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THE ELMER BELT LIBRARY OF VINCIANA
A gift to the Library of the University of California,
Los Angeles, from Elmer Belt, M.D., 1961
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Des vortreflichen
„ anac Mahlers
| LIONARDO DA VINCI
hoͤchſt⸗nuͤtzlicher
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Stollänichen und Suni chen
in das Teutſche übe
Auch nach dem Original mit picken Kupfern und
| ſauber Hole nen verſehen: |
beygefuͤgtem &eben des Aukoris
sum Drud befördert,
Johann Georg Böhm. Sen,
Zweyte Auflage. *
Nuͤrnberg,
In Verlegung Chriſtoph Welgel, Kunſt⸗ Haͤnblers,
Gedruckt bey Andreas Bieling 1747.
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Vorbericht.
Er überaus nügliche Tractar von der Mahlerey, den der groſſe
Virtuos Lionardo da Vinci, unter andern ſeinen Schriften hin;
DR fer fich gelaſſen, wäre es nur mehr als zu würdig geweſen, daß man
ihn zum Vortheil dererjenigen, welche eine fo ſchoͤne Kunſt immer
oollkommener zu machen begierig ſeyn, gleich nach des Autoris
Abſterben, der Welt durch den Druck mitgetheilet hätte. Indem
aber das Original in den Haͤnden der Itallaͤner verblieben, die fo
eifferfüchtig heiſſen, daß fie von dem Ruhm, den ſich jemand bey
ihnen erworben, andern Nationen keinen Antheil gönnen : fo dürfte
vielleicht dieſes Werckroch länger indem Staube eines Cabiners
geſtecket ſeyn, wenn es nicht von den Frantzoſen wäre zur Preffe bes
foͤrdert worden. Ein Maylaͤnd iſcher Mahler hat es zwar ſchon lange zuvor auf ſeiner Reiſe
nach Rom durch Florentz, dem dazumal daſelbſt berühmten Vallari gezeiget, und dabey
erwehnet, daß er es zu Rom drucken laſſen wolte: allein feine Worte haben mit der That
nicht überein getroffen Als ſich Monfieur Chantelou und Monfieur de Chambray,
zween Frantzoͤſiſche Herren von Adel, im Jahr 1640. zu gedachten Rom aufgehalten,
trafen fie bey dem Cavaliero Pozzo, ein Manufcript von dem oberwehnten Tractat
an, worinnen die darzu gehörige Figuren, von der Hand des belobten Mablers Pouffin
gezeichnet geweſen; der oͤfter gegen ſeine Freunde geftanden, wie er aus den Schriften
des Lionardo da Vinci, diejenige Wiſſenſchaften in der Mahlerey erlanget, die er ſich
darinnen zugeeignet haͤtte Als nun bemeldter Poꝛzo dieſes Manuſeript an den Monſieur
Chantelou abgetretten, brachte es derſelbe zuruͤck nach Paris; woſelbſt es hernach
Montieur du Fröne bekam, der es mit verſchiedenen andern Abſchriften, wovon ihn
auch der Herr Tevenot eine communiciret, auf das ſorgfaͤltigſte collationirte. Wie er
alles in eine rechte Ordnung gebracht, und das, was aus Unverſtand und Unachtſam⸗
keit der Copiſten, undeutlich oder wider den Sinn des Auccoris falſch geſchrieben wor⸗
den, gehoͤriger maſſen hergeſtellet hatte, bediente er ſich zu noch beſſerer Einrichtung des
Werckes, des berühmten Mahlers Erhard, der auſſer allerhand Zierathen, noch mars
cherley Figuren beygefuͤget, welche Pouſſin in dem Manuſeript des Monfieur Chante-
lou nur ſchizziret oder bloſe Ideen davon entworfen. Als demnach das Werck feine
Vollſtaͤndigkeit erlanget, gab es der Herr du Frene bey dem Buchdrucker Jacob Lan-
glois, zu Paris unter die Preſſe, bey dem es mit einem Anhang von des Leonis Baptiſtae
Alberti drehen Büchern von der Mahlerey, und einem Tractat von der Scatua, unter der
Zuſchrift an die Königin Chriftina in Schweden, Anno 1651. iu Regal Folio wuͤrck⸗
lich gedruckt und fertig geworden if, Weil a dieſes in Italianiſcher S
4 ehen,
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Vorbericht, >
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gehen, ſo publicirtezu gleicher Zeit Monſieur de Chambray feine Frantzoͤſiſche Uberſe⸗
sung dar von; damit auch feine Lands Leute, einen Nutzen aus dieſem Buche ziehen moͤch⸗
ten, welche das Italiaͤniſche nicht verſtunden. Indem deſſen groſſer Format ſich beſſer in
die Cabinette und Bibliothecen, als zum Gebrauch der ſtudirenden Mahler und ande⸗
rer Liebhaber dieſer herrlichen Kunſt ſchickte; man auch nach der Hand wargenommen,
daß in der Verſion des Herrn de Chambray viele Dinge und Redens-Arten geſtan⸗
den, die heunt zu Tage nicht mehr zu dulten ſeyn; uͤber dieſes unterſchiedliche Sachen mit
eingefloffen, die weder mit dem Italiaͤniſchen Original, noch mit der Abſicht des Au-
thoris uͤbereingeſtimmet: ſo gab neulich Anno 1716. der Pariſer Buchfuͤhrer und
Kupferſtecher Giffaret, die revidirte und verbeſſerte Uberſetzung des Herrn de Char-
mois in Octav heraus. Die Figuren ſolcher neuen Frantzoͤſiſchen Edition beſtehen zwar
theils nur in Holzſchnitten, und theils in Kupferſtichen: er hat aber die letztern nur mit
bloſen Umriſſen machen laſſen, weil man ſie erſtlich nicht, wie in der Italiaͤniſchen Edition
zu ſehen, ganz ausgearbeitet brauchet, und dann, damit der Preiß des Buches nicht zu
hoch zu ſtehen kaͤme. Indeſſen find doch auch viele völlig ausgeſtochen, und er hat dem
Buche, das Leben des Authoris beydrucken laſſen, welches bey der erſten Edition, im
Franzoͤſiſchen Texte gemangelt hat. Da nun alſo von dieſem ſchoͤnen Wercke, bißhe⸗
ro dreyerley Auflagen in zweyerley Sprachen befand geweſen, die von den Kunſtver⸗
ſtaͤndigen, mit groſſer Begierde aufgenommen, und von vielen ein groſſer Nutzen daraus
gezogen worden, ſo duͤrften ſich etwan einige nicht wenig wundern, warum es nicht auch
in Teutſcher Tracht erſchienen, da doch in Teutſchlande an Mahlern und Liebhabern
der Mahlerey kein Mangel iſt; Hierauf iſt aber gar leicht zu antworten, oder es iſt
vielmehr die Urſache davon bald zu errathen. Wer den Tractat des Lionardo da
Vinci, jemahls Italiaͤniſch oder Frantzoͤſiſch geleſen, der wird ohnfehlbar geſtehen, daß
zu deſſen Überfegung ein Mann gehoͤret, welcher nicht nur der Sprachen gehoͤriger maſ—
ſen gewachſen ſey; ſondern auch von der darinnen enthaltenen Materie, die ſich gar
auf vielerley, zumal Mathematiſche Wiſſenſchaften gründet, eine hinlängliche Erkaͤnd⸗
niß haben muß, wenn er ſie anderſt in einen deutlichen Teutſchen Vortrag zu bringen
begehret. Gleichwie aber dergleichen Requifita bey den wenigſten vereinbahret anzu⸗
treffen, und einem Mahler, der eigentlich ſolche Arbeit verrichten ſolte, mehr eine ge⸗
ſchickte Führung des Pinſels als der Schreib- Feder zuzumuthen iſt, fo darf man ſichs
nicht befremden laſſen, daß man bißhero die guten Gedancken des Lionardo da Vinci,
in Teutſcher Sprache noch nicht lefen koͤnnen. Inzwiſchen hat ſich ohnlaͤngſt gleich⸗
wol ein auf dem Titel⸗Blat benahmter Mahler gefunden, der aus einem wolmeinen⸗
den Trieb, feinen Kunſt⸗Genoſſen und den Liebhabern der Mahlerey zu dienen, die
Uberſetzung bey feinen Neben⸗ Stunden vor die Hand genommen. Die gute Opinion
welche wir von dem Herrn Überſetzer hegen, machet uns gaͤntzlich glaubend, daß er
es nicht mißfaͤllig auslegen werde, wenn er hier ſeine Arbeit etwas anderſt antrift,
als ſie ihm aus der Feder gefloſſen iſt. Denn weil er die Verteutſchung zu
ſehr nach der Italiaͤniſchen und Frantzoͤſiſchen Conſtruction eingerichtet, auch) 95
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Vorbericht,
le aus beyden Sprachen entlehnte Wörter und Nedens: Arten, die nicht jeder-
mann fo gut wie er verſtehet, unter den Teutſchen Vortrag vermenget, fo hat
man zu deſto beſſerer Deutlichkeit, unumgaͤnglich eine Veraͤnderung des stili vor⸗
nehmen, und alles ſo gut als moͤglich, pur Teutſch ausdruͤcken muͤſſen. Wenn von den
letztern ja einige ſtehen geblieben, fo find fie entweder fo genandte Termini Technici
oder Kunſt⸗Woͤrter; oder fie haben bey uns Teutſchen gleichſam das Buͤrger⸗Recht
erhalten, weil ihre Bedeutung bereits jedermann wiſſend iſt. Obſchon der Herr Über:
ſetzer, die Verteutſchung nach dem Italiaͤniſchen und Frantzoͤſiſchen Text vollfuͤhret, ſo hat
er doch, ohnerachtet nach feinem eigenen Geſtandniß, der letztere viel deutlicher und mol,
flieſſender iſt, den erſten, als das Original, zum Grunde behalten, und darneben bey eis
nigen Capiteln, durch Anmerckungen angedeutet, wo einer von den andern abgewi⸗
chen, und welcher nach ſeinem Gutachten, das Ziel am naͤchſten getroffen hat. Wie wir
aus der beylaͤuffigen Revifion der Collation feiner Uberſetzung mit den beyden Texten
wahrgenommen, ſo muthmaſſen wir, er habe ſich des Anno 1651. gedruckten Frantzoͤſi⸗
ſchen Exemplars bedienet: da wir herentgegen die neuere Edition von Anno 1716. ge⸗
brauchet, weil wir der erſten nicht habhaft werden koͤnnen. Da nun dieſe beſſer als jene
ift, fo find unterſchiedliche von ſeinen gemachten Anmerckungen hinweg geblieben, und
dargegen etliche wenige an deren Stelle getretten, die der Herr Überſetzer darum nicht
mißbilligen wird, weil wir verſichert ſeyn, daß er als ein verſtaͤndiger Mahler, der den
Grund der Mahlerey tiefer zu befeſtigen trachtet, hierinnen einerley Gedancken mit uns
heget. Es iſt bey feiner Arbeit ſonderlich lobenswuͤrdig, daß er den ganzen Tractat des
Lionardo da Vinci, in 10. unterſchiedliche Buͤcher eingetheilet, und in jedem die dar⸗
ein gehörige Materien unter einerley Titel zuſammen getragen, welche der Auctor
hin und her zerſtreuet abgehandelt, daß oft die vorhergehende Materie mit der nachfol⸗
genden nicht die geringſte Berbindung hat. Damit man ſie aber allenfalls gleich in dem
Italiaͤniſchen oder Frantzoͤſiſchen Text finden kan, fo hat er bey jeder Obſer vation, def
ſen Capitel darzu geſetzet, und alſo auch daſelbſt eine gute Ordnung eingefuͤhret. Die
Figuren, hat er nach dem Italiaͤniſchen Original gezeichnet, und war ſonderlich aus
einigen colorirten zu erfehen, wie kuͤnſtlich er den Pinſel zu regieren weis. Der Herr
Verleger war anfaͤnglich willens, ſie alle in Holtz ſchneiden zu laſſen; da ſich aber deren
Ausfertigung zu lange verzogen hätte, fo übergab er einen Theil davon dem Kupferſte⸗
cher, und wuͤnſchet man, daß ſie nach des Herrn Überſetzers Sinn ausgefallen ſeyn moͤch⸗
ten. Um endlichen das Werck vollſtaͤndig an das Licht zu ſtellen, ſo haben wir auf des
Herrn Verlegers Begehren, demſelbigen das Leben des Auctorfs vorgeſetzet. Zu deſſen
Ausarbeitung bedienten wir uns eines theils der von Sandrartiſchen Mahler und Bild—
hauer Academie: andern theils aber ergaͤnzten wir, was dieſer mangelte, aus der
Lebens⸗Beſchreibung des Italiaͤniſchen und neuern Franzoͤſiſchen Exemplars; deſſen
der Verfaſſer in der Vorrede Meldung thut, daß er ebenfalls unterſchiedliche Umſtaͤnde
beygefuͤget, die er bey dem Vaflari, Felibien und andern angetroffen, welche das Les
ben und die Wercke der Mahler aufgezeichnet haben. Er ſaget auch, wie er viele EN
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Vorbericht.
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gehoͤrige Sachen, in einem Italiaͤniſchen Manuſeript gefunden, das er von einem curiö-
fen Mann gelehnt bekommen, wovon der Pater Mazenta ein Maylaͤnder der Verfaſſer
geweſen, der die von dem Lionardo da Vinci verfertigte Buͤcher und Zeichnungen,
ehmals in Handen gehabt. Die Durchleſung dieſes Lebens und des darauf folgen⸗
den Tractats von der Mahlerey, wird gewißlich zu, einem unumſtoͤßlichen Beweis die⸗
nen, daß derjenige hoͤchſt unbillig, ja recht unvernuͤnftig handelt, welcher den Aucto-
rem nicht vor einen Mann hielte, der feiner groſſen Kunſt und ſeltenen Eigenſchaf⸗
ten halber, ohne einige Wiederrede, mit unter die beruͤhmteſten und kuͤnſtlichſten zu
zaͤhlen iſt. Da auch unterſchiedliche groſſe Mahler, mit dem obgedachten Pouflin,
keinen Scheu getragen zu bekennen, daß ſie ſich durch Vermittelung dieſes vortref⸗
lichen Tractats, in ihrer Kunſt hoch empor geſchwungen, fo iſt nicht zu zweiffeln, daß
kuͤnftig noch mehrere ein gleiches Gluͤck und gleichen Nutzen zu gewarten haben, wenn
ſie ſo wol bey ihrer Theorie als Practic, den wohlgegruͤndeten Lehren des Lionardo da
Vinci, fleiſſig nachdencken, und ſie in das Werck zu ſtellen bemuͤhet ſeyn. Wer, wie
der Auctor durchgehends gethan, die Ausuͤbung der Mahlerey, hauptſaͤchlich auf
die Geometrie, Optic, Anatomie und Mechanic gründet, und ſich dabey die Hand
von der Natur führen läffet, der darf ſich kuͤhnlich die Rechnung machen, daß er
von dem groſſen Hauffen der Ignoranten und Stuͤmper abgeſondert bleibet, und ſich
dargegen den Ruhm oder Titel eines rechtſchaffenen Kuͤnſtlers, zueignet. Wir wuͤn⸗
ſchen mit dem Herrn Uberſetzer zum Beſchluß, daß ein jeder, der dieſes Buch in die
Haͤnde kriegt, vielen Nutzen und Vergnuͤgen daraus ziehen möge, und daß er ihm und
uns jederzeit fo gewogen bleiben wolle, als begierig wir beederſeits ſeyn,
ihm unſere aufrichtige Ergebenheit, bey allen vorfallenden Gelegen⸗
. heiten, oͤffentlich kund zu machen.
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Das Leben,
des vortrefflichen Mahlers
ILIONARDO DA VINCI.
Ts Adelichen Stammes Soheit und Großſchaͤtzung / beſtehet in
nichts anders / als in ſelbſt eigener Einbildung / welche alſo für
ch allein / keinen linterſcheid unter den Menſchen wuͤrcken
an. Wenn aber dieſe Einbildung mit ſonderbahren fihönen
| Gaben und von überirdifeher Gunſt / auch loͤblich verrichteten
Wercken begleitet wird / fo bleibet dieſelbe billich in ihrem Wehrtz ſo daß
der Goͤttliche Wille / dieſen Vorzug gleichſam ſelber befiehlet / und haben
will / daß wir dergleichen Geiſter / mehr als die gemeinen erheben ſollen.
Unter dieſe wird nicht unbillich / der vortreffliche Florentiniſche Mahler
und Bildhauer Lionardo da Vinci gezaͤhlet; als welcher auf der Leiter ſei⸗
nes tugendſamen Lebens / edler Runſt und groſſer Erfahrenheit / das nie⸗
drige Gebaͤude feines Stamm⸗Hauſes, weit uͤberſtiegen / und fich eine
groſſe Hoheit / anſehnlichen Adel und glorwuͤrdigen Preiß erworben: auch
wol verdienet hat / daß er nicht allein mit den Vornehmſten verglichen /
ſondern auch wie jene, durch ſeine loͤbliche Wercke / unſterblich gewor⸗
den iſt; nachdem er vorhero in den Armen eines Monarchen verſchieden /
— 8955 groſſe Gnade / mit jedermanns Beyſtimmung / wol verdie⸗
net hat.
Dieſer Lionardo, erblickte das Licht der Welt auf dem Schloß Vin-
ci, welches unten in dem Thal Arno, nicht weit von Florentz gelegen.
Wie er noch in feiner Kindheit ſtets allerley Zeichnungen machte / ent⸗
ſchloß ſich ſein Vater / Peter von Vinci, der nicht viel zum beſten hatte /
der guten Neigung feines Sohnes zur Mahlerey / ſo viel moͤglich auf⸗
zuhelfen. Er brachte ihn derohalben nach Florentz zu Andrea Veroc-
chio, der dazumal unter den Florentiniſchen Mahlern / als ein Geome-
tra, Opticus, Bildhauer / Baumeiſter, Goldſchmidt / Rupferſtecher /
Mahler und Muſicus, in einigem Anſtehen ſtunde / und der den Lionar-
do in die Lehre nahm. Dieweil Wee eines froͤlichen Gemuͤthes
. (* war /
Das Leben des vorkrefflichen Mahlers
war / fd lernte er auſſer der Arithmetie, Geometrie und andern nuͤtzlichen
Wiſſenſchafften / auch die Mulie, abſonderlich aber auf der Violin, und
fang je zuweilen gar artig luſtige Lieder darunter. Neben dieſen allem /
übte er ſich ſtets in der Feichen⸗Runſt / und machte viele artige erhabe⸗
ne runde Sachen / worzu er ziemlich geneigt war. In ſeinen Lehr⸗
Jahren, verfertigte er etliche lachende Weiber⸗ und Rinds-Röpfe / die in
Hips abgegoſſen / auch itzt noch unter den Ruͤnſtlern gemein find und der
Arbeit vieler vornehmer Meiſter, nichts nachgeben.
Die Mahler⸗Kunſt / liebte er vor allem andern / und zeichnete dahero
ſehr vortreflich unterſchiedliche Sachen nach dem Leben: weswegen er
es durch feinen guten Verſtand und unermüderen Fleiß / bald dahin brach⸗
te / daß er feinen Lehr⸗Meiſter ſelbſt übertraf. Die erſte Probe davon
legte er ab / als Verrocchio vor die Ordens⸗Leute zu Valombrofa, eine
Tafel von der Taufe Chriſti verfertigen ſolte, wobey er ſeinen Schuͤler
Lionardo zum Gehuͤlfen nahm, und ihm auftrug / daß er die Figur eines
Engels darein mahlen ſolte / der ein Kleid aufhielte. Lionardò verrich⸗
tete ſolches mit einer ſo groſſen Geſchicklichkeit / daß ſein Meiſter ſelbſt
bekennen muſte / der Engel waͤre beſſer als alle ſeine gemachte Bilder / da⸗
her er auch weder Pinſel noch Farben mehr anruͤhren wolte / weil er
von einem Schuͤler uͤbertroffen worden.
Da nun alſo Lionardo dafur hielte / daß er keinen Meiſter mehr
brauchte / ſo begab er ſich von Vexocchio hinweg / und fieng an vor ſich
zu arbeiten. Dazumal wolte der Roni in Portugall / in Flandern einen
Vorhang von Gold und Seiden wuͤrcken laſſen / deſſen Modell zu mah⸗
len / dem Lonardo vorher aufgetragen worden. In dieſes bildete er
Adam und Evam im Paradieß / welches er mit Blumen / Rraͤutern und
allerley Thieren ſo natuͤrlich und zierlich einrichtete / daß derjenige / ſo
die Ausbreitung der Aeſte / Verkuͤrzung der Blaͤtter und andere Auszie⸗
rungen betrachtete / ſich zu verwundern nicht enthalten konnen / wo doch
der Ruͤnſtler / zu einer fo curiöfen Vorſtellung / genugſame Gedult herge⸗
nommen.
Zu derſelbigen Zeit, hatte ein Bauer / den des Lionardo eee
zu Fiſchen und Voͤgeln brauchte / aus einem Feigen⸗Baum einen Schild
zubereitet / dero halben er ihn bath / daß er ihm ſolchen in der Stadt
folte demahlen laſſen. Dieſer gab ihn feinem Sohn Lionardo, und bes
gehrte / er möchte etwas darauf mahlen. Weil nun der Schild nicht recht
eden war / bereitete er ihn mit Feuer, und ließ ihn eben drehen. Hernach
bedachte er ſich / wie er doch etwas Erſchreckliches erſinnen / und darauf
mahlen koͤnte / damit ſich ſedermann / wie fir dem Haupt Meduſae, da
fuͤr entſetzen / und alſo der Schild / ſeinen Beſitzer recht beſchuͤtzen moͤch⸗
47 to.
Lionardo da Vinci.
te. Solches zu bewerckſtelligen / brachte er in feine Kammer / worein
auſſer ihm, en durffte / allerhand garſtiges und abſcheuli⸗
ches . ydexen / Froͤſche / Heuſchrecken / Pfeif hoͤler / Schlan⸗
gen / Fleder⸗Maͤuſe und dergleichen. Von jedem dieſer Thiere / nahm
er das abſcheulichſte / und brachte in deſſen duſammenflgung / ein fo ſelt⸗
ſames und erſchreckliches Monſtrum zu wegen / daß / da er den Schild
ſeinem Vater zeigte / er ſich ſo ſehr entſatzte / daß er davon gelauffen waͤ⸗
re / wenn ihn nicht Lionardo gehalten und geſagt hatte : der Schild
diene darzu / worzu er gemacht worden. Die darauf abgebildete Be-
ſtie, ſchien / als ob fie aus der Hoͤhle eines Felſen herfuͤr kroͤche / und
aus dem Hals Gift / aus den Augen Feuer / und aus den Naſen⸗Lochern /
einen dicken Rauch ausblaͤſe / daß ſie alſo ſehr greulich anzuſehen war.
In dieſer Arbeit fuhr er ſo emſich fort / daß er nicht einmal des Geſtan⸗
ckes / des itztgedachten Ungeziefers gewahr worden. Weil nun ſein
Vater den daran verwendeten Fleiß zu erſt hochgeſchaͤtzet / und den
Bauern vor unwuͤrdig erkandt ein ſolches Kunſtſtuͤck zu beſitzen / hat er
einen andern Schild gekauft / und ihm vor den ſeinigen gegeben: da
herentgen / der von dem Lionardo gemahlte / einem die Runft mehr ach⸗
tenden Liebhaber uͤm 100. Ducaten / und von dieſem bald hernach dem
Hertzoge zu Mayland / uͤm 300 Ducaten verkauft worden.
Nicht lang darauf / mahlte Lionardo ein Marien⸗ Bild / welches
ein Stůck von ausnehmender Schoͤnheit war. Unter andern ſahe man
in ſelbigem ein mit Waſſer angefülltes Glas / darinnen ſich etliche Blu⸗
men befanden / die ihre Farben auf das Waſſer zuruͤcke warfen; oder wie
etliche wollen / fo waren auf den Blättern der Blumen Thau⸗Troͤpfflein
gemahlet / die dem Leben nichts nachgaben: und hat dieſes Stuͤck / Pabſt
Clemens der VII. uͤberkommen. |
Lionardo beluſtigte ſich mit allerhand fremden und tiefjinnigen Ge⸗
dancken / von der Kräuter Eigenſchaften / von der Sonnen / des Mon⸗
des und gantzen Himmels⸗Lauf; die er nebſt vielen andern Sachen / wel⸗
che mit Menſchen Haͤnden zu bilden nicht möglich waren / ſehr ſcharfſin⸗
nig unterſuchte / dahero er auch viel Arbeit unausgemacht hinterlaſſen.
Es mag jedoch an dem letztern vielleicht auch dieſes Schuld ſeyn / daß er
ſtets die Geſellſchaft der Leute ſuchte / in deren Converſation er ſehr lu⸗
ſtig war: und ob er ſchon nicht viel Mittel beſaß / auch nicht gern gar zu
viel arbeitete / hielte er doch ſtets Knecht und Pferde / als woran er
feine groͤſte Luft hatte. Er liebte ſolche Exercitia, die mit feiner Pro-
fefion , gar nicht ůbereinkommen. Denn er war ein guter Reuter; hiel⸗
te viel auf ſchone Kleidungen; konte gut mit dem Gewehr uͤmgehen / und
es war faſt zu ſeiner Zeit kein Cavaller, * ſich ein beſſeres Anſehen als
2 er
Das Leben des vortrefflichen Mahlers
er zu machen wuſte. Er verſorgete allerhand Thiere mit groſſer Gedult /
und wenn er an einen Ort kam / wo man Vogel verkaufte / bezahlte er ſie /
und ließ fie wieder davon fliegen. Es gefielen ihm ſonderlich / vieſierli⸗
che Angeſichter mit wunderlichen Haaren und Baͤrten wol / weswegen
er ſolchen Leuten manchmal lange nachgieng / biß er ſie feſt in ſeinen
Sinn gefaſſet / da er fie denn zu Haufe ſo natürlich zeichnete / als ob fie
ihm gegenwaͤrtig geſeſſen haͤtten.
Paul Lomazzo meldet in ſeinem Tractat von der Mahlerey / daß Au-
relius Lovinus ein Buch von dergleichen Feichnungen, von des Lionardo
Sand beſeſſen: und der Roͤnig in Franckreich hat eine Tafel / worauf ein
ſolcher Caracter abgebildet iſt. Sie ſtellet nemlich zween ſich ſchlagen⸗
de Cavaliers fur / von denen einer dem andern ein Kleid herab reiſſen
will. Der Zorn und der Grimm / find in ihren Geſichtern ſo wol gemah⸗
let / ihre Geberden druͤcken eine ſolche Hitze aus / und ihre Kleider ſind
auf eine der Sache gemäffe Art / dergeſtalt unordentlich unter einander
geworffen / daß man dieſe Tafel / faſt nicht ohne Grauſen anſehen kan / in⸗
dem es ſcheinet / als ob der Seeskmenrbafftig vor Augen geſchehe.
Unter andern ſehenswuͤrdigen Wercken / hat Lionardo vor den An-
tonium Segni , feinen guten Freund / einen Neptunum gemacht / der auf
feinem Waagen von Meer⸗Pferden auf dem ungeſtuͤmmen Meere gezo⸗
gen wird / Im welchen ſich allerhand Weer⸗Wunder und See: Götter
ſehen laſſen. Der Himmel iſt auf dieſer Tafel uͤber und uͤber mit Wol⸗
cken bedecket / welche die Winde auf allen Seiten zuſammen jagen: und
die Wellen find auf dem tobenden Meere / in volliger Bewegung / daß man
aus der gantzen Vorſtellung / den Geſchmack und Caracter des Lionar-
do, vollftändig beurtheilen kan; dahero fie auch wegen der dabey ange⸗
wendeten Runft vor wuͤrdig erklaͤret worden / daß man fie mit einer La⸗
teiniſchen Beyſchrift beehret / welche in der Teutſchen Uberſetzung alſo
lautet:
Es hat Virgilius, wie auch Homer gewieſen
wie durch des Meeres Grund Neptunus Pferde gehn:
Doch wird des Vincius, Neptunus mehr geprieſen
weil jene man nur hoͤrt / den aber kan man ſehn.
Es fieng zwar Lionardo auch an / das Haupt Meduſae mit einer ſehr
verwunderlichen und fremden Invention, mit Oel⸗ Farben auf eine Ta⸗
fel zumahlen / welches ſo ſeltſam mit Schlangen ſolte umwunden wer⸗
den / als man eines finden moͤchte; weil es aber ein Werck von ſehr vie⸗
ler Arbeit war / als iſt es nebſt andern ſeinen Sachen unausgemacht in
des Gros Hertzogs Cofmi Palaſt kommen. Hieher gehoͤret auch ein
Engel von ſeiner Hand / deſſen aufgehobener Arm von der Schultern biß
| an
Lionardo da Vinci.
an den Ellbogen zu erkennen giebet / wie hoch es dieſer Meiſter in der
Verkůrtzung gebracht / indem er darinnen das dunckelſte Schwartze / in
der H hlung aber das lichteſte Weiß gebraucht und ſich aͤuſſerſt bemůͤhet /
daß ſeine Sachen rund und erhoben ſcheinen moͤchten / ob ſie ſchon we⸗
gen ihrer Haͤrtigkeit / mehr Nacht als Tag hatten.
Vielleicht iſt niemal ein Mahler in der Theorie ſeiner Runft beſſer
beſchlagen geweſen als Lionardo da Vinci. Er war in der Anatomie wol
erfahren / hatte auch die Geometrie und Optic gruͤndlich ſtudiret / und ob-
ſervirte ſtets was die Natur dem Geſichte vorſtellet. So viele Studia nun /
und ſo viele Anmerckungen / die er daruͤber machte / brachte ihm eine Er⸗
kaͤndtniß von allen demjenigen zu wegen / was ſich ein groſſer Mahler zu⸗
eignen ſoll. Er war ſo reich an ſchoͤnen Gedancken / ſo aufgeweckt am Gei⸗
ſte / und ſo lebhaft an Verſtand / daß er kaum ein Werck angefangen / als er
nicht ſchon wieder im Sinne hatte / ein anderes auszuarbeiten. Indeſſen be⸗
gnuͤgte er ſich an den erſterwehnten Wiſſenſchaften nicht allein. Denn weil
er einen allgemeinen Geiſt beſaß / und ihn ſeine Neigungen zu allen ſchoͤnen
Rünften anreitʒten / ſo begrief er fie auch nicht allein insgeſamt / ſondern er
wurde auch Meiſter darinnen. Er war dero halben ein guter Bau⸗Mei⸗
ſter / ein geſchickter Bildhauer / und ein verftändiger Mechanicus, und hatte
noch darneben / wie wir ſchon geſagt / eine anmuthige Stimme zum Sin⸗
gen / und eine Erfahrenheit in der Mufic als fie keiner zu feiner Zeit beſeſſen.
Wenn er in den fabelhaften Seiten gelebt haͤtte / ſo würden ihn die Griechen
ohne d weiffel vor einen Sohn des Apollo, ausgegeben haben. Sie dürften.
auch darum in ihrer Meinung geſtaͤrcket worden ſeyn / weil Lionardo nicht
nur gute Verſe machte / ſondern weil ſich bey ihm allein / alle diejenigen
Gaben beyfammen befunden / welche die Rinder und Schüler des Apollo
unter ſich austheilen muſten. g |
Das Anſehen / welches ſich Lionardo zu Florentz zu wegen gebracht /
breitete ſich gar bald durch gantz Italien aus / darinnen er als deꝛ vornehm⸗
ſte Rünftler feiner deit / von allen wahren Kennern nuͤtzlicher Wiſſenſchaf⸗
ten gehalten wurde. Der damalige Hertzog zu Mayland Ludovicus Sfor-
zia, berief ihn an feinen Hof / und legte ihm als einem guten Violiniſten / eine
jährliche Beſoldung von zoo Thalern bey. Da er ſich nun / ům bey ſeiner
Mufic einen hellern Thon zu erlangen e von Silber / wie ein
Pferds⸗ Haupt machen ließ / übertraf er alle Muficanten; fang auch biß⸗
weilen annehmlich darzu / und verurſachte dadurch / daß ihn gedachterer⸗
tzog ſehr liebte, Indem derſelbige im Seseiff war / eine Bau⸗Meiſter Aca-
demie aufzurichten / als verlangte er den Lionardo zu einem Mitgliede / wo⸗
durch der Hertzog der Academie einen überaus groſſen Vortheil verſchaf⸗
te. Denn Lionardo, ſtieß darinnen die ER über Bra
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| Das Leben des vortrefflichen Mahlers a
fen / welche die damaligen Bau⸗Meiſter von der 100 Jahr zuvor unter dem
Michalino angelegten Academie, annoch unterhielten / und richtete alles
nach den Regeln eines guten Geſchmackes ein / den die Griechen und Roͤ⸗
mer ſo gluͤcklich practiciret haben.
Zu eben derſelben Zeit / war der Hertzog Ludwig geſonnen / einen neuen
Canal verfertigen zu laſſen / wodurch man das Waſſer in die Stadt May⸗
land leiten konte. Er trug derohalben die Vollfuͤhrung feines Vorſatzes
dem Lionardo auf / welches er auch mit ſo guten Fortgang taht / der al⸗
les das uͤbertraff / was man von ihm erwarten durfte. Dieſer Canal, den
man den Canal de Mortefana genennet / war mehr als 200 (Italiaͤniſche)
Meilen lang. Er gieng durch die Landſchaft Valteline und durch das
Thal von Chiavenna, darinnen man das Waſſer vom Fluß Adda, biß an
die Mauern von Mayland leitete / und auf ſelbigem vermittelſt der Ge⸗
meinſchaft mit dem Fluß Po und der See / alles duͤrch Schiffe überflüffig
in die Stadt bringen konte.
Indem Lionardo mit der Verfertigung dieſes Canals fimgieng / hatte
er viel andere Schwerigkeiten als diejenigen zu uͤberwinden / die fich dazu⸗
mal herfür getahn / als man 200 Jahre zuvor / einen Canal auf der andern
Seite der Stadt machte / der das Waſſer aus dem Fluß Teſino dahin
brachte. Aller Hinderniſſen aber ohnerachtet / fand er gleichwol Mittel die
Sache ſo einzurichten / daß die Schiffe uͤber Berge und Thaͤler / fortkom⸗
men konten. Sein Vorhaben deſts füglicher auszuführen / begab er ſich
nach Vaverola, wo die Herzen Melzi ein Land⸗Gut hattẽ. Er ſtudirte daſelbſt
etliche Jahre in der Philofophie und Mathematie , und legte ſich abſon⸗
derlich auf diejenige Theile derſelben / die ihm zur Bewerckſtelligung ſeines
Unternehmens / die Augen beſſer aufmachten. Auſſer dieſen Studis ieng
er auch die Antiqvitæten und iſtorien durch / und traf darinnen eine Tach-
richt an / wie die Rönige Prolomaei das Waſſer aus dem Fluß Nilo, in
verſchiedene Theile von Egypten geleitet: und wie Trajanus dadurch eine
:offe Handelſchaft zu Nicomedia aufgerichtet / da er die Seen und Fluͤſſe
chiff bar gemacht / die zwiſchen ſelbiger Stadt und dem Meer lagen.
Mittlerweile als Lionardo zum Nutzen der Stadt Mayland arbeite⸗
te / muſte er auf Begehren des Hertzoges / mit der Auszierung ſeiner Schil⸗
dereyen beſchaͤfftiget ſeyn; da er denn ein ſchoͤnes Stück von der Geburt
Chriſti mahlte / welches hernach dem Roͤmiſchen Kaiſer geſchencket wor⸗
den. Doch trug ihm der Hertzog abſonderlich auf / daß er in dem Eß⸗
Saal der Dominicaner von S. Maria della gratie, das Abendmal unſeres
Heylandes verfertigen ſolte. Lionardo übertraf bey dieſem Werck ſich
ſelber / weil man alle Schoͤnheiten feiner Runft daran zu Geſichte kriegte:
und es war fein daran gewendeter Fleiß ſo ausnehmend / daß er fo gar das
Gewe⸗
Lionardo da Vinci.
Gewebe am Tiſch⸗Tuche zierlich ausgebildet. Die Apoſtel / entdeckten in
ihren Geſichtern die Traurigkeit / welche ſie uber die offenbahrte abſcheu⸗
liche Verraͤtherey des Judas in in ihrem Seren empfunden. Weil ſie aber
anfänglich den Namen des Verraͤhters nicht wuſten / als ſcheinen ſie / deu⸗
ſelben aus dem Munde ihres Erin / mit groſſem Verlangen zu erwarten /
und ſind abſonderlich die Kopfe der zweyen Jacob zu bewundern. Als dies"
ſes Stück ſo weit fertig war / daß nur noch des Erꝛn Chriſti und des Ju⸗
das Ropf mangelte / ſahe er manchmal das Gemaͤhlde einen halben Tag
lang an / ohne das er einen Strich weiter daran machte. Wie der Prior
ſolches merckte / ermahnte er ihn oft / und wolte haben / er ſolte immer mit
dem Pinſel / wie feine Tagloͤhner / mit den Hauen und Schaͤuffeln arbeiten.
Lionardo verlachte aber feine Grobheit / und bewog dadurch den Prior,
daß er ihn wegen feines vermeinten Uinfleiſſes / bey dem Hertzoge verklag⸗
te. Dieſer ließ ihn vor ſich ruffen / und fragte / wie es mit feinem Gemaͤhl⸗
de ftünde? Worauf Lionardo zur Antwort gab: Ein Runftler muͤſſe vor
allen Dingen / reiflich in ſeinem Sinn uͤberlegen / was er mit dem Pinſel
aus bilden wolte. Da nun an dem angefangenen Stücke nur noch zwey
Bilder / nehmlich Chriſti und Judaͤ mangeltenz deren erſtes / er nirgend auf
der Welt finden koͤnte / indem er darinnen die Goͤttliche Schoͤnheit in der
irꝛdiſchen Menſchheit: in dem andern aber eine mehr als Teufeliſche
Grimmigkeit / des von feinen H Erꝛn mit unzaͤhlbaren Gutthaten uͤber⸗
haͤuften / und dennoch auf deſſelben Verrahtung ſich beſinnenden Judas
ausdrücken ſolte: fo haͤtte er ſich ja wol daruͤber zu bedencken / wie dieſe
wichtige Vorſtellungen anzugreiffen ſeyn. Weil aber gleichwol der Prior
ſo muͤhſam und unverſtaͤndig ware / ſolte ihm fein Geſichte / in Ermange⸗
lung anderer / zur Vorſtellung des letztern dienen: woruͤber der Runft-
verſtaͤndige Hertzog hertzlich gelacht und geſagt: ihr habt tauſendfaͤltig
recht! der beſchamte Prior herentgegen / unterſtunde ſich hernach nicht
mehr / Mahler und Taglohner / mit einander zuvergleichen. Lonarda brach⸗
te zwar hierauf das Bildniß des Judas zum Stand / darinnen er defjelben
unmenſchlich verraͤhteriſches Gẽmuͤth aufs beſte ausdruͤckte: der Err
Chriſtus aber blieb unaus gemacht. Gleichwol unterftunde ſich der Ro⸗
nig in Franckreich Francifcus I. ſolches Stuck / als er es bey feiner Anwe⸗
ſenheit zu Mayland ſahe / in fein Roͤnigreich zu bringenz weil es aber an die
Mauer gemahlet / auch 30 Fuß hoch und eben fo breit war / giengen alle
zu dieſer Abfuͤhrung gegebene Vorſchlaͤge zuruͤcke. Man halt dafur / daß
die Copĩe davon / die man zu Paris bey S. Germain del’Auxerrois ſiehet /
auf Befehl des Roͤnigs Francifei I. gemacht worden. Lomaꝛzo, ein Schuͤ⸗
ler des Lionardo, hat ebenfalls eine groſſe Copie davon gemacht / die man
zu Mayland bey S. Barnabas antrift. Beyde Copien gaben nach der 97
en
Das Leben des vortrefflichen Mahlers
—— •— 3 ẽ—fᷣ
den Mahlern und andern Curiofis, einen Begriff von der Schönheit des
Originals, welches jedoch heunt zu Tage / gantz verdorben iſt. Denn weil
Lionardo ſelbiges mit Oel an eine Mauer gemahlet / die nicht vollſtaͤndig
ausgetrocknet war / ſo hat die Feuchtigkeit die Farben ausgeloͤſchet.
Als Lionardo nach dieſem / das Portrait des Sertzoges / ſeiner Gemah⸗
lin / und feiner zweyen Printzen gemahlet hatte / nahm er vor des Hertzoges
Bildniß auf ein Metallines Pferd / in verwunderlicher Groͤſſe zu ſetzen.
Weil er aber dieſe Statue ſo gros angefangen / daß es nicht moͤglich war /
ſelbige in einem Guß heraus zubringen / bliebe ſie unausgemacht. Inzwi⸗
ſchen dienet ſie allen hohen Geiſtern zur Lehre / daß wenn ſie ſich zu hoch
verſteigen / und Vollkommenheit über Vollkommenheit haͤuffen wollen / ſo
muͤſſen viele ſchoͤne Wercke / gar hinterſtellig bleiben. Das überaus fchöne
Modell dieſer Statue, iſt von den Frantzoſen in der Eroberung der Stadt
Mayland zerbrochen worden. .
Man mus ſich nicht verwundern / daß man die Gemaͤhlde des Lo-
nardo ſo hochgeſchaͤtzet und uberall aufgeſuchet hat. Denn es ruͤhrte ſol⸗
ches unter andern auch daher / weil er ihnen durch ein beſonderes Studium,
einen groſſen Nachdruck beylegete. Dieſes war die Anatomie, Damit er
aber ſolchen Theil der Mahler⸗Kunſt / der allen denen / die correct zu zeich⸗
nen verlange fo hoͤchſt nohtwendig iſt / aus dem Grund begreiffen mochte /
fo unterredete er fich deßwegen oͤfter / mit dem vortrefflichen Philoſopho u.
Medico auch Profeſſore der Anatomie zu Pavia, Namens Marc-Antonio
della Torre, der ſich zu feiner Zeit unterſtunde / dem durch den Llnverftand
der vorigen Aertzte / gantz verfinſterten Galeno, wieder ein neues Licht ans
zu zůnden. Dieſer war dem Lionardo trefflich befoͤrderlich / indem er
ihm mit der Anatomie der Menſchen / verſtaͤndig an die Hand gieng. Er
durchſuchte die Glieder mit eigener Hand / zeichnete die Beine / auch die fe⸗
ſten und ſich bewegende Muſculn alles mit Rötel-Stein; doch fo / daß er
mit der Feder darein ſchraffirte / welches Buch mit den darzu gehörigen
Riſſen / fein Diſcipul Franciſcus Melzi bekommen. Er machte auch ein an⸗
deres Buch vor einen Fecht⸗Meiſter Gentilum Borri, worinnen nichts an⸗
ders als Schlaͤgereyen abgebildet waren / wie ſie von den Leuten zu Fuß
und zu Pferd gehalten werden. In deren Vorſtellung war Lionardo da⸗
hin bedacht / alle Regeln der KRunft dabey anzubringen / und fie zur Aus⸗
uͤbung einzurichten. Er verfertigte ferner verſchiedene Tracdaten / vor die
Mahler der Academie zu Mayland / wovon er Director war / durch deſ⸗
fen Sorgfalt und Fleiß / ſie in ein fo groſſes Anſehen kam. Alle dieſe Wer⸗
cke geriethen nach den Tod des Lionardo in andere Haͤnde / und befanden
fich lange bey dem Herren Melzi auf ihren Land⸗Gut zu Vaverola, her⸗
nach aber wurden ſie hin und her zerſtreuet / wie es insgemein mit Schrif⸗
ten zu geſchehen pfleget. Lionar-
Lionardo da Vincı.
— ———— ——— — —
Lionardo da Vinci, begab ſich oͤfter nach e ie zu den
Herren Melꝛi, damit er bey ihnen deſto ruhiger ſtudiren mochte / und ſo wol
durch die Beſuchungen feiner Freunde / als durch die Beſchaͤftigungen / die er
bey der Academie hatte / ungeſtoͤhret bliebe. Gleich wie er ſich etliche Jahre
lang daſelbſt aufhielte / ſo bekam er auch deit / den meiſtẽ Theil ſeiner Schrif⸗
ten zu verfertigen. Inzwiſchen / ſtoͤhreten die kriegeriſchen Feiten in Ita⸗
lien feine Ruhe / und machten endlich der Academie zu Mayland den Gar⸗
aus. Alle Mahler die Lionardo erzogen hatte / und die feine Manier ſo wol
imitiret / daß man öfters ihre Gemaͤhlde vor die ſeinigen haͤlt / zerſtreueten
ſich nach der Niederlage des Hertzogs Ludovici ům das Jahr 1500 / da
er als ein Gefangener nach Franckreich gebracht wurde / allwo er auf dem
Schloß zu Loches, ſeinen Geiſt aufgegeben. n
Gantz Italien, nahm an dieſem Zufall Antheil. Denn die Schuler
des Lionardo, die an ſich ſelbſt geſchickte Leute waren / breiteten ſich auf
allen Seiten aus. Aus ſeiner Schule / kamen Mahler / Bildhauer / Bau⸗
Meiſter / Stein⸗Schneider / die ſo wol den Criſtall, als alle Arten der E⸗
del⸗Geſteine wol zu ſchneiden wuſtenzwie nicht weniger allerhand Werck⸗
Meiſter / die im Metalle Gieſſen gut erfahren waren. Unter dieſen befand
Franeiſens Melzi, Cæſar Seſto ein Maylaͤndiſcher Edelmann. Bern-
ard Lovino, Andreas Salaino, Marcus Vggioni, Antonius Boltraffio,
Gobbo ein ſehr guter Mahler und geſchickter Bildhauer / Bernazzano, ein
vortrefflicher Laͤndſchaft Mahler / Paul Lomazzo und viel andere. Seſto
und Lov ino, ſtunden unter dieſen im beſten Anſehen: doch wuͤrde ſie Lo-
mazzo alle übertroffen haben / wenn er nicht in der beſten Bluͤthe feiner
Jahre / das Geſicht verlohren haͤtte. Da er nun deßwegen nicht mehr mah⸗
len konte / fo ſchrieb er ein Buch von der linterweiſung die ervonLionarde
bekommen / und legte es denenſenigen / die in der Mahlerey etwas recht
ſchaffenes zu tuhn begehrten / zu einem vollſtaͤndigen Modell vor die Au⸗
gen. Hanibal Fontana, der den Marmor fo trefflich zu poliren / und die E⸗
Wünsch zu ſchneiden wuſte / hat es nicht gelaͤugnet / daß er ſeine gantze
iſſenſchaft niemand anderſt / als dem Lionardo zu dancken hätte,
Gleich bey Anfang des Maͤylaͤndiſchen Krieges / und noch vor der
Niederlage des Hertzoges Ludo vici, kam Lionardo nach Mayland; da er
denn von den Vornehmſten der Stadt erſuchet wurde / daß er vor den Ro⸗
nig Ludovicum den XII. aus Franckreich / der gedachte Stadt erobert hat⸗
te / etwas machen ſolte / welches man ihm bey feinem Einzuge praeſentiren
konte. Lionardo nahm das Begehren an / und verfertigte eine überaus cu-
riöfe Machine, die einen Löwen vorſtellte / und innwendig mit ſtaͤhlernen
Federn verſehen / auch dadurch alſo zu bereitet und eingerichtet war / daß
der Lowe auf dem Schloß⸗Saal / ſich 50 ri 118 hinbegabſ hernach |
| K, mals
Das Leben des vortrefflichen Mahlers
mals aber vor ſelbigem ſich in die Hoͤhe richtete und die Bruſt eröfnete /
worinnen ein mit Lilien angefuͤlltes Schild zu ſehen war. |
Dieweil Lionardo an dem verſtorbenen Hertzog Ludwig zu Mayland /
feinen Patron verlohren / und die Academie daſelbſt zu Grunde gegangen /
mithin er an Mayland nicht mehr gebunden war / ſo wendete er ſich
wieder nach Florentz / wo zum Aufnahm der Rünfte und Wiſſenſchaften /
jedermann in Ruhe und Frieden lebte. Der Pracht des Groß⸗Hertzogli⸗
chen Hofes / und der gute Geſchmack / den die Vornehmſten der Stadt /
von der Runſt hatten / trieb ihn mehr als die Liebe vor fein Vaterland da⸗
hin / daß er ſich daſelſt auf hielte. Indem nun der beruͤhmte Mahler Phi-
lippino vernahm / wie er gerne die hohe Altar Tafel machen möchte / wel⸗
che die Moͤnche von Servi bey ihm angedinget hatten / uͤberließ er ſolche
dem Lionardo, den die Moͤnche deßwegen mit allen ſeinen bey ſich befind⸗
lichen Leuten unterhielten. Wie er den Entwurf davon gemacht / darin⸗
nen er die Mutter Gottes mit dem Kindlein Ef / den Johannem und
die heilige Anna vorgeſtelletz und zwar wie das Kindlein JEſus / welches
auf ſeiner Mutter Schoss ſaß / ohne Abgang ihres uͤbrigen beſtaͤndig und
demuͤthig gebildeten Geſichtes / froͤlich von ihr angeblicket wurde; Anna
aber fie mit lachendem Munde anſahe und Johannes mit einem Laͤmm⸗
lein ſpielte: verurſachte ſolches nicht allein bey allen Ruͤnſtlern eine groſſe
Verwunderung; ſondern es gieng auch zween Tage lang / ſo viel Volck aus
der Stadt dahin um es zu beſehen / daß man meinen ſollen / es wuͤrde ein
Feſt oder eine Proceſſion gehalten. Etliche Jahre hernach / fuhrte Lionar-
do dieſes Stuck nach Franckreich / allwo der König Francifcus I. ihm auf⸗
trug / daß er es mit Farben mahlen ſolte.
Nach dieſem verfertigte er unterſchiedliche Contrefaits der vornehm⸗
ſten adelichen Damen, abſonderlich aber wandte er moͤglichſten Fleiß und
Kunſt / an die Mona Liſa, des Franciſci del Giocondo Gemahlin / an deren
Bildniß er in die vier Jahre gearbeitet / und es gleich wol unausgemacht
gelaſſen. Wenn er daran gemahlet / ſo befanden ſich allezeit einige Per⸗
ſonen dabey / die ihr etwas vorſingen oder auf Muſicaliſchen Inſtrumenten
ſpielen muſten / uͤm fie dadurch aufzumuntern und zu verhindern / damit fie
keine melancholiſche Mine machte / als welches ſonſten gerne zugeſche⸗
hen pfleget / wenn man nichts zu verrichten hat. Aus dem / was er an die⸗
ſem Geſichte zu Stande gebracht / war bereits zu erſehen / wie nahe die
Kunſt der Natur kommen moͤge / indem er auch die geringſten Sachen / die
nur zu mahlen ſeyn / ſorgfuͤltig angedeutet. In den Augen / ſahe man eigent⸗
lich den waͤſſerigen Glantz und die rohten Striemlein auf dem Blauen ſpie⸗
len. Auf den Augenliedern / waren die kleinen Haͤrlein / ja fo gar die / ſo erſt an
den Augenbraunen aus der Haut wachſen / abgebildet. In dem ee
| er
Lionardo da Vinci.
der Kaͤhle / ſahe man faſt das Schlagen des Pulſes; ſo / daß kurtz zu ſa⸗
gen / alles Fleiſch und Leben zu ſeyn ſchiene. Dieſes Contrefait muſte Fran-
eifcus I. haben, dafur er 4000 Thaler zahlte / und iſt es noch heunt zu Tage
in dem Königlichen Frantzoͤiſchen Cabinet anzutreffen. Lionardo machte
auch das Portrait einer Marquiſe von Mantua, das hernach nach Franck⸗
reich kommen. Deßgleichen machte er die Tochter des Americi Benci, wel⸗
ches ein Rind von bezauberender Schoͤnheit und faſt goͤttlicher Geſichts⸗
Bildung war / und iſt dieſes Contrefait ebenfals noch zu Paris vorhanden.
Wegen fo viel gemachter Prob⸗Stuͤcke in der Runſt / wurde ihm An.
1503 ‚der Saal des Raht⸗Hauſes zu mahlen verdinget. Hierzu erwaͤhlte er
ſich die Schlacht des Nicolai Picini, Sertzogs Philippi zu Mayland ger
weſenen Obriſten. Es war unter andern in derſelben zu ſehen / wie ein
Sauffen Reuter im ein Pannier ſtritten. Zwey Pferde / wuͤteten mit erho⸗
benen Fuͤſſen und bloͤckenden Zaͤhnen / eben fo hefftig wieder einander / als
ihre Bereiter ſelbſt / die das Pannier wegnehmen wolten. Ein anderer / hat⸗
te es bey der Stange gefaßt / und wandte ſeinPferd in die Flucht / ům es die⸗
ſem / und nach andern zweyen zu entziehen, die es ebenfals bey der Stange
hielten / und ſie mit denen in der andern Hand blinckenden Schwerdtern
abzuhauen droheten. Darzu / kam noch ein alter Ritter / der gleicher ge⸗
ſtalt nach der Stange grief, und dabey ſo gebildet war / als ob er mit ſei⸗
nem Saͤbel / ihnen allen die Haͤnde abhauen wolte: dem herentgegen / zween
von den obigen vieren / ihren gleichmaͤſſigen Grimm / mit zuſammen gebiſ⸗
ſenen Zähnen entdeckten. Zu den Fuͤſſen dieſer Pferde / lagen zween verfürg-
te Soldaten / deren einer dem andern / mit ausgerecktem Degen / den Bar:
aus machen will: der aber dem Tode / durch moͤglichſte Gegenwehre zu
entfliehen trachtet. Die Stellungen der Pferde famt ihren Wendungen;
die Helme / Harniſch und andere Waffen / waren uͤberaus natuͤrlich und
kuͤnſtlich gebildet / und bediente er ſich darzu eines ſonderbahren Geruͤ⸗
ſtes / das er nach Belieben / erhoͤhen oder erniedrigen / erweitern oder ver⸗
kuͤrtzen konte. Weil er aber bey dieſer angefangenen Arbeit merckte / daß
ſein Vorhaben / auf die mit dickem Grunde uͤberzogene Mauer / mit Oel⸗Far⸗
be zu mahlen / nicht angehen / ſondern das Gemaͤhlde doch verderben wuͤr⸗
de / ließ er dieſes ſchoͤne Stuͤck unausgemacht ſtehen. Wie er einsmals
fein Monat⸗Geld abfoderte / und der Fahl⸗Meiſter ihm ſolches an Qva-
drinen, einer Art Pfenninge / in Duten oder Scharmuͤtzeln gab / wolte er
es nicht annehmen / ſondern ſagte: er waͤre kein Qyadrinen - oder Pfen⸗
nig⸗Mahler.
Michael Angelo, mahlte neben dem Lionardo, eine andere Seite die⸗
ſes Saales. Ob er gleich erſt 29 Jahr alt war / ſo beſaß er doch Verſtand
genug / und hatte ſich in ein groſſes RN 99 begehrte ſelber daß
ö (N 2 man
Das Leben des vortrefflichen Mahlers
man ihn uͤber den Lionardo erbeben ſolte / der ſchon mehr als 60 Ds
zuruͤcke geleget hatte. Einem jeglichen von ihnen, mangelte es an Freun⸗
den nicht / und an ſtatt ſie eintraͤchtig zu erhalten / verhetzten ſie ſie vielmehr
den einen dergeſtalt gegen den andern / daß fie Feinde wurden. Raphael d
Vrbino machte ſich die Mißhelligkeiten diefer 2 groſſen Rünftler am beſten
zu Nutz / und wie ihn der Ruhm des Lionardo nach Florentz gezogen / war
er bey Betrachtung feiner Wercke gantz beſtuͤrtzt. Er ließ alſo bald die har⸗
te und rauhe Manier ſeines Lehr⸗Meiſters Peter Perugin fahren / und be⸗
muͤhete ſich vielmehr / feinen Gemaͤhlden diejenige Lieblichkeit und Nied⸗
lichkeit beyzulegen / welche die Italiaͤner Morbidezza (Gelindigkeit) nen⸗
nen / worinnen er alle Mahler uͤbertroffen hat.
Lionardo mahlte ſtets zu Florenz biß auf das Jahr 1513. Das Merck⸗
wuͤrdigſte aber von feiner Arbeit / war eine Tafel der Mutter Gottes mit
dem Kindlein JEſu: und eine andere / worauf er das Haupt Johannis des
Taͤufers vorſtellete. Weil er aber noch nie zu Rom geweſen / ſo gab ihm
die Erwaͤhlung Leonis X. zur Paͤbſtlichen Würde Anlas / ſich mit Julian
de Medices dahin zu verfügen und dieſem neuen Pabſt feinen Reſpect zu⸗
bezeugen. Er wurde anfänglich in ſelbiger Stadt fo hoch geſchaͤtzet / als
er es verdienet. Indeſſen ſtellte er allda mancherley Poſſen an. Er mach⸗
te kleine Vögel aus einem gewiſſen dünnen Zeug / die er voll Wind bließ und
ſie in die Luft fliegen lies / darinn ſie ſo lang blieben / als ſie Wind hatten.
Er fanberte auch die Schafs⸗Daͤrmen von Fett / machte fie duͤnne und fer
ſte aufeinander / daß fie konten in einer Hand behalten werden / und ließ
darauf in zweyen Neben⸗Zimmern / mit groſſen Blaßbaͤlgen in derſelben
Ende blaſen / ſo daß die Daͤrmer das gantze Gemach rf Hiemit
verglich er den Anweſenden die Kunſt / die aus einem kleinen Anfang, ſehr
gros werden kan. Pabſt Leo, dem der Pracht und die Liebe zu ſchoͤnen
Ruͤnſten angebohren war / entſchloß ſich den Lionardo darzu anzuwen⸗
den. Dieſer war damit zu frieden und fieng alſobald mit einer groſſen Zu⸗
bereitung an / Oehle zu ſieden und Vernis zur Uberziehung feiner Ger
maͤhlde zu machen. Als der Pabſt hievon Nachricht kriegte / ſagte er: daß
man von dieſem Menſchen nichts zu erwarten haͤtte / der ſchon auf das En⸗
de ſeiner Arbeit bedacht waͤre / da er doch noch keinen Anfang dazu gemacht.
Vaſari, ein Maher und Bildhauer von Arteſo, der das Leben der Italiaͤ⸗
niſchen Mahler beſchrieben / und ein ſtarcker Anhänger von Michel An-
gelo war, hat aufgezeichnet / daß man dazumal dem Lionardo zu Rom
ſonſt noch mehr Verdruß angethanzabſonderlich durch viele ſchimpflichen
Reden / die man von ihm ausgeſtoſſen / und daß man ihm den gedachten
Michael Angelo in allen Stuͤcken vorgezogen. Solcher geſtalt konte Rom
gus den herꝛlichen Gaben des Lionardo, keinen Nutzen ziehen. Da er 15
A
— —
Lionardo da Vinci.
— — — — .
alſo ſahe / daß man ſeiner nicht achtete / und er von dem Roͤnige Franciſco
IJ. nach Franckreich beruffen worden / ſo begab er ſich auch da⸗
hin / und traf in der Gnade dieſes Printzens / alles dasſenige an / worüber
er den zu Rom erlittenen Verdruß vergeſſen konte. Er war zwar bereits
über 70 Jahre alt / als er ſolche Reife angetretten / aber die Ehre einem ſo
:offen Könige zu dienen /
ſchien ihm gleichſam neue Kraͤften zu geben.
er Hof befand ſich dazumal zu Fontaineblau, als Lionardo dem Roͤni⸗
e die Aufwartung machte; der ihm auf das freundlichſte begegnete / auch
m taͤglich neuere Kennzeichen ſeiner Gnade und Hochachtung fpüren
ließ / ob er ihn ſchon wegen ſeines hohen Alters / faſt zu nichts mehr nis
tzen konte. Wie es ſcheinet / fo haben die Beſchwerlichkeiten der Reiſe /
und die Veraͤnderung der Luft und Landes Art / das meiſte darzu beyge⸗
tragen / daß er bald darauf erkraneket. Er lag etliche Monat zu Fontai.
neblau darnieder; da ihm mitlerweile der König is die Gnade an;
taht / daß er ihn in eigener Perſon beſuchte. Wie dieſer Printz einesmals
zu ihm kam / wolte ſich Lionardo gegen ihn wenden und auf das Bett ſe⸗
tzen / um ihn ſeinen Danck abzuſtatten: allein es uͤberfiel ihm in demſelbi⸗
en Augenblicke eine Schwachheit / die ſeinen Geiſt hinnahm, und er ver⸗
chied in den Armen eines Röniges/ der ihn damit zu ſtaͤrcken und aufzu⸗
Solchem nach ſtarb Lionardo da Vinci in einem Alter von mehr
als 25. Jahren / unter dem Genuß der Ehre und Hochachtung eines grof
Neigung zu den Studüs; und eine hohe Gelehrſamkeit mit einer angeneh⸗
men Converfätion vereinigte, Er wollte darum niemal heyrathen / damit
er mit deſto 1 Freyheit arbeiten koͤnte. Hieruͤber hat einer feiner
Freunde diefe |
rey zum Weibe / und keine andere Kinder / als die von ihm verfertigte Wer⸗
cke haben wollen. Von der Zeit an / als er die Rinder, Schue ausgezogen /
ließ er aus einer Philoſophiſchen Hinlaͤßigkeit / ſeine Haare und den Bart
ſtets fort wachſen / daher er wie ein Einſiedler ausſahe.
KICK 3 Der
Das Leben des vortrefflichen Mahlers J
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Der mehreſte Theil feiner Gemaͤhlde / befindet ſich entweder in den
handen des Gros⸗Hertzogs zu Florentz / oder in Franckreich. Es werden
deren auch viele in verſchiedenen Laͤndern / bey groſſen Herren und andern
curiõſen Leuten angetroffen. Auſſer denen bißhero erzehlten aber / meldet
Lomazzo, daß er auch eine Tafel von der Empfängniß der Nuttes Gottes
vor die Franelſcaner- Ryrche zu Mayland gemacht habe. In Franckreich /
ſiehet man viele die gantz gewiß von ſeiner Hand ſeyn. Zum Beyſpiel in dem
Pallaſt des Cardinals zu Paris, iſt eine Mutter Gottes (mit der H. Anna
und dem Kindlein JEſu. Bey dem Cardinal de Richeleu, eine Herodias
von vollkommener Schoͤnheit. Bey dem Marquis de Sourdis, eine Ma⸗
ria mit dem Kind JEſu / dem H. Johannes und einem Engel / und eine an⸗
dere Marien⸗Tafel. Monſieur de Charmoĩs, hat eine Tafel von der Maria
mit dem Kindlein / der H. Anna und den S8. Michael; deßgleichen noch ei⸗
ne / worauf Lionardo den fliehenden Joſeph gemahlet / wie ihn des Po⸗
tifars Weib aufzuhalten ſuchet; in welchem Stücke die Sanftmuht und
Ehrbarkeit des einen / und das unverfchamte Weſen der andern / vortref⸗
lich wol ausgedruͤcket worden. ar
Was die übrigen von Lionardo verfertigte Sachen und Zeichnungen
betrift / ſo halten ſie diejenigen / welche ſie geſammlet / bey ſich verborgen /
ohne daß ſie dem Publico eine Tachricht davon ertheilen wollen. Nach ſei⸗
nem Abſterben / brachte man 13 Baͤnde zuſammen / welche ſehr klein und
darzu wie die Hebraͤiſchen Bucher / ruͤckwerts geſchrieben waren / damit
vielleicht nicht ſedermann den Inhalt leſen koͤnte. Wie es mit dieſer koſt⸗
bahren Verlaſſenſchaft von dem Fleiß des Lionardo hergegangen / davon
wollen wir eine kurtze Erzehlung beyfuͤgen.
Lelius Gavardi von Aſola, Vorſteher bey S. Lenon zu Pavia und na⸗
her Anverwandter der Manutiorum, unterrichtete als Profeflor huma-
niorum die Herren Melzi in den galanten Studiis; wodurch er Gelegen⸗
heit kriegte / ſich öfter auf ihr Land⸗Gut zu verfügen. Daſelbſt traf er die
13 Bände von den Wercken des Lionardo an / die er ſich von ihnen aus⸗
bath. Als er ſie bekommen / brachte er ſie in der Hoffnung nach Florentz /
daß ihm der Groß⸗ Hertzog ein anſehnliches Stuck Geld dafur geben wuͤͤr⸗
de. Indem aber dieſer Prinz dazumal ſturb / ſo wendete ſich Gavardi mit
feinen Büchern nach Piſa, wo er den Ambrofium Mazzenta, einem May:
ländifchen Edelmann antraf / der ihm bange machte / daß er die Papiere
des Lionardo von den Herren Melzi zu ſich genommen / die deren Wehrt
nicht verſtuͤnden. Gavardi gab demnach die Buͤcher des Lionardo an Ho-
ratium Melzi, als den älteften der Famille wieder zuruͤcke. Weil Melzi ein
ſehr guter Herꝛ war / ließ er fich das Bezeugen des Mazzenta ſo wolgefal⸗
len / daß er dieſe 13 Bände an die Herren Mazzenta verehrte. Selbige blie⸗
I
ben
Lionardo da Vinci.
ben eine Zeitlang bey ihnen / und redeten fie überallvon dem empfangenem
Geſchencke. Bald hernach gab Pompeius “Leoni, des Röniges in Spanien
Bildhauer / dem Herꝛn Melzi zu erkennen / wie wichti die Papiere unddeich⸗
nungen des Lionardo waͤren / und machte ihm Ho hug zur Erlangung ei⸗
niger Chargen zu Mapyland / wenn er ſie wieder zuruͤcke kriegen konte / und
felbige hernach dem Könige in Spanien ſchenckte. Die Begierde empor
zu kommen und reich zu werden / machten in dem Gemuͤthe des Melzi einen
groͤſſern Eindruck / als die Liebe zur Tugend und zu den guten Rünften
tuhn koͤnnen. Er verfügte ſich ſchleunig zu den Herren Mazzenta: allein
er erhielte auf ſtarckes Anhalten nicht mehr als nur 7 Bůͤcher / und die uͤ⸗
brigen 6 wurden hin und wieder zerſtreuet. Eines davon / bekam der Car-
dinal Barromeus, das noch heunt zu Tage in der Ambroſiſchen Bibliothec
zu Mayland iſt. Ein anderes / kriegte Ambroſius Figgini, von dem es Her-
cules Bianchi geerbet. Carl Emanuel Hertzog von Savoyen / beſaß eben⸗
fals eines / und Pompeius Leoni drey Stucke / welche fein Erbe Cleodorus
Calchi, an dem Herrn Galeas Lonato verkauft.
Alle Papiere des Lionardo beſtunden aus Zeichnungen und gantzen
Tractaten: von den letztern aber / hat man nicht mehr als die folgenden in
Erfahrung bringen koͤnnen / die wir denn auch hier benennen wollen: der
erſte iſt ein Tractat von der Natur des Waagrechten Standes und von
der Bewegung des Waſſers. Dieſes Werck iſt mit vielen Riſſen von Ma-
chinen angefülle die zu Waſſer⸗Leitungen / auch zur Erhebung und Ein⸗
faſſung des Waſſers zu gebrauchen ſeyn; zu deren Verfertigung der Ca-
nal von Morteſana Gelegenheit gegeben hat.
Der 2 Tractat handelt von der Anatomie. Es iſt eine groſſe Anzahl
Zeichnungen dabey / die mit groſſen Fleiß verfertiget worden. Und hat Lio-
nardo dieſes Tractats in feinem Wercke von der Mahlerey Cap. 22. Er⸗
wehnung gethan. i
Der dritte Tractat, enthielte die Anatomie und die Figuren der Pfer;
de. Lionardo zeichnete fie ſchoͤn / und machte hievon uͤberaus ſaubere Ma-
delle. Er hat ſolchen Tractat denenjenigen zum beſten verfertiget / welche
Batagglien und Rencontres (Feld⸗ Schlachten und Scharmuͤtzel) mah⸗
len wollen. Vafari, Borghini und Lomazzo ſchreiben davon: er iſt aber
in der Eroberung Mayland verlohren gegangen.
Der dritte Tractat von der Perfpedtiv, iſt in verſchiedene Bücher abs
getheilet / und ohne Zweifel derjenige / davon Lomazzo in dem aten Capi-
tel redet. Lionardo hat darinnen Regeln gegeben / wie man die Figuren
weit⸗groͤſſer vorſtellen ſoll, als ſie im Leben ſeyn.
Der fuͤnfte Tractat, führer den Titel / vom Nicht und Schatten / und er
iſt noch heunt zu Tage in der Ambroſiſchen Bibliothee zu Mayland 79 5
treffen.
Das Leben des vortrefflichen Mahlers Lionardo da Vinci.
treffen. Dieſes iſt ein in rohten Sammet eingebundenes Volumen, wel⸗
ches der Herr Mazzenta dem Cardinal Barromeo verehret. Lionardo han
delte darinnen ſeine Materie, als ein Philoſophus, Mathematicus und
Mahler ab / und beziehet ſich in dem 278 Capitel ſeines Tractats von
der Mahlerey darauf. Es iſt ein Werck von ungemeiner Schoͤnheit. Denn
Lionardo war in dieſem Theil der Mahlerey ünvergleichlich / und er ver⸗
ſtunde die Wuͤrckungen des Lichtes und der Farben ſo wol / daß er die
Sachen / fo er mahlte / der Warheit gemäß abbildete / dergleichen man in
den Tafeln anderer Mahler / nicht antrift. N
Lionardo verſprach in ſeinem Tractat von der Mahlerey / noch 2
andere Wercke; nemlich einen Tractat von der Bewegung der Coͤrper /
und einen von dem Waagrechten Stande der Coͤrper / davon daſelbſt in
dem 112. 128 und 268 Erwehnung geſchiehet: allein man weis nicht /
ob er fie wuͤrcklich ausgearbeitet habe.
Was endlich ſeinen Tractat von der Mahlerey betrift / ſo wird die in
dem gegenwaͤrtigem Buche enthaltene Teutſche Uberſetzung deffelben /
von ſeiner Schaͤtzbarkeit / und des Verfaſſers ungemeiner Geſchicklich⸗
keit / das allerbeſte Jeugniß abſtatten koͤnnen. Zu wuͤnſchen wäre es / daß
diejenigen Printzen und curiöfe Leute / welche die übrigen Schriften des
Lionardo beſitzen / fie durch den oͤfentlichen Druck / dem Publico mit⸗
theilen moͤchten. Denn es dürfte nicht nur ein groſſer Nutzen zur Ex-
colirung der Mahlerey und anderer mit ihr verknuͤpften / oder doch ſon⸗
ſten dem gemeinen Beſten zum Vortheil dienenden Wiſſenſchaften / dar⸗
aus entſpringen; ſondern ſie wuͤrden zugleich deſto vollkommenere Be⸗
weißthuͤmer an die Hand geben / daß Lionardo da Vinci ein Mann ges
weſen / der wegen feiner ungemeinen Runft und groſſen Geſchicklichkeit /
zu allen Seiten, eines unfterblichen Nach⸗Ruhmes wuͤrdig bleibet / ꝛc.
Der Orſte Theil
| Von ei
Der Zeichnung.
NN munen
Von der Methode, nach welcher man jungen
Leuten das Mahlen lehren ſoll.
1. OBSERVATIO. (Cap. 3.0
Ir erkennen klaͤrlich, daß von allen natuͤrlichen Verrich⸗
tungen keine ſo geſchwind ſey, als das Geſicht. Dieſes
2
1)
entdecket in einem Augenblick unendliche Objedta, Nichts
deſtoweniger kan ſelbiges nicht mehr als eines, auf einmahl
wohl unterſcheiden. Wenn ihr, zum Exempel, alle dieſe
A ier beſchriebene Blätter, in einem Augenblick betrachtet,
KIT o werdet ihr wohl alſobald urtheilen, daß fie mit unter
ſchiedlichen Buchſtaben angefuͤllet ſeyn: allein ihr werdet in eben demſelben
Augenblick nicht mercken koͤnnen, was es vor Buchſtaben ſeyn, noch was ſie
ſagen wollen, wenn ihr nicht vorhero unumgaͤnglich einen nach den andern, das
iſt, Wort von Wort, und Zeilen von Zeilen durchleſet, um ſie zuverſtehen.
Item, wer auf die Hoͤhe eines Gebaͤues zuſteigen verlanget, muß ſolches
Stuffenweis verrichten, anders wird es nicht möglich feyn , dahin zugelan⸗
gen. Alſo ſage ich auch, wenn euch die Natur zur Mahler ⸗Kunſt ruffet,
und ihr wollet eine vollkommene Erkaͤnntniß von den Geſtalten der Dinge
erlangen, muͤſſet ihr von den Theilen anfangen , und Ordnung halten, auch
nicht eher zu den andern ſchreiten, bevor ihr das ige zu practiciren wohliver⸗
ſtanden habt.) Denn widrigenfalls iſt es nur ein Zeit⸗Verluſt, oder wenig⸗
ſtens ein ſehr langer Verzug des Studü. Ne euch auch ferner, daß
man
3 Der Erſte Theil /
man ſich vor der geſchwinden und hardien (freyen) Manier, den Fe nehm e
lich ein Ding mit groſſer Sorge und Gedult wohl zu endigen ) angewoͤh⸗ N
ven ſoll.
Von der Art zu ſtudiren.
2. OBSERVATIO, (Cap. 7.)
O Tudiret erſtlich die Wiſſenſchafft, hernach wendet euch zur Praxin, als
welche eine Geburth der Wiſſenſchafft iſt. Der Mahler ſoll nicht ohne
Regul ftudiren ‚und nicht unterlaſſen, ſich ein Ding wohl ins Gedaͤchtniß
ju ſetzen, um zu ſehen, was vor ein Unterſcheid zwiſchen den Gliedern der Thies
re und ihren Juncturen, oder Zuſammenfuͤgungen ſey.
Wie die Inclination (Neigung) eines jungen
Menſchen zu ae DE zur Mahleren
gebohren i
3. OBSERVATIO. (Cap.40
An fiehet viele junge Leute, die das Zeichnen mit Begierde lieben, und
groſſes Verlangen tragen, ſolches zu erlernen, ohne daß fie eine natürliche
Diſpoſition (Geſchicklichkeit)darzu beſitzen. Dieſes erkennet man an ihnen,
wenn ſie eine Sache nur mit fimplen (ſchlechten) Strichen oder Zuͤgen, ſo
leicht hinzeichnen, ohne ſolche jemahls mit dem Schatten auszumachen.
Welches das allererſte Studium eines jungen
Mahlers iſt.
4. OBSERVATIO.(Capı.)
Esn junger Mahler, ſoll erſtlich die Perſpectiv lernen / damit er einem
jeglichen Dinge fein rechtes Maaß zu geben wiſſe. Hernach muß er ſich
zu einem guten Meifter begeben, um ſich unter deſſen Hand eine gute Manier im
Zeichnen anzugewoͤhnen, und die ſchoͤnen Contours (die aͤuſſerſten Züge)
der Figuren kennen zu lernen. Folgends muß er auf die Natur ſehen, um
ſich in der Kaiſon (Urſache) zu befeſtigen, von der er unterrichtet wenne
a
| | von der Zeichnung. 1
Nach dieſem, muß er einige Zeit auf das Betrachten und Nachmachen der
Wercke von unterſchiedlichen guten Meiſtern wenden, damit er eine Practic
im Mahlen erlange, durch welche er diejenigen Dinge in das Werck ſetzet,
die er gelernet hat.
Wie das Studium bey einem jungen Mahler be⸗
ſchaffen ſeyn ſoll.
5. OBSERVAT IO. Cap. 2.
ar Leute, welche einen groſſen Progreſs (Fortgang) in dieſer Wiſſen⸗
| . ſchafft zugewinnen verlangen, alle Wercke der Natur nachzumachen, ſol⸗
len ihr Studium vornehmlich auf ein gutes Zeichnen legen , und ihren
Figuren das behoͤrige Licht und den Schatten geben, als es die Tages⸗Zeit oder
der Orth, wo ſie ſich befinden, mit ſich bringet.
Von den Terminis (aͤuſſerſten Grentzen) der
Coͤrper/ die man Profils oder Contours (Umriße)
nennet.
6. OBSERVATIO. (Cap. 291.)
N% Contours von den Coͤrpern, fallen fo wenig in das Auge, als man
bey einem geringen Abſtand zwiſchen dem Auge und dem Objeck, ſei⸗
nen Freund oder ſeinen Verwandten nicht anderſt unterſcheiden wird,
als nur durch ſeine Kleidung und ſeine Stellung, dahero man durch die Er⸗
kaͤndtniß vom Gantzen, zu dem Theile koͤmmt.
Von den Terminis der Körper,
>. OBSERVTIO. (Cap. 3389
N Contours oder Termini (Umriſſe, Grentzen) von der andernDiftanz,
ſollen nicht fo ſtarck bezeichnet ſeyn als die erſten: und alſo ſoll auch ein Mah⸗
ler das vierdte Objeck mit dem fuͤnfften, nicht unmittelbahr mit einer⸗
ley Staͤrcke, als wie das erſte mit dem A profiliren, oder deſſen Kate
2 abr
js
4 Der Erſte Theil /
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abreiſſen. Denn weil der Terminus (äuſſerſte Theil) der einen Coͤrper von
dem andern unterſcheidet, eigentlich von Natur mathematiſch iſt und keine Linie
heiſſet, indem das Ende oder der Termin einer Farbe, der Anfang der andern
iſt: nichts deſtoweniger muß man ſolches eine Linie nennen; angeſehen
ſich ſonſt nichts anders zwiſchen dem Termin einer Farbe befindet, das einer
andern Farbe unmittelbahr vorgeſetzet iſt, als der Terminus ſelbſt, welcher
bey nahe eine unbegreifliche Sache iſt. Es hat ſich derohalben ein Mahler
wohl in acht zunehmen, damit er die Objedta,fonderlich in die Weiten, nicht
hart terminire oder umreiße.
Nota. In dieſer Obſer vation, redet der Author gar wol, von der Mathemati⸗
ſchen Linie; wie er denn auch in den nachfolgenden Theilen, vieles
aus der Mathefi und Phyfic erweiſet, daß man daraus feine Erfah⸗
renheit, in dergleichen Wiſſenſchaften abnehmen kan; die jedoch
aus mehr andern Buͤchern, die er geſchrieben, noch deutlicher zu
erkennen waͤre, wenn ſie alle, wie das gegenwartige, zum Vor⸗
ſchein kaͤmen. Denn man weis, daß er auch die nachgeſetzten
Wercke verfertiget hat: 1) Einen Tractat von der Natur
des Agvilibrii und der Bewegung des Waſſers. 2) Einen
Tractat von der Anatomie, 3) Einen andern Tradtat von der
Anatomie und den Figuren der Pferde. 4) Einen Tractat von
der Perſpectiv. 5) Einen Tractat vom Licht und Schatten. Er
hat ferner noch dieſe 2 Buͤcher verſprochen, nehmlich einen Tractat
von der Bewegung der Coͤrper, und einen Tractat von dem Æqvi-
librio der Eörper : ob fie aber wuͤrcklich von ihm ausgearbeitet
worden, das iſt unbekand.
Wie man die Haͤrte des Umrißes vermeis
den ſoll.
8. OBSERVAT IO. (Cap. 51.)
Achet die Contours (Umzuͤge) eurer Figuren, nicht von einer andern
M Dinte oder Farbe, als von dem eigenen Feld, darauf ſie ſich befin⸗
den; das iſt, man muß ſolche nicht mit einem harten und dunckelen Zug /
zwiſchen dem Feld und der Figur, profiliren (umreißen.)
Von.
%
8
von der Zeichnung.
Von den Contours (Umzügen) der Glieder /
gegen der Seite des Lichts oder Tages.
9. OBSERVAT IO. (Cap. 337.)
Er Contours von einem Gliede von der Seite da es erleuchtet iſt, wird
D um fo viel dunckeler gegen feinen Fond Grund) ſcheinen, als viel hel⸗
ler ſolcher gegen ſelbigem iſt. Und aus eben dieſer Urſache, wird er
ſich um ſo viel heller zeigen „ wenn er ſich gegen einem ſehr duncklen
Grund befindet. So aber dieſer Contours oder Termin plat iſt, und
auf einem ihm an der Helle und Farbe gleichem Grunde gefehen wird, wer⸗
den die Termini und Contours unmercklich ſeyn. |
Eine Art nach dem Runden zu zeichnen / und
das Pappier hierzu zu præparirelt.
10. OBSERVAT IO. (Cap. 125.)
An Fan fein Pappier mit einer Mittel» Farbe von Schatten tingiren
L Canftreichen, ) und dann erſt den ſtaͤrckeſten Schatten geben, zuletzt
aber die helleſten und vornehmſten Lichter, doch mit Vernunft, auch,
biß an die kleineſten Oerter anbringen; welches en find , die ſich bey
einem geringen Abſtand, am erſten aus dem Auge verliehren, und folglich un⸗
kaͤndtlich ſeyn 5
Nota, Eswird hier der vornehmſten Lichter, nur in Anſehung der Oerter, ge
dacht: aber im Frantzoͤſiſchen Text, ſtehet von deren Austheilung
der Groͤſſe nach. Inzwiſchen iſt es eben nicht unrecht geredet.
Von der Manier nach dem Runden / oder nach
der Natur zu zeichnen.
u. OBSERVATIO. (Cap. 31.
7 Erjenige , fo nach runden Sachen zeichnet, ſoll ſich dergeſtalt darzu
bereiten, daß fein Auge, mit dem Auge der Figur, horizontal oder in
gleicher Linie ſey. | a
| A 3 Wit
6 3 Ber Erſte Theil / , r
TE — ͤ é———
Wie man eine nackigte Figur oder andere
Sache, richtig nach der Natur zeichnen ſoll.
12. OBSERVATIO. Cap. 38.)
Me. muß in der Hand einen Faden mit einem daran hangenden Bley
halten, um die Theile (oder li Scontri) des Odjects zu fehen, die uns
0 1 een Linie, und zwar eine gegen die andere zuſam⸗
7 ak AR 25 A ur
Wie man nach der Natur zeichnen ſoll. =
13. OBSERVATIO. (Cap. 25.)
Wow ihr nach der Natur zeichnen wollet, fo muͤſſet ihr euch dreymahl ſo
weit davon entfernen, als die Sache groß iſt, die ihr nachmachet; da⸗
bey ihr durch den gantzen Coͤrper eueres Modells, bey jedem harten
Zug beobachten muͤſſet, welche Theile mit dem geraden Stande der vor⸗
nehmſten Linie, ſcontriren oder zutreffen.
Nota. Der Author verftehet hier vermuthlich unter der vornehmſten Linie das⸗
ienige, was in der vorhergehenden 12. Obſervation, enthalten iſt.
Wie man das nackigte zeichnen ſoll.
14. OBSERVAT IO. (Cap. 30.)
Well ihr nach dem nackichten zeichnet, fo machet allezeit den völligen
Umriß der Figur. Alsdenn waͤhlet einen Theil der euch am beſten ge⸗
fallt, und arbeitet ihn mit Fleiß aus, wenn ihr ſelbigem vorhero mit
den andern Gliedern, eine ſchoͤne Proportion gegeben habt, denn ihr werdet
ſonſten niemahls alle Glieder zuſammen ſetzen lernen. Nehmet in acht, daß
in eueren Figuren der Kopf niemahls auf die Seite ſtehe, wo ſich die Bruſt
hinwendet, noch daß der Arm dem Bein gleich gehe. 1 ſich der
Kopf gegen die rechte Achſel wendet, ſo machet, daß ſich ſeine Theile ein
wenig von der lincken Seite abneigen. So die Bruſt ſich aufwerts kehret,
ſo drehet den Kopf gegen die lincke Seite, und die Theile der rechten Seite,
ſollen viel höher ſeyn, als die von der lincken. a
Wie
|
|
— 53
RAN 10 .
:: . . —
Wie ſich ein junger Mahler in ſeinem Studio
verhalten ſoll.
15. OBSERVATIO. (Cap. 6.)
Dos Gedancken eines Mahlers, ſollen in einer ſtetswaͤhrenden Activitaͤt
Munterkeit) ſeyn, und fo viel Raifonnements (Beurtheilungen) und
Reflections (Betrachtungen) machen, als er Figuren und Objecta
antrift, die einer Beobachtung würdig fern. Er muß ſich auch dabey aufs
halten, ſie beſſer und mit vieler Aufmerckſamkeit zubetrachten, und ſolche,
nach der Beſchaffenheit des Orths, auch der Umſtaͤnde des Schatten und Lich⸗
tes, unter gewiſſe General-Regeln bringen,
Ein Beweis / wie es nicht moͤglich ſey / daß das
Gedaͤchtniß alle Veraͤuderungen des Anſe
in den Gliedern behalte. |
Be
16. OBSERVATIO. Caps
— g S iſt unmoͤglich, daß
Pat N 3 das Gedaͤchtniß alle
; N 2 Veraͤnderung des An⸗
7 „ ſehens von den Gliedern der
A Coͤrper behalten koͤnne.
= GSioieſes wollen wir mit dem
„ Exempel einer Hand er⸗
N / en 90 alle fort
za waͤhrende Groͤſſen unauf⸗
— hoͤrlich theilbar ſeyn, fo fol⸗
1 i get hieraus, daß die Be⸗
wegung ſo das Auge von A biß B machet, indem es die Hand betrachtet,
ein Raum von einer fortwaͤhrenden Groͤſſe, und folgbar ungufhoͤrlich theils
bar iſt. Bey jedem Theil der Bewegung des Auges „verändert ſich auch
das Anſchauen und die Figur der Hand. Solches wuͤrde auch durch alle
Puncta von der eircularen Bewegung geſchehen, und die Hand verrichte⸗
se eben dergleichen, wenn fie ſich in ihrer Bewegung erhuͤbe, und durch eis
nen folchen Raum gieng, der eine Gröffe iſt. {
Manier,
ens
—
«bh \
0 Der Erſte Theil /
—— — — ͤ — —— —
Manier / wie ein Strich Landes nach der Natur
zu zeichnen, oder der Plan eines Feldes richtig
’
zu machen iſt. |
17. OBSERVATIO. (Cap.32.)
Ehmet ein Stuͤck Glaß das recht gerade iſt, einen halben Regal-
N Bogen groß; befeſtiget es zwiſchen eurem Auge und der Sache ſo ihr
zeichnen wollet, bleyrecht. Hernach muͤſſet ihr um zwey Dritteltheil eu⸗
res Armes weit vom Glaß ſtehen, und vermittelſt eines Inſtruments euren
Kopf befeſtigen koͤnnen, daß er ohne Bewegung ſey. Nach dieſem machet
ein Auge zu, und bemercket mit einem Pinſel oder Lapis Reißbley, Rohtſtein)
alles was ihr durch dieſes Glaß ſehet. Zeichnet ſolches alsdenn gegen das
Licht auf Pappier wieder durch, und ſtaͤubet es auf ein anderes gutes Pa
pier So es euch gefaͤllig, koͤnnet ihr ſolches auch mahlen; nur muͤſſet ihr
ſorgen, daß die Luft⸗Perſpectiv dabey in acht genommen werde.
Nota. Das im Italiaͤniſchen Text befindliche Wort Lapis, fo insgemein
ein Stein heiſſet, iſt vermuhtlich vom Rohtſtein zu verſtehen, mit
welchen man vermittelſt eines von Gummi verfertigten durchſchei⸗
nenden Grundes, die Obſecta auf einer Glas⸗Tafel durchzeichnen
kan. Im Frantzoͤiſchen ſtehet un craion, ein Reiß⸗ Bley, dahero
wir beyde Woͤrter gebrguchet haben.
Der
Ds 27 xD m 92 07.07 07 307 >02 32% > 44
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-sBv 7 7As ZDy DV 7 7uv <Dv /Q» 7 Ds 3 /
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De
V
Der PROPORTION.
Von der Proportion der Glieder.
1. OBSERVATIO. (Cap. 175.)
A. Le Theile von einem jeglichen Thier, ſollen mit dem Gantzen uͤber⸗
einſtimmen. Das iſt, wenn eines feiner völligen Geſtalt nach, kur
und dick iſt, ſo mus auch ein jedes Glied beſonders, kurtz und di
ſeyn. Sit eines lang und Dunne , ſo mus es lange und kleine Glieder haben.
Beſitzet es eine mittelmaͤßige Geftalt , fo find auch feine Gliedmaſſen fo bes
ſchaffen. Man mus aber dieſes nicht auch von den Gewaͤchſen verſtehen, als
die durch die Schoͤßlinge, die aus ihrem Stamm entſpringen, ſich verneuern,
wodurch ihre erſte Geſtalt, und ihre natuͤrliche Proportion veraͤndert und
verwandelt wird.
Ein jegliches Glied / ſoll mit dem gantzen Coͤr⸗
. per proportioniret ſeyn.
2. OBSERVAT IO. (Cap. 250.)
Mech. daß ein Theil vom Gantzen, mit feinem Gantzen proportioniref
T fen. Iſt demnach ein Menſch kurtz und dicke, ſo beobachtet dieſes in
der Zeichnung bey jeglichem Glied. 1 55 nemlich die N 5
au
8
22 3%
10 | Der Andere Theil / Be
auch Furk und dick, die Hände breit und dick, und die Finger mit ihren Jan-
turen oder Gelencken ebenfalls nach obbeſagter Art, und alſo im uͤbigen.
Nota. In dieſer und der vorhergehendem Obſervatĩon, redet. der Author von
einerley Materien, auſſer daß er in der erſten, wegen der Propor⸗
tion der Pflantzen, einen beſondern Einfall hat. Unſeres Erach⸗
tens, koͤnnen auch die Krebſe, wegen ihrer Scheeren hieher ge⸗
sogen werden, dergleichen man bey andern Thieren nicht leich tlich
antreffen wird.
Von der Abtheilung der Figuren.
3. OBSERVAT IO. Cap. 48.)
Dy Figur eines jeglichen Coͤrpers, theilet ſich in 2. Theile; das iſt: die
Proportion der Glieder unter ſich ſelbſten, ſoll mit ihrem Gantzen
uͤbereinkommen und die Bewegung muß nach den Zufall und nach
dem Sinn der lebenden Figur, welche ſich beweget, gerichtet ſeyn.
Von der Proportion der Glieder.
4. OBSERVATIO. (Cap. 49.)
De Proportion der Glieder theilet ſich wieder in 2 Theile, nemlich in die
nu Gleich ie Gleichhei
Coͤrpern uͤbel gebildete Glieder anbringen. Man muß auch in acht nehmen, daß
die Stellung und Bewegung der Alten, nicht eben dieſelbe Lebhafftigkeit aus⸗
druͤcke als ſie bey jungen Leuten ift; und daß die hurtigen und artigen, nicht mit
den faulen und naͤrriſchen, noch die Theile von den Maͤgdchen mit den Thei⸗
len der Knaben vermenget werden geſtalten die Bewegung und die Glieder
von einem plumpen Coͤrper, zu der Ausdruͤckung folcher Staͤrcke und Lebhaff⸗
Von
vonder Proportion. 11
Von dem univerfal- oder allgemeinen Maas
der Körper,
5. OBSERVAT IO. Cap. 173.)
Ch ſage, daß man das allgemeine Maaß der Coͤrper, nur allein nach der
Länge der Figuren, nicht aber nach der Breite beobachten muß weil die—
ſes ein ſehr wunderbahres und loͤbliches Werck in der Natur iſt, daß
niemals in einiger Species, ein Umſtand dem andern richtig gleich iſt. So
ihr demnoch die Natur imitiret, ſo betrachtet die Mannigfaltigkeit der
Umzuͤge aufmerckſam. Es gefiel mir wohl, ſo ihr alle monftröfe (ungeheu⸗
re) Dinge meiden und fliehen moͤchtet, als da ſind: Lange Beine, ſehr Fur:
tze Leiber oder Buſti, eine ſchmale Bruſt, und lange Arme. Nehmet dero⸗
halben das Maaß von den ſuncturen und deren Dicke, bey welchen die Natur
ſehr ſtarck abwechſelt, und wendet dergleichen bey euern Exempeln an.
Von der Compoſition oder Zuſammenfuͤgung
der menſchlichen Glieder. 0
6. OBSERVATIO. (Cap. 18 50
Ehmet von euch ſelbſt das Maaß eurer Glieder, und ſo ihr einen Theil an⸗
N treffet der keine ſchoͤne Proportion hat, fo mercket ihn, und nehmet
euch wohl in acht, wenn ihr Figuren zeichnet, damit ihr nicht eben der⸗
gleichen Fehler begehet. Denn es geſchiehet gemeiniglich daß ein Mahlerfich
Ko mahlet, und fich an ſolchen Dingen ergoͤtzet, die mit ihm eine Gleichheit
aben.
Wie es kommt / daß man ſich wegen der ſchöͤ⸗
| nen Proportion der Glieder betrüget.
7. OBSERVATIO, Cap. 42.)
Em Mahler der keine ſchoͤne Haͤnde hat, wird gemeiniglich dem Fehler
unterworfen ſeyn, daß er dergleichen in fue Wercken auch machet.
f 92 Eben
12 Der Andere Theil /
Eben dieſes wird er mit andern Gliedern mehr thun, wenn er es nicht mit
forgfältigen Fleiß vermeidet. Es ſoll ſich demnach ein jeder Mahler wohl vorſe⸗
hen, welcher Theil ſeines Coͤrpers mangelhafft iſt, und ſich befleißigen eine
ſolche boͤſe natuͤrliche Neigung zu vermeiden.
Welches die vornehmſten und wichtigſten Stuͤ⸗
cke ſeyn, die man bey einer Figur in acht zu nehmen hat.
8. OBSERVATIO.(Cap.213.)
Wo man Figuren entwerffen will, ſo muß man den Kopff wohl auf die
Achſeln und Schultern; den halben Ober-Leib oder Butti, auf die
Huͤfften oder Lenden, und dieſe Huͤffte nebſt den Schultern, wieder
auf die Beine ſetzen.
Von der Veraͤnderung des Maaſes des Men⸗
ſchen von ſeiner 1 Hi bis zu feinem völligen.
achsthum.
9. OBSERVATIO. Cap. 1670
Wen der Menſch ſich noch in ſeiner erſten Kindheit befindet, koͤmmt die
Breite der Schulter, mit einer Geſichts⸗-Laͤnge, und mit der Weit⸗
ſchafft eines gebogenen Arms von der Schulter bis zum Ellenbogen;
deßgleichen mit der Weitſchafft von dem Daumen biß zum Bug des Ellenbo⸗
gens; nicht weniger mit der Weite von dem Anfang der Schaam bis zur
Mitte des Knies; und mit dem Zwiſchen-Raum, von dem Knie⸗Bug biß
zum Bug des Fußes uͤberem. Wenn aber der Menſch feine vollkommene Hoͤ⸗
he; erreichet, fo verdoppeln vorbeſagte Spatia ihre Lange, doch iſt die Länge
des Angeſichts davon ausgenommen, welches mit dem gangen Kopff wenig
Veraͤnderung machet. Wenn nun alſo der Menſch zu ſeinem letzten Wachs⸗
thum gelanget, und wohl proportioniret iſt, hat er 10. Längen von feinem:
Angeſicht. Und die Breite von einer Schulter bis zur andern, betraͤgt 2 ſolche An⸗
geſichts Längen. Alſo find auch alle andere obgedachte Längen, auch von 2
Angefichts- Langen; das übrige wird man bey dem univerſal oder algememen:
Maas des Menſchen fagen..
Von
*
von der Proportion. 13
—ͤ —— —
Von dem Unterſcheid des Maaſes / zwiſchen den
Kindern und erwachſenen Menſchen.
10. OBSERVATIO. Cap. 169.)
Wiſchen einem vollkommenen Menſchen und und einem Kinde, findet ſich
ein groſſer Unterſcheid in der Lange von einem Gelencke (Junctur) big
zum andern. Denn da bey einem Menſchen die Weite von der Junctur
der Achſel biß zum Ellenbogen, deßgleichen vom Ellenbogen biß zur Spitze des
Daumens, und von einem Achſelbein der Schulter biß zur andern, 2 Köpffe
per mezzo oder ohngefehr in ſich haͤlt, ſo traͤgt dieſes Maas bey einem Kinde
nur einen Kopf aus: weil die Natur erſtlich die Groͤſſe des vornehmſten Stüs
ckes, nemlich des Hauſes oder Sitzes von dem Verſtand, als dem Theil zu den
Lebens⸗Geiſtern, zuſammen ſetzet.
Nota. So wol in dieſer, als der vorhergehenden, wie auch der folgenden 41.
Obfervation des 10 Theils, befindet ſich ein Unterſcheid, wegen des
Maaſes des Menſchen in der Eintheilung durch den Kopf und das
Geſicht. Wenn von dem letztern geredet wird, muß vermuth⸗
lich von der Junctur der Beine zu meſſen angefangen werden: Mit
dem Kopfe herentgegen, muß man an dem aͤuſſerſten Theile des Flei⸗
ſches, ſo wol in die Lange als Breite meffen..
Von den Buͤgungen und Wendungen des
Menſchen.
ır, OBSERVAT IO. (Cap. 204.)
U fo viel der Menſch von einer feiner Seiten, indem er ſich beuget, abs
nimmt, um fo viel hingegen nimmt er an der gegen uͤberſtehenden Seite
zu. Solche Buͤgung wird endlich zuletzt an demjenigen Theil der ſich
ausdehnet, doppelt von Proportion; davon ich einen beſondern Tradtas:
machen werde.
B 3 Von
14 Der Andere Theil /
—t ¶U—•U—ÿ n nn — —— — —— —— ͤ ümœP-txů3—3·˙ů33ꝛQA eb —
Von unterſchiedenen Zufaͤllen bey der Bewe⸗
gung des Menſchen an der Proportion der
zlieder.
12. OBSERVAT IO. (Cap. 166.)
N jeglichem Gliede variret das Maas des Menſchen, nachdem fich fol
ches Glied mehr oder wenig beuget: und auch nach unterſchiedenen An⸗
ſichten verringert und vergroͤſſert ſich ſolches Maaß um ſo viel mehr oder
8 von einem Theil, als ſolches Glied an der Seite gegen über zu-oder
abnimmt.
Von dem Maaß des menſchlichen Toͤrpers und
von der Biegung der Glieder.
13. OBSERVATIO. (Cap. 74.)
1
Je Nothwendigkeit verbindet einen Mahler, daß er eine Kundſchafft von
D der Oſteologia, oder von den Gebeinen der Leiber habe, die In tuͤtze
und Bewegung des Fleiſches dienen, womit ſie bedecket ſeyn. Er muß
auch eine Nachricht von deren Juncturen beſitzen, welche machen, daß die
Glieder in ihren Biegungen ab⸗ und zunehmen. Daher koͤmmt es, daß das
Maas
8
von der Proportion, 17
——
Maas des ausgeſtreckten Armes, dem gebogenen nicht gleich iſt. Denn es
nimmt ſolcher um ein 8tes Theil feiner Länge ab- und zu, nach dem Unter:
be der hoͤchſten Ausdehnung und Biegung. Das Zu- und Abnehmen
es Armes aber ruͤhret von dem Bein her, welches aus der Junctur des
Armes hervor gehet. Ihr ſehet ſolches in der Figur A. B. wo das Zuneh⸗
men von Laͤnge der Schulter biß zum Ellenbogen gehet. Um ſo viel nun der
Winckel von dieſem Ellenbogen kleiner oder enger wird als ein rechter, um
fo viel waͤchſet der Arm. Hingegen verkuͤrtzet er ſich, wenn befagter Win⸗
ckel ſtumpff oder groß wird. Um ſo viel waͤchſet auch das Spatium von der
Schulter biß zum Ellenbogen, als der Winckel von der Biegung des befags
ten Ellenbogens ſich kleiner machet als ein rechter: und um ſo viel nimmt er
auch wieder ab, als dieſer Winckel groͤſſer iſt als ein rechter.
Von den Biegungen der Glieder.
14. OBSERVAT IO. (Cap. 205.)
1% fo viel eine Seite des liegenden Gliedes länger wird, um fo viel verkuͤrtzt 65 egen u
ſich fein gegen über geſetzter Theil: aber die aͤuſſerſte Central- Linie
(Mittel⸗Linie) von der Seiten die ſich in den beugenden Gliedern nicht
beuget, wird in ihrer Länge niemals weder ab- noch zunehmen.
Wie weit ſich ein Arm dem andern von hinten
auf dem Ruͤcken naͤhern kan.
15. OBSERVAT IO. (Cap. 232.)
Von den Armen die man hinter ſich wendet 1 koͤnnen die Ellenbogen fich Fig, 3.
nicht weiter naͤhern als biß zum laͤngſten Finger von der andern Hand
gegen uͤber; nemlich die groͤſte Naͤhe ſo der Ellenbogen von hinten beym
Nieren haben kan, wird das Spatium von Ellenbogen biß zum aufferften
Theil des groͤſten Fingers ſeyn, und werden beyde Arme alſo zuſammen ge⸗
alten, ein vollſtaͤndiges Viereck abbilden. Item, wenn man den Arm quer
uͤber die Bruſt leget, fo daß der Ellenbogen juft mitten auf die Bruſt oder den
Magen koͤmmt, da wird der Ellenbogen mit den Schultern und Arm, ein ac-
curates Triangulum Æqvilaterum (einen vollftändigen gleichfeitigen Trian⸗
gel) machen.
| Von
16 Der Andere Theil /
——
Von den Jun&taren (Gelencken) der Füſſe.
16. OBSERVATIO. (Cap. 177.)
Dots Ab⸗und Zunehmen der Juncturen der Fuͤſſe begiebt ſich nur allein von
der Seite der Seite ihres partis filveftris (der aͤuſſern Maͤußlein) D. E. E.
Das Zunehmen geſchiehet, wenn der Winckel ſolcher Junckur ſehr ſcharff
wird: Hingegen ereignet ſich das Abnehmen nach Proportion , wenn ein
ſtumpffer oder weiter Winckel daraus wird. Ein gleiches verſtehet ſich, von
der Junckur von dem Fuß AC B, davon ich anderweit reden will. |
Nota. In dieſer Obfervation gebraucht der prangen i Redens⸗Art,
nell’ afpetto della ſua parte fi veſtre, welches wir nicht anderſt,
als von der Seite der aͤuſſern Maͤußlein, zu verteutſchen gewuſt.
Im Frantzoͤiſchen, ſtehet du cotè de fa partie nerveufe , wel⸗
ches vielleicht auf die gedachten aͤuſſern Maͤußlein oder Nerven
der Fuͤſſe zielet.
Das Maas oder die Abtheilung einer Statue.
17. OBSERVATIO. (Cap. 39.)
S Heilet den Kopff in 10 Grad, und jeden Grad wieder in 12 Punde;
jedweden Pundt in 12 Minuten, und die Minuten in Secunden, die
Secunden aber wieder in halbe.
Der
Von
Jer ANATO MIA.
Oder |
Sergliederungs⸗Kunſt.
IRRE RT TER RT
Daß die innenwendige Geſtalt / oder die Anato-
mie des Menſchen, einem Mahler nohtwendig
zu wiſſen ſey.
1. OBSERVATIO. Cap. 43)
Ein Mahler, welcher eine Erkaͤnntniß von der Natur der Nerven, Mu
hr ſculn und Flaͤchſen, (Italiaͤniſch Lacerti ) beſitzet, der wird auch
wohl bey der Bewegung eines Gliedes wiſſen, wie, und wie viel die
Nerven daran Urſach ſeyn, und welcher Muſculus ſich aufſchwel⸗
let. Die Urſache des letztern iſt, wenn eine Nerve ſich zurück ziehet, oder kuͤr⸗
tzer wird, und daß einige Sennen ſich in zarte Cartilagines (Knorpeln) zu⸗
ſammen umwickeln, und beſagten Mufculum umgeben. Machet es nicht ivie
viele thun, welche bey unterſchiedlichen Actionen, allezeit einerley Art der Be⸗
wegung von Mufculis, am Arm, am Rücken, an der Bruſt, und an andern
Gliedern anbringen.
Nota. Hier gedencket der Author, der ungleichen Wuͤrckung der Mufculn,
welche die Alten in ihren e ſelten beobachtet haben.
18 Der Dritte Theil /
Auf was fuͤr eine Art man die Anatomie
ſtudiren ſoll.
OBSERVAT IO. (Cap. 57.)
“> Shreibet euch diejenigen Muſculn und Sennen auf, ſo nach verſchiedener
Stellung und Bewegung ſich vor andern in jedem Gliede entdecken oder
verbergen; oder welche weder eines noch das andere thun. Erinnert
euch wohl, daß dieſes Studium bey den Mahlern und Bildhauern was ſehr
Wichtiges ſey, als deren Profeſſion ſie verbindet die Muſculn zu wiſſen.
Man wird auch dergleichen bey einem Coͤrper von einem kleinen Kinde, von
feiner Geburth an, biß zu der Zeit feines groͤſten Alters, durch alle Stuffen
derſelben thun muͤſſen; an welchem allen ihr die Veraͤnderung beobachten
koͤnnet, die bey jedwedem Gliede und feiner Junctur ſich neiget, und wie ſolche
entweder fetter oder magerer werden.
Von den Muſculis oder Maͤußlein.
3. OBSERVATIO. Cap. 224.)
De Glieder von jungen Leuten, muͤſſen keine ſtarcke Ausdruͤckung von Mu-
culis haben, weil ſolche ein Zeichen eines vollkommenen erwachſenen
Menſchen ſeyn. Denn die Jugend ift noch nicht zu ſolcher Zeitigung
oder reiffen Staͤrcke gelanget. Auch ſollen die Muſculn in den Gliedern
viel oder weniger ausgedruͤcket ſeyn, nachdem ſolche Glieder viel oder wenig
arbeiten. Denn diejenigen Mufculi fo am meiſten arbeiten, find auch allezeit
mehr erhoben und dicker, als diejenigen, ſo der Ruhe genieſſen: und es wird
die innerliche Linea- Centralis (Mittel⸗Puncts⸗Lime) von den Gliedern die
ſich biegen, niemals in ihrer natuͤrlichen Laͤnge ſeyn.
Von der Beſchaffenheit des Nackenden.
4. OBSERVAT IO. (Cap. 220.)
HoIne Figur die zart und fehr niedlich ausfehen ſoll, muß nicht mit vielen und
E ſehr erhobenen Muſculn ausgedruͤcket werden; weil bey einem zarten Coͤr⸗
per
.
vonder Anatomĩa, oder Zergliederungs⸗Runſt. 19
per fich niemahls viel Fleiſch über den Beinen befindet; ſondern fie muͤſſen we⸗
gen Mangel des Fleiſches ſubtil ſeyn. Denn wo wenig Fleiſch iſt, da kan ſich
auch keine groſſe Dicke von Mufculn befinden.
Das Nackende / wovon man alle Mufculos
deutlich ſiehet, ſoll keine Bewegung machen.
5. OBSERVATIO. (Cap. 225.)
7 Jeſes findet darum nicht ſtatt, weil keine Bewegung geſchehen kan, daß
D nicht ein Theil von den Mufculn nachlaſſe, wenn die gegen über ſtehen⸗
de Muſcul ziehet und in Action iſt: Und die ſo nachlaſſen, find nicht
2 bezeichnet; hingegen die ſtarck arbeiten, ſind ſtarck und deutlich ent⸗
ecket.
Von den Gliedern im Nackenden wegen der
Muſculn.
6. OBSERVAT IO. (Cap. 194)
Dae Glieder im Nackenden, ſollen viel oder wenig deutlich und augen⸗
cſcheinlich in Entdeckung der Mufeuln ſeyn, nachdem die Arbeit beſag⸗
ter Glieder ſtarck oder ſchwach iſt. Abſonderlich ſoll man diejenigen
Glieder ſehen laſſen, die in der Bewegung und Action ſtarck arbeiten: und
ſoll derjenige Muſcul am deutlichſten erſcheinen, der an demſelben Glied am
meiſten wuͤrcket, und derjenige, ſo nichts darbey zu thun, bleibet lind und iſt
wenig zuſehen.
Von den Gliedern eines nackenden Menſchen.
7. OBSERVAT IO. (Cap.8 o.
N Glieder eines nackenden Menſchen welche ſich in unterſchiedener
Action ſtarck bewegen, oder arbeiten, ſollen allein diejenigen jeyn wel—
che ihre Mulculos von der Seiten e „wo dieſe Mufculi 95
| 2 arbei⸗
—
20 Der Dritte Theil /
arbeitende Glied bewegen. Und die andern Glieder muͤſſen ihre Muſculos
mehr oder weniger zu erkennen geben, nachdem ſolche viel oder wenig arbei⸗
ten und ſich bewegen.
In nackenden Figuren / ſollen nicht alle Muſculn
gaͤntzlich zu ſpuͤren ſeyn.
8. OBSERVAT IO. (Cap. 226.)
S ſoll dieſes darum nicht geſchehen, weil ſolche Ausdruͤckungen dem Auge ſehr
E unangenehm ſeyn, und mehr einer Anatomie gleichen, auch ſich ſehr ſchwer
bewerckſtelligen laſſen. Auf der Seite hingegen dahin ſich das Glied zu
feıner Verrichtung wendet, ſollen die Mufeuli ſehr deutlich bemercket wer⸗
den. Die Natur der Mufculn in der Operation, beftehet in der Zuſam⸗
menfaſſung und Verſtaͤrckung ihrer Theile, und zwar auf dieſe Art, daß viele
von denenfelben ‚fo vorher nicht ſcheinbar geweſen, ſich durch den Effect der
Action entdecken.
Welche Muſculn bey unterſchiedenen Bewe⸗
gungen des Menſchen verſchwinden
9. OBSERVAT IO. (Cap. 223.)
dem man den Arm auf und nieder hebet, fo werden die Bruͤſte flacher
oder erhabener ſeyn. Eben dergleichen thut auch das Erhabene von der
Seiten oder Weiche, nachdem man ſich ein- oder auswaͤrts bieget;
Und die Schultern haben nebſt dem Halß und der Seite, mehr Veraͤnderung
als keine andere von den Junckuren, weil ſolche in der Bewegung gar zu
veraͤnderlich ſen. Hievon werde ich aber ein beſonders Buch ſchreiben.
Von den Mufculn zwiſchen den Bruͤſten und
dem Unter⸗Leibe.
10. OB SE RVAT IO. (Cap. 230.)
S iſt eine gewiſſe Muſcul unter der Bruſt und dem Unter⸗Leibe, ober
ſie endiget ſich vielmehr im Unter⸗Leibe, welche 3. Kraͤfften hat, ct
ie
von der Anatomia, oder Zergliederunes-Runft. Ar
ſie nach der Laͤnge in drey Sennen getheilet iſt. Es iſt nemlich erſtlich der
oberſte Muſculus, und denn folget eine Senne die eben fo breit als der Mufcu-
lus iſt. Alsdenn folget der andere Muleulus, weiter unten von jenem, wel⸗
cher ſich an die andere Senne fuͤget. Endlich koͤmmt der dritte Mufculus
mit der dritten Senne, welche an das Os Pubis oder das Schaambein angefuͤ—
get iſt; und dieſe dritte Wiederholung der drey Mnfculn nebſt den drey
Sennen, ſind von der Natur, wegen der groſſen Bewegung gegeben, die der
Menſch machet, indem er ſich beuget und wieder ausdehnet. Denn fo fie
nur aus einem Stück beſtuoͤnde, wuͤrde die Veraͤnderung im Biegen und Aus⸗
dehnen oder Ausbreiten und Einziehen des Coͤrpers allzu ſtarck ſeyn. Zudem
ſo verurſachet es auch mehr Schoͤnheit in dem menſchlichen Coͤrper, wenn die⸗
ſe Muſculi wenig Veraͤnderung haben. Denn fo ſich dieſe Mufculi neun
Zoll weit aus⸗ und eben ſo viel ſich wieder zuruͤck zoͤgen, ſo kaͤmen auf jeden
Muſcul drey Zoll, welche wenig Veraͤnderung oder Variation in ihrer Figur
Ben, und alfo auch die Schönheit vom menſchlichen Coͤrper wenig vers
ellen.
Von der Verkuͤrtzung und Extenſion der
Muſculorum.
11. OBSERVAT IO. (Cap. 227.)
er Mufeulus am hintern dickem Bein, machet die gröfte Veränderung
u feiner Extenſion (Ausſtreckung) und Attraction (Anziehung) als
keine andere Mufcul am menſchlichen Leibe. Der andere kormiret die
hinter Backen. Der dritte den Ruͤcken. Der vierdte die Kehle oder den
Schlund. Der fuͤnffte die Schultern. Der ſechſte den Magen: und die⸗
fer entſpringet unter den Bruͤſten,“ und endiget ſich unter der Schaam oder
dem Unter⸗Leibe, wie man von dieſen allen anderwerts reden wird.
Nota.“ Die hier gebrauchte Redens⸗Art: entſpringet unter den Bruͤſten, heiſt im
Italiaͤniſchen nafce ſotto il pomo granato. Wir haben aber
daruͤm die Bruͤſte geſetzet, weil unter dem pomo granato, ſonder
Zweifel nichts anders, als die Bruſt mit ihrer Wartze zu verſtehen,
die einem Granat⸗Apfel nicht viel ungleich iſt. Im Frantzoͤiſchen
Text, ſtehet de l eſtomac; das iſt, der Überſetzer, nennet die ſechſte
Mufcul , die Magen-Mufcul,
L 3 Woher
ai Der Dritte Theil /
Woher es koͤmmt / daß die Mufculn kurtz und
dick ſeyn.
12. OBSERVAT IO. (Cap 221.)
DH mufeulöfen Leute haben dicke Beine oder Knochen, find von einer
dicken und kurtzen Taille , und haben Mangel am Fett. Denn die
Fleiſchigkeit von den Mulculn ſchlieſſet ſich durch ihren Wachsthum hart
an einander, und das Fett / ſo ſich ſonſten dazwiſchen befindet, hat keinen
Platz. Die Mufculn in ſolchen magern Coͤrpern / indem fie enge aneinander
ſtehen, und ſich nicht erweitern koͤnnen, wachſen in die Dicke und mehr in
dieſem Theil welcher am weiteſten von ihrer Extremität entfernet iſt; nem⸗
lich gegen die Mitte ihrer Breite und Laͤnge.
Nota. Dieſe Obfervation, iſt wegen des Fleiſches und Fettes, auch wegen
der Knochen oder Beine, gar merckwuͤrdig.
Wie die fetten Leute nicht dicke Muſculn
haben.
13. OBSERVATIO. (Cap. 22 2.)
Bſchon fette Leute kurtz und dick, wie vorbeſagte Muſculoſi, ſeyn, fo
haben fie doch zarte Mufculn,, aber ihre Haut bedecket viel ſchwam⸗
michtes und weiches Fleiſch fo voller Lufft ſtecket. Es koͤnnen ſich da;
hero fette Leute beſſer über dem Waſſer in Schwimmen erhalten , als die
Muculoſen nicht thun, welche zwiſchen der Haut weniger Lufft haben.
An welchem Theil des Menſchlichen Loͤrpers /
ſich eine Senne ohne Mufculn findet.
16. OBSERVAT IO. (Cap. 228.)
3 ſich der Arm endiget, ohngefehr 4. Finger breit von der flachen Hand,
> findet man eine Senne, welches die groͤſſeſte am Menſchlichen Coͤrper
iſt. Dieſe iſt ohne Mufcul und entſpringet in der Mitte der Sie
Arm⸗
22
I met
I RUN
KNIE
—
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* er, x Be
5
ur
2
vonder Anatomia, oder Zergliederungs-Runſt. 23
Arm Rohre, und endiget ſich in der Mitte der andern. Sie hat eine vier—
eckichte Figur , iſt ungefehr drey Finger breit, und eines halben Fingers dick,
und dienet allein die 2 Roͤhren vom Arm genau zuſammen zu halten, damit ſich
ſolche nicht auseinander begeben.
Von acht Beinen die mitten in den Sennen in
unterſchiedenen Juncturen wachſen.
15. OBSERVAT IO. (Cap. 229.)
S formiren ſich in den Juncturen des menſchlichen Coͤrpers, kleine Sth:
E cke von Beinen in der Mitte der Sennen, die etliche von den Juncturen
zuſammen binden, als an der Knieſcheibe, an der Schulter und an den
Fuͤſſen, ſo in allen 8 ausmachen. In jedweder Schulter und in jedem Knie,
iſt nicht mehr als eins, aber jeder Fuß hat unter dem erſten Gelencke der
roſſen Zehen nach der Ferſe zu, zwey, und dieſe werden in dem Alter des
enſchen ſehr hart.
Von den Gliedern die ſich biegen / und was das
Fleiſch, welches ſelbige umgiebet, in dieſer Biegung
vor eine Verrichtung hat.
16 OBSERVAT IO. (Cap. 236.)
gr Fleiſch, welches die Junctur vom Bein und andere Theile von den
benachtbarten Beinen umgiebet, waͤchſet und vermindert ſich in feiner
Dicke, nachdem ſich ſolches Glied beugt oder ausſtrecket. Es waͤchſt
nemlich in dem innerlichen Theil des Winckels, welcher ſich in Biegung des
Glieds formiret. Es verduͤnnnet und erſtrecket ſich herentgegen von dem
aͤuſſerſten Winckel, und was ſich in der Mitte zwiſchen dem Angulo Convexo
und Concavo (erhabenen und hohlen Winckel) befindet, nimmt ſeinen Antheil
an dem Wachsthum und der Verminderung, jedoch mehr oder weniger,
nachdem die Theile von dem Winckel der beſagten gebogenen Junctur, ſehr
nahe oder ferne ſeyn. f
Nota. Im rantzoͤiſchen Text, ſtehet ein Bein mehr als im Italiaͤniſchen, nemlich
das Bruſt⸗Bein. Es wird aber im Italiaͤniſchen eigentlich nur von
denenjenigen Beinen geredet, die zwiſchen und mitten den Sennen
ſich befinden und die Juncturen zuſammen binden, welches bey dem
Bruſt⸗Beine nicht geſchiehet.
Von
24 Der Dritte Theil /
2 ——— — — — — — — —uE:̃ —— — — — — —
Von der Biegung des Fleiſches.
17. OBSERVAT IO. (Cap. 238.)
DAs gebogene Fleiſch wird allezeit von der gegen uͤberſtehenden Seite von
welcher es geſpannet iſt, faltig ſeyn. |
Von den Gliedern die ſich verringern / indem fie
ſich biegen, und wieder zunehmen, wenn ſie ſich
ausſtrecken.
18. OBSERVAT IO. (Capa7s.)
1 den Gliedern die biegbahre Juncturen haben, iſt das einige Knie, wel⸗
ches indem es ſich beuget, in ſeiner Dicke abnimmt, im Ausſtrecken herent⸗
gegen an derſelben zunimmt.
Nota. Dieſe Obſervation, hat man wegen der Juncturen des Knies,
wol zu mercken.
Von den Jun&uren der Glieder.
19. OBSERVATIO. (Cap. 184.)
N den ſuncturen der Glieder und der Mannigfaltigkeit ihrer Biegung,
iſt wohl zubetrachten, daß das Fleiſch welches an einer Seiten waͤchſet,
an der andern mangelt. Dieſes ſoll man an dem Halß der Thiere un:
terſuchen, weil die Bewegungen daran von dreyerley Natur ſind; zwey da⸗
von ſind einfach, und eine iſt zuſammen geſetzt die von einem und dem andern
von beſagten einfachen, Antheil nimmt. Eine von den einfachen Bewegun—
gen iſt, wenn man ſich nemlich mit dem Halß nach der einen oder andern
Schulter wendet; oder wenn man den Kopf der auf jenen geſetzet iſt, in die
Hoͤhe oder Nieder beweget. Die andere iſt, wenn beſagter Halß ohne daß
ch ſolcher beugt oder kruͤmmet, ſich nach der Lincken oder Rechten herum
rehet, und alſo gantz gerade bleibet ‚und das Geſicht nach der einen Schul⸗
ter kehret. Die zte Bewegung, welches die beſagte e ihr
jehet,
von der Anatomĩa, oder Zergliederungs-Runft. 25
ſchiehet, wenn, indem man mit dem Halß ſich beuget, man ſich auch zugleich
mit demſelben drehet; zum Beyſpiel, wenn das eine Ohr nebſt dem Geſicht
ſich gegen die eine Schulter neiget, oder auch gegen der andern Schulter, mit
dem Geſicht nach den Himmel gerichtet iſt.
Von den Jun&uren der Schultern und ihrem
Zunehmen.
20. OB SERVAT IO. (Cap. 171.)
On den Juncturen der Schultern und anderer Gliedern die ſich biegen,
V wird man an feinem Orth, in dem Tractat von der Anatomie reden;
allwo man die Urſache der Bewegung aller Theile, woraus der Menſch
zuſammen geſetzet iſt, zeigen wird.
Von der Jun&ur der Hand mit dem Arm.
21. OBSERVATIO.(Cap.ı76.)
Dey Junctur des Armes mit ſeiner Hand verringert ſich, indem man die
Fauſt zuſchlieſſet, und vergroͤſſert, oder ſie verdicket ſich dey Oeffnung
derſelben. Das Gegentheil verrichtet der Arm zwiſchen dem Ellenbo⸗
gen und der Hand auf allen Seiten. Dieſes koͤmmt daher , daß, indem
man die Hand oͤffnet, die darzu verordnete Mufculn ſich ausdehnen, und
alſo den Arm zwiſchen dem Ellenbogen und der Hand verduͤnnen. Wenn ſie
ſich hingegen zuſammen druͤcket, oder etwas dank zugreiffet, ſo ziehen die
innern und aͤuſſern Arm⸗Maͤußlein oder Mulculi ſich zuruͤcke, und verdicken
ſich, oder ſchwellen auf; aber die harten allein, loͤſen fi) vom Dein ab, da⸗
mit ſie durch die Biegung der Hand gezogen werden.
Von den Gelencken der Finger.
22. OBSERVATIO. (Cap. yo.)
Je Finger der Hand verdicken ſich in ihrer Junctur, wenn ſie ſich von als
len Seiten biegen, und fie verdicken ſich um fo viel mehr, als fie 5
) le⸗
26 Der Dritte Theil / 5
biegen. Hingegen verduͤnnen fie ſich, jemehr fie ſich ausſtrecken. Es trägt ſich
dergleichen auch bey den Zehen der Fuͤſſe zu, und ſolche Veraͤnderung iſt um
ſo viel ſtaͤrcker und ſichtbarer, wenn ſie ſehr fleiſchigt ſind.
Von den Gliedern welche ſich durch das Biegen
in ihren Juncturen verdicken.
23. OB SERVATIO. (Cap. 179.)
9 Le Glieder der Menſchen verdicken ſich, indem ſie fich biegen, ausgenom
men die Junctur vom Schenckel oder Schienbein.
Von der Wendung des Beines ohne den
Ober⸗Schenckel.
24. OBSERVATIO, Cap. 237.)
&S iſt unmöglich das Bein vom Knie unterwerts zu wenden, ohne daß ſich
der dicke Schenckel nicht auch mit eben fo ſtarcker Bewegung wendete.
Dieſes ruͤhret daher, weil die Junctur von dem Bein des Knies, ſich auf
ſolche Art in das Bein vom dicken Schenckel ſchlieſſet, daß es ſich nur allein
in feiner Junctur bey dem Gehen und Knien hinter ſich und vor ſich beweget;
aber niemahls nach der Seite; weil die Zuſammenfuͤgung der Junctur vom
Knie, ſolches nicht verſtattet. Denn fo dieſe Junctur auf allen Seiten flexi-
bel waͤre, oder ſich biegen ließ, wie die an dem Ober⸗Arm⸗Bein, welche ſich
an die Achſel ſchlieſſet, und wie die von dem dicken Bein oben mit der Huͤff⸗
te, ſo wuͤrde der Menſch allezeit das Bein von allen Seiten, ſo wohl von forn
als hinten biegen koͤnnen, und ſolches meiſtentheils auf die Seite gekruͤmmet
oder verdrehet ſeyn. Es kan auch dieſe Junckur das Bein nicht anderſt als
gerade machen, und iſt nur fornen flexibel, nicht aber hinten. Waͤre ſie von
hinten flexibel, ſo koͤnte der Menſch nicht wieder 15 6 wenn er kniete.
Denn indem er vom Knien wieder aufſtehet, ſo wirfft er erſtlich die voͤllige
Laſt ſeines Leibes auf das eine Knie um jenes leicht zu machen. Es empfindet
alsdenn daſſeibe Bein kein anderes Gewicht als fein eigenes „kan ſich alfo:
mit leichter Mühe von der Erden aufheben „ und die voͤllige Sohlen vom
Fuß, Blat auf die Erden ſetzen. Es leget ſich herngch feine gantze Schwe.
von der Anatonnĩe, oder Zergliedrungs-KRunfk; 27
—— . ſ—
re auf dieſes Bein, indem der Menſch dabey die eine Hand auf deſſen Knie ſtuͤtzet,
und zu gleicher Zeit den andern Arm, der den Coͤrper unterſtuͤtzte, ausſtre⸗
cket; welcher die Bruſt und den Kopf auch in die Höhe bringet, und alſo
den dicken Schenckel mit der Bruſt ebenfalls ausſtrecket und gerade richtet.
Endlich hebt er fi) auf dieſem Bein vollends gerade in die Höhe, biß er das
andere Bein auch aufgehoben hat.
Wie die kleinen Kinder / gantz contraire Jun-
cturen, in Anſehung ihrer Dicke, als erwachſene
Menſchen haben.
25. OBSERVAT IO. (Cap. 168.)
Leine Kinder, haben alle duͤnneuncturen, und dies patla, ſo ſich zwiſchen der
einem und der andern Junctur befinden, ſind dicke. Dieſes ereignet ſich, da:
her weil über der Junctur nichts als die Haut allein, ohne ein anders wei⸗
ches Fleiſch, von einer nervoſen Natur liegt, welches die Beine umgiebet
und zuſammen bindet: maſſen das feuchte, fleiſchigte Weſen zwiſchen den
Juncturen, in Haut und Bein eingeſchloſſen liegt. Weil aber die Beine in
den Junccturen viel dicker als zwiſchen denſelbigen ſind, ſo vermindert ſich der
Überfluß am Fleiſche 10 41 Bein und Haut, bey dem Wachsthum des Men⸗
ſchen. Es naͤhert ſich alſo die Haut dem Bein, und machet die Glieder duͤn⸗
ne. Allein indem über der Junctar nichts als eine nervoſe und knorpelichte
Haut vorhanden, die nicht austrocknet, ſo verringert ſie ſich auch nicht. Die⸗
ſer Urſache halben, find die kleinen Kinder in ihren Juncturen zart und zwi⸗
ſchen denſelbigen dick / gleichwie man es an den Junckuren der Finger und Arme,
auch an ihren zarten und hohlen Schultern ſiehet. Der Menſch im Gegen⸗
theil iſt in allen Juncturen der Arme und Beine diek, und wo ſie die Kinder
ausgehoͤlet haben, da ſind ſie bey jenen erhaben.
D 2 Der
28 Der Vierdte Theil /
2777552857447
F C'2̃r e
Der Sierdte Theil.
Von
Der PONDERATION.
Oder dem Gewichte /
Und
Oer Bewegung.
S S SSS SS
Von der Ponderation (Gewicht) der Loͤrper die
ſich nicht bewegen.
1. OBSERVATIO. Cap. 263.)
Je Ponderation (das Gewicht) odet das Zgvilibrium (der Waag⸗
rechte Stand) des Menſchen, theilet ſich in 2 Theile, nemlich in das ein,
fache und in das zufamen geſetzte. Das einfache ZE qvilibri ium beobachtet
ein Menſch, wenn er auf feinen Beinen unbeweglich ſtehet, und bey folcher
Action, die Arme in unterſchiedener Weite von ſeiner Mitte ausſtrecket:
oder indem er auf einem von ſeinen Fuͤſſen ſtehet, ſich neiget. In ſolcher
Action wird das Centrum (der Mittel- Punct) von feiner Gravicät
(Schwere) allezeit auf der Perpendicular oder Bleyrechten- Linie über dem
Centro des Fuſſes ſeyn, der auf der Erden ſtehet. Wenn der Menſch auf
beyden Fuͤſſen zugleich ſtehet, ſo wird die Bruſt des Menſchen ihren m u
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von der Ponderation, und Bewegung. 29
tel⸗Punct, bleyrecht in der Mitte derjenigen Linie haben, die der Raum zwi⸗
ſchen den Mittel⸗Puncten der Fuͤſſe beſtimmet. Das zuſammen geſetzte
Aq vilibrium beobachtet man an dem Menſchen, wenn er eine auf ſich ge⸗
ladene Laſt, durch unterſchiedene Bewegungen unterſtuͤtzet. Man kan dieſes
in der beyſtehen Figur vom Hercule ſehen, der den Rieſen Antaeum, nach⸗
dem er ihn von der Erden zu verſchiedenen mahlen wieder aufgehoben, zwi⸗
ſchen feiner Bruſt und den Armen hangend, endlich erdruͤcket haben ſoll.
Aus gedachter Figur erkennet man, daß ſich eben fo viel Schwere von feinem
Coͤrper, hinter der Central. Linie von den beyden Fuͤſſen befindet, als von
dem Centro der Gravität des Coͤrpers Antaei, vor der Linea Centrali
(Mittel⸗Puncts⸗Linie) erwehnter Fuͤſſe enthalten iſt.
Von dem Gewichte des Menſchen / der aufſeinen
Fuͤſſen ſtehet.
2. OBSERVAT IO. (Cap. 266.)
In Menſch ſtehet entweder in gleichem Gewicht, auf beyden Fuͤſſen: oder
es trägt der eine Fuß mehr Laft als der andere. Nenn er fie im erſten
Fig. 5,
Fall zugleich beſchweret, geſchiehet ſolches entweder durch das natuͤr⸗
liche Gewicht feines Coͤrpers, welcher mit zufälligen Gewicht vermiſchet iſt:
oder nur durch das einfache natuͤrliche Gewicht allein. Im erſten Fall wer;
den als denn die aͤuſſerſten Theile feiner gegen über ſtehenden Glieder, nicht in
gleicher Weite von dem Polo (Angel) der Junctur der Fuͤſſe entfernet ſeyn.
In dem andern Fall, werden beſagte aͤuſſerſte Theile der gegen uͤber befindli⸗
che Glieder, in gleicher Weite von der Jundtur der ur abſtehen. Von
dieſer Art des Gewichts, werde ich ein beſonderes Buch verfertigen.
Von der Ponderation eines ſtehenden
Menſchen.
3. OBSERVATIO. (Cap gol.)
ip ge Gewicht eines Menſchen, der nur auf einem Bein ſtehet, wird von
dem Centro der Gravitaͤt, allezeit auf dem entgegen geſetzten Theil gleich
getheilet ſeyn. mates
D 35 Wie
Fig e.
kig. y.
30 21 Der Vierdte Thell /
Wie der Menſch mit eingezogenen Armen / ſein
erſtes Gewicht — wenn er dieſelbige
ausſtrecket.
4. OBSERVATIO. (Cap. 198.)
Doe Ausſtreckung der zuſammen gelegten Arme, beweget das voͤllige Ges
wicht des Menſchen über feinem Bein, als der Stuͤtze vom gantzen Coͤr⸗
per. Es iſt ſolches bey denenjenigen warzunehmen, welche mit ausgeſtreck⸗
0 armen ohne Stange oder Contrepoids (Gegen⸗Gewicht,) auf dem Seyl
gehen.
Von einer Figur, die gegen den Wind gehet
und lauffet.
5. OBSERVATIO. (Cap. 295.
Eu. Figur die gegen den Wind gehet, wird niemals durch einige Linie das
N Centrum von ihrer Schwere / nebſt der benoͤhtigten Ponderation oder
Beſchaffenheit uͤber dem Centro von ihrer Stuͤtze, in acht nehmen.
Nota. Wir halten dafür, daß die Obfervation gar begreifflich andeute,
wie ein Menſch der Gewalt des Windes, durch die vorbeugende
Schwere feines Coͤrpers, das Gegen-Gewicht giebt.
Von dem waagrechten Stande der Laſt um
das Centrum von der Schwere der Körper.
6. OBSERVAT IO. (Cap 214.)
Ine Figur die ohne Bewegung auf ihren Fuͤſſen feſt ſtehet, wird ein gleiz
ches Gegen Gewicht um das Centrum ihrer Stuͤtze von ſich geben. Ich
will fo viel ſagen;: wenn die Figur ohne Bewegung auf ihren Fuͤſſen ſtuͤn⸗
de, und ſelbige wuͤrffe einen Arm bey der Bruſt vorwaͤrts, ſo muͤſte ſie ſo viel
natůͤrliches Gegen-Gewicht * hinter fich werffen, als fie nemlich erde 115
ufaͤl⸗
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von der Ponderation und Bewegung. Ir
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inem Gantzen gewoͤhnli n vorgehet. race Urs e Ae, eu,
Nota.“ Von dem hinter ſich Werffen des Gegen⸗Gewichtes, iſt hier anzu⸗
mercken, daß es der Frantzoͤiſche Text, durch vers le core oppose
ausdruͤcket, welches gegen die entgegen geſetzte Seite heiſſet: allein
es iſt ſolches nicht ſo deutlich, als das Italiaͤniſche Wort in dierro,
welches vor oder hinter ſich zugleich andeutet.
Von dem waagrechten Stande einer Figur.
7. OBSERVATIO. (cap. 209.)
Wodeg eine Figur auf einem Beine ruhet, fo wird die Schulter auf der ig. 2.
gegen über ſtehenden Seite allezeit niedriger ſeyn, als die andere, und
das Halßgruͤbchen wird ſich über der Mitte dieſes Beines befinden. Eben
dergleichen traͤgt ſich bey jeder Linie zu, wo wir eine kigur wie hier ſehen, de⸗
ren Arme nicht weit vom Leibe ausgeſtrecket ſeyn, oder die kein Gewicht weder
in der Hand noch auf der Schulter hat, auch die Ausſtreckung vom Bein,
weder ſehr weit hinter noch vor geſchiehet. N ö
Von dem Gleichen und Gegen⸗Gewicht.
8. OBSERVAT IO. Cap. 206.)
DJeenge Figur fo auffer ſich und der Central-Linie ihrer Groͤſſe oder
1 7 e * ‘ *
Oder Mafla ihres Coͤrpers, das Gewicht unterhaͤlt, foll nothwendi allezeit
eben ſo viel natuͤrliches oder zufaͤlliges Gewicht auf den 92 Aber ſte⸗
henden Theil werffen, als zur Unterhaltung des Gewichts gehoͤret, das um die
Mittel- Linie, welche von dem Centro des Theiles von dem Fuß darauf ſie ru⸗
het, ausgehet, durch die gantze dumma der Laſt oder Buͤrde des Gewichts uͤber
denjenigen Theil von Fuß paſſiret, der auf die Erde geſetzet iſt. Man wird
ſehen, daß wenn ein Menſch natuͤrlicher Weiſe mit den einem Arm eine Laft
mimmet, er den andern Arm gegen über von fich ſtrecket. Wenn auch ſolches
zum Gegen⸗Gewichte nicht hinlaͤnglich iſt, wird er, indem er fi) beuget,
von ſeinem eigenen Gewicht noch ſo viel zugeben, damit er dem applie irten Ger
wicht die Wagg halten möge, Wenn auch ein Menſch faͤllt, und eee
ie
Fig. 9.
Fig. 6.
32 Der Vierdte Theil /
die eine Seite ſeitwerts, ſo wird man warnehmen, daß er allezeit den Arm des
gegen uͤber befindlichen Theiles, auswerts oder vor ſich wirft.
Von der Bewegung die durch die Vernichtigung
des waagrechten Standes verurſachet wird.
9. OBSERVATIO. Cap. 208.)
Die Bewegung koͤmmt von der Ver nichtigung des Kquilibrii (waag⸗
rechten Standes) oder von deſſen Ungleichheit her. Denn kein Ding
beweget ſich vor ſich, daß es nicht aus ferner Bale nce( Gleichheit des Ger
wichts) gehe, und es verrichtet ſolches um fo viel geſchwinder, je mehr ſich
ſelbiges von beſagter Balance ſehr weit entfernet.
Vid. die Anmerckung bey der 23. Obfervation.
Von dem waagrechten Stande eines jeglichen
ſtille ſtehenden Thieres.
10. OB SERVAT IC. (Cap. 203.)
Er Mangel der Bewegung eines jeglichen Thieres, wenn ſelbiges auf
2 feinen Füffen ſtille ſtehet, entſpringet von den Entziehung der Ungleich⸗
heit , welche die gegen über geſetzten Schweren unter ſich haben, die
ſich auf ihr eigenes Gewicht ſtuͤtzen.
Von der Bewegung des Menſchen.
11. OBSERVAT IO. (Cap. 182.)
De. vollkommenſte und vornehmſte Theil der Kunſt, iſt Diellnterfuchung oder
2 Erforſchung der Compoſition(Zuſamenſetzung) bey einer jedwede Sache.
Der andere Theil, iſt die Bewegung oder die Aus druͤckung der Stellung
oder Actionen der Figuren, und daß man Achtung gebe was fie thun; auch
daß ſolches mit einer Fertigkeit und ungezwungen, nach den Grad der Aus⸗
druͤckuug geſchehe, die der Figur fo wohl bey langſamer oder traͤger, als be⸗
ſtaͤndig anhaltender Arbeit oder Fleiß zukoͤmmt, und daß ſolche Fertigkeit ig |
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von der Ponderation und Bewegung. 33
der behertzten Ausdruͤckung, dermaſſen beſchaffen ſey, als von demjenigen erfo⸗
dert wird, der ſich in einer ſolchen Action befindet. Zum Beyſpiel, wenn einer ei⸗
nen Pfeil / Stein oder andere dergleichen Dinge, von ſich bie ſolte, ſo mus
dieſe Figur ihre vollkommene Einrichtung zu dergleichen Action andeuten;
als wie hier die beygeſetzten 2. Figuren von unterſchiedener Potenz und Action
zu erkennen geben. Die erſte Bewegung in Fig. A, geſchiehet mit einer Krafft
und Staͤrcke: die andere Bewegung aber iſt B. A wird das geworffene
Ding viel weiter von fich entfernen, als B nicht thun wird, ob ſchon eine
Figur wie die andere das Anſehen hat, als wolten ſie nach einerley Ort
werffen. Die Figur A. hat ihre Fuͤſſe dahin gewandt, wo ſie ſich mit dem Leibe
hindrehet oder wendet, und kehret ſich von dar wieder in den entgegen geſetz⸗
ten Stand, wo fie gleichſam die Diſpoſition (Einrichtung) de Gewalt odeꝛStaͤr⸗
cke zubereitet hat, indem ſich ſelbige hernach mit Behendigkeit und Bequem⸗
ligkeit nach den Stand zuruͤck wendet, wohin ſie das jenige, was ſie in der
Hand hat, werffen will. Weil aber in eben dieſem Fall die Figur B. die
Spitze von ihren Fuͤſſen contrair und nach den Ort wendet, wo ſie hinwerf⸗
fen will, ſo beuget ſie ſich zu dieſen Ort mit groͤſter Unbequemlichkeit; folgbar
iſt der Effect ſchwach, und die Bewegung nimmt von ihrer Urſache Antheil.
Indem alle Zubereitung der Staͤrcke und Gewalt in jeder Bewegung, mit
Verdrehung und Biegung von groſſer Gewalt ſeyn, die Zuruͤck Bewegung
aber mit Gemaͤchligkeit und Bequemlichkeit geſchehen will, ſo mus die Verrich⸗
tung gute Wuͤrckung haben. Bey einer Armbruſt die nicht geſpannet iſt, wird
die Bewegung des Beweglichen, nemlich des Poltzen, der von ihr beweget
wird, kurtz und nichts ſeyn. Denn weil daſelbſt, wo ſich keine Nachlaſſung
der Gewalt befindet, auch keine Bewegung iſt, und wo keine Gewalt iſt, ſie
auch nicht vernichtiget werden kan: ſo geſchiehet es auch bey einem Bogen,
der aus ermangelender Gewalt keine Bewegung verurſachet, wenn er ſie nicht
erlanget, und in Erlangung derſelben wird er von ſich ſelbſt variren oder un⸗
terſchiedlich ſeyn. Eben ſo gehet es bey einem Menſchen her, der, wenn er
ſich nicht kruͤmmet oder beuget, ſo erlanget er keine Staͤrcke. In ſolchem
Fall wird die Figur A wenn fie ihren Pfeil hinweggeworffen hat, ſich gegen
die Seite, wo ſie ſolchen hingeworffen, krumm gebeuget und ſchwach
befinden und doch zugleich wieder eine Staͤrcke erlanget haben; welche ihr
daher zu nichts weiter dienet, als auf eine contraire Art wieder zuruͤck zu
ehren.
E Wie
54 Der Vierdte Theil /
Wie man die Bewegung des Menſchlichen
Coͤrpers ſtudiren ſoll.
12. OBSERVATIO. (Cap. 95.)
Der. Bewegungen des Menſchen, wollen nach der Erkaͤntnis von den Glie⸗
dern und dem Gantzen; und im Gantzen, die Bewegung der Glieder
und juncturen gelernet, hernach aber mit kurtzen Anmerckungen von
wenig Linien oder Zeichen der Actionen der Menſchen, ohne daß ſie wiſſen,
daß ihr ſie betrachtet, entworffen ſeyn. Denn wenn ſie es ſehen und mer⸗
cken, daß man ſie betrachtet, ſo verliehret ſich in ihnen die ungezwungene Weiſe
oder die Natuͤrlichkeit der Ausdruͤckung und Staͤrcke ihrer Allecten ( Gemuͤths⸗
Neigungen) und ihr Geiſt wird von feiner erſten Abſicht zerſtreuet. Zum Bey⸗
ſpiel, wenn ſich zween Zornige mit einander zancken, und ein jeder Recht ha⸗
ben will, fo bewegen fie mit groſſer Fürie und wildem Weſen die Augen⸗
braune, die Arme und andere Glieder, mit ſolchen Stellungen, die ihrer Ab⸗
ſicht und ihren Worten eigenthuoͤmlich find. Ihr kennet aus eurem Sinn den
warhaften Zorn, oder andere Zufaͤlle der Gemuͤths Neigungen, als Lachen,
Weinen, Empfindung des Schmertzens, die Furcht und dergleichen, nicht
nach einem Modell machen. Es wird dahero nicht undienlich ſeyn, wenn ihr
eine Schreib⸗Tafel bey euch traget, um mit einem ſilbernen Griffel dergleichen
Bewegungen, ingleichen auch die Actiones der Umbſtehenden und ihre Ein⸗
theilung, kuͤnſtlich darein zu verzeichnen. Dieſes wird euch lernen Hiſtorien
zuſammen zu ſetzen; und wenn ihr euer Büchlein voll habt, leget ſolches beyſeits,
und verwahret es wohl zu eurem Vorhaben. Ein guter Mahler ſoll 2. Ding ſon⸗
derlich fleiffig in acht nehmen, nemlich den menſchlichen Coͤrper wohl zu um⸗
reiſſen, und die lebhaffte Ausdruckung der Alfecten zu mercken, die man in den
Sinn gefaſſet hat; welche 2 Stuͤcke von groſſer Wichtigkeit ſeyn.
Von der Bewegung insgemein.
13. OBSERVATIO. (Cap. 248.)
S giebt fo viele unterſchiedene Bewegungen an dem Menſchen, als man⸗
E cherley Aceidentien (Zufaͤlle) und Phantaſien (Einbildungen) das Ge
muͤth einnehmen. Ein jeglicher von ſolchen Zufaͤllen, beweget den Men:
ſchen in ſich, viel oder wenig, nachdem ſolcher von groſſem Nachdruck iſt, un
auch
| von der Ponderation und Bewegung. 37.
auch nach dem Alter wegen des Temperaments. Denn eine Bewegung bey
einem jungen Menſchen, wird bey einem alten Manne gantz anderſt befchaffen
ſeyn, ob ſie ſich ſchon in einerley Zufall ereignet.
Von den Bewegungen die mit der Intention
Abſicht) desjenigen uͤbereinkommen, der ſie verrichtet.
14. OBSERVATIO. (Cap. 245.)
S giebt etliche Gemuͤths⸗Bewegungen, ohne Bewegung des Leibes, und
einige Bewegungen die mit dem Leibe geſchehen. Die Gemuͤhts⸗Bewe⸗
gungen, ohne Bewegung des Coͤrpers, laſſen die Arme und Haͤnde, und
alle andere belebte Theile niederfallen aber die Gemuͤths⸗Bewegungen mit der
Bewegung des Leibes, halten den Coͤrper mit ſeinen Gliedern in einer Be⸗
wegung, die mit der Bewegung des Gemuͤths überein koͤmmt. Von dieſer
Materie wuͤrde man noch viel zuſagen haben. Es iſt auch noch eine dritte Be⸗
wegung, welche ſo wohl von der einem als der andern der vorhergehenden
Antheil nimmt: und noch eine vierdte, die weder aus der einem noch der ans
dern beſtehet. Dieſe letzte befigen unfinnige oder widerſpenſtige, naͤrriſche
Gemuͤther, welche mit ihren wunderlichen Geberden, in das Capitul der
Thorheit oder der Hof⸗Narren gehoͤren.
Von der Bewegung die vermittelſt eines
Objecti in dem Gemuͤht entſpringet.
15. OBSERVATIO, (Cap.247.)
Dt die Bewegung eines Menſchen, vermittelſt eines Objects vers
urſachet wird, ſo entſpringet ſolches Gbject entweder immediate (uns
mittelbahr) oder nicht. Wenn es immediate entſpringet, wird der;
jenige ſo ſich beweget, den noͤhtigſten Sinn, welcher das Auge iſt, am erſten
nach den Object wenden „ aber mit den Füffen am erſten Ort ſtehen blei⸗
ben, und nur allein die Weiche nebſt dem Ober⸗Schenckel mit dem Knie nach
dem Theil, wo ſich das Auge hinwendet, bewegen; und alſo koͤnte man von
dergleichen Accidentien eine weitlaͤufftige Rede führen,
E 2 Wie
36 Der Vierdte Theuͤ /
3 ———
Wie die Gemuͤths⸗Bewegungen / eine Perſon im
erſten Grad der een und Leichtigkeit
ewegen.
16. OBSERVAT IO. Cap. 246)
Di Gemuͤths⸗Bewegungen, bewegen den Coͤrper mit einem ſchlechten und
leichten Actu, ohne daß fie ihn weder hin noch her bewegen; weil das
Object der Bewegung im Gemuͤht iſt, welches die Senſus nicht be⸗
weget, wenn ſolches in ſich ſelbſten beſchaͤfftiget iſt.
Von den Bewegungen der Glieder / wenn man
den Menſchen in ſeinen eigenem und natuͤrlichen
Adu vorſtellet.
17. OBSERVATIO. (Cap. 193.)
D Figur, bey welcher die Bewegung nicht mit dem Accidenz oder
Zufall vergefellfchafftet iſt , die in dem Gemuͤth der Figur zu ſeyn ers
dichtet wird, ſtellet die Glieder dar, als wenn fie dem Judicio der⸗
ſelben Figur nicht gehorſam waͤren. Dieſes ruͤhret daher, weil das Judi--
eium deſſen der ſolche Figur gemachet, nichts gedaucht hat. Es ſoll dahe⸗
ro dieſe Figur einen groſſen Eyffer im Affect zeigen, daß ihre Bewegung kei⸗
ger andern Sache, als wozu: man fie verfertiget, zugeignet werden kan.
Von der nee bet Theile des Ge⸗
ichts.
.
18. OBSERVATIO. (Cap. 187.)
NS giebt eine groſſe Menge der Bewegungen von den Theilen des Ge
ſichts, die aus einer zufälliger und geſchwinden Gemuͤths- Bewegung,
entſtehen. Die Vornehmſten davon ſind das Lachen, das Weinen,
das Schreyen, das Singen aus verſchiedenem Thon, als hell und ernſthaßf
f le.
von der Ponderation und Bewegung. 37
die Verwunderung, der Zorn, die Freude, die Melancholie, die Furcht,
der Schmertz und dergleichen. Hievon wollen wir hier Meldung thun,
und zwar erſtlich von Lachen und Weinen; als welches in der Betrachtung
des Mundes, der Backen und im Zuſchlieſſen der Augen, gegen einander ſehr
gleich iſt, auſſer daß beydes in den Augbraunen und ihrem Zwiſchen Raum
unterſchieden iſt. Wir werden aber von allen dieſen an ſeinem Ort reden; nemlich
von der Veränderung die in dem Geſicht, in den Haͤnden und an gantzen Pers
ſonen bey jedem Zufall ſich ereignet, davon ein Mahler nohtwendig eine Er⸗
kaͤnntnis haben muß, wenn feine Kunſt die Coͤrper nicht wahrhafftig zwey⸗
mal todt fuͤrſtellen fol. Ich erinnere auch denſelben, daß die Bewegung
nicht allzu geſchwind oder zu hurtig fern fol , damit nicht ein Gemaͤhlde
vom Frieden, einer Bataglie oder einem Bachus- Feſt gleichet. Und über das alles
ſollen die Umſtehende bey dem Fall, um deſſen willen die Hiſtorie verferti⸗
get worden, ſolche Actiones vorſtellen, die eine Verwunderung, Ehrerbie—
tung, Schmertzen, Verdacht, Furcht oder Freude erfodern, nachdem es
nemlich der Caſus mit ſich bringet, worüber die Compofition oder die Zu⸗
ſammenſetzung der kiguren entſtanden iſt. Man mache niemals eine
Hiftorie uber die andere, in einem Theil oder Feld von unterſchiedenen Ho-
rizonten, damit es nicht ſcheine als ob es eine Krammer⸗Bude mit vier⸗
eckigten gemahlten Koͤſtchen wäre,
Von der einfachen Bewegung des Menſchen.
19. OBSERVAT IO. (Cap. 239.)
Je einfache Bewegung wird diejenige genennet, wenn ein Menſch fich)
D nur ſchlechthin, vor oder hinter ſich beuget. }
Von der zuſammen geſetzten Bewegung.
20. OB SER VAT IO. Cap. 240.)
Ine zuſammengeſetzte Bewegung wird diejenige genannt, wenn durch ei⸗
nige Verrichtung erfodert wird, daß man fich niederwaͤrts, und zus
gleich auf die Seite bieget. Es dienet hierbey dem Mahler zur Nach⸗
richt, wenn er zuſam men geſetzte Bewegungen machet, daß ſich ſolche gaͤntz⸗
lich zu feiner Compoſition ſchicken ſollen. 74 nemlich einer einen Ale ehr
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38 Der Vierdte Theil /
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geſetzten Actum nach deſſen natürlicher Nohtwendigkeit zu machen hat, mus er
nicht das Gegentheil von einem einfachen Adtu imitiren, welcher weit von
beſagtem erſten Accu entfernet iſt, und ſich zu feiner Compoſition nicht
fchicket,
f Von einem Menſchen der fich bewegen.
21. OB SERVAT IO. (Cap. 202.)
* In Menſch der da gehet oder ſich beweget, wird das Centrum (den
* E Mittel⸗Punct) von ſeiner Schwere, uͤber dem Centro des Beines haben,
welches er auf die Erde ſetzet.
Von den Stellungen.
22. OBSERVAT IO. (Cap. 192)
Du als⸗Gruͤbchen von der Kehle, faͤllet in gerader Linie auf den Fuß, wor⸗
suf man ſtehet: und wenn man einen Arm vorwaͤrts ausſtrecket, fo wei⸗
chet beſagtes Hals⸗Gruͤbchen aus feiner Stelle vom Fuß ab: und fo ſich
das Bein hinunter wendet, ſo wird ſich dieſes Halsgruͤbchen hervor begeben,
und alſo ſich in allen Stellungen veraͤndern.
Von dem Menſchen dercaufbenden Fuͤſſen ſtehet /
und das Gewicht mehr auf den einen als auf den andern
| Fuß von feinem Coͤrper wirfft.
23. OBSERVATIO. (Cap. 264.)
Wenn durch langes Stehen auf den Fuͤſſen, der eine Fuß, worauf der
Menſch am meiſten geruhet, muͤde gemachet iſt, ſo legt er einen Theil
von feinem Gewicht auf das andere Bein. Aber dergleichen Art zu ru⸗
hen, ſoll nur bey hohem Alter, oder in der Kindheit, oder bey einem wahr⸗
hafftig muͤden Menſchen angebracht werden, weil es eine Traͤgheit und
Schwachheit der Glieder andeutet. Man ſiehet dahero allezeit einen jungen
gefunden und ſtarcken Menſchen nur auf einem von feinen Beinen ftehen: und
woferne er etwas von der Schwere ſeines Coͤrpers auf das andere leget, ſo
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von der Ponderation und Bewegung. 39
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geſchiehet es nur alsdenn, wenn er feiner Bewegung das noͤhtige Princi-
pium (den Anfang oder den Urſprung) geben will, ohne welches keine Be⸗
wegung ſeyn kan. Denn die Bewegung entſpringet von der Ungleichheit.
Nota. Hieher wird ſich die Beſchaffenheit einer Waage nicht uneben ſchi⸗
cken; dergleichen auch bey der vorhergehenden 9 Obfervation ge;
ſchehen koͤnte.
Von der Poſition oder dem Stande der
Figuren. |
24. OBSERVATIO. (Cap.98.)
13 fo. viel als der Theil D. A. von gegenwaͤrtiger Figur ‚fich wegen der Pig: 1.
Wuͤrckung ihre Stellung verringert, um ſo viel hingegen vermehret ſich
der anders gegen über ſtehende Theil und nimmt zu. Das iſt ſo viel ge⸗
ſagt: nach dem Maaß P. A. welches der Theil des Coͤrpers von der Schul⸗
ter biß an den Guͤrtel iſt, von ſeiner natuͤrlichen Hoͤhe abnimmt, um ſo viel
nimmt die andere gegen uͤber geſetzte Seite nach eben der Proportion zu, oh⸗
ne daß der Nabel oder auch die Scham von der zugehörigen Höhe abweichen:
Dieſe Niederbeugung ruͤhret daher, weil das Bein worauf bie Ei ur ruhet,
das Centrum von der gantzen darauf ruhenden Schwere des Coͤrpers iſt.
Indem ſich nun die Sache alſo verhält, fo wird die Mitte von den Schul⸗
tern, oder die Clavieula (das Schluͤſſel⸗Bein) ſich gerade über demſelben
Bein befinden, und aus ſeiner bleyrechten Linie gehen; welche Linie durch
die halbe Ober⸗Flaͤche des Coͤrpers ſtreichet. Je mehr auch gedachte Linie
mit ihrem oberſten aͤuſſerſten Theil auf den Fuß, worauf der gantze Coͤrper
ruhet, ſich drehet oder wendet, je mehr verliehren alle Transverfal = oder
Zloerch⸗Linien ihre gerade Winckel, und neigen das eine Ende nach denjenigen;
Theil, der den Coͤrper unterſtuͤtzet, wie man bey A. B. C. ſiehet.
Von der Stellung und Bewegung der Figuren.
25. OBSERVATIO. (Cap. 265.)
Dos Figuren welche ſtehen oder ruhen, füllen die Glieder veraͤndern oder
—/ coniraftiren, Wenn nemlich ein Arm ſich vorwaͤrts beweget, mus der
an⸗
40 Der Vierdte Theil /
andere hinuntergehen oder ſtill liegen: und fo die Figur auf einem Bein ſte⸗
het, mus die Schulter uͤber demſelben Bein viel niedriger ſeyn, als die ande⸗
re. Dieſes wird von verſtaͤndigen Leuten allezeit beobachtet, als die dahin
trachten, wie ſie ihren ſtehenden Figuren das natuͤrliche Contrepoids (Ger
gen⸗Gewicht) auf ihren Fuͤſſen geben moͤgen, damit es nicht ſcheinet, als ob ſie
umfallen muͤſten. Denn wenn der Menſch auf einem Bein ſtehet, ſo kan das
andere gegen über, weil es gebogen und alſo gleich ſam todt iſt, den Coͤrper
nicht unterſtuͤtzen. Hieraus folget alſo nohtwendig, daß das Gewicht von
dem Coͤrper, ſo ſich uͤber ſolchen Bein befindet, das Centrum ſeiner Gravi-
eat, auf die Junctur des Beines ſencket, welches den Menſchen unterſtuͤtzet.
Von der Correfpondenz (Ubereinſtimmung)
g;.
welche die Haͤlffte von der Dicke des Menſchen mit
der andern Hälfte hat.
26. OBSERVATIO, (Cap. 269.)
Jemals wird die Haͤlffte der Dicke und Breite des Menſchen der an⸗
7 dern gleich ſeyn, wenn die daran gefuͤgte Glieder keine gleiche Bewe⸗
gung machen.
Wie der groͤſte Unterſcheid in der Hoͤhe der
Schultern bey den 8 des Menſchen be⸗
aſſen ist. N
27 OBSERVAT IO. (Cap. 196.) (197.
Je Schultern oder Seiten des Menſchen, oder auch eines andern Thie⸗
D res, haben der Hoͤhe nach einen groſſen Unterſcheid unter ſich, nach⸗
dem ihr gantzer Coͤrper von ſehr langſamer Bewegung ſeyn wird. Die⸗
jenigen Theile der Thiere hingegen, werden weniger Unterſcheid in der Hoͤhe
haben, wenn beſagter gantzer Coͤrper von ſehr geſchwinder Bewegung iſt,
und dieſes wird durch den Satz, meines Werckes von dem Motu locali
erwieſen, da es heiſſet: daß jede Schwere durch die Linie ihrer Bewer
gung gewogen wird. Wenn ſich alsdenn das Gantze nach einen Ort bewe⸗
get, ſo folget der damit vereinigte Theil, der fuͤrtzeſten Linie von der ing
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von der Ponderation und Bewegung. 41
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feines Gantzen, ohne daß er den Seiten Theilen von beſagtem Gantzen etwas
von ſeinem Gewichte zueignet. Es koͤnte aber, als ein Einwurff wegen ob⸗
gedachten erſten T eingewendet werden, wie es nicht nohtwendig folgen
muͤſte, wenn ein DEM ftille ſtuͤnde, oder langſam fortgienge, daß ſich allezeit
ein fortwaͤhrendes Gewicht von feinen Gliedern uͤber dem Centro der Grayi-
taͤt befinde, welches die Schwere vom gantzen Coͤrper unterſtuͤtzet; maſſen ſich oͤff⸗
ters zutraͤget, daß der Menſch ſothane Kegul nicht beobachtet, ſondern viel⸗
mehr das Gegentheil verrichtet, indem er ſich vielmal ſeitwaͤrts wendet, und
wenn er auf einem Fuß ſtehet, manchmal einen Theil ſeines Gewichts, uͤber
das Knie des gebogenen Beines leget, wie in den 2 Figuren B. und C. zu ſehen.
Es iſt aber hierauf zu antworten, daß dasjenige, was von der Schulter der
Figur C. nicht geſchiehet, doch in der Seite oder Weiche verrichtet wird,
wie ich es an ſeinem Ort bewieſen habe.
Nota. Es iſt zu mercken, daß man hier die Obje&tion auf die 27. Obſerv.
mit derſelbigen vereiniget, dahero aus 2 Capiteln des Italiaͤni⸗
ſchen und Frantzoͤiſchen Textes, nur ein einiges worden iſt.
Von dem langſamen oder geſchwinden
Motu locali.
28. OBSERVATIO. (Cap. 267.)
NE Motus localis, oder die Bewegung welche von dem Menſchen oder
einem andern Thiere / von einem Ort zum andern geſchiehet, iſt entweder
von groſſer oder geringer Geſchwindigkeit, nachdem das Centrum
oder der Mittel Punct ihrer Schwere, dem Mittel⸗Punct des Fuſſes, wor⸗
auf ſich ſolche ſtuͤtzen, ſehr ferne oder nahe iſt.
Von dem Menſchen und andern Thieren / wel⸗
che, indem ſie ſich langſam bewegen, ſie das Centrum
von ihrer Schwere nicht weit von dem Centro ihrer
Stuͤtze abwenden.
29. OBSERVAT IO. (Cap. 199.)
De Thier, wird das Centrum feines Beines als feiner Stuͤtze, um ſo
viel naher bey dem Perpendicul des Centri von ſeiner Schwere ha⸗
81 8. ben,
48 | Der Dierdte Theil /
— — ͤZöẽ— — — —
ben wenn ſolches von ſehr langſamer Bewegung iſt. Im Gegentheil wird es
das Centrum von beſagter Stuͤtze, ſehr weit von dem Perpendicul (Bley⸗
recht ſtehenden Linie) des Centri ſeiner Schwere haben wenn es von ſehr
geſchwinder Bewegung iſt. a ;
Von der Bewegung und dem Lauffen eine
9
Menſchen und anderer Thiere.
30. OBSERVAT IO. (Cap. 195.)
| lie ſich langſam oder geſchwind beweget, ſo wird allezeit
der Theil uͤber dem Bein, welches den Coͤrper unterſtuͤtzet, viel nie⸗
J driger ſeyn als der andere. >
Von der Bewegung der Thiere und ihrem Lauf.
31. OB SERVATIO. (Cap. 299.)
5 Thier erzeiget ſich in ſeinem Lauff am geſchwindeſten, welches
am meiſten von fornen zu, zu fallen ſcheinet. Ein Coͤrper der ſich von
ſelbſten beweget, wird um ſo viel geſchwinder ſeyn als das Centrum
feiner Gravität ‚fehr weit von dem Centro feiner Stuͤtze iſt. Dieſes bezie⸗
het ſich vornehmlich auf die Bewegung der Voͤgel, wenn ſelbige ſich 9 7 mit
den Flügeln zuſchlagen, oder durch Huͤlffe des Windes, von fich ſelbſt bes
wegen. Es ereignet ſich ſolches, wenn das Centrum ihrer Schwere auſſer
dem Centro ihrer Stuͤtze „nehmlich auſſer der Mitte des Raumes zwiſchen
deren Flügeln iſt. Denn wenn dieſe Mitte von Fluͤgeln mehr auswaͤrts, als
die Mitte oder das Centrum von beſagter Schwere des gantzen Vogels ſtehet,
alsdenn wird er ſich auf und niederwaͤrts bewegen. Doch wird er dieſes um
fd viel mehr oder weniger vor fi) aufwaͤrts als niederwaͤrts tuhn , als das
Centrum von erwehnter Schwere ſehr weit oder nahe von der Mitte der
Flügel ſich befindet. Denn wenn dieſes Centrum, weit von der Mitte der
Fluͤgel entfernet iſt, fo folget es / daß das Aſteigen des Vogels ſehr ſchraͤge
gefchiehet : und ſo das Centrum ſeine Stelle nahe bey der Mitte von den
Flͤͤgeln kriegt, fo wird die Abſteigung solches Vogels von geringer Ochräe
ge ſeyn.
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Non der Bonderation und Bewegung. 4%
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Von den vierfuͤſſigen Thieren / wie fie fich bewe⸗
gen und fortgehen. |
32. OBSERVATIO, (Cap.268.)
Je voͤllige oder groͤſte Hohe der vierfüffigen Thiere, wechſelt mehr bey denen Fig. 14
D ab welche gehen, als bey denen fo ſtille ſtehen; und zwar um fo viel mehr
oder weniger, als ſolche Thiere ſehr groß oder klein ſeyn. Dieſes verur⸗
ſachet die ſchraͤge Bewegung der Beine, ſo die Erde beruͤhren, als welche
die Figur des Thieres erhoͤhen, wenn ſie ihre Schraͤge verlaſſen und ſelbige
Bleyrecht auf die Erde ſetzen.
Bon den Bewegungen der Thiere.
33. OBSERVAT IO. (Cap. 249.)
Le zweybeinigte Thiere, erniedrigen in ihrer Bewegung denjenigen Theil
A mehr, welcher ſich uͤber den Fuß befindet, den ſie in die Hoͤhe heben, als
jenen uͤber dem andern Bein, den ſie auf die Erde ſetzen. Das Gegentheil
geſchiehet mit dem Obern⸗Theil. Dieſes beobachtet man an den Seiten und
Schultern des Menſchen wenn er gehet. Und in den Voͤgeln dergleichen mit
ihrem Kopff und Buͤrtzel.
Von den Figuren die etwas thun oder eine Laſt
| heben und tragen. |
34. OBSERVATIO. (Cap. 215.)
Da wird von einem Menſchen eine Laſt getragen oder aufgehoben, daß
r nicht ein Gegen⸗Gewicht von ſich ſelbſt nimmt, welches eben fo ſchwer,
als das was er aufheben oder tragen will, daß er nicht ſolches auf der
entgegen geſetzten Seite, zu demjenigen thut, wo er die Laſt aufheben will.
F 2 Von
44 Der Vierdte Theil /
Von den menſchlichen Bewegungen.
35. OBSERVAT IO. (Cap. 207.)
Se man einen Menfchen fürftellen will, der eine daſt beweget, ſo mus man
betrachten, daß die Bewegungen durch unterſchiedene Linien gemachet
ſeyn. Entweder von unten in die Hoͤhe mit einer einfachen Bewegung,
wie derjenige thut, welcher indem er ſich neiget, eine Laſt nimmt, und ſolche
da er ſich wieder aufrichtet, zugleich mit in die Hoͤhe heben: oder ſo er eine
Sache hinter ſich her ſchleppen oder ziehen, oder auch vor ſich her ſtoſſen will
oder auch mit einem Seyl das durch eine Rolle gehet, niederziehet. Man mu
alſo hier wohl anmercken, daß das Gewicht von dem Menſchen ſo viel zeucht,
als ſein Centrum der Schwere auſſer dem Centro oder der Axe ſeiner Un⸗
terſtuͤtzung iſt ; dazu noch die Gewalt zu rechnen iſt, welche die gebogenen Bei⸗
ne und das Ruͤckgrad ausuͤben, wenn ſie ſich wieder gerad aufrichten. Man
wird niemals auf- oder abſteigen, noch durch einige Linie gehen, daß man
nicht die Ferſe vom hinterſten Fuß in die Hoͤhe hebe. 6 K
Von einem Menſchen der eine Laſt auf ſeinen
Schultern traͤget.
36. OB SERVATIO. (Cap. 200.)
l Daa t Schulter des Menſchen darauf er eine Laft träget , iſt allezeit
15. 75: viel hoͤher als die andere ſo nicht beſchweret iſt. Es zeiget ſich dieſes
in der beygeſetzten Figur, durch welche die Central- oder Mittel⸗Puncts⸗
Linie, von der gantzen Schwere des Menſchen und der Laſt fo er träget,paf-
ſiret. Solches zuſammen geſetzte Gewicht, wenn es nicht uͤber dem Cen-
tro des Beines, welches ſelbiges traͤget, ingleiche Theile zertheilet waͤre, muͤſte
nohtwendig fallen. Aber die natuͤrliche Nohtwendigkeit verhindert es,
indem ſich von dem natuͤrlichen Gewicht des Menſchen, ſo viel auf die eine Sei⸗
te wirfft, als die Groͤſſe der zufälligen Laſt beträgt „ die ſich auf die gegen
über befindliche begiebt. Und dieſes kan nicht gefchehen „ ohne daß ſich der
Menſch beuget, und auf die leichtere Seite die nicht beſchweret iſt, mit ſo
vieler Biegung neiget, als dieſe Seite von der zufälligen Laſt fo er traͤget, Ans
theil nimmt. Es kan ſich ſolches auch wieder nicht ereignen, ohne Wc
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von der Ponderation und Bewegung. 4
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Achſel, worauf die Laſt lieget, ſich nicht erhoͤhete, und hingegen die andere
leichte ſich nicht erniedrigte. Und dieſes iſt das Mittel welches die kuͤnſtliche
Natur und die Nothwendigkeit, in dergleichen Action erfunden hat.
Von Zubereitung der Staͤrcke ſo ein Menſch
machet, wenn er einen gewaltſamen Schlag
thun will.
37. OBSERVAT IO. Cap. 233.)
Wen! ſich der Menſch zu Hervorbringung einer gewaltigen Bewegung ER
in Bereitſchafft ſtellt, fo beuget und drehet er fich fo viel er kan in Be
contrairer Bewegung von demjenigen Ort, dahin er den Schlag zubrin⸗
edencket. Wenn er ſich alſo mit der Staͤrcke, ſo viel ihm moͤglich verſehen,
o uͤbet er ſie über diejenige Sache aus, welche er mit zuſammen geſetzter Ve⸗ /
wegung erreichet; zum Beyſpiel , mit ſeinen Arm und dem Pruͤgel womit er be⸗ . eee
wafnet iſt. —————ů — AR
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Von der Abbildung eines Menſchen / der eine .
Sache mit groſer Gerwalt weit von {ich werſſen Fe,
will.
38. OBSERVAT IO. (Cap. 261.)
CH Menfch der einen Spieß, Stein oder anderes Ding, gewaltſam von Fig 17.
ſich werffen will, kan hauptſaͤchlich auf zwerley Arten abgebildet werden. f
| Und zwar erſtlich, wie er fich zu ſolcher Verrichtung ſchicket; oder aber
wenn er den Wurff bereits in das Werck geſetzet hat. In dem erſten Fall,
wenn er die Sache bewerckſtelligen will, wird die innere Seite von den Fuß,
worauf die Schwere des gantzen Coͤrpers ruhet, mit der Bruſt in einer Linie
ſtehen, aber es wird ſich die gegen uͤber geſetzte Schulter ſich uͤber ſeinem Fuß
befinden; wenn nemlich der rechte Fuß unter der Schwere des Coͤrpers ſte⸗
In fo wird die lincke Schulter über dem Punct des befagten rechten Fuſſes
eyn.
Nota. Wegen der innern Seite von dem Fuß, iſt hier zu gedencken, daß der
Frantzoͤiſche Text, die Woͤrter la hanche du cöte du pied, die Hüfte
83 von
46 | Der Vierdte Theil / | Bi
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von der Seiten des Fuſſes, gebrauchet: allein das Italiaͤniſche, il lat
di dentro del piede, duͤncket uns beſſer ausgedruͤcket zu ſeyn, da⸗
hero wir es auch in der ÜUberſetzung behalten.
Von gewaltſamen Bewegungen der menſchli⸗
chen Glieder.
39. OBSERVAT IO. (Cap. 18 1.)
M. 18. 5 Arm wird von einer ſehr maͤchtigen und anhaltenden Bewegung
ſeyn, welcher ſich ſeinem natuͤrlichen Stande entgegen beweget. Er
wird auch eine noch viel maͤchtigere Beyhuͤlffe von andern Gliedern
erlangen, um ſich nach den Stand, wohin er ſich zu bewegen trachtet, wie⸗
der zuruͤck zu ziehen. Dieſes ſiehet man zum Beyſpiel an dem Menſchen A.
welcher den Arm mit der Keule nach E. wendet, und ſelbigen wieder in den
entgegen geſetzten Stand bringet, indem er ſich nemlich mit dem voͤlligen Leibe
und aller Gewalt nach B. beweget.
Warum derjenige ſo ziehen oder ein Eiſen in die
Erde einpfaͤhlen oder heraus ziehen will, das eine ge
gen uͤber ſtehende Bein / kruͤmmet und in die
Hoͤhe haͤlt.
40. OB SERVATIO. (Cap. 262.)
7 Erjenige ſo einen Pfahl oder Spindel in die Erde ſchlagen oder heraus
ziehen will, wird das Bein, welches den Arm, mit dem er am meiſten
ziehet, und gegen uͤberſtehet, in die Hoͤhe heben, auch das Knie biegen.
Dieſe Biegung in dem Knie, geſchiehet zur Erhaltung des gleichen Gewichts
oder der Balance auf dem Fuß den er auf die Erde ſetzet, dergleichen ohne ſolche
Biegung oder Kruͤmmung und Verdrehung des Beines, nicht anderſt ſeyn kan.
Nochweniger koͤnte er ſich auch wieder zurück ziehen, oder weiter fortgehen,
wenn ſich ſolches Bein nicht wieder ausſtreckte.
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von der Ponderation, und Bewegung. 47
Von der zuſammengeſetzten Staͤrcke des Men⸗
ſchen und erſtlich von den Armen.
41. OBSERVAT IO. (Cap. 234.)
Je Muſculn welche die groſſe Röhre von dem Arm /in der Ausſtteckung
D und Einziehung bewegen, entſpringen eine hinter der andern um die
Mitte von dem Bein ſo Adjutorium (das obere Arm⸗Bein) genandt
wird. Die hintere iſt zum Ausſtrecken des Armes, und die voͤrdere zu deſſen
Beugung geſchickt. Ob der Menſch mehr Staͤrcke habe, indem er was von
ſich ſtoͤſſet, oder wenn er es zu ſich ziehet, das wird in dem ofen Satz meines
Tractats von den Gewichten unterſuchet; allwo enthalten iſt, daß unter dem
Gewicht von gleicher Porenz, (Krafft) dasjenige ſich am kraͤfftigſten erzeigen
wird, welchem am weiteſten von der Mitte ihrer Balance entfernet iſt. Hier⸗
aus mus folgen, daß N. B. und N. C. Mufculi unter ſich von gleicher Krafft
ſeyn, davon der voͤrdere Mufculus N. C. viel maͤchtiger iſt als der hintere N. B.
weil ſolcher an dem Arm in C. befeſtiget iſt, welches ein Ort der weiter von
der Mitte des Ellenbogens A. entfernet iſt, als B. der ſich in der Mitte bes
det: und auf ſolche Art, hat die Sache ihre Richtigkeit. Unterdeſſen iſt
jefes nur eine eine einfache und nicht zuſammen geſetzte Staͤrcke, davon
wir kuͤnfftig handeln wollen, ob wir es ſchon eher haͤtten thun ſollen. Eine
zuſammen geſetzte Staͤrcke heiſt, wenn, indem man mit den Armen etwas ver⸗
richtet, man noch eine andere Krafft durch die Schwere des Coͤrpers und der
Beine, als wie im Anziehen oder Hinwegſtoſſen hinzufuͤget. Solcher geſtalt,
koͤmmt hier zu der Krafft des Armes noch das Gewicht der Perſon, mit
der Staͤrcke des Ruͤckgrads und der Beine, bey der Ausſtreckung; gleich⸗
wie ſolches an zweyen Perſonen, in der gegenwaͤrtigen Figur zu ſehen, da die eis
ne die Saͤule durch das an ſich Ziehen, die andere aber durch das von ſich
Stoſſen, niederwerffen will.
Ob die Krafft des Menſchen groͤſſer iſt / wenn er
etwas an ſich 8 wenn er es von ſich
2
oͤſſet.
42. OBSERVATIO. (Cap. 235.)
En Menſch hat mehr Staͤrcke, wenn er etwas an ſich ziehet als wenn er
es von ſich ſtoͤſſet, weil die Krafft der Mulculn, die allein zum a
nicht
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Fig. 19
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48 Der Vierdte Theil /
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nicht aber zum Wegſtoſſen dienen, ſich mit denen ſelbigen vereinigen die zum Weg⸗
ſtoſſen gemacht ſeyn, und ſie verſtaͤrcken. Denn wenn der Arm gerade ausgeſtre⸗
cket iſt, koͤnnen die Mufculn die den Ellenbogen bewegen, keine Action mehr
in dem Hinwegſtoſſen haben: und ſie leiſten eben ſo viel Dienſte als wenn ein
Menſch ſeine Schulter Achſel gegen eine Sache ſtemmet, die er von ihrem
Ort bewegen will, maſſen hierinnen diejenigen Nerven nur allein ſo viel wuͤr⸗
cken, daß das gebogene oder krumme Ruͤckgrad, und das gebogene Bein ſich
wieder aufrichte; welche Nerven unter dem dicken Bein und hintern dicken
Fleiſch der Schenckel oder Waden ſeyn. Hieraus iſt leicht der Schluß zu
machen, daß bey dem Anziehen die Krafft der Arme, und die gewaltige Aus⸗
ſtreckung der Beine und des Ruͤckens ſamt der Bruſt des Menſchen, die Beſchaf⸗
fenheit erlanget, als es ſein ſchraͤger Stand erfodert. Ob ſich nun wohl bey
dem Hinwegſtoſſen eben dergleichen ereignet, ſo mangelt doch die Krafft des
Armes. Denn wenn man etwas gerad mit ausgeſtreckten Arm ohne Bewe⸗
gung von ſich ſtoſſen will, fo iſt es eben fo viel, als wenn man ein Stuͤck Holtz
wiſchen der Schulter und der Sache haͤtte, die man fortzuſtoſſen begehret.
Von den Schultern.
43. OBSERVAT IO. (Cap. 172.)
Den vornehmſten einfachen Bewegungen die von der Biegung in der Jun-
Kur der Schulter gemachet werden, beſtehet darinnen, wenn der Arm
welcher feſt an derſelbigen haͤnget, ſich in die Hoͤhe oder niederwerts,
oder auch zuruͤck und auch vorwaͤrts beweget. Man kan aber auch ſagen,
daß alle ſolche Bewegungen unendlich ſeyn, weil, in dem man ſich mit der
Schulter an die Wand von einer Mauer kehret, und mit ſeinen Arm eine
runde Figur bezeichnet, dennoch zugleich alle in der Schulter befindliche Be⸗
wegungen verrichtet werden; maſſen jede forthwaͤhrende Groͤſſe unendlich
theilbar iſt. Allein dieſer Circul iſt eben eine ſolche fortwaͤhrende Groͤſſe
die aus der Bewegung des Armes entſpringet; welche Bewegung keine fort⸗
waͤhrende Groͤſſe herfuͤrbringen koͤnte, wenn ihn nicht ſolche Fortſetzung bes
gleitete. Da nun die Bewegung der Arme durch alle Theil dieſes Circuls
gegangen / und derſelbe unendlich theilbar iſt ſo folget nothwendig, daß die Ver⸗
aͤnderung der Schulter guch unendlich ſeyn muß.
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Von den eigenen Bewegungen / die mit den Wer⸗
cken des Meuſchen uͤbereinkommen.
44. OBSERVAT IO. Cap. 241.)
N: Bewegungen von euren Figuren, muͤſſen durch die Groͤſſe der Staͤr⸗
cke zu erweiſen ſeyn, die zu unterſchiedenen Actionen gehoͤren. Ihr müf-
ſet nemlich darthun, daß man zu dem Aufheben eines Stabes, nicht
eben die Staͤrcke gebrauche, als zur Aufhebung eines groſſen Balckens.
Bringet demnach einen ſolchen Beweis auf die Bahn, der nach der Ber
ſchaffenheit der Laſt, womit man umgehet, von der Staͤrcke unterſchieden ist.
Von der groͤſten Kruͤmmung / die ein Menſch ma⸗
chen kan, wenn er ſich zuruͤcke wendet.
45. OBSERVAT IO. (Cap. 231.)
N höchfte Kruͤmmung die ein Menſch in der Wendung hinter ſich ma⸗
chen kan, beſtehet darinnen, daß er von hinten ſeine Ferſe ſehe, und das
Geſicht zugleich in die Augen falle. Dieſes kan aber ohne Schwerigkeit
nicht geſchehen, ſondern er mus die Beine biegen, und die Schulter oder die
Achſel ſo erniedrigen, daß er den Knoͤchel von ſeinem Fuß zu ſehen kriegt. Die
Urſache ſolcher Bewegung, ſoll in der Anatomie demonſtriret und geſagt
werden, welche Mulculn ſich allhier zu erſt oder zu letzt bewegen.
Von ſpringenden Figuren.
46. OBSERVAT IO. (Cap. 260.)
S wuͤrcket die Natur ſelber bey einem Springer, und unterrichtet ihn ohne
einige Unterredung, daß er, wenn er ſpringen will, die Arme und Schul⸗
tern mit groſſer Hefftigkeit in die Hoͤhe hebet. Vermittelſt ſolcher
gewaltſamen Bewegung, folget ihm ein groſſer Theil der Schwere ſeines
Coͤrpers, die fo lange in der Höhe dauret, biß ſolche Bewegung in ſich ſelbſt
aufhöret, Dieſe ſtarcke Bewegung iſt noch ferner 80 der geſchwinden wieder
Aus⸗
von der Ponderation und Bewegung. 49
Fig. 20,
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so Der Vierdte Theil /
Ausdehnung des gebogenen Ruͤckgrades, der Juncturen, der Hüffte,des Ober⸗
Schenckels, der Knie und Fuͤſſe vergeſellſchafftet. Erwehnte Ausſtreckung ge⸗
ſchiehet fehräge,da man ſich von forne nieder beuget, und gleichſam Bo⸗
genfoͤrmig in die Höhe wieder zuruͤck ſpringet: dahero bringet die Bes
wegung, welche zum vor ſich Beugen beſtimmet iſt, den Coͤrper deſſen der da
ſpringet, vor ſich hin. Eben ſo bringt die Bewegung, welche zu der Erhebung
erfodert wird, den Coͤrper des Springers wieder empor, da er zugleich eis
nen groſſen Bogen machet, der den Sprung vermehret.
Wie ſich bey einem Menſchen der in die Hoͤhe
ſpringet, dreyerley Bewegungen befinden. |
47. OBSERVATIO.(Cap.27o0.)
tan der Menſch indie Höhe ſpringet, fo iſt die Bewegung des Kopfes,
drey mal geſchwinder als die Ferſe des Fuſſes, bevor nemlich das En⸗
de vom Fuß von der Erde abweichet: und er iſt auch 2 mal geſchwin⸗
der als die Seite. Dieſes traͤget ſich darum zu, weil in der Zeit die dar⸗
über verſtreichet, ſich ; Winckel formiren. Der oberſte iſt derjenige, wo ſich der
Bufto (der obere Theil des Coͤrpers) von forne mit dem dicken Bein zuſammen
fuͤget. Der andere iſt daſelbſt, wo das dicke Bein oder der Ober⸗Schenckel
ſich mit den Bein von hinten zuſammen ſchlieſſet; und der dritte , wo ſich
das Bein von forne wieder mit dem Fuß⸗Bein von Fuß vereiniget.
Nota. Diejenigen 2 Winckel, davon hier der Author Erwehnung thut,
ſind eben dieſelben, welche ſonſten die vornehmſten Theile von der
menſchlichen Proportion ausmachen.
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Der Guͤnffte Theil.
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Schatten und Licht.
ess gs 88 8888888 88 88 65 88.888 88 86 888.
Von dem Unterſcheid der Lichter nach ihrer
| verſchiedenen Stellung.
1. OBSERVATIO. Cap. 289.)
FAIn kleines Licht, wirfft ſtarcke und ſehr rerminirte (deutlich bemerck⸗
Är te) Schatten über ſchattigte Coͤrper. Ein groſſes Licht hingegen vers
urſachet geringe Schatten die undeutlich ausgedruͤcket ſeyn. Wenn
ein kleines und ſtarckes Licht, in dem groſſen und ſchwaͤchern einge⸗
ſchloſſen iſt, wie die Sonne in der Lufft; alsdenn wird das Schwaͤchere an
ſtatt des Schattens an den Coͤrpern bleiben, die von ihnen erleuchtet ſind.
Nota. Obgleich das, was der Author hier ſagt, wider die Natur geredet
zu ſeyn ſcheinet, fo hat er doch nicht unrecht: und es verhält ſich
auch dieſes bey einerley Art Farben von ungleicher Helligkeit und
Schönheit alſo, da die eine der andern zur Schattirung oder Mez-
zatinte dienen kan.
Von den Sonnen⸗Strahlen die ſich durch un⸗
| terſchiedene Wolcken ausſtreuen.
2. OBSERVATIO. Cap. 3 10.)
Don Sonnen⸗Strahlen welche durch die Spatia tringen, die ſich zwiſchen
der unterſchiedenen Dicke und Globofität 1 Al befinden, erleuch⸗
8 3 2 ten
72 Der Fuͤnffte Theil /
ten alle Gegenden, wo ſie hintreffen, auch ſo gar die Finſterniß. Sie faͤrben
mit ihrem den dunckele Oerter die hinter ihnen ſeyn; welche Dunckelhei⸗
ten, ſich in dem
ben.
Von der Beſchaffenheit des Lichts.
3. OBSERVAT IO. (Cap. 41.)
Ehn groſſes oder ausgebreitetes und hohes Licht, fo nicht allzu ſehr ſtrahlet,
wird ſehr vortheilhafftig ſeyn, die geringſten Theile eines Coͤrpers auf
das annehmlichſte vorzuſtellen.
Wo / und wie hoch man das Licht nehmen ſoll
wenn man nach der Natur zeichnen will.
4. OBSERVATIO, (Cap. 270
Wo man nach der Natur arbeiten will, ſo ſoll das Licht gegen der Mit⸗
ternacht Seite genommen werden, damit es ſich nicht aͤndere. Wo⸗
ferne aber eure Fenſter gegen Mittag ſtehen, ſo ſtellet ein mit Oel
getraͤncktes Papier dafuͤr; weil das Sonnen⸗Licht welches den gan⸗
gen Tag feheinet , hierdurch geſchwaͤchet und gantz gleich durch das Ger
mach ausgeſtreuet wird. Die Hoͤhe des Lichts 5 dergeſtalt genommen
werden, daß die Länge des Schattens von jedem Coͤrper, auf der Flaͤche der
Hoͤhe des Coͤrpers gleich ſey.
Wie ſich ein Mahler in Anſehung des Lichts / wel⸗
ches fein Modell erleuchtet, ſetzen ſoll.
5. OBSERVAT IO. (Cap. 40.)
S fen A B das Fenſter wo der Tag hineinfällt,, und M fen der
Sicht Punch Ich ſage, daß der Mahler eine rechte Ste de
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wiſchen⸗Raum beſagter Sonnen⸗Strahlen, zu erkennen ges
vom Schatten und Licht, 73
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an welchen Ort er auch ift ‚fo fern nur fein Auge, ſich zwiſchen dem ſchattigten
und erleuchteten Theil ſeines Modells befindet. Er wird dieſen Ort antref⸗
fen, wenn er ſich zwiſchen den Punct Mund denjenigen Ort ſetzet, wo ſich
der Schatten ſeines Modells, von dem Licht unterſcheidet.
Was man vor ein Licht nehmen muß / wenn man
nach der Natur, oder nach runden Sachen
arbeiten will.
6. OBSERVATIO. Cap. 29.)
e durch den Schatten allzu deutlich durchſchnitten
wird, iſt gar nichts nutz. Eine ſo nachtheilige Sache zu vermeiden,
muͤſſet ihr, wenn ihr euere Figuren im freyen Felde verfertiget, nicht
von der Sonnen erleuchtet vorſtellen; ſondern eine nebelichte Zeit, oder etz
liche durchſcheinende Wolcken darzu erdichten, die zwiſchen der Sonne und
dem Object befindlich ſeyn; damit, indem die Figuren von der Sonnen alſo
ſchwach erleuchtet werden, die aͤuſſerſten Theile des Schattens und Lichts,
ſich unempfindlich in einander verlieren,
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54 Der Sünffte Theil /
Ob das Licht in Faccia (vor dem Antlitz) oder
nach der Seite zu nehmen, und welches von beyden
am meiſten Annehmlichkeit giebet.
7. OBSERVAT IO. (Cap. 74.)
Enn das Licht bey Geſichtern, die zwiſchen dunckelen Seiten⸗Waͤnden
oder Mauren geſtellet ſeyn, vor dem Antlitz genommen wird, fo ver;
urſachet es bey ſolchen Geſichtern eine ſtarcke Erhebung, abſonderlich
wenn das Licht oder der Tag von oben einfaͤllt. Die Urſach dieſer Erhebung
ruͤhret daher, weil die Theile der Geſichter die vor andern herfuͤr ragen, von
dem allgemeinen, davor befindlichen Licht der Lufft, erleuchtet ſeyn, dahero
dieſe alſo erleuchtete Theile, einen faſt unempfindlichen Schatten kriegen. Den
vorragenden Theilen des Geſichts, folgen gegen uͤber die Seiten⸗Theile, die von
den beſagten Waͤnden der Gemaͤcher verdunckelt werden, und die das Geſicht
um ſo vielmehr verdunckeln, als 55 ſelbiges mit ſeinen Theilen darauf hinwen⸗
det. Es folget uͤber dieſes, daß das Licht, ſo von oben koͤmmt, die Theile nicht
trifft, die unter denen, gleichſam mit einem Schild bedeckten Theilen ſich be;
finden. Dergleichen ſind die Augenbraunen, welche das Licht bey den Hoͤhlen
der Augen zerſtreuen. Ferner die Naſe, die mit ihrem Schatten einen groß
ſen Theil vom Mund einnimmt, und dann das Kiehn von der Kehle, mit noch
mehr andern erhabenen Theilen.
Auf was vor eine Art man einen Kopff mahlen /
und ihm mit Schatten und Licht, eine Annehmlich⸗
| keit geben koͤnne. |
8. OBSERVATIO, (Cap. 35.)
8 Je Staͤrcke des Schatten und Lichts, trägt zu der zur Annehmlichkeit
D bey Geſichtern der Perſonen, die an den Thuͤren dunckler Haͤuſer ſitzen,
vieles bey; weil derjenige der ſie betrachtet, gewahr wird, daß die ſchat⸗
tigte Seite des Geſichtes, von dem Schatten des Orts noch mehr verdun⸗
ckelt wird. Die andere Seite neben dieſem Geſicht, welche der Tag erleuch—
tet, empfaͤnget auch die Klarheit von dem Licht der Lufft. au ſolchen
Anwachs
vom Schatten und Licht. 97
Anwachs des Schatten und Lichts, kriegt das Geſicht eine ſtarcke Erhebung
und 495 die Seite des Tages, werden die Schatten unempfindlich; dahe⸗
ro das Geſicht durch eine ſolche Vorſtellung und Anwachſung des Schatten
und Lichts, eine beſondere Annehmlichkeit und Schoͤnheit uͤberkommet.
Von der Schönheit der Geſichter.
9. OBSERVAT IO. (Cap. 191.)
An muß die Mufculos nicht mit rauhen Strichen machen, ſondern die
M angenehmen Lichter, ſollen ſich unempfindlich unter dem zarten und wol⸗
gefälligen Schatten verliehren. Denn daher entſtehet die Anmuth und
Schoͤnheit. 5
Wie man es machen ſoll / daß die Geſichter eine
annehmliche Erhebung uͤberkommen.
10. OBSERVATIO. Cap. 287.)
Won in den Straſſen, welche gegen
Abend ſtehen, die Sonne zu Mitta⸗
ge, ihre groͤſte Höhe erreicher , fo
werffen die erhabenfte Haͤuſer, die fich nach
der Sonne wenden, ihr Licht auf die dun⸗
ckeln Coͤrper nicht zuruͤcke. Wenn alſo die
Lufft nicht allzu helle iſt, ſo hat man den be⸗
ſten Vortheil, den Figuren, eine Annehm⸗
lichkeit und Erhebung zu geben. Deß ſolcher⸗
geſtalt kan man wahrnehmen, wie die bey⸗
den Seiten des Geſichtes, von der Dunckel⸗
heit der gegen uͤberſtehenden Waͤnde, ei⸗
nen Autheil nehmen, daß alſo die gantze
Seite der Naſe, mit dem völligen Geſicht,
ſo ſich gegen die Oeffnung der Straſſe
e > — wendet, ſehr erleuchtet ſeyn. Durch dieſe
Wuͤrckung wird das Auge, welches ſich in der Mitte beſagter Oeffnung der
Straſſe befindet, die Angeſichter in allen Theilen, die ſich in gerader Linie
gegen
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Fig.23.
76 Ber Fuͤnffte Theil /
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gegen ihm wenden, wohl erleuchtet ſehen, und die Seiten der Geſichter, die
gegen die Waͤnde der Mauer gewandt ſind werden mit Schatten bedecket
ſeyn. Hierzu fuͤget ſich noch die Annehmlichkeit der unvermerckten Verlieh⸗
rung der Schatten mit den Lichtern, daß man gantz keine Haͤrte oder ſcharffe
Schatten: Striche wahrnimmt. Es ruͤhret ſoſches von der Länge des Lichts
Strahles her, der von oben her zwischen die Daͤcher der Haͤuſer, und zwi⸗
ſchen die Waͤnde herunter dringet, hernachmalen aber auf das Pflaſter der
Straſſen trifft, und durch die zuruͤcke prallende Bewegung, in die ſchattigten
Theile von den Geſichtern wieder zuruͤck ſpringet, und ſie einiger maſſen
aufs neue erleuchtet. Die ſchon beſagte Länge des Licht⸗Strahls vom Him⸗
mel, der durch den Rand des Schattens der Daͤcher, mit ihrer Spitze be⸗
mercket wird, und ſich uͤber der Oeffnung der Straſſe befindet, erleuchtet faſt
bey nahe den Urſprung der Schatten, der ſich unter dem Object des Ange⸗
g. ſichtes befindet; die ſich
alſo nach und nach in eine
Helligkeit verwandeln,
biß ſie ſich uͤber dem
Kiehn, mit einem unver⸗
mercklichen Schatten ven
allen Seiten endigen.
Wenn zum Beyſpiel bes
ſagtes Licht A F waͤre,
ſo ſiehet es die Linie von
Licht F E, welches biß
unter die Naſe helle ma⸗
chet, und die Linie C E,
erleuchtet nur was fich uns
ter den Lippen befindet, die Linie A H aber erſtrecket ſich biß unter das
Kiehn, und bleibet alſo hier die Naſe am meiſten erleuchtet, weil ſie von allen
dieſen Lichtern A B C D F geſehen wird.
Wie man den Figuren das Licht geben ſoll.
11. OBSERVATIO. (Cap. 279.)
17 Leicht ſoll mit dem Ort überein kommen, wo man in der Natur erdich⸗
tet, daß ſich die Figuren befinden. Iſt es ein Sonnen⸗Licht, ſo muß
man den Schatten dunckel machen, und das Licht ausbreiten, auch den
Schatten von allen herum befindlichen Coͤrpern, auf der Erden ht
rſchei⸗
vom Schatten und Licht. 57
—— — ——— —
Erſcheinet aber die Figur bey truͤber Lufft, muß man wenig Unterſcheid von
Licht und Schatten, und gar keinen Schatten unter die Fuͤſſe machen. Stehet
die kigur in einem Hauſe, ſo muß der Unterſcheid von Schatten und Licht, als
wie auf der Erden, groͤſſer ſeyn. Will man aber fing iren als wenn Fenſter
von Oel getraͤncktem Papier im Zimmer und dabey weiſſe Waͤnde waͤren, ſo
muß gleichfalls wenig Unterſcheid zwiſchen Schatten und Licht ſeyn. Iſt bins
gen das Object vom Feuer erleuchtet, ſo muß das Licht roͤthlich und lebhaff⸗
tig, auch der Schatten dunckel / der Schlag⸗Schatten aber an der Mauer oder
auf dem Boden, ſehr hart und geſchnitten ſeyn: und je weiter ſolche Schatten
vom Coͤrper abftehen, je breiter werden fie. Waͤren beſagte Figuren , theils
von der Lufft, theils vom Feuer erleuchtet, fo fol das Licht von der Lufft, viel
ſtaͤccker, das vom Feuer aber deſto röther, und faſt gantz Feuer⸗Farb ſeyn.
Überhaupt, ſeyd dahin bedacht, daß eure Figuren ein ſtarckes von der Hoͤhe
kommendes Licht haben, ſonderlich bey Portraits. Denn die Perſonen, ſo
man auf der Straſſe ſiehet, kriegen alles ihr Liecht von oben her. Wenn ihr
derohalben jemand von euren Bekannteſten ſehen wurdet, in deſſen Geſicht das
9 unten hinauf fiel, Dürfftet ihr groſſe Mühe brauchen, felbigen zu ers
ennen.
Was vor eine Art des Lichtes man wählen ſoll /
die runden Figuren oder Körper zu zeichnen.
12. OBSERVATIO. Cap. 28.)
Ded. Figuren eines jedweden Coͤrpers verbinden euch, ihnen das Licht nach
der Beſchaffenheit des Tages zu geben, an welchen ihr ſie erdichtet dar⸗
ſtellet. Befinden ſie ſich in der Lufft auf freyem Felde, da die Sonne
bedecket ift , fo ſollen felbige bey nahe von einem allgemeinen Licht umgeben
ſeyn. Wenn aber die Sonne beſagte Figuren erleuchtet, werden ihre Schat⸗
ten in Anſehung der andern erleuchteten Theile, ſehr dunckel ſeyn, und alle
Schatten, ſo wol primitive (urſpruͤnglich) als derivative (auf Veranlaſſung
einer andern Urſache) am Rand ſehr abgeſchnitten ſeyn. Dergleichen Schat⸗
ten führen wenig Licht mit ſich, weil fie auf der Seiten die blaue Lufft erleuchtet,
die ihre Farbe demjenigen Theile mittheilet, der ihr entgegen ſtehet. Man ſiehet
ſolches deutlich an weiſſen Sachen, da der von der Sonnen erleuchtete Theil,
auch von der Farbe der Sonnen Antheil nimmt. Noch klaͤrer erſcheinet ſol—
ches, wenn die Sonne ſich bey dem Unter gang zwiſchen rohten Wolcken neiz
get, da ſich beruͤhrte Wolcken, von der Farbe der * die ſie erleuchtet,
N gautz
58 Der Fuͤnffte Theil /
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gantz entzuͤnden; welche Roͤthe der Wolcken nebſt der Sonnen⸗Roͤthe, alles
was ein Licht davon empfaͤnget, auch roͤthlich faͤrbet: da hingegen die ande⸗
re Seite des Coͤrpers worauf dieſe Roͤthe nicht faͤllt, eine blaue Lufft⸗Farbe
kriegt: und derjenige welcher ein ſo unterſchiedlich erleuchtetes Objeck ſie⸗
het, meynet als ob es aus zweyen Farben beſtuͤnde; da ihr doch nicht fehlen
koͤnnet, indem indem ihr die Urſache dieſes Schatten und Lichts beobachtet,
daß ſie von ihrem Urſprung Theil nehmen, ohne welche eure Imiration falſch
und vergeblich wäre, Befindet ſich aber die Figur in einer dunckeln Cams
mer, und ihr ſehet ſie von auſſen, ſo wird ſie ſehr linde Schatten haben,
wenn ihr in der Linie ſtehet wo das Licht ach az Eine folche Figur wird
ſich mit vieler Annehmlichkeit darſtellen, auch dem Mahler groſſe Ehre be⸗
foͤrdern, der ſie wohl zu imitiren weiß; indem ſie von groſſer Erhebung iſt,
ob ſchon die Schatten daran ſonderlich an dem Theil wo man die Dunckel⸗
heit der Cammer am wenigſten ſiehet, ſehr lind ſind, weil daſelbſt alle Schat⸗
ten faſt unempfindlich ſeyn. Die Urſache hievon, ſoll am gehörigen Ort ger
ſaget werden.
Was vor eines Lichtes ſich ein Mahler bedienen
ſoll, wenn er ſeinen Figuren eine groſſe Erhebung zu
| geben begehret. E ER x
13. OBSERV ATIO. (Cap. 55.)
a Figuren fo ihr Licht von einem befondern Licht empfangen,
zeigen eine viel groͤſſere Erhebung, als andere welche von einem allge⸗
meinen Licht erleuchtet ſeyn, weil ein beſonderes Licht, zuruͤcke fallende
Lichter verurſachet, welche die Figuren von ihrer Flaͤche oder der Tafel ab⸗
ſondern. Dieſe Wiederſtrahlung entſpringen von den Lichtern der Figuren,
die vor ihnen ſtehen, und auf die Schatten der entgegen geſetzten fich zuruͤcke
werffen, mithin ihnen gleichſam ein halbes Licht geben. Eine Figur aber
die vor einem beſondern Licht an einem weitlaͤuftigen und dunckeln Ort geſe⸗
tzet iſt, empfaͤnget keinen Widerſchein, alſo daß man nichts als den erleuch⸗
teten Theil ſiehet, welches allein in nächtlichen Hiftorien ausgeuͤbet werden
mus, darzu man nur ein beſonders und kleines Licht anwendet.
vom Schatten und Licht. RE
— — nn
Bey was vor einer Art des Lichtes / man nackigte
Figuren und Portraits mahlen ſoll.
14. OBSERVATIO. Cap. 360
ah @
Men muß eine Cammer haben, wo die Lufft frey entdecket iſt, und die Waͤu⸗
N de ſollen Fleiſch⸗Farb gefaͤrbet feyn. Hernach fol man im Sommer
mahlen, wenn die Sonne mit Wolcken bedecket iſt. Noch beſſer iſt es,
zum Mahlen, wenn von der Mittags⸗Seite, die Mauern dergeſtalt erhoͤhet ſeyn,
daß die Strahlen der Sonnen nicht an die Mauern gegen Mitternacht zu⸗
ruͤckfallen, und mit ihren Widerſtrahlungen den Schatten verderben.
Erklaͤrung des allgemeinen Lichtes in der
0 ban Mahlerey. 7
15. OBSERVAT IO. Cap. 303.)
Ey einer Compofition von
vielen Figuren, fo wol Mens
ſchen als Thieren, muͤſſet
ihr allezeit Achtung geben, daß
die Theile von ihren Coͤrpern,
um ſo viel dunckler werden als
ſie niedrig ſind. Wenn ſie ſich auch
iſchon nahe bey der Mitte ihrer
Groupe ( Verſammlung vieler
Leiber) befinden, ſollen ſie doch
an ſich ſelbſt aus einer Farbe be⸗
ſtehen. Dieſes folget nohtwen⸗
dig daraus, weil nicht ſo viel Licht
von dem Himmel, als der Quel⸗
le des Lichts, in dem niedrigen
engen Raum zwiſchen der beſag—
ten Groupe eindringen kan, als
- H R in die oberſten Theile deſſelbigen
Raumes. Es wird dieſes durch folgende Figur en BCD i
4 2 er
ar
Fig. 2
60 ä Der Fuͤuffte Theil / |
den allgemeine Himmels: Bogen welcher allen unter ihm befindlichen Din⸗
gen fein allgemeines Licht mittheilet. N M find die Coͤrper welche den zwi⸗
ſchen ihnen befindlichen Raum S T K H terminiret. In dieſem Raum
ſiehet man deutlich, daß der Stand E, der nur blos von dem Theil des
Himmels C D getroffen iſt, weniger erleuchtet wird, als der Stand E, der
ſeine Erleuchtung von dem groͤſſern Theil des Himmels A B uͤberkommet;
woraus denn nohtwendig folget, daß es in E heller ſey als in F.
Von dem Fehler der Mahler / welche eine erha⸗
bene Sache, bey einem Licht zu Hauſe zeichnen, und
ſie hernach unter freyen Himmel bey einem andern Licht
darſtellen. f
16. OBSERVATIO. Cap.46)
Den de Mahler irren ſehr, welche eine Sache nach dem Runden bey
einem beſondern Licht in ihrem Hauß zeichnen, und ſich hernach ſol⸗
cher Zeichnung in ihren Gemaͤhlden bedienen, welches von einem allge⸗
meinen Licht, oder der Lufft im freyen Felde, erleuchtet werden; da doch die
Lufft alle Theile von den Objectis erleuchtet, und auf einerley Art umgie⸗
bet. Sie machen alſo dunckele Schatten, wo bee doch nicht ſeyn koͤn⸗
nen. So ſich auch einige allda befaͤnden, find fie doch fü helle, daß fie gantz
unbegreiflich ſcheinen. Sie machen dahero auch Gegenſtrahlungen, wo uns
moͤglich einige koͤnnen geſehen werden.
Von den Fenſtern / wo man zeichnen will.
17. OBSERVAT IO. (Cap. 2960
Es ſollen die Fenſter an den Mahler⸗Zimmern gantz aus Hel getraͤnckten
Papier beſtehen, daß in der Mitte gar nichts vom Holtz oder dem Creutz,
auch weder an ſelbigen, noch an der Mauer die Ramen zu ſehen ſeyn; da⸗
mit die Beſtimmung des Lichtes, durch viele ſchwartze Striche oder Li⸗
nien nicht confundiret werde,
Wie
——
—
An < vom Schatten und Licht. 61
Wie man Abends beym Licht zeichnen ſoll.
18. OBSERVATIO. (Cap. 34.)
Ber dem Nacht⸗Licht, muß man vor das Licht eine in Holtz gefaßte Lein⸗
wand; oder auch geoͤltes Pappier; oder auch nur ein ſchlechtes ohne
Oel, aber ein dünnes und zartes ſtellen: fo werden alsdenn die Schatten
an dem aͤuſſerſten Umfang rauh ſcheinen.
Von den Farben des Lichts.
19. OBSE RV AT IO. (Cap. 156.)
De Licht vom Feuer, faͤrbet alles gelb was davon erleuchtet wird. Es
ſcheinet aber ſolches nicht anderſt wahr zu ſeyn, als nur in Verglei⸗
chung einer von der Lufft erleuchteten Sache. Dieſen er kan
man zu Ende des Tages, und noch ficherer fruh nach der Morgen⸗Roͤthe wars
nehmen; und zwar in einem dunckeln Zimmer, wenn ein Strahl von der Lufft
und ein anderer von einem brennenden Licht durch unterſchiedene Loͤcher auf
ein Object faͤllet, da man denn den Unterſcheid ihrer Farbe klar und deut⸗
lich ſehen wird; dergleichen ohne dieſen Vergleich nicht geſchiehet, abſonder⸗
lich in denjenigen Farben die viel Gleichheit von der Flamme des Lichts an
ſich nehmen: als wie das Licht⸗Gelbe vom Weiſſen, und Hell⸗ oder Meer⸗Gruͤn
vom Blauen, nicht wol zu unterſcheiden iſt. Denn indem das gelblichte Flam⸗
men Licht das re und ſich gleichfam mit ihm vermiſchet: 1 —
chen ſie zuſammen eine ſchoͤne gruͤne Farbe aus; und ſo ferner Gelb mit Gruͤn
ver miſchet iſt, wird es um ſo viel ſchoͤner ſeyn.
Vom Schatten.
20, OBSERVATIO. (Cap. 60.)
K e welche uͤbel zu unterſcheiden, und deren Endigung man
nicht eigentlich erkennen kan, ſollen in euren Wercken mit einem ver⸗
wirꝛten Judi cio, und gleichſam Mund nachgemachet werden. 11
3 muͤſſe
62 Der Fuͤnffte Theil /
muͤſſet euch nicht entſchluͤſſen, ſelbige hart zu endigen, oder ſehr deutlich zu ma⸗
chen, damit man in eurem Wercke einen ſinnreichen Entſchluß beobachtet (der
nichts anders, als die Wuͤrckung von euerer Betrachtung iſt, daß ihr der Na⸗
tur vollkommem nachahmet.) rg |
Ob unterfchiedene Farben / vermittelſt eines ei⸗
gen Schattens, von einer einfoͤrmigen Dunckelheit
ſcheinen oder ſeyn koͤnnen.
21. OBSERVAT IO. (Cap. 109.)
S iſt moͤglich, daß die gantze Veraͤnderung der Farbe, durch einen einigen
Schatten nur in eine Schatten-Farbe kan verwandelt werden. Dieſes
aͤuſſert ſich deutlich genug bey der Finſterniß einer gewoͤlckten Nacht,
worinnen man weder die Figur noch Farbe eines Coͤrpers, zu begreiffen fähig
iſt. Denn weil die Finſterniß nichts anders als eine Beraubung des einfal⸗
lenden und zuruͤckprallenden Lichts iſt, vermittelſt deſſen ſich aller Coͤrper, Figu-
ren und Farben begreiffen laſſen: ſo muß nohtwendig folgen, indem die Ur⸗
ſach oder das Licht gantz und gar hinweggenommen iſt, daß die Wuͤrckung
oder die Erkaͤntnuͤß beſagter Farbe und Figur vom Coͤrper, mangeln wird.
Von der Urſache der Verliehrung der Figur und
Farben der Körper vermittelſt der Finſterniß, wel⸗
che nur ſo ſcheinet / und doch nicht iſt.
22. OBSERVATIO. (Cap. IIo.)
Mea hat viel Oerter, die an und vor ſich ſelbſt hell und erleuchtet ſind,
aber dunckel ſcheinen und gaͤntzlich den Unterſcheid der Farben und
Figuren der Sachen verhindern, die ſich darinnen befinden. Dieſes
ruͤhret von dem aus der Lufft erleuchteten Licht her, die ſich zwiſchen die
Sache und das Auge ſetzet. Man len ſolches in den Fenſtern die weit
vom Auge abſtehen, worinnen man eine einfoͤrmige Dunckelheit antrifft, ſo
finſter genug iſt. So ihr aber in ein ſolches Hauß kommet, werdet iſt dar⸗
innen alles an ſich ſelbſt erleuchtet antreffen, und die kleineſten Theile von
einem jeglichen Dinge, die ſich in den Fenſtern befinden, hurtig begreiffen koͤn⸗
nen.
vom Schatten und Licht. 63
nen. Dieſer Beweiß wird aus dem Fehler vom Auge befräfftiget , indem
das Auge von dem uͤberhaͤufften Licht der Lufft, die Groͤſſe ſeiner Pupilla (des
Aug⸗Apffels ) einziehet, und dadurch an feiner Staͤrcke geſchwaͤchet wird.
fl ſehr dunckelen Orten hingegen, erweitert ſich beruͤhrte Pupilla und nimmt
olglich an ihrer Staͤrcke fo viel zu, als fie an der Groͤſſe zugenommen hat.
Welches in dem anderen Buch von meiner Perſpectiy bewieſen wird.
Von dem Schatten der von einer Bruͤcke auf
das Waſſer gemacht wird.
23. OBSERVAT IO. (Cap. 348.)
Den Schatten von den Bruͤcken, werden niemahls auf dem darunter be⸗
findlichen Waſſer geſehen werden, wenn nicht daſſelbe zuvor ſeine na⸗
tuͤrliche Eigenſchafft zuſpiegeln, durch was Truͤbes verlieret. Dieſes iſt
daraus abzunehmen, weil das klare und helle Waſſer eine glaͤntzende und
gleichſam polirte Ober⸗Flaͤche hat, und die Brücke an allen den Orten, die
unter gleichen Winckel zwiſchen dem Auge und der Bruͤcke ſich befindet, wie
in einem Spiegel erſcheinet, welches auch ſo gar die Lufft unter der Bruͤcke,
thut, wo doch der Schatten von der Brücke ſeyn ſolte. Bey trüben Waſ⸗
ſer herentgegen kan ſich dergleichen nicht ereignen, indem es nicht ſpiegelt,
aber wohl den Schatten von der Bruͤcke eben ſo annimmt, als wie eine
ſtaubigte Straſſe thun wuͤrde.
Der
64 Der Sechſte Theil / 5
ag dan ddt
5 W
„e ele e As As eAs ei. D .
En e Fo e e 28137020 7.07 570702 0507378757 3797 920797025 25787.5757 359797377 7075797.5757.3 77.2
ar Gechſte Theil.
Von
Der REFLEXION,
Oder
Dem Widerſchein.
re- -e e- --Er de-.
Von den Oertern / da das Licht nicht zuruͤcke
| ſchieſſen kan.
1. OBSERVATIO. (Cap.76,)
Je Dber- Flächen der dicken Coͤrper, find von unterſchiedenen Beſchaf⸗
fenheiten des Schatten und Lichts umgeben. Die Lichter ſind von
zweyerley Art. Eines nennet man Originale, (das urſpruͤngliche)
und das andere Derivativum (das von einem andern herruͤhrende).
Das Original-Licht iſt dasjenige, welches vom Glantz des Feuers, oder von
der Helligkeit der Sonnen⸗Strahlen, oder auch nur von der Lufft ausgehet.
Das Derivativ-Licht iſt ein reflectirendes Licht. Aber zu unſerm Vorha⸗
ben zuruͤck zukehren, ſage ich, daß ein Coͤrper das Licht von derjenigen Seite
nieht zuruͤcke werfen wird, welche ſich gegen ſchattichte Coͤrper wendet; als
wie die dunckeln Oerter der Dächer von unterſchiedener Höhe, wie auch die
Kräuter und Baͤume, deßgleichen die duͤrre oder grüne Buͤſche ſeyn: ob ſich
ſchon ein jeder Aſt derſelben gegen das Haupt⸗Licht wendet, und die Beſchaf⸗
fenheit ſolches Lichts davon empfangen hat. Es iſt aber die Menge der Schat⸗
ten, welche die vielen Aeſte verurſachen, da immer einer auf den andern Fi
worffen
von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. 65
worffen wird, ſo groß, daß endlich eine ſolche Dunckelheit davon entſtehet, daß
das Licht nicht durchtringen kan: weswegen dergleichen Objedta kein Licht auf
die gegen uͤber ſtehende Coͤrper zuruͤcke werffen koͤnnen.
Von dem Wiederſchein der Farben.
2. OBSERVAT IO. (Cap. 87.)
Ade reflectirende oder zuruͤckfallende Farben ſind fo lebhafft als das rechte
oder unmittelbahre Licht: und es verhäit ſich das einfallende Licht gegen
das zuruͤckprallende in eben der Proportion, als wie die Staͤrcke der
Helligkeiten, zu ihren Urſachen die fie unter ſich haben.
Von dem Zurückſclegen oder Wiederſchein des
ichtes.
3. OBSERVAT IO. (Cap. 5.)
Dede Wiederſcheine werden von ſolchen Coͤrpern verurſachet, die von einer
hellen Beſchaffenheit ſeyn, auch eine ebene und mittelmaͤſſige dicke
Ober⸗Flaͤche haben. Wenn dieſelbigen vom Licht angeruͤhret werden,
fo fpringen die Widerſtrahlungen, gleich einem Ballen davon zuruck, und fal⸗
len auf das erſte Object, ſo ihnen entgegen ſtehet.
Von den Objectis einer Landſchafft / die im
Waſſer wie in einem Spiegel erſcheinen, abſonderlich
aber von der Lufft.
4. OBSERVAT IO. (Cap. 135)
Es wird fich nur derjenige Theil der Lufft, auf der Ober⸗Flaͤche des Waſſers
wie in einem Spiegel zeigen, welcher von ſolcher Oberflaͤche des Waſſers
unter gleichen Winckeln ins Auge zuruͤcke fällt; das iſt, muß der
Angulus incidentiae ( Einfalls- Winckel) dem Angulo Refiexionis
(Nuͤckfalls⸗Winckeh) gleich ſeyn.
EN Wel⸗ |
eig 25.
*
— — nn
66 | Der Sechſte Theil /
Welcher Theil von der Wiederſcheins⸗Strah⸗
lung am meiſten helle ſeyn wird.
5. OBSERVATIO. (Cap 89
NN! 5 .
= 5 2 x =
grenige Theil der Wiederſtrahlung, wird ſehr helle oder erleuchtet ſeyn,
welcher ſein Licht unter ſehr gleichen Winckeln empfaͤngt. Es ſey zum
Beyſpiel das Centrum vom Licht N, und A h ſey ein Theil von dem er⸗
leuchteten Coͤrper AB C DEF, von welchem das Licht auf die entgegen
geſetzte voͤllige ſchattigte Höhle deſſelben, zuruͤcke fällt. Geſetzt nun, daß die⸗
ſes Licht, welches in F zuruͤck faͤllt, unter gleichen Winckeln anfchlüge , fo
wird E auf der Bafi oder Grund: Linie, nicht unter ſo gleichen Winckeln zu⸗
ruͤck fallen / wie der Angulus E A B anzeiget, welcher viel ſtump fer als
der Angulus E B A iſt. Der Angulus A FB empfaͤngt mehr Licht, als
der Punct E, und die Wiederſtrahlung F, wid viel heller ſeyn, als in E.
Denn obſchon die Winckel E und E einerley Grund-Linie haben, ſo ſind doch
die entgegen geſetzte Winckel bey dem Punct P, einander vielmehr gleich als
die gegen uͤber befindliche Winckel, bey dem Punct D. Es wud auch dar⸗
um in E noch viel heller ſeyn, weil dieſer Punct den Coͤrper 4 10 47
6 . euch tet,
von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. 67
leuchtet, viel näher iſt; gleich wie ſolches aus der ſechſten Propoſition
(vielleicht von des Authoris Perſpectiv) bekannt, da es heiſt: daß derjenige
Theil von einem ſchattigten Coͤrper am meiſten erleuchtet wird, welcher ſich
nahe beym Licht befindet.
Von dem doppelten and dreyfachen Wieder⸗
ill.
6. OBSERVAT IO. (Cap. 8g.)
517
2
I;
SI
>
— ——
m
——
— ——————
————
m
—
—————
m
Dee doppelten Wiederſcheine haben mehr Gewalt als die einfachen: und
die Schatten welche ſich zwiſchen den einfallenden Lichtern, und dieſen
Widerſtrahlungen befinden, find ſehr wenig dunckel. Zum Exempel
A ſey der erleuchtende Coͤrper. A N, A 8, die geraden Licht-Strahlen, N
85 ſeyn die erleuchteten Theile des Coͤrpers, O E, ſeyn Theile von eben
dieſen Coͤrpern die durch die Wiederſtrahlung erleuchtet find. Die Wieder—
ſtrahlung A N E fen die einfache Wiederſtrahlung, und AN O, AS O
ſey die doppelte. Die einfache Widerſtrahlung iſt diejenige, welche nur von
ein em erleuchteten Coͤrper geſehen wird. Die doppelte hingegen, wird von
zweyen erleuchteten Coͤrpern geſehen. Der einfache Zuruͤckfall E, iſt aus dem
erleuchteten B D entſprungen, und der doppelte Zuruͤckfall O, nimmt von
den erleuchteten Coͤrpern Z D, und D K Antheil. Dieſes letztern fein
J 2 Schat⸗
Pig. 26.
68 Der Sechſte Theil / F
Schatten ift ſehr wenig dunckel, weil er ſich zwiſchen dem einfallenden Licht !
N und dem zuruckprallenden NO, S 0 befindet. a
Von der Farbe des wiederſcheinenden See⸗
Waſſers, welches aus unterſchiedlichen Ständen
geſehen wird.
7. OBSERVAT IO. (Cap. 1450
Des Meer, wenn es in der Bewegung iſt, hat keine allgemeine Farbe.
Denn wer ſolches auf dem feſten Lande ſiehet, dem ſcheinet es um ſo
viel mehr dunckeler, als es ſich dem Horizont naͤhert. Man beobach⸗
tet etliche glaͤntzende und lichte Wellen darauf, die ſich faſt wie die weiſſen
Schaafe bey einer Heerde, Wechſels⸗weiſe bewegen. Wer das hohe Meer
beobachtet, dem wirds blau ſcheinen, da es doch von der Erden oder dem
feſten Land her, dunckel ausſiehet. Da man nun wahrnimmt, daß ſich die
Dunckelheit der Erden, oder des feſten Landes ſich in den Wellen ſpiegelt,
und die blaue Farbe der Lufft auf die Wellen der hohen See fällt, fo mus fie
nohtwendig blau ſcheinen.
Von dem Horizont der ſich in dem Waſſer
ſpiegelt.
8. OBSERVAT IO. (Cap. 365.)
Nie. 27. ES wird fich der Horizont, wegen der sten Propofition, (vielleicht von des
N Authoris Perſpectiv,) an der Seite des Waſſers ſpiegeln, die vom Hori-
zont und dem Auge geſehen wird, wie der Horizont F anzeiget, der von
der Seite B C geſehen wird, und welche Seite auch das Auge betrachtet.
Wenn demnach ein Mahler ein groſſes Gewaͤſſer vorzuſtellen haͤtte, muß er
ſich erinnern, daß die Farbe des Waſſers nicht dunckeler noch heller von ihm
geſehen wird, als die Helligkeit und Dunckelheit des Orts, wo er ſich befin⸗
det, mit den zuſammen vermiſchten Farben, von andern Dingen, ſo hinter ihm
ſind, ſeinem Geſicht zum Vorſchein koͤmmt.
Nota. Man wird nicht unrecht thun, wenn man dieſe Obſer vation, bey
| Verfertigung der Landſchafften wol in acht nımmt, darinn 157 je
aſſer
69
lſtaͤndig⸗
pral-
0
et, ſo koͤn⸗
oder un⸗
in gleicher
erley Far⸗
an Farbe
n abermal
oder un⸗
er Raum
inckelheit,
‚fe Spatia
Frantzoͤi⸗
hts, durch
hwaͤcheres
ickfallende
eit davon
zaum, der
liaͤniſchen
Wie
2
A;
von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. 69
Waſſer befindet, weil man ihnen dadurch eine beſſere Vollſtaͤndig⸗
keit geben kan.
Von den Farben der einfallenden und zuruͤckpral⸗
Be lenden Lichter.
9. OBSERVAT IO. (Cap. 157.)
Enn ein ſchattichter Coͤrper ſich zwiſchen zweyen Lichtern befindet, ſo koͤn⸗
nen ſich ſolche nicht anders als auf zweyerley Arten veraͤndern. Sie
ſind nemlich einander entweder an der Staͤrcke gleich, oder ungleich:
und dieſes verſtehet ſich von den 2 Lichtern und dem Vergleich unter ihnen.
Sind fie gleich, fo koͤnnen fie folche wieder auf 2 andere Orten verändern:
und zwar nach ihrem Schein über das Object, der entweder gleich oder uns
gleich ſeyn wird. Gleich wird er ſeyn, wenn ſich ſolche Lichter in gleicher
Weitſchafft befinden; ungleich hingegen, in ungleicher Weite. NB. In
gleicher Weite wechſeln ſie wieder auf 2 andere Arten ab, wenn nemlich das
Object in gleicher Weitſchafft zwiſchen 2 Lichtern geſetzt iſt, die einerley Far⸗
be und Schein haben / und alſo von beſagten Lichtern, auch gleich an Farbe
und Schein erleuchtet werden kan. Dieſes kan von ſolchen Lichtern abermal
auf zweyerley Arten geſchehen, nemlich gleich von allen Theilen, oder un;
gleich. Gleich wird es von ſolchen Lichtern erleuchtet ſeyn, wenn der Raum
der um dieſen zwey Lichtern uͤbrig bleibet, von gleicher Farbe, Dunckelheit,
und Helligkeit ft: NB. Ungleich werden endlich folche ſeyn, wenn dieſe Spatia
um die zwey Lichter, in der Dunckelheit unterſchieden ſeyn.
Nota. Die hier zu erſt mit NB. bezeichnete Paſſage, klinget im Frantzoͤi⸗
ſchen Text alſo: Wenn das Objeck auf der Seite des Lichts, durch
gleich helle und gleich weit entfernte Lichter, ein ſehr ſchwaͤcheres
Licht, als auf der gegen uͤberſtehenden Seite, durch zuruͤckfallende
ee uͤberkoͤmmt, die eben fo helle ſeyn, und gleich weit davon
abſtehen.
Bey dem zweyten NB. heiſt es im Sransöifchen: Wenn der Raum, der
ſich um die Lichter herum in der Dunckelheit befindet.
Dieſe 2 Paſſagen haben wir aber alſo uͤberſetzt, wie fie in dem Italiaͤniſchen
Text enthalten, und hier teutſch zu leſen ſeyn.
J 3 Wie
70 Der Sechſte Theil?“ —
—
Wie ein jedes Ding ſeine Farbe zeiget / woferne
es nicht das Licht 5 12 andern von gleicher Far⸗
e empfaͤngt.
10. OBSERVATIO. (Cap. Ini.)
W wird ein Ding feine eigene Farbe zeigen, wenn das Licht fo es er⸗
L leuchtet nicht gantz und gar von eben der Farbe iſt. Man beobachtet
ſolches klar und deutlich an den Gewaͤndern, von welchen die erleuch—
teten Falten einen Wiederſchein machen, und ihr Licht den Falten, ſo ihnen ent⸗
gegen ſtehen, mittheilen, und alſo ihre wahre Farbe zeigen. Eben dieſes thun
die Gold Blaͤtter, indem eines vom andern das Licht empfaͤngt. Das Ge
gentheil geſchiehet aber, wenn das Licht von einer andern Farbe dazu koͤmmt.
Welcher Eörper von der Farbe ſeines Objects
mehr Antheil nehmen wird.
N. OBSERVATIO. (Cap. 124.)
an Ober⸗Flaͤche eines jeglichen Coͤrpers, wird faft gantz und gar an der
Farbe desjenigen Objects Theil nehmen , welches ihm ſehr nahe iſt.
Dieſes ruͤhret daher, weil das nahe Object ſehr viel von unterſchiede—
nen Geſtalten einnimmt: und indem ſolches zu ſelbiger Dber - Fläche vom
Coͤrper koͤmmt, wird es die Ober-Flaͤche von jenem Object veraͤndern. Es
wuͤrde ſolches nicht geſchehen, oder die Farbe des Objects wuͤrde derglei⸗
chen nicht thun, wenn fie ſich weit davon befaͤnde, und nicht ſolche Geſtal—
ten einnaͤhme. Denn alsdenn wird ſich die Natur folcher Farbe, in ders
gleichen dunckeln Coͤrpern, viel vollkommener zeigen.
0 I 855
Welcher
7
von der Reflexion, oder Wiederſchein. 71
——— — —ü—E — — —ęt:: —ę— :. —ꝛñt.u — — — - ——— — — —
Welcher Loͤrper ſich in ſeiner Farbe am ſchoͤn⸗
ſten zeigen wird.
12. OBSERVATIO. (Cap. 125.)
Ie Ober⸗Flaͤche eines dunckelen Coͤrpers, wird um ſo viel ſchoͤner von
Farbe ſeyn, wenn fie eine Farbe zu einem nahen Object haben wird die
der ihrigen gleich iſt.
Von dem Wiederſchein der Colorit in der
1 | Carnation.
13. OBSERVATIO. (Cap$ı.)
N Wiederſcheine von der Carnation (Fleiſch⸗Farbe oder nackenden
I Theile des Leibes) welche ihr Licht von einer andern Carnation empfan⸗
gen, ſind viel röther und von einer weit lebhafftern und hellſcheinendern
Colorit, als an keinen andern Ort des Menſchlichen Coͤrpers. Dieſes traͤget
ſich nach der dritten Propofition des 2 Buchs (worunter der Author vielleicht
feine Perſpectiv verſtehet) zu, wo es heiſt: Die Oberflaͤche von allen duncke⸗
len Coͤrpern, nimmt um fo viel mehr Antheil von der Farbe ihres Objects,
als ſie ſich nahe bey ihm befindet: und ſie kriegt auch um ſo viel weniger da⸗
von, nachdem fie weit entfernet, und alſo auch nach Proportion der duns
ckele Coͤrper groß iſt. Denn wenn er groß iſt, ſo verhindert derſelbige die
Arten derer umſtehenden Objecten, welche vielmahl von unterſchiedlicher
Colorit ſeyn, daß ſie die zu naͤchſt dabey befindliche veraͤndern, wenn nem⸗
lich die Coͤrper klein ſeyn. Nichts deſtoweniger geſchiehet es, daß ein Wie⸗
derſchein mehr Farbe von einem kleinen naheſtehenden Coͤrper, als von einem
groſſen empfängt, der weit entfernet iſt; gleich wie ich in der ten Propoſi-
tion von der Perſpectiv dargetahn, da ich geſaget: wie die groſſen Sachen
einen ſo weiten Abſtand haben koͤnnen, daß ſie eben ſo groß als die kleinen,
in der Naͤhe erſcheinen.
Ob
Fig.23,
72 Der Sechſte Theil /
Ob die Oberfläche aller dunckeln Coͤrper / von
der Farbe ihres Odjects Antheil nimmt?
14. OBSERVAT IO. (Cap. 298.)
Enn ein weiſſes Obſeck, zwiſchen zweyen
5 DIV Waͤnden geſetzet ift,davon die ee
die andere aber ſchwartz iſt, ſo muß man
wiſſen, daß zwiſchen dem lichten und dunckeln
Theil des beſagten Objects, eben die Propor-
tion, als zwiſchen den beſagten Waͤnden iſt;
L wenn alfo das Object eine blaue Farbe hätte,
ſo wuͤrde ſie daſelbſt ebenfalls ſeyn. Wenn
EN ihr derohalben ſolches mahlen follet, fo verfah⸗
ret folgender geſtalt. Nehmet Schwartz, um
das blaue Object u ſchattiren, damit es dem
Schwartzen oder Schatten von der Wand
B gleich ſey, von welcher ihr euch einbildet, daß
ſelbiger auf euer Object zuruͤck ſchlage. Und
nach gewiſſer und wahrhafftiger Wiſſenſchafft recht zuverfahren, machet fols
ches auf dieſe Art. Wenn ihr die zwey Waͤnde von einer euch beliebigen
Farbe verfertiget habt, fo nehmet einen kleinen Löffel, der ein wenig gröffer
oder kleiner als ein NB. Eß⸗Loͤffel, nachdem es die Umſtaͤnde eueres Werckes
mit ſich bringen. Dieſer Löffel ſoll einen feinen gleich hohen Rand haben, damit
ihr die Theile von der Vielheit der Farbe ſo ihr zu der Miſchung noͤthig, meſ⸗
fen koͤnnet. Zum Exempel, wenn ihr zu der erſten von den befagten Waͤnden 3
Theile, oder 3 abgeſtrichene Löffel voll vom Dunckeln und einen Theil von
Lichten nehmet, fo beſtuͤnden dieſe 3 Löffel von 3 Theilen einfachem Schwar
und einen Löffel voll Weiß, dadurch ihr eine Compoſition von einer a
ſen und auſſer Zweiffel geſetzten Beſchaffenheit verlanget. Indem ihr nun
eine weiſſe und ſchwartze Wand verfertiget, und jet ein blaues Object dar⸗
zwiſchen ſetzen wollet, welches den wahrhafftigen Schatten und Licht habe,
daß ſich zu dieſem Blauen ſchicket, ſo ſetzet einen Theil von ſolchem Blauen,
den ihr ohne Schatten zu ſeyn verlanget, auf die Seiten, und das Schwar⸗
ge darneben. Ferner nehmet; Löffel von Schwartz; vermiſchet fie mit ei⸗
nem Löffel von dem hellen Blau, und leget damit den dunckelſten Schatten
an. Wenn ihr dieſes gethan, fo ſehet, ob das Object Spherifd) , Saͤu⸗
venförhtig, viereckigt, oder wie es ſonſt beſchaffen fen, Iſt es rund, jo 9
ie
A
von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. 73
die Linien von den aͤuſſerſterſten Theilen der ſchwartzen Wand zu dem Cen-
tro des runden Objects, und wo ſich diefe Linien in der Ober⸗Faaͤche des
Objects durchcreutzen, da iſt die Durchſchneidung des ſtaͤrckſten Schattens
in gleichen Winckeln, wo ſich hernach die Helle anfaͤnget, welches in N O
ſeyn wird. Verringert alſo immer den Schatten, um fo viel als er von der obern
Wand A D Theil nehmen wird; welche Farbe ihr mit dem erſten Schat⸗
ten von A B, mit eben dem Unterſcheid miſchen ſollet.
NB. Hier iſt wegen des Eß Loͤffels zu erinnern, daß es im Italiaͤni⸗
ſchen heilt: piglia un picciolo cuechiaro, poco maggior che
uello che s’ adopra per nettar ! orecchie ; das iſt: nehmet
einen kleinen Löffel, der etwas groͤſſer als einer, den man zum Ob:
ren ausraumen gebrauchet. Da nun das letztere von dem Autho-
re im Schertz geredet zu ſeyn ſcheinet, ſo haben wir das Wort
Eß⸗Loͤffel hieher geſetzt, weil auch im Frantzoͤiſchen ſtehet: prenez
une petitè cuäiller: Nehmet einen kleinen Löffel.
Welcher Theil der Farbe in dem Wiederſchein
nothwendig am ſchoͤnſten ſeyn ſoll.
15. OBSERVATIO, (Cap. I/.)
Eñ A das
Licht iſt.,
und B waͤ⸗
re in gerader Li⸗
nie von ſelbigem
Licht erleuchtet;
E aber iſt die
Wand die be⸗
ſagtesdicht nicht
ſehen kan, ſon⸗
dern nur allein
die erleuchtete
Wand B be
trachtet, die zum
i 0 wi a
. 8 iſt: ſo wird da
wiederſcheinende Licht, welches auf dieſer rothen a entſtehet, feinem Ur⸗
| ſprung
Fig. 29.
Fig. 36
74 Der Sechſte Theil /
ſprung gleichen, und die Ober⸗Flaͤche E, die an ſich ſelber auch roth iſt, viel
höher ins Rothe ſpielen, als B. Und wenn E gelb waͤre, wird ſich eine ver⸗
aͤnderte Farbe zwiſchen Gelb und Roth herfuͤr thun.
Von der Ober⸗Flaͤche aller ſchattigten Coͤrper.
16. OBSERVATIO. Cap. 122.)
DN Ober⸗Flaͤche aller ſchattigten Coͤrper, nimmt von der Farbe ihres
u) Objeöts Antheil. Dieſes beweiſen die ſchattigten Coͤrper mit Gewiß⸗
heit, indem keiner von beſagten Coͤrpern ſeine kigur noch Farbe ſehen
laͤſſet, wenn das Mittel oder die Lufft, die ſich zwiſchen den dunckelen und
lichten Coͤrper geſetzt, nicht erleuchtet iſt. Hieraus iſt dieſer Schluß zu ma⸗
chen: wenn der dunckele Coͤrper gelb , und der lichte oder der, von dem das
Licht herkoͤmmt, blau iſt, fo muß ſichs zutragen, daß die Farbe von dem er⸗
leuchteten Theil gruͤn ſeyn wird, welches Gruͤn alſo von Blau und gelb zu⸗
ſammen geſetzet iſt.
Wie die Wiederſcheine gar ſelten von der Farbe
des Körpers ſeyn, wo fie ſich vereinbahren.
17. OBSERVATIO, (Cap. 850
I,, Es ge
6; Echte
g S
e het gar
ſelten,
N daß die
Wider⸗
fch eine
von ebẽ
der Far⸗
be ſeyn,
als der
Coͤrper
vd dem
ſie her⸗
komen,
odeꝛ auf
den ſie
hin fal⸗
len /
Von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. nr
len, oder ſich mit ihm vereinigen. Es ſey zum Exempel, das runde Corpus
D F G E, von gelber Farbe, und das Object B C, welches darauf re-
flectiret, blau. Ich ſage derohalben, daß der Theil von dem runden Coͤr⸗
per der durch dieſen blauen Wiederſchein berühret wird, ſich grün färben muß,
wenn nemlich B C von der Lufft oder von der Sonne, erleuchtet wird.
Von dem Wiederſchein.
18. OBSERVATIO. Cap. 77.)
Je Zuruͤckſtrahlungen nehmen von der Sache, auf welcher fie vor- oder
D angebracht ſind, mehr oder weniger Antheil, als von derjenigen, die
fie vorbringet, nachdeme das Objeck wo fie entſpringen, eine polir-
tere oder glaͤttere und hellere Ober⸗Flaͤche, als das Ding hat, ſo fie ver;
urſachet. |
Welches diejenigen Ober Flaͤchen ſeyn / die weni⸗
ger als andere, ihre wahrhaffte Farben zeigen.
19. OB SERVA T IO. (Cap. 131.)
Ey keiner Ober⸗Flaͤche wird die wahrhaffte Farbe ſchwerer zu unterſchei⸗
den ſeyn, als bey derjenigen, die von einer ſehr netten und polirten
Glaͤtte oder glaͤntzend iſt. Dieſes ſehen wir an den Kraͤutern der
Wieſen, und in den Blaͤttern der Baͤume, welche dergleichen glatte und
glaͤntzende Ober⸗Flaͤche haben. Denn indem ſie den Glantz der Sonnen
oder der Lufft annehmen davon fie erleuchtet werden , und die ſich darinn
ſpiegeln: ſo werden ſie alſo in dieſem Theil des Glantzes, ihrer natuͤrlichen
Farbe beraubet. |
Welcher Körper am meiſten feine natürliche
Farbe zeiget. | |
20.OBSERVATIO. (Cap. 132.)
1% allen Coͤrpern, wird derjenige feine warhaffte Farbe am meiften
zeigen, deſſen Ober⸗Flaͤche am wenigſten glatt und poliret iſt. Man
g K 2 beobach⸗
76 Der Sechſte Theil /
beobachtet ſolches an der Leinwand, an den Blaͤttern der Baͤume und Kraͤu—
ter die rauh ſind, daß kein Glantz daran erzeuget oder hervor gebracht wer⸗
den kan. Da ſich nun die Objecta nicht darinnen ſpiegeln Fönnen, werffen
ſie alſo nur allein ihre natuͤrliche Farbe in das Auge, wenn ſie anderſt nicht
von einigem Coͤrper vernichtiget werden, der ſie mit einer andern und widri⸗
gen Farbe erleuchtet; dergleichen die Roͤthe der untergehenden Sonne thut,
welche die Wolcken mit ihrer eigenen Farbe faͤrbet.
Von der Farbe des Schattens / der durch den
Wiederſchein in allen Körpern verändert wird.
21. OBSERVATIO. (Cap.147))
Jemals wird die Farbe des Schattens von einem jeglichen Coͤrper wahr⸗
1 hafftig, noch derſelbe ſein eigentlicher Schatten ſeyn, wenn das Object
welches ſolchen Coͤrper uͤberſchattet, nicht eben die Farbe des
Coͤrpers hat, der von ihm uͤberſchattet wird. Zum Exempel, ſo man in einer
Wohnung gruͤn gemahlte Waͤnde hatte, und zugleich an ſelbigem Ort ſich
etwas hell Blaues befaͤnde, welches von einem andern noch hellern Blau er⸗
leuchtet waͤre: alsdenn wuͤrde das erleuchtete Theil von ſolchen Blau, ſehr
ſchoͤn blau ſeyn; hingegen der Schatten jehr heßlich, und nichts von feiner
€
ſchoͤnen urſpruͤnglichen blauen Farbe behalten; nachdem ſolcher Schatten
durch den Wiederſchein der gruͤnen Wand verderbet wird. Noch eine ſchlim⸗
mere Wuͤrckung muͤſte daraus entſtehen, wenn ſolche Wand Caſtanienbraun,
(Tannen⸗ oder Lohe-Farb) ware,
Von der Farbe der en einer jedweden
arbe.
22. OBSERVATIO. (Cap. 101.)
7 Je Farbe des Schatten einer jeglichen Farbe, nimmt von der Farbe i-
res Objedts allezeit wenig oder viel Antheil, nachdem daſſelbige ſehr
nahe bey, oder weit von dem Schatten iſt, auch daſſelbige nach Pro-
portion viel oder wenig Licht hat.
Vou
von der Reflexion, oder Wiederſchein. 77
—
Von den Reflexionibus ( Zuruckſtrahlun⸗
gen) des Lichts die den Schatten umgeben.
23. OBSERVATIO. (Cap. 78.)
a Wiederſcheine von erleuchteten Theilen oder Oertern, ſpringen auf
den Schatten der gegen uͤberſtehenden Theile zuruͤck, und erleuchten
oder heben ihre Dunckelheit viel oder wenig auf, nachdem ſie ſich mit
der vielen oder wenigen Gewalt ihres Lichts nahe oder ferne befinden. Die:
ſes wird bey vielen in ihren Wercken beobachtet. Andere hingegen meiden
ſolches, und lachet einer über den andern. Aber ſolchen Ubelſtand von bey⸗
den zuvermeiden, muͤſſet ihr eines und das andere in euren Wercken wo es
noͤthig und moͤglich practiciren „jedoch daß die Urſache davon klar und
deutlich ſey; nemlich daß die Urſache der Wiederſcheine und ihrer Farbe deut⸗
lich am Tag liege, und daß ihr auch Urſache zu geben wiſſet, wenn keine
Reflection ſtatt findet. Wofern ihr alſo handelt, werdet ihr von den un⸗
terſchiedenen Beurtheilungen, weder gaͤntzlich geſcholten noch gelobet werden;
Und wenn dieſe Leute, nicht gantz und gar Ignoranten ſeyn, werdet ihr noth⸗
wendig fo wohl von der einem, als der andern Seite, uͤberhaupt ein Lob
davon tragen.
Von der Farbe des Schattens.
24. OBSERVATIO. Cap. 158.)
S ereignet ſich oͤffters bey ſchattichten Cörpern , daß die Farbe
ihrer Schatten, mit der Farbe von ihrem Licht, nicht überein kom⸗
met, ſondern die Schatten werden gruͤnlicht und die Lichter roͤth—
licht ſeyn , ob gleich die Coͤrper einerley Farbe haben. Dieſes traͤget
ſich zu, wenn das Licht von Morgen auf ein Object fällt , und ſelbi⸗
ges mit der Farbe ſeiner Helligkeit erleuchtet, gegen Abend aber ſich ein
anderes. Object befindet „ welches von eben N Licht erleuchtet 1
3 in⸗
Fig. 32.
78 Der Sechſte Theil /
hingegen eine andere Farbe als das er⸗
ſte Objeck hat, fo ſcheinet fein Licht
wahrgenommen, daß das Licht roth und
bey untergehender Sonne, da ſich ſol⸗
che vielfältig gantz feurig dargeſtellet.
Nota. Im Frantzoͤiſchen Text, ſtehet
nicht, wenn ſich gegen Abend
gegen Morgen wieder zuruͤck, und
ſchlaͤgt mit feinen Strahlen an die Thei⸗
le des erſten Objects, ſo ihm entgegen
ſtehet; da ſich denn ſolche Strahlen ab⸗
ſchneiden, und mit ihrer Farbe und Hel⸗
ligkeit hier feſt beyſammen bleiben. Ich
habe oͤffters an einem weiſſen Obſeck
der Schatten blaulicht geweſen, nemlich
an den mit Schnee bedeckten Bergen
2 ein anderes Gbjeck befindet;
| PS welches doch nothwendig alfo
ZN heiſſen muß), gleich wie es der
Italiaͤniſche ausgedruͤckt hat.
Warum zu Abends die Schatten der Coͤrper /
die auf eine weiſſe Mauer fallen, blau
erſcheinen.
25. OBSERVATIO. (Cap. 328.)
e Schatten der Coͤrper, welche von der Roͤthe der untergehenden
D Sonne entſpringen, und nahe am Horizont ſich befinden, ſind alle⸗
zeit blau. Dieſes hat feine Urſache aus der 1 Propoſition (meiner
Perſpectiv) wo geſagt wird: Die Oberflaͤchen von allen dunckeln Coͤrpern
nehmen von der Farbe ihres Objects Antheil. Indem nun das Weiſſe von
der Mauer aller Farbe beraubet iſt, ſo faͤrbet ſich ſelbige von der Farbe ih⸗
res Objects, welches hier in dieſem Fall die Sonne und der Himmel iſt. Und
weil die Sonne gegen Abend ins gemein roͤthlicht, der Himmel hingegen an
der Seite des Schattens, wo die Sonne nicht hintrifft blau ausſiehet, und
zwar wegen der 8 Propofition vom Schatten, welche ſaget: Kein Licht 7
| jemals
r
Fig.35.
von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. 79
jemals den Schatten von demjenigen Coͤrper ſehen, der von ihm erleuchtet
wird, welches aber hier wol von Himmel geſchiehet: fo wird wegen befag-
ter 11. Propoſition der vom Himmel hergeleitete Schatten, auf der weiſen
Mauer ſeinen Ruͤckfall von blauer Farbe haben. Wuͤrde aber ſolches Feld
oder die Seite dieſes Schattens der Roͤthe der Sonnen entgegen ſtehen, ſo
muͤſte er auch die rohte Farbe an ſich nehmen.
Eine Farbe die von einem Wiederſchein her⸗
koͤmmt/iſt niemals einfach, ſondern er iſt mit den Gat⸗
tungen der anderer Farben vermiſcht.
26. OB SERVAT IO. (Cap. 84.)
Eine Farbe
)
| ale welche auf eis
ne Oberfaͤ⸗
l che von einen ans
dern Coͤrper zu⸗
ruͤck faͤllt, faͤrbet
ſelbige Oberflaͤ⸗
che mit ihrer eige⸗
nen Farbe nur
einfach, ſondern
ſie wird durch
den Zuſammen⸗
lauff anderer re-
flectirendenFaꝛ⸗
be vermiſcht ſeyn,
die auf eben die⸗
i fen Ort hinfals
len. Zum Beyſpiel: wenn die gelbe Farbe A in dem runden Theil C G E
in O) reffectiret, fo reflectiret auch in eben dieſem Ort die blaue Farbe B.
Ich ſage alſo: wenn dieſe gemiſchte Zuruͤckſtrahlung von Gelb und Blau,
durch die Berührung des Zuſammenlauffs ihrer Strahlen die Rundung fürz
bet, deren Grund an ſich ſelbſt weiß wäre, muͤſte derſelbe grün werden; weil
es die Erfahrung lehret, daß die blau und gelbe Farbe, wenn man ſie zuſam⸗
men vermiſchet, ein ſehr ſchoͤnes Gruͤn herfuͤr bringen.
&
Wo
>
*
Fig.; 3.
80 Der Sechſte Theil /
——— — —
æ— — — nn.
Wo die Wiederſcheine von den Lichtern die ſtaͤr⸗
| ckeſte oder ſchwaͤchſte Helligkeit haben.
27. OBSERVATIO.(Cap.>9.)
Dee Wiederſtrahlungen vom Licht, ſind von weniger oder mehrern Hels
I ligfeit und Deutlichkeit als fie in Feldern von groͤſſerer oder geringerer
Dunckelheit geſehen werden. Dieſes ereignet ſich daher, weil der Wie⸗
derſchein, wenn das Feld viel dunckler als der Wiederſchein iſt, wegen des groſ⸗
fen Unterſcheides den ſolche Farben unter fich haben, ſtarck und deutlich iſt.
So aber der Wiederſchein in einem viel hellern Feld als er iſt, gefehen wird,
alsdenn wird ſich ſolcher Wiederſchein, in Anfehung der Weiſſe worauf er
ſich endiget, dunckel zeigen, und alſo nicht mercklich ſeyn.
Von der Endigung des iederſcheins in ſeinem
Felde. e
28. OBSERVATIO. Cap 880
Die Endigung des Wiederſcheines in einem viel hellern Felde als er ſelber
D itt, verurſachet, daß dergleichen Wiederſchein nicht zu mercken iſt. So
aber der Wiederſchein ſich in einem viel duncklern Feld endiget, als er
ſelber iſt, ſo wird man ihn verſpuͤren: und er wird ſich um ſo viel deutli⸗
cher zeigen, als das Feld dunckel iſt. Eben ſo verhaͤlt ſichs im Gegentheil.
An welchem Ort die Wiederſcheine am gller⸗
empfindlichſten ſeyn.
29. OBSERVATIO. Cap. 82.)
On allen Reflexionen ſoll diejenige ſo in einem ſehr dunckeln Feld geſehen
V wird, am meiſten terminiret und deutlich ſeyn. Hingegen wird derje⸗
nige, welcher ein ſehr helles Feld hat, weit weniger empfindlich ſcheinen.
Dieſes koͤmmt daher, wenn die Sachen von unterſchiedener ieee
i
Von der Reflexion, oder dem Wiederſchein. 81
in Contraſto (einander entgen) geſetzet ſeyn, daß diejenige welche am wenigſten
Dunckelheit hat, eine andere die noch dunckler iſt, gantz finſtermachet. Wenn
alſo Dinge von unterſchiedener Weiße, auch in Contraſto geſetzet ſeyn, ſo
wird das Weißeſte verurſachen, daß das andere nicht ſo weis ſcheinet, als es
doch in der That nicht iſt. N
Wo der Wiederſchein am meiſten geſehen
wird.
30. OBSERVATIO. Cap. 86.)
Nter den Wiederſcheinen / die von einerley Figur, Groͤſſe und Staͤrcke
U ſeyn, wird der Theil der mehr oder weniger dunckel iſt, derjenige ſeyn,
der ſich auf einem viel oder wenig dunckelern Felde endiget.
Die Oberflaͤchen der Coͤrper, nehmen von der Farbe derjenigen Objecten
waß Antheil, die ihre Figur unter ſehr gleichen Winckeln auf felbige zuruͤck
werffen.
Von den Farben der Objecten, die ihre Gleichheit auf die Oberflächen
der gegenüber befindlichen Coͤrper, unter gleichen Winckeln reflectiren, wird
diejenige am ſtaͤrckſten ſeyn, welche einen ſehr kurtzen icht- Strahl hat, oder
deren Wiederſchein ſehr nahe iſt.
Unter den Farben von unterſchiedenen Objectis, welche unter gleichen
Windeln und aus gewiſſer Weite auf die Oberflaͤche von den entgegen gez
festen Coͤrpern reflectiren, wird diejenige am kraͤfftigſten ſeyn, oder zurück fal⸗
len, welche eine ſehr ſtarcke Helligkeit hat. f
Ein Objectum reflectiret ſeine Farbe viel nachdruͤcklicher in ein ihm ent⸗
gegen geſetztes Corpus, wenn ſelbiges keine andere Farben, als von ſeiner Art
um ſich hat. Derjenige Wiederſchein hingegen, wird von ſehr ver miſchter Far⸗
be ſeyn, welcher aus unterſchiedlichen Farben anderer Objecken entſpringet.
Diejenige Farbe welche ſich ſehr nahe bey dem Wiederſchein befindet, wied
ſich ſelbigem ſtarck eindruͤcken. Und alſo verhaͤlt ſichs auch im Gegentheil.
Es ſoll derhalben ein Mahler in dem Wiederſchein und in den Biidnuͤſſen
der Figuren alſo verfahren, daß die Farbe des Theils von Gewaͤndern, die nahe
an dem Theil der m fleiſchigten Weſens) ſeyn, in ſelbige wuͤrcke;
ſich aber auch wenn es nicht hoͤchſt noͤhtig iſt, durch eine allzuſtarcke Haͤrtigkeit,
nicht von ihr abſondere. |
L Der
82 Der Siebende Theil /
2 2 8 2 2 3 2 2 2 2 2 2
f HE HERE
©
e
Der Hiebende Theil.
Von
Der PERSPECTIV.
t er i cc er- BÄREN -c rc ei NEO UNE HERE
Von der Linial- Perſpectiv.
I. OBSERVAT IO. (Cap. 322.)
Je Linial-Perfpedtiv beziehet ſich auf die Linien, um durch das Maaß
zu unterſuchen, wie viel die zweyte Sache kleiner ſey als die erſte, und
die dritte als die andere, und alſo von Grad zu Grad, biß zu der letz⸗
ten Weite der ſichtbaren Objecten. Ich habe durch die Erfahrung
gefunden, daß wenn das andere Object eben fo weit von dem erſten entfer⸗
net iſt, als das erſte vom Auge abſtehet, gleichwol das andere um die Haͤlffte
kleiner, als das erſte ſeyn wird, ob ſie ſchon einerley Groͤſſe untereinander haben:
Und wenn das dritte Objekt in gleicher Weitſchafft von dem andern vor ſelbi⸗
gem iſt, wird es um zwey Drittel mal kleiner ſeyn, und alſo von Grad zu Grad
durch gleichen Abſtand allezeit eine proportionirte Verminderung ſeyn.
Es muß aber der darzwiſchen befindliche Raum, ſich nicht uͤber 20 Ellen er⸗
ſtrecken, und zwiſchen beſagten 20 Ellen, wird die gleiche Figur zwey Viertheil,
zwiſchen 40 wird fie drey Viertheil, und zwiſchen 60 Ellen, wird fie fuͤnf Sechs⸗
theil von ihrer Groͤſſe verliehren, und alfo nach und nach ſich verringern, wenn
ihr nemlich euere Wand oder Tafel zweymal ſo weit entfernet als ſie groß iſt.
Denn wenn ſie nur einmal fo weit abſtehet als fie groß iſt, wird der Unter⸗
ſcheid von der erſten Ellen biß zur andern, ſehr groß ſeyn.
Nota. Da hier der Author von der Wand redet, ſo ſcheinet es als ob ihm
die Manier des Pater Pozzo ſchon bekand geweſen ſey, 57 in
eſſen
von der Perſpectiv. 83
deſſen Ar chĩtectura Pictorum & Sculptorum nach zuleſen, die
zu Rom, und auch teutſch zu Augſpurg gedruckt worden.
Es differiret auch ſonſten der Italiaͤniſche Text von dem Frantzoͤiſchen, in
dieſer Obſer vation an etlichen Orten. Weil wir aber den erften
vor beſſer und deutlicher gehalten, ſo haben wir auch die Überſetzung
nach ſelbigem eingerichtet.
Warum die weit entfernten Geſichter dunckel
5 erſcheinen.
2. OBSERVAT IO. (Cap. 320)
Ir ſehen deutlich, daß alle Geichheiten von ſichtbaren ſo wol groſſen als
kleinen Dingen, die zu unſerm Objeck dienen, durch das kleine Licht
des Augs, oder durch die geringe Oeffnung des Augapffels, in den all:
gemeinen Sinn eingehen. Da nun die Gleichheit von der Groͤſſe des Himmels
und der Erden, durch einen fo kleinen Eingang tritt, fo iſt das menſchliche An⸗
geſicht in Vergleichung ſolcher unermaͤßlichen Groͤſſe, gleichſam gar nichts:
zumal wenn fie von weiten geſehen wird, als durch welche Weite fie verklei⸗
nert wird, daß ſie folglich wenig von ber Oeffnung beſagten Lichts, oder Def:
nung des Auges einnimmt, und daher unbegreiflich bleibet. Weil uͤber die⸗
ſes ein Bildniß, von der aͤuſſerſten Dberfläche zu der Einbildung durch ein
dunckeles Mittel, nemlich durch den leeren Nervum opticum Geſichts⸗Ner⸗
ve) koͤmmt, deſſen Gang dunckel ſcheinet, fo färben ſich folgends die Bild:
niſſe, wenn ſie keine allzu ſtarcke Farbe haben, von der Dunckelheit ihres We⸗
es dadurch ſie gehen, und nachdem ſie ſich zu der Einbildungs Krafft ver⸗
ſüget „ ſcheinen ſie ihr nothwendig dunckel. Andere Urſachen kan man hie⸗
von auf keine Weiſe anzeigen, denn die Nerve (Senn und Spann ⸗Ader)
die in dem Licht ſtehet und wegen der durchſcheinenden eryftallinen Feuchtig⸗
keit, der Lufft gleich iſt, thut eben den Dienſt welches ein Loch in einem Bret
thun würde, welches indem man es betrachtet, ſchwartz ſcheinet: und die
Dinge ſo durch eine klare und dunckele Lufft geſehen werden, verringern ſich
untereinander in der Dunckelheit.
L 2 Welches
84 Der Siebende Theil /
—fNvG— —
Welches die Theile eines Loͤrpers ſind / die in er
nem weiten Abſtand 1005 Deutlichkeit ver⸗
leren.
3. OBSERVAT IO. (Cap. 318.)
D Wedge d Theile eines Coͤrpers, welche von einer kleinen und geringen
Groͤſſe beſtehen, werden unter denſelbigen die erſten ſeyn, die ſich in
weiter Entfernung verlieren. Dieſes ruͤhret daher, weil die Species
(Geſtalten) von kleinen Dingen, in dergleichen Abſtand unter einem kleinern
Winckel, als die groͤſſern, in Auge kommen: und die Erkaͤntniß entferneter
Dinge, iſt um ſo viel geringer, als ſie von einer kleinern Groͤſſe ſeyn. Wenn
derohalben eine anſehnliche Groͤſſe in weitem Abſtand unter einem kleinen
ober engen Winckel in das Auge faͤllt und ihre Deutlichkeit gleichſam verlie⸗
ret, ſo 1 es, daß die kleinere Groͤſſe, ihre Erfantniß gantz und gar verlie⸗
ren muß.
In einem Gemaͤhlde wird die Deutlichkeit deß⸗
jenigen Theils eines Körpers am erſten mangeln, der
die kleineſte Groͤſſe hat.
4. OBSERVAT IO. (Cap. 306.)
Us denjenigen Theilen der Coͤrper die ſich vom Auge entfernen, werden
A ſich dieſe am erſten verlieren, welche die kleinſte Figur haben. Hieraus
erfolget alsdenn, daß die Theile der ſtaͤrckeſten Groͤſſe, die letzten ſeyn, wel⸗
che man nicht erkennen kan. Es ſoll derohalben ein Mahler die kleinen Glie⸗
der von weitentfernten Dingen, nicht fo deutlich ausarbeiten, ſondern der Re-
gul folgen, die ich anderwerts gegeben, und die alſo lautet: Wie viel giebt es
nicht Mahler, welche in Vorſtellungen der Städte und anderer Sachen, die
von Auge weit entfernet ſeyn, die geringſte Endigung von Gebaͤnden, ſo deut—
lich ausdruͤcken, als wenn ſie gantz nahe ſtuͤnden, welches doch in der Natur un⸗
möglich iſt; indem kein Geſicht fo ſtarck iſt, daß es in einer fo groſſen Weite, be⸗
ſagte Endigung deutlich ſehen koͤnte. Denn weil die Grentzen dieſer Coͤrper,
Grentzen von ihrer Oberfläche feyn „ und die Grentzen der Wege aus
inien
von der Perſpectiv. 85
— — —b [ — — ¼˙½ ʃ˙ 2—ę—ę¼ ʃ. ——ᷣ᷑ę —vy.
Linien beſtehen, die nicht einen eintzigen Theil von der Groͤſſen ſolcher Dberfläs
che, noch auch einen Theil von der Lufft ausmachen, der dieſe Oberflaͤche um⸗
giebet: ſo folget hieraus, daß dasjenige unſichtbar iſt, was nicht aus einem
Theil einer Sache beſtehet; welches in der Geometrie durch dem geome-
triſchen Punct bewaͤhret wird. Woferne alſo ein Mahler ſolche Endigung
deutlich und kaͤndtlich machen will, wie es ſonſt gebraͤuchlich iſt, ſo wird er nie⸗
mal einen ſo weiten Abſtand vorſtellen, daß er wegen dieſes Fehlers nicht
gantz nahe erſcheinen ſolte. Es ſollen auch die Winckel an den Gebaͤuden
bey entferneten Städten, nicht ausgedruͤcket werden, maffen fie unmoͤglich in
der Ferne zu ſehen ſeyn. Denn gedachte Winckel find nichts anders als ein
Zuſammenlauff zwever Linien, die in einem Pundt zuſammen treffen. Da nun
ein Punct keinen Theil hat, ſo iſt er auch unſichtbar.
Nota. In dieſer Obſervation, weichet der Frantzoͤiſche Tert von dem Ita⸗
llaͤniſchen mercklich ab. Denn was in dem letztern heiſſet: Es follen
auch die Winckel an den Gebäuden bey entfernten Staͤdten, nicht
ausgedruͤcket werden, maſſen ſie unmoͤglich in der Ferne zu ſehen ſeyn:
das wird im Frantzoͤiſchen alfo gegeben: en voulant peindre une
diftance fort eloignee,de n'y pas emploier un azur fi vif; que
par un effet tout contraire; les objets paroiſſent peu &loignez
et la diſtance fort petite; das iſt: Wenn man eine weit entfernte
Sache machen will, muß man keine gar zu lebhaffte blaue Farbe
darzu gebrauchen, damit nicht die wiedrige Wuͤrckung daraus ent⸗
ſpringe, daß die Objecta gar nicht weit entfernet ſcheinen, und die
Weite zu kurtz heraus koͤmmt. Wenn man indeſſen den Unter⸗
ſcheid beyder Texte, nicht fo genau nimmt, ſo kan gleichwol beydes
recht ſeyn. f
Wie hoch man den Aug Pund neh⸗
men ſoll.
5. OBSERVATIO. (Cap. 281.)
Er perſpectiviſche Aug⸗Punct, ſoll mit dem Auge eines Menſchen von
ordentlicher Groͤſſe, in gleicher Höhe ſtehen: und die aͤuſſerſte Fläche
die gegen den Himmel ſich endiget, ſoll fü hoch ſeyn, als die Endi⸗
gung der platten Erde mit den Himmel iſt, den man auch den Horizont nen⸗
netz denn die Berge find hier ausgeſchloſſen.
5 Von
Fig. 34.
Die Gemaͤhlde / muͤſſen nur aus einem einigen
Ort betrachtet werden. ;
6. OBSERVAT IO. (Cap. 5.)
Aß dem alſo fen ſolches erhellet aus den Figuren die dergeſtalt verfer⸗
Dtiget worden. Wenn ihr auf einem erhabenen Ort eine runde Kugel
machen wollet, ſo muͤſſet ihr ſolche laͤnglicht oder Eyfoͤrmig abbilden, und fo
weit zuruͤck treten, biß fie durch ihre Verkuͤrtzung rund erſcheinet.
Eine Figur in der Weite von 20 Ellen / mit
proporuonireen Gliedern und aufrecht ſtehend zu
machen / welche doch 40 Ellen hoch zu ſeyn
ſcheinet.
7. OBSERVATIO. Cap. 300.0
F IN dieſen und in allen andern Faͤllen, ſoll ſich ein
Mahler keine Sorge machen, wie die Mauer
oder Oberflaͤche, worauf er mahlen will, bes
ſchaffen ſey, ſonderlich wenn ſein Gemaͤhlde aus ei⸗
nem beſondern Fenſter oder andern Ort, angeſehen
werden ſoll. Denn das Auge hat weder auf die
R Ebene noch Kroͤmme von derſelben Theilen Ach
tung zu geben, ſondern nur allein auf die Dinge wel:
che auf der Seiten ſolcher Wand, als durch unter⸗
ſchiedliche Oerter erdichteter Landſchafften vorzu⸗
[64 ftellen ſeyÿn. Aber am beften werden ſich derglei⸗
chen Figuren in eine Kruͤmme wie F R G iſt, ma⸗
chen laſſen, weil ſich keine Winckel darinnen befinden,
86 | Der Siebende Theil /
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5 N
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von der Perſpectiv. 87
—— — — —
Auf eine 12 Ellen hohe Mauer eine Figur zu
zeichnen, die alſo erſcheinet, als ob fie 24 Ellen hoch
ſtuͤnde.
8. OBSERVATIO. (Cap. 30.)
O ihr eine Figur oder ein anderes Ding machen wollet, daß es in einer Fig: gg:
Höhe von 24 Ellen erſcheinet, fo greiffet es alſo an: Zeichnet erſtlich
die Wand M N mit der Haͤlffte der Figur die ihr zu verfertigen be⸗
gehret: hernach die andere Hälfte von eben derſelben Figur in den Bogen
MR. Aber zuerſt zeichnet auf die Fläche eines Saals, eine Wand nach
der Form, wie die Mauer mit den Bogen beſchaffen iſt , worauf ihr eure
Figur zu ſtellen verlanget. Hinter dieſe Wand entwerfft den Umriß der Fi-
ur, ſo gros als euch beliebig iſt / und ziehet alle eure Linien nach den Punct
3 Wenn ſich nun felbige auf der Wand N K abfehneiden, fo werdet ihr
befinden, daß das Bildniß auf der Mauer mit dem Bildniß auf der Wand
eine Gleichheit hat, und ihr koͤnnet daſelbſt alle Hoͤhen und Hervorragungen
von der Figur finden, die Breiten oder Dicken aber die auf der geraden
Mauer M N enthalten ſeyn, verzeichnet ihr in ihrer eigenem Form. Denn
in der Verlierung oder Zuruͤckweichung der Mauer, verkuͤrtzen ſich die Figuren
von ſich ſelbſt. Diejenige Figur herentgegen welche die Kruͤmme des Bo⸗
gens ausfuͤllet, muͤſſet ihr verkleinern, als wenn fie gerad waͤre; welche Ver⸗
ringerung ihr unten auf einem gantz ebenen Saal machen muͤſſet. Dieſes iſt
die Figur, welche ihr von der Wand N R mit ihrer wahren Dicke oder
Breite abzunehmen, und ſolche an einer erhobenen Wand wieder zu ver⸗
kleinern oder zu verkuͤrtzen habt: und dieſe Methode wird gut ausſchlagen.
Nota. Dieſe und die vorhergehende Obfervation, duͤrffte einigen etwas
dunckel ſcheinen. Wenn fie aber in der Geometrie und Optic erfah⸗
ren ſeyn, werden ſie ſelbige leichtlich zu ihren Nutzen anwenden koͤn⸗
nen. Es erhellet zugleich ſo wol hieraus, als aus dem gantzen Tra-
ctat des Authoris, daß ein rechtſchaffener Mahler ja nicht uns
ter ſaſſen ſoll, die vornehmſten Theile der Mathematic zu erlernen.
Denn ohne deren Begriff und Erkaͤntniß, wird er nimmermehr et⸗
as vollſtaͤndiges ausarbeiten koͤnnen, das mit der Natur und Kunſt
uͤbereintrifft.
Warum
88
Der Siebende Theil /
Warum ein Geſicht welches nach der Natur
abgemeſſen, und nach dieſer Groͤſſe gemahlet worden,
im Gemaͤhlde viel gröffer ſcheinet als es in der
That iſt.
9. OBSERVATIO. (Cap. 297.)
8 2 N
Mu SM: B
7 22
Fi N
Den Breite des Raumes oder der Stelle (des
5 Kopfes) iſt A B, der ſich auf dem Papier,
in einer Weite C F befindet, wo die Backen
ſeyn. Dieſe muͤſſen in der völligen Länge A Czu⸗
ruͤck weichen , fo bekommen alsdenn die Schlaͤffe
die Weite O K, durch die Linien A E B FE, alſo
daß fie hier um den Unterſcheid C O und KR D
ſchmaͤler werden, als ſie in der Natur ſeyn. Hier⸗
aus iſt nun der Schluß zumachen: weil die Limen
C F und D E, einen viel kuͤrtzern Weg zu dem Pap⸗
pier haben, woraus die völlige Hoͤhe, nemlich die Li-
nia F A und F B, als die wahre Groͤſſe verzeich⸗
net worden, ſo entſpringet daraus der beſagte Un⸗
terſcheid von CO und K D.
ilden iſt.
Wie die Groͤſſe der gemalten Sachen abzu⸗
10. OBSERVAT IO. (Cap. 71.)
Abbildung der Groͤſſe, welche die vor das Auge geſtellte Sachen
3 natürlicher Weiſe beſitzen, ſoll man die erſten oder foͤrderſten kiguren
in dem Kleinen, wie bey Miniatur Stücken geſchiehet, eben ſo deutlich
und ausgefuͤhret fuͤrſtellen, als in den groſſen Gemaͤhlden. Es muͤſſen aber
die kleinen Miniatur Stucke in der Naͤhe, und die Gemaͤhlde von weiten
betrachtet werden. Woferne man alſo verfaͤhret, fo muͤſſen dieſe Figuren
in dem Auge in gleicher Groͤſſe erſcheinen. Die Urſache gruͤndet ſich dar⸗
auf,
von der Perſpectiv. 89
——— —
2 — —
ua \ —
auf, weilſie un⸗ B Fig. 35
ter gleich? groſ⸗
ſen Winckeln
in das Auge
fallen, welches
alſo probiret a
wird: Es ſey
das Object B
C, das Auge
A und D
eine Glaß⸗Ta⸗ 8
fel, durch wel⸗
che das Bildniß der Figuren in B OC zu ſehen iſt. Itzt ſage ich: wenn das
Auge A unbeweglich bleibt, ſo wird die Groͤſſe des nach gemachten Gemaͤhldes
von B O, um fo viel kleinerer feyn , als das D k ſich naͤher beym Auge
A befindet, und daß es eben ſo deutlich oder ausgemacht heraus kom⸗
men, als auf der Glas⸗Tafel. Und fo ihr dieſelbe Figur auf dem Glaß D
E entwerffet, fo muß euere Figur nicht ſo ſtarck umriſſen ſeyn, als die Fi-
ur B C, hingegen etwas mehr als die Figur M N auf dem Glas F G.
enn wenn die Figur P O fo fein ausgemachet wäre , als die natuͤrliche
B C, fo würde die Perſpectiv von O P falſch ſeyn. Ob ſchon in Anſe⸗
hung der Verkleinerung es wohl ſtuͤnde, wenn nemlich BC in P O ver
fürgt wäre: aber das Verfertigte würde nicht zuſammen ſtimmen; allein
wenn man die Vollſtaͤndigkeit des Verfertigten “ gegen das natuͤr⸗
liche Bildniß B C hielte, fo ſchiene dieſes B C an der Stelle O
P zu ſeyn. Wenn ihr aber die Verkuͤrtzung von OP zu unterſuchen begeh⸗
ret, wird O in der Weite B C, und das Verkuͤrtzte bey dem Glaß
F G, zu Geſichte kommen. |
Warum eine gemahlte Sache / ob fie ſchon uns
ter einem eben fo groſſen Windel in das Auge faͤllt, als
eine andere die weiter davon entfernt iſt / nicht ſo weit
entfernet zu ſeyn ſcheinet, da ſie doch in der Natur ſo weit
davon abſtehet.
11. OB SERVATIO. (Cap. 3330
a Gela, ich machte auf die Wand B Cen auf „das eine Mile
wel
90 Der Siebende Theil /
weit ſcheinen
g;. 38. ſolte, und ich
ſehe hernach
ein wuͤrckli⸗
ches Hauß
zur Seiten,
das in der
That eine
Meile weit
von mi. iſt, ſo
ſind dieſe
Haͤuſer der⸗
geſtalt ordi-
ae Men : 3
Band A C die pyramidal-oder Geſichts⸗ Linien in gleicher Oeffnung durch⸗
ſchneidet, nichts Newer ge kricd dan je niemals mit 2 Augen in gleicher
Weite und Groͤſſe anſchauen. f 9 gleicher
Warum gemahlte Sachen niemals ſo frey ſte⸗
hend feinen, als die natürlichen.
12. OBSERVATIO. (Cap. 53)
S werden die Mahler oͤffter bey Nacha mung der Natur rer f boͤſe went
ſie ſehen, daß ihr Gen weder lie Erhebung noch die dad hafen
als wie die in einem Spiegel betrachtete Sachen habefd eie doch fi ver
chen, daß gleichwohl ihre Farben diejenige Dinge, welche Segel erſche⸗
nen,
C
York 2 , DA SH
weon der Peripediv.
nen, die Beſchaffenheit des Lichts und Schattens an der Helligkeit und Dun;
ckelheit uͤbertraͤfen. Aber in dieſem Fall, klagen ſie nicht die Vernunft, ſondern
ihre Unwiſſenheit an / weil fie jene nicht erkennen. Denn es iſt unmoͤglich, daß
eine gemahlte Sache eben ſo erhaben ſchiene, daß ſie der andern im Spiegel
gleichkomme, ob es ſchon eine und die andere nicht anderſt als aͤuſſerlich thue,
ausgenommen, wenn man ſie nur mit einem Auge betrachtet. Die Urſache
hiervon beziehet ſich darauf: indem die zwey Augen A B, zwey Objedta
M und N, eines hinter dem andern ſehen, fo Fan die Figur M die Figur N
nicht völlig einnehmen, weil die Balis (Grund⸗Linie) der Geſichts⸗Linien A B
ſo breit, daß ſie den zweyten Coͤrper hinter dem erſten wahrnimmt. Wenn
ihr aber wie bey S ein Auge zuſchlieſſet, wird der Coͤrper F den Coͤrper
K verdecken, weil die Geſichts⸗ Linie nur aus einem Punct entſpringet und
zu ihrer Bafis den erſten Coͤrper F hat, dahero wird der zweyte Coͤrper von
gleicher Groͤſſe niemals geſehen werden.
Nota. Bey dieſem Capitel, ſtehet in der Frantzoͤiſchen Edition, am Ende
— folgende Anmerckung: der Author iſt in gegenwaͤrtigem Capitel
ſehr undeutlich / und es kan ſeyn daß er ſich geirret hat. Derje⸗
nige, weſcher die erſte Uberſezung gemacht, hat fie weder erkläret
„ nioch verbeſſert: druͤm wollen wir hier beyfuͤgen, was von derjenigen
Materie geſagt werden koͤnte , die man hier abgehandelt. Es iſt
die gantze Tafel eine Perſpectiv, und die Kunſt kan zu wegen brin⸗
gen „daß die Figuren einer Tafel dermaſſen erhaben ſcheinen, als
die natürlichen Figuren ſeyn. Es ſtellet aber eine Tafel nur flache
Figuren für, tim die man ſich nicht herum drehen kan, uͤm ihre ver⸗
ſchiedene Seiten zu betrachten. An ſtatt daß ſich natürliche Fi-
guren, auf allen Seiten anſchauen laſſen, iſt eigentlich zu re⸗
den, nur ein eintziger Geſichts⸗Punct, woraus fie genau anzuſehen
ſeyn, und ſie ſcheinen allezeit ſo erhaben, als ſie in der That ſeyn.
Warum diejenigen Sachen welche vollſtaͤndig
nach der Natur gemahlet worden, niemal ſo erhaben
ſcheinen als ſie in der Natur ſeyn.
13. OBSERVAT IO. (Cap. 341.)
We ein Gemaͤhlde, gleich in der groͤſten Vollkommenheit nach den Li-
niamenten, Schatten, Licht und Farbe . worden , iſt 0
2 do
NS
re N
N
N.
Fig. 40.
Fig. 41:
92 Der Siebende Theil ꝶ /
doch unmoͤg⸗
lich, daß es ſo
erhaben ſchei⸗
net, als es in
der Natur ſel⸗
ber iſt, wenn
ſolches natuͤr⸗
liche Bild, nit
in einem groſ⸗
ſen Abſtand,
nur mit einem
Auge geſehen
wird. Zum Ex⸗
empel, es ſeyn
die Augen B
A, welche das
Object C, in dem Zuſammenlauf von der Mittel > Linie der Augen A C
und BC ſehen. Ich ſage derohalben, daß die Seiten⸗Linien von beſagten
Mittel⸗Linien, den Raum G D, hinter ſolchem Object fehen „und das Au⸗
ge A betrachtet den völligen Raum F D, das Auge B aber den völliger
Raum G E, mithin betrachten die zwey Augen den gantzen Raum FE hinter
dem Objet C. Aus angeregten Urſachen „bleibet das Object C, nach der
Beſchreibung der Durchſchneidung wie durchſcheinend, hinter welcher ſich
nichts verbirget. Dieſes kan ſich bey demjenigen nicht ereignen, welcher ein
Object, das groͤſſer iſt als das Auge, nur mit einem Auge anſchauet, druͤm koͤn⸗
nen wir mit dem, was bereits geſaget worden „Uber unfere Frage den Schluß
alſo machen: dieweil eine Nane Sache den voͤlligen hinter ihr befindli⸗
chen Raum erfüllet , fo ift es auf keine Weiſe möglich daß man einen Theil des
Feldes ſehen kan, welcher die Linie feines Umfanges hinter ſich hat.
Von der Luft Perfpekiv,
14. OBSERVATIO. Cap. 1650
Mu hat noch eine andere Art der perſpectiv, welche man die Lufft⸗Per⸗
A pectiv nennet, da man durch die Mannigfaltigkeit oder unterſchied⸗
lichen Grad der Farben der Lufft, die verſchiedenen Weitſchafften von
mancherley Gebäuden erkennen kan, die ſich doch in einer einzigen 8
nden,
Von der Perſpectiv. 93
N WW ĩ EEG
finden, zum Exempel: im beygeſetzter Kupffer-Figur ſiehet man viel Gebaͤude
jenfeit einer Mauer entfernet, doch jo, daß fie alle über dem aͤuſſerſten Theile
befagter Mauer von einerley Groͤſſe erſcheinen. So ihr nun ſolche wollet in
einem Gemaͤhlde, und zwar eines viel weiter als das andere fuͤrſtellen, iſt weiter
nichts noͤhtig als daß man ſich nur eine etwas dickere Lufft einbildet. Denn man
weiß, daß in dergleichen Lufft, die jenigen Dinge welche hinten zuletzt geſehen
werden, als wie zum Beyſpiel die Berge wegen der groſſer Menge der Lufft,
die ſich zwiſchen dem Auge und den Bergen befindet, blau, faſt wie die Farbe von
der Lufft ſcheinen, wenn die Sonne aufgehet. Verfertiget alsdenn das erſte
Gebaͤude uͤber ſolche Mauer in ſeiner eigenen Farbe, die andern aber ſo wei⸗
ter entfernet ſeyn, etwas linder oder nicht ſo ſtarck oder umriſſen, und auch
mehr blaulicht. Die übrigen fo ihr noch viel weiter andeuten wollet, muͤſten
guch um ſo viel blauer ſeyn. Verlanget ihr, daß ſie 5 mal weiter ſcheinen,
fo muͤſſen fie auch 5 mal blauer ſeyn. Dieſe Regul wird verurſachen, daß
man an den Gebaͤnden, die doch in einer Linie ſtehen „ und alſo von einer
Groͤſſe zu ſeyn ſcheinen, klaͤrlich und deutlich erkennen kan, welches viel weiter
und groͤſſer als das andere iſt.
Von benenjenigen Sachen die von weiten geſehen
werden.
15. OBSERVATIO. (Cap. 316.)
Dehn äufferften Theile eines Objecti, werden am wenigſten kaͤndtlich
. ſeyn, die man in einer groſſen Weite anſchauet.
Von den aus wendigen zufälligen Dingen / wel⸗
che ſich bey der Entfernug ſchattigter Coͤrper am
. erſten verliehren.
16. OB SERVAT IO. Cap. 292.)
N erſten Dinge welche ſich bey der Entfernung ſchattigter Coͤrper an
denſelben verliehren, find ihre Umzuͤge in einem groͤſſern Anſtand; her⸗
„nach verliehren fich auch die Schatten, welche die Theile der an einan⸗
der ruͤhrenden Coͤrper ulfterſcheiden , und zum en die Dicke der *
3 e
94 Der Siebende Theil /
„„— ꝑ— ...... p —— = > —
ne und Fuͤſſe; mithin verliehren ſich nach und nach die kleinern Theile, daß end⸗
lich auf ſolche Art bey einer ſehr weiten Entfernung nichts als ein undeutli⸗
ches Weſen von einer Figur uͤberbleibet.
Von den auswendigen Dingen der Farben / die
durch die Weite Entfernung verſchwinden.
17. OBSERVATIO. (Cap. 293.)
us erſte was bey den Farben in weiter Entfernung verſchwindet „ ifk
der Glantz, als ihr ſchwaͤcheſter Theil und gleichſam das Licht vom Licht.
Zum andern das Licht felber, weil es kleiner oder geringer an der Groͤſ⸗
ſer als der Schatten iſt. Dieſen folgen vors dritte die Haupt⸗Schatten:
und endlich bleibet nichts als eine mittelmaͤſſige und undeutliche Dunckelheit
uͤbrig.
Von Denenjenigen / welche in der Vorſtellung ei⸗
nes freyen e eee Sachen ſehr dun⸗
del mahlen.
18. OBSERVATIO. Cap. 142.)
VA ſtehen in der Meinung, daß je weiter Die Figuren im freyen Felde vom
Auge entfernet ſtehen, um fo viel muͤſſen ſelbige nach Proportion dunck⸗
ler ſeyn; welches aber in der Taht das Gegentheil iſt; es ſey denn daß
die Sache die man nachmachet, nicht weiß ware „ alsdenn wird ſich zutra⸗
gen was in der 38ſten Obfervation folgen ſoll.
Von den Flecken der Schatten / welche von Wei⸗
a ten an den Körpern erſcheinen.
19. OBSERVAT IO. (Cap. 327
Does Halß oder auch ein anderes perpendiculares (bleyrecht ſtehendes)
Glied, welches uͤber ſich einige Herfuͤrragung von einem andern 155
at,
von der Perſpectiv. 95
hat, wird allezeit viel dunckler
ſeyn als die perpendiculare
Geſtalt von beſagter Herfuͤr⸗
ragung. Es folget alſo, daß
ſolche herfuͤrragende Theile
der Coͤrper, um ſo viel heller
ſcheinen, als ſolche von oben
durch ein ſehr breites Tag⸗ big. 42.
Licht erleuchtet werden. Als
zum Exempel, ihr ſehet bey
dem Punct A, wie er von
keinem einigen Ort des Him⸗
mels von E biß K erleuchtet
iſt. In B erleuchtet ſolchen
| Ort der Theil des Himmels
HK, und in C, das Stuͤck
G K, in D' aber der Himmel E K gantz und gar. Auf dieſe Art wird die
Bruſt mit der Stirn, Naſe und Kiehn von gleicher Helligkeit ſeyn. Was ich
euch aber wegen der Geſichter noch zu erinnern habe, das beſtehet darinnen,
daß ihr Acht habet, wie ſich die unterſchiedene Beſchaffenheit der Schatten,
noch mancherley Abſtaͤnden darinnen verlieret, und nur die vornehmſten Theis
le oder Flecken davon uͤberbleiben, als wie in den Hoͤhlen der Augen und an⸗
dern dergleichen Oertern. Es wird endlich auch das gantze Geſicht dunckel
bleiben, weil ſich die Lichter darinnen verzehren / die in Anſehung der halben
Schatten gar gering ſeyn. Dadurch traͤgt ſichs zu, daß durch weite Ent⸗
fernung vie Beſchaffenheit und Groͤſſe, ſo wol von Haupt⸗Lichtern als Schat⸗
ten, ſich durch weite Entfernungen in halbe Schatten verwandeln. Dieſes iſt
auch eben die Urſache , warum die Bäume und andere Coͤrper in gewiſſer
Weite viel dunckler ſcheinen,, als fie in der That und nahe beym Auge ſind.
Mach dem ſich aber die Lufft zwiſchen ſelbige und das Auge ſetzet, werden
olche Coͤrper dadurch wieder hell gemachet, und ziehet ſich deren Farbe ins
Blaue : jedoch geſchiehet ſolches viel eher im Schatten als im lichten
Theil, da ſich die Wahrheit von der Farbe mehr darſtellet.
BI De
Von
56 Der Siebende Theil BR —
Von Erhebung der Figuren die weit vom Au⸗
ge abſtehen.
20. OB SE RV ATI O. (Cap. 336.)
In dunckler Coͤrper wird ſich nicht ſo viel erhaben darſtellen, wenn er ſich
E ſehr weit vom Auge befindet. Dieſes traͤgt ſich wegen der zwiſchen dem
Auge und dem dunckelen Coͤrper enthaltenen Lufft zu, indem ſie heller als
der Schatten von dieſem Coͤrper iſt. Es wird alſo der Schatten verfaͤlſcht
und hell gemachet, und es gehet dadurch die Staͤrcke ſeiner Dunckelheit ver⸗
loren; welches eben die Urſache von der Verlierung ſeiner Erhebung iſt.
Von den Obje ctis die ſich von weitem
zeigen.
21. OBSERVATIO. (Cap. 313.)
B Object wird ſich ſehr weißlicht hell zeigen „ welches
ſehr weit vom Auge entfernet iſt. Es folget alſo im Gegentheil, daß
dunckele Objecta ſehr dunckel ſeyn werden, je naͤher ſie dem Auge ſte⸗
hen. Solcher Geſtalt ſcheinen die unterſten Theile einer Sache, welche in ei⸗
ner dicken Lufft ſtehen, von unten mehr als von oben entfernet, daher der un⸗
terſte Theil von einem Berg allezeit viel weiter ſcheinen wird als ſein Gipfel,
welcher doch an ſich ſelbſt weiter entfernet iſt. |
Wie die Lufft um fo viel klaͤrer wird/wennfie ſich
nahe an der Erden endiget.
22. OBSERVAT IO. (Cap. 69.)
Eil die fo nahe an der Erden ſich befindliche Lufft dick iſt, und wenn fie
höher fteigt, viel ſubriler dünner) wird, fo ſchauet bey der Sonnen
Aufgang, gegen Abend, der an dem Mittag und Abend Theil nimmt,
da ihr denn wahrnehmen werdet, daß die dicke Lufft mehr Licht von der Son⸗
| | nen
D
vonderPerfpediv. 97
nen empfaͤngt, als die dünne, weil die Strahlen Gesch mehr Widerſtand
antreffen. Und wenn ſich der Himmel in eurem Geſicht mit der Ebene der
Erde endiget, ſo wird dieſer letzte Theil des Himmels, durch eine viel dichtere
und ſehr weiſe Lufft erſcheinen, welche die wahre Farbe die man durch Rice
Hälfte ſiehet, verfaͤlchet. Es ſcheinet alſo der Himmel unten viel weiſer, als
über euch, weil die Geſichts⸗Linie, durch eine geringere Menge der von den Dis
cken Feuchtigkeiten eingenommenen Lufft ſtreichet. Betrachtet ihr herentgegen
en Lufft gegen Abend, wird fie euch um fo viel niedriger ſcheinen, als fie
dunckler iſt , maſſen in beſagter dunckelen Lufft, die hellen Strahlen des
Lichts oder der Sonne, viel weniger durchfallen.
Nota. Da hier zu Ende im Italiaͤniſchen Text, der dunckeln Lufft Meldung
geſchiehet, redet der Frantzoͤiſche nur von der dicken Lufft allein, wel⸗
ches jedoch dem Sinn des Authoris und der Natur nicht gemaͤs
iſt. Denn in einer dunckeln Lufft, koͤnnen die Strahlen des Lichts
oder der Sonne, nicht ſo eingehen oder anſchlagen, als in einer di⸗
cken Lufft, welche gleichſam einen weiſen Coͤrper vorſtellet: muß al⸗
ſo das Italiaͤniſche inverſo levante vom Abend, als dem jenigen
Ort zu verſtehen ſeyn, der dem Aufgang der Sonne gegen über
und die Gegend iſt / wo die Sonnen⸗Strahlen nicht zuruͤcke fallen.
Von den Staͤdten und andern Dingen die
in dicker Lufft geſehen werden.
23. OBSERVATIO. (Cap 309.)
Dore Gebäude einer Stadt, welche bey neblichter Zeit, oder da die Lufft u 411
vom Rauch ‚oder andern Dünften verdicket iſt, geſehen werden , find
allezeit um ſo viel weniger erkenntlich, wenn fie nicht gar hoch liegen:
hingegen werden ſie deſto deutlicher in das Auge fallen, wenn man ſie in einer
groſſen Höhe betrachtet. Dieſes wird durch den aten Satz (vielleicht von des
Authoris Perſpectiv) erwieſen, da es heiſt: Je niedriger die Lufft, je dicker iſt
fie: Hingegen je weiter fie ſich hinaus erſtrecket, je duͤnner wird ſie; welches
die beygefuͤgte Figur erlaͤutern kan. Wir ſprechen nemlich, daß der Thurm
A F, von dem Auge N, in einer dicken Lufft geſehen wird, welche ſich in 4
Gradus theilet, deren jeglicher dicker iſt, je niedriger er ſtehet. Wenn ſich nun
nicht ſo viel Lufft 1150 dem Auge und der Sache befindet, die man an⸗
ſchauet, ſo wird derſelben Farbe, an der Farbe folcher Luft um fo viel weniger Anz
theil nehmen. Hieraus iſt alſo der Schluß zu „ ſich ſehr viel 115
zwiſchen
98 Der Siebende Theil /
rr DS Kat A0n vnchUR2 7 BENEIRKRRERBERNERZENN *
zwwiſchen das Auge und die Sache feet die man anſiehet, fo wird die befagte
Sache, ſich der Farbe der darzwiſchen befindlichen Lufft uͤm fo viel mehr theil⸗
hafftig machen. Der Beweiß davon iſt nachfolgender: Es ſey N das Au⸗
e worinnen die 5 unterſchiedenen Arten der Lufft von den 5 Theilen des
hurms A F nemlich AB C D FE zuſammen lauffen. Ich ſage demnach:
wenn die Lufft eine gleichfoͤrmiger Dicke hätte , ſo wuͤrde die Farbe der Lufft
die fie dem Fuß des Thurms F zueignet, mit der Participation gegen
die Farbe der Lufft, die fie dem Theil B von den Thurm giebt, eben
die Proportion haben, als die Länge der Linie M F mit der Linie B
S hat. Allein aus dem vorhergehenden Satz, welcher beweiſet daß
die Lufft nicht einförmig in ihrer Dicke, ſondern immer dicker ſey, je niedri⸗
ger ſie ſtehet, muß nohtwendig folgen, daß die Proportion der Farbe, womit
die Lufft die Theile des Thurms B und F faͤrbet, von groͤſſerer Proportion
ſey, als obbeſagte Proportion. Denn die Linie N E, welche ohne dem viel
länger als die Linie 8 B iſt, erſtrecket ſich noch durch eine Lufft, deren Die:
cke aus einer gleichen Ungleichheit beſtehet.
Von Gebäuden welche in dicker Lufft geſehen
werden.
24. OBSERVAT IO. (Cap 312.)
n Theil von einem Gebäude wird am wenigſten deutlich ſeyn,
) den man durch eine ſehr dicke Lufft ſiehet. Im Gegentheil wird der⸗
jenige viel ſichtbarer ſeyn, den man durch eine ſehr dünne Lufft bes
trachtet. Zum Beyſpiel: dem Auge N, welches den Thurm A D ſiehet,
wird ein Theil deſſelben von unten angefangen, von Grad zu Grad nicht fo
deutlich ſeyn, aber wegen der dicken Lufft viel klaͤrer oder weiſer vorkommen.
Eben alſo wird das Auge in allen Graden der f. 0 von oben herunter,
die Theile ſehr deutlich, aber wegen der dünnen Lufft nicht fo klar oder weiß
ſehen.
Warum
*
—
n * 2 1 11172 iv eryün er rw on Anh vor RN BR “ „5 *
sone N 2 all
von der Perſpecliv. 95
& — ——jb6'eñ———— —ꝶ -te—SE
Warum einerley Stuͤck Landes ſich oͤffter groͤſ⸗
ſer oder kleiner d 13 es doch in der That
A N il.
25. OBSERVATIO. (Cap.307.)
Den ereignet ſich durch Darzwiſchenſetzung einer auſſerordentlichen di⸗
cken oder duͤnnen Lufft, die ſich zwiſchen dem Horizont und dem Au⸗
ge befindet, welches daſſelbe anſchauet. Unter den Horizonten (Ge⸗
ſichts⸗Ereyß en) die in gleicher Weite vom Auge abſtehen, wird derjenige am
meiſten entfernet ſcheinen, welcher durch eine ſehr dicke Lufft geſehen wird:
derjenige hingegen wird dem Auge viel näher zu ſeyn beduͤncken, den man durch
eine ſehr dünne Lufft ſiehet. Dinge von ungleicher Groͤſſe die man in gleicher
Weite betrachtet, werden gleich erſcheinen, wenn Die Dicke, der zwiſchen dem
Auge und der Sache ſich befindlichen Lufft ungleich, das iſt die dicke Lufft ſich
wiſchen der kleineſten Sache befindet. Eben dieſes wird auch vermittelſt der
erſpectiv der Farben bewieſen, welche verurſachet, daß ein groſſer Berg
der nach den Maaß eines Zirckels klein ſcheinet, doch groͤſſer als ein kleiner
Hügel nahe am Auge ausſiehet; wie man denn auch wahrnimmt, daß ein
Finger den man nahe vor das Auge haͤlt, einen groſſen Berg bedecket, der
weit vom Auge entfernet iſt.
Welche Theile der Coͤrper ihre Deutlichkeit zu
erſt berliehren, wenn fie weit vom Auge entfernet ſeyn,
und welche am laͤngſten erkaͤntlich bleiben.
26. OBSERVATIO. (Cap. 321.)
D Deus Theil eines Coͤrpers, der ſich vom Auge entfernet, erhaͤlt feine
Deutlichkeit nicht lang. Eben dergleichen ereignet ſich bey denen, die
eine kleine Figur haben. Man wird dieſes an dem Glantz der runden
und Saͤulenfoͤrmigen Coͤrper, auch an den fehr zarten Gliedern der Coͤrper
von Thieren, als an dem Hirſchen warnehmen, deſſen Fuͤſſe und Geweihe,
durch das Auge nicht fo bald entdecket werden, als ſein Coͤrper ſelbſt. Denn
weil er groͤſſer iſt, ſo erhaͤlt er ſeine * bey dem Anſchauen laͤnger. Au
| 2 aller⸗
00 Der Siebende Theil /
nn
—
. ö g —
allererſten aber verlieren ſich in der Weite, die Umriſſe oder Striche wel be
die Oberfläche und die Figuren ausdrücken.
Daß die Fehler in kleinen Sachen / nicht fo bald
wie in den groſſen beobachtet werden.
27. OBSEVATIO. Cap. g)
FEN Heinen Dingen, kan man die Beſchaffenheit eines Fehlers nicht ſo eigent⸗
lich anmercken, als wie in den groſſen. Die Urſache beziehet ſich darauf.
Wenn ſolche kleine Dinge einen Menfchen oder Thier vorſtellen, fo koͤn⸗
nen ihre Theile, wegen der unermeßlichen Verkuͤrtzung oder Verkleinerung,
nicht fo vollſtaͤndig ausgedruͤcket werden, als es den Abſichten ihres Ver⸗
fertigers gemaͤß und billich ſeyn ſolte. Da ſie nun auf ſolche Art unvoll⸗
kommen bleiben, iſt es nicht wohl moͤglich, ſo genau anzudeuten, in welchem
Theil der Fehler ſtecke. Zum Exempel, ſo ihr einen Menſchen in einer Wei⸗
te von 300 Ellen betrachtet, und mit Fleiß urtheilen wollt, ob er ſchoͤn oder
heßlich, ungeſtalt oder von ordentlicher Beſchaffenheit ſey, ſo werdet ihr be⸗
finden, daß alle eure Muͤhe vergebens iſt. Es ruͤhret ſolches daher, weil durch
die obbefagte Weite, die Figur des Menſchen dermaſſen verkleinert wird,
daß man die Beſchaffenheit ihrer Theile nicht genau unterſcheiden kan. Und
ſo ihr ſolche Verkleinerung von beſagten Menſchen beurtheilen wolltet, fo hal⸗
tet euren Finger, wenn ihr die Hand zugleich umkehret, in der Weite einer
flachen Hand vor das Auge; erhebet und erniedriget ihn fo weit, biß fein äufs
ferfter oberer Theil, unter der Figur die ihr betrachtet, ſich endiget, fo werdet
ihr eine unglaubliche Verkleinerung gewahr werden. Hieraus entfprin get
auch die Urſache, warum man oͤffters von Weiten an der Geſtalt ſeines Freun⸗
des zweiffelt. |
Wie es die Vernunfft mit ſich bringe / daß kleine
Sachen nicht ſtarck umriſſen ſeyn ſollen.
28. OBSERVATIO. (Cap. 282.)
8 ſage, es ruͤhre daher, daß die Objecta in kleiner Geſtalt erſcheinen,
weil ſie erſtlich weit vom Auge entfernet ſeyn. Da ſich nun aner
5 wendig
’
Von der Perſpectiv. 101
wendig viele Lufft zwiſchen ihnen und dem Auge befindet, ſo verhindert ſie de⸗
ren Deutlichkeit dergeſtalt, daß die kleineſten Theile von ſolchem Coͤrper, nicht
von einander zu unterſcheiden und nicht kaͤndlich ſeyn. Es ſoll derohalben
ein Mahler die kleinen Figuren von weiten nur andeuten, und nicht völlig aus⸗
arbeiten: denn ſo er das Gegentheil thut, wird er wider die Wuͤrckung der
Natur, als feiner Lehr-Meifterin handeln. Auſſer dem bleibt auch eine Sache,
wegen der groſſen Weite, klein, die zwiſchen dem Auge und der Sache, oder
dem Object enthalten. Gleichwie nun die groſſe Weite viele Lufft in ſich
5 die Vielheit der Lufft aber einen dichen Coͤrper aus ſich machet,
5 ei indert fie ,„ daß das Auge die kleinen Theile von den Objedtis nicht
jehet.
Von den wohl ausgefuͤhrten und undeutlich ge⸗
laſſenen Sachen.
29. OBSERVATIO. (Cap. 7a.)
N Je wol umriſſene und ausgemachte Sachen, follen in einem Gemaͤhlde
D forne, als woſelbſt ſie dem Auge am naͤheſten, angebracht werden:
die undeutlichen herentgegen, nemlich diejenigen welche aus undeutlichen
oder ſchwachen Umriſſen beſtehen „ muß man ſich einbilden, als ob fie von
weiten ſtuͤnden.
Von den abgeſonderten Figuren / welche nicht
nahe zuſammen gefuͤget ſcheinen.
30. OBSERVATIO Cap g)
Je ren von Gewaͤndern womit ihr die Figuren bekleidet, ſollen der⸗
geſtalt eingerichtet ſeyn, daß ſie einander eine Annehmlichkeit geben.
Und wenn eine Farbe der andern zum Grunde dienen ſoll, muß es mit
ſolcher Vernunfft geſchehen, daß fie nicht aneinander zu liegen ſcheinen, ob fie
gleich von einerley Art Farbe waͤren. Sie muͤſſen vielmehr in der Helle derge⸗
Halt beſchaffen ſeyn, wie es die darzwiſchen befindliche Weite, und die Dicke
der zwiſchen ihnen enthaltenen Lufft erfodert. Aus eben dieſer Regul wird
die Deutlichkeit von ihren Umriſſen mehr oder weniger ausgefuͤhret ſeyn,
nachdem es ihre Weitz oder Na e erfodert. N
a t 3 Von
ret Der Siebende Thell /
Von dem Abnahm der Farben und
Körper.
31. OBSERVATIO, (Cap. 356.)
Men muß allezeit, die Brechung oder Schwaͤchung von der Beſchaffen⸗
heit der Farben, zugleich mit der Verkuͤrtzung in der Groͤſſe von den
Coͤrpern, bey denen man ſie anwendet, in acht nehmen.
Von der Perſpectiv der Farben.
32. OBSERVAT IO. (Cap. 149.)
De erſten Farben muͤſſen ſchlecht und rein ſeyn, und die Grad ihrer
Schwaͤchung, muͤſſen mit den Graden der Weitſchafft eine Gleichheit
haben. Das iſt, es ſolle die Groͤſſe der Sachen, ehe von der Na⸗
tur des Aug⸗Puncts Antheil nehmen, wenn fie nahe dabey ſtehen: Die Farben
herentgegen richten ſich mehr nach der Farbe ihres Horizonts, nach dem ſie
naͤher zu ihn hinkommen. |
Von der Veränderung der Farben / in nahen
| und weiten Sachen.
33. OBSERVATIO. (Cap. 10a.)
Ey denenjenigen Dingen, deren Farbe dunckeler als die Lufft iſt, werden
ſich dieſelbigen nicht fo gar dunckel zeigen, welche weit entfernet ſind:
Hingegen bey denen welche die Lufft an Helligleit uͤbertreffen, werden
diejenigen nicht ſo weis erſcheinen, welche weit vom Auge abſtehen. Denn
ſolche Dinge, welche viel heller und dunckeler als die Lufft ſeyn, verwechſeln
ihre Farbe in einem weiten Abſtand, indem nemlich das Helle dunckel, und
das Dunckele helle wird.
0
von der Perſpectiv. 103
Von der Farbe die in der verſchiedenen Dicke
der Lufft ſich nicht veraͤndert.
34. OBSERVAT IO. (Cap. 106.)
von eurer
4
a Jer Sede.
grad.
M
S iſt moͤglich, daß einerley Farbe in unterſchiedener Weite nicht die ges
rungſte Veraͤnderung leidet. Dieſes traͤget ſich zu, wem die Proportion
in der Dicke der Lufft, mit der Proportion von dem Abſtand, den die
Farben vom Auge haben, einerley iſt, aber nur umgekehret. Solches iſt alſo
zu erweiſen: & ſey das Auge, I fen eine Farbe welche ihr wollet, die in
einem Grad des Abſtandes vom Auge in einer Lufft von 4 Graden der Di⸗
cke entfernet iſt, weil aber der 2 Grad über A M N L, aus einer um die
Haͤlffte duͤnnern Lufft beſtehet, fo folget, wenn man eben dieſe Farbe da⸗
hin bringet, daß ſie zweymal weiter vom Auge entfernet ſey, als ſie erſtlich
nicht war. Wir ſetzen alsdenn ſolche 2 Grad A F und F E, weiter vom
Auge, fo iſt die Farbe in G; die, wenn fie ferner in einem doppelten Grad
der duͤnnen Lufft, zu der andern Höhe in A M N L koͤmmt, die Höhe in
A MN. L, ſich in dem Grad O M P N befindet: fo folget es, daß ſie
zu der Hoͤhe E gelanget, da fie denn, um die völlige Linie & E vom Auge ab⸗
ſtehet, und in der Dicke der Lufft, ſo viel ausmachet als die Weite A G.
Der Beweiß hierüber iſt nachfolgender: Wenn in einerley Lufft, die zwiſchen
dem Auge und der Farbe enthaltene Weite 2 Grad einnimmt, und A E
2 und einen halben Grad betraͤgt, ſo iſt dieſe Weite hinlänglich. zu machen,
daß die Farbe G, wenn man fie biß in E erhoben, an ihrer Krafft 19
3
104 | Der Siebende Theil / =
abnimmt , weil die Grad A C und A F, in einerley Dicke der Lufft
einander gleich feyn, und der Grad der Luft C D, ob er ſchon in der Laͤn⸗
ge mit den Grad F G uͤbereinkommt, iſt er ihm doch nicht in der Dicke
der Lufft gleich, weil er ſich in einer zweymal dickern Lufft als der obere be⸗
findet der uͤber ihm iſt; davon ein halber Grad der Weite, fo viel von der
Farbe einnimmt als ein gantzer der obern Lufft thun wuͤrde, welche zweymal
duͤnner als die Lufft die ſich unten endiget. Woferne man alſo erſtlich die
Dicke der Lufft, und hernach die Weite berechnet, werdet ihr befinden, daß
die Farbe zwar ihre Stelle, aber nicht ihrer Schönheit ſich verändert hat.
Wir ſagen dannenhero, durch die Berechnung von der Dicke der Lufft: Es
ſey die Farbe H, in den den àten Grad der dicken Lufft: Die Farbe G in
2 Grad von eben derſelben Lufft: und die Farbe E in einen Grad folcher
Dicken geſetzt. Alsdenn laſſet uns ſehen, ob die Weiten in gleicher Pro-
portion find, aber umgekehrt. Die Farbe E ſtehet vom Auge 2 und einen hal⸗
ben Grad entfernet, in G 2 Grad, und inH ı Grad. Dieſe Weite hat
keine Verhaͤltniß mit der Proportion der Dicke, druͤm iſt es noͤthig die
dritte Rechnung zu fuͤhren, die ich nohtwendig andeuten muß. Der Grad A
C ift, wie oben geſaget, dem Grad A F gantz aͤhnlich und gleich, und der
halbe Grad C B iſt dem Grad A F §aͤhnlich, aber nicht gleich, weil er nur
einen halben Grad der Länge betraͤgt / der einen gantzen Grad von der obern
Lufft giebt. Es leiſtet derohalben dieſe Rechnung unſerem Vorhaben ein Ge⸗
nuͤgen, weil A C 2 Grad von der Dicke der obern Lufft gilt, und
der halbe Grad C B gilt einen gantzen von dieſer obern Lufft, dahero wir
dem Wehrt nach, 3 Grad von dieſer obern Dicke haben, und einen der ſich
innerhalb B E befindet, welches der te iſt. Es folget gleicher geſtalt daß
A H 4 Grad von der Dicke der Lufft, und A G eben fo viel hat, nem⸗
lich A F der 2, und F G, der auch 2 gilt „ die zuſammen 4 betragen.
A E hat ebenmaͤſſig 4, maſſen A C 2, und CD einen haͤlt, welches die
Hälfte von A O in eben derſelben Lufft iſt , und es befindet fich auch ein
gantzer in der obern duͤnnen Lufft, welche insgeſamt 4 machen. Wenn
alsdenn die Weite A E nicht zweymal fo viel von der Diftanz A &, noch
viermal fo viel von der Diftanz A H qusträgt, wird fie durch O D eis
nen halben Grad von der dicken Lufft erfeget , der einen gantzen Grad von
der obern uͤber ihm befindlichen duͤnnern Lufft gilt. Hieraus iſt alſo der
Schluß von unſerm Vortrag zu machen, daß nemlich die Farbe H G E
durch unterſchiedene Abſtaͤnde nicht veraͤndert wird.
Von
von der Perſpectiv. | 105
Von der Perſpectiv der Farben.
3. OBSERVATIO. (Capıo7)
122 22.1 Enn einerley Farbe in unterſchiedenen
Ar DIR Weitſchafften und gleicher Höhe geſetzet
S it, wird die Proportion (Verhaͤltniß)
von der Lauterkeit oder Empfindung ihrer Staͤr⸗
cke, eben fo befchaffen ſeyn, als wie die Propor-
tion der Weitſchaft einer jeden iſt, fo jegliche
derſelben Farbe von dem Auge hat die ſie an⸗
ſiehet. Die Probe davon, iſt alſo beſchaffen:
Es ſey E BC D einerley Farbe. Die erſte
E, fer in einer Weite von 2 Graden vom Aus
gen A entfernet „ die andere B ſey 4 Grad,
die dritte C ſey 6 Grad, die vierte D ſey 8
Grad, weit davon, gleich wie ſolches die Circul (Riſſe) anzeigen, die ſich auf
der Linie A R abſchneiden. Es fen ferner A RS P ein Grad von der
dame pee E I aber ein Grad der viel dickern Lufft, ſo wird alsdenn fol⸗
gen, daß die erſte Farbe E durch einen Grad von dicker Lufft E S, und
durch einen Grad von weniger dickerer Lufft S A zu dem Auge gelange.
Die Farbe B wird ihre Geſtalt durch 2 Grad dicke, und durch 2 Grad
weniger dickere Lufft in das Auge ſenden , die Farbe C aber wird ſolches
durch 3 Grad von der dicken, und durch 3 Grad von der weniger dicken
Lufft thun: und die Farbe verrichtet es durch 4 Grad von der dicken,
und durch 4 der weniger dickern Lufft; mithin haben wir alſo probiret, daß
die Proportion der Verminderung, oder vielmehr Verliehrung der
Farben mit ihrer Weite vom Auge, welches dieſelben ſiehet, gleich iſt. Es
traͤgt ſich dieſes allein nur bey denenjenigen Farben zu, die in gleicher Hoͤhe
ſtehen. Denn bey denenjenigen die eine ungleicher Höhe haben, beobachtet
man ſolche Regul nicht, weil fie ſich alsdenn in einer Lufft von unterſchiede⸗
ner Dicke befinden, welche erwehnte Farben auf mancherley Art ſchwaͤchen
und veraͤndern. b
Nota. Neben der Zahl 8 ſoll in obiger Figur ein R, bey der folgenden Linie
P ‚und bey der unterften neben T, ein D ſtehen, welches der Form⸗
ſchneider vergeſſen hat.
Von
rig 46.
106 Der Siebende Theil /
— — — —— —
*
Von der Farbe die ſich in unterſchiedener dicke
Lufft nicht veraͤndert.
36. OBSERVATIO. (Cap. 108.)
Ine Farbe welche in verſchiedener dicker Lufft geſetzet iſt, wird ſich nicht
E ändern, wenn eine uͤm fo viel weiter als die andere, vom Auge abſtehet;
das iſt: als ſich eine mehr als die andere in einer duͤnnen Lufft befin⸗
det. Die Probe fen alſo beſchaffen: Wenn die erſte niedrige Lufft 4 Grad
dick, und die Farbe 1 Grad vom Auge entfernet ift: die andere noch höhere
Lufft aber hätte 3 Grad der Dicke; die indem fie 1 Grad verlohren, dadurch
verurſachet, daß die Farbe hingegen 1 Grad von der Weite erlanget, und
wenn die noch viel höhere Lufft 2 Grad von der Dicke verliehret, der Farbe
2 Grad von der Weite zuſtehen: fo iſt alsdenn die erſte Farbe wie die drit⸗
te beſchaffen. Kurtz zu ſagen, wenn die Farbe ſich um fo viel erhöhet,daß fie
in die Lufft, welche 3 Grad der Dicke verlohren, eingehet, und die Farbe 3
Grad von der Weite erlanget / duͤrfft ihr alsdenn gewiß verſichert ſeyn, daß
dieſer Verluſt von der Farbe, ſie um ſo viel mehr erhoͤhet und entfernt ge⸗
macht hat, als die untere Farbe nahe iſt. Wenn demnach die hohe Lufft
3 Viertel von der Dicke der untern Luft verlohren hat, fo hat die Farbe
3 Viertel von dem gantzen Abſtand, wodurch ſie ſich vom Auge entfernet,
durch ihre Erhoͤhung uͤberkommen; mithin iſt das, was wir geſagt, durch die
Probe beſtaͤttiget. a
Von der Veraͤnderung einerley Farbe in unter⸗
ſchiedener Weite vom Auge.
37. OBSER VAT IO. (Cap. 128.) .
ter den Farben von einerley Natur, wird fich diejenige wenig verändern,
U welche nicht weit vom Auge entfernet iſt. Dieſes laͤſſet ſich daraus ers
weiſen, weil die Lufft, die ſich zwiſchen dem Auge und der Sache ſetzet,
nach welcher man ſiehet, beſagte Sache nur etlicher maſſen einnimmt: und
wenn ſolche darzwiſchen geſetzte Lufft von groſſer Menge iſt, fo wird ſich als⸗
denn die Sache die man betrachtet, ſtarck von der Farbe reicher ka
en:
von der Perfpediv. 107
— — — ERDE an ——
9 ift aber die Lufft überaus duͤnne, fo wird ſich das Object wenig ver⸗
ndern.
Von der Carnation und ſolchen Sachen / die vom
Auge entfernet ſeyn.
38. OB SERVAT IO. Cap. 139.)
Di Flecken an den Figuren ‚und in denen vom Auge entferneten Dingen
| ſollen von einem Mahler nicht mit hart gemachten, ſondern mit undeut⸗
lichem Umriſſen ausgedrückt ſeyn, und man ſoll zu dergleichen Figuren
die Abend⸗Zeit, oder einen wolckichten Himmel erwaͤhlen. Vor allen aber
huͤtet euch, wie ſchon oͤffters geſaget, vor hart umriſſenen Schatten und
Licht. Denn fo fie von weiten gefehen werden, erſcheinen fie wie gefärbt, oder
als ein Flecken, auch machen fie die Arbeit muͤhſam, und fie kriegt darzu kei⸗
ne Annehmlichkeit. Es kan euch darneben zur Erinnerung dienen, wie die
Schatten niemals von der Beſchaffenheit ſeyn ſollen, daß ſie an dem Ort
wo ſie verurſachet werden, die Farbe eines Dinges durch ihre Dunckelheit
vernichtigen, es ſey denn der Ort, wo ſich ſolche Coͤrper befinden, gantz finſter.
Machet auch den Umriß der Haare nicht ſo eintzeln oder Faden weis, und
gebrauchet keine ſehr weißen Lichter, als nur in weißen Dingen, damit ſolche
Helligkeiten die hoͤchſte Schoͤnheit von der Farbe ſelbſt andeuten, da ſie hin⸗
gebracht ſeyn.
Nota. An ſtatt der hoͤchſten Schönheit von der Farbe, wie wir es aus dem
Italiaͤniſchen uͤberſetzet, ſtehet im Frantzoͤiſchen la veritable &
parfaite teinte de la couleur, das iſt: die wahre und vollkomme⸗
ne Farbe. Daß aber darinnen ein Unterſcheid zu machen, ſolches
erhellet aus andern Stellen dieſes Tractas, darinnen gemeldet
wird, wie die hoͤchſte Farbe einer Sache, nicht allezeit die wahre
e ſey; gleichwie es an Objectis wahrzunehmen, die glatte und glaͤn⸗
tzende Oberflaͤchen haben.
O 2 Von
108 Der Siebende Theil /
— — — 1
Von der Carnation der Geſichter.
39. OBSERVATIO. (Cap. 126
ES erhält ſich dasjenige von einem Coͤrper in einem weiten Abſtand am
meiſten, was am groͤſten iſt. Dieſer Vortrag oder Satz giebt zu erken⸗
nen, daß ein Geſicht in der Weite dunckler wird, wenn der Schatten
den groͤſten Theil vom Geſicht ausmachet, hingegen das Licht kleiner iſt, a.
hero ſich ſelbiges in einer geringen Weite verdunckelt, daß nur der allerklei⸗
nefte Theil vom Licht fein Glantz iſt. Dieſes iſt eben die Urſache, daß wenn ein
Theil davon mehr dunckel bleibt, das Geſicht nothwendig dunckel erſcheinen
muß. Es wird ſich auch ſolches um ſo viel mehr nach den Schwartzen nei⸗
gen, wenn ſich davor oder darhinter, ein ſehr weiſſes Object befindet.
Woher die blaue Farbe der Luft entſpringet.
40. OBSERVATIO. (Cap. 151.)
D Blaue in der Lufft, koͤmmt von dem dicken Cörper der erleuchteten
Luft her, der ſich zwiſchen der obern Finſterniß und der Erden befindet.
Die Luft an ſich ſelbſt iſt von Natur nicht ſo beſchaffen, daß ſie einen
Geruch, Geſchmack und Farbe hat: ſie iſt aber ſehr geſchickt, die Gleichheit
von den Dingen ‚fo ſich hinter ihr befinden, in fie) zu faſſen. Sie wird dem⸗
nach, um ſo viel deſto ſchoͤner blau ſeyn, wenn hinter ihr eine groſſe Finſterniß
enthalten, die nicht viel Raum einnimmt, und nicht mit gar vieler dicker Feuch⸗
tigkeit erfuͤllet iſt. Man beobachtet an den Bergen, die mehrentheils ſchat⸗
tigt ſeyn, daß ſie in weiter Entfernung uͤberaus ſchoͤn blau ausfehen : find
fie herentgegen ſtarck erleuchtet, wird ſich ihre natuͤrliche Farbe mehr als
das Blaue zeigen, welches ihnen von der Lufft zugeeignet wird die ſich zwi⸗
ſchen ihnen und dem Aug befindet.
00: 8
Die
von der Perfpediv. A 109
Die Perſpectiv von der Abnahme der Farben
in weiter Entfernung. |
41. OBSERVATIO. (Cap. 124)
N Lufft hat um fo viel weniger Antheil
von der blauen Farbe, je mehr ſie ſich
dem klorizont naͤhert; ſie wird hin⸗
gegen viel dunckelblauer, je weiter fie ſich
vom Horizont entfernet. Dieſes wird
durch den dritten Satz des ten Theils
meiner Ferſpectiv) probiret , allwo ich z. 47.
dargethan, daß ein Eoͤrper nicht viel von
der Sonnen erleuchtet ſeyn wird, der von
Natur ſehr duͤnne iſt. Weil alſo das Ele⸗
ment des Feuers welches die Lufft umgie⸗
bet, in ſeiner Natur viel reiner und duͤn⸗
ner als die Lufft iſt fo iſt es daher nicht fo faͤhig, die Darüber befindliche Finſter⸗
nıffen einzunehmen als wie die Lufft; folglichen wird die date die ein etwas
duͤnnerer Cörper als das Feuer iſt von den Sonnen⸗ Strahlen, die durch fie
dringen, auch viel ſtaͤrcker beleuchtet, und indem ſie eine unendliche Anzahl
der Luft⸗Staͤublein erleuchtet, womit fie die Lufft anfüllen ‚fo machet fie die⸗
ſelbe in unſern Augen heiter. Wenn dahero die Geſtalt der angeregten
Finſterniß durch dieſe Lufft dringet , ſo folget nohtwendig daß uns das
Weiſſe von der Lufft blau oder Laſur⸗blau ſcheinet, wie es in dem zten Satz,
des 10 Theils (der Perſpettiv) erwieſen iſt. Es wird auch ſolche Lufft un
fo viel hell blauer erſcheinen, je dicker die Lufft iſt, die ſich zwiſchen ſolcher
Finſterniß und unſerm Augen befindet. Zum Beyſpiel: wenn das Auge des
nſchen in P ſtuͤnde, und ſolches betrachtete über ſich die Dicke der Luft
P R, fo wird die Luft indem ſich ſelbiges ein wenig neiger und die Luf
durch die Linie P 8 anſiehet, viel klaͤrer ſcheinen, geſtalten die Luft in der Li⸗
nie P S viel dicker als in der Linie P R iſt: und wenn ſich das Auge gar
biß an den Horizont neiget, wird es an der Luft faſt gar nichts Blaues
mehr warnehmen. Die Urſache iſt, weil die Geſichts⸗vinie eine viel groͤſſere
Menge der Luft der geraden Linie P D, als in die ſchraͤgen Linie P S durch⸗
dringet; weswegen alſo unſere Meinung hiemit bewieſen worden.
O 3 Auf
*
110 Der Siebende Theil /
Auf was vor eine Art die entferneten Sachen
in der Mahlerey zu tractiren ſeyn.
42. OBSERVATIO: (Cap:68.)
1 ſiehet deutlich, daß die Luft welche ſich an der flachen Erde endi⸗
N get, viel dicker und groͤber iſt, als die andere, und je mehr ſie ſich in die
Höherbegiebet, je duͤnner und durchſcheinender wird ſie. Erhabene
und groſſe Sachen, die weit von euch abſtehen, werden an ihren unterſten
Theilen wenig zuſehen ſeyn, weil ihr ſie durch eine Linie betrachtet, die ſich
durch eine ſtets fortwaͤhrende dicke Luft erſtrecket. Man kan darthun, daß
der Gipfel von beſagter Hoͤhe, in einer Linie geſehen wird, die, ob fie ſchon auf der
Seiten eures Auges, in der dicken Lufft entſpringet, ſich nichts deſtoweniger
bey der völligen Hoͤhe der geſehenen Sache, in einer viel duͤnnern Luft ens
diget, als fie an dem unterſten Theil iſt. Aus angeregter Urſache wird die⸗
ſe Linie, je weiter ſie ſich von euch von Punct zu Punct entfernet, die Beſchaf⸗
fenheit der dünnen Luft, immer zu mit einer duͤnnern verändern. Woferne
derohalben ein Mahler Berge mahlen will, ſo ſoll er win von Hügel zu
Hügel, auf ihrer Höhe allezeit viel heller als an ihren unterſten Theilen machen,
und wenn er ſie ſehr weit von einander ſetzet, muͤſſen ihre Hoͤhen ſehr heiter
ſeyn. Je mehr er fie auch in die Hoͤhe erheben wird, je mehr ſoll ſich die Ver⸗
aͤnderung ihrer Geſtalt und Farbe zu erkennen geben. 2
Nota. Was wir hier aus dem Italiaͤniſchen, durch eine ſtets fortwaͤhrende
Luft uͤberſetzet haben, das nennet der Frantzoͤiſche Text une lon⸗
gue mafle d air ᷑pais & obſcur, einen langen Klumpen dicker
und dunckler Luft. Wir behielten daruͤm das erſte, weil ſo wol
nach des Authoris Lehr⸗Satz,, als nach der Natur ſelber die
Luft, den Schatten der zwiſchen ihr und dem Auge geſetzten Ob-
8 jecten, um fo viel weiſer macht, je dicker fie iſt. 5
Von der Farbe der Berge.
43. OBSERVATIO. (Cap. 163)
I Gebuͤrge, wird ſich dem Auge uͤberaus ſchoͤn blau darſtellen, wel:
ges an ſich ſelbſt ſehr dunckel iſt, dasjenige hingegen, welches ſehr hoch
un
von der Peredtiv. a All 2
und buſchigt oder mit Baͤumẽ beſetzet iſt, erſcheinet ſehr dunckel, weil ſolche Baͤn -s ln ,
me und Buͤſche andere kleinere unter ſich bedeckẽ, daß fie deß wegen kein Licht vom
Oimel uͤberkom̃en. Es find auch die wilden Baͤume von Wäldern oder Buͤſchen
an ſich ſelbſt viel dunckeler und ſchattigter als die zahmen. Am allerdunckel⸗
ſten aber find, die Eichen, die Buchen, Tannen, Cypreſſen und Fichten,
nebſt den Oliven, welches keine zahme Baume find. Der lichte Schein
oder die Helligkeit, die ſich zwiſchen dem Auge und dem Schwartzen befin⸗
det, welches zu oberſt ſehr dünne iſt, wird uͤber die maſſen ſchoͤn ſchwartzblau
ausfallen: und alſo auch im Gegentheil. Es werden hiernaͤchſt diejenigen
Pflantzen oder Gewaͤchſe, nicht ſo weit von ihrem Felde abzuſtehen ſcheinen,
die ſich auf einem Grunde befinden, der mit ihnen eine fehr nahe und gleiche
Farbe hat; und ſo auch hier im Gegentheil. Derjenige Theil vom Weiſen,
wird um fo viel weiſer ſcheinen, als er den Graͤntzes des Schwartzen nahe iſt;
Hingegen koͤmmt er nicht ß weiß heraus, wenn er von den Schwartzen oder
Dunckelen ſehr weit abſtehet. Eben ſo verhaͤlt ſichs auch mit dem Theil von
Schwartzen, als welches gleicher Geſtalt dunckler ſcheinet, je naͤher es den Wei⸗
fen, und weniger ſchwartz, wenn es von dem Weiſen weit entfernet iſt.
Von den Farben.
44. OB SER VAT IO. (Capaga.)
Nter den Farben die nicht blau find ‚werden doch diejenigen in weitem Abs
ſtand am meiſten vom Blauen Theil nehmen / welche ſich zu naͤchſt bey den
Scchwartzen befinden Diejenige Farbe in Gegentheil welche dem Schwar⸗
zen am meiſten ungleich iſt,wird in einer weiten Entfernung ihre naturliche Far⸗
be am beſten erhalten. Solchem nach wird ſich das Gruͤne von Feldern mehr
in Blau verwandeln als das Gelbe und Weiße: und alſo im Gegentheil, wird
ſich das Gelb und Weiß weniger als Gruͤn und Roht veraͤndern.
Von den Farben ſolcher Sachen / die von dem
. Auge eutfernet ſeyn.
45. OBSERVATIO. Cap. 148.)
7 Je duft faͤrbet die Objecta mit ihrer Farbe um fo viel mehr „wenn fie
uͤberaus dicke iſt / und wenn ſie ſich noch darzu ſehr weit vom e
ö f geſon⸗
112 Der Siebende Theil /
geſondert iſt. Wenn alſo ein dunckeles Object in dicker Luft 2 Meilen entfer⸗
net iſt, ſo wird ſie ſolches mehr faͤrben, als wenn es nur in einer Meile der Dicke
davon ſtuͤnde. Es moͤchte zwar vielleicht jemand hier einwenden und ſagen:
daß in den Landſchafften Baͤume von einerley Art, von weiten viel dunckeler,
als von nahen erſcheinen, welches ſich doch nicht ſo verhaͤlt, wenn die Baͤume
an der Farbe einander gleich, und in gleiche Weitſchaften eingetheilet ſeyn:
allein unſer Vorgeben wird gleichwol mit der Warheit uͤbereinkommen, wo⸗
ferne die erften Baͤume fo duͤn ne und weit von einander ſtehen, daß man durch
ſie die Helligkeit der Wieſen ſiehet, wodurch ſie getheilet werden; die letzten
oder weiteſten Baͤume herentgegen ſich ſehr dick an einander befinden. Es
traͤgt ſich ſolches ordentlicher Weiſe an den Ufern und nahe bey den Fluͤſſen
zu, allwo man keinen Zwiſchen Raum von dem Hell⸗Gruͤn der Wieſe ſiehet,
ſondern indem allda alles von Baͤumen zuſammen gefuͤget iſt, wirft einer ſei⸗
nen Schatten uͤber den andern hin. Es ereignet ſich auch viel deutlicher, auf
der ſchattigten Seite der Pflantzen als auf der hellen, und ſie laſſen ſich we⸗
gen der Geſtalten der Schatten, den ſolche Baͤume oder Pflantzen von ſich in
das Auge werffen, in groſſe Weite wohl ſehen: und die dunckle Farbe, welche
überflüßig vorhanden, behaͤlt ihre Geſtalt mehr als der weniger duncklere Theil;
dahero wird ſie in ſolcher Vermiſchung, den ſtaͤrckſten Theil in ſehr weiter Ent⸗
fernung mit ſich nehmen.
Welches Gruͤn am meiſten blau ſcheinet.
46. OBSERVAT IO. Cap. 1300
Dede euer dee e ee, A
das Blaue in einem weiten Abſtand, aus dem Hellen und Dunckeln zu⸗
ſammen gefuͤget iſt.
Von der Klarheit der Farben.
47. OBSERVATIO. (Cap. 116.)
Ft Sache die fehr klar iſt, erſcheinet auch mehr in der Weite: bey derjeni⸗
gen aber die ſehr dunckel iſt, ereignet ſich das Gegentheil.
Von
von der Perſpectiv. 113%
Von dem Blau / welches von weiten in den Land⸗
. ſchaften zu ſehen.
48. OBSERVATIO. Cap. 317.)
Ua denenjenigen Dingen welche weit vom Auge abftehen, fie moͤgen auch
eine Farbe haben wie ſie wollen, werden doch dieſe ein uͤber aus hoch
blaue Farbe bey ſich führen „welche entweder von Natur, oder zufaͤlliger
Weiſe am dunckelſten jeyn. Die natürliche Dunckelheit iſt diejenige, welche an
und vor ſich ſelbſt dunckel iſt: und die zufällige entſpringet aus dem Schatten,
den andere Objecta von ſich werfen.
Von der Perſpectiv der Farben in dunckelen
Oertern.
49. OBSERVATIO, Cap. 148.)
N hellen Oertern die ſich biß zur Finſterniß gleichfoͤrmig verändern ‚wird
„ 1 2 Sn am meiſten dunckel ſeyn, welche am weiteſten vom Auge
entfernet iſt.
Warum die Objecta oder Sachen / je weiter fie
ſich vom Auge ans ge mehr zu er⸗
N ennen ſind. f
so. OBSERVATIO. Cap. 3190
eienige Sache iſt nicht recht deutlich welche ſich weit vom Auge befindet.
Dieſes träger ſich darum zu, weil die ſehr kleinen Theile ſich am erften vers
ſiehren, und die andern welche nicht fo klein ſeyn, thun ſolches in ſehr wei⸗
ter Entfernung von ſich ſelbſt, und alſo verliehren ſich die Theile nach und nach.
Es verliehret ſich alſo die Kaͤndtlichkeit der entferneten Dinge dergeſtalt, daß
man endlich alle Theile ſamt ihrem Gantzen p mehr ſiehet. Die Farbe iht
| erli
214 Der Siebende Theil /
erliſcht gleichſam von der dicken Luft, fo ſich zwiſchen dem Auge und dem Ob-
je& befindet, welches man betrachtet.
In welcher Weite die Farben der Objekten,
ſich gautz und gar verliehren.
SI. OB SERVATIO. (Cap. 103“
De Farben der Objecten verliehren ſich in einer groſſen oder kleinen
Weite gantz und gar, nach dem das Auge und das Object, ſo man an⸗
ſchauet, mehr oder wenig von der Erden erhoͤhet iſt. Dieſes beweiſet
die 7 Propoſition ( eines beſondern Buches des Authoris) welche ſaget:
Die Luft iſt um ſo viel mehr oder weniger dick, als ſie ſich naͤher oder weiter
von der Erden befindet. Wenn derohalben das Auge und das von demſel⸗
be betrachtete Object, nahe bey der Erden ſtehet, fo wird die dicke Luft, zwi⸗
ſchen dem Auge und der Sache, die Farbe des von dieſem Auge geſehenen
Objects, genugſam verändern. So aber das Auge mit dem davon geſehenen
Object weit von der Erden iſt, alsdenn wird die Luft, wenig von der Farbe
des vorbeſagten Objecti einnehmen. Es gehen demnach ſo viele Veraͤnde⸗
rungen in der Weite vor, worinnen ſich die Farben an den Objecten ver
liehren, als ſich das Licht, nebſt der Dicke und Duͤnne der Luft veraͤndert,
wodurch die Arten der Farben von vorbeſagten Objectis, zum Auge kommen.
Wie ein Mahler die Perſpectiv der Farben in
die Praxin bringen ſoll.
52. OBSERVAT IO. (Cap. 164.)
M die wahre Veraͤnderung, Verliehrung oder Verringerung des eigent⸗
u lichen Weſens der Farben zubeſtimen, ſo bemercket von 1os zu 100 Ellen,
gewiſſe Dinge die ſich im Felde befinden, als da ſind Baͤume, Haͤuſer,
Menſchen, und andere Stande. Nachdem ihr zu erſt bey einem
Baum ein Glas befeſtiget, ſo zeichnet allda, mit unverruͤckten Auge, einen
Baum, nach dem Muſter deſſelbigen Kae Des ihr vor euch ſehet. Trettet
alsdenn mit dem Glaß ſo viel ſeitwaͤrts, biß dadurch der natuͤrliche Baum,
faſt mit eurem Entwurf uͤberein koͤmmt. Gebet hernach demſelben die N
er
von der Perſpectiv. 115
———ů—ůů
— ——A—Ä—Ä1— nennen En
— ͤ—— ——
dermaſſen, daß er mit feiner Farbe und Geſtalt dem wahren Baum aͤhnlich
ſiehet, oder daß ſie, wenn ihr das eine Auge zuſchlieſſet, alle beyde gemahlet zu
ſeyn ſcheinen, wenn das Glaß in einer Weite davon abſtehet. Eben dieſe Re-
gul beobachtet bey dem andern und dritten Baum von 100 zu TOO Ellen, bey
einem Raum zum andern ſo wird euch dieſe Verrichtung an ſtatt eines Helfers
und Meiſters ſeyn, deren ihr euch in euren Wercken, wo es erfodert wird, be⸗
dienen koͤnnet, maſſen ihr durch fie, die Sachen wohl zurück weichend mas
chen werdet. Ich habe durch dieſe Kegul gefunden, daß der andere Baum
von dem erften, in einer Weite von zo Ellen, um vier Fuͤnftheil verklei⸗
nert ausgefallen.
Nota.
Hier ſtehet im Italiaͤniſchen: Scoftalo tanto per traverſo, tret⸗
tet fo viel Seitwerts: allein im Frantzoiſchen heiſt es: retirez-
vous en arriere, begebt euch zuruͤcke, oder trettet hinter ſich; wel⸗
ches aber nicht nach dem Sinn des Authoris klinget. Denn wenn
ich zuruͤcke weiche, kan meine auf dem Glas gemachte Zeichnung,
mit der Natur, nicht mehr einerley Groͤſſe haben : hingegen wird
ſie dieſelbe behalten, wenn ich nur auf die Seite trette.
Warum ſehr hoch erhabene Objecda, in der
Ferne viel dunckler als die niedrigen ſeyn, ob gleich
der Nebel in der Dicke gleichfoͤrmig if.
ss. OBSERVATIO. (Cap.326.)
On den Objedtis die ſich in einem Nebel, in bitter Luft, Dampff, Rauch,
oder weiter Entfernung befinden, werden diejenigen Theile ſehr kaͤndt⸗
lich ſeyn, welche mehr erhaben ſtehen: Und unker Sachen von glei⸗
cher Hoͤhe, wird diejenige viel dunckeler ausfallen, welche in einem ſehr dicken
oder dunckeln Nebel ſtecket. Hier ereignet ſich ſolches bey dem Auge H,
welches drey Thuͤrme A B C von einer Höhe unter einander anſchauet. Ge⸗
dachtes Auge nun, ſiehet den oberften Theil des erſten Thurms von Obiß hin⸗
unter in R, welcher Raum 2 Grad von der Tieffe oder Dicke des Nebels
begreiffet. Ferner ſiehet es von dem mittlern Tzurm den obern Theil nur in
einem Grad des Nebels, druͤm wird der oberſte Theil vom Thurm Cs viet
duncklet ſeyn, als bey dem Thurm B.
P 2 Von
Fig. 4%
116 Der Siebende Theil,
Von der Höhe der Gebäude die in einem Nebel
geſehen werden. |
54. OBSERVATIO. (Cap.324.)
Da Theil von einem naheſtehenden Gebaͤude, wird ſich ſehr undeut⸗
lich zeigen, welcher ſehr weit von der Erden entfernet iſt. Es ruͤhret
folches daher, weil mehr Nebel zwiſchen dem Auge, und dem höchften
Gipfel des Gebaͤudes ſich befindet, als vom Auge biß zu feiner Grund Linie nicht
iſt. Ein Thurm hingegen, der gleich weit lauffende Seiten hat, wird fie; in
weiter Entfernung und zwiſchen dem Nebel, gegen feine Grund⸗Linie immer
ſchwaͤcher abbilden. Dieſes begiebt ſich aus nachfolgender, in der 21 Obferv.
des 7 Theils angezogener Urſache. Ein Nebel wird ſich um ſo viel mehr
dicker und weißer zeigen, als ſelbiger nahe an der Erden liegt. Die andere
Urſache iſt (wie in der 59 Obſer vation dieſes 7 Buches ſtehet), daß ein dunck⸗
les Object um fo viel kleiner ſcheinet, wenn es in einem ſehr hell weißen Feld
geſehen wird. Weil nun der Nebel unten viel weißer als oben iſt, ſo folget
nohtwendig, daß ſich die Dunckelheit des gedachten Thurms, unten viel enger
und ſchmaͤhler als oben zeiget. ?
Von den Körpern die durch einen Rebel geſe⸗
hen werden. He
55. OBSERVATIO. (Cap.323)
Dose Objecta; welche durch einen Nebel geſehen werden, erſcheinen viel
5 groͤſſer als fie in der Taht find, und diß daher, weil die Perſpectiy
des Mittels zwiſchen dem Auge und Object, die Proportion ihrer
Farbe mit der Groͤſſe ſolches Objects nicht beobachtet. Denn dieſer Nebel
iſt einer vermengten Lufft gleich, die ſichzwiſchen dem Auge und dem Hori-
zont, bey heitern Wetter befindet: und ein Coͤrper der nahe am Auge und
hinter einem nahe befindlichem Nebel geſehen wird, ſcheinet biß an den Hori-
zont entfernet zu ſeyn, worinnen der groͤſte Thurm ſich kleiner zeigen wird, als
ein nahe ſtehender Menſch.
Von
von der Perſpectiv. 117
Von den Städten und andern Gebaͤuden / wel⸗
che zu Fruͤh oder zu Abends beym Nebel geſehen
werden.
56. OB SERVAT IO. (Cap.325.)
IR denenfenigen Gebaͤuden die in weiter Entfernung, Abends oder Mor;
gends, im Nebel oder dicker Lufft geſehen werden, wird ſich allein die
Helligkeit der von der Sonnen erleuchteten Theile zeigen, die ſich gegen den
Horizont wenden. Die uͤbrigen Theile des beſagten Gebaͤudes hingegen,
welche die Sonne nicht beſcheinet, behalten faſt die Farbe einer mittelmaͤßigen
Dunckelheit, oder ſie nehmen die Farbe des Nebels an.
Von den Proßpec einer Stade in dicer
57. OBSERVATIO. (Cap. 314.)
DAs. Auge welches eine Stadt in dicker Luft von oben herunter anſchauet,
wird gantz eigentlich die oberſten Theile von Gebäuden ſehen, welche
mehr dunckel und ausgedruckt ſcheinen, als die am unterſten Stock⸗
wercken ihres Grundes. Man wird alſo beſagte oberſte Theile , in einem
weißen Feld oder Grund warnehmen, der nichts anders als die niedrige und
dicke Lufft iſt; wovon die Urſache in der vorhergehenden 53 Obfervation
anzutreffen. WET) .
Von den Objectis, welche das Auge zwiſchen
Nebel und dicker Luft unter ſich ſiehet. 0 0%
58. OBSERVAT IO. (Cap. gl.)
9 Enn ſich die Luft ſehr nahe an dem Waſſer oder der Erden befindet, ſo
wird fie deſto dicker ſeyn. Dieſes wird durch die 19 Propof. des 2
Buchs (vielleicht in des Auchoris 1 0 von der Natur des 1
P 3 ibrii
118 Der Siebende Theil /
librii und der Bewegung des Waſſers) bewieſen, da es heiſt:Diejenige Dinge
werden ſich wenig erheben, welche eine ſehr groſſe Schwere haben; woraus
alsdenn folget, daß das Leichteſte ſich mehr erheben wird als das Schwereſte.
Von den unterſten aͤuſſerſten Theilen der ent⸗
fernten Körper.
59. OBSERVATIO, (Cap. 315.)
N unterſten Grentzen von entferneten Dingen, werden weniger merck⸗
lich ſeyn, als ihre oberſten. Dieſes ſiehet man an den Bergen und
Huͤgeln, deren Gipfel den Seiten von andern Bergen, ſo hinter ihnen
nd, zum Grund dienen, und von welchen man die oberſten Grentzen viel
eichter, als die an ihrer Grund-Linie erkennet. Denn die oberſten Gren⸗
Ken find viel dunckeler, weil ſie von der dicken Luft die ſich in den unterſten Orten
befindet, weniger eingenommen find : Und eben dieſe iſt es, welche deſagte
Grentzen von dem Grund der Huͤgel, undeutlich machet. Eben dergleichen
traͤget ſich auch an den Baͤumen, Gebaͤuden und andern Dingen zu, die ſich ſehr
hoch in die Luft erſtrecken: druͤm geſchiehet es, daß oͤffters hohe Thuͤrme, die
in weiter Entfernung geſehen werden, oben ſtarck, von unten aber ſchwach
ſcheinen, indem der oberſte Theil den Winckel der Seiten zeiget, die ſich mit
der Spitze endigen, weil fie die duͤnne Lufft nicht fo viel als die Dicke verklei⸗
nert. Und dieſes wird durch die 7. Propoſides 1 Buchs (vielleicht von des
Authoris Perſpectiv) erwieſen, welche ſaget: daß die dicke Lufft die ſich zwi⸗
ſchen der Sonne und dem Auge befindet, unten viel lichter als oben iſt.
Denn wo die Lufft ſehr weißlicht iſt, beraubet fie dem Auge viel mehr Empfinds
lichkeit von dunckelen Sachen, als wenn fie blaulicht wäre , gleich wie fie in
weiter Entfernung iſt. Die Zinnen der Veſtungen, ob ſie ſchon einen Zwiſchen⸗
Raum haben, welcher der Breite der Zinnen gleich iſt, ſcheinen gleichwol in
ihrem Zwiſchen⸗Raum breiter zu ſeyn, als die Zinnen: und in einer noch ent⸗
fernter Weite bedecket und nimmt der Zwiſchen⸗Raum die gantze Zinne ein,
alſo daß es ſcheinet, als ob die Veſtung nur eine gerade Mauer ohne Zinnen
waͤre.
Der
hre
jr
—
>
vom Mahlen / Farben und Grund. 119
.
| 3344338
EEE RER 828885 858 FRE
Der Achte Theil.
Vom
Mahlen wie auch von den Farben
und ihrem Grunde.
RER
Von der Mahlerey und ihrer Eintheilung.
I. OBSERVAT IO. Cap. 47.)
Je Mahlerey theilet ſich in zween Haut⸗Theile, davon der erſte die
Figur iſt, nemlich die Linie welche die Figuren der Coͤrper und ihre
Teilchen unterſcheidet. Der andere ift die Farbe, welche zwiſchen
den aͤuſſerſten Umriſſen enthalten.
Von den Graden der Mahlerey.
2. OBSERVAT IO. (Cap. 144.)
Asjenige was ſchoͤn iſt, iſt uicht allezeit gut. Dieſes ſage ich in Anſehung
D gewiſſer Mahler, welche die Schon eit der Farben ſo ſehr lieben, daß be
ohne ſich ein groſſes Gewiſſen daruͤber zu machen, ihren Figuren, ſehr
ſchwache Farben und faſt unempfindliche Schatten beylegen, und nicht die
geringſte Hochachtung vor die Erhebung haben. In dieſem Irrthum, ſind
fie mit denenjenigen Rednern zu vergleichen / welche viel Worte machen, Darin
nen doch kein Nachdruck ſteckt.
* Warum
120 Jan Der Achte Theil /
Warum das Weiße nicht unter die Farben ge⸗
zaͤhlet wird.
3. OBSE RV ATI O. (Cap. 1550
De Weiße iſt zwar keine Farbe, ſie hat aber eine ſolche Kraft welche ge⸗
ſchickt iſt, alle Farben anzunehmen. Wenn es in einem Felde hoch erha⸗
ben iſt, fo find alle feine Schatten blau. Dieſes flieſſet aus der aten
Propofition (vielleicht von des Authoris Perſpectiv) welche faget: daß die
Oberflaͤche aller dunckelen Coͤrper, von der Farbe ihres Gegenſtandes An⸗
theil nimmt. Denn dieſes Weiß, indem es des Lichtes der Sonnen, von der
Dunckelheit eines Gegenſtandes beraubet iſt, welches ſich zwiſchen dem er⸗
wehnten Weißen der Sonnen befindet, wird gantz weiß bleiben, ohne daß
es etwas von einer andern Farbe annimmt. Welchen Theil aber die Son⸗
ne und die Lufft ſiehet oder trifft, derſelbe wird auch von ihren beyden Far⸗
ben Antheil nehmen. Dieſer Theil herentgegen, ſo nicht von der Sonnen ge⸗
ſehen wird, bleibet dunckel, und gewinnet etwas von der Luft⸗Farbe. So
dieſes Weiße nicht das Gruͤne vom Feld biß an den Horizont, noch auch
die weiße Helle von dieſem Horizont fiehet , fo wird ohne Zweiffel das
Weiße von einer einfachen Farbe zu ſeyn ſcheinen, dergleichen die Luft hat.
Welche Farbe den ſchwaͤrtzeſten Schatten
giebt. |
4. OBSERVATIO, (Cap. 105.
a Erjenige Schatten, nimmt den mehreſten Antheil vom Schwartzen,
welcher auf einer ſehr weiſſen Oberflaͤche entſtehet, und dieſe wird die
groͤſte Neigung zu der Veraͤnderung haben, als keine andere Oberflaͤche
thut. Es ruͤhret ſolches daher, weil, wie ſchon oͤffters geſaget, das Weiße
nicht unter die Farben zu zaͤhlen, ſondern nur ſehr geſchickt iſt ſolche anzuneh⸗
men. Seine Oberflaͤche richtet ſich ſehr ſtarck nach den Farben feiner Obje-
cen, als keine andere Oberflaͤche, von welcher Farbe fie auch immer ſeyn
mag. Abſonderlich geſchiehet es, wenn fie ihr auf das aͤuſſerſte zuwider iſt, als
wie das Schwartze, oder andere dunckele Farben, davon das eie
ein
vom Mahlen / Farben und ihrem Grunde. 121
ſeiner Natur weit entfernet iſt, dannenhero ſich auch ein groſſer Unterſcheid
zwiſchen feinem Haupt⸗Licht und Schatten herfuͤr thut.
Von der Farbe des Schattens vom Weißen.
5. OBSERVAT IO. (Cap. 104.
Ay? Schatten vom Weißen, welches durch die Sonne und die Luft ers
leuchtet wird, neiget ſich auf Blau; und das daher, weil das Weiße
an ſich ſelbſt keine Farbe, aber wol ein Aufenthalt von andern Farben,
wegen der 4 Propoſit. (vielleicht von des Authoris Perſpectiv) iſt, welche ſa⸗
get: daß die Oberflaͤche eines jeden Coͤrpers, von der Farbe ſeines Gegenſtan⸗
des Antheil nimmt. Es folget derohalben nohtwendig, daß hier der Theil
der Bun Oberflaͤche, der Farbe der Lufft theilhaftig wird / welche ihr Ge⸗
genſtand iſt. Br, |
Welche Oberfläie am geſchickteſten iſt / die
Farben anzunehmen.
6. OBSERVATIO. (Cap. 123.)
J As Weiße, iſt, wie oͤffters gedacht, am geſchickteſten alle Farben anzu⸗
nehmen, als keine andere Oberfläche von einem andern Coͤrper, der
nicht ſpiegelt. Zur Probe deſſen ſaget man daß ein leerer Coͤrper Dass
jenige aufzunehmen geſchickt iſt, was andere leere Coͤrper nicht einnehmen Forts
nen. Wir ſprechen derohalben, daß das Weiße leer, oder aller Farben be⸗
raubet iſt. Wenn es nun von der Farbe eines Lichts, das beſchaffen ſeyn
mag wie es wolle, erleuchtet wird, ſo nimmt es mehr Antheil von dieſem
Licht, als das Schwartze nicht thun wird. Dieſes letztere iſt einem zerbro⸗
3 Gefaͤße zu vergleichen, welches nicht geſchickt iſt, einiges Ding in ſich
zu faſſen.
( “ I
Q Von
122 Der Siebende Theil /
— —— ——
4
— —öp:⅜⅛ſ Sn
Von dem Gruͤnſpahn der aus Kupfer gemacht
ird. |
7» OBSERVATIO. (Cap. II9.)
VBgleich dieſe Farbe, welche aus Kupffer gemachet iſt, unter Oel gethan
O wird, vergehet oder verrauchet doch ihre Schoͤnheit, wenn ſie nicht
geſchwind mit Firniß uͤberzogen wird. Sie verrauchet auch nicht al⸗
lein, ſondern man kan ſie auch, zumal bey feuchtem Wetter, mit einem
Schwamm, den man in ſchlechtes und gemeines Waſſer getauchet, von der
Tafel, worauf man fie gemahlet, gleich einer Waſſer⸗Farbe wieder abwa⸗
ſchen. Es ruͤhret ſolches von der Staͤrcke des (vitrioliſchen) Saltzes her,
woraus ſolches Spahngruͤn verfertiget iſt; welches ſich, wie geſaget, bey re⸗
gneriſchen Wetter, und ſonderlich wenn es mit einem naſſen Schwamm
gewaſchen wird, aufloͤſet.
Ein Mittel das Spahngruͤn vollkommen / und
noch ſchoͤner zu machen.
8. OBSERVAT IO. (Cap. 120.)
or man das Spahngruͤn mit Alos Cavallina (Roß⸗Aloe) vermiſchet/
wird es eine groſſe Schönheit erlangen, und noch beſſer wuͤrde es ſeyn,
wenn man Saffran darzu thaͤt, wenn er nur nicht verrauchte. Die Guͤ⸗
te der Alo&Cavallina oder Pferd⸗Aloe wird erkandt, wenn ſich ſelbige in
warmen Spiritu Vini (Wein⸗Geiſt) aufloͤſet, indem fie ſolches kalt fo leicht
nicht tuht. Nachdem man ſich nun dieſes ſchlechten Spahngruͤns , in dem
Gemaͤhlde bedienet hat, faͤhret man mit dieſer weich gemachten Alos drüber,
davon feine Farbe ſehr ſchoͤn werden wird. Ihr koͤnnet auch, wenn es euch
beliebt, dieſe Aloè entweder allein in Oel, oder auch gleich mit Spahn⸗
gruͤn und mit allen andern Farben abreiben.
Die
vom Mahlen / Farben und ihrem Grunde. 123
Die Farben in ihren Oberflächen ſchoͤn und
lebhafft zu machen.
9. OBSERVAT IO. (Cap. ro.)
Aan Farben die von ſonderbahrer Schönheit ſeyn ſollen, bereitet allezeit
einen ſehr weiſſen Grund. Dieſes ſage ich aber nur von durchſcheinen⸗
den Farben: denn welche es nicht ſind, denen hilfft der Grund nichts.
Ein Exempel hiervon geben uns die Farben der gefaͤrbten Glaͤſer, wenn ſie
zwiſchen das Auge und die helle Lufft geſetzet ſind. Denn alsdenn erſcheinen
ſie von einer fuͤrtrefflichen Schoͤnheit, welches ſie aber nicht thun koͤnnen,
wenn ſie eine ſehr truͤbe Lufft oder eine andere Dunckelheit hinter ſich haben.
Von der Veraͤnderung der durchſcheinenden
Jarben Die über andere geleget werden/ auch wie ſie
ſich mannigfaltig auf einander beziehen.
10. OBSER VAT IO. Cap. rg.)
Enn man eine durchſcheinende Farbe uͤber eine andere leget, die ihr un⸗
DIR gleich iſt, fo wird eine Zuſammenſetzung von zweyen einfachen daraus,
N von denen ſie zuſammen geſetzet worden. Dieſes ſiehet man an den
Rauch der aus dem Camin koͤmmt, welcher, wenn er ſich gegen den ſchwar⸗
ken Ruß ſolches Camins befindet, ſcheinet er blau, wenn er aber gegen die
blaue Lufft in die Höhe ſteiget, ſcheinet er grau⸗braun, oder roͤthlicht. Alſo
guch Purpur (im Italiaͤniſchen ſtehet Pavonazzo, recht Dunckel- Blau )
über Blau gezogen machet Violet oder Viol⸗Blau, und Blau über Gelb,
wird grun. Der Safran oder dergleichen Farbe uͤber Weiß wird gelb.
Alles Helle uber Dunckte machet blau, und zwar um fo viel ſchoͤner, als das
Helle und Dunckele ſehr ausbuͤndig ſeyn wird. f
22 Von
*
124 Der Achte Theil /
Von der Stellung durchſcheinender Loͤrpe
zwiſchen das Auge und das Object.
11. OBSERVATIO. (Cap. 357.)
E groͤſſer die durchſchneidende Stellung zwiſchen dem Auge und den Ob-
I je&t iſt, um fo viel mehr wird ſich die Farbe des Objects in die Farbe
des darzwiſchen geſetzten durchſcheinenden Objedts verändern.
Wenn hingegen ein Obje&t ſich zwiſchen das Auge und das Licht, durch
die Central-oder Mittel⸗Linie ſtellet, welche fich zwiſchen dem Mittel⸗Punct
des Lichts und Auges befindet, fo wird alsdenn ſolches Object, des Lichtes
gantz und gar beraubet ſeyn.
Von der Verminderung der Farben / durch die
zwiſchen fie und das Auge geſetzte Körper.
12. OBSERVAT IO. (Cap. 136.)
S wird ſich ein ſichtbares Ding in feiner natürlichen Farbe um ſo viel we⸗
niger zeigen, wenn das, was man zwiſchen daſſelbe und das Auge ſetzet,
von groſſer Dicke iſt.
Wie das Schoͤne ren im Lichte ſtehen
b
13. OBSERVATIO. (Cap. 118.)
Wenn wir ſehen, daß die Beſchaffenheit der Farben des Lichts zu erken⸗
nen iſt, ſo muß man urtheilen, daß man auch allda die wahre Beſchaf⸗
fenheit der erleuchteten Farbe mehr ſehen kan wo ſich das meiſte Licht
befindet: wo es aber am meiſten finſter iſt, daſelbſt wird die Farbe von der
Farbe ſolcher Finſterniß, defto mehr an ſich nehmen. Es ſoll derohalben ein
Mahler ſich erinnern, daß er die wahre Beſchaffenheit der Farbe, bey dieſem
erleuchteten Theil zu erkennen geben muß.
Von
vom Mahlen / Farben und ihrem Grunde. 125
Von den Farben.
14. OB SERVAT IO. (Cap.ıszo.)
Dat Farbe, welche fich zwiſchen dem ſchattigten und erleuchtet en Theil
eines dunckelen Coͤrpers befindet, ſoll nicht fo ſchoͤn ſeyn, als der völlig
erleuchtete. Denn die hoͤchſte Schönheit der Farben , muß in dem
vornehmſten Licht enthalten ſeyn.
Wie alle Farben welche keinen Glantz haben / in
ihren lichten Theilen viel ſchoͤner als in den
dunckelen ſeyn.
15. OBSERVAT IO. (Cap. 115.)
Ed jede Farbe, iſt auf ihrer erleuchteten Seite viel fehöner „ als an der
ſchattigten. Dieſes koͤmmt daher, weil das Licht ſelbige gleichſam leben;
dig machet, und eine wahre Erkaͤndtniß von der Farbe giebt. Der
Schatten hingegen, verdunckelt und toͤdtet gleichſam dieſe Schoͤnheit, und
verhindert die Erkaͤndtniß ſolcher Farbe. So nun im Gegentheil das Schwartz
viel 3 im Schatten als im Licht iſt, ſo folget, daß das Schwartze keine
Farbe iſt. ö
Welcher Theil von einerley Farbe / ſich in einem
Gemaͤhlde am ſchoͤnſten zeiget.
16. OBSERVATIO. (Cap. Ig.)
Jer iſt zu mercken, welcher Theil von einerley Farbe ſich in einem Gemaͤhl⸗
de viel ſchoͤner zeiget, ob es derjenige der einen Glantz hat, oder der ſo
ein Licht beſitzet, oder welcher einen halben, einen dunckeln oder auch ei⸗
nen durchſcheinenden Schatten hat. Man muß hernach wiſſen, von was
vor einer Farbe hier die Rede iſt. Denn unterſchiedliche Farben haben in un⸗
terſchiedlichen Theilen ihre Schoͤnheit von ſich ſelbſt, als das Schwartze hat
ſeine Schoͤnheit im Schatten; das Weiſe, 5 und Rothe in an
3 9
136 Der Achte Theil /
das Blau, Grün, Caſtanien⸗Braun, und Lacc im Halb⸗Schatten, und Gold
im Wiederſchein. 20
Von der Schönheit der Farben in Säatten,
17. OBSERVATIO. Cap. 1530
( Jeienigen Farben welche in Schatten geſetzet ſind, werden um ſo viel
mehr oder weniger von ihrer natuͤrlichen Schoͤnheit erhalten, als ſolcher
Schatten nach Proportion, viel oder wenig dunckel iſt. Befindet ſie
ſich aber in einem lichten Raum, ſo uͤberkommen fie eine um fo viel groͤſſere
Schönheit, nachdem nemlich gedachter Raum eine hoͤhere Helligkeit innen
hat. Es koͤnte zwar jemand einwenden, daß die Veraͤnderung in der Farbe des
Schattens, eben ſo groß als die Veraͤnderung der Farben ſeh, welche die ſchat⸗
tigten Dinge haben: allein ich antworte, daß die in den Schatten geſetzte Farben,
viel weniger Veraͤnderung unter ſich zeigen werden, als der Schatten wor⸗
innen ſie geſtellet ſind, ſehr dunckel ſeyn wird. Hievon kan derjenige ein Zeu⸗
ge ſeyn, welcher von auſſen auf einem Platz, durch die innere Pforte eines dun⸗
ckelen Tempels wahrnimmt, wie die mit vielen bundten Farben angefüllte Ge⸗
maͤhlde, gantz dunckel und finfter ſcheinen. =)
Von Vermiſchung der Farben einer mit
| der andern.
18. OBSERVA TIO, (Cap. 121.)
B ſchon die Vermiſchung der Farben eine mit der andern, ſich unendlich
. weit erſtrecket, will ich doch nicht unterlaſſen, hier nur obenhin etwas
davon zu gedencken. Wir wollen erſtlich eine gewiſſe Zahl von einfachen
Farben nehmen, die zum Grund der andern dienen, und von einer jeden der⸗
ſelben, eine mit der andern vermiſchen, nemlich eine mit der andern, und hernach
zwo mit zweyen, drey mit dreyen, und ſo weiter biß zum Ende der völligen Zahl
von allen Farben. Man faͤnget alsdenn wieder von fornen an, und miſchet
zwo mit zweyen, drey mit dreyen, und denn vier mit vieren, und ſo weiter mit
allen übrigen. Zu ſolchen zwo vierfachen Farben ſetzt man noch drey, zu die⸗
ſen dreyen noch andere drey, und ferner ſechs; wornach man mit dergleichen
Vermiſchung nach allen Proportionen fortfahren ſoll. Einfache Farben nen⸗
e
vom Wahlen / Farben und ihrem Grunde. 1527
ne ich diejenigen, welche nicht zuſammen geſetzet find / noch vermittelſt der
Vermiſchung anderer Farben koͤnnen zuſammen geſetzet werden. Ob glei
Schwartz und Weiß nicht unter die Farben gehoͤren, weil eine diggen
die andere das Licht vorſtellet „indem die eine die Beraubung oder Entzie⸗
hung, und die andere die Herfuͤrbringung deſſelben iſt: fo will ich ſie doch
darum nicht vorbey gehen, weil fie in der Mahlerey die vornehmſten heiſſen;
geſtalten die gantze Mahlerey aus Licht und Schatten, oder aus dem Hellen
und Dunckelen zuſammen gefüget iſt. Nach dem Schwartz und Weiß, fols
get Blau und Gelb, ferner Gruͤn und Loͤwen⸗Gelb, alsdenn Kaſtanien⸗Braun
(Tannen⸗oder Lohe⸗Farb.) Tané oder vielmehr Ocker, weiter Morell.
oder Viol- Blau und Roth: Und dieſes find acht Farben, deren man nicht
mehr in der Natur hat. Weil mir hier das Pappier mangelt, werde ich
dieſen Unterſcheid in einem beſondern Werck weitlaͤufftig abhanbeln ; indem
ſolches nicht allein ſehr nuͤtzlich, ſondern auch nothwendig iſt. Die erwehnte
Fee aber wird ihren Platz zwiſchen der Theorie und Practice
riegen. a
Von den Farben die aus Vermiſchung anderer
Farben ene / 117 5 man die zweyten
ren nennet.
19. OBSERVAT IO. (Cap. 161.)
Nter allen einfachen Farben, ft Weiß die erſte, ob gleich die Philofo-
u phi (Weltweiſen), wie ſchon gedacht, das Weis und Schwartz, daruͤm
nicht unter die Farben zaͤhlen, weil die eine nichts ‚als eine hervorbrin⸗
gende Urſache der Farben, und die andere eine Beraubuns derſelben iſt. In⸗
dem aber ein Mahler ohne ſelbige nichts verfertigen kan, fo ſetzen wir ſiebil⸗
lich unter die Zahl der andern, und ſagen: daß der Ordnung nach, unter
den einfachen, Weis die erſte, Gelb die andere, Gruͤn die dritte, Blau
die vierte, Roth die fünfte, Schwartz die fechfte ſt. Das Weis, nehmen
wir vor das Licht, weil man ohne ſelbiges keine Farbe erkennen kan. Ferner
das Gelbe vor die Erde, Gruͤn vor das Waſſer, Blau vor die Luft, Roth
vor das Feuer, und endlich das Schwartz vor die Finſterniß, welches ſich uͤber
dem Element des Feuers befindet; maſſen allda keine Materie oder Dicke
iſt, wo die Sonnen Strahlen durchdringen, oder anſchlagen, folglich eine Er⸗
leuchtung machen koͤnnen. Wenn ihr die Veraͤnderung aller zuſammen ge⸗
festen Farben in einem kuͤrtzen Begriff ſehen wollet, fo nehmer gefärbte 1 5
er,
971 Der Achte Theil /
fer ‚wodurch ihr die Farben derjenigen Dinge, die ſich hinter ſolchem Glaß
in Felde befinden, mit der Farbe des vorbeſagten Glaſes voͤllig vermiſchet ſe⸗
hen, und daraus die Farbe erkennen werdet, die ſich mit dergleichen Ver⸗
miſchung vertraͤget, oder dadurch verdorben wird; woferne das vorbeſagte
Glas zum Beyſpiel gelb waͤre, ſo ſage ich, daß die Bildniſſe oder Geſtalten
von den Objeckis, welche durch ſelbiges nach dem Auge gehen, ſich fo fo wohl
verſchlimmern als verbeſſern koͤnnen. Die Verſchlimmerung in dergleichen
Farbe vom Glaß, geſchiehet in Blau und Schwartz und in Weis mehr als in
den uͤbrigen allen. Die Verbeſſerung herentgegen, begiebt ſich in Gelben, und
im Gruͤnen uͤber alle andere. Solcher geſtalt kan man mit den Augen alle
Vermiſchung der Farben durchlauffen, die aber unendlich find, Durch
dieſe Art erlanget man zugleich die Wahl von neuen Erfindungen vermiſch⸗
ter und zuſammen geſetzter Farben. Eben dergleichen laͤſſet ſich auch mit
zweyen und mehr Glaͤſern von unterſchiedenen Farben bewerckſtelligen, die vor
das Auge gehalten werden.
Nota. Hier brauchet der Italiaͤniſche Tert, das Wort peggioramento,
eine Verſchlimmerung; der Frantzoͤſiſche hingegen, redet von Alte-
ration oder einer Veraͤnderung, welches uns nicht ſo gut, als das
erſte ausgedruͤckt zu ſeyn ſcheinet.
Wie man die Farben dermaſſen zuſammen ge⸗
ſellen ſoll, daß eine der ander eine Annehmlichkeit
giebt.
20. OBSERVATIO. (Cap 99.)
cr ihr wollet, daß eine Farbe der andern die ſich zu ihr nähert , eine An⸗
nehmligkeit geben ſoll, fo bedienet euch der Regul die man bey den
Strahlen der Sonnen in Herfuͤrbringung des Regenbogens beobach⸗
tet; da die Farben in der Bewegung des Regens entſtehen, indem ein jeder
Tropfen, im Herunterfallen, ſich in jede Farbe vom Regenbogen veraͤndert,
wie an ſeinen Ort bewieſen worden.
Mercket itzt, wenn ihr eine trefliche Dunckelheit vorſtellen wollet, fo ſe⸗
tzet ihr durch gegen Einanderhaltung eine ausbuͤndige Helle entgegen, und
hinwiederum einer ungemeinen Helle, die höchfte Dunckelheit; zum Beyſpie
das Bley⸗Gelbe wird das Rothe weit lebhaffter und gleichſam brennend
machen, welches in Vergleichung des Pfauen⸗Blau, oder ee
AvO-
.
vom Mahlen / Farben und ihrem Grunde. 129
n ——
(Pavonazzo) nicht geſchiehet. Es iſt noch eine andere Regul, welche ſich
nicht auf das beziehet, wie die Farben an ſich ſelbſt an Schönheit viel heller
und herrlicher zu machen, als fie natürlicher Weiſe find; ſondern daß bey ih⸗
rer Zuſammenkunft, eine der andern Anmuht giebet, wie das Gruͤn beym
Roth. Im Gegentheil ſchicket ſich Gruͤn und Blau nicht wol zuſammen.
Endlich giebt es noch die zweyte Kegul die aus einer unangenehmen Zu⸗
ſammenfuͤgung entſtehet. Als Laſur⸗ Blau mit Weis oder Gelb, welches
ſich auf Weis neiget, und noch mehr andere, von denen an feinem Ort Mel⸗
Dung geſchehen ſoll.
Nota. Hier ſpricht der Frantzoͤſſche Tert: II y a des couleurs qu'on peut
fort bien aſſorrir, par ce que leur union les rend plus agrea
bles &c. das iſt: Es giebt Farben, die man ſehr wol zuſammen fuͤ⸗
gen kan „ weil fie ihre Vereinigung annehmlicher machet; welche
Farben diejenigen ſeyn ſollen, ſo wir bier genennet haben. Der
Italiaͤniſche Text hingegen redet juſt das Gegentheil, weil er dieſe
Juſammenfuͤgung dilgrata compagnia, eine unannehmliche Geſell⸗
ſchaft oder Zuſammenkunft heiſſet. |
Von der Natur der einander entgegen geſetz⸗
ten Farben.
2I. OBSERVAT IO. (Cap. 146.)
e ſchwartze Kleider machen die Carnation (das Fleiſch) an den kiguren,
If viel heller als es in der That nicht iſt. Die Weiſe herentgegen verurſa⸗
chet, daß fie viel dunckler ſcheinen. Gelbe Kleider erheben die Colorit
(die Farben in einem Gemaͤhlde) über alle andere; da hingegen die rothen fie
ſehr blaß und bleich machen.
Von den Feldern oder dem Grunde der Ge⸗
maͤhlde.
22. OBSERVATIO. (Cap. 334.)
f * aller vornehmſte Theil in der Mahlerey ‚ift der Grund von gemahl⸗
ten Sachen, worauf die aͤuſſerſten a natuͤrlichen Dinge die
eine
130 Der Achte Theil /
eine erhabene Kruͤmme beſitzen, allezeit zu erkennen ſind, wenn gleich die Far⸗
be ſolcher Coͤrper, mit der Farbe des vorbeſagten Grundes, einerley iſt. Die⸗
ſes ruͤhret daher, weil die aͤuſſerſten erhabenen Theile der Coͤrper nicht auf ei⸗
nerley Art erleuchtet werden, als wie das von eben demſelben Licht erleuchtete
Feld oder der Grund; maſſen dieſe aͤuſſerſten Theile öfters viel heller oder
Dunckeler als ſolches Feld find. - Wenn aber berührte aͤuſſerſte Theile, mit
dem Grund einerley Aber haben, ſo wird ſonder Zweiffel, dieſes Stuͤck des
Gemaͤhldes, jn der Erkaͤndtniß derFigur von dergleichen aͤuſſerſten Theilen, ſehr
undeutlich ausfallen. Eine ſolche Wahl bey Gemaͤhlden, iſt von dem Ingenio
eines guten Mahlers wol zu meyden. Denn es ſoll die Abſicht des Mahlers
hauptſaͤchlich dahin gehen, wie alle Sachen ſich von ihrem Grunde wohl erhe⸗
ben moͤgen: da hingegen im erſtgedachten, nicht nur in Mahlereyen, ſondern
auch in erhabenen oder runden Dingen, ſich das Gegentheil ereignet.
Von den Feldern der gemahlten Sachen.
23. OBSERVATIO. (Cap. IAI.)
Siſt eine Sache von groſſer
Wichtigkeit, einen oder mehr -
dunckele Coͤrper, vermittelſt
eines tauglichen Feldes oder Grun⸗
des, nach ihrem Schatten und
Licht, mit guter Wuͤrckung an das
rechte Ort zu ſtellen. Denn es
ſoll allezeit des Tages oder des
Lichts Seite, gegen ein dunckeles
Hi ? Feld; hingegen die ſchattigte Sei⸗
5 te gegen einen lichten Grund ge⸗
ll 5 =. ſetzet ſeyn , wie die beygefuͤgete
S Fe Figur ausweiſet.
Was vor ein Feld Mahler bey ſeinen Figuren
|
Tig 45.
WN
=|
—
ES:
=
=
H —
.
=
=
=
N!
Wo ſehen aus der Erfahrung, daß alle Coͤrper mit Schatten und Licht
1 1 11 i umgs⸗
*
vom Mahlen / Farben und ihrem Grund. 131
umgeben ſeyn: druͤm rahte ich einem Mahler überhaupt, daß er allezeit die ers
leuchtete Theile von feiner Figur gegen ein dunckeles Feld, hingegen die dun⸗
ckele gegen ein lichtes ſetze. Die Beobachtung dieſer Regul wird viel zur Er⸗
hebung der Figuren beytragen.
Die Figuren über ihren Grund zu erheben.
25. OBSERVATIO. (Cap. 288.)
St eure Figur dunckel, fo ſetzet fie in ein lichtes Feld, ift fie aber hell, in ein
dunckeles. Wenn ſie hell und dunckel zugleich iſt, ſo ſetzet ihr dunckeles
Theil gegen das lichte, und das lichte Theil gegen das dunckele Feld.
Von der Gleichheit des Grundes der Tafeln / mit
den darauf gemachten Figuren: und erſtlich von der
flachen Oberfläche einfoͤrmiger Farben.
26. OBSERVATIO. (Cap.304.)
DI: Felder einer jeden flachen Dberfläche, der geen Farben und
Lichter, werden von ihrer Oberflaͤche nicht abgeſondert ſcheinen, wenn
ſie einerley Farbe und Licht haben. Sind ſie herentgegen darin⸗
nen unterſchieden, ſo wird man dergleichen wol an ihnen wahrnehmen.
Von den Feldern der Figuren.
27. OB SERVAT IO. (Cap. 160.)
Wed man die Felder der Figuren alſo einrichtet, daß das Helle ins
Dunckle, das Dunckle in das Helle, das Weiſe in das Schwartze,
und das Schwartze in das Weiſe koͤmmt ‚fo wird eines gegen das ans
dere viel ſtaͤrcker ſcheinen. Eben fo wird ſich im Gegentheil , eines gegen
das andere, immer nachdruͤcklicher herfuͤr tuhn.
R 2 Von
Von Feldern der Figuren gemahlter
Coͤrper.
28. OBSERVATIO. Cap. 1540
D Feld welches die Figur eines gemahlten Dinges umgiebet, ſoll viel
dunckeler als der erleuchtete Theil beſagter Figur, und viel heller als der
ſchattigte oder dunckele ſeyn.
Zu machen daß die Figuren ſich uͤber ihren
Grund erheben.
29. OBSERVATIO. (Cap. 700
enge Figuren eines jedweden Coͤrpers, ſcheinen eine viel gröffere Er⸗
hebung zu haben, und ſich vielmehr von dem Grunde ihrer Tafeln zu er⸗
heben, wenn das Feld oder der Grund derſelben, bey ihren Umriſſen mit dun⸗
ckelen und lichten Farben in der groͤſten und immer moͤglichſten Abwechſelung
vermiſchet ſeyn wird; gleichwie ich ſolches am gehörigen Ort zeigen will. Über -
dieſes, ſoll in beſagten Farben die Abnahme der Helligkeit in weiſen / und die
Dunckelheit in dunckelen Farben wohl beobachtet werden.
Von den Feldern die ſich zu jedem Schatten und
Licht ſchicken.
30. OBSERVAT IO. (Cap. 137.0)
N Sejenigen Felder welche mit dem Schatten und Licht, auch mit den ers
ANaeuchteten und ſchattigten Umriſſen von einer jedweden Farbe, ſich wohl
zuſammen ſchicken, werden ſich mehr von einander abſondern, wenn ſie ſehr
von einander unterſcheiden ſeyn. Es ſoll ſich nemlich niemals eine dunckele
Farbe auf einer ebenfals dunckelen, ſondern auf einer viel andern endigen , als
wie das Weiſe, oder was ſonſt in ſo weit etwas Weiſes bey ſich fuͤhret, daß
es dunckler iſt, oder ſich auf das Dunckele neiget. a
Von
132 Der Achte Theil /
vom Mahlen / Farben und ihrem Grunde. — 133
Von der Natur der Farben des Feldes worauf
das Weiſe geleget wird.
31. OBSERVATIO, (Cap. 1390
E weiſes Object, wird auf einem ſehr dunckelen oder braunen Grunde,
viel weiſer, hingegen viel dunckler ſcheinen, wenn ſich ſelbiges auf einem
weiſen Grunde befindet. Man beobachtet ſolches an den Schneeflocken /
wenn man ſie gegen die helle obere Luft als ihren Grund anfchauet , da fie:
gantz dunckel zu ſeyn ſcheinen. Wenn man ſie aber gegen ein offenes Fenſter
betrachtet, wodurch man die Dunckelheit des Schattens eines Hauſes wahr⸗
nimmt, als denn wird der Schnee ſehr weis ſeyn. Es duͤncket uns, als ob die
Schneeflocken in der Naͤhe mit groſſer Geſchwindigkeit, hingegen in der Fer⸗
ne ſehr langſam herunter fielen. In der Naͤhe ſcheinen fie von emer ſtets fort⸗
waͤhrenden Groͤſſe, gleichſam wie weiſe Stricke oder Seyle zu ſeyn, da ſie ſich
im Gegentheil in der Weite von einander abſondern.
Was man vor ein Mittel gebrauchen ſoll / wenn
ſich Weis auf Weis, und Dunckel auf Dunckel
| endiget. |
32. OBSERVAT IO. (Cap. 138.)
Enn ſich die Farbe eines weiſen Coͤrpers zufaͤlliger Weiſe auf einem wei⸗
W̃᷑ ſen Grunde endiget, alsdenn werden dieſe zwo weiſe Farben entweder
einander gleich ſeyn oder nicht. Sind ſie einander gleich, ſo wird die
naͤchſte an den Grentzen, die ſie mit beſagten Weiſen machet, ein wenig dun⸗
ckeler ſeyn. Iſt aber der Grund nicht ſo weis als die Farbe des Coͤrpers,
der ſich darinnen befindet, fo wird er von ſich ſelbſt, ohne Huͤlffe einiger
dunckelen Endigung, wegen ſeines Unterſcheides, ſich aus ſeinem Grunde
heraus begeben.
00 (: *
R 3 Zu
134 Der Achte Thel /
Zu machen / daß die Sachen von ihrem Grunde /
worauf ſie gemahlet ſeyn, frey ſtehend
ſcheinen.
33. OBSERVATIO, (Cap. 342.)
D haue Sachen, welche auf einem weiſen und erleuchteten Grunde
gemachet ſind, werden vielmehr Erhebung haben, als in einem ſchwar⸗
gen. Die Urſache iſt folgende: Wenn ihr euren Figuren eine Erhe⸗
bung geben wollet, ſo machet ihr gemeiniglich, daß derjenige Theil vom Coͤr⸗
per, welcher ſehr weit vom Licht abgeſondert iſt, auch wenig von dieſem Licht
Antheil nimmt, und dahero ſehr dunckel bleibet, mithin ſich ferner noch mehr
in einem dunckelen Felde endiget, und alſo nothwendig von undeutlichen Um⸗
riſſen ſeyn muß. Wenn derohalben hier kein Wiederſchein zu Huͤlffe koͤmmt,
ſo bleibet das Werck ohne Annehmlichkeit, daß von weiten nichts als das
lichte Theil zu fehen „ und die dunckele Seite mit dem Grund eines ſeyn
wird: drum ſcheinen alsdenn die Objecta weniger abgeſondert und erhoben
als fie doch thun ſolten, weil das Feld dunckel iſt. |
Von den Farben die fich in Vergleichung ihres
Grundes in * Weſen zu veraͤndern
einen.
34. OBSERVAT IO. (Cap. Iz.)
Eine Endigung von einer einfoͤrmigen Farbe, wird gleich zu ſeyn ſcheinen,
wenn fie ſich nicht in einem Felde endiget, das ihr an Farbe gleich iſt.
Dieſes ſiehet man klaͤrlich an dem Schwartzen, wenn ſich ſolches an
dem Weiſen endiget. Denn eine jede Farbe ſcheinet an den Grentzen ihrer ent⸗
gegen geſetzten, viel trefflicher als ſie in deren Mitte thun wird.
92 809 925052
en '
Von
—
vom Mahlen / Farben und ihrem Grunde. 135
— ——
Von den Feldern der Figuren.
35. OBSERVATIO. (Cap. 140.)
I denenjenigen Sachen die aus gleicher Klarheit beſtehen, werden dieſe
weniger Klarheit an ſich haben, die man in einem Felde von noch hö-
here Weiſe betrachtet: Und diejenigen werden ſehr weis ſcheinen, welche
man in einen ſehr dunckelen Felde oder Raum anſchauet. Fleiſchfarb ſcheinet in
einem rothen Felde ſehr blaßzhingegen das Blaße in einem gelben Felde, roͤht⸗
licht. Solchem nach werden die Farben alſo beurtheilet, wie ſie es doch nicht
find ‚und dieſes wegen des Grundes welcher ſie umgiebet, dadurch ihre natuͤrli⸗
che Farbe ſich dem Anſehen nach veraͤndert.
Von dem Unterſcheid / in Vergleichung der
Oberflaͤche und eines dichten Körpers bey einem
Gemaͤhlde.
36. OBSERVATIO. (Cap. 305.)
Des gleichſeitigen und gleichwincklichten Coͤrper ſind von zweyerley Ar⸗
ten. Die erſte haben eine krumme, ablange oder Circkul runde Oberffaͤ⸗
che. Die andern ſind mit einer gleich - oder ungleichſeitigen Oberflaͤche
umgeben. Die runden oder ablang runde Coͤrper, erſcheinen allezeit von ihren
Feldern abgeſondert zu ſeyn „obgleich ein ſolcher Coͤrper mit ſeinem Grunde
von einerley Farbe iſt. Eben dieſes traͤgt ſich auch bey ſolchen Coͤrpern zu
die Seiten haben. Die Urſache iſt, weil ſie durch eine von ihren Seiten faͤ⸗
hig ſeyn, einen Schatten zu verurſachen, dergleichen ſich bey einer ebenen
Oberflaͤche nicht ereignen kan.
88888888
Von
u
436 b Der Achte Theil /
Von den Dingen die in ein helles Feld geſetzet
ſind: und warum dieſer Gebrauch in der Mahlerey
N ſehr nuͤtzlich iſt.
Fig f%
7 7 Am V
*
Wenn ein dunckeler Coͤrper ſich in einem Felde von hellen und erleuchte⸗
ten Farben endiget, fo wird er noztwendig von ſolchem Felde erhoben
und davon abgeſondert zu ſeyn ſcheinen. Es geſchiehet dieſes darum,
weil diejenigen Coͤrper die aus einer krummen Oberflaͤche beſtehen, in dem
gegenuͤber geſetzten Theil ſich nohtwendig ſchatticht machen, indem ſie allda
von den Strahlen des Lichts nicht koͤnnen getroffen werden. Da nun dieſer
Ort ſolcher Stralen beraubet iſt, weichet er ſehr von feinem Felde ab, und
das erleuchtete Theil von dieſem Coͤrper, wird ſich niemals in ſelbigem erleuch⸗
teten Felde, mit ſeiner vornehmſten Helle endigen: anerwogen, ſich zwiſchen
dem Felde und dem haupt Licht des Coͤrpers, ein Ende vom Coͤrper ſetzet, wel⸗
ches . Sachen nach, dunckeler als das Feld, und das Licht vom Coͤr⸗
per iſt.
Von der Natur der Umriſſe von Körpern über
andere Körper. 5
38. OBSERVAT IO. (Cap. 294.)
DH ein Coͤrper von einer erhabenen Dberfläche,fich auf einem andern
Coͤrper von gleicher Farbe endiget, ſo wird der Umriß oder die Endi⸗
5 gung
vom Mahlen / Farben und Grunde. 137
.
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gung von dem erhabenen viel dunckeler als der andere Coͤrper ſcheinen, wor, is r
auf ſich der erhabene endiget. Der Rand, von einer gleichliegenden Stan⸗
ge, wird in einem weiſen Felde uͤberaus dunckel, hingegen in einem dunckelen,
viel heller als ſeine andere Seite ſcheinen, ob gleich das Licht, ſo uͤber die
beſagte Stange hinfaͤllet, ihr an Helligkeit gleich iſt.
Nota.“ Dieſe Worte: Der Rand von einer gleichliegenden Stange, wird
in einem weiſen Felde uͤberaus dunckel ſcheinen; giebt der Fran⸗
köifche Text alſo: A! égard des ſuperficies plates, leur terme
aroitra fort obfcur fur un fond blanc; das iſt: In Anſe⸗
ung der ebenen Dberflächen, ſcheinet ihre Endigung oder ihr
Rand, in einem weiſen Felde ſehr dunckel. Weil aber das Ita⸗
liaͤniſche Wort Lhaſte, zwar auch auf eine Oberflaͤche, aber auf
eine erhabene zielet, dergleichen an einer Stange, oder an dem
Stiele eines Spieſes zu ſehen iſt, ſo duͤncket ans, als ob die Mei⸗
nung des Frantzoͤiſchen Überfegers , auch darum nicht guͤltig genug
ſey, indem eine ebene Oberflaͤche, bey ihren aͤuſſerſten Endi⸗
gungen, ſich nicht ſo ſehr veraͤndert. a
S Manier,
138 | Der Achte Thel /
—
Manier, die Farben auf Leinwand zu tragen.
39. OBSERVATIO. (Cap. 353.)
S Wenne eure Leinwand in eine Rahme, und gebet ihr einen Grund von
duͤnnen Leim. Wenn ſie wohl trocken worden, fo zeichnet eure Figu-
ren darauf, und gebet ihnen die Incarnation(Feiſchfarbe)mit einemPin⸗
ſel von Schweins-Porſtenzleget ihnen auch, weil ſie noch naß ſeyn, nach eurer
Manier, gelinde Schatten bey. Die Incarnation kan von Bleyweis, Lack und
Gelb, * der Schatten aber aus einer Swaͤrtze von Ambra und ein wenig Lack
ſeyn, worunter ihr, wenn ihr wollet, etwas vom ſchwartzen Stein thun koͤn⸗
net. Nachdem ihr alles wohl vermahlet, ſo laſſet es trocknen. Alsdenn
überfahret es trocken mit einem in Gummi-Waſſer eingetauchtem Lack, wel⸗
ches um fo viel beſſer, wenn es lange in Gummi. Waſſer geſtanden iſt, indem es,
wenn man es brauchet, keinen Glantz verurſachet. |
Im Fall ihr aber den Schatten dunckeler zu machen begehret, ſo nehmet
zu obbeſagten Gummi, geweichten Lack, oder Dinte. Mit dieſem Schatten
koͤnnet ihr viele Farben, als Blau, Lack und unterſchiedliche andere Schatz
ten ſchattiren, weil er durchſcheinend iſt. Ich ſage auch, daß ſich unterſchied⸗
liche Lichter mit ſchlechten in Gummi geweichtem Lack, ohne Vermiſchung
über Lack, oder über vermiſchten und trocken Zinnober, ſchattiren laſſen.
Nota.“ Hier heiſt es im Italiaͤniſchen: ! ombra ſarà nero, e majorica, e
un poco di lacca, o vuoi lapis duro: und im Frantzoͤiſchen : la
teinte del ombre ſera compoſèe de noir & de terre d ombre, ou
d un peu de lacque; fi vous voulez, avec de la pierre noire.
Das iſt, die Farbe des Schattens, muß aus Schwartz und Um-
briſcher Erde (ſonſt Creta Umbria, eine braune Kreide genandt,)
oder mit ein wenig Lack, und wenn es beliebig mit ſchwartzen Stein
verfertiget fein. Wobey zu mercken, daß der Italiaͤniſche Text, unter
dem Wort majorica, vielleicht nichts anders, als eine Art Umbri—
ſche Erde verſtehet, die in der Inſel Majorca anzutreffen iſt. Was er
aber mit lapis duro eigentlich haben will, den der Frantzoͤiſche
Text pierre noire, einen ſchwartzen Stein heiſſet, das iſt nicht fuͤg⸗
lich zu entſcheiden. Wir haben das letzte daruͤm behalten, weil es et⸗
wan eine ſchwartze um Mahlen tauchliche Erde bedeutet.
Eine
vom Mahlen / Farben und Grunde. 139
Eine Gemaͤhlde mit einem unvergaͤnglichen
Fuͤrniß zur überziehen.
40. OBSERVATIO. (Cap. 352.)
euren euere Figuren auf fehr feines Pappier das recht glatt und eben
—— — — —
auf eine Rahme gezogen worden. Alsdenn gebet demſelben eine gute und
dicke Lage von Pech und Ziegelſteinen. Nach dieſem gebet ihm noch ei—
ne andere Lage von Bleyweis und Gelb. Endlich ſtreichet die Farben auf
euere Zeichnung / und uͤberziehet fie mit Firniß von alten, klaren, dicken Oel,
und klebet ſie 5 5 recht flaches Glaß. Es iſt aber beſſer, wenn man eine
Tafel von gebrandter und wol glaſſirter Erde nimmt, und ihr die vorbeſagte La⸗
ge von Weis und Gelb giebt. Wenn man hernach darguf gemahlet und Fuͤr⸗
niß darüber gezogen hat, ſo klebt man ein Cryſtall Glaß mit ſehr klaren Fuͤrniß
auf die obbemeldte glaſurte Tafel. Laſſet aber ſolches Gemaͤhlde vorher in ei⸗
ner Badſtube wohl austrocknen, und uͤberziehet ſie alsdenn mit Fuͤrniß von
Nuß⸗Oel und Agtſtein, oder nur allein mit Nuß⸗Oel, welches in der Sons
ne dicke gemachet worden. .
Nota.“ Wenn es bey dieſer Obſervation, im Italiaͤniſchen Text heiſſet:
appica il vetro criftallino con la vernice ben chiaraa eſſo ve-
tro, das ift: klebet das cryſtall Glas mit einem ſehr klaren Fürs
niß, auf die glaſurte Tafel; fo ſtehet im Frantzoͤſſchen: Man ſoll
auf die glaſurte Tafel Fuͤrniß ſtreichen und ſie mit einem hellen Cry—
ſtall bedecken: dahero will uns das letztere nicht allerdings der Sa⸗
che gemaͤß zu ſeyn ſcheinen.
Der Frantzoͤiſche Überſetzer, macht auch unter dieſes Capitel folgende Ans
merckung: Die Erfindung, welche man in den gegenwaͤrtigen Zeis
ten erlanget, daß man mit ſolcher Vollkommenheit durch das email-
liren auf Metalle mahlet , will ſich zu den Titel dieſes Capitels
* gar fuͤglich ſchicken. Sie iſt auch viel vortrefflicher als diejenige
Manier, welche der Author hier beſchrieben hat. 0
Es erhellet im 1 0 aus dieſer und der vorhergehenden Obſer vation,
daß die Oel Mahlerey zu des Authoris Zeiten, noch nicht ſtarck muß
fe im Brauch geweſen ſeyn: und daß man dazumal vermuhtlich
die Waſſer⸗Farben wird mit einem Fuͤrniß uͤberzogen habe.
S 2 Der
140 Der Neunte Theil /
TN
2
&
EEE TIEREN TIER IT TE TITEL ERE TE
Der Heunte Theil.
Von |
Hiſtoriſchen Gemaͤhlden.
REN Net- de- RT TER
Von der Beurtheilung / oder dem Judicio uber
a die Arbeit eines Mahlers.
1. OBSERVAT IO. (Cap. 3350
Etrachtet vor das erſte, ob die Figuren diejenige Erhebung haben,
welche nach demjenigen Stand, wo ſie ſich befinden, und nach dem
Licht, welches dieſelben erleuchtet, erfodert wird. Hernach gebet
Achtung, ob die Schatten von den aͤuſſerſten Theilen der Hiſtorie, nicht eben
ſo beſchaffen ſeyn, als wie die in ihrer Mitte. Denn eine andere Sache iſt es
mit dem Schatten umgeben ſeyn, und eine andere den Schatten nur von ei⸗
ner Seite haben. Diejenigen Figuren nun find mit Schatten umgeben, die
fi) bey der Mitte der Hiftorie befinden, weil fie von denſelben Figuren
Schatten bekommen, die zwiſchen ihnen und dem Lichte geſetzet ſind. Dieſe hin⸗
are
RER
gegen kriegen nur von einer Seiten Schatten, welche zwiſchen dem Licht
und der Hiftorie ſtehen, denn wo fie das Lichte nicht ſiehet, wird ſie der Schat⸗
ten von beſagter Hiftorie ſehen: wo fie aber die Hiftorie nicht hindert, wird
ſie die Helle vom Licht ergreiffen und allda ihre Klarheit darſtellen.
Vor das zweyte muͤſſet ihr erwegen, ob die Vergleichung (die Ordon⸗
nance oder die Ordung) der Figuren, nach derjenigen Begebenheit der Hi-
ſtorie eingerichtet ſey, wie ſie dieſelbe mit ſich bringet.
Vor das dritte muͤſſet ihr dahin ſehen, ob die Figuren eine Fertigkeit zu
Von
ihrer beſondern Verrichtung zu erkennen geben.
von Hiſtoriſchen Gemaͤhlden. 141
Von der Action oder Stellung der
Menſchen.
2. OBSERVAT IO. (Cap. 216.)
Don Actiones der Menſchen, follen mit ihren Gliedern alſo eingerichtet
ſeyn, daß durch felbige auch zugleich die Neigung ihres Gemuͤths ans
gedeutet wird.
Von den Bewegungen und ihren unterſchiede⸗
nen Wuͤrckungen. |
3. OBSERVATIO, (Cap.so,)
IH Figuren in einem Gemählde,follen eine ſolche Geſchicklichkeit haben ;
die ihren Verrichtungen eigenthuͤmlich iſt; und zwar dergeſtalt, daß man
aus ihrer Betrachtung gleich erkennen moͤge, was ihre Gedancken ſeyn,
und was fie ſagen wollen. Dieſes wird derjenige leichtlich ausdrücken lernen,
welcher die Minen der Stummen nachzeichnet. Denn dieſelben reden mit
den Handen, mit den Augenbraunen, und mit der Bewegung des gantzen Coͤr⸗
pers, nachdem ſie gerne anzeigen und zu verſtehen geben wollen, was ihnen in
die Gedancken koͤmmt. Lachet nicht über mich, wenn ich euch einen ſprach⸗
loſen Meiſter zur Unterweiſung in einer Kunſt vorſchlage, die er doch ſelber
nicht kan. Zweiffelt nicht daran, daß er euch durch feine Geberden mehr, als
alle andere mit ihren Worten lehren werde. Es iſt derohalben nöhtig, daß ein
Mahler, er ſey gleich von dieſer oder einer andern Secte, nachdem was fich)
zutraͤgt auf die Beſchaffenheit derjenigen welche reden und auf die Natur der
Sache Achtung gebe, davon die Rede geſchiehet, N
A n 02:2
S 30% Von
142 Der Neunte Theil /
Von den Stellungen und Bewegungen und
ihren Gliedern.
4. OBSERVAT IO. (Cap. 183.)
ES ſollen nicht einerley Bewegungen in einerley Figur nemlich in ihren Glie⸗
dern, als an Haͤnden oder Fingern, noch einerley Stellung oder Ord⸗
nung in einer Hiſtorie wiederholet werden. ft die Hiftorie ſehr groß,
und fie ftellet zum Beyſpiel eine Battaglia (Feldſchlacht) oder Niedermetze⸗
lung der Soldaten für, davon es nur dreyerley Arten giebt, nemlich durch
einen Stich, durch die zu Boden oder uͤber den Hauffen⸗Werffung, und
durch einen Hieb: fo muß man ſich in dieſem Fall zur Nachricht dienen laſ⸗
ſen, daß alle Hiebe nach mancherley Anſichten, nemlich von einem ruͤcklings,
von einem andern auf die Seite, und wieder von einem vorwerts geſchehen;
gleich wie ſich ſolches bey allen andern Geſichts⸗Wendungen, der übrigen dreyen
Stellungen begiebt: und dahero verlangen wir, daß alle die andern von einer
derſelbigen Antheil nehmen, da einer hinter ſich, einer auf die Seite und einer
vorwerts gefuͤhret wird. Es brauchen aber die zuſammen geſetzten Bewe⸗
gungen in den Feld⸗Schlachten eine groͤſſere Kunſt, eine rechte Lebhafftigkeit
und Bewegung: und es muͤſſen dieſe Zuſammenſetzungen dermaſſen eingerichtet
ſeyn, daß eine Figur andeutet, als ob ſie ſich mit denen Beinen von fornen und
einem Theil von der Schulter ſeitwerts zeigete. Hievon ſoll aber an einem
andern Ort gehandelt werden. Ä |
Nota. Wenn man die Warheit geftehen ſoll, ſo iſt dieſe Obfervation im
Italiaͤniſchen nicht fo deutlich, als wie im Frantzoͤiſchen, dahero wir
fie aus dem letztern Text uͤberſetzet, hier beyfuͤgen wollen: Man fol einer;
ley Action, an einerley Figur nicht wiederholen, es geſchehe gleich
ſolches bey ihren vornehmſten Gliedern oder bey den kleinen, als
wie an den Haͤnden oder den Fingern. Es iſt auch nicht erlaubet,
daß man oͤfter einerley Ordnung, in einer Hiſtorie wiederholet.
Und, woferne die Umftande der Hiſtorie ſehr viele Figuren erfo⸗
dern, wie zum Beyſpiel eine Feld⸗Schlacht oder ein Treffen fech⸗
tender Perſonen, wobey es nicht mehr als dreyerley Arten zu ſchla⸗
gen giebt, nemlich durch Stoffen oder Stechen, Hauen, und Ruͤ⸗
cken⸗ oder Nacken⸗Streichen : fo muß man dieſe dreyerley Arten
Schläge auszutheilen, ſo oft verandern, als man immer kan. Zum
Beyſpiel, wenn ſich der eine zuruͤcke kehret, fo machet daß ein an⸗
derer
von Siſtoriſchen Gemaͤhlden. 143
derer auf der Seite, und ein anderer vorwerts geſehen wird. Sol⸗
cher geſtalt wechſelt mit eben 1 8 Actionen, durch verſchiedene
Anſichten, oder alſo ab, wie ſie bald hier bald da, in das Geſicht
fallen: und daß alle Bewegungen ſich zu dieſen dreyen erſt erwehn⸗
ten ſchicken. Denn die Bewegungen, druͤcken in den Feld⸗Schlach⸗
ten viele Kunſt aus / ja ſie beſeelen gleichſam die Sache, und geben
ihnen ein groſſes Feuer. Man nennt dasjenige bey einer Figur, eine
zuſammengeſetzte Bewegung, welche zu gleicher Zeit ſolche Bewegun⸗
gen machet, die ihr entgegen zu ſeyn ſcheinen. Das iſt, wenn dieſel⸗
be Figur die Fuͤſſe und einen Theil des Leibes, mit den Schultern
halb oder ſeitwerts vor ſich ſtellet. Ich werde aber von dieſer Art
| 51 zuſammengeſetzten Bewegung, an einem beſondern Ort Meldung
thun. = |
Von einer Figur allein auſſer der Hiſtorie.
5. OB SERVAT IO. (Cap. 212.)
Mode ſoll bey einerley Bewegung von einer Figur, die nur allein zu ſeyn er⸗
—
1
dichtet iſtdie Verrichtung ihrer Glieder nicht wiederholen. Zum Beyſpiel:
wenn die Figur anzeiget daß fie allein lauffe, fo muß man nicht ihre
beyde Hände zugleich vorwerts, ſondern nur die eine hinter ſich, und die ans
dere vor ſich zeichnen. Wenn auch der rechte Fuß fornen iſt, muß der rechte
Arm hinten, und und der lincke fornen ſeyn, weil man ſonſten ohne dieſe Ein⸗
richtung nicht recht lauffen kan. Folget dieſer Figur eine andere nach ‚fo ma⸗
het fie alſo, daß fie das eine Bein erwas vorwaͤrts werffe, und das andere un⸗
ter dem Kopff zuruͤck bleibe; auch daß der oberſte Arm mit feiner Bewegung
abwechſel und vorgehe. Doch hievon will in dem Buche von der Bewegung.
weitlaͤufftiger reden.
Von der Annehmlichkeit der Glieder.
6. OBSERVATIO. (Cap. 210.)
Den Glieder des Leibes ſollen annehmlich nach der Abſicht der Wüͤrckung
eingerichtet ſeyn, welche die Figur nach ſich ziehen ſoll: und wenn ihr
eine Figur zu verfertigen begehret, die annehmlich und froͤlig ſcheinet,
| muͤſſen
144 Der Neunte Theil /
1 77 die Glieder ſauber und ausgeſtrecket, auch ohne viel Mulculn ſeyn; alſo
daß auch daß die wenigen, welche unumgaͤnglich zur Sache gehoͤren, fein
lind, das iſt, nicht allzuſcheinbar, mit keinem gefärbten Schatten ausgedrus
cket ſeyn. Die Glieder, vornemlich aber die Arme, ſollen aufgelöfet oder
nicht fteiff ſeyn, alſo daß kein Glied mit einem andern daran gefuͤgtem in ge⸗
rader Linie ſtehe. Wenn von der Weiche oder der Seiten (als gleichſam
dem Ruhe⸗Punct des Menſchen, ) die rechte viel höher als die lincke iſt, muß
die Junctur der oberſten Schulter, auf den am meiſten hervor ragenden Theil
ſolcher Seiten, Bleyrecht auftreffen, damit alſo die rechte Schulter viel nie⸗
driger als die lincke, und das Halsgruͤbchen allezeit im Mittel der junctur von
dem Fuß ſey, darauf das Bein ruhet; wobey das Bein, welches nicht aufſte⸗
het oder ruhet, ſein Knie viel niedriger als an dem andern Bein haben, und
nahe bey demſelben ſeyn ſoll.
Die Stellungen oder Einrichtungen des Kopffes und der Arme, ſeyn von
unendlichen Arten, dahero werde ich mich nicht aufhalten, hier Regeln davon
S Inzwiſchen will ich nur ſo viel gedencken, daß ſie nicht ſteiff, ſon⸗
ern annehmlich von unterſchiedenen Drehungen und Wendungen ſeyn muͤſ⸗
ſen; damit ſie nicht einem Klotze oder Stuͤck Holtz aͤhnlich ſehen.
Von der Bequemlichkeit oder Freyheit der Glie⸗
der zu einer leichten Bewegung.
7. OB SERVATIO. (Cap. aui.)
Wees die rey Befthaffenheit oder Bequemlichkeit der Glieder anfanget;
fo muß man bey Vorſtellung einer Figur, die ſich zufälliger Weiſe hin⸗
ter ſich, oder auf die Seite zu wenden haͤtte, darauf Achtung geben, daß
die Fuͤſſe nebſt allen übrigen Gliedern, ſich nicht nach derjenigen Seiten bes
wegen, wo ſich das Geſicht hinwendet. Theilet vielmehr ſolche Verwendung
bey ihrer Verrichtung in die vier Juncturen, der Fuͤſſe, der Knie, der Seiten
und des Halſes ein. Denn ſo die Figur auf dem rechten Bein ſtehet , ſoll das
Knie vom lincken, einwaͤrts gebogen, der Fuß ein wenig auswerts erhaben,
die lincke Schulter aber viel niedriger als die rechte ſeyÿn, und der Nacken
oder das Genick, ſoll auf eben den Ort zutreffen, wo der aͤuſſerſte Knorren
vom lincken Fuß ſich hinwendet; dabey auch die lincke Schulter uͤber der aͤuſ⸗
ſerſten Spitze vom rechten Fuße in einer bleyrechten Linie, ſich befinden muß.
Beobachtet allezeit, das eine Figur den Kopf und die Bruſt nicht auf einerley
Seiten wenden darf, denn die Natur hat den Hals zu unſerer Beſeee
von Siſtoriſchen Gemaͤhlden. 145
keit dergeſtalt eingerichtet, daß er ſeine Dienſte mit leichter Muͤhe auf allen
Seiten vollfuͤhret, wohin man die Augen nach mancherley Stand wenden
will. Eben demſelben leiſten auch die andern Juncturen Folge. Verferti⸗
get man einen ſitzenden Menſchen, deſſen Arme, weil er mit etwas beſchaͤff⸗
figet iſt, ſeitwerts ſtehen, fo machet, daß ſich die Bruſt über die Junctur
der Seite wendet.
Von den Bewegungen der Figuren.
8. OBSERVATIO. (Cap. 242.)
SM niemals den Kopff gerad zwiſchen die Schultern / ſondert wendet
ihn allezeit ein wenig nach der lincken oder rechten Seiten, ob ſchon die
Figur unter ſich, oder ober ſich, oder vor ſich, gerad hinweg ſiehet.
Denn es iſt nöthig, daß man durch ſothane Bewegung, einen aufgeweck⸗
ten lebhafften Geiſt andeute, der nicht ſchlaͤfferig ſcheinet. Machet auch nicht,
daß die mittelſten Theile der gantzen Perſon, von hinten oder von forn, in ger
rader Linie auf die unterſten oder oberſten mittelſten Theile fallen. Wollt
ihr es aber ja thun, ſo bewerckſtelliget es nur bey alten Leuten. Wiederho⸗
let auch niemals die Bewegung der Arme oder Beine, weder in einer eintze⸗
len Figur noch auch an den Umſtehenden, und die nahe dabey ſeyn; es ware
denn, daß es die Nothwendigkeit der Sache die ihr erdichtet, haͤuptſaͤchlich
alſo erfoderte.
Von den Bewegungen der Glieder des Men⸗
| ſchen bey einer Hiftorie.
9. OBSERVATIO. (Cap.186.)
Ake Glieder verrichten ihren Dienſt wozu fie beſtimmet ſeyn: druͤm ſoll bey
einem Todten oder Schlaffenden, kein Glied lebendig oder aufgewecket
ſcheinen. Der Fuß, welcher das gantze Gewicht vom Coͤrper traͤget,
ſoll gleichſam gequetſchet, und nicht mit ſchertzenden oder weit von einander
ſich ziehenden Zehen abgebildet ſey; es waͤre denn Sache, daß er allein auf
der Ferſen ſtuͤnde.
T Von
246 £ Der Neunte Theil /
— —Lu— — — — — —
ä—— —ſdd — — nn
Von der nohtwendigen Abwechſelung oder
Veraͤnderung in Hiſtorien. | |
10. OBSERVATIO. (Cap.97)
den Mahler ſoll ſich bey Hiſtoriſchen Compofitionen (Zuſammenſetzun⸗
gen der Figuren) an der Abwechſelung ſeiner Erfindungen ergoͤtzen,
und nichts davon wiederholen was er bereits angebracht hat, damit die
Neuigkeit und der Überfluß, das Auge deſſen der ſie betrachtet, an ſich ziehe
und vergnuͤge. Ich fage derohalben, wie es in der Hiftorie nach Beſchaffen⸗
heit der Umſtaͤnde erfodert wird, daß man die Menſchen von unterſchtedlichen
Geſichts⸗Stellungen , mit andern, von mancherley Alter und Kleidern,
deßgleichen mit Weibern, Kindern, Hunden, Pferden, Gedaͤuden, Feldern
und Huͤgeln vermiſche. Sonderlich beobachtet die Würde und den Wohl⸗
ſtand bey einem Fuͤrſten und einem Weiſen oder klugen Manne, mit der Un⸗
terſcheidung von dem gemeinen Pöbel. Vermenget auch niemals die Melan-
choliſchen und Weinenden mit den Luſtigen und Lachenden. Denn es
bringt es ſchon die Natur mit ſich, daß ſich die Luſtigen gerne zu den Froͤli⸗
chen, und die Lachenden zu den Lachenden halten. Eben ſo verhaͤlt ſichs auch
mit dem Gegentheil. f |
Von einem ſehr gemeinen Fehler der Mahler.
II. OBSERVA TIO. (Cap.44) 129
Es iſt dieſes ein groſſer Fehler von einem Mahler, wenn er in einer Com-
poſition (Zuſammenſtellung) der Figuren, einerley Bewegung, wie auch
einerley Falten in Gewändern wiederhohlet, und machet, daß die Geſich⸗
ter einander ſehr gleich ſehe n. a e
1 Rrdaaen
Von
8
N
von Hiſtoriſchen Bemäblden. 147
er
Von der Abwechſelung der Figuren,
12. OBSERVATIO. (Cap2r.y wi
ES" Mahler foll ſich allgemein zumachen, oder nach allen Sachen zu ſchicken
trachen. Denn es fehlet ihm noch viel an der Wuͤrde eines guten und
vollkommenen Mahlers, wenn er nur eine Sache gut, die andern aber
ſchlimm ausarbeitet. Es thun die meiſten dergleichen, die allen ihren Fleiß auf
das gemeſſene und proportionirte Nackichte wenden, hingegen auf deſſen
Veraͤnderung nicht Achtung haben. Denn es giebt Leute die zwar propor-
tioniret aber dabey dick, kurtz, lang und zart, auch mittelmaͤſſig ſeyn. Auf
ſolche Manigfaltigkeit machen fie keine Rechnung, ſondern ſchlagen gleichſam
2 5 Figuren uͤber einen Leiſten, welches einen ſtarcken Verweiß ver⸗
ienet. 902 U te t 1
NB. Leſet hier die Anmerckung bey der 11. Obferv. des folgenden Theiles.
Von der Veraͤnderung der Figuren in der
Hiſtorie. .
13. OBSERVATIO. (Cap. 94.
N einer Hiftorie ſollen Menſchen von unterſchiedener Complexion (Eis
genfchaft) Statur (Leibes⸗Groͤſſe) Carnation (Bloͤſe des Fleiſches) Stel⸗
lung, Fettigkeit, Magerkeit; desgleichen Dicke, Duͤnne, Groſſe, Kleine,
Wilde / Hoͤfliche, Alte, Junge, Starcke von Mufculn , Schwache und von
wenig Muſculn, Luſtige, Melancholiſche, mit krauſen und aufgelaufenen,
auch mit kurtzen Haaren, nicht weniger von langſamen und geſchwinden Be⸗
wegungen, allerhand Kleidungen und Farben / und was ferner zu dergleichen
Hiſtorie erfodert wird, anzutreffen ſeyn.
e er-
T 2 Von
148 Der Neunte Theil /
—
Von dem Unterſcheid der äufferlichen wol einge⸗
richteten Beſchaffenheit des Geſichtes und gantzen
Leibes / auch von der Gleichheit der Geſichter unter.
einander in der Hiſtorie.
14. OBSERVATIO. (Cap 98.)
Es iſt dieſes ein gewoͤhnlicher Fehler bey den Italiaͤniſchen Mahlern, daß
man in ihren Tafeln die Air oder Bildung der Geſichter / auch wohl der
voͤlligen Figur von alten Kayſern antrifft, darinnen ſie ſich ſo ſehr an
die alten Statuen gebunden haben. Solchen Fehler nun zu vermeiden, muß
man niemals ein Ding weder im Gantzen noch in Theilen derſelben Figuren
wiederholen, damit nicht ein Geſicht an einem andern Theil der Hiſtorie wie⸗
der zum Vorſchein komme. Je mehr ihr in einer Hiftorie darauf Achtung
gebet, daß das Haͤßliche ſich nahe bey dem Schoͤnen, das Alte beh dem
Jungen, das Schwache bey dem Starcken befindet: deſto angenehmer wird
eure Hiſtorie ausfallen, und eine Figur durch die andere an Schönheit zu⸗
nehmen. Es geſchiehet vielfaͤltig, daß die Mahler, indem ſie etwas zeichnen,
die Meinung bey ſich hegen, als ob der allergeringſte Kohlen Strich gültig fen.
Sie betruͤgen ſich aber ſehr hierinnen. Denn wie offt geſchiehet es, daß ein
vorgebildetes Thier diejenige Bewegung der Glieder nicht hat, welche mit
dem eigentlichen Motu mentali (mit der ſinnlichen Bewegung) überein koͤmmt?
Wenn ſie es nun ſchoͤn und angenehm von Gliedern gemachet, auch wohl aus⸗
gefuͤhret haben, würde es ihnen etwas unrechtes zu ſeyn beduͤncken, in ſolchen
Gliedern eine Veraͤnderung anzuſtellen. 7 8)
Von der Mannigfaͤltigkeit der Geſichter.
15. OBSERVAT IO. (Cap 2440
Je Veränderung der Air oder Bildung von Geſichtern, ſoll nach den
D verſchiedenen Zufaͤllen der Menſchen, nemlich in der Arbeit in der
Ruh, im Weinen, Lachen, Schreyen, Furcht und dergleichen, einge⸗
richtet ſeyn. Es follen auch die Glieder der Perſon untereinander, nebſt ih⸗
rer völligen Einrichtung, mit dem veränderten Bildniß uͤbereinkom⸗
men.
Von
von Hütotifchen Gemaͤhlden. 149
— —— — — ——
on der Art zu lernen / wie man die Figuren
„ener Flitorie, wahl zufunmen. fee,
*
4. OBSERVATIO. (Capo)
Enn ihr in der Perfpectiv wohl unterrichtet ſeyd, und aus der Anato-
mie alle Glieder und Geſtalten der Coͤrper recht begriffen habt, ſo ſeyd
bey jeder Gelegenheit, als wie beym Spatziren⸗ Gehen, begierig, die
Stellung und Geberden dererjenigen Perſonen anzuſehen, und genau zu beob⸗
achten, welche vertraulich mit einander reden und lachen, oder ſich mit einan⸗
der zancken und ſchlagen. Beobachtet die Gelaſſenheit in ihren Handlungen
wohl, auch was die andern thun, die ſich um ſie befinden , ob fie nur bloſe Zu;
ſchauer abgeben, oder ſich mit in das Spiel mengen, uͤm ſie von einander zu
bringen. Den Begriff ſo ihr euch davon gemacht / zeichnet geſchwind und mit
wenig Strichen, in ein kleines Buͤchlein, dergleichen ihr ſtets bey euch tragen
ſolt. Es kan daſſelbe aus gefaͤrbtem Pappier beſtehen, damit man nicht noͤh⸗
tig habe ſelbiges abzuwiſchen, ſondern die alten Blaͤtter in neue veraͤndern
kan. Denn das was iſt böten d net, ſind keine Sachen zum ausloͤſchen:
fie find vielmehr mit der groͤſten Sorgfalt in acht zu nehmen, maſſen fie uͤn⸗
endlich viel Geſtalten und Bewegungen der Dinge in ſich faſſen, welche das
Ged aͤchtniß zubehalten / nicht fähig iſt: derohalben ſolt ihr ſie als euere Hel⸗
fer und Meiſter aufheben. 17 | ia
Auf was Art ein Mahler die Figuren anſehen
und zeichnen ſoll, welche er in die Compoſition
oder dee einer Hiſtorie bringen
17. OBSRRYATIO. (Cap 37)
SS iſt nothwendig, daß ein Mahler die Hoͤhe des Standes an dem Ort
E wo er ſeine Tafel, wit den Figuren der Hiſtorie hinſetzen will, wohl be⸗
trachte: und daß bey allen demjenigen, was er ſeinen Abſichten gemaͤß,
willens iſt, nach der Natur zu mahlen, die Höhe feines Auges ‚fo weit unter
der Sache die er zeichnet, ſich befinde, als das D deſſen, der das *
3 L
150 Der Neunte Theil /
de betrachten wird, mehr erhaben iſt; wiedrigen falls wuͤrde ſeine Arbeit kei⸗
ne Genehmhaltung zu gewarten haben. 2,7
Wie man die Compofitiönes der Hiſtorien
und Figuren entwerffen ſoll.
18. OBSERVATIO (Cap 130
Dider be Entwurff von einer Hiſtorie, fol geſchwind fern, ohne ſich bey
der deutlicher Formirung der Glieder viel aufzuhalten. Man muß
vielmehr nur auf die Stellung ſelbiger Glieder auf ihrem Plan, Ach⸗
tung geben. Wenn hernach der Mahler ſeine Einrichtung vollzogen, kan
er ſie nach feiner Gemaͤchligkeit, und wenn es ihm gefaͤllet, gar aus⸗
fuͤhren. f u c 910 DNS N e e ee aa
iz! Ay ttt deim ICH rt a 7999 Fee ane
Nota.“ Wir halten dafuͤr „daß man auch die richtige Stellung der ki
| guren auf ihrem Plano beobachten müffe, ob ſchon der Italiaͤniſche
Teenrt, nichts davon redet. | n
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Wie man die Compofition der Hiſorien ler⸗
uc sch ee N IM f nen ſoll. u te e N
19. OB SERVAT IO. (Cap. 96.)
NAssStadium vonder Zuſammenſetzung der Hiſtorie, ſoll Anfangs durch
D die Zuſammenſetzung etlicher Figuten gef chen De nur obenhin
dentworffen, oder untermahlet worden. Man muß aber vorher ihre
Biegung nebſt den Ausdehnungen und Verkuͤrtzungen von allen Seiten recht
zu zeichnen wiſſen. Nach dieſem unternimmt man die Ordonnanz (Stellung)
von zweyen Figuren die mit gleicher Hertzhafftigkeit miteinander ſtreiten; wel—
che Erfindung man nach unterſchiedenen Geberden macherley Betrachtungen,
wohl unterfachen ol. Hierauf kan man wieder einen andern Streit eines ges
xingern und furchtſamen Menſchen, mit einem vornehmen und kuͤhnen vorſtel⸗
len. Dergleichen Acriones nun, nebſt vielen andern Zufaͤllen der Gemüths⸗
Bewegungen, verdienen wohl, daß man ihnen mit ernſtlicher Unterſuchung
nachdencket. in e a
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| H von Hiſtoliſchen Kindel | 171
Von Verkürtzung der Figuren in derHiktorie,
20 0 BSERVATIO. (Cap 93)
W᷑ Enn br eine einige Figur machet, fo nehmet euch in acht, daß ihr ſo
wohl anderen Theilen, als an dem Gantzen, die Verkuͤrtzung vermeidet,
denn ſonſt werdet ihr ſtets von der Unwiſſenheit der Ungekehrten in dies
ſer Kunſt Anfechtung haben; Aber in einer gewiſſen Compofition. von vielen
Figuren, abſonderlich in Feld⸗ Schlachten, hat man mehr Freyheit, ſolche in al⸗
len Fällen anzubringen; als woſel ſt von denen, die dergleichen Zwietracht, oder
vielmehr viehiſche Narꝛheit EA ſich unendliche Biegungen und Verkuͤr⸗
tzungen zutragen muͤſſen. ls 1 91 Io
Wie man alle Ungleichheit bey den Umſtaͤnden
in einer Compofition vermeiden ſoll.
21. OBSERYV AI IO,(Cap.290.)
Jerinnen werden von den Mahlern vielmals groſſe Fehler begangen,
Dan ie zum Beyſpiel Gebäude oder Wohnungen verfertigen , woe
die Thuͤren nicht biß an die Knie dererjemigen reichen, welche
darinnen wohnen ſollen: ob ſie ſchon dem Auge deſſen, der das Gemaͤhlde
betrachtet, viel naͤher als der 0 ſeyn , die hinein zugehen abgebildet iſt.
Ich habe Thuͤren mit Menſchen angefuͤllet geſehen, da eine Saͤule, die ſie
unterſtützet von einem Menſchen, gleich als ein Stab uͤm ſich darauf zu lehnen,
mit der Hand angefaffet worden; und was dergleichen Sachen mehr ſeyn,
wofuͤr man ſich mit allem Fleiß hüten ſoll. K |
Was vor eine Proportion der Hohe / man der
. Figur auf einer Hiſtoriſchen Tafel geben ſoll. 5
22. OBSERVAT IO. (Cap. 91.)
Den erſte Fi gur inder:DifioniefoR um ſo viel kleiner als die naturliche ſeyn
als viel Ellen weit ihr ſolche Figur von der erſten Linie weiter nd
ie⸗
152 Der Neunte Theil /
pe |
ſchieben wollet. Dieſer folgen die andern nach Proportion noch kleiner, wie
es die beſagte Regel erfodert. |
Eine Art / wie man aiotien verfertigen
DU.
23. OBSERVATIO. (Cap.92.)
L Nter den Figuren welche eine Hiſtorie ausmachen, ſoll diejenige von
der groͤſſeſten Erhebung ſeyn / welche dem Auge am nächeften zu ſeyn er⸗
dichtet iſt. Dieſes gruͤndet ſich auf die 2 Propoſition des 2 Buchs
(vielleicht von des Authoris Perſpectiv) da es heiſſet: Diejenige Farbe
wird ſich in hoͤchſter Vollkommenheit zeigen, zwiſchen welcher und dem Auge
deſſen der fie betrachtet, ſich nicht viel Luft befindet. Aus eben der Urſache
wird der Schatten, welcher machet, daß die Coͤrper ſehr erhoben ſcheinen, in
der Naͤhe auch viel dunckeler, als von Weiten ausfallen, weil er in die Wei⸗
te, durch die viele zwiſchen dem Auge und dem Schatten ſich befindende
Lufft geſchwaͤchet wird. Es traͤgt ſich ſolches bey denen nahe am Augeſte⸗
henden Schatten nicht zu, allwo ſich die Coͤrper in einer fo viel groͤſſerer Er⸗
hebung zeigen, als fie mehrere Dunckelheit beſitzen. wi,
Warum man bey Haupt-Stücender Hiſtorien /
nicht eine über die andere ſetzen foll,
24. OBSERVAT IO. (Cap. 540
JA Allgemeine Mißbrauch den die Mahler gemeiniglich in den Faccia-
2 ten (voͤrdern Theil oder aͤuſſerlichen Anſehen) der Capellen fehen laſſen,
ift aus gutem Grunde zu tadeln. Denn wenn ſie eine Hiſtorie mit ihrer
Landſchafft und Gebaͤuden auf einen Plan gemachet, fangen fie über dieſe ei⸗
ne andere Hiſtorie an, und veraͤndern den erſten perfpedtivifchen dera
dergleichen ſie eben auch mit der dritten und vierten thun; ſo daß a If derglei⸗
chen Art dieſe einige Facciata, Aus vier unterſchiedenen Aug⸗Puncten ge⸗
mahlet iſt, welches eine ſehr groſſe Thorheit bey dergleichen Meiſtern heiſſet.
Wir wiſſen, daß der Aug⸗Punct, das Auge desjenigen der die Hiſtorie bes
trachtet, fuͤrſtellet. Wollet ihr aber fragen, wie man den das Leben eines Hei⸗
ligen, welches man in unterſchiedene Hiſtorien abzutheilen hat, gleichwol nur
von Aiftorifchen Gemaͤhlden. 155
in eine Faceiata mahlen U fo antworte ich: daß man den erſten Plan mit
dem Punct, nach der Höhe des Auges desjenigen ſetzen muß, A Ge⸗
maͤhlde betrachtet. In dieſen Plan bringet die erſte und vornehmſſte-Hiſtorie
ins Groſſe. Derfürket alsdenn nach und nach Die Figuren und Gebäude
auf unterſchiedlichen Flaͤchen und Huͤgeln, und nacher alſo die uͤbrige Aus⸗
ſtaffirung derſelben Hlſtorie. Den Reſt von der acciata in ihrer Höhe,
Fönnet ihr nach Proportion der Figuren, mit groſſen Baͤumen, oder Eis
geln, wenn ſie ſich zur Hiſtorie ſchicken, oder auch mit Voͤgeln „Wolcken und
dergleichen ausfuͤlen. Auf eine andere Art aber, laſſet ſolche Mahlereyen
bleiben, maſſen ſonſten das gantze Werck falch, und wider die Optic aus⸗
len wird.
Von der Veränderung in den Stellungen.
25 OBSERVATIO. (Cap. 2170
hr muͤſſet dahin bedacht ſeyn, daß die Actiones der Figuren, ſo wol nach
ihrem Anſehen und Alter, als nach dem Unterſcheid des maͤnnlichen und
weiblichen Geſchlechtes, ausgedrucket werden.
Von der Sefhaffenbeit der Menſchen in einer
Compoſition.
26. OBSERVATIO. Capa53)
uͤhret allemahl in der Compoſition (Zuſammenſetzung) einer Hiſtorie, we⸗
nig alte Leute ein, und ſondert fie von den Jungen ab. Denn die Al⸗
ten haben ſeltſame Köpfe ‚und ihr Gemuͤht, oder ihre Art zu leben, ſtim⸗
met mit den Gebraͤuchen der Jugend nicht uͤberein. Wo ſich nun derglei⸗
chen Gleichheit nicht befindet, da iſt auch Feine Freundſchafft, und ohne
Freundſchaft iſt auch keine Geſellſchafft von langer Dauer. Bey einer Com-
poſition herentgegen von ernſthafftigen Dingen oder wichtigen Unterneh⸗
mungen, miſchet wenig junge Leute darunter: denn dieſe fliehen gerne derglei⸗
chen Verrichtungen und andere dergleichen ernſthafte Sachen.
„ „
8
474 Be. Der Neunte Theil /
Von der Beobachtung des Wohlſtandes.
27. OBSERVATIO.(Capası.)
SP Eobachtet den Wohlſtand, das iſt, die Gleichheit in der Aion, die Klei⸗
dungen, die Stelle und Umſtaͤnde der Würdigkeit oder Geringfuͤgig⸗
keit der Sache, die ihr vorzubilden begehret. Zum Beyſpiel, ein Koͤnig ſoll an
dem Barth, an der aͤuſſerlichen Beschaffenheit feines Geſichtes und Leibes,
und an der Kleidung ernſthaft aus ſehen, und der Ort wo er ſich befindet,
wohl gezieret ſeyn. Diejenigen, fo um ihn herum ſtehen, muͤſſen eine Ehrer⸗
bietung und Bewunderung zu erkennen geben, und dergeſtalt angekleidet ſeyn,
wie es der Pracht eines Koͤniglichen Hofes mit fi) bringet. Geringe Leu⸗
te im Gegentheil ſollen ſchlecht gekleidet und veraͤchtlich ausſehen und die
ſo uͤm ſie ſeyn, muͤſſen mit ihnen an Niedertraͤchtigkeit, und übelgearteten
Weſen uͤbereinkommen, alfo daß alle ihre Gliedmaſſen, mit einer ſolchen Zus
ſammenſetzung gleichfoͤrmig ſeyn. Mercket auch, daß ſich die Actiones der Abs
ten, mit den Actionen der jungen Leute; deßgleichen die Actiones eines
Weibes, mit den Actionen der Maͤnner, eben fo wenig als bey einem erwach⸗
ſenen Menſchen und einem Kinde eine Gleichheiten haben, .
Von dem Alter der Figuren.
28. OBSERVATIO, (Cap. 2520
Enget niemahls eine gewiſſe Anzahl kleiner Kinder, unter eben ſo viel alte
M Leute noch junge Standes ⸗Perſonen unter Knechte und Diener, auch
keine Weiber unter die Männer; es wäre denn, daß die Sache die
ihr fürftellet, es unumgänglich alſo erfodere. |
Wie man alte Leute vorſtellen fol,
29. OBSERVAT IO. (Cap. 62.7
Ad, Leut, ſollen mit traͤgen und langſamen Bewegungen abgebildet werden
daß die Beine nebſt den Knien gebogen ſeyn, und wenn fie ſtill ſtehen, 155
rs
von S iſtoriſchen Bemählden. 155
ihre | beyde Füffe in gerader Linie und etwas weit auseinander befinden, Der
Ruͤcken muß gekruͤmmet, der Kopff vorwerts geneigt, und die Arme mehr ein⸗
gezogen, als ausgebreitet abgebildet werden.
Von der Stellung einer Weibs⸗Perſon / und
eines jungen Menſchen.
30. OBSERVATIO. (Cap. 259.)
Bes den Stellungen der Manns⸗ und Weibs⸗Perſonen, ſoll man die
Beine nicht weit auseinander, und ſehr offen machen, weil es eine un⸗
verſchaͤmte Kuͤhnheit, oder eine gaͤntzliche Hindanſetzung der Scham⸗
hafftigkeit andeutet; da Hingegen die BETON, Spa ein Zeichen der
Schamhafftiskeit iſt.
Wie man alte (böfe) Weiber abbilden ſol.
31. OBSERVATIO. (Cap/63 )
I Cböfe) Weiber, ſoll man Fühn, 5 urtig, mit einer tobenden Bewegung
und voller Zorn, wie die 8 lliſchen Furien abbilden. Es muͤſſen auch
dieſe Ausdrückungen und Bewegungen, an den Armen und am Kopffe,
viel hefftiger als an den Beinen zu fpiren ſeyn. N
Wie man eine junge Frau mahlen ſoll.
32. OBSERVAT IO. (Cap. 64)
A Jeſe ſoll in einer eingezogenen und erhabenen Geſtalt abgebildet werden,
D daß die Knie enge beyſammen, die Arme in einander geſchlagen, der
Kopff geneigt und ein wenig auf die Seite gewandt ſtehen.
u 2 Von
176 Der Meunte —
—— ———
—— —
Von der Stellung der Kinder.
33. OBSERVATIO. (Cap 258.)
S ſollen weder die Kinder noch alte ie eine Are Bewe⸗
gung mit ihren Beinen anpeuten, 7
Wie man kleine Kinder vorftelfen ſoll.
34. OBS ERVATIO. Cap. 6l *
eins Kinder, wenn ſie ſitzen, muͤſſen mit einer hurtigen Bewegung und
Kruͤmmung des Leibes abgebildet werden: So ſie aber feheſ fel man
fie mit furchtſamen und verzagten Geberden ausdruͤcken.
Von der Stellung der Figuren: bey den Affe-
cten, oder Gemuͤths⸗ Bewegungen. nu “
35. OBEIRVATIO. (Cap.218)
Ch ſage, daß ein Mahler die Stellungen: und Bewegungen der 3
die von einem unmittelbahren Zufall herruͤhren, aufzeichnen, und ſich ſol⸗
che feft in das Gemuͤth eindrucken, nicht aher warten ſoll, biß ein Actus
88 Weinen nach demjenigen zu mahlen iſt / der doch keine erhebliche Urſache
dazu hat. Denn weil dieſer Actus nicht aus einer wahrhafftigen Urſache
entſpringet, kan er weder natuͤrlich, noch von. groſſem Eindruck ſeyn. Beſſer
iſt es alſo, dieſen Actum nach dem natuͤrlichen und wahren Zufall zu ent⸗
werffen, und alsdenn einen andern dergleichen Adtum darnach zuſtellen, um
der Einbildung zu Huͤlffe zukommen, und ſich der vorher nach dem Leben
bemerckten Theile, dem Vorhaben gemäß, dabey zu bedienen.
Von
11 von Siſtoriſchen Gemaͤhlden. 157
Von dem Actu der Figuren die etwas
Ne „ e en 15 bad zeigen. . *
36. OBSERVATIO. (Cap2430
Ey denenjenigen, da man mit Verlangen etwas darzeiget, ſoll die Sa⸗
che, die entweder der Zeit oder des Standes nach, nahe iſt, mit der⸗
ſelbigen Hand gewieſen werden, die von dem, der ſie zeiget, nicht weit
ausgeſtrecket iſt. Iſt hingegen die Sache entfernet, ſo ſoll auch die Hand wei⸗
8 6 0 und das Geſicht dahin gewendet werden, wo fie hin⸗
Eine Figur abzuzeichnen / welche mit vielen Per:
e 1 777 na
Abe az 37. 0B SERVATIO. (Cap.254) en
enn man einen mahlen will, der in einem Actu mit vielen Perſonen re⸗
det, muß man erſtlich die Materie erwegen, die ſie abzuhandeln hat,
damit man ihr diejenige Stellung gebe, die ſich zu ſolcher Materie
ſchicket. Zum Beyſpiel, wenn ſie die andern zu etwas bereden will, muͤſſen ih⸗
te Bewegungen ſolcher Abſicht gleich ſeyn. Verlangte fie ihnen aber uͤber
etwas Erlaͤuterung zu geben, ſo bildet ſie ab, wie ſie mit zweyen Fingern von ih⸗
rer rechten Hand, einen von der lincken Hand nimmt, und die zween kleinern
eingeſchloſſen Hält; auch mit dem Geſicht und halb offenen Mund, als ob ſie
rede, ſich zu denen vor ihr (che den Perſonen wendet. Sitzet die Figur,
mus es ſcheinen als ob ſie aufſtehen wolte, und der Kopff ein wenig vor ge⸗
neigt ſeyn. Stehet fie herentgegen, ſoll fie ſich mit dem Kopff und der Bruſt
etwas gegen die anweſende Perſonen beugen. Dieſes habt ihr alſo abzudil⸗
den, daß die meiſten ſtille zu ſeyn; das iſt, daß fie nicht viel mit einander zu
chwatzen ſcheinenſondern den Reönet aufmerckſam betrachten, und dabey
lu ihren Geſichtern und Geberden eine Verwunderung ausdruͤcken. Unter
dieſen ſtellet einen alten Mann vor, der den gemachten Ausſpruch bewun⸗
derend anhoͤret, wie er den Mund geſchloſſen halt, und an deſſen niedrigſten aͤuſ⸗
ſerſte Theilen der Backen, ſich viel Falten oder Runtzeln hinter ſich ziehen,
die Nee ieee eeegerbab fun dla
24 3
153 Der Neunte Theil /
1
ten erſcheinen. Einige welche ſitzen, machet wie ſie die Finger der Hand in
einander ſchrencken, und das müde Knie darinnen eingeſchloſſen halten. Mah⸗
let auch einen alten Mann darzu, der das eine Knie uͤber das andere legt,
und mit der einem Hand den Ellenbogen des andern Armes umfaflet , die
Hand von dieſem Arm aber das baͤrtige Kien unterſtuͤtzet.
Von der Action der Umſtehenden bey einer
merckwuͤrdigen Begebenheit.
38. OBSERVYATIO. (Cap zg)
Abe Umſtehende bey einer anmerckungswuͤrdigen Begebenheit, ſollen die⸗
A ſelbige mit ſolchen Stellungen betrachten, daß eine Bewunderung an
ihnen zu erkennen iſt; als wie dergleichen fich zutraͤgt / wenn die ö
keit die Ubelthaͤter abſtraffen laͤſſet. Betrifft die Begebenbeit ekwas Andaͤchti⸗
ges, ſo muͤſſen alle Anweſende ihre Augen mit mancherley andaͤchtigeneberden
darauf richten; wie zum Beyſpiel geſchiehet, wenn (bey den Roͤmiſchen Ca⸗
tholiſchen fe we waͤhrender Meſſe gewieſen wird, und in andern Ders
gleichen Faͤllen mehr. Iſt die Begebenheit Lachens oder Beweinens wuͤr⸗
dig, ſo wird es eben nicht nohtwendig erfodert, daß alle Umſtehende die Au:
gen darnach richten; ſondern es iſt genug, wenn nur der mehreſte Theil da⸗
von, durch unterſchiedliche Bewegungen ſich froͤlich oder traurig erzeiget.
Stellet herentgegen die Begebenheit etwas Furchtſames vor, ſo muͤſſen die
blaſſen und Schrecken volle Geſichter derjenigen, welche davon fliehen, groſſe
Merekzeichen der Furcht von ſich geben, und ihre Flucht durch mancherley
Bewegungen und Ausdruͤckungen der Furcht, kund thun wie wir in de
Duch von den Bewegungen mit mehrern davon reden werden.
Von dem Unterſcheid des Lachens und
%%N SBRBRÄR 2 cum spp
„ OBSERVATIO. (Omas)
Ben demjenigen der lachet oder weinet, findet ſich in den Augen, Mund
und Backen, keine Veraͤnderung als nur in der Steife der Augen⸗
braun, die ſich bey den Weinenden zuſammen ziehen hingegen bey
der Lachenden in die Höhe heben Bey einem Weinenden, werbe c
2 N ande
1 ui von Sijtorifchen Gemaͤhlden. 179
Haͤnde an die Kleider geleget uͤm fie zuzerreiſſen:und ſolches hat feine Abwech⸗
keit und Freude, etliche aus Verdacht, viele vor Schmertze
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wieder welchk aus Mitleiden, Schmertzen und. Betruͤbniß e e
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166 Der !Teunte Theil /
Abbildung eines deſperaten Menſchen.
Juen def eraten oder verzweiflenden Menſchen mahlet man, wie er ih mit
einem Meſſer verwundet; mit den Händen die Kleider zerriſſet, oder
F auch mit der einem Hand die bereits gemachte Wunde, noch weiter aufe
reiſſet. Bildet ihn ſtehend doch mit den Knien und Leib einiger maſſen ge⸗
gen die Erde gebeugt oder falle ab auf welcher man einige von den ausge⸗
rauften Haaren andeuten ka, n. Up nd M ige eee
Von den Gewaͤndern welche die Figuren befleis
den, nebſt ihren Falten. 10 T2. Cunts nae
42. OBSERKV A TIO.Caps580%0
D W Er dcp 3 11 5 beigefialt in 151
Falten un ichen nach den Glied ſo fie umgeben, angeor net ſeyn
daß in bil ech Theile d el Glieder „keine groſſe Falten won dunckelel
Schatten; hingegen in dunckelen Theile Feine von groſſer Helligkeit kom
men. Die Umzuͤge oder Linien von dieſen Falten, sollen ſich nach den The
des Gliedes richten, welches ſie umgeben. Sie duͤrfen auch keine Linie
haben, welche die Glieder gleichſam entzwey ſchneiden, noch anne harte
Schatten werffen welcher tieffer einzugehen ſcheinet, als die Oberflache vo
dem Theil des bekleideten Coͤrpers iſt. Man hat ferner darauf zu ſehen, da
das Gewand auf eine ſolche Art geleget ſey, damit es nicht ohne Coͤrper
ſondern nur aus zuſammen geworffenen und geſtohlenen Tuͤchern zu be
ſteh
ſcheine. Es wird bey vielen wahrgenommen, wie ſie ſich dermaſſen in das üg
fluͤſſige Zuſammenwerffen der Falten verlieben, und die gantze Figur
anfuͤllen, daß fie der Abſicht, worzu ſolche Kleider geen ſeyn, nemlich
Glieder damit zu bedecken ‚und ihnen ſolche am gehoͤrigen Ort wolanſtaͤn
uͤmzulegen, daruͤber vergeſſen. Es ſollen auch nicht alle Falten mit Wind A
gefuͤllet ſeyn, als ob aufgeblaſene Blaſen oder Daͤrmer, uͤber den heller
nen Theilen der Glieder laͤgen. Ich laͤugne nicht, daß man einige ſchoͤ
roſſe Falten machen muß: aber es findet dieſes nur an demjenigen Theil d
igur ſtatt, wo ſich die Glieder biegen, mithin ſolche Falten ſich zuſammen ja
5
—
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= * —
{ 2 —
2 ˙ AAT
von Siſtoriſchen Gemaͤhlden. 161
und vereinigen. Vor allen Dingen wechſelt die Gewaͤnder in der Hiſtorie
ab. Bey einigen die aus dickem Tuch beſtehen, machet von vornen Buͤge mit
ſcharffen Bruͤchen, und bey andern Gewaͤndern weiche Faltung, deren Wen⸗
dungen ſich theils ſeitwaͤrts wenden, theils aber, krum gebogen ſeyn. f
Wie man die Falten der Gewaͤnder machen ſoll.
43. OBSERVAT IO. (Cap. 361.)
I: einem Gewand ſoll man keine Verwirrung von vielen Falten andeuten,
ſondern ſolches nur an denenjenigen Orten tuhn, wo es von dem Arm
oder der Hand zurück gehalten wird, wovon man den Überreſt nur ſchlecht
hinfallen laͤſſet. Es iſt ſolches am beſten nach der Natur zu machen. Das iſt,
wenn ihr Woͤllen Tuch mahlen wollet, ſo verfertiget die Falten, wie ſie ſich da⸗
zu ſchicken. Iſt das Gewand aus Seiden, feinen oder gantz ſchlechtem Tuch,
ſo muͤſſen die Falten nach jedem Ort unterſchieden werden. Machet es nicht,
wie viele zu tuhn pflegen „die ihr Modell mit einem Gewand von Papier
oder ſubtilen Leder bedecken: denn ihr werdet euch gewaltig damit betruͤgen.
Wie man ferner die Falten der Gewaͤnder
machen ſoll.
44. OBSERVAT IO. (Cap. 360.)
3 Theil der Falten, welcheꝛ ſehr weit von feinen engen zuſammen ge⸗
preßten aͤuſſerſten Theilen fich befindet, wird ſich gern in feine erſte na⸗
tuͤr iche Beſchaffen zurück ziehen: indem ſich natürlicher Weiſe, alle
Dinge bey ihrem erſten Weſen zu erhalten trachten. Ein Tuch oder Gewand,
weil es von gleicher Staͤrcke und Dicke iſt, wird ſo wohl von ſeiner rechten
als verkehrten Seite, ſich wieder eben zu machen begehren. Wenn es daher
durch die Falten gezwungen wird, ſothane Ebene zu verlaſſen, wird man ſeine
natuͤrliche Kraft, um wieder zuruͤck zu kehren, an demjenigen Theil / wo man es
am wenigſten zuſammen gezwungen, mercklich ſpuͤren, und denjenigen Theil
der von gemeldten Ort der Zuſammenpreſſungen ſehr weit entfernet iſt, wird
man viel eher wieder zu ſeiner erſten natuͤrlichen Beſchaffenheit, weit ausgebrei⸗
tet kommen ſehen. Zum Exempel, es ſeyn A. B. C der obbeſagte Bug
oder Falten. A B ſey der Ort wo das Gewand zuſammen gepreſſet und ſehr
2 gefal⸗
Fig. 32.
Fig.;
162 Der Neunte Theil /
gefalten wird: druͤm ſage ich, daß derjenige Theil vom Gewand der ſehr weit
davon abſtehet, ſich am meiſten wieder zu ſeinem natuͤrlichen Weſen kehren
wird. Da ſich nun hier C ſehr weit davon befindet, als wird eben die Fal⸗
te C, an ihrem aͤuſſerſten Theile viel breiter ſeyn, als an keinem andern Ort.
Von vielen Gewaͤndern.
45. OBSERVAT IO. (Cap. 364.)
Dae Falten der Gewaͤnder, welche man bey der Action einer Figur ange⸗
bracht hat, ſollen allezeit mit ihren Umriſſen oder Linien, die Stellung
der Action dermaſſen zeigen, daß ſie demjenigen der ſie betrachtet, kei⸗
nen Zweiffel und keine Verwirrung dabey verurſachen, und daß keine Falte,
mit ihrem allzutieffen oder harten Schatten, einen Theil vom Glied hinweg⸗
nehme, welches geſchiehet wenn die Tieffe von ſolcher Falte tieffer, als die
Oberflache von dem bekleideten Gliede eingehet. Wenn ihrkiguren fuͤrſtellet, die
viele Kleider anhaben, mus es nicht ſcheinen, als ob das letztere nur die bloſ⸗
fen Gebeine der Figur, ſondern auſſer denenſelbigen auch zugleich das Fleiſch
einſchloͤſſe, damit das Gewand als eine Bekleidung des Fleiſches ſo dick
wird, als es die Vielheit ſolcher Kleider erfodert.
Die Falten der Gewaͤnder, welche die Glieder umgeben ſollen, gegen den
Rand der Sache die ſie umſchlieſſen, an ihrer Dicke abnehmen.
Die Verlaͤngerung der Falten welche uͤm die Glieder enge eingeſperret
iſt, ſoll ſich auf derſelben Seiten zuſammen runtzeln, welche das Glied durch
feine Biegung verkuͤrtzet, und ſich nach dem gegen uͤbergeſetzten Theil von
ſeiner Biegung ziehet.
Von der Natur der Falten bey Gewaͤndern.
46. OBSERVATIO. (Cap. 359.)
Vl lieben die Biegung der Falten von Gewaͤndern mit ſcharffen Win⸗
ckeln, daß ſie hart und frey ſeyn. Andere hingegen, geben ihnen Winckel
die man kaum wahrnimt. Endlich beobachten einige gar keine Winckel,
ſondern druͤcken an deren ſtatt nur eine Kruͤmmung aus. |
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von Hiſtoriſchen Gemaͤhlden. 168
Von der Verkuͤrtzung der Falten.
47. OBSERVATIO, (Cap. 362.)
O ſich die Glieder der Figuren verkuͤrtzen, daſelbſt muͤſſen die Falten dich⸗
Y ter und in groͤſſerer Anzahl vorhanden ſeyn, als an denenjenigen Orten
wo ſie ſich nicht verkuͤrtzen: und ſolche Glieder ſollen mit dichten Falten
"umgeben ſeyn, die dicht um ſie herum gehen. Es ſey zum Exempel E der Ort
wo das Auge ſtehet, M N ft das Mittel von jedem Circul, welches nach
Proportion, nach und nach von der Linie ihres Umriſſes weiter abſtehet, als
fie ſich vom Auge entfernen. N O deutet die Circkel faſt gantz gerade an,
maſſen ſie dem Auge einander gegen uͤber in gerader Linie begegnen: und in
P Q ereignet ſich das Gegentheil. |
Wie das Auge / die Falten der Gewaͤnder be⸗
trachtet, welche den menschlichen Körper uͤm⸗
geben.
48. OBSERVATIO. Cap. 363)
Daun Schatten zwiſchen den Falten von Gewaͤndern, welche die menfch:
lichen Coͤrper umgeben, werden um fo viel dunckeler ſeyn, wenn ſie ſich
mit ihrer Hoͤhle, wo ſolcher Schatten entſpringet, dem Augen ſehr ge⸗
rad gegen uͤber ſich befinden. Es iſt aber dieſes alſo zu verſtehen: wenn das
aloe 6 Stelle zwiſchen dem ſchattigten und lichten Theil der vorbeſagten
igur hat. 0
Von den Welt⸗Gegenden bey Landſchaften.
49. OB SERVAT IO. (Cap.344.)
Gas euch / daß ihr bey denen an der See, oder nicht weit davon entlege⸗
nen Oertern die ſich gegen Mittag (Suͤden) befinden, die Baͤume oder
„Wieeſen zur Winters Zeit nicht fo vorſtellet, als wie in den Mitternaͤch—
tigen und weit von dieſer See an, Doch ſind Pe
2 aͤume
Fig. 54.
164 Der Weunte Theil /
Baͤume davon ausgenommen, welche das gantze Jahr durch, Blaͤtter von ſich
geben.
Wie man die vier Jahres⸗Zeiten und das was
von ihnen herruͤhret, vorſtellen fol.
so. OB SERVAT IO. (Cap. 345.)
m Herbſte, richtet die Objecka nach dem Alter ſolcher Zeit ein; nemlich
bey deſſen Anfang, fangen die Blaͤtter an den Aeſten derer aͤlteſten Baͤu⸗
me an, gelbicht zu werden: und das viel oder wenig, nachdem der Baum
an einem fruchtbaren oder unfruchtbaren Ort ſich befindet. Machet es nicht
wie viele, die alle Sorten von Baͤumen mit einerley Grün vorſtellen, ob fie
ſchon an ſich ſeibſt von gleicher Weite ſind. Eben das verſteher ſich auch von
der Farbe der Wieſen, Steine oder Felſen und Staͤmmen von vorbeſagten
Fe „die allezeit unterſchieden ſeyn: denn die Natur iſt unendlich ver⸗
anderlich. 8
Wie man Landſchaften mahlen ſoll.
51. OBSERVAT IO. (Cap. 33.)
r Je Landſchaften ſollen dergeſtalt gemahlet ſeyn, daß die Baͤume halb er⸗
- leuchtet und halb in Schatten find, Die bequemſte Zeit dazu iſt, wenn
die Sonne meiſtentheils mit Woleken bedecket iſt. Es empfangen als⸗
denn die Bäume ein allgemeines Licht vom Himmel oder der Luft, und einen
allgemeinen Schatten von der Erden, und ihre Theile ſind um ſo viel
dunckeler, wenn ſie ſich nahe bey der der Erden befinden.
Von der Helligkeit der Landſchaſten.
so. OBSERVATIO. (Cap.133.)
Ygemals werden die Farben, die Lebhafftigkeit und Helligkeit von gemahlten
Landſchaften, mit den natüͤrlichen und von der Sonne erleuchteten Je
. * ' er * 171 nz
von Hiſtoriſchen Bemäblden. 165
Aehnlichkeit haben, woferne die gemahlten Landſchafften nicht ebenmaͤſſig von
der Sonnen erleuchtet werden.
Von dem Gruͤn ſo im Felde geſehen wird.
53. OBSERVAT IO. (Cap. 129.)
On dem Gruͤn welches im Felde geſehen wird, und von gleicher Beſchaf⸗
V fenheit iſt, erſcheinet das jenige viel dunckeler, welches ſich an den Zwei⸗
gen der Pflantzen und Baͤume befindet: das Wieſen-Gruͤn hingegen,
wird weit heller oder lichter ſeyn.
Von der Vorſtellung eines waldichten Ortes.
54. OBSERVAT IO. (Cap. 285.)
De Baͤume und Kräuter die viele kleine Zweige haben, ſollen nicht viel duͤn⸗
ne Schatten von ſich werfen. Diejenigen Baͤume und Kräuter hingegen,
welche groſſe Blaͤttern tragen, geben Urſache zu groͤſſern Schatten.
Von der Vorſtellung des Windes.
5. OBSERVAT IO. (Cap. 346.)
A. de dem das man bey der Vorſtellung eines Windes andeutet, daß die
Aeſte der Bäume gebogen ſeyn, und die Blätter ſich gegen die Seite
des Windes hin und wieder kruͤmmen und kraͤuſeln: mus man auch an⸗
deuten wie der zarte Staub, als in einem Wirbel⸗Wind in die Hoͤhe gehoben
und mit der truͤben Lufft vermiſchet wird.
*
* 00 (
X 3 Vom
166 Der Teunte Theil /
—————
Vom Anfang des Regens.
56. OBSERVAT IO. (Cap. 3470
W̃ Enn der Regen durch die Lufft faͤllet, verdunckelt er ſie mit feiner Hellen
Farbe, indem er auf der einem Seiten von der Sonne das Licht, und auf
der andern gegen uͤber, den Schatten empfaͤngt; gleich wie man ſolches
auch bey dem Nebel wahrnimmt. Er verdunckelt alſo die Erde, weil er ihr
die Strahlen der Sonnen entziehet: Und die Sachen welche man jenſeit der⸗
felbigen, oder durch den Regen ſiehet, find von vermiſchten und unkaͤndtlichen
Endigungen: da hingegen diejenigen welche ſich naͤher beym Auge befinden,
viel deutlicher ausfallen. Noch deutlicher aber werden dieſe Dinge in einen
ſchattigten, als in einem erleuchteten Regen geſehen werden. Es geſchiehet
ſolches darum, weil die Objecta, die durch einen ſchattigten * Regen in das
Auge fallen, nur allein ihre vornehmſten Lichter verliehren : da im Gegentheil
die andern, welche man durch einen lichten Regen betrachtet, den Schatten
und das Licht zugleich verliehren. Denn die lichten Theile vermiſchen ſich mit
der Helligkeit oder Heiterkeit der erleuchteten Lufft, und die ſchattigten Thei⸗
le, werden durch die beſagte helle Lufft auch wieder erleuchtet.
Nota.“ Hier ſtehet im Italiaͤniſchen: come ſi vede fare alle nebbie:
im Frantzoͤiſchen aber: ainſi qu'on remarque fur les nuages, das
iſt, wie man an den Wolcken vernimmt. 1
* Was der Italiaͤniſche Text pioggia ombroſa, einen ſchattigten Ne
gen nennet , das heiſt im Frantzoͤiſchen L ombre de la pluie, der
Feen Be Regen; wovon uns das erſte nachdkücklicher zu ſeyn,
uͤncken will.
Vom Feuer und Rauch.
57. OBSERVAT IO. (Cap3310
7 Er Rauch iſt gegen den Rand ſeines kuglichten Umfanges, viel durchſchei⸗
nender und dunckeler als gegen ſeine Mitte.
Der Rauch beweget ſich im fo viel ſchraͤger, wenn der Wind, als der
Urſprung ſeiner Bewegung, ſehr ſtarck iſt.
Nach⸗
von Hiſtoriſchen Gemaͤhlden. 167
Nachdem der Unterſcheid der Sachen beſchaffen iſt, die den Rauch ver—
urſachen, nachdem wird er auch mancherley Farben haben.
Der Rauch wird niemahl einen ſcharf abgeſchnittenen Schatten machen:
und feine Endigungen, find um fo viel weniger deutlich, wenn er weit von ſei⸗
nem Urſprung entferner iſt. Diejenige Dinge ſo ſich hinter ihm befinden,
werden an dem Ort wo er am dickeſten iſt, am wenigſten, und wenn er nahe
bey feinem Urſprung iſt, um fo viel weiſer, hingegen bey feinem Ende ſehr blaus
licht zu ſehen ſeyn.
Je mehr Rauch, als ſich zwiſchen dem Auge und dem gedachten Rauch
befindet, je dunckler wird das Feuer zu ſehen ſeyhn. 0 AN
Wo der Rauch weit entfernet iſt, werden die Objecta, uͤm ſo viel we⸗
niger von ihm eingenommen. Der Rauch machet eine Landſchafft undeut⸗
lich, als wie ein dicker Nebel tuht, worinnen man an verfchieden Orten Rauch
und Flammen ſiehet, die in dem dichteſten Rauch⸗Klumpen erſcheinen. Bey
dergleichen Beſchaffenheit ſind die hohen Berge oben deutlicher zu ſehen, als
unten bey ihrer Wurtzel; welches auch ſonſten beym Nebel geſchiehet.
Von dem Rauch.
58. OBSERVAT IO. (Cap. 329.)
er Rauch fo zwiſchen der Sonne und dem Auge geſehen wird, wird viel
heller und lichter ſeyn, als an keinem Theil von einer Landſchafft wo
er entſtehet. Eben das tuht auch der Staub und der Nebel, welche ſo
ihr euch zwiſchen der Sonne und ihnen befindet, dunckel ſcheinen werden.
Von dem Staub.
59. OBSERVAT IO. (Cap. 330.)
Den Staub, der ſich durch den Lauff eines Thieres erhebet, wird immer
klaͤrer je mehr er in die Höhe ſteiget, und hingegen viel dunckeler, je mes
niger er ſich erhebet, und ſich zwiſchen der Sonne und dem Auge be⸗
findet. 5
Wie
168 Der Neunte Theil /
ũꝶ—ͤꝗ—6ä— — — 2ꝛ᷑g! . — — —ͤ —nʃ —— —
Wie man eine Bataille (Feldſchlacht) mah⸗
len ſoll.
60 OBSERVATIO. (Cap670
Men muß erſtlich den Nauch von der Artillerie, (von den losgebrand⸗
ten Stuͤcken) mit dem Staub, den die Pferde der Streitenden durch
ihre Bewegung verurſachen, in der Lufft zuſammen vermenget abbilden.
Die ſe Vermiſchung druͤcket ihr alſo aus. Oh ſchon der Staub etwas ivrdis
ſches und ſchweres iſt, und wegen ſeines duͤnnen Weſens, ſich leichtlich ers
hebet und mit der Lufft vermenget wird: nichtsdeſtoweniger fället er natuͤrli⸗
cher Weiſe gerne wieder zurück , und bleibet nur das aller duͤnneſte Theil
davon noch einige Zeit in der Lufft. Es iſt alſo der wenigſte Theil davon ſicht⸗
bar / und er ſiehet faſt wie die Lufft aus. Wenn der Rauch ſich unter die ſtau⸗
bigte Lufft miſchet, und biß zu einer gewiſſen Hoͤhe gelanget, macht er ſich einer
dunckelen Wolcke aͤhnlich. An dem erhabenſten Theil kan man den Rauch
viel deutlicher unterſcheiden, als den Staub: und es wird der Ranch etwas in
die blaue Farbe ſpielen, der Staub aber feine natürliche Farbe mehr behalten;
wobey auf der Seite wo das Licht herkoͤmmet, die Vermiſchung vom Rauch,
Lufft und Staub, viel heller als auf der gegen uͤber ſtehenden Seite ſeyn wird.
Je weiter ſich die Streitenden in beſagter Dunckelheit befinden, je weniger kan
man fie von einander unterſcheiden, weil derlinterſcheid ihres Lichts und Schat⸗
tens ſehr geringe iſt. Bey der Infanterie oder dem Fuß⸗Volck wo Feuer ge⸗
geben wird, machet die Geſichter, die Perſonen, die Lufft und was ſich ſonſt
nahe dabey befindet etwas roͤhtlichtzwelche Roͤhte ſich um fo viel mehr verlieret,
wen fie weit von ihremUrſprung entfernet iſt. Die kiguren welche fi) in der Fer⸗
ne zwiſchen euch und dem Licht befinden, ſcheinen in einem hellen Grunde dun⸗
ckel, und je naͤher ihre Beine der Erden ſeyn, je weniger ſind ſie, wegen des vie⸗
len und dicken Staubes der nahe an der Erden aufſteiget, ſichtbar. Wollt
ihr Pferde abbitden die aus dem Heer entlauffen / fo machet von dem Zwi⸗
ſchen⸗Raum des einen Pferde⸗Sprunges oder Huffſchlages biß zum andern,
einige kleine Staub. Woͤlcken, die um fo viel weniger in das Geſicht fallen, wenn
fie von dem lauffenden Pferde weit entfernet ſeyn; maſſen ſie ſich in der Hoͤhe
zerſtreuen oder ausbereiten und duͤnner werden. Sind fie aber näher dabey,
fo zeigen fie ſich deſto klaͤrer, weniger ausgebreitet, und dicker.“ Die Lufft
mus auf unterſchiedliche Arten mit Pfeilen erfuͤllet ſeyn, da der eine in die H
he ſteiget, der andere wieder nieder faͤllet, und etliche in gerader Linie fort⸗
fahren.
fahren. Die Kugeln der Schuͤſſenden, follen hinter ihnen von ein wenig
Rauch begleitet ſeyn. Die voͤrderſten kiguren, machet an Haaren, Augbrau⸗
neu und andern Orten, die Staub halten koͤnnen, voller Staub. Die Über⸗
winder bildet mit niedergezogenen Augenbraunen ab, wie ihnen der Wind im
Herbeyeilen, die Haare und andere leichte Dinge zerſtreuet. Die Glieder
ſollen dabey eine Ungleichheit unter ſich machen; das iſt, wenn der rechte Fuß
vorgehet, mus der lincke Arm auch anruͤcken. Stellet ihr einen Soldaten fuͤr, der
zu Boden fallt, muͤſſet ihr das Zeichen des ſtrauchlenden Fuſſes „oben au
dem in einem blutigen Koth verwandelten Staube andeuten: und um die e e
gend der Erde, wo fie etwas feucht iſt, ſoll man die Fußſtapfen, von Pferden
ſehen, die Darüber getretten ſeyn. Ihr koͤnnet auch einige Pferde machen,
welche ihre todten Reuter, die an den Steigbügeln ‚oder ſonſt wo hängen ge
blieben, fortſchleppen, und hinter ſich im Staube und Koth ein Merckmahl
von dem geſchleppten Coͤrper zuruͤcke laſſen. Die Überwundene, Geſchlage—
ne, in Unordnung⸗Gebrachte, mahlet mit blaſſen Geſichtern, und erhobenen
Augbraunen, deren Zuſammenfuͤgung, nebſt dem daruͤber befindlichen Fleiſch,
voller Runtzeln; die Hoͤhle der Naſen aber von auſſen mit etlichen Falten bep
den Naſenloͤchern, Bogenweis getheilet iſt, die ſich bey dem Anfang des
Auges endigen. Die Naſenloͤcher, als die Urſache beſagter Falten, muͤſſen
ſich aufwerfen, und die im Bogen erhobene Ober⸗Lippen, die obern Zähne ent:
decken; welche, indem ſie weit von den andern abgeſondert abſtehen, ein klaͤgliches
Schreyen bey den Uberwundenen andeuten; von denen einer die Hand aus
Furcht über die Augen, und das innwendige derſelben Hand gegen denFeind
hält, mit der andern aber feinen verwundeten Ober⸗Leib unterſtuͤtzet. Ihr
koͤnnet auch andere mit offenen Mund ſchreyend und fliehend vorſtellen. Le—
get auch unterſchiedene Gattungen der Waffen unter die Fuͤſſe der Streit—
tenden, als Schilder, Lantzen, zerbrochene Degen, und dergleichen. Machet
einige todte Menſchen, davon etliche halb, andere gantz mit Staub bedecket
ſind. Der Staub ſo ſich mit dem ablauffenden Blut vermiſchet, muß ſich
gleichſam in einen rohten Koht verwandeln, und darneben angedeutet ſeyn /
wie das Blut, das noch ſeine natuͤrliche Farbe hat, mit gekruͤmten Lauff aus
dem Coͤrper in den Staube rinnet. Andere Sterbende, ſollen die Zaͤhne zu—
ſamen beiſſen, die Augen verdrehen, die Fauſt derer fo neben ihnen ſind, feſt dru—
cken, und unterſchiedliche Kruͤmmungen mit dem Leib und Beinen machen.
hr koͤnnet ferner einige mahlen, die völlig entwafnet und vom Feinde zu Vo⸗
den geworffen worden, wie fie ſich, durch Kratzen und Beiſſen, gegen ihren Feind
noch grauſam raͤchen, Man kan ferner machen, wie etliche leichte und leere
Pferde, mit vom Wind zerſtreueten Haaren, unter die Feinde lauffen, die
mit den Fuͤſſen viel Schaden verurſachen. Von den gelaͤhmten müfen
einige zur Erden fallen, und ſich gegen ihren ie men Schiek DEHIBE;
wobey
170. 2 Der Neunte Theil /
wobey ihr Feind ſich gegen fie nieder buͤcket, um ihnen mit Gewalt vollends
den Reſt zugeben. Man kan auch ferner viele Menſchen Hauffen weis unter
einem todten Pferde liegen ſehen. Etliche von den Uberwindern, die aus dem
Streit und Gedraͤnge gehen, wiſchen mit den Haͤnden die mit Koht bedeck⸗
ten Augen und Backen ab, den der Staub, der das Waſſer aus den Augen
gepreſſet, verurſacht hat. Man mus Squadronen Soldaten, voller Hoff
nung und Furcht zu Huͤlffe kommen ſehen, deren Augbraunen ſcharff zuſam⸗
men gezogen ſeyn, und die ſich mit ihrer Hand einen Schatten unter den Au⸗
en machen, um unter der Menge des Volckes und in der Dunckelheit, das
ommande von ihrem Capitain (Oberhaut beffer in acht zunehmen und
zu betrachten. Der herbey eilende Capitain ſelbſt, ſoll mit erhobenen Com-
mando Stab etwas gegen feine Leute gewendet, vorgeſtellet werden, wie er
ihnen den Ort zeiget, wo man ihrer noͤhtig hat. Endlich kan man auch ei⸗
nen Fluß andeuten, worinnen die durchrennende Reuterey, das umſtehende Waſ⸗
fer, mit unruhigen Wellen und Schaum anfuͤllet, daß es durcheinander in
die Hoͤhe und zwiſchen die Beine und Coͤrper der Pferde ſpritzet. Mit ei⸗
nem Wort: man ſoll keinen ebenen Ort auf dem gantzen Kampf⸗ Platz ſe⸗
hen, worauf nicht Fußſtapfen mit Blut angefuͤllet ſeyn. i f
Nota. * Diefe Paffage vom Pfeil⸗Schuͤſſen, iſt im Frantzoiſchen Text,
gar nicht enthalten, und mag vielleicht deſſelben Verfertiger gemeint
haben, als ob fie ſich nicht zu einer Feld⸗Schlacht ſchicke, worinnen
mit Canonen und Mufqueren geſchoſſen wird. Woferne er ſich
aber erinnert haͤtte, daß die Tattern und andere wilde Voͤlcker,
die ſich gemeiniglich bey den Tuͤrckiſchen Armeen befinden, wenn fie
mit den Chriſtlichen eine Schlacht halten / gleichwol mit Pfeilen
dabey ſchieſſen, fo duͤrfte er fie in feiner ÜUberſetzung, ſchwerlich
auſſen gelaſſen haben. uh Rn eee e
Wie man ein Tempeſt oder einen See⸗
| 0 Sturm mahlen ſoll. nec
61. OBSERVAT IO. (Cap 660 ²
Enn ihr einen Sturm zur See, recht vorzuſtellen begehret, fo betrach⸗
tet und erweget ſeine Wuͤrckungen recht wol. Wenn der Wind uͤber
der Oberfläche des Meeres, oder vom Lande e nimmt und
fuͤhret er alle Sachen mit ſich, was nicht an dem allgemeinen Vue br
2
von Siſtoriſchen Gemaͤhlden. 171
feſtiget iſt. Um nun einen See⸗Sturm abzubilden, ſo ſtellet die Wolcken
zerriſſen und zertrennet, und auf der Seite, wo der Wind herblaͤſet, aufge⸗
richtet, oder in die Höhe gethuͤrmet fuͤr, die ein ſandigter Staub begleitet,
welchen er vom Ufer des Meeres aufgehoben hat. Die Aeſte und Blaͤter,
nebſt vielen andern leichten Dingen, muͤſſen von der Gewalt des Windes
durch die Lufft zerſtreuet, und die Baͤume und Kräuter zur Erden gebogen
ſeyn, als ob fie gleich ſam mit ihren vielen von der Natur gekruͤmmten Aeſten,
auch mit untereinander geworfenen und zuruͤck gebogenen Blaͤttern, dem Lau
des Windes folgen wolten. Einige von den Leuten die ſich auf dem La
befinden, fallen uͤber den Hauffen, und liegen in ihren Kleidern verwickelt, auch
ſehr vom Staube bedecket, daß man di. We erkennen kan. Andere hin⸗
gegen die noch ftehen, fliehen hinter die Baume, und umfaffen fie, damit fie
der Wind nicht niederreiſſen, oder wieder Willen fortſchleppen möge. Noch
andere, halten die Haͤnde über die Augen und neigen ſich, Damit fie ſich vor
den Staub bewahren, gegen die Erde. Die Gewaͤnder und Haare ſind nach
der Bewegung des Windes gerichtet, wovon die erſten welche der Wind hin⸗
soeggefi.hret hat, in der Lufft herum flattern. Das Meer tobet und iſt ungeſtuͤm,
voller ruͤckwerts zwiſchen die erhobene Wellen geſchmiſſenen Schaum; darne⸗
ben der Wind den ſehr duͤnnen Schaum, gleich einem dicken und verwickel⸗
ten Schnee oder Nebel, zwiſchen die ſtreitende Lufft erhebet. Die Leute ſo
ſich im Schiffe befinden, ſind faſt unter die Wellen vergraben. Man ſiehet
verſchiedene Boots⸗Leute mit zerriſſenen Segeln , davon die Stuͤcke mit zer⸗
riſſenen Tauen, in der Lufft fliegen. Etliche fallen mit dem zerbrochenem Maſt,
und mit dem zur Seiten geneigten, zerſcheiterten Schiffe zwiſchen die wilden
Wellen. Man ſiehet ſchreyende Menſchen, welche die uͤberbliebene Stuͤcke von
Schiffe umfaſſen: und bildet Wolcken ab die durch die groſſe Ungeſtuͤmmig⸗
keit des Windes verjaget, und wieder die Gipffel der hohen Berge geſchlagen
werden, von denen ſie gleichſam verwirret zuruͤck prellen, als wenn es Wellen
waͤren, die an die Felſen ſchluͤgen. Es ſoll auch endlich die Lufft wegen der
dunckelen Finſterniß, welche der Staub, Regen, Schnee und die Menge
der dicken Wolcken verurſachet, erſchrecklich anzuſehen ſeyn. n
88898885
9 2 Wie
172 Der Neunte Theil /
Wie man eine Nacht vorſtellen ſoll.
62. OBSERVATIO. (Cap. 65.)
Een Sache, welcher alles Licht entzogen worden, beſtehet aus nichts als
Finſternißen: und eine ſolche Bewandniß hat es auch mit der Nacht.
Wenn ihr von derſelben eine Hiſtorie voͤrſtellen wollet, ſo machet, daß
fie ein groß Feuer dabey befinde. Diejenigen Dinge nun, welche nahe
abey ftehen ‚nehmen viel von ſeiner Farbe an ſich. Denn je naͤher ein Ding
bey feinem Objecto iſt, um fo viel mehr nimmt es von feiner Natur An⸗
theil. Weil denn das Feuer eine rothe 0 hat, ſo folget nothwendig,
daß alle davon erleuchtete Sachen auch roͤthlicht ſcheinen, und diejenigen ſo
weit davon ſeyn, werden nach Proportion ihrer Entfernung von ſolchem
Feuer, ſich der Farbe der Nacht, nemlich des Schwartzen mehr theil⸗
afftig machen. Die kiguren ſo ſich disſeits des Feuers befinden, ſcheinen
gegen die Helle des Feuers dunckel. Denn von der Seiten da ihr ſie ſehet,
haben ſie nichts, als die dunckele Farbe der Nacht / ohne einige Helligkeit
vom Feuer zu empfangen: diejenigen aber welche auf beyden Seiten ſtehen,
ſollen von einer halb rohten und halb dunckelen Farbe ſeyn. Die andern fo
man hinter dem Feuer oder den aͤuſſerſten Grentzen der Flammen ſiehek,
muͤſſen gantz von einem roͤhtlichten Licht, auf einem ſchwartzen Grund erleuch⸗
tet werden. Was die Actiones oder die Stellungen derjenigen Figuren
anbelanget, welche dem Feuer nahe ſeyn, muß man ſie vorſtellen, wie ſie
die Hand vor das Geſicht halten und ſich mit ihren Maͤnteln gls einem
Schirm, wieder die groſſe Hitze des Feuers bedecken, auch das Geſicht
auf die Seite wenden, als wenn fie erlangten davon zufliehen. Die mei⸗
ften von denen, die weit davon abſtehen, bildet man ab, wie fie ihre Haͤn⸗
de vor die Augen halten, damit ſie nicht vom Licht geblendet werden.
S X. SEHR
u
Wo
von Hiſtotiſchen Gemahlden. 1 173
Wo derjenige ſtehen fol, der eine Mahlerey
| 27 | g . ni betrachtet. ; Nn reer
63. OBSERVATIO. Cap. 280.)
A —— 8
G Eſetzt A B waͤre das Gemaͤhlde und D das Licht: So ſage ich, daß
daß derjenige welcher feinen Stand zwiſchen C und E hat, das Ge;
i maͤhlde 118 er ſehen ik „zumal wenn — 14 955 e „oder
mit einem Fuͤrniß uͤbergezogen ft ⸗maſſen es hiedurch mit ſeinem Glantz eini⸗
ger maſſen die Wuͤrckung eines Spiegels ir a aßen man bes,
halben ſich dem Punct C noch mehr, ſo kan man auch noch weniger ſehen,
weil die Licht ⸗Strahlen die durch die Fenſter auf die Mahlerey fallen „ all⸗
da zuruͤcke prallen. Befindet man ſich aber zwiſchen D und E, abſonder⸗
lich wenn man ſich mit dem Auge dem Punck D nähert, fo wird man alles
bequem anſchauen koͤnnen, geſtalten derſelbige Ort dem zuruͤcke Schlagen des
wüderſche nenden. Strahl, wenig unterwor ni 4 . 1
Fig. 55.
174 Der Sehende Theil / e i
V—/ůl
777 22222227222 222 2212575 57 1
Der Bahn Theil.
Vence PRAECEPTIS.
Und wiederholten
Sachrihten, auch Fragen von
der Mahlerenr.
ge. nee, ade ue neee ———
Umaſchdene Praecepta, oder Schr Satze
s. von der Mahlerenr.
u OBSERVATIO. (Cap. 332.)
Je Oberflaͤche eines . dunckelen Coͤrpers, nimmt von der Far⸗
be des durchſchein Mittels Antheil, das zwiſchen das Auge,
und dieſelbe Dberflä 3 geſetz et iſt. Dieſes geſchiehet uͤm fo iel
mehr, wenn erwehntes Mittel ſehr dicke und ſich in einer gröffern Weite,
zwiſchen das Auge und die angeregte Oberflaͤche ſetzet.
Die Terwini oder Grentzen der dunckelen Coͤrper, werden weniger
barg ſeyn, wenn ſie fich fehr weit vom Auge befinden, welches dieſelbe
etra
„ Derjenige Theil eines dunckelen Coͤrpers, wird ſehr ſchattigt oder ae
Nachrichten auth Fragen von der Mahlerey. 275
tet ſeyn, welcher ſich nahe bey einem ſchattigten Coͤrper befindet, der ihn ver⸗
dunckelt, oder bey einem lichten, der ihn erleuchtet. 0 i ne gt
Die Obeofiaͤche eines jeglichen dunckelen Coͤrpers, machet ſich der Farbe
ihres Obſerti theilhafftig; aber mit ſo viel mehr oder weniger Nachdruck, als
e eee e der Mühe, oder weiter enkfernet , oder von ſtarcker
oder geringer Kraft iſt. r TE a sc
Diejenige Sachen welche zwiſchen Licht und Sch atten geſehen werden,
zeigen ſich in einer groͤſſern Erhebung, als die andern, die ihre Stelle ſelbſt im
Erbe und Schatten haben.
„%% Wenn ihr eine Sache in einem weiten Abſtand ſehe kaͤndtlich und wol
umtiſſen verfertiget /ſo wird ſolche Sache mehr nahe als weit entfernet zu ſeyn
ſcheinon. Trachtet alſo bey euren Gemaͤhlden dahin, daß die Sachen einige
Stücke der Erkaͤndtlichkeit haben, welche die Entfernung andeuten. Und 9
die Sache die euch zu euerem Object dienet, von undeutlichen und zweiffelhaf⸗
ten Terminis. iſt/ ſo muͤſſet ihr auch dergleichen in eurer Arbeit anbringen!
Eine weit entlegene Sache, zeiget ſich um zwweyer Urſachen willen mit
eee und undeutlichen Umzügen. Die eine iſt/ daß ſolche Sache um
ter einem gar zu kleinem Winckel in das Auge faͤllt und ſich dergeſtalt verklei⸗
nert, daß fie mit den kleineſten Dingen uͤberein koͤmmt, und ob ſie ſchon nahe
beym Auge iſt, daſſelbe Auge doch nicht begreiffen kan, was ein ſolcher Coͤrper vor
eine Figur habe, wie dieſes an den Nägeln der Finger, an einer Ameiſe, oder
einer andern dergleichen Sache zu ſehen iſt. Die andere Urſache bezjehet ſich
darauf, daß zwiſchen dem Auge und den entferneten Objedtis,fich eine ſo groſt
fe Menge Lufft befindet, die fie fo dicht und dicke machet ), daß ſie durch ihre
Weiſſe, den Schatten von ſolchen Objectis, gleichſam wie mit einem weiſen
Flohr uͤberzeucht, und in eine Farbe veraͤndert, die zwiſchen Schwartz und
I eiß,nemlich blau iſt. „ Ip] Br ‚2 4241 U 9755 jo ln. Ni
Ob ſich ſchon die Kaͤndtlichkeit vieler Sachen in einer weiten Entfernung
derliehret, nichts deſtoweniger werden diejenigen welche von der Sonne erleuch⸗
tet ſind / ſich deutlicher darzeigen; da hingegen die andern in einem vermiſch⸗
ten Schatten eingewickelt zu ſeyn ſcheinen. Weil auch bey jedem Grad der
Erniedrigung, die Lufft einen Theil ihrer Dicke erlanget, ſo werden die ſehr
niedrig ſtehende Sachen ſich ſehr undeutlich zeigen. Und ſo auch im Gegen⸗
ie ee e e Or ee ee ee Juan e eee e e
Wenn die Sonne die Wolcken am Horizont roht faͤrbet, werden die
Coͤrper, welche wegen ihrer weiten Entfernung blaulicht ſeyn, auch von dieſer
Roͤthe Antheil nehmen, und alſo eine Vermiſchung von Roht und Blau ma⸗
chen; welches den Landſchafften ein ſehr angenehmes und freudiges Weſen ge⸗
ben wird. Alle Sachen die von ſolcher Roͤhte erleuchtet werden, und dicht
oder dicke ſind, bleiben ſehr deutlich und roͤhtlicht : Und die Lufft ge
4;
‚3
176 VUËöDDer Fehende Theil / GR;
ſich ſelbſt durchſcheinend iſt, wird mit dieſer Sonnen: Röthe gantz eingenom⸗
men ſeyn, mithin der Farbe der (gelben) Lilien aͤhnlich ſcheinen.
Diejenige Lufft, fo fich zwiſchen der auf⸗oder untergehenden Sonne und
der Erden befindet, wird allezeit geſchickter ſeyn, die hinter ihr befindliche
Coͤrper mehr einzunehmen, als kein anderes Theil der Lufft, und dieſes darum,
weil ſie (um ſelbige Zeit) ſehr weislicht iſt. RER Br 25983.
Ein Coͤrper der einen andern zum Grund hat, ſoll niemal in feinem Im:
riß hart geendiget ſeyn, weil er ſich ſchon von ſich ſelbſten aufheben wird.
Wenn der Umriß von einer weiſſen Sache, ſich gegen einer andern von
weiſſer Farbe befindet, ſo wird er wenn er krumm iſt, von Natur ſelbſt einen
dunckelen Umriß hervor bringen, welches der dunckelſte Theil won denenjenigen
ſeyn wird, die erleuchtet ſeyn. Endiget er ſich aber in einem dunckelen Ort,
ſo wird er der helleſte Theil von denen ſeyn, den die lichten Theile beſitzen.
Diejenigen Sache wird von den andern am meiſten entfernet, oder ab⸗
e en wenn fie ſich untereinander auf einem ſehr unterſchiedenen
run nden. I e MH (f Dee n 4+ 21
In der Weite verliehren ſich erſtlich die Umriſſe von den Coͤrpern, die
aus einerley Farbe beſtehen , wenn der Umriß des einen auf den andern
koͤmmt, als wie der Umriß einer Eiche über einer andern. In einer noch groͤſ⸗
fern Entfernung werden ſich die Umriſſe der Coͤrper von halben Farben ver;
liehren, wenn einer uͤber dem andern iſt, als wie die Bäume, Aecker, Mauern
und andere verwuͤſtete Berge und Felſen. Endlich verliehren ſich auch die
Umriſſe der Coͤrper, wenn ſich ihre Helligkeit im Dunckelen, und das Ducke⸗
le in dem Hellen endigetrt. 1 ut ene a
Unter den Dingen von gleicher Höhe und die uͤber dem Auge geſtellet find,
wird dasjenige das niedrigſte ſeyn, welches am weiteſten vom Auge entfernet
iſt. Hat es aber ſeinen Platz unter dem Auge, ſo ſcheinet jenes niedriger,
welches dem Auge am naͤchſten iſt, und die gleichweit von einander ſtehende
Seiten, lauffen in einem Punct zuſammen. chin, Vordanlzer
In einem weiten Abſtand ‚find die Dinge welche ſich nahe an einen Fluß
72 75 weniger kaͤndtlich, als die von ſolchem Fluß oder Moraſt weit ent:
ernet ſeynn. l e s 1992 Dee
5 Unter Dingen von gleicher Dicke, werden diejenigen viel klaͤrer oder duͤn⸗
ner ſcheinen, welche ſehr nahe beym Auge ſtehen, und die ſo weit entfernet,
ſehn, viel dicker. Ga e INOSTTe üb 10 Da nd ie une 3 N
Ein Auge welches eine ſehr groſſe Pupillam (Aug⸗Apfel) hat, wird die
Objecda in einer groͤſſerer Geſtalt ſehen. Der Beweis hievon, erhellet dar⸗
aus, wenn man einen Himmliſchen Coͤrper durch ein Loch betrachtet, welches
man mit der Nadel ins Pappier gemacht hat. Denn weil ein kleiner Theil von
einem fo groſſen Licht, dadurch wuͤrcken kan, ſo ſcheinet ſolcher Cörner in le.
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Nachrichten auch Fragen von der Mahlerey. 177
ner Groͤſſe ſich um ſo viel zu vermindern, als das Theil von dem Licht, welches
das Groͤſſere, durch das ins Pappier gemachte Loch ſiehet, kleiner als ſein
Gantzes, nemlich die Pupilla vom Auge iſt. | l
Wenn die Lufft (durch einen Nebel) verdicket iſt / und ſich zwiſchen dem Au⸗
ge und einem Object befindet, ſo verurſachet fie, daß ſelbiges ungewiſſe und uns
deutliche Umriſſe hat, auch in einer groͤſſern Geſtalt erſcheinet, als fie doch in
der That nicht hat. Dieſes ruͤhret daher, weil die Linien- Perſpectiv den
Winckel, der die Geſtalten der Objecten in das Auge bringet, nicht vermin⸗
dert. Die Perſpectiv der Farben herentgegen, ſchiebet fie weg und eignet
ihnen eine weitere Entfernung zu, als ſie wuͤrcklich innen haben. Solcher⸗
geſtalt entfernet fie die eine von dem Auge, und die andere erhält ihre Groͤſſe.
Wofern die herabfallende Nebel, die Lufft beym Untergang der Sonnen
verdicken, ſo bleiben die Objecta, welche die Sonne nicht beleuchtet, dunckel,
und undeutlich. Diejenigen aber, welche ein Licht von der Sonne empfan⸗
gen, werden roͤhtlich oder gelblicht, nachdem nemlich die Sonne am Hori-
Zzont ausfiehet, Es find auch die von ihr erleuchtete Objecta, viel deutli⸗
cher abſonderlich die Gebaͤude, und Haͤuſer von Städten und Doͤrffern, weil
ihre Schatten dunckel ſeyn: und es ſcheinet, als ob ſolche beſondere Sichtbarkeit
gleichſam gantz unverſehens, aus der undeutlichen und ungewiſſen Farbe ihres
Grundes entſpringe; maſſen denn alles was nicht von der Sonne beſtrahlet
wird, von einer Farbe verbleiben mus. a
Eine von der Sonne erleuchtete Sache, iſt auch von der Lufft erleuch⸗
tet; jedoch dergeſtalt, daß zweyerley Schatten davon entſpringen, von
denen derjenige am dunckelſten ſeyn wird, deſſen Mittel⸗Puncts⸗ Linie, gerad
nach den Mittel⸗Punct der Sonne gerichtet iſt. Die Mittel-Puncts Linie
aber von dem urſpruͤnglichen und davon hergeleitete Licht, wird allezeit mit
der Mittel⸗Puncts⸗Linie des urſpruͤnglichen, oder von etwas anders herruͤh⸗
renden Schatten uͤbereinkoͤmmen. ae
Es verurſachet die Sonne ein ſchoͤnes Anſchauen, wenn ſie bey ihrem
Untergang, alle hohe Gebäude einer Stadt, die Schlöffer , und hohen kis. 16.
Bäume , auf dem Felde, mit ihrer Farbe anſtreichet; herentgegen aber alles
übrige, welches ſich unten bey uns befindet , gar eine geringe Erhebung
behaͤlt; weil alles was nur blos ſeine Erleuchtung von der Lufft uͤberkommet,
in dem Schatten und Licht einen ſchlechten Unterſcheid anzeiget, und dahero
nicht viel empor gehet. Diejenigen Dinge nun, die ſich unter ihnen am mei⸗
ſten erhöhen, werden von den Sonnen: Strahlen beruͤhret, und wie geſagt,
von ihrer Farbe überzogen, Ihr muͤſſet demnach von der Farbe womit ihr
die Sonne mahlet, etwas zu einer jedem hellen Farbe tuhn, womit ihr vorbe⸗
meldte Coͤrper erleuchtet. ö 3
Z Cute 0.
178 Der Zehende Theil /
Es traͤget ſich auch vielfältig zu, daß eine Wolcke dunckel ſcheinet, ob
fie gleich keinen Schatten von einer andern Wolcke empfaͤngt, die von ihr
abgeſondert ſtehet. Dieſes ereignet ſich nach dem Stande des Auges, wel⸗
ches auf der einem Seite nur den ſchattigten Theil (der Wolcken), auf der
andern aber den hellen und ſchattigten zugleich ſiehet.
| Unter denenjenigen Sa⸗
chen die einerley Höhe has
ben, wird dieſe viel medriger
ſcheinen, welche weiter vom
Auge abſtehet. Zum Exem-
el, ihr ſehet daß hier die er⸗
fe Wolcke, ob fie gleich viel
niedriger, als die andere iſt,
dennoch hoͤher als jene
b ‚ gleich) wie ſolches
ier auf der Wand die
Ourchſchneidung der Geſichts⸗ Pyramide von der erſten niedrigen Wolcke
in M A durch die andere viel höhere in N M, nemlich unter MA andeu⸗
tet. Es koͤmmt ſolches daher, weil euch beduͤncken kan, als ob eine dunckele
Wolcke (wegen der LufftPerſpectiv) viel höher zu ſehen waͤre als eine lichte,
welche die Strahlen der Sonnen bey ihrem Auf und Untergang erleuchtet.
Noch mehr unterſchiedene Praecepta von der
Mahlerey. |
2. OBSERVAT IO. (Cap. 340.)
q Je aͤuſſerſten Grentzen oder Umriſſe und die Figur von jeglichem Theil ei⸗
nes ſchattigten Coͤrpers, ſind in deſſen Licht und Schatten uͤbel zu er⸗
kennen: aber bey denenjenigen Theilen die ſich zwiſchen dem Licht und
Schatten beſagter Coͤrper befinden, werden ſie im hoͤchſten Grad kaͤndt⸗
i eyn. 1 \ £
0 Die Perſpectiv, ſo weit ſie die Mahlerey angehet, theilet ſich in die
drey Hauptheile. Der erſte beſtehet in der Verkuͤrtzung“ welche die Groͤſſen
der Coͤrper in verſchiedenen Weitſchafften verurſachen. Der andere Theil
handelt von der Schwächung der Farben, an eben dieſen Coͤrpern. Der drit⸗
ie giebt Anleitung, wie ſich die Kaͤndtlichkeit der Figuren und die Enie f
6
38.57:
Nachrichten auch Fragen von der Wahlerey. 179
vermindert, die ſolchen Coͤrper in unterſchiedener Weite zukoͤmmt. Das
Blaue der Lufft, ift eine aus Licht und Finſterniß zuſammen geſetzte Farbe.
Ich ſage aus Licht, welches in der erleuchteten Lufft, in den Theilen der Feuch⸗
tigkeit, (durch die . wird, welche in derſelben Lufft ausge⸗
ſtreuet ſind. Durch die Finſterniß, verſtehe ich die reine Lufft, wenn ſie nehm⸗
lich, in keine Lufft⸗Staͤubchen oder twällerige Theilchen abgetheilet ift, wor⸗
innen die Strahlen der Sonnen zuruͤcke fallenen koͤnten. Man kan hievon
Exempel an der Lufft ſehen, die ſich zwiſchen dem Auge und den Blume dir
Bergen befindet; welche entweder durch eine groſſe Menge der Baͤume die
um ihnen ſtehen, verdunckelt ſeyn, oder aber auf derſelben Seite dunckel
werden, welche von den Strahlen der Sonnen nicht getroffen wird. Da⸗
ſelbſt nun wird die Lufft blau, aber nicht auf der lichten Seite, noch weniger
auf derjenigen, die mit Schnee bedecket iſt. Unter ſolchen Dingen die einer⸗
ley Dunckelheit haben, und in gleicher Weite entfernet ſind, wird ſich dass
jenige am meiſten dunckel zeigen, welches ſich in einem ſehr weiſſen Felde endi⸗
get. Und ſo verhaͤlt ſichs auch im Gegentheil. 2
Eine Sache, die ſtarck weiß und ſchwartz gemahlet 0 wird weit mehr
erhaben ſcheinen. Erinnert euch deſſen ihr Mahler, daß ihr die Gewaͤnder
bey euren rin von fo hellen Farben machet, als ihr nur koͤnnet. Denn
wenn ihr ihnen dunckele Farben beyleget, werden f. ſich wenig erheben, und
in der Ferne ſchlecht zu 0 en ſeyn. Die Urfache iſt, weil die Schatten von
allen Dingen dunckel find. Wenn man nun viele dunckel Gewaͤnder machet,
kan man wenig Unterſcheid zwiſchen Schatten und Licht verſpuͤren, aber bey
lichten und hellen Farben, wird der Unterſcheid ſehr mercklich ausfallen.
Nota. * Hier iſt in beyden Texten ein Unterſcheid in der Beſchreibung des
erſten Theiles der Perſpectiv. Denn der Frantzoͤiſche redet von der
Abmeſſung der Coͤrper nach ihren verſchiedenen Abſtaͤnden der Ita⸗
3 hingegen, von der Groͤſſe der Coͤrper in verſchiedenen
eiten.
Praeceptum von der Mahlerey.
3. OBSERVATIO. (Cap 58.)
S iſt noͤhtig, daß ein Mahler auf die Hurtigkeit in den natuͤrlichen A-
&ionibus Achtung gebe, die von den Menſchen ohngefehr und unver⸗
ſehens aus einem maͤchtigen Trieb ihrer Gemuͤhts⸗ Neigungen vorge⸗
ſtellet werden. Hievon ſoll er kurtze 8 in ſeine enn,
2 urs
180 39 Der Fehende Theit /
aufzeichnen, um ſich derſelben bey Gelegenheit und bey ſeiner Arbeit zu bedie⸗
nen, wenn er einen Menſchen nach eben derſelben Action ſtellet; damit er dar⸗
aus abnehmen moͤge, wie die Glieder, in der Action, die er auszudrücken. bez
gehret, ihre Bewegung verrichten.
Praeceptum von dem Waagrechten Stande des
Menſchen. e
4. OBSERVATIO. (Cap.350.)
Das Aqvilibrium oder der Waagrechte Stand, befindet ſich allezeit auf
Oder Mittel Linie der Bruft, * welche von dem Nabel hinauf gehet; der
alſo ſo wol von dem zufaͤlligen als natuͤrlichen Gewicht des Menſchen
gleichſam Rechnung haͤlt. Dieſes wird durch Ausſtreckung des Armes er⸗
wieſen, da die Fauſt, als der aͤuſſerſte Theil deſſelben, eben das iſt, was
bey einer Schnell⸗Waage, das zu aͤuſſerſt angehaͤngte Gegegengewicht. Es
wirft ſich daher nohtwendig ſo viel Gewicht jenſeit des Nabels, als das zu⸗
faͤllge Gewicht von der Fauſt und der Ferfe , die ſich zugleich mit in die
Höhe hebet, austraͤget. LIE BEE 0
Nota. Dieſe Worte, ſtehen im Frantzoͤiſchen Text alſo: Le nombril ſe
trouve toüjurs dans la ligne centrale del eſtomac. Das iſt: der
Nabel befindet ſich ſtets in der Mittel⸗Linie des Magens; woraus
erhellet, daß der Frantzoͤiſche Überſetzer, das Italiaͤniſche Wort il
bilico, der Waagrechte Stand, mit dem Wort bellico, der Na⸗
bel confundiret hat.
Wie ein Mahler / in der Erwaͤhlung einer Figur
ſich nicht betrügen mögen die ihm zum
Odell dienen ſoll. 8
5. OBSERVATIO. (Cap. 45.)
Ess erfodert die Nohtwendigkeit, daß ein Mahler ſein Modell erſtlich nach
einem naturlichen Coͤrper zeichne, deſſen Proportion uͤberhaupt vor
ſchoͤn erkandt wird. Wenn ſolches geſchehen iſt, ſoll er ſich ſelbſt en
en,
*
Nachrichten / auch Fragen von der Mahlerey. 183.
ſen, um zuſehen, hu Theil von feiner Perſon von dem vorigen Nu Mo-
dell, wen 9. Nachdem er dieſes wohl angemer⸗
det, 11 111 it ee huͤten, 1 cht fate N en Feh⸗
ler, den er an ſeiner Perſon gefunden hat, in den Figuren die er 1 8005 be⸗
gehen moͤge. Dieſes iſt das Vornehmſte was er in acht zunehmen, und dar⸗
wider er leichen, 17 kaͤmpfen Urſach hat, * ein ſolcher Fehler
mit ſeinem Judicio n worden, und- demſelben eingedruͤcket iſt. Denn
die Seele iſt die Meier von eurem Coͤrper, und von eurem eigenen Judi-
dio, Sie et et ſich gerne an einem Werck, das ihr gleichet, nemlich: an dent,
Coͤrper den fie belebet. Daher koͤmmt es auch daß man fein ſo haͤßliches
Weibsbild antrift, welches nicht einen Liebhaber findet; es muͤſte deun ſeyn
daß es gar abſcheulich waͤre. Im uͤbrigen iſt es gar wol der r wehe. daß
man das Angeführte, 0 genaue er hr zieher.
Erben vom Licht und Schatten. 1
d n
6. OBSERVATIO. (Cap. 3430
NS bekommen die E hren eine viel größere nnehrhtichkeit j wenn fie in
ein allgemeines Licht, (wie es auf freyem Felde iſt) geſetzet werden, als⸗
wenn ſie ſich in einem beſondern er Licht (wie in einem Zimmer) ber
finden; weil das groſſe und le die erhabenen Theile der Coͤr⸗
per, mehr u et. much man ein Werck Fauf dergleichen un
es von weiten fe e egen welche man bey
einem kleinen Licht din def en Sa, weswegen ſie
in der Ferne nicht andes gage geben „nusiehen, MR
Nota. * Der Frantziſche st 7 giebt biete Worte atfe: 5 ouvrages
faits avec des ombres de cette eſpece ne paroiſſent jamais de
loin, que comme une ſimple teinte, & une peinture platte.
Das iſt: was mit dergleichen Art Schatten verfertiget wird“, er:
ſcheinet in der Ferne niemals anders, als eine TER f chlechy
de Farbe und als ein be Gemähldr
“, - « 2 0
e > c
Be *
or Ä Prae-
182 Der Zehende Theil /
Praeceptum von dem Schatten in der
Carnation.
7. OBSERVATIO. (Cap 2840
O ſich der Schatten mit dem Licht vereinbahret, mus man Achtung
geben, an welchem Ort, er viel heller, als dunckel iſt, und wo er ſich
am meiſten, oder am wenigſten gegen das Licht zu, verliehret. Vor als
lem aber erinnert euch, daß ihr in der Carnation hey jungen Leuten, die
Schatten an den aͤuſſerſten Theilen, nicht wie bey ſteinern Figuren, geſchnit⸗
ten oder ſcharff andeutet, indem das Fleiſch allezeit was Durchſcheinendes
an ſich hat. Man kan dieſes bey der Betrachtung einer Hand wahrneh⸗
men, die zwiſchen die Sonne und das Auge gehalten wird, da man denn
ein roͤthlicht durchſcheinendes Licht daran beobachtet. Woferne ihr alſo
den behoͤrigen Schatten zu eurer Carnation finden wollet, ſo werfet einen
Schatten mit euren Finger dahin. Wenn ihr nun denſelben lichter oder
dunckler haben wollet, fo haltet ſolchen Finger nur ſehr nahe oder weit von
turem Gemaͤhlde, und verfertiget ihn wie er ſich zeiget. W h DIE
Praecepta von der Mahlereh.
8. OBSERVAT IO. Cap. 349.
Dil. Perſpectiv iſt der Zaum und das Steuer⸗ Ruder von der Mah⸗
erey.
Die Groͤſſe der gemachten Figuren, ſoll die Weite andeuten, in wel⸗
cher ſie angeſehen worden. 1
Wenn ihr eine Figur in ihrer natuͤrlichen Groͤſſe ſehet, ſo wiſſet, daß
ſie zu erkennen giebt, wie ſie ſich nahe beym Auge befinde.
NB. Beſiehe die Anmerckung bey der folgenden 30 Obfervation.
e We
Prae-
Nachrichten auch Fragen von der Mahlerey. 183
4
Præceptum von der Perſpectiv in
der Mahlerey.
9. OBSERVATIO. (Cap3540
Enn ihr (wegen eines Nebels oder einer andern Beſchaffenheit der Lufft)
den Unterſchied der Helligkeit und der Dunckelheit (der Objecken)
zwiſchen der Lufft, nicht wohl erkennen koͤnnet, ſo laſſet alsdenn die
Perſpectiv des Schattens (in demjenigen, was ihr nachmachet) fahren, und
bedienet euch nur der Perſpectiy von der Verkuͤrtzung der Coͤrper und Bre⸗
chung derer Farben, ſamt der Verminderung von der Erkaͤnntnuͤß der dem
Auge entgegen geſetzten Coͤrper. Hiedurch wird es geſchehen, daß einerley
Sache weiter entfernet zu ſeyn ſcheinet, nemlich durch das Verliehren der
Kaͤnntlichkeit der Figur eines jeglichen Objecti. i
Das Auge wird durch die Lineal - Perſpectiv, ohne feine Bewegung,
niemal eine Erkaͤnntniß von der Weite fo zwiſchen dem Obſect und einer
andern Sache erlangen, als nur vermittelſt der Perſpectiv der Far⸗
ben, oder der Lufft⸗Perſpectiv, die in der Schwächung der Farben beſtehet.
Præcepta von den Farben und andern
vermiſchten Dingen.
10. OBSERVATIO. (Cap. 1620
De Blau und Gruͤn, iſt an ſich ſelbſt nicht einfach, denn das Blau iſt
aus Licht und Finſternis, als wie das Blaue der Lufft, aus dem ale
ler vollkommenſten Schwartz und allerhelleſten Weiß zuſammen geſetzet.
Das Gruͤn hingegen beſtehet aus etwas einfaches und zuſammen geſetztes,
denn es iſt aus Blau und Gelb zuſammen 11 |
Eine vor den Spiegel geſtellte, oder ſich ſpieglende Sache, wird allezeit
an der Farbe des Coͤrpers, der ihr zum Spiegel dienet, Antheil nehmen: und
der Spiegel kriegt eines theils etwas von der Farbe desjenigen, was von ihm
geſpiegelt wird, und es nimmt eines um fo viel mehr von dem andern Antheil,
wenn die Sache die ſich ſpiegelt, mehr oder weniger kraͤfftig er iſt, als die
Farbe des Spiegels: und dieſenige Sache wird im Spiegel in groͤſſerer Staͤr⸗
cke und Farbe erſcheinen, wenn, fie ſich der Farbe des Spiegels viel theil⸗
hafftig machet.
Dieies
184 Der Zehende Theil /
Diejenigen Farben der Coͤrper, welche ſehr hellglaͤntzend oder weiß ſind,
werden in einer weiten Entfernung koͤnnen geſehen werden: andere hingegen,
die ſehr dunckel ſeyn, verliehren ſich bey geringer Entfernung.
Unter Coͤrpern, davon einer ſo weis als der andere, und die in gleicher Weite
vom Auge abſtehen, wird derſelbe am weiſſeſten erſcheinen, weſcher mit groſ⸗
fer Dunckelheit umgeben ift, Im Gegentheil wird diejenige Dunckelheit ſich
finfterer zeigen, wenn man fie in einer ſehr weiſſen Farbe betrachtet.
Unter Farben von gleicher Vollkommenheit, wird diejenige am herzlich:
ſten ſeyn, welche bey einer Farbe geſehen wird die ihr gantz zuwider iſt; zum
Beyſpiel, das Bleiche bey dem Rothen, das Schwartze bey dem Weiſſen;
obwol von dieſen beyden letzten, weder die eine noch die andere eine Farbe zu
nennen iſt. Ferner, Blau und Gelb, Roth und Gruͤn. Denn alle Farben
ſind bey ihrem Gegentheil kaͤnntlicher, als bey denen die ihr gleich ſeyn, als wie
Dunckel im Licht, und Licht im Dunckeln. 1 Be
Diejenige Sache welche man in einer Dunckeln sder trüben Lufft betrach⸗
tet, wird, wenn ſie weiß iſt, in groͤſſerer Geſtalt erfcheinen , als fie nicht iſt.
Es ruͤhret ſolches daher, weil, wie oben gefagt worden, eine helle Sache aus
vorher angezeigten Urſachen, in einem dunckelen Feld zunimmet.
Das Mittel, welches ſich zwiſchen dem Auge und der geſehenen Sache
befindet, verwandelt ſolche Sache in feine Farbe. Zum Beyſpiel: die blau⸗
lichte Luft, machet, daß die Berge in der Ferne blau ſcheinen. Item, das
rothe Glas verurſachet, daß dasjenige ſo hinter ihm iſt, dem Auge roth ſchei⸗
net: und das Licht ſo die Sterne um ſich ausſtreuen, iſt durch die Dunckel⸗
heit der Nacht eingenommen, welche ſich zwiſchen unſerm Auge und dem hel⸗
len Licht beſagter Sterne befindet. 940 on N
Die wahrhaffte Farbe eines jeglichen Coͤrpers, wird ſich an demſelbigen
Theil am beſten zeigen, welcher von keiner Beſchaffenheit einiges Schattens,
noch von einigem Glantz eines polirten Coͤrpers eingenommen iſt.
Jch ſage: daß das Weiſſe, welches ſich mit dem Dunckeln endiget, fo
viel verurſachet, daß bas Dunckele bey feiner Endigung viel ſchwaͤrtzer, und
das Weiſſe viel heller ſcheinet, Ne 10
Eine Nachricht vor die Mahler.
11. OBSRRVAT IO. (Cap 12.)
In Mahler ſoll vor das erſte die Hand gewöhnen, die Zeichnungen von
guten Meiſtern nachzumachen. Wenn er dieſe Gewonheit ‚erlanget hat,
ſoll er folgends mit Zuziehung desjenigen, der ihn een en
2 runden
Nachrichten auch Fragen von der Mahlerey. 185
runden Figuren zeichnen lernen, und zwar nach der Regul die ich bey dem
Unterricht, von der Zeichnung runder Sachen, geben werde.
Anmerckung von dem Licht und Schatten.
12, OBSERVAT IO. (Cap. 302.)
Ehmet in Acht, daß bey der Endigung des Schattens , ch allezeit Licht
und Schatten miteinander vermiſchen. Es ſoll auch der hergeleitete
Schatten, ſich um ſo viel mehr mit dem Licht vermiſchen, wenn er weit
vondem ſchattigten Coͤrper entfernet iſt. Man wird aber alsdenn die Far⸗
be niemals einfach ſehen. Dieſes wird durch die gte Propoſition (vielleicht
von des Authoris Perſpectiv) erwieſen, welche ſaget: Die Oberflaͤche aller
Coͤrper, machet ſich der Farbe ihres Obje&titheilhafftia, obgleich ſolche Ober⸗
flaͤche aus einem durchſcheinenden Coͤrper, als Lufft, Waſſer und dergleichen
beſtehet: Weil die Lufft das Licht von der Sonnen empfaͤngt, und die Fin⸗
ſterniß aus der Beraubung deſſelben entſpringt: ſo faͤrbet ſie ſich mit ſo viel
unterſchiedenen Farben, als es dererjenigen giebt, unter denen ſie ſich zwiſchen
dem Auge und ihnen ſetzet. Die Lufft an ſich ſelbſt hat nicht mehr Farben, als
das Waſſer, aber die Feuchtigkeiten, die ſich von der mittelten Lufft⸗Gegend,
von unten mit ſelbiger vermiſchen, verdicken fie, und machen fie gleichſam zu
einen Coͤrper. Indem ſie ſich aber verdicket, durchdringen ſie die Srahlen
der Sonnen und erleuchten ſie: da hingegen die Lufft die in der mittlern
Gegend oben iſt, dunckel bleibt. Weil nun Licht und Finſterniß zuſammen
die blaue Farme ausmachen, fo ift eben das blaue, die gefärbte Lufft, und ent;
weder von groſſer oder kleiner Dunckelheit, nachdem die Lufft mit dicken oder
duͤnnen Feuchtigkeiten vermiſchet iſt.
Nachricht an die Mahler.
13. OBSERVAT IO. (Cap. 26.)
SH bey euren Zeichnungen wohl Achtung, daß ſich ohnfern dem Schat-
ten noch andere Schatten befinden, die der Dunckelheit und Figur nach,
unvermercklich ſeyn. Dieſes beweiſet ſich durch die zte Propofition
(vielleicht von des Authoris Perſpectiv) welche ſaget: daß die runden oder
kug echten Oberflaͤchen, von ſo viel unterſchiedener Dunckeiheit und Helligkeit
find, als es Manigfaͤltigkeiten in der Dunckelheit und Helligkeit dererjenigen
gibt, die ihnen zum Gegenſtand dienen.
Aa Tach⸗
— —
186 Der Zehende Theil /
Nachricht an die Mahler.
14. OB SERV AT IO. (Cap 8.)
En Mahler ſoll allgemein und einſam ſeyn, auch alles was er ſiehet, ge
nau betrachten, und mit ſich ſelbſt davon reden. Von der Art einer je⸗
den Sache, die ihm in das Geſicht fallt ‚muß er die allerbeſte erwaͤhlen,
und es wie ein Spiegel machen, der ſo viele Farben annimmt, als die Sa⸗
chen beſitzen, die man ihm vorhaͤlt. Wenn er nun alſo mit ſich umgehet, wird
er gleichſam die andere Natur zu ſeyn ſcheinen.
Nachricht an die Mahler.
15. OBSERVAT IO. (Cap. 5.)
Derne Mahler ift nicht ſonderlich Lobens wuͤrdig, der nicht mehr als
a eine Sache gut ausarbeitet, zum Beyſpiel, das Nackigte, einen Kopff,
die Gewaͤnder, Thiere, oder Landſchafften, und dergleichen beſondere
Dinge. Denn man findet nicht leicht ein ſo tummes Hirn, welches, wenn
ſich ſelbiges nur auf eine einzige Sache leget, und fie beſtaͤndig ubet, ſie end⸗
lich mit der Zeit nicht gut machen ſolte. (*)
(Ben dieſer und der 12. Obſer vation des vorhergehenden Theiles,
muß nothwendig angemercket werden wie man zwar alles mit guter
Manier nach der Natur vorſtellen kan, daß es nicht ſtuͤmperiſch
heraus koͤmmt: es ift aber gleichwol nicht moͤglich, dieſes in der hoͤch⸗
ſten Vollkommenheit zu thun, und alles gleich gut zu machen, maſſen
hierzu unſere Lebens Zeit nicht zureichte, obſchon die Gaben Darin.
vorhanden waͤren.
Nachricht an die Mahler.
16. OBSERVAT IO. (Cap. II.)
EN Mahler der nicht zweiffelt, wird wenig erlangen. Denn wenn das
Werck die Beurtheilung des Meiſters uͤbertrifft, wird derſelbe wenig
ausrichten. Wenn aber das Judicium oder die Beurſpeilung dae
uͤber⸗
Nachrichten / auch Fragen von der Mahlerey. y
uͤbertrifft, ſo wird ſolches Werck nicht aufhören ſich zu verbeſſern, wenn es au
derſt der Geitz nicht verhindert.
Nachricht vor einen allgemeinen Mahler.
17. OBSERVAT IO. (Cap. 9.)
Won ein Mahler nicht alle Theile der Mahlerey gleich liebet, kan er
niemahls univerſal oder allgemein werden. Zum Exempel, wenn ei⸗
ner mit dem Landſchafft⸗Mahlen nichts mag zu tuhn haben, weil er mei⸗
net, daß eine ſo ſchlechte Sache nicht verdiente, daß man ſich darauf
legte, ſo wird er groſſen Mahlern allzeit nachgehen muͤſſen. Dergleichen
Irꝛthum hegte unſer Boticello, * der ſich verlauten ließ: daß das Land⸗
ſchafft⸗Mahlen eine eitle Bemuͤhung waͤre, geſtalten man nur, einen mit mans
cherley Farben ange uͤlten Schwamm, an eine Mauer werfen dürfte , ſo
wuͤrde er einen Flecken daran machen, der einer Landſchafft aͤhnlich ſchiene.
Es iſt nicht zu läugnen , daß man vielerley Erfindungen daraus ziehen Fönte,
wenn man ſich die Mühe geben wolte, fie darinnen zu ſuchen, oder ſich ein⸗
bildet, man ſehe unterſchiedliche Figuren daran; als Menſchen⸗ Köpfe, als
lerhand Thiere, Feld⸗Schlachten, Felſen, Meere, Wolcken, Buͤſche, und
dergleichen. Es gehet dabey her, wie mit dem Thon einer Glocken, von wel⸗
cher man ſich einbilden kan, daß ſie dieſes oder jenes ſage das uns anbetrifft.
Hb uns nun ſchon dergleichen angeregte Flecken zu Erfindungen Anlas geben
koͤnnen, fo ertheilen fie doch keinen Unterricht, wie man fie abſonberlich ausfuͤh⸗
ren . weswegen einer durch ſie, ein elender Landſchafft⸗Mahler werden
wird.
Nota. * Sandro Boticello, iſt der Name eines Mahlers von Florentz,
der unterſchiedliche Kunſtſtuͤcke verfertiget hat, welche von den Ken⸗
nern hochgeſchaͤtzet wurden. Er ſtarb An. 151 in einem Alten
von 78 Jahren, nachdem er eine lange Zeit aus Schwachheit auf
Kruͤcken gehen, und dabey wegen ſeines Muͤſſiggangs, dem er ſich
3 De erſte Neigung ergeben, hat Mangel und Armuht lei⸗
en muͤſſen.
Aa 2 Be
188 Der Zehende Theil / 751
———
Wie ſich ein Mahler univerſal oder allgemein
Ni machen ſoll. |
18. OBSERVATIO. (Cap. 10.)
D zu bewerckſtelligen, und Leuten von unterſchiedenem Geſchmack zu
gefallen, muß man in einer Compoſition, Sachen von groſſer Dun⸗
ckelheit, und wieder andere von ſehr linden und angenehmen Schat⸗
ten machen; doch daß die Urſache dieſes Unterſcheides des Schatten und der
Gelindigkeit, zu erkennen ſey.
Wie man univerſal ſeyn kan.
19. OBSERVAT IO. (Cap. 22.)
Inemeverſtaͤndigen) Menſchen (Mahler) iſt es leichte ſich ı niverfal zu
E machen. Denn alle auf dem Erdboden ſich befindliche Thiere, haben ei⸗
ne groſſe Gleichheit der Glieder untereinander. Sie ſind alle aus Mulculn
(Maͤußlein) Nerven (Senn; und Spann⸗Adern) und Beinen, zuſammen ges
ſetzet, die nur in der Dicke und Laͤnge unterſchieden ſeyn, wie man in der
Anatomie ſehen wird. Was aber die Thiere im Waſſer anlanget, ſo iſt da⸗
ſelbſt der Unterſcheid ſo groß, daß ich keinen Mahler zu bereden begehre, daß
er ſie unter gewiſſe Regeln bringe, (oder ſich bey ihnen aufhalte.)
Nota. Hier ſcheinet der Author nur von der allgemeinen Theorie der
Dinge zu reden. i A
x
Welches die vornehmſte Intention und das er-
ſte Object eines Mahlers ſeyn ſoll.
20. OB SERVAT IO. Cap. 277.)
r Intention (Abſicht) eines Mahlers ſoll darinnen beſtehen,
wie er es angreiffen möge, daß die Coͤrper auf der ebenen Oberfaͤche
| feiner Tafel, von derſelben erhaben und abgeſondert ſcheinen: und der⸗
jenige
Nachrichten / auch Sragen von der Mahlerey. 189
jenige welcher andere hierinnen übertrifft, verdienet groffes Lob. Dieſe Be⸗
werckſtelligung, welche billig die Erone der Mahlerey zu nennen iſt, entſpringet
aus der richtigen und natuͤrlichen Eintheilung des Lichtes und Schattens, ſo
man auch das Helle und Dunckele nennet. Denn ſo ein Mahler den Schat⸗
ten ſparen will, wo er doch nothwendig ſeyn muß fo ſpart er ben Kußm Lob
der Kunſt bey verftändigen Gemuͤthern, und erwaͤhlt ſich nur Ruhm des
gemeinen Pöbels, der fonft auf nichts, als die Schoͤnheit der Jude Pr
fung giebt, und die Erhebung in den Wind ſchlaͤget. |
Bon unterſchiedlichen Beobachtungen i in der
Mahlerey.
21. OBSERVAT IO. (Cap. 308. 5
1 95 77 Dingen von gleicher Dunckelheit, Groͤſſe, Figur und Abſtand vom
Auge wird ſich dasjenige kleiner zeigen, welches ſich in einem uͤberaus
weiſen und glängenden Felde befindet. Man ſiehet ſolches an der Son⸗
ne, wenn ſelbige hinter einem Gewaͤchſe ohne Blaͤtter geſehen wird, daß al⸗
le ihre Aeſte die ſich gegen den Coͤrper der Sonnen wenden „dermaſſen verkuͤr⸗
et ſind, daß ſie faſt unſichtbar bleiben. Dergleichen geſchiehet auch bey einer
tange abe Piqve, wenn fie zwiſchen das Auge und den Sonnen⸗Coͤrper
geſetzet i
Die Parallelen, oder diejenigen Coͤrper, deren Seiten in gleicher Wei⸗
te von einander abſtehen „wenn ſie gerad aufgerichtet ſind, und durch einen
Nebel geſehen werden, ſcheinen oben viel dicker als unten: welches durch die
gte Propoſ. (vielleicht von des Authoris Perſpectiv ) erwieſen wird „da es
heiſt: daß ein Nebel oder die dicke Lufft, wodurch die Sonnen⸗ Strahlen drin⸗
gen, ſich um ſo viel weißer zeiget, als er niedrig iſt.
Diejenige Dinge ſo von weiten geſehen werden, erſcheinen in keiner gu⸗
ten Proportion. Dieſes koͤmmt daher, weil der helleſte Theil ſein Bildniß,
mit ſehr ſtarcken Strahlen nach dem Auge ſchicket, welches aber der ſehr dun⸗
ckele Theil nicht thut. Ich habe eine ſchwartz gekleidete Frau, mit einem
weiſſen Tuch auf den Kopf geſehen, der zweymal groͤſſer als die Schulen ge⸗
ſchienen, die ſchwartz bekleidet waren.
Aa 3 Von
190 Der Sehende Theil L
——ñ— ——t-— 2 —ͤ—ü (Gi
Von den Objedtis,
22. OBSERVATIO. (Cap.38.)
are Theil vom Object wird fehr erleuchtet ſeyn, welcher dem Licht
fo daſſelbe erleuchtet ſehr nahe iſt.
1 Die Gleichheit der Dinge verliehret bey jedem Grad der Weite, auch
einen Grad Kr ; das iſt: wenn die Sache fehr weit vom Auge ab⸗
geſondert iſt, wird ſie mit ihrer Aehnlichkeit, deſtoweniger durch die Lufft
dringen koͤnnen.
Wie ein Mahler von ſeiner eigenen Arbeit am
. 0 An beſten urtheilen kan. Ruh
23. OBSERVATIO. (Cap.274.)
Wo wiſſen, daß die Fehler in der Arbeit anderer Leute, eher als in un⸗
ſerer eigenem zu ſehen ſeyn. Es ſoll demnach ein Mahler gleich anfaͤnglich
dahin trachten, wie er ſich in der Perſpectiv feſt ſetzen, und eine voͤl⸗
lige Erkaͤndtniß vom Maaß des Menſchlichen Coͤrpers erlangen möge, Er ſoll
auch ein guter Architectus (Bau-Meiſter) ſeyn. Das iſt, in ſo weit, als es
die aͤuſſerliche Geſtalt eines Gebäudes mit feinen Theilen erfodert.
Wofern er in etwas keine Practic oder Erfahrung hat, muß er nicht unter⸗
laſſen, ſolches nach der Natur zu zeichnen. Bey dieſer Arbeit ſoll er einen
flachen Spiegel bey der Hand haben, uͤm dasjenige, was er zeichnet oder mah⸗
let, oͤffters darinnen anzuſchauen. Gleichwie er nun alles umgekehrt vorſtel⸗
let, und das was man darinnen ſiehet, von einer fremden Hand verfertiget zu
ſeyn ſcheinet: als kan man durch ſolches Mittel feine Fehler viel eher entdes
cken. Es wird auch noͤhtig und nuͤtzlich ſeyn, dann und wann von der Ars
beit abzuſtehen, um ſich ein wenig zu erholen. Denn bey der Zuruͤckkunfft,
wird man von viel freyern und gewiſſern Urtheil ſeyn: Da im Gegentheil, eine
allzu lang anhaltende Betrachtung, den Verſtand ſchwaͤchet und betruͤget.
Von
Nachrichten / auch Fragen von der Maͤhlerey. 191
8 — — in
Von dem Urtheil des Mahlers über feine und
| eines andern Arbeit
24. OBSERVAT IO. (Cap. 273.)
Enn das Werck mit dem Judicio oder Urtheil in gleichem Grad ſtehet/
DIR iſt es ein ſchlimmes Anzeichen in einem folchen Urtheil: und wenn
das Werck das Judicium übertrifft, iſts noch ſchlimmer, gleichwie
es bey denenjenigen geſchiehet, die ſich verwundern, daß fie ihre Sachen fo
wohl gemachet haben. Übertrifft aber das Judicium die Arbeit, iſt es ein
vollkommen gutes Zeichen. Woferne ein junger Menſch dergleichen gute Ga⸗
be beſitzet, wird er ohnfehlbar ein vortrefflicher Meiſter werden. Iſt es ſchon,
daß er wenig Wercke verferfiget , fo werden ſie doch die Eigenſchafft haben,
daß die Leute lange dabey ſtille ſtehen und fie mit Verwunderung betrachten.
Von dem Judicio.
25. OBSERVATIO. (Cap.ıs.)
S iſt nichts, daß ſo leicht betruͤget als unſer Urtheil, welches wir über
unſere eigene Wercke faͤllen. Die Verachtung unſerer Feinde, wird uns
hierinnen dienlicher ſeyn, als die Genehmhaltung unſerer Freunde. Denn
dieſe letztern find gleichſam ein Ding, druͤm koͤnnen fie uns fo wohl betruͤgen,
als unſer eigenes Urtheil. 3
Wie ein Mahler begierig ſeyn ſoll / von einem
jedem das al feine Arbeit zu
x phoͤren.
16. OBSERVATIO. Capi)
S iſt gewiß, daß ein Mahler das Urtheil über feine Zeichnungen oder
E Gemaͤhlde, niemanden abſchlagen ſoll. Denn wir ſehen, daß ein Menſch
ob er gleich kein Mahler iſt, doch eine Erkaͤndtnuͤß von der Form eines
Menſchen haben wird, ob nemlich derſelbe buckelicht ſey, ob er dicke W
un
192 Der Zehende Theil /
and groſſe Haͤnde habe; ob er lahm oder mit andern dergleichen Mängeln
behafftet iſt. Erkennen wir nun daß der Menſch geſchickt iſt, ſelbſt von den
Wercken der Natur zu urtheilen, ſo kan er ſolches um ſo vielmehr von un⸗
ſern Fehlern thun. inne |
Die entdeckten Fehler ſoll man bald ver⸗
beſſern. ins
27. OBSERVATIO. (Cap.14.)
Ch erinnere euch ihr Mahler, wenn ihr entweder durch euer eigenes Urtheil,
oder vermittelſt eines andern Erinnerung, einige Fehler in euren Wer⸗
cken entdecket habt, daß ihr beſorget ſeyd, ſelbige gleich zu verbeſſern;
damit nicht, wenn ihr ſie oͤffentlich darſtellet, ihr zugleich auch eure Fehler vor
jedermann kund machet. Entſchuldiget und uͤberredet euch nicht damit, daß
ihr in euren kuͤnfftigen Wercken dergleichen Fehler und Schimpff erſetzen
wollet. Denn es gehet bey der Mahlerey nicht wie in der Mufic her, wel⸗
che gleich nach ihrer Geburth wieder ſtirbet: da hingegen jene lange dau⸗
ret, alſo daß die Zeit ein beſtaͤndiges Zeugniß von euerer Unwiſſenheit abſtat⸗
ten wird. Und ſo ihr euch mit der Duͤrfftigkeit und dem Mangel der Zeit
zu entſchuldigen gedencket, die euch nicht zu ſtudiren, und ein wahrer Mah⸗
ler zu werden erlaubet, ſo iſt ſolches eine vergebliche Ausflucht. Klaget euch
vielmehr ſelbſt an, weil das bloſſe Studium der Tugend (oder der Wiſſen⸗
ſchafften) eine Speiſſe des Gemuͤthes und des Leibes iſt. Wieviel hat man
nicht Weltweiſe geſehen, die in Reichthum gebohren waren, und denſelbigen
gleichwol verlaſſen haben, damit ſie derſelbe nicht von den Wiſſenſchafften und
der Tugend ablencken moͤchte.
Wie der Spiegel ein Meiſter der Mahler iſt.
28, OBSERVAT IO, (Cap. 275.)
A Eñ ihr wiſſen wollet, ob euer Gemaͤhlde gantz und gar mit der nach de Na⸗
Wu verfertigten Sache überein komme, ſo neh met einen Spiegel, und laſ—
ſet das Leben ſich darinnen ſpiegeln. Vergleichet ſolches alsden mit eurer
Arbeit, und betrachtet euer Object in einem und dem andern recht i
| 1 ch; | urch
I
2
Nachrichten / auch Fragen von der Mahlerey. 195
C ne
durch werdet ihr in einem flachen Spiegel, die darinn ſich e e Dinge
erhoben ſehen, welches die Mahlerey auch thut. Das Gem hide hat eine ei⸗
nige Flaͤche, und der Spiegel iſt von gleicher Art. Der Spiegel und das
Gemaͤhlde, zeiget die Gleichheit der Sachen die mit Licht und Schatten um⸗
gebe ſind, und es ſcheinet fo wol das eine als das andere weit genug von ſeiner O⸗
berflaͤche entfernet zu ſeyn. So ihr nun erkennet, daß der Spiegel vermittelſt der
Liniamenten und Schatten machet, daß euch die Dinge erhoben zu ſeyn ſchei⸗
nen und ihr unter euren Farben viel ſtaͤrckere Schatten und Licht habt, als
ſie in dem Spiegel ſeyn, ſo iſt gewiß, wenn ihr ſolche wohl zuſammen zuſetzen
wiſſet daß euer Gemaͤhlde einer naturlichen Sache „die in einem Spiegel
vorgeſtellet wird, gantz gleich iſt. Euer Meiſter, (der Spiegel,) wird euch
das Helle und Dunckele von jeglichem Object zeigen, und eure Farben haben
etwas das heller und dunckeler, als der erleuchtete und ſchattigte Theil des
Bildniſſes von dieſem Object iſt. Daher folget es, daß ihr euer Gemaͤhlde
demjenigen, ſo ſich im Spiegel zeiget, gantz gleich machen werdet, wenn es nur
von einem Auge geſehen wird. Denn die zwey Augen umgeben das Object,
welches kleiner als das Auge iſt.
Von der Practic die ein Mahler mit groſſen
Fleiß ſuchen ſoll.
29. OBSERVATIO, (Capaya.)
In Mahler der eine groſſe Pra&ic zu haben verlanget, ſoll wiſſen, daß
er wenig Ehre und darzu ſchlechten Nutzen von ſeiner Bemuͤhung zu
gewarten hat, wenn er feinen Fleiß, nicht auf die Erkaͤndtniß der Na⸗
tur gruͤndet. Woferne er aber den rechten Weeg nimmt, wird er mit
groſſer Ehre und Nutzen viel und gute Wercke machen.
Von denenjenigen/ welche die Practic ohne den
| Fleiß oder die Wiſſenſchafft treiben.
30. OBSERVATIO. (Cap23)
8 Dan welche ſich, ohne den Fleiß, oder beſſer zu ſagen, ohne die Wiſ⸗
ſenſchafft, in die Praxin verlieben, find wie die Schi Leute welche
B b ohne
wa
D
3
194 Der Zehende Theil / —ʃ
ohne Compas und Ruder auf das Meer zu ſchiffen gehen, und alſo niemals
eine Gewißheit haben, wo fie ſich hin wenden 't N
Die Practic, ſoll allezeit auf den Grund einer guten Theorie gebauet
ſeyn, worzu die Perſpectiv, die Thuͤre und der Wegweiſer iſt: Und ohne
dieſelbige kan weder in der Mahlerey noch in allen andern Profeſſionen, et⸗
was rechtes ausgerichtet werden. IN
Nota.“ Der Author nennet hier die Perſpectiv mit allen Recht, die Thuͤ⸗
re und den Wegweiſer zu den Grund einer guten Theorie in der
Mahler-Runft / weil ſie aus der Geometrie hergeleitet iſt, die den
Beweis aller Mathematiſchen Warheiten in ſich ſchluͤſſet. Wenn
alſo ein Mahler, ſich nicht mit Vorurtheilen einnehmen laͤſſet, ſo
hat er hohe Urſache die Perſpectiv nicht oben hin, ſondern fo viel
als moͤglich zu ſtudiren, worzu ihm die Geometrie die beſten Vor⸗
theile an die Hand geben wird; als ohne welche faſt gar keine Pro-
feſſion beſtehen kan, wenn fie anderſt reel heiſſen, und einen recht⸗
ſchaffenen Nutzen nach ſich ziehen ſoll. Im uͤbrigen kan dieſe An⸗
merckung, auch bey der obigen Sten Obfervation ſtatt finden.
Der d leiß iſt vor der geſchwinden Prackic
zu lernen.
31. OBSERVATIO. (Cap 180
(Enn ihr in euerm Studio etwas Gutes und Nuͤtzliches ausrichten wol⸗
let, ſo traget Sorge, damit ihr euere Zeichnungen nicht zu eilfertig
machet, und beurtheilet unter den lichten Theilen „welche und wie
viele, ſich in Demierften Grad der Helligkeit befinden. Gebet auch bey dem
Schatten Achtung, welche Theile dunckler als die andern ſeynzund auf was vor
FIN Art, und in 55 , ſie ſich zuſammen vermiſchen ! 7 60
i gegen epfahder pergieichet „ ef e t n nn
ET Ben der Ulme ſſe (keit, Ep nie aaf wachlE
ſie ſich einrichten Neicher Theil der Linien, nach der einen oder der andern
gewendet, wo er mehr oder weniger deutlich , und alſo entweder breit oder
zart ſeyn fo Es muͤſſen auch endlich euere Lichter und Schatten, ohne har⸗
te Züge und Zeichen vereiniget ſeyn, und ſich gleichſam als-ein Rauch ver
lieren. Wenn ihr euch nun alsdenn eine fo richtige Art zu zeichnen ange⸗
wöhnet habt, werdet ihr geſchwind und gantz unvermercket, eine Lei gen
ce pr fe e ee eee Das
4 6
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7
Nachrichten auch Fragen von der Mahlerey. 195
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(2 OBSERVÄTIO (Gap A ..>
Ep foll niemahls die Manier eines andern nachmachen, wiedrigen⸗
fals wird er nur ein Enckel, nicht aber ein Sohn der Natur heiſſen. Denn
die Dinge in der Natur ſind in ſo groſſem Uperfluß vorhanden, daß man
ſeine Zuflucht vielmehr zu dieſer Natur ſelbſt, als zu an ern Meiſtern nehmen
ſoll, die doch ebenfals bey ihr in die Schule gegangen: ſeyn⸗
Wie man ſich das Bildniß eines Menſchen in
den Sinn praͤgen, und ſelbiges im Profil, oder nur,
wie es auf der einem Seiten beſchaffen, abmahlen ſoll, ob man es
en gleich nicht oͤfter als einmal geſehen hat. hy,
33. OBSERVATIO. Cap. 189)
N dieſem Fall muß man ſich die Abwechſelung der vier unterſchiedenen
. Geſichts Theile, nach dem Profil in das Gedaͤchtniß faſſen, welches die
Naſe, der Mund das Kien und die Stirne ſeyn. Was erſtlich die Na⸗
ſe betrifft, ſo giebt es hievon dreyerley Arten, nemlich gerade, eingebogene
und erhabene oder buckligte. Bey den geraden, hat man nicht mehr als
vier Abwechſelungen, als lange, kurtze, hohe mit der Spitze, und niedrige.
Die eingebogenen Naſen beſtehen aus dreyerley Gattungen. Emige davon
haben die Hohle an dem Obertheil, etliche in der Mikte, und andere an
dem unterſten Theil. Die erhabenen oder bucklichten Naſen, wechſeln auch
auf drey Arten ab. Einige haben den Buckel am oberſten Theil, etliche in
der Mitte, und andere unten. Die hervor ragenden Naſen deren Buckel
ſich in der Mitten befindet, wechſeln gleichergeſtalt auf dreyerley Arten ab,
indem fie entweder gerad, eingebogen, oder erhaben ſeyhn.
a
*
25 „
076 Bb 2 Noch
196 Der Jehende Theil /
2 uewsrn
Noch eine andere Art die Geſtalt eines Geſich⸗
tes in dem Gedaͤchtniß zu behalten.
34. OBSERVAT IO. (Cap. 190.)
Weng ihr die aͤuſſerliche Geſtalt eines Augeſichtes leichtlich in den Sinn
| faſſen wollet ‚fo lerne man erſtlich von vielen Koͤpffen, den Mund, d
Augen, die Naſen, das Kien, die Kehle nebſt den Hals und Schul⸗
tern wol zeichnen. Zum Exempel, die Naſen ſind von zehenerley Arten, denn
es giebt gerade, buckeligte, hohle, weit unter oder uͤber der Mitten erha⸗
bene Adlers⸗Naſen, aufgeſtuͤlpete oder Affen⸗ artige, rundtlichte und ſpitzige
Naſen. Alle dieſe find gut nach dem Profil zu ſehen, von forne aber oder
gerad gegen das Geſicht, ſind fie von eilfferley Art, als gantz gleiche, duͤnne
oder dicke in ihrer Mitte; mit einer dicken und duͤnnen Spitze bey ihrer An⸗
fuͤgung, oder ſie ſind nur duͤnner an ihrer Spitze und Dicke ihrer Anfuͤ⸗
gung. Es gibt auch Naſen mit breiten, engen, hohen und niedrigen Naſen⸗
loͤchern, mit offenen Gruben „und mit Gruben an der Spitze: und wird man
dergleichen Unterſcheid, auch an andern Theilen antreffen. Alle dieſe Din⸗
ge muͤſſet ihr durch fleiſſiges Zeichnen nach der Natur / in das Gedaͤchtniß faſ⸗
ſen. Oder aber, wenn ihr ein Geſicht aus dem Sinn zu verfertigen begeh⸗
ret, muͤſſet ihr ein kleines Buͤchlein, darinnen viel dergleichen unterſchiedene
Theile des Geſichtes eingezeichnet ſind, bey euch tragen. So ihr nun einen
Blick auf das Geſicht derjenigen Perſon geworfen, die ihr zu machen willens
ſeyd, ſo betrachtet beſonders, welche Naſe oder welcher Mund mit eurem
bereits entworffenen uͤberein kommet. Machet alsdenn geſchwind ein kleines
Merckmal darzu, damit es euch befand: bleibet: und verfertiget alsdenn zu
Hauß die voͤllige Zuſammenſetzung. N
Nota. Was der Author in dieſer und der vorhergehenden Obſer vation
erwehnet, das duͤncket uns, nur auf den Nohtfall geredet zu ſeyn.
2032.) e
©
Roch
Nachricht / auch Fragen von der MWahlerey. 197
Noch eine andere Art von dem Entwurf der
Glieder und eines Geſichtes.
35. OBSERVATIO. (Cap. 1880
N e ſo den Knorpel oder Globum der Naſe, in der Mitte des Ge;
ſchts formiren wechſeln auf 8 unterſchiedene Arten ah; das it: fie
ſimd erſtlich entweder gerade, oder gleich ausgehoͤhlet, oder gleich erhg⸗
ben. na zweyte find fie ungleich gerad, hohl und erhaben. Vor das
dritte, ſind ſie in den obern Theilen gerade und unten hohl. Zum vierten,
oben gerad und unten erhaben. Zum fünften, oben hohl und unten gerad,
Zum ſechſten, oben hohl und unten erhaben. Zum fiebenden, 15 erhaben
und unten gerad. Und zum achten, oben erhaben und unten hoh n
Die Zuſammenfuͤgung der Naſen mit den Augbraunen, iſt von zweyer⸗
fen Arten entweder hohl oder gerade Die Stirne hat dreyerley Veraͤnde⸗
rungen. Denn ſie iſt entweder eben oder hohl, oder ſie iſt erhoben und aus⸗
gefuͤlet. Die Platte oder Ebene, theilet ſich wieder in zwey Theil. Sie iſt
nemlich entweder am obern oder untern, oder am obern und untern Theil
erhaben, oder oben und unten zugleich eben.
eee 1
Eine Art / das Inge n ium zu unterſchiedenen
Erfindungen aufzumuntern.
36. OBSERVAT IO. (Cap. 16.)
Ch will nicht unterlaſſen, dieſen Praeceptis ehr: Sägen) eine neue In-
vention (Erfindung) zum Nachſinnen beyzufuͤgen; welche ob ſie den
T ſehr gering und laͤcherlich ſcheinet, nichtsdeſtoweniger ſehr nuͤtzlich iſt, den
Geiſt zu unterſchiedenen Inventionen aufzuwecken. Es beſtehet dieſelbige
darinnen. Wenn man beſchmutzte Mauern oder vielfaͤrbigte Steine betrach⸗
tet, ſo kan man einige Gleichheiten und Erfindungen von unterſchiedenen
Landſchafften, Feld⸗ Schlachten, geiſtreichen freyen Stellungen von Figuren,
fremden Wendungen von Geſichtern, wunderlichen Kleidungen und unendlich
vielen andern Sachen daran finden; weil der Geiſt durch verwirꝛte Dinge, zu
Erfindungen aufgemuntert wird. | \ | i
5 .
*
123 Deter Zebende cbenw /
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Daß man diejenige Dinge / woruͤber man ſtu⸗
diret, bey der A Gemüuͤthe wieder⸗
IN f * en oll.
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5 —
37. OBSERVA TIO. | (Cap.17.). per
(SS hat mich die Erfahrung gelehtet, wie es keinen geringen Nutzen nach fich
E ziehet wenn man ſich bey Nacht⸗ Zeit! Wee de mean
riſſe der Figuren, wie auch andere merckwuͤrdige Dinge von zinem tiefer
Nachſinnen, womit man den Tag, über, umgegangen. / in feiner, Einbildung
wiederhole; denn durch dieſes Mittel werden die ins Gedaͤchtuiß gefaſſete
Dinge noch feſter darein geprage ent..
RN eee Med ee 15 np en
Daß ein Mahler ſich nicht zu viel trauen / noch
die Betrachtung der Natur unterlaſſen ſoll.
%%% hin ana % IR 1905, Nina 00% ode am 12 0⁰i ins ns
38. OBSERVAT IO. ( Cap!=20:)
esel welter die Meinlhig bon ſch heget, als ob er Ti elhkr ichen
) Würdung der Natur u erinnern koͤnte, der betruͤget ſich
ſebr. Denn unſer Gedaͤchtniß iſt nicht geſchickt genug darzu: dahers
man ſicherer gehef be mqn files nach der Ngtuf geyferüget
IR, „. 1141 1. A £ 998
Ob der Schatten und das Licht dem Coͤrper
luügszlicher ſey als ihre Zeichnung
39. OBSERVXTIO. (Caps
ON 34 Termini oder Umtiſſe zeigen mehr Vernunft und Verſtand an, als
der Schalten und das licht. Und dieſes darüm, weil die Lintam enen
der Glieder die ſich nicht biegen können 1 unveraͤnderlich ſeyn ag
une 2 r
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basjenige bleiben was fie fü lber find. Ding Degeſcafferheren, und die
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Serfodern hie Schatten in det + Mahleteh w er, Kine lan
€ Nachforſchen, als die Zeichnung ihrer Unwiſſe Denn vermittel 1 fla⸗
chen Glaſes oder! duͤnnen Flohres, kan ich die e oder Umriſſe
von allen Eoͤrpern machbeichnen PR 5 5 e 1 u und Bas
Object 3 ſind 10 iche l 55 W 11 Kin 5 ſch Hey. den
atten herentgegen! 05 115
ea öffters u und undeutlich in einan be verimen wie
ſolches in meinem Buche 05 Schatten und Licht ra wird. 1 am
Welche Silber am Loben zwürdigſten it:
1. OBSERVAT 19: Cap 276)
D. „welches mit der Sache, die au
$ )nadigemacht,ambefte Na en e
9 115 Mahler irre. ei) ae,
einem de ind von einem d es doch 2 2
nur lang iſt. Die Breite der Sch 00 nur bach N en en ſie
un ‚wepmmal ſo desen 0 A die 209 ii eines jährigen Sir
mit der 110 gporsion ich nun ſeol⸗
ec die ba 1 hen 9005 77
andern Ka tleff ini
derbe Berend an 55 ewü 185 5 fur be e de⸗
nenjenigen, die ihr genau 1 de 5 a Fehler, weil ſie nicht thäten,
was doch ſie thun. i. A -
(Vid. 1 Theil Obferv. 10.)
Von
** u 1
es,
*
200 Der Zehende Theil / Nachricht / auch Fragen von der Mahlerey⸗
Von einer Stat.
x 142 OBSERVATIO: (Gap351)
Sd ihr eine Statua von Mormor verfertigen wollet, ſo machet erſtlich ein
Modell von Erde oder Thon. Wenn es fertig und trocken iſt, fo ſetzet es
in einen Kaſten: der räumlich genug iſt, wenn dieſe Figur wieder heraus
genommen wird, das Stuͤck Marmor darein zu tuhn, woraus ihr eine kigur wie
die von Erden iſt, zu Mace verlanget. Setzet demnach die Figur von Erden
in dieſen Kaſten, und nehmer weiſſe Staͤbe welche juſt durch die in den aſten ger
machte Laͤcher gehen. Stoſſet jeglichen durch die Löcher hinein, biß ſie die Figur
an unterſchiedlichen Orten berühren. Das jenige Theil nun, ſo von den weiſſen
Staͤben auſſer dem Kaſten bleibet, faͤrbet ſchwartz und bezeichnet ſelbigen Stab
mit ſeinem Loche, damit ihr ſolches wieder zufinden wiſſet. Bringet hierauf die
Figur von Erden, wieder aus dieſen Kaſten, und ſetzet an deren ſtatt das Stück
Marmor hinein, und arbeitet ſo viel davon hinweg, daß alle eure bezeichnete
taͤbe biß an das Schwartze eingehen. Um aber ſolches noch bequemer zu thun,
fo richtet den gantzen Kaſten fo ein, daß man ihn alſo in die Hoͤhe heben kan, da⸗
mit ſein Boden ſtets unter dem Marmor bleibet. Auf dieſe Art koͤnnet ihr
vermittelſt eiſerner Werckzeuge, das Bild mit leichter Muͤhe vollends aushauen.
Wie man ein erdichtetes oder Chimaeriſches
Thier zuſammen Poe daß es natuͤrlich
yi einet. 1
43. OBSERVAT IO. (Cap. 286.)
Ex iſt bekandt, daß man nicht ein einiges Thier vorſtellen kan, welches nicht
Glieder hat, drum muß ein jedes von ſeinen Gliedern, den Glied maſſen ei⸗
nes warhafften Thieres, in etwas gleichen. Wenn ihr derohalben ver⸗
langet, daß ein erdichtetes Thier natuͤrlich zu ſeyn ſcheine; zum Beyſpiel, eine
Schlange, ſo gebet ihr den Kopf von einem Schaaf oder Wachtel⸗Hund. Die
Augen von einer Katze, die Ohren von einem Stachel⸗Schwein, die Naſe oder
Schnautze von einen Windhund die Augbraun von einem doͤwen, die Schlaͤfe
von einem alten Hahn, und den Halß von einer Waſſer⸗ Schuͤdkroͤte. | |
unn
Regiſter.
2 RR
58888
. REREENE
232
kan
333
e 70702220
4
Register.
1 —
1
| Bnahme der Farben und
| Coͤrper 102
bgeſonderte Figuren, was
davon zu mercken 101
Abtheilung der Figuren 10
einer Statue 114 16:
Abwechſelung der Figuren 147
Action der Menſchen, wie ſie einzu⸗
richten 141
Aqvilibrium. vide Wagrechter
Stand.
ee „bey den Figuren auszudru⸗
156
Alert der F Figuren iſt zu beobachten
174
Alte deute, wie ſie vorzuſtellen 154
Alte Weiber abzubilden 155
Anatomie, iſt einem Mahler noth⸗
wendig 17
1000 man ſie Indie
Annehmligfeit der Glieder 143
Arm, wie weit einer zum andern 05
werts kommen kan
Aug⸗Punct, wie hoch berfebige 0
nehmen 85
Aus wendige ne Farben, die
1 weiter Entfernung verſchwin⸗
en 94
Ataille, wie fie M mahlen 168
Beine, welche in den Sennen
wachſen 23
Beste wa von deren Farbe zu mer⸗
110
Bequemlichkeit der Glieder zu 550
leichten Bewegung
Beſchaffenheit des Geſichtes und Leis
bes des Menſchen 148
Beurtheilung uͤber die Arbeit eines
Mahlers 140
Bewegung, was insgemein davon E
mercken ;
—— welche durch ein Object ie
muͤthe enſpringet 35
„der Glieder in der natuͤrlichen
Action des Menſchen 36
- - der Theile des Geſichtes 36
- - der Figuren 9.147
ollen mit den Wercken des Men
ſchen NE 95
-der Thiere m 42.
N ebung des 5
quilibrüerurfachet wird 32
Bewegungen der Figuren, wie ſie aus⸗
he 141, der Glieder derſel⸗
142
Seeed des Menſchen 32.38.42
- wie ſie zu ſtudiren 34, was
die einfache und zuſammen
geſetzte iſt 37
Se des Venen ſich le
195 eq.
Blau. wie es von weiten in case
ten zu ſehen 5 13
Ce Blaue
1
Blaue Farbe der Luft, woher fie ent⸗
ſpringet 108
Bügungen des Menſchen 13. deren
Zufaͤlle 14, des Fleiſches 24, der
Glieder 14.15, bey einer Hiſtorie
145
C.
Arnation, wie ſie in der Entfer⸗
beſchaffen 107
— - der Geſichter 1
08
Centrum der Schwere bey Men⸗
ſchen ' 41
Chimæriſches Thier zuſammen zu ſe⸗
en 200
Coͤrper, wie fie durch den Nebel er⸗
ſcheinen 116, welcher von der Far⸗
be feines Objecki Antheil nimmt 70
welcher ſich in ſeiner Farbe am
ſchoͤnſten zeiget 71, welcher am mei⸗
ſten feine natuͤrliche Farbe zeiget 75
welche Theile derſelben ſich verlieren
und ſichtbar bleiben 107, deren all⸗
gemeines Maas
11
Compoſitiones der Hiſtorien und Fi⸗
guren so
Compofition der menſchlichen Glie⸗
Contours der Coͤrper 5
Efperater Menſch, wie er abzu⸗
bilden 160
Deutliche und undeutliche Sa⸗
chen, wo ſie in Gemaͤhlden anzubrin⸗
gen 101
Dicke des Menſchen, wie eine Haͤlfte
derſelben mit der andern corre-
ſpondiret 40
DunckeleꝛCoͤrper, was er in heller Far:
be verurſachet 136
Regiſter.
Durchſcheinende Coͤrper, was von ih⸗
rer Stellung zu mercken 124
Durſcheinende Farben, deren Veraͤn⸗
derung 123
Ine perſon zu zeichnen, die mit vie⸗
len redet 157
Einfallende Lichter, deren Farbẽ 69
Einpfaͤhlen, in was vor einer Figur .
geſchiehet a 46
Entfernte Sachen, wie ſie in der
Mahlerey zu tractiren 110
Entfernte Coͤrper, was von ihren un⸗
terſten aͤuſſerſten Theilen zu mercken
118
Erhebung der Figuren, die weit vom
Auge ſtehen 96
Alten der Gewaͤnder, wie ſie zu ma⸗
chen 161.162, deren Verkuͤr⸗
tzung 163, wie ſie das Auge be⸗
trachtet. 163
Farbe eines Wiederſcheins, wie ſie be⸗
a
ſchaffen 79
Farbe, wird in der Luft verändert 103.
106 , welche den ſchwaͤrtzeſten
Schatten giebt 120, des Schat⸗
e od dam Moißen rar/ des Schat⸗
tens 77, der durch den Wieder⸗
ſchein veraͤndert wird 76, einer je⸗
den Farbe 76, welcher Theil der⸗
ſelben in dem Wiederſchein am
ſchoͤnſten ſeyn ſoll. 7
Farben, Anmerckungen von felbigen
111.183 , derjenigen Sachen, die
weit vom Auge ſtehen 117, wie fie
auf Leinwand zu tragen 138, Ob ſie
durch den Schatten eine einfoͤrmi⸗
ge Dunckelheit beſitzen 62
Farben
Regifter.
Farben der Objedten, in welcher Wei
te fie ſich gantz verliehren 114, wie
ſie in ihrer Oberflaͤche ſchoͤn und
lebhaft zu machen 123, wo ihre
hoͤchſie Schoͤnheit ſeyn fol 12, wel⸗
e Glantz haben, wo ſie am
ſchoͤ njten 125, welcher Theil von ei⸗
Ben Farben ſich am ſchoͤnſten 425
get 25
Farben, die aus Vermiſchung bee
entſpringen 127, wie fie zuſammen
zu ſetzen, das ſie annehmlicher wer⸗
den 128, wie die einander entgegen
geſetzte beſchaffen 129, die ſich in
Vergleichung ihres Grundes, 25
ihrem Weſen veraͤndern 13
Fehler, die entdeckten, ſoll man bald
verbeſſern 192, werden im
Groſſen eher bemercket 100
- der Mahler 146
Feld, was der he vor eines zu ſei⸗
nen Figuren erwaͤhlen ſoll 130
Felder, die ſich zu jedem Schatten und
Lichte ſchicken 132
der Gemaͤhlde 129.130.131. 22 75
Feld- „Schlacht, wie ſie zu mahlen 168
. ſie zum zeichnen er
bade ſich gegen den Wind Ai
30
—— (ec hochſcheinend zu machen 86.
87. Uber ihren Grund zu erhe⸗
ben 131.132
was von einer entzeln, auſſer der
Hiſtorie zu mercken 143
Figuren, ihre Abtheilung 10, ihre Stüs
cke 12, wie man ſie in Hiſtorien ſoll
zuſammen ſetzen lernen 149, wie Diez
ſe zu machen, die etwas zeigen 157
Figuren, wie ſie! in einer Hiſtorie anzu⸗
ſehen und zu zeichnen ſeyn 149
Firniß, wie eine unvergänlicher zu 5
chen
Flache Oberfläche einförmiger Barden
Flecken der Schatten, die von weiten
an Coͤrpern erſchemen 94
Fleiß, iſt von der geſchwinden .
zu lernen 194
Frau, wie eine junge zu mahlen 155
Freyes Feld, darein ſoll man weit ent⸗
fernte Sachen nicht dunckel machen
94
Freyſtehende Objecta zu machen 134
Gebaͤude, wie ſie früh und Abends,
beym Nebel erſcheinen 117. wie ſie
in dicker Luft geſehen werden 97.98
Gedaͤchtniß kan nicht alles behalten 7
Gelencke der Singer, wenn ſie fich vers
dicken 25, der Fuͤſſe 16
Gemaͤhlde mit Firniß zu uͤberziehen
139, ſind nur aus einem Stande zu
re 86, wo man fie anſehen
ſo 173
Gemahlte Sachen, waruͤm ſie nicht ſo
freyſtehend erſcheinen als die natuͤr⸗
lichen 90, ſcheinen in der Natur 5
habener
Gemuͤths⸗ Bewegungen de Menschen
auszudrucken 156, die ohne und mit
der Bewegung des Leibes geſchehen
35, wie ſie eine Perſon bewegen 36
Geſicht, warum es in einem Gemaͤhlde
groͤſſer als in der That ſcheinet 88
Geſichter, warum die weit entfernten
dunckel ſcheinen 83, ihnen eine ar
nehmlichkeit zu geben
Gewaͤnder der Figuren, was dae Mu
mercken 160. g 2 Ge⸗
Begiſter.
Gewicht eines ſtehenden Menſchen 29.
38, wie er ſein erſtes Gewicht 5
aͤndert
Gleichheit der Geſichter in Hiſtori 25
148
Gleiches und Gegen⸗Gewicht 31
Glied, was von ſeiner Proportion zu-
mercken 9
Glieder, die ſich biegen, was von deren
Fleiſch zu mercken 23, welche ſich
durch das Biegen verdicken 285
. der gemahlten Sachen abzubil⸗
88
ate Farbe, welche am ı meiften blau
t 11a, wie fi e im Felde erſchei⸗
165
Grund der Gemaͤhlde 129 ſeqq.
Gruͤnſpahn, was davon zumercken
122 e ee 122
9 Umriſſes „wie er zu 275
Wen en der Hiſtorien, wie e
zu ſetze
Dante 2 Landschaften, wo fie her
ruͤhret
iſtorien, wie ſie zu verfertigen
Hoͤhe der Gebaͤude in einem Nebel 116
- der Schultern, deren groͤſter 5
ter ſcheid
Horizont, wie er ſich im Waſſer ie
68
gelt *
*
* genium zur Erfindung ee
tern
Judicium,betreugt 191, tiber die Ar,
beit eines Mahlers 140
Jjuncturen der Glieder 24, der Kinder
27, der Schultern 25, der Hand
mit dem Arm 25, der Finger 2, der
Fuͤſſe 16
—
3
Inder, wie deren Jundturen bez
2 ſchaffen 27
Klarheit der Farben 112
Kleine Kinder, wie fie vorzuſtellen 156
Kleine Sachen, muͤſſen nicht ſtarck
umriſſen werden 100
Kopf, wie er mit Schatten und Br
zu mahlen
Kraft des Menſchen, wo he am 05
en
Kruͤmmung des Menschen, „ wie wert
fie ruͤckwerts geſchiehet 49
L.
Landſchaft zu mahlen 164, waruͤm
L* ſie manchmal anderſt erſcheinet
als ſie in der Taht iſt 99
Laſthebende und tragende Figuren 43.
44
gauff eines Menſchen oder Thieres 42
Lehn cite von der Mahlerey. vide
Præc
Licht, fen en Beſchaffenheit 2, wo es
zu nehmen 54, wo und wie hoch es
beymgeichnẽ nach deꝛ Natur zu neh⸗
men 52.53.57, wie man es den Sir
guren geben ſoll 56, welches den
Figuren groſſe Erhebung giebt 58,
bey welchen man nackichte Figuren
und Portraits machen ſoll 59, wel⸗
ches das allgemeine in der Mahle⸗
rey 59. Beym Licht zu zeichnen 61
deſſen Farben 61, von welchen Or⸗
5 17 ſelbiges nicht zuruͤcke ine 2
1 „deren Unterſcheid i in der en |
echt und Schatten, Præceptum dw
von 181.185
meal Perſpectiv 82
Luft,
Reg
Luft wie ſte ſch im Waſſer zeiget o
wird nahe an der Erden klaͤrer 96
Luft⸗Perſpectiv r 92
x
5) Aas einer Statue 16. des Men⸗
ſchen 14, deſſen Veraͤnderung
12. Unterſcheid deſſelben 13
Mahlen, wie man es lehren ſoll 1
Mahlerey, * ſie betrachtet werden
N
173
was das Wichtigſte darißen 199
Mahler, wie er ſich univerfal machen
ſoll 188, deſſe vornehmſte Intention
ibid. wie er von ſeiner Arbeit am
beiten urtheilen kan 190. 191. fol
ſeine Arbeit von jedem beurtheilen
laſſen 191, wie er ſich m Anſehung
des Lichtes ſetzen ſoll 12, Fehler deſ⸗
ſelben bey Vorſtellung erhabener
Sachen 60
Mahler, ſoll man nicht imitiren 195,
ſollen ſich nicht zu viel trauen 198
Mahler, Nachrichten vor ‚diefelbigen.
ee en
Mannigfaltigkeit der Geſichter 148
Manns ⸗Perſone, wie fie zu ſtellen 155
Menſchen, was von deren Beſchaffen⸗
heit in Hiſtorien zu mercken 153
Menſchliche Bewegungen
44
Mittel, wenn ſich Weis auf Weis und
Dunckel auf Dunckel endiget 133
Modell der Mahler, was davon zu
mercken 180
Muſculi, was davon zu mercken 18,
verſchwinden 20,zwiſchen den Bruͤ⸗
ſten und Ober⸗Leib 20, deren Ver⸗
kuͤrtzung und Extenſion 21, waruͤm
ſie kurtz und dicke ſeyn 22, wo ſie
nicht dicke 22
Motus localis iſt langſam oder ge⸗
ſchwinde 41
iſter.
N cht, wie ſie vorzuſtellen 172
(Nackendes, wie es beſchaffen ſeyn
ſoll 18, deſſen ſichtbare Muſculi
ſollen keine Bewegung haben 19,
daran ſollen nicht alle Mufculi zu
ſpuͤren ſeyn ö 20
Nackichte Figuren zu zeichnen 6
Natur, wie darnach zu zeichnen 5.6
Natur der Farben des Feldes, wor⸗
auf das Weiſſe gelegt wird 133, der
Umriſſe von Coͤrpern uͤber andere
Coͤr per N 2136
Nebel, was wegen der Gemaͤhlde das
von zu mercken 1b. ſeqq.
Neigung zur Mahlerey, wie ſie zu er⸗
kennen 2
i Wee e e ene
. welche am geſchickte⸗
ſten iſt die Farben anzunehmen,
121, der ſchattigten Coͤrper
74, dunckler Coͤrper, ob ſie von der
Farbe, ihre Objectis Theil nehmen
727 welche ihre Farben weniger als
andere zeigen 75
Objecta 190, wie ſie ſich vom weiten
zeigen 96, waruͤm ſie daſelbſt un⸗
deutlich werden 113, was von hoch⸗
erhabenen in der Ferne zu mercken
11 f, wie ſie durch den Nebel erſchei⸗
nen 116, welche das Auge zwiſchen
Nebel und dicker Luft unter ſich
ſiehet 117, ſehr erhabene, waruͤm
ſie in der Ferne viel dunckler als die
niedrigen jepn „ob ſchon der Nebel
in der Dicke gleichfoͤrmig iſt 119,
wenn ſie ihre eigene Farbe nicht zei⸗
gen 9113 70
Arallele Coͤrper, wie fie im Nebel
erſcheinen 182 a; ber-
Perſpectiv von der Abnahme der Far⸗
be in weiter Entfernung 109
Perſpectiv der Farben 102. 105, in
dunckeln Orten 113, wie ſie ein
Mahler pradticiren fol 114
Perſpectiv in der Mahlerey. Præce-
ptum davon 18
Plan eines Feldes, wie er zu zeichnen 8
Ponderation eines ſtehenden Men⸗
en 29
Poſition der Figuren 39
Practic, ſoll ein Mahler ſuchen 193,
iſt ohne Wiſſenſchafft nichts 193
Præcepta von der Mahlerey 174.178.
179.182
Profil der Coͤrper 3
Proportion der Glieder 9. 10, wie
man ſich in der Schoͤnheit derſel⸗
ben betruͤgt 11 ‚unterfchiedliche Zus
fälle berfelben 14, der Hoͤhe, was
man den Figuren vor eine auf His
ſtoriſchen Tafeln geben ſoll 151
R.
Auch was davon zu mercken 155
167
Reflexion. Siehe Wiederſchein.
Weederſtrahlung. Zuruͤckſtrahlung.
Regen, wie er vorzuſtellen 166
Runde Sachen, wie darnach zu ya
nen
S.
Chatten in der Carnation 182
was davon zu mercken
61, der von einer Bruͤcke auf das
Waſſer fält 63, von deſſen Far⸗
be 77, waruͤm er Abends auf
einer weiſſen Mauer blau er⸗
ſcheint 78
3 Schönheit der Ir ‚fol im eichte
Schattigte Coͤrper, was ſich bey de⸗
ren Entfernung daran verliehret 93
Segen welche am e
digſten
Schlag, wie der Menſch die Sure
darzu einrichtet
124
in Schatten, was davon zu
mercken 126
Schultern, wie die Bewegung 978
ſelben geſchiehet a
Schnee⸗Sturm, wie er a,
ten
See⸗Waſſer ar das under
nende vor Farben
Senne ohne Muſculn wo ſie fon
Sonnen⸗Strahlen, wie ſie ſich durch
die Wolcken ausſtreuen 71
Springende Figuren, wie ſie beſchaf⸗
fen 49. 5
Stand der Figuren
Stehender Menſch, der ſein Ge
wicht, mehr auf einen als den an⸗
dern Fuß wirft 38
Stellung Ri decke 156, der Figu⸗
39
— .- der Menſchen 38, wieſt e ein⸗
zurichten 141, 12 —2. —
derſelhen
Spiegel „ein Meiſter der Mahler
192
Staub, was davon zu mercken 167
Staͤrcke, die zuſammen geſetzte 57
rme
Statua, deren Abtheilung 16, wit de
zu machen 192
Studi-
Beg “ti,
adiren, wie ein Mahler fol 2. 7.
198
dium, das erſte eines jungen
Mahlers 2.3
1 T.
Heile eines Coͤrpers, welche ihre
— Deutlichkeit in der F Ferne ver⸗
liehren 84
mpeſt zu mahlen 170
‚mini der Coͤrper 3
V.
Vränderung der Farben! in nahen
5 und weiten Sachen 102
- - einerley Farben, in ver⸗
ſchiedener Weite vom
Auge 106, in den 1150
lungen
der Figuren in des Hits
rie 147
in den Hiſtorien, von deren
lud g lbnehl
lu
eee San Figuren in der 5
orie
erliehrung der Figuren vermitkelſt
er Finſterniß 62
minderung der Farben, durch die
wiſchen ſie und das Auge geſetzte
Sörp er
miſchung der Farß n ne
eren Lauff und
jierfüffige Thiere
Fortgang 43
Vier Jahrs⸗Zeiten vorzuſtellen 164
Imriſſe der Eörper 3 ieh deren Haͤr⸗
te zu vermeiden 4, der Glieder ge⸗
gen die Seite des Lichte
Umſtehende bey einer : Begebenbeit,
wie deren Actus feynfol 1 78
Ungleichheit bey den Umſtaͤnden in ei⸗
5 Compoſition wie ſie zu TR
e des Lachens und Wee
„ in Derglecchung der Obers
fläche und eines dichten
Coͤrpers bey einem Ge⸗
maͤhlde 137
W.
Be Stond des Men⸗
Gele et zween
28
der Laſt um das Cen-
trum von der
Schwere der 7.
per
einer Figur 31, eines
ftille e
Waldichter Ort, wie er daun
Weibs⸗Perſonen, wie ſie zu pe
Weiß, waruͤm es nicht unter de
Farben zu zählen
Welt⸗Gegenden bey Canoroafen
TE Wendungen des Menfchen 13, des
Beines ohne den 3
was davon zu mercken
Werfen, mit groſſer Gewalt, wie “
abzubilden
Wiederſchein, 5 wo er am meifcn
geſehen wird
5
Mu a
— ́ꝗ——— ee
Wiederſchein der Farben 65 „des
Lichtes 65. 80, der Colorit in der
Caxrnation 71 wo er ſichi in N
Felde endiget
Wetderſcheine, welches die n
und doppelten 67, wo ſie am em⸗
pfindlichſten ſeyn 80, find ſelten
von der Farbe des Cörpers, wo fie
ſich vereinbahren 74
Wiederſcheinendes See Waſſer was
es vor Farben hat
Wiederſtrahlung, welcher Thel der⸗
ſelben am helleſten wird 66
achten ie Ko 165
Ohl ev Se
i 2 8
— NB.
Jeitgmung ,ob ſie nuͤtzlicher als d
SN und das Licht d⸗
Corpers je ſey 19
Ziehende Figuren, „wie ſie zu bach
Zorniger Menſch, re wie er na
Suzi prallende Lichter deren 7
Zuruͤckſtrahlungen der Lichter dene
Schatten umgeben
ee der wahl
‚art 42
is &
-
> Pag. 22. Lin. 24. leſe man 14 vor 16 i
pag. 39. Lin. 9. leſe man Cap. 89 vor Cap. 98.
ente e- 4-27.67 -n SHIT -b
Bericht an den Buchbinder.
. in er geſtochene Figuren / find nach den darůber gefebrie
benen paginis einzuheften oder anzuleimen / daß
konnen ausgeſchlagen werden.
ß fie allen falt
— le a.
u CC Ä ⅛ XQ U u ud nl nn
Fe 72.
5
* tg, * Ha, e
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