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Full text of "Des Flavius Josephus Werk"ueber das hohe Alter des jüdischen Volkes gegen Apion" nach ..."

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^^1 



luj^ 








Des 



Flavius Josephus Werk 



„lieber das hohe Alter des judischen Volkes 

gegen Apion" . 



nach hebräischen Originalquellen 



erläutert von 



D' M.Zipser, 

Oberrabbiner zn Rechnitz. 



Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben und bevorwortet 

D'- Ad. J^Uinek. 



WIEN, 1871. 

Verlag der Reck*8chen UniverMitäts-Bnchhandlung (Alfred Holder) 

(BothethnnuBtrasse 15). , 



(^c'££',fg' 






» 



SEINER WOHL GEBOREN 



^ 



ERRN 



BERNHARD BACK 



IN WIEN 



DEM HOCHHERZIGEN GÖNNER DER JÜDISCHEN LITERATUR 



ALS ZEICHEN DER DANKBARKEIT GEWIDMET 



VOM 



VEBFASSEB. 



Vorwort 



U eberzeugt, dass eine durchgehende, umsichtige 
und gründliche Vergleichung der Werke des Flavius 
Josephus mit den betreffenden hebräischen Quellenschrif- 
ten, sowohl in den ersteren als in den letzteren Dunkles 
aufhellen , Schwankendes sicherstellen , Lückenhaftes 
ergänzen und die Kenntniss des jüdischen Alterthums 
im Allgemeinen fordern würde, veranlasste ich den 
Verfasser vorliegender Schrift zu deren Ausarbeitung. 

Derselbe entsprach allen Anforderungen, welche an 
die Lösung dieser schwierigen Aufgabe gemacht werden 
müssen. Er war auf dem Gebiete der ältesten hebräi- 
schen Literatur sehr beimisch, besass einen eminenten 



yj Vorwort. 

Scharfsinn, ohne in die Irrwege talmudischer Casuistik 
zu gerathen, hatte sich durch mehrere kritische Abhand- 
lungen über geschichtliche Materien bereits sehr rühm- 
lich hervorgethan und — was am wichtigsten — suchte 
nicht eine auf dem Wege historischer Forschung gefun- 
dene Wahrheit abzuschwächen oder zu vertuschen, wenn 
sie auch den vulgären religiösen Anschauungen ent- 
gegen trat. 

Nach der Verabredung, die ich mit ihm getroffen 
hatte, sollte des Josephus Werk »gegen Apion* zuerst 
untersucht und erläutert, und dann an die Bearbeitung 
der » Altertümer •* und der „Selbstbiographie'* gegangen 
werden. 

Allein zum tiefsten Bedauern seiner zahlreichen 
Freunde und zum Schaden der jüdischen Wissenschaft, 
in deren Hallen er einen wohlverdienten Ehrensitz ein- 
nahm, überfiel ihn ein Leiden, welches seine Kräfte zum 
Theil lähmte und in dessen Folge er am 10. December 
1869 im Alter von 54 Jahren starb ! *) 



*) Er wurde am 14. Augast 1815 in Balassa-Gyarmat in 
Ungarn geboren. Seine ausführliche Biographie findet sich in 
„Beth-El'', von Ignaz Reich» U. Band, Seite 265—297. 



Vorwort. yjT 

Das Manuscript zu vorliegender Schrift schickte er 
mir wenige Wochen vor seinem Tode zu, damit ich es 
veröffentliche. Wäre es mir vergönnt gewesen, mich mit 
dem Verfasser in Rapport zu setzen, so würde vielleicht 
manche Partie derselben gekürzt, eine andere erweitert 
worden sein. Unter eigener Verantwortung Aenderungen 
vorzunehmen oder Zusätze zu machen, musste ich unter- 
lassen, da die trauernde Gattin des Verfassers nach- 
drücklich verlangte, dass das Werk ihres Gatten in der 
Gestalt erscheinen möge, in welcher er es zurückgelassen 
hatte. Ich musste mich daher blos darauf beschränken, 
einige augenscheinliche lapsus calami zu verbessern. 

Und so übergebe ich dieses Vermächtniss eines 
ausgezeichneten Gelehrten, welcher in allen seinen wis- 
senschaftlichen Arbeiten*) nach Wahrheit rang, dessen 
Scharfsinn und Combinationsgabe es oft gelungen ist, 
aus zerstreuten, unbedeutenden Bruchstücken historische 
Gemälde zusammenzufügen, den Freunden der jüdischen 



*) Unter seinen zahlreichen Arbeiten, welche zumeist in 
FQrst's „Literaturblatt des Orient'' und in Löw's „Ben-Gha- 
nanja*^ erschienen sind , verdient besonders hervorgehoben zu 
werden eine in London in englischer Sprache in Tausenden von 
Exemplaren gedruckte: ^yThe Talmud and the Oospels*', 



yjJJ Vorwort. 

Alterthumskunde, in der Ueberzeugung, deren Erkignnt- 
niss bereichert zu haben, und mit der Bitte, dem zu 
früh verstorbenen Verfasser ein wohlwollendes Angeden- 
ken zu bewahren. 

Vorderbrühl, nächst Wien, 21. Juli 1870. 



Dr. Ad. Jellinek. 



EinleitoDg zom ersten Buche. 



JL'er Grammatiker Apion, über dessen Leben wir in 
der Einleitung zum zweiten Buche einige Skizzen zu 
liefern gedenken, war einer der heftigsten Judenfeinde 
seiner Zeit, und suchte zugleich auf schriftstellerischem 
Wege sich als solchen kundzugeben. Diesen, wie noch 
viele andere ihm Gleichgesinnten sucht Josephus in diesen 
zwei Büchern zu widerlegen. Allein weder diese AngriflFe, 
noch Josephus' Widerlegungen sind es, die bei Abfassung 
dieser Schrift unsere Aufinerksamkeit auf sich gezogen, 
und uns zu deren Herausgabe veranlasst; mit dieser 
Arbeit wollen wir weder für Josephus noch gegen Apion 
Partei ergreifen. Wohl haben die Apione bis heute noch 
nicht völlig aufgehört, und kann das Judenthum, wie die 
Juden, noch immer derartiger Schutz- und Vertheidi- 
gungsschriften nicht ganz entbehren. Allein, wenn auch 
der Yerleumdungsgegenstand noch immer derselbe, so 
sind doch die Angriffs- wie die VertheidigungswaflFen 
ganz andere geworden und bewegen sich auf ganz anderem 
Fechtboden und unter ganz anderen umständen. Es 
kümmert nun keinen Judenfeind mehr, ob wir Juden 

1 



2 Einleitung sam ersten Bach« 

nach Aegypten eingewandert sind, oder unsere Herkunft 
von dort ableiten, ob unsere Auswanderung und Befreiung 
aus diesem Sclavenlande auf diese oder jene Weise statt- 
gefunden. Kein Judenfeind neuerer Zeit, so unwissend er 
auch sei, wird den Namen Jerusalems gräcisiren, und 
durch „Tempelschändung" erklären wollen, oder auf den 
thörichten Gedanken kommen, uns, die Monotheisten 
par excellence, der Anbetung und Verehrung eines Esels- 
kopfes anzuklagen, Angriffe, die zu Josephus' Zeiten wohl 
erhoben werden konnten, und auch widerlegt werden 
mussten, nun aber höchstens noch ein historisches 
Interesse besitzen, hin und wieder auch ein mitleidiges 
Lächeln über die Verblendung damaliger Zeiten uns ab- 
gewinnen können. 

Was uns jedoch dazu bewogen, mit diesen zwei 
Büchern den Anfang zu machen, ist die jüdisch-archäo- 
logische Seite, die darin fast in jedem Abschnitte zum 
Vorscheine kommt und ihren Ausdruck findet. Josephus 
als jüdischer Gelehrter und Zeitgenosse der verhängniss- 
YoUsten Katastrophe im jüdischen Staatsleben schreibt 
fast keine Zeile, wobei er nicht auf Bibel und Tradition 
hinweiset, auf wichtige Zeitereignisse sich beruft. Die 
Bichtigkeit dieser Citate zu eruiren, den Gehalt dieser 
Hinweisungen nach ihrem wahren Werthe festzustellen, 
überall den klaren Beweis zu führen, inwieferne Josephus 
mit dem von uns recipirten Texte der Bibel und der im 
Talmud aufbewahrten mündlichen Ueberlieferung überein- 
stimmt, oder davon abweicht, soll Hauptgegenstand dieser 
Arbeit sein. Wenn auch von frühern, namentlich christ- 
lichen Gelehrten auf diesem Felde bereits vieles ge- 



Einleitimg sum ersten Buche. Q 

tschehen, was wir auch dankbar annehmen, so konnten 
•doch dergleichen Arbeiten, wobei die Verfasser unkundig 
^er talmudischen Originalschriften blos aus sekundären 
'Quellen schöpfen mussten, nur lückenhaft und unvoU- 
•ständig ausfallen. So wie die Hand des Unkundigen oft 
.aus XJnkenntniss einen edles Metall enthaltenden Stein 
bei Seite schiebt, ebenso 'gibt es Ausdrücke und Wen- 
^dungen in Josephus, die den Nichtkenner der hebräischen 
Nationalwerke ganz unberührt und gleichgiltig lassen, 
während jedoch diese obwohl nur in schwachen Nüan- 
€irungen zum Vorscheine kommenden Bilder dem in 
4er jüdischen Literatur Einheimischen und Vertrauten 
in einem ganz anderem Lichte erscheinen und ganz 
^andere Gesichtskreise eröffnen. Es soll also in dieser 
.Schrift alles das, was irgendwie Bezug auf die jüdische 
Alterthumskunde hat, durch Hinweisung auf die hebräischen 
Nationalwerke, aus denen Josephus selbst geschöpft, er- 
»örtert und erklärt werden, wozu aber in erster Linie die 
talmudischen Schriften wie die ganze Midraschliteratur 
^e vorzüglichsten Quellen bieten. ^ 

Was unsere hier zu liefernde Arbeit, die mit 
<jotteshilfe in der Folge auch auf die übrigen Werke 
Josephus' sich erstrecken soU, anbelangt, so besteht die- 
selbe aus 80 (I. 32, ü. 48) selbstständigen Abhandlungen 
jüdisch-archäologischen Inhaltes, die an gewisse Aeusserun- 
gen und Aussprüche Josephus' sich anreihen. Bekannt- 
lich besteht diese Schutzschrift gegen Apion aus zwei 
Büchern, die wieder in kleinere Abschnitte (I. 35, H. 41) 
sich theilen. Da wir jedoch zu manchen Abschnitten 

mehrere Abhandlungen gegeben, so werden diese durch 

1* 



A Einleitung zum ersten Bnelie. 

a, b, c. bezeichnet, so z. B. bedeutet ü. 5, c, dass e& 
die dritte Abhandlung (c) im zweiten Buche und fOnften. 
Abschnitte ist. Selbst Dilettanten aus dem Laienstande, 
denen man das Durchlesen oder gar ein gründliches 
Studieren dieses Werkes nicht zumuthen ^ann, wer- 
den nicht minder manchen Nutzen aus demselben 
schöpfen. Sie haben nur im Begister einen ihnen zusagen- 
den Artikel aufzusuchen und denselben nachzulesen. 
Eine üebersetzung der Schutzschrift zu liefern, haben 
wir nicht für nöthig erachtet, da bereits mehrere existiren,. 
besonders hat in jüngster Zeit (1867) das «Institut zur 
Förderung der israelitischen Literatur" eine solche ge- 
liefert. Aber selbst ohne eine solche zur Hand zu haben, 
würde sich der Leser durch den kurz gegebenen Aus- 
zug, den wir am Beginne einer jeden Abhandlung liefern,, 
so weit zu orientifen wissen, um die Arbeit mit Ver- 
ständniss lesen zu können. 

* Schliesslich wollen wir noch dem tiefen Kenner der 
jüdischen Literatur und Alterthumskunde, Herrn Dr. Ad. 
Jellinek, Prediger der israelitischen Gemeinde zu Wien^ 
der uns nicht nur zur Herausgabe dieser Schrift animirt, 
sondern auch mit so manchen nötMgen Hilfsbüchem da- 
bei versehen, unsern innigsten Dank für diese geßllige 
Unterstützung aussprechen. 



I. Buch. 



1. Abschnitt. 

a) Die Schrift gegen Apion .hat Josephus , so wie 
die Alterthümer und seine Lebensbeschreibung einem 
römischen Freunde, Namens Epaphroditos (griech. schön, 
lieblich) gewidmet. Nun weiss die Geschichte von einem 
gleichnamigen, um diese Zeit am römischen Hofe sehr 
einflussreichen Günstling zu sagen. Derselbe, Anfangs ein 
Freigelassener, wusste sich sowohl bei Kaiser Nero, dem 
er bei dessen Selbstermordung behilflich war, als auch 
bei dessen Nachfolger Domitian zu der sehr wichtigen 
Stelle eines Secretärs^ emporzuschwingen, fiel jedoch spä- 
ter in Verdacht und Ungnade bei Letzterem und wurde 
auch auf dessen Befehl, beiläufig um das 14. J. seiner 
Begierung, angeblich wegen obiger Beihilfe beim Selbst- 
morde Nero's hingerichtet. (Tac. Ann. XV. 55. Suet. 
Dom. 14.). 

Die Alterthümer, die Jos. im 13. Kegierungsjahre 
Domitians vollendet, (Ende der Alterthümer) kann er 
wohl diesem Hofgünstling gewidmet haben; da er aber 
seine Lebensbeschreibung, wie auch die zwei Bücher gegen 
Apion viel später abgefasst, so ist nicht abzusehen, wie 
er auch diese Werke demselben Epaphroditos habe wid- 
men können. Die Schwierigkeit steigert sich aber in 
Betreff der Lebensbeschreibung noch mehr, weil er nach 
einer dortigen Angabe (§. 65) bei Abfassung dieser 
Schrift bereits die Geschichtsannalen seines Gegners, 
Justus von Tiberias, vor Augen gehabt, die nach der 
Versicherung des Photius (Bibl. cod. 33), bis zum Tode 
Agrippa« IL, d. h. bis zum dritten Kegierungsjahre Tra- 



ß Gegen Apien I., 1. b) 

Jans (101) gingen. Dass dieser Name in Eom nicM ver- 
einzelt war, ist auch aus dem Umstände zu ersehen, dass^ 
ein Apostel denselben führte (Epistel Pauli an die Philipp. 
2, 25). Paulus, der in Kom im Kerker sass, bediente 
sich desselben als Sendboten an die Philipper ; ein Schrift- 
stück an letztere, beiläufig um das Jahr 61 , eben um die 
Kegierungszeit Nero's, führt die Unterschrift : Geschrieben» 
von Eom durch Epaphroditum (ibid. 4, 23). Im selben. 
Schriftstücke (v. 22) konunt auch die Stelle vor: Es. 
grüssen euch alle Heiligen,, besonders die von des Kai- 
sers Hause. Es geht daraus deutlich hervor, dass der 
Schreiber geheime Vertraute im Hause !Nieros hatte. Bevk 
Epaphroditos jedoch, dem Josepbus seine Werke gewidmet,, 
glauben wir, wie wir weiter sehen werden (b), in einer 
dritten Person gefunden zu haben. Was die Eeihenfolge 
anbelangt, so hat Josephus zuerst die 7 Bücher über die jüd.- 
römischen Kriege, dann die 20 Bücher der Alterthümer 
und hernach seine Selbstbiographie herausgegeben. Dass 
die Schrift gegen Apion den Alterthümern folgt, wird 
gleich im Anfange gesagt; es ist jedoch ungewiss, ob 
dieselbe vor oder nach seiner Lebensbeschreibung verfer- 
tigt worden. 

b) Aus dieser Widmung seiner Schriften" an dea 
römischen Hofgünstling suchen Einige gegen Josephus denr 
Vorwurf zu erheben, als habe er mit den Todfeinden 
seines Volkes, den Eömern, schon lange noch vor dem 
Sturze Jerusalems im Einverständniss gelebt; Eömer and 
Juden, behaupten dieselben, dürften von nun an nimmer- 
mehr neben einander bestehen, noch weniger in freund- 
schaftlichem Verhältnisse mit einander leben. Der echte 
jüdische Patriot müsste nur mit Abscheu sein Angesicht von: 
den Unterdrückern seines Volkes abwenden. Dieser Vor- 
wurf ist jedoch unbegründet, weil wir ein solches freund- 
schaftliches Verhältniss zwischen den ausgezeichnetsten 
und makellosesten jüdischen Lehrern und hochgestellten, rö- 
mischen Persönlichkeiten unmittelbar nach der Auflösung 
desjüdischenEeiches häufig vorfinden. Zur Charakterisirung 
der damaligen Zustände und Verhältnisse zwischen beiden 
Nationen wollen wir hier mehrere Beispiele anführen^ 



Gegen Apioa I., 1. b) y 

Das erste Patriarchat nach der Zerstörung Jerusalems 
nahm, da demselben B. Jochanan ben Sakkai nur sehr 
kurze Zeit vorgestanden, E Gamliel 11., Sohn des bei 
der Zerstörung hingerichteten E. Simeon, ein. Derselbe 
machte häufig in Begleitung von noch zwei anderen jüdischen 
Gelehrten , E. Josua ben Chananja und E. Elieser, die 
beide Schüler des E. Joch. b. S. waren und die ihren 
Meister zur Zeit der Belagerung als Scheintodten von 
Jerusalem hinausschmuggelten (Gittin p. 56, a), Eeisen 
nach Eom, um wahrscheinlich die ihrem Volke drohenden 
schweren Schläge abzuwenden oder doch zu lindern. 
TJeber eine solche Eeise hat uns der Midrasch (Eabba 
zu V. M. P. II.) Folgendes aufbewahrt. Die eben erwähn- 
ten drei Gelehrten kamen nach Eom, als der Senat den 
Beschluss gefasst, dass nach Ablauf von 30 Tagen kein 
Bekenner des Judenthumes mehr existiren soU. Einer 
der Senatoren, ein gottesfürchtiger Mann, theilte den 
Beschluss E. Gamliel mit, der darüber in grosse Furcht 
gerieth, jener tröstete ihn jedoch, dass im Laufe von 30 
Tagen der Gott Israels noch Wunder erzeigen könnte; 
es vergingen ^5 Tage, ohne dass Hilfe kam. Da theilte 
obiger Senator das Geheimniss auch seinem Weibe 
mit. Diese, wahrscheinlich eine geheime Anhängerin des 
Judenthumes, gerieth in grosse Bestürzung und bestürmte 
ihren Mann, baldigst Hilfe zu verschaffen. Sie wusste 
endlich denselben zu folgender That zu bereden. Du hast 
doch einen Eing, sauge denselben aus, damit du sterbest ; 
wahrscheinlich ein hohler Eing, dessen Füllung Gift war, 
wie dies bei den Alten gebräuchlich war. Der Senat, 
fügte die Frau hinzu, wird den Beschluss aufschieben müs- 
sen, während dessen Hilfe kommen kann; er folgte auch 
ihrem Eathe , sog aus dem Einge und starb. Die drei 
jüdischen Gelehrten besuchten dann die Frau, um sie zu 
trösten, äusserten sich zugleich: Schade, dass das Schiff 
abgegangen , ohne den Mauthzins abgegeben zu haben. 
Die Frau, den Sinn dieses Vorwurfes begreifend, erwie- 
derte: Wahrlich, das Schiff ist nicht ohne Entrichtung 
des gebührenden Zolles abgegangen. Sie begab sich 
hieravdf in das andere Gemach und brachte ^eine kleine 



g Gegen Apion I., 1. b) 

Schatulle heraus, worin die Vorhaut des Verstorbenen 
sich befand, der sich vor dem Tode beschnitten hatte. 
Was in dieser Erzählung Wahrheit oder Erdichtung, ist 
nun schwer zu ermitteln ; verdächtig macht sie sich durch 
den Antrag der Frau an den Mann, sich selber das Leben 
zu nehmen, um bloss einen Aufschub zu erzielen. Indess 
gibt uns der Talmud (Aboda-sara 10, b), der dieselbe 
Geschichte kennt, näheren Aufschluss darüber, Nach ihm 
hiess der Senator Cato , Sohn des Salum , er plaidirte 
öffentlich beim Senate in Gegenwart des röm. Kaisers 
für die Sache der Juden. Es wird dir nimmermehr 
gelingen, rief er dem judenfeindlichen Herrscher zu, die 
Juden ganz zu vernichten, die bereits nach allen Welt- 
gegenden zerstreut sind, du wirst nur dadurch deine 
Begierung als eine blutdürstige kennzeichnen. Du hast 
wohl Kecht, erwiederte jener, aber du kennst auch unsere 
Landesgesetze, dass wer den Herrscher überwindet, in 
das Aschenhaus geworfen wird. Eine Art Todesstrafe 
bei den Alten, der auch der Hohepriester Menelaus von 
Seite der Syrier anheimgefallen (IL Makk. 13, 4 — 9). 
Möglich dass hierauf der Senator, um diesem furchtbaren 
Tod zu entgehen, auf Anrathen seiner Frau den Giftring 
ausgesogen. Wir sehen also, in welchem freundschaft- 
lichen Verhältnisse die ersten jüdischen Gelehrten zu 
manchen römischen Senatoren gestanden. Ebenso wird 
uns von einer andern Beise derselben Gelehrten erzählt 
(Derech-Erez V.), wo sie ein Anliegen am Hofe hatten. 
Bevor wir uns dahin begeben, rief E. Josua seinen Ge- 
ßhrten zu, lasset uns unsem Genossen, den Philosophen 
aufsuchen. Schade, dass uns diese Quelle nicht auch 
den Namen dieses Philosophen aufbewahrt. Aber nicht 
bloss in Gesellschaft, sondern auch vereinzelt treffen wir 
häufig die eben erwähnten Gelehrten mit römischen Gros- 
sen und Philosophen in Eeligionsgespräche verwickelt. 
Hier einige Beispiele: 

Wenn euer Gott, richtete ein röm. Grosser an B. 
Gamliel die Frage, ein eifervoller Gott ist (V. M. 4, 24), 
warum übt er Bache an den Anbetern und nicht an den 
Götzenbildern selbst? Ein Sohn, lautete die Antwort, 



Gegen Apioü I., 1, b) q 

I)e8as8 einen Lieblingshund, dem er den Namen „Vater" 
beilegte: wen soll der aufgebrachte Vater seinen Zorn 
darüber ftlhlen lassen, den Sohn oder den Hun^ ? Erkläre 
mir aber, fuhr jener fort, wie es kam, dass bei einer 
Feuersbnmst, die unsere ganze Stadt verzehrte, wahr- 
scheinlich bei der durch Nero, bloss unsere Tempel nebst 
den heiligen Bildern verschont geblieben ? Weil ein König, 
erwiederte B. Gamliel, bei der Eroberung einer empörten 
Stadt nur die Lebenden aber nicht die Todten zur Be- 
chenschaft zieht. Hunde, Todte nennest du unsere Götter, 
warum vernichtet sie nicht euer Gott? Ja, wenn ihr bloss 
entbehrliche Dinge anbeten würdet, ginge es an, ihr betet 
aber auch Sonne, Mond und Sterne, Berge, Thäler und 
Flüsse an, sollte etwa eurer Thorheit halber die Welt zu 
Grunde gehen ? Nein, die Welt geht ihren regelmässigen 
Gang fort, die Thoren aber, die sie missbrauchen, wer- 
den schon Bechenschaft abzulegen haben. (Aboda-sara p. 
54, b). Vorzüglich aber war es E. Josua, der so häufigen 
Umgang mit römischen Grossen, besonders am kaiserlichen 
Hofe hatte. Derselbe war von sehr hässlicher, unförm- 
licher Gestalt, da richtete einst die Tochter des Kaisers 
die Frage an ihn, wie denn so viele herrliche Weisheit 
in einem so ungestalteten Körper sich befinden mag? 
E. Josua richtete an seine schöne Fragestellerin die Ge- 
genfrage, worin denn ihr Vater seine allerbesten Weine 
aufbewahre? In gewöhnlichen irdenen Gefässen, lautete 
die Antwort. Warum aber nicht in goldenen oder sil- 
bernen Geräthen, wie es deinem Hofstaate geziemt? Es 
geschehe, wie du gesagt, erhielt B. Josua zur Antwort. 
Noch am selben Tage Hess sie alle Weine in den kaiserl. 
Kellern in goldene Gefässe überleeren, die aber bald 
darauf verdarben. Auch hier siehst du den Grundsatz 
ausgesprochen, erwiederte B. Josua der kaiserlichen Toch- 
ter bei seiner ersten Zusammenkunft mit derselben, dass 
kostbare Dinge in gewöhnlichen Gefässen sich besser 
bewahren lassen. Dieselbe kaiserliche Tochter richtete 
wieder folgende Frage an ihn : Euer Gott muss wahrlich 
ein geschickter Künstler sein, der sich seine Söller auf 
Wasser erbaut (Ps. 104, 3); ich wünschte, dass er mir 



iQ 6eg«n Apion I., 1. b) 

ebenfalls ein solches Gemach errichtete. Kann auch gesche- 
hen, erwiderte K. Josua. Bald darauf wurde dieselbe 
mit einer gefahrlichen, ansteckenden Krankheit behaftet. 
Nun war es Sitte in Eom , dass man für solche Kranke 
öffentliche Hütten aufschlug, damit die Vorübergehenden 
für ihre Heilung beten. Als unsere Patientin auch R. 
Josua vorüber gehen sah, forderte sie ihn auf, zu Gott 
zu beten, dass er das von ihr verlangte Gemach wieder 
zurücknehme. R. Josua erwiderte: Unser Gott ertheilfc 
wohl, nimmt aber kein Geschenk mehr zurück. Worauf 
aber E. Josua hiemit angespielt, werden wir später 
sehen. Was obige Angabe anbelangt, so war dies wirk- 
lich Sitte in Aegypten, gefährliche Kranke auf der Land- 
strasse auszusetzen, damit die Vorübergehenden, welche 
vielleicht selbst daran gelitten, Rath ertheilen können 
(Uhleman Aegypt. IL 259). Aber selbst mit den römischen 
Regenten führte R. Josua ähnliche Gespräche, von denen 
wir einige hier citiren wollen. Bekanntlich gab es in 
Rom, besonders in den höheren Kreisen, eine eigene Art 
Hieroglyphensprache, wobei durch Geberden und sonstige 
Körperzeichen gesprochen wurde. Das damalige Denun- 
ziationswesen, wie es am Hofe des Nero gang und gäbe 
geworden, machte diese Art Chiffersprache nothwendig, 
so dass in derselben ganze Conversationen und öffent- 
liche Dispute geführt wurden. Auch R. Josua wurde 
die Ehre zu Theil , vor dem röm. Hofe ein solches CoUo- 
quium mit einem jüd. Abtrünnigen abzuhalten. Der Geg- 
ner machte Zeichen und Bewegungen mit dem Kopfe, 
R. Josua that dasselbe mit der Hand. Was bedeutet 
dass ? fragte endlich der Kaiser. Mein Gegner , erwiderte 
R. Josua, zeigte mir durch seine Kopfwendung, dass der 
Herr von uns Juden sein Angesicht abgewendet, worauf 
ich ihm mit der Hand erwiderte, dass dessen Hand noch 
immer über uns ausgebreitet ist. Hierauf liess der Herr- 
scher auch den Abtrünnigen befragen, ob er die Antwort, 
seines Gegners verstanden, was jedoch dieser verneinen 
musste. Er wurde zum Tode verurtheilt. (Chagiga p. 5, b) 
Was werde ich heute Nacht träumen, richtete derselbe 
Herrscher die Frage an R. Josua? Die Parther (die da- 



Gegen Apion I., 1, b) i t 

/ 

mals mit Eom im Kriege standen) werden dich Frohn- 
dienst arbeiten und das Kleinvieh mit einem goldenen 
Stabe auf die Weide treiben lassen. Der Kaiser dachte 
den ganzen Tag darüber nach und träumte wirklich das- 
selbe. (Berachoth p. 56, a). 

Bei diesen Gesprächen, wozu noch eine grössere Un- 
terhaltung über die Weisen Athens gehört (Bechoroth 
p. 8), die wir aber ihrer Länge und mystischen Beschaf- 
fenheit halber weglassen, wird zwar der Name des röm, 
Herrschers nicht angegeben; allein es war unstreitig kein 
anderer als Hadrian, da dieser Name bei vielen andern 
Gesprächen mit E. Josua ausdrücklich vorkommt. So 
richtete Hadrian die Frage an ihn in Betreff der Welt- 
schöpfung (Eabba zu I. M. P. 10) ; über die Beschaffen- 
heit der Engel (ibid. P. 78); über die Auferstehung des* 
Menschen (zu III. M. P. 18); über die Eigenschaft des 
Seewassers, alles andere zu verschlucken (zu Koheleth 
P. 1); über die moralische Kraft Israels, sich trotz sa 
vieler Verfolgungen zu erhalten (zu Ester P. 1) ; und 
endlich wollte er aus einer bibl. Stelle: Besser ist ein 
lebender Hund als ein todter Löwe (Koheleth 9, 4), den 
Beweis liefern, dass er, Hadrian, höher stehen soll als 
der verstorbene Moses. E. Josua stellte die Frage an 
ihn, ob er im Stande sei, ein Verbot zu ertheilen, dass 
alle seine Unterthanen sich drei Tage lang des Feuers 
und des Lichtes euthalten? Hadrian ertheilte ein solches 
Verbot. 

Gegen Abend begaben sich beide auf eine Anhöhe 
und bemerkten in der Ferne eine Eauchwolke aufgehen. 
Sieh' , sprach hierauf E. Josua, schon bei deinem Leben 
wird dieses Verbot übertreten, Moses Gebote hingegen 
halten wir so viele Jahrhunderte nach seinem Tode noch 
aufrecht (Eabba zu Euth P. 3). Alle diese Züge passen 
sehr gut auf Hadrian, der besonders neu- und wissgierig 
gewesen sein soll und dessen Hof stets von Gelehr- 
ten wimmelte. In einem Briefe an seinen Schwager Se- 
verin, in dem er von Juden, Christen, Samaritanern und 
Heiden spricht, äussert er sich auch, dass er oft in 
Aegypten von einem Patriarchen besucht wird, worunter 



"J2 Gegen Apion I., 1, c) 

B. Josua gemeint sein soll. (Pears de Ignat. c. 3. Vopisc. 
Vit. Sat.) Ja, es schien sogar unserm jüd. Gelehrten ge- 
lungen zu sein, Hadrian zum Wiederaufbau des Tempels 
bewogen zu |haben, was natürlich in den ersten Jahren 
seiner Kegierung vor dem Aufstande zu Bether gewesen 
sein muss. Der Befehl war bereits erlassen, doch auf 
die Verleumdung der Judenfeinde bereute Hadrian sein 
Versprechen, wollte sich jedoch nicht Öffentlich blamiren; 
er liess sein Edict aufrecht bleiben, fögte jedoch hinzu, 
dass der Altar nicht auf demselben Platze und in der- 
selben Grösse wie früher errichtet werden soll, worauf 
aber die Juden nicht eingehen wollten. Dieser Umstand 
würde den später zu Bether geschmiedeten Aufstand 
schon jetzt zum Ausbruche gebracht haben, wenn nicht 
K. Josua durch seine Beredtsamkeit die empörten Gemü- 
ther zu beruhigen gewusst hätte, (ßabba zu I. M. P. 64). 
Wenn also E. Josua, wie wir oben gesehen, der leidenden 
Prinzessin ironisch zurief: unser Gott ertheilt wohl Ge- 
schenke, nimmt aber keines zurück, so scheint er hiemit 
auf diese Charakterlosigkeit Hadrians angespielt zu haben. 

Wir wollen nun zu unserm Epaphroditos kommen. 
Im Talmud (Succa 26, a) kommt von einem Epitropos 
(Waisenvater) des Königs Aprippa vor. Nun weiss die 
Geschichte nichts von einem solchen Waisenvater der 
beiden Könige dieses Namens zu sagen. 

Aprippa 11. blieb zwar sehr jung zurück beim Tode 
seines Vaters, weshalb auch die Kömer Jerusalem zu 
ihrer Provinz machten (Jos. Krieg IL 11. 6); ich glaube 
aber, dass es hier Epaphroditos geheissen, der ein Heer- 
führer dieses Königs war, derselbe mag wie sein Herr 
nach der Zerstörung Jerusalems sich nach Kom gezogen 
haben und ein intimer Freund des Josephus gewesen sein. 

c) Die Alterthümer, äussert Josephus, enthalten 
die jüdische Geschichte von einem fünftausendjährigen 
Zeiträume, die er aus den heiligen Büchern in's Griechische 
übertragen. Diese Zeitangabe scheint ganz ungenau zu 
sein, und steht nicht bloss mit der jüdischen Tradition, 
nach welcher seit der Erschaffung der Welt bis zur 
Zeit, wo Josephus seine Alterthümer beschliesst, nämlich 



G«g«n Apion I., 1, c) IQ 

im 12. Begierimgsjahre des Kaisers Nero, etwa 3800 
Jahre verflossen waren, im grellen Widerspruche, son- 
dern sie stimmt nicht einmal mit den Angaben überein, 
die Josephus selber über diesen Gegenstand andererseits- 
macht. Um nns über diese Angelegenheit, welche bereits 
die grössten Gelehrten beschäftigt, besser orientiren zu 
können, haben wir unser Augenmerk auf folgende 6 Zeit- 
epochen zu richten: 1. zu welchem Zeitpuncte nach der 
Schöpfung erfolgte die Sündfluth? 2. wann ist die Ge-^ 
burt Abrahams anzusetzen? 3. wie viele Jahre später 
erfolgte der Auszug aus Aegypten? 4. wie gross ist der 
Zeitraum von da bis zum ersten Tempelbau durch König 
Salomo ? 5. wann erfolgte die Zerstörung dieses Tempels ?' 
6. endlich wie lange dauerte der zweite Tempel? 

Hier wollen wir uns in ausführlicher Weise bloss 
mit den ersten drei Zeitepochen beschäftigen, da wir 
noch später Gelegenheit finden werden, uns auch über 
die drei andern Zeitperioden auszusprechen. Nach der 
jüdischen Chronologie (Seder Olam, Aboda-sara p. 9, a), 
womit auch Philo und die Vulgata übereinstimmen, ge- 
schah die Ueberschwemmung im J. der Welt 1656. 
Diese Zeitbestimmung geht aus dem fünften Capitel der 
Genesis hervor, und zwar in folgender Weise. Wenn, 
man jene Jahre der zehn Patriarchen vor der Sündfluth 
zusammenrechnet, als sie zuerst Kinder erzeugten, näm- 
Jich: 130 (v. 3), 105 (v. 6), 90 (v. 9), 70 (v. 12),. 
65 (v. 15), 162 (v. 1«), 65 (v. 21), 187 (v. 25), 182 (v. 28),, 
endlich 600 J., die Noah zur Zeit der Ueberschwemmung 
hatte, so kommt obige Zahl heraus. Von der Sündfluth 
bis zur Geburt Abrahams verstrichen 292 Jahre, was 
wieder aus dem 11. Capitel der Genesis hervorgeht, und 
zwar ganz in obiger Weise : 2 (v. 10), 35 (v. 12)^ 
30 (v. 14), 34 (v. 16), 30 (v. 18), 32 (v. 20), 30 (v. 22), 
29 (v. 24), 70 (v. 26), dieses gibt 292 Jahre. Von der 
Geburt Abrahams bis zum Auszuge aus Aegypten gingen 
gerade. 500 Jahre vorüber, und zwar 100 Jahre bis zur 
Geburt Isaks (I. M, 21,5), 60 Jahre bis zur Geburt 
Jakobs (ibid, 28, 22), 130 Jahre als Jakob nach Aegypten 
kam (ibid. 47,9), endlich 210 Jahre, solange als nach der 



-tA Gegen Apion I., 1, e) 

Tradition der eigentliche Aufenthalt der Israeliten in 
Aegypten dauerte (Raschi zu I. M. 15, 13). Von dieser 
Zeitepoche bis zur Erbauung des Tempels durch Salomo 
vergingen 480 Jahre (I. Könige 6, 1). Die Zeit der beiden 
Tempel wird auf 900 Jahre (410 Jahre für den ersten, 
420 Jahre für den zweiten Tempel, und 70 Jahre für die 
babylonische Gefangenschaft) angegeben. Diese 6 Zeit- 
Epochen zusammen geben für die Zerstörang des Tempels 
durch Titus die Jahreszahl von 3828. Ganz anders jedoch 
stellt sich diese Zeitrechnung nach der Septuaginta 
heraus. Gleich bei den ersten zehn Patriarchen (I. M. 5) 
macht sie bei 6 derselben die scheinbar gleichgiltige 
Abänderung, dass sie denselben zur Zeit, als sie Kinder 
Erzeugten, 100 Jahre mehr gibt, dagegen aber eine ganz 
ähnliche Summe von den Jahren nach der Erzeugung 
abzieht, so dass das Alter derselben mit dem hebräischen 
Texte übereinstimmt. So z. B. hat der hebräische Text, 
dass Adam 130 Jahre alt war, als er Seth erzeugte, er 
lebte nachher noch 800 Jahre, und starb 930 Jahre alt. 
Nach der Sept. aber erzeugte er Seth im Alter von 
230 Jahren, lebte dann noch 700 Jahre und erlangte 
Ebenfalls das Alter von 930 Jahren. Im Ganzen jedoch, 
wenn man nach obiger Weise das Alter der zehn. 
Patriarchen zusammenrechnet, als sie Nachkommen er- 
zeugten, so ergibt sich ein Unterschied von 584 mehr, 
so dass die Sündfluth im Jahre 2240 erfolgte. Ebenso 
weicht die Sept. vom hebräischen Texte in Betreff der 
10 Patriarchen nach der Sündfluth ab, wo sie, abgesehen, 
dass sie ein Glied (Keinen mit 135 Jahren) mehr gibt, 
in welchem Irrthum ihr auch der Evangelist (Luc. 3,36) 
folgt, die Zahl mit 749 Jahren vermehrt, und dadurch die 
Oeburt Abrahams mit 1468 Jahren später als der hebräische 
Text, d. h. im Jahre 3416 nach der Schöpfung ansetzt. 
Oehen wir zu Josephus über, so finden wir da die 
grössten Widersprüche; bald scheint er dem hebräischen 
Texte, bald wieder der Septuaginta zu folgen, bald weicht 
er von beiden ab, und geht seinen eigenen Weg. 

Aus Antiq. VIII 3,1 gehen folgende Zeitrechnungen 
hervor: für die Sündfluth 1662, also mit 6 Jahren mehr 



Oegen Apion I., 1, c) lg 

als im hebräischen Texte, für die Geburt Abrahams nach 
der Sündfluth 345, wieder ein Plus von 53 Jahren , für 
den Auszug aus Aegypten 503, soll vielleicht 505 heissen, 
weil er den eigentlichen Aufenthalt der Israeliten in 
Aegypten mit 215 angibt (Ant. IL 15,2), wie auch sein 
Zeitgenosse E. Elieser (Jalkut zu I. M. 15,13). Obige 
drei Zahlen geben für den Auszug aus Aegypten 2510, 
oder 62 Jahre mehr als die jüdische Chronologie. Aus 
«iner andern Stelle (Ant. X. 8,5) gfehen wieder folgende 
Zahlen hervor: Für die Sündfluth 1556, mit 100 Jahren 
weniger, wenn dies etwa nicht ein Irrthum des Abschreibers, 
von da bis zum Auszuge 895, also mit 103 Jahren wieder 
mehr. Die ganze Zeitepoche von der Schöpfung bis zum 
Auszuge bliebe sich bis auf eine Differenz von 3 Jahren 
gleich. Aber auch jener erstem Angabe, worin Josephus 
die Geburt Abrahams mit 59 Jahren später ansetzt, scheint 
irgend eine alte Quelle zu Gnmde gelegen zu sein. Wie 
ist nämlich der Widerspruch zu lösen zwischen der An- 
gabe einerseits, dass Tarah seinen Sohn Abraham im 
70. Lebensalter erzeugte (I. M. 11,26), andererseits wieder, 
dass Abraham bei seiner Abreise von Haran 75 Jahre 
alt war, (ibid. 12,4) da doch Tarah, de( zu Haran, also 
Tor Abrahams Abreise starb, 205 Jahre alt geworden? 

Der Samaritaner reducirt daher wirklich das Alter 
des Tarah und lässt ihn nicht länger als 145 Jahre 
leben. Der Midrasch (Rabba zur Stelle) meint, dass 
Abraham noch beim Leben seines Vaters den Ort Haran 
verlassen. Asserus jedoch, gestütztauf eine Stelle (Act. 7,4), 
wo Abrahams Abreise von Haran erst nach dem Tode 
seines Vaters angegeben wird, setzt desshalb die Geburt 
Abrahams mit 60 Jahren später, d. h. im 130 Lebens- 
jahre Tarahsan. Wenn es daher (I. M. 11,26) heisst: 

Tarah war 70 Jahre alt und zeugte Abraham, Naher 
und Haran, so kann diese Angabe doch nicht für alle 
drei Söhne, sondern bloss für den erstgeborenen gelten, 
dieser war aber Naher, obwohl Abraham seines Ansehens 
halber zuerst genannt wird, wie dies ja auch mit Sem 
(I. M. 5,32) der Fall gewesen zu sein scheint (Baschi, 
Ibu-Esra I. M. 10, 21). Zur leichteren üebersicht wollen 



2 g Q«gen Apion I., 1, c) 

wir hier die vier verschiedenen Zeitrechnungen her- 
stellen: 

Hebr. Septua- Jos. Ant. Ant. X, 
Text ginta Vni, 3, 1 8, 5 

Sftndflutb 1656 2240 1662 1556 

Geburt Abrahams 292 1176 345 — 

Auszug aus Aegypten . . 500 505 503 895 

2448 §921 2510 ^451 

So weit liesse sich Josephus mit dem hebräischen 
Texte einigermassen ausgleichen. Gegen diese ganze Be- 
rechnung jedoch spricht obige Angabe, dass sich seine 
Alterthümer auf einen Zeitraum von 6000 Jahren er- 
strecken. Denn nehmen wir auch obige höhere Summe 
von 2510 an, fügen wir derselben noch 1764, nämlich 
592 bis zur Erbauung des salomonischen Tempels 
(Ant. VIII. 3,1), 470, solange dieser Tempel gedauert 
(ibid. X. 8,5) und 702 bis zur Auflösung des zweiten 
jüdischen Beiches (Krieg VI. 10,1), so geben alle diese 
Zahlen erst die Summe von 4274 Jahren seit der 
Schöpfung. Allein wir haben noch eine dritte Stelle deg 
Josephus (Ant. I. 3,4) in Augenschein zu nehmen. Hier 
folgt Josephus ganz der Septuaginta, und fügt den 
10 Patriarchen vor der Sündfluth 600 Jahre bei, so dass 
dies Ereigniss nach ihm im Jahre 2256 stattgefunden. 
Dies stimmt auch mit einer andern Angabe von iluä 
(gegen Apion I. 8), wonach von der Schöpfung bis zum 
Tode Moses 3000 Jahre vorüber waren. Schlagen wir 
diese 600 zur obigen Summe von 4274, so gibt dies 
schon 4874, welche Zahl nach einer andern Angabe 
(Ant. XX. 10,1) , wo von dem Auszuge aus Aegypten bis zur 
Zerstörung des zweiten Tempels 1790 angegeben werden,, 
noch mit 26 Jahren vergrössert werden kann, was zusammen 
die Summe von 49(X) Jahren gibt. Die Angabe von 
5000 Jahren wäre nur eine runde Zahl. 

Nach Clemens von Alexandrien (Strom. I. 145) war 
der Auszug aus Aegypten 545 Jahre vor Erneuerung 
einer Sothisperiode. Diese Periode trat 1322 Jahre vor 
der gewöhnlichen Zeitrechnung oder 1390 vor der Zer- 
störung des Tempels ein, mithin vom Auszuge aus 



Otgen Apion I., 1, c. 1 7 

Aegypten bis zu dieser letzten Periode ein Zeitraum von 
1935 Jahren verstrich. 

Seyfarth, der seine Chronologie auf vorgefundene 
ägyptische Constellationen, besonders aber auf die Sothis- 
periode (v. 1460 J.) gründet, hat folgende Punkte in 
der jüdischen Zeitrechnung festgesetzt. Nach ihm fand 
der Tempelbau durch Salomo nicht 480, sondern 880 
nach dem Auszuge statt, beide Tempel dauerten 1055 Jahre, 
mithin ergeben sich folgende Zeitepochen: 

Sündfluth (nach Josephus) 2256 Jahre 

Geburt Abrahams (nach Josephus) 292 „ 

Auszug ans Aegypten (nach Josephus)... 508 ^ 

Tempelbau durch Salomo 880 „ 

Dauer der beiden Tempel 1055 , 

4986 Jahre. 

Bossuet gibt folgende Zeitrechnung. Sündfluth wie 
der hebräische Text, Abrahams Berufung nach Canaan 
geschah im Jahre 2000 nach der Schöpfung ; 1(X)0 Jahre 
später erbaute Salomo den Tempel und nach Ablauf von 
wieder 1000 Jahren wurde der christliche Religionsstifter 
geboren, differirt also im Ganzen von der jüdischen Tra- 
dition mit 240 Jahren. Indess scheint diese Angabe mehr 
dogmatischer Natur zu sein. Schon der Talmud (Aboda 
sara, 9, a) sagt, 6000 Jahre ist der Bestand dieser Welt, 
wovon 2000 der Gesetzlosigkeit, nämlich bis zur Berufung 
Abrahams, 2(XX) Jahre der göttlichen Lehre und endlich 
2000 Jahre dem messianischen Zeitalter angehören. Diese 
jüdische Tradition ging in die christliche Dogmatik über, 
die ebenfalls solche idrei Epochen (Loi de nature, Loi 
ecrite et Loi de Gräce. Bossuet bist. univ. p. 14, 142) 
angenommen. 

Wir wollen bei dieser Gelegenheit auch auf die 
Chronologie anderer Völker des Alterthums, wie der 
Aegypter und Griechen, einen kurzen Ueberblick richten. 
Die Aegypter hatten folgende astronomische Zeitrechnun- 
gen, die Apisperiode von 25, die Sothisperiode von 1460, 
die grosse Sothis von 36000 und die Phönixperiode von 
654 Jahren. Um nämlich das Mondjahr mit dem Sonnen- 
jsdire auszugleichen, nahmen sie eine 25jährige Periode 

. 2 



^g Gegen Apion I., 1, c) 

an, und legten derselben als Symbol den Namen des 
heiligen Stieres bei, der daher nicht länger als 25 Jahre 
existiren durfte, nach Ablauf dieser Zeit wurde er in den 
Nil gestürzt und ein anderer eingesetzt, starb er früher, 
so trat einstweilen ein Interregnum ein. Da das ägyptische 
Sonnenjahr von 365 Tagen um einen Vierteltag kürzer 
war, so wurde statt der jetzt gebräuchlichen vierjährigen 
Schaltperiode von einem Tage nach einem Zeiträume von 
4 + 365, d. h. nach 1460 Jahren ein ganzes Jahr ein- 
geschaltet. Das ägyptische Jahr begann mit dem Auf- 
gange des Hundsternes (ägyptisch Sothis) , der nach 
Ablauf obiger Periode in seine frühere astronomische 
Stellung wieder anlangte, daher der Name Sothisperiode. 
Wird die Zahl 360, so viel eigentlich das ägyptische 
Jahr ursprünglich zählte, weil die übrigen 5 Tage nur 
eingeschobene Göttertage, 'durch 100 multipUzirt, so ge- 
langen wir zu der grossen Sothis von 36000 Jahren, die 
beiläufig auch durch die Multiplikation der Apis- mit der 
Sothisperiode hervorkommt. Nach Berechnung der Alten 
soll die Himmelsekliptik nach 100 Jahren um einen Grad, 
und nach Ablauf der grossen Sothi« um die ganze 
Peripherie vorwärts kommen, und mithin die ganze 
Schöpfung sich gleichsam verjüngen. Wird diese Periode 
verdoppelt, so erlangen wir die Summe jon 72000 Jahren, 
welche Periode die Schöpfungsperiode genannt ward, 
wahrscheinlich kommt daher der kabbalistische Begriff 
von dem 72buchstäbigen|Gottesnamen, weil nach 72 Gottes- 
tagen (Ps. 90, 4) der Untergang der Welt erwartet wurde. 
Die Phönixperioden von 654 Jahren waren die periodischen 
Durchgänge des Merkur durch die Sonnenscheibe. Der 
Eintritt all' dieser Epochen wurde mit der grössten 
Feierlichkeit begangen, er diente theils den Horoskopen 
zur Feststellung der Nativitätsstunde, theils auch zur 
Bestimmung der geschichtlichen Aera. Solche Sothis- 
perioden traten 2782 und 1322, die Phönixperioden 
wieder 1904, 1250 und 596 vor der gewöhnlichen Zeit- 
rechnung ein. Nicht so geregelt jedoch war die Chrono- 
logie in der ersten Zeitepoche der Griechen. Bekanntlich 
wurde da in allen öffentUchen und Staats - Urkunden die 



Oeg^ea Apion I., 1, c) IQ 

Zeitbestimmung nach dem jeweiligen ersten Staatsbeamten 
chronologisch bezeichnet. 

So wurde die chronologische Zeitrechnung in Athen 
nach einem der neun Archonten, in Sparta nach einem 
der Ephoren, in Kreta nach dem ersten Kosmos be- 
stimmt. Der achäische Bund datirte nach den Demiurgen, 
die Amphictionenversammlung nach dem Priester des 
delfischen Tempels und die Argiver nach den Amtsjahren 
•der Priesterin der Here. Ebenso ungleich war der Anfang 
-des Jahres; manche Staaten (Athen und Delfi) begannen 
-dasselbe mit dem Sommer-, andere (Böotien) mit dem 
Wintersolstitium, in Lacedämon wurde für den Anfang 
^es Jahres die Frühlings-, in Achäa die Herbst-Nacht- 
•gleiche genommen. Die ältesten Schriftsteller, wie Homer, 
zählten nach Menschenalter, wobei sie drei Geschlechter 
auf ein Jahrhundert rechneten. Um endlich aus diesem 
labyrinthischen Wirrwarr hinauszukommen, kamen die 
griechischen Geschichtschreiber überein, die olympischen 
Spiele, die alle vier Jahre stattfanden, als Zeitrechnung 
zu bestimmen, weil bei denselben der Name eines jedes- 
maligen Siegers unter öffentlicher Aufsicht der dazu be- 
stimmten Behörden, Hellanodiken genannt, auf Säulen 
im Tempel des olymp. Jupiters in genauer Eeihenfolge 
bezeichnet wurde. Aber erst in der dritten Periode ist 
diese Zeitrechnung als sicherer Leitfaden zu betrachten. 
Atreus, Sohn des Pelops, also kurze Zeit vor dem tro- 
janischen Kriege, soll der erste Begründer der olymp. 
Spiele gewesen sein, die er beim Leichenbegängnisse 
seines Vatei*s eingeführt. Dass sie aber bald in völlige 
Vergessenheit gerathen sein müssen, geht aus dem Um- 
stände hervor, dass Homer ihrer in seinen Schriften nicht 
erwähnt. 340 Jahre später wurden dieselben wie aus 
einem vorgefundenen Diskus zu ersehen, von dem Tri- 
folium Iphitus aus Elas, Likurg aus Sparta und Kleosthenes 
aus Pisa, wieder in's Leben gerufen, geriethen aber noch- 
mals in Vergessenheit. Erst 108 Jahre später, oder 
448 Jahre nach dem trojanischen Kriege, oder 776 Jahre 
vor der gewöhnlichen Zeitrechnung trat mit dem Sieger 
Koröbus die dritte und sichere olymp. Zeitperiode ein. 



20 Qmtn ApioB I., 1, c) 

Von dieser Zeit an wurden die olymp. Sieger nicht nur 
in die öffentlichen Urkunden regelmässig eingetragen, 
sondern deren Daten von sehr berühmten Männern, wie 
Aristoteles, gesammelt, und zum Gegenstande gelehrter 
Untersuchungen gemacht. 

Was speciell die jüdische Zeitrechnung anbelangt, 
so ist dieselbe jetzt zwar fixirt, da sie von der Welt- 
schöpfung datirt, die nach jüdischer Tradition 3760 
Jahre vor der gewöhnlichen Zeitrechnung angesetzt vrird.. 
Doch ist diese Zeitrechnung ganz jüngeren Datums^ 
und gingen derselben viele andere voran, wie wir dies 
hier in aller Kürze zeigen werden. 

Die erste Spur einer biblischen Aera ist aus 
I. M. 9,28. 11,10 ersichtlich; es scheint, dass man die 
Sündfluth als einen solchen Zeitpunkt betrachtete, doch 
mag dieselbe bald durch die Zerstreuung der Mensehen 
nach dem babylonischen Thurmbau in Vergessenheit ge- 
rathen sein. Ob die Einwanderung Abrahams nach 
Canaan als eine solche Aera bei seinen Nachkommen 
angesehen wurde, worauf wenigstens H. M. 12, 41 hinzu- 
deuten scheint, wollen wir in Ermangelung anderer Be- 
weise dahingestellt sein lassen. Jedenfalls aber galt der 
Auszug aus Aegypten- als eine solche Aera (Jeruschalmi 
Eosch-Haschana I. Mechilta zu 11. M. 19, 1), wie dies 
aus mehreren Stellen (IV. M. 9, 1. 33, 38. V. M. 1, 3. I. 
Könige 6, j ) hervorgeht. Nicht minder galt die Eroberung 
des Landes als eine solche Aera (Sifri zu IV. M. 9, 1), 
wie dies aus der Einrichtung der Erlass- und Jubeljahre 
(III. M. 25, 2) wie von selbst verstehend sich darstellt. 
Nach der Erbauung des Tempels wurde wieder dieses 
Ereigniss als eine neue Zeitrechnung angenommen,. 
(Jeruschalmi. Mechilta und Sifri w. o.), wofür nicht 
minder sich Anhaltspunkte vorfinden (I. Könige 9, 10), wie 
wieder die Zerstörung desselben als eine frische gegolten 
fiEzekiel 40, 1). Nach der Rückkehr aus der babylonischen 
Gefangenschaft galt Anfangs die Eegierung der persischen, 
wie später die der griechischen Könige als Aera; letztere 
führte den Namen: Aera der Schriftdocumente, über deren 
Anfang jedoch Zweifel herrscht. Der Talmud (Aboda 



Ortgen Apion I., 2. O]^ 

-sara 9, a) nimmt als sicher an, dass dieselbe 380 Jahre 
vor der Zerstörung, aber erst nach dem Tode Alexanders 
begonnen, während andere Gelehrte, wie Abarbanel, die 
Aera mit der Besiegung Darius', also sechs Jahre früher 
eintreten lassen. Es soll nämlich der Hohepriester, der 
mit Alexander zusammengetroffen, ihm das Versprechen 
gegeben haben, die griechische Zeitrechnung einzuführen, 
welcher Ansicht auch Maimonides (Gittm I. 27) zu 
folgen scheint, da er ausdrücklich sagt, dass die Aera 
der Schrifkdocumente nach Alex. Kegierung zählt. Wahr- 
scheinlich ist dieser Irrthum von den Arabern herge- 
konmien, die diese Aera „Elkarnain* des Gehörnten nennen, 
womit gewöhnlich Alexander als Sohn des Jupiter Ammon, 
aber auch sein Nachfolger Seleucus, der Begründer dieser 
Aera, bezeichnet wird. Nur soll diese Aera erst 12 Jahre 
nach Alexanders Tod, als nämlich Seleucus Babylon er- 
oberte, begonnen haben. 

Diese Aera dauerte unter den Juden lange fort, be- 
sonders ausserhalb Palästinas, denn in Palästina selbst 
scheint man noch fort die Aera von dem Auszuge aus 
Aegypten, die mit Weglassung der 1000 Jahre mit der 
griechischen identisch war, gebraucht zu haben (Aboda 
sara 10, a). Erst einige Jahrhunderte nach der Zerstö- 
rung Jerusalems, als Hillel II. den jüdischen Kalender 
festsetzte, scheint die Aera von der Weltschöpfung sich 
eingebürgert zu haben, ohne jedoch für lange Zeit noch 
die griechische verdrängt zu haben, wie dies aus 
Maimonides (Kidusch Hachodesch XI, 16. Gittin 1, 27. 
Schemita X, 4) zu ersehen. 

2. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte liefert Josephus den Beweis, 
^ass das Griechenthum von jüngerem Datum, weil es 
noch zur Zeit des trojanischen Krieges die Buchstaben 
nicht kannte, und selbst Homer, dessen ältester Dichter, 
der aber jedenfalls nach der Zerstörung Trojas lebte, 
seine Dichtungen nicht schriftlich hinterlassen, sondern 
Woss mündlich überliefert. 



22 Gegen Apiott I., 2. 

Diese Angabe wird allgemein angenommen, und zwar 
sind die Beweise aus Homer selbst zu liefern: 

1) Alle wichtigen Lebensberufe, besonders aber alle 
nützlichen Künste werden von Homer mit himm- 
lischen Eepräsentanten, die ihren Sitz auf dem Olymp 
haben, versehen, so z. B. Apollo, der seine Harfe 
zum Gesänge der Musen stimmt (H. I. 603). Die- 
Schreibekunst jedoch, die eine der erhabensten imd 
wichtigsten Erfindungen, geht leer aus, sie vertritt 
keine Muse, mit ihr brüstet keine Gottheit sieh. 

2) Während der ägyptische Thot, als Erfinder der 
Buchstaben, seine Gesetze auf Tafeln zurücklässt,. 
findet sich dies von einem griechischen Orakel bei 
Homer nirgends vor. Zeus und Minos überliefern 
ihre Gesetze nur durch mündliche Sagen, (Odyss. XI.- 
569. XIX. 179). 

3) Es geschieht in Homer oft Erwähnung des Sängers^ 
*der mit Kunst die Geschichte meldet (Od. XL 368), 
ebenso wird der Gedankenfiug (II. XV. 80, Od. VH. 36)^ 
wie auch der täuschend nachahmende Traum 
(B. XXII. 199) rühmend gepriesen. Doch 'die 
Schreibekunst wird von unserem Dichter nirgends 
erwähnt, obwohl die Festhaltung des Gedankens 
durch die Schrift, das bewährteste Mittel zur üeber- 
lieferung an die Zukunft, ein nicht minder beachtens- 
werthes Moment ihm hätte sein müssen. 

4) Die Grabmale lässt Homer von den Nymphen mit 
Ulmen umpflanzen (IL VI. 419). Das Grabmal des 
Achilles, Patroklos und Antilochus wird hoch er- 
richtet, damit es fern sichtbar zur Kunde für Mit- 
und Nachwelt sei (Od. XXIV. 83). Hector kleidet 
die Grabschrift in Worte, welche kommende Schiffer 
sich wiederholen werden (IL VII. 89). Doch findet 
sich nirgends in Homers Schriften, dass einem Grab- 
male eine kurze Inschrift zum Andenken für die 
Nachwelt beigefügt worden wäre. 

Wenn jedoch Plinius (XIIL 11) angibt: „PugiUarium 
usum fuisse etiam ante trojana tempora invenimus apud 
Homerum", so miiss hierunter eine Art Hieroglyphen ge- 



Gegen Apion I., 8. 23 

meint sein, wo durch Bilder und Zeichen etwas angezeigt 
wurde. Indess spricht Plinius anderseits (hist. nat. VII. 57) 
von Buchstaben selbst, die schon zur Zeit des trojanischen 
Krieges in Griechenland bekannt gewesen. Die Stelle 
lautet: Die Buchstaben scheinen von jeher in Syrien im 
Gebrauche gewesen zu sein. Einige glauben, dass die 
Erfindung. von Merkur zu den Aegyptern gebracht wurde, 
nach Griechenland aber hat sie später der phönizische 
Xadmus in der Anzahl von 16 gebracht, zu denen Polo- 
medus im trojanischen Kriege 4, später Simonides eben- 
soviel beigefügt, nach Aristoteles waren sie ursprünglich 
18 in der Zahl. 

Alte astronomische Aufzeichnungen der Babylonier 
hingegen, die Berosus citirt, liefern den Beweis, dass die 
Buchstaben in Babylon von jeher im Gebrauche waren. 
Um diese Notiz des so kundigen Alterthumsforschers mit 
obiger Angabe des Josephus auszugleichen, müssen wir 
annehmen, dass das ursprünglich von Kadmus bei den 
Griechen eingeführte Alphabet entweder wegen seiner 
Mangelhaftigkeit nicht zum allgemeinen Gebrauche ver- 
werthet werden konnte, oder wurde dasselbe, wie dies 
überhaupt ein Charakterzeichen der Alten war, als ein 
Staatsgeheimniss aufbewahrt, und hatte es lange Zeit ge- 
dauert, bis dasselbe Gemeingut geworden, wie Aehnliches 
mit den ägyptischen Hieroglyphen der Fall war. Wir 
wollen hier auf ein Beispiel aus dem Talmud (Joma 
p. 38, b) hinweisen. Ben Kamza, heisst es daselbst, be- 
sass die Kunst, die vier Buchstaben des Gottesnamens 
mit einem Zuge zu schreiben, was er jedoch Niemanden 
mittheilen wollte. Es war dies wahrscheinlich eine Art 
Typographie; Geheimthuerei in allen Branchen des Lebens 
war ein Charakterzug des Alterthumes. -Dass der Buch- 
stabenkunde ein sehr hohes Alter beizulegen , darin 
stimmen alle Alterthumsforscher überein. Nach der jüd. 
Tradition (Pessachim p. 54 a. Spr. d. Y. V. 6) wurde 
die Schrift gleich mit der Entstehung des Menschen, d. h. 
mit seiner Fähigkeit zu sprechen, unmittelbar von Gott 
selbst erschaffen, was eigentlich nichts mehr als deren 
hohes Alter bezeichnen will. Merkwürdig ist, dass auch 



24 Gtgen ApioB I., S. 

Ibu-Esra in einem berühmten Gedichte über die vier 
ruhenden Buchstaben dieser Tradition folgt; eine Strophe 
daselbst lautet: Am Tage, da Gott den Menschen schuf, 
brachte er auch diese hervor. Da hier von den quies- 
cirenden Buchstaben die Bede, die nur in der Schrift 
sichtbar, aber im Sprechen unvemehmlich, so muss na- 
türlich hier von deren Verwendung in der Schrift die 
Bede sein. Nach Pseudo -Jonathan (L M. 11, 8) wäre die 
Entstehung der Schrift gleichzeitig mit der babylonischen 
Sprachverwirrung hervorgegangen, während wieder Josephus 
(Ant. I. 2, 3) nach einer alten Tradition schon Adam sie 
zueignet. Nach Eusebius (pr. e. IX. 26) haben die Israeliten 
die Schrift von den Aegyptern erlernt, von den Israeliten 
wieder die Phönizier, welche sie den Griechen über- 
brachten. Moses setzte die Buchstabenkunde unter den 
Israeliten voraus (E. M. 17, 44. 24, 4. 34, 27. IV. 5, 23. 
11, 27. 17, 17. 33, 2. V. 6, 9. 17, 18. 24, 1. 27, 3). In der 
Genesis finden wir jedoch keine Spur davon; hingegen 
in Aegypten finden wir jüdische „Schotrim* (11. M. 5, 14), 
was die Septuaginta mit Schreiber übersetzt, was auch 
in dem talmudischen „Schetar*, Schriftdocument, eine 
Analogie findet. Merkwürdig ist die Streitfrage im 
Midrasch (Mechilta zu II. M. 18,6), ob Jethro dem Mose» 
durch einen Boten oder durch einen Brief die Kunde von 
seiner Ankunft mitgetheilt hat. Letzteres scheint mehr 
im Wortlaute zu Uegen, weil man doch durch einen 
Boten nicht sagen lassen kann: „Ich**, dein Schwäher 
komme, dass aber das 'Zeitwort Sagen für Schreiben ge- 
braucht werden kann, ist aus n. Chr. 2, 10 zu ersehen. 



3. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte citirt Josephus unter vielen an- 
deren griechischen Schriftstellern, denen wegen ihres gegen- 
seitigen Widerspruches nicht viele Geschichtstreue zuzu- 
muthen, auch Hesiodos, diesen zweiten grössten Dichter 
Griechenlands, dessen Alter zwar ungewiss, und nach 
Einigen (Voss mytholog. Briefe 11.12) mit einem Jahr- 



G«;en Api«n L, S. Og 

Inmderte jünger, nach Anderen (Plut. sept. Sap. 16) ein 
Zeitgenosse, und wieder nach Anderen (Ephoros) mit einem 
Jahrhunderte älter als Homer gewesen sein soll, der aber 
ebenfalls nichts Schriftliches zurückgelassen. Hesiodoa, 
ein Zeitgenosse des Propheten Samuel, galt als Repräsen- 
tant einer eigenen Sänger- und Dichterschule, und so 
entstanden durch diese zwei grossen Dichter zwei ver- 
schiedene Schulen, die homerische oder jonische und die 
hesiodische oder pierische. Die eine war nach ihrem 
Vorbilde Homer episch-historisch, die andere wieder 
^isch-didaktisch. 

Ebenso unterschieden sich die Anhänger dieser beiden 
Schulen in ihrer Vortragsweise von einander. In der 
Homerischen Schule wurden die Gesänge nie anders als 
in Begleitung der Harfe (Phorminx) vorgetragen; die 
hesiodische Vortragsweise aber geschah mit Beseitigung 
eines jeden Musikinstrumentes, nur durch die Handhabung 
eines Stabes, der gleichsam als Taktirstock den Vortra- 
genden zur Hebung der eigenen Stimme, wie den Zuhörer 
zur Begeisterung animiren sollte. Solche Declamatoren 
führten den Namen Rhapsoden (Stockschwinger von ^oß^o«), 
und erhielt zu diesem Behufe jeder, der in öffentlicher 
Versammlung als Redner auftrat, einen Stock (Od. I. 153, 
n. 37. IL XXII. 568). Auch in der althebräischen Poesie 
finden sich Anklänge dieser zwei verschiedenen Vortrags- 
weisen vor. Während die in Begleitung eines Musik- 
instrumentes auftretenden Dichter Sänger Messen (Koheleth 
2,8 I. Chr. 15,19), führten die unter Stockschwingungen 
declamirenden Redner den Namen Soferim (vielleicht von 
der Zählung des Tactes und der Stockschwingungen), 
die Dichter selber, d. h. die eigentlichen Verfasser, Messen 
Mechokim. Hiernach würde die so dunkle Stelle in dem 
iilten Gesänge der Debora (Richter 5, 14. 15) also lauten : 

Von Machir kamen Dichter herbei, wie von Sebulon 
die stockschwingenden Soferim, auch aus Isachar eilten 
Sänger zu Debora herbei, d. h. alle Vertreter der Dicht- 
kunst wetteiferten mit einander, den Sieg der Profetin 
2u feiern. Eben in diesem Sinne möchten wir eine 
andere Stelle (I. M. 49, 10) erklären : Der Stockschwin- 



2Q Gegen Apion I., 4, v. 5. 

ger (Bhapsod) weiche nie aus Jehuda, noch der Dichter 
von seinen Füssen. Es würde hier mehr auf die gei- 
stige Potenz des Stammes Jehuda, als auf die weltliche 
Macht angespielt sein. Sollte nicht etwa durch Zurück- 
lesung aus dem hebräischen Sofer mit Anhängung eines 
d wie bei Nimrod das griechische Wort ,Rhapsod" ent- 
standen sein? 

4. und 5. Abschnitt. 

In diesen beiden Abschnitten weiset Jos. nach, wo- 
her die Widersprüche unter den griech. Schriftstellem 
entstanden und gibt dafür zwei Gründe an, erstens haben, 
dieselben nur spät ihre Geschichte aufzuzeichnen begon- 
nen, den Aufzeichnern der Geschichte ist mithin die 
Autopsie, die zur Eruirung der Wahrheit so nothwendig, 
abgegangen. Zweitens trachteten die griech. Schrift- 
steller nach Art und Weise der Dichter mehr nach ßedner- 
ruhm und öffentlichen Auszeichnungen als nach Wahrheit. 

Diese Angabe wird auch von Plato (Fiat, in Tim. V) 
bestätigt, dass die Griechen in der Alterthumskunde nur 
Neulinge waren. Ebenso nennet Aristoteles (Arist. Po- 
lit. V. 10) die griech. Geschichtschreiber Fabeldichter. 
Auch Strabo (I.) galten die älteren griech. Geschicht- 
schreiber blos als Dichter, die allen Ereignissen einen 
dichterisch-fabelhaften Anstrich zu geben suchten. Merk- 
würdig ist auch eine talmudische Charakterisiruug ver- 
schiedener Sprachen und darunter auch der griechischen. 
Vier Sprachen, lautet die Stelle (Jeruschalmi Megüla I p. 
71, b) gibt es, die für die menschliche Gesellschaft tau- 
gen, die römische zum Kriegscommando, die syrische zu 
Klageliedern, Elegien, wahrscheinlich weil die syrischen 
Völker als Besiege stets Klagelieder anstimmten, die 
hebräische als Gebetsprache und endlich die griechische 
im Gesänge, d. h. in Fantasie und Dichtung. 

Wenn wir Jos. genau studiren, so werden wir aus 
allen seinen Schriften trotz seiner feinen griech. Bildung 
einen Hass, eine Abneigung gegen das Griechenthum 
herausfinden, während er mehr als gebührend von Preia 



G«ge& Apion L, 4. n, 5. OT 

und Herrlichkeit gegen alles Bömisclie überströmt. Mag- 
wohl sein, dass das Griechenthum zu seiner Zeit auf 
einer sehr niedrigen Stufe sich befand und keine Spur 
mehr von seiner frühern Grösse bekundete, aber auch 
Eom stand nicht höher und verdiente keinen geringem 
Tadel. Das Urtheil der talmudischen Lehrer jedoch ist 
in dieser Beziehung verschiedenartig, je nach der Stel- 
lung, wie auch nach der Zeit, in der sie lebten. Der 
Hass und die Abneigung gegen Som ist da allgemein 
und vorherrschend bis auf wenige Ausnahmen ; in Betreff 
des Griechenthumes aber divergiren die Ansichten. All- 
gemein lautet ein Ausspruch: In drei Dingen hat das 
Griechenthum vor den Römern einen Vorzug, in Betreff 
der Staatsgesetze, der mündlichen Sprache und der 
Bücherschrift. (Babba zu I. M. P. 16). Dieses Urtheil 
wird jeder Kenner des Griechen- und Römerthums als 
richtig annehmen. Waren es ja die Griechen, von denen 
die Römer ihre ersten Gesetze in den zwölf Tafeln ent- 
lehnten, ebenso häufig reisten römische Gelehrte nach 
Griechenland, oder wurden griech. Gelehrte nach Rom 
berufen, um am letzteren Orte die Cultur und Zivilisa- 
tion zu fördern. Ein anderes ganz ähnliches Urtheil lau- 
tet wie folgt: Eine bibl. Stelle (I. M. 9, 27) wird vom 
Talmud (Megilla p. 9, b) zu Gunsten der griech. Sprache 
in folgender Weise erklärt: Das, was Jafet am meisten 
ziert, seine Sprache, finde Eingang in den Zelten Sems, 
nämlich durch die griech. Uebersetzung der Bibel. Da- 
gegen wird die Verächtlichkeit des I^rofeten (Obadja 1, 2) 
Edom, d. h. Rom gegenüber, damit motivirt, weil es keine 
civilisirte ' Sprache und keine eigenthümliche Schrift be- 
sitzt. (Aboda-sara p. 10, a). Besondere Gönner des 
Griechenthums waren die Patriarchen aus dem Hillerschen 
Hause. So lehrte R. Simeon ben Gamliel, Patriarch 
während der Belagerung Jerusalems, dass die heilige 
Schrift in keine andere Sprache als in die griechische 
übersetzt werden darf (Megilla p. 8, b), weil, wird im 
Jerusalem. Talmud (zur Stelle) beigefügt, keine andere 
Sprache den Sinn der heiligen Schrift so treu zu geben 
im Stande sei. Unsere Familie, äussert sich derselbe 



•Og Oegen Apion I., 4. iL 5. 

andererseits (Sota 49 , b) besass tausend scbolf&hige 
Jünglinge, von denen 500 der hebr. und 500 der griech. 
Literatur sich zugewendet. Ebenso günstig gegen das 
Griechenthum zeigte sich E. Jehuda, der Heilige. Wozu, 
ruft derselbe aas (Baba kama p. 83, a), braucht man in 
Palästina der syrischen Sprache, entweder soll da hebräisch 
^)der grichiscli gesprochen werden. Ebenso gänstig war 
er auch dem Eömerthum; den Ausspruch des Profeten 
(Obadja 1, 18), es wird kein tfeberrest von Esau, d. h. 
von Born bleiben, sucht er mildernd dahin zu deuten, dass 
dies nur in dem Falle, wenn Esaus Thaten geübt und be- 
folgt werden (Aboda-sara p. 10, b). Indess gibt es auch an- 
dere Gelehrte, die weder dem Eömer- noch dem Griechen- 
thume sich so günstig zeigten. Als bei der Belagerung 
Jerusalems unter Pompejus in Folge des Bruderzwistes 
zwischen Hyrkan und Aristobul der tägliche Opferdienst 
im Heiligthume gestört war und man sich genöthigt sah, 
zu den Belagerern wegen Opferthiere seine Zuflucht zu 
nehmen, reichten diese auf Anstiften eines Philhellenen 
ein Schwein dar. Bei dieser Gelegenheit, lautet eine alte 
Tradition im Talmud (Baba-kama p. 82, b; Menachoth 
p. 64, b), soll das Griechenthum, d. h. dessen Sprache und 
Literatur in Bann gelegt worden sein. Ein ähnliches 
Verbot gegen die Beschäftigung mit der griech. Sprache 
erfolgte wieder später bei der Belagerung Jerusalems 
durch Titus (Sota p. 49, a), ohne jedoch dass dieses 
Verbot irgendwie motivirt wird. Ben-Dima, einer der 
ansehnlichsten Einwofiner Jerusalems, fragte einst seinen 
Onkel B. Ismael, den letzten Hohenpriester, ob es ihm, da 
er sich mit der göttlichen Lehre hinlänglich befasst, nun 
gestattet sei, sich auch mit dem Griechischen zu beschäf- 
tigen? Warum nicht, lautete die Antwort; aberdumusst 
dir eine Zeit wählen, wo weder Tag noch Nacht ist, 
denn es heisst (Josua 1, 8) : Es weiche dieses Buch der 
Lehre von deinem Munde nicht, forsche darin Tag und 
Nacht (Menachoth p. 99, b). Wahrscheinlich war dieses 
Verbot gegen das Griechische als Mittel gegen die Ver- 
breitung der Christi. Lehren gerichtet, die eben um diese 
Zeit in der griechischen Sprache verbreitet wurden. 



Gegen Apion I., 7, a) OQ' 

7. Abschnitt. 

a) Hier spricht Jos. über dieEeinheit der priesterlichen 
Ehen. Derjenige, der an der Priesterwürde theilnahm,. 
durfte nur ein Weib und auch nur aus demselben Volke 
ehelichen. Jos. sagt zwar nicht, von welchem Priester, 
ob vom gemeinen oder dem Hohenpriester diese Kegel 
gegolten. Diese zwei Grade der verbotenen Ehe, nämlich 
Polygamie und eine Ausländerin, kommen in der Schrift 
nicht vor, die (III. M. 21, 7) 'nur folgende drei Verbote: 
eine Buhlerin (Sona), eine Entweihte (Chalola) d. h. die 
aus einer priesterlich verbotenen Ehe hervorgegangene 
Frucht, und endlich eine Geschiedene kennt, wozu für 
den Hohenpriester als vierter Grad eine Witwe kommt. 
Indess weiss die Tradition noch von vielen andern ehe- 
lichen Verboten zu sagen, nämlich mit einer Proselytin, 
Sklavin und Gefangeneu (Maimonides- Isur-biah XVIII. 3, 
17), wozu Jos. (Ant. III. 12, 2) noch eine Gastgeberin 
betfugt, mithin kennet Jos. gegen Talmud und Tradition 
zwei eheliche Verbote mehr, die Polygamie und eine 
Gastgeberin. Wie Jos. auf das Verbot einer Gastgeberin 
gekommen, ist dadurch zu erklären, dass er den hebr. 
Ausdruck »Sona" in der weitesten Bedeutung aufgefasst. 
Nun wird dieses Wort vom chald. Uebersetzer an meh- 
reren SteUen (Bichter 11, 1, 16, 1. I. Könige 3, 16, Eze- 
Mel 23, 44) durch Gastwirthin gegeben, eine Erklärung 
die von Jos. selbst zu Josua 2, 1 acceptirt wird (Ant. 
V. 1, 2, 7) und die auch mit einer jüdischen Tradition 
(Megilla p. 14), dass Josua die Bahab geheirathet und 
dass in der Folge aus dieser Ehe acht Priesterpropheten 
und eine Prophetin hervorgegangen, besser übereinstimmt, 
als wenn wir die Bahab für eine Hure halten. 

Indess stehen dieser Erklärung an beiden Stellen 
(in. M. 21, 7. Josua 2, 1) sowohl der Talmud als die 
Septuaginta entgegen, die den Ausdruck Sona mit Buh- 
lerin geben, (Sebachim p. 116, b). Einen ähnlichen Streit 
rief derselbe Ausdruck auch an einer andern Stelle (I. 
Könige 22, 38) hervor; alle sonstigen Uebersetzer geben 
dieses Wort mit Waflfe, Gürtel und Zügel, während der 



30 Gegen Apion L, 7, a) 

Talmud (Sanhedrin p. 39, b) wie auch Jos. (Ant. VIH. 
15, b) übereinstimmend mit der Sept. durch Buhlerin 
geben. 

Was aber das zweite Verbot der Polygamie anbe- 
langt, so stimmt wohl in Betreff des Hohenpriesters 
Maimonides damit überein (Isur-biah XVII. 13), woge- 
gen jedoch der Glossator Kabad, auf den Hohenpriester 
Jojada sich berufend, von dem es heisst (II. Chr. 24, 
3), dass er zwei Frauen geheirathet, opponirt. Die Commen- 
tatoren suchen Maimonides damit zu rechtfertigen, dass 
Jojada diese zwei Frauen nach einander, d. h. die zweite 
nach dem Ablfeben der ersten geheirathet. Allein der 
hebr. Text lässt noch einen zweiten Sinn zu, nämlich: 
Jojada nahm für ihn, nämlich den unmündigen König 
Joas, zwei Frauen, eine Erklärung die schon Jos. (Ant. 
IX. 7, 5) bringt. 

Aehnliche eheliche Verbote für Priester kommen 
auch in der Gesetzgebung anderer Völker vor. So berich- 
tet Diodor (I. 80), dass bei den Aegyptem, wo Polyga- 
mie gestattet war, was zwar Herodot (IL 92) widerspricht, 
die Priester jedoch nur eine. Frau heirathen durften. Philo 
behauptet wieder, dass der Hohepriester nur aus^ priester- 
lichem Stamme heirathen konnte. Im selben Sinne kann 
es auch Josephus meinen, dass der Priester aus selbem 
Volke, d. h. aus eigenem Stamm ehelichen muss, wahr- 
scheinlich haben beide die Stelle (III. M. 2l, 14): Son- 
dern eine Jungfrau aus seinem Volke nehme er zur Frau, 
dahin erklärt, dass unter „Volk'' der Stamm gemeint 
sei, was auch aus der Septuaginta hervorzugehen scheint, 
jdie hier das Wort Volk mit ^evo« und nicht wie in Vers 
1 mit eO-vo« gibt. (Vergl. Vulgata v. 15). Auch die 
schwierige Stelle des Profeten (Ezek.44, 22): „Eine Witwe, 
die von einem Priester zurückgeblieben, dürfen sie, die 
Hohenpriester, heirathen" würde eine Stütze zu dieser 
XJebersetzung liefern. Sollte etwa nicht an dieser Stelle 
das Wort „Bruder" weggelassen sein und dieselbe ur- 
sprünglich gelautet haben: Die als Witwe vom Bruder- 
priester zurückgeblieben, dürfen sie als Leviren heirathen? 



Oegen Apion I., 7« b) 91 

Hiemit würde auch der von der Mischna (Jebamoth 
p. 61) citirte Fall, dass der Hohepriester Josua bea 
Gamla eine Witwe geheirathet, seine natürliche Erklärung 
finden. *) Noch kennt der Talmud zwei rabbinische 
eheliche Verbote für gemeine Priester, eine Chaluza, d. h. 
-eine kinderlos gebliebene Witwe, die vom Levir zurück- 
gewiesen worden (Jebamoth p. 84, a), und dann die 
Tochter einer Proselytin (Bikurim I. 5). Es ist auffallend, 
wie der Talmud so unlogisch stets die Chaluza, was nur 
^in rabbinisches Verbot , mit der biblisch verbotenen 
Oeschiedenen. zusammenstellt? (Vergleiche Tossaphothzn 
Makkoth p. 13, a). Es scheint, dass hier ein Irrthum 
obgewaltet; wahrscheinlich stand in den alten Talmud- 
exemplaren das biblische Chalola (lU. M. 21, 7) abge- 
kürzt Chal', was aus Unkenntniss für Chaluzu genommen 
wurde. (Vergl. Mischne-lemelech, Isur Biah XVII, 7). 
In Betreff des zweiten obenerwähnten rabbinischen Ver- 
botes , bemerkt schon der Jeruschalmi (Bikurim p. 64, a), 
dass diese Mischna nicht halachisch, d. h. nicht rechts- 
gültig; in der Kegel dürfen wohl Priester die Töchter 
von Proselyten heirathen, nur haben sie selber diese 
Strenge unter sich eingeführt, um ihre Herkunft in ganz 
besonderer Reinheit zu bewahren. Ist aber eine solche 
Ehe vor sich gegangen, fügt der babyl. Talmud (Kidu- 
schin p. 78, b) bei, so wird dabei auf keine Scheidung 
gedrungen. 

bj Fn diesem Abschnitte macht Josephus in Betreff der 
priesterlichen Ehe folgende Angaben: Jeder Priester 
musste bei seiner Verehelichung den Stammbaum der 
zu wählenden Frau untersuchen, diese Anordnung galt 
nicht blos in Judäa, sondern auch in Babylon und Aegyp- 
ten ; endlich wurden die auswärtigen Stammregister 
nach Jerusalem gesandt und da abermals einer genauen 



1 

I 

4 



*) Nach dem Talmnd ist es zwar dem Hohenpriester verboten, 
eine Leviratsehe einzugehen. Allein wie aus Josephus (Ant. XIII, 
12,1, Krieg 1.4) zu ersehen, so hat der Hohepriester-Eönig Alexan- 
der die Witwe seines Bruders geehelicht, ohne dass die rharisäer 
den ans dieser Ehe hervorgegangenen Hohenpriester Hjrkan II. in 
seiner Legitimität angegriffen. 



gO 6«gen ApioB I., 7. ^) 

Prüfung unterworfen. Diese Angaben werden sowohl yon 
der Bibel als vom Talmud bestätigt. Schon Nehemias 
(Nehem. 7, 65. Esra 2. 62) suchte alle jene vom Priester- 
fhume auszuschliessen , die sich über ihre Abstammung 
nicht auszuweisen vermochten. Es wurde überhaupt im 
jüdischen Volke von jeher auf die Anlegung von Stamm- 
registern sowohl für Laien als Priester ein sehr hohes 
Gewicht gelegt und scheint diese Einrichtung schon von 
Moses (IV. M. 1, 18) herzurühren, ebenso blieb dieselbe 
auch später unter den Königen (I. Chr. 5, 17) fortwäh- 
rend im Gebrauche. Nach einer alten Tradition im 
Talmud (Kiduschin p. 76, b) nahm sogar König David 
eine Purification in seiner Kriegsarmee vor und mussten 
sich alle seine Krieger durch Geburtsregister über ihre 
Abstammung ausweisen. Die Anlegung von Stamm- 
registern für Priester und Leviten unter König Ese- 
kias wird ausdrücklich erwähnt (IL Chr. 31, 16— 18)t 
deren Ausführung den Schoterim zukam, und schien eine 
ähnliche Beschäftigung währen* der Kegierungszeit Beha- 
beams dem Profeten Ida zugefallen zu sein (11. Chr. 12, 
15). üeber die Wichtigkeit dieser Stammregister 
spricht sich der Midrasch (Jalkut zu IV. M. 1, 18) in 
folgender Weise aus : Als der Herr am Sinai seine Lehre 
Israel ertheilte, da traten die Völker der Erde mit der 
Forderung auf, dass der Herr seine Lehre auch ihnen 
ertheile. Gott jedoch erwiderte : Bringet mir euer 
Pamilienregister herbei so wie Israel; schauet, wie dieses 
Volk trotz seiner vierhundertjährigen Sklaverei in Aegyp- 
ten dennoch sein Familienleben rein bewahrt und treue 
Geburtsregister geführt , eine Frau fröhnte der Unkeusch- 
heit mit einem Fremden und dies ward öffentlich bekannt- 
gegeben (III. M. 24, 10). Könnet auch ihr euch damit 
ausweisen ? Habt ihr Stämmregister angelegt, das Fami- 
lienleben in Reinheit geführt? Als die Völker dies hörten, 
ti*aten sie beschämt zurück. Was speciell obige Angaben 
des Josephus anbelangt, so heisst es in einer Mischna 
(Kiduschin IV. 4) wie folgt: Wenn ein Priester die 
Tochter eines Priesters heirathet, so muss er, auf dass 
seine Nachkommen des Pries terthumes fähig seien, nach 



Gegen Apion I., 7, b) go 

vier Müttern von beiden elterlichen Seiten sich genau 
erkundigen, bei der Tochter eines Leviten oder Israeliten 
wird noch ein fünfter Grad zur Untersuchung beigefügt. 
Eine andere Mischna (Ende Midoth) lautet wieder: In 
der Quaderhalle hatte das grosse Synhedrin seine Sitzun- 
gen und richtete da die Priesterschaft. Ein Priester, an 
dem eine Verwerflichkeit in Betreff seiner Abstammung 
sich befanden, legte allsogleich schwarze Kleider an und 
ging hinaus, wer aber makellos befunden wurde, der 
hüllte sich in weisse Gewänder, ging in die Priesterhalle 
ufid versah den Priesterdienst, es wurde demselben ein 
Fest bereitet, dass in den Nachkommen Ahron's kein 
Makel sich vorfand. Man stimmte zugleich folgende 
Hymne an: Preis dem Allerhöchsten, der Ahron und 
dessen Nachkommen erwählt und sie in Keinheit bewahrt. 
Ebenso richtig ist die andere Angabe des Josephus, dass 
diese Sorgfalt in Betreff der Priesterfamilien nicht nur 
in Jerusalem, sondern auch in Aegypten und Babylon 
gehegt und gepflegt wurde. Eine Stelle im Talmud 
(Kelfiuboth p. 25, a) lautet: Wer öffentlich den Priester- 
segen ertheilt, wird als echter Priester der Abstammung 
nach betrachtet, weil bei einem sonstigen Zweifel das 
Gericht dies nicht zugelassen, K. Simeon ben Gamliel 
vindicirt dieses Eecht auch der Stadt Alexandrien in 
Aegypten, weil auch dort ein stetiges Gericht die Auf- 
sicht ü)3er die Eeinheit des Priesterstammes hält. Von 
dem Babylonier Hillel ist bekannt, dass er Geburts- 
register aus seiner Heimat nach Palästina gebracht 
(E^duschin p. 75). Wie Hillel dazu gekommen und 
welche Veranlassung ihn dazu bewogen, haben wir be- 
reits andererseits (Talmud Forschungen, Ben Chananja 
1867, Nr. 22) nachgewiesen und wollen wir hier Folgen- 
des in der Kürze mittheilen. Da Babylon zur Zeit Esras 
aJs Stammort für die Einwanderer nach Judäa gegolten, 
so wurde eine babyl. Herkunft, d. h. der Ausweis, dass 
man seine Abstammung bis zu den babylonischen Gefan- 
genen zurückzuführen vermag, sehr geschätzt, ja selbst 
die Herodianische Eönigsfamilie , die bekanntlich eine 
idumäische war, strebte mit aller Sehnsucht nach dieser 



^A Gegen Apion, I., 7, c) 

Ehre, so dass der Historiograph derselben, Nikolaus aus 
Damaskus, wirklich den Versuch machte, ihre Abstam- 
mung aus Babylon herzuleiten (Josephus Ant. XIY. 1, 3). 
Der Versuch scheiterte jedoch, die Unterschiebung stiess 
auf Widerstand beim Volke ; da liess Herodes, um jeden 
Gegenbeweis zu vernichten, alle Geschlechtsregister im 
Tempel verbrennen. (Euseb. Kircheng, I, 7. 5. Sachs 
Beit. IL 156, Grätz III. 200 Anm. 3). Um diesen für 
die Genealogie des jüdischen Volkes so unermesslichen 
Schaden gut zu machen, machte wahrscheinlich HiUel, 
das religiöse Oberhaupt der jüdischen Nation um diese 
Zeit, eine Heise nach seinem Geburtslande Babylon und 
brachte eine Abschrift der dort noch vorhanden gewe- 
senen Stammregister mit; es sind wahrscheinlich diesel- 
ben, die im Talmud ( Jebamoth, p. 49. Kiduschin p. 78) 
häufig untei; dem Namen MegiUath Jochsin vorkommen. 
Es geht daraus hervor, dass diese Stammregister nicht 
blos für die Priester, als welcher Herodes gewiss nicht 
angesehen sein wollte, sondern fQr alle jüdische Familien 
geführt worden sind. 

c) Wurde eine Stadt mit Krieg bezogen, föhrt Jos. 
in unserm Abschnitte fort, so prüfen dann die Priester 
die vorhandenen Frauen, denn jene, die Kriegsgefangene 
waren, werden nicht mehr zu ihren Mänijern zurück- 
gelassen wegen des Argwohnes, sie könnten mit Fremden 
Umgang gepflogen haben. Hier folgt Josephus ganz der 
Tradition und stimmt vollkommen mit den Angaben des 
Talmud überein. Eine Mischna (Ketuboth p. 27 a) lau- 
tet wie folgt: Wenn eine belagerte Stadt von Feinden 
erobert worden, so sind alle darin befindlichen Priester- 
frauen für ihre Männer untauglich, ausgenommen wenn 
Zeugen da sind, dass dieselben nicht verunreinigt sind 
worden. K. Secharja ben Kazab, einer der ansehnlich- 
sten Priester in Jerusalem, legte zur Zeit der Belage- 
rung vor Gericht in Betreff seiner Frau folgenden Schwur 
ab: Beim heiligen Tempel betheure ich, dass ihre Hand 
nicht gekommen ist aus meiner Hand als bis die in Je- 
rusalem eingedrungenen Feinde wieder herausgezogen. 
Man gab ihm jedoch zur Antwort, dass Niemand für sich 



Oegen Apion I., 7, c) OK 

selbst Zeugniss ablegen könne, was auch hier der Fall, 
da er in eigener Angelegenheit aufgetreten. Auf die Frage, 
wie es denn den Priestern möglich gewesen, ihre Frauen 
zu behalten, da Jerusalem sechsmal belagert und erobert 
worden (Josephus Krieg VI. 10, 1), lässt sich erwidern, 
dass es in Jerusalem viele verborgene Schlupfwinkel gab, 
wohin wahrscheinlich die Priesterfrauen zlir Zeit der 
Belagerung sich begaben (Ketuboth p. 27, a). Diese 
Strenge in Betreff der Priesterfrauen war auch eine der 
Ursachen von dem Zerwürfnisse der Pharisäer mit dem 
regierenden Priesterhause der Hasmonäer und bahnte den 
Weg der herodianischen Familie zum jüdischen Throne. 
Das traurige Ereigniss hat uns sowohl der Talmud (Ki- 
•duschin p. 66, a) als auch Josephus (Ant. XIII. 10, 5) 
aufbewahrt. Jochanan Hyrkan kam nämlich von einem 
Kriege zurück, in dem er nach Angabe des Talmud 60 
Städte erobert, er veranstaltete ein grosses Gastmahl, zu 
dem er die vornehmsten Oesetzeslehrer, sowohl Saduzäer 
als Pharisäer einlud. Bei der Tafel stellte er die Frage 
an sie, ob er nicht ganz treu dem Gesetze lebe. Die 
Pharisäer gestanden dies gerne ein, doch erhob sich ein 
Greis aus ihrer Mitte mit dem Ausrufe: Du hast genug 
an der Herrscherkrone, lass die Priesterkrone für die 
ächten Nachkommen Ahrons, denn es läuft die Sage, 
dass deine Mutter bei der Ero})erung Modins (Familien- 
ort der Hasmonäer I. Makkab. 2, 15) eine Gefangene 
war. Hierauf forderte, nach Jos., Hyrkan die Pharisäer 
auf, ihm Genugthuung far diese Schande an dem Belei- 
diger zu verschaffen, die aber keine andere Strafe als 
Geisseihiebe aussprachen. Hyrkan, darüber erzürnt, fiel 
von den Pharisäern ab und huldigte dem Saduzäismus, 
(Vergl. Berachoth p. 29, a). Derselbe Streit zwischen 
Pharisäern und Hasmonäern brach noch einmal später 
unter Hyrkans Nachkommen, König Alexander aus , den 
das Volk am Laubhüttenfeste bei seiner Amtirung als 
Hoherpriester im Tempel mit den Festeitronen steinigte 
und mit dem Vorwurfe: Sohn einer Gefangenen, über- 
häufte. (Jos. Ant. XIII. 13, 5. Vergleiche Succa p. 48 
b). Dieser Aufstand hat 6000 edeln Männern unter den 
Pharisäern das Leben gekostet. 3* 



3g Geg^en Apion I., 8« a) 

8. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte gibt Josephus über die Bibel 
und deren Eintheilung Folgendes an: 1. Die Bibel ent- 
hält 22 Bücher. 2. Diese 22 Bücher werden in drei 
Hauptclassen, in das Gesetz Mosis, in die Propheten und 
in sonstige Bücher, Loblieder auf Gott und Lebensregeln 
für die Menschen enthaltend, eingetheilt. 3. Das Gesetz 
Jilosis besteht aus 5, die Propheten aus 13 und die übri- 
gen Schriften aus 4 Büchern. 4. Mit Artaxerses, der 
nach Josephus die Ester geheirathet, hat das prophetische 
Zeitalter aufgehört und wurde die heilige Schrift beendet,, 
die später entstandenen Bücher haben nicht dieselbe 
Heiligkeit. Wir wollen hier diese 4 Punkte in vier ab- 
gesonderten Abhandlungen etwas genauer erörtern. 

a) Die Anzahl von 22 Büchern hat nicht blos Jos.. 
sondem die viel spätem Kirchenväter haben diese Zahl 
beibehalten, obwohl sie mehr Bücher in den Canon auf- 
genommen als die Tradition, sie sahen sich daher genö- 
thigt, mehrere Bücher in eins zusammenzufassen. 

Melita im 2. Jahrhundert (Eus. Kircheng. ü. 26) 
bringt diese Zahl heraus, indem er Sanauel und die Kö- 
nige, wie auch Jeremias und die Klagelieder je in ein 
Buch zusammennimmt. Origenes (zu den Psalmen) weicht 
von dieser Angabe in so ferne ab, dass er zwar Samuel, 
und die Könige far zwei, dagegen aber Ruth und die 
Bichter für ein Buch hält. Als später die Conciüen die 
apokryphischen Bücher ebenfalls in den Canon aufge- 
nommen, so gescbahen noch grössere Zusammenziehungen,, 
wie z. B. 5 Bücher Salomos in eins, um nur die Zahl 
22 fest zu halten. Aus welchem Grunde aber suchte 
man sich an diese Zahl zu klammern? Fürst iL. B. d. 
0. 1844. Nr. 35) gibt als Ursache das hebr. Alfabet an.. 
Wie die Griechen ihren Homer in 24 Rhapsodien nach 
Anzahl der griechischen Buchstaben eingetheilt, ebenso 
stellte man, als man die Bücher der heiligen Schrift auf 
eine gewisse Zahl zurückführen wollte, das jüdische Al- 
phabet, das 22 Buchstaben zählt, als feste Norm auf. Aus 
den jüd. Quellen konnte er doch keine Stütze dafür fin- 
den, aber Hieronymus (prologus galeatus) stellte diese. 



Geg^en Apion I., 8, a) g*^ 

Ansicht auf. Wie die hebr. Sprache, äussert er sich 
daselbst, 22 Elemente hat, die beim Sprechen und Schrei- 
ben unentbehrlich, ebenso zählt die Bibel 22 heilige 
Schriften , die gleichsam die 22 Consonanten derselben 
ausmachen, und wie es im jüdischen Alphabet 5 gedop- 
pelte Buchstaben gibt, ebenso in der heiligen Schrift, 
wie z. B. Samuel, Könige, Chronik, Esra und Nehemias, 
Jeremias und Klagelieder. Die jüdische Tradition da- 
gegen hat 24 Bücher angenommen. Wer mehr, heisst es 
im Midrasch, (Ende Koheleth) als 24 Bücher ins Haus 
bringt, der bringt Verwirrung ins Haus. Ein Amorit, 
lautet eine andere Stelle (Tanith p. 8, a), wiederholte 
sein Studium 24 mal nach Anzahl der Bücher der heili- 
^gen Schrift. 24 Pasttage, heisst es wieder (Pessachim p. 
•öO, b) haben die Mitglieder der grossen Synagoge ge- 
ihalten, dass die Bibela];)schreiber zu keinem Vermögen 
gelangen, weil sie sonst diese Arbeit fahren lassen wür- 
den. Die Zahl 24 zielt deutlich auf die gleiche Anzahl 
•der heiligen Bücher hin, vielleicht gab es auch für jedes 
Buch einen eigenen Abschreiber. Auch hier fehlte es an 
r symbolischen Deutungen nicht. Dass bei der Einweihung 
•der Stiftshütte in der Wüste 24 Kinder als Dankopfer 
-gebracht wurden (IV. M. 7, 88), wurde als Vorbedeutung 
filr die Anzahl der heiligen Bücher angesehen (Eabba zur 
St.). Wie der Schmuck einer Braut, lautet eine andere Stelle 
c(Rabba zu IL M. P. 41; zum Hohenlied P. 4), aus 24 
Stücken besteht (Jesaja 3, 17), ebenso zählt die heilige 
Schrift, die Braut Israels, 24 Bücher. Bekanntlich wurde 
schon unter David der 'Priesterstand in 24 Dienstabthei- 
Jungen eingetheilt (I. Chr. 24). Anlehend an einen bib- 
lischen Ausdruck (Koheleth 12, II) suchte man aus 
einer Wortähnlichkeit die Deutung heraus, dass die Bi- 
bel ebenso viele Bücher zählt, als obige Tempelposten 
(Jeruschalmi Sanhedr. XI). Indess werden wir sehen, dass 
es auch im Talmud Ansichten gegeben, die Zahl der 
heiligen Schriften auf 22 zu beschränken, nur drangen 
dieselben nicht durch und wurden zum Stillschweigen 
•gebracht. Bekanntlich legten die Tahnudisten ein Ver- 
:bot auf das Tragen eines :mit eisernen Nägeln beschla- 



3g Geg^en Apion I., 8, ») 

genen Schuhes am Sabbat (Sabbat p. 60). Als ürsaclie' 
mrd die Gefahr angegegeben, die einst zur Zeit einer 
Verfolgung dadurch entstanden, dass die in einem. 
Schlupfwinkel versammelte Menge durch den Ruf: die 
Feinde kommen, auf einander stiess und sich gegenseitig 
mit den eisernen Nägeln der Schuhe zertrat.. Dergleichen 
Schuhe scheinen jedoch in der Mode gewesen zu seih, 
gegen die anzukämpfen schwer war; man sah sich zu. 
Concessionen genöthigt. Es divergiren die Ansichten, 
manche Lehrer erlaubten mit 5, R. Jehuda, der Heilige, 
mit 7 Nägeln. E. Chija aus Babylon,, heisst es daselbst,. 
äusserte sich wie folgt: Würde man mich nicht den Alles 
erlaubenden Babylonier nennen, ich würde eine grössere- 
Zahl zu tragen erlauben. Auf die Frage, wie viel, wurde 
in seinem Namen zu Pumbeditha die Zahl von 24, in Sura* 
aber 22 angegeben, ß. Nachman rief ironisch aus : R. Chija 
habe auf seiner Reise von Pufaibeditha nach Sura zwei 
Nägel verloren. Sollte es sich aber hier wirklich um zwei 
Nägel mehr oder weniger gehandelt haben? Keineswegs, 
es handelte sich um etwas Wichtigeres. Die Stelle, (Ko- 
heleth 12, 11): Die Worte der Weisen sind wie Nägel,. 
festgesetzt durch die Männer der Versammlung, wird vom 
Talmud (Chagiga p. 3, b.) wie auch vom Midrasch (Rabba 
zur Stelle) auf die Festsetzung und Canonisirung der 24 
heiligen Rüther gedeutet, nämlich da der gebrauchte Aus- 
druck eine Lautähnlichkeit mit den Tempelposten hat, so 
wird angenommen, dass die Anzahl der heiligen Bücher 
der der Tempelposten gleich sei. Nun hiess es weiter, 
R. Chija liess sich seine Schuhe mit 24 Nägeln be- 
schlagen, 11 auf dem einen und 13 auf dem andern, eben- 
falls in der Anzahl der heiligen. Bücher und der Tempel- 
posten. Hiermit klärt sich auch unsere obige so dunkle 
Stelle auf. Wahrscheinlich lautete der Vortrag des R. 
Chija zu Pumbeditha in folgender Weise: Die heilige 
Schrift wird mit den Nägeln,, oder nach der verwandten 
Leseart den Tempelposten verglichen, letz^teres beweiset,. 
dass die Zahl der Bücher jener der Tempelposten gleicht, 
ersteres wieder, dass eben eine solche Anzahl von Nägeln 
an den Schuhen zu tragßu. ertaubt. ist.. Wie mochte aber 



Gegen Apion I., 8, a) 90 

der Vortrag zu Snra gelautet haben ? Die Quelle schweigt 
hierüber, weil sie als nicht halachisch verworfen wurde. 
Ohne Zweifel hat sie folgender Weise gelautet : Die heilige 
Schrift wird den eingeschlagenen Nägeln verglichen, wie 
so aber? Es sind hier die 22 Buchs^ben, die Elemente 
der heiligen Sprache gemeint, diese halten die Schrift 
aufrecht und fest zusammen wie eingeschlagene Nägel, 
die Anzahl der biblischen Bücher ist ebenfalls 22, und 
ebenso viele Nägel sind zu tragen gestattet. Wenn also 
B. Nachman ausrief, B. Chija habe auf seiner Beise zwei 
Nägel verloren, so war es ihm eigentlich mehr um die 
zwei biblischen Bücher zu thun. Woher kommt es aber, 
das B. Chija, dieser dritte Bestaurator der jüdischen 
Lehre (Succa 20, a), sich in dieser Beziehung dem Helle- 
nismus hingeneigt ? Hierüber erhalten wir aus einer 
andern Stelle, (Baba kama 55, a) Aufschluss. Es wurde 
nämlich an B. Chija die Frage gerichtet, warum im ersten 
Dekalog (H. M. 20, 12) die Stelle, damit es dir wohl- 
ergehe, weggeblieben, während sie im zweiten (V. M. 
5, 16) Aufnahme gefunden? B. Chija erwiderte hierauf, 
dass er darüber keine Ursache anzugeben vermag, weil 
diese Abänderung zwischen beiden Dekalogen für ihn 
nicht sicher. Auch hier scheint B. Chija der griechischen 
Version gefolgt zu sein, die wirklich diese Abänderung 
nicht kennt. Wir wollen nun auch die Ansicht von B. 
Jehuda, dem Heiligen, erörtern, der in unserer obigen 
Stelle die Zahl der Nägel auf 7 beschränkt. Schon in 
obiger Midraschstelle (zu Koheleth) stellt dafür B. Jocha- 
nan die Zahl 5 fest, weil das mosaische Gesetz 5 
Bücher zählt. Wahrscheinlich erklärte er die betreffende 
Stelle nicht von der ganzen heiligen Schrift, sondern blos 
vom Pentateuch. Nun aber stellt B. Jehuda die Ansicht 
auf, dass das mosaische Gesetz 7 Bücher enthält (Sab- 
bat 116, a), daher er auch eine solche Anzahl zutragen 
erlaubt. Man sieht, dass diese talmudische Discussion 
eine Nebenabsicht hatte, eine versteckte Polemik war. 
Die Mode, Schuhe mit eisernen Nägeln zu tragen, war 
noch zu Josephus' Zeiten im Schwünge, wie er derselbea 
(Krieg V. 4, 3) erwähnt 



40 Ge{f«n Apion I., 8, 1)) 

b) In der Eintheilung der Bibel in drei Hauptclassen 
stimmt Josepbus ganz mit dem Talmud überein. „Ich 
babe dir Dreifaches vorgeschrieben" (Spr. 22, 20) d. h. 
erklärt der Midrasch, weil die heilige Schrift aus drei 
Theilen, dem Gesetze Mosis, den Propheten und Hagio- 
graphen besteht. 

Warum, wird im Talmud (Megilla 21, b ; 24, b) die 
Frage aufgestellt, werden zur Vorlesung aus der heiligen 
Schrift drei Personen vorgerufen und für jede drei Verse 
gelesen? Weil dies, lautet die Antwort, der Eintheilung 
der heiligen Schrift entspricht. Ebenso bemerkt der Tal- 
mud, dass ein Schriftgelehrter nur jener ist, der in allen 
drei Theilen der Schrift, in dem Gesetze, in den Pro- 
pheten und Hagiographen bewandert ist. (Kiduschin p. 
49, a) Dieser Eintheilung scheint die Absicht zu Grunde 
gelegen zu sein, damit die übrigen Bücher nicht im 
gleichen Range mit den 5 Büchern Mosis gehalten werden, 
was natürlich der Fall gewesen wäre, so die Bibel blos 
die Eintheilung in 24 Bücher gehabt. In der *That 
halten die Karaiten (Eschkol Hakofer 173) Propheten und 
Hagiographen identisch und vom gleichen Werthe mit 
den 5 Büchern Mosis, wobei sie sich zugleich auf eine 
biblische Stelle (Daniel 9, 10) berufen, wo diese Eben- 
bürtigkeit ausgesprochen wird, eine Ansicht, die der Tal- 
mud durchaus nicht gelten lägst und sehr häufig den 
Ausspruch fällt: Es ist von den Propheten auf das Gesetz 
oder umgekehrt keine Schlussfolgerung zu ziehen (Cha- 
giga 10, b. Baba-kama 2, b. Nida 25). Nach dem Talmud 
resultirt sogar eine wichtige DiflFerenz in Betreff des 
Werthes einer Münze ; die Stelle (Jeruschalmi Kiduschin 
I, p. 59, d. p. 60, c. Bechoroth p. 50, a) lautet: R. 
Chanina sagt, das Schekel im mosaischen Gesetze hat 
den Werth von einem Sela, in den Propheten bedeutet 
es eine Litra und in den Hagiographen einen Kikar. Wir 
sehen also, wie diese Eintheilung der Bibel nicht ohne 
Consequerizen für die Halacha geblieben. Der Talmud hat 
also nach zwei Seiten hin Front zu machen; während 
nämlich die Samaritaner ausser den 5 Büchern Mosis 
noch dem Buche Josua eine canonische Heiligkeit bei- 



Gegen Apion I., 81 b) A^ 

legten, die Karäer wieder alle 24 Bücher von gleicher 
Bedeutung halten, macht der Talmud durch obige Ab- 
theilung in drei Classen einen dreifachen graduellen Unter- 
schied, die 5 Bücher Mosis standen über den Propheten, 
wie diese wieder einen höhern Standpunkt als die Hagio- 
■graphen einnahmen. Sehr richtig bemerken daher Jost 
(Geschichte der Juden und deren Secten I. 178) und 
Fürst (Canon des alten Testamentes S. 52), dass die 
Einführung der Haftara, d. h. die Vorlesung aus den 
Propheten, nachdem man mit dem Vorlesen aus dem 
Gesetze am Sabbat und Feiertag fertig geworden, welche 
Einrichtung, wie allgemein angenommen wird, (Orach 
Chajim 284) aus einer judenfeindlichen Verordnung gegen 
das Gesetzstudium herstammen soll, in einer Demonstra- 
tion gegen die Samaritaner zu suchen sei, um dem Volke 
die Heiligkeit der Propheten ins Gedächtniss zu rufen. 
Ob die Saduzäer den Propheten einen heiligen Charakter 
beigelegt, lässt sich weder aus Josephus noch aus Talmud 
klar nachweisen. Die von Fürst citirte Midraschstelle zu 
Ps. 78, wonach die Saduzäer hierin mit den Samaritanern 
eingestimmt , habe ich nirgends gefunden *) , obzwar 
Hieronymus (ad Math. 22, 31) Aehnliches sagt. Die 
Stelle lautet: „Quinque tantum libros Mosis recipie- 
bant Zad. prophetarum vaticinia respuentes**. Allein aus 
mehreren Stellen des Talmud (Succa p. 48, b. Cholin p. 
87, a) ist zu ersehen, wie die Saduzäer selber sich auf 
prophetische Stellen berufen, was gewiss von ihrer Seite 
nicht geschehen wäre, wenn sie den Propheten alle Heilig- 
keit abgesprochen. Wie alt diese dreiclassige Eintheilung 
der Bibel, lässt sich mit Gewissheit nicht angeben ; jeden- 
falls finden wir schon in den Evangelisten (Luc. 24, 44) 
die Benennung von Gesetz, Propheten und Psabnen. Aber 
noch in einer altern Quelle (Einleitung zum Buche Sirach 
um die Zeit des Ptolom. Euerg.) wird diese Dreitheilung 
der Bibel erwähnt. 



*) Die Stelle zu Tanchuma Reeh spricht nur im Allgemeinen 
(Ton Ketzern. 



ja Qagsn Apiou I., H, c] 

c) Die dritte Angabe des JosepbaB ist, wie viele 
Bacher jede Hauptclasse enthält Da gibt er au, dass 
das Gesetz 5, die Propheten 13 und die übrigen Schriftea 
4 Bflcher enUialten. In dieser Eintbeiliing weicht er vom. 
Talmud ab. Die Stelle findet sieb Baba-bathra 14, b. 
vor. Nach Ai^abe der 5 Bücher Mosia, die als bekannt 
voransgesetzt verdeo mögen, fährt dieselbe fort: Die 
Ordnung der Propheten ist: Josua, Richter, Samuel, die 
Könige, Jeremia, Heaekiel, Jesaja und die 12 kleinen 
Fropheteu, zusammen also blos 8 Propheten. Nuq wird ' 
ein Qrund angegeben, warum Jesaja hinter Jeremia und 
Hesekiel zu stehen kommt, wie auch darüber, warum die 
12 Propheten in einen Band znsammengefasst worden 
sind. Dann beisst es weiter: Die Ordnung der Hagio- 
graphen ist; Ruth, Psalmen, Hiob, Sprüche, Prediger, 
Hohelied, Klagelied, Daniel, Ester, Esra und die Chronik, 
zusammen 11 Bücher. Das Buch Nehemias lässt der 
Talmud als eine Fortsetzung des Buches Esra gelten, 
womit noch eine andere Stelle, (Sanhed. 93, b) zu ver- 
gleichen, dass die Schrift des Nehemias desshalb nicht 
seinen Namen führt, weil er sich über seine Yoi^änger, 
zu denen selbst Daniel gehörte, tadelnd geäussert. (Nehe- 
mias 5, 15.) 

Wir wollen vor AUem über die 5 Bücher Mosis, 
worin zwar Josephua mit dem Talmud übereinstimmt, 
doch ihrer Wichtigkeit halber zuerst sprechen, üebei 
diese Anzahl wird uns Folgendes angegeben : Warum ist 
das Gesetz in 5 Bücher eingetheilt? Weil dies der Zahl 
der Finger an der menschlichen Hand entspricht (Rabba 
zu IV. M. F. 14). Bekanntlich waren es die Finger an 
lueiden Händen, welche ursprünglich zu dem Decimal- 
system führten. 

A u einer andern Stelle (Rabba zu I. M. P. 3) wird 
eine andere Deutung gegeben. Fünfmal kommt im Anfange 
der Schöpfungsgeschichte das Wort Licht vor (I, M. 1 
3 — 5), daher auch das Gesetz ein fünftheiliges. Es führte 
auch deshalb den Namen: Fünf Fünftel der Lehre, oder 
Fünfbiich, woher die griechische Benennung : Pentateucb. 
Die IJcnennung der einzelnen Theile geschah wahrscbein-^ 



Gegen Apion I., 8, c) A^ 

lieh Anfangs durch die ersten fanf Ordnungszahlen, wie wir 
dies auch in manchen altern Codices vorfinden. Indess 
verschaffte sich eine zweite Benennung mehr Geltung und 
Popularität, es wurde nämliph jedes Buch nach dem 
ersten Worte, womit dasselbe begann, bezeichnet, eine 
Benennnng, die sowohl der Midrasch (Babba zu I. M. 
P. 3) als auch Maimonides (Sefer Tora VIII.) gebrauchen. 
Endlich kommt eine dritte Benennung, die sich mehr 
nach dem Inhalte richtet und woher auch die griechische 
Bezeichnung der 5 Bücher, Genesis, Exodus, Leviticus^ 
Numeri (apiSfiot) und Deuteron, herstammen. Diese Benen- 
nnng für das 5. Buch findet sich schon in der heiligen 
Schrift selbst. (V. M. 1 7, 18. Josua 8, 32.) Die Benen-- 
nung des 4. Buches, Buch der Musterung oder Zählung, 
kommt in der Mischna vor (Menachoth p. 45, b.), ebenso 
das 3. Buch, Buch für Priester (Gittin 60). Für das 
2. Buch haben ym jedoch nirgends einen adäquaten, 
dem Griechischen entsprechenden Ausdruck gefunden^ 
ebenso wenig für das 1. Buch. Möglich dass die grie- 
chischen Uebersetzer das erste Wort „Breschith" vom 
Zeitwort bara ableiten, daher ihre Benennung: Genesis. 
Hingegen finden wir für das 1. Buch die Benennung: 
Buch der Väter, Buch der Rechtschaffenen (Aboda sara 25). 
Die Ansicht, nach welcher das mosaische Gesetz in 7 
Bücher einzutheilen, haben wir bereits (a) mitgetheilt. 
Bekanntlich haben die Alten, besonders die Aegypter, 
alle weltlichen Dinge nach der Anzahl der damals be- 
kannten Planeten in sieben eingetheilt. lieber die ßeihen- 
folge der pentateuchischen Abfassung sind die Ansichten 
im Talmud verschieden. Einige behaupten, dass Moses 
jeden einzelnen Abschnitt zu seiner eigenen Zeit auf eine 
£olle niedergeschrieben und diese verschiedenen Bollen 
am Ende der vierzigjährigen Wanderung in ein Buch 
zusammengefasst; wogegen Andere der Ansicht sind, dass 
die erste schriftliche Abfassung des ganzen Pentateuchs 
erst am Ende der Wanderung geschehen (Gittin p. 60 a). 
Wir kommen nun zu den Propheten, die Josephus in der 
Zahl 13 angibt, ohne sich genauer darüber auszusprechen, 
wer diese 13 sind ; ebenso unklar ist seine Angabe über 



^ G«geii Ipion I., 8, d) 

die 4 Bücher der übrigen Schriften (Hagiographen). Die 
Zahl 13 wiederholt Josephus noch anderseits. Die Stelle 
(Ant. X. 2, 2) lautet : Dieser Prophet, Jesajas, schrieb 
seine Prophezeiungen nieder und hinterliess dieselben in 
Büchern, damit ihre Erfüllung durch die Ereignisse der 
Zukunft beurtheilt werden könne; allein nicht blos dieser 
Prophet, sondern noch andere zwölf thaten dasselbe. 

Eine andere Stelle lautet wieder: Dieser Prophet, 
Jeremias, verkündete vorher Unglücksfälle, die über Jeru- 
salem kommen werden, er Hess auch schriftlich eine 
Beschreibung zurück über jene Zerstörung unserer Stadt 
(etwa die Klagelieder?), die jüngstens in unseren Tagen 
sich ereignet. Er war aber nicht der einzige Prophet, 
der solches an das Volk verkündete; dasselbe that auch 
der Prophet Esekiel, der der erste war, welcher schrieb 
und schriftlich zwei Bücher hinterlassen hat (Ant. X. 
5, 1). Welches sind diese zwei Bücher des Propheten 
Esekiel ? Haben die übrigen Propheten ihre Bücher 
nicht schriftlich zurückgelassen? Von den 12 kleinen 
Propheten erwähnt Josephus folgende fünf: Jonas (Ant. 
IX. 10, 1); Micha (X. 6, 2); Nachum (IX, 11, 3); Hag- 
gai und Sacharias (XI. 4, 5, 7); hingegen macht er von 
Job keine Erwähnung. Kannte er ihn nicht, oder hat sich 
ihm keine Gelegenheit zu dessen Erwähnung dargeboten? 
Welches sind also die 13 Propheten und die 4 Hagio- 
graphen? Fragen, auf die wir vor der Hand nicht zu 
antworten im Stande sind. Wir müssen uns mit der An- 
nahme begnügen, dass Josephus jene Bücher, die den 
Namen eines Verfassers ausdrücklich tragen, nur für ein 
Buch genommen, wie z. B. Hohelied und Sprüche, ferner 
Jeremias und Klagelieder, daher er blos 22 Bücher zählt. 
Die 13 prophetischen Bücher wären : Josua, Richter, 
Buth, Samuel, Könige, Jesajas, Jeremias nebst Klage- 
liedern, Esekiel (2B.), 12 kleine Propheten, Daniel, Esra 
nebst Nehemias, Chronik und endlich Ester. Die 4 Hagio- 
graphen sind : Psalmen, Job, Prediger, als nicht identisch 
mit Salomo, endlich Sprüche nebst Hoheliede. 

d) Als vierten Punkt gibt Josephus die Schluss- 
redaction der Bibel unter Artaxerxes, d. i. 450 vor der 



Gegen Apion I., 8, d) A^ 

gewöhnlichen Zeitrechnung, oder 520 vor der Zerstörung 
des zweiten Tempels an. Ester wäre nach ihm das zu- 
letzt canonisirte Buch gewesen. In obiger Talmudstelle 
heisst es wie folgt : Moses schrieb die 5 Bücher des Gesetzes^ 
und das Buch Job; Josua schrieb sein Buch, wie auch 
die letzten 8 Verse des Pentateuch ; Samuel schrieb sein 
Buch, Buth und die Bichter; König David schrieb die 
Psalmen, worin aucli Stücke von zehn andern heiligen 
Männern Aufnahme fanden; Jeremias schrieb sein Buch, 
die Klagelieder und die Könige; König Hiskia schrieb 
nieder das Buch Jesajas, die Sprüche, das Hohelied und 
den Prediger; die Männer der hohen Synagoge schrieben 
nieder das Buch Esekiel, die 12 kleinen Propheten, 
Daniel und Ester ; Esra schrieb sein Buch und die Chronik. 
Unter die Widersprüche zwischen Talmud und Josephus 
gehört besonders der Prophet Esekiel, dessen Prophe- 
zeiungen nach dem Talmud erst später niedergeschrieben 
wurden, während Josephus ausdrücklich bemerkt, dass 
sie der Prophet selber schriftlich, und zwar in zwei 
Büchern zurückgelassen. 

Wir müssen annehmen, dass der Talmud unter dem 
Ausdrucke „schreiben" das Ordnen und Sammeln ver- 
steht, was manche Propheten selber gethan und ihre 
Schriften in einem geregelten Zustande hinterlassen, 
während wieder bei anderen dies durch einen späteren 
Nachfolger geschehen. Wir hätten also bei jedem hei- 
ligen Buche einen dreifachen Moment zu fixiren, das 
Niederschreiben, das Ordnen und endlich das Aufnehmen 
in den Canon. Wann geschah aber das Letztere? Hie- 
über lässt sich kein fester Zeitpunkt angeben, soviel 
wissen wir mit Sicherheit, dass zur Zeit der Makkabäer 
der Canon feststand und dass man keiner neuen Schrift 
mehr Aufnahme gestattete, obwohl noch in vielen Jahr- 
hunderten später manches canonisirte Buch in der Ge- 
fdhr stand, aus dem Canon ausgeschieden zu werden, 
den Anfang machte das Buch Esekiel. Eine Stelle hie- 
rüber (Sabbat p. 13. b) lautet wie folgt: Zum Segen 
werde der Name des Mannes gedacht, es ist Chananja 
ben Chiskija (lebte um die Zeit der zweiten Tempelzer- 



^ Gegen Apion I., 8i d) 

Störung), denn wäre er nicht gewesen, man hätte das 
Bach Esekiel verwotfen, weil es in einigen Ponkten 
dem mosaischen Gesetze zu widersprechen scheint. Die* 
ser aber hielt eine grosse Synode ab und sachte diese 
Widersprüche aufzulösen. Auch die drei Bücher Salo- 
mo's sollten diesem Schicksale unterliegen. Unter den 
18 Verordnungen der schamaitischen Schule, die eben- 
falls unter Leitung des ebeuerwähnten Chananja ben Chis- 
Mja festgesetzt wurden, lautete eine, dass die heiligen 
Bücher durch Berührung sowohl Hände als Speisen ver- 
unreinigen, damit man letztere nicht in Gemeinschaft mit 
den heiligen Büchern aufbewahre. Nun lautet eine 
Mischna (Jadaim III. 5) wie folgt : AUe heiligen Schrif- 
ten verunreinigen die Hände, ebenso das Hohelied und 
der Prediger, fi. Juda lässt dies blos vom erstem gelten, 
E. Josua im Gegen theil nur vom letztern, B. Simon 
sagt, dass der Prediger zu jenen Streitfragen gehört, 
worin die schamaitische Schule gelinder, die hillel- 
sche hingegen strenger geurtheilt. B. Simon ben Asai 
behauptet, er habe es aus dem Munde der 72 Aeltesten 
empfangen, dass obige beide Bücher die Hände verun- 
reinigen, fi. Akiba sagt: Gott bewahre, dass das Hohe- 
lied nicht verunreinigen sollte, die ganze Welt kommt 
jenem Tage nicht gleich, als dieses Buch überliefert 
worden; wenn die Hagiographen heilig, 'so ist das Hohe- 
lied am allerheiligsten , obiger Streit waltete blos über 
den Prediger ob. Ueber den Grund dieses Streites 
schweigt die Quelle. In der Tossephta jedoch spricht 
sich B. Simon ben Manes dahin aus, dass der Prediger 
blos die profane Weisheit Salomo's enthält und nicht 
unter Eingebung des heiligeu Geistes geschrieben worden 
ist. Der Talmud (Sabbat 30, b) gibt Folgendes an : Man 
wollte den Prediger verwerfen, weil er Widersprüche 
enthält, er wurde jedoch beibehalten, weil er mit Er- 
mahnung zur Gottesfurcht beginnt und damit auch 
endet. Noch wird im Midrasch (Babba, HI. M. P. 28) 
ein dritter Grund angeführt, weil sich darin Sätze vor- 
finden, die- leicht zum Abfalle führen könnten; so schärfte 
Moses ein: Wandelt nicht nach den Eingebungen eures 



Gegen Apion I., 8, d) A'J 

Herzens und eurer Augen (IV. M. 15, 39), während 
Salomo lehrt: Freue dich Jüngling in deiner Jugend, 
thue da gütiglich deinem Gemüthe, wandle nach den 
Weisungen des Herzens und nach dem Scheine iet 
Augen (Prediger 11, 9). Nicht besser erging es dem 
dritten Buche Salomo's, seinen Spruchen. Auch darüber 
hing das Damoklesschwert der Ausschliessung und es 
sollte eben in Folge verschiedener darin enthaltener 
Widersprüche der Heiligkeit beraubt werden. Nachdem 
man aber den Prediger zu vertheidigen gewusst und bei- 
behalten, so wollte man gegen die gewiss unschädlichen 
Sprüche nicht strenger verfahren (Sabbat 30, b). 
Ausser diesen 4 Büchern gibt es noch ein fünftes, gegen 
dessen Eanonisirung Einspruch erhoben wurde, es ist 
das Buch Ester. 85 Männer der grossen Synagoge, da- 
runter viele Propheten, erzählt der jerus. Talmud (Me* 
gilla 70, d) legten gegen die Niederschreibuug dieses 
Buches, d. h. gegen dessen Aufnahme in die Zahl der 
heiligen Bücher, Protest ein. Auch im babyl. Talmud 
(Megilla p. 7, a) sind die Ansichten über die Heiligkeit 
dieses Buches verschieden. Während einige Lehrer für 
dessen Heiligkeit sich aussprechen, lehrten B. Jose und 
der viel spätere Samuel aus Babylon, dass Ester weder 
die Hände noch die Speisen verunreinigt, d. h. dass es 
nicht zum Canon gehört. Nach Ansicht dieser Lehrer 
wurde wahrscheinlich Nehemias, um die Zahl 24 zu 
behalten, in seine Ehre eingesetzt und die von ihm hin- 
terlassene Schrift als eigenes Buch mit seinem Namen 
belegt. Für die Ausschliessung des Buches Ester wird 
auch ein politischer Grund angegeben. Man besorgte 
nämlich durch dessen Niederschreibung den Hass der 
Völker, in deren Mitte man lebte, rege zu machen. 
Möglich, dass eben aus dieser Ursache der Babylonier 
Samuel, der unter persischer Herrschaft gelebt, gegen 
die Canonisirung dieses Buches war. Wie kömmt es 
jedoch, dass wir, bei Beibehaltung des Baches Ester und 
auch Nehemias, dennoch blos 24 Bücher haben? Woher 
könmit es femer, dass wir im Gegensatze zum Talmud 
^ine ganz andere Ordnung in der Folgenreihe der heili- 



^g Gegen ApioB I., 8, e) 

gen Schrift haben? Wir sehen, dass das Jadenthnm 
nicht in Allem ein talmudisches Judenthum ist. 

e) Vier Beweise liefert Josephus für die Wahrhaftig- 
keit der heiligen Bücher. Erstens war die Abfassung 
der Bücher nicht wie bei den Griechen Sache eines Jeden^ 
sondern es wurde diese Angelegenheit nur den Prophe- 
ten, die unter göttlichem Hauche geschrieben, anvertraut. 
Die Abfassung der heiligen Bücher unter göttlichem 
Hauche wird vom Talmud (Makoth 23, b) selbst König 
Salomo zugeschrieben, wie wieder mit dem Absterben 
der drei letzten Propheten Haggai, Sacharja und Mal- 
nachi , das Aufhören dieses göttlichen Hauches bezeichnet 
wird, daher auch mit diesen Schliessung des Canons 
(Sota p. 48,- b). 

Der zweite Beweis geht dahin, dass es da keine 
verschiedene, sich einander widersprechende Bücher gibt. 
Ein Zeichen der Wahrhaftigkeit, sagt Josephus (5) liegt 
darin, wenn Alle übereinstimmen und das Gleiche sagen. 
Waltet ein Streit über einen Gegenstand, äussert sich 
Maimonides (Mamrim I. 3), so wisse, dass dies keine 
mosaische Tradition. 

Ein dritter Beweis besteht darin, dass nach Ablauf 
so vieler Jahrhunderte Niemand es wagte, etwas hinzu- 
zusetzen oder davon wegzunehmen, wobei wir auf das 
oben (1. b) citirte Gespräch zwischen Kaiser Hadrian 
und B. Josua ben Chananja verweisen. 

Endlich als vierter Beweis mag die Thatsache geK 
ten, dass so viele Israeliten, so es nöthig war, für die 

Söttliche Lehre willig den Tod erlitten, während unter 
en Hellenen nicht ein Einziger, sollte es auch der Er- 
haltung der ganzen griechischen Literatur gelten, sich 
der Todesgefahr aussetzen würde. Auch der Talmud 
sucht diese Eigenthümlichkeit Israels, als Märtyrervolk 
Gottes dazustehen, in rühmenswerther Weise hervorzu- 
heben. So wird von ihm (Berachoth 63, b. Sabbat 83, 
b. Gittin 57, b) die bibl. Stelle : Das ist die Lehre, wenn 
Jemand stirbt, (lY. M. 19, 14) dahin gedeutet, dass das 
die wahrhafte Lehre, für die der Mensch auch dem Tode 
sich weihet, wie dies Israel stets gethan. Nur jene 



Gegen Apion I., 8, e) ^Q 

Gesetze, lehrt R. Simon ben Elieser (Sabbat 130, a), 
für die Israel als Märtyrer eißgetreten, wie z. B. : das 
Bekenntniss der Einheit Gottes und die Beschneidung, 
haben sich in allen Zeiten fest und unerschütterlich er- 
halten. Nie wird die Institution des Sabbats, lautet 
eine andere Stelle, wieder (Mechilta Ende Kitisa) in 
Israel aufhören, wie überhaupt alle jene Gebote, für die es 
mit seinem Leben eingestanden. Warum, fragt der 
Midrasch (Maleachi 3, 22), wird sie die Lehre Mosis und 
nicht die Lehre Gottes genannt? Weil er dafür mit seinem 
Leben eingetreten, lautet die Antwort. Es wurde daher 
als eine besondere Pflicht des Israeliten angesehen, den 
Namen Gottes zu heiligen, d. h. für seine Lehre auch 
das Theuerste, das Leben nicht zu schonen. Ich will 
unter den Kindern Israels geheiligt werden, der ich sie 
aus Mizraim geführt (III. M. 22, 31) d. h., erklären 
unsere Weisen (Sifra zur Stelle), Israel soll es erken- 
nen, dass es der Herr aus Aegypten nur desshalb be- 
freiet, damit es seinen Namen öffentlich heilige, für 
seine Lehre mit dem Leben einstehe. (Yergl. darüber 
Maimonides über die Grundlage des Glaubens Y. 2. 3). 
Dieser Eigenschaft hat es auch Israel zu verdanken, 
wenn es der Herr vorzugsweise mit der Ertheilung der 
Lehre bedacht. Warum, fragt der Midrasch (Mechilta 
zu Jethro), wollte der Herr seine Lehre nicht auch an- 
dern Völkern offenbaren? Weil sie für dieselbe nicht 
wie Israel mit dem Leben einzutreten föhig sind. Ja, 
es wird dies als ein besonderer erhabener Charakterzug 
Israels hervorgehoben, dessen Verheissung der Herr dem 
vielgeprüften Abraham für seine Nachkommen gemacht. 
Auf die Frage Isaks: Wo ist das Lamm zum Schlacht- 
opfer, wurde ihm die Antwort zu Theil: Gott wird sich 
schon das Opferlamm, mein Sohn, auswählen (I. M. 22, 14), 
d. h. : Gott machte hier dem Abraham die Verheissung, dass 
er in der Folge nur unter dessen Nachkommen Märtyrer 
zur Verherrlichung seines Namens, Blutzeugen für die 
Bewahrheitung seiner Lehre sich auserwählen werde 
(Buch der Frommen §. 160). Dass Israel dieser Lehre 
treu nachgekommen, bestätigt der ganze Verlauf seiner 



»■ 



Kl^ u«t«n ApiNi I., U, ■) 

Geschichte. Wohl gab und gibt es noch Märtyrer auch 
unter anderen VAlkera nnd Confessionen; at>er als Mär- 
tyrerrolk in seiner Totalität steht einzij^ and allein 
Israel da, and das eben spricht fOr die Wahrhaftigkeit 
seiner heiligen Lehre. Als das Gesetzbuch vom Himmel 
herablangte, lautet eine talmadische Parabel (Jalkut zur 
Stelle), ivar in demselben ein Dolch eingewickelt. Gott 
machte nämlich Israel auf seine Bestimmung aufmerk- 
sam, dass die Lehre ihm nur in Begleitung und An- 
drohung des Dolches übermittelt werden kann; nnr unter 
der Bedingung, als Märtyrervolk dafür einzustehen und 
deren Wahrhaftigkeit mit seinem ßlnte zu beai^^, 
kann es als Inhaber der göttlichen Lehre auftreten. 

12. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte gibt Josephus als Grund dessen, 
dass die Griechen so wenig Kenntniss von dem jüdischen 
Volke hatten, folgende charakteristische Zeichen desselben 
an: 1) dass die jüdische Nation, im Besitze eines treff- 
lichen Bodens, sich ausschliesslich mit Ackerbau befasste ; 
2) wurde da nebst Ackerbau ein Hauptgewicht auf eine 
gute Kindererziehung gelegt, um die Jugend im väter- 
lichen Glauben und ia Gottesfurcht heranzubilden; 3) 
suchte man in Folge den eigenthümlichen Sitten und 
Lebensweise jede Berührung mit Fremden zu vermeiden, 
^er Handel mit dem Auslände wurde daher nur wenig 
betrieben; 4) da unsere Väter weder auf Räubereien aus- 
ciugen, noch von dem Wuasche nach Vergrösserang des 
Ritzes durch Krieg wie andere Völker belebt waren, 
^ fehlten da die ersten und wichtigsten Motive zur 
itffH'l'i^*^^""^ ^^^ Schifffahrt; in Folge dessen blieb Pa- 
l^4iiia, (iüs i)]iiiM]ii[] ein Binnenland, den Griechen onbe- 
jytnnt. Uicsi? Mor Punkte wollen wir etwas genauer 
^rfftern. 

a) Die ausserordentliche Fruchtbarkeit des heilen 
Biutdes zu Mosis Zeiten, wie auch später während der 
Aisierungszeit der Könige, wird an mehreren Stellen 
J5( Schrift (I. M. 26, 12. U. U. ?, 8. 13, 5. V. M. 8, 



Gegen Apion I., 12, a) i g]^ 

7. 11, 10. IL Könige 18, 32. Jes. 36, 17. Esekiel 20, 6. 
Nehem. 9, 25) mannigfach angerühmt. 

Ganz besonders hebt Josephus (Krieg III. 3, 2) die 
Fruchtbarkeit Galiläas zu seiner Zeit hervor. Die 
ganze Landschaft, sagt er daselbst, ist fett und weiden- 
reich, hat Anpflanzungen von Bäumen der verschieden- 
sten Arten, so dass sie durch ihre Ergiebigkeit auch 
solche anlockt, welche nur wenig Neigung zum Ackerbau 
haben. Es ist durchaus cultivirt, kein Theil iqt unbe- 
nutzt. Ebenso gibt es da eine Menge von Städten, die 
sehr bevölkert sind, so dass die kleinste Ortschaft mehr 
als 15000 Einwohner zählt. Auch die profanen Schrift- 
steller des Alterthums entwarfen ein ähnliches Bild von 
der Fruchtbarkeit Palästinas (Tacitus bist. V. 6. Justi- 
nius 1. 36. 2). Hieronym. (zu Hesek. 20) äussert sich wie 
folgt: Es lässt sich so wenig an der Fruchtbarkeit des 
jüdischen Landes, wie an dessen Herrlichkeit überhaupt 
zweifeln. Wer Gelegenheit gefunden, von Khinokorura 
(äusserste Südgrenze gegen Aegypten) bis zum Tauros 
und Euphrat das Land, die Grösse seiner Städte und die 
Lieblichkeit der Gegend in Augenschein zu nehmen, der 
wird sich leicht davon überzeugen können. Diese Frucht- 
barkeit Falästina's hat freilich jetzt derart abgenommen, 
dass man Ursache hätte, an der Wahrhaftigkeit obiger 
Schilderungen zu zweifeln. Christliche Theologen wollen 
6S als einen Fluch Gottes betrachten, dass die Frucht- 
barkeit dieses Landes auf so übernatürlichem Wege ge- 
schwunden. Indess ist die Sache auf ganz natürliche 
Weise geschehen. Die neueste Oekonomie stellt den 
Grundsatz auf, dass so wie einerseits mit Vermehrung 
der Bodencultur auch die Bevölkerung an Anzahl ge- 
winnt, ebenso nimmt mit Zunahme der Einwohner eines 
Landes auch die Fruchtbarkeit desselben immer mehr 
zu. Je grösser die Menge der Menschen und des Vieh- 
standes einer Gegend, desto mehr Dünger und Befruch- 
tnngsstojGT. Es ist also ganz natürlich, wenn Palästina 
mit Abnahme der Bevölkerung auch an Fruchtbarkeit 
abgenommen. Der Talmud (Gittin p. 57, a) gebraucht 
folgendes sehr treffliches Bild für diese spätere Abnahme 

4* 



des heiliofeii Landes an Fruchtbarkeit. I^lästina, bemerkt 
er, wird .Hirschland" genannt (Jerem. 3, 19. Dan. 11,41J. 
So wie die Haut dieses Thieres, einmal abgezogen, nim- 
mermehr gross <;enug für dasselbe erscheint, eben so 
wenig konnte das Land, nachdem die Einwohner daraas 
vertrieben worden sind, so viele Henschen mehr in 
sich lassen nnd sie ernähren. Diese Fmchtbarkeit war 
aber nicht blos Folge des trefflichen Bodens, sondern 
sach der thätigen Hände, die sich damit befassten. 
Dass die jüliMb- "^sation, als noch im Besitz des Lan- 
des, ein aik' ivibendes Volk war, anterliegt keinem 
Zweifel orni i-- ,:;; zahlreichen Stellen der Bibelzn ersehen. 
Aber selbst si^äl^r, als es seines väterlichen Bodens be- 
ranbt. nacb fremdeni Lande, Babylonien, versetzt worden 
ist. Iiehielt es dies« Eigenschaft fort ; dafür spricht 
wieder der Talmud, der den Ackerbau so hSnfig in seine 
Bisciissionen zieht und so mannigfacbe agrarische Yer- 
onlniingen enthält. Wir wollen einige Sprücbe und 
Satzungen desselt-en mittheilea. Ein Spmch lantet: 
(Jebamoth H'S. a»: Wer kein Stück Feld zn bebauen be- 
sitzt, ist kein Mensch, Wahrlieh, ein Volk, in dessen 
Mitte ein solcher Spruch gangbar, muss der Agricultor 
sebr enreben ^eiii. wenig.-'tens wird doch dieser Spruch 
von mfbr Biimanität zeugen, als der der neuesten 
Zeit: <ier Mensch beginnt erst beim Baron. Es verkaufe 
Niemand, lautet eine rabbiniscbe Lehre (Maimonides, 
Dea V. 1:^^. ein Feld, um dafür ein Haus anzuschaffen, 
oder eiu Haus, um dafür Mobilien zu erlangen, oder mit 
dem Gelde Ge^ohäfte zu machen, aber man verkaufe 
Mobiüen, um sich eiu Feld zu vetschaffen. Hau siebt, 
niit welcher Vorliebe man dem Ackerbau zugethan war. 
Gesegnet seiest da im Felde (V. M. 28, 3) d. h., erklärt 
Ün* TalfflU'i iRutamezia p. 107, a). trachte, dass du 
deine Gnindsl ückf nahe am Orte hast, oder richte deine 
Onindstficke lireilheilig ein, einen Theil in Fcachtkör- 
5*™» ein^o ani]ern in OelbSnmen und einen dritten in 
WoTOterten r>er Dattelbanm, lautet eine Lehre, der 
^^™*^ Friicbt enengt, darf nicht abgehauen werden, 
""*• '^i einem Oelbanm, wenn er auch nur den vierten 



Gegen Apion I., 12, b) go. 

Tlieil hervorbringt. B. Chanina sagt, mqin Sohn Schibcha 
starb mir frühzeitig, weil er einen Feigenbaum vor der 
Zeit abgehauen (Baba kama p. 91.) Ja, um dem Volke 
mehr Pietät gegen das Leben der Fruchtbäume eiuzu- 
flössen, wurde gelehrt, dass die Verfinsterung der Ge- 
stirne, wass im Alterthum die Gemüther in besonderen 
Schrecken versetzte, auch dadurch entsteht, wenn man 
gute Bäume fällt (Succa p. 29, a). Ebenso finden sich 
im Talmud eine Menge von ökonomischen Eegeln vor, 
wovon hier einige. Wer seine Felder in gutem Zustande 
erhalten will, der baue ein Jahr VS^eizen, das andere 
Gerste an (Baba mezia p. 107, a). Der Nordwind ist 
ein gutes Zeichen für Weizen, wenn er bereits ein Drit- 
tel ausgeschlagen, ist aber für den Oelbaum schädlich, 
wenn die Früchte zu reifen beginnen, der Südwind ist 
umgekehrt für den Oelbaum gut, aber für den Weizen 
schlecht, als Zeichen diene, dass auch im Heiligthume 
der Tisch nördlich, der Leuchter aber (als Nutzniesser 
-des Oelbaumes) südlich stand. Der Ostwind aber ist 
für Babylonien, das als Thalland viele Feuchtigkeit hat, 
nützlich, für das gebirgige Palästina aber schädlich. 
(Joma p. 21, b). Ja, auch darüber besassen die Tal- 
mudisten Kenntnisse, welchen Einfluss auf das Wachs- 
thum die astronomischen Constellationen haben; eine 
Stelle hierüber lautet: Fällt Tekuphat-Nissan, d. i. die 
Frühlingsnachtgleiche, im Sternenzeichen des Jupiter, 
dann werden viele Bäume entwurzelt und viele Saaten 
ausgetrocknet (Erubin p. 56, a). Aus diesen wenigen, 
Proben, zu denen wir noch eine Menge beifugen könn- 
ten, ist leicht zu ersehen, wie das jüdische Volk, treu 
seiner früheren Beschäftigung in Palästina, noch lange 
Jfeit nachher, selbst als Verbannter auf fremdem Boden, 
dem Ackerbau ergeben war. 

h) Dass die jüdische Nation zweitens so viel auf eine 
gute Kindererziehung gehalten, ist nicht minder eine be- 
stätigte Thatsache. „Schärfe diese meine Worte deinen 
Kindern ein" (V. M. 6, 7, 11, 19), lautet schon eine 
mosaische Lehre. Zur Zeit des zweiten Tempels, berichtet 
der Talmud (Gittin 58), gab es in Jerusalem 400 Kinder- 



g^ Gegen Apion I.» 18, b) 

schalen. . Besonders verdient um das Schulwesen: machte 
sich einer der letzten Hohenpriester, Josna ben Gamla. 
Vor ihm ist das ganze ünterrichtswesen dem Vater über- 
lassen geblieben, höchstens dass man Schulen für erwach- 
sene Jünglinge von 15—17 Jahren errichtete. Erwähnter 
Hoherpriester traf die Ordnung, dass Schulen in allen 
Städten für sechsjährige Kinder angelegt wurden (Baba- 
bathra p. 21). In späteren Zeiten machte sich wieder R. 
Chija um das Schulwesen verdient (Kethuboth p. 103)^ 
Auch hierüber haben uns die Talmudisten treffliche Kern- 
sprüche und Lehren aufbewahrt, von denen wir einige' 
citiren wollen. In einem Orte, sagt der Talmud ^Succa 
p. 17), wo es keine Kinderschulen gibt, darf man nicht 
wohnen. Ein Ort, lautet eine andere Stelle wieder (Sabbat 
p. 119), der keine Kinderschule besitzt, ist der Zerstö- 
rung würdig. „Jene, die Andere auf die Tugeudbahn führen^ 
glänzen wie die hellen Sterne" (Dan. 12, 3), darunter 
sind, erklärt der Talmud (Baba-bathra p. 8, b.), die Schul- 
lehrer verstanden. Mehr Verbindlichkeit und Verpflich- 
tung ist der Mensch seinem Lehrer als seinem Vater 
schuldig, weil ersterer ihn für die höhere Welt, für das- 
Jenseits heiangebildet (Baba-mezia p. 33). Wer seines 
Nächsten Kind unterrichtet, ist so viel, als hätte er es 
selber geschaffen (Sanhedrin 19. 99, b. Baba-mezia 85, a). 
„Berührt meinen Gesalbten nicht", das sind die Schul- 
kinder, auf deren reinem Hauche beruhet die Welt, der 
Schulunterricht darf daher nicht gestört werden, selbst 
wenn es sich um den Aufbau des Tempels handelte (Sab- 
bat p. 119). E. Jehuda, der Heilige, machte einst Keisen, 
um als Patriarch über das Wohl des Volkes zu wachen. 
Er kam nach einer Stadt und forderte, dass man ihm« 
die Wächter des Ortes vorführe, ob er da mit Sicherheit 
verweilen könne. Es wurden die Stadtvögte und Nacht- 
wächter vorgestellt; das sind nicht die Wächter, er- 
wiederte der Patriarch, die ich zur Wahrung der Sicher- 
heit fähig halte, sondern die Schullehrer führet mir 
vor, das sind die wahren Wächter eines Ortes (Jeruschalmi 
Chagiga). Auch wichtige Principien stellt uns der Tal- 
mud über die Erziehung auf, die sich noch der Billigung 



f Gegen Apion I., 12, c) gg 

der beutigen Pädagogen erfreuen werden. So setzt der 
Talmud das sechste Jahr für den Beginn des Unterrichtes 
fest (Kethuboth 50), die erste Pflicht des Unterrichtes fallt 
nach ihm dem Vater zu (Kiduschin 29). Das Princip des 
freien unentgeldlichen Unterrichtes wird ausgesprochen, 
denn wie ich, sagt Gott, euch die Lehre umsonst ertheilt, 
so sollt auch ihr den Unterricht umsonst ertheilen lassen 
(Nedarim p. 37), ein Princip, um das das liberale Frank- 
reich noch heute kämpft. Die Zahl der Schüler für einen 
Lehrer wird auf 25 festgesetzt (Baba-bathra 21). 

c) Wie aber die Fruchtbarkeit des Landes, so scheint 
auch mit der Zeit die Lebensweise des jüdischen Volkes 
sich geändert zu haben. Nicht Agricultur, sondern Handel 
und Gewerbe sind es, was heute die Lebenselemente der 
jüdischen Nation in allen Theilen ihrer Zerstreuung bil- 
det und ausmacht. Wie konnte, fragt man mit Becht, 
ein ganzes Volk seine ursprüngliche Bestimmung und 
Beschäftigung ganz umändern und anders gestalten ? In- 
dess ein flüchtiger Blick auf die mosaische Gesetzgebung 
wird uns ebenfalls von der Wahrhaftigkeit des Josephus 
überzeugen, dass das jüdische Volk nicht zu Handel und 
Schiffahrt, sondern ausschliesslich zum Ackerbaue bestimmt 
worden war. Es beweiset dies der Umstand, dass wäh- 
rend die mosaische Gesetzgebung in Betreff des Acker- 
baues so ausserordentliche, in das Verhältuiss der Besitzer 
tief eingreifende und das Wesen des Eigenthumsrechtes 
sehr alterirende Verordnungen gebracht, dieselbe hingegen 
über die Schififfahrt gänzlich schweigt, obwohl ein Stamm 
Sebnlon seinen Antheil ausdrücklich an den Meeresge- 
staden zugetheilt erhielt (L M. 49, 13. V. M. 33, 17). 
Ueber den Handel wieder kommen die einfachsten, primi- 
tivsten Verordnungen vor, wie über richtiges Maass, gegen 
Betrug und Bevortheilung, was mehr auf den kleinen 
innern Detailhandel, als auf einen grossen ausgebreiteten 
Comerz hindeutet. Ebenso weiset das Verbieten des 
Wuchers dahin, dass Israel sich mit Ackerbau und nicht 
mit Handel zu befassen habe, da das Princip des Handels, 
nämlich die Fruchtbarmachung des Capitals, eigentlich 
nichts anderes als Wucher ist, der auch im Geschäfts- 



gg Gegen Apion I., 12, c) 

verkehr nicht jene schädlichen, demoralisirenden Momente 
in sich fasst, wie dies bei dem vom Schweisse seines 
Angesichtes lebenden Laudmanne der Fall. Die ganze 
darauf folgende jüdische Geschichte gibt auch Zeugniss 
dafür, wie tief diese mosaischen Institutionen in das 
jüdische Volk eingegriffen. Eine einzelne Ausnahme bildet 
der über noch andere mosaischen Gesetze sich erhebende 
König Salomo, der die Schifffahrt zu begünstigen schien 
und dieselbe wie auch den Handel in seinem Lande ein- 
heimisch zu machen suchte (I. Könige 9, 26. IL Chr. 
8, 17). Dass dieses Unternehmen gegen den Geist des 
Mosaismus war, geht daraus hervor, dass die Schrift 
(IL Chr. 20, 35) ein ähnliches Unternehmen des König 
Jehoschafat missbilligt und als Ausfluss seiner Verbin- 
dung mit dem abgefallenen Köaig Achas darstellt, so dass 
das Unternehmen auch gänzlich scheiterte. Die Absicht 
des göttlichen Gesetzgebers hierin ist auch leicht zu er- 
sehen. Israel, wollte derselbe, soll ein von Armuth und 
Mangel zwar befreites, aber gleichzeitig den einfachen 
Sitten treu ergebenes Volk sein, was aber nur bei Be- 
treibung des Ackerbaues möglich; der Handel hingegen 
zum leichten Gewinn und ßeichthum, und in dessen Folge 
zum Luxus, zur Uebersättigung und Verderbtheit der 
Sitten führt, wie dies bei König Salomo der FalL Be- 
trachten wir ferner den Grundton der mosaischen Gesetz- 
gebung, so bestand dieser unstreitig darin, Israel von 
dem allgemein verbreiteten Götzendienste fern zu halten. 
Um dieses Ziel zu erreichen, war eine von jedem Aussen- 
verkehr sich abschliessende Stellung nothwendig, und da- 
hin zielen auch alle auf Speise und Beinhaltung Bezug 
habenden Ge- und Verbote, besouders die Verordnung: 
VTandelt nach ihren Gebräuchen nicht (III. M. 18, 20, 23). 
Wäre aber eine solche Isolirung des Volkes bei Begün- 
stigung des See- und Welthandels möglich gewesen? 
Führet letzterer durch die in seinem Gefolge nothwen- 
dig vorzunehmenden weiten Keisen und Aufsuchung fremder 
Länder nicht zur Ablegung und Verleugnung der vater- 
ländischen Sitten hin ? 



Gegen Apion I., IS, c) gj 

Ja, es nimmt uns sogar Wander, dass das mosaische 
Gesetz nicht ausdrücklich ein Anathema auf den aus- 
ländischen Handel legt, so sehr war der ganze Geist 
seiner Lehre ihm entgegen. Dass jedoch in der Folge, 
nachdem Israel aus seinem Lande vertrieben, in allen 
GtJgenden seiner Zerstreuung ein Gegenstand der Be- 
raubung und Ausplünderung geworden, eine entgegen- 
gesetzte Wendung in seiner Lebensweise Platz gegriffen, 
ist nicht minder natürlich. Es war ein Act der Selbst- 
erhaltung, nach dejn Handel zu greifen. Bewegliche 
Güter konnten unsere Väter am leichtesten bei ihrer Ver- 
treibung von Land zu Lande mit sich führen, konnten 
sie, bevor der Verfolger daran Hand zu legen Zeit hatte, 
am schnellsten in Sicherheit nach dem Auslande bringen ; 
durch den Handel traten sie in gemeinschaftlichen Ver- 
kehr mit ihren auswärtigen Glaubensbrüdern und konnten 
sich am besten zur Zeit der Noth einander hilfreiche 
Hand bieten. Merkwürdfg hielt auch da die jüdische 
Gesetzgebung mit der nationalen Lebensweise gleichen 
Schritt. Während die Mischna, deren ßedaction bis zum 
Anfange der herodianischen Zeitepoche reicht, ganze, den 
Ackerbau betreffende Tractate verfasst, weiss die einige 
Jahrhunderte nach der Zerstörung des Tempels zum 
Schlüsse gelangte Gemara nichts von dergleichen Ab- 
handlungen, dagegen handelt sie in den drei Haupt- 
tractaten ausschliesslich über Handel und Gewerbe ab. 
Die entgegengesetzte Lebensweise bedingte auch eine ent- 
gegengesetzte Eichtung in Betreff der Gesetzgebung. 
Wie sehr der Handel dem Geiste des Mosaismus ent- 
gegen, ist nicht nur aus dem Wuchergesetze, sondern 
auch aus folgenden Verordnungen zu ersehen. Im Schemita- 
jahr keine Schulden einzucassiren (V. M. 15, 3). Ein 
Pfand von dem Schuldner nur unter gewissen Bedingungen 
nehmen zu dürfen (V. M. 24, 10, 13). Ferner das Ver- 
bot deg Pferdekaufes für den König (V. M. 17. 16). 
Ferner die Sprüche: „Der Kaufmann hält in seiner Hand 
die Wagschale des Truges" (Hosea 12, 7). „Der Kauf- 
mann kann sich vor Unrecht nicht hüten, so wie der 
Krämer nicht vor Sünden" (Sir. 26, 20. 27, 1). 



gg Gegen Apion I., 13. 

13. Abschnitt. 
Bei den Chaldäern, sagt hier Josephus, ist diese feind- 
selige Stimmung gegen uns nicht vorhanden, da sie die 
Stammyäter unsers Volkes waren nnd die Juden wegen 
der Verwandtschaft in ihren Schriften auch erwähnen, 
Dass die Babylonier gelinder gegen die gefangenen Juden 
als sonstige Völker, besonders die Bömer waren, davon 
berichtet uns schon der Talmud. Gott wusste, heisst es 
daselbst (Fessachim p. 87, b), dass Israel die grausamen 
Verfolgungen der Römer nicht wird bestehen können, 
desshalb liess er einen grossen Theil in der babylonischen 
Gefangenschaft zurück. R. Chanina gibt folgende" Ursache 
für die Vertreibung Israels nach Babyl(Jn an, weil die 
hebräische Sprache verwandt mit der chaldäischen ist, 
d. h. die Verwandtschaft der Sprache war geeignet, auch 
eine Verwandtschaft der Gemüther hervorzubringen. R. 
Jochanan sagt, dies geschah desshalb, weil ja Babylon 
das Stammhaus Israels war; wie* jemand etwa seine Frau^ 
die sich gegen ihn vergangen, in das Elternhaus zurück- 
schickt, so liess Gott ebenfalls Israel zu seinen Ver- 
wandten zurückkehren. Die Talmudlehrer stellten auch 
in mancher Beziehung Babylon dem heiligen Lande gleich. 
So wie es verboten ist, lautet eine Stelle (Kethuboth p. 
111, a), vom heiligen Lande auszuwandern, ebenso aus 
Babylon. Welch' ein Unterschied gegen Aegypten, wohin 
das Zurückkehren verboten (V. M. 17, 16), ja als die 
höchste Strafe angesehen wird (ibid. 28, 68). Wer in 
Babylon wohnt, sagt Rab, ist so viel, als ob er im 
heiligen Lande wohnte (Kethuboth ibid.). Als Gott den 
ersten Menschen erschuf, lautet eine Stelle (Sanhedrin 
p. 38, b), nahm er für den Körper Staub von Babylon, 
für den Kopf vom heiligen Lande, für die äussern Glieder 
(Hände und Füsse) von den übrigen Weltgegenden. Wie 
viel günstiger die Lage der Juden in Babylon als unter 
römischer Herrschaft war, ist auch aus folgender Stelle 
zu ersehen. R. Nathan, ein babylonischer Lehrer, der 
nach Palästina kam und da den Druck seiner Glaubens- 
genossen bemerkte, rief aus: Ach, wie viele schwere Opfer 
musst du Israel deinem Glauben darbringen ! Warum 



Gegen Apion I., 14. pj^ 

wirst du getödtet? Weil ich die Beschneidung gehalten. 
Warum du yerbrannt? Weil ich in der Thora gelesen. 
Warum du gekreuzigt? Weil man mich beim Passah- 
feste getroffen (Mechilta zu Jethro). Babylon war aber 
zugleich das Asyl des geistigen Lebens för das Juden- 
thum ; dort gab es die ersten Lehrstühle zur Verbreitung 
der jüdischen Lehre, dort befanden sich die ansehnlichsten 
Lehrer, die das Gesetzstudium bis zur höchsten Blüthe^ 
entwickelten. Charakteristisch ist folgender Spruch im 
Talmud (Succa p. 20, a): Als die Lehre in Vergessen- 
heit gerieth, stellte sie Esra wieder her; sie wurde aber-- 
mtals vergessen, da kam Hillel, der Babylonier, und restau- 
rirte sie, als sie noch einmal vergessen zu werden drohte, 
regenerirte sie K. Chija aus Babylon zum dritten Male. 

14. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte liefert Josephus einen Auszug- 
ans dem ägyptischen Schriftsteller Manetho über die 
Herrschaft der Hyksos in Aegypten. Dieser Auszug ist 
von um so grösserer Bedeutung, weil uns eigentlich die 
Schriften des Manetho verloren gegangen und wir in 
Betreff dieser Geschichte, theils auf besagte Daten des 
Josephus, theils auf einige Fragmente, die uns Euseb. 
und Jul. Africanus (bei Syncellus) aufbewahrt, beschränkt 
sind. Ausserdem ist es Manetho allein, der von diesen. 
Hyksos etwas zu sagen weiss. Kein anderer Schriftstel- 
ler, weder ein ägyptischer, noch ein griechischer, macht 
irgend eine Erwähnung von dieser herrschenden Dynastie 
in Aegypten, eben so wenig kommt irgend eine Spur 
derselben in den, seit neuerer Zeit so häufig entzifferten 
Hieroglyphen vor. Die Fragen, die hierbei auftauchen, 
sind mannigfach. Wer waren diese Hyksos? Zu welcher 
Zeit existirten sie? Waren sie gleichzeitig mit den 
Israeliten in Aegypten, herrschten sie daselbst früher 
oder später? Woher kömmt es, dass die mosaische 
Urkunde, die doch so viele Daten und Momente aus 
dem ägyptischen Volksleben uns aufbewahrt, eben sa 
wenig dieser herrschenden Dynastie erwähnt? Wass uns 
Josephus darüber aus Manetho erzählt, ist in der Kürze 



QQ Gegen Apion I., 14. 

wie folgt: Ein Hirtenvolk brach von Osten in Aegyp- 
ten ein, vertrieb die einheimischen Könige, herrschte 
da in grausamer Weise, erbaute da gegen Nordost eine 
Stadt, Namens Avaris, die ihm als Sammelplatz, wie 
auch als Orenzfestung gegen einen etwaigen Einbrach 
der Assyrier diente. Endlich nach vielen Jahrhunderten 
der Unterdrückung rafiften sich die Aegyptier unter An- 
führung einheimischer Könige wieder zusammen, bela- 
gerten die Hyksos in ihrer obenerwähnten Grenzfestung 
Avaris, konnten jedoch nicht zum Ziele gelangen, bis 
die Hyksos aus freiem Willen sich entschlossen, von 
selbst auszuwandern; sie zogen nach Syrien und er- 
bauten die grosse befestigte Stadt Jerusalem. Später 
wurde Aegypten durch Pestkrankheiten heimgesucht, die 
befragten Götter erklärten, dass dies Folge der vielen 
Aussätzigen ist, die das Land verunreinigen; letztere 
wurden theils ertränkt, theils in Bergwerken zur stren- 
gen Arbeit eingeschlossen, die aber dennoch nach Avaris 
gelangten und von da die ausgewanderten Hyksos zur 
Hilfe herbeiriefen, welche abermals in Aegypten ein- 
brachen, da dreizehn Jahre das Land verwüsteten, bis sie 
endlich gänzlich vertrieben worden sind. Aus der gan- 
zen Erzählung ist ersichtlich, wie sich Manetho bemühte, 
die Hyksos mit den Israeliten zu indentifiziren und wie 
seine ganze Erzählung eine Nachahmung der israelitischen 
Gefangenschaft in Aegypten ist, blos mit dem Unter- 
schiede, dass die Bibel die Israeliten als die Yepfolgten 
und Unterdrückten schildert, Manetho hingegen sie zu 
den Herrschern und Bedrückern des Landes macht. 
Hyksos (Hyk- König; sos-Hirtj erklärt er als Hirten- 
könige. Josephus, die Schwierigkeit einsehend, dass unsere 
Väter in Aegypten keine Könige waren, erklärt dieses 
Wort anders, Hyk bedeutet im Aegyptischen „gefangene*, 
daher Hyksos, gefangene Hirten, was unsere Väter wirklieh 
waren. Förster (epist. ad Michael.) gibt eine dritte 
Erklärung dieses Wortes, nach ihm bedeutet Hyk ^ge- 
gürtet" und Hyksos gegürtete Hirten, d. h. solche, die 
stets zum Kampfe gerüstet dastehen. Nach air diesen 
Erklärungen waren die Hyksos nichts anderes als Jakobs 



Gegen Apion I., 14. g2 

Nachkommen, Es bleibt immerhin die Frage, warum 
die Schrift so wenig davon weiss. Perizonius stellt daher 
die Yermuthung auf, dass die Erzählung von den Hyksos 
gar keine ursprünglich ägyptische Bedeutung gehabt 
habe, sondern eine in ägyptischem Interesse umgebildete 
Darstellung dessjenigen sei, was die Bibel von Moses 
und dem Auszuge der Israeliten aus Aegypten erzählt. 
Indess müssen wir den Einwand, dass die Schrift so 
wenig Anspielung auf die Hyksos macht, direct zurück- 
weisen, bei genauerer Untersuchung werden wir das 
Gegentheil finden. Was die erste und hauptsächlichste 
Einwendung betrifft, dass Manetho^s Hyksos Könige, 
herrschende Dynastien waren, was doch den in Aegyp- 
ten unterdi'uckten Israeliten nicht zugemuthet werden 
kann und sich auch nirgends vorfindet, so wollen wir 
auf die Stelle (I. M. 36^ 31) hinweissen, wo eine Beihe 
edomitischer Eegenten angeführt wird, welche regierten,, 
„bevor noch Könige in Israel waren", was darauf zu 
deuten scheint, dass es noch vor Moses israelitische 
Könige gab. Dazu kömmt, dass Manetho den ersten 
dieser Könige Salatis nennt, was wohl eine Anspielung 
auf Josef, den die Schrift „Salit" heisst (I. M. 42, 6), 
sein kann. Ebenso scheint die Hauptstadt der Hyksoa 
Avaris in der Schrift nicht ganz mit Stillschweigen 
übergangen worden zu sein. Alle alten Schriftsteller 
und Bibelerklärer identificiren diese Stadt mit dem 
am Schilöneere gelegenen und von Ptol. benannten Orte 
Heros oder Heropolis, was merkwürdigerweise die Sep- 
tuaginta in dem hebr. Worte „Horoth" (I. M. 46, 28) 
schon findet; Jehuda wurde also bei der üebersiedlung 
nach Aegypten nach Avaris oder Heros geschickt, um 
da mit Josef zusammenzutreffen. (S. Uhlemann Hand- 
buch der ägypt. Alterth. II. S. 34. Frankeis Monats- 
schrift 1852, S. 43). Wir glauben sogar, dass auch der 
Prophet Jesaja (19, 18) Anspielung auf diese Stadt 
macht, wenn er verkündet: Zu jener Zeit wird es 5 
Städte in Aegypten geben, die die kananitische (hebr.) 
Sprache reden werden, eine derselben wird Stadt „Heres" 
heiasen. Letzteres ist gewiss nichts anderes, als eine hebrä- 



AO Gegen Aplon I», 14. 

ischeüebersetzang vonHeropolis oder unserem Ayaris. Nicht 
minder glauben wir das Wort Hyksos in dem ägypt. 
Eönigstitel Pharao zu finden. Dieses Wort erklärt Jo- 
^ephus mit König, während Bochart aus dem Goptischen 
nachweiset, dass es „Krokodil?^ bezeichnet, ein Titel für 
die ägyptischen Kegenten (Esek. 32, 2). Wir glauben, 
dass dieses Wort nichts anderes, als eine Zusamm^i- 
Setzung von dem hebräischen oder semitischen „Boa*' 
Hirt und dem ägyptischen Artikel Pi ist, Pharao bedeu- 
tet : „der Hirt". Da nun dieser Königsname schon un- 
ter Abraham vorkommt, so würde daraus hervorgehen, 
dass schon zu seiner Zeit die Hyksos in Aegypten herrsch- 
ten. Wenn es daher heisst (I. M. 12, 16), dass Abraham 
in Aegypten auch mit Eseln beschenkt worden ist, so 
kann dies nur von Seite einer auswärtigen Dynastie 
geschehen sein, da dies Thier in Aegypten, wie be- 
kannt, sehr verhasst war und gewiss nicht in der 
Seihe der königlichen Geschenke figurirt haben würde. 
Betrachten wir ferner noch folgende Stelle (I. M. 46, 34), 
wo es heisst : „denn ein Gräuel der Aegypter war jeder 
-Schafliirt'*: obwohl die Könige selbst, wie es bald darauf 
vorkommt (47, 6), viele Schafheerden hielten, so geht 
daraus abermals klar hervor, dass Volk und Dynastie 
in Zwiespalt mit einander gelebt und beide verschiedenen 
liObens weisen angehörten. Die Herrscher, selber dem 
Hirtenstand angehörend, zeigten sich daher den neuen 
Ankömmlingen, auf deren Unterstützung sie vielleicht 
rechneten, geneigt, während das Volk diesem Stamme, 
der es unterdrückt hielt, vielleicht auch unter einem 
religiösen Verwände seinen Abscheu bekundete. Aber 
auch das Land (Kam äg. Land), in dem die Israeliten 
wohnten, hatte auf diesen Stand Bezug. Da nach Ma- 
netho und Josephus „Sos^' Hirten bedeutet, so heisst 
Bamsos Hirtenland, d. h. jenes Land, wo die Hyksos 
ihre Hauptmacht und die Besidenz Avaris hatten. Sollte 
nicht auch in folgender Stelle des Propheten (Esek. 30, 12): 
Ich werde das Land (Aegypten) in die Hand der Frevler 
wieder verkaufen, statt Frevler „Hirten** (Boim) zu lesen 
^ein ? Es wäre dies abermals eine Anspielung auf die 



(HgBo. Apion I., 14. gg 

«inst im Lande im Besitze der Gewalt gewesenen Hyk- 
80S. Aus dem Besagten folgt, dass die Hyksos schon 
itülier, bevor die Israeliten nach Aegypten kamen, daselbst 
herrschten, auch jener König, an dessen Hof Josef lebte, 
gehörte zu dieser Dynastie, die im Laufe der Zeit 
die ägyptische Sprache wenigstens als Hofsprache 
angenommen, daher so viele ägyptische Benennungen 
aus dieser Zeitperiode in der Bibel. Jakobs Nachkommen, 
ebenfalls dem Hirtenstande angehörend, hatten sich der 
Sympathien dieser Herrscher zu erfreuen; es wurde ihnen 
die Provinz Goschen als eine wichtige Grenzprovinz in 
der Nähe der liesidenz zur Bewohnung angewiesen, wo 
sie vielleicht unter eigenen Stammanführern zur Selbst- 
ständigkeit gelangten. Nach Josefs Tod jedoch wurde 
von Seite der Eingeborenen der Aufstand gegen die ei- 
gentlichen Kyksos organisirt, eine einheimische ägyptische 
Dynastie schwang sich zur Herrschaft empor (IL M. 1, 8). 
iNun begann der Druck gegen die Israeliten als Bundes- 
genossen der Hyksos, daher es richtig heisst (ibid. v. 10) : 
^,Wir wollen ihnen durch List beikomen, dass sie sich 
nicht vermehren, denn es könnte sich ein Krieg erheben, 
:sie möchten sich unsern Feinden anschliesen und wider 
uns streiten und aus dem Lande ziehen/^ Dieser Schluss 
26igt, dass die Hyksos bereits aus dem Lande gezogen 
und dass man das, was nach Manetho wirklich der Fall 
war, befürchtete, nämlich die unterdrückten könnten die 
bereits aus dem Lande gezogenen Hyksos zu ihrer Un- 
terstützung und Befreiung herbeirufen. 

Manetho, dessen Originalfragmente in ägyptischer 
Sprache erst neurer Zeit (1826) von Seyffarth in einer 
PapyrusroUe entdeckt worden sind, hat in tendenziöser 
Absicht die Daten abgeändert. Wie bereits Syncell 
wissen will, soll es Ptolomäus Philadelphns gewesen 
sein, welcher Manetho veranlasst, aus den alten Tempel- 
.archiven eine Geschichte des Landes zusammenzustellen. 
Der von Syncell aufbewahrte Brief lautet: „Brief des 
Sebennyten Manethos an Ptolomäus Philadelphns: Den 
{gössen König Ptolomäus Philadelphns grüsse ich Ma- 
netho, der Oberpriester und Archivar der ägyptischen 



g^ Gegen Apion I., U. 

Tempel aus Sebennytos, gebürtiger Heliopolit. Wir 
sind verpflichtet, o grosser König, über alle Dinge Re- 
chenschaft abzulegen, die da. uns auftragen möchtest. 
Da du mich befragt hast über Dinge, welche der Welt 
in der Zukunft bevorstehen, so will ich dir deinem Be- 
fehle gemäss mittheilen, was in den heiligen, mir bekann- 
ten Büchern, die unser Vorfahr, der dreimalgrosse Her- 
mes geschrieben hat, enthalten ist. Lebe wohl, mein 
Herr und König." Es ist derselbe Ptolomäus, der nach 
Josephus und Philo die griechische Uebersetzung der 5 
Bücher Mosis durch den Hohenpriester Eleasar veran- 
stalten liess. Es unterliegt keinem Zweifel, zu welchem 
Zwecke Manetho zu seiner ägyptischen Geschichte auf- 
gefordert worden ist, nämlich eine Widerlegung oder 
doch Abschwächung des mosaischen Berichtes über die 
alten Aegypter zu liefern, was er in der That auch ge- 
than; er suchte jene Schmach, welche Moses auf sein 
Vaterland gewälzt, von den Aegyptern abzunehmen und 
auf die Israeliten zu übertragen. Wenn es daher von 
dem Unternehmen der griechischen Bibelübersetzung 
heisst, dass dieser Tag so schwer für Israel war als 
jener, wo es das goldene Kalb anbetete (Sofrim L 7); 
oder dass darauf eine dreitägige Finsterniss folgte (Ende 
der Fastenrolle), so scheint hierbei auch ein politischer 
Grund obgewaltet zu haben. Man befürchtete, dass die 
Bekanntmachung der mosaischen Berichte Hass und 
Feindschaft unter den eingeborenen Aegyptern in 
Ale|:andrien erzeugen und Gegendemonstationen hervor- 
bringen würde. Aus ganz ähnlichem Grunde legte man 
ja Anfangs Protest gegen die Niederschreibung des Bu- 
ches Ester ein, damit diese Erzählung nicht Hass bei 
der persischen Bevölkerung erzeuge (JeruschalmiMegillal). 
Noch wollen wir hier in Betreff der Hyksos die 
Ansicht der arabischen Geschichtschreiber mittheilen» 
Nach einer Tradition derselben war jener ägyptische 
König, unter welchem Abraham nach Aegypten gekom- 
men^ der 12. Herrscher dieses Landes, Namens Tulmus, 
nach ihm regierte seine Tochter Jurjak Katun und eine 
Enkelin, Zalka Katun. Unter der Begierung der letztem 



Gegen Apion I., 14. gg 

brach ein arabischer Stamm der Amalekiten in Aegypten 
ein und bemächtigte sich der Begierung. Der erste König 
aus dieser Dynastie oder der 15. ägyptische Herrscher 
hiess Walid; er hatte 5 Nachfolger, der letzte, ebenfalls 
Walid genannt, war der Pharao zu Mosis Zeiten, der 
mit seinem Heere im Meere versank. Mit ihm hörte 
die Dynastie der Amalekiter auf und es folgte eine 
weibliche Begentin, Kamens Daluka, aus altem ägyp- 
tischen Geschlechte. Nehmen wir diese Amalekiten, die 
aber mit den Nachkommen Esau's nicht zu vermengen, 
sondern alten arabischen Stammes gewesen sind, für die 
Hyksos Manethos an, der ebenfalls nur 6 Begenten der- 
selben aufzählt, so ändert dies unsere obige Angabe schon 
darin, dass die Hyksos nicht die Begünstiger, sondern 
die Bedrücker der Israeliten waren. Hiemit wäre auch 
der erste Ueberfall von Seite der Amalekiten (II. M. 17, 8) 
zu erklären; es waren die Trümmer der zurückgeblie- 
benen Hyksos, also alte Bekannte und Feinde. 

Ebenso erklärlich ist die Benennung eines amaleki- 
tischen Schlachtfeldes zu Abrahams Zeiten (I. M. 14, 7), 
wie auch die poetische Ergiessung Bileam's (IV. M. 24, 
20), dass Amalek das erste der Völker (das Israel be- 
drückte), das zuletzt dem Untergange geweiht ist, wor- 
unter nicht die Nachkommen Esau's, sondern jener ara- 
bische Stamm zu verstehen, der in Aegypten eingedrun- 
gen, und da sowohl die ursprünglichen Einwohner als 
auch die eingewanderten Israeliten bedrängte. Auch Jahn 
(Archäologie IL 1, S. 14) stimmt dieser Ansicht bei, dass 
unter Amalekiter nicht immer Esau's Nachkommen geraeint 
sind. Die Kananiter, äussert er sich daselbst, die Abra- 
ham in Palästina vorgefunden, kommen bei arabischen 
Geschichtschreibern und Poeten sehr häufig unter dem 
Namen Amalekiter als ein grosses, uraltes und sehr be- 
rühmtes Volk vor, welches schon vor den Joktaniden 
in Arabien gewohnt, dann zum Theile nach Kanaan 
gezogen und von den Hebräern vertrieben worden sei, 
wie schon die Bemerkung (I. M. 12, 6. 13, 7), die Ka- 
naniter waren damals (nämlich bei Abrahams Ankunft) 
im Lande, voraussetzt, dass sie früher anderwärts wohn- 



gg Gegen Apion I., 17, a) 

ten, ihr ursprünglicher Wohnort war Arabien. Die in 
Arabien zurückgebliebenen Kananiter sind die biblischen 
Amalekiter, von denen noch im 7. Jahrhunderte berühmte 
Familien übrig waren, *ohne dass man dabei an Amalek, 
Esau's Nachkomme, zu denken braucht. Vergleichen wir 
I. Sam. 15, 7: Da schlug Saul die Amalekiter von Ha- 
vila an bis gen Sur, das vor Aegypten liegt; ferner 
I. M. 25, 18: Und sie (Israels Nachkommen) wohnten 
von Havila gegen Sur vor Aegypten bis gegen Asur, so 
geht daraus hervor, dass Ismaeliten, Amalekiten und Hyk- 
sos eine und dieselbe Nation. Sollte nicht etwa Avila 
ihre Hauptstadt Avaris sein, die nach Manetho als Grenz- 
festung gegen die Assyrier angelegt worden ist, da be- 
kanntlich die Buchstaben B und L häufig mit einander 
vertauscht werden? 

17. Abschnitt. 

a) In diesem Abschnitte bringt Josephus wichtige 
Documente aus der phönizischen Geschichte und beruft 
sich hiebei auf zwei nicht phönizische Geschichtschreiber, 
Dios und Menander aus Ephesus, die der jüdischen Nation 
Erwähnung machen. Sonderbar bleibt es immer, dass 
Josephus den einheimischen alten Geschichtschreiber und 
Philosophen Sanchoniathon ganz übergeht, obwohl der- 
selbe nach Porphyr auch über die jüdische Geschichte 
geschrieben. Es herrscht über die Existenz dieses phöni- 
zischen Schriftstellers und dessen Werke ein tiefes Dunkel. 
Einige setzen ihn vor, andere nach dem trojanischen 
Kriege. Manche machen ihn zum Zeitgenossen des Königs 
David, manche wieder, wie Kumberland, wollen in dem 
Priester Jarobalus, von dem Sanchoniathon seine Lehren 
erhalten haben will, den biblischen Gideon (Richter 7, 1) 
vermuthen. Ein Zeitgenosse des Josephus, Philo aus Byblus, 
nicht zu vertauschen mit dem jüdischen Pilosophen gleichen 
Namens aus Alexandrien, übersetzte Sanchoniathons Werke 
aus dem Phönizischen ins Griechische. Beide jedoch. 
Original wie Uebersetzung, sind eine Beute der Zeit ge- 
worden, bis auf einige Fragmente der Uebersetzung, die 



Gegen Apion I., 17, a) Q'J 

uns Euseb. (Praep. Ev. I. 9, lOj aufbewahrt. Es ist ferner 
sanderbar, dass in diesen übriggebliebenen Fragmenten, 
die sich auf die Erschaffung der Welt und die Geschichte 
der ersten Menschen erstrecken, nichts von der Sünd- 
fluth vorkommt, obwohl derselben ausser allen griechischen 
Schriftstellern auch Manetho und Berosus erwähnen. Sollte 
dies etwa eine Stütze für die Ansicht des B. Jochanan 
sein (Sebachim 113, a), dass Palästina und folglich auch 
Phönizien von der Ueberschwemmung ganz frei geblieben? 
Indess scheint aus dem gänzlichen Stillschweigen des 
Josephus über Sanchoniathon hervorzugehen, dass letzterer 
nur eine erdichtete Persönlichkeit, seine Werke nur eine 
Erfindung des Philo aus Byblus, der sie eben, um Josephus 
Schriften gegen Apion zu entkräften, an das Tageslicht 
gefördert. In neuerer Zeit jedoch wollte ein deutscher 
belehrter, Wagenfeld, das ganze Sanchoniathon'sche Werk 
von Philo übersetzt aufgeftmden haben, das er in einer 
lateinischen Uebersetzung unter folgendem Titel : Sancho- 
üiathonis bist. Phönicae libros IX, graece versos a Philone 
Biblio ed. latinaque vers. don. F. Wagenfeld, Bremae 1837, 8, 
herausgab. Es mögen hier einige unsere vorhergehende Ab- 
handlung über die Hyksos, oder den Auszug der Israeliten 
Ton Aegypten betreffende Daten aus dem 3. Buche c. 15 
folgen, wie sie die AUgem. Zeitung des Judenth. 1837, Nr. 3 
bringt. „Nach dem Tode des Taaut und seiner Nach- 
kommen, heisst es daselbst, wurden die Aegypter, da sie 
gegen die am Meere wohnenden Hirten kriegten, von 
diesen besiegt. Sie flüchteten sich in eine grosse Stadt, 
wo sie von den Hirten belagert wurden. In dieser Bedrängniss 
erfand ein Priester die Sichelwagen, deren der König so- 
gleich 100 anfertigen liess und mit ihnen in Kurzem die 
Hirten besiegte und die ganze Landschaft bis auf eine am 
Meere gelegene Burg eroberte. Hierauf wanderten die 
Hirten aus und besetzten meist die bisher unbewohnten 
Oegenden Arabiens. Ihre Anführer waren: Omlakus, 
(wahrscheinlich Amalek) Idumas (Edom), Amon und 
Mobos, nach denen die Stämme benannt werden. Zuletzt 
wanderten auch Judas und Somiron (wahrscheinlich von 
Sehomron, Hauptst der 10 Stämme) aus. Die Juden und 

5* 



gg Gegen Apion I., 17, b) 

Somiräer nahmen die Gegend von Idumäa in Besitz.^ 
Man sieht, dass das Ganze ein Abklatsch des Manetho* 
nischen Berichtes und der biblischen Geschichte sei. Ob 
nicht Wagenfeld seinem Vorgänger Philo aus Byblus ge- 
folgt, und ebenfalls aus eigener Phantasie erdichtet! 

b) Die Erbauung der Stadt Tyrus fällt nach Jos. ( Ant. VICE. 
3, 1) 240 Jahre vor der Errichtung des salomonischen 
Tempels. Hierin steht zwar Josephus im Widerspruche 
mit den griechischen Schriftstellern, diQ Tyrus gleich- 
zeitig mit Sidon durch den ersten phönizizchen König 
Agenor erbauen lassen. Da jedoch Tyrus (hebr. Zor) 
weder in den 5 Büchern Mosis noch in Homers Schriftea 
erwähnt wird, obwohl von Sidon oft da die Rede ist (I, 
M. 10, 15, 49, 13. V. M. 3, 9. Od. 17, 84 XV. 415 IL VL 
289, XXIII. 743), so geht daraus hervor, dass die Ent- 
stehung von Tyrus in eine spätere Epoche als die voa 
Sidon zu setzen ist. Doch scheint uns die Angabe Josephus, 
dass Tyrus blos mit 240 Jahren früher als der salomonische 
Tempel erbaut worden ist, unrichtig zu sein, da diese Stadt 
als Festung schon in Josua 19, 29 vorkommt und daher 
nach Josephus eigener Berechnung 550 Jahre älter als 
der Tempel gewesen sein musste. Wir müssen also an- 
nehmen, dass die Landstadt, von den alten Schriftstellern 
Pala-Tyrus genannt, wohl früher schon bestanden, hin- 
gegen die Inselstadt, die eigentliche Macht der schiff- 
fahrenden Tyrier, viel später erbaut worden ist. Ebenso 
ungewiss ist es, woher die erste Colonie nach Tyrus ge- 
kommen. Nach Justin (18, 3) waren es Sidonier, die 
durch einen Einfall der Einwohner zu Askalon aus ihrem 
Gebiete vertrieben worden sind, was auch an I. Könige 
5, 20 eine Stütze findet, wo König Chiram seine Unter- 
thanen Sidonier nennt. Newton will jedoch, dass die 
durch König David vertriebenen Edomiter (IL Sam. 8, 14) 
die Erbauer von Tyrus gewesen, welche Ansicht, obwohl 
im directen Widerspruche mit obiger Angabe des Jo- 
sephus, jedoch in so ferne von Herodot begünstigt zu werden 
scheint, der die Tyrier als Einwanderer vom rothen Meere 
bezeichnet. Sonderbar ist, dass nach Ansicht des Midrasch 
(Eabba zul. M. P.61. II.M.P. 9. Tanchuma zu Waera. Pessik- 



Gegen Apion I., 17, c) 69 

ta ZU n. M. 12, 29) das biblische Zor nicht immer Tyrus be- 
deutet, sondern wenn dieses Wort defectif steht, darunter 
Eom gemeint sei, welches zur Zeit der Propheten zwar 
schon existirte, aber doch noch sehr unbedeutend war. 
'(S. Abarbanel zu Jes. 23. Hesek. 26.) Dass es noch 
•ein Tyrus jenseits des Jordans gab, siehe Ant. XII, 4, 11. 
welches aber blos 7 Jahre dauerte. 

c) Die von Josephus hier gemeldete Freundschaft 
^zwischen Salomo und König Cbiram musste sehr neu ge- 
wesen sein, konnte höchstens bis auf die letzten Kegie- 
rungsjahre Davids zurückgeführt werden, da wir die 
Tyiier unter den übrigen Feinden Israels, ja sogar in 
Begleitung der Hauptfeinde (Philistäer) aufgezählt finden. 
{Ps. 83, 8.) Vergleichen wir dieses mit einer Stelle in 
Sirach (46, 18), wo vom Propheten Samuel gesagt wird, 
dass er die Führer der Tyrier und alle Fürsten der 
Philistäer geschlagen, so erhalten wir Aufschluss über 
die Zeit wie auch über den Verfasser des obenerwähnten 
83. Psalms; es geschah dies unter der Selbstregierung 
dieses Propheten (S. Ewald's poetische Bücher P. IL 
S. 293). Wir sehen also, wie auch Tyrus in Krieg mit 
Israel lebt. Merkwürdig ist, was Tatiau (Orat. cont. 
<Jraec.) nach den phönizischen Schriftstellern Mochus, 
Hisikrat und Theodot berichtet, dass nämlich Chiram 
eine Tochter an Salomo verheirathet, durch welche er 
zur Anbetung der tyrischen Gottheit Astarta verleitet 
worden ist, wovon Josephus nichts weiss, und aus der 
Schrift höchstens eine schwache Stütze in der Angabe 
vorzufinden wäre, dass König Salomo auch eine Sido- 
nerin zum Weibe hatte (I. Könige, 11, 1), und wie wir 
bereits gesehen, diesen Namen auch die Tyrier geführt 
(ibid. 5, 20). Möglich jedoch, dass besagte phönizische 
Schriftsteller, Salomo mit dem spätem König Achab ver- 
tauscht, von dem es ausdrücklich heisst (ibid. 16, 83), 
dass er durch seine Frau Isebel, Tochter des' sidonischen 
Königs verleitet, eine Astarte aufgestellt. Euseb. (Praep. 
Ev. IX. 449) sucht eine andere Verwandtschaft zwischen 
König Salomo und dem tyrischen Architekten Chiram. 
Dieser sollte mütterlicherseits ein Verwandter von König 



YQ Gegen Apion I., 17, d) 

David gewesen sein. Aas welcher Quelle dies geschöpft,, 
wird nicht angegeben. Im Talmud (Baba-bathra 91, a) 
wird die Mutter Davids, deren Name in der Schrift nicht 
erwähnt wird, nach einer alten Tradition Nizebeth, Toch- 
ter des Adiel, genannt, wahrscheinlich Schwester von 
Davids Schatzmeister Asmaweth (L Chr. 27, 25). Nun 
wird ein Asmaweth (ibid. 11, 33) alB aus Ghiram, einer 
im Naftaligebiete liegenden Stadt (Josua 19, 33) her- 
stammend bezeichnet. Es geht daraus die Gombinatioa 
hervor, dass Davids Mutter aus demselben Stamme und 
Orte war, als die Mutter des obenerwähnten tyrischen 
Architekten (I. Könige 7, 14), der wahrscheinlich den 
Namen Chiram nach obiger im Stamme Naftali liegen- 
den Stadt angenommen. Es würde daraus ferner hervor- 
gehen, dass die Leseart Naftali gegen die von Daa 
(II. Ch. 2, 14) vorzuziehen. 

d) Die Landschaft Ghabulon in Galiläa, die Salomo 
an König Chiram geschenkt und die Josephus anderseits 
(Ant. VIII. 5. 3) mit „unlieblich" erklärt, wird vom 
Talmud (Sabbath 54) mit Sandgegend gegeben, die Sep- 
tuaginta liest dafür „Gränzland." Indess kommt dieser 
Name häufig vor (Josua 19,27. Pessachim 51. Babba zu 
IIL M. P. 21, Josephus de vita 43, 44). Noch wollen 
wir über diesen Punkt eine Stelle aus dem von Wagen- 
feld aufgefundenen Geschichtswerke des Sanchoniathon 
geben. Dieselbe (1 VII. c. 9) lautet: Der König Joram 
von Tyrus, welchen die Tyrier Hierkam nennen, ver- 
sprach dem jüdischen König Irenios (griechisch EtpYjvios = 
friedlich, was das hebräische Salomo), wenn er ihm einen 
Hafen am äthiopischen Meere geben wollte, ihm in der 
Erbauung einer königlichen Burg behilflich zu sein, und 
Zedern, Tannen und Quadern herbeizuschaffen. Irenios 
gab dem Joram die Stadt und den Hafen Ilotha (vergL 
V. M. 2, 8. I. Könige 9, 26), wo Joram 10 Schiffe bauen 
und die Küste befahren liess. 

Salomo, berichtet ferner Josephus, hat an Chiram 
Säthsel geschickt, die dieser nicht zu lösen vermochte^ 
bis es der Tyrier Abdemonus gethan. Einige dieser 
Käthsel oder metaphorischen Sedensweisen sind uns noch 



Gegen Apion L, 17, d) »71- 

im Midrasch aufbewahrt geblieben, von denen hier zwei 
Muster folgen mögen. Als König Salomo den Tempel 
erbauen wollte, wandte er sich wegen geschickter Bau- 
leute an den ägyptischen (soll wahrscheinlich „tyrischeh" 
heissen) König. Dieser, Anfangs dem Unternehmen nicht 
geneigt, liess seine Astrologen und Weisen zusammen- 
berufen , um von ihnen Kath zu holen , wie sich von 
diesem Verlangen zu befreien, ohne Salomo zu verletzen. 
Sie bezeichneten ihm solche Männer, von denen sie 
wussten, dass selbe noch im laufenden Jahre sterben 
werden. König Salomo bemerkte aber gleich diese List, 
er sandte dieselben ohne Verzögern zurück, statt aller 
Antwort jedoch kleidete er sie alle in Leichengewänder, 
wodurch er ihrem Mandator zu verstehen gab: Fehlt es 
Dir an Bestattungskleidern für Deine Todten, so erhalte 
sie hiemit. (ßabba zu IV. M, P. 19.) 

Ein zweites Spezimen ist Folgendes: Zur Zeit des 
Königs Salomo soll Aschmedai, Fürst der Geister, einen 
Mann mit zwei Köpfen ins Leben gerufen und ihn mit 
allen menschlichen Anlagen ausgerüstet haben. Dieser 
ging mit der Zeit eine Ehe ein und brachte auch Nach- 
kommen zur Welt. Letztere waren jedoch verschiedener 
Natur, theils der Mutter gleich mit einem, theils nach 
der Form des Vaters mit zwei Köpfen. Endlich ging das 
Oberhaupt der Familie mit dem Tode ab; er hinterliess 
ein grosses Vermögen aber zugleich einen gewaltigen 
Process in Betreff der Erbschaft. Jene mit zwei Köpfen 
behaupteten, zwei Wesen zu sein und verlangten eine 
doppelte Erbschaft. Aschmedai, von dem das Ganze nur 
eine Tücke war, um König Salomo in Verlegenheit zu 
bringen, sandte nun beide Parteien vor den Bichterstuhl 
dieses Herrschers. Man nehme einen Topf siedenden 
Wassers, lautete die Antwort des weisen Königs, und be- 
schütte damit das eine Haupt; wird auch das andere 
ins Mitleid gezogen und stösst es gleichzeitig ein Jammer- 
geschrei aus, dann ist es nur ein Wesen, denn was 
gleichzeitig leidet, bildet blos ein Wesen. (Menachoth 
p. 37, a. Tosephot und Pessikta.) 



>7Q Gegen Apion I., 18. 

Wir möchten hier statt Aschmedai, Abdemonus, 
Chirams Bathgeber lesen, der eben ein solches Bäthsel 
an König Salomo zu lösen gesandt. 

18. Abschnitt. 

König Chiram lebte nach Angabe des Josephns 
53 Jahre, und regierte 34 Jahre. Merkwürdig ist, dass 
der Talmud (Cholin p. 89, a.) unter dem Ausdrucke: 
Fürst zu Tyrus (Hesek. 28) unsern Chiram verstehen 
will und fingirt für denselben ein Lebensalter von 
500 Jahren. (Kabba zu L M. P. 85), ja lässt sogar den- 
selben nach einer alten Tradition aus Babylon entstehen 
und von Nebuchadnezar, obwohl mit demselben nahe ver- 
wandt, getödtet werden. 

Nichts gewöhnlicher, als das man den Talmud bei 
dergleichen Erzählungen der Unwissenheit beschuldigt, 
der Geschichte und Chronologie bunt durcheinander 
würfelt. Man muss jedoch den Talmud zu lesen ver- 
stehen, um dergleichen Käthsel in ihm lösen zu können. 
Von Ahron, Mosis Bruder, findet sich eine ähnüche Sage 
vor, er habe über 400 Jahre gelebt. Wie ist dies zu 
verstehen, fragt schon der Midrasch? Allein da er der 
erste Hohepriester war, der den Gottesdienst im Heilig- 
thume begonnen und die 18 Hohenpriester im salomoni- 
schen Tempel ganz in seinem Geiste und nach seinem 
Beispiele fromm und gottesfürchtig gewirkt, so werden 
sie als identisch mit ihm betrachtet, es ist so viel als 
ob Ahron in diesem ganzen Zeiträume (nämlich 410 Jahre) 
fortgelebt. (Eabba zu HI. M. P. 21). Da also Chiram 
sehr viel zur Errichtung des Tempels mitgewirkt und 
derselbe fast wie sein Werk zu betrachten war, so lebte 
sein Name in diesem National werke Israels fort; die 
Zerstörung desselben durch Nebuchadnezar wird mit 
Recht als die Vernichtung und Tödtung Chirams ange- 
sehen. Die philosophische Idee, die der Talmud hier auf- 
stellen will, lautet: Grosse Männer, die grosse Lehren 
zur Welt fördern oder grossartige Werke für die Mensch- 
heit errichten, leben so lange fort, als diese Lehren und 
Werke fortbestehen! 



Gegen Apion I., 20. ^3 

Indess liegt obiger Angabt des Talmud auch etwas 
Historisches zu Grunde. Unter den tyrischen Königen gab 
es auch einen Chiram IL, der aus Babylon stammte und 
nach der Zerstörung des salomonischen Tempels lebte. 
Die Identifizirung dieser beiden Chiram mag Anlass zu 
obiger talmud. Sage von dem langen Leben des Chiram J. 
gegeben haben. 

20. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte beruft sich Josephus auf den 
alten chaldäischen Geschichtschreiber Berosus , dessen 
Angaben mit denen der heiligen Schrift übereinstimmen. 
Berosus, nach Scaligers Vermuthung, Ber-Osea, Sohn 
Oseas, war ein chaldäischer Priester im Belustempel zu 
Babylon, der wegen seiner Kenntnisse in den Alterthü- 
mem seines Volkes in hohem Ansehen stand. Nach Vi- 
truvius (9,7) soll auf der Insel Kos eine berühmte astro- 
logische Schule des Berosus sich befunden haben. Er war 
Zeitgenosse des Manetho (beiläufig 300 Jahre vor Jo- 
sephus), vielleicht auch von Sanchoniathon, die alle über 
jüdische Geschichte und Verhältnisse schrieben, unter- 
scheidet sich aber von dem phönizischen Schriftsteller 
dadurch, dass er der grossen Sündfluth erwähnt. Sein 
Werk, das ebenfalls verloren gegangen, und sich blos in 
einigen Fragmenten erhalten, enthielt, wie aus diesen 
Bruchstücken zu ersehen, die älteste Geschichte der Erde 
und des Menschengeschlechtes, eine Beschreibung des 
babylonischen Landes und ein chronologisches Verzeich- 
niss der Regenten bis auf Cyrus. In welchem Ansehen 
das Werk gestanden, beweist der Umstand, dass es von 
Plutarch, Pausanias, Athenäus, Cicero, Vitruvius, Plinius 
und Josephus häufig citirt wird. Ein Hauptverdienst des- 
selben besteht darin, dass es in vielen Dingen mit den 
Angaben der Schrift übereinstimmt. Indess weicht doch 
Berosus in Betreff der babylonischen Regenten von den 
Angaben der Schrift in sehr wichtigen Punkten ab. 
Ausser Nebuchadnezar weiss die Schrift blos noch von 
zwei babylonischen Königen, Ewilmerodach und Bei- 



fJA Gegen Apioa I.^ 20. 

schazer zu sagen. Ob Bwilmerodach ein Sohn des Ne- 
bnchadnezar, findet sich da nicht angegeben, es heisst 
blos, das er sein nächster Nachfolger war. Hingegen von 
Belschazer wird ausdrücklich gesagt, (Daniel 5, 11, 18) 
dass Nebuchadnezar sein Vater gewesen. Wohl finden wir 
oft in der Schrift, dass Grosseltern Väter, wie wieder 
Enkel Kinder genannt werden. Allein eine Stelle im Buche 
Baruch (I. 11, 12) lässt fast keinen Zweifel übrig, dass 
Belschazer ein Sohn Nabuchadnezars gewesen. Baruch 
lässt da aus der Gefangenschaft den zurückgebliebenen 
Glaubensgenossen sagen: Betet für das Leben des Ne- 
buchadnezar, Königs von Babylon und für das Leben 
seines Sohnes Belschazer. Wäre Belschazer blos ein 
Enkel des Nebuchadnezar, etwa Sohn des Ewilmerodach 
gewesen, wie kommt es, dass hier blos des Enkels mit 
völliger üebergehung des Sohnes und unmittelbaren Nach- 
folgers erwähnt werde? Woher kommt es ferner, dass 
auch Daniel nur von Belschazer, aber nichts von Ewil- 
merodach zu sagen weiss, während Berosus nur des lezteren 
gedenkt? Sollte etwa Ewilmerodach, wie eine talmudi- 
sche Sage auch lautet, von seinem Vater, so lange dieser 
lebte, Verstössen und in den Kerker geworfen worden 
sein? Dass Ewilmerodach erster Nachfolger Nebuchad- 
nezars, daran lässt sich nicht zweifeln, da auch Berosu^ 
hierin mit der Schrift übereinstimmt. Eine andere 
Schwierigkeit besteht darin, während die Schrift über, 
die Kegierungsdauer des Ewilmerodach nichts angibt, 
Belschazer hingegen im dritten Jahre bei einem nächt- 
lichen Aufstande tödten lässt, gibt Berosus an, dass Ewil- 
merodach im dritten Jahre von seinem Schwager Nerig- 
laser getödtet worden, letzterer regierte 4 Jahre, darauf 
dessen Sohn Laborochodus neun Monate, der ebenfalls 
ums Leben kam, endlich gelangte zur Begierung der 
Babylonier Nabonnedus, der 17 Jahre regierte, von Cyrua 
wohl besiegt worden, aber beim Leben geblieben ist. Wer 
ist also unter diesen drei Nachfolgern des Ewilmerodach 
der biblische Belschazer? Es ist wahrscheinlich, dass 
letzterer, der zwei Namen führte, mit Ewilmerodach. 
identisch und seinen Tod nicht wie gewöhnlich ange- 



Gegen Apron L, 20. Y& 

nommen wird, bei einer Belagerung durch die Perser 
sondern durch seinen Schwager Neriglaser, der wieder 
identisch mit Darius aus Medien, gefunden« Mithin würde 
Berosus mit der Schrift übereinstimmen, nur dass letztere 
die zwei letzten babylonischen Begenten nicht anführt. 
Der Midrasch hingegen (Rabba zu I. M. P. 44) will in 
dem dreifaltigen Kalbe (I. M. 15, 9) eine Anspielung 
auf die chaldäische Dynastie finden, die blos drei Be- 
genten hervorgebracht, wofür auch folgende Stelle der 
Schrift: „Und ihm (Nebuchadnezar) werden alle Völker 
dienen, wie auch seinem Sohne und seines Sohnes Sohne. ^ 
(Jeremias 27, 7) zu sprechen scheint. Um jedoch diese 
Angabe mit Berosus zu vereinen, müssen wir annehmen, 
dass der Prophet hier blos von den männlichen Nach- 
kommen Nebuchadnezars spricht, während Neriglaser nur 
ein Schwiegersohn des Nebuchadnezars war, ferner, dass 
der letzte babylonische König Nabonnedus ein männ- 
licher Nachkomme Nebuchadnezars gewesen. Was aber 
Ewilmerodach veranlasst, sich gegen den jüdischen König 
Jojachin so freundschaftlich zu zeigen, dass er ihn nach 
37jähriger Gefangenschaft aus dem Kerker befreite und 
ihn über alle andern gefangenen Könige erhob (Jer. 52, 
31, IL Könige 25, 27), mag in folgendem Umstände seine 
Erklärung finden. 

Als Prinz, erzählt Xenophon (Cirop.), wollte Ewil- 
merodach eine Jagd an der medischen Gränze abhalten; 
daselbst mit seiner Begleitung angelangt, fand er nur 
eine schwache Besatzung vor und wurde von dem leicht- 
sinnigen Gedanken überfallen, die Jagd in eine Eroberung 
umzuwandeln, wurde jedoch durch die herbeigeeilten 
medischen Truppen in seinem Vorhaben zurückgehalten. 
Dieser Umstand brachte die erste Feindschaft zwischen 
den beiden benachbarten, bisher in intimster Freund- 
schaft gestandenen Nationen hervor und verbitterte das 
Gemüth Nebuchadnezars so sehr, dass er bis zu seinem 
Tode des Gedankens nicht los werden konnte, dass sein 
Reich durch den Leichtsinn des Prinzen eine Beute des 
medischen ßeiches werden wird. Letzterer wurde in 
Kerker geworfen, aus dem kein Gefangener je den Weg 



♦7g Gegen Apion I., 21. 

zur Freiheit mehr fand. Auch der Midrasch (Kabba zu 
III. M. P. 18) weiss von dieser Einkerkerung Ewilmero- 
dachs zu sagen, nur erzählt er es in anderer Weise. Die 
Stelle lautet : Als Nebuchadnezar in eine siebenjährige 
Krankheit verfiel (Daniel 4), übernahm Ewilmerodach cUe 
Regierung, wurde jedoch von seinem Vater, als dieser 
wieder genas, in Kerker geworfen, weil er sich über 
dessen Erkrankung zu sehr gefreuet. Nach dem Tode 
Nebuchadnezars wurde er abermals aus dem Kerker auf 
den Thron geführt, er weigerte sich jedoch, denselben zu 
besteigen, bis man ihm den Leichnam seines Vaters vor- 
führte. Möglich dass Ewilmerodach im Staatsgefängnisse 
mit dem unglücklichen jüdischen Könige Jojachin zu- 
sammengekommen und ein Freundschaftsbündniss daselbst 
geschlossen, das er nach seiner Thronbesteigung zur 
Geltung brachte. 

Noch wollen wir eine talmudische Stelle anführen, 
die auf Nebuchadnezars Verschwägerung Bezug hat. 
Berosus nennt seine Gemahlin eine Medierin, was sie auch 
in der That war, sie hiess Amitis und war Tochter des 
medischen Königs Astyages. Nun lautet erwähnte Tal- 
mudstelle (Kiduschin p. 72. b) wie folgt : Der Regent 
von Meschen Astandra (soll wahrscheinlich heissen Asty- 
ages), Schwiegervater des Nebuchadnezar, forderte diesen 
auf, ihm von den vielen in Syrien gemachten Gefangenen 
seinen gebührenden Theil zu senden. Nebuchadnezar 
wollte ihm israelitische Bürger schicken. Ein jüdischer 
Gefangener, Pelatja ben Benaja (Hesek. 11, 1) ertheilte 
ihm jedoch den Rath, die vornehmen Bürger lieber für 
sich zu behalten und die Sclaven an seinen Schwieger- 
vater zu übersenden. 

21. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte weiset Josephus nach, dass die 
vom Propheten Jeremias angekündigten 70 Jahre der 
babylonischen Gefangenschaft ganz mit den Angaben des 
Berosus und der phönizischen Geschichte übereinstimmen, 



Gegen Apion I., 21. Ty 

die ebenfalls einen solchem Zeitraum für die babylonische 
Herrschaft angeben. Wie jedoch diese 70 Jahre zu be- 
rechnen, darüber sind die Ansichten der Gelehrten ver- 
schieden. Josephus scheint hier, besonders in seinen 
Alterthümern (Ant. XI, 1, 1), als Teiminus quo das 
exste Begierungsjahr Nebuchadnezars , und Terminus 
ad quem das erste Begierungsjahr des Cyrus zu nehmen. 
Mithin wären diese 70 Jahre blos für die Dauer der 
babylonischen Dynastie, womit sowohl der Prophet Jere- 
mias (25, 1. 11. )i als auch das Buch der Chrouik (IL Ch. 
36, 21) und Esra (1, 1) übereinstimmen. Die Verödung 
des Tempels hingegen würde blos etwas über 50 Jahre 
gedauert haben. Dagegen jedoch spricht Daniel 9, 1, wo 
es ausdrücklich heisst, dass die Verwüstung Jerusalems 
70 Jahre gedauert, eljenso betont es Josephus selber,^ 
(Ant. X. 9, 7) dass Judäa, Jerusalem und der Tempel 
70 Jahre hindurch eine Wüste waren. Der Midrasch 
(Jalkut zu Jerem. 29 § 309) macht folgende Berechnung: 
Die eigentliche Gefangenschaft dauerte blos 51 Jahre bis 
zum. Antritte des Cyrus, der Tempel aber war noch 19 
Jahre weiter verödet, nämlich 3 Jahre unter Cyrus, 14 
unter Ahasverus und zwei unter Darius. Eine ganz an- 
dere Berechnung hat wieder der Talmud (Megilla 11, a). 
Nach ihm regierte Nebuchadnezar 45 Jahre (2 Jahre 
mehr als bei Berosus, wahrscheinlich als Mitregent beim 
Leben seines Vaters); Ewilmerodach 23 Jahre (in den 
Alterth. gibt ihm Josephus 18 Jahre, Ant. X. 11, 2) und 
Belschazer zwei Jahre (in den Alterth. bei Josephus 17 
Jahre). Als terminus a quo und ad quem figuriren hier 
ebenfalls die ersten Begierungsjahre des Nebuchadnezar 
und des Cyrus. Eine zweite Berechnung des Talmud geht 
dahin, dass diese 70 Jahre von der Gefangennahme des 
Königs Jojachin, als im achten Begierungsjahre Nebu- 
chadnezars, beginnen, womit auch eine Stelle des Pro- 
pheten (Jerem. 29, 2, 10) übereinstimmt. Endlich wird 
noch eine dritte Berechnung angeführt, welche mit der 
Zerstörung des Tempels im 19. Begierungsjahre des Ne- 
buchadnezar beginnt und 19 Jahre nach der Eroberung 
Babylons durch die Perser mit der Erbauung des Tem- 



Y3 Gegen ApioB I., 23. 

pels unter Danas (Esra 4, 24) endet. Wir haben also 
nach dem Talmud eine dreifache Berechnung über diese 
70 Jahre. 1. So lang die babylonische Dynastie in ihrer 
Blüthe stand (Jerem. 25. 1, 11, 12). 2. Seit der Deport 
tation des jüdischen Volkes unter Jojachin (Jerem. 29, 
2, 10. IL Könige 24, 14). 3. Endlich seit der Verödung 
der Stadt und der Verbrennung des Tempels unter Zede- 
kia (Daniel 9, 1. Esra 4, 24). 

22. Abschnitt. 

Da Jodephus in diesem Abschnitte so Vieles aus dem 
griechischen Schriftsteller Hekatäus citirt, so wollen wir 
hier einige Daten über denselben liefern. Hekatäus^ aus 
^bdera gebürtig war Philosoph und Geschichtschreiber, 
blühte zur Zeit Alexanders des Grossen, kam nach dessen 
Tode im Gefolge des Ptolomäus Lagi nach Aegypten, 
wo er Gelegenheit fand, sich mit jüdischen Angelegen- 
heiten, da eben um diese Zeit eine grosse jüdische Ein- 
wanderung nach Alexandrien stattfand, bekannt zu machen. 
Hekatäus, von Wissensdurst getrieben, machte da die be- 
sondere Bekanntschaft des jüdischen Priesters Esekias, 
von dem er sich über alle jüdischen Einrichtungen, 
namentlich über Keligion und Politik unterrichten liess. 
Er verfasste ein eigenes Buch über jüdische Geschichte, 
aus dem ausser den von Josephus hier gelieferten Daten 
über den Tempel auch Euseb. (Präp. Ev. IX. 4) einige 
Fragmente aufbewahrt. Scaliger wollte zwar dieses Werk 
für apokryph erklären, worin ihm auch Eichhorn zustimmt ; 
spätere Gelehrte jedoch wie Spencer und Saint-croii such- 
ten gründlich nachzuweisen, dass dieses Werk wirklich 
von Hekatäus herstammt. Diie Schilderung, die uns Jose- 
phus aus Hekatäus im Namen des Priesters Esekias über 
den Tempel zu Jerusalem liefert, ist um so wichtiger 
und interessanter, weil sie aus einer Epoche herstammt, 
aus der wir nur wenige Daten in BetreiF des Tempels 
besitzen, üeber die Errichtung und Einrichtung des Heüig- 
thums in der Wüste gibt uns der Pentateuch (II. M. 36) 
Aufschluss. Der salomonische Tempel wird uns weit- 



Gegen Apion I., 22, a) 179 

läufig im ersten Buche der Könige (6, 7) und im zweiten 
Buche der Chronik (3, 4) beschrieben. Ebenso finden sich 
vollständige Berichte über den herodianischen umbau 
und dessen Einrichtungen sowohl in Josephus (Ant. XV. 
11, 3) als auch im Talmud (Midoth, Tamid) vor. Hin- 
gegen wird uns nur "Weniges über den Tempelbau durch 
Serubabel nach der Befreiung aus dem babylonischen 
Exil berichtet. Was sich darüber in Esra und in Nehe- 
mias vorfindet, sind nur schwache Andeutungen. Dagegen 
gehört Alles das, was uns hier Josephus aus Hekatäus 
mittheilt, eben dieser Epoche an, da der Berichterstatter 
um die Zeit Alexanders des Grossen, also noch vor dem 
Eintritte der Makkabäerzeit gelebt. Sechs Funkte sind 
es vorzüglich, die unsere Aufmerksamkeit aus diesem 
Berichte auf sich ziehen, daher wir sie auch besonders 
verhandeln wollen. 

a) In der Mitte der Stadt, heisst es in diesem Be- 
richte, gibt es eine steinerne Umfassung 500 Ellen lang 
100 Ellen breit, die zwei Thore hat. Hier ist unstreitig 
vom Tempelhof oder Tempelberg die Rede. Da der 
griechische Puss 4, die Elle wieder 6 Handbreiten bildete 
(Herodot II. 147), so wäre dies ein Raum von 1,200,000 
Quadrat Handbreiten oder 75,000 Quadratfuss. Für die 
Grösse des zweiten Tempels gibt zwar Esra (6, 3) an, 
dass Cyrus die Erlaubniss ertheilte, für einen Bau von 
€0 Ellen Höhe und 60 Ellen Breite. Hier ist aber blos 
vom Bau selbst, aber nicht von dessen Umfange nebst 
Vorhöfen die Rede. Der Prophet Hesekiel (40, 47), der 
in seiner Vision sich einen idealistischen Bau vorstellte, 
den Umriss aber wahrscheinlich von dem salomonischen 
Tempel, den er noch kannte, hernahm, nimmt für den 
Tempelhof ein Quadrat von 100 Ellen an. Vom herodia- 
nischen Tempel wieder gibt der Talmud (Midoth IL 1) 
an, dass derselbe ein Quadrat von 500 Ellen hatte. Die . 
Stiftshütte, die 30 Ellen lang und 10 Ellen breit war, 
hatte einen Vorhof von 100 Ellen Länge und 50 Ellen 
Breite. Nach diesem Verhältniss müsste der Vorhof des 
serubaberschen Tempels von 60 Ellen Länge gewiss grösser 
als 1(X) Quadratellen sein. Ebenso differirt die Angabe 



QQ Gegen Apion L, 22, b) 

in Betreff der Thore, die in den Tempelhof fahrten. Im 
herodianischen Tempel gab es nach dem Talmud 5 solche 
Thore, zwei im Süden, die andern drei nach den übrigen 
drei Weltgegenden. Das östliche Thor hiess das Thor 
Susan, weil darin das JBild der Stadt Susan, der persi* 
sehen Besidenzstadt, angebracht war, wahrscheinlich ein 
Huldignngsdenkmal für die persischen Könige und als 
ältestes gewiss auch eines jener zwei Thore war, die hier 
Hekatäus angibt. Auch wurde durch dieses Thor die 
rothe Kuh, die an dem östlich vom Tempel liegenden 
Oelberge verbrannt wurde, hinausgeführt. Die zwei süd- 
Ucheii Thore wurden nach dem Namen der Prophetin 
Chulda genannt, die hier wahrscheinlich ihren Wohnsitz 
hatte (11. Könige, 23, 14). Das nördliche Thor hiess 
Todos, wahrscheinlich nach dem Erbauer desselben, blieb 
aber stets geschlossen. Das westliche endlich führte den 
griechische Namen Kypos, Gartenthor, weil vor demselben 
ein iJluniengarten sich befand (Maser IL 5). Im Susan- 
thore gab es auch ein Gemach, das diesen Namen führte 
und das zur Aufbewahrung der Tempelellen diente (Kelim 
XVll. 9). Terapelellen gab es zwei von 6 und von 5 Hand- 
breiten (24 — 20 Zoll) , erstere wurden zu Bauwerken, 
letztere zur Verfertigung von Geräthschaften gebraucht 
(ibid. 10). Ebenso gab es auch in Aegypten eine könig- 
liche und eine gemeine Elle, einen göttlichen und einen 
gemeinen Fuss, die von verschiedener Grösse waren 
(Uhlemann Aeg. 11. 85). 

6) In Betreff des Opferaltars berichtet Hekat. Fol- 
gendes: Derselbe war viereckig, aus nicht behauenen^ 
sondern gesammelten und unbearbeiteten Steinen erbaut 
worden ; jede Seite betrug 20 Ellen, die Höhe 10 Ellen. 
Was den ersten Punkt betrifft, so stimmt dies mit der 
Angabe bei allen verschiedenen Altären überein. Von 
dem Altare der Stiftshütte heisst es ausdrücklich (IL M. 
30, 2), dass die Steine nicht behauen werden durften 
und es soll kein Eisen über sie erhoben werden. Dena 
der Altar, erklärt B. Joch, ben Saccai sehr schön dieses 
Gebot, (Mechilta zur Stelle) ist bestimmt, das mensch- 
liche Leben zu verlängern, das Eisen dagegen ist 



Gegen Apion I., 82, ^) Qi 

geschaffen, dasselbe zu verkürzen, daher Letzteres auszn- 
schliessen ist. Salomo ging bei der Erbauung des Tem- 
pels noch weiter, da er zur Errichtung des ganzen 
Baues nur unbehauene Steine nahm, und weder Hammer 
noch Beil noch irgend ein eisernes Werkzeug wurde beim 
Bau des Tempels vernommen (I. Könige 6, 7). Die Tra- 
dition modifizirt dies jedoch dahin, dass nur innerhalb 
des Tempels kein Eisen verwendet wurde , während je- 
doch ausserhalb desselben die Steine behauen und her- 
gerichtet werden durften (Maimonides über den Tempel 
I. 8, 15). Für den Altar hingegen mussten die Steine im 
Ganzen entweder aus dem Boden durch ümgrabungen 
herausgenommen, oder vom Meere heraufgeholt werden 
(ibid.). Ein ähnliches Verfahren wurde auch beim Altare 
im serubabelischen Tempel eingehalten. Als die Makka- 
bäer nach Vertreibung der Syrier den Tempel wieder 
einweihten, konnten sie den Altar, den die Feinde durch 
Aufstellung von Götzen darauf verunreinigten, nicht mehr 
benützen, derselbe wurde ganz beseitigt (I. Makk. 4, 45): 
und sie nahmen unbehauene Steine nach dem Gesetze 
und bauten einen neuen Altar (ibid. 47). Konnten aber 
die Steine nicht, warf der Talmud die Frage auf (Aboda- 
sara p. 52, b) mit einem Hobel abgezogen werden ? Nein, 
lautet die Antwort, da der Altar von keinem Eisen be- 
rührt werden durfte. Aber nicht blos das Eisen, sondern 
jede Beschädigung des Altars auf irgend eine Weise 
machte denselben unbrauchbar. Als ein Zaduzäer (König 
Alex. JannaiJ, erzählt derTalmud(Succap.48, ö), am Laub- 
hüttenfeste die Wasserlibation auf seine Füsse ausschüt- 
tete, wurde ein Aufstand gegen ihn im Tempel erregt, 
so dass der Altar beschädigt wurde; er wurde zwar 
augenblicklich ausgebessert, damit er in dieser Form den 
Tempel nicht schände, aber er war unbrauchbar und 
musste durch einen andern ersetzt werden. Auch die 
treppenartige Anhöhe, oder der Aufwurf, der zur Höhe 
des Altares führte, wurde in dieser Beziehung dem Altare 
gleichgestellt, dass dazu kein Eisen verwendet werden 
durfte (Midoth III. 4). 



32 Oegen Apion I., 21, b) 

Was jedoch den zweiten Punkt, die Grösse des Al- 
tars anbelangt, so finden wir bei den verschiedenen Altären 
auch verschiedene Maasse angegeben. Oeffentliche Altäre 
in den verschiedenen Heiligthümern gab es sechs. Von 
dem mosaischen Altare heisst es (IL M. 27, 1), dass er 
ein Quadrat von 5 und eine Höhe von 3 EUen hatte. 
Nach dem Talmud (Sebachim p. 59) blieb selbst von 
diesem Altare nach Abrechnung der vier Hörner und des 
Priesterganges blos eine Elle Quadrat als Opferstätte 
übrig. Der salomonische Altar hingegen hatte ein Quadrat 
von 20 Ellen und eine Höhe von 10 Ellen (IL Chr. 4, 1). 
Wie wir sehen, stimmte nach dem Berichte des Hekat. 
der serubabelische Altar in Betreff der Grösse ganz mit 
dem salomonischen überein, was aber, wie wir bald zeigen 
werden, mit einer Angabe des Talmud im Widerspruche 
steht. Als jedoch dieser Altar bei der Einweihung des 
Tempels nicht hinreichend für die grosse Menge Opfer 
war, weihte Salomo den ganzen Tempelhof zu diesem 
Zwecke ein (I. Könige 8, 64). 

König Achas beseitigte diesen Altar und liess durch 
den Priester Urija einen neuen, nach der Form des Al- 
tares zu Damaskus errichten (IL Könige 16, 11). Wie 
dieser beschaffen war, ist aus der Stelle nicht zu ersehen, 
dass er aber in Betreff der Grösse den salomonischen 
übertraf, ist daraus zu ersehen, dass dieser „der grosse 
Altar" genannt wird (ibid. v. 15). Indess wurde dieser 
Altar schon von seinem Sohne und Nachfolger König 
Hiskia (IL Chr. 29, 18), noch mehr aber von König Joasch 
(IL Könige 23, 13) aus dem Tempel beseitigt. 

Wir kommen nun zu dem vierten Altare im seru- 
babelischen Tempel. Von diesem wird zwar angegeben 
(Esra 3, 3), dass er auf seiner Grundlage, Basis, errichtet 
wurde. Der Talmud hingegen (Sebachim 62, a) erklärt, 
dass einer der drei Propheten (Haggai, Secharja und Ma- 
leachi) aus Ueberlieferung die frühere Stätte angab, wo 
der salomonische Altar gestanden , der andere wieder 
eine Tradition überbrachte, dass der Altar bis 60 Ellen 
vergi'össert werden kann. Von dieser Tradition wurde in 
so ferne Gebrauch gemacht, dass der Altar, der zur Basis 



Oegen Apion I., 22, b) QQ 

32 Quadrat-Ellen hatte, zur Opferstätte ein Quadrat von 
24 Ellen besass. Man berief sich auf eine Stelle des Pro- 
pheten (Hesek. 43, 16), woesheisst: Der Ariel (der Altar) 
war 12 Ellen lang und 12 Ellen breit, d. h. vom Mittel- 
punkte aus. (Midoth III. 1.) Um jedoch die Maasse der ver- 
schiedenen Altäre zu vereinen, wird von der Mischna 
(ibid.) eine besondere Construction aufgestellt. Es wurde 
vor Allem eine Basis von 32 Ellen Quadrat und einer 
Ellenhöhe gelegt. Nun wurde darauf ein Aufbau von 30 
Quadrat-Ellen und 5 Ellenhöhe angebracht, dann folgte 
wieder ein zweiter Aufbau von 28 Quadrat-Ellen und 
3 Ellenhöhe. Auf den vier Ecken des letztern wurden 
die vier Hörner in der Höhe einer Elle angebracht, fer- 
ner neben den Hörnern eine Elle ringsherum als ümgangs- 
ort für die Priester frei gelassen, so dass die Höhe des 
Altars 10 Ellen (1 + 5 + 3+1) und die Oberfläche, 
oder die Opferstätte 24 Ellen betrug. Man hatte dabei 
die Höhe des salomonischen Altares von 10, aber auch 
die des mosaischen von 3 EUen. In Betreff der Breite 
und Länge jedoch war man, wie wir oben gesehen, nicht 
so scrupulös. 

Indess gab es einen wichtigen Grund für diese Er- 
weiterung des Altars mit einer Basis von 32 Ellen. Am 
Laubhüttenfeste mussten die Libationen, wahrscheinlich 
zum Andenken an die Sündfluth, aus Wasser dargebracht 
werden. Nun war in ganz Syrien die Sage verbreitet, 
dass die Sündfluth in diesem Lande in einer Vertiefung 
ßich verlor, wesshalb auch zu Heropolis im Tempel ein 
Wasserfest abgehalten wurde. Man goss das Wasser auf 
dem Boden aus, das sich in eine Vertiefung unter dem 
Altare verlor. (Lucian de dea syria.) 

Eine ähnliche Vertiefung gab es auch unter dem 
Tempel zu Jerusalem, Schitin genannt (Succa 49, oj. Nun 
wollte man dieses Schitin in unmittelbare Verbindung 
mit dem Altare bringen, daher die Erweiterung des 
letztern mit einigen Ellen nothwendig war (Seba- 
-chim 61, b). 

Auch dieser Altar, den die Syrier verunreinigten, 
wurde entfernt und durch die Makkabäer ein anderer 

6* 



QJ Oeffen Apion L, It, e) 

errichtet (11. Makk. 10, 3). Von welcher Grösse wird da 
nicht angegeben. Da es jedoch anderseits (I. Makk. 4, 47) 
heisst: Und bauten einen nen^ Altar nach dem „frö* 
hem^, 80 scheint, dass dieser makkabäische Altar ia 
Betreff des Masses nicht geändert wurde. Nun bMbt aoclt: 
der sechste Altar im herodianischen Tempel übrig. 

Von diesem berichtet Josephus (Krieg V. 5, 6), das» 
er ein Quadrat von 50 Ellen und eine Höhe vonlöEllea 
hatte, nach allen Dimensionen also vergrössert. Im Tal- 
mud findet sich darüber nichts vor, vielmehr geht aus- 
Maimonides (Beth-habchira II. 5) hervor, dass der sera- 
bubelische Altar hinsichtlich der Grösse mit der Basis 
von 32 Quadrat-Ellen massgebend für alle spätem Altäre 
sei. Allein obige Angabe des Talmud, dass vermöge 
einer prophetischen Tradition der Altar bis auf 60 Ellen 
vergrössert werden kann, spricht für die Angabe des Jo- 
sephus, da der prachtliebende Herodes, der alle seine 
Bauten in grösserem Massstabe unternahm, gewiss auch 
bei der Errichtung des Altars von dieser Concession Ge- 
brauch gemacht haben würde. Jedenfalls ist ersichtlich, 
dass obiger Bericht des Hekat., dass der Altar eine Grösse 
von 20 Quadrat-Ellen hatte, im Widerspruche mit dem 
Talmud steht. 

c) Im Gebäude, d. h. im Heiligthume, berichtet 
ferner Hekat., befand sich ein Altar und ein Leuchter, 
beide von Gold, zwei Talente an Gewicht, darauf brannte 
ein nie verlöschendes Feuer Tag und Nacht. Unter die- 
sem zweiten Altare ist der Eäucheraltar zu verstehen, 
der blos zur Darbringung des Eäucherwerkes und zuEx- 
piatiousz wecken (III. M. 4, 7) diente. 

In der Stiftshütte (II. M. 30, 1) war derselbe zwei 
Ellen hoch und eine Elle im Quadrat, das Gerüst bestand 
aus Holz und war mit Gold bedeckt. Wie schwer die 
Goldplatten gewesen, wird weder hier noch beim salomo- 
nischen Tempel (I. Könige 6, 20. II. Chr. 4, 19 ) angegeben. 
Dass es auch im serubabelischen Tempel einen Goldaltar 
gegeben, beweist der Umstand, dass derselbe unter den 
Goldgefässen aufgezählt wird, die Ant. Epiph. aus dem 



Gegen Ipion I., 82 c) Q^ 

Tempel raubte (I. Makk. 1, 21), die Makkabäer aber stellten 
einen andern dafür auf (ibid. 4, 49). 

Auch im herodianischen Tempel gab es einen sol- '** 
^en, wie dies aus Josephus (Krieg Y. 5) zu ersehen, 
während im Talmud nichts über den Goldaltar vorkommt, 
blos in einer Mischna (Ende Chagiga) heisst es, dass alle 
Tempelgeräthe durch ein Bad gereinigt werden müssten, 
nur nicht der Kupfer- und der Goldaltar, weil sie keine 
Yernnfelnigung annehmen, ferner alle Tempelgeräthe 
iraren zweifach vorzufinden, was dort der Talmud eben- 
es vom Goldaltare verstanden wissen will, wofür wir 
jedoch nirgends eine Stütze finden. Indess scheinen die 
SGmer bei der Erstürmung des Tempels den Goldaltar 
nicht erlangi zu haben, da Josephus (Krieg YII. 5) blos 
-den goldenen Tisch von mehreren Talenten Gewicht und 
den goldenen Leuchter aufzählt, den die Bömer im Triumphe 
aufführten, ebenso zeigen die Beliefs an dem Triumph- 
bogen des Titus blos diese zwei Geräthe, den Leuchter 
und den Schaubrodtisch mit Weglassnng des Goldaltars. 
Yom Leuchter hingegen heisst es ausdrücklich, dass er 
«in Kikar wog (IL M. 25, 39), was Josephus (Ant. IIL 
6, 7) mit 100 Pfund oder einem griechischen Talente 
^klärt. Was jedoch Hekat. von dem nie verlöschenden 
Feuer berichtet, so ist es unklar, ob dies auf den Altar 
oder den Leuchter sich bezieht. Yom Altar gibt zwar 
Maimonides (Teiüidim IL 1) an, dass auf demselben ein 
beständiges Feuer zu brennen habe; allein hier ist von 
<lem Brandopferaltar und nicht vom Goldaltar die Bede. 
Sollte etwa hier Hekatäus die beiden Altäre mit einander 
vertauscht haben, wie dies in jüngster Zeit dem so be- 
rühmten Talmudisten B. Mos. Sofer passirte, der den Um- 
gang um den Altar am Laubhüttenfeste (Succa lY. 5) 
ürrthümlicherweise vom Goldaltar verstanden? (Chatham- 
Sofer, Orach Chajim 28). 

Indess scheint obiger Bericht des Hekat. sich auf den 
Leuchter zu beziehen und ist diese Angabe geeignet uns 
Aufschluss über das Zeitalter des eigentlichen Bericht- 
erstatters, des Priesters Hesekias zu ertheilen. Er muss 
vor dem Tode des Hohenpriesters Simon des Frommen 



Qß Gegen Apion I., ii, d) and e) 

gelebt haben. Während der vierzigjährigen Amtsverwal- 
tung dieses Simon, lautet eine Ueberlieferung im Talmud 
(Sabbath p. 39, a), traf es sich nie, dass das Licht aoi 
heiligen Leuchter je ausgegangen, nach seinem Tode aber 
hörte dieses Wunder auf. Aus dieser Sage ist jedenfalls 
so viel zu ersehen, dass im Volke die Kunde sich erhielt,- 
dass zur Zeit dieses Hohenpriesters das Licht imTempel 
beständig brannte und nie erlosch. 

d) Ferner gibt Hekat. an, dass im Tempel weder 
eine Bildsäule noch ein Weihgeschenk sich befand. Das- 
Verbot von Bildsäulen ist allgemein bekannt und gab- 
dasselbe gegen Ende des zweiten Tempels Anlass zu so 
vielen Streitigkeiten mit den Eömern, deren Herrscher 
ihr Bild in den Tempeln aufhängen lassen wollten. Der 
zweiten Angabe wird jedoch vom Talmud widersprochen. 
Beim Eingang des Hechal, heisst es daselbst (Midoth 
III. 8), befand sich ein goldener Weinstock, fromme Ge- 
müther spendeten ein Weinblatt, eine Beere von Gold 
und hängten sie darauf an. Von diesem goldenen Wein- 
stocke im Tempel weiss nicht blos Josephus (Ant. XIV^ 
3, 1. XV. 13, 3. Krieg V. 5, 4), sondern auch Tacitus (hist^ 
V. 5) erwähnt desselben. Im Tempel, äussert er sich da,. 
fand sich kein Bild vor, die Juden verehrten nur ein 
einziges geistiges Wesen, nur weil ein goldener Weinstock 
da stand, glaubten Manche, dass die Juden Vater Bacchus 
verehren. Aber nicht blos Gold, sondern auch Alterthü* 
mer oder die Waffen berühmter Helden, wie die Schilder 
und Spiesse des Königs David, wurden im Tempel auf-- 
gehäugt (IL König. 11, 10. I. Sam. 21, 9). 

ej „Auch befand sich keine Anpflanzung daselbst." 
Dies wird ausdrücklich verboten (V. M. 16, 21). Hier 
heisst es jedoch nur „neben dem Altare Gottes" ; der 
Sifri aber dehnt dieses Verbot auf den ganzen Tempelhof 
aus und will ferner darunter nicht blos Anpflanzungen 
von Bäumen, sondern jede Errichtung von hölzernen 
Bauten innerhalb des Tempelrayons verstehen. Die Stelle 
in Josua (24, 26), dass eine „Eiche" im Heiligthume 
Gottes sich befand, müssen wir nach dem Chaldäer mit 
„Schwelle" übersetzen. Nach Hekat. scheint jedoch diese» 



Gegen Apion I., 2?, f) g^ 

Verbot nur neben dem goldenen Altare, d.h. im Innern 
desHeiligthumes zu gelten, was auch an dem poetischen 
Bilde des Psalmisten (92, 14): „Die Frommen sind wie 
Palmen und Zedern, die im Hause Gottes gepflanzt 
sind," eine Stütze findet (S. Easchi und Ibu Esra). Ebenso 
scheint aus Richter (9, 6) hervorzugehen, dass es eine 
Eiche war, was Josua zu Sichem beim Heiligthume 
hatte. Es scheint also, dass das Verbot der Anpflanzun- 
gen von Bäumen neben dem Heiligthume, erst nach der 
Errichtung des Tempels in Jerusalem zur Geltung kom- 
men sollte. 

f) Im Tempel, lautet der letzte Bericht des Hekat., 
halten sich die Priester Tag und Nacht auf. Hier ist 
unstreitig von der Tempelwache die Rede, weil es sonst 
in der Nacht für die Priester keinen Dienst im Tempel 
gab. Auf drei Plätzen, lautet eine Mischna (Tamid. 1. 1. 
Midoth I. 1) hatten die Priester und auf 21 Posten die 
Leviten den Tempel zu bewachen. Diese Bewachung er- 
klärt Maimonides (Beth-habchira VIII 1) ist ein mosai- 
sches Gebot, selbst wenn Alles gesichert und nichts von 
Feinden zu befürchten ist, weil es zur Ehre des Heilig- 
thumes gereicht, dass es bewacht werde, wie dies bei den 
Palästen der Grossen gebräuchlich. Dieselbe hat aber 
blos für die Nachtzeit zu gelten. Lipmann Heller weiset 
jedoch nach, dass diese Bewachung Tag und Nacht zu- 
gleich geschehen müsse. Obiger Bericht des Hekat. 
spricht nicht minder für diese Ansicht. Diese Bewachung 
stand unter Aufsicht einer Tempelpolizei. Es gab nämlich 
im Tempel fünfzehn Aufseher (Schekalim V. 1), darunter 
folgende zwei: Ein Aufseher über das Schliessen und 
Oeffnen der Tempelthore; er hatte eine grosse Abtheilung 
von Priestern .unter seiner Leitung, da die Bewachung 
durch das Ereigniss, dass ein Samaritaner am Passah- 
feste beim zeitlichen OeflFnen der Thore sich einschlich 
und das Heiligthum durch Ausstreuen von todten Men- 
schengebeinen verunreinigte, eine strengere geworden 
(Josephus Ant. XVIII. 2, 2). Ausserdem wurden zum 
OelFnen der Thore zwanzig Personen benöthigt (Ant. VI. 
5, 3. Ap. IL 9.) Auf den Befehl dieses Aufsehers wurde 



gg Otgen Apion L, 2S, f) 

sowohl beim Oeffnen als Schliessen der Thore dreimal 
mit der Posaune geblasen. Das Oeffnen geschah gewöhn- 
lich vor Anbruch der Morgenröthe, der Aufseher kloj^ 
bei der Brandstätte und die Priester öffneten ihm da 
von innen. Nun theilte er seine Begleitung in zw^i Hau- 
fen, der eine wendete sich nach Osten, der Andere 
nach Westen und so umkreisten sie das Heiligthum, bis 
sie sich wieder einander begegneten mit dem gegensei«- 
tigen Zurufe: Alles friedlich, Alles in Ordnung. Ein 
zweiter Aufseher hatte die 24 Tempelposten zu inspizi« 
ren, fand er Jemand von der Wache im Schlafe, so 
konnte er ihn körperlich bestrafen nnd dessen Gewänder 
verbrennen. Die drei Wachtposten der Priester waren das 
Haus Abtinas, das Haus Nizuz und die Brandstätte, wo 
die ältesten der diensthabenden Priester schliefen und die 
Tempelschlüssel bewachten. Die 21 Posten der Leviten 
waren bei den verschiedenen Tempelthoren und in den 
Mauer winkeln. 

Bei der Inspizirung musste jede Tempelwache sich 
erheben, mit dem Kufe: Oruss dir Tempelaufseher (Mai- 
monides Beth-habchira VIII. Tempelgeräthe VII. 3, 4). 
Diese zwei Tempelaufseher sind wahrscheinlich jene 
Tempelhauptleute in Luc. 22, 52. Noch ist zu bemerken, 
dass der Aufseher über die Tempel wachen eigene Schlüssel 
zum Tempelberge hatte, um zu jeder Stunde in der 
Nacht inspiziren zu können (Lipmann Heller zu Midoth 
I. 2). Seine Aufsicht schien also blos auf die 21 Leviten- 
posten, die im Tempelberge waren, sich zu erstrecken. 
Der andere Aufseher hatte wieder das Innere desHeilig- 
thumes zu beaufsichtigen. 



Einleitnng znm zweiten Boche. 

JL)a in diesem zweiten Buche Josephns rorzüglich 
und in erster Beihe die Verleumdongen des Apion zu 
entkräften sacht, so wollen wir hier, so weit dies auch 
zum Yerständniss dieser Schutzschrift nothwendig, einige 
Notizen über diesen alexandrinischen Schriftsteller liefern. 
Der Grammatiker Apion war von Geburt ein Aegypter 
aus der ägyptischen Oasis, erhielt aber seine Erziehung 
in Alexandrien, wo er sich auch niederliess und später 
des BürgeiTechtes theilhaftig wurde. Aus eitler Ruhm- 
sucht suchte er, was immer von einer niedrigen Gesin- 
nung zeigt, seine Nation und Geburtsstätte zu verleugnen 
und sich für einen eingeborenen Alexandriner, d. h. einen 
Griechen auszugeben. (IL 3.) Warum, fragen unsere 
Weisen, wurden die Gebeine Josefs nach dessen Tode in 
das Land seiner Täter zurückgebracht, während die des 
Moses in fremdem Lande ruhen mussten ? Ersterer, lau- 
tet die Antwort, machte selbst als Sclave und auf frem- 
dem Boden kein Hehl daraus, dass er aus dem Lande 
der Hebräer stammte (I. M. 39, 14, 15, 41, 12); während 
Letzterer dies nicht gethan zu haben scheint, da er die 
Töchter des Jethro, die ihn für einen Aegypter hielten, 
(II. M. 2^ 19) aus diesem Irrthume nicht führte. Nun 



QQ Einleitung znm zweiten Bache. 

war Moses zum Theile, dein Lande nach, wirklich ein 
Aegypter, aber er hätte auch in Betreff seiner nationalen 
Abstammung keinen Zweifel obwalten lassen. Apion 
zog später zur Zeit des Kaisers Tiberius nach Born, wo 
er einen Lehrstuhl als Grammatiker einnahm. Es bot sich 
ihm bald Gelegenheit, seine Gesinnung gegen die Juden, 
besonders gegen die zu Alexandrien, an den Tag zu 
legen. Bekanntlich hat Alexander der Grosse eine grosse 
jüdische Colonie aus Palästina in der seinen Namen tra- 
genden neuen Hauptstadt Aegyptens ansiedeln lassen; 
er ertheilte ihnen mehrere Rechte, erlaubte ihnen den 
Namen Macedonier, d. h. griechische Bürger, zu fuhren 
und wiess ihnen in Alexandrien ein eigenes Quartier am 
Meere, wohin auch später die Könige ihre Residenz ver- 
legten, an. Ebenso begünstigt wurden die Juden von 
Alexanders Nachfolgern, den Ptolomäern, unter denen sie 
oft zu den höchsten Staatsämtern gelangten. Diese Be- 
günstigung von Oben dauerte noch zu Anfang der römi- 
schen Kaiser, Cäsar und August, fort. Doch ganz anders 
gestaltete sich die Lage der alexandrinischen Juden unter 
Tiberius und besonders Caligula. Flaccus, der römische 
Proconsul, suchte, um sich die Gunst der alexandrinischen 
Einwohner zu verschaffen, deren Hass gegen die Juden 
anzustacheln, wass ihm nur allzuleicht gelang. Man 
machte den Versuch, den jüdischen Mitbürgern die von 
den Ptolomäern ihnen eingeräumte Gleichberechtigung 
in Abrede zu stellen und veranstaltete eben mit Hilfe 
und Unterstützung des erwähnten Proconsuls die empö- 
rendsten Greuelscenen. Die so hartbedrängten Juden 
schickten unter Anführung des bekannten jüdischen 



Einleitnngf zum zweiten Buche. Q][ 

Philosophen Philo eine Gesandtschaft nach Born, um 
Gerechtigkeit und Schutz am kaiserlichen Hofe zu suchen. 
Dasselbe thaten auch die Alexandriner, an deren Spitze 
Apion sich stellte, der sich schon früher durch mehrere 
Schmähschriften gegen die Juden einen Namen in dieser 
Beziehung erwarb. Um diese Zeit herrschte zu Rom der 
ebenso grausame als wahnbethörte Caligula, der ebeti 
mit dem Plane umging, sich vergöttern zu lassen und 
überall seine Bildnisse herumschickte, mit dem Auftrage, 
dass dieselben in den verschiedenen Tempeln aufgestellt 
werden. Apion benutzte diesen Umstand gegen die Ju- 
den. Anstatt das Kecht seiner Mandanten vor dem Kaiser 
auszuführen, suchte er dessen Hass gegen die Juden da- 
durch rege zu machen,* dass er sie denuncirte, dass 
sie allein es sind, die sich weigern, seine Bildsäulen in 
ihrem Tempel aufzustellen und bei seinem Namen zu 
schwören (Jos. Ant. XVIII. 8, 1). Caligula gerieth so 
sehr in Zorn, dass er dem jüdischen Gesandten Philo, 
der sich zur Vertheidigurig anschickte, Stillschweigen ge- 
bot und ihn in schmählicher Weise entliess, so dass 
der Beschämte beim Herausgehen fast im prophetischen 
Tone seinen Begleitern zurief: Nun können wir getrost 
und guten Muthes sein, ein solches ungerechtes Beneh- 
men von Seite eines Herrschers kann unmöglich die 
göttliche Vorsehung lang unbestraft lassen. Die göttliche 
Strafe ereilte aber auch in der That bald alle drei zum 
Untergange der Juden verschworenen Feinde. Flaccus, 
gegen den Caligula Verdacht geschöpft, wurde als Ge- 
fangener nach Eom geführt, dann nach der Insel Andres 
verbannt und endlich auch hingerichtet. In Kom selbst 



09 Einleitung mam iw«iten Bnehe. 

aber erhob sich eine Yerschwönung gegen GaUgnla» als 
deren Opfer er, wie aneh seine wahnbethörten Ediete 
fielen. Aber auch Apion, der sich besonders über die 
Juden wegen ihrer Beschneidang belnstigte, traf die 
göttliche Gerechtigkeit in besonderer Weise, indem er 
äch in Folge einer Krankheit dieser Operation unter- 
werfen musste, die ihm nber. nichts nützte und er doi- 
noch unterlag. Der Hauptcharakterzug des Apion bestand 
in einer ausserordentlichen Prahlerei, so das Tiberius 
ihn die Welttrommel nannte. Flinius (Praef. bist, nat.) 
erzählt von ihm, er habe sich gerühmt. Jedem ünst^rb* 
lichkeit ertheilen zu können, wenn er ihm eines seiner 
Werke widmete. Ebenso rühmte er sich, in die Schatten 
der Unterwelt gestiegen zu sein, um Homers Vaterland 
zu erforschen, aber was er darüber erfahren, getraue er 
sich nicht mitzutheilen (Plin. bist. nat. XXX. 20). Apions 
Schriften wurden eine Beute der Zeit, ein Frass der 
Würmer, und selbst sein Name würde TerschöUen sdn, 
wenn ihm nicht Josephus die Ehre erwiesen, seine Yer- 
leumdungen zu widerlegen, und diese Schutzschrift mit 
dessen Namen zu bezeichnen. 



II. Buch. 



2. Abschnitt. 

Hier citirt Josephus aus dem dritten Buche der 
ägyptischen Geschichte von Apion Folgendes : Erstens, 
dass Moses der Erste war, der in Betreff der Gebete 
eine Veränderung eingeführt. Zweitens verordnete der- 
selbe, dass man nach der Ostseite (Stadt, Tempel oder 
Beter) sich zu richten habe. Drittens soll Moses der 
erste Erfinder der Sonnenuhr oder des Gnomons gewesen 
sein. Wir wollen diese drei Punkte in drei verschiede- 
nen Abhandlungen genauer erörtern, a) Wass den ersten 
Punkt anbelangt, so ist die Stelle im Originale etwas 
unklar und lässt mehrere Deutungen zu. Da uns vier 
Versionen zu Gebote stehen, so wollen wir sie hier alle 
geben. Frankel (Monatschrift 1852. S. 86) gibt sie wie 
folgt: Moses war, wie ich von alten Aegyptern hörte, 
ein Heliopolitaner und darum führte er den väterlichen 
Sitten anhängend ein, dass innerhalb der Mauern der 
Stadt (Jerusalem) Gebete unter freiem Himmel abgehal- 
ten werden sollen und er richtete sie (die Stadt) völlig 
nach Osten, denn dort liegt Heliopolis. Dass in Jeru- 
salem unter freiem Hinmiel gebetet worden, ist doch 
eine wahre Erdichtung, wass Josephus als eine Lüge zu 
bezeichnen nicht unterlassen haben würde, was er aber 
in unserer Stelle nicht thut. Ebenso unklar ist es, wie 
man einer Stadt die Richtung nach Osten geben kann. 
Wohl kann man die Fronte oder den Hintertheil eines 
Gebäudes nach einer Weltgegend hin stellen, doch nicht 
eine ganze Stadt. Whiston (1857) gibt diese Stelle wie 
folgt : Ich habe von alten Männern aus Aegypten gehört, 



O^ .Oegen Apion II., .2, a) 

dass Moses ein Heliopolitaner war, der sieb verpflichtet 
hielt, den Sitten seiner Vorfahren zu folgen, er hielt 
seine Gebete im Freien, gegen die Stadtmauern ab, aber 
er ordnete an, dass sie alle (Gebete oder Stadtmauern?) 
gegen Sonnenaufgang gerichtet werden, weil dies der 
Lage von Heliopolis entsprach. Diese Ansicht findet in 
so ferne eine Unterstützung in der heiligen Schrift,' als 
Moses es mehrmals yermied, in Gegenwart Pharaos zu 
beten (IL M. 8, 8, 25, 26. 10, 18), ja es sogar ausdrücklich 
heisst (9, 29, 33), dass er erst ausserhalb der Stadt zu 
Gott flehte. Der Midrasch (Eabba zur Stelle) legt zwar 
diesem einen andern Grund bei ; Moses wollte in einer 
ägyptischen Stadt, die voll von Götzen, zum höchsten Weseu 
nicht beten. Die dritte Version (Bibliothek der griechi- 
schen und römischen Schriftsteller über Judenthum n. 
1867. S. 148) lautet wie folgt: Moses war, wie ich von 
alten Männern in Aegypten hörte, ein Heliopolit, der, 
verpflichtet durch väterliche Gebräuche, die Gebete unter 
freiem Himmel in die Gebäude der Stadt verlegte und 
sich während des Betens nur nach Osten wenden hiess, 
so liegt nämlich Heliopolis. Die Gründe für diese Ver- 
sion werden wir bald folgen lassen, fügen nur die Be- 
merkungen bei, dass auch eine alte deutsche Uebersetzung 
(Strassburg 1535) dieser Version beistimmt, dass Moses 
die Gebete, die unter freiem Himmel geschahen, „in die 
Zwingel der Stadt ein geführt '*. 

Nach dieser Version theilt uns Apion mit, dass vor 
Moses die Gebete im Freien, ausserhalb der Stadt ver- 
richtet worden sind, Moses hingegen führte sie in Ge- 
bäude oder Tempel ein. Diese Ansicht findet eine 
Stütze sowohl in der heiligen Schrift wie auch in andern 
profanen Schriftstellern des Alterthums, wie wir dies weit- 
läufig in einer wissenschaftlichen Abhandlung über die 
Eichtung der Tempel (Ben-Chananja 1860, S. 12) nach- 
gewiesen. In den 5 Büchern Mosis finden sich für das 
mosaische Zeitalter als Stätte der Andacht unter den 
Völkern bloss Haine, Altäre, Anhöhen, Stand- und 
Bildsäulen angegeben. Von einem feststehenden, als 
Ort öffentlicher Versammlung dienenden Heiligthume, ist 



Gegen Apion IL, 2, a) QX 

da nirgends die Rede. Wenn ihr, heisst es daselbst 
(IV. 33, 52) den Jordan überschreitet nach dem Lande 
Kanaan, so sollet ihr alle Einwohner wegtreiben vor 
eurem Angesichte, ihr sollet alle ihre Säulen, alle ihre 
gegossenen Bilder vernichten und alle ihre Anhöhen ver- 
tilgen. So sollet ihr mit ihnen verfahren, heisst es an- 
derseits wieder (V. M. 7, 5) ; ihre Altäre sollet ihr nieder-, 
reissen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen und 
ihre Bilder im Feuer verbrennen. Würde nicht Moses 
auch von den Heiligthümern, von den Gebäuden, die die- 
sen Götzen als Sammelort dienten, etwas gesprochen 
haben, wenn im Alterthume solche existirt hätten? Als 
Abraham nach Kanaan anlangte, um da den Namen 
Gottes zu verbreiten, errichtete er kein Gebäude, keinen 
Tempel, sondern erbaute einen einfachen Altar dem Herrn 
zu Ehren, der ihm erschienen (I. M. 12, 7, 8, 13, 18), 
oder er pflanzte einen Hain, und rief im Namen Gottes 
aus (ibid. 21, 33). Würde Abraham Tempel in Aegypten 
gesehen haben, er würde es gewiss nicht unterlassen 
haben, einen solchen, wenigstens an jener Stätte, wo er 
seinen Sohn Isak hätte opfern sollen, zu errichten. Frei- 
lich sprechen die ältesten griechischen Schriftsteller wie 
Herod. und Strabo von grossartigen ägyptischen Tempeln, 
allein diese scheinen aus der ?eit der Ramassiden her- 
zustammen, die viel später nach Moses herrschten. Die 
alten Griechen perhorrescirten sogar die Tempel, und ihre 
-ersten Philosophen erklärten es ausdrücklich als eine 
Herabwürdigung der Götter, dieselben in engen Gebäuden 
•einzuschliessen (Plato de leg. 12. Vergl. I. Könige 8, 27. 
Jes. 66, 1). Bei den Römern gab es bloss Nischen und 
Urnen, wie der Janustempel. Der erste Uebergang von 
diesen Nischen waren die Mausoläen, es wurden nämlich 
über den Grabmälern der Heroen Gebäude errichtet, zu 
denen andächtige Wallfahrten unternommen wurden und 
«ndüch Tempel daraus sich gestalteten, wesshalb auch 
die Götzenopfer Todtenopfer genannt werden (Ps. 106, 
28). Moses scheint also wirklich der erste gewesen zu 
sein, der die Gebete im Freien abschaffte und sie in be- 
deckte Wohnungen einführte. Als Stütze hiefür möge 



gg Qcftti ApiOB IL, S, b) 

III. M. 17, 5 dienen, wo das Opfer auf dem Felde un- 
tersagt und in die Stiftshütte verlegt wird. 

b) Wie Apion darauf gekommen, dass Moses beim 
Beten die Sichtung nach Osten vorschrieb, ist unbegreiflicht 
da im Qegentheil die Stiftshütte in der Wüste wie der 
Tempel zu Jerusalem den Eingang ton Osten hatten, 
während das All erheiligste an der westlichen Seite sich 
befand, so dass der eintretende Beter sein Gesicht west- 
lich gerichtet hatte. Die mosaische Lehre, die dem Ster* 
nendienste ein geschworener Feind, scheint ausdrücklich 
eine solche Richtung nach der Himmelssphäre in dem 
Verse (V. M. 4, 19) zu verbieten : Dass du nicht erhebest 
deine Augen gegen den Himmel, wo du Sonne, Mond 
und Sterne erblickest und sie anbetest. Auch der Pro- 
phet Hesek. (8, 16) enthält eine strenge Rüge gegen 
diese Sonnenrichtung und wurde, wie der Talmud (Sacca 
p. 51, b) berichtet, am Laubhüttenfeste eine besonders 
feierliche Procession begangen, wobei die ganze Festver- 
sammlnng das Angesicht nach Westen zu wenden hatte^ 
um als Demonstration gegen jene zu gelten, die das An- 
gesicht bei der Gottesverehrung nach Osten richteten. 
Auch Ton dem blinden R. Schescheth, einem Talmudisten 
aus dem 4. Jahrhundert, wird berichtet (Baba-bathra p. 
25, a), er habe seinem Diener den Auftrag ertheilt, ihn 
beim Gebete jede Richtung, nur nicht jene nach Osten 
nehmen zu lassen, weil dies Sitte der persischen Sonnen- 
anbeter war. Aus all dem geht klar hervor, wie es zu 
allen Zeiten unter den Juden verpönt war und als heid- 
nische Sitte galt, beim Beten eine Sonnenrichtung zu 
iiehmeu. Freilich wird man auf unsere Tempel der Gegen- 
wart hinweisen, die alle eine Sbnnenrichtung. haben, und 
dass noch jetzt das Erste, was uns besonders auf dem 
Lande beim Eintritte in die Wohnung eines frommen 
Juden entgegenstarret, ein Täfelchen ist, worauf die Worte 
„Sonnenaufgang** , oft in goldenen Buchstaben prangen. 
Dieser Gebrauch stammt aber daher: Als der Tempel 
zu Jerusalem zerstört und die jüdischen Einwohner nach 
dem westlichen Theile Europas (römisches Beich) zer- 
streut wurden, suchte die Pietät für den Verlust der 



Gegen Apion II., 2, b) Q^ 

obigen Güter dadurch sich genug zu thun, dass sie im 
Gebete nach dem östlich liegenden Jerusalem mit dem 
Angesichte sich wendeten, wobei es sich von selbst ver- 
steht, dass man in den von Jerusalem nördlich liegenden 
Ländern nach dem Süden, wie wieder in den südlich 
liegenden nach dem Norden sich richtete (Berachoth p. 
30, a). Die Sonnenrichtung war also hiebei ganz und 
gar nicht massgebend. Es scheint also, dass Apion weder 
den Tempel zu Jerusalem noch die jüdischen Sitten über- 
haupt gekannt, sein Irrthum aber daher entstanden ist. 
Bekanntlich wurde in Aegypten im Nomos Heliopolis 
von einem jüdischen Priester Onias ein Tempel nach dem 
Muster des jerusalemitischen errichtet, in welchem, wie 
wir bald sehen werden, manche Veränderungen vorge- 
nommen wurden, unter denen auch die gehörte, dass da 
die Aufstellung des AUerheiligsten nach der dortigen 
Landessitte nach Osten gerichtet war. 

Da in Betreff dieses Oniastempels die Ansich- 
ten des Talmud von denen, die uns Josephus hier- 
über liefert, stark differiren, so wollen wir bei diesem 
Gegenstand etwas länger verweilen. Der Talmud (Mena- 
choth p. 109, b) erzählt uns hierüber wie folgt: Als der 
Hohepriester Simon der Fromme starb, hinterliess er, 
dass sein Sohn Onias ihm in der Priesterwürde folge. Der 
ältere Bruder Semaja, der übergangen wurde, ward eifer- 
süchtig auf seinen Bruder und gebrauchte gegen ihn 
folgende List. Komme, rief er dem jungen Hohenpriester 
zu, ich will dich im Priesterdienste unterrichten, er 
kleidete ihn in pomphaften Leibrock und Gürtel und stellte 
ihn vor den Altar hin. Den übrigen Priestern erzählte 
er im Geheimen, wie sein Bruder Onias seiner Geliebten 
es versprochen, beim Antritte seiner Priesterwürde in 
diesem ihren Leibrocke und Gürtel vor dem Altare zu 
erscheinen. Diese wollten ihn ermorden. Onias jäüchtete 
sich nach Alexaudrien, wo er einen Götzenaltar errichtete. 
Die Priester, heisst es ferner (ibid. 109, a), die im Onias- 
tempel fungirten, wurden zum Priesterdienste im Heilig- 
thume zu Jerusalem nicht zugelassen. Es macht sich 
zwar da noch eine andere Ansicht geltend, dass Onias dem 



Q^ Oegen Apion IL, 2, h) 

wahren Gotte diesen Altar errichtet, denn es heisst (Jes. 
19, 19): An diesem Tage wird dem Herrn ein Altar in 
Aegypten errichtet werden ; ferner heisst es (ibid. v. 18) : 
An diesem Tage werden 5 Städte im Lande Aegypten 
die kananitische (hebräische) Sprache reden und beim 
Namen Grottes schwören, Stadt „Heres", d. i. Sonnen- 
stadt, wird die eine heissen. Diese Prophezeiung soU auf 
diesen Oniastempel sich beziehen. Was jedoch diese tal- 
mudische Erzählung verdächtigt, ist der Umstand, dass 
der Talmud dieselbe mit einer späteren Geschichte, dem 
Bruderstreite zwischen Aristobulos und Antigonus, Enkeln 
des Hohenpriesters Simon aus dem Hasmonäerhause, zu 
vertauschen scheint. Aristobulos, erzählt uns Josephus 
(Ant. XIII. 11. Krieg I. 3), der erste, der sich die Krone 
aufsetzte, liess alle seine Jüngern Brüder, weil der Vater 
Johannes Hyrkan einen Traum gehabt, dass diese ihm in 
seiner Würde folgen würden, im Kerker schmachten, blos 
seinen sanftmüthigen Bruder Antigonus wollte er zum 
Mitregenten annehmen. Da letzterer einmal im praoht- 
voUen Gepränge im Tempel erschien, wurde er beim 
König verleumdet. Der kranke König liess dem Antigonus 
sagen, dass er vor ihm ohne Waffen erscheine, stellte 
aber zugleich geheime Wachen auf, denselben zu ermorden, 
so er mit Waffen komme. Die Königin jedoch im Ein- 
verständniss mit obigen Verleumdern brachte dem Anti- 
gonus den Befehl, dass der König ihn in seinem schönen 
Kriegsanzuge zu sehen wünsche, er wurde auch in Folge 
des obigen königlichen Auftrages von den aufgestellten 
Wachen ermordet. Man sieht, dass der Talmud diese 
beiden Erzählungen, wobei ein Hoherpriester Simon figu- 
rirt, mit einander vertauscht. 

Nun wollen wir sehen, was Josephus (Ant. XIII. 
3, 1. Krieg VII. 10, 2) über diesen Oniastempel mit- 
theilt. Zur Zeit der griechischen Verfolgungen unter Antio- 
chas, heisst es daselbst, suchte Onias, Sohn des Hohen- 
priesters vom gleichen Namen (Krieg VII. 10. 2 nennt 
er ihn Sohn des Simon, wie der Talmud), sich ein An- 
denken und ewigen Ruf zu erwerben. Er liess beim ägyp- 
tischen Königspaar Ptolomäus Philometer und Cleopatra 



Gegen Apio« IL, 2, b) QQ 

anfragen, ob sie ihm einen Platz in Aegypten zur Errich- 
tung eines Tempels gleich jenem zu Jerusalem anweisen 
wollten, worin Leviten und Priester aus seinem Volke 
den Gottesdienst verrichten sollten. Das Hauptmotiv, was 
ihn zu diesem Schritte bewogen, ist eine Prophezeihung 
des Propheten Jesajas, der 600 Jahre früher gelebt und 
vorher verkündet hatte, dass in Aegypten dem Allmäch- 
tigen ein Altar durch einen Juden errichtet werden soll. 
Sein Brief an das Königspaar lautet wie folgt : Als ich 
mit Gottes Hilfe in Cölesyrien und Phönizien für euch 
in Kriegssachen viele Thaten ausgeübt, traf ich mit Juden 
aus Leontopolis zusammen, ich fand, dass der grösste 
Theil deiner Unterthaneu (Juden) nicht sehr geeignete 
Tempel besitzt und dass deine Nation desshalb nicht gut 
mit einander harmonirt, weil die Aegypter eine Menge 
Tempel haben, dabei aber in BetreiF der Gottes verehning 
von Andern sehr abweichen. Nun habe ich einen sehr 
passenden Platz mit einem Kastell ausfindig gemacht, 
der in der Gegend den Namen Diana führt. Dieser Ort 
besitzt allerlei Material und ist von heiligen Thieren voll. 
Ich wünsche, dass du mir die Erlaubniss zur Eeinigung 
dieses heiligen Ortes ertheilest, der Niemanden angehört 
und ganz verfallen ist, damit ich da dem allmächtigen 
Gotte einen Tempel nach dem Muster des jerusalemiti- 
schen und in dessen Grösse errichte. Derselbe wird zum 
Vortheile für dich, deine Frau und deine Kinder dienen, 
damit die Juden, die in Aegypten wohnen, einen Ort 
haben, wo sie gemeinschaftlich zusammenkommen und 
beschliessen können, was dir zum Nutzen und Vortheile 
gereiche. Auch der Prophet Jesajas hat früher verkündet, 
dass in Aegypten ein Altar errichtet werden wird und 
noch andere Dinge in Betreff dieses Ortes. Die Antwort 
des Königspaares lautet wie folgt : Vom König Ptolomäus 
und der Königin Cleopatra an Onias Gruss. Wir haben 
dein Bittgesuch gelesen, worin du die Erlaubniss wünschest, 
jenen Tempel zu säubern, der zu Leontopolis verfallen 
steht in dem Nomos Heliopolis und der in der Gegend 
Bubastis (römisch Diana) genannt wird. Wir können uns 
aber nur verwundem, wie euerem Gotte ein Tempel, der 

7* 



JQQ Gegen Apion ü., 2, b) 

auf einem so unreinen Orte steht und voll mit heiligeiF 
Thieren ist, wird gefallen können. Da du jedoch ss^t^ 
dass der Prophet Jesajas dies vorher verkündet, so er- 
theilen wir dir die Erlaubniss dazu, vollziehe es in Ge- 
mässheit eueres Gesetzes, so dass auf uns nicht der 
geringste Verdacht falle, als wollten wir deinen Gott' 
beleidigen. 

Die Vorstellungen des Onias, äussert sich Josephus 
ferner (Krieg VIL 10, 3), leuchteten Ptolomäus ein, er 
wies zu diesem Bau einen Platz an, 180 Stadien von Mem- 
phis entfernt, in dem heliopolitischen Nomos. Onias be- 
festigte den Platz und baute den Tempel, jedoch nicht 
nach dem Bilde des in Jerusalem, sondern vielmehr 
so, dass er einer Burg glich; dem Altare gab er eine 
ähnliche Gestalt, wie dem zu Jerusalem, doch dem Leuchter 
gab er eine andere Form. Er liess nämlich keinen stehen- 
den Armleuchter verfertigen, sondern nur eine goldene 
Lampe, von der ein Strahl ausging, und diese hängte er 
an einer goldenen Kette anf. Der Göttin Bubastis, deren 
Tempel nach Josephus in ein jüdisches Bethaus ver- 
wandelt wurde, waren die Katzen geweiht, die sogar nach 
dem Tode einbalsamirt aus ganz Aegypten hieher gebracht 
wurden, so dass der Ort von todten und lebenden Katzen 
wimmelte. Dass die jüdischen Einwohner zu Jerusalem 
Abscheu gegen diesen Tempel hatten, ist leicht begreiflich. 
Dazu kommt noch der Umstand, dass Onias ein so wichtiges 
Geräth, als es der Leuchter ist, eigenwillig abgeändert, 
was dahin weiset, dass man da dem Sonuencultus, der 
vorzugsweise in diesem Nomos geübt wurde, einige Con- 
cessiouen machte, wesshalb auch der Talmud denselben 
einen Götzentempel nennt. Zu Leontopolis wurden auch 
Löwen verehrt, daher dieser Name; es scheint also, dass 
Josephus in der prophetischen Stelle des Jesajas (19, 18) 
„Stadt Heres" mit Löwenstadt übersetzte. Der Talmud 
hingegen übersetzt es mit Sonnenstadt, Heliopolis. Der 
altägyptische Name dieser Stadt war On, was im 
Aegyptischen Licht bedeutet. In dieser Stadt war Potifera, 
Schwiegervater des Joseph, Oberpriester (I. M. 41, 45). 
Möglich, dass Onias desshalb diesen Ort gewählt, um 



Gegen Apion IL, 2, b) ]^Q]^ 

seinen Namen mit dem altägyptischen Namen zu identitici- 
ren. Dieser Tempel hatte wahrscheinlich seine Kichtung 
gegen Sonnenaufgang gehabt, um von der Landessitte 
nicht abzuweichen, was aber Apion als eine mosaische 
Einrichtung ansah. Wahrscheinlich hat auch Onias, um 
■seinem Tempel mehr Credit zu verschaffen, die Sage ver- 
l)reitet, dass diese Stadt Geburtsort Mosis war. üeber 
die Stadt „Heres** in Jesajas, die wir bereits oben (L 14) 
mit Heropolis oder Avaris am rothen Meere gegeben, 
was nach Josephus (Apion I. 26) identisch mit Typho- 
nius ist (11. M. 14, 2), haben wir noch eine neue Ansicht 
. des Midrasch (Pessikta zu IL M. 12, 29) mitzutheilen. 
Dieselbe lautet: Die fünf von Jesajas (19, 19) gemeldeten 
ägyptischen Städte sind folgende: 1. No (Jerem. 46, 25. 
Hesek. 30, 14, 16.), das ist Alexandrien (auch das Tar- 
gum wie Hier, stimmen dieser falschen Uebersetzung bei.) 
2. Nof (Jes. 19, 13. Jer. 2, 16. Hesek. 30. 13, 16) das 
ist Memphis. 3. Tachpanches (Hesek. 30 18), das ist 
Taphan. 4. Sonnenstadt (Jer. 43, 13), das ist Heliopolis. 
5. Heres (Jes. 19, 19), d. i. Chadkano. 

Zu unserem Bedauern weiss keiner der Aegypto- 
logen von dieser letzteren Stadt etwas zu sagen. Wir 
wollen hier diese Stelle zu erklären suchen. Wie wir ge- 
sehen, so hat sich Onias auf eine prophetische Stelle 
des Jesajas berufen, wir glauben jedoch, dass diese Stelle 
bereits früher bei einer nicht minder wichtigen Angelegen- 
heit benützt worden sei. Nach einem vorhandenen Briefe 
des Aristeas, dem sowohl Josephus und Philo als auch die 
Kirchenväter Glauben beimessen, kam die griechische 
Uebersetzung der heiligen Schrift unter Ptolom. Phila- 
delphus zu Stande. Von diesem Ptolom. wird besonders 
die zärtliche Liebe für seine Gattin Arsinoe hervorge- 
lioben, ohne welche er nichts in Staatsangelegenheiten 
nnternahm. Er Hess derselben Obelisken errichten, wie 
auch mehrere Städte mit ihren Namen belegen. Auch der 
Hohepriester Eleasar erwähnt ihren Namen in jenem 
Briefe, den er an Ptolom. in Angelegenheit der oben er- 
wähnten Bibelübersetzung richtete. (Ant. XIL 2, 6.) 
Sollte man da nicht auf eine Prophetenstelle sich be- 



1 no Gegen Apion IL, 2, e) 

rufen haben, um das Königspaar far die üebersetznng^ 
der heiligen Schrift und deren Aufnahme in die könig- 
liche Bibliothek günstig zu stimmen? Wir bissen doch, 
wie heilsam solche Berufungen auf das Buch Daniel unter 
Alexander dem Grossen gewirkt. (Ant. XL 8, 5.) 

Glücklicherweise half hier obige Stelle des Jesajas 
heraus, man konnte nachweisen, dass jene Stadt, die den: 
Namen der geliebten Königin führt, schon mehrere Jahr- 
hunderte früher vom Propheten bezeichnet worden ist^ 
Stadt Heres ist so viel als Arsinoestadt. Eine Arsinoe- 
stadt am Mörussee führte aber früher den Namen Kroko- 
dillopolis, weil daselbst «diesem Thiere ein Tempel gebaut 
worden ist. Nun wird das hebräische Zab (III. M. 11, 
29) von der Septuaginta mit Krokodill geben, was wieder 
Jonathan mit Charduna und der Samaritaner und der 
Syrier mit Adruna übersetzen. Da in vielen älteren 
Sprachen der Buchstabe K mit E. sich vertauscht, 
(Kichter V. 15, 16) so würden wir in obiger Stelle der 
Pessikta emendiren: Stadt Heres, d. i. Adruna (statt 
Adkuna), d. h. Krokdillopolis ist nun Arsinopolis. 

Kehren wir zu den Differenzen in Betreff des Onias- 
tempels zwischen Talmud und Josephus zurück, so gelien 
folgende Punkte hervor: 1. Nach dem Talmud fand dieser 
Bau bald nach dem Tode Alexanders des Grossen, unter 
dem ersten der Ptolomäer (Lagi), also noch vor der 
giiechischen üebersetzung der heiligen Schrift statt; nach 
Josephus hingegen gab der 6. Ptolom. (Philometer) bei- 
nahe anderthalb Jahrhundert später die Erlaubniss zu 
diesem Bau. 2. Nach dem Talmud hiess auch die Stadt, 
wo der Tempel stand, Heliopolis, nach Josephus war es 
Leontopolis. 3. Nach dem Talmud war es ein Bruder- 
zwist, nach Josephus aber politische Wirren, die Onias 
zur Auswanderung bewogen. 4. Nach dem l'almud er- 
richtete Onias diesen Tempel dem heidnischen (Sonnen-) 
Kultus, nach Josephus aber zur Ehre des allmächtigea 
Gottes. 

c) Drittens gibt Josephus im Namen des Apion an, 
dass Moses statt Obelisken Säulen errichtete, unter denen 
ein Wasserbecken angebracht war, auf dieses fiel von oben 



Gegen Apion II., 2» c) IQQ 

der Schatten nieder und vollendete so mit der Sonne 
stets denselben Umlauf, wie diese am Himmel. Moses 
wäre demnach der Erfinder des Gnomons oder eines 
Schattenmessers gewesen, was Herod. (2, 109), Vitruv. 
(9, 9) und Plinius (36, 15) den asiatischen Völkern, 
namentlich den Babyloniern zuschreiben und von denen 
diese Erfindung zu den Griechen kam. Wie Apion auf 
diese Idee gekommen, darüber verwundert sich schon 
Josephus. Ohne Zweifel hat Apion etwas von den zwei 
Säulen, Jachin und Boas gehört, die König Salomo vor 
dem Eingang des Tempels aufgestellt (I. Könige, 7, 21) 
und von dem kupfernen Meere (ibid. v. 23), das nicht 
weit davon angebracht war. Diese Tempeleinrichtungen 
würden also eine zeitmessende Bestimmung gehabt haben. 
Sonderbar ist, dass der Midrasch (Jalkut zur Stelle) die 
Säule Boas für den Tag beim Sonnenscheine und die 
Säule Jachin für die Nacht beim Mondlichte bestimmt 
wissen wollte. Sollte etwa Salomo auch einen nächtlichen 
Mond-Schattenmesser erfunden haben ? Indess scheint, dass 
schon König David etwas Aehnliches erfunden habe. 
Eine weit verbreitete Sage im Talmud und Midrasch 
(Berachoth p. 3, b. Pesikta zu 11. M. 12, 29) berichtet, 
dass David eine Art Harfe gehabt, die gegen Mitternacht bei 
Erhebung des Nordwindes erzitterte und ihn durch er- 
schallende Töne erweckte, was uns an die Sage der 
Griechen von der tönenden Memnonsäule erinnert. Ame- 
nophis HL oder Memno, der 7. König aus der 18. ägyp- 
tischen Dynastie, also beiläufig Zeitgenosse von David 
und Salomo, liess an dem ihm zu Ehren erbauten Mem- 
nonium zu Theben zwei kolossale Bildsäulen errichten. 
Die eine von diesen Statuen wurde, wie Strabo berichtet, 
durch ein Erdbeben zum Theilc zerbrochen, der übrig 
gebliebene Theil davon soll täglich am frühen Morgen, 
wenn die Sonnenstrahlen darauf fielen, einen Schall von 
sich gegeben haben, der einer springenden Harfensaite 
ähnlich war. Die Griechen suchten dieses Wunder, das 
ihnen manigfach bestätigt wurde, dadurch zu erklären, 
dass der springende und berstende Stein dergleichen 
Töne hervorgebracht, wie man sie bei noch anderen 



\()^ Gegen Apion IL, S, c) 

ägyptischen Steinmonumenten wahrzunehmen pflegte, dass 
sie des Morgens, wenn der Kälte der Nacht plötzlich 
der warme Sonnenstrahl folgte, einen leisen knisternden 
Ton hören Hessen. Wir sehen, dass sich beide Sagen 
fast ähnlich sehen, nur dass es hier eine Aeolsharfe für 
die Nacht, dort ein Heliostat für den Tag war, ferner 
dass die zwei salomonischen Säulen Vorgänger oder Zeit- 
genossen hatten. 

Nach Wiener (Biblisches Eealwörterbuch sub Tag) 
haben die Israeliten vor dem Exil von der Einth eilung 
des Tages in Stunden nichts gewusst, weil eine hebräische, 
eigentlich chaldäische Bezeichnung für Stunden erst in 
Daniel (4, 16. 5, 5) vorkommt, blos dass man die von 
der Natur selbst an die Hand gegebenen Ausdrücke für 
Morgen, Mittag und Abend kannte und gebrauchte. 
Allein wie lässt sich durch die Natur Mitternacht be- 
stimmt, die Moses ebenfalls erwähnt? (H. M. 12, 29.) 
Woher wussten ferner die alten Israeliten die drei Nacht- 
wachen so genau zu bestimmen (Klagel. 2, 19. Bichter 
7, 19, II. M. 14, 24), dass man dieselben als Ausgangs- 
punkte nehmen konnte ? Bei den Eömern gab es dalur 
besondere Nachttrompeter (buccinator), die jede Nacht* 
wache durch das Blasen anzeigten (Propert. 4, 4, 63). 
Jahns Vermuthung (Arch. I. I. 539) scheint daher nicht 
unbegründet zu sein, dass die alten Hebräer den Gnomon 
kannten und dafür auch eine hebräische Benennung 
„Chamanim, (III. M. 26, 30) Sonnenmesser* hatten. In 
Homers Schriften findet sich ebenfalls keine Erwähnung 
von einem Stundenmesser; blos in einer Stelle (Od. XV. 
402) wird erzählt, dass es unter den Cikladen eine Insel 
Namens Syras gibt, wo man die Sonnenveränderungen 
wahrnehmen kann. Nach Vitruv. (9, 9) soll der Chaldäer 
Berosus, ein Zeitgenosse von Alexander dem Grossen, 
Erfinder des Gnomons gewesen sein. Allein von König 
Achas, der doch früher existirte, wird angegeben, dass 
er eine Art Sonnenuhr vor seinem Palaste hatte. (H. 
Könige 20, 11. Jesaj. 38, 8). Diodor, (I. 62) äussert sich 
wie folgt: Von jeher gab es in Aegypten zu Achanta am 
Nil ein grosses Gefäss, dass man täglich mit Wasser 



Gegen Apion n., 2, d) jQg 

fällte und das durch ein regelmässiges Abfliessen die 
Stunden des Tages anzeigte. Cicero (ap. Victorin) 
erwähnt eine Art Stundenanzeiger, dessen sich Tris- 
megistus, der nach Marscham kurze Zeit nach Moses 
gelebt, bedient haben soll. Es war ein Cynocephalus, der 
täglich zwölfmal in gleichen Abtheilungen Urin gelassen. 
Mechanische Werke kannte das Alterthum gar keine, 
die englischen Könige im Mittelalter bedienten sich Talg- 
kerzen, die mit eingekerbten Einschnitten den ganzen 
Tag fortbrannten, als Stundenmesser. Noch gab es im 
Alterthum eine besondere Weise zur Bezeichnung der 
Stunden. Man zählte die Grösse seines Schattens, zu den 
verschiedenen Tageszeiten durch die eigenen Pusstritte, 
an der Zahl derselben erkannte man die Tageszeit. Es 
wurde Jemand zu 12 Fuss eingeladen, d. h. auf jene 
Zeit, wenn der Schatten 12 Fusstritte haben wird. Nun 
wird im Hebräischen das Wort „Paam" sowohl für Fass- 
tritte als eine Zeitbestimmung gebraucht, was auf eine 
ähnliche Einrichtung hinzuweisen scheint. 

d) Josephus gibt hier femer an, dass König Sa- 
lomo den Tempel 612 Jahre nach dem Auszuge der Ju- 
den aus Aegypten erbaute. Abgesehen, dass diese Angabe 
im Widerspruche mit dem von uns recepirten Bibeltexte 
steht, nach welchem (I. Könige, 6, 1) der Tempel 480 
nach dem Auszuge aus Aegypten errichtet worden ist, 
widerspricht sich Josephus selber auf mehreren Seiten 
in seinen Angaben, da er (Ant. VIII. 3, 1) 592 Jahre 
dafür wieder setzt. Die Hauptschwierigkeit zur Ermit- 
lung der wirklichen Zahlengrösse dieser vierten Zeitepoche 
besteht darin, dass zwar bei den meisten Bichtern, die 
seit der Einwanderung in das heilige Land an der Spitze 
des Volkes standen, die Kegierungsjahre angegeben sind, 
bei vielen jedoch und gerade bei sehr wichtigen, wie bei 
Josua und Samuel, diese Angaben ganz fehlen und wir 
daher bei denselben theils zu Combinationen, theils zu 
unsicheren Ueberlieferungen und Volkssagen unsere Zu- 
flucht nehmen müssen. Anderseits diflferiren die Ansichten 
selbst da, wo solche Angaben im Texte sich vorfinden, 
aber weil sie entweder mit dem Zusammenhange oder 



-^QQ Gegen Apion 11., 2, d) 

der Natur der Sache nicht in Einldang zu bringen sind, 
als corrupt gelten. So z. B. heisst es vom König Saul 
(I. Sam. 13, 1), dass er blos zwei Jahre regierte, welche 
kurze Begierungszeit dieses ersten israel. Königs der Tal- 
mud (Joma, 22, b. Megilla 13. Horiotoh 12) zu motiviren 
sucht, was jedoch mit der mannigfaltigen Thätigkeit nnd 
den vielen Kriegen dieses Königs nicht übereinstimmt. 
Weshalb auch Andere (Apostelg. 13, 21) Saul eine Be- 
^erungszeit von 40 Jalnren geben, Josephus wieder (Ant. 
Yl. 14, 9) 20 Jahre annimmt, und zwar 18 Jahre beim 
Leben Samuels und zwei Jahre nach dessen Tode. Der 
Prophet Samuel soll wieder nach dem Talmud (Tanit 
p. 5, b. Moed-katan p. 28, b) das Alter yon 52 Jahren 
erreicht haben. Nach obiger Angabe des Josephus müsste 
er beim Eegierungsantrittß des Königs Saul 34 Jahre alt 
gewesen sein, und dennoch heisst es von ihm (I. Sam. 
8, 1, 12, 2) dass er alt und grau war. Der Talmud 
(Tanith p. 5, b.) sucht auch diesen Umstand zu moti- 
viren, dass nämlich Samuel aus Kummer über das Fehl- 
schlagen seiner guten Absichten vor der Zeit ergraute. 
Eine andere Schwierigkeit bietet sich uns in Betreff der 
Eegierungszeit Simsons dar, die zweimal (Richter 15, 20. 
16, 31) als in der Dauer von 20 Jahren angegeben wird, 
während der jerusalemitische Talmud (Sota I. p. 17 b.) 
an einer Stelle die Leseart 40 *) Jahre hat. Aus all dem 
ist ersichtlich, wie schwer hier eine genaue Berechnung 
von dem Auszuge aus Aegypten bis zur Erbauung des 
salomonischen Tempels sich machen lässt. 

Berechnen wir aber die im Buche der Richter und 
in Samuel einzeln angegebenen Jahreszahlen sowohl für 
die Leidenszeit, als Israel durch Feindes Gewalt unter- 
drückt war, als für die Zeit der Befreiung durch die je- 
weiligen Richter zusammen, so kömmt uns jedenfalls 
eine grössere Zahl als 480 heraus. Zur Lösung dieser 



*) In neuerer Zeit sachte man diesen Irrtbum dadurch zn 
erklären , dass die Buchstaben Eaf (20) und Mem (40) in der 
samaritaniscben Sebrift, in der orsprünglicb die Bibel geschrieben 
war, weil gleichförmig, mit einander vertauscbt worden sind. 



Gegen Apion II., 2, d) ]^QY 

Schwierigkeiten und zur Peststellung einer sichern Chro- 
nologie werden zwei Systeme aufgestellt. Die eine Be- 
rechnung, vom Talmud und Seder-olam acceptirt, geht 
dahin, dass unter den Jahreszahlen der Richter auch 
jene der Unterdrückungszeit mitbegriffen sind. Wenn 
es zum Beispiele (Eichter 3, 8) heisst, dass Israel dem 
König von Mesopotamien 8 Jahre diente, weiter wieder 
(v. 11) gesagt wird , dass Othniel es befreite und das 
Land unter ihm 40 Jahre Euhe hatte, so sind unter 
diesen 40 Jahren auch jene 8 unter drückungsjahre mit- 
"begriflfen, weil auch da Othniel Richter war. Nach die- 
sem Systeme kommt die Zahl von 480 Jahren in folgen-^ 
der Weise heraus. 40 Jahre in der Wüste unter der 
Leitung Mosis ; 28 Jahre unter Josua und den Aeltesten 
seines Zeitalters; (Seder-olam); 40 Jahre unter Othniel; 
80 Jahre unter Ehud; 40 Jahre unter Debora; 7 Jahre 
unter Midjan unterdrückt (Richter 6. 1,) werden beson- 
ders gerechnet; 40 Jahre unter Gideon; 3 Jahre unter 
Abimelech; 23 Jahre unter Tolah; 21 Jahre unter 
Jair; 18 Jahre unterdrückt unter Ammon bis zum Auf- 
treten Jephtas. Diese Zahlen zusammen geben mit Ab- 
zug der 40 Jahre in der Wüste bis Jephta die Summe 
von 300 Jahren (Richter 11, 26). 7 Jahre unter Ibzon; 
10 Jahre unter Elon; 8 Jahre unter Abdon; 20 Jahre 
unter Simson; 40 Jahre unter Eli; 10 Jahre unter Sa- 
muel; 2 Jahre unter Saul (beides laut Angabe des Tal- 
mud, Tanith 5, b); 40 Jahre unter David und endlich 
3 Jahre unter Salomo, zusammen 140 und mit obiger 
Summe 480 Jahre. Diese Berechnung hat jedoch fol- 
gende Schwierigkeiten, dass nämlich über die Regierungs- 
zeit Josuas und Samuels im Texte sich nichts vorfindet, 
die Regierungszeit Sauls wieder zu kurz angegeben ist, 
endlich werden die 7 Jahre der Unterdrückung unter 
Midjan besonders gezählt. Marscham gibt daher ein 
anderes Mittel zur Ausgleichung dieser Zeitepoche an. 
Nach ihm lebten die Richter nicht nach einander, sondern 
viele darunter waren gleichzeitig, d. h. es gab einige 
Richter für das dies-, wie zugleich andere "Richter für 
das jenseitige Jordanland, die einen wie die andern hatten 



1 Qg Gegen Apion IL, 2, d) 

mit ihren Nachbarvölkern zu kämpfen gehabt, daher 
durch die Zusammen Zählung aller Eichter eine höhere 
SunMne als 480 herauskommen muss. Die Apostel (Act. 13, 
20), denen auch Josephus zu folgen scheint, haben eine dritte 
Berechnung über diese Zeitepoche. Nach ihnen waren vom 
Tode Josuas bis zum Propheten Samuel 450 Jahre ver- 
strichen, dazu kommen 40 Jahre in der Wüste, 25 unter 
Josua (Ant. V. 2, 29), 12 für Samuel (Ant. VI. 13, 5), 
40 für Saul, 40 für David und 3 för Salomo ; fügen wir 
noch 2 Jahre unter den Aeltesten nach dem Tode Josuas 
bei so kommt obige Zahl des Josephus von 612 Jahren 
heraus. Wenn daher Josephus andererseits (Ant. VIII. 
3, 1. XX. 10, 1) blos 592, also 20 Jahre weniger für 
diese Epoche angibt, so kommt es daher, weil er für König 
Saul nur 20 Jahre annimmt (Ant. VI. 14, 9). Diese 
grössere Summe erlangten sie aber dadurch, weil sie die 
Jahre der Unterdrückung wie die der Befreiungen beson- 
ders rechneten, und zwar in folgender Weise: 40 in der 
Wüste; 27 unter Josua und den Aeltesten nacli ihm; 
8 unter Kusan (Kichter 3, 8); 40 unter Othniel, 18 
unter Eglon (ibid. 3, 14) ; 80 unter Ehud ; 20 unter Ja- 
bin (ibid. 4,3); 40 unter Debora; 7 unter Midj an (6, 1); 
40 unter Gideon; 3 unter Abimelech; 23 unter Thola; 
22 unter Jair ; 18 unter Ammon (10, 8) ; 6 unter Jephta ; 
7 unter Ibzon; 10 unter Elon; 8unter Abdon; 40 unter 
den Philistäern (13,1); 20 unter Simson; 40 unter Eli; 
12 unter Samuel (Ant. VI. 13, 5); 20 unter Saul (Ant. 
VI. 14, 9); 40 unter David und 3 unter Salomo, was 
zusammen 592 gibt. Seyfarth (Berichtigungen S. 116) 
weiset nach, dass in unserm Texte ganze 400 Jahre weg- 
geblieben, weil der Zeitraum vom Auszuge aus Aegypten 
bis zur Erbauung des salom. Tempels 880 Jahre gedauert. 
Mit dieser Correctur bringt er dann die jüdische Chrono- 
logie mit der ägyptischen in Uebereinstimmung. Er 
weiset nach, dass der salom. Tempelbau 987 Jahre vor 
unserer gewöhnl. Zeitrechnung stattgefunden, der Auszug 
aus Aegypten aber 1867 vor dieser Aera geschah, mit- 
hin zwischen diesen beiden Epochen ein Zeitraum von 
880 Jahren bleibt. 



Gegen Apion II., 5. 109 

5. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte berichtet Josephus, dass der 
dritte Ptolomäus, Evergetes genannt, Opfer und Weih- 
geschenke im Tempel zu Jerusalem dargebracht. Dass 
heidnische Grosse, ja Eegenten sogar in Jerusalem wäh- 
rend des zweiten Tempels opferten, war keine Seltenheit. 
Ob solches auch zur Zeit des ersten Tempels geschehen, 
darüber finden sich keine Beispiele vor. Es war wohl 
ein pium Desiderium des Königs Salomo, dass auch andere 
Völker in dieses Haus kommen und den Herrn anbeten 
mögen (I. Könige 8,41), aber das Heidenthum war um diese 
Zeit so allgemein verbreitet und der Monotheismus so wenig 
noch von den Menschen gekannt, dass sich eher jüdische Kö- 
nige zur Anbetung fremder Götter herbeiliessen, als dass sie 
die Verehrer der letztern zur Verehrung des einzigen Gottes 
hätten hinüberführen können. Bios von einem syrischen 
Feldherrn Naaman heisst es (IL Könige 5, 17), dass er 
sich vornahm, nur dem Ewigen aber nicht den falschen 
Göttern zu opfern. Wohl finden wir häutig, dass aus- 
wärtige Könige, wie der babylonische König Berodach 
Baladan (IL Könige 20, 12) an jüdische Regenten Ge- 
schenke machten, die gewöhnlich Letztere dem Tempel 
weihten. So sandte Thoi, König von Hamath an König 
David silberne, goldene und kupferne Geräthe, die letz- 
terer dem Herrn heiligte, wie er es mit dem Silber und 
Gold gethan, das er von den übrigen Heiden eroberte 
(IL Sam. 8, 11). Aber dass heidnische Könige Opfer 
im Heiligthume Gottes gebracht, findet sich blos vom 
zweiten Tempel vor, so dass der Prophet (Haggai 2, 9) 
mit Recht ausrufen konnte : Grösser soll die Herrlichkeit 
dieses letztern Hauses sein, denn des ersten gewesen 
ist; was der Talmud (Baba-bathra p. 3, a) irrthümlich 
dahin erkläit, dass diese Grösse des zweiten Tempels ent- 
weder in der Erhöhung der Bauart oder in der Länge der 
Dauer bestand. Im zweiten Tempel jedoch finden wir 
es häufig, dass auswärtige Regenten daselbst ihre Opfer 
brachten. Das erste Beispiel gab Cyrus, der allen syri- 
schen Statthaltern den Befehl ertheilte, den Tempel mit 



J^JQ Gegen Aplon IT., 5, 6. 

allem Nöthigeu zu versehen (Esra 6, 8), diesem Beispiele 
folgte später der Zerstörer des persischen Reiches, Alex, 
von Macedonien, der im Tempel zu Jerusalem nach An- 
weisung des Hohenpriesters Jadda geopfert (Ant. XL 
8, 5). Die Nachfolger Alexanders, sowohl die asiati- 
schen als ägyptischen Könige, thaten dasselbe, so Ptolom. 
Lagi (Ant. XII. 1, 1), Sedetes, der einen Ochsen mit 
vergoldeten Hörnern darbrachte (Ant: Xm, 8, 2) und 
Seleucus. In Betreff des letztern heisst es (U. Makkab. 
3, 2) wie folgt : Es geschah zur Zeit des Hohenpriesters 
(Onias), dass selbst Könige den Ort (Jerusalem) ehrten 
und das Heiligthum durch die besten Geschenke ver- 
herrlichten, so dass Seleucus, König von Asien, aus sei- 
nen eigenen Einkünften, alle zur Verrichtung der Opfer 
nöthigen Kosten leistete. Auch die römischen Herrscher 
unterdessen es nicht, den Tempel auf diese Weise zu 
ehren. So erzählt Philo, dass Kaiser August auf seine 
Kosten täglich einen Farrn und zwei Lämmer in Jeru- 
salem opfern liess und dass dessen Gemahlin Livia die kost- 
barsten Weihgeschenke spendete. Ebenso berichtet der 
Talmud (Gittin p. 56, b) von einem römischen Kaiser 
(Nero), dass er, um die Treue der Juden gegen ihn zu 
probiren, ein Opfer dahin sandte, um zu sehen, 'ob sie 
es wie früher darbringen werden. Als der römische 
Feldherr Agrippa mit Herodes nach Jerusalem kam, 
opferte er 100 Rinder (Ant. XVI. 2, 1), ebenso brachte 
Vitellus auf seiner Reise nach Arabien Opfer in Jerusa- 
lem dar (Ant. XVIH. 5, 3). Dass Opfer von Heiden 
angenommen werden dürfen, lehrt ausdrücklich der Tal- 
mud (Cholin p. 13, b), nur wollen Einige, wie R. Akiba, 
diese Concession blos bei Brand- aber nicht bei Fried- 
opfem gestatten (Menachoth p. 73, b). Dagegen aber 
wurde die Verordnung getroffen, wenn ein Heide ein 
Opfer nach Jerusalem schickt, ohne die nöthigen Trank- 
opfer beizufügen, diese aus den Gemeindemitteln herbei- 
zuschaffen sind (ibid). 

6. Abschnitt. 
In diesem Abschnitte bringt Josephus einen sehr 
wichtigen Umstand, dass nämlich die Juden im Tempel 



Gegen Apion II., 6. 111 

far die römischen Kaiser täglich und zwar auf Staats- 
kosten geopfert haben, eine Auszeichnung, die sonst kei- 
nem Menschen erwiesen worden. Schon der Prophet 
Jeremias ertheilte den nach Babylon geführten Gefange- 
nen folgenden Auftrag: Befördert das Wohl der Stadt, 
wohin ihr vertrieben seid worden und betet für sie zum 
Ewigen, denn in ihrem Wohle liegt auch das Eurige 
(Jer. 29, 7). Diesem Befehle kamen auch die Gefange- 
nen, besonders des Propheten Schüler, Baruch, treu nach. 
Letzterer schickte aus Babylon im Namen seiner Mit- 
gefangenen folgenden Brief nach Jerusalem : Wir schicken 
euch Geld, kaufet dafür Ganzopfer, Sündopfer und 
Weihrauch und bringt sie dar auf dem Altar unse- 
res Gottes, betet für das Leben Nebucbadnezars und 
für das Leben seines Sohnes Belschazar, auf dass ihre 
Tage seien wie die Tage des Himmels auf der Erde 
(Baruch I. 10, 11). Cyrus, der Befreier Israels aus der 
babylonischen Gefangenschaft, strebte nicht minder nach 
dieser Auszeichnung. In einem seiner Erlässe an den 
syrischen Statthalter ertheilte er ihm den Auftrag, dass 
man aus seinem eigenen Schatze den Juden zu Jerusalem 
so viel darreiche, was sie täglich an Kälbern, Lämmern 
und Böcken zu Opfern benöthigen, damit sie dem Gotte 
des Himmels Opfer darbringen und zu ihm beten für 
das Leben des Königs und seiner Kinder (Esra 6, 10. 
Ant. XL 4, 6). Diesem Verlangen wurde nicht nur 
gegen Cyrus Nachfolger, sondern auch gegen die griech» 
Könige treu entsprochen. Als Alexander der Grosse, 
nach Besiegung und Niederwerfung des persischen Kel- 
ches nach Jerusalem zog, um die Einwohner für ihre 
frühere Anhänglichkeit an die persische Dynastie zu be- 
strafen und den Tempel zu zerstören, da hielt der Hohe- 
priester folgende Ansprache an ihn: Das Haus, worin 
man für dich in der Folge beten will, willst du zerstö- 
ren? Und der Sieger wurde besiegt (Joma p. 69, a). 
Eine ähnliche Sprache führten auch später die Juden 
gegen den syr. Feldherrn Nikanor, der in feindlicher Ab- 
sicht gegen Jerusalem zog. Die Priester und die Ael- 
testen des Volkes kamen ihm aus dem Heiligthume ent- 



1 10 Gegen Apion II., 6. 

gegen und zeigten ihm die Brandopfer, die för den syri- 
schen König dargebracht werden (L Makkab. 7, 33, Ant. 
XU. 10, 5). Was aber mit den babylonischen, persischen 
und griechischen Herrschern der Fall, wurde auch gegen 
die römischen Kaiser beobachtet, als diese ihre Macht 
und Oberherrschaft über Syrien ausbreiteten. Selbst far 
einen Caligula, diesen wahnsinnigsten und bethörtesten 
aller Herrscher, und der zugleich seinen Hass gegen die 
jüdische Nation so oftmalig an den Tag legte, wurden 
die gebührenden Opfer dargebracht. 

So riefen die Juden dem Feldherrn Petronins 
auf seine Anfrage, ob sie durch ihre Verweigerung zur 
Aufstellung der Bildsäulen Caligulas mit Eom Krieg 
führen wollten, Folgendes zu: Der Himmel bewahre uns, 
wir bringen ja täglich zweimal Opfer für Cäsar und das 
römische Volk. (Krieg H. 10, 4). Hören wir, was der 
Talmud darüber enthält. Jene 70 Opfer, lautet eine 
Stelle (Succa p. 55, b) die an den 7 Tagen des Laub- 
hüttenfestes (IV. M. 29, 12—35) dargebracht wurden, 
sind als Sühneopfer für alle 70 Völker der Erde zu be- 
trachten, das einzelne Opfer am achten Tage galt für 
Israel. Die Völker, rief K Jochanan aus, wussten wahr- 
lich nicht, welchen Schaden sie sich selber durch die 
Zerstörung des Tempels zufügten, da im selben Sühn- 
opfer für sie dargebracht wurden (ibid.). Am achtea 
Tage dieses Festes wurde noch ein besonderes Gebet für 
das Wohlergehen des jeweiligen Eegenten verrichtet, was 
als ein alter Gebrauch noch aus der Zeit des Königs 
Salomo herstammend (I. Könige 8, 66) betrachtet wurde. 
(Tosefta Succa IV. Raschi Joma 3, a). Der Talmud hat 
uns auch zwei Segenssprüche aufbewahrt, die jeder Israelit 
beim Anblicke eines gekrönten Hauptes zu verrichten 
hat. Der eine Spruch lautet: Gepriesen sei der Herr, der 
von seiner Hen-lichkeit auch menschlichen Wesen mitge- 
theilt. Der zweite lautet: Gepriesen sei der Herr, der 
auf Erden eine Herrschaft eingesetzt wie in der Höhe 
und der den Eegenten Macht und Gerechtigkeitsliebe 
verliehen hat. (Berachoth p. 58.) Auffallend ist nur, dass 
wie aus obiger Stelle (Krieg II. 10, 4) hervorgeht, sa 



Gegen Apion IL, 7, a) 118 

sollen die zwei täglichen Opfer (Tamid) für das Wohl 
der Regenten dargebracht worden sein, wofür sich jedoch 
im Talmud nicht die geringste Stütze vorfindet. Sollte 
sich jedoch diese Ansicht des Josephus bestätigen, so 
würden wir Aufschluss über einen Streitpunkt zwischen 
den Pharisäern und Zaduzäem in Betreff des täglichen 
Opfers erhalten. Josephus berichtet in unserm Abschnitte 
mit besonderem Nachdrucke, dass diese Opfer aus be- 
sonderer Achtung für die römischen Kaiser auf Staats- 
kosten dargebracht wurden, eine Ehre, die sonst keinem 
Sterblichen zu Theil geworden. So lehrten auch wirklich 
die Pharisäer, die Conservativen im ehemaligen Juden- 
thume, die bekanntlich allen revolutionären Abänderungen 
abhold, stets auf Seiten der herrschenden Dynastien standen. 
Nach ihnen durften die täglichen Opfer nur aus den 
allgemeinen Kosten genommen werden. Die Zaduzäer 
dagegen lehrten, dass auch Privatleute diese täglichen 
Opfer bringen können. Als. endlich die Pharisäer den 
Sieg davon trugen, setzten sie zum Andenken dessen 
die ersten 8 Tage des Monats Nisan zu Halb-Festtagen 
ein. (Tanith. p. 17, b. Menachoth, p. 65, a.) Dieser 
Streit hatte also eine politische Tendenz zur Grundlage 
und mag erst mit der Hen*schaft der Eömer über Je- 
rusalem entstanden sein. 

7. Abschnitt. 

a) Die Verleumdung, oder vielmehr die lächerliche 
Fabel vom goldenen Eselskopf, den nach dem Berichte 
Apions Antiochus Epiphanes im Tempel zu Jerusalem 
gefunden haben will, wurde noch von vielen späteren 
griechischen und remischen Schriftstellern nacherzählt. 
Tacitus (bist 1. V. c. 3) theilt hierüber Folgendes mit: 
Als die Juden in der Wüste wegen Wassermangels ^anz 
erschöpft und dem Untergänge nahe waren, da erscliien 
auf einmal eine grosse Heerde von Eseln auf einem von 
schattigen Bäumen umgebenen Felsen. Moses folgte diesen 
Spuren nach und fand eine Menge Wasserquellen. Ferner 
(c. 4.) : aus Dankbarkeit stellen sie das Bild jenes Thieres 

8 



1 J4 Gegen Apioii IL, 7, ») 

in ihrem AUerheiligsten auf, weU es ihnen die .Quellen 
in der Wüste gezeigt. Von Tacitus erscheint uns diese 
Verleumdung um so auffallender , da dies mit einer 
Aeusserung desselben Schriftstellers (V. 5) ganz im 
Widerspruche steht. Die Juden, äussert er sich, verehren 
nur ein einziges göttliches Wesen, das nur geistig auf- 
zufassen ist, sie verachten jene, die aus vergängüchem 
StoflFe Bilder für die Götter machen, da dieses höchste 
Wesen ewig und unveränderlich ist, daher dulden sie 
keine Bilder in ihrer Stadt, um so weniger in ihrem 
Tempel. Als der erste der Kömer, Pompejus, Jerusalem 
eroberte, drang er in den Tempel ein, um die Mysterien 
der jüdischen Keligion zu erforschen, er fand jedoch da 
keinerlei Bilder vor, blos einen goldenen Weinstock, wess- 
halb Manche die Juden beschuldigen, Vater Bacchus zu 
verehren. Letztere Angabe scheint uns Aufschluss über 
die ganze Fabel zu geben. Bekanntlich wurde in Ae- 
gypten Jupiter Amon in der Gestalt eines Widders ver- 
ehrt. Servius (ad Aen. 4, 196) gibt folgende Erklärung 
für diese Göttergestalt. Als Bacchus auf seinem Zuge 
nach Indien mit seinem Heere durch Lybien kam, wurde 
dieses vom Durste geplagt und erschöpft; Liber rief 
seinen Vater um Hilfe an, sogleich liess sich ein Widder 
sehen, der zu einer Quelle im Sande leitete und darum 
bildete man die Statue des Jupiter Amon mit einem 
Widderkopfe ; Amon habe seinen Namen vom Sande, weil 
das griechische ammos dies bedeutet. Die Widder waren 
in Theben heilig, blos einmal im Jahre wurde ein Widder 
geschlachtet und dessen Fell zum Andenken an obige 
Sage der Bildsäule des Jupiters umgehängt. Wir sehen 
also, wie sich beide Sagen einander gleichen, nur dass 
man für den Widder hier einem Esel die ßoUe übergab, 
zu dieser Verwechselung mag auch eine Stelle (I. M. 
49, 11) Anlass gegeben haben, wo der Weinstock, das 
Symbol des Bacchus, mit dem Esel in Verbindung ge- 
bracht wird. 

Indess findet sich eine ähnliche Sage, wenn auch 
nicht von Jakobs, aber von Esaus NacÄommen in der 
Bibel vor. Ana (griechisch ovo? — Esel) heisst es daselbst 



Gegea Apion IL, 7, b) 1 1 ^ 

^I. M. 36, 24,) war es, der die Wasserquellen in der 
Wüste fand, als er die Esel seines Vaters Zibon weidete. 
Wir wollen noch eine andere Combination für die Er- 
dichtung der obigen Fabel aufstellen. Apion, der erste 
Erfinder derselben, hat schwerlich Jerusalem oder gar 
-den Tempel daselbst zu sehen bekommen, ihm war blos 
der zu Heliopolis von Onias errichtete bekannt. Dieser 
Tempel führte bei den Griechen nach seinem Erbauer 
-den Namen „Onion", was Apion, der Alles zu gräcisiren 
suchte, wie er dies mit Sabbath gethan, mit Onos = Esel 
identifizirte und daraus den Schluss folgerte, dass die 
Juden in ihrem Heiligthume einen Esel verehren. 

b) Bei uns aber, äussert .sich Josephus weiter, dienen 
•die Esel dazu, die ihnen auferlegten Lasten zu tragen 
iinii wenn sie bei ihrem Gange auf die Tenne fressen 
-oder die Befehle nicht erfüllen, so erhalten sie viele 
Schläge,, indem sie nichts als Diener bei der Arbeit und 
dem Landbau sind. Eine feine Ironie und Anspielung 
auf die ägyptischen Gebräuche, wo die heiligen Thiere 
als unverletzlich und unantastbar betrachtet wurden, ja 
sie sogar ihre besonderen Wärter hatten. Den heiligen 
Thieren wurden nicht selten Kinder gelobt; um sie zu 
lösen, schor man denselben das Haupthaar ab, wog das- 
selbe mit Silber auf und gab letzteres den Wärtern, wo- 
für diese den Unterhalt der Thiere besorgten. (Herod. 
H. 65). Dass Esel zum Ackerbau verwendet worden 
sind, geht aus einem mos. Verbote (V. M. 22, 10) her- 
vor, ebenso beweiset dies eine Stelle des Propheten (Je- 
sajas 32, 20). Dass aber der Esel auf der Tenne Schläge 
erhält, so er fressen will, ist gegen ein mos. Gesetz. 
(V. M. 25, 4): Du sollst dem Ochsen beim Dreschen 
den Mund nicht verschliessen, das Josephus selber (Ant. 
IV. 8, 29) so schön erklärt, weil es ungerecht wäre, 
dem uns helfenden Thiere diesen kleinen Lohn zu ent- 
ziehen. Nach dem Talmud (Baba-mezia p. 90, b.) darf 
das Thier bei der Arbeit nicht einmal mit der Stimme, 
d. h. durch ein Abschreien, vom Essen abgehalten werden, 
und ist es ein gemiethetes Thier, heisst es ferner da- 
selbst (p. 91), dem der Miether beim Dreschen den Mund 

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,\ ,','nA iA^ui',u\ iiy.r** %a^ dii^ Alr^rhim nicht gewagt, 
/rr.t trfUi'ti,\,Ut tiuf\ f:n('M(:ht^ie 19. Jahrba&dert hatte die 
i\htitii tUi/M, HHi'M mit dieser Anklasre crecfen die Juden 

llH'/OI>^r, /i,1rnlir:h fiber die Blutgeschiehte amPassah- 
\i'^'\i*^ Mh/r V^rUMfidi^niiii^ zu versuchen, hiesse die An- 
(«l'ij/« ifU nlrht j^;jfiz grundlos zu erklären, eingestehen, 
u\>i /ili iiiil^M' <l<'r S;m'Im} dor^h Etwas stecken müsse. Wir 



Oegen Apion II., 8, b) 117 

^pvoDen blos die Bekenner des Christenthnmes, aus deren 
Glitte doch diese die Menschheit entehrende Beschuldigung 
von Zeit zu Zeit wie ein Höllengespenst hervortaucht, 
daran erinnern, dass dieselbe Anklage in den ersten 
-Jahrhunderten von Seite der Heiden auch gegen sie ge- 
schleudert worden ist und ihnen mehrere Verfolgungen 
durch die römischen Kaiser zugezogen hat; wollen sie zu- 
gleich an den Spruch ihres Keligionsstifters erinnera: 
"Was ihr wollet, dass euch Andere thun sollen, dass thut 
ihnen selber, (Matth. 7, 12. Luc. 6, 31), oder wie schon 
früher zwei jüdische Gelehrte, Tobias (4, 15) und der 
Patriarch HiUel (Sabbath p. 3.1, a) gelehrt: Was euch 
verhasst, das thut Andern nicht. Wir wollen endlich 
noch erinnern, dass zu einer Zeit, wo die Völker Menschen- 
•qnälerei kannten und übten, das Judenthum strenge 
Gesetze selbst gegen Thierquälerei hatte. 

b) In BetreflF des Tempels (herodianischen) gibt hier 
Josephus 5 Grade der Heiligkeit an, die durch 4 Säulen- 
Gänge kenntlich gemacht waren. Zum ersten Säulengang 
war der Eintritt Allen, selbst Heiden, nur nicht menstrui- 
renden Frauen, gestattet. Der zweite Säulengang war für 
Männer und Frauen nur aus der jüdischen Nation, so sie 
rein waren, bestimmt. Der Eintritt in den dritten war 
Mos israelitischen Männern, in den vierten nur den Priestern 
und in das Allerheiligste blos dem Hohenpriester erlaubt. 
Die Mischna (Kelim I. 6) stimmt beiläufig mit diesen 
Angaben überein, nur gibt sie 7 bis 8 solche Grade für 
die Heiligkeit des Tempels an. Die Stelle lautet: Der 
Tempelberg ist heiliger als die Stadt Jerusalem, da 
Flussüchtige, Menstruirende und Kinderbetterinen nicht 
liinaufkommen dürfen. Der Zwinger (Chel), nach Maimo- 
nides ein zehn Ellen hoher Wall, nach Andern ein zehn- 
teiliger Raum zwischen dem Gitterwerk und der Frauen- 
%alle^ ist noch heiliger, weil dahin kein Heide, oder wer 
sich an einem Todten verunreinigt hat, gelangen darf. 
Die Frauenhalle ist noch heiliger, wohin ein an diesem 
Tage erst zur Reinigung Gelangter nicht gehen darf. Der 
IsraeUtenhof ist noch heiliger, weil dahin keiner, der 
eines Sühnopfers bedürftig ist, eintreten kann, der Priester- 



1 1 Q Gegen Apion II., 8, 1>) 

hof ist noch heiliger, den kein Israelit besuchen darfl. 
Der Raum zwischen dem Altare und dem Ulam (Vor- 
balle des eigentlichen Heiligthumes) ist noch heiliger,, 
weil dahin selbst ein Priester, der aber fehlerhaft, nicht 
vordringen darf. (Diesen Punct lässt Josephus ganz weg,, 
was auch die Ansicht des B. Jose in der Mischna.) Das 
Hechal ist heiliger, weil der Eintritt dahin eine eigene^ 
Waschung der Hände und Füsse der Priester benöthigt. 
Das Allerheiligste ist noch heiliger, weil dahin Niemand 
treten darf, als blos der Hohepriester am Versöh- 
nungstage, um den vorgeschriebeneu Dienst zu verrichten- 
Noch gehört hierher eine zweite Mischna (Midoth H. ä),. 
welche lautet: Einwärts vom Tempelberge war ein Gitter,, 
zehn Handbreiten hoch, es waren darin 13 Bisse, welche 
die Syrier gemacht, die man aber dann wieder zugebaute 
Aus diesen zwei Stellen geht hervor, dass den Heiden 
der Eintritt blos zum Gitterwerk, das viellacht auch 
desshalb durchlöchert war, um ihnen wenigstens einen Ein- 
blick zu gewähren, gestattet war. Dieses Gitterwerk be- 
stand nach der Ansicht der Commentatoren aus Holz,, 
während es nach Josephus (Krieg V. 5, 2) eine steinerne- 
Brustwehr war, ob gelöchert oder nicht, wird nicht an- 
gegeben. Ebenso weicht Josephus von der Mischna in 
Betreff der Höhe ab, Josephus gibt dieser Brustwehr 3 
Ellen Höhe, nach der Mischna waren es 10 Handbreiten. 
Noch gibt Josephus einen Punct an, der im Talmud nir- 
gends erwähnt wird. 

An dieser Brustwehr, heisst es daselbst (Ant. XV. 11. 
Krieg V, 5, 2. VI. 2, 4) waren in gleichen Abständen 
Säulen angebracht, welche das Gesetz der Beinigkeit ver- 
kündeten, theils in griechischer, theils in römischer Sprache, 
dass nämlich kein Fremder das Heiligthum betreten 
dürfe, denn Heiligthum hiess dieser zweite Baum. Auch 
diesem letzten Punct widersprechen die Commentatoren, 
nach welchen die Frauenhalle noch zu dem Tempelberge 
gehörte. Aharbanel (in seinem Commentar zu Hesek. 40) 
geht noch weiter und erklärt, dass der Eintritt bis in 
die Prauenhalle gestattet war, um dort nach dem Aus- 
spruche Salomo^s (L Ktoige 8,. 41) beten zu können. 



Gegen Apion II., .8, c) JJ^Q 

wesshalb auch da für die Frauen besondere Altanen 
in der Höhe angebracht wurden (Succa p. 51, b.), welche 
Ansicht jedoch B. Lipm. Heller (Midoth IL 3) als irr- 
thümlich zurückweiset. Auch des Zwingers (Chel) erwähnt 
Josephus (Krieg V. 5, 2), aber nicht wie Maimonides, 
dass es eine zehn Ellen hohe Mauer war, sondern zwischen 
der obersten der 14 Stufen zur Frauenhalle und der 
Mauer um dieselbe gab es einen ganz ebenen Baum von 
zehn Ellen, was ganz mit unserm Chel übereinstimmt, 
nur wussten die Commentatoren den Ort nicht recht an- 
zugeben. 

c) Hier citirt Josephus vier Dinge, die im Heilig- 
thume sich befanden, ein Altar, ein Tisch, ein Bäucher- 
altar und ein Leuchter. Maimonides (Beth-habchira I. 7, 
III. 17) weiss blos von drei Stucken, dem Bauch er- 
oder Goldaltar, dem Tische und dem Leuchter zu sagen, 
daher Manche in unserer Stelle einmal Altar weglassen. 
(Frankel, Monatschrift 1852 S. 96), Manche haben als 
viertes Stück Bäucherpfanne. Befand sich aber dieses 
Gefass im Heiügthume? Eine Mischna (Tamid III. 4) 
theilt mit, dass es im Heiligthume eine eigene Geräthen- 
kammer gab, aus der man täglich 93 silberne und goldene 
Gefässe zum Gebrauche des Dienstes herausnahm. Aus 
einer Stelle der Septuaginta (H. M. 30, 6) scheint her- 
vorzugehen, dass der Bäucheraltar sogar im AUerheilig- 
sten neben der Bundeslade sich befand- Paulus (Epist. 
an die Hebr. 9, 3, 4) setzt wieder das Bauchfass oder 
Bäucherpfanne in das Allerheiligste. 

Möglich, dass es eiiie eigene Bäucherpfanne für den 
Hohenpriester am Yersöhnungstage gab, da ohnediess 
alle Tempelgeräthe doppelt vorhanden waren (Chagiga 
p. 26, b), und diese zweite Pfanne blieb im Heiligthume 
oder Allerheiligsten von einem Jahre zum andern auf- 
bewahrt, damit dieselbe nicht zum alltäglichen Bäucher- 
werke gebraucht werde. 

Wir würden auch verstehen, warum die Bäucher- 
pfanne im Hebräischen eine doppelte Benennung habe: 
Machta (HL M. 16, 13. IV. M. 16, 17.) würde das 
Geräth für den Hohenpriester, dagegen Miktereth (Hesek. 



J20 Gegen Apioo II., 8, d) , 

8, 11. II. Chr. 26, 19) die Räucherpfanne zum alltäg- 
licheu Gebrauche bedeuten. Der Talmud jedoch (Joma 
p. 32, b.) ist anderer Meinung und behauptet, dass der 
Hohepriester am Yersöhnungstage am Ende des Dienstes 
einen eigenen Gang in das Allerheiligste machen mnsste, 
um die Bäucherpfanne herauszuholen. An einer andern 
Stelle (Krieg V. 5, 5) äussert sich Josephus, dass im 
Heiligthume bloss drei Dinge, der Tisch, der Leuchter 
und der Räucheraltar sich befanden, hingegen im Aller- 
beiligsten war gar nichts zu sehen. Nach Maimonides 
(Beth-habchira IV. 1) befand sich jedoch im Allerheilig- 
sten an der Westseite der Stein Schethija, worauf im 
ersten Tempel die Bundeslade stand, üeber diesen Stein 
äussert sich die Mischna (Joma V. 2, p. 53, b.) wie 
folgt : Im zweiten Tempel, wo die Bundeslade fehlte, war 
noch an dieser Stelle ein Stein seit den Tagen der ersten 
Propheten vorhanden, derselbe wurde Grundstein (Schethija) 
genannt, und erhob sich drei Finger von der Erde, auif 
diesen Stein stellte der Hohepriester die Räucherpfanne 
am Versöhnungstage. Möglich dass dieser Stein der zweite 
Bäucheraltar war, den hier Josespus meldet, weil darauf 
das Räucherwerk vollendet wurde. 

d) Ferner gibt Josephus in diesem Abschnitte an, 
dass es vier Abtheilungen der Priester gibt, und jede 
derselben zählt mehr als 5000 Menschen, sie fongiren 
aber geschieden von einander an gewissen Tagen, wenn 
die einen abgehen, folgen andere nach und besorgen die 
Opfer. Am Mittage versammeln sie sich im Tempel und 
empfangen von den Vorgängern dessen Schlüssel und sämmt- 
liche Geräthe genau gezählt. Der Angabe, dass die Priester 
blos vier Abtheilungen hatten, widerspricht Josephus selber 
in seiner Lebensbeschreibung (1), wo er ausdrücklich sagt, 
dass er ein Abkömmling von der ersten der 24 Priester- 
abtheilungen ist; ebenso äussert er sich an einer andern 
Stelle (Ant. VII. 14, 7), dass König David die Priester 
in 24 Ordnungen eingetheilt, 16 aus dem Hause Eleasar 
und 8 aus dem Hause Ithamar, jede Abtheilung hatte 
eine Woche, von Sabbat zu Sabbat, den Gottesdienst 
zu versehen. Diese Eintheilung, von David, dem Hohen- 



Gegen Apion II., 8, d) lO] 

priester und den übrigen Kriegsleuten vorgenommen, blieb 
bis auf unsere Tage aufrecht. Manche emendiren daher 
in obiger Stelle statt vier, vierundzwanzig. 

Wix wollen nun sehen, was sich im Talmud über 
diese Priestereintheilung vorfindet. 

Es muss vorausgeschickt werden, dass diese Ein- 
theilung in 24 Tempelposten, nicht blos für die Priester, 
sondern auch für die Leviten, wie auch für die Israeliten 
gegolten. In Betreff der Priester, heisst es im Talmud, 
(Tanith p. 27, a) wie folgt: Moses fahrte acht Priester- 
ordnungen ein, vier vom Hause Eleasar und vier vom 
Hause Ithamar, der Prophet Samuel erhöhte sie auf 16, 
König David stellte sie auf 24 fest, nämlich 16 von Elea- 
sar, dessen Nachkommen sich stark vermehrten (I. Chr. 
24, 4) und 8 von Ithamar. Von diesen 24 Priester- 
abtheilungen, die alle unter David einzeln benannt werden 
(I. Chr. 24), sind zur Zeit des zweiten Tempels blos 
vier Abtheilungen, Jadai, Charim, Paschchur und Imer 
zurückgekehrt (Esra 2, 35. Nehem. 7, 39). Um jedoch 
die alte Eintheilung von 24 Posten beizubehalten, wurde 
jede Priesterordnung durch's Loos in 6 eingetheilt. Wir 
sehen also, dass Josephus mit seiner Eintheilung in vier 
Ordnungen nicht ganz im Unrechten sei, da dies die 
ursprüngliche Eintheilung der Priester im zweiten Tempel 
war. Jeder dieser 24 Tempelposten, auf den zweimal 
des Jahres eine Woche der Dienst im Tempel fiel , wurde 
wieder durch's Loos in 7 Familienväter eingetheilt für 
die 7 Tage der Woche (Maimonides über die heiligen 
Geräthe 4, 11). Am Sabbat wurden die Tempelposten 
gewechselt und zwar derart; dass der abgehende Posten 
die Morgen- und Zugabsopfer verrichtete, während der 
eintretende die Abendopfer versorgte- Hierauf begaben sich 
zwei Priester aus jedem der beiden Posten und vertheilten 
die Schaubrode unter sich (Succa p. 55, b). *) Dieselbe 



*) Auch richtete der abgehende Posten ein Gebet an den 
Himmel für den neu eintretenden: Der in diesem Hause wohnt, 
lautete dasselbe, lasse auch unter' each Liebe, Freundschaft, 
Frieden und Geselligkeit wohnen. (Tamid V. 1.) 



J22 Gegen Apion IL, 8« d) 

Ordnung und Yertheilung fand auch unter den Leviten 
statt, deren Dienst vorzüglich auf die Bewachung, auf 
Schliessen und Oeffnen des Tempels, endlich auf Musik 
und Gesang bei den Opfern sich erstreckte (Maimonides 
über die heiligen Geräthe 3, 6). Der Prophet Samuel und 
König David, heisst es ferner daselbst (3, 9), theilte die 
Leviten in 24 Posten ein, jeder Posten theilte sich wieder 
in 7 Familienväter, so dass jeder einen Tag in der Woche 
den Dienst im Tempel zu versehen hatte. Wir kommen 
nun auf die 24 Tempelposten der Israeliten. Da die täg- 
lichen Opfer (Tamid) wie auch die übrigen Sabbat- und 
Festopfer gemeinschaftlich für die ganze Nation und auch 
aus öffentlichen Staatsmitteln gebracht wurden, wie konnten 
diese, so wirft schon die Mischna (Tanith IV. 1. p. 26, a) 
die Frage auf, in Abwesenheit der Opferbringenden vor- 
genommen werden? Zu diesem Zwecke, lautet die Ant- 
wort, trafen die Propheten die Ordnung, dass auch ans 
der Nation 24 Beistandsposten herausgehoben werden, die 
den 24 Priesterposten sich anzuschliessen haben. Die in 
der Nähe von Jerusalem wohnenden Beistandsmitglieder 
begaben sich in der Woche ihres Postens in den Tempel, 
wo sie im Holzfällen und Wasserschöpfen bei den Opfern 
behilflich waren (Baschi Tanith p. 26, a). £in Theil blieb 
jedoch in Jericho zurück, um die frommen Pilger nach 
Jerusalem mit Lebensmitteln zu versorgen (Tanith p. 27, a). 
Die in der Feme wohnenden Beistandsglieder versammel- 
ten sich in der Woche, an welcher die Loosung auf sie 
fiel, in den Synagogen zu einem öffentlichen Gottesdienste, 
damit die für ganz Israel dargebrachten Opfer wohl- 
gefällig angenommen werden (&schi Tanith p. 26, b.). 
Viermal in der Woche hielten sie auch Fasttage, am Montage 
beteten sie für das Wohl der Seefahrer, am Dinstag fir 
das Wohl der Eeisenden in der Wüste, am Mittwoch für 
das Wohl der erkrankten Kinder, am Donnerstag für das 
Wohl der Wöchnerinen und Säugerinen. Freitags wurde 
als Süsttag zum Sabbat, so wie an diesem Tage aus- 
gesetzt ; für die Befreiung des Sonntags weiss der Talmud 
(ibid. p. 27, b) keinen genügenden Grund anzuheben. Im 
Tractat Soferim jedoch (17, 5) heisst es wie folgt: Sonn- 



Gegen Apion IL, 8, d) 123 

tag wurde desshalb nicht gefastet, damit die Heiden nicht 
sagen, weil wir diesen Tag feiern, fasten die Juden. Im 
Compendium des En-Jakob zu Tanith wird diese Ansicht 
im Namen des B. Jochanan angegeben. Warum diese so 
tolerante Stelle von der Censur in unsern Talmudaus- 
gaben gestrichen worden, ist mir unbegreiflich. Jedenfalls 
scheint daraus hervorzugehen, dass zur Zeit des zweiten 
Tempels die Heiden (Griechen oder Römer) den Sonntag 
feierten, denn auf die Bekenner des 40 Jahre vor der 
Zerstörung des Tempels entstandenen Christenthums, die 
damals mehr noch im Verborgenen gelebt, wurde gewiss 
nicht diese Bäcksicht genommen. Wahrscheinlich hat auch 
dieser umstand die Censur zur Streichung bewogen. Feier- 
ten aber wirklich die Heiden den Sonntag? Aus einer 
Stelle des Maimonides (Akum 9, 4. Amsterdam 1702), die 
in unseren Ausgaben ebenfalls fehlt, geht hervor, dass die 
Bömer (Edomiten) diesen Tag als einen Festtag hielten. 
Es ist jedoch möglich, dass Maimonides hier die Be- 
kenner des Christenthums meint. Nach dieser 24 Priester- 
und Leviteneintheilung geschah es auch, dass man 24 
Postwachen im Tempel einführte, wovon man 21 Posten 
nämlich auf dem Tempelberge den Leviten, die übrigen 
drei Posten im Tempel selber den Priestern anvertraute. 
Ebenso gab diese Eintheilung den ersten Grund, dass 
auch die heilige Schrift in 24 Bücher eingetheilt wurde^ 
wie wir bereits oben (I. 8, a) mitgetheilt, während die 
Hellenisten und die Kirchenväter nur 22 Bücher nach 
Anzahl der hebräischen Buchstaben annehmen. Indess 
scheint letztere Ansicht auch aus einer Midraschstelle 
(Babba zum hohen Liede 1, 4) hervorzugehen, sie 
lautet: 

Wir wollen uns freuen an dir, d. h. an deiner Lehre, die 
du m 22 Buchstaben geschrieben. Ebenso wurden in der 
Asara 24 Binge für die Schlachtopfer errichtet, damit 
jeder Posten einen eigenen habe (Midoth HI. 5). Als 
eine ansehnliche Frau aus dem Tempelposten Bilga ihrem 
Glauben untreu wurde, bestrafte man den ganzen Posten 
damit, dass dieser Bing zugehämmert wurde (Succa 
56, b). 



124 Oegen Apion IL, 9. 



9. Abschnitt. 



In Betreff der Tempelthore äassert sich hier Josephns 
wie folgt: Dieselben waren sieben Ellen hoch and zwanzig 
breit, alle vergoldet and von getriebener Arbeit, diese 
verschlossen alle Tage nicht weniger als 200 Menschen, 
denn sie oflFen zu lasäen, war ein Verbrechen. Josephas 
spricht hier zu allgemein und lässt ans im unklaren, 
von welchen Tempelthoren hier die Rede, da es mehrere 
und von verschiedener Art gab. um eine klare üebersicht 
zu erhalten, muss man vor Allem die verschiedenen Theile 
des Tempels kennen, woraus derselbe bestand. Der erste 
Theil war der Tempelberg, oder jener freie Baum, der 
das Heiligthum nach allen Seiten umgab f derselbe war 
von Mauern umgeben, in denen verschiedene Thore sich 
befanden. Der zweite, innere Theil, ebenfalls von einer 
andern Mauer umgeben, bildete die Asara und endlich 
der dritte Theil machte das Heiligthum im engeren Sinne 
aus. Wir wollen nun der Reihe nach diese drei Theile 
nebst ihren Hauptportalen schildern. Der Tempelberg von 
500 Quadratellen war ringsum mit Mauern umgeben, in 
denselben befanden sich nach der Mischna (Midoth I. 3) 
fünf Thore ; der Haupteingang an der Ostseite führte den 
Namen Susauthor, zum Andenken an die persische Haupt- 
stadt, da von dort aus durch Cyrus die Befreiung aus 
der babylonischen Gefangenschaft kam. In einem Neben- 
gemache unter diesem Thore befand sich auch ein Abbild 
der persischen Metropole (Kelim XVII, 9). Das Thor an 
der westlichen Seite, hinter dem AUerheiligsten, führte 
den Namen „Kipones"-6 arten thor (»-»jito?), weil von da der 
Weg zu einem Blumengarten in Jerusalem führte (Masar 
II. 5). *) Südlich befanden sich zwei Thore, nach der 
Prophetin Chulda (IL Könige 26, 14) benannt. Das nörd- 
liche Thor hiess Tada, wofür die Commentatoren keine 
genügende Erklärung zu geben wissen. Nach Kimchi (Comm. 
zu Hesek. 40, 14) war es der Name eines Mannes, Er- 



*) Auch das Thor, wo die zweite Stadtmauer begann, fahrte 
dieseA Namen. (Krieg V. 4, 3). 



Gegen Apion II., 9, ] Og 

baners und Spenders, allein eine solche Persönlichkeit ist 
unbekannt. Wir glauben für diesen Namen folgende Er- 
klärung geben zu können« Zu einem Dankopfer (Thoda) 
wurden auch gesäuerte Kuchen genommen (III. M. 7, 13), 
welches Opfer am Passahfeste naturlich nicht dargebracht 
werden konnte. Wer ein solches schuldig war, beeilte sich, 
es einige Tage vor dem Feste zu bringen. Nun lehrt B* 
Johuda (Pessachim p. 11, b), dass am Büsttage zu diesem 
Feste zwei solche gesäuerte Kuchen am Dache der um 
die Tempelmauer herumlaufenden Doppelgalerie auf- 
gehängt wurden, so lange diese da blieben, war der 
Genuss des gesäuerten Brodes gestattet, nach ihrer Ent- 
fernung musste dasselbe verbrannt werden. 

Wahrscheinlich wurden diese gesäuerten Kuchen 
schon einige Tage früher aufgehängt, um das Volk zu 
erinnern, sich wegen der Annäherung des Festes mit der 
Darbringung der Dankopfer zu beeilen. Da nun der Ge- 
brauch im Tempel war, nicht durch dasselbe Thor, wo 
man eingetreten, wieder hinauszugehen, so wäre leicht 
möglich, diese gesäuerten Kuchen, die nur auf einer 
Stelle und wahrscheinlich oberhalb eines Mauerthores 
angehängt waren, gar nicht zu Gesichte zu bekommen, 
nämlich für die durch dasselbe Einkehrenden. Das nörd- 
liche Thor aber, das zum Eingange gar nicht diente, war 
daher für die Aufhängung dieser Kuchen am passendsten, 
wesshalb es auch den Namen Thada (Daukopfer)- führte. 
Zu diesem Theile gehörte auch das Gitterbauwerk oder 
die Brustwehr, wie weit den Heiden der Eintritt gestattet 
war: hier gab es keine Pforten und Thüren, sondern 
freie Durchgänge, es soll deren 13 gegeben haben. Ferner 
gehörte hieher ein erhöhter Plattraum von 10 Ellen 
Breite, Zwinger genannt, wie auch die Frauenhalle. Alle 
diese Theile waren beim ersten Tempel nicht vorhanden, 
sondern sind als Zugaben des zweiten Tempels zu be- 
trachten. (Sebachim p. 116, b.) Die Frauenhalle war 
nicht blos für die gottesdienstlicLen Gebräuche der Frauen 
bestimmt, sondern diente auch für drei grosse Ceremo- 
nien als Versammlungsort des ganzen Volkes. Am Ver- 
söhnungstage wurde hier der vorgeschriebene Thorabschnitt 



J26 Oftgen Apion II., 9. 

dem Volke vorgelesen (Joma 69, b.). Am Laubhütten- 
feste wurde da das grosse Volksfest des Wasserschöpfens 
abgehalten, wobei, um jedem Leichtsinn vorzubeugen, för 
die Frauen eine eigene Galerie in der Höhe angebracht 
wurde (Succa 51, a.). Endlich wurde in der Prauenhalle 
am Schmitajahr vonä Könige das Gesetz dem Volke vor- 
gelesen, zu welchem Zwecke auch in der Mitte der Halle 
eine Bima errichtet wurde (Sota p. 41, a, b). Der zweite 
Theil des Tempels war die Asara, die wieaer aus zwei 
Abtheilungen, dem Israeliten- und dem Priesterhofe be- 
stand. Zu der Asara führten nach der Mischna (Midoth 
L 4) sieben Thore, eines war östlich, drei südlich und 
drei nördlich. Das östliche hiess Nikanor und zwar aus 
folgender Ursache: Ein gewisser Nikanor machte eine 
Eeise nach Alexandrien wegen Anschaffung eines Tempel- 
thores. Bei der fiückreise erhob sich ein Sturm auf dem 
Meere, man nahm ein Flügelthor und warf es ins Wasser, 
das Meer war noch nicht ruhig, man ging daran, das 
zweite ebenfalls in die Tiefe zu senken, der Eigenthümer 
kränkte sich so sehr, dass er sich nachstürzen wollte, da 
war das Meer plötzlich still. Als man beim Hafen aus- 
schiffte, da kam auch der erste Flügel, der unter dem 
Schiffe hängen geblieben, zum Vorscheine. Dieses Thor 
war aus korinthischem Kupfer, das wie Gold strahlte 
(Joma 38, a). Mit letzterem stimmt auch Josephus 
(Krieg V, 5, 3) ein, er sagt: Neun der Thore waren 
mit Gold und Silber bekleidet, eines, das Aussen thor, 
war sogar von korinthischem Erz und übertraf die ver- 
goldeten weit an Werth. Doch scheint obige Erzählung 
etwas zu weit hergeholt. Wir glauben für die Benennung 
dieses Thores einen historischen Grund zu finden. Zur 
Zeit der Makkabäer schickte Demetrius seinen Peldherrn 
Nikanor nach Jerusalem, er drohte mit der Zerstörung 
des Tempels bei seiner Eückkehr, so ihm nicht Judas 
ausgeliefert werde. Bald darauf kam es in der Nähe von 
Jerusalem zu einer Schlacht, wobei die Syrier gänzlich 
geschlagen wurden und auch ihr Feldherr Nikanor fiel. 
Es wurde sein Haupt vom Eumpfe getrennt und nach 
Jerusalem gebracht. Dieser Tag des Sieges, der 13. des 



Gegen Apion II, 9. 127 

Monats Adar, wurde als ein Festtag eingesetzt (Ant. XII. 
10, 5. 1. Makkab. 7, 47). Judas Makkabäer versammelte 
hierauf das Volk im Tempel, zeigte ihm das Haupt des 
gottlosen Lästerers und befahl, dass die Zunge, dieses 
Organ der Bosheit, vor dem Tempel und der Kopf an 
der Burg angehängt werde als ein Allen sichtbares 
Zeichen der Hilfe des Herrn (IL Makkab. ib. 33, 35). 
Wahrscheinlich geschah diese Demonstration am östlichen 
Thore des Tempels, wesshalb auch dieses Nikanorthor 
hiess. Die drei nördlichen Thore Wessen : das Thor Nizuz, 
die Ursache dieser Benennung ist ganz unbekannt; das 
Opferthor und das Thor der Brandstätte, weil da ein 
beständiges Feuer zum Behufe der Altarfeuerung unter- 
halten wurde. Die südlichen Thore Messen das Wasser- 
thor , durch welches die Prozession zum Wasserfeste 
ging, das Thor der Erstlinge (beim Vieh) und das Thor 
des Feueranzündens, hier soll nämlich das Brennmaterial 
für den Altar eingeführt worden sein, die Benennung 
von „Holzthor" wäre jedoch passender, da dasselbe in 
natura eingeführt wurde. Wir wollen daher eine andere 
Erklärung für diese Benennung geben. In einer ander- 
seitigen Abhandlung wurde von uns bereits nachgewiesen, 
wie das jüdische Holzfest, das am 15. Ab abgehalten 
wurde (Tanith p. 30, b), eine Analogie bei andern be- 
nachbarten Völkern, namentlich bei den Syriern zu He- 
ropolis gefunden, die ein ähnliches Fest unter dem Namen 
„Scheiterhaufen* feierten ; es wurden nämlich grosse 
Bäume gefällt, dieselben aufgescheitert und in einen 
grossen Brand gesteckt (Lucian über die syrische Gott- 
heit). Wahrscheinlich geschah etwas Aehnliches im 
Tempel am besagten Holzfeste, wesshalb das Thor, wo 
diese Ceremonie stattfand, das Thor des Feueranzündens 
genannt wurde. Alle bisher benannten Thore (5 + 7) 
hatten eine gleiche Grösse, 20 Ellen hoch und 10 breit 
(Midoth IL 3). Von diesen Angaben weicht jedoch Jo- 
sephus in mehreren Stücken ab. Nach ihm gab es in 
der Asara zehn Thore, vier nördlich, vier südlich und 
zwei östlich. Jedes Thor hat zwei Flügel, wovon jeder 
30 Ellen hoch und 15 breit war, es gab aber noch ein 



J2g G«g6B Apion II, 9. 

Thor, das grosse genannt, das in der Höhe 50 und in 
der Breite 40 Ellen hatte (Krieg V. 5, 3). 

Aber noch in einem dritten viel wichtigeren Punkt 
scheint Josephus vom Talmud abzuweichen. Nach Ansicht 
der Talmudisten gab es östlich blos ein .Thor, das in 
die Frauenhalle führte; an der westlichen Seite dieser 
Halle war das Nikanorthor durchbrochen in den Israeliten- 
hof; man konnte also zu letzterem nur bei Durchpassi- 
rung der Frauenhalle gelangen. Nach Josephus aber gab 
es östlich zwei Thore, eines zur FrauenhaUe, das andere, 
Nikanorthor, führte etwas weiter nördlich zum Israeliten- 
hof. Die Frauenhalle hatte ausser dem östlichen Ein- 
gange noch zwei Ausgänge südlich und nördlich. Um 
also zum Israelitenhof zu gelangen, brauchte man nicht 
erst die Frauenhalle zu passiren. Wir kommen nun zur 
dritten Abtheilung oder zu dem eigentlichen Tempel. 
Dieser bestand aus drei Theilen, dem Vorhofe (ülam), 
dem Heiligthum und dem AUerheiligsten. Was den Ulam 
anbelangt, so hatte dieser eine Pforte von der Höhe von 
40 Ellen und einer Breite von 20 (Midoth III. 7), besass 
aber keine Thüreh (ibid. II. 3). Diesem letzteren Punkte 
stimmt auch Josephus bei (Krieg V. 5, 4), weicht jedoch 
in Betreff der Grösse ab. Nach ihm war diese Pforte 
70 Ellen hoch und 25 breit. Das Thor in das Heilig- 
thum (Hechal) hatte dieselbe Grösse wie die früheren 
(5 + 7), nämlich war 20 Ellen hoch und 10 breit, da 
es jedoch Fltigelthüren hatte , so war jeder Flügel 
5 Ellen breit. Es gab jedoch doppelte Thüren hier, nach 
Aussen wie nach Innen. Die äusseren Flügelthüren 
gingen nach Innen auf und verdeckten da mit ihrer Ver- 
goldung die Wände unterhalb des Thores , wie wieder 
die auf der anderen Seite der Tempelmauer angebrachten 
Flügelthüren nach dem Hechal sich öffneten und da 
wieder die Wände bedeckten. Bei diesem Thore befand 
sich der berühmte goldene Weinstock (Midoth HL 8. 
IV. 1). Nach Josephus (ibid.) waren diese Thüren 
15 EUen hoch und 16 breit, es hing da zugleich ein 
babylonischer Vorhang, bunt gestickt aus Hyakinthen,^ 
Byssos, Scharlach und Purpur. Endlich zwischen dem 



Gegen Apion II., 10. 129 

Heiligen und AUerheiligsten gab es sowohl nach Talmud 
als Josephus keine Thüre, blos durch einen Vorhang 
waren dieselben von einander geschieden. (Josephus ibid.) 
Nach dem Talmud (Joma 51, b) gab es da zwei Vor- 
hänge und zwischen beiden einen leeren Kaum von einer 
Elle, jedoch wird auch erstere Ansicht im Namen des 
B. Jose angeführt, dass es blos einen Vorhang gab. 
Sollte nicht etwa unter diesem E. Jose unser Josephus 
gemeint sein? Was ferner obige Angabe Äs Josephus 
(Apion IL 9) anbelangt, dass zur Schliessung der Tempel- 
thore 200 Menschen nöthig waren, so gibt dafür Josephus 
anderseits (Krieg VI. 5, 3) beim Nikanorthor blos 20 an. 
Sollte hier nicht die Zahl 200 corrumpirt sein, so müssen 
wir annehmen, dass Josephus von allen 10 Thoren zu- 
sammen spricht und dass man zu jedem Thore andere 
Menschen genommen, was bei der grossen Anzahl von 
Leviten, die sich Alle zum Dienste drängten, leicht er- 
klärlich. ^ 

10. Abschnitt. 

Eine der Hauptverleumdungen Apions, die hier 
Josephus citirt, bestand in der fälschlichen Angabe, dass 
die Juden bei Gott einen Eid ablegten, keinem Fremden 
wohlgesinnt zu sein. Es erinnert dies an die Verleum- 
dung der neueren Zeit in Betreff des Kolnidra-Gebetes 
am Versöhnungstage, als ob die Juden darin das Ge- 
ständniss vor Gott machten, ihre im Laufe des Jahres 
abgelegten Eide andern Confessionen gegenüber nicht 
halten zu wollen und dafür gleichsam Verzeihung erbitten. 

Diesen Anklagen gegenüber haben wir nur auf das 
Hauptgebot der mosaischen Lehre : Liebe deinen Nächsten 
wie dich selbst (III. M. 19, 18) hinzuweisen. Dass aber 
unter dem Ausdrucke „Nächster "* (Rea) nicht blos der 
Glaubensbruder und Stammgenosse gemeint, ist daraus 
zu ersehen, dass selbst während der Zeit der Unter- 
drückung von Seite der Aegypter letztere die „Nächsten" 
der Israeliten genannt werden (IL M. 11, 2). Verachte 
keinen Aegypter hiess es anderseits wieder (V. M. 23, 9), 
du warst ja ein Fremdling in seinem Lande. Wenn 



]^QQ Gegen Apioa IL, 10. 

also das Gesetz deu Hass gegen den Aegypter, den 
einstigen Nationalfeind verbietet, wie erst gegen sonstig-e 
Fremde? Ein Gesetz, dessen erstes Kapitel im Gegensatz 
zu allen andern Völkern des Alterthumes den Lehrsatz 
aufstellte, dass alle Menschen nur von einem Urvater 
und einer Urmutter herstammen (I. M. 1, 27), dessen 
letzter Profet wieder ausruft: Haben wir nicht Alle nur 
einen Vater, hat uus Alle nicht blos ein Gott erschaffen 
(Maleachi 2, •10), ein solches Gesetz reisst ja von vorn- 
herein alle Schranken zwischen Menschen und Menschen 
nieder. Daher auch dasselbe ganz consequent in Betrefif 
der Ausländer, die sich in Palästina aufhalten möchten, 
die Lehre aufstellt: Einerlei Recht, einerlei Lehre, 
einerlei Verordnung soll unter euch sein, sowohl für 
den Einheimischen als den Fremden (III. M. 24, 22. 
V. M. 15, 15, 16, 29). Wahrlich, wir Israeliten 
dürfen auf diesen Satz, der erst auf dem langen Wege 
von 3() Jahrhunderten und nur durch viele Kämpfe und 
vieles Blutvergiessen sich Eingang in die Menschheit 
zu verschaffen vermochte, wenn nicht stolz doch gehoben 
uns fühlen. Welches Gesetzbuch hatte bis gegen Ende 
des vorigen Jahrhunderts eine solche Lehre aufzuweisen 
gehabt? Was galten bei den alten Griechen die Bar- 
baren, oder Ausländer? Sie waren da ein Gegenstand des 
Hasses und der Verachtung. Die alten Griechen, berichtet 
ein griechischer SchriftsteUer selbst (Plutarch in Thes.), 
wurden durch ihren gigantischen Wuchs und ihre ausser- 
ordentliche Körperkraft zu einer solchen Unverschämtheit 
verleitet, dass sie es sich zum Ruhme anrechneten, einen 
Fremden, der ihnen in die Hände fiel, auf das Grausamste 
zu behandeln. Diesem Verfahren gegenüber wollen wir 
die mosaische Lehre aufstellen: Die Fremdlinge sollet 
ihr nicht unterdrücken, denn ihr wisset, wie es dem 
Fremdling zu Muthe ist, da ihr selber Fremde in 
Aegypten wäret. (IL M. 23, 9). Was galt der Helote 
in Sparta oder der Sklave in Rom, welche Behandlung 
ward ihnen da zu Theil, erkannte sie das Gesetz als 
Menschen an? Halten wir ihnen das mosaische Gesetz 
gegenüber. Am siebenten Tage musste dem Sklaven Buhe 



Gegen Apion II., 10. 1 ßl 

■gegönnt werden (II. M. 20, 10), damit auch der Sohn 
deiner Magd und der Fremdling sich da erquicken (ibid 
^3, 12). Schlägt Jemand seinen Sklaven oder seine 
Magd, dass sie sterben unter seiner Hand, so soll er 
"bestraft werden (ibid. 21, 20). Tödtet ein Ochs einen 
Sklaven oder eine Magd, so hat der Eigenthümer 
30 Silber-Schekel zu zahlen, und der Ochs muss getödtet 
werden (ibid. v. 32). Nicht besser verfuhren die Aegypter 
gegen Fremde in ihrer Mitte. Anfangs duldeten sie gar 
keine Fremde in ihrem Lande , bis es Psametikos den 
•Griechen eröffnete. Welchen Hass und Abscheu aber sie 
gegen Fremde hatten, ist aus folgender von Diodor (1. 1,) 
mitgetheilten Geschichte zu ersehen. Bekanntlich war den 
Aegyptem alles Kothe verhasst, weil Typhon derselben 
Farbe gewesen sein soll. Dem Osiris wurden daher roth- 
köpfige Menschen als Opfer dargebracht. Da jedoch in 
Aegypten Eothköpfe selten zu finden waren, so wurden 
Fremde aufgesucht. Besonders geschah dies zur Zeit der 
Hundstage, wo in mehreren ägyptischen Städten täglich 
drei solche Opfer dargebracht werden mussten. Dieselben 
wurden ganz so wie die Thieropfer untersucht und wenn 
rein befunden mit einem Siegel bezeichnet, deren Asche 
nach der Verbrennung in den Wind ausgestreut wurde. 
Dergleichen Menschenopfer führten den Namen Thyphon- 
nier (Manetho ap. Porphyr, de abst. II. 55. Bus. Praep. 
Ev. IV. 16). Plutarch (Isis et Osiris) hat uns ein 
solches Siegel aufbewahrt. Es führt als Zeichen einen 
Menschen auf den Knien liegend, mit rücklings ge- 
bundenen Händen, neben ihm ein Priester mit grossem 
Schlachtmesser, wie er den Hals abschneidet. Nun ver- 
gleichen wir hiermit die schöne Stelle aus dem Eiu- 
weihungsgebete Salomo*s: Auch wenn ein Ausländer, der 
nicht von Deinem Volke Israel ist, hieher kömmt und in 
diesem Hause betet, so erhöre ihn im Himmel und thu' 
Alles, um was der Fremde Dich anruft. (I. Könige 8, 41 
bis 43). Mein Haus, ruft der Prophet aus (Jes 56, 7), 
soll ein Bethaus für alle Völker sein. Oder stellen wir 
obigem Barbarismus gegen Fremde die talmudische Lehre 
gegenüber, dass am Laubhüttenfeste 70 Farren geopfert 



\'J2 Gegen Apion IL, 11, 

wurden, um den Frieden und Wohlstand für die siebzig- 
Völker der Erde vom Herrn zu erflehen (Succa p. 55, b) . 

11. Abschnitt. 

Die Angabe Apions, dasg die Aegypter von ihren 
Göttern das ausserordentliche Geschenk erhalten, Nieman- 
dem von allen Beherrschern Asiens und Europas je unter- 
than zu sein, macht Josephus ganz lächerlich, da die- 
selben keinen Tag lang der Freiheit genossen, nicht ein- 
mal unter ihren eigenen Herrschern, geschweige denn 
unter den Persern und Mazedoniern, unter denen sie in 
nichts von Sklaven unterschieden waren. Wir wollen hier 
eine diesbezügliche Stelle aus der Mechilta (zu IL M. 
15, 7) citiren. Aegypten, lautet die Stelle, wird hier dem 
Stroh verglichen, warum? Weil das Stroh, sobald es 
verbrannt, nichts zurück lässt, so soll auch von Aegypten 
nach dessen Unterjochung nichts übrig bleiben; andere 
Völker werden den hohen Cedern verglichen (Hesek. 13, 3. 
Arnos 2, 9), Aegypten aber dem niedrigen Strohhalme; 
andere Völker stehen im gleichen Eange mit dem Golde 
und Silber (Daniel 2, 38), die Aegypter aber gleichen 
dem Blei (IL M. 15, 10) ; das Alles seiner Niedrigkeit 
halber. Kaiser Antonius stellte die Anfrage an K. Je- 
huda, den Heiligen, ob er bei einem Zuge nach Aegypten 
zur Unterdrückung einer dortigen Empörung nicht zu 
befürchten hätte, dass der Empörer König werden könnte ? 
Ich kann Dir darüber, lautete die Antwort, keine Gewiss- 
heit ertheilen; allein ist der Usurpator ein Aegypter von 
Geburt, so hast Du nichts zu fürchten; wir haben eine 
Ueberlieferung, dass Aegypten keinen König aus seiner 
Mitte mehr aufstellen werde, wie es der Prophet (Hesek. 
29, 15) verheissen, dass es sich nicht mehr über andere 
Eeiche erheben und nicht mehr Gewalt über andere 
Völker haben soll. Wer jener ägyptische Empörer ge- 
wesen, was für Antonius gemeint sei, der mit dem Pa- 
triarchen K. Jehuda auf so freundschaftlichem Fusse ge- 
standen, wird aus folgender Mittheilung klar hervor- 
gehen. Als Mark Aurel mit den Markomanen in Krieg 



Gegen Apion II., 13, a) ]^33 

Terwickelt war, entstand zugleich eine Empörung in 
Aegypten. Ein gewisser Isidor, ein Mann von beherztem 
Muthe und kühner Ausführung, raffte eine Truppe ägyp- 
tischer Abenteurer zusammen und stellte sich an deren 
Spitze. Er ilberfiel die römische Besatzung, machte sie 
nieder und drang in offener Schlachtordnung bis gegen 
Alexandrien, das auf dem Punkte stand, für die Kömer 
verloren zu gehen. Da sandte Mark Aurel seinen be- 
rühmtesten Feldherrn Avid Cassii^^s nach Aegygten, der 
nach vielen Mühseligkeiten endlich die Empörung erstickte 
•(Dio Cassius 71. Vulcat. Gall. in vita Cassii). 

Wir sehen also, dass Mark Aurel nicht umsonst be- 
sorgt war, dass der Empörer sich zum König erheben 
könnte. Die Prophezeiung des Patriarchen ß. Jehuda hat 
sich bis auf den heutigen Tag bewährt, dass Aegypten 
.aus seiner Mitte keinen Eegenten mehr aufstellen soll. 

13. Abschnitt. 

Apion, heisst es in diesem Abschnitte, machte sich 
iDesonders über die Juden lustig, erstens weil sie sich 
vom Genüsse des Schweinefleisches enthalten, zweitens 
wegen der Beschneidung. Josephus erwidert darauf, 
dass auch die ägyptischen Priester, die vorzüglichste 
Kaste im Lande, denen die Verehrung der Götter und 
die Pflege der Weissheit zur Aufgabe gestellt worden, 
•sowohl die Beschneidung bei sich eingeführt, wie auch 
vom Oenusse des Schweinefleisches ferne bleiben, jene 
.aber, die« das nicht beobachten, werden zum Opfern nicht 
zugelassen. 

a) Obige zwei Dinge, Verbot des Schweinefleisches 
Tind Beschneidung, dienten von jeher den Heiden als 
Motiv, ihren Hass und ihre Verachtung die Juden fühlen 
zu lassen- Unter der syrischen Verfolgungsepoche spiel- 
ten dieselben eine Hauptrolle ; Antiochus befehl, dass die 
Juden ihre Söhne unbeschnitten lassen imd sich mit 
allem Unreinen und Unheiligen beflecken sollten (I. Mak- 
iab. 1 , 48). Unter letzterem war der Genus« des Schweine- 
fieisches verstanden, wie dies aus einer Stelle (IL Makkab. 



] a^ Gegen Apioa II., 13, a) 

6, 18) zn ersehen, dass man dem Schriftgelehrten Eleasar 
pewaltsam den Mund aufsperrte, damit er es geniesse. 
Ebenso sollten die sieben Märtyrerbrüder zu diesem Ge- 
nüsse gezwungen werden (ibid. 7, 1). Ein ähnliches 
Verbot gegen die Beschneidung erfolgte auch zur Zeit 
der römischen Verfolgung unter und nach Hadrian 
(Sabbath p. 130, a. Abodasara p. 10, b. Sanhedrin p. 32, b), 
und das Schweinefleisch wurde sogar als Eecognoscirungs- 
mittel gegen Verfolgte angewendet. Von R. Meir wird 
erzählt, dass ihm von Seite der römischen Regierung, die 
ihn zum Tode verurtheilte, nachgestellt wurde, man liess i 
sein Bild auf den Thoren Roms aufhängen, damit die i 
Wächter ihn erkennen. Einmal glaubte ihn Jemand zu j 
erkennen, um jedoch ganz gewiss zu sein, wurde ihm j 
ein Gericht von Schweinefleisch vorgelegt. R. Meir ge- i 
brauchte die List, dass er einen Finger in die Speise i 
eintauchte, den andern aber zu dem Munde führte, der ' 
getäuschte Wächter rief aus, das ist R. Meir nicht, die- 
ser würde kein Schweinefleisch in den Mund genommen 
haben (Aboda-sara p. 18, h). Es ist ein besonderes 
Charakterzeichen der heiligen Schrift, dass in derselben 
nirgends von einer ganzen Heerde dieses Thieres Erwäh- 
nung geschieht. Abraham, heisst es daselbst (1.M.12, 10) 
wird von dem ägyptischen Könige mit Geschenken be- 
reichert, neben Schafen und Rindern erhält er auch Esel, 
Eselinen und Kameele. Ebenso werden die Heerden Davids 
mit Weglassung dieses Thieres hergezählt (I. Ch. 27, 29). 
Und als der Dichter in der Person Job's sich das Bild 
eines reichen Landmannes entwarf (Job 1, 14), so werden 
da Rinder und PJselineu, Schafe und Kameele, also reine 
wie unreine Thiere aufgezählt mit völligem üebergehen 
des Schweines, nicht einmal die Phantasie befasste sich, 
mit diesem Thiere. Es geht daraus klar hervor, das» 
die alten Israeliten nicht blos kein Schweinefleisch genos- 
sen, sondern dieses Thier nicht einmal als Kauf- und 
Tausch-Gegenstand züchteten. In späterer Zeit, -während 
des zweiten Tempels, wurde im Bruderkriegfe zwischen 
Hyrkan und Aristobul ein Bann über Jenen ausgespro- 
chen, der Schweine züchten sollte. Anlass dazu gab. 



Gegen Apion II., 13, a) J^gr^ 

folgender Umstand : In Folge der' Belagerung fehlte es 
im Tempel an Thieren znm täglichen Opfer; von der 
Mauer herunter wurde den Belagerern eine Summe zuge- 
sagt für die Lieferung dieser Thiere. Man ging auf den 
Handel ein; auf Anstiften eines Griechen jedoch im Lager 
wurden statt Schafe, Schweine geliefert. Diese Perfidie 
hatte auch obigen Bann zur Folge (Baba kama 82, b). 
Dem gegenüber finden sich im Evangelium, dessen Schau- 
platz ebenfalls Palästina, Anspielungen, Parabeln und 
Hinweisungen auf dieses Thier in Menge vor (Matth. 8, 
30. Marc. 5, 11. Luc. 8, 32. 15, 15). Es beweiset nur, 
wie sehr die Evangelisten unter den Heiden sich beweg-^ 
ten und nur mit denselben Umgang pflogen. Ob der von 
Kaiser August über Herodes gemachte Ausruf: „es ist 
besser Herodes Schwein als sein Sohn zu sein** nicht 
etwa ein Beleg wäre, dass dieser jüdisch-idumäische König 
Schweine gehalten, muss dahingestellt bleiben; möglich 
wusste August gar nicht, dass dieses Thier unter den 
Juden gar nicht gehalten wird, die Vergleichung geschah 
desshalb, weil das Schwein das verächtlichste der 
Thiere. 

Ueber die Ursache, warum der Genuss dieses Thieres 
verboten, sind die Ansichten der Gelehrten verschieden; 
die am meisten zur Geltung gekommene Ansicht geht 
dahin, dass dieses Thier, selbst dem Aussatze, besonders 
den Finnen unterworfen, eine ähnliche Krankheit beson- 
ders in den warmen Ländern dfts Orients bei den Ge- 
niessern erzeugt. Dieser Ansicht, deren Vertreter Ma- 
netho, Plutarch und Tacitus, schliesst sich auch der 
Talmud im folgenden Ausspruche an: Wenn zehn Mass 
des Aussatzes über die Welt gekommen, so fielen neun 
davon dem Schweine zu (Kiduschin p. 49, b). Der Arzt 
Samuel gebot daher seinen Patienten, bei nüchternem Magen 
sich nicht Ader zu lassen, unter andern Gefahren steht 
ihnen auch die bevor, dem Aussatze zu verfallen, so sie 
Schweinen nur begegnen (Sabbath 129, b). Die jüngste 
Zeit, wo die Trichinen in diesem Thiere so einheimisch 
geworden, hat diese Lehre des Alterthums auf das Glän- 
zendste bewährt. Maimonides in seinem Buche More 



2;^() Oeg«n Ai>ioB IL, 13, ») 

Nebachim (m.) stellt eine zweite Ansicht über diese? 
Verbot auf. Dieses Thier, lautet seine Angabe, das di« 
schmutzigsten Lager aufsucht und von den unreinlichstei 
Dingen sich nährt, stellt schon in seinem Aeussern da3 
Symbol der Unreinheit dar, wovon sich der zur Reinheit 
berufene Jude femehalten muss. 

Aus dem Propheten Jesajas geht eine dritte Ansicht 
hervor, dass nämlich dieses Thier in starker Berührung 
zum Götzendienste stand. Sein Tadel über die Gesetzes- 
übertreter lautet: Die in den Gärten opfern und auf den 
Ziegeldächern räuchern, unter den Gräbern wohnen und 
in Höhlen sich aufhalten, die Schweinefleisch essen und 
' Gräuelsuppen in den Gefassen haben (Jes. 65, 4). Noch 
deutlicher lautet folgende Stelle: die das Blut des Schwei- 
nes als Opfergabe darbringen. Ebenso folgende Stelle: 
die sich heiligen und reinigen in den Gärten und essen 
Schweinefleisch und Gräuel (ibid 66, 3, 17). Alle diese 
Stellen zeigen auf das Klarste, dass mit diesem Thiere 
ein starker götzendienerischer Cultus getrieben wurde. 
Dieser Cultus erstreckt sich nicht blos auf die Zeit des 
besagten Propheten, sondern war schon altem Datums. 
Aegypten, diese Wiege des Thiercultus, verehrte das 
Schwein, weil es durch sein Aufwühlen der Erde mit 
dem Rüssel die erste Anspornung zur Aufwühlung der 
Erde mit dem Pflugeisen gegeben haben soU. Herodot 
berichtet zwar (II. 47), dass das Schwein in Aegypten 
verachtet war und dass man sich durch jede Berührung 
mit demselben verunreinigt hielt und wer im Vorüber- 
gehen vom Schweine gestreift worden, war gesetzlich 
verpflichtet, sich augenblicklich mit den Kleidern in den 
Fluss zu werfen und zu baden; desshalb durften die 
Schweinhirten keinen Tempel betreten und Niemand 
wagte, mit denselben ein Ehebündniss einzugehen. Allein 
wenn Niemand da das Schweinefleisch gegessen, zu wel- 
chem Zwecke wurden Herden gehalten? Woher kam es, 
dass sich 'Menschen dennoch zu der niedrigen Stufe des 
Schweiuhirten herbeiliessen ? Allein Schweine mussten 
gehalten werden, weil sie an den Festen des Neumondes 
und des Bacchus als Opfer dargebracht und verzehrt 



Oegen Apion II., 13, b) 1 gy 

wurden (Plut. de Is. 8, Ael. X. 16). So allgemein war 
diese Sitte, dass Aermere wenigstens Schweine von Teig 
bücken und opferten. Indess gab es noch viele Völker- 
schaften, die sich des Genusses dieses Thieres theils aus 
abergläubischen Eücksichten, weil sie es wie die Cyprio- 
ten der Venus heilig hielten (Varo de re rustica), theüs aus 
Sanitätsmotiven, wie die Phönizier (Porphyr, de Abstin,), 
enthalten haben. Bei den Eömern war dieses Thier nicht 
verachtet, sondern stand in Ehren da, daher dasselbe 
auf ihren Fahnen als Feldzeichen figurirte. Hadrian liess 
sogar als Zeichen der römischen Oberherrschaft über den 
Thoren des eingeäscherten und neu erbauten Jerusalems 
den Kopf eines Schweines abbilden. Der Talmud will 
daher unter dem Schweine in der Schrift bildlich das 
römische Beich dargestellt wissen. Warum wird das 
römische Reich mit dem Schweine verglichen (ßabba zu 
III. M. 11, 7)? Wie dieses Thier sich mit vorgestreck- 
ten gespaltenen Klauen lagert, als ob es rein wäre, so 
zeigte sich auch Eom stets der Tugend beflissen, während 
es Kaub, Mord und Tücke im Schilde führte. 

b) Sowohl hier wie auch oben (I. 22) bringt Jo- 
sephus die Ansicht des Herodot über die Beschneidung, 
dass vom Anfange an unter allen Menschen nur die 
Colchier, Aegypter und Aethiopen dieselbe übten, die 
Phönizier und Syrier in Palästina haben sie von den 
Aegyptern gelernt. In unserm Abschnitte wird jedoch 
die Berichtigung beigefügt, dass blos die Priester in 
Aegypten sich beschneiden liessen. Diese Stelle, ob 
nämlich die Beschneidung ursprünglich in Aegypten 
entstanden und von da zu den übrigen Völkern, also 
auch zu den Israeliten übergangen, oder ob nicht umge- 
kehrt, hat die Gelehrten sowohl älterer als neuerer Zeit 
in zwei Lager getheilt. Ihrer Wichtigkeit halber wollen 
wir diese Stelle ganz geben. Die Aegypter, sagt Herpdot 
{I. 35, 36), befolgen in ihren Sitten gerade das Gegen- 
theil von allen andern Völkern, sie üben die Beschnei- 
dung aus, ein Gebrauch, der nur noch jenen Völkern 
bekannt ist, denen sie ihn mitgetheilt. Weiter (ibid. 140) 
äussert er sich wie folgt: Die Colchier, Aegypter und 



Jgg Gegen Apion II., 13. 1>) 

Aethiopen sind die einzigen Völker, die die Beschneidung 
vom Anfange haben, denn die Phönizier und Syrier, die 
in Palästina wohnen, gestehen selber, dass sie diesen 
Gebrauch von den Aegyptem haben, und was die übri- 
gen Syrier betrifft, die an den Flüssen Thermodon und 
Parthenius wohnen, diese gestehen wieder, dass sie es 
erst unlängst von den Colchiern angenommen. Allein in 
Betreff der Aegypter und Aethiopen kann ich nicht 
behaupten, welches von beiden Völkern zuerst diesen 
Gebrauch ausübte, obwohl es wahrscheinlich ist, dass die 
Aethiopen hierin den Aegyptern nachgeahmt, durch den 
Umgang, den sie mit letztem hatten. Man sieht, wie 
Herodot selber wankend in seiner Ansicht war. Schon 
in den ersten Jahrhunderten beriefen sich heidnische 
Schriftsteller auf diese Stelle des Herodot, um den Be- 
weis zu liefern, dass alle jüdischen Gebräuche nur Nach- 
ahmungen der Aegypter sind (Gels, apud Orig. I. V.). 
Kaiser Julian (apud Cirill. IX. cont. Jul.) behauptet im 
Gegentheil, dass es Abraham war, der diesen Gebrauch 
nach Aegypten gebracht. Da Herodot nicht immer ein 
sicherer Gewährsmann, wie Manotho und Diodor sich 
äussern, so entsteht die Frage, wer diesen Gebrauch, die 
Israeliten oder die Aegypter ursprünglich besassen ? 
Unter den Israeliten war es, wie bekannt, Abraham, der 
zuerst diesen Gebrauch in seine Familie eingeführt (I. M. 
17, 11). Abraham lies jedoch die Beschneidung bei 
Neugebornen zu acht Tagen ausüben, während bei den 
Aegyptern dies im 14. Lebensjahr geschah (Ambrosius 
II. 11). Abraham führte sie allgemein ein selbst bei 
seinen Sclaven, während bei den Aegyptern gesetzlich 
blos die Priester und noch einige bevorzugte Klassen 
dazu verpflichtet waren (Orig. II. in ep. ad Rom. IV. 496). 
Bei Abraham erscheint die Beschneidung als ein 
symbolisches Bild für die Aufnahme in das Volk, bei den 
Aegyptern aber war dieselbe ein Erkennungszeichen für 
die Mitglieder der Kaste, um zu den Mysterien zuge- 
lassen zu werden, daher dieselbe auch von dem griechi- 
schen Philosophen Pythagoras gefordert wurde, als er 
sich in ihre Geheimnisse einweihen lassen wollte. (Clem. 



Gegen Apion IL, 13 h) i QQ 

Alex, ström I.) Wenn wir daher die Priorität dem jüdi- 
schen Volke vindiziren, so geschieht dies, weil triftige 
Gründe dafür sprechen. 

1. Die Beschneidung wird in der heiligen Schrift 
als Bund^szeichen angegeben, zwischen Gott und den 
Nachkommen Abrahams (I. M. 17, 11.), d. h. dass letztere 
äusserlich von allen Völkern der Erde unterschieden und 
als ein Eigenthum Gottes anerkannt sein sollen. Wäre 
aber die Beschneidung schon damals bei den Aegyptern 
oder andern Völkern im Gebrauche gewesen, so hätte die- 
selbe nimmermehr als ein Unterscheidungszeichen dienen 
können. 

2. Als Josua bei der Eroberung Palästinas eine 
abermalige Beschneidung für die in der Wüste Geborenen 
vornahm, da sprach der Herr: Heute habe ich von euch 
abgewälzt die Schande Aegyptens (Josua 5. 9). Der Sinn 
dieser Stelle kann unmöglich dahin gedeutet werden, dass 
von Israel das entfernt worden, was auch bei den Aegyp- 
tern als Schande gegolten, nämlich unbeschnittener Vor- 
haut zu sein, da sich dies nirgends, weder in der Bibel 
noch bei einem profanen Schriftsteller vorfindet, dass ein 
XJnbeschnittener in Aegypten in Verachtung gestanden^ 
die Beschneidung war da nie allgemein, die Vorhaut 
konnte da unmöglich als eine öffentliche Volksverachtung 
gegolten haben. Hingegen finden wir, dass schon die 
Söhne Jakobs diesen Ausdruck der Schande für einen 
Unbeschnittenen gebrauchten (I. M. 34, 14), daher der 
Sinn dieser Stelle unstreitig der ist: Ich habe von euch 
abgewälzt, was auch an den Aegyptern stets eine Schande, 
ein Merkmal der Verachtung war; ihr selber habet auf 
die Aegypter wegen ihrer Vorhaut mit Spott hinge- 
blicket, auf eurer Wanderung in dieser Wüste hat diese 
Schande zum Theil auch an euch gehaftet, bis sie der 
heutige Tag von euch abgewälzt. 

3. Siehe, lautet eine Stelle in Jeremias (9, 24), es* 
werden Tage kommen, spricht der Herr, und ich werde- 
heimsuchen jeden Beschnittenen wie ünbeschnittenen,. 
nämlich Mizraim, Jehuda, Edom, die Kinder Ammons,. 
Moab, alle die mit beschnittenen Locken in der Wüste 



]^() G«g«ii Apion 11^ 13, b) 

wohnen, denn alle Völker haben unbeschnittene Yorhant, 
das Haus Israel ist aber unbeschnittenen Herzens. HSer 
wird also ausdrücklich behauptet, dass alle Völker, also 
auch die Aegypter (Mizraim), die Beschneidung nicht 
hatten. 

4. Da von Aegypten aus viele Kolonien, vorzüglich 
nach Griechenland ausgegangen, welche alle fabelhaften 
Göttersagen des Mutterlandes in ihre neue Heimath 
verpflanzten, warum führten sie nicht auch da die Be- 
schneidung ein? Es folgt also, dass die Beschneidnng 
selbst in Aegypten erst spät Eingang gefunden. 

5. Herodot gibt zwar an, dass die Phönizier und 
Syrier selbst eingestehen, die Beschneidung von den Ae- 
gyptern erhalten zu haben; wie falsch jedoch Herodot 
hierin berichtet worden, ist aus einer übrig gebliebenen 
Stelle des phönizischen Geschichtschreibers Sanchonia- 
thon zu ersehen. Saturn, äussert sich derselbe (Eus. 
Praep. Ev. I), auch Israel genannt, hatte blos einen 
Sohn, der Jeud hiess, geboren von der Nymphe Ano- 
breth; er opferte diesen auf dem Altare, den er dem 
Vater des Himmels errichtete. Er selbst nahm die Be- 
schneidung an, un(J zwang alle seine Soldaten, dasselbe 
zu thun. Wie getrübt auch diese Quelle scheint, da 
Sanchoniathon die Verhältnisse zwischen Abraham und 
Jakob ganz durcheinander mengt, so geht doch daraus 
so viel hervor, dass wenn die Phönizier die Beschneidung 
kannten, sie dieselbe nicht von den Aegyptern, sondern 
von Saturn, i. e. Abraham oder Israel angenommen 
haben. Dasselbe ist auch mit Herodots Angabe in Be- 
treff der Syrier der Fall. Wie Josephus angibt, so sind 
es in Syrien blos die Juden, die die Beschneidung haben. 
Wo aber haben diese das Geständniss gemacht, die Be- 
schneidung von den Aegyptern angenommen zu haben? 
Aus allen diesen Beweisen geht klar hervor, dass zur 
Zeit Abrahams die Beschneidung in Aegypten noch gar 
nicht eingeführt war. Es entsteht also die Frage, von 
wem und zu welcher Zeit die Aegypter diesen Gebrauch 
angenommen? Nach Bochart waren es die in der Nähe 
wohnenden Araber, die ihn dahin verpflanzten. Wir 



Gegen Apion II., 13, 1)) lAl 

woUiBn hierüber eine andere Hypothese aufstellen. Abraham 
und seine Familie war, wie bekannt, von kaukasischem 
Menschenstamm, der hinsichtlich der regelmässigen Bil- 
dung und Schönheit des Körpers als der vorzüglichste 
angesehen wird. Dass die Aegypter nach solchen Schön- 
heiten lüstern waren, ist aus der Geschichte Sarahs 
(I. M. 12, 14) zu ersehen. Es ist ferner der Ausspruch der 
Söhne Jakobs bekannt, wie sie es für eine Schande 
hielten, ihre Töchter an Unbeschnittene zu verheirathen 
(ibid. 34, 14). Dass dies nicht blos ein Vorwand, sondern 
eine eingeborne Sitte im jüdischen Leben war, hat die 
Geschichte mehrmals bestätigt. Selbst die so verworfene 
herodianische Königsfamilie konnte nicht umhin, dieser 
altjüdischen Sitte Kechnung zu tragen. So verheirathete 
König Agrippa seine Schwester Drusüla an den König 
Ton Emesa unter der Bedingung, dass er die Beschnei- 
dung annehme ; in gleicher Weise heirathete die ver- 
witwete Prinzessin Berenize den König von Cilicien erst^ 
nachdem er sich hatte beschneiden lassen. (Ant. XX. 7, 
1, 3). Diese zwei Prämissen vorausgesetzt, ist es nicht 
unwahrscheinlich, dass während der Kegentschaft Josefs, 
der selbst eine Aegypterin geheirathet (I. M. 41, 45), 
mehrere solche eheliche Verbindungen zwischen Israelitinen 
und Aegyptern, freilich nur aus den höheren Ständen, 
stattgefunden und wobei es wie bei den Einwohnern der 
Stadt Sichem (ibid. 34, 14) zur Bedingimg gemacht 
worden, dass der ägyptische Ehemann sich der Be- 
schneidung unterziehe. So mag dieselbe, die bald die 
Priester in medizinischer Kücksicht vortheilhaft gefunden, 
Eingang in ihre und andere Kasten gefunden haben, 
während jedoch das ägyptische Volk, die Beschneidung 
als eine ausländische Sitte betrachtend, dieselbe von 
sich wies; dasselbe diente desshalb den Israeliten als 
ein Gegenstand der Verachtung (Josua 5, 9), wie wieder 
diese wegen ihrer Beschäftigung mit dem Viehstande 
den Aegyptern ein Gegenstand der Verachtung waren, 
(I. M. 46, 34). Das mag auch den ersten Grund zur 
gegenseitigen Anfeindung gelegt haben, wobei die Is- 
raeliten als die schwächeren unterliegen mussten. Dass 



^^2 Gegen Apion IL, 13. b) 

aber solche eheliche Verbindungen zwischen beiden Na- 
tionen in Aegypten stattgefunden, ist aus mehreren 
Stellen zu ersehen (III. M. 24, 10. I. Chr. 4, 18). Was 
die Gründe zur Einführung der Beschneidung anbelangt, 
so gibt darüber Philo folgende Vortheile an: 

1. Soll dieselbe dazu dienen, einer vorzugsweise in 
Acgyplen herrschenden gefährlichen Krankheit, Karbunkel 
(Antrax) Torzubeugen, welcher Krankheit, wie Josephus 
hier angibt, auch Apion unterlegen sein soll. 

2. Diente dieselbe um aUe ünreinlichkeit, die sich 
unter der Vorhaut ansammelt, zu entfernen und den 
Körper in grösserer Keinheit zu erhalten, wie manche 
Völker desshalb auch allen Haarwuchs entfernten. 

3. Soll die Beschneidung nach Versicherung vieler 
orientalischer Keisenden (Niebuhr) ein Mittel zur grossem 
Fruchtbarkeit sein, sie wurde geboten, wie anderseits die 
Castration wegen Volksverminderung verboten war. 

4. Neuere Aerzte wollen in der Beschneidung auch 
ein Präservativmittel gegen die Entstehung der Lustseuche 
finden, was vielleicht auch aus dem Zusammenhange der 
beiden Capitel (IIL M. 12. 13) hervorgehen würde. 

5. Zu all diesen Gründen kommt noch der religiöse 
Charakter dieses Gebotes; die Beschneidung wird als ein 
Bundeszeichen zwischen Gott und Israel, als ein Merk- 
mal geschildert, dass der Israelit sich als Eigenthum 
Gottes betrachtet und ansieht. Schon die alten Völker 
hatten den Gebrauch, ihre Sklaven, um sie kenntlich zu 
machen, mit einem Gepräge zu belegen, was wahrschein- 
lich eine Nachahmung der Beschneidung war, nur mit 
dem Unterschiede, dass dort als Eigenthümer ein Mensch, 
hier aber Gott es ist. 

Was die Beschneidung selbst betrifft, so kommen 
dabei drei verschiedene Operationen vor. Die Beschneidung 
s elbst, d. h. die Abnahme der Vorhaut, ist jedenfalls als 
eine mosaische Institution zu betrachten. Welche Ver- 
folgungen Israel dafür auszustehen gehabt, haben wir 
bereits im Anfange erwähnt. In unserem Jahrhundert 
jedoch (1844 zu Frankfurt a. M.) machte sich innerhalb 
des Judenthumes das Streben kund, diesen religiösen 



Gegen Apion IL, 13, b) j^^o 

Akt abzuschaffen. Es entstand die polemische Streitfrage, 
ob man bei Weglassung dieser Ceremonie aufhört, Jude 
zu sein oder nicht. Eine diesbezügliche Stelle im Midrasch 
(Tanchuma Waera) lautet: Sieh', wie wichtig die Be- 
schneidung, der Neugeborene wird eher nicht in die An- 
zahl der Generationen aufgenommen, bis er beschnitten 
wird, wie es auch heisst (Ps. 22, 31) : der Saame, der 
dem Herrn dient, wird zu seinem Geschlechte gezählt. 
Es geht daraus hervor, dass ohne Beschneidung Niemand 
dem Judenthume einzuverleiben ist. Eine wichtige Frage 
stellte in dieser Beziehung König Aprippa: Wenn die 
Beschneidung so wichtig, warum kommt sie nicht in den 
10 sinaitischen Geboten vor? (Tanchuma Lech-lecha.) 
Die Antwort ist jedoch einfach, weil sie bereits eine 
abrahamitische Institution. Der zweite Act besteht in 
dem Aufschlitzen der unter der Vorhaut befindlichen 
Lamelle (Priah). Nach dem Talmud (Jeruschalmi Sab- 
bath XIV. p. 17, a) ist auch dieser Act mosaisch, weü 
der Wortlaut der Schrift (1. M. 17, 13. IL M. 4, 26) 
auf einen zweifachen Act der Beschneidung hinweist. 
Kritische Forscher weisen jedoch nach , dass diese 
Operation erst zur Zeit der Makkabäer als Demonstration 
gegen jene eingeführt worden, die, um an den griechi- 
schen Kampfspielen sich betheiligen zu können, ohne als 
Juden erkannt zu werden, sich eine künstliche Vorhaut 
Terschafften (Ant. XII. 5, 1. Martial 7, 82, 5. Gels, 
medic. 7, 25). Als dritter Act galt bisher das sogenannte 
Aussaugen des Blutes mit dem Munde, was ebenfalls 
als religiös obligatorisch betrachtet wurde. Neuerer Zeit 
wies man jedoch nach, dass dies ein einfaches medizini- 
sches Mittel, das durch jedes andere ersetzt werden 
kann, so es dem Zwecke des Blutstillens entspricht. Dafür 
spricht sich sogar der so rigorose R. Mos. Sofer aus. 
^Kochbe-Jizchak, 862, IIL) Noch haben wir einen Zusatz 
der Septuaginta zu Josua 24, 30 beizufügen. Derselbe 
lautet: Und sie legten in sein Grabmal die steinernen 
Messer, deren er sich bediente, die Israelit en in Gilgal 
:zu bescbneiden nach dena Auszuge aus Aegypten, und sie 
befinden sich da bis auf den heutigen Tag. Wahrschein- 



j[^ Oegen Apion II., 14. 

lieh stammte von daher der bis auf die jüngste Zeit übliche 
Gebrauch, dem Operateur (Mohel) das Namensverzeich- 
niss aller von ihm vorgenommenen Beschneidungen mit 
ins Grab zu geben. 

14. Abschnitt. 

Sechs Dinge führt Josephus in diesem Abschnitte 
an, die als Hauptzweck, als Endresultat der mosaischen 
Gesetzgebung gelten. 1) Frömmigkeit oder eigentlich 
Gottesfurcht. 2) Zusammenhalten des jüdischen Volkes, 
dass es nur eine Gemeinschaft, eine Familie bildet. 
3) Liebe gegen die ganze Menschheit. 4) Gerechtigkeit^ 
sich von jeder Falschheit, jedem Unrechte ferne zu halten. 
5) Standhaftigkeit und Vertrauen auf Gott in den 
Leiden. 6) Verachtung des Todes und aller Erdenschätze» 
wenn es gilt, die Lehre Gottes aufrecht zu halten nnd 
zu bewahren. Schon der Talmud (Makkoth p. 24, a) 
gibt das Streben kund, die göttlichen Gesetze zu classi- 
fiziren, d. h. sie in gewisse Ordnungen zu bringen, auf 
* Principien und Grundsätze zu reduciren. 613 Gebote» 
heisst es daselbst, enthält die göttliche Lehre, 248 
Gebote, als es Gliedmassen im menschlichen Körper» 
und 365 Verbote, als es Tage im Jahre gibt. König 
David reducirte sie auf 11 (Ps. 15), der Prophet Jesajas 
brachte sie auf 6 (Jes. 33, 15), Micha verminderte sie 
auf 3 (Micha 6, 8), Habakuk aber (2, 4) stellt blos 
einen Satz auf, den Glauben an Gott. Dieses Eine des 
Habakuk ist so zu verstehen, wie es Josephus selber 
weiter (16) erklärt, dass Moses die Frömmigkeit, oder 
Gottvertrauen nicht als einen besonderen Theil der Tugend 
hinstellte, sondern er erkannte, dass alle übrigen guten 
Eigenschaften Theile dieser Tugend sind, weil alle Thätig- 
keiten und Forschungen Bezug darauf haben. Seine 
oben erwähnten 6 Punkte stimmen beiläufig mit den 
drei Principien des Propheten Micha überein: „Es 
wurde dir, o Mensch, kund gegeben, was gut ist und was 
der Ewige von dir fordert — Recht thun, Liebe pflegen 
und in Demuth vor Gott wandeln.** Auch der Patriarch 



Gegen Apion II., 17, a) 145 

Hillel der Aeltere huldigte diesem ßeducirungssysteme. 
Als ein Heide zu ihm kam, er möchte ihn in den jüdi- 
schen Glauben aufnehmen, jedoch unter der Bedingung, 
ihm das ganze Gesetz mitzutheilen, während er auf einem 
Fusse stehen kann, so theilte er ihm folgende Lehre 
mit: Was dir verhasst, thue deinem Nächsten nicht, 
das ist der Inbegriff der ganzen Lehre (Sabbat p. 31, a). 
Wir ersehen daraus, wie das Streben der jüdischen 
Lehrer stets dahingegangen, die mosaische Lehre zu 
vereinfachen, um würdige Proselyten durch deren Menge 
nicht abzuschrecken. Ein solches Streben liegt auch 
Josephus in unserem Abschnitte, wie auch obiger Talmud- 
stelle (Makkoth 24, a) zu Grunde. Das Buch Koheleth, 
das aus dem Kanon wegbleiben sollte, weil es Wider- 
sprüche gegen die mosaische Lehre zu enthalten schien, 
verdankte seine Rettung, weil es mit dem grossen Grund- 
satze schliesst: Das Ende aller Dinge ist: Fürchte Gott 
(Sabbath p. 30, b). Gottesfurcht oder Frömmigkeit nach 
Josephus, oder Gottesvertrauen nach Habakuk ist also 
neben Menschenliebe das zweite Hauptprincip der jüdischen 
Lehre. 

17. Abschnitt. 

a) Einen besonderen Vorzug der jüdischen Eeligion 
erblickt Josephus in dem Umstände, dass während die 
Lacedämonier und Kreter nur durch Sittenübung mit Be-. 
seitigung jedes theoretischen Unterrichtes das Volk zu 
erziehen suchten, die Athener wieder umgekehrt, sich 
blos auf das theoretische Studium verlegten, ohne sich 
um die praktische Tugendübung viel zu kümmern, wer- 
den in der jüdischen Lehre diese beiden Methoden, 
Gesetzesstudium und Tugendübung anbefohlen. Die Kennt- 
niss des Gesetzes wird von Moses ausdrücklich gefordert. 
Schärfe sie deinen Kindern ein, spreche davon, wenn du 
zu Hause sitzest oder auf Reisen gehst, wenn du dich 
niederlegst oder wenn du aufstehst (V. M. 6, 7). Lehret 
sie euren Kindern, davon zu reden, wenn du zu Hause 
sitzest (ibid. 11, 19). Forsche in ihr Tag und Nacht 

10 



J^^ Gegen Apion II., 17, a) 

iJosua 1, 8). Dieses Beligionsgesefcz , die Beligion za 
studiren, welches einen sogenannten Laienstand aasschliesst 
und jeder Hierarchie den Boden entzieht, ist als ein 
Unicum der jüdischen Lehre zu betrachten. Aber ebenso 
nachdrucksYoU, oder vielleicht noch in einem höhern 
Grade dringt die mosaische Lehre auf die praktische 
Ausübung alier Gebote. Ich weiss, sagt der Herr vou 
Abraham (1. M. 18, 19), dass er seinen Nachkommen 
befehlen wird, dass sie des Herrn Wege, d h. Vor- 
schriften, beobachten und Kecht und Gerechtigkeit übea 
werden. Bewahret und übet sie nur aus, denn das wird 
euer Verstand und eure Weissheit vor den Augen aller 
Völker sein (V. M. 4, 6). Die talmudischen Lehrer 
haben nicht minder diese beiden Methoden in Rücksicht 
genommen und deren Anwendung anbefohlen. In ihrer 
allegorischen Bedeweise liefern sie darüber mehrere treff- 
liche Gleichnisse, woraus wir hier eine kleine Blumen- 
lese liefern wollen. Man stellte an R. Jochanan ben Sakkai 
(ein Zeitgenosse von Josephus) die Frage, wie es sich 
denn mit einem gottesfürchtigen Ignoranten oder einem 
tugendlosen Gelehrten verhalte? Ein Gelehrter, lautet 
seine Antwort, der zugleich tugendhaft, gleicht einem 
trefflichen Meister, der ein ausgezeichnetes Werkzeug 
besitzt; der Gelehrte ohne Tugend ist ein Handwerker 
ohne Werkzeug; der Tugendhafte ohne Bildung besitzt 
ein Werkzeug, versteht aber keine Kunst (Aboth d. R. 
Nathan P. 22). Derjenige, so lautet ein Beispiel des 
R. Eleasar ben Asarja wieder, derjenige, bei dem die 
Weisheit grösser als seine tugendhaften Handlungen ist, 
gleicht einem Baume mit vielen Aesten und Z^veigen, 
der aber nur wenige Wurzeln besitzt, kömmt ein Sturm, 
so reisst er ihn nieder und stürzt ihn zu Boden (Spr. d. 
V. IV. 17). Elischa ben Abuja lehrte : Ein Mensch, der 
tugendhaft ist und viele Gesetzkenntniss besitzt, gleicht 
jenem, der einen festen Grund mit Steinen legt und 
darauf mit Ziegeln bauet, einen solchen Bau vermögen 
viele Regengüsse nicht zu unterw'ühlen. Wer aber 
Gesetzkenntniss ohne praktische Tugendübung 4)esitzt, der 
gleicht jenem, der einen Grund mit Lehmziegeln legt 



Gegen Apion II., 17, a) • 147 

lind darauf mit Steinen baut, ein kleiner Begen durch- 
weicht das ganze Gebäude. 

Ein anderes Beispiel wieder lautet: Wer beides 
vereint, gleicht dem breitrandigen Gefasse, das ein 
breites Fussgestell hat^ mau legt es aus Häuden, es steht 
fest und behält seinen Inhalt ; der aber nur theoretische 
Kenntniss des Gesetzes besitzt, ohne letzteres auszuüben, 
gleicht d^m spitzen Geiässe ohne Gestell,- stellt mau es 
nieder, so fällt es um und schüttet seinen Inhalt aus. Noch 
ein Beispiel: Wer beide Eigenschaften besitzt, gleicht 
dem feurigen Rosse, dem aber ein Zaum am Munde 
liegt; wer Gesetzkenntniss ohne praktische Tugendübung 
hat, gleicht dem wilden Bosse ohne Zaum, kaum setzt 
sich der Reiter darauf, so stürzt es ihn nieder (Aboth 
<i. B. Nathan P. 24). Besagter Elischa ben Abuja, von 
■dem obige Beispiele herrühren, wurde in seinen spätem 
Jahren Renegat und öel vom Judenthume ab, alle seine 
Oleichnisse bewahrheiteten sich an ihm selber. Noch 
Andere Beispiele lauten: Gesetzeskenntniss ohne praktische 
Tugendübung gleicht dem Cassier, dem man den Schlüssel 
der Gasse, aber nicht den des Gebäudes, wo dieselbe 
aufbewahrt wird, überliefert, wie kann er nun zum Schatze 
gelangen? B. Janai rief: Wehe über einen solchen, der 
eine Pforte, einen Eingang sich zu bauen scheint, ohne 
eine Wohnung zu haben (Sabbath p. 31, b). Wir sehen 
also, wie der Talmud in IJebereinstimmung mit Josephus 
beide Methoden für noth wendig hält; nichtsdestoweniger 
tauchte die Streitfrage auf, welcher die Präponderanz 
einzuräumen. Eine darüber entstandene Controverse lautet 
wie folgt: Als B. Tarfon und die Aeltesten in Lud ver- 
sammelt waren, wurde die Frage aufgeworfen, was wich- 
tiger, ob das Gesetzstudium, oder die praktische Ausübung 
des Gesetzes? Obwohl B. Tarfon für letzteres sich ent- 
schied, stimmte doch die Versammlung für die Ansicht 
des B. Akiba, welche dahin ging, dass zwar die prakti- 
sche Uebung der Hauptzweck, allein um zu dieser zu 
gelangen, muss ein gründUches Gesetzstudium voran- 
gehen, weil ein* unwissender Mensch, wie echou ein Spruch 
Hillels lautet (Spr. d. V. II. 5), kein Frommer sein kann 

10* 



148 • Gegen Apion IL, 17, b) 

(Kiduschin 40, b). Es war dies keine müssige Gelehrten- 
frage, wie es den Anschein hat, sondern ging aus den 
Umständen der damaligen Zeitverhältnisse hervor. Es 
war zur Zeit der römischen Verfolgungen unter Hadrian^ 
als nämlich der von Bar-Cochba angeregte Aufstand 
ganz niedergeworfen war, da ward jedes Gesetzstudium 
verboten, jede Keligionsübung untersagt, ja sogar Todes- 
strafe darauf gelegt. Die treuen Anhänger des Juden- 
thumes vermochten höchstens Eines, entweder theoretisches 
Studium oder praktische Vollziehung, in Ausübung zu 
bringen, weil Spione auf jeden Schritt sie belauerten. 
Es musste also für diese Zeit der Noth und der Drang- 
sale eine Norm aufgestellt werden, welcher Methode der 
Vorzug, die Präponderanz einzuräumen sei. ß. Akiba 
ist zwar damals schon als Märtyrer gefallen, aber mau 
berief sich auf einen frühern Ausspruch von ihm. 

b) Das Gesetz, sagt ferner Josephus in diesem Ab- 
schnitte, soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht 
einmal bekannt gegeben werden, sondern er befahl, jeden 
siebenten Tag alle Arbeit aufzugeben, um das Volk zum 
Anhören des Gesetzes zu versammeln und es darin genau 
zu unterrichten, was alle anderen Gesetzgeber ausser 
Acht gelassen. Wirklich fällt dieser Vorzug der mosai- 
schen Gesfttzgebung gegen jede andere in die Augen, 
dass sie das Gesetzstudium selbst zur Pflicht macht. 
Die Verordnung jedoch, dass das Gesetz an jedem sieben- 
tem Tage dem ganzen Volke vorgelesen werde, findet 
sich nirgends in den 5 Büchern Mosis vor. Es heisst 
da blos (V. M. 31, 10), dass im Erlassjahre am Laub- 
hütteufeste, wenn ganz Israel vor dem Ewigen erscheint, 
soll ihm diese Lehre vorgelesen werden; versammle, 
heisst es ferner, das ganze Volk, Männer, Frauen, Kinder 
und Fremdlinge, damit sie das Gesetz hören und lernen 
den Herrn zu fürchten. Diese Vorlesung geschah 
in feierlichster Weise, das vosgeschriebene Ceremouiell 
war wie folgt: Beim Ausgange des ersten Pesttages 
(Laubhüttenfest) wurde in ganz Jerusalem mit Posaunen 
geblasen, um das Volk zu versammeln, dasselbe fand 
girh in der Frauenhalle des Heiligthumes ein, wo in der 



Gegen Apion IL, 17, b) 149 

Mitte eine Bima (Tribüne) errichtet wurde, welche der 
König betrat. Nun brachte der Synagogendiener eine 
<3esetzrolle, die er dem Synagogenvorsteher übergab, der 
sie wieder dem hohenpriesterlichen Stellvertreter übermit- 
telte, dieser überreichte sie dem Hohenpriester und letz- 
terer wieder dem Könige, der sie aufrollte und daraus 
mehrere Capitel aus dem 5. Buche ^osis dem Volke 
vorlas. Nach Beendigung sprach er mehrere Segens- 
sprücbe für das Gedeihen des jüdischen Volkes, für die 
Erhaltung des Heiligthumes, für den Bestand der regie- 
renden Dynastie und für das Wohl des Priestervorstandes 
{Maimoindes Chagiga III.). Als König Agrippa, Enkel 
des Herodes, diese Vorlesung hielt und dabei zur Stelle 
kam: Aus der Mitte deiner Brüder sollst du über dich 
♦einen König setzen, du darfst dir aber einen Fremden, 
4er nicht dein Bruder ist, nicht zum König einsetzen 
.(V. M. 17, 15), da überflössen seine Augen von Thräuen, 
-da er bekanntlich väterlicherseits idumäischer Abkunft 
war. Da riefen ihm die Grossen des Volkes zu : Du bist 
unser Bruder, du bist unser Bruder (Sota p. 41, a). 
Diese Vorlesung geschah alle sieben Jahre. 

Indess ist das Institut der sabbatlichen Vorlesung 
:aus den 5 Büchern Mosis nicht minder ein sehr altes 
und es wird dem Esra vindicirt (Soferim X.), wahr- 
scheinlich wurde dasselbe mit der Entstehung der Syna- 
gogen ins Leben gerufen, deren Errichtung weit hinauf, 
bis zum Beginne des zweiten Tempels, also bis auf Esras 
Zeit zu rücken ist. 

Da die täglichen Opfer für die Gesammtheit des 
!ganzen Volkes und desshalb auch nach der Lehre der 
Pharifiier aus den Gesaramtmitteln dargebracht wurden, 
'«in «Gpfer aber nur im Beisein und unter Beistand des 
Darbriögers gebracht werden konnte, so wurden aus der 
IBTatiea fromme Männer herausgehoben, die als deren Ver- 
treter galten ; ein Theil derselben, in der Nähe Jeru- 
Balems wohnend, begab sich dabin, um dem täglichen 
Opfer als Beistand anzuwohnen, der zu Hause gebliebene 
Theil aber versamraelite sich aar Opferstunde und hielt 
gemeinschaftliehe Gebete ab ('Panith p. 26, a). So cnt- 



^gQ 0«g6n ipioB II., 17« c) 

stand mit der Zeit die Synagoge ausserhalb oder neben 
dem Tempel. Nun war es «chon bei dieser sogenannten 
Beistaudsversammlung Gebrauch, täglich aus dem ersten 
Buche Mosis Theile der Schöpfungsgeschichte vorzulesen^ 
es war nur ein weiterer Schritt, dass diese Vorlesung^ 
sich auf alle 5 Bucher Mosis erstreckte. Eine diesbezüg- 
liche Steile in[i«|Talmud (Baba kama p. 82, a) lautet 
wie folgt : Sie ^ngen drei Tage ohne Wasser (11. M. 
15, 22), d. h. ohne göttliche Belehrung, es traten daher 
Propheten auf und trafen die Verordnung, dass man drei- 
mal in der Woche, Sabbat, Montag und Donnerst-ag 
aus dem Gesetzbache öifentlich vorlese, damit das Volk 
drei Taj^e hintereinander nicht ohne gottliche Belehrung 
bleibe. Wer diese Propheten waren, wird nicht angegeben ; 
im Jernschulmi hingegen (Megilla IV. p. 75, a) wird 
diese Einrichtung ausdrücklich Moses zugeschrieben, welcher 
Ansicht auch Alfasi (Megilla IV.) und Maimonides (über 
Gebete XII. 1) folgen. Wir sehen also, dass Josephus. 
mit seiner Ansicht nicht allein dasteht und dass er 
mächtige Stützen für sich hat. Es ist jedoch dies so zu 
verstehen : da die Grundidee, dass das Gesetz öffentlich. 
vorgelesen werde, wenigstens alle sieben Jahre, mosaisch 
ist, so wird auch' die spätere Entwicklung von der sieben- 
tägigen Vorlesung ebenfalls Moses zugeschrieben, wie die 
talniudische Lehre: Halacha T Mosche m' Sinai, d. h. es 
ist eine Ableitung von dem mosaischen Gesetze auf Sinai^ 
die Uridee ist sinaitich. 

Dass es aber, wie Jost (ibid. S. 68) glaubt, schon 
während des 70jährigen Exils sabbatliche Zusammen- 
künfte zum Behüte eines öffentlichen Gottesdienstes ge- 
geben haben soll, ist nirgends zu erweisen, vielmehr scheint 
der ganze Gottesdienst in dieser Zeitepoche auf Privat- 
Andacht sich erstreckt zu haben (Daniel 6, 11), wie zur 
Zeit des ersten Tempels es wieder die Propheten waren,, 
bei denen man an Sabbat- und Festtagen gottesdienst- 
liche Belehrung suchte (II. Könige, 4, 23). 

c) Mit dem Institute der sabbatlichen Vorlesung 
aus den 5 Büchern Mosis steht eine zweite Einrichtung,, 
die sogenannte Haftara, oder Schluss-Lesung in Verbindung.. 



Gegen Apion II., 17, c) l^j^ 

Es werden nämlich nach Beendigung der Thoravorlesuug» 
zu der gewöhnlich am Sabbat 7 Personen vorgerufen 
werden, noch eine achte vorgerufen, die ein gewisses 
Kapitel aus den Propheten nebst den obligaten Segens- 
sprüchen vorzulesen hat. Diese Institution ist sehr alt, 
da davon die ersten Mischnalehrer sprechen, es auch die 
Evangelisten melden (Lucas 4, 16, 17). Zu welcher Zeit 
jedoch und durch welche Veranlassung diese Einrichtung 
getroffen wurde, ist unbekannt. Mehrere Gelehrte (Jost, 
Geschichte des Judenthums und seiner Secten. J. S. 178. 
Purst, Canon des alten Testamentes, S. 52) halten es als 
eine Demonstration gegen die Samaritaner, welche die 
prophetischen Bücher, Josua ausgenommen, nicht aner- 
kannten (Kirchheim, Karme 'Schomrou II) ; man wollte 
durch diese Institution eine gleiche Heiligkeit und 
Würdigung der Propheten herstellen, dass diese ebenfalls 
canonisch. Es ist aber unerklärlich, woher es kommt, 
dass auch aus Josua drei Capitel (1, 2, 5) zu Haftara- 
stücken gewählt worden sind, da dieses Buch auch von den 
Samaritanern.als heilig anerkannt wurde. 

Die Rabbinnen i^Orach-Chajim §. 284) geben daher 
einen andern Grund dafür an. Es sollte einst zur Zeit 
einer Verfolgung das Vorlesen aus den 5 Büchern Mosis 
verboten sein worden, daher man als Ersatzmittel seine 
Zuflucht zu den Propheten nahm. Fürst macht wohl die 
Bemerkung dagegen, dass das Verbot wohl nicht auf die 
5 Bücher allein geblieben wäre. Allein wir werden bald 
sehen, dass diess wirklich so der Fall war. Wir müssen vor 
Allem eruiren, ob dieser Erzählung irgend ein historisches 
Moment zu Grunde liege. Wenn wir uns im Talmud 
umsehen, so finden wir einen analogon Fall, d. h. eine 
Erzählung, die wahrscheinlich mit der unsrigen identisch. 
Eine Mischna (Sabbath p. (30, a) verbietet vm Sabbat 
das Tragen von Schuhen, die mit Eisen beschlagen sind. *) 
Als Grund wird angegeben, dass einst zur Zeit einer 
Verfolgung das Volk in Hölilen sich verborgen hielt und auf 



*) Auch Johephus (Krieg VI. 1. 8) erwähnt dieser Sitte bei 
den Römern, die ebenfalls da zum Unglücke führte. 



1^9 Gegen Apiou IL, 17, c) 

den Buf : Die Feinde kommen, so sehr auf einander stiess 
und drängte, dass Viele durch die mit Eisen beschlagenen 
Schuhe zertreten wurden. Auf die Frage jedoch, warum 
das Tragen solcher Schuhe blos am Sabbat verboten wurde, 
wird die Antwort ertheilt, weil obiges Unglück an diesem 
Tage geschehen. Was war das für eine Verfolgung ? Les^n 
wir die Geschichte der Makkabäer, so fiuden wir Auf- 
schluss darüber. Da heisst es (I. Makk. 1) : Antiochus befahl, 
dass alle Völker ihre eigenen Gesetze verlassen sollten, 
(v. 42). Auch die Juden in. Jerusalem sollten diesem 
seinem Befehle Folge leisten (v. 44), besonders den Sab- 
bat entweihen (45). Und yiele Israeliten hielten sich in 
Ver-etecken auf und begaben sich nach verschiedenen 
Schlupfwinkeln *(53). 

Die Bücher des Gesetzes (hierunter sind blos die fünf 
Bücher Mosis zu verstehen) wurden von den Aufsehern 
zerrissen und im Feuer verbrannt (56). Und wo bei Je- 
mandem das Buch des Bundes (auch darunter ist blos 
das mosaische Gesetzbuch gemeint) gefunden wurde, den 
verurtbeilte der Ausspruch des Königs zum Tode (57). 
Diese Schlupfwinkel der Juden wurden den Leuten des 
Königs verrathen (2, 31). Man überfiel sie und rüstete 
sich zum Kampfe gegen sie (die Juden) am Sabbate (32). 
Sie fielen über die Juden her am Sabbate und diese, die 
den Tag zur Vertheidigung nichtverletzen wollten, starben 
sammt ihren Weibern und Kindern, gegen tausend Men- 
schenseelen (38). Aehnliches wird auch im zweiten Makka- 
bäerbuche erzählt, wie sich die Juden in nahegelegene 
Höhlen flüchteten, um im Geheimen den Sabbat zu feiern, 
aber von einem Philippus verrathen wurden (II. Makk. 
6, 11). Aus dieser Erzählung gehen folgende Thatsachen 
hervor : 

1. Dass unter Antiochus den Juden die 5 Bücher Mosis, 
aber blos diese verboten wurden, damit sie ihre 
eigenen Gesetze aufgobon und vergessen. 

2. Dass dieselben sich in den Höhlen verbargen, um 
da den Sabbat im Geheimen zu feiern, d. h. wohl 
nichts Anderes, als dass sie sich da in den 5 Büchern 
Mosis nach üblicher Weise belehren lassen könnten. 



aegen Apion II., 18. j^gg 

3. Dass sie am Sabbat, wo der feige Feind darauf 
rechnete, dass diß Angegriffenen zu keinen Waflfen 
greifen werden, überfallen und niedergemacht wurden. 
Nun mag bei einer ähnlichen Gelegenheit des üeber- 
falles obiger vom Talmud erzählter Unfall des Zertretens 
mit den eisernen Schuhen vorgekommen sein, vollkommen 
Becht hat der Talmud, wenn er sagt, dass dieses Ereigy 
nisB am Sabbat geschehen. Wir sehen , dass die Daten 
ganz zusammenstimmen; auch das Institut der Haftara 
hängt mit dieser Erzählung zusammen. Jene nämlich, 
die keine Schlupfwinkel aufsuchten und sich dennoch über 
das göttliche Wort belehren lassen wollten, nahmen ihre 
Zuflucht zu den prophetischen Büchern. Bei obiger Gelegen- 
heit mag es auch geschehen sein, dass der eiserne Nagel, 
vjrodurch die Gefahr entstanden, an eine biblische Stelle 
(Koheleth 12, 11) erinnerte, wo die Worte der Weisen, 
d. h. die heiligen Bücher den Nägeln verglichen werden, 
welcher biblische Ausdruck jedoch durch eine kleine Lese- 
änderung „Tempelposten'' heisst, deren es 24 gab, daher 
man auch die Zahl der canonischen Bücher auf 24 be- 
stimmte (M. ßabba zur Stelle), und eben desshalb auch 
das Tragen der Nägel an den Schuhen wenigstens in dieser 
Anzahl erlaubte (Sabbat p. 60, b). 

18. Abschnitt. 

In diesem Abschnitte weiset Josephus nach, wie sehr 
die Unkenntniss der Gesetze bei andern Völkern obge- 
waltet, dass selbst die Herrscher ihre Unwissenheit darin 
eingestanden ; bei den Juden hingegen vermochte Jeder 
die Gesetze leichter herzusagen, als seinen Namen. Es 
wundert uns, dass sich Josephus hiebei nicht auf ein dies- 
bezügliches mosaisches Gesetz beruft, das ausdrücklich 
dem König zur Pflicht macht, sich eine Abschrift des 
Gesetzes zu verfertigen, dass sich diese beständig bei ihm 
vorfinde und dass er daraus alle Tage seines Lebens lese 
(V. M. 17, 18). 

Nach der Ansicht des Talmud (Sanhedrin p. 21, b), 
Tvär.der König verpflichtet, selber ein solches Exemplar 



1 f^A Gegen Apion II., 21. 

abzuschreiben, und zwar sollte er davon ein Dupplicat 
besitzen, ein Exemplar in seiner Bibliothek bewahren und 
ein zweites stets bei sich fuhren. Dass dieser Gebrauch 
von den frommen judischen Königen beobachtet worden ist, 
geht aus der Krönungsgeschichte des jungen Regenten 
Joas hervor, bei dem es heisst (II. Könige, 11, 12): Dass 
man ihm die Krone auf das Haupt setzte sammt dem 
Zeugniss, worunter aber nichts Anderes als das geschriebene 
Gesetz zu verstehen ist. Es entspricht dieses einer alten 
Sitte bei den Orien*talen, die jedes schriftliche Document, 
das ihnen von ehrwürdiger Seite überliefert wird, aus 
Achtung sich früher auf das Haupt legen, bevor sie es 
eröffnen (Paul. Luc. I. 8. Bernier II). Viele christl. Regenten 
des Mittelalters folgten obiger mosaischen Vorschrift nach ; 
so wird von Alfons, König von Arragonien, berichtet, 
dass er die Bibel nebst Commentatoren vierzehnraal ge- 
lesen (Panomir 1. IL); andere wieder, wie Alfred von 
England, schrieben sich selber Exemplare ab. Zur Auf- 
bewahrung, ja sogar zum eigenhändigen Abschreiben eines 
Exemplares des Gesetzbuches ist jeder Israelit vf^rpflichtet 
(V. M. 31, 19). 

21. Abschnitt. 

Die Priester, bemerkt hier Josephus, wurden zu Auf- 
sehern über Alle, zu Richtern über Streitigkeiten und als 
Züchtiger der Verurtheilteu eingesetzt, d. h. sie waren 
die Lehrer des Volkes, um es gegen Fehltritte zu be- 
wahren, Richter der Parteien, um jeden Streit zu schlich- 
ten, endlich Executoren des Strafgerichtes, wenn ein Ur- 
theil gesprochen wurde. Wir wollen nun untersuchen, in 
wie ferne Josephus hierin mit dem Talmud überein- 
stimmt. Beim Verbote des Weintrinkens für die Priester 
(III. M. 10, 10), was der Talmud (Tanith p. 17, a) am 
Tage des Dienstes für ganze vierundzwanzig Stunden 
also auf Tag und Nacht ausdehnt, wird gleichsam al» 
Ursache angegeben, auf dass sie unterscheiden können, 
was heilig oder unheilig, was rein oder unrein ist und 
dass sie die Kinder Israels belehren über alle Rechte, die 
ihnen der Herr gegeben. 



Gegen Apion I., 81. jj^gg 

In diesem Sinne spricht sich auch der Prophet Hese- 
kiel (44, 23) ans ; ebenso mahnt der letzte der Propheten 
an diese priesterliche Bestimmung, „Des Priesters Lippen 
sollen die Lehre bewahren, dass man aus seinem Munde 
das Gesetz erfahre** (Maleachi, 2, 7). Moses wies noch 
in seiner Sterbestunde auf diese Aufgabe des Priesters 
hin. „Sie, die Söhne Levi's, sollen Jakob Deine Kechte 
lehren und Israel Dein Gesetz". (V. M. 33, 10). In allen 
diesen Stellen wird das Lehramt ausdrücklich dem 
Priesterstande vindicirt. In Betreff des Richteramtes lautet 
eine Stelle (V. M. 17, 8) wie folgt: Wenn dir eine 
Sache beim Eechtsstreite verhohlen sein sollte, zwischen 
Blut und Blut, zwischen Eecht und Recht, zwischen 
Schaden und Schaden, so mache dich auf und gehe nach 
dem Orte hinauf, den der Ewige, dein Gott, wählen 
wird, und begib dich zu den Priestern, den Leviten und 
dem Richter, der in selbigen Tagen sein wird, und be- 
frage, dass sie dir sagen die Sache des Rechts. Da es 
aber Richter an jedem Orte gab (ibid. 16, 18), so muss 
hier natürlich von der höchsten Instanz, einer Art Apel- 
lationsgerichtes die Rede sein. Dieses wird also als zu- 
sammengesetzt aus Priestern, Leviten und sonstigen aus 
dem Laienstande hervorgegangenen Richtern betrachtet. 
Wir ersehen daraus, dass die Priester zum Richteramte, 
und zwar beim obersten Gerichte verwendet wurden. In 
diesem Sinne deutet auch Onkelos (V, M. 33, 9) die 
Stelle: der von seinem Vater und seiner Mutter sagt, ich 
habe sie nicht gesehen, und von seinen Brüdern, ich 
kenne sie nicht, d. h. weil der Priester als Richter ganz 
unparteiisch oft gegen Eltern und Geschwister entschei- 
den muss. Konnten aber zum Synhedrin, dem höchsten 
Gerichtshofe, auch Laien genommen werden ? Die katho- 
lische Hierarchie stellt dies in Abrede und will in dem 
obencitirten Bibelverse unter dem Wort „Schofef' nicht 
einen weltlichen Richter, sondern den Hohenpriester ver- 
stehen, eine Ansicht, die sich zwar auch im Talmud 
(Sanhedrin 14, b) aber blos als die eines Einzelnen vor- 
findet, die aber schon dadurch ihre Widerlesrung findet^ 
dass die meisten Präsidenten dieses Gerichtshofes Laien 



]50 Gegen Apion II., 21. 

waren. Ebenso lautet eine Stelle ina Sifri'(V. M. §. 153): 
Das hohe Gericht sollte von Rechtswegen nur aus 
Priestern und Leviten bestehen, es hat aber nicht minder 
volle Kraft und Giltigkeit, wenn es aus lauter Israeliten 
besteht, was auch Maimonides (Sanhedrin VII) als Ge- 
«etznorm aufstellt. Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts, 
deren Streben auf die Vernichtung der geistlichen Hier- 
archie gerichtet war (Calvin, Grot. Gerard), erklärten 
obige Stelle in folgender Weise : Komme zu den 
Priestern und Leviten, so es eine religiöse Angelegenheit 
betrifft, oder zu dem weltlichen Richter, wenn es eine 
Civilsache ist. Allein der Prophet Hesekiel (44, 24) 
scheint den Sinn dieser Stelle anders aufgefasst zu 
haben, da nach ihm bei jeder Streitsache der Priester zu 
Gerichte sitzen soll. Eine andere Frage jedoch ist es, ob 
diese Vorschrift in der Folge beobachtet worden? Von 
König David (II. Sam. 14, 4, 8) und Salomo (I. Könige 
3, 25) heisst es ausdrücklich, dass sie die Rechtspflege 
selber ausübten. Hingegen ist uns folgende wichtige Stelle 
von König Jehoschafat aufbewahrt geblieben (IL Chr. 19, 
5, 8, 11), sie lautet: „Er setzte Richter in allen festen 
Städten Judas ein (5), auch in Jerusalem setzte er von 
den Priestern, den Leviten und den Obersten des Volkes 
über das Gericht Gottes und über Streitsachen (8). 
Amarja, der Hohepriester, soll Oberster in allen Angelegen- 
heiten des Herrn sein, Sebadja, der Sohn Ismaels, Fürst 
im Hause Judas, in allen Sachen des Königs, ferner 
Amtsleute (Schotrim) aus den Leviten (11)." Jehoschafat 
scheint hier wirklich jene reformatorische Einrichtung 
getroffen zu haben, in der Gerichtspflege die religiösen 
von den weltlichen Dingen abzusondern. Es wird aber 
hier noch von einem dritten Amte, Schotrim, den eigent- 
lichen Executoren des Urtheils gesprochen, welches den 
Leviten zufiel, wie auch Nehemias (13, 22) den Leviten 
die Sabbatpolizei anwies. Merkwürdig ist folgende Stelle 
im Talmud (Jebaraoth p. 86, b). Früher, lautet 'diese 
Stelle, stellte man Schotrim nur aus den Leviten an 
(IL Chr. 19, 11); jetzt aber werden sie aus den Israeliten 
genommen, denn es heisst: Schotrim aus der Menge, d.h. 



Gegen Apion IL, 22, a) 1Ö7 

dem ganzen Volke werden angestellt. Der hier hervor- 
gehobene Gegensatz zwischen früher und jetzt ist so 
aufzufassen : Bekanntlich wurde der Zehnt der Feldfrflchte 
den Leviten bestimmt (IV. M. 18, 2), da diese jedoch 
beim Aufbruche aus der babylonischen Gefangenschaft 
zum Aufbau des zweiten Tempels sich saumselig zeigten 
(Esra 8, 15), so soll ihnen Esra diese Begünstigung ent- 
zogen und die Verordnung getroffen haben, dass die 
Zehnten nicht mehr den Leviten ertheilt, sondern in die 
Schatzkammer des Herrn (Maleachi 3, 10), d. h. zum 
Nutzen der Priester gebracht werden; wenigstens finden 
wir unter den Anordnungen des Nehemias (10, 38), dasa 
die Priester sich an den Zehnten wie die Leviten be- 
theiügeR sollen. (Kethuboth 26, a. Cholin 131, b). 
Darauf bezieht sich unsere obige Stelle, dass früher, vor 
Eintritt der Bestrafung der Leviten das Amt der Scho- 
trim nach Einrichtung des Königs Jehoschafat den Le- 
viten zuÜel, jetzt aber ist ihnen mit den Zehnten auch 
das Amt der Schotrim benommen worden. Die bezogene 
Bibelstelle, dass die Schotrim aus der Menge zu nelunen 
sind , müsste also, in einem der letzten Propheten (Esra, 
Nehemias, Chaggai, Sacharja, Maleachi) vorzufinden sein, 
findet sich aber in unseren Bibelausgaben nirgends vor. 
Wir sehen , dass der Talmud Bibelexemplare vor sich 
hatte, die mit unserem Texte nicht übereinstimmen, wie 
dies schon die Verfasser der Tossephoth (Sabbath 55, b 
Baba-bathra 113, a) bemerkten. Dass aber schon die 
Mischua obigen Vers gehabt, ist aus dem Umstände zu 
ersehen, dass sie dieses Ausdruckes Schotrim aus der 
Menge sich bedient (Kiduschin 76, a), während Maimo- 
nides (Issure-bia XX, 2) diesen Ausdruck ganz weglässt, 
wahrscheinlich, weil auch in seiner Bibel dieser Vers 
gefehlt. 

22. Abschnitt. 

ß) Als Beweis für die Vortreflflichkeit der jüdischen 
Gesetze führt Josephus Folgendes an : Die Feierlichkeiten, 
welche die anderen Völker wenige Tage hindurch beob- 
achten können, ihre sogenannten Cultusgeheimnisse und 



2gg Gegen Apion II., M, b( 

Feste, das bewahren wir alle Zeit hindurch. Ein treff- 
liches Beispiel hiezu hat uns der Midrasch (Babba zu 
Buth P. 3) in einem Gespräche zwischen B. Josna ben 
Lewi und Kaiser Hadrian aufbewahrt. Letzterer, der mit 
mehreren jüdischen Gelehrten Beligionsgespräche geführt 
zu haben scheint, wollte aus der Bibel den Beweis liefern, 
daHs seine Verordnungen wichtiger, als die von Moses, 
denn es heisst (Eoheleth 9, 4): Besser ist ein lebender 
Hund, als ein todter Löwe. B. Josua stallte hierauf die 
Frage an ihn, ob er im Stande sei, ein Verbot zu er- 
theilen, dass alle seine ünterthanen sich drei Tage lang 
des Feuers und Lichtes enthalten? Hadrian ertheilte ein 
solches Verbot. Gegen Abend begaben sich Beide auf 
eine Anhöhe, von der sie eine Uebersicht über die ganze 
Stadt gewinnen konnten. Da bemerkten sie in der Ferne 
eine kleine ßauchwolke sich erheben. Sieh', sprach hierauf 
B. Josua, schon bei Deinem Leben werden Deine Ver- 
ordnungen übertreten, während wir die Gesetze* Mosis, 
die schon so viele Jahrhunderte alt, noch heute beobachten 
und heilig halten. 

b) Das Wesen Gottes erklärt hier Josephus wie 
folgt: Gott ist der zureichende Grund für sich und das 
All. Bekanntlich wird der Name Gottes auch durch 
Schaddai bezeichnet, üeber den Sinn dieses Wortes sind 
die Commentatoren nicht einig, die meisten erklären es 
mit „Allmächtig", weil das hebräische Grundwort stark, 
fest bedeutet, was auch durch ein Wortspiel des Propheten 
(Jes. 13, 6. Joel 1, 15) gerechtfertigt zu werden scheint. 
Der Talmud (Chagiga p. 12) hält dieses Wort für ein 
Compositum ; Gott führt diesen Namen desshalb, weil er 
der entstehenden Welt, die sich ins Unendliche aus- 
breiten wollte, Stillstand gebot und sie in ihrer Aus- 
dehnung beschränkte. Abgesehen, dass dieser Name in 
der Schöpfungsgeschichte, wohin er eigentlich gehörte, 
gar nicht vorkömmt, erhebt schon Ibu Esra (IL M. 6, 3) 
den Einwurf, wie denn dieses Epitheton Gott beizu- 
legen sei, weil das Weltall in seiner Ausdehnung be- 
schränkt worden ist? Die griechischen Uebersetzer 
(Aquila, Sym. Theod.) erklären dieses Wort mit 'txavo? 



Gegen Apion IL, 22, c) j^gQ 

d. h. genügeud, hinreichend, Gott ist das Wesen, das 
für sich selbst genügt und hinreicht, ganz so wie es hier 
Josephus definirt. Allein Letzterer fügt noch ein be- 
deutendes Wörtchen hinzu, der zureichende Grund für 
.^ich und ,»das All''. Schaddai bedeutet also, dass Gott 
sowohl für sich selbst hinreicht, als auch für den Be- 
stand der Welt genügt. Das aber scheint auch der eigent- 
liche Sinn unserer obigen Talmudstelle zu sein. Ich hin 
es, rief Gott bei der Schöpfung aus, der der Welt „ge- 
nügend** zugerufen, d. h. nicht in dem Sinne, dass sie 
in ihrer Grösse genug hat und sich weiter nicht mehr 
ausdehne, sondern ich genüge für ihren Bestand. Auch 
der Midrasch (Babba I. M. P. 46), kennt obige zwei 
Erklärungen und zwar citirt er beide im Namen des 
Aquila, ÄXxatos = stark, und 'txavo? = hinreichend. 

, c) Eine fernere Erklärung über das göttliche Wesen 
gibt Josephus wie folgt an: Er ist der Anfang, die 
Mitte und das Ziel von Allem. Dass Gott Anfang und 
Ziel, d. h. Ende aller Dinge sei, findet sich häufig in der 
Bibel vor. „Ehe denn die Berge erzeugt, Erde und Welt 
geschaffen worden, bist Du Gott von Ewigkeit zu Ewig- 
keit her" (Ps. 90, 1). Ich bin es, vor mir war kein 
Gott und auch nach mir wird keiner sein. (Jes. 43, 10). 
Wer hat es bewirkt und gemacht, wer die Geschlechter 
vom Anfang ins Dasein gerufen? ich der Ewige bin es, 
der erste und der letzte (ibid. 41, 4). Ich bin der erste 
und der letzte und ausser mir ist kein Gott (ibid. 44, 6). 
Die christliche Kirche fasste diesen Satz in einen 
mystischen Ausdruck zusammen. Da nämlich die Evan- 
gelien in der . griechischen Sprache abgefasst sind worden, 
80 wurde der erste Buchstabe (a) und der letzte (o) für 
Anfang und Ende genonmaen: Ich bin das A und 0, der 
Anfang und das Ende, spricht der Herr. (Ofifenb. 1, 8. 21, 6). 
Ich bin das A und 0, der erste und der letzte (ibid. 1, 11, 
22, 13.) Die talmudische Mystik ging noch weiter, sie 
nahm den ersten (a), mittlem (m) und letzten Buch- 
staben (th) für Anfang, Mitte und Ende und bezeichnete 
hiemit das Wesen Gottes. Da diese drei Buchstaben im 
Hebräischen „Wahrheit** bedeuten, so heisst es desshalb, 



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2gQ Gegen Apion II., 2S, a) 

»Wahrheit ist das Siegel Gottes," d. h. Gott ist, wie es 
Josephus hier angibt, Anfang, Mitte und Ziel von Allem. 
(Sabbath p. 55, a. Joma p. 69, b. Sanhedrin p. 64). 

23. Abschnitt. 

a) In Betreff der Opfer äussert sich hier Josephus 
wie folgt : Wir opfern nicht, um unsere Leiber mit 
Speise und Trank anzufüllen, denn dies ist Gott verhasst 
und möchte ein Vorwand zu üebermuth und Aufwand 
werden. Hier spielte Josephus unstreitig auf die prunk- 
haften Feste und zahlreichen Opfer der Heiden, nament- 
lich bei den Aegyptem an, die dabei in Schmaus und 
Braus sich ergingen, ja oft in Unzucht ausarteten, wie 
beim Feste des Bacchus. Eili ganz ähnliches Fest war 
auch das zu Ehren der Göttin Babustis. Zu diesem Feste 
pilgerten Männer und Frauen durch einander gemischt 
oft in der Zahl von mehreren 100,000, die Frauen hatten 
Klappern, mit denen* sie beständig lärmten, die Männer 
spielten auf der Flöte wieder, so ging der Festzug zu 
Wasser am Nil fort. Kam man zu einer Stadt, so wurde 
gelandet, man lockte die Einwohner des Ortes heraus 
und es wurden unter Neckereien und Spöttereien die 
schamlosesten Zügellosigkeiten begangen. Das Fest selbst 
wurde unter vielen Opfern und bei einer Ungeheuern 
Menge von Wein gefeiert. Nach der Versicherung Hero- 
dots (IL 60) wurde da mehr Wein verzehrt, als im 
übrigen Jahre in ganz Aegypten. (ühleman Aegypten IL 
180, 196). Man vergleiche hiemit das mosaische Gebot 
(lU. M. 10, 9) vom Enthalten des Weines für die Priester. 
In Betraff der jüdischen Opfer heisst es in einer Mischna 
(Menachoth p. 110, a) wie folgt: Beim Opfer eines 
Stieres heisst es : Es ist ein Feneropfer angenehmen Ge- 
ruches für den Herrn (III. M. 1. 9); derselbe Ausdruck 
findet sich sowohl beim Opfer eines Vogels (ibid. v. 17) 
als auch bei einem Mehlopfer vor (ibid. 2, 2); dies zeigt 
an: Du magst dem Herrn ein grosses oder ein kleines 
Opfer darbringen, es ist ihm immer wohlgefällig, sobald 
<lu dabei dein Herz nach der Höhe richtest, denn fügt 



öegön Apion IL. 23, c) |g| 

der Talmud erklärend bei, es heisst (Koheleth 5, 11): 
Süss ist der Schlaf des Dienenden, ob er \1el oder wenig 
genossen. 

Bei unsern Opfern, sagt Josephus ferner, müssen wir 
znerst für das allgemeine Wohl flehen, dann für uns selbst, 
denn zur Gemeinschait sind wir geboren und wer die- 
selbe den eigenen persönlichen Vortheilen vorzieht, ist 
Gott am angenehmsten. Hier spielt Josephus auf die 
zwei täglichen Opfer (Tamid) an, die für die ganze Na- 
tion dargebracht wurden. Es wnrde zu diesem Behufe 
das Volk in 24 Gruppen getheilt, jede Abtheilung hatte 
die Bestimmung, in der auf sie fallenden Woche sich 
zum Gebete zu versammeln. Es wnrde da, wie bereits 
oben (IL 8, d) ei-wähht, für das Wohl der Seefahrer, für 
das der Keisenden in der Wüste, für die Gesundheit der 
kleinen Kinder und der schwangeren Frauen gebetet. Schön 
ist der Spruch des Talmud (Baba-kama p. 92, a): Wer 
für das Wohl seines Nächsten in einer Angelegenheit 
betet, worin er selber der göttlichen Hilfe benöthigt, 
den erhört Gott znerst, denn es heisst (Job. 42, 10) : 
Der Herr brachte dem Job alle Gefangenen zurück, als 
dieser für seine Nächsten flehte. Ein charakteristisches 
Kennzeichen unserer Gebete besteht eben darin, dass sie 
nicht derart abgefasst sind, als wollte der Einzelne nur 
für sein eigenes Wohl beten, sondern es wird stets für 
die Gesammtheit gebetet, so z. B. heisst es da nicht: 
Heile mich, o Herr, dann werde ich geheilt sein, obwohl 
dieses ganz biblisch ist (Ps. 6, 3 Jerem. 17, 14); son- 
dern das Gebet lautet: Heile uns, o Herr, dann werden 
wir geheilt sein (Orach Ghajim, Magen Abraham 116). 
Ja selbst wenn Jemand allein auf Reisen ist und da 
die Hufe Gottes anruft, so laute sein Gebet ebenfalls: 
Führe uns Herr friedlich heim. (ibid. 110. 10). 

c) In unserem Gebete zu Gott, sagt ferner Josephus, 
sollen wir nicht flehen, dass er uns das Gute gebe, denn 
er gibt es selbst freiwillig, sondern dass wir es anzu- 
nehmen verstehen und dasselbe, wenn wir es erhalten, 
zu bewahren wissen. Im Talmud, (Berachoth p. 29, b) 
lautet eine Stelle: ß. Elieser sagt, das kurze Gebet, das 

11 



162 '^•»•" *»^ ^* **• •) 

man unterwegs zu verrichten hat, lautet wie folgt: Er- 
fülle, Herr, Deinen Willen oben iu der Höbe, verschaffe 
Wohlgefallen Deinen Verehrern unten auf Erden, und 
vollziehe das, was iu Deinen Augen gut ist, gepriesen 
sei der Herr, der die Gebete erhört. Andere Lehrer 
fassten dieses Gebet so ab: Die Bedürfnisse Deines 
Volkes sind gross, seine Einsicht aber, um zu wissen, 
was ihm wohl thut, zu beschränkt, unterstütze jeden 
nach seinen Bedürfnissen und thue das, was iu Deinen 
Augen gut ist. Noch ist folgende Stelle des Midrasch 
(ßabba zu IV. M. P. 1) zu bemerken: Das Heiligthum 
war für die Heiden von grösserem Nutzen als für Israel, 
denn es heisst: Wenn Fremde in Deinem Hause beten, 
so thue ihnen, was sie von Dir erflehen ; von Israel aber 
heisst es, ertheile einem Jeden nach seinem Wandel, denn 
Du kennst sein Herz. (I. Könige 8, 39, 43). 

24. Abschnitt. 

a) Das Gesetz, sagt hier Josephus in Betreif der 
Ehe, erkennt nur eine natürliche, eheliche Verbindung, 
nämlich zwischen dem Manne und Weibe, Thut nicht 
wie die Werke derAegypter (IIL M. 18, 3). Was waren 
denn ihre Werke? Da gingen Männer eheliche Verbin- 
dungen mit Männern und Frauen mit Frauen ein, ein 
Mann heirathete Mutter und Tochter zugleich, eine Fran 
wieder zwei Männer auf einmal, diesen Werken ahmet 
nicht nach (Sifra zur Stelle). Diese Schilderung ist keines- 
wegs übertrieben; das Laster der Päderastie war, wie be- 
kannt, bei den Griechen ein Lieblingslaster, dem selbst 
ihre hochgestellten Männer nicht unzugänglich waren. 
Auch in Eom war die Sodomiterei nicht ungewöhnlich 
und wollen wir nur an Kaiser Heliogabalus erinnern, um 
dessen Gunst als Geliebte zwei männliche Schauspieler 
sich bewarben und mit einander wetteiferten. Dass die 
alten Völker Ehen in den ersten Linien der Verwandt- 
schaft eingingen, ist eine allbekannte Sache. Dass in 
Aegypten auch Polyandrie vorherrschte, ist zwar unbe- 
kannt, lässt sich aber leicht in einem Lande vermuthen. 



Ctogen Apion ü., 84. c) ]^gg 

in dem, wie Herodot angibt, alle Sitten denen anderer 
Länder ganz entgegengesetzt waren. 

b) Das Gesetz, sagt femer Josephus, erkennt nur 
eine solche Ehe, wenn sie die Eandererzeugung zum 
Zwecke hat. In der Schrift (I. M- 2, 18) wird dieser 
Qrund nicht angegeben; es heisst da einfach, es ist nicht 
gut, dass der Mensch allein sei, was wohl auf Erzeugung 
von Kindern, aber auch auf die Gesellschaft der Frau 
Bezug haben kann. Wohl deduzirt der Talmud (Jeba- 
moth p. 61, b) aus der Stelle: Seid fruchtbar und ver- 
mehrt euch (I. M. 1, 28), dass jeder Israelit zur Er- 
zeugung von Kindern verpflichtet sei; gibt aber als Zweck 
der Ehe nicht die Kindererzeugung allein an, sondern 
die eheliche Verbindung zwischen beiden Geschlechtern 
gilt ihm ebenfalls als ein Zweck der Ehe, daher auch 
jener, der bereits Kinder erzeugt, dennoch zur Eingehung 
der Ehe verpflichtet ist, kann aber in diesem Falle auch 
«ine solche heirathen, die zur Erzeugung von Kindern 
gar nicht geeignet. Wer ohne Frau seine Tage verlebt, 
lehrt daher der Talmud (Jebamoth p. 62), weilet ohne 
Freude, ohne Gut, ohne Segen und ohne Frieden; ja 
hört auf Mensch zu sein. Diese Pointirung des ehelichen 
Glückes spielt ohne Zweifel auf die Sitte der Essener 
an, die den Ehestand ganz verachteten. Jedenfalls sehen 
wir, wie der Talmud den Zweck der Ehe von einer 
edlem Seite aufgefasst, als es Josephus hier angibt. 

c) Das Weib, sagt femer Josephus, soll dem Manne 
untergeordnet sein, es soll ihm gehorchen. Whiston weiss 
zu diesem Satze keine analoge Stelle aus der Schrift; 
allein es ist dies sowohl ein göttliches Gebot (I. M. 
3. 16) als auch ein persisches Gesetz (Ester 1 , 22). Ehre 
Vater und Mutter, so aber beide zugleich, stellt der 
Talmud (Kiduschin p. 31, a) die Frage, etwas von dir 
verlangen: auf wessen Wort musst du zuerst horchen? 
Auf das des Vaters, lautet die Antwort, weil sowohl du 
als deine Mutter demselben Achtung und Gehorsam 
schuldig seid. Diesen Satz scheint Josephus absichtlich 
als W^en gegen Apion gebraucht zu haben. In Aegypten, 
jenem Lande der verkehrten Sitten, war, wie Diodor 

11* 



1(34 ü«g«B ipion II., tt, t) 

(I. 2) angibt, auch in dieser Beziehung die Ordnung 
umgekehrt, die Frauen hatten da mehr Macht als die 
Männer, die Königinen standen beim Volt in grösserem 
Änsi>l)cii als die Könige, und im hänslichen Leben war 
der SlaiLü dem Weih untergeordnet, dies Ällea geschah 
aus Verehrung fllr die Isis, die den Aegyptern so viele 
Wohithaten erwiesen, ja der Bräutigam oder junge Ehe- 
mann muaate ehekonträktlich das Versprechen abgeben, 
der jungen Frau in allen Stocken gehorsam sein zu 
wollen (Diodor I. 27). Diese Angabe des Diodcir stimmt 
vollkommen mit einer Stelle im Talmud (Sota p. 11. b) 
flberein, wonach die Sklaverei in Aegypten den Israeliten 
ganz besonders schwer fiel, weil da die Ordnung gauz 
umgekehrt war; Geschäfte, die sonst Männer verriäiteten, 
wurden den Frauen zugewiesen, wie wieder weibliche 
Arbeiten den Männern übergehen. 

d) Den Weibern, gibt Josephus fismer an, verbot 
das Gesetz, die Fracht abzutreiben oder zu tödten, wenn 
iiher dies erkannt wurde, so soll die Betreffende gleich 
einer Kindepraörderin betrachtet werden, die ein Leben 
zerstört und die Familie vermindert hat. Da im Oriente, 
bosoudera bei den Juden so viel Gewicht auf Kinder und 
Nachkommen gelegt wurde, so ISest sich wohl denken, 
ilass ein solches Verbrechen nicht unbestraft blieb, allein 
pine Strafe für Abtreibung der Frucht oder för eine 
Kindesmördeiin findet sich nii^ends in den 5 Büchern 
Mosis vor, weil, vrie Michaelis {Magaz. der Wjssensch. 
4. Jahrg.) richtig bemerkt, dieses Verbrechen bei den 
alten Juden gar nicht gekannt war. 

Indess findet sich flberFTUchtahtreibung durch fremde 
Hände eine analoge Stelle vor, dieselbe lautet: Wenn 
zwei Manner streiten und eine schwangere Frau stossen, 
so das3 von ihr die Kinder abgehen, so haben sie eine 
Geldhusee zu erlegen, wenn kein Unglück geschehen; 
ist aber ein Unglück geschehen, so gebe Leben für Leben 
(IL M. 21, 22). Der Talmud (Kethuboth 33. Sanhe- 
drin 76) wie atch die Vulgala fassen diese Stelle in dem 
Sinne auf, daas fOr die getödten Kinder keine andere 
Strafe als eine Geldbusse aufzuerlegen sei, eine Todes- 



strafe aber nur bei Tödtung der Mutter in Aussicht 
genommen werden kann. Philo und die Septuaginta 
hingegen erklären diese Stelle dahin, dass es sich hier 
einzig und allein um den Schaden der vor der Zeit ge- 
borenen Kinder handelt. Ist kein Schaden geschehen, 
d. h. waren es noch unausgebildete lebensunfähige Kin- 
der, so wird dem Thäter blos eine Geldbusse auferlegt; 
ist.^ber der Schaden geschehen, d. h. die frühzeitig ge- 
borenen Kinder waren schon vollkommen ausgebildet 
und kamen durch diesen Unfall ums Leben, dann gebe 
Leben für Leben, also Todesstrafe. Auch diesen Satz 
scheint Josephus als Waffe gegen den ägyptischen Apion 
angewendet zu haben. Die alten Aegypter hielten die 
Tödtung der Kinder für keine Sünde, so lange diese 
weder Luft noch Nahrung zu sich genommen. Warum, 
lässt Philo (de vita Mosis) die Mutter Mosis ausrufen, 
warum haben wir das Kind nicht gleich nach seiner 
-Geburt ausgesetzt, hält man doch gewöhnlich (in Aegyp- 
ten) denjenigen, welcher noch keine menschlichen Speisen 
erbalten hat, für gar keinen Menschen! Hier spricht 
natürlich aus der verzweifelten Mutter nicht die jüdische, 
sondern die ägyptische Denkweise. Nach jüdischer An- 
schauung wird die Frucht im Mutterleibe nicht nur 
Mensch, sondern auch Volk, Nation geheissen (I. M. 
25, 23). Auch Aristot. (de Polit. VE. 16) hält es für 
kein Verbrechen, ein Kind, das noch kein Leben und 
kein Gefühl hat, abzutreiben. Es ist ferner bekannt, 
wie die Spartaner ungestaltete, oder sonst gebrechliche 
Kinder aussetzten und dem Tode preisgaben. Hingegen 
hielten es die Bömer für ein grosses Verbrechen und 
bestimmten Todesstrafe für eine Kindesmörderin, wie es 
€icero (pro Cluentio) ausdrücklich sagt. 

e) Selbst im ehelichen Leben, bemerkt Josephus, 
müssen nach jeder ehelichen ^Vereinigung Waschungeu 
vorgenommen werden. Dieser Ausspruch gründet sich 
auf eine biblische Stelle (IE. M. 15, 18). Nach Josephus 
«cheint dieses Gesetz absolut für jeden Ehemann zu 
gelten, während der Talmud (Baba-kama p. 82, b) es 
blos für Priester lassen will, so sie die Hebe oder son- 



stige Opferstücke zu gemessen gedenken. Zwar kennt 
der Talmud eine derartige Reinigung nach dem ehelichen 
Umgänge auch für Nich^riester, im Falle sie mit dem 
Qesetzstudium oder mit dem Oebete sich befassen wollen^ 
und wird diese Anordnung sogar Esra vindicirt. Allein 
B. Jehuda ben Bethera hob sie auf, weil, wie er richtig 
bemerkt, die Ootteslehre dem Feuer gleich, keinerlei 
Verunreinigung annimmt (Berachoth p. 22. Cholin p. 136). 
Wie aber diese von so ehrwürdiger Seite herstammende 
Anordnung von einem Einzelnen aufgehoben werden konnte, 
erklärt schon Maimonides (Schema YU. 7. Tefila lY. 4), 
weil dieselbe nicht allgemein angenommen und zugleich 
unausführbar war. Der Grund jedoch, den hier Josephus 
für die Waschung nach jedem ehelichen Umgänge angibt, 
weil nämlich die Seele nach ihrer Verbindung mit dem 
Körper zur Zeit der Empfängniss Schmerzen leidet, findet 
sich sonst nirgends vor, derselbe scheint mehr gnostisch- 
kabbalistisch zu sein. Im Talmud (Tanith p. 11, a) 
heisst es im Gegentheil, dass der Nasiräer deshalb ein 
Opfer bringen muss, weil er durch seine willkürliche 
Entsagung auf leiblichen Genuss auch seule Seele be- 
trübte. Viel richtiger aber ist der Grund für diese 
Waschung, den der Talmud (Berachotih p. 22, a) angibt, 
damit die Ehemänner, besonders die des gelehrten Stan- 
des, nicht so häufigen Umgang mit ihren Frauen haben; 
so weit für die Anordnung Esrafi; das biblische Gesetz 
hingegen (III, M. 15, 16) hat blos für Priester beim 
Umgange mit heiligen Dingen zu gelten, wie dies auch 
bei andern alten Völkern gebräuchlich war. Die ägyp- 
tischen Priester, sagt Herodot (I. 198. II. 37), trugen 
< stets grosse Sorgfalt, sich rein zu halten, sie badeten 
sich zweimal jeden Tag und enthielten sich des Umgan- 
ges mit Frauen, wenn sie Opfer darzubringen hatten 
(Poi^hyr. de abstin. 4, 7). Ebenso verboten sie, ein 
Heiligtbum zu betreten nach einem solchen Umgange 
ohne Waschung (Clem. Str. IV). 

25. Abschnitt. 
Bei der Geburt der Kinder, sagt hier Josephus, 
yerbietet das Gesetz, Gastmähler zu veranstalten und sie 



Gegen Apion II., 25. '[Q'J 

zum Vorwande fttr die Trunkenheit zu machen. Gast- 
mähler wegen Familienereignisse treffen wir in der Schrift 
häufig an, so bei Entwöhnung der Kinder (I. M. 21, 8), 
bei Hochzeiten (ibid. 29, 22. Kichter 14, 10), an Geburts- 
tagen (I. M. 40, 20, Job 1, 4) und bei Leichenbegäng- 
nissen (IL Sam. 3, 35. Jerem. 16, 7); jedoch von einem 
Gastmalile bei Geburt eines Kindes ist da nirgends eine 
Spur vorzufinden, was am Klarsten dafür spricht, dass 
dies nicht im Charakter der jüdischen Nation gelegen. 
Noch deutlicher geht dies aus folgender Stelle (I. M. 21, 
4, 8) hervor. Und Abraham, lautet dieselbe, beschnitt 
seinen Sohn Isak, als er acht Tage alt war, wie ihm der 
Herr befohlen. Als das Kind heranwuchs und entwöhnt 
wurde, da machte Abraham ein grosses Mahl, am Tage, 
da Isak entwöhnt wurde. Würde aber Abraham, um 
seine Freude zu bekunden, nicht schon am Tage der 
Geburt oder an jenem der Beschneidung ein solches 
Gastmahl veranstaltet haben, wenn nicht diesem etwas 
hinderlich im Wege gelegen wäre? Es ist bekannt, dass 
bei den Völkern des Alterthumes, wo das Leben grösser 
war und die Kindheit länger dauerte, die Entwöhnung 
erst nach 5 Jahren zu geschehen pflegte (Hieron. I. M. 
quest hebr.). Fünf Jahre liess sich Abraham Zeit zur 
Kundgebung seiner Freude, weil sich früher keine Gele- 
genheit dazu darbot, der Tag der Geburt konnte wahr- 
scheinlich ans Bücksicht gegen die leidende Mutter, wie 
wieder der Tag der Beschneidung wegen des leidenden 
Kindes nicht als Freudentag verwendet werden, er musste 
also auf den Tag der Entwöhnung warten. In der Folge 
kam man auch von dem Entwöhnungsfeste ab, wahr- 
scheinlich wegen der Länge der Zeit, obwohl die Säugung 
der Kinder nicht mehr so lange anhielt, so z. B. dauerte 
diese zur Zeit der Makkabäer drei Jahre (II. Makk. 7, 27), 
was auch in den Tagen des Königs Hesekias der Fall 
gewesen zu sein scheint, da er die öffentliche Versorgung 
der jungen Priester vom dritten Jahr an befahl (IL Chr. 
31, 16). Zur Zeit des Talmud wurde dieselbe auf zwei 
Jahre reducirt (Kethuboth p. 60, a). Immerhin war der 
Zeitraum zu lange, um diesen als Freudentag für die 



^gy Oege;j Apion II., 25. 

Geburt eines Kiudes zu bestimmen, um so mebr aber, 
da man bereits frühere Zeitpunkte dazu wählte. Solche 
Gastmähler bei der Geburt eines Knaben (bei einem 
Mädchen werden dieselben beseitigt) gibt es drei. Erstens 
am Vorabende des ersten Sabbats nach der Geburt. 
Dieses kleine Mahl wird den zu ladenden Gästen beim 
abendlichen Gottesdienste im Tempel an<;ekündet. Nach 
Beendigung desselben begibt sich die Versammlung zu 
dem Neugeborenen, wo auf dem Tische für die Gäste 
mancherlei Imbiss, kleines Backwerk nnd verschiedene 
Obstgattungen sich vorfinden. Wie alt diese Sitte, lässt 
sich schwer eruiren ; im Talmud wird häufig eines Festes 
unter der Benennung: „Die Woche des Sohnes*. Er- 
wähnung gethan, welches man zur Zeit der Verfolgung 
lieimlich abhalten musste. Möglich, dass damit auf obigem 
Fest angespielt wird, da nämlich die Woche mit dem 
Sabbat schliesst; es ist also die erste Woche für den 
Neugeborenen. Nach einer Midraschstelle (ßabba zu 111. 
M. P. 27) wird die achttägige Dauer bis zur Beschnei- 
dung damit motivirt, damit der Neugeborene früher dem 
Sabbat, der hochgefeierten Königin sich präsentire, ehe 
er iu den Bund Gottes aufgenommen werde. Jedenfalls 
ist es eine schöne jüdische Sitte, den neugeborenen 
Weltenbürger gleich in den ersten Tagen seines Daseins 
feierlich zu empfangen. 

Das zweite, oder Hauptfest fand am achten Tage 
nach der Gebui-t statt und geschah zur Feier der Be- 
schneidung. Letztere wird gewöhnlich im Tempel im 
Beisein vieler versammelten Beter .und sonstiger Gäste 
vorgenommen, wobei drei Personen die Hauptfunctionen 
verrichten, nämlich der Vater, der einen Segenspruch 
ortheilt und den Namen Gottes preist, dass sein Sohn 
in den Bund Abrahams aufgenommen wird. Der Pathe, 
der das Kind bei der Beschneidung auf seinem Schosse 
hält, wozu in neuerer Zeit angesehene Christen, wie der 
gefeierte Patriot Deak und der Handelsminister Gorove 
in Pest sich herbeiliessen, endlich kommt der Beschneider 
oder auch zwei, die die Operation vornehmen. Nach 
Vollendung dieser feierlichen Ceremonie begibt sich die 



Gegen Apio» II., 25.. IgQ 

Versammlung in die Wohnung des Neugebornen. Da 
die Ceremonie gewöliiüich Morgens vor sich geht, so 
erfrischen sich die Gäste au einem trefflichen Frühstücke. 

Auch von diesem Feste lässt sich der Zeitpunkt 
nicht angeben, wann es Eingang im Judenthum gefun- 
den, die Einrichtung ist jedenfalls eine alte. 

Eine ältere Talmudsage lautet: Jedes Gebot, das 
Israel unter Freuden erfüllt, wird für immer Bestand 
in seiner Mitte haben, wie das mit der Beschneidung 
der Fall. Der Ausdruck „unter Freuden" deutet an, 
dass das Gebot unter Begleitung von erfreulichen, auf- 
heiternden Momenten, d. h. bei Einnahme eines Freuden- 
mahles vor sich zu gehen pftegt (Raschi, Sabbat 130, a). 
Es scheint, dass dieses Gastmahl als Dankfest eingeführt 
worden, nachdem die syrischen Verfolgungen, die bekannt- 
lich alle Eltern mit Todesstrafen belegten, die ihre 
ESnder beschneiden Hessen (II. Mak. 6, 10), aufgehört. 
Zum Danke für diese Befreiung aus Feindes Gewalt 
feierte man die Beschneidung durch ein öffentliches Fest, 
Auch unter Trajan und Hadrian geschahen solche Ver- 
folgungen gegen die Beschneidung, man richtete sein 
Augenmerk vorzüglich auf obiges Fest, um der heimlich 
begangenen Beschneidung auf die Spur zu kommeij 
(Baba Bathra p 60, b). Es mussten von Seite der Ver- 
folgten allerlei Mittel angewendet werden, einerseits um 
die Aufspürer auf falsche Fährte zu bringen, anderseits 
um die Glaubensgenossen, wobei eine öffentliche Ein- 
ladung unstatthaft war, auf die Abhaltung eines solchen 
Mahles aufmerksam zu machen (Sanhed. 32, b). Letzteres 
geschah dadurch: es wurde mit einem Mörser gestossen 
oder eine Handmühle in Bewegung gesetzt, oder Lichter 
bei Tag angezündet (Jeruschalmi, Kethuboth I. p. 25, c). 
Das dritte Mahl geschieht nach Ablauf von 30 Tagen 
nach der Geburt, im Falle es ein erstgeborener Sohn 
war, der zu Folge eines -Gesetzes (IL M. 13, 1) dem 
Dienste des Herrn geweiht sein sollte. Da jedoch an die 
Stelle der Erstgeborenen die Priester eingetreten, so 
wurde bestimmt, dass erstere losgelöst werden (ibid. 34, 
20). Der Preis dieser Auslösung war auf 5 Schekel ber 



J^Q Oegen Apion II., 86, a) 

stimmt (IV. M. 18, 16). Das dabei stattfindende Cere- 
moniell wird zwischen dem Vater und einem Nachkommen 
Ahrons verhandelt. Auf einer Tasse wird der Neugebo- 
rene nebst den obligaten 5 Silberstücken von dem Vater 
dem Ahroniden vorgestellt, dieser richtet die Frage an 
den Vater, was ihm lieber sei, der Sohn oder die Silber- 
stOcke, worauf der Vater erwidert, ich wünsche meinen 
Sohn zu behalten und hier hast du die Silberstücke als 
Lösegeld. Zugleich spricht der Vater den ersten Segens- 
spruch über die Auslösung seines Sohnes, dann den 
zweiten darüber aus, dass ihn der Herr diesen Zeitpunkt 
und dieses Familienereigniss hat erleben lassen. Hierauf 
nimmt der Ahronide die 5 Silberstücke, spricht einen 
Segen über einen Becher Wein und es wird zum Mahle 
geschritten. Das Geld wird aber gewöhnlich dem Vater 
als Geschenk zurückerstattet. 

Dieses Fest, von dem Maimonides nichts weiss^ 
scheint eine spätere Einrichtung zu sein, indess wollen 
es Einige als ein talmudisches ansehen. Wir haben be- 
reits erwähnt, dass im Talmud (Baba-kama p. 80, a^ 
ein Gastmahl unter der Benennung „Woche des Sohnes* 
vorkommt; es gibt jedoch eine zweite Leseart, wonach. 
68 „Erlösung des Sohnes^^ geheissen, was natürlich auf 
unser obiges Fest bei der Auslösung Bezug hat. 

26. Abschnitt. 

a) Bei Verstorbenen, gibt hier Josephus an, soll 
weder auf kostbare Begräbnisse, noch auf glänzende 
Denkmäler, sondern auf einfache Bestattung durch die 
Angehörigen Sorge getragen werden. Auch hierüber findet 
sich in der Schritt kein Gesetz vor. Dass man zuweilen 
kostspielige Grabmäler anzuschaffen gesucht, ist aus der 
Geschichte Abrahams (I. M. 23, 16) zu ersehen. Jose- 
t)hus scheint hier mehr spätere Zeitepocken, besonders 
sein Zeitalter vor Augen gehabt zu haben, und da finden 
wir schon Analogien aus dem Talmud. In frühereu 
Zeiten, lautet eine Stelle daselbst (Moed-katan p. 27, a), 
wurde das Tranermahl für Verstorbene bei Reichen im 



Gegen Ipion ü., 26, b) ^'Jl 

silbemen und goldenen Körben gebracht (vergl. Jose- 
phns Krieg II. 1, 1), bei Armen hingegen wurden ge- 
flochtene Weidenkörbe gebraucht, letztere fühlten sich da- 
durch beschämt, und es wurde angeordnet, auch bei den 
Keichen nur Weidenkörbe zu gebrauchen. In früheren 
Zeiten wurden die Verstorbenen aus den reichen Fami- 
lien auf kostspielige Sopha^s , aus den armen Familien 
aber auf hölzernen Schränken zur Grabstätte geführt, um 
jedoch letztere nicht zu beschämen, wurde verordnet, bei 
allen Verstorbenen ohne Unterschied des Standes die 
hölzernen Tragbahren zu nehmen. In Mheren Jahren 
waren die Begräbnisskosten so ungeheuer gross, dass 
dieselben den Verwandten schwerer fielen, als -der Tod 
des Hingeschiedenen, so dass Viele oft den Todten liegen 
Hessen, bis B. Gamliel (lebte ein halbes Jahrhundert 
vor Josephus) an sich selber ein Beispiel statuiren Hess ; 
er verordnete, ihn nach seinem Tode mit einfachen 
Leinentüchem zu bestatten, welches Beispiel von ganz 
Israel angenommen wurde (s. Matth. 27, 59. Marc. 15, 
56. Luc. 23, 53). Gleich dem Vater suchte auch der 
Sohn, B. Simeon, alles Kostspielige bei Begräbnissen zu 
beseitigen. Man braucht, lehrt derselbe, grossen Männern 
keine Denkmäler zu errichten, denn ihre Thaten sind 
ihre Denkmäler (Jeruschalmi, Schekalim IL). 

b) Josephus sucht hier ferner einen Grund anzugeben, 
warum der Todte nach dem Gesetze verunreinigen sollte, 
um nämlich die völlige Unreinheit eines Mörders zum 
Bewusstsein zu bringen; ein etwas zu weit hergeholter 
Grund. B. Jochanan ben Sakkai (Zeitgenosse des Josephus) 
gestand aufrichtig, keinen Grund zu wissen, warum ein 
Todter verunreinigen soll. Ich betheuere euch , rief er 
den ihn hierüber interpeUirenden Schülern zu, dass weder 
der Todte etwas an sich hat, was verunreinigt, noch das 
Sprengwasser eine reinigende Kraft besitzt; allein es ist 
eine Verordnung des Gesetzgebers, dem wir unbedingt 
zu gehorchen haben (Babba zu IV. M. P. 19). Neuere 
Gelehrte bemühten sich jedoch, för diese Verunreinigung 
einen symboUschen Grund aufzusuchen. So meint Bahr 
(Symb. II. 459), dass Geburt und Tod als Anfang und 



1 72 Gegen Apion IL, 27, a) 

Ende des endlichen Wesens dem unendlichen Sein gegen- 
über als unrein zu betrachten sind. Warum jedoch, wird 
diesem entgegengehalten, ist nicht das neugebome Kind 
ebenfalls unrein V Der Tod, lautet die Ansicht eines an- 
deren Gelehrten (Sommer), ist das bleibende Denkmal 
der Sünde, daher er verunreinigt. Woher kommt es aber, 
dass der Tod bei vielen anderen Völkern des Alterthums, 
zu denen der Begrifif der Erbsfinde nicht gelangte, eben- 
falls denjenigen verunreinigte, der mit ihm in Berührung 
kommt? (Lucian de dea syria. Virg. Aen. 6, 229). Mi- 
chaelis (Mos. R. IV. 300) will in dieser Verordnung ein 
einfaches Sanitätsgesetz erblicken, damit der Leichnam, 
der im Orient zeitig in Fäulniss übergeht, schnell be- 
stattet werde und dass auch der Verbreitung des Krank- 
heitsstoffes vorgebeugt werde. Ahron Halewi (Chinuch 
zu m. M. 21, 1 §. 287) gibt folgenden Grund an: 
Der menschliche Leib mit seinen sinnlichen Begierden 
und leidenschaftlichen Ausbrüchen kann sich nur durch 
die ihm innewohnende Seele über die übrige Schöpfung 
erheben, sinkt aber weit herab, sobald ihn (Üese verlässt, 
daher die verunreinigende Kraft des Todes. Wir wollen 
noch einen Grund beifügen. Moses wollte Israel, so weit 
es in seiner Macht stand, vom Todtencultus der Aegypter 
(Osiris), der Phönizier (Adonis) und der Syrier (Tamus) 
ferne halten, daher jede Berührung eines Todten ver- 
unreinigt. 

27. Abschnitt. 

a) Nicht weniger als neun Gesetze citirt Josephus 
in diesem kleinen Abschnitte, von denen wir einige her- 
ausheben wollen. Dicht hinter der Verehrung Gottes 
stellt das Gesetz die Verehrung der Eltern, d. h. dass 
man nach Gott die Eltern zu ehren schuldig ist. Das 
kann sich wohl auf die Reihenfolge der zehn Gebote be- 
ziehen, wo nach den Pflichten gegen Gott das Gebot der 
Elternüebe steht (U. M. 20, 12). Der Talmud (Kidn- 
sQhin 30) sucht obigen Satz auf eine andere Weise zu 
begründen. Es heisst (ibid.), ehre Vater und Mutter, 



Gegen Apion I!., 27, b) 17^ 

ebenso: ehre Gott (Spr. 3, 9); ferner: ein Jeder soll 
Vater und Mutter fitrchten (III. 19, B), ebenso: den Ewi- 
gen, deinen Gott, sollst du fürchten (V.M. 6, 13). Femer: 
Wer Vater und Mutter flucht, soll des Todes sterben 
(II. M. 21, 17), ebenso findet sich dieselbe Strafe bei 
einer Gotteslästerung vor (III. M. 24, 16). Aus all' dem^ 
erklärt der Talmud, ist ersichtlich, dass dem Menschen 
Gott und Eltern in gleichem Grade heilig und ehrwürdig 
sein müssen. Auch mit diesem Gebote scheint Josephus 
auf die ägyptischen Sitten hinzuspielen. In Aegypten,. 
äussern sich Herodot (II. 35) und Diodor (I. 1), waren 
nur die Töchter, aber nicht die Söhne zur Erhaltung der 
gebrechlichen Eltern verpflichtet. Ebenso kannten die 
Aegypter eine Strafe für Elternmord (Diodor I. 77), was 
das Vorhandensein dieses Verbrechens voraussetzt, wäh- 
rend weder Moses noch Solon (Cicero pro B. Amer. c. 25) 
desselben nur erwähnen. 

b) Jüngere Leute, äussert sich Josephus weiter,^ 
sollen jedem älteren Menschen Achtung bezeigen. Dies 
wird ausdrücklich im Gesetze geboten (III. M. 19, 32). 
Josephus sucht jedoch dieses Gebot damit zu erklären,, 
weil Gott das älteste Wesen ist. Ebenso erklärt er oben 
(II. 23. Ant. IV. 8, 5) die Ursache, dass es nur einen 
Tempel geben soU, der gemeinschaftlich für die ganze^ 
Nation dienen muss, weil auch Gott nur ein Wesen die 
ganze Menschheit umfasst. Der Mensch soll sich also 
in AUem Gott als Muster und Vorbild nehmen. Dies 
stimmt zwar mit einer Stelle im Talmud (Sota p. 14, a) 
überein. Es heisst, ihr sollt dem Ewigen, eurem Gott, 
nachwandeln (V. M. 13, 5). Wie kann aber der Mensch 
dem Ewigen nachwandeln? Der Sinn dieses Gebotes ist 
jedoch der, wandle dem Herrn in seinen Werken nach, 
d. h. nimm dieses höchste Wesen in AUem als Muster 
und Vorbild deines Lebens. 

Indess scheint diesem Gebote ein viel natürlicheres 
Gefühl zu Grunde zu liegen ; man soU die Alten achten 
ihrer grösseren Lebenserfahrung halber. „Bei den Greisen 
ist Weisheit und Verstand bei den Alten* (Job 12, 12). 
Der Talmud (Kiduschin p. 32, b) sucht diese Idee sogar 



2 'JA Gegen Apion I., 27, d) 

ms dem Worte ^Saken^ herzuleiten, denn es bedeutet 
jenen, der Weisheit, Lebenserfahrung sich erworben. 
Noch finden wir im Midrasch zu den Ps. folgenden Grund 
tHr dieses Gebot: Ein Kegent, erzählt derselbe, begeg- 
nete unterwegs einem alten Mann mit einer Last auf dem 
Bücken, er hielt sogleich an und winkte dem Wanderer, 
neben ihm Platz zu nehmen. Den hierüber erstaunten 
Hofleuten erwiderte der leutselige Herrscher, wie folgt: 
Wie! ein Mann mit hohem Alter und grauen Haaren, 
geehrt und ausgezeichnet, sollte nicht auch von mir ge- 
achtet und geehrt werden? Ehret ihr nicht einen Jeden, 
der von mir, einem Sterblichen, irgend ein Ehrenzeichen 
erhält? Dieses Gebot wurde fast bei allen alten Völkern 
heilig gehalten (Iliad. XXIIL 788. Juven. Sat. 13, 54. 
Strabo 11, 503). üeber die Aegypter äussert sich Hero- 
dot (IL 80), wie folgt: So man einem Greis auf dem 
Wege begegnete, wich man auf die Seite, um ihm Platz 
zu machen, kam ein solcher iu irgend eine Gesellschaft, 
so erhob sich Alles, um ihm Ehre zu erweisen, hierin 
stimmten die Aegypter blos mit den Lazedämoniern unter 
allen Griechen überein. 

c) Vor Freunden, theilt Josephus ferner mit, soll man 
kein Geheimniss haben, das Geheimniss eines Andern 
nicht bekannt machen. Ersteres findet sich zwar im 
mosaischen Gesetze nicht ausdrücklich vor, ist aber aus 
einem Beispiele zu ersehen. Gott selber wollte sein Vor- 
haben mit Sodom und Amora dem Abraham, weil er 
Freund des Herrn, nicht vorenthalten (I. Mos. 18, 17). 
Nicht vollzieht der Herr eine Sache, er offenbart früher 
sein Geheimniss den Profeten seinen Dienern (Amos 3, 7). 
Der zweite Theil obiger Angabe fand einen Platz in der 
göttlichen Gesetzgebung. „Sei kein Anbringer, kein 
Zwischenträger in deinem Volke" (HI. Mos. 19, 16). 
Entdecke das Geheimniss eines Andern nicht (Spr. 11,13. 
20, 19. 25, 9). 

d) Wenn ein Eichter Geschenke nimmt, gibt ferner 
Josephus als göttliches Gesetz an, so muss er sterben. 
Ebenso setzt Josephus weiter (37) Todesstrafe für die 
Kastrirung. Das Verbot über Bestechung lautet: Du 



Gegen Apion II., 88. ][75 

sollst das Becht nicht beugen, kein Ansehen der Person 
gelten lassen, noch Geschenke annehmen, denn Geschenke 
machen die Weisen blind und verkehren die Sache der 
Gerechten (IL M. 23, 8. V. M. 16, 19). Eine andere 
Stelle lautet: Verflucht sei, wer Geschenke nimmt, eine 
Person unschuldigen Blutes zu erschlagen (V. Mos. 27,25). 
Von einer Strafe jedoch, die der Sichter zn erdulden 
hat, so er sich habe bestechen lassen, kommt nirgends 
vor. Nach der talmudischen Jurisdiction gebührt für 
dieses Verbrechen weder Todesstrafe noch Geisseistrafe; 
es haben blos Beide, Eichter wie die Partei, die Be- 
stechung gegeben, das göttliche Gesetz übertreten; die 
Partei kann gerichtlich die Bestechung zurückfordern und 
der Richter wird des Richteramtes unfähig erklärt (Mai- 
monides Sanhedrin XXIII). Wahrscheinlich versteht hier 
Josephus das Jus talionis, wenn ein Richter durch Be- 
stechung einen Unschuldigen zum Tode verurthoilte, wo 
er ebenfalls den Tod als Wiedervergeltung zu erdulden 
hat. Josephus mag diese Bestimmung von dem Aus- 
spruche der Schrift in Betreff von falschen Zeugen 
(V. Mos. 19, 19) auf bestochene Richter hergeleitet haben. 
In Athen wurden die Richter, die Bestechung angenommen, 
zum Tode oder zur Erlegung einer zehnfachen Summe 
als die Bestechung war, verurtheilt (Demosth. contra 
Lept.). 

28. Abschnitt. 

Hier spricht Josephus einen sehr wichtigen Grund- 
satz aus, der selbst unserem 19. Jahrhundert nicht zur 
Unehre gereichen würde. Derselbe lautet: Moses glaubte, 
dass die Verwandtschaft nicht blos in gleichem Geschlechte 
und gleicher Abstammung, sondern in gleicher Richtung 
des Lebens bestünde. Die Gleichgesinnten in der ganzen 
Menschheit bilden nach diesem Grundsatze ein Volk, sind 
einander die nächsten Verwandten. Die Geburt ver- 
schafft nur zufälligerweise, und auch nur dem Leibe nach, 
die Blutsverwandtschaft, aber Gleichartigkeit in den Ge- 
sinnungen bildet eine höhere, die Seelenverwandtschaft, 
die sich der Mensch selber und mit eigenem Bewusst- 



ji'JQ Gegen Apion II.. 29, h) 

sein erwirbt. Wie also der Geist höher als der Leib 
steht, so ist auch eine Herzensverwandtschaft jeder leib- 
lichen vorzuziehen. 

29. Abschnitt. 

Die hier von Josephns citirten Humanitätsgesetze 
lassen sich in drei Gla??en theilen; nämlich: Erbarmen 
gegen (auch nichtisraelitische) Hilfsbedürftige ; Milde 
selbst gegen Feinde und Schonung gegen Thiere. Ob- 
wohl alle diese drei Punkte häufig in der Schrift vor- 
kommen, so sind doch die von Josephus hier angege- 
benen Details nicht genau und präcis und bedürfen da- 
her einer Erörterung. 

a) Erbarmen gegen Hilfsbedürftige; 1) Feuer, Wasser 
und Nahrung Allen zu bieten, die es benöthigen. Dies 
ist seinem Wesen nach gewiss mosaisch, aber in der 
Fassung von griechischer Anschauungsweise für Almosen 
gebraucht. Diese Ausdrücke sind jedoch, wie wir bald 
sehen werden, von Josephus absichtlich gewählt worden. 
2) Jedem den Weg zu zeigen (Ant. IV. 8, 31). Die gött- 
liche Lehre hat über dieses Gebot folgende Passung: 
Verflucht sei, der einen Blinden irre auf dem Wege fuhrt 
(V. M. 27, 18). Diese Stelle wird von Pseudo-Jonathan 
in folgender Weise paraphrasirt: Verflucht sei, dereinen 
Reisenden irreführt, da er aus Unkunde dem Blinden 
gleicht. Dieses Gesetz will überhaupt, dass man die 
Schwäche und Unwissenheit Anderer nicht zu seinem 
eigenen Vortheile missbrauche, wie auch, dass man An- 
dere aus Unwissenheit nicht dem Verderben entgegen 
gehen lasse. Ungerecht war daher der Vorwurf mancher 
heidnischer Schriftsteller, dass die Juden den Weg kei- 
nem Andern als einem Glaubenscrenoasen zeigen, und 
zur labenden Quelle blos einen Beschnittenen führen: 
„Non monstrare vias eadem nisi sacra colenti , quaesitum 
ad fontem soloa deducere verpos. Juveual sat. 14." Da 
hier Josephus ebenfalls vom Wasser und vom Zeigen des 
Weges spricht, so leidet es keinen Zweifel, dass er dabei 
obigen römischen Schriftsteller, der ein Zeitgenosse von 



Gegen Apion II., 29, a) 277 

• 

ihm war, vor Augen gehabt. Ebenso milde gegen An- 
dersgläubige spricht sich der Talmud aus. Es haben die 
Weisen überliefert, lautet eine Stelle daselbst (Gittin, 
p. 61, a), dass man arme Heiden so gut ernähre wie 
arme Israeliten, kranke Heiden so gut pflege als kranke 
Israeliten, verstorbene Helden so gut bestatte als ver- 
storbene Israeliten, weil dies den gegenseitigen Frieden 
erhält, denn, fügt noch Maimonides (Könige X, 12) hinzu, 
es heisst, Gott ist gütig Allen und seine Barmherzigkeit 
erstreckt sich auf alle Geschöpfe (Ps. 145, 9); ferner, 
alle ihre Wege sind lieblich und führen zum Frieden 
(Spr. 3, 17). 3) gibt Josephns an. Niemanden unbegraben 
zu lassen. Dies geht aus der biblischen Stelle (V. Mos. 
28, 23) hervor, dass man selbst einen Verbrecher der 
nach dem Gesetze die Todesstrafe erleiden musste, die 
Bestattung noch vor Sonnenuntergang zu Theil werden 
lasse, damit, fügt die Stelle hinzu, das Erdreich nicht 
verunreinigt werde. Ebenso äussert sich Homer (IL 24), 
die Grausamkeit Achilles schüdemd, der den todten 
Körper Hectors schleifte, er habe durch diese That die 
Erde beschimpft. Auch hiermit scheint Josephus auf die 
ägyptischen Gebräuche hinzuspielen, nach denen die 
Leichname der Veturtheilten im Freien blieben, bisMie 
verwesten (I. M. 40. 19). Ebenso wurden in Aegypen 
die Leichname von Schuldnern von den Gläubigem in Be- 
schlag genommen und nicht eher zur Bestattung zuge- 
lassen, bis nicht die Schuld getilgt worden ist (Herodot II). 
Auf einer andern Seite (Krieg, III. 8, 5), will Josephus 
für den Selbstmörder eine Ausnahme machen, dass man 
denselben unbegraben liess, obwohl das Gesetz die Be- . 
stattung der im Kriege gefallenen Feinde gestattet. Ein 
solches mosaisches oder talmudisches Gesetz findet sich 
jedoch nirgends vor. Der Selbstmörder Achitophel 
(II. Samuel 17, 23) wurde sogar in der Familiengruft bei- 
gelegt; ebens(» gestatten die Talmudisten die Beerdigung 
der Selbstmörder, obgleich sie jede Trauerfeierlichkeit 
dabei versagen (Gutachten des B. Salomon ben Adereth 
763. Jore dea 345). 



12 



J78 Oegett Apion IL, 29, b) 

• 

b) Milde selbst gegen Feiade. Dies lehrt das mosaische 
Gesetz ausdrücklich , dass man nicht nur das Gut seines 
Nächsten (V. M. 22, 1, 4), sondera auch das des Feindes 
(Dl. M. 23, 4, 5) vor Schaden bewahren soll. So du, 
heisst es daselbst, deines Feindes Ochsen oder Esel be- 
gegnest, dass er irrt, sollst du ihm denselben zurück- 
führen. So du den Esel deines Hassers unter seiner Last 
erliegen siehst, so hilf ihm auf. Ebenso lehrt Salomo 
(25,21): Wenn es deinen Feind hungert, so speise ihn 
mit Brod, und wenn es ihn dürstet, so gil) ihm Wasser. 
Es geht daraus klar hervor, wie falsch jene Anklagen, 
dass Moses geboten, nur den Freund zu lieben, den Feind 
aber zu hassen (Matth. 5, 43). Aber auch der Talmud 
lehrt in diesem Sinne. Als B. Meir auf den Unter- 
gang seiner Feinde beten wollte, da belehrte ihn seine 
Frau, es heisst (Ps. 104, 35) : es schwinden die Sünden, 
aber nicht die Sünder (Berachoth p. 10, a). Der Talmud 
hatte hier eine verschiedene Leseart. 

Ebenso äussert sich Philo (in Flaccum). Herr, rief 
er dem judenfeindlicheu römischen Statthalter in Alexan- 
drien zu, wir Juden freuen uns nie über das Unglück 
unserer Feinde, da unser heiliges Gesetz uns lehrt, an 
de^ Leiden Anderer Theil zu nehmen. Was aber speziell 
jew Feinde anbelangt, mit denen man im öfiFentlichen 
Kriege steht, so durfte nach dem Gesetze (V. M. 20, 10) 
letzterer ohne vorhergegangene Friedenseröifnung nicht 
unternommen werden. Diese Verordnung hatte sogar von 
den 7 kananitischen Völkern zu gelten (Maimonides , Kö- 
nige VI, 1). Als Josua, lautet eine Stelle im Talmud 
(Jeruschalmi Schebiith VI) zur Eroberung Palästina's 
sich anschickte, sandte er Boten mit folgenden Anträgen 
in's Land. Wer Frieden wünscht, der mache Frieden, 
wer das Land freiwillig räumen will, der wandere aus, 
wer zum Kriege Lust hat, bereite sich dazu vor. Eine 
andere SteUe (Sifre zu IV. M. 31. 7, § 410) lautet: Als 
Moses den Krieg gegen Midjan anordnete, gab er den 
Auftrag, die Städte blos von drei Seiten zu belagern, die 
vierte aber frei zu lassen, um die Flucht nicht zu ver- 
hindern. Hat ein Volk Frieden angenommen, so durfte 



Gegen Apion IL, 29, c) ]^Y9 

man nicht gegen dasselbe bundbrüchig werden (Maimon. 
Könige VI, 3). Wer die sieben noachidischen Gebote 
beobachtete, lehrt derselbe ferner (ibid. VIII, 11), gehört 
zu den Frommen der Völker und wird des ewigen Le- 
bens theilhaftig. 

c) Schonung gegen Thiere ist ein besonderer Vor- 
zug der mosaischen Lehre, die besondem Gesetze sind 
wie folgt: 

1. Alle Arbeitsthiere am Sabbat ruhen zu lassen 
(IL M. 20, 10. 23, 12. V. M. 5, 14). 

2. Der Nachwuchs am Sabbatjahre, wo die Felder 
brach liegen, gehört dem Vieh (IT. M. 23, 11, IIL 
M. 25, 7). 

3. Die Kastrirung der Thiere ist verboten (III. M. 
22, 24), weil es eine Quälerei, auch wider die Natur. 

4. Thiere verschiedener Art nicht an einem Pfluge an- 
zuspannen, noch mit einander zu begatten (EL M. 
19, 19. V. M. 22, 10). 

5. Beim Dreschen dem Thiere den Mund nicht zu 
verschliessen (V. M. 25, 4). 

6. Kein Thier mit seinem Jungen an einem Tage zu 
schlachten (IIL M. 22, 28), weil dies von Grausam- 
keit zeugt (Pseudo- Jonathan,, vergl. I. 32, 12), auch 
nicht zugleich aus dem Neste zunehmen (V.M. 22, 6). 

7. Dem Lastthiere selb&t des Feindes aufzuhelfen, 
wenn es niederfällt, oder heimzuführen, wenn es irrt 
(IL M. 23, 4, 5). 

8. Das Thier, das zum Fleischgenusse dient, nicht 
unter schmerzhaften Leiden zu tödten, daher das 
Schlachten. 

Der Talmud (Baba-mezia, p. 52, b.) Maimonides (über 
Mörder XIII) stellt den Satz auf : TMerquälerei ist ein 
mosaisches göttliches Verbot. Josephus bringt hier femer 
den Satz : Die Thiere, die wie Schutz flehend zu unsern 
Häusern fliehen, nicht zu tödten. Auch hierüber findet sich 
kein ausdrückliches Gebot, aber es lag im milden jüdi- 
schen Charakter. Sehr rührend ist eine diesbezügliche Er- 
zählung im Talmud (Baba-mezia p. 85 a). Man führte, 
heisst es daselbst, ein Kalb zur Schlachtbank, dasselbe 

12* 



-J^QQ 0«geB Apion n. 90, a) 

t 

flüchtete und versteckte sich unter dem Mantel des R. 
Jehuda, des Heiligen. Dieser wies es zurück und rief: 
Gehe hin, das ist deine Bestimmung. B. Jehuda wurde 
bald darauf nach göttlicher Bestimmung mit schmerz- 
haften Leiden heimgesucht, weil er kein Mitleiden ge- 
zeigt. Nach vielen Jahren ereignete es sich, dass die 
Magd beim Beinigen der Zimmer kleine Thierchen zer- 
treten wollte. Lass sie beim Leben, rief ihr der lei- 
dende Patriarch zu, es heisst doch (Ps. 145, 9), seine 
Barmherzigkeit verleihet der Herr air seinen Geschöpfen. 
Von dieser Stunde an ward der Leidende von allen sei- 
nen Schmerzen befreit. Wer Barmherzigkeit kennet, 
wurde im Himmel beschlossen, dem werde auch Barm- 
herzigkeit zu Theil. Unsere Vereine gegen Thierquälerei 
mögen diesen Satz zu ihrem Wahlspruch wählen. 

30. Abschnitt. 

a) In diesem Abschnitte spricht Josephus den Satz 
aus, dass das Judenthum keinen bürgerlichen Lohn für 
den Tugendhaften bestimmt, weü die Tugend freier Aus- 
fluss des Gewissens sein muss. Aber auch ein göttlicher 
Lohn ist dafür in diesem Leben nicht zu erwarten, son- 
dem erst nachher durch die Erweckung und Erlangung 
eines neuen und besseren Seins. Diese Grundsätze sind 
echt talmudisch. Seid nicht, wie die Sclaven, lehrte 
Antigonos (lebte zur Zeit der Maccabäer), die ihrem 
Herrn dienen in der Absicht, eine Belohnung zu erhalten, 
sondern wie Diener, die ihrem Herrn dienen ohne Büek- 
sicht auf Lohn (Spr. d. V. I. 3). Dass diese Lehre An- 
lass zur Bildung der Zaduzäersecte gegeben, ist allge- 
mein bekannt. Ein anderer talmudischer Satz lautet: 
Hienieden gibt es keinen Lohn für die Befolgung der 
göttlichen Gebote; denn es heisst (V. M. 8, 1): Heute 
beachtet sie zu thun, d. h. heute zu thun, aber nicht 
heute schon belohnt zu werden (Aboda-sara p. 3 a). 

Hand zur Hand bleibt vom Unglück nicht frei 
(vSpr. 11, 21), d. h. erklärt der Midrasch (Jalkut zu V. 



Gegen Apion IL, 30, b) |g]^ 

M. 7, 12 §. 847), wer mit der einen Hand eine Tugend 
ausübt und zugleich die andere ausstreckt, um den Lohn 
dafür zu erhalten, der bleibt von Strafe nicht frei. 

b) Wie wir oben gesehen, so bekennt sich Josephus 
in diesem Abschnitte zu der Lehre über die Auferweckung 
der Todten, was ebenfalls eine talmudische Lehre. Man 
hat sich gewöhnt, dieses Dogma als ein talmudisch 
zoroastrisches Product zu betrachten, wie die Talmudisten 
mehrere derartige Lehren durch ihren Umgang mit den 
Persern angenommen. AUein abgesehen, dass selbst der 
erste Jesajas (26, 19) diese Lehre bereits kannte, geht 
aus den poetischen Bildern der ältesten jüdischen Pro- 
pheten, wie Gott tödtet und belebt, führet in die Gruft 
und wieder hinauf (L Sam. 2, 6), klar hervor, dass dieser 
Glaube sehr frühzeitig feste Wurzeln im Volke geschlagen. 
Plinius (bist. nat. IL 5) zählt die Auferstehung unter 
die der Gottheit selbst unmöglichen Dinge. Es ist wahr- 
scheinlich derselbe ungläubige Philosoph, von dem uns 
der Talmud (Sanhedrin p. 90 , b) ein Gespräch zwischen 
ihm und ß. Gamliel aufbewahrt. Jener richtete näm- 
lich die Frage an den jüdischen Patriarchen zu Jahne: 
wie könnt ihr glauben, dass die Todten wieder auf- 
erstehen, da sie doch zu Staub werden, wie kann Staub 
sich beleben? Die Königstochter, die ihm mit dem 
Beispiele der zwei Hafner geantwortet, ist wahrscheinlich 
die Tochter des Hadrian, die so häufig mit jüdischen 
Gelehrten Umgang gehabt (S. oben I. 1, b). Dieses 
Dogma erregte im Mittelalter eine heftige Polemik 
zwischen Maimonides und seinen Gegnern. Esterer bringt 
zwar in seinem berühmten Werke (Teschuba IE, 6) 
die Lehre von der Auferstehung der Todten, im Allge- 
meinen ohne jede weitere Erklärung. In einem späteren 
Abschnitte (VIU), wo er über das Jenseits, ^die Unsterb- 
lichkeit der Seele und das messianische Zeitalter sich so 
weitläufig auslässt, macht er vom obigen Dogma gar 
keine Erwähnung, was von Vielen als eine Leugnung des- 
selben angesehen wurde. Maimonides sah sich veranlasst, 
eine eigene Abhandlung über diesen Gegenstand abzu- 
fassen, die auch seinen Briefen beigedruckt ist. 



1 QO Gegen Apion IL, 31, a) 



31. Abschnitt. 

a) Unsere Verfassung, s2Lgt hier Josephus, dauert 
schon länger als 2000 Jahre. Es ist hier natürlich von 
der mosaischen Gesetzgebung die Bede, ob diese Angabe 
richtig oder nicht, werden wir bald sehen. Da wir bereits 
die Chronologie über 4 Epochen , nämlich von der 
Schöpfung bis zur Sündfluth, bis zur Geburt Abrahams, 
bis zum Auszuge aus Aegypten und von da bis zur Er- 
bauung des salomonischen -Tempels geliefert (I. 1. c. 11. 
2. d), so wollen wir hier noch die zwei letzten Epochen» 
nämlich die Dauer des ersten Tempels und den Bestand 
des zweiten chronologisch beleuchten. Nach der jüdischen 
Tradition verstrich seit dem Auszuge aus Aegypten bis 
zur Zerstörung des. zweiten Tempels durch Titus blos 
ein Zeitraum von 1380 Jahren, und zwar 480 bis zur 
Erbauung des ersten Tempels, 410 bis zu dessen Zer- 
störung, 70 in der babylonischen Gefangenschaft und 420» 
so lange der zweite Tempel gestanden. Nach Josephus 
ergeben diese zwei Epochen die Summe von 1784 Jahren 
und zwar 612 bis zur Erbauung des ersten Tempels» 
470, so lange er gedauert, 7(32 von der Zerstörung des 
ersten Tempels bis zur Auflösung des zweiten jüdischen 
Eeiches. Bios nach Seyfart's System, der vom Auszuge 
aus Aegypten bis zum ersten Tempel die Summe von 
880 Jahren annimmt, dauerte die mosaische Verfassung 
bis zur Zeit Josephus länger als 2000 Jahre. Wir wollen 
nun zur Feststellung der ersten unserer zwei Epochen, 
nämlich während des ersten Tempels, schreiten. 

Man sollte glauben, dass hierüber gar keine Schwierig- 
keit obwalten dürfte, da die Eegierungsjahre aller Könige 
von David angefangen bis zum letzten jüdischen Könige, 
dem unglücklichen Zedekias, in der Schrift genau an- 
gegeben sind, und was noch mehr zu verwundem, die 
Septuaginta nicht bei einer einzigen Zahl vom hebr. 
Texte abweicht, und doch sind die Differenzen dabei 
mannigfach, wie dies schon aus den abweichenden Zahlen 
zwischen Talmud und Josephus über die Dauer dieser 



Qegen Apion II., 31, ») Jgg 

Epoche hervorgeht. Die Hauptschwierigkeit besteht darin : 
Die Schrift gibt uns zur Sicherstellung dieser Zeitepoche 
eine doppelte Eechnung, nämlich für die jüdischen und 
israelitischen Könige an, und eben in dieser Doppel- 
rechnung kommen die Differenzen vor. 

Rechnet man die einzelnen Regierungsjahre der 
jüdischen Könige während des ersten Tempels, d. h. vom 
vierten Regierungsjahre Salomo's angefangen, wo der 
Tempel erbaut worden ist, zusammen, so kommt die 
Summe für den Bestand dieses Heiligthumes 430 *) Jahre 
heraus; also mit 20 Jahren höher, wie es der Talmud 
angibt. Da jedoch die Schrift bei jedem Könige nur 
ganze Jahre angibt, während doch einige nicht so voll- 
ständig ihre Regierungszeit ausgefüllt haben würden, so 
lässt sich von obiger Summe 430 wenigstens 5 Jahre 
abziehen. Dass aber der Talmud noch mit 15 Jahren weniger 
hat, kommt daher, weil nach ihm Usia, der 52 Jahre 
regierte, 15 Jahre als Mitregent beim Leben seines 
Vaters Amazia schon herrschte , welche 15 . Jahre also 



*) 20 jüdische Herrscher: 

1. Rehjibeam regierte 17 Jahre 

2. Abiam „ 3 „ 

3. Asa „ 41 „ 

4. Joschafat .. 25 „ 

5. Joram „ 8 „ 

* 6. Achasia „ 1 « 

7. Athalia „ 6 „ 

8. Jehoas „ 40 „ 

9. Amazia „ 29 „ 

1 0. Usia r 52 „ 

11. Jotham „ : 16 , 

12. Achas „ 16 „ 

13. Hiskia „ 29 „ 

14. Manase „ 55 „ 

15. Amon „ 2 „ 

16. Josias „ 31 „ 

17. Joachas » .3 Monate — „ 

18. Jojakim „ 11 „ 

19. Jojachin „ 3 Monate — „ 

20. Zedekias „ 11 „ 

T93 Jahie 



]^g^ O^gen Apion II., 31, a) 

zweimal, beim Vater und beim Sohne, mitgerechnet 
wurden, (Sieh' Commentar ßaschi zu IL Könige 14, 17, 
22). David Kimchi (zur eben zitirten Stelle) versucht 
eine andere Lösung. Nach ihm dauerte der erste Tempel 
in der That 430 Jahre, der Talmud hingegen rechnet 
den eigentlichen Bestand blos bis zum vierten Jahre des 
Köniü^s Jojakim, d. h. bis zum ersten Auftreten des 
Königs Nebuchadnezar, von wo bis zur gänzlichen Zer- 
störung noch 20 Jahre verflossen, ab'er Judäa war nicht 
mehr als ein Schattenreich' und seine Könige Vasallen 
von Babylon. Wir wollen noch eine dritte Lösung her- 
vorheben. Nach dem Tode Salomo's theilte sich wie be- 
kannt das Keich in zwei Hälften, in das jüdische und 
in das israelitische Reich, letzteres, das im neunten Jahre 
des israelitischen Königs Hoseas oder im sechsten Jahre 
des jüdischen Königs Hiskias aufgelöst wurde, dauerte 
240*) Jahre. Von dieser Epoche bis zur Zerstörung des 
Tempels unter Zedekias verstrich ein Zeitraum von 
133 Jahren, dazu die 37 Jahre unter König Salomo 
gerechnet, so gibt dies gerade die Summe von 410 Jahren. 



» 



*) 10 israelitische Könige: 

1. Jerobeam regierte 22 Jahre. 

2. Nadab „ 2 „ 

3. Baesa „ 24 „ 

4. Ela \ 2 „ 

5. Simri „ 6 Tage — „ • 

6. Omri „ 12 „ 

7. Ahab „ 22 „ 

8. Achasia ,. 2 ,, 

9. Joram ,, 12 „ 

10. Jehu • ,, 28 „ 

11. Joachas ,, 17 ,, 

12. Joas ,, 16 „ 

13. Jerobeam IL ,, 41 

14. Sacharia ., 6 Monate — „ 

15. Salum ,. 1 Monat — „ 

16. Menachera ,, 10 „ 

17. Pekachja „ 2 „ 

18. Pekacl. 20 „ 

19. Hoseas ,, 8 „ 

Zusammen . . . 240 Jahre. 



Gegen Apion II., 31, b) ^Qg 

Freilich rechnet man von Kehabeam bis zum 6. Jahre 
HisMas , wo das israelitische Reich sich auflöste, so 
kommen 20 Jahre mehr, nämlich 260 heraus, was auf 
irgend eine Weise durch Interregnum oder Mitregent- 
schaft ausgeglichen werden muss. Der Talmud aber hielt 
sich an der Berechnung des israelitischen Reiches, weil 
dies die grössere Hälfte und auch die meisten Propheten 
hatte. Josephus hingegen gibt für den Bestand des ersten 
Te-mpels 470 (Ant. X. 8, 5) oder 477 (Krieg VI. 10. 1) 
an; er rechnet jedoch von der Eroberung Jerusalems 
durch König David, es blieben also für den eigentlichen 
Tempel 440, welche Zahl auch Philo hat und was daher 
kommen soll, weil in manchen Exemplaren der Septua- 
ginta zu IL Chr., 33, 21 der jüdische König Amon nicht 
2, sondern 12 Jahre regiert haben soll. Josephus (Ant. 
X. 4, 1) hat jedoch für diesen König blos 2 Jahre. 

6) Viel schwieriger jedoch fällt uns, einen Ausgleich 
zwischen Talmud und Josephus in Betreff des zweiten 
Tempels zu Stande zu bringen. Nach dem Talmud ( Joma 9, 
Aboda-sara 9) dauerte diese Epoche 420 Jahre und 
zwar 34 Jahre unter persischer Herrschaft, 180 Jahre 
unter den griechischen Regenten, 103 Jahre unter den* 
Hasmonäern und eben 103 Jahre unter der herodianischen 
Familie. Lassen wir auch die drei letzten Epochen, wobei 
die Differenz mit Josephus als auch andern profanen 
Schriftstellern nur unbedeutend, als richtig; so geht dies 
doch in Betreff der ersten Periode durchaus nicht an, 
da bekanntlich die persische Herrschaft beinahe 200 Jahre 
gedauert. Josephus (Ant. XX. 10, 1) gibt folgende Zahlen 
an: Unter persischer und griechischer Herrschaft 424 
Jahre, also mit 210 Jahren mehr als der Talmud, unter 
den Hasmonäern 111 und unter den Herodianern 107 
Jahre, zusammen also 642 Jahre. Davon etwas abweichend, 
nämlich 639, auf einer andern Seite (Krieg VI. 4, 8). 
Es scheint, dass in den ältesten Exemplaren des Talmud der 
hebräische Buchstabe R, was 200 bedeutet, ausgeblieben 
und es soUte heissen: Unter persischer Regierung 
234 Jahre. Allein nach dieser Emendation wäre unsere 
gegenwärtige Berechnung, 5628 unrichtig und wir 



1 gg Gegen Apion II., 31, b) 

müssten 5828 zählen, da in diesem Jahre seit der Zer- 
störung des zweiten Tempels eben 1800 Jahre abge- 
laufen und zwar 1656 bis zur Sündfluth, bis Abraham 
292, bis zum Auszug 500, bis zum ersten Tempel 480, 
beide Tempel 1100 und seitdem 1800 gibt die Summe 
5828. Nach genauen Berechnungen jedoch stand der 
zweite Tempel, vollendet im 6. Jahre des Darin?, 
586 Jahre. 



Sach- und Namen-Register 

über die 



A. 

Abraham, wann wurde er nach der Sündfluth geboren? I. 1. e. 
Ackerban, ursprüngliche Bestimmung des jüdischen 

Volkes I. 12. a. 

Aegypten, soll keinen einheinuBchen König mehr 

haben II. 11. 

Aegypter, wann wurde die Beschneidung bei ihnen 

eingeführt? II. 13. J. 

Aegypter, räumten den Frauen die Macht über die 

Männer ein 11. 13. d. 

Aegypter, legten den Männern Frauenarbeit auf . . ibid. 
„ befreiten die Söhne von der Pflicht, die 

Eltern im Alter, zu erhalten II. 27. a. 

Ahron, sein Geist lebte im ersten Tempel fort .... I. 18. 

Avaris, Sammelplatz der Hyksos I. 14. 

Abtreibung, der Leibesfrucht bestraft IL 24. df. 

Alexander der Grosse opferte zu Jerusalem 11. 5. 

Alezander Janai übte die Leviratsehe aus I. 7. a. 

Altar, seine Grösse in den verschiedenen Tempeln . . I. 22. b, 

„ (goldener), dessen Grösse und Stellung .... I. 22. e, 

„ wurde von den Körnern nicht weggeführt . . . ibid. 

Alter, Achtung gegen dasselbe . 11. 27. &* 

Amalekiten, Nicbtnachkommen Esau's . I. 14. 

Anpflanzungen im Heiligthume verboten I. 22.. c. 

Antropophagie II. 18. a. 

A p i n , grösster Judenfeind seiner Zeit (Einleitung zum I. Buche). 
„ dessen Lebensbeschreibung (Einleitung zum IL Buche). 

Astyages, Schwiegervater Nebuchadnezars I. 20. 

Auslösung der Erstgebornen, Zeremoniell II. 25. 

Auferstehung der Todten IL 30. *. 

Ausländer bei den Aegyptern und Griechen verhasst IL 10. 

Ar du na, ägypt. Stadt, identisch mit ArsinoS IL 2. &. 

B. 

Berosus, chaldäischer Geschichtschreiber I. 20. 

Belschazer, Sohn oder Enkel von Nebuchadnezar ? . . ibid. 



JQg Sach- und Namen-Register. 

Bestattung der Todten ohne Pomp IL 26. a. 

Beschneidang, ging zuerst von Ähraham ans. ... Ü. 13.6. 

Gründe für deren Einführung . . . ihid. 



»» 



»» 



die drei dabei Yorkommenden Funk- 



»> 



tionen ibid. 

„ das dabei zu beobachtendeCeremoniell II. 25. 

Beschneidungsmesser, dem Josua in's Grab mit- 
gegeben IL 13. 5. 

Bibel, Zahl der Bücher und deren Eintheilung .... I. 8. 

und n. 8. d. 

Beweise für deren Wahrhaftigkeit I. 8. «. 

Babylon, Stammland Israels I. 13. 

„ Asyl für das geistige Leben der Juden . . . ibid. 

Bildsäule, im Heiligthum verboten L 22. <i. 

Bewachung des Tempels bei Tag und bei Nacht . . I. 22./. 

Boas und Jachin, deren Bedeutung IL 2. c 

Bestechung, deren Strafe 11- 27. A 

Briefe, schon zu Mosis Zeit * . I. 2. 

Buchstaben, wann und unter welchem Volke erfunden ? I. 2. 

Bar-Kamzar, Erfinder einer Art Typographie .... ibid. 

G. 

Chronologie von der Schöpfung bis zum Auszuge aus 

Aegypten I. 1. c 

vom Auszuge bis zum salomon. Tempel IL 2.^. 
bis zur Zerstörung des Tempels durch 

Titus IL 31. 

Chaluzah, darf kein Ahronide heiraten L 7. a. 

Chi ja, Restaurator der jüdischen Tradition L 13. 

„ Kenner der griechischen Versionen I. 8. a. 

„ Begünstiger der Kinderschulen I. 12.Ä. 

Chi r am, tvrischer König, Salorao's Freund I. 17. &. 

,, phönizischer Architect ibid. 

Chir am II. aus Babylon I. 18. 

Chan an ja beu Gorjon, sein Velrdienst um das 

Buch Hesekiel I. 8. e?. 

C h e 1, Zwinger im Tempelberge 11. 8. *. 

Chabul, im Lande GaÜlea I. 17. c. 

D. 

Denkmäler für Fromme nicht nothwendig 11. 26. «. 

Dreschen, dem Thiere dabei den Mund nicht zu ver- 

schliessen * II. 7.fi. 

Ehe, ihr Zweck ' IL 24.J. 

„ verschiedene verbotene Grade für Priester .... I. 7. a. 

E lisch a ben Abu ja, seine Lehren 11 17. a. 

Elternverehrung 11. 27.fl 

Entwöhnung der Kinder IL 25. 

Epaphroditas, dem Josephus seine Werke gewidmet I. 1 . o. h. 



Sach- und Namen-Register. 



189 



Eselskopf, Fabel der Alten 

Ewilmerodach, Nebuchadnezar's Nachfolger . . . 
Esther, sollte vom Canon ausgeschlossen bleiben . 

F. 

Feinde, nicht zn hassen 

Fremde, nicht zu verachten 

Fruchtbarkeit Palästina's 

Fusstritte zur Bezeichnung der Tagesstunden . . . 
Frauenhalle, deren Bestimmung im Tempel . . . 

O. 

Gamliel, Patriarch nach der Zerstörung Jerusalems 

„ dessen Iteligionsgespräche in Itom 

Gastmähler bei Geburt und Beschneidung 

Gastwirthin, darf ein Priester nicht heiraten p, . 

Gebet für Regenten 

Gebete sollen für das Allgemeine sein 

Gebete, deren echte Abfassung 

Geheimnisse, Freunden nicht vorenthalten .... 

Gnomon, dessen Erfinder 

Gesetzgebung, mosaische, ihre Systematisirung . 

Gitterwerk im Tempelhofe 

Gefangene Frauen darf kein Priester heiraten . . . 
Gleichberechtigung, durch Moses ausgesprochen 

Gottes Name , der 72-buchstäbige 

Gott, Anfang, Mitte und Ende aller Dinge • . . . . 

Griechische Sprache und Literatur 

„ „ eine Sprache der Phantasie 

nach dem Talmud . 
Griechische Bibelübersetzung 

H. 

Handel und Schiffahrt 

Heiligung des göttlichen Namens 

Heiden, wie weit ihnen der Eingang in den Tempel 
erlaubt 

„ zu nähren, pflegen und bestatten . . 
Hesekiel sollte vom Canon ausgeschlossen sein 
Hesiodische Schule als Gegensatz zur Homerischen 
Hekataeus, Verfasser einer jüdischen Geschichte . 
Hadrian, seine Gespräche mit E. Josua 

„ ertheilt die Erlaubniss zum Tempelaufbau 

He rode s Hess die jüdischen Stammregister verbrennen 
Hyrkan I., sein Streit mit den Pharisäern . 
Hillel brachte Stammregister von Babj^lon . 
Hyksos, verschiedene Bedeutung des Namens 

„ von Sanchoniathon erwähnt 

Heros, Stadt in Aegypten . . 

und 



TT. 


7.a.. 


I. 


20. . 


I. 


S.d. 


IT. 


29.6. 


n. 


10. 


I. 


12. a. 


IL 


2. a. 


U.9.17.*. 


I. 


l.h. 


ibid. 


IL 


25. 


I. 


7.a.. 


n. 


6. 


n. 


23.*. 


IL 


23. c. 


n. 


27. c. 


IL 


2. c. 


IL 


14. 


IL 


S.b. 


I. 


7. c. 


IL 


10. 


I. 


1. c». 


TL 


22. 


I 


4.5. 


I. 


3. 


I. 


14. 


I. 


12.0. 


I. 


8. c. 


IL 


S.b. 


IL 


29. 


L 




I. 


3. 


L 


22, 


L 


1. J. 


ibid. 


I. 


l.b.. 


I. 


l,c. 


L 


l.h. 


I. 


14. 


I 


17. a. 


L 


14. 


TT 


2.b, 



1 (jA 3ach> und Namen>Segi8ier. 

Harfe (Aeolas-) des Königs David II. 2. c 

Homer, Begründer einer Schale I. 3. 

„ ob er die Bachstaben kannte I. 2. 

Haftarah, aas welcher Absicht eingeführt I. 8.5. 

and n. 17. r. 

Hirten, von den Aegyptem verachtet I. 14. 

nnd n. 13. 

I. J. 

J e h ad a der Heilige, seine Prophezeiung über Aegypten 11. 11. 

Josaphat, Reformator der Rechtspflege II. 21. 

J oj achin, seine Befreiung aus dem Kerker I. 20. 

J s u a , wie lange er Führer des Volkes war 11. 2. rf. 

Josaa ben Chananja, seine Gespräche mit Hadrian I. 1. b. 

Josaa ben Gamla, Begründer von Volksschulen . . L 12. b. 

Israel, Märtvrervolk Gottes L S. e. 

„ in 24 Tempelbeiständen II. S.d. 

K. 

Kindesmord, mit welcher Strafe belegt? 11. 24. d. 

Karäer stellen die Propheten dem mosaischen Gesetze 

gleich I. 8. 6. 

Kaligala, sein Benehmen gegen Philo. (Einleitung zum 2. Buche). 

I.. 

Lehre Gottes, was für ihre Wahrhaftigkeit spricht. I. 8. 

„ „ nimmt keine Verunreinigung an . . U. 24. e. 

Leviratsehe, ob beim Hohenpriester gestattet .... I. 7. a. 

Leibesfrucht, als menschliches Wesen betrachtet . II. 24. d. 

Leuchter, goldener, im Tempel : . . I. 22. c 

Laien, ob sie Mitglied des Synhedrin sein durften . . 11. 21. 

Lohn, für Tagend gibt es hienieden nicht U. 30.a. 

Leviten, bewachten den Tempelberg auf 21 Seiten . I. 22. /. 

„ in 24 Tempelposten eingetheilt 11. S,d. 

Liebe gegen Fremde IL 10. 

Leichnam, Gründe für die Vernnreinigang 11. 26. 5. 

M. 

Mechokekim, eine Art hebr. Dichter . . .* I. 3. 

Mark Aarel, sein Gespräch mit R. Jehuda IL 11. 

Manetho. ägyptischer Geschichtschreiber I. 14. 

Menschenopfer bei den Aegyptern 11. 10. 

Märtyrerthum Israels 1. 8. *. 

Moses, warum er auf fremdem Boden begraben . . (Einleitung). 

„ der erste , der feststehende Tempel eingeführt 11. 2 a. 

V. 

Nebuchadnezar, liess seinen Sohn Ewilmerodach ein- 
kerkern ; . I. 20. 

Nergilasser, identisch mit Belschazer ibid. 

Nizebeth, Mutter Königs David L 17.d. 



Sach- und Namen-Begister. 191 

o. 

O n , Heliopolis , Geburtsort Mosis II. 2. a. 

Od las, Erbauer eines Tempels in Aegjpten 11. 2. b, 

Opfer von Heiden anzunehmen IL 5. 

„ täglich im Tempel für heidnische Regenten . . 11. 6. 

., kömmt nicht auf die Grösse an 11. 23. a. 

Oeco nomische Kegel für den Feldbau nach dem Talmud I. 12. a. 

P. 

Pharao, Bedeutung dieses Namens L 14. 

Pharisäer, ihr Streit über das tägliche Opfer .... EL. 6. 

Philo aus Alexandrien (Einleitung z. 11. B.) 

Philo aus Biblos I. 17. a. 

Polygamie bei den Hohenpriestern verboten I. 7. a. 

Proselytin darf kein Priester heiraten ibid. 

Priester, Lehrer, Richter, Executoren II. 21. 

„ bewachten den Tempel auf 3 Seiten .... I. 22. /. 

„ in 24 Classen eingetheilt IL 8. <2. 

Pädagogische Regeln nach dem Talmud ..... I. 12. b. 

Praxis oder Theorie IL 17. a. 

Polyandrie bei den Griechen II. 24. «. 

B. 

Räucheraltar, Räucherpfanne IL 8. <?.. 

Ramses, Bedeutung dieses Namens I. 14. . 

Räthsellösung zwischen Salomo und Chiram .... IL 13. a. 

8. 

Salomo, dessen Bücher sollten vom Canon ausge- 
schlossen bleiben I. 8. rf. 

Samuel, Verfasser des 83. Psalms L 17. 6. 

„ wie lange er Führer des Volkes war IL 2.d, 

Sanchoniathon, phöniziächer Geschichtschreiber . . I. 17. a. 

Saul, wie lange er regierte IL 2. rf. 

Simeon ben Gamliel, dessen Spruch U. 14. 

Seleukus liess Opfer im Tempel bringen 11. 5.«. 

Selbstmörder nicht unbegraoen zu lassen II. 29.«. 

Sinaitische Gesetzgebung, warum Israel ertheilt I. 7.6. 

Sofrim, als Rhapsoden in der hebräischen Poesie ... I. 3. 

Sündfluth von Sanchionathon verschwiegen I. 20. 

Sonah, Bedeutung diese:« Wortes I. 7. a. 

Synhedrion konnte auch aus Laien bestehen 11. 21. 

Synagoge, ihre Entstehung 11. 17. 6. 

Stammreg'ister für Priester und Laien I. 17. 5. 

Schulen, deren Wichtigkeit nach dem Talmud .... I. 12.6. 

Schaddai, dessen Bedeutung. . . , 11. 22. 6. 

Schotrim, ihre Bedeutung , I. 2. 

„ von den Leviten IL 21. 

Schulptlichtigkeit der Kinder nach dem Talmud I. 12 6 



1 QO Sach- und Nameo -Register. 

Schitin, eine Vertiefung unter dem Tempel I. 22. i. 

Stein (Schetija) im Allerheiligsten • . . II. 8. c, 

Schweinefleisch, warum dessen Genuss verboten ? . IL 13. a. 

T. 

Tempel (serubabelischer) I 22. 

„ verschiedene Grade der Heiligkeit II. 8. &, 

„ seine Bewachung bei Tag und Nacht I. 22./. 

„ dessen Sonnenrichtung bei den Juden verpönt II. 2. b. 

Tempelberg, dessen Grösse I. 22. a. 

Tempelthore,5 auf dem Teropelberg, 7 in der Asarah II. 9. 

T e m p e 1 p s t e n , 24 I. 22. /. 

Ter ach, in welchem Alter er starb I. 1. 

Thierquälerei, durch Moses verboten IL 29. c 

Thora, ihre ßabbatliche Vorlesung IL 17- 6. 

„ ihre Verlesung am Schmittajahre ibid. 

„ Pflicht zur Abschreibung eines Exemplares . . IL 18. 

,t Beweis für ihre Wahrhaftigkeit IL 22. a. 

Todte, warum sie verunreinigen IL 26. 6. 



U. 

Uhren, gab es deren zu Mosis Zeit? . . . . , II. 2. c 

Unterricht bei den alten Juden I. 12. &. 

W. 

Wasserlibation im Tempel I. 22. 6. 

Wein stock (goldener) im Tempel , . . . . 1.22.d, 

Waffen, im Tempel bewahrt ibid. 

Weib, dessen Stellung IL 24. c 

Waschungen nach ehelichem Umgange IL 24. c 

Wasser und Feuer Fremden zu bieten IL 29. <?. 

Wucher L 12. 

Z. 

Zaduzäer, ihre Ansicht über die prophetisch. Bücher L 8. b. 

„ ihr Streit in Betreff der täglichen Opfer . II. 6. 

Zehnt, wurde durch Esra den Leviten abgenommen . U. 21. 




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