ein kontinuierlicher ist, trotz 
der Einteilungen in Kapitel und Paragraphen, und daher der eine 
Abschnitt ohne den vorhergehenden nicht verstanden bezw. beurteilt 



Bedeutung und Tragweite im Allgemeinen mehr Beachtung und Würdigung verdient* 
G. Lammer t, „Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth zur Zeit des Dreissig 
jährigen Kri^es*', Wiesbaden 1890, S. V. 



X Vorwort 

werden keinn. So war das lange erste Kapitel, welches die Irrtümer 
und Fälschungen in der Geschichtsschreibung der Syphilis behan- 
delt*), die notwendige Voraussetzung für die spätere eigentliche Dar- 
stellung, und diese wiederum musste von dem zeitlich späteren Auf- 
treten der Syphilis in Italien ausgehen, um erst dadurch die richtige 
Unterlage für das dritte Kapitel über Urheimat und Ursprung der 
Syphilis zu gewinnen. Endlich wird durch das vierte Kapitel über 
die Ausbreitung der Syphilis in der alten Welt die Kette der Be- 
weise für den neuzeitlichen Ursprung der Krankheit in vollkommener 
Weise geschlossen. Die zweite Abteilung, die in Bälde erscheinen wird, 
soll das behandeln, was nicht existiert hat, nämlich die sogenannte 
„Altertumssyphilis", wobei unter Altertum die ganze Periode vor 
dem ersten Auftreten der Syphilis in der alten Welt verstanden wird. 
Unter den einzelnen Kapiteln dieses Bandes seien hervorgehoben: 
das über die prähistorischen syphilitischen Knochen, deren 
Nichtexistenz im ganzen Bereiche der alten Welt nachgewiesen 
wird, über Pseudosyphilis, über die Geschichte der öffent- 
lichen Sittlichkeit des Altertums in ihren Beziehungen zu 
den venerischen Krankheiten (mit besonderer Berücksichtigung 
des archäologischen Materiales). Auch werden die angeblichen Syphilis- 
fälle bei den einzelnen Völkern (Indern, Israeliten, Babyloniern, Egyp- 
tern, Griechen, Römern, Arabern, im Mittelalter) eingehend besprochen 
werden, soweit dieselben noch nicht im ersten Kapitel der ersten Ab- 
teilung Erwähnung fanden. Ich war bestrebt, in dieser zweiten Abteilung 
in Beziehung auf die Darstellung der öffentlichen Sittlichkeit des Alter- 
tums ein Supplement zu Rosenbaum's berühmter „Geschichte der 
Lustseuche im Altertum" zu liefern, die bekanntlich seit ihrer ersten 
Auflage (Halle 1839) nicht mehr verändert wurde. Demgemäss habe 
ich alle seitdem gemachten Fortschritte der Altertumskunde berück- 
sichtigt, so dass diese Abteilung auch für Archäologen und klassische 
Philologen von Wert sein wird. Dieselbe wird ein eigenes Namen- 
und Sachregister, sowie ein Stellenverzeichnis und einen Index 
Graecus et Latinus enthalten. Ein Namenverzeichnis sowie ein aus- 
führliches Sachregister über das ganze Werk sollen der zweiten 



i) „In so verwickelten Dingen, wo die Wahrheit nicht unmittelbar einleuchtet, ist 
es wichtig, nicht nur das Richtige zu beweisen, sondern auch das Falsche vorweg zu wider- 
legen.** E. Du Bois-Reymond, „Ueber Geschichte der Wissenschaft** in: Reden. 
Zweite Folge, Leipzig 1887, S. 352. 



Vorwort XI 

Abteilung beigegeben werden, eingedenk des Wortes eines berühmten 
Medizinhistorikers (Franz Romeo Seligmann), dass ein „guter Index 
des Autors Höflichkeit" ist, und überzeugt, dass ein medizingeschicht- 
liches Werk ohne einen solchen Index die Hälfte seines Wertes und 
seiner Brauchbarkeit einbüsst. Das im Anhang dieser Abteilung bei- 
gegebene Verzeichnis sämtlicher Benennungen der Syphilis (525) in 
der alten Welt ist in dieser Vollständigkeit noch nicht vorhanden. 

Eine angenehme Pflicht ist es mir, an dieser Stelle öffentlich 
denjenigen Herren meinen aufrichtigen Dank auszusprechen, die mich 
bei der Bearbeitung dieser ersten Abteilung unterstützten und auch zum 
Teil durch freundliche Zusendung mir sonst unzugänglicher Schriften 
meine Arbeit förderten. Es sind dies die Herren Professoren E. Baelz 
(Tokio), C. Geldner (Berlin), J. Jolly (Würzburg), F. v. Luschan (Berlin), 
J. L. Pagel (Berlin), W. H. Röscher (Würzen), E. Seier (Berlin), A. 
Weber (Berlin), die Herren Dr.Dr. Th. Melsheimer (Nauort, Kreis 
Wiesbaden), H. Oncken (Privatdocent der Geschichte in Berlin), J. 
F. Payne (London), H. F. A. Peypers (Redakteur der medizin- 
historischen Zeitschrift „Janus"*, Amsterdam), dArcy Power (London), 
J. Preuss (Berlin), A. Reimann (Berlin), K. Sudhoff (Hochdahl). Ganz 
besonderen Dank schulde ich Herrn Geh.-Rat Prof. K. v. Hegel 
(Erlangen) für die freundliche und höchst wichtige Auskunft über den 
Fälscher Bodmann, Herrn Dr. E. Sieg, Privatdocent der indischen 
Philologie an der Universität Berlin, für seine mühevolle Uebersetzung 
eines Sanskritmanuskripts über Syphilis (aus der Berliner Königl. 
Bibliothek) und Herrn Dr. J. K. Proksch in Wien, dem hochver- 
dienten Forscher auf dem Gebiete der Geschichte der venerischen 
Krankheiten, für die Zusendung eines grossen Teiles seiner wert- 
vollen (zum Teil vergriffenen) bibliographischen und litterarischen 
Schriften. Endlich fühle ich mich Herrn Dr. Gustav Fischer in 
Jena für die vortreffliche Ausstattung, die er dem Werke hat zu Teil 
werden lassen, ganz besonders verpflichtet. 

So übergebe ich denn dieses Werk dem gelehrten Publikum, den 
Aerzten in erster Linie, aber auch den Kulturhistorikern, Geschichts- 
und Altertumsforschern als einen Beitrag zur Kulturgeschichte der 
Menschheit im allgemeinen und zur Geschichte der Krankheiten im be- 
sonderen, in der Hoffnung, dass durch dasselbe gerade auch die letz- 
tere ein wenig gefördert werde, in dem Glauben an Henschels 
schönes Wort, dass diese Geschichte der Krankheiten, die Char- 



XII Vorwort 

les Daremberg als den Abschluss seiner litterarischen Thätigkeit 
plante*), nunmehr „eines der Hauptprobleme unserer Gegenwart, ja 
eine unserer Hoffnungen geworden ist, die wir für die weitere Aus- 
bildung der Medizin in unseren Tagen hegen dürfen" *). Die Natur 
der grossen Volkskrankheiten wird endgültig nur aus ihrer Ge- 
schichte erkannt Dies gilt ganz besonders für die Syphilis, für die 
Frage, ob sie eine alte oder neue Krankheit sei, ob sie eine Heimat 
habe oder ubiquitär schon in grauer Vorzeit die gesamte Menschheit 
heimsuchte. Die Schlussfolgerungen aus meinem Beweise des neu- 
zeitlichen Ursprunges der Syphilis für die alte Welt gehen da- 
hin, dass Lustseuche und Mensch von einander trennbar sind, und 
dass so die zuversichtliche Hoffnung gehegt werden darf, dereinst 
die Syphilis zum endgültigen Verschwinden zu bringen. Wenn ich, 
wie ich fest überzeugt bin, in meinem Werke „das Ziel aller Wissen- 
schaft, die Wahrheit in der Form der Gewissheit" ^) erreicht habe, 
wenn das Ergebnis desselben in Wahrheit „das Ende und die recht- 
mässige Grenze des Irrtums ist* (Baco v. Verulam in der Vorrede 
zum Neuen Organon), so rückt jene Hoffnung in greifbare Nähe und 
es wird uns Aerzten ebenso gelingen, die „Geschlechtspest" zu bannen, 
wie wir die Pocken ihrer voraussichtlichen Vernichtung entgegen- 
geführt haben. 



i) Charles Daremberg, ,,Histoire des sdences m6dicales**, Paris 1870, Bd. I, 

S. 354- 

2) A. W. E. Henschel, „C. G. Gruner's literarischer und persönlicher Charakter" 

in Janus, Zeitschiift für Geschichte und Literatur der Mediän, Breslau 1846, Bd. I, S. 832. 

3) J. V. Kirchmann, „Ueber die WahrscheinUchkeit", Leipzig 1872, S. 2. 



Berlin, den 29. August 1901. 



Inhaltsverzeichnis. 



Seite 
Vorwort V 

Elinleitung i 

Erstes Buch. 

Der Ursprung der Syphilis. 

Krstes Kapitel. Von den Irrtümern und Fälschungen in der Geschichtsschreibung 

der Syphilis 15 — 137 

§ I. Die Syphilis als Folge der Unzucht (Theologische Theorie) ... 15 

§ 2. Die Sodomie als Ursache der Syphilis 21 

§ 3. Welchen bis in die Neuzeit dauernden Irrtum die astrologische 

Theorie vom Ursprünge der Syphilis hervorgerufen hat .... 23 
§ 4. Kritik d^r chronologischen Nachrichten über das erste Auftreten der 

Syphilis 32 

§ 5, Bodmann und Petrus Martyr . . . , ^ . . 46 

§ 6. Die Nomenklatur der Syphilis 58 

§ 7. Von der ,,Aussatz- und Pockensyphilis" 98 

§ 8. Ist das Alter des Quecksilbergebrauches ein Kriterium für das Alter 

der Syphilis? 126 

Zweites Kapitel. Das Auftreten der S3rphilis in Italien 138 — 173 

§ 9. Allgemeine Bedeutung und äusserer Verlauf des Zuges Karls VIII. 

von Frankreich 138 

§ 10. Der Ausbruch der Lustseuche in Italien 153 

Drittes Kapitel. Ursprung und Urheimat der Syphilis 174 — 252 

§ II. Der Bericht des Diaz de Isla 174 

§ 12. Oviedo und Las Casas 184 

§ 13. Die Syphilis in Haiti, Central- und Südamerika 201 

§ 14. Die Syphilis in Spanien 231 

§ 15. Weitere zeitgenössische Nachrichten über den Ursprung der Syphilis 243 

Viertes Kapitel. Die Ausbreitung der Syphilis in der alten Welt . . . 253 — 296 

§ 16. Ursachen der schnellen Verbreitung der Syphilis in der alten Welt 253 
§ 17. Die Verbreitung der Syphilis in Europa 261 



XrV Inhaltsverzeichnis 

Seite 

§ i8. Die Verbreitung der Syphilis in Afrika 282 

§ 19. Die Verbreitung der Syphilis in Asien 283 

§ 20. Die Verbreitung der Syphilis in Australien (Oceanien) .... 293 

Anhang. Beilage I. Die Benennungen der Syphilis in der alten Welt .... 297 

Beilage II. Die wichtigsten Dokumente über den Ursprung der Syphilis 306 



Einleitung. 



Das erste Auftreten der furchtbaren Krankheit, deren Ursprung 
in diesem Werke untersucht werden soll, fällt in jenes reich bewegte 
und in den Einzelzügen so scharf ausgeprägte Zeitalter, welches als 
die Wiedergeburt des klassischen Altertums, besser aber noch als 
die Epoche der Geburt des modernen Menschen bezeichnet wird. 
Jacob Burckhardt, der beste Kenner der Geschichte und Kultur 
der Renaissance, stellt dieses letztere Moment entschieden in den 
Vordergrund. Nach ihm hat die Renaissance „zuerst den ganzen 
vollen Gehalt des Menschen entdeckt und zu Tage gefördert*'^), der 
moderne Individualismus ist ein Kind dieser Zeit, welche von den 
Idealen der Antike geleitet und angeregt zu einer eigenen selbst- 
ständigen Lebensauffassung fortschritt. Wissenschaft, Kunst, das ge- 
samte öffentliche Leben erfüllen sich mit einem neuen, frischen Geiste, 
der an vielen Punkten, nicht überall, die mittelalterlichen Fesseln 
siegreich zersprengt, zugleich kritisch und schöpferisch ist in dem 
Kampfe mit Altem und in der Suche nach Neuem. In den Namen 
des „Humanismus" und des „Zeitalters der Entdeckungen" findet man 
den zutreffenden Ausdruck für diese mannigfaltigen, auf den ver- 
schiedensten Gebieten mit der gleichen Energie thätigen Bestrebungen. 

Wie jede Uebergangsperiode in der Geschichte der Menschheit 
ist auch die Renaissance reich an Kontrasten. Die Summe des 
Glückes wird aufgewogen durch diejenige des Leides. Als feindliche 
Mächte sehen wir Aberglauben und Irreligiosität, höchste sittliche 
Verderbnis , Kriegsgreuel und verheerende Seuchen verhängnisvoll 
wirken. 

Mit wundervoller Anschaulichkeit und der ihm eigenen ernsten 
Grösse der Sprache schildert Alexander von Humboldt im „Kos- 



I) J. Burckhardt, ,,Die Kultur der Renaissance in Italien'*. 5. Aufl. Leipzig 
1896, Bd. II, S. 25. 

Bio ob. Der Ursprung dor Syphilis. \ 



mos", dem Gemälde der Welt, das glorreiche Zeitalter der Ent- 
deckungen. Die Zeiten der Conquista, sagt er, das Ende des 15. und 
den Anfang des 16. Jahrhunderts, bezeichnet ein wundersames Zu- 
sammentreffen grosser Ereignisse in dem politischen und sittlichen 
Leben der Völker von Europa. In demselben Monat, in welchem 
Hernan Cortez nach der Schlacht von Otumba gegen Mexiko anzog-, 
um es zu belagern, verbrannte Martin Luther die päpstliche Bulle zu 
Wittenberg und begründete die Reform, welche dem Geiste Freiheit 
und Fortschritte auf fast unermesslichen Bahnen verhiess. Früher 
noch traten, wie aus ihren Gräbern, die herrlichsten Gebilde der 
alten hellenischen Kunst hervor: der Laokoon, der Torso, der Apoll 
von Belvedere und die mediceische Venus. Es blüheten in Italien 
Michelangelo, Leonardo da Vinci, Tizian und Raffael, in unserem 
deutschen Vaterlande Holbein und Albrecht Dürer. Die Weltordnung- 
war von Kopernikus aufgefunden, wenn auch nicht öffentlich ver- 
kündigt, in dem Todesjahr von Christoph Columbus, vierzehn Jahre 
nach der Entdeckung des neuen Kontinents. 

Wo, fragt er weiter, hat die Geschichte der Völker eine Epoche 
aufzuweisen, der gleich, in welcher die folgenreichsten Ereignisse: die 
Entdeckung und erste Kolonisation von Amerika, die Schiffahrt nach 
Ostindien um das Vorgebirge der guten Hoffnung und Magelhaens 
erste Erdumsegelungj-, mit der höchsten Blüte der Kunst, mit dem 
Erringen geistiger, religiöser Freiheit und der plötzlichen Erweiterung 
der Erd- und Himmelskunde zusammentrafen? Eine solche Epoche 
verdankt einen sehr geringen Teil ihrer Grösse der Ferne, in der sie 
uns erscheint, dem Umstände, dass sie ungetrübt von der störenden 
Wirklichkeit der Gegenwart nur in der geschichtlichen Erinnerung 
auftritt. Wie in allen irdischen Dingen, ist auch hier des Glückes 
Glanz mit tiefem Weh verschwistert gewesen. 

Es sind dunkle Schatten, die sich über das helle Licht jener 
ereignisvollen, aufgeregten und ungestüm vorwärtsdrängenden Zeit 
ausbreiten und es minder strahlend erscheinen lassen. 

Die Entdeckung einer neuen Welt wurde eingeleitet durch des 
düsteren Torquemada grausiges Werk^), das fanatischer Glaubens- 
eifer in die neue Zeit hinübertrug. Und in demselben Jahre, als 
Columbus ausfuhr, um die fernen Indias Occidentales zu erreichen, 



i) Llorente spricht das kurze, aber inhaltsschwere Wort: „Calculer le nombre des 
victimes de l'Inquisition , c'est 6tabhr mat^riellement une des causes les plus puissantes et 
les plus actives de la d^population de PEspagne.'* (,,Histoire critique de l'Inquisition 
d'Espagne. Paris 1818, Bd. IV, S. 242.) 



— 3 — 

und dadurch Spanien zu einer Weltmacht ersten Ranges erhob, ver- 
trieb dieses selbe Spanien, in ungeheuerer Verblendung befangen, 
zwei ruhmreiche Zweige der semitischen Rasse, die Mauren und 
Juden^), und legte dadurch den ersten und wichtigsten Grund zu 
seinem unaufhaltsamen Verfall 2). 

Das glänzende Zeitalter der Renaissance und der Entdeckungen 
mit seiner UeberfüUe von geistigen und materiellen Schätzen bietet 
doch dem pessimistisch gesinnten Beobachter ein willkommenes Bei- 
spiel für die Nichtigkeit menschlichen Glückes und äusserer Genüsse. 
So hat es Heinrich Heine in den „Letzten Gedichten" im Prolog 
zu seinem „Bimini" geschildert. So klingt auch wie eine wehmütige 
Ahnung der kurzen Herrlichkeit der Renaissance der Refrain eines 
schönen Liedes des Lorenzo magnifico: 

Quanto h bella giovinezza, 
Che si fugge tuttavia! 
Chi vuol esser lieto, sia: 
Di doman non c'^ certezza. 

Wie Karl Frenzel, ein feinsinniger Kenner jener Zeit, richtig 
bemerkt, ruhte auf dem Grunde des Taumelkelches höchster Schönheit 
und berauschender Freude, den das Schicksal einem beglückten Ge- 
schlechte bot, der bittere Tropfen, der den ganzen Trank vergiftete. 
Was war doch das Ende all dieses Glanzes? Es giebt ein Ereignis, 
ein ergreifendes Symbol des im geheimen nagenden Wehs und Welt- 
schmerzes jener Zeit. Das ist die Fahrt des greisen Conquistador 
Juan Ponce de Leon (im Jahre 15 12) nach der geheimnisvollen Insel 
Bimini, die Wallfahrt zu der wundersamen Quelle, die dem Alter die 
Jugend, dem siechen Körper die Gesundheit zurückgeben sollte, wie 



1) „Man muss anerkennen, dass die Geschichte sehr wenige Massregeln berichtet, 
die einen so überaus grossen Jammer erzeugten, — Trübsale so schrecklicher Art, dass ein 
alter Geschichtschreiber (Pico von Mirandola) sie kaum übertrieben hat, wenn er die 
Luiden der spanischen Juden als gleich denen ihrer Ahnen nach der Zerstörung Jerusalems 
schildert" (W, E. H. Lecky's „Geschichte des Ursprunges und Einflusses der Auf- 
klärung in Europa. Deutsch von H. Jolowicz. 2. Aufl. Leipzig und Heidelberg 1873, 
Bd. I, S. 221 — 222.) 

2) Vgl. über die Wirkungen dieser Austreibungen die lichtvolle Betrachtung bei 
Th. Buckle: „Geschichte der Civilisation in England." Deutsch von A. Rüge, Leipzig 
und Heidelberg 1874, Bd. II, S. 63 ff. „Seitdem", heisst es dort (S. 65) „zeigte Spanien, 
zu einer leichenähnlichen Erstarrung abgestorben , gebannt und nachtwandelnd unter dem 
verruchten AbeTglauben , der an seinem Marke zehrte , Europa das einzige Beispiel eines 
fortdauernden Zerfalls. Für Spanien blieb keine Hoffnung.*' 

1* 



4 — 



die Eingeborenen versicherten ^). So kam mit froher Hoffnung und Zu- 
versicht der Greis in jenes 

„stille Land, wo schaurig 
Unter schattigen Cypre&scn 
Fliesst ein Flüsslein, dessen Wasser 
Gleichfalls wunderthätig heilsam — .*' 

Diese Fahrt war wirklich ein Symbol. Aber nicht der Anfang, 
sondern das Ende des Glückes war Bimini! Juan Ponce de Leon 
suchte dort Genesung von jener furchtbaren, merkwürdigen Krank- 
heit, welche die Menschen der alten Welt überraschte und mit starrem 
Schrecken erfüllte, gerade als sie sich zum Uebergang vom Mittel- 
alter in die Neuzeit rüsteten, als schon in Huss und Savonarola 
die Vorboten des gewaltigsten Geistesbefreiers, unseres Martin 
Luther, erschienen waren. Diese neue und furchtbare Krank- 
heit war die Syphilis. 

Die Syphilis, mag man über ihren Ursprung denken wie man 
will, mag man sie auch in das graueste Altertum hinein versetzen, 
ist und bleibt doch im wirklichen Sinne des Wortes eine Krank- 
heit der Neuzeit, die dadurch ein besonderes Gepräge empfängt. 
Versuchen wir, uns dieses zu vergegenwärtigen. 

Am 8. April des Jahres 1492 schloss Lorenzo de'Medici, der 
t)rpische Repräsentant jener Uebergangszeit, für immer die Augen; 
am 12. Oktober desselben Jahres begrüssten die Kanonen der Pinta 
eine neue Welt im Angesichte von Guanahani. Drei Jahre später 
erschien epidemieartig eine neue Plage der Menschheit im sonnigen 
Italien: die Syphilis. .Nicht der Aussatz, nicht der schwarze Tod, 
nicht die mörderische Krankheit des englischen Schweisses, welche fast 
zu gleicher Zeit wie ein Orkan über einen grossen Teil Europas 
dahinraste und dann auf Nimmerwiedersehen*) verschwand, haben ein 
so lähmendes Entsetzen bei der Menschheit hervorgerufen, wie der 
„monstrosus morbus, nullis ante saeculis visus, totoque in orbe terra- 
rum incognitus** (Cataneus), wie die Lustseuche. Der Grund dafür 

i) Mit bitterer Ironie äussert sich Oviedo über dieses seltsame, bei aller Kindlich- 
keit rührende Unternehmen des armen Ponce de Leon: „Ich habe oft die Männer sich 
nach dem Genüsse dieser Quelle derart verändern sehen, dass sie, nach Verlust ihres männ- 
lichen Sinnes, wieder Kinder mit sehr wenig Grehim wurden. Juan Ponce war einer von 
denen.** („Historia general y natural de las Indias> Islas y tierra firme del mar oc6ano 
por el capitan Gonzalo Femandez de Oviedo y Vald^s.** Madrid 1853, Bd. I, lib. XVI, 
cap. 13, S. 486.) 

2) Wenigstens in dieser Form ist der „englische Schweiss** bisher nicht wieder auf- 
getreten. Der ihm verwandte „Schweissfriesel** ist eine relativ harmlose Erkrankung. 



— 5 — 

liegt auf der Hand. Die Syphilis vollbrachte, was jene Krankheiten 
nicht vermochten. Sie traf die Menschheit in der Wurzel ihres Da- 
seins, in jenem Triebe, der nach Schillers bekannten Versen neben 
dem Hunger die Welt regiert: in der Liebe. „In ihrer Wieder- 
erzeugung auf so dunkle Weise mit dem geheimnisvollen Akte ver- 
bunden, der die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes ver- 
mittelt, lastet sie seit ihrem erschütternden, Volk und Aerzten uner- 
hörten Auftreten am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts wie ein 
böser Alp auf den zartesten Beziehungen, haftet wie Pesthauch an 
Jugend und Schönheit, hängt sich gleich einer immer wachsenden, 
ungeheuren Sündenlast an einen einzigen Fehltritt, vergiftet das Blut 
der noch ungeborenen, schuldlosen Frucht, schleicht sich mit der 
Ammenmilch in die Familie und nagt in unheimlich geschäftiger 
Verborgenheit an dem Marke der Gesellschaft überall"^). 

Es ziemt sich wohl, im Anfange eines Werkes, welches der 
Untersuchung des Ursprunges der Syphilis dienen will, die Frage 
auf zuwerfen: 

Welche kulturhistorische Bedeutung kommt der Syphilis 
zu? Welchen Einfluss hat die „Geschlechtspest"*) auf das Leben der 
modernen Menschheit ausgeübt? Es ist eine ebenso interessante wie 
wichtige Aufgabe, die nicht im Plane dieses Werkes liegt, den Ein- 
fluss der grossen Volkskrankheiten auf den Gang der cdlgemeinen 
Kultur zu untersuchen^) und im einzelnen nachzuweisen, dass und in 
welcher Weise ein solcher Einfluss überhaupt sich geltend macht. 
Denn wenn ich auch nicht mit J. Michelet glaube, dass jedes Jahr- 
hundert durch eine Hauptkrankheit charakterisiert sei, wie z. B. das 
dreizehnte durch den Aussatz, das vierzehnte durch den schwarzen 
Tod, das sechzehnte durch die Syphilis, so Bin ich doch überzeugt, 
dass den grossen Volkskrankheiten nicht die unbedeutendste Rolle 
in der Entwickelung der Menschheit zukommt 

Verfolgt man unter diesem Gesichtspunkte Auftreten, Ausbrei- 



i) „Greschichte, Pathologie und Therapie der Syphilis" von Dr. A. Geigel. Würz- 
bvurg 1867, S. 1. 

2) So nennt C. Radenhausen („Isis**. Hamburg 1863, Bd. III, S. 65) treffend 
die Syphilis. — Aehnlich F. Dufour (»,Hist. de la prostitution". Brüssel 1861, Bd. I, 
S. 26): „peste de l'amour". 

3) Der grossartige Gedanke John Hunter*s, eine über naturphilosophische Mystik 
weil erhabene „Wissenschaft des Abnormen" zu gründen, d. h. die Bedeutung der Krank- 
heit im grossen Ganzen der Natur auf induktive Weise zu erforschen, darf hier nicht un- 
erwähnt bleiben. — Ueber die kulturhistorische Bedeutung der Seuchen vgl. auch A, Gott- 
stein: „Ailgemeine Epidemiologie". Leipzig 1897, S. 2. 



— 6 — 

tutig und Wirkung der Syphilis, so ist es unmöglich, ihre grosse 
kulturhistorische Bedeutung nach einer bestimmten Richtung hin zu 
leugnen. Die Syphilis war eines der gewaltigen Phänomene, welche 
an der Schwelle der Neuzeit erschienen und den Gesichtskreis der 
Menschheit von Grund aus veränderten. Sie hat nicht nur den 
grossen Umschwung in der Heilkunde wesentlich befördern helfen, 
sondern auch in den Beziehungen der Menschen, vorzüglich der Ge- 
schlechter, eine wahre Revolution hervorgebracht. Der Syphilis 
gebührt ein bedeutender Anteil an der Entwickelung des 
modernen Individualismus. 

Schopenhauer, einer der genialen Wirklichkeitsschauer unter 
den grossen Philosophen, hat diese Bedeutung der Syphilis richtig 
erkannt. Er sagt in den „Aphorismen zur Lebensweisheit" i): „Zwei 
Dinge sind es hauptsächlich, welche den gesellschaftlichen Zustand 
der neuen Zeit von dem des Altertums zum Nachteil des ersteren 
unterscheiden, indem sie demselben einen ernsten, finstern, sinistern 
Anstrich gegeben haben, von welchem frei das Altertum heiter und 
unbefangen, wie der Morgen des Lebens, dasteht. Sie sind: das 
ritterliche Ehrenprinzip und die venerische Krankheit, — par 
nobile fratrum! Sie zusammen haben veixog xai cpiXia des Lebens 
vergiftet. Die venerische Krankheit nämlich erstreckt ihren Einfluss 
viel weiter, als es auf den ersten Blick erscheinen möchte, indem der- 
selbe keineswegs ein bloss physischer, sondern auch ein moralischer 
ist. Seitdem Amors Köcher auch vergiftete Pfeile fiihrt, ist in das 
Verhältnis der Geschlechter zu einander ein fremdartiges, feindseliges, 
ja teuflisches Element gekommen; infolge wovon ein finsteres und 
furchtsames Misstrauen es durchzieht; und der mittelbare Einfluss 
einer solchen Aenderung in der Grundfeste aller menschlichen Gesell- 
schaft erstreckt sich mehr oder weniger auch auf die übrigen ge- 
selligen Verhältnisse.'* 

In der That stehen Civilisation und Syphilisation, welche 
nach dem bekannten Worte von R. von Krafft-Ebing der moder- 
nen Zeit das Gepräge verleihen'^), auch ihrerseits wieder in einem 
gewissen Zusammenhange. Gerade die ungeheure Wirkung, welche 
die Syphilis bei ihrem ersten Erscheinen in Europa hervorbrachte, 
ist einer der schlagendsten Beweise für die Neuheit der Krankheit 



i) Arthur Schopenhauer's sämtliche Werke. Leipzig 1891, Bd. IV, 8.435 — 436. 

2) Die naheliegende Kombination von Civilisation und Syphilisation hat übrigens schon 
vor V. Krafft-Ebing (1896) Georg Keben in seinem Buche: ,,Die Prostitution und 
ihre Beziehungen zur modernen realistischen Litteratur^^ Zürich 1892, S. 61 gebraucht. 



in der alten Kulturwelt. Wenn die Krankheit für die frühere Ge- 
schichte der Menschheit dieselbe Bedeutung gehabt hat wie für die- 
jenige der letzten vier Jahrhunderte, wenn man an die Existenz der 
Syphilis im antiken und mittelalterlichen Europa glaubt, dann ist auf 
keine Weise zu verstehen, wie einer der besten Kenner dieser Krank- 
heit im Eingange seines Monumentalwerkes den Ausspruch thun 
kann: „Die Syphilis ist eine Volkskrankheit, die in der Gegen- 
wart zu einer Bedeutung gelangt ist wie die Lepra im Mittelalter" i). 
Wie kommt es, dass die von jeher, und zwar in allen ihren Formen 
— denn die Verteidiger des Altertumes der Krankheit berichten ja 
sogar von Knochenaffektionen und Zerstörungen der Nase durch die 
Syphilis! — existierende Lustseuche diese Bedeutung nicht schon 
früher erlangt hat? Waren Altertum und Mittelalter in geschlecht- 
licher Beziehung etwa enthaltsamer und vorsichtiger als die Neuzeit? 
Gerade das Gegenteil ist der Fall, und gerade dieser Umstand 
muss hervorgehoben werden, um die Bedeutung der Syphilis für die 
moderne Civilisation ins rechte Licht zu setzen. 

Wenn die Syphilis von jeher existiert hätte, dann hätte sie im 
Altertum und im Mittelalter in ebenso grossem Umfange und mit 
ebenso furchtbarer Plötzlichkeit hervortreten müssen, wie dies zu Ende 
des 15. Jahrhunderts geschah. Mit Recht bemerkt C. von Lieber- 
meister, einer der wenigen in dieser Frage objektiv urteilenden 
Kliniker: „Wer im stände ist, von der Lebensweise und den Formen 
des geselligen Verkehrs, wie sie im Altertum und Mittelalter be- 
standen, sich einigermassen eine Vorstellung zu machen, der muss 
zu der Ueberzeugung kommen: wenn die Syphilis mit den Eigen- 
tümlichkeiten, wie wir sie kennen, damals in irgend einem dem Ver- 
kehr zugänglichen Gebiete überhaupt existiert hätte, so wäre sie nicht 
in der Verborgenheit geblieben ; sie würde vielmehr schnell eine Aus- 
breitung über einen grossen Teil der Bevölkerung gewonnen haben. 
Der geschlechtliche Verkehr, der in grösster Ungebundenheit und 
ohne jede Vorsicht stattfand, würde schnell die Ausbreitung der 
Krankheit vermittelt haben. Vielleicht ebenso viel würden manche 
andere Eigentümlichkeiten der geselligen Formen dazu beigetragen 
haben, so die gemeinschaftlichen Ess- und Trinkgeschirre, das unbe- 
denkliche Benutzen von fremden Kleidungsstücken und Betten, die 
öflFentlichen Bäder, die gemeinschaftlichen Aderlass- und Schröpf- 
apparate, das Küssen als gewöhnliche Begrüssungsformel. Umge- 
kehrt, jene Verkehrsformen wären auf die Dauer nich haltbar 



^) »fSyphilis" von Isidor Neumann. Wien 1896, Vorwort, S. i. 



— s 

gewesen, wedn es Syphilis gegeben hätte" *). IMe geschlechtliche 
Unsittlichkeit im Altertum und Mittelalter war in der That eine ganz 
kolossale, aber sie trug im Gegensatze zur Neuzeit deutlich den 
Stempel der Naivetät an sich, eben weil die Syphilis noch nicht 
existierte.. Wenn auch die übrigen Geschlechtskrankheiten vorhanden 
waren und ihre Ansteckungsfähigkeit nicht unbekannt war, so muss 
jeder unbefangene Beurteiler zugeben, dass deren Bedeutung gegen- 
über derjenigen der Lustseuche verschwindet 2). Wie hätte diese 
Naivetät und Ungezwungenheit im persönlichen und geschlechtlichen 
Verkehr bestehen bleiben können, wenn die Syphilis schon dagewesen 
wäre? Es ist sehr charakteristisch, dass Julius Rosenbaum in 
seinem berühmten Werke über die „Lustseuche im Altertume" sehr 
viel von der damals herrschenden geschlechtlichen Korruption, da- 
gegen sehr wenig von der Syphilis zu tage gefördert hat! Heute 
ist es anders. Wo viel geschlechtliche Korruption, da ist auch viel 
Syphilis. Die „Offenheit und Unbefangenheit" im geschlechtlichen 
Verkehr, die im ganzen Mittelalter öfter auf eine höchst drastische 
Weise zu tage tritt ^), die Ungeniertheit im Badeleben, von der be- 
sonders der Florentiner Poggio in seinem „Liber facetiarum" eine 
höchst bemerkenswerte Schilderung entworfen hat, hätten sich ange- 
sichts der Existenz der Syphilis nicht aufrecht erhalten lassen. Und 
in der That sehen wir, dass das Auftreten der Syphilis alle 
diese Verhältnisse von Grund aus umgestaltet hat. Seitdem 
wurden die „lichten fröwlein" des Mittelalters zu den verabscheuungs- 
würdigsten Geschöpfen, die als Vermittlerinnen und Verbreiterinnen 
einer furchtbaren Krankheit für immer mit dem Kains-Zeichen ge- 
stempelt wurden*). Rudeck hat nachgewiesen, dass die Syphilis es 



i) C. von Liebermeister: „Vorlesungen über spec. Pathologie und Therapie". 
Leipzig 1894, Bd. I, S. 254—255. 

2) Dass der Tripper Ursache vielen Siechtums ist, hat erst die allerjüngste Zeit 
(Noeggerath) erkannt). Vorher galt er stets als ein relativ harmloses Leiden. Und auch 
heute noch wird ihn niemand der Syphilis an Getährlichkeit und unheilvoller Wirkung 
gleichsetzen. — Man denke nur — ganz abgesehen von der Erbsyphilis — an die ver- 
hängnisvolle Beeinflussung des Nervensystems durch die Syphilis, die erst neuerdings 
in ihrer medizinischen und sozialen Bedeutung gewürdigt worden ist. 

3) So dankte Kaiser Sigismund dem Berner Stadtmagistrat öffentlich dafür, dass 
dieser dem kaiserlichen Gefolge einen dreitägigen unentgeltlichen Zutritt im Frauenhause der 
Stadt gesUttet habe. (J. Scherr: „Deutsche Kultur- und Sittengeschichte**, 9. Auflage. 
Leipzig 1887, S. 228.) 

4) Bezeichnend sagt Dalle Turatte, ein Zeitgenosse, in der „Historia di Bolc^na 
principiando dalla sua origine, sino all* anno 151 1, Bd. II (nach C. Qu ist: „Die neueren 
urkundlichen Nachrichten über das erste Auftreten der Syphilis un 15. Jahrhundert*', 



.j 



— 9 — 

war, welche den Verfall der Frauenhäuser des Mittelalters verursacht 
hat*). Auch Burckhardt bemerkt: „Vor der gewöhnlichen Hurerei 
scheute sich bekannntlich das Mittelalter überhaupt nicht, bis die 
S3rphilis kam** (a. a. O., Bd. II, S. 183). Sehr früh entstand das 
Sprichwort: „Wer einen Fuss im Frauenhaus hat, der hat den 
anderen im Spital", wie Lehmann in seinem „Florilegium politi- 
cum" (1630) darlegt. Den gleichen Einfluss übte das Auftreten 
der Syphilis auf das Badewesen aus. Die früher von beiden Ge- 
schlechtern — oft gemeinschaftlich — so zahlreich besuchten 
Badestuben verödeten schon in den ersten Jahren. Schon 1496 
erschien ein Nürnberger Medizinalgesetz 2) , welches die Zulassung 
Syphilitischer zu den öffentlichen Bädern verbot, und Erasmus 
von Rotterdam erklärte geradezu, dass „der neue Ausschlag uns 
gelehrt hat, die öffentlichen Bäder zu entbehren" 8). Die neue und 
bis dahin nie gesehene Krankheit flösste solche Furcht ein, dass so- 
gar die Aussätzigen sich weigerten, mit den Syphilitikern zusammen 
in demselben Spital zu wohnen, die beste Widerlegung der Ansicht, 
dass der mittelalterliche Aussatz zu einem grossen Teile nur verlarvte 
Syphilis gewesen sei. Ja, die einfache Berührung mit der Hand, der 
Atem der Kranken galten als ansteckend*). 

Indem so die Syphilis, die ja ohne Zweifel die typische 
Krankheit der Neuzeit und seit ihrem ersten Auftreten die 



Virch. Arch., Bd. LXIV, Beriin 1875, S. 314): „ed se trovava che le femine lo aueuano 
in la natura e per questo ne funo chazzate molte meretrize da Bologna e da 
Ferrara ed altri luoghi*^ 

1) W. Rudeck: „Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Deutschland". Jena 
1897, S. 41. 

2) Mitgeteilt bei C. H. Fuchs: „Die ältesten Schriftsteller über die Lustseuche in 
Deutschland etc.*' Göttingen 1843, S. 306, Es lautet: „Allen padern bey einer poen zehen 
j^lden zu gebieten, das sie darob vnd vor sein , damit die menschen , die an der newen 
kranckheit, malen P>antzosen, beflecket vnd kranck sein, in im paden nicht gepadet: auch 
ihr scheren vnd lassen, ob sie zu denselben krancken menschen scheren vnd lassen giengen, 
die eissen vnd messer, so sie bey demselben krancken menschen nutzen, darnach in den padt- 
stuben nit mer gebrauchen". 

3) W. Rudeck a. a. O., S. 21. 

4) H. Haeser sieht die ,,heiisamen Wirkungen" der Syphilis vor allem Inder „Ver- 
besserung der öffentlichen Sittlichkeit", welche „seit dem Beginn des sechzehnten Jahr- 
hunderts als eine zweifellose Thatsache uns entgegentritt". („Lehrbuch der G«sch. d. Med.", 
Bd. 3, S. 315.) Welch' eine vernichtende Kritik der Lehre von der Altertumssyphilis 
dieses durchaus richtige Urteil enthält, hat Haeser, selbst ein Anhänger dieser Lehre, 
wohl nicht geahnt. 



— lO — 

beständige Begleiterin der modernen Civilisation^) gewesen 
ist 2), eine grössere Trennung und Absonderung der einzelnen Menschen 
von einander hervorrief, als die früheren Zeiten sie gekannt hatten, hat sie 
ohne Zweifel den durch den Geist der Renaissance erweckten Individua- 
lismus mit gestalten helfen und hat zur Förderung und Ausbreitung 
der geistigen und körperlichen Freiheit des Menschen nicht unwesent- 
lich beigetragen 3). 

Diese grosse kulturhistorische Bedeutung der Syphilis für 
die EntWickelung der Menschheit in der neueren Zeit, die selbst die 
Anhänger der Lehre von der uralten Existenz der Syphilis immer 
wieder hervorheben, die ja auch im Ernste niemand bestreiten kann, 
liefert allein schon einen unanfechtbaren Beweis für die Neuheit der 
Krankheit in der alten Kulturwelt. Es wird die Aufgabe dieses 
Werkes sein, weitere thatsächliche Beweise dafür zu liefern und un- 
beeinflusst durch eine vorgefasste Meinung eine kritische Unter- 
suchung über den wahren Ursprung der Syphilis anzustellen. Ich 
gedenke die zwei berühmten Fragen Ricords^): Wo hat die Sy- 
philis angefangen? Durch wen hat sie angefangen? — , die 
er für „auf alle Zukunft unlöslich" hält, auf unzweideutige, objektive, 

i) In einer höchst geistvollen Abhandlung: „Die Syphilis und der Niedergang des 
17. Jahrhunderts*' (veröffentlicht in „Beiträge zur Dermatologie und Syphilis", Festschrift 
fürj. Neumann, Leipzig und Wien 1900) bringt Pierleone Tommasoli den allgemeinen 
Niedergang, der sich am Ende des 16. Jahrhunderts auf allen Kulturgebieten bemerkbar 
machte, mit dem Auftreten der Syphilis in Zusammenhang, die nach ihm damals psychische 
Alterationen eingreifendster Art ausüben musste. Wenn man die bedeutende Einwirkung 
der heute so viel milder verlaufenden Syphilis auf das gesamte Nervensytem in Betracht 
zieht, so erscheint diese Ansicht als sehr plausibel. 

2) Eine ergreifende, hochdramatische Scene, die wenig bekannt ist und dies Ver- 
hältnis tragisch beleuchtet, ist mir in der Erinnerung geblieben. Vier Tage nach dem Ein- 
züge des Ferdinand Cortez in Mexiko (8. Nov.), am 12. Nov. 1519, bestieg der kühne 
Conquistador mit seinen Gefährten den Haupttempel des furchtbaren Gottes Huitzilopochtli, 
der von den Mexikanern durch grausige Menschenopfer verehrt wurde. Als sie nun die 
114 Stufen wieder hinabstiegen, da ereignete es sich, dass mancher der Soldaten, ermüdet 
und von Schmerzen gepeinigt, mehrmals ausruhen musste. Denn er litt an der Syphi- 
lis (estaban malos de bubas). So erzählt der ehrliche Bernal Diaz del Castillo im 
14. Kapitel des vierten Buches seiner Geschichte der Entdeckung und Eroberung von 
Mexiko. 

3) Peypers berichtet, dass die Syphilis auch die Mode stark beeinflusste. Um 
1530 kam der Brauch auf, lange Barte zu tragen, wie die Porträts aus jener Zeit beweisen. 
Der Haarschmuck war „eine stillschweigende Verneinung von Syphilis". (H. F. A. Peypers, 
„Lues Medii Aevi. Historisch - Polemische Bijdrage tot de Geschiedenis der Syphilis". 
Amsterdam 1895, S. 30.) 

4) P. Ricords „Briefe über Syphilis". Deutsch von C. Lienau. Berlin 185 1, 
S. 64. 



— II — 

und wie es mir scheint, kaum widerlegbare Weise zu beantworten, 
gedenke, das „Thema des grossartigen von Astruc verfassten Ro- 
manes"^) wieder aufzunehmen und zunächst die ungeheuerlichen 
Fälschungen und Irrtümer aufzudecken, welche bisher als nichtige 
Schatten und Nebel die Wahrheit verdunkelt haben. Schon dann 
wird man erkennen, dass Vircho^y, der nicht bloss ein grosser 
Forscher, sondern auch einer der vorsichtigsten Denker ist, recht 
hatte, als er die Meinung von O. Rosenthal, dass die Krankheit so 
alt sei wie das Menschengeschlecht, für eine „reine Phantasie- 
meinung" erklärte, für die „nicht das geringste thatsächliche Argu- 
ment beigebracht werden kann 2). Und wer dieses überall auf objek- 
tive Thatsachen gegründete Werk durchgelesen und seine Angaben 
nachgeprüft hat, der wird mit Virchow annehmen, dass Syphilis 
und Mensch nicht untrennbar sind. Denn „wenn das der Fall 
wäre, dann würde es in der That sehr schwer sein, prophylaktische 
Massregeln zu treffen, um die zwei Wesen, die so lange vereinigt 
waren, auseinander zu bringen" 3). Gewiss sind Krankheit und Siech- 
tum so alt wie das Menschengeschlecht. Aber ebenso sicher giebt 
es eine zeitliche und örtliche Entwickelung der einzelnen spezi- 
fischen grossen Volkskrankheiten. Wer sich in das Studium derselben 
vertieft, wer die Geschichte der Blattern, des Aussatzes, der Beulen- 
pest, der Cholera und des englischen Schweisses u. a. m. verfolgt hat, 
dem kann dieses grosse Gesetz von der zeitlichen und örtlichen Ent- 
wickelung der grossen Volkskrankheiten nicht verborgen bleiben*). 



i) Ricord a. a. O., S. 66. 

2) Sitzung der Berliner Medizinischen (reselischaft vom 4. Mai 1892. (Berl. klm. 
Wochenschr. 1892, Nr. 25, S. 623.) 

3) Virchow a. a. O., S. 624. 

4) Diese zeitliche und Örtliche Entwickelung der Volkskrankheiten zu erforschen, ist 
das eigentliche Thema der historisch-geographischen Pathologie, deren Ziel nach A. Hirsch 
(„Handbuch der historisch-geographischen Pathologie", 2. Aufl., Stuttgart 1881, Bd. i, S. 3) 
dahin gerichtet ist, eine „Darstellung von dem Vorkommen und Verhalten der Krankheiten 
innerhalb der einzelnen historischen Zeiträume und an den einzelnen Punkten der Erd- 
oberfläche zu geben, zu zeigen, ob und welche Unterschiede dieselben in ihrer Gestaltung 
der Zeit und dem Räume nach erfahren haben, welche causale Beziehungen zwischen den 
zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten wirkenden Krankheitsfaktoren einerseits 
und dem Vorkommen und der Gestaltung der einzelnen Krankheiten andererseits bestehen, 
und wie sich diese in ihrem räumlichen und zeitlichen Vorhersehen zu einander verhalten 
— einer Aufgabe, deren eminente Bedeutung für die spezielle Krankheitslehre, für Aetio- 
logie und für Hygiene nicht wohl verkannt oder in Frage gestellt werden kann.*' Die be- 
rühmte Abhandlung jieQi degcov vddtcov rojrcor in der hippokratischen Sammlung stellt den 
ersten Versuch dar, bestimmte Erdgebiete in Beziehung auf die ihnen eigentümlichen Krank- 
heiten zu erforschen. 



12 — 



Auch sie haben eine Heimat Das hoffe ich für die Syphilis zu 
erweisen ^). 



i) Die Anhänger der Lelire von der uralten Existenz der Syphilis geben sich natür- 
lich gar nicht die Mühe einer solchen historisch-geographischen Untersuchung der Krankheit. 
Die Syphilis war nach ihnen eben da: zu allen Zeiten und überall. Dies ist das bequeme 
Polster, auf dem sie, um mit Kant zu reden, ihre Vernunft zur Ruhe bringen. Eine Er- 
klärung des plötzlichen epidemischen Auftretens der Lustseuche am Ende des 15. Jahr- 
hunderts wird nicht einmal versucht, oder diese Thatsache einfach geleugnet! Haeser 
sagt mit Recht, dass für die Verteidiger der ausschliesslich contagiösen Verbreitungsart der 
Syphilis die Forderung, das Uebel bis zu seinen Quellen zu verfolgen, eine unabweisbare 
sei (H. Haeser a. a. O., Bd. III, S. 280). Es ist bedauerlich, dass der grosse Medizin- 
historiker selbst so wenig gerade dieser Forderung Rechnung getragen hat. 



ErBteB Buch. 



Der Ursprung der Syphilis. 



•• aaM « »t^ •• 



ERSTES KAPITEL. 



Von den Irrtümern und Fälschungen in der Geschichts 

Schreibung der Syphilis.) 



§ I. Die Syphilis als Folge der Unzucht (Theologische Theorie). 

Eine Ideenassoziation, die sich unwillkürlich aufdrängt und noch 
heute von Vielen 2) geltend gemacht wird, ist die, dass die Syphilis 
eine „Tochter der Wollust" sei. Diejenigen, welche die Begriffe „Un- 
zucht* und „Syphilis" für untrennbar halten, stellen demnach folge- 
richtig den Satz auf: Da es zu allen Zeiten Unzucht gegeben hat, 
war auch immer die Syphilis da. 

Ich bezeichne diese ganz unhaltbare Anschauung als die theo- 
logische Theorie. Denn sie ist nichts weiter als der uralte und 
noch heute fortlebende Glaube an den göttlichen Ursprung der Ge- 
schlechtskrankheiten als einer Strafe für begangene Unzucht. Seit 
ältester Zeit wurden auf der ganzen Erde die Krankheiten als Folgen 
göttlicher Einflüsse betrachtet, und besonders die Geschlechtskrank- 
heiten galten als eine Bestrafung der wider göttliche und andere 
höhere Wesen durch sexuelle Ausschweifungen begangenen Sünde. 
„Es ist ein immer sich wiederholender, ewiger Glaubenssatz", sagt 
Gabriel Fallopia, „dass wegen der Sünde der Tod kommt und 



i) In diesem Kapitel werde ich nicht alle, zum grossen Teil absurden und heute 
höchstens als Kuriosa zu erwähnenden Theorien über den Ursprung der Syphilis be- 
leuchten, sondern nur diejenigen Ansichten diskutieren, welche hauptsächlich die Quellen 
von noch heute verbreiteten Irrtümern geworden sind. Die „theologische" und „astro- 
logische" Theorie berühre ich also nur insofern, als sie moderne wissenschaftliche 
Anschauungen in sichtlicher Weise beeinflusst haben. 

2) Besonders ältere Aerzte betonten dem Verfassei gegenüber diese Ansicht. 



- i6 — 

wegen des Irrtums die Strafe. Daher ist es geschehen, dass Gott 
oft durch Krankheiten uns für unsere Sünden züchtigte" i). Dass 
diese Anschauung sich auf den bis in praehistorische Zeiten zurück- 
reichenden Animismus zurückführen lässt, der in allen Naturereig*- 
nissen dämonische Einflüsse wittert, hat Edward Tylor anschaulich 
dargestellt*). In den monotheistischen Religionen trat Gott an die 
Stelle der übernatürlichen Krankheitsdämonen, und „auch heute noch 
leben wir stets beeinflusst von den kirchlichen Lehren, welche die 
Geschlechtskrankheiten als göttliche Strafen kennzeichnen, der Idee, 
dass der Leidende ein Sünder sei"^). Diese merkwürdige theologische 
Anschauung beherrscht noch heute unsere ganze Gesetzgebung wie 
diqenige der meisten civilisierten Völker*). Als im Jahre 1853 die 
Cholera Schottland heimsuchte, da hielten es die schottischen Geist- 
lichen für ausgemacht, dass die Krankheit eine Folge des göttlichen 
Zornes sei und die Sünden der Menschen strafen solle. Sie wandten 
sich an die englische Regierung mit der Bitte um Anordnung eines 
„Fast- und Busstages" zur Vernichtung der Seuche. Da schrieb Lord 
Palmerston, der englische Premier, jenen berühmten Brief, — der 
„noch in künftigen Tagen als ein interessantes Dokument für den 
Fortschritt der öffentlichen Meinung angeführt werden wird"^). Darin 
wurde das Presbyterium belehrt, dass die Angelegenheiten dieser 
Welt von natürlichen Gesetzen beherrscht würden, von deren Beob- 
achtung oder Vernachlässigung das Wohl oder Wehe der Menschheit 
abhängig sei^). Der Minister empf2ihl hygienische Massregeln an- 
statt theologischer Mystik. Der Gegensatz zweier Weltanschau- 
ungen in Beziehung auf die Lehre von den Krankheiten erfährt in 
diesem Brief eine für die Zeit — es war das Jahr 1853! — allerdings 
überraschende Beleuchtung, Der Wortlaut des Schlusses ist so wich- 

i) „Hoc est perpetuum et aetemum dogma, quod propter peccatiun advenit mors 
et propter errorem poena. Hinc factum est, quod Deus saepe morbis castigavit peocata 
nostra'*. Gabrielis Fallopii De Morbo Gallico Tractatus Caput I in: Aloysius Lui- 
s'inus „Aphrodisiacus, sive de lue venerea etc." Tomus secundus. Lugduni Batavorum 
1728, S. 761. (Fortan wird diese Boerhaavesche Ausgabe stets als Luisinus I und II 
dtiert.) 

2) E. B. Tylor: ,,Die Anfange der Kultur", übersetzt von J. W. Spengel und 
Fr. Poske. Leipzig 1873, Bd. II, S. 125 ff., Bd. I, S. 291 ff. 

3) Reinhold Günther: „Kulturgeschichte der Liebe**. Berlin 1899, S. 63. 

4) Ich erinnere nur an die Verhandlungen des deutschen Reichstages über die „Lex 
Heinze" im Januar und Februar 1899. 

5) H. Th. Buckle a. a. O., Bd. II, S. 576. 

6) Ib.: ,,The weal or woe of mankind depends upon the observance or neglect of 
those laws. 



— 17 — 

tig, dass ich mich nicht enthalten kann, ihn hier anzuführen*). — 
Wenn also diese theologische Anschauungsweise über die Natur der 
grossen Volkskrankheiten bis in unsere Zeit hinein sich erhalten hat, 
so wird man nicht überrascht sein, dass das plötzliche Auftreten der 
Syphilis am Ende des 15. Jahrhunderts von Vielen auf göttliche Ein- 
flüsse zurückgeführt wurde. 

Die Gottgelahrten meinen, das zu strafen, 
Der Herr das Uebel in die Welt geschickt, 
Dass seine Zomausbrüche uns bestrafen 
Weil arge Sünde unsern Sinn bedrückt. 

So heisst es (nach der Uebersetzung von R. Finckenstein) 
bei Francisco Lopez de Villalobos^), einem der frühesten 
Schriftsteller über die Syphilis. Und ähnliche Aeusserungen findet 
man bei vielen anderen deutschen, spanischen und italienischen Au- 
toren jener Zeit. Demgegenüber muss hervorgehoben werden, dass 
schon damals einsichtige und wissenschaftlich denkende Aerzte diese 
abergläubischen Vermutungen auf das nachdrücklichste zurückgewiesen 
haben. Bei weitem die vortrefflichste Widerlegung dieser theolo- 
gischen Theorie findet sich bei Brassavola^). Er sagt: „Einige be- 
ziehen die Ursache dieser Krankheit auf Gott, der diese Krankheit 
geschickt habe, da er will, dass die Menschen die Sünde der Unzucht 
vermeiden. Deswegen verband er mit dem Beischlaf solche Gefahren, 
so dass manche diese Krankheit die göttliche genannt haben, andere 
die saturnische, da sie Saturn als Urheber derselben betrachtet wissen 



1) „Lord Palmerston would, therefore, suggest that the best course which the 
people of this country can pursue to deserve that the further progress of the cholera should 
be stayed, will be to employ the interval that will elapse between the present time and the 
beginning of next spring in planning and executing measures by which those portions of 
their towns and eitles which are inhabited by the pooiest classes, and which, from the 
nature of things, must not need purification and improvement , may be freed from those 
causes and sources of contagion which, if allowed to remain, will infallibly breed pesti- 
lence, and be fruitful in death, in spite of all the prayers and fastings of a united, but 
inactive nation'*. (a. a. O., S. 577.) 

2) Diran los teologos queste mal vino 

Por nueuos pecados delas cristiandades 
O gran providencia o juyzio diuino 
Que tan propia pena executas contino 
S^un el Camino de nuestras maldades. 

„FranciscoLopez de Villalobos, Sur les contagieuses et maudites bubas Histoire 
et m^dicine. Salamanque 1498. Traduction et commentaires par le Dr. E. Lanquetin". 
Paris 1890, S. 40. 

3) Antonius Musa Brassavola: „De morbo Gallico tractatus" bei Luisinus, 
II, 672. 

Bloch, Der Urspning der Syphilis. 2 



— i8 — 

wollen. Man sagt also, es sei eine Entscheidung Gottes, dass die 
Unzucht dadurch bestraft wird. Aber eine derartige Ueberlegung 
kann bei jeder Krankheit zutreffen, die mit der Unzucht in Zu- 
sammenhang steht und aus ihr hervorgeht. Weshalb diese alle gött- 
lichen Ursprungs sein müssten. Und warum, wenn Gott gegen die 
Unzucht losgefahren ist, ist er nicht gegen die Wucherer, Wege- 
lagerer, Räuber, Lästerer, Mörder losgefahren, die doch viel grausigere 
Missethaten begehen, als die, welche den Beischlaf ausüben, als der 
Zügellose, welcher sich mit der Zügellosen vereinigt? Denn der 
Geschlechtsgenuss ist für Jedermann eine natürliche Sache, 
und die Wahl irgend einer Schönen erfolgt nach Ratschlägen und 
Vorschriften. Einen Menschen zu töten, zu berauben, zu bestehlen, zu 
lästern ist in jeder Beziehung widernatürlich. Und wenn es Gott so 
sehr missfiele, dass die Menschen der Venus huldigten, dann könnte 
er ja ihnen das Verlangen danach wegnehmen, und es würde sich 
Niemand finden, der die Liebe geniessen möchte. Was haben end- 
lich die Knäblein für Böses verbrochen und was für eine Unzucht 
ausgeübt, die im Mutterleibe von der Syphilis angesteckt w^urden? 
Lasst uns also wie Hippokrates in seinem Buche über die heilige 
Krankheit sagen, dass diese Krankheit nicht heiliger sei als alle 
übrigen" 1). Indessen vermögen gegen einen durch religiöse Vorurteile 
genährten Aberglauben wissenschaftliche Deduktionen so gut wie 
nichts, und so hat die theologische Theorie bis heute ihre Anhänger 2). 

i) „Aliqui bujus morbi causam in Deum referunt, qui hunc miserit morbum, quo- 
niam vult homines luxuriae peccatum evitare: propterea ejuscemodi discrimiDa in coitu im- 
posuit, unde nonnulli hunc morbum divinum appellaiunt, alii saturninum, Uli inquam, 
qui a Saturno excitalum volunt. Dicunt igitur hoc esse divinum Judicium, quod de luxuria 
ulciscitur. Verumtamen ejusmodi ratio in unoquoque morbo esse potest, qui a luxuria de- 
pendet, et qui ob illam oritur, propterea hi omnes erunt divini. Et cur si Deus in luxu- 
riam invectus est, in foeneratores invectus non est, in grassatores, in latrones, in blasphemas, 
in homicidas, qui saeviora mala perpetrant, quam qui coitu utuntur, quam si solutus cum 
soluta jungatur. Nam Venerem exercere unicuique naturale est, hanc vero vel illam sibi 
deligere, est consilio et praecepto factum. Hominem vero interficere, grassari, furari, blas- 
phemare, sunt a toto genere praeter naturam: sique Deo tantum displiceret, ut homines 
Venere uterentur, posset ilico ab ipsis tentiginem auferre, et nullus inveniretur, qui Venere 
uti vellet. cMc iusuper, pueris, quibus contingit in alvo materno affectus Gallicus, quod mali 
perpetrarunt, et qua luxuria sunt usi? cirni Hippocrate igitur in libello de sacro morbo di- 
camus, non magis sacrum esse hunc morbum quam alii sunt." 

2) Neuerdings leitet sogar, Gustav Jäger noch überbietend, ein gewisser G. Her- 
man aus dem „Ekel", den die Coitierenden bewusst oder unbewusst vor einander empfin- 
den, der dann einen „Nervenchok" veranlasse, dessen Resultat giftige Ptomain-Bildimgen in 
den „nervösen Lymphbahnen" sind, die Entstehung der Syphilis her. Die Syphilis ist eine Ver- 
giftung durch Stoffwechselgift, eine Autoin toxikalion. — („Genesis, Das Gesetz der Zeugung", 
Bd. II, Leipzig 1899, S. 74.) — Das ist die theologische Theorie in höchster Potenz, 



— 19 — 

Wenn auch nicht mehr der an Syphilis Erkrankte dafür körperlich 
gestraft wird^), so ist noch heute für manchen der Geschlechtskranke 
ein „Odium generis humani", und die theologische Theorie verbirgt 
sich hinter einer anderen Ausdrucksweise. Man sagt, dass die Syphilis 
eine Folge der Unzucht sei. Noch im 19. Jahrhundert behauptete 
der berühmte Chirurg Astley Cooper, dass, wenn zwölf Personen 
beider Geschlechter sich wechselseitig vermischten, mindestens einer 
einen Schanker davontrage 2). Zeller von Zellerfeld leitete die 
T^ustseuche aus der „Polyandrie" der Buhlerinnen ab, nachdem er, um 
dies zu beweisen, Versuche an — Kaninchen gemacht hatte ^). Nach 
anderen bedurfte es gar nicht der Polyandrie oder der wechsel- 
seitigen Vermischung mehrerer Personen, sondern ein blosses Ueber- 
mass im Beischlaf genügte^), sogar zwischen gesundem Mann und 
gesunder Frau^), um Syphilis hervorzurufen. Der gelehrte Martin 
Schurig, der über einen letzteren derartigen Fall berichtet, macht 
dabei die ironische Bemerkung: - „Es fragt sich dennoch, ob nicht 
irgend ein böser Keim schon vorher in der Gattin oder dem Gatten 
verborgen gewesen sei^)". Inzwischen musste selbst diese Anschauung, 
nach welcher die Syphilis als Folge der Unzucht seit ältester Zeit 



1) „Bis ins Jahr 1700 hinein erlitten alle wegen Syphilis in die Pariser Kranken- 
häuser von Bic^tre und der Salp^tri^re Aufgenommenen vor und nach der Heilung eine 
grausame Auspeitschung. Noch 1784 stellte ein Bericht des Ministers Br6teuil die scheuss- 
lichsten Zustände in diesen Hospitälern fest.*' R. Günther a. a. O. S. 63. 

2) H. Haeser, „Lehrbuch der Geschichte der Medizin*', Bd. HI, Jena 1882, S. 324. 
— Gervaise Ucay (1688) und Vercellonus (1716) erklären ebenfalls die Syphilis für 
so alt wie das Laster der Unzucht und behaupten „ex piu-a Venere etiam impuram nasci**. 
Vgl. Simon a. a. O., Bd. I, S. 6—7. 

3) Er sperrte ein weibliches Kaninchen mit fünf Männchen zusammen; in wenig 
Monaten waren alle krank: an den Schamlippen des Weibchens waren Pusteln und Ge- 
schwüre, und die Männchen litten an Blennorrhoe und Phimose (!). — Vergl. K. F. Bur- 
dach, „Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft**, Bd. I, Leipzig 1826, S. 365. — Auf 
„Polyandrie** führt auch Renard, „Versuch über die Entstehung der Lustseuche**, Mainz 
1-815, S. 16, die Syphilis zurück. 

4) Zacutus Lusitanus (De medicorum principum historia, Lib. I, Quaestio 
XXXVIl in „Opera**, Bd. I, Lugd. 1657) sagt: „Quod morbus gallicus ab immodico 
Veneris usu oriri possit. Contra communem medicorum sententiam.** 

5) Juan Calvo sagt in seinem „Libro de la medicina y cirurgia*', Bd. I, Kap. 11 
(nach J. Astruc, „De morbis venereis libri novem**, Lutet. Paris. 1740, Bd. II, S. 829); 
„Digo .... que marido y muger, per sanos que essen, si se dan los dos solos 
mucho ä la Venus, veruan ä teuer Buas, sin que otri se las apegue, solo perel dema- 
siado exercitio de la Venus**. 

6) „Quaestio tarnen esset, annon aliquod seminium malignum jamjam in uxore vel 
niarito latueril.** M. Schur ig, „Spermatologia historico-medica etc.*', Frankfurt a. M. 1720, 

S. 268. 

9* 



— 20 — 

dagewesen sei, dem merkwürdig; en Auftreten dieser Krankheit am 
Ende des 15. Jahrhunderts Rechnung tragen. Dies zeitigte die 
lächerliche Ansicht, dass die Unzucht zu jener Zeit eben grösser 
gewesen sei als früher und daher zu einem furchtbaren Ausbruche 
der Lustseuche geführt habe. Eine Kritik dieser Phantasie ist wolil 
überflüssig. Schon Tomitanus hat sich über dieselbe lustig gemacht^). 

Ich erkläre gegenüber der tiefeingewurzelten Neigung, die Sy- 
philis mit der Unzucht an sich in eine gewisse Beziehung zu bringen, 
dass Unzucht an sich niemals im Stande ist, Syphilis bei 
irgend einem Menschen zu erzeugen. Astley Coopers Idee 
in einem anderen Sinne wiederaufnehmend, behaupte ich, dass man 
zwölf gesunde Männer und Frauen unter einander sich in excessivster 
Weise vermischen, dass man sie alle erdenklichen Ausschweifungen 
begehen lassen kann, ohne dass auch nur eine einzige dieser 
Personen an Syphilis oder einer anderen infektiösen Ge- 
schlechtskrankheit erkranken wird. Ja, ich nehme an, dass 
eine der Frauen eine Gonorrhoe habe, dass ein Mann mit einem 
weichen Schanker, ein anderer mit einem Herpes genitalis, ein dritter 
mit irgend einem anderen einfachen Genitalgeschwür behaftet sei. 
Auch dann wird bei der ausschweifendsten Promiskuität niemals 
Syphilis entstehen*). 

Mit anderen Worten: Nach den Ergebnissen der modernen 
Wissenschaft ist die Syphilis eine spezifische Infektionskrank- 
heit, hervorgerufen durch einen besonder.en Erreger^), und gänz- 
lich verschieden von den beiden anderen Geschlechtskrankheiten, 
dem Tripper und dem weichen Schanker. Wenn also durch 



i) „Quasi quod superiorum aetatum homines nihil adversus tuendae sanitads prae- 
cepta a)mmisissent, imo omnia ad unguem servassent, nihil voluptatis, aut sensus percepis- 
sent, sed continenter, et moderate semper vixissent.** B. Tomitanus, „De Morbo Galileo 
Libro duo", Cap. 6. Luis in. II, 1025. 

2) „Schon Lacumarcinus (Luis. I, 141) und Maynardus (ib. 398), besonders 
aber der zuverlässige Brassavolus (ib. 679) erzählen Fälle von ausgemachten Wollüst- 
lingen, welche niemals angesteckt wurden.** H. Haas er, „Lehrb. d. Gesch. d. Medicin**, 
Bd. III, Jena 1882, S. 280. 

3) Man hat den Bacillus der Syphilis zwar noch nicht mit Sicherheit gefunden, da 
Lustgartens Befunde — um von van Niessens unkritischen Versuchen ganz zu 
schweigen — nicht eindeutige sind. Aber dass der Syphilis ein spezifischer Bacillus 
als Erreger zukommt, unterliegt keinem Zweifel. — Neuerdings hat M. Schul 1er bei allen 
Formen der primären, sekundären und tertiären Syphilis protozoenartige Organismen gefun- 
den, von denen er sogar Kulturen zu züchten vermochte. Vgl. „Beitrag zur Kenntnis der 
Syphilisaetiologie'* von Prof. Max Schüller in Centralblatt f. Bakteriologie, Bd. XXVII, 
Nr. 14/15, Jena 1900, S. 516 — 517. 



21 



einen Beischlaf die Syphilis hervorgerufen werden soll, so setzt das 
stets die Anwesenheit des spezifischen syphilitischen Virus bei einer 
der beiden Personen voraus. Es bedarf sogar keines weges des Bei- 
schlafes oder gar der „Unzucht**, damit Syphilis den Menschen be- 
falle, sondern das Gift kann durch zufällige Berührungen übertragen 
werden, ohne dass eine geschlechtliche Veranlassung der Infektion 
vorhanden ist. Die „Syphilis insontium" ist die schlagendste 
Widerlegung der theologischen Theorie vom Ursprünge 
der Syphilis! 

Die Syphilis charakterisiert sich auch gegenüber allen anderen 
an den Genitalien vorkommenden Krankheiten als eine konstitu- 
tionelle Erkrankung^), die durch Vererbung übertragen werden 
kann und Immunität hinterlässt, so dass der einmal an Syphilis er- 
krankte Mensch nie wieder syphilitisch infiziert werden kann 2). Man 
weiss, dass der früher als eine Form der Syphilis betrachtete weiche 
Schanker, das Ulcus molle oder venereum, niemals im Stande ist, 
eine konstitutionelle Erkrankung hervorzurufen. Das venerische Ge- 
schwür ist immer eine ausgesprochene Lokalaffektion, die nach 
den neuesten Untersuchungen von Ducrey, Krefting und Unna 
durch einen spezifischen Bazillus hervorgerufen wird, und der Tripper 
ist schon im Jahre 1879 durch die epochemachende Entdeckung von 
Neisser als eine von der Syphilis toto coelo verschiedene, durch den 
Gronococcus hervorgerufene Krankheit endgiltig erkannt worden 3). 

Syphilis entsteht nur durch Syphilis. Sie ist eine ganz 
bestimmte, eigenartige, von allen übrigen Geschlechtskrankheiten ver- 
schiedene Krankheit, deren Natur in keiner Weise mit dem Be- 
griflFe der Unzucht als solcher verknüpft ist und in jeder Weise 
eine örtliche und zeitliche Entstehung zulässt. 

§ 2. Die Sodomie als Ursache der Syphilis. 

Schon früh wurde die Ansicht ausgesprochen, dass die Syphilis 
aus einem unnatürlichen geschlechtlichen Verkehr zwischen Mensch 
und Tier entstanden sei. Dieser Meinung liegt die Voraussetzung zu 



i) Der Tripper kann zwar — obgleich auch relativ selten — zu lokalen Metastasen 
führen, ist aber kein konstitutionelles Allgemeinleiden im strengen Sinne des Wortes wie 
die Syphilis. 

2) Die Ausnahmefälle sind sehr selten. 

3) Ueber die gänzliche Verschiedenheit der Contagien der drei Hauptgeschlechts- 
krankheiten vergl. besonders E. Lang, „Vorlesungen über Pathologie und Therapie der 
Syphilis", 2. Aufl., Wiesbaden 1896, S. 78 — 80. — Ueber die übrigen Genitalaffektionen 
handle ich im zweiten Buche. 



22 — 



Grunde, dass Tiere ebenfalls an Syphilis erkranken und diese Krank- 
heit auf den Menschen übertragen. J. K. Proksch hat in einer 
vortrefflichen Abhandlung^) die ganze Geschichte dieser Ansichten 
dargestellt, so dass ich auf diese verweise. Nur einen Fall, den ich 
bei Proksch nicht erwähnt finde, teile ich mit, zur Charakteristik 
der Leichtfertigkeit, mit der selbst berühmte Aerzte in dieser Frage 
zu Werke gegangen sind. Hufeland erzählt im 50. Bande seines 
Journals folgende Geschichte: „Ein Mädchen von 3 Jahren sitzt, mit 
dem Stubenhündchen spielend und ihn an sich drückend, so auf einem 
kleinen Schemel, dass sie mit geöffneten Schenkeln denselben gerade 
zwischen dieselben hält, und die Genitalien des Hundes die ihrig-en 
berühren; es erwacht der Geschlechtstrieb des Hundes und er übt 
wirklich den Coitus aus. Auf das Geschrei des Kindes kommt man 
herbei und ist noch Zeuge des Akts. Die Genitalien des Kindes 
sind verletzt und schwellen auf, entzünden sich und es erzeugen sich 
kleine Geschwüre, welche ganz das Aussehen von Schankern haben. 
Sie widerstehen lange allen gewöhnlichen Mitteln und können end- 
lich nur durch Quecksilber, innerlich und äusserlich gebraucht, geheilt 
werden." Daraus schliesst Hufeland, dass „die schon früher ge- 
äusserte Meinung doch wohl die wahrscheinlichste sein möchte, dass 
das syphilitische Miasma zuerst durch die höchste Unnatur und sodo- 
mitischen Missbrauch des menschlichen Geschlechtssystems, und eben 
im Geschlechtssystem, unter Konkurrenz und Begünstigung eigen- 
tümlicher, nur höchst selten zusammentreffender, vielleicht auch atmo- 
sphärischer Umstände, erzeugt worden sei. — Einen ähnlichen Fall 
hat Ruggieri vor 2 Jahren bekannt gemacht, wo durch das Zu- 
sammenschlafen und Belecken eines Hundes sehr bösartige Geschwüre 
an den Genitalien bei 2 Frauenzimmern entstanden" 2). Ganz abge- 
sehen von der inneren Unwahrscheinlichkeit des Vorfalles, hat Hufe- 
land in keiner Weise den Beweis erbracht, dass hier Syphilis ent- 
standen sei. Denn wir erfahren nur von rein lokalen Veränderungen, 
die keinerlei Allgemeinerscheinungen zur Folge hatten. Proksch 
urteilt am Schlüsse seiner oben erwähnten Abhandlung, das alle 
„Nachrichten über die ursprüngliche Entstehung von venerischen Er- 
krankungen, namentlich von der Syphilis unter den Tieren, sowie die 



i) J. K, Proksch, „Die venerischen Erkrankungen und deren Uebertragbarkeit bei 
einigen warmblütigen Tieren" in Vierteljahrsschrift für Dermatologie und Syphilis, 1883, 

s. 309—353. 

2) „Gefahren des Zusammenlebens von Himden und Kindern. — Vermutung über 
den Ursprung der venerischen Krankheit" von Hufeland in Hufelands Journal, Berlin 
1820, Bd. 50, Ht. m, S. 107—108. 



- 23 — 

Angaben über die zufälligen Verbreitungen und Uebertragungen 
dieser AfFektionen von Tieren auf Menschen und umgekehrt, durch- 
aus entweder zweifelhafter Natur oder ungenau sind*^ Auch der 
hervorragende Syphilidologe Professor Isidor Neumann, welcher 
in einem besonderen Kapitel seines grossen Werkes über die Syphilis 
die Frage untersucht, ob Syphilis auch bei Tieren vorkomme^), fasst 
das Ergebnis aller neueren Untersuchungen dahin zusammen, dass 
kein authentischer Fall von Syphilis bei Tieren bekannt geworden 
ist, und dass die Uebertragnng der Krankheit auf Tiere bisher noch 
niemals in wirklich überzeugender Weise gelungen sei. Ein positives 
Resultat sei auch für die Zukunft höchst unwahrscheinlich. Hiernach 
möge auch die von van Helmont in die Welt gesetzte und sogar 
von einem Manne wie Ricord'^) für discutabel gehaltene Phantasie 
beurteilt werden, dass die Syphilis aus dem Umgange von Menschen 
mit rotzkranken Pferden entstanden sei^). 

§ 3- Welchen bis in die Neuzeit dauernden Irrtum die astrolo- 
gische Theorie vom Ursprünge der Syphilis hervorgerufen hat. 

Die vorwiegend kritische Natur meines Werkes, welches jene 
verhängnisvollen Irrtümer aufdecken und beseitigen soll, die die Ge- 
schichte des Ursprunges der Syphilis so sehr verdunkelt haben, 
nötigt mich, auch die astrologischen Träume über das Auftreten der 
Syphilis zu beleuchten und darzulegen, wie aus dem Aberglauben 
eine dauernde Geschichtsfälschung sich entwickeln kann — ein 
nicht seltenes Ereignis in der Geschichte der Wissenschaften. 

Ein merkwürdiger Zufall wollte es, dass in demselben Jahre, 
als in Neapel die Syphilis ausbrach, Giovanni Pico della Miran- 
dola in seinem grossartigen, noch heute bewunderungswürdigen 
Werke*) der Astrologie des Mittelalters den Todesstoss versetzte. 
Diese Schrift bezeichnet den Beginn des Verschwindens des astro- 



i) J. Neumann, „Syphilis", Wien 1896, S. 169 — 174. 

2) Ph. Ricord a. a. O. S. 67 ff. 

3) In neuester Zeit hat M. P. Ravenel im ,, American Journal of raedical science*', 
April 1900, seine Experimente der Uebertragung von Syphilis auf Kälber mitgeteilt. Das 
Resultat war vollkommen negativ. 

4) Disputationes Joannis Pici Mirandulae adversus astrologiam divinitricem, 
quibus penitus subnervata corruit. Bononiae 1495. Fol. 2 Bände. — Das Werk erschien 
nach dem Tode des Verfassers, der am 17. November 1494 gestorben war. Vergl. über 
Pico die Ausführungen bei Burckhardt a. a. O., Bd. U, S. 264 — 266. 



— 24 — 

logischen Aberglaubens^), dessen Spuren aber noch bis ins i8. Jahr- 
hundert sich verfolgen lassen. Gleichsam als ahnten die Astrologen 
die Bedeutung dieses Werkes, versuchten sie noch einmal an der 
neuen und wunderbaren Krankheit die Kraft und den Wert ihrer 
abergläubischen Theorien zu erproben. 

Die Aerzte hatten den astrologischen Vorstellungen, deren 
Blütezeit das 12. bis 15. Jahrhundert war, in besonders auffälliger 
Weise gehuldigt ^) und die ganze medizinische Wissenschaft mit ihnen 
gewissermassen durchtränkt. Auf nichts passen besser die tertullia- 
nischen Worte des Astrologen im „Faust": 

Empfangt mit Ehrfurcht stemgegönnte Stunden; 

Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden; 

Dagegen weit heran bewege frei 

Sich herrliche, verwegne Phantasei! 

Mit Augen schaut nun, was ihr kühn begehrt; 

Unmöglich ist's, drum eben glaubenswerth, 

als auf die medizinischen Astrologen jener „vom Aberglauben 
früh und spat umgarnten Zeit". Baas citiert einige anschauliche 
Beispiele dieser geistigen Verirrung unter jenen Aerzten^). In den 
Gestirnen musste jedes merkwürdige Ereignis, jede Epidemie ihre 



i) Ueber den astrologischen Aberglauben der Renaissance handelt vortrefflich Burck- 
hardt a. a. O., Bd. II, S. 254 — 266. Auch auf diesem Gebiete macht sich der Einfluss 
des Altertums in jener Zeil bemerkbar. 

2) Ch. Daremberg bemerkt: „J'ai copi^ dans le manuscrit fran^ais, no. 1357, f^ 
en papier, du XVe si^de et de plusieiu-s mains, toutes les notices recueillies sur les me- 
decins astrologues, par Symon de Phares au temps de Charles VIII, et se rapportant 
aux Xle, Xlle, Xllle, XI Ve et XVe si^cles (jusqu'ä 1494). C'est (bien qu'il faule en 
user avec beäucoup de r6serve) un recueil curieux, dont je ne puis malhem-eusement pas 
donner ici des extraits; ils trouveront leur place ailleurs." (Histoire des sciences m^dicales, 
Paris 1870, Tome I, S. 319.) Uebrigens hat der astrologische Aberglaube auch imter den 
Aerzten des Altertums Anhänger gefunden. Vergl. darüber Ludwig Friedländer, „Dar- 
stellungen aus der Sittengeschichte Roms", 6. Aufl., Leipzig 1888, Bd. I, S. 362 (Galen u. a.). 

3) J. H. Baas, „Grundriss der Geschichte der Medizin und des heilenden Standes*'. 
Stuttgart 1876, S. 234. — Marsilius Ficinus (1435 — 1499) empfahl zur Zeit der Kon- 
junktion des Jupiter und der Venus bereitete Pillen als besonders heilsam. — Jacob von 
Forli ("j" 1415) sprach den im achten Monate geborenen Kindern die Lebensfähigkeit des- 
halb ab, weil während jenes Monats im Uterus Saturn regiere, der bekanntlich Kinder 
frass! — Jacob Ganivet (um 1418) Hess die einzelnen Krankheiten jedes Menschen von 
dessen Nativität abhängen imd stellte darnach die Prognose. Ausserdem aber erteilte er 
jeder Stadt einen besonderen Planeten zu und leitete die Epidemien von der Konjunktion her. 



I 



— 25 — 

Ursache haben i). So wurde auch die Syphilis bei ihrem ersten Auf- 
treten in Europa eine leichte und willkommene Beute der Astrologie. 

Es war die Konstellation gewisser Gestirne in einem be- 
stimmten Jahre, welche beschuldigt wurde, die Syphilis hervor- 
gerufen zu haben. Man setzte also den planetarischen Anfang 
der Krankheit in dieses Jahr, der dann später den wirklichen Aus- 
bruch der Seuche zur Folge hatte. Die Planeten Saturnus und Mars 
spielten dabei die Hauptrolle. Lopez deVillalobos bemerkt (nicht 
ohne leise Ironie): 

Und wieder meinen dann die Sternedeuter: 
Saturn und Mars sind dieser Seucbe Quell, 
Satiun ist heisser Leidenschaft Bereiter, 
Und Mars regiert an der geheimen Stell*. 
Drum sollen wir, wenn wir der Liebe pflegen, 
Wohl achten auf der beiden Sterne Stand; 
Damit Saturn nicht komme uns entgegen. 
Wenn unser Sinn der Venus zugewandt. 

Woher das Alles? frage nur die Sterne, 
Sie haben uns die Lüfte inficirt. 
So kam das Gift zu uns aus weiter Feme, 
Und hat auch unsem Körper alterirt. 
Wir waren freilich lange schon empfänglich 
Für solchen bösen Einfluss des Gestirns, 
Dies weiter zu erklären ist bedenklich 
Und übersteigt die Kräfte meines Hirns*). 

Der Saturn war von jeher im Occident sowohl als auch im 
Orient als ein ungünstiges, trauriges und Unheil bringendes Gestirn 
bekannt, vielleicht deswegen, weil sein Licht in Vergleichung mit dem 
heiteren Glänze des Jupiter und der Venus bleich und fahl aussieht^). 
x\uch Mars galt als ein unheilvolles Gestirn, dessen rötliches Licht 
wahrscheinlich an Blut denken liess^). Die meisten Schriftsteller 



i) Schon Dante sagt mit deuüicher Kritik: 

Ihr, die ihr lebt, legt jede Ursach* immer 

Dem Himmel droben bei, gleich als ob Alles 

Mit sich er durch Nothwendigkeit bewege. 

Wenn dem so wäre, würd' in euch zerstört sein 

Der freie Wiir. (Purgatorio XVI, 67—69.) 

2) Uebersetzung von R. Finckenstein („Zur Geschichte der Syphilis", Breslau 
1870, S. 64 und 68". 

3) J. A. Mensinga, „Ueber alte und neuere Astrologie*', Berlin 1871, S. 17 — 18. 
— Juvenalis sagt (Sat. IX, 569): quid sidus triste minetur Satumi. — Lucanus nennt 
den Saturn die „Stella nocens", Propertius das „grave sidus in omne caput". Vergl. 
auch die erste Scene von „Wallensteins Tod'*. 

4) Mensinga a. a. O. S. 17. 



— 26 — 

nahmen an, dass die grosse Konjunktion des Satumus und Jupiter 
am 25. November 1484*) im Zeichen des Scorpions und Hause des 
Mars die Ursache der Lustseuche gewesen sei. Der gute Jupiter 
unterlag den bösen Planeten Saturn und Mars und das Zeichen des 
Scorpions, dem die Geschlechtsteile untergeben sind, erklärt, weshalb 
die Genitalien der erste Angriffspunkt der neuen Krankheit waren. 
Daher auch Menschen, die unter dem Zeichen des Scorpions geboren 
waren, von vornherein als der Syphilis verfallen betrachtet wurden, 
während die übrigen Menschen viel weniger bezw. gar nicht ge- 
fährdet seien*). 

Dass dieser Unsinn nicht von allen Aerzten geglaubt wurde, 
beweisen z. B. die drei Schriften Martin Pollichs, die hauptsächlich 
gegen die Astrologie gerichtet sind^), die Bemerkungen von Scana- 
rolus*), Johannes Benedictus^), Matthiolus^ und das bissige 
Urteil des nüchternen, überall den Dingen auf den Grund gehenden 
Fallopia^). Almenar meint, bei den meisten Menschen entstehe 



i) Sogar Stunde und Minuten wurden genau angegeben. „La grande et consideranda 
de doi planeti ponderosi dve da Satumo et Joue la tremenda coniunctione molte miserie 
denundate che fu nello anno 1484 XU di Novembre a hora VI minuti IV.** („Anonymi 
Prognosticatio" in: Chr. G. Grüner, „De morbo galhco scriptores**, Jena I793> S. 235.) 

2) So Petrus Maynardus, wohl der am meisten typische Vertreter der astrolo- 
gischen Theorie. Es heisst bei ihm (De morbo Gallico tractatus duo Cap. I, Luisin. I, 
S. 389): „In quo quidem dixit quondam morbum curatu difficilem imminere hominibus 
habentibus steliam scorpionis horoscopantem in genitura eorum, aut ipsorum nativitatibus, et 
quod qus causa supercoelestis fuerat tremebunda constellatio coitus trium superiorum side- 
rum, Saturni scilicet, Jovis et Martis. Qui quidem coitus fuerat in gradu XXIII Scorpionis, 
die XXV Novemb. MCCCCLXXXIV." Maynardus prophezeit (a. a. O. S. 397) die- 
selbe Konstellation wieder für das Jahr 1544, deren Wirkung bis 1584 dauern werde. 
„Ultra quos annos hie morbus Galliens deficit." Eine Prophezeiimg, die sich 
leider nicht erfüllt hat. 

3) Die „Defensio Leoniceniana** (1499)» die „Castigationes" (1500), die „Re- 
sponsio in superadditos errores" (1501), abgedruckt bei Fuchs a. a. O. S. 131 — 154; 
169 — 218; 241 — 288. 

4) Antonii Scanaroli, Disputatio utilis de Morbo Gall. in: Luis. I, S. 125: 
„confugit ad influentiam steilarum, quod est refugium medicorum causas manifestas assignare 
nescientimn**. 

5) Joh. Benedicti, De Morbo Gallico libellus, Cap. II, Luisin. I, 170: „cuin 
Corpora supercoelestia sint signa, et non causae rerum". 

6) Petri Andreae Matthioli, „De Morb. Gall. Opusculiun, Luis. I, 252: „N'am 
Astronom orum apud me iam dudum est explosa sententia, qui constellationibus hoc totuin 
tribuunt, quippe quoniam si vera dicerent, cum magis utque magis in dies invalescat hoc 
malum, necesse esset quoque quotidie fere eosdem fieri steilarum concursus". 

7) Gabrielis Fallopiae, De Morb. Gall. Tractatus, Cap. VII, Luis. I, 766. 
„Quod illos aspectus debeat medicus observare, non credo. Polest magis cantaros et 
urinales contemplari quam coelum. — Praeterea . . . non video, cur, cum stellae 



— 27 — 

zwar die Syphilis durch einen unreinen Beischlaf, aber es sei „mit 
frommem Sinne" zu glauben, dass die Geistlichen, welche damals 
fast alle an Syphilis litten, dieses Leiden dem Einflüsse der Gestirne 
und der verdorbenen Luft verdankten^). In ähnlicher Weise kon- 
struierte auch Victorius eine besondere astralische Erkrankung der 
Nonnen 2). 

Es wurde bereits von mir hervorgehoben, dass die astrologische 

Theorie vom Ursprünge der Syphilis denselben in ein bestimmtes 

Jahr verlegt, und zwar wurde von den meisten Autoren das Jahr 

1484 dafür angenommen^). Ich bin erstaunt, dass so vielen ernst- 



non sint in eodem coitu, iam non cessat morbus iste .... et tarnen adhuc perdurat, ergo 
non ortus ratione aspectuum. Praeterea si siderum aspectus fuil hujus valetudinis causa, 
quot boni aspectus successere! Facti sunt plures affectus in domo sanitatis, et optimi, cur 
morbus hie non est destructus ex toto?" 

i) Joh. Almenar, De Morb. Gall. Libell., Cap. II, Luis. I, 361; „Quarum prima 
est sola influentia, vel aeris corruptio, per quam causam evenisse pie credendum est in 
religiosis. 

2) Benedicti Victorii, De Morb. Gall., Liber. Cap. III, Luis. I, 619: „Sane 
occurrerunt mihi quandoque honestae et sanctae moniales, fortissimis daustris observatae, 
sub ardua quippe et inviolabili custodia, quae ex praesentis coeli statu, atque ex 
statu humorum in eis putrescentium, cum statu imbecillium membrorum, malo fato, in 
Gallicum cecidere morbum. Propter haec igitur firma fide opinor, contagium ipsum non 
esse exquisite necessarium ad morbi GalHci proventum." — Was von dieser astral ischen Er- 
krankung zu halten sei, wie überhaupt von der Sittlichkeit der Geistlichkeit im Mittelalter, 
lehrt der folgende Bericht von Gabriel d'Emilianne über den 1168 in England gegrün- 
deten Orden der Gilbertiner („A short history of monastical orders etc.'* By Gabriel 
d'Emilianne, London 1693, S. 133): „He (Gilbert) caused to be built for them, in a 
short time, thirteen Monasteries, in which were reckoned 700 Monks, and 11 00 Women, 
who lived together, separated only by a Wall . . . This Hermaphrodite Order, made up 
of both Sex es, did very soon bring forth Fruits worth of it seif; these holy Virgins 
having got almost all of them big Beilies, which gave occasion to the foUowing 
Verses: 

Horum sunt quaedam steriles, quaedam parientes, 

Virgineoque tarnen nomine cuncta tegunt. 

Quae (the abbess) pastoralis baculi dotatur honore, 

lila quidem melius fertiliusque parit. 

Vix etiam quaevis sterilis reperitur in Ulis, 

Donec ejus aetas talia posse negat. 
These Nuns to conceal from the World their infamous Practices, made away secretly (Jieir 
Children; and this was the Reason, why at the time of the Reformation, so many Bones 
of Young Children were found biuied in their Cloisters, and thrown into places, where 
they ease Nature.** 

3) Doch kommen auch hier abweichende Angaben vor. Paracelsus verlegt den 
Anfang der Krankheit in das Jahr 1480 (Erupit morbus circa 1480 ab influentia Veneris 
et luxuriae. — Grüner, „Aphrodisiacus*S S. 134); Wendelin Hock von Brackenau 
in das Jahr 1483 (Quod hie morbus verius cepit exordium anno 1483, Luis. I, 312). 



— 28 — 

haften und kritischen Forschern, die sich vor mir mit der Geschichte 
der Syphih's beschäftigt haben, diese Thatsache nicht aufgefallen ist, 
der ich eine nicht geringe Bedeutung beilege. Denn es ist doch 
merkwürdig, dass die astrologischen Aerzte, indem sie das Jahr 1484 
oder jedenfalls ein in den achtzigern liegendes Jahr wählten, damit 
zugleich, obgleich ein grosser Teil von ihnen das Dogma von der 
Altertumssyphilis verteidigte, den neueren Ursprung der Krankheit 
lehrten. Denn es ist nicht einzusehen, weshalb gerade die plane- 
tarischen Verhältnisse • in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts 
und nicht früher ähnliche für die Erklärung des plötzlichen Auf- 
tretens der Syphilis herangezogen wurden. Um so verdächtiger ist 
diese eigentümliche Wahl des Jahres 1484 bezw. 1483, als ja alle 
Astrologen in demselben nicht den wirklichen Anfang der Seuche 
annahmen, sondern nur den planetarischen. Der wirkliche Aus- 
bruch der Seuche wird von allen in den Anfang der neunziger 
Jahre gesetzt. Nur ein einziger astrologischer Arzt soll den wirk- 
lichen Ausbruch der Syphilis schon für dieses planetarische Jahr an- 
genommen haben. Das ist Pedro Pintor, ein Spanier. So sagen 
seit Hensler die hervorragendsten Syphilishistoriker. So sagt noch 
der letzte derselben, J. K. Proksch^). 

Ich will dessen Bemerkungen in extenso mitteilen, damit der 
Leser die beiderseitigen Texte und Urteile vor Augen habe. 

Proksch sagt: 

„Pedro Pintor, der vor 1493 in Spanien praktizierte und von da an in Rom als 
Leibarzt seines Landsmannes Alexander VI. funktionierte, berichtet, dass der Morbus 
Grallicns seit 1494 in Rom bekannt sei und man der Krankheit in seinem Vaterlande an- 
dere Namen gegeben habe (Pintor, P., De morbo foedo et occulto his temporibus affli- 
gente. — In Gruners Aphrodisiacus III, p. 86: „Sicut nunc, istis temporibus corpus hu- 
manum aegritudinibus infestatur ignotis. Scilicet ab anno 1494 usque ad praesentem annum 
1499 . . . qui a vulgo Romano Grallicus morbus vocatur. In civitate enim Valentia aliud 
nomen imposuerunt . . .); was denn wohl dafür spricht, dass er die Syphilis bereits daselbst 
vor seinem Abgang nach Rom gesehen, oder doch von ihr gehört habe. Weiler äussert 
sich Pintor in seiner sehr umfangreichen Schiift, welche 1500, in seinem T]. Lebensjahre, 
die Presse verliess, folgend: „Cap. IV. In quo demonstrabimus veritatis causam dicti 
morbi aluhumata (so nennt er eben die Syphilis) fiiisse conjunctiones planetarum et ecclypses 
solis et lunae, etiamque aspectus eorum ante adventum hujus morbi. Tamen et etiam inve- 
nimus incepisse anno 1483. et finis ejus erit 1500 . . . Potest et etiam confirmari anno 
1494. per conjunctionem Jovis et Martis in eodem signo librae, in quo incepit iste morbus. 
Et haec satis suffidant ad significationem principii hujusmodi morbi. Sed credimus dura- 



Die charakteristische Aeusserung des Thomas Rangonus, der das Jahr 1488 nennt, siebe 
weiter unten. 

i) J. K. Proksch, „Die Geschichte der venerischen Krankheiten". Bonn 1895. 
Erster Teil, S. 378—380. 



— 29 — 

turum esse morbum istum, donec Satiimus erit in Tauro et debere finiri anno 1500, quando 
Satumus veniet ad signum geminorum sicque ipsum morbum durasse per annos XVII. 
numerando a principio morbi, scilicet ab anno 1483. usque ad annum dictum 1500. propter 
gradus restantes in eo signo, ubi fuit conjunctio Satumi ei Martis." Nun glauben aber die 
Verteidiger eines neuzeitlichen Ursprunges der Syphilis: Pintor habe den Beginn der 
Krankheit lediglich der astrologischen Theorie ztdiebe in das Jahr I483 verlegt; geradeso 
wie viele andere Aerzte und Laien zu Ende des 15. Jahrhunderts der grossen Konjunktion 
des Satumus und Jupiters im Zeichen des Skorpions und im Hause des Mars am 25. Ok- 
tober oder November 1484 den Ursprung der Syphilis zuschrieben, den eigentlichen Aus- 
bruch der Krankheit aber in die Mitte der neunziger Jahre desselben Säkulums verlegten. 

Dahinter steckt jedoch die allzeit bewährte Meisterschaft in der Sophisterei: Es ist 
allerdings richtig, dass Theodoricus Ulsenius, Sebastian Brant, Josef Grünbeck, 
Bartholomeus Steber, Simon Pistor u. a. die Ursache in der Konstellation von 1484 
suchen, doch rechnet eben keiner unter ihnen von da an auch die sichtbare Wirkung der 
Konstellation, d. i. den Ausbruch der Krankheit; dies thut aber ausdrücklich Pedro 
Pintor. Hensler, welcher die ältesten Syphilographen gewiss gründlich studiert hatte 
und dem dies Alles gai wohl bekannt war, kam im Einklang mit dem berühmten Ana- 
tomen Dojnenico Cotugno (1736 — 1822) zu dem jedenfalls richtigeren Schlüsse: „Da 
Pintor ausdrücklich ins Jahr 1494 die volle Ausbreitung (confirmatio morbi) setzt, da er 
genau aufzählt, von 1483 an habe die Seuche 17 Jahre gedauert, so kann seine Meinung 
keine andere sein als diese: seit 1483 habe sich die Krankheit hier und da gewiesen, sei 
aber eist seit 1497 zu einer völligen Seuche gediehen, erst recht Pest geworden." (Hensler, 
Geschichte der Lustseuche, p. 57.) 

Von weit grösserer Bedeutung als die Jahreszahl 1483 ist übrigens auch bei Pintor, 
dass er die Syphilis überhaupt nicht für neu hält und ihr darum keinen von den damals 
gebräuchlichen, ihm gar wohl bekannten Namen beilegt; ihm ist die Krankheit eine (die 
dritte Spedes) der alten Variola, welche er stets nach arabischem Muster Aluhumata nennt 
(„contra naturam tertiae speciei variolarum, quae est aluhumata"). Es ist femer erweislich, 
dass unter allen Syphilographen des 15. Jahrhunderts keinem, so wie Pintor, der Formen- 
reichtum und die Chronicität der Krankheit bekannt war; auch die merkuriellen und syphi- 
litischen Mundaffektionen wusste er zu unterscheiden. Dieses alles lernte man unter den 
damaligen Verhältnissen in Schule imd Praxis nicht binnen weniger Jahre; höchst wahr- 
scheinlich beobachtete Pintor die Lues schon vor 1493, noch ehe er Spanien verliess.** 

Das ist die Darstellung von Proksch. Das Original giebt 
aber eine ganz andere! Bevor ich auf diese eingehe, möchte ich 
auf einen Umstand aufmerksam machen, der für jeden auffallend 
sein muss, der sich mit den wichtigsten Grundsätzen der historischen 
Untersuchungsmethoden bekannt gemacht hat. Gesetzt, die Darstel- 
lung von Proksch wäre richtig, wie kommt es, dass Pintor der 
einzige Autor ist, der, im Gegensatze zu allen übrigen Aerzten, 
den wirklichen Anfang der Syphilis in ein Jahr setzt, in welchem 
alle anderen nur den planetarischen Anfang geschehen lassen, den 
wirklichen aber in das wirkliche Jahr des Ausbruchs der Krankheit 
setzen? Ich gestehe, dass die Pluralität dieser Zeugnisse für mich 
die Singularität der Pinto rschen Aussage ziemlich illusorisch machen 



— 30 — 

würde, auch wenn sie wirklich so existierte, wie sie von 
Proksch dargestellt wird. 

Proksch behauptet, dass Pintor die Syphilis nicht für eine 
neue Krankheit gehalten und sie schon vor 1493 in Valencia bezw. 
Spanien beobachtet habe. In seinem ersten Citat nach Grüner, 
„Aphrodisiacus", III, p. 86 hat er aber zwischen den Worten „annum 
1499" u"^ »»q^i ^ vulgo Romano" eine wichtige Bemerkung Pintors 
ausgelassen, die er (Proksch) wohl für unwichtig hielt. Ich wieder- 
hole die ganze Stelle noch einmal nach dem Originale: „Sicut nunc 
istis temporibus corpus humanum aegritudinibus infestatur ignotis. 
Scilicet ab anno 1494 usque ad praesentem annum 1499 quid am 
morbus ignotus divorsis dolorum speciebus in diversis membrorum 
corporis partibus, pustularum diversorum.modorum in magnitudine et 
parvitate, in cute corporum hominum nascentium, terribiliter gentium 
multitudinem conciavit, qui a vulgo Romano Gallicus Morbus vo- 
catur. In civitate enim Valentia aliud nomen imposuerunt, alii au- 
tem homines aliarum regionum aliud nomen." Schon Girtanner^) 
ruft fast verzweifelt aus: Wie kann man eine solche Stelle falsch ver- 
stehen?, und es ist ihm „unbegreiflich, wie ein Schriftsteller so falsch 
verstanden oder so flüchtig gelesen werden kann, als Pintor gelesen 
worden ist". In den von Proksch ausgelassenen Worten sagt doch 
Pintor deutlich, klipp und klar, dass es eine unbekannte Krank- 
heit sei, die von 1494 an die Völker gepeinigt habe; und zwar bis 
zum Jahre 1499, in welchem er sein Buch schrieb, suchte sie noch 
die Völker Europas heim. Es ist bedauerlich, dass Proksch in Be- 
ziehung auf diese Stelle dem von ihm als so zuverlässig gerühmten 
Hensler allzu viel Vertrauen geschenkt und das Original nicht 
weiter untersucht hat. Auch Girtanner (um von den übrigen Sy- 
philishistorikem ganz zu schweigen) hat die folgende überaus wert- 
volle und ausschlaggebende Stelle des Pintor noch nicht gekannt'^), 
die ich einfach vorzulegen brauche, um damit zu erweisen, dass auch 
Pintor den planetarischen Anfang der Syphilis in das Jahr 1483 
verlegt, den wirklichen aber in das Jahr 1494. Die Stelle findet 
sich einige Seiten nach der von Proksch unvollständig angeführten, 
eben erwähnten und lautet^): „Nee est mirandum si non incepit hie 



i) „Abhandlung über die Venerische Krankheit**, von Christoph Girtanner, 
Göttingen 1788, Bd. I, S. 16—17. 

2) Auch Simon („Kritische Geschichte des Ursprungs, der Pathologie und Behand- 
lung der Syphilis etc.", Hamburg 1858, Bd. II, S. 6 — 8) kennt sie noch nicht und gfündet 
seine Kritik Henslers* auf die erste Stelle. 

3) Grüner, „Aphrodisiacus*', 111, S. 92. 



— 31 — 

morbus in Italia, Francia, Hispania, quoniam, ut diximus, habuit sig- 
nificationem in toto orbe, et sie habuit principium in aliis par- 
tibus orbis, et si in his praenominatis locis non appamit nobis dic- 
tus morbus ex virtute supradictarum conjunctionum in signis. Sed 
cum ratione alias potuit incipere anno 1494 in Italia et 
praedictis partibus, quoniam fuit conjunctio, ut superius dictum 
est, Jovis et Martis in signis librae, quia habet dominium in his par- 
tibus etiam Jupiter et Mars. — Verum tamen sunt aliqui qui 
dicunt, praedictum morbum incepisse anno 1496. Id fal- 
sum videtur esse, quia nullam habet rationem demonstrandi huius 
dicti veritatem. Primo, quia ex experientia visum est ante ince- 
pisse per duos annos in praenominatis partibus, videlicet in Italia, 
Francia et Hispania; deinde dicta conjunctio quam ipsa adducit 
esse principium hujus morbi etc." Hier wird ganz deutlich gesagt, 
dass die Krankheit, welche vorher in „anderen Erdteilen** geherrscht 
habe, zuerst im Jahre 1494 in Italien, Frankreich und Spanien auf- 
g-etreten sei. Dies bezeugt der Verfasser aus seiner eigenen Er- 
fahrung (experientia). Die „confirmatio" ist eben der wirkliche 
Ausbruch der Krankheit, der im Jahre 1494 erfolgte, nachdem die 
planetarische Entstehung schon im Jahre 1483 anzunehmen ist. Hier- 
nach muss ich gerade Pintor als einen der merkwürdigsten und 
beweiskräftigsten Zeugen für die Neuheit der Syphilis ansprechen. 
H. Friedberg hat eine Stelle in den „Dänischen Annalen" des 
Petrus Olaus als einen Beweis für die Existenz der Syphilis lange 
vor dem Ausbruch der Epidemie angeführt^). Es heisst dort unter 
dem Jahre 1483 „morbus gallicus sevit super christianos". Man 
könnte die Richtigkeit dieser Zahl anerkennen, ohne deshalb an der 
Neuheit der Syphilis zu zweifeln. Denn erstens ist doch das Jahr 
1483, in welches hier der Anfang der Krankheit gesetzt wird, wieder 
ein ganz bestimmtes Jahr am Ende des 15. Jahrhunderts, und zweitens 
liegt es nahe, auch hier wieder an den planetarischen Beginn der 
S3^hilis zu denken. Indessen lehrt ein Blick in das Original (den 
alle früheren Syphilishistoriker zu thun leider wieder versäumt haben), 
dass dieser Zahl (1483) nicht der geringste Wert beizulegen ist. Der 
Herausgeber der Annalen des Olaus, Jakob Langebeck, macht 
nämlich die folgenden interessanten Mitteilungen über diese Chronik. 
Er berichtet, dass Olaus diese aus sehr vielen anderen, zum Teil 
sehr alten Büchern, von denen ein Teil bereits verloren sei, kompi- 



i) H. Friedberg, „Die Lehre von den venerischen' Krankhfeit«n in dem Alt«ttafne 
und Mittelalter". Berlin 1865, S. 95—96. 



— 32 ~ 

liert habe, und zwar sehr nachlässig, so dass viele Stellen des Olaus- 
schen Werkes wegen der Kleinheit der Schrift (propter scripturae 
minutiem), des Schmutzes (sordes) und Alters (vetustatem) kaum ge- 
lesen werden konnten. Auch sei die Reihenfolge der Jahre nicht 
immer beobachtet worden. Bei den Jahreszahlen gebrauchte Ol aus 
promiscue arabische und römische ZiflFern. „An vielen Stellen 
war Peter selbst im Zweifel, auf welches Jahr er gewisse 
Ereignisse beziehen sollte.*' (Multis in locis dubius fuit Petrus 
ad quem annum certa facta referret.) Mit Recht bemerkt daher der 
Herausgeber, dass Olaus besonders in Bezug auf die ältere Chrono- 
logie unzuverlässig sei^). Es ist klar, dass ein solcher Chronist nicht 
als ein unverdächtiger Zeuge in der uns vorliegenden Frage gelten 
kann ^). 

§ 4. Kritik der chronologischen Nachrichten Ober das erste 

Auftreten der Syphilis. 

An dieser Stelle erscheint es zweckmässig, die Zeitangaben über 
das erste Auftreten der Syphilis einer kritischen Untersuchung zu 
unterziehen, da hier die Quellen mehrerer Irrtümer zu suchen sind, 
welche aufzudecken für die spätere Darstellung von Belang sein wird. 

Ich erkläre von vornherein, dass ich gänzlich auf jene rein chro- 
nologische Beweisführung verzichte, welche sowohl von den Ver- 
fechtern der Lehre von der Existenz der Syphilis im Altertum als 
auch von deren Gegnern so sehr bevorzugt worden ist und schliess- 
lich doch nur auf ein blosses Spiel mit Zahlen hinausläuft. Dies ist 
eine Hauptursache der Verwirrung und des Dunkels, welche auf 
diesem Gebiete bisher geherrscht haben, mehr eine Folge der 
Argumentation als des der sachlichen Forschung durchaus zu- 
gänglichen Thatbestandes. Aus den Thatsachen muss die Chro- 
nologie erklärt und aufgehellt werden, nicht aus der Chro- 
nologie die Thatsachen. Die sicher beglaubigte Sache muss 



i) Petri Olai Minoritae Roskildensis Annales Rerum Danicarum, a Cimbrorum 
exitu ad An. Chr. 1541; in: Scriptores rerum Danicarum medii aevi, partim hactenus in- 
editi, partim emendatius editi, quas collegit etc. Jacobus Langebeck, Hafniae, 1772, 
Tom. I, S. 171. — Olaus starb zwischen 1560 und 1570. 

2) Der Historiker Dietrich Schäfer fällt über die Annalen des Olaus das fol- 
gende Urteil: »Jene Randnotizen liefern in ihrer Gesamtheit, wie sie uns bei Langebeck 
als Petri Olai Annales Danici entgegentreten, die denkbar bunteste Kompilation.*' 
(„Dänische Annalen und Chroniken von der Mitte des 13. bis zum Ende des 15. Jahr- 
hunderts**. Hannover 1872, S. 122.) 



— 33 — 

für das Urteil massgebend sein, nicht die Zahl, welche willkürlich 
mit dieser Sache verknüpft wird^). 

Wenn also die meisten Schriftsteller den Ausbruch der grossen 
Syphilisepidemie während des Aufenthaltes des französischen Heeres 
unter Karl VIII. in Italien geschehen lassen und dabei doch Zahlen 
angeben, die bis zu einem Decennium unter einander abweichen, so 
wissen wir genau, dass der Feldzug Karls VIII. in das Ende des 
Jahres 1494 und in das Jahr 1495 fällt. Dies allein steht fest. Andere 
Zahlen als diese können nicht richtig sein, sobald dabei bemerkt wird, 
dass der Ausbruch der Seuche während dieses Feldzuges erfolgt sei. 

Wenn ferner übereinstimmend berichtet wird, dass der Name 
„morbus Gallicus" ebenfalls bei Gelegenheit des Zuges Karls VIII. 
entstand, indem die Italiener nach den in ihrem Lande weilenden 
Franzosen, die ihnen nach ihrer Meinung die neue Krankheit gebracht 
hätten, die Syphilis benannten, nach jenen Franzosen Karls VIII., 
so ist ein „morbus Galliens" vor Ende 1494 bezw. 1495 einfach 
unmöglich. Ein „morbus novus", die „Bubas**, ja selbst die „spanischen 
Pocken" und die „grosse veröle" hätten vor 1494 vorkommen können; 
die „Franzosen", die „mala franzos" niemals, weil sie eben ihren 
Namen gerade diesem bezw. dem folgenden Jahre verdankte! Die 
Masse der Zeugnisse für diesen Ursprung des Namens ist eine so 
erdrückende, dass dem gegenüber jede andere Zcihl als sachlich nicht 
begründet zurückgewiesen werden muss. 

Wer diese sicheren Thatsachen im Auge behält, der hat keines- 
^wegs nötig, einige allzu sehr abweichende Zahlen als Druckfehler 
zu erklären, wie dies den Verteidigern des neueren Ursprungs der 
Syphilis oft zum Vorwurf gemacht wird. Ich wenigstens habe durch- 
aus nicht die Absicht, mich dieses Argumentes zu bedienen, obgleich 
es ein durchaus zulässiges ist. Denn die Bücher der Renaissance 
wimmeln, wie jeder Kenner der ältesten Geschichte des Buchdrucks 
bestätigen wird, von Druckfehlern aller Art. Das geht schon aus 
dem Umstände hervor, dass Druckfehler -Verzeichnisse sich sehr früh 
einbürgerten. Das erste gedruckte Druckfehler -Verzeichnis schreibt 
man einem Baseler Druck des Berthold (Rodt von Hanau), in 



i) Vorzüglich für den Geschichtsschreiber schrieb Kant jenes feine Wort; „Ein 
wunderliches Spiel der Einbildungskraft mit dem Menschen, in Verwechselung der Zeichen 
mit Sachen, in jene eine innere Realität zu setzen, als ob diese sich nach jenen richten 
mässten, verlohnt sich hier noch zu bemerken." (Immanuel Kant, ,, Anthropologie in 
pragmatischer Hinsicht", 2. Aufl., Königsberg 1800, S. 12.) 

Bloch, I>er Ursprung der Syphilis. 3 



— 34 — 

„Gregorii M. expositio in Jobum" vom Jahre 1468 zu^). Aldus 
Manutius (1449 — 15 15) Hess die gedruckten Bogen öffentlich an- 
schlagen, damit jeder Vorübergehende Gelegenheit fände, etwaige 
Druckfehler aufzudecken und den für jedes entdeckte Versehen aus- 
gesetzten Lohn zu erwerben*). Die Druckfehler waren oft sehr 
curiose^). Vor allem sind Zahlen noch häufiger verdruckt worden 
als dies heutzutage der Fall ist, Wenn Binz bemerkt, dass es jedem, 
der sich mit der Litteratur nicht nur des 15., sondern auch des 16., 
17. und 18. Jahrhunderts beschäftigt, auffallen muss, wie überaus 
häufig gerade in den Jahreszahlen dort die Druck- oder Schreibfehler 
sind, dass man jede Jahreszahl an mindestens zwei Stellen vergleichen 
müsse und die Verschiedenheit der Lesart eine sehr häufige sei, so 
ist das auch nach meinen Erfahrungen bei der Lektüre der ältesten 
Schriftsteller über die Syphilis durchaus zutreffend*). Wie können 
die an dem neueren Ursprünge der Syphilis Zweifelnden dieses Argu- 
ment zurückweisen, wenn sich noch in den neuesten Werken über 
die .Geschlechtskrankheiten derartige grobe Druckfehler vorfinden. 
Ein lehrreiches Beispiel bietet mir die 7. Auflage von Professor 
Edmund Lessers „Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten" 
(Leipzig 1893), in dessen zweitem Teile auf Seite 2 der Ausbruch der 
grossen Syphilisepidemie „um 1492" geschieht. Das kann doch nur 
ein unangenehmer Druckfehler sein! 

Nach diesen orientierenden Vorbemerkungen will ich die merk- 
würdigsten und eklatantesten Beispiele der chronologischen Irrtümer 
über das erste Auftreten der Syphilis besprechen. 

Ein Druckfehler bezw. eine Auslassung muss offenbar in der 
vom Ausbruch der Syphilis handelnden Stelle der „Historia eccle- 
siastica" von Hottingcr vorhanden sein, die Meyer-Ahrens mit- 
teilt^). Dieselbe lautet: „Vide etiam a. Ch. 1431. S. 2. circa an. Ch. 

i) Otto Mühlbrecht, ,,Die Bücherliebhabcrei am Ende des 19. Jahrhunderts". 
Berlin 1896, S. 40. 

2) O. Weise, „Schrift- und Buchwesen in alter und neuer Zeit", Leipzig 1899, 
S. 41. 

3) So hatte Erasmus von Rotterdam in dem Widmungsschreiben eines der 
Königin von Ungarn gewidmeten Buches einen sehr unangenehmen Druckfehler stehen 
lassen, der ein Lob in eine Obscönität verwandelte, nämlich ,,mentula** statt „mente illa'*. 
Vergl. Jules Janin, „Le Livre", Paris 1870, PrMace, S. III. 

4) C. Binz, „Die Einschleppung der Syphilis in Europa". Deutsche med. Wochen- 
schrift 1893, Nr. 44, S. 1060. 

5) Meyer-Ahrens, „Geschichtliche Notizen über das erste Auftreten der Lust- 
seuche in der Schweiz und die gegen die weitere Ausbreitung der Krankheit in der Schweiz 
und namentlich im Kanton Zürich getroffenen Massregeln u. s. w.'* in „Schweizer. Zeitschr. 
für Natur- und Heilkunde. N. F. Zürich 1841, Bd. III, S. 229. 



— 35 — 

inaudita lues quae vulgo nominatur Scabies Gallicana in Europa mul- 
tos homines iniicere coepit, et paulatim alia atque alia loca invasit." 
Meyer-Ahrens hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass hier 
ganz offenbar ein Druckfehler obwalten müsse, indem hinter den 
Worten „Vide etiam a. Chr. 1431. S. 2. circa an. Chr." eine Jahres- 
zahl fehlt. Diese Zahl ist natürlich diejenige gewesen, w^elche den 
Ausbruch des „morbus gallicus" bezeichnen sollte. 

In das Jahr 1485 verlegt Clementius Clementinus, Leibarzt 
des Papstes Leos X., den Ausbruch der Lustseuche (in seinen um 
1505 geschriebenen „Lucubrationes"). Er sagt: „Ut vidimus in prae- 
cedenti Jovis et Saturni conjunctione, quae fuit anno 1484, in vigesimo 
quarto gradu Scorpionis, ascendente decimo gradu Leonis, cui con- 
junctioni praefuit Mars supra Jovem elevatus, qui in principio anni 
1485, duxit in Italiam cum ingenti exercitu Carolum, Regem 
Gallorum, qui Regem Neapolitanum hello superavit. Et 
scorpius, Signum illius magnae conjunctionis , causa fuit morbi 
Gallici, qui eo tempore et regione ortus est cum maximis ulce- 
ribus vel saevissimis doloribus" ^). Astruc hat neben der Jahreszahl 
1485 die Zahl 1495 in Klammern gesetzt^). Und es ist ja höchst- 
wahrscheinlich, dass es sich hier um einen blossen Druckfehler handelt. 
Aber selbst wenn Clementinus die Zahl 1485 geschrieben hätte, so hat 
er die Bedeutung derselben vollkommen dadurch aufgehoben, dass er 
König Karl VI IL in diesem Jahre nach Italien ziehen lässt, was ja 
vollkommen unrichtig ist. Das einzig richtige Faktum in seiner 
Mitteilung ist eben die Nachricht, dass die Lustseuche ausbrach, als 
Karl VIII. in Italien war. Damit ist die wirkliche Jahreszahl ohne 
weiteres gegeben. 

Die gleiche Argumentation trifft für den Bericht des Francesco 
Delicado zu, welcher die Syphilis im Jahre 1488 in Italien entstehen 
lässt. Ich muss diesen Autor etwas ausführlicher behandeln , weil 
Proksch denselben für einen wichtigen Zeugen für die Existenz der 
Syphilis in Europa lange vor der Entdeckung Amerikas und vor 
dem Zuge Karls VIII. erklärt hat^). Proksch bemerkt: 

„Francesco Delicado (auch Delgado und Delicatus genannt), ein sehr gebildeter 
katholischer Geistlicher und Spanier von Geburt, erwähnt an einigen Stellen seiner Schrift, 
in welcher auf den Ursprung der Syphilis besondere Rücksicht genommen wird, dass diese 
Krankheit bereits im Jahre 1488 in Rapalo geherrscht habe, Delgados Angabe verdient 



i) Bei Grüner, „Aphrodisiacus'S S. 120. 

2) J. Astruc, „De Morbis Venereis Libri.Novem", Edit. altera, Paris 1740, Bd. II, 

S. 599- 

3) J. K. Proksch, „Geschichte der vencr. Krankheiten", Bd. I, S. 391 — 393. 

3* 



- 36 - 

um so mehr Glauben, als er selbst im Jahre 1501 oder 1502 mit Syphilis infiziert, 23 Jahre 
daran leiden musste; er stand also im Jahre 1488 wahrscheinlich schon in einem Alter, in 
welchem auch fremdes Unglück Eindruck macht und worauf er sich noch im Jahre 1526 
oder 1527, zur Zeit der ersten Drucklegung seines Schriftchens, erinnern konnte." 

Die Schrift Delicados, aus welcher Proksch die beweisenden 
Stellen citiert (vgl. weiter unten), trägt den Titel „II modo di adope- 
rare il Legno di India occidentale salutifero remedio a ogni piaga e 
mal incurabile" (Venezia 1529). Nachdem sie schon von Astruc^) 
und Girtanner*) erwähnt worden war, hat C. H. Fuchs sie zum 
Gegenstande einer besonderen Abhandlung gemacht^). 

Ich habe eingehende Untersuchungen über Delicado angestellt 
und eine den Syphilishistorikern bisher gänzlich unbekannte Schrift 
dieses Autors entdeckt, welche vor dem oben erwähnten Werke im 
Buchhandel erschien und für die hier zu erörternde Frage sehr be- 
merkenswerte Aufschlüsse giebt. 

Pascual de Gayangos, der berühmte spanische Gelehrte und 
Bibliograph, entdeckte in der Kaiserlichen Hof-Bibliothek in Wien das 
einzige bekannte Exemplar der Originalausgabe von 1528 der „Lo- 
zana Andaluza" („Andalusische Courtisane") des Delicado. Auf- 
merksam war er auf dieses Buch geworden durch eine Erwähnung 
desselben in einer Einleitung zu dem dritten Buche des spanischen 
Ritterromanes „Primaleon", den Delicado im Jahre 1534 heraus- 
gegeben hat^). Hier bekennt er sich als Verfasser der „Lozana". 
Gayangos machte sich von dem Exemplar der Wiener Bibliothek 
zwei Kopien, deren eine er der Nationalbibliothek in Madrid über- 
wies. Nach der Originalausgabe in Wien veranstalteten im Jahre 
187 1 zwei Autoren, de la F. de> V. und J. S. R. einen Neudruck^), 
welcher den ersten Band der „Coleccion de Libros Espanoles raros 
6 curiosos" (herausgegeben von einer Gesellschaft spanischer Biblio- 



1) a. a. O., Bd. II, S. 641 — 642. 

2) a. a. O., Bd. II, S. 82—83. 

3) C.H.Fuchs, „Francesco Delicado über den Giiajac. Ein Beitrag zur älteren Biblio- 
graphie und Geschichte der Syphilis." In: Janus, Gotha 1853, N. F., Bd. II, S. 193 — 204. 

4) „Los tres libros del esforzado caballero Primaleon et Polendos, su hermano, hijos 
del emperador Palmerin de Oliva". Venedig 1534. — Ein Jahr vorher hatte Delicado 
den berühmten Roman „Amadis von Gallien" herausgegeben : „Los cuatro libros de Amadis 
de Gaula nuevamente impresos y historiados**. Venedig 1533. — Vgl. über diese Ausgaben 
die treffliche Einleitung zu Don Pascual de Gayangos* ,,Biblioteca de Autores Espafioles, 
Libros de Caballerias, con un Discurso preliminar y un CatAlogo razonado". Madrid 1857. 

5) „Retrato de la Lozana Andaluza, en Lengua Espaüola muy clarisima, compuesto 
en Roma. En cual Retrato demuestra lo que en Roma pasaba, y contiene muchas mäs 
cosas que la Celestina." Madrid 187 1. — Die Herausgeber sind der Marquis de la 
Fuenta del Valle und Don Jos6 Sancho Rayon. 



— 37 — 

philen) bildet. 1888 gab AIcide Bonneau die „Lozana Andaluza" 
neu heraus und fügte dem spanischen Texte die französische Ueber- 
setzung bei. Ich bediene mich dieser Ausgabe^). — Die Schrift, 
welche von den ersten Herausgebern mit Recht als „uno de los mas 
curiosos que se han escrito en lengua castellana" bezeichnet wird, 
schildert in etwas freien (aber durchaus nicht obscönen) Dialogen das 
Schicksal und die Abenteuer eines andalusischen Freudenmädchens 
in Sevilla, der Levante und vor allem in Rom, wo bei weitem der 
gTösste Teil der Dialoge sich abspielt, und von dessen öffentlichem 
Leben (besonders dem Treiben der Prostituierten und Courtisanen), 
wir eine lebhafte Schilderung erhalten. Die „Lozana Andaluza" ist 
ohne Zweifel ein Vorbild für die „Ragionamenti** des Pietro Aretino 
gewesen, wie auch Bonneau bemerkt. Dies wird für die Ar et in o- 
Forscher wichtig sein*). Auch die „Puttana errante" des Veniero 
und die berüchtigten Dialoge der „LuisaSigea" (des Nicolas Chorier) 
werden vonDelicados Werk beeinflusst worden sein, obgleich es, wie 
erwähnt, durchaus nicht obscön ist, wie es diese drei Erotica sind. 

Delicados Leben kann nur aus seinen Werken erschlossen 
werden. Am Schlüsse seiner Ausgaben der oben erwähnten Ritter- 
romane bezeichnet er sich als „vicario del Valle de Cabezuela, Fran- 
cisco Delicado, natural de la Pena de Martos". Von dieser Stadt 
(dem Hauptort der Herrschaft Calatrava), die immer „die Ehre und 
das Bollwerk von ganz Castilicn" gewesen sei (ha sido siempre honra 
y defension de toda Castilla), entwirft er in dem 47. Gespräche der 
„Lozana Andaluza" eine enthusiastische, mit allen möglichen Fabeln 
ausgeschmückte Schilderang. Er war aber nicht in Pena de Martos 
geboren, sondern in Cordoba. Seine Mutter war aus Martos^). 
Delicado, der sich dem geistlichen Beruf widmete, hatte den be- 
rühmten Grammatiker Antonio de Lebrija zum Lehrer. Da dieser 



i) „La Lozana Andaluza (La Gentille Andalouse) par Francisco Delicado (XVI« 
Si^cle)." Traduit pour la premi^re fois, texte Espagnol en regard par Aleide Bonneau, 
Paris 1888, 2 Bände. 

2) Vielleicht lebten Aretino und Delicado zu gleicher Zeit in Rom; sicher waren 
sie in Venedig zu der gleichen Zeit, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sich kannten. 
Bei Delicado kommt ein Zoppino vor, der ohne Zweifel später dem gleichnamigen, dem 
Aretino zugeschriebenen und mit den „Ragionamenti" oft abgedruckten Dialoge den 
Namen gab. 

3) „Lozana. Senor Silvano, ^que quiere decir que el Auctor de mi retraio no se 
llama Cordov£s, pues su padre lo fu6, y 61 nacio en la diöcesi? 

Silvano. Porque su castisima madre y su cuna fu6 en Märtos, y como dicen, no 
donde naces, sino con quien paces.** — La Lozana Andaluza ed. Bonneau, Bd. II, S. 124. 



von 1442 bis 1522 lebte^), so kann man annehmen, dass Delicado, 
der bei der Abfassung seiner Schrift über das Guajak (1526) bereits, 
wie er sagt, 23 Jahre an Syphilis litt, also 1503 infiziert wurde, un- 
gefähr um 1480 geboren wurde. Denn er wurde nach Beendigung 
seiner Studien um 1502 Vicar des Val de Cabezuela in Spanien. Er 
muss sich demnach in Spanien mit der Syphilis infiziert haben und 
stand 1488 wahrscheinlich noch nicht in dem Alter, dass, wieProksch 
meint, „fremdes Unglück" auf ihn einen Eindruck machen konnte. 
Sicher ist, dass er im Anfang der zwanziger Jahre des 16. Jahrhun- 
derts nach Italien ging und sich während der Jahre 1523 bis 1527 
in Rom aufhielt, hier die Belagerung durch den Connetable de 
Bourbon {1527) durchmachte und vorher im St. Jakobs-Spitale da- 
selbst lange an Syphilis schwer darniedergelegen hatte, bis er im 
Jahre 1526 durch das Guajak geheilt wurde. In Rom verfasste er 
drei Schriften. Er schrieb im Jahre 1524 die „Lozana Andaluza" % 
die dann 1528 erschien. Vorher war schon im Drucke erschienen 
eine kleine Abhandlung „De consolatione infirmorum", ein Schriftchen, 
welches nach der Erklärung des Autors dazu bestimmt war, „die- 
jenigen von der Melancholie zu befreien, die, wie er selbst, krank 
seien" (para quitar la melancolia de los que se encontrasen enfermos 
como el), also wahrscheinlich eine Trostschrift für Syphilitiker^). Von 
diesem Werke ist bisher kein Exemplar aufgefunden worden. Endlich 
verfasste er im Jahre 1526 in Rom seine Schrift über das Guajak, 
der Clemens VIL unter dem 4. Dezember 1526 das Privileg erteilte 
und die 1529 in Venedig erschien*). Diese Schrift erschien also nicht 
blos später als die „Lozana Andaluza", sondern wurde auch zwei Jahre 
später geschrieben. Für die Beurteilung der uns hier beschäftigenden 
Frage werden also die betreffenden Nachrichten der letzteren Schrift 
mehr Bedeutung haben. — Nach der Aufhebung der Belagerung 



i) J. G. Th. Grässe, „Handbuch der allgemeinen Litteraturgeschichte." Leipzig 
1850, Bd. IV, S. 1245. 

2) „Comienza la liistoria 6 retrato sacado del Jure cevil natural de la seiiora Lozana, 
compuesto el ailo mill y quinicntos y veinte e cuatro, a treinta dias del mes de Junio, en 
Roma, alma cibdad.'* — Vor dem erstell Dialoge 6d. Bonneau, Bd. I, S. lo. 

3) „Y si por Ventura os veniere por las manos un otro tratado De Consolatione 
infirmorum, podeis ver, en el mis pasiones, para consolar a los que la fortuna hizo apa- 
sionados como ä mi." La Lozana Andaluza II, 296. 

4) Genauer Titel nach Bonneau (a. a. O. I, S. IX): ,,E1 modo de adoperare el 
legno de India occidentale, salutifero rcmedio a ogni piaga et mal incurabiie, et si guarisca 
il mal Francese. Operina de Misser prete Francisco Delicado. Impressum Venetiis, sump- 
tibus vener. presbiteri Francisci Delicati, Hispani, de oppido Martos, die 10 Februarii 1529; 
in 4^ 8 Blätter. 



— 39 — 

Roms begab sich Delicado nach Venedig, wo er bald einen grossen 
Ruf als Gelehrter, besonders als Kenner der altspanischen Sprache 
bekam und in lebhaften Verkehr mit den italienischen Gelehrten trat, 
von denen einer, Pietro Ghinucci aus Siena, ihn veranlasste, die 
noch heute sehr geschätzten Ausgaben der beiden schon erwähnten 
spanischen Ritterromane zu veranstalten,^ die 1533 und 1534 er- 
schienen. Seitdem hört man nichts mehr von Delicado. Es ist 
doch sehr wahrscheinlich, dass er bald nachher verstorben ist, da ein 
Mann, der, wie schon Astruc bemerkt, die Schriftstellerei nicht nur 
aus Passion, sondern auch des Geldgewinnes wegen betrieb, kurz zu 
jenen betriebsamen Litteraten, wie sie der Renaissance eigentümUch 
sind, gehörte, sicherlich auch später noch mit seinem Namen öfter 
hervorgetreten wäre. Nach der „Lozana Andaluza** zu urteilen, scheint 
dieser weltmännische Geistliche mit dem Treiben der Prostituierten 
recht vertraut gewesen zu sein. Merkwürdig ist sein poetischer „Ex- 
kommunikationsbrief gegen ein grausames Fräulein von schlechter 
Gesundheit" (Carta de excommunion contra una cruel doncella de 
sanidad), wahrscheinlich dasselbe, welches ihn mit Syphilis infiziert 
hatte 1). Dieser Krankheit, an welcher er mehrere Dezennien litt, ist 
er wahrscheinlich erlegen. 

In seinen Schriften erweist sich Delicado als ein Mann von 
ausgebreitetem Wissen und grosser Menschenkenntnis, andererseits 
aber als nicht frei von Aberglauben und der Astrologie nicht abhold. 

Was sagt nun dieser Schriftsteller über den Ausbruch der vSy- 
philis? Er teilt vollkommen die Ansicht seiner Zeitgenossen 
von dem ersten Auftreten der Syphilis beim Aufenthalte 
Karls VIII. in Italien. 

Im 24. Gespräche der „Lozana Andaluza" verlangt der Autor 
Auskunft von dem „Compailero" über die „Lozana". Dieser sagt, sie 
führe das anständigste Leben in Rom, sie sei sehr umsichtig und 
wisse mit allem Bescheid, was die Frauen dieser wStadt zu leiden 
hätten, welche besonders drei Unannehmlichkeiten zu erdulden hätten: 
die Wohnungsmiete, die Naschhaftigkeit und das Uebel, welches 
vor kurzem von Neapel gekommen sei^). — Hier wird doch 
klipp und klar auf den Ausbruch der Syphilisepidemie in Neapel 



i) „La Lozana Andaluza", II, 306 — 314. 

2) „No. sino que tiene 6sta la mejor vida de mujer que sea en Roma. Esta Lo- 
zana es sagaz, y bien mira todo lo que pasan las mujeres en esta tierra, que son sujetas 
ä tres cosas, d la pinsion de la casa, y ä la gola, y al mal que despues les viene de 
Näpoles.** La Loz. And., I, 220. 



— 40 — 

Bezug genommen, und diese Stadt als derjenige Ort bezeichnet, von 
wo die S)rphilis sich weiter verbreitet habe. 

Auch die spätere ausführlichere Mitteilung im 54. Gespräche 
widerspricht dieser ersten Nachricht in keiner Weise. Dort findet 
das folgende Gespräch zwischen der Lozana und einer alten Cour- 
tisane statt: 

„Lozana. Sage mir, Divicia, wo fing an oder wo entstand das 
Franzosenübel ? 

Divicia. In Rapolo, einem genuesischen Flecken und Hafen- 
ort, weil man dort die armen Aussätzigen niedermachte, und die 
Soldaten des allerchristlichsten Königs Karl von Frank- 
reich die Stadt und Lazarus-Spitäler plünderten. Einer von ihnen 
verkaufte eine Matratze für einen Dukaten. Als man ihm denselben 
in die Hand drückte, bekam er sofort eine Eiterpustel (buba) so rund 
wie einen Dukaten, wovon sie die Form behalten haben. Später 
teilte er das Uebel allen denjenigen mit, welche er mit der Hand 
berührte und alsbald bekamen die Unmässigen die heftigsten Schmerzen 
und Phantasien. Ich war dort und sah es. Daher sagt man: der 
Herr behüte Dich vor seinem Zorne, denn diese Plage ist diejenige, 
welche der sechste Engel beinahe über die halbe Erde verbreitete. 

Lozana. Und die Seuche? 

Divicia. Sie fing an in Neapel, denn ich befand mich 
ebenfalls dort, als man das Gerücht verbreitete, dass man den Wein 
und das Wasser vergiftet habe. Die, welche davon tranken, wurden 
auf der Stelle von der Seuche befallen, weil man das Blut der Hunde 
und der Leprösen in die Cisternen und die Fässer hineingeschüttet 
hatte, und diese Dinge so allgemein und zugleich so geheim vor sich 
gingen, dass niemand ahnen konnte, woher die Seuche kam. Viele 
starben, und da (die Krankheit) dort zu Tage trat und sich mitteilte, 
so nannten die Leute, welche später von Spanien kamen, sie Neapo- 
litanisches Uebel. So fing die Krankheit an und in diesem Jahre 
(Fünfzehnhundert) vierundzwanzig sind es sechsunddreissig Jahre her, 
dass sie anfing. Jetzt fängt sie bereits an milder zu werden durch 
das Holz aus Westindien, und wenn sechzig Jahre nach ihrem Reginn 
verstrichen sein werden, wird sie ganz aufhören"^). 



i) „Lozana. Dime, Divicia, ^donde comenzö ö fue el principio del mal frances? 

Divicia. En Rapolo, una villa de G6nova, y es puerto de mar, porque alli mata- 
ron los pobres de San Läzaro, y dieron ä saco los soldados del Key Carlo CrisLianisimo 
de Francia aquella tierra y las casas de San Läzaro, y uno que vendiö un colchon per un 
ducado, como se lo pusieron en la mano, le saliö una buba ans! redonda como el ducado, 
que por eso son redondas, despues aquel lo peg6 ä cuantos tocö con aquella mano, y lu€go 



— 41 — 

Zunächst stelle ich fest, dass Delicado die beiden Ereignisse, 
von denen er hier spricht, mit dem Zuge Karls VIII. in Verbindung 
bringt. Damit ist die Zeit wiederum ohne weiteres gegeben. Es 
kann sich nur um die Jahre 1494 bezw. 1495 handeln. Denn 
Karl VIII. war 1488, welche Zahl Divicia am Schlüsse angiebt 
(36 Jahre früher als 1524), nicht in Italien, ebensow^enig seine 
Soldaten. In Divicia schildert der Autor offenbar eine jener Dirnen, 
welche in grosser Zahl das Heer Karls VIII. seit seinem Eintritt 
in Italien von Ort zu Ort begleiteten. Divicia war sowohl in Ra- 
pallo als auch in Neapel beim französischen Heere. Ich will nicht 
bestreiten, dass es sich bei dem Vorfall in Rapallo, den Delicado 
erzählt, schon um irgend eine Erscheinung der primären S5rphilis 
handeln kann^). Sicher ist, dass Delicado die eigentliche Lustseuche 
als konstitutionelle Erkrankung in Neapel zum Ausbruche kommen 
lässt. Die Vergiftung der Brunnen und die Geschichte mit dem Du- 
katen haben wir als einen Ausfluss des Aberglaubens und mystischer 
Gedankenverbindungen aufzufassen, wie sie bei den meisten Autoren 
jener Zeit vorkommen. Wenn die Gegner eines neuzeitlichen Ur- 
sprunges der Syphilis mit Vorliebe auf einige solche märchenhaften 
Stellen bei Schriftstellern, die diesen Ursprung bezeugen, hinweisen 
so betone ich schon an dieser Stelle, dass derartige Geschichten 
sich auch bei anderen Autoren vorfinden. Ich werde dafür 
noch weitere Beispiele bringen. Jedenfalls ist es nicht zulässig, dar- 
aus auf die grössere oder geringere Glaubwürdigkeit des betreffenden 
Autors einen Schluss zu ziehen. Wie tief diese ganze Zeit, Hoch 
und Niedrig, Gelehrte und Laien, noch im Aberglauben steckten. 



incontinenti se sentian los dolores acerbisimos y lunäticos, que yo me hall6 alli y lo vi, 
que por eso se dice el Senor te guarde de su ira, que es esta plaga que cl sexto Angel 
derramö sobre casi la metad de la lierra. 

Lozana. ^Y las piagas? 

Divicia. En Näpoles comeozaron, porque tambien me halle alli cuando dicien que 
babian enfecionado los vinos y las aguas, los que las bebian lu^o se aplagaban, porque 
faabian echado la sangre de los perros y de los leprosos en las cisternas y en las cubas, y 
fueron tan comunes y tan invisibles, que nadie pudo pensar de donde procedian. Munchos 
murieron, y como alli se declaro y se pego, la gente que despues vino de Espana llamä- 
banlo mal de Näpoles, y 6s te fu6 su principio, y este ano que veinte y cuatro son treinta 
€ seis anos que comenzö. Ya comienza ä aplacarse con el legno de las Indias Occiden- 
tales, cuando sean sesenta anos que comenzö, al hora cesard/' — La Lozana Andaiuza, 
Bd. n, S. 186—188. 

i) Die Stelle liefert keinen bestimmten Anhaltspunkt dafür. Es kann sich auch um 
eine Art von Impetigo contagiosa, die bekanntlich bisweilen auch die Hände befallt, ge- 
handelt haben. Die heftigen Schmerzen und Phantasien sprechen allerdings nicht dafür. 



- 42 — 

das kann man bei berufenen Kennern dieser Epoche, bei Burck- 
hardt u. a. lesen. 

Die Stelle in dem Werke über das Guajak, welche Fuchs und 
Proksch für so wichtig halten — der letztere spricht sogar von der 
„verhängnisvollen" Jahreszahl 1488 — stimmt mit der eben mitge- 
teilten vollkommen darin überein, dass die Ereignisse sich beim Zuge 
Karls VIII. abgespielt haben. Damit ist wieder das wirkliche Jahr 
genau festgelegt, wenn auch Delicado die Zahl 1488 sogar mit 
Worten ausschreibt. Er spricht immer nur von den Soldaten 
Karls VIII! Das ist die Hauptsache. Hier bringt er die Krank- 
heit von Rapallo mit der Epidemie von Neapel in einen näheren Zu- 
sammenhang, d. h. er sagt, dass einige sagen, die Krankheit habe 
in Neapel begonnen und zwar — wieder etwas Neues — infolge der 
Thatsache, dass die Neapolitaner den Wein mit ungelöschtem Kalk 
verunreinigt hätten, wodurch das Blut in den Adern vergiftet wor- 
den und so die Krankheit entstanden sei, andere aber, und zu denen 
gehöre auch er, behaupten, dass die Krankheit beim Beginne des 
Krieges in Italien in Rapallo zuerst bemerkt worden sei. Und nun 
erzählt er die Geschichte mit dem Dukaten. Merkwürdig und be- 
zeichnend ist aber, dass er ganz richtig die Syphilis während 
des Jahres 1496 in Italien und anderen Ländern sich weiter 
ausbreiten lässt^). 

Der allen drei Stellen gemeinsame Kern der Mitteilungen des 
Delicado ist der: Zu einem eigentlichen epidemieartigen Ausbruch 



i) Fuchs a. a. O. S. 197 . . . cosi nel anno 1488 in Rapallo di Zenova commen- 
zaron le broze nel exercito del christiaDissimo Carlo R6 di Francia. E le piage corrosive 
incurabile nacquero a questo modo: essendo il prenominando R6 prevenuto nel R^no Nea- 
politano, loco di ogni sorte di vittuaglia abundantissimo, per il dissoluto viver de li soldati 
e le lore immunditie adjuntavi, la mala qualita del aria nacque et abundo il morbo gallico, 
appalesato in Italia e fora nel anno 1496. Altri dicono che i Napolitani con calcina viva 
guastarono il vino (cosa dei barbari sopra ognaltra grandemente desiata), donde corrotto il 
sangue ne le vene fu causa del preditto male. Sono etiam alcuni, nel numero de liquali 
son anchor io, que affirmano in Rapallo esser stato il suo principio, quando che commenzo 
la guerra in Italia.** Nun erzählt er wieder die Geschichte mit dem Dukaten und fährt 
fort: „La quäle cosa non conosciuta per contagion si sparse in breve tempo per tutto il 
campo de fran^osi, da liquali etiam prese il nome, indignamente a una tanta nation. An- 
chor che loro il chiamano mal Neapolitano overo Italiano, perche in Italia il prese et a 
Napoli se scoperse." Im „Epilogo" (Fuchs a. a. O. S. 198) heisst es: „No sin grandissi- 
mo dano del animo e del cuerpo humano comenzo in Italia la intolerabile guerra y el acerbo 
mal incurable todo a un tiempo y a una sazon atenta la perversidad de los ministtos de 
Marte, que en tal exerdcio . . . ponen las manos en quien no es licito: como hicieron en 
Rapalo el ano de mil y quatro cientos y ochenta y ocho, que mataron los pobres de San 
Lazaro, a losquales tenemos los christianos en lugar de prophetas.'* 



- 43 — 

gelangte die Syphilis in Neapel und zwar während des Aufenthaltes 
des französischen Heeres unter Karl VIII. daselbst (d. h. 1495). 
Vorher ereigneten sich Fälle von Syphilis in Rapallo, und zwar 
ebenfalls unter den Soldaten Karls VIII. Dies geschah also wohl 
im Jahre 1494. Delicado hat diese Nachrichten offenbar von ver- 
schiedenen Gewährsmännern; er schliesst sich erst in der zeitlich 
spätesten Schrift denjenigen an, welche die Syphilis zuerst in Rapallo 
auftreten lassen. Aber auf keinen Fall kann man Delicado als 
einen Zeugen für das Auftreten der Syphilis vor dem Jahre 1494 in 
Anspruch nehmen. Die Zahl 1488 passt ja einfach nicht zu den 
von ihm selbst berichteten Thatsachen. Einen Druckfehler kann 
und braucht man hier freilich nicht anzunehmen, sondern es handelt 
sich auch bei Delicado sicher um irgend eine mystische Vorstellung 
bei dieser Jahreszahl. In diesem Zusammenhange findet sich nämlich 
gerade diese Zahl bei einem Zeitgenossen des Delicado, mit dem 
dieser vielleicht bekannt geworden ist^), nämlich bei Thomas Ran- 
gonus (ca. 1470 — 1559). I^ einer kleinen Abhandlung mit dem Titel 
„Ad clarissimos Salutis Justissimae Urbis Venetiarum Praesides, D. 
Laurentium Lauretanum, D. Johannem Cornelium, et D. Andream 
Taurisianum, De repentinis mortiferis, et, ut ita dicam, miraculosis 
nostri temporis aegritudinibus** (Venetiis, anno 1535 in 4^ heraus- 
gegeben von Augustinus de Bindonis) sagt dieser im astrolo- 
gischen Irrwahn befangene Schriftsteller: „Temporibus nostris anno 
1488 vel saltem 1494, coitu trium superiorum planetarum in signo 
Cancri, contagiosus Galliens morbus". Hier spielt bemerkenswerter 
Weise das richtige Jahr 1494 eine Rolle neben dem fingierten 1488. 
Uebrigens war, wie Astruc bemerkt, Rangonus auch ein eifriger 
Anhänger kabbalistischer Lehren, mit denen möglicher Weise die 
gänzlich apokryphe Zahl 1488 zusammenhängt. 

Das Jahr 1491 war nach Gabriel Walsers „Neuer Appenzeller 
Chronik" das Geburtsjahr der Syphilisepidemie. Meyer-Ahrens* 
kritische Bemerkung darüber 2) dürfte genügen: „Es ist in der That 
unbegreiflich, wie Walser in seinem Werke die Einschleppung der 
Krankheit in die Schweiz in das Jahr 1491 setzen kann, da er doch 
selbst sagt, sie sei durch eidgenössische Söldner, welche im Dienste 
des Königs von Frankreich standen, aus Neapel nach Frankreich und 

1) Rangonus übte mehr als 20 Jahre eine umfangreiche Praxis in Venedig aus 
und kam auch später nach seiner Ernennung zum Professor der Medizin in Padua oft nach 
Venedig. 

2) Meyer-Ahrens a. a. O., S. 232. — Auch Proksch a. a. O., Bd. I, S. 372, 
kritisiert die Mitteilung Walsers in dem gleichen Sinne. 



— 44 — 

von da in die Schweiz gebracht worden ! E§ zeigt auch dieser Irrtum 
wieder, mit welcher Vorsicht die nichtärztlichen Geschichtsschreiber 
zu medizinischen Zwecken benutzt werden müssen, wenn nicht solche 
Irrtümer von Buche zu Buche wandern sollen." Die Nichtigkeit dieser 
Zahl leuchtet um so mehr ein, als nach Meyer-Ahrens alle schwei- 
zerischen Chronisten im wesentlichen darin übereinstimmen, dass die 
aus dem neapolitanischen Feldzuge unter Karl VII I. im Jahre 1495 
heimgekehrten schweizerischen Söldner die Krankheit nach der Schweiz 
gebracht haben. Gerade die bei Meyer-Ahrens (a. a. O., S. 235 
bis 240) aufgezählten Zeitgenossen des Ausbruchs der Syphilis- 
epidemie berichten dies einstimmig. 

Des genuesischen Dogen Fulgosi Nachricht, dass die Syphilis 
zuerst 1493 (oder 1492) aufgetreten sei, auf welcheNotiz nochProksch 
so grosses Gewicht legt, soll weiter unten in einem anderen Zusammen- 
hang besprochen werden. 

Wie wenig es manchen Schriftstellern aut die genaue Jahres- 
zahl ankam, beweist der Bericht des Ulrich von Hütten, der die 
Syphilis um das Jahr 1493 oder „so ungefähr" auftreten lässt und 
eben auch als die einzig genaue Datierung, auf die allein wir uns 
stützen können, die Thatsache des Ausbruches der Seuche in Neapel 
mitteilt ^). 

Auch Borgarucci erklärt, dass die nicht anzuzweifelnde An- 
sicht aller feststehe, dass der Morbus Gallicus im Jahre 1493 oder 
dem folgenden anfing, als König Karl VIII. von Frankreich mit 
seinem Heere nach Italien kam 2). Aehnlich äussert sich Alexander 
Trajanus Petronius^). 



i) „Visum Deo est, et nostra aetate morbos oriri majoribus, ut existimare licet, in- 
cognitos, Annus fuit a Christo Dato post millesimum et quadringentesisum nonagesimus lertius 
aut circa, cum irrepsit pestiferum malum, non in Grallia quidem, sed apud Neapolim pri- 
mum." Ulrich de Hütten, „De Morbi Gallici Curatione per administrationem Ligni 
Giiajad Über unus", Cap. I, in Luisinus I, fol. 277. — Hütten hat übrigens sogar 
seine eigene Krankheit ungenau datiert und giebt an verschiedenen Stellen ein ver- 
schiedenes Anfangsjahr derselben an, worauf schon Dav. Fried r. Strauss aufmerksam 
machte. Vgl. dessen „Ulrich von Hütten", Leipzig 1858, Bd. I, S. 331 — 332. 

2) Prosperi Borgarutii, „De Morbo Gallico Methodus*' in Luisinus H, 11 17: 
„ . . quoniam indubitata omnium fide constat, anno post Chr. natum 1493 aut sequenü, 
quando Galliarum Rex Carolus Octavus in Italiam arma moveret, incepisse.'* 

3) Alex. Trajan. Petronius, „De Morbo Gallico", Lib. I, Cap. I: Luisinus II, 
fol. 1167: „Morbum Gallicum anno p. Chr. n. 1493 quo tempore (ut memoria proditum 
est) Carolus Octavus Gallorum Rex Alpes superabat, NeapoUm petiturus, in Italiam primo 
irrepsisse constat" 



— 45 — 

Nach Engels „Annsden" hatte sich, wie Schnurrer in seiner 
„Chronik der Seuchen" berichtet, die „französische Krankheit" — so 
wurde sie genannt — schon anno 1493 in der Mark Branden- 
burg gezeigt^). Ich habe schon früher bemerkt, dass der Name 
„Franzosenkrankheit" erst während des Feldzuges Karls VIIL, also 
1494 bis 1495, entstand. Das wird von einer so erdrückenden Mehr- 
zahl der Schriftsteller bezeugt, dass noch kein kritischer Historiker 
einen anderen Ursprung des Namens nachzuweisen vermochte. Da- 
mit ist aber auch in diesem Falle die gänzliche Wertlosigkeit der 
Zahl 1493 dargethan. Uebrigens bemerkte schon Möhsen, der be- 
rühmte Berliner Medicohistoriker des 18. Jahrhunderts, zu dieser Stelle 
(nicht ohne Ironie): „Da Pinctor den Anfang der Krankheit erst im 
Jahre 1494 in Rom bemerkt hat, so muss Engel sich in seinen 
märkischen Annalen irren, wenn er ihren ersten Ausbruch in das 
Jahr 1493 setzt. So stark war damals die Galanterie in der Mark 
wohl noch nicht, dass sie dem Sitz des heiligen Vaters darin zuvor- 
gekommen wäre" 2). 

Genau auf die gleiche Weise ist die Jahreszahl 1493 in des 
Pomarius' „Chronica der Sachsen und Niedersachsen", Heinrich 
Büntings „Braunschweiger und Lüneburger Chronik", Buchholzers 
„Magdeburger Chronik" und der „Chronik des Saalkreises", welche 
Proksch anführt 3), zu beurteilen. Abgesehen davon, dass diese Chro- 
nisten keine Zeitgenossen waren, sondern ein bis zwei Jahrhunderte 
später lebten^), abgesehen von dem eben hervorgehobenen sachlichen 
Widerspruche, kann bei der einen dieser Chroniken der Irrtum direkt 
nachgewiesen werden. In der „Newe volstendige Braunschweiger und 
I.üneburger Chronica durch Henr. Bünting", bis 1620 fortgesetzt 
durch Heinr. Meybaum, Magdeburg 1620, S. 293, heisst es: „Im 
1493. Jahre ist ein untreglicher heisser Sommer gewesen, und hat 
sich nach Verzeichnung Achillis Gassari, eines vortrefflichen Medici, 
Mathematici und Historici, die abscheuliche und schedliche Seuche 
der Franzosen in Europa erstlichen mercken lassen, hernach in alle 
I^änder sich ausgebreitet, und viele Leute hinweggenommen." Hier 
soll also Gassar diese Jahreszahl angegeben haben. Dieser aber 
gelebt in seinen „Anriales Augsburgenses" den wirklichen Sach- 
verhalt an, d. h. er bemerkt, dass die Syphilis, eine ganz unbekannte 



i) Simon a. a. O., BcL II, S. 26 — 27. 

2) ibid., S. 27. 

3) Proksch a. a. O., Bd. I, S. 374 — 375. 

4) Weshalb ich nicht verstehe, dass Proksch sie (a. a. O.) im Texte seines Werkes 
als gewichtige Zeugen für die alte Existenz der Syphilis in Europa anführt. 



- 46 - 

Krankheit, nachdem sie zuerst sich beim Heere Ludwigs XII. 
(fälschlich für Karl VI IL) während der Belagerung Neapels gezeigt 
habe, noch im Laufe des Jahres 1495 in Augsburg eingeschleppt 
worden sei*). Von einer Zahl 1493 findet sich bei Gassar keine 
Spur! 

Petrus Maynardus lässt den König Karl VIII. im Jahre 1496 
in Italien weilen und daher in diesem Jahre die Syphilisepidemie zum 
Ausbruch kommen 2), Ubaldini 1500^^) und Herp gar erst 1501^) 
die Syphilis anfangen! 

§ 5. Bodmann und Petrus Martyr. 

Bodmann und Petrus Martyr sind — man verzeihe diese 
Stilblüte — die beiden grossen Paradepferde, welche von den An- 
hängern der Lehre von der Altertumssyphilis in vollem Geschirr und 
noch mit allerlei Zierat geschmückt in die Kampf esarena geführt 
werden, auf dass man sie gehörig bewundern könne und endlich — 
überzeugt und beschämt ob seiner Hartnäckigkeit und Unwissenheit 
nach Hause gehe. 



i) „1495. obscoenissimum quoddam pustularum genus indigenas per nostram civita- 
tem contagione invadere primum coepit Quod cum tarn pbysicis quam chirurgis nostris 
initlo foret ignotum, et per consequens immedicabile malum adeoque tam subito et numerose 
apud populäres invalesceret, separari his infectos senatus ab aliis aegrotis, ad pestiferae luis 
hospitale illud praecepit, quod non multo ante Senatus rite comparaverat. Porro pustulas et 
scabiem eam hodie morbum gallicum vocamus, qui superiore anno dura Ludwichus XII. 
Neapolim debellaret, in castris ab Elephantici Hispani cum menstruosa meretrice concubitu 
ortum sumsit, licet alii sonticum eum morbum per contagionem in castra ea per Hispanicum 
militem ex nova terra allatum fuisse doceant. Sed ut ut sit, certe per Veneris ac- 
tum in dictum exercitum et ab eo in universam Europam sparsus ita est, ut 
ab eo inde tempore in haec usque tempora nostra mortales malignissimis ulceribus maximisque 
doloribus saevissime excruciare non cesset." Annales Augsburgenses in J. B. Mencke, 
jjScriptores rerum Germanicarum etc.'* Leipzig 1728, Bd. I, S. 1720. 

2) „Hoc nostro tempore detectus quidam morbus epidemialis, sive fatalis, ut infra 
probabitur, apud homines Galliens appellatur, quoniam de eo nulla est memoria, nisi ex quo 
Carolus Francorum Rex cum suo exercitu in Italiam se contulit, anno sdlicet Virginei partus 
1496.** Luisinus I, fol. 388. 

3) Ubaldini giebt dafür als Grund an, er habe nicht recht Acht auf die Chrono- 
logie gegeben. Vgl. Quist a. a. O., S. 313. 

4) „15 Ol. Cruces apparuere in diocesi Leodiensi, in oppido Traiectensi etc. . . . 
Inßrmitas, quae mala francosa dicitur, ad Alemanniam pervenit multosque homines utriusque 
sexus permultum afflixit.*' Peter Herp, „Annal. dominicanorum Francofurt.** in Sencken- 
berg, Selecta iur. et histor. anecdota, T. II, S. 28, cit. nach Fuchs a. a. O., S. 337. — 
Fuchs bemerkt zu dieser Stelle: „Dies ist eine Unrichtigkeit der Daten, wie sie bei den 
Chronisten jener Zeit nicht selten vorkömmt" (a. a. O., S. 434.) 



— 47 - 

Indem ich meine Leser bitte, sich mit mir diese beiden Wunder- 
tiere etwas näher anzusehen, erkläre ich, dass ich diesen Paragraphen 
für den wichtigsten meines ganzen Werkes halte. Denn Bodmanns 
und Petrus Martyrs berühmte, von einem Hirsch, Haeser und 
Proksch als äusserst wertvoll hingestellte Zeugnisse zu entkräften, 
das bedeutet so viel als die festesten Fundamente der Lehre von der 
Altertumssyphilis überhaupt zu erschüttern und zu untergraben. 

In Franz Joseph Bodmanns^) „Rheingauischen Altertümern'' 
(Mainz 1819, S. 199) findet sich eine Stelle aus dem Stiftsprotokoll 
von St. Victor in Mainz abgedruckt, in welchem von einem Chor- 
sänger die Rede ist, der an der „Mala Franzos** leidet. Dies Stifts- 
protokoll soll angeblich aus dem Jahre 1472 stammen. Auf diese 
Notiz bei Bodmann hat wohl zuerst Pitschaft aufmerksam gemacht^). 
Dann hat C. H. Fuchs diese Stelle wieder abgedruckt^). Sie lautet: 
„Jovis post fest, pentecost. exhibuit N. Iräs (literas) supplicans qua- 
tenus sibi concedatur ut a choro sequestratus in domo sua se con- 
tinere possit propter fetulentum morbum qui dicitur Mala 
Franzos . . . cui praedicta Venia concessa fuit, et injunctum, quod 
chorum et Caplum (capitulum) intrare non debeat, priusquam D. De- 
cano et Caplo ex testimonio cyrurgico de plena et perfecta absolu- 
tione sufficienter cautum fuerit et comprobatum." Es handelt sich 
also um einen Chorsänger, der um Urlaub bat, damit er sich zu 
Hause wegen seiner „Mala Franzos" behandeln lassen könne, was 
ihm auch mit dem Bemerken gewährt wurde, erst nach vollendeter 
Heilung, über die er eine ärztliche Bescheinigung beizubringen habe, 
wieder in den Chor einzutreten. Es sei gleich darauf hingewiesen, 
dass die Jahreszcihl 1472, welche schon Fuchs (a. a. O.) mit einem 
Fragezeichen versehen hat, sich nicht in dem Originale des Textes 
befindet, sondern von Bodmann selbst angegeben wird. Er führt 
überhaupt diese Stelle in der ausgesprochenen Absicht an, um 
die gewöhnliche Ansicht von dem späteren Ursprünge der Syphilis 



i) Franz Joseph Bodmann, geboren den 7. März 1754 in Aura (Unterfranken), 
war später ordentlicher Professor an der Universität in Mainz und Mitglied der Akademie 
der Wissenschaften in Erfurt. Er starb am 22. Oktober 1820. (Vgl. „Allgem. Deutsche 
Biographie", Leipzig 1876, Bd. III, S. 15—17.) 

2) J. A. Pitschaft, ,, Naturhistorische, medizinische Lesefrüchte und Randglossen" 
in Hufelands Journal 1838, Bd. LXXXVI, Stück IV, S. 51. 

3) C. H. Fuchs, „Theodorici Ulsenii Phrisii Vaticinium in epidemicam scabiem, 
quae passim toto orbe grassatur; nebst einigen anderen Nachträgen zur Sammlung der 
ältesten Schriftsteller über die Lustseuche in Deutschland", Göttingen 1850, S. 5. 



~ 48 - 

zu berichtigen*). Er wollte also den SyphiHshistorikern ein neues 
Licht aufstecken. Haeser bemerkt dazu: „Leider freilich ist der be- 
währte Ruf Bodmanns in der Gewissenhaftigkeit seiner An- 
führungen die einzige Garantie für die Richtigkeit der Jahreszahl 
«1472»"^). Auch Proksch spricht von dem „wohl bewanderten 
und gut renommierten F. J. Bodmann, dessen Autorität und 
Unparteilichkeit jede absichtliche Fälschung und auch einen zu- 
fällig unterlaufenen Irrtum schon deshalb ausschliessen, weil er diese 
Stelle eben als einen Beleg dafür erbrachte, dass die Syphilis älter 
sei als man damals gewöhnlich glaubte***). 

Mich machte zunächst eine Mitteilung stutzig, die Haeser von 
Dr. Wenzel in Mainz erhielt. „St. Victor**, schrieb dieser, „besteht 
nicht mehr, seine Urkunden zerstoben bei der französischen Occu- 
pation mit unzähligen anderen Dokumenten in alle Winde. Bodmann 
hat jene Zeiten der Kloster- Ausleerung mitgemacht, und ihm standen 
grosse Mittel zu Gebote. Wie er sie benutzte, beweist seine Ge- 
wohnheit, das, was er in seine Werke aufnehmen wollte, ganz oder 
teilweise aus den Originalen herauszureissen und seinem Manuskripte 
beizufügen***). 

In der That eine eigentümliche „Gewohnheit**. Bodmanns 
Persönlichkeit fing an mich zu interessieren. Ich erfuhr bald, dass 
derselbe in den Kreisen der Historiker als ein berüchtigter 
Fälscher längst bekannt ist. 

Uebrigens steht auch ohne die folgenden Mitteilungen der 
gänzlich apokryphe Charakter der Jahreszcihl 1472 fest. Denn die 
„Mala Franzos** (morbus gallicus) verdankt ihren Namen nur der 
Syphilisepidemie, die beim Feldzuge Karls VIII. ausbrach. Das 
berichten tausend Zeitgenossen gegen einen. „Gesetzt", fragt 
G ei gel mit Recht, „es würde ein Brief oder sonstiges Schriftstück 
aus dem Jahre 1472 aufgefunden, in welchem von Hispaniola und 
der Seereise des Columbus die Rede wäre, was würde die historische 
Kritik davon urteilen?**^). 



i) Er sagt: „Wenn man gewöhnlich diese, unter dem Namen der bösen Blasen 
nachher benannte scheussliche Krankheit in Deutschland nur erst im Ausgange des XV. 
Jahrhunderts bekannt werden lässt, bewährt hingegen das Stiftsprot. von St Victor vom 
Jahre 1472, dass sie, wie alle Neuerungen, schon damals zu Mainz ihre Pflanzstätte ge- 
funden habe." Ein merkwürdiger Ausdruck des Lokalpatriotismus, der schon von vorn- 
herein Verdacht erweckt. 

2) H. Haeser a. a. O., Bd. III, S. 253. 

3) J. K. Proksch a. a. O., Bd. I, S. 373. 

4) H. Haeser a. a. O., Bd. III, S. 253. 

5) A. Geigel a. a. O., S. 242. 



— 49 — 

Aber kehren wir zu Bodmann zurück. Dem greisen Nestor 
der deutschen Historiker, Prof. Karl von Hegel, dem gelehrten 
Herausgeber der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 
16. Jahrhundert" gebührt das Verdienst, zuerst Bodmann als einen 
gewohnheitsmässigen Fälscher entlarvt zu haben. In der Vorrede 
und Einleitung zum 18. Bande der „Städtechroniken" hat v. Hegel 
diese verhängnisvolle Thätigkeit Bodmanns ausführlich dargestellt 
Es heisst dort: „Bei Untersuchung des Bodmannschen Nachlasses in 
Miltenberg und insbesondere derjenigen Handschrift, aus welcher der- 
selbe seine erwähnten Editionen gemacht hat, stellt sich mir als nicht 
unwichtiges Ergebnis heraus, dass dieser der Mainzischen Geschichts- 
quellen allerkundigste Mann und fleissigste Abschreiber sich in wieder- 
holten Fällen fälschlicher Weise des Besitzes von wichtigen noch 
unbekannten Quellenschriften gerühmt hat, welche niemals existiert 
haben, deren Titel allein seiner eigenen Erfindung angehören. Wenn 
es ihm dadurch wirklich gelungen ist, die deutschen Geschichts- 
forscher, wie namentlich Böhmer, der lange Zeit eifrig den Mainzischen 
Dingen nachging, in die Irre zu führen, so wird man sich jetzt 
endlich über den vermeintlichen Verlust jener litterarischen 
Schätze beruhigen können und künftig aufhören, den Phan- 
tomen lügenhafter Ruhmredigkeit in den Bibliotheken nachzu- 
spüren" 1). 

V. Hegel bemerkt weiter, dass über die Abschriftensammlung 
von Bodmann selbst, sowie über den Bodmannschen Nachlass über- 
haupt manche irrtümliche und zum Teil von ihm selbst herrührende 
fabelhafte Nachrichten verbreitet seien. Er gab z. B. die Zahl der 
von ihm aufgefundenen unedierten Urkunden auf 2 1 462 (!) an, was 
Hegel mit Recht als eine grosse Uebertreibung betrachtet. Ausser- 
dem sind „die Abschriften flüchtig gemacht, fehlerhaft und nicht ein- 
mal von Bodmann selbst kollationiert" 2). Das Gleiche gilt von den 
Urkundenabschriften Bodmanns in der Habeischen Handschriften- 
sammlung. Hegel bezeichnet die Urkundenfacsimiles als „gänzlich 
wertlos" ^). 

Im „Rheinischen Archiv" (Bd. IV, S. 3) beschrieb Bodmann 
einen Codex, der wertvolle Urkunden über die Geschichte des Erz- 
stiftes Mainz und verschiedene geschichtliche Aufsätze u. s. w. ent- 



i) „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert.*' Leipzig 
1882, Bd. XVin, S. VI. 

2) a. a. O., S. IX. 

3) a, a. O., S. XI. 

Bloch, Der Urspnmg der i^ypbilis. 4 



— 50 — 

halten sollte. Er teilte aber diesen Codex niemals mit und täuschte 
so viele Historiker, v. Hegel sagt: „Ich glaube über den wirklichen 
Thatbestand ein überraschendes Licht aufstecken zu können. Ich 
trete den Beweis an, dass der mit so vielen Einzelheiten 
von Bodmann beschriebene Codex gar nicht existiert hat"^). 
Er teilt dann ausführlich diese Beweise mit*). Die ganze detaillierte 
Beschreibung des Codex ist „Flunkerei, womit Bodmann die gelehrte 
Welt lange genug zum Besten gehabt hat", und v. Hegel urteilt 
vollkommen richtig, dass „einem solchen Manne, der von der 
ersten Pflicht des Historikers, der Wahrhaftigkeit, keinen 
Begriff hat, der sich nicht scheut, das litterarische Publikum immer- 
fort durch neue Erfindungen hinter das IJcht zu führen, kein Wort 
mehr über ungedruckte Handschriften zu glauben ist". Er 
zeigt dann ferner, wie Bodmann durch die Konsequenz seiner Lüge 
auch zur Fälschung sich gedrungen sah. So fügt er falsche 
Zeitangaben hinzu ^), passt den erfundenen Text künstlich an die 
Sprache einer bestimmten Zeit an u. dgl. m. Auch in Beziehung auf 
eine angebliche Fortsetzung des berühmten, lange verloren geglaubten, 
von Hegel wieder entdeckten „Chronicon Moguntinum" hat Bod- 
mann „ebenso geflunkert wie mit anderen ihm allein bekannten 
litterarischen Schätzen"*). Das End urteil v. Hegels über Bodmann 
lautet: „Ich traue keiner Angabe Bodmanns über Unge- 
drucktes" ^). 

Nachdem mir diese Enthüllungen v. Hegels bekannt geworden 
waren, stand es für mich fest, dass auch die Zahl 1472 eine von 
Bodmanns „Flunkereien" sei. Um aber ganz sicher zu gehen, bat 
ich Herrn Professor v. Hegel selbst um Auskunft, die derselbe mir 
bereitwilligst erteilte. Als ein wertvolles Dokument zur Geschichts- 
schreibung der Syphilis bewahre ich einen Brief auf, den Herr Prof. 
V. Hegel unter dem 10. Dezember 1899 an mich richtete, und für 
den ich ihm nochmals an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank 
ausspreche. Es heisst in demselben: „Die von Ihnen angeführte Stelle 
bei Bodmann, Bd. I, S. 199, ist interessant. Sie beweist, dass in 
Mainz zur Zeit die Lustseuche verbreitet war und dass man selbst 
in geistlichen Kreisen keinen Anstoss daran nahm. Das geistliche 



i) a. a. O., S. 5. 

2) a. a. O., S. 5~8. 

3) a. a. O., S. 9. 

4) a. a. O., S. 144. 

5) a. a. O., S. 241. 



J 



— 51 — 

Mainz war im Mittelalter wohl die sittenloseste deutsche Stadt . . . 
An der Richtigkeit der Mitteilung Bodmanns ist nicht zu zweifeln; 
er bezeichnet seine Quelle als ein Prot, des Stiftes St. Victor. Die 
Bezeichnung Prot, (nicht ausgeschrieben), d. i. Protokoll, ist offenbar 
willkürlich und unpassend von ihm angegeben, denn es ist nicht ein 
Protokoll (am wenigsten ein Stiftungsprotokoll, wie Sie es deuten), 
sondern eine blosse Aufzeichnung zur Notiz. Diese aber lässt sich 
nicht weiter kontrollieren. Das Kloster St. Victor, ein Collegiatstift, 
vormals auf der Höhe ausserhalb der Stadt im Osten gelegen, ist 
nicht mehr vorhanden, seine Urkunden sind verloren; doch geschöpft 
aus diesen ist das „Chronicon coUegii St. Victoris" und die Verzeich- 
nisse der Stiftsherren im 2. Bande von ,Joannis Rerum Moguntia- 
corum etc.", S. 577 ff. Darin aber findet sich jene Notiz bei Bodmann 
nicht; er hat das Archiv des Stifts noch gekannt, das Kloster wurde 
erst zu Anfang unseres Jahrhunderts zerstört. Erfunden also hat 
Bodmann die interessante Nachricht nicht; er hätte so etwas nicht 
erfinden, noch weniger in der Abfassung zu Stande bringen können. 
Aber die Jahreszahl 1472, auf die es Ihnen doch wohl am 
meisten ankommt, ist ohne Zweifel bloss aus der Luft ge- 
griffen oder von anderswoher auf das Protokoll, wie er es nennt, 
bezogen; wäre sie bei diesem selbst gestanden, so hätte sie B. nach 
dem Original wiedergegeben.'* 

Hiermit ist das Urteil über die berüchtigte Jahreszahl 1472 ge- 
sprochen, von deren Widersinn sich die grössten Syphilishistoriker 
nicht überzeugen wollten. In einem Briefe vom 17. Dezember 1899 
verweist Herr Professor v. Hegel nochmals darauf, wie Bodmann 
überall „ganz willkürlich die Zeiten angegeben hat''. An der Rich- 
tigkeit der sachlichen Nachricht braucht ja niemand zu zweifeln. 
Herr v. Hegel giebt in diesem Briefe mehrere Nachweisungen für 
die „wunderbaren Sittenzustände in der geistlich so reich gesegneten 
Stadt* (so z. B. „Städtechroniken'', Bd. 18, S. 174; „Chronicon Mogun- 
tinum", ed. Carolus Hegel, Hannover 1885, S. 19; „Verfassungs- 
geschichte von Mainz" von K. v. Hegel, Leipzig 1882, S. 611 u.a.m.). 
Dass also ein Chorsänger des geistlichen Stiftes von St. Victor an 
Syphilis litt, wird man wohl glauben können. Aber dass dies im 
Jahre 1472 der Fall war, ist doch jetzt endlich gründlich widerlegt. 
Hensler hatte durch seine „Geschichte der Lustseuche" {1783 bezw. 
1789), die aufs nachdrücklichste die Existenz der Syphilis im Altertum 
verfocht, den Streit über den Ursprung der Syphilis aufs neue wieder 
angefacht, wie das Werk Girtanners vor allem bezeugt. Und Bod- 
mann hat hier wohl einen seiner hinterlistigsten Streiche verübt, in- 

4* 



— 52 — 

dem er durch die freche Aufstellung der Zahl 1472 so viele bedeu- 
tende Syphilishistoriker beinahe ein Jahrhundert lang an der Nase 
herumgeführt hat. Er wusste m. E. ganz genau, welch ein Unheil 
er mit dieser Zahl anrichten würde. Es ist in der That eins der 
tückischsten Fälscherstückchen, die es geben kann. Die Zahl 1472 
ist eine bewusste Fälschung Bodmanns, da er ja selbst be- 
kennt, er wolle mit ihr das Altertum der Syphilis beweisen^). 

* * 

* 

An Bodmanns Fälschung reiht sich würdig der berühmte Brief 
an, den Petrus Martyr angeblich im Jahre 1488 an seinen Freund 
Pedro Arias Barbosa gerichtet haben soll, und in dem vom „mor- 
bus Galliens" die Rede ist. Auf diesen Brief hat zuerst Ribeiro 
Sanchez hingewiesen. Er giebt die richtige Zahl 1489 2). Nach ihm 
hat Hensler den Brief in erweiterter Form und mit der Jahreszahl 
1488 wieder abgedruckt^), und so ging er in die Schriften der meisten 
übrigen Syphilishistoriker über^). Das Original findet sich in den 
beiden ersten Ausgaben der Briefsammlung des Petrus Martyr^). 

Dieser an Arias Barbosa, Professor der griechischen Sprache 
in Salamanca, gerichtete Brief lautet f olgendermassen : P.(etrus) 
M.(artyr) A.(nglerius) M.(ediolanensis) an den kranken Arius 
Lusitanus, der in Salamanca die griechische Sprache lehrt 



i) Unbekannt ist wohl, dass B od mann noch mit einem zweiten, nur ihm be- 
kannten Falle von mittelalterlicher Syphilis renommierte. Er sagt (a. a. O., S. 199): „Und 
von einem anderen, zu Strasburg pridie Kai. Martii 1326, an eben diesem schnöden Minne- 
zoll verstorbenen tapferen Prinzen, dessen- Namen ich verschweige, mag ich den gleich- 
zeitigen ungedruckten Bericht gar nicht hersetzen, der gleichwohl unüberwindlich darlegt, 
dass Deutschland beynahe schon 200 Jahre früher, als man gewöhnlich behauptet, diese 
Galanterie- Waare gekannt habe." Ein Glück, dass Bodmann die Welt mit dieser anderen 
Enthüllung verschont hat! Er wollte nur, wie er bekennt, einen „Zusatz und eine Aehren- 
lese" zu den medizinischen Schriften eines Robertson, Sprengel, Möhsen u. a, liefern, 
und auch auf diesem Gebiete seinem Namen Ruhm verschaffen, was ihm denn auch in 
verhängnisvoller Weise gelungen ist. 

2) R. Sanchez, „Examen Historique sur l'apparition de la maladie v^n^rienne en 
Europe, et sur la nature de cette Epidemie." Lissabon 1774, ^' ^o — 21. 

3) Ph. G. Hensler, „Geschichte der Lustseuche, die zu Ende des XV. Jahrhun- 
derts in Europa ausbrach.'* Altona 1783, Bd. I, Excerpta, S. 94 — 95. 

4) Vgl* J' ^' Proksch a. a. O., Bd. I, S. 389 — 390. — Der Geschichtsschreiber 
der spanischen Medizin A. H. Morejon gab eine spanische („Historia bibliogräfica de 
la medicina espailola*', Madrid 1842, Bd. I, S. 266 — 267), R. Fincken stein eine deutsche 
Uebersetzung dieses Briefes („Zur Geschichte der Syphilis", Breslau 1870, S, 21 — 23). 

5) „Petri Martyris Angleriae Mediolanensis epistolae." AlcaU de Henares 1530, 
fol., Epistol. 68. — ,,Opus Epistolarum Petri Martyris Angkrii Mediolanensis." Amstelo- 
dami 1670, S. 34. - 



— 53 — 

— Du schreibst mir freimüthig, dass Du von einer unserer Zeit 
eigenthünilichen Krankheit befallen bist, welche in spanischer Sprache 
„Bubas" genannt wird, von den Italienern „morbus gallicus", von 
einigen Aerzten „Elephantia", von anderen anders. Du seufzest aber 
in trauriger Klage über Dein Unglück und Deine Trübsale, weisest 
hin auf das Unvermögen, die Gelenke zu bewegen, auf die Schwäche 
der Bänder, die heftigen Schmerzen in allen Gelenken, und lassest 
Dich mit kläglicher Beredsamkeit, mit Weinen, Jammern und Klagen 
vernehmen über den üblen Geruch der Geschwüre und des Mundes, 
der noch hinzugekommen ist. Ich bemitleide Dich, theurer Arius, 
und wünschte, dass Du bald gesundest, aber ich verzeihe Dir nicht, 
dass Du so niedergeschlagen bist. Denn es ziemt keineswegs dem 
Weisen, sich durch Unglücksfälle allzu sehr beunruhigen zu lassen 
oder durch Glücksfälle allzu übermütig zu werden, sondern es wird 
gelehrt, dass man alle Schicksalsschläge mit Haltung und uner- 
schütterlichem Geiste ertragen müsse. Man soll als zu einem Lin- 
derungsmittel aller Uebel zur Tapferkeit seine Zuflucht nehmen . . . 
Wenn Du dies thust, wirst Du Dich nicht weniger glücklich fühlen, 
jetzt, wo Saturn Dich bedrängt, von dem diese Krankheit herrührt, 
als wenn es Dir gegeben wäre, auf den Flügeln des Mercurius durch 
die Lüfte zu fliegen. Lebe wohl! Jaen, den 5. April 1488**^). 

Wenn Proksch sich so sehr über das Bemühen der Gegner 
der Lehre von der Altertumssyphilis entrüstet, das Datum dieses 
Briefes für falsch zu erklären ^j, so verweise ich zunächst darauf, dass 
schon San che z diesen Brief mit grossem Misstrauen betrachtet hat, 
was besonders Montejo hervorhebt^), dass ferner Hensler, worauf 



i) „P. M. A. M. Ario Lusitano, Graecas literas Salamanticae profitenti 
valetudinario. — In peculiarem te nostrae tempestads morbum, qui appellatione Hispana 
Bubarum dicitur (ab Italis morbus Gallicus, medicorum Elephantiam alii, alii aliter appel- 
lant), inddisse praecipitem, libero ad me scribis pede. Lugubri autem elego calamitatem, 
aerumnasque gemls tuas, articulorum impedimentum, internodiorum hebeludinem, junctura- 
nun omnium dolores intensos esse prodamas: ulceruni et oris foeditatem superadditam mise- 
randa proinis eloquentia, conquereris, lamentaris, deploras. Misereor quidem, Ari amidssime, 
tui, cuperemque te bene valere, sed minime, quod te prosternas, ignosco. Angi namque 
nimium adveisis, aut extolli prosperis, sapienti minime licet, imo et ferendos esse quoscun- 
que fortunae ictus, cohaerenter ac indefesso spiritu praedicatur: ad animique fortitudinem, 
omnium lenimen malorum, confugiendum censetur ... Id si feceris, non minus te felicem 
esse intelliges, quod nunc te Saturnus opprimat, a quo morbus iste, quam si Mercurialibus 
volitare per agra talaribus daretur. Vale. Giennio in nonis Aprilis 1488." 

2) J. K. Proksch a. a. O., Bd. I, S. 391. 

3) Bonifacio Montejo, „La Sifilis y las enfermedades que se han confundido 
con ella." Madrid 1863, S. 47. 



— 54 — 

Simon aufmerksam macht*), in dem zweiten, gegen Girtanner ge- 
richteten Teil seiner „Geschichte der Lustseuche" das apokryphe 
Zeugnis des Petrus Martyr, den er im ersten Teile als gewichtigen 
Zeugen angeführt hatte, gänzlich fallen Hess, weil er dessen „von 
Girtanner gerügte Schwäche wohl gefühlt hat". Endlich hat auch 
R. Finckenstein die Frage aufgeworfen, ob die Namen „morbus 
gallicus" und „bubas" im Briefe des Martyr nicht ein späterer Zu- 
satz seien-). Es sind also keineswegs allein die Verfechter des 
neueren Ursprungs der Syphilis, welche diesen Brief so kritisch be- 
urteilen. 

Entscheidend ist meines Erachtens, dass in dem Briefe des 
Petrus Martyr eine medizinisch so genaue Beschreibung der 
typischen Syphilis bei ihrem ersten Auftreten gegeben wird, wie 
dieselbe sich erst in den Lehrbüchern seit 1495 findet. Ein 
derartiger Symptomencomplex (heftige Affektion der Gelenke 
in Verbindung mit Haut- und Mund erkrank ung) ist niemals vorher 
beschrieben worden, und wird gerade als ein Kennzeichen der ganz 
neuen Krankheit von allen Aerzten hervorgehoben. Hätte derselbe 
im Jahre 1488 existiert — und nach Martyr soll er ja schon damals 
allgemein als eine bestimmte Krankheit verbreitet gewesen sein, so 
dass die Spanier ihn „Bubas", die Italiener „morbus gallicus", einige 
Aerzte „Elephantia", andere anders benannten — so ist es undenk- 
bar, dass eine derartig auftretende epidemische Erkrankung 
volle sieben Jahre hindurch keinerlei Schilderung weder in ärzt- 
lichen noch in Laien-Schriften gefunden hat. Man denke nur an die 
erstaunliche Menge der litterarischen Produkte über diesen eigen- 
artigen Symptomencomplex, die in den Jahren 1495 ^^^ 1500 s-ns 
Licht traten! 

Und dann spielt Martyr auf die zahllosen Namen an, die man 
der Krankheit gab, und die besonders die Aerzte ihr gaben. Das 
kann sich nur auf die ärztlichen Schriften nach 1495 beziehen, die 
in der That uns eine Fülle verschiedener Namen für die neue Krank- 
heit darbieten. Ich habe in den medizinischen Schriften vor 1495, 
sow^eit sie Geschlechtskrankheiten behandeln, nichts Derartiges 
gefunden. Und endlich der Name „morbus gallicus"! 

Diese rein aus dem sachlichen Inhalt sich ergebenden Gründe 
sind vollkommen ausreichend, um die Nichtigkeit der Jahreszahl 1488 
darzuthun. Und wenn Friedberg sogar das Bodmannsche Proto- 



1) F. A. Simon a. a. O., Bd. II, S. 9. 

2) R. Finckenstein a. a. O., S. 24. 



-- 55 — 

koU von 1472 heranzieht, um die Echtheit der Zahl 1488 zu er- 
weisen^), so wissen wir ja jetzt, wie es mit diesem „Protokoll" be- 
stellt ist. 

Welch' ein wunderlicher Prophet war doch Petrus Martyr, 
welch' ein divinatorischer Pathologe und Epidemiologe dieser Laie, 
dass er schon im Jahre 1488 die Hauptsymptome der Lustseuche be- 
schreiben und dieser Krankheit Namen beilegen konnte, welche 
(Symptome und Namen) die übrige Welt erst sieben Jahre später 
kennen lernte! 

Schon Leopold von Ranke, unser grosser Geschichtsschreiber, 
hat in seinem berühmten Erstlingswerke 2) das „Opus epistolarum" des 
Petrus Martyr in Beziehung auf die Chronologie der Briefe einer 
scharfen Kritik unterzogen, die leider während des ganzen 19. Jahr- 
hunderts den Syphilishistorikern unbekannt geblieben ist „Man 
wird", sagt Ranke, „durch alle diese Briefe überall Vermutungen 
finden, welche eintreffen. Gleich in den ersten "Briefen von Karls 
VIIL Unternehmung weissagt er das Geschick Italiens haarklein. 
Dieser Pragmatismus vor dem Erfolg ist durchaus wunderbar"^). 
Und weiter: „Was soll man aber sagen, wenn der Briefsteller einige 
Geschichten erzählt, ehe sie geschehen sind, andere lange, lange 
nachher. Nach dem Diarium des Burcardius und allen guten Nach- 
richten ist der Herzog von Gandia im July 1497 ermordet worden. 
Petrus Martyr jedoch weiss und erzählt diese Sache, sogar mit ihren 
Folgen, schon im April 1497. (Ep. 1731.) Hier werden wir 
offenbar getäuscht"*). — „Fassen wir diese Dinge zusammen: 
der Verfasser beynahe ein Prophet; — hohe Personen mit Weg- 
werfung behandelt; — genaues Zusammengreifen des an Verschiedene 
Gerichteten; — endlich Verletzung der Zeitfolge, so dass wir ge- 
stehen, dass diese Briefe unmöglich damals, unmöglich 
so geschrieben seyn können, wo und wie sie geschrieben 
seyn sollen"^). Ranke stellt dann noch fest, dass die erdich- 
teten Briefe ohne Zweifel am Anfang (dazu gehört auch unsere 
Epist 68!), die echten gegen das Ende häufiger sind*^). 

Alle späteren Monographen des Petrus Martyr haben dies 
Urteil Rankes über das „Opus epistolarum" bestätigt. So sagt H. 



i) H. Friedberg a. a. O., S. 97. 

2) L. Ranke, „Zur Kritik neuerer Geschichtsschreiber". Leipzig u. Berlin 1824. 

3) a. a. O., S. 112. 

4) a. a. O., S. 113. 

5) a. a. O., S. 114. 

6) a. a. O., S. 1 14. 



\ 



- 56 - 

A. Schumacher, dass zahlreiche Fehler darin durch die Ueber- 
arbeitung älterer Briefe entstanden seien, und erklärt es für sehr 
wahrscheinlich, dass die Sammlung noch durch eine fremde Hand 
gegangen sei^). Er erwähnt als ein bezeichnendes Beispiel für die 
chronologische Verwirrung in den Martyrschen Briefen, dass bei 
der späteren, eben erwähnten > Ueberarbeitung der Briefe unter den 
Oktober 1496 Thatsachen gebracht werden, die frühestens Ende 
Dezember 1496 ihm bekannt sein konnten 2). 

J. Gerigk kommt nach einer Untersuchung der Briefe Martyrs 
zu dem Ergebnis, dass auf das Datum der Briefe gar nichts 
zu geben ist, weil die gleichzeitige Abfcissung derselben in der vor- 
liegenden Form als unmöglich erwiesen ist. Er erblickt in der Samm- 
lung sogar eine fortlaufende Geschichte in fingierten Briefen^). 

Heinrich Heidenheimer möchte die Epistola 68 für echt 
halten, wenn man annimmt, dass der Ausdruck „morbus Galli- 
cus" später hinzugefügt sei, glaubt aber an der Diagnose „Sy- 
philis** deshalb festhalten zu müssen, weil diese Krankheit durch die 
aus Spanien ausgetriebenen Juden schon 1492 nach Italien einge- 
schleppt worden sei *). Diese Seuche war aber eine Art Bubonenpest 
oder Typhus und gänzlich verschieden von der Syphilis („Maranen- 
seuche**)^). 

J. H. Mariejol will die Unordnung in den Briefen des Petrus 
Martyr den Sammlern der Korrespondenz aufbürden*^). 

Die neueste und beste kritische Untersuchung über das Opus 
epistolarum hat J. Bernays angestellt. Was die beiden Ausgaben 
desselben, die von Alcalä de Henares (1530) und die Elze vir- Ausgabe 
(Amsterdam 1670) betrifft, so enthält die erste nach Bernays viele 



i) H. A. Schumacher, „Petrus Martyr, der Geschichtsschreiber des Weltmeeres". 
New York 1879, S. 97 — 98. — Vor Schumacher und nach Ranke hatte übrigens auch 
H. Hallani in seiner „Introduction tt) thc literature of Europe in the 15*^^, 16**^ and 17** 
centuries" (London 1837, Bd. I, S. 440 ff.) die gleiche Ansicht über das „Opus epistol.** 
geäussert. 

2) a. a. O., S. 1 19. 

3) J. Gerigk, „Das Opus epistolarum des Petrus Martyr, ein Beitrag zur Kritik 
der Quellen des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts**. Inaug.-Dissertation. 
Braunsberg 1881, S. 53, 59, 73 AT. 

4) H. Heidenheimer, „Petrus Martyr Anglerius und sein Opus epistolarum". 
Berlin 1881, S. 139 — 141. 

5) Vgl» Simon a. a. O., Bd. II, S. 15. 

6) J. H. Mariejol, „Un lettre Italien ä la cour d'Espagne (1488 — 1526). Pierre 
Martyr d'Angera, sa vie et ses oeuvres'*. (These pour le doctorat.) Paris 1887, S. 169 ff. 



*- 57 -- 

Druckfehler, die zweite deren noch mehr^). Bernays hat be- 
sonders den uns vor allem interessierenden Brief 68 auf das genaueste 
kritisch untersucht, und damit für alle Zeit die apokryphe Zahl 1488 
aus der Welt geschafft. Er sagt: „Falsch datiert ist jedenfalls auch 
ep. 68, denn am 5. April 1489 (die Jahreszahl 1488 ist nur ein 
Versehen des zweiten Druckes; im ersten sind ep. 67 und 68 ins 
Jahr 1489 versetzt) war Martyr noch nicht in Jaen. Noch am 
12. Mai lässt er sich in Cordova nachweisen. Erst im Laufe dieses 
Monats gelangt der König nach Jaen, wo wir ihm am 26. Mai be- 
gegnen. Und da Martyr am Hofe weilte, ist der Brief sicher nicht 
vor Mitte Mai 1489 geschrieben. Bemerkt man nun ferner mit 
Hallam („Introduction to the literat. of Europe", I, 441), dass hier 
angeblich schon fünf Jahre vor dem Einfall der Franzosen in Italien 
die neue venerische Krankheit den Namen morbus Galliens erhält, 
eine Bezeichnung, die vor 1494 keinen Sinn hatte, so wird m.an an 
der Zeitbestimmung von ep. 68 völlig irre. Man könnte ja mit 
Heidenheimer (S. 141) diesen Anachronismus auf eine spätere Ein- 
schachtelung zurückführen. Aber nach der Adresse des Briefes soll 
der Empfänger in Salamanca griechisch lehren (Graecas litteras pro- 
fitenti), während nach einer Geschichte der dortigen Universität ein 
solcher Lehrstuhl- erst 1508 errichtet wurde'^). Ep. 68 kann da- 
her nicht vor diesem Jahre geschrieben sein"^). 

Bernays führt weiter aus, dass Petrus Martyr bei der Ein- 
ordnung der epistölae morales nicht viel Rücksicht auf die Zeit ihrer 
Abfassung genommen habe. Wohl sind Schreiben, die wegen einer 
Anspielung auf ein historisches Ereignis leicht zu datieren waren, an 
ihren Ort gestellt. Sonst aber hat sich der Autor mehr von einer 
gewissen sachlichen Gleichartigkeit leiten lassen. So steht ep. 68 
mit anderen an Professoren von Salamanca gerichteten 
Briefen zusammen*). Bernays giebt dann noch zahlreiche Bei- 



i) J. Bernays, „Petrus Martyr Anglerius und sein Opus epistolarum". Strassburg 
1891, S. 43. 

2) Dies teilt nach Bernays Chacon in der „Historia de la universidad de Sala- 
manca" mit, die 1569 abgefasst ist und im „Seminario erudito** publ. por Antonio Villa- 
dar6s de Sotomayor (Bd. XVIII) veröffentlicht ist. Was Prescott („History of the 
reign of Ferdinand and Isabella the Catholic", Philadelphia 1871, Bd. II, S. 502 u. 577) 
gegen die Glaubwürdigkeit dieser Darstellung anführt, ist nicht stichhaltig. Chacon 
(S. 55) sagt nicht, dass Juana 1512 den Thron von Castilien bestiegen, sondern dass sie 
in jenem Jahre eine Visitation der Universität vornehmen Hess. 

3) Bernays a. a. O., S. 142. 

4) Bernays a. a. O., S. 144, 



- 58 - 

spiele von falschen Datierungen und unrichtigen Angaben im Opus 
epistolarum ^). 

Von solcher Art sind die beiden berühmten Zeugnisse, auf die 
man immer wieder zurückgreift, wenn man den neueren Ursprung 
der Syphilis widerlegen will, und die man sogar, wie z. B. P'ried- 
berg, dazu benutzt hat, um andere noch schwächere Argumente 
gegen die Neuheit der Lustseuche zu stützen. Mit dem Fortfall 
dieser beiden Zeugnisse stürzt das ganze vermeintlich so fest errich- 
tete Gedankengebäude der Anhänger der Lehre von der Altertums- 
syphilis zusammen. Ich glaube mit Grund daran zu zweifeln, dass 
es jemals wieder wird zusammengefügt werden können. 

§ 6. Die Nomenclatur der Syphilis.^) 

Die Betrachtung der Nomenclatur der Syphilis bei ihrem ersten 
Auftreten in der alten Welt gewährt uns weitere wichtige Anhalts- 
punkte für den Nachweis der Neuheit dieser Krankheit. Um gleich 
den Kernpunkt zu bezeichnen, auf den es ankommt, so sehen wir, 
dass das Problem, einer bisher vollkommen unbekannten 
Krankheit einen Namen zu geben, deren unendlich viele 
hervorgerufen hat. Nur eine unbekannte, neue, von Aerzten und 
Laien vorher nie gesehene Krankheit konnte Ursache von so 
mannigfaltigen und vor allem z. T. so bezeichnenden Benennungen 
sein. Ich kann Astruc nur vollkommen beistimmen, wenn er auf 
diese Thatsache das grösste Gewicht legt^), und ich will versuchen, 
dies noch weiter zu begründen. 



i) Auch Montejo übt (a. a. O., S. 46 — 48) an der ep. 68 des Martyr eine 
scharfe Kritik. Nach ihm haben die spanischen Gelehrten Pellicer, Muiioz und Cantü 
wiederholt auf die heillose Verwiriung, die in dem Opus epistolarum herrscht, aufmerksam 
gemacht. Das Wort „bubas'* zur Bezeichnung der Syphilis war nach Montejo vor 1493 
unmöglich. 

2) Vgl. Anhang, Beilage I. 

3) „Quarta (ratio) demum, quae mihi quidem videtur gravissima ac firmissima, repe- 
titur ex diversitate appellationum, quibus lues venerea designata fuit, cum primum in orbe 
nostro apparuit. Enim vero si morbus ille apud Graecos, Latinos, Arabesve, penes quos 
successive fuit Mediciuae jus et Imperium, olim grassatus fuisset, ut jam grassatur in Europa, 
graece, latine, vel saltem arabice, suo certo ac proprio vocabulo appellatus esset, ut et 
caeteri morbi quicumque Veteribus innotuerunt. At ex contrario lues venerea initio nuUuin 
nomen habuit proprium, nullam certam appellationem, quae inter Europae Medicos usu com- 
muni usitata ac trita esset, sed ubique vulgo licentia permissa est nomina ad arbitrium pro- 
cudendi, quibus morbus novus, ideoque dvcowfiog significaretur. 

Inde est varietas illa propemodum infinita vocabulorum, quae in prin- 
cipio ad nuncupandam luem veneream constat adhibita fuisse, dum alii alia 
imponebant nomina, e diversis fontibus derivata." J. Astruc a.a.O., Bd. I, S. 4. 



— 59 — 

Dass es für die Syphilis bei ihrem ersten Auftreten keinen 
Namen gab, bezeugen die meisten zeitgenössischen ärztlichen und 
T^aien-Schriftsteller. Dies drückt schon die Ansicht aus, dass es sich 
um eine neue, niemals vorher gesehene Krankheit handele. Martin 
Pollich, der im Jahre 1499 seine „Defensio Leoniceniana" schrieb, 
weist noch besonders darauf hin, dass der Name der Krankheit gänz- 
lich unbekannt sei^). Marinus Brocardus (ca. 1500) spricht von 
jener „nova aegritudo", die seit der Zeit, wo die Franzosen Italien 
mit Krieg überzogen, das Menschengeschlecht heimsuche, und da 
ihr „Name bis jetzt unbekannt sei", so würde sie mit allerlei 
alten Namen belegt. Die Einen hiessen die Krankheit „Elephan- 
tiasis" und „Liehen", die anderen „Asaphati" oder „Pruna", viele 
„Ignis Persicus", oder nahmen ein Mittelding zwischen Lepra und 
Scabies an, im Volksmunde werde sie „morbus Gallicus" genannt, und 
„bis jetzt scheine ihr noch kein bestimmter Name beigelegt 
worden zu sein" 2). 

Theodoricus Ulsenius {1496) spricht im Anfange seines 
„Vaticinium in epidemicam scabiem'* von der Syphilis als einer „in- 
audita Scabies"^). 

Der Nürnberger Sebald Clamosus bemerkt in einem Briefe 
an Conrad Celtes vom 4. September 1496, dass der Name der 
Krankheit bei den Aerzten ganz unbekannt sei; indessen hätten sie 
die Volksbezeichnung „mala francosa" angenommen^). 

Im „Triumphus Venereus" des Heinrich Bebel (1502) heisst es: 

Cur, o mortales, patimur non cognita priscis 
Ulcera, cur pestes mortis et omne genus? 

und ebendaselbst an einer anderen Stelle: 

Contineas veteres, precor, o Germania, mores 
Atque peregrinum pellas sanctissima luxum 
Et Vitium ignotum nostris maioribus olim 
Quod scquitur luxum, quod mores Italicorum 



i) „Cum editum nuper libellum doctissimi naturae consulti domini Leoniceni de morbo 
gallico, cuius non solum causa apud medicos ferme omnes, verum etiam nomenclatura 
incognita fuit . . . ." bei Fuchs a. a. O., S. 132. 

2) „Nova haec aegritudo, quae eo tempore, quo Galli Italiam armis infestarunt, 
humaimm genus vexare coepil . . . quoniam nomen est adhuc ignotum, alii namque 
eam dicunt eiephantiasin, lichenas nonnulli; plerique asaphati, aliqui prunam, multi ignem 
Persicum, muUi dispositionem mediam inter scabiem et lepram, vulgares morbum Gallicum, 
nee adhuc aliquod nomen certum ei impositum videtur.** Marini Brocardi 
De Morbo Gallico Tractatus: Luisinus II, fol. 965. 

3) Fuchs a. a. O., S. 306. — Ebenso nennt Johann Nancler (um 1500) die 
Syphilis eine „Scabies inaudita**, Fuchs a. a. O., S. 321. 

4) Fuchs a. a. O., S. 306. 



— 6o — 

Irrepsere brevi, nee dum caput hactenus audent 
Exerere improbiorque Venus dirumque venenum*). 

Der Abt Trithemius (1512) weist ebenfalls darauf hin, dass 
die Aerzte die neue Krankheit mit keinem Namen belegen konnten, 
so dass auch er in Verlegenheit wegen eines solchen sei^). 

Erasmus von Rotterdam bemerkt noch um 1520, dass die 
Krankheit „noch keinen besonderen Namen habe"^). 

In dem schon im Winter des Jahres 1496 geschriebenen Ge- 
dichte des Summaripa wird die Syphilis als „d'alcun non conos- 
suto** bezeichnet*), und Jean le Maire sagt in seinem um 1520 
verfassten „Trois Comptes": 

Ne ne sceut onc lui bailler propre nom 
Nul Medecin, tant eut-il de renom'^). 

Es giebt sogar eine Schrift aus dem Jahre 1529, auf deren 
Titel die Syphilis geradezu den Namen „unbekanntes Uebel** führt. 
Das ist die Abhandlung von Nicolo Campana (detto il Straiscino 
Senese): „Lamente di quel tribulato sopra il malo incognito (male 
francese), il quäle tratta della patientia et impatientia." (Vinegia, 
Nicc. d'Aristotile detto Zoppino, 1529)^). 

Ich finde in dem „Dictionnaire historique de Tancien langage 
fran^ais" (Niort et Paris 1880, Tome VII, p. 243) unter dem Wort 
„Mal de Naples" „veröle** eine humoristische, aber sehr bezeichnende 
Stelle aus der „Histoire du chevalier Bayard'' (1525), der bekannt- 
lich den Feldzug nach Italien unter Karl VIIL mitmachte: 
„Lorsque Charles VIIL fit la conquete du royaume de Naples, au- 
cuns . . . en apporterent quelque chose dont ils se sentirent toute leur 
vie. Ce feust une maniere de maladie qui eust plusieurs noms. 
D'aucuns feust nomme le mal de Naples, la veröle; les autres Tont 
appele le mal fi-an9ois .... moy, je Tappelle le mal de celui qui 
Ta." In der That, ein hübscher Beitrag zur ältesten Nomenclatur 



1) Fuchs a. a. O., S. 326 — 327. 

2) „His quoque teniporibus morbus ille turgentium pustularum, quem nulio medicis 
usitato nomine exprimere possum . . . ." Fuchs a, a. O., S. 348. 

3) „Quae nondum suum habet nomen"; „nondum certum nomen invenit." Fuchs 
a. a. O., S. 357. 

4) H. Haeser, „Historisch -pathologische Untersuchungen". Dresden und Leipzig 
1839, Bd. 1, S. 228. 

5) Astruc a. a. O., Bd. II, S. 634. 

6) Aufgeführt bei J. K. Proksch, „Die Litteratur über die venerischen Krank- 
heiten von den ersten Schriften über Syphilis aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts 
bis zum Beginn des Jahres 1899", Supplementband I, Bonn 1900, S. 5. — Auch in Frank- 
reich führte die Syphilis den Namen „le mal incogneu". Vgl „Le Triumphe de haulte 
et puissante Dame Verolle etc.*', 6d. A. de Montaiglon, Paris 1874, S. LXXXV. 



— 6i — 

der Syphilis, es war damals wirklich noch die „Krankheit des- 
jenigen, der sie hat". 

* 

Es erwuchs bei der gänzlichen Ratlosigkeit der Aerzte und 
Laien, wie die neue Krankhdt zu benennen sei, die Aufgabe, der- 
selben einen Namen beizulegen. Diese Aufgabe ist durch weit 
mehr als vierhundert Namen, welche man der Syphilis beigelegt 
hat, wie mir scheint, in allzu reichlichem Masse gelöst worden. 
Mögen die Anhänger der Lehre von der Altertumssyphilis irgend 
eine andere Krankheit, die sicher im Altertum und Mittelalter existiert 
hat, nennen, welche eine so grosse Zahl von Namen aufzuweisen hat! 
Und was noch auffallender ist, die grosse Mehrzahl der Benen- 
nungen der Syphilis wurde innerhalb weniger Jahre ge- 
bildet. Innerhalb von 5 Jahren, von 1495 bis 1500, sind 
alle Hauptbezeichnungen der Syphilis — ich sehe hier von 
nebensächlichenVariantenab — geschaffen worden. Im Jahre 1500 
sind sie in Europa alle vorhanden. Woher so plötzlich und innerhalb eines 
so kurzen Zeitraumes diese vielen neuen Namen? Woher und warum, 
frage ich, wenn die Syphilis schon immer dagewesen und sogar be- 
schrieben worden ist? Weshalb tauchen nun auf einmal in allen 
Ländern der alten Welt Namen auf, die aufs deutlichste neben der 
Neuheit der Krankheit auch deren frische Einschleppung in das 
betreffende Land verraten? Sollten alle Völker des „orbis antiquus", 
alle Aerzte, die erfahrensten Praktiker auf dem Gebiete der Geschlechts- 
krankheiten wie mit Blindheit geschlagen gewesen sein, dass sie das 
Alte für etwas Neues hielten und ratlos dastanden vor diesem an- 
geblich so uralten Feinde der Menschheit? Eine solche Deduktion 
kann man allenfalls für ein oder auch zwei Völker mit einigem Glück 
durchführen, nie und nimmer aber für den Bereich der gesamten 
alten Welt, für ganz Europa, für Asien und Afrika, kurz für zahl- 
reiche verschiedene Völker. 

Es war Astruc, der zuerst eine kritische Sichtung der ver- 
schiedenen Benennungen der Lustseuche vorgenommen hat. Nach 
ihm kann man diese Namen einteilen in solche, die nach den Symp- 
tomen der Krankheit gebildet sind, nach den Namen der Heiligen, 
nach den verschiedenen Nationen, von denen man die Krankheit 
bekommen zu haben glaubte, endlich in solche, die nach anderen 
Gesichtspimkten gebildet wurden ^). 



i) Aslruc a. a. O., Bd. I, S. 4 — 6. 



1 



— 62 — 

Die beste und zweckmässigste Zusammenstellung und Anord- 
nung der Benennungen der Syphilis rührt von Dr. H. A. Hacker 
her*), zu welcher Arbeit Dr. Thierfelder einen ergänzenden Nach- 
trag lieferte 2). 

Beide Autoren betrachten die Syphilis-Namen unter den folgen- 
den Rubriken: 

I. Bezeichnungen nach dem angeblichen Vaterlande 

der Krankheit. 

II. Bezeichnungen nach den äusseren Erscheinungen. 

III. Bezeichnungen nach den äusseren Erscheinungen 
mit gleichzeitiger Angabe des Vaterlandes. 

IV. Bezeichnungen nach den vorzugsweise befallenen 
Teilen. 

V. Bezeichnungen nach den Ursachen und der Ver- 
breitung. 
VI. Bezeichnungen nach den Heiligen, von deren An- 
rufung man Genesung erwartet. 
VII. Namen verschiedener Herkunft. 

Ich nehme im wesentlichen diese Einteilung an und habe nach 
derselben weiter unten (vgl. Anhang, Beilage I) die sämtlichen bisher 
bekannten Benennungen der Syphilis zusammengestellt, wobei die 
Zahl der von Hacker und Thierfelder gegebenen Namen noch 
um ein Bedeutendes vermehrt worden ist. Es wird, wie ich hoffe, 
diese Tabelle den Linguisten, Medizin- und Kulturhistorikern von 
einigem Nutzen sein. 

An dieser Stelle will ich die Nomenclatur in Rücksicht auf die 
Anhaltspunkte untersuchen , welche sie für eine Feststellung des 
Alters der Syphilis gewährt. Hierbei aber übergehe ich zunächst 
Spanien, das ich in einem besonderen Kapitel berücksichtigen 
werde. 

Wenn eine neue, unbekannte Krankheit die Völker heim- 
sucht, so ist bei der Namengebung jedenfalls das Naheliegendste, 
dass man sie nach dem Lande bezw. Volke benennt, von wo sie 
ausging. Als treffende Beispiele dafür seien die Namen „asiatische" 
oder „indische" Cholera und „englischer Schweiss" genannt. 



i) H. A. Hacker, „Benennungen, womit man die Syphilis bezeichnet hat" in: 
Schmidts Jahrbücher der in- und ausländischen gesamten Medizin, Leipzig 1850, Bd. LXV, 

S. 372—373- 

2) Thierfelder, „Zur Vervollständigung der von Dr. Hacker gegebenen Zu- 
sammenstellung: Benennungen u. s. w." iliid. 1850, Bd. LXVH, S. III — 112. 



- 63 - 

Auch hier handelte es sich um zwei für die alte Welt bis 
dahin völlig unbekannte Krankheiten. Der englische Seh weiss, 
der im August i486 zuerst in England sich zeigte^), verbreitete sich 
im Jahre 1529 über einen grossen Teil Europas, und wurde nach 
seiner Herkunft als „englischer** Schweiss bezeichnet. Ebenso verhält 
es sich mit der Cholera, die im Jahre 18 17 zuerst sich von Indien, 
ihrer Urheimat aus, über die alte und neue Welt verbreitete-), und 
als „indische** Cholera bezeichnet wurde. 

Die Syphilis trat als eine verheerende Volksseuche in schrecken- 
erregendem Umfange zuerst im Heere Karls VIII. in Italien auf. 
Dieses Heer setzte sich aus Soldaten der verschiedensten Länder 
zusammen. Franzosen, Schweizer, Deutsche, Spanier, Italiener, Nieder- 
länder waren in demselben. Bei ihrer späteren Zerstreuung verbrei- 
teten diese Söldner die Krankheit in viele Länder. Mit dem ersten 
Auftreten der Lustseuche verknüpfte sich überall der Gedanke der 
Herkunft aus dem französischen Heere. So entstand als der popu- 
lärste und weitverbreitetste Name die Bezeichnung „morbus 
gallicus**, „Franzosenkrankheit'*, „Mal franzoso" u. s. w. So wurde die 
Seuche hauptsächlich von den Italienern, Deutschen, Engländern, 
Dänen und Schweden genannt, also jenen Völkern, die unmittelbar 
das Auftreten der Krankheit auf die Einschleppung durch Lands- 
knechte des französischen Heeres zurückführen konnten oder wie 
England von Frankreich selbst das Uebel empfingen. Paulus Jovius 
bemerkt, dass viele Völker die Krankheit übereinstimmend die fran- 
zösische nannten, weil vom französischen Heere zuerst dieses Uebel 
ausgegangen sei. Er fügt aber sehr richtig hinzu, dass sorgfäl- 
tigere Forscher wohl den wahren Ursprung der Syphilis 
entdecken und ihr dann auch den richtigen Namen beilegen 
würden ^). 

Eine zweite Thatsache war, dass die Syphilis diese plötzliche 
und verhängnisvolle Ausbreitung unter den Soldaten Karls VII I. 
zuerst bei dem Aufenthalt des Heeres in Neapel gewann. Hier 
wurde die grosse Mehrzahl der Soldaten der französischen Armee 



i) A. Hirsch a. a. O., Bd. I, S. 59. 

2) Vgl. Hirsch a. a, O., Bd. I, S. 278 ff. 

3) „Sed ubi et quaiido eripuit, diligentiores vesdgabunt, et verius nomen impo- 
nnnt. Consensu certe multarum gentium gallici cognomen tulit, ita, ut ea natio in- 
quieta et vehemens, quae infestis armis felicitati Italiae saepius invidit, et hoc quoqae 
pestilenti vulnere inflicto sempiternam nobis odii sui memoriam reliquisse videatur." Paulus 
Jovius, „Historia sui temporis", Lutetiae 1558, T. I, p. 79 cit. nach Grüner, „Apbro- 
disiaciis", S. 125. 



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von diesem furchtbaren Uebel ergriiFen. — Was war natürlicher, als 
dass die Franzosen die neue Krankheit nach diesem Orte be- 
nannten. So entstand der Name „Mal de Naples*^ „morbus 
neapolitanus**, oder auch mit Ausdehnung auf das ganze Land 
„Morbus italicus", „Passip italica" u. s. w.^). 

Die Portugiesen bekamen die Syphilis zuerst aus Spanien 
bezw. Castilien. Kein Wunder, dass in Portugal der Hauptname der 
Krankheit „el mal de los castellanos" war, nach dem Zeugnisse 
des Diaz de Isla u. a. 2). 

Nach Polen wurde die Krankheit aus Deutschland eingeschleppt, 
daher sie bei den Polen „deutsche Krankheit" hiess^). 

Von den Polen empfing Russland die Syphilis*), und nannte 
sie folgerichtig die „polnische Krankheit** ^j. 

Im gesamten Orient führt die Syphilis den Namen „Franken- 
krankheit", d. h. es war die Krankheit, welche von den christlichen 
Europäern eingeschleppt wurde. Dies wird bei den Türken durch 
den Namen „Frenk Maresse"^, bei den Persern durch „Bedefrangi" 
ausgedrückt^). Die Perser nannten aber auch die Lustseuche die 
„Türkenkrankheit" und deuteten dadurch an, dass sie dieselbe durch 
Vermittelung der Türken von den Europäern empfangen hätten^). 

In Indien wurde die Syphilis ebenfalls „phirangaroga" (Fran- 
kenkrankheit) genannt. Die „Franken" sind hi«* die Portugiesen, 
welche am Ende des 15. Jahrhunderts nach Indien kamen und die 
Syphilis unter den Eingeborenen verbreiteten®). 



i) „Galli utique morbum Neapolitamim nominanint, quia eodem tempore dicunt 
ipsiuu morbum Neapoli in Galliam se in suo ipsorum reditu transtulisse/* Johanaes de 
Vi^o, „De Morbo Gallico Tractatus", Cap. i, in Luisinus I, fol. 449 u. v. a. 

2) Vgl. Montejo, „Procedencia Americana de las Bubas" in Congreso internacional 
de Americanistas, Madrid 1882, Bd. I, S. 409. 

3) Astruc a. a. O., Bd. I, S. 5. 

4) W. M. Richter, „Geschichte der Medizin in Russland**, Moskau 181 3, Bd. I, 
S. 256. 

5) Astruc, ibidem. 

6) F. W. Oppenheim, „Ueber den Zustand der Heilkunde und über die Volks- 
krankheiten in der europäischen und asiatischen Türkey'*, Hamburg 1833, S. 80. 

7) Garcia d*Orta, „Cologios dos simples e drc^^as he causas raedicinais da India", 
Goa 1563, Lib. I, Cap. 26. 

8) J. G. V, Hahn, „Variolarum antiquttates*', Breslau 1733, Praefatio. 

9) Vgl. Iwan Bloch, „Ein neuer Beitrag zur Frage der Akertumssjrphilis", Mo- 
natshefte f. prakt. Dermatologie* S Hamburg ü. Leipzig 1899, Bd. XXVIII, S. 629 — 632. 
— Die angeführte Stelle ist, wie Dr. E. Sieg ermittelt hat, ein Excerpt aas dem Bhava- 
prakSsa, einer ärztlidien Schrift des 16. Jahrhunderts. — Ausführlich handelt über dieses 
Wort „phirangaroga* ' (oder „phirangamaya**) Prof.J. Jolly in seiner Bearbeitung der indischen 



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Die Japaner nannten die von den Portugiesen eingeschleppte 
Krankheit „Nambaniassa", d.h. „portugiesische Krankheit" i). Für 
„Nambaniassa" findet sich auch das Wort „Nambakassa^* (Namba = 
Portugiese; kassa = Geschwür). Hiermit stimmt vollkommen über- 
ein, was neuerdings Tatsuhiko Okamura, ein japanischer Arzt, 
also der berufenste Beurteiler dieser Nomenclatur, über die Herkunft 
der Benennung der Syphilis in Japan berichtet In den Büchern 
„Dan-dok-ron'* von Hashimoto Hakuju (1811) und „Baisoo-sadan" 
von Funakoshi Keisuke (1843) wird eine alte geschichtliche Nach- 
richt mitgeteilt, nach welcher im 12. Jahre der Periode Yeiroku (1569 
n.Chr.) viele fremde Handelsschiffe (Portugiesen und Chinesen) in den 
Hafen Nagasaki kamen. Von diesen wurde die Syphilis in Nagasaki 
eingeschleppt und von da über das ganze Land verbreitet. Deshalb 
nannte man sie „Too-kasa" (Too = Fremde, kasa = Geschwür, Exan- 
them), „ein von den Fremden eingeschlepptes Geschwür" 2). 
Die Bezeichnung „Krankheit der Fremden*' ist auch in Japan immer 
die populärste geblieben, obgleich viele andere Namen aufkamen. Zu 
Kämpfers Zeit (17. Jahrhundert) war jedenfalls der Name „portu- 
giesische Krankheit" der einzig geläufige für die Syphilis. 

In seiner „Dissertatio de origine, appellatione, natura et cura- 
tione Morborum Venereorum inter Sinas" (Anhang zu Band I seines 
Werkes) führt Astruc als Hauptnamen „Kuang-tong-Tschuang" 
(= Kanton-Geschwür) für die Syphilis an und weist nach, dass dieser 
Name nach der Einschleppung der Syphilis in Kanton entstanden 
sei^). Okamura bestätigt dies auf Grund seiner Studien der chine- 
sischen Quellenwerke jener Zeit im Original. Danach giebt vor allem 
das Buch „Tsuk-i-shüt", welches Ü-pin (1550^—1660) verfasste, 
folgenden Aufschluss: „Zu Ende der Periode Wang-chi (Min -Dy- 
nastie) — nach europäischer Rechnung ca. 1488 — 1505 — wurde die 
Bevölkerung Chinas, namentlich die der nördlichen Provinz „Kwong- 
tung** (Kanton) von einer exanthematischen , bösartigen Krankheit 
befallen, welche bezüglich der Farbe des Exanthems eine Aehnlichkeit 
mit der Pflanze Yeung-mui (Myrica rubra) hat und daher auch so 
benannt wird: Yeung - mui - chong (chong = Geschwür, Ausschlag). 

Medizin für Bühl er s „Handbuch der indo-arischen Philologie", welche Abhandlung bisher 
nur im Manuskript vorliegt. Ich verdanke seiner Güte die Einsicht in diesen die Syphilis be- 
treffenden Teil des Manuskriptes. 

i) E. Kämpfer, „Geschichte und Beschreibung von Japan", herausgegeben von 
Chr. W. Dohrn. Lemgo 1772, Bd. I, S. 209. 

2) Tatsuhiko Okamura, „Zur Geschichte der Syphilis in China und Japan'* in: 
Monatshefte f. prakt. Dermatologie, Hamburg u. Leipzig 1899, ^^' XXVIII, Nr. 6, S. 302. 

3) Astruc a. a. O., Bd. I, S. DLVI-DLVII. 

Bloch, Der Urspnmg der Syphilis. •• 5 



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Weil die nördlichen Bewohner davon verschont wurden, benannte 
man das Uebel auch nach seinem ersten Ausgangspunkt 
Kwong-tung-chong (Geschwür, Ausschlag, welcher von 
Kwong-tung stammt). Die Einschleppung der Syphilis in Kanton 
soll im Jahre 1504 n. Chr. erfolgt sein" ^). 

Die Portugiesen brachten die Syphilis auch nach den Philip- 
pinen. Pigafetta bestätigt dies, noch beinahe als ein Augenzeuge. 
Er berichtet, dass die Eingeborenen die Krankheit „il mal di Portu- 
gal lo" nennen^). 

Da das nördliche Afrika die Lustseuche hauptsächlich von 
dem nahen Spanien her bekam, so hiess das Uebel bei den Bewoh- 
nern desselben „mal di Spagna", die spanische Krankheit. In Tunis, 
das mit Italien einen grösseren Verkehr unterhielt, hiess die Syphilis 
die „französische Krankheit", nach der Bezeichnung der Italiener^. 
In Tahiti nannten die Eingeborenen die Syphilis „apone pretane", 
d. h. „englische Krankheit", um dadurch die Einschleppung durch die 
Engländer auszudrücken^). 

Ist es möglich, aus dieser eigentümlichen Art der Benennung 
der Syphilis in den verschiedensten Ländern einen anderen Schluss 
zu ziehen als den, dass es sich hier um eine gänzlich neue und 
unbekannte Krankheit handelt, die überall in der alten Welt frisch 
eingeschleppt wird und überall den Xamen des sie importierenden 
Volkes bekommt? Wie man dies auf andere Weise erklären kann, 
vermag ich nicht einzusehen. Und man hat eine solche Erklärung 
auch gar nicht versucht. Man konstatiert einfach, wie z. B. Proksch 
(a. a. O. Bd. II, S. 150), die Thatsache und geht mit Stillschweigen 
über sie hinweg. 'Möglich wäre eine solche Bezeichnung nach dem 
Vaterlande, wenn man die uralte Existenz der Syphilis voraussetzt, 
allenfalls bei ein oder zwei Völkern, unmöglich ist sie bei so vielen 
und so zahlreichen Völkern, die alle innerhalb so kurzer Zeit diese 
Art der Namengebung wählen. 

Man benannte sogar in jener Zeit des ersten Auftretens der 
wSyphilis die Krankheit nach einzelnen Städten. 

In einem bestimmten Teile Englands, nämlich in Bristol, wurde 
die Syphilis als „Morbus Burdigalensis" bezeichnet, weil sie im Jahre 

i) Okamura a. a. O., S. 298. 

2) Pigafetta bei Giov. Battista Ramiisio in dem „Primo volume, et quarta 
editione delle navigationi et viaggi", Venedig 1588, S. 368 F. 

3) Giov. Leone Africano, „Della dtscrittione dell' Africa", Prima Parte bei 
Ramusio a. a. O., S. 10 D. 

4) B. Collombs „medizinisch - chirurgische Werke", übersetzt von W. Harcke, 
Braunschweig 1800, Bd. II, S. 507. 



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1498 von Bordeaux dort eingeschleppt worden war. Die Krankheit 
konnte eben zweckmässiger nicht anders bezeichnet werden als die 
„Seuche von Bordeaux*' i). 

In Frankreich gab es für die Syphilis die Namen „Mal de 
Nyort"^) von der Stadt gleichen Namens, ferner „Mal du Carrefour 
de Poitiers"^) und endlich als bekannteste Bezeichnung „Gorre de 
Rouen". Letzterer Name wird in dem „Triumphe de haulte et puis- 
sante Dame Verolle'* folgendermassen erklärt: 

Sur toutes villes de Renom 
Ou Ion tient damour bonne guyse, 
Midieux Rouen porte le nom, 
De veroller marchandise. 
La fine fleur de paillardise 
On la doibt nommer meshouen 
Au puy d'amours prens ma divise 
Je suis la gorre de Rouen.*) 

Diese Bezeichnungen der Syphilis nach einzelnen Städten wur- 
den nämlich in der Zeit des ersten Auftretens der Krankheit gebildet. 
Es ist mir nicht gelungen, diese Namen in den Schriften vor 1495 
aufzufinden. Auch hier ist die Erklärung dieser Benennungen eine 
sehr einfache und eindeutige. Jene Städte waren Sitze besonders 
heftiger und ausgebreiteter Syphilis-Endemien, und es waren wohl 
vor allem die Bewohner der näheren ländlichen Umgebungen, welche 
die unbekannte, neue Krankheit nach dem Herde, von dem aus sie 

dieselbe empfingen, benannten. 

* * 

* 

Indem die Aerzte bei dem ersten Auftreten der Lustseuche vor 
der Aufgabe standen, der ihnen gänzlich unbekannten Krankheit 
einen Namen zu geben, war es ganz natürlich, dass sie für den sie 
so überraschenden Symptomenkomplex ältere Analogien suchten. 
Es ist aber ein grober Irrtum und widerspricht aller historischen 
Kritik, wenn man aus diesen Vergleichungen mit alten Krankheits- 
formen und Krankheitssymptomen und den darauf sich beziehenden 
Namen nun auf direkte Identität der Syphilis mit jenen oder gar 
auf die wirkliche Existenz der Lustseuche in früheren Perioden 
schliessen will. Dass manche Aehnlichkeiten der neuen Krankheit 
mit alten, schon bekannten, den Aerzten in die Augen fielen, ist 
nicht weiter verwunderlich. Das ist ja noch heute der Fall. 

i) Simon a. a. O., Bd. II, S. 53. 

2) „Le Triumphe de haulte et puissante Dame Verolle etc.**, S. LXXXV. 

3) ibidem. 

4) ibidem, S. XLIII. Ein altes Sprichwort lautet: „Grotte de Paris et v6role de 

Rouen ne s'en vont qu'avec la piece". (ibid. Index, S. CL.) 

5* 



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Dies musste die Namengebung beeinflussen. Paracelsus hat diese 
eigentümliche Ursache der verschiedenen Benennungen der Syphilis 
ganz richtig erkannt. Er sagt: „Nun aber von Frantzosen, sind 
mancherley Namen eingefallen: Dann sie haben mancherley 
kranckheiten gleichgesehen, vnd hat inen doch derselbigen 
Namen keiner zugehöret, vnd allein von den unwissenden Arztzen 
also geben worden, als Mentagra, Pustulae vnd etliche Furfures u.s.w."^). 
Wichtiger aber noch ist, dciss die Epoche der Renaissance zu 
einer Antikisierung aller Lebensverhältnisse neigte. Hierüber 
hat Burckhardt vortrefflich gehandelt*). Die Sucht, alle möglichen 
Dinge mit antiken Namen zu belegen, aus dem Altertum zu erklären, 
auf antike Verhältnisse zu beziehen, war weit verbreitet. Dies fällt 
z. B. besonders in den Berichten der Conquistadoren auf. Wir be- 
gegnen hier auf Schritt und Tritt jenem „Hang zum Wunderbaren" 
und dem „Verlangen, die Beschreibung der Neuen Welt hie und da 
mit einem Zuge aus dem klassischen Altertum aufzuputzen**, von dem 
Alexander von Humboldt spricht^. Er bemerkt weiter: „Liest 
man die Schriften des Vespucci, Ferdinand Kolumbus, Geraldini, 
Oviedo, Peter Martyr von Anghiera, so begegnet man überall der 
Neigung der Schriftsteller des i6. Jahrhunderts, bei neu entdeckten 
Völkern alles wiederzufinden, was uns die Griechen vom ersten Zeit- 
alter der Welt und von den Sitten der barbarischen Skythen und 
Afrikaner erzählen". Wenn Humboldt dann sagt, dass heutzutage 
zum „Gegenstand ernster Erörterungen" geworden sei, was damals 
nur „Stilblume und Geistesergötzlichkeit" war, denkt man da nicht un- 
willkürlich an den gegenwärtigen vStand der Forschung über die 
älteste Geschichte der Syphilis? Für jedes Problem suchte man die 
Lösung nur im Altertum. So artete zuletzt die wissenschaftliche 
Litteratur zu einem grossen Teil in blosse Citaten-Sucht aus, wobei 
natürlich der Fälschung Thür und Thor geöffnet wurde. Pico della 
Mirandola war nach Burckhardt (a. a. O., I, 225) der Einzige, 
welcher „laut und mit Nachdruck die Wissenschaft und Wahrheit 
aller Zeiten gegen das einseitige Hervorheben des klassischen Alter- 
tums verfochten hat". Als nun die Syphilis, eine neue, wunderbare 
Krankheit, auftrat, da war es dem Sinne der Zeit gemäss, auch für 



i) J. K. Proksch, „Paracelsus über die venerischen Krankheiten und die Hydrar- 
gyrose", Wien 1882, S. 13. 

2) J. Burckhardt a. a. O., Bd. I, S. 225, 227, 266, 268—269, 293, 298. 

3) A. V. Humboldt, „Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents", 
Deutsch von H. Hauff, Stuttgart o. J., Bd. IH, S. 289. 



- 69 - 

ihre Erklärung und Bekämpfung alles Heil vom Altertum zu er- 
warten. Höchster Scharfsinn, subtilste Scholastik wurden aufgeboten, 
um Analogien zwischen dem novus morbus und den von den Alten 
beschriebenen Krankheiten zu konstruieren. Gierig wurden die alten 
Schriften durchstöbert, die Worte verdreht und gedeutelt, die Symp- 
tome künstlich zurechtgelegt^), bis schliesslich sich die Syphilis 
in alle möglichen anderen Krankheiten auflöste. 

Auf diese letztere Thatsache ist vorzüglich grosses Gewicht zu 
legen. Wenn man nämlich die Syphilis mit einer einzigen, allen- 
falls auch zwei Krankheiten früherer Zeit identifiziert hätte, dann 
könnte man einen Augenblick zu einer ernsthaften Untersuchung 
dieser Identität geneigt sein, wenn aber nun plötzlich zahlreiche 
verschiedene Krankheiten als Syphilis vorgeführt werden, die unter 
einander die grössten Differenzen zeigen, dann weiss man, was von 
der Sache zu halten ist. Es handelt sich eben bei jenen Schrift- 
stellern um ein blosses Spiel mit Worten und Symptomen, um ein 
leidiges und abstossendes Prunken mit gelehrten Kenntnissen, die die 
thatsächliche Ignoranz verdecken sollen. Leoniceno (1497) schildert 
dies treffend, indem er erklärt: „Aehnliches geschah auch in unserer 
Zeit. Denn eine Krankheit unbekannter Natur suchte Italien und 
viele andere Länder heim . . . Die Aerzte unserer Zeit haben ihr 
aber noch nicht den richtigen Namen beigelegt. Sie heisst beim 
Volke „Malum Gallicum", sei es, dass sie von den Franzosen nach 
Italien eingeschleppt wurde, sei es, dass zu derselben Zeit die Krank- 
heit und die Franzosen in Italien sich zeigten. Auch fehlten die 
nicht, welche da glaubten, dass die Krankheit mit der Ele- 
phantiasis der Alten identisch sei, andere hielten sie für 
die antiken „Lichenes**, andere für Asaphati, für Anthrax, 
Carbunkel, Persisches oder heiliges Feuer. Diese Viel- 
deutigkeit der Namen und die Verschiedenheit der An- 
sichten über die Krankheit erweckte bei vielen den Argwohn, dass 
es sich um eine neue, den Alten ganz unbekannte Krank- 
heit handle, die daher weder von griechischen noch arabischen 



I) Am schärfsten hat wohl John Freind diese Wortkünstc der alten Syphilo- 
graphen gegeisselt. Er sagt: „Et exempla hie abundant, quemadmodum Antiquorum verba 
ad praesentem usum torqueri et perverti possunt, ut ita praejudicatam aliquis defendat opi- 
nionem: nam in disputando ii disjecta ac divulsa Auctorum verba in medium proferebant, 
aliud ab alio Libro excerpebant symptoma, quoad denium ejusmodi Morbum ipsi effinxissent, 
cujus simile nunquam visum esset a Veteribus." Joannis Freind opera omnia medica 
ed. altera. Paris 1735, S. 318, 



- 70 — 

Aerzten in irgend einer der verschiedenen Krankheitsklassen unter- 
gebracht worden sei"^). 

Sehen wir uns nur einige besonders interessante alte Krank- 
heitsnamen an, welche auf die neue Seuche übertragen wurden. Das 
wird in kritischer Hinsicht genügen, da es überflüssig ist, an dieser 
Stelle die sämtlichen Benennungen zu prüfen. 

Francisco Lopez de Villalobos bemerkt, dass ein gelehrter 
Arzt behauptet habe, dass die Syphilis mit dem Saphati identisch 
sei, den Avicenna in seinem vierten Buche beschrieben habe. Dies 
beweise er folgendermassen. Man finde nämlich bei dem neuen 
Uebel wie beim Saphati dieselbe sehr zähe, dunkle und „verbrannte" 
Flüssigkeit, deren Mischung mit dem salzigen Phlegma auf der Haut 
sehr grosse Pusteln hervorruf e 2). 

„Saphati" (Sahafati, Sahafat, Assaphati etc.) ist eine Verderbnis 
aus dem arabischen Worte al safa (eigentlich das „Näpfchen", der 
„Kelch"), welches als ein bestimmtes Krankheitssymptom im Kanon 
des Avicenna vorkommt. Es heisst dort: „Sahafati est de summa 
bothor ulcerosarum .... Et quidem incipiens est bothor pruritum 
faciens . . . deinde exulcerantur ulceribus crustosis, et sunt ad rube- 



lt „Simile quoddam nostxo hoc aevo accidit, jam cnim insolitae naturae morbus 
Italiam, et multas alias regiones invasit . . . Huic tarnen morbo nondum nostri temporis 
medici verum nomen imposuere, sed vulgato nomine Malum Gallicum vocant, quasi ejus 
origo a Gallis in Italiam importata, aut eodem tempore et morbo ipso, et Gallorum armis 
Italia infestata. Non defuere quidem, qui eundem cum illo putarint, quem prisci elephan- 
tiam nominarunt, sicuti aiii morbum Gallicum esse antiquLs lichenas, alii asaphati, alii pru- 
nam, sive carbonem, alii ignem Persicum, sive sacrum existimarunl. Quae quidem anibi- 
guitas nominum, et de re ipsa quoque dissensio, multos suspicari fecit, novam hanc esse 
luem, nunquam a veteribus visam, atque ideo a nullo medico vel Graeco vel Arabe inter 
alia morborum genera tactam." Nicolai Leoniceni de Epidemia quam Itali morbum 
Gallicum, Galli vero Neapolitanum vocant Libellus in: Luisinus I, fol. 17. 

2) „Pone la opinion de un dotor cerca el ser y nombra 

destas postillas. 

Un sabio dotor que en aquesto hablo 

Dixo estas postillas ser el sahfati 

De quien avicena enel quarto escriuio 

La causa que aquesto dezir le raouio 

Y sus persuasiones mortrasan aqui 

£1 dize que aquel sahfati ya nombrado 

Conviene con estas en un mismo humor 

Porques melanconico adusto quemado 

Muy gruesso y mezclado con flema salado 

Que haze enel cuero tan gruesso botor." 
Francisco Lopez de Villalobos, „Sur les contagieuses et maudites Bubas etc.", Sala- 
manca 1498, 6d. E. Lanquetin, Paris 1890, S. 48. 



71 



dinem declives. Quandoque etiam emittit virus" ^). Der „S^^-phati" ist 
also eine Art der Bothor. Bothor („bodsar", „bodsür") ist Knötchen, 
Bläschen, Pustel, an verschiedenen Teilen des Körpers (Aphthen im 
Munde, Gesichtsfinnen, Blattern u. s. w.)^). „Saphati" hat nach 
Lanquetin seinen Namen entweder von der runden Form der Pusteln 
oder von der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit^). Kraus nennt ihn eine 
„zusammenhängende Masse fleischiger Pusteln im Gesicht und am 
Halse"*). Man wird nicht fehlgehen, wenn man einen Teil des Sa- 
phati als das griechische äxcoQy äxcogeg anspricht, deis sogenannte 
„Kerion Celsi", jenen Kopfausschlag mit honigartiger Absonderung. 
Auch die Impetigo contagiosa wird unter „Saphati" zu verstehen 
sein. Beides sind exquisit nichtsyphilitische Affektionen, die aber, 
oberflächlich betrachtet, grosse Aehnlichkeit mit gewissen syphili- 
tischen Exanthemen darbieten. Man muss bedenken, dass die der- 
matologischen Beschreibungen der arabischen Aerzte sich durch die 
grösste Undeutlichkeit und Verschwommenheit auszeichnen. Man 
konnte nach Gutdünken diese oder jene Affektion herauslesen und 
mit Leichtigkeit sie auf irgend eine Erscheinung der neuen Krank- 
heit beziehen. Sprengel hält den Saphati für die Framboesia der 
Tropen. „Weil diese Pusteln den Pocken äusserst ähnlich und die 
Lustseuche des fünfzehnten Jahrhunderts sich in dieser Gestalt zeigte: 
so nannte man die letztere die grosse Pocke: la grande veröle und 
Saphati" ^). 

So viel steht fest, dass Saphati ein rein lokales, nur auf Ge- 
sicht und behaarten Kopf beschränktes Hautübel war, wie Bar- 
tholomeus Steber (1497) ausdrücklich angiebt^). Nach Heinrich 



i) „Kanon" des Avicenna, Lib. IV, Summa VII, Tract. III, Cap. i, Ausg. 
Venedig 1584, Fol. 514 A. 

2) L, A. Kraus, „Kritisch-etymologisches medicinisches Lexikon", Götlingeu 1844, 
S. 168. — Lanquetin bemerkt über dies vieldeutige Wort: „Botor, quo je traduis par 
pustule, est un mot ind^clinable que les Espagnols ont emprunte ä la langue arabe et 
sur Ic sens duquel on est peu d'accord. Ce mot a servi ä d^nommer toutes les formes 
possibles des affections cutan6es; pour certains auteurs, Botor etait une v^sicule, une croütc, 
une tache; pour d'autres, une tumeur, un absces, une pustule, une papule etc.*' Rhazcs 
definiert Bothor als Tumor, Avicenna als Pustel, a. a. O., S. 130. 

3) Lanquetin a. a. O., S. 127. 

4) Kraus a. a. O., S. 910. 

5) Th. Bateman, „Praktische Darstellung der Hautkrankheiten" mit Anmerkungen 
von K. Sprengel, Halle 18 15, S. 453 — 454. 

6) „Nihil denique est, quod saphati hunc morbum nos cogeret appellare, cum vo- 
lentibus una sententia omnibus medicis, tantum faciem et caput saphati occupare". Fuchs 
a. a. O., S. 118. „Ausserdem bemerkt Avicenna (a. a. O.): Et multoties appaiet in hyeme." 
Seit wann kommt die Syphilis häufiger im Winter als im Sommer vor? 



— 72 — 

von Mondeville^) bezeichnet das Wort „saffati" Kopfgeschwüre. 
Da es sich bei der Syphilis gerade im Gegenteil um eine konstitutio- 
nelle Erkrankung handelt, bei der neben Haut- und Gesichtsaffektionen 
auch innere Erkrankungen vorkommen, so berechtigt gar nichts zu 
der Vermutung, dass der Saphati etwas mit Syphilis zu thun habe. 
Wer der „sabio dotor** gewesen ist, der zuerst die S)rphilis mit 
dem Sapbati in Verbindung brachte, ist nicht mehr nachzuweisen. 
Jedenfalls ist dies sehr früh geschehen. Denn schon Nicolaus 
Scyllatius bemerkt in einem im Juni 1494 in Barcelona geschrie- 
benen Briefe, der uns später ausführlich beschäftigen wird, dass er 
zuerst geglaubt habe, es handle sich bei der neuen Krankheit um 
den Saphati 2). 

Astruc erwähnt als eine von ihm nicht gesehene Schrift des 
Spaniers Johannes de Fogueda Abhandlung „De Pustulis, quae 
Saaphati nominantur", ohne die Abfassungszeit derselben anzugeben 3). 
Proksch führt dieselbe an, mit der mit einem Fragezeichen ver- 
sehenen Zahl 1570^). Hensler hat aber Recht, wenn er sagt, dass 
man schon aus dem blossen Titel dieser Schrift schliessen kann, sie 
sei sehr früh geschrieben worden. „Wer würde später die Seuche 
noch Saaphati nennen?" Auch Hensler hat diesen Tractat des 
Fogueda nicht gesehen^). Auch mir ist es trotz eifriger Nach- 
forschungen nicht gelungen, dieser Schrift habhaft zu werden, doch 
habe ich wenigstens einen historisch merkwürdigen Besitzer der- 
selben ermittelt, wodurch zugleich auf die Abfassungszeit einiges Licht 
fällt. Ferdinand Columbus, der Sohn des Christoph Columbus, 
hatte nämlich ein Exemplar derselben in seiner berühmten Bibliothek. 
In dem Verzeichnis dieser letzteren, welches Gallard o giebt^), 
wird unter Nr. 4166 aufgeführt: „Tractatus de pustulis, quae saphati 
nominantur a Joanne de Fogeda compositus. Dividitur totum opus 
in Septem cap. In principio habetur autoris Episcolium. 4^. Costo 



i) „Die Chirurgie des Heinrich von Mondeville" zum ersten Maie heraus- 
gegeben von J. L. Pagel, Berlin, 1892, Tract. III, Doctr. I, Cap. 3, S. 370: „etsi isla 
eadem vena (sc. frontis) in summo vertice capitis minuelur, confert ulceribus capitis 
saffati (sahafati).*' 

2) „Credidi ego primum tumorem ilhim ulcerosum Avicenae fuisse Sahafati." Citiert 
nach Haeser, „Historisch-patholc^sche Untersuchungen*', Bd. I, S. 227. 

3) Astruc II, 1132. 

4) J. K. Proksch, „Die Litteratur über die venerischen Krankheiten u. s. w.", 
Bonn 1889, Bd. I, S. 19. 

5) Ph. G. Hensler, „Geschichte der Lustseuche", S. 114 — 115. 

6) Bartolome Jos6 Gallardo, „Ensayo de una biblioteca espanola de libros 
raros y curiosos", Madrid 1866, Bd. II, Spalte 514 — 557 (unsere Schrift Sp. 555). 



— /3 — 

en Sevilla, por Junio, ailo de 1527, 10 mrs. (= maravedisV'. Wenn 
also Ferdinand Columbus dieses Werk im Juni 1527 für 10 Ma- 
ravedis kaufte, so werden wir nicht fehlgehen, die Abfassungszeit 
der Schrift gegen den Anfang des 16. bezw. das Ende des 15. Jahr- 
hunderts anzunehmen. Denn die Hypothese der Identität der Syphilis 
mit dem Saphati spielte besonders im Anfange der Diskussion über 
das Wesen der Syphilis eine Rolle, wie aus der Schrift des Villa- 
lobos hervorgeht. Die einzige und letzte ausser der des Fogueda 
uns bekannte Schrift, in welcher die Syphilis geradezu als Saphati 
auf dem Titel bezeichnet wird, die des Julianus Tanus, ist um 15 10 
geschrieben^). Was Simon über diese Schrift sagt: „viel theore- 
tisches Gerede über Ursprung und Wesen der Krankheit"*), das gilt 
von der ganzen Erörterung über das Verhältnis der Lustseuche zum 
Saphati. Gerade in diesen langatmigen theoretisch-scholas- 
tischen Diskussionen über die Natur der Syphilis kann man 
deutlich den Eindruck erkennen, den die Neuheit der Krankheit 
machte. Ernsthafte Widerlegung dieser Ansicht erscheint mir über- 
flüssig. Denn wo finden wir bei Avicenna irgendwo die Andeu- 
tung, dass der Saphati etwas mit den Genitalorganen, mit geschlecht- 
licher Infektion, mit einer aus solcher hervorgehenden Erkrankung 
zu thun habe? 

Schon die frühesten Syphilographen haben die ganze ab- 
schreckende Oede dieser fast allein auf humoralpathologische Erwä- 
gungen gegründeten Betrachtung empfunden. Villalobos (1498) 
bittet den „gelehrten Doktor" um Verzeihung, dass er trotz dessen 
profunder Gelehrsamkeit daran zweifeln müsse, dass die beiden Krank- 
heiten identisch seien. Denn sie hätten auch nicht die geringste 
Aehnlichkeit mit einander. Natur, Form, Sitz, Farbe der Pusteln 
seien verschieden, sogar die Therapie sei eine andere. Der Saphati 
sei nicht das Resultat einer Contagion. Er habe eine ganz beson- 
dere Erscheinungsweise, die grundverschieden sei von derjenigen der 
Syphilis. Denn diese beginne an den Geschlechtsorganen und 
rufe in allen Gelenken heftige Schmerzen hervor, was Beides beim 
Saphati fehle. Bei diesem sässen die Eiterkrusten am allerhäufigsten 
nur im Gesicht und auf dem Kopfe, bei dem „neuen Uebel" sässen 
sie überall, oben und unten, und zwar in ungeheurer Zahl. Auch 



1) „De Saphati Julian! Tani Pratensis Liber ad Leonem X. Pontificem Maxi- 
mum", abgedruckt bei CG. Grüner, „De Morbo Gallico Scriptores, Jena 1793, S. 4 — 233. 
Besonders auf S. 28 beweist Tanus die Identität der Syphilis mit Saphati. 

2) Simon a. a. O., Bd. II, S. 44. 



— 74 — 

die Farbe beider AfFektionen sei eine verschiedene. Die Pusteln 
des Saphati seien rot, die anderen böten alle Farbennuancen von 
Weiss, Rot, Gelb, Grün, Schwarz, bis zu Asch- oder Bleigrau dar. 
Wenn also der Saphati mit den Bubas (Syphilis) identisch sei, dann 
habe Avicenna ihn sehr schlecht beschrieben, da sowohl die 
Schmerzen als die Gelenkaffektionen, die harten und schmerzhaften 
Tumoren, die Ulcerationen der Tibia bei ihm vollkommen fehlen, 
und was das AUerwichtigste sei: 

Ni puso hazer su comienvo priroero 
Nel sexo viril o encl ques de muger'). 

Auch Antonius Scanarolus, ein Schüler des Leonicenus 
erklärte sich schon 1498 gegen die Identität des Saphati und der 
Syphilis*), desgleichen Wendelin Hock von Brackenau (1502)^), 
Juan Almenar (1502)*), Fracastoro*), Brassavolus**), Fallopia'), 
Laurent*) und Calvo'-*) noch in späterer Zeit. 

Genau dieselbe Betrachtung lässt sich auf alle übrigen Bezeich- 
nungen der Syphilis nach alten, schon bekannten oder auch wieder 
in Vergessenheit geratenen Krankheiten anwenden, so dsiss ich mich 
bei der Aufzählung nur der wichtigsten derselben kürzer fassen kann. 

Ebenfalls in der Bibliothek des Ferdinand Columbus befand 
sich ein äusserst seltenes Werk, das bei Astruc, Girtanner und 
Proksch fehlt, dessen Titel lautet: „Opera che tracta de lo male 
chiamata sacrum ignem seu mal francese, composta por Zouane 
Andre, venetiano, en prosa toscana. Impr. Neapole, per Cola Märze, 
3 0**10) Dieses interessante italienische Original werk stammt 
ebenfalls aus sehr früher Zeit. Denn Ferd. Columbus kaufte es in 
Viterbo im Oktober 1515II). 

Die Identifizierung der Syphilis mit dem „Ignis sacer" oder 
St. Antonius-Feuer oder „Ignis Persicus" (Nar Farsi) geschah 
auch gleich beim ersten Auftreten der Syphilis. Die oben genannte 



i) Villalobos a. a. O., S. 50 — 58. 

2) Astruc II, 575. 

3) ibid. II, 593. 

4) ibid., S. 615. 

5) ibid., S. 644. 

6) ibid., S. 720. 

7) ibid., S. 747. 

8) ibid.. S. 822. 

9) ibid., S. 829. 

10) Gallardo a. a. O., Sp. 519 unter Nr. 2242. 

11) „Costö en Viterbo medio cuatrin, por Octubre de 15 15." 



— 75 - 

Schrift scheint allerdings die einzige zu sein, welche sogar auf dem 
Titel diese Ansicht ausspricht. Die übrigen Schriftsteller, welche 
dieser Hypothese das Wort redeten, erwähnen dieselbe beiläufig im 
Texte. So Conradinus Gilinus in seinem „Opusculum de Morbo 
Gallico" (1497). Er hält zwar die Syphilis für einen „morbum apud 
Modernos incognitum", zweifelt nicht an der Neuheit der Krankheit, 
glaubt aber, sie ihrem Wesen nach unter das Kapitel „Ignis Persi- 
cus" oder „Ignis sacer" bringen zu müssen. Dagegen widerlegt er 
diejenigen, welche die Syphilis mit dem Aussatz identifizieren*). 

C. H. Fuchs hat ein noch vor 1498 geschriebenes Gebet des 
Hermann von dem Busche von Sassendorf (1468- 1534 Rektor 
zu Wesel) veröffentlicht, welches an den heil. Antonius gerichtet ist 
und die Syphilis als „morbus sacer" erwähnt 2). 

Marinus Brocardus (um 1500) erwähnt, dass viele Schrift- 
steller die Syphilis mit dem Ignis Persicus identifizieren ^). 

Wie eine solche Vergleichung überhaupt aufkommen konnte, 
muss nach allem, was wir über das „heilige Feuer" wissen, wunderbar 
erscheinen. Es ist durch die Untersuchungen der hervorragendsten 
Epidemiologen, eines Read, C. H. Fuchs, Th. O. Heusinger, E. 
Marchand, Haeser, Hirsch u. a. längst festgestellt, dass die mit 
den Namen „Ignis sacer'*, „Feu sacre", „Arsura", „Mal des ardens", 
„Clades sive pestis igniaria", „Ignis Sancti Antonii", „Sancti Martialis", 
„Beatae virginis", „Ignis invisibilis" oder „infernalis", „Ignis Persicus** 
• (NarFarsi), „heiliges Feuer", „Carbo", „Pruna" bezeichneten Epidemien 
des Mittelalters, welche besonders Frankreich heimsuchten, Erkran- 
kungen an Ergotismus (Mutterkornvergiftung) darstellen, welche sich 
hauptsächlich durch Gangrän der Extremitäten auszeichneten^). Der 
Ausdruck „Feuer" und „Brennen" (Arsura) wurde von den Chronisten 
des Mittelalters in einem spezielleren Sinne auf diese mit „Brand" 
der Extremitäten einhergehenden Epidemien angewendet, als dies bei 
den Aerzten des Altertums der Fall gewesen ist, welche überhaupt 
verschiedenartige, durch lebhaftes Brennen und brandige Zer- 
störungen der Haut ausgezeichnete Krankheiten mit dem Namen 
„Ignis sacer" bezeichneten, wie das Erysipel, den Herpes Zoster, 
den Milzbrand-Karbunkel u. a. m. Aus dem Kapitel „De sacro 



1) Astruc II. 555. 

2) Fuchs a. a. O., S. 311, „Dilue pesüferas lustrali lampade flammas, Quam geris, 
et morbi tolle venena sacri". 

3) Luisinus II, 965. 

4) Vgl. H. Haeser, „Lehrbuch der Geschichte der Medizin und der epidemischen 
Krankheiten", Jena 1882, Bd. III, S. 89—92; A. Hirsch a. a. O., Bd, II, S. 140 ff. 



-- 76 - 

igne" bei Celsus (Lib. V, Cap. XXVIII, 4) ergiebt sich ohne weiteres, 
dass es sich hier nur um die eben erwähnten Krankheiten handeln 
kann, da deutlich eine unter heftiger Entzündung und brennenden 
Schmerzen verlaufende, ganz umschriebene karbunkelartige Haut- 
erkrankung beschrieben wird, ohne jede Beziehung zu den Ge- 
schlechtsteilen oder irgend einer Infektion. 

Schon 1497 hat Bartholomaeus Steber in seiner Schrift „A 
Mala Franczos, Morbo Gallorum, Praeservatio ac Cura" ausführlich 
nachgewiesen, dass die Syphilis mit allen diesen brandigen Erkran- 
kungen nichts zu thun habe. Sie sei weder „phlegmon", noch „heri- 
sipila", noch „ignis persicus", noch „gangraena", noch „anthrax*'. Nur 
ein ganz leichtfertiger Mensch könne die Syphilis mit dem „per- 
sischen Feuer" identifizieren. Denn sie besitze weder das verzehrende 
F'euer desselben, noch werfe sie Blasen auf (Erysipelas bullo- 
sum!), noch hinterlasse sie vom Brande schwarze Stellen (Ery- 
sipelas gangraenosum) wie jenes ^). Ebenso könne niemand, „nisi 
mentis inops**, die Syphilis mit der Gangrän und mit dem Anthrax 
vergleichen. Trotzdem hat es noch in unserer Zeit einen solchen 
„mentis inops" gegeben, der den Versuch wiederholte, aus dem „hei- 
ligen Feuer" die Syphilis herauszuschnüffeln. Das thut nämlich 
Dr. F. Buret in seinem Buche „Le Gros Mal du Moyen-Age et la 
Syphilis actuelle" (Paris 1894, S. 125 — 140). Dr. H. F. A. Peypers 
hat ihn indessen schon gründlich widerlegt'^) und darauf verwiesen, 
dass Dr. Buret die deutschen Schriften über das Antoniusfeuer über- 
haupt nicht berücksichtigt hat, aus deren Studium sich ihm von selbst 
die Unhaltbarkeit seiner Ansicht ergeben hätte. Wenn Buret eine 
Stelle aus einem alten Manuskript, dessen Datum er leider nicht an- 
giebt, anführt, in dem es heisst, dass Gott die Paederasten oft mit 
dem „ignis infernus" vel „sancti antonii" an den Genitalien bestraft, 
so ist das einfach eine Gangrän des Penis, die mit der Syphilis 
nicht das Mindeste zu thun hat, und von der ich recht gern zugeben 
will, dass sie Folge eines weichen Schankers gewesen ist-"^). In ähn- 

1) „Ignem pcrsicum, quem et sacrum ignem, carbonem, prunam medi- 
corum coetus nominat, nemo, uisi temere, hunc morbum esse dicel, si peritissimorum salteni 
medicorum signa perspexerit. Non enim comestivus est, non ebulliens, nee virus in ca 
ad nigrorem accedit. Ignis enim persici natura est, carni se immergere, in quam se abs- 
condens camem perinde, ut cauterium, consumit, unde locus redditur niger, plurabcus." 
Fuchs a. a. O., S. 117. 

2) H. F. A. Peypers, „Lues medii aevi", Amsterdam 1895, S. 35 — 39. 

3) Gangrän infolge von Erysipelas wird gerade besonders am Penis und Scrotum 
beobachtet Vgl. M. Kaposi, „Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten", 4. Aufl., 
Wien 1893, S. 401. 






— 77 — 

lieber Weise kann das „Feuer", d. h. Gangrän, heftige inflamma- 
torische, erysipelatöse Entzündung alle übrigen Körperteile befallen. 
Gar nicht selten kommt Erysipelas auf der Schleimhaut des Mundes, 
des Rachens, der Nase, der Genitalien, am Gesäss u. s. w. vor. Es giebt 
eine erysipelatöse Entzündung der Vagina, des Uterus und des Peri- 
toneums ^). Die „mulier habens in naso et labiis ignem sacrum", welche 
Buret citiert (a. a. O., S. 1 36), hatte einfach ein typisches Gesichtserysipel. 

Auch der Liehen der Alten (verschiedene Formen des Eczems, 
Herpes tonsurans) wurde herbeigeholt, um die Syphilis zu erklären. 
Der Florentiner Petrus Crinitus, ein Augenzeuge des ersten Auf- 
tretens der S3^philis in Italien, erzählt darüber eine Anekdote, die 
recht deutlich das lächerliche theoretische Gezanke über die Natur 
der neuen Krankheit illustriert. „Mich brachten neulich", berichtet 
er, „einige Aerzte in der florentinischen Akademie zum Lachen, die 
bei der Unterhaltung über die „Lichenes" und die „Elephantenkrank- 
heit** oder „Elephantiasis" in sehr unerfahrener und läppischer 
Weise sich über die Namen und die Wirkung dieser Krankheiten 
äusserten. Unter anderen nämlich hielten sie fälschlich die 
Lichenes für jene Krankheit, welche im Volksmunde die 
französische heisst, bei der doch das Contagium selbst, die 
Schmerzen und sehr vieles andere vollkommen andersartig 
sind"*^). — Auch Leonhard Fuchs bezeichnet es als einen „schänd- 
lichen Irrtum", dass die Syphilis mit dem Liehen identisch sei 3). 

Als eine besondere Art der „lichenes" wurde von den Alten 
(Plinius und Galen) das epidemisch auftretende „Mentagra" (Kinn- 
flechte), unzweifelhaft ein Herpes tonsurans, beschrieben. Diese 
verschollene Krankheit war den um einen Namen für die Syphilis 
verlegenen Aerzten und gelehrten Laien ein willkommener Gegen- 
stand der Vergleichung. So taucht sie denn gleich zu Anfang der 
Syphilisepidemie als veritable Lustseuche auf, die man schlankweg als 
„Mentagra" oder auch „Mentagora" bezeichnete. Besonders für die 



i) Kaposi a. a. O., vS. 405. 

2) „Risum nuper mihi moverunt medici quidem in academia Floren tina, qui cum de 
lichenis et elephante nporbo seu elephantiasi loquerentur, imperite simul et inepte de his 
eommque nominibus et potestate disseruerunt. Inter alia enim lichenes pro eo morbo falsp 
accipiebant, quem vulgo gallicum vocitant, in quo contagio ipsa doloresque et alia permulta 
maxime dissimilia sunt." Petri Criniti, „De honesta disciplina", Lib. XX, cap. 10, bei 
Grüner, „Aphrodisiacus", S. 119. 

3) „Monstremus, quam turpiter errent, qui morbum Gallicum vocatum .eundem 
cum lichene putent. Novus cum sit morbus is, quem hodie Gallicum aut NeapoH- 
tamim nominant, fieri non potest, ut liehen dicatur." Grüner a. a. O., S. 138. 



- 78 - 

im Plinius und Galen belesenen Humanisten stand die Identität 
beider Krankheiten fest. Grunpeck erwähnt schon 1496 den Namen 
„Mentagora" für die Syphilis^), und Jak. Wimpheling betitelte seine 
1499 verfasste Vorrede zu Konrad Schelligs Schrift über die Fran- 
zosenkrankheit: „In Mentagoram aut Scorram, morbum illum quem 
malum de Francia vulgus appellat, salubre consilium et regimen"^, 
spricht auch an anderen Stellen von der Syphilis als der „Menta- 
gora"^). In dem „Vaticinium" des Ulsenius (1496) heisst es: 

Dijaculatur ovans mentagram viscida lichne (liehen), 
Foeda lues, spurco primum cont^ia peni, 
Crustosi, bcne nota cano, nova semina morbi*). 

Ferner gedenken Magnus Hundt (vor 1501) und Eobanus 
Hessus (vor 15 14) der Syphilis unter dem Namen „Mentagra**^). 

Endlich verfasste Wendelin Hock von Brackenau ein Buch 
über die Syphilis, das den Titel hat: „Mentagra, sive tractatus ex- 
cellens de causis, praeservativis, regimine et cura morbi Gallici, sive 
Neapolitani etc.'* (Venedig 1502)^). 

An dieser Stelle bemerke ich zu der Frage der Beziehungen 
zwischen dem antiken Mentagra und der Syphilis nur, dass nicht 
der geringste Anlass zu einer Identifizierung der beiden Aflektionen 
vorliegt. Ueber das Wesen des Mentagra, welches eine oberfläch- 
liche, parasitäre Hautkrankheit ist, während die Syphilis ein ex- 
quisit konstitutionelles Leiden ist, handle ich im zweiten Buche, 
welches eine Kritik der Lehre von der Altertumssyphilis enthält. 

Die „Elephantiasis**, „Lepra** und „Variola**, die zum Teil 
verlarvte Syphilis gewesen sein sollen, bespreche ich abgesondert im 
nächsten Paragraphen. 



i) Fuchs a. a. O., S. 4. Janus Comarius leitet „Mentagra** nidit our von 
„mcntum" (Kinn) ab, soneern auch von „menta", welches nach ihm neben „mentula" als 
abgekürzte Bezeichnung für die männliche Ruthe bei den Römern vorkommt. Vgl. 
Grüner, „De morbo Gallico scriptores", Jena 1793, S. 258. 

2) H. Holstein, „Zur Biographie Jakob Wimphelings** in: Zeitschr. f. vergleichende 
Litteraturgeschichte und Renaissance-Litteratur, herausgeg. von M. Koch und L. Geiger, 
N. F., Berlin 1891, Bd. IV, S. 250. 

3) In der „Adolescentia", cit. bei Fuchs, S. 315. 

4) C. H. Fuchs, „Theodorici Ulsenii Phrisii Vaticinium in epidemicam scabiem, 
quae passim toto orbe grassatur etc." (Göttingen 1850), Vers 71 — 73. 

5) Fuchs, „Die ältesten Schriftsteller über die Lustseuche etc.", S. 322 u. S. 350. 

6) Astruc, S. 522. 



— 79 — 

Aus den Bezeichnungen der Syphilis nach den Heiligen, von 
deren Anrufung man Genesung erwartete, hat man nach folgenden 
Prinzipien Schlüsse auf das Altertum der Krankheit gezogen. Als 
die Syphilis sich zeigte, da nannte man sie vielfach die Krankheit 
Hiebs. Nun wurde aber auch der Aussatz während des ganzen 
Mittelcdters als „Hiobskrankheit" bezeichnet. Daraus folgerte man 
früher, dass die Syphilis gar nichts Neues sei, sondern eben die alte 
Hiobskrankheit, d. h. sie habe sich bis zu ihrem manifesten Auftreten 
hinter gewissen Formen des Aussatzes versteckt, habe dann aber 
endlich ihr Visir gelüftet und sei, obgleich nun ihr wahrer Charakter 
zu Tage trat, folgerichtig mit dem alten Namen „Hiobskrankheit" 
weiter bezeichnet worden. Auf den ersten Blick erscheint es gewiss 
auffällig, dass beide Krankheiten mit demselben Namen bezeichnet 
werden. Aber dann liegt doch eine einfache Erklärung dafür nahe. 
Konnte nicht Hiob für die Syphilis, auch wenn sie eine ganz neue 
Krankheit war, ebenfalls in Anspruch genommen werden? War es 
nicht gewissermassen eine neue Aufgabe, die ihm übertragen wurde, 
nämlich die, nun auch den Syphilitikern sich hilfreich zu erzeigen, 
nachdem er es schon den Aussätzigen gegenüber gethan hatte? So 
ist es in der That gewesen, wie ich gleich zeigen werde, auch für 
andere Heilige. Denn — und das spricht wieder für meine Auf- 
fassung — es gab nicht bloss einen, sondern viele Syphilis-Heilige! 

Verfolgt man die Beziehungen der einzelnen Heiligen zu den 
verschiedenen Krankheiten — wobei von mir das vortreffliche Werk 
von du Broc de Segange benutzt worden ist^) — so ergiebt sich, 
dass die verschiedensten Krankheiten nach einander mit einem 
und demselben Heiligen in Verbindung gebracht wurden, so dass 
also ein Schluss auf die Identität oder auch nur Aehnlichkeit dieser 
Krankheiten ein ganz grober Irrtum sein würde. 

Andererseits bekam eine und dieselbe Krankheit zahlreiche ver- 
schiedene Heilige, je nach den Gegenden, in welchen letztere beson- 
ders verehrt wurden. Sieht man das Register des eben erwähnten 
Werkes durch, so weisen die Epilepsie, die Pest und der Zahnschmerz 
bei weitem die grösste Zahl von Heiligen auf. 



i) Louis du Broc de Segange, „Les Saints Patrons des Corporations et Pro- 
tecteurs sp^dalement invoqu^s dans les maladies et dans les circonstances critiques de la ^de", 
Paris 1887, 2 Bände. Hochinteressante und kuriose Nachrichten über die Beziehungen der 
Heiligen zu Krankheiten und die damit in Zusammenhang stehenden Gebräuche auf der 
Insel Sicilien, die besonders den Kulturhistoriker und Folkloristen interessieien werden, 
teilt J. L. C. Ziermann mit („Ueber die vorheiTschenden Krankheiten Siciliens etc.'', 
Hannover 181 9, S. 49—59)- 



— 8o — 

Auch „Syphilis-Heilige" treten uns denn gleich nach dem ersten 
Erscheinen der Krankheit in nicht geringer Zahl entgegen. Es sind 
aber lauter Heilige, die vorher bei ähnlichen Hautleiden aller 
Art, überhaupt bei Epidemien und Infektionskrankheiten an- 
gerufen wurden, woraus demnach nicht der geringste Schluss auf das 
Altertum der Lustseuche gezogen werden kann. 

Den heil. Fiacrius erwähnt Ulrich von Hütten als einen 
Patron der Syphilitiker i). 

Nach du Broc de Segange wird dieser Heilige gegen Schanker, 
Fisteln, Carciiiome und ähnliche Krankheiten angerufen. Blutflüsse 
und Haemorrhoiden hiessen „mal de saint Fiacre**. Auch die Kolik 
und der Kopfschmerz gehört zu dem Wirkungsbereich dieses Heiligen ^). 
Der im 13. und 14. Jahrhundert lebende Chirurg Heinrich von 
Mondeville, dessen Chirurgie von Pagel neuerdings im Urtext 
herausgegeben wurde, macht eine Bemerkung über die Benennung 
der Krankheiten nach Heiligen, wobei auch die dem heil. Fiacrius 
geweihten Krankheiten aufgezählt werden. Er sagt: „Von der un- 
vernünftigen Leichtgläubigkeit des Volkes und den Fehlern in der 
Behandlung einiger Krankheiten, die nach den Namen der Heiligen 
benannt werden, soll weiter unten die Rede sein. Zu diesen Krank- 
heiten gehört die Krankheit der heiligen Jungfrau Maria, des heiligen 
Georg, des heiligen Antonius, des heiligen Lauren tius — diese ist 
gleichbedeutend mit der als Rotlauf bezeichneten AfFektion, Krank- 
heit des heiligen Eligius (Aloisius), womit das Volk gewöhnlich Fistel, 
Geschwüre und Abscess meint, Krankheit des heiligen Fiacer, 
worunter man Krebs, Abscess, Flechte, Hämorrhoiden und 
Aehnliches versteht, Krankheit des heiligen Bonus, nämlich das 
Panaritium, Krankheit des heiligen Clarus, das ist jede Augen- 
erkrankung, endlich Krankheit des heiligen Lupus, das ist eine Art 
von Krampf, und so noch unzählige andere Krankheiten"^). Aus 
einem interessanten Gebet an den heil. Fiacrius in den „Heures 
de la Bienheureuse vierge Marie** (von Kerver, um 1574) ergiebt 
sich, dass dieser Heilige vorzüglich bei allen Behaftungen der 
geheimen Teile angerufen wurde. Dasselbe lautet: 

2) Luisin US I, 278. 

i) „Aus Mondevilles chirurgischer Deontologie". Inaug.-Dissertation von ^rnst 
Wachsmuth (unter der Aegide von J. L. Pagel), Berlin 1898, S. 19 — 20. 



— 8i 



Saint Fiacre, pätron de Brie 

Seul de ce nom, je te supplie 

Que envers Dieu, le Crfeateur, 

Tu me sois mon m^diateur, 

Glorieux saint d'Ecosse n6, 

Certain suis qae Dieu t'a donn^ 

Poilvoir sur hommes et sur femmes; 

Car par toy leurs corps et leurs ämes 

De grands dangers sont bout6s hors. 

Quand est de la partie des corps, 

Par toi sont gu^ris langoureux, 

Pleins de Fix, Chancreux, Visqueux, 

De rompures et pleins de gravelle. 



Qüi est'nlaladie mortelle 
Pulpieux pleins de pourritures, 
De Broches, de Fix et d'Ordures, 
Qui dedans le corps humain entre 
De Feux de sang, de Cours de ventre 
De Flux Juventus et de vers, 
Dont m^decin ne peut gu^rir. 
Saint Fiacre tu me peult recourir, 
Si te supplie d^votement, 
Que, k mon äme premi^rement, 
Impetre la gloire fetemelle 
Et au corps temporellement. 



In Deutschland wurde, wie Heinrich Alt berichtet, der hl. 
Fiacrius gegen alle Arten von Geschlechtsleiden angerufen. Der 
Heilige soll einen mit einem Uebel der Geschlechtsteile behafteten 
Mann geheilt und zu einem frommen Leben bekehrt haben. Aus 
diesem Grunde flehen die genitalkranken Menschen ihn noch heute an^). 

Ein zweiter Heiliger, nach dessen Namen man die Syphilis be- 
nannte, war der hl. Rochus^). Dieser Heilige wurde ursprünglich 
vor allem gegen die Pest angerufen 3). Als Pestheiliger wird er 
dargestellt in des Petrus Ludovicus Maldura Schrift „In vitam 
sancti Rochi contra pestem epidemicam etc.")*)- Hieraus entwickelte 
sich der Gebrauch, St. Rochus überhaupt gegen alle contagiösen 
und epidemischen Krankheiten anzurufen, wie er in einem alten 
catalanischen Gebete um die Befreiung „detot contagi de cos y anima", 
von jeder Contagion des Körpers und der Seele, angefleht wird^). 

Es war natürlich, dass auch die Syphilis bei ihrem Auftreten in 
Beziehung zu dem hl. Rochus, dem Patron aller contagiösen Krank- 
heiten, gesetzt wurde. Irgend einen Schluss auf das Altertum der 
Krankheit lässt dieser Umstand nicht zu. 

Das Gleiche gilt von der hl. Regina, die ebenfalls unter den 
Syphilis-Heiligen figuriert*^). Diese wurde gegen alle mit Pusteln 
verbundenen Hautkrankheiten angerufen. Die Krätze hiess „mal 



1) Du Broc de Segange a. a. O., S. 205. Sebastian Brant nennt St, Fia- 
crius zu Mörchingen als Helfer gegen die S3rphilis (Fuchs, 341). 

2) Hacker a. a. O.; „Triumphe de la haulte et puissante Dame V^rolle etc." 
Index, S. CLL 

3) Du Broc de Segange a. a. O., Bd. II, S. 154 — 161. 

4) Vgl. „Janus", Archives internationales pour l'histoire de la m^decine et la g6o- 
graphie m6dicai^", Jahrg. IV, Harlem 1899, S. 487 (mit Abbildung). 

5) Du Broc de Segange a. a. O., S. 158. 

6) „Triumphe etc.**, Index, S. CLI; Astruc I, 5. 

Bloch, Der Ursprang der Syphilis. Q 



— 82 — 

de sainte Reine". Sämtliche Geschlechtskrankheiten gehörten zu dem 
Wirkungsbereich dieser Heiligen ^). 

Am meisten Verwirrung hat wohl die Bezeichnung der Syphilis 
als Hiobskrankheit angerichtet Es ist bekannt, dass vorzüglich 
der mittelalterliche Aussatz so genannt wurde. Als nun die Lust- 
seuche auftauchte und mit demselben Namen belegt wurde, glaubte 
man daraus auf ihr früheres Vorhandensein schliessen zu müssen. 
Ein grosser Teil der alten Hiobskrankheit, des Aussatzes, sei eben 
Syphilis gewesen. Was das thatsächliche Verhältnis der Syphilis zur 
Lepra betrifft, so werde ich darüber im folgenden Paragraphen aus- 
führlich berichten. Hier sei nur die Uebereinstimmung der Namen 
kurz besprochen. 

In der „Cronica von der hilligen stat Coellen" (Köln 1499 Fol. 
344 b) heisst es unter dem Jahre 1496: „In dem selven jair was in 
allen desen landen eyne vremde Krenckde, der in dissen landen nich 
vill gesyen gewest is, ind heysch Sent Jobs Kren ckde, ind wurden vast 
vill lüde dair mit passioneert ind doch w^enig sturven von der Krenckden." 

Der Abt Trithemius bemerkt im „Chronicon Spanheimense" 
(s. a. 1496): „His temporibus morbus quidam pustularum turgentium 
ex Gallis in Italos et ex illis in Germanos mirabili et eatenus in- 
audita calamitate humanum genus affligens et corrumpens invasit, 
quem morbum Job plerique appellaverunt*^ Es ist nun von grossem 
Interesse, dass Trithemius die Syphilis, die „Hiobskrankheit", gleich 
darauf deutlich vom Aussatze unterscheidet, indem er sagt: „Incipere 
autem ut plurimum solebat circa loca verenda vel in aliqua corporis 
extremitate, virus suum ad modum leprae surgente ulcere per 
totum corpus diflFundens ac miserabiliter continuo dolore crucians 
aegrotos et contaminans approximantes^)." Hier vergleicht er also 
Lepra und Syphilis („Hiobskrankheit"), insofern dieselben beide nicht 
lokale Krankheiten sind, sondern den ganzen Körper heimsuchen, 
unterscheidet sie aber doch als zwei von einander verschiedene Leiden. 

Auch in den frühesten italienischen zeitgenössischen Berichten 
über das Auftreten der Syphilis heisst die Krankheit bisweilen „el 
male de san iob". Die „Cronica di Bologna d'incerto autore detta 
Cronica Bianchina" (Mscr. der Universitätsbibliothek zu Bologna) be- 
richtet, dass anno 1496 in Bologna eine beinahe unheilbare Krank- 
heit zuerst sich zeigte, „la quäle malatia era chiamato el male fran- 
zoxo ouero el male de sam iob"^). Dalle Turatte (1496) 



i) Du Broc de Segange a. a. O., Bd. II, S. 234. 

2) Fuchs, 347. 

3) Qu ist a. a. O., S. 310. 



- 83 - 

berichtet, dass einige Aerzte die Syphilis als eine besondere Art 
der Pocken bezeichneten, andere nannten sie „la lebra de san Jobe^)." 

In Frankreich sprach man von einem „mal Monseigneur 
Saint Job", was du Broc de Segange aus mehreren handschrift- 
lichen Berichten in den Archiven von Lille nachweist 2). 

Im „Missale Roman um" (Venedig 152 1) findet sich eine 
interessante „Hiobsmesse" gegen die Syphilis („Missa de B. Job 
contra Morbum Gallicum"), welche Hensler zuerst mitgeteilt hat^). 

Nach du Broc de Segange nannte man die Syphilis „Hiobs- 
krankheit", indem man an jene Stelle des Buches Hiob dachte, wo es 
heisst, dass der Satan Hiob mit bösen Schwären von der Fusssohle 
an bis auf den Scheitel schlug (Kap. II Vers 7). Derselbe Autor 
bemerkt aber, dass man ursprünglich die Lepra als „Hiobskrank- 
heit" bezeichnet habe, später dann die Syphilis hinzugefügt habe*). 
Die Autoren, welche die Syphilis so nennen, unterscheiden sie aber 
fast alle sehr genau vom Aussatze. Es wiederholt sich hier nur 
eben wieder der gewöhnliche Vorgang, dass man demselben Heiligen 
nach einander die verschiedensten Krankheiten weiht. 

An vielen Orten Deutschlands wurde die Syphilis Krankheit des 
hl. Maevius (Mevius) genannt^). 

Bei den Catalanen, in Aragonien und in den pyrenäischen Pro- 
vinzen Frankreichs gab man der neuen Krankheit den Namen des 
hl. Mentus oder Semen tus. Gaspar Torella (1493) sagt, dass 
die Einwohner von Valentia, die Catalanen und Aragonesen die Sy- 
philis „morbum Sementi" nannten. Astruc bemerkt, dass der Name 
„Sementus", „Mentus** identisch sei mit dem französischen Worte 
„Meen", „Mein"^). 

Es ist nun interessant, die Beziehungen zwischen diesen Namen 
testzustellen. In seinem „Dialogus de Dolore in Pudendagra" lässt 
Tore IIa das Volk einen Arzt fragen, woher es komme, dass man 



i) ibidem, S. 314. 

2) Du Broc de Segange, Bd. I, S. 349, 

3) Hensler a. a. O., Bd. I, Excerpta, S. 123 — 124. Eine kurze, nadi 1566 ver- 
fasste Geschichte dieser Messe ist des P. M. Paciaudius „De Missa Beati Jobi contra. 
Morbum Gallicum Diatribe." Abgedr. bei Corradi, „Nuovi documenti per la storia delle 
malattie veneree etc.** Mailand 1884, S. 73 — 74. 

4) Du Broc de Segange Bd. I, S. 349. 

5) Widmann (I497) Fuch's, 97): „Haec passio, quam vulgo malum Frandae aut 
morbum sancti Maevi vocant.** — J. Benedictus: „Tametsi haec dispositio mala, 
quam Gallicimi, aut sancti Maevi morbum nos appellamus etc.** (Luisinus I, 167.) 
Prosper Borgarutius: „Morbus Galliens, Hispanus, Neapolitanus, Indus, vel Catholiais, 
aut Yenereus, sive Mevius etc.** (Luisinus II, 11 17.) 

6) Astruc I, 5. ^^ 



- 84 - 

in den verschiedenen Gegenden die Syphilis so verschieden benenne. 
Der Arzt setzt darauf auseinander, welche Verlegenheit in Beziehung 
auf ihren Charakter diese neue, gänzlich unbekannte Krankheit den 
Aerzten und dem Volke bereitet habe, so dass nur aus dieser Ver- 
legenheit die grosse Mannigfaltigkeit der Benennungen zu erklären 
sei. Es hätten sich die Einwohner von Valencia, die Catalanen und 
Aragonesen nach langer Durchforschung der Bücher ent- 
schlossen, die Syphilis als Krankheit des hl. Sementus zu be- 
zeichnen, weil sie in einer von Francisco Ximenez herausge- 
gebenen Schrift die Notiz gefunden hätten, dass eine „ähnliche" 
Krankheit schon in früherer Zeit die Erde heimgesucht habe. 
Aber das sei ein Irrtum. Denn die in jener Schrift erwähnte 
Krankheit sei in Frankreich schon seit langer Zeit bekannt. Wie 
das Volk nämlich die Lepra als Krankheit des hl. Lazarus be- 
zeichne, so nenne man in Frankreich das „malum mortuum"^) die 
Krankheit des hl. Sementus, da durch Anrufung dieser Heiligen 
sehr viele davon befreit wurden. Der Körper desselben befinde sich 
in Britannien, wohin daher viele mit diesem Leiden (dem „Malum 
mortuum'*) Behaftete wallfahrten. Es sei aber doch diese Krankheit 
von der Syphilis durchaus verschieden 2). Nach Astruc umfasste der 
„Morbus St. Sementi" oder „St. Menti" (mal de saint Meen, St. Mein, 
St. Main) auch noch andere krätzeartige Krankheiten^). Buret giebt 
an, dass auch der „Ignis sacer** diesen Namen führte*). 

Es wurde also die Syphilis mit einem in den pyrenäischen Pro- 
vinzen der Auvergne einheimischen „Morbus St Menti (Sementi)" 
identifiziert, einem Uebel, das sich hauptsächlich durch Anästhesie 



i) Eine Form der Lepra anaesthetica, die sich besonders durch Unempfindlich- 
keit und Absterben der Gliedmassen auszeichnete. Vgl. Sprengel bei Th. Bateman, 
„Prakt. Darstellung der Hautkrankheiten", Halle 1815, S. 442 — 443. 

2) „Valentini,- Catalani et Aragonenses post longam librorum indagationem ipsum 
morbum Sementi vocarunt, eo quia in duodecimo libro Christiani, edito a magistro Francisco 
Ximenes, scriptum invenerunt, similem morbum alias orbem invasisse, sed isti non parum a 
veritate deviant, nam hie morbus, de quo in suprascripto libro fit mentio in Regno Franciae 
et usitatus et antiquus est. nam sicut lepram a sancto Lazaro vulgus morbum sancti Lazari 
vocat, hoc eodem modo Galli malum mortuum morbum sancti Sementi appellant, eo quia 
ejus auxilio implorato plurimi curantur, et praesertim si ad ejus corpus perveniunt pedes 
ambulando, et eleemosynam quaerendo, hujus sancti corpus in Britannia existit in maxima 
veneratione: peregrini hoc morbo infecti, ut ab aliis evitentur, duas manus ex panno laneo 
confectas, et magnas portant, unam in capite, aliam in pectore (also ein Ersatz der „Aus- 
satzklapper"): nihilominus non parum ab hoc crudelissimo morbo differt." Gasparis 
Torrellae, De Dolore in Pudendagra Dialogus in: Luisinus I, 502. 

3) Astruc I, 5. 

4) Buret a. a. O., S. 129. 



- 85 - 

und Absterben der einzelnen GUedmassen äusserte, welches also mit 
Syphilis gar nichts zu thun hat. Es waren die Gelehrten, welche 
nach eifrigem Studium der Bücher der neuen Krankheit diesen 
Namen gaben. Das Volk fügte einfach die Syphilis den übrigen 
Krankheiten hinzu, welche dem hl. Mentus geweiht waren ^). Und 
so beweist wiederum die ganze Genese dieses Namens, dciss wir es 
mit einer neuen Krankheit zu thun haben. 

Mir ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass der „morbus Sementi** 
Cataloniens und Aragoniens gar nichts mit dem „morbus Menti" 
(mal de St. Mein) zu thun hat. Delicado giebt nämlich in seinem 
Abdrucke des berühmten Briefes des Oviedo an Kaiser Karl V., 
von dem später noch die Rede sein wird, eine eigentümliche Er- 
klärung des Wortes „Sementus". „Lo llamaron", sagt er, „en Cataluüa 
mal de se mente, porque se pegara a muchos, que no sabian 
como," d. h. weil viele zu der Krankheit kamen, ohne dass sie 
wussten wie % Es ist ja möglich, dass dieser Wortwitz erst aus dem 
„morbus St. Sementi** entstanden ist, aber auch das Umgekehrte kann 
eingetreten sein. Der Wert der Vergleichung der neuen Krankheit 
mit den unter dem Namen des hl. Mentus in Frankreich bekannten 
Uebeln ist hiernach genau so zu beurteilen wie die oben schon er- 
örterten Analogien. Lauter Namen und nichts als Namen, mit 
denen man nach Belieben spielte^). 

* 

Auch die Bezeichnungen der Syphilis nach den vorzugsweise 
befallenen Teilen des Körpers lassen aufs deutlichste erkennen, 
dass es sich um eine neue Krankheit handelt. Joseph Grunpeck 
betitelte sein drittes Werk über die Lustseuche „Libellus de mentu- 
lagra, alias morbo gallico". Er erklärt diese Wortbildung nach 
Analogie des griechischen „mentaeira", „podagra", „chiragra", indem 
er die Syphilis, die an sich ja, wie er selbst sagt, ein den ganzen 
Körper heimsuchendes Leiden sei, nach ihrem häufigsten Ausgangs- 
punkt benennt*). 



i) Im Codex latinus Monacensis No. 963, Fol. 298 heisst es; „Für die piatern 
genant kranckheit S. Menüs oder contrackt mall dl Frantzosn'^ Vgl. Schmeller- 
Frommann, „Bayerisches Wörterbuch", München 1872, Bd. I, Sp. 825. 

2) C. H. Fuchs, „Francesco Delicado, über den Guajak u. s. w.", S. 200. 

3) Dufour sagt: „II suffisait qu'un Saint fut r^put6 comme ayant quelque influence 
pour la gu6rison des plaies et des niedres malius: les v^rol^s s'adressaient ä lui et se di- 
saient ses malades privil6gi^". Hist. de la prostit. IV, 280. 

4) „Com certe hie ipse morbus toti corpori, omnibus et singulis membris inlestus 
est, tum, inquam, genital! membro, quod in viro a probatis auctoribus mentula vocitatur, 



— 86 — 

AehiiHch hiess Torella (1497) ^^^ Krankheit „Pudendagra" 
nach dem ersten Sitze derselben ^). Er sagt, dass er mit diesem 
Namen die Syphilis „taufen** wolle. Man tauft aber für gewöhnlich 
etwas eben Geborenes. Diese Bezeichnung fand in Deutschland den 
Beifall Martin Pollich's (1501)*) und Ulrich von Hutten's 

Der typische Haarausfall bei Syphilis gab im 16. Jahrhundert 
Veranlassung zur Bildung des Namens „Pelade", wie Sauval be- 
richtet, weil „man so viele Personen allerliebst geschoren sehe und 
zwar ohne Schermesser^* *). Wenn man nun irgendwo in einem alten 
französischen Texte das Wort „Pelade" findet, wird man das hoflFent- 
lich nicht für Syphilis erklären. 

* 

Unter den merkwürdigen und seltsamen Bezeichnungen 
der Syphilis, deren Herkunft mehr oder weniger dunkel ist, nenne ich 
zunächst den Namen „Patursa**. So nannte Juan Almenar (1502) 
die Krankheit nach „einigen Weisen". Er sagt: „Einige Weise kamen 
überein, dass dieses Leiden, welches bei den Italienern Franzosen- 
krankheit heisst, jetzt Patursa genannt werde, was als Passio tur- 
pis saturnina gedeutet wird. Schändlich (turpis) ist nämlich die 
Krankheit weil sie die Frauen in den Ruf der Unkeuschheit und 
Irreligfiosität bringt, satumisch, weil sie vom Saturn ihren Ursprung 
herleitet**^). Fallopia hält den Namen „Patursa" für amerikanisch^). 



molestissimus existit; idcirco, quia et Graeci aegritudines ab iis membris, quibus indpiunt 
vel laedentes humores copiosius conAuunt, frequenter nomlnaverunt, ut mentagram, poda- 
gram, chiragram, et ista scorra crebrius in mentula exoritur, quae loDge eüam atrodus quam 
cetera raembra ab eo torquetur, non inepte mentulagram, hoc est mentulae dolo- 
rem, appellaverim.** Fuchs, „Die ältesten Schriftsteller u. s. w.", S. 67. 

i) „El non immerito haec aegritudo sortiri nomen poterit a merabro in quo prius 
apparet. Et ideo erit baptizanda nomine Pudendagra, quia primo indpit in pudi- 
bundis.** G. Torellae, „De Pudendagra Tractatus Unus" in: Luisinus I, 494. 

2) „Quapropter excellentissimus Gaspar Torella morbum gallicum elegant! sane 
nomine pudendagram vocavit", Fuchs a. a. O., S. 257. 

3) „Ad quendam Romae Episcopum, insignem medicum. 
Urbe frequens tota te prodit, Episcope rumor, 

Posse pudendagrae pestis obesse malo . . . ." 
Fuchs a. a. O., S. 342. 

4) F. J. B ehrend, „Syphilidologie", Leipzig 1840, Bd. II, S. 480. 

5) „Convenerunt sapientes quidam, ut hie morbus, qui apud Italos appellatur Gallicus, 
nunc dicatur Patursa, quod interpretatur passio turpis saturnina, turpis enim morbus est, 
quia mulieres incastas ac irreligiosas reputari fadt, et generaliter omnes deturpat. Et satur- 
ninus, quia a Satumo originem traxit." J. Almenar, „De Morbo Gallico Libellus", Lui- 
sinus I, 359. 

6) „Fortasse est nomen hoc proprium in India**, Luisinus I, 765. 



- 87 - 

In seinem Plagiat der Schrift des Almenar hat Johannes Anto- 
nius Roverellus (1537) den Namen Patursa im Titel verewigt. 
(„Tractatus de Morbo Patursa, affectu, qui vulgo Galliens appella- 
tur, Cypris impressus anno 1537.") 

Torella berichtet, dass man im südlichen Spanien (Granada) 
die Syphilis „morbus curialis" nenne, weil sie besonders den Hof 
heimsuchte ^). 

Der Name „gorre" für Syphilis scheint insbesondere in der 
Gegend von Ronen aufgekommen zu sein, wie aus der oben er- 
wähnten Stelle hervorgeht. Es w^ar eine volkstümliche Bezeichnung, 
wie Jean Le Maire in den „Trois Comptes" bemerkt: 

Mais le commun quant il la rencontra 
La nommait gorre ^) 

Auch Rabelais erwähnt im „Pantagruel" (Lib. V, Cap. 21) 
diesen Namen 3). Neben „gorre** findet sich „grande gorre" (grand- 
gore), welche Bezeichnung von den Schotten adoptiert wurde und 
schon 1497 in dem Edikte des Königs Jakob IV. von Schottland 
vorkommt. Einige sehr frühe deutsche Schriftsteller über die Lust- 
seuche latinisierten das Wort „gorre" in „Scorra". So betitelte 
Joseph Grunpeck (14Q6) seine erste Abhandlung „Tractatus de 
Pestilentiali Scorra sive Male de Franzos". Sebastian Brant hatte 
in seinem der Grunpeckschen Schrift beigegebenen „Eulogium de 
Scorra pestilentiali" diesen Namen zuerst gebraucht und ihn fälsch- 
lich von dem griechischen oxcoq (Koth, Uebelriechendes) abgeleitet: 

Scorram, Galle, vocas a Scor, quod Graecus oletuin 
Dicit, et impurum, rancidulumque sonat^). 

Auch Otto Raut (1501) spricht von der „pessima scorra, 
Francigenarum dicta"^). — Astruc hat in den „Memoires pour 
rhistoire naturelle de Languedoc" eine etymologische Untersuchung 
über das Wort „gorre" veröffentlicht, wonach dieses von der keltischen 
Wurzel „gor" abgeleitet werden muss, die „Eiter" bedeutet, so dass 
demnach „gorre" als „Pustel, Abscess" aufzufassen wäre^). Nach 



i) „In ulteriori vero Hispania morbum curialem vocant, eo quia curiam insequitur", 
Luisinus I, S. 502. — „Vocant eum morbum Granatenses Curialem", Genebrardus, 
„Chronographia**, Lugd. 1609, S. 707. 

2) Abgedruckt im „Triumphe de la haulte Dame V^rolle", S. XXIV. 

3) Astruc II, 547. 

4) Fuchs a. a. O., S. 6; „Von dem wordt Scor, das die Kryechen Oletum nennen, 
das ist so vil geredt, als unlautter, pfynnig oder stynckend". Fuchs, S. 30. 

5) ibidem, S. 293. 

6) Astruc II, 547. 



— 88 — 

Haeser ist dcis altfranzösische „la gorre" das moderne „cochon"^), 
und „gorrieres" waren die „Lionnes" und Demimondänen des Mittel- 
alters*'). Demnach würde „gorre" als Hurenkrankheit zu deuten sein, 
was wohl am meisten einleuchtet. 

* * 

Die lehrreichste Gruppe der Bezeichnungen der Syphilis ist die- 
jenige nach den äusseren Erscheinungen, nach gewissen Symp- 
tomen. Jeder, der die verwirrende Vielgestaltigkeit der syphili- 
tischen Krankheitserscheinungen kennt, weiss, dass zahlreiche Symp- 
tome derselben denen anderer Krankheiten ähnlich sind. Man spricht 
noch heute von einer „Acne**, „Roseola**, „Variola**, „Varicella**, 
„Impetigo**, „Ecthyma**, „Alopecia**, „Angina**, „Psoriasis**, „Pachyder- 
mia** syphilitica 3). und drückt damit aus, dass die gleichnamigen 
Hauterkrankungen nicht syphilitischer Natur auch von der Syphilis 
vorgetäuscht werden können. Ist es da ein Wunder, dass man die 
Syphilis bei ihrem ersten Auftreten nach solchen augenfälligen, 
scheinbar alten Erscheinungen mit den guten alten, vertrauten 
Namen belegte? Wie naiv, wie kritiklos ist die Ansicht derjenigen, 
welche diese frühen symptomatischen Benennungen der Syphilis 
als einen Beweis für das Altertum der Krankheit ansprechen! Wir 
haben ja gesehen, welche Bewandtnis es mit der Uebertragung alter 
Krankheitsnamen auf die neue Seuche hat, und wenn wir jetzt fin- 
den, dass man nach gewissen symptomatischen Analogien die Krank- 
heit benannte, so werden wir uns hüten, daraus einen Schluss auf 
das Altertum der Syphilis zu ziehen, zumal da es sich hier wiederum 
nicht um ein bestimmtes Wort, sondern um zahlreiche verschiedene 
Namen bei ein und demselben Volke handelt. 

Es war nicht schwer, alle diese Symptome in den Schriften der 
Alten aufzufinden. Da gab es Geschwüre, Pusteln, Warzen, Papeln, 
Blattern, Bläschen, Verhärtungen, Schmerzen und um sich fressende 
Ulcerationen aller Art, die ein findiger Kopf mit Leichtigkeit auf 
Syphilis beziehen konnte. Wohl die bezeichnendste Stelle dieser Art 
findet sich bei Nicolaus Macchellus. Stolz erklärt er, man möchte 
ihm doch eine Stelle in den „Prognosen** und „Voraussagungen*' des 
Hippokrates nennen, an welchen dieser irgend ein Symptom der 
Syphilis vergessen hätte aufzuzählen. Desgleichen gäbe es kein 
Symptom, dessen Galen nicht gedacht hätte. Könnte man denn die 



i) H. Haeser a. a. O., III, 251. 

2) Peypers a. a. O., S. 76. 

3) ^S^* ^^^ so benannten Abschnitte in J. Neumanns „Syphilis". Wien 1896. 



- 89 - 

frischen, alten, weichen, harten, gut- und bösartigen, gelblichen, bläu- 
lichen, schwarzen, feuchten, trockenen Geschwüre bei diesen alten 
Schriftstellern mit Stillschweigen übergehen? Die zahllosen wider- 
natürlichen Geschwülste? Die inneren und äusseren Eiterungen?^) 

Nach dieser Methode finden wir denn die S)rphilis nach allen 
möglichen Symptomen benannt, und zwar in ganz genereller Weise. 

Nach den Pusteln (und Kondylomen), mit denen die Syphilis- 
kranken der ersten Zeit oft wie übersät waren, nannte man die 
Krankheit „pustulae"^), „pustulae malae"^), „morbus pustula- 
rum"^), „morbus pustularum turgentium"^), „morbus pustu- 
latus"^). Der spanische Name „buas", „bubas", „buvas", „bugas" 
ist die wörtliche Uebersetzung von „pustulae". Daraus kann man 
ersehen, welcher Wert der Ansicht beizumessen ist, dass dieses Wort 
schon vor dem Ausbruch der Syphilis in Spanien gebraucht worden 
sei und daher die Syphilis auch schon früher bekannt geworden sei. 
Natürlich war dieses Wort, das einfach „Pusteln** bezeichnet, schon 
da. Aber damals bedeutete es noch nicht die Syphilis! „Bubsus" 
ist eben auch nur eine von den rein symptomatolog^schen Benen- 
nungen der Syphilis, wie es deren auch in Spanien noch mehrere 
gab, worüber später zu berichten sein wird. 

Auch der Name „papulae" für S3rphilis muss üblich gewesen 
sein, wie aus einem Gedichte des Eobanus Hessus erhellt: 

Aeger es. An papulis? an febribus? anne podagra?^ 



i) „Dicant enim mihi quaeso, quid in hoc genere morbi (quod novum esse centies 
dicere non erubescunt) reperitur, cujus Hippocrates in praesagiis et praedictionibus, et conse- 
quenter Gralenus in ipsorum expositionibus non fuerit memoratus? Praeteriene ipsi sUentio 
ulcera recentia, vetera, mollia, praedura, benigna, maligna, lutea, livida, nigra, humida, sicca, 
et quovis modo intemperata, iramo et alta, et quae cutem tantum afßciant? Tacuerene 
cujusvis generis intemperaturas ? simplices, compositas, cum materia, sine materia? Tacuerene 
lumores praeter naturam? duros, molles, mucronatos, non mucronatos, introrsum, vel ex- 
trorsum erumpentes? Tacuerene suppurationes vel internas vel extemas?^' Nicolai Mac- 
chelli, De Morbo Gallico Tractatus in: Luisinus I, fol. 733. 

2) „Neve adolescentes in florida iuventa sua plus aequo confidant, quae febre, peste, 
pustulis subito marcescere potest.^' Expurgatio Rectoris et consilii almi ac celebris gymnasii 
Ingolostadiensis etc. Bei Fuchs a. a. O., S. 329. Vgl. auch Tanus bei Grüner, S. 2. 

3) Conrad Schelligs Schrift „In Pustulas Malas, morbum, quem malum de Fran- 
da vulgus appellat ... consilium*', Fuchs, 71. 

4) Recepte des Jakob Romer aus dem Jahre 1498 gegen den „morbus pustula- 
rum", die G. H. Welsch abschrieb. Vgl. Astruc II, 579. 

5) Trithemius: „Morbus quidam pustularum turgentium**, Fuchs, 347. 

6) So lautete der Titel eines Werkes über Syphilis von Alfonso Lopez de Co- 
rella (Valentia iS^i) nach Astruc II, 813. 

7) Fuchs, 350. 



— QO -- 

Grunpeck (1496) berichtet von dem „bösen Franzos, das man 
nennet die Wylden Wärtzen". Wie man, sich auf das Vorkommen 
dieser „wilden Warzen" bei mittelalterlichen Schriftstellern stützend, 
daraus das Altertum der Syphilis beweisen will, ist mir unerklärlich. 
Wieder hat man hier nach einem ähnlichen Symptom die Krank- 
heit benannt Grunpeck sagt doch selbst über diese „wylden 
wärtzen**: „Ueber die straffen all ist ein unerhörte, ungesehene, 
unbekannte allen tödtlichen menschen, ein erschrockenliche, stin- 
ckende, pfynnige und unleydenliche kranckeyt auflerstanden , do- 
mitt die menschen hertigklich geschlagen werden, der geleychen 
auff erden nye koomen ist Auch kein mensch ist erfunden 
worden, der diser kranckeyt oder plagen vrsprung auch 
vrsach gesagt hat, allein es sey ein straff von Got .... Aber 
wie wol man nichtz daruon vindet in den büchern der ärtzt 
geschriben (dann etlich meynen, es sey Mentagora, ettlich es sey 
Planta noctis, ettlich nennen sy Scorram, die alle haben jr ursach 
und underscheyd von einander und feist fremmd sind von dem ge- 
brechen, daran die menschen yetz lygen . . . ."^). 

Aehnlich nennt Sebastian Brant die Syphilis die „schwere 
kranckheit der blatern vnd wartzen"^). 

Nach den bullösen Eruptionen hiess die Syphilis „bolle fran- 
zese", „male delle brossule", „Brosseln**, „male de le Bulle" 
u. s. w., was besonders in der Lombardei üblich war^). 

Krantz bezeichnet die Syphilis als „venenatissimi morbilli"*), 
Ulsenius als „Scabies"^), Johann Vochs als „carbunculi Fran- 
ciae**^), Bebel als „ulcera"^. Ein sehr früher anonymer Schrift- 
steller (vor 1497) nennt ebenfalls die Krankheit „morbilli italici"^). 

Es Hesse sich die Zahl dieser symptomatologischen Benennungen 
der Syphilis noch um ein Erhebliches vermehren, und ich verweise 
für das genauere Studium auf den Anhang (Beilage I). Die hier 
genannten genügen, um darzuthun, dass ihnen irgend ein Wert für 



I) Fuchs, s. 32—33- 

2) ibidem, S. 341. 

3) Andrea Cesalpino, .yKaxojiiQov sive Speculum Artis Medicae Hippocraticum", 
Frankf. 1605, Lib. IV, Cap. 2, S. 236. — Haeser a. a. O., III, 251. 

4) Fuchs, S. 328 — 329. 

5) ibidem, S. 306. 

6) ibidem, S. 337. 

7) ibidem, S. 326. 

8) So lautet der Titel einer kleinen Abhandlung: „Super morbillis italids ab excel- 
lentissimo doctore" bei Fuchs, S. 308. 



— 91 — 

die Erklärung des Ursprunges der Krankheit nicht zukommt, 
dass im Gegenteil auch aus ihrer Beurteilung die Neuheit der 
Krankheit sich zur Evidenz ergiebt. Je nachdem ein Symptom der 
vielgestaltigen Syphilis mehr in die Augen sprang, gab man der 
Krankheit den Namen. Wer dies nicht cJs das anerkennt, was es in 
Wirklichkeit gewesen ist, als einen Notbehelf, und etwa den Versuch 
macht, einen Zusammenhang zwischen der Syphilis und den den Be- 
zeichnungen entsprechenden Affektionen zu konstruieren, der muss 
ja zu ganz ungeheuerlichen Schlussfolgerungen kommen. Man denke 
nur an die „Morbilli italici" und ähnliche Benennungen, die in Wirk- 
lichkeit auf die oberflächlichste Aehnlichkeit der Symptome sich 
gründen. 



Es ist merkwürdig und sehr charakteristisch, dass die älteste 
Nomenclatur der Syphilis so gut wie gar nicht auf die übrigen 
Geschlechtskrankheiten zurückgegriffen hat, um ihnen einige 
Benennungen der Syphilis zu entlehnen. Im Gegenteil geht aus der 
Lektüre der Schriften jener Zeit deutlich hervor, dass man die Sy- 
philis als eine von jenen lokalen venerischen Affektionen durchaus 
verschiedene Krankheit genau erkannte. Selbst Proksch, ein fana- 
tischer Verteidiger des Altertums der Syphilis, bemerkt über die 
ältesten Syphilis-Schriftsteller: „So mangelhaft, unklar und verworren, 
und für spezielle Schlüsse der Pathologie nur wenig geeignet die 
einzelnen Schriften dieses Zeitraums auch erscheinen mögen, im 
Ganzen betrachtet, geht aus ihnen dennoch mit Deutlichkeit hervor, 
dass alle, also nicht die einzelnen, Syphilographen alle die mannig- 
faltigen Formen der Krankheit gesehen haben, wie wir sie auch 
gegenwärtig noch kennen, d. i., dass die Syphilis ihr Aussehen nicht 
verändert hat"^). Man sagt gewöhnlich, dass die Aerzte vor dem 
Ausbruche der Syphilisepidemie zu unklare Schilderungen von der 
„Syphilis" entworfen hätten, als dass man diese erkennen könne. Die 
vorliegende Notiz von Proksch widerlegt doch diese Meinung am 
allerbesten. Man denke nur an jene Aerzte, wie den alten Leoni- 
cenus, der beim Ausbruch der Syphilis 70 Jahre alt war und von 
Proksch als „einer der bedeutendsten Reformatoren der Heil- 
kunde" 2) gerühmt wird. Sollte dieser eminente Praktiker während 
der ganzen langen Zeit vor Ausbruch der Lustseuche dieselbe nicht 



i) J. K. Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten", Bd. II, S. 179 — 180. 
2) ibidem, II, S. 15. 



— 92 -- 

gesehen oder besser dieselbe übersehen haben, wenn sie doch schon da 
war? Auf einmal tritt dem Greise die gänzlich neue Krankheit entgegen. 
Mit 70 Jahren wird er sehend, nachdem er vorher blind gewesen. 
Er erkennt diese Krankheit als eine Einheit, als ein spezifisches kon- 
stitutionelles Leiden. Und wie ihm, so ergeht es vielen alten Prak- 
tikern, die ein langes Leben ärztlicher Thätigkeit hinter sich haben. 
Was angeblich immer da war, erscheint nun erst plötzlich vor ihren 
Augen als etwas Fremdartiges, Neues, nie Gesehenes. 

Greifen wir, indem wir uns hier an die blossen Namen halten 
und die sachliche Erörterung auf später verschieben, nur das eine 
Wort „Kondyloma" heraus, welches bei den antiken ärztlichen 
Schriftstellern so häufig vorkommt und heute auf das Gebiet der 
Syphilis zur Bezeichnung bestimmter syphilitischer Papeln übertragen 
worden ist. Nirgends hat der „Wortzauber**, dem Fritz Mauthner 
in seinem neuen Werke „Beiträge zu einer Kritik der Sprache** 
(Stuttg. 1901) eine geistreiche Untersuchung gewidmet hat, eine so 
verhängfnisvolle suggestive Wirkung ausgeübt, wie auf dem Ge- 
biete der historischen Nosologie, speziell der Geschichte der S)^hilis. 
Und das Wort „Kondylom** bietet ein lehrreiches Beispiel hierfür. 
Weil wir jetzt in unserer modernen wissenschaftlichen Terminologie 
mit dem Namen „Kondylom** .bestimmte s)rphilitische (und nicht- 
syphilitische) Excrescenzen bezeichnen, glauben wir unwillkürlich beim 
Lesen des Wortes „Kondyloma** in alten Schriftstellern, dass auch hier 
wenigstens ein Teil dieser Gebilde syphilitischer Natur sein müsse. 
Die, noch dazu künstliche, Identität des Namens suggeriert die 
Identität der Sache. 

Nun ist es von grossem Interesse, dass der Ausdruck „Kondy- 
loma** zur Bezeichnung syphilitischer Eruptionen bei den ältesten 
Schriftstellern überhaupt nicht vorkommt. Ich habe denselben 
wenigstens vergeblich gesucht. Man verglich zwar das, was 
wir heute bei der Syphilis ein Kondylom nennen, mit dem antiken 
Kondylom, erklärte es aber für nicht identisch mit diesiem letzteren. 
So heisst es im „Eulogium** des Sebastian Brant: 

Condyloma foret, gangraenave: grandior his sed 
Pustula proserpit, sed numerosa minus*). 

„Pustulae** war auch die Hauptbezeichnung der älteren Schrift- 
steller über Syphilis für unsere heutigen Kondylome. Nach Geigel 
wurden unsere „breiten**, d. h. syphilitischen Kondylome in der echten 
Terminologie des morbus Gallicus nur als „pustulae** bezeichnet, und 



i) Fuchs a. a. O., S. 6. 



— 93 — 

usurpierten erst nach und nach den Namen „Kondylom", so dass, 
„wenn man im früheren Mittelalter breite Kondylome unterschied 
damit syphilitische Schleimtuberkel, die man heutigen Tages wohl 
auch breite Kondylome heisst, ganz unmöglich gemeint sein konnten"^). 
Proksch sagt, dass die Kondylome schon von Fallopia in „gal- 
lica** und „non gallica" unterschieden worden. Aber bei Fallopia 
selbst findet sich das Wort „Kondylom" gar nicht erwähnt, was doch 
der Fall sein müsste, wenn es mit dem alten sich zum Teil deckte. 
Er bemerkt: „Ultimo sanatur caries in pudendo, et solet semper loco 
cicatricis subcrescere quaedam veruca, veluti carunculae, seu porrus 
in manibus natus, ac ideo porri dicuntur, porrifimi, vel porrifichi: 
hujusmodi carunculae subcrescentes in pudendo, Thymia ab Aötio di- 
cuntur, hac ratione, quia habent similitudinem cum capitibus Thymi. 
Hamm duplex est genus, aliud Gallicum, aliud non Gallicum; major 
pars non est Gallica: paucae sunt meretrices, quae non habent hujus- 
modi carunculas: si inficiuntur Gallico, inficiunt adolescentes, et tunc 
Gallicae fiunt. Quae non sunt Gallicae, sunt duum generum, aliae 
contagiosae sunt, aliae non contagiosae" ^). An einer anderen Stelle 
redet er von „Pustulae Gallicae" und „non Gallicae" und be- 
zeichnet die syphilitischen Kondylome, an die wir bei diesem Namen 
unwillkürlich immer zuerst denken, nämlich die „condylomata lata 
ani" als „pustulae sedis"^). — So beschreibt auch Alexander 
Benedictus sämtliche anderen örtlichen Genitalaffektionen, darunter 
natürlich auch die Kondylome*), nennt aber nirgends bei der Er- 
wähnung des Morbus Gallicus den Namen „Kondylome". — Noch 
Boerhaave nannte die Kondylome „Verrucae"^). 

Es ist daher bemerkenswert, dass die ältesten Syphilographen 
die früher bekannten Geschlechtskrankheiten durchaus von der Sy- 
philis trennen. So wurden Syphilis und Gonorrhoe streng von ein- 
ander unterschieden. Nach Proksch erwähnt Marcellus Cuma- 
nus (1495) die Gonorrhoe, bringt sie aber durch nichts mit der Lust- 
seuche in Verbindung*). Ebenso handelt Alex. Benedictus den 
Tripper getrennt von der Syphilis ab. Erst Paracelsus (um 1530) 
liess die „Gonorrhoea frantzösisch" werden ^), und leitete damit jenen 



i) A. Geigel a. a. O., S. 228. 

2) Fallopia in: Luisinus II, 817. 

3) ibidem, fol. 824 C. 

4) Luisinus III, 39 — 40. 

5) Proksch, „Greschichte der venerischen Krankheiten", II, 32$. 

6) ibidem II, 9. 

7) ibidem II, 137. 



— 94 — 

verhängnisvollen Irrtum von der syphilitischen Natur des Trippers 
ein, der bis in unser Jahrhundert gedauert hat. — So wird auch der 
Bubo infolge von Verletzungen und Ulcerationen der unteren Ex- 
tremitäten und von Geschwüren des Penis ausdrücklich von der Sy- 
philis unterschieden. Clementius Clementinus (ca. 1505) spricht 
von dem „bubo, qui propter ulcera pedum vel mentulae quovis 
tempore solet inguinibus accidere*', und setzt ihn in Gegensatz zu 
der Syphilis^). — Es war natürlich, dass bei der Aehnlichkeit, die 
bisweilen der InitieJafFekt der Syphilis mit dem weichen Schanker 
hat, die Unterschiede sich leichter verwischten. Aber gerade die 
typischen gangränösen Formen des Ulcus molle, denen man „im 
Altertum und Mittelalter verhältnismässig häufig begegnet, werden 
von den Syphilographen dieser (der ersten) Periode fast gar nicht 
erwähnt" und dies hat „seinen Grund wahrscheinlich nicht darin, dass 
diese Formen derzeit seltener vorkamen, sondern wohl darin, dass 
man sie eben nicht für Syphilis hielt" ^). Jedenfalls lässt sich 
auch in der ältesten Nomenclatur der syphilitischen Schanker, die 
fast durchgängig ebenfalls als „pustulae" bezeichnet wurden, 
keinerlei innere Beziehung zu den schon früher bekannten lo- 
kalen venerischen Leiden nachweisen. 

Wenn Georgius Vella (ca. 1505 — 1515) sich in arabistischen 
Theorien über die Herkunft des morbus Gallicus ergeht und den- 
selben für eine ganz neue und bisher nicht bekannte Steigerung lo- 
kaler Uebel zu einem konstitutionellen Leiden erklärt, so verfehlt er 
nicht zu bemerken, dass vor dem Ausbruch der Syphilis nur die 
rein örtlichen venerischen Affektionen bekannt gewesen seien ^). 
Pistor betont sogar in seiner „Declaratio defensiva" (1500) aus- 
drücklich, dass „Fäulen und Geschwüre der Schamteile nur aus her- 
abfliessender Cholera, nicht aus Melancholia oder angebrannter ver- 
derbter Materie entständen; daher verschwänden sie bald und würden 



i) Grüner, ,,Aphrodisiacus", III, 120. — Auch Fuchs bemerkt (a. a. O., S. 422): 
„Tripper, Bubonen und Hodengeschwülste rechnet niemand zu den Erscheinungen der Lust- 
seuche, obgleich diese Leiden damals, so gut als früher und später, vorkamen." 

2) Proksch a. a. O., II, 140 — 141. 

3) „Et arguo sie, ille humor quo membra virilia infici solebant per coitum cum mu- 
lieribus foedis, ille idem dicitur causare istam aegiitudinem; sed phlegma naturale est ille 
humor, quo membra virilia infici solebant per coitum cum mulieribus foedis, ergo phlegma 
naturale dicitur causare istam aegritudinem. major patet, quia idem modus, quo iuficiuntur 
isti aegrotantes, est idem cum eo, quo membra virilia inficiebantur, antequam talis aegri- 
tudo esset; scilicet per actum coitus et per idem membrum, et per easdem pustulas quoad 
sensum visas,** Georgii Vellae, De Morbo Gallico Opusculum, Cap. I in: Luisinus I, 
206 — 20;. 



— 95 — 

leicht geheilt; dass dieses aber nicht vom „Malo Franco" gelte, 
welches äusserst langwierig sei"^). Auch Magnus Hundt zählt 
eine ganze Reihe lokaler venerischer Zufälle auf, z. B. Bubonen, Ul- 
cerationen, Gonorrhoe, Priapismus, Pollution, Pruritus testiculorum, 
Ruptura penis, Dolor ex retentione urinae auf, ohne sie in Beziehung 
zur Syphilis zu bringen^). 



Das Ergebnis dieser langen Namen-Revue, die beiläufig nur 
die wichtigsten Bezeichnungen berücksichtigen konnte — in Bezug 
auf die übrigen sei auf den Anhang verwiesen — ist, dass sie den 
unwiderleglichen Beweis für die Neuheit der Syphilis liefert. Die 
erdrückende grosse Zahl der Namen, die in kürzester Zeit gebildet 
werden, die in den Namen festgehaltene Wanderung der neuen 
Krankheit über die alte Welt, kurz nachdem sie zum ersten Male 
sich gezeigt hatte, die in der Mannigfaltigkeit der Namen sich aus- 
drückenden zahllosen Theorien über das Wesen der Syphilis, nicht 
weniger der in den Namen zu Tage tretende Widerschein der Ver- 
legenheit und Unwissenheit, in welche Rubrik dieser neue 
wSymptomenkomplex einzureihen sei, schliesslich die so mangelhaften 
Benennungen der Krankheit bloss nach den Symptomen — alles 
dieses genügt zu dem Nachweise, dass es nur eine neue Krankheit 
von gänzlich unbekanntem Wesen sein kann, die dieses zu bewirken 
vermochte. Wie man bei der Betrachtung dieser gewissermassen ins 
Riesenhafte sich ausdehnenden Nomenclatur der Syphilis noch den 
Gedanken an die uralte Existenz derselben im Bereiche des orbis 
antiquus festhalten kann, ist mir unbegreiflich, und höchstens so zu 
erklären, dass man irgend einen Namen herausgreift, sich an diesen 
allein klammert, aber nicht bedenkt, dass es sich um zahllose der- 
artige Analogien handelt, die wieder bei den verschiedensten 
Aerzten und verschiedensten Völkern verschieden und alle plötz- 
lich wie Minerva aus dem Haupte des Jupiter zu einer bestimmten 
Zeit hervorspringen. Ist dies anders zu erklären als durch die Neu- 
heit der Krankheit in der gesamten alten Welt? 

Dem terminologischen Wirrwar, der grosses Unheil in den 
Köpfen anrichtete, machte Girolamo Fracastoro ein Ende, indem 
er der Krankheit endlich den Namen gab, der ihr seitdem verblieben 
ist, und vor allem dadurch den Nagel auf den Kopf trifft, dass er 

i) Fuchs, S. 421. 
2) Fuchs, S. 322. 



- 96 - 

ebenso neu ist wie die Krankheit selbst: Syphilis! Dies geschah 
in dem berühmten Gedichte „Syphilis sive Morbus Gallicus**, ge- 
schrieben vor 152 1, veröffentlicht wohl zuerst im Jahre 1530 in Verona. 

Proksch sagt treffend über dasselbe: „Für die Geschichte der 
venerischen Krankheiten ist dieses Gedicht eine höchst erfreuliche 
That, über welche der Beschreiber nicht hinausgehen kann, und bei 
welcher er gerne verweilt, weil sie, wie bereits Hensler sagte: „eine 
wahre Erholung, recht eigentliche Labung dem Müden" ist, welcher 
sich durch die barbarischen Wüsten der Vorfahren Fracastoros 
durchgearbeitet hat. Schon der Titel des Gedichtes verkündet Geist, 
Liebe und Friede: „Syphilis, sive morbus gallicus". Soll dieses nicht 
heissen : Wir kennen den Ursprung der Krankheit nicht, wissen nicht, 
bei welchem Volke sie zuerst zum Ausbruch kam: warum wollt Ihr 
Völker Euch also gegenseitig schänden und der ekeln Seuche den 
Namen eines gerade verhassten Nachbarn beilegen? Gebt ihr einen 
Namen, der niemand kränkt oder Unrecht zufügt! Und Fracastoro 
siegte; zwar langsam, aber auf allen Linien. Heute benennt kein 
Kulturvolk mehr die Krankheit mit dem Namen eines anderen; 
Syphilis heisst sie in der ganzen Welt !" *). 

Und so sei auch in diesem dem Ursprünge der Krankheit 
Syphilis gewidmeten Werke der poetischen Legende Fracastoros 
eine Stelle gegönnt (nach A. Chennevilles deutscher Uebersetzung 
sämtlicher poetischer Werke Fracastoros, Hamburg 1858, S. 50— 51), 
welche uns den Namen der Krankheit als Gabe einer kühnen, 
schöpferischen Phantasie dargeboten hat: 

„Syphilus (meldet die Sag') an diesen Flüssen als Hirte 
Weidete tausend Rinder und tausend schneeweisse Schafe 
Auf des Aldthous Fluren. Zufällig beim Anfang des Sommers 
Warf aul die durstigen Aecker der Sirius brennende Strahlen, 
Und versengte die Haine, dass keine Schatten den Hirten 
Boten die Wälder, es gab kein kühles Lüftchen Erquickimg. 
Jener bedauerte die Heerd*, und gequält von der schrecklichen Hitze 
Hob zur erhabenen Sonn' er die Blicke und sprach so voll Unmuth: 
»Warum nennen wir dich, o Sonne, wohl Gott noch und Vater 
Aller Dinge, was weih't das rohe Volk dir Altäre, 
Schladitet dir Rinder, verehrt dich durch die fettesten Opfer, 
Wenn nicht Mitleid du hast für uns und die Heerden des Königs! 
Oder ich glaube wohl gar, ihr Götter verzehrt euch vor Neid schier! 
Ja, denn ich weide ja selbst hier tausend schneeweisse Farren, 
Tausend Schafe dabei. Kaum habet am Himmel ihr einen 
Stieren (wenn wahr, was man sagt), kaum einen Widder daneben, 



i) Proksch a. a. C, Bd. II, S. 54. 



— 97 — 

Und ein magerer Hund ist Hüter der so grossen Heerde! 
• Dumm bin ich, dass nicht vielmehr den König ich göttlich verehre, 
Dem der Aecker so viel' imd Völker, der über die weiten 
Meere regieret, und grösser als du, o Sonn', und die Götter! 
Er gibt kühlenden Wind, imd süsse Erfrischung dem grünen 
Hain' und den Heerden sogleich, und hebet die glühende Hitze!« 
Sprach's und ohne Verzug auf den Bergen errichtet dem König' 
Alcithous er Altäi' und begehet fromme Gebräuche. 
Seinem Beispiele folgt die Schaar der Bauern, der H'rten 
Uebrige Zahl: es brennt auf Altären Weihrauch, es iliesset 
Blut der Stiere, es dampfen geröstet die fetten Geweide. 
Als es der König erfährt, der herrscht auf erhabenem Throne 
Ueber die zahllose Schaar der ihm unterworfenen Völker, 
Freu't er der göttlichen Ehre sich sehr und gebietet als Gott selbst, 
Dass, bei Strafe von ihm, kein Anderer werd' auf der Erde 
Jetzt verehret, dass hier nicht Einer grösser als Er sei: 
Dass den Göttern der Himmel gehöre, doch das nicht, was d'runter! 
Dies sah' die Sonne, der Vater des Lichts, der Alles sieht, Jedes 
Einzeln beleuchtet, und schickt unwillig im Herzen, feindsel'ge 
Strahlen hinab, und vergiftet das Licht mit scharfen Atomen. 
Diesem Anblick gehorcht die Erde, die Fluth auch des Meeres 
Wird ergriffen, berührt vom Gifte erbleichet die Luft selbst. 
Gleich auf der gottlosen Erd' erzeugt sich die nie noch geseh'ne 
Krankheit. Und zwar zuerst der von dem vergossenen Blute 
Hatte dem Könige Opfer gebracht auf Bergesaltären, 
Syphilus, zeiget den Leib bedecket mit garst'gen Geschwüren. 
Schlaflose Nächte voll Schmerz und zuckende Glieder erdiildet 
Er zuerst: es empfängt von ihm die Krankheit den Namen 
Syphilis, nach ihm benannten die Menschen nun auch die Seuche." 

Neben dem Namen „Syphilis" hat sich nur noch eine Bezeich- 
nung eine allgemeine Geltung verschafft. Das ist der Name „Lues 
venerea" (die „Lustseuche", die „venerische Krankheit"), welchen 
der französische Arzt Bethencourt zuerst im Jahre 1527 vorschlugt). 



1) Er sagt: „Comme il (le mal v6n6rien) se manifesta pour la premiöre fois 
dans l'arm^e fran9aise k Tfepoque oü le roi Charles VIII envahit le royaume de Naples, 
les Italiens Tappel^rent mal fran^ais. Nous, Fran9ais, inversement, nous l'appelons mal 
de Naples. H est encore connu sous les d6nominations de grosse v6role, d' Elephan- 
tiasis, de liehen, d'imp6tigo, de mentagra, de pudendagra, et plus commun^- 
ment encore sous celle de morbus magnatus ... A mon sens, une maladie doit 
Stre d^nomm^e d*apr6s sa cause; celle dont nous allons traiter m^riterait, en cons6- 
quence, d'^tre appel^e mal v6n6rien (morbus venereus)." Jacques de Bethen- 
court, „Nouveau Cardme de P6nitence et Purgatoire d'Expiation ä l'usage des malades 
affect^s du mal fran9ais ou mal v6n6rien", Traduct. par Alfred Fournier, Paris 187 1, 
S. 31 — 32. — Nach dem Worte „morbus venereus" bildete Fernelius das Wort „Ines 
venerea" in seinem Buche „De luis Venereae curatione perfectissima'*, Antwerpen 157 1. 
Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 7 



- 98 - 

§ 7- Von der Aussatz- und Pockensyphilis^ 

Von allen den zahllosen Krankheiten, die man beim ersten Auf- 
treten der Syphilis mit dieser in Verbindung brachte, beansprucht 
der Aussatz bei weitem das grösste Interesse des Syphilishistorikers. 
Keine Vorstellung hat sich so hartnäckig eingenistet wie das selt- 
same Märchen von der Lepra, die Syphilis gewesen sein soll, d. h. 
wie der Glaube, dass die Syphilis sich im Mittelalter und Altertum 
hinter dem Aussatze versteckt haben soll. Dass diese Meinung sich 
bereits beim Ausbruche der Lustseuche kundgab, wird uns nicht 
weiter in Erstaunen setzen, da wir ja gesehen haben, dass es kaum 
eine Krankheit, ein Symptom gab, auf das man die Syphilis nicht 
bezogen hätte. Aber diese Fabel fand noch in der neueren Zeit 
Glauben und verdichtete sich sogar zu der Theorie einer direkten 
Umwandlung des Aussatzes in die Lustseuche. 

So sagt Kurt Sprengel: „Es ist daher nicht ganz unwahr- 
scheinlich, dass der Aussatz, im Mittelalter durch das ganze Abend- 
land äusserst verbreitet, vermöge der allgemeinen Unzucht, durch 
Einwirkung des Klimas und besonderer epidemischen Konstitution 
sich nach und nach so umgewandelt, dass die Zufälle an den Zeug- 
ungsteilen immer häufiger geworden, und endlich die syphilitische 
Form der unreinen Uebel entstanden^)." Und noch im Jahre 1857 
schrieb Friedrich Alexander Simon seine „Kritische Geschichte 
des Ursprungs, der Pathologie und Behandlung der Syphilis Tochter 
und wiederum Mutter des Aussatzes**, wobei als besonders 
merkwürdig der Umstand hervorgehoben werden muss, dass Simon, 
ein Anhänger des neuzeitlichen Ursprunges der Lustseuche, diese 
bewunderungswürdige Metamorphose genau im Jahre 1495 sich 
vollziehen lässt, nicht ein Jahr früher und nicht ein Jahr später. 

Diese extreme Ansicht, welche den direkten Ursprung der 
Syphilis aus dem Aussatze vermittelst einer Umwandlung des letzteren 
zu einer von den Genitalien ausgehenden konstitutionellen Krankheit 
annimmt, ist auf einige fabelhaften Erzählungen zurückzuführen, wel- 
chen man bei einigen Syphilographen begegnet. So erzählt Johan- 
nes Manardus (1500): „Alii sunt, et haec est antiquior sententia, 
et majoribus fulta testimoniis, qui coepisse hunc morbum per id tem- 
pus dicunt, quo Carolus Francorum rex expeditionem Italicam parabat: 
coepisse autem in Valentia Hispaniae Tarraconensis insigni civitate a 



i) K. Sprengel, Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneykunde", 
3. Aufl., Halle 1823, Bd. II, S. 706. — Vgl. auch z. B. Andrea Vetrani, „Medicum 
discrimen de lepra Gallica", Palermo 1657, und andere Schriften mit dem gleichen ab- 
surden Titel. 



~ 99 — 

nobili quodam scorto, cuiusnoctem elephantiosus quidam exequestri 
ordine miles quinquaginta aureis emit: et cum ad mulieris concubitum 
frequens Juventus accurreret, intra paucos dies supra quadringentos in- 
fectos, e quoruni numero nonnuUi Carolum Italiam petentem secuti, 
praeter alia quae adhuc vigent importata mala, et hoc addiderunt, 
intra minima non deputandum ^).** 

Dieselbe Geschichte erzahlt auch Prosper Borgarutius^). 

Andreas Caesalpinus berichtet, dass bei der Belagerung 
der Stadt Somma am Vesuv durch das französische Heer Karls VIII. 
die Spanier dem in der Stadt in Menge vorhandenen griechischen 
Weine Blut von Aussätzigen beigemischt und dann sich davon ge- 
macht hätten. Darauf hätten die Franzosen von dem Wein getrunken 
und das Virus des Aussatzes sei durch denselben auf die Schamteile 
übergegangen und habe so den Morbus Gallicus erzeugt^). 

Besonders eifrig hat Paracelsus diese Theorie verfochten. 
„Sehet an**, sagt er, „die Kranckheit der Frantzosen, wie sie seltsam 
entsprungen ist, als nemlich von einem aussetzigen Frantzosen, 
vnnd von einer schlierigen (d. h. mit Bubonen behafteten) Mätzen, 
welche durch jhr Vnkeuschheit vergiflPt hat andere, die dann 
in die Frantzosen gefallen seind. Also vom Schlier vnnd Aussatz 
ist entsprungen die Kranckheit der Blatern, zu gleicherweiss 
wie auss einem Ross vnd Esel ein Maulthier wirdt*)." Er erklärt 
dann weiter die verschiedenen Erscheinungsformen der Syphilis als 
Folgen der Mischung des Aussatzes und zwar besonders der „Morphaea" 
(Lepra maculosa) mit anderen Krankheiten: „So merckend, wie ich 
im anfang erzählt hab, das zweyerley Aussatz seind, von denen die 
Frantzosen geboren werden, als * vnd * Auff das so merckend, dass 
Morphea, Alopecia, Vndimia, Scrophulae, Lepra putrida, Pruritus, 
Cicatrices seind Männlin, die andern Chirurgicalischen Kranckheit 
seind Weiblin, so viel vnd jhr seind, in Geberung dieser Kranckheit. 
Wiewohl das ist, das ein jegliche Kranckheit Männlin vnd Wiblein 
hatt: da aber in Frantzosen ist es ein andere, Darumb so seind da 
andere Heurat. Dann wo nuhn also ein solch par zusammen gefügt 
wirdt, als Morphea vnd Gutta rosacea, da wird ein besondere Arth 
der Frantzosen darauss. Also auch Morphea, vnd Tentigo prava. 



i) Joannis Manardi, De morbo Gallico Epistolae duae: Luisinus I, 606. 

2) Luisinus II, 1117. 

3) „In morbo autem Gallico virus elephantiasis per vinum Graecum transivit in pu- 
denda, et semen infedt." A. Cesalpino, ^yKarojirgov sive Speculuni Artis medicae Hip- 
pocraticuiTi." Frankf. 1605, Lib. IV, Cap. 3, S. 239. 

4) J. K. Proksch, „Paracelsus über die venerischen Krankheiten etc." Wien 1882, 

S. 12. 

7* 



— lOO 

macht auch andere species, Oder Alopecia, vnd Tentigo; Scrophulae, 
vnd Lupus: Morphea oder Lupus: Vnd in summa diese coniuctiones 
Männlin vnnd Weiblin, machen so mancherley Proles, dass sie nicht 
zubeschreiben seind, sondern allein du seyest bekannt in der Artzney 
nach dem besten: sonst ist dir nicht zubeschreiben, dann dass du solt 
wissen, was Männlin und Weiblin sind, das also auch der Maulesel 
demnach wirdt: Also zu verstehen, so vielerley Chirurgicalischen 
Kranckheit seind so vilerley seind, auch species der Frantzosen, 
vnnd noch mehr: vnnd soviel mehr, soviel vnnd Morphea, Weiblin 
finden kann vnnd mag, soviel Alopecia finden mag, so viel seind 
auch Proles^)." 

Es fehlte denn auch nicht an solchen, die einen direkten LTeber- 
gang des Aussatzes in die Syphilis und sogar das Umgekehrte 
beobachtet haben wollten. 

„Transitus tamen ex morbo Gallico ad elephantiasim possibilis 
est. Vidi enim duos ex morbo Gallico ad elephantem transi- 
visse^)," 

Betrachtet man diese drei Berichte genauer, so ist das Märchen- 
hafte dabei nur die angebliche Umwandlung des Aussatzes in die Sy- 
philis. Im übrigen braucht man an dem wirklichen Ereignis durchaus 
nicht zu zweifeln. Wir wissen ganz genau und kennen zahlreiche 
Beobachtungen darüber, dass Lepra und Syphilis neben einander 
denselben Menschen befallen können. Und man ist sogar — eine 
interessante Thatsache — imstande, in solchen Fällen sehr wohl die 
einzelnen Erscheinungen beider Krankheiten aus einander zu halten^). 
Der Aussätzige von Valencia kann also sehr wohl ein Aussätziger 
gewesen sein. Nur hatte er nebenbei noch eine frische Syphilis, viel- 
leicht erst in Form eines primären Geschwürs, acquiriert und über- 
trug diese auf das Freudenmädchen, welches dieses Geschenk an ihre 
späteren Besucher weiter gab. Und könnte man bei der Weinaffäre 
von Somma nicht an die noch heute leider nicht selten vorkommende 
Uebertragung der Syphilis durch Trinkgeschirr denken? Natür- 
lich sind auch des Cataneus zwei Beobachtungen von Uebergang 
der Syphilis in den Aussalz möglich, wenn man statt eines „Ueber- 
ganges" eine „Hinzugesellung" annimmt. 



i) ibidem, S. 15 — 16. 

2) Jacobus Cataneus, De Morbo Gallico Tractatus in: Liiisinus I, 143. 

3) Adolf V. Bergmann, „Die Lepra" in: Deutsche Chirurgie, herausgegeben von 
E. von Bergmann und P. Bruns, Lieferung 10 b, Stuttgart 1897, S. 94. — Impey 
spricht sogar von einer „Lepra syphilitica", womit er sagen will, dass bei Syphilitikern die 
Lepra ganz besonders schwer verläuft, ibidem, S. 22. 



lOI — 



Ausser diesen angeblich so merkwürdigen Beobachtungen gaben 
noch mehrere andere Umstände Veranlassung zu der Meinung, dass 
Aussatz und Syphilis eines und desselben Wesens seien. Sehr wert- 
voll in dieser Hinsicht ist die Erklärung des Fracastoro in seiner 
Schrift über die ansteckenden Krankheiten. Er sagt, dass einige 
ältere Schriftsteller hartnäckig in ihren Büchern die Theorie der 
Identität des Morbus Galliens mit der Elephantiasis verfochten hätten. 
Diese Täuschung erkläre sich aus dem Umstände, dass die Alten 
getrennt die Lepra und die Elephantiasis abgehandelt hätten. Unter 
Lepra hätten die eben erwähnten Schriftsteller dasselbe verstanden, 
was man noch heute unter Lepra verstehe (nämlich den Aussatz), und 
da sie nicht gewusst hätten, was „Elephantiasis" sei, so hätten sie 
diese schlankweg mit der Syphilis identifiziert^). 

Hier spielt also Fracastoro auf jene Verwirrung in der Aus- 
satz-Terminologie an, nach welcher, wie er selbst dann weiter aus^ 
führt, die antike „Elephantiasis" unsere moderne (und auch mittel- 
alterliche) „Lepra" gewesen ist, die antike „Lepra" aber nur eine* 
leichtere parasitäre Hautaffektion war und erst in mittelalterlicher 
Zeit die Bedeutung „Aussatz" erlangt habe. So hätten jene Autoren 
nicht gewusst, was „Elephantiasis" bedeute und sie als eine unbekannte 
Krankheit mit der Lustseuche für wesenseins erklärt*). 

Als eine neue Form des Aussatzes erschien die Syphilis 
auch wohl jenen, welche, wie Marinus Brocardus (1500) berichtet, 
die neue Krankheit für eine „dispositio media inter scabiem et lepram" 
hielten % 

Dass ich diese angebliche Identität des Aussatzes und der Sy- 
philis einer so ausführlichen Erörterung für wert erachtet habe, war 



i) „Quando posterionim quidam plus aequo obstinati scriptis mandavere, eundem 
esse morbum ElephanUam, et morbum Gallicum atque eisdem etiam remediis curari opor- 
tere. quod autem eos praecipue decepit, id fuit, quod videntes ipsi aniiquos seorsum de 
Lepra scribere, et seorsum de Elephantia, tum existimantes per Leprae nomen ab iis in- 
telJigi, illud quod vulgo lepram vocamus, nesciverunt quid nam esset Elephantia, nisi mor- 
bus hie, qui mox Gallicus est appellatus." H. Fracastorius, „De morbis contagiosis^', 
Lib. II, Cap. 3 in: Luisinus I, 203. 

2) Dass die Griechen zuerst den Namen Xsjiga für den Aussatz gebraucht haben, 
welcher dann seit 300 v. Chr. durch das Wort ikstpavtiaaig verdrängt wurde, um dann 
später in der That nur noch für leichtere Hautaffektionen Verwendung zu finden, habe ich 
überzeugend an einer Nachricht des Ktesias nachgewiesen. Vgl. J. Bloch, „Beiträge 
zur Geschichte und gec^aphischen Pathologie des Aussatzes", I, in : Deutsche med. Wochen- 
schrift 1900, Nr. 9. — Ausführlicher handle ich über die Terminologie des Aussatzes in 
dem ersten, das Altertum betreffenden Bande, meiner „Geschichte des Aussatzes", für den 
bereits das Material von mir gesammelt worden ist. 

3) Marini Brocardi De Morbo Gallico Tractatus in: Luisinus II, 965. 



— I02 — 



notwendig, da noch in unseren Tagen diese Meinung Anhänger 
hat. A. V. Bergmann sagt: „Leider hat die allerneueste Zeit 
Publikationen gezeitigt, welche es sich angelegen sein lassen, Lepra 
und Lues mit einander zu verquicken, den Standpunkt somit wieder 
zur Geltung zu bringen, von dem aus in therapeutischer Hinsicht 
namentlich unendlich viel Unheil angerichtet worden ist, und von 
dem die medizinische Welt befreit zu haben, gerade ein Hauptver- 
dienst Danielssens und Boeck's ist. So erklärt Fitsch die Lepra 
für ein viertes Stadium der Lues. Die Leprösen sollen gegen Sy- 
philisimpfungen immun sein, therapeutisch sei es ihm gelungen, 
Lepra durch antiluetische Behandlung in einigen Fällen zu bessern. 
Auch Moore hält die Lepra für eine Phase der hereditären Lues"^). 

Ich glaube, dass ich, nachdem seit Danielssen und Boeck 
sämtliche hervorragende Lepraforscher der Welt darin übereinstimmen, 
dass Aussatz und Syphilis in ihrem Wesen gänzlich von einander 
verschieden sind, nachdem von Armauer Hansen und Albert 
Neisser der Leprabacillus entdeckt worden ist, nun nicht mehr nötig 
habe, an dieser Stelle darüber mich weiter auszulassen, zumal da man 
über diesen Punkt sich in jedem Lehrbuch der Dermatologie sofort 
orientieren kann. Aber ein anderer Einwurf muss näher beleuchtet 
werden, der m. E. allerdings nur eine Folge jener ersten falschen 
Theorie von der Identität beider Krankheiten ist 

Bis auf den heutigen Tag behaupten viele Syphilishistoriker, 
dass sich im Altertum und Mittelalter die Syphilis hinter dem 
Aussatze versteckt habe, dieser in vielen Fällen gar kein Aus- 
satz gewesen sei, sondern larvierte Syphilis. Nach gründlicher Unter- 
suchung dieser Frage erkläre ich hier von vornherein: Nie ist eine 
Behauptung leichtfertiger aufgestellt und schlechter begründet 
worden als diese! Es geht nicht an, hier einen einzelnen zu be- 
schuldigen, sondern es ist die Suggestion der grossen Namen, 
welche auch auf diesem Gebiete verderblich gewirkt hat. Es ist 
schwer, einer Behauptung, die man von so vielen berühmten Aerzten 
und Medizinhistorikern vorgetragen sieht, auf die Dauer zu wider- 
stehen, besonders wenn man an sie schon mit einem bestimmten Vor- 
urteil herantritt. 

Es giebt ja einige oberflächliche Aehnlichkeiten in den Erschei- 
nungen des Aussatzes und der Syphilis, wie z. B. die Zerstörungen 
der Nase, Geschwür- und Knotenbildungen, Affektionen der Mund- 
und Rachenhöhle, aber im übrigen ist der ganze Verlauf der beiden 



i) A. V. Bergmann a. a. O., S. 22. 



— I03 — 

I-eiden efn so verschiedenartiger, dass nur grobe Unkenntnis auf die 
Idee verfallen kann, die beiden seien nicht zu unterscheiden. Hierzu 
kommt noch, dass gerade in jenen Schriften, aus denen man die 
„Lepra-Syphilis" entnommen hat, der Aussatz so deutlich mit allen 
seinen charakteristischen Symptomen beschrieben wird, dass Sy- 
philis mit absoluter Sicherheit auszuschliessen ist. 

Doch gehen wir auf eine nähere Betrachtung dieses Gegen- 
standes ein. 

Es wird als ein besonders auffälliger Umstand hervorgehoben, 
dass der Aussatz mit dem Auftreten der Syphilis angefangen habe 
zu verschwinden 1), und dass dies der beste Beweis dafür sei, dass 
ein grosser Teil der Lepra des Mittelalters eben Syphilis gewesen 
sei. Damit wird also klipp und klar gesagt, dass die Syphilis, nach- 
dem sie bereits — wie die Gegner eines neuzeitiichen Ursprungs 
derselben annehmen — als scheinbare Lepra im Mittelalter Nasen 
zerstört hatte und durch den Coitus übertragen worden war, nun 
endlich das Visir gelüftet, sich in ihrer wahren Gestalt gezeigt und 
die angebliche Lepra zu allen Teufeln gejagt habe. Sehen wir uns 
dann die mittelalterlichen Beschreibungen der Lepra an, so finden 
wir immer wieder Lepra, und zwar mit ihren typischen Erschei- 
nungen, wie sie heute noch sich darbieten. Ich behaupte dagegen: 
eine Syphilis, die Nasen zerstört, die Condylome am After und Ex- 
antheme und Geschwüre auf der Haut erzeugt, die kann nicht im 
Altertum und Mittelalter unter der Lepra sich harmlos verbergen, 
und nicht plötzlich als das hervortreten, was sie ja dann schon da- 
mals war, als eine neue, furchtbare Krankheit in epidemischer Ver- 
breitung. Und ich behaupte weiter, dass es ein grober Irrtum ist, 
anzunehmen, dass die Lepra so urplötzlich verschwunden war. Der 
wahre Thatbestand ist der: als die Syphilis in Italien zum ersten 
Male auftrat, da war die Lepra dort schon selten, aber in anderen 
Ländern, besonders in Frankreich, wütete sie noch viele 
Jahre neben der Syphilis mit ungeschwächter Kraft weiter 
und wurde von dieser auf das deutlichste und schärfste 
getrennt. 

Dies erhellt aus einem sehr bemerkenswerten, bisher gar nicht 
beachteten Berichte des Fallopia, den ich bereits an anderer Stelle 
mitgeteilt habe 2), aber hier wiederhole. Es sei vorher bemerkt, dass 



i) So noch Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten*', II, 147. 

2) J. Bloch, „Die neunzehntausend Leproserien im XIII. Jahrhundert. Eine 
kritisch-rmethodologische Bemerkung über Professor Polotebnoffs Entdeckung" in: Allg. 
med. Centralzeitung 1899, Nr. 69. 



— I04 — 

Fallopia, ein kenntnisreicher Arzt und vortrefflicher Diagnostiker 
und von Proksch als „einer der grrössten Aerzte aller Zeiten be- 
zeichnet" (II, 208), von 1523 bis 1562 lebte, dass also seine Beob- 
achtungen auf einer Reise durch Frankreich um 1550 anzusetzen 
sind, d. h. über ein halbes Jahrhundert nach dem Ausbruche 
der Lustseuche. 

In dem dritten Kapitel seiner Abhandlung über die Syphilis 
erörtert Fallopia die Frage der Identität der Syphilis und Lepra 
und spricht sich auf das schärfste gegen dieselbe aus, nachdem er 
die vorzüglichsten Verschiedenheiten beider Krankheiten aufgezählt 
hat. Dann fährt er fort: „Aber da wird noch Einer sagen, dass der 
Aussatz beim Erscheinen der Syphilis aufgehört habe. Das sind 
alberne Possen! Denn obgleich es in Italien nicht mehr eine grosse 
Zahl von Aussätzigen giebt, so kann man immerhin noch solche dort 
beobachten. Vor allem aber möge Einer von Euch nach Frankreich 
gehen und dort die zahllosen Aussatzbospitäler in Augenschein 
nehmen. Ich wenigstens wunderte mich darüber, als ich jenes Land 
durchwanderte. Es gab kein noch so kleines Dorf, welches 
nicht ein Aussatzspital gehabt hätte. Und doch ist gerade in 
Frankreich die Zahl der Syphilitiker eine beinahe unbegrenzte"^). 

Damit ist jene thörichte Meinung von einem Zusammenhange 
des Verschwindens der I-epra mit dem Auftreten der Syphilis gründ- 
lich widerlegt. Man wird sich künftig nicht mehr dieses Argumentes 
bedienen können. 

Wir kennen ziemlich genau die (jreschichte des Aussatzes in der 
alten Welt und die ungefähre Zeit seiner Einschleppung in mehrere 
Länder. Daher wirft sich ganz naturgemäss die Frage auf, wie denn 
die Syphilis sich in dem Falle verhielt, dass sie sich noch nicht hinter 
der Lepra verstecken konnte. Man löse mir das Problem, was die 
unglückliche Syphilis in einem leprafreien Lande angefangen hat. 
Ich finde es daher ganz berechtigt, wenn G ei gel fragt: „Und wenn 
die konstitutionelle Syphilis doch immer vorhanden und nur unter 
dem Aussatze verborgen gewesen sein soll, wo war sie denn, bevor 
um die Zeit des Pompejus der Aussatz nach Italien importiert wurde? 

i) „Sed dicet quis, superveniente Gallico, cessavit elephantiacus, sunt nugae, nam 
quam vis in Italia non sint copiae magnae elephanticorum, tarnen possumus videre aliquos. 
Praeterea accedat quis vestnim in Gallias, et videbit copiosa hospitalia elephantiaca: ego 
interea mirabar, dum peragrarem regionem iilam, non erat minimus pagus, in quo non essent 
elephanticorum hospitia. et tamen in Gallia est infinita fere Gallicorum multitudo." Ga- 
brielis Fallopii De Morbo Gallico Tractatus, Cap. III: Luisinus II, fol. 764. — 
Fol. 761 spricht er von „Gallia, in qua plurimi sunt Elephantici". 




— 105 — 

War den Römern die Syphilis wirklich so etwas Alltägliches und 
Bekanntes, wie konnten sie damals die Elephantiasis als eine einge- 
schleppte, neue Krankheit bezeichnen, wenn doch das Hauptkontingent 
der letzteren aus syphilitischen Affektionen bestanden haben soll?"^). 

Auch ist es recht auffällig, dass die Leprösen selbst die Sy- 
philis als ein von dem ihrigen funditus verschiedenes, fremdartiges 
Leiden betrachteten, dessen Scheusslichkeit sie dazu veranlasste, ener- 
gisch gegen eine Aufnahme der Syphilitiker in die Leproserien zu 
protestieren *). 

So musste man alsbald zum Baue eigner Feldhütten 3) und 
„Franzosenhäuser" schreiten, von denen eins der ersten in Nürn- 
berg errichtet ward*). 

Man unterschied eben deutlich in jener und einer viel späteren 
Zeit Lepra und Syphilis als zwei von einander verschiedene 
Infektionskrankheiten mit einem spezifischen Contagium. In dem 
Stiftungsbriefe des Zwölfbrüderhauses in Nürnberg vom Jcihre 15 lo 
heisst es: „Ob aber der bruder ainer mit dem awssatz, dem hinfallen- 
den siechtagen, oder der Krankheit der Frantzosen begriffen wurd, 
der soll bey den andern brudern nit gelitten, Sonnder zu stunnd 



i) A. Geigel a. a. O., S. 230 — 231. 

2) „Nam incognitus et invisus erat iste pestifer morbus, non tantum vulgo, verum 
etiam doctis et in sacra mediana eruditis. Ingruit et tam mira turaultuatio in plebe, quod 
leprosi nolebant habitare cum hoc morbo infectis." Laurentii Phrisii De Morbo Gallico 
Opusculum, Cap. I in: Luisinus I, 344. — „Est autem mirabilis, contagiosa et nimium 
formidanda infirmitas, quam etiam detestantur leprosi et ea infectos secum habitare non per- 
mittunt, metuentes graviori, quam sit lepra, infici morbo." Trithemius bei Fuchs, S. 348. 

3) „Und die ungedachte, unerkannte, hartselige Plag der elenden Blattern, so 
noch ihren Namen von Neapols uud Franckrych behalten: Was unussprechlichen Jammers 
diss jämmerliche krankheit in aller Welt, in allen Standen und Geschlechtern der lyden- 
haftigen Menschen hat gebracht, mag niemermehr genug erzählt, aber auch niemermehr ver- 
gessen werden. Dann sie ein so frömd, grusam Angesicht hatt*, dass sich ihra kein ge- 
lehrter Arzt wollt' oder dürft annehmen und sie auch die schüchen Feldsiechen 
schüchtent. Und musst ihr eigene sondere Feldhütten machen." Valerius 
Anshelm bei Fuchs, S. 359. 

4) „Utcumque sit, dum plaga illa invaluerit membraque et corpora incendio suo de- 
pascat, ne contagio ad alios serpat, singulari cura et Providentia ad amnis ripam extra urbem 
constructa publica domus est (Lazaretum Itali vocant) spatiosa et aerosa inque varias cellas 
digesta, in quam aurigae et baiuli cum sellis gestatoriis illos, quos lues corripuit, evehunt et 
abducunt Servis, proselytis, operariis ut cuiusque conditionis hominibus haec pietas fit. 
Domus ea divo Sebastiano consecrata est, ab eoque nomen habet." Conrad Celtes, 
De origine, situ, moribus et institutis Norinbergae libellus", Nürnberg 1502, Cap. VI, cit. 
nadi Fuchs a. a. O. S. 323. 



— io6 — 

gevreabt werden"^). In einem Gedichte eines Anonymus um 1530 
werden ebenfalls „Mentagra (d. h. Syphilis), Sanct Veltins kranckheyt 
vnd lepra" streng von einander geschieden'^). 

Trotzdem haben die meisten neueren Syphilishistoriker, zuletzt 
noch Buret, Proksch und Peypers, mit Rücksicht auf einen be- 
sonderen Umstand, die Meinung verfochten, dass ein Teil der mittel- 
alterlichen Lepra nichts weiter als larvierte Syphilis gewesen sei. 
Dieser Umstand, dieses angebliche Hauptmoment in der ganzen 
Frage, ist die Erwähnung von Folgen des Beischlafes mit 
leprösen Frauen bei mehreren mittelalterlichen Schriftstellern. 

Ich habe, wie ich von vornherein erkläre, keineswegs die Ab- 
sicht, diese Thatsache irgendwie zu bemänteln, habe mir im Gegenteil 
dieselbe sehr genau angesehen und auf Grund dieser kritischen 
Prüfung die feste Ueberzeugnng bekommen, dass dieses Argument 
für den Nachweis der mittelalterlichen Existenz der Syphilis als 
einer spezifischen, kontagiösen, konstitutionellen Krank- 
heit absolut unzureichend, ja vollkommen nichtig ist. 

Zunächst ist Folgendes zu erwägen. Sind es nur geschlecht- 
liche Krankheiten, die man durch den geschlechtlichen Umgang 
sich zuzieht? Der Akt des Beischlafes stellt die denkbar innigste 
und zeitlich auch wohl am längsten währende Berührung zweier 
menschlicher Körper dar, so dass gerade hier die vorzüglichste Ge- 
legenheit zur Uebertragung aller möglichen kontagiösen Leiden ge- 
boten ist^). Im weitesten Sinne des Wortes können überhaupt alle 
kontagiösen Krankheiten durch den Beischlaf übertragen werden. 
Dem Laien ist ja längst bekannt, dass man sich die Krätze und ver- 
schiedene Arten der Familie „Pediculus** in den meisten Fällen durch 
den Beischlaf erwirbt Wenn man sogar an eine Uebertragung der 
Lungentuberkulose durch den Geschlechtsverkehr gedacht hat, um 
wie viel mehr ist jene Auffassung berechtigt, dass alle jene auf der 
äusseren Haut sich einnistenden tierischen und pflanzlichen Parasiten 
während des Coitus am häufigsten von einer Person auf die andere 
übertragen werden. Ausser den oben genannten kommen da in 



i) Matthias Landauers in Nürnberg Stiftungsbrief des Zwöifbrüderhauses hinter 
Allerheiligen im Jahre 15 10, den 21. Jenner. — Abgedruckt bei Grüner, „De Morbo 
Galileo Scriptores", S. 4. 

2) Fuchs, S. 374—375- 

3) „Contagium nullo alio modo efficacius et facilius contrahitur quam per camalem 
conjunctionem.** M. Schur ig, „Gynaecologia", Dresden 1730, S. 222. 



— I07 — 

Betracht: Favus, Herpes tonsurans nebst Sykosis parasitaria, Pityria- 
sis versicolor, Impetigo contagiosa, Pocken, gewisse Formen des 
Eczems, denen man eine parasitäre Natur zuspricht u. a. m. Ich er- 
wähne diese Verhältnisse nur, um darauf hinzuweisen, dass man aus 
dem Umstände einer Ansteckung durch den Beischlaf und intimen 
Geschlechtsverkehr nicht generell auf das Vorhandensein eines 
rein geschlechtlichen Leidens schliessen darf. Dazu gehört m. E. 
doch vor allem, dass nun auch die Natur und der Verlauf dieser 
betreffenden Geschlechtskrankheit beschrieben werde i). 

Und dann: welche Rolle in der Aetiologie aller möglichen 
krankhaften Zustände spielt der Coitus während des ganzen 
Mittelalters! Der gelehrte Martin Schurig bringt darüber spalten- 
lange Berichte. Der übermässige Beischlaf erzeugte nach den 
Vorstellungen der mittelalterlichen Aerzte „amentia", „furor", „mania", 
„delirium*', apoplexia", „cerebrum exsiccatum", „tabes** und „hy- 
drops", „palpitatio cordis", „epilepsia", „syncope", „suffocatio", „defec- 
tus memoriae", „suffusio", „Visus imbecillitas", „caecitas", „dyspnoea", 
„sudor unius lateris", „canities", „febris acuta", „podagra'*, „cholera 
sanguinea" etc."^). — Als Prototyp der Unreinheit des Weibes 
galt im ganzen Mittelalter die Menstruation. Man nahm von 
einer menstruierenden Frau an, dass „tota sanguinis massa a variis 
causis vitiosa, impura, venerea atque corrosiva" sei, und daher der 
Beischlaf zu dieser Zeit die verschiedensten Krankheiten erzeugen 
könne. Die „foeda mulier** des Mittelalters war in den meisten Fällen 
eine menstruierende ! 3) 

Schurig bemerkt: .,Antequam autem menstrui sanguinis virtu- 
tis recitemus, non immerito monendum venit, eum a nonnullis scrip- 
toribus pro maxime noxio atque venenoso, ab aliis vero pro innoxio 
atque ejusdem cum reliquo corporis sanguine qualitatis judicari. 
Priorem sententiam defendunt tum veteres tum recentiorum non- 
nulli, et quidem ex eo fundamento, quia non modo sanguis hoc tem- 
pore excretus, sed etiam feminae ipsae tempore menstruationis varios 
pessimos et venenatos efiectus edere soleant. Ex qua ratione etiam 



i) M. Schurig sagt: Der Beischlaf müsse bei allen kontagiösen Krankheiten, wie 
Pest, Gonorrhoe, S)rphilis, Lepra, Phtisis pulmonum verboten werden, wegen der An- 
steckungsgefahr für die gesunde Person. „Spermatologia", Frankf. a. M. 1720, S. 555 — 561. 

2) M. Schur ig a. a. O. im Index unter „Coitus". 

3) Dieser Glaube an die unreine, ansteckende Natur des mensttuierendes Weibes 
reicht bis in die Urzeit der Medizin, bis in die dämonistische Heilkunde zurück. Vgl. M. 
Höfler, „Krankheits-Dämonen" in: Archiv für Religionswissenschaft, Freiburg i. B. 1899, 
BcL II, S. 125. 



■i 



— 1 08 - 

illi mulieres menstruatsis impuras, coitumque dicto tempore exer- 
citum noxium esse dicunt .... Ex adductis et aliis rationibus abs- 
que dubio etiam antiquis Medicis coitus cum femina menstruata fuit 
suspectus, dum non modo viris et maribus cum menstruata 
congredientibus, sed etiam infantibus inde nascendis no- 
ceat, iisque lepram et alios morbos, atque venenum affri- 
cari seu communicari posse credebant. — Illud enim comper- 
tum est, posse homines hujusmodi usu veneris venenari"^). 

Aehnliche allgemeine Wirkungen schrieb man der Leichen- 
schändung zu. Noch van Helmont berichtet über einen Fall, wo 
sich der Körper eines Kriegsmannes, der den Leichnam einer Frau 
geschändet hatte, bald darauf mit zahllosen „tubera" bedeckte*). 

Der Aberglaube des Mittelalters leitete auch die Monstra und 
„verdorbenen Früchte" aus einem solchen übermässigen und unreinen 
Coitus ab. Hermaphroditen und Missgeburten verdankten so ihren 
Ursprung dem „Congressus tempore Menstruationis" ^), und vor allem 
waren es die verschiedenen „Figurae Veneris", besonders die „Venus 
postica", denen man die Erzeugung kranker und missgestalteter Kinder 
zuschrieb, wie dies besonders (Pseudo) Albertus Magnus (d. i. 
Henricus de Saxonia) in seinem Werke „De secretis mulierum" 
angeführt hat*). 

Ich habe der Mitteilung dieser Thatsachen, welche sich durch 
eine genauere Nachforschung noch ganz bedeutend vermehren liessen, 
deswegen einen so grossen Raum gewidmet, weil sie unwiderleglich 
darthun, dass das ganze Mittelalter Erkrankungen infolge eines über- 
mässigen und unreinen Beischlafs annahm, die durchaus nichts 
mit irgend einer venerischen AflFektion zu thun haben. Ja, man 
hielt sogar eine Verderbnis der Frucht für eine Folge eines Bei- 
schlafes unter solchen Umständen (Excesse, Menstruation u. s. w.). 
Dass auch die Lepra von verschiedenen Autoren einem solchen 
übermässigen und impuren Coitus zugeschrieben wurde, habe ich 
schon hervorgehoben und habe nicht nötig, die Falschheit dieser 



i) Schurig, „Parihenologia", Dresden u. Leipzig 1729, S. 226, 230. 

2) Schurig, „Spermatologia", S. 297 — 298. 

3) ibidem, S..622; Ambroise Par6 (III, lib. 19, cap. i), 6d. Malgaigne, Paris 
1841, S. 4. 

4) „Item coitus inordinatus et vehemens maxime est cavendus propter foetum debite 
producendum ne semen perverse recipiatur in matrice . . . Quidam vero procedunt ex parte 
coitus, cum femella sie quod ad monstrositatem multum operatur inordinatus coitus . . . . si 
tunc masculus tempore coitus inordinate jacet cum femella, monstrum fadt in natuia." 
Albertus Magnus, De Secretis Mulierum, Amsterdam 1655, S. 95. 



— I09 — 

Hypothese — wie dies schon Schurig gethan hat^) — zu beweisen. 
Aber diese Hypothese steht in gar keinem Zusammenhange mit irgend 
einer venerischen Erkrankung. Stets ist es der echte, typische Aus- 
satz, welcher durch solche Ursachen hervorgerufen wird. 

Wie verhält es sich aber nun mit dem Beischlaf mit Leprösen 
selbst? Es liegen unzweifelhafte Berichte vor, nach welchen im Mittel- 
alter die Annahme verbreitet war, dass man Lepra nicht nur durch 
Beischlaf mit einer „foeda mulier", sondern auch mit einer Leprösen 
acquirieren könne. Diese durch den Coitus erworbene „Lepra" konnte 
nach der Meinung vieler Syphilishistoriker nur Syphilis sein. Ich 
staune über diese kühne Schlussfolgerung. 

Das ganze Leben des Mittelalters, die Gesetzgebung, die Medizin 
und Krankenpflege sind beherrscht von dem Eindrucke der emi- 
nenten Contagiosität des Aussatzes. Und zwar muss diese Con- 
tagiosität eine grössere gewesen sein, als sie noch heute beobachtet 
wird. Denn trotz der rigorosesten Abtrennung der Leprösen von 
den übrigen Menschen durch Massregeln, wie sie in dem Umfange 
und mit der Zweckmässigkeit heute noch nicht wieder haben durch- 
geführt werden können, erlangte die Lepra eine geradezu ungeheuer- 
liche Verbreitung. Sie war die Volkskrankheit par excellence des 
Mittelalters. Die kleinsten Städte und Dörfer sahen sich zum Baue 
von Leproserien genötigt. Ausserdem waren die Aussätzigen in 
zahllosen einzelnen „Feldhütten'* über das ganze Land verstreut. Die 
„Klapper** der Aussätzigen ist das typische Symbol für den 
Glauben an die grosse Contagiosität der Lepra. Sie kündigte 
das Nahen eines solchen Kranken an und verhütete eine zu grosse 
Annäherung, da man nicht nur die Berührung, sondern auch den 
Anhauch des Leprösen als ansteckend fürchtete 2). 

Ist es daher verwunderlich, wenn man damals vor allem den 
Beischlaf mit einer aussätzigen Person als eine wichtige Quelle der 
Ansteckung fürchtete? Und hatte man vielleicht nicht ein Recht 
dazu? Denn der „simple contact**, der nach Raymond^) für an- 
steckend galt, gestaltet sich beim Geschlechtsakte zu der denkbar 
innigsten Berührung. Und hier sollte eine Ansteckung unmöglich 



i) ,ySpermatologia", S. 446. 

2) Im Jahre 1439 schrieb ein Einwohner von Hildesheim einen anonymen Brief, 
der vor einer leprösen Frau warnte, weil sie geäussert hatte, sie wolle in die Stadt gehen, 
die Ratsherren berühren und sich mit dem Weihwasser in den Becken an den Kirch thüren 
waschen, um die Krankheit über die ganze Stadt zu bringen. E. Becker, „Geschichte 
der Medizin in Hildesheim". Sep.-Abdr. aus Zeitschr. f. klin. Medizin", Bd. XXXVIII, 
Berlin 1899, S. 16. 

3) Fr. Raymond, „Histoire de l'Elephantiasis", Lausanne 1767, S. 25 u. ö. 



— HO — 

sein? Mit Recht zählt Haeser die Unsittlichkeit und sexuelle 
Ausschweifungen zu den Hauptursachen der ungeheuren Verbreitung 
des Aussatzes im Mittelalter^). Noch heute wird der Coitus von 
allen Naturvölkern als Hauptursache der leprösen An- 
steckung angenommen, und es ist bemerkenswert, dass auch 
neuere Lepraforscher diese Meinung durchaus teilen. So bemerkt 
Sticker: „Die Verbreitung der Lepra durch Ausniesen, durch Aus- 
husten halte ich für wahrscheinlich. Die Menschen wissen seit Jahr- 
hunderten, dass die Lepra sich nur im innigsten Verkehr der 
Menschen überträgt, besonders im Coitus. Der Coitus wird als 
Hauptgelegenheit für die Verbreitung der Lepra von allen Naturvölkern 
angenommen, und die Seltenheit der Uebertragung der Lepra muss 
eben darauf beruhen, dass die Uebertragung (seil, bei anderen Ge- 
legenheiten) doch nicht so leicht statthat. Denken wir uns, dass die 
I-epra wirklich durch die Nase übertragen wird, dann ist es nicht 
allzu schwer verständlich, dass das gerade beim Coitus geschieht" 2). 
Bedenkt man nun, dass die Lepra des Mittelalters ganz gewiss einen 
bedeutend höheren Grad von Contagiosität besass als der heutige 
Aussatz, dessen Contagium sich im Laufe der Jahrhunderte in der 
alten Welt bedeutend abgeschwächt hat, dass ferner die Lepra, dank 
ihrer kolossalen Verbreitung, die Hauptvolkskrankheit des Mittel- 
alters war, wie die Syphilis diejenige der Neuzeit ist, dann wird man 
es begreiflich finden, dass man diese Krankheit an den Stätten des 
„Elendes, des Schmutzes und der Unsittlichkeit" vor allem fürchtete, 
d. h. in den Bordellen. Es riskierte ein Mensch, der sein Leben 
lang in intimem Verkehr mit Huren und untergeordneten Frauen- 
zimmern stand, thatsächlich die lepröse Ansteckung, ebenso 
wie der Lebemann unserer Tage nur selten der Syphilis entgeht 
Dass dies sehr häufig geschcih, geht aus den Schriften der mittel- 
alterlichen Schriftsteller nicht hervor, ist auch bei der Natur der 
Lepra, deren Contagiosität immerhin eine bedeutend geringere ist als 
die der Syphilis, nicht wahrscheinlich. Aber diese Fälle w^aren sehr 
gut möglich, und der Glaube daran musste um so mehr sich befes- 
tigen, als ja im ganzen Mittelalter schon der blosse Contakt mit Le- 
prösen und der „halitus" derselben für ansteckend galt. Und was 
das Wesentliche ist, stets handelt es sich um die typische Lepra 
und nichts anderes. 



1) „Der Aussatz ist das Kind des Elendes, des Schmutzes und der Unsittlichkeit". 
H. Haeser, „Lehrbuch der Geschichte der Medizin", Bd. III, S. 86. 

2) G. Stick er in: „Mitteilungen und Verhandlungen der internationalen wissen- 
schaftlichen Lepra-Konferenz zu Berlin", Berlin 1897, Bd. HI, S. 75. 




III 



Ich will jetzt die wichtigsten Stellen, auf die man sich berufen 
hat oder könnte, wenn man die Syphilis als „Aussatz" des Mittel- 
alters ansprechen will, anführen. 

Ich beginne mit einem Autor, der bisher noch nicht von den 
Syphilishistorikern in Betracht gezogen worden ist, mit dem um die 
Wende des 13. und 14. Jahrhunderts lebenden französischen Chirurgen 
Heinrich von Mondeville. Das die Lepra behandelnde Kapitel 
aus der Chirurgie desselben ist kürzlich von W. Knoll (unter der 
Aegide von Pagel) übersetzt worden^). 

Mondeville äussert sich über die Ursachen der Lepra folgender- 
massen: „Die Lepra tritt manchmal vor der Geburt (nativitas) auf, in 
anderen Fällen erst nach derselben. Vor der Geburt, wenn das Kind von 
einem Leprakranken gezeugt ist oder dieser mit einer Schwangeren 
geschlechtlichen Verkehr hat oder, wenn die Zeugung vor sich geht 
zur Zeit der Menstruation. Die Juden haben selten Umgang zur Zeit 
der Menstruation, daher sind auch wenig Juden leprös. Nach der 
Geburt kann man daran erkranken durch verseuchte und infizierte 
Luft, durch langandauernden Genuss von den schwarze Galle för- 
dernden Nahrungsmitteln, durch die Gewohnheit, Milch und Fisch 
bei einer und derselben Mahlzeit zu sich zu nehmen, oder Milch und 
Wein. Ferner kann man angesteckt werden durch langes Zusammen- 
sein (confabulatio) mit Leprakranken, durch geschlechtlichen Umgang 
mit einer Leprösen oder auch mit einer Frau, mit der ein Kranker 
vor kurzem solchen Verkehr gehabt hat, wo also noch dessen Sperma 
sich im Uterus befindet" 2). 

Unter den Ursachen der Lepra nach Mondevilles Aufzählung 
frappiert vor allem die Heredität. Die »Jiereditäre Lepra" soll nach 
den einstimmigen Versicherungen der Gegner eines neuzeitlichen Ur- 
sprungs der Syphilis nichts anderes gewesen sein, als die larvierte 
Lustseuche. Diesen Punkt halten sie mit einer zähen Beharrlichkeit 
fest. Demgegenüber behaupte ich, dass die Vererbung des Aussatzes 
zur Zeit seiner grössten Vei breitung im Mittelalter ohne Zweifel ein 



i) „Ein Beitrag zur Geschichte der Lepra'*. Inaug.-Dissertation von W. Knoll, 
Berlin 1898. — Mondeville, ed. Pagel, S. 422. 

2) a. a. O., S. II. — Herr Prof. Pagel, gegenwärtig wohl der beste Kenner der 
mittelalterlichen Medizin und ihrer Termini technici, mit dem ich diese Stelle besprochen 
habe, erklärte den Ausdruck „ante nativitatem" dahin, dass nicht etwa das Kind nun gleich 
mit den äusseren Symptomen der Lepra zur Welt kommt, sondern dass es nur den Keim 
der ICrankheit schon vor der Geburt in sich trägt. Dafür spricht auch, dass PedroPintor 
die Lepra post congressum tempore menstruationis bei dem daraus erzeugten Kinde frühestens 
im zwölften Jahre manifest werden lässt. Vgl. Hensler a. a. O., Excerpta, S. 44. 



— 112 — 

viel häufigeres Vorkommnis war als heute. Auch heute noch 
sind zahlreiche Lepraforscher von der Heredität der Lepra fest über- 
zeugt. Es ist eine sicher konstatierte Thatsache, dass die Lepra- 
bazillen in den Samen übergehen. Danielssen und Boeck haben 
Foeten beobachtet, die an Lepra erkrankt waren ^), und eine ganz 
stattliche Zahl von Beobachtungen liegt vor, nach welchen die Ursache 
der Lepra nur in hereditären Verhältnissen gesucht werden kann. 
Die mit einem ungemein intensiv wirkenden Virus begabte mittel- 
alterliche Lepra hat in ganz anderem Masse die Nachkommenschaft 
beeinflusst, als dies heutzutage der Fall ist. Noch zu Fallopias 
Zeiten, der doch Syphilis und Lepra ganz genau kannte und deutlich 
von einander trennte, also noch um 1550, war diese Heredität eine 
zweifellose. Er geht sogar soweit, Lepra und Syphilis dadurch 
von einander zu unterscheiden, dciss die Heredität bei der ersteren 
noch häufiger sei als bei der zweiten! Er sagt: „Praeterea morbo 
elephantiaco semper filii nascuntur infecti, ut in Gallico rai'o hoc fit. 
Ergo non est idem-*^). Auch beschreibt er gerade an jener Stelle 
auf das genaueste Aussatz und Syphilis, schildert seine Beobachtungen 
Aussätziger und Syphilitischer in Frankreich, so dass hier ein Irrtum 
oder gar eine Verwechselung nicht vorliegen kann. Es bedarf eben 
— das betone ich schon an dieser Stelle — die Geschichte des mittel- 
alterlichen Aussatzes einer gründlichen kritischen Untersuchung, wo- 
bei sich manche auch für die Pathologie dieser Krankheit bemerkens- 
werte Thatsachen ergeben werden. 

Es ist bemerkenswert, dass die Heredität der Syphilis erst sehr 
spät, seit der Mitte des 1 6. Jahrhunderts, die Beachtung der Syphilo- 
graphen gefunden hat. Bei Paracelsus und Renner finden sich 
die ausführlichsten Nachrichten darüber^). Da urteilt denn Geigel 
über das Verhältnis der hereditären Lepra zur Erbsyphilis ganz rich- 
tig, wenn er sagt: „Dass der Aussatz von den Eltern auf die Kinder 
vererbt werde, war im ganzen Mittelalter eine allgemein bekannte 
Thatsache; waren nun während dieser ganzen Zeit die Symptcwne der 
Syphilis mit dem Aussatze konfundiert worden, so musste um so 
mehr die Syphilis der Neugeborenen als hereditärer Aussatz betrachtet 
werden. Man musste also völlig daran gewöhnt sein, die fälschlich 
für leprös gehaltenen syphilitischen Erscheinungen der Eltern in Folge 
hereditärer Uebertragung auch an ihren Kindern zu konstatieren. 



i) E. Schwimmer, Artikel „Lepra" in: Eulenburgs RcaUEncyklop&die der ge- 
samten Heilkonde", Bd. XIII, Leipzig u. Wien 1897, S. 443. 

2) Fallopia a. a. O. : Luisinus II, 764. 

3) J. K. Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten**, Bd. IX, S. »79. 




- 113 — 

Je mehr man sich dem Ende des fünfzehnten Jährhunderts näherte, 
desto genauer musste man davon unterrichtet sein, dass die Lepra 
oder vielmehr die den erlöschenden Aussatz immer mehr ersetzende, 
aber noch als Lepra bezeichnete Syphilis sich schon an Neugeborenen 
manifestiere. Wenn man nun das ganze Kontingent dieser bis dahin 
für leprös gehaltenen Erkrankungen mit einem Male als selbständige 
Krankheit, als Morbus gallicus auffasste, wie wäre es dann möglich 
gewesen, dass man an vierzig Jahre lang nach der Entdeckung dieser, 
nicht neuen Krankheit, sondern neuen Benennung, die Uebertragbar- 
keit der Syphilis durch die Zeugung ganz und gar übersehen konnte?"^) 

Doch kehren wir zu Mondeville zurück. Die zweite Ursache 
der Lepra ist der Congressus tempore menstruationis. Dann die Luft, 
Nahrung, wobei besonders die Betonung der andauernden Fisch- 
nahrung interessant ist, die ja auch heute noch von Jonathan 
Hutchinson als hauptsächliches ätiologisches Moment angesprochen 
wird. Aus dem „langen Zusammensein mit Leprakranken", dem 
„geschlechtlichen Umgang mit einer Leprösen" oder der Infektion 
durch lepröses Sperma kann man doch nicht den geringsten Schluss 
ziehen, dass es sich hier um Syphilis handelt. 

Wie steht es nun um die Anzeichen der Lepraansteckung? 
Treten da vielleicht irgend welche Symptome von Syphilis zu Tage? 
Mondeville sag^: „Man muss zwei Fälle unterscheiden, nämlich, ob 
die Ansteckenden heissen oder kalten Temperaments sind . . . Wenn 
der Infizierte heissen Temperamentes ist, empfindet er die Krankheit 
schneller, dieselbe tritt viel früher bei ihm auf, und man kann sie 
auch viel zeitiger behandeln. Aber die Infektion setzt sich auch ra- 
pide in ihm fest, weil der Infizierte mit heissem Temperamente weit 
offene Eingangspforten, einen leicht alles in sich aufnehmenden Kör- 
per, warme Säfte und zarte Geistesanlage besitzt. Das Gegenteil ist 
der Fall bei einem Infizierten mit kaltem Temperament. Wenn der 
Infizierende und der Infizierte beide heissblütig sind, so zeigen sich 
alle die oben genannten Wirkungen noch viel rapider; wenn sie da- 
gegen beide kalten Temperamentes sind, desto langsamer; wenn sie 
endlich entgegengesetzten Temperamentes sind, halten sie die Mitte 
in allen diesen Dingen, weil derjenige, welcher heissblütig ist, die 
Entwickelung der Krankheit beschleunigt, der andere Kaltblütige ihr 

aber Widerstand entgegensetzt etc Wenn der Angesteckte 

heissen Temperamentes gewesen ist, fühlt der Angesteckte sogleich 
nach dem Coitus eine eigentümliche, sich langsam verbreitende 



i) Geigel a, a. O., S. 229 — 230. 
Bloch, Der Ursprung der Syphilis. S 



- 114 — 

Wärme in den tieferen Partien des Körpers, welche sich alsbald 
nach aussen hin ausbreitet, er fühlt dann Stechen und Brennen der 
ganzen Haut, manchmal mit einem Gefühl von Kälte und Frost, 
manchmal auch ohne dies; in der Farbe des Gesichts wechseln öfter 
Röte mit Blässe, Blässe mit Röte ab; er hat das Gefühl, als ob 
schädliche, giftige Substanzen sich unter der Haut festsetzten und 
als ob Ameisen über seinen Körper liefen; ihn flieht der Schlaf und 
zuweilen flammt das Gesicht plötzlich auf — Die Anzeichen, welche 
darthun, dass der Ansteckende kalten Temperaments, d. h. melancho- 
lisch oder phlegmatisch gewesen ist, sind die, dass am ersten Tage 
nach dem Coitus das Gesicht des Infizierten livide oder bleifarben 
wird; das Antlitz schwillt an, alle Glieder sind schwer, so dass er 
sich kaum von der Stelle bewegen kann oder mag; er hat ein Ge- 
fühl von Kälte unter der Haut mit einer Erstarrung des Gesichts 
und in der Folge dann des ganzen Körpers**^). 

Ich glaube, dass niemand aus dieser weitschweifigen humoral- 
pathologischen Erörterung die Syphilis herauslesen kann. Auch nicht 
das geringste Merkmal für die Lustseuche wird angegeben. Es ist 
eine rein theoretische Darstellung angeblicher Empfindungen nach 
einem infektiösen Coitus, für die wir nicht einmal irgend etwas Ana- 
loges vorbringen können. 

Schliesslich gedenkt Mondeville auch noch des Hauptagens 
in coitu, nämlich des membrum virile. „Hat jemand mit einer Frau 
direkt nach einem Leprakranken oder mit einer Leprakranken selbst 
oder mit einer unreinen Frau verkehrt und bemerkt dies sogleich, so 
^ soll er sofort den Penis mit Essig abwaschen; er wird dann nicht 
angesteckt werden. Fühlt er ein Brennen (arsuram) im Penis, so soll 
er, bevor er noch Urin gelassen hat oder wenigstens gleich darauf, mit 
einer anderen gesunden, nicht infizierten Frau coitieren; dann wird 
diese infiziert sein" 2). Man stelle sich heute einen gesunden Mann 
vor, der soeben mit einer Leprösen den Coitus vollzogen hat, und 
dies jetzt erfährt. Wird nicht das Erste, was er aus Furcht vor An- 
steckung vornimmt, die Reinigung des Membrums sein, welches doch 
den innigsten Kontakt mit der Kranken gehabt hat? Man stellte 
sich auch vor, dass der Penis während des Beischlafes krankhafte 
Stoffe einsauge und in der Harnröhre festhalte. Daher der Rat des 
Urinlassens nach dem Coitus, und die schreckliche Empfehlung, durch 
den Coitus mit einer gesunden Frau das Gift aus der Harnröhre zu 



i) W. Knoll a. a. O., S. 25 — 26. 
2) ibidem, S. 27. 



— 115 — 

entfernen.' Von der Gonorrhoe ist dieses Mittel sehr bekannt. Hier 
meint Mondeville offenbar, dass man das Contagium der Lepra auf 
diese Weise aus der Harnröhre austreiben solle. Die Syphilis sucht 
man wiederum vergeblich^). 

Und endlich, wie sah denn diese hereditäre und durch den Bei- 
schlaf übertragene „Lepra - Syphilis" Mondevilles aus? Monde- 
ville schildert nur die Symptome des klassischen Aussatzes, 
das Ausfallen der Augenbrauen, die Verdickung der Orbital- 
ränder, Exophthalmus, das Anschwellen der Nase, die livide 
Gesichtsfarbe, den starren Blick, das Schwinden der weichen 
Partien der Ohren, Pusteln, Knoten, weisse Flecken und 
Borken und zwar meist im Gesicht, ein sichtliches Schwinden 
des Muskels zwischen Daumen und Zeigefinger, die pralle, 
glänzende Spannung der Stirnhaut, die Gefühllosigkeit der 
äusseren Teile der Tibia und der kleinen Zehen. Und diese typische 
Lepra soll die Syphilis sein? 

Proksch und Peypers haben dann eine Stelle in des Michael 
Scotus, eines von 12 14 bis 1291 lebenden Geistlichen, Werke „De 
procreatione et hominis physionomia (s. 1. 1477)" als Syphilis gedeutet. 
Peypers giebt dieselbe nach dem in der Königlichen Bibliothek in 
Amsterdam vorhandenen Exemplar etwas ausführlicher als Proksch 2). 
Es heisst in Kap. VI: „Si vero mulier fluxum patiatur et vir eam 
cognoscat, facile sibi virga vitiatur, ut patet in adolescentibus, qui 
hoc ignorantes vitiantur, quandoque virga, quandoque lepra. Et si 
mulier tunc concipiat conceptus efficietur vitiosus defectu membri, 
uti digiti, vel virtute visus.** Peypers hat nach dem Original diesen 
letzten Satz hinzugefügt und dadurch, ohne es zu wollen, die einzig 
mögliche Erklärung dieser Stelle an die Hand gegeben. Er deutet 
nämlich den „conceptus vitiosus" als hereditäre Syphilis. Das ist 
aber vollkommen unmöglich. Denn es ist ja an der Stelle von 
arm- und beinlosen Foeten und von augenlosen sogenannten „Cy- 
clopen" („Synophthalmie"), also von Monstra die Rede. Oder will 
Peypers etwa diese Erscheinungen als Symptome der hereditären 



i) Es ist möglich, dass mit dem Worte „Brennen" (arsura in virga) die Gonorrhoe 
gemeint ist Es würde dann hier dieselbe dem Coitus mit einer Leprösen, dem Prototyp 
aller Contagiosität, zugeschrieben werden. Der „Flusssüchtige" und der „Aussätzige" wer- 
den auch im Midrasch neben einander genannt. (Vgl. J. Preuss, „Die männlichen Geni- 
talien und ihre Krankheiten nach Bibel und Talmud", Sep.-Abdr. aus Wiener med. Wochen- 
schrift 1898, Nr. 12 ff., S. 28.) „Arsura" bezeichnete jede mit „Brennen" verlautende Ent- 
zündung, also Gonorrhoe, Herpes zoster, Erysipel u. a. m. 

2) Peypers a. a. 0„ S. 16 (Proksch a. a. O., I, 362). 

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— n6 — 

Syphilis auffassen? Bisher hat wenigstens das Fehlen einer ganzen 
Extremität noch nicht als ein Symptom der hereditären Syphilis ge- 
golten. Kurz, es handelt sich an dieser Stelle um monströse Miss- 
bildungen, die nach dem Aberglauben des Mittelalters aus dem 
Beischlaf mit einem menstruierenden oder leulcorrhoischen Weibe 
entsprangen. Dies geht auch aus einer zweiten Stelle des Buches 
des Scotus (Kap. X) hervor: „Sciendum est, quod si erat fluxus, 
quando erat facta conceptio, et de menstruo nimis in cellula, crea- 
tura concipitur vitiata in plus aut minus: et tunc vir se debet absti- 
nere a coitu, et mulier debet ei resistere cum sagacitate." Dass, um 
auch den Anfang der ersten Stelle zu erläutern, Gonorrhoe und 
Lepra durch Umgang mit einer foeda mulier, mit einem durch Men- 
struation etc. unreinen Weibe entstehen könnten, war ein allgemeiner 
Glaube des Mittelalters*). Es handelt sich aber dabei um die wirk- 
liche Lepra, um den Aussatz. An dieser Stelle wird ja gerade die 
„virga** vollkommen deutlich von der „lepra" getrennt. Man über- 
sieht bei diesen leichtfertigen Argumentationen immer den sehr wich- 
tigen Umstand, den schon Simon hervorgehoben hat, dass weder 
die Aerzte im Altertum noch im Mittelalter irgend eine Form des 
Aussatzes aus oder nach Genitalgeschwüren entstehen lassen, obgleich 
die Arabisten sogar den Beischlaf als häufige Uebertragungsursache 
des Aussatzes anerkannten, und obgleich sie selbst den Rat geben, 
sich nach dem Beischlaf mit leprösen oder der Lepra verdächtigen 
Individuen die Geschlechtsteile mit Wasser und Essig oder mit dem 
eigenen Urin zu waschen, um der Ansteckung zu entgehen. Wenn 
sie also den Aussatz für durch den Beischlaf übertragbcU" hielten und 
trotzdem nirgends angeben, dass der Aussatz mit GenitalafFektionen 
anfange oder diese als. seine Vorboten zu betrachten seien, mit wel- 
chem Rechte dürfen wir so geradezu annehmen, dass unter dem frei- 
lich sehr weitschichtigen Begriff von Aussatz HautafFektionen mit 
einbegriffen wurden, die ihr Dasein einer vorausgegangenen Genital- 
affektion verdankten? Man müsste doch wenigstens einige Beob- 
achtungen bei den Aerzten des Mittelalters finden, dass auf Genital- 
geschwüre irgend welcher Art bisweilen oder öfter lepröse oder der 
Lepra analoge Hautausschläge folgen, selbst wenn der Kausalnexus 
nicht begriffen worden wäre. Aber man sucht vergebens die geringste 
Andeutung, dass die alten Aerzte irgend eine Art des Aussatzes aus 



i) Z. B. heisst es im „Micrologus" des Richardus Anglicus: „Ulcerantur utra- 
que, virga scilicet et teslicuii, tempore menstruorum ex coitu.** — Citiert nach Proksch, 
I. 347. 



— 117 — 

vorhergehenden Genitalgeschwüren entstehen lassen*), obgleich 
doch auch beim Aussatze gar nicht selten die Genitalien 
affiziert werden 2). Ich erinnere auch hier nochmals an den früher 
erwähnten Ausspruch des Vella, dass „ante adventum Gallorum", d. 
h. vor dem Feldzuge Karls VIII. die Genitalgeschwüre post coitum 
cum foeda muliere keine allgemeine Vergiftung des Körpers nach 
sich gezogen hätten. Erst dann sei eine allgemeine Infektion des 
Körpers beobachtet worden. 

Die Stelle aus der „Rosa anglica" des John Gaddesden,wo 
von „puncturae** des Penis und Hitze im Körper nach dem Coitus 
mit einer Leprösen die Rede ist, und welche von mehreren Autoren 
als „Syphilis" gedeutet ist, hat schon Proksch fortgelassen. Ich 
kann mir also die Mühe einer Widerlegung ersparen. Dasselbe gilt 
von der „akuten Lepra" einiger mittelalterlicher Autoren. Unwissende 
Syphilishistoriker haben bemerkt, es könne das nur Syphilis sein, da 
die Lepra nicht akut verlaufe. Es giebt eine akute Lepra. 
Danielssen und Boeck haben allein vier solche Fälle beobachtet, 
in denen nach einem mit fieberhaften Erscheinungen vorausgegange- 



1) Simon a. a. O., Bd. I, S. 255 — 256. 

2) In ganz ungerechtfertigter Weise dtiert Haeser, bekanntlich einer der eifrigsten 
„Syphilisriechei", aus einem „Poema medicum** des 13. Jahrhunderts eine nach ihm als 
Syphilis zu deutende Stelle, wo es bei dem „Examen der Leprösen** heisst: 

Haec omnia signa notentur 

Partibus extremis, fade, manibus pedibusque, 

Cruribus et coxis; scrutanda et virga virilis. 

(Haeser a. a. O., I, 759-) 
Jedermann, der sich mit dem Examen der Aussätzigen im Mittelalt^ durdi die sogenannten 
„Beschauer** etwas näher befasst hat, weiss, wie skrupulös jeder Körperteil a capite ad cal- 
cem untersucht und auf jede verdächtige Stelle gefahndet wurde. Und jeder Leprakenner 
weiss, dass lepröse Infiltrate und Knoten auch an den Genitalien vorkommen. Kaposi 
sagt: „Dag^en finden sie (die Infiltrate) sich regelmässig an allen Körperstellen, am 
Halse, auf den Schultern, am Stamme, Rücken, Brust, Unterleib, Nabel, an der Haut 
der äusseren Genitalien u. s. w.** F. Hebra und M. Kaposi, „Lehrbuch der Haut- 
krankheiten**, Stuttgart 1876, S. 398. — Ein gewissenhafter Leprabeschauer musste auch 
die Geschlechtsteile auf verdächtige Flecken und Knoten lepröser Natur untersuchen. 
Wie an dieser Stelle überhaupt nur der Gedanke an Syphilis aufkommen kann, ist mir 
völlig unbegreiflich. Bei der ungeheuren Zahl der mittelalterlichen Aussätzigen wiid eine 
lepröse Affektion der Genitalien durchaus nicht selten gewesen sein. Neuerdings fand sogar 
Dr. Leopold Glück in nicht weniger als 25 7o ^^^ ^^n ihm untersuchten Leprafälle 
deutlich ausgeprägte, spezifisch lepröse Veränderungen an der Glans penis in 
Form von Knoten imd Infiltraten, wobei die Unterscheidung von syphilitischen Affektionen 
oft »ehr schwierig war. (L. Glück, „Zur Kenntnis der leprösen AfFektionen an der Glans 
pems'' in: Lepra 1900, Bd. I, Heft 1/2, Referat in „Monatsh. für prakt. Dermatologie, 
XXX, Nr. IG. S. 479.) 



— ii8 — 

nen Prodromalstadium innerhalb 12 — 14 Tagen plötzlich ein Flecken- 
ausbruch fast über den ganzen Körper erfolgte, der von krustigen 
Infiltraten begleitet war. In wenigen Wochen traten dann alle 
schweren Symptome der Lepra in rascher Reihenfolge nach einander 
zu Tage^). Wenn dies unter Danielssens und Boecks 150 Fällen 
viermal vorkam, so wird es unter den unzähligen Tausenden von 
Leprösen des Mittelalters relativ häufig beobachtet worden sein, zu- 
mal da damals der Verlauf des Aussatzes ganz entschieden ein 
rascherer war als heutzutage. Auch ist selbst die „akute" Lepra 
immer Lepra mit ihren klassischen Symptomen. Man weise mir 
eine einzige Stelle nach, wo die Lepra des Mittelalters als Syphilis 
geschildert wird! Wohl könnte man auf einige andere HautaflFek- 
tionen schliessen, aber gerade die Syphilis fehlt vollkommen. 

Und das am meisten Entscheidende ist der Umstand, dass 
auch nach dem Erscheinen der Syphilis Jahrzehntelang noch die 
Lepra neben der neuen Krankheit als ein ansteckendes, durch den 
Beischlaf erworbenes Uebel auftritt, zu einer Zeit, wo man längst die 
Unterschiede beider Krankheiten erkannt hat. 

Nach dem Zeugnisse des William Beckett wandte sich Simon 
Fish im Jahre 1530 mit einer Bittschrift an Heinrich VIIL, worin 
er ausdrücklich bemerkte, dciss besonders die katholischen Priester 
in England diejenigen seien, welche die ganze Generation verdürben 
und ansteckende Krankheiten verbreiteten. „The be that corrupt the 
whole generation of Mankind in your Realm, that cath Pockes (Sy- 
philis) of one Woman, and bear them to another; that be Burnt 
(Tripper) with one Woman and bare it to another; that catch the 
Lepry (Aussatz) of one Woman and bare it to another** 2). Hier 
werden also ganz scharf Syphilis, Gonorrhoe und Lepra als drei ver- 
schiedene ansteckende Krankheiten unterschieden. 

In der von Ehestandssachen handelnden Verordnung Fried- 
richs des Zweiten von Dänemark, datiert Haderslebhuus , den 
27. Dezember 1588 — also fast hundert Jahre nach dem Erscheinen 
der Syphilis — findet man im dritten Kapitel (von den Ursachen, 
weshalb Eheleute geschieden werden dürfen) angeführt: „Wenn Frau 
oder Mann in eine ansteckende Krankheit fallen, als Aussatz oder 
Franzosen, da dürfen sie deshalb nicht geschieden werden, sondern 
müssen es geduldig leiden, als ein Kreutz, welches der Herr ihnen 



i\ Schwimmer, Artikel „Lepra" in: Eulenburgs Encyclopädie XIII, S. 429. 

2) W. Beckett, „An attempt to prove the antiquity of the venereal disease long 
before the discovery of the Westindies". In: Philosophical Transactions, London 1718, 
Bd. XXX, S. 845. 



— 119 — 

auferlegt. Doch ist es an sich selbst christlich, dass der mit dieser 
Krankheit Behaftete den andern nicht ansteckt"^). 

Fallopia bemerkt über die Ansteckung mit Lepra und Syphilis: 
„Die Art und Weise der Ansteckung ist bei beiden dieselbe. Wenn 
jemand mit einem Infizierten im Bette lieg^ und schwitzt, wenn 
jemand eine infizierte Person küsst, wenn er den Beischlaf mit einem 
infizierten Weibe ausübt, so wird er ebenso mit der Syphilis infiziert 
wie mit der Lepra" 2). 

Sehr bemerkenswert ist auch eine Stelle in einer Schrift des 
Humanisten Jacob Wimpheling, wo er die Jünglinge vor dem 
Umgange mit Huren warnt, damit sie nicht Lepra oder Syphilis 
sich zuzögen: „Timeas ergo et procul fugias meretrices. Timeas, in- 
quam, ne lepra, neve gallico morbo contamineris" ^). 

Diese Thatsachen dürften allein genügen, um die völlige Halt- 
losigkeit jener Meinungen darzuthun, welche einen Teil der mittel- 
alterlichen Lepra als larvierte Syphilis ansprechen. Im Verein mit 
allem früher Mitgeteilten lassen sie diese Behauptung geradezu als 
eine leichtfertige erscheinen, zumal wenn man bedenkt, dass die 
mittelalterlichen Autoren, welche doch den Aussatz so genau und 
charakteristisch beschrieben haben, nirgends der Syphilis gedenken. 
Sie hätten doch wenigstens einige Fälle solchen abnormen Verlaufes 
der „Lepra" beschreiben müssen. Immer wieder sei daran erinnert, 
dass die Anhänger der Lehre von der Altertumssyphilis mit Zer- 
störungen der Nase durch die Syphilis, syphilitischen sekundären 
Rachengeschwüren u. s. w. sehr freigebig sind, also solchen Zufällen, 
die nur durch das Bestehen eines schweren auf einer konstitutio- 
nellen Erkrankung beruhenden Symptomenkomplexes zu erklären 
sind. Bezogen sich diese Dinge wirklich auf Syphilis, dann musste 
die ganze Erscheinungsreihe der Lustseuche vorhanden sein und 
musste beschrieben werden. Im zweiten Buche werde ich diese 
Verhältnisse noch genauer untersuchen. An dieser Stelle sei nur auf 
dieselben hingewiesen, um auch aus ihnen die Unhaltbarkeit der An- 
nahme einer „larvierten" Syphilis darzuthun. 



i) „Ein Beitrag zur Geschichte der venerischen Krankheiten in Dänemark" von 
Dr, Wendt in: Hufelands Journal etc. 1822, Bd. 55, Stück I, S. 31. 

2) „Priraura eadem est ratio contagii in utroque, si quis sudet in lecto cum infecto, 
si quis OS ori jupgat, si coiverit cum muliere infecta, inficitur Gallico, sicuti lepra iniicie- 
batur." Fallopia a. a. O. Luisinus II, 763. 

3) J. Wimpheling, „De integritate Über", Strassburg 1506, bei Fuchs, S. 315. 



— I20 — 

Mit einigen Worten will ich noch das Verhältnis der Syphilis 
zu den Pocken (Blattern) berühren. Man hat nämlich behauptet, 
dass der mittelalterliche Name „Variola", „veröle", „pox", „blättern" 
für die Pocken auch die Syphilis mit umfasst habe, weil später diese 
Benennungen eine Anwendung auf die neu aufgetretene Lustseuche 
fanden. 

Es ist bekannt, dass die Syphilis bei ihrem ersten Auftreten 
die Malignität ihres Verlaufes besonders durch die schnell und in 
grosser Zahl auf der Haut hervorbrechenden Eiterpusteln bekun- 
dete, welche in sehr vielen Fällen eine überraschende Aehnlich- 
keit mit den wahren Pocken darboten. Wir betrachten ja noch 
heute die „Variola syphilitica" als eine besonders schwere Form der 
Syphilis, und es sei mir gestattet, an dieser Stelle die betreflFenden 
Aeusserungen eines hervorragenden neueren Syphilidologen anzu- 
führen, aus denen sich ergiebt, dass das Exanthem der Variola 
syphilitica in der That eine auffallende Aehnlichkeit mit demjenigen 
der Wcihren Menschenblattern hat: 

„Die Variola syphilitica besteht in linsen- bis erbsengrossen Pusteln, die einen 
dünnen, bald aber konsistenter werdenden Eiter enthalten, central leicht vertieft sind, so 
dass sie gedellt und der Variola vera ähnlich erscheinen. Die Pusteln sind von 
einem dnnkelroten Saum umrandet und an ihrer Basis massig infiltriert. Je nach dem Alter 
findet man die Efflorescenzen zum Teil gedellt, zum Teil solche, an denen der Eiter central 
zu einer scharf begrenzten Borke eingetrocknet ist. Sie sind entweder über den ganzen 
Körper disseminiert, oder an einzelnen Regionen zu Kreisen oder Kreissegmenten gruppiert. 
Im Gesichte kommen sie besonders an Wangen, Stirn und an - den Uebergangsstellen von 
Haut in Schleimhaut vor. Vereinzelt trifft man sie an der Aussenfläche der Extremitäten, 
in grösserer Zahl an der Vorderfläche des Stammes, zumal nächst dem Genitale und der 
Inguinal^egend. Höchst selten sind sie an der Flachhand, und noch seltener als hier an 
den Fusssohlen. 

Der Eruption gehen gewöhnlich Prodromalerscheinungen von drei Tagen vor- 
aus, hierauf kommen rote Flecke und Knötchen zum Vorschein; die Epidermis hebt sich 
am fünften Tage zur Blase ab, die einen trüben seropurulenten Inhalt zeigt. Am sechsten 
Tage wird der Inhalt eiterig; am siebenten Tage vertrocknet der Eiter zur Kruste . . . . 
Am Gesichte erscheinen die Efflorescenzen wie die Variola vera und können 
daselbst in wenigen Tagen umfangreiche Zerstörungen verursachen, zumal an Lidern und 
Nase .... 

Die Variola syphilitica kann schon im ersten Jahre, selten vor dem dritten Monate 
des Bestandes der Syphilis erscheinen, und ist von heftigen Fiebererscheinungen, Gelenk- 
schraerzen wie bei Variola vera begleitet 

Die Variola syphilitica ist eine schwere Krankheit . . ." *) 

Diese Schilderung, welche sich auf heutige Verhältnisse bezieht, 
lässt doch mit aller Deutlichkeit die grosse Uebereinstimmung in den 



i) J. Neumann, „Syphilis", Wien 1896, S. 249 — 251. 



121 



äusseren Erscheinungen der HautafFektion bei Variola syphilitica und 
Pocken erkennen. Die Prodromalerscheinungen, die Form der Eiter- 
pusteln mit dem dunkelroten Hofe, das hauptsächliche Befallensein 
des Gesichtes, die schwere Allgemeinerkrankung mussten ohne wei- 
teres die Vergleichung mit der echten Variola nahelegen, um so mehr 
als die Syphilis, sich bei ihrem ersten Auftreten durch e;ine ungemeine 
Heftigkeit der Allgemeinerscheinungen auszeichnete und die Er- 
krankung sehr häufig einen akuten Verlauf wie bei den Blattern 
nahm ^). 

Es ist hier nicht der Ort, näher auf die Geschichte der Blattern 
einzugehen, und ich muss mich daraut beschränken, nur jene That- 
sachen mitzuteilen, welche uns über die seltsamen Beziehungen 
zwischen der Syphilis und der Variola aufklären. 

Der Name „Variola" findet sich zuerst in der Chronik des 
Marius von Avenches {bei ßouquet, „Collections des historiens 
de France", Paris 1738, Bd. II, S. 18) und betrifft die Blattem- 
epidemie, welche im Jahre 570 n. Chr. Frankreich und Italien heim- 
suchte. Der Name wird auf verschiedene Weise gedeutet, entweder 
als Diminutiv von dem lateinischen „Varus" (Knoten) oder dem grie- 
chischen aioXog = varius, variegatus, d. h. bunt, mannigfaltig 2). Letz- 
tere Erklärung wurde auch von den Arabisten angenommen, die nach 
des ConstantinusAfricanus Vorgang den Namen als medizinischen 
Terminus einführten. So bemerkt Johannes Anglicus (Gaddes- 
den): „Variolae dicuntur quasi varie cutem afficientes, vel inficientes, 
quia in cute diversas partes occupant apostemando et inficiendo" ^). 

Bei Du Cange finden sich ferner „variolus", „variolosus", „vay- 
rola" („infirmitas quae vocatur Vayrola"), „vayrora"*). Aus „vay- 
rola*' entstand dann der altfranzösische Name „veröle". 



i) Diese Aehnlichkeit veranlasste bekanntlich Gottfried Eisenmann, in seiner 
Schrift ,,Die vegetativen Krankheiten" (1835) jener ersten Syphilisepidemie den Namen 
„Pocca" beizul^en. 

2) „Hoc anno morbus validus cum profluvio ventris et Variola Galliam Italiamque 
valde afflixit.** Marius von Avenches. — Eine alte Glosse zu Alexander Jatroso- 
phista besagt, dass das Volk die Blattern als „Variola" bezeichnete. VgL Du Cange, 
„Glossarium mediae et infimae latinitatis", 6d. L. Favre, Niort 1887, Bd. VIII, S. 245. — 
Femer A. Hirsch a. a. O., Bd. I, S. 91; Heinrich Bohn, „Handbuch der Vaccination", 
Leipzig 1875, S. 4. 

3) Joannis Anglici Praxis Medica, Rosa Anglica dicta ed. Philipp Schopf!, 
Augsburg 1595, S. 1041. 

4) Du Cange VIII, S. 245. — Die Blatternnarben gaben Veranlassung zu dem 
Namen „Picote" für Pocken. Vgl. Du Cange, Bd. VI, S. 312. 

\ 



— 122 — 

Alle Geschichtsschreiber stimmen darin überein, dass die mittel- 
alterlichen Aerzte und das Volk unter „Variola", „Veröle" nur die 
echten Pocken, höchstens noch schwere Fälle von Masern verstanden 
haben. Nirgends findet sich auch nur die geringste Andeutung, dass 
es sich um Syphilis handle. 

Auch bei den Blattern spielt die Menstruation und der Coitus 
mit einem menstruierenden Weibe wiederum die bekannte Rolle, 
welche ihnen bei so vielen Krankheiten von den mittelalterlichen 
Aerzten zugeschrieben wurde, da man ja den periodischen Abgang 
des Weibes für einen Zusammenfluss der schädlichsten Unreinigkeiten 
des Körpers hielt. Hensler bemerkt: „Bekannt ist es, dass die 
Araber dem in dem Nabelstrange noch sich aufhaltenden und in den 
Leib zurückgetriebenen mütterlichen Blute den schädlichen Stoff bei- 
massen, wovon sich in der Folge die Natur durch Pocken entledigt 
Ebenso schrieb man der Vermischung zur Zeit des periodischen 
Flusses den Aussatz zu." Auch Masern wurden durch Coitus und 
Menstruation hervorgerufen, ebenso Lepra und Epilepsie i). Da- 
her muss die gänzlich unbegründete Hypothese, dass Krankheiten, 
die nach dem Glauben der mittelalterlichen Aerzte durch Coitus und 
Menstruation hervorgerufen werden, notwendig Geschlechtskrank- 
heiten oder gar Syphilis sein müssen, als endgiltig beseitigt ange- 
sehen werden 2). 



i) Hensler, „Geschichte der Lustseuche", S. 207. — Lehrreich ist eine Stelle des 
Gaddesden (ed. Schopf f, S. 1042), der die mannigfaltigsten Ursachen der Pocken und 
Masern und anderer Krankheiten aufzählt: „Et ob id, ut dixi, nullus evadit istos duos 
morbos (nämlich „variolae** und „morbilli"), quia proveniunt a mala materia fixa in Em- 
bryone i. e. sanguine menslruo: et ideo sequuntur ut plurimum febrem continuam san- 
guineam: et accidentaliter generantur, quando fit conceptio tempore menstruorum 
et tunc raro talis evadit lepram vel morbum terribilem. Similiter generantur ex dbis 
et humoribus facile ebullientibus, ut ex sanguine animalium et brodiis. Ita ex cibis aquo- 
sis, postquam aliquid calidi sumptum fuerit: ut si p>ost lac accipiatur vinum, et post fructus 
Zingiber: post pisces, allia, aut caepae, nam haec faciunt sanguinis ebullitioncm. Item 
coitus cum muliere, menstruis laborante: comestio carnium bovinarum, potio vini 
plurimi, cerevisiae novae (auch heute noch beim Volke eine beliebte Krankheitsursache!), 
et dimissio phlebotomiae." 

2) In Frankreich hiess der — Petechialtyphus im 16. Jahrhundert „Trousse 
galante", weil er hauptsächlich bei jugendlichen Personen vorkam (Haeser a. a. O., 
Bd. III, S. 360). Man denke nur, was für ein Unheil diese doch gewiss zweideutige Be- 
nennung angerichtet hätte, wenn sie etwa zweihundert Jahre früher gebraucht worden wäre ! 
Man würde sich dann heute nicht gescheut haben, das Fleckfieber ohne weiteres in die 
Syphihs zu verwandeln, nur weil es eine „galante" Veranlassung hatte. — Auch die In- 
fluenza wurde am Anfange des 18. Jahrhunderts als „Galanterie -Krankheit" bezeichnet. 
Vgl. J. H. Slevogt, „Prolusio qua die Galanterie - Krankheit oder Modefieber delineatur 
Jena 17 12. 






— 123 — 

Ich habe oben (Seite 88—91) dargelegt, wie die rein syitipto- 
matologische Benennung der Syphilis dazu führte, dass man sie 
nach allen möglichen äusseren Erscheinungsformen anderer Krank- 
heiten benannte, und dass, wenn nun die Syphilis als „Pusteln", 
„Blattern", „Pocken", „bubas", „Papeln", „Warzen"; „Masern", „Ul- 
cera", „Scabies", „Karbunkel" u. s. w. u. s. w. bezeichnet wurde, man 
keineswegs die Berechtigung habe, nun einfach alle „Pusteln" und 
„Bubas", „Blattern und Warzen" u. a. m., die vor dem ersten Auf- 
treten der Syphilis bei Schriftstellern vorkommen, für Syphilis zu er- 
klären. Der elastische Gebrauch dieser Termini wird durch nichts 
schlagender illustriert als durch die von Creighton mitgeteilte That- 
sache, dass der Flecktyphus — eine von der Syphilis gewiss 
himmelweit verschiedene Krankheit — von den Franzosen im Jahre 
1528 als „Pocken" und von den Spaniern als „Bubas" bezeichnet 
wurde, obgleich beide Namen auch der Syphilis bei ihrem epide- 
mischen Ausbruche am Ende des 15. Jahrhunderts beigelegt worden 
waren. Denn „in those times diseases were called by their external 
marks; so that diseases essentially most unlike, but having 
certain spots, or blemishes, or botches, or pustules of the skin in 
common, were called by a common name"^). Man muss eben 
tief vertraut sein mit der rein Symptom atologischen und formalistischen 
Terminologie der Krankheiten, wie sie im Altertum und Mittelalter 
üblich war, um sich durch dieses dicht verschlungene Gestrüpp hin- 
durchzuarbeiten, man muss den Geist jener Zeiten kennen und ihn 
als Massstab für das Urteil nehmen, nicht unsere Auffassung auf 
jene Periode übertragen, wenn man gesicherte und wirklich brauch- 
bare Resultate für die Geschichte der grossen Volkskrankheiten ge- 
winnen will. Wie viele von Geschlecht zu Geschlecht kritiklos weiter 
vererbte Irrtümer hätten bei Beobachtung dieses Grundsatzes auch 
in der Syphilishistorie vermieden werden können! 

Demnach wird es nicht weiter verwundern, dass die Syphilis, 
die bei ihrem ersten heftigen Ausbruche so oft zahlreiche den Erup- 
tionen der Variola ähnliche Eiterpusteln hervorbrachte, als „Variola", 
„Veröle** bezeichnet wurde. Dciss dies schon sehr früh geschah, ist 
gerade ein Beweis dafür, dass man es mit einer unbekannten Krank- 
heit zu thun hatte, die man zunächst nach den ersten besten, in die 
Augen fallenden Vergleichungsobjekten benannte. Charakteristisch 
dafür ist der Bericht des Dalle Turatte aus dem Jahre 1496, dass 
einig'e Aerzte die Syphilis eine „geheime Art der Pocken** nannten 2). 



i) Charles Creighton, „A History of Epidemics in Britain", Cambridge 1891, S. 453. 
2) „Alchunj medizi la chiamauano segreta spezie de varoli" bei Qu ist a. a. O., S. 314. 



— 124 — 

Sie hielten die neue Krankheit eben wegen ihrer äusseren Erschei- 
nungsweise für eine bisher unbekannte Art der Variola. 

In Deutschland hatte die Variola seit alter Zeit den Namen 
„Blattern" 1) oder „Pocken"*), nach der hervorstechendsten Erschei- 
nung, den mit Eiter gefüllten Hautblasen. Dieselbe Bezeichnung 
wurde dann auf die Syphilis wegen desselben Symptomes angewendet 
Sie hiess „Blattern**, „Blattren", „blotem", „die bösen Blattern", die 
„schwere Kranckheit der Blattern und Wartzen" u. s. w.^). Bemer- 
kenswert ist aber, dass man sich des Unterschiedes dieser Blattern 
von der eigentlichen Variola genau bewusst war. Grunpeck sagt: 
„Aber blätterlein entspringen doch in einer myndern zale; die haben 
ein underscheyd von den blättern, die man nennet Variolcis"*). 
Auch der Name „Pocken" findet sich für die Syphilis, wenn auch 
seltener, und wie es scheint, mehr in Niederdeutschland ^). Die rein 
symptomatische Bedeutung auch dieser Benennung erhellt deutlich 
aus einer Stelle bei Fischart, wo von „pockete Franzosen" die 
Rede ist*). 

Einen unanfechtbaren Beweis dafür, dass die Genese dieser Be- 
nennung auf rein symptomatologische Erwägungen zurückzuführen 
ist, bildet die Geschichte derselben in Frankreich. Hier acceptierte 
man ebenfalls den alten Namen „veröle" für die Syphilis, aber man 
empfand das Bedürfnis, diese neue „veröle" von der alten durch ein 
Epitheton zu unterscheiden. Man nannte daher die Syphilis la grosse 



i) Blatter ist „pustula, papula, eigentlich bulla, Blase''; althochdeutsch „plätara"; 
neuhd. „bläter"; angelsächsisch „blaedre'*, vesica, „bladdre" (bladder); altnordisch „blaÖra", 
„bleÖra"; schwedisch „blädra"; dänisch „bläre"; niederländisch „blaar". Der Plural 
,,Blattem = variolae". Keiserberg predigte 1505 „von den Sünden des Mundes", die 
er als „25 geistliche Blattern" abhandelt und vielseitig bespricht Im 16. Jahrhundert wird 
,,blater" noch oft für „vesica" (sc. urinae) gebraucht Grimm, „Deutsches Wörterbuch", 
Leipzig 1860, Bd. II, Sp. T], 

2) „Pocke" bedeutet ursprünglich Erhöhung, Anschwellung. Daraus bildete sich der 
Begriff „Blatter", „Pickel", „Eiterpustel". Vgl. Daniel Sanders, „Wörterbuch der 
deutschen Sprache", Leipzig 1863, Bd. II, S. 569. (Im Niederdeutschen heisst der sich 
aufblasende Frosch „Pogge".) Plural „Pocken" = Blattern. 

3) Die Stellen bei Fuchs a. a. O., S. 415. 

4) Fuchs a. a. O., S. 30. 

5) So in Eggeric Beningha's „Chronyck oft Histories van Oost-Friesland", 
Leiden 1706, S. 407 („vorgiftige kranckeit der pocken"). In Hildesheimer Urkunden vom 
Ende des 15. Jahrhunderts heisst die Syphilis ebenfalls „Pocken". Vgl. E. Becker 
a. a. O., S. 35' 

6) Sanders Wörterbuch II, 569. 



— 125 — 

veröle (magna Variola), und gab der alten „Veröle'* das Beiwort 
„petite" (parva Variola)^). 

Der Name „grosse veröle" entstand gleich beim ersten Auftreten 
der Syphilis, findet sich z. B. schon in dem Pariser Parlaments- 
beschlusse von 1497, wo von den „Malades de la Grosse Verolle" 
die Rede ist*), ferner besonders in den die Syphilis behandelnden 
französischen Gedichten, wie in der Ballade des Jean Droyn (1512)^), 
in dem Gedichte des Le Maire*), der den Namen als eine popu- 
läre Bezeichnung anspricht, und im „Triumphe de la haulte et puis- 
sante Dame Verolle" 5), in dem gerade dieser Name an der Spitze 
der zahllosen übrigen in Frankreich schon um 1520 gebräuchlichen 
Benennungen genannt wird®). Torella führt in seinem „Dialogus 
de dolore in pudendagra" (1500) den Namen „grosse veröle** auf die 
Pariser Gelehrten zurück: „Parisiis et in aliis magnis civitatibus 
Francia«, a litteratis grossa Variola hie morbus appellabatur, quos 
devios esse demonstravi, non solum auctoritatibus, sed rationibus, ac 
experimento ... in hoc morbö nuUa praecedit ebullitio, ergo non 
est aliqua species variolarum . . . ista gprossa Variola differt ab aliis 
variolis** '). Es geht aus diesen kritischen Bemerkungen Torellas 
hervor, dass man in den gelehrten Kreisen die Syphilis nicht etwa 
für die alte Variola hielt, sondern für eine neue, unbekannte Art der- 
selben. Er hält es aber noch für nötig, auch dieser Ansicht enei'^sch 
entgegenzutreten. 

Später wurde die „grosse veröle** vielfach zu „veröle** abge- 
schwächt, und die Syphilis mit diesem ehemals für die Blattern 



i) Die Bezeichnung „grosse" sollte wohl neben der Bösartigkeit besonders die 
Chronicität des Verlaufes der Syphilis in Vergleichung mit dem der Variola zum Aus- 
druck bringen. Das geht deutlich aus dem Titel des Traktates eines anonymen französischen 
Arztes, der um 1501 schrieb, hervor, welcher lautet: „Rem^de trte utile pour ceulx, qui 
ont la maladie appell^e en Hebreu Mal Franzos, et en Latin Variola croniqua, et en 
Fnm9ois la grosse Verolle**. Vgl. Astruc II, 589. 

2) Astruc I, 65. 

3) Car pour hanter souvent en obsairs lieux, 

C'est engendr6e cette grosse Varole. 

(Astruc II, 617.) 

4) Mais le commun quant il la rencontra 

La nonimoit gorre ou la ve rolle grosse. 

(Triumphe etc., S. XXIV.^ 

5) Car la grosse v^roUe 

Se prend soubdainement. 

(Triumphe, S. CI.) 

6) „Triumphe**, S. LXXXV. 

7) G. Torella bei Luisinus I, 502. 



— 126 — 

üblichen Namen bezeichnet, während bezeichnender Weise diese letz- 
teren den neuen Namen „petite veröle** beibehielten. Dieser Sach- 
verhalt belehrt uns ganz genau über die wahre Genesis dieser Nomen- 
clatur. 

Von Frankreich übernahm England den Namen der „Pocken" 
für die Syphilis und benannte demgemäss seine alten „pokkes", „pox*'^) 
nunmehr als „small pox**. Die Lustseuche wurde meist „French pox", 
seltener „Pox" allein genannt, während in Schottland der Name 
„Grandgore" für die Syphilis der allein gebräuchliche blieb, obgleich 
doch auch die Schotten die Bezeichnung „Pokkes", „Pox" für die 
Variola hatten -). 

§ 8. Ist das Alter des Quecksilbergebrauches ein Kriterium für 

das Alter der Syphilis? 

Ein hervorragender Forscher auf dem Gebiete der Volkskunde 
und der Urgeschichte der Medizin, Dr. Max Hoefler in Bad Toelz, 
hat sich neuerdings auf das Feld der Syphilisgeschichtsschreibung 
begeben, indem er in einer Mitteilung über eine sagenhafte auf Cor- 
sica herrschende Infektionskrankheit, bei welcher auch eine äusser- 
liche x\nwendung des Quecksilbers vorgekommen sein soll, aus dieser 
letzteren einfach die Existenz der Syphilis zu jener Zeit folgerte. Ich 
werde mich mit dieser „Peste di Freto" am Ende dieses Paragraphen 
beschäftigen. Zunächst kommt es mir darauf an, die vollkommene 
Unzulässigkeit einer solchen Argumentation darzuthun, wie ich dies 
auch schon auf der Münchener Naturforscherversammlung (1899) in 



i) Der Name „pokkes (pox)" ist angelsächsischen Ursprungs (pocc, poccas), wo 
er aber nicht nur Etterblasen, Variola, sondern auch „porrigo" (= eine Pusteln und 
Krusten bildende Kopfkrankheit) bedeutet. Vgl. Joseph Bosworth, „An Anglo-Saxon 
Dictionary**, Oxford 1898, S. 776. — Auch das Mittelenglische kennt „pocke", „pockis*,, 
„pokkys** unter dieser Bedeutung. — Francis H. Stratmann, „A Middle - English Dic- 
tionary", ed. H. Bradly, Oxford 1891, S. 480. — Man leitet das Wort „pock** entweder 
von „to poke", d. h. pochen, schlagen oder von ,,picked*' oder „pecked", d. h. gestichelt 
(von den Pockennarben im Gesicht), ähnlich wie das altfranzösische „Picote" = Variola 
von „piquer" abgeleitet wird. In einer Satire von Hall heisst es: 

„O Esculape! how rife is physic made, 

When each brasse-bason can profess the trade 

Of ridding pocky wretches from their paine." 
Die „pocky wretches" sind hier die mit Eiterpusteln bedeckten Dirnen. Vgl, Ch. Rich- 
ardson, „A new dictionary of the English Language", London 1837, Bd. II, S. 1473« 

2) Vgl. die sehr interessante „History of the name „Pocks" in English" bei 
Creighton a. a. ü., S. 451 — 455. 



— 127 — 

der Diskussion, die sich zwischen Höfler und mir über diesen Punkt 
entspann, gethan habe. 

Das Quecksilber ist und bleibt — trotz der der Ignoranz und 
Böswilligkeit entsprungenen gegenteiligen Aussagen der Kurpfuscher 
und ihrer Sippe — das göttliche Mittel gegen die Syphilis, das für 
diese dasselbe bedeutet, was „das Wasser für dcis Feuer" ist^), in den 
Händen desjenigen Arztes, der richtig mit ihm umzugehen weiss, es 
zur rechten Zeit und in der rechten Form anwendet, den Verlauf 
der Krankheit bei seinem Patienten genau beobachtet und die immer 
wesentliche Quecksilberkur durch andere therapeutische Massnahmen 
unterstützt. Gerade auf dem Gebiete der Quecksilberbehandlung der 
Syphilis erweist sich der durch theoretisches und praktisches Studium 
wissenschaftlich gebildete Arzt als der allein in Betracht kom- 
mende Helfer gegen eine der furchtbarsten Krankheiten des Menschen- 
geschlechts. Quecksilber in den Händen gewissenloser Charlatane 
vermag unsägliches Unheil zu stiften. In den Händen des erfahrenen 
und wissenschaftlich gebildeten Arztes wird es der „Triumph der 
Medizin" % 

Bildet also dcis Queckalber gegenwärtig das Hauptmittel gegen 
die Syphilis, so muss doch vor allem darauf hingewiesen werden, 
dciss es nicht erst infolge des Auftretens der Syphilis dem Arznei- 
schatze einverleibt worden ist, sondern schon lange vorher als ein 
vortreffliches Heilmittel , • besonders von mancherlei Hautleiden , in 
Gebrauch war. Noch heute ist das Quecksilber mit seinen 
Präparaten eins der allerwichtigsten therapeutischen Agen- 
tien in der modernen Dermatologie (abgesehen von der Syphilis). 
Es ist das Hauptmittel gegen alle auf der Haut sich einnistenden 
tierischen und pflanzlichen Parasiten, wirkt vortrefflich bei vielen 
Formen des chronischen Ekzems, bei Psoriasis, Akne, Warzen, Ver- 
härtungen und Verdickungen der Haut, phagedänischen und carcino- 
matösen AfFektionen, Epheliden, Pruritus und zahlreichen anderen 
Dermatosen*). Ja, in neuerer Zeit ist auch die Quecksilbertherapie 
der Lepra von mehreren erfahrenen Aerzten wieder warm empfohlen 



i) Eine treffende Bemerkung von Hopf in einer Rezension in den „Monatsheften 
für prakt Dermatologie**, Bd. XXXIl, 1901, Nr. 7, S. 368. 

2) Schopenhauer, der doch gewiss kein Freund der Aerzte war, erklärt die Sy- 
philis für eine Krankheit, „wo nur der Arzt helfen kann". Sie ist „der Triumph der 
Medizin**. — A. Schopenhauer, „Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur** in: 
Parerga und Paralipomena, Leipzig 1891, Bd. II, S. 190. 

3) Zahlreiche Belege hierfür bietet besonders die „Therapie der Hautkrankheiten*' 
von L. Leistikow, Hamburg und Leipzig 1897. 



— 128 — 

worden. Kurz, die Ansicht, als ob die moderne und alte Dermatologie 
das Quecksilber im wesentlichen nur gegen die Syphilis in Anwendung 
zöge, ist eine gänzlich irrige. Ich habe Quecksilberpräparate bei 
zahlreichen chronischen nichtsyphilitischen HautafFektionen mit dem 
allerbesten Erfolge angewendet, und wohl jeder Dermatologe wird 
dieses Urteil bestätigen. 

So lehrt auch die historische Betrachtung, dass der Merkur 
lange vor dem Auftreten der Syphilis in der Therapie der Haut- 
krankheiten eine gprosse Rolle gespielt hat^). 

Es herrscht unter den Medizinhistorikern Uebereinstimmung dar- 
über, dass das Quecksilber weder von den Griechen noch den Römern 
als Arzneimittel verwendet wurde. Es galt vielmehr bei diesen als ein 
tötliches Gift. Nach den neuesten, soeben mitgeteilten Forschungen 
von Prof. J. Jolly scheinen die alten Inder als die Ersten den 
Merkur ihrem Arzneischatz einverleibt zu haben. In der Bower- 
handschrift, dem ältesten medizinischen Manuskript der Inder, in 
dem aber bereits der grossen Aerzte Charaka und Suäruta gedacht 
wird, kommt das Quecksilber noch nicht vor, Charaka erwähnt es 
dagegen als „rasa" und Suäruta als „pärada". Der erstere Arzt 
lebte am Beginne unserer Zeitrechnung, Susruta vielleicht einige 
Jahrhunderte später. Auch Vrnda, der bestimmt im lo. Jahrhundert 
nach Chr. lebte, erwähnt das Quecksilber*). Daher ist die Ansicht 
von Garbe^), dass die Inder das Quecksilber erst im 13. Jahrhundert 
bekommen haben, unrichtig. Von Interesse sind die Bemerkungen 
über das Quecksilber in dem von Garbe übersetzten „Räganighantu" 
des Narahari, einer indischen Mineralogie, die zwischen 1235 ^^^ 
1250 n. Chr. verfasst wurde, also lange vor dem Ausbruch der Sy- 
philis. Zahlreiche indische Namen des Quecksilbers werden hier auf- 
gezählt, sein Lob in überschwenglicher Weise gesungen. So heisst 
es: „Quecksilber vertreibt alle Krankheiten . . . gewährt (da) selbst 
bei der Gefahr des Sterbens in Folge verschiedenartiger Krank- 
heit oder Not und bei der Gefahr der Altersschwäche den Menschen 



i) Vgl. insbesondere die Werke von E. G. Baidinger, „Historia mercurii et mer- 
curialium medica", Göttingen 1783 — 1785, 2 Teile. — G. L. Dieter ich, „Die Merkurial- 
krankheiten in allen ihren Formen, geschichtlich, pathologisch, diagnostisch und therapeutisch 
dargestellt", Leipzig 1837. — J. K. Proksch, „Die Quecksilbersublimatkuren gegen Sy- 
philis. Eine lilteratar-his torische Studie'*, Wien 1876. 

2) J. Jolly, „Zur Quellenkunde der indischen Medizin" in: Zeitschr. der deutschen 
morgenl. Gesellschaft 1900, Bd. LIV, S. 263. 

3) Richard Garbe, „Die indischen Mineralien'S Leipzig 1882, S. 60. 



I2Q 

Rettung (pärä), deshalb wird es „pärada** genannt** \). Es wurde in 
der indischen Therapie insbesondere gegen die allerverschiedensten 
Hautleiden gebraucht, aber auch bei fieberhaften Krankheiten, 
Nervenleiden, Lungenaifektionen u. s. w. in Form von Salben und 
innerlichen Arzneien*^). Es ist bemerkenswert, dass die Syphilis 
und ihre Behandlung mit Quecksilber zuerst in dem im 1 6. Jahr- 
hundert verfassten „Bhävaprakäsa" vorkommen 3). Jedenfalls steht 
fest, dass das Quecksilber vorher bei allen möglichen nichtsyphi* 
litischen Krankheiten gebraucht wurde ^). 

Höchstwahrscheinlich waren es die Inder, die den Arabern 
die Kenntnis der Heilwirkung des Merkurs vermittelten. Die Araber 
haben besonders die Methoden der äusseren Anwendung desselben 
ausgebildet. Doch kannten sie auch den innerlichen Gebrauch. 
Rhazes, Avicenna, Albucasem u. cu erwähnen denselben, halten 
diese Methode aber für sehr schädlich. Aeusserlich verwendete 
Avicenna dais mit Essig verriebene und so „getötete'* Quecksilber 
gegen bösartige Geschwüre, Läuse und die Krätze und zählte es bei 
dieser letzteren Krankheit unter die „Composita nostra bona". Eben- 
so empfahl der ältere Mesuä „durch Feuer verkohltes Quecksilber** 
mit Oel vermischt zu Einreibungen gegen Morpiones und Scabies. 
Nach Proksch waren die Einreibungen mit Quecksilbersalben gegen 
verschiedene Hautkrankheiten schon im ii. Jahrhundert ziemlich all- 
gemein verbreitet, und Albucasem kannte bereits einige schädliche 
Nebenwirkungen übertriebener Merkurialkuren ^), Auch die Ar abist en 
des Mittelalters huldigten dem äusserlichen Quecksilbergebrauche bei 
Hautkrankheiten in ausgedehntem Masse. Der salernitanische Arzt 
Rogerius (12. Jahrhundert) verwendet Quecksilbersalben gegen 
chronische Exantheme, Scabies und Pediculi u. a, m.; der Chirurg 
Theodorich beschreibt methodische Schmierkuren mit Merkur gegen 
Scabies, Krebs, Gicht, Podagra, Malum mortuum und Lepra, welche 
letztere jedoch nur im Anfangsstadium für heilbar galt**). 

i) Garbe a. a. O., S. 61 — 62. 

2) Vgl. Udoy Chand Dutt, „The Materla Medica of the Hindus", Calcutta 1877, 
S, 27 — 38. — Bhagvat Sinh Jee, „A short history of Aryan medical science", London 
1896, S. 147. 

3) Dutt, S. 36. 

4) In Vrndas „Siddhayoga" (10. Jahrhundert n. Chr.) wird das Quecksilber sogar 
gegen die Pocken empfohlen. Vgl. J. Orth, „Bemerkungen über das Alter der Pocken- 
kenntnis in Indien und China", in: Janus 1900, Bd. V, S. 394. 

5) J. K. Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten", I, 259, 276 — 277. 

6) ibidem, S. 290, 292. 

« 

Bloch, Der Urspning der Syphilis. 9 



— I30 — 

Neben den Salben waren auch Waschungen mit Sublimat- 
lösungen in Gebrauch, die z. B. Marcellus Cumanus {1495) be- 
sonders gegen Krätze empfiehlt^). 

Aus diesen Thatsachen ergiebt sich der allgemeine Gebrauch 
des Quecksilbers während des Mittelalters gegen die verschieden- 
artigsten äusseren und inneren Leiden, und es hat sich diese Wert- 
schätzung des Merkur als eines Wundermittels noch bis heute im 
südlichen Europa erhalten. Was Sicilien betrifft, so berichtet Zier- 
mann: „Es möchte Manchem auffallend und ein Beweis einer selt- 
samen Empirie scheinen, dass das Quecksilber fast als Universal- 
mittel in allen Krankheiten empfohlen worden sey. Die Erfahrung, 
der glückliche Erfolg, den man vorzugsweise von seiner Anwendung 
sieht, zeugt von seiner gprossen Wirksamkeit in diesen Krankheiten 
warmer Gegenden. Wir gebrauchen, im Ganzen genommen, hier zu 
Lande die Merkurialbereitungen noch viel zu wenig, beschränken ihre 
Anordnungen noch zu sehr auf einzelne Krankheiten" 2), Er erwähnt 
sogar akute Infektionskrankheiten und innere Leiden als Indikationen 
für den Quecksilbergebrauch bei den sicilianischen Aerzten. 

Wenn man speziell die Behandlung der Lepra mit Quecksilber- 
salben und Sublimatwaschungen, wie sie von den mittelalterlichen 
Aerzten allgemein geübt wurde, als ein Beweismittel für die mittel- 
alterliche Existenz der Syphilis heranziehen will, so ist das gänzlich 
unbegründet. Denn die merkurielle Behandlung der Lepra hat sogar 
in neuester Zeit wieder begeisterte Anhänger unter hervorragen- 
den Lepraforschern gefunden. Ich habe selbst über eine Ab- 
handlung des Kopenhagener Leprologen und Herausgebers der Zeit- 
schrift „Lepra", Dr. Edward Ehlers, berichtet^), welcher im ersten 
Hefte des ersten Bandes derselben eine auf interessante historische 
Studien und neuere praktische Erfahrungen gestützte Apologie der 
Quecksilbertherapie der Lepra veröffentlichte. Er machte vor allem 
auf das gediegene Werk eines isländischen Arztes des 18. Jahrhun- 
derts, Dr. Jon Pjetursson, aufmerksam („Om den saakaldede 
islandske Skjörbug'S d. h. Ueber den sogenannten isländischen Schar- 
bock'*, Soro 1769), in welchem über äussert günstige Heilerfolge der 
Merkurialien beim Aussatze berichtet wird. Dänische und norwegische 
Aerzte der allerjüngsten Zeit haben diese Angaben nachgeprüft und 



i) Proksch, „Die Quecksilbersublimatkuren", S. 12. 

2) J. L. C. Ziermann a. a. O., S. 216 — 217. 

3) Vgl. mein Referat in: Monatshefte für prakt. Dermatologie, Bd. XXX (1900), 
Nr. 10, S. 482—483. 



— 131 — 

vollkommen bestätigt gefunden. U. a erzielten Prof. Haslund in 
Kopenhagen, Dr. Bjornhjedinsson, Dr. Neish und Dr. E. Ehlers 
selbst geradezu überraschende Erfolge, auf Grund welcher der Letz- 
tere besonders die intermittierende Behandlung der Lepra mit Queck- 
silber (nach Fournier) empfiehlt und sehr erfreuliche Resultate ver- 
heisst ^). 

Mag man auch diesen Angaben etwas skeptisch gegenüberstehen, 
jedenfalls stammen sie von modei-nen Aerzten und ganz hervor- 
ragenden Kennern der Krankheit Lepra, bei denen ein diagnostischer 
Irrtum nicht anzunehmen ist. So dürfen wir auch die mittelalter- 
lichen Nachrichten über die Behandlung der Lepra mit Quecksilber- 
salben als durchaus zuverlässige gelten lassen, zumal da die Lepra 
meist nur im Anfangsstadium mit Merkur geheilt werden konnte. 
Seit wann ist die Syphilis nur im Anfangsstadium gegen Queck- 
silber empfänglich? Dieses erweist sich recht häufig, selbst bei ter- 
tiärer Syphilis, noch als heilbringend und lebensrettend. 

Hiernach kann man sich leicht vorstellen, wie das von jeher bei 
so vielen Leiden, insbesondere Affektionen der äusseren Bedeckung, 
gebräuchliche Quecksilber rein empirisch auch gegen die Syphilis 
bei ihrem ersten Auftreten in Anwendung gebracht wurde. „Wir 
wissen ja**, sagt selbst Proksch, „dass die frühere Therapie der 
meisten chronischen Hautkrankheiten auch auf die später 
erschienene oder erkannte Syphilis übertragen wurde** 2). 
Und es ist bemerkenswert, dass dies nicht gleich geschah, sondern 
dass die vielen Aerzte sich zunächst mit einer allgemeinen Therapie 
oder mit unzweckmässigen örtlichen Mitteln halfen, ohne auf das 
Quecksilber zu verfallen. Curaeus bemerkt: „Die Ertzte haben in 
der erst mancherley Arztneyen erdacht, aber es hat alles nichts ge- 
holfen, biss man endlich (nach dem Brauch der Arabischen Ertzte) 
die Krancken mit dem Quecksilber (das die Alten für Gifft gehalten) 
geräuchert und mit einer davon gefertigten Salbe geschmieret** *^). 
Nach Fuchs^) waren es vor allem die Kurpfuscher, welche am 



i) Nach V. Bergmann heilen die leprösen Geschwüre ganz vorzüglich unter Schede's 
Sublimatquarzsand (v. Bergmann a. a. O., S. 109). — Ein Teil von Beauperthuy's 
K-urmethode der Lepra besteht in innerlicher Darreichung des Sublimat. Vgl. D. C. 
Danielssen, „Behandlung der Lepra" in: Handbuch der speziellen Therapie innerer 
Krankheiten** von Penzoldt und Stintzing, Jena 1894, Bd. I, S. 498. 

2) J. K. Proksch, „Die Quecksilbersublimatkuren**, S. 12. 

3) J. Curaeus, „Schlesische Chronica** bei Grüner, „De morbo Gallico scriptores**, 
S- 466. 

4) Fuchs a. a. O., S. 449. 

9* 



— 132 — 

frühesten mit dem Quecksilber Versuche machten und dadurch viel 
Zulauf hatten und viele Patienten den Aerzten abspenstig machten, 
während diese, wie z. B. Pistor und Pollich, sich noch stritten, ob 
die neue Krankheit nach dem. Kapitel „de lepra" oder „de multitu- 
dine" zu behandeln sei, und in therapeutischen Sophismen und Theo- 
remen schwelgten ^), wodurch eine ganz heillose Polypharmacie er- 
zeuget wurde. Auch Proksch vindiziert den „Wundärzten, Badern, 
Barbieren und der grossen Zunft der Kurpfuscher" das Verdienst der 
ersten Anwendung des Quecksilbers gegen die Syphilis'*). Methode 
in die Anwendung des Quecksilbers scheinen zuerst die Spanier 
gebracht zu haben. Finckenstein spricht ihnen den Ruhm zu, 
„zuerst mit aller Klarheit die Wirkungen des Quecksilbers im Orga- 
nismus erkannt und seine Anwendung methodisch und wissenschaft- 
lich begründet zu haben" ^). Insbesondere war es der spanische Arzt 
Juan Almenar, der nach Proksch zuerst den Inunktionskuren eine 
wissenschaftliche Gestalt zu geben versuchte (1502)*). Auch die 
Apotheker der pyrenäischen Halbinsel, welche damals in der Phar- 
macie ganz bedeutende Leistungen aufzuweisen hatten *), beschäftigten 
sich früh mit der Anfertigung zweckmässiger Merkurialpräparate 
gegen die Syphilis. So erwähnt Pedro Pintor einen portugiesischen 
Apotheker, der in einer Bude an der Engelsburg in Rom Merkurial- 
salben an Syphilitiker verkaufte, woraus Finckenstein schliesst, dass 
Kenntnis und Gebrauch dieser Mittel von der pyrenäischen Halb- 
insel ausgegangen seien*). 

Die vorstehenden Mitteilungen dürften hinreichend sein, um 
jene Bemühungen, das Alter des Quecksilbergebrauches als ein Kri- 
terium für das Alter der Syphilis zu benutzen, in ihrer ganzen Kritik- 



i) Fuchs a. a. O., S. 449. 

2) Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten", II, S. 185. 

3) R. Finckenstein, „Zur Geschichte der Syphilis", Breslau 1870, S. 26. 

4) Proksch, „Geschichte", II, S. 35. — Aus einer Erzählung des Diaz de Isla 
(abgedruckt bei J. de Villalba, „Epidemiologia Espanola", Madrid 1803, Bd. I, S. 74) 
geht hervor, dass auch in Spanien I-aien zuerst den Merkur gegen die Syphilis anwendeten. 

5) Eine sehr seltene (wie Salvä meint, vielleicht die älteste) und Th. Huse- 
mann (Eulenburg's Encyklop., II, 92) unbekannte Pharmakopoe erschien 1535 in Bar- 
celona: „Solani Secundi (Narcissi) Concordiae pharmacopolarum Barcinonensium : in medidnis 
compositis: integrae antiquorum maiestati restitutae Faventiae Goiholanorum". Salvä urteilt 
über dieses opus rarissimum , dass in ihm die catalonische Pharmacie sich derjenigen 
anderer Länder bei weitem überlegen zeige. VgU Vincent Salvä, „A Catalogue of 
Spanish und Portuguese Books", London 1826, Bd. I, S. 199. — Die älteste deutsche 
Pharmakopoe, die des Nürnberger Valerius Cordus, erschien erst r546 (Husemann). 

6) R. Finckenstein a. a. O., S. 7. 



— 133 — 

losigkeit zu beleuchten. Es ist denn auch dieses Argument von den 
neueren Syphilishistorikern kaum mehr vorgebracht worden. Nur die 
oben erwähnte Abhandlung von M. Höfler^) macht eine Ausnahme 
und muss deshalb etwas näher gewürdigt werden. 

In der „Istoria di Corsica dell* Arcidiacono Anton. Pietro 
Filippini", welche 1594 (also 100 Jahre nach dem ersten Auftreten 
der Syphilis) zuerst erschien, hat M. Höfler eine Stelle entdeckt 
(Bd. n, S. 85—89 der zweiten Auflage), wo von einer im 10. oder 
II. Jahrhundert bei Freto im südlichen Corsica aufgetretenen In- 
fektionskrankheit „Mosca** die Rede ist, die ein Jahr nach dem 
Tode eines als Don Juan und Gewaltherrscher bezeichneten longo- 
bardischen Fürsten von Freto ausbrach, der den Beinamen „Ors' 
Alamanno" (deutscher Bär) führte. Ich lasse diese Stelle, wie auch 
Hof 1er es gethan hat, im Original folgen: 

„Quesf Ors* Alamanno fece pace con i Bonifazini; la quäle egli ricercö, essendo 
di pessima vita, piuttosto per aver campo d'adempir Tavare e libidinose sue voglie, 
che per alcun animo di bontä, o zelo di religione che fosse in lui. Fatta la pace, di poco 
in poco si fece Signor di Freto; dopo propose a quegli uomini un abominevole e crudelis- 
simo editto, civd, che qualunque di loro prendesse moglie pulcella, quella 
fosse costretta a giacer la prima notte col Signore; ed inoltre, lo sposo gli do 
dar la mattina segnen te la maggior bestia, cavallo, bue o altr'animale ch'avesse in dono. 
Questo rio oostume continuö molti anni, con infinito dispiacer di quelli infelicissimi po- 
poli; finalmente uno di quello stato, chiamato Piobetta, volendo prender moglie e sapendo il 
pessimo statuto, deliberö di morire, o liberar gli altri di cos6 empia ed enorme imposizione. 
Costui sapeva prender gli animali con i lacd, come in quella parte anche oggi s*usa; per- 
loch^ il giomo innanzi le nozze, sotto color di far mostra, s'acconciö alla mano im destro 
e bei cavallo, che diceva volergli dare la mattina dopo, secondo Tusanza. Avendo ben 
acoondo al legro della sella una fune lunga adattata a modo di lacdo, se gli accostö: e 
mentre che Ors' Alamanno abbadava a guardare, glie la messe al collo: il che fatto, strin- 
gendo gli sproni al cavallo, strasdnandolo Paffogö. A questo spettacolo cosse allegramente 
il popolo, ringraziandolo sommamente: il quäl popolo, per sfogar Podio acerbo che col 
tiranno aveva, prese subito l'armi, e fu da quello il giorno stesso con impeto il castello 
d'Ors' Alamanno (chiamato Mont'alto) preso e rovinato; e il corpo suo con grandi schemi 
malamente seppellita; e la sua gente condelmente fatta morire. Sposö Piobbetta (dopo 
ch'egli tolsesi il tiranno dagli occhi) la donna, che gia voleva torre; alla quäle dall'altre 
donne fu sempre dopo portata reverenza ed onore per quäl rispetto; i popoli attesero a vi- 
vere a comime; avvegnachfe essendo molto piü rei, e di peggior sorte di prima, poco di 
quella loro sfrenata vita gioirono. 

Dicesi e medesimamente scrive Giovanni-) (ancorch^ as me non paia molto 
veaisimile) che da indi a un anno, ando a scoprir la sepoltura d'Ors' Alamanno per veder 
se di quel v'era piü cosa alcuna (estimandolo veramente un diavolo dell' Inferno), 



1) M. Höfler, „La Peste di Freto" in: Janus 1898, Bd. III, S. 12—16. 

2) Giovanni della Grossa, welcher die alten Sagen und Traditionen von Coisica 
sammelte, schrieb die ersten neun Bücher des Filipino sehen Werkes (bis 1464). 



— 134 — 

e che usci di quella unamosca, la quäle col tempo andö tanto avanzando, che in ter- 
in ine d'aiini dieci dtvenne grande come un bue; e che quanta gente a quella si awid- 
nava uccideva non solo col crudele ma col fetente fiato ancora; perciocch^ era tanto 
grande la puzza, la quäle di quello aborrendo petto usciva, che donde il vento lo por- 
tava, seccava fin'alle selve; e gli uomini, avendo abbandonata la propria casa 
loro, nelle grotte longinque si niorivano. Per la quäle cosa (ch'^ piü aperta) con 
alcuni ingegni, per opera d'un medico pisano uccisero quel pestifero animale. £ssendo 
con pochi scampato, finalmente mancando d'ungersi d'alcuni preziosi liquori, 
come gli era stato imposto da queilo che taTunzione propose, che un anno 
continuo unger si doveva, anch' egli mori. 

Per lo che Freto resto quasi disabitato e a que pochi che rimasero fu mossa tanta 
guerra da' Bonifazini et altri vicini che furono necessitati Tabbandonar que' confini, n^ vi 
resto villa alcuna abitata eccetto quella di Conca. 

Questo fatto della mosca, benche da ogni sano giudizio sia stimato favoloso ed a 
me stesso cosi veramente nel medesimo modo paja; nondimeno anche c^idi si ve^ono ne' 
monti dell' umane ossa per le solinghe grotte di quei dirupati monti ivi vicini; e gli abi- 
tanti tengono e affermano per certissimo, che fossero degli uomini morti della 
questa mosca.^^ 

Der Inhalt dieser sagenhaften Erzählung ist im wesentlichen der 
folgende: 

In Freto nahm ein Gewaltherrscher, mit Namen „Ors' Alamanno" 
(deutscher Bär, d. h. ein longobardischer Signore), für sich das Jus 
primae noctis in Anspruch. Alle neuvermählten Mädchen von 
Freto mussten ihm ihre Jungfrauschaft opfern, bevor sie dem recht- 
mässigen Gatten zu Teil wurden, und dieser letztere wurde sogar 
gezwungen, dem Tyrannen ein Stück Vieh als Geschenk zu über- 
geben. Dieses Treiben währte viele Jahre (molti anni). Endlich 
wurde der Wüstling von einem jungen Manne, dessen Frau er gerade 
für sich in Anspruch nehmen wollte, erdrosselt, sein Schloss erstürmt, 
die Besatzung niedergemetzelt, die Leiche des Gewalthabers elend 
verscharrt. Ein Jahr nach seinem Tode ging aus dem Körper des 
Toten eine Mücke (mosca) hervor, welche immer grösser wurde und 
»Jeden, der sich ihr nahte, mit grausamer Klaue (artiglio) und durch 
ihren entsetzlichen Pesthauch tötete (uccideva)". Höfler, der treff- 
liche Kenner des medizinischen Dämonismus, sagt über diese Mücke: 
„Das Volk stellte sich die Krankheitsursache als eine elbische Mücke 
dar, die als Neuntöter oder Nachzehrer im ijrabe eines Menschen 
weilt. Der Geist dieses Verstorbenen zehrt noch an dem Marke und 
Blute seiner ihn überlebenden Sippe, in der dann noch nach dem 
Tode eine Haus- oder Ortsseuche herrscht, sodciss sogar ein ganzes 
lebendes Geschlecht darüber zu Grunde gehen kann, dcis heisst: die 
mit dem Toten begrabene Krankheitsursache dauert in der nach- 
lebenden Sippe, die auszehrenden Krankheiten erliegt, noch forf*. 
Der Gestank (puzza), der von dem Körper dieser Mücke ausging, 



— 135 — 

war so gross, dass selbst die von ihm getroffenen Pflanzen verdorrten. 
Und die Menschen verliessen ihre Wohnungen und starben in ein- 
samen Felshöhlen. Einige erfinderische Leute töteten mit Hilfe eines 
Arztes aus Pisa das pestbringende (pestifero) Tier. Und die übrig 
gebliebenen Menschen mussten sich mit „kostbaren Flüssig- 
keiten" (preziosi liquori) längere Zeit einreiben und diese Kur ein 
Jahr lang fortsetzen, falls sie nicht der Gefahr des Todes sich aus- 
setzen wollten. Die Seuche suchte auch die Nachbarstädte, mit Aus- 
nahme von Conca, heim. Noch im i6. Jahrhundert konnte man die 
Gebeine der an jener Pest Verstorbenen in den Felshöhlen von Freto 
sehen. 

Höfler schliesst aus dieser Erzählung, dass diese Krankheit bis 
dahin unbekannt war und als eine sogenannte neue Krankheit aufge- 
treten ist, dass sie innerhalb der nächsten lo Jahre auf eine ganz 
bestimmte Oertlichkeit beschränkt geblieben sei und die ganze Be- 
völkerung des Küstenortes so stark heimsuchte, dass die unbehandelt 
gebliebenen „mit schweren eitrigen, übelriechenden Geschwüren in 
Aussatzform" behaftet wurden. Die Ansteckung breitete sich inner- 
halb der Familien so aus, dass die Ortschaft wie ein Pestheerd ge- 
mieden wurde. Die Kranken wurden in Grotten ausgesetzt, weil sie 
als unheilbar und ansteckend angesehen wurden, wo sie allmählich 
zu Grunde gingen. Die Krankheit wurde durch einen Arzt aus 
Pisa mittelst einer „Schmierkur", der sich jeder Kranke längere Zeit 
zu unterwerfen hatte, geheilt. Derjenige, welcher gegen die ärzt- 
liche Vorschrift es versäumt hatte, diese Schmierkur ein Jahr lang 
fortzusetzen, starb deswegen noch später. Alles dies beweist nach 
Höfler, dass diese Seuche die Syphilis gewesen sei. Denn sie sei 
durch Schmierkuren zum Verschwinden gebracht worden, und „da- 
mit haben wir die Möglichkeit lokale Lepra auszuschliessen, an die 
Bubonenpest ist ohnehin bei dem ganz lokalen Charakter der Epi- 
demie nicht zu denken". 

Ich will die späte Niederschrift dieser Sage (im i6. Jahrhun- 
dert), welche immerhin Anlass zur Kritik böte, ganz ausser acht 
lassen, und nur den Inhalt der Sage selbst untersuchen. Wenn wir, 
um zunächst auf das Schlussglied der Höfler'schen Beweisführung 
einzugehen, wirklich annehmen, dass die Einreibungen mit kostbaren 
Flüssigkeiten Quecksilbereinreibungen waren, so hat uns ja die 
obige Betrachtung der wichtigsten Thatsachen der Geschichte der 
Merkurialtherapie belehrt, dass dieser Umstand nicht den geringsten 
Anhaltspunkt für die Annahme der syphilitischen Natur der betreffen- 



— 136 — 

den, auf diese Art behandelten Krankheit giebt. Also hat Höfler 
ganz und gar nicht die Möglichkeit „lokale Lepra auszuschliessen". 
Aber die Sage selbst lässt auf alles andere eher als auf 
Syphilis schliessen. Der Tyrann von Freto verkehrt viele Jahre 
lang geschlechtlich mit den jungen neuvermählten Weibern dieser 
Stadt. Er wird ausdrücklich als mit jener Krankheit behaftet be- 
zeichnet, er ist nach jener Sage die Hauptursache der späteren 
Epidemie. Und diese Epidemie tritt ein Jahr nach seinem Tode 
auf. Ich will selbst den aussergewöhnlichen Fall annehmen, dass 
sich dieser in Venere so eifrig thätige Liebesheld erst einige Tage vor 
seinem Tode syphilitisch infiziert und dann diese Krankheit seinem 
nächsten Opfer mitgeteilt hat. Dann bleibt es immer unbegreiflich, 
dass ein ganzes Jahr vergehen konnte, bevor sich die ersten Fälle 
dieser nach Höfler's Annahme in Freto bisher unbekannten 
Krankheit zeigten. Das würde nur durch eine ganz ungewöhnliche 
Ccistitcis der heissblütigen Corsicaner zu erklären sein. Höfler hat 
denn auch eine wesentliche Lücke in der Kette seiner Beweise 
gelassen. Es ist nämlich in der ganzen Sage nirgends angedeutet, 
dass die Seuche irgend etwas mit den geschlechtlichen Ausschweif- 
ungen des „deutschen Bären" zu thun hat, und vollends fehlt 
dieses sexuelle Moment gänzlich bei der Beschreibung der 
Seuche selbst. Kein Wort davon, dass geschlechtliche Beziehungen 
die Ausbreitung der Epidemie befördern, nicht einmal von Männern 
und Weibern ist die Rede. Ich bin geneigt, ohne dies als ein kate- 
gorisches Urteil aussprechen zu wollen, die „Pest von Freto" für die 
wirkliche Bubonenpest zu halten. Jedenfalls lässt sich die vor^ 
liegende Schilderung viel bestimmter auf diese beziehen als auf an- 
dere Krankheiten, von Syphilis ganz zu schweigen. Wenn Höfler 
von „schweren eitrigen, übelriechenden Geschwüren in Aussatzform" 
spricht, so kann das ja der Fall sein, ausgedrückt ist das keineswegs 
in deutlicher Weise. Die „Mücke" tötet mit „grausamer Klaue" und 
„fötidem Hauche" die Menschen. Es ist dieser unerträgliche Geruch, 
ja Gestank („puzza"), der bei allen Pestepidemien als besonders 
schreckenerregend, ja als Ursache der Krankheit hervorgehoben 
wird^). Und die mephitischen Dünste in unserer Erzählung, die bei 
ihrer Ausbreitung durch den Wind die Pflanzenwelt vernichten, 



i) Haeser, „Geschichte der Medizin", III, 135, wo z. B. die folgende Stelle citiert 
wird: „De talibus decumbentibus fetor pestiferus procedebat, inficiens ipsos visitantes et eis 
obsequium praestantes." Freilich sprach man später auch von einem Foetor der Syphi- 
litiker. Aber eben auch zu allen Zeiten von demjenigen der Pest. 



— 137 — 

spielen gerade in der Geschichte der typischen Bubonenpest eine un- 
heimliche Rolle M. Die kolossale Sterblichkeit infolge der „Pest" 
von Freto spricht ebenfalls in hohem Masse gegen Syphilis und für 
die Bubonenpest. Es entgingen nur wenige Menschen dem Tode. 
Viele flüchteten sich aus der durchseuchten Stadt in Felshöhlen, wo 
sie, von der Krankheit ergriffen, starben. Ich bezweifle, dass die 
Einreibungen Quecksilberinunctionskuren waren. Es waren die seit 
alter Zeit bekannten Oeleinreibungen bei der Pest, die noch heute 
als prophylaktische Massregel warm empfohlen werden 2). Alphanus 
(1577) nennt dieselben ein sicheres Schutzmittel; selbst beim Um- 
gange mit Pestkranken^). Da die Rückfälle bei der Pest häufig 
und besonders gefährlich sind, so war es zweckmässig, diese prophy- 
laktischen Einreibungen lange fortzusetzen, um diesen Gefahren vor- 
zubeugen. Uebrigens waren diese Einreibungen auch eine thera- 
peutische Massregel, was aber gerade in unserer Erzählung nicht 
betont wird. Wenn in dieser ferner berichtet wird, dass die Seuche 
einzelne Orte an der Südküste Corsica's verschonte, so ist auch dies 
für die Pest charakteristisch, wäre es für die Syphilis ganz und 
gar nicht. Diese „Sprünge" der Pest von einem Orte zum anderen, 
während der dazwischen gelegene vollkommen unberührt bleibt, sind 
schon im Mittelalter beschrieben worden^). Und dass die Pest schon 
Jahre lang in der Gegend von Freto endemisch war, ist ebenfalls 
durchaus glaubhaft, weil Beispiele für ein so langes Verharren der 
Seuche in genügender Zahl vorliegen. Es wäre aber geradezu un- 
glaublich, dass die Syphilis nach zehn Jahren aus der Gegend 
wieder verschwunden wäre. Die ganze Erzählung läuft doch auf ein 
schliessliches Aufhören der Seuche hinaus. 

Vielleicht bezieht sich diese Sage auf den „schwarzen Tod", der 
in Europa am frühesten in Sicilien, Cypern, Griechenland, 
Sardinien und Corsica ausbrach^). Aber auch vorher sind 
mehrere Pestepidemien in jenen Gegenden vorgekommen. 

i) Haeser a. a. O., III, S. iio — iii; S. 139. 

2) Vgl. z. B. Th. V. Jürgensen, „Lehrbuch der speziellen Pathologie und Thera- 
pie", Leipzig 1894, S. 290. 

3) Haeser a. a. O., III, S. 356. 

4) ibidem, S. 142. 

5) ibidem, S. 126. 



ZWEITES KAPITEL 



Das Auftreten der Syphilis in Italien. 



§ 9. Allgemeine Bedeutung und äusserer Verlauf des Zuges 

KarFs VUL von Frankreich. 

Am Ausgange des fünfzehnten Jahrhunderts zeichnete Albrecht 
Dürer die apokalyptischen Reiter: Krieg, Hunger und Tod, eine 
grauenvolle Trias, die ihre Schrecken in einer Ungeheures vorberei- 
tenden Zeit allüberall verbreitete. Die lange Nacht des Mittelalters 
sollte der Tageshelle der Neuzeit weichen, die Epoche des blinden 
Autoritätenglaubens abgelöst werden durch den Geist der freien 
Forschung auf allen Gebieten menschlicher und göttlicher Dinge. 
Die neue Geburt des Menschen vollzog sich nicht ohne heftige 
Wehen. Eine wilde Aufregung hatte sich der Gemüter bemächtigt. 
„Die Gärung der europäischen Geister**, sagt Gregorovius, „in 
diesem denkwürdigen Umwandlungsprozess erzeugte darin gewaltige 
politische Erschütterungen, dämonische Leidenschaften und schreck- 
liche Charaktere, während das trostreiche Licht der Wissenschaft und 
die entzückende Blüte der Schönheit über der Welt aufgingen, um 
in ewigen Denkmälern fortzudauern, wenn das flüchtig herrschende 
Schlechte spurlos zerfallen ist**^). Auch die Natur schien teilzunehmen 
an dieser Revolution der Geister. Ungewöhnliche Hitze, Ueber- 
schwemmungen , eine grauenvolle Häufung von Seuchen aller Art, 
Hungersnöte haben das fünfzehnte Jahrhundert in unheilvoller Weise 
beschlossen 2). Kein Ereignis aber hat tiefer in das Leben der euro- 
päischen Menschheit eingegriffen, ist von verhängnisvolleren Folgen 
begleitet gewesen als der Kriegszug des jugendlichen Königs 



1) Ferdinand Gregorovius, „Geschichte der Sladt Rom im Mittelalter**, Stutt- 
gart 1870, Bd. VlI, S. 8. 

2) Vgl. darüber Haeser a. a. O., Bd. III, S. 235. 



— 139 — 

Karl VIII. von Frankreich nach Italien in den Jahren 1494 und 
1495. Die allgemeine, im Gedächtnis der Nachwelt fortlebende Be- 
deutung dieses merkwürdigen Zuges beruht auf verschiedenen Mo- 
menten. Leopold von Ranke bemerkt: „Kaum jemals hat es eine 
kriegerische Unternehmung gegeben, die nach rascherem Gelingen 
so wenig unmittelbare Folgen herbeigeführt hat, dagegen mittel- 
bare von der grössten Bedeutung für die Welt. Der Zug 
Karls VIII. kann als das letzte Unternehmen in dem ritter- 
lichen Geiste der Kreuzzüge, welches überhaupt vorgekommen 
ist, betrachtet werden" 1). Müntz meint, dass die Expedition Karls VIII. 
neben der Entdeckung Amerikas das Hauptereignis in der zweiten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts sei, der Beginn einer neuen Aera für 
Frankreich und des Verfalles für Italien, ein Ereignis, dessen Folgen 
sich noch in unseren Tagen bemerkbar machen'^). 

Für die Franzosen und ihren König war das Italien der Re- 
naissance eine Offenbarung, eine Entdeckung. Von Turin bis Neapel 
zogen sie wie durch ein einziges Paradies von Glanz und Schönheit. 
„Alles setzte sie in Erstaunen: die Milde des Klimas, die Schönheit 
der Landschaft, die Reichtümer der Bewohner, die Feinheit der 
Sitten, die Pracht der Denkmäler, die Freiheit und Fülle des süd- 
lichen Lebens, eines Lebens im Freien, unter den Strahlen der Sonne, 
das wie ein Reflex der Civilisation von Athen und Rom sich dcirbot. 
Wie dürftig musste ihnen die Vegetation unseres Landes erscheinen, 
in Vergleichung mit den mit Citronen- und Orangenbäumen bedeckten 
Hügeln, hinter denen das blaue Meer in der Ferne schimmerte! 
Welcher Unterschied zwischen den ihnen vertrauten gothischen 
Ritterburgen und diesen prachtvollen und hellen Marmorpalästen, 
zwischen den engen Gassen unserer alten Städte und diesen monu- 
mentalen Plätzen, auf denen eine Menge von Menschen mit edlen, 
ausdrucksvollen Gesichtern wogte, Menschen, die in ihrer Tracht und 
Haltung die Erinnerung an die antike Würde bewahrt hatten" 3). 
Auch Michelet sagt, dass die „Entdeckung** Italiens den Franzosen 
die Köpfe verdrehte, dass sie den Reizen dieses herrlichen Landes 
nicht widerstehen konnten. Und vor allem waren es die italienischen 
Frauen, deren „leuchtendes Auge und tragischer Blick" auf die 
Männer des Nordens einen unwiderstehlichen Zauber ausübten. 

i) L. V. Ranke, „Geschichte der romanischen und germanischen Völker", Leipzig 
1874, S. 62 — 63. 

2) Eugene Müntz, „La Renaissance en Italie et en France ä I'^poque de Char- 
les VIIL", Paris 1885, S. i. 

3) Münlz a. a. O., S. 502. 



— 140 — 

Ueberall, wo die Franzosen sich aufhielten, huldigten sie der Schön- 
heit des italienischen Weibes, genossen dieselbe in vollen Zügen und 
beugten sich zum ersten Male unter das Joch einer Frauenherrschaft, 
die seitdem auch in Frankreich ihren Einzug hielt und sich in den 
Personen einer Anna und Margarethe, einer Diana von Poitiers 
und Katharina von Medici verkörperte und allen Lebensverhält- 
nissen ihren Stempel aufdrückte^). 

Aber noch eine andere Entdeckung geschah während dieses 
sonderbaren Zuges. Mitten im Genüsse ergriff die Soldaten Karls 
VII I. eine neue fürchterliche Krankheit, die von den geheimen Teilen 
ausgehend schnell den übrigen Körper befiel und in schrecken- 
erregender Weise verunstaltete, ein Uebel, das Aerzten und Laien 
unbekannt, seinen Ursprung scheinbar jenem Zuge verdankte: die 
Franzosenkrankheit, die am meisten dauernde Folge des Zuges 
Karls VIII. nach Italien. 

Ist es nicht, als ob der Genius der europäischen Menschheit 
sich trauervoll verhüllte, als der König von Frankreich mit seinem 
Heere die Alpen herabstieg? Die fluchwürdige Eroberung Karls 
zerrann in nichts. Als ihr Niederschlag blieb jene furchtbare Lust- 
seuche zurück, jenes „mal immense qui enveloppe le XVP siecle, 
circulant de mille manieres, et gagnant les plus sains memes, les 
plus purs, les plus abstinents" 2). Die grosse Krankheit dieser Zeit 
verschlang alle übrigen 2). 



i)J. Michelet, „Histoire de France", Paris 1874, Bd. III, S. 145. 

2) Michelet a. a. O., S. 350 — 351. — W. Roscoe („Leben und Regierung des 
Papst Leo des Zweiten", deutsch von A. F. G. Glaser, Leipzig 1806, Bd. I, S. 256 — 257) 
sagt: „Alle Bande der Ehrbarkeit, der Sittlichkeit und der Religion wurden zerrissen, und 
es schien, als ob die Vorsehung sichtbar ins Mittel getreten wäre, um durch eine scheuss- 
liche ansteckende Krankheit Ausschweifungen zu bestrafen, von welchen keine andere War- 
nung den leichtsinnigen Wüstling zurückhalten konnte. Beide, Franzosen und Italiener, 
entsetzten sich über den Anblick dieses vorhin unbekannten Uebels, welches die Freuden 
der Liebe vergiftete, wie ein stinkendes faules Aas den schönsten Garten verpestet, und 
beide Nationen warfen einander den Ursprung desselben vor. Es wird wohl keine 
Folge jenes Feldzuges sich länger im Andenken erhalten als diese." — Auch 
eine oft erzählte Anekdote veranschaulicht diese Bedeutung des Zuges Karls VIII. Als 
man die von vielen vornehmen syphilitischen Patienten aufgesuchten Aerzte Maitre Jean 
und Thierry de Hery eines Tages vor der Statue jenes Königs knieend antraf und sie 
bedeutete, dass diese Bildsäule keinen Heiligen darstelle, erwiderten sie, das wüssten sie 
wohl, aber sie wollten dem Könige ihre Dankbarkeit bekunden, der die Syphilis nach 
Frankreich gebracht und ihnen zu einer gewinnreichen Praxis verholfen habe. Vgl. Fried- 
berg a, a. O., S. III (nach Astruc II, 726). 



— 141 — 

Die folgende Skizze der Expedition Karls VIII. soll nur die- 
jenigen Momente berücksichtigen, welche von Wichtigkeit für das 
vorliegende Thema sind. 

Karl VIII. (geb. 1470, gest. 1498), König von Frankreich i), fasste, 
nach mehreren Kriegen mit Kaiser Maximilian L, Spanien und England, 
den kühnen Plan, das Königreich Neapel, auf welches er als Nach- 
folger der Anjous in der Provence Ansprüche erhob, zu erobern. 
Zu diesem Zwecke fing er an, seit Ende 1493 ein grosses Söldner- 
heer zusammen zu bringen, welches sich aus Kriegsmännern aller 
Herren Länder zusammensetzte. Werfen wir einen Blick auf diese 
Zusammensetzung des Expeditionskorps, die für unsere Frage eine 
grosse Bedeutung hat. 

Die Gesamtzahl des Heeres Karls VIII. wird auf 32000 Mann 
angegeben 2), darunter 6000 Schweizer, loooo Mann „Bandes de 
Picardie** (Nordfranzosen und Niederländer), 5000 Gascogner 
und Bewohner der pyrenäischen Provinzen Frankreichs^). Der 
Rest verteilte sich auf Spanier, Italiener, Engländer, Ungarn 
und Slaven u. a. m.^). Vor allem ist der Umstand wichtig, dass 
zahlreiche Spanier sich im Heere Karls VIII. befanden. Dies be- 
richten auch zwei andere Zeitgenossen, Diaz de Isla und Manardus. 
Viele spanische Soldaten, die kurz vorher unter Ferdinand dem 
Katholischen in Roussillon gegen Karl VIII. gekämpft hatten, 
Hessen sich nach dem Friedensschlüsse von diesem anwerben^). 



i) Gregorovius schildert ihn folgendermassen : „Der König bot an der Spitze 
dieser Kriegsschaaren nichts weniger als den Anblick eines Helden dar: ein junger Mensch 
von 22 (24) Jahren, klein und verwachsen, mit unförmlichem Dickkopf und langer Nase, 
mit dürren Beinen, in schwatzen Sammt und Goldbrokat gekleidet, konnte er auf seinem 
Streitross. nur als die Karikatur eines Eroberers erscheinen. Er war tief unwissend, von 
Natur gutmütig, von krankhafter Ruhmsucht berauscht, und doch war diese koboldartige 
Gestalt das Werkzeug der Geschichte, imd seine abenteuerliche Unternehmung brachte eine 
Revolution aller europäischen Verhältnisse hervor." Gregorovius a, a. O., Bd. VII, 

s. 350—351- 

2) Hesnaut, „Le Mal Fran9ais k l'6poque de l'exp^dition de Charles VIII. en 
Jtalie d'apr^s les documents originaux", Paris 1886, S. 72. — Gregorovius' Schätzung 
des Heeres auf 90000 Mann (a. a. O., VIII, 350) ist offenbar zu hoch gegriffen. 

3) VgL Max Jahns, „Der erste Eroberungszug der neueren Franzosen, 1494 bis 
1495" io: Die Grenzboten, 1875, Bd. II, S. 325 — 328; Gregorovius a. a. O., VII, 367. 

4) Grunpeck, „De Mentulagra, alias Morbo Gallico" bei Fuchs a. a. O., S. 57. 

5) Diaz de Isla: „El xripstianissimo rey carlos de francia que al presente reynava, 
ayunto grandes gentes y passo en Italia. Y al tiempo que por ella entro con su hueste 
yvan muchos espaüoles en ella etc." Cit. nach Montejo a. a. O., S. 93. — Ma- 
nardus erzählt, dass in Valencia Kriegsknechte an Syphilis erkrankt seien, „e quorum 
numero nonnulli Carolum Ilaliam petentem secuti*', Luisin us I, 606. 



— 142 — 

Ein weiterer bemerkenswerter Bestandteil dieses bunt zusammen- 
gewürfelten Heeres waren die Soldatendirnen, Courtisanen und 
Huren. Während des ganzen Mittelalters bis in die Neuzeit hinein 
war ein Heereszug ohne einen ungeheuren Tross von Lustmädchen 
nicht denkbar. Es wirft dieser Umstand ein eigentümliches Licht 
auf die sadistischen Neigungen jener rohen Zeiten. Man schürte 
durch die Wollust die Mordlust, und glaubte dadurch die Tapferkeit 
zu erhöhen. Schiller macht darüber sehr richtige Bemerkungen in 
seiner „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande", an der 
Stelle, wo er von dem Kriegszuge des Herzogs von Alba gegen die 
Niederlande (im Jahre 1567) spricht. Er sagt: „Dieser fanatischen 
Mordbegier, diesem Ruhmdurst und angestammten Mute kam eine 
rohe Sinnlichkeit zu Hilfe, das stärkste und zuverlässigste Band, an 
welchem der spanische Heerführer diese rohen Banden führte. Mit 
absichtlicher Indulgenz liess er Schwelgerei und Wollust unter dem 
Heere einreissen. Unter seinem stillschweigenden Schutz zogen 
italienische Freudenmädchen hinter den Fahnen her; selbst auf dem 
Zuge über den Apennin, wo die Kostbarkeit des Lebensunterhaltes 
ihn nötigte, seine Armee auf die möglichst kleine Zahl einzuschränken, 
wollte er lieber einige Regimenter weniger haben, als diese Werk- 
zeuge der Wollust dahinten lassen"^). Welche internationale Zu- 
sammensetzung ein solcher wandernder Kriegsharem hatte und welche 
grauenhafte Unsittlichkeit mit ihm verbunden war, kann man sich 
leicht vorstellen. Auch war es ein durchaus gewöhnliches Vor- 
kommnis, dass dem Sieger diese Beute zuerst in die Hände fiel, 
und nicht weniger selten, dass beständig Dirnen von der einen Armee 
zur anderen übergingen. Die Kriegsdirne war besonders die Ver- 
körperung der „puttana errante". Dieser weibliche Tross wird häufig 
genug die Ursache der Verschleppung ansteckender Krankheiten von 
einer Armee zur anderen gewesen sein, und man kann sich kaum 
vorstellen, dass, wenn die Syphilis im Mittelalter existiert haben soll, 



i) Friedrich von Schiller, „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande" 
n: Sämmtliche Werke (Ausg. von Goedeke), Stuttgart 1887, Bd. VIII, S. 284. — Es 
war die Zahl dieser öffentlichen Dirnen „so übermässig gross, dass sie notgedrungen selbst 
darauf verfielen, eine eigne Disciplin unter sich einzuführen. Sie stellten sich unter beson- 
dere Fahnen, zogen in Reihen und Gliedern in wunderbarer soldatischer Ordnung hinter 
jedem Bataillon daher, und sonderten sich mit strenger Etikette nach Rang und Gehalt, in 
Befehlshaberhuren, Hauptmannshuren, reiche und arme Soldatenhuren, wie ihnen das Los 
gefallen war, und ihre Ansprüche stiegen oder fielen**, ibidem, S. 284. — Bei der Be- 
lagerung Nürnbergs durch Wallenstein im Jahre 1632 befanden sich nicht weniger als 
15000 Weiber in dessen Heere, welches selbst nicht mehr als 50000 Mann zählte, 
ibidem, Bd. IX, S. 262 (Geschichte des dreissigjäbrigen Krieges). 



— 143 — 

es bei solchen Gelegenheiten nicht schon viel früher zu einer epide- 
mischen Verbreitung derselben gekommen ist, die man in den An- 
nalen der Geschichte und den Werken der Medizin aufgezeichnet 
hätte, wie dies mit der beim Zuge Karls VII I. zum Ausbruch kom- 
menden Syphilis geschehen ist. Es ist dieses ein Argriment, das 
nach den Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung von absoluter 
beweisender Kraft ist. Entweder es gab unsere Syphilis — und die 
wird ja mit allen charakteristischen Symptomen herausgeschnüfFelt — 
schon vor 1494, dann musste dieselbe bei solchen Gelegenheiten 
des ungebundensten Geschlechtsverkehres zwischen Tausenden von 
zuchtlosen, tierisch verrohten Männern und Weibern in einer er- 
schrecklichen Ausbreitung zu Tage treten und folglich irgend wo 
einmal vor 1494 beschrieben werden, oder es gab dieselbe nicht, 
dann konnte dies nicht geschehen und ist auch wirklich nicht ge- 
schehen. 

Das Heer Karls VIII. führte denn auch eine ganze Bagage 
von öffentlichen Weibern mit sich. In seinem Berichte an die Sig- 
noria in Venedig erwähnte Giovanni Bragadin diese zahlreichen 
Freudenmädchen in dem französischen Heere, die er in Neapel sah *), 
Marino Sanuto zählte bei dem Heere Karls VIII., als dieses von 
Rom nach Neapel zog, 800 weibliche Personen, darunter 500 niedrige 
Dirnen. Er schätzt das Heer selbst auf 30000 Mann 2). Hierzu 
kommen noch die zahllosen Dirnen, die sich in allen italienischen 
Städten den Soldaten zur Verfügung stellten, wie sich aus der Schil- 
derung der Einzelheiten des Zuges ergeben wird. Denn dass 500 
Dirnen den ewig wechselnden Bedürfnissen von 30000 rohen Söld- 
nern, die, wie wir sehen werden, dem Bacchus und der Venus in 
der erschrecklichsten Weise huldigten, bei weitem nicht genügten, 
leuchtet ein. 

So war das Heer beschaffen^), welches Karl VIII. Anfang 
März 1 494 in Lyon um sich versammelte. Er blieb beinahe ein 
halbes Jahr dort und wurde nur durch die Pest von dort verjagt, 
die seit langem im Languedoc und der Provence geherrscht und 
Mitte Juni 1494 im Rhonethale sich zuerst gezeigt hatte. Bis dahin 
hatte er sich fesseln lassen „par les bonnes gräces d'aucunes dames 



i) Hesnaut a. a. O-, S. loo. 

2) ibidem, S. 93. 

3) Nicht unerwähnt bleibe, dass auch eine grössere Zahl von Aerzten und Chi- 
rurgen den König und sein Heer begleiteten. Einige sind namentlich angeführt bei Ch. 
Renaalt, „La Syphilis au XV^ si^cle", Paris 1868, S. 163 — 164. 



— M4 — 

lyonnaises", und die „folles amours de aucunes gorrieres lyonrioises" 
und die „delices und plaisirs qu'il y trouvaif * *). 

Am 23. Augxist 1494 finden wir den König in Grenoble^, am 
I. September überschritt er die italienische Grenze^), am 3. September 
ist er in Susa*). Am 6. September wohnte er in Cbieri den Schau- 
spielen und Vorstellungen bei, welche die „auserlesensten Damen 
Italiens in eigener Person gaben, um ihm zu seiner Ankunft Glück 
zu wünschen, und ihm als Beschützer des schönen Geschlechts feier- 
lich den Ritterschlag zu erteilen". U. a. wurde dabei die Pantomime 
einer — Niederkunft aufgeführt^). 

Hieraus kann man auf die Intimität schliessen, die von Anfang 
an den Verkehr zwischen Karl und seinen Soldaten auf der einen 
Seite und den italienischen Frauen auf der andern Seite auszeichnete. 
Sigismondo de' Conti berichtet von den Soldaten Karls, dass 
sie weder beim Mahle noch sonstiger Unterhaltung ohne Frauen sein 
könnten*); Bragadin nennt die Franzosen „sehr rohe, schmutzige 
und ausschweifende Leute, die nur an venerischen Akten Vergnügen 
fänden und sich der Frauen ohne jede weitere Ueberlegung mit 
Gewalt bemächtigten**^), was Marino Sanuto bestätigt®). Der fran- 
zösische Hofdichter Andre de la Vigne, der Begleiter Karls VIII. 
auf seinem Zuge, schildert sehr drastisch, wie überall, wohin Karl 
und seine Soldaten kamen, ihnen die schönen Frauen zu Gebote 
standen: 



i) C. de Cherrier, „Histoire de Charles VIII, roi de France, d'apr^s des docu- 
ments diplomatiques in^dits ou nouvellement publies*^ Paris 1868, Bd. I, S. 430; „Chro- 
nique du Roy Charles VIII selon maitre Robert Gagnin" bei Peypers a. a. O., S. ^(i, 
— Arnold Ferron berichtet in seiner Chronika „De rebus gestis Gallonim libri qiiatuor*', 
Paris 1549, lib. I, fol. 6: „Anno agebatur 1494, eum rex nunc Molinium, nunc Lugdu- 
num adiens, pulcherrimarum mulierum amore tenebatur: conviviis etiani eas adhi- 
bens, certaque loca designans, quibus hae mulieres quibus ipse consueverat, convenirent; 
nactus etiam homines non ignobiles emissarios architectosque libidlnum. Ita did 
brevitatem conviviis, noctis longitudinem voluptatibus conterebat Inde Viennam adiit . . . 
Igitui non sine venustissimarum mulierum lacrymis quae aegre ab eo divelfe- 
bantur accinxit se ad Neapolitanam profectionem**. Man sieht, dass dieser jugendliche Wol- 
lüstling, schon erfahren in der Benutzung von „Emissären" und „Architekten des Geschlechts- 
genusses" (ein hübscher Ausdruck I), seinem Heere mit gutem Beispiele voranging! 

2) Cherrier a. a. O., I, 432. 

3) Jahns a. a. O., S. 329. 

4) H. Fran9ois Delaborde, „L*exp6dition de Charles VIII en Italic", Paris 
1888, S. 397. 

5) Roscoe a. a. O., Bd. I, S. 176. 

6) Hesnaut a. a. O., S. 74. 

7) ibidem, S. 99. 

8) ibidem, S. 73. 



— 145 — 

II fut festig moult honorablement, 

En submeltant la ville enti^rement; 

Les Corps, les biens des hommes et des femmes, 

A son plaisir et bon Commandern ent, 

Pour le servir de cour, de Corps et d'amesM. 

Ausführlich beschreibt Cherrier die Reize der italienischen 
Frauen, den Zauber, den dieselben auf die rohe Soldateska ausübten, 
und die sexuellen Orgien als natürliche Folge so vieler verführerischer 
Gelegenheiten 2). 

Inzwischen hatte König Ferdinand IL von Neapel eine Flotte 
von 125 Schiffen und eine grosse Zahl von Galeeren an die ge- 
nuesische Küste entsandt, welche am 8. September 1494 ein aus 
3000 Neapolitanern und Spaniern bestehendes Heer bei Rapallo 
(Ripallo), einer in der Nähe von Genua gelegenen Hafenstadt, landete. 
Karl VII I. hatte ebenfalls den Herzog von Orleans mit mehreren 
Tausend Mann, vorzüglich schweizerischem Fussvolke, dorthin ge- 
schickt, und es kam am folgenden Tage, 9. September 1494, zu einem 
Treffen, in welchem der Herzog Sieger blieb. Rapallo selbst wnrde 
geplündert. Die Schweizer massakrierten den grössten Teil der Ein- 
wohner, ja sogar die Kranken und Verwundeten, die sie in einem 
Hospital vorfanden. Dies letztere berichtet Marino Sanuto^). 

An demselben Tage war Karl VII I. in Asti angekommen, wo 
er am 13. September erkrankte^). Man hat sich viel darüber ge- 
stritten, ob diese Krankheit die Pocken waren, wie die Zeitgenossen 
und zuverlässigen Chronisten berichten, oder die Syphilis, wie neuere 
Autoren wollen, um damit einem König die Ehre zu geben, als 
Erster mit diesem galanten Leiden Bekanntschaft gemacht zu haben. 
Nach meiner Ansicht ist dieser Streit^) vollkommen überflüssig. 
Ausserdem steht fest, dass Karl VIII. am 17. September, also fünf 
Tage später, schon fast ganz wiederhergestellt war und am 6. Oktober 
Asti verlassen konnte^). Höchstwahrscheinlich waren es die Röteln, 
an denen der König erkrankt war. Er schreibt selbst im Mai 1495 
an den Herzog von Bourbon: „J'ai eu la rougeole, de la quelle 
Dieu mercy je suis guery" ^). Uebrigens will ich nicht bestreiten, 



i) Roscoe a. a. O., I, S. 240. 

2) Cherrier a. a. O., Bd. II, S. 392 — 405. 

3) Vgl. über das Treffen bei Rapallo Cherrier a. a. O., I, 438; Gregorovius 
a. a. O., VII, 352; Jahns a. a. O., S. 329. 

4) Cherrier, I, 446. 

5) Vgl. insbesondere Peypers a. a. O., S. 76; Simon a. a. O., II, 30. 

6) Cherrier, I, 446. 

7) Cherrier, 11, 166. 

Bloch, Der Urspnmg der Syphilis. 10 



— 146 — 

dass selbst diese „rougeole" die Syphilis gewesen sei. Es ist, wie 
sich aus weiteren Betrachtungen ergeben wird, völlig gleichgültig, 
ob der König Syphilis hatte oder nicht. 

Am 17. November 1494 zog Karl VIII. in Florenz ein^), wo- 
bei unter der zahlreich herbeiströmenden Bevölkerung besonders die 
Deutschen und die Schweizer Aufsehen erregten 2). Am 2. Dezember 
ist die Armee in Siena^), wo man, wie ebenso bei der späteren Rück- 
kehr, sich der schönen Frauen in vollem Masse erfreute*), und der 
letzte Tag des Jahres 1494 war derjenige des Einzuges Karls in die 
ewige Stadt, der um 3 Uhr nachmittags begann und bis 9 Uhr abends 
dauerte^). Kurz vorher hatten die neapolitanisch-spanischen Truppen 
Rom verlassen**). Karl verweilte volle vier Wochen in Rom und 
beschäftigte sich in den ersten Tagen damit, jene von der Vorsehung 
den Königen von Frankreich so gütig verliehene Gabe der Heilung 
von Kröpfen durch Handauflegung gehörig auszunutzen. Diese 
wunderbare Gabe war den Königen von Frankreich und England 
im elften Jahrhundert zu teil geworden. Eduard der Bekenner 
soll diese Kunst zuerst ausgeübt haben, aber bald von den Königen 
von Frankreich, besonders Philipp I. darin übertroffen worden sein^). 
Johannes Gaddesden erteilte, wenn er selbst nicht helfen konnte, 
skrophulösen Kranken den Rat, sich an den König von England zu 
wenden®). So verrichtete auch Karl VIII. in Rom „die lächerlichen 
Mirakel des königlichen Hauses von Frankreich in der Kapelle St. 
Petronilla, und erstaunt sahen ihm die Römer zu: vielleicht verwun- 
dert, dass der grosse Monarch nur ihre Kröpfe, nicht die Schäden 
der Kirche heilen wollte"^). Indessen kannte man in Rom zu einer 



i) Delaborde a. a. O., S. 460. 

2) Cherrier, II, 30. 

3) ibidem, II, 51. 

4) Roscoe a. a. O., I, 200. 

5) Gregorovius a. a. O., VII, 366. 

6) Cherrier, II, TJ. 

7) K. Sprengel a. a. O., Bd. II, S. 513. 

8) Joh. Anglici, Praxis niedica etc., ed. Schopff, S. 982. — Die beiden wich- 
tigsten Monographien über dieses Thema sind: Andreas Laurent, „De mirabili strumas 
sanandi vi solis Galliae regibus concessa", Paris 1609; William Tooker, „Charisma, sive 
donum sanitatis, sive explicatio quaestionis in dono sanandi strumas concesso regibus Angliae", 
London 1597. 

9) Gregorovius, VII, 374. — Vgl. über die „Heilung der Skrofeln durch Königs- 
hand'* die interessanten Mitteilungen und Litteraturzusammenstellungen von Hermann 
Vierordt, „Medizinisches aus der Weltgeschichte", Tübingen 1893, S. 74 — 77, wo auch 
auf Analogien im klassischen Altertum (Sueton, VIII, 7 u. a.) verwiesen wird. Bis 
1775 wurde „die Farce in Frankreich geübt". 



— 147 — 

Zeit, wo dort der schreckliche Alexander. VI. als Papst herrschte^), 
noch anderen Zeitvertreib. Niemals war die Zahl der Freuden- 
mädchen eine so grosse gewesen, wie unter der Regierung dieses 
Papstes^), niemals irgendwo eine so internationale Versammlung der 
Venuspriesterinnen gewesen wie dort^). Seit Alexander VI., dem 
geborenen Spanier, hatten besonders die spanischen Courtisanen 
Rom als Schauplatz ihrer Thätigkeit gewählt, wo sie wegen ihrer 
Schönheit und ihres feinen Benehmens sehr gesucht waren. Deli- 
cado zählte um 1520 etwa 14000 spanische Lustmädchen in Rom*), 
die aus den verschiedenen, von Delicado namentlich aufgezählten, 
Provinzen der pyrenäischen Halbinsel stammten. — Karl und seine 
Truppen wurden denn auch volle vier Wochen durch die Reize dieser 
Töchter des Südens gefesselt und ergaben sich den gröbsten sinn- 
lichen Ausschweifungen % 

Der Aufbruch nach Neapel erfolgte am 28. Januar 1495^). 
Alfons IL von Neapel hatte bei der Annäherung der Franzosen zu 
Gunsten seines Sohnes Ferdinand IL abgedankt. Aber auch dieser 
floh, als die Franzosen vor den Thoren Neapels erschienen, Hess 
jedoch dort eine Besatzung zurück, die aus etwa tausend Mann be- 
stand, darunter 300 Spanier, 350 Deutsche und i 50 Italiener. 
Diese verschanzte sich in der Festung Castelnuovo, einem neapoli- 
tanischen Stadtteile ^). 



i) Ueber das Treiben der Borgias und ihre wahnsinnigen Ausschweifungen berichtet 
besonders tibersichtlich Hesnaut a. a. O., S. 75 — 92. 

2) Hesnaut a. a. O., S. 36. 

3) Vgl- <^'® Aufzählung der einzelnen Nationen, aus denen sich die römischen 
Freudenmädchen rekrutierten, bei Delicado, „La Lozana Andaluza'*, 6d. Bonneau, Bd. 1, 
S. 194—197. 

4) ibidem, I, S. 200. 

5) Jahns a. a. O., S. 338; Cherrier, IT, S. 392—405. 

6) Cherrier, II, 107. 

7) Delaborde a. a. O., S. 553; Cherrier, Bd. II, S. 129. Dass sich zahlreiche 
Deutsche bei dem spanischen Heere des neapolitanischen Königs befanden, das von diesem 
in Neapel zurückgelassen wurde, wird besonders in den „M^moires de Philippe de Comynes*S 
Paris 1843 (Lib. VII, Cap. 17), Bd. II, S. 396 erwähnt. — Deutsche waren damals sehr 
zalib-eich in Spanien. Vgl. „Hieronymus Münzer's Bericht über die Entdeckung von 
Guinea" von Fried r. Kunst mann in: Abhandl. der histor. Klasse der königl. bayer. 
.AJcad. der Wissensch., München 1855, S. 296. -7- Arthur Jarinelli, „Spanien und die 
spanische Litteratur im Lichte der deutschen Kritik und Poesie" in: Zeitschr. für ver- 
gleichende Litteraturgeschichte, N. F., Bd. V, Jahrg. 1892, S. 142 fl. — Aus Münzer's 
Hericht ergiebt sich, dass schon am Ende des 15. Jahrhunderts eine Schar von Deutschen 
aus allen Ständen: Kriegsleute, Kaufleute, Buchdrucker, Künstler und Mönche Spanien be- 
wohnten. Leo von Rozwital, der 1466 in Spanien war, sagt: „Die frauen und junk- 

10* 



— 148 — 

Es ist zweckmässig, schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, 
dass niemals der Verkf*hr zwischen Spanien und Italien so lebhaft 
war, wie am Ausgange des 15. Jahrhunderts. Hierüber unterrichtet 
das vortreffliche Werk von Pitacoste^) in sehr ausführlicher Weise. 
Man denke nur an Italiener, wie Christoph Columbus, Petrus 
Martyr, Nicolaus Scyllatius u. a., die nach Spanien, an Deli- 
cado, Torella und Pintor, die nach Italien gingen. Besonders in 
Rom hatten sich auch zahlreiche spanische Aerzte niedergelassen, 
ebenso in Neapel und anderen Städten des westHchen Italiens. Va- 
lencia, die „cittä tipica della galanteria**, entsandte die meisten 
Spanier nach Neapel 2). Deutsche und Spanier zogen gemeinsam 
nach Italien, liebten und zechten mit einander^). 

Am 22, Februar 1495, um 4 Uhr nachmittags, zog das Heer 
Karls VIII. durch die Porta Capuana in Neapel ein*), mit ausge- 
lassener Freude von den Einwohnern, besonders den reich ge- 
schmückten Frauen, empfangen, die, in den Fenstern liegend, die 
Soldaten mit verführerischem Lächeln, Beifallsrufen und Taschentuch- 
winken begrüssten ^). Vor allen Häusern standen Tische, die mit 
den auserlesensten und feurigsten Weinen besetzt waren, welche 
alsbald zu dem ausschweifendsten Trinkgelage Veranlassung gaben. 
Immer wieder wurden die Gläser, Gefässe und Fässer gefüllt, der 
Wein floss in Strömen über die Strasse, so dass die Soldaten ihre 
Schuhe mit dem edlen Nass benetzten. Eine bacchantische Lust be- 
mächtigte sich alsbald des ganzen französischen Heeres. Dem Bacchus 



frauen sehen die landfarer gern und haben die Teutschen lieb". (Jarinelli a. a. O., 
S. 144.) Lazariilo de Tönnes (II, cap. i) ist ganz entzückt über die Freigebigkeit der für 
ihn die Zeche bezahlenden Deutschen in Toledo. Die Deutschen führten auch den Buch- 
druck in Spanien ein, dessen Ausübung während des 15. Jahrhunderts ganz in ihren 
Händen war. 

1) J. Pitacoste, „Los Espanoles en Italia*', Madrid 1887, 2 Bände. 

2, B. Croce, „Napoli dal 1508 al 15 12 (da un antico ronianzo spagnuolo)" in: 
Archivio storico per le provincie napoletane, Bd. XIX, Neapel 1894, S. 149. 

3) Pitacoste, a. a. O., Bd. II, S. 52. Von den Deutschen sagt ein Zeitgenosse 
(Avila y Zuiiiga^: ,,Encontrabanse siempre en las tabernas**. 

4) „Summario degli alti della cancellaria di Carlo VIII a Napoli" in: Archivio sto- 
rico per le province napoletane, Bd. XX, Neapel 1895, S. 51. Vgl. auch die Beschreibung 
des Einzuges bei J. de la Pilorgerie, „Campagne et Bulletins de la grande arm6e d'Italie 
command^e par Charles VIII., 1494 — 1495, d'apr^s des documents rares etc." Nantes 
und Paris 1866, S. 198 — 295. 

5) Cherrier, II, 142. 



— 149 — 

folgte, wie gewöhnlich, die Venus, und mit viehischen Ausschweifungen 
der Wollust wurde der Tag des Einzuges in Neapel beschlossen ^). 

So wie dieser erste Tag verliefen alle achtzig Tage, die 
Karl VIII. mit seinem Heere in Neapel zubrachte, in einem bestän- 
digen Rausche sinnlicher Genüsse der verschiedensten Art'^). Der 
König selbst dachte von dem Augenblicke des Einzuges in Neapel 
bis zu dem seiner Abreise nur an sein Vergnügen und dasjenige 
seiner Umgebung. Comynes entschuldigt ihn mit seiner grossen 
Jugend, vermag aber den Uebrigen diese Milderungsgründe nicht zu- 
zubilligen 3). Italienische Liebe, italienische Kunst und italienischer 
Luxus nahmen den Sinn des Königs noch lange Zeit über die Dauer 
seines Aufenthaltes hinaus in. unwiderstehlicher Weise gefangen^). 
Auch das Heer Karls feierte in Neapel eine „einzige lange Orgie" ^). 
Die Soldaten trieben sich in der Stadt umher, notzüchtigten die 
Frauen und übten die rohesten sexuellen Ausschweifungen. Besonders 
die Schweizer waren gross in Baccho et Venere^). Vor diesen Aus- 



i) In der Bibliothek Hebert (Nr. 34540 des Kataloges) befand sich eine alte 
Druckschrift, betitelt „S'ensuyt l'entr^e et couronnement du roy nostre sire en la ville de 
Napples faicte le XXII© jour de fevrier 1495**, in der es beisst: „Item devant toutes les 
maisons de renom il y avoit table ronde de vins grecz, vins de Rosete, vins cuits, vins 
muscadez et nialvoisie qui estoient si forts qu'ils eschauffoient comme qui eust 
mange fortes espices. Les grandes tasses et vaisseaulx d'or et d'argent estoient toujours 
remplis de vins frais et jettait t'on le demeurante (le restant) d'aucun, quand on avait bu 
k bas en la nie, tant qu*on marchait parmy la rue par dessus les souliers dans le vin.'* 
de la Pilorgerie a. a. O., S. 204. — Marino Sanuto berichtet: „Era con el Re 2000 
osti che lo seguira, i quali intrati in Napoli, non si teniva piü bottege aperte per la terra, 
ma tutto a torno la piaza era queste ostarie, dove Francesi si andava a usar l'exercito loro 
con Baco, et poi seguiva Venere." Hesnaut a. a. O., 96. 

2) Cherrier sagt über die allgemeine Bedeutung des Aufenthaltes der französischen 
Armee in Neapel: „Le sdjour de Naples plaisait fort au roi et ä la noblesse francjaise. 
Leur long contact avec ces seigneurs Italiens qu'aucun frein moral ne retenait, civilis6s jus- 
qu*ä la corruption, passionn^s pour les arts, les lettres, les jouissanccs d'une vie Elegante et 
d^ag^e de prdjug^s, faisait näitre en eux des id6es toutes nouvelles. Ces id^es en se de- 
veloppant devaient, en peu d*ann6es, amener un merveilleux changement dans les moeurs, 
les goüts, la langue, les bdtiments, les productions artistiques et litt6raires de la P'rance. 
L'exp^dition de 1494 ouvrit la porte ä la Renaissance, qui pour nous date de cette epoque.'* 
Cherrier a. a. O., II, 142. 

3) Comynes a. a. O., Bd. II, S. 426 (Livre VIII, chap. i). 

4) „Tout ce qu'on peut enlever de Naples en France pour en jouir et pour l'imiter, 
Charles VIII l'emporta, tapisseries, livres, tableaux, statues de marbre et de porphyre, 
meubles et autres objets pr^cieux, emmenant aussi avec lui des artistes et des artisans habi- 
les en tout genre de somptuosit6s.** H. Baudrillart, „Histoire du luxe prive et public etc.*' 
Paris 1880, Bd. III, S. 391—392. 

5) Jaehns a. a. O., S. 361. 

6) Cherrier a. a. O., II, 157. 



— I50 — 

brüchen einer ungebändigten Sinnlichkeit flüchteten sich zahlreiche 
Frauen in die Klöster^). Aber auch dort waren sie nicht sicher. 
Die Soldaten drangen in diese heiligen Räume und vergriffen sich 
fleischlich an den Nonnen und sonstigen Bewohnerinnen der Klöster 2). 

Noch ein Punkt des neapolitanischen Aufenthaltes der Armee 
Karls VIII. bedarf der Aufklärung. Fast alle Syphilishistoriker 
haben behauptet, der Bericht, dass die Syphilis den Franzosen 
von den Spaniern bei der Belagerung Neapels mitgeteilt worden sei, 
sei schon deswegen unrichtig, weil es gar keine Belagerung Neapels 
gegeben habe. Freilich gab es keine eigentliche Belagerung der 
ganzen Stadt Neapel, aber doch eine solche eines Teiles der- 
selben, nämlich der festen Schlösser* und Quartiere Castelnuovo 
und Castello delT Uovo^), die fast drei Wochen dauerte und 
erst am 7. bozw. 13. März 1495 endigte, indem diese P^estungen über- 
geben wurden, und ein Teil ihrer Besatzung sich mit dem 
Heere Karls VIII. vereinigte^). Wenn also von einer „Belage- 
rung" Neapels die Rede ist, so ist ohne Zweifel diese eben erwähnte 
gemeint, und wir sahen ja schon, dass ein grosser Teil der Besatzung 
jener Schlösser aus Spaniern bestand. Ich muss ein für allemal 
diese Thatsachen genau feststellen, damit derartige nichtige Einwände 
für immer beseitigt werden. Ein Verkehr zwischen jener Besatzung 
und dem französischen Heere kann füglich um so weniger bezweifelt 
werden, als ja später der grösste Teil der ersteren zu Karl VIII. 
überging. 

Die Neapolitaner, welche im Anfang den französischen König 
mit dem grössten Enthusiasmus begrüsst hatten, wurden bald der 
Eroberer überdrüssig, deren Brutalität, Grausamkeit und wilde Un- 
sittlichkeit sie auf das schwerste empfanden. Schon regte sich die 
Sehnsucht nach dem vertriebenen Könige. Das Volk drohte mit 
Aufruhr. Täglich wurden Soldaten des französischen Heeres heim- 
tückisch ermordet. Zudem vernahm Karl von der Entsendung einer 



i) Hesnaut a. a. O., S. 100 (nach dem Bericht des Bragadin). 

2) „Interea milites per Campaniam, Apuliam, Calabriam Brutiumque distxibutis Ma- 
gistratibus securi vagabantur, domos privatas diripiebant, fana spoliabant, nee a Sacris 
Virginibus abstinebat dira libido, Principales foeminae stupra perpessae 
corporum ludibria deflebant; itaque nulla in parte cessavit luxuria ebrietasque atque rapinae, 
quae invisum Gallorum nomen prolinus fecerunt." Alex. Benedictus, „De rebus a 
Carolo VIII. Galliae Rege in Italia gestis libri duo" in: J. G. Eccard, Corp. historicor. 
med. aevi, Leipzig 1793, I^» ^5^4- 

3) Roscoe a. a. O., Bd. I, S. 220. 

4) Cherrier a. a. O., Bd. II, S. 139 — 140. 



— 151 — 

spanischen Hilfsarmee unter Gonsalvo Hernandez de Cordova, 
dem „gran capitan", die schon in Sicilien gelandet war und sich mit 
den Truppen Ferdinands II. vereinigen sollte. So entschloss er 
sich, Neapel zu verlassen, und brach am 20. Mai 1495 auf, indem er 
6000 Mann (darunter 800 Franzosen, 2000 Schweizer und 1500 Gas- 
cogner) unter d'Aubigny zurückliess ^). Am 13. Juni kam er wieder 
in Siena an, wo er fünf Tage verweilte, sich an herrlichen Festen 
ergötzte, die durch die Teilnahme der durch ihre Schönheit berühmten 
Frauen und Mädchen von wSiena einen besonderen Reiz , empfingen 2). 
Am 20. Juni erreichte Karl VII I. Pisa an der Spitze eines Heeres 
von 15000 Mann. Auch hier wurde ein dreitägiger Aufenthalt durch 
Schauspiele und öffentliche Festgelage gefeiert. Von Lucca, wo er 
am 24. Juni einzog, sandte Karl einen Teil seiner Truppen nach 
Genua und hatte am 28. Juni mit einem Teil der gegen ihn alliierten 
Truppen (Mailand, Venedig, Genua) ein Gefecht bei Pontremoli zu 
bestehen, in dem er Sieger blieb ^). 

Aber die Verbündeten zogen Verstärkungen herbei (besonders 
Venetianer und griechische Stratioten) ^) und traten dem französischen 
Heere aufs neue bei Fornuovo am Tarro-Flusse entgegen, wo es am 
6. Juli 1495 ^^ einem erbitterten Kampfe kam. Dieser Schlacht hat 
der Veroneser Arzt Alexander Benedictus, der auch in der 
ältesten Geschichte der Syphilis eine Rolle spielt, als Militär- 
arzt des venetianischen Heeres beigewohnt und uns eine ausführliche 
Schilderung derselben hinterlassen. Es gelang Karl VIII. nochmals, 
mit Hinterlassung eines grossen Teiles des Trosses und Gepäckes, 
den weiteren Durchmarsch zu erzwingen. Benedictus erzählt, dass 
man unter der Beute ein Tagebuch des Königs fand, in welchem 
alle Schönheiten verzeichnet waren, die derselbe genossen hatte, und 
jede einzelne mit allen Reizen abgebildet war. Der königliche Wol- 
lüstling habe die Erinnerung an die Genüsse seiner Wollust und 
wahnsinnigen Geilheit in den verschiedenen italienischen Städten auf 
diese Weise dauernd bewahren wollen^). 

i) Cherrier, II, 171 ; Summario degli atti etc. a.a.O., S. 590; Roscoe a. a. O., I, 250. 

2) Cherrier, II, 191— 192. 

3) ibidem, II, 201 ff. 

4) Alexander Benedictus, „De rebus a Carolo VIII. Galliae Rege in Italia 
gestis" bei J. G. Eccard, „Corpus historicor. medii aevi", Leipzig 1723, Bd. II, Spalte 
1586, 1589. 

5) „In ipsa praeda librum vidimus, in quo pellicum variae formae sub diverso habitu 
ac aetate ex naturali depictae erant: prout libido in quaque urbe vesanusque amor eum 
traxerat, eas memoriae gratia pietas secum deferebat.** Benedictus a. a. O., Sp. 1596. 
Aehnlich bei Corio, „Storia di Milano", VII, 949; nach Roscoe a. a. O., I, 246 — 247. 



— 152 — 

Um dieselbe Zeit ging Neapel den Franzosen verloren. Anfang 
Juli 1495 rückte Ferdinand mit Gonsalvo de Cordova dort ein ^), 
und auch der Köm'g Ferdinand der Katholische sandte in diesen 
Tagen ein kleines Armeecorps in die pyrenäischen Provinzen Frank- 
reichs, das sich besonders in Roussillon und im Languedoc festsetzte ^), 

Inzwischen hatte seit April 1495 der Herzog von Orleans 
Novara zu seiner Operationsbasis gewählt, wurde aber im Mai durch 
ein venetianisch-mailändisches Corps von 6000 Mann eingeschlossen. 
Diese denkwürdige Belagerung dauerte mehrere Monate bis zum 
26. September 1495, an welchem Tage die Stadt dem Herzog von 
Mailand, Lodovico Sforza, genannt il Moro, übergeben wurde. 
Während der Belagerungszeit waren zahlreiche Soldaten der eing-e- 
schlossenen französischen Armee , besonders Schweizer desertiert ^). 
Zwei in der Geschichte der Syphilis hervorragende Aerzte, der eben 
erwähnte Alexander Benedictus^) und Marcellus Cumanus^) 
machten die Belagerung von Novara im venetianischen Heere mit, 
das von Fornuovo nach Novara den Mailändern zu Hilfe geschickt 
worden war. 

Karl VI IL, der am 30. Juli 1495 in Turin angekommen war, 
hielt sich, um den (iang der Ereignisse zu verfolgen, bis Mitte Ok- 
tober dort und in Vercelli auf. Die in Neapel zurückgebliebenen 
Schweizer vereinigten sich wieder mit seinem übrigen Heere, und so 
verliess er, nach der Uebergabe von Novara am 22. Oktober Turin 
und kam am 7. November 1495 wieder in Lyon an, wo er bis Mitte 
Juni 1496 blieb. Der grösste Teil seiner Truppen hatte sich schon 
beim Verlassen Italiens nach allen Richtungen hin zerstreut*). 

So kläglich endigte, in militärischer und politischer Hinsicht, 
dieser mit so viel Pomp unternommene, denkwürdige Zug, der 
während mehrerer Jahre Italien, das südliche Frankreich und das 
nördliche Spanien in Kriegsunruhen stürzte, in kultureller Beziehung 
ohne Zweifel von grosser Bedeutung war, vor allem aber dem ersten 
Auftreten einer neuen, merkwürdigen Krankheit seine traurige Be- 
rühmtheit verdankte. 



1) Cherrier, II, 278. 

2) ibidem, II, 340 — 343. Andrerseits drangen die Franzosen seit Anfang 1496 in 
Spanien ein. 

3) ibidem, II, 284; 302. 

4) „Me Veneti exercitus Medicum subito nuntio evocari ad se jussit.** Bene- 
dictus a. a. O., Sp. 1621. 

5) „Anno 1495 in Italia ex uno influxu coelesti, dum me recepi in castris Navarrae 
(Novarae) cum armigeris Dominonim Venetorum/* Bei Astruc, II, 543. 

6) Hesnaut, 104; Cherrier, II, 310 — 317. 



153 



§ lo. Der Ausbruch der Lustseuche in Italien. 

Indem ich nunmehr an eine Untersuchung der Nachrichten über 
das erste Auftreten der SyphiHs in Italien gehe und damit die Frage 
nach dem Ursprünge der Syphilis näher berühre, will ich mich in 
diesen wichtigen Abschnitten ausschliesslich auf die Berichte der 
Zeitgenossen^) stützen und die aus späteren Autoren geschöpften 
Nachrichten nur insoweit verwerten, als sie zur Ergänzung und Be- 
stätigung zeitgenössischer Mitteilungen dienen und auch sonst in 
kritischer Hinsicht glaubwürdig sind. 

Wir haben die äusseren Verhältnisse kennen gelernt, unter 
welchen der berühmte Zug Karls VIII. verlief, Verhältnisse, welche 
selbst in jener kriegslustigen Zeit einzigartig waren und gerade im 
Anfang der neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts kein Analogon auf- 
weisen können. Diese Verhältnisse mussten in ganz besonderem 
Masse die schnelle Verbreitung einer wesentlich auf dem geschlecht- 
lichen Wege erworbenen Krankheit begünstigen. Es ist deshalb kein 
blosser Zufall, dass gerade während des Aufenthaltes des französischen 
Heeres die Syphilis zuerst jene erschreckliche Verbreitung erlangte, 
welche die Welt so plötzlich überraschte. Mehrere Söldnerheere von 
bedeutender Stärke versammeln sich in Italien und treten mit ein- 
ander in Berührung. Sie werden gebildet von einer zuchtlosen Sol- 
dateska aus aller Herren Ländern, die, begleitet von einem ungeheuren 
Tross von Lustmädchen, sich den wildesten sinnlichen Ausschweifungen 
ergiebt. Es findet ein beständiger Austausch von Ueberläufern 
männlichen und weiblichen Geschlechts zwischen den verschiedenen 
Armeen statt und schliesslich zerstreuen sich die Soldaten des französi- 
schen Heeres nach allen Seiten. Dass unter diesen Umständen eine Krank- 
heit wie die Syphilis binnen kurzer Zeit eine die Welt mit Schrecken 
erfüllende Verbreitung erlangen musste, liegt auf der Hand. J. F. C. 
Heck er hat treffend die Rolle der Landsknechte bei der Verbrei- 
tung von Volkskrankheiten geschildert: „So wie die Keime der Laster- 
haftigkeit von umherschweifenden Landsknechten nach allen Seiten 
hin verbreitet wurden, so fand auch die Ansteckung von bösartigen 
Krankheiten durch eben diese zerrüttete, überall gegenwärtige 



i) Unter „Zeitgenossen" verstehe ich zunächst diejenigen Schriftsteller, welche 
das erste Auftreten der Syphilis als erwachsene Männer erlebten, dann aber auch diejenigen, 
welche etwas später schrieben, aber ihre Nachrichten von Leuten der ersten Kategorie be- 
kamen. Die zeitgenössischen italienischen Schriftsteller kommen natürlich vor allem in 
Betracht. 



— "54 — 

Menschenklasse leichter Eingang in die Städte und Dörfer. Die 
Landsknechte vertraten als Giftverbreiter die Stelle der ehemaligen 
Römerfahrer und Geisseibrüder** *). 

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, deiss die Syphih's sich 
der europäischen Welt zuerst bemerkbar machte, als die Franzosen 
unter Karl VIII. sich in Italien aufhielten. Diese ganz allge- 
meine Zeitbestimmung des ersten Auftretens der Syphilis in epide- 
mischer Verbreitung wird von den gleichzeitigen Chronisten und ärzt- 
lichen Schriftstellern der verschiedensten Länder übereinstimmend an- 
gegeben^. Und zwar geschah dieses nach dem Bericht der grossen 
Mehrzahl der Zeitgenossen während des Aufenthaltes der französischen 
Armee in Neapel^). Selbst Delicado, der doch, wie wir sahen*), 
einzelne Syphilisfälle schon in Rapallo vorkommen lässt, verlegt den 
eigentlichen epidemieartigen Ausbruch der Lustseuche nach Neapel 

Es giebt verschiedene Erzählungen über dieses Ereignis. De- 
licados Bericht über die Vergiftung des Wassers und des Weines 
ist bereits früher mitgeteilt worden*). Er lässt diese Vergiftung 
durch die Neapolitaner geschehen. 

Gabriel Fallopia teilt folgende Erzählung mit, die er von 
seinem Vater gehört hatte, welcher zur Zeit des Aufenthaltes der 
Franzosen in Neapel ebenfalls dort anwesend war. Bei der „Be- 



i) J. F. C. Heckfr, „Die grossen Volkskrankheiten des Mittelalters**, herausg^eben 
von A. Hirsch, Berlin 1865, S. 219 — 220. 

2) So heisst es z. B. in der „Cronica di Bologna" (Cronica Bianchina) eines zeit- 
genössischen Autors, dass die Syphilis mit dem Augenblicke zu herrschen begann „che li 
franzoxi veneuo in italia'*. A. Corradi, „Nuovi documenti per ia storia delle malattie 
veneree in Italia", Mailand 1884, S. 58. Auch Sanuto lässt die Syphilis seit der Ankunft 
der Franzosen in Italien auftreten, ibidem, S. 71. — Marinus Brocardus, ebenfalls ein 
2^itgenosse, spricht von der „nova aegritudo, quae eo tempore quo Galli Italiam ar- 
mis infestarunt, humanum genus vexare coepit". Luisinus, II, 965. Desgleichen 
Cataneus, der die Krankheit „existentibus Gallis in Italia" sich ausbreiten lassL Lui- 
sinus, I, 139. 

3) Conti da Foligno (schon vor 1476 „scrittore apostolico", seit 1503 Sekretär 
des Paptes Julius II.) sagt: „Dum Galli Neapoliessent, perniciosa lues in Italia ex- 
orla est." Corradi a. a. O., S. TJ, — Die ,,Cronaca modenese" des Jacopino de 
Bianchi berichtet: „De questo anno si descuersc uno malo al quäl li fu posto nome mal 
francoxo e descuerse in Napule". ibid., S. 74. — Torella sagt, dass die Syphilis sich 
bei dem Aufenthalte der Franzosen in Italien, und zwar hauptsächlich bei dem in 
Neapel zuerst gezeigt habe: „Nam Galli manu forti Italiam ingredientibus, et maxime 
Regno Parthenopaeo occupato, et ibi commorantibus, hie morbus detectus fuit." Lui- 
sinus, I, 502. 

4) Vgl. oben S. 43. 

5) Vgl. oben S. 40; S. 42. 



— 155 — 

lagerung Neapels", also der beiden früher genannten Castelle, „His- 
pani calidissimi atque cauti milites, qui gladiis hostes, dolis, et arte 
ofFendunt (nam dolus an virtus quis in hoste requirat?), cum ipsi 
essent pauci, Gallorum vero numeros propemodum infinitus, nocte 
egrediebantur, relinquentes propria praesidia, et puteos venenabant. 
Nee satis hoc erat, Italos Pistores in exercitu adverso degentes pretio 
corruperunt, qui gypsum pani admiscebant. Tertio, cum vim conta- 
giosi affectus cognovissent, ob annonae caritatem gentem inutilem 
propellentes, clam scorta, et ea quidem formosissima, ab 
urbe expulerunt. Galli affecti erga mulieres, ducti pulchritudine, 
egestate coacti, illas exceperunt: libentissime luxuriarunt 
cum eis infrenes juvenes, et ita pcissim totus exercitus infectus"^). 
Nach diesem Berichte ging also die Syphilis von den Spaniern aus. 
Die „Vergiftung der Brunnen" und die Beimischung von Gips zum 
Brode können wir füglich auf sich beruhen lassen. Dass Fallopia, 
den, wie ich schon bemerkte, auch Proksch als einen nüchternen 
und rationellen Beobachter preist, diese Dinge seinem Vater nach- 
erzählt, beweist eben nur, wie tief selbst die grossen Aerzte jener 
Zeit noch im Aberglauben befangen waren. Daraus auf die grössere 
oder geringere Glaubwürdigkeit der betreffenden Autoren zu schliessen, 
ist vollkommen unzulässig. Mystik und Aberglauben standen damals 
noch in höchster Blüte. Man denke nur an die noch Jahrhunderte 
später vorkommenden Hexenprozesse mit ihren wahnwitzigen und 
unglaublichen Beschuldigungen! Was jedoch den dritten, von Fallo- 
pia mitgeteilten Infektionsmodus betrifft, so ist dieser höchstwahr- 
scheinlich der wirkliche gewesen. Die Spanier in Castelnuovo 
sandten, um sich überflüssiger Esser zu entledigen, den „unnützen** 
Tross und darunter die sonst unentbehrlichen Freudenmädchen hin- 
aus, und diese verbreiteten das Gift der neuen Krankheit unter den 
Franzosen. 

Gassar, der allerdings seine Annalen erst 1576 beendigte, von 
dem aber Simon annimmt, dass ihm gute Quellen zu Gebote stan- 
den, erzählt, dass die Syphilis durch den geschlechtlichen Verkehr 
eines aussätzigen Spaniers mit einer menstruierenden Dirne entstan- 
den sei, und zwar bei der Belagerung Neapels 2). Auch hier also 
sind jedenfalls die Spanier die Quelle der Ansteckung. 

Diese Erzählungen werden durch Berichte aus zeitgenössischen 
Chroniken bestätigt. In den ,.Annali della cittä deir Aquila" werden 



1) Luisinus, II, 761. 

2) Simon a. a. a., Bd. II, S. 26. 



- 156 - 

ausdrücklich die für den neapolitanischen König kämpfenden Spanier 
als die ersten Träger und Verbreiter des syphilitischen Giftes be- 
zeichnet, welche die Weiber infiziert hätten i). Ebendasselbe wird in 
den „Frammenti degli Annali de Sicilia" (Manuskript der städtischen 
Bibliothek zu Palermo) berichtet*). 

Auch der etwas spätere Tomitanus (1506— 1576), der die Frage 
aufwirft, ob die Syphilis im neapolitanischen Kriege spontan entstan- 
den oder eingeschleppt worden sei, neigt sich dieser letzteren Auf- 
fassung zu, und lässt diese Einschleppung der Krankheit durch die 
Spanier geschehen^). 

Caesalpinus meint, dass die Deutschen die Krankheit die 
„spanische" nennen, weil sie vor Neapel mit Spaniern in Berührung 
kamen und von diesen infiziert wurden*). Dass die Schweizer fast 
alle während ihres Aufenthaltes in Neapel angesteckt wurden, be- 
richtet die „Helvetische Chronik" des Henricus Svicerus^). 

Wenn nun Delicado schon über das Vorkommen einzelner 
Fälle von Syphilis im französischen Heere bei Gelegenheit der Er- 
oberung von Rapallo berichtet, so ist kein Grund vorhanden, diese 
Mitteilung, die sich auf die Aussagen von Zeitgenossen stützt, ohne 
weiteres als unglaubwürdig zu verwerfen. Denn alles, was Delicado 
über die Ereignisse in Rapallo erzählt? stimmt mit den wirklichen 
Vorfällen genau überein. Es fand wirklich jene Plünderung der 
Hospitäler, die mit solchen Grausamkeiten gegen die Kranken ver- 
bunden war, statt. Nach Delicado hätten sich nun hier einige 
Soldaten des französischen Heeres zuerst infiziert, später sei die 
Seuche .in grösserem Umfange in Neapel zum Ausbruch gekommen. 
Da darf denn wohl an den auffälligen Umstand erinnert werden, dass 
in Rapallo ebenfalls Spanier gelandet waren, die hier mit den Fran- 

i) „Et essendo (Spagnuoli) dal Re Cattolico mandad di questi lali in queste guerre 
a Napoli in favor de gPAragonesi, n'infeltarono le donne in quelle guerre, et esse a 
poco a poco n'infettarono altri.'* Corradi a. a. O., S. 80. 

2) „In questo anno si sparse una fiera malattia non piü sentita, chiamata il mal 
francese, e dicesi che hebbe origine dal Regno di Napoli, allora che i Spagnuoli 
vi tennero li eserciti.'* Corradi a. a. O., S. 61. 

3) „An vero in Neapolitano hello sponte ortus sit, an potius delatus, illud constanter 
affirmo, non esse certam causam, quod hie morbus, ipsa sola humorum per sese raaiorum 
ratione, potuerit excitari, magis tamen rationi consentaneum videri, ut potuerit ah 
Hispanis contagio deferri Neapolim, coepisseque in Galileo exercitu saevire, utpote majore 
ac numerosiore Hispano, forte etiam licentiae, deliciisque majoribus dedito." Luisin us, 
II, 1023. 

4) Andreas Caesalpinus a. a. O., S. 235. 

5) Delaborde a. a. O., S. 576. 



— 157 — 

zosen in Berührung kamen i). Es muss daher die Möglichkeit, dass 
sich schon in Rapallo einzelne Fälle von Syphilisinfektion ereigneten, 
durchaus zugegeben werden. 

Endlich gab es viele Italiener, die behaupten, dass die Fran- 
zosen selbst ihnen diese neue Krankheit mitgebracht hätten. Schon 
in dem 1496 verfassten Gedichte des Arztes Summaripa (aus 
Verona) heisst es: 

Nel anni del Signor per nui si adora 

Novanto quattromille e quattrocento 

Sto mal venne di Gallia in sua malhora^). 

Friano de Ubaldini berichtet in seiner Chronik, dass mit 
König Karl VIII. eine neue, vollkommen unbekannte Krankheit 
nach Italien gekommen sei, von der man sagte, dass die Franzosen 
sie mitgebracht hätten, und daher sie als „Franzosen übel" bezeichnete^). 

Wenn ich nun daran erinnere, dass sich auch im Heere 
Karls VIII. Spanier befanden, so wird man auch diese Auffassung 
als eine mögliche gelten lassen müssen. Manardus, sicher ein zeit- 
genössischer Schriftsteller, da er nach Proksch (II, 157) seine Schrift 
um 1500 verfasste, berichtet uns ja, dass sich syphilitische Spanier in 
dem Heere Karls VIII. befunden hätten und durch sie die Krank- 
heit nach Italien eingeschleppt worden sei*). 

Dieselbe Ansicht wie Manardus scheint ein anderer zeitgenös- 
sischer Schriftsteller Giovanni de Vigo (1460 — 1520) zu vertreten. 
Nach ihm trat die Syphilis schon im Dezember 1494 auf, als 
Karl VIII. eben Italien betreten hatte ^). 



i) Die Erzählung von dem Dukaten als Ursache der Syphilis ist ja unsinnig, wie 
ich schon früher (S. 41) bemerkt habe. Aber die Vergleichung des Exanthems mit 
Münzen ist treffend und wurde öfter gebraucht. So sagt Pedro Pintor von den syphi- 
litischen Pusteln: „In aliquibus vero augraentantur in quantitate Carlini (neapolitanische 
Silbermünze)". Vgl. Proksch, „Geschichte der venet. Krankheiten**, II, 29. 

2) Abgedruckt bei Haeser, „Historisch-pathologische Untersuchungen**, I, 228. 

3) „E le persone dezevano che li franzoxi avevano portado la dicta malatia in italia 
e ful i posto nomo male franzoxo.'* Corradi a. a. O., S. 59. 

4) Vgl. die oben (S. 98—99) abgedruckten Worte des Manardus. 

5) „Anno millesimo quadringentesimo nonagesimo quarto de riiense Decembris, quo 
anno Serenissimus Carolus Francorum Rex, magna comitante caterva, versus Italiae partes 
iter accepit ad regnum Neapolitanum recuperandum, apparuit quoddam morbi genus quasi 
j>er totam Italiam incognitae naturae.** Joannis de Vigo, De Morbo Gallico^, Tractatus, 
Cap. I und Luisinus, I, 449. — Auch Grunpeck, der die Syphilis von Insubrien 
(Mailand) aus sich nach Ligurien und den übrigen Teilen Italiens verbreiten lässt, scheint 
diese Ansicht zu teilen. Vgl. Fuchs a. a. O., S. 51. 



- 158 - 

Da ich die Frage des eigentlichen Ursprunges der Syphilis 
im nächsten Kapitel untersuche und in diesem Abschnitte nur das 
Auftreten der Syphilis in Italien berücksichtige, so mag hier der 
Hinweis genügen, dass jene eben erwähnten drei Berichte über den 
Ausbruch der Lustseuche in Italien darin übereinstimmen, dass 
sie eine Einschleppung der Krankheit als ganz gewiss hinstellen, 
und diese Einschleppung mehr oder weniger deutlich den Spaniern 
zur Last legen. Ferner herrscht auch darüber Uebereinstimmung, 
dass die Syphilis erst in Neapel zu grösserer Verbreitung gelangte, 
und erst von hier aus durch das zurückkehrende Heer Karls VIII. 
und die übrigen in Italien stehenden Heere nach den einzelnen 
Gegenden Italiens und weiterhin Europeis verschleppt wurde. 

Wann brach die grosse Syphilisepidemie in Neapel aus? Da 
Karl VIII. sich von Ende Februar bis Mai in Neapel aufhielt, so 
kommt F. A. Simon in seiner Untersuchung dieser Frage zu dem 
Schlüsse, dass die Lustseuche zwischen Februar und Mai 1495 zum 
Ausbruche gekommen sei^). M. E. kann man das Datum noch ge- 
nauer fixieren. Denn eine um jene Zeit geschriebene Chronik von 
Modena, die Jacopino und Tommasio Lancilloti zu Verfassern 
hat, findet sich bereits unter dem Mai 1495 die Notiz, dass in diesem 
Jahre in Italien eine Krankheit entdeckt worden sei, die man „mal 
francese" nannte, und die von Neapel nach Rom kam und sich 
auch in anderen Städten Italiens gezeigt habe 2). Es muss sich also 
schon im Mai die Syphilis in Italien weiter verbreitet haben, was ja 
bei den beständigen Heereszügen kein Wunder war. Kam auch 
Karl VIII. selbst erst am i. Juni 1495 nach Rom, so wird sicher- 
lich der Vortrab des Heeres schon in den letzten Tagen des Mai 
dort gewesen sein, und das ganze Heer auf seinem Marsche von 
Neapel nach Rom die Syphilis überall verbreitet haben. Wahrschein- 
lich aber hatte die Krankheit schon vor dem Mai 1495 in Neapel 
geherrscht. Ich habe trotz eifriger Nachforschung keine genauere 
Angabe über diese Frage finden können. 

Jedenfalls steht fest, dass die erste grössere Ausbreitung der 
Syphilis auf dem Wege von Neapel nach Rom erfolgte. Diese obige 
Angabe findet sich in einer anderen modenesischen Chronik (von 
demselben Verfasser?), der „Cronaca modenese" des Jacopino de' 

i) Simon a. a. O., Bd. II, S. 49. 

2) „A. 1495 (Maggio). Di quest' anno si scoperse un male, che fu chiamato mal 
francese, et venne da Napoli a Roma et per tutte le cittä d'Italia." Cose piü notabile 
delle Croniche di Modena di Jacopino e Tommasino Lanciliotti bei Quist a. a. O., 
S. 315. 



— 159 — 

Bianchi (detto de' Lancillotti), Parma 1861, S. 153. Der Verfasser 
dieser Chronik wurde 1440 geboren und starb 1502, hat also die 
Ereignisse als ein Zeitgenosse im eigentlichen Sinne des Wortes mit- 
erlebt. Er schrieb unter dem 26. Juni 1496 nieder, dass die Syphilis 
sich in diesem Jahre in Modena gezeigt habe und „Franzosenkrank- 
heit" genannt werde. Sie sei aber in Neapel und Rom und deren 
Umgebungen zum Ausbruch gekommen, habe sich nach allen Städten, 
auch nach Modena und Parma verbreitet und sei nach seinem Dafür- 
halten aus der Gegend von Neapel und Rom gekommen i). 

Ausdrücklich versichert auch der Historiker Guicciardini 
(1483 — 1540), der diesen Abschnitt seines Werkes aus besten Quellen 
geschöpft zu haben scheint, dass die Lustseuche durch die Franzosen 
von Neapel aus in ganz Italien verbreitet worden sei 2). 

In Rom hatten zwei berühmte Aerzte Pedro Pintor und 
Gaspare Torella Gelegenheit, die Syphilis zu beobachten. Pintor 
(1423 — 1503) war beim Ausbruche der Syphilis über 70 Jahre alt 
und ist, wie ich oben (S. 29 — 31) gezeigt habe, einer der besten 
Zeugen für die Neuheit der Krankheit, die dem Siebzigjährigen als 
„morbus ignotus" erschien. Pintor nun erzählt uns, dass die Fran- 
zosen die Syphilis nach Rom brachten und sehr viele Bewohner 
der Stadt ansteckten^). Torella war gleichfalls in Rom anwesend, 
als die Syphilis dorthin gelangte. Er schrieb dort sein erstes Werk 
über die neue Krankheit, das im November 1497 erschien utid bereits 
mehrere genaue Beobachtungen enthält*). 

Im Juni 1495, als der grösste Teil des bei Fornuovo von 
Karl VIII. geschlagenen Heeres (Venetianer und Mailänder) sich 
mit der Belagerungsarmee, die vor Novara lag, vereinigte, beob- 
achtete der Arzt Marcellus Cumanus die Syphilis vorzüglich bei 



i) „26 Giugno 1496. De questo ano si descuerse uno malo al quäl li fu posto 
nomo mal francoxo e descuersese in Napule Roma e le circonstantie e per tute le citä 
de Roma sino a Modena et anche Reze, Parma, e al mio parere vigniva de verso 
Napulo e Roma." Corradi a. a. O., S. 74. 

2) „Fu detta communmente da gl'Italiani le boUe, ö il mal Francese perche perve- 
nuta in essi mentre erano a Napoli, fu da loro nel ritornarsene in Francia diffusa 
per tutta Italia." La Historia d'Italia de M. Francesco Guicciardini, Venedig 1583, 
S. 69b. (nach Grüner, „Aphrodisiacus", 124). 

3) „Appellatur morbus Gallicus hac ratione, quod multi Gallici ad hanc pervenientes 
urbem a sua regione Gallica hoc morbo infectionem hujus morbi portaverunt et multitu- 
dinem gentium istius urbis per contagium cruciaverunt." Hensler a. a. O., 
Excexpta, S. 42. 

4) „Hoc in opusculo de pudendagra quod Romae cum essem humano generi com- 
patiens scripsi inserere statui.'* Luisinus, I, 501. 



— i6o — 

mailändischen Soldaten ^). Es war also damals die Krankheit schon 
bis in den nördlichsten Teil der apenninischen Halbinsel, 
bis an den Fuss der Alpen, an die Grenzen Frankreichs, der 
Schweiz und Deutschlands vorgedrungen! 

Es ist wichtig, diese genaueren Daten, die uns in einer aus- 
gezeichneten Weise die schnelle, an die Heereszüge geknüpfte Aus- 
breitung der Syphilis in Italien vor Augen führen, festzustellen, da 
gerade die übrigen Nachrichten über das Auftreten der neuen Seuche 
in den übrigen Städten Italiens ziemlich ungenau sind. Die meisten 
zeitgenössischen Chronisten beschränken sich auf die Mitteilung, dass 
die Syphilis im Jahre 1495 bezw. 1496 zuerst aufgetreten sei. Die 
letztere Angabe braucht uns nicht zu befremden. Es ist erstens sehr 
wohl möglich, dass in einzelnen Städten, die von den Kriegsunruhen 
nicht berührt wurden, die Syphilis erst am Ende des Jahres 1495 
bezw. Anfang 1496 auftrat, und zweitens kann mit dieser Notiz ge- 
meint sein, dass nach Einschleppung vereinzelter Fälle von Syphilis 
im Jahre 1495 die Krankheit erst in den nächsten Monaten, d. h. 
eventuell im Jahre 1496 ihre grösste Ausbreitung in der betreffenden 
Stadt gewann. Das am meisten Bemerkenswerte ist jedenfalls der 
Umstand, dass alle diese zeitgenössischen italienischen Städte-Chroniken 
von dem plötzlichen Auftreten bezw. der Einschleppung der Syphilis 
als einer ganz neuen, unbekannten Krankheit sprechen. 

Ein interessantes Dokument über das erste Auftreten der Sy- 
philis in Florenz besitzen wir in der handschriftlich erhaltenen 
„Florentinischen Geschichte" des Pietro Parenti. Dieser Schrift- 
steller wurde am 18. Januar 1450 zu Florenz geboren und starb da- 
selbst am 5. Mai 15 19. Er schrieb den zweiten Teil seiner Chronik 
in der Zeit vom April 1496 bis März 1497 und bemerkt unter dem 
September 1496: „Es wird nicht unangemessen sein, der neuen 
Krankheit zu gedenken, welche in diesen Zeiten nach Italien kam, 
und die man französische Krätze nennt. Sie verbreitet sich nach 



i) Die betreffenden Worte dieses wahrhaft klassischen Augenzeugen des ersten Auf- 
tretens der Syphilis lauten: „Pustulae sive vesicae epidemiae. Anno 1495, in Italia, ex 
uno influxu coeiesti, dum nie recepi in castris Novarae cum armigeris dominorum Vene- 
torum, dominorum Mediolanensium plures armigeri et pedestres ex ebullitione humorum me 
vidisse attestor pati plures pustulas in facie et per totum corpus, et incipientes communiter 
sub praeputio vel extra praeputium, sicut granura milii, aut super castaneam (i. e. glans 
penis) cum aliquali pruritu patientis". Astruc, II, 544; Hensler, Exe. ii; Proksch, 
II, 8 — 9. — Aus dem „dum me recepi" erhellt mit Sicherheit, dass Curaanus diese Be- 
obachtungen gleich zu Anfang, d. h. im Juni 1495 macht, als die Venetianer zu dem 
Belagerungsheere stiessen. 



— i6i — 

allen Teilen der Welt, verursacht heftigste Schmerzen, dauert 8 bis 
lo Monate, verbreitet sich im Laufe eines ganzen Jahres über den 
ganzen Körper nach Art einer schweren Krätze und unter einem 
pockenähnlichen Ausschlag, ist mit üblem Geruch, Verderbnis und 
Entstellung des davon ergriffenen Körpers verbunden"^). Wenn also 
der Verfasser bereits im September 1496 sagen kann, dass die Krank- 
heit 8 bis 10 Monate, ja ein Jahr dauert, so kann man mit Sicherheit 
annehmen, dass er mehr als ein Jahr früher die ersten Fälle von 
Syphilis in Florenz gesehen hat. Dies führt uns durch eine einfache 
Ueberlegung auf die Zeit von Juni bis August 1495. Eine geradezu 
glänzende Bestätigung dafür liefert uns die Nachricht des Julianus 
Tanus, dass er im Spätsommer 1495 einen Juristen und einen 
Soldaten zu Prato, ganz nahe bei Florenz, mit Syphilis behaftet 
selbst gesehen habe 2). Um jene Zeit war es auch wohl, dass 
Petrus Crinitus durch das köstliche Wortgezänke der Aerzte in 
der florentinischen Akademie so sehr erheitert wurde ^). 

Ebenso war die Syphilis schon im Jahre 1495 in Bologna. 
Ks wird auf der Universitätsbibliothek von Bologna die Handschrift 
einer Chronik des Maurers Gaspare Nadi aufbewahrt. Dieser machte 
sich Notizen über die wichtigsten häuslichen und städtischen Ereig- 
nisse, und so heisst es unter dem Jahre 1497, dass eine neue Krank- 
heit nach Bologna gekommen sei, die kein Arzt gekannt habe, sie 
werde Franzosenkrankheit genannt und habe 1495 angefangen^). 



i) „Settembre 1496. Non sarä inconveniente far memoria della nuova malattia ve- 
nuta in Italia a questi tempi, chiamata rogna franciosa la quäle in tutti le parti del mondo 
si distese. Fava doglia intensissima; durava 8 iu lo mesi, et chi l'anno intero teneva im- 
pedito, spargevasi per tutto il corpo a modo di rogna grossa o bolle di uaiolo. Puzzava 
tal corruttione, et bruttezza grande monstrava in chi veniva", Pietro Parenti, „Istorie 
Fiorentine, T. II, Cod. in fol. chart. Saec. XVI dal mese d'aprile 1496 al niese di marzo 
1497", bei Corradi a. a. O., S. 56. 

2) „Et nos anno 1495 extrema aestate egregium utriusque juris doctorem Dominum 
Philippum Decium, Papiensem, in Florentino Gymnasio Prati, Pisis lunc rebellibus, 
publice legen tem, hac labe affectum ipsi conspeximus, eoque in tempore ab eadem in 
media tertiana miles Pratensis acriter captus est." Julianus Tanus, „De Saphati" bei 
Grüner, „De morbo gallico scriptores**, S. 63. 

3) Vgl. oben S. 77. 

4) „Non se trouava medico che lo conoscesse, se chiamaua mal franzoso comenzö 
dell' anno 1495." Quist a. a. O., S. 312. — Es ist sehr bezeichnend, dass Nadi sagt, 
kein Arzt habe die Krankheit gekannt. Aehnlich äussern sich sehr viele Zeitgenossen. 
Daraus haben manche Syphilishistoriker geschlossen, das Volk habe sie gar wohl gekannt! 
Eine wunderbare Schlussfolgerung, die mir ganz und gar unverständlich ist. Die Krankheit 
war eben so neu, dass selbst die vielerfahrenen Aerzte sie nicht kannten, von den Laien 
ganz zu schweigen! Das ist doch die einfache und ungekünstelte Interpretation dieser 

Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 11 



102 — 

Die „Chronicha Bianchina*' verlegt das Auftreten der Syphilis 
in Bologna in das Jahr 1496, fügt aber hinzu, dass die Krankheit zu 
herrschen begonnen habe, als die Franzosen nach Italien kamen, und 
befindet sich damit wieder in Uebereinstimmung mit der Chronik 
des Nadi^). 

In Cremona trat 1495 jene „schreckliche Krankheit" auf, die 
niemand kannte, die viele Menschen lähmte und tötete und manchen 
als eine neue Art des Aussatzes erschien 2). 

Jacopo Rizzoni giebt in seiner veronesischen Chronik für das 
Auftreten der Syphilis in Verona das Jahr 1496 an; aber aus Sum- 
maripa's oben erwähntem Gedichte, welches dieser Arzt in Verona 
selbst „brumali mense" 1496 verfasste, geht deutlich hervor, dass die 
Syphilis schon eine lange Zeit vor dem „Wintermonat" des Jahres 
1496 dort herrschte. Er teilt so viele Einzelheiten über die Krank- 
heit mit, die nur einer über viele Monate sich erstreckenden 
Beobachtung entsprungen sein konnten, berichtet sogar von Aerzten, 
die aus Spanien zur Behandlung der Krankheit herüberkamen, dass 
wir mit Sicherheit daraus auf die Existenz der Syphilis in Verona 
schon im Jahre 1495 schliessen können. 

Auch nach Venedig soll die Syphilis erst 1496 gekommen sein, 
wie aus einer alten venetianischen Verordnung^) und aus dem Be- 



Aeusserungeii. Auch erübrigt sich wohl eine Kritik jener Ansicht, als ob das Volk die 
Krankheit Jahrhunderte lang gekannt, und sie nur den dummen Aerzten entgangen sei ! 

i) „Et comenzo de quest' anno in Bologna una malatia quasi inchurabile ia quale 
malatia era chiamata el male franzoxo overo el male de sam iob per che comenzo de 
veguire da poi che li franzoxi venevo in italia." Corradi a. a. O., S. 58. 

2) „De una infirmita dicta el mal franzoso. In lo dicto anno (1495) fo una 
pessima malatia chiamata mal franzoso, che molti homeni ne morivano, et cossi donne, 
et molti remanevano stropiati, et niuno non sapeva trovar remedio, maxima li medici, et a 
ognuno che veneva dicto male, parevano leprosi ; et in questo tempo se principiö haver 
in devotione sancto Job glorioso.** Cronaca di Cremona da 1494 al 1525 bei Corradi 
a. a. O., S. 75. Hier heisst es übrigens ausdrücklich, dass man damals anfing, die 
neue Krankheit „Hiobskrankheit" zu nennen. Es konnte also nicht etwa eine alte Hiobs- 
krankheit sein. Vgl. oben S. 82 — 83. 

3) „Nota che per influxi celesti da anni do in qua zoe da poi la venuta de fran- 
cesi in Italia se ha scoperto una nova egritudine in li corpi humani dicta mal franzoso lo 
quäl mal si in Italia come in Grecia Spagna et quasi per tutto il mondo e dilatado . . . 
hier folgt eine Schilderung der einzelnen Symptome der Syphilis, die ebenfalls auf längere 
Bekanntschaft mit der Krankheit schliessen lässt, und zuletzt heisst es: et conclusive spur- 
zissimo mal tamen pochi ne more el quäl mal licet molti dicono sia venuto da francesi 
tamen Ihoro chiam Ihano da anni do in qua abuto et lo chiamano mal italiano,** Leggi 
e Memorie Venete sulla Prostituzione fino alla caduta della republica. A spese del 
Conte di Orford. Venedig 1870 — 1872, S. 253. — Von einem Manne heisst es im 
Jahre 1500, dass er seit 4 Jahren (also seit 1496) an der Syphilis litt: „In questa matina 



— i63 — 

richte des Bembus^) hervorzugehen scheint. Jedoch steht in der 
ersteren ausdrücklich, dass die Krankheit schon zwei Jahre früher, 
also Ende 1494 bezw. Anfang 1495 nach Italien gekommen sei, und 
vor allem beobachtete Cumanus schon im Juni 1495 die Krankheit 
im Belagerungsheere vor Novara, bei dem sich auch sehr viele Vene- 
tianer befanden, die nicht verfehlt haben werden, die Krankheit in 
Venedig einzuschleppen, allerdings wohl erst am Ende des Jahres 
1495 nach der Authebung der Belagerung von Novara dahin zurück- 
kehrten, so dass thatsächlich die erste Ausbreitung der Syphilis in 
Venedig im Jahre 1496 stattgefunden haben mag. Dies letztere 
scheint auch Bembus („advenarum contagione") zu berichten. Leider 
ist des Marinus Brocardus — der beim Ausbruche der Syphilis die 
Praxis in Venedig ausübte — Nachricht über das erste Auftreten der 
Krankheit zu unbestimmt, um auf Venedig bezogen werden zu können. 
Er sagt nur, dass die Krankheit beim Aufenthalte der Franzosen in 
Italien sich zuerst gezeigt habe^). 

Wir hatten gesehen, dass die Syphilis bereits im Juni 1495 bis 
nach Novara, in den Nordwesten Italiens vorgedrungen war. Da nun 
in jenen Gegenden die weiteren Kriegsereignisse sich abspielten und 
das rückkehrende Heer Karls VIII. längere Zeit sich aufhielt, auch 
schon, wie wahrscheinlich, Ende 1494 einzelne Fälle von Syphilis in 
Rapallo, der genuesischen Hafenstadt, vorgekommen waren, so ist es 
von grossem Interesse, dass wir für Genua bestimmt das Jahr 1495 
als Ausgangspunkt der Lustseuche nachweisen können. 

Agostino Giustiniano, der 1470 zu Genua geboren wurde, 
also schon 25 Jahre alt war, als die Syphilis in Genua erschien, be- 
richtet in seinen „genuesischen Annalen**, dass in diesem Jahre (1495) 
eine den Lebenden unbekannte und auch von den Vergangenen nicht 
erwähnte Krankheit in Genua erschienen sei. Die Franzosen hätten 
sie „neapolitanisches", die Spanier und Italiener „französisches", die 



(21 Novembre 1500) e da saper fo discoperto un strano caxo acaduto in la contra dl san 
Zuan di Golao (S. Giovanni Decolato) a uno ser Beneto Morexini quondam ser Jacomo 
di anni 50 quäl stava in caxa za 4 anni per mal franzoso/' ibidem S. 255. 

i) „Jamque in urbe advenarum contagione invectioneque siderum morbus pera- 
trox initium ceperat is, qui est gallicus appellatus, quo genitalibus ante omnia vitiatis, corpus 
doloribus afficiebatur, deinde pustulae maculaeque prodibant etc". Petr. Bembi Hist. 
Venet. L. III p. 113 edit. opp. Basil. 1576 T. I (anno 1496) quo Maximilianus, Pisanum, 
quod vocatur, bellum gessit. bei Hensler a. a. O. Excerpta S. 105. 

2) „Nova haec aegritudo, quae eo tempore, quo Galli Italiam armis infestarunt, 
humanum genus vexare coepit". Luisin us II, 965. 

11* 



164 — 

Genuesen aber „tavelle" genannt^). Sehr bedeutungsvoll ist aber die 
Bemerkung des Giustiniano, dass die Krankheit 1495 in Genua 
angefangen oder „festen Fuss gefasst habe". Zweifellos wird damit 
ausgesprochen, dass schon 1494 einzelne Fälle in Genua vorgekom- 
men seien, erst 1495 aber sei es zu einer eigentlichen Ausbreitung 
der Krankheit gekommen. Hat dabei der Chronist an die von 
Delicado berichteten einzelnen Syphilisfälle im benachbarten Rapallo 
gedacht? Merkwürdig ist es jedenfc^lls, dass auch ein anderer Ge- 
nuese und Zeitgenosse, Jacobus Cataneus, in seiner zwischen 1500 
und 1505 verfassten Schrift^) über die Syphilis das erste Auftreten 
der Krankheit in das Jahr 1494 verlegt, jener Krankheit, auf die er 
die weitberühmten Worte: monstrosus, nullis ante saeculis visus 
totoque in orbe terrarum incognitus, angewendet hat^). 

Erst unter dem Jahre 1496 wird das Erscheinen der Syphilis 
in Ferrara erwähnt. Bernardino Zambotti, Doktor der Rechte 
in dieser Stadt, begann seine chronistischen Aufzeichnungen als 
Schüler 1476 und führte sie bis Ende 1504. Unter dem Dezember 
1496 schreibt er, dass die Franzosenkrankheit angefangen habe sich 
bei vielen Personen in Ferrara zu zeigen, ebenso im übrigen Italien. 
Die Krankheit sei unheilbar, da sie das Leiden Hiobs sei. Sie be- 
falle vorzüglich diejenigen Männer, die mit unreinen Frauen zu thun 
gehabt hätten. Der grösste Teil der Ergriffenen sei gestorben. Das 
Leiden verursache Schmerzen in den Gelenken und gfrosse Blattern 
am Körper^). Dalle Turatte erwähnt, ebenfalls aus dem Jahre 



i) „Comincio anchora qucslo anno (1495) o vero piglio piede una specie di malatia 
non piü nominata, quanto per ricordo di viventi, ne piü sensita da i passati, Francesi la 
nominavano male Napolitano, Spagnoli et Italiani mal Francese, Noi Genovesi il nomi- 
namo tavelle". Agostino Giustiniano „Castigatissimi Annali di Genoa" bei Quist 
a. a. O., S. 315. 

2) Spätestens 1505 kann diese Schrift abgefasst sein, da Cataneus in derselben 
nur die Schriften des Leonicenus, Aquilanus und Torella erwähnt, die vor 1500 
schrieben, da er nach Art jener ersten Schriftsteller Arabist ist, da er die Krankheit als eine 
zu seiner Zeit zuerst erschienene bezeichnet und endlich des Guajaks noch nicht 
gedenkt. Vgl. Astruc II, 596. 

3) „Qui anno Virginei partus Millesimo Quadringentesimo nonagesimo quarto, inva- 
dente Carolo octavo, Francorum Rege, regnum Parthenopaeum, Alexandro vero sexto ea 
tempestate summum pontificatum gerente, exortus est in Italia monstrosus morbus, nullis 
ante saeculis visus, totoque in orbe terrarum incognitus" Jacobi Catanei de Lacumar- 
cino, Genuensis, De Morbo Gallico Tractatus Cap. I bei Luisinus I, 139. 

4) „A. 1496. A di Decembre. El male franzoxe comenzo a descoperse in molte 
persone in questa Terra, ed anche per tutta Italia, il quäl male pure incurabile per essere il 
male de S. Job, e questo prouene per li homini hanno a fare con donne immondi, per lo 
mazor parte se ne more e venneno doglie in le osse nervi, e brozoli e grandissime in la 



- i65 - 

1496, dass man die Freudenmädchen aus Ferrara vertrieben habe, 
um der Verbreitung der neuen Krankheit Schranken zu setzen ^), Jeden- 
falls hat die Syphilis in Ferrara in sehr starkem Masse geherrscht, 
denn unter den ersten Syphilographen befinden sich bereits zwei 
Aerzte aus dieser Stadt. Der berühmte Nicolaus Leonicenus war 
beim Ausbruche der Syphilis Professor der Medizin in Ferrara und 
schrieb hier seine Abhandlung über die neue Krankheit Diese 
Schrift erschien schon 1497 in Venedig. Ebenso gab Sebastianus 
Aquilanus, der erst seit 1495 Professor der Medizin in Ferrara 
war 2), alsbald seine dort gesammelten Erfahrungen über die Lust- 
seuche in einer 1498 erschienenen Schrift heraus. Ob Conradinus 
Gilinus, über dessen Lebensumstände nichts Näheres bekannt ist, seine 
an den Herzog von Este in Ferrara gerichtete Abhandlung über die 
Franzosenkrankheit, die 1497 erschien 3), auch dort verfasst und seine 
Erfahrungen dort gesammelt hat, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich, 
da er auf die auch in der Schrift des Leonicenus hervorgehobenen 
akademischen Streitfragen über die Syphilis anspielt. 

Eine sehr wichtige zeitgenössische Nachricht betrifft die Ein- 
schleppung der Syphilis in Sicilien. Wir haben gesehen, dass alle 
bisher erwähnten Berichte der zeitgenössischen Schriftsteller und 
Aerzte das Auftreten der Syphilis auf eine Einschleppung zurück- 
führen und dciss man, was die italienische Halbinsel betrifft, diese 
Einschleppung der Krankheit teils den Spaniern, teils den Franzosen 
zuschrieb. Nach Sicilien sind aber die Franzosen niemals gekommen, 
sondern nur die Spanier. Und diese Letzteren sollen denn auch in 
der That die Syphilis von Neapel nach dorthin gebracht haben. 
Dies wird in einem der von dem Kanonikus Antonio d'Amico aus 
Messina gesammelten alten Schriftstücke (Mscr. der Communalbiblio- 
thek in Palermo) mitgeteilt, wo dieses Ereignis fälschlich ins Jahr 
1498 verlegt wird*). 

Dies sind die wichtigsten Nachrichten über das erste Auftreten 
der Lustseuche in Italien. Sie sind um so bedeutungsvoller, als sie 
durchgängig von Zeitgenossen herrühren, die das plötzliche Herein- 

persona". Bernardino Zambotti „Silva Chronicanim" (Hdschr. der Communalbibl. in 
Ferrara), bei Quist S. 314 — 315. 

i) Vgl. oben S. 8 — 9, Anm. 4. 

2) J. K. Proksch a. a. O. II, 24. 

3) Astruc, II, 554. 

4) Frammenti degli Annali di Sicilia, A. 1498. In questo anno si sparse una 
fiera malattixi non piü sentita, chiamata il mal francese, e dicesi che hebbe origine dal 
Regno di Napoli, allora che i Spagnuoli vi tennero li eserciti. Bei Corradi a. a. O., S. 6i. 



— i66 — 

brechen des Unheils miterlebten und gewiss zum Teil am eigenen Leibe 
spüren mussten. Laien und Aerzte sind einig darüber, dass die Krank- 
heit bis dahin in Italien unbekannt war, dass sie von auswärts ein- 
geschleppt wurde (durch Franzosen und Spanier) und eben wegen dieses 
geheimnisvollen plötzlichen Auftauchens und ihrer unbekannten Natur 
überall einen tiefen Eindruck machte und den Menschen ein Grauen 
war. Es ist ein vergebliches Unternehmen moderner Syphilishisto- 
riker und hoffnungslose Sophistik, dieses Grauen, das uns aus allen 
gleichzeitigen Berichten, aus Briefen, öffentlichen Urkunden, Reden 
und sonstigen Dokumenten so tiefklagend, so herzergreifend entgegen- 
klingt, hinwegdisputieren zu wollen. Einst begann Hensler, obgleich 
fest überzeugt von dem Altertume der Syphilis (als einer allerdings 
nach seiner Ansicht mehr lokalen Krankheit), sein berühmtes Werk mit 
den Worten: „Es sind manche Seuchen für das Menschengeschlecht 
um vieles verwüstender und mördlicher gewesen als die Lustseuche, 
die zu Ende des XV. Jahrhunderts ausbrach: aber keine von jeher 
und ohne Ausnahme, keine bösartige Seuche, keine Pest, kein schwarzer 
Tod hat einen so fürchterlichen Eindruck gemacht; keine ein solches 
Grausen in den Gemütern der Nachwelt hinterlassen"^). 

Ein Zeitgenosse, Franciscus Muraltus, der beim Ausbruche 
der Syphilis an den lieblichen Gestaden des Lago di Como weilte, 
um Maria Bianca, die Tochter des Herzogs Galeazzo von Mailand, 
ihrem Verlobten, dem Kaiser Maximilian zuzuführen, schrieb unter 
dem ersten Eindrucke der fürchterlichen Geschlechtspest das denk- 
würdige Wort: „Erat quidem Stupor et res miranda, quae ex vulva 
Deus in coitu posuit!"^) 

Dieser „Stupor" entsprang nicht nur der völligen Unkenntnis 
dieser neuen Krankheit, sondern mehr noch dem Schrecken, welchen 
die Heftigkeit und Bösartigkeit der Erscheinungen der Syphilis 
überall verbreiteten. Es ist ebenfalls ein fruchtloses Bemühen, diese 
Malignität der Syphilis bei ihrem ersten Auftreten ableugnen zu 
wollen. Selbst Proksch sieht sich zu der Erklärung genötigt: „Die 
von den ältesten Autoren öfters hervorgehobene Malignität und Leta- 
lität ist keinesw^egs zu bestreiten, da dieselbe ja stets zu beobachten 
war^)." Und zwar sind es nicht bloss vereinzelte Stimmen, die sich 
über den bösartigen Verlauf der Syphilis vernehmen lassen, sondern 



i) Ph. G. Hensler, „Geschichte der Lustseuche**, I, Vorbericht, S. I. 

2) ,,Francisci Muralti, Patricii Comensis, Annalia a Petro Aloisio Doninio 
nunc primum edita et exposita**, Mailand 1861, S. 17 (Corradi, S. 76). 

3) J. K. Proksch, „Geschichte der vener. Krankheiten**, II, 178. 



— 167 — 

weitaus die grosse Mehrzahl aller Schriftsteller der verschiedensten 
Völker schildern uns die Krankheit in den düstersten Farben. Es 
kann also die Thatsache, dass die Syphilis bei ihrer Verbreitung unter 
allen Völkern der alten Welt die gleiche Malignität gezeigt habe, 
durchaus nicht bezweifelt werden. Und nach unserer modernen An- 
schauungsweise über die Natur und die Erscheinungsart dieser 
Krankheit müssen wir aus jener Thatsache den Schluss ziehen , dass 
es (sit venia verbo) ein jungfräulicher Boden war, auf dem die Syphilis 
solche Verwüstungen anrichtete, d. h. dass diese bei allen Völkern 
des orbis antiquus sich offenbarende Malignität daraus zu erklären 
ist, dass jene Völker bis dahin vollkommen syphilisfrei gewesen waren. 
Wie will man die damals beobachteten heftigen Krankheitserschei- 
nungen, das frühe Auftreten der sekundären Erscheinungen (oft schon 
nach wenigen Tagen), das hohe Fieber, die Intensität der Schmerzen, 
besonders der unerträglichen Gelenkschmerzen, die schwere sekundäre 
AfFektion der Haut (als „Variola syphilitica*'), den oft so schnell ein- 
tretenden Marasmus und last not least die unzweifelhafte Häufigkeit 
der Todesfälle anders erklären? Wenn wirklich nur wenige Jahre 
vor diesem fürchterlichen Ausbruche der Syphilis bereits so schlimme 
Symptome eben dieser Krankheit, wie z. B. Verlust der Nase (den 
Villon beschreiben soll!) vorhanden gewesen sein sollen, wie ist es 
dann möglich, dass diese angeblich uralte Plage des Menschenge- 
schlechts plötzlich mit so gesteigerter Intensität über so zahlreiche 
Völker hereinbrechen konnte? Man hat nach dem Vorgange von 
A. Hirsch die sogenannten „Syphiloide" als Beispiele dafür ange- 
führt, dass noch heute solche Exacerbationen der Syphilis innerhalb 
ganzer Völker vorkommen. Aber diese Syphilis-Endemieen („Sibbens" 
in Schottland, „Radesyge" in Norwegen, „jütländisches Syphiloid", 
Ditmarsische Krankheit, Lithauisches und Curländisches Syphiloid, 
„Falcadina" in Venetien, „Mal di Ragusa'* und „Mal di Breno" in 
Dalmatien, „Margaritizza" (Dalmatien), „Mal di Fiume", „Mal di Fu- 
cine", „Skerljevo" (Scherlievo) in Dalmatien, „Frenga" in Serbien, 
„Boala" in Bulgarien, „Spirokolon** in Griechenland, „Mal de la Bay 
de St. Paul*', „Ottawa-Krankheit", Canadisches Syphiloid u. a. m.) 
hängen fast alle, wie Hirsch selbst ausführt i), mit der Unreinlichkeit 
und Indolenz der von ihnen heimgesuchten Bevölkerung zusammen, 
sind eben nichts weiter als gröblich vernachlässigte, schwere 
Fälle von Syphilis im tertiären Stadium, die ihre grosse Aus- 



i) A. Hirsch, „Handbuch der historisch-geographischen Pathologie", Stuttgart 1883, 
Bd. II, S. 67. 



— i68 — 

breitung- unter der Bevölkerung nur durch den gänzlichen Mangel 
an Reinlichkeit, den sorglosen Verkehr, ihren tertiären Charakter 
durch völlige Nichtbehandlung gewinnen konnten. Gerade jenen 
typischen akuten Verlauf der Syphilis bei ihrem ersten Ausbruche 
lassen sie völlig vermissen und treten scheinbar von vornherein als 
rein konstitutionelle Erkrankungen auf, so dass man ihre syphilitische 
Natur erst sehr spät erkannt hat Gerade jene Acuität des Verlaufes, 
jene charakteristische Aufeinanderfolge der intensivsten Krank- 
heitserscheinungen (Schanker, Fieber, Gelenkschmerzen, Haut- 
pusteln u. s. w.), innerhalb so kurzer Zeit, wie sie beim Ausbruche 
der Syphilis beobachtet wurde, geht den Syphiloiden gänzlich ab. 
In vielen Fällen übrigens stellen diese letzteren nur Kombinationen 
der Syphilis mit anderen Hautkrankheiten (Lepra, Ekzem, Lupus, 
Psoriasis u, s. w.) dar. Endlich sind die Syphiloide nur unter einigen 
wenigen Kreisen der Bevölkerung nachgewiesen, und noch dazu 
nur in einigen Ländern. Die Syphilis am Ende des 15. Jahrhunderts 
befiel alle Volkskreise und alle Völker in gleichem Masse und mit 
derselben Heftigkeit^). Der oben erwähnte Muraltus sagt: „Da die 
Krankheit unbekannt war und in alten Werken nicht beschrieben 
gefunden wurde, da weder von Hippokrates, Avicenna und 
Galen Heilmittel für dieselbe angegeben waren, noch sie diese Krank- 
heit erwähnen, so tötete dieselbe Unzählige. Die Aerzte unserer Zeit 
wendeten nach Gutdünken Heilmittel an, und Päpste, Könige, 
Fürsten, Markgrafen, Feldherren, Soldaten, alle Edelleute, 
Kaufleute, endlich alle, die überhaupt der Wollust fröhnten, 
Geistliche aller Art wurden von jener Krankheit heimgesucht, wo- 
durch man die keuschen Menschen von den Unkeuschen unterscheiden 
konnte 2). Es befiel aber die Syphilis nicht nur Einzelne, sondern 
viele Menschen. Pollich spricht schon 1499 von vielen Tausen- 
den geheilter Kranken 3). Bei allen Völkern der alten Welt 
wiederholte sich die gleiche schnelle Ausbreitung der neuen Seuche 
unter denselben heftigen Krankheitserscheinungen. Es wird diese 
ungewöhnliche Intensität der einzelnen Symptome von so vielen 



i) Ueberall wo heute die Syphilis in früher syphilisfreie Gegenden eingeschleppt 
wird, zeigt sie noch jenen akuten Verlauf und jene Intensität der Erscheinungen wie bei 
ihrem ersten Auftreten in Europa. Die Syphiloid-Endemien bekunden schon durch den 
langsamen Veilauf der Krankheitserscheinungen, dass sie eine schon durchseuchte Bevölkerung 
heimsuchen, und daher anderen Ursachen (vor allem der gröbsten Unreinlichkeit) ihre Ent- 
stehung verdanken. Ein grosser Prozentsatz der Syphiloide ist übrigens hereditärer Natur. 

2) Muraltus bei Corradi a. a. O., S. 75 — 76. 

3) Fuchs a. a. O., S. 433. 



^- 169 — 

Syphilographen und Chronisten aller Länder hervorgehoben, dass es 
doch nicht angeht, dieselbe zu bezweifeln, ohne anzunehmen, dass 
alle zeitgenössischen Autoren in gleicher Weise übertrieben haben. 
Kein Zeichen, kein Wort, keine Feder war imstande, die Leiden 
der von der neuen Krankheit Ergriffenen zu schildern, wie Summaripa 
(1496) sagte 1). 

Was im besondern Italien betrifft, so ist es ganz zweifellos, 
dass gerade die beiden ältesten Schriftsteller, welche über das erste 
Auftreten der Syphilis in Italien berichtet haben, Marcellus Cu- 
manus und Summaripa bereits den ganzen Symptomenkom- 
plex der wSyphilis beschrieben haben. Beide wissen, dass den 
Allgemeinerscheinungen eine örtliche Affektion der Genitalien 
vorausgeht. 

Cum an US, der bereits im Sommer 1495 bei der Belagerung 
von Novara Gelegenheit hatte, Beobachtungen über die Syphilis an- 
zustellen, erzählt, dass gewöhnlich zuerst am Praeputium oder der 
Glans penis sich eine Pustel zeigte, die oft von ganz unscheinbarer 
Natur war, aber dann in Eiterung überging, trotzdem nur ein 
geringes Jucken oder auch gar keinen Schmerz verursachte. Aber 
schon nach einigen Tagen liefen die Kranken in „Aengsten 
umher wegen der Schmerzen in den Armen, Beinen und 
Füssen", und mit grossen Eiterpusteln bedeckt! Diese Eiter- 
pusteln verliehen den betreffenden Kranken das Aussehen eines 
Leprösen oder Blatternkranken und blieben ohne Behandlung ein 
Jahr oder mehr bestehen 2). 

Es ist bemerkenswert, dass Cumanns die relativ unschuldige 
Natur der örtlichen Genitalaffektion gegenüber den bald darauf- 
folgenden heftigen Allgemeinerscheinungen so sehr hervorhebt. Ihm 
waren nämlich die von dem syphilitischen „Primäraffekt verschiedenen 
Schanker, unsere heutigen „weichen Schanker", ganz genau be- 



i) Non basterebber gli cenni, non che l'ore, 

Non basterebber penne, inchiostro e Charta 
A scriver le miserie del malore. 

2) „Ex ebuUitione humorum me vidisse attestor, pati plures pustulas in facie et per 
totum corpus, et incipientes communiter sub praeputio vel extra praeputium, sicut granum 
milii, aut super castaneam (i. e. balanum) cum aliquali pruritu patientis. Aliquando indpie- 
bat pustula una in modum vesiculae parvae sine dolore, sed cum pruritu. Fricabant et inde 
ulcerabatur tanquam formica corrosiva et post aliquot dies incurrebant in angustiis propter 
dolores in brachiis, cruribus, pedibus cum pustulis magnis. Omnes periti medici cum diffi- 
cultate curabant . . . Durabant pustuIae super personam tanquam leprosam variolosam per 
annum et plus sine medicinis." Marcelli Cumani, Observationes de lue venerea bei 
Hensler a. a. O., Excerpta, 11 — 12. 



— lyo — 

kannt, die ja so oft als „phagedänische" und „gangränöse** und ,^erpi- 
ginöse" Schanker die umfangreichsten Zerstörungen des Gliedes an- 
richten und nicht selten mit den heftigsten Schmerzen einhergehen. 
Er unterschied die syphilitische „Pustula" des Penis vollkommen 
deutlich von der „Caries pudendorum" oder „virgae" durch die „Caroli**, 
die „Ulcera virgae" und das „Ulcus cancrosum penis et scroti", welche 
er ebenfalls ganz abgesondert von der Syphilis beschreibt^). Dass 
Marcellus Cumanus, worauf schon Proksch aufmerksam machte, 
auch die Gonorrhoe durchaus von der Syphilis trennt, habe ich 
bereits oben (S. 93) erwähnt Es ist doch gewiss bemerkenswert, 
dass der älteste bisher bekannte italienische Schriftsteller über Syphilis 
dieselbe als eine eigne Krankheit beschreibt, die er zuerst vor Novara 
gesehen habe, die nach seiner Meinung eine „ex uno influxu 
coelesti", entstandene Epidemie (pustulae sive vesicae epidemiae) sei. 
Wie ist es möglich, dciss dieser erfahrene Militärarzt erst damals 
anfing, die angeblich immer dagewesene Syphilis von den anderen 
GenitalafFektionen so deutlich zu unterscheiden, nachdem er vorher 
gleich allen übrigen (zum Teil sehr alten und vielerfahrenen) Praktikern 
blind gewesen war in Beziehung auf die Schanker und ihre kon- 
stitutionellen Folgen, die doch gewiss nicht leicht zu übersehenden 
Exantheme der Haut, die Syphilis des Arms und des Rachens, die 
Zerstörungen der Knochen und der Nase? Fürwahr, ein merkwürdiges 
Jahr der Erleuchtung war jenes 1495! 

Nicht weniger bedeutsam ist die Schilderung des Zweitältesten 
italienischen Schriftstellers, des Summaripa, den Proksch merk- 
würdiger Weise in seiner Geschichte der venerischen Krankheiten 
ganz vergessen zu haben scheint. Er erwähnt bereits die Haupt- 
ursache der Syphilis, den „coido prostituto contagioso". Die Krank- 
heit beginnt an den Genitalien, affiziert dann den ganzen Körper. 
Sie verursacht entsetzliche Schmerzen und Qualen („doglie atroce", 
„tormenti vari"). Besonders in der Nacht hört man die Kranken 



i) „Caries pudendorum vel a Carolis. Vidi quendam paüentem Caroles 
(Schanker) in virga in parte praepulü interna qui voluit reversari praeputium. Non po- 
terat. — Corrosio a carie virgae. Ne ulterius procedat corrosio in Carolis in praeputio 
solitus sum procedere cum flore aeris vel Vitriolo cum aqua Solalri mixta et cum petia 
balne«itur Caroli — Ulcera virgae . . . Ulcera virgae communiter acddunt hominibus 
aut propter menstrua, aut propter calefactionem fricantium vulvam. Ego Marcellus curavi 
multos patientes Carolos et ulcera cum tumefactione praeputii, in dolore vehementissimo. — 
Ulcus cancrosum pcnis et scroti. Vidi curasse unum antiquum senem cum isto un- 
guento (ex Litharg. et Cerussa) ex ulccre cancroso in virga et pectine et osseo (oscheo = 
scroto) corroso in pectine senza altero." Marcellus Cumanus a. a. O.; Hensler, Exe, 
S. 12 — 14. 



— L7I — 

jammern. Diese Schmerzen lokalisieren sich besonders in den Ge- 
lenken. Auch das Innere des Körpers, auch Zunge, Mund und 
Schlund werden von der Krankheit erg^ffen. Die Glieder werden 
gelähmt. Der ganze Körper bedeckt sich mit Geschwüren und Pusteln. 
Trotzdem hat man gelernt, das „unbekannte" (d'alcun non connossuto) 
Uebel zu heilen, und es sterben nur Wenige^). 

Summaripa giebt also eine im wesentlichen schon erschöpfende 
Beschreibung der Hauptsymptome der Syphilis. 

Mit Cumanus und Summaripa stimmen alle übrigen Schrift- 
steller, die die Syphilis bei ihrem ersten Auftreten in Italien be- 
schrieben haben, darin überein, dass besonders zwei Krankheits- 
erscheinungen bemerkenswert waren: die äusserst heftigen 
Schmerzen 2) in allen Körperteilen, vorzüglich aber in den Ge- 
lenken, und das rapide Auftreten der Allgemeinerscheinungen 
in Gestalt von schweren pustulo-ulcerösen Hautaffektionen. 
Oft schon nach wenigen Tagen traten diese letzteren auf. Pintor 
sah sie am neunten, vierzehnten und zwanzigsten Tage zum Vor- 
schein kommen^). Torella beobachtete 17 Tage nach geschehener 
Infektion bereits zahlreiche „pustulas grossas crustosas** auf dem 
Kopfe, im Gesicht und am Halse*). 



i) Vgl. den Abdruck des Gredichtes des Summaripa bei Haeser, „Historisch- 
patholc^sche Untersuchungen", Bd. I, S. 227 — 231. 

2) „Fava doglia intensissima**, Sigismondo Tizio bei Corradi, S. 56; 
„Demum eis accidit aliquid accidens acerrimum, quasi in omnibus patientibus hunc morbum, 
videlicet dolores acutissirai in diversis membrorum partibus totius ambitus corporis, per- 
maxime in tibiis et brachiis. Verumtamen hie dolores sunt proximales, non continue, nee 
acutissime affligentes, licet continuus remaneat dolor: dolor vero non est suavis, sed into- 
lerabilis." Pedro Pintor bei Grüner, „Aphrodisiacus", III, S. 95. Schon sechs 
Tage nach Erscheinen des Primäraffektes wurde ein Patient des Tor eil a „arreptus ab 
intensissimis doloribus capitis, colli, spatularum, brachiorum, tibiarum, et costarum, et prae- 
sertim in eorum musculis, cum maximis vigiliis, a quibus molestabatur non nisi in nocte 
post primum somnum." G. Torellae Consilia quaedam particularia adversus pudendagram. 
Lruisinus, I, 545. Nach Montesaurus sind die Schmerzen so stark, als ob die Knochen 
zermalmt würden: „sentiuntur perinde ac si ossa frangantur", wodurch scheinbare Lahmung 
der Glieder hervorgerufen werde. Natalis Montesauri de dispositionibus quas vulgares 
„mal franzoso'* appellant. Luisinus, I, 115. 

3) „Aluhumata autem possunt apparere post nonum diem etiamque post XIV. et 
XX. diem.** Pintor bei Grüner, „Aphrodisiacus", III, S. 95. 

4) „Nicolaus minor Valentinus, mihi intima caritate conjunctus, aetatis XXIV anno- 
mm fere, mediocris staturae atque habitudinis, complexionis sanguineae, ad choleram tenden- 
tis, de mense Augusti (1496) habuit rem cum muliere, haben te pudendagram, quare eadem 
die ipse fuit eodem morbo infectus, quae infectio incepit apparere in virga, ut solet ut plu- 
rimum aliis evenire; nam sequenti die apparuit ulcus in viiga cum quadam duritie longa, 
tendente versus inguina ad modum radii ciun sorditie et virulentia. Post sex dies, ulcere 



— 172 — 

Die übrigen Komplikationen der Syphilis waren schon diesen 
ersten italienischen Beobachtern bekannt. Pintor spricht bereits von 
den Erkrankungen der Augen, der Nase, des Mundes, des Rachens, 
der Lungen und des Tractus intestinalis*). Vigo, der ebenfalls die 
syphilitischen AflFektionen der Augen und der Nase kennt, beschreibt 
ebenso sehr anschaulich die Zerstörung der Nase durch den syphili- 
tischen Krankheitsprozess *). Conti da Foligno gedenkt in einer 
interessanten Notiz der Lähmungen als einer Folge der Syphilis^). 
Nicht minder war bereits die Heredität der Krankheit bekannt, die 
Benivieni (1440 — 1502) erwähnt*). 

So sehen wir, dass die Syphilis, welche beim Zuge Karls VIIL 
nach Italien zum Ausbruche kam, zwar nach dem ganzen Zusammen- 
hange der Symptome, also in pathogenetischer Hinsicht, mit unserer 
heutigen Syphilis übereinstimmte, dass sie aber durch eine unbezweifel- 
bare Intensität der Krankheitserscheinungen von ihr verschieden war. 
Grunpeck sah die unglücklichen Soldaten, welche in Italien an der 
Syphilis erkrankt waren. Seine klassische Schilderung möge zum 
Schlüsse als ein Beweis für die ungewöhnliche Heftigkeit der Er- 
scheinungen und für den malignen Verlauf der Syphilis bei ihrem 
ersten Auftreten angeführt werden: 

„Die Einen waren vom Scheitel bis zu den Knieen mit einer 
zusammenhängenden, fürchterlichen, schwarzen Art von Krätze über- 
zogen und dadurch so abschreckend, dass sie, von allen Kameraden 
verlassen, sich in der Einsamkeit den Tod wünschten; die Andern 
hatten diese Krätze an einzelnen Stellen (per intervalla), aber härter 
als Baumrinde, am Vorder- und Hinterkopfe, an der Stime, dem 
Halse, der Brust, dem Gesässe u. s. w. und zerrissen sich dieselbe 



semicurato, arreptus fuit ab intensissimis doloribus capitis, colli, spatularum, brachiorum, 
tibiarum et costarum, et praesertim in eonim musculis, cum maximis vigüüs, a quibus 
molestabatur nonnisi in nocte post primum somnum. Elapsis postea X diebus appa- 
nierunt multae pustulae in capite, fade et coUo, quae omnia evenerunt, quia natura lacessita, 
coacta est separare materias comiptas, et infectas a bonis, quae a praedominio molles erant, 
phlegmaticae, licet a praedominio roboris essent cholericae, reductae ad unam formam, sdlicet 
ad phlegma salsum, et una pars tiansmissa fuit ad musculos et lacertos supradictorum mem- 
brorum, et ibi induxit intensissimos dolores, reliqua vero pars transmissa ad cutim produxit 
nonnullas pustulas grossas crustosas, a quibus nihil emanabat." Torella bei Luisinus, 

I» 545- 

i) Vgl. Proksch, „Geschichte der vener. Krankheiten", Bd. 11, S. 29. 

2) ibidem, S. 46. 

3) „Multi crure, multi brachiis ex illo debilitati". Conti da Foligno bei Corradi, 

s. ^^. 

4) Proksch a. a. O., S. 31. 



— 173 — 

vor heftigem Schmerze mit den Nägeln. Die Uebrigen starrten an 
allen Körperteilen von einer solchen Menge von Warzen und Pusteln, 
dass ihre Zahl nicht zu bestimmen war; sehr vielen aber wuchsen im 
Gesichte, an den Ohren und der Nase dicke und rauhe Pusteln, wie 
Zapfen oder kleine Hörner (ducillorum s. corniculorum instar) in die 
Höhe, die mit pestilentialischem Gestanke aufbrachen und hervor- 
stehenden Hauern glichen" i). 

Zahlreiche ähnliche Leidensgeschichten finden sich bei allen zeit- 
g-enössischen Schriftstellern. Ich erinnere nur an das Martyrium des 
Ulrich von Hütten. Wer die ältesten Syphilographen mit unbe- 
fangenem Sinne gelesen hat, wird sich des Eindrucks, dass damals 
die Krankheit in einer viel furchtbareren Weise als heute auftrat, 
nicht erwehren können. Es kann dies auf keine Weise geleugnet 
werden. „Des Jammerns und des Winseins war damals kein Ende", 
sagt selbst Hensler^), der die damaligen Erscheinungen der Syphilis 
ebenfalls in grellen Farben schildert. 



i) Fuchs a. a. O., S. 426. 
2) Vorrede, S. II. 



DRITTES KAPITEL 



Ursprung und Urheimat der Syphilis. 



§ II. Der Bericht des Diaz de Isla^). 

Wie erklärt sich das plötzliche Auftauchen der Syphilis in 
Italien? Auf welchem Wege kam die Syphilis dorthin? Diese Fragen 
involvieren diejenige nach dem eigentlichen Ursprünge, nach der 
ältesten Heimat der Syphilis. Und die einzig richtige Antwort 
auf diese Frage ist bereits von den Zeitgenossen gegeben, nicht, 
wie von den Gegnern des neuzeitlichen Ursprunges der Syphilis be- 
hauptet wird, erst in sehr viel späterer Zeit erdacht worden. Ich 
werde in diesem Kapitel den Nachweis führen, dass der wirkliche 
Ursprung der Syphilis schon in jener ältesten Periode der europäischen 
Geschichte der Krankheit bekannt war. Dies erhellt aus den An- 
gaben zahlreicher zeitgenössischer Autoren. Es handelt sich also um 
keine spätere Erfindung, sondern um Thatsachen, die um so beweis- 
kräftiger sind, als sie von den unmittelbaren Augenzeugen der grossen 
Epidemie stammen, die also schon damals wussten, woher die Syphilis 
gekommen sei. Wir haben ja schon gesehen, dass fast sämtliche 
zeitgenössischen Schriftsteller das Auftreten der Syphilis in Italien 
auf eine Einschleppung der Krankheit zurückführten. Wir müssen 
jetzt den Weg dieser Einschleppung genauer untersuchen. 

Hier kommen vor allem in Betracht die Berichte der spanischen 
Autoren, über welche die Arbeiten des Dr. Bonifacio Montejo 
(y Robled o), eines spanischen Militärarztes, ein ganz neues Licht 
verbreitet haben 2). Leider hat Montejo seine wertvollen kritischen 



1) Vgl. Anhang, Beilage II, Nr. i. 

2) Montejo ist einer von den zahlreichen „Vergessenen'* in der Geschichte der 
Medizin. Ich konnte über sein Leben nur in Erfahrung bringen, dass er um 1825 geboren 
wurde und 1890 starb. Seine ersten Arbeiten über die Geschichte der Syphilis erschienen 
in den Jahren 1857 — 1860 im „Siglo medico". Ausserdem verfasste er zwei grössere 



i 



— 175 — 

Untersuchungen nicht so ausgenutzt, wie er es hätte thun können. 
Vor allem fehlt die breite kulturgeschichtliche Grundlage, auf der 
allein das Problem des Ursprunges der Syphilis vollkommen deutlich 
erfasst und in richtiger Weise gelöst werden kann. Immerhin sind 
die Forschungen Montejo's das Bedeutendste, was seit Astruc auf 
diesem Gebiete geleistet worden ist, und ohne ihn würde das vor- 
liegende Werk wohl kaum unternommen worden sein. Denn M o n t e j o 's 
vorzügliche kritische Arbeiten waren es vorzüglich, die mich von der 
Unhaltbarkeit der bisherigen Anschauungen über den Ursprung der 
Syphilis überzeugt haben und mich antrieben, die weitere Unter- 
suchung dieser Frage vorzunehmen und neue Gesichtspunkte zur Be- 
antwortung derselben zu gewinnen. 

Es ergab sich mir bald, dass Montejo die übrigen zeitgenössi- 
schen Berichte, insbesondere die italienischen Chronisten verhältnis- 
mässig wenig berücksichtigt hatte. Wie sich aus der späteren Dar- 
stellung ergeben wird, sind aber diese Autoren nicht minder wichtig 
als die spanischen Schriftsteller, und ihre Angaben ergänzen die 
spanischen Berichte in höchst bemerkenswerter Weise. 

Es ist daher in der folgenden Darstellung das von Montejo 
dargebotene Material in durchaus selbständiger Weise neu verarbeitet 
und bedeutend vermehrt worden. 

Zweckmässiger Weise beginnen wir mit den authentischen Be- 
richten der spanischen Autoren, unter denen als die wichtigsten 
Diaz de Isla, Oviedo, Las Casas, Roman Pane, Sahagun und 
Hernandez zu nennen sind. 

Ruy Diaz de Isla (geboren 1462, gestorben nach 1542) ist 
Avohl der allerwichtigste Zeuge für den neueren Ursprung der Syphilis. 
Er hatte beim ersten Auftreten der Syphilis in Europa bereits das 
dreissigste Lebensjahr überschritten, war Arzt und zwar ein hervor- 
ragender Arzt und last not least selbst Zeuge der Einschleppung der 
Syphilis. Wir wissen, dass er im Jahre 1493 in Barcelona, später in 
Sevilla praktisch thäiig war und zehn Jahre lang als Chirurg am 
„Hospital de todos los Santos" in Lissabon wirkte, wo er besonders 
reiche Erfahrungen über die Syphilis sammelte und dieselben in einem 



Studien, die weiter unten erwähnt werden. Finckenstein rühmt an M o n t ej o eine „ungemeine 
Oelehrsamkeit, reiche medizinische Kenntnisse, allgemeine historische und philosophische 
Hildung, scharfe Logik, strenge Konsequenz, leichten und angenehmen Stil und eine leben- 
dige, klare und offene Darstellung, Ueberzeugungslreue*'. Montejo habe nicht aus Eitel- 
keit, sondern aus Liebe zur Wissenschaft und Wahrheit sein Buch geschrieben. Vgl. R. 
Finckenstein in Deutsche Klinik 1873, Nr. 49, S. 450. 



— 176 — 

besonderen Werke niederlegte, das er dem Könige Manuel von Por- 
tugal widmete. 

Man hat den lächerlichen Versuch gemacht, die Glaubwürdigkeit 
dieses ausgezeichneten Arztes und scharfen Beobachters herabzusetzen, 
indem man auf eine Stelle seiner Schrift aufmerksam machte, an 
welcher Diaz de Isla behauptet, die Syphilis (in Form von Pusteln) 
auch an Pflanzen, insbesondere am Kohl, beobachtet zu haben. Ich 
will zugeben, dass diese Behauptung etwas abenteuerlich ist^), aber 
ich stimme Binz vollkommen bei, wenn er sagt, dass diese Phantasie 
noch lange nicht ausreichend sei, nun auch die übrigen Angaben des 
Diaz de Isla wertlos zu machen. „Wäre das die Folge davon", sagt 
Binz durchaus richtig, „dann gäbe es überhaupt keinen medi- 
zinischen Schriftsteller der früheren Jahrhunderte, den man 
ernst nehmen könnte, denn bei ihnen allen findet man ähnliche 
und noch viel grössere Naivitäten"*^). Der „Kohl" des Diaz de Isla 
ist nicht schlimmer als die Fabeln des Delicado, welcher doch immer 
gegen den Ersteren und Oviedo als angeblicher Zeuge für das 
Altertum der Syphilis ausgespielt wird. Von abergläubischen und 
mirakelhaften Dingen sind alle ärztlichen Schriften jener Zeit voll. 
Die mittelalterlichen Chronisten waren leicht geneigt, tierische bezw. 
menschliche und pflanzliche Erkrankungen mit einander in Zusammen- 
hang zu bringen. Ist ein solcher doch neueren Forschern sogar noch 
wahrscheinlich, wie denn Haeser Beziehungen zwischen der „Pest 
des Justinian" und Störungen des vegetabilischen und niederen 
animalischen Lebens konstatiert^). Dass Pflanzen an Syphilis er- 
kranken können, war also in jenen Zeiten kein aussergewöhnlicher 
Glaube. Weitverbreitet war sogar die Meinung, dass die sogenannte 
„Schröpfsyphilis" (Verbreitung der Syphilis durch Schröpfköpfe) durch 
Bestreichen der Schröpfschnepper mit dem Safte von Zwiebeln er- 
zeugt werden könne ^). Ulrich von Hütten meinte, dass „durch 
die damahlige ungesunde Lufft, die stillstehende Seen, Brunnen und 
Flüsse, ja selbst das Meer verdorben worden: wodurch die Erde das 
Gifft angenommen und die Wiesen angestecket, so dass die Tiere 
den dadurch vergiffteten Dunst durch die Athemholung in sich ge- 



i) C. Binz freilich bemerkt: „Man hat in unserer Zeit erfahren, dass es wohl an- 
geht, Infektionsgifte auf pflanzliche Nährböden zu übertragen. Es liegt also etwas so Un- 
geheuerliches in der Angabe des Diaz de Isla nicht." C. Binz, „Die Einschleppung der 
S3rphilis in Europa", Deutsche med. Wochenschrift 1893, Nr. 44, S. 1059. 

2) C. Binz a. a. O., S. 1059. 

3) H. Haeser a. a. O., Bd. III, S. 42. 

4) H. Haeser a. a. O., Bd. III, S. 279. 



— 177 — 

zogen: Dann die Seuche ist auch in einigen anderen Tieren ange- 
troffen worden"^). Nach Hütten verbot man an einigen Orten die 
Erbsen, weil diese Würmer enthielten, die die syphilitische Ansteckung 
verursachten 2). 

Hiernach möge man auch die Angabe des Diaz de Isla beur- 
teilen. Dann wird man mit Peypers sagen: „Die Kool kan mijnent- 
wege buiten beschouwing blijven!"^). 

Die Wahrheit ist, dass Diaz de Isla zu den hervorragendsten 
Syphilidologen in der ersten Periode der Krankheit gehörte und sich 
durch Sachkenntnis, Scharfsinn und weitschauenden Blick auszeichnete, 
auch als Therapeut die grösste Anerkennung verdient. Selbst 
Proksch nennt ihn einen „bedeutenderen Praktiker", der von den 
astrologischen Grillen seiner Zeit frei gewesen sei und auch in der 
Contagienlehre ziemlich vorgeschrittene Anschauungen entwickelt 
habe^). Diaz de Isla war wohl der Erste, der die grosse Bedeu- 
tung des Quecksilbers in der Therapie der Syphilis in Verbindung mit 
den übrigen Mitteln erkannte. Seinem Buche ist das folgende Lob- 
gedicht des Arztes Francisco de Medina beigegeben: 

Mütterlich fühlte Natur mit den Leiden der Kranken Erbarmen, 

Welche die grausame Pein böser P'ranzosen geplagt, 

Und sie gebar, mein Roderich, Dich, auf dass Du uns lehrtest, 

Wie man das grausige Leid wirklich und gründlich bekämpft; 

Denn wie die Krankheit kaum wohl unsern Ahnen bekannt war, 

Also wusste ja auch Keiner ein Mittel des Heils. 

Du erfandst den Merkur, den die Weisheit selbst Dir gewiesen, 

Hast unzählige Mal* uns das Geheimnis enthüllt. 

Dass es ein Gegengift nicht blos der schleichenden Krankheit, 

Uebel auch anderer Art heiltest Du glücklich damit; 

Und so bewiesest Du uns, dass es kein verderbliches Gift ist, 

Dass man es nicht ohne Grund leberdes Silber genannt, 

Traun man dürfte Dich drob einen zweiten Hippokrates heissen. 

Weil Du in weniger Zeit Aerzte so Vieles gelehrt. 

(Uebersetzung von R. Finckenstein.) 

Jedenfalls beruht die Merkurialtherapie des Diaz de Isla auf 
einer reichen Erfahrung. Er erklärte das Quecksilber für das „ein- 
zige Rettungsmittel bei der Syphilis und behauptete, dass die Krank- 
heit noch nach 20 und 30 Jahren wiederkommen könne, besonders 



i) Proksch a. a. O., H, 158. 

2) ibidem. 

3) Peypers a. a. O., S. 71. 

4) Proksch a. a. O., H. 102 — 103. 

Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 12 



- 178 - 

wenn sie ungenügend z. B. mit Purganzen behandelt worden sei. 
Der Merkur verlängert in den Fällen, wo er nicht ganz helfe, doch 
wenigstens das Leben und sei also da noch anzuwenden, wo man 
doch nur einen qualvollen Tod vor Augen habe. Die Inunktionskur 
hat Diaz de Isla nach Proksch „mit grossem Verständnis" be- 
schrieben. Die Menge dci- verriebenen Salbe soll im Verhältnis zu 
der physischen Kraft und den körperlichen Umständen des Kranken 
stehen. Daneben muss die Lebensweise genau reguliert werden ^). 
„Geradezu bewunderungswürdig** nennt Proksch die Anschauunge» 
des Diaz de Isla über die staatliche Prophylaxe der Syphilis 2). In 
jeder Stadt und jedem Flecken sollte von der Behörde ein erfahrener 
Chirurg, der die Symptome und Kur der Syphiljs genauer kenne, 
ernannt werden, welcher die erkrankten Weiber zu untersuchen habe. 
Es müsse zu diesem Zwecke ein Privathaus oder ein Hospital einge- 
richtet werden. Jedes öffentliche Frauenzimmer solle schon beim Be- 
ginne ihrer Thätigkeit untersucht und, wenn sie erkrankt sei, sofort 
ins Hospital gebracht werden. Erst nach Ablauf eines Jahres nach 
vollendeter Heilung dürfte sie ihre Thätigkeit wieder aufnehmen, 
und solle dann stets einen ärztlichen Gesundheitsschein bei sich führen. 
Die Gastwirte dürfen keine Dienstboten ohne Gesundheitsschein auf- 
nehmen, und so müssten derartige öffentliche Lokale daraufhin genau 
beaufsichtigt werden^). Ein Mann mit solchen rationellen Anschau- 
ungen verdient gewiss unser Vertrauen, zumal da das ganze Werk 
des Diaz de Isla von dem Geiste einer ruhigen, nüchternen Be- 
obachtung erfüllt ist. Finckenstein sagt im Gegensatz zu Proksch, 
der den Diaz de Isla nicht ernst nehmen möchte, in seiner Recension 
des Buches von Montejo: „Man kann dem Montejo in Allem, was 
er zur Ehrenrettung des Diaz sagt, beistimmen!'**). 

Das Werk des Diaz de Isla existiert in zwei gedruckten Aus- 
gaben von 1539 und 1542. Ausserdem hat Montejo auf der Na- 
tionalbibliothek in Madrid einen noch älteren, vielleicht den Original- 
codex des Buches aufgefunden. 

Die Ausgabe von 1539 hat den Titel: „Abhandlung gegen die 
fressende Krankheit (in Spanien gewöhnlich „Bubas" genannt), welche 
in dem Hospital Allerheiligen in Lissabon vom Ruy Diaz de Isla 
zusammengestellt und verfasst wurde." Am Schlüsse dieser Ausgabe 
steht: „Gedruckt in der edlen und ehrenwerten Stadt Sevilla, im Hause 



1) R. Finckenstein a. a. O., S. 28; Proksch, II, 146. 

2) Proksch, II, 180. 

3) Finckenstein a. a. O., S. 28; Proksch a. a. O., If, 104. 

4) Deutsche KUiiik 1873, Nr. 51, S. 471. 



— »79 - 

des Buchdruckers Dominico de Robertis. Beendet am 27. Sept. 

1539"'). 

Der Titel der Ausgabe von 1542 lautet: „Abhandlung*, genannt 

Frucht aus Allerheiligen, gegen die fressende Krankheit, gekommen 
von der Insel Espanola, ausgearbeitet und zusammengestellt in dem 
grossen und berühmten Hospitale Allerheiligen der ausgezeichneten 
und sehr berühmten Stadt Lissabon. Von dem sehr berühmten 
Meister Ruy Diaz de Isla, Bürger der berühmten und grossen 
Stadt Sevilla." Beendigung des Druckes in Sevilla am 28. Novem- 
ber 15422). 

Wie erwähnt, befindet sich auf der Nationalbibliothek in Madrid 
die älteste bisher bekannte Niedeischrift des Buches des Diaz de 
Isla. Es ist Codex P, Nr. 42 der „Seccion de manuscritos" ^). Der 
Titel derselben lautet: „Abhandlung, genannt Frucht aus Allerheiligen, 
gegen die Krankheit der Insel Espanola, verfasst von Meister Ro- 
drigo de Isla, Chirurg und Bürger von Lissabon, zum gemeinschaft- 
lichen und allgemeinen Nutzen der an der betreffenden Krankheit, die 
gewöhnlich „Bubas" heisst. Leidenden"*). Was die Zeit der Ab- 
fassung dieses Codex betrifft, so hat Montejo festgestellt, dass die- 
selbe jedenfalls vor 152 1 fällt. Denn das Manuskript enthält eine 
Widmung an den König D. Manuel von Portugal, der im Jahre 



i) „Tractado contra el mal serpentino: que vulgarmente en Espana es llamado bu- 
bas que fue ordenado enel ospital de todos los santos de Lisbona; fedio por ruy diaz de 
ysla.*' — «Fue impresso en la muy noble y muy leal dudad de Sevilla, en casa de 
Dominico de Robertis impressor de libros. Acabose a veinie y siele de Setiembre ano 
de MDXXXIX.** Vgl. Montejo: <iCuäles son las principales enfermedades conta- 
giosas que reciprocamente han cambiado entre si los pueblos del Antiguo y del Nuevo 
Mundo ? (Procedencia Americana de las Bubas) in : Congreso intemacional de Americanis- 
tas. Cuarta Reuniön. Madrid 1882, Bd. I, S. 379. [Ich citiere diese Abhandlung fortan 
als „Congr. Amer."] 

2, „Tratado llamado fnito de todos los Santos: contra el mal Serpentino, venido de 
la ysla Espaüola, hecho y ordenado en el grande y famoso hospital de Todos los Santos 
de la insigne y muy nombrada ciudad de Lisboa. Por el muy famoso maestro Ruy diaz 
de ysla. Vecino de la nombrada y gran ciudad de Sevilla." Vgl. Montejo, ,, Congr. 
Amer.", S. 382. 

3) Montejo im „Siglo Medico'* vom i. März 1857, S. 71 — 72; ferner in seinem 
Buche „La Sifilis y las enfermedades que se han confundido con ella". Madrid 1863, 
S. 18. Vgl. auch Gallardo, „Ensayo de una biblioteca espanola de libros raros y curio- 
sos^'y Madrid 1866, Bd. II, Anhang S. 40. 

4) „Tratado llamado Fruto de todos los santos contra el mal de la ysla Espanola 
hecho por maestre Rodrigo de Isla cirujano vezino de lisboa para comun e general pro- 
vecho de los padentes Enfermos de la semejante Enfermedad que vulgarmente es llamada 
Bubas." Montejo, Congr. amer., S. 381. 

12* 



— i8o — 

152 1 starb. Dieser Fürst regierte von 1495 bis 1521. Monte] 
schliesst aus verschiedenen Stellen des Textes, dass die Abhandlung 
zwischen 1510 und 1521 verfasst sei. Auf jeden Fall ist also 
dieser wichtige Codex volle 20 Jahre ältei; als die erste ge- 
druckte Ausgabe von 1539. 

Montejo hat weiter eine genaue Vergleichung der drei ver- 
schiedenen Texte angestellt und nachgewiesen, dass zwei der Aus- 
gaben von 1539 und 1542 zeitgemässe Vermehrungen, Zusätze und 
Veränderungen aufweisen, dass aber die wesentliche Stelle über 
den Ursprung der Syphilis schon im Codex genau so verzeichnet 
ist wie in den gedruckten Ausgaben. 

Diese Stelle befindet sich Fol. III Col. i der Ausgabe von 1539, 
Fol. III Col. I der Ausgabe von 1542 und lautet in deutscher 
Uebersetzung : 

„Erstes Kapitel vom Ursprung und der Entstehung dieser serpen- 
tinischen Krankheit von der Insel Espahola, und wie sie aufgefunden M^urde, 
und erschien, und von ihrem eigenen Namen. — Es gefiel der göttlichen Gerechtig- 
keit, uns unbekannte Leiden zu schicken und auszuteilen, niemals gesehen, niemals gekannt 
und nie in den Buchern der Medicin gefunden, wie es diese Serpentin ische Krankheit war. 
Sie war erschienen und gesehen in Spanien im Jahre des Herrn 1493 in der Stadt Barce- 
lona, welche Siadt infiziert wurde und in der Folge ganz Europa und die ganze Welt, an 
allen bekannten und zugängigen Teilen. Dieses Uebel hat seinen Ursprung und seine Ent- 
stehung von jeher auf der Insel, welche jetzt Espanola genannt wird, wie man aus einer 
sehr reichen und sicheren Erfahrung gefunden hat. Und da diese Insel entdeckt und auf- 
gefunden worden ist von dem Admiral Don Cristobal Colon, der bei seiner Anwesenheit 
Unterredungen und Verbindungen mit jenem Volke halte, und da das Uebel nach seiner 
Eigentümlichkeit contagiös ist, teilte es sich ihnen leicht mit und zeigte sich dann bei der 
Mannschaft selbst. Und da es ein Leiden war, das die Spanier nie gesehen noch gekannt 
hatten, sie aber doch Schmerzen und andre Wiikungen von der gedachten Krankheit ver- 
spürten, schrieben sie es den Anstrengungen auf dem Meere oder andern Ursachen zu, ein 
Jeder nach seinem Gutdünken. Und zur Zeit, als der Admiral Don Cristobal Colon nach 
Spanien kam, befanden sich die katholischen Könige in der Stadt Barcelona, und als diesen 
Rechenschaft von der Reise und von dem, was entdeckt worden, gegeben worden war, fing 
alsbald die genannte Krankheit an, die Stadt zu infizieren und sich auszubreiten, wie man 
weiter aus grosser Erfahrung sah; und da es ein unbekanntes und so schreckliches Leiden 
war, fingen die, die es sahen, an, stxirk zu fasten, Gelübde zu thun und Almosen zu geben, 
damit der Herr sie bewahre, dass sie nicht in eine solche Krankheit verfielen. Und darauf im 
folgen den Jahre 1494 versammelte der sehr christliche König Karl von Frankreich viel Volk und 
ging nach Italien, und zur Zeit, wo er dahinzog mit seinem Heere, gingen viele Spanier in 
demselben mit, die von dieser Krankheit angesteckt waren, und so fing das Lager an, von 
dieser Krankheit infiziert zu werden, und da die Franzosen nicht wussten, was es war, 
dachten sie, dass die Dünste der Erde ihnen anklebten, und nannten sie „mal de Napoles*'; 
und die Italiener und Neapolitaner, da sie ein solches Uebel nie gekannt, nannten es „mal 
frances", und von da weiier, wie es sich ausbreitete, gab ihm jeder einen Namen nach dem 
Ort, von dem ihm die Krankheit ihren Ursprung zu nehmen schien. In Castilien nannten 
sie es „Bubas**, und in Portugal „mal de Casiilia" und in Portugiesisch -Indien nannten es 



— i8i — 

die Indier die Portugiesen-Krankheit. Die Indier von der Insel Espaüola aber nannten es 
von Alters her, so wie wir jetzt sagen „bubas, dolores, aposlemas und ulceras", so nannten 
sie diese Krankheit „Guaynaras" und „hipas** und „taybas** und „i9as**. Ich nenne sie nur 
die „serpentinische (fressende) Krankheit von der Insel Espanola**, um nicht von dem Wege 
abzugehen, auf welchem die ganze Welt ihr den Namen giebt, jeder nach dem Lande, von 
dem sie ihm ihren Ursprung zu haben scheint und weshalb die Franzosen sie „mal d'Na- 
poles", die Italiener „mal frances", die Portugiesen „mal de Castilla**, die Caslilianer 
„malo galico", die Indier in Arabien, Persien und Indien sie „mal de Portugal" nennnen, 
wie schon gesagt worden ist. Und was den Namen „morbo serpentino" betrifft, so fand 
sich nach ihrer Hässlichkeit kein besseres Vergleichsobjekt als die Schlange. Denn wie 
diese ein hässliches, furchtbares und schreckliches Tier ist, so ist diese Krankheit hässlich, 
furchtbar nnd schrecklich. Eine schwere Krankheit, welche den Körper zerfrisst und Ab- 
scesse erzeugt, die Knochen spaltet und zerstört, die Sehnen verkürzt, und deshalb lege 
ich ihr diesen Namen bei. . Und da ich weiss, dass diese Krankheit ihren Ursprung seit 
alter Zeit auf der Insel Espaüola hatte, und von dort aus sich verbreitete, legte ich ihr den 
anderen Namen bei: Serpentinische Krankheit von der Insel Espaüola. Von dieser aus 
wurde die Welt infiziert. Dies hindert nicht, dass jeder die Krankheit nach Gutdünken 
benennt, wie alle Völker der Welt es gethan haben.** 

Hierzu kommt noch die folgende Stelle (fol. 63 der Ausgabe 
von 1539): 

„In dem ersten Kapitel wurde erzählt, wie diese Krankheit von der Insel Espanola 
kam und viele zweifeln daran und behaupten, dass sie zuerst im Heere des Königs Karl 
von Frankreich im Jahre 1494 sich gezeigt habe, und über dieses habe ich genug in dem- 
selben Kapitel berichtet, will aber noch, damit die Verständigen klar sehen, hinzufügen, 
dass mir im Jahre 1504 die ganze Kur der Indianer gegen jene Krankheit schriftlich ge- 
geben wurde, sowohl die mit dem Guajak als auch mit dem Mapuan und mit der Tuna. 
Aus dieser genauen und wohlüberlegten Behandlung der Krankheit muss gefolgert werden, 
dass dieselbe sich schon lange vorher unter ihnen verbreitet hatte, sie gaben genaue Vor- 
schriften über den Genuss des Wassers, über die Diät, über die Zeit der geschlechtlichen 
Enthaltsamkeit, über die Beachtung des Wassers und der Luft, alles Dinge, die, seit die 
Krankheit unter uns- sich verbreitet hat, von uns duichaus noch nicht bis ins Einzelne 
gewürdigt worden sind. Jenes so unempfmdliche (la mas insensible) Volk besass eine voll- 
kommen ausgebildete und abgestufte Heilmethode der Krankheit, woraus deutlich erhellt, 
dass die Krankheit immer unter ihnen herrschte, daher die Kur bei ihnen so ausgebildet 
wurde wie von sehr erfahrenen Personen .... Ueber dieses Alles habe ich grosse Er- 
fahrung, da ich Personen, welche sie hatten, auf dem Geschwader behandelte, und ebenso 
Personen, welche in Barcelona daran litten, und ich könnte noch mehr Beweise dafür 
liefern, was zwecklos ist.** 

In der Ausgabe von 1542 steht fol. 76 diese Schlussbemerkung 
in etwas erweiterter Form: 

„Ueber dieses Alles habe ich grosse Erfahrung, da ich Personen, welche die Krank- 
heit hatten, auf dem genannten Geschwader behandelte, welches jenes Land entdeckte und 
worauf viele damit behaftete Kranke ankamen, und da ich Kranke in Barcelona behandelte, 
die an diesem Uebel litten, früher als der König Karl von Frankreich nach Neapel zog, 
und ich könnte viele andere Beweise dafür liefern, was aber zwecklos ist." 

Was die Syphilisfälle auf dem Geschwader des Christoph 
Columbus betrifft, so hat Montejo noch eine höchst wichtige Stelle 



— l82 — 

in dem Originalkodex des Diaz de Isla entdeckt, die aus leicht er- 
sichtlichem Grunde in den gedruckten Ausgaben fehlt: 

„Alis sehr grosser und sicherer Erfahrung hat sich ei^eben, dass, als jene Insel 
entdeckt und aufgefunden wurde von dem Admiral Dom Cnstobal Colon und sich ein Ver- 
kehr und eine Gemeinschaft mit den Indianerinnen entspann, die Krankheit, da sie von 
Natiu* contagiös ist, leicht auf die Mannschaft übertragen wurde, und sie wurde auf dem 
Geschwader bei einem Piloten aus Palos, der Pin^on hiess, beobachtet, und bei An- 
deren, welche von dem Uebel heimgesucht wurden" *). 

Dieser anschauliche, schlichte Bericht des Diaz de Isla, der 
selbsterlebte und selbstbeobachtete Thatsachen in einfacher 
Weise wiedergiebt, erhellt mit einem Schlage das Dunkel, welches 
über dem Ursprünge der Syphilis ruht. Dem unbefangenen Leser 
wird nunmehr ohne weiteres die chronologische Reihenfolge der Er- 
eignisse deutlich vor Augen stehen. Besässen wir nur diese einzige 
Nachricht, so würde dieselbe, verglichen mit den bisher mitgeteilten 
Berichten der Zeitgenossen, vollkommen ausreichend sein, um die hier 
gegebene Darstellung der Einschleppung der Syphilis aus der neuen 
Welt, durchaus glaubwürdig erscheinen zu laissen. Die Kritik hat 
keinerlei Handhabe, um die Angaben des Diaz de Isla zu ent- 
kräften. Wenn Proksch bemerkt: „Es lässt sich nicht wieder- 
streiten, dass er (Diaz de Isla) auf den Schiffen des Colum- 
bus wirklich Syphilitische behandelt, die Krankheit vorher 
wirklich niemals beobachtet, noch von derselben gelesen 
hat" 2), so ist diese Anerkennung sehr wertvoll, sowohl für die Lehre 
von dem neueren Ursprung der Syphilis als auch für unser Urteil 
über die Glaubwürdigkeit des Diaz de Isla. Denn wenn Proksch 
zugiebt, dass dieser Arzt, der im Jahre 1493 bereits 31 Jahre alt war 
und damals vielleicht schon ein Decennium ärztlicher Praxis hinter 
sich hatte, wirklich zuerst auf dem Geschwader des Columbus 
Syphilitische gesehen und vorher niemals solche Kranke beobachtet 
hatte, so ist diese Thatsache vollkommen unverständlich, wenn 
man annimmt, dass die Syphilis schon vor dem Jahre 1493 überall 
in Europa existiert hat und sogar den Laien bekannt war. 

Der Inhalt des Berichtes des Diaz de Isla ist in Kürze der 
folgende. Die Syphilis war vor 1493 in Europa unbekannt. Ihre 
Urheimat ist Amerika, d. h. für Europa eigentlich die Insel Espa- 
nola (Haiti), von wo die Mannschaft des Columbus sie nach der 



i) Eine Variante in demselben Codex lautet: „Die Syphilis (las bubas) wurde bei 
einem Piloten aus Palos, der Pinzon hiess, beobachtet und bei Anderen, die von demselben 
Uebel heimgesucht wurden". 

2) Proksch a. a. O., Bd. I, S. 383. 



- i83 - 

ersten Reise desselben mitbrachte. Daher nennt Diaz de Isla die 
Syphilis die Krankheit der Insel Espanola. Bei den Indianern 
von Haiti hiess die Syphilis Guaynaras oder auch ,Jiipas**, „taybas" 
und „i^as". Der grösste Teil der Mannschaft des Columbus kam 
bereits krank an. Diaz de Isla behandelte selbst mehrere syphi- 
litische Matrosen dieses Geschwaders und erwähnt u. a. den Steuer- 
mann Pinzon aus Palos als einen der an dem neuen Uebel Er- 
krankten. Die Krankheit war den Matrosen völlig unbekannt. Nach 
Ankunft des Columbus in Barcelona im Jahre 1493 breitete sich 
dort die Syphilis auch unter den Einwohnern aus, noch während 
Ferdinand der Katholische und Isabella dort anwesend waren. 
Im folgenden lahre traf Karl VIII. von Frankreich die Vorberei- 
tungen zu einem grossen P^ldzuge und zog Söldner aus den benach- 
barten Ländern heran. Darunter befanden sich auch viele mit 
Syphilis behaftete Spanier. So geschah es, dass die Syphilis 
sich während des Aufenthaltes des französischen Heeres in Italien 
weiter verbreitete und schliesslich bei dem Zusammenwirken so vieler 
eine epidemische Verbreitung begünstigender Umstände jene plötz- 
liche und ungeheure Ausbreitung erlangte, wie wir sie im vorigen 
Kapitel kennen gelernt haben. 

Auf Espanola herrschte die Syphilis seit uralter Zeit. Die In- 
dianer besassen schon bei der Ankunft des Columbus eine höchst 
komplizierte, rationell ausgebildete und abgestufte Heilmethode der 
Krankheit, deren Inhalt Diaz de Isla im Jahre 1504 aus einer 
Niederschrift derselben kennen lernte. Sie bestand im wesentlichen 
aus einer Kur mit dem Guajak, dem Mapuan und der Tuna in 
Verbindung mit hydrotherapeutischen, diätetischen und klima- 
tischen Behandlungsmethoden. 

Das ist der Bericht des Diaz de Isla, eines Augenzeugen, 
eines höchst erfahrenen und unbefangenen Arztes. So lange noch 
diese Nachricht allein vorlag, konnte man ja einfach (natürlich ohne 
jeden Grund) behaupten, dass dieser Mann ein Lügner sei. Die 
weitere Untersuchung wird aber eine ganze Reihe weiterer positiver 
Facta bringen, welche die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der Er- 
zählung des Diaz de Isla bis auf die kleinsten Einzelheiten in ge- 
radezu glänzender Weise bestätigen. Zunächst reihe ich zwei Zeug- 
nisse an, die von Männern herrühren, welche die Gegner eines 
neuzeitlichen Ursprunges der Syphilis bisher gegen einander aus- 
gespielt haben. Es handelt sich um die Berichte des Oviedo und des 
Las Casas. 



- i8^ - 

§ 12. Oviedo und Las Casas.^) 

Gonzalo Fernandez de Oviedo y Valdes wurde im August 
1478 in Madrid geboren*). Seine Eltern stammten aus Valdes bei 
Oviedo in Asturien, welche Städtenamen er seinen Familiennamen 
beifügte, wobei Oviedo sein Hauptname wurde. Er war der Sohn 
des Juan de Oviedo, eines Sekretäis des Königs Enrique IV. und 
empfing eine sehr gelehrte Erziehung und vorzügliche Ausbildung im 
Hause des Prinzen Alfonso von Aragonien, Herzogs von Villa- 
her mosa und trat bereits mit 13 Jahren als Kammerpage beim 
Prinzen Don Juan, dem Sohne von Ferdinand und Jsabella ein, 
der mit ihm gleichaltrig und ihm in inniger Freundschaft ver- 
bunden war. Oviedo war bereits mit 14 Jahren vollkommen ent- 
wickelt, und ein Gelehrter in des Wortes wirklicher Bedeutung. In 
der Begleitung des Prinzen Don Juan und der katholischen Könige 
wohnte er allen grossen Ereignissen der Jahre 1492 und 1493 als 
Augenzeuge bei*). Oviedo selbst zählt (Bd. I lib. II cap. 7 S. 28 
der obenerwähnten Ausgabe seines grossen Werkes) vier Dinge als 
die grossen Ereignisse dieser beiden Jahre auf; erstens die Eroberung 
von Granada, zweitens die Vertreibung der Juden (Ende Juli 1492), 
drittens das Attentat des Juan de Caiiamares auf Ferdinand IL 
(Dezember 1492) und viertens die Entdeckung Westindiens und 
Rückkehr des Columbus nach Barcelona im April 1493 und 
bemerkt dazu: „Und dort sah ich auch den Admiral Don Cristobal 
Colon mit den ersten Indianern, die von jenen Ländern auf der 
ersten Reise mitgekommen waren. Keins dieser vier Erreig- 
nisse kenne ich von Hörensagen, sondern als Augenzeuge, 
und was ich jetzt darüber erzähle, ist in meinen Tagebüchern 
aus jener Zeit aufgezeichnet"*). 

1) S. Anhang, Beilage II, Nr. 2 und 3. 

2) „Historia general y natural de las Indias, Islas y tierra firme del mar oceano por 
el capitan Gonzalo Fernandez de Oviedo y Valdes, Madrid 1853 (Prachtausgabe der Real 
Academia de la Historia), Einleitung (von Don Jos6 Amador de los Rios), Bd. I, 
S. XII; ferner Nicolas Antonio, „Bibliotheca Hispana Nova**, Madrid 1788, Bd. II, 
S' 554J J« ^' ^® Heredia in der Uebersetzung von Bernal Diaz del Castillo, 
„V^ridique Histoire de la Conquete de la Nouvelle-Espagne**, Paris 1878, S. 273. 

3) „Gonzalo Fernandez de Oviedo, testigo ocular de cuanto ä la cörte de los 
Reyes Catölicos se refiere." D. Jos6 Amador de los Rios, „Historia critica de la 
literatura espanola'S Madrid 1865, Bd. VII, S. 195. 

4) „E vi alli venir al almirante don Chripstöbal Colom, con los primeros indios 
que destas partes alld fueron en el primero viaje e descubrimiento. Assi que no hablo de 
oydas en ninguna destas quatro cosas, sino de vista; aunque las escriba desde aqui, ö mejor 
di^iendo, ocuriendo ä mis niemoriales desde el mismo tiempo escriptas en ellos." Oviedo, 
„Historia general de las Indias", I, 29. 



- i85 - 

Hieraus können wir entnehmen, dass der so früh gelehrte 
Oviedo seine litterarische Thätigkeit schon in jener Zeit begann, alle 
wichtigen Ereignisse, Beobachtungen und Erlebnisse aufzeichnete, 
und diese später als Grundlage und Quelle für sein grosses Werk 
benutzte. Er äussert sich darüber auch im Prooemium der „Relacion" 
an Kaiser Karl V., wo es heisst: „Alle diese und viele andere Dinge 
derselben Art habe ich viel ausführlicher schriftlich im Original, in 
jener Chronik, welche ich aufzeichnete, seit ich das Alter hatte, mich 
mit einer solchen Materie zu beschäftigen, und zwar umfasst dieselbe 
alles, was in Spanien seit 1490 vorfiel, bis auf den heutigen 
Tag" 1). 

Ferdinand IL und Isabella kamen im Oktober 1492 nach 
Barcelona, wo im Dezember auf den Ersteren das erwähnte Attentat 
verübt wurde. Oviedo schloss hier Freundschaft mit Diego und 
Fernando Colon, den Söhnen des Entdeckers, die im Hause des 
Prinzen Juan verkehrten 2). Nach der Ankunft des Columbus in 
Barcelona zog Oviedo von diesem, den Gebrüdern Pinzon (be- 
sonders Vicente Pinzon, seinem Freunde und Correspondenten) 
sehr wertvolle Nachrichten über den neuen Erdteil ein^). 
Er kannte auch in Barcelona bereits Frey Nicolas de Ovando, 
der einige Jahre später Gouverneur der Insel Espaiiola wurde*). Im 
Jahre 1497 «tarb Don Juan, der Freund und Jugendgefährte des 
Oviedo^), und der Letztere begab sich nach Italien zum König 
Federico von Neapel, wo er bis 1501 verweilte und mit vielen be- 
rühmten Künstlern und Gelehrten wie Lionardo da Vinci, Michel- 
angelo, Tizian, Raphael, Pontano und Sannazaro verkehrte. 
Im Jahre 1501 war er sechs Monate in Sicilien zusammen mit Gon- 
zalvo de Cordova, dessen Sekretär er 1512 wurde^. 



1) „Todo lo quäl y otras muchas cosas desta calidad muy mas copiosamente yo 
tengo escripto y estä en los originales y chronica que yo escribo desde que tuve edad para 
ocuparme en semejante materia, assi de lo que passö en Espana desde el ano 1490 hasta 
aqui, como fucra della." ibidem, S. XIV. — Ebenso sagt er Bd. IV (lib. 50, cap. 30) 
S. 591 : „La quäl (die Geschichte von Westindien) ha que continuo desde el tiempo questas 
partes se descubrieron por el primero almirante dellas don Chripstobal Colom, ano de mill 
6 quatro<;;ientos 6 noventa y dos, hasta el presente de mill e quinientos 6 quaranta y ocho; 
y pues hä ^inquienta anos que en esto entiendo, creer se debe que es historia". 

2) ibidem, Bd. I, S. 50 (lib. II, cap. 3). 

3) Heredia a. a. O., S. 273. 

4) ibidem. Diaz de Isla und Oviedo haben sich bei ihrer gleichzeitigen An- 
wesenheit in Barcelona offenbar nicht gekannt. 

5) N. Antonio a. a. O., S. 555. 

6) Heredia a. a. O., S. 273. 



— i86 — 

Am II. April 15 14 fuhr Oviedo nach Amerika ab, um eine 
Stellung als Oberaufseher der Goldminen zu übernehmen. Er sammelte 
auf dem centralamerikanischen Kontinente zahlreiche wertvolle Notizen 
und verliess denselben im Dezember 15 15, um nach Spanien zurück- 
zukehren. Hier traf er 1519 den Las Casas in Barcelona. Von 
1519 bis 1523 verweilte er auf den Antillen, kehrte dann wieder 
nach Europa zurück und schrieb 1525 sein „Sumario de la natural 
de las Indias" aus dem Gedächtnisse nieder, da er alle seine Notizen 
auf Haiti zurückgelassen hatte. Am 30. April 1525 reiste er zum 
dritten Male nach Amerika und hielt sich bis 1527 in Panama, Nica- 
ragua und Haiti auf und kehrte dann nach Europa zurück. Anfang 
der dreissiger Jahre des 16. Jahrhunderts begab er sich zum vierten 
Male nach Westindien (Haiti) und liess nach der Rückkehr die ersten 
Bücher eines grossen Werkes über die Naturgeschichte von West- 
indien und Centralamerika erscheinen. Der erste Band desselben 
wurde am 30. September 1535 im Drucke vollendet. Auch dieses 
Werk beruht ganz auf den handschriftlichen Notizen seit 15 14*). Von 
1536 bis 1546 weilte Oviedo wieder in Haiti und arbeitete dort an 
seinem Werke weiter. Dann folgte ein Aufenthalt in Spanien von 
1546 bis 1549, ein letzter Aufenthalt in Haiti von 1549 bis Juni 1556. 
Im Herbst 1556 zum letzten Male nach Spanien zurückgekehrt, 
konnte er noch den Druck des zweiten Bandes seines Werkes er- 
leben und starb im Sommer 1557 zu Valladolid, 79 Jahre alt, indem 
er den grössten Teil seines Werkes als Manuskript, sowie noch 
andere Schriften hinterliess, die in den fünfziger Jahren alle heraus- 
gegeben wurden 2). 

Man hat natürlich ebenfalls die Glaubwürdigkeit dieses aus- 
gezeichneten Mannes zu verdächtigen gesucht und insbesondere auf 
die Grausamkeiten hingewiesen, die er sich angeblich gegen die 
Indianer zu Schulden kommen liess. Amador de los Rios hat das 
grosse Verdienst, die gänzliche Grundlosigkeit einer solchen An- 
nahme nachgewiesen zu haben, und ich verweise zur näheren Kennt- 
nisnahme auf dessen lichtvolle Ausführungen^). 



i) Im Prooemium der „Relacion** heisst es: „Demas desto, tengo aparte escripto 
todo lo que he podido comprender y notar de las cosas de Indias; y porque lodo 
aquello estä en la cibdad de Sancto Domingo de la Isla Espaiiola, donde tengo mi casa y 
asiento y muger y hijos". Oviedo, „Relacion sumaria de la historia natural de las Indias, 
compuesta y dirigada al Emperador Carlos V" bei Barcia, „Historiadores primitives de las 
Indias Occidentales'*, Madrid 1749, Bd. I, fol. i. 

2) Heredia a. a. O., S. 273 — 276. 

3) In der Einleitung zu Bd. I der „Historia general y natural de las Indias", 
S. XLVII. Vgl. auch Montejo, „La Sifilis", S. 52. 



- i87 - 

Alexander von Humboldt sagt über Oviedo: „Er hat 
42 Jahre in Amerika zugebracht und acht Mal den atlantischen Ocean 
durchschnitten. Die freimütige Offenheit und Natürlichkeit 
seines Stils giebt den Werken seines Alters eine eigentümliche Phy- 
siognomie" 1). 

Auch V. A. Hub er, der dem Berichte des Oviedo keinen 
Glauben schenkt, rühmt doch denselben als einen „für die damalige 
Zeit unterrichteten und wissbegierigen Mann, der im Ganzen kein 
verwerflicher Zeuge und dessen „Glaubwürdigkeit" nicht zu be- 
streiten sei 2). 

Nunmehr lasse ich die wichtigsten Stellen aus den Werken des 
Oviedo folgen, in welchen derselbe sich über den Ursprung der 
Syphilis und die Einschleppung und Verbreitung der Krankeit in 
Europa äussert. 

„Es erduldeten ferner diese ersten christlichen Ansiedler auf der Insel (Espanola) 
viel Drangsal von den Niguas und sehr grausame Schmerzen und Leiden von der Syphilis 
(buas). Denn die Heimat derselben ist Westindien (las Indias), und ich sage mit Bedacht 
„las Indias** •'*), sowohl mit Beziehung auf das Land, dem diese Krankheit eigentümlich ist, 
als auch mit Beziehung auf die indianischen Weiber dieser Gegenden. Durch den Umgang 
mit diesen "Weibern erkrankten einige der ersten Spanier, welche mit dem Admiral bei 
Entdeckung dieser Länder dahin kamen. Denn es ist eine ansteckende Krankheit, und war 
dieses sehr möglich. Und diese Kranken kehrten später nach Spanien zurück, und nachdem 
die Krankheit von ihnen dort verbreitet worden war, gelangte sie nach Italien und andern 
Ländern, wie ich später erzählen werde .... Und ich will nicht die Eidechsen und 
Schlangen vergessen, die es in diesem Lande giebt; und will erzählen von dem Leiden der 
Niguas und dem schrecklichen Jammer der Syphilis, womit Rechenschaft über die oben be- 
rührten elf Dinge abgelegt sein wird*'*). 

Von zwei Uebeln oder merkwürdigen und gefährlichen Krankheiten, 
welche die Christen und neuen Ansiedler in Westindien auszustehen hatten 
und heute noch ausstehen. Welche Leiden in Indien einheimisch sind, und 
von denen eines nach Spanien übertragen und verschleppt wurde und von 
da in den übrigen Teilen der Welt sich verbreitete. 



i) A. V. Humboldt, „Kritische Untersuchungen über die historische Entwickelung 
der geographischen Kenntnisse von der neuen Well**, übeisetzt von J. L. Ideler, Berlin 
1836, Bd. II, S. 213. 

2) V. A. Huber, „Bemerkungen über die Geschichte und Behandlung der vene- 
rischen Krankheiten**, Stuttgart und Tübingen 1825, S. 22 — 23, — Schon bei den Zeit- 
genossen stand Oviedo in hohem Ansehen. Fallopia bemerkt beim Kapitel ,,Guajak**: 
„Uno excepto Joh. Gallo, atque Consalvo Oviedo omnes alii ignorarunt ejus naturam. Joh. 
Gallus scripsit de usu ligni sancti. Consalvus fuit Hispanus nobilis, qui scripsit Historiam 
Indiarum Hispano idiomate ad Carolum V. Hie erat doctus et acumine ingenii 
excellens**. Luisinus, II, 791. 

3) Ein leicht verständliches Wortspiel. 

4) Oviedo, „Historia general y natural de las Indias, Islas y tierra firme**, Madrid 
1853, Bd. I, S. 50 (lib. II, cap. 3). 



— i88 — 

,flch mussle oft in Italien lachen, wenn ich hörte, dass die Italiener die Lustseuche 
,,Franzosenkrankheit'* und die Franzosen sie „neapolitanisches Uebel** nannten. Denn in 
Wahrheit würden die einen und die andern ihr den richtigen Namen gegeben haben, wenn 
sie sie Krankheit von Westindien (mal de las Indias) genannt hätten. Und dass dieses die 
Wahrheit sei, wird sich aus diesem Kapitel ergeben und aus der grossen Erfahrung, welche 
man mit dem heiligen Holze und Guajak hat, durch welches besonders diese schreckliche 
Krankheit Syphilis besser als durch irgend eine andere Arzenei behandelt und geheilt wird. 
Denn so gross ist die göttliche Gnade, dass da, wo für unsere Sünden die Strafen sind, 
auch die Heilmittel sich finden .... 

Im vorigen Kapitel erzählte ich, dass Columbus im Jahre 1496 nach Spanien 
zurückkehrte. Und dieses ist die Wahrheit. Denn seitdem sah ich und sprach ich einige 
von denen, die mit ihm nach Kastilien zurückkehrten, wie z. B. den Befehlshaber Mossen 
Pedro Margarite, und die Befehlshaber Ar royo . and Gallego, Gabriel de Leon 
und Juan de la Vega und Pedro Navarra, den Kammerherrn des Prinzen Don Juan, 
meines Herrn, und noch mehrere andere Diener des königlichen Hauses, welche von der 
zweiten Reise und Entdeckungsfahrt aus diesen Ländern kamen. Von diesen und von 
Anderen hörte ich vielerlei von dieser Insel und von dem, was sie auf der zweiten Reise 
erfuhren und erduldeten. Ausserdem wurde ich von anderen unterrichtet, die 
die erste Reise mitgemacht hatten, wie z. B. von Vicente Yanez Pin^on, 
welcher einer der ersten Piloten und einer von den drei Gebrüdem Pin9on war, deren ich 
schon gedacht habe, und mit dem ich bis zu seinem Todesjahre 15 14 befreundet war. Und 
ebenso informierte ich mich bei dem Steuermann Hernan Perez Matheos, der gegen- 
wärtig in dieser Sladt lebt und der die erste und dritte Fahrt des ersten Admirals Don 
Chris töbal Colon mitmachte. Ferner empfing ich zahlreiche Nachrichten über diese 
Insel von zwei Edelleuten, welche den Admiral auf seiner zweiten Reise begleiteten und 
heute ebenfalls in dieser Stadt wohnen. Es sind: Juan de Rojas und Alonso de 
Valencia. Und viele andere Augenzeugen erstatteten mir über alles, was diese Insel und 
ihre Krankheiten betrifft, besonderen Bericht, am meisten von allen aber erzählte mir der 
Befehlshaber Mossen Pedro Margarite, erster Haushofmeister des Königs, den dieser 
sehr hoch schätzte. Diesen Cavalier nahmen der König und die Königin als den Haupt- 
zeugen und schenkten seinem Berichte über die Ereignisse der zweiten Reise am meisten 
Glauben. Dieser Ritter Mossen Pedro kam so krank zurück und klagte so sehr, dass 
ich glaube, dass er jene eigentümlichen Schmerzen hatte, von welchen die an jener Krank- 
heit Leidenden heimgesucht werden, obgleich ich keinerlei Hautpusteln sah. Und wenige 
Monate später, in demselben Jahre 1496, begann sich jene Krankheit bei einigen Höflingen 
zu zeigen, nachdem es vorher mehr unter dem gewöhnlichen Volke verbreitet, unter Personen 
aus niederem Stande, und man glaubte, dass man sie durch den Umgang mit öffentlichen 
Dirnen hauptsächlich sich zuzog, überhaupt auf dem Wege der Wollust. Später breitete 
die Krankheit sich unter den Vornehmen und Hochstehenden aus. 

Der Schrecken, welchen die Krankheit den davon Ergriffenen verursachte, war sehr 
gross, weil sie ein ansteckendes und furchtbares Uebel war und viele daran starben. Und 
da das Leiden neu und unbekannt war, verstanden die Aerzte nicht, es zu heilen, noch 
Andere in solchem Drangsal zu beraten. Es begab sich dann, dass der grosse Capitän 
Gon^alo Fernandez de Cordoba mit einer schönen und grossen Flotte nach Italien 
geschickt wurde, auf Befehl der katholischen Könige und als Generalcapitän, um dem König 
Ferdinand II. von Neapel gegen Karl von Frankreich, den man den mit dem 
grossen Kopf nannte, zu Hülfe zu kommen. Und unter diesen Spaniern waren einige mit 
der Krankheit behaftet, und dieselbe teilte sich durch Vermittelung der Weiber von lüder- 
lichem Lebenswandel den Italienern und Franzosen mit. Da nun weder von den einen 



— i89 — 

noch den andern eine solche Krankheit jemals gesehen worden war, so fingen die Franzosen 
an, sie neapolitanische Krankheit zu nennen, weil sie glaubten, dass sie jenem Königreiche 
eigentümlich sei, und die Neapolitaner nannten sie, im Glauben, dass die Krankheit von 
den Franzosen eingeschleppt worden sei, französische Krankheit, und so heisst sie seitdem 
in gajiz Italien, weil vor der Ankunft Karls eine ähnliche Krankheit in jenem 
Lande nicht gesehen worden war. Aber die Wahrheit ist, dass diese Plage 
von der Insel Ha'iti oder Espaiiola nach Europa kam, wie erzählt worden ist. 
Und sie ist dort sehr gemein unter den Indianern, und diese verstehen sie zu heilen und 
haben sehr ausgezeichnete Kräuter und Bäume und Pflanzen gegen diese und andere Krank- 
heiten, wie z. B. das Guajak und das heilige Holz, über die ich weiter unten handeln 
werde. So ist von den beiden gefährlichen Krankheiten, an welchen die ersten christlichen 
Ansiedler In Indien litten und noch leiden, und die in diesem Lande einheimisch sind, die 
Syphilis die eine und diejenige, welche in Spanien eingeschleppt wurde, und von dort in 
andere Länder, ohne dass sie bisher aufgehört hätte . . . Auf dieser Insel (Espanola) und 
auf allen westindischen Inseln und dem Festlande ist die Krankheit Syphilis überall ein- 
heimisch und die andere Krankheit der Niguas." *) 

Eine kritische Analogie dieses Berichtes ergiebt die völlige 
Uebereinstimmung des Oviedo mit dem Diaz de Isla in Beziehung 
auf den wirklichen Ursprung der Syphilis. Oviedo erklärt dieselbe 
ebenso wie die „Niguas" (eine parasitäre, durch Insekten hervorge- 
rufene Hautkrankheit) für eine specifische Krankheit der Antillen 
und des centralamerikanischen Kontinentes 2). Die Syphilis wurde 
durch die Indianerinnen den ersten Spaniern, welche mit Colum- 
bus dorthin kamen, mitgeteilt, durch diese nach Spanien gebracht, 
von wo sie alsbald gelegentlich des Feldzugs Karls VIII. sich 
weiter ausbreitete. Nicht französische, nicht neapolitanische Krankheit 
sei der richtige Name der Syphilis, sondern westindische Krank- 
heit. Unter seinen Gewährsmännern, die er sofort nach ihrer Rück- 
kehr befragte, zählt Oviedo sowohl solche auf, die die erste Reise des 
Columbus mitgemacht hatten, als auch solche, die ihn. auf der 
zweiten Reise begleitet hatten. Es ist deshalb völlig ungerechtfertigt, 
wenn behauptet wird, dass Oviedo nur von der zweiten Reise des 
Columbus spreche. Oviedo hat sich freilich einen rein chrono- 
logischen Irrtum zu Schulden kommen lassen, indem er erst nach 
der Rückkehr des Columbus von der zweiten Reise, also nach 1496, 
den König Karl VIII. von Frankreich nach Italien ziehen lässt. 
Wie wir gleich sehen werden, giebt er in seinem ersten Bericht an 
den Kaiser Karl V. auch in dieser Beziehung die einzig richtige 
Darstellung. Es ist klar, dass auf der zweiten Reise, die schon 
vi^enige Monate nach Vollendung der ersten, nämlich im September 

i) Oviedo a. a. O., Bd. I, S. 55 — 56 (lib. 11, cap. 13). 

2) „Niguas" und Syphilis erschienen sowohl dem Oviedo als auch dem Las Cäsas 
als die Hauptkrankheiten von Haiti und Mittelamerika und werden von ihnen stets zu- 
sammen genannt. 



— 1 90 — 

1493 begann und 1500 Teilnehmer zählte, viele noch völlig gesund 
waren und sich erst nach ihrer Ankunft in Amerika ansteckten, so 
dass sie in der That ebenfalls als glaubwürdige Zeugen über die unge- 
heure Verbreitung der Syphilis unter den Ureinwohnern der west- 
indischen Inseln und Centralamerikas gelten können. Aber darauf 
kommt es gar nicht an. Denn Oviedo gedenkt ja ausdrücklich 
solcher Gewährsmänner, die nur die erste Reise des Colum- 
bus mitgemacht hatten (e otros del primero Camino), und von 
dieser selbst die Krankheit und die Nachrichten über die Verbreitung 
drüben unter den Indianern mitbrachten. Unter diesen nennt er be- 
sonders den Piloten Vicente Yaüez Pinzon, einen der drei Brüder 
Pinzon, mit dem er bis 1514 befreundet war. Welch' eine merk- 
würdige und überaus wertvolle Uebereinstimmung mit der Angabe 
des Diaz de Isla! Denn dieser erwähnt gleichfalls einen Pinzon, 
den er auf dem ersten Geschwader des Columbus in Barcelona sah 
und sprach, und der sich wie viele andere Teilnehmer der ersten Reise 
die Syphilis aus der neuen Welt geholt hatte. Es ist höchst wahr- 
scheinlich, dass dieser Pinzon kein anderer als Vicente Yaiiez 
Pinzon war, von dem Oviedo, der, wie er ja ausdrücklich ver- 
sichert, bei der Rückkehr der ersten Flotte des Columbus in Barce- 
lona zugegen war und die Teilnehmer der Reise ausfragte, nähere 
Erkundigungen über die Syphilis in Amerika einzog. Es ist mir 
trotz eifriger Nachforschung nicht gelungen, irgend welche Be- 
ziehungen zwischen Oviedo und Diaz de Isla aufzufinden. Sie 
haben sich offenbar gar nicht persönlich gekannt Um so be- 
deutungsvoller ist diese in auffälliger Weise übereinstimmende Angabe 
über eine ganz bestimmte Persönlichkeit. Ausser Pinzon nennt 
Oviedo dann noch den Steuermann Hernan Perez Matheos, der 
ebenfalls schon an der ersten Fahrt des Columbus teilnahm und die 
Angaben des Pinzon vollkommen bestätigte. Der weitere Bericht 
des Oviedo ist, wie erwähnt, in chronologischer Hinsicht etw^as un- 
genau, was aber durch den sachlichen Inhalt vollkommen ausge- 
glichen wird, der völlig mit dem des Diaz de Isla übereinstimmt, 
indem auch Oviedo sagt, dass durch den Zug Karls VIII. die 
Syphilis eine besondere Ausbreitung erlangte. Nach Oviedo befan- 
den sich syphilitische Spanier im Heere des Gonzalvo Hernandez 
de Cordoba, nach Diaz de Isla im Heere Karls VIII. selbst. 
Beides ist durchaus zutreffend, und wird ja durch die zeitgenössischen 
Berichte bestätigt. 

Die „Relacion sumaria de la historia natural de las Indias", 
welche Oviedo im Jahre 1525 auf Befehl des Kaisers Karl V. ver- 



— IQI — 

fasste, bietet einen auch in chronologischer Hinsicht einwandfreien 
Bericht über den Ursprung und die Urheimat der Syphilis. Die in 
Betracht kommende Stelle lautet: 

„Eure Majestät können es für sicher halten, dass diese Krankheit aus Westindien 
stammt und unter den Indianern sehr gewöhnlich, aber in jenen Gegenden nicht so gefähr- 
lich ist wie in den unsrigen. Schon früher heilten sich die Indianer auf jenen Inseln mit 
diesem Holze (Guajak) und auf dem P>stlande mit anderen Kräutern und Dingen, die sie 
kennen, denn sie sind sehr grosse Kräuterkenner. Zum ersten Male wurde diese 
Krankheit in Spanien beobachtet, als der Admiral Don Christoval Colon 
Westindien entdeckt hatte und nach unserem Lande zurückkehrte. Und 
einige Christen, welche die Reise mit ihm gemacht hatten und bei der Entdeckung zugegen 
waren, und noch mehrere von denen, welche die zweite Reise mit ihm machten, brachten 
diese Krankheit mit und steckten andere Personen an. Und als im Jahre 1495 der grosse 
Feldherr Don Gon9aloHernandez de C6rdoba auf Befehl der katholischen Könige 
Don Fernando und Donna Isabel, unsterblichen Angedenkens, Grosstltern Eurer Majestät, 
dem Könige Don Fernando Zoven von Neapel gegen den König Karl von Frank- 
reich (mit dem grossen Kopfe) mit einer Armee zu Hülfe eilte, wurde diese Krankheit 
durch einige Spanier nach Italien gebracht und dort zum ersten Male gesehen. Und da es 
zu der Zeit war, als die Franzosen mit dem erwähnten König Karl ins Land kamen, 
nannten die Italiener die Krankheit Franzosenübel, und die Franzosen nannten sie neapoli- 
tanische Krankheit, weil bis zu der Zeit dieses Krieges ihnen die Krankheit ganz unbekannt 
gewesen war. Und von da verbreitete sie sich über die ganze Christenheit und wurde auch 
nach Afrika gebracht, durch einige von dieser Krankheit angesteckte Weiber und Männer. 
Denn auf keine Weise wird dieselbe so leicht übertragen wie durch den geschlechtlichen 
Verkehr des Mannes und Weibes, wie man sehr oft beobachtet hat. Es ist eine so schwere 
und schmerzhafte Krankheit, dass Niemand, der Augen hat, leugnen wird, dass er viele 
Leute voll von Geschwüren und wie mit Aussatz behaftet gesehen hat, in Folge dieser 
Krankheit Es sind sogar viele daran gestorben. Von den Christen, die mit den 
indianischen Weibern verkehrten, entgingen nur wenige der Ansteckung. 
Aber, wie ich schon erwähnt habe, ist die Krankheit dort nicht so gefährlich wie hier. 
Dort ist das Guajak wirksamer, weil es frischer und kräftiger ist, ferner ist das Klima des 
Landes wärmer und ist für die Kranken zuträglicher als die Luft und die Beschaffenheit 
unseres Landes" *). 

Bemerkenswert ist noch in diesem Berichte, dass die Matrosen 
und Begleiter des Columbus, welche mit den Indianerinnen ge- 
schlechtlich verkehrten, fast alle an Syphilis erkrankten. Hieraus 
erhellt die grosse Verbreitung der Krankheit unter den Ureinwohnern 
der neuen Welt. 

In der früher erwähnten (S. 36) Schrift des Francesco Deli- 
cado über das Guajakholz ist die „Relacion" des Oviedo ebenfalls 
abgedruckt, aber mit mehreren Veränderungen. Zunächst wird da 
genau wie bei Oviedo erzählt, dass die Syphilis sich zuerst nach 
der Rückkehr des Columbus von der ersten Reise gezeigt habe. 



i) Barcia a. a. O., S. 56 — 57; Girtanner n. a. O., Bd. III, S. 909 — 912. 



— IQ2 — 

Dann werden als Namen der Syphilis in Spanien „grinimon" (weil 
die Kranken nicht aufh()rtcn, die ganze Nacht wie die Grillen zu 
wehklagen [grunir]), „Serampion de las Indias" (westindische Magern) 
und „mal de se mente'* (vgl. oben S. 85), „mal de Job" ang-eführt. 
Mit Recht hält C. H. Fuchs es für sehr walirscheinlich, dass Deli- 
cado selbst diese Veränderungen angebracht habe*). Delicado soll 
auch behaupten, dass die Spanier die Syphilis nach Amerika gebracht 
hätten. Indessen beschränken sich seine Ausführungen darauf, dass 
in Westindien eine ähnliche Krankheit herrsche, wie sie in Italien 
zum Ausbruche gekommen sei, gegen welche die Indianer die Guajak- 
Kur anwendeten. Ferdinand und Isabella, die von diesen glück- 
lichen Kuren der Indianer gehört hätten, hätten verordnet, dass kein 
Schiff ohne eine bestimmte Menge des Guajakholzes von den Inseln 
heimkehren solle. Diese wurde unter die spanischen Hospitäler ver- 
teilt 2). Man sieht, dass aus dieser unklaren Schilderung eher das 
Gegenteil gefolgert werden kann. Delicado, der um 1480 geboren 
war (S. 28), kann nicht mehr als eigentlicher Zeitgenosse betrachtet 
werden. Auch ist die oben erwähnte Behauptung eine so ungeheuer- 
liche und schwebt so gänzlich in der Luft, dass eine weitere Kritik 
derselben vollkommen überflüssig ist. 



Der Hauptgrund, den die Gegner eines neuzeitlichen Ursprung-es 
der Syphilis bisher gegen die Glaubwürdigkeit des Oviedo geltend 
machten, war der, dass Las Casas denselben der Grausamkeiten 
gegen die Indianer beschuldigte, welche Beschuldigung bekanntlich 
von Amador de los Rios ein für alle Mal widerlegt worden ist. 
Um diese grausame Behandlung der unglücklichen Indianer zu recht- 
fertigen, habe dann der schlaue Oviedo das Märchen vom amerika- 
nischen Ursprünge der Syphilis erfunden! Es ist dies letztere eine 
so läppische Ungereimtheit, dass sie nicht widerlegt zu werden braucht. 
Aber es sei doch darauf hingewiesen, dass Las Casas, ein Gegner 
des Oviedo^) in Beziehung auf dessen Stellung zu der Behandlung 
der Indianer und ein aufrichtiger Freund der letzteren, trotzdem 
ebenfalls ausdrücklich den amerikanischen Ursprung der 
Syphilis bezeugt. 



i) C. H. Fuchs, „Francesco Delicado über den Guajak. Ein Beitrag zur älteren 
Bibliographie und Geschichte der Syphilis." Janus, N. F., 1853, Bd. II, S. 203. 

2) ibidem, S. 199. 

3) Er äussert sich über diesen oft in sehr scharfer Weise; z. B. „Historia general 
de las Indias", Madrid 1875— 1876, Bd. I, S. 122; Bd. II, S. 117; Bd. III, S. 32 u. 1287. 



— 193 — 

Fray Bartolome de las Casas, der spätere Bischof von 
Chiapa, ist ebenfalls ein Zeitgenosse der Einschleppung der Syphilis. 
Er wurde 1474 in Sevilla geboren und starb in dem hohen Alter von 
92 Jahren im Juli 1566 zu Madrid i). Er studierte in Salamanca, hielt 
sich aber zur Zeit der ersten Reise des Columbus in Sevilla auf, 
wie aus seinem eigenen Bericht hervorgeht. Sehr bemerkenswert ist, 
dass sein Vater Antonio einer der Begleiter des Columbus auf 
dessen zweiter Reise war, und zwar befand er sich zusammen mit dem 
Hofarzte Chanca auf demselben Schiffe 2). Und der Sohn Bartolome 
fuhr bereits am 30. Mai 1498, 24 Jahre alt, zum ersten Male nach 
Hispaniola^) und begleitete später Don Nicolas de Ovando nach 
der Insel Santo Domingo (1502). 15 10 wurde er Priester auf Cuba. 
Später nahm er dauernden Aufenthalt auf Espanola (Haiti), besuchte 
aber auch Centralamerika und 'sogar Peru. Im Dominikanerkloster 
auf Haiti begann er seine berühmte „Historia general de las Indias" 
und verlebte dann den Rest seines Lebens in Spanien ^). 

Las Casas, der den von der ersten Fahrt zurückkehrenden 
Christoph Columbus in Sevilla sah (vgl. die folgende Erzählung) 
und schon sehr früh selbst nach Amerika kam, muss also ebenfalls 
als ein höchst gewichtiger Augenzeuge bezeichnet werden. Zudem 
ist er ohne Zweifel durch seinen Vater und vielleicht auch durch den 
Arzt Chanca, der mit diesem befreundet gewesen zu sein scheint, 
über die Zustände Westindiens unterrichtet worden. Man hat, wie 
ich bei dieser Gelegenheit bemerke, oft als ein „argumentum e silentio" 
gegen den neuzeitigen Ursprung der Syphilis die Thatsache angeführt, 
dass der Arzt Chanca kein Dokument über die Existenz der Syphilis 
in der neuen Welt hinterlassen habe, wozu er doch als Mediziner der 
Nächste gewesen wäre. Aber dieser negative Einwand verliert allen 
Wert gegenüber den bestimmten positiven Aussagen, die bisher 
mitgeteilt wurden und noch weiterhin verzeichnet werden, unter denen 
sich auch solche von Aerzten wie die des Diaz de Isla u. a. be- 



i) A. V. Humboldt sagt: „Er und sein Zeitgenosse Toscanelli, geboren 1397 
und in einem Alter von 85 Jahren (1482) gestorben, umfassen in ihrem langen Leben, für 
sich ganz allein, während dreier Jahrhunderte den Anfang imd das Ende sämtlicher grosser 
Entdeckungen zur See in Afrika, Amerika, dem Südmeere und dem indischen Archipelagus." 
Kritische Untersuchungen 1836, Bd. II, S. 201. 

2) Heredia a. a. O., S. 268; L. Denthoven, „Christoph Columbus. Eine bio- 
graphische Skizze nach den neuesten Quellen**, Würzburg 1878. 

3) Heredia a. a. O., S. 268. 

4) Vgl. D. Antonio Maria Fabie, „Vida y escritos de Fray Bartolome de Las 
Casas**, Madrid 1877. 

Bloch. Der Ursprung der Syphilis. 13 



— 194 — 

finden. Das Schweigen des Chanca ist gänzlich bedeutungslos für 
unsere Frage, und es ist überflüssig, über die Gründe desselben 
irgend welche Vermutungen anzustellen. Hätte Chanca die Syphilis 
vor der Reise des Columbus gesehen und gekannt, dann würde 
er gewiss gegen die Darstellung seiner Reisegefährten Einspruch 
erhoben haben. Es ist im Gegenteil sogar wahrscheinlich, dass diese 
Berichte zu einem guten Teil auf seinen Aussagen beruhen. Oviedo 
berichtet ja, dass er viele Reisegefährten des Columbus ausgefragt 
habe, und da wird er den Arzt Chanca gewiss nicht vergessen 
haben. Letzterer mag auch dem Diaz de Isla, seinem bei der 
Rückkunft in Barcelona anwesenden Kollegen, der sogar Leute des 
Geschwaders behandelte, sowie dem Las Casas als Gewährsmann 
gedient haben ^). 

Der Bericht des L^s Casas lautet: 

„Es gab und giebt zwei Dinge auf dieser Insel, welche im Anfang den Spaniern 
sehr beschwerlich waren. Das eine ist die Krankheit der Syphilis, welche man in Italien 
das Franzosenübel nennt. Man weiss aber mit Sicherheit, dass sie von dieser Insel (Espanola) 
kam, entweder, als bei der Rückkehr des Admirals Don Christöbal Colon mit den 
Nachrichten von der Entdeckung Westindiens die ersten Indianer kamen, welche ich 
selbst in Sevilla sah, und welche sie nach Spanien bringen konnten, indem sie die Luft 
infizierten oder auf einem anderen Wege ansteckten, oder es waren bereits einige 
Spanier mit dieser Krankheit behaftet bei der ersten Rückkehr nach Castilien, und das 
konnte vom Jahre 1494 ^*s 1496 sein. Und da um diese Zeit der König Karl von 
Frankreich, mit dem Beinamen der Dickkopf, mit einem grossen Heere nach Italien 
ging, um Neapel zu erobern, und sich jene ansteckende Krankheit unter dem Heere ver- 
breitete, glaubten die Italiener, dass sie von diesen Soldaten die Krankheit bekommen 
hätten, und nannten sie deshalb von jener Zeit an die Franzosenkrankbeit. Ich gab mir 
mehrere Male die Mühe, die Indianer dieser Insel auszufragen, ob diese 
Krankheit bei ihnen sehr alt sei, und sie antworteten ja, lange vor jener 
Zeit, als die Christen zu ihnen gekommen seien, ohne dass man an ihren 
Ursprung eine Erinnerung habe, und hieran kann Niemand zweifeln. Und 
es ist sehr einleuchtend, da ja die göttliche Vorsehung das für diese Krankheit spezifische 
Heilmittel ihnen gab, welches, wie ich im vierzehnten Kapitel berichtet habe, der Guajak- 
baum ist. Es ist auch eine sehr ausgemachte Sache, dass alle geschlechtlich aus- 
schweifenden Spanier, welche auf dieser Insel nicht die Tugend der Keusch- 
heit bewahrten, von der Krankheit angesteckt wurden, und dass von hundert nicht ein 



1) Ybarra hat neuerdings einen merkwürdigen Bericht des Arztes Chanca an den 
Munizipalrat seiner Heimatstadt über die zweite Reise des Columbus veröffentlicht, in welchem 
es u. a. heisst, dass Columbus mehrere Schiffe nach Europa zurückgesandt habe „wegen 
der schweren Krankheit, welche unter der Mannschaft herrschte". Mit Recht vermutet 
Ybarra hier eine Anspielung auf eine venerische Krankheit, die doch wohl nur als Sy- 
philis aufzufassen ist (nicht als Gonorrhoe, wie Y. meint). Vgl. A. M. Fernandez de 
Ybarra, „The medical history of Christopher Columbus, and the part taken by the medical 
profession in the discovery of America" in: The Dublin Journal of Medical Science 1894, 
Bd. XCVIII, S. 242—243. 



— 195 — 

Einziger ihr entging, falls nicht das Weib die Krankheit niemals gehabt hatte. 
Die Indianer, Männer und Frauen, welche an der Krankheit litten, wurden sehr wenig 
davon gequält und fast nicht mehr als wenn sie die Blattern hätten. Aber bei den Spaniern 
waren die Schmerzen gross und die Qualen anhaltend, und hörten während der ganzen 
Dauer der Krankheit nicht auf. Die andere Krankheit, von welcher die Spanier von Anfang 
an heimgesudit wurden, war die von den Indianern „Niguas" genannte . . ." *) 

Aus dieser Erzählung geht hervor, dass Las Casas, der seine 
Nachrichten sowohl den ersten Entdeckern Amerikas als auch den 
Urbewohnern selbst verdankte, mit Diaz de Isla und seinem Gegner 
Oviedo in Beziehung auf die Einschleppung der Syphilis durch die 
Mannschaft und die indianischen Begleiter des Columbus bei der 
Rückkehr von der ersten Reise vollkommen übereinstimmt. Unter 
den „primeros tornaviajes" versteht er allerdings nicht nur die erste 
Rückkehr, sondern auch die zweite. Ebenso bedeutungsvoll sind die 
Nachforschungen des Las Casas über die uralte Existenz der 
Syphilis unter den Indianern Westindiens, die ihm von diesen auf 
wiederholtes Befragen bestätigt wurde, ferner seine Aussagen über 
die verhältnismässig leichte Natur unter den bereits seit langer Zeit 
durchseuchten Indianern, was mit unserer heutigen Erfahrung über- 
einstimmt, während die Spanier selbst, die, soweit sie geschlechtlich 
mit den Indianerinnen verkehrten, fast alle angesteckt wurden, unter 
einem sehr bösartigen Verlaufe der Krankheit zu leiden hatten. 

Auch dieser Bericht eines Mannes, der sich mit allen die 
unglücklichen Indianer betreffenden Dingen so eingehend beschäftigte 2), 
muss als durchaus glaubwürdig betrachtet werden. 

Wir sehen also, dass die Berichte jener drei Zeitgenossen über- 
einstimmend die Syphilis mit der Entdeckung Amerikas in Zusammen- 
hang bringen. Es ist daher zweckmässig, an dieser Stelle jene Ent- 
deckungsreisen kurz zu skizzieren, soweit sie für unsere Frage in 
Betracht kommen und soweit dies für die weitere Beweisführung 
nötig ist. Ich folge dabei dem Beispiele, welches bereits Montejo 
gegeben hat, der die Fahrt des Columbus im Anfange seines Buches 
„La Sifilis" eingehend gewürdigt hat. 

* * 



1) B. de las Casas, „Apologetica historia cuanto a las cualidadcs, disposicion, 
descripcion, cielo y suelo de estas tierras y condiciones naturales, policias, republicas, mane- 
ras de vivir y costumbres de las gentes destas Indias occidentales y meridionales cuyo im- 
perio soberano pertenece a los Reyes de Castilla", Cap. XIX in Band V der „Historia 
general de las Indias", ed. Marques de la Fuensanta del Valle u. D. Jose Sancho 
Rayon, Madrid 1876, S. 233. 

2) Vgl. darüber besonders das sehr merkwürdige „Memorial de Don Diego Colon", 
faerausgeg. von Henry Stevens, London 1854, das die Reformpläne des Las Casas 
darlegt. Diego, der älteste Sohn des Christoph Columbus, lebte von 1480 — 1526. 

13* 



Das Geschwader, mit dem Christoph Columbus seine erste 
Reise antrat, bestand aus drei Schiffen. Die „Santa Maria" wurde 
von dem Admiral selbst befehligt. Die Mannschaft derselben zählte 
66 Personen. Arzt auf der „Santa Maria" war Maestro Alonzo^). 
Die beiden übrigen Schiffe wurden von den Gebrüdern Pinzon aus 
Palos ausgerüstet und befehligt. Die „Niüa** gehörte dem Vincente 
Yanez Pinzon. der sie auch befehligte. Befehlshaber des dritten 
Schiffes, der „Pinta**, war Martin Alonso Pinzon, dem sein 
Bruder Francisco Martin Pinzon als Steuermann beigesellt 
wurde. Die „Pinta" hatte 30 Personen, grösstenteils aus Palos an 
Bord, darunter den Arzt Garcia Hernandez*). Die „Nina'* trug 
24 Personen'). Die Gesamtzahl der Mannschaft betrug also 120 Mann, 
zum grossen Teil Soldaten, Abenteurer, ehemalige Verbrecher*), kurz, 
wie Montejo sagt, „en su mayor parte gente perdida, de aviesos 
instintos, de relajadas costumbres, sin hogar, sin familia, dados a la 
vida vagamunda y aventurera y ä quienes seducia la perspection de 
una codiciosa retribucion ^). 

Am 3. August 1492 verliess Columbus mit seiner Flotte den 
Hafen von Palos und gelangte am 4. September nach den Kanarischen 
Inseln, wo er l,ebensmittel einnahm und seine Mannschaft verstärkte % 
Am 12. Oktober 1492 erblickte die „Pinta" zuerst die Insel Guana- 
hani (San Salvador). Weder hier noch auf den übrigen zahlreichen, 
in rascher Folge entdeckten Inseln der kleinen Antillen nahm 
Columbus dauernden Aufenthalt. Dagegen verweilte er vom 
28. Oktober bis 5. Dezember auf Cuba und gelangte am 6. Dezem- 
ber 1492 nach Haiti (Quizquella, Espanola), auf welcher Insel der 
längste Aufenthalt (von sechs Wochen) genommen wurde. Während 
der Verkehr zwischen Spaniern und Indianern auf Cuba sehr gering 
war, da Columbus sich auf eine Umsegelung der Insel beschränkte, 
gestaltete er sich desto lebhafter auf Haiti ''). 



i) Vgl. Ybarra a. a. C, S. 252. 

2) Im „Siglo medico" von 1892, Bd. XXXIX, S. 516 — 519, 533—536 hat A. 
San Martin eine Studie über Garcia Hernandez veröffentlicht. 

3) L. Denthoven, „Christoph Columbus", Würzburg 1878, S. 29 — 30. 

4) Navarrete, „Coleccion de los viajes y descubrimientos etc.", Bd. II, S. 15, bei 
Montejo, „La Sifiiis", S. 5. 

5) Montejo a. a. O., S. 6. 

6) Jos6 de Viera y Clavijo, „Noticias de la historla general de las Islas de Ca- 
narias", Madrid 1773, Bd. II, S. 169. 

7) „The Letter of Columbus on the discovery of Amerika." Printed by order of 
the trustees of the Lenox Library. New York 1892, S. 5 — 6. 



— 197 — 

Wie alle Matrosen nach langen Seereisen, stürzten sich die noch 
dazu sinnlich so leicht erregbaren Spanier in zügellose geschlecht- 
liche Ausschweifungen, bei welchen ihnen die von Petrus Martyr 
als „dryades formosissimae aut natione fontium nymphae" ^) geschil- 
derten karaibischen Weiber der Antillen nur allzuwillig entgegen- 
kamen 2). Besonders die vornehmen Frauen lebten sehr zuchtlos, da 
nach Oviedo Liberalität gegen Männer als etwas „Adliges** ange- 
sehen wurde 3). Es ist nach allem kein Zweifel, dass das karaibische 
Weib sehr wollüstig war, was auch Amerigo Vespucci hervorhebt, 
der darüber eine sehr merkwürdige Geschichte erzählt^). Es erwies 
sich sogar im Laufe der Zeit als notw^endig, Massregeln gegen die 
überaus starken sexuellen Begierden der antillischen Weiber zu er- 
greifen und die Spanier zur Zurückhaltung ihnen gegenüber zu er- 
mahnen. Es existiert darüber eine in kulturgeschichtlicher Hinsicht 
sehr interessante königliche Verordnung, datiert vom 15. November 



i) O. Peschel, „Das Zeitalter der Entdeckungen", Leipzig 1877, S. 142. 

2) „Las mugeres desta isla, aunque con los indios eran buenas ö no tan claramente 
luxuriosas, fä^ilmente ä los chripstianos se con^edian e no les negaban sus persönas/^ 
Oviedo a. a. 0„ lib. V, cap. 3. — Andererseits verführten, wie Petrus Martyr be- 
richtet, die Spanier unschuldige Mädchen zu einer beispiellosen Prostitution. Peschel a. 
a. O., S. 148. 

3) Peschel a. a. O., S. 149. 

4) „Die Weiber (welche unglaublich wollüstig sind) bedienen sich, um ihre uner- 
laubten Lüste zu befriedigen, eines grausamen Mittels. Sie geben ihren Männern von dem 
Safte einer gewissen Pflanze zu trinken, wonach alsbald das Glied anschwillt und wächst; 
und wenn dies nicht hilft, so setzen sie an das Glied gewisse giftige Insekten, die es 
stechen, damit es anschwelle. Dadurch verlieren viele unter ihnen das Glied und die Tes- 
tikel und werden unfähig zum Beischlaf." Sommario di Amerigo Vespucci bei Ra- 
musio, „Navigationi e viaggi", Venedig 1588, Bd. I, S. 131 B. — Eine ganz ähnliche 
Verwendung der Insekten zu aphrodisischen Zwecken kommt in Ostindien vor und spielt 
in den Werken über Ars amandi wie dem „KämasuLram", dem „Anangaranga" u. s. w. 
eine grosse Rolle. Girtanner führte darauf die Entstehung der Syphilis zurück: „Die 
Wunde, welche der Stich des Insekts verursachte, verwandelte sich bald in ein bösartiges 
Geschwür, mit hartem weissem Rand und speckigem Grund, wie die venerischen Chankers, 
und die Entzündung, welche durch den wiederholten Beischlaf noch vermehrt wurde, nahm 
oft auf einen solchen Grad zu, dass der Brand daraus entstand und das ganze Glied weg- 
faulte. Sollte nicht das in die Mutterscheide der Weiber abgesetzte Gift dieser Insekten 
auch dort Geschwüre erregt haben, die nachher durch den Beischlaf gesunden Männern mit- 
geteilt werden konnten? Ist nicht vielleicht in dieser sonderbaren Gewohnheit der erste 
Ursprung der Lustseuche zu suchen?" Chr. Girtanner a. a. O., Bd. I, S. 58. — Bei 
dieser Gelegenheit sei noch einer anderen abenteuerlichen Idee über die Entstehung der 
Syphilis gedacht. Nach Archibald Pitcairn (1652 — 1713) ist die Syphilis, welche aus 
Amerika stammt, dort durch die in südlichen Ländern häufige Unterdrückung der Haut- 
thätigkeit entstanden. Vgl. H. Haeser, „Geschichte der Medizin", Bd. II, S. 343. 



— 198 — 

1505. Diese Verordnung befindet sich handschriftlich im „Archive 
de Indias" in Sevilla^). 

Sechs Wochen lang also hatten die Spanier sich des Genusses 
der Indianerinnen zu erfreuen, und es war daher reichlich Gelegenheit 
zur Uebertragung einer ansteckenden Krankheit durch den Geschlechts- 
verkehr vorhanden. Am 16. Januar 1493 traten die beiden SchiflFe 
„Nina" und „Pinta** — die „Santa Maria*' war durch einen Schiff- 
bruch zu Grunde gegangen — die Heimreise an. Columbus, der 
38 spanische Colonisten auf Haiti zurückliess, befand sich auf der 
„Nißa** und führte neben anderen Produkten des Landes auch zehn 
Indianer mit sich. Ob darunter auch Frauen waren, ist nicht sicher 2). 
Immerhin spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, da Columbus daran 
liegen musste, Vertreter der beiden Geschlechter dem königlichen 
Hofe vorzuführen. 

Nach einer stürmischen Fahrt kam Columbus am 15. Februar 
1493 bei den Azoren an und ankerte vor der Insel Santa Maria. 
Montejo hat den bündigen Nachweis (hauptsächlich aus dem Tag"e- 
buche des Columbus) erbracht, dass infolge der Feindseligkeit des por- 
tugiesischen Gouverneurs Juan de Castaneda, der der Mannschaft 
nicht gestattete an Land zu gehen, keinerlei Verkehr zwischen dieser 
und den Bewohnern der Azoren stattfand^). 

Am 24. Februar verliessen die beiden Schiffe die Azoren und 
trennten sich alsbald von einander. Die „Nina" mit Columbus an 
Bord segelte nach Lissabon und erreichte am 4. März die Mündung 
des Tajo. Sie ankerte bei Belem, und die Mannschaft ging nicht an 
Land. Columbus selbst besuchte in Begleitung eines Piloten den 
König in Valparaiso, 1 1 Meilen von Lissabon, und kehrte über Villa- 
franca und Llandra direkt zu seinem Schiffe zurück, ohne überhaupt 



i) Der betreffende Codex hat den Titel „Libros de registro, titulado general del 
Peru", enthält aber auf fölio i86 des ersten Bandes die Ereignisse „que comprende los 
aiios de 1492 ä 1505", d. h. auf den Antillen, da Peru erst 1526 erobert wurde. Die 
dort stehende Verordnung lautet: „A lo que decis del castigo de las mujeres indias 
que ä sus maridos hacen yerros, par^ceme que no vos debeis aver rigurosamente con- 
tra ellas, especialmente non acusando sus maridos, porque de eilo se seguiria mucho incon- 
veniente en semejantes cosas que aqui nos han ce de hacer poco ä poco, pero ä los cristia 
nos deveys mucho amonestar que non tengan con ellas que hacer e ä un castigarlos ea al- 
guna manera de forma que non vengan d noticia de los maridos, porque seria mucho es- 
cdndalo." Montejo, „La Sifilis", S. 10. 

2) Don Antonio Codorniu und Don Jos6 Maria de la Rubia behaupten 
zwar in ihrem „Compendio de la historia de la Medicina**, Madrid 1839, Bd. I, S. io8, 
dass es Indianer beider Geschlechter waren, bringen aber keine authentischen Belege dafür. 

3) Vg^- Montejo, „La Sifilis»", S. 19 — 29. 



— 199 — 

Lissabon zu berühren. Er hatte seinen Leuten streng verboten ans 
Land zu gehen, da er, gewitzigt durch die Erfahrungen auf den 
Azoren, die portugiesischen Ränke fürchtete^). Am 13. März lichtete 
die „Nina" die Anker, um nach Palos zu fahren. 

Die „Pinta", unter dem Befehle des Martin Alonso Pinzon, 
Hcihm die Richtung nach der nordwestlichen Küste Spaniens und lief 
in Bayona (im Königreich Galicien) an, wo der Fluss Vigo mündet. 
Die „Pinta" verweilte aber nur 2 bis 3 Tage dort. Ob es zu einem 
Verkehr mit der Bevölkerung in dieser kurzen Zeit kam, ist fraglich, 
kann aber nicht direkt verneint werden. Montejo weist darauf hin, 
dass es unter der dortigen Bevölkerung keine Prostitution gab. Das 
ist natürlich kein triftiger Grund gegen die Annahme sexueller Be- 
ziehungen zwischen den Matrosen und den Bewohnerinnen von 
Bayona 2). 

Am 15. März 1493 trafen die „Nina" und „Pinta" wieder in 
Palos ein und fuhren von dort auf dem See- bezw. Flusswege nach 
Sevilla. Noch heute ist ja Seeverkehr bis Sevilla auf dem Guadal- 
quivir möglich. Dass Columbus zu Schiffe nach Sevilla kam, wird 
uns durch ein wichtiges Zeugnis bestätigt. Züniga, der berühmte 
Chronist von Sevilla, berichtet in seinen Annalen: „Im Anfang des 
Monats April zog Don Christobal Colon in Sevilla ein, nachdem 
er, zurückkehrend von seiner ersten Entdeckungsreise nach West- 
indien, auf dem Flusse von Palos [d. i. der Rio tinto, der in die Ria 
de Huelva mündet] und hier geankert hatte" ^). Auch teilt Colum- 
bus selbst in seinem Tagebuche unter dem 15. März 1493 mit, dass 
es seine Absicht sei, ganz zur See nach Barcelona zu gehen*). 
Durch den Bericht eines Augenzeugen sind wir über das genaue 
Datum des Einzuges des Columbus in Sevilla unterrichtet. Es war 
dies der 31. März 1493^). In Sevilla sah auch der junge Las Casas 



i) Montejo a. a. O., ,S. 29 — 42. (Wesentlich nach dem mitgeteilten Tagebuche 
des Columbus.) 

2) Vgl. Montejo, „Congr. Amer.", S. 390 — 391. 

3) „A los principios del mes de Abril, entrö en Sevilla D. Christoval Colon, que 
de SU primer descubrimiento de las Indias, avia surgido en el rio de Palos y aqui.** D. 
Diego Ortiz de Züniga, „Anales eclesidsticos y seculares de la muy noble y muy leal 
ciudad de Sevilla**, Madrid 1677; Montejo a. a. O., S. 392. 

4) „Que acaba agora esta escriptura salvo que estaba de propösito de ir ä Barce- 
lona por la mar." Montejo, „La Sifilis**, S. 58. 

5) „E enirö en Sevilla con mucha honra a 31 dias de Marzo, Domingo de Ramos, 
bien provada su intencion donde le fue fecho buen recivimiento." Historia de los Reyes 
Catölicos don Fernando y dona Isabel. Crönica inedita del siglo XV, escrita por el 
bachiller Andr6s Bernäldez, cura que fu^ de los Palacios. Granada 1856, BU. I, S. 277. 



— 200 — 

die Mannschaft des Columbus, und wir erfahren von ihm, dass die 
mitgebrachten Indianer ebenfalls sich in der Stadt aufhielten. Die 
Anwesenheit des Columbus in Sevilla dauerte wenigstens vier 
Wochen. Denn erst am Anfang des Mai 1493, am vierten, oder wie 
eine Inschrift des Grabmals des Ferdinand Columbus in der Kathe- 
drale zu Sevilla besagt, am siebenten Mai fand der feierliche Einzug 
des Columbus in Barcelona statt, das er ebenfalls auf dem Seewege 
erreicht hatte ^). Hier waren Oviedo und Diaz de Isla bei diesem 
Ereignisse zugegen und empfingen ihre Nachrichten persönlich von 
den Begleitern des Columbus. In Barcelona nahmen dann Columbus 
und seine Mannschaft einen längeren Aufenthalt von mehreren Monaten. 

Weniger wichtig für unsere Frage sind die weiteren Reisen des 
Columbus. Doch ist noch hervorzuheben und gewiss sehr belang- 
reich, dass Columbus auf der zweiten Reise, die er bereits am 
25. September 1493 mit 17 Schiffen und 1500 Mann antrat, schon 
am 2. Februar 1494 zwölf Schiffe unter Torres zurückschickte, 
die er mit Männern, Weibern und Kindern, welche er auf den 
karaibischen Inseln, insbesondere auf Haiti, geraubt hatte, nach 
Europa zurückschickte 2). Das geschah also beinahe ein ganzes Jahr 
vor dem Einzüge Karls VIII. in Italien! Es ist also sehr wohl 
glaublich, dass, wie Oviedo versichert, auch die zweite Reise des 
Columbus Veranlassung zur Einschleppung neuer Syphilisfälle gab. 
Die Rückkehr des Columbus selbst erfolgte am 10. März 1496. 

Die dritte Reise (30. Mai 1498 bis 25. November 1500) führte 
den grossen Entdecker an die Nordküste von Südamerika, die er 
aber nur umfuhr, und wieder nach Haiti zu der an der Südküste 
neu gegründeten Stadt San Domingo. 

Die vierte Reise unternahm Columbus am 9. Mai 1502 in 
Begleitung seines Bruders Bartolomeo und seines Sohnes Fernando, 
befuhr die Küste von Centralamerika, den Isthmus von Panama und 
kam dann nach Jamaika. Ende 1504 kehrte er nach Spanien zurück 
und starb den 21. Mai 1506 zu Valladolid. 

Aus der ferneren Entdeckungsgeschichte Amerikas sind folgende 
Daten bemerkenswert: 1499 Entdeckung von Guayana (Hojeda 



i) Montejo, „Congr. Amer.**, S. 399 — 400: „Colon Uegö ö entrö en Barcelona 
el dia 4 de Mayo de 1493", Citat aus einem castilischen Buche des 16. Jahrhunderts. — 
„Y volviö a Castilla con vitoria a 7 de mayo del ano siguiente." Inschrift des Grabmals 
des Hernando Colon. 

2) W. Jordan, „Geschichte der Insel Hayti", Leipzig 1846, Bd. I, S. 28; Dent- 
hoven a. a. O., S. 59 Und wie wir oben (S. 194) sahen, geschah diese Rücksendung 
zum Teil auch wegen einer „schweren Krankheit" der Matrosen! 



J 



20I 



und Amerigo Vespucci), 1500 Brasilien (Cabral), 1503 Aufenthalt 
des Amerigo Vespucci an der Küste Brasiliens, 15 19 — 152 1 Er- 
oberung von Mexiko durch Ferdinand Cortez, 1526 — 1534 Er- 
oberung von Peru und Chile durch Francisco Pizarrö, Almagro 
und Hernando de Luque, 1535 Fahrt des Mendoza auf dem 
La Plata, 1541 Fahrt des Orellana auf dem Amazonas, 1560 — 1561 
Reisen des Philipp von Hütten, Pedro d'Ursua und Lope de 
Aguirre durch Südamerika. 

Diese Jahreszahlen bezeichnen zugleich die Erschliessung der 
betreffenden Länder für den europäischen Verkehr, wenn natürlich 
auch weite Gebiete des Inneren (besonders Südamerikas) bis in unser 
Jahrhundert unbetreten blieben. 

§ 13. Die Syphilis in Haiti, Central- und Südamerika. 

Die Berichte des Diaz de Isla, Oviedo und Las Casas 
lieferten uns Angaben von sehr bestimmter Natur, beruhend auf 
positiven Aussagen und Beobachtungen von Augenzeugen 
über die uralte Existenz der Syphilis in der neuen Welt und ihre 
Einschleppung in Spanien und Verbreitung in Italien. Es erwächst 
also die Aufgabe, diese beiden Reihen von Thatsachen zu prüfen, 
weitere Beweise für dieselben beizubringen, so dass ihr Konnex über 
jeden Zweifel erhaben uns vor Augen liegt. Ich gehe zunächst dazu 
über, die präcolumbische Existenz der Syphilis in An>erika zu 
erweisen, um dann die Einschleppung der Krankheit in Spanien zum 
Gegenstande einer eingehenden Darstellung zu machen. 

Ein sehr wichtiges Zeugnis für die uralte Existenz der Syphilis 
auf der Insel Haiti, auf welches Montejo^) und Seier 2) mit Recht 
grosses Gewicht legen, ist dasjenige des Hieronymitenpaters Roman 
Pane^), in der „Escritura del pobre eremita Roman Pane del Orden 
de San Geronimo'*, welche der von Ferdinand Columbus ver- 
fassten Biographie des Christoph Columbus beigegeben wurde. 
Diese „Verdadera relacion de la vida y hechos de el Almirante su 
padre" des Hernando Colon ist im ursprünglichen spanischen 
Original nicht mehr vorhanden. Sie wurde von Alonso de Ulloa 
ins Italienische übersetzt („Historie del Signor D. Fernando Colombo, 
nelle quali si ha particolare e vera relatione della vita e de' fatti deir 



i) Montejo, „Congr. Araer.", S. 358 — 359. 

2) E. Sei er, „Ueber den Ursprung der Syphilis" in: Zeitschrift für Ethnologie, 
Bd. XXVII, Heft 5, S. 450, Berlin 1895. 

3) Vgl. Anhang, Beilage II, Nr. 4. 



— 202 — 

Ammiraglio D. Christoforo Colombo suo Padre", Venedig 1571), und 
diese italienische Ausgabe im Jahre 1749 von Andres Gonzalez 
Barcia ins Spanische zurückübersetzt. In neuerer Zeit wurde be- 
sonders von Harrisse, dem berühmten Columbusforscher, die 
Authenticität dieser dem Ferdinand Columbus zugeschriebenen 
Lebensbeschreibung seines Vaters bestritten. Es hat aber Fabie den 
überzeugenden Nachweis erbracht, dass Ulloa's Uebersetzung wört- 
lich mit einigen Auszügen des Las Casas in dessen „Historia general 
de las Indias" übereinstimmt. Die gleiche Entdeckung hatte schon vor- 
her Jimenez de la Espada gemacht^). Endlich hat Peragallo in 
einem umfassenden Werke die volle Glaubwürdigkeit und Authen- 
ticität der erwähnten Biographie dargethan, indem er noch Bruch- 
stücke des spanischen Originals ans Licht zog 2). 

Hiernach wird auch von allen neueren Amerikanisten die 
Authenticität der von Don Hernando Colon seiner Schrift beige- 
fügten „Escritura** des Roman Pane angenommen, die übrigens 
niemals ernstlich bezweifelt wurde. Ferdinand Columbus hatte 
gute Gründe, diesen Bericht in sein Werk aufzunehmen. Denn 
Roman Pane begleitete den Entdecker auf seiner zweiten Reise, 
und die „Escritura" muss denn auch nach der Rückkehr von der- 
selben, also etwa 1497 oder 1498, niedergeschrieben worden sein. 
Roman Pane war, wie Seier bemerkt, als Ethnograph nach 
Haiti gegangen. Er beschäftigte sich während seines mehrjährigen 
Aufenthaltes auf dieser Insel mit den vStudien der Geschichte, der 
Sagen , Sitten und Gebräuche der Indianer , zeichnete die alten 
Märchen und Traditionen derselben auf und machte sich auch mit 
ihrer Sprache vertraut. 

Es heisst nun an einer Stelle seines Berichtes, wo von dem 
alten Nationalheros, dem Erzvater Guagagiona, die Rede ist: 

„Als Guagagiona auf dem Lande war, wohin er gegangen war, sah er eine Frau, die 
er im Meere zurückgelassen hatte und an welcher er grosses Gefallen fand, und augen- 
blicklich suchte er viele Waschmittel zusammen, um sich zu waschen, weil 
er mit der Krankheit behaftet war, welche wir die französische nennen, und dann 
begab er sich in eine „Guanara", was einen abgesonderten Ort bezeichnet, wo er seine 
Geschwüre ausheilte."") 

i) Vgl. die Diskussion zwischen Fabi6 und Jim6nez de la Espada in den Ver- 
handlungen des vierten internationalen Amerikanistenkongresses, Madrid 1882, Bd. I, S. 1 13-1 15- 

2) Prospero Peragallo, ,,L'autenticita delle Historie di Fernando Colombo, e le 
critiche di E. Harrisse, con ampli frammenti del testo spagnuolo di don Fernando". Genua 
1885, 8°, 307 Seiten; ferner „Riconferma dell' autenticitä delle Historie di Fernando Co- 
lombo", Genua 1885, 8®, 42 Seiten. 

3) „Historia del Almirante de las Indias Don Christoval Colon", ed. Barcia, 
Madrid 1749, S. 63, Col. i. 



— 2ü3 — 

Guagagiona (Vagoniona) ist dasjenige halb göttliche, halb 
menschliche Wesen (sogenannte „Chemiin"), welches in den Mythen 
der Urbewohner von Haiti die Hautotrolle spielt. Er wird vor allem 
als grosser Liebhaber der Frauen daVgestellt. Er hält sich mit zahl- 
reichen Weibern in einer Höhle auf, führt auch eine ganze nur aus 
weiblichen Personen bestehende Kolonie nach der Insel Matininö 
(Martinique) und steigt zu schönen Frauen auf den Grund des Meeres 
hinab, durch deren Verführungen er in der Unterwelt zurückgehalten 
wird ^). Kein Wunder, dass dieser weibertolle Heros an Syphilis 
erkrankte ! 

Um die oben mitgeteilte Stelle richtig zu verstehen, muss man 
sich vergegenwärtigen, dass sie einen Bericht des Roman Pane 
nach der Erzählung der Indianer darstellt. Er liess sich von ihnen 
die alten Sagen erzählen. Es ist gewiss, dass ihm die Indianer, als 
sie von der Krankheit des Guagagiona sprachen, entweder einen 
mit derselben Behafteten zeigten oder ihm die Symptome derselben 
beschrieben. Pane hatte sicherlich zahlreiche an Syphilis Leidende 
stets vor Augen und konnte nun nach seiner Rückkehr nach Europa 
die Identität der Krankheit mit dem „mal frances" feststellen. 

Es ist also an dieser Stelle durchaus nicht die „Franzosen- 
krankheit" antizipiert, wie man behauptet, oder etwa einfach ein- 
geschoben, sondern es handelt sich nur um eine blosse nachträgliche 
Benennung, die die Sache selbst nicht im geringsten tangiert. 

In der That ist diese alte haitische Tradition von der Krank- 
heit des Guagagiona eine überaus wertvolle und interessante Ur- 
kunde für die präcolumbische Existenz der Syphilis unter den Karaiben 
dieser Insel. Der Heros entbrennt in heisser Liebe zu einem schönen 
Weibe, aber unglücklicher Weise gerade in dem Augenblicke, als er, 
schwer von der Syphilis heimgesucht, am ganzen Körper mit Ge- 
schwüren (Ilagas) bedeckt ist. Der vielerfahrene Don Juan weiss 
ganz genau, dass die von ihm Begehrte sich ihm in seinem jetzigen 
Zustande nicht hingeben wird, weil sie die Folgen fürchtet: die An- 
steckung! Seine Heilung ist die conditio sine qua non seines 
Liebesglückes. Rasch entschlossen beginnt er sofort die Kur. Und 
es ist von grosser Bedeutung, dass die Indianer dabei offenbar 
ihre damals üblichen Syphilis-Kuren beschrieben haben, die wesent- 
lich in Hydrotherapie („viele Waschmittel", muchos labatorios) und 
in Schwitzkuren in einem abgesonderten Räume bestanden, ganz 
ähnlich wie die Guajak-Kuren beschrieben werden. 



i) Vgl. A. Bastian, „Die Kulturländer des alten Amerika", Berlin 1878, Bd. II, 
S. 287; S. 305 — 307; S. 310, 311, 312. (Zusammenstellung der Sagen über Guagagiona.) 



Was aber in einer geradezu glänzenden Weise die vollkommene 
Authenticität und überzeugende Beweiskraft dieses merkwürdigen 
Dokumentes darthut, das ist das Wort „Guanara". Ich muss mich 
wundern, dass selbst der findige Montejo dasselbe anscheinend gar 
nicht beachtet hat. Denn es ist ohne Zweifel das „guaynaras" 
des Diaz de Isla. Dieser berichtet, dass die Indianer von Espanola 
die Syphilis „guaynaras" nennen. Kein Sprachforscher wird daran 
zweifeln, dass „guanaras" und „guaynaras'* dasselbe sind, zumal da 
sie beide nur in Verbindung mit der Syphilis gebraucht 
werden. Jenes abgesonderte Haus wurde eben seinem Zwecke ge- 
mäss als „Syphilis-Haus** bezeichnet, wie man bei uns von „Franzosen*' 
und „Franzosenhäusern** sprach. Vielleicht aber bezeichnete in dem 
primitiven Wortschatz der Karaiben das Wort „guanara** (guaynaras) 
sowohl die Syphilis als auch das Syphilishaus. In jedem Falle ist 
die Uebereinstimmung zwischen Diaz de Isla und Roman Pane 
in diesem Punkte evident Ebenso machen Beide ähnliche Angaben 
über die indianische Heilmethode der Syphilis. Kurz, der Bericht 
des Roman Pane enthält so viele positive und bestimmte That- 
sachen, dass die mythische Hülle eben nur eine Hülle ist, unter 
welcher die Wirklichkeit mit überraschender Deutlichkeit zum Vor- 
schein kommt. 

Weniger beweiskräftig, aber doch von Interesse ist eine Stelle 
aus der oben erwähnten Biographie des Christoph Columbus 
von Ferdinand Columbus. Es ist von der dritten Reise des 
Admirals die Rede, und zwar von seiner Ankunft in der neuge- 
gründeten Stadt San Domingo an der Südküste von Espanola. „Er 
hoffte hier,** sagt Don Fernando, „von den Beschwerlichkeiten der 
Reise auszuruhen und unter seinen Leuten Frieden zu finden. Aber 
er fand gerade das Gegenteil. Denn alle Familien der Insel waren 
in grossem Tumult und Aufruhr, und eine grosse Zahl der von ihm 
zurückgelassenen Leute war schon umgekommen, und es waren nur 
noch 1 60 Männer übrig, die alle am Franzosenübel erkrankt waren*' ^). 

Die hier berichtete Thatsache fällt zwar erst in das Jahr 1 498, aber 
daran kann nicht gezweifelt werden, dass die betreffenden 160 Per- 



l) „Sperö d'esservi giusto per riposarsi de' trauagli patiti in quäl via^io, e di tro- 
varvi molta pace fra le sue genti: ma trovö nondimeno tutto il contrario, percioche tutte le 
famiglie dell' Isola erano in gran tumulto, e seditione: percioche gran parte della gente, da 
lui lasciatavi, era gia morta, e de gl) altri ve n'erano piu di CLX ammalati di mal Fran- 
cese." Historie del S. D. Fernando Colombo, nelle quali s'ha parücolare, e vera rela- 
lione della vita e de* fatti dell' Ammiraglio D. Christoforo Colombo suo padre etc. 
Nuovamente di lingua Spagnuola tradotte nelP Italiana dal S. Alfonso UUoa. Venedig 
1571, S. 154. 



— 205 — 

sonen, d. h. alle noch Uebriggeblieben erst auf Hai'ti an Syphilis 
erkrankt waren und zwar in einer erst kürzlich von ihnen besiedelten 
Gegend der Insel. Dies geht doch aus dem ganzen Zusammenhange 
hervor. Es ist daher wahrscheinlich, dass diese i6o „hombres" von 
den indianischen Weibern angesteckt wurden; denn europäische Weiber 
standen ihnen nicht zu Gebote, da ja ausdrücklich gesagt wird, dass 
nur noch Männer übrig geblieben waren. Implicite deutet doch 
auch hier der Text an, dass die Spanier sich die Syphilis von 
einem Volke geholt haben, unter welchem dieselbe längst hei- 
misch war. 

Mit allem Vorbehalte endlich gedenke ich hier einer Aeusserung 
in dem 156. Briefe des Petrus Martyr, die sich anscheinend eben- 
falls auf die Syphilis in Haiti bezieht. V. A. Hub er hat zuerst auf 
dieselbe aufmerksam gemacht^). Der vom Januar 1495 datierte 
Brief bringt folgende Bemerkung über die Weiber der Insel Haiti: 
„Beide Geschlechter gehen nackt auf der Insel umher, ausgenommen 
die kranken (corruptas) Weiber, welche nur ihre Hüften mit einem 
Hüftschurz bedecken 2).*- Offenbar ist hier von einer Krankheit der 
Geschlechtsteile die Rede, da die „corruptae mulieres", um die 
„Corruptio*^ zu verbergen, die Genitalien verdecken. Aber ob das Syphilis 
sei, kann natürlich nicht mit Sicherheit behauptet werden, obgleich es 
^wahrscheinlich ist, da in jener Zeit ja bei fast allen gleichzeitigen Be- 
richterstattern über die neue Welt von den syphiliskranken Weibern 
die Rede ist (Diaz de Isla, Oviedo, Las Casas). Eine wichtigere 
Frage ist die, ob das Datum des Briefes richtig ist, und da dieses 
bei der oben geschilderten bekannten chronologischen Verwirrung 
in dem „Corpus epistolarum" des Petrus Martyr sehr zweifelhaft 
ist, so können wir füglich dieses Dokument ganz auf sich beruhen 
lassen. 

Aber die zeitgenössischen Berichte des Diaz de Isla, Oviedo, 
Las Casas und Roman Pane genügen durchaus, um die präcolum- 
bische Existenz der Syphilis auf der Insel Haiti (Espanola) als voll- 
kommen erwiesen hinzustellen. Damit wäre ja die Frage der Ein- 
schleppung der Syphilis in Europa auf eine sichere Basis gestellt. 
Ich betone, dass die Syphilis auf Haiti, deren präcolumbische Existenz 
nicht angezweifelt werden kann, der unselige Urquell war, aus dem 
sich dann alsbald das Gift in solchen Strömen über Europa und die 



i) V. A. Hub er, „Bemerkungen über die Geschichte und Behandlung der vene- 
rischen Krankheiten", Stuttgart u. Tübingen 1825, S. 35. 

2) „Uterque sexus universa in insula nudus agit, praeter corruptas mulieres quae 
femoralibus quibusdam gossampiis femoralia tantum contegunt." CiL nach Huber a. a. O, 



— 20b — 

ganze alte Welt ergoss. Die Frage, ob die Syphilis in präcolumbi- 
scher Zeit auch auf dem Festlande von Amerika existiert hat, ist 
sekundärer Natur, da ja in Beziehung auf die Herkunft der Syphilis 
für Europa nur Haiti bezw. die Antillen in Betracht kommen. In- 
dessen gebietet nicht bloss das rein wissenschaftliche Interesse eine 
weitere Verfolgung des Gegenstandes, sondern es wird aus dieser 
noch manche wichtige Aufklärung über den Ursprung der Syphilis 
geschöpft werden können. 

* * 

* 

Die präcolumbische Existenz der Syphilis auf den Antillen macht 
ohne weiteres diejenige auf dem Festlande des nahen Centralamerika 
wahrscheinlich. Es sind zum grössten Teile die unermüdlichen Nach- 
forschungen Montejo's, welche ein bisher ganz unbekanntes Material 
zur Kenntnis der präcolumbischen Syphilis von Mexiko und Süd- 
amerika zu Tage gefördert haben. Auf Montejo fussend hat der 
gegenwärtig hervorragendste Kenner der altmexikanischen und 
centralamerikanischen Kultur, Prof. Dr. Eduard Seier in Berlin, 
von neuem die von Montejo mitgeteilten Thatsachen einer Prüfung 
unterzogen, und ich kann mich in meinen Ausführungen, die auch 
noch einiges Neue bringen, durchgängig auf das Urteil dieses zuver- 
lässigen deutschen Forschers stützen. 

Mexiko wurde erst in den Jahren 15 19 -1521 durch die Er- 
oberung des Ferdinand Cortez der europäischen Kultur erschlossen, 
und die Bewohner dieses Landes kamen zuerst um jene Zeit mit den 
Europäern in Berührung. Als daher im Jahre 1529, also nur acht 
Jahre nach der Besitznahme des Landes, der Franciskanerpater 
Bernardino de Sahagun, nach Mexiko kam, fand er gewiss dort 
noch einen in jeder Beziehung jungfräulichen Boden vor. Sahagun, 
der in Salamanca studiert hatte, beschäftigte sich besonders mit der 
Linguistik, erlernte sofort nach seiner Ankunft die aztekische Sprache, 
die er bald in geradezu meisterhafter Weise beherrschte^). Er selbst 
lehrte dann die Mexikaner Spanisch und selbst Lateinisch 2). Nach- 
dem er so die Möglichkeit der denkbar besten gegenseitigen Ver- 



i) ,,Tdiomatis Mexicani periiiam adeptus fuit singularem." Nicolas Antonio, 
„Bibliotheca Hispana Nova*', Madrid 1783, Bd. I, S. 219 — 220. 

2) Sahagun rühmt sehr die Fähigkeit der alten Mexikaner, fremde Sprachen, be- 
sonders die lateinische, zu erlernen. Berühmt wurden vor allem die eingeborenen Schrift- 
steller: Ixtlilxochitl, der Neffe des letzten mexikanischen Herrschers Montezuma, 
Tezozomoc, Chimalpahin, alle noch aus der alten praecolumbischen Zeit stammend. — 
Uebrigens wirkten neben Sahagun noch andere gelehrte Spanier als Erzieher der Mexi- 
kaner, wie F. Toribio Motolinia, Andres de Olmo, Alonso de Molina. 



J 



207 — 

ständigung erreicht hatte, Hess er sich auf das genaueste von den 
Indianern über ihre ganze Vergangenheit berichten. Es geschah dies 
in der Klosterschule von Santa Cruz zu Tlatelolco, die von dem 
Vicekönige Antonio de Mendoza bald nach der Eroberung Mexi- 
kos gegründet worden war. Hier war Sahagun 40 Jahre lang bis 
zu seinem Tode unermüdlich thätig, die Kinder der hervorragendsten 
Mexikaner, die aus allen Teilen des Landes dahin kamen, zu unter- 
richten, und zwar nicht bloss in Grammatik und Sprachen, sondern 
auch in realen Wissenschaften, wie z. B. der Medizin. Er dagegen 
sammelte während dieser Zeit das Material zu seiner grossartigen 
„Historia general de las cosas de Nueva Espana*', nach Sei er einer 
„Encyklopädie des altmexikanischen Wissens, so wie es von den Mexi- 
kanern ausgearbeitet und von Generation zu Generation fortgepflanzt 
wurde" ^). Er Hess sich alle in diesem Werke enthaltenen Mittei- 
lungen von den Indianern selbst diktieren und zwar in azte- 
kischer Sprache^), indem er überall auf die Feststellung der Wahr- 
heit den grössten Wert legte ^). So bietet uns dieses Werk ein treues 
Bild altmexikanischen Lebens und altmexikanischer Kultur, und mit 
Recht legt deshalb Seier gerade den Mitteilungen des Sahagun 
über die Syphilis den allergrössten Wert bei. Zwei Stellen kommen 
hier besonders in Betracht. 
Die erste lautet: 

„Paragraph V. Von anderen Krankheiten und Heilmitteln dagegen. Die 
Krankheit der Syphilis (bubas) heilt man, indem man einen Aufguss des Krautes tletlemaitl 
trinkt und einige Bäder nimmt und auf die Geschwüre das pulverisirte Kraut tlaque- 
quetzal oder Kupferfeilspäne streut. Von diesen Pusteln giebt es zwei Arten: — die 
einen sind sehr schmutzig, die nennt man tlaca^ol-nanauatl (grosse, geschwollene 
Pusteln), die andern nennt man tecpil-nanauatl (Cavalier-Pusteln) oder auch pocho- 
nanauatl (Bombax - Ceiba - Pusteln). Und diese Syphilis (bubas) verursacht starke 
Schmerzen, erzeugt Lähmungen der Hände und Füsse und frisst sich in die Knochen 
ein. Und wenn die Pusteln aufbrechen, so soll man Atolle (Maismasse in Wasser aufge- 
kocht), vermischt mit dem Samen des Krautes michi-nauatli, oder einen Aufguss der 
Wurzel quauhtepatli trinken und zwar vier- oder fünfmal am Tage, und einige Bäder 
nehmen. Und wenn Lähmungserscheinungen eintreten, so soll der Kranke einen Aufguss 



1) E. Seier a. a. O., S. 452. 

2) E. Seier, ibidem. Jourdanet und Sim^on in ihrer Uebersetzung („Histoire 
generale des choses de la Nouvelle-Espagne par le R. P. Fray Bernardino de Saha- 
gun", trad. et annot^e par D. Jourdanet et R6mi Sim^on, Paris 1880), S. VH. 

3) Das Werk des Sahagun wurde im Manuskript erst am Ende des 18. Jahr- 
hunderts von Juan Bautista Munoz in der Bibliothek des Franziskanerklosters von 
Toloza entdeckt. C. M. de Bustamante veranstaltete die erste Ausgabe (Mexiko 1829), 
kurz darauf Kingsborough (London 1830). Die Bilder und Glossare, welche zu der 
Schrift gehörten, sind noch nicht gefunden. Vielleicht existieren sie noch. Der Original- 
codex ist jetzt in der Bibliothek der „Real Academia de la Historia" zu Madrid. 



— 2o8 — 

der Wurzel tlatlapanaltic trinken und sich hinten zur Ader lassen. Dieselben Heilmittel 
gebraucht man bei der anderen Art Bubas." 

Es ist kein Zweifel, dass die hier beschriebene Krankheit die 
typische Syphilis ist, und es ist von der aller grössten Bedeutung, 
dass die Indianer, welche dem Sahagun diese Krankheit und ihre 
komplizierte Heilmethode schilderten, eine so tiefe Einsicht in die 
Symptomatologie der Krankheit bekunden, dass sie sogar ganz offen- 
bar das grosspustulöse von dem kleinpustulösen Syphilide unter- 
schieden und das Auftreten des ersteren als ein Zeichen der Malig- 
nität betrachten. Die Syphilis = Nanauatl wird in eine „tlaca^ol- 
nanauatl" und eine „tecpil'*- bezw. „pocho-nanauatl" unterschieden. 
Jourdanet erklärt „tlaca^ol" als grosse Pusteln, die sich zu grossen 
Geschwüren entwickeln können. Die beiden anderen Formen da- 
gegen stellen nur kleine Pusteln dar, die selten das Gesicht ein- 
nehmen („tecpilli** = Cavalier; „pocho" = Finne, Knopf, bouton)^). 

Genau ebenso hat Sei er die Stelle übersetzt 2). Diese diagnosti- 
sche Unterscheidung zeugt von einer ungemeinen Kenntnis der Symp- 
tomatologie und des Verlaufes der Krankheit. Die Mexikaner 
unterschieden bereits einen schweren und leichten Verlauf der 
Syphilis. Auch wir betrachten das grosspustulöse Syphilid als 
Aeusserung einer besonders schweren syphilitischen Erkrankung, die 
sich auch durch den raschen Zerfall der Hautefflorescenzen auszeich- 
net, wie sie ebenfalls hier geschildert wird. Denn die weiteren Be- 
merkungen beziehen sich ohne Zweifel auf diese maligne Form, die 
mit heftigen Schmerzen, mit Gelenkaffektionen und Knochenerkran- 
kungen einhergeht. 

Von nicht geringerem Interesse sind die Bemerkungen über die 
ausserordentlich rationelle Behandlungsweise der Syphilis bei den 
Mexikanern. Es war erstens eine innere, medikamentöse, zweitens 
eine örtliche dermato-chirurgische (Streupulver und Aderlass) 
und eine Hydro- Therapie. Für die interne Behandlung kamen 
wesentlich vegetabilische Substanzen, für die äussere pflanzliche und 
mineralische Stoffe sowie Bäder und chirurgische Eingriffe in Betracht. 
Trotz der Kürze der Mitteilung erhalten wir so den Eindruck, dass 
die Mexikaner mit den Kennzeichen und der Therapie der Syphilis 
aufs beste vertraut waren. 

Noch bedeutsamer ist das zweite Kapitel des siebenten Buches 
des Werkes von Sahagun. Hier spielt nämlich die Syphilis eine 



1) Jourdanet a. a. O., S. 652. 

2) E. Seier a. a. O., S. 451. 



— 2og — 

Rolle in den Mythen^) der Mexikaner, die unzweifelhaft aus 
altheidnischer Zeit stammen. Mit Recht bemerkt Seier, dass 
durch diese Thatsache die oben angeführte S ah agun stelle eine ganz 
andere Bedeutung bekommt. 

Der Ort der Handlung ist Teotiuacan, eine schon in präco- 
lumbischer Zeit verlassene Stadt in der Nähe der Lagune von Tetzcuco. 
Noch heute ragen an dieser Stelle die beiden grossen Pyramiden 
(„tzaqualli") der Sonne und des Monde3 auf 2). Das betreffende Kapitel 
behandelt nämlich die Beleuchtung der Welt durch Sonne und 
Mond: 

„Auf folgende Weise begann der Mond die Welt zu erleuchten. Man sagt, dass 
die Götter, zu der Zeit, als' es noch Nacht in der Welt war, in Teotiuacan zusammen- 
kamen und einander fragten: Wer soll die Welt erleuchten? Worauf ein Gott, „Tecu- 
ciztecatl" mit Namen (der Mondgott), antwortete: „Ich nehme es auf mich, sie zu er- 
hellen**. Zum anderen Male fragten die Götter: „Wer will es noch?" Sie betrachteten 
sich g^enseitig, indem sie schauten, wer es sein möchte, und Keiner wagte dieses Amt zu 
übernehmen. Alle hatten Furcht und entschuldigten sich. Einer von ihnen, auf den man 
nicht achtete und der die Syphilis (bubas) hatte, hörte still den anderen zu. Diese 
wandten sich endlich an ihn und sagten : „Sei Du es, kleiner Syphilitiker (bubosito) !" Er 
gehorchte gern diesem Befehle und antwortete: „Ich nehme Euren Befehl als eine Gnade 
an. Es sei so!" Die beiden Auserwählten fasteten alsbald vier Tage lang, zündeten darauf 
ein Feuer in einem Felsenherde an, der jetzt „Teotexcalli" heisst („teotl" = Gott; „tex- 
calli" = Fels). Der Gott Tecuciztecatl opferte lauter kostbare Dinge; denn an Stelle 
von Blumen bot er herrliche Federn („quetzalli"), an Stelle von Gras goldene Kugeln, 
lemer kostbare Edelstein- und Korallendomen, endlich feinstes Copal-Räucherwerk. Der 
„Syphilitiker", der „Nanauatzin'* hiess (d. h. mit Syphilis behaftet), opferte neun grüne 
Halme, zu dreien aneinander gebunden, an. Stelle von gewöhnlichen Zweigen, ferner Gras- 
ballen und Maguryspitzen, auf die man das Blut, das man sich abzapfte, träufelte, und statt 
des Copals, die Schorfe von seinen Pusteln. 

Man erbaute für jeden der beiden Götter einen Turm in Form eines kleinen Hügels. 
Dort fasteten sie vier Tage und vier Nächte. Diese Hügel nennt man jetzt „Tzaqualli", 



i) Auf die Bedeutung der Mythen für die Urgeschichte der Medizin haben neuer- 
dings die geistvollen, auf breiter kulturgeschichtlicher Grundlage aufgebauten Forschungen 
von W. H. Röscher ein helles Licht geworfen. Er hat die Kriterien für eine realistische 
Deutung der mythischen Krankheiten festgestellt und für den Kreis der griechischen Mythen 
nachgewiesen, dass „reine Phantasiekrankheiten" in ihnen nicht vorkommen. Die von 
Röscher aufgestellten Forschungsprinzipien (vergl. besonders „Die Hundekrankheit der 
Pandareostöchter und andere mythische Krankheiten" in: Rhein. Mus. f. Philologie, Bd. LH, 
S. 201 — 202) eröffnen die glückliche Aussicht auf die Inangriffnahme einer Urgeschichte der 
Medizin auch von dieser Seite her, die bisher von den Prähistorikern und Geschichts- 
forschern der Medizin wenig beachtet wurde. — In der mexikanischen und centralamerika- 
nischen Mythologie (s. unten die Quich6) treten aber die Krankheiten noch in einer ganz 
besonders greifbaren Form auf, sie werden selbst zu göttlichen Wesen. Hier ist also die 
Herübemahme aus menschlicher Erfahrung vollkommen deutlich und demgemäss historisch 
verwendbar. 

2) Seier a. a. O., S. 452. 
Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 14 



— 210 — 

sie liegen bei der Stadt San Juan (d. i. Teotiuacan). Nach Ablauf der vier Fastnächte 
schichtete man rings um diesen Platz die Zweige, Blumen und anderen von ihnen ge- 
brauchten Gegenstände auf und brachte in der folgenden Nacht, etwas nach Mitternacht, als 
der Dienst beginnen sollte, dem Tecuciztecatl einen Schmuck, bestehend aus Federn 
(„aztacomiti") und einer leichten Jacke. Dem Syphilitiker Nanauatzin bedeckten sie das 
Haupt mit einer Papiermütze („amatzontli**), und bekleideten ihn mit einer Papierstola und 
einem Gürtel. Um Mitternacht versammelten sich alle Götter bei dem Felsen „teotexalli", 
wo das Feuer vier Tage brannte. Sie teilten sich in zwei Reihen, die sich an beiden 
Seiten des Feuers aufstellten. Die beiden Auserwählten nahmen gerade gegenüber dem 
Felsen Platz, das Antlitz dem Feuer zuwendend, zwischen den beiden Reihen der Götter, 
die sich an Tecuciztecatl wandten und ihm zuriefen: „Frisch, Tecuciztecatl, wirf 
Dich ins Feuer!'* Dieser versuchte es, wurde aber von der Hitze und Grösse des Feuers 
so sehr erschreckt, dass er zurückprallte. Auch ein zweites Mal versagte ihm der Mut, 
ebenso beim dritten und vierten Anlauf. Nun war aber befohlen worden, dass Niemand 
mehr als vier Mal den Versuch machen durfte. Daher wandten sich die Götter nach diesen 
vier Proben an Nanauatzin und sprachen: „Wohlauf, Nanauatzin, versuche Du es!" 
Kaum waren diese Worte gefallen, als er seine Kräfte sammelte, die Augen schloss, sich 
aufschwang und ins Feuer sprang. Alsbald brannte er lichterloh. Als Tecuciztecatl 
ihn so brennen sah, fasste er ebenfalls Mut und stürzte sich in die Glut. Man erzählt, 
dass ein Adler zu gleicher Zeit hineinflog und mit verbrannte, daher dieser Vogel jetzt 
schwärzliche Federn hat. Ein Tiger folgte ihm, ohne zu verbrennen, und wurde nur be- 
schädigt, so dass er fortan schwarz weiss gefleckt war. Seitdem pflegt man die im Kriege 
Untüchtigen „quauhtlo-celotl" zu nennen, und zwar „quauhtli", weil der Adler zuerst ins 
Feuer flog, und „ocelotl", weil der Tiger ihm folgte. 

Nachdem die beiden Gottheiten ins Feuer gesprungen und von demselben verzehrt 
waren, setzten sich die übrigen Götter, in dem Glauben, dass Nanauatzin nicht zögern 
würde, sich zu erheben. Sie hatten schon lange gewartet, als der Himmel sich zu röten 
begann, und man den Schein der Morgendämmerung erblickte. Die Götter warfen sich auf 
die Kniee, um Nanauatzin, den zur Sonne Gewordenen, zu erwarten, ohne, zu wissen, 
von wo er kommen würde" *). 

Wie dieser merkwürdige Mythus zu deuten sei, kann an dieser 
Stelle nicht erörtert und muss den Kennern der aztekischen Götter- 
sagen überlassen werden. Für uns ist die einzige Thatsache von 
grösster Wichtigkeit, dass bereits in präcolumbischer Tradition die 
Syphilis erwähnt wird. „Nanauatl" ist Syphilis, „Nanauatzin" ist der 
„kleine Syphilitiker", zugleich der Name des Gottes. Und das für 
die Syphilis als eine konstitutionelle Erkrankung am meisten 
charakteristische vSymptom, die Hautaffektion, wird deutlich be- 
schrieben. 

Der Sonnengott wurde überhaupt von den Mexikanern als 
Urheber der Geschlechtskrankheiten betrachtet. Seier bemerkt 
darüber: ,.An dem Tage, der nach der Weise der Mexikaner mit 
der Ziffer „eins** und dejn Zeichen xochitl „Blume" benannt wurde. 



i) Vgl. E. Seier a. a. O., S. 452; Jourdanet a. a. O., S. 478; Bastian a. a. 
O., Bd. II, S. 602. — Original der Sahagun-Stellen s. im Anhang, Beilage II, Nr. 5. 



21 I 



feierten die Mexikaner das Xoxilhuitl, das „Bl^tnenfest". das ein 
Paar verwandten Göttern galt, von denen der eine Macuil xochitl 
„Fünfblume*', der andere Xochipilli „Blumenprinz" genannt wurde. 
Es war das ein Gott, wie Sahagun sagt, etwa gleich dem zuvor 
von dem Autor behandelten Feuergott (d. i. Nanauatzin). 
Aber er war insbesondere der Gott der Leute, die in den Palästen 
der Könige ihre Wohnung haben. Denn er wurde von den Mexi- 
kanern als der Gott des Tanzes, Gesanges und Spiels betrachtet. 
In seiner Heimat indess, das sind die Gebiete an den Grenzen der 
Zapoteca, hat dieser Gott eine bedeutsamere Stellung. Es war der 
Sonnengott, der in Gestalt eines Vogels vom Himmel herabkam i). 
Vor dem Feste dieses Gottes war bei den Mexikanern vier Tage 
lang ein strenges Fasten geboten. Und wenn einer in dieser 
Zeit mit einem Weib Umgang hatte, oder ein Weib mit 
einem Manne, so sagte man, dass der, oder die, ihr Fasten be- 
schmutzten, und dass der Gott darüber sehr beleidigt sei und darum 
die, welche solches thaten, mit Krankheiten an den Ge- 
schlechtsteilen bestrafte'* 2). 

Also die, welche „solches thaten", d. h. geschlechtlichen 
Verkehr pflegten, erkrankten an Genitalaffektionen. Wohl be- 
merkt, wird auch dieses wieder in dem uralten aztekischen Texte 
berichtet. Ebenda selbst werden die verschiedenen Geschlechts- 
krankheiten aufgezählt, woraus wir ersehen, dass die alten Mexi- 
kaner eine sehr genaue Kenntnis derselben besassen und die kon- 
stitutionelle Syphilis deutlich von den rein lokalen Geschlechts- 
leiden unterschieden. 

Da an Stelle von Nanauatzin, dem Sonnengotte, auch Xochitl 
oder Xochipilli als Gott der Sonne genannt wird, so hiess die 
Syphilis nach diesem auch „xochiciuitztli", welches Wort Sahagun 
synonym mit „Bubas" (Syphilis) gebraucht^). Er sagt z. B. Buch 
lo, Kap. 28, § i: „Die Krankheit der Male im Gesicht (paiio del 
rostro) oder der Flecken, die von der Krankheit der Almorranas 
oder Syphilis, einer inneren Wunde oder der Schamleisten- 
krankheit" zu kommen pflegen, heilt man mit dem Kraut tletle- 
maitl". Hier wird wiederum der bündige Beweis geliefert, dass 



1) Vgl. E. ^eler, „Wandmalereien von Mitla", Berlin 1895, S. 35. 

2) E. Seier a. a. O. (Zeitschr. f. Ethnologie 1895), S. 452 — 453. 

3) Es wird als „almorranas'*, Feigwarzen am After, übersetzt. Diese aber wer- 
den, wie die Sahagun-Stelle ergiebt, mit dem Gesichtsexanthem und der 
Hautaffektion in Zusammenhang gebracht! 

14* 



2 12 — 

bereits in präcolumbischer Zeit den Mexikanern die ganze Patho- 
genese der Syphilis bekannt war. Das Hautexanthem wird mit 
Affektionen der geheimen Teile ausdrücklich in Verbindung 
gebracht! Die „innere Wunde'* ist ein verborgenes Schankergeschwür, 
auch der Bubo geht der HautafFektion vorher, kurz es ist eine für 
jene Zeit bewunderungswürdige Einsicht in den Krankheitsverlauf 
vorhanden. Dciss „xochiciuiztli" die echte Syphilis bezeichnet, 
geht mit Sicherheit auch daraus hervor, dass sie mit dem Kraute 
tletlemaitl geheilt wird, die bereits in der ersten Stelle als Haupt- 
mittel gegen „nanauatl" (Syphilis) bezeichnet wurde. 

„Menexualitztli'*, ein Wort, dessen Etymologie nicht ganz 
klar ist, bedeutet höchstwahrscheinlich „Feigwarzen" (almorranas). 

Die Bubonen hiessen „quexiliuiliztli** („quechi-li = Leiste, 
Weiche). 

Unter „tlapalanaltiliztli" verstanden die alten Mexikaner ent- 
weder den weichen Schanker oder — was wahrscheinlicher ist 
— den Tripper. Es ist dies nämlich eine „Vereiterung des Penis** 
(Sahagun; enfermedad del que tiene podrido et miembro genital, 
podredumbre del miembro secreto), was wohl auf den eitrigen Aus- 
fluss aus der Harnröhre hindeutet. 

Dass den Mexikanern die Contagiosität der venerischen 
Krankheiten sehr wohl bekannt war, erhellt auch aus dem Umstände, 
dass sie mit anderen ansteckenden Hautkrankheiten wie 
z. B. Lepra (tegcocoliztli), parasitären Hautkrankheiten, Krätze etc. 
(xixiotl), eiternden Geschwüren etc. unter den Krankheiten genannt 
werden, die als „unrein" gelten. So wurde der an Syphilis (nanauatl 
oder xochiciuiztli) Verstorbene nicht verbrannt, sondern begraben 
und gelangte auch nicht in die Unterwelt, in das Reich Mictlante- 
cutli*s, sondern zu Tlaloc, dem Regengott, nach Tlalocan, dem 
irdischen Paradiese^). 

Eine willkommene Ergänzung zu dem Bericht des Sahagun 
bietet uns eine Schrift des spanischen Arztes Francisco Hernandez. 
Dieser wurde als Leibarzt Philipps IL um 1560 nach Mexiko ge- 
schickt, um die Naturgeschichte des Landes zu studieren und die 
Erzeugnisse desselben in naturwissenschaftlicher und medizinischer 
Hinsicht zu beschreiben. Die Ergebnisse seines langjährigen Aufent- 
haltes in Mexiko wurden von Hernandez zu einem grossen Werke 
verarbeitet, das in 1 7 Folio-Bänden (darunter zwei Bände Abbildungen) 
in der Bibliothek des Escurial handschriftlich aufbewahrt wird. Das 



i) E. Seier a. a. O., S. 453; Sahagun ed. Jourdanet, Hb. III, cap. 2, S. 225. 



— 2 13 — 

Werk ist in lateinischer Sprache abgefasst. Francisco Ximenez 
veranstaltete im Jahre 1615 eine spanische Ausgabe (Auszug) unter 
dem Titel „Quatro libros de la naturaleza y virtudes de las plantas, 
y animales que estan receuidos en el uso de medicina en la Nueva 
Espana, y el Methode, y correccion, y preparacion, que para admini- 
strallas se requiere, con lo que el Dotor Francisco Hernandez 
escrivio en lengua Latina. Muy util etc. etc., por Francisco Xime- 
nez etc. (Mexiko 16 15 fol.). Erst sehr viel später erschien ein 
bereits unter Philipp IL von Nardo Antonio Recchi angefertigter 
und wesentHch (wie die Ausgabe des Ximenez) die medizinischen 
Dinge betreffender Auszug: „Rerum medicarum novae Hispaniae 
thesaurus, seu plantarum, animalium, mineralium mexicanorum historia 
ex Francisci Hernandez in India primum collecta, dein a Nardo 
Antonio Reccho in volumen digesta: a. Jo. Terentio et Fabio 
Columna Lyncaeis notis et additionibus illustrata" (Rom 1648 bis 
165 1, 2 Bände in Fol. i). Endlich erschien im Jahre 1790 die (sehr 
seltene) Gesamtausgabe der Werke im lateinischen Original: „Francisci 
Hernandi Opera, cum edita tunc inedita, ad autographi fidem et 
integritatem expressa, impensa et jussu regio", (Madrid 1790, 
7 Bände 8^)2). 

Wie schon erwähnt, beruht das Werk des Hernandez auf 
Untersuchungen an Ort und Stelle, und zum grössten Teile auf den 
Angaben der Indianer selbst. Als er in Mexiko weilte, lebten noch 
viele Zeitgenossen der Conquista, und der Urzustand der mexikani- 
schen Kultur aus präcolumbischer Zeit war noch überall deutlich er- 
kennbar 3). 

Hernandez berichtet von der „Syphilis-Arznei" der alten Mexi- 
kaner und gebraucht dabei ein Derivativum desselben Wortes „na- 
navatl", welches wir bereits bei Sahagun als Bezeichnung der 
Syphilis angeführt fanden. Die „Syphilis- Arznei" ist „Nanavapatli", 
Es ist also die Arznei nach der Krankheit benannt. Aehnlich dürfte 
das „guanara" des Roman Pane mit dem „guaynaras" (= Sy- 



i) Vgl. Nicolas Antonio, „Bibliotheca Hispana Nova", Madrid 1783, Bd. I, 
S. 432; Artikel „Francisco Hernandez" im Biographischen Lexikon der hervorragenden 
Aerzte von A. Hirsch u. E. Gurlt, Wien u. Leipzig 1886, Bd. HI, S. 174; Lichten- 
stein, „Erläuterungen der Nachrichten des Francisco Hernandez von den einfüssigen 
Thieren Neuspaniens" in: Abhandlungen der Königl. Akad. der Wissensch. zu Berlin 1827, 
Berlin 1830, S. 89—127. 

2) Salva a. a. O., Bd. H, S. 96. 

3) Vgl. F. del Paso y Troncoso, „Estudios sobre la historia de la medicina 6n 
Mexico" in: Anales del Museo Nacional de Mexico 1886, Bd. UI, S. 206. 



— 214 — 

philis) des Diaz de Isla zusammenhängen, und auch aus neuerer 
Zeit liegen derartige Beispiele vor, dass das Heilmittel nach der Sy- 
philis oder umgekehrt die letztere nach dem ersteren benannt wird^). 
Kapitel 32 des sechsten Buches (fol. 200 der lateinischen, fol. iii 
der spanischen Ausgabe) handelt vom „Nanavapatli** und lautet: 

„Nanahvapatli, oder die Arznei der f^ranzosenkrankheit, die man auch „Palan- 
capatli" nennt, weil sie die Geschwüre heilt, ist eine Pflanze mit rauhen Blättern, die sehr 
zahlreich und jenen der PilosoUa vulgaris ähnlich sind. Der Stengel ist dünn, kurz und 
rund. Der Samen ist scharf und beissend, die Wurzel lang, dünn und faserig. Die Pflanze 
wächst an gemässigten Orten, wie z. B. in Tepuztlan. Sie ist heiss und trocken im zweiten 
Grade und von bitterem Geschmacke, riecht stark, heilt, wenn sie in gepulvertem Zustande 
auf putride Geschwüre gestreut wird, dieselben in ausgezeichneter Weise, woher sie auch 
„Palancapatli*' genannt wird. Sie heilt ferner die Melancholie und die von der, von den 
Bewohnern von Panuco „Mahua-quitliquin** genannten, Schlange Gebissenen. Ausserdem 
vertreibt sie, gepulvert und in Wasser oder irgend einer anderen Flüssigkeit aufgelöst und 
getrunken, gründlich die Krankheit, welche man das Franzosenübel oder die neapolitanische 
Krankheit nennt, indem sie alle schlechten Säfte beseitigt, die Geschwüre und Papeln heilt, 
an denen die mit dieser Krankheit Behafteten zu leiden pflegen. Welche Krankheit, 
was so klar wie Mittagslicht ist, aus diesem Westindien stammt, von wo sie 
sich ausbreitete und in die Länder der alten Welt verschleppt wurde. Denn es hat ja auch 
dieses Volk für diese Krankheit einen besonderen, autochthonen und uralten 
Namen (nombre proprio y natural y antiquo), den die anderen Krankheiten nicht haben" ^). 

Einer der ersten Aerzte, die bald nach der Eroberung nach 
Mexiko kamen, war Pedro Arias de Benavides, geboren in Tore. 
Er studierte in Salamanca die Medizin und war bereits im Jahre 1539 
in Mexiko, nachdem er vorher in Guatemala praktiziert hatte. In 
Mexiko war er 8 Jahre lang Leiter eines Hospitals und verfasste als 
Resultat seiner daselbst gesammelten Erfahrungen ein Werk „Decre- 
tos de Cirujia, en especial de las enfermedades de morbo 
galico y lamparones, y asimismo la manera como se curan los 
indios las Ilagas y heridas, y otros pasiones en las Indias, muy 
util y provechoso para Espana, y otros muchos secretos de cirujia 
hasta ahora no escritos". (Valladolid 1567, 8^ 332 S.) Es ist diese 
Schrift weniger bemerkenswert wegen der Mitteilungen über die 
zahlreichen Syphilisfälle, welche Benavides während seines Aufent- 
haltes in Mexiko zu behandeln Gelegenheit hatte, als wegen der 
Angabe, dass er bei der Behandlung der Syphilis die uralte 
Erfahrung der Mexikaner mit grossem Nutzen zu Rate g-e- 

i) So heisst die Syphilis in Bosnien „Kadovi" = Räucherung, nach dem Heilmittel. 
Vgl. L. Glück, jjUeber das Aller, den Ursprung und die Benennung der Syphilis in 
Bosnien und der Herzegowina" in: Archiv f. Dermat. u. Syphilis, Wien 1889, Bd. XXI, 

s. 347—352. 

2) Vgl. Anhang, Beilage H, Nr. 6. 



— 215 — 

zogen habe. Auch habe man in Mexiko mehr Gelegenheit, diese 
Krankheit zu behandeln als in ganz Spanien. „Die Eingeborenen 
keimen die Syphilis besser als ich.'* Diese Erklärung ist doch sehr 
bezeichnend. Mit Recht bemerkt Jourdanet, der diese Stelle mit- 
teilt, dass, wenn die Spanier die Syphilis erst in Mexiko eingeschleppt 
hätten, die Mexikaner wahrscheinlich ihre Kenntnisse der Krankheit 
und der Therapie von den Spaniern entlehnt haben würden. Wir 
finden aber das Umgekehrte. Die Mexikaner besassen eine sehr 
komplizierte, durchgängig auf die natürlichen Hilfsmittel des Landes 
(Heilpflanzen u. s. w.) sich stützende Therapie der Syphilis, welche 
die Spanier sich aneigneten ^). 



Ein sehr interessantes Dokument über die präcolumbische Exis- 
tenz der Syphilis in Centralamerika , dessen Montejo und Seier 
noch nicht gedenken, findet sich bei den Quiche in Guatemala 
Auch Dr. Hermann Prowe, der neuerdings einige Mitteilungen 
über die Medizin der Quiche gemacht hat^), erwähnt die Syphilis 
nicht. Ich wurde aber durch Prowers Bemerkungen auf die Schrift 
eines Quiche-Indianers aufmerksam gemacht, in welcher sich die Er- 
wähnung der Syphilis findet. Das Volk der Quiche hatte nicht nur 
eine Bilderschrift, sondern besass bereits im 15. Jahrhundert 
eine phonetische Schrift. Wie alte Chroniken bezeugen, schrieben 
die Quiche mit ihren Zeichen spanische Worte auf und lasen sie mit 
richtigem Klange wieder. „So lernten einige nun auch spanische 
Lautzeichen schreiben und machten davon Gebrauch, um Besitztitel 
für die Archive in Quiche-Sprache mit spanischen Buchstaben festzu- 
legen. Und als sie einmal so weit waren, fand sich auch ein Mann, 
der eine Art von Bibel seines Stammes auf diese Weise aufzeichnete. 
Sein Manuskript wurde 1680 von dem Dominikaner Jimenez auf- 
g-efunden und nicht schlecht übersetzt'*^). Das Manuskript dieser 
Uebersetzung wurde in der Universitätsbibliothek von Guatemala 
aufbewahrt, wo es Karl v. Scherzer im Juni 1854 entdeckte und 
1857 mit Unterstützung der Wiener Akademie herausgab*). In dieser 
Ausgabe heisst es auf Seite 157: 



i) Vgl. Jourdanet a. a. O., S. 874 — 875; R. Finckenstein a. a. O., S. 47. 

2) „Altindianische Medicin der Quich6 (Guatemala)** in: Zeitschr. f. Ethnologie 1900, 
Heft V, S. 352—354- 

3) H. Prowe a. a. O., S. 352—353- 

4) „Las Historias del origen de los Indios de esta provincia de Guate- 
mala, traducidas de la lengua Quich6 al Castellano para mas comodidad de los ministros 



— 2l6 — 

,,Und auch geben sie den Göttern viele Beinamen der Grösse, Weisheit und ähn- 
licher Dinge, und so nennen sie diesen Gott Tepeu, das heisst Syphilis (Bubas), und es 
galt unter den Adligen als vornehm, sie (die Syphilis) zu haben, da dies auf besonders 
grosse geschlechtliche Kraft im Umgange mit vielen Weibern hindeutete, 
bei welchem man sich die Krankheit zuzuziehen pflegt. Diesen Umgang kann 
das niedrige Volk nicht pflegen, und daher bekam der Name „Tepeu*^ (Syphilis) den Ge- 
ruch der Vornehmheit und Grösse"*). 

Dem mexikanischen Syphilisgott N an au atzin entspricht also 
bei den Quiche der Gott Tepeu. Und da auch heute noch die Sy- 
philis am leichtesten derjenige bekommt, welcher mit einer möglichst 
grossen Zahl Weiber zu thim hat, so ist es leicht verständlich, dass 
die Vornehmen unter den Quiche, die sich den Luxus eines ehelichen 
oder ausserehelichen Harems leisten konnten, auch eher jenes Danaer- 
geschenkes teilhaftig wurden als die misera plebs. So kam es, dass 
schliesslich die Syphilis als Krankheit der vornehmen Welt auch 
dementsprechend beurteilt und gewissermassen heilig gesprochen 
wurde. Sie bekam bei Mexikanern und Quiche ihre eigene Gottheit. 
Dieser Vorgang ist nicht vereinzelt. Auch bei den alten Griechen, 
bei den Israeliten, Phoenikem und anderen Völkern des Altertums 
treflFen wir diese eigentümliche Auffassung geschlechtlicher Verhält- 
nisse (Phalluscult und seine Beziehungen zu venerischen Krankheiten; 
die „heiligen" Päderasten des alten Testaments u. a. m.). Der Syphilis- 
gott Tepeu ist bereits eine mythische Figur. Es kann deshalb 
diesem Berichte derselbe Wert beigelegt werden, den Sei er dem 
mexikanischen Mythus von Nanauatzin zuspricht. 

Anhangsweise erwähne ich an dieser Stelle eine merkwürdige, 
mythische Erzählung der Mandanen (Südamerika), die bestimmt 
auf eine schwere venerische Krankheit, vielleicht auf Syphilis hin- 
deutet. Es handelt sich, wie der Prinz zu Neuwied berichtet, um den 
ersten Menschen (der Mandanen), der in ein feindliches Dorf kommt. 
Da die Dorfbewohner ihn und seine Begleiter weder durch Todt- 
füttern (sie) noch durch Rauchen vernichten konnten, versuchte 
man es durch Weiber. Numank- Machana aber benutzte beim 
Coitus statt seines eigenen Gliedes einen — Kuhschwanz. Kein 
Wunder, dass die Dorfbewohner verblüfft dabeistanden und die ge- 
waltigen Kräfte des ersten Menschen bewunderten 2). 



del S. Evangelio. Por El R. P. F. Francisco Ximenez. Exactamente segun el texte 
espaiiol del manuscrito originale que se halla en la biblioteca de la universidad de Guate- 
mala, publicado por la primeia vez etc. por el Dr. C. Scherzer. Wien 1857. 8 °." — 
Die 1861 in Paris erschienene französische Uebersetzung von Brasseur de Bourbourg 
war mir nicht zugänglich. 

i) Vgl. Anhang, Beilage II, Nr. 7. 

2) Vgl. A. Bastian a. a. O., Bd. II, S. 703 — 704. 



— 217 — 

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich hier um 
eine schwere und ansteckende Geschlechtskrankheit handelt. Die 
Dorfbewohner, welche den offenbar als Vielfrass und starken Raucher 
zur Welt gekommenen ersten Mandanen durch überreichliche Zufuhr 
dieser Genussmittel nicht umbringen können, führen demselben ein 
Weib zu, das an einer schweren Geschlechtskrankheit leidet. Er 
soll diese letztere durch den Coitus acquirieren. Der erste Mensch 
aber merkte das ihm drohende Unheil, kannte also bereits die Ge- 
fahren des sexuellen Verkehrs mit unbekannten Frauen, und, um 
die Erkrankung seines eigenen Membrum zu vermeiden, 
bediente er sich eines künstlichen in Gestalt einer Cauda vaccina. 
Welche Geschlechtskrankheit hier gemeint sei, lässt sich natürlich 
nicht entscheiden. Man kann an Syphilis denken, aber auch an 
phagedänischen Schanker; jedenfalls handelt es sich um eine von den 
Geschlechtsteilen ausgehende Affektion von solcher Bösartigkeit, 
dass sie den Tod herbeiführen konnte, und es verdient schon in 
dieser Hinsicht der Mythus ein gewisses Interesse. 



Im ersten Kapitel (§ 6, S. 58 — 97) sind die eigentümlichen 
Verhältnisse der Nomenclatur der Syphilis in der alten Welt 
ausführlich besprochen worden. Es ist gezeigt worden, dass es beim 
Auftreten der Lustseuche in der alten Welt keinen bestimmten 
Namen für dieselbe gab, dass jedes Land erst einen solchen erfinden 
musste, und dass dieser Umstand binnen kurzer Zeit eine überaus 
grosse Zahl von Benennungen der Syphilis in den verschiedenen 
Ländern hervorrief, die nach den verschiedensten Gesichts- 
punkten und Grundsätzen zu stände kamen, immer aber aufs 
deutlichste die Neuheit der Syphilis in dem betreffenden Lande er- 
kennen Hessen. 

Wie steht es nun mit der Nomenklatur der Syphilis im präco- 
lumbischen Amerika? Wenn wir hier überall bestimmte Namen 
für die Syphilis antreffen würden, die aus präcolumbischer Zeit 
stammen, so wäre dies einer der wertvollsten Beweise für die Existenz 
der Syphilis in jener Periode. Darauf hat schon Huber hinge- 
Aviesen^), und es ist das grosse und unbestreitbare Verdienst des 
vortrefflichen Montejo, dass er auch auf diesem Gebiete Klarheit 
geschaffen hat. Seinen Untersuchungen verdanken wir die über- 



i) V. A. Huber a. a. O., S. 40. 



ide Thatsache, dass nicht nur in Haiti und Centralamerilta, 
n auch bei den Urbewohnern Südamerikas, die Syphilis 

in präcol um bischer Zeit ilire eigenen bestimmten Namen hatte, 
3 wohl charakterisierte und von anderen Leiden deuthch unter- 
^ne Krankheit. Wohin die spanischen Missionare auch kamen, 

fanden sie diese Namen vor, die dann auch in den ersten 
■büchern der betreffenden Sprachen einen Platz gefunden haben 
mtlich aus präcolumbischer Zeit stammen. Es wird ausdrüclc- 
n den ahen Schriftstellern bezeugt, dass nur die Syphilis mit 
^treffenden Namen bezeichnet wurde, was durchaus glaubhaft 
i ja auch andere Krankheiten wie die „Niguas" und die 
e" schon damals diese noch heute gebräuchlichen Namen 

n Folgenden gebe ich eine kurze Uebersicht der betreffenden 

>iaz de Isla zählt als Benennungen der Syphilis in Haiti 

uaynaras (Guanara bei Roman Pane) hipas, taybas 

as. 

'ie ersten französischen Missionare fanden auf der gleichfalls von 

en bewohnten Insel Guadalupe für Syphilis den Namen: 

(„Yayati" = er leidet an Syphilis; „Yaya hone" ^ syphi- 
')■ 

■ei den Galibi (Kariben von Südamerika) heisst die Syphilis 
die Syphilitiker Pyanistin^. 

1 dem Span isch-kari bischen Wörterbuch des Kapuziner-Paters 
ilartin de Taudcll (Ms. der Privatbibliothek des Königs von 
n) findet sich für Syphilis das Wort: Putnijs), 
ilonso de Molina, einer von den ersten Missionaren, die un- 
ar nach der Eroberung Mexiko's ins Land kamen, verfasste 

ein grosses „Vocabulario espafiol-mexicano y mexicano- 
I", das am 4. Mai 1555 im Druck vollendet wurde*). Er hatte 
;i der Abfassung desselben der Unterstützung seines Freundes 



Raymond Breton, „Diclionnaire fran^ais-caribe", Auierre 1666, S. 399. — 
ch kam Guadeloupe erst 1635 in den Besitz der Franzosen, nachdem vorher die 
m Bewohner dieser Insel so gut wie gar nicht mit der europäischen Kultur in Be- 



■ Montejo, „Congr, Amer.", S. 341. 
I ibidem, S. 346 — 347. 
Gallardo, „Ensayo etc.", Madrid 1 



219 — 

Sahagun zu erfreuen^), so dass hier die gemeinsame Arbeit von 
zwei hervorragenden Kennern der aztekischen Sprache und Kultur 
vorliegt. — Auf Fol. 38 werden die folgenden Worte für Syphilis 
angeführt: 

Syphilis (allgemein) = Nanauatl. 

Der Syphilitiker = Nanauati, nanauatqui. 

An Syphilis leiden = Ninanauati. 

Leichte Form von Syphilis = Tecpil nanauatl, puchotl. 

Der an dieser Form Leidende = Tecpilnanauati. 

Schwere Form von Syphilis = Teuitznanauatl. 

Der an dieser Form Leidende = Teuitznanauati. 

Grosspustulöses, ulceröses Syphilid = Tlaca^olnanauatl. 

Der an diesem Leidende = Tlaca9olnanauati. 

Wir ersehen aus dieser Zusammenstellung die Identität der 
Benennungen mit den schon früher erwähnten, in den aztekischen 
Mythen vorkommenden Namen, und lernen auch hier wieder die 
interessante Thatsache kennen, das die alten Mexikaner bereits eine 
genaue Kenntnis des Verlaufes der Syphilis hatten und zwischen 
leichten und schweren Formen mit Berücksichtigung des Exanthems 
unterschieden. 

1571 erschien eine Neuausgabe des Wörterbuches von Molina 
auf Kosten des Vizekönigs von Neuspanien, Don Martin Enri- 
quez. Die Syphilis heisst hier (fol. 22): Nanauate, sodann folgen 
die eben erwähnten Namen 2). 

Im „Semilexicon yucateco" des Franziskaners Pedro Beitran 
de Santa Rosa Maria (gedruckt Mexiko 1746, S. 167) wird als 
Bezeichnung der Syphilis in Yucatan: Zob angeführt. 

Bei den Palenques und Cumanagotas in Mexiko führte die 
Syphilis den Namen Puitigi^). 

Auch der alte Sprachschatz der südamerikanischen Völker 
weist eigene Benennungen der Syphilis auf, für welche bei allen 
genannten Volksstämmen bestimmte Namen im Gebrauche sind. 



i) Am Schlüsse heisst es: „Fue vista y examinada esta presente obra por el R. 
Padre Fr. Francisco de Lintorne, guardian del raonasterio de San Francisco de M6jico, 
y por el R. P. Fr. Bernardino de Sahagun, de la dicha orden, a quien el examen 
della fue cometido". 

2) Montejo a. a. O., S. 354—355- 

3) Fr. Matias Ruiz Blanco, „Diccionario de la lengua de los indios cumanagotas 
y palenques^*, Burgos 1683, S. 100. (Königl. Bibliothek in Berlin, wo es Montejo im 
Herbst 1880 auffand.) 



•1- »• 



I 



— 220 — 

In einem in der Privatbibliothek des Königs von Spanien auf- 
bewahrten anonymen „Vocabulario Ceistellano-araucano** (Ms.) ist 
als araukanischer Name der Syphilis „Socco" verzeichnet. 

In einem spanisch-chilenischen Wörterbuche heisst die Krank- 
heit Chima^); bei den Moxa (in Bolivia) „Nuposira"^); in der 
Quechua- Sprache, der Hauptsprache Peru's, „Huanti" (nebst Deri- 
vativen)^), welches selbe Wort auch bei den Aymarä, den Hochland- 
bewohnern von Peru, die Syphilis bezeichnet^). 

Bei den Guarani in Paraguay heisst die Syphilis: Mia oder 
Pia, die Schmerzen bei Syphilis: Carugua, syphilitisch sein: 
Chepia^). 

Die Manuskripte dieser Wörterbücher sind zum grössten Teile 
beträchtlich älter als die gedruckten Ausgaben und reichen fast alle 
bis in die Zeit kurz nach der Conquista herab. Sie enthalten den 
Sprachschatz des betreffenden Volksstammes, w^ie er von den ersten 
Missionaren vorgefunden und aufgenommen wurde. Mit welcher 
Sorgfalt und Genauigkeit diese fast ausschliesslich dem Jesuiten- oder 
Franziskanerorden angehörenden gelehrten Geistlichen dabei ver- 
fuhren, lehrt das Beispiel des Molina und des Sahagun, die den 
aztekischen Sprachschatz in einer sehr zuverlässigen Gestalt über- 
liefert haben, indem sie denselben einer gemeinschaftlichen kritischen 
Prüfung unterzogen. Deshalb haben Montejo und Seier mit Recht 
auf die Bedeutung dieser bestimmten Benennungen der Syphilis bei 
den einzelnen Indianerstämmen hingewiesen, zumal da diese auch für 
die übrigen Geschlechtskrankheiten und für Hautkrankheiten über- 
haupt ebenfalls eigene Namen hatten. 

* * 

* 

Damit komme ich zu einem Punkte, der noch einer besonderen 
Erörterung bedarf. Man könnte den Einwand erheben, dass die me- 



i) „Vocabulario hispano-chileno" von Andres Felres, Lima 1765 und in anderen 
Werken vgl, Montejo a. a. O., S. 318. 

2) „Vocabulario de lenguas castellana y moxa" von Pedro Marban, 1702, S. 163, 
col. 2. 

3) „Arte y Vocabulario en la lengua general del Peru llamada Qqichua, y en la 
lengua espafiola". (Anonym); gedruckt von Antonio Ricardo, Los Reyes 1586, Bd. II, 
S. 67; Bd. I, S. 176. 

4) „Vocabulario de lengua aymard" von Ludovico Bertonio, gedruckt 1612 von 
Francisco del Canto im Hause der Gesellschaft Jesu in El Pueblo de Juli, Provinz 
Chucuyto. P'ol. 103, col. 2. 

5) „Tesoro" und „Arte y vocabulario de la lengua guarani" von A. R. de Montoya, 
Madrid 1639 — 1640, S. 223, 221, 288. 



— 221 — 

dizinischen Kenntnisse der Urbewohner Amerikas nicht ausreichend 
gewesen seien, um die Syphilis von anderen Krankheiten zu unter- 
scheiden, dass ihre Heilkunde überhaupt auf einer so primitiven Stufe 
gestanden hätte, dass irgend welchen positiven Nachrichten über die 
Existenz der Syphilis nicht der geringste Wert beizulegen sei. In 
der That hat diesen Einwand ein hervorragender Syphilishistoriker 
brieflich mir gegenüber ausgesprochen. Es ist deshalb eine genauere 
Widerlegung dieser Anschauung nötig, obgleich sich bereits aus den 
bisherigen Mitteilungen die ganze Nichtigkeit derselben ergeben hat^). 

Es war für mich keine geringe Ueberraschung, als ich bei einer 
näheren Untersuchung der mexikanischen Heilkunde entdeckte, 
dass dieselbe zur Zeit der Conquista eine sehr hohe Entwickelungs- 
stufe erreicht hatte, und in Beziehung auf ihre wissenschaftliche 
Grundlage und den wissenschaftlichen Betrieb in jenen Gegenden 
dieselbe Rolle gespielt zu haben scheint, wie in der alten Welt die 
hellenische Medizin. Es mögen deshalb an dieser Stelle einige kurze 
Bemerkungen über die mexikanische Medizin folgen, damit wenigstens 
auf dieses bisher in Europa so gut wie unbekannte Gebiet 2) hinge- 
wiesen werde. 



i) Zudem ist die Syphilis eine so eigenartige und durch ihre Symptome auffällige 
Krankheit, dass selbst eine primitive Medizin sie als eine bestimmte Krankheit von anderen 
unterschieden haben würde, wofür es Beispiele noch in der Neuzeit giebt. 

2) Einige Beiträge lieferte schon 1847 Dr. W. Stricker in Frankfurt a. M. in seiner 
Abhandlung „Natur- und Heilkunde in Mexiko'^ (in: Zeitschr. f. d. gesamte Medizin von 
F. W. Oppenheim, Hamburg 1847, Bd. XXXIV, S. 520 — 533). Erst neuerdings aber 
haben mexikanische Forscher grössere quellenmässige Studien über die Geschichte der Me- 
dizin im alten Mexiko veröffentlicht, auf denen die folgende Skizze beruht. — An merk, 
bei der Korrektur. Erst nachträglich ist mir eine Abhandlung bekannt geworden, die 
ebenfalls auf die mexikanische Medizin aufmerksam macht. Es ist das die Pariser Doktor- 
dissertation von Louis Fr. Raffour, „La m6decine chez les Mexicains Pr^colombiens" 
(Paris 1900, 8®, 131 S.). Raffour verfolgt denselben Zweck wie der Verfasser der vor- 
liegenden Schrift, nämlich den einer „introduction k de plus compl^tes recherches sur cet 
interessant et vaste sujet, la m^dicine chez les anciens Mexicains^'. (S. 122.) Er behandelt 
demgemäss die Chirurgie, Geburtshilfe, Syphilis (in einem besonderen Kapitel), Epidemien, 
Hygiene und Pharmakologie der präcolumbischen Mexikaner, hat aber keine von den Quellen 
benutzt, aus denen ich geschöpft habe (Leon, Serna, Paso y Troncoso und andere 
Arbeiten im „Museo Nacional de Mexico"), so dass beide Arbeiten sich in erfreulicher 
Weise ergänzen. Raffour's hauptsächliche Quellen sind neben Sahagun die übrigen 
spanischen Historiker der Conquista. Jedenfalls gebührt ihm das grosse Verdienst, als Erster 
in Europa auf den reichen Schatz der medizinischen Kenntnisse der alten Mexikaner hinge- 
■wiesen zu haben. Weniger betont er den eminent wissenschaftlichen Charakter der mexi- 
kanischen Medizin, der mich am meisten in Erstaunen setzte und Veranlassung zu dem 
obigen kleinen Exkurse gab. 



-- 222 — 

Wie bei allen Völkern trug auch in Mexiko die Medizin im 
Anfange einen rein theurgischen Charakter und befand sich haupt- 
sächlich in den Händen der Priester. Aus dieser priesterlichen Heil- 
kunde ging später eine Klasse von Aerzten hervor, die als medicos 
supersticiosos, als „abergläubische Aerzte" neben den eigentlichen 
wissenschaftlichen Aerzten sich erhielten. Diese „medicos supersti- 
ciosos" („Siquame") verrichteten ihre Kuren hauptsächlich mit Hilfe 
magischer Proceduren; sie weissagten aus dem Wasser, welches Ele- 
ment auch in ihrer Therapie eine bedeutsame Rolle spielte^). Ob- 
gleich die „Siquame** bei weitem nicht das Ansehen der wissenschaft- 
lich gebildeten Aerzte genossen, hatten sie sich doch im Laufe der 
Zeit eine grosse Erfahrung erworben und hatten ein vollkommenes 
System der speziellen Pathologie und Therapie ausgebildet 2). 

Die wissenschaftliche Medizin der Mexikaner wurde ver- 
treten durch die „Xurhime" oder „Xurhica" (= der Arzt), die 
eigentlichen professionellen Aerzte, die sich eines hohen Ansehens 
und einer besonderen Begünstigung durch die Könige erfreuten und 
u. a. auch bereits eine soziale Wirksamkeit entfalteten, indem sie z. B. 
bei Bigamie zu Rate gezogen wurden ^). Sie stellten auch die könig- 
lichen Leibärzte, deren jeder König mehrere hatte. Torquemada, 
Beaumont und Alonso de la Rea, die Chronisten von Michuacan, 
berichten über die ärztliche Thätigkeit dieser Leibärzte, von denen 
ein Teil beim Tode des Königs mitsterben musste, um, wie Tor- 
quemada sich sarkastisch ausdrückt, die „Kur, die sie in diesem 
Leben verpfuscht hatten, im anderen besser zu machen". (Torque- 
mada, „Cronica de la Provincia de Michuacan", Mexiko 1874, 
Bd. III, S. 106.) 

i) Nicolas Leon, „Apuntes para la historia de la medicina en Michoacan desde 
los tiempos pre-colombianos hasta el aiio 1875", Morelia 1886, S. 6. 

2) Erst vor einigen Jahren sind grössere Bruchstücke der Heilkunde der „medicos 
supersticiosos" von Mexiko veröffentlicht worden. Da sie bisher nirgends von europäischen 
Schriftstellern et wähnt wiu-den, will ich an dieser Stelle wenigstens darauf aufmerksam 
machen und behalte mir eine nähere Prüfung vor. Die alte Schrift des Jacinto de la 
Serna, „Manual de Ministros de India" (1656), enthält in Kapitel 20 — 23 ein Verzeichnis 
der zahlreichen Krankheiten und die Behandlung derselben durch die „Siquame". Abge- 
druckt in: Anales del Museo Nacional de Mexico, Mexiko 1892, Bd. VI, S. 413 — 427; 
ferner handelt der sechste Traktat (32 Kapitel) des „Tratado de las supersticiones de los 
naturales de esta Nueva - Espana" (1629) von den ,, medicos supersticiosos y sus embustes", 
ibidem, S. 195 — 273 (zahlreiche Krankheiten nach den einzelnen Körperteilen). 

3) Hierüber handelt D. Antonio de Mendoza in seiner „Relaciön de las cererao- 
nias y ritos, poblaciön y gobiemo de los indios de la Provincia de Mechuacän", Bd. LIII 
der „Colecciön de Documentos para la historia de Espafia", Leon a. a. O., S. 7. 



^ 



I 



— 223 — 

Die Heilmethoden dieser Aerzte waren vorzüglich pharmakolo- 
gische (Heilpflanzen, mineralische und animalische Substanzen), doch 
besassen sie auch in der Chirurgie (Operationen mit Obsidianmesser, 
Narkose, Wundnaht, Trepanation etc.) und Geburtshülfe (vorzüg- 
liche Diätetik der Schwangerschaft, Beeinflussung des Fötus durch 
die Nahrung, Hebammen, Embryotomie, Wendung) achtbare 
Kenntnisse^), Ganz besonders charakteristisch aber für die wissen- 
schaftliche Methode beim Studium der Medizin in Mexiko ist 
der Umstand, dass Sammlungen von Tieren 2) und Pflanzen zu 
naturwissenschaftlichen und medizinischen Zwecken angelegt wurden. 
Von Montezuma wird sogar berichtet, dass er in einem Hause sich 
eine Reihe von missgestalteten, mit angeborenen pathologischen 
Veränderungen behafteten Männern und Weibern hielt ^). Ueber die 
botanischen Gärten der Mexikaner und ihre Medizinalpflanzen hat 
Paso y Troncoso eine vortreffliche monographische Studie ver- 
öffentlicht, die uns einen überraschenden Einblick in den wissen- 
schaftlichen Betrieb der Natur- und Heilkunde im alten Mexiko 
gewährt*). 

Die Mexikaner erzählen, dass alle ihre Kenntnisse in Medizin 
und Naturhistorie von den Tolteken stammten. Sahagun, der dies 
berichtet, nennt als die ersten toltekischen Aerzte Oxomoco Cipac- 
tonatl und Tlaltetecnin Xochicaoaca, „los cuales fueron tan 
habiles en conocer las yerbas, que ellos fueron los primeros inven- 
tores de la medicina, y aun los primeros medicos herbolarios". 
(Sahagun, Lib X, Cap. 29 § i). Der erste Fürst von Anahuac, 
der botanische Gärten gründete, war Nezahualcoyotl. Später ent- 
standen zahlreiche derartige Gärten in den einzelnen Teilen von 
Mexiko. Berühmt war der Pflanzen garten in Huaxtepec, der wegen 
seiner Grösse und der Mannichfaltigkeit der darin enthaltenen Pflanzen 
von den Soldaten des Cortes sehr bewundert wurde, wie Bernal 



i) Vgl. Nicolas Leon, „Apuntes parä la historia de la Cirugia y Obstetricia en 
Michoacan", Morelia 1887. 

2) Vgl. Wilhelm Stricker, „Geschichte der Menagerien und der zoologischen 
Gärten", Berlin 1879, S. 10 — 11. Diese Menagerien wurden sowohl von den Königen als 
auch von wohlhabenden Männern gehalten. Für die Tiere waren besondere Aerzte an- 
gestellt. 

3) „Tenia otra casa Montezuma, donde estaban muchos hombres 6 mugeres mön- 
struos, en que avia enauos, corcobados, contrahechos, e otros con otras disformidades ; 6 
cada una manera de niönstruos en su quarto por si: e tambien avia para estos personas de- 
dicadas para teuer cargo dellos." Oviedo a. a. O., Lib. XXIII, Cap. 11, Bd. III, S. 307. 

4) Paso y Troncoso, „Estudios sobra la historia de la Medicina en Mexico" in: 
Anales del Museo Nacional de Mexico 1886, Bd. III, S. 137—235. 



— 224 — 

z. Cor t es selbst, Goniara und Torquemada berichten •). 
ler Garten lieferte später die Medizinal pflanzen für das Hospital 

Huaxtepec, das Zweitälteste von den Spaniern in Mexiko be- 
idete. Montezuma besass in Tenochtitlan (Mexiko) einen grossen 
;en, der besonders wegen der Medizinalpflanzen sehenswert war^, 
ISO in Chapultepec, Atlixco und el Peüon. Diese Gärten 
iten den Aerzten zum Studium der Heilpflanzen. Es 
2n diese ausdrücklich angewiesen, die Wirkungen der Medizinal- 
izen bei den einzelnen Krankheiten in systematischer Weise 
ffüfen und wissenschaftlich zu erforschen"). 

Auch die Mayas, Zapotecas, Matlatzincas, die Totonaken, Chi- 
leken und endlich die Tarascos von Michoacan hatten solche 
ichen Zwecken dienenden Gärten *). Eine alte Tradition in 
loacan berichtet von einem grossen, nur aus Medizinal- 
.nzen bestehenden Garten, den die Könige von Tzintzuntzan 
er Nähe der Lagune von Pätzcuaro angelegt hatten. Am Hofe 

Königs von Michoacan befand sich ebenfalls eine medizinische 
perschaft, die mit dem Studium der Heilkräfte der Pflanzen be- 
ragt war. Dieselbe war vollkommen organisiert und bestand 

den „medicos simplicistas" unter dem Befehl eines Oberarztes 
den „floristas" mit einem „florista principal" an der Spitza 
iuellos curaban al monarca con los simples cuyas pro- 
lades conocian; estos les preparaban guirnaldas y ramilletes; 
mismas exigencias que en la corte de los aztecas determinaron 
jndacion de los Jardines Botänicos, pudiera dar margen ä que en 
aoacän se establecieron tambien*)". 

Das schönste Zeugnis aber für den eminent wissenschaftlichen 
X der mexikanischen Medizin ist die Thatsache, dass es sogar 
arierte Pflanzen-Atlanten gab*), ähnlich, wie sie das grie- 
:he Altertum in der berühmten kolorierten Materia medica des 
iteuas kennt. 



i) ibidem, S. 1^4. 

2) ibidem, S. 156. 

3) „Mandaba k saa Medicus btciesen en experiencia de aquellas yervas, y curasen k 
Caballeros de su Coite, con las que mas Wviesen conoddas y experimentadas," 
rera, Dec. 11, Lib, 7, cap. 1 [), ibidem, S. 156 und Sanchez Solls in der „Historia 

ConqDJsta", Lib. III, cap. 14, ibidem. 

4) LeAn, „Apuntes para 1a histoiia de la medicina en Michoacan", S. 15. 

5) Paso y Troncoso a. a. O., S. 160—161. 

6) ibidem, S. 205 und 2n. 



— 225 — 

Hiernach ist es leicht einzusehen, dass die indianischen Aerzte 
nicht nur eine in quantitativer Hinsicht grosse Kenntnis der Medi- 
zinalpflanzen besassen^), sondern auch über die qualitativen Unter- 
schiede derselben aufs beste unterrichtet waren und je nach Wir- 
kungsweise oder nach der Art der Krankheit verschiedene 
Heilmittel anwendeten. Motolinia spricht in den „Memoriales para 
la historia de los Indios" (Th. II, Kap. 22) von den zahlreichen Me- 
dizinalpflanzen „con las cuales curan muy naturalmente y en breve, 
ca tienen hechas sus experiencias, y de esta causa han puesto a 
las yerbas el nombre de su efeto^) y para que es apropiada. 
A la yerba que sana el dolor de la cabeza Uämanla medicina de la 
cabeza; a la que sana del pecho Uamanla del pecho; ä la que hace 
dormir^) Uamanla medicina del sueiio; aiiadiendo siempre yerba, 
hasta la yerba que es buena para matar los piojos^) etc.^). 

Nicht weniger bemerkenswert ist es, dass die alten Mexikaner 
bereits wöhlein gerichtete, von erfahrenen Aerzten geleitete Hos- 
pitäler besassen, die durch die Privat wohlthätigkeit der Bevölkerung 
erhalten wurden, und denen die Kranken aus allen Teilen des 
Landes zuströmten. Motolinia, der dies überliefert, rühmt zugleich 
die ausgezeichneten Kenntnisse der indianischen Hospitalärzte, die 
sich eine derartige Erfahrung in der Behandlung schwerer chronischer 
Krankheiten erworben hätten, dass sie diese oft noch zur Heilung 
brächten, nachdem die spanischen Aerzte dieselben Patienten ohne 
Erfolg behandelt hätten^). Ein solches indianisches Krankenhaus 
befand sich z. B. in Tlaxcalcan. 



i) Hernandez berichtet, dass die Tarascos von Michoacdn allein gegen 300 Me- 
dizinalpflanzen kannten, über die sie ihm Bericht erstatteten. Leon a. a. O., S. 15. Auch 
Nicolas Monardes rühmt die medizinisch-botanischen Kenntnisse der Indianer von Mi- 
choacän. Vgl. „Die Schrift des- Monardes über die Arzneimittel Amerikas", übersetzt von 
Kurt Stünzner, Halle 1895, S. 97. Ferner das Verzeichnis der alten mexikanischen 
Medizinalpflanzen bei Raffour a. a. O., S. 83 — 118. 

2) Daher heisst das Specificum gegen „nanauatl" (Syphilis) nanauapatli. 

3) Vielleicht ein Narcoticum. 

4) Antiparasiticum. 

5) Paso y Troncoso a. a. O., S. 141. — Als Form der Darreichung waren die 
Medizinalweine sehr beliebt, z. B. aus dem Safte der Maguey wurzeln (Agave mexicana). 

6) „Han hecho los Indios muchos hospitales adonde curan los enfermos y po- 
bres, y de su pobreza los proveen abundantemente, porque como los Indios son muchos, 
aiinque dan poco, de muchos pocos se hace un mucho, y mas siendo continuo, de manera 
que los hospitales estän bien proveidos; y como ellos sahen servir tan bien que parece que 
para ello naderon, no les falta nada, y de cuando en cuando van por toda la provincia ä 
btiscar. los enfermos. Tienen sus m^dicos de los naturales esperimentados, que sahen apli- 
cos machas yerbas y medicinas, que para ellos basta; y hay algunos de ellos de tanta ex- 
Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 15 



— 226 — 

Die übrigen Völker der neuen Welt haben zwar nicht eine so 
glänzende Entwickelung der medizinischen Wissenschaft aufzuweisen 
wie die Mexikaner, doch hatten manche Stämme durchaus achtbare 
medizinische Kenntnisse. So hat uns die Abhandlung von Prowe 
über die Heilkunde der Quiche in Guatemala belehrt, dass diese in 
einigen Teilen der Medizin anerkennenswerte Erfahrungen gesammelt 
hatten, wie z. B. in der Zahnheilkunde^ Augenheilkunde, Psycho- 
und Hydrotherapie ^). Auf Haiti freilich lag die Ausübung der Heil- 
kunst wesentlich in den Händen der Priester („Butios"), welche sich 
mit dem Studium der Medizinalpflanzen und der einzelnen Krank- 
heiten befassen mussten^). Aber trotzdem stand auch ihnen bereits 
eine wohlausgebildete Therapie zur Verfügung. Und gerade mit der 
Diagnostik der Hautkrankheiten waren die Indianer Central- und 
Südamerika's so sehr vertraut, dass sie bereits mehrere Arten von 
Dermatosen unterschieden und mit bestimmten Namen belegten. 
Der Name „Carate" z. B. für jene merkwürdige mit Hautflecken 
einhergehende, wahrscheinlich parasitäre Dermatose ist schon präco- 
lumbisch, da Oviedo denselben als alt erwähnt^), und, wie man aus 
den peruanischen Thongefässen ersieht, hatten es die alten Peruaner 
in der realistischen Darstellung von Hautkrankheiten (Lepra, Scabies) 
zu grosser Vollkommenheit gebracht*) und besassen eine reiche 

dermatologische Nomenclatur („uta", „cuchipe" etc. etc.). 

* * 

* 

Das Argument, welches von Oviedo, Diaz de Isla und vielen 

Anderen für den amerikanischen Ursprung der Syphilis angeführt 

wird, dass nämlich in jenem Lande längst bestimmte Heilmittel 

I und rationelle Kuren der Krankheit bekannt waren, als die Ent- 

I decker dahin kamen, ist ein durchaus stichhaltiges. Während in 

lii Europa beim ersten Auftreten der Syphilis die Aerzte ratlos dieser 

neuen Krankheit gegenüberstanden und zahlreiche Mittel durch- 



m 






K 



periencia, que muchas enfermedades viejas y graves, que han padecido Espanoles largos dias 
sin hallar remedio, estos Indios los han sanado." Historia de los Indios de Nueva-Espana 
por Fr. Toribio Motoiinia, Trat. II, cap. 6 in: Coleccion de docum. p. 1. historia de 
Mexico ed. Icazbalceta, Mexiko 1858, Bd. I, S. 131. 
i) H. Prowe a. a. O., S. 354. 

2) L. G. Tippenhauer, „Die Insel Haiti", Leipzig 1893, S. 378. 

3) Oviedo a. a. O., lib. XXIX, cap. 26, Bd. III, S. 126. Ebenso „teococoliztli" 
für Lepra. 

4) Vgl. J. Bloch, „Zur Vorgeschichte des Aussatzes" in: Verhandl. der Berliner 
anthropol. Gesellschaft, Zeitschr. f. Ethnol. 1899, S. 208. — Auf die Häufigkeit von Haut- 
krankheiten in Nicaragua weist C. Scherzer hin („Wanderungen durch Nicaragua u. s. w.". 
Braunschweig 1857, S. 174 — 175). 



— 227 — 

probierten, bis endlich die Heilkraft des Quecksilbers entdeckt wurde, 
kannte die neue Welt bereits spezifische Arzneimittel gegen 
Syphilis und bediente sich eines komplizierten Heilverfahrens bei 
derselben. Montejo hat ausgeführt, dass die Therapie der Syphilis 
bei den Indianern wesentlich auf drei Faktoren beruhte: einer 
Hungerkur, dem Gebrauche von schweisstreibenden Mitteln 
und endlich spezifischen Antisyphilitica aus dem Pflanzen- 
reiche i). Was die beiden ersten therapeutischen Massnahmen betrifft, 
so wird kein erfahrener Arzt bestreiten, dass dieselben unter Um- 
ständen geeignet sind, gewisse Symptome der Syphilis zu beseitigen. 
Diaphoretica scheinen vorzüglich in Wcirmen Klimaten die Krankheit 
günstig zu beeinflussen, wenn auch natürlich eine Heilung von ihnen 
nicht erwartet werden kann 2). In hartnäckigen Syphilisfällen suchen 
wir noch heute eine Diaphorese zu erzielen vermittelst^ des Zitt- 
mann'schen Dekoktes, und legen einen Wert darauf, die Ausscheidung 
des Merkur durch warme Bäder zu unterstützen. Auch die Hunger- 
kur ging in unsere Lues-Therapie über und fand solche Apostel wie 
Ludwig August Struve^). Schwitz- und Entziehungskuren 
wurden aber von den indianischen Aerzten niemals als alleinige 
Heilmittel angewendet, sondern stets nur in Verbindung mit spezi- 
fischen vegetabilischen Mitteln. Und es ist durchaus glaublich, 
dass gerade dieses kombinierte Heilverfahren sehr schöne Resultate 
gezeitigt hat. 

Man schüttet das Kind mit dem Bade aus, wenn man be- 
hauptet, dass diese vegetabilischen Antisyphilitika nur diaphoretisch 
wirkten und keinerlei spezifische Wirkung gegen die Krankheit aus- 
übten. Dagegen bemerkt ein moderner Pharmakologe: „Dass mit 
der Einschleppung und Verbreitung der entsetzlichen Seuche auch 
zugleich die vegetabilischen Antisyphilitika der neuen Welt durch die 
Spanier in Europa verbreitet wurden, war ein überaus glückliches 
Zusammentreffen. Zwar verloren sie bald an Wertschätzung und 
wurden durch das Quecksilber rasch bei Seite gedrängt, aber ihre 
Wirksamkeit kann nicht bestritten werden und hat in aller- 
neuster Zeit wieder erhöhte Beachtung gefunden. Wie 



i) Montejo, „Congr. amer.", S. 376. 

2) Archibald Pitcairn allerdings war der Ansicht, dass in jenen Gegenden die 
Diaphorese zur Heilung der Syphilis ausreichend sei. Vgl. H. Haeser, „Lehrbuch der 
Greachichte der Medizin", Bd. II, S. 343. 

3) L. A. Struve, „Ueber Diät-Entziehungs- und Hungerkur in eingewurzelten, 
chronischen, namentlich syphilitischen und pseudosyphilitischen Krankheiten", Altona 1822. 
Eine merkwürdige, noch heute lesenswerte Schrift. 

15* 



fzufassen ist, ob als eine ausscheidende (für den 
eine (iewebswirkung (protoplasmatische), harrt noch 
")■ 

nn auch wohl kein Syphilidologe bestreiten, dass 
;ine spezifische Wirkung gegen die Lustseuche zu- 
iche dürfte vom Guajak gelten. 
lajakholz betrifft, dieses berühmteste vegetabilische 
yphilis am Anfange des i6. Jahrhunderts, so be- 
licado, dass es in Spanien um 1508 im Gebrauch 
rst 1517*). Derselbe Autor aber erzählt, dass die 
el von den Indianern kennen lernten, und dass 
Tsabella von den glücklichen Kuren mit demselben 
len, dass kein Schiff ohne eine bestimmte Menge 
von den Inseln heimkehren solle. Dieses wurde 
Hospitäler Spaniens verteilt. Da Isabella schon 
it es wahrscheinlich, dass das Mittel vor diesem 
bekannt wurde, womit auch die Mitteilung des 
ereinstimmt, dass er die ganze Guajakkur im Jahre 
te. Jedenfalls kaim kein Zweifel darüber bestehen, 
s durch Ulrich von Hütten so bekannt gewordene 
s Antisyphihticum der Antillen und Centratamerikas 
in Verbindung mit einer Hunger- und Schwitzkur 
iymptome der Syphilis zu beseitigen vermochte. Es 
1, die nach der Anwendung des Guajak eingetretenen 
he von vielen Zeitgenossen in überschwän gl icher 
werden*), gänzlich zu bezweifeln. 

: in der Vorrede lu K. Slilnzner's Uebeisetzung der Schrift des 
■ Arzneimittel Amerikas", Halle 1895, S, IV— V. 
venire in uao nel anno 1508 ed in Italia venne in uso nel ajino 
Lcesco Dclicado u. s. w.", S. 199. 

te der berühmte spanische Dichter Caslillejo ein Gedicht Über das 
A. H. Morejon, „Historin bibliogralica de 1a mediana espnnola", 
'■ 5^ — 5^)1 ■" ^^"' ^ bcis^il: 

Und wenn für unsre Nation 

Colunibus' Expedition 

Von keinem andern Vorthei] war, 

Als dass den Baum sie über's Meer 

Gefördert ; 

Du bist, o Baum, so angeseho. 

So götdicb wundervoll und schön, 

Dass Deinetwegen schon allein 

Ganz Spanien sich könnte fteun. 



— 229 

Neben dem Guajak war die Sarsaparille, die ja noch in der 
modernen Therapie der Syphilis eine wichtige Rolle spielt, ein ur- 
altes Antisyphilitikum der präcolum bischen Indianer. In Süd- 
amerika scheint es das hauptsächliche Antisyphilitikum gewesen 
zu sein, während das Guajak dort weniger zur Verwendung kam. 
Girolamo Benzoni, der bereits 1541, also wenige Jahre nach der 
Eroberung, nach Ecuador und Peru kam, berichtet, dass in den 
Territorien von Guayaquil und Puerto Vigo, eine Pflanze, „Zarza- 
parilia" genannt, gefunden werde, die die Franzosenkrankheit heile. 
Die Wurzel werde zwischen zwei Steinen zerquetscht, um den Saft 
zu erhalten, der mit warmem Wasser vermischt und getrunken 
werde. Dabei müsse der Patient sich an einem warmen Orte auf- 
halten und tüchtig schwitzen. Dies müsse drei bis vier Tage fort- 
gesetzt werden, wobei nur wenig Nahrung genossen werden dürfe. 
Eine andere Kur sei die, dass man die Zweige in Wasser koche 
und dieses trinke. Das müsse aber wenigstens zwei bis drei Monate 
hindurch geschehen^). — Auch Mexiko und Honduras lieferten sehr 
wirksame Sarsaparille- Arten. Cestonus, der eine Abhandlung über 
die Sarsaparilla schrieb, erklärte die von Honduras für die aller- 
beste 2). 



i) G. Benzoni, „History of the new world", London 1857, S. 246. — Alex. 
V. Humboldt berichtet, dass die Sarsaparille des Rio Negro in hohem Rufe stehe. „Man 
geht dieser kostbaren Produkte wegen bis auf zwei Tagereisen von Esmeralda an einen 
See nördlich von Cerro Unturan hinauf, und zwar über die Trageplätze zwischen dem Pad- 
moni und Idapa, und dem Idapa und dem Mavaca, nicht weit vom See desselben Namens. 
Die Sarsaparille von diesem Landstrich steht in Gran-Para, in Angostura, Cumana, Nueva 
Barcelona und anderen Orten von Terra Firma unter dem Namen Zarza del Rio Negro 
in hohem Ruf. Es ist die wirksamste von allen, die man kennt; man zieht sie der Zarza 
aus der Provinz Caracas und von den Bergen von Merida weit vor. Sie wird sehr sorg- 
fältig getrocknet imd absichtlich dem Rauch ausgesetzt, damit sie schwärzer wird. Diese 
Schlingpflanze wächst in Menge an den feuchten Abhängen der Berge Unturan und Achiva- 
query. De Candolle vermutet mit Recht, dass verschiedene Arten von Smilax unter dem 
Namen Sarsaparille gesammelt werden. Wir fanden zwölf neue Arten, von denen Smilax 
syphilitica vom Cassiquiare und Smilax officinalis vom Magdaleneristrom wegen ihrer 
harntreibenden Eigenschaften die gesuchtesten sind. Da syphilitische Uebel hierzulande 
unter "Weissen und Farbigen so gemein als gutartig sind, so wird in den spanischen Kolo- 
nien eine sehr bedeutende Menge Sarsaparille als Hausmittel verbraucht. Wir ersehen aus 
den Werken des Clusius, dass Europa in den ersten Zeiten der Eroberung diese heilsame 
Arznei von der mexikanischen Küste bei Honduras und aus dem Hafen von Guayaquil be- 
zc^. Gegenwärtig ist der Handel mit Zarza lebhafter in den Häfen, die mit dem Orinoko, 
Rio Negro und dem Amazonenstrom Verbindungen haben." Reise in die Aequinoktial- 
Gegenden des neuen Kontinents. Ausg. von H. Hauff, Stuttgart o. I., Bd. HI, S. 284-285. 

2) H. Cestonus, „Vere condicioni della Salsapariglia etc." In: Galeria di Minerva 
1708, Bd. VI, T. III, S. 56 (Girtanner, III, 409). — Schon 1535 soll die Sarsaparille 



— 230 — 

Im südlichen Nordamerika wurde das Sassafras-Holz (neuer- 
dings durch W. A. Freund's Abhandlung über Goethe's angeb- 
liche Syphilis so berühmt geworden) als Antisyphilitikum verwendet. 
Es kam im Jahre 1540 nach Europa'). 

Alle diese Specifica gegen Syphilis wurden bereits in 
präcolumbischer Zeit gegen die Krankheit verwendet 
Denn die Conquistadoren lernten dieselben in dieser Art von Ver- 
wendung gegen diese bestimmte Krankheit erst von den Ein- 
geborenen kennen, und es war die Anwendung dieser vegetabilischen 
Antisyphilitika stets mit einer sehr rationellen Allgemeinkur ver- 
bunden. 

Hierher gehört noch die merkwürdige Gescl 
Indio", die Don Franzisco Xavier Balmis 
fältigen Schrift über die Agave- und Begoniatht 
erzählt li). 

In Pätzcuaro (Michoacan) lebte im 18. Jahrl 
Don Nicolas Viana, mit dem Beinamen „der ii 
(Dolor Indio), der ein wunderbares Heilmittel d( 
welches nur vegetabilische Substanzen enthielt, ! 
dieses Mittel hatte der „Dotor indio", von einer indi 
letzten ihrer Familie, bekommen, die in Acapi 
gewohnt hatte. Es hatte sich seit unvordenklic 
in dieser Familie von Generation auf Generation 
immer nur unter den Indianern reinsten Blutes. Bi 
uralte, sicher aus präcolumbischer Zeit stammen* 
Viana kennen und erzielte mit demselben ebenfalh 
werte Erfolge. Leon berichtet, dass noch heute 
Capacuaro die Syphilis mit der Wurzel der „Be 
behandeln, die in dem Antisyphilikum des Via 
spielte, und dass sie die Pflanze „purga del Do 
Ebenso wenden die Indianer von Uruapan diese 
an, unter dem Namen „purga CapacuareSa del Do 

(„cobaclnl") in Indien importiert sein. J. Jelly, „Indische Met 
indo-arischen Philologie und Altertumskunde von Bflhler und Kie 
S.-A., S. 3. 

1) Morejon a. a. O., Bd. II, S. 59. 

2) Franc. X. fialmia, „Demos trad6n de las eficaces vir 
biertaä en las raices de dos planla-s de Nueva EspaÜa, Espedes 
para la curaciön del vieio venereo y escrofuloso, y de otras graves e 
al USD del Merciirio, y demas remedios conocidos". Madrid 1794. 

3) Nicolas Leon, „Apuntes para la historia de la nr 
S. 56 — 57. Audi Hernandez nennt die Begonie unter den von ä 



27,1 



§ 14- Die Syphilis in Spanien. 

Nachdem die präcolumbische Existenz der Syphilis in der neuen 
Welt erwiesen und nachdem gezeigt worden ist, auf welche Weise 
dieselbe in Europa eingeschleppt wurde, wollen wir einen Blick 
auf die Nachrichten werfen, die wir über das erste Auftreten der 
T-ustseuche in Spanien besitzen, wohin dieselbe zunächst von den 
Antillen verschleppt worden war. Es sind diese Nachrichten im 
ganzen nicht sehr zahlreich i), aber doch durchaus zuverlässig. 

Wir sahen, dass Columbus mit seiner Mannschaft und den 
indianischen Begleitern zu Schiffe von Palos nach Sevilla kam und 
hier seinen ersten längeren Aufenthalt nahm. Las Casas sah sie 
hier bei der Rückkehr von der ersten Reise und deutet schon an, 
dass hier die Syphilis zuerst eingeschleppt worden sei. Auch in der 
Folge blieb Sevilla in ständiger Verbindung mit Westindien und der 
natürliche Einfuhrhafen für alle von dort kommenden Gegenstände. 
Monardes nennt daher Sevilla mit Recht „puerto y escala de todas 
las Indias Occidentales' , weil man in dieser Stadt besser und 
früher von allem dem unterrichtet würde, was aus Westindien käme, 
als an irgend einem anderen Orte Spaniens'^). 

Höchst wichtig ist, dass man gleich im Anfang in Sevilla die 
Syphilis „Serampion de las Indias" (morbilli indici [ähnlich „mor- 
billi italici] oder indianische Flechte) nannte, d. h. die aus West- 
indien stammende Krankheit. Damit wurde doch klipp und klar 
ausgedrückt, dass die Einwohner von Sevilla ganz genau wussten, 
dass die Krankheit aus der neuen Welt zu ihnen gekommen sei. 
Montejo's Nachforschungen in dem „Archive de la Hospitalidad pro- 



acdn gebrauchten Antisyphilitica, lib. V, cap. 52, fol. 177 der Ausgabe von Rom, 1651. — 
G. Dragendorf f, „Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten", Stuttgart 1898, 
S. 454: „Begonia Balmisiana Ruiz — Mexiko — , deren Wurzel als diuretisch, dia- 
phoretisch und antisyphilitisch gilt". 

i) Schon Montejo hat eine Durchforschung der spanischen Archive (besonders in 
Madrid und Sevilla) in Beziehung auf diesen Punkt gefordert, und es ist zu hoffen, dass 
eine Akademie oder eine wissenschaftliche Stiftung die Mittel zu einem planmässigen Stu- 
dium der alten spanischen Urkunden über die Entdeckung von Amerika, die Hospital- 
gründungen u. a. m. bewillige. Es würde dasselbe gewiss zahlreiche neue und wertvolle 
Beweisstücke für den amerikanischen Ursprung der Syphilis zu Tage fördern. Gallardo 
und Amador de los Rios versicherten wenigstens den Montejo, dass in den Archiven 
noch solche bisher unbekannte Dokumente verborgen seien. Vgl. Montejo, „La Sifilis", 
S. 60. 

2) H. Spitta, „Beitrag zur Geschichte der Verbreitung der Lustseuche in Europa" 
in: Litterarische Annalen der gesamten Heilkunde von J. F. C. Hecker, Berlin 1826, 

Bd. rv, S. 371. 



— 232 — 

vincial" und in dem berühmten „Archivo de Indias" von Sevilla 
förderten die Berichte zu Tage, welche seit dem Jahre 1560 von 
einer vom Könige ernannten Kommission über die zahlreichen Hospi- 
täler in Sevilla angefertigt wurden, und in welchen Rechenschaft 
gegeben wurde über Gründung, Dotation, Verpflegung, Einkünfte, 
Verpflichtungen u. a, m. der betreffenden Krankenanstalten. In dem 
Berichte vom 3. Januar 15Ö5. den Hieronimo de Herrera, Ad- 
ministrator des „Hospital de San Cosme y San Damion" erstattete, 
findet sich nun auch ein Passus über die Syphilitiker jenes Hospitals, in 
dem es heisst, dass es solche erst seit der Entdeckung Amerikas 
gegeben habe, daher man auch die Krankheit „sarampion de las Indias" 
genannt habe. Seit 1503 diene das Hospital zur Aufnahme der Syphili- 
tiker'). Auch Monardes, der, als sein Werk 1565 zuerst erschien, be- 
reits 30 Jahre in seiner Vaterstadt Sevilla praktiziert hatte, berichtet, dass 
die Syphilis in Sevilla „Serampion de las Indias" hiess*), ein Name, 
der für eine andere spanische Stadt bisher nicht nachgewiesen 
worden ist. Bereits im Jahre 1497 und 1498 war die Zahl der an 
Syphilis, dieser „neuen Krankheit"' (mal Nuevo), Leidenden eine so 
grosse, und besonders in den Bordellen, dass diese Kranken mehrere 
Hospitäler für sich in Anspruch nehmen mussten. Dies berichtet 
der Chronist Jose Velazquez y Sanchez auf Grund einer alten 
Notiz des Diego de Guzman*^. Es ergiebt sich daraus auch, dass 



1) „Pero que despues se dedic6 y apiicö por la dicha ciudad, y cabildo d« elk, 
para curar In enfermedad de bubas que despues se comenzci k descubrit, pot parecer que 
en la cura de cUa so podia exercilar y haeer mayor misericordia, por que a) tiempo de la 
fundadon del hospital iio avia esta enfermedad y si la avia no era coDodda por este noiDbre 
por que solo se conocia despues del descubrimiento de las yndias que fue en el aSo de 
mil quatrocientoä jioventa y dos, de donde dedan algunos que avia venido y desta opinion 
ä nazldo el llamatia algunos sarampion de las indias . . . dijo que por lo menos le parece 
debe haber ochenta y dos aüos que se cometizö i dedlcar cste hospital para las bubas, 
porque desde el ano de quinienlos y dos & bislo escriptura que dice, el hospital de San 
Salvador y de la misericordia donde se recojcn y liegan !os entermos lli^iados de las bubas". 
Montejo, „La Sitilis", S. 62 und Nr. 363 des ..Siglo MMco" vom 16. Dezember i36o, 
S, 814—815. 

z) „Y Otros lo llamaron Sarampion de las Indias, y con mudia verdad, pues de alli 
vino el mal." Nicolas Monardes. m^dico de Sevilla, „Historia Medidnal de las cosas 
que se tiaen de nuestras Indias Occideotales etc.", Sevilla 15S0, S. II. 

3) iil497- Saca de test. " para el jurado diego de guzman. — diio el jurado diego 
de guzman en como su merced bien sabe que de la mancebia donde estan las mugeres pe- 
cadoras t del raeson de Juan davila sacaronsse dias alras las que pades^ion el mal que 
agora corre ^ dizen de bubas. £ ä su notii;ia ha venido que muchas otras de las dicbas 
mugeres de la sobredicha casa i dotros mesones della son infi^ionados deste mal Nuevo i 
de como assi lo declara e denunfia i la C^iudad en descai^o de su con9ieii9ia e por que 



— 233 — 

bereits 1497 ^^s Hospital San Salvador zur Aufnahme Syphilitischer 
diente, was nach Herrera erst 1503 geschehen sein sollte. Jedenfalls 
gab es bereits vor 1503 ein eigentliches Syphilishospital, das nach 
Zuniga am 15. Januar 1501 eingeweiht wurde i). 

Deuten alle diese Nachrichten mit grösster Wahrscheinlichkeit 
darauf hin, dass die Syphilis gleich nach den ersten Fahrten des 
Columbus in Sevilla eingeschleppt wurde, so ist kein Zweifel darüber 
möglich, dass dies in Barcelona geschah. Die äusserst genauen und 
in den Einzelheiten so bestimmten Angaben des Diaz de Isla und 
des Oviedo liefern die unwiderleglichen Beweise dafür. 

Als dritter höchst wertvoller Zeuge für die Ausbreitung der 
Syphilis in Barcelona schon vor dem Feldzuge Karls VIII. ist 
Nicolaus Scyllatius zu nennen. 

Im Jahre 1817 veröffentlichte Domenico Thiene in dem von 
Valeriano Luigi Brera herausgegebenen „Giornale di Medicina**^) 
einen aus Barcelona vom 18. Juni 1494 datierten Brief des Nicolaus 
Scyllatius, eines Sicilianers. Er hatte diesen Brief in den ge- 
sammelten Werken des Scyllatius gefunden, die im Jahre 1496 zu 
Pavia erschienen waren 3). Das an Ambrosius Rosatus den Leib- 
arzt des Herzogs Ludovico Sforza von Mailand, gerichtete 
Schreiben enthält sehr bemerkenswerte Mitteilungen über die epide- 
mische Verbreitung der Syphilis in Barcelona. Haeser^) und Simon ^) 
haben dasselbe nach Thiene abgedruckt, ohne freilich über die 



no siga tan gran dano pidio testimonio. Acordose que la disputacton de la man9ebia con 
los dolores que menester fuesse lo vean e entiendan en poner mano en ello recoxiendo ä 
las tales mugeres bubosas en el ospital de sant Salvador. — 1498. dixo luis mendez porto- 
carrero veintiquatro del cabildo 6 sefior de palma como en norabre de la Qiudad 6 por su 
mandado platico luengamente con el manpastor de senor san la9aro ^ hermano mayoral de 
sant Anton en razon de los enfermos de Bubas que tanto acre9en en la tierra 6 le fu6 
dicho que los tales enfermos no se podian re9ebir ni en sant la9aro ni en sant Anton por 
sus privilexios e catando que su mal era ä tal guisa que no venia bien con el mal que se 
curaba en dichos ospitales segun lo contenian sus ordenanzas. Todos en que se llame a 
cabildo para ver este negocio con el interes del caso y expresso encargamento." Anales 
epid^micas, S. 57 — 58, cit. nach Montejo, „Congr. Amer.", S. 393 — 394. 

i) Zuniga, „Anales**, Bd. III, S. 185, cit. nach O. Peschel, „Geschichte des 
Zeitalters der Entdeckungen", 2. Aufl., Stuttgart 1877, S. 534. 

2) Giornale di Mediana pratica deP Cavaliere Valeriano Luigi Brera M. D., 
Venedig 181 7, 2. Semester, S. 122 — 124. 

3) Opuscula Nicolai Scyllatii Siculi Messanensis, impressa Papiae 1496. 4®. 

4) H. Haeser, „Historisch-pathologische Untersuchungen**, Dresden u. Leipzig 1839, 
Bd. I, S. 226—227. 

5) F. A. Simon, „Kritische Geschichte des Ursprungs, der Pathologie und Behand- 
lung der Syphilis u. s. w.**, Hamburg 1858, Bd. II, T. i, S. 10 — 11. 



— 234 — 

Persönlichkeit und das Leben des Nicolaus Scyllatius die ge- 
ringste Mitteilung zu machen. Und bis heute hat kein S)rphilis- 
historiker es für nötig gehalten, eine derartige Untersuchung vor- 
zunehmen. Niemand hat sich darum gekümmert, wer eigentlich 
Scyllatius war. Ha es er erklärt ihn ohne weiteres für einen 
Nichtarzt ^). Kurz, dieser Mann gehört zu den an Zahl nicht geringen 
„Vergessenen" in der Medizin. Kein allgemeines oder medizinisches 
biographisches I^exikon kennt seinen Namen. Ich habe die bekannten 
Nachschlagewerke vergeblich durchsucht und diesen gelehrten Sici- 
lianer sogar in der berühmten „Bibliotheca Sicula" des Antonio 
Mongitore (Palermo 1707 und 17 14 fol. 2 Bände), welche alle auf 
dieser Insel geborenen Schriftsteller aufzählt, nicht gefunden. Erst 
während der Drucklegung des vorliegenden Werkes gelang es mir, 
wichtige Nachrichten über Scyllatius an allerdings ziemlich ent- 
legenen Stellen zu entdecken. In den Universitätsregistem von 
Pavia kommt Nicolo Scillacio oder Squillace, genannt „Nicolo 
Siculo" aus Messina zuerst unter dem Jcihre 1490 vor. In diesem Jahre 
hielt er Vorlesungen über Metaphysik. 1492 las er Naturphilosophie, 
1494 Philosophie. Er wird noch 1498 erwähnt. Dieser „Distintissimo 
Medico o Philosopho'* ist aber den Geographen sehr wohl bekannt Er 
veröffentlichte schon Ende 1494 die erste Schrift über die Ent- 
deckung Amerikas unter dem Titel „De Insulis meridianis atque 
Indici maris nuper inventis" (Pavia, 13. Dezember 1494), von der nur 
ein einziges Exemplar (in New York) bekannt war, die aber neuer- 
dings Leo S. Olschki in Florenz in einem zweiten Exemplare auf- 
gefunden hat, nach welchem er eine Neuausgabe (Florenz 1900) 
veranstaltete ^). 

Bei Gelegenheit einer Untersuchung dieser Schrift des Scylla- 
tius hat Amadio Ronchini auch die Resultate seiner Nachfor- 
schungen über den Lebenslauf dieses Mannes mitgeteilt*). Danach 
wurde Nicolo Scillacio (Scyllacius, Scyllatius, Squilacius)^) 



i) H. Haeser, „Gescbichte der Median", III, 269. 

2) „Memorie e documenti per la storia dell* universita di Pavia e degli uomini piü 
illustri che v* insegnarono", Pavia 1878, Bd. I, S. 166. 

3', Vgl. auch über diese Schrift H. A. Schumacher, „Petrus Martyr u. s. w.", 
New York 1879, S. 107. Sie betrifft wesentlich die zweite Reise des Columbus, von der 
Torres am 12. Februar 1494 zurückgekehrt war. 

4) A. Ronchini, „Nicolo Scillacio e la sua relazione sulla scopcrta del nuovo con- 
tinente" in : Atti e Memorie delle R. R. Deputazioni di storia patria per le provinde mode- 
nesi e parmensi", Modena 1876, Bd. III, S. 185 — 196. 

5) Der Name stammt von einer Stadt Calabriens „Scyllatium" oder „Scylacium" 
(ital. „Squillace"), woher wahrscheinlich die messinesische Familie gebürtig war. 



-J 



— 235 - 

um 1450 in Messina als Sprosse einer angesehenen Patrizierfamilie 
(„Familia Squillaciorum") geboren. Er lebte als Knabe eine Zeit lang 
in Spanien, kehrte von dort aber bald zurück und studierte dann in 
Pavia Philosophie, verkehrte hier mit mehreren vornehmeren Familien, 
erfreute sich der Gunst der Herzöge von Mailand und wurde später 
Professor der Philosophie an der Universität. 1485 hielt er eine 
in der oben erwähnten Ausgabe seiner Schriften abgedruckte 
Rede „In dedicatione Gymmasii Papiensi oratio", sowie no^h andere 
wegen ihrer eleganten Form berühmte Vorträge, ausserdem las er 
Philosophie und kultivierte eine Zeit lang besonders die Medizin i). 
Im Juli 1493 wurde er Laureat der Medizin und interessierte sich 
also um diese Zeit sehr für dieses Fach, für welches er ein grosses 
Talent bekundete. Im Jahre 1494 aber weilte Scyllatius noch 
in Italien. Seine Reise nach Spanien fällt erst in das Jahr 
1495» wo er Guid* Antonio Arcimboldi, den Erzbischof von Mai- 
land, in einer politischen Mission an den spanischen Hof begleitete. 
Der Brief aus Barcelona ist denn auch am 18. Juni 1495, nicht 
1494, geschrieben, wie Ronchini feststellt 2). Er reiste nach dem 
3. Februar 1495 ab, an welchem Tage er in Pavia noch eine Rede 
hielt, „in doctoratum Thomasii Stratae medici et philosophi non igno- 
bilis", landete in Barcelona, wo er sich längere Zeit aufhielt und 
Gelegenheit hatte, eine grosse Syphilisepidemie zu beobachten. 9 Tage 
nach der Niederschrift jenes Briefes, am 27. Juni 1495, finden wir 
Scyllatius in Fraga, einer Grenzstadt zwischen Catalonien und Arrar 
gonien. Hier lernte er einen alten Mauren kennen, der ihn in sein 
Haus führte und ihm dort den Kanon des Avicenna zeigte und 
eine Biographie dieses berühmten Arztes in arabischer Sprache. Er 
Hess sich die letztere sofort mündlich übersetzen und schrieb sie nach 
dem Diktat nieder. Von Fraga ging es dann nach Tarragona, wo 
Scyllatius ebenfalls mit einem Mauren in Beziehung trat, der dort 
eine Medizinschule leitete. Er fand dort eine Abhandlung des Aver- 



i) Bekanntlich rührt die Ausgabe der „Rosa anglica" des Johannes de Gaddes- 
den (Pavia 1492 u. ö., Venedig 1502) von Scyllatius her. Sie enthält als Vorrede einen 
Brief desselben an AmbrosiusRosatus, den Leibarzt des Herzogs von Mailand und 
Professor der Medizin in Pavia, den er als seinen Lehrer in der Heilkunde bezeichnet. Er 
erwähnt in demselben, dass das Manuskript des Werkes von Gaddesden ihm von 
Johannes Antonius Birreta übergeben worden sei. Der Brief schliesst: „Tu modo 
ostende (ut fads) tibi nostra studia et lucubratiuncula placere. Non deerunt qui tibi brevi 
maiora et absolutiora praestabunt. Vale meum praesidium et studiosorum omnium Mae- 



cenas". 



2) Hiernach ist die Angabe auf S. 72 des vorliegenden "Werkes zu berichtigen. 






roös über den Intellekt, worüber er in einem Briefe aus Tarragona 
an den Leibarzt Luigi Marliani Bericht erstattete. Während seiner 
weiteren Reise in Spanien studierte Scyllatius eifrig alle sich auf 
Medizin und Archaoelog^ie beziehenden Dinge, kehrte aber noch vor 
Ablauf des Jahres 1495 nach Jtalien zurück, nachdem er eine ausser- 
gewöhnliche Kenntnis der arabischen Medizin sich angeeignet hatte. 
Bereits im März 1496 erschienen seine Abhandlungen und Briefe 
über Speftiien bei Francesco Girardenghi in Pavia in Gestalt der 
„Opuscula", auf deren Titel er als „Artium et Medicinae Doctor, Phi- 
losophiam in gymnasio papiensi florentissimo legens" bezeichnet 
wird *). 

Der Brief des Scyllatius aus Barcelona ist in den „Opuscula" 
mit einem Titel versehen: „Nicolaus Scyllatius Siculus Magnifico 
Ambrosio Rosato Comiti Ducali Phisico, et Astronomo singularis 
De morbo, qui nuper e Gallia defluxit in alias nationes. 

Um dcis zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass 
die Epistologpraphie im Zeitalter des Humanismus ein Ersatz für 
unsere heutige wissenschaftliche Zeitschriftenlitteratur war. „Man 
schrieb den Brief mit dem Bewusstsein, dass er als ein Kunstwerk 
Fremden mitgeteilt, kopiert, kritisiert und sorgfältig aufbewahrt werde, 
ja man behielt wohl selber den Entwurf oder Hess die 
Schreiben vor der Absendung kopieren, um sie einst 
leichter sammeln und herausgeben zu können. Somit adres- 
sierte man den Brief zwar an eine Person, schrieb ihn aber bereits 
für das litterarische Publikum, für die Ewigkeit nnd für alle Völker 
weithin, wo nur die Sprache des alten Latium bekannt war. . . . 
Die Epistolographie musste den ganzen Verkehr ersetzen, den später 
Zeitungen und die manigfachen Literaturblätter vermittelten 2)". So 
übergaben auch die Aerzte ihre Briefe dem Drucke .und verleibten 
dieselben ihren Werken als gleichwertige, wissenschaftliche Bestand- 
teile ein^). Nachträglich wurde dann dem betreffenden Briefe ein 
besonderer Titel gegeben, der ihn gewissermassen als wissenschaft- 
liche Abhandlung erscheinen Hess. Daher hat Scyllatius im An- 
fange des Jahres 1499 dem Briefe die Ueberschrift ,.De morbo qui 
nuper e Gallia defluxit in alias nationes*' gegeben. Der Brief ist 



i) Ich habe diese Lebensnachrichten über Scyllatius so ausführlich wiedergegeben, 
weil dieselben bisher gänzlich in der medizinisch-biographischen Litteratur fehlten und an- 
dererseits auch zur Beurteilung des Briefes nicht unwichtig sind. 

2) Georg Voigt, „Die Wiederbelebung des klassischen Altertums", 3. Auflage, 
Berlin 1893, Bd. II, S. 417—418. 

3) H. Haeser, „Geschichte der Medizin", II, 127. 



r 

i 



— 237 — 

an Ambrogio Rosato (Ambrosius Rosatus) gerichtet und be- 
kundet sich^uch dadurch als ein wissenschaftliches Dokument. Dieser 
hervorragende Arzt (geboren 1437 in Mailand) hielt 1461 Vorlesungen 
über Medizin an der Universität Pavia, wurde 1494 Leibarzt der 
Herzöge Ludovico Moro und Giovanni Galeazzo von Mailand 
und starb 1522. Ihm verdankte Scyllatius hauptsächlich seine ärzt- 
liche Ausbildung^). 

Nunmehr gebe ich den Text des Briefes des Scylla]tius im 
Original : 

„Quis credet, Ambrosi inagnifice, Saecula edam, ut caetera alia, afferre (nova) morborum 
genera? Elephantiasim ante Pompeii Magni aetatem Italia non senserat: irrepsit Tiberii 
Claudii Caesaris principatu mentagra, Graeci lychenas vocant: morbus ut sine dolore et vitae 
discrimine, ita foedus cutis furfure. Quaenam fatorum irae? Quae siderum portenta? Nam 
satis in vita mali, innumecabiles ad mortem viae. Quid additis amplius in nostram perni- 
ciem? Narbonensis Provincia, Galliarum Pars, quae olim Braccata erat, Hispaniis finitima, 
Carbunculum primum attulit, variis illud rubens modis, capite nigricans, gravatos triduo 
aufert. Tarn monstruosa, et pestilens Provincia nunc aliud immisit vitium. Pustulae puru- 
lentae magnitudine lupini crassioris in orbem extenduntur. Morbi indicia: in artibus pruri- 
lus et dolor tristis, febris accensa vehementius, cutis foedis exasperata crustulis horrorera 
affert, intumescentibus undique tuberculis, quibus rubor primo lividus, mox subnigricans color 
cernitur. Post dies aliquot ab ortu admixto sanguine humor exprimitur, capitula spongiolas 
diceres exhausto liquore: annum morbus non excedit: obducta cuti vestigiis illius sedem 
indicantibus, ab obscoenis saepius incipit, mox per Universum corpus diffunditur. Sensere 
id malum raaxime feminae et viri: contactu inficit vicinos: Hispanias nuper invasit 
innocuas. Exhorruit ego primum cum Barchinone exponeremur e navi, quae civitas His- 
paniaium est florentissima : in Incolas multos incidi ea prehensos contage. Medicos percon- 
tanti (cum bis enim tota illa ferme peregrinatione habui commercia) novam istam Luem ex 
truculenta Galiia affirmarunt defluxisse. Credidi ^o primum tumorem illum ulcerosum Avi- 
cenae fuisse Sahafasi: a Gailis malum Sancti Menti vocitari vulgus asserit, quo Sanctus olim 
laborasset in vita. Vide quid boni afTerant portentosae Gralliae, quae venena effundant in 
vicinas regiones! Tu qui morborum causas nosti, qui minantium siderum veluti e specula 
vides procellas, remedia nova äff er: pestem hanc propeliite Italiae populil Nihil gravius 
vindicta ista, et Barbarorum toxico. Vale. Ex Barcbinona, i8. Junii 1495." 

Eine kritsche Analyse dieses interessanten Briefes ergiebt die 
folgenden bemerkenswerten Thatsachen. Da Scyllatius Italien 
im Februar 1495 verliess und in Barcelona landete, so stammt 
der Brief aus den letzten Tagen seines Aufenthalts daselbst. Jeden- 
falls hat er den Ausbruch der Syphilis in Italien und das plötz- 
liche Umsichgreifen der Seuche daselbst, das, wie wir sehen, 
zwischen Februar und Juni 1495 erfolgte, nicht mehr miterlebt. 
Und es geht ja aus dem ganzen Tenor des Briefes hervor, dass er 



i) Vgl. Paolo Sangiorgio, „Cenni slorici sulle due universitä di Pavia e di Milano", 
Mailand 1831, S. 87 — 95; „Memorie e documenti per la storia dell' universitä di Pavia", 
Bd. I, S. 120. 



- 238 - 

den Rosatus mit einer diesem gänzlich neuen Krankheit be- 
kannt zu machen glaubt. 

In der Einleitung giebt er eine kurze historische Skizze jener 
Krankheiten, die in früheren Zeiten als vorher unbekannte plötzlich 
auftraten (Lepra und Mentagra in Italien, Karbunkel im südlichen 
Frankreich). Dann schildert er sehr anschaulich die neue Kranheit, 
die sich durch grosse Hautpusteln, durch Stechen und Schmerzen in 
den Gliedern, durch heftiges Fieber, Krusten und Knoten von livid- 
schwärzlicher Farbe auszeichnet. Sie beginnt sehr oft an den 
Genitalien, verbreitet sich dann aber im ganzen Körper, affiziert 
hauptsächlich die Haut, und dauert meist nicht länger als ein Jahr. Be- 
sonders erwachsene Männer und Frauen werden von der Krankheit 
heimgesucht, die vor allem durch die körperliche Berührung über- 
tragen wird. Erst vor kurzem sei die Seuche in Spanien aufgetaucht, 
das sie vorher nicht kannte. Als er in Barcelona angekommen 
sei, dieser blühendsten Stadt Spaniens, habe er mit Schaudern be- 
merkt, dass zahlreiche Einwohner von dieser fürchterlichen 
Krankheit ergriffen waren. Die Aerzte, mit denen er besonders 
viel verkehrte, gaben ihm auf sein Befragen die Auskunft, dass die 
neue Krankheit aus Frankreich gekommen sei. Dort werde sie vom 
Volke „Malum Sancti Menti" genannt, da dieser Heilige daran ge- 
litten habe. Er persönlich habe sie zuerst für den Asaphati des 
Avicenna gehalten. Der Brief schliesst mit dem Wunsche, dass 
Italien diese Seuche von sich abwehren möge. 

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass hier die typische 
Syphilis geschildert wird. Ferner wird ausdrücklich versichert, dass 
die Krankheit früher in Spanien unbekannt war. Ebenso steht fest, 
dass die Krankheit schon im Juni 1495 in epidemischer Weise in 
Barcelona verbreitet war. Und dass sie bereits \veit über ein 
Jahr lang in Barcelona herrschte, geht aus der Bemerkung 
hervor, dass sie meist ein Jahr dauere. Es sprechen also diese Er- 
fahrungen der Aerzte dafür, dass die Syphilis mindestens seit Anfang 
1494, wahrscheinlich schon seit 1493 in Barcelona grassierte. Dies 
ist eine erfreuliche Bestätigung der bestimmten Aussagen des Diaz 
de Isla und Oviedo. Was nun mehrere Aerzte dem Scyllatius 
über die Identität dieser neuen Krankheit mit dem in Südfrankreieh 
einheimischen „Mal de Saint Mein" mitteilten, kann durchaus nicht 
gegen die positiven Angaben der eben erwähnten Autoren geltend 
gemacht w^erden. Wir haben oben (S. 84 — 85) gesehen, wie diese 
Theorie zu Stande kam. Es ist möglich, dass das Volk die neue 
Krankheit für jenes in den pyrenäischen Provinzen Frankreichs 



J 



— 239 — 

heimische Uebel hielt und darnach annahm, es sei auch von dort ge- 
kommen. Nachdem die Gelehrten sich dieser populären Anschauung 
bemächtigt und dieselbe mit ihren Theorien über das Wesen der 
Syphilis umsponnen hatten, konnte der wirkliche Sachverhalt leicht 
verdunkelt werden, der aber durch diesen grauen Nebel der Theorie 
deutlich genug hindurchscheint. Auch waren vielleicht jene Aerzte 
nicht solche, die in Barcelona praktizierten, wie aus der Parenthese 
„cum his enim tota illa ferme peregrinatione habui commercia" her- 
vorzugehen scheint. Kurz, wer auch in diesem Briefe die objektive 
Thatsache von der subjektiven gelehrten Theorie scheidet, der wird 
denselben als ein höchst wertvolles Beweisstück für den amerikanischen 
Ursprung der Syphilis ansprechen. 

Vielleicht ist auch eine Bemerkung des Torella über einen 
Catalanen, der die Reise von Spanien nach Rom zur See machte 
und unterwegs an Syphilis erkrankte, auf jene Epidemie in Barce- 
lona zu beziehen^). Doch ist das natürlich nur eine blosse Ver- 
mutung. 

Höchstwahrscheinlich verbreitete sich die Syphilis von Barcelona 
aus in den Grenzprovinzen, gelangte auch in jene Gegenden, in 
denen Karl VIII. sein Heer sammelte und so kamen jene Sy- 
philitiker in dasselbe, über die Manardus berichtet. Andrerseits 
fuhren von Barcelona aus ohne Zweifel auch Spanier nach Neapel, 
welche einen Teil der Besatzung der Stadt bildeten. Erst bei Gelegen- 
heit des Feldzuges Karls VIII. kam es dann durch die seltene 
Gunst der Verhältnisse zu jener plötzlichen erschreckenden Ver- 
breitung der Syphilis in Italien, wie wir sie kennen gelernt haben. 
Und es braucht keineswegs bestritten zu werden, dass einzelne 
Syphilisfälle schon vor dem Feldzuge sowohl in Italien als auch 
in Frankreich sich ereignet haben können. Aber die furchtbare 
Epidemie des Jahres 1495 konnte nur unter so eigenartigen Ver- 
hältnissen entstehen, wie sie bei der französischen Invasion sich 
offenbarten. 

Spanien ist offenbar infolge des beständigen Verkehrs mit dem 
Urherd der Lustseuche, mit Amerika, in ganz besonders starkem 
Masse von der Syphilis heimgesucht worden. Schon am Ende des 



i) „Ideo incurrere possunt in hanc aegritudinem illi, qui utuntur cibo et potu salso, 
acuto aut amaro, ut evenit raagistro Antonio Marci, Catalano, artium et medicinae doctori, 
qui fuit hoc modo infectus, cum transfretaret mare." H. Torellae, De Pudendagra 
Tiactatus, bei Luisinus, I, 494. 



— 240 — 

17. Jahrhunderts W2ir kaum noch eine Familie vorhanden, die nicht 
von der Krankheit durchseucht worden war^). 



i) Mais si les Espagnols ont trouv6 le secret de pr^server leur nom de cette infamie, 
et d'^viter par \k une partie de Todieux de cette pesle, dont ils ont infect^ TEurope, ils en 
ont si peu garanti leur sang, surtout dans l^Amirique, qu'il s'y trouve peu de familles de 
leur Nation, qui ne s'en ressente." P. F. X. Charlevoix, „Histoire de Tlsle Espagnole" 
Amsterdam 1733, ß<^- I> S. 59. — Mit allem Vorbehalt möge hier noch die Frage auf- 
geworfen werden, ob des Thomas Rangonus Nachricht, dass die Syphilis zuerst im 
spanischen Galicien sich gezeigt habe, weshalb er sie „malum Galecum" nannte, 
mit der Landung des Pinzon an der galizischen Küste bei der Rückkehr von der ersten 
Entdeckungsreise nach Amerika zusammenhängt. Es muss doch Rangonus, ein Zeit- 
genosse im besten Sinne (1467 — 1557), eine positive Unteilage für diese merkwürdige Be- 
nennung der Syphilis gehabt haben. — An merk, bei der Korrektur. Inzwischen habe 
ich während eines Aulenthaltes in London im Sommer 1901 zwei Exemplare der beiden 
Ausgaben des sehr seltenen Werkes des Rangonus im British Museum entdeckt. Da der 
Inhalt dieser Schrift den früheren Syphilishistorikern gänzlich unbekannt geblieben ist, so 
will ich an dieser Stelle einige Angaben über denselben machen. — Die im British Museum 
vorhandenen Ausgaben sind die folgenden: i. Thomae Philologi Ravenna. Mali 
Galeci Sanandi, Vini Ligni, et Aquae: Vnctionis, Ceroti, Suffumigii, Praedpitati, ac Reli- 
quorum Modi Omnes. Venetiis MDXXXVIII, 4°, 62 Seiten. — Am Schlüsse: Venetiis 
per loan. Anto. de Nicolinis de Sabio. (Signatur des Br. M. : 7461 e. 41.) — Es ist dies 
die älteste Ausgabe. Eine spätere, am Schlüsse etwas erweiterte, sonst aber mit der ersten 
inhaltlich genau übereinstimmende, erschien 1545 und nochmals 1575. Letztere befindet 
sich ebenfalls im British Museum (Signatur: 1174. b. 3. [i]). Ihr Titel lautet: Thomas 
Philologus Ravennas Phy.«icus Eques. Malum Gallecum, Depilatiuam, Unguitiuam, Den- 
tatiuam: Nodos Ulcera Vitia quaeque, affectus et reumata, usque ad contortos sanans. ligni 
indi, aquae, uini, sublimati. Cynae, spartae parillae. Huysan. Hetechen. Caraualgii aluar. 
mechoacan. Antimonii. Vnctionis. ceroti. suffumigii. Praecipitati. seminis indi ac addito- 
rum Mundi novi. et reliquorum. Modos omnes et Facultates explicet. Venetiis, Apud 
Petnim de Francisciis, Tertia impressio. MDLXXV. 8 ®. 67 Blätter. 

Das Werk des Rangonus enthält 22 Kapitel, wovon Kapitel I, „De mali Galled 
ortu et nomine**, II, „Mali Galieci Essentia, Causa et Diffinito**, VIII, ,,De ligno Indiae" 
zum Inhalte haben. Rangonus hat dann weiter sämtliche zu seiner Zeit bekannten 
Heilmethoden und Heilmittel zusammengestellt. So kennt er in der zweiten erweiterten 
Angabe auch bereits die „Radix Mechoacan, quam reservo apud me cum plantae 
seminibus, et qua utuntur quidam empirici pharmaco quidem potentissimo." (S. 66 b — 67). 
Es ist dies offenbar das berühmte lu-alte mexikanische Antisyphiliticum des „Dotor Indio" 
(s. oben S. 230), das also bereits einem Zeitgenossen der Eroberung Mexikos bekannt war. 
Rangonus erwähnt schon in der Ausgabe von 1538 (also ein Jahr vor der ersten Ausgabe 
des Diaz de Isla) den „Morbus indicus e nova translatus India, Mundo ac Novo** 
(S. 8), und dann findet sich thatsächlich auf Seite 7 beider Ausgaben die Nachricht, dass 
die Syphilis „malum Galecum** heisse, weil sie sich zuerst in der spanischen 
Provinz Galizien gezeigt habe: ,,Primum enimvero ex Junioribus quibusdam Hispaniani 
eas praesertim partes ad occidentem solem vergentes, atque a Gallaicis seu Gallecis Hispaniae 
populis Gallis finitimis sumpsisse, nomen Mali Galieci inde propriores Gallias, Alemaniaro, 
Sardiniam etc. invasit.** Hiernach scheint also thatsächlich die Mannschaft des Pinzon 



— 241 — 

Noch ein Einwand, der von hervorragenden Syphilishistorikern 
gemacht worden ist^), bedarf der Beleuchtung. Das ist nämlich der, 
dass nirgends die Syphilis „morbus americanus" genannt werde, 
was doch der Fall sein müsse, wenn sie aus „Amerika** stamme. Das 
Verlangen, welches hier gestellt wird, ist ein unmögliches. Denn 
der Name Amerika kam erst 6in volles Jahrhundert nach dem 
ersten Auftreten der Syphilis auf, ist erst seit 1522 auf den offi- 
ziellen Karten zu finden und fing noch viel später an, populär zu 
werden ^). 

Die Entstehung des Namens Amerika ist auf den litterarischen 
Kreis am Gymnasium in St. Die (Lothringen) zurückzuführen, insbe- 
sondere auf Martin Waltzemüller, der sich später „Hylacomy- 
lus** oder „Ilacomylus** (Wald-See-Müller) nannte. Neuerdings hat 
vSchiller-Tietz in der „Deutschen Rundschau für Geographie und 
Statistik" (1900) eine erschöpfende kritische Untersuchung über diesen 
Mann und seine Benennung des neuen Weltteiles veröffentlicht. Da- 
nach verfertigte Waltzemüller einen Globus und eine Weltkarte, 
auf der er die alten Bilder des Ptolemäus mit den neuen Seekarten 
der Spanier und Portugiesen zu vereinigen strebte. Vor allem sollte 
das neu entdeckte Südamerika darauf eingezeichnet werden. Gleich- 
zeitig v^rfasste Waltzemüller ein Textbuch „Cosmographiae intro- 
ductio", das am 25. April 1507 in St. Die gedruckt wurde. Hierin 
findet sich die Stelle: „Nachdem diese Erdteile (Europa, Afrika, Asien) 



die Syphilis nach Galizien gebracht zu haben. Es liegt kein Grund vor, diese Angabe des 
Zeitgenossen Rangonus zu bezweifeln. — In Kapitel I bringt Rangonus übrigens 
denselben Bericht über die ersten Syphilisfälle in Rapailo (Ende 1494), wie wir ihn bei 
Delicado kennen gelernt haben, und teilt noch mit, dass die Spanier die Syphilis mit dem 
Namen „Labones" belegt hätten. Die oben (S. 43) ausgesprochene Vermutung über die 
Beziehungen zwischen Delicado und Rangonus wird dadurch bestätigt. 

i) Z. B. Proksch „Geschichte der venerischen Krankheiten" I, 386: „Die Krank- 
heit erhielt damals nach den verschiedenen Ländern, aus denen man den Ursprung ver- 
mutete, wohl an fünfzigerlei Namen; aber Morbus Americanus nannte sie niemand.*' — 
Aehnlich ibidem, Bd. II, S. 149. ^ 

2) Die Weltkarte des älteren Apianus (Bienewitz) vom Jahre 1522 war die 
erste offizielle Karte, welche die Bezeichnung „America provincia" trug. Vgl. A. von 
Humboldt, „Kritische Untersuchungen über die historische Entwickelung der geo- 
graphischen Kenntnisse von der neuen "Welt", übersetzt von J. L. Ideler, Berlin 1852, 
Bd. III, S. 134. Dr. Karl Sudhoff in Hochdahl, der bekannte Paracel susforscher, hat in 
einer Notiz „Die erste Weltkarte mit dem Namen Amerika" in der Beilage zur Münchener 
Allgem. 2^itung (1900,- Nr. 159 vom 14. Juli) darauf hingewiesen, dass der Strassburger 
Arzt Lorenz Fries in seiner am 12. März 1522 erschienenen Ausgabe des Ptolemaeus 
zuerst (also wohl noch vor Apianus) den Nainen „Amerika" auf eine im Drucke erschie- 
nene Weltkarte gesetzt habe. 

Bloch, Der Uraprung der Syphilis. IQ 



— 242 — 

erforscht worden sind, ist ein vierter Weltteil durch Americus Ves- 
puccius entdeckt worden, und ich sehe nicht ein, Wcis uns hindern 
sollte, ihn Amerika, gleichsam das Land des Americus zu nennen, 
zumal Europa und Asien auch nach Frauen benannt worden sind." 
So istWaltzemüller der Namengeber Amerikas geworden. Aber 
erst sehr viel später bürgerte sich zunächst in Deutschland (seit 
1522) dieser Name ein. Er fehlt auf den spanischen See- 
karten des ganzen 16. Jahrhunderts vollständig. Diese 
haben immer die Bezeichnung „Mundus novus" oder „las Indias 
occidentales ^)". 

In Wirklichkeit wurde ja das erwähnte Postulat in ganz vor- 
trefflicher Weise erfüllt, und man sprach schon in den ersten Jahren 
von der Syphilis als von der indischen, d. h. amerikanischen 
Krankheit. Delicado, Monardes, die Hospitalsakten von Sevilla 
berichten, dass man die Krankheit dort sehr früh „Serampion de las 
Indias nannte; Diaz de Isla spricht vom „mal de la Isla Es- 
p a ii o 1 a", auch der Ausdruck „la Sarna de lalndias** (amerikanische 
Krätze) kommt vor, den Ludovicus Vives in der „Concio de 
sudore Christi" (1529) als „Scabies Indica" wiedergiebt^). 

Noch hinfälliger ist endlich der Einwand, den man hinsichtlich 
des spanischen Namens „bubas** für Syphilis gemacht hat. Weil 
derselbe thatsächlich vor 1493 in Spanien existiert hat, zieht man 
daraus den Schluss, dass auch die Syphilis da gew^esen sein 
müsse, und hat sogar dem Diaz de Isla vorgeworfen, dass er 
eine verräterische Inkonsequenz begebe, wenn er ebenfalls unbe- 
denklich das Wort „bubas" vor 1493 gebraucht werden liess^. Wer 
aber die eigentliche Bedeutung dieses Wortes kennt, der wird aner- 
kennen, dass dasselbe schon vor 1493 da sein musste. „Bubas" sind 
nämlich Pusteln, Geschwüre. Und genau so wie man das gute 
alte deutsche Wort „Blasen" „Blattern" auf die Syphilis anwendete, 
wie man die Syphilis als „pustulae" bezeichnete, nannte man sie in 
Spanien ganz allgemein nach dem hervorstechendsten Symptom „bubas". 



i) So nennt auch Ferdinand Columbus, der 1539 starb, in dem testamen- 
tarischen Entwürfe seiner eigenen Grabschrift, die Entdeckung seines Vaters stets nur „las 
Indias'*. Vgl. R. Pietschmann: „Zur Kritik der „Historien" des D. Fernando Colon** 
in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1879, Bd. XIV, S. 318. 

2) „Ne quis esset a periculo immunis, morbi universam sunt Europam pervagati, 
non illi modo veteres, sed novi, insoliti, inusitati, horribiles, abominabiles. Primum Scabies 
Indica etc.** Joannis Ludov. Vives Opera omnia, Valencia 1788, Bd. VII, S. 62. 

3) Vgl. z. B. Proksch a. a. O., Bd. I, S. 384. 



— 243 — 

Es sind bereits diese in allen Ländern vorkommenden rein sympto- 
matologischen Benennungen der Syphilis ausführlich ge- 
würdigt worden^). 

§ 15. Weitere zeitgenössische Nachrichten über den Ursprung 

der Syphilis. 

Die von den Gegnern eines neuzeitlichen Ursprunges der 
Syphilis hartnäckig festgehaltene Anschauung, dass die Berichte über 
die Einschleppung der Krankheit aus der neuen Welt läppische Er- 
findungen aus späterer Zeit sein, und dass erst seit 1525 Oviedo 
und nach ihm Diaz de Isla dieses Märchen aufgebracht hätten, 
dürfte bereits durch die bisherigen Darlegungen gründlich widerlegt 
sein. Im Folgenden werde ich aber noch eine ganze Reihe von 
Nachrichten mitteilen, die beweisen, dass diese Thatsache bereits in 
sehr früher Zeit allgemein bekannt war. 

In den „Frammenti degli Annali di Sicilia" (Communalbibliothek 
zu Palermo), einer vom Canonicus Antonio d'Amico zusammen- 
gebrachten Sammlung von zeitgenössischen Nachrichten heisst es 
schon unter dem Jahre 1498, dass die Syphilis in Neapel zum Aus- 
bruche gekommen sei, wo sich Spanier befunden hätten, die nach 
Mitteilung einiger Schriftsteller die Seuche von Westindien mit- 
gebracht hätten 2). 

Rernardino Circillo Aquilano berichtet gleichfalls in den 
„Annali della cittä deir Aquila con THistoria del suo tempo*^ dass 
weder Neapel noch Frankreich die Lustseuche erzeugt hätten, sondern 
dass die Spanier dieselbe aus Amerika eingeschleppt und später in 
Neapel die Freudenmädchen infiziert hätten^). 

Der Arzt Alexander Benedictus (ca. 1450 — 1525), den wir 
als einen thätigen Teilnehmer an den Kriegszügen der Jahre 1494 



i) Vpl. oben S. 88 — 91 (S. 89 über „Bubas**). — Ueber den Namen „bubas" 
handelt auch Montejo „Congr. Amer.*' S. 335 — 337. — Ein seltenes Werk über spanische 
Medizin im Volksmunde: Sorapan de Rieros „Mediana espaüola conlenida en proverbios 
vulgares de nuestra lengua'* Granada 1616, 2 Bde., welches weitere Aufschlüsse über den 
Gebrauch von „bubas" geben dürfte, war mir nicht zugänglich. 

2) „In questo anno si sparse una fiera malattia non piü sentita, chiamata il mal 
francese, e dicesi che hebbe origine dal Regno di Napoli, allora che i Spagnuoli vi tennero 
li eserciti; altri scrivono che fu portata dalli Spagnuoli dall' Indie.** Quist 
a. a. O., S. 315, Corradi a. a. O., S. 61. 

3) „Ma pe '1 vero. n^ h mal di Napoli nh di Francia per origine, che la veritä fu, 
che essendo tornati dall' Indie nuove alcuni Spagnuoli in Spagna portaron questo con- 

16* 



— 244 — 

und 1495 kennen gelernt haben, erzählt, dass die Syphilis aus dem 
Westen nach Italien gekommen sei, während er mit der Heraus- 
gabe seines Buches beschäftigt gewesen sei '). Diese Schrift erschien 
1497. Mit dem „Westen" ist wohl Spanien gemeint*), wie auch aus 
einer späteren Bemerkung des Benedictus erhellt, und hiermit ist 
ja der eigentliche Ursprung zur Genüge angedeutet. 

Antonio Benivieni (f 1502), ebenfalls ein Augenzeuge^) des 
Ausbruches der Syphilis in Italien, und ein Arzt, versichert bestimmt, 
dass die Syphilis durch die Spanier eingeschleppt worden sei, von 
Italien aus habe sie sich dann über Frankreich und die übrigen 
Länder Europas verbreitet*). 

Ganz deutlich bezeichnet wieder Johannes Manardus (1461 
bis 1536), dessen Schrift über die Syphilis nach Proksch^) um 1500 
verfasst wurde, den amerikanischen Ursprung der S)rphilis. Er 
erzählt, dass damals schon mehrere Autoren die Herkunft der 
Syphilis von den Antillen bezeugten, von wo sie die Spanier nach 
Europa gebracht hätten. Andere behaupten, sie sei zuerst in 
Valencia entstanden^). Mir scheint, dass beides auf dasselbe, d. h. 
auf den amerikanischen Ursprung der Seuche hinausläuft. 



tagioso morbo da quell' Indie et essendo dal Re Cattolico mandati di quesli tali in queste 
guerre a Napoli in favor de grAragonesi, n'infettarono le donne in quelle guerre, et esse 
a poco a poco n'infettarono altri.'' Corradi, S. XXII, S. 80. 

i) „Ob eam causam venereo tactu novus vel saltem medicis ignotus prioribus, 
siderum pestifero adspectu, morbus Gallicus ad nos ex Occidente, dum baec ederemus, 
irrepsit". A, Benedictus, „De partibus corporis" Üb. II, cap. 21 bei Grüner „Aphro- 
disiacus*S S. 39. 

2) Dieser Ansicht ist auch Astruc a. a. O. II, 565. 

3) „Anton Benivieni stand um das Jahr 1495 in Florenz in dem grössten An- 
sehen." I. A. V. Brambilla „Geschichte der von den berühmtesten Männern Italiens ge- 
machten Entdeckungen in der Physik, Medizin, Anatomie und Chirui^e", Wien 1789, Bd. I, 
S. 274. Seine Schrift erschien 1499. 

4) „Novum morbi genus, anno salutis nonagesimo sexto supra mille quadringentos 
a Christiana salute, non solum Italiam, sed fere totam Europam irrepsit. Hoc ab Hispania 
incipiens, per Italiam ipsam primum, tum Galliam, caeterasque Europae provindas Jäte 
diffusum, mortales quamplurimos occupavit." De morbo Gallico Tractatus Luisinus I, 399« 

5) Proksch a. a. C, II, 157. 

6) „Sunt enim qui dicant novum non simpliciter esse, sed ex insula quadam 
antiquis incognita, ubi frequentissimus est, in hanc, quam nos incolimus, habitabilis 
terrae portionem, per Hispanos, qui illuc navigarunt, importatum principio appa- 
ruisse. Alii sunt, et haec est antiquior sententia, et majoribus fulla testimoniis, qui coepisse 
hunc morbum per id tempus dicunt, quo Carolus Francorum Rex expeditionem Italicam 
parabat: coepisse autem in Valentia Hispaniae Tarraconensis insigni civitate." 
J. Manardi, De Morbo Gallico epistulae duae, Luisinus, I, 606. 



— 245 — 

Ein wahrhaft klassisches Beweisstück für die Einschleppung der 
Syphilis aus der neuen Welt ist auch der Bericht des Genuesers 
Bartholomeo Senarega in seiner genuesischen Geschichte, welche 
die Jahre 1488 — 15 14 behandelt und nach dem im Vatikan aufbe- 
wahrten Manuskript von Muratori veröffentlicht wurde. Eine neue 
Krankheit, welche die Körper schändete, sei zwei Jahre vor dem 
Zuge Karls VIII. aufgetaucht und zwar auf der pyrenäischen 
Halbinsel, wohin sie nach den Angaben vieler aus Aethiopien 
gekommen sei. Senarega giebt dann noch eine genaue Schilderung 
der Krankheit, die er in Bezug auf das Exanthem mit Morbilli und 
Lepra vergleicht^). Aus „Aethiopien" kam die Syphilis über Spanien 
nach Italien (ad nos). Aethiopien war während des ganzen Mittel- 
alters nicht bloss das heute so genannte Land, sondern umfasste alle Ge- 
biete, die im fernen Westen lagen. So findet sich dieser sagenhafte Be- 
grifif auf den ptolemäischen Karten verzeichnet, die noch in dem 
Zeitalter der Entdeckung benutzt wurden^. So kommt der Name 
auch in dem Bericht des Scyllatius über die ersten Reisen des 
Columbus vor^. Dieser spricht auch von „India" und „Arabia" und 
versteht darunter Teile des neuen Kontinentes! Die Antillen sind 
für ihn Inseln Arabiens und Indiens. So ist auch bei Senarega 
„Aethiopien*' das ferne im Westen gelegene Land, aus dem die 
Syphilis nach zahlreichen Angaben (multi dicunt) in Spanien einge- 
schleppt wurde. Hier ist doch mit aller sachlichen Deutlichkeit auf 
die Reise des Columbus angespielt Deshalb ist der lächerliche 
Versuch, aus den Worten „Duobus annis, priusquam Carolus in Italiam 
veniret" auf dcis Jahr 1492 als Anfangsjahr der Syphilis in Europa 
zu schliessen, nicht ernst zu nehmen, und auch sachlich durchaus 
nicht zu rechtfertigen. Denn wenn man sich vergegenwärtigt, dass 
Karl VIII. Ende 1494 bezw. Anfang 1495 nach Italien kam, die ersten 
Syphilisfälle aber im Anfang 1493 eingeschleppt wurden, so ist 



i) „Praeterea novum et nostris temporibus prius visum morbi genus, quod multorum 
Corpora foedavit, quod coeptum est vagari duobiis annis, priusquam Carolus in Italiam ve- 
niret, et cum citeriorem ulterioremque Hispanias commaculaverit , Bäticam Lusitaniam et 
Cantabros usque apprehenderit, tandem ad nos pervenit. Multi dicunt ex Aetbiopia venisse; 
aegros enim saevissimis cruciatibus affidebat, praesertim si ad juncturas descendisset. Ulcera 
per totum corpus apparebant morbillis majora et horridiora, quae aliquando unctionibus 
mollita et postea dericeata ad maiorem numerum et magnum dolorem revirescebant, leprae 
similUmis squamis etc." Bartholomaeus Senarega, „De rebus Genuensibus commen- 
taria ab anno 1488 usque ad annum 15 14" in: L. A. Muratori, „Rerum Italicarum 
Scriptores etc.", Mailand 1738, Bd. XXIV, S. 558. 

2) Peschel, „Geschichte der Erdkunde", S. 198. 

3) A, Ronchini a, a. O., S. iq2 ff. Vgl. dort die ferneren Beispiele. 



— 246 — 

auch in dieser Beziehung der Ausdruck „Duobus annis" durchaus zu- 
treffend, da ja fast zwei Jahre seitdem verstrichen waren. Hier hat 
man wieder einmal sich an die blosse Zahl geklammert und die 
Sache ganz ausser Acht gelassen. 

In Zusammenhang mit der Nachricht des Senarega möge 
die mit ihr fast genau übereinstimmende seines Landmannes Bapti st a 
Fulgosi erwähnt werden. Nach ihm verbreitete sich ebenfalls zwei 
Jahre vor der Ankunft Karls VII I. in Italien eine neue Krank- 
heit unter den Sterblichen, deren Name unbekannt war, gegen die 
man kein Heilmittel wusste, die in den einzelnen Ländern verschieden 
benannt und durch den Beischlaf übertragen wurde. Diese Seuche 
sei aus Spanien nach Italien gekommen. Nach Spanien 
aber sei sie aus Aethiopien gebracht worden und habe sich dann 
binnen kurzer Zeit über ganz Europa verbreitet^). 

Einige besonders scharfsinnige Autoren haben aus den doch 
vollkommen deutlich auf die Syphilis zu beziehenden Nachrichten 
des Senarega und Fulgosi herausgelesen, dass diese die soge- 
nannte „Marranen-Pest" im Auge hatten, welche sich in den 
Jahren 1492 — 1494 unter den aus Spanien vertriebenen Juden, den 
Marranen, zeigte. Hieraus entwickelte sich dann die Ansicht, dass 
die Syphilis durch diese und nicht durch die Franzosen in Italien 
eingeschleppt worden sei 2). Ja, man erklärte diese spanischen Juden 
für die eigentlichen „Stammväter" der Syphilis. Bekannt ist,* dass be- 
sonders der gelehrte Christian Gottfried Grüner, welcher in 
der Frage des Ursprunges der Syphilis zu wiederholten Malen seine 
Ansichten änderte, eine Zeit lang sehr leidenschaftlich die letztere 
These verteidigte^). Es soll nun keineswegs bestritten werden, dass 



i) „Biennio quoque antequam in Italiam Carolus veniret nova aegritudo inter mor- 
tales deiecta, cui nee nomen, nee remedia mediei ex veterum autorem diseiplina inveniebant, 
varie ut regiones erant appellata. In Gallia Neapolitanum dixerunt morbum, at in Italia 
Gallicum appellabant, alii autem aliter . . . Quae pestis (ita enim visa est) primo ex His- 
pania in Italiam allata, ad Hispanos ex Aethiopia, brevi totum terrarum orbem compre- 
hendit." B. Fulgosii, Faetorum dietorumque memorabilium, libri IX, ed. Campano, 
Paris 1585 (Lib. I, eap. 4), fol. 29. 

2) Wohl der Erste, der direkt das ausspricht, istSigismondo da Fol ig no: „Non 
tarnen a Gallis, sed a Marranis, quos ab Hispania pulsos P'erdinandus senior Neapoli ex 
ceperat, emanavit. ludaeorum enim genus quamvis poreo abstineat, prae ceteris nationibus 
obnoxia leprae est, ob quam Cornehus Tacitus, gravissimus auctor, eam Aegypto pulsam 
fuisse tradit'^ „Le Storie de suoi tempi dal 1475 al 15 10 etc.", Rom 1883, Bd. II, 
S. 271 bei Corradi a. a. O., S. T] , 

3) Chr. G. Grüner, „Die Maranen sind die wahren Stammväter der Lustseuche 
von 1493. Ein Fragment." In: Almanaeh für Aerzte und Niehtärzte. Jena 179^» S* 



— 247 -- 

unter den jüdischen Flüchtlingen, die Spanien in den Jahren 1493 
und 1494 verliessen, sich auch Syphilitiker befunden haben. Aber 
ganz sicher ist, dass die „Marranenpest" der Jahre 1492 — 1494 die 
wahre Bubonenpest war. Es zeigte sich diese unter den Israeliten 
in Neapel, Rom und Genua ^). Vielleicht ist auch der Umstand, 
dass die vertriebenen Juden zugleich mit Karls VIII. Heere in 
Neapel weilten, für die Entstehung der oben erwähnten unbe- 
gründeten Annahme verantwortlich zu machen. Ein Augenzeuge 
der unsäglichen Drangsal und Leiden seiner Glaubensgenossen 
während der Anwesenheit Karls VIII. in Neapel war der berühmte 
Isaak AbarbaneP). Wie man zur Zeit des schwarzen Todes die 
Juden beschuldigte, die Urheber der Krankheit zu sein, so ist es 
sehr wohl möglich, dass sich beim Ausbruche der Syphilis in Neapel 
das Gleiche wiederholte. 

Ein sehr interessantes und höchst beweiskräftiges Dokument 
über den amerikanischen Ursprung der Syphilis, das bisher den 
Syphilishistorikern unbekannt geblieben zu sein scheint, hat Bandini 
in seiner 1745 erschienenen Lebensbeschreibung des Amerigo 
Vespucci veröffentlicht. Diese Stelle befindet sich in einem Manu- 
skripte aus dem Jahre 1520 (also noch vor dem Erscheinen der ge- 
druckten Ausgaben des Oviedo und des Diaz de Isla). Es 
wird daselbst unter dem Jahre 1494 erzählt, dass das Uebel, welches 
„wir (die Italiener) das französische nennen, von den Begleitern des 
Golumbus, welche sich bei den Weibern der Antillen angesteckt 
hatten, nach Spanien gebracht worden sei. Hier hätten dieselben 
die Courtisanen infiziert, welche ihrerseits die Krankheit anderen 
Spaniern mitgeteilt hätten, von denen später einige nach Neapel 
gekommen seien, wo dann durch Vermittlung von Freuden- 
mädchen die Syphilis sich in beiden Heeren weiter verbreitet habe'*). 



51 — 92; „Geschichte der Maranen und der Eroberung von Granada. Ein historisches Frag- 
ment." Ibid., S. 188 — 196; „Die Maranen dürften doch wohl die wahren und einzigen 
Stammväter der Lustseuche von 1493 seyn. Eine Fortsetzung.*' Ibid.; Jena 1793, S. 69 
bis 89; „Die Maranen dürften doch wohl die Stammväter der Lustseuche von 1493 seyn." 
Ibid., Jena 1794, S» 229 — 268; „Morbi Gallici origines Maranicae", Jena 1793 und in: De 
morbo Gallico scriptores, Jena 1793, S. III — XXXVI. 

1) Vgl. J. de Villalba, ,,Epidemiülogia Espanola", Madrid 1803, Bd. I, S. 70; 
Jos6 Amador de los Rios, „Historia social, politica y religiosa de los ludios de Espana 
y Portugal, Madrid 1876, Bd. III, S. 376—377; vgl. ferner H. Haeser a. a. O., Bd. III, 
S. 236—237. 

2) Amador de los Rios a. a. O., Bd. III, S. 319 — 320. 

3) „In questo anno il male, che noi chiamiamo Francioso fu portato nell' Europa da 
quelli, che navigarono col Colombo, preso dalle Donne di detta Isola, li quali ritornando in 



- 248 - 

Alessandro Sardi berichtet in der ,.Historia estense" unter 
dem Jahre 1496, dass d'Aubigny (der von Karl VIII. in Neapel 
zurückgelassene Feldherr) von jener Krankheit gequält wurde, welche 
die Spanier mit dem Golde von Westindien mitgebracht hätten, 
und die zu jener Zeit nach Italien gekommen sei und fälschlich 
Franzosenkrankheit genannt werde ^). 

Wenn auch der berühmte Geschichtsschreiber Italiens Francesco 
Guicciardini (1483— 1540) kein eigentlicher Zeitgenosse des Aus- 
bruches der Lustseuche ist, und beim Auftreten derselben erst 1 2 Jahre 
alt W£U", so hat er doch aus den besten gleichzeitigen Quellen geschöpft 
und auf Grund dieser Studien es unternommen, die Franzosen von 
der Schmach zu reinigen, dass sie die Stammväter der Lustseuche 
seien. Nein, es sei ganz offenbar, dass die Krankheit von den 
Spaniern nach Neapel gebracht worden, aber auch diesem Volke 
nicht eigentümlich sei, sondern von jenen Inseln stamme, die 
Christoph Columbus zu jener Zeit entdeckt habe^). 

Ein bemerkenswerter Zeuge ist ferner der Historiker Paulus 
Jovius. Derselbe war nach Proksch^) „Zeuge des epidemischen 
Ausbruches der Syphilis und schrieb das bezügliche Geschichtswerk 
erst an 20 Jahre danach", also schon um 1515. Er führt ebenfalls 
die Ansicht der Leute an, die die Syphilis aus der neuen Welt 
kommen lassen. Dann sei sie aus Spanien durch die Marranen nach 
Italien verschleppt worden, zur Zeit als Karl VIII. sich in diesem 
Lande aufhielt*). 



Spagna ne infettarono molte cortigiane, e da queHe si venne ampliando, attalch^ quelli 
Spagnuoli, che dipoi vennero a Napoli contro a' Francesi in favor del Re Fernando, ne 
empierono l'uno, e I'altro csercito per mezzo delle meretrici, e li Frandosi lo chiamarono 
male di Napoli." Vita e lettere di Amerigo Vespucci, Gentiluomo Fiorentino Raccolte e 
Illustrate dali' Abate Angelo Maria Bandini, Florenz 1745, S. XLI. 

i) . . . d'Aubigny afflitto dalle doglie di quel male che gli Spagnuoli con l'oro 
portarono, dalle Indie occidentali, et che in questo tempo penetrato in Italia impro- 
priamente vi fu chiamato mal francese." Alessandro Sardi „Historia estense la quäle 
contiene le attioni fatte in Ilalia dair anno 1476 al 1505** (Mscr. der Palatina in Modena), 
bei Corradi a. a. O., S. 19. 

2) „Ma e conveniente rimover questa ignominia dal nome Francese, perche si manifeste 
poi, che tale infern litä era slata traportata di Spagna ä Napoli, ne propria di quella natione, 
ma condotta quivi da quelle Isole, le quali cominciarono per la navigadone di Christofano 
Colombo Genovese a manifestarsi quasi in questi anni medesimi al nostro Emisperio." La 
Historia d'Italia di M. Francesco Guicciardini ed. Porcaechi, Venedig 1583, Hb. II, 
p. 69 bei Grüner „Aphrodisiacus*', S. 124. 

3) I. K. Proksch „Die Antimercurialisten des XV. und XVI. Jahrhunderts", 
Wien 1880, S.A. S. 17. 

4) „Fuere qui crederent id malimi ab novo orbe ad ocddentem reperto, initium 
duxisse, et ab ludaeis, sub id tempus tota Hispania pulsis, in Italiam ceterasque regiones 



— 249 — 

Johannes Baptista Theodosius, Professor der Medizin in 
Bologna, wahrscheinlich ein Zeitgenosse, da er 1538 starb ^), lässt die 
Syphilis von Spanien ausgehen 2). 

Sehr bezeichnend in Beziehung auf die Herkunft der Syphilis 
ist endlich der Umstand, dciss die italienischen Aerzte, die der Krank- 
heit bei ihrem Auftreten ratlos gegenüberstanden, durch spanische 
Empiriker verdrängt wurden. In Spanien hatte die Krankheit schon 
früher geherrscht als in Italien, in Spanien waren auf rein empi- 
rischem Wege die ersten Heilmittel gefunden worden, und daher 
wurden die spanischen Syphilis -Therapeuten herbeigerufen, um ihre 
Kunst da zu zeigen, wo diejenige der italienischen Aerzte versagte. 

Summaripa erwähnt in seinem 1496 erschienenen Gedichte 
„dagli empirici usati a medicare NelToccidente a Tinfirmita ria 
gli ottimi ungnenti'* 3) und spricht von den „Empirici venuti di 
Ponente", die nach Italien kamen, um dort mit einer kostbaren 
Salbe die Syphilis zu heilen^). 

Auch Alexander Benedictus berichtet, dass aus dem 
Westen Empiriker kamen, die in den Städten schnell eine lukrative 
Syphilispraxis sich erwarben^). Dass diese Heilkünstler aus Spanien 
stammten, ist sicher. Der Dichter Antonio Cammelli erwähnt aus- 
drücklich die spanische Herkunft eines solchen, der seinen syphili- 
tischen Sohn schlecht behandelt habe^), und Corradi zählt mehrere 
spanische Syphilis - Therapeuten auf*^). Es ist gewiss kein Zufall, 
dass alle jene Empiriker, die in Italien so viel Glück bei ihren 
Syphiliskuren hatten, Spanier waren. Und Summaripa und Bene- 
dictus haben nicht verfehlt, auf diese bedeutsame Thatsache hinzu- 
weisen, die ein stringenter Beweis dafür ist, dass die Syphilis in 
Spanien bereits längere Zeit vor ihrem Auftreten in Italien ge- 
herrscht hatte. 



vario eorum errore delatum sub id tempus, quo Carolus passim victor Italiam percu- 
currit." Paulus Jovius „Historia sui temporis** Paris 1553, Bd. I, S. 79, bei Grüner 
„AphrodisiacuT'j S. 125. 

1) „Biographisches Lexikon der hervorragenden Aerzte aller Zeiten und Völker** von 
A. Hirsch und E. Gurlt, Wien und Leipzig 1887, Bd. V, S. 646. 

2) „Ego autem potius credo, ea (seil, ulcera) esse ex morbo Gallico, qui primum ab 
Hispania ortum habuit." Grüner „Aphrodisiacus*', S. 140. 

3) Simon a. a. O., II, 38. 

4) ibidem S. 39. 

5) „Ex occidente venere empirici, qui magno quaestu urbes circumierunt, id tantum 
profitentes,** bei Grüner „Aphrodisiacus", S. 3c). 

6) Corradi a. a. O., S. 82— 84. 

7) ibid. S. 83, Anmerkung. 



— 250 — 

Eine sehr frühe Nachricht über den amerikanischen Ursprung 
der Syphih's findet sich in einer handschriftlichen Randbemerkung, 
die ein ungenannter Arzt aus Sachsen um 1500 in das jetzt in 
Leipzig befindliche Exemplar von Widman's „Tractatus de pustulis'*, 
der 1497 erschien, eintrug. Danach erschien die Syphilis im Jahre 
1493 in Mauretanien und Spanien*). Bemerkenswert ist an dieser 
Notiz, dass auch hier als erstes europäisches Land, in dem sich die 
Syphilis zeigte, Spanien bezeichnet wird. 

Ebenso lässt OttoRaut in seinem 1501 erschienenen „Pro- 
gnosticum et digressio de malo Franciae" die Syphilis von Spanien 
ausgehen ^. 

Der Abt Trithemius berichtet in den vor 15 14 geschriebenen 
„Annales Hirsaugienses^* , dass die Syphilis zwar von den Franzosen 
nach Italien und von dort nach Deutschland gebracht worden sei, 
dass sie aber ihren ersten Anfang in Spanien genommen 
habe^). 

Woher hatte denn Leonhard Schmaus schon im Jahre 
15 18, also lange vor der Publikation der Schriften des Oviedo 
und des Diaz de Isla die Kunde, dass die Syphilis aus Amerika 
gekommen sei? Wie kommt es, dass er bereits damals sagt, es 
wüssten alle, dass die Lustseuche in Westindien geherrscht habe, 
bevor sie überhaupt zum ersten Mal in Europa sich gezeigt habe*). 

Franciscus Guilliman (in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts), 
der zu den Chronisten gehört, die nach Meyer-Ahrens zum Teil 
aus Ueberlieferungen schöpften, bemerkt, dass die Erfahreneren 
behaupteten, dass die Syphilis aus Westindien eingeschleppt worden sei ^). 



i) „Morbus gallicus 1493 sub ominibus duorum ponderosorum Satumi et Jovis in 
mauritania caesarea et hyspania apparuit'S bei Fuchs. ,,Die ältesten Schriftsteller u. s. w.'S 
S. 318. 

2) „Unde is morbus primitus ab ultimis finibus mundi, puta ab oris Hispaniae, 
incepit usque per totura Universum mundum serpere etc." bei Fuchs, a. a. O., S. 295. 

3) ,,His quoque temporibus morbus ille turgentium pustularum, quem nulle medicis 
usitato nomine exprimete possum, a Galiis incipiens per Italos venit in Germanos. Habuit 
autem suae infectionis pestiferae principium in Hispanis, ab Hispanis pullu- 
lavit in Gallos, a quibus in Italiam profectis contra regem Neapolis Alphonsura infedt et 
Italos etc.** bei Fuchs a. a. O., S. 348. 

4) „Dico praeterea hunc morbum durasse semper, quippe compertum est jam omnibus, 
occidentales Indos per plurimos annos hoc morbo graviter laborasse, medicinamque, qua 
semper usi sunt contra hunc morbum nostris mercatoribus iam indicarunt. Causam vero 
adventus hujus aegritudinis in Europam diversi diversam assignant." Leonard! Schmai, 
„De Morbo Gallico", Tractatus, cap. I; Luisinus, I, 383. 

5) „Ex expeditione Neapolitana primum in Germaniam et Galliam morbus illus con- 
tagiosus, quem GalUcum aut Neapolitanum inde vocamus, translatus. Sunt, qui primum 



- 2Sl — 



Wenn die Register der Universität Manosque in Südfrankreich 
die Syphilis unter dem Jahre 1496 als „infirmitas de las Bubas" 
erwähnen, so geht daraus ebenfalls mit Sicherheit die spanische Her- 
kunft der Krankheit hervor^). 

Antonius Gallus (Lecocq), dessen Schrift über das Guajakholz 
1 540 erschien, tritt ebenfalls für den amerikanischen Ursprung der Syphilis 
ein nnd beruft sich hierbei auf die Autorität hervorragender (jewährs- 
männer, unter denen er den Erasmus, der auch (vor 1524) von der 
„Scabies Hispanica" redet 2), erwähnt^). 

Auch Jean Tagault (f 1545) sagt, dass der eigentliche rich- 
tige Name der Syphilis „lues Hispanica" sei, da sie schon vor dem 
Feldzuge Karls VIII eine Zeit lang in Spanien geherrscht habe*). 

Schon um 1500 hiess die Lustseuche in England „spanische 
Pocken**, welcher Ausdruck sich in einem Gedichte von William 
Dunbar findet^), und nicht weniger bemerkenswert ist es, dass Conrad 
Reitter, Prior der Cistercienserabtei Kaisersheim bei Donauwörth 
bereits im Jahre 1500 weiss, dass die Sphilis iiuch in der neuen Welt 
herrscht, wie dies aus einem in diesem Jahre verfassten Gedicht zu er- 
sehen ist, in dem es heisst: 

Depopulatque 
Italos, Gallos, Bavaros, Suevos, 
Teutonae terrae spatiosa regna. 



contractum ferant ex puleorum undis, in quibus leprosi conjecti, sed peritiores ex novo 
orbes sicuti et medicinam ab Hispanis adlatam asserunt." Francisci Guillimani, De 
rebus helvetids, libri V, Freiburg 1598, bei Meyer-Ahrens, „Geschichtliche Notizen über 
das erste Auftreten der Lustseuche in der Schweiz**' Zürich 1841, S. 23 — 24. 

i) Grüner, „Aphrodisiacus**, S. 54; P. Dufour, „Histoire de la prostitution**, 
Paris 1853, Bd. V, S. 19. 

2) „Quodsi nondum eins leprae contagium, quam vocant scabiem Hispanicam, attigit 
te, non diu poteris effugere.** Colloquium adolescentis et scorti, bei Fuchs, 353. 

3) „Quid sit lues Hispanica. Neque enim nos hac appellatione tarn foedi tam- 
que turpis affectus, ciarissimae genti detractum volumus: sed monemus primum om- 
nium, contagem istam ex commercio cum novi orbis Insulanis ortum con- 
traxisse, a quibus (ut est verisimile) labes illi populo familiaris in hanc facile derivata est. 
Consensu etiam moveor doctissimorum ita appellantium, imprimisque Erasmi, hominis sum- 
mi.** Antonii Galli, De Ligno Sancto non permiscendo opus: Luisinus, I, 461. 

4) „Hie enim (morbus) veteribus et priori saeculo omnino ignotus fuit, primumque 
apud Neapolim irrepsit anno a Christo nato 1493 (sie!) Quo tempore Carolus, Gallorum 
Rex invietissimus, alpes superabat, Italiam petiturus; quamvis antea non longe per His- 
panias (ut quidam refenint) serpsisse: quapropter tanquam inde traeta origine, lues His- 
panica coepit appellari." J. Tagault^s Chiriu-gie, Kap. 2, nach E. Gurlt, „Geschichte 
der Chirurgie**, Berlin 1898, Bd. II, S. 628. 

5) Ch. Creighton, „A history of epidemics in Britain'*, Cambridge 1891, S. 418. 



— 252 — 

Quosque Gemianos alioque gentes 

Orbe sepultas; 
Quia domum soUs perhibent 

utramque 
Quadripartitum penitusque mundum 
Hanoce tarn saevam peoetrasse tabem 

Omnibus unam.*^ 

Fuchs, der diese Stelle mitteilt^), meint, dass dieses das früheste 
Zeugnis für die Existenz der Lustseuche in Amerika sei 2). Wie wir 
zur Genüge gezeigt haben, ist das eine irrige Annahme, und be- 
sitzen wir aus noch früherer Zeit wertvolle Dokumente in Beziehung 
auf diese Thatsache. Immerhin ist auch Reitter's Nachricht eine 
höchst bedeutsame, die beweist, wie früh auch in Deutschland der 
wahre Sachverhalt bekannt war. 



i) C. H. Fuchs, „Tbeodorid Ulsenii Phrisii Vaticinium in epidemicam scabiem etc, 
nebst einigen anderen Nachträgen zur Sammlung der ältesten Schriftsteller über die Lust- 
seucbe in Deutschland", Göttingen 1850, S. 8 (Strophe 23 — 24). 

2) ibidem, S. 30. 



VIERTES KAPITEL. 



Die Ausbreitung der Sypliilis in der alten Welt. 



§ i6. Ursachen der schnellen Verbreitung der Syphilis in der 

alten Welt 

Die Geschichte der Ausbreitung der Syphilis in der alten Welt 
ist zugleich ein weiteres interessantes Kapitel der Lehre vom Ur- 
sprünge derselben. Denn wie der ganze Verlauf der Syphilisepidemie 
in Spanien und Italien deutlich zeigt, dass es sich um eine von ausser- 
halb eingeschleppte Krankheit handelt, so wird dies durch die 
Betrachtung ihrer Wanderung durch die Länder der alten Welt in 
der auffallendsten Weise bestätigt. Ueberall tritt sie als eine neue 
Krankheit auf und überall lässt sie sich auf eine Einschleppung 
zurückführen. Als Resultat ergiebt sich für den Bereich des ge- 
samten Orbis antiquus eine Einschleppung der Syphilis von 
ausserhalb, d. h. vom Orbis novus, aus Amerika. Denn woher sollte 
sie sonst gekommen sein? 

Dass „die Litteratur jener Tage, profan und wissenschaftlich, 
deutlich den Ausdruck der Ueberraschung, durch einen neuen, 
furchtbaren, Laien und Gelehrten gänzlich oder nahezu un- 
bekannten Feind spiegelt^)", dass „l'explosion de la Syphilis au XV® 
siecle fut pour le public medical du temps une veritable surprise, 
tant ce mal etait inconnu, tant il differait de toutes les 
maladies decrites et etudiees jusqu' alors, tant il presentait, 
en un mot, les caracteres d'une affection nouvelle^)", ist 
durch die bisherigen Untersuchungen bereits mit voller Klarheit zu 
Tage getreten und wird durch die Geschichte der Syphilisverbreitung 
noch mehr erwiesen werden. 



i) Isidor Neumann „S3rphilis", Wien 1896, S. 98. 

2) Alfred Fournier in der Vorrede zu seiner Uebersetzung von B^thencourt 
„Nouveau Caröme de P6nitence etc." Paris 1871, S. 6—7. 



— 254 — 

Die Ausbreitung der Syphilis in der alten Welt erfolgte mit grosser 
Schnelligkeit. Wir sehen dieselbe in wenigen Jahren sich in allen 
Teilen Europas einnisten, bis 1500 hatte sie fast alle europäischen 
Länder mehr oder weniger ergriffen, und schon in den ersten Jahren 
des 16. Jahrhunderts taucht die Lustseuche im fernen Ost- Asien auf, 
in China und Japan. Auch in Afrika lassen sich Spuren einer 
frühen Einschleppung der Krankheit nachweisen. 

Bevor ich eine kurze Skizze dieser Ausbreitung der Lustseuche 
in den verschiedenen Ländern entwerfe, soll eine Uebersicht über die 
wichtigsten Ursachen dieser ausserordentlich schnellen Propa- 
gation der Krankheit gegeben werden. 

Die allerwichtigste war ohne Zweifel der „jungfräuliche 
Boden", auf dem dieses furchtbare Gift so üppig blühen und ge- 
deihen konnte. Die Heftigkeit und Bösartigkeit der Krankheitser- 
scheinungen, welche wohl Niemand besser als Fuchs^) geschildert 
hat, der im ganzen doch bedeutend schnellere Verlauf als heut^ 
zutage lehren die ausserordentliche Empfänglickkeit der von 
dieser Krankkeit bisher noch nicht betroffenen Völker. Mit Recht 
bemerkt Professor R. Bergh, ein ausgezeichneter Geschichtsforscher 
und hervorragender Syphilidologe: „Es geht aus den Beschreibungen 
der zeitgenössischen Verfasser hervor, dass die ersten luetischen 
Phänomene während jener grossen „Epidemie" im ganzen von denen, 
womit die Syphilis jetzt gewöhnlich auftritt, ziemlich verschieden 
gewesen sind. Das Virus scheint damals gleichsam kräftiger ge- 
wesen zu sein, weshalb die Ansteckung auch vielleicht 
leichter stattgefunden hat; die generellen Symptome scheinen 
frühzeitiger aufgetreten zu sein, noch dazu viel intensiver und ganz 
besonders häufig mit bösartigem Verlaufe. Während solche galop- 
pierenden Formen von Syphilis heutzutage seltener vorkommen, 
scheinen sie damals ganz häufig gewesen zu sein^)". Hierfür sprechen 
vor allem das unbezweifelbare Vorherrschen grosspustulöser 
Syphilide (veröle, pustulae, „blättern", „bubas"), die intensiven 
Gelenkschmerzen und die überaus grosse Häufigkeit der 
Knochenaffektionen, um von anderen schweren Krankheits- 
erscheinungen ganz zu schweigen. Wenn die Syphilis schon Jahr- 
tausende bestanden hätte, dann hätte doch im Laufe dieser langen 
Zeit eine so grosse Immunisierung die Völker des Orbis antiquus 



i) P'uchs „Die ältesten Schriftsteller u. s. w.", S. 417 — 430. 
2) R. Bergh „Ueber Ansteckung und Ansteckungswege bei Syphilis", Hamburg 
und Leipzig 1888, S. 7. 



— 255 — 

gegen das syphilitische Gift eintreten müssen, dass die Ereignisse 
am Ende des 15. Jahrhunderts einfach unmöglich gewesen wären. 
Ist doch schon heute, nach wenigen Jahrhunderten, bereits eine 
deutlich bemerkbare Abschwächung des syphilitischen Virus nach- 
zuweisen. So aber zeigt die Geschichte der Verbreitung der Syphilis 
auch nicht in einem einzigen Lande der alten Welt das geringste 
Merkmal einer Immunisierung von alters her. Im Gegenteil, über- 
all wütet die Syphilis mit derselben ungeschwächten Intensität, 
überall verbreitet sie gleichen Jammer, ist sie von denselben qual- 
vollen Symptomen begleitet. 

Dieser mehr allgemeinen und ubiquitären Ursache der schnellen 
Verbreitung der Lustseuche reihen sich eine ganze Anzahl speziellere 
Ursachen an. Für Europa kommen zunächst die Söldner und 
Landsknechte in Betracht, welche nach dem Feldzuge Karls 
VIII. das neue Uebel in alle Länder verschleppten. Wohl bei 
keiner anderen Volksseuche haben diese rohen, zuchtlosen Scharen 
eine so verhängnisvolle Rolle gespielt wie bei der Syphilis. 

„Die Landsknechte^)", sagt Heck er, „des deutschen Kaisers 
und die Söldner der Könige von Frankreich und England, die sich 
während der Kriege den kleinen Stämmen der stehenden Heere 
anschlössen, waren nur heimatlose Abenteurer aus allen Ländern 
Europas, („so fleugt und schneuet es zu wie die fliegen in dem summer, 
dess sich jemand verwundern möcht, wo dieser schwärm nur aller 
herkam, und sich den winter erhalten hat. Und zwar so ein eilend 
volck, das man sich ihrs glucks, Verderbens und guten lebens billich 
mer erbarmen dann neiden sollt." Sebastian Franck's Chronik. 
Von den „verderblichen Landsknechten" fol. 217 b). — Wurden nach 
geschlossenem Frieden die Heere wieder vermindert, so zerstreuten 
sich die Landsknechte nach allen Richtungen, nicht um wieder 
hinter dem Pfluge zu gehen, oder das ehemalige Handwerk zu 
treiben, nein, um in gewohntem Müssiggange die Herbergen und 
Frauenhäuser zu füllen, wenn die Beute ihnen geraten war, oder 
hatten sie Trunk und Spiel elend gemacht, um zu allgemeiner Land- 
plage als wandernde Bettler oder Räuber ein ehrloses Dasein bis 
zu einem neuen Kriegsrufe zu fristen 2)." 

Eß ist daher kein Zufall, dass die „zwo böse sucht", nämlich 
die Syphilis und die Landsknechte überall zusammen auftreten, 



i) französisch = Lansquenet; italienisch = Lancichinecho. 

2) J. F. C. Heck er „Die grossen Volkskrankeiten des Mittelalters**, herausgegeben 
von A. Hirsch, Berlin 1865, S. 218. 



— 256 — 

zumal da, wie noch heute, schon damals die Weiber sich an allen 
Orten den wilden Kriegsmännern nur allzu gerne und allzu willig 
hingaben. Diese V^erhältnisse beleuchtet ein charakteristischer Aus- 
spruch in Valentin Müntzer's „Chronographia**: „Er (Max I.) hat 
auch im fünften jar seines kayserthums zwo böse sucht in teutsch- 
land bracht: eine ist die Landssknecht, welche jetzt der Bettlers Münch- 
orden an sich genommen vnd die selbigen mit jrem garten, termi- 
nieren und betein vertriben. Vor zeytten wolt ein yegliches weyb 
einen Pfaffen haben, yetzt wils ein Landssknecht auffziehen. Die 
Landssknecht, wiewol sie ein vorderbliche sucht seind, so haben sie 
doch noch ein ärger mit sich in teutsche land bracht, die mala Frant- 
zoss genannt V* 

Johann Haselbergk sagt in seinem Gedicht „von den 
welschen Purppeln": 

Darauss die purpeln sind entsprungen, 
Des ersten mals aus Neaplas kummen, 
Vom Kriegs voick mit grossen hauffen. 
Die tag vnd nacht thün zu sauffen. 
Habent es bracht inn deutsche landt, 
Da saufft manns halb vnd gantz on schand, 
Vnd durch h&rey, hab ich vernommen, 
Sey die purpel inn Deutschland kummen^. 

Aehnlich fasst diese Beziehung zwischen den zurückkehrenden 
Söldnern und der Syphilis der Strassburger Buchdrucker Hans 
Schott auf; 

Der Landtsknecht und Malefrantzossen anfang. 

Die ersten Landtsknecht seind uffkummen 
Zu disser Zeit, hab ich vemummen 
Bey Maxmilian im Niderlandt, 
Blülzapffen wurden sye genannt: 
Die auch uss Franckreich desse jar 
Die ersten Blatcm brachten har. 
Damit Gott schickt straff vnd plagen '). 

Die Söldner Karls VI IL zerstreuten sich seit Mitte 1495 nach 
allen Richtungen und verbreiteten die Syphilis sehr schnell, beson- 
ders in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich. 



i) Valentin Müntzer „Chronograph ia**, Bern 1550, 4**, fol. 167b, bei Fuchs 
a, a. O., S. 376. 

2) Fuchs u. a. O., S. 368 — 369. 

3) ,,Das Weltlich Leyenbüch. Zü Strasszburg bey Hans Schotten** 1541,4 fol. c, 
bei Fuchs a. a. O., S. 375. — Vgl. die ähnlichen Stellen der Nürnberger Reimchroniken 
bei Fuchs „Vaticinium etc.*', S. 16. — Ferner Fuchs „Aelteste Schriftsteller'*, S. 358, 
S. 346. 



— 257 — 

In Deutschland blieb seitdem Welschland verrufen, als ein Land, aus 
dem derartige Uebel meistens mitgebracht würden, und noch lange 
erhielt sich im Volksmunde die Tradition von der fremden Herkunft 
der Syphilis. So ist es gewiss ein Nachklang dieser traurigen Er- 
fahrungen längst vergangener Zeit, wenn es im „Italienischen Huren- 
spiegel" (einer angeblichen Uebersetzung der „Ragionamenti" des 
Aretino) von den aus den romanischen Ländern heimkehrenden 
jungen Leuten heisst: „Darnach (ziehen sie an) den Verlust der Ge- 
sundheit / weiln ihrer viel wieder zu Hauss kommen mit heimlichen 
frembden Krankheiten beschmeisset / die etwa auch von den Völkern 
benamet worden / da sie solche Kleinodien geholet haben / als 
Morbus Galliens, Mal de Naples, Lues Hispanica, Morbus 
Campanus und der gleichen / damit man ja wisse / das sie der Or- 
ten gewest seyen. Da sie ausszogen / blüheten sie wie die schönen 
Rosen / hatten KöpfiFe wie die järigen Hauen / liebliche frische 
Augen / rothe Lippen / Kopfleisch genugsam / wann sie wieder- 
kommen / sehen sie aus wie man St. Franciscus mahlt / mit geelen 
Schnäbeln / dürren Backen / bleichen Angesicht / traurig / und er- 
schlagenen Geberden sonderlich wan sie Philtra gesoffen haben / da 
gibts viel klagens / O den Kautzen hab ich in Franckreich oder Lotringen 
gehabt / es liegt mir noch eine Italiänische Pillen im Kropf / ich 
sorge ich werde sie mit unter die Erde tragen müssen i)". 

Neben der Zerstreuung der Kriegsknechte über alle Länder sind 
die Verhältnisse einer zügellosen Prostitution, die in jener Zeit 
eben noch mit voller mittelalterlicher Unbefangenheit und Freiheit 
waltete, für die ausserordentliche Verbreitung der Syphilis verantwort- 
lich zu machen. Wenn je das Wort des Arztes und Erzbischofs Sigis- 
mund Albicus: „vulva muliebris est spoliatrix totius vitae hu- 
manae^)" sich bewahrheitete, so geschah dies gewiss in diesem Falle. 
Sehr drastisch und zutreffend hat Brassavola die Rolle der Freuden- 
mädchen beim Ausbruche der Syphilisepidemie geschildert. Er sagt, 
dass die Lustseuche nicht von selbst entstanden sei, sondern 
„adveniente confrictione per mulieris obcoenas partes". Im Jahre 1495 
sei im französischen Lager eine sehr vornehme und schöne Courti- 
sane gewesen, die an den Geschlechtsteilen ein Geschwür gehabt 
habe. Zuerst habe sie Einen angesteckt, dann zwei, und drei, und 
hundert Männer. Denn sie war eine öffentliche Hure, dabei sehr 
schön. Und da die menschliche Natur nach dem Geschlechtsgenusse 



i) „Italiänischer Hurenspiegel u. s. w.", Nürnberg 1661, S. 6 — 8. 
2) Citiert von R. Bergk a. a. O., S. 31. 
Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 17 



— 26o — 

haben, vollauf berechtigt, Fuchs führt zahlreiche Zeugnisse dafür 
an, dass die Krankheit nicht nur einzelne und wenige, sondern viele 
Menschen befiel. Pollich spricht schon 1499 von „vielen Tausenden 
g'eheilter Kranken"^). Aus zahllosen Schilderungen zeitgenössischer 
Autoren entnehmen wir dieselbe Thatsache, die uns ebenso durch 
die Grösse des Jammers, den sie erregte, verbürgt wird. Kein 
Stand blieb verschont, Fürsten und Geistliche wurden in allen 
Ländern ebenso eine Beute der Syphilis wie Personen aus niederem 
Stande. 

Geystlich, weltlich, münch vnd nünnen, 
Niemantz ist dem Krieg entninnen; 
Fürsten, herren, manch gewapnet mann 
Zyhent mit der ritterschafft dran, 
Die selbst haben silber vnd goldt. 
Noch kriegens von den purpeln soldt; 
Aufl wasser, land, zu füss, zu pferdt, 
Mit disem orden sins all beschwerdt: 
Hauptleut, dopelsöldner, vendrich, 
W^eybel, furierer all geleich. 
Wie eyner sein leben hat gefürlh 
Würt durch die purpeln abgeschntirth *). 

Franciscus Muraltus erwähnt „pontifices, reges, principes, 
marchiones, belli duces, milites, quasi omnes nobiles, mercatores, 
clericos saeculares, reguläres" als Opfer der neuen Krankheit^). 
Torella behandelte verschiedene Mitglieder der Familie Borgia und 
mehrere Kardinäle an der Krankheit*), und in Deutschland haben 
Ulrich von Hütten und Grunpeck ihrer Syphilis sogar ein lit- 
terarisches Denkmal gesetzt, litten ebenfalls Dichter wie Celtes, 
Geistliche wie der Domherr Tollkopf, der Bischof Hieronymus 
von Brandenburg, die Bischöfe von Halberstadt und Minden, 
ferner Herzog Carl von Schlesien, u. a. an dem UebeP). Einen 
wie grossen Umfang bei einer so allgemeinen Verbreitung die Seuche 
binnen kurzer Zeit in einer einzigen Stadt annahm, beweist z. B. die 
Schilderung der Florentiner Chronik des Luca Landucci^). 

Wenn vSebald Schreier in einem Briefe vom 18. Okt. 1500 
(an Conrad Celtes) die Syphilis bereits in der ganzen Welt ver- 



i) Fuchs a. a. O., S. 433. 

2) Johann Hasel bergk, „Von den welschen Purpeln", bei Fuchs a. a. 0., 
S. 364. 

3) Corradi a. a. O., S. XXVIl; S. 75—76. 

4) Vgl. Finckenstein a. a. O., S. 12. 

5) Fuchs a. a. O., S. 433— 434* 

6) Vgl. Quist a. a. O., S. 308. 



_J 



201 — 

breitet sein lässt ^), so ist wahrlich daran etwas wahres, wenn man 
sich erinnert, dass das erste Auftreten der Lustseuche in Europa mit 
dem Zeitalter der Entdeckungen zusammenfällt und besonders die 
Portugiesen schon in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts ihre 
Fahrten längs der Küste Afrikas bis nach Ostasien ausdehnten. Wie 
>veiter unten gezeigt werden wird, ist die Syphilis fast ausschliesslich 
durch die Entdecker und Weltreisenden nach dem fernen Orient ver- 
schleppt worden, und so erklärt es sich, dass sie innerhalb so kurzer 
Zeit an räumlich so weit von einander entfernten Punkten der Erde 
auftritt. 

§ 17. Die Verbreitung der Syphilis in Europa. 

Es liegt nicht im Plane dieses Werkes, eine ausführliche Dar- 
stellung der Geschichte der Syphilis in den einzelnen europäischen 
Ländern zu geben. Vielmehr ist es ein bisher noch nicht erfülltes 
Desiderat, dass das Verhalten der Syphilis in jedem einzelnen 
Lande und ihre spätere Geschichte in demselben einer aus- 
führlichen monographischen Bearbeitung bedarf. Es giebt 
bisher noch keine Geschichte der Syphilis in Deutschland, Frankreich, 
England, Spanien, Italien u. s. w. Eine solche müsste sich für jedes 
Land vor allem auf das urkundliche Material der einzelnen Städte 
und Provinzen stützen 2) und auf breiter kulturhistorischer Basis 
die Schicksale der Syphilis in dem betreffenden Lande von Anfang 
an bis zur Gegenwart verfolgen. Ich wüsste kein dankbareres Objekt 
für den deutschen Medizinhistoriker als eine solche Geschichte der 
Syphilis in unserem Vaterlande, als die Geschichte einer Krankheit, 
die einen nachweisbaren Anfang hatte. An dieser Stelle können 
nur die wichtigsten Momente aus der ältesten Geschichte der Lust- 
seuche in den einzelnen Ländern angeführt werden. Da das erste 
Auftreten der Krankheit in Spanien und Italien bereits oben be- 
sprochen worden ist, so beginne ich mit dem Lande, nach dem 
die Krankheit in den nordischen Ländern hauptsächlich benannt 

wurde, mit: 

Frankreich. 

Alle Nachrichten, welche wir über das erste Auftreten der 

Syphilis in Frankreich besitzen, beziehen sich auf einen bestimmten 



i) „Morbo illo lichenico, qui fere per Universum serpsit penetravitque orbem; nee 
adhuc finis est", bei Fuchs a. a. O., S. 308. 

2) Dufour (Paul Lacroix) hat dies besonders für Frankreich betont und gefordert, 
dass man für jede Provinz imd jede Stadt die Epoche der Invasion der Syphilis aus- 
findig machen müsse. „Histoire de la proslitution", Paris 1853, Bd. V, S. 19. 



— ' 202 — 

Anfang der Krankheit in einem bestimmten Jahr, und zwar meist 
auf die Jahre 1495 oder 1496. 

Potton citiert in seiner Geschichte der Prostitution in Lyon die 
Nachricht eines aken Chronisten („Sejours de Charles VIII et Loys XII 
ä Lyon sur le Rosne", ed. Gonon, Lyon 1841), dass die Syphilis nach 
der Rückkehr Karls VIII. vom italienischen Feldzuge und beim Aufent- 
halt der französischen Soldaten in Lyon sich zuerst zeigte. Die Lom- 
barden seien die „Erfinder** dieser Krankheit gewesen, um sich an den 
Franzosen zu rächen ^). Auch sei daran erinnert, dass die Mädchen von 
Lyon, über die oben (S. 143 — 144) bereits einige Mitteilungen ge- 
macht wurden, im Mittelalter als sehr ausschweifend berüchtigt 
waren, und der Name „Lyonnaise" vielfach gleichbedeutend mit Hure 
gebraucht wurde. Potton berichtet, dass die Lyonnaises im Nach- 
trabe französischer Heere des Mittelalters keine unbedeutende Zahl 
ausmachten, und so ist es wahrscheinlich, dass solche Lyoner Dirnen, 
die den Zug nach Italien mitgemacht hatten, nunmehr in ihre Heimat- 
stadt zurückkehrten und dort ihre Syphilis den Einwohnern mit- 
teilten. 

Klar und deutlich besagt eine Notiz in den Universitäts- 
registern von Manosque in der Provence, dass die Syphilis 
aus Romans in Dauphine von einigen Soldaten, die mit Karl 
VIII. und dem Herzog von Orleans zurückgekehrt seien, auch nach 
der Provence gebracht worden sei, wo diese Krankheit bisher noch 
nicht bekannt gewesen sei 2). Nach Dufour gehörten die französi- 
schen Söldner, die die Syphilis nach Romans brachten, dem Heere 
an, das in Novara belagert wurde und erst im September 1495 nach 
aufgehobener Belagerung nach Frankreich zurückkehrte^). Derselbe 
Autor behauptet gewiss mit Recht, dass die Syphilis zuerst sich 
in allen den Städten gezeigt habe, die die heimkehrenden Truppen 
Karls VIII. berührten. Südfrankreich war sicherlich zunächst ein 
Hauptherd der Krankheit. 



i) „En ce mesme temps vindrent en France plusieurs des gens du roy, lesquels 
avoienf une maniere de maladie que aucuns appelloient la grant gorre, les autres la grosse 
verolle, et aucuns la maladie de Naples, ä cause que les Fran9ois venant de Naples en es- 
toient malades, dont on fut bien esbahy en France, et disoit on que les Lombards avoient 
este inventeurs de ceste Maladie pour se venger des Fran^ois." A. Potton, „De la 
Prostitution etc. dans la ville de Lyon", Paris u. Lyon 1842, S. 8 — 9. 

2) Universitatis Mannascae Commentarii. Ad. a. 1499. Infirmitas de las 
Bubas inducta fuit hoc anno a certis armigeris a loco de Romania existentibus in servitio 
Regis et illustris Ducis Orleani, apud patriam Provinciae sanam pro tunc existentem, 
infirmitate praedicta, quae adhuc non vigebat in Provincia.** Grüner, „Aphrodisiacus", S. 54« 

3) Dufour a. a. O., Bd. V, S. 19. 



— 203 — 

Esteve de Meges, Bürger der Stadt de Puy en Velay und 
Verfasser einer bisher unedirten Chronik derselben, berichtet, dciss 
die Syphilis im Jahre 1496 zum ersten Male dort aufgetreten sei^). 

Ein besonderes Interesse beanspruchen die Verordnungen der 
Pariser Behörden inbetreflF der Syphilis aus den Jahren 1497 und 
1498. Astruc hat diese vier Dokumente, die vom 6. März 1497, 
5. Mai 1497, 27. Mai 1497 und 25. Juni 1498 datieren, zuerst 
bekannt gemacht 2). 

Es heisst nun in der ersten Verordnung, derjenigen des 
Pariser Parlamentes vom 6. März 1497^), dass seit zwei Jahren 
in Frankreich eine Krankheit „Grosse veröle** genannt, herrsche, 
die contagiös sei und deshalb auf jede Weise bekämpft werden 
müsse*). Hieraus ist zu entnehmen, dass die Syphilis im Jahre 
1495 zuerst in Frankreich aufgetreten ist. 

Auch die weiteren Verordnungen (des Pariser Gerichtshofes 
vom 5. Mai 1497, des Erzbischofs von Paris vom 27. Mai 1497 
und des Präfekten von 25. Juni 1498) spielen deutlich auf die Neu- 
heit der Syphilis an. 

Inhaltlich stimmt mit der letzteren Verordnung vom 25. Juni 
1498 vollkommen überein eine angeblich vom 25. März 1493 (sie!) 
datierte Verordnung, die Proksch nach Galligo mitteilt^). Dass es 
sich hier um einen leicht verständlichen (3 für 8) Druckfehler handelt, 
hat bereits der erste Herausgeber dieser Ordonnanz geahnt, der 
in einer Anmerkung seinen Zweifel an der Richtigkeit des Datums 
1493 ausspricht^). Bei näherer Prüfung stellt sich denn auch dieses 



i) ibidem S. 19. 

2) J. Astruc a. a. O., Bd. I, Cap. XV, S. 109 — 117. — Wieder abgedruckt bei 
Grüner, „Aphrodisiacus", S. 69 — 71. 

3) Dies ist das wirkliche Datum, da der 6. März 1496 nach dem damaligen Kalender 
unserem heutigen 6. März entspricht, was schon Sanchez erkannt hat (Dissertation sur 
l'Origine de la Maladie V6n6rienne,** Paris 1752, S. 3 — 4). Vgl. auch Haeser a. a. O., 
Bd. III, S. 298. 

4j „Arreste du Parlement de Paris, portant Reglement sur le fait des 
Malades de la Grosse Veröle. Aujourd 'hui sixiesme Mars, pource que en cette ville 
de Paris y avoit plusieurs malades de certaine maladie contagieuse, nomm^e la Grosse Veröle, 
qui puis deux ans en 9a ce eu grant cours en ce Royaume, tant de ceste ville de Paris, 
que d'autres lieux, ä l'occasion dequoi estoit ä craindre que sur ce printeraps eile multipliast, 
a est6 advis6 quMl 6toit expedient y pourveoir.** Astruc, 1, 109 — 110; Grüner, 
„Aphrodisiacus", S. 69. ' 

5) J. K. Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten", Bd. I, S. 344 — 345. 

6) „Mais on ne peut s'empecher de remarquer comme singularit6, que cette injonction, 
dat^e de 1493, soit qu'elle vienne du pr6v6t de Paris ou de tout autre, parle en termes 
expr^ dune maladie dont nous rapportons habitueUement l'origine ä Texp^dition de Naples, 



' 



264 — 

Datum als eine bare Unmöglichkeit heraus. Zunächst ist es höchst 
auffällig, dass zwischen der Verordnung von 1493 und den vier Er- 
lassen von 1497 und 1498 volle 4 bezw. 5 Jahre liegen, ohne dass 
wir wieder etwas von der Syphilis hören. Dann aber erscheint am 
6. März 1497 j^"^ Parlaments- Verordnung, in der es heisst, dass die 
Syphilis seit zwei Jahren in Frankreich herrsche, also seit 1495! 
In derselben Verordnung wird den nicht in Paris ansässigen Kranken 
befohlen, die Stadt zu verlassen, während die übrigen Syphilitiker 
in eigenen Häusern untergebracht werden sollen. Wenn nun Proksch 
selbst als sehr auffällig hervorhebt, dass das 1493 datierte Dokument 
mit dem vierten der Astruc'schen Ordonnanzen wörtlich über- 
einstimmt, so hat er damit selbst den Beweis für die Unmöglichkeit 
des Datums 1493 geliefert. Denn beide Dokumente, das von 
„1493" und das von 1498 beziehen sich im Text ausdrück- 
lich auf jenes Gebot des Parlamentsdekrets von 1497I 

Es heisst nämlich in dem Erlass von 1493 und 1498 über- 
einstimmend: „Combien que par cy-devant ait este public, crie et 
ordonne ä son de trompe et cry public, par les carrefours de Paris, 
ä ce qu'aucun n*en put prendre cause d'ignorance, que touts malades 
de la grosse Veröle vouidassent incontinent hors de la ville, et 
s'allassent les estrangers es lieux dont ils sont natifs et les autres 
vouidassent hors la dite ville, sur peine de la hart (fast wörtliche 
Wiederholung des Dekrets vom 6. März 1497*). Neantmoints 
lesdits malades en contempnant lesdits cris, sont retournes de toutes 
partis, et conversent parmi la ville avec les personnes saines, qui est chose 
dangereuse pour le peuple et la seigneurie qui a present est ä Paris." 

Es ist also dieses angeblich 1493 erschienene Dekret eine 
Fortsetzung der am 6. März 1497 erlassenen Verordnung, die 
offenbar nicht befolgt wurde, da die fremden Kranken alle nach 
Paris zurückkehrten, wogegen jetzt diese neue Verordnung, die also 
nach 1497 erschienen sein muss, energischen Widerspruch erhebt. 
Das wirkliche Datum ist also der 25. März 1498 und vielleicht ist 
die Verordnung noch einmal unter dem 25. Juni 1498 gleichlautend 
wiederholt worden. 



qui n'eut Heu que Tannee d'apr^s.'* Ordonnances des rois de France etc. Recueillies par 
ordre chronologique par M. le marquis de Pastoret, Paris 1840, S. 456. 

i) „Premierement sera fait cry publique de Par le Roi, Que tous malades de ceste 
maladie de Grosse V6role estrangiers, tant hommes que femines, qui n'estoient demourans 
et residents en ceste ville de Paris, alors que la dite maladie les a prins vingte et quatre 
heures aprez ledit cry fait, s'envoisent et partent hors de ceste dite ville de Paris 6s pays 
et lieux dont ils sont natifs, ou lä ou ils faisoient leur residence quand cette maladie les 
a prins, ou ailleurs oü bon leur semblera sur peine de la hart." Bei Astruc, I, S. m» 



— 265 — 

Im Januar 1498 wurden auch in Troyes die syphilitischen 
Fremden ausgewiesen^). 

In Nimes herrschte die Syphilis ebenfalls um jene Zeit. Dies 
erhellt aus einer Nachricht über die Abschaffung eines merkwürdigen 
Brauches. Es bestand seit dem 14. Jahrhundert daselbst ein Bordell, 
dessen Vorsteherin „Abbatissa meretricum** genannt wurde und das 
Recht genoss, am Himmelfahrtstage den Vätern der Stadt das 
Brot der Liebe zu reichen, wobei der erste Konsul von ihr umarmt 
und geküsst wurde. Dieser Brauch^ wurde im Jahre 1500 abge- 
schaft, gewiss infolge der ungünstigen Erfahrungen, die man in 
den letzten vorhergehenden Jahren mit der Syphilis gemacht hatte, 
die ja damals besonders leicht durch den Kuss übertragen wurde 2). 

An dieser Stelle möge auch die Angabe des Torella Platz 
finden, in der der Anfang der Syphilis in die Auvergne und ins 
Jahr 1493 verlegt wird. Der betreffende Passus findet sich in der 
ersten, im Jahre 1497 erschienenen Schrift des Torella, dem 
„Tractatus de pudendagra seu morbo Gallico*', und zwar nur in der 
Originalausgabe. Denn bei Luisin us (I, 493) steht statt „Alvernia** 
Francia. Die Stelle lautet: ,.Incepit haec maligna aegritudo Anno 
MCCCCXCIII in Alvernia, et sie per contagionem pervenit in 
Hispaniam ad insulas, inde in Italiam, et demum serpendo totam 
Europam peragravit, et si fas dicere est, totum orbem". Haeser 
teilt dieselbe Stelle mit der Abänderung mit, dass hinter „Incepit" 
ein „ut ajunt" steht •'^). Es ist dies wohl einer anderen Ausgabe 
entnommen. In der zweiten Schrift dem „Dialogus**, hat Torella 
offenbar die erste Ansicht von der Entstehung der Syphilis in der 
Auvergne aufgegeben und erwähnt nur, dass man ihren Ursprung 
aus dem neapolitanischen Feldzuge herleite. Haeser hat ganz 
richtig erkannt, dass Tore IIa in der ersten Schrift ebenfalls nur 
eine im Publikum verbreitete Meinung anführte (ut ajunt), ohne über 
dieselbe ein eigenes Urteil zu fällen. Wichtiger ist, dass auch er 
die Syphilis zuerst nach Spanien und von dort über die Inseln 
(Balearen, Sicilien etc.) nach Italien gelangen lässt. Von Italien aus 
erg^ff die Seuche die übrigen europäischen Länder. Im späteren 
„Dialogus de dolore in Pudendagra** findet sich denn auch die Auf- 
klärung, weshalb einige den Ursprung der Syphilis in die Auvergne 



i) Ch. Daremberg in: Union m^dicale 1868, Nr. 116, cit. nach Haeser a. 
a. O., III, S. 298. 

2) Albert Puech, „Documents pour servir ä Thistoire de la Syphilis a Niraes" in: 
Montpellier m^dical 1888, Bd. XI, S. 389—397. 

3) Haeser a. a. O., Bd. III, S. 254. 



— 266 — 

verlegten. Es ist bereits diese Stelle mitgeteilt worden (S. 84 — 85), 
an welcher Tore IIa auseinandersetzt, dass man die Syphilis mit 
dem in der Auvergne einheimischen „Mal de St. Main" (Mein) 
identifizierte, und so der Glaube entstehen konnte, dass sie von dort 
gekommen sei. 

Es hatte aber dieses „Mal de St. Main" in Wirklichkeit nichts 
mit der Syphilis zu thun, sondern war ein Uebel, welches haupt- 
sächlich die Hände (Main) befiel und wohl zu einem Teil unsere 
heutige Krätze (Scabies)^), zu einem anderen Teile eine lepröse 
AfFektion war. Wenn die mit dem .,M<d de St. Main" Behafteten 
nach dem Grabe des heiligen Mevennius oder Mentus in der 
Bretagne wallfahrteten, so mussten sie zwei wollene Hände (denn 
die Hand war das Abzeichen des „Mal de St. Main"), eine auf die 
Brust, die andere auf den Kopf binden, damit man sie daran er- 
kennen und ihnen ausweichen konnte 2). Raymond führt das „Mal 
de St Main" als Bezeichnung des Aussatzes „en langue romance" an ^), 
und Brieude berichtet noch im Jahre 1787, dass in der Auvergne 
der Aussatz, unter dem Namen „Mal S. Main" bekannt, ende- 
misch herrsche*). Es war also diese teils der Scabies, teils der 
Lepra angehörende Affektion, die auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt 
war, von Leuten, die davon gehört hatten, als Syphilis gedeutet 
worden, wie man ja damals die Syphilis mit jedem rätselhaften 
Leiden in Zusammenhang brachte. Wäre es wirklich die Syphilis 
gewesen, die während des ganzen Mittelalters in der Auvergne 
endemisch war, so würde sie sich ohne Zweifel schon vor 1493 
weiter verbreitet haben. Und dass sie im Jahre 1493 nach Spanien 
gelangt sein sollte, ist eben ein Beweis dafür, dass die in jenem 
Jahre zuerst in Spanien auftretende Syphilis mit jenem der Auvergne 
eigentümlichen Leiden verwechselt wurde. Oder besser: man suchte 
Analogien für die neue Krankheit Syphilis und glaubte sie im „Mal 
de St. Mein" zu finden. 



1) La Curne de St. Palaye, „Dictionnaire historique de Tanden langage francois." 
Niort 1880, Bd. VII, S. 243: Mal S. Main, „dont saint Main guerissoit, gale, grateile*'. 
— Triumphe de haulte Dame Verolle, S. 94: malades de sainct Main = la gale 
parce quo'n l'a surtout aux mains. 

2) Ph. G. Hensler, „Vom abendländischen Aussatze im Mittelalter**, Hamburg 
1790, S. 223 — 224. 

3) Raymond, „Histoire de l'Elephantiasis**, Lausanne 1767, S. 5. 

4) Histoire de la Societ6 de m^decine de Paris 1787, Bd. V, S. 311, nach A. Hirsch, 
„Handbuch der historisch -geographischen Pathologie**, Stuttgart 1883, Bd. II, S. 6. Vgl. 
auch Hensler a. a. O., S. 234; K. Sprengel a. a. O., Bd, V, Teil 2, S. 571. 



— 267 — 

Deutschland. 
C. H. Fuchs hat bereits in seiner klassischen Monographie 
über die ältesten Schriftsteller über die Lustseuche in Deutschland 
festgestellt, dass die frühesten Berichte mit „ziemlicher Genauigkeit 
und grosser Uebereinstimmung die Zeit anzugeben wissen, in welcher 
sie über Deutschland hereinbrach". Er folgert mit Recht 
daraus, dass eine so genaue Zeitbestimmung ihres Anfangs unmög- 
lich gewesen wäre, wenn die Syphilis sich allmählich in Laufe 
vieler Jahre entwickelt hätte ^). Das erste Auftreten der Syphilis in 
Deutschland fällt in die Jahre 1495 und 1496, wie die grosse Mehr- 
zahl der zeitgenössischen Autoren angiebt^); vereinzelte Angaben 
über einen anderen Zeitpunkt sind schon von Fuchs als unrichtig 
gekennzeichnet worden^). Der Zeitpunkt des Beginnes der Syphilis 
in Deutschland fällt mit der Rückkehr der Landsknechte aus 
Italien und PYankreich zusammen, und zwar waren es nicht nur die 
deutschen Söldner Karls VIIL, sondern auch diejenigen des Kaisers 
Maximilian L, welche die Krankheit nach Deutschland brachten. Seit 
dem März 1495 hatten sich die Truppen des Kaisers Maximilian 
mit dem mailändisch-venetianischen Heere verbündet und in der 
Lombardei festen Fuss gefasst. Es ist daher nicht verwunderlich, 
dass in dem berühmten Edikt des Kaisers, datiert Worms den 
7. August 1495, bereits von der neuen Krankheit als „novus ille et 
gravissimus hominum morbus nostris diebus exortus, quem vulgo 
malum Francicum vocant, post hominum memoriam inauditus** die 
Rede ist^). Wir sehen ja, dass Marcellus Cumanus die Syphilis 
im Heere der Verbündeten beobachtete, und zwar schon im Juni 
1495^). Wenn auch aus dem Edikt nicht deutlich hervorgeht, dass 
die Ausbreitung der Syphilis in Deutschland gemeint ist, so steht 
andrerseits fest, dass die Syphilis Deutschland sehr früh erreicht 
hat. Dies wird durch den Umstand verbürgt, dass die Schrift- 
stellerei über die Krankheit bis in jene ersten Jcihre zurückreicht. 
Als die frühesten deutschen Schriftsteller gelten Grunpeck und 
Brant, Schellig und Widman. In dieser Reihenfolge werden 
sie von Fuchs angeführt. Grunpecks' „Tractatus de pestilentiali 
scorra" mit dem „Eulogium de Scorra pestilentiali sive Mala de 



i) C. H. Fuchs a. a. O., S. 434. 

2) Eine Aufzählung der betreffenden Chroniken bei Fuchs a. a. O., S. 434, An- 
merkung 6. 

3) ibidem S. 434. 

4) Abgedruckt bei Fuchs a. a. O., S. 305 — 306. 

5) S. oben, S. 159 — 160. 



— 268 — 

Franzos" erschien 1496. Ich glaube aber eine noch frühere Er- 
wähnung der Syphilis, nämlich aus dem Jahre 1495, aufgefunden 
zu haben. Hugo Holstein hat in der „Zeitschrift für vergleichende 
Litteraturgeschichte" Jahrg. 1891 Bd. IV, S. 371) ungedruckte Ge- 
dichte oberrheinischer Humanisten aus einem in Upsala befindlichen 
Codex veröffentlicht Darunter befindet sich auch ein Gedicht des 
Humanisten Jakob Wimpheling, welches an Maximilian I ge- 
richtet und nach Holstein's Vermutung einem Mitgliede des Reichs- 
tags zu Worms überreicht werden sollte, also wohl im August 1495 
verfasst ist Eine die Entfernung des Freudenhauses zu Schlett- 
stadt*) betreffende Bittschrift hat er an den Kaiser auf dem Reichs- 
tag zu Worms gerichtet. In diesem Zusammenhange muss das er- 
wähnte Gedicht beurteilt werden: 

Ad Regem Romanorum et Electores ceterosqae principes Alemannos de 

atrocissimis sacerdotum invasoribus. 1495: 

O foelix quondam priscas Germania laudes 

Indignum facinus abstulit ecce tibi, 

Tempore quo proles Friderid Maximilianus 

Romani regni mazima sceptra tenet, 

Tempore quo totus mira gravitate senatus 

In te magnatum, Vangio clara, fuit, 

Torquentur misere cleri genitalia ferro, 

Hecdne Theutonids gloria magna viris? 

Hec tolerat Cesar, electores paduntur, 

Hec comitum virtus sustinet atque ducum? 

Carole Magne redi, redeas vel maximus Otho, 

Ni redeas, derus religioque cadet. 

In totum serpent aconita Boemica mundum, 

Nee pax nee virtus nee manet ulla fides. 

Non Nero, non Thureus, non Phalaris et Vualachie) 

Non potuit tantum dux reperire crueem. 

In Germaniam post eentum lustra deeorem 

Tam crudele nephas natio euneta leget. 

Es scheint, dass sich dieses Gedicht auf eine neue Plage be- 
zieht, von welcher Deutschland heimgesucht wird, und dass insbe- 
sondere die Bemerkung, dass die Genitalien der Geistlichen besonders 
hart davon betrofiFen seien, auf die Syphilis geht. Denn wir wissen, 
dass das Elsass unter allen Gegenden Deutschlands am frühesten 



i) Die zahlreiehen Insassinnen des Sehleltstadter Freudenhauses hatten einen eigenen 
„Mädehenwirt". Der Magistrat übte die polizeiliche Aufsicht über das Bordell. Jeder 
Mann, der sich nach der dritten Abendglocke in jenem Hause angekleidet betreffen liess, 
musste zwei Schilling Strafe zahlen, wogegen der, welcher bei einem Mädchen lag, nicht 
nur frei ausging, sondern auch unter dem Schutze der öffentlichen Beamten stand! Vgl. 
Fr. Behrend, „Syphilidologie", Leipzig 1840, Bd. II, S. 485. 



— 269 — 

von der Syphilis heimgesucht wurde, wohin die Landsknechte die 
Krankheit während des Sommers 1 495 brachten ^). Vielleicht ist das Edikt 
Maximilians in irgend eine Beziehung zu der Petition Wimphe- 
lings zu bringen, die wohl auch nicht vereinzelt gewesen sein wird. 

Schellig, der von Fuchs noch vor Widmann, dessen Schrift 
1497 erschien, angeführt und demnach wohl ins Jahr 1496 gesetzt 
wird 2), hat sicher später geschrieben. Denn wie jetzt .aus dem Up- 
salaer Codex (fol. 200) zu ersehen ist, wo die Vorrede Wimphelings, 
die auch Fuchs (a. u. O. S. 71) abgedruckt hat, steht, schrieb 
Letzterer diese Vorrede zu Schellig's Schrift am 28. November 
1499. Schellig's Schrift kann daher nicht vor 1500 erschienen 
sein, wird auch nach Holstein im handschriftlichen Verzeichnis der 
Heidelberger Schriften erst unter diesem Jahre (1500) angeführt^). 
Hiernach muss Conrad Schellig aus der Reihe der frühesten deut- 
schen Schriftsteller über Syphilis ausscheiden. 

Dem Jahre 1496 gehört ferner das Flugblatt des in Nürnberg 
praktizierenden friesischen Arztes Theodoricus Ulsenius (Ulsen) an, 
das „Vaticinium in epidemicam scabiem", von dem neuerdings Jo- 
hann Ueltzen eine schöne Reproduktion veranstaltete*) und in den 
Handel brachte. 

Wir sehen also bereits in den ersten beiden Jahren (1495 und 
1496) deutsche Schriftsteller die Syphilis zum Gegenstand der littera- 
rischen Betrachtung machen. Die folgenden Nachrichten über das 
erste Aufteten der Syphilis in einigen deutschen Städten und Land- 
schaften bestätigen ebenfalls die Thatsache, dass die Krankheit sich 
in jenen Jahren zuerst zeigte. 

Bamberg. — Fuchs hat eine Urkunde mitgeteilt, nach wel- 
cher bereits im Jahre 1497 ein „Franzosenhaus" in Bamberg errichtet 
wurde ^). Es muss also in diesem Jahre dort die Syphilis schon sehr 
verbreitet gewesen sein, was darauf hindeutet, dass sie schon längere 
Zeit dort herrschte. 



1) Vgl. Haeser a. a. O., Bd. III, S. 257 (nach der Chronik des Maternus 
Berler, Pfarrer zu Ruf fach). 

2) Hensler und Grüner erklärten ihn für den ältesten selbständigen Schrift- 
steller über Lustseuche, was Proksch (a. a. O., II, 27) bezweifelt, der ihn „vor 1500" 
schreiben lässt. 

3) H. Holstein, „Zur Biographie Jakob Wimpfeüngs" in „Zeitschr. f. vergl. 
Litteraturgeschichle", Berlin 1891, Bd. IV, S. 250. 

4) Auch in Virchow*s Archiv für pathologische Anatomie 1900, Bd. CLXII, S. 
371 — 373 und Tafel 12; Zeitschrift für Bücherfreunde Juli 1900; lUustr. Zeitung, 
15. Februar 1900. 

5) C. H, Fuchs, „Vaticinium etc.", S. 5 — 6. 



Bayreuth. — Die Syphilis wird in Bayreuth zuerst unter dem 
Jahre 1496 erwähnt. 1495 hatte dort eine grosse Epidemie der Bu- 
• bonenpest geherrscht*). 

Breslau. — Der erste Fall wird 1496 erwähnt^). 

Erfurt. — Der Erfurter Chronist Stolle berichtet unter dem 
Jahre 1497: „1497 anno domini do wanderte eyne Krangheit jm lande 
zu Doringen vnnd zu ErflFort jn der stad vnnd jn feie landen, dy man 
hisz dy Franczoszen, vnnd man sprach, sy were by hundert jaren 
nicht mee gewest, vnnd wasz eyne flechtene sache. Es worden mit 
ersten breite blättern, dar noch worden sy breite grinder vnnd rochen 
sere ubele vnnd braute vnnd hitczete als gebraut were, vnnd werete 
manchen eyn halb jar adder eyn gancz jar. Etliche komen wedder 
ufF vnnd etliche feien wedder nidder jn krankheit; etliche logen wol 
eyn jar; ouch sterben fehle luthe dar an. UfiF der prediger kerch- 
hoff lagk es vol. Man buwete by dem grossen spettal bey deme 
graben eyn eigen husz, do logen sy jnne. Es quomen ouch feie 
fromder armer luthe kein Erffort, dy dy kranckeit hatten. Dy von 
sente JacoiF (Santiago de Compostella, ein Wallfahrtsort) quomen, dy 
hatten ouch feie dy selben krankheit. Etliche hatten die krankheit 
II, dry jar unde logen; etliche gingen vnnd brach es in den beynen 
vnnd ardmen, vnnd wer das vortriben wolde durch mancherley arcztic, 
deme slugk dy krankheit jnwarf ; der moste das lange trage; es wolde 
ouch vnvortreben sy**^). Wenn Loth aus der Bemerkung des Chro- 
nisten, dass die Krankheit seit 100 Jahren nicht mehr dagewesen 
sei, auf eine frühere Existenz der Syphilis in Erfurt bezw. Deutsch- 
land schliesst, so ist dem entgegenzuhalten, dass diese offenbar rein 
theoretische Ansicht — denn Leute, die dieselbe Krankheit hundert 
Jahre vorher selbst gesehen hatten, wird es wohl nicht gegeben 
haben — unter die schon früher (S. 67 ff.) ausführlich gewürdigten 
Bemühungen zu rubricieren ist, ältere Analogien für das neue Lei- 
den zu finden. 

Frankfurt am Main. — In der handschriftlichen Chronik des 
Patriziers Job Rohrbach steht auf fol. 56: „Anno 1496 tempore 
estatis et verne ist eyn ongehort grusslich und erschrockenlich krank- 
heyt under die Menschen von den walen komen; die walen haben 



i) Dr. Andräas, „Beiträge zu einer Geschichte des Gesundheits- und Medizinal- 
wesens der Stadt und des Fürstentums Bayreuth" in : „Archiv für Greschidite und Altertums- 
kunde von Oberfranken", Bayreuth 1882, Bd. XV, S, 11; S. 9 — 10. 

2) Schlesische Provinzialblätter, Mai 1795, "^t^h Haeser a. a. O., III, 258. 

3) Dr. Loth, „Geschichte der Epidemienzüge der Stadt Erfurt" in: Correspondenz- 
blätter des Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen 1892, Nr. 10, S.A., S. 14— 1 5* 



— 271 — 

sie krieget von den franczosen und wyrt diss krankheyt genent mall 
franczoss und regirt fast in deutschen landen, doch vill mer in italia 
und frantia, die kranckheit macht den menschen onseglich onge- 
schaflfen; welcher sie hatt, ist über gancz syn lip foU schwarcz rother 
blätteren, weret eynteyllen eyn halb jar, den anderen dry firtell iar 
und noch dem belibent (nach dem bleiben) die flecken an ynen 
etwen lang; ongestalter ding hatt keyn mensch ine (je) gesehen, und 
solicher oder derglichen krankheytt nie keyn mensch wer gehört, 
auch fint keyn arczet davon nicht geschrieben, denn als fiU man 
iemant dar widder tracht^)/* 

Neuerdings hat Armin Tille aus den ,.Beedebüchern" d. h. 
den Steuerlisten der wStadt einige urkundliche Nachrichten über das 
erste Auftreten der Syphilis in Frankfurt a. M. veröffentlicht*). Bei 
der Durchsicht war leider der Jahrgang 1495 ausgeliehen, so dass 
derselbe nicht berücksichtigt werden konnte. Dagegen sind im Jahr- 
gang 1496 die folgenden Syphilisfälle verzeichnet: 

Peter Scheckart bott — mala frantzosa, erlassen. 

Eyle — erlassen, mala franzosa. 

Hanns Thomas — nihil tenetur, male francose. 

Casper Schott — dedit für sich 3 f. 6 s. m. frs. 

Hanns — nihil dedit, male francose. 

Von diesen nachweislich vier Kranken (Schott ist zweifelhaft) 
starben im folgenden Jahre zwei und zwei konnten 1499 als gesund 
gelten, da sie wieder Steuern bezahlten. Wie arg die Krankheit 
damals wütete, ersieht man aus einer Bemerkung in dem „Beede- 
buche*' für 1497: w [ust] hus — mala franzosa d. h. das Haus 
ist augenblicklich unbewohnt, weil die bisherigen Bewohner entweder 
an der Syphilis gestorben sind oder jedenfalls nicht mehr in dem- 
selben wohnen, vielleicht im Spital liegen. Im Jahre 1496 ist das 
Haus auch schon als leerstehend („wüst") bezeichnet, aber ohne 
weiteren Zusatz, weil vielleicht dem Steuereinheber damals der 
Grund des Leerstehens unbekannt war. Im Jahre 1497 werden in 
den Frankfurter Steuerlisten 15 syphilitische Personen erwähnt, sämt- 
lich aus den untersten Gesellschaftsklassen. 

Hamburg. — In der von Lappenberg herausgegebenen 
„Hamburger Chronik" heisst es unter 1498: „Anno 1498 is erst- 



1) W. Stricker, „Zur Geschichte der Syphilis in Deutschland" in: Virchow*s 
Archiv, 1864, Bd. XXXI, S. 530. 

2) A. Tille, „Die „mala Franzosa" zu Frankfurt a. M." in: Janus, Archive« 
internationales pour l'histoire de la M^dicine 1898, Bd. III; S. 57 — 62. 



— 272 — 

mals de grausame plage hervorgekamen, de men de Franzosen 
nomet^)". 

Hildesheim. — Die Syphilis hiess in Hildesheim „Franzosen- 
krankheit oder Pocken** (mala frantzoszen edder pocken) und wird 
zuerst gegen Ende des 15. Jahrhunderts in den Urkunden erwähnt. 
Am 28. August 1498 liess der Rat öffentlich bekannt machen und 
alle, die mit „dieser bösen Seuche behaftet wären, ernstlich ver- 
warnen", dass sie, so lange sie krank wären, nicht aus ihrer Wohnung 
zwischen die Leute gehen und nach erfolgter Heilung noch sechs 
Wochen in ihrer Wohnung bleiben sollten 2). 

Köln. — Die „Chronica von der hilligen Stat Coellen" (Köln 
1499 fol. 344b) berichtet: 1496. In dem selven jair was in 
allen desen landen eyne vremde Krenckde, ind wurden fast vill 
lüde dair mit passioneert, ind doch wenig sturven van der Krenckden ^)". 

München. — Wenn Conrad Schnepbach in einem Briefe 
an Conrad Celtes vom 16. April 1498 schreibt: „Hunc hominem, ^ 
quaeso, commendatum habeas et apud primores commendes, Nam 
artem francici mali medendi habet probatissimam, nee aliquis 
Monachii fuit, qui citius atque melius huiusmodi morbum patientes 
pristinae sanitati restituerit*)", so deutet dies darauf hin, dass die 
Syphilis bereits längere Zeil vorher sich in München gezeigt hatte. 
Hiermit stimmt überein, dass der Name „Franzosenkrankheit" im 
südlichen Bayern schon 1496 vorkommt. Denn wenn M. Hoefler 
diesen Namen beim St. Leonhards-Cult in Inchenhof en 1446 vor- 
kommend gefunden hat, so hat bereits Theodor Puschmann in 
seiner Rezension dieser Arbeit dieses 1446 für einen Schreib- oder 
Druckfehler erklärt^). Es muss 1496 heissen, da unter demselben 
Namen später die Syphilis erscheint, welche in allen ihren Formen 
beobachtet wurde und die grösste Verbreitung in jenen Gegenden 
von 1509 — 15 13 gewann. Sie hiess dort auch St. Monus-Krankheit. 



i) Gustav Schönfeld, ,, Beiträge zur Geschichte des Pauperismus und der Prosti- 
tution in Hamburg", Weimar 1897, S. 113. 

2) Ernst Becker, „Die Geschichte der Medizin in Hildesheim während des 
Mittelalters", S.A., aus Zeitschr. f. klin. Medizin, Bd. XXX VIU, Berlin 1899, S. 35- 

3) Fuchs a. a. O., S. 312. 

4) ibidem S. 312. 

5) M. Höfler, „Votivgaben beim St. Leonhardt-Cult in Oberbayern" in „Beitrage 
zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns**, München 1894, Bd. IX, S. 109 — 136; Bd. 
XI, S. 45 — 89. Vgl. Th. Puschmann in Virchow's Jahresbericht der gesamten 
Medizin 1894, S. 335. 



j 



- 273 — 

Niederrhein. — In einer chronologischen Uebersicht über die 
Volksseuchen am Niederrhein führt G. Bloos unter dem Jahre 1494 
eine „nuwer krenkten** bei einem Kinde in Düsseldorf an, das daran 
starb. Ob diese „neue Krankheit" aber die Syphilis war? Dagegen 
finden wir 1496 eine „Krankheit mit Geschwüren", „Sent Jobs 
krenckde", 1498 „nigge sikede (morbi franzose"^). 

Oldenburg und Ostfriesland. — Johann Schiphower be- 
richtet in seiner „Chronica archicomitum Oldenburgensium" über zwei 
Seuchen aus den Jahren 1494 und 1495 und 1502, die im Olden- 
burgischen und in Westphalen grosse Verheerungen anrichteten und 
von Hensler und Fuchs als Lustseuche gedeutet wurden. Ich habe 
nachgewiesen, dass diese „Pestis miseranda et lugubris** bezw. „grandis 
pestilentia" die Bubonenpest war, die um diese Zeit in jenen Gegenden 
herrschte^). Die Lustseuche scheint erst 1498 durch Kriegsleute 
nach diesem Teile Nordwestdeutschlands gebracht worden zu sein. 
Eggeric Benin gha hat in seiner ,»Chronyck oft Histories van 
Oost-Frieslant" (Leiden 1706, S. 407) ein Kapitel „Wat tide de 
vorgiftige kranckeit der pocken eerst in de Frieslande, daer 
man niet wüste van to seegen, quemen", welches lautet: „Anno 
Christi 1498 in der tyt, alse idt mit den Kryges luiden in den 
landen umme heer mit den hoepen so gemeen wart, tho garden, 
und de witte Rose und de groote Garde, als men se noemde, 00k 
door disse Freeslande und voorte op de grensen hen und her togen, 
de sick dan uth allen landen, als Hispanien und Francryck, Italien 
und uth allen nationen als gewoentlich vorsamelden und tho hope 
lepen; do hebben se de böse, vorgiftige plage mede in disse 
Frieslande gebracht, daer men nicht hefft weten van tho seggen^)". 

Nördlingen. — Schon 1495 soll die Syphilis durch Lands- 
knechte in Nördlingen eingeschleppt worden sein^). 

Nürnberg. — r Auch in Nürnberg scheint die Syphilis sehr 
früh, schon 1495, aufgetreten zu sein und schnell eine grosse Aus- 
breitung erlangt zu haben. Aus keiner deutschen Stadt besitzen 
wir so zahlreiche und ausführliche Nachrichten über die Anfänge 



i) G. Bloos, „Volksseuchen in früheren Jahrhunderten" in: Historische Studien 
und Skizzen zu Naturwissenschaft, Industrie und Medizin ani Niederrhein (Festschrift der 
70. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte) Düsseldorf 1898, Abt. II, S. 62 — 63. 

2) J. Bloch, „Zu zwei Stellen in Schiphower 's Chronik" in: Jahrbuch für die 
Geschichte des Herzogtums Oldenburg, Oldenburg 1899, ß^* VIII, S. 123 — 124. 

3) Fuchs a. a. O., S. 376. 

4) Mart. Crusius, „Annales suec.'*, ad a. 1495 bei Haeser a.a. O., IIT, 257. 
Bloch, Der Ursprung der Syphilis. ^3 



— 274 — 

der Lustseuche wie aus Nürnberg. — In einer Nürnbergen Reim- 
chronik (Ms. in Hellers Bibliothek zu Bamberg) heisst es: 

Anno 1495 Jahr. 
Fing man bei S. Sebastian 
Den grossen mächtigen Baw an; 
In 30 Jahren wardt vollendt, 
Ist seithero worden verbrenndt. 
Die Lantzknecht mit den Franzosen 
Eine Rot hat darinnen heilen losen : 
Es war eine unbekannte Seich, 
Die sie mitbrachten aus Frankreich, 
Davon sie haben ihren Namen. 
Gott behüt uns davor allesammen '). 

Aus einer anderen Nürnberger Chronik (Ms. der Wolfen- 
bütteler Bibliothek): „Frantzosenkranckheit Inn das Teutschlandt 
durch die Landsknechte aufkommen. Anno 1495: Ist eine boese 
gravsame vor vnerhörte kranckheit die Frantzosen genantt von 
den Landsknechten auss Franckreich in das Teutschlandt gebracht 
worden" ^. 

Nürnberger Chronik von 1567 (Mscr. der Göttinger Bibliothek): 
„Anno 1495 ist ernstlich die boss vnerhörte kranckheit, die Frant- 
zosen genandt, von den Teutschen Landtsknechten auss Franckreich 
gebracht wordten, daruon hat man nichts wissen zu sagen. Im ge- 
meldetem Jar hat man zu Sandt Sebastian dem grundt ein Anfang 
gemacht vnnd im 1528 Jar gar voUendt^)". 

Nürnberger Chronik von 1580 (Ms. der Wolfen bütteler Biblio- 
thek): „1495. In diesem Jar hat man zu Nürnberg vor der Haller- 
wiesen bei der Weydenmühl am Pegnitzfluss den paw an Sant 
Sebastians kirchlein angefangen vnd erstlicher den grundt darein 
gelegt. Es ist auch in gemeltem Jar die böse, zuvor vnerhörte, 
grausame kranckheit (die Frantzosen genant) von den Lands- 
knechten aus Frankreich erstlicher in das Teutschland gebracht 
worden etc.'*)**. 

Anfangs standen auch in Nürnberg die Aerzte der Krankheit 
ratlos gegenüber; das ergiebt sich aus dem Umstände, dass früh 
fremde Aerzte auftauchten, die ihre Kunst anboten. So heisst es 
im Nürnberger Ratsbuche vom Jahre 1496: „Mit dem arzt, der sich 
aussgiebt, er kann die malafranzos vertreiben, anzusetzen ihne seine 



i) Fuchs, „Vaticinium", S. i6. 

2) ibid. S. 16. 

3) Fuchs, „Aelteste Schriftsteller", S. 376—377. 

4) Fuchs a. a. O., S. 377. 



— 275 — 

kunst an etlichen lassen versuchen; ist sie dann gerecht, ihm von 
einem jeden kranken ein paar gülden geben zu heilen. Act. am 
Eritag sancti Johannstag Evangeliste". 1497 wurde vom Rathe be- 
schlossen: „Dem arzt, der etlich leut für die malafranzos geartzneiet 
und geheilt hat, zu Bürger aufzunemen und ihm das bürgerrecht 
zu schenken", (Kreisarchiv zu Nürnberg. Ratsbuch-Manuskr. R. 
fol. 296 und fol. 211)^). 

Bekanntlich wurde eines der frühesten Medizinalgesetze gegen 
die Verbreitung der Syphilis in Nürnberg erlassen, nämlich schon 
1496. Es ist in der Einleitung (S. 9) mitgeteilt worden. 

Prag. — Die Syphilis zeigte sich in Prag erst 1499. Die 
Kranken wurden von Jedermann gemieden, lagen auf den Strassen 
oder in Krambuden vor dem Thore. 1500 wurde ein Hospital für 
sie eingerichtet 2). 

Strassburg. Hier wurde die Syphilis schon 1495 einge- 
schleppt, befiel zahlreiche Personen, von denen wegen der Unkennt- 
nis der Aerzte viele starben. Auch hier hatten die Kranken viel 
Drangsal von selten der Gesunden zu erleiden^). 

Wien. — Wahrscheinlich gelangte die Syphilis schon 1496 
nach Wien. Denn hier erschien eines der ältesten Bücher über die 
Krankheit, die von dem Wiener Humanisten Bartholomäus 
Steh er verfasste und wahrscheinlich im Winter 1497/98 erschienene 
Schrift „A Mala franczos morbo Gallorum preservatio ac cura***). 

Würzburg. — In Würzburg wurden bereits 1496 Hospitäler 
für Syphilitische eingerichtet^) und in einer Würzburger Handschrift 
wird ebenfalls dieses Jahr als das Anfangsjahr der l.ustseuche ange- 
geben, und zwar der März 1496^). 



i) Veröffentlicht von Hermann Peters, „Aus pharmazeutischer Vorzeit in Bild 
und Wort'*. Neue Folge, 2. Auflage, Berlin 1899, S- 16 — 17. 

2) Hasner in: Prager medizin. Vierteljahrschrift, Bd. CIX, S. 139, bei Haeser, 
III, 258, 297. 

3) Matern Berler bei Behrend a. a. O., Bd. II, S. 486, und Sebastian Frank's 
„Chronica" 1531, fol. 217. 

4) Alfred Schmarda, „Das medizinische DoktorenkoUegiiun im fünfzehnten Jahr- 
hundert*' in: Ein halbes Jahrtausend, Festschrift anlässlich des 500jährigen Bestandes der 
Acta facnltatis medica Vindobonensis, redig. von H. Adler, Wien 1899, S. 34-— 35; 
Fuchs a. a. O., S. 113 — 126. 

5) Reuss in: Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit 1857, Nr. 3, S. 81. 
Vgl. femer M. Rückert, „Analecten z. Gesch. d. fränkischen Medizinalwesens", Würzburg 
1840, S. 24 — 26. 

6) Vgl. Fuchs a. a. O., S. 318 — 319. 

18* 



— l-jt — 

Schweiz. 

Für die älteste Geschichte der Syphilis in der Schweiz sei auf 
die erschöpfende Monographie von Meyer-Ahrens verwiesen, der 
als Ergebnis seiner Untersuchungen die Thatsache feststellt, dass alle 
Chronisten im wesentlichen darin übereinstimmen, dass die aus dem 
neapolitanischen Feldzuge unter Karl VIII. im Jahre 1495 heimge- 
kehrten schweizerischen Söldner die Lustseuche nach der Schweiz 
gebracht haben *). Schon in diesem Jahre wurde die Syphilis fast 
überall eingeschleppt. 

England. 

Grunpeck soll nach Ha es er die Syphilis schon 1496 nach 
England gelangen lassen 2). Ich habe aber diese Aeusserung in 
Grunpecks Schriften nicht finden können. Er spricht allerdings 
von englischen Soldaten, die in Italien als Söldner kämpften und sich 
die Syphilis zuzogen^), und es ist wahrscheinlich, dass einige von 
ihnen in die Heimath zurückkehrten und die Krankheit dorthin 
brachten. Die ersten bestimmten Erwähnungen der Syphilis in Eng- 
land finden sich erst unter dem Jahre 1497*). In Bristol wurde die 
Krankheit 1498 von Bordeaux eingeschleppt und daher „morbus 
Burdigalensis** genannt ^). Ein altes englisches Manuskript über Syphilis 
aus dem Ende des 15. oder dem Anfange des 1 6. Jahrhunderts (Slo- 
ane 389, 7) befindet sich in der Sloane Collection des British Museum ^. 



1) Meyer-Ahrens a. a. O., S. 16. 

2) Haeser a. a. O., III, 258. 

3) Fuchs a. a. O., S. 57. 

4) Charles Creighton, „A history of epidemics in Britain'* Cambridge 1891, 
S. 417 — 418. 

5) S. oben S. 66 — 67. 

6) Creighton, S. 415. — Anm. bei der Korrektur. Herr Dr. J. F. Payne, 
der bekannte Medizinhistoriker und gelehrte Bibliothekar des College of Physicians in London, 
machte mich freundlichst auf einige noch ungedruckte Syphihsmanuskripte des British Mu- 
seum aufmerksam. Es sind dies Nr. 389, 7; 157, i; 1897, i der „Sloane Collection", 
wohl sämtlich der Mitte bezw. dem Ende des 16. Jahrhunderts entstammend. Ich habe 
dieselben durchgesehen, aber keine Angaben über das erste Auftreten der Syphilis in Eng- 
land darin gefunden. In dem „Treatise of the Venereal Disease** (Sloane 1897, i ca. 1587) 
heisst es S. 5 und verso: „For in the year of our lord god 1495, some told 92, this dis- 
ease lues venerea began first to appeare at Naples in ihe hoste of the frenchmen, for which 
cause the frenchmen called it morbus neapolilanus and the men of Naples called it morbus 
gallicus, now , . . it might be called morbus cosmicus or communis." Weiter wird 
dann über die Einschleppung durch die Spanier und die Herkunft aus Amerika berichtet. — 
Wichtiger ist eine Stelle bei einem noch früheren englischen Schriftsteller. Bei der Durch- 
sicht der (zum Teil sehr seltenen) älteren englischen Werke über Medizin in der Bibliothek 
von Dr. d*Arcy Power stiess ich auf einen Passus in dem „Brcviarie of Health" des 
Andrew Bord (London 1598, S. 80 verso). Bord wurde ca. 1480 geboren und scheint 



— 277 — 

Schottland. 
In Schottland ist die Syphilis zuerst im Jahre 1497 nachweisbar. 
Ein in diesem Jahre veröffentlichtes Edikt des Stadtrats von Aberdeen 
bezieht sich auf das Erscheinen der Syphilis daselbst^). Besonderes 
Interesse brachte König Jakob IV. der neuen Krankheit entgegen, 
der gern in der Medizin experimentierte und Leute gratis behandelte, 
oder sogar noch etwas bezahlte, wenn sie sich von ihm behandeln 
Hessen! In den Berichten seines Schatzmeisters finden sich nun 
mehrere Angaben über Belohnungen, die der König an von ihm be- 
handelte Syphilitiker verteilte. Diese Notizen sind zwischen Sep- 
tember 1497 und April 1498 eingetragen, wobei die Syphilis als 
„grantgore 2)", bezeichnet wird 3). Am 22. September 1497 erliess 
Jakob IV. ein Dekret, das allen mit der Syphilis behafteten Personen 
befahl, Edinburgh zu verlassen. Sie sollten nach einer Leith gegen- 
überliegenden Insel gebracht und dort behandelt werden. Wer von 
ihnen in der Stadt betroffen würde, sollte ein Brandmal auf der 
Wange erhalten*). William Dunbar, der berühmte altschottische 
Dichter, war zur Zeit der Einschleppung der Syphilis im Jahre 1497 
in der Blüte der Männlichkeit und wurde etwa 1500 durch Jakob 
IV. vermittelst einer Staatspension an den Hof gefesselt. In einem 
Gedicht an die Königin gedenkt er der neuen Krankheit die er 
als „pockis" oder „spanyie pockis" bezeichnet. An einer andren Stelle 
heisst es: 



in sexuellen Dingen sehr erfahren gewesen zu sein, da er 15 17 wegen unerlaubten Verkehrs 
mit Weibern angeklagt wurde und noch 30 Jahre später, im Jahre 1547, sich zu "Win- 
chester drei Konkubinen zu gleicher Zeit hielt. Dieser Mann bemerkt über die Syphilis, 
dass sie jetzt „Französische Pocken" heisse, aber in seiner Jugend in England „Spa- 
nische Pocken" genannt worden sei. ''„In English Morbus Galliens is named the French 
pocks, when that I was young they were named the Spanish pocks.**) Also am Ende 
des 15. Jahrhunderts, d. h. beim ersten Auftreten, kannte man bereits in England die wahre 
Herkunft der Syphilis! Ebenso heisst die Syphilis bei Dun bar um dieselbe Zeit (ca. 1500) 
„spanische Pocken" (s. unten). 

i) Simpson, „Notices of the appearance of Syphilis in Scotland, in the last years 
of the fifteenth Century'* in: Medical Times and Gazette 1860, Nr. 24, S. 515. 

2) „Grandgore" oder ,,glengore" war der gewöhnliche Name der Syphilis in Schott- 
land bis zum 17. Jahrhundert, wird erklärt aus „ä la grande gorre = ä la grande mode.** 
So hiess die Syphilis zuerst in Frankreich, woher Schottland den Namen und wohl auch 
die Krankheit selbst bekam. Vgl. Creighton a. a. O., S. 418. Ueber ,,gorre" „göre" 
s. oben S. 87 — 88 (andere Etymologie). 

3) Notice of the appearance of Syphilis in Scotland in the last years of the fifteenth 
centiuy in: The Lancet 1860, S. 513 — 515. 

4) Records of the Town-Council of Edinburgh, 22. September 1497 in: Philosophical 
Transactions, Bd. XLII, S. 429, bei Grüner, „Aphrodisiacus", S. 71; Hensler, „Ge- 
schichte der Lustseuche'S Exe. S. 121. 



— 278 — 

Bewar with that perillous play 

That men callis libbing of the Pockis^). 

Niederlande. 
In den Niederlanden war der Hauptname der Syphilis „Lues 
Hispanica" (Erasmus von Rotterdam) oder „Spaanse Pocken". Sie 
wurde im Jahre 1496 durch das Gefolge der Prinzessin Johanna von 
Aragon, die dem Erzherzog Philipp als Braut zugeführt wiirde, dort- 
hin gebracht*). 

Dänemark. 

Nach R. Bergh, der sich auf die Chronisten Hvitfeldt und 
Rosaefontanus stützt, scheint die Syphilis Dänemark schon 1495 
erreicht zu haben ^. Jedoch geht dies aus ihren Berichten nicht mit 
Sicherheit hervor. Hvitfeldt (Chronik des dänischen Reiches, 2. 
Teil S. 1012) sagt: „In diesem Sommer (1496) zeigte sich zuerst unter 
den Truppen, mit denen Karl Neapel belagerte, eme neue Krank- 
heit, Franzosen oder Pocken genannt, von welchen man in der ganzen 
Christenheit zuvor nicht wusste, und womit Gott unsere Bosheit, Un- 
zucht und Sünden, die wir täglich annehmen und von denen wir 
nicht abstehen, hat bestrafen wollen*)". In „P. Parvi Rosaefontani 
Chronicon Johannis Regis Daniae" (1560 fol. R. 2). heisst es: 
„Secuta in aestate (1495) maxima lues vulgo Gallica Scabies dicta, 
Germanis ac Danis ante ea tempora non solum incognita, sed prorsus 
inaudita, multa hominum millia infecit, quae reatuum nostrorum 
causa sie paulatim in ommes nationes postea irrepsit, ut nullum 
usquam est morbi genus hodie eo vulgarius ^)**. Beide Chronisten 
geben also nur ganz im allgemeinen an, dass die Syphilis 1495 zu- 
erst auftrat, sagen aber nicht bestimmt aus, dass sie schon in diesem 
Jahre in Dänemark grassierte. Zu grösserer Verbreitung gelangte die 
Syphilis erst in dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Petrus Palladius 



i) Simpson a. a. O., S. 515. 

2) Beverovicius, „Idea medicinae veterum", Lib. III, cap. 8, bei Simon, II, 53; 
A. A. Fokker, „Onderzoekt naar den aard van de epidemische en contagieuse ziekten, 
die vroeger in Zeeland geheerscht hebben", Middelburg 1860 (Haeser, III, 258). — Die 
„Geschiedenis der syphilis in de Nederlanden" (1860 — 1861) von A. A. Fokker war mir 
leider nicht zugänglich. 

3) R. Bergh a. a. O., S. 6. 

4) Wendt, „Ein Beitrag zur Geschichte der venerischen Krankheit in Dänemark" 
in: Hufeland*s Journal 1822, Bd. LV, Stück I, S. 4. 

5) ibidem, S. 5. — Nach Mansa, „Journal for Medicin or Kirurgi 1833", S. 278, 
trat die Syphilis zuerst im Jahre 1496 in Dänemark auf. Dies dürfte den Thatsachen 
entsprechen. 



— 279 — 

erwähnt in dem Kommentar zu der 1556 in Kopenhagen erschienenen 
Schrift des Andreas Musculus „Verwahrung und Warnung wider 
den verlappten und zerlumpten Hosenteufel", dass die französischen 
Pocken in seiner Kindheit, also in den ersten zwanzig Jahren des 
16. Jahrhunderts in einem solchen Grade in Dänemark zu grassieren 
anfingen, dass man besonders in seiner Vaterstadt Ripen genötigt 
war, alle Badstuben zu schliessen i). Nach Mansa^) und Allen ^) 
fällt diese grosse Syphilisepidemie in Dänemark in die Jahre 1502 
bis 15 10. Sie verschonte keinen Stand, selbst König Hans erkrankte 
an der Syphilis. 

Island. 

Die Isländer sollen sich einer gewissen Immunität*) gegen die 
Syphilis erfreuen, und soll hier die Krankheit erst im Jahre 1753 ein- 
geschleppt worden sein, wo sie unter den Arbeitern einer Fabrik in 
Reykjavik auftrat^). Eine zweite Einschleppung erfolgte 1824. 
Finsen sagt: „Wenn man bedenkt, dass Island alljährlich von Hun- 
derten von Schiffen, teils dänischen Handelsschiffen, teils französischen 
und englischen Walfischfahrern besucht wird, welche zu den Be- 
wohnern der Insel in die verschiedensten Beziehungen treten, so 
muss es als ein grosses Glück angesehen werden, dass eine Infektion 
der Eingeborenen nicht häufiger statt gehabt hat". Er sah in seiner 
Thätigkeit als Arzt auf Island in 9 Jahren nur 5 Fälle von ^Syphilis 
aber nur bei Fremden^. 

Ebenso soll Grönland sich einer relativen Immunität gegen 
Syphilis erfreuen ''). 



i) Wendt a. a. O., S. 12. 

2) Mansa, „Bidrag til Folkesygdommenes og Sundhedspleiens Historien i Danmark", 
Kopenhagen 1872, S. 120 — 121, 132. 

3) Allen, „De tre nordiske Rigers Historie 1497 — 1536", Kopenh. 1870, Bd. IV, 
T. I, S. 265—268. 

4) Nach Dr. Schierbeck erklärt sich diese „Immunität" aus dem sehr seltenen 
Vorkommen eines geschlechtlichen Verkehrs der Isländerinnen mit Fremden, der sexuellen 
Abstinenz der in der Fremde mit Syphilis infizierten Isländer und dem gänzlichen Mangel 
einer Prostitution. Vgl. E. Lesser, „Syphilis auf Island". Ein Brief des Herrn Dr. 
Schierbeck in Reykjavik, in: Archiv für Dermatologie, Bd. XXIII, 1891, S. 37 — 41. 

5) Uno von Troil, „Bref, Rörande en Resa Til Island 1772", Upsala I777> 
S. 95 (Brief an den Archiater Back.) Schierbeck fand in den Annalen vom Anfang des 
16. Jahrhimderts ein Wort „Pletsot", das vielleicht Syphilis bedeutet. 

6) A. Hirsch a. a. O., Bd. II, S. 60 — 61. 

7) ibidem. S. 61. Auf den Färö er -Inseln war die Syphilis bis 1845 ganz unbe- 
kannt. Vgl. Julius Thorasen, „Ueber Krankheiten und Krankheitsverhältnisse auf Island 
und den Färöer-Inseln". Schleswig 1855, S. 163. 



— 28o — 

Finland und Lappland. 
Auch in diese nordischen Länder soll die Syphilis erst sehr 
spät gelangt sein. Nach Rabbe war in Finland die Lustseuche 
bis zum dreissigjährigen Kriege unbekannt{?) ^). In Lappland war die 
Syphilis um 1734 noch unbekannt 2), 

Russland. 
Nach Russland gelangte die Syphilis über Polen. Sie wird zu- 
erst im Jahre 1499 erwähnt. In einer Sammlung von diplomatischen 
Verhandlungen zwischen Russland und Polen, welche im mosko- 
witischen Reichsarchiv der ausländischen Angelegenheiten aufbewahrt 
wird, entdeckte der berühmte Geschichtsschreiber der russischen 
Medizin Wilhelm Michael von Richter (1767 — 1822) das „merk- 
würdige historische Dokument, welches die erste Erscheinung der 
venerischen Krankheit in unserm Vaterlande am Ende des fünfzehnten 
Jahrhunderts auf eine unleugbare und gewisse Art beweiset". Das 
Schriftstück ist vom 30. Mai 1499 datiert und lautet: „Der Gross- 
fürst (Jwan Wassilje witsch) erhielt durch den Oberbefehlshaber in 
Wjäsma, den Fürsten Obolenski, von dem in Lithauen bei der 
Grrossfürstin Helena befindlichen Schreiber Fedor Schestakow 
die Nachricht, dass der Grossfürst von Lithauen (Alexander) seine 
Gemahlin und alle in ihren Gefolge befindlichen Leute zwingen 
wolle, die römisch-katholische Religion anzunehmen, und dass dieselbe 
sich, ohne Bestimmung ihres Vaters, zu nichts entschliessen könne. 
Daher schickte der Grossfürst den 30. Mai 1499 nach Lithauen den 
Sohn eines Bojaren mit Namen Johann Mamonow mit dem Auf- 
trage, bei der Grossfürstin heimlich genauere Nachrichten ihrer Sache 
wegen einzuziehen, und ihr im Namen ihres Vaters anzudeuten, dass 
sie sich weder durch Zwang noch durch Martern sollte bewegen 
lassen, die griechische Religion, in welcher sie geboren und erzogen 
worden war, zu verläugnen, und dass sie sich im entgegengesetzten 
Falle hüten sollte, sich den Fluch ihres Vaters zuzuziehen. Eben 
denselben Mamonow wurde auch noch ausserdem aufgetragen, sich zu 
erkundigen, ob die Perecopscheu Gesandten in Lithauen mit dem 
Wunsche nach Frieden eingetroffen wären, und ob zwischen Polen 

i) F. J. Rabbe, „Historiska uppgifter om veneriska smittan i Finland etc.", in: 
Finska Läkare Sällskapet Handlingar, Helsingfors 1849— 1850, Bd. IV, S. 91 — 170 (mir 
nicht zugänglich; Haeser, III, 258). 

2) Gustav Harmens et Joan. Fillström, Medidna Laponum, Lond. Gothor. 
1734 i^» Albrecht v. Haller, „Beyträge zur Beförderung der Geschichte und Heilung 
der Krankheiten*', ed. L. Grell, Berlin und Stettin 1784, Bd. V, S. 433. — Edvard 
Wel anderes kürzlich erschienene Schrift über die Geschichte der Syphilis in Sdiweden („Ora 
de veneriska sjukdomarnes historia i Sverige*', Stockholm 1898) war mir nicht zugänglich. 



J 



— 28l — 

und den benachbarten Mächten ein gutes Vernehmen stattfände. 
Gleichermassen soll er in Wiaesma nachfragen, ob nicht Je- 
mand ans Smolensk mit derjenigen Krankheit behaftet an- 
gekommen sei, welche von Hautausschlägen begleitet ist, 
und welche man die Französisische Krankheit nenne, und 
endlich ob es wahr sei, dass diese Seuche aus Wilna dahin 
gekommen sei?"^). 

Polen. 
Nach einer Nachricht in Georg Mahlmann's „Chronik von 
Preussen'* (1548) wurde die Syphilis schon 1495 nach Krakau durch 
ein Weib gebracht, die aus Rom kam. „Dies war böser Ablass, den 
dies Weib in dies gute Land bracht 2)'*. 

Ungarn. 
Valentin Krauss, Arzt zu Kronstadt in Siebenbürgen, be- 
richtet in einem Briefe an Celtes vom 25. Februar 1500: 
„Gallus apud nos primum incipit saevire atrociter, cuius vim, si 
tua dominatio evasit, gratulor admodum", wonach also die Krank- 
keit erst Ende 1499 bezw. Anfang 1500 dorthin gelangte^). 

Balkanländer. 

L. Glück's Untersuchungen über die ältere Geschichte der 
Syphilis in Bosnien ergaben, dass dieselbe von der Türkei*) aus 
dort eingeschleppt wurde und zwar erst am Anfange des 19. Jahr- 
hunderts. Nach diesem Forscher ist die Syphilis vor ihrem ersten 
epidemischen Auftreten im Jahre 1493 nur „sehr selten*' gewesen (? ?). 
Es wäre „höchst gewagt", den Beginn dieser Krankheit in Bosnien 
um dreissig Jahre vor ihrem epidemischen Auftreten annehmen zu 
wollen, zumal sie erst nach dem Jahre 1493 in die Türkei einge- 
schleppt wurde ^). 

Sehr früh gelangte die Syphilis nach Dalmatien, Griechen- 
land und den jonischen Inseln, und zwar durch Vermittelung 
der sogenannten „Stradioten" d. h. albanesischer und griechischer 
Söldner, die im venetianischen Heere den Feldzug gegen Karl 



i) W. M. von Richter, „Geschichte der Medizin in Russland", Moskau 18 13, 
Bd. I, S. 256 — 260. 

2) -Fuchs, „Aelteste Schriftsteller", S. 375—376. 

3) ibidem, S. 316. 

4) Es ist nach Glück „erwiesen, dass die epidemische Syphilis erst nach dem Jahre 
1493 in die Türkei eingeschleppt wurde" (a. a. O., S. 348 — 349). 

5) Leopold Glück, „Ueber das Alter, den Ursprung und die Benennung der 
Syphilis in Bosnien und der Hercegovina" in: Archiv für Dermatologie u^d Syphilis, herausg. 
von F. J. Pick, 1889, Bd. XXI, S. 347—352. 



— 282 — 

VIII. mitgemacht hatten*). Es waren nicht weniger als 1500 
Mann'). So konnte schon Summaripa in seinem Ende 1496 ver- 
fassten Gedichte sagen: 

Fatto ha in Dalmazia e Grecia gran spavento, 

und ebenso berichtet Bernardino Cirillo unter dem Jahre 1496 von 
der Ausbreitung der Syphilis in ,,Dalmatia et Schiavonia" ^), desgleichen 
Sabellicus: „Nee tantum Italia est ea clade concussa, sed Germania, 
Dalmatia, omnisque Macedoniae et Graeciae ora"*). — In Corfu 
war die Syphilis Ende der neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts ver- 
breitet, wie Marino Sanuto überliefert^). 

§ 18. Die Verbreitung der Syphilis in Afrika. 

Die wenigen Nachrichten, welche wir über die früheste Ge- 
schichte der Syphilis in x\frika besitzen, geben natürlich nur ein 
höchst mangelhaftes Bild der Verbreitung der Krankheit im schwarzen 
Erdteil. 

Für Nordafrika hat Leo Africanus (1520) die zuverlässige 
Kunde überliefert, dass dort die Krankheit früher unbekannt war 
und erst durch die Europäer, besonders Spanier eingeschleppt 
wurde. Es werde daher die Krankheit in der Berberei „spanische 
Krankheit" genannt. In Tunis heisse sie nach der Bezeichnung 
der Italiener „Franzosenkrankheit". Ebenso in Aegypten und 
Syrien. Von Interesse ist die Mitteilung des Africanus, dass er 
selbst auf einer seiner Reisen in Kairo nicht wenige syphilitische 
Personen sah. Auch er beschuldigt besonders die Maranen, die Sy- 
philis nach Nordafrika verschleppt zu haben. Er traf so die Krank- 



i) Besonders häufig gedenkt der Arzt Alexander Benedictus dieser „Stratioten" 
in seiner Geschichte des Rückzuges Karls VIII.. 

2) „Lettres et n^ociatious de Philippe de Commines'S publikes par M. le baron 
Kervyn de Lettenhove, Brüssel 1868, Bd. II, S. 200. 

3) Corradi a. a. O., S. 79. 

4) Simon a. a. O., Bd. II, S. 53. 

5) „Essendo giunto il Capitano generale (Antonio Grimano) a Corfü, congiun- 
tosi insim^ coli' altre Galee sottili, trovarono quelle, che longamente erano State fuora, ma- 
lissimo condicionate, e male all' ordine, e massime di Mal Franzese, la quäl malattia cru- 
dele venne per tutto il Mondo in tal contagione dalla venula del Re di Francia in Italia, 
che per tutto si chiamava Mal Franzese. Et ^, per quanto posso giudicare, la malattia di 
Santo Giobbe. La quäle contagione fu per tutto l'universo mondo, e da quella pochissimi, 
anzi niuno guarivane, e stentava." Marino Sanuto, „Cronaca Veneta dal 1494 al 1500", 
bei Corradi a. a. O., S. XXI; S. 72. 



— 283 - 

heit bereits in allen , Städten der Berberei an^). Da Leo Africanus 
von Geburt Muselman war und die Verhältnisse seiner afrikanischen 
Heimat auf das genaueste kannte, so sind seine Nachrichten über 
die Einschleppung der Syphilis sehr wertvoll. 

Antonius Gallus bestätigt in seiner 1540 erschienenen Schrift 
die Einschleppung der Syphilis in Afrika 2). 

Eine alte Nachricht bei Ramusio besagt, dass schon im 16. 
Jahrhundert die Syphilis auf der Insel San Thome (Guineaküste) 
verbreitet war^). 

Ueberhaupt ist wohl anzunehmen, dass die Portugiesen die 
Syphilis in allen Küstengegenden des afrikanischen Kontinentes ver- 
breitet haben, obgleich nähere Nachrichten darüber fehlen. 

§ 19, Die Verbreitung der Syphilis in Asien. 

Im ganzen asiatischen Orient bis nach dem fernen Indien 
heisst die Syphilis die Frankenseuche, womit klar und deutlich 
ihr europäischer Ursprung für diese Länder ausgedrückt wird. 
Tomitanus berichtet um 1560, dass die Syphilis im ganzen Orient 
verbreitet sei und in allen Städten herrsche. Venetianische Kauf- 
leute und Schiff fahr er trafen sie überall an, wie Tomitanus selbst 
von einem Gewürzhändler erfuhr, der in Syrien von einem Freuden- 
mädchen angesteckt wurde und die syrischen Weiber als fast alle 



i) Questo tal male non era prima nelT Africa: anzi in quei luoghi niuno 
Fhaveua, sentito nominare, ma hebbe principio ul tempo che Ferrando Re di Spagna, cacciö 
di Spagna i Giudei. che poscia che essi vennero nella Barberia, essendo molti di loro 
imbrattati, avenne che alcuni tristi e ghiotti Mori usarono con le loro donne, e nell presero: 
d'indi seguitando di mano in mano sMncomincio ä infettar la Barberia: in modo che non 
si trova famiglia, che o sia netta, o non habbia avuto questo male, ed appresso loro per 
indubitata prova timsi Porigine esser venuta di Spagna, ma quei di Tunis lo 
chiamano Francioso, come gli Italiani tra quali molto audele esso si ha fatto sentire per 
alcun tempo: cosi in Egytto ed in Soria, dove cotal nome gli 6 detto . . . del male che 
nell* Italia ^ detto francioso, io non credo che in tutte le citta di Barberia la decima parte 
ne sia scampata . . . . e veggonsi nel Cairo non pochi storpiati, e guasti da cotal morbo." 
Leone Africano „Della descrittione dell* Africa". Prima Parte und Ottava Parte bei 
Ramusio (Navigationi e viaggi Venedig 1588), S. 10 D und S. 81 E. 

2) „Neque solum in Europam, sed in Africam quoque et Asiam translata est" Antonii 
Galli de ligno sancto non permiscendo opus bei Luisinus I, fol. 462. 

3) „In questa isola vi regna molto il mal francese, e similmente da rogna, delli 
quali mali li negri nö ne fanno conto, ed alcune femine negre con un poco di lume di 
rocca e solimato fanno un empiastro, e lo levano via, ed ancho con Pacqua di 
certe radici che danno a bere". Navigatione da Lisbona all' Isola di san Tom6 posta sotto 
la lima dell* Equinottiale, scritta per un Pilotto Portughese, bei Ramusio, I, S. 118 D, 



~ 284 - 

an Syphilis erkrankt bezeichnete^). Wir gehen wohl nicht fehl, 
wenn wir die Venetianer und die Portugiesen als die haupt- 
sächlichen Vermittler der Einschleppung der Syphilis im Orient 
bezeichnen, wie sich auch aus den weiteren Mitteilungen er- 
geben wird. 

In Persien wurde die Syphilis „Bedefrangi" d. h. Franken- 
krankheit genannt, oder auch „türkische Krankheit" (Einschleppung 
aus der Türkei)*). 

Ein besonderes Interesse gewährt die ältere Geschichte der 
Syphilis in 

Ostindien. 

Eine Stelle aus dem Reiseberichte des Ludovico di Barthema 
beweist mit aller Evidenz die neuzeitliche Einschleppung der Syphilis 
in Ostindien. Wie man diese Stelle für den Beweis einer früheren 
Existenz der Syphilis in Ostindien hat verwerten können, ist ein- 
fach unverständlich, wie die nähere Untersuchung derselben er- 
geben wird. 

Ludovico di Barthema (Bartema, Varthema, Batho- 
mano, Vartomaus, Ludovicus Romanus)^) aus Bologna brach 
1500 zu einer grossen Reise in den Orient auf, die ihn nach 
Aegypten, Syrien, Arabien, Persien und Ostindien führte und welche 
er in einem berühmten, sehr verbreiteten Werke beschrieb, das eine 
wertvolle Fundgrube für die Kenntnis der Kulturzustände der er- 
wähnten Länder am Beginne des 16. Jahrhunderts bildet. Da Ernst 



i) ludido est, quod non modo occidentalem plagam invasit, sed et orientis partes nnnc 
fere omnes hoc genere contagii infectae sunt, quando Veneti mercatores illud expresse referant, 
nullibi hanc pestem saevire magis, quam in plerisque orientis civitatibus. Quibus eo magis 
fidem adhibeo, quo ego superiore anno virum allocutus sum qui, Yeneta quinqueremi veches 
Syriam petierat, aromatum conportandorum causa. Quo in loco hac lue correptes est, 
cum meretrids infectae ibi coromerdum habuisset. Dicebat autem, post actum, audivisse 
se nullam eo in loco extare foeminam, quae pemicie illa non laboraret, esse que ibi morbum. 
fere incurabilem." Luisinus II, 1023 (B. Tomitani, ,,De morbo Gallico" libri duo, 
cap. 4). — Wetzstein bestätigt aus neuerer Zeit die Malignität der Syphilis in Syrien, wo 
die Krankheit noch heute „Frankenseuche*' heisst. Vgl. „Aus einem Briefe des Herrn 
Konsul Wetzstein an Prof. Fleischer** in: Zeitschrift der deutschen morgenländischen 
Gesellschaft, 1869, ßd. XXIII, S. 310. Leo Africanus gedenkt bereits um 1520 der 
Syphilis in Syrien (s. oben). 

2) S. oben, S. 64. 

3) Die Mannigfaltigkeit der Namen erklärt sich höchstwahrscheinlich daraus, dass der 
Träger desselben ein Ausländer und der Name also auf verschiedene Weise italianisiert wurde. 
Schefer erklärt Barthema für einen Deutschen mit Namen ,, Wartmann** oder „Wert- 
heim** (in seiner Ausgabe des Reisewerkes, Paris 1888, Vorrede, S. 9). 



— 285 — 

Meyer, der in seiner vortrefflichen Geschichte der Botanik (Königs- 
berg 1857, Bd. IV, S. 399—413) die bedeutendsten Reiseberichte 
des Zeitalters der Entdeckungen bibliographisch behandelt, den 
Barthema ganz vergessen hat, so will ich an dieser Stelle einige 
bibliographische Mitteilungen über das Werk desselben machen, die 
auch zum Teil für die vorliegende Frage von Bedeutung sind. 

Proksch bemerkt, dass Barthema's Reisebeschreibung „ur- 
sprünglich in italienischer, im Jahre 1505 jedoch in lateinischer und 
später auch in spanischer Uebersetzung erschienen sei^). Es ist 
dies eine irrige Annahme, denn Barthema kehrte erst 1506 von 
seinen Reisen zurück, auf denen er als erster Europäer bis zu den 
Bandainseln und den Molukken gelangt war und zuerst dort die 
Nelkenmyrte sah 2). Es konnte also unmöglich sein Itinerarium vor 
1505» wie Proksch angiebt, gedruckt werden. Auch PescheP) 
giebt noch eine falsche Jahreszahl (1508). In Wirklichkeit erschien 
die erste italienische Originalausgabe im Dezember 15 10*). 
Schon ein Jahr später kam die lateinische Uebersetzung des 
Archangelo Madrignano heraus: „Ludovici Romani Patritii 
Jtinerarium Aethiopiae Aegypti utriusque Arabiae, Persidis, Siriae 
ac Indiae ex vernacula lingua in latinum sermonem traductum. 
Interprete Archangelo Madrignano Monacho Carvalensi, Mediolani 
octavo calen. luniis. 1 5 1 1 *^ — Kurz darauf erschien eine deutsche 
Uebersetzung: „Die Ritterlich vn lobwirdig rayss des gestrengen vn 
überall ander weyt erfarnen ritters vnd Lantfarers herren Ludowico 
vartomans von Bolonia etc.**. Augspurg 1515 (Genauer Abdruck 
dieser Ausgabe, Strassburg 15 16, PYankfurt a. M. 1556). Wahr- 
scheinlich ein Abdruck der ersten italienischen Originalausgabe ist 
das „Itinerario de Ludovico de Varthema ßologneso nello Egytto, 
nella Syria, nella Arabia deserta, e Feiice, nella Persia e nella India 
e nella Ethyopia. La fede, el vivere, e costumi delle prefate Pro- 
vincie. Et al presente agiontovi alcune Isole novamente ritrovate. 
Venetia 1526**. 

Ein Neudruck des italienischen Originals wurde von Alberto 
Bacchi della Lega veranstaltet (Bologna 1885). — Ins Franzö- 
sische übersetzte J.Bai ar in de Raconis, Artillerie-Kommissar unter 
Franz L, das Werk des Barthema, von welcher Uebersetzung 



i) J. K. Proksch, „Geschichte der venerischen Krankheiten", Bd. I, S. 316. 

2) O. Peschei, „Geschichte der Erdkunde", München 1865, S. 315. 

3) ibidem. S. 315. 

4) Schefer a. a. O., S. 9. Diese Ausgabe war mir nicht zugänglich. 



- 286 — 

neuerdings Schefer eine mit Anmerkungen versehene Neuausgabe 
veranstaltete: „Les Voyages de Ludovico de Varthema ou Le 
Viateur en la plus grande partie d'Orient. Traduits de Tltalien en 
Fran<;ais par J. Balarin de Raconis, commissaire de Tartillerie 
sous le roi Fran9ois ler. Publies et annotes par M. Ch. Schefer, 
membre de Tinstitut Paris 1888". — Das „Hodaeporicon Indiae 
Occidentalis (sie!), Das ist: Warhafftige Beschreibung der lobwürd. 
Reyss, Welche der Edel, gestreng vnd weiterfahrenen Ritter H. 
Ludwig di Barthema von Bosnonien aus Italia bürtig» In die 
Oriental vnd Morgenländer, Syrien etc. persönlich verrichtet, über- 
setzt von Hieronymus Megiserus, Leipzig 1608". — Endlich 
existiert noch eine englische Uebersetzung: „The travels of Ludo- 
vico di Varthema translated from the original Italian edition of 
1510 by John Winter Jones and edited by George Percy 
Badger, London 1863**^). 

Hiernach steht fest, dass die erste Ausgabe des Jtinerarium 
Ende 15 10 erschien, Die Stelle, welche sich auf das erste Auf- 
treten der Syphilis in Ostindien bezieht, findet sich in jenem Teile 
des Reisewerkes, wo von dem Aufenthalte des Barthema in Cali- 
cut die Rede ist. Das betreffende Ereigniss spielte sich am Ende 
des Jahres 1505 ab, wie Barthema ausdrücklich bemerkt. Er 
selbst floh am 3. Dezember 1505 in Begleitung zweier Perser 
aus Calicut, um dann bald darauf nach Europa zurückzukehren, wo er 
sich mit der Abfassung seines Werkes beschäftigte und nach Heraus- 
gabe desselben zwischen 15 12 oder 15 17 starb'). 

An der erwähnten Stelle ist nun von einem Sklaven die Rede, 
der 1505 in Calicut an der Syphilis starb, jener Krankheit, welche 
Barthema selbst zu Calicut und „dreitausend Miglien" jenseits von 
Calicut sah, die in Calicut „Pua" genannt wurde und nach Angabe 
der Einwohner der Stadt vor etwa 17 Jahren dort zuerst sich 
zeigte und zwar in viel bösartigerer Weise als Barthema sie in 
Italien sah^). Hieraus haben nun Morejon und Proksch (a.a.O.) 
den Schluss gezogen, dass die Syphilis 17 Jahre vor 1505, d. h. vor 



1) Ueber die von Morejon („Historia de la medidna espa&ola", I, 270) erwähnte 
spanische Uebersetzung konnte ich nichts erfahren. 

2) Schefer a. a. O., S. LH. 

3) Lib. III, cap. 38, Seite K 7 der Ausgabe Venedig 1526, Seite 244 der ed. 
Bacchi della Lega, Bologna 1885: „et in termine de un anno, in quel di medesimo 
moritte de mal franzoso. Sapiate che de questa infermitA io ne ho vi6to de \k da Calicut 
tre mille miglia, et chiamase Pua; et dicono che sono circa XVII anni che comeHzö, et ^ 
assai piü cativo del nostro'*. 



— 287 — 

dem angeblichen Erscheinen der ersten Ausgabe des Itine- 
rarium in Calicut geherrscht habe, d. h. also 1488, und damit glauben 
sie die Existenz der Syphilis in Ostindien vor der Entdeckung 
Amerikas und vor dem Feldzuge Karls VIII. bewiesen zu haben. 
Recht haben Beide insofern, als sie dieser Berechnung die Jahreszahl 
der ersten Ausgabe des Werkes zu Grunde legen. Da wir aber ge- 
sehen haben, dass dieses in Wirklichkeit erst Ende 15 10 erschien, 
so kommen wir, falls wir eine solche genaue Berechnung zulassen, 
auf die Jahre 1493 bezw. 1494. nähern uns also schon bedenklich 
den wirklichen Ausbruchsjahren der Syphilis in der alten Welt. 
Aber beide erwähnten Forscher haben zunächst gänzlich das „circa" 
übersehen. Das hat doch ohne Zweifel etwas zu bedeuten. Als 
Barthema im Jahre 15 10 den Druck seines Werkes besorgte, 
konnte er sich wohl nicht mehr genau an den Wortlaut der ihm 
gemachten Mitteilung erinnern, er wusste nur, dass die Inder ihm 
gesagt hatten, die Krankheit sei erst kürzlich zuerst bei ihnen 
aufgetreten und da setzte er denn einer offenbar von ihm be- 
rechneten Zahl das „ungefähr" vor, indem er von 15 10 an rück- 
wärts rechnete. Es ist diese Bemerkung genau so zu bewerten, wie 
wenn Fracastoro die Syphilisepidemie in Italien und den Zug 
Karls VIII. „ungefähr 10 Jahre vor 1500" geschehen lässt!^) 
Wenn man das genau nehmen würde, würde man auf das Jahr 1490 
als Jahr des Zuges Karls VIII. kommen! Und wie würde der 
Historiker beurteilt werden, der allen Ernstes dieses Jahr für dcis 
wirkliche jenes Ereignisses halten würde? Uebrigens ist selbst die 
Zahl 1 7 noch unsicher. Donn in sämtlichen deutschen Ausgaben findet 
sich die Zahl 1 5 (und zwar ausgeschrieben) 2), womit wir auf die 
Jahre 1495 — 1496 kommen würden. Aber vor allem hat man hier 
wieder einmal über der Zahl die Sache übersehen, und die ist doch 
höchst klar und deutlich. Barthema ist ein geradezu klassischer 
Zeuge für den neuzeitlichen Ursprung der Syphilis in Ost- 
indien. Er berichtet ja, dass die Inder selbst ihm die Krank- 
heit als eine neue bezeichnet haben, die erst vor wenigen Jahren 



i) „Qui (morbus GalUcus) Europam fere omnem, Asiae vero atque Africae partem 
non parvam occupavit. In Italiam vero iis fere temporibus erupit, quibus Galli sub rege 
Carolo r^num Neapolitanum occupavere, annos circiter decem ante 1500, a quibus 
nomcn Morbo inditum fuit, Gallicus appellatus.** Hieronymi Fracastorii Veronensis 
Über I de sympathia et antipathia rerum, de contagione et contagiosis morbis, et eorum 
curatione, libri ires. Lyon 1550, S. 357 (De morbis contagiosis, lib. II, cap. 11). 

2) Ausgabe von Augsburg 15 15, fol. r 3, Ausg. Frankfurt 1556, fol. Aa i: Sy 
sagent auch das sy da zumal geweret het bey fünffzehn jaren. 



— 288 — 

sich gezeigt habe! Das ist doch eine positive Thatsache, gegen- 
über welcher jene ungefähren Zahlenangaben vollkommen be- 
deutungslos sind. Von grossem Interesse ist auch der Name „Pua", 
den nach Barthema die Hindus der Syphilis beigelegt hatten. Es 
ist das ohne Zweifel das Sanskrit- Wort „Püya" = Eiter, Ge- 
schwür, d. h. eine ebensolche rein symptomatologische Ver- 
legenheitsbenennung der neuen Krankheit wie sie in Europa durch 
die Namen „bubas", „pustulae", „blättern** etc., in Japan durch das 
Wort „kasa** bezeichnet wird. 

Wenn Sprengel ferner den Barthema sagen lässt, dass „er 
um Calicut eine unendliche Menge (tre mila miglia sagt Barthema 
sehr hyperbolisch) daran leiden gesehen habe"^), so muss das ein 
Missverständnis sein. Denn „Miglia** kommt von „miglio** = looo 
Schritte. 1500 „Miglien** sind 2466 Meter. Wenn wir sagen „ein 
gutes Stück**, sagt der Italiener „a mille miglia***). Es ist also hier 
eine Angabe von Entfernungen, nicht von der Menge der er- 
krankten Menschen. Barthema sagt, er habe dreitausend Miglien 
jenseits von Calicut auch mit Syphilis behaftete Menschen gesehen. 
Wo das gewesen ist, lässt sich nicht einmal vermuten, und es ist 
wahrscheinlich, dass der Ausdruck nur besagt, dass die Syphilis in 
sehr weiter Entfernung von Calicut in Ostindien ebenfalls vor- 
komme. 

Ich habe noch eine andere interessante Stelle in dem Werke 
des Barthema gefunden, wo ebenfalls von der Syphilis die Rede 
ist. In dem Kapitel, welches von dem Palast des Königs in Calicut 
handelt, sagt Barthema: „Es würde unmöglich sein, den Wert der 
Juwelen zu schätzen, welche der König trägt, obgleich er zu meiner 
Zeit nicht in guter Stimmung war, da er mit dem König von Por- 
tugal Krieg führte und auch die französische Krankheit, und zAvar 
besonders im Halse, hatte** ^). Es ist sehr bezeichnend, dass hier 
die Syphilis zugleich mit den Portugiesen und ihrer Berührung- 
mit den Indern erwähnt wird. Denn in der That waren 
es die Portugiesen, welche die Syphilis in Indien ein- 
schleppten! 



i) Sprengel bei Proksch a. a. O., Bd. I, S. 317. 

2) Vgl. „Dizionario della llngua Italiana nuovamente compilato dai signori Nico 16 
Tommaseo e Bernardo Bellini", Turin u. Neapel 1869, Bd. III, S. 263. 

3) Ausgabe von Bologna 1885, S. 147 (Hb. II, cap. 13): „Non se poteria estimare 
le gioie che porta il Re, benchd nel tempo mio stava mal contento per respecto che era in 
guerra col Re de Portogallo, et anchora perch^ lui hauea el mal franzoso, et hauea lo in 
ia gola". 



— 289 — 

Zuerst hat Wise kurz dieser Thatsache gedacht^), dann war 
ich durch Herrn Professor Albrecht Weber auf seine Inhalts- 
angabe eines medizinischen Kommentars in dem von ihm gelieferten 
Verzeichnis der Sanskrithandschriften der königlichen Bibliothek zu 
Berlin aufmerksam gemacht worden, in welchem von der „phiranga- 
roga", der „Frankenkrankheit" als einer durch die Portugiesen ein- 
geschleppten Seuche die Redeist. Ueber diesen Auszug von Weber, 
den Herr Professor Karl Geldner zu übersetzen die Güte hatte, 
habe ich am 6. April 1899 berichtet 2). GelegentUch meines Vor- 
trages über den Ursprung 'der SyphiHs auf der 71. Naturforscher- 
versammlung in München pflichtete in der Diskussion Herr Professor 
J. Jolly nicht nvir meinen Darlegungen über die Einschleppung der 
Syphilis in Ostindien bei, sondern verwies mich auch auf eine ana- 
loge Stelle im Bhävaprakäsa des Bhävamisra, einer medizi- 
nischen Schrift aus dem 16. Jahrhundert^). Herr Privatdozent Dr. 
E. Sieg hatte nachträglich die grosse Freundlichkeit, die oben er- 
wähnte, in der königlichen Bibliothek zu Berlin befindliche Hand- 
schrift (Nr. 996 von Weber's Verz. der Berl. Sanskrithandschriften) 
zum grössten Teile für den Verfasser zu übersetzen. Danach heisst 
die Krankheit „phiranga roga", weil sie „in dem Phiranga genannten 
Lande häufig vorkommt", und es waren die „Krankheitskundigen", 
die ihr diesen Namen gaben. Sie ist eine Infektionskrankheit 
(wörtlich Geruchs -gandha- Krankheit), weil sie „ständig im Körper 
durch allzu nahe Berührung mit einem bezw. einer mit Phiranga 
Behafteten entsteht. Denn es ist eine von aussen kommende 
Krankheit. Was dabei für ein Uebergang von KrankheitsstofFen 
(dosa) stattfindet, das kann ein guter Arzt aus den Symptomen der- 
selben erkennen." Die weiteren Mitteilungen stimmen vollständig mit 
denen des Bhävaprakäsa überein, so dass Sieg mit Recht bei 
einer Vergleichung beider Stellen zu dem Resultate gelangte, dass 
die Berliner Handschrift ein Excerpt aus jenem grösseren medi- 
zinischen Werke darstellt. 



i) Th. A. Wise, „Commentary on the Hindu System of medicine" London 1860, 
S. 377. Auch Th. Melsheimer, „Die Syphilis und ihre Heilmittel vom Jahre 1492 bis 
zur Mitte des 16. Jahrhunderts", Dissert., Bonn 1892, S. 15, bringt eine kurze Mitteilung 
des Sanskritisten Jacob i über das Wort phiraTTga. 

2) J. Bloch, „Ein neuer Beitrag zur Frage derAltertumssyphilis" in: „Monatshefte 
für prakt. Dermatologie", redigiert von Dr. P. G. Unna, 1899, Bd. 28, S. 629—632. 

3) Vgl. über diese Schrift J. Jolly „Indische Medizin'* in: „Grundriss der indo- 
arischen Philologie und Altertumskunde" von Bühler-Kielhorn, Strassburg 1901, Bd.- III, 
Heft 10, S. 3 (nach dem mir gütigst zur Verfügung gestellten Korrekturbogen), 

Bloch, Der Ursprung der Syphilis. IQ 



— 290 — 

Jolly's Darstellung der Geschichte der Syphilis in Indien ist 
die folgende (nach dem Manuskripte). Die Krankheit „phiranga", 
„phirahgaroga", phirangämaya", die „Frankenkrankheit" kommt zuerst 
in den Schriften des 16. Jahrhunderts vor, vor allem im Bhäva- 
prakäsa (4, 50—52)*). Es wird ihr Name aus ihrer Häufigkeit im 
Frankenlande erklärt Sie ist eine Beulenkrankheit, die durch 
körperliche Berührung mit einem .,phirangin" (Europäer) 
oder intime Berührung mit einer „phirangini" (Europäerin) 
entsteht und gehört zu den „ägantuje", d. h. den durch äussere 
Ursachen entstehenden Leiden. Es giebt einen äusseren, inneren 
und äusseren -inneren Phiranga. Der äussere gleicht der Beulen- 
krankheit, macht wenig Schmerzen, wenn die Pusteln aufspringen, 
welche leicht heilbar sind. Der innere Phiranga ist eine Affektion 
der Gelenke, bewirkt Schmerzen, Schwellung und Rheumatismus, 
ist schwer heilbar. Der äusserlich- innerliche ist sehr schmerzhaft 
und langwierig. Komplikationen in Gestalt von Abmagerung, Kräfte- 
verfall, Einfallen der Nase, Knochenaifektionen können sich zu allen 
drei Formen gesellen. Wie man sieht, schildern diese Beschreibungen 
die Symptome der Syphilis ähnlich wie die europäischen Syphilis- 
Schriftsteller. Hauptmittel gegen Syphilis ist Quecksilber in Pillen- 
und Salbenform, auch in Form von Räucherungen (dhüma). Ein 
weiteres, spezifisches Mittel ist „cobacini", d. h. Sarsaparilla, die zu- 
erst um 1535 den Portugiesen in Goa als Mittel gegen Syphilis 
durch chinesische Händler zugekommen sein soll, was auch im 
Bhävapräkasa i, i, 168 angedeutet wird. Jolly schliesst seine 
wertvollen Ausführungen mit den Worten: „Die europäische Her- 
kunft des phiranga ist nach Obigem nicht zu bezweifeln.'' 

Auch für den indonesischen Archipel hat Kohlbrügge 
festgestellt, das die Syphilis der Bevölkerung in früherer Zeit un- 
bekannt war^) Nach Peschel fand Pigafetta die Syphilis im 
Jahre 1522 schon allgemein auf den Bandainseln verbreitet und als 
„Frankenkrankheit" bezeichnet ^). 



*) Ferner auch im medizinischen Lehrbuche Ayurvedasankhya des Todar 
Mall (f 1589) und der Rezeptsammlung Yogacintämani Vaidyakasärasanigraha 
des HarsakätisUri. Vgl. Jolly a. a. O., S. 3. 

2) Kohlbrügge, „Anthropologische Beobachtungen aus dem Malayischen Archipel'* 
in: Zeitschrift für Ethnologie 1900, Bd. XXXII, S. 398. 

3) O. Peschel, „Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen**, 2. Aufl., Stuttgart 
1^77, S. 534. 



— 291 — 

Was das erste Auftreten der Syphilis auf den Philippinen und 
den Sundainseln betrifft, so hat Virchow^) zuerst auf eine inte- 
ressante Notiz des Pigafetta axif merksam gemacht, welche die Ein- 
schleppung der Syphilis durch die Portugiesen bezeugt. Sie findet 
sich in der Schrift „Primo viaggio intorno al globo terracqueo" und 
lautet: „Auf allen diesen Inseln dieses Archipels haben wir gefunden, 
dass die Hiobskrankheit dort herrschte und mehr hier (auf Timor) 
als anderswo, und man nennt es Franzosenübel oder portugiesische 
Krankheit 2).'- Nach der Marginalnotiz ist die Stelle bei dem Jahre 
1522 angeführt. Virchow legt dann weiter dar, dass unter „Hiobs- 
krankheit" nur die Syphilis zu verstehen sei, nicht der Aussatz. 

China. 

Durch die vortreffliche Arbeit des japanischen Arztes Okamura 
ist die Legende von dem grauen Altertum der Syphilis in China und 
Japan gründlich zerstört worden. Okamura hat die chinesischen 
Werke über Medizin auf das genaueste durchforscht, aber vor dem 
16. Jahrhundert keinerlei Erwähnung der Syphilis gefunden. 
Vorher sind nur rein örtliche AfFektionen beschrieben worden. 
U-pin s Bericht über das erste Auftreten der Syphilis in China ist 
bereits oben (S. 65 — 66) mitgeteilt worden. Im Jahre 1504 n. Chr. 
kam ein europäisches Handelsschiff in den Hafen von Kanton und 
bald darauf zeigte sich die neue Krankheit unter der Bevölkerung. 
Erst seit dieser Zeit wird die Syphilis in den medizinischen Schriften 
der Chinesen erwähnt 1600 n. Chr. erschien die erste Monographie 
das Buch „Mui-chong-pi-luk", dessen Verfasser der Arzt Chan-sz- 
shing" war, zugleich der erfolgreichste Syphilistherapeut, den China 
hervorgebracht hat. Okamura macht dann noch ausführliche Mit- 
teilungen über die ganz respektabeln Kenntnisse der Chinesen in 
Bezug auf die Symptome, die Verlaufsweise, Prognose und Therapie 
der Syphilis sowie auf die hereditäre Lues^). 



1) R. Virchow, „Das Alter der Syphilis in Ostasien", Virchow's Archiv, Berlin 
1871, Bd. 53, S. 137—138. 

2) „In tutte le ysolle haverao trovate in questo arcipelago regnia lo mal de S. Jop 
e piü quivi che in altro locho et lo chiamano for franchi cio6 ma! portughese**. Bei Ramusio 
(Venedig 1588, S. 368 F.) lautet die Stelle etwas anders: „In lutte queste isole che habbia- 
mo . . disopra narrato, lequali si posson chiomar come un Arcipelago, regna la malattia di 
San Job, piu che in alcun altro luogo del mondo; li popoli la chiamano il mal di Portu- 
gallo, ed noi altri in Italia il mal francese". 

3)Tatsuhiko Okamura, „Zur Geschichte der Syphilis in China und Japan" in: 
Monatshelte für praktische Dermatologie von Unna 1899, Bd. XXVIII, Nr. 6, S. 296 
bis 300. 

19* 



— 292 — 

lieber die Geschichte der Syphilis in dem China benachbarten 
Tibet macht H. Lauf er in seiner gediegenen Arbeit über tibe- 
tische Medizin keinerlei Mitteilung. Man nennt die Krankheit in 
Tibet auch „kaiserliches Gift", was Laufer mit Recht mit dem 
„morbus curialis" der Spanier vergleicht*). Die Therapie der Krank- 
heit ist derjenigen der indischen Medizin ähnlich. 

Japan. 

Zunächst weist Okamura nach, dass das Buch „Dai-do-rui-ju- 
ho", welches nach B. Scheube*) aus den Jahren 800—810 n. Chr. 
stammt, höchst wahrscheinlich einer viel späteren Zeit angehört und 
zudem die darin enthaltene angebliche Beschreibung der Syphilis nicht 
sehr prägnant ist. Auch ein zweites Werk ;,Shin-i-h6", das venerische 
Krankheiten schildert, ist erst nach 1500 n. Chr. verfasst worden. 
Ueber die Einschleppung der Syphilis durch die Portugiesen sind 
oben (S. 65) schon einige Angaben nach Okamura gegeben worden. 
Es steht ferner fest, dass um 152 1 einige Fürsten der westlichen 
Provinzen Japans mit den Chinesen in sehr regem Handelsverkehr 
standen, und es sollen japanische Piraten damals bis zur Südküste 
Chinas gekommen sein. Hierdurch verbreitete sich vielleicht auch 
die vSyphilis in Japan, wofür ein altes japanisches Sprichwort anzu- 
führen ist: „Die Syphilis der westlichen Provinzen ist bösartiger 
Natur". Engelbert Kämpfer berichtet schon im 17. Jahrhundert: 
„Die grossen Pocken (= Syphilis) sind in Japan auch nicht unbekannt 
und werden Nambaniassa, das ist „portugiesische Krankheit** 
genannt '*). Der Name „Too-kasa" (von den Fremden eingeschlepptes 
Geschwür) deutet auf denselben Ursprung. 

Ich hatte Gelegenheit im Frühjahr 1901 Herrn Prof. E. Balz 
aus Tokio persönlich über seine Ansicht über das Alter der Syphilis 
in Japan zu befragen. Derselbe erkannte vollkommen die Richtigkeit 
der Angaben von Kämpfer und Okamura an und fixierte auf 
meinen Wunsch diese seine Ansicht schriftlich in einem Briefe vom 



1) H. Laufer, „Beiträge zur Kenntnis der tibetischen Medizin**, Inaug. -Diss. 
Berlin 1900, S. 34. 

2) B. Scheube, „Zur Geschichte der Syphilis** in: Virchow*s Archiv, Berlin 
1883, Bd. XCI, S. 448 — 452. Anm. bei der Korr. Inzwischen ist jedoch Scheube 
(„Geschichte der Medizin bei den ostasiatischen Völkern**) in: Puschmann's Handbuch 
der Geschichte der Medizin, Jena 1901, Bd. I, S. 28 und 40, der Ansicht Okamura's 
vom neuzeitlichen Ursprung der Syphilis in China und Japan beigetreten. 

3) E. Kämpfer, „Geschichte und Beschreibung von Japan**. Aus der Original- 
handschrift des Verfassers, herausgegeben von Christ. Wilh. Dohm, Lemgo 1777, Bd. I, 
S. 209 (Buch II, Kap. 4). 



— 293 - 

23. April 1901, dem ich Folgendes entnehme: „Was Japan betrifft, 
ist die Sache (die Einschleppung in neuerer Zeit) ohne Zweifel richtig. 
Die Portugiesen kamen zuerst um die Mitte des 16, Jahrhunderts in 
Japan an und von dieser Zeit an verbreitet sich die Krankheit. 
Uebrigens heisst Namban (nicht Namba) „südlicher Barbar'* und 
nicht speziell Portugiese. Die Letzteren kamen nämlich nach Japan 
von Süden her, von Macao. — Heutzutage heisst die Krankheit in 
Japan durchweg beim Volke einfach Kasa und nicht Tökasa; ferner 
hat sich der wissenschaftliche Name „baidoku" auch unter den Laien 
sehr verbreitet . . . Für die Einschleppung in China scheint das Jahr 
1504 reichlich früh gegriffen, doch will ich darüber nichts Bestimmtes 
sagen" ^). 

Die syphilidologischen Kenntnisse der älteren japanischen Aerzte 
entsprachen im allgemeinen denen der Chinesen , doch weisen sie 
manches Originelle auf, wie z. B. die Unterscheidung der luetischen 
Paralyse oder Paraplegie von der nichtsyphilitischen Apoplexie. 

Die Schlusssätze Okamura's über das Alter der Syphilis in 
China und Japan lauten: 

„Ueber ein Auftreten der Syphilis im Altertume in China und 
Japan existieren keine absolut zuverlässigen Angaben. Meine An- 
sicht geht mit derjenigen der meisten älteren japanischen und chine- 
sischen Autoren dahin, dass die Syphilis erst um die Mitte des sechs- 
zehnten Jahrhunderts nach China und Japan eingeschleppt worden 
sei. Nur das unerwartete Auftreten und die schnelle (geradezu epi- 
demische?) Verbreitung einer bis dahin unbekannten Krankheit, der 
Lues, erklärt nach meiner Meinung das Erscheinen der grossen Reihe 
von medizinischen Werken in jener Zeit, die sich mit diesem Leiden 
befassten. Auch der Umstand, dass gerade um jene Zeit die Lust- 
seuche in Europa so verheerend wütete, scheint meine Annahme zu 
unterstützen** % 

§ 20. Die Verbreitung der Syphilis in Australien (Oceanien). 

Nach Australien und Oceanien kann die Syphilis erst seit dem 
1 6. Jahrhundert gelangt sein, d. h. seit der Zeit der ersten europäischen 
Entdeckungsfahrten nach diesen Gebieten. Alvaro de Saavedra 
hat schon im Jahre 1529 Neu-Guinea, die Karolinen und die Marschall- 



i) Jedenfalls muss die Syphilis zwischen 1504 und 1535 in China eingeschleppt 
worden sein, da in letzterem Jahre die Chinesen den Portugiesen die Smilax Chinae als Heil- 
mittel gegen Syphilis übermittelten. Vgl. Jolly a. a. O. 

2) Okamura a. a. O., S. 504. 



— 294 — 

Inseln berührt und trat besonders mit den Bewohnern der letzteren 
Inseln in Verkehr, ^) seitdem haben Spanier wiederholt das nördliche 
Becken der Südsee befahren *). Aber über die Geschichte der Syphilis 
in diesen Inselgruppen ist uns nichts bekannt, ebenso wenig wie über 
diejenige auf dem australischen Kontinente selbst. 1595 entdeckte 
Mendana die Marquesas und Santa-Cruz-Inseln, und sein Nachfolger 
Pedro Fernandez de Quiros die Niedrigen und Paumotu-Inseln, 
die Unionsgruppe, Neuen Hebriden und Torresinseln (1606). 3). Dass 
Quiros aber, wie noch Huber*) glaubt, Tahiti betreten habe und 
dort möglicher Weise die Syphilis schon von seiner Mannschaft ein- 
geschleppt worden sei, ist unrichtig.^) Seit 1642 datieren die Ent- 
deckungsfahrten Tasman's (Neu-Guinea, Van Diemensland, Neusee- 
land, Festland von Australien). 1766, am 17. Juni, entdeckte der 
Engländer Samuel Wallis Tahiti, wo er über 6 Wochen lang 
verweilte, um erst am 27. Juli „diese mit allen Reizen und Verführungs- 
mitteln ausgestattete Schöpfung des grossen Ozeans" zu verlassen.^) 
Kurz nach ihm gelangte der Franzose Bougainville (2. April 1768) 
nach Tahiti, ohne sich dort aufzuhalten'), und am 10. April 1769 
landete James Cook dort und hielt sich ebenfalls längere Zeit in 
Tahiti auf.®) 

Derselbe Reisende entdeckte auf seiner dritten Fahrt am 1 8. Ja- 
nuar 1778 die Sandwichinseln, die allerdings schon früher von spani- 
schen Seefahrern aus besucht worden sein sollen. Er blieb dort bis 
zum 2. Februar 1778, kehrte aber Ende 1778 dahin zurück, um be- 
kanntlich am 14. Februar 1779 von den Eingeborenen ermordet zu 
werden. ^) 

Es ist nun bemerkenswert, dass in Tahiti die Syphilis von den 
Eingeborenen als „englische Krankheit" (Apano pretane) bezeichnet 
wurde. ^®) Dies berichtet James Cook in einem Reiseberichte. Sie be- 



i) O. Peschel, „Geschichte der Erdkunde", S. 319 — 320. 

2) Die Sandwichinseln wurden aber von ihnen nie berührt und erst von Cook 
entdeckt. Peschel a. a. O., S. 322. 

3) Peschel a. a. O., S. 324 — 325. 

4) V. A. Huber» „Bemerkungen über die Geschichte und Behandlung der vene- 
rischen Krankheiten", Stuttgart u. Tübingen 1825, S. 41. 

5) Vgl. Peschel a. a. O., S. 325, Anm. 3. 

6) ibidem, S. 428. 

7) ibidem, S. 429. 

8) ibidem, S. 431-432. 

9) ibidem, S. 458, S. 461. 

10) „They call the venereal disease ,,Apa-no Pretane** (Englisch disease)**. Capt. 
Cook*s account of the Voyage of the Resolution and Adventure etc/* Vol I, Kap. XIV, 
S. 181 (bei Girtanner III, 805). 



- 295 — 

merken aber auch, dass Bougainville die Krankheit auf die Insel 
gebracht habe. Jedenfalls ging aus allen Erzählungen deutlich her- 
vor, dass die Syphilis ihnen bisher völlig unbekannt war und erst 
vor kurzer Zeit bei ihnen eingeschleppt worden war. Nach Haw- 
kesworth, einem Begleiter Cook's, scheint es, dass die Eingeborenen 
erst zwischen der ersten und zweiten Reise des Kapitän Cook der 
Syphilis einen Namen gaben. Denn er erzählt, dass sie bei der ersten 
Anwesenheit Cook 's dieselbe mit einem metaphorischen Ausdrucke 
bezeichneten, welcher dem Worte „Fäulnis" nahe kam (wie das indische 
„Pua"), und dass sie in den lebhaftesten Ausdrücken die Leiden derer 
schilderten, welche angesteckt waren. Sie hatten auch eine solche 
Furcht vor der Ansteckung, dass bei einem vorkommenden Falle 
von Syphilis Schrecken und Bestürzung sich ihrer Sinne bemächtigten 
und selbst die nächsten Verwandten den Kranken verliessen. Kapitän 
Cook erfuhr von den Eingeborenen, dass sie sich noch deutlich 
der Einschleppung der Krankheit durch die Europäer erinnerten. ^) 
G. Forst er bemerkt in den Anmerkungen zu dem Bericht über die 
dritte Entdeckungsreise von Cook über die Syphilis in Tahiti: „Seit- 
dem die Europäer zu ihnen gekommen sind, ist das Verzeichnis ihrer 
Krankheiten mit einer vermehrt worden, die ärger als alle übrigen 
ist, und jetzt beinahe allgemein unter ihnen herrscht. Sie kennen 
kein wirksames Mittel gegen dieses Uebel und gestehen, dass die 
Kräuter, welche die Priester allerwärts verordnen, nie eine Kur be- 
wirken. Unter gewissen Umständen soll indess die Natur selbst, 
ohne Hilfe des Arztes, das Gift dieser schrecklichen Krankheit 
aus dem Körper schaffen und eine völlige Wiederherstellung be- 
wirken. Sie behaupten, wenn ein Inficierter mit andern aus einerlei 
Geschirr esse oder dieselben Sachen angreife, so teile er ihnen die 
Ansteckung mit, und in diesem Falle sterbe oft der zuletzt Ange- 
steckte, indess Jener sich erhole.** 2) Dieses Zeugnis eines Be- 
gleiters Cook's auf dessen Reisen ist gewiss von hohem Wert. 
Es ist wahrscheinlich, dass die Syphilis nacheinander von dem Eng- 



i) Vgl. B. Collomb's „Medizinisch-chirurgische Werke**, deutsch von W. Harcke, 
Braunschweig 1800, Bd. II, S. 507. 

2) „Des Kapitän Jakob Cook dritte Entdeckungsreise in die Südsee und nach dem 
Nordpol." A. d. Engl, übersetzt von Herrn Georg Forster. Berlin 1789, Bd. II, 
S. 330. — Vgl. noch A. V. Haller, „Bibliotheca medicinae practicae", 1776, Bd. I, S. 6, 
über die Neuheit der Syphilis in Tahiti. — „Alle Reisenden stimmen darin überein, dass 
die Ankunft der Europäer (in Tahtii) in hohem Grade dazu beitrug, die Immoralitäi der 
eingeborenen Völker zu vergrössern.*' P. Mantegazza, „Anthropologisch -kulturhistorische 
Studien über die Geschlechtsverhältnisse des Menschen**, 3. Aufl., Jena o. J., S. 47. 



— zgb — 

länder Wallis, dem Franzosen Bougainville uud dem Engländer 
Cook in Tahiti eingeschleppt wurde, und dass die Priorität ohne 
Zweifel Wallis gebührt, der schon im Sommer 1766 längere Zeit 
hier verweilte. Es ist möglich, dass sich der Ausdruck „apone 
pretane** auf ihn und nicht auf Cook bezieht. 

Auf den Sandwichinseln war die S)rphilis ebenfalls vor 
Cook 's Landung im Jahre 1778 unbekannt Von „diesen schwimmen- 
den Inseln mit übernatürlichen Wesen" hätten sie die Krankheit mit 
allen Formen und allen Folgen empfangen, so versicherten die Ein- 
geborenen allen späteren Besuchern.*) 

Nach Mantegazza war die Syphilis auf Samoa bis zum Jahre 
1840 unbekannt. 2) 

William Turnbull hat über die Einschleppuog der Syphilis 
in Oceanien schqn 1786 (wenige Jahre nach Cook's Reisen) eine 
eigene Schrift veröffentlicht: „An inquiry into the origin and anti- 
quity of the lues venerea; with observations on its introduction 
and progress in the Islands of the South-Seas etc. (London 
1786; 3. Aufl. London 1797; deutsche Uebersetzung von Christian 
Friedrich Michaelis, Zittau und Leipzig 1789), in welcher er die 
oben erwähnten Thatsachen untersucht.^) 



i) A. Chapin: „Bemerkungen über die Sandwich -Inseln, ihre Lage, Klima etc." 
in: The American Journal of the Medical Science, Mai 1837, S. 43 — 49. Referat in: 
Zeitschrift für die gesamte Medizin von Fr icke und Oppenheim, Hamburg 1838, Bd. 
VII, S. 89. — Auf Hawai hatte Cook die Frauen sehr sittenlos gefunden. Mantegazza 
a. a. O., S. 47. 

2) Mantegazza a. a. A., S. 46. 

3) Die Schrift war mir leider nicht zugänglich. — Vgl. ausserdem noch die Dis- 
kussion über die Geschichte der Syphilis in Oceanien in der Soci^t^ d' Anthropologie de Paris 
im Jahre 1860 (Bulletin de la Soc. d'Anthr., Paris 1860, Bd. I), S. 193 (Quatrefages), 
S. 198 (Parier), S. 202 (Follin), S. 203 (Lagneau). 



A.nhaiig. 



I. Die Benennungen der Syphilis in der alten Welt^) 

I. Gelehrtensprache. 

a) Nach dem ang-eblichen Vaterlande. 

Morbus lusitanicus (Welsch) 



Morbus gallicus 

Morbus Gallorum 

Morbus francigenus 

Morbus Franciae 

Malum francicum 

Malum Franciae 

Malum Francigenarum 

Malum francum 

Malum Francigenum 

Morbus Francus 

MalefraDcum 

Malum Francorum 

Malum Francosiae 

Morbus Frandosus 

Labes francica 

Gallus 

Malum Castellanum (Welsch) 



Lues celtica 

Passio italica 

Passio >neapoIitana 

Morbus italicus und Italus 

Morbus neapolitanus 

Morbus parthenopaeus 

Malum neapolitanum 

Morbus hispanicus 

Miseria hispanica 

Lues hispanica 

Serpigo Indica 

Morbus Indus 

Morbus Indicus 

Malum Indicum 

Lues Americana (F. A. Cren, 177^) 

Malum Americanum 



b) Nach den äusseren Erscheinungen. 



Formica (Formica ulceratio) 

dephantiasis 

Saphat; Saphati 

Sahafathi, Asaphati 

Morbus pustularum 

Morbus pustularum turgescenticum 

Morbus pustulatus 

Malum pustularum 



Pustulae 

Pustulae malae 

Pustulae formicales vel asafaticae 

Carunculae (Astruc II, 1131) 

Papulae 

Achores 

Phani 

Psidracia 



1) Zu den Seite 62 genannten früheren Arbeiten kommt noch hinzu die für die 
slavische Nomenclatur der Syphilis besonders wichtige Arbeit von J. Peszke, „Synonimy 
przymiotu" in: Pamietnic Towarszystwa Lekarskiego (Synonyme der Syphilis, in: Denk- 
schriften der Warschauer ärztl. Gesellschaft), Bd. LXXIX, Warschau 1883, S. 381—404.— 
Die Abhandlung „Dos varios nomes, que a morbo gallico teve" (in: Coimbra med. 1885, 
Bd. V, S. 346, 360, 379; 1886, Bd. VI, S. 28, 44, 325, 347) konnte ich nicht erhalten. 



— 298 



Epinyctides 

Liehen, Lichne 

Lichenes, Lues lichenica 

Psora 

Pruna 

Phygethlon 

Vari melancholici 

Tusius 

Alubumata 

Bothor, Albotim 

Carbo 

Ignis sacer, morbus sacer 

Impetigo 

Variolae, Variolae vemicales 

Variola magna s. crassa 



Leprae species 

Acuta lepra et ardens 

Lepra venerea 

Morphea 

Milium 

Thymus 

Morum 

Poscae, Posculae 

Scabies, Scabies inaudita 

Scabies venerea 

Morbilli 

Morbilli venenatissimi 

Scorra 

Malum mortuum 

Strophulae novellae 



c) Nach den äusseren Erscheinungen mit gleichzeitiger Angabe des 

Vaterlandes. 



Scabies galUca 
Scabies gallicana 
Scabies indica 
Scabies hispanica 
Variola Gallica 
Variola Gallicana 
Poxae galicae 
Variola hispanica 
Poxae Hispanienses 



Morbilli Italid 
Lepra Gallica 
Formica Gallica 
Caries Gallica 
Carbunculi Frandae 
Ulcera Galli 
Scorra de Franssois 
Scorbutus Neapolitanus 
Dolor frangitiosus 



Mentagora 
Mentagra 
Mentulagra 
Morbus mentagricus 
Caries pudendorum 
Pustulae obscoenae 

e) Bezeichnungen 

Patursa, Passio saturnina 

Scorra pestilentialis 

Pestis gallica 

Pestilentia 

Lues 

Lues venerea 

Venerea contagio 

Venus 

Tinctiwa venerea 

Virulentia venerea 

Malum venereum 



d) Nach den vorzugsweise befallenen Teilen. 



Pudendraga 

Pestis inguinalis 

Morbus verecundus (quia pudet patefacere 
obscoena, quae primum laeduntur. Cae- 
salpinus, „Specul. artis medicae", 
Frankf. 1605, S. 235) 

nach den Ursachen und der Verbreitung. 

Morbus venereus 

Labes veneria 

Patursa 

Vesicae epidemiales 

Cacochymia venerea 

Lues x(uea(pQoditT}j morbus x. 

Morbus aphrodisius 

Lues aphrodisiaca 

Malum aphrodisiacum 

^Scabies epidemica 

Scabies scortatoria 



299 



Crepinus 

Luxus 

Morbus xoofuxog 

Morbus mundanus 

Morbus catholicus 

Morbus communis (engl. Ms. 

f) 

Morbus Herculeus 
Morbus caninus 
Morbus cerbereus 
Morbus pegasus 
Monstruosa p^rnicies 
Mirabilis infirmitas 



Morbus europaeus 
Morbus mevius *) 
Morbus curialis« morbus aulicus 
Morbus Magnatum 
Exustio 
i6. Jahrh.) Volatica 

Allgemeine Bezeichnungen. 

Flagellum Veneris 

Peregrinus morbus 

Delicta venerea 

Morbus foedus et occultus (Pintor) 

Morbus noctis, planta nocturna 



g) Heute übliche Benennung der Gelehrten 

Syphilis'). 



2. BezeichniMig nach Heiligen. 



Morbus St. Jobi 
Morbus St. Menti 
Malum St. Menti 
Morbus St. Semen ti 
Mal de St. Main (Mein) 
Morbus St. Maevii 
Morbus St. Mevii 



Morbus St. Rochi 
Morbus St. Evagrü 
Morbus St Fiacrii 
Morbus St. Reginae 
Mal Saint Gillain 
Morbus St. Moni 
Mal St. R6mi«) 



3. Benennungen der Syphilis bei den einzelnen Völkern. 



Mal de la Isla Espanola 
Sama de las Indias 
Sarampion de las Indias 
Sama Espanola 
Bubas, Buas, buvas 



a) Spanien. 

Bugas, Mal de las Buas 

Enfermedad de las Bubas 

el mal venereo 

mal de siraiente (Arragonien) 

Mal de los Castillanos (Arragonien) 



1) Nach Fallopia (Luisinus, II, 763) von „mevium", einem obscönen Worte. 
Angeblich deutschen Ursprungs. Fehlt aber bei Grimm. 

2) Ueber die vielumstrittene Etymologie dieses Wortes vgl. E. Turner, „L*6tymo- 
Ic^e du mot sypbilis etc." in: Annales de dermatologie et syphiligraphie, Paris 1882« 
Bd. in, S. 423 ff.; A. Timmermans, „De l'6tymologie du mot Syphilis** in: Journal des 
maladies cutan^es et syphil., Paris 1898, Bd. X, S. 410 — 420; Desruelles bei Behrend, 
„Syphilidologie", III, 149 (von avff, die Sau und (piXeTVy lieben!); Zacutus Lusitanus, 
„De medicorum principum historia", lib. IV, quaest. VI (von (pdiaxtöog = Röhre, Harn- 
röhre); Späth, „Einige Worte über die Etymologie des Wortes Syphilis" in: Medicin. 
Coriespondenzblatt des Württemberg, ärztl. Vereins, 1841, Bd. XI, S. 49 (von o{v€iv = 
beschädigen und qwXov = Geschlecht); Radius, „Commentatiuncula de Victu Siphiliti- 
corum**, Leipzig 1845 i^^^ oi<pX6g = hässlich). Sogar vom hebräischen „schafal" = niedrig, 
schofel, hat man den Namen abgeleitet! 

3) Charles Anglada, „ifctude siu- les maladies 6teintes et les maladies nouvelles**, 
Paris 1869, S. 545. 



300 — 



Grifiinion 

morbus curialis (Granada) 

Mal Serpentino 

Galico 

Mal galico 

Mal frances 

Labones (Rangonus) 

Mal franzoso, franzoxo 

Mal francese 

Mal gallico 

Mal, Morbo celtico 

Male de Fraozos 

Lue gallica 

Lue celtica 

bolle franzese 

mal dl fianco (Leo Africanus) 

L'infezione venerea 

Sarna (Scabie) francesa 

lo Male de le Tavelle (Genua) 

Brosulae 



c) 



Mal de Naples 

Mal napolitain 

Infirmitas de las Bubas (K^stres de 

nosque 1496) 
la Veröle 
la grosse V6role 
Vferole commune 
La veröle spontan^e 
poque (Flandern, Picardie) 
Doncques (Flandern, Picardie) 
Pocques 
V^nusalgie 
mal de paiUardise 
maladie de Venus 



Las postillas (Villalobos) 

Sarna egipdaca (Villalobos) 

sarna de los burdeles y püstulas obscenas 

Las infinitas ') 

Aegritudo ovina*) 

verugas 



b) Italien. 

lo Male de le Brosule (Lombardei) 

lo Male de le Bolle (il malo delle B.) 

la grande Varole 

Nebole oder NebolII • 

luvela (Savoyen) 

La Clavela (Savoyen)") 

le bughe 

il male venereo 

il morbo venereo 

La malattia venerea 

La lue venerea 

Maluro galecum (Rangonus) 

Frankreich *). 

la traistre maladie 
P^gritude 
Ma- l'enfermet^ 

la douleur 
la langonie 
la langueur 
la povret^ 

la male adventure v6n6ricque 
la contre-lance 
Crystalline 
Gale pustuleuse 
la Gorre 
la grande Gorre 
gros boutons sans fleurs 



1) Diese sehr charakteristische Benennung der Syphilis durch die Spanier führt Mo- 
tolinia an in der „Historia de los Indios de Nueva Espaüa'S Tract. III, cap. 9, ed. 
Icazbalceta, Bd. I, S. 195 der „Colleccion de documentos para la historia de M6xico". 

2) Tore IIa veröffentlichte eine Schrift „Consilium de aegritudine pestifera et conta- 
giosa ovina cognominata", Rom 1505 (s. Gallardo a. a. O., II, Sp. 538). — Haeser 
citiert dieselbe Schrift mit, wie er schon erkannte, unrichtigen Titel. Statt „ovina" heisst 
es „Omnibus", darauf folgt „quam Hispani modo Villa nominant". Vgl. Haeser, „Ge- 
schichte der Medicin", III, 241. Jedenfalls ist der Name spanischen Ursprungs. 

3) S. Haeser a. a. O., III, 251. 

' 4) Hier werden zum ersten Male die zahlreichen Benennimgen im „Triumphe de 
haulte et puissante Dame Verolle", cd. A. Montaiglon, Paris 1874, angeführt. 



30I 



bubes, bubettes 

mal brun^) 

feu persan 

pelade 

la clavel6e 

Le Souvenir (seil, de Naples) 

la blandise 

la galantise 

le mal galant 

etre k la cavali^re*) 

cafarde, cafarderie 

cafardise, cafardage^) 

la galle de Naples 

le pourpoint (fermant) k boutons 

la brigandine (= petite cuirasse) clou^e 

la gaillardise 

la mignonnise 

la pomperie 

Testringue (von „stringere'* ?) 

la veringue 

la ruade 

la friscade (frisque = ein lebhaftes Pferd) 

un coup de pied de V^nns 

la penade (aus der „langue hippique" des 

i6. Jahrb.) 
la trahison 
la malencontre 
la sorcerie 
Tenchantement 
la diabierie 
le fill6 (= le filet) 
le laz courant 
le mal du creux 
le maujoinct 
le mal des rains (reins) 



le mal des rongnons chargez 

la haringue 

le jaffart 

le jarrou 

les cirons en coque et le plat aux cerises 

le mal incogneu 

la happelourde 

la fortune 

la meschancet6 

la glux*) 

la pl^e') 

le rayscul •) 

le coUier (= coliet des braconniers) 

la chausse- trappe 

le mal du fourch6 

le mal de Nyort ^) 

le mal du carrefourg de Poictiers 

le mal du trou qu*on ne peult clorre 

le mal du bas pcrc6 

le mal du boisseau k mesurer les andouilles 

le mal de prester sans jamais rendre (!) 

le mal de malle rage 

le mal de champelu (= champ poilu) 

le mal du gouffre 

le mal priv6 

le mal sauvaige (=^ Feu sauvage) 

le mal de mal y entras 

les gros boutons hastiviaulx (die schnell 
kommen, wie Hativeau bei Rabe- 
lais, der es immer eilig hat) 

le mal de la cassette aux ceons^) 

le mal qui se porte 

le mal punais 

le mal de longue raye 

le mal de broche en cul 



i) La Curne de St. Palaye, „Dictionnaire historique de l'ancien langage fran9ois^S 
1880, Bd. VII, S. 243. 

2) = syphilitisch sein. Unter der vornehmen Welt zur Zeit Franz I. üblich. VgL 
Behrend, „Syphilidologie", Bd. V, S. 209. 

3) Unter der Geistlichkeit zur Zeit Franz L, Behrend a. a. O., V, 2 10. 

4) ,,Oü Pon se prend comme les oiseaux k la glu**. 

5) Wahrscheinlich von „pleiger" = trinquer = boire k la sant6, wobei man zu 
Zweien sein muss. 

6) := le r^seau, au sens de filet ä prendre les oiseaux. 

7) Vielleicht auch ein boshafter Calembourg auf „nid ord**. 

8) C^ons = Ne serait pas pour c. . . ons, la rime, au singulier de Villon, carillon, 
verroillon (Villon, „Ballade finale du grand Testament*'). 



— 302 — 



]e mal de maumissöre *) 

le mal de maupertuis*) 

le mal de Clo-Bruneau (Glos Bnineau) ') 

le mal des aveugles^) 

la grotte blatte (grosse blatter) 

les senelles (eine kleine rötliche Frucht) 

les grosses perles d'Occident (boubon v^ 

n^rien) ') 
les prunelles 
les escharboucles sauvages (von der roten 

Farbe) 



Bon» Saints Neufvains (qui ont la v^ole 

neuf fois) 
la maladie de Cythöre 
le mauvais mal 
les groyselles en forme de noyaulx de 

pesche °) 
le dyamant k dure taille 
les crapauldines mal brunies ^ 
la galle pustuleuse 
les v^icules ^pid^miques 
le vice antisocial 



Lues bavarica 

Franzosen ") 

Schwachheit der Franzosen 

Französische Schäden 

fraiizen ') 

Das bös Franzos 

Mala de Franzos 

male franzose 

new krankheit 

luxische Krankheit 

Neapolitanische Rud 

Neapolitanische Sucht 



d) Deutschland. 

Welsche Bossen 

Gallische Krankheit 

Wylden Wärtzen 

Schwere Krankheit der Blattern und Wartzen 

bloteren, blotere 

Blattren, Blotem 

bös Blattern, elende Blattern 

grosse Blatter 

Venuskrankheit 

venerische Krankheit 

Venerische Modenkrankheit 

Die befleckte Venus 



1) Nicht „le mal de malo Miss er**, sondern von „mal m'y serre'*. 

2) = de mauvais pertuis. La chäteau de Maitre Renard, oü Ton n*attrappe que de 
mauvais coups, s'appelle Maupertuis. 

3) Der „Glos Biuneau" umfasste die Strassen Fromenteau, Saint -Jean -de Latran, 
Saint-Hilaire, Saint-Jean-de Beauvais und die Rue Gharreti^re in Paris. Hier wohnten wahr- 
scheinlich Bordellmädchen. Der Ausdruck ist aber wohl ebenso wenig topographisch wie 
das Wort des Bruders Jean über die Glementinerinnen (bei Rabelais, „Pantagruel**, Hb. 
IV, cap. 52): „Le pauvre trou de mon dous bruneau en fut tout dechinguaud^*', wo Oudin 
unter „bruneau**: in culo versteht. 

4^ Weil man nicht sieht, was man bekommt. 

5) Im Gegensatz zu den wirklichen Perlen, die aus dem Orient kommen. Ohne 
Zweifel Andeutung des amerikanischen Ursprunges der Syphilis. 

6) Man sagt dies noch heute in der Umgegend von Paris von der Syphilis. 

7) Kostbarer Stein, dem man im Mittelalter die Fähigkeit zuschrieb, Gifte zu ent- 
decken. 

8) Vgl. den Artikel „Franzosen" bei Grimm, „Deutsches Wörterbuch**, 1878, 
Bd. IV, la, S. 62—63. Der Plural „Franzosen** erklärt sich wie die Krankheitsbenennung 
„blättern**, „masem", „rötheln** nach Grimm, weil sich „dabei eine Vielheit von Blattern 
und Flecken äussert**. (J, Grimm, „Deutsche Grammatik'*, Göttingen 1837, Teil IV, 
S. 286). Sebastian Frank hat das Wort auffallender Weise als Femininum Singularis. 
(Paradoxa 89a: „Es hilft nicht, das man auszen ein franzosen Züheil,. das sie an einem 
andern ort ausbreche**.) 

9) Ayrer: „ei hab dir alle franzen** (Grimm, „Wörterbuch** a. a. O., Sp. 60). 



— 303 



Galanteriekrankheit 

Das venerische Uebel 

Veneria 

Pocken 

warzige Pocken 

Venus-Pocken 

französische Pocken 

spanische Pocken 

Malzei, Maletschey, Mallatzy 

böser Grindt 

giftige Krätze 



venerische Krätze 

welsche Purppeln 

Unzuchtsseuche 

Lustseuche 

Hurenseuche 

Venusseuche 

Schaaniseuche 

Liebesseuche 

geile Seuche 

Schankerseuche 

Lues Brunnensis 



e) 



Morbus burdigalensis 
French Pox, Pockes 
Pockijs, The Pox 
Spanish Pockes 
Spanish Sickness 
The Buttons of Naples 
French Pest 
French Disease 
Great Pox 



Spaanse Pocken 
Pokken 
Venus-Pokken 
De vuille Pokken 
Wratten 



Fransoser 

Venerische Sygdom 
Venussyg 
fransk Syge 

Fransoses 
Franska kopper 

Morbus Castilanus 
El mal de Castilha 
Morbus castiliensis 
el mal casteilano 
Sarna castellana 
malum castellanum 

polnische Krankheit 
Wenericzeskaja bolezn 



England, Schottland und Irland. 

The venereal disorder 
The venereal Lues 
The venereal complaints 
The lues venerea 
The secret disease 

The Lues [land) 

The Grandgore, Grantgore, Glengore (Schott- 
Boigach Francach (Irland) und Französ 
(Irland) 

f) Holland. 

Venusziekte 
Venusplaege 
Minnesick 
Venus-smet 

g) Dänemark. 

Vfenus sygdom 

„hurische Krankheit" der Franzosen 

„Pletsot" (?) [Island] 

h) Schweden. 

Venerisk smitta 
Venerisk sikdom 

i) Portugal. 

El morbo Gallico 
Mal Gallico 
Mal francez 
Mal celtico 
Mal de Naples 
Las boubas, bobas 

k) Russland. 

Francuskaja bolzii 
Franzy.- 



— 304 — 



Nioczist' 
Fijanka 

Sifiliüczeskaja bolezn 
Lues sannatica 



Przymiot 

KiU 

Francza 

Franca 

Francuzy 

Niemoe Neapolitänska 

Francowata Choroba 

Niemoc francuska 

Francuza 

Francowata niemoc 

Krosly francowate 

Francuski gosciec 

Francuska ospa 

Pani Fraoca 

Choroba francuska 

Choroba Neapolitänska 

Choroba Warszawska 

Francya 

Hispaiiska ospa 



Pfijice 
Francouzy 
Niemoc frähckä 



Fijanka 



' M Hauskrankheit" der Kalmücken^) 

■ Dumaja bolezn 

• Archirejskij nasmork 

I 

1) Polen. 

Ogolna franca 

Dworska niemoc 

Dworska choroba 

Przymiot dworski 

Choroba syphihtyczna 

Francuska swierzba 

Choroba weneryczna 

Lubicina choroba 

Weneryczna zaraza 

Wenerya 

Niemoc weneryczna 

Kwarciana ospa 

Ospa dworska 

Ospice albo niemoc kurewniköw y cudzo- 

loiniköw 
Choroba przymiotowa 
Katar kanoniczny 
Zaraza syfilityczna 
Przymiotnica 

m) Czechen. 

Sn^t' francouzsky 
francanze, france 
V^nec 

n) Kroaten und Slovenen. 

Franczuz 



o) Ungarn. 2) 



Bujak6r (Büja = vollem, k6r = Krank- 
heit) = Lustseuche 
l^katör (Leichtsinnskrankheit) 



franzuski (nordungarisch-slovakisch) 
Franzosenkrankheit 



Xenska 6trow 

Blundna nemooch 

Kadovi (Süd- und Südostbosnien) 



p) Bosnien. 

Frenjak (Mittelbosnien, Hercegovina) 
Franza (Nord- und Weslbosnien) 
Gadna holest (abscheuliche Krankheit) 



g) Wenden (Niederlausitz). 



Franzose 



Franzhoshi 



1) Vgl. Clarke, „Travels to various countries of Europe, Asia and Africa", 3. Aufl, 
18 13, Bd. I, S. 245 („house disease'S derived from those, who live in houses). 

2) Gütige Mitteilung von Dr. E. Herszky (Berlin). 



Frenk Maresse 
Frengi illeti 

Bede-Frangi 



phiranga roga 
ourä (?) 
medkroög (?) 
phuliDga (Jacobi) 



- 305 - 

r) Lithauen. 

Sprantschu indewe 

s) Hebräisch. 

Zaforzien (Isaak Abarbanel) 

t) Türkei. 

Frengi hastalük 

u) Persien. 

Fringui 



v) Indien. 

phirangämaya 

ipüya (Barthema) 

Bao (Malabar, nach Barthema) 

for franchi (Molukken) 

w) China. 



Yeung-Moi-Tchöng (fruchtähnliches Ulcus) 
Tien-Pao-Tchöng (Him melsstraf engesph war) 
Kwong-Tüng^Tchöng (Kantongeschwür) 



Mien-Hon-Tchöng (Ulcus gossypia, quia 

adhaeret) 
Chi-Tch6ng (Ulcus temporis) 
„Kaiserliches Gift^' (Tibet) 



Nambankasa 

Nambanniassa (portugies. Krankheit) 

Tookasa (Fremdengeschwür) 



Apano Pretane 



x) Japan. 

Bai-soo (Bai = Pilz, soo = Geschwür, 

Exanthem) 
Yoo-bai-soo (= chines. Y^uDg«nftii-ch6iig) 
Bai-doku (jetziger Hauptname, doku ^ Gift) 

y) Tsthiti. 

I Apano miriatano 

z) Nordafrika. 



Spanische Krankheit (Leo Africanus) 
Neapolitanische Krankenheit 

(Leo Africanus) 
Berozail (Senegal?) 
Frankenseuche 



bird (Marokko), d. h. Kälte') 

mird el kebir (Marokko) = die grosse 

Krankheit *) 
Zail (Senegal?) 



i) G. Rohlfs in „Deutsches Archiv für Geschichte der Medicin" von Heinrich 
Rebifs, 1878, Bd. I, S. 190. 

2) G. Rohlfs, ibidem, S. 192. 



Bloch, Der Ursprung der Syphilis. 



20 



— 3o6 — 



II. Die wichtigsten Dokumente über den Ursprung der 

Syphilis. 

Nr. I. Ruy Diaz de Isla. 

Capitulo primero del origen y nascimiento deste morbo serpentino de 
la ysla espai&ola. £ de como fue hallado y aparecido y de su proprio nombre. 

Plugo a la diuina justicia de nos dar y embiar dolen^ias ignotas nunea vistas ni con- 
oddas ni en los tibros d'mediciDa halladas assi como fue esta enfermedad serpentina. La 
quäl fue aparecida y vista en Espaiia: en el afio del seilor de mil y quatrodentos y dou- 
enta y tres afioB enla ciudad de Barcelona: la quäl dudad fue infidonada y por consig- 
uiente toda la europa y el yniverso de todas las partes sabidas y comunicables : el qua! mal 
tuuo su origen y nadmiento de siempre enla ysla que agora es nombrada espanola: segun 
que por niuy larga y derta esperienda se ha hallado. E como esta ysla fue descubierta y 
hallada por el almirante don Xrisptoual Colon, al presente teniente platica y comunicadon 
con la gente d*lla. E como el de su propria calidad sea contagioso facilmente seles apego: 
y luego fue vista en la propria armada. £ como fuesse dolenda nunca por los espanoles 
vista ni conosdda aunque sentian dolores y otros efetos de dicha enfermedad imponianio a 
los trabajos d'la mar, o a otras causas segan que a cada vno les parecia Y al tiempo que 
el almirante don Xrisptoual colon llego A. Espaiia estauan los reyes catholicos en la dudad 
de barcelona. Y como les fuessen & dar cuenta de su viage y delo que auian descubierto, 
luego se empe9o a enfecionar la dudad y ä se estender la dicha enfermedad, segun que 
adelante se vido por larga esperienda: y como fuesse dolenda no conodda y tan espantosa 
los que la veyan acogianse d hacer mucho ayuno y denodones y limosnas que nuestro senor 
los quisiesse guardar de caer en tal enfermedad. E luego el aüo siquiente de mil y quatro- 
cientos y nouenta y quatro afios. El xrispstianissimo rey carlos de franda que al presente 
reynaua, ayunto grandes gentes y passo en ytalia: y al tiempo que por ella entro con su 
hueste yuan muchos espailoles en ella inficionados desta enfermedad y luego se empe^o ä 
inficionar el real d'la dicha dolenda: y los franceses como no sabian que era, pensaron que 
de los ayres de la tierra se les apegauan. Los franceses pusieronle mal de napoles. £ los 
jtalianos y napolitanos como nunca de tal mal tuuiessen noticia pusieronle mal frances. y de 
alli adelante segun fue cundiendo assi le fueron imponiendo el nombre cada vno segun que 
le pareda que la enfermedad traya su origen. En castilla le Uamaron bubas y en portugal 
le impusieron mal de castilla: y en la india de portugal le llamaron los indios mal de los 
portugueses: los indios de la ysla Espaüola antiguamente assi como aca de^imos bubas do- 
lores apostemas y ulceras: assi llamar ellos a esta enfermedad Guaynaras; y hipas, y taybas 
y i^as. Yo le impongo morbo serpentino d'la ysla Espanola, por no salir del Camino por 
donde el vniuerso le imponia cada vno el nombre que le parecia que la enfermedad traya 
de SU prindpio; y por esto le pusieron los franceses mal d'napoles y los ytalianos mal 
frances, y los Portugueses mal de Castilla: y los indios de arabia, persia y india mal de 
portugal; segun que ya es dicho: y en quanto imponer a esta enfermedad morbo serpen- 
tino, es por que segun su fealdad no hallo cosa a que mas naturalmente la pueda comparar 
que es ala sierpe: porque assi como la sierpe es animal feo y temeroso y espantoso assi 
esta enfermedad es fea y temerosa y espantosa: enfermedad graue que apostema y corrompe 
la carne: y quiebra y podrece los huessos y corta y atrae los neruios: y por tanto le in- 
pongo el tal nombre. E sabiendo yo que aqueste mal tuuo se origen desde tiempo antiguo 
en la ysla espanola, y que de alli salio su prindpio le impongo el tal nombre. Morbo 
serpentino de la ysla espaüola. Porque della fue inficionado el vniuerso; no embargante 



J 



— 307 — 

que cada uno le podra llamar y imponer a esta enfermedad el nombre que quissiere: segun 
que todas las nacioDes del uniuerso han hecho: pero segun di9e el galieno de los nombres 
no me curo: las intenciones curativas sean rectas y buenas. 

(Tractado contra el mal serpentino. Sevilla 1539, fol. III, col. i.) 



Capitulo trezeno de todas las dubdas que se pueden ofrescer al que 
leyere esta obra en el entendimiento della. 

En el capitulo primero se dice c6mo esta mal vino de la ysla espanola, y muchos 
dudan en ello y tienen que en la hueste del Key Carlos de Franda el ano de mil y 
CCCCXCIIIj alli fue aparecida primero y sobre esto assaz tengo dicho en el mismo capi- 
tulo, mas quiero poner una razon pa que entre discretos se vea claro y digo assi quel ano 
de Mdnij me fue dada por scrito toda la cura que los indios fazian pa esta enfermedad 
segun que yo la tengo scripto assi con el guayacan como con el mapuan como con la tuna: 
pues si la cura ordenadamente con que la enfermedad se remedia y sana tenia aquella gente 
bruta puesta en razon, siguese que largos tiempos antes se cursava entre ellos la enfermedad 
que tenian graduado assi el tomar del agua como la dicta como el termino que se han de 
guardar de las mugeres, como el resguardo del agua y del ayre, que en verdad que desde 
que esta enfermedad anda entre nosotros ninguna cosa de estas vi fasta hoy graduada ni 
tampoco el mercurio ni el vino ni nuestfas complexiones hasta hoy he visto scritura por 
erden por donde claramente se aya hallado la cura desta enfermedad assi entre cristianos 
como entre moros y gentiles de todas las partes comunicables : pues como aquella gente 
siendo la mas insensible que nunca se ha visto tenian toda su cura sabida y graduada: de 
donde esta claro que por que la enfermedad de siempre reynava entre ellos por eso se sabia 
la cura como personas que la enfermedad tenian muy cursada: por que si asi no fuera otras 
muchas generadones muy mas sabias que ellos fallaran la cura pa esta enfermedad por las 
quales razones todas erroneas que sre pueden tener cerca de lo susodicho pueden cesar: 
porque de todo tengo larga esperiencia que he curado personas que la tuvieron en la dicha 
armada y eure personas que adolederon en Barcelona y muchas aprovadones podria dezir 
las quales cesan. 

(Ausgabe von 1539, Fol. 63, Col. i.) 



Por que de todo tengo larga experienda que eure personas que la tuvieron en la 

dicha armada primera que se hizo quando descubrieron esta tierra en que vinieron hartas 

personas con ellas y eure personas que adolesderon en Barcelona antes que el rey Carlos 

de Francia passase ä Napoles, y otras muchas aprovaciones podriamos decir: las cuales 

cessan. 

(Ausgabe von 1542, Fol. 76.) 



Segun que por muy larga y derta esperiencia se ha hallado, y como esta ysla fuese 
descubierta y hallada por El Almirante Dom Cristoual Colon al presente teniendo platica y 
comunicacion en las yndias Como el de su propia calidad sea contagioso, facilmente se les 
apego E luego fue visto em la propia armada em hun piloto de Palos que se llamava Pin^on 
y en otros que el dicho mal fue prosiguiendo. 

(Stelle des Codex P. 42 bei Montejo, Congr. Amer., S. 385 — 386.) 



20' 



— 3o8 — 

Fueron yntas las bubas en an piloto de Palos qoe*. se llamabo Pin^on y en otros 
que el dicho mal fue prosiguiendo« 

(Cod. F. 42 bei Montejo, Congr. Amer., S. 386.) 



Nr. 2. Gonzalo Hemändez de Oviedo y Valdes. 

Padesderon mas estos chripstianos, primeros pobladores desta isla, mucho trabajo 
con las niguas, h muy crueles dolores 6 passion de! mal de las buas (porque el origen de 
ellas son las lodlas), 6 digo bien las Indias; assi por la tierra donde tan natural es esta 
dolen^ia, como por las indias mugeres destas partes. Por cuya comunicacion passö esta 
plaga i algtinos de los primeros espafioles que con el almirante vinieron & descobrir estas 
tierras, por que como es mal contagioso, pudo ser muy posible. Y destos despues de lor- 
nados en Elspafia € aver sembrado en ella tal enfermedad de ahy passo ä Italia y otras 
partes como adelante dir6 . . . Y no olvidar^ las lagartijas, culebras, lagartos, que hay en 
esta tierra; e dir^ de la passion de la nigua, 6 de la dolen^ia aborres^ible de las buas, con 
que se darä cuenta de las on9e cosas de suso tocadas. 

(Historia general y natural de las Indias, Madrid 1853, Bd. I, S. 50.) 



De dos piagas o passiones notables y peligrosas que los Chripstianos 
y nuevos probladores destas Indias padescieron, y oy padecen algunos. Las 
quales passiones son naturales destas Indias, y la una dellas fue transferida 
y Ueyada a Espana, y desde alla a las otras partes del mondo. 

Mucfaas ve^es en Italia me reia, oyendo a los italianos dedr el mal 

frankes y d los fran^eses llamarle el mal de NApoles; y en la verdad los unos y los otros 
le a^ertaran el nombre, si le dixeran el mal de las Indias. Y que esto sea assi la verdad, 
entenderse ha por este capitulo y por la experien^ia grande que ya se tiene del palo sancto 
y del guayacan, con que espe^ialmente esta terrible enfermedad de las buas mejor que con 
ningona otra medi9ina se cura ^ guares^e; porque es tanta la dementia divina, que ä donde 
quiera que permite por nuestras culpas nuestros trabajos, alli A par dellos quiere que esten 
los remedios con su misericordia. . . . 

En el precedente capitulo dixe que volviö Colom ä Espaüa el aSo de mill 6 quatro- 
dentos 6 noventa y seis, 6 assi es la verdad: despues de lo quäl vi ^ liabl6 k algunos de 
los que con el tomaron 4 Castilla assi como al Comendador Mossen Pedro Maigarite h i los 
Comendadores Arroyo € Gallego, 6 A Grabriel de Leon 6 Juan de la Vega 6 Pedro Navarro, 
repostero de camas del Prindpe Don Juan, mi seüor, ^ ä los mas de los que se nombraron, 
donde se dixo de algunos criados de la casa real que vinieron en el segundo viage e 
descubrimiento destas partes. A los quales y a 6tros oy muchas cosas de las de esta isla, 
6 de lo que vieron 6 padesderon y entendieron del segundo viage, allende de lo que fui 
informado dellos, e otros del primero Camino, assi como de Vicente Jaüez Pin9on, que fu6 
uno de los primeros pilotos de aquellos tres hermanos Pin^ones de quien queda hecha 
mendon; porque con este yo tuve amistad hasta el afio de mill 6 quinientos 6 cator^e que 
61 miuiö. E tambien me inform6 del piloto Heman Perez Matheos, que al presente vive 
en esta dbdad, que se hall6 en el primero h ter^ero viages que el almirante primero Don 
Cripstöbal Colom fizo ä estas Indias. Y tambien he abido noti9ia de muchas cosas de esta 
isla de dos hidalgos que vinieron en el segundo viage del almirante, que hoy dia estän 
aqui y viven en esta cibdad, que son Juan de Rojas 6 Alonso de Valen9ia, y de otros 
muchos, que como testigos de vista en lo que es dicho, tocante ä esta isla y & sus trabajos, 
me dicion particular rela9ion. Y mas que ninguno de todos los que he dicho el comendador 



— 309 — 

Mossen Pedro Margarite, hombre principal de la casa real, y el Rey Cathölico le tenia en 
buena estima9ion. Y este caballero fuh el que el Rey e la Reina tomaron por prin9ipal 
testigo, 6 ä quien dieron mäs cr^dito en las cosas que acd avian pasado en el segundo 
viage de que hasta aqui se ha tractado. Este caballero mossen Pedro andaba tan doliente 
6 se quexaba tanto, que tambien creo yo que tenia los dolores que suelen tener los que 
son tocados desta passion, pero no le vi buas algunas. £ desde ä pocos meses, el aüo 
suso dicho de mill 6 quattro9ientos 6 noventa 6 seis, se comen^ö ä sentir esta dolencia entre 
algunos cortesanos; pero en aquellos prin^ipios era este mal entre personas baxas y de poca 
auctoridad, 6 assi se creia que le cobraban allegändose d mugeres publicas 6 de aquel mal 
tracto libidinoso; pero despues extendiöse entre los mayores e mas principales. 

Fue grande la admira9ion que causabä en cuantos lo veian, assi por ser el mal 
contagioso y terrible, como porque se morian muchos de esta enfermedad. E como la 
dolen9ia era cosa nueva no la entendian ni sabian curar los m^dicos, ni otros por experien9ia 
consejar en tal trabajo. Siguiöse que fu6 enviado el gran capitan Gon9alo Feniandez de 
C6rdoba ä Italia con una hermosa y gruessa armada, por mandado de los Cathölicos Reyes, 
6 como SU capitan General, en favor del rey Fernando, segundo de tal nombre en Näpoles, 
contra el rey Carlos de Fran9ia, que ilamaron de la Cabe9a gruessa; y entre aquellos 
espaiioles fueron algunos tocados desta enfermedad, y por medio de las mugeres de mal 
trato 6 vivir se comunicö con los italianos e franceses. Pues como nunca tal enfermedad 
allÄ se avia visto por los unos y por los otros, los franceses comen9aronla, ä llamar mal 
de Näpoles, creyendo que era propio de aquel reyno; 6 los napolitanos, pensando que con 
los franceses avia ido aquelia passion, liamdronla mal fran9es, 6 assi se Udma despues 
acä en toda Italia; porque hasta que el rey Carlos passö & ella, no se avia visto tal plaga 
en aquellas tierras. Pero la vcrdad es que de aquesta isla de Hayti ö Espanola passö este 
trabajo & Europa segun es dicho; y es aca muy ordinario ä los indios, 6 säbense airar 6 
tienen muy ex9elentes hierbas e arboles 6 plantas apropiadas Ä 6sta y otras enfermedades, 
assi como el guayacan (que algunos quieren de9ir que es hebeno) y el palo sancto, como 
se dirä quando de los drboles se tractare. Assi que de las dos piagas peligrosas que los 
chripstianos ^ nuevos pobladores destas Indias pades9ieron ^ hoy algunos pades9en, que son 
naturales passiones desta tierra, esta de las buas es la una, 6 la que fu6 trasferida e llevada 
4 Espaiia h de alli ä las otras partes del mundo, sin que aca faltasse la misma. Assi que, 
continuando el propösito de los trabajos de Indias, degase la otra passion que se propuso 
de las niguas. 

Kay en esta isla y en todas estas Indias, islas ^ Tierra Firme el mal que he dicho 
de las buas y otro que llaman de las niguas. 

(ibidem, Bd. I, S. 55 — 56, lib. II, cap. 13). 



Pueda Vuestra Magestad tener por cierto, que aquesta enfermedad vino de las 
Indias, y es muy comun a los Indios, pero no peligroso tanto en aquellas partes como en 
estas. Antes muy facilmente los Indios se curan en las islas con este palo, y en Tierra 
firme con otras yervas, ö cosas que ellos sahen, porque son muy grandes ervolarios. La 
primera vez que aquesta enfermedad en Espana se vido, fue despues que el Almirante Don 
Christoval Colon descubriö las Indias, y torn6 k estas partes, y algunos Christianos de los 
que con ^l vinieron, que se hallaron en aquel descubrimiento, y los que el segundo viage 
hicieron, que fueron mas, truxeron esta plaga, y de ellos se pegö k otras personas. Y 
despues el aüo de MCCCCXCV, que el gran Capitan Don Gon9alo Hemandez de Cördoba 
passö k Italia con gente, en favor de el Rey Don Fernando Joven de Napoles, contra el 
Rey Charles de Franda, el de la cabe9a gruessa, por mandado de los Cathölicos Reyes, 



- 3IO - 

Don Fernando y Donna Isabel, de immortal memoria, Abuelos de Vuestra Magestad, passö 
esta enfennedad, oon algunos de aquellos Espafioles, y lue la primeia vez que en laiia se vido. 
Y como era en la sazon que los Franceses pasaron con el dicho Rey Carlos, llamaron k 
este mal los Italianos el mal Frankes, y los Franceses le Uaman el mal de Napoles, porque 
tampoco le havian visto ellos hasta aquella guerra y de ai se espardö por toda la 
Christianidad, y pasö en Africa, por media de algunas mugeres y hombres, locados de esta 
enfermedad, porque de ninguna manera se pega tanto como del aiimtaraiento de hombres ä 
muger, como se ha visto muchas veces. Y es tan grave y trabajoso mal, que ningun 
hombre que tenga ojos, puede dexar de haver visto mucba gente podrida, y tornada de 
San Lacaro, a causa de esta dolenda; y asimismo han muerto muchos de ella. Y los 
Christianos que se dan a la couversadon y aiuntamiento de las Indias, pocos ai que escapen 
de este peligro. Perö, come be dicho, no es tan peligroso alU, como acä, asi porque allä 
este arbol es mas provechoso, y fresco, hace mas operacion, como pcx'que el temple de la 
Tierra es sin frio, y aiuda mas k los tales enfcrmos que no el ayre y constelaciones de aca. 
Donde mas excelente es este arbol para este mal, y por experiencia mas provechoso es qae 
se trae de una isla que se llama la Beata, que es cerca de la isla de Santo Domingo, de 
la EspaSola, k la Vanda del Mediodia. 

(Reladon sumaria de la historia natural de las Indias, compuesta y dirigada ai 
Emperador Carlos V, Cap. 77. Barcia a. a. O., S. 56 — 57. 



Nr. 3. Bartolom^ de Las Casas. 

Dos cosas hobo y hay en esta Isla, que en tos principios fueron d los espanol^s 
muy penosas: la una es la enfermedad de las bubas, que en Italia llaman el mal frances: 
^ta, sepan por verdad, que fue desta Isla, o cuando los primeros indios fueron, cuando 
volviö el Almirante D. Cristobdl Colom con las nuevas del descubrimiento de estas Indias, 
los cuales yo lu^o vide en Sevilla, y tetos las pudieron p^;ar en Espana, infidonando el 
aire ö por otra via, o cuando fueron algunos espailoles, ya con et mal dellas, en los 
primero^ tornaviajes a Castilla, y esto pudo ser el aüo de 1494 hasta el de 96; y por que 
en este tiempo pasö con un gran ejerdto en Italia, para tomar a Ndpoles el rey Carlos de 
Francia que llamaron el Cabezudo, y fu6 aquel mal contagioso en aquel ejercito, por esta 
razon estimaron los italianos que de aquellos se les habia pegado, y de alli adelante lo 
llamaron el mal frances. Yo hice algunas veces diligencia en preguntar k los indios desta 
Isla si era en ella muy antiguo este mal, y respondian que si, antes que los cristianos ä ella 
viniescu, sin haber de su origen memoria, y desto ninguno debe dudar: y bien parece 
tambien, pues la divina Providenda le prov^yö de su propia mediana, que es, como arriba 
en el capitulo 14 dijimos, el ärbol del guayacan. Es cosa muy averiguada que todos los 
espanoles incontinentes, que en esta Isla no tuvieron la virtud de la castidad, fueron oonta- 
minados dellas, y de dento no se escapaba quizäs uno si no era cuando la otra parte nunca 
las habia tenido; los indios, hombres ö mujeres, que las tenian, eran muy poco dellas 
afligidos, y cuasi no mks que si tuvieran viruelas; pero k los espafioles les eran los dolores 
dellas grande y continuo tormento, mayormente todo el tiempo que las bubas fuera no 
salian. Lo otro que afligiö algunos espanoles k los prindpios, fu^ las que Uamaban los 
indios niguas, ^stas son cierta especie de pulgas, y asi saltan como las pulgas, y son tan 
chiquititas que ap^nas pueden ser vistas. 

(Historia general de las Indias ed. Fuensanta del Valle u. Sancho 

Rayon, Madrid 1876, Bd. V, S. 233.) 



— 311 — 

Nr. 4. Roman Pane. 

Dicen, que estando Guagagiona en la Tierra donde havia ido, viö una Muger, que 
havia dejado en el Mar, de que tuvo gran placer, i al instante busc6 muchos labatorios, 
para labarse, por estar plagado del mal, que Uamamos Frances; metiöse despues en una 
Guanara, que sign^fica, Sitio apartado, donde sanö de sus Ilagas. 

(Aus der „Escritura del pobre eremita Roman Pane del Orden de San 
Ger6nimo** in: Historia del Almirante de las Indias Don Christoval Colon, 

Madrid 1749, S. 63, Col. i). 



Nr. 5. Bernardino de Sabagun. 

Pärrafo V. De otras enfermedades y de las medicinas contrarias. — 
La enfermedad de las bubas se cura beuiendo el agua de la yerua nombrada 
tletlemaitl y tomando algunos banos, y echando encima dellas los poluos de la yerua 
nombrada tlacuecuetzal, 6 las limaduras del cobre. Estas bubas son en dos 
maneras: las vnas son muy suzias que se dicen tlaca^ol nanavatl, y las otras son de 
m6nos pesadumbre, que se Uaman tecpilnanavatl y por otro nombre pochunanavatl, 
y estas lastiman mucho con dolores, y tullen las manos y los pi6s, y estan arraygadas en 
los huesos; y quando salieren fuera benerä el atoUi mezclado con cierta semilla nombrada 
michivauchtli, 6 beberd el agua de la rayz que se Uama quauhtlepatli quatro 6 
^inco vezes cada dia, y tomara algunos banos, y si se tullere el enfermo, benerd el agua de 
la rayz nombrada tlatlatlapanaltic y sangrarse a la postre. De los cuales dichos 
remedios se usarä para el otro g6nero de bubas ya dichas. \ 

(„Historia general de las cosas de Nueva Espafia" por el M. R. P. Fr. 

Bernardino de Sahagün de la orden de los frailes menores de la 

Observancia. Libro X, Capitulo XXVIII, Pärrafo 5). 



Quando la luna nueuamente nasce parece como un arquito de alam^re delgado. aun 
no resplandece poco a poco ba cre^iendo. alos quinze dias es llena. Y quando yaes llena 
sale porel Oriente a la puesta del sol. pare9e como una rueda de molino grande muy 
redonda y muy colorada. Y quando ba subiendo se para blanca o resplande9iente pares^e 
como un conejo en medio della, y si no ay nubes resplandesce casi como el sol casi como 
de dia. Y despues dellena cumplidamente poco a poco se ba menguando hasta se ba d 
hacer como quando comen90. dizen enton9es ya se muere la luna ya se duerme mucho. Esto 
es quando sale ya conel alva. al tiempo dela conjuntion dizen yaes muerta la luna. La 
fabula del conejo que esta en la Luna es esta. Dicen que los dioses se burlaron con la 
Luna y di^ronla con un conejo en la cara y quedöle el conejo senalado en la cara, y con 
esto la oscurecieron la cara como con un cardenal. Despues desto sali para alumbrar al 
mundo. Dezian que anles que uniere dia en el mundo que se Juntaron los dioses en aquel 
lugar que se llama Teutioacan (que es el pueblo de Sant Juan, entre Chiconauhtlan y 
Otumba); dixeron los unos ä los otros dioses, quien tendra cargo de alumbrar al mundo. 
Lu^o d estas pdlabras respoudio un dios que se Uamaba Tecuciztecatl. y dixo: yo tomo 
d cargo de alumbrar al mundo. Luego otra vez hablaron los dioses y dixeron: quien sera 
otro? Luego se miraron los unos d los otros y conferian quien seria el otro, y ninguno 
dellos osaua ofrecerse a aquel officio; todos temian y se escusauan. Uno de los dioses de 
que no se hazia cuenta y era buboso, no hablara sino oya lo que los otros dioses dezian, 
y los otros hablaronle y dixeronle; se tu el que alumbres, bubosito; y el de buena 



— 312 — 

voluntad obedescio i lo qae le mandaron y respondio: en meroed resdbo lo que me aueys 
mandado; sea assi. Y luego los dos coinen^aron d hazer penitencia quatro dias; y luego 
encendieron fuego en el hogar, el cual era hecho en una peüa que agora Uaman TeutezcalH. 
El dios llamado Tecudztecatl todo lo que ofrecia era prc^iso; en lugar de ramos ofreda 
plumas ricas, que se Uaman quetzalli, y en lugar de pelotas de heno ofrecia pelotas de oro, 
y en lugar de espinas de maguey ofrecia espinas hechas de piedras predosas, y en lugar de 
espinas ensangrentadas ofrecia espinas hechas de coral Colorado, y el copal que ofrecia era 
muy bueno. Y el buboso, que se llamaba Nanaoatzin, en lugar de ramos ofrecia canas 
verdes atadas de tres entre tres; todas ellas llegavan k nueue; y ofrecia bolas de heno y 
espinas de maguey, y cusangrentaualas con su misma sangre, y en lugar de copal ofre9ia 
las postillas de las bubas. A cada uno destos se les edifico una torre-como monte, en 
los mismos montes hizieron penitencia quatro noches. Agora se Uaman estos montes 
Tzaqualli, estan ambos cabe el pueblo de sant Juan que se Uama Teuhtioacan. Desque se 
acabaron las cuatro noches de su penitencia luego echaron por ay los ramos y todo lo 
demas con que hicieron la peniten9ia. Esto se hizo al fin ö al remate de su penitencia. 
Quando la noche siguiente a la media noche auian de comen^ar a hazer sus officios, antes 
un pooo de la media noche dieronle sus adere^os al que se Uamaua Tecudztecatl. Dieron 
un plumaje llamado aztacomid y una xaqueta de licu90, y al buboso que se Uamaua 
Nanavatzin, tocaronle la cabeca con papel que se Uama amatzontli, y pusieronle una eslola 
de papel y un mastli de papel, y Uegada la media noche todos los dioses se pusieron en 
derredor del hogar que se Uama teutexcalli. En este lugar ardio el fuego quatro dias. 
Ordenaronse los dichos dioses en dos rendes, unos de la una parte del fuego y otros de la 
otra y luego los dos scbredichos se pussieron delante del fuego las caras hazia el fuego en 
medio de las dos reucles de los dioses, los cuales todos estauan leuantados, y luego hablaron 
los dioses y dixeron &. Tecudztecad: ea pues Tecuciztecall, enlra tu en el fuego. y el luego 
acometio para echarse en ei fuego, y como el fuego era grande y estaua muy encendido, 
oomo sintio la gran calor del fuego vuo miedo y no oso echarse en el fuego y boluiose 
atras. Otra vez torno para echarse en el fuego, haziendose fuer^a y Uegandose detuuose no 
OSO echarse en el fuego. Quatro vezes prono pero nuncea se oso echar. Estaua puesto 
mandamiento que no prouase mas de quatio veces. Desque vuo prouado quatro ueces los 
dioses luego hablaron a Nanaoatzin y dixeronle: ea pues Nanaoatzin prueua tu. y como le 
vuieron hablado los dioses el for^ose y ^errando los ojos arremetio y echose en el fuego. 
y diz que lu^o una aguila entro en el fuego y tambien se quemo y por eso dene las 
plumas hoscas ö negrestinas. A la postre entro vn tigre y no se quemo sino chacose, y 
por eso quedo manchado de negro y blanco. Deste lugar se tomo la costumbre de Uamar 
a los hombres diestros en la guerra quauhtlo-celotl, y dizen primero quauhtli porque ei 
aguila primero entro en el fuego, y dizese a la postre ocelotl, porque el tigre entro en el 
fuego a la postre del aguila. Despues que ambos se vuieron arrojado en el fuego y despues 
que se vuieion quemado los dioses se sentaron a esperar a que parte vendria a salir el 
nanaoa. Despues que estuuieron gran rato comen^ose a parar colorado el delo; y en toda 
parte apares^io la luz del alua. Y dizen que despues desto los dioses se hincaron de 
rodillas para esperar adonde saldria Nanaoatzin hecho sol. A todas partes miraron boluieu- 
dose en rededor. Nunca acertaion a pensar ni ä dezlr a que parte saldria. 



Nr. 6. Francisco Hernandez. 

De la Nanahvapatli. — Nanahvapatli, que quiere dezio medizina de las bubas 6 
mal frances, que otros Uaman Palancapatli, porque cura las Uagas, es una Uerua que tiene 
las hojas con cierta aspereza, y de mal parecer, largas, y como las de la pinocela vulgär el 



— 313 — . 

tallo delgado, corto y redondo, y en lo mds alto del llena la flor como de man9anilla, la 
simieDte es aguda y mordaz, la raiz largo y delgada y llena de hebras, criase en lugares 
templados, como lo son las tierras de Tcpuztlan, es caliente y seca en el segundo grado, y 
de sabor amargo y oloroso, hecha polvos y polvoreados sobre las Ilagas podridas, las cura 
adnürablemente, de lo quäl como se adicho le vino el nombre, cura los que padecen 
melancolia, y d los mordidos de la serpiente liamada homorroes, y los de Panuco le llaman 
mahua quitliquin, demas desto majada, y desecha en agua, 6 en algun licor que sea 
propösito, y dada d bever quando, y como convenga, Sana de todo punto la enfermedad que 
llaman mal frances, ö napolitano, consumiendo y exfalando todos los humores, Ilagas y tolon- 
drones que suele aver en el cuerpo de los que padecen este mal, lo quäl, conota mas 
claro que la misma luz del mediodia, 'lo que atraido a muchos fatigatos desta enfermedad 
de bubas, saliö destas Indias occidentales, y de aqui se estendiö y comunic6 por diferentes 
prouindas y Reynos del mundo, pues acerca desta gente tiene esta enfermedad nombre 
propio y natural y antiguo, lo que no tienen las otras enfermedades 6 muy pocas. 

(Quatro libros de la naturaleza y virtudes de las plantas, y animales que 
estan receuidos en el uso de mediana en la Nueva Espafia, y la Methodo, 
correccion, y preparacion, que para administrallas se requiere, con lo que 
elDoctor Francisco Hernandez escrivio en lengua Latina. Muy util etc. 
etc., por Francisco Ximenez etc. Mexico 1615, fol. in.) 



Nr. 7. Quiche. 

Y tambien como d Dios se le dan muchos epitetos de grande, de sabio y otras cosas, 
le dan el nombre de Tepeu, este significa las bubas, y en su gentilidad era grandeza de 
los Seiiores el tenirlas, porque era senal de mas poder para cohabitar con muchas mugeres 
de adonde se suelen contraer, cosa que la gente ordinaria no podia, y de ahi se tomö por 
grandeza y magestad el nombre de Tepeu. 

(La Historia del origen de los Indios de esta provincia de Guatemala etc. 
por Fr. Ximenez ed. C. Scherzer, Wien 1857, S. 157, im Kapitel 

„Del ser de Dios.") 



Druck von Ant. Kämpfe in Jona. 



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Dieses Buch ist in erster Dinie für .Studenten geschrieben; es ist so angelegt, dass 
les in den Rahmen des modernen Unterrichts hineinpasst; nicht eine spezialistische Sonder- 
' Stellung, sondern eine Ergänzung der grossen medizinischen Disziplin von dem Arbeits- 
j und Lehrgebiete der Gynäkologie aus dient als führendes Prinzip . . . 
I Es ist besonderes Gewicht auf die Darstellung einer wissenschaftlich exakten Auf- 

.fassung der Gynäkologie gelegt und dieser neben der praktisch-klinisch-therapeulischen Seite 
einen ebenbürtigen Platz zu verschaffen gesucht worden. 

Dem praktischen Bedürfnisse wurde besonders durch eine eingehende Berücksich- 
tigung der Diagnose und Therapie Rechnung getragen; eingehende Berücksichtigung hat 
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(„Hdb. d. Hyg.'S Lfg. 39.) Mit Beiträgen von Hafenarzt Dr. Xocht, Ham- 
burg und Direktor K. Schwarz, Btolp i. P. Mit 57 Abbildungen im Text. 
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Dnick von Ant. Kämpfe in Jena. 



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